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Full text of "Geschichte des rumänischen Volkes im Rahmen seiner Staatsbildungen"

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ALLGEMEINE STAATENGESCHICHTE 

Heranigegeben von KARL LAMPRBCHT 

t. ABTEILUtIG: OBSCHICHTS DKR KUROPAiaCKEN STAATKN — U, ABTEILUNG; OE- 

8CHICBTB DER AUSZERKUROPAISCBKN STAATEN — lU. ABTEILUNG : DEUTSCHE 

LAMDESOEaCmCHTEN 



Erste Abteilung: 



Herausgegeben 



A. H. L. HEEREN, F. A. UKERT, 
W. V. GIESEBRECHT UND K. LAMPRECHT 



Vierunddieifeigstes Werk: 

JORGA, GESCHICHTE DES RUMÄNISCHEN VOLKES 

Erster Band 
(Bis zur Mitt* des lO. Jahrhunderta) 



GESCHICHTE DER EUROPÄISCHEN STAATEN 

Hennugcgeben von 

A. H. L. HEEREN, F. A. UKBRT, W. ▼. OmSEBRECHT 

VHD K. LAMPRECHT 

VienmddreilsigBtei Werk 



GESCHICHTE 

DES 

RUMÄNISCHEN VOLKES 

IM RAHMEN SEINER STAATSBILDUNGEN 



N. JORGA, 

Frof«$ior >a der Uoiir«nität Bnkucst 



Erstet Band 
(BlB ZOT Mitte äom le. Jahrhunderta) 



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Vor\?v^ort. 



Hafs und Eigendünkel haben den meisten bisherigen Darstellern 
der rumänischen Geschichte die Feder geführt; und was dabei heraus- 
gekommen ist; das läXst sich leicht erraten: lauter verkehrte^ der 
Wahrheit widersprechende Anschauungen, die sich Unkundige mit 
bewunderungswürdigem Eifer angeeignet und verbreitet haben. 

Nur so war es möglich , dafs man ausposaunen konnte, die 
Rumänen seien nicht romanischen Ursprungs und seien, ohne eine 
Spur zurückzulassen, aus den Gegenden nördlich der Donau nach 
dem Süden gewandert, um den eben erst heranziehenden Magyaren 
Platz zu machen. Man erzählte, die Aräminen im Süden hätten 
keine politische Rolle in dem zweiten „ bulgarischen^' Reiche gespielt, 

I nur um die dortigen Slaven nicht in ihrem Stolze zu kränken, und 
bezeichnete die Rumänen als eine der Kultur unfähige Nation, die 
alles, was sie jetzt besitzt, von den Magyaren und Neugriechen 
entlehnt habe. Ja, noch vor kurzem hat ein Rektor der Athener 
Universität behauptet, ein Volk, das aus acht Millionen Bauern 
besteht, dessen Glieder durch gemeinsame Sprache, Kleidung, 

- Sitten usw. verbunden sind und in dieser Hinsicht fast einzig da- 
stehen, sei keine eigentliche Nation, sondern nur ein verächtliches^, 
dem baldigen Untergange verfallenes Völkergemisch. 



VI Vorwort 

Auf der anderen Seite vernimmt man aber durchaus entgegen- 
gesetzte^ nicht minder falsche Töne. Die Rumänen gelten manchen 
als die echten und ausschliefslichen Nachfolger der Römer, und 
nicht als die der Romanen auf der Balkanhalbinsel; ihre heutige 
Sprache verrate am besten — so sagen sie — , welches die Mutter- 
sprache gewesen sei; das Barbarentum sei spurlos an ihnen vorüber- 
gegangen: hier vrie dort; auf dem rechten wie dem linken Donauufer,, 
hätten sie sich unausgesetzt als Vertreter der alten Kultur behauptet; 
alle Entdeckungen der neueren Zeit seien zuerst bei ihnen in Er- 
scheinung getreten; die heilbringende französische Revolution sei 
durch Bauernaufstände im rumänischen Siebenbürgen eine geraume 
Zeit vorher angekündigt worden, und was sich Rühmliches mehr 
sagen läfst. 

Unparteiische Stimmen sind dagegen nur schwach vertreten^ 
aber es lassen sich auch einige solche anführen. 

Wie jeder gebildete und normal fühlende Mensch, liebe auch 
ich mein Volk. Aber dieses Gefiihl hat gar nichts zu tun mit der 
Geschichte der römischen Kolonisation, mit den MalBregeln Kaiser 
Aurelians, mit den Verhältnissen in dem bulgarischen oder wa- 
lachischen Reiche^ mit der Eigenart der magyarischen Ausbreitung 
in Siebenbürgen, mit der französischen Revolution und unseren 
Bauemau&tänden : ich liebe mein Volk, weil es das meinige ist, — 
und das ist alles. 

Aber um Geschichte zu schreiben, dazu brauche ich nicht 
Liebe und Hafs; ich brauche nur Quellen und dasjenige Maid ge- 
sunden Menschenverstandes, das notwendig ist, um sie zu be- 
leuchten. Was ich hier biete, das ist das Ergebnis einer solchen 
vorurteilsfreien Betrachtung der authentischen Quellen; die in ihnen 



Vorwort. m 

enthaltene Wahrheit erscheint durch mich nur in einer organischen 
Gestalt; zusammengefügt zu einem lebendigen Kulturbilde, das 
keine Lücken aufweist. 

Das vorliegende Buch ist aber andrerseits nicht ein Repertorium 
für den^ der sich über Einzelheiten unterrichten will. Solche Dinge 
gibt es auch in der rumänischen Ge^hichte genug, um viele, recht 
viele Foliobände mit Sinn und Unsinn zu füllen. Diese Einzel- 
heiten verdienen wohl studiert zu werden, weil es für die mensch- 
liche Natur eine Notwendigkeit ist, die Wahrheit überall zu suchen, 
und weil sich nur auf Grund solcher Feststellungen der geschicht- 
lichen Wahrheit im einzelnen ein klarer Blick für das Ganze, Grofse, 
Charakteristische imd Weltgeschichtliche gewinnen läfsi Jedoch 
von einem Faktum zum anderen auf den bequemen, lediglich 
chronologischen Pfaden sich ärmlich fortzuschleppen, eine kritische 
Seminararbeit mit der anderen zu verknüpfen, insoweit solche Er- 
zeugnisse menschlichen Scharfsinnes sich überhaupt miteinander 
verknüpfen lassen, das pafst nicht für ein Volk, das eine wirkliche 
Geschichte besitzt. Schöne biographische Porträts auf leeren 
weifsen Wänden aneinanderzufügen, war auch nicht mein Zweck. 
Ich hatte vielmehr eine doppelte Absicht im Auge. 

Erstens wollte ich die Entwickelung der rumänischen Nation 
nicht in ihren mehr oder weniger grofsen Individuen darsteUen, 
sondern die Nation selbst als lebendiges Wesen betrachten und 
ihren inneren Werdegang verfolgen. Grofse und kleine Per- 
sönlichkeiten kommen dabei nur in dem Mafse zur Geltung, 
wie sie gerade zu diesem grofsen Werke unter den vielen 
MiUionen einer zweitausendjährigen Entwickelung beigetragen 
haben. 



vm Vorwort. 

Zweitens wollte ich diese Entwickelung in ihrer Beziehung 
zu den Nachbarvölkern schildern; um so die Einwirkungen ^ die 
andere Völker auf die Rumänen ausgeübt haben, wie diejenigen^ 
die von ihnen ausgegangen sind, für das Verständnis der Welt- 
geschichte, die als Kulturgeschichte gewifs existiert, nutzbar zu 
machen. 

Inwieweit mir dies gelungen ist, hat der imbefangene Leser 
zu beurteilen; jedenfalls habe ich das jBeste gegeben, was ich 
geben konnte. 

Dank schulde ich schliefslich noch Herrn Dr. Armin Tille 
in Leipzig, der das ganze Werk hinsichtlich der Ausdrucksweise 
und des Stiles einer Durchsicht unterzogen hat. Nur so war es 
mir als Fremdem möglich, dem deutschen Publikum ein Buch vor- 
zulegen, das, wenn es auch von einem Ausländer in deutscher 
Sprache niedergeschrieben worden ist und diesen Ursprung ge- 
legentlich verrät, doch lesbar sein wird. 

N. Jorga. 



Inhalt. 



Seite 

Bllillographlsche Einleitung i 

Altere Chronisten der Moldau und Walachei S. 1. Fremde, die über 
rumänische Geschichte im 18. Jahrhundert geschrieben haben S. 1. 
Arbeiten der rumänischen siebenbür^schen Schule, dakische Ge- 
schichte von Photeinos S. 3. Erste Materialiensammlungen und Ge- 
schichtswerke der rumänischen Historiker im 19. Jahrhundert S. 3. 
Hasdeu und Hurmuzaki S. 6. Übergangsperiode der rumänischen 
Geschichtschreibung S. 6. Neue historische Schule in Eumänien S. 6. 

Die Bildung des rumSnlsehen Yolkes (ethnographisch -hi- 
storische Einleitung) 8 

I. Die thrakischen Ahnen 8 

Spezielle Bibliographie S. 8. — I. Die Illyrier: Kämpfe mit den Bö- 
mern unter der Bepublik S. 10. Fortsetzung der Elämpfe in der 
Kaiserzeit S. 12. — II. Die Thraken: Volksleben, Volkssitten und 
Götterkultus S. 14. Feldzug des Königs Dareios und EinfluTs des- 
selben auf die thrakischen Völker S. 16. Die Geten und die make- 
donische Macht S. 17. Geten und Bastarnen S. 17. — lil. Die Daker : 
Ursprung und erste Kriege mit den Bömern; König Boirebista S. 21. 
Daker und Bömer nach Cäsars Tode S. 22. Domitian und die 
Daker S. 24. Persönlichkeit des Königs Dekebalus S. 25. Trajan 
und der erste dakische Krieg S. 26. Zweiter dakischer Krieg S. 30. 
Denkmal von Adam-Klissi S. 33. 

n. Die römische Provinz Dakien und die östliche Romania bis 

zur Teilung des Reiches 33 

I. Errichtung der Provinz Dakien: Organisation derselben S. 33. 
Bömische Kolonisation in Dakien S. 35. Aufblühen der Provinz; 
Haltung der bezwungenen und freien Daker S. 37. — II. Kaiser 
Hadrian S. 39. — III. Die (jermanen an der dakischen Grenze : Mark 
Aurel S. 40. Bomanisierungsprozefs in Dakien unter seinen Nach- 
folgern S. 41. Das Christentum als forderndes Element bei der 
Bomanisierung des Ostens S. 42. Die Goten an der Donau: Kämpfe 
mit den Bömern S. 44. Beziehungen der einfallenden Goten zu den 
Provinzialen S. 47. — IV. Dakien nach seiner Bäumung durch Kaiser 
Aurelian: die Bäumung S. 52. Diokletian, Konstantin der Grofse 
und die von den Goten besetzte Provinz S. 54. Konstantins 
Söhne und Dakien S. 56. Kriege der Goten gegen Kaiser Valens 
S. 57. — V. Ende der Gotenherrschaft: Emfall der Hunnen S. 59. 



X Inhalt. 

Seite 

m. IHu romanische Element im Osten zwischen Byxanz und den 
Barbaren bis zum ireschichtlichen Auftreten des rumä- 
nischen Volkes 60 

VerheeruDg der ProviDZ Dakien und der Balkanbalbinsol darch die 
HnDnen S. 60. Bewegung der germanischen Stamme nach Westen ; 
Zurückbleiben der G^^piden 8. 63. Langsame Ausbreitung der 
Slawen S. 64. Avaren in Pannonien und Slaven in Dakien 8. 66. 
Ankunft der Bulgaren an der Donau 8. 70. Der erste bulgarische 
Staat 8. 72. Erscheinen der Magyaren 8. 72. Mähren und Bul- 
garen in Pannonien 8. 74. Legende von der Besetzung des magyarisdien 
Gebietes 8. 75. Die Petschenegen in Süd-Bessarabien: ihr Verhält- 
nis zu den Bömem 8. 76. Herbeirufung der Russen durch die 
Byzantiner S. 78. Verfall der petschenegischen Macht im 11. Jahr- 
hundert 8. 79. Die Eumanenherrschaft S. 81. Die Rumänen und 
Kaiser Manuel der Eomnene 8. 83. Erseheinen der „Wlachen** in 
der Geschichte : „ wlachischer" Aufstand auf der Balkanhalbinsel 8. 84. 

Erster Abschnitt: Die thessalischen und dakisch-mösischen 
Rumänen des Ostens bis zur Gründung des Fürsten- 
tums der Walachei. 

1. Kapitel: Ursprung der Pindus- und Earpathenwlachen und ihre 
unterschiede; das städtische Leben an der Donau während der 
Barbarenzeit 86 

Bibliographie 8. 86, Anm. 1. Das vorromische Element in Dakien, 
Mosien und Uljrien 8. 90. Zerstreuung der romanisierten Bevölke- 
rung in lUyrien durch die 81a7en 8. 91. Charakter der snddonau- 
ischen Wlachen 8. 93. Die thessalischen Wlachen bei Eekaumenos 
8. 94. Die Wlachen als Grunder des Beiches von Tmowo; Eigen- 
tümlichkeiten ihres geschichtlichen Auftretens 8. 95. Unmöglichkeit 
einer grolaen Wanderung der süddonauischen Wlachen in die Ear- 
pathen 8. 98. Verschiedenheit des aräminischen Dialektes 8. 99. 
ächluDBfolgerung über den iUyrischen Ursprung der thessalischen, 
epirotischen und makedonischen Wlachen, der „Araminen'*, 8. 100. 
Geschick des romanisierten Elementes in Dakien nach dem Hunnen- 
einfalle 8. 101. Die Städte an der Donau 8. 102. Notwendige Ana- 
logie der städtischen Verhältnisse an der dako-mösischen Donau und 
in Noricnm S. 103. Erhaltung der alten Namen bis zu Justinian 
S. 105. Ihr Fortbestand während der Zuge Jastinians gegen die 
Slaven 8. 106. Erwähnung alter Ortsnamen im 10. Jahrhundert 
8. 108. Erklärung des Erlöschens der romanischen Bevölkerung in 
Mosien 8. 109. 

2. Kapitel: Das sich bildende rumänische Volk unter slaTischem 
Einflüsse 110 

Bomanische und slayische Bestandteile in der rumänischen Sprache 
8. 110. Ortsnamen im Gebiete des rumänischen Volkes S. 112. Er- 
klärung des Übergewichts slavischer Ortsnamen in den Berggegenden 
8. 115. Bekämpfung der Theorie, dafs sich die Bumänen in die 
Beige zurückgezogen hätten S. 116. Die Wanderungen der rumä- 
nischen Hirtenbevölkerung 8. 117. Beitrag der Slaven zur Bildung 
des rumänischen Volkes S. 118. 



Inhalt. ZI 

Seite 
3. Kapitel: Alteste byzantinische Berichte über die rumänische 
Vergangenheit an der Denan. Die Donaurumänen und das bul- 
garo-wlachische Beich. Beziehungen zu Ungarn. Erste Staats- 
bildungen. Kämpfe um die Unabhängigkeit 120 

Erwähnung der Bumänen nördlich der Donau im 12. Jahrhundert 
S. 120. Stillschweigen der slanschen Quellen über die dortigen 
Bumänen S. 122. Die Bumänen in den ungarischen Quellen; 
Yerhältnis des ungarischen Staates zum Osten 8. 122. Kaiser Jo- 
hannitius Ton Tmowo und die Bumänen: er ist kein Kaiser der 
Wlachen, sondern ein bulgarisch-rhomäischer Kaiser des Ostens 
S. 123. Eine Herrschaft desselben auf dem nördlichen Donaunfer 
wird durch nichts bewiesen S. 126. Ausdehnung des ungarischen 
Staates jenseits der Donau S. 128. Die Ungarn in Siebenbürgen 
S. 129. Einwanderung der Sachsen in dieses Land S. 130. Grenz- 
wacht der Szekler in den Karpathen S. 131. Versuch seitens der 
ungarischen Könige, Deutschordensritter dauernd im Burzenland 
anzusiedeln S. 133. Errichtung der Schlösser Krasso und Seyerin 
und des Seyeriner Banats S. 135. Sächsische Ansiedler in der 
Walachei: comes Konrad im Lotrulande S. 136. Einfall der Tataren: 
Ungarn kann sich nicht weiter gegen die untere Donau ausdehnen 
S. 137. Versuch der ungarischen Könige, die Johanniter in die 
Walachei zu ziehen ; Erscheinen der ersten walachischen Kneziaten 
und Woewodaten S. 139. Der ungarische Königssohn Stephan in 
Siebenbürgen und dessen Beziehungen zu den „kumanischen"* 
Herrschern S. 141. Kämpfe Stephans mit den Bulgaren für die 
Oberhoheit an der unteren Donau S. 141. Der Tatare Nogai, Be- 
herrscher der Donau S. 142. Sein Nachfolger Toktai S. 143. Bul- 
garien befreit sich vom tatarischen Joche S. 144. Bassaraba (Basa- 
rab), Sohn des Ivanko (Tooomerius) , erster Wojwode des „ganzen 
rumänischen Landes" S. 144. Entfaltung seiner Macht duiäi die 
Schwächung Ungarns an der Donau, Überfall des Severiner Banates 
S. 144. 

Zweiter Abschnitt: Wirtschaftliches und geistiges Leben des 
rumänischen Volkes. 

1. Kapitel: „ Wandernde *' Hirten und ansässige Ackerbauer. 
Volkstümliche Einteilung der Bumänen in Bergleute und Bauern 

der Ebene 148 

Die Bumänen sind im allgemeinen kein Hirtenvolk S. 148. Belege 
aus dem Leben der siebenbürgischen Hochlandsbewohner S. 149. 
Wandernde Wlachen sind nur in der Balkanhalbinsel und in Istrien 
zu treffen S. 151. Namen für den Beigrumänen S. 154. Teilung 
der Bevölkerung in Hoch- und Flachlandsbewohner S. 155. Be- 
zeichnung der Landesteile nach den Flüssen S. 156. 

2. Kapitel: Das Stadtewesen 158 

Die von Fremden gegründeten Städte: Baia S. 159. Boman S. 160. 
Neamt S. 161. Bacaü S. 162. Trotu^i S. 163. Ajnd S. 164. Foc- 
^anl S. 165. Buzaü S. 166. ampulung in der Wahichei S. 167. 
Tirgovi^te S. 169. Walachische Marktflecken S. 170. Fiatra in 
der Moldau S. 172. Czernowitz S. 172. Siretiü S. 173. Suczawa 
S. 173. Die durch die Moldau nach Osten fuhrenden Wege und ihre 
fremden Benutzer S. 174. Dorohoiü S. 175. Hotin S. 175. Boto^anl 
S. 176. Hirläü S. 177. Die moldauischen Armenier S. 177. Ck)tnarl 



xn Inhalt. 

Seite 

S. 178. Jassy S. 179. Tirgu-Frumos S. 180. Vaalul S. 181. Ha§i 
S. 181. Rflcira8.182. BirladS. 182. Fabeln über die Birlader Ver- 
gangenheit 8. 183. TecncI S. 185. Galatl S. 186. Benl S. 186. 
Städte zwischen Prath und Dnjestr 8. 186. Tighinea 8. 187. 
Soroca 8. 187. Orhel 8. 187. Lapa^na 8. 187. Häfen: Chilia 
8. 188. Cetatea-Albä 8. 189. Braila 8. 192. Flocl 8. 193. Calä- 
ra^I 8. 194. Giaigia 8. 194. Kleinere walachische Häfen: Severin 
8. 195. Craiova 8. 195. Sktina 8. 196. Bukarest 8. 196. Can^ 
cäkl 8. 197. Mangel rumänischer 8tädte in Siebenbürgen 8. 198. 

3« Kapitel: Die rumänischen Dörfer 198 

Entstehung und Charakter des rumänischen Dorfes S. 199. Gemein- 
schaftliches Besitzrecht der Familie an der Dorfflur 8. 200. Art, 
wie ein Fremder in dem Dorfe Boden erwerben kann S. 203. Unter- 
schied zwischen dem rumänischen Sippschaftsdorfe und der sla- 
yischen zadruga oder dem mir 8. 205. Beschäftigung der Dorfbewoh- 
ner: die Bodenkultur 8. 207. Der Ackerbau in den Volksfesten 
und in der Volksliteratur 8. 207. Weit zurück reichender Ursprung 
der Dorfverhältnisse: die Bumänen als alte Grundbesitzer in unga- 
rischen Urkunden 8. 209. Die jobbagiones castrorum 8. 211. 
Slavische Worte für B^riffe des Ackerbaues 8. 215. Beschreibung 
des rumänischen Dorfhauses 8. 216. Handel im Dorfe; die Jahr- 
märkte S. 221. Volksfeste und Volksheilige S. 221. Die „hei- 
ligen" Wochentage 8. 225. Obematürliche Wesen in den Märchen 
8. 226. Gute und schlechte zine S. 227. Volksliteratur: Märchen 
8. 228. mstorische Lieder 8. 230. Tänze S. 232. Die doina 
S. 232. Ältere Finrichtungen in der Zeit selbständigen Dorfiebens: 
das volkstümliche Landesgesetz S. 234. Gericht der Dorfaltesten 
8. 236. Bumänische Edelleute in Siebenbürgen 8. 237. Begriff des 
„rumänischen Landes** und seiner Nachbarn 8. 238. Es gibt nur 
einen einzigen Kaiser 8. 240. Der rumänische Wojwode S. 241. 
Der rumänische Bichter: Jude, knez S. 245. 

Dritter Abschnitt: Zeit der UnabhäDgigkeit und der losen 
Abhängigkeit von dem osmanischen Reiche. Kriege- 
rischer Staat der freien Bauern. 

1. Kapitel: Kämpfe gegen Ungarn für die Unabhängigkeit im 
Fjirstentume Walachei. Gründung des Fürstentums Moldau. 
Früheste Zustände in beiden Staaten und erste Organisations- 
mafsregeln 248 

Bibliographie 8. 248, Anm. 1. Titel des walachischen Fürsten 
8. 250. Ältester Zustand der rumänischen Kirche S. 251. Bul- 
garischer Einüufs auf die walachische Organisation 8. 252. Die Bo- 
jaren 8. 253. Eechte des Fürsten 8. 255. Naturalwirtschaft in 
seinem Lande 8. 256. Fremdes Geld und die Zölle 8. 257. Kampf 
Basarabs gegen den ungarischen König Karl Bobert S. 260. Alexander, 
der Nachfolger Basarabs, und König Ludwig der Grofse von Ungarn 
8. 261. König Ludwig und die Tataren S. 264. Der Bebelle Bog- 
dan, Wojwode in Marmaros, gründet das Fürstentum der Moldau 
8. 265. König Ludwig im Kampfe mit dem walachischen Fürsten 
Wladislaw S. 269. Der Krieg um den Besitz Widdms 8. 270. 
Wladislaws Beziehungen zu den Herrschern südlich der Donau S. 273. 
Organisation der walachischen Metropolitankirche 8. 275. Die ersten 
walachischen Klöster S. 277. Der walachische Fürst Dan LS. 279. 



1 



Inhalt. TTTT 

. Seite 

2. Kapitel: Die eigentliche Organisation der rumänischen Staaten, 
durch Mircea in der Waladiei und durch Alexander in der Mol- 
dau. Innere Streitigkeiten zwischen den Bewerbern um die 
Fürstenkrone. Türkenkämpfe 280 

Mircea, Fürst der Walachei, Vordringen der Türken an der 
Donau S. 280. Einfall der Türken in die Walachei und Einsetzung 
des Fürsten Vlad S. 282. La^co, Fürst der Moldau S. 282. Die 
ersten moldauischen Bojaren S. 283. Regierung des litauischen 
Prinzen Jurij Koryatowicz S. 284. Peter, Fürst der Moldau S. 285. 
Bündnis beider rumänischen Fürsten mit Polen S. 286. Roman, 
Fürst der Moldau, Bruch zwischen Mircea und dem polnischen 
König S. 289. Ungarischer Zug gegen die Türkenschützlinge Stephan 
m der Moldau und Vlad in der Walachei S. 289. Grofse Schlacht 
der abendländischen Ritter gegen die Türken bei Nikopolis S. 290. 
Mircea zum zweiten Male Fürst der Walachei S. 290. Seine Kämpfe 
mit den Türken S. 291. UrsprüngUche Bevölkerung im Fürsten- 
tume Moldau S. 292. Rechte des Fürsten S. 293. Seine Be- 
amten S. 293. Naturalwirtschaft und fremdes Geld von den Zöllen 
S. 294. Organisation der moldauischen Metropolitankirche S. 295. 
Hinscheiden des moldauischen Fürsten Stephan S. 296. Kämpfe 
um den moldauischen Thron und endlicher Sieg des ersten Alexander 
S. 297. Dessen Beziehungen zu Polen S. 298. Neue Grenzen 
der Moldau S. 300. Reger Handel und Klostergründung in diesem 
Lande S. 301. Letzte Beziehungen Mirceas zu den Türken S. 302. 
Der Tod Mirceas und die Kämpfe zwischen dessen Sohn Dan U. 
und dem moldauischen Alexander um den Besitz der Stadt 
Chilia S. 304. Krieg an der Donau zwischen Dan und den Türken 
S. 305. Pläne des Kaisers und Königs Sigmund auf die Walachei 
und die Moldau S. 306. Einmischung Aleiianders in die walachischen 
Angelegenheiten: Alexander, Sohn Mirceas, und VladDracul Fürsten 
der Walachei S. 308. Tod Alexanders , des moldauischen Fürsten, 
und Bruderkrieg wegen seiner Erbschaft S. 309. Türkische Fort- 
schritte an der Donau S. 312. Johann von Hunyady als Türken- 
bekämpfer und Rumänenbeschützer S. 312. Die Rumänen als Grenz- 
verteidiger Siebenbürgens S. 313. Der Bauernaufstand in diesem 
Lande S. 314. Die Laufbahn Hunyadys S. 316. Moldauisch-wa- 
lachische Zustände im Jahre 1440 S. 318. Einfälle der Türken in 
Siebenbürgen S. 318. Veränderungen in der Moldau S. 319. Nieder- 
lage der Christen bei Warna S. 320. Ermordung Vlads, des wa- 
lachischen Fürsten S. 321. Roman II., Alexander H., Fürsten der 
Moldau S. 321. Wladislaw, walachischer Fürst S. 322. Bogdan IH., 
Fürst der Moldau S. 322. Thronbesteigung Peter Arons in der 
Moldau S. 323. Erniedrigung der Moldau vor Polen und Türken 
S. 324. Vlad ^epe?, Fürst der Walachei S. 324. 

3. Kapitel: Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates 
während der fünfzigjährigen Regierung Stephans des Grofsen, des 
Fürsten der Moldau 325 

Thronbesteigung Stephans in der Moldau S. 325. Der Tod Hunyadys 
S. 326. Zustand des Landes in dieser Zeit S. 327. Vergleich 
zwischen der Bojarenorganisation in der Moldau und in der Wa- 
lachei S. 327. Das moldauische Heer S. 331. Die freien moldau- 
ischen Bauern S. 333. Vergleich der kirchlichen Zustände in der 
Moldau und in der Walachei S. 335. Beziehungen Stephans zu 
Polen S. 338. Zug des Sultans Mohammed 11. gegen die Walachei 



xnr Inhalt. 

S«it<» 

S. 339. Stephan erohert den Hafen Chilia S. 343. Krieg mit dem 
ungarischen König Matthias S. 343. Kriege mit dem walachischen 
Fürsten Kadu dem Schönen S. 345. Basarab 11., Först^der Walachei, 
S. 347. Kampf Stephans gegen die Türken am Podul-Innalt S. 348. 
Einnahme der Stadt Caffa durch die Türken S. 351. Zug des Sul- 
tans gegen Stephan S. 343. Wiedereinsetzung und Tod Vlad ^epe^* 
S. 355. Basarab III., Fürst der Walachei S. 355. Einsetzung des 
walachischen Fürsten Ylad des Mönches S. 356. Einnahme der 
moldauischen Häfen durch Sultan Bajesid U. S. 357. Letzte Kriege 
Stephans mit den Türken S. 358. Krieg Stephans gegen Johann 
Albrecht, König von Polen S. 360. Scharmützel mit den Türken 
im Jahre 1499 S. 362. Letzter Krieg mit Polen und Tod Stephans 
S. 362. 

4. Kapitel: Verfall der rumänischen Kriegsstaaten nach dem Tode 

Stephans des Grofsen 368 

Bogdan, der Sohn Stephans, Fürst der Moldau S. 364. Sein Knog 
gegen Polen S. 365. Badu, Fürst der Walachei S. 366. Privilegien- 
bestätigung seitens der Türken an die Moldau S. 366. Mihnea, Fürst 
der Walachei, und sein Nachfolger Vlädu^ S. 367. Die Craiovaer 
Bojaren und ihr Einflufs auf die walachische Geschichte S. 367. 
Basarab lY. Neagoe, Fürst der Walachei S. 368. Stephan der 
Junge, Nachfolger Bogdans S. 369. Streit um den Thron Neagoes 
S. 370. Peter Bare^, moldauischer Fürst S. 372. Erlöschen des 
alten ungarischen Könighauses S. 373. Peters Einmischung in Sieben- 
bürgen S. 374. Krieg desselben gegen Polen wegen der Provinz 
Pokutien S. 376. Neue Verwickelungen in Siebenbürgen und in der 
Walachei: der Tod Grittis S. 378. Neue Feindseligkeiten gegen 
Polen S. 380. Zug des Sultans Soliman U. gegen die Moldau S. ^1. 
Stephan, neuer Fürst der Moldau S. 382. Ermordung desselben und 
Einsetzung des Fürsten Alexander S. 382. Bückkehr Peters S. 383. 
Walachische Verhältnisse S. 383. Beziehungen Peters zu Sieben- 
bürgen S. 385. Dessen Bündnis mit der christlichen Liga S. 386. 
Tod Peters; Mircea der Hirte Fürst der Walachei S. 386. Die 
Söhne Peters und ihr Ausgang S. 387. Petra^icu walachischer Fürst, 
Bückkehr und Tod Mirceas S. 389. Der Abenteurer Jakob Basilikos 
wird moldauischer Fürst, indem er den neuen Alezander verjagt 
S. 390. Seine Ermordung; Begierung Alexanders, seines Sohnes 
Bogdan und des Fürsten loan S. 394. Kulturverhältnisse: slavische 
Kultur in der Moldau S. 395. Organisation der walachischen Kirche 
durch den Patriarchen Niphon S. 398. Die Kirche von Arge^ S. 399. 
Literarische Arbeiten des Fürsten Neagoe S. 400. Slavische Buch- 
druckerei in der Walachei S. 400. Der Diakon Coresi, seine Tätig- 
keit als Buchdrucker; Erscheinen der ersten rumänischen liturgischen 
Bücher S. 400. 






Bibliographische Einleitung. 



Den Versuch, eine rnmänische Geschichte zu schreiben, haben zu- 
erst Rumänen, die im wesentlichen Chronisten waren, unternommen. 
Die Aufgabe des Greschichtschreibers erföllten, wenn auch in beschei- 
denerem Sinne : Grigore Ureche, Miron Costin, Nicolae Costin, der Fürst 
Demetrius Gantemir, der bekannte Verfasser einer Geschichte des osma- 
nischen Reiches, und, neben diesen Moldauern, ein Walache, der Stolnic 
Oonstantin Contacuzino: ihr aller Wirken fällt in die zweite Hälfte des 
17. und in die zwei ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts; die be- 
deutendste Leistung ist die Cantemirs, doch dieser konnte seinen 
Hronicul R o man o- Mol do-Vlahilor nicht zu Ende führen, hat die 
Geschichte nur bis zum 13. Jahrhundert zusammenhängend dargestellt 
und aufserdem nur Bruchstücke, die seine eigene Zeit behandeln, hinter- 
lassen *). 

Daneben begannen im 18. Jahrhunderte Fremde, keine Geschicht- 
echreiber von Beraf^ sondern Leute, die der Zufall zur Donau geführt 
hatte, Militärs, Privatlehrer für europäische Sprachen, zu verschiedenen 
Zwecken, mit mehr oder minder ernster und methodischer Arbeit, die 
rumänische Geschichte zu erforschen. Als erster verdient Jean Louis 
Carra Erwähnung,, dem die Erziehung der Kinder des Fürsten Gregor 
Alexander Ghica von der Moldau (1774 — 1777) oblag: seine His- 
toire de la Moldavie et Valachie erschien zuerst im Jahre 1777 
mit dem falschen Druckorte „Jassy" ^); das Büchlein ist in erster Linie 
eine nützliche Beschreibung des Landes und enthält nur dessen ober- 
fächliche Geschichte. In den Jahren 1781 und 1782 erschien in Wien 



1) Die Werke des D. Cantemir: Operile lui Demetriu Cantemir 
sind von der rumänischen Akademie 1872 — 1902 herausgegeben worden. 

2) 2. Ausg. Neufchätel 1781 ; deutsche Ülbersetzungen Frankfurt u. Leipzig 
1789, Nürnberg 1821; rum. Übersetzung Bukarest 1857. 

Jori^a^ Geerhichte der Bvoiänen. I. 1 



Bibliographische Einleitmig. 

unter dem Titel: Geschichte des transalpinischen Dakiens, 
erster oder geographischer Teil, ein Werk, das den k. k. Ke- 
g^mentsanditor Franz Joseph Solzer, einen Schweizer von Geburt, zum 
Verfasser hat Dieser hatte mehrere Jahre in der Walachei unter 
dem Forsten Alexander Ipsilanti als Güterpächter und Kandidat einer 
Bechtsprofessnr gelebt und gab als scharfsinniger, aber übermütiger 
Antodidakt in seiner Publikation den wichtigsten Beitrag zur Kenntnis 
der mmänischen „transalpinischen*', d. h. donauischen, „türkischen" 
Zustände im 18. Jahrhundert In dem geographischen Teile 
hatte er schon oft wesentliche Fragen der älteren rumänischen Ge- 
schichte nach seinem Vermögen erläutert; er bearbeitete aber auch 
einen zweiten historischen TeiL Doch dieser ist niemals im Drucke 
erschienen; das Manuskript, fQr die Zeit des Verfassers beachtens- 
wert, findet sich in der Bibliothek des evangelischen Gymnasiums von 
Kronstadt in Siebenbürgen. — Nach langjährigem Aufenthalt in der 
Moldau, wo er ein in Fürsten- und Bojarenhäusem hochgeschätzter 
Arzt war, schrieb Dr. Andreas Wolf, in seine Heimat Siebenbürgen 
zurückgekehrt, Beiträge zu einer statistisch-historischen 
Beschreibung des Fürstentums Moldau'); der sehr wichtige 
erste Teil enthält statistische und geographische Daten; der zweite ist 
eine kurze, ziemlich gelungene, mehr als jede andere ihresgleichen nach 
einheimischen Quellen gearbeitete Geschichte des Fürstentums Moldau. 

Als angebliche alte ungarische Vasallenländer erweckten die Moldau 
und Walachei die Aufmerksamkeit zweier deutsch-österreichischer Forscher, 
die sich mit der Geschichte Ungarns beschäftigten : es waren Gebhardl 
und Johann Christian von Engel. Das Werk des ersten, ein ziemlich 
kleiner Band, bietet, obgleich fleifsig gearbeitet, nur wenig Neues, da- 
gegen hat Engel VortrefQiches geleistet Er kannte alle fremden Quellen 
der rumänischen Geschichte, darunter auch viele ungedruckte, stand in 
Verbindung mit einer grofsen Anzahl von Schriftstellern und Samm- 
lern und erhielt ungemein viele Beiträge; dazu standen ihm in deut- 

mm 

sehen und lateinischen Übersetzungen die bedeutendsten rumänischen 
Chroniken zur Verfugung. In zwei dicken Bänden grofsen Quart- 
formats behandelte er die Geschichte beider Fürstentümer *) : der erste 



1) Gedruckt bei Hochmeister in Hermannstadt, 1805. 

2) Bis 1801 geschrieben; 1809 als Bd. IV\ IV» des 94. Teiles der „All- 



Bibliographische Einleitong. S 

enthält die ungemein wichtige „Literatur" und dann die „ältere und 
neuere Geschichte der Walachei", bis 1716; im zweiten findet sich 
der Schlufs der letzteren sowie die ganze moldauische Geschichte. Das 
Werk, auf Grund der Quellen mit grofser Sorgfalt gearbeitet, enthält 
sehr viele wertvolle Angaben. 

Der Korrespondent Engels, Gheorghe §incal, ein siebenbürgischer 
Rumäne, Direktor der Staatsschulen mit rumänischer Unterrichtssprache 
in seiner Provinz, hatte sich wie der ihm befreundete Mönch Samuel 
Ciain viel mit der Geschichte seines Volkes beschäftigt und schrieb 
gleichzeitig mit Engel seine HronicaRomlnilor, die sich auf yiel 
ungedrucktes Material stützt und oft Engel scharf angreift, ^incal 
versuchte sein Buch zu veröffentlichen, aber dieses gelang ihm nur 
zu einem kleinen Teile; erst später, im Jahre 1853, erschien zu Jassy 
in drei Bänden die ganze ^incaische Chronik *) : es ist eigentlich ein 
Amalenwerk, wo man durcheinander Gutes und Schlechtes, Bekanntes 
und Unbekanntes findet. 

Ohne die Arbeiten der siebenbürgischen Schule und der deutschen 
Gelehrten zu kennen, schrieb der verständige Grieche Dionysios Pho- 
teinos {0oT€iva>), ein Hauslehrer, etwa fünfzehn Jahre nach Engel, 
eine „Geschichte des alten Dakiens", laxoQia rfjg ndXai Aaxiag, zu 
der er ausschliefslich inländische Quellen benutzte *). Heute ist nur 
noch der gleichzeitige und der angehängte beschreibende Teil von Wert 

Schon im Jahre 1837 begannen die Rumänen selbst von neuem 
sich mit ihrer Geschichte eifriger zu beschäftigen; der geistreiche 
Mihal Kogälniceanu , damals Berliner Student, schrieb eine Histoire 
de la Valachie, de la Moldavie et des Valaques transdanu- 
biens, meist in Anlehnung an Engel. Neues ist nicht darin ^). 

Dasselbe gilt von der breit angelegten, niemals vollendeten Ge- 
schichte der Walachei des Bukarester Professors Aaron Florian *). 



gemeinen Welthistorie durch eine Gesellschaft von Gelehrten in Teutschland 
und England ausgef ertiget " veröffentlicht. 

1) Neue Ausgabe des rum. Unterrichtsministeriums, sehr schlecht von To- 
cilescu besorgt. Bukarest 1886. Auch 3 Bände. 

2) Gedruckt in Wien 1819. 3 Bände; rumänische Übersetzung, Bukarest 
1859. 

3) Neue Titelausgabe 1854. 

4) 1835—1839 ; 3 Bände. Er verfafste auch ein etwas besseres Kompendium. 

1* 



4 Bibliographische Einleitoog. 

In dieser Zeit erschienen in der Archiva Bomäneascä des 
Eogälniceanu ^), in dem Magazinul istoric pentru I>acia des Lau- 
rian nnd Bälcescn') und in der grofsen Sammlang desselben Ko- 
gälniceann: Letopise^ele Moldovel') zahlreiche Urkunden und die 
meisten Landeschroniken; noch im Jahre 1852 begann Teodor Codrescu 
in Jassy, unter dem Titel Uricariul, ohne jeden Plan, ohne Anmer- 
kungen und Kritik moldauische neue und alte Urkunden herauszugeben ^). 
Auf Grund dieses neuen Materials schrieb Laurian eine zweibändige 
Istoria Bomänilor, zunächst als Schulbuch, doch wurde sie auch 
in anderen Kreisen viel benutzt *). Das patriotische Werk „latinisiert" 
stark und gibt auTserordentlich viel genaue Zeitangaben. 

Ununterbrochen wurden jetzt neue Quellen zu Tage gefördert: selbst 
in den Zeitungen, im Bomlnul des G. A. Bosetti, im Buciumul und 
in der Trompeta Carpa^ilor des Cesar BoUiac erschienen zahlreiche 
urkundliche und erzählende Quellen. Teulescu, Direktor des Bukarestwr 
Archivs, veröffentlichte manche Akten in der Archiva Bomänä^). 
Sein Nachfolger, der Dichter Aricescu, gründete eine Bevista istoricä 
aArchivelor, in der ein Aktenrepertorium und ein Bechnungsbuch. 
erschienen '). Die noch in den bischöflichen Archiven von Hu^I und 
Boman befindlichen Akten wurden vom Bischof Melhisedec in deu 
„Chroniken" dieser Bischofssitze ^) verwertet und teilweise auch ab- 
gedruckt. Wertvolle ausländische Quellen zur rumänischen Geschichte 
veröffentlichte der Tesauru de monumente istorice des Papiu Ila- 
rianu •'). Zwischen 1865 und 1867 erschien in Bukarest die grofse Samm- 

1 ) 1 84 1—1845 ; 2 Bände. Vorher V e n e 11 n , Wlachisch-bulgarische Akten, 
i-ussisch. 1840. 

2) Bukarest 1845—1847. 5 Bände. 

3) „ Annalen der Moldau ", Jassy 1845 — 1852. Eine französische Übersetzung 
der Stellen, welche die allgemeine europäische Geschichte betreffen, von dem- 
selben unter dem Titel: „Fragments des chroniques moldaves et valaques pour 
servir ä l'histoire de Pierre le Grand, Charles XII, Stanislas Leszcynski, De- 
metre Cantemir et Constantin Brancovano", Jassy 1845; ein ausgezeichnetes 
Quellenwerk. 

4) Seine Sammlung ging bis zu einem XXY. Bande, welcher 1895 erschien. 

5) Jassy 1853. Das Buch erlebte drei Ausgaben. 

6) Bukarest 1860. 

7) 3 Bände. Bukarest 1874—1876. 

8) 1869, 1874—1875; jede in 2 Bänden. 

9) Bukarest 1862 — 1864. Es sind meistens schon vorher gedruckte Stücke. 



Bibliographische EinleituDg. 5 

long von rumänischen und slavischen Akten des hochbegabten, aber 
leider romantisch veranlagten 6. P. Hasden, eines universalen Geistes^ 
der sich mit erfundenen Schwierigkeiten quälte: Archiva istoricä'). 
Seit 1862 begann Wickenhauser, ein Czemowitzer Beamter, die Ur- 
kunden der zahlreichen Bukowiner Klöster in deutscher Übersetzung 
herauszugeben. 

In diesem neuen Stadium der Quellensammlung schrieb Hasdeu 
eine Istoria criticä a Bomänilor, von der aber nur ein dünner 
Band in prachtvollem Quartformat 1872 erschienen ist^); er bietet 
hier glänzend, aber in einem prophetischen Tone geschriebene „Es- 
says" über die dunkle früheste rumänische Vergangenheit. 

Später wendete sich Hasdeu mehr der Philologie zu ^). Aber 
nach dem Tode des Freiherm Eudoxius von Hurmuzaki, eines Eumänen 
aus der Bukowina, kam dessen reicher literarischer Nachlafs, ein Er- 
gebnis langjähriger Forschungen in den Wiener Archiven, in den Besitz 
der rumänischen Akademie*), und diese begann die Documente 
privitoare la istoria Bomänilor^) und die deutsch geschriebenen 
Fragmente zur Geschichte der Eumänen ^) herauszugeben. Die 
sehr zahlreichen Akten besitzen einen hohen Wert und änderten die 
bis dahin gewonnenen Ergebnisse in vielen wesentlichen Punkten, und 
weitere Forschungen in anderen europäischen Archiven bereicherten 
diese prachtvolle Sammlung von acta extera, die (im Anfange wissen- 
schaftlich schlecht besorgt) sich nunmehr ihrem dreifsigsten Bande ^) 
nähert, unaufhörlich« In den „Fragmenten" schildert Hurmuzaki 
in einem kräftigen Stile die Geschichte des bulgarisch -walachischen 
Eeiches, die Gründung der Fürstentümer im 14. Jahrhundert und 
liefert Beiträge zur Geschichte des 16. (Ende) und 17. Jahrhun- 



1) 1865—1867; Bd. 1\ P, H, HI; ein Heft des IV. ohne Jahr. 

2) Neue Ausgabe 1875; spätere Übersetzung von Frederic Dame. 
3)Cuvente den baträni, alte rumänische Texte mit überreichen 

Glossen, 1878 — 1879. Magnum Etymologicum, ein grofs angelegtes all- 
gemeines Eepertorium für rumänische Sprache, auch Geschichte und Kultur* 
nach drei 3 Bänden bei dem Buchstaben B abgebrochen. 

4) Im Jahre 1866 begründet. 

5) Seit 1876. 

6) Seit 1878. 

7) Hauptwerk: 12 Bände, oft in mehreren Teilen, so dafs man 19 zählen 
mufs. I. Supplemeypit 5 Bde., H. Supplement 3 Bde. 



6 Bibliographische Einieitong. 

dertci. Eine eigene Zeitschrift for ,, Geschichte , Archäologie und Phi- 
lologie^ (Bevista pentru istorie, archeologie ^i filologie) wurde 
von Gr. G. Tocilescu im Jahre 1882 begründet; die Annalen der ru- 
mänischen Akademie, historische Sektion, gestalteten sieb zn einer wert- 
Tollen Spezialpublikation; auch in der Columna Ini Traian Hasdens 
erschien manches Historische. 

Mit zahlreichen grundlegenden Anmerkungen begleitete der Pariser 
Professor für rumänische Sprache an der ,,Ecole des langues orien- 
tales", £mile Picot, seine Ausgabe der Urecheschen Chronik^), die 
eigentlich eine Geschichte der Moldau bis 1600 ist Der yerdiente 
C. Erbiceanu veröffentlichte *) neugriechische Quellen für die Geschichte 
der Kumänen '). 

In diesem Zeitpunkte verfalsten Tocilescu und A. D. Xenopol 
Darstellungen der ganzen rumänischen Geschichte; der erste schrieb 
ein Schulbuch, das zuerst im Jahre 1886 erschien und seitdem meh- 
rere Ausgaben erlebt hat *) ; seinerzeit war es trotz der zahlreichen 
Fehler, des mangelnden Überblickes über die Tatsachen und der ge- 
ringen Erkenntnis der Zusammenhänge brauchbar; jetzt ist es völlig 
veraltet, da der Verfasser die neueren Forschungen nur in geringem 
Mafse herangezogen hat 

Das Werk von A. D. Xenopol, Professor der rumänischen Geschichte 
an der Universität Jassy und in der letzten Zeit auch Philosoph % im 
Jahre 1888 begonnen % umfafst sechs Bände, oder, wenn man auch 
die Geschichte der Kegierung des Fürsten Cuza "), wie es der Verfasser 
will, obgleich Methode und System darin andere sind, mit den älteren 
Bänden zusammen als ein Ganzes betrachtet, sogar deren acht; eine 
umfangreiche imponierende Arbeit, worin es an Scharfsinn, interessanten 
Stellen, modernem Verständnis für das Leben der Völker nicht mangelt ; 
aber leider ist dieses so neue Buch für den inländischen Forscher fast 



1) Chronique d'üreki, Paris 1878. 

2) Besonders in den Cronicarii greci caril aü soris despre Bo- 
rn anl, Bukarest 1888. 

3) In Istoria Mitropoliel Moldaviel, 1887, hat er zahlreiche Akten 
über die neue Geschichte aus dem Jassy er Metropolitanarchive zum Dnick befördert. 

4) Manual de istoria Romänilor. 

ö) Les principes fondamentaux de rhistoire, Paris 1901. 
^) Istoria Romänilor din Dacia Traianä. 
.7) Domnia lui Cuza-Vodä. 2 Bde., 1902. 



Bibliographische Einleitung. 7 

unbrauchbar, da die tatsächliche Information ungenügend ist; denn der 
Verfasser hat es verschmäht die zahlreichen, in dem Staatsarchive, in 
der reichen Bibliothek der Akademie und anderswo aufbewahrten Akten 
und Handschriften zu benutzen. Die im Jahre 1896 in Paris erschie- 
nene französische Ausgabe ') leidet noch mehr an diesen Mängeln, da 
sie auch das reiche, nach der rumänischen Ausgabe veröffentlichte Ma- 
terial aufser acht läfst. 

Neuerdings hat D. Onciul in mehreren Studien *) die ältere Ge- 
schichte der Bumänen behandelt, und seine oft von den unserigen ab- 
weichenden Ansichten verdienen stets Berücksichtigung. J. Bogdan 
hat in „Cronicile moldovene^tl pänä la Urechiä" *) und in den 
„Cronicl inedüte" (1895) die alten slavischen Chroniken der Moldau 
herausgegeben, und in den „Documente i^i regeste privitoare la rela^iile 
f eril-KomineftI cu Bra^ovul iji Ungaria" (1902) die in Kronstadt auf- 
bewahrten alten Fürsten- und Bojarenbriefe, zum grofsen Teile in 
rumänischer Übersetzung, veröffentlicht. Der verstorbene Professor 
V. A, Urechia hat unter dem zu viel versprechenden Titel von Istoria 
Eomänilor eine Unmasse von nützlichen und unnützen Akten aus 
der Phanariotenzeit , und zwar aus der Periode von 1774 bis 1821, 
veröffentUcht *). In meiner vom Ministerium des Unterrichts geförderten 
Sammlung „Studil ^i documente privitoare la Istoria Eomänilor" ^) habe 
ich selbst endlich in- und ausländische Materialien für die rumänische 
Oeschichte herausgegeben. Im Ganzen rechtfertigt, wie ersichtlich, 
auch^ der gegenwärtige Stand der Quellenpublikation die Abfassung 
einer neuen, im Geiste der Zeit geschriebenen rumänischen Geschichte. 



1) Histoire des Roumains. 2 Bde. 

2) „Teoria lui Rösler", „ Intemeiarea principatulul Jgril-Rornane^tl ", „In- 
temeiarea Moldovel", „luga-Vodä" in der Zeitschrift „Con vorhin literare", 
seit 1882; „Originile principatelor", Bukarest 1899. 

3) Die moldauischen Chroniken vor Urechiä, Bukarest 1891, 

4) Mehrere Bände, in Serien geteilt. 

5) 5 Bde., von 1901 an. 



Die Bildung des rumänischen Volkes. 

(Ethnographisch-historische Einleitung.) ^) 



L Die thrakischen Ahnen. 

Bibliographie: Über die Thraken und alle ihre Zweige liegt in dfeir 
drei Abhandlungen von W. Tomascbek (Die alten Thraken, eine ethnolo- 
gische Untersuchung ; Wien , Tempsky , 1 893 — 1894 ; Sitzb. der wiener 
Akad., philos.-hist. Klasse, Bd. CXXVIII, CXXX, CXXXI) das ganze Material 
gesammelt vor. Die Geschichte der Geten behandelt Robert Rösler, ein origi- 
neller, unabhängiger Forscher, ein interessanter Schriftsteller und ein geschickter 
Polemiker, in einem speziellen "Werkchen, das aber nur bis zur Gründung des 
dakischen Reiches geht. In seinen „Rumänischen Studien" (Leipzig 1871), die 
viel gelesen, kritisiert und benutzt wuixlen, werden init derselben Kraft der- 
Darstellung und derselben Farbe des Ausdruckes die vorrömischen Ereignisse 
auf den beiden Ufern der Donau geschildert Die dakischen Kriege wurden in 
den Arbeiten von Dierauer und De la Berge über K. Trajan erläutert (der 
letztere gibt auch Nachrichten über die Provinz Dakien). Speziell über den 
ersten Krieg handelt das Buch von Petersen. Endlich besorgte CJonrad Ci- 
chorius eine neue Reproduktion der Reliefs der Trajanssäule (von den früheren 
behält die von Froehner, Paris 1872 — 1874, 5 Bände, ihren vollen Wert),, 
die ein kritischer Kommentar begleitet. Zwei Bände davon sind bereits er- 



1) Diese Prolegomena erschienen dem Verfasser als notwendig, nicht so- 
wohl darum, weil man bisher die rumänische Geschichte mit der Skythenzeit 
vor König Dareios zu beginnen pflegte, sondern auch aus anderen wichtigeren 
Gründen. Erstens ist der Ursprung des rumänischen Volkes dunkel, und 
jedem Forscher drängen sich auf diesem Gebiete Fragen auf, die keine end- 
gültige Lösung gefunden haben. Dann vertritt das kleine — gegen elf Millio- 
nen zählende — rumänische Volk die ganze östliche Romanität , und dessen 
Werden erscheint nur dadurch verständlich, dafs man sich über das Leben 
und Streben des g£uizen römischen Elementes im europäischen Osten imterrichtet. 
Endlich hängt, streng genommen, alles, was in den nichtgriechischen Provinzen 
Ostroms von den Illyrier-, Thraken- und Dakenkriegen bis zum walachischen 
Aufstande der Brüder Peter und Äsen — es ist ein Zeitraum von mehr als tausend 
Jahren — geschehen ist, mit der Ausbildung des neuen Volkes zusammen. 
Aber diese Erläuterungen sind andrerseits doch nur als Einleitung zu betrachten. 



I. Die tbraklschen Ahnen. 9 

schienen; der dritte, der die Geschichte der dakischen Kriege enthalten soll, 
befindet sich in Vorbereitung. Das Denkmal von Adamklissi wurde im Jahre 
1895 von Gr. G. Tocilescu in einem illustrierten Werke beschrieben; von ihm 
selbst rührt eigentlich nur die Chronik der Ausgrabungen nebst etlichen, meist 
naiven historischen Erklärungen her; der architektonische und archäologische 
Teil sind Eigentum der Wiener Gelehrten Benndorf und Niemann. In dieser 
Publikation wurde das Denkmal als ein trajanisches, das die Eroberung Dakiens 
verewigen soll, hingestellt Bedenken dagegen erhob Adolf Furtwängler, der 
in dem ebenso grofsen wie groben Monumente von altertümlichem, naivem 
Charakter eine Erinnerung an die Siege des Crassus sieht, die dieser über die 
Thraken in der Dobrudscha sowie über die Thraken und Bastamen an den Do- 
naumündungen davontrug (Intermezzi, vgl. noch von ihm Adamklissi in 
den Sitzb. d. Münchener Akademie 1897, S. 248ff.). Tocilescu vertei- 
digte seine Meinung in einer mündlichen Mitteilung an die rumänische Akademie 
nnd Benndorf in: Archäologisch-epigraphische Mitteilungen aus 
Österreich, XVII, 192 ff. In der Festschrift für Wachsmuth mischte sich 
auch Petersen in die sehr scharfen Auseinandersetzungen, und bisher schlie- 
fsen Cichorius und noch einmal Furtwängler (a. a. 0. und in den Abhandlungen 
der bayrischen Akademie, Jahrgang 1903) die Reihe. Tatsache ist es, dafs man, 
um für die Dedikation des Trajan an Mars Ultor eine Stelle an dem Denk- 
male zu finden, zu den verwegensten Hypothesen greifen mufs — man mufste 
sogar annehmen, dafs ein Teil, durch vertikale Scheidung von dem andern 
entstanden, auf der Nordseite des Tropaeum, der andere, die Fortsetzung der 
durchgebrochenen Zeilen, auf der südlichen Seite gestanden hätte. Wenn man 
zur Not über das altertümliche Aussehen der römischen Uniformen in den 
Beliefe hinweggleiten könnte — die Barbaren, die man dort sieht, haben keines- 
wegs denselben Typus wie die Daken auf den Bildern der Trajanssäule. Das 
Tropaeum auf der Münze von Tomi hat keine Bedeutung; solche allegorische 
Abbildungen findet man auch an Münzen von M. Aurel und Yerus. Gegen 
die Bastamentheorie Furtwänglers wäre dagegen einzuwenden, dafs, welche Be- 
deutung man auch dem ohne dauernde Eroberungen von Crassus geführten 
Kriege beilegen wollte, ihm für seinen 27 v. Chr. gefeierten Triumph „de 
Thraecia et Geteis" (Jung, Römer und Romanen S. 33, Anm. I) gewifs nicht 
die Ehre einer solchen grolsartigen Trophäe zuteil geworden wäre. Die traja- 
nischen Erinnerungen schmiegen sich auch zu eng dem Denkmale in der Do- 
brudscha an. Endlich weifs ich nicht, ob vor dem Tropaeum Alpium, das dem 
Augustus in den Jahren 7 — 6 v. Chr. errichtet wurde, ein ähnliches Denk- 
mal von einem römischen Sieger oder für einen solchen überhaupt erbaut 
worden ist 

Zum Schlüsse der Bibliographie ist noch des umfangreichen Werkes von 
Tocilescu : Daciainnaintede RomanI, Bukarest 1880 (Separatabdnick aus 
den Abhandlungen der rumänischen Akademie, erste Serie, Bd. X) zu gedenken ; 
es ist ein wirres, ohne -Eritik zusammengeworfenes, mit unnötigen Zitaten über- 
häuf tes Sammelwerk, worin man alles und doch nichts finden kann. 



10 Einleitung. 

In der letzten Zeit der Eepublik hatte das Eömerreich weder im Nor- 
den noch im Osten eine ständige und feste Grenze ; sie schwankte noch 
in halberoberten Ländern hin und her und hing von den friedlichen 
oder kriegerischen Gesinnungen der noch nicht vollständig bezwungenen 
und bezähmten Barbaren ab. Aber in dieser kritischen Zeit, als das starke 
Kömertum nach einer neuen Form für sein innerstaatliches Leben suchte, 
umgaukelten den Eömer Zukunftsbilder von Welteroberung und voll- 
ständiger Unterjochung der Barbaren. In der unzählbaren Menge der 
Germanen, die weit hinten in unerforschten Femen ihr wildes Leben 
trieben, sah man künftige Kämpfer für das Wohl des römischen Welt- 
reichs. Um wie viel leichter mufste es diesem, durch fortwährendes 
Glück verwöhnten Volke erscheinen, die ganze thrakische Easse in 
den Bannkreis des grofsen Eom hineinzuziehen. 

Die „Barbaren", die gegen diese Weltherrschaftspläne ihr freies 
Dasein zu verteidigen hatten und es nicht an Widerstand fehlen lie- 
fsen, erschienen nur dem zivilisierten Gegner als eine einzige ein- 
förmige und zu verachtende Masse. In Wirklichkeit waren es alte Völker, 
sehr scharf durch Sprache, Tracht, Götterkultus, Vergangenheit und 
alten, tief eingewurzelten Hafs voneinander getrennt. 

Sie gehörten vier Stämmen an, die wenigstens in ihrem geschicht- 
lichen Auftreten auf europäischem Boden nicht gleichen Alters sind: 
Gallo-Illyro-Thraken, Germanen, Slaven und ural-altaische Völker. Die 
zuerst genannten sind auch die zuerst bekannten; sie hatten sich 
mehr in die Kultur des Altertums eingelebt und sich natürlich auch 
den lichtbringenden Wogen des Meeres, dem befruchtenden Wellen- 
schlag des „mittelländischen" heUeno - lateinischen südlichen Meeres 
am meisten genähert. Nur durch diese erste, infolge der Erlebnisse 
der letzten Jahrhunderte ein wenig geschwächte, zerstückelte Mauer 
hindurch konnten die Welteroberer die Unterjochung der Germanen 
ins Auge fassen. 

I. Die Uly ri er. Westlich, nördlich und Östlich von dem römischen 
Italien wohnten noch in den ersten Jahren des neuen Kaisertumes die 
gallo-illyrischcn Völkerschaften, die ''Ahiixä yevrjf von deren Niederlagen 
und vollständiger Unterjochung die griechischen Meister der Geschicht- 
schreibung bald zu sprechen Gelegenheit hatten. Es scheint — so zahl- 
reich sind die Namen für die kleinen Völkerschaften — , als ob sie nur 
das ihrem Stamme charakteristische Klanleben geführt und keine ge- 



v 



I. Die thrakischen Ahnen. 11 

meinsame höhere Organisation besessen hätten. Langsam, durch kleine 
Kämpfe, deren Erinnerung nur konfus und schwach ist, sanken sie nach 
heldenmütigen Ausfällen aus den Bergen und vereinzelten Heldentaten 
zu Boden. Sie teilten dann in der Stellung als Unterworfene das Schick- 
sal jener Gallier, die bis an den Fufs des Gebirges heran wohnten und 
in ihrem zisalpinischen Gebiete im Padus, dem Alpenbegrenzer, ihre 
südliche Stütze gefunden hatten. Nachdem dies alles in zäher Aus- 
daner durch geeignete, aber wenig geräuschvolle Mafsnahmen erreicht 
war, wurde als ewiges Sieges- und Herrschaftszeichen, wie in allen 
durch Eömer eroberten Gebieten, die breite Heeres- und Handelsstrafse 
durch die alpinen Landschaften von Gallien, dem Geschenke Cäsars an 
sein Volk, nach den schon vorher erworbenen Provinzen lUyricum und 
Makedonien angelegt; eine doppelte Expedition im Jahre 15 v. Chr. 
führte das Werk vollständig zu Ende. Die Legionen fanden bei bei- 
den Zügen nur verschiedene Abzweigungen desselben Volksstammes. 
Die dicht am Meere wohnenden Illyrier waren von alten Zeiten her 
die Fischer und Seeräuber der balkanischen Küste bis zu den ionischen 
Inseln, wo das offene, sichere und reiche Meer flutete. Sie waren 
auch, wie die Alpenjäger, kein einheitliches Volk, und aufser den 
„eigentlichen Illyriern" zählte man zu ihnen noch verschiedene Völker- 
schaften, wie die Bylliones oder Bullini, die Taulantii, die Parthini, die 
Phrygi u. a. Bei den lUyriern, wenigstens denen im engeren Sinne, 
w^ar die politische Organisation weiter vorgeschritten als bei den Alpen- 
völkern, und die Eömer trafen bei der Bezwingung dieser ihnen ver- 
hältnismäfsig ähnlichen Barbaren nicht wilde Häuptlinge über Krieger- 
banden und Wanderschwärme, sondern solche Staatsoberhäupter, die 
sie des Königsnamens für würdig hielten; Im dritten Jahrhunderte 
V. Chr. besafs Agron, „König der Illyrier", Sohn des Pleuratus, 
„eine gröfsere Wehrmacht an Fufskämpfem und Seeleuten als die 
Herrscher, die vor ihm bei den lUyriern regiert hatten" ^), und mischte 
sich gern in die Angelegenheiten der griechischen und epirotischen 
Nachbarn, wie später die bosnischen Fürsten in die Wirren der 
Städte des adriatischen Ufers. Die Witwe Agrons, der im Sieges- 
und Weinrausche vor Freude erstickte, Teuta, nannnte sich offen eine 
Königin der Seeräuber, die keinen freundschaftlichen internationalen 



1) ßeßaaiXivxÖKov; Polybius II, § 2. 



13 Einleitung. 

Verkehr kenne *); den klagenden Kömern antwortete sie ohne Um- 
schweife, dafs „den Königen nicht erlaubt sei, die lUyrier an dem 
Gewinne auf dem Meere zu hindern". Die Vertreter des Senates er- 
fuhren dies bei der Eückkehr an ihrem eigenen Leibe, und im folgen- 
den Jahre, nach einem beinahe gelungenen Angriff auf DyrracMum, 
traten die Krieger Teutas in Corcyra als Verteidiger, Herrscher und 
Ausbeuter auf. Bald aber erschienen die römischen Befehlshaber, wur- 
den überall mit Jubel von den bedrängten Grriechen und auch von et- 
lichen, den lUyriern verwandten Völkern empfangen, gaben den be- 
setzten und belagerten Städten die Freiheit zurück und zwangen die 
flüchtende Seekönigin zu einem Vertrag, kraft dessen sie tributpflichtig 
wurde, ihr Land gröfstenteils verlor und besonders ihr Plünderrecht auf 
dem Meere aufgeben mufste *). Nach weniger als einem Jahrhundert, 
als die alte Plünderungslust der lUyrier auf dem Festlande nach Ma- 
kedonien hin einen Ausweg gefunden hatte *), herrschte in Scodra 
„Gentius, rex Illyriorum", Sohn eines zweiten Königs Pleuratus. Die 
Römer behielten während dessen Regierungszeit ihr erobertes Illyri- 
cum, und gegen Perseus, den makedonischen König, kämpften in dem 
römischen Heere als Verbündete die Bullini, die Bewohner von Apol- 
lonia und Dyrrachium, während Gentius ein Bündnis mit dem letzten 
Herrscher von Makedonien schlofs und die Cavii, die sich als socii 
der Römer bekannten, beunruhigte *). Der Krieg mit Gentius wurde 
in dreifsig Tagen beendet: der König hatte nicht den Mut seine 
Hauptstadt zu verteidigen; er ergab sich den vordringenden Feinden 
und wurde mit seiner Familie und mehreren „principes niyriorum** 
seines Anhanges nach Rom geschickt ^). Im Jahre 35 v. Chr. be- 
gann Augustus als Triumvir einen Vernichtungskrieg in den Bergen 
entlang der Adria gegen die Illyrierstämme , die nicht mehr Tribut 
leisten wollten und das Räuberleben wieder begonnen hatten. Nach 
der Ausrottung der Japyden kam die Reihe an die Pannonier, die zum 
ersten Male die Kraft der römischen Waffen erfuhren. Dio, der über 
ihr als römische Provinz eingerichtetes Land zu befehlen hatte, be- 



1) Ibid. 

2) Ibid. § 12. 

3) Ibid. II, § 70. 

4) Livius XLIV, § 30. 

5) Ibid. § 32. 



I. Die thrakischen Ahnen. IS 

schreibt die Pannonier als ein wildes, genoTssnchtiges , in der Feld- 
arbeit faules Volk. Hier gab es keine Tioleig, wie bei den Japyden, 
die dem Meere und den römischen Ansiedelungen benachbart waren, son- 
dern nur spärliche Dörfer, xcb/iai, in der weiten Ebene, der heutigen 
unendlichen Pufsta der Magyaren, einem Tummelplatz far wilde Pferde ; 
nur einmal wird eine Stadt Siskia, an der Save, genannt, von „starken 
Mauern" geschützt Während seine Stellvertreter die Unterwerfung 
der reichen Landschaft weiterführten, nahm sich der „Caesar" selbst 
der Dalmaten an, die ebensowenig wie die stammverwandten Japyden 
die Wohltat römischer Eroberung anerkennen wollten. So war das 
erwünschte Ziel zwar nirgends vollständig erreicht, aber es fehlte nicht 
mehr viel daran ^). 

Jetzt, in der Zeit des Augustus, galt es nur der Provinz feste 
Grenzen und vollständige Sicherheit zu verleihen. Nach einem Feld- 
zuge des Tiberius konnte sich der neue Herr der römischen Welt rühmen, 
dafs er, durch die Bezwingung der Dalmater und Breuker, der letzten un- 
abhängigen Trümmer der illyrischen Kasse, und der verwandten Panno- 
nier die Grenze Illyriens bis an die Donau ausgedehnt und auf diese 
Weise durch den mächtigen mitteleuropäischen Strom eine neue Verbin- 
dung zwischen den ostalpinischen und westbalkanischen Ländern her- 
gestellt habe *). Durch Tiberius, sagt sein Lobredner Velleius Pater- 
culus ^), traten Ehaetien, Vindelizien, Norikum — ein „regnum" — , 
Pannonien und die Scordisker als „novae provinciae" in das Eeich ein, 
und wurde die Anerkennung der Zugehörigkeit den Illyriem und Dal- 
maten abgerungen. Von der einverleibten mittleren Donau aus wollte 
endlich Tiberius die Eroberung Böhmens, wo sich ein starker, feindlich 
gesinnter Germanenstaat gebildet hatte, unternehmen, um dann durch die 
Zerstampfung der zahlreichen losen unsteten Germanenvölker den grofsen 
Traum der Weltherrschaft bis an die Elbe zu verwirklichen *). 

Ein unerwartetes Ereignis vernichtete diese grofsen Hoffnungen. 
Zwei reiche Provinzen — Pannonien und Dalmatien — die sich schon 
seit langem römische Sitten und römische Sprache angeeignet hatten, 



1) Dio Cassius XLIX, § 35ff. 

2) Jung, Rom. und Rom. S. 5. 

3) n, § 109. 

4) 6 n. Chr. 



14 Einleitung. 

erhoben sich, durch die schlechte Verwaltung zum Äufsersten getrieben, 
in verzweifeltem Aufruhr und sandten Tausende erfahrener Soldaten 
gegen Makedonien und damit auf den Weg, der sie schnell nach Italien ; 
— man fürchtete sogar nach Eom — führen konnte. Das bellum 
germanicum pannonicumque war unglaublich schwer zu beenden 
und forderte ungeheuere Anstrengungen von selten der Kömer. Aber 
Tiberius, der Imperatorsohn, war solchen Schwierigkeiten gewachsen ; im 
Sommer des zweiten Jahres beugten sich die Pannonier vor dem Sieger. 
In den Bergen verteidigten sich die Dalmaten, die auch beinahe „aus- 
gerottet" werden mufsten, länger mit wunderbarer Hartnäckigkeit, aber 
auch hier feierten schliefslich die Römer den Sieg über ihren aus- 
dauernden Mut. Fünf Tage später kamen vom entfernten Germanen- 
lande die Nachrichten von der Varuskatastrophe. An die Elb- und 
Ozeansgrenze, an die Romanisierung Germaniens war nicht mehr zu 
denken, ja die Zeit des schweren Verteidigungskampfes war jetzt schon 
nahe gekommen ^). 

Die neuen, durch das entscheidende Ereignis im Teutoburger 
Walde geschaffenen Verhältnisse machten es zuerst notwendig, eine 
Empörung der Balkanvölker, wie die vom Jahre 6 n. Chr., dauernd 
zu verhindern, haltbare Grenzen in diesem Gebiete zu finden und die 
Barbarei möglichst durch friedliche oder kriegerische Mittel zu ver- 
drängen, d. h. eine abgerundete, in sich geschlossene Romania in 
diesem griechisch-thrakischen europäischen Osten zu bilden. 

IL Die Thraken. An den Kriegen mit Makedonien, die der grie- 
chischen Frage die Lösung gaben, beteiligten sich natürlicherweise auch 
die Thraken, die für den halb hellenischen, halb thrakischen König 
Partei nahmen und mit ihm die Folgen der Niederlage teilen mufsten. 

Ehemals, in der vormakedonischen Epoche, waren sie die Bewohner 
des Landes, das sich von dem Strymon (der heutigen Maritza) bis zum 
Meere, und von den Berghöhen des Balkan bis zu den Fluten des Ar- 
chipelagus erstreckte *). Aber sie waren nicht ein Volk, das in streng 
geschlossenen Grenzen leben konnte; im Gegenteil: im Kämpfen, im 
Kultus der Götter, im politischen Leben trifft man bei ihnen als Haupt- 



1) Vgl. Mommsen 11, 36ff. Als Quelle Velleins und Appiani lUy- 
ricum. Vgl. Dio Cassius LIV, § 31. 

2) Strabo VE, § 4. 



I. Die thrakischen Ahnen. 15 

zug denselben Hang zum Aufserordentlichen, zum Ungewöhnlichen, die- 
selbe poetische Schwärmerei, die sich nicht zu beherrschen vermag. 
Die Odrysen sind der Verehrung des Dionysos ergeben, der mysti- 
schen und bakchantischen Verehrung, die von den Thrakern zu den 
Grriechen überging und sich so stark von der harmonischen Eeli- 
gion der Hellenen unterscheidet Unter ihnen gibt es Stämme, die 
ä'&avaxiCovreg sind, aber keine ruhigen Gläubigen an die unsterbliche 
Seele, die als belebende Flamme sich zu hoch erhebt, um jemals in 
der Ewigkeit voUständig und für immer untergehen zu können. Nein, 
in ihrem ünsterblichkeitsglauben zeigen sie sich wieder exaltiert und 
grausam: Zalmoxes, der reßekeiCf^, ist gekommen, um der leidenden 
Welt die gute Botschaft der äd^avaoia zu bringen: ihm müssen von 
Zeit zu Zeit die durch ihn Geretteten Eechenschaft über ihr irdisches 
Treiben ablegen, und dann mufs der beglückte, obgleich unglückliche 
Sendbote auf den Spitzen der vier Lanzen, auf die er fällt, verbluten. 
Aher unglücklich fühlte sich der Erwählte der Götter, der als Bote 
seines Volkes zum Himmel steigen konnte, nicht Bei den Thraken im 
allgemeinen war das Leben, wie bei den ersten Christen, nur ein kurzer 
Augenblick der Prüfung, ein dunkler, schmerzlicher Durchgang zur 
Seligkeit des wahren ewigen Lebens unter dem Schirme der anwesen- 
den Gottheit An der Wiege des Kindes, das zum Eingen mit den 
hosen Mächten berufen war, wurden Tränen vergossen, und orgiastische 
Freudenrufe ertönten nur beim Grabe des Erlösten, in welches die 
Verwandten, ohne mit Wehmut zurückzublicken, mit hinabzusteigen 
bereit waren *). 

Sie verachteten nicht den Tod, wie die tapferen Eömer und Grie- 
chen: sie liebten und suchten ihn auf allen ehrlichen Wegen; darum 
waren sie mit keinem anderen Volke in der Lust an Kampf und Gefahr 
zu vergleichen. Als Hirtenvolk — dem Ackerbau waren nur die nie- 
deren Klassen, die vielleicht anderen Blutes waren *), ergeben — , war 
ihnen das Wandern zur ökonomischen und dann zur seelischen Not- 
wendigkeit geworden ; Städte gründeten sie nicht, um sich nicht unter 
demselben Himmel gefesselt zu fühlen; von einer xcojurj zur anderen. 



1) Herodot IV, § 94ff.; V, § 4—5. 

2) Tomaschek, Die alten Thraker (Separatabdnick aus d. Sitz.-Ber. d. 
"Wiener Akademie I, 1893). 



16 Einleitung. 

auf der platten thrakischen Ebene und in den engen Bergpfaden des 
beschützenden Hämus, ihrer Wiege und ihrem Zufluchtsort, ging ihr frohes 
Wandern zu immer neuen, unbekannten, sie in Versuchung fuhrenden 
Zielen. Als ein Volk der Küste, auf der sie durchaus nicht überall 
von den Griechen zurückgedrängt wurden, verstanden sie es wohl, sich 
Kähne zu bereiten und diese zu benutzen, und auf dem engen Meerarme, 
der Europa von Asien scheidet, fanden sie leicht einen Weg nach anderen 
Bergen und Tälern, wo sie in der Üppigkeit des leichten Lebens die 
Eückkehr zur alten Heimat vergafsen. Südlich erreichten sie mit den 
dyekai und den Pferden — gleich den späteren Walachen — Ma- 
kedonien und Thessalien, wie ihre Verwandten, die Galaten, die später 
dieselben Abenteuer wiederholten. Im Kampfe bebte der Feind vor 
den hohen Gestalten in schwarzen Chlamyden, aus Hanf roh gewebt, 
mit blitzendem Schilde und „ungeheuerer" Framea ^). 

Schon früher waren die Thraken gewifs auch den nördlichen Ab- 
hang des Balkans hinuntergestiegen, wo wir später das Mysenland, ge- 
nannt nach einem ihrer Stämme, und die römische Provinz Mösien 
finden. Aber hauptsächlich durch das Vordringen der makedonischen 
Macht in dieser Gegend dehnten sie sich bis zum ruhig fliefsenden 
breiten Ister, der seinen Namen von den illyrischen Istrii bekam, aus, 
soweit eine feste Grenze für ein Hirtenvolk überhaupt möglich ist. 
Im Beginne des sechsten Jahrhunderts v. Chr. *) unternahm der Perser- 
könig Dareios einen Feldzug gegen jene Skythen halb arischen, halb 
turanischen Ursprungs, ein buntes Gemisch von zerstückelten Nationen, 
die auf der ganzen Steppe, die keinen künstlichen Unterschied der 
Weltteile kennt, die alleinigen Herren waren. Im Altai konnte der 
orientalische Dynast diese seine Feinde treffen ; er zog es vor, zu ihnen 
über die Donau und das Karpathengebiet zu gelangen. Nach einem 
Jahrhundert erzählten die Griechen der pontischen Küste, die sich an 
dem Kriege beteiligen mufsten, dem alten Geschichte-Erfrager Herodot, 
dafs der grofse ßaoiXevg des „ganzen festen Landes" ^) das Odrysen- 
heim besucht habe, um dann zu den ä'd'avarlCovreg Fhai zu ge- 
langen, und an ihrer Grenze den mächtigen, öden Istros zu sehen, als 



1) livius XLIV, §§ 35-36, 40. 

2) Gegen 508, nach Maspero. 

3) ndarjg tfjg timCgov. 



I. Die thrakischen Ahnen. 17 

-Gürtel des Skythenlandes und der dunkleren Barbarei ^). Die Skythen 
inraren folglich in dieser Epoche auch die Bewohner des späteren Da- 
MeQs, dessen Elüssen sie bleibende Namen gaben: dem Pyretos, viel- 
leicht dem jetzigen Prut, dem Tiarantos oder 01t, den „dazwischen flie- 
Xsenden" Araros, Naparis, Ordessos. Sie benutzten nicht nur diese 
l>rachtvolle schwarze Erde, die der Eultar noch harrte, als Weideplatz, 
sondern auch das „kaukasische** Gebirge der Earpathen war far sie kein 
Hindernis; der Zufall hatte ihnen gelegentlich irgend eines Krieges oder 
•einer weiter ausgedehnten Jagd das Gold, das sie bisher nur in dem 
PloTssande blitzen gesehen hatten, in dem felsigen ürsprungsorte ge- 
:zeigt, aus dem die reifsenden Quellen ihre leichte kostbare Beute 
raubten. Diese Entdeckung wirkte, wie gewöhnlich, auch hier Wunder, 
und ein Klan der Skythen, die Agathyrsi, „näherte sich den thra- 
«kischen Gebräuchen**, d. h. denen der untergebenen Bevölkerung von 
Thrakien: sie setzten sich fest an den Ufern des morastigen Maris, des 
jetzigen Murei^, Märos, und begannen in dieser entlegenen dunkeln Zeit 
-die Arbeit in den siebenbnrgischen Goldbergwerken, die später die Daker 
Tind Bömer fortsetzten und die dem Lande zur höchsten Wertschätzung 
Terhalf ^). Beim Kriege gegen Dareios unterstützten diese vollständig ab- 
gesonderten und vielleicht stark gemischten Bergskythen ihre wilden Ver- 
wandten nicht, und in der Folge sprach man von ihnen in den Pontus- 
istädten als von einer selbständigen Völkerschaft, die in Goldschmuck 
prangte und ein wüstes Vergnügungsleben mit freiem Weibergenufs führte. 
Als Dareios die Geten in die Geschichte einführte, bedeutete dies 
•eine wenig freundliche Berührung der Perser mit diesen „tapfersten 
und gerechtesten der Thraken**; sie wollten den Weg versperren und 
wurden zur Seite geschoben, „unterjocht**, sagt Herodot, obgleich das 
nur bis zur baldigen Niederlage und Flucht der Eindringlinge in die 
Wüste dauerte ^). Erst nach langer , der Vergessenheit ganz anheim- 
:gefallener Zwischenzeit traten die Geten infolge neuer kriegerischer Ver- 
wickelungen auf der Balkanhalbinsel abermals ans Licht Durch Thu- 
lydides wird uns etwas von dem wunderbar schnell entstandenen, aber, 
nach thrakischer Weise bald wieder in Nichts zusammengesunkenen Mi- 
litärreich der Odrysen überliefert Dieser Klan besafs das Heiligtum 

1) Herodot.IV, § 901 

2) Herodot IV, § 49, 102—103, 125. 

3) IV, 93. 

-Jörgs, Deschiclite der Sam&nen. I. 2 



18 Einleitung. 

des Dionysos; hier entstand auch rd ßaoiXeia, eine königliche Haupt- 
stadt für ganz Thrakien, aber die Königskrone hatte nicht die Dauer 
des Gotteskultus. Das Odrysenreich fiel in uns wenig bekannten Kriegen 
mit Makedonien, an dessen Stelle Sithalkes, der Thrakerkönig, ein 
Eeich aufrichten wollte; in dem Kriege mit diesem viel stärkeren 
Gegner werden alle thrakischen Stämme in dem Heere ihres ßaoikSco^ 
erwähnt, und darunter natürlich auch die tapfersten der Nation, die 
Geten, zu Pferd als gewandte Bogenschützen. Sithalkes hatte das- 
ganze Gebiet bis zur Donau in seinen Händen , die von den Griechen 
erbauten und bewohnten Pontusstädte mit inbegriffen; und vielleicht 
gehorchte man ihm noch in weiterer Ferne : wenigstens wird von seinen 
Einkünften an Gold in Ausdrücken gesprochen, die an das Gold för- 
dernde Volk der Agathyrsen erinnern ^). 

Philipp IL, König von Makedonien, machte dem freien Leben der 
Thraken ein Ende ^) , und damit wiederholte er das Wagespiel des 
Dareios gegen die Skythen, deren unmittelbarer Nachbar er geworden war,, 
mit wechselvollem und unsicherem Erfolge ^). Um dem Joche des neuen^ 
fremden Herrschers, der am südlichen Donauufer gebot, zu entgehen und 
ihm den Zins von Herde und Feld nicht zahlen zu müssen, suchten sich 
die Geten ein neues Heim jenseits des Flusses, wo ihre Anwesenheit- 
bald durch geschicHtliche Zeugnisse festgestellt wird. Wie später der 
türkische Sultan sich erst der vollständigen Ruhe an der nördlichen 
Grenze vergewisserte, bevor er sich zu einem grofsen Kampfe auf asia- 
tischem Boden entschlofs, so wollte der junge Alexander, der Sohn 
Philipps, nur nach Eroberung des Donaugebietes seinen Flug nach den 
persischen Euhmgefilden wagen. Aber auch er trat in die Fufstapfen 
des besiegten Dareios. Alle feindlichen Abteilungen auf seinem Wege 
zerstreuend, kam er an die Donau; auf dem andern Ufer standen,, 
mit Bogen und Sicheln bewaf&iet, die Geten, bereit, ihn nach altthra- 
Mscher blutiger Art zu empfangen. Wahrscheinlich in der Gegend 
von Cälära^I, wo die Donau die grofse morastige Insel Borcea bildet, 
trat Alexander in der Nacht, kleine Fischerfahrzeuge benutzend, auf 
das linke Ufer, wo auf einem fruchtbaren Felde die reife Saat schon 
wogte; es wird auch eine „Stadt" in der Nähe erwähnt, eine be- 



1) Thukydides H, §§ 29, 97—98, 100—101. 

2) Rösler, Die Geten und ihre Nachbarn. Wien 1864. S. 19. 

3) Ebenda S. 20—21. 



I. Die thrakischen Ahnen. 19 

festigte xcojut). Aber der Feind war nicht mehr zu entdecken; er 
hatte sich mit Familie und Habe dem allmächtigen Schatze der retten- 
den Wüste anvertraut, und die traurigen Erinnerungen aus der Perser- 
zeit bewahrten femer das eigentliche Skythenland vor Überfällen der 
Kulturvölker. 

Als der makedonische König den Boden Europas verlassen hatte, 
waren seine Befehlshaber an der unteren Donau nicht einmal so glück- 
lich wie ihr Herrscher. Mit den Skythen vereint, errangen die Geten 
rächende Siege; sie hatten sich in der Zeit der Yerteidigungskämpfe 
besser organisiert, und als aus den Trümmern des grofsen ephemeren 
Odrysenreiches ein Königreich Thrakien in hellenischer Form für den 
alten Lysimachos erstand, hatten auch die Bewohner der unteren Donau 
einen königlichen Führer an ihrer Spitze, den edelmütigen Dromichaites, 
der die Geten ihre alte Schwelgerei abzulegen lehrte und sie zu einem 
recht soldatischen, männlichen Leben erzog. Ein solcher Mann durfte 
nach Ausdehnung seiner Macht durch Zertrümmerung der neuen ma- 
kedonischen Staatsbildung streben, und die Hellenen vom Pontusufer, 
die in Empörung ausbrachen, wären mit seinem Begimente mehr als 
mit dem des Lysimachos zufrieden gewesen. Dieser wollte den Neben- 
buhler verdrängen, fiel aber dabei in die Gefangenschaft der Geten, 
die ihn in ihre Hauptstadt *Hkig an der unteren Donau — sollte dies 
nicht der erste Keim sein für die spätere griechische, genuesische und 
schliefslich rumänische Stadt Xijlfj, Chele, Chilia? — schleppten. 
Dromichaites wufste zu verzeihen, und mit diesem Akte der Grofsmut 
scheidet er aus der Geschichte ^). 

In diesen Verwickelungen hatte sich die makedonische Macht bereits 
als geschwächt erwiesen, sie war für die benachbarten freien Völker 
im Ernste nicht mehr gefährlich. Das Verderben der Geten — we- 
nigstens in der Ebene — wurden vielmehr neue Barbaren, einer an- 
deren Basse angehörig, die noch in der ganzen Frische jugendlicher 
Unternehmungslust standen. 

Im Beginne des dritten Jahrhunderts, unmittelbar nach dem Feld- 
zuge des Lysimachos, im nächsten Jahre nach dem Tode des makedoni- 
schen Königs, brachen wilde Horden von Kelten in die Balkanhalbinsel 



1) Rekonstruktion, nach Arrian und anderen spärlichen Quellen, in der 
vortrefflichen Abhandlung von Bösler S. 28 ff. 

2* 



20 EinleitoDg. 

ein ^). Ein Teil dieser gransamen Gäste traf noch die Triballier nnd 
Geten bei ihrem Yerteidigungskampfe, schob sie beiseite und bot dem 
Nachfolger des Lysimachos seine Hilfe an. Es entstand sogar ein kel- 
tischer Staat in Thrakien, aber die Thraken vermochten bald ihr Land 
von den verhafsten Fremden zu säubern, und bei den Geten und ihren 
Nachbarn wurden die alten Zustände wiederhergestellt *). 

Schlimmer ging es den Geten, als durch ein anderes eindringen- 
des Volk wieder eine neue Easse in den Landschaften an der unteren 
Donau zum Vorschein kam. Von der Weichsel her, durch unbekannte 
Ursachen vorwärts getrieben, nahmen die germanischen Bastamen 
den Weg nach den reicheren südlichen Gegenden. Sie besetzten das 
spätere „Bessarabien", das tartarische Budjak, zwischen dem Tyras im 
Osten und dem Pyretos im Westen; sie nisteten sich auch auf den 
Inseln der Donaumündung ein, und nach der gröfsten dieser Inseln 
nahmen sie auch den Namen Peucini an. Die ganze Ebene bis zu den 
moldauischen Karpathen war ihnen Untertan, mit all dem, was sich noch 
vom alten skythischen Volke oder von neueren sarmatischen Misch- 
völkem darin vorfand. Als starke, kriegs- und beutelustige Barbaren 
blickten sie sehnsüchtig auf das blühende Thrakien jenseits des Flusses 
und benutzten jede Gelegenheit, um diesen Boden zu betreten. Die ma- 
kedonischen Könige, durch die Eömer und ihre Verbündeten, die Dar- 
danier, bedroht, verschmähten die Hilfe der gefürchteten Nachbarn 
nicht, und die Bastamen kamen bald unter ihren principes, beritten 
und zu Fufs, um die feindlichen Thraken auszurotten. In den ersten 
Kegierungsmonaten des Perseus — dessen Vorgänger Philipp noch hatte 
sie gerufen — vollbrachten sie auch das Werk: ihr Lohn war Geld 
und die Hoffnung auf ein neues und besseres Siedelungsgebiet. Ein 
unglücklicher Zufall zwang sie endlich, auf dem gefrorenen Flusse ihre 
Winterquartiere zu suchen '). 

III. Die Daker. Die Geten waren jetzt nicht mehr die Herren an 
der Donaumündung. Von getischen Siegen über die Bastarnen unter 
König Koles oder Oroles sprechen zwar gelegentlich die römischen Schrift- 



1) 280 V. Chr. 

2) Polybius IV, §§ 45—46. Vgl. Rösler a. a. 0. S. 34ff. 

3) Besonders nach Li v ins XL und XLI. Vgl. Zeufs, Die Deutschen und 
die Nachbarstämme. Münohen 1837. S. 127 ff. 



L Die thrakischen Ahnen. 21 

steller ^), aber das endgültige Ergebnis war doch ihre Niederlage. Ein 
Teil von ihnen blieb unter fremder Herrschaft auf dem ererbten Boden 
sitzen, ja von Tyrigeten, Geten an dem Flusse Tyras (Dniester), ist 
noch in der Zeit von Strabo, Plinius und Ptolemäus die Rede'); sie 
waren die Feldarbeiter, die Ernährer des kämpfenden, trinkenden oder 
schlafenden Herrschervolkes. Andere hingegen irrten auf dem linken 
Ufer der Donau umher, in den Gegenden, wo sie Alexander der Grofse 
getroffen hatte. Aber der gröfste, tapferste Teil des berühmten thraki- 
schen Volkes, das nicht gewöhnt war, anderen zu dienen, das die 
Waffen nur für sich selbst trug, ging in die Berge, nach den kar- 
pathischen Höhen und Tälern, die ihnen den Hämus, die Wiege ihres 
Stammes, in Erinnerung bringen mufsten. So entstand, wohl nach 
irgend einem Klan benannt, die neue Nation der Daken, deren Name 
l)ald ruhmvoll bekannt wurde, während der der Geten nur noch in 
der archaisierenden literarischen Sprache der Griechen ein künstliches 
Leben führte '). 

Gleichzeitig mit dem ersten Erscheinen der Bastarnen in Thra- 
kien vollzog sich die ünterwerfang des makedonischen Reiches durch 
die Römer. Jetzt, konnte man glauben, müfsten die Nachrichten 
über die Balkan- und Donauvölker reicher und zuverlässiger werden. 
Das ist aber nicht der Fall: als Makedonien römische Provinz wurde, 
da brach in Rom das Zeitalter der schweren inneren Kämpfe an, und 
zur. Befestigung der neuen Grenze fehlten deshalb die notwendigen 
Kräfte. Die Tätigkeit der Römer beschränkt sich auf kleinliche, op- 
portunistische Mafsregeln, zu denen der Augenblick zwang, und dieses 
politische Schwanken spiegelt sich in der Dürftigkeit der Quellen ab. 
Bis zur Donau kamen zwar ab und zu die römischen Feldherren, wenn 
sie rebellische Thraken oder „Sarmaten" scharen verfolgten, aber von 
einer Festsetzung in dem erworbenen Gebiete war nicht die Rede : nur 
die griechischen Städte am Pontus mufsten den neuen Herren die ge- 
wohnten Steuern zahlen *). 

Das Pontusufer war aber schon vorher eine Beute der Daken ge- 
worden, die Olbia einnahmen und ihre Herrschaft bis nach Apollonia 



1) Justin XXXn, § 3. 

2) Zeufs S. 280. 

3) Daca als Personenname, Zeufs S. 697. 

4) Rösler a. a. 0. S. 41ff. 



3S Einleitung. 

ausdehnten. Bastaraen, „Sarmaten" oder Skythen hatten sich dem stär- 
keren Nachbarn angeschlossen, um mit ihm an Plünderungs- und Er- 
oberungszügen teilzunehmen. Im Westen waren diese glückbegünstigten 
Daken bis zum Saume des finsteren Herzynischen Waldes vorgedrun- 
gen, wo sie mit den rätselhaften Anartes in Berührung kamen ^). Die 
verschiedenen Klans, deren Namen niemals vollständig erloschen, Costo- 
boci, Buridenses oder Buri im heutigen temeschwarer Banat, Caucoenses 
in den Karpathen, Cotenses, die an den dakischen König Cotison er- 
innern ^), und auch andere hatten sich die Hände gereicht, um ein ein- 
ziges Eeich zu bilden und es zu erweitern. Boirebista — der echte 
Name lautete wahrscheinlich Burobostes ^) — war König der Daker, und, 
wie früher in dem odrysischen Eeiche, fand sich neben der ßaoiXsia 
ein Heiligtum des Monarchen ; Deceneus wurde Oberpriester des neuen 
Kultus, welcher mit einer strengeren Moral, der die grofsen Trinkfeste 
zum Opfer fielen, verbunden war. Im Süden fand Boirebistas in Thrakien 
Verbündete und hatte hartnäckige Feinde zu besiegen und zu vernichten, 
wie die Teurisci und Boii. Den Römern aber ward schliefslich diese 
neue Organisation des thrakischen Elementes, nördlich von ihrer make- 
donischen Provinz, doch zu gefährlich, um sie dulden zu können, und 
in den letzten Jahren seines Lebens hätte schon Cäsar, so heifst es, 
den Gedanken gehabt, an der unteren Donau das militärische Werk, 
das ihm am Rheine gelungen war, zu vollbringen: an beiden Grenzen 
wollte er durch neue römische Eroberungen den langsam vordringenden 
Germanen einen starken Legionendamm entgegensetzen. 

Mit Cäsars Tode loderten aber die Flammen des Bürgerkrieges 
wieder auf, und die Daker konnten unangefochten die gewonnene Stel- 
lung behalten; nur konnten sie, als echtes thrakisches Volk, unter- 
einander nicht im Frieden leben. Teilfürsten bekriegten sich gegen- 
seitig unaufhörlich und führten damit schnell die Schwächung und 
Zerstückelung des Boirebistaschen Reiches herbei. Sonst hätten die 
Daker das Triumvirnzeitalter leicht zur Ausdehnung bis an den Hämus 
benutzen können; doch innerlich gespalten, vermochten ihre Herrscher, 
Cotyöon und die anderen genannten und ungenannten, nur den erbitterten 
römischen Parteiführern heuchelnd ihre Hilfe anzubieten. Antonius hat 



1) Caesar, Bell. Gall. VI, § 25. 

2) Ptolemaeus HI, § 8, 5. 

3) Tomas oh ek a. a. 0. H, S. 15. 



I. Die thrakischen Ahnen. 2S 

sich der Dakar bedient ^) ; auch der jnnge Oktavius nahm diese Hilfe an, 
und man sagte ihm nach, dafs er dakische Yerschwägerungspläne nicht 
verschmähe ^), aber als alleinherrschender Ang^stas schickte er seine 
Truppen, nach der Eroberung Pannoniens, gegen die Daker, verjagte sie 
— wie es vor ihm Crassns getan hatte *) — ans der thrakischen Ebene, 
und znm ersten Male erschien ein römisches Heer in Dalden selbst, 
dessen Bewohner den Forderungen des Siegers nachgeben mufsten *). 
Es scheint sogar so, als ob ein Teil von diesen unruhigen Nachbarn 
zwangsweise in das Mysenland — so nannte man jetzt das istrische 
Thrakien — verpflanzt worden sei, um hier als ruhige Landbebauer zu 
leben. Kurz darauf warf sie eine grofse Bewegung der die Daker mit 
einschliefsenden Sarmatenwelt von Westen in ihre Berge, und ihre ehe- 
maligen fruchtbaren Felder blieben seitdem im Besitze der Jazygen. 
Durch diese Jazygen, durch die römischen Besatzungen, wie auch durch 
die östlich wohnenden sarmatischen Eoxolanen und die immer ver- 
heerungssüchtigen Bastarnen an der unteren Donau in die Enge ^) ge- 
trieben, safsen sie, gleichsam belagert, in der bergigen Landschaft 
zvidschen dem 01t, den Biharbergen und den nordwestlichen Anhöhen, 
die Siebenbürgen begrenzen; auf dem Kamme der Karpathen hatten 
sie ihre engen Hirtenwege, die sie durch primitive Befestigungen 
schützten % und nur wenn das Glück ihnen lachte, stiegen sie herab, 
um sich wieder an dem sonnigen Leben in den breiten Tälern zu erfreuen. 
In den Tagen des Erfolges hatten sich immer viele gefunden, die die 
Königskrone des grofsen Eeiches tragen wollten; jetzt in dem beschei- 
denen, ärmlichen Leben gehorchten sie gern alle einem Manne, und in 
dem beschützten Hatzegtale entstand eine neue Hauptstadt, ein Boll- 
werk für schwere Tage: Sarmisagethusa mit den hölzernen Mauern. 

Der thrakische König Ehemetalkes hatte Tiberius während des 
grofsen Barbarenaufstandes unterstützt; vom Jahre 46 n. Chr. an gab 
es aber nur die römische Provinz Thrakien ^). Als Crassus die Unter* 



1) Bio LI, § 22. 

2) Suetonius, Octavius § 63. 

3) Die LI, § 23ff. 

4) MonnDientum Ancyranum V, 47—49; Dio LIV, § 34, 36. 

5) Über die Bastamen in dem Zeitalter des Augastus s. Dio LI, § 22 — 23. 

6) Jung, Fasten der Provinz Dakien, S. 143. 

7) Tomaschek S. 83; Velleius § 112. 



S4 Einleitung. 

werfung des Landes bis zur Donau begann, gab es an den Gestaden 
des Flusses „ Belebe ^^ der Geten und gemauerte Städte, wovon eine,. 
Genukla, dem „ Könige ^^ Zyraxes gehörend, die eroberten Fahnen de» 
0. Antonius als Trophäen besafs ^). Durch Ausrottung, Verpflanzung^ 
Ansiedelung von Veteranen wurde dies alles yemichtet, und nur den 
Dakem, die durch die Donau geschützt erschienen, waren noch etliche^ 
Jahrzehnte freien Lebens gegönnt 

Während der Imperatorenanarchie, die nach des Tiberius Tode die 
Verbreitung der römischen Macht erschwerte, erhoben die gedemütigten 
Daker ihr Haupt aufs neue und fanden in den durch dasselbe Ge- 
schick getroffenen Sarmaten und Bastamen Genossen bei ihren plün- 
dernden Einfällen in das Land rechts der Donau, wo noch keine neuen 
Bollwerke entstanden waren und wo der während mehrerer Monate ver- 
eiste Flufs feindliche Überfahrten mehr erleichterte als verhinderte. 

Im beschränkteren Mafse wiederholten sich jetzt die Ereignisse- 
der augusteischen Zeit, wo die hellenischen oder halbhellenischen Be- 
wohner der Seestädte von diesem oder jenem gelungenen Überfalle der 
„Geten" bei Trösmis und anderswo zu sprechen wufsten. Einmal, al» 
bald nach den faulen Zeiten des Vitellius, gastronomischen Andenkens,. 
Mösien von seinem Heere entblöfst war, das anderswo zu Bürgerkriegs- 
zwecken verwandt wurde, gingen dakische Scharen über die Donau, be- 
mächtigten sich der verlassenen Winterdörfer der cohortes und alae* 
und wollten schon die Legionenlager selbst zerstören, als ein durch- 
ziehender römischer Befehlshaber, Mucianus, gerade noch rechtzeitig zu 
ihrer Verteidigung eilte. Nach seinem Siege wurde der bedrohten süd- 
danubianischen Provinz ein neuer, erprobter Vorsteher gegeben, und, 
wie gewöhnlich in solchen Fällen, suchten die Daker sich vergessen 
zu machen ^). 

Aber schon unter Titus, dem Sohne und Mitregenten Vespasians^ 
wurden die den Dakem benachbarten Sarmaten wieder unrahig, und 
ein mösischer General flel durch ihre Hände ^). Domitian wollte diese 
Schmach rächen; Oppius Sabinus, sein Stellvertreter, wurde durch die 
Barbaren besiegt Comelius Fuscus, der nach ihm den „dakischen'' 
Krieg führte, hatte kein besseres Schicksal, und erst dem dritten der 



1) Dio a. a. 0. 

2) Tacitus, Historiae HI, § 46. 

3) Joseph US, De hello iudaico VH, § 4, 3. 



I. Die thrakischen Ahnen. 25 

römischen Befehlshaber, Julianus, gelang es, den neuen dakischen König, 
Dekebalus, „einen würdigen Gegner der römischen Machf, zu besiegen. 
Er drang in Dakien selbst ein, und zwar durch die Banatgegenden, er- 
rang den Sieg bei „Tapae*', öffnete sich den Weg nach der Eisenpforte 
der Karpathen und damit den zur dakischen Hauptstadt, und bewog 
den König, bei dem mit den Germanen in der Nähe kämpfenden Cäsar 
um Frieden zu bitten. Seine Bitte wurde aber abgeschlagen, denn 
Domitian hoffte darauf, vielleicht einen wahren dakischen Triumph 
verdienen zu können. Die germanischen Gegner vereitelten diese über- 
triebenen Hoffnungen; die westlichen Nachbarn der Daker, die neuen 
Bewohner des durch Boirebistas eroberten Bojohemum, die Quaden und 
Markomannen, Vertreter der suevischen Gruppe, besiegten vielmehr den 
ebenso übermütigen wie charakterschwachen Kaiser. Das römische 
Heer mufste jetzt einen Angriff der Daker bef&rchten, und so erhielt 
denn Dekebalus nun eine Friedensbotschaft. Er kat in die römische 
Klientel, wie manche von seinen Vorgängern nur in der Stunde der 
Gefahr; dafür wurde er durch Stipendien belohnt und erhielt auch die 
verlangte Gnade, dafs er allerlei römische „Kriegs- und Friedens- 
meister^, die zur Entwickelung seines Volkes und zur Stärkung seiner 
Macht beitragen könnten, aufnehmen dürfe '). 

So konnte denn jeder, der „Sieger" wie der „Besiegte", trium- 
phieren; jeder bekam durch diesen Frieden, was er dauernd bekommen 
konnte und wollte. 

Nach wie vor blieb aber Dekebalus ein unsicherer Freund; sein 
Stolz verbot ihm sich dauernd unterzuordnen; es schwebte ihm gewifs 
bei seinen Befestigungsarbeiten und Unterhandlungen mit den sarma- 
üschen und germanischen Nachbarn, wahrscheinlich auch mit den stamm- 
verwandten „Mösen" jenseits des schützenden Flusses, ein Herrschafts- 
traum vor, wie er bei Marbod in Erfüllung gegangen war; er fühlte 
in sich die Kraft, um aus diesen zahlreichen kühnen Mischvölkern, die 
in seinen Bergen hausten, ein grofses Barbarenreich zu gründen, das von 
den Bömem zwar die Kulturmittel zu entlehnen, um sie gegen sie zu 
verwenden, aber nichtsdestoweniger die alten Traditionen, den alten Götter- 
kultus, die alte getische Tracht der „braccati" und „pileati" und die alte 



1) Dio LXVn, §§ 6—7, 9, 10; Suetonius, Domitianas § 6; Orosius Vn, 
§ 10. 



20 Einleitung. 

„getische Sprache", in welcher zum Zeitvertreibe kein geringerer als Ovi- 
dius gedichtet hatte, heilig zu bewahren hätte. Zum zweiten Male hegte 
ein Barbar solche gewaltige Pläne für die Zukunft, und nach ihm ist 
keiner von den unzähligen ßaadeig dieser dunklen, rauhen Welt dazu be- 
fähigt gewesen, wenn man nicht bis zu den gotischen Königen des fünften 
Jahrhunderts hinuntersteigen will. Es wäre, wie zu Boirebistas Zeit, ein 
einziges Eeich von der Hercynia bis zum Pontus und zu der skythischen 
Steppe gewesen, nur dafs es die Donau als seine südliche Grenze anerkannt 
hätte und zu der römischen, statt zu der schon verblühenden und er- 
blassenden hellenischen Kultur, in ein Lernverhältnis getreten wäre. 

Dekebalus wufste die kurze Zeit, die ihm die Verhältnisse gönnten, 
vortrefflich zu benutzen. Wo nur ärmliche Dörfer bestanden hatten, er- 
richtete er Steinbauten durch römische, in Sold genommene Architekten; 
die kaiserlichen Soldaten begegneten nicht möhr halbnackten Barbaren, 
mit primitiven Waffen ausgerüstet; trotz aller Anstrengungen der 
Künstler, die für die Trajans-Siegessäule arbeiteten und die edlen Römer- 
gestalten sehr in Gegensatz zu den plattnasigen, durch hervorspringende 
Backenknochen, durch wallendes wildes Haar und die ungekämmten 
Barte kennbaren Barbaren zu bringen bestrebt waren, läfst sich doch 
in den beiden kämpfenden Parteien eine gewisse, durch die entlehnte 
Kultur bewirkte Ähnlichkeit nicht verkennen. Das Volk des Dekebalus 
ging einer grofsen Entwickelung entgegen, als ein neuer, durchweg militä- 
risch gesinnter Cäsar diesem gefährlichen Zivilisationsprozesse Einhalt tat 

Trajan, ein Hispanier von Geburt, kein verweichlichter Hauptstadt- 
paradekrieger, wurde von dem alten Nerva als Sohn und Nachfolger 
adoptiert Als er in dieser Eigenschaft proklamiert wurde, befehligte 
er die Legionen in Germanien, und seine reichen Erfahrungen mufsten 
in ihm die Überzeugung wecken, dafs das bisher gültige System der 
offenen Grenzen, der wüsten Plünderungszone, nicht mehr beizubehalten 
war ^), wenn nicht die wichtigsten Interessen gefährdet werden sollten. 
Als Ziel seiner künftigen Regierung setzte sich dieser Wiederhersteller 
kriegerischer, stolzer und rahmvoUer Zeiten die Befestigung der Gren- 
zen : am Rheine wie an der Donau, die dann durch eine Militärstrafsc 
verbunden werden sollten % Er begann sein schwieriges Werk noch 
bei Lebzeiten seines Adoptivvaters, kam bis zur Donau, legte neue 

1) Dio, LXVIII, 3. 

2) Jung, Römer und Romanen, S. 16, Anm. 2. 



I. Die thratischen Ahnen. 2*? 

Strafsen an, errichtete oder verstärkte die Verteidigungslinie der Ka- 
stelle und hölzernen burgi und machte auf diese Art einen Über- 
fall seitens der Daker fast zur Unmöglichkeit. 

Nach Nervas Tode blieb Trajan nur kurze Zeit in Eom. Aber 
keine dringende Gefahr war es, die ihn nach der Donaugrenze berief, 
Dekebalus hatte sich keiner beleidigenden Unternehmung erkühnt; er 
blieb nur der immer Unzuverlässige, wie die Kömer sein ganzes Volk 
jederzeit als unzuverlässig betrachteten. Diese Daker konnten sich, 
dachte man, zu jeder Stunde wieder als Feinde entpuppen, und der 
Kaiser meinte mit Eecht, dafs ein dauernder Friede an dieser wichtigen 
Grenze wohl die Anstrengung einiger Jahre und das Opfer etlicher 
tausend Menschenleben wert wäre. Übrigens waren die Daker niclit 
sehr zahlreich ; hier war nicht von einer sich immer erneuernden Feindes- 
front wie bei den Germanen die Kede; die thrakische Rasse hatte ihre 
grofse geschichtliche Rolle schon ausgespielt; die meisten lebten hoff- 
nungslos unter dem harten römischen Joche, und wenn zur Bekämpfung 
dieser Völkerreste in den Karpathen einige Anstrengung gemacht worden 
wäre, hätte das Reich eine viel leichtere Stellung gegenüber den Ger- 
manen gehabt. Wenn die Daker in jedem beliebigen Winter in Mösien 
sengend und brennend erscheinen konnten, war es da möglich, vor den 
Mösiem und ihren unterworfenen Verwandten sich vollständig sicher zu 
fühlen und das Werk der Romanisierung zuversichtlich zu verfolgen? 

Der erste Krieg mit den Dakem begann im Frühling des Jahres 
101, im ersten Jahre eines neuen Jahrhunderts. Der Zweck ist ein- 
leuchtend genug: Trajan wollte nördlich von Mösien eine Provinz Da- 
Men, mit oder ohne einheimische Könige und Fürsten, errichten. 
Und die Feindseligkeiten wurden im Jahre 102 nicht abgebrochen, 
ehe das Ziel erreicht war. 

Der Vorwand zum Kriege ist uns unbekannt ^). Vielleicht glaubte 
Trajan, dafs ein solcher gegen treulose Barbaren gar nicht nötig wäre. 
Er brach von dem blühendsten, vöDig gesicherten Teile Mösiens, von 
Viminacium an der Donau, auf, überschritt den Flufs und fand sich in 
den banatischen Gegenden, wo keine Strafse und, nur durch Pfade ver- 
bunden, kleine dakische Ortschaften bis zum Bergpasse des Eisernen 



1) In dem „Panegyricus des Plinius" ist mit keinem Worte von einer 



dakischen Verwicklung die Rede. 



S8 Einleitung. 

Tores zu finden waren. Die Feindseligkeiten entwickelten sich in dar 
hierorts jederzeit, bis zur jüngsten Vergangenheit, üblichen Weise^ 
Die einfallenden Bömer finden keinen Weg, keine Lebensmittel, keinen 
Feind: von weitem sieht man nur gelegentlich, wie sich die unbewaff- 
nete Bevölkerung in die schützenden Berge flüchtet und auch ihr& 
Herden mitnimmt Aber in der Nacht, bei dem Durchzuge durch 
enge Pässe, oder während der schweren Arbeit des Baumfällens im 
Walde und der Strafsenanlage durch einzelne Abteilungen, erscheinen 
plötzlich die einheimischen Krieger, die alles durch unsichtbare Spione 
genau beobachtet und in dem Dickicht die Spuren der Fremden ver- 
folgt haben. Kleine Bömerkorps verschwinden plötzlich, um in den 
Qualen eines langsamen Brandes durch Fackeln, die durch erbitterte 
Barbarenfrauen gehandhabt werden, zu sterben, und auf der hölzernen 
Umzäunung der Pfahlbauten und Befestigungen treffen die Legionäre 
und die ihnen helfenden G-ermanen und Sarmaten abgeschlagene Köpfe,, 
die an einen Kriegskameraden oder Freund erinnern. Nur einmal 
bei Tapae — der Pforte zur Hauptstadt, die jenseits des Gebirges 
ängstlich auf den Ausgang des Bingens harrt, — ward, wie gewöhn- 
lich zwischen Bömem und Dakem, ßine Schlacht geschlagen, die bei 
den römischen Geschichtschreibern als jöine sehr blutige — das klingt 
wie ein verschleiertes Geständnis der Niederlage — bezeichnet wird. 

Vielleicht deshalb mag der Kaiser seinen Marsch unterbrochen haben,, 
aber beim Abzüge liefs er ein bleibendes^ für die Zukunft nützliches Zeichen 
seines Wirkens zurück: das vom Walde gelichtete, auf Strafsen befahr- 
bare Land. Es ist sehr wohl möglich, dafs im Winter ^) darauf die den 
Dakem verbündeten Sarmaten auf den Rossen det Wüste der Provinz Mö- 
sien einen Besuch abgestattet haben. Jedenfalls war die Bückkehr der 
römischen Truppen für das folgende Jahr ^) gesichert Durch kleinen 
Krieg, durch Bazzias der berittenen Auxiliarien, die sich für die Bekäm- 
pfung der ihnen gut bekannten Daker besonders geeignet erwiesen, durch 
plötzliche Überfälle der Bergdörfer, wo die Schätze des Königs und die 
Mitglieder seiner Familie versteckt waren, war mehr als durch schöne, 
regelrechte Schlachten zu erringen. Ohne für seine Hauptstadt fürchten 
zu n^üssen, war Dekebalus dennoch durch den hartnäckigen Kampf des 
Kaisers so geschwächt, dafs er sich den römischen Bedingungen unterwarL 

1) Wie Ci ch r i u s , Die Reliefs der Trajanssäule H (Berlin 18%), annimmt 

2) 102 n. Chr." 



I. Die thrakischen Ahnen. S9 

Kein robinsüchtiger Prahler im helleBischen Sinne, hatte er, der Unge 
Barbar, vom Anfange an schon dnrch allerlei Botschaften von haarigen 
nnd koiffierten Dakem — comati nnd pileati, heifst es in der Sprache 
der Archäologen — , dnrch Indianerlisten nnd gefährliche Drohungen, 
wie die der Skythen gegen Dareios — einen Frieden gesucht, der 
ihm zur Sammlung der Kräfte und Ausbreitung seiner Macht dienen 
sollte. Aber was er versprach, war für Trajan ungenügend und wurde 
mit Verachtung zurückgewiesen; wozu er sich schliefslich verstehen 
mufste, war nichts anderes als was der Kaiser von dem Kriege erwartet 
hatte : Dekebalus wird die Werkmeister, die römischen Waffen und die 
Gefangenen zurückgeben und die Überläufer nicht mehr zu sich locken ; 
die Befestigungen werden geschleift; das von ihm okkupierte Land 
— jenseits der Karpathen *) — wird abgetreten; er wird keine anderen 
Freunde und Feinde kennen als die B6mer, d. h. sich von jedem sarma- 
tischen oder germanischen Bündnisse fem halten. Auf den Knieen vor 
seinem Sieger, versprach Dekebalus, die schlauen Augen zu Boden ge- 
senkt, dies alles heilig zu halten, und noch etwas, was alles andere 
an Demütigung übertraf: in Sarmisagethusa war fortan ein römisches 
Lager zu dulden, und die im Lande neuerrichteten {pQovgai, praesidia, 
hatten über die Treue des dakischen Königs zu wachen. So war 
er eigentlich kein rechter König mehr, aufser in den Herzen seines 
tapferen Volkes: äufserlich war er nur ein geduldeter Vertreter der 
Besiegten, von Ehren umgeben und der Macht beraubt, eine Art 
indischen Bajahs, der sich grofsartig — „kaiserlich" — nach den 
Vorschriften des einfach gekleideten und betitelten britischen Offiziers, 
der ihm zur Seite steht, zur Täuschung des eingeborenen Volkes, 
bewegt *). 

Für den Sieger war Dakien eine römische Provinz, mit einhei- 
mischer, eigener Regierung. Um die militärischen Verbindungen zu 
sichern und sie zu erleichtern, liefs er den Bau einer kostbaren, für 
diese Zeit grojjsartigen Brücke über den Strom in Angriff nehmen. Der 
ponsTraiani, ein Werk des berühmten Architekten Apollodorus von 
Damaskus, verband aber nicht die Donauufer in der Gegend von Vimi- 
nacium. Diese Bergroute betrachtete der Kaiser vielleicht nach den ge- 



1) ij x^'^Q^ ^ ittXüJxvTa. 

2) Bio LXni, 6 ff. Vgl. die Bearbeitung derselben Quelle durch Petrus 
Patricius, S. 128. 



so Einleitang. 

machten Erfahrungen als ungeeignet, und um seine Truppen in das 
Innere Dakiens zu werfen, schien ihm ein Weg in der Ebene unter den 
Höhen des walachischen Oltlandes bequemer. Hier hatte er auch, was 
dort fehlte, einen Brückenkopf auf dem linken Ufer in Drobetae, das 
gewifs von den Körnern in älteren Zeiten, unter den Flaviem wahr- 
scheinlich *), gegründet worden war. 

Es kommt noch etwas hinzu, was diese Wahl erklärt: auf dem 
Flusse kreuzten die kleinen Fahrzeuge der mösischen Flotille, und in 
den westwärts von Turnu-Severin gelegenen Katarakten, die bis zu 
unseren Tagen ihren alten gefährlichen Ruf behielten, wäre für ihre 
zweckmäfsige Verwendung in Zeiten der Gefahr ein starkes Hindernis 
vorhanden gewesen. So wurde denn der Punkt, wo heute die regel- 
mäfsig erbaute, freundliche rumänische Stadt Turnu-Severin in dem 
breiten Strome sich spiegelt, zur Überbrückung gewählt. Bald diente 
die Brücke nicht nur dem gewöhnlichen militärischen und administra- 
tiven Verkehre: im Jahre 105 brach der Krieg mit Dekebalus von 
neuem los, und zwar war dies der letzte, den der tapfere König und 
sein Volk bestehen sollten. 

Dekebalus, der in der Erbauung der Brücke ein Zeugnis für seine De- 
mütigung und sein Abhängigkeitsverhältnis erblicken mufste, hatte seit 
dem Abzüge des Kaisers seine Zeit nicht unbenutzt gelassen. Dakische 
Boten gingen wie früher zu den befreundeten Nachbarn, um sie zu einem 
grofsen Verteidigungs- und Verdrängungskampfe unter seine Fahnen und 
fliegenden Drachen zu rufen. Selbstverständlich besafs er die Waffen, die 
ihm Römer verkauft oder gefertigt hatten, noch; die metallenen Schilde, 
die Schwerter, wie auch die Maschinen, die sich verbergen liefsen, waren 
nicht zurückgegeben worden, und wer konnte denn die von ihm auf- 
genommenen Deserteure ausfindig machen, wer von seinen römischen 
Beaufsichtigern hätte sich getraut die undurchdringlichen Wälder zu be- 
treten, um zu erfahren, ob die Holz- und Steinburgen zerstört oder, im 
Gegenteile, ergänzt und neu befestigt wurden? Da klagten die Jazjgen in 
Eom, dafs während der Kriegsvorbereitungen des unversöhnlichen Dakers 
ein Stück von ihrem Lande verloren gegangen wäre, Grund genug, 
um durch eine feierliche Erklärung des Senates den Dekebalus als hostis 



1) Tocilescu, Monumentele museulul din Bucure^tl I, S. 105, Anm. 2. 
mit falscher Auslegung. 



I. Die thrakischen Ahneo. Sl 

zu bezeichnen. Und, weil die Zeit drängte, und die Nachrichten von 
der grofsen Völkerverschwörung sehr beunruhigend klangen, brach der 
Kaiser eilig auf, bestieg sein Schiff in Ankona ^), und war bald wieder 
an der Donau. 

Der zweite dakische Krieg gleicht dem ersten, nur dafs während 
der zwei Jahre 105 und 106 gröfsere Anstrengungen gemacht werden 
muTsten, um das Ziel zu erreichen. Vor sich fand Trajan zuerst die 
oltenischen Gegenden, durch die er bis zum Vulkan- oder zum Bothen- 
tarmpasse vordrang, ohne anderen Leuten zu begegnen als Vorrat 
bringenden und fufsfällig um Schonung bittenden ehemaligen Untertanen 
des Dekebalus. Um einen Weg nach Siebenbürgen zu gewinnen, liefs 
Trajan eine Strafse durch die Earpathen anlegen, und, sobald ihm der 
Zugang freistand, richtete er seinen Marsch nach der dakischen „ Haupt- 
stadt ^S Es war wahrscheinlich keine andere als die alte Sarmisage- 
thusa: in den Reliefs der Trajanssäule , die, soweit man sie nach Er- 
zählungen und Skizzen in Bom erraten konnte, wahrheitsgetreu sind, 
sieht man, in Marmor tief und schön eingegraben, lange Kämpfe 
zwischen Römern und Dakem vor einer grofsen, mit stattlichen Stein- 
mauern umgebenen Stadt, und ein solcher militärischer Bau konnte 
nicht von heute zu morgen durch wunderbare Hände, deren Arbeit 
den römischen Offizieren, die im Lande befehligten, verborgen geblie- 
ben wäre, entstehen. Es war im Gegenteil viel leichter, durch eine 
dakische Verschwörung den Vertreter des Kaisers von Sarmisagethusa 
zu verjagen, oder in einem Aufruhr mit seinen Soldaten zu töten, 
und noch einmal nach der starken, langsam nach römischem Muster 
eingerichteten Festung den Hauptsitz der Verteidigung zu verlegen. 
Abermals zischten die Drachen, unter denen die Schützen und Sichel- 
träger des Dekebalus zu kämpfen gewohnt waren*), auf den ver- 
stärkten Mauern der „ gotischen ^^ Königsstadt ^). 

Wie im ersten Kriege die Schlacht von Tapae, war in dem zweiten 
die Belagerung und Einnahme Sarmisagethusas das glänzendste, ob- 
gleich nicht das nützlichste Ereignis. In der öden Landschaft unter 
der Cetatea Coljpüul, in den Hatzeger Bergen, wo bis heute „keine 

1) Nach Cichorius und gegen Benndorf, Monument von Adamklissi 
Wien 1895. 

2) Vgl. Am'mianus XVI, § 12. 

3) S. die entgegengesetzte Meinung bei Cichorius H, 40. 



3S Einleitang. 

Dörfer oder Wohniingsgnippen bestehen ", und, wenn der Hirte vor dem 
Kriege sich flüchtet, nur verlassene Strohhütten in der grandiosen 
!Natar zu finden sind, wimmelte es wieder, nach langwierigem, schwerem 
Felsenklettem, von Zelten, Schildern nnd Fahnen, die die heilige Person 
des Cäsars nmgaben. Dekebalns tat alles mögliche zur Bettung seiner 
Hauptstadt; er hatte gewifs schon längst, als er die Annäherung 
des Feindes erfuhr, seine ersten Forderungen, worin die Abtretung 
des Landes bis zum Istros ^) enthalten war, fallen gelassen, aber zur 
Anerkennung der bisherigen Abhängigkeit und der noch schlimmeren 
Übergabe auf Gnade und Ungnade, wollte er sich nimmermehr ver- 
stehen. Bis zum äufsersten wurden die Mauern verteidigt, und als 
iille Hoffnung geschwunden war, schlich sich der König durch ge- 
heime, ihm wohlbekannte Bergpfade fort, in das Innere des Landes, 
wo andere Krieger seiner Befehle harrten. Die stolzen pileati aber, 
die er in der Festung wie in einem Gefängnisse verlassen hatte, fan- 
den in dem heiligen Gifte eine unverschliefsbare Pforte zur Freiheit 

Durch Dekebalus und sein in der Feme aufliauchendes Hirtenheer 
begann der Kleinkrieg von neuem, und wieder mufsten Kavallerie- 
abteilungen die Walddickichte, die engen Täler und Klüfte durch- 
suchen, in wilder, höchst gefährlicher Menschenjagd. Das dauerte 
lange, aber der Kaiser war unermüdlich; um neue dakische Feldzüge 
zu verhindern, muTste ihm Dekebalus als gedemütigter Gefangener 
oder als Toter vor das Antlitz gebracht werden. Das gelang end- 
lich: irgendwo, in dem Lande der einsamen Felsen, wurde er mit 
seinen flüchtenden Smala und seinen zwei Kindern getroffen, und die 
sonst hüfi-eichen Berge zeigten ihm keinen Ausweg mehr. Den fand 
er aber — konnte ein dakischer König anderes tun? — in* dem alt- 
gebräuchlichen Selbstmorde des Besiegten: die römischen Jäger fanden 
ihn am Boden liegend, durch einen tiefen Schnitt am Halse vor wei- 
terer Schmach gerettet, und sie konnten nur seinen schönen, energi- 
schen Kopf^ durch dessen schmerzliche Züge der verklärende Ausdruck 
der vollbrachten Pflicht leuchtete, dem triumphierenden Kaiser, dem 
„Imperator zum vierten Male^, als Trophäe zu Füfsen legen. Es gab 
kein Dakien mehr, und Bom konnte im Herbste des Jahres 106 
einen Dacicus anderen Schlages, als Domitian es gewesen war, feiern. 



1) TJjvTf ;((6q€(v fi'ixQ^ toÜ^IaxQov xofilaaad-at (Dio). 



n. Die römische Provinz Dakien usw. SS 

Dabei drohte übrigens nicht nur von einer Seite Gefahr, denn die 
Bemühungen des Decebalns, Verbündete zn finden, waren nicht erfolglos 
geblieben. Die benachbarten Barbaren, d. h. die Sarmaten, wuTsten, 
dafs er der stärkere und klügere war und fügten sich deshalb seinen 
Wünschen. Eoxolanen mit langen, krummen Säbeln und Bogen be- 
waffnet, in enge Mäntel und faltige braccae eingehüllt, auf dem 
lockigen Haupte eine kleine, runde Mütze tragend, drangen in die heu- 
tige Dobrudscha ein. Es bedurfte eines längeren, wechselvollen Bin- 
gens, um die bärtigen Barbaren zu bändigen, und viele unbekannte 
blutige Schlachten wurden neben den sarmatischen Ochsenkarren — Du- 
cunt sarmatici barbara plaustra boves — ^) geliefert Aber als dies 
alles vorüber war, errichtete, durch das Beispiel des Kaisers ermu- 
tigt, wahrscheinlich der mösische Befehlshaber und. Sieger mit Hilfe 
der ihm zur Verfügung stehenden zahlreichen Soldatenhände und we- 
niger unerfahrener Künstlermeifsel das grofse Denkmal von Adam- 
klissi, und zwar neben den Verteidigungswällen und in der Rich- 
tung auf Tomi, die „Metropolis der pontischen Städte** *): nicht weit 
davon wurde eine Siegesstadt, ein lebendes Tropaeum Traiani, durch 
die Bemühungen desselben Offiziers geschaffen, und der Kaiser vergafs 
seinerseits nicht, an der nämlichen Stelle der im Kriege gefallenen 
Soldaten zu gedenken % 



n. Die römische Provinz- Dakien und die östliche Romania bis zur 

Teilung des Reiches. 

L Errichtung der Provinz Dakien. So war denn die ganze 
ülyrisch-thrakische Welt unter die römische Herrschaft gekommen. Bis 
zu den Sarmaten waren die römischen Waffen vorgedrungen, und diese 
selbst waren vorläufig keine ernstlichen Nebenbuhler des römischen Eeichs. 
Auf der anderen Seite schienen die Germanen zu ruhigem Nachbar- 



1) Ovidius, Tristia. Elegia X, 34. 

2) Tocilescu, Neue Inschriften aus der Dobrudscha. Wien 1884. S. 4. 

3) Das Monument von Adamklissi. Siehe oben S. 9. 

Jörg», Oeschiehte der Bam&nen. I. 3 



34 Einleitung. 



er 

ö 



leben geneigt; Trajan konnte sich nach seinen dakischen Erfolgen völli 
den asiatischen Kriegen zuwenden, die ihm neue Ehren und dem rö- 
mischen Staate eine Sicherung der dortigen Grenze einbrachten. Darum 
vergafs er aber die Konsolidation der neuen Verhältnisse nördlich vom 
Hämus nicht. 

Mösien schien ihm durch die Donau gehörig begrenzt zu sein, 
und aus der neuen thrakischen Eroberung bildete er eine neue Pro- 
vinz, welcher — der einzige Ehrenlohn für die harten Kämpfe der 
Besiegten — der ehrliche Name der Daker als Bezeichnung gegeben 
wurde. Das römische Dakien ging so weit wie die römischen Krieger 
die Barbaren unterworfen oder ausgerottet hatten: es erstreckte sich 
bis zu den Bergen der Sarmaten: westlich davon in der Theifsebene, 
safsen die Jazygen, östlich in der russischen Steppe mit ihren walachi- 
schen Fortsetzungen die Roxolanen. Das Dakerreich war eine Berg- 
festung gewesen; Gebirge gaben auch die Grenzen für die neue Pro- 
vinz her. Mit Mösien hing sie in dem Punkte zusammen, wo neben 
der Brücke die Bergketten des linken und rechten Donauufers sich 
bei den Katarakten von Orsova unter den Wellen des Flusses, der das 
felsige Hemmnis nicht zu beseitigen vermocht hat, die knorrigen 
Hände reicheo. Um sich aber der „muntenischen" fruchtbaren Felder 
jenseits des 01t zu versichern und eine östliche Grenze gegen die 
Ebene zu haben, wurde eine befestigte Strafse dem Wasser ent- 
lang erbaut. Andere Strafsen folgten in dem heutigen Siebenbürgen 
dem Laufe der gröfseren Flüsse: dem 01t, Maros und Samos, welch 
letzterer mit dem Maros durch die Strafse von Apulum (Karlsburg) 
bis nach Napoca (Klausenburg) und welter bis zu dem entlegensten 
Vorposten, Porolissum (Mojgräd), in Verbindung stand. An der 
Donau wurden die alten mösischen Kastelle verstärkt und neue, in 
Oescus (Gigen), Eatiaria (Aröer), Nicopolis ad Istrum, an der Mündung 
der kleineren südlichen Nebenflüsse der grofsen Wasserader, als 
„ulpische" Schöpfungen errichtet, während in ganz lUyro-Thrakien, um 
die Eomanisierung des Landes durch Verdrängung der barbarischen 
Überreste wie auch des hellenischen Einflusses von Makedonien und 
dem Pontus her schneller herbeizuführen, zahlreiche neue Gemeinden, 
mit meistenteils militärischen Bewohnern, Veteranen und Veteranen- 
familien, entstanden : Kemesiana (bei Nisch), TJlpiana, Pantalia, Serdica 
(Sofia), Traianopolis , Plotinopolis , Anchialos am Meere, Nicopolis ad 



n. Die römische Provinz Daliien usw. S5 

Mestum, Beroe ^). In Pannonien und Thrakien bildeten sich zugleich 
ganz neue Zustände ^), 

Im eigentlichen Bälden war nicht so sehr von einem Sprach- 
kampfe wie in den schon vorher eroberten Gebieten, als yielmehr von • 
einer Ersetzung des ehemaligen autochtonen Elementes die Bede. 
Wenn man von den 200000 Soldaten Boirebistas erzählt*), müssen 
wir dies entweder für eine starke Übertreibung des Erzählers halten, 
oder annehmen, dafs dabei die sarmatischen und germanischen Ver- 
bündeten des dakischen Königs eingerechnet sind. Zweimalhunderttausend 
Krieger: das gSibe für das ganze Volk eine Zahl von mehr als einer 
Million, und, wenn man nun bedenkt, dafs die DaMer nur einen Teil 
von Siebenbürgen und den walachischen Bergen bewohnten und dafs 
viel später, etwa im 18. Jahrhundert, die dortige Bevölkerung diese 
Zahl trotz aller Kolonisationen und eines blühenden Städtelebens kaum 
überschritt, so mufs die Angabe eine gewaltige Übertreibung enthalten. 
Bas ganze daMsche Volk konnte kaum mehr als 100000 Seelen zäh- 
len: der Hirte braucht viel Land, und dieses Land, selbst mit dem von 
den walachischen Weideplätzen gebildeten Anhange, war sehr eng. 
Es kam dazu, dafs das Volk in erbittertem Kampfe gegen Trajan eben 
fünf Jahre lang fast mit dem Tode gerungen hatte : die Männer waren 
in den Schlachten vor einem überlegenen Gegner dahingesunken, dem 
Siege waren Metzeleien gefolgt, die Börfer längs des Weges, den 
die Kömer gezogen waren, standen in Flammen, und wir wissen aus 
dem Vorfalle in der Kirishöhle während des Getenkrieges des Crassus, 
dafs die Eömer in solchen Fällen gar nicht zart mit den Vertei- 
digungslosen umgingen. Wie man das so oft auf der Siegessäule 
im Bilde trifft, gingen endlich ganze Scharen von Besiegten, die in 
ihrem Vaterlande nichts mehr als den verhafsten römischen Ansiedler 
sahen, zu den sarmatischen Nachbarn über, um hier frei zu leben 
und sich gelegentlich rächen zu können: aus den zerstörten Börfem 
retteten sich obdachlose Frauen und Kinder und suchten, gegen die 
Härte des Klimas und die Gefahren des Weges ankämpfend, ein 



1) Jireöek, S. 12. Be la Berge, Essai sur le regne de Trajan. Paris 
1877. S. 62 ff. 

2) Be la Berge a. a. 0. 

8) Bierauer, Beiträge zu einer kritischen Geschichte Trajans. Leipzig 
1868. S. 64. 

3» 



56 Einleitung. 

neues Heim bei den hilfreichen, oft verschwägerten Barbaren. Übri- 
gens war dies auch eine Notwendigkeit geworden, da in dem langen 
Kriege die Lebensmittel aufgezehrt worden waren. Und jedenfalls kann 
eine im dakischen Sinne bevölkerte Provinz, das heifst eine von Hirten 
durchzogene, nicht ohne weiteres auch als eine nach römischer An- 
schauung bevölkerte gelten, die Städte und Ackerbau treibende Dörfer 
enthält Wenn Gallien durch Cäsar in einem solchen Zustande er- 
obert worden wäre, würde es keinen derartigen Zuzug fremder Kolo- 
nisten gebraucht haben, weil dort das barbarische Leben um viele Stufen 
höher stand; hier mufste man im Gegensatz dazu das Land erst wirt- 
schaftlich heben, und dazu war das spärliche, zurückgebliebene, ein- 
heimische Element weder zureichend noch fähig. 

Die neuen Kulturelemente strömten aus allen Gegenden des rie- 
sigen Kelches herbei, je nachdem sie Lust zur Festsetzung unter diesem 
neuen Himmel fühlten. Es war soeben die Zeit gekommen, wo die 
verschiedenen Nationalitäten, die unter dem Szepter der Cäsaren leb- 
ten, ihre Vorurteile und die sie absondernden Überlieferungen abzu- 
streifen begannen und sich dieses allgemeine römisch-griechische Me- 
dium bildete, das die gleichzeitige rasche Verbreitung des Christen- 
tums — einer neuen, nicht nationalen, Keligion für die neue aufkei- 
mende internationale Welt — ungemein befördert hat. Über eine solche 
Verpflanzung von allerlei Völkerelementen haben wir allerdings keine ge- 
naueren Nachrichten, weil die Kolonisation Dakiens durch eine derartige 
Einwanderung als ein Unikum in der römischen Geschichte dasteht ^). 
An dem südlichen Donauufer, in Illyrien, um die örtlich und zeitlich 
näheren Gegenden in Betracht zu ziehen, wurde vorher die Eomani- 
sierung nur durch Beamte und besonders durch Soldaten betrieben ; nach 
der dimissio erhielten die Veteranen herrenlose, dem Fiskus zugefallene 
Länder, in der Nähe der canabae, wo sie so lange unter den Waffen 
gestanden hatten, oder auch nicht selten in entlegenen Landschaften, 
wo das verfügbare Land gröfser und blühender war ^) ; viele von den 
kleineren Zivilbeamten würden sich nur schwer von den ihnen vertrauten 
Orten, wo sie oft Familienverbindungen angeknüpft hatten, haben tren- 
nen können: so blieben sie zurück und wurden dauernd Einwohner 
der Provinz, an deren Regiment sie teilgenommen hatten. Das geschah 

1) Vgl. aber Const Porphyr., De adm., § 29. 

2) Jireöek a. a. 0. S. 12. 



II. Die römische Provinz Dakien usw. S7 

selbstverständlich auch in Dakien; aber aufser den fremden Arbeitern 
in den Bergwerken, die, wie üblich in collegia organisiert, das G-old nnd 
Salz aus der harten Erde gruben, wurden hier auch andere Fremde durch 
Verheifsungen und Verlockungen in dieses entfernte Vorpostengebiet 
des römischen Eeiches gebracht „Nach der Unterwerfung Dakiens", 
schreibt Eutropius, „versetzte Trajan dorthin aus der ganzen römi- 
schen Welt eine ungeheuere Menge von Menschen, um die Felder zu 
bebauen und die Städte zu bewohnen" '). So kamen aus Italien, wo 
Leute genug ihres Glückes harrten, oder aus den Legionen als ruhige, 
fleifsige Ackerbauer und Handwerker verschiedener Berufsarten oder 
als müssige Conquisfadoren und Goldsucher Gallier, Asiaten, Ägyp- 
ter — um nur diejenigen aufzuzählen, die auf den steinernen Denk- 
mälern ein Zeichen ihrer Anwesenheit hinterlassen haben. Für sie, 
das bunte Völkergewirr, das nur in der lateinischen Sprache der Herr- 
scher — so wie sie von ihnen gesprochen wurde — ein Bindeglied 
besafs, wurden durch die Hände der niemals untätigen siegreichen 
Soldaten Städte, die ersten wahren, unbefestigten und keinen militä- 
rischen Zwecken dienenden Städte gebaut, und es entstanden in dieser 
schönen wilden Landschaft, deren Erde das vergossene Blut kaum 
eingesogen hatte, blühende Ansiedelungen, als municipia auf der Stätte 
alter verbrannter Dörfer oder als neugeschaffene kaiserliche Kolonieen^ 
Aufser den zahlreichen Ansiedlungen an den Flufsübergängen , den 
militärischen Posten, den zahlreichen davae der dakischen Hirten, in 
denen die Vergangenheit noch fortlebte, entstanden Städte wie Ulpia 
Traiana, das aus seiner Asche wiedererstandene Sarmisagethusa, Apulum, 
wo der vir consularis, der den Kaiser vertrat, residierte, Potaissa, 
zuerst nur Militärlager, Napoca, Porolissum — diese lagen der grofsen 
Landstrafse entlang — Ampelum, Brucla, wohin man neben anderen 
Bergarbeitern die Pirustae aus Dalmatien berufen hatte, und Tiema 
(Zema). Es fehlte weder an Thermen — wie zu Germisara — , wo 
man den Nymphae salutares, die Genesung spendeten, opferte, noch an 
Tiergärten und Villenkolonieen in den neben den Städten befindlichen 
vici. Freilich mit Ausnahme derer, die in keiner grofseren römischen 
Ansiedelung fehlen durften, sah man in der neuen Provinz, trotz 
ihres Reichtums, stolze öffentliche Gebäude noch nicht: für deren 

1) Vin, § 3: Traianus, victa Dacia, ex tote orbe romano infinitas eo 
copias homiDum transtulerat, ad agros et urbes colendas. 



■38 Einleitung. 

Aufführung wäre ein längeres ruhiges Leben notwendig gewesen. Doch 
angenehm zu leben, bequeme schöne Steinhäuser zu bewohnen, den 
Fufs auf künstliche Mosaiken zu setzen, hübsche Standbilder vor 
Augen zu haben — das verstanden die reichen daklschen Kolonisten 
ebenso gut wie ihresgleichen in anderen Provinzen. Kach wenigen 
Jahren schon war die Provinz Dakien mit Städten besetzt, auf Fel- 
dern und Hügeln prangten Kornähren und Weinreben als Lohn für 
eine hier ungewohnte Arbeit und dem Schöpfer dieser neuen Kultur- 
stätte, dem noch lebenden und herrschenden Kaiser Trajan zu Ehren 
ward eine Gedenkmünze geprägt ^). Aber vollständig ruhten hier die 
Waffen doch nur selten, und in den besten Zeiten behielt die Er- 
oberung Trajans — wie vordem die griechischen Städte am Pontus, 
mit denen jedoch Dakien nicht in direktem Verkehre stand — den 
Charakter eines bedrohten Vorpostens; ihre Städte beherbergten den 
nachbarlichen Barbaren, der morgen schon als Feind auftreten konnte. 
War ihre Zahl auch nicht grofs, so waren doch auch Daker in dem 
ihnen Jahrhunderte lang gehörigen Lande zurückgeblieben, und, um 
die Gefahr fern zu halten, um eine Überrumpelung zu verhüten, zwang 
Eom ihre Söhne, von deren Treue niemand überzeugt war, in der weiten 
Ferne, in Britannien, gewöhnlicher in Afrika, unter den kaiserlichen 
Fahnen, in Vexillationen und Kohorten, die den rühmlichen dakischen 
Volksnamen — Daci, Dacisci, Dagi — behielten, zu dienen, und bei- 
nahe immer blieben diese abgerissenen Zweige dort, wohin sie der Wind 
getrieben hatte. Die in der Fremde lebenden Daker, die während 
der Kriege Ausgewanderten und die, bis zu denen selbst nach ihrer 
späteren systematischen Ausbreitung die römische Macht niemals ge- 
drungen ist, tobten unaufhörlich an den natürlichen und künstlichen 
limites % und zwar um so eifriger, je mehr die vorschreitende Kultur 
ihre Beutelust weckte. Unter Commodus mufsten die römischen Be-*' 
fehlshaber sogar eine Verpflanzung vornehmen: zwölftausend von sol- 
chen Adxoi TiQoooQoi wurden als Besiegte in der Provinz, die sie 
als Feinde hatten betreten wollen, angesiedelt, und erst in dieser 
späteren Zeit brach die Hartnäckigkeit des dakischen Bauernklans zu- 
sammen; man konnte ihnen Frieden gewähren, nachdem sie feierlich 



1) De la Berge S. 60. 

2) Über den limes s. Karl Torma, A limes dacicus felsö. Budapest 
1880. 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 89 

Tersprochen hatten, einen vierzig Meilen breiten öden Landstrich zwi- 
schen ihren Dörfern an der Theifs und der Provinzialgrenze zu las- 
sen *). Die legio XIII gemina, deren Eintreffen in Dakien — sie 
kam aus Pannonien — mit den Eroberungskriegen zusammenfällt, hatte 
andauernd genug zu schaffen, um die Schöpfung Trajans zu erhalten 
und zu erweitem. 

II. Kaiser Hadrian. Das Andenken Hadrians wird, soweit Da- 
kien in Frage kommt, durch die bekannte Erzählung Dios, dafs er aus 
Neid für seinen Vorgänger und Adoptivvater die grofsartige Schöpfung 
des Apollodorus — den er übrigens umbringen liefs *) — bis an die 
Pfeiler zerstört hätte, besudelt Aber gewifs nur ungerechter Weise. 
Dazu brauchen wir nicht auf die offiziellen Lobpreisungen und Bauwerke, 
die in Dakien unter seiner Eegierung errichtet wurden, zu verweisen; 
eine so sinnlose Behauptung wie diese fällt nicht durch bedeutungslose 
Tatsachen, sondern durch ihre eigene Haltlosigkeit Hadrian war ein 
guter Kenner der Donaulandschaften, unter Domitian hatte er als Of- 
fizier in Moesia inferior gedient, so dafs ihm die damals den römischen 
Waffen zugefügte Schande lebhaft in der Erinnerung haften mufste *). 
In dem Kriege gegen Dekebalus hatte er Kaiser Trajan sogar begleitet, als 
moralisch verdächtiger Freund, und hatte dabei aus eigener Anschauung 
die Schwierigkeit des grofsen Eroberungswerkes viel zu gut kennen ge- 
lernt, um an dessen Vernichtung kleinlicher, unwürdiger Motive wegen 
denken zu können. Man beschuldigt ihn dazu, an eine Verschenkung der 
blühenden Provinz gedacht zu haben: dazu hätte nur ein verzweifelter 
Krieg gegen die benachbarten Barbaren einen passenden Vorwand ge- 
geben, und statt einem solchen zu begegnen, erfahren wir nur von 
einer lärmenden Unzufriedenheit des Königs der ßoxolanen an der öst- 
lichen dakischen Grenze; der Kaiser kam selbst nach Mösien, als Be- 
schützer, nicht als herostratischer Zerstörer, ergänzte dem Barbaren- 
könige sein, wie er vorgab, „abgenagtes" Stipendium, und legte, um 
in der Zukunft die Provinzialen solchen Sarmatengelüsten nicht aus- 
gesetzt zu wissen, das Eegiment in die starken Hände des Turbo, der 
gleichzeitig die Verwaltung Pannoniens bekam *). Unter der nachfol- 



1) Dio LXXn, §3. 

2) Dio LXIX, § 4. 

3) Spartianus, Hadrian. 

4) Spartianus a. a. 0. §§ 5—7; Orosius VII, c. XIV. 



40 Einleitung. 

genden Eegierong des Antoninus werden Germanen- und Dakierkriege 
erwähnt, aber nur flüchtig und so, dafs man der Überlieferung wesent- 
liches Gewicht nicht beilegen kann ^). unter den DaMem der Erzäh- 
lung des Capitolinus, des kaiserlichen Biographen, mögen vielleicht 
die uns schon bekannten freien Daken, A&xoi tiqöooqoi, die Unver- 
söhnlichen, zu verstehen sein. 

ni. Die Germanen an der dakischen Grenze. Mark Aurel. 
Von den Germanen wäre in der Tat ein Überfall zu gewärtigen gewesen, aber 
mit ihren eigenen Kräften waren sie wohl nur im Stande die verbalste 
Grenze zu beunruhigen und die entlegensten Strafsen unsicher zu machen ; 
als latrunculi, und nicht als gefnrchtete bestes standen sie den 
Eroberem gegenüber. So zahlreich die gentes Sarmatarum waren, 
eine ernste Gefahr für römische Provinzen bildeten sie niemals. Nur bei 
den Germanen war die bewegende, bedrohliche und durchdringende 
Kraft des Barbarentums. Veranlafst durch innere Umwälzungen, durch 
Kämpfe um neues Land, dessen sie bei ihrer Vermehrung und bei der 
Steigerung ihrer Kulturbedürfnisse bedurften, zogen die Germanen 
immer weiter nach Süden, in langsamer Wanderung oder auch in ge- 
waltsamer Völkerflucht. In der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr., 
etwas mehr als ein halbes Jahrhundert nach den Siegen Trajans, des 
^Germanicus" und „Dacicus", standen dicht an der Grenze neue 
Barbaren germanischen Blutes; die Markomannen westlich und östlich, 
gegen die Theifs ihre Verwandten, die Quaden. Unter zwei Häupt- 
lingen, durch die nämlichen Verhältnisse wie jene Germanen zur Wan- 
derung getrieben, kamen die Astingen, ein Stamm der Vandalen, und 
begehrten Ackerland in Dakien. Abgewiesen, warfen sie sich mit Ein- 
willigung der römischen Provinziallegaten auf die Kostoboken, und als 
sie damit ihren Landhunger noch nicht gestillt hatten, setzte ihren 
Wanderungen und Kriegen ihre endliche Unterwerfung von selten der 
verwandten Lakringen ein Ziel. Diese Germanen brachten aber auch 
die benachbarten thrakischen und sarmatischen Völkerschaften in Be- 
wegung; die Banater Buren, die nördlich von ihnen wohnenden Kosto- 
boken jenseits der dakischen Corona montium, die Kotini ^) ; andere Daker 
von den Ausgewanderten, und endlich die Eeiterscharen der Jazygen 



1) Capitolinus, 5. 

2) Identisch mit den Korrj^vaoi des Ptolemäus und den Gothini des Taoi- 
tus; s. Zeufs, Register. 



r 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 41 

schlössen sich ihnen an. Die Donau wurde üherschritten und die Plün- 
derungsszenen, die sich auf der mösischen Ebene abspielten, vielleicht 
auch weiter ^), machten die Anwesenheit des Kaisers dringend nötig. Ein 
freier Dakenhäuptling, der Tarbos genannt wird — ist nicht ein tara- 
bostes, ein pileatus gemeint? — brach in die römische Provinz ein bis 
zur dekebalischen Sarmisagethusa, die nicht mehr zu erkennen war, und 
forderte Geld von den Eömem, in denen er freche Eindringlinge erblickte. 

Der Kaiser Mark Aurel machte die endgültige Lösung dieser Schwie- 
rigkeiten zu seiner Lebensaufgabe und führte dies Werk unter unge- 
heueren Anstrengungen, die an die römischen Leistungen der besten Zeit 
erinnern, zu Ende. Ein Teil der Gegner begehrte nichts anderes als eine 
neue Heimat, und diese waren bereit sich in die Stellung von foederati 
zu fugen, unter der ausdrücklichen Bedingung, dafs man sie nicht durch 
dieses Zugeständnis der Hache ihrer bisherigen Notverbündeten preis- 
geben dürfe; so die Buren, und nicht nur diese. Aber die Quaden, 
und besonders die Markomannen, erbitterte und mutige Gegner, mufsten 
in einem hartnäckigen, systematischen Ausrottungskriege bekämpft wer- 
den. Als sie sich zum Verzicht auf ihre Eroberungsträume gezwungen 
sahen, beschützte der siegreiche Mark Aurel die donauischen Provinzen 
durch Schaffung einer neutralen unbewohnten Zone gegen Dakien und 
Mösien hin und durch Beschränkung des Handelsverkehres mit den Bar- 
baren auf bestimmte Zeiten und Orte. So war denn durch Verträge, 
die von Commodus, dem Sohne und Nachfolger des Triumphators, erneuert 
wurden, das Gleichgewicht in diesen Gegenden wieder hergestellt; die 
freien Daker fanden ein jetzt erwünschtes Heim in dem römischen Da- 
kien; die etwas abgesonderten Stämme, wie z. B. die Köstoboken, ver- 
schwinden durch die vandalische Eroberung aus der Geschichte; ebenso 
geht es den Buren. Was die Germanen betrifft, so behalten diese 
meistenteils die erworbene Stellung, aber was für uns am interessan- 
testen* ist, wir müssen die Anwesenheit vandalischer Stämme nördlich 
von Dakien konstatieren. Sie ersetzen an dieser bedrohten Grenze 
bald die für die Köm'er viel bequemeren Sarmaten, deren Name da- 
durch seine frühere Bedeutung einbüfst *). 

Im römischen Eeiche folgte dann eine Keihe verdorbener oder 



1) Die fragment^sche, aber reiche Erzählung dieses germanisch-sarmati- 
schen Krieges bei Dio LXXI-LXXH; vgl. die Vita Antonini Philosophi. 

2) Vgl. Pausanias X, 34, 5. 



42 Einloitung. 

unfähiger Herrscher, aber die Tragikomödie spielte sich nur in Eom 
ab, wo man den göttlichen Augustus in seiner wahren menschlichen 
Gestalt sah und als Menschen beurteilte. In der Provinz schritt die 
innere Entwickelung, die eine neue Welt heraufziehen liefs, immer 
weiter fort, ohne von den Ereignissen in Rom wesentlich beeinträchtigt 
zu werden. Seit Hadrian blieben die Legionen auf dem heimatlichen 
Boden und wurden aus Provinzialelemonten ergänzt — eine Tatsache 
von unberechenbaren Folgen. Der Eomanisierungsprozefs war auch 
durch die frühere Expatriierung der ausgehobenen barbarischen Soldaten 
gefördert worden; jetzt aber, nach der Heeresreform, wurde die Bildung 
einer romanischen Gesellschaft auf dem alten nationalen Boden der 
Barbaren, deren jüngere Generationen in ihr aufgingen, möglich, und 
das in den castra, canabae und geschenkten Ländereien erlernte Vul- 
gärlatein begann in jeder Gegend eine spezielle Farbe anzunehmen; 
dadurch entstanden langsam die verschiedenen römisch-barbarischen 
Sprachen, die jetzigen romanischen, und die durch eben diese Spra- 
•chen von einander verschiedenen neugeschaffenen Nationen haben die 
ganze spätere europäische Geschichte beeinflufst. In den besiegten und 
dann auf römischen Boden verpflanzten Völkern oder denen, die mehr 
oder weniger anständig bettelnd in besseres Land eingezogen waren, 
liegt ein anderes wichtiges Element für die Vorbereitung der Zukunft; 
für Dakien und Mösien, wo die römische Sprache später aufkeimte, hat 
man ein bestimmtes, ausdrückliches Zeugnis einer neuen Dakerkolonisation, 
und zwar in nicht bescheidenem umfang. Als die Kostoboken durch 
die Astingen ersetzt wurden, konnten sie schwer eine andere Heimat 
als Dakien finden, und ebenso ging es mit den westlich ansässigen 
Buren, die langsam einwanderten. Jetzt hatte Eom den dakischen 
Stamm wirklich zu seiner Verfügung, und im ganzen trug er die Waffen 
für römisch-kaiserliche Zwecke. 

IV. Das Christentum. In dieser Zeit vollzog sich wunderbar schnell 
die Verbreitung der üniversalreligion des Christentums, und sie selbst, 
durch das entstehende Völkergemisch mit lateinischer Sprache begünstigt, 
prägte dieses römische Zeichen tiefer in die gemischte Masse ein. In der 
trajanischen Zeit war der neue Glaube in Kleinasien schon sehr verbreitet, 
und dasselbe mufs man von dem gegenüberliegenden europäischen Ufer an- 
nehmen. Wenn allerlei Nationen das Ihrige zur Kolonisation Dakiens bei- 
trugen, mufsten sich notwendigerweise auch Fremde christlichen Glau- 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 43 

bens in der neu begründeten Provinz einfinden. Dafs man keine christ- 
lichen Inschriften gefunden hat — man glaubt aber doch in etlichen 
Zeichen auf Grabdenkmälern Spuren des geheimen Kults entdeckt zu 
haben — , bildet keinen Gegenbeweis. Bis ins 4. Jahrhundert trug man 
— was man auch sagen mag — so gefährliche Überzeugungen nicht 
gern zur Schau und mit seinem Christentum prunkte man nicht auf 
Grabsteinen, die jedermann sehen konnte. Übrigens sind Ausgrabungen 
Auf der Stätte alter römischer Ansiedelungen noch so selten und un- 
genügend vorgenommen worden, dafs man aus den spärlichen Funden, 
die meistens gelegentlich aufgedeckt wurden, keine zu weit gehenden 
Schlufsfolgerungen ziehen darf, besonders wenn die innere Notwendig- 
keit des geschichtlichen Werdens das Gegenteil verlangt Die geschicht- 
liche Notwendigkeit ist beweiskräftiger als die gelegentlichen zweideu- 
tigen Erwähnungen in christlichen Schriftstellern z. B., dafs der Apostel 
Andreas in „Skythien** gepredigt habe — damit ist vielmehr das grofse 
Barbaren-Skythien als die römische Scythia minor, die heutige Do- 
brudscha, gemeint; oder dafs „Daken und Sarmaten" neben „Germanen 
und Skythen" in der Zeit TertuUians schon ') die Gottheit Christi er- 
kannt hätten 2). 

Die dakischen und mösischen Thraken wie auch die benachbarten 
oder mit jenen zusammenlebenden Barbaren empfingen das Christentum 
in lateinischer Form, und in der rumänischen Sprache werden alle 
wesentlichen Stücke des Glaubens und des Ritus mit Ausdrücken latei- 
nischen Ursprungs bezeichnet: so z. B. Dumnezeü (Domine-Deus), cruce 
(crux), bisericä (basilica), botezare (baptizare), botegiune (baptizatio), 
cuminecare (communicare ; das Abendmahl), slnt (sanctus in Kompositen- 
fonnen), altar (altare), inger (angelus), pägln (paganus), crestin (chri- 
stianus) ^). 

Durch die bekannte Eeform Caracallas, die nur eine gesetzliche 
Anerkennung eines schon bestehenden Zustandes war, bekamen alle 
Einwohner des römischen Reiches die konstitutionelle Gleichberech- 
tigung. Und die entnationalisierten Barbaren, die sich von jeher in die 



1) 3. Jahrb. 

2) Eusebius, Eist, eccles. III, § 1; Tertullianus, Adversus lu- 
daeos, § 7. 

3) Vgl. G. Chi tu, in der Zeitschrift „Columna lul Traian", 1882, und 
^- Bensusi an u, Histoire de la langue roumaine. Paris 1903. S. 261. 



44 Einleitung. 

Kulturfonnen ihrer Besieger mehr oder weniger hineingelebt hat 
verdienten gewifs diese Beförderung. Im 3. Jahrhundert ühei 
schon das nicht-römische Element in den Grenzheeren, und aus den 
manisierten Barbaren erwuchsen selbst für Bom neue, eigenartige 
saren: so war Maximinus ein Thrake, Claudius stammte aus 
danien, südlich von dem donauischen Mösien gelegen, Diokletian 
Dalmatien; Decius, Aurelian, Probus, Maximianus, Yalentinianus m 
sämtlich Pannonier, römischen oder barbarischen, wahrscheinlich 
misch-barbarischen Blutes; Galerius wurde in Sardica geboren, 
die Mutter des Gallienus entfloh von dem nördlichen Ufer der Doi 
vor den karpischen Vemichtungsscharen ^). Dakien schenkte zwar 
nur einen Kronprätendenten, aber man sieht in den Insohriften, 
sich die dakischen Namen: Ucadine, Epicadus, Nando, Bituvani 
Sutta, Aia immerfort vermehren, und dafs auch hier der wichl 
Entwickelungsprozefs vor sich ging, kann keinem Zweifel unterliegel 
Wie in Grallien ein Gallorömertum, entstand hier, auf den beiden üfei 
der Donau, durch die schliefsliche Vermischung derer, die sich so lang 
bekriegt hatten, ein thrakorom an isches Substrat der Völkermischi 
für die Zivilisation der römisch-hellenischen alten Welt 

V. Die Goten an der Donau. Aber um an der Donau wie 
am Eheine neue Völker zu haben, mufsten neben der Schwächung' 
oder Vernichtung des kaiserlichen Verwaltungsorganismus, der, konser- 
vativ wirkend, das Werdende in die Formen des Gewesenen presste und 
sich über die Veränderungen hinwegtäuschte, immer neue Invasionen 
kommen, um durch neue Verbindungen und neue Völkerehen die Na- 
tionen der christlichen Zeit entstehen zu lassen. 

Mit dem dritten Jahrhundert kamen für die Donaulandschaften wieder 
kritische Tage. Durch unbekannte innere Kevolutionen waren die Goten 
von dem nördlichen Meere her gegen die Donau getrieben worden; ein 
zahlreiches Volk, mit dem sich keiner von den früher auftretenden ger- 
manischen Stämmen vergleichen läfst. Schon unter Caracalla scherzte 
man in Rom über den Titel Geticus, der dem Kaiser als Mörder seines^ 
Bruders Geta anhaftete, und auch als Name eines ^ „Goten "-Besiegers 
hätte gelten können ^). Damals waren sie noch , wenigstens in ihrem 



1) Lactantius, De mortibus persec, § 9. 

2) Capitolinus 6. 



V^ 



II. Die römische Provinz Dakien usw. 45 

Verhältnis zu den Kömern, friedliche Barbaren, die sich unbemerkt in 
kleinen Scharen in den benachbarten Provinzen eine bessere Heimat 
suchten, und als mutige, billige Soldaten gepriesen wurden. Maxi- 
min, der künftige Kaiser, ein Gote von Geburt '), wurde „in einem Orte 
Thrakiens an der Grenze der Barbaren" ^) gegen das Jahr 200 geboren; 
er war in seiner Jugend Hirte und latro — es waren also auf rö- 
mischem Boden schon damals die Verhältnisse so, dafs die Bewoh- 
ner, romanisierte Barbaren oder barbarisierte Komanen, ein solches 
Leben fähren konnten ; selbst später, nachdem er als römischer Soldat 
und Offizier mit der Kulturwelt in engere Berührung gekommen war, 
vergafs er, auf seinen Gütern lebend, keineswegs seinen Ursprung, 
und unterhielt lebhafte Verbindung mit den „Goten" und „Alanen", 
die ihn noch als Stammesgenossen anerkannten ^) — an dem „Grenz- 
flusse" (ripa). Nach der gordianischen Epoche aber wurden diese 
„Skythen", an deren Anwesenheit östlich von Dakien und am nörd- 
lichen Ufer der unteren Donau man sich schon gewöhnt hatte, plötz- 
lich unruhig, und schoben die Karpen, einen Überrest der östlichen 
freien Daken *), über den Flufs ; der verzweifelte Einfall dieser letzten 
Barbaren zerstörte die verarmten griechischen Städte an der Donau und 
am Schwarzen Meere vollständig ^). 

Kaiser Philipp zwang die Karpen zur Unterwerfung, wahrscheinlich 
indem er ihnen die Ansiedlung auf römischem Boden erlaubte ^). In den 
Bürgerkriegen der traurigsten Periode des römischen Kaiserreichs fanden 
die Goten jedoch Gelegenheit zu neuen Räuberfahrten, und bald über- 
fluteten sie in immer erneuten Unternehmungen nicht nur die benach- 
barten Provinzen, sondern die ganze Halbinsel, deren befestigte Städte 
selbst sie sich anzugreifen erdreisteten, ohne ihrer Piratenzüge auf 
griechisch-bosporanischen Schiffen ') auf dem Schwarzen Meere zu ge- 



1) Capitolinus, Maximinus, 2. 

2) „De vico Threiciae vicino barbaris." 

3) Ebend., 4. 

4) Gegen sie kämpften Garacalla und Macriniis, nach Dio LXXVin, § 13, 
welcher sie einfach „Daken" nennt. 

5) S. z. B. Maximus et Balbinus § 16; Petrus Patricius S. 124. 

6) Zosimns S. 22. 

7) Rappaport, Die Einfälle der Goten in das römische Reich bis auf 
Konstantin. Leipzig 1899. S. 54—55. Eine gewissenhafte Seminararbeit, welche 



46 Einleitung. 

denken. Es schien, als ob die Auflösung des Kelches im Anzüge 
wäre, 80 schrecklich waren diese kühnen Krieger und so geringe Mittel 
standen der elenden römischen Eegierung zu Gebote, um ihnen mit 
Erfolg begegnen zu können. Kaiser Decius fiel durch ihre Hände. 
Von Osten, von den tanaischen Gegenden kommend, waren sie unter 
Claudius bis zum Dniester vorgedrungen; von hier aus bereiteten sie 
einen neuen Beutezug vor, aber ihre carrago wurde bei Naissus 
(Nisch) von dem Kaiser aufgehalten; sie erlitten eine ungewohnte 
Niederlage. Allein an ihre Vernichtung war nicht ernstlich zu den- 
ken; sie entflohen nach der Donau zu und bahnten sich kämpfend 
den Weg. Trotzdem hatten die Römer einen glänzenden Erfolg zu 
verzeichnen, der sich nur mit den Siegen Mark Aureis über die Vor- 
gänger der Goten vergleichen liefs. Der Kaiser selbst spricht an- 
geblich in einem Briefe, dessen Inhalt aber rhetorisch wiedergegeben 
wird, von mehr als 300000 erschlagenen Barbaren, was natürlich nur 
mit der entsprechenden Reduktion angenommen werden kann ^). Die 
zahlreichen Kriegsgefangenen lernten, nicht unwillig, die Felder nörd- 
lich und südlich von der Donau bebauen, und so verwandelten sich 
die Heroen der Zerstörung in friedliche incolae der römischen Land- 
schaften, — wenn sie nicht als treffliche auxiliares unter die Fahnen 
traten ^). 

Nur wenige Jahre vergingen, und wieder mufste ein römischer 
Cäsar an die Donau kommen, um Ordnung zu schaffen; die jenseits 
des Flusses zurückgebliebenen Goten hatten unter ihrem Könige die 
Festungen in Mösien angegriffen. Aurelian, der Nachfolger des Clau- 
dius, warf sie zurück, drang in Dakien ein, blieb ihnen auf der Spur, 
und vernichtete etliche Banden ^). Verbündet mit den Besiegten waren 
auch Teile der benachbarten germanischen Völker. Nachdem die Haupt- 
macht der eigentlichen „Skythen" aufgerieben war, wendete sich der 
Kaiser auch gegen diese schon einmal an der Donau besiegten Auxilia- 
rien, die um Frieden bitten mufsten und ihn auch ohne Entziehung 
der gewöhnlichen Stipendien vom Kaiser erhielten. Das waren die in 



in der bekannten Art alles erklären zu können glaubt, mit etlichen wichtigen 
Resultaten im einzelnen. 

1) Claudius § 8; vgl. Rappaport S. 80, Anm. 1. 

2) Zosimus I, S. 46. 

3) Vopiscus § 22. • • 



II. Die römische Provinz Dakien usw. 47 

Pannonien wohnenden juthungischen Vandalen. Die dakischen Van- 
dalen, die neben den Goten, wie früher neben deren Vorgängern leb- 
ten, traten alsdann auch ihrerseits in das römische foedus. Sie 
gaben dem Kaiser Königssöhne als Geifeln, lieferten dem römischen 
Heere eine Hilfstruppe von 2000 Eeitern, gelobten die Bestrafung der- 
jenigen, die den Flufs überschritten hatten, und erhielten dafür neben 
dem üblichen Jahrgelde das Eecht, in den Donauprovinzen zu er- 
scheinen, um die nötigen Einkäufe zu besorgen *). Es scheint, als 

• 

ob mit diesen Ereignissen die Kämpfe an der pannonischen und da- 
kischen Donau abgeschlossen gewesen wären. 

Aurelian wendete sich hierauf den asiatischen Angelegenheiten 
zu, um das aufstrebende Eeich der Araber in Palmyra zu vernichten, 
und kehrte nicht nach Eom als Triumphator zurück. Bevor er aber 
diese letzte Unternehmung begann, hatte er noch die Verhältnisse in 
Dakien geordnet. 

Vor ihm existierte nämlich, wie in besseren Zeiten, eine Pro- 
vinz Dakien, die aus Verwaltungs- und Verteidigungsrücksichten in 
drei Sprengel eingeteilt worden war. Die Dacia inferior wird nur 
einmal erwähnt. Später werden drei Dakien in den Inschriften ge- 
nannt, die aber einen gemeinsamen Präses hatten, keine eigenen Trup- 
pen beherbergten, und deren Vertreter sich im concilium trium- 
Daciarum zusammenfanden, der bekannten Provinzialvertretung, deren 
Zweck besonders die Ehrung der kaiserlichen Offiziere und der Kultus 
des Herrschers war. Porolissum und Apulum, beide in dem heutigen 
siebenbürgischen Berglande, sowie das weniger bedeutende Malva in 
der oltenischen Ebene, wahrscheinlich an der Donau gelegen, waren 
die Eesidenzen der drei Unterbefehlshaber ^). 

Die Goteneinfalle gingen durch Dakien wie durch andere benach- 
barte Provinzen, ohne zu einer, plötzlichen Niederlassung in Masse zu 
fuhren. In den östlichen Steppen war Land genug, um die Pferde 
dieser Berufskrieger zu ernähren. Die Verheerungszüge ausgenommen, 
wo die Goten die Ernte von den Feldern raubten • und die Mauern 
der Städte umtobten, — kamen sie hierher wie nach Mösien nur in 



1) Fragmente des Dexippus, gleichzeitiger Schriftsteller, Bonner Ausg.,., 
S. Uf.; Zosimus S. 42—43, 271. 

2) Jung, Fasten, passim. 



48 EinleituDg. 

kleineren Scharen oder gar als einzelne abgesonderte Familien, die 
um Land baten und es auch erhielten. Maximinus selbst ist ein 
Beispiel für diese unaufhörliche unbemerkte Kolonisation, die natur- 
gemäfs die Streitkräfte der gröfseren unsteten Masse nicht stark ver- 
minderte. Die Eltern des künftigen Cäsar, ein Gote und eine Alanin, 
kommen von „Skythien", dem Lande der sich einander ablösenden 
Barbaren, nach dem römischen Thrakien, wo sie sich dem Hirten- 
leben — solche Ankömmlinge brachten, wie es aus dem Leben von 

• 

Claudius ^) ersichtlich wird, ihre zahlreichen Ochsen-, Schaf- und 
Pferdeheerden meist mit — widmeten. Der Sohn, der sich schon in 
dieser römischen oder romanisierten Umgebung die lateinische Sprache 
ziemlich angeeignet hat, hütet das väterliche Vieh. Voll Taten- und 
Beutelust — die charakteristische Eigenschaft solcher heifsblütiger 
Neurömer — wird er Soldat, Centurio und steigt höher auf in der 
militärischen Laufbahn ; er scheidet nach treuen Diensten aus dem Heere, 
verlangt und bekommt Ländereien auf der Stätte, wo er in seinem 
entlegenen thrakischen Dorfe die Kinderjahre verlebt hat. Das Wei- 
tere, was mit ihm geschah, interessiert an dieser Stelle nicht 

Die Provinzialen hatten keinen Abscheu vor diesen wilden Nach- 
barn, die oft nur nach Tracht und Sprache Barbaren waren. In Da- 
kien wie in Mösien, in Ehätien wie in Gallien hatte man sich im dritten 
Jahrhundert mit dieser Übersiedelung von Barbaren als mit einem 
tagtäglichen Vorkommnis längst vertraut gemacht. Die Bevölkerung war 
in diesen Grenzlandschaften dünn gesät, und der Kaiser hatte viel Land 
zu vergeben, besonders nachdem die Plünderer viele Grundbesitzer durch 
Totschlag oder Gefangennahme beseitigt hatten. Von dem römischen 
Bürger, der oft selbst keine allzu lange Eeihe von zivilisierten Ahnen 
hatte, lernte der nicht viel gefürchtete Gast eine bessere Art den Acker 
zu bestellen, und bald verschwand der Unterschied zwischen dem alten 
und neuen Bewohner des einem jetzt internationalen Eom gehörigen 
Landes. Selbst in den ersten Zeiten hatten die unteren Klassen der 
römischen Bevölkerung keineswegs die Verschwägerung mit den kräf- 
tigen, schönen, im Grunde mildgesinnten und liebreichen Kindern der 
eingewanderten Barbaren verschmäht. 

In Gallien und Italien, wo die Bevölkerung so dicht bei einander 



1) Kap. 10. 



n. Die römische Provinz Dakien uaw. 49 

lebte, wo die Sitten viel feiner waren und der Unterschied zwischen 
Eömem und Grermanen schärfer zum Ausdruck kam, in solchen Pro- 
idnzen, in denen die bei dem grofsen Yölkergeschiebe des vierten Jahr- 
hunderts durch die römische Verwaltung notgedrungen aufgenommenen 
feindlichen Krieger eine Teilung der Äcker, eine divisio agrorum 
verlangten und jeder der Landbesitzer einen beträchtlichen Teil seiner 
«rerbten Scholle abtreten mufste, selbst dort sind die beiden Bässen 
nicht lange einander feindlich geblieben. Wie viel mehr in den Donau- 
provinzen, wo aufser den Burgen, die zu Städten geworden waren, das 
unbebaute Land neuer Arbeitskräfte harrte? 

Nicht erst in der gefährlichen Krisis des dritten Jahrhunderts, wo 
Karpen und Germanen nach ihren Niederlagen massenhaft angesiedelt 
wurden, sondern auch vorher schon waren Tausende von Barbaren auf 
dem Boden Dakiens und Mösiens als friedliche Untertanen des Kaisers und 
Lehrlinge der Kultur heimisch geworden. Später trifft man keine Spur 
von ihnen mehr, wie auch die „Nachbardaken^, nachdem sie in der 
römischen Provinz angekommen sind, spurlos verschwinden. Es wäre 
lein grofser Irrtum, wenn man von der Bevölkerung der Donauprovinzen 
in diesem dritten Jahrhunderte wie von „Eömem" sprechen wollte; es 
war ein mehr oder weniger romanisiertes Völkergemisch, das sich durch 
•die harten Zeitläufe jedem Ungemach gewachsen fühlte, aber auch über- 
all nur wesentlich dieselben Zustande finden konnte und deshalb lieber 
in der neuen Heimat blieb. 

Die germanische Jugend, die immer auf den Pfaden des Krieges 
schreitend dem Herkommen gemäfs unter eigenen erwählten Herzögen 
oder Klientelhäuptlingen in den Kampf zog, suchte bei ihren Zügen 
auf dem Festlande oder auf dem Meere, vor dem sie, die Nachfolgerin 
der Seeräuber in nordischen Meeren, sich nicht fürchtete, die Plün- 
derung der Städte oder die Versöhnungsstipendien des Kaisers; vom 
Lande verlangten sie nur das für sich und für ihre Pferde Nötige. 
Li der etwas eintönigen Geschichte der gotischen Heldentaten ist 
nicht von Grausamkeiten die Rede; die Krieger suchen Istros, Tyras 
oder Tomi in der nur an der Meeresküste und an der Donau von 
Hellenen und Halbhellenen bewohnten Scythia minor ^) zu über- 
rumpeln; sie ziehen, die bekannten römischen Strafsen oder die Ufer- 



1) Zosimus I, § 34. 

Jorga, Geschichte der Bamänen. I. 



50 Einleitung. 

barken benutzend, bis nach Anchialos, nach Markianopolis und PM- 
lippolis; in anderer Eichtung bis Athen; jenseits des Schwarzen Meeres 
gilt ihr abenteuerlicher Zug — wie nach Jahrhunderten der der an 
der Mündung derselben Flüsse wohnenden Kosaken — nur den rei- 
chen Häfen, und nachdem sie dort einen vergeblichen oder lohnen- 
den Besuch abgestattet haben, kehren sie zurück, um im nächsten 
Frühjahre wieder dasselbe gefährliche und erfrischende Spiel zu wie- 
derholen. Aber es lohnt sich bei dem Vergleiche mit den Kosaken 
des 16. und 17. Jahrhunderts etwas länger zu verweilen. Diese 
waren auch wilde, gefürchtete Krieger, die Feuer und Schwert mit 
sich führten; sie waren auch, strenggenommen, kein eigentliches Volk, 
denn Kosake konnte jeder kühne Abenteurer werden, wenn er sich 
die kosakische Lebensweise angeeignet hatte, und es ist bekannt, dafs 
ebenso Alanen und sonstige Nachbarvölker für andere und für sich 
selbst zu „Goten" geworden sind. Für Polen wie für Moskovien, für 
die rumänischen Länder an der Donau, aber besonders für die Pro- 
vinzen des türkischen Reiches, das im Umfange und in der Organi- 
sation etwa dem despotischen, militärischen Reiche der Römer ent- 
sprach, waren sie eine schreckliche Geifsel Gottes. Völlig nach goti- 
scher Art, ohne jemals von gotischen Heerfahrten gehört zu haben, 
unternahmen sie ihre Sommerfahrt, die sie ernährte, berauschte und 
bereicherte. Jassy, die moldauische Hauptstadt, sah sie oft in ihren 
Mauern; die Jahrmärkte an den Ufern des Dniester erhielten grausa- 
men Kosakenbesuch; Caffa in der Krim, Samsun in Kleinasien war- 
den von ihnen geplündert; am Bosporos sah man sie sengen und 
brennen, und der Sultan erhielt, während der hellen Nächte die rote 
Glut des Himmels in der Feme erblickend, die Kunde von ihren Siegen 
und von ihrer Einladung zum Kampfe ^). 

Aber zahlreich, wie man nach der Chronik ihrer Abenteuer fol- 
gern könnte, waren sie nicht; sie erreichten Grofsartiges , weil ihnen 
der Krieg nicht Nebensache oder Notwehr, sondern alles war: sie 
lebten für den Krieg .und im Kriege wünschten sie zu sterben. "Wie 
oft tobten ihre blitzschnellen Reiterscharen über den moldauischen,, 
walachischen, süddonauischen Boden! Und dennoch wurde das Land, 



1) S. Jorga, Chilia ^i Cetatea-Albä, S. 26—27: Hurmuzaki XI, Vor- 
rede ; Pretenden^I DomnestI, in den Jahresberichten der rumänischen Akademie^ 
Bd. XIX; Studil ^i documente, IV, Vorrede. 



II. Die römische Provinz Dakien usw. 51 

trotz des Schadens, den es in Dorf und Flur erlitt, nicht vollständig 
ruiniert, und keineswegs entvölkert. Die Bewohner waren ja Acker- 
bauer und Hirten zugleich ; wenn die Äcker brach liegen mufsten oder 
die Ernte verloren ging, ernährte sie die Herde, und der rumänische 
Bauer hafste deshalb diese Fremden nicht, die für seine Armut 
nicht weiter verhängnisvoll waren und deren Mut er aufrichtig bewun- 
derte. Nicht selten verliefs er seine gewöhnliche Beschäftigung und 
wurde far die Dauer eines Zuges, um sein Griück zu versuchen, selbst 
Kosake. Man mufs annehmen, dafs bei dem Durchreiten der uner- 
müdlichen Scharen der Goten in manchem Römer der Karpe, Sarmate 
und Daker wieder erwacht ist; nach dem Siege oder Niederlage der 
Eriegsgenossen kehrte er zum Bauemhandwerk zurück. 

Eine unbedingte, unversöhnliche Feindin der Barbaren war also 
die stark gemischte, lateinisch sprechende Bevölkerung Dakiens nicht 
In vici und pagi zerstreut, lebte sie nicht nur in den engen Grenzen 
der römischen Provinz, sondern weit darüber hinaus und verliefs Heim 
und Familie monatelang, um in dieser immer von Barbaren besuchten 
walachischen Ebene oder in dem moldauischen Hügelland mit ihren Her- 
den herumzuschweifen. Vor der Ankunft der Goten standen diese daki- 
schen pastores, ihrem Berufe nach Nachfolger und ihrem Blute nach 
oft genug Nachkommen der Daker, mit den Sarmaten in freundlichen 
Beziehungen, ja sie bezahlten jenseits des Olts den roxolanischen Häupt- 
lingen einen Weidezins, um die blühenden Täler durchstreifen zu können. 
Der „Gote" war für den Kenner sehr oft nur derselbe Sarmate und, 
wenn er ein wirklicher Germane war, verschlofs er sich nicht der Sitte 
des Landes, sondern nahm die römische Kupfermünze von dem in Lamm- 
felle gehüllten, mit daMscher Kopfbedeckung geschützten und mit daki- 
schen Sandalen — alles hat sich bis heute auf den rumänischen Bauern 
unverändert vererbt — einhergehenden Provinzialen, der vom Hirten- 
berufe lebte. 

YI. Dakien nach seiner Bäumung durch Kaiser Aurelian 
(c. 271). Aurelian hatte sich während seiner Anwesenheit in Dakien davon 
überzeugt, dafs das Land zwar far das Reich, nicht aber far die „römische" 
Bevölkerung und lateinische Sprache verloren sei. Wahrscheinlich war 
von den Berg- und Donaustädten, die sich niemals richtig eingelebt 
hatten und die immer nur in Inschriften, niemals aber in den erzäh- 
lenden Quellen Erwähnung finden, nichts anderes übrig geblieben, als 

4* 



53 Einleitung. 

Legionsquartiere und dorfähnliche Marktorte für einheimische Baaem 
und fremde Krieger. Man darf mit Bestimmtheit annehmen, dafs etliche 
ehemalige municipia und coloniae ganz verödet waren, findet maji 
doch selbst im 14. Jahrhundert in dem sonst so blühenden dicht- 
bevölkerten Italien, wo jedoch die Banden der Kondottieri, auch das 
Bauernland nicht verschonend, wüteten, in einer Stadt wie Piacenza 
während langer Zeit nur drei Einwohner, und auf dem Hauptplatze 
das Unkraut in derselben üppigen Wucherung wie auf den brachliegen- 
den Feldern *) ! In der tatsächlichen Hauptstadt Apulum mufste Decius, 
der unglückliche Kaiser, der später durch die Goten fiel, eine neue 
Kolonie errichten, und diese colonia nova gedenkt des restitutor 
der Provinz rühmlich in einer Inschrift ^). Was Keichtum , Sklaven, 
eine öffentliche Stellung in der Provinz und Sinn für bessere Lebens- 
art behielt, wohnte in steter Furcht unter dem Schutze der Soldaten 
in den noch haltbaren Festungen und Lagern. Im Innern des Landes 
grub man seit geraumer Zeit kaum noch stolze Kömerinschriften in 
den Stein ^), ein Anzeichen des Todes, wenn man bedenkt, wie schreih- 
selig die Leute waren. 

Der Biograph Aurelians sagt nur in losem Zusammenhange mit 
dem Abschnitte, worin diese Nachricht gegeben wird, auch folgendes, wor- 
über moderne Gelehrte und moderne Politiker so viel Sinn und Unsinn 
zu sagen wissen: „Nachdem der Kaiser gesehen hatte, dafs lUyricum 
verödet und Moesia verloren war, verliefs er, das Heer und die Be- 
wohner herausziehend, das jenseits der Donau gelegene, von Trajan 
geschaffene Dakien, weil er die Hoffnung aufgegeben hatte, es noch 
länger halten zu können; die von dort herausgebrachte Menge setzte 
er in Mösien fest und nannte die Provinz, welche jetzt die beiden 
Mösien scheidet, sein Dakien" *). Das heilst — jede andere Erklärung 
entspricht nicht der natürlichen Entwickelung der Zustände: nachdem 
Aurelian die Goten, Juthungen und Vandalen auf dem linken Donau- 



1) Jorga, Thomas de Saluces. Paris 1893. S. 95. 

2) Corpus Inscr. lai HI, 1 nr. 1176. 

3) Eine Inschrift von Sarmisagethusa in Ephemeris epigraphica IV, nr. 190. 

4) „Cum vastatum Illyricum ac Moesiam dependitam videret, provinciam 
transdanavinam Daciam, a Traiano constitutam, sublato exercitu et provinciali- 

~bus, reliquit, desperans eam posse retineri, adductosque ex ea populos in Moesia 
conlocavit appellavitque suam Daciam, quae nunc duas Moesias dividit " ; § 39. 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 5S 

ufer geschlagen und zu einem Frieden, durch den sie foederati wur- 
den und sich als solche fühlten, gezwungen hatte, verliefs er das Land 
mit den früher dort dienenden Soldaten und räumte die noch vorhande- 
nen unnütz gewordenen Festungen. Die Verwaltung folgte den Legionen 
nach, und mit den Beamten, die hier nichts mehr zu schaffen hatten, ver- 
liefsen die Provinz alle diejenigen, die nur unter dem Schutze der kai- 
serlichen Adler auf dem gefährlichen Boden Dakiens wohnen konnten. 
Diese fanden eine Zuflucht in den Städten am südlichen Flufsufer; den 
Soldaten wurden neue mösische Garnisonen angewiesen, und die Be- 
amten fungierten seitdem in dem neugeschaffenen Dakien Kaiser Aure- 
lians. Den Bauern auf dem platten Lande, den Hirten auf den Berg- 
höhen, diesen Gefährten und Verwandten der neuen Barbaren, war dies 
alles vollständig gleichgültig, und die Fortdauer des römischen Elementes 
auf beiden Ufern der Donau — sie war jetzt wieder ein Grenzflufs — 
wnrde durch die Mafsregel Aurelians, der nur schon vorhandenen Tat- 
sachen offizielle Anerkennung verschaffte, nicht beeinträchtigt. Wie in 
Britannien ging auch hier durch die einfache Zurückziehung der Legionen 
das langsame, aber erfolgreiche Komanisierungswerk, das während bei- 
nahe dreier Jahrhunderte getrieben worden war, nicht zu Grunde. 

Es ist sehr leicht möglich, dafs in den Verträgen, die Aurelian 
mit den Barbaren abschlofs, ihnen die Festsetzung auf dem verlasse- 
nen Donauufer zugestanden wurde, und dafs die Goten und die Van- 
dalen ihre Ansiedelung als -foederati angenommen haben. Durch 
die verzweifelte Mafsregel des Kaisers wurde tatsächlich die Ruhe an 
der neugeschaffenen Grenze wiederhergestellt; denn als bei der Erwäh- 
lung des Kaisers Tacitus ein Konsul im Senate die von den Bar- 
baren drohende Gefahr hervorhob, wurde der Goten als Bedroher selbst 
nicht andeutungsweise gedacht *). Aber diese Feinde Aurelians, die übri- 
gens den Weg nach Asien über das Meer nicht vergessen hatten, er- 
schienen wieder unter Probus, in welchem Kom einen Soldatenkaiser, 
der rastlos die angegriffenen Grenzen durcheilte, gewonnen hatte. Pro- 
bus hat die Germanen besonders durch Ansiedlung bezähmt, und kein 
römischer Herrscher hat so wie er die Bevölkerung des Kelches durch 
Barbarenzuschüsse vermehrt. Das ganze Volk der Karpen — nach sei- 
ner Heimat an den Donaumündungen jetzt „Bastarni" genannt — wurde 



1) Vopiscus, Tacitus, § 3. 



54 Einleitung. 

in „Thrakien« aufgenommen, fern von seinen gewohnten Angriffspunkten. 
Auch ganze Gruppen gotischer Stämme, Gepiden und Greuthungen, 
nahmen Provinzialboden in Dakien oder anderswo, durch deditio, 
nach einer Niederlage, oder auf Grund frei geschlossener amicitia 
in Besitz. Aber trotzdem setzten die Bäuberbanden, die keinen Acker- 
boden wollten und die Sklavenarbeit des Bauern verschmähten, das 
ihnen nicht mehr abzugewöhnende Leben fort *). 

Dennoch ging ein beträchtlicher Teil des Goten- und Vandalen- 
volkes in einer besseren Heimat zu römischer Kultur über, und Fa- 
milienverbindungen zwischen Römern und Goten wurden immer häu- 
figer: hatte doch Aurelian eine gotische virgo regalis, eine Königs- 
tochter, dem künftigen Gegenkaiser Bonosus, einem ausgezeichneten 
Trinker, der den besten bei den Germanen glich, zur Frau gegeben, 
und auch eine Mitgift, in Kleidern und gemünztem Gold und Silber 
bestehend, geschenkt^). Sarmatenkriege in Pannonien, mit grofsem 
Blutvergiefsen unter den einfallenden Barbaren und stärkerer nach- 
heriger Ansiedlung von Gefangenen, hatte Carus, der Nachfolger des 
Probus, zu bestehen ^) ; es sind mit diesem archaistischen Namen wahr- 
scheinlich die Vandalen gemeint, denn die Jazygenherrschaft war in 
diesen Pufstagegenden schon längst vorüber. 

Diokletian gab dem Keiche einen Festungsgürtel, der wenigstens 
Einfälle verhindern sollte *). Leider sind uns aber die Beziehungen 
dieses Kaisers zu den Goten und ihren Nachbarstämmen nicht be- 
kannt ^) ; ihre Stellung zu den römischen Provinzialen und der Pro- 
vinz bleibt für diese Zeit in Dunkel gehüllt Um etwas Licht über 
diesen interessanten Veränderungsprozefs zu verbreiten, mufs man be- 
reits in das Zeitalter Konstantins herübergreifen ^). 

Als der Mann, dem es vorbehalten war dem Eeiche eine der Zeit 
besser entsprechende Organisation zu geben, durch den Vertrag mit 
seinem Nebenbuhler Licinius, mit dem er vor den Augen der Barbaren 



1) Probus §§ 16, 18; vgl. Procalus § 12; Zosimus S. 61. 

2) Bonosus §§ 14—15. 

3) Carus § 9. 

4) Zosimus II, §34. 

5) Unklare Erwähnung von Kriegen gegen die „Karpen, Bastamen, Sar- 
maten" bei Orosius VII, § 25. 

6) Vgl. Rappaport S. 105—107. 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 55 

in Moesia superior und Thrakien gerungen hatte, die östlich Ton 
Illyricum gelegenen Provinzen für sich nahm, fand er bald Gelegenheit, 
seine unbezwungenen Nachbarn kennen zu lernen. Während der ver- 
flossenen Jahrzehnte waren die Steppengoten nicht aus ihrer unend- 
lichen Wüste gewichen, und König Ehausimodos — ein Ehausimuth, 
dessen Namen an dem Ehaus der antooinischen Epoche erinnert — 
fahrte seine Krieger vom Tanais und dem Mäotischen Meere bis zur 
Donau, wo sie ein Kastell diokletianischer Herkunft, mit Holzzinnen 
auf alten Steinmauern, stürmen wollten. Dies gelang jedoch nicht; 
auf ihrem Eückzuge folgte ihnen der Caesar und besiegte sie in den 
„Wäldern", wahrscheinlich in dem Sumpfdickicht von Südbessarabien, 
durch welches sie ihren Weg nehmen mufsten. Der schon feststehen- 
den Sitte entsprechend wurden die Gefangenen auf dem römischen 
Ufer angesiedelt '). Übrigens ist dies auch alles, was er gegen die 
Ooten unternahm, und was über seine Erfolge gegen die „Sarmaten" 
in späteren Quellen berichtet wird, mufs gröfstenteils darauf bezogen 
werden *) : von einer Brücke über die Donau , deren hier und da bei 
weniger unterrichteten Geschichtschreibem Erwähnung geschieht, ist 
keine sichere Spur erhalten, und die Wiedererbauung der kolossalen 
trajanischen Euine zu Tumu-Severin oder die Errichtung einer anderen 
bei Celel in der Kleinen Walachei ist, wenn wir die damaligen Verhält- 
nisse berücksichtigen, kaum anzunehmen. Eine Wiedergewinnung Dakiens 
wäre ein zu verwegener Traum für den höchst nüchternen und prak- 
tischen, keineswegs der versunkenen Vergangenheit huldigenden real- 
politischen Kaiser gewesen: die Goten kamen für ihn nur im Osten, 
in der Scythia minor in Betracht; nur hier hatte er mit ihnen zu 
schaffen. Konnte man in dieser Eichtung etwas Bedeutendes von dem 
Manne erwarten, den man beschuldigte, er habe durch Anlegung von 
Garnisonen im Innern die Wache an der Grenze geschwächt und so 
den Barbaren den freien Eintritt ins Eeich gestattet ') ? Nicht ein- 
mal die Donaugrenze schien ihm verteidigungsfähig, und der Ee- 



1) Zosimus II, § 21. 

2) S. die Exzerpte de Constantino im Anhange zu Ammianus aap. 32. 
Auch in Anonymus Valesii, Mon. Germ. Hisi, Auotores antiquissimi IX, 
S. 10—11 werden diese „ Sarmatenkriege " zu ungeheueren Siegen und Bar- 
barenübersiedelungen vergröfsert. Vgl. Eappaport S. 112 ff. 

3) Zosimus 11, § 34. 



56 EiuleituDg. 

ßtaurator der „civitas Tropeensium", der sich in ihrer Nähe ein arm- 
seliges Denkmal zur Erinnerung an seine Taten errichten liefs, ist 
wahrscheinlich auch derjenige, auf dessen Befehl die dobrudschaer 
Erdwälle, südlich von der jetzigen Eisenbahnlinie, angelegt wur- 
den >). 

Die Bruderkriege nach dem Tode Konstantins konnten der Auf- 
merksamkeit der Barbaren, in deren Nähe sie sich oft abspielten, nicht 
entgehen, und, wie gewöhnlich, fielen auch jetzt germanische Verhee- 
rungen zeitlich mit dem Eingen um die Kaiserkrone zusammen ^)» 
Constantius, der gern als ein zweiter Mark Aurel gelten wollte, traF 
in Pannonien Vandalen, die in den offiziösen Berichten und bei deren 
Abschreiber, Ammianus Marcellinus, „Quadi" heifsen, und neben ihnen, 
eine starke Völkerschaft, der der altertümliche, um ein Jahrhundert 
verspätete Name Sarmaten gegeben wird. Es sind dies bekannte 
Eäuber, in Hompanzer „gleich Federn" — ganz wie die Verbün- 
deten der Eömer gegen die Daker in den Eeliefs der Trajansäule — 
eingehüllt, unermüdliche Eeiter mit langen Speeren. Sie wohnen in 
Holzhütten, sind einem Könige nebst etlichen subreguli Untertan 
und halten Sklaven anderen Ursprunges, die sich als Limigantes 
gegen ihre Herren erhoben und sie zu bezwingen vermochten. Neben 
ihnen wohnen nördlich in den Bergen die „Victohali" — wieder 
eine gelehrte Benennung . — und die gegen Dakien ansässigen Tai- 
falen, die dem Kaiser gegen die unfreien, aufrührerischen Sarmaten 
Hilfe leisteten. Aus diesen reichen, aber nicht sehr zusammenhängen- 
den Notizen ^) läfst sich nur der eine Schlufs ziehen : dafs sich näm- 
lich während der Gotenwanderungen in diesem Donaugebiete ein 
eigenartiges, slavische oder ural-altaische Bestandteile enthaltendes 
Mischvolk in den Feldern Nordpannoniens gebildet hatte, das sich 
von den Germanen deutlich unterschied. Ihre aufgezwungenen Wohn- 
sitze noch einmal verlassend, kamen die Limigantes zur Grenze und 
erhoben mit ihrem Kriegesrufe mar ha, mar ha vor dem eben an- 
gekommenen Kaiser ein furchtbares Geschrei, bei dem die angeblich 



1) Tocilescu, Adamklissi S. 315 — 317. Über die Hilfe der Chersoniteii 
in den Sarmatenkriegen s. Gonst. Porphyrogenetes, De adin. Imp. S. 251. 
Vgl. Procopius, De aed., S. 392. 

2) Zosimus HI, § 1. 

3) Ammianus XVH, § 22. 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 57 

um Verzeihung bittenden sogar diosellaregalis mit dem Goldpolster 
erbeuteten ^); die Soldaten konnten ihren kaiserlichen Herrn kaum 
aus den- Händen der wilden schreienden Menge retten. 

Gegen die gotischen latrunculi errang endlich derselbe Kaiser 
im Verein mit seinem ßruder Constans einen Sieg und machte aus 
dem verödeten Trösmis wieder ein Bollwerk gegen die Eaubgelüste 
dieser lästigen Gäste der heutigen Dobrudscha ^). 

Durch die Bemühungen dieser Herrscher, vielmehr aber infolge 
Ermattung und inneren Haders, sowie durch den Verlust zahlreicher 
Elemente, die bis in die entlegensten, fast zu Asien gehörigen Winkel 
Thrakiens verpflanzt wurden, hatten die Goten ihren furchtbaren Namen 
einigermafsen verloren, und das Land bis zum Hämus und weit dar- 
über hinaus war nicht mehr der Schauplatz ihrer Kriegsfahrten. In 
der Zeit Konstantins blühte das römische neudakische Gebiet wie nie- 
mals zuvor, und Serdica, die Hauptstadt der Dacia mediterranea und 
der bedeutendste Punkt in der ganzen Gegend, stieg zu einer solchen 
Höhe empor, dafs es mit Konstantinopel, dem „Neuen Eom** des Kaisers, 
vei^lichen werden konnte: ein christliches Konzil (343 — 344) konnte 
unbehelligt* seine Beratungen in der schönen Balkanstadt halten *). 
Aus Dakien stammten bekannte Generale, die sich, wie Maximianus, 
eine Krone erwarben, geschickte Eänkeschmiede, wie der Notarius Paul 
Catena, Maximinus von Sopianae, aus einer Familie romanisierter Kar- 
pen, der eine hohe Stellung im Staate errang und infolge seiner Laster 
jämmerlich zu Grunde ging *) — Erscheinungen, die das zu Ende ge- 
fahrte Komanisierungswerk, mit oder ohne hellenische Färbung, be- 
zeugen ^). 

Man glaubte schon, dafs durch die letzten Siege und foedera 
die gotische Frage endgültig gelöst sei; die langjährigen Feinde wurden 
schon als eine gens amica, als ein verbündeter Germanenstamm, 
wie die Franken, betrachtet*). Als Valens einen neuen Zug gegen 



1) Ebend. XIX, X, 4ü. 

2) Tocilescu, Neue Inschriften (aus den Arch.-epigr. Mitth.). 1894. 
S. 85. 

ü) Jirecek, Das Fürstentum Bulgarien. S. 360. 

4) Ammianus XXVEH, I. 

5) Vgl. Eutropius IX; Ammianus XV, lll, 4. 

6) Ammianus XXVII, V, 1. 



58 Einleitung. 

sie unternahm, bestimmte ihn dazu einzig und allein der Umstand, 
dafs sie einem Nebenbuhler Hilfe gewährt hatten, nachdem dieser sich 
brieflich als gesetzmäfsiger Erbe des Eeiches vorgestellt hatte. Valens 
bewies g^ofse Ausdauer bei der Züchtigung der Goten, obwohl sie mehr- 
mals um Verzeihung und Frieden, um ruhige commercia baten: drei 
Jahre lang dauerte der Feldzug, wobei in Marcianopolis Winterquar- 
tiere bezogen wurden. Einmal wurde der Flufs — wie gewöhnlich 
in den Kämpfen mit Goten — in dem unteren Laufe bei der Festung 
Daphne, das zweite Mal in der Nähe von Noviodunum, einem kleinen 
Grenzposten, überschritten. Schliefslich, nachdem man Dörfer nutzloser 
Weise verbrannt, einen Preis auf Barbarenköpfe gesetzt und barba- 
rische Familien in die Gefangenschaft geschleppt hatte, bot sich doch 
noch die Gelegenheit zu einer Schlacht, und der besiegte Häuptling, 
der „Eichter" Athanaricus, kam auf eine Insel in den Donaumün- 
dungen, um einen neuen Vertrag zu beschwören *); noch einmal wurde 
die Donau als Grenze bestimmt. 

Diesen Vertrag haben die Barbaren längere Zeit ehrlich beob- 
achtei Wenn man bedenkt, dafs die einst unaufhaltsamen Goten den 
zweijährigen Verheerungszug des Kaisers über sich ergehen liefsen, 
ohne sich der alten siegreichen Abenteuerlust zu erinnern und etwas 
auf dem Meere gegen die Angreifer zu versuchen, so erklärt sich auch 
diese ungewöhnliche Beobachtung der Verträge als ein unzweifelhaftes 
Zeichen der Schwäche und inneren Zerrüttung. Als unter Valentinian 
die „plebs", die auf den pannonischen und mösischen Feldern ihre 
Ernte sammelte, von aufgeregten wilden Scharen getötet oder ge- 
fangen genommen wurde, und die dortigen Städte sich nur mühsam 
zur Gegenwehr rüsten konnten, waren es nicht Goten, die dies ver- 
ursachten, wie das schon die Lage des Ortes erraten läfsi Die 
Feinde, die sich von dem jungen Theodosius, einem Kaiser der bes- 
seren künftigen Zeit, nur mit Mühe zurückdrängen liefsen, bestanden 
aus Vandalen, die durch die Ermordung eines ihrer Könige in Em- 
pörung geraten waren, und „Sarmaten" oder „Limiganten" freier Art 
Während dieses Barbarenbündnis die Eömer in Schrecken versetzte und 
demütigte — der Kaiser des Westens dachte einen persönlichen Zug 



1) Ammianus a. a. 0. IV, V; Eunapius S. 47 — 48; Zosimus 
S. 185—186. Vgl. Tocilescu, Inschr. aus d. Dobrudscha. S. 49. 



n. Die römische Provinz Dakien usw. 59 

gegen sie zu unternehmen *) — blieben ihre östlichen „gotischen" 
Nachbarn in notgedrungener Kühe *). 

VII. Ende der Gotenherrschafi Vielleicht hatten schon da- 
mals die nral-altaischen Stämme, die Beste der mächtigen Skythen, das 
germanische Joch abgeworfen. Man darf nicht an eine Invasion asiatischer 
Hunnen denken; dieses Volk wohnte von jeher bis an das Kaspische 
Meer, in Gegenden, die sich geographisch in europäische und asia- 
tische nicht scheiden lassen. In Baiamor — wenn diese bei Jordanes 
erwähnte Persönlichkeit geschichtlich ist — erstand den Mongolen ein 
Führer, und durch ihn errangen die unterworfenen Hunnen einen voU- 
ständigen Sieg über Hermanrich und andere ihrer gotischen Herren, 
denen die Berührung mit den Bömem, was ihre Widerstandskraft an- 
belangt, nicht viel Nutzen gebracht hatte. Hermanrich, der über die 
östlichen, bis zum Don in vielen und reichen Dörfern wohnenden Goten, 
„Greuthungi'^ genannt, gebot, tötete sich, um der Schmach zu entgehen, 
und sein Nachfolger suchte sich vergebens mit angeworbenen Alanen 
und Hunnenscharen gegen ihre Hauptmacht zu verteidigen. Einen 
kleinen Sohn dieses zweiten besiegten und getöteten Königs brachten 
einige Fürsten seines Stammes nach Bessarabien, wo Athanarich, der 
„Thervingenrichter", eine verteidigungsfähige Stellung im späteren Bud- 
schak fand. Durch eine verwegene Überfahrt über den Flufs in der 
Nacht wurden die kämpfenden Goten verscheucht, und Athanarich zog 
über den Pruth, wo zwischen diesem Flusse, dem Sereth und der 
Donau ein zweiter angulus den unglücklichen Barbaren eine Zu- 
fluchtsstätte bot. Dem bekannten Beispiele der Eömer folgend, liefs 
Athanarich in der gröfsten Eile ein kleines v all um, dessen Spur noch 
heute vorhanden ist, graben, und hier erwartete er, bebenden Herzens, 
die grofse entscheidende Schlacht 

Der gröfste Teil der Goten war aber zu demoralisiert, um an 
-einen Kampf zu denken. In dichten Scharen kamen sie durch die 
walachische Ebene — das Land der Taifalen ^) , die sich dieser 
Flucht anschlössen, — zur Donau und verlangten bittend und dro- 
hend von den römischen Befehlshabern die Überfahrt. Der Kaiser, 
"der gegen die Perser Krieg führte, hatte sie genehmigt, unter der 



1) Zosimus S. 190 — 192, nach der verlorenen Erzählung von Eunapius. 

2) Ammianus XXIX, VI, Iff. 

3) Sie werden auch in Constantius* Zeit erwähnt; Zosimus S. 97. 



60 Einleitung. 

Bedingung, dafs die Barbaren „nackt", d. h. ohne Waffen, den Keichs- 
boden beträten. Die kaiserliche Verwaltung war aber im vierten Jahr- 
hunderte nicht mehr im stände, eine solche Mafsregel pünktlich durch- 
zuführen, und so kamen denn die Goten, wie es ihnen beliebte, in die 
blühende mösische Provinz, um bald bis nach Konstantinopel ihr altes 
Handwerk der Plünderung zu betreiben. Unaufhörlich drängten sich 
die Scharen an den niemals gut besetzten Ufern der Donau, und die 
bekanntesten Häuptlinge — mit Ausnahme derer, die die hunnische 
Herrschaft -anerkannten, und des Athanarich, der mit seinen Schätzen 
in den karpathischen „Kaukasus '^ flüchtend, die Sarmaten überfallen 
hatte ') — , kamen einer nach dem anderen in das ersehnte rettende 
Paradies der Plünderung: Gruthungen, Therwingen und Taifalen, die 
germanischen Gäste der Steppe, ohne Unterschied der Gruppe und der 
Keligion. Der Kaiser mufste endlich auf der Schreckensbühne erschei- 
nen, er wurde bei Adrianopel vollständig geschlagen, getötet und ver- 
brannt. Es schien, als ob aus der östlichen Eomania eine Gotia 
werden müfste. 



m. Das romanische Element im Osten 
zwischen Byzanz nnd den Barbaren bis znm geschichtlichen Anftreten 

des rumänischen Volkes. 

Die kluge Politik des besten Kenners der Donaubarbaren, des 
Kaisers Theodosius, gab dem Reiche die beinahe verlorenen, unaufhör- 
lich von den Barbaren durchstreiften Gegenden zurück; durch ver- 
söhnliche Haltung und Kampf*) hielt er die Hunnen fern, die hier 
und da sich persönlich nach römischen Eeichtümern erkundigten, und 
ward als neuer Kaiser Herr bis zur Donau. Aber das blühende Mösien 
und Thrakien war nicht mehr zu erkennen, so lang und grausam war 
es verwüstet und entvölkert worden. Nur die gröfseren Städte standen 
noch; die ärmere Bevölkerung suchte in den Bergen ihre Zuflucht,, 
wie es die transdanubianischen Bewohner schon früher gemacht hatten^ 
und mancher ruhige Ackerbauer war jetzt zum Hirten geworden. 



1) S. Odobescu, Le tresor de Pietroasa (Paris 1889—1900, 3 Bde.). 

2) Zosimus S. 214, 218, 221. 



in. Das romanische Element im Osten usw. ' 61 

Die Hnnnen unter Attila, der das Hunnenreicli gründete und (wie 
Ammian von den ihnen verwandten germanisch - turanischen Alanen 
schreibt) den vielen, unter sich ganz verschiedenen unterjochten Völkern 
den Namen seiner Krieger aufzwang, ad gentilitatem sui vocabuli 
traxit ^), taten für die Verödung der westlichen Hälfte der Balkan- 
halbinsel dasselbe, was für die östliche die Goten getan hatten. Attila 
verheerte ganz Moesia superior und die nächstliegenden Provinzen; 
in Pannonien, auf der freien Ebene, die für Pferdezucht und Pferdetum- 
meln wie geschaffen war, hatte er seine königliche Besidenz errichtet. 
Das Land, welches der Ausbeutung durch ihn harrte, war noch ein 
blühendes zu nennen: es hatte noch „viele'' Städte und Kastelle und 
war mit einer zahlreichen römischen Bevölkerung besetzt, die sogar noch 
den Ackerbau kannte. Ja einmal erhob der König die Klage, er besitze 
infolge der Aufnahme der Flüchtlinge durch die Byzantiner nicht genug 
„Eömer", um die Felder auf dem von ihm eroberten Grebiete bebauen, 
Hirse für seine Krieger ernten und das Bier für dieselben oder den 
„einheimischen" fiedog bereiten zu können *). Der Hunnenkönig ver- 
stand auch befestigte Mauern zu erstürmen: so fielen ihm Constantia, 
Margus, durch den Verrat des beinahe unabhängigen Bischofs das gegen- 
überliegende Sirmium, Viminacium und Ratiaria in die Hände; die 
Grenze verschob sich südlich bis nach Naissus, das dem Geschicke 
anderer mösischer Städte nicht entging und von Grund aus geschleift 
wurde. Der Donau entlang, die keine feste Grenze mehr bildete, dran- 
gen die Hunnen bis Novae (Svistov) im Osten vor: selbst Sardika ward 
dem gefürchteten Barbarenkönig zum Ziel seiner beutereichen Aben- 
teuer ^). Am südlichen Ufer blieben nach dem Besuche der Hunnen 
nur zerstörte Häuser und Tempel zurück, in deren Trümmern einige 
Kranke und Verwundete schmachteten und auf die Gelegenheit war- 
teten, um geheilt, gerettet zu werden. Die römische Verwaltung hatte 
vollständig aufgehört zu funktionieren; die kaiserlichen Offiziere er- 
schienen in der Wüste, dort, wo die Gebeine der Gefallenen und Hin- 
gemetzelten bei Eegen und Sonne bleichten und verdorrten, nur noch, 
um den Barbaren aufserordentliche Tribute zu leisten oder ihnen Flücht- 
linge auszuliefern. Hingegen im westlichen ehemaligen Dakien, d. h. 



1) Ammianus XXXI, ii, 6. 

2) ^Affi^ovrai, *Pio/j,aioi t^v SoQvdktoxov ägoörrtg. 

3) Priscus S. 140—142, 171, 183, 186, 207. 



62 ' Einleitung. 

im Banate, und in Pannonien, wo die Hunnen-Groten in ihren xcbfjim 
in Faulheit und Verschwendung prafsten, langten unaufhörlich bei der 
Rückkehr der kaum rastenden Krieger neue Zuschüsse von arbeiten- 
den römischen Untertanen, lateinischer oder hellenischer Sprache, an *). 
Die meisten sahen darin eine Verbesserung ihres Schicksals, und das 
erklärt sich leicht: zu Hause hatten sie eine ungeheuere Last von 
Steuern zu tragen, fanden als Entgelt keine Gerechtigkeit, wenn sie 
nicht den bevorzugten Klassen angehörten, und keinen wirklichen Schutz 
gegen die Barbaren ; selbst konnten sie kaum die Waffen tragen, denn 
es schien den ebenso mifstrauischen wie tyrannischen Beamten zu ge- 
fährlich, die Eingesessenen der Provinz zur Erfüllung dieser Pflicht an- 
zuhalten. Bei den Barbaren dagegen hatte man wenigstens im Kriege, 
wo auch die ehemaligen Untertanen und Bürger Eoms gegen ihre 
Stammverwandten oder gegen feindliche germanische, slavische, tura- 
nische Völker kämpften, di^ Hoffnung, durch Tapferkeit und aus dem 
Erlös der Beute die Freiheit wiederzuerwerben. In Friedenszeiten 
stand ihnen alles zur Verfügung, und für die Sicherheit sorgte die 
Kraft und der Euhm des gefürchteten Hunnenkönigs. Viele fanden 
Wohlgefallen an germanischen Frauen und gründeten ein neues Heim, 
eine römisch-barbarische oder griechisch-barbarische Familie: dieser 
stand die Zukunft offen, weil sie sich in alle möglichen Verhältnisse 
zu fügen verstand *). Die römische Organisation pafste für ruhige, 
siegreiche Zeiten mit blühendem Städteleben; für die verarmten Land- 
schaften, für die verwilderten, der Zivilisation entfremdeten coloni 
und servi war sie zu kompliziert, zu gelehrt und zuwenig praktisch. 
Der Provinziale fühlte sich in den barbarischen Formen, die einfach, 
gerecht und mit der Ausnahme der kriegerischen Unternehmungen so- 
gar freundlich waren, wohler als in dem veralteten, dädalischen Orga- 
nismus des Eeiches, wo alles die schwere, ermattende Luft des ver- 
fallenden Staates atmete. 

So konnte das ganze östliche Bömertum, das unsäglich mehr als 
das westliche unter den Barbarenwanderungen gelitten hatte, nur ein 
kleines Volk hervorbringen: das rumänische. Und zu dessen 
Bildung fehlte es im fünften Jahrhundert sogar an den notwendigen 

1) Priscus S. 190. 

2) Priscus S. 190 ff. Vgl. dazu ähnliche Fälle bei Jung, BOmer und 
Romanen, S. 232 ff. 



V. 



ni. Das romanische Element im Osten usw. 63 

barbarischen Elementen — von der thrakischen älteren Basis gar nicht 
zu reden. Die Germanen wohnten nicht in Dakien selbst; sie erschie- 
nen in den römischen Landschaften südlich der Donaa nur, um zu 
rauben, und sie lebten meistens auf Kriegszügen, bis zu ihrer Entfer- 
nung unter Alarich, der sie durch Illyricum nach Eom selbst führte. 
Die Hunnen waren kaum zahlreich genug , um Fannonien besetzen zu 
können, und bei ihrem kurzen Aufenthalte blieben sie infolge des über- 
menschlichen Grausens, das sie der armen notleidenden römischen p 1 e b s 
einflöfsten, völlig von ihr geschieden. Die Slaven mufsten kommen, 
um die Bildung eines romanischen Volkes im Osten zu ermöglichen. 

Die Gründung barbarischer Staaten im Abendlande war für das 
römische Eeich, trotz aller rhetorischen Klagen und Restaurationsgelüste, 
eine Erlösung. Die neue Heimat im Westen fanden gerade die ge- 
fährlichsten Feinde Ostroms: das ganze gotische Volk — die West- 
goten unter Alarich, die Ostgoten unter Theoderich — suchten Italien 
auf; vom Gotenjoche befreit, verjagten die Langobarden, Fannonien und 
die angrenzende Ausbeutezone verlassend, die byzantinischen „Eindring- 
linge" und traten als Nachfolger ihrer germanischen Brüder auf; die 
Vandalen, über deren Kämpfe mit den Goten uns nur Jordanes etliche 
Nachrichten überliefert *), wurden Spanier und Afrikaner; mit ihnen 
zusammen zogen die Alanen an den Bhein. So standen den Bömem 
von Byzanz, wenn sie die Herrschaft über die Donau- und Hämusländer 
neu begründen wollten, nur einige mongolische und türkische Stämme 
entgegen, die nach der Zertrümmerung des hunnischen Beiches die 
alten Irrpfade der Steppe gingen: das waren die Avaren, die wieder- 
erstandenen Turanen in der pannonischen Fufsta, und die Slaven. Die 
Anwesenheit der Gepiden, eines Bestes der Goten, in Dakien, von dem 
Jiü und Olt ^) bis zu den nördlichen Nebenflüssen der Theifs, ist uns nur 
durch Jordanes bezeugt, der sie als die eigentlichen Beherrscher der 
früheren römischen Frovinz bezeichnet: sie waren aber wenig zahlreich, 
besetzten mehr das alte Vandalenland an der sirmischen Donau und 
spielten, trotz der Wertschätzung, die ihnen Jordanes zuteil werden läfst, 
nie eine grofse Rolle. Nach Barbarenart, d. h. durch Flünderungen, 
gewannen sie unmerklich eine vorübergehende Bedeutung, und durch 



1) Kap. CXXn. 

2) ülca, Olt. Vgl. Zeufs S. 439. 



64 Einleitung. 

innere Eeibungen mit ihren langobardischen Nachbarn — mit diesen 
stiefsen sie in dem ihnen von Justinian eingeräumten Grebiete südlich 
der Donau bei Sirmium und jenseits der Drau, in der Gregend, die 
„die sirmische Insel" hiefs ^), zusammen — gingen sie, als herrschendes 
Volk wenigstens, zugrunde. Gegen die Mitte des sechsten Jahrhunderts 
waren sie schon in die antiquarische Eumpelkammer far ehrg-eizige, 
gelehrte Chronisten und Ehetoren versunken ^). 

Es unterliegt für den unbefangenen Quellenforscher keinem Zweifel, 
dafs unter dem sehr verbreiteten Namen der Sarmaten auch slavische 
Völker mit zu verstehen sind: die nordischen Sarmaten gegen die 
^Weichsel hin waren gewifs Slaven. Tacitus, im ersten Jahrhundert 
n. Chr., weifs sehr gut, dafs die Vene di, Nachbarn der Germanen im 
Nordosten, sich von diesen wesentlich unterscheiden ^). Bis zum vierten 
Jahrhundert aber war dieser beträchtliche Teil der Barbarenwelt den 
Eömern nicht näher und genauer bekannt geworden, denn die Germa- 
nen standen ja dazwischen. Nachdem aber die zuerst an die Donau 
kommenden Germanen: Bastarnen im Osten, im Westen Quaden und 
Markomannen, dann in einem zweiten germanischen Vorstofs : Goten in 
der östlichen Steppe, Vandalen, Taifalen, Gepiden gegen die daMschen 
Berge und Pannonien hin, in unaufhörlichen, blutigen Kriegen gegen 
4ie Legionen aufgerieben worden waren, wurden slavische Stämme, doch 
unter dem allgemeinen Namen der Sarmaten mit begriffen, gelegent- 
lich am römischen oberen Donaulimes sichtbar. Unter Attilas eisernem 
Szepter lebten sie wie die anderen benachbarten Barbaren, und die 
Kunde ihrer Taten verlor sich in der von der gemeinsamen Aktion der 
grofsen Plünderungsgenossenschaft. Als nach dem Tode des hunni- 
schen Herrschers sich seine Untertanen nach ihren Stämmen wieder 
zerstreuten und die wieder frei gewordenen Germanen in einem oder dem 
iinderen Teile des römischen Kaiserreiches eine dauernde oder vorüber- 
gehende Heimat fanden, entstand in den skythisch-sarmatischen Ländern 
über der Donau ein Vakuum, und die zögernden sanftmütigen Slaven 
wurden in dasselbe hineingerissen. Sie kamen aber nicht in der klas- 



1) Menandrus S. 304, 310, 386; Procopius, De hello vand. I, 2; 
in, cap. 34ff. ; Hist. arcana S. 108. 

2) Zeufs a. a. 0.; die Berichte über ihr Schicksal aus mitteMterlichen 
-Quellen. 

3) Germania 46. 



m. Das romanische Element im Osten usw. 65 

sischen Barbarenweise, in wildem Bossegetrabe, dramatisch mit bluten- 
den Händen den Vorhang der Weltgeschichte aufreifsend ; sie erschienen 
vielmehr langsam, ruhig und sicher, in enggeschlossener Sippschaft, die 
Ackerwerkzeuge auf den Kriegskarren mit sich führend, von zahlreichen 
Ochsen- und Schafherden begleitet Eine solche Wanderung in kleinen 
Abteilungen .bis zu einer geeigneten Siedelungsstätte und nicht weiter 
konnte in den grofsen öden Tälern, auf der unendlichen unbesetzten 
Steppe, neben den dünngesäten Dörfern der römischen Provinzialen, 
unbemerkt vor sich gehen. Erst nachdem die Kunde von den neuen 
besseren Ackern an der Donau bis zu der zurückgebliebenen slavischen 
Masse gedrungen war und ein Stamm nach dem anderen sich auf den 
Weg machte, so dafs an den Flufsufem ein grofses Gedränge ent- 
stand, erst da erfuhren die Eömer Näheres über die Ankömmlinge und 
zwar nicht nur durch Biwakreden und Erzählungen der Gefangenen in 
den Städtchen und Kastellen der vernachlässigten Nordgrenze. 

Während Justiniari, der neue Diokletian des anbrechenden Mittel- 
alters, seine grofsen romantischen Eestaurationspläne im westlichen 
Eömerreich für kurze Zeit verwirkÜchte , vernahm man im östlichen 
Eeiche überall die Kunde von grofsen kriegerischen Wanderungen: in 
den ehemaligen Gotengegenden tauchten die slavischen Sclavini und 
Antes (Wenden?) auf, diese die Ostgoten, jene die Westgoten in ihren 
im vierten Jahrhundert innegehabten Stellungen ersetzend *). Im vierten 
Jahre der Eegierung Justinians wurde ein gewisser Chilbudius zum 
Präfekten in Thrakien ernannt, um die schon üblichen Einfälle der 
Slaven zu bekämpfen. Längere Zeit bekriegte er die Barbaren in ihrem 
eigenen Lande — wie ehemals Kaiser Valens, und zwar auf demselben 
Boden in der Nähe der Donaumündungen — , aber zuletzt wurde er besiegt 
und getötet. Dann, um den Sieg zu feiern, fuhren sich die Sclavini und 
Anten gegenseitig in die Haare, wobei ein Vertrag mit Neurom ge- 

1) Jordanes S. 62 — 63. Die Slavenansiedelungen beginnen nach diesem 
gleichzeitigen Berichterstatter um „ Novietunensis civitas'*, d. h. Noviodunum. 
Die falsche Lesart zweier Handschriften : „ noviet sclavinonim unensis ", wobei 
^Sclavinorum" vom Rande in „novietunensis" durch einen Abschreiber hinein- 
gebracht wurde, gab in der alteren rumänischen historischen Literatur Ursache 
zu vielen überflüssigen Debatten, wobei sich besonders der romantische Rätsel- 
erfinder Hasdeu auszeichnete: er wollte nämlich ein „Sclavinum rumunense" 
dem heutigen Slavenl entsprechend, daraus machen, und somit die erste Erwäh- 
nung der rumänischen Nation hinein- und herauslesen! 

Jorga, Geschichte der Bninänen. I. O 



66 EinleitiiDg. 

schlössen wurde. Bald darauf bot ihnen Justinian die walachische 
Ebene zur Siedelung an und als emporium die Festung Turris — viel- 
leicht den Ort, wo im späteren Mittelalter Nicopolis Minor an der 01t- 
mündung, das heutige Turnu - Mägurele , stand. So wollte sich der 
Kaiser diese rothaarigen Barbaren gewinnen, die milde Grötter der Flüsse 
und Quellen verehrten, in der „Demokratie" lebten, die als Helfer bei 
der Feldarbeit römische Sklaven zu gewinnen suchten und, obgleich sie 
von „hunnischen Sitten" nicht ganz frei waren, keineswegs als „schlechte 
Leute und Übeltäter" gelten konnten. In diesen Anto-Sklavinen glaubte 
er eine Wehrmacht gegen die viel gefährlicheren türkischen Stämme 
gefunden zu haben, eine Art Ergänzung zu den grofsen Befestigungs- 
werken, Grenzkastellen und Emporiumstädten , die er auch an der 
Donau wie überall an den limites errichtete und erneuerte ^). In der 
Tat werden von dieser Zeit an nur noch wenige Einfälle in Thrakien 
verzeichnet, aber desto häufiger und grausamer werden die Kaubzüge, 
die „Sclavinen" in den Gegenden südlich von Pannonien, in Illyricum 
bis an das Adriatische Meer unternahmen. Diese Plünderungen waren 
aber nicht das Werk der walachischen Sclavinen: ihre Urheber waren 
vielmehr andere slavische Stämme, derselben westlichen Abteilung an- 
gehörend — die Serbo-Kroaten — , die sich neben den Gepiden in der 
pannonischen Ebene angesiedelt hatten. Sie kamen nicht als reine 
Beutejäger wie ihre germanischen und hunnischen Vorgänger, nahmen 
vielmehr das bessere Land in Besitz, schickten sich an „dort zu über- 
wintern" und haben wirklich in einigen Jahrzehnten hier im nordwest- 
lichen Teile der Balkanhalbinsel und an der ganzen dalmatischen Küste 
ihren Zweck erreicht: das ganze Land gehörte ihnen, wie es schon 
früher in Altdakien der Fall gewesen war ^). 

Die einst so mächtigen Hunnen waren keineswegs vernichtet, wie 
das übrigens auch nicht denkbar wäre. Wie später die Tataren, die, 
nachdem ihr Angriff auf die in romanisierten Kulturformen sich ent- 
wickelnden Staaten der westlichen Germanen zurückgeschlagen worden 
war, die Steppenheimat wieder aufsuchten und aus den Donaugegenden 
verschwanden, so geschah es auch mit der militärischen Aristokratie 
der hunnischen Dörferbesitzer und Kriegsbefehlshaber. In Pannonien, 
das den empörten deutschen Stämmen als Erbteil zufiel, wuchs das 

1) Vgl. Procopius, De aediüciis II; De hello Gothico HI, cap. 1411 

2) Pr 00 plus, De belle gothico HI, cap. 29, 35, 38 ff., 40; IV, cap. 4, 2G. 



ni. Das romanische Element im Osten usw. 67 

Pufstagras auf den Trümmern des königlichen j, Ringes" ; aber die 
ehemaligen Gefährten Attilas behielten in der russischen Ebene bis 
zum Kaukasus, wo die „ephtalitischen" Hunnen eine ständige Gefahr 
für das Perserreich bildeten, ihr Hirten- und Räuberleben bei, als 
Araber dieser zweiten Wüste, und prägten, obgleich in viel schwäche- 
rem Mafse, ihr Herrscherzeichen kleineren Völkern, fremden Ursprungs 
oder der nämlichen Rasse angehörig, auf. Es ritten so nebeneinander 
und gelegentlich gegeneinander, in unaufhörlichem Toben und Tum- 
meln, die turanischen Stämme, die, einander so ähnlich in Aussehen 
und Sitten, ihre Bundesverhältnisse so oft umgestalteten, dafs die öst- 
lichen Römer, Politiker wie Geschichtschreiber, die „Türken", im 
sechsten Jahrhundert die Hauptgruppe, nicht von den Bulgaren in der 
grofsen Bulgarei am Atelflusse (Wolga) zu unterscheiden vermochten, 
noch von den Utiguren und Kutriguren, die in Konstantinopel als besiegt 
und vernichtet galten, endlich von den OvagxcoviTai, Ovaqxovvxl oder 
Hunniwaren ^), denen die nächste Zukunft in den norddonauischen Län- 
dern gehörte. So wird unter den Kaisem des sechsten Jahrhunderts, vor 
Justinian und während seiner Regierung, von den „Hunnen und Bulgaren" 
gesprochen, welche in Thrakien unter Nationalhäuptlingen, kleineren 
Söhnen des alten Helden Attila, wie Balach, kämpften: einige davon 
traten zum Christentume über, kleideten sich in römische Uniform und 
traten den Barbaren, ihren Brüdern von ehedem, entgegen; grofse 
Massen von solchen „Bulgaren" — nach dem Ausdrucke gleichzeitiger 
Schriftsteller wie späterer Kompilatoren — wurden in Armenien und der 
Lazike angesiedelt. Einem Gepidenfürsten von königlichem Blute, der 
es bis zum magister des illyrischen Heeres brachte, wird die Ehre zu- 
geschrieben, die unbezähmten Turanen endgültig von der römischen 
Grenze zurückgeworfen zu haben *); auf diese blutige Art wurde „ein 
tiefer Friede in Thrakien wiederhergestellt" {elQrjvrj ßa^eta ev rfj 0Qqxrj) 
— selbstverständlich nur bis zu den Slavenvorstöfsen ^). 

Während aber die Donauünie durch die Sklavinen und Anten besetzt 



1) Menandrus S. 401; Theophylakt S. 284; Jordanes S. 127. 

2) Theophanes, Kompilator des 9. Jahrhunderts, I, Bonner Ausg., S. 247, 
269, 338—339; Marcellinus Comes und Victor Tennennensis in Mon. 
Germ. Hist., Auctores antiquissüni XI, S. 103, 104, 108, 205. 

3) Vgl. das bei Zeufs unter „Avaren" und „Bulgaren" angesammelte 
Material. 



68 Einleitung. 

wurde, ging ein türkisch-tatarischer Stamm, dieAvaren nach inneren 
Kämpfen in der Steppenwelt vom Dnjestr gegen Westen vor: ein ge- 
knechteter Stamm — man denke an die Limigantes, servi der Sar- 
maten und später Herren ihrer Herren — erzwang sich die Freiheit 
und behielt noch Kraft genug, um an die Gründung eines Krieger- 
reiches far Hirtenkönige oder Chaganen, Khane, aus ihrer Mitte denken 
zu können. Im Jahre 551, wie gewöhnlich angenommen wird, ist nach 
langer Unterbrechung wieder von „Hunnen", die neben den „Sclavi" 
oder Sclavini in Thrakien plündern, die Bede: sie drangen bis zu den 
langen Mauern des Kaisers Anastasius vor, und nur das Erscheinen einer 
byzantinischen Flotte rief sie, nachdem sie Thrakien und Illyrien vollstän- 
dig geplündert hatten, zurück. Sie gaben sich als das gröfste, tapferste 
Volk aus, die gewöhnliche Empfehlung der Barbaren, und obgleich sie 
nicht Ländererwerb zu Kulturzwecken ersehnten, gab ihnen Justinian, um 
sie anzusiedeln und ihrer etwas sicherer zu sein, Pannonia secunda, von wo 
die Heruler gegen Norden aufgebrochen waren. Hier waren sie von der 
römischen Grenze, jenseits deren der Eeichtum der Städte und Felder den 
faulen blutdürstigen Wilden in Versuchung führte, durch das Keich der 
Gepiden auf der sirmischen Insel zwischen der Drau und Sau geschie- 
den; und diese Art der Ansiedlung ist nicht ohne Absicht geschehen ^). 
Aber sie konnten das Einschiebsel natürlich nicht dulden und suchten, 
nachdem sie den königUchen Sitz AttUas eingenommen hatten, auch 
die südliche Grenze des von dem grausamen Könige beherrschten Reiches 
zu erlangen. Im Bunde mit den Longobarden bezwang der grofse 
Chagan Baian die Gepiden, und nun begann eine ganze Eeihe von 
Kriegen, um die „Erbschaft" der Besiegten anzutreten, das heifst die 
römischen Garnisonen von Sirmium und Singidunum, die Vorposten in 
dieser Gegend, zu vertreiben und nach Süden hin ihre Stellung einzu- 
nehmen. Trotz der langjährigen, wahrhaft heldenmütigen Gegenwehr der 
Byzantiner — der Kaiser gab nur nach schweren Opfern und mit grofsem 
Schmerze den Befehl, die Grenzfestungen zu räumen — , zog endlich das 
Avarenheer mit dem goldstrahlenden Könige der neuen „Hunnen" an der 
Spitze in die verödeten, von den Einwohnern verlassenen Städte ein *). 



1) Vgl. Menandros S. 282, 285, 287—288; Theophanes S. 360, 362, 
380, 395—398. 

2) Menandros S. 303—305, 312—313, 332—338, 352, 386 ff., 405 bis 
407, 424—427; Theophanes S. 585; Theophylakt S. 40. 



J 



ni. Das romanische Element im Osten nsw. 69 

Avaren und Slaven, „Barbaren" und „Sclavini" — wie man sie 
in Konstantinopel unterscheidend nannte ^) — lebten in keinem freund- 
lichen Yerhältnisse zueinander: der Chagan wollte den Slaven den ta- 
tarischen Zins auföwingen, um sich ihrer, wie Attüa mit den germa- 
nischen Völkerschaften getan hatte, als Kriegshelfer und Ernährer im 
Frieden zu bedienen. Die Avaren, denen diese Forderungen von den 
Slaven gewöhnlich^) abgeschlagen wurden, unterstützten die „Kömer** 
gegen die Donauanwohner, befreiten die römischen Gefangenen, fuhren 
auf kaiserlichen Schiffen die Donau hinab und brandschatzten die skla- 
vinischen Dörfer und Äcker ^). Als im siebenten Jahrhundert, unter 
Kaiser Mauricius, die byzantinischen Befehlshaber Priscus und Petrus 
gegen die Sklavinen ihre immer erneuerten Beute- und Züchtigungs- 
züge unternahmen, die slavischen Ansiedelungen in dem vormals traja- 
nischen Dakien vernichteten, die Barbaren in die Gefangenschaft trie- 
ben, die Häuptlinge, e^agxoi, dieser Demokratie beim Schmause über- 
fielen, um in dieser Barbarenart den zahlreichen Feinden zu imponieren 
und die süddonauischen Provinzen vor ihren Einfällen zu sichern, spielten 
die Avaren eine zweideutige Rolle, die sich aus ihrer Stellung erklärt. 
Der Chagan liefs die römischen Offiziere nach dem Zwecke ihrer An- 
wesenheit in Gegenden, die doch ihm gehörten, fragen, spottete über 
ihre nicht ernst gemeinten Jagdvorwände, bekam Komplimente wie 
„Vagabund aus dem Osten" zu hören, unternahm kriegerische Demon- 
strationen gegen die Byzantiner — wobei er Dalmatien beunruhigte 
oder sogar durch die moldauischen, vielleicht auch marmarosischen Pässe 
bis nach Scythia Minor und Tomi kam — und ward bei Singidunum 
und Sirmium, der schwächsten Stelle seiner Position, von den „Eömem", 
die sich mit ihrer Flotille der Festungen bemächtigten, angegriffen. 
Schlachten wurden gegen Avaren und Gepiden in den Theifssümpfen, 
in der Nähe von Widin bei den Donaukatarakten auf dem linken Ufer 
geschlagen. Aber der Chagan war doch kein unerbittlicher Hunnen- 
könig: zur Not erwies er die Gefälligkeit, auf die „heiligen Bücher" 
der Nachbarn zu schwören, und beschenkte, in einem treu beobachteten 
Waffenstillstände während der Osterzeit, seine Gegner mit allerlei fri- 
schem Vorrate, wobei er als Gegengeschenk Spezereien aus dem Morgen- 

1) Theophanes S. 415. 

2) S. aber Theophylakt S. 246, 264: Slaven im Avarendienste. 
3)M8nandrosS. 287—288, 405. 



70 Einleitung. 

lande bekam. Und schlierslich kehrte man zum Frieden und zu der 
natürlichen Donaugrenze zurück ^). Nach dem Tode des Kaisers Mau- 
ricius, der in diesen Gebieten als Eestaurator auftrat, wich übrigens 
die Eeichsgrenze trotz gelegentlicher Wiedererwerbszüge, wie z. B. der 
gegen die Slaven von 649 einer war^), hinter die Donau zurück, 
und der Kaiser verzichtete auf die Fortsetzung des kostspieligen, ge- 
fährlichen und unnützen Kampfes gegen die unzählige Menge der Feinde. 
Während gegen die vordringenden Araber die viel reicheren asiatischen 
Provinzen, die Inseln und die Hauptstadt selbst verteidigt werden 
mufsten, zogen die Slaven langsam und sicher über die Grenze und 
liefsen sich in Mösien häuslich nieder. Als die Bulgaren hierher kamen, 
fanden sie sieben seit langer Zeit angesiedelte slavische Stämme vor 
und vermochten nichts weiter, als ihnen den eigenen barbarischen 
Namen zu geben, wobei sie selbst als turanisches Volk von der Bild- 
fläche verschwanden ^). Diese letzte türkische Flut, die im siebenten 
Jahrhundert begann, dauerte bis zum Jahre 1000, berührte Gebiete 
nördlich und südlich von der Donau, blieb aber für die jeweilige Be- 
völkerung — mit Ausnahme der Ungarn — ohne ernste ethnogra- 
phische Folgen. Deshalb genügt hier ein kurzer Überblick über dift 
Bulgaren sowie Petschenegen und Komanen. 

Durch innere Umwälzungen in dem „türkischen" Steppenreiche 
um die Mitte des siebenten Jahrhunderts werden die Bulgaren, die 
echten Bulgaren, auf die geschichtliche Bühne geschoben. Wie die 
Avaren gegen ihre Herren, so erhoben sich die Bewohner der Atelufer 
gegen die Avarenhäuptlinge und errangen sich die Freiheit. Ein sol- 
cher Sieg mufste eine Verdrängung der Besiegten mit sich bringen oder 
einen Auswanderungszug nach den verlockenden Gegenden des Südens 
und Westens, wozu ein unwiderstehlicher Drang alle Barbaren trieb. 
Die „sarmatischen" Karren wurden für die grofse Eeise vorbereitet, 
und „König" Kubrat, den die Byzantiner als Chrobatos kennen, trat 
als kriegslustiger Häuptling an die Spitze seines kleinen Volkes, das 
ein römisches Kanaan suchte. Nach seinem Tode wurde, wie nach 
dem Tode Attilas, nach turanischer Sitte auch das Erbe an Kriegsvolk 
unter seine Söhne verteilt, gerade wie die Kriegsbeute und die Herden. 

1) Theophylakt und sein Abschreiber Theophanes, passim. 

2) Theophanes S. 530, 532—533. 

3) Theophanes S. 549. 



ni. Das romanische Element im Osten usw. 71 

Es waren fünf Brüder, nnd jeder ginjj, wie die Söhne Attilas, seinen 
eigenen Weg: in Pannonien bekamen die Avaren bulgarische Helfer, 
auf den entlegenen Schlachtfeldern des Westens zeigten bulgarische 
Söldlinge ihren Mut Aber dem dritten Sohne Kubrats lachte das 
(rlück in gröfster Nähe: mit seinem Völkchen suchte sich Asparuch 
einen geschützten Lauerwinkel und fand ihn zwischen dem Dnjestr, 
denoL Pruth und der Donau, im südlichen Bessarabien, wo er durch 
unwegsame Moräste und Schilfdickichte besser als durch Gräben und 
Mauern .gedeckt war. Die „römischen" Posten im östlichen Mösien 
erstatteten darüber dem Kaiser Bericht, und die Gefahr wurde als so 
ernst betrachtet, dafs der Kaiser persönlich die Eindringlinge von den 
Donaumündungen zu verdrängen suchte. Er kam aber nicht bis zum 
Kriegsschauplatze, und seine Truppen zögerten so lange, auf diesem un- 
l)ekannten „skythischen" Terrain ihre Pflicht zu tun, dafs die Bulgaren 
den Mut fafsten, den fliehenden Soldaten nachsetzten und sich der 
slavischen Dörfer am Schwarzen Meere und an der Donau bemächtigten. 
Wie es in solchen Fällen üblich war, wurden die Barbaren zum Fö- 
deratfrieden eingeladen und wurden so durch formlichen Vertrag Be- 
wohner des Eeichsbodens in Ostmösien und in der Umgegend der alten, 
starken Festung Durostorum, die bis jetzt als Drstor (Silistrien) fort- 
besteht Sie trafen hier in den Städten und Kastellen eine Lateinisch 
und Griechisch sprechende Bevölkerung, kaiserliche Truppen in den 
Kastellen und Burgen, in den Hämusschluchten, die sie bald erreichten, 
romanisierte Thraker und Germanen neben verwilderten Provinzialen, 
die sich ihnen angeschlossen hatten, und in zahlreichen Ansiedelungen, 
den slavischen Dörfern neueren Ursprungs, Leute, die unter ihren Bo- 
jaren — für die griechischen Chronisten Siagxoi und sogar grjysg ^) — 
Ackerbau trieben. Alle waren Anhänger des Christentums. 

Die Bulgaren hauchten diesen heterogenen Elementen neues Leben 
ein; sie verteilten sie unter die Fahnen der einzelnen „Woewoden", der 
Kriegsherzöge, und zogen sie an den Hof des neuen barbarischen Cäsars, 
des Zaren, der notwendigerweise, als barbarischer Erbe der römischen 
Welt, auch als Bewerber um das kaiserliche Konstantinopel auftrat Das 
war alles, was sie mitbrachten. Alles andere, Sprache, Sitten und zu- 
letzt — im achten Jahrhundert — den Glauben, übernahmen sie von 



1) Theophylakt S. 257. 



73 Einleitung. 

ihren Vorläufern auf mösischem Boden, und zwar besonders von den 
zahlreicheren und den Herrschern, was die Kulturstufe anbelangt, näher 
stehenden Slaven. So entstand und entwickelte sich in dem ro- 
mantischen Traume nach einer neuen Weltherrschaft über den Osten 
das bulgarische Zarenreich, eine ungeschickte und naive Nach- 
ahmung des byzantinischen Musters. Als im elften Jahrhundert Ba- 
silius der BovXyaQoxrovog dem schon verfallenden Staate ein Ende 
machte und die alte justinianische und mauricianische Grenze an der 
Donau wiederherstellte, blieb auf dem Boden, wo das Bulgarenreich 
bestanden hatte, kaum etwas anderes übrig als die Erinnerung an grofse 
Kriege, übrigens scheint sich dieses erste bulgarische Eeich dauernd 
nicht sehr weit nach Westen ausgedehnt zu haben ^). 

Hauptstadt blieb, selbst in der Zeit der grofsen Zaren, Preslav, 
die slavisierte Markianopolis, und erst, nachdem diese alte Eesidenz und 
das ganze östliche Bulgarien von Kaiser Tzimiskes im zehnten Jahr- 
hundert erobert worden war, flüchteten sich die „Herzöge", die Kron- 
prätendenten und die hohe Geistlichkeit nach dem Südwesten, wo unter 
Basüius ein zweiter Krieg für die Freiheit unternommen wurde. So 
endete bei Dyrrhachium, in dem abhängigen kroatisch-serbischen Lande, 
an der adriatischen Küste die grofsartige militärische Schöpfung, die 
drei Jahrhunderte vorher dort, wo die Donau sich in das Schwarze 
Meer ergiefst, ihren Anfang genommen hatte «). 

Die langdauemden Kämpfe zwischen Bulgaren und Griechen um 
die „kaiserliche" Herrschaft in Osteuropa riefen wiederum neue Be- 
werber um die reichen Länder an der Donau herbei. Oder vielmehr^ 
ein unwiderstehlicher „Zug nach Osten" drängte alle in der Steppe 
weilenden barbarischen Völkerschaften vorwärts, und die Verwickelungen 
am Schwarzen Meere und am Hämus beschleunigten nur das Erscheinen 
der zurückgebliebenen Slaven und „Türken". So kamen nach der 
Eeihe, die einen, um bleibende Sitze zu erobern, die anderen, um nur 
ihren Namen auf den Gedenkblättem der byzantinischen Chronisten 
zurückzulassen, die Ugren, die Eussen, die Petschenegen und ihre Zwü- 
lingsbrfider, die Eomanen. 

Aus der russischen Steppe riefen als Helfer wahrscheinlich zuerst 

1) Über die Ansiedelungen der Bulgaren s. Theophanes S. 514ff. 

2) Quellen und Darstellung dieses „westlichen Reiches" in der Notiz 
Jireceks: Archiv für slavische Philologie XXI, S. 545 ff. 



m. Das romanische Element im Osten usw. -7% 

die Byzantiner selbst jene finnisch- türkischen Barbaren herbei, die der 
Gesichtsfarbe, Körperbildung und den rohen Sitten nach ihren Vor- 
gängern an dieser Kulturschwelle glichen und sich der Reichsgrenze 
näher in der Gegend der grofsen Flüsse befanden. Die eigentlichen 
Ogoren treten dabei deutlich erkennbar hervor, und bald wurde für die 
Bulgaren das „skythische Messer" {fjbdyaiqa) zur Zuchtrute Gottes *). 
Die Ankömmlinge waren nicht reine Türken: bei ihnen war viel- 
mehr das türkische Blut mit einem überwiegenden ursprünglichen finni- 
sehen vermischt. Wie die Fenni des Tacitus, ihre Urahnen ^), trieben 
sie mit Vorliebe das Jägerhandwerk und die Fischerei. Sie waren 
keine ausgezeichneten Reiter wie ihre Nachbarn von echtem skythi- 
schem Blute, aber ihre Pfeile fanden immer ihr Ziel und liefsen sie 
gefurchtet erscheinen. Als sie durch eine Bewegung der Kazaren und 
Uzen — ihnen überlegene turanische Völkerschaften — nach Westen 
geschoben wurden % fanden sie, wie die Bulgaren, eine gesicherte Zu- 
flucht in den Sümpfen an der Donaumündung, von wo aus sie östlich 
und virestiich, der Meeresküste entlang, am unteren Sereth, Pruth, „Trul" 
(Turla, türkisch: Dnjestr) und selbst am Dnjepr, ihrem „Baruch", 
herumstreiften. Unter Kaiser Leo dem Philosophen, gegen Ende des 
neunten Jahrhunderts, als Byzanz gegen die Bulgaren kämpfte, erschien 
eine „römische" Flottille auf der Donau, Gesandte des ßaodevg be- 
traten das linke Ufer und versprachen den Bewohnern dieses „Atel- 
kus" *) schöne goldene Münzen und eine reiche Beute an Kleidern, 
Geräten und Gefangenen, wenn sie mutige Unterstützung gegen den 
König von Preslav leisten würden. Die „Mazaroi" (Magyaren) liefsen 
sich die Sache nicht zweimal sagen: vor ihrem unerwarteten Einfalle 
— zum ersten Male genossen die neuen Barbaren die Ansicht eines 
Kulturlandes, wenn auch eines solchen im Zustande des Verfalles — 
schlofs sich Zar Simeon in Silistrien ein. Aber nachdem die Griechen 
feige und opportunistisch ihren Friedensvertrag mit dem Bulgaren- 
herrscher unterzeichnet hatten, übte dieser eine furchtbare Rache an 



1) Vita S. Clementis, episcopi Bulgarorum, 10. Jahrb., Ausg. Miklosich^ 
Wien 1847, S. 34. 

2) Germania § 46. 

3) Const. Porphyrog., cap. 37. 

4) Eigentlich „Insel in einem grofsen Flusse ''; Zeufs S. 751; Rösler^ 
Rom. Studien, S. 155. 



74 Einleitung. 



den verachteten Feinden. Von der einen Seite drangen die Bulgaren in 
die ungarischen Dörfer ein, von der anderen die eigens dazu g'edun-. 
genen Türken, die, bis zum Chaganenkastelle Sarkel am Dnjepr ihre 
Macht ausdehnend, unter dem Kriegsnamen von Patzinakiten bei den 
Byzantinern, von Petschenegen, Bisseni, bei anderen Nachbarn bekannt^ 
waren. Durch einen kombinierten Angriff, während die Männer ai 
Jagd- oder Beutezügen waren, wurden die magyarischen Ansiedelungen 
in Südbessarabien völlig zerstört, und die wehrlosen Frauen und Binder 
entzogen sich flüchtend dem Gemetzel oder der Gefangenschaft. Die 
Folge davon war selbstverständlich eine neue Auswanderung ^) : von 
Konstantinopel vielleicht wurde ihnen als neues Ansiedelungsgebiet Pan- 
nonien angewiesen. 

In der grofsen fruchtbaren Ebene an der Mitteldonau waren die 
Avaren als leitendes Volk schon längst wieder verschwunden. Das 
neue westliche Eeich der fränkischen Germanen, auf alte Kultur und 
Überlieferungen gestützt, hatte sich diese Gegend, wo eine andere Welt 
begann, als östliche Grenze ausersehen, und die Karolingische Mark 
wurde auf den Trümmern des Avarenreiches errichtet ^). 

Wo die Macht des Markgrafen aufhörte, war das Land im Besitze 
der frei gewordenen „Sklavinen" von ehedem: hier wie anderswo lebten 
sie „demokratisch" organisiert in ihren Dörfern unter Gauhäuptlingen, 
die in den fränkischen Annalen als „duces" bezeichnet werden, und 
das muTs Woewoden bedeuten. Durch die Vereinigung dieser zerstreuten 
Kräfte entstand in diesem Gebiete ein moravisches Eeich, aber diese 
Schöpfung eines energischen Führers, Sviatopluk, konnte ihn selbst 
nicht überdauern. Als Ersatz für die Mähren erschienen die Bulgaren, 
welche die meisten Serbenstämme unterjocht oder in sich aufgenommen 
hatten, vom Süden her kommend, und die Drau bedeckte sich mit 
den Prahmen des slavischen Imperators *). Die „rectores" des Zaren 
herrschten an der pannonischen Donau, wie an der TheiTs, über Slaven, 
Eeste der Germanen und Türken, wie auch über rumänische Hirten, 

1) Vgl. Porphyr., cap. 37, 40; die byzantinische annalistische Erwäh- 
nung in den Kompilationen, welche den Namen von Georgias Monachus Symeon 
(S. 701 und 853), Leo Grammaticus (S. 877), Pseudo-Theophanes continuatus 
(S. 359) tragen; KedrenosH, S. 255—257. 

2) Zeufs S. 736 ff. 

3) S. z. B. Mon. Germ. Bist., Script. I, S. 216, 360. 



m. Das romanische Element im Osten usw. 75 

ron ihren neugebauten oder wiederhergestellten Schlössern aus, die in 
Jen Bergen oder in der Nähe ungangbarer Sümpfe lagen. 

Die Magyaren — die Volkslieder zählen sieben Führer unter dem 
Eerzoge Arpad, der aber sehr wahrscheinlich ') schon gestorben und 
iorch seinen Sohn ersetzt worden war, — schlugen den viel längeren, 
aber sichereren Steppenweg ein, wo sie nur friedliche Slavendörfer 
Eändeo, und stiegen so, ohne die Bergschluchten betreten zu müssen ^), 
in das pannonische Hunnenparadies herab. Nach der Legende, die 
ans in einer sehr späten, aus dem zwölften oder vielmehr dreizehnten 
Jahrhundert stammenden, von einem anspruchsvollen, dem Namen nach 
unbekannten Notar des Königs B61a herrührenden Version übermittelt 
wird ^), stiefsen die Eroberer, deren Heldentaten uns bis in die klein- 
sten geschichtlichen und örtlichen Details erzählt werden, auf mehrere 
bulgarische und walachische Herzöge („duces"), gerade wie in der 
Zeit des asenischen Eeiches, welches von „blacchischen" Hirten für 
bulgarische Bojarenspröfslinge geschaffen wurde *). Der Enkel von Kean, 
welcher zuerst das Zarenland verlassen hatte, Salan, auch ein erdich- 
teter Name, herrschte von der Donau bis zu den „Polen und Kuthe- 
nen" und wohnte im Schlosse „Zemlum" (Semlin), aufser welchem 
dieser „dux tytulensis" auch Borsoa und andere befestigte Ortschaften 
besaüs. Menumorout war der Beherrscher des Eisernen Tores, durch 
welches man in das heutige Siebenbürgen gelangt, und in den Biharer 
Bergen, wie auch im ganzen Koros und Szamoslande gehorchte man 



1) Porphyrogenetes, cap. 38, S. 172. 

2) Nestor, Ansg. Leger, S. 19. 

3) Der Verfasser führt auch „annales chronici" und „Codices hystorio- 
graphorum" als Quelle an, aber wohl nur, um damit zu prahlen. Alles, was 
er sagt, stammt aus den stolz verschmähten Liedern der „ ioculatores ", mit 
Ausnahme der naiven Erklärungen der geographischen Namen. Die letzte Aus- 
gabe des Anonymus findet sich in der magyarischen Sammlung der Quellen 
über die Landeinnahme. Vgl. die Studien von Kaindl im Archiv für österr. 
Gesch. Jahrg. 1901. 

4) Der Name der „Blacci" ist in der lateinischen Kanzlei der Zaren von 
Tmowo üblich, und der Anonymus hatte gewifs viele solcher Briefe in Händen 
gehabt. Später kommt er bei ungaiischen Chronisten (Simon de Keza) und 
ürkundenschreibem vor („terra, silva Blacorum et Bissenorum"; Zimmer- 
mann-Werner, ürk-undenbuch L S. 27, 35, 55; J. 1223—1231). Der bei 
dem Anonymus genannte Szathmär wird nur im 13. Jahrh. urkundlich erwähnt ; 
Pi6, Streitfrage, S. 23. 



76 Eioleitung. 

seinen Befehlen. Glad war am Tömös, in Keve und Orsova der Ver- 
treter seines „griechischen und bulgarischen Kaisers". Endlich in dem 
Lande jenseits der Berge — der „terra ultrasilvana" — stand der 
Wlachenherzog Gelou zum Kampfe bereit, wobei er von einem unabhängig 
kämpfenden magyarischen Bandenführer getötet wurde. Nachdem durch 
Kampf und Vertrag die Ungarn das Land erworben hatten, sandte 
nach dem Volksliede der Ahnherr der künftigen Könige Grenzwächter, 
wie die Sz6kler, bis in die entlegensten Karpathenwinkel. 

In dem gleichzeitigen Stile würde der prahlende Bericht also 
lauten: „Mühsam verdrängten die Eindringlinge die letzten Spuren 
der bulgarischen Herrschaft und wurden so zu Völkerbeherrschem in 
Pannonien. Von dort aus mischten sie sich als Söldlinge — in der 
Art der Avaren — in die balkanischen Wirren. Erst als man schon 
das Jahr 1000 n. Chr. zählte, machte der Papst, bei welchem Gesandte 
dos magyarischen Oberhäuptlings erschienen waren , aus dem dux 
Stephan einen apostolischen König für die ungarischen Länder. Um 
dieselbe Zeit dehnte sich auch der neue pannonische Staat über die 
siebenbürgische Grenze aus, wobei sich im westlichen Winkel, nördlich 
vom Maros, eine zweite Alba des Königs auf der Stelle einer bulgarischen 
Weifsenburg, Belgrad — heute noch wird die Stadt von den rumäni- 
schen Bauern Bälgrad genannt — erhob ^). Bis zum vollständigen 
Besitze des nur erst betretenen Landes aber waren noch lange Kämpfe 
und grofse Kolonisationsanstrengungen nötig". 

Die Petschenegen, die Bezwinger der Magyaren, wurden auch ihre 
Nachfolger auf dem ateluzischen Boden. Dies kleine Gebiet, welches nur 
einem Völkchen von Jägern und Fischern als Heimat dienen kann, wurde, 
besser gesagt, nur ein Anhängsel zu der viel gröfseren petschenegischen 
Steppe, wo diese gefürchteten Barbaren, „böse Kerle" für alle ihre Nach- 
barn % ihre unzähligen Herden von Ochsen, Pferden und Schafen wei- 
deten ^). Zu dem westlichen „Angulus" ihres weiten Herrschaftsgebietes, 
wo sie bis Drstor an der Donau die Nachbarn der Bulgaren waren, 
führte sie in ihren beweglichen Häusern *) nur im Sommer der Bürten- 

1) Vita S. Stephani in Florianus, Fontes domestici (Budapest 1881 bis 
1885) I, S. 23, 75. 

2) xaxä 7iai,dCa\ Const. Porphy rogenetes cap. 8. 

3) Ebend. cap. 3. 

4) (ffQ^oixoi; Leo Diaconns S. 157. 



m. Das romanische Element im Osten usw. 77 

beruf, aber die walachische Ebene war ihnen offen bis zur zerstörten 
Trajansb rücke, wo das neue „Türken "reich der Magyaren begann, und 
in das unverteidigte Siebenbürgen kamen sie nicht selten durch die 
bekannten Karpathenpässe *), um die. Getreidelieferungen und die Herde- 
zehnten der untergebenen Dörfer in Empfang zu nehmen. Bulgaren 
waren nirgends in dieser Ebene herrschaftsberechtigt. Wenn eine by- 
zantinisclie Quelle von der BovXyagia exel&ev xov ^[otqov unter König 
Crum spricht *), trifft man kurz vorher eine Erwähnung der Bovkyagia 
geradezu als Reiseziel derselben byzantinischen Kriegsgefangenen: ixei- 
&€v kann den Sinn von eis neben dem gewöhnlicheren von traus 
haben, und vielleicht dachte der Chronist bei dieser, in der ganzen 
mittelalterlichen griechischen Historiographie vereinzelt dastehenden, 
näheren Bezeichnung Bulgariens an das in Byzanz gar nicht unbekannte 
Grofsbulgarien an dem Atelflusse. 

Nachdem sich die Völkerverschiebung an den Donaumündungen 
vollzogen hatte, benutzten die den Barbarenzwistigkeiten völlig gleich- 
gültig zuschauenden Byzantiner Petschenegenscharen , wie sie früher 
magyarische Schützen angeworben hatten. In den Kriegen mit den 
Bulgaren erscheinen kaiserliche Flottillen, von den Drungarien be- 
fehligt, an der unteren Donau, und nach Empfang von Geldzahlungen 
überschreiten die zum Sommeraufenthalte hier weilenden Reiter den 
Flufs, um mit fremden Herden und Gefangenen zurückzukehren. Unter 
dem porphyrogeneten Geschichtschreiber, welcher uns so wertvolle No- 
tizen über die nördlichen Nachbarn des Reiches in seinen Erinnerungen 
und Kompilationen hinterlassen hat, war diese Besoldung der „Patzi- 
nakiten" kein aufsergewöhnliches Ereignis: die Leute kosteten wenig, 
standen im Rufe der Unüberwindlichkeit und waren viel gefügiger als 
die anderen : sie entfernten sich auch gleich, um im Herbste den Weg 
nach Schlofs Sarkel zu nehmen. Ackerbau betrieben sie gar nicht, 
Gesamtherrscher haben sie niemals gehabt, was politischen Ehrgeiz 
ausschlofs, und für ihr Tummeln und Wandern war es auf dem ber- 
gigen, mit Städten besäten Boden des Balkan viel zu eng. 

Nach dem Tode des schreibsehgen Kaisers Konstantin glaubte man 
aber in Byzanz ein geeigneteres Element, um Barbaren durch Barbaren 

1) S. Vita S. Stephani S. 23, 75. 

2) Simeon Magister, S. 615. In Georgius Monachus, S. 818: n^Qav xoü 
JavovßCov ist ein Mifsverständnis. 



78 Einleitimg. 

zu bekämpfen, gefunden zu haben: Nikephoros Phokas rief die Russen, 
die Slaven vom Dnjepr, die „Tauroskythen" der gelehrten Ausdrucksweise, 
welche unter dem Namen der fremden erobernden „Ehos", wie die süd- 
donauischen Slaven unter demjenigen der dieselbe Rolle spielenden Bul- 
garen, politische Einheit und militärischen Ruhm erlangt hatten. Swiatos- 
law fand auf dem Wasser des Tutelarflusses, dann auf dem Meere, end- 
lich in den Donaumündungen einen Weg nach Drstor, wo er keinen 
Widerstand von der Seite der ihn von Byzanz abschliefsenden Petsche- 
negen zu furchten brauchte. Er kam glücklich an, und nach vielem Ein- 
gen, wobei er immer die Oberhand behielt, nahm er die Stellung des Zaren 
ein, dessen Familienglieder gefangen oder vertrieben wurden, und resi- 
dierte in Preslav, wo ihm in der Nähe das bekannte, für ihn freundliche 
Meer, das für sein Volk die zweite Heimat war, entgegenlachte. Der 
Kaiser in Konstantinopel mufste sich die Sache gefallen lassen, aber 
als der energische Tzimiskes den Thron bestieg, mufsten sich die Ein- 
dringlinge, die den Weg zur Rückkehr vollständig vergessen hatten, zur 
Verteidigung rüsten: nach schwierigem Kampfe fiel Preslav in die 
Hände der „Kaiserlichen", und nachdem Drstor — wieder erschien für 
die Belagerung der alten, wichtigen Grenzfestung eine byzantinische 
Flottille auf der Donau — wiedererobert war, nahm der triumphierende 
Kaiser die wankende Krone dem jungen, eben erst wieder eingesetzten 
letzten Zaren der östlichen Bulgaren vom Haupte. Auf der Stelle, wo 
Swiatoslaw, im goldenen Schuppenpanzer, verzweifelt um Beute, Ehre 
und Leben gekämpft hatte, erstand das neue Kastell Theodoropolis, 
als Schlufsstein des Eroberungswerkes. 

Als der russische Held nach dem entfernten Vaterlande am Dnjepr 
floh, hatte er, wie zu erwarten war, von den auf byzantinische Ein- 
flüsterungen herbeieilenden Petschenegen eine Schlappe erlitten ^), ob- 
wohl Banden desselben Volkes mit ihm zusammen auf dem mösischen 
Boden gekämpft hatten '^). Aber trotzdem sie die Ungarn auch später 
beunruhigten % hatten sie doch bereits ihre elastische Kraft verloren, 

1) Vgl. auch Nestor S. 59. 

2) Für den ganzen Krieg ist Leo Diaconus und der Kompilator Ke- 
drenos mit dem russischen beinahe gleichzeitigen Chronisten Nestor zu ver- 
gleichen. In späteren griechischen Quellen finden sich nur etliche ergänzende 
Einzelheiten. 

3) Vita S. Stepbani a. a. 0. 



III. Das romaüische Element im Osten usw. 7^ 

und bald erkannten die nach Westen vordringenden türkischen Völker- 
schaften in den uzischen Komanen, die von dem selben Schlosse 
Sarkel kamen, ihre neuen Herren. 

Wie es nur selten bei solchen Völkern der Fall ist, sanken jedoch 
die Petschenegen aus ihrer leitenden Stellung in tragischer Weise 
herab, infolge von unerwarteten Verwickelungen, die von den byzanti- 
nischen Geschichtschreibem genau überliefert werden. Die Nomaden 
hatten zu lange in Berührung mit dem griechischen Neurom gestanden,, 
um nicht mit der Zeit ihren Nachbarn Organisationselemente zu ent- 
lehnen, und so erstand endlich ein Alleinherrscher für die kriegerischea 
Hirten, welcher sich die ehemals unabhängigen Häuptlinge der drei- 
zehn Stämme ebenso unterwarf, wie viel später der krimische Khan als 
„Kaiser der tatarischen Nation" die Stammsultane. Ein solcher pe- 
tschenegischer „Khan" war in der Mitte des zehnten Jahrhunderts 
Tyrach, und er fand in dem tapferen Kegen einen gefährlichen Neben- 
buhler, der ihn einmal bis in die Donausümpfe des „Angulus" zu- 
rückdrängte. Der Sieger mufste sich aber bald vor dem Khan flüchten,, 
der alle Kräfte seines Volkes, in der ganzen Ebene, von der Grenze^ 
Ungarns und Pannoniens bis zum Dnjepr, gegen ihn zum Kampfe 
aufrief '). Nur zwei Stämme entschieden sich far den kühnen Ee- 
bellen: er erlag der Übermacht und, wie die Goten vor den Hunnen, 
flüchteten sich die Kegenischen Petschenegen vor der grausamen 
Kache des beleidigten Tyrach auf römischen Boden: so kamen gegen 
20000 Flüchtlinge auf eine Insel in der Nähe von Drstor, d. h. in die 
Sümpfe, die östlich von dieser Stadt der gespaltene Flufs bildet^). 
Kegen selbst wurde nach Konstantinopel geschickt und er erhielt durch 
die Taufe einen Kulturfimis: ein griechischer Mönch übte am Donau- 
ufer dieselbe feierliche Handlung bei den zurückgebliebenen wilden 
Scharen, und als „foederati" nach alter Sitte bekamen die neuen 
Bürger Ostroms nicht nur Felder für ihre Sklaven, sondern auch drei 
Yerteidigungsfestungen gegen ihre Verwandten jenseits der Donau. 

Diese forderten die Auslieferung der Flüchtlinge, und als ihnen 
dies abgeschlagen wurde, kamen sie selbst in ungeheuerer Masse, um 



1) NifxovTKi, dh Tag n^Qav^'laxQov and roö BoQvaS-ivovg noTafioö xal fii~ 
XQi IlawovCag i^nXofxivag 7isdCadag\ gleichzeitiger Bericht in Kedrenos II,, 
S. 582. 

2) Die heutige Insel Borcea, von Calära^I bis Hir^ova. 



80 Einleitung. 

die Ungehorsamen zn bestrafen. Um den Einfall zu verhindern, eilten 
mit den kaiserlichen Barbaren Michael, „Befehlshaber der Städte am 
Ister", die Truppen des bulgarischen Thema herbei, und dazu kamen 
Verstärkungen „vom Westen" ; eine Flottille von hundert Fahrzeugen 
erschien, um zu verhindern, dafs neue Feinde auf dem Flufswege zu- 
strömten. Aber als der Nordwind eine feste Eisbrücke über die Denan 
gebaut hatte, stellten sich beinahe 20000 Eeiter auf dem Boden der 
Dobrudscha ein, um dem Mangel an Nahrungsmitteln, den darauf fol- 
genden Seuchen und endlich dem byzantinischen Heere zu erliegen. 
Tyrach und die Seinigen erboten sich, Helfer des „allein mächtigen Ba- 
sileus" zu werden, und der bulgarische dux siedelte sie in der Nähe 
von Sofia, Msch und Ovßepolje an, wo die Eegierung unter die meisten 
die dem friedlichen Bauer notwendigen Werkzeuge austeilte, während 
die jungen Söhne den Befehl erhielten, nach Asien zu ziehen, um für 
den Kaiser zu kämpfen. Diese wurden aber bald aufrührerisch und 
ihre Stammverwandten verliefsen die ihnen ungewohnte und sie ernie- 
drigende Scholle, um die Sichel mit dem Schwerte zu vertauschen. 
Orausame Verheerungen, die alles, was nach Swiatoslaw und vor den 
inneren Kriegen geschah, übertrafen, waren die Belohnung für die Ge- 
v^ähr einer Zufluchtsstätte, und nur durch Massenmorde, durch lang- 
same zähe Ausrottung der besiegten Banden wurde der Unruhe und 
damit der Macht und dem Buhme der Petschenegen ein Ende gemacht 
Alles, was von ihnen übrig blieb, vermischte sich mit den ihnen bis- 
her feindlichen Komanen, die an der ganzen Donau und darüber hin- 
aus in der Steppe die Stelle Tyrachs übernahmen *). 

Aber bevor man dazu kam, machte sich noch eine ganze Beihe von 
langen, wechselvollen Kämpfen gegen die jenseits der Donau sitzen ge- 
bliebenen Petschenegen notwendig, und mehr als ein Jahrhundert dauerte 
die Überflutungsgefahr von dieser Seite. Der erste von der neuen 
Dynastie der Komnenen, Isaak, fand an der Donau eine verzweifelte 
Lage vor; während das linke Ufer wie vorher in dem ausschlieüs- 
lichen Besitze der Barbaren blieb, hatten bulgarische Häuptlinge, durch 
Scharen solcher Nachbarn unterstützt, mehrere von den byzantinischen 
Grenzfestungen in der Dobrudscha an sich gebracht, und Drstor selbst 
mit seinen zwei Zitadellen konnte den andrängenden Bebellen nicht 






1) Kedrenos n, S. 412, 413, 465—466, 483, 514—515, 582 ff. 



m. Das romanische Element im Osten usw. 81 

lange widerstehen. Als nach Isaak, der von den Petschenegen zn leiden 
I hatte, nnd nach der darauf folgenden beinahe kaiserlosen Zeit ein zweiter 
Eomnene, Alexios, den oströmischen Purpnr trag, ein Mann, der die Kraft 
in sich fühlte die bessere Vergangenheit wiederznerwecken, besafs das 
Beich seit langem keine nördliche Grenze mehr: neben den Khanen und 
Stammfnrsten der „Türken" beherrschten von ihren Burgen, Städten 
und HcojLioTtoksig, Marktflecken, aus: Tatos der Silistriote, Ghalis, Sestlav, 
Satza, der vor Tatos in Drstor ansässig war, und Salomon das ganze Land 
zwischen der Donau und dem Meere. Nach etlichen Ausfällen, die 
zurückgeschlagen wurden, hoffte der Kaiser durch einen persönlichen 
Zug die römische Herrschaft in dieser Gegend wiederherzustellen, und 
so wurde Drstor vom Lande wie vom Flusse aus belagert: Tatos 
entschlüpfte auf das linke Ufer, um von dort die bereits angesie- 
delten Kumanen zu Hilfe zu rufen, aber als er an ihrer Spitze er- 
schien, war die Entscheidungsschlacht schon geschlagen, und der Kaiser 
befand sich auf dem schmählichen Wege der Flucht nach Konstanti- 
nopel zu. 

Um die Beute entstand aber ein Hader, der zu einem Ausrottungs- 
kriege zwischen den beiden „homoglotten" Völkerschaften führte. Für 
die thrakischen Landschaften, wo sich dieser Streit abspielte, war das 
allerdings ein Unglück, aber far die kaiserlichen Machtinteressen be- 
deutete diese neue Wendung der Dinge ein glückliches Ereignis, und 
im romäischen Lager wurden die verbündeten kumanischen Eeiter mit 
Jubel empfangen. So kam es an dem letzten Apriltage des Jahres 
1091 zu einer grofsen Feldschlacht, in der die Petschenegen vollstän- 
dig besiegt wurden; nach dem Siege tötete man aus Furcht die un- 
zähligen Gefangenen, sogar die „Kinder und ihre Mütter": „Nur ein 
Tag«, so sang man in den griechischen Dörfern, „und die Petschenegen 
hätten den Mai gesehen", — aber das war nicht ihr Schicksal ^). 

Die Kumanenherrschaft. Wie ihre vernichteten Brüder, waren 
die Kumanen ein türkisches wanderndes Volk, das an das Abenteuerleben 
der Kriegsbanditen gewöhnt war. Aus ihrem neuen Donaureiche, wo sie 
von den Sklaven und Zinspflichtigen die Nahrungsmittel und dazu Wein 



1) Die ganze Erzählung stützt sich auf eine einzige Quelle, das Werk der 
AnnaComnena, der gelehrten „ porphyrogeneten " Geschichtschr eiberin. Es 
kommt nur der erste Band der Bonner Ausgabe in Betracht: S. 166, 279 bis 
280, 323 ff. 

Jorga, Geschiehte der Bamänen. I. 6 



83 Einleitung. 

tmd Hydromel bekamen, gingen sie samt ihren Familien über den ge- 
frorenen FluTs, auf grofsen, mit Leder bedeckten Karren, nm anf einem 
besseren Boden ein wenig herumzustreifen, oder sie entsandten ;iar ihre 
Söhne mit dem Bogen und den grofsen Speeren, die man nur mit beiden 
Händen handhaben konnte, um Ehre und Beute zu gewinnen. Einmal 
kamen sie als Begleiter eines Kronprätendenten, den sie in Cherson, wo 
ihr Volk auf der Ebene, die später bei den Genuesen „Campanea" heifst, 
auch die Herrschaft besafs, ausfindig gemacht hatten, und die Hämns- 
städte, alte grollende Bulgarennester, öffneten ihnen mit Freuden die Tore, 
während sie die Berghirten aufserhalb des Beobachtungskreises der 
kaiserlichen „Klissurarchen" durch die Pässe führten. Ein anderes Mal 
mufste sie Alexios bei Yidin (Bidvvrj) aufsuchen, und nach ihrem 
Kückzuge auf den Flufs verfolgte sie eine Kavallerieabteilung während 
„dreier Tage und dreier Nächte" bis zu einem anderen Flusse, den 
sie auf Pramen überschritten. Wider sie gehen die byzantinischen 
Truppen bis „Branitzovo an der Donau" weit im Westen, wo unter einem 
Nachfolger des ersten Königs Stephan die von diesem vereinten panno- 
nischen „Hunnen" ihre letzten Ausläufer haben *). 

Wie die Petschenegen hatten auch diese oft geschlagenen, ihr Blut 
verschwendenden Kumanen ein zähes Leben. Nach Alexios kommen 
sie wieder als Gäste der Balkan-Halbinsel zum Vorschein: Kaiser. Jo- 
hannes schlägt sie im Osten bei Berhoe, und etliche Tausende von 
ihnen werden, um sie im Zaume zu halten, in öden Gegenden angesiedelt. 
Selbst der grofse Wiederhersteller des Eeiches, der das Heer neu orga- 
nisierte und die Fahnen Ostroms in Gegenden, die seit langem vergeben 
und vergessen waren, sieghaft wieder aufpflanzte, Manuel Komnenos, 
in welchem das verfallende Byzantinertum einen Herrscher vom Schlage 
Justinians oder Mauricius' bewundem konnte, wurde trotz seiner grofs- 
artigen Anstrengungen mit den Skythen der Donauebene nicht fertig. 
Als die Winterräuber sich der Festung Demnitzikos an den Mün- 
dungen des gefrorenen Flusses bemächtigt hatten, zog Manuel selbst 
aus, um sie zu bestrafen. Zu ungeduldig, um die Flottille zu erwarten 
— sie war auf der Donau gegen die . Ungarn unterwegs — setzte 
er seine Soldaten auf fanfhundert „Monoxylen" über, und, nachdem 
auf diese Weise auch zwei andere skythische Flüsse überschritten 

1) Anna Comnena H, S.'8— 12, 295, 299, 302; Cinnamus S. 12; 
Choniates S. 124. 



in. Das romanische Element im Osten usw. 8S 

waren, fürchtete er seihst nicht die finsteren Wälder des „Tenuorman" 
am Bande der Karpathen, wo er stehen hlieh. In einem Kampfe gegen 
die bisher immer ausweichenden Feinde erzwang er, glücklicher als 
der alte, fabelhafte Dareios, einen Sieg über die neuen Steppenreiter ^). 
Bei dieser Gelegenheit schlofs der Kaiser Freundschafts- und Schutz- 
verträge mit den nächsten slavischen — literarisch: „tauroskythischen" — 
Fürsten: Premislav, Eotislav und besonders mit Jaroslav, dem mäch- 
tigen Herrscher des neuentstandenen Staates von Halitsch an den 
Quellen der Donaunebenflüsse ^). Durch eine neue Befestigung der 
justinianischen und nachjustinianischen Burgen — wie Ghele's, des 
heutigen Chilia *) — , deren Verteidigung dem Grenzdux anvertraut 
wurde, ward endlich, für lange Zeit wenigstens, den Eindringlingen ein 
Eiegel vorgeschoben. 

Aber diese kühne Unternehmung des niemals rastenden Helden 
war nicht die einzige Ursache, die dazu führte, dafs aus dem Türken- 
reiche in der Donauebene und am nördlichen Gestade des Pontus ein 
Zufluchtsort für zügellose kleine Banden wurde, die bereit waren gegen 
mäfsigen Sold jedermann ihre grausame Tapferkeit zu vermieten. Im 
Westen hatten die Kumanen nach der Festigung des magyarischen 
Königreiches nichts mehr zu erbeuten, und mit dem Eintritte der könig- 
lichen Offiziere in Siebenbürgen wurde den neuen Petschenegen diese 
Zinsprovinz beinahe entrissen. Im Norden hatten die schon von der 
Kultur beleckten Barbaren Pannoniens eine slavische Provinz, ein „hun- 
nisches Tauroskythien" in dem ruthenischen Teile von Marmaros er- 
worben, und die russischen Fürstentümer waren stark genug, um ihre 
sich immer erweiternden Grenzen gegen Nomadengelüste zu schützen. 
So kam es, dafs in einem neuen Zuge über die Donau — die Ma- 
gyaren waren jetzt die Angegriffenen — die Kumanen mit keinem 
Worte erwähnt werden, während als kampffähige Besitzer der späteren 
Moldau zum ersten Male die Bumänen erscheinen^). 

Nach etlichen Jahrzehnten hatte sich das frühere Verhältnis zwi- 



1) Cinnamus S. 93—95. 

2) Über vorhergehende Einfälle und Straf züge ebend. S. 8—9; Choniates 
S. 20—21, 124. 

3) Vgl. Cinnamus S. 236, 242. 

4) Vgl. meine „Chilia ^i Cetatea-Albä ", S. 32 ff. 

5) Cinnamus S. 260. 

6* 



84 Einleitung. 

sehen Eomanen und Türken — „Wlachen" nnd „Skythen** in byzan- 
tinischen Ausdrücken — gerade umgekehrt Unter der Begierung des 
unfähigen Komnenenepigonen Isaak im Jahre 1186 — nach der ge- 
wöhnlichen Zeitrechnung — kam vom mösischen Donauufer ein wla- 
chischir Flüchtling, der sich erdreistet hatte, mit anderen Hämushirten 
die Fahne des Aufruhrs gegen den gesetzmäfsigen Basileus zu erheben 
und seine ärmlichen Kleider mit fürstlichem Gewände zu vertauschen. 
As^n eilte mit kumanischen Freunden zum Kamp^latze zurück, und 
diese labten sich so köstlich an reicher thrakischer Beute, dafs sie für 
ihr ganzes Leben die Eückkehr vergafsen. Die romäischen Scharen 
wurden durch ihre Pfeile und Speere verjagt, und As^n und seine 
beiden Brüder und Nachfolger, Peter und Johannitius (loni^ä), ver- 
danken ihre Erfolge nicht unwesentlich der starken, treuen Mitwirkung 
der Kumanen. Als die Kreuzfahrer ein lateinisches Beich in Konstan- 
tinopel errichteten und neue Kriege zwischen dem „Wlachenkönige" 
und den edlen Herren vom Abendlande ausbrachen, verliefsen den Jo- 
hannitius seine Kumanen auch nicht, und die grofse Schlacht bei Adiia- 
nopel, aus der der Wlache einen in den kaiserlichen Purpur geklei- 
deten Gefangenen mit sich fahrte, entschied wesentlich die Geschick- 
lichkeit der wilden Eeiter; sie wichen anfangs zurück, um sich 
am folgenden Tage wieder zu sammeln und den Feind zu umringen; 
von ihrem Pfeilregen überschüttet, durch ausgeworfene Seile von ihren 
Pferden gezogen, wie das Gras der Wüste von blutigen Schnittern 
dahingemäht, gaben die „Lateiner" die Verteidigung auf ^). Der Nach- 
folger des Johannitius, Borila, hatte in seinem besiegten Heere, das 
mehr als 30000 Krieger zählte, kumanische Eeiter mit grünen Flam- 
men auf den Lanzen *). Seine Frau war — nach Akropolitas — so- 
gar eine Kumanin. Ein französisches Hilfskorps, das aus dem Abend- 
lande kam, um das wankende lateinische Kaiserreich zu stützen, fand 
noch kumanische Krieger und einen kumanischen Häuptling, „König" 
Jonas, in der walachischen Ebene ^). Aus dem Kumanenlande kam 
Johannes As^n, der Organisator des bulgarischen Beiches, und immer 



1) CinnamusS. 808ff. Geoffroi de Villehardouin, Ausg. de Wailly, 
S. 213 ff. 

2) Henri de Valenciennes, ebend. S. 323ff. 

3) Albericus Trium Fontium, in Mon. Germ. Scriptores XXTIT, 
S? 950 ff. 



m. Das romsDische Element im Osten usw. 86 

hatte er Eumanen zur Seite ^). Aber schon in dieser Zeit war der 
Krieg zwischen den Enmanen und ihren östlichen Nachbarn, den Ta- 
taren, ausgebrochen, und nach langem, verzweifeltem Widerstände mulste 
„König" Kuthen — man denkt an den petschenegischen Fürsten Ee- 
gen — das platte Land verlassen, um mit seinem ganzen Volke, vierzig- 
tausend an der Zahl, in Ungarn eine Zuflucht zu suchen. König 
B^la m. öffnete ihm sein Eeich, aber er wurde, wie vor ihm die by- 
zantinischen Kaiser, far die Gastfreundschaft schlecht belohnt ^). Ein 
anderer beträchtlicher Teil der Besiegten ging über die Donau und 
verlor sich in den makedonischen Bergen und den Tälern Thrakiens ^). 



1) Akropolitas S. 26—27, 45. 

2) Bog er ins, Miserabile Carmen, cap. Ilff. 

3) Akropolitas S. 58. 



Erster Abschnitt. 

Die thessalischen und dakisch - mösischen 

Romanen des Ostens bis zur Gründung des 

Fürstentums der Walachei ^). 



1. Kapitel. 

Ursprung der Pindus- und Earpathenwlachen und 
ihre Unterschiede. Das städtische Leben an der Donau 

während der Barbarenzeit. 

Während des «greulichen Mordens und Brennens^ das für den 
europäischen Osten den gröfsten Teil des Mittelalters ausmacht, 
wurde nur selten und flüchtig von dem Volke gesprochen, das 



1) I. Für diese Periode ist die Literatur sehr umfangreich; das hat seinen 
Grund in der Schwierigkeit der ,,B^^^6i^^^Ag®*S ^^ einer Zeit, fiir die es £ut 
Yölh'g an Quellen fehlt, und nicht minder in dem verschiedenen politischen Inter- 
esse, das den Geschichtschreibem die Feder führt: die Magyaren, welche ihrer- 
seits die ausschliefsliche Herrschaft zwischen TheiTs und Earpathen beanspruchen, 
bekämpfen die Kontinuität des rumänischen Elements auf dem linken Donauufer, 
während die Slaven seine transdanubianische Bolle zu vermindern suchen. Dieser 
Gegensatz hat viele Streitschriften hervorgerufen und wird es vermutlich noch 
weiter tun. 

Die Annahme, dafs die Vorfahren der Bumänen den trajanischen Eoloni- 
sationsboden im 3. Jahrhundert n. Chr. verlassen haben, um nach etwa tausend 
Jahren als lose Hirtenbanden, die nur Unterjochung verdienten, zurückzukehren, 
fand zuerst in Sulzer (Bd. H, 1 ff.) einen Verfechter, dessen Gedanken durch die 
Ansichten eines Thunmann (Untersuchungen über die Geschichte der 
östlichen europäischen Völker, Leipzig 1774) und durch die in Sieben- 
bürgen seit langem herrschende Meinung, dafs die verachteten,)WalaGhen" neue 
Ansiedler des karpathischen Hügellandes s^ien, beeinfluTst Wturd&l^ In seiner 



Ursprung der Pindus- und Earpathenwlachen. Städtisches Leben. 87 

die alte Eultursprache der Römer^ obgleich in veränderter Form, 
beibehalten hatte. Die Eroberer nehmen den Eroberten nach der 



1794 erschienenen „Ck)mmentatio der Trajanskriege'*, einer Preisschrift, die seine 
frnchtbare wissenschaftliche Laufbahn eröffnete, schlofs sich auch Engel mit 
einigen Al)weichungen dem Sulzerschen Urteile an. In dem Konstitutionsstreite 
zwischen den siebenbürgischen Nationalitäten unter Kaiser Leopold zeiii^te sich 
Eder, der beste Geschichtschreiber der Sachsen, sulzoriseh, während die ru- 
mänische Schule durch Sincal (s. oben S. 3) und besonders durch den starken 
Itaisonneur Petru Maior (Istoria pentru inceputul Bominilor in 
Dachia, Ofen 1812; neue Ausgabe, Budapest-Gherla 1883; es folgte eine hef- 
tige Polemik mit Kopitar, in der Wiener Literaturzeitung; vgl. die 
Kleineren Schriften Kopitars) vertreten war. Später fand man, dafs die An- 
wesenheit der Eumänen in gröfseren Massen auf dem rechten Donauufer mit den 
Ergebnissen der philologischen Untersuchung ihrer Sprache und Dialekte über- 
einstiomie (vgl. Onciul, Bomänil in Dacia traianä pänä la inte- 
melarea principatelor, Bukarest 1902, welcher eine kritische Übersicht 
der Literatur bietet). 

In dem schon S. 9 erwähnten Buche von Bös 1er (Bumänische Studien) sucht 
der polemisch angelegte, von den Ausschreitungen der rumänischen chauvinisti- 
schen Schule aufgereizte österreichische Gelehrte die sulzerische Theorie zum 
ersten Male historisch -ethnographisch und philologisch zu begründen: es fin- 
den sich in dem Werke Eöslers treffliche Abschnitte, wie derjenige, welcher 
dem anonymen Erzähler der ersten magyarischen Eroberungen den Todesstofs 
versetzt, aber im ganzen übertreibt er, und sein Gremälde nähert sich einem 
phantastischen Luftgebilde, da ihm die rumänischen Verhältnisse, Land, Leute 
und Sprache so wildfremd sind, dafs er den richtigen Orientierungspunkt nic^t 
zu finden vermag. Bösler gibt mehr Winke zum Nachdenken als dauernd fest- 
gestellte Tatsachen und Schlüsse. In den ethnographischen Untersuchungen 
eines Tomaschek (Zur Kunde der Hämus-Halbinsel, Wien 1882) findet 
man dagegen wieder mehr glänzende Hypothesen. 

Die erwähnten Werke von Jung enthalten Daten, umfangreiche, sichere 
Daten, und das Theoretische tritt bei ihm immer zurück. Die drei Werke von 
L. Pi6 (Über die Abstammung der Bumänen, Leipzig 1880; Der na- 
tionaleKampf gegen dasungarischeStaatsrecht; Zurrumänisch- 
ungarischen Streitfrage, Leipzig 1881—1886) bringen keine feste, ab- 
geschlossene Beweisführung und verlieren sich oft in der breiten Auslegung ab- 
liegender wissenschaftlicher Materien. In dem 189 1 erschienenen Buche von T r a u - 
gott Tamm wird mehr in klarer, systematischer Form der Stand der Frage 
einem gröfseren Publikum vorgeführt. Die drei letzten Schriftsteller haben sich 
för die Kontinuität ausgesprochen. 

Die Bumänen haben in ihrer neueren Historiographie em einziges um- 
fangreiches Buch über diese Streitfrage: die „Teoria lui Bösler" yon 
Xenopol (Jassy 1884; französisch als üne enigme historique. Les Bou- 



88 .1. Kapitel. 

EntscheiduDgsBchlacht wie die anderen Rechte so auch jenes ^ er- 
wähnt zu werden. Leise Andeutungen über die sich bildende 

mains aa moyen äge« Paris 1885), eine interessante Arbeit, die aber durch 
die im philologischen Teil zutage tretende schwache Kenntnis und durch die 
etwas flüchtige Behandlung eines unzureichenden Materials an Wert verliert; 
in den meisten Punkten ist die Widerlegung von D. Onciul in der Zeitschrift 
„Convorbirl literare" des Jahres 1885 siegreich geblieben: Onciul ist sehr gut 
orientiert, immer genau und läfst sich niemals von seinen Gefühlen fortreifsen. 
Die Magyaren haben bisher nur Schwaches geleistet, indem sie mit einem, 
dem Suchen nach der gescliichtlichen Wahrheit immer schädlichen patriotischen, 
unduldsamen, oft bis zur Vehemenz gesteigerten Eifer eine fragliche Kenntnis 
der QueUen und eine parteiische Würdigung der angestellten Studien vereinigen. 
Der gefeierte ungarische Streiter P. Hunfalvy (Die Rumänen und ihre 
Ansprüche, Wien-Teschen 1883, und Az Olahok törtenete, I) zeigt sich 
mehr als ein Polemiker in der Art der Chauvinistenblätter, und sein Versuch, sich 
auf rumänische Quellen gegen die Rumänen zu stützen, scheitert an seiner dies- 
bezüglichen Unkenntnis, die er mit dem viel begabteren und besser geschulten 
Rosler teilt; die rumänischen Schriften, die er angreift — und seine Schule folgt 
ihm in dieser Richtung — sind schon seit langem in rumänischen wissenschaft- 
lichen Kreisen verurteilt. 

II. In allem, was die Sprache betrifft, mufs man sich jetzt au das klassische 
Werk von Ovidiu Densusianu, Histoire de la langue roumaine, 
dessen erster Teil 1903 in Paris erschienen ist, wenden. Bis in das kleinste 
Detail ist die Bibliographie nebst einer genügenden Darlegung der verschiedenen 
über sprachliche Fragen herrschenden Theorien darin enthalten. 

III. Über die Rumänen in Istrien gibt es keine zusammenfassende Arbeit, und 
man mufs sich mit zerstreuten Aufsätzen begnügen : auf rumänischer Seite sind 
bisher nur die Reise des loan Maiorescu (Jassy 1874; zweite Ausgabe, Bu- 
karest 1900) und die Beiträge zum dortigen Dialektwörterbuche von Nanu , Leip- 
ziger Dissertation 1895 und in dem Jahrbuche des rumänischen Seminars an der 
Universität Leipzii^ (von G. Weigand herausgegeben, 1895) zu nennen. Das Beste 
ist noch in der Denkschrift von Miklosich: Über die Wanderungen der 
Rumunen (Denkschriften der Wiener Akademie, XXX, 1879) enthalten. 

Die rumänische Literatur über die Aräminl (Pinduswlachen , Aromunen, 
nach der von Weigand vorgeschlagenen Ausdrucksweise) beschränkt sich auf die 
beinahe wertlosen Reisobeschreibungen von Bolintineanu, einem Dichter, 
dem Sohne eines Araminen, und Nenit'oscu (Bukarest 1899) und auf die 
unvollendet gebliebenen „Studil istorice" des J. Caragiani, welcher neben un- 
annehmbaren Theorien seine persönliche Kenntnis der Zustände als Pindus- 
rumäne verwertet. Besser noch ist T. Burada, Cercetärl despre ^coalele 
romäne^tl diu Turcia (Bukarest 1890), ein Buch, welches den Vergleich 
mit den Büchern der anderen Balkan Völker über die Ethnographie der bestrittenen 
Gebiete aushalten kann. Die rumänische Akademie hat durch die Vorsorge 



.--H 



TTrsprong der Findus- und Karpathenwlachen. Städtisches Leben. 89 

romanische Nation des Ostens finden sich in der älteren Zeit nur 
hier und da^ und erst nachdem sich die stürmenden Wogen des 



J. B i a n u 8 das von dem Dr. med. Obedenara angesammelte, im dakornmänischen 
Sinne bearbeitete sprachliche Material (Textemacedoromäne) herausgegeben. 
Erst neuerdings hat Pericles Papahagi, selbst ein Pindusrumäne, in dem 
zweiten Bande der „Materialurl folklorice" des rumänischen Ministeriums 
und iu den Annalen der Akademie (1902) sehr wichtige ethnographische Mate- 
rialien veröffentlicht. 

Aber dieses Gebiet gehört eigentlich dem deutschen Forscher G. Weigand 
in Leipzig, der die Eumänen des Pindus mehr als einmal zu Hause — was nicht 
sehr leicht ist — besucht hat und in seinem grofsen Werke: Die Aromunen 
(Leipzig 1895; vgl. die Sprache der Olympowalachen, Leipzig 1888) den 
Grund zu allen künftigen Studien gelegt hat. In den oben erwähnten Jahr- 
büchern gewährt er den Forschungen über den aräminischen Dialekt stets einen 
ausgedehnten Baum. Neben den betreffenden Abschnitten in Densusianus Buche 
kann man für die Orientierung sich an die von Weigand verfafsten Aufsätze: 
Araroini, Istria, MeglenitI in der zu Hermannstadt bei Kraft erscheinenden 
Enciclopedia rominä wenden, auch an das Werk vonPicot: Les Boumains 
de Macedoine (1875), selbstverständlich nur hinsichtlich der älteren, spär- 
lichen Literatur. 

Über die anderen vom Hauptstamme losgelösten Bumänenfragmente sind zu 
vergleichen: Burada, in Archiva societät^I ^tiin^ifice ^i literare 
din Ia§I V; Weigand in seinem Jahresberichte des Jahres 1900; Picot, 
Chants populaires des Boumains de Serbie, aus dem „Becueil de 
textes et de traductions publie par les professeurs de Tecole des langues orien- 
tales Vivantes" (Paris 1895). 

Das einzige Buch über die bessarabischen Bumänen ist das von Zamfir 
C. Ar hure, von der rumänischen Akademie 1899 als Preisschrift herausgegeben 
(Basarabia in secolul XIX), das gewifs auch Nützliches enthält, aber un- 
glaublich kritiklos zusammengeschrieben ist. 

Für die Bukowina dagegen gibt es ein sehr gutes Buch, das sich auf eine reiche 
Information stützt, dasjenige von G. Bogdan-Duicä(Bucovina, GemäutI 1895). 

Niemand hat bisher die rumänischen Verhältnisse in den Ländern der un- 
garischen Krone in einem soliden, ausgedehnten Buche (violleicht käme J. Sla- 
vicl, Die Bumänen in Ungarn, Siebenbürgen und der Buko- 
wina, Teschen 1881, in Betracht) beschrieben. Eine gute ethnographische 
Arbeit ist diejenige von Frincu und Candrea, Bominii din mun^il 
apuseni (Bukarest 1888), welche die sogenannten Mo^I, in dem südwestlichen 
Teile Siebenbürgens, behandelt. In Silvestru Moldovan, ^eara noastra, 
finden sich neben einer Beschreibung des Landes im westlichen Siebenbürgen auch 
ethnographische Mitteilungen. Das dicke Buch von E. deMartonne, La Va- 
lachie (Paris 1902), hat zwar grofsen geographischen, aber weniger ethno- 
graphischen und gar keinen historischen Wert. 



90 1. Kapitel. 

Barbarentums geglättet hatten , erseheint das scheinbar über- 
schwemmte alte Element der ursprünglichen Bewohner wieder, 
aber in einer Gestalt, die gar nicht an die Vergangenheit erinnert: 
als Barbaren tauchen die Rumänen aus dem Barbarengewimmel 
empor. 

Das geschichtliche Auftreten der Rumänen vollzog sich , ob- 
gleich die Zusammensetzung und organische Entwickelung dieses 
Volkes einer früheren Zeit angehört, erst im 11. und 12. Jahr- 
hundert. Dieser Prozefs ist hier za schildern und zu erklären. 
Der Rahmen, in den das Bild gehört, ist im Vorhergehenden 
schon gegeben. 

Auf der Balkanhalbinsel hatten die römischen Eroberer Griechen 
und Thraker vorgefunden: die ersteren wohnten am Meere und 
längs der grofsen Handelsstrafsen , die Heimat der letzteren blieb 

Um das Königreich EumäDien steht es, was die ethnologischen Studien an- 
langt, nicht viel hesser. Die Ärzte N. Manolescu und Crainiceanu hahen 
zwei Werke über die Igiena ^eranulul romän (Hygiene des rumänischen 
Bauern; in den Publikationen der rumänischen Akademie erschienen) verfafst. 
Der verdienstvolle Suczawaer Priester S. Fl. Marian, Mitglied der Akademie, 
hat in seinen von diesem Institute herausgegebenen Werken: „Die Geburt bei 
den Rumänen" (1892), „Die Hochzeit bei den Rumänen" (1890), „Das Leichen- 
begängnis bei den Rumänen" (1892), „Vräji, farmece ^i desfacerl" (Zauber- 
sprüche, 1893), und „Rumänische Volksfeste" (Serbatorile la Romini; drei Bände), 
den ganzen Zyklus des rumänischen Volkslebens beschrieben; daneben hat er 
auch Studien über die Verwendung der Farben in der Kunst (Eintrittsrede in 
die Akademie), über die populäre Ornithologie (Suczawa, 1. Bd,), über die popu- 
läre Zoologie (in der Noua Revistä Romina, 1901) veröfifentlicht. Dazu 
kommen „Die Hochzeit bei den Rumänen" von Elena Sevastos (1889), das 
grofse Buch L. Saineanus über die Volksmärchen, die erst kürzlich erschie- 
nene Arbeit von Dr. N. Leon über die populäre Heilkunde (alle in den Annalen 
oder den selbständigen Publikationen der Akademie). 

Die Sinnsprüche (Cimiliturl; Ausg. der Akademie) sind von Artur Go- 
rovel, die Sprichwörter von luliuZanne in einem kolossalen, etwas zu breit 
angelegten Werke gesammelt worden. Die erste grofse Sammlung der Volks- 
poesie ist die von V. Alecsandri, vom Dichter selbst stark umgearbeitet. 
Dagegen ist streng wissenschaftlich die von Andrei Bärseanu und J. Ur- 
ban Jarnik 1885 veröffentlichte, der an Wert die viel reichere von G. Dem. 
Theodorescu gleichsteht. Die in den letzten Jahren von dem Unterrichts- 
ministerium veranstaltete- Sammlung : Materialurl folkloristice Ii und l3 
ist völlig verfehlt zu nennen; als ihr Herausgeber wird Gr. G. Tocilescu ge- 
nannt. Dieser hat aber keinen Anteil daran. 



Ursprung der Pindus- und Earpathenwlachen. Städtisches Leben. 91 

bis zu ihrem ethnischen Untergange das Gebirge; in den Tälern 
des Rfaodope; des Hamas und der Earpathen standen ihre Hirten- 
dörfer. Die Griechen besafsen Städte, Reichtum und eine alte, 
Uberlegene Kultur, die sie fast völlig vor der Entnationalisierung 
be^wahrte. Die in kleinen ärmlichen Ansiedelungen zerstreuten 
Thraker dagegen konnten sich in den Gegenden, wo sie die römi- 
schen Soldaten und Handelsleute aufsuchten, nicht halten. So 
verlor sich schrittweise in Mösien wie in Dakien — in Thrakien 
selbst hatte bei dem Erscheinen der Legionen die hellenische Fär- 
bung der Bevölkerung schon grofse Fortschritte gemacht — die In- 
dividualität dieser zahlreichen, tapferen und begabten thrakischen 
Völkerfamilie. Was in späterer Zeit als Thraken erscheint, auf 
heimatlichem Boden oder in der Fremde, wo sie angeblich als 
christliche Mönche ihre „hessische" Sprache bewahrt haben sollen, 
ist wenig glaubwürdig und liefse sich weit eher aus einer Ver- 
wechselung oder altertümelnden Kichtung in den fraglichen Quellen 
erklären. Die benachbarten verwandten Illyrier, bei denen die 
Pforte der Barbarei schon lange vorher gesprengt worden war, 
hatten ein in dieser Beziehung besseres Geschick: während die 
römische Kultur am Meeresgestade einen viel stärkeren Aufschwung 
als in dem Lande der unteren Donau genommen und Dalmatien 
zu einer blühenden Provinz des Reiches gemacht hatte, bot das 
arme, steinige^ vegetationslose Hinterland den Ansiedlem wenig 
Reiz, höchstens solchen, die in'den bosnischen Bergwerken arbeiten 
wollten. Trotzdem sie auf den Märkten der Herrscher, wie später 
auf denen der Italiener, die nun die Küste ausbeuteten, erscheinen, 
trotzdem sie als gute Kenner der Pässe und Pfade im Gebirge, 
als mutige Verteidiger der Handelskarawanen schon in dieser Zeit 
wie auch später angeworben wurden, trotzdem endlich manche 
aus ihrer Mitte als Auxiliarien in den kaiserlichen Legionen kämpfen 
mufsten, blieben die Bewohner des Hochlandes Illyrier, und bis 
heute, wo sie sich als Schkipetar bekennen und von den Nach- 
barn nach einem schon im Altertume gebrauchten Ausdrucke 
Albanesen (Arnauten) genannt werden, sind sie in ihrem bergigen 
Jagd- und Raubgebiete neben Hirten und Bürgern anderer Natio- 
naUtät sitzen geblieben. Dafs sie in fem entlegenen Zeiten unter 
römischer Herrschaft gestanden haben, dafür spricht nur eine nicht 



92 1. Kapitel. 

allzu grofse Anzahl von Wörtern f lir höhere Kulturbegriffe in ihrer 
Sprache und der christliehe Glaube, den sie gewifs schon im 
Altertume von den römischen frommen Verehrern des allen Völkeml 
gemeinsamen Gottes entlehnt haben. Die unfreundlichen Berge 
hatten sie vor dem Untergange geschützt, ebenso wie es anderea 
interessanten Völkerresten gegangen ist: den Goten in Cherson, 
die jahrhundertelang die Vernichtung ihres Stammes überdauert 
und sich in verschwindend kleiner Zahl mit ihrem germanischen 
Dialekt in die moderne Zeit herübergerettet haben; den Basken 
in den Pyrenäen, wunderbaren Zeugen einer uralten Vergangenheit;] 
den Rhätoromanen, die trotz ihrer numerischen Unbedeutendheil 
eine eigene Form romanischer Sprache besitzen, und nicht zulel 
den Rumänen im Pindus. 

Die illyro- und thrakoromanische Bevölkerung der Balkan- 
halbinsel beherrschte in den guten Zeiten ihres Daseins ein ge- 
waltiges Gebiet ohne fremde Einschiebsel, nämlich das Land 
zwischen dem lateinischen Meere, der Adria, und der hellenischen 
Welt, die sie vom Pontus fernhielt, während im entlegenen Norden 
und asiatischen Osten die germanischen, slavischen und türkischen 
Völker ihre Nachbarn waren. Die Einfalle der Barbaren zerrissen 
aber diese einheitliche Bevölkerung, und den auseinandergerissenen 
Teilen war keineswegs die gleiche Zukunft beschieden. 

Durch die unaufhörlichen slavischen Einfalle, die sich vor- 
züglich auf dieses reiche, von Gote£i und anderen Barbaren bisher 
fast unangetastete Gebiet richteten, verlor Dalmatien mit seinem 
anhangenden Neben- und Hinterlande den gröfsten Teil seiner Be- 
völkerung, und nach hartnäckigem Widerstände der romanischen 
Eüstenbewohner nahmen endlich im 6. und 7. Jahrhundert die 
Slaven das ganze Ufer mit seinen zahlreichen, günstig gelegenen 
Städten in Besitz und ersetzten auch in den engen Tälern des 
Gebirges die vertriebenen Bauern. Von der römischen Sprache 
die hier so lange die herrschende, wenn nicht die ausschliefslich 
gebrauchte gewesen war, blieb nur ein Rest in der lingua vul- 
gare bestehen, die auf Inseln und in Häfen, wie z. B. in Ragusa- 
Dubrownik, bis ins 15. Jahrhundert gesprochen wurde und jetzt 
nur noch in schriftlicher Überlieferung lebt ^). 

1) Jireöek, Die Eomanen in den Städten Dalmatiens während 



Ursprung der Pindus- and Karpathenwlachen. Städtisches Leben. 

Aber im späteren Mittelalter findet man in den benachbarten 
Gebirgen^ nachdem römisches Wesen an der Küste schon seit 
langem in seiner ursprünglichen Form erloschen war, eine starke 
Bevölkerung von Hirten und Räubern^ die von den slavischen Be- 
wohnern der Täler Wlach genannt werden, und das Wort be- 
deutet dasselbe wie Rum bei den Türken, nämlich Römer. Im 
10. Jahrhundert beginnt die geschichtliche Laufbahn dieser ver- 
späteten Krieger. Der byzantinische Chronist Cedrenus spricht 
von dem bei Kahxl d^dg erfolgten Tode des aufrührerischen bulgari- 
Bchen Komitopulen oder Bojarensohnes David durch ,,wlachische^' 
Hände/). Die Mörder waren Wanderer, ÖSiTaiy und der Er- 
mordete hatte mit seinen drei Brüdern, die ihn überlebten, lange 
Zeit nachdem das bulgarische Reich von PrSslav gefallen war, 
einen letzten Verzweiflungskampf gegen die Byzantiner gekämpft. 
Die Kriegszone Mit in die bergigen Landschaften, die sich südlich 
bis Makedonien und Thessalien, westlich bis Dyrrhachium erstrecken, 
einen bisher wenig hervorgetretenen Winkel der ehemaUgen bul- 
garischen Herrschaft y wo man eine so zahlreiche slavische Be- 
völkerung in dieser Zeit kaum hätte erwarten sollen. Die Art 
der Kriegführung gegen Byzanz, die wir hier kennen lernen, ist 
ungewöhnlich: denn schUefslich führten die Bulgaren des Zaren 
ihre Unternehmungen mehr oder weniger nach „römischer" Art 
durch, während jetzt alles in kleine Bandenangriffe, in albanesische 
Strei£süge zerfällt. Es verrät sich darin ein neues militärisches 
Element, das bisher seinen Charakter noch nicht verkündet hatte, 
und^ wenn man bedenkt, dafs noch spät im „östlichen" ponti- 
scben Reiche die turanischen Bulgaren, mehr oder weniger mit der 
Slavenaristokratie gemischt^ die Kriegskaste bildeten ^) , und dafs 

des Mittelalters, 2 Teile, Wien 1901-1902 (Denkschriften der Wiener 
Akademie, Bd. XLVIII— IX). 

1) I, S. 435. 

2) Man sieht es sehr deutlich ans den Eesponsa Nicolai Papae 
— Mansi, Concilia, XV — , wo gegen Ende des 11. Jahrhunderts, 200 Jahre 
nach der Festsetzung in Mösien, die Bulgaren als echte „Türken'^ erscheinen, 
mit den asiatischen grausamen Züchtigungsmitteln, mit der fetischistischen An- 
betung des Herrschers, dem sich niemand nähern kann, mit der Polygamie, mit 
der charakteristischen Kopfbedeckung durch eine turbanartige ligaturalintei, 
mit dem tug — Pferdeschweif — als Fahne. 



94 1. Kapitel. 






durch die letzten Kämpfe mit den Russen und die Ausrottungs- 
züge des Tzimiskes diese „türkischen** Bojaren vernichtet oder 
zerstreut waren, so wird es verständlich, dafs die noch unbezwungenen 
bulgarischen Grofsen sich wo anders Kräfte für den zu erneuernden 
Angriff suchen mufsten. Die Wlachen und gewifs auch ihre, in 
den Quellen jedoch nicht genannten albanesischen Nachbarn waren 
dazu wie geschaffen. Ein Lehrer der Kriegs- und Verwaltungs- 
wissenschaft;, der einen thessalischen Verwalter des wlachischen 
Gebiets, einen Sqx^^v tCüv Bldxcov ''Ellddog, der den charakte- 
ristischen rumänischen Namen NtycoliT^ay Nicoli^ä, fährt, als seinen 
Ahnherrn bezeichnet, Kekaumenos, schildert im 11. Jahrhundert 
diese ihm gut bekannten Bergbewohner also: Sie leben gewöhn- 
lich in thessalischen Dörfern, und nur in kleineren Gruppen in 
Epirus und in Makedonien ^). Städte findet man bei ihnen nicht, 
aufser wenn sie, wie es nicht selten der Fall ist, durch List einen 
byzantinischen Markt überfallen haben. Im Sommer werden die 
Herden, die Familien und gedungene Knechte nach Bulgarien 
geschickt, so dafs von April bis September nur die angesehensten 
Mitglieder des Volkes zu Hause zu finden sind. Ihre Häuptlinge 
werden von den Griechen ftQÖy^LTac , s^Y^LTac ^) genannt, und 
Kekaumenos erwähnt von denjenigen, die in der Zeit Nikolitäs 
lebten, den Sthlabetas Karmalakes, den Begißoog oder Berivol — 
welch letzter Name bei den Rumänen nicht unbekannt ist. Dem 
Kaiser bezahlten sie gewisse Schafzehnten ; aber als di^se drückender 

t 

wurden, lehnten sie sich dagegen auf und zettelten einen Aufruhr, 
in dem Griechischen dieser Zeit fiodXTOv genannt, an. Bei solcher 
Gelegenheit sind auch treue kaiserliche Diener, wie z. B. der 
Nikoli^ä, gezwungen, sich ihnen anzuschliefsen , so stark sind ihre 
Drohungen. Die Unterhandlungen mit ihnen sind ungewöhnlich 
schwer, weil sie zähe bei ihrem Vorhaben aushalten und dazu 
frech lügen und falsch schwören: Verschwägerungen, Verbrüde- 
rungen, Adoptionen — awrex^viaL — , gewöhnliche Mittel, um 
andere Barbaren zu gewinnen und dauernd zu fesseln, helfen bei 

1) Juand^aav iv näay tJ ^HmCQt^ xal Maxe^ov^tf, oi dh nXeioveg aHßv 
ujxriaav t^v ^ElXdda , CecaumeniStrategicon, ed. Wassiliewsky und Jem- 
ßtedt; „Zapifiki" der Petersburger philosophischen Fakultät, 1896, S. 96. 

2) Bei Anna Comnena 11, S. 10: Ilovdllog rig hcxQtxog xQv Bkdxojv. 



Ursprong der Pindus- und Karpathenwlachen. Städtisches Leben. 95 

ihnen wenig, weil sie sich im Zorne von allen diesen unmänn- 
lichen Geweben skrupellos lossagen. Im Kriege zeigen sie sich 
feig ,7 wie die Hasen ^', was seine Erklärung in der ihnen eigenen 
Kriegsart findet, wie wir diese bei dem gleichzeitigen Cboniates 
geschildert finden: zuerst fliehen sie vor dem übermütigen Feinde, 
um durch Pfeilschiefsen und Speerwerfen Verwirrung in den ihnen 
nachsetzenden Reihen zu verursachen; aber bei deren erstem be- 
merkbaren Wanken sind sie wieder zur Stelle und unter furcht- 
barem Kjiegsgeheul schwingen sie die Schwerter zum G-emetzel *). 
Diese Eigenschaften kommen auch in den Kriegen der so- 
genannten „Bulgaro-Rumäuen^^ gegen die Byzantiner unter den 
Komnenen und AngeU zum Vorschein, wie auch in den gegen 
die lateinischen „ Usurpatoren '^ während der asdnischen Dynastie, 
d.h. unter den drei Brüdern, welche dieRebeUion beginnen, und ihrem 
NeflFen. Kaiser Isaak (1185 — 1195) will eine Tochter des ungarischen 
Königshauses heiraten, aber zu einem Heiratsgute aus seinem eigenen 
Schatze — so schreibt der moralisierende Oppositionswortführer 
Niketas Choniates — kann er sich nicht entschliefsen. Es werden 
neue Steuern im Reiche ausgeschrieben, und auch die Wlachen 
werden damit belastet: man sondert aus ihren Herden mehr 
Schafe als gewöhnlich fiir den Kaiser aus. Aber sie waren eine 
privilegierte Gesellschaft, sie bildeten eine Art besonderen Stand 
im Reiche, und das Recht, Klagen direkt vor den Herrscher zu 
bringen, wurde ihnen niemals abgestritten. Sie entsenden zwei 
ixyLQtrai, Peter und As^n, Herdenbesitzer ohne Familiennamen ; die 
werden aber zurückgewiesen, und einer von ihnen von einem 
sehr hochstehenden „römischen" Offizier ins Gesicht geschlagen. 
Mit dem kaiserlichen Regimente waren die Bergbewohner seit langem 
unzufrieden ; das wufste man auch in Byzanz schon längst und liefs 
darum die Sicherheitsburgen auf dem ganzen Bergkamme gut ver- 
sorgen und bewachen *). Viele von ihnen waren von der duali- 
stischen Häresie der Bogomilen angesteckt, und der „reine" Bogo- 
mile verachtete den ketzerischen Griechen, welcher den neuen 
wahren Glauben niemals anerkannte. Auch waren die Erinne- 



1) S. 519. 

2) Kelcaumenos S. 96. 



96 1. Kapitel. 

rangen an die Freiheitskämpfe im Hamas and Pindas aas der 
Zeit der vier Bojarensöhne ^ die aaf dem Prespasee ihren kaiser- 
lichen Hof hielten, keineswegs verschwanden. Als anter Alexios L 
die Kamanen den chersonischen Vetter des Herrschers mit sich 
brachten 9 waren die Wlachen jene unübertrefflichen Bergführer, 
welche die Barbaren aaf den Pässen begleiteten and die Ver- 
teidigangsmittel der „Kliesuren" vermieden ^). Jetzt stand, am 
den Raab der Herden and den beleidigten Stolz ihrer Vertreter zu 
rächen, das ganze Hochland in Flammen, and ehrwürdige Priester 
bogomilischen Glaabens beeilten sich za erklären, dafs der heilige 
Demetrios aus seinem Aufenthaltsorte Thessalonike in den Pindas 
gekommen sei, um den besseren Christen Krieg und Beutezüge 
gegen die Verdorbenen in Konstantinopel zu predigen. Die Brüder 
Peter, Äsen und besonders der jüngste, der hochbegabte Johannitius, 
traten an die Spitze des /ÄOf^lvog, wobei sie bei allen Neffen und 
Verwandten Unterstützung fanden. In den jenseitigen Rumänen 
erstanden ihnen übrigens Helfer genug, und so waren sie an 
Zahl wie an Mut und Kenntnis des Kriegsschauplatzes den Gegnern 
überlegen. 

Was nun folgt, ist eine echt wlachische Epopöe, grofsartig, 
blutig und grob. Von einer ständigen Besetzung der Ebene, — ob- 
gleich Akropolitas von der Hämus- und Istergrenze spricht ^) — 
von einer sicheren Herrschaft im Norden bis zur Donau ist keine 
Rede, wie auch im Frieden keine Organisation nachzuweisen ist. 
Hier und da — in geschützten Gebirgsnestern — lauem die 
„principes", die Fürsten, auf Beute; der oberste Führer, welchen 
die Ausländer aqxoyp, roi, nennen, wohnt, seitdem Johannitius sich 
zum Gegenkaiser, Imperator Bulgarorum et Romanorum, 
aufgeworfen hat, in Tmowo, der neuen Hauptstadt, die für ihn 
übrigens mehr einen Ort zu kurzem Ausruhen als eine wahre 
Residenz darsteUt, denn fast immer befand er sich auf Kriegs- 
Zügen. Ein anderer „Fürst", der zuerst mit seinen Leuten, etwa 
fünfhundert Hirten, den Byzantinern Hilfe geleistet und später 
seinen Eid mit Füfsen getreten hatte, unternahm seine Streif- 



1) Anna Comnena 11, S. 11. 

2) S. 21. 



ürsprong der Findas- nnd Earpathenwlachen. Städtisches Leben. 97 

Züge von Stramnitza, dann von dem stftrkeren Prosakon aus. 
In den Bergschlucbten in der Nähe solcher Residenzen weiden die 
ihnen von jeher eigenen oder erbeuteten unzähligen Herden, ge- 
rade wie bei den Beduinen, welche dicht bei dem Zelte eines 
Abd-el- Kader ihre Schafe hüten. Die Angriffe erfolgen un- 
erwartet, „blitzschnell'^; das Vieh wird nach den Städten hin 
fortgetrieben, die Gefangenen werden — ohne Schonung gegen 
die Priester oder Wehrlosen zu üben — totgeschlagen. Bei den 
Jahrmärkten, den lokalen Heiligenfesten, erscheinen sie als un- 
gerufene Gääte, um unbezahlte Einkäufe zu machen; Kastelle, 
welche einst gegen die „Bulgaren" gebaut worden waren und. 
seitdem unvorsichtigerweise verlassen liegen, überrumpeln sie und 
werden so vollständig Herren der Pässe; reiche Erlöster verfallen 
nach greulichen Mordszenen dem Feuer. 

Für alle Schuldigen, Unzufriedenen, Ehrgeizigen istZagora *), 
das Reich der wlachischen Hirten, ein sicherer Zufluchtsort: 
Kamytzes, ein griechischer Edler, nimmt mit dem Wlachen Chryses 
an der Verheerung von Thessalien und Griechenland teil; ein 
romäischer unbezahlter mUitärischer Ingenieur zeigt den Hirten zu 
Prosakon, wie sie am besten durch hinuntergeworfene Felsblöcke 
die Schädel der treuen kaiserlichen Soldaten zermalmen können. 
Als die Griechen durch die Lateiner aus dem Besitze Thrakiens 
verdrängt werden, rufen sie Johannitius zu Hilfe, und der gute 
Mann läfst sich, als „imperator'^ des orthodoxen Volkes im Oriente, 
nicht Jange bitten. Ein Kaiser abendländischen Glaubens stirbt 
elendiglich bei ihm in Trnowo. Einen Vertrag mit ihnen zu 
schliefsen, ist so gut wie unnötig, denn die wlachischen Vornehmen 
gehen zum Zeitvertreibe von einer Partei zur anderen über, sie 
heiraten, morden, verraten, als wenn sie die gewöhnlichsten Akte 
des Lebens verrichteten. Äsen wird von seinem eigenen Ver- 
wandten Ivanko wegen Weibergeschichten getötet, Peter erliegt 
einem anderen Mörder, die Vettern Borila und Johann As^n be- 
fehden sich im Streit um die Erbschaft der grofsen Imperatoren. 
Ivanko wird mit einer sehr jungen byzantinischen Prinzessin ver- 
lobt, heiratet aber die Mutter seiner Braut, da er das Familien- 



1) Choniates S. 679. 

Jörgs, Oescliicfate der Bnmänen. 1. 



98 1. Kapitel. 

glück nicht versäumen möchte. Chryses beschimpft seine Frau, 
eine hochgeborene Dame aus Konstantinopel; von ihrem früheren 
Manne besonders zum Zwecke dieser neuen Heirat geschieden^ bei 
dem Hochzeitsmahle, weil sie nach feiner hauptstädtischer Sitte 
sich sträubt, so viel zu verschlucken, wie bei den wlachischen 
Hirtenschmäusen üblich ist. Die rohe Barbarei der Bergmenschen 
vereinigt sich in diesen auf den Flügeln des Glückes so hoch 
emporgetragenen armen, einfachen Hirten mit raffinierter Grau- 
samkeit und dem zivilisierten Talent zum Lügen, wie es der ver- 
kommene Römer von Byzanz besafs. 

Ein solches Leben finden wir niemals bei den anderen 
„Wlachen" am linken Donauufer: diese sind, wie wir gleich sehen 
werden, ruhige, friedliche Ackerbauer, die nur in einigen Ge- 
genden notgedrungen dem Hirtenleben huldigen. Seit den grau- 
samen Heldentaten des imperatorischen /ioi)Aro^ im Hämus undPindus 
sind sechshundert Jahre verflossen, und in verschiedenen Zeiten 
haben Reisende, die einander nicht gekannt und benutzt haben, 
von dem Juden Benjamin von Tudela im 11. Jahrhundert an- 
gefangen bis zum Franzosen Pouqueville im 18., die Berge von 
Makedonien und Epirus besucht und sind durch Thessalien ge- 
reist, und sie alle haben bei diesem Volksstamme, der ungeßlhr 
stets dieselbe numerische Stärke besafs, im wesentlichen die- 
selben Eigenschaften gefunden ^). Es gibt kaum ein Ele- 
ment , das konservativer ist als dasjenige . der Bergbewohner, 
und die unzutreffend sogenannten Makedorumänen oder Pindus- 
wlachen haben ihre Eigenart niemals verleugnet. Von einem 
grofsen Auswanderungszuge wird auch in der besser bekannten 
neueren, geschichtlichen Zeit niemals gesprochen: sie bleiben in 
ihrer bekannten, scharf abgegrenzten Hirtenzone festgebannt ; heute 
wie vormals bis in die entferntesten Zeiten hinab haben sie je 
eine Sommer- und eine Winterheimat, die immer dieselbe geblieben 
ist. Dafs sie sich vor fremden Barbaren, Slaven oder was sie 
sonst gewesen sein sollten, von Mösien nach Thessalien geflüchtet 
hätten, ist nicht anzunehmen. In ihren Bergen wurden sie von 

1) Mit Ausnahme der jüDgeren Bevölkerungsteile der Arminen oder Pindus- 
wlachen, die sich den Bewohnern der Städte als Handwerker und Kauf leute später 
zugesellten. 



Ursprung der Findus- und Earpathenwlachen. Städtisches Leben. 99 

den Eindringlingen, die nicht allzu zahlreich waren und ihre 
früheren Wohnsitze gewifs nicht darum verlassen hatten, um in 
den Schluchten des Balkan vor Hunger und Kälte zu sterben, 
niemals aufgesucht, wie auch die Albanesen immer in Ruhe ihre 
heimatliche Feste behaupten konnten und darum bis auf unsere 
Zeit ethnographisch rein geblieben sind. Sollten übrigens die ver- 
armten und barbarisierten Bewohner der neudakischen Gefilde im 
6- Jahrhundert so feingebildet und so zartfühlend gewesen sein, 
dafs sie die Nachbarschaft der gewöhnlichen Slaven nicht ertragen 
und die der wilden Tiere auf den Gipfeln des Gebirges hätten 
vorziehen mögen? 

Bei Choniates wird ausdrücklich berichtet, dafs die Befreier 
des wlachischen und später des bulgarischen Volkes eine eigene 
Sprache redeten. Diese Sprache wird bis heute von den „Ma- 
kedorumänen'', von den AräminI (Arumänen) gesprochen: es ist 
ein rumänischer Dialekt, aber nur, wenn wir den BegriflF der ru- 
mänischen Sprache sehr weit fassen. Es ist wahr, dafs dieselben 
Regeln in der Lautentwickelung im Makedorumänischen und Dako- 
rumänischen vorwalten, aber hinsichtlich des Sprachschatzes, der 
Auswahl der lateinischen und slavischen Bestandteile, in dem gan- 
zen Aussehen erscheinen die beiden Dialekte als zwei verschiedene 
Sprachen, und ein Rumäne aus Bukarest vermag sich mit seinem 
Blutsverwandten von Bitolia kaum oder gar nicht verständlich zu 
machen. Die Ähnlichkeit erklärt sich aus der Identität des Vulgär- 
lateins, das den beiden Mundarten in gleicher Weise als Basis dient, 
aus der grofsen Verwandtschaft, die zwischen dem dakischen, thra- 
kischen und illyrischen Idiome bestehen mufste. Die Verschieden- 
heiten sind aber zu grofs, um sie durch eine einfache Unter- 
brechung der Berührung, sei es selbst während mehrerer Jahr- 
hunderte, erklären zu können. Gegen die Annahme, dafs dies 
in der Slavenzeit geschehen wäre, läfst sioh nach der Analogie 
der romanischen Sprachen des Westens mit Entschiedenheit ein- 
wenden, dafs so frühzeitig die Entstehung der rumänischen Sprache 
unmöglich war. Geschah es aber später, dann müssen wir uns 
fragen, welche neue Einwanderung in Frage kommen könnte, 
nachdem doch die Steppe bereits alle ihre kräftigeren Barbaren 
von sich gelassen hatte. Und wenn nur Raumtrennung genügt, 

7* 

309399 



100 1. Kapitel. 

um sozusagen eine andere Sprache entstehen zu lassen^ wie ist es 
dann zu erklären, dafs die Mundart der Szekler, die gewils recht 
beträchtliche Zeit von ihren magyarischen Stammesgenossen voll- 
ständig getrennt lebten, doch der magyarischen Sprache so ähn- 
Uch klingt? 

Das makedorumänische Element ist von der romanischen Be- 
völkerung der illyrischen Gegenden herzuleiten, ebenso wie die 
Albanesen einsam als Überbleibsel der nicht romanisierten Be- 
völkerung derselben Provinzen vor uns stehen. 

Im Norden der Balkanhalbinsel ging das romanisierte Gebiet 
der Donau entlang, von der sirmischen Insel, dem späteren 
Frankochorion, einer Erinnerung an die Eaxolingische Mark, bis 
gegen die Donaumündung, wo es erst bei den bis zum Ende 
griechisch gebliebenen Pontusstädten aufhörte. Aufser dem 
fruchtbaren Donautale besafsen die Römer infolge der Eroberung 
und Kolonisation der Gebiete nördlich des Flusses ein Bollwerk 
gegen die Barbarei, eine natürliche Vormauer gegen ihre Einfälle. 
Aber das Andrängen der Barbaren war zu heftig, als dafs es da- 
durch hätte gehemmt werden können, und so ward der sich als 
nutzlos erweisende Damm ein Spiel der Wellen. Ihn durch 
Massentransport des angehäuften menschlichen Materials völlig 
zu zerstören wäre unmöglich gewesen, und die sehr praktischen 
Eömer waren nicht gewohnt, aus sentimentalen Rücksichten oder 
wegen eines Stadtklatsches in kritischen Zeiten Unmögliches zu 
versuchen. Die armen, schon halb barbarisierten Einwohner des 
dakischen Bodens blieben deshalb, wo sie waren, ohne sich darum 
zu kümmern, ob die Provinz in den Staatslisten existierte oder 
liicht, ob in diesen Gegenden romanum constabat imperium 
oder ob sie mit ihren neuen Herren zur Barbaria gerechnet 
wurden *). 

Es verging nur- ein Jahrhundert und, wie vorher Dakien, so 
wurde jetzt auch Thrakien von dem römischen Kaiser verloren 
gegeben. Das geschah hundert Jahre nach der vielbesprochenen 
Mafsregel Aurelians: die gotischen hospites, durch die Hunnen 
von dem nördlichen Donauufer vertrieben, wollten sich nicht da^a 



1) Vita S. Severini, C. XX. 



I 

j 



Ursprung der Findas- und Earpathenwlachen. StädtischoB Leben. 101 

verstehen^ ihre freie Heimat; wo sie geherrscht, gegen eine un&eie, 
^vorin sie als Sklaven des Fiskus und der militärischen Befehls- 
haber erschienen, zu vertauschen. Gegen einen solchen Stellungs- 
iivechsel protestierten sie eifrig und blutig durch Verheerungen, 
und^ nachdem ein Kaiser im offenen Kampfe gegen sie die Ehre 
und das Leben verloren, wurden sie die Herren bis zu den Toren 
l^onstantinopels und bis zu den Engpässen des alten Hellas. Aber 
schon vor der hunnischen Zeit^ von den unmittelbaren Nachfolgern 
Aurelians bis zu Konstantin dem Grofsen^ in den unaufhörlichen 
inneren Kämpfen, die den Provinzialen und den barbarischen 
Nachbarn das Kaisertum nur noch als ein vorübergehendes ma- 
gisches Licht zeigten, galt die Donaugrenze als verloren ^ und 
Diokletian scheint der einzige von den römischen Herrschern 
dieser elenden Epoche gewesen zu sein, der an die Wieder- 
erwerbung des limes publicus^) dachte und durch neuerbaute 
Kastelle die alte Grenze verstärkte. Nach der Schlacht von 
Adrianopel vergingen wieder einige Jahrzehnte, bis Theodosius die 
ganze Macht in seinen Händen hatte und den unglücklichen 
Provinzialen Trost und Schutz gewährte. Doch unter seinen ge- 
krönten Nachkommen fand sich kein würdiger Nachfolger und 
ebensowenig unter ihren halb barbarischen Generalen, und, als die 
Hunnen, die bisher mit der festeren Organisation ihres bunten, mit 
unterjochten fremden Völkern und Flüchtlingen angefüllten Reiches 
beschäftigt gewesen waren, die bisherige südliche Grenze nicht 
mehr anerkennen wollten und mit den eigenen imd dienenden 
Scharen die mösischen und neudakischen Provinzen überfluteten, 
waren die Verträge nichts anderes als leere Entschuldigungsakte 
für die öffentliche Meinung der Zeit und für die Geschichte der 
Zukunft. Tatsächlich war wieder die Barbarei in hunnisch- 
gotischer Form bis zum Hämus vorgerückt, und was die Römer 
behielten, war mit Rücksicht auf die immer drohende Gefahr 
meistens unbewohntes Gebiet, während unter dem königlichen 
Schutze das Leben als sicher und beinahe glücklich erschien. 

Literarisch und politisch ist die romanische Bevölkerung jener 
Gegenden halb vergessen, und dennoch finden sich hier und da bei 



1) Yita S. Severini, ebend. 



102 1. Kapitel. 

den gleichzeitigen Schriftsteilem Berichte über die Bewohner der 
Städte, die wenigstens einst politische Bedeutung gehabt hatten. 
Die alten Namen der Donaufestungen und Donaustädte erscheinen 
wieder in der Zeit Attilas, der durch ihre Eroberung nur die 
Anzahl seiner ständigen, arbeitenden Untertanen vermehren wollte. 
Margus, Viminacium, andere benachbarte „zahlreiche" Städte und 
Burgen — nöleig xai (pqovqia nXeioxa — , Ratiaria, welche als 
„sehr grofse und gut bevölkerte". Ansiedlung charakterisiert 
wird — fAeylarri xai nolvdv&QUTtog — , Sirmium, Constantia, 
Naissus, Novae, Serdica, Odessos, Durostorum, von wo Aötius, 
der grofse Beschützer des westlichen Kaiserreichs, und sein Sohn 
Karpileon, dessen Name an die karpischen Daken erinnert, stamm- 
ten, das waren alles wichtige Plätze, deren Besitz einige Opfer 
rechtfertigte ^). In den gröfseren dieser Zentren fanden sich 
Bischöfe: bei Priscus diejenigen von Margus, Viminacium und 
Sirmium, bei Marcellinus Comes: Vitalianus von Odessos, Domnio 
von Serdica, Alcissus von Nicopolis an dem Jantraflusse, Q-aia- 
nus von Naissus, Evangelus von Pantalia, Laurentius von Lych- 
nion, die alle dem katholischen Glaubensbekenntnisse angehörten, 
was ihnen die Verfolgungen des Kaisers Anastasius, der für 
Eutychius schwärmte, zuzog. Ihr Los wäre, nachdem sie als Ge- 
fangene nach Konstantinopel gebracht worden waren, ein här- 
teres gewesen, wenn man nicht auf ihre Konprovinzialen aus 
demselben illyrischen Sprengel, den illyricianus catholicus 
miles, Rücksicht genommen hätte ^). Die Erinnerung an den 
grofsen arianischen Bischof von Durostorum, Auxentius, einen 
Schüler des römisch-gotischen Predigers dieser Häresie, des Apo- 
stels Ulfilas ^), war noch lebendig, und in Durostorum hatte unter 
Julian der Märtyrer Aemilianus für den Glauben geblutet*). 
Die Kompetenz dieser Bischöfe war keineswegs auf Glaubens- 



1) Priscus S. 140-142. 

2) Ausg. Mommsen S. 98—99; vgl. Victor Tonnenensis in demselben 
Bande der Auetores antiquissimi, S. 199. 

3) Die Arbeit von Friedrich Kaufi&nann, Aus der Schule des Wulfila. 
Auxenti Dorostorensis epistula de fide, vita et obitu Wulfilae 
(Strafsburg 1899) war mir nicht zugänglich. 

4) Chron. Pascale I, 549. 



UrepruDg der Pindus- und Karpathcnwlachon. Städtisches Leben. lOS 

Sachen beschränkt: Viminacium wird dem Attila durch sein geist- 
liches Oberhaupt ausgeliefert ; der Archipresby ter von Margus ver- 
steht die Kriegskunst und scheut sich nicht, die Donau zu über- 
schreiten, um mit den Bürgern seiner Stadt irgendwo auf dem 
linken Ufer hunnische Königsschätze zu erbeuten ^). 

Gewifs waren die Zustände an der unteren Donau auf bei- 
den Ufern die gleichen, und es scheint ein lebhafter Verkehr 
unter den Angehörigen der verschiedenen Rassen bestanden zu 
haben, den die vielen Flufsinseln erleichterten. Es herrschen 
hier die in verlassenen Gebieten gewöhnlichen Zustände, wie wir 
sie an dem oberen Laufe desselben Flusses aus der Vita S. Se- 
verini kennen. 

Dort in Noricum ist ebenfalls eine ähnliche Sonderherrschaft 
der »Städte an Stelle des zurückweichenden Reich sregimentes ge- 
treten. In den loci, oppida, municipia, castella, in den Burgen, Städten 
und Dörfern, sucht die auf sich selbst angewiesene ziemlich dichte 
römische Bevölkerung der fortwährend von den wilden Scharen, 
die immer auf der Menschenjagd sind, drohenden Gefahr auszu- 
weichen, sich den gefährlichen, aber unvermeidlichen Verhältnissen 
anzupassen. Die alten Mauern stehen noch fest und werden immer 
in verteidigungsfahigem Zustande erhalten; unter ihrem dennoch 
schützenden Schatten bebauen die Bürger ihre Acker, so dafs sich 
hier wie im heutigen Sizilien keine eigentlichen Dorfbewohner 
finden: man kehrt abends zur Stadt, zum Markte, den man bei 
Sonnenaufgange verlassen hatte, zurück. Bei Angriflfen seitens der 
Barbaren nimmt jeder die Waffen zur Hand, weil jeder weifs, 
was ihm, bei einer etwaigen Erstürmung, bevorsteht: es ist ein 
hartes, aber frisches Leben, wie das der vormaligen Pfadfinder in 
dem von Indianern durchstreiften Westen Amerikas. Es gibt aber 
auch ein Soldatenkorps, das speziell angeworben wird oder auch 
noch aus der Zeit, als „das imperium bestand", zurückgeblieben 
ist. Im letzteren Falle wurden zunächst bei der Armut des Fis- 
kus und bei der schlechten Verwaltung der öffentlichen Gelder 
die stipendia nicht mehr verabfolgt, und wenn sich die Soldaten 
bis zur ersten benachbarten Station des neuen limes publicus 



1) Priscus a. a. 0. 



104 



1. Kapitel. 



durchschleichen wollten, wurden sie oft von den daz wischen- 
wohnenden Barbaren erschlagen; die etwa am Leben gebliebenen 
dienten seitdem alsmilitesoppidani. Das Reich schickte nicht 
mehr seine praesides und iudices in eine Gegend, die nichts 
mehr zum Staatsschatze beitragen konnte, aber eine Verwaltung und 
eine Justiz waren doch nötig. Als Oberhaupt tritt, gerade wie in dem 
viel besser bevölkerten Abendlande, natürlicherweise der Bischof 
hervor, oder, wenn dieser fehlt, ein vir Dei, vom Nimbus seines 
heiligen Lebens umgeben. Er weifs und kann alles als ein Für- 
sprecher Gottes und Vollstrecker seiner Urteile : er bringt den Hun- 
gernden Lebensmittel, flöfst den Verzweifelnden Mut ein, bringt Nach- 
richten vom bevorstehenden Barbarenbesuche und organisiert den 
Widerstand, verkündigt als Strafe der Sünden die Niederlage und 
ihre schrecklichen Folgen, verschaflFt den in die Sklaverei Geratenen 
durch Sammlung milder Spenden ihre Freiheit wieder, und zwar 
ißdles auf eine so unerwartet erquickende Art, dafs er den Dankbaren 
als Wundermann erscheint. Und die Barbaren treten, trotz ihres 
Heidentums oder ihres halbchristlichen rohen Arianismus, selbst in 
den magischen Herrscherkreis des Wundertäters: wie kann man 
dem milden Befehle desjenigen widerstehen, der die Kranken zur 
Gesundheit, die Toten zum Leben, die Entzweiten zum Frieden, 
die Trauernden zum Glücke ruft und mit seinen zitternden alten 
Fingern den schweren Vorhang, der für gewöhnliche Augen die 
gefiirchtete Zukunft verbirgt, leuchtend emporhebt! 

So gestaltete sich das städtische Grenzleben in Noricum und 
von Viminacium herab bis Durostorum, und weiter mufs man bei 
dem Vorhandensein der zahlreichen und verhältnismäfsig blühenden 
Städte überall dieselben theokratischen städtischen Verhältnisse an- 
nehmen für das fünfte, wie auch für die folgenden Jahrhunderte, 
fiir welche ähnliche Berichte vorliegen, geradeso wie für die Zeit 
Attilas. 

In Pannonien bildeten die Nachfolger der Hunnen die Ost- 
goten, soweit sie nicht ausgewandert waren. Aber auch sie — 
so unüberwindlich war für alle Barbarenstämme der Trieb nach 
Süden 7— folgten nach einiger Zeit ihren westlichen Brüdern, die 
inzwischen Italien, Gallien und Spanien aufgesucht hatten, und 
kamen auf das rechte Donauufer wie in eine Palastvorhalle der 



Ursprang dor Findus- and Karpathenwlachen. StädtiBches Leben. 105 

römisch-barbarischen Königin des Mittelalters. Theoderich, der 
zukünftige Stellvertreter des Kaisers in einem kaiserlosen Rom, war 
in seinen jungen Jahren ein Barbarenherrscher in Novae (§iätov), 
and die Provinzialen hatten gewifs mit ihm dieselben Beziehungen 
unterhalten wie im Gebiete des heiligen Severin die Noriker mit 
dem König Flaccitheus - Fava ^). Nach seinem Abzüge kommen 
die Slaven in das blendende Licht der Verheerungszüge. 

Was sie im Norden der Donau fanden, interessiert die grie- 
chischen Chronisten des Ostens nur sehr wenig, und sie berichten 
uns in dieser Beziehung beinahe nichts. Die romanische Ge- 
schichte des rechten Ufers ist dagegen besser überliefert. Erstens 
kennen wir genau aus dem bei Prokopios vom stolzen Kaiser 
Justinian bestellten Werke über die militärischen Neubauten an 
den Grenzen die Topographie der Donaugegenden im 6. Jahr- 
hundert, als die Slaven schon wüteten. Alte Namen erscheinen in 
seinen Listen : Sardica, Naissus, Nicopolis an dem Gebirge, Singi- 
dunum, Sirmium, welche beide die Avaren noch im Zaume hielten, 
Viminacium, Novae, Ratiaria, Troesmis, Novodunum, Marcianopo- 
lis, die griechischen Pontusstädte in der ehemaligen Scjthia minor : 
Callatis, Constantiana und weiter hinauf Odyssos; die ganze Geschichte 
der Grenze bis Trajan aufwärts wird uns dadurch in Erinnerung ge- 
bracht. Und noch viel mehr — wir sehen, wie übertrieben unsere 
heutigen Vorstellungen von den Plünderungen der Barbaren sind - : 
eine Menge von dakischen Benennungen sogar hatte sich so lange er- 
halten: so Bregedava, Itadeva, Sicibida auf dem linken Ufer, wo auch 
noch Octavum, Lederata, Turris stehen, Cumudeva, Aiadeva und Qui- 
medava. Es fehlt nicht an Namen, die als slavische zu betrachten sind, 
und daneben erscheinen endUch solche, die den Umwandlungsprozefs 
der römischen in eine romanische Sprache andeuten : so die kleinen 
Orte ^Ke/cTevidaag (siepte casas — rum. ^epte case), und, wenn nicht 
TQedsTiTcXiovg (tredecemtilios, trel zecl de tel), wenigstens Fefiel- 
lo/xovvreg (gemellomuntes *)). Ln ganzen macht die Gegend keines- 
wegs den Eindruck der gänzlichen Verödung und Barbarei. 

Nach Justinian, während die Avaren quer durch die ganze 



1) Vita S. Severini S. 44. 

2) 0. DensusianU; Eist, de la langue ronmaine, I, S. 390 — 391. 



106 1. Kapitel 

Halbinsel von Sirmium und Sigidunum bis Konstantinopel hindun 
tosen ^ tritt das mösische Gebiet, besonders der östliche Teil, 
den Nutzungskreis der Slaven. In besseren Zeiten kommen, 
unter Kaiser Maurikios, neurömische Truppen, um die justinianiscl 
Grenze wiederherzustellen und die Barbaren von der Donau w< 
in die inneren Steppen zu jagen. Nach langer Unterbrechung d( 
kaiserlichen Herrschaft finden sie aber im 7. Jahrhundert, was di< 
vorjustinianischen Barbaren auf derselben Stelle getroflfen und bei-1 
nahe unversehit gelassen hatten. Menandros erwähnt im 6. Jahr-^ 
hundert die Bischöfe von Sirmium und Singidunum ^), die noch il 
alte Rolle unter den Barbaren spielen: wo ein Bischof residier^ ^ 
sind die zusammenhängenden Verhältnisse immer leicht aus sich 
selbst zu ergänzen. Nach Theophylakt Simokatta (7. Jahrhundert) 
behielten die bedrohten Einwohner von Singidunum ihre, auch von 
Procopius bezeichneten agri^), aus welchen sie ihre Nahrung 
gewannen. Augusta und Viminacium sind für ihn „glänzende 
Städte'^ ^); Anchialos am Meeresufer erscheint als zwischen Dörfern 
prangend. Bei einem schnellen Einfalle durchreiten die hungrigen 
Krieger des Chagans Batiaria, Bononia (Vidin, Bdyn), Akys (Oes- 
cus ?), Durostorum, Saldapa, Pannasa, Namen, die thrakisch klingen, 
Marcianopolis, Tomi, das v all um (xccQa^), und endlich das ehr- 
würdige Tropaion, welches in seiner Geschichte die Namen der 
guten Kaiser Trajan und Konstantin verbindet *). In einer Gegend, 
dicht am Hämus, wo sich romanische Namen wie Kalvomuntis 
(calvos montes) finden, ruft einer von den Soldaten, die aus dem 
am nächsten bedrohten Gebiete herangezogen wurden, in „der 
Ortssprache" {enixcoQiqf yXdaarj) einem Kameraden, der sein 
Gepäck verloren hatte, „retorna" oder „torna, fratre" zu; dies wird 
bei der Ähnlichkeit mit einem der üblichen lateinischen Kommando- 
worte mifsverstanden , und aus Furcht vor einem plötzlich auf- 
tretenden Feinde zerstreut sich das Heer in den Tälern ^). Später 

1) S. 308, 335—336. 

2) Procopius S. 268. 

3) noXug IttfingaL S. 40. 

4) S. 48; vgl. S. 87. 

5) S. 99; Theophanes S. 398; vgl. Jirecek, Die Romanen, S. 18 und 
0. Densusianu I, S. 390. 



Ursprung der Pindos- und Karpathenwlachen. Städtisches Leben. 107 

kommen auch die Slaven nach Zaldapa und Akys ^), Pistos^ La- 
tarkioD^ Novae, wo der Märtyrer Lupus als Schutzpatron verehrt 
"wird, bei dessen Feste man auch den byzantinischen Befehls- 
haber um sein Erscheinen bittet ^). Das Angriffsheer gegen die sla- 
"wischen Bewohner der Grofswalachei hält seine Quartiere in Du- 
rostorum, besucht der Reihe nach^ von Novae an, Theodorapolis, 
eine Schöpfung Justinians, und KovQiövia. In Asimos findet der 
Bruder des Kaisers Maurikios eine starke und tüchtige Besatzung, 
die ihm „unter dem Fahnenzeichen, welches von den Römern band a 
genannt wurde", entgegenkommt. Als Peter diese Soldaten seinem 
Heere einverleiben will, protestieren die Einwohner und sagen, sie 
ständen seit den Zeiten des Kaisers Justin unter dem Schutze 
dieser Truppen, die sich, um nicht vergewaltigt zu werden, in 
„die Kirche der Stadt" flüchten. Der Bischof verweigert ihre Aus- 
lieferung, und, als der Feldherr selbst durch List Hand anlegen 
will, werden die Pforten von Asimos verriegelt, wobei utiter Ver- 
wünschungen gegen den Frevler der Name des Kaisers, des Sou- 
veräns des Landes, von den Befestigungen proklamiert wird*): 
man glaubt die gallischen Bischöfe aus der Zeit Attilas, die heiligen 
Kastellane, vor sich zu sehen. 

In denselben Kriegen des Maurikios gegen Avaren und Slaven 
finden sich Ereignisse, die sich bei Constantiola, Tomi, das eine 
„Stadt" (716X10) heifst, bei Nicopolis an der Donau und Sicibida, 
bei Drizipera — ein thrakischer Name — , wo der Kultus des 
heiligen Alexander blüht, und bei Vinimacium „in der Insel" 
abspielen. 3000 Avaren, 8000 Slaven und mehr als 6000 „andere 
Barbaren" werden bei Tomi nach den Kämpfen in den Theifs- 
sümpfen angesiedelt. Zu Novae fragt der General Commentiolus 
die Einwohner nach der alten Trajansstrafse, die durch den Hämus 
nach Konstantinopel führt, und es findet sich ein Greis, der sie 
ihm noch zu zeigen vermag, obgleich sie seit mehreren Jahrzehnten 
niemand mehr benutzt hat. Als Peter, der Nachfolger von Com- 
mentiolus, die Donau passiert, hält er seine ersten Quartiere in 
Palastolos, und da sein Heer nicht, wie es der Kaiser befohlen 

1) Theophylakt S. 272. 

2) S. 274. 

3) Ebend. S. 274-275; Theophanes S. 424-425. 



108 1. Kapitel. 

hatte^ in dem wilden Lande überwintern will, tritt er durch Asimo» 
und Euriska, beide unmittelbar an dem Flusse gelegen, seinen 
Rückzug an ^). Ein „Volk der vaDrat", welches Fahrzeuge in 
seinem Besitze hatte, hilft den Römern und wird von den auf- 
gereizten Avaren zum Tode verurteilt *). 

Konstantin der Porphyrogenete spricht von der Trajansbrücke 
— in ihrer Nähe stand im 6. Jahrhundert die Burg Pontes — , von 
Constantia, Sirmium und von dem neuen sla vischen — wir sind 
schon im 10. Jahrhundert — Belgrad *), wie auch von Durostorum 
und etlichen Plätzen am Pontus^ wo, fern von den anderen kaiser- 
lichen Besitzungen, die Chersoniten in der Krim ganz frei unter 
ihrem tvqot&ümv und den ihm helfenden ägxovTeg lebten *). Zu 
dieser Zeit waren aber schon längst die Bulgaren die Beherrscher 
des rechten Donauufers, und sie hatten eine zahlreiche slavische 
Bevölkerung in der ganzen Ebene bis zu den Hämusbergen vor- 
gefunden. Qrofse Massen von Slaven, der kroatisch - serbische 
Stamm, hatten in demselben 6. und besonders im 7. Jahrhundert 
den Weg nach der Adria genommen, wo sie sich alles zu eigen 
machten. Von Slaven in den Ländern nördlich der Donau ist seit- 
dem mit keinem Worte mehr die Rede: weder als Feinde oder 
Freunde des Reichs, noch als von den Bulgaren unterjochte Brüder 
kommen sie jemals zum Vorschein. Die Romanen südlich der Donau^ 
die Slaven nördlich, verschwinden mit dem 7. Jahrhundert aus der 
Geschichte : das ist eine unbestreitbare Tatsache, wie auch jene, dafs 
die seit dem 10. Jahrhundert im Hämus auftretenden Wlachen von 
Südwesten her aus Thessalien, ihrer grofsen Heimat — MeyaXrj 
Bhxxicc bei späteren byzantinischen Chronisten — gekommen sind. 

Bei der bulgarischen Eroberung Mösiens wird von sieben 
Slavenstämmen ^) gesprochen: das ist bei den Turanen^ die ur- 
sprünglich sieben Stämme bei jedem Volke annehmen und die 
Welt in sieben „Klimate^^ verteilen, eine heilige Zahl ^). Wenn 



1) Theophylakt S. 319— 320, 322, 324-326. 

2) Theophanes S. 438. 

3) De a4m. imp., S. 174; De caerimoniis, 8. 797. 

4) 8. 250. 

5) Jireöek, Gesch. der Bulgaren, 8. 118—119. 

6) Theophylakt S. 282: von den Avaren. 



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Ursprung der Piudus- und Karpathenwlachen. Städtisches Leben. 1#9 

man an die Stärke des ersten bulgaro-slavischen Beiches denkt, 
nrnfs man annehmen ^ dafs eine recht grofse Anzahl anderer dem 
regierenden Stamme unterworfen war. Die romanische Bevölke- 
rungy welche die Slaven antrafen, wohnte besonders an der Donau 
und nur in einzelnen östlichen Tälern des Hochlandes, wo man 
auf die einheimischen, lateinisch redenden Soldaten des Commen- 
üolus stöfst. In Mösien hatte keine eigentliche Kolonisation statt* 
geÄinden: alles, was hier auf dem Gebiete der Romanisierung er- 
reicht wurde, stammt von Veteranenansiedelungen oder Beamten- 
kolpnien, denn das ganze Pontusufer mit seinen Städten gehörte 
zum hellenischen Sprachgebiete. Aber das genügt nicht, um die 
beinahe vollständige Aufsaugung des romanischen Elementes durch 
die Slaven — mit Ausnahme etlicher Reste in den Bergen, welche 
sich wahrscheinlich unter den einwandernden thessalischen Wlachen 
verloren, — zu erklären. Es kommt vielmehr noch ein Moment hinzu. 
Die Einfalle der Slaven, gerade wie diejenigen der Hunnen 
und noch viel mehr als diese, hatten u. a. auch den Zweck, Sklaven 
für die Feldarbeit einzufangen; einmal helfen die Avaren den 
Byzantinern dadurch, dafs sie die „römischen^' Gefangenen der 
Slaven befreien ^). Es ist eine Taktik, die auch später von 
den walachischen Herrschern bezüglich der jenseitigen Bulgaren 
in den Kriegen mit den Türken befolgt wurde. Das Menschen- 
material war unzureichend; um die zahlreichen slavischen Dörfer 
während der Zeit der kriegerischen Tätigkeit zu versorgen und 
zu bedienen, waren neue Arbeitselemente nötig, und so wuchs 
die romanische Bevölkerung am linken Donauufer, mit den Er- 
folgen der Slaven Schritt haltend, an. Andrerseits wurden unter 
Maurikios grofse Massen von Slaven auf den Reichsboden ver- 
setzt. Das waren zwei entgegengesetzte Strömungen, die auf das 
gegenseitige Verhältnis unter den slavischen und romanischen Ufer- 
bewohnem nicht ohne Einflufs geblieben sein können. 

Und es kam noch anderes hinzu. Wie es fiir das Zeitalter 
Attilas durch Priscus bezeugt wird, zogen es viele, sehr viele 
von den schlecht geschützten, aber desto ärger durch Steuern und 
Ausschreitungen der Beamten bedrückten Provinzialen vor, zu den 



1) Menandros S. 334. 



110 2. Kapitel. 

Barbaren zu fliehen. Während der tatsächlichen byzantinischen 
Verwaltung unter Justinian und später, als die Heerfahrten der 
maurikischen Generale auf Kosten der Donauprovinzen und 
Thrakiens unternommen wurden — nur einmal befahl der Kaiser, 
aus Mitleid für die ausgesogenen Provinzen südlich der Donau, 
dafs die Truppen sich aus den barbarischen %&ixaL am linken Ufer 
mit Nahrung versorgen sollten ^) — , gingen gewifs recht viele 
solcher Übersiedelungen vor sich ; die „römischen" Städte ver- 
ödeten und nur ihr immer seltener erklingender Name blieb übrig, 
während sich die einst slavischen Höfe in der Walachei immer 
mehr bevölkerten. 



2. Kapitel. 

Das sich bildende rumänische Volk unter slavischem 

Einflüsse. 

In dem rumänischen Wortschatze findet sich eine sehr grofse 
Menge von slavischen Wörtern : in keiner nichtslavischen Sprache, 
weder im Griechischen, noch im Albanesischen, noch in den ger- 
manischen Sprachen ist das Verhältnis ähnlich stark. Für den 
Fremden, der nur Worte sieht, ohne sich von ihrer dialektischen 
Verbreitung und ihrer Häufigkeit in der Benutzung Rechenschaft 
zu geben, sind die slavischen Elemente nahezu überwältigend. 
Ohne jegliches Vorurteil und mit vollständiger Sachkenntnis er- 
wogen, steht die Sache aber anders. 

Artikel, Pronomina, Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen, 
auch fundamentale Verba, also alles, was einer Sprache ihre 
eigentliche Physiognomie verleiht, sind gröfstenteils lateinischen, 
griechisch-lateinischen oder thrakisch -lateinischen Ursprungs, ebenso 
wie im Englischen die betreffenden Bestandteile germanisch und 
nicht französisch sind. Bei den Hauptworten sind die ursprüng- 
lich lateinischen von den anderen, meist slavischen, durch zwei 
Merkmale unterschieden: erstens sind sie bei Ortsbezeichnungen, 
Wohnungen, Gerätschaften, Farben, Bestandteilen des menschlichen 
Körpers und den hauptsächlichsten Beschäftigungsgegenständen 

1) Vgl. Theophylakt S. 250 und 324—326; Theophanes S. 442—443. 



r^ 



Das sich bildende rumänische Volk unter slayischem Einflüsse. 111 

^el stärker vertreten; und zweitens sind diese lateinischen Be- 
standteile der Sprache viel ergiebiger an Kompositen^ was immer 
eine ältere Einbürgerung in der Sprache verrät. Slavisch sind da- 
gegen die Benennungen für Sachen , die einem in kultivierten 
T'erhältnissen lebenden Volke nicht absolut notwendig sind, also 
solche, die zur Vervollständigung, Verzierung, Bereicherung des 
Lebens dienen, und diese fremden Elemente können wie eben im 
Englischen (oder die arabischen Worte im Spanischen) sehr zahl- 
reich sein. Gemütsbezeichnungent oder Synonyma für Gefuhlsaus- 
drücke werden auch nicht selten dem slavischen Wortschatze ent- 
lehnt: z. B. die Worte a iubi und drag für Liebesverhältnisse 
sind slavisch, aber in einigen Gegenden wird auch a iubi pe 
cineva (jemanden lieben) gewöhnlich mit dem lateinischen Aus- 
drucke a pläcea bezeichnet. Ableitungs- und Verkleinerungs- 
suffixe slavischen Ursprungs sind sehr häufig und entsprechen der 
slavischen Eigentümlichkeit, gern Kosenamen zu verwenden und 
Augmentativausdrücke usw. zu gebrauchen. 

Im Magyarischen werden Hauptgegenstände des Kulturlebens 
mit slavischen Wörtern ausgedrückt — mit rumänischen nicht, 
weil die Fühlung mit den Rumänen erst dann eintrat, als sich die 
magyarische Sprache bereits ausgestaltet hatte, nämlich erst durch 
das Überschreiten der Theifs und dann der transsylvanischen Ge- 
birge. Solche Gegenstände werden im Rumänischen mit lateinischen 
Wörtern benannt. Wenn man Kulturelemente untergeordneter Be- 
deutung mit slavischen Bezeichnungen bekleidet findet, ist folgende 
Erklärung anzunehmen: die lateinische Sprache in den Donau- 
gegenden war für die grofse Mehrheit eine Verkehrssprache, eine 
erlernte, folglich eine arme Sprache, während die slavischen An- 
kömmUnge ihre eigene Sprache mitbrachten, in der sich ihre Ge- 
fühle und Erfahrungen jahrhundertelang abgespiegelt, die Volks- 
seele sich scharf und kraftvoll ausgeprägt hatte. 

Die Namen für Ortlichkeiten in dem ehemaligen Alt-Dakien 
zeigen nicht geringeren slavischen Einflufs, und daraus hat 
man die Folgerung gezogen, dafs Rumänen und Slaven während 
eines langen Zeitraumes friedlich, brüderlich zusammengelebt, und 
zwar im Gebirge die älteren Einwohner, die Dako-Romanen, und 
tiefer unten in den Tälern die später gekommenen Slaven gewohnt 



112 2. Kapitel. 

hätten. Aber auch hier steht bei genauerem Zusehen die Sache 
anders: die Namen der Ortlichkeiten in den rumänischen Gebieten 
nördlich der Donau sind keineswegs überall und in jeder Bezie- 
hung gleichartig. Es ist zunächst zwischen Gebirgs- und Flois- 
namen einerseits ^ und zwischen Ortsnamen andrerseits zu unter- 
scheiden. Von den Flüssen haben die gröfseren, der Pruth, der 
Siret^ der 01t, wahrscheinlich, vielleicht auch der Szamos (Somei^) 
und sicher der Marcs (Mure^) ihre alten Namen beibehalten und 
tragen sie jedesmal, wenn sie bei den byzantinischen Chronistesn 
erwähnt werden. Dagegen haben die Nebenflüsse, wie die Mol- 
dova, Bistri^a, Putna, Prahova, und die kleineren Flüsse, wie die 
Cerna, slavische Namen. Was die Berge anbelangt, so sind ihre Be- 
nennungen verschiedenen Ursprungs: etliche davon entpuppen sich 
als spätere gelegentliche Unterscheidungsversuche, so Piatra Catanel, 
Piatra Craiulul (Stein des Soldaten, des Königs), andere beziehen 
sich auf gewisse Personen oder Lokalereignisse, wie Jepil, usw.; 
nicht wenige klingen magyarisch : Ceahläul, Tartaräul, Macradeol ; 
es gibt auch solche, deren Erklärung unmöglich ist: Paring, Ba- 
cegl; ganz wenige tragen auch solche slavische Namen, die in der 
heutigen Sprache keinen Sinn mehr haben. 

Unter den Ortsnamen finden wir zuerst eine überwiegende 
Anzahl von Dorfhamen, welche nichts anderes als den Namen 
des Urvaters der ursprünglichen Gemeinde bedeuten, neben dem 
Suffixe -e§tl oder -enl, das die Zugehörigkeit zu demselben, die 
Eigenschaft als Nachfolger dieses Begründers der Familie und des 
Familiensitzes andeutet: so gehen Albe^tl, Negre^tl, Bädenl, 
Cindrenl auf einen Albul, Negrul, Badca, Candrea zurück. Eben- 
so wird auch aus anderen Begriffen, wie z. B. aus Gurte, Bo- 
jarensitz, Curte^tl, Bäie^tl, von Baie, Bergwerk, ein Dorftiame 
gebildet. Von der Gestaltung des Bodens oder von anderen Natur- 
erscheinungen haben rumänische Ansiedelungen nicht selten ihre 
Namen, welche hier auf das Charakteristische der gegebenen An- 
lage hinweisen, so Balta, Balta-Albä, Buncu, Movila, Cimpulung, 
auf Teich, Weifser Teich, Rodung, Hügel, Lange Aue, oder Sä- 
rata, die Gesalzene, usw. Die Beschäftigung der ehemaligen Ein- 
wohner kommt in Namen wie Urdarl, Mätäsarl, Dirvarl, Cazacl^ 
Cälära^I, RofI de Vede — es waren Soldatendörfer in der Wa- 



-fk 



Das sich bildende ramänische Volk unter slavischem Einflüsse. IIS 

lachei — zum Ausdruck. In Val de el — Weh' ihnen I — und 
ähnlichen seltenen Namen sind Dorfwitze zu Dorfnamen geworden. 
Der Nationalität oder Herkunft der Dorfeinwohner wird in Muntenl 
(Waiachen), Ru^I(Rus8enyRuthenen); ^chel (Bulgaren), Sirbl (Serben 
oder Bulgaren) usw. gedacht; solche Namen gehen aber wahrschein- 
lich nicht weiter als bis ins 14. Jahrhundert zurück^ als durch fürst- 
liche Ounst allerlei Fremde durch Steuerfreiheiten zur Ansiedelung 
auf öden Flächen herbeigelockt wurden. An gewisse Lokalereig- 
nisse erinnern einige, aber nur wenige Ortsnamen: zu Fierästrätt 
z. B. ist eine Holzschneidemühle gewesen, Bäneasa war einst das 
Qat einer Bäneasä, der Witwe eines Bans aus der Familie Brin- 
coveanu, Aroneanu hat seinen Namen vom Kloster Aron-Vodä, 
dessen Begründer der Fürst Aron war, usw. Endlich haben viele Na- 
men von Dörfern, Städten und Märkten, besonders solche der 
letzteren Art, welche zunächst einer kleineren bäuerlichen Ansiede- 
lung angehörten, die mit der Zeit anwuchs, in der jetzigen Sprache 
oder in derjenigen der historisch bekannten Vergangenheit keinen 
Sinn und verraten sich so als von fremden Völkern gegeben. 
Tatarische Namen sind sehr häufig in Südbessarabien, wo die 
Horden vom 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hausten, 
magyarische sind stark vertreten in der bergigen Gegend der Mol- 
daujenseits des Sereth, wohin aus Siebenbürgen zuerst Szekler kamen 
und später während der Hussitenverfolgungen flüchtende Ciangäl 
(Csangö). Der Donau entlang in der grofsen und kleinen Walachei, 
dort, wo seit dem 16. Jahrhundert bis 1829 die türkischen ßajas 
existierten, Bezirke, die unmittelbar von den türkischen Festungs- 
befehlshabem verwaltet wurden, haben sich sonderbare Namen mit 
den gewöhnlichen rumänischen gemischt. Aber viel zahlreicher 
sind die slavischen Ortsnamen, welche an alte Slavenansiedelungen 
erinnern, die von den später angekommenen Rumänen gefunden, 
erobert, ersetzt oder langsam entnationalisiert wurden. 

Aber hier mufs man immer die Gegend in Betracht ziehen, 
weil die Verteilung des slavischen Elementes in der Namengebung 
grofse Verschiedenheiten aufweist. Die ganze Berggegend in der 
Walachei imd der Moldau enthält nur wenige ursprünglich sla- 
vische Namen — nicht solche, die mittels slavischer Worte ge- 
bildet sind, welche die Rumänen vorher in ihre Umgangssprache 

Jörg», Geschichte der Bumänen. I. 8 



114 2. Kapitel. 

aufgenommen hatten^ weil letztere in dieser Hinsicht nichts be- 
zeugen. Von den mehedin^r bis zu den 8uczawa«r Gipfeln be- 
sitzen die Namen der Ortlichkeiten diesen Charakter. Wenn man 
dagegen die Namengebung in dem benachbarten siebenbürgischen 
Lande studiert, das fast durchgängig die Eigenschaft eines Hocb- 
landes besitzt, findet man eine ganz andere Zusammensetzung der 
Ortsnamen. Hier sind die Bildungen auf -enl und -ei^tl in der 
Minderheit und herrschen noch am meisten in den jetzigen Grenz> 
gegenden gegen das Königreich Rumänien hin vor, oder dort, wo 
eine Einwanderung der Hirten von dieser Seite aus möglich war, 
wie im Burzenland und der Grafschaft Hunjad. Ortsnamen, die 
in der Umgangssprache einen Sinn haben und gewissermafsen die 
Lage des Dorfes beschreiben, und solche, die an bestimmte Er- 
eignisse erinnern, sind auch ungemein spärlich vertreten. Die 
Hauptmasse der Ortsnamen ist mit entlehnten slavischen Wörtern 
gebildet, und zwar sind darunter etliche, die solchen auf der an- 
deren Bergseite entsprechen, wie Bistri^, Birlad, Galatl, Bicaz, 
Läpu^na, Lup^a, Hurez, Tohanl, Boian, Segace (^egarce) usw. 
Die meisten jedoch stehen vereinzelt da, sie finden sich nur in 
Siebenbürgen und in keinem anderen von Rumänen bewohnten 
Lande, aufser in den anschliefsenden Tälern des Maros, Szamos 
und Koros bis zur Theifs. Wir treffen häufig die Endung -ov 
umgewandelt in äü, ova, wie in Cacova, Brai^ov oder Brai^äü, 
Rii^nov, Bucova usw. Auch die Endungen >ä^tia und -ilna sind 
anderswo nicht zu finden, gerade so wie die Namen Bodon, Tiha, 
Bosna, Nadelte, Nädäjdie. Nur in dem transsylvanischen Lande 
begegnet man dem Worte grad, Burg, wie in Bälgrad (Karls- 
burg), Moghigrad (Mojgräd), Grädi^te. 

In der benachbarten Theifsebene sind die Bildungen mit -e^tl 
und -enl viel häufiger; und das führt zu der Annahme, dafs solche 
Dörfer erst in späterer Zeit von den hinuntersteigenden Berg- 
rumänen gegründet wurden. Aber die sonderbaren, sinnlosen sla- 
vischen Namen sind auch hier wie in Siebenbürgen stark ver- 
treten. 

Wenn wir jetzt zur Donauebene und zum östlichen Hügel- 
lande der Moldau fortschreiten, ist das Ergebnis der Untersuchung 
folgendes. Auf dem walachischen Ufer des gro&en Flusses, im 



Das sich bildende rumänische Volk unter slavischem Einflasse. 116 

flachen Lande, kommen alte slavische Dor&amen nur vereinzelt 
^or: diejenigen, die man vorerst als alte Benennungen betrachten 
Ikönnte, erweisen sich vielmehr bei genauerem Zusehen als solche 
neueren transdanubischen Ursprunges; denn vom 14. bis zum 
19. Jahrhundert haben Leute von jenseits der Donau, die freiwillig, 
£üchtend oder gezwungen von dort weggingen, ganze bulgarische 
I>örfer auf rumänischem Boden gegründet und den neuen Ansiede- 
lungen, Namen, die denen ihrer Heimat entsprachen, gegeben. 
Weiter, im Hügellande der Moldau, das sich vom Sereth bis zum 
Pruth erstreckt, finden sich bis zum Jassyer Bezirke wieder nur 
äufserst spärlich slavische Ortsnamen. Nördlich davon aber, in dem 
Bezirke Boto^anl imd besonders Dorohol, in der ganzen östlichen 
Bukowina — im Westen sind beinahe nur die rumänischen Ahnen- 
oder „ Natur "-namen vertreten — und in der nordöstUchen Ge- 
gend des ehemals zur Moldau gehörigen Bessarabien, begegnet 
man eigenartigen slavischen Namen: Dorfriamen mit der Endung 
-in, wie Babin, Strahotin, Hotin, oder -in^I und besonders äu^I; 
das ist die Endung der meisten Ortsnamen in den genannten 
Teilen der Bukowina und Bessarabiens, d. h. in den Bezirken 
Hotin, Bäl^I, Soroca, Orhel, wie Rädäu^I, Pelipäu^I, Päpäu^I, Cli- 
mäu^l usw. Und diesen Bildungen ähneln die Ortsnamen von Süd- 
galizien mit der Endung -owcze. 

Diese Verschiedenheit der geographischen Namen läfst sich 
nur auf eine Weise erklären. Die zahlreichen alten slavischen 
Namen in Siebenbürgen, die grad, welche es dort gab, und von 
denen eines unter den Magyaren die Hauptstadt des Landes wurde, 
zeigen, dafs hier die Hauptmasse der Einwanderer sich angesiedelt 
hat Bedenkt man dazu, dafs sich Athanarich, von den Hunnen 
oder panischer Hunnenfurcht getrieben, in das „Kaukaland bei den 
Sarmaten'^, d. i. nach Siebenbürgen flüchtete und dafs die freien 
oder unfreien Sarmaten sich niemab in dieser Gegend, sondern 
vielmehr in Südpannonien finden, dafs weiter diese echten Sarmaten 
selbst den „skythischen^^ Konföderierten von ehedem nicht ähneln 
und dafs sie, nach der Natur der Sache, nicht aus anderen bar- 
barischen Elementen, sondern nur aus Slaven bestehen konnten 
— Germanen waren sie nicht, und die skythische Rasse hatte ihre Rolle 
seit langem ausgespielt — , so kann man die Slaven schon für das 

8* 



116 2. Kapitel. 

vierte Jahrhundert als Bewohner des dakischen Hochlandes be- 
trachten, und das ist keine übereilte Konjektur, sondern die einzig 
mögliche ethnographische Erklärung. Die alte Kultur war hier 
mit den Städten zum gröfsten Teile untergegangen, und das zu- 
rückgebliebene romanische Element lebte kümmerlich in den Dör- 
fern unter barbarischer Oberherrschaft fort. Diese zahlreichen, 
meist wilden Barbaren hatten sich von Anfang an, wie in ihrer 
ersten Heimat, so auch hier an der Bodenkultur beteiligt Ihr 
Einflufs auf die benachbarten oder mit ihnen zusammen lebenden 
romanischen Ansiedler war sprachlich ungewöhnlich stark. Die 
Sprache der alten Bevölkerung wurde zwar in ihrem inneren 
Wesen, in der Morphologie und Phonetik, nur wenig beeinträch- 
tigt, aber von ihren slavischen Nachbarn und späteren Herren über- 
nahmen die Rumänen neben vielen Sufßxen eine grofse Menge 
nötiger und unnötiger Worte. Wenn die Slaven eine höhere und 
ältere Kultur vertreten hätten, würde sich das Verhältnis zwischen 
beiden Bestandteilen im Rumänischen ähnlich demjenigen gestaltet 
haben, das zwischen den angelsächsischen und französischen Be- 
standteilen im heutigen Englisch besteht. 

Unter den heutigen Namen in den griechischen Ländern sind 
die meisten slavischen, etliche albanesischen Ursprunges; ein an- 
derer Bestandteil gehört modernen Bildungen, und nur der Rest 
entstammt der alten hellenischen Zeit ^). Und trotzdem ist das 
slavische Blut in der griechischen Bevölkerung kaum zu spüren. 
In Grofsbritannien ist die Hauptmasse der Ortsnamen keltischen 
oder angelsächsischen Ursprunges, und dennoch haben die französisch 
sprechenden Normannen zur Bildung des englischen Volkes ziemlich 
viel beigetragen. Die Ortsnamen in Siebenbürgen, der alten sla- 
vischen Feste för Aus&lle nach Süden und Westen und der un- 
zweifelhaften Wiege des rumänischen Stammes, sind in grofser Masse 
slavisch, und zwar derjenigen slavischen Sprache entlehnt, welche in 
Pannonien und den angrenzenden Gegenden gesprochen ward, und 
imterscheiden sich deshalb von der slavischen Nomenklatur in Bul- 
garien oder der des nördlichen Rufsland sehr scharf. Die alten 
Namen aus der Römerzeit dagegen sind mit den gröfseren, besser 



1) Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie, S. 298. 



Das sich bildende rumänische Volk unter slavischem Einflüsse. 117 

organisierten Gemeinwesen verschwunden. Das Alter der rumä- 
niscben Ortsnamen läfst sich nicht bestimmen. Es folgt aber dar- 
aas nichts dafs im Hochlande das ramänische Element nicht fort- 
gelebt hättO; und ebensowenig, dafs sich nur etliche spärliche Reste, 
die später durch südliche Auswanderungsströme verstärkt worden 
wären^ furchtsam in die Berge zurückgezogen hätten. Die Hirten- 
bevölkerung der Karpathen hat vielmehr stets eine grofse Tal- 
gegend f&r sich in Anspruch genommen und sie auch unter ver- 
schiedenen Bedingungen für bestimmte Jahreszeiten innegehabt. 
So waren im 18. Jahrhundert die rumänischen Ehrten in Sieben- 
bürgen ,,von alten Zeiten her'' gewöhnt, ihre Schafe in der Walachei 
und auch in der Moldau überwintern zu lassen, wofür sie dem 
dortigen Fürsten eine Abgabe entrichteten ^). Die thessalischen 
Wlachen schickten ebenso ihre Herden während des Sommers in 
die „bulgarischen Berge'', und bis heute haben die am EQrten- 
leben festhaltenden Makedo wlachen einen Winter- und einen Sommer- 
aufenthalt, im Flachlande die gemietete Mandra, und in den 
Tälern des hohen Gebirgskammes '), die bei ihnen die „rumäni- 
schen Berge", mun^ili arminefti, heifsen^): hierher kommen 
sie mit dem Monate Mai, wenn die Felder „sonnverbrannt", her^, 
zu werden beginnen ^). Durch solches unaufhörliches Umherirren 
sind einzelne, vom gemeinsamen Stamme weggerissene Hirten- 
sch wärme bis Mähren, ja bis Istrien und in ziemlich entlegene 
polnische Gegenden geraten, von wo sie nicht mehr zurückkehren 
konnten, und sind in dieser fremden Welt untergegangen ^). Eine 
Einschliefsung in die schützenden Berge ist nur bei Jäger- und 
Räubervölkern, wie es die Amanten waren und noch sind, möglich, 
während für den Hirten das Hinabsteigen in die grünen Ebenen 
eine unabwendbare Notwendigkeit bildet. Die Ortsnamen reden 
zwar eine Sprache, aber sie sagen doch nicht alles. 

Die grofsen Wanderungen nach Süden und Südwesten, wie 



1) S. z. B. Hurmuzaki, Documente, VII, S. 26, nr. xxv. 
2)Papahagi, Materiale folklorice, S. 929 ff. 

3) Ebend. S. 931. 

4) Ebend. S. 934. 

5) Miklosich, Über die Wanderungen der Rumunen. Wien 1879; Bu- 
rada, in Archi?a sodetä^il ^tüntifice ^i literare diu la^I, Y, S. 2G6ff. 



118 2. Kapitel. 

auch äie langen hartnäckigen Kämpfe mit den Byzantinern haben 
kaum eine sehr beträchtliche slavische Bevölkerung in den Donau- 
ländern und den südlichen Earpathen zurückgelassen: um einen 
Teil von Pannonien, ganz Serbien und Kroatien mit den dazu 
gehörigen Gebieten; den langen dalmatinischen Strich der adriati- 
sehen Küste und endlich Ostbulgarien in Besitz zu nehmen, mufsten 
diese Slaven — an ein ununterbrochenes, an ein gemeinsames 
Einschreiten aller Slaven zu denken, wäre eine Unmöglichkeit und 
eine Monstruosität — fast alle ihre Kräfte erschöpfen. In dem 
Mafse aber, wie ihre bisherigen Herren sich jenseits der, Donau 
eine bessere Heimat suchten, traten die Rumänen — jetzt, im 
achten Jahrhundert, ein ziemlich fertiges Volk — die Erbschaft 
der Auswandernden an. Von den auf dem alten Boden sitzen Ge- 
bliebenen erhielten sie die Kenntnis der Flüsse und Bäche über- 
mittelt, denen sie wie anderswo die Slaven, vom Berge oder vom 
Hügel herabsteigend, um einen Platz für ihre Ansiedelungen zu suchen, 
als sichere Führer gefolgt waren. In Siebenbürgen vollzog sich der 
Ersatz unmittelbar, und die slavischen Namen der Dörfer blieben folg- 
lich auch bei den Rumänen in Gebrauch. Auf dem anderen Ab- 
hange der Berge und auf dem mehr gelichteten oder sogar platten 
Lande fanden die Ankömmlinge meistens verlassene Wohnstätten ; 
von der hier hausenden Bevölkerung war nur so viel übrig ge- 
blieben, als nötig war, um die Überlieferung der Flufsnamen zu 
sichern. Man mag sich hierbei daran erinnern, wie die nördlich 
der Donau eindringenden Byzantiner des siebenten Jahrhunderts 
nur an den Flüssen Widerstand fanden : an der Donau stand Arda- 
gast und später ein anderer Häuptling, der getötet wurde; dann 
fand am Flusse ^HXißaytia oder 'iXßayLia ein Kampf statt, in dessen 
Nähe „König Musokios" seine Dorfresidenz hatte; der Flufs Pas- 
pirios wurde durch ähnliche hartnäckige, nicht immer für die 
„Römer" glückliche Kämpfe bekannt, die in der Erinnerung der 
Soldaten und der in Anlehnung an sie erzählenden Chronisten 
blieben ^). 

Ein grofses zahlreiches Volk sind die Rumänen niemals ge- 
wesen, und trotz des ihnen eigenen und jetzt aufserordentlich 

1) Vgl. Thoophytakt, S. 257-258, 279; TheophanesI, S. 417—418, 
425—426, 436. 



Das sich bildende rumänische Volk unter slavischem Einflasse. 119 

erleichterten Triebes sich auszubreiten, trotz des Zuzuges der 
südlichen Romanen, die sich von den durch Kriege bedrohten 
oder verwüsteten mösischen Feldern und Tälern nach der herren- 
losen Gegend flüchteten, besafsen sie nicht die der Zahl nach 
genügende Stärke, um das heutige rumänische Sprachgebiet ein- 
zunehmen. Es blieben besonders im Nordosten, wo das Ro- 
manentum an die Steppe, an das Gebiet der turanischen oder 
slavischen Herrscher derselben grenzte, öde oder nur ganz dünn be- 
völkerte Landstriche übrig, die einer neuen Kolonisation harrten. 
Schon bei dem Einfalle der Magyaren waren die Russen, in vielen 
kleinen Gruppen staatUch organisiert, aus ihrem ursprüngUchen 
engeren Gebiete herausgetreten. Wie die anderen Barbaren, wie 
ihre „sklavinischen'' Brüder, drangen natürlicherweise auch sie, 
die Nachfolger der Anten des sechsten Jahrhunderts, nach dem 
lockenden Süden vor. Während der kijewisehe Swiatoslaw an ein 
neues Donaureich dachte und es wirklich für einige Jahrzehnte 
gründete, hätten sich andere Zweige des russischen Volkes lang- 
sam und sicher durch erfolgreiche Wanderschaft ganzer Dörfer 
und Familien auf dem Wege nach dem grofsen Carigrade des 
Südens gemacht. Bei ihrer Ankunft bedeckten sich die oberen 
Täler des Dniestr, des Pruth und Sereth, die sie berührten, mit 
russischen, d. h. nordslavischen , von den anderen grundverschie- 
denen Namen. Wenn das rumänische Volk nicht seine ganze 
Kraft und sein Verdrängungstalent entfaltet hätte, und wenn die 
türkischen Reiter der Wüste nicht bald darauf vorübergehende, 
wechselvolle „Reiche'' an der Donau gegründet hätten, wäre da- 
mals eine Vereinigung der nordslavischen und südslavischen Stämme 
in diesen fruchtbaren Gebieten vor sich gegangen. Und heute noch, 
nach tausend Jahren, stemmen sich die Slaven gegen diese isolie- 
rende Scheidewand, ohne sie beseitigen oder überfluten zu können. 

Das ist der logisch zu erschliefsende Lauf der rumänischen 
Geschichte in der Zeit, in der die Quellen darüber schweigen. 
Mit dem elften Jahrhundert bereits beginnen die Zeugnisse der 
Schriftsteller, und der Zustand, in dem nach ihnen das romanische 
Volk des Ostens lebt, stimmt mit dem Vorhergesagten vollständig 
überein. 



120 3. Kapitel. 

3. Kapitel. 

Alteste byzantinische Berichte über die rumänische 
Vergangenheit an der Donau. Die Donaurumänen 
und das bulgaro-wlachische Reich. Beziehungen zu 
Ungarn. Erste Staatsbildungen. Kämpfe um die 

Unabhängigkeit. 

Im Anfang berührt sich das Schicksal des östlichen roma- 
nischen Volkes mit den Ereignissen der byzantinischen^ ,^kaiser- 
lichen^' Geschichte. Manuel der Komnene träumt in seinen grofs- 
artigen Weltherrschaftsplänen von einer Unterjochung des rebel- 
lischen ;^ hunnischen '^ Barbarenreiches. Um den ungarischen ^f}^ 
besser abzuschliefsen , denkt der Restaurator Ostroms an einen 
Heereszug durch die heutige Donau walachei und die Moldau ; er will 
dadurch die Ungarn von Siebenbürgen her angreifen. Vorher, unter 
Alexios, waren die byzantinischen Truppen gegen die Rumänen 
von Vidin her in einem Vormarsche, der drei Tage dauerte, 
bis zu „dem jenseits der Donau liegenden Flusse" vorgedrun- 
gen ^). Durch die Dörfer der östlichen Walachei war der Ver- 
wandte und Nebenbuhler des Kaisers, Andronikos, bis nach Halitsch 
gekommen, und bei der Erzählung seiner Abenteuer werden diese 
„Wlachen" ausdrücklich erwähnt*). Bei dem erwähnten Kriege 
gegen die Ungarn geht Alexios der Protostrator mit vielen Söld- 
nern über die Donau, um den Feind „von den Gegenden aus, 
welche vorher mit ihm verbunden waren" ^), anzugreifen, wäh- 
rend Leon Batatzes mit einer genügenden Truppenmacht seine 
Operation von den Pontusstädten aus beginnt, „eine grofse Schar 
von Wlachen, von welchen gesagt wird, dafs sie italische Kolonen 
von ehedem seien, mit sich fortreifsend" *). 

Aber nach dem grofsen Komnenen wurden nicht nur diese 
grofsen Eroberungspläne aufgegeben; die Donaugrenze selbst ist 
vielmehr als aufgegeben zu betrachten. Und als die Gegend zwi- 

1) Anna Comnena, II, S. 302. 

2) Ginnamus, S. 232, 246; Choniates, S. 171. 

3) ix tCw awrjd-ßv xtcl naXvv airolg x^q^(ov; Ginnamus, S. 260. 

4) xal äii xal Bkä/tov noXvv ofxiXov, ol r&v i^ ^IxaXCag änotxoi ndXiv 
ilvai Xiyovraiy ix tGiv TtQÖg to) Ev^eCvtp xaXovfiivtp I16vT(p x^q£o}v; ebenda. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 121 

sehen dem grofsen Flosse und dem Hamas den Wlachen, die sich 
empörten, als systematisch ausgebeutete Zone in die Hände fiel, 
lK)ten die Verhältnisse nördlich der Donau den byzantinischen 
Herrschern und Schriftstellern kein Interesse mehr. Schon nach 
den ersten wlachischen Dynasten wurde dieses Reich der Ver- 
heerung und Ausbeutung zu einer Nachbildung des ersten bul- 
gaxischen Zarats, und die bisher nur durchstreiften Täler kamen 
jetzt in den vollständigen Besitz der Zaren bulgarischer Abstam- 
mung, welche die Berge verlassend, in Trnowo, der neuen Haupt- 
stadt, wirklich residieren und meistens friedlich regierten. Bis zum 
Verfalle der neuen politischen Schöpfung war für Byzanz das, was 
auf dem linken Ufer der fremden und feindlichen Donau vor sich 
ging, völlig gleichgültig, und, als die Türken im 14. Jahrhundert 
mit den Trümmern dieses bulgarischen Reiches aufräumten, waren 
die griechisch sprechenden „ Oströmer ^' selbst so schwach und dem 
Verderben so nahe, dafs ihr Auge den Vorgängen in der Ferne 
keine Aufmerksamkeit mehr widmen konnte. Die byzantinischen 
Quellen der rumänischen Geschichte versiegen deshalb fast sofort 
wieder, nachdem sie einigermafsen zu fiiefsen begonnen haben. 

In dem ersten Reiche der Bulgaren hatte die entlehnte by- 
zantinische Kultur literarische Früchte getragen ^), aber selbst in 
dieser besseren Zeit beleuchtet diese meist kirchliche Literatur die 
geschichtlichen Tatsachen und Zustände nur in geringem Mafse. 
In der Zeit, als sie sich die Bulgaren unterwarfen, hatten zwar 
die griechischen Herrscher durch die Hellenisierung der Kirche 
die kulturellen Verhältnisse, in ihrem Sinne wenigstens, gehoben, 
und als die letzten nationalen Herrscher des wiedererstandenen 
Zarats zugrunde gingen, wanderten überall in die benachbarten 
Länder Schüler des grofsen Lehrers Erzbischof Euthymij aus und 
trugen neben gewissen anderen Kenntnissen eine ausgebildete sla- 
vische Kirchen- und Staatssprache in die Welt *). Aber eine 
Chronik hatte sich auch jetzt wie vormals in dem slavischen Reiche 
nicht entwickelt, und so haben wir auch von bulgarischer Seite 
keine Nachrichten über die ihnen unmittelbar benachbarten Rumänen. 



1) Jire<5ek, Gesch. der Bulgaren: Literatur. 

2) Vgl. das Buch von Ealu^niacki üher diesen Erzbischof und Schrift- 
steller. Czernowitz 1901. 



13S 3. Kapitel. 

Die serbischen Annalen sind für die ältere Zeit zu kärg- 
lich und beschäftigen sich so ausschliefslich mit den serbischen Er- 
eignissen, dafs auch aus ihnen Aufschlüsse über ein Nachbarvolk, 
welches keine eigentlich politische Geschichte besafs, nicht zu ge- 
winnen sind. Die russisch-halitschischen chronographischen Auf- 
zeichnungen sind noch dürftiger und gehören erst einer viel spä- 
teren Zeit an. 

Nur die ungarischen Quellen bieten ein reiches und bei 
richtiger Beleuchtung wichtigeres Material für die rumänische Ge- 
schichte, als man von vornherein glauben könnte ; das gilt nament- 
lich für die Zeit bis zur Gründung eines Staates und für die Zeit, 
während welcher diese Gebilde noch in sehr bescheidenen Ver- 
hältnissen ihrer Konsolidation entgegengingen. Die Erwähnung 
der ,,Walachen'' in zahlreichen Urkunden der ungarischen Kö- 
nige hängt mit einem langen geschichtlichen Entwickelungsprozefs 
zusammen^ der sich im Südosten während des Spätmittelalters ab- 
gespielt hat Die Bulgaren hatten sich bei ihrem erneuten poli- 
tischen Auftauchen und besonders unter dem kraftvollen und 
glücklichen Zaren der ^^ Bulgaren und Griechen''^ Johann AsSn II. 
(1218 — 1241), welcher den Namen seines Vaters mit demjenigen 
des grofsen ,, kaiserlichen^' Oheims vereinigte, die Wiederherstel- 
lung des rechtgläubigen Kaisertums von Konstantinopel in bal- 
garischer Form zum Ziele gesetzt. An dem Widerstände thessa- 
lischer und asiatischer Gegenbewerber, die durch ihre Herkunft 
und Nationalität eher berechtigt schienen, als Bewerber um die 
heilige konstantinische Krone aufzutreten, und auch an anderen 
unvorhergesehenen Fällen scheiterte dieser Plan. Nach dem Tode 
des Eroberers und seines Neffen Johann AsSn, des Befestigers, 
besafs das Gegenkaisertum von Tmowo keine Kräfte mehr, um 
erfolgreich die „ grofse Idee ^* der Zeit in Wirklichkeit umzusetzen, 
und für die nachbarlichen Serben war die Stunde noch nicht 
gekommen. Der durch kühne Abenteuererzüge und langsame Aus- 
breitung seines Volkstums sich nach Süden vorschiebende russische 
Staat von Halitsch konnte die Donaugrenze nicht erreichen, und 
alles. Taten und Menschen, ging zugrunde. Die turanische Ober- 
herrschaft über das mit der Steppe unmittelbar verbundene rumä- 
nische Platt- und Hügelland, unter den Petschenegen, Kumanen, 



Älteste byzantinische Berichte über die ramänische Yergangenbeit asw; 188 

und Bchliefslich unter den im 13. Jahrhundert erscheinenden Ta- 
taren^ hatte trotz der augenblicklichen ungeheaeren, die Welt mit 
Oraus und Bewunderung erfüllenden ersten Erfolge keinen Bestand. 
Jetzt war die Reihe an den Magyaren; sie sollten es versuchen^ 
die orientalische Frage des 13. und 14. Jahrhunderts zu ihrem 
l^utzen zu lösen. Dreimal gingen sie ans Werk^ mit neuen zu- 
sammengerafften Kräften, und als sich die Idee einer einzigen 
Herrschaft über den Osten als ein romantisches^ ebenso leeres wie 
verlockendes Wahngebilde erwies, übernahmen zeitweilig die klei- 
neren Völker selbst die Leitung ihrer Geschicke, — bis zum Er- 
scheinen eines neuen heidnischen ,, Kaisers ^^, welcher ein halbes 
Jahrtausend nach asiatisch -römischer Art herrschte. Von einem 
eigentlichen Reiche des Johannitius kann man nicht reden, denn 
es verrät sich durch keine Organisationsmafsregel. Der blutige 
Held mufs auch in der historischen Erinnerung, wie er es in 
der Wirklichkeit war, als Brandstifter, Belagerer, Beutemacher, 
leidenschaftlicher „Griechentöter^^ fortleben, wobei zu bemerken 
ist; dafs er auch der Lateinertötung nicht abhold war. Um aus 
den hier und da spärlich gesäten, kaum aus der Zerstörung, 
die ihnen die Eroberung gebracht, sich langsam erhebenden 
Städten seines ;, Kaiserreiches^' einen Staat, sei es auch nur einen 
solchen nach primitiven morgenländisch-mittelalterlichen Begriffen 
zu bilden ; dazu hatte er, der unermüdliche, keine Zeit; der 
Dämon der Vergeltung für lang erduldetes Elend trieb ihn als 
Vertreter des unterjochten nichtgriechischen Elementes zum Kampfe 
gegen die Anhänger des byzantinischen Kaisers beider Bekennt- 
nisse. 

Was er sein wollte, springt sofort bei Durchsicht der spär- 
lichen Quellen in die Augen. Dafs er ein „ Wlache*' war, dafs er 
seine ganze Jagend, ehe seine Brüder kühn in die Welthändel ein- 
griffen, in den Bergen hinter seinen Herden „wlachisiert^^ hatte, das 
leugnete er gewifs nicht. Aber der grofse naive Kriegsmann hatte 
sicher nicht die Befähigung, um „ Wlach" in Romin oder Armin zu 
übersetzen und hieraus eine römische Herkunft herzuleiten, wie man 
nach einigen Wortspielen in den an ihn gerichteten schmeichelnden 
päpstlichen Briefen glauben sollte. Was wufste er und seine wilden 
Genossen — Fürst „Belota" und andere seinesgleichen — von dem 



1S4 3. Kapitel. 

alten glorreichen Rom ? Sie kannten doch nur das klägliche Neu- 
romertuni; das in der Demut kriechende und klagende Romäertum, 
und in den heimatlichen bulgarischen ,, Büchern ^^ standen von diesen 
Romäern in roten Siegeszeichen nur grausame, die Nachkommen 
aufmunternde und verlockende Kriegsgeschichten geschrieben. Aber 
Johannitius, wie seine Vorgänger anderen Stammes und anderer 
Rasse ; die in anderen Gegenden erstanden waren , hafste und 
verachtete die Griechen doch nicht so sehr, dafs er nicht den 
Gedanken gefafst hätte ; sie zu unterjochen. Im Gegenteile , als 
Barbarenkönig am Balkan in der Nähe eines zweiten Rom^ hegte 
er, wie sie, jene berühmten Zaren der bulgarischen Vergangen- 
heit, wie sein Bruder Peter, der von dem Kaiser des Westens 
das Geschenk der „ Corona imperialis regni Grecie" verlangt hatte »), 
das Bestreben, ein neues Kaiserreich des Ostens, bulgarischer Nation^ 
zu gründen. Als er die Purpurkothumen trug und sich kaiser- 
lich Kalojoannes nennen liefs ^), träumte er von einem slavischen 
Kaiserreich der „Bulgaren und Griechen", EjtrapoML h rpi>KOMi>> 
t(öv BovXydgwv yial ^Pcjfjaicjv, und setzte diesen Imperatortitel an 
den Kopf seiner Briefe und Erlasse. Und solange die „unreinen 
Franken" den Boden der kaiserlichen Stadt mit ihrer profanen 
Usurpation entweihten, verhielten sich viele Griechen, besonders in 
den östlichen thrakischen Gegenden, einem solchen Streben dea 
„rechtgläubigen" Herrschers von Trnowo gegenüber nicht feindlich. 
Aber in einem Anfalle von schlauer Naivität kam Johanni- 
tius beim Lesön der vor drei Jahrhunderten gefährten Verhand- 
lungen zwischen seinem Vorgänger Boris Michael und Papst Ni- 
kolaus auf den Gedanken, Huldigungsschreiben an den „Anti- 
christ" von Rom zu richten, und die Politik des Tages hat dies- 
auch als zweckdienlich erscheinen lassen. Es kamen also in der 
päpstlichen Kanzlei ungewohnte bulgarische Missiven an, von dem 
„Zar der Bulgaren und Griechen"; sie mufsten ins Griechische 
übersetzt werden ^) und stellten dann lateinisch Bittgesuche de» 



1) Ansbertus; zuerst zitiert bei Jireöek, Gesch. der Bulg., S. 382. 

2) Vgl. Hurmuzaki, Dokumente I *, S. 805, Nr. 645: „Kalojoannes üu» 
kas " für den Kaiser dieses Namens. Die Griechen sprachen Skyiojohannes, wenn 
sie von dem „Wlachen** redeten. Akropolitas, S. 26. 

3) Hurmuzaki, Documente I, S. 3. 



77 



Alteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 186 

Imperator Bulgarorum et Romanorom^' ('fbfiaiW) dar. In die- 
sem Tone konnte man aber dem mächtigen „rex'^ bäuerlichen 
Blutes nicht antworten , wenn man nicht die treuen Söhne der 
Kirche in dem lateinischen Kaiserpalaste von Konstantinopel kränken 
'wollte. Die römischen Priesterdiplomaten taten sO; als wenn sie 
an die prinzliche Herkunft des Johannitius glaubten, und sahen in 
der Erwähnung seiner ,, Vorgänger'^ Simeon, Peter und Samuel 
die Erfüllung einer Enkelpflicht gegen diese seine Ahnen; sie be- 
nutzten in der Antwort an den Dynasten von Tmowo als erfolg- 
reiches, menschliche Eitelkeit anstachelndes Bekehrungsmittel eine 
Anspielung auf die aus den „^Rofdoioi^^ des Zarentitels hergeleitete 
römische Abstammung ^) des Bewerbers um eine Kaiserkrone. 
Weil aber Johannitius und seine Krieger in der ganzen katholischen 
Welt als die bösen Wlachen bekannt waren — und die Kunde 
davon war von den Griechen durch die Lateiner nach Westen ge- 
drungen — , benutzten die Schreiber des römischen Hofes irrtümlich 
den beleidigenden Namen ^^ Wlachen^' statt des Namens ,, Ost- 
römer ^' in dem Titel des Hirtenimperators , und so entstand in 
den päpstlichen Episteln vor und nach der Krönung von Trnowo 
die für gleichzeitige östliche Kanzleibeamte geradezu monströse 
Bezeichnung ;, Bulgarorum et Blachorum rex^^ An Ort und Stelle 
übrigens ; wo der überaus empfindliche Stolz des Emporkömm- 
lings dies gebot, übersetzte man dies durch ^Btaiiaiiov und ßaailebg, 
wie es der kaiserlich als Kalojoannes herausgeputzte Wlachen- 
fiihrer verlangen durfte. Ebenso konnte ,,Bulgaria et Blachia*' in 
Briefen an den König-Kaiser und den Erzbischof-Patriarchen nur 
BoiXyaQia xat ^Pm^avia in absichtlich fehlerhafter Übersetzung 
bedeuten *). 

1) „Sicnt genere, sie sis etiam imitatione Bomanus ... Populus terre tue, 
qui de sanguine Bomanomm se asserit desoendisse**; Hurmazaki I, 8. 4. In 
diesem Sinne wurde auch der Brief des Erzbischofs Basilius von Tmowo (ebend. 
S. 5, Nr. 4): „heredes descendentes a sanguine romano", übersetzt. 

2) Die Korrespondenz durch den alten Baynaldns (Annales eodesiastiot), 
auch Th einer, Monumenta Slavorum meridionalinm, bekannt, ist neuerdings, 
nach Kollation mit den Originalien, in die rumänische Sammlung der „Docu- 
mente'* von Hurmnzaki aufgenommen worden. Becht deutlich ergibt sich die 
Bichtigkeit unserer Auffassung daraus , dafs der Papst auch von Samuel, Peter, 
Simeon als „reges Bulgarorum et Ylachorum" (S. 26) spricht, denn dies waren 



1^6 3. Kapitel. 

Über die Herrschaft des JohannitiaB auf dem linken Donau- 
ufer gibt es kein Zeugnis, und wenn man bedenkt , dafs er alle 
Kräfte zusammenraffte, um gegen Thrakien und das ihn berau- 
schende Konstantinopel vorzudringen, kann man getrost annehmen^ 
dafs er keine Zeit fand, um mit seinen sehr gepriesenen und über- 
aus nützlichen Verbündeten; den Kumanen, wegen angeblicher 
Oberrechte über die ärmUchen Sumpfgegenden der Donauwalachei 
zu streiten. Wenn der bulgarische Zar seinen ungarischen Nach- 
bar als unrechtmäfsigen Besitzer von „etlichen Bistümern, welche 
durch ihn vernichtet worden seien ^)"y anklagt, so liegt dafür übri- 
gens die Erklärung sehr einfach. In den ersten Jahren des zwölften 
Jahrhunderts, als man in Bjzanz keinen Wiederhersteller vom 
Schlage des wahrhaft kaiserlichen Manuel erwarten konnte, war 
im adriatischen Belgrad ein ungarischer König, Koloman, als Herr- 
scher über Kroatien ausgerufen worden ; und Dalmatien hatte sich 
trotz des Neides der Venetianer ihm angeschlossen. Auch die 
bosnischen Baue suchten bei dem mächtigen Nachbar Schutz 
gegen imperatorische Eroberungsgelüste, und der zweite Nachfolger 
Kolomans, König von Ungarn, Syrmien, Kroatien und Dalmatien, 
war auch König von Rama, was Bosnien bedeuten mufs. Die Er- 
folge der byzantinischen Kriegszüge und die Streitigkeiten um 
diese vierfache Krone vernichteten zwar für etliche Zeit dieses un- 
garische Imperium an der Donau und Adria, aber hier war trotz- 
dem eine wahrhaft jugendliche Kraft zu finden, während die 
grofsartige kaiserliche Gestalt Manuels nur als ein Phantom aus 
dem toten Meere des verfaulten Griechentums für einen Augen- 
blick hervorgeschimmert hatte. In Verbindung mit den Päpsten, 
welche in den ungarischen Königen Vertreter des katholischen 
Glaubens in dem unaufhörlichen Kampfe gegen das Schisma und 
die patarenische und paulizianische Häresie sahen, rüsteten sich 
die Nachfolger Kolomans und Bölas zu einem neuen Zuge nach 
Osten, und nur neue Familienzwistigkeiten verhinderten ihn. Der 
bosnische Bau mufste schleunig die Lehre der römischen Kirche 
•^ 1203, ein Jahr vor der römischen Krönung des ßaaiXevg Kalo- 
echte Bulgaren und hatten mit den verachteten wlachischen Herdenfuhrem im 
Pindus gar nichts zu tun! 
1) Hurmuzaki I, S. 31. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 1S7 

Joannes — annehmen^ um dem Verderben zu entgehen ^). Aber 
Ibhon vor dem Eintritt des neuen Jahrhunderts hatte der Bruder 
des MagyarenkönigSy welcher als „dxA^^ von Dalmatien^ Kroatien 
und Chum erscheint ^ Serbien mit seiner kriegerischen Anwesen- 
heit beehrt. Im Jahre 1202 wurde der Grofszupan Stephan aus 
diesem seinem ^^regnum'^ durch ein ungarisches Heer^ das der 
König selbst befehligte ^ verjagt, und der ,,rascische^^, serbische 
Titel erschien nun neben den anderen in der kaiserlich klingen- 
den Titulatur des Herrschers an der Donau. Das war aber nach 
den Begriffen des benachbarten slavischen ßaaiXeög, der auf der 
ganzen Halbinsel keinen ebenbürtigen Nebenbuhler seiner Macht 
fand, ein Eingriff in seine Rechte , und nach seiner Weise pro- 
testierte Johannitius durch Plünderung. Als Antwort nahm König 
Emerich noch im Jahre 1202 oder 1203 Besitz von dem bulga-> 
rischen Lande bis Kisch ^). Das waren die fünf bitter beweinten 
Bistümer, — also keine kumanisch-walachischen '). 

Aber in einem Reiche, wo keine Ordnung, ja fast nicht ein-> 
mal eine Grenze vorhanden ist, wird auch die Frage der Thron» 
nachfolge den jeweiligen Verhältnissen entsprechend gelöst. Zwei 
Neffen des Johannitius kämpften für die Krone auf demselben 
Boden, wo der „Kaiser^' blutig durch Mörderhände gefallen war. 
Als endlich der Sieger, Johann As6n, würdig auftreten konnte, 
war die Möglichkeit, nördlich der Donau Land zu erwerben, völlig 
geschwimden. In der bekannten Inschrift von 1230 auf der Türe 
der Kirche seiner Hauptstadt, in der er sich selbst verherrlicht, 
spricht dieser Reichsbegründer, durch den erst alles eine endgültige 
Qestalt bekam, nur von Siegen über den süd-„ wlachischen'^, d. h. thes-t 
salischen kaiserlichen Herrscher Theodor den Komnenen, über Grie- 
chen, Albanesen und Serben, deren Land das seinige wurde. Die 
„ Franken '' von Konstantinopel besitzen — heifst es endlich — die 
heilige Stadt nur infolge des ihnen für ihre Huldigung gewährten 



1) Elaiö, Gesch. von Bosnien, S. 62fif. 

2) Päpstliche Eorrespondenz , in den angefahrten Sammlangen; nicht in 
Hurmuzaki aufgenommen. Vgl. Engel, Gesch. von Serwien, S. 210 ff. 

3) Harmnzaki I, S. 31, nr. 21. Ygl. Onciul, Orig. princ, S. 153, 
Das „confininm Hangarie, Balgarie et Vlachie" S. 31 ist, wie vorher gezeigt, 
wurde, zu verstehen. 



128 3. Eapitol. 

Erbarmens y das ihnen der wahre Kaiser von Ostrom zuteil wer- 
den lielB ^). In dem Handelsprivileg für die Eaufleate von Ba» 
gusa ist von derselben Gegtod die Rede, aber von Besitzungen 
jenseits der Donau spricht kein Wort, obgleich in einer Urkunde 
zu solchen Zwecken die» eigentlich der Fall hätte sein müssen'). 

In der Ebene hatten doch die Eumanen, nach ihrer erschöp- 
fenden Beteiligung an den Balkankriegen unter den Fahnen des Jo- 
hannitius und seines unmittelbaren Nachfolgers; wesentlich an Be- 
deutung verloren. Ein fremder Eroberer konnte deshalb hier sän 
Glück versuchen ; aber die bulgarischen Herrscher fühlten sich 
nicht dazu berufen, solange ihnen südlich und westlich frucht- 
bares, städtereiches Land winkte. Aber auch für den ungarischen 
König war eine ähnliche Ausdehnung über die südliche Grenze 
infolge neu eintretender Ereignisse ausgeschlossen. Bosnien ward 
unter seinem Bane ein Staat. Der serbische Grofszupan war zu- 
erst vom päpstlichen Legaten zum König erhoben worden und 
wufste auch; nachdem er seinen niemals aufrichtig verlassenen 
griechischen Glauben öffentlich wieder angenommen hatte , seine 
glänzende Königskrone gegen jedermann zu verteidigen. Einen 
Ausweg bot nur der recht schwierige und wenig Nutzen^ wenn- 
gleich viele ausländische Titel bringende Zug nach Osten. 

Unter dem ,; heiligen Könige^' — so heifst gewöhnlich der 
getaufte ;;dux'' Stephan ; der erste apostolische Monarch des ma- 
gyarischen BeutelandeS; — hatten die Gegenden jenseits der Theifs 
viel unter Einfällen der Petschenegen zu leiden, und um solche 
zu verhindern, baute der weise König auf den Trümmern des 
slavischen Belgrad; am Mureschflusse (Marcs); eine Burg. In deren 
Nähe wurden etliche Dörfer gegründet zur Beherbei^ng ihrer 
Verteidiger; königlicher Soldaten; die man nach einem altunga- 



1) Jirecek, Gesch. der Balgaren, S. 251—252. 

2) Miklosich, Mon. serbica, nr. 3; auch in Harmuzaki I*, 8. 781; 
vgl. S. 787 (slavischer Anhang). Auch hier die gewöhnliche Titulatur der bulga- 
risdien Zaren. Über die litolatnr von Asdu auch Onciul in Conv. lit, No- 
vember 1901. In der Beisebeschreibnng von Bysbroek findet man die Stelle: 
„Etiam ultra Danubium versus Constantinopolim Yalachia quae est terra Asani 
et Minor Bulgaria*', was nur eine Erinnerung an das wladiisch-biügarisdie 
Kaisertum ist und nichts weiter besagt. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 1S9 

rischen Ausdrucke iobagiones nannte. Aber auch dies schien 
noch nicht zu genügen, und, um der kleinen Grenzmark einen 
festeren Bestand zu geben ^), rief König Geisa, derselbe, den die 
Byzantiner unter Manuel besiegten und erniedrigten, freiwillige 
Gäste, hospites, aus dem freundlich gesinnten deutschen Abend- 
lande herbei: sie gründeten zuerst drei kleine „ Dörfer '^ mit aus- 
gedehnten „Hofstellen'' unter ihren honoratiores, comites oder 
Greben, die sie bis hierher gefuhrt hatten *). 

Die „transsylvanische" Mark, das Erd^lyoder Kiräly-Erd^ly •), 
nahm einen ziemlich raschen Aufschwung. Die Auswanderungs- 
lust war in dieser Zeit am Rheine — von dorther kamen die 
meisten späteren Ansiedler — nicht gering, und im aUgemeinen 
unterhielten die ungarischen Könige gute Beziehungen zu ihren 
westlichen Nachbarn, so dafs solche Kolonistenschwärme bei der 
Durchreise nicht angehalten wui*den. Andrerseits erfuhren die An- 
kömmlinge bald von der einheimischen „olachischen'' (rumäni- 
schen) oder petschenegischen, „bissenischen'' Bevölkerung, dafs 
grofse Massen nützlicher oder edler Metalle unter dem harten 
Felsenboden ruhten, aber aus Mangel an Erfahrung und Geräten 
nicht gehoben werden konnten, dafs femer nicht allzuweit vom 
königlichen Schlosse wie auch im nördlichen Teile des Landes un- 
geheuere Salzwerke vorhanden seien. Die königliche Kammer 
konnte aus diesen Quellen fliefsende Zuschüsse gebrauchen, und 
in ganz Europa war die Nachricht von Gold- und Silbergebieten 
ein Anziehungsmittel ^). Es pilgerten, einem unwiderstehlichen 



1) Zimmermann-Werner, Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen 
in Siebenbürgen, I, S. 10: „ob custodiam confinioram excabent in explora- 
tione**. 

2) Comes vulgo greb dictiis, 1364; Zimmermann-Werner II, S. 207, 
nr. 804; vgl. S. 374. 

3) „Silva nostra Kiraly - Erdeje vocata"; Zimmermann-Werner I, 
S. 182, nr. 249 (Wald des Königs). Eine „villa 8. Begis" findet sich neben 
dem zuerst geschenkten sächsischen Gebiete; Hurmuzaki I, S. 69. 

4) Zimmermann-Werner I, S. 74: „Sales aquatici" von Wincz (vgl. 
den ähnlich gebildeten Namen Mehedin^I in der alutanischen Walachei usw.), 
1289; Zimmermann-Werner I, S. 161; „salisfodina de Tarda"; ebend. 
ß. 135, nr. 189. Die „ ferrifodinae ", Zimmermann-Werner I, S. 183. 

Jorga, Geschichte der Bam&nen. I. 9 



180 3. Kapitel. 

Triebe folgend; die Bewohner vieler armer Dorfschaften in deut- 
schen Landen nach ^yUItrasilvanien'^y besonders aus jenen Land- 
strichen , aus denen die ersten Glücksjäger gekommen waren ^). 
Und es kamen nicht nur Bauern unter ihren ;,comites paro- 
chiales'^^), sondern auch Leute ritterlichen Schlages, edleren 
Blutes, die sich unterwegs am königlichen Hofe vorstellten, als 
comites höheren Ranges besondere Ansiedelungsprivilegien erhiel- 
ten, später als „Sachsen, welche das Herrenleben fuhren", — 
more nobilium se gereutes ') — bekannt wurden und sich von ihren 
bäuerlichen Volksgenossen scharf unterschieden, gerade so, wie es 
in dem alten Dakien nach der Einnahme durch die Römer ge- 
wesen war. 

Das Land gehörte in der Theorie — die Ansiedler kamen 
eben zu dem Zwecke, um die Praxis einzuführen — dem Ungarn- 
könig: hier und da, wo die Flüsse Pässe in die Berggürtel ein- 
geschnitten hatten, und an bedeutenderen Punkten standen seit den 
Tagen des heiligen Stephanus Burgen: aufser Belgrad-Fehefvär, 
Turda (Torda) vielleicht auch Deva, Rodna, im nordöstlichen 
Winkel, an den Quellen des Grofsszamosflusses ^). Die neuange- 
kommenen Sachsen zählten im ganzen sieben solche kriegerische 
Bauten, die der in ihrem Bannkreise wohnenden Bevölkerung 
einige Sicherheit gewährten, und für die Ansiedler blieb das ganze 
Land bis zu den östlichen und südlichen Karpathengipfeln das 
Land dieser sieben Burgen, Siebenbürgen. Die wilden Pet- 
schenegen hatten, nachdem ihr Stamm die Herrschaft an der Donau 



Die Goldhütten von Bodna , Zimmermann-Werner I, S. 204. Silberbeig- 
werke, ebenda S. 100, nr. 118. 

1) Vgl. Zimmermann -Werner I, S. 7. Die „Latini", die oft in den 
Urkunden des 13. Jahrhunderts als in eigenen „Villen** angesiedelt vorkommeD, 
sind keine Eumänen, wie man glauben wollte, und anch keine Italiener; dena 
in diesen Gegenden ist der bekannteste „Latinus** der Dalmatiner, und diese 
Übersiedelung von „Latini" steht mit den Fortschritten in Zusammenhangs 
welche die ungarischen Könige am adriatischen Meere machten. 

2) Zimmermann-Werner I, S. 179, 182. 

3) Zimmermann-Werner I, S. 174. 

4) „Castrum quod vocatum Turda**; Enauz, Mon. eocl. strig. I, S. 59, 
nr. 1075. „Castrum Deva**, 1269; Zimmermann- Werner I, S. 105^ 
nr. 127. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. ISl 

verloren, ein ruhigeres Leben begonnen, und sie erkannten, ge- 
-wissermafsen eine barbarische Insel bildend und unfähig, sich ihr 
Los anders zu gestalten, die Oberhoheit des bisher feindlichen 
Königs au ; ein iobagio wurde über diese Bissenendörfer zum ober- 
sten Richter gesetzt, ohne dafs darum eine Appellation an den 
£^önig abgeschnitten worden wäre. Die alte Bevölkerung der Ru- 
mänen endlich, in Erd^lj, dem Siebenbürgen der fremden Er- 
oberer, das, wie die Urkunden ausdrücklich sagen, eine terra und 
eine sylva (mehr sylva als terra) Blacorum et Bissenorum war, 
behielt noch lange Zeit ihre Besitz- und Personalrechte. Für die 
bäuerlichen Sachsen bildeten die Obrigkeit die Groben der Dörfer, 
Provinzen und Schlösser, für die castrenses an der Grenze ihre 
Burggrafen, für die Bissenen der iobagio: das übrige Land war 
einem Wojvoden — das ist der Name des obersten Eriegfuhrers 
und Richters nur bei den Rumänen *) — untergeordnet, der durch 
seine descensus in dieser oder jener Richtung zeitweilig in 
dem unorganisierten Lande die kaum aufkeimende Staatsgewalt 
vertrat. 

Das genügte aber noch nicht. Durch dieses Ansiedelungs- 
werk in einer neuen Provinz wurde die FeststeUung einer neuen 
Grenze notwendig. In den weiten Osten drangen vielleicht schon 
im 11. Jahrhundert die Szekler vor, eine ursprünglich westunga- 
rische Völkerschaft, die, von der Hauptmasse abgesondert, mit der 
Zeit eine eigene sprachliche und ethnische Physiognomie annahm: 
so entstand ein szeklerischer Dialekt, szeklerische Sitten, szekle- 
rische Namen, die slavisch wie Bogomir, Sobuslav usw., oder 
bogomilisch, wie die im späteren ersten bulgarischen Reiche, 
Moises usw. kUngen'). Im rumänischen, gegenüberUegenden Be- 
zirke Buzeü finden sich oft solche bogomilische Namen ^). Ihre 
terrae und Herden erscheinen neben denjenigen der „Olachen", 
in derselben, durch einen ähnlichen Entwickelungsprozefs bedingten 
Stellung, und zu derselben Zeit,' wo durch die ersten Urkunden 



1) S. J. Bogdan, Origioea Yoevodatulul la Bominl, in dea Annalen der 
mmänischen Akademie, Jahrgang 1902. 

2) S. Hurmuzaki I, 8. 358, nr. 268; 8. 558-559. 

3) 8. Studil §i Doc. Y, 8. 490, Verträge aus Lipia. Ein Moise-Yodä 
r^erte in der Walachei vor 1550. 

9* 



ISS 3. Kapitel. 

etwas Licht auf diese siebenbürgischen Verbältnisae föUt. Die 
Szekler erfüllten mit Treue an diesem östlicben ^^Hattert^^ (unga- 
risch hatär) ihre Mission als Wächter gegen die Barbaren, den^ 
sie übrigens in jeder Beziehung glichen. Um alle diese, von den 
Quellen nur sehr mangelhaft bezeugten Zustände zu verstehen, muls 
man an die Stellung denken, in welche die Rumänen an der west- 
lichen Grenze kamen, als sie das Land im 15. Jahrhundert gegen 
einen neuen, von Serbien her konmienden Feind, die Türken, ver- 
teidigen mufsten. Hier und dort, im 13. wie im 15. Jahrhundert, 
findet man Schlösser und Bauern, die dazu gehören, daflir aber 
eigenes Gericht und herabgesetzte Steuerpflicht geniefsen ; hier wie 
da besteht eine bäuerliche Regierung, durch pri mores bei den 
Szeklem, durch Enesen bei den Rumänen ^), und das ganze G^ 
biet zerfallt endlich in nationale Gerichtsbezirke, sedes, denjenigen 
der Sachsen ähnUch. 

Im Norden standen die Russen, die unter ihren Fürsten eben 
ein staatliches Leben zu fuhren begannen, aber zwischen ihrem 
Gebiet und Siebenbürgen erhob sich die undurchdringliche Felsen- 
wand des hohen, noch öden Marmoros (rumänisch: Maramure^).. 
Im Westen dehnte sich das königliche Land aus, und so gab es 
nur eine strittige Grenze, an der auch, besonders bei dem breiten 
Passe von Rucär-Dragoslave *), regelmäfsig, zu gewissen Zeiten des 
Jahres, die Eumanenschwärme erschienen, um, noch vor dem 
c e n s u s des Königs, von Wlachen, Sachsen, Ungarn und Szeklem 
ihren census för den Khan und seine Häuptlinge zu sammeln. 
Hier mufste ein militärischer Schutz geschaffen werden. 

In dieser Zeit waren die ungarischen Könige geliebte, bevor- 
zugte Schützlinge der römischen Kirche, und diese stellte ihnen 
alle Mittel zur Verfugung, um die Eroberungslaufbahn zu be- 
treten. Da ereignete es sich, dafs die deutschen Ritter im Morgen- 



1) Vgl. neben der älteren Literatur Jos. Eemenyim Magazine des Kurz II; 
Bevista pentm istorie, archeologie ^i filologie, Y, S. 129 ff.; J. Bogdan in den 
Annalen der rumänischen Akademie, Jahrgang 1903 und im Archive für sla- 
vische Philologie, Jubilarband. 

2) Vgl. den Aufsatz von J. Jung über die Earpathenpässe (Mittlgn. des 
Instituts f. Österr. Oesch. 1892), in rumänischer Übersetzung in den Convorbirl 
literare (Jahrgang 1895). 



Älteste byzantinische Berichte über die mmilnische Vergangenheit usw. ISS 

lande nicht viel zu schaffen hatten und dafs wenigstens ein Teil 
davon dort entbehrlich war. Qewifs von Rom aus wurde dem 
ungarischen Herrscher der Vorschlag gemacht, er möge sich dieser 
ledigen Kräfte bedienen , um nicht nur die Pässe gegen die rau- 
benden Barbaren damit zu schliefseU; sondern auch um ihre Tapfer- 
keit und Kriegskunst zu verwenden und mit Hilfe ihrer Kennt- 
nisse Schlösser und Städte zu bauen, die Ghrenze des jungen König- 
reiches bis zur bulgarischen Donau auszudehnen und dem wilden 
Kumanenregimente ein Ende zu bereiten. Der Vorschlag wurde 
freudigst angenommen. 

Noch im Jahre 1211, als der schwache Borila die Zügel im 
Bulgarenreiche schlaff handhabte, stand in dem „öden^', d. Lohne 
rechtmäfsigen Besitzer daUegenden Lande, das nach dem -- slavisch 
benannten — Birsaflusse Birsaland, davon deutsch „Burzenland^^ 
hiefs, ein Meister des Deutschen Ordens mit seinen gepanzerten 
Rittern. Er baute an den festen Orten „ Kreuzburgen ^^, nach 
der Sitte seiner kriegerischen Gemeinde, und bot der sich hier an- 
siedelnden Bevölkerung — Ungarn, Szeklem und Rumänen — eine 
sichere Zuflucht; und dadurch bekam in wenigen Jahren das Land 
ein blühendes Aussehen. Im Jahre 1222 wurde ihnen von dem 
Könige als Belohnung für die schon geleisteten Dienste die* Er- 
laubnis erteilt, steinerne Burgen und Städte zu errichten, und 
alles verfügbare Gebiet bis zur Donau und östlich bis zu den 
„Brodnici^^ zu besetzen. Die „Brodnici'' waren die Besitzer der 
Flufsübergänge, die Leute von den vaduri, slavisch Brod *), 
welche auch später in der Moldau wie in der Walachei erscheinen: 
Vadul Gumanilor, Vadul Cälugärilor, Vadul Turcilor usw. Folg- 
lich sind diese Bauern an den „ Furten '^ nichts anderes als die- 
jenigen Rumänen, welche, wie es auch der Bericht über die kaiser- 
lich byzantinischen Züge besagt, in dem Hügellande der Moldau 
Ackerbau trieben *). 

1) Vgl. den Aufsatz von Miklosich über „die slavischen Ortsnamen aus 
Appellativen, II*' in den Denkschriften der Wiener Akademie 1874. 

2) Solche waren auch in Siebenbürgen vorgefunden worden: „possessio Pre- 
postfalva, alio nomine Prodnik nuncnpata** im Fogaraser Lande, 1359; Zimmer- 
mann-Werner-Müller, Urkundenbuch II, S. 170, nr. 755. Ein anderer Fall : 
„Borothnik", neben Hermannstadt, 1223; S. 27, neben dem „Wlachenlande"; 
letzteres zitiert auch von Onciul, Originüe principatelor, S. 239. 



134 3. Kapitel. 

Die Deutschen Herren vergalten nun den Rumänen ihre Kin- 
fälle y aber die Gebiete, die sie einmal erwarben , befestigten sie 
durch Anlegung von Burgen und Klöstern, bevölkerten und be- 
haupteten sie. In der „Langen Aue^', die sich südöstlich von 
dem grofsen Passe ausdehnt, legten sie den Grund für die An- 
siedelung von Cimpulung, wohin bald fremde Elemente zuströmten, 
um eine Stadt zu gründen. Viele umwohnende Rumänen folgten 
dem Beispiele ihrer Brüder, der Siebenbürger Bisseni, und lebten 
friedlich neben ihren Bezwingern. Das Haupt der letzteren, Meister 
Dietrich, hatte die Absicht, hier ein wahres Rolonialreich zu grün- 
den, das eine Feste des Deutschtums und der römischen Rirche 
werden sollte. Dafür bekam er vom apostolischen Stuhle die 
Exemtion von jeder Einmischung des siebenbürgischen Bischofs 
und der des Heiligen Vaters zugestanden. 

Aber dies alles genügte nicht, um das neu erworbene Land 
vor der Habgier des ungarischen Rönigs zu schützen. Denn als 
dieser sah, dafs die Ritter schon genug gewonnen hatten, haderte 
er mit ihnen wegen des Umfanges der Schenkung, und als sie 
nicht nachgeben wollten, erschien ein ungarisches Heer, welches 
bis zu der „langen auischen" Station vordrang, Steuern erhob, 
das i»ur amen tum verlangte und die „ Schlangen ", d. h. die tüch- 
tigen Arbeiter und Rrieger, welche die Rultur mit sich gebracht 
und eingepflanzt hatten, forttrieben. Alle Einwendungen der rö- 
mischen Rurie fruchteten nichts, der Rönig blieb Herr im burzen- 
ländischen, wie auch im „ transalpinischen " Lande. Bald danach, gegen 
1227, wurde die neue Eroberung in einem zweiten, von dem eifrigen 
Rönigsohne Böla geführten Rriegszuge weiter ausgedehnt, und der 
Erzbischof von Gran, welcher mit päpstlicher Erlaubnis den Zug 
unternahm, um die Rumänen, die sich taufen lassen wollten, zu 
bekehren, ernannte den Predigermönch Theodoricus zum ersten 
Bischof des Rumanenlandes, dessen Rönigstitel mit denjenigen so 
vieler anderer Gebiete in der ungarischen Titulatur vereint wurde. 
Das Werk gedieh so gut, dafs der Papst 1234 daran denken 
konnte, nach dem Vorschlag dieses Bischofs auch einen Suffi*agan 
für die Walachen zu ernennen, die, bisher den Rumänen Untertan, 
Bischöfen griechischen Glaubens — eine wichtige Tatsache — 
unterstanden. 



Alteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 1S5 

Auf der anderen Seite wurden im Lande zwischen der Donau 
und dem unteren Maros, neben der alten slavischen Burg Eeve, 
die von der späteren Legende mit der Geschichte der Ankunft 
der Magyaren verknüpft wird ^), zwei neue Festungen angelegt : 
in Crasov (ungarisch Erassö genannt) und Severin, welch letz- 
teres ursprünglich nur der Wohnsitz eines Bauern mit diesem 
INamen *) war. Wie gewöhnlich keimten, nachdem die Festung 
erbaut war, Dörfer in ihrem Schatten; es wurde aus dem de- 
sertum eine terra, mit possessiones und villae, d. h. mit 
rechtmäfsigem Besitz, geschaffen. Nach dem Vorbilde der panno- 
nischen Zupanen hatten die ungarischen Könige die Würde und 
das Amt des Banats in ihrem Lande eingeführt, und zwar er- 
scheinen im 13. Jahrhundert in und aufser Siebenbürgen zahlreiche 
bani und Banenfamilien, die sich mitten unter anderen, echt ma- 
gyarischen Edelleuten einer bevorzugten Stellung erfreuten. Ein ge- 
ivisser Lukas wurde gegen das Jahr 1233 zum ersten Ban des Landes 
bei Severin — in Ban hatten, wie schon gesagt wurde, die Un- 
garn die Bezeichnung der von ihnen in Pannonien vorgefundenen 
slavischen Zupane, pane umgewandelt und sie hatten diesen Titel 
zuerst ihren Vertretern in Kroatien beigelegt ^) — ernannt, während 



1) Vgl. auch „S. Mihalyköve", 1357; Hurmuzaki I', S. 45. 

2) Vgl. Severin, Severine^ti, in Studil §i documento V. Dabei „Zeu- 
ren" in derselben Gegend; Hurmuzaki P, S. 63, nr. 46. Der „comes Ti- 
misiensis" und seine Timiser var (Temesvär) erscheint nur später; Zimmer- 
mann-Werner I, S. 69, nr. 76; Hurmuzaki I, S. 329, nr. 241. 

3) Vgl. die Erklärung in Engel, Gesch. von Kroatien, S. 401. Später 
wurde auch ein dritter Ban in der Macwa, welcher auch 1279 „dux de Machou" 
heifst; Zimmermann-Werner I, S. 138. In Siebenbürgen selbst findet 
man viele Bane, welche, ohne jemals in Kroatien, Severin und Macwa Burgen 
befehligt zu haben, den Titel innehatten und dabei, gewöhnlich Krieger von 
Beruf, auch als magistri, comites bezeichnet werden; Hurmuzaki I, 
S. 278, 310, 389; I*, S. 330, nr. 268; Zimmermann- Werner I, S. 86; 
II, S. 58, nr. 637; S. 400, nr. 999. Unter König Stephan dem Jüngeren spie- 
len sie eine grofse Rolle in den Kämpfen für die Krone; besonders wird ein 
Ban „Emeus", Ernö, ein Magyare, hervorgehoben. Die Briefe dieses „Banus 
tiansilvanus " werden, zusammen mit denjenigen des Königs, zitiert; Zimmer- 
mann-Werner I, S. 181, nr. 248. Vgl. auch ebenda I, S. 182, nr. 249. 
'S. besonders Zimmermann- Werner I, S. 96, nr. 110, wo von siebenbürgi- 

schen „bani pro tempore constituti" in 1265 gesprochen wird. 



IM 3. Kapitel. 

das EjrasBoer Gebiet unter EaBtellanen blieb. Von hier aus ver- 
suchten die militärischen Elräfte des Königs sich des benachbarten 
Vidin, der grofsen Stadt am rechten Donauufer, zu bemächtigen, um 
so aus dem Banate für Bulgarien das, was für Serbien die bosnische 
Landschaft gewesen war, zu büden. Der König selbst nahm an 
dem Angriffe teU, und in seinem Gefolge stand auch der „Graf" 
seiner Szekler. Auf der bulgarischen Seite kämpfte der Bruder 
des Zaren Johann As^n, und es scheint, als ob dieser Fürst in 
Vidin seine ständige Eesidenz gehabt hat, so dafs er ein Vor- 
gänger der vidiner Herrscher der späteren Zeit gewesen wäre ^). 

Die Grenzfestung des bulgarischen Reiches hielt sich gegen- 
aber den AngriflFen, und die Ungarn kehrten mit Schaden heim, 
aber das Severiner Banat nördlich der Donau ging dem Kö- 
nige nicht verloren: im Gegenteile trieben etUche Jahre danach 
die Dominikaner, die zur Vernichtung der patariner Irrlehre nach 
diesem nordwestlichen Winkel der Halbinsel geströmt waren, eine 
heftige Propaganda gegen das Schisma der dortigen Walachen, 
die vielleicht auch von den süfsen Früchten des frohen Patarinis- 
mus genossen hatten. Im Jahre 1238 dachte König B^la IV.^ 
welcher nach dem vidiner Zuge schon 1233 auch den bulgarischen 
Königstitel angenommen Hatte, an einen grofsen Kreuzzug gegen 
diese hartnäckigen bulgarischen Ketzer; und das war derselbe 
B^la, der schon als Kronprinz die Kumanen mit der Lanze in 
der Hand zum Taufbecken gefuhrt hatte. Bevor er nun diese 
zweite heilbringende Unternehmung begann, forderte er vom Papste 
das Recht, „im Lande AsSns, wie auch in dem Lande, das Se- 
verin heifst, in welchem, nach langen Jahren der Verödung, die 
Einwohner zahlreich geworden sind^', als Laie Bischöfe ernennen 
zu dürfen. Endlich bekam ein Deutscher, namens Konrad, der 
die sehr häufige Bezeichnung „Comes^^ trägt und dieselbe wahr- 
scheinlich im Kampfe gegen die Feinde des Königs verdient hatte, 
neben vielen anderen Orten westlich des 01t, im siebenbürgischen 
Lande, auch so viel Land^ wie er südlich vom Grenzflüsse Lotru, 
im Rotenturmpasse, erobern konnte: hier errichtete er ein Schlofs, 
Lothurvär genannt, und etwas weiter aufwärts ein anderes, Talmäcs 



1) Fejer IV^, S. 22; Hurmuzaki I, S. 134. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. U7 

(Tälmaciü). Er selbst und seine Familie werden auch später oft 
ajigetroffen^ aber die Belehnung mit dieser Loviijte — das Wort, 
slavischen Ursprunges, bedeutet Zuflufs ^) — hatte keine Zu- 
kunft »). 

Es erhebt sich nun die Frage: kannte jemand von diesen 
bedrohten Fürsten und Völkern den Weg nach der Steppe , in 
der schon seit langen Jahren die von Asien herströmenden mon- 
golischen Scharen die letzten Kräfte der Kumanen in Grofskuma- 
nien aufrieben? Wenn man an die freundlichen Beziehungen 
denkt, die zwischen Johannitius, seinem Nachfolger und den ku- 
manischen Reitern bestanden^ so erscheint eine solch» Bitte an die 
HaupÜeute des grofsen mongoUschen Kaisers der Kaiser nicht als 
unmöglich. Im Jahre 1241 entschlief nach glücklichery meist fried- 
licher Regierung; im wahren Imperatorensinne, der Herrscher von 
Tmowo, Johann AsSn, und wenige Monate darauf flohen in wil- 
dem Verzweiflungszuge vor dem flammenden mongolischen Sturme 
alle auf dem Wege von diesem Unheil betroffenen Völker und 
Völkerteile. Burgen, Bischofsresidenzen, Kllöster, Städte, Dörfer, 
nichts blieb von alledem in dem grofsartigen Zerstörungswerke 
übrig, und unter den Trümmern flackerten nur noch leise die 
vorher hell leuchtenden Flammen ungarischer Eroberung. 

Die Leute Batu's, des Häuptlings der kiptschakischen Horden 
des Grofsen-Khan Ogotai, nahmen in verschiedenen AbteUungen 
den Weg, den ihnen die Beschaffenheit des Bodens anwies ^). Bei 
der charakteristischen' Kriegsart der Mongolen wurde gewifs kein 
Pafs übersehen, blieb gewifs kein Tal unbesucht. Genaue abend- 
landische Quellen sind für diesen ungarischen Zug der Tataren 
nicht vorhanden, so dafs nur hier und da etwas von diesen greu- 



1) S. die Grenzscheidung von 1520 in Studil ^i doc. V, S. 473-474. 

2) Die Schenkungsurkunde in Zimmermann-Werner I, S. 58. Erläu- 
terungen in Säte ^i preotl, S. 158-161. 

3) Vgl. Strakosch-Grafsmann, Der Einfall der Mongolen in Mittel- 
europa in den Jahren 1241 und 1242, Innsbruck 1893. Dort wird der Beweis 
erbracht, dafs der „ Bezerenbam '* mit welchem die Tataren zu kämpfen hatten, 
kein Bumänenfuhrer sein konnte, weil er sich nicht auf rumänischem Boden 
fand. Die Nachricht findet sich bei einem orientalischen späteren Chronisten, 
FazeMJllah-Baschid, der die Namen furchtbar verstümmelt. Vgl. Onciul, Orig. 
princ, S. 36, 156—158. 



138 3. Kapitel. 

• 

liehen Ereignissen der Vergangenheit hervorschimmert. Jen^ 
des Sereth — diese Nachricht gibt ein zeitgenössischer Mönch — 
kamen einige Scharen ins Gebiet des Bischofs der Kumanen, der 
Hand in Hand mit den königlichen Befehlshabern, das christliche 
ungarische Gebiet bis zu diesem Punkte ausgedehnt und in der 
Stadt Milcov am gleichnamigen Bache seine Residenz aufgeschla- 
gen hatte, beinahe im Lande der „Brodnici". Dieser floh zu- 
sammen mit Soldaten, Priestern und Einwohnern^ und Milcov lebte 
nur noch als dunkle Erinnerung im Volksmunde und leere Titu- 
latur für den von jetzt an immer wandernden „Bischof von Mil- 
covia " ^). In dem Szeklerlande wurden die Grenzkastelle nieder- 
gerissen, während von Norden her nach Kämpfen mit dem schon 
verfallenden halitscher Reiche eine andere Schar in das Gebiet 
von Rodna und Bistritz einfiel und dieses neben demjenigen von 
De^s in windgleichem Vorbeistürmen verheerte. Die hiesigen säch- 
sischen hospites — Sachsen, SasI, Szäsz werden sie von anderen 
genannt und nennen sich selbst gewöhnlich so ^) — waren später 
erschienen, nur um die schönen Bergwerke an diesem Earpathen- 
abhange auszunützen. Sie litten ebensoviel wie die anderen von 
den Tataren heimgesuchten Einwohner, wie die Rumänen der 
„Transalpina", der Walachei selbst, und brauchten sehr lange Zeit, 
um sich von diesem Schlage einigermafsen zu erholen. 

Die Tataren siegten mitten drin in Ungarn am Flusse Sajö, 
aber ihre Siege brachten ihnen nichts weiter ein als die Möglich- 
keit, weiter vorzudringen oder mit beladene'n Karren nach Hause 
in die bekannte endlose Steppe zurückzukehren. So taten sie 
auch im Jahre 1242, wobei sie selbstverständlich, um Nahrung 
und Vergnügen zu haben, ihre kleinen unermüdlichen Pferde auf 
das rechte Donauufer trieben. 

Der ungarische König hatte sich zwar nach seiner Niederlage 
vor den Siegern geflüchtet, aber nachdem sie verschwunden waren, 



1) Koger, Miserabüe Carmen, in Florianue, Fontes IV, S. 59; Hur- | 
muzakil, 8.622-623, nr. 496; Benkö, Mücovia; Strakosch-Grafs- 
mann und meine Vorrede zum I/U. Bande der Studil ^i documente. 

2) Der Name „Flandrer" kommt nur in der päpstlichen Korrespondenz, 
Anfang des 13. Jahrhunderts, vor, in einer Zeit, als ein geborener Flandrer 
Erzbischof von Gran war. 



Alteste byzantinische Berichte über die rumänische Vei^gangenheit usw. 1S9 

: erschien er keineswegs als ein zu Boden geworfener Herrscher, 
<ler sich in nichts mehr finden kann und unsicher umherirrt 
H41sL IV. war viehnehr ein energischer Mann, und wenige Jahre 
nacli seinem Unglück stand er wieder aufrecht, die Waflfen in 
•der Hand, zur Erhaltung und Vergröfserung seines väterlichen 
Srbes bereit. Schon 1247 rief er, dem Beispiele seines Vorgän- 
gers folgend, in das Severiner Banat ausländische Ritter, die sich 
in den Kriegen gegen das asiatische Heidentum einen grofsen 
l^amen gemacht hatten, die Johanniter. Durch einen Vertrag, den 
der Papst 1251 bestätigte, übergab er diesen das ganze Gebiet 
^, mit den Bergen und dem dazu gehörigen Lande '^ Die Ritter 
hatten aufserdem unter ihrer unmittelbaren Herrschaft zwei „wa- 
lachische'^ Eeneziate bis zum 01t, diejenigen von loan und Farcaij. 
Dem Könige aber blieb der Anteil an der Fischereinutzung von 
Oelel an der Donau, ein Dorf, das noch heute an einem lisch- 
reichen Teiche liegt. Dagegen sollen die Johanniter in einem 
dritten „ Keneziatus *', demjenigen von Litovol Voevod, keine Herr- 
schaftsrechte besitzen und nur die Hälfte der königlichen Ein- 
künfte davon beziehen: das Land verbleibt den „Olaci", wie die 
davon eingeschlossene "l^araHa^egulul (terra Harszoc) dem un- 
garischen Reiche. Das Land war in dieser Zeit ziemlich gut be- 
völkert, was man aus den erwähnten Einkünften der Krone, welche 
genau verteilt werden, und ebenso aus den darin erwähnten Mühlen 
und Kirchen schliefsen darf Der König wollte aber die Ritter aus 
dem meist französischen Orden, nicht nur in der Severiner Burg 
sehen, er beabsichtigte vielmehr, die ganze Donaulinie mit Burgen 
zu besetzen ^), und hatte seine Ansprüche auf das herrenlose Ku- 
manien, dessen barbarische Bewohner sich zum gröfsten Teile nach 
Ungarn geflüchtet hatten, oder in der tatarischen Völkerflut mit 
fortgespült worden waren, keineswegs vergessen. Darum beschenkte 
er die Johanniter mit der Burg Feketehalom („Feketig"), die wir 
sehr wahrscheinlich im Burzenlande suchen müssen — es mag 
eine von den Kreuzburgen des Deutschen Ordens gewesen sein — , 
um damit den Eingang nach dem in der Theorie mit Ungarn ver- 
einigten kumanischen Reiche zu beherrschen. Von dieser Burg 



1) „üt Danubius fortaliciis muniretur"; Hurmazaki I, S. 261: J. 1254. 



140 3. Kapitel. 

oder einer anderen, dazu geeigneten aus, entweder gegen das Land 
Severin oder nach Eumanien hin, fiel den Rittern die Aufgabe 
zu, den Eroberungsspuren ihrer Brüder aus dem Morgenlande, 
der Deutschherren, der ersten Eulturbringer in diesen Gebieten, 
zu folgen. Die „terra" — kein Keneziatus — des Woje\¥oden 
Seneslav, ein „Olacus", blieb ihrem bisherigen Besitzer vorbe- 
halten ; hier waren noch königliche Einkünfte vorhanden ; im übri- 
gen kumanischen Gebiete aber verzichtete Ungarn auf jede fiska- 
lische Einmischung während voller fünfundzwanzig Jahre , nach 
deren Verlauf eine Teilung des Nutzens zwischen dem Schenker 
und Beschenkten stattfinden sollte '). 

Die Johanniter scheinen wirklich in das Land gekommen zu 
sein ^); aber sie blieben nur sehr kurze Zeit dort, und für Ke- 
nezen, Woewoden mit „Eeneziat" oder solchen mit eigenem Wbe- 
wodallande hatte die Belehnung vom Jahre 1251 keine Folgen. 
Die bulgarischen Zaren, die auf Johann AsSn folgten, waren un- 
mündige Kinder, und der zweite von ihnen, Michael As^n, hatte 
genug mit seinen südlichen griechischen Nachbarn zu tun. Von 
ihnen waren deshalb Feindseligkeiten nicht zu befürchten^ und 
ebensowenig von den gefiirchteten Tataren, die zur Horde, zum 
Kiptschakhauptsitze zurückgekehrt waren. Anders wurde es, als 
in Bulgarien durch die Thronbesteigung des Usurpators Konstan- 
tin (1258), der sich selbst den Namen As^n beilegte, ein Umschwung 
eintrat und in WesttatarieU; bei den ;,Tocharen^' der Byzantiner, 
der Emporkömmling Nogai die Krieger und Völker im Norden des 
Schwarzen Meeres der Herrschaft seiner eisernen Hand unterwarf 

Dies traf noch um so mehr zu, als in Ungarn während der 
letzten Jahre des Königs B^la und unter seinen Nachfolgern eine 
Zeit der Zerrüttung, des innerlichen Haders begann, welche die 
Stellung des Königreiches in den Augen seiner Nachbarn stark 



1) Die ürkande iii der vom Papste bekräftigten Form in letzter Ausgabe 
bei Zimroermann-Werner I, nach der kollationierten Wiedergabe in Hur- 
mnzaki I. Viele Fehler sind darin enthalten, die sich übrigens auch in der 
Vorlage finden; so z. B. statt „intra Litva" mufs: „in terra litvoi" gelesen 
werden; nach den phototypischen Proben bei Hurmuzaki sieht man, dafs 
der Wojewode litvoy und nicht Lirtioi oder litvon heifst. 

2) Vgl. Hurmuzaki I, S. 261, J. 1254: „partim collocaTimus *^ 



Älteste byzantiDische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 141 

erschütterte. Im Jahre 1261; zehn Jahre nach den grofsen Jo- 
hanniterplänen, nahm der ..primogenitus'' des ungarischen Königs 
den Herrschertitel und daneben den eines ,; Herzogs in Sieben- 
bürgen^^ und eines ,, dominus Comanorum^' an. Es entstand ein 
heftiger Krieg zwischen ihm und seinen Eltern , und er mufste 
eine Zuflucht in Feketehalom suchen ^ zugleich mit etlichen ^^co- 
mites'^ und ^^bani^^, wie auch gewöhnlichen Landeskindem, die 
sich seiner Sache angeschlossen hatten. Er konnte sich aber nicht 
halten und mufste gegen die Donau hin fliehen ^). Durch Ver- 
mittelungen gelang es ihm endlich^ 1262, den Vater zu beschwich- 
tigen; bis zu seiner Thronbesteigung (1270) blieb er nun Beichs- 
verweser jenseits des Waldes und auch Herr der Kumanen, was 
sich nicht auf die in Ungarn ansässigen Flüchtlinge dieses Stammes, 
sondern unzweifelhaft auf die freien Donaukumanen und ihr Land 
bezieht. WeÜ er sich mit diesen, den Heiden, vereinigt hatte, 
trifft ihn der Tadel des entrüsteten Papstes ^) : selbst beim Frieden 
mit dem Vater hatte er „den Bat der kumanischen Herren '^ ein- 
geholt *). 

Stephan hatte die Absicht, während dieser seiner politischen 
Verbannung eine Art kumanisch- bulgarischen „Österreichs'' fär 
seinen Ehrgeiz als „iunior rex'' zu bilden, und er benutzte die 
sehr verwickelten Angelegenheiten am Balkan, um Beine Annexions- 
gelüste zu befriedigen. Es will scheinen, als ob er in dem Woje- 
woden Seneslav vom rumänischen Kumanien — dessen Residenz 
war, wie es scheint, Arge^, welches als ältester Fürstensitz schon 
1330 erscheint — einen treuen Helfer gefunden hat, denn er 
hätte wohl nicht ohne dessen Mithilfe, oder ohne ihn zu bekämp- 
fen, fünfmal gegen das Land jenseits der Donau ziehen können. 
£r stürmte die später so berühmte Plevna, drang einmal bis 
zur Hauptstadt des bulgarischen Reiches vor und kämpfte auch 
gegen den griechischen Paläologen, welcher 1261 Konstantinopel 
den Lateinern entrissen hatte ^). Es war eine Fortsetzung der 

1) „Ad partes danobiales"; Zimmermann-Werner I, S. 114; Tgl. 
8. J. 1273. 

2) Hurmazaki I, S. 314—315. 

3) Ebend. S. 300. 

4) Jirecek, Gesch. d. Bulgaren, S. 271, nachstellen von Diplomen inFejer. 



142 3. Kapitel. 

Kämpfe, welche durch den Einfall der Bulgaren in das Severiner 
Land, während Ungarn mit dem Böhmenkönig beschäftigt war, 
eröffnet wurden. Stephan selbst erschien vor den Mauern von 
Vidin, aber die Festung öfihete sich auch dieses Mal den Ungarn 
nicht *). 

Aber weiter gingen die Ungarn nicht, und Ladislas der Kn- 
mane, Sohn des 1272 gestorbenen Stephan, bezw. sein Bruder, An- 
dreas III., der 1291 beim Antritte seiner Regierung nach Sieben- 
bürgen kam, um die Verhältnisse rechtsgültig zu ordnen, unter- 
nahmen in dieser Richtung nichts anderes, als dafs sie den nichts- 
sagenden bulgarischen Königstitel weiter trugen. Der Herr an der 
Donau war jetzt der gefurchtete Nogai. 

Ein einfältiger, rauher Tatare, der weder an Kleidern, noch 
an Qold und Silber, sondern nur an den schönen Frauen von 
Byzanz Gefallen fand, lebte dieser einige Zeit wie seine Reiter, 
von denen er sich nur durch seine gröfsere Grausamkeit und 
Tapferkeit unterschied. Noch unter Stephan, als dieser „dux'* 
in Siebenbürgen war, liefs der Nachahmer Attilas und der Kha- 
ganen den Ungarn seine Nachbarschaft merken. Es wird von einem 
tatarischen Raubzuge, von Verhandlungen mit den Tataren um 
das Jahr 1263 erzählt: das Reich verlangt einmal die Hilfe des 
Papstes gegen einen seitens dieser Barbaren drohenden grofsen 
Angriff. Aber bald finden diese Krieger Nogais eine beinahe stän- 
dige Beschäftigung in der Balkanhalbinsel: dort werden sie vom 
byzantinischen Kaiser gegen den bulgarischen Zaren, von auf- 
rührerischen griechischen Würdenträgern gegen ihre Herrscher zu 
Hilfe gerufen ^). Nachdem Konstantin As^n erkrankt war, so dafs 
er keine Genesung mehr hoffen konnte, riefen die Bauern (1277) 
einen Schweinehirten, Lachanas oder Brdokba '), zum Zaren aus, 
weil er einen Haufen Tataren geschlagen hatte. Aber dieser Hirten- 
kaiser und ebenso der Byzantinerschützling Johann III. AsSn 
mufsten eine Zuflucht beim Donaubeherrscher suchen, als der Ku- 



1) Hurmuzaki I, S. 299, 310—311, 315-317, 339, 462—463, nr. 372: 
Schlacht von Lom; es war einer Ton den zwei Zügen, hei welchem der „junge 
Köni^" persönlich anwesend war (s. S. 349). 

2) Pachymeres I, S. 231ff., 34öff. 

3) Jireiek, S. 276, Anm. 21. 



Älteste byzantinische Berichte über die romäniBche Vergangenheit asw. 143 

xnane Terterij (1280) sie beide; durch eine neue glückliche Usur- 
pation ^ beiseite schob *); Nogai gab dem Streite für die bulga- 
rische Krone eine einfachere Lösung , indem er den Exhirten bei 
einem barbarischen Schmause erwürgen liefs. Etwas später wurde 
ganz Bulgarien und Thrakien verwüstet; und die Einwohner fan- 
den nur noch in den Städten Obdach. Der byzantinische Kaiser 
fürchtete, dafs die Balkan wlachen sich mit den Eindringlingen, 
Tirorunter sich sehr viele ihres Stammes befanden; die teilweise 
frohen Mutes, teilweise notgedrungen, nach tatarischer Weise mit 
Bogen bewaffnet und in Reiterscharen kamen, vereinigen könn- 
ten ^), und so wurden diese armen Gebirgsbewohner im Winter 
nach Asien geführt; wobei sie das meiste von ihrer bescheidenen 
Habe verloren ^). 

Aber gegen Ende des Jahrhunderts kam für Nogai die Stunde 
der Vergeltung, und zwar von einem der Seinigen. Ein anderer 
Grofser der Steppe erhob sich gegen ihu; Toktaj, ein Mann; der 
sich bald byzantinischer; halbkaiserlicher Verwandtschaft rühmen 
konnte ; Nogai wurde besiegt und getötet. Sein Sohn Tschuki; 
Schwiegersohn des Bulgarenzaren Terterij, welch letzterer in diesen 
schrecklichen Zeiten eine Zuflucht in Adrianopel suchte; aber vom 
Kaiser des Ostens nicht aufgenommen wurde ; da dieser so etwas 
sich nicht herauszunehmen wagte ; Tschuki versuchte die tata- 
rische Herrschaft in Bulgarien zu begründen, aber sein Schwager 
nahm ihn gefangen und liefs den Spröfsling Nogais durch die 
Juden von Trnowo (1295) schändlich töten *). 

Endlich lichteten sich diese Wirren, und Theodor Sv^tslav, 
der mörderische Schwager, trug ungefähr dreifsig Jahre lang die 
bulgarische Krone. Dennoch beherrschte er nicht das ganze Land ; 



1) Pachymeres, S. 433, 467; II, S. 265. 

2) Vgl. Niceph. Gregoras: Oi vnkg roö "Iotqov Maaaay^Tat . . . ^4lävot 
[^iläxoi?]. Maaaayirat mnfs in Verbindung mit ol n^gav "largo v r^rat ot 
öfiooxivot Totg Zxvd'Uig bei Cantacazenus I, S. 465 gebracht werden — ol d^ 
x«l xQiartavol TvyxdvovTigy ävfo&ev ^nena t^ ßtaCc^ X^^Q^ ^®*' £xv&Siv vnax-^ 
d^ivT€g, acjfxact fx^v i^ovlevaav äxovreg, t^v cf^ yvcafiriv avTovofjL(ctg «cl xait" 
ßCßqtaaxtv etpsaig xal rßv aaeßßiv aXXoTQ^cjaig ; I, S. 204. 

3) Pachymenes II, S. 106—108. 

4) Ebend. S. 262 flF. 



144 3. Kapitel. 

die Seeherrschaft des Mytzes ') war tatsächlich verschwunden; aber 
in Vidin bildete sich ein Gegenzarentum. Der bulgarische Herr- 
scher , mit welchem Stefan von Ungarn Krieg zu führen hatte, 
war ein gewisser Sentislav, russischer Herkunft^ der, auch in den 
Berggegenden anerkannt, sich mit seinen Besiegern verschwägerte 
und etwas später durch Frauenränke in Tmowo, wohin man ihn 
lockte, zugrunde ging ^). Nach ihm erscheint in Vidin SiimaO; 
der zu den Bewohnern des rumänischen Ufers in sehr engen Be- 
ziehungen stand, und bei ihnen gegen 1290 auch seine Zuflucht 
suchte^). Der Sohn dieses ^isman, Michael, wurde 1323 , nach 
dem Ausgange der Terteriden, Zar in Trnowo. Sein Neffe, 
Alexander, war nun der Schwiegersohn von „Bassaraba-Ivanko'' 
(Sohn des Ivanko), dem Wojewoden von Ungrowlachien. Michael 
bekriegte seine Feinde, vom Beginne seiner Herrschaft an, mit 
Verbündeten e^ OvyKQoßXdxfov ^) : es hatte sich nämlich ein einheit- 
licher rumänischer Staat aus den Rumänen, die unter der nomi 
nellen Herrschaft der ungarischen Krone lebten, gebildet, und 
dieser Staat bewies unter Bassaraba im Jahre 1330 dem Suzerän, 
dafs er siegen und unabhängig bestehen konnte. 

Bassaraba residierte in Arge^ ; er gehörte abo zu dem Stamme 
des Seneslav und war ein Sohn von dessen angeblichem Sohne 
Tocomerius ^) oder „ christlich '^ Ivanko, ein Enkel des östlich 
vom Oltflusse 1247 — 1251 regierenden Wojewoden. Seine Elrieger 
waren dieselben „Alanen", „Massageten", „Geten*', die sich nach 
dem Tode Nogais rühmten, in Wirklichkeit die Siege erfochten 
zu haben, die man jenem zuschrieb: Durch die Vermittelung 
des Bischofs von Viöina gelangten sie damals auf ihren Kähnen 
über die Donau, etwa 15 000 an der Zahl, und richteten im grie- 
chischen Reiche viel Gutes und Böses an ^). Aber wie konnte er 
seine Macht auf das benachbarte „Keneziat'^, wo Litovol regiert 



1) Jirecek, Gresch. der Bulgaren, S. 270, Anm. 3. 

2) Vgl. Pachymeres I, S. 181, die schon zitierten Diplome und Jire- 
«ek a. a. 0., S. 275—276. 

3) Daniel, der Berbische Greschicfatschreiber, bei Jiredek S. 282. 

4) Cantacuzenus I, S. 175—176. 

5) Tyhomir; vgl. den bulgarischen Zarenvater Tyh. 

6) Pachymeres II, S. 268flF. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumänische Vergangenheit usw. 145 

Iiatte, ausdehnen und die ungarischen Bane von Severin ver- 
drängen ? Teilweise, durch die unbewuTste Unterstützung der Un- 
garn selbst Die siebenbürgische Mark befand sich auch nach 
den Kriegen von 1260 in Unruhe: gegen 1270 wurde die bischöf- 
liche Elircbe von Gyula-Fehervär von den ihr beständig feind- 
lichen Sachsen in einem, übrigens unbekannten, grofsen Kache- 
zuge verbrannt ^). Als Ladislas IV. 1272 zur Herrschaft kam, 
"wollten Litovol und seine Brüder, bisher von Stefan im Zaume ge- 
halten, die schon 1247 und 1251 erwähnten königlichen redditus 
nicht mehr zahlen. Vielleicht standen sie mit den vidiner Bul- 
garen im Bunde, und auch Dorman — es ist dies ein rumäni- 
scher, auch geschichtlich erwiesener alter Name ^) — , gegen den 
der König persönlich zu Felde zog, zählte zu ihren Freunden. 
£in magister Georgius, Sohn des Bans Simeon, der noch 1331 in 
den Kökelgegenden lebte, wurde gegen sie geschickt. Aber Litovol 
fiel im Kampfe, und sein Bruder Barbat mufste mit vielem Gelde 
seine Befreiung aus der ungarischen Gefangenschaft erkaufen. Aus 
den Händen dieses Barbats hat sehr wahrscheinlich Bassaraba durch 
Elrieg oder friedlichen Vergleich, vielleicht auch durch eine Ver- 
schwägerung, das Land am Oltflusse bekommen und das Fürsten- 
tum der „ Transalpina ^', wie die Ungarn, das des „ungrowlachi- 
schen Landes'^, wie die Griechen und Slaven es nennen, ge- 
gründet 3). 

Das Erlöschen der arpadischen Dynastie war ein forderndes 
Ereignis, das desto günstiger wirkte, als ein neues Königshaus erst 
nach langen Kämpfen Anerkennung fand: als ganz Siebenbürgen 
in Waffen stand, um den deutschen König Otto von Bayern gegen 
den französisch - neapolitanischen Nebenbuhler zu schützen, und 
der mächtige Herrscher des Landes, Ladislaus, Wojwode von Trans- 
sylvanien und Szolnok, ihn auf den Schild hob, konnten die trans- 
alpinischen Dynasten ihre eigenen Organisationszwecke unbemerkt 
xind ungehindert verfolgen*). Noch im Jahre 1291 erscheint 



1) Zimmermann-Werner I, S. 132—133. 

2) S. den Johann Dorman, Unterbefehlshaber im Schlosse Crasov^, 1364; 
Hurmuzaki I*, S. 88, nr. 64. 

3) Hurmuzaki I, S. 394, nr. 434; S. 449, nr. 493. 

4) Was der steirische Chronist Ottokar von einer Gefangenschaft Ottos bei 

Jorga, Üeschiclite der Bamänen. I. 10 



IM 3. Kapitel. 

wiederum^ nach einer Zeit der Wirren, während der wie 1275 
drei Bane von Severin zur selben Zeit auftreten — als Befehls- 
haber von Severin der tapfere Bulgarenbesieger Laurentius, — der 
Sohn eines verdienstvollen transsylvanischen Wojwoden desselben 
Namens ^), der nach der Tataren Verwüstung im Auftrage des 
Königs für die Wiederherstellung der Landeskultur sorgte *); Lau- 
rentius besafs daneben die Würde eines Grafen der Burgen Kewe 
und Krassow und des nächstliegenden Landes, war also ein mäch- 
tiger Markgraf im Königreiche Ungarn *). Dies geschah zu jener 
Zeit, als der letzte König des Ärpadenstammes nach Siebenbürgen 
kam, um dort die Verhältnisse persönlich neu zu ordnen. Lau- 
rentius starb wahrscheinlich nicht lange darauf, und in den fol- 
genden Wirren fand er einen Nachfolger in dem Herrscher auf 
beiden Oltufern, welcher so zum walachischen „ Herrn des Banats 
Severin" wurde*). 

Der grofse Aufruhr der Siebenbürger Sachsen gegen Karl 
Robert, den Besieger Ottos, welcher ein persönliches Erscheinen 
des unbeliebten Fremden nötig machte und während mehrerer 
Monate die Anarchie an der Grenze der Karpathen entfesselte, ging 
dem Befreiungskampfe Bassarabas nur sechs Jahre voraus. Im 
Schatten dieser zwei verfallenden Gröfsen, der ungarischen und 
der bulgarischen, hob der junge rumänische „ transalpinische " Staat 
an der Donau energisch sein Haupt empor, die freie Luft der 
Unabhängigkeit, den Sonnenglanz siegreicher Schlachten ungedul- 
dig suchend, um frei aufatmen und sich entwickeln zu können. 

Bevor wir zur Erzählung der Befreiungskämpfe schreiteo 
können, ist eine Darlegung der Verhältnisse von Land und Leuten,, 
der herrschenden Sitten, der leitenden Gedanken und stärkeren 
Gefühle notwendig. Denn wenn man die Entwickelung eines- 



dem „walachischen" Wojwodea erzählt, beruht auf willkürlicher Entstellung^ 
der Tatsachen. Mon. Germ, hist, Deutsche Chroniken V, 1 — 2. 

1) Zimmermann-Werner I, S. 136-137. 

2) Ebenda S. 71, nr. 79. 

3) Hurmuzaki I, S. 519, nr. ccccxx. 

4) So nennt sich sein Nachfolger Mircea in den ersten Jahren des 15. Jahr- 
hunderts: Ar eh. ist. I, S. 98; Venelin S. 23. 



Älteste byzantinische Berichte über die rumftnische Yeigangenheit usw. 147 

"V^olkes verstehen will^ mufs man zuerst seine Eigentümlichkeiten 
kennen, die Eigenschaften, die hier bei dem deutlichen geschicht- 
liohen Hervortreten eines neuen Volkes als poUtische, miUtärische 
ixxid kulturelle Faktoren wesentlich mitwirken. Dabei ist aber 
mehr der innere Zusammenhang als die chronologische Aufeinander- 
folge ins Auge zu fassen. 



10' 



Zweiter Abschnitt. 

Wirtschaftliches und geistiges Leben des 

rumänischen Volkes. 






1. Kapitel. 

„Wandernde ^^ Hirten und ansässige Ackerbauer. 
Volkstümliche Einteilung der Rumänen in Bergleute 

und Bauern der Ebene. 

Als Volk von Bauern und Hirten, so erscheint das rumä- 
nische Volk an der Schwelle seiner Geschichte. Aber zwischen 
Hirten und Bauern gibt es keine zu scharfe Grenze. Selbst den 
Aräminen im Pindus war — das zeigt schon in gewissem Ma&e 
ihr Wortschatz für Feldarbeit und Felderzeugnisse — der Acker^ j 
bau auf eigener Scholle nicht grundsätzlich fremd. In dem Hirten- 
dorfe des Gebirges, wo die Frauen, Kinder und Greise gewöhnlich 
wohnten — die „rumänischen Berge" hiefs die Landschaft bei 
den Pinduswlachen , kurz die „Berge", muntele, ohne Beiwort 
bei den Rumänen im Norden der Donau — , war nicht die Be- 
schäftigung aller Einwohner ein und dieselbe. Nördlich der Donau ^) 
gingen die Männer mit den ernährenden, bereichernden Herden 
nur Ende Juni, um den Tag Petri und Pauli, in die Ebene, wo sie 
den ganzen übrigen Sommer, Herbst und Winter blieben, um erst 
mit dem grünenden Frühling zum Ostertage und den darauf folgen- 
den Festlichkeiten nach Hause zurückzukehren ^). Hier wohnten 

1) Für die thessalischen Yerhältnisse s. oben S. 93ff. ; hier wohnten die 
Familien in dem geschützten Tale, nicht im eigentlichen Gebirge selbst. 

2) Marian, Nunta la Romini, S. 73—74. 



Wandernde Hirten und ansässige Ackerbauer usw. 149 

sie mit ihren Familien während dreier ganzer Monate, und Hoch- 
zeiten und Zerstreuungen liefsen ihnen noch Zeit, um Hand an 
den Pflug zu legen und die Blutsverwandten bei der schweren 
w^rbeit des Frühlings, welche die Aussaat in den engen Tälern 
und auf den Hochplateaus mit sich bringt, zu unterstützen. Übri- 
gens ist die Frist von drei Monaten keine allgemeingültige; die 
-walachischen Fürsten beschwerten sich im 15. Jahrhundert, dafs 
die siebenbürgischen Hirten, die Ungurenl, d. h. die aus Ungarn 
kommenden, nicht selten das Weideland beim Einzug des Winters 
verliefsen, um, nachdem sie das Beste in den Tälern fiir ihre Schafe 
genommen, in die Heimat zurückzukehren ^). Die ständigen Ein- 
livobner des Dorfes waren übrigens nicht auf felsige unfruchtbare 
Höhen verbannt; beinahe nirgends trifft man in den fröhlichen 
Karpathen den kahlen, traurigen Stein wie in den dalmatinischen 
Bergen oder auf dem Rücken des Pindus, wo dem wilden Menschen 
ausschliefslich ein Hirten- oder Räuberleben beschieden ist. Hier 
bietet im Gegenteile das Land überall die Möglichkeit zum Ackerbau. 
Nicht nur die logische Folgerung, sondern auch Tatsachen, 
urkundlich erwiesene Zustände fähren zu dieser Wahrnehmung. 
Über das Leben des rumänischen Volkes in den Earpathen in 
früherer Zeit geben siebenbürgische und moldauische* Urkunden, 
Verträge und Privatbriefe die nötigen Aufschlüsse. In dem säch- 
sischen Mühlbacher Stuhle besitzen die Rumänen „ Hofstellen *' und 
verlangen deren mehr von dem fremden Oberhaupte des Markt- 
fleckens, imd trotzdem treiben die Hirten ihre Herden auf den 
benachbarten walachischen Boden, wo sie kraft der Verträge gegen 
eine besondere kleine Abgabe aufgenommen werden. Nicht fern 
vom Bihargebirge zeigt die Bevölkerung des Stuhles Broos eine 
besondere Lust zur Feldarbeit, und diese griechisch-katholischen 
Ketzer werden beschuldigt, sie hätten die Absicht, sich in den 
Session es christianorum langsam festzusetzen; als „Steuer- 
pflichtige des Königs^' verlangen die walachischen Dorfeinwohner 
das Ackerland, welches durch Wegnahme von Gebäuden verteilbar 
werde *). In dem ehemaligen Kronstädter Stuhle, wo vor der An- 

1) Studil 9i documente V, S. 157-158, nr. 105. 

2) Vgl. Amlacher, ürkundenbuch der Stadt und des Stuhles Broos. Her- 
mannstadt 1879. 8^ J o r g a , Säte ^i preotl din Ardeal. Bukarest 1 902. S. 106 ff. 



150 1. Kapitel. 

kunft der Sachsen in Siebenbürgen die Rumänen als Nachfolger 
der Slaven eine Ortschaft Bra^ov innehatten, lebten, gerade wie 
in dem grofsen marktähnlichen Dorfe Säcele, zahlreiche wohl- 
habende Hirten, ohne dals darum ihre Ansiedelungen, soweit sie 
nicht bis zu den Höhen selbst hinaufreichten, auf den Ackerbau 
der Nachbarn angewiesen gewesen wären. In einem anderen 
Winkel des südlichen Siebenbürgen, in der Gegend von Hermann- 
stadt, wo wieder die sächsische Stadt auch einen einheimischen, 
slavisch klingenden Namen, Sibiiü, trägt und von einem Gürtel 
netter blühender rumänischer Dörfer vom schönsten Nationaltypos 
umgeben und beschützt wird, schadet die zeitweilige Abwesenheit 
der Männer mit ihren Herden auf den „Muntenl" jenseits des 
Gebirges der Ausnutzung des reichen Bodens am Fufse der Kar- 
pathen nicht das geringste i). In dem „vidic", in der Umgebung 
von Bistritz, einer interessanten alten sächsischen Ansiedelung in 
der entfernten, isolierten nordöstlichen Ecke des transsylvanischen 
Landes, unmittelbar an die Moldau der früheren Tage grenzend, 
„gehen die Hirten in die Berge heraus" — lese la mun^I — , 
aber neben Schafen, Pferden, Ochsen, Ziegen besteht der Reich- 
tum der Bergrumänen, die ein ganzes reiches Gebiet innehaben, 
auch in Feldern, die von ihnen locurl, meine (slavisch) ge- 
nannt werden und auf denen sie die alte Nationalspeise des „meiü^' 
und der „hri^cä" ernten 2). In dem bergigen Marmoros, dem 
Maramure^ der Rumänen, die gröfstenteils gemeinsam mit den 
Ruthenen die Berge und Täler besitzen, haben die Rumänen nicht 
minder als die privilegierten ungarischen und sächsischen hos- 
pites des Königs ihren Anteil an den „terrae arabiles"^); ihre 
„possessiones" werden in königlichen Urkunden neben denen der 
anderen erwähnt *). 

In dem nordwestlichen Winkel des ehemaligen Fürstentums 
Moldau bestand bis zur Erwerbung der Bukowina durch Oster- 
reich eine Bauerngemeinde, die zwölf Dörfer oder kleinere An- 
siedelungen und etliche Berggruppen umfafste, die Langenaue oder 

1) Jorga a. a. 0., S. 118f. 

2) Studil 9i doc. V, S. 382ff. 

3) Mihalyi de Ap^a, Diplome maramure^ene I, S. 8. 

4) Ebenda, passim. 



Wanderude Hirten nnd ansässige Ackerbauer usw. 151 

Cimpulung. Die Angehörigen jener Gemeinde nahmen hinsicht- 
lich der Stenerpflicht eine besonders begünstigte Stellung ein und 
Tvurden von eigenen, zum Teil erwählten^ jedenfalls einheimischen 
und im Orte angesehenen Beamten regiert. Sie waren hauptsäch- 
lich Hirten und bezahlten ihre Steuern meistenteils in Schafherden^ 
die jährlich dem Fürsten für seine Eharadschleistung an die Pforte 
geliefert wurden. Aber obwohl sie immer als Hirten über die 
Schwierigkeit ihrer Ernährung in armen^ ungünstig gelegenen Orten 
klagten^ rodeten sie sich mit der Axt in der Hand doch kleine 
'Wiesen und Felder in den nahe gelegenen prachtvollen alten Wäl- 
dern; in diesen Rodungen, lazurl, runcuri*), der Frucht ihrer 
harten Arbeit, fanden sie alles, was sie zur Ernährung ihrer Schafe 
benötigten — die Cimpulunger stiegen nur selten, ausnahmsweise 
in die Täler der gröfseren Flüsse hinab — , und ernteten so viel 
Korn, später so viel türkischen Weizen, wie sie für den Haus- 
bedarf nötig hatten. 

So fallt denn mit der Kenntnis der wahren Volks- und Landes- 
zustände das geschichtliche Vorurteil von den ewigen, ziellosen, zur 
Verwirrung führenden „Wanderungen" der Hirten, aus denen im 
Mittelalter ausschliefslich das rumänische Volk bestanden haben 
soll. Die rumänischen Hirten waren nur ein Teil des zahlreichen 
Stammes und sie hatten für die Ernährung ihrer Herden ein ge- 
nügend begrenztes Nutzungsgebiet, das eine Generation der anderen 
überlieferte. Viele kamen aus ihren Zufluchtsstätten in den Bergen 
überhaupt nicht heraus, wie z. B. die Bauern von Cimpulung. 
In den ungarischen Urkunden trifft man andere Leute, die nichts 
sehnsüchtiger verlangten, als den Boden, der den Sachsen angewiesen 
wurde, als Weideland zu erhalten, und dann den neuen Herren 
des Landes ein „terragium" dafür bezahlten ^). Die Aräminen sind, 
obwohl sie sich von diesem Typus einigermafsen unterscheiden, doch 
nur ein diesen sehr nahe verwandtes, aus denselben ethnographi- 
schen Bestandteilen zusammengesetztes Volk, aber nicht ein entfernt 
lebender Teil des einheitlichen rumänischen Volkes; ihre Lebens- 
art wird durch eigentümliche Naturzustände in ihren Pindusnestem 



1) S. G. Pop viel in den Convorbirl Uterare XXV, S. 706 ff. 

2) Zimmermann-Werner I, S. 80. 



15S 1. Kapitel. 

bedingt, und erst in der jüngeren Zeit sind die dortigen Hirten 
ausnahmsweise bis „Bosna" — Bosnien — vorgedrungen ^). Die 
Wlachen, die im 14. Jahrhundert als zinspflichtige vorübergehende 
Besitzer der Weideplätze, aber auch als Ackerbauer und Besitzer 
von Weingärten erwähnt werden, sind nicht als die Nachkömm- 
linge des mösischen romanischen Elementes, welches, in diesen 
Gegenden am stärksten vertreten, seine Stellung behalten hätte, 
sondern als Aräminen in der Nähe von Prizren zu betrachten*). 
Es sind dieselben Bergbewohner, deren als Earawanenfiihrer und 
Hirten in der geschichtlichen Überlieferung Ragusas gedacht wird, 
die „Vlachi de montanea'^ Diese Makedo wlachen, deren Land 
in den obengenannten Denkmälern als „partes Vlachie^' erwähnt 
wird '), diese Vertreter des ehemaligen romanischen Elementes in 
Dalmatien und lUjrien, finden sich, der adriatischen Küste ent- 
lang, bis Zengg (Senj, Segna). Als Morlaken, Uskoken — bi» 
nach Krain — haben sie, wie bekannt, im 16. und 17. Jahrhun- 
dert in den Kriegen zwischen Venedig und den Türken eine 
Rolle gespielt, die sich derjenigen der alten lUyrier vor ihrer Be- 
zwingung durch die Römer vergleichen läfst. In dem Kampfe 
des Hauses Habsburg gegen die Osmanen machen die Walachen 
von Bosnien durch ihr Sengen, Brennen und ihre Kundschails- 
dienste im Feindeslande ihren Namen bekannt: sie sind in cete*) 
verteilt, von Wojwoden, Knesen und Harambaschen beherrscht 
und haben unter sich Priester und Bischöfe *). Alle diese Wlachen 
und Morlaken hatten schon in dieser Zeit ihre romanische Sprache 
verlernt und sich die slavische ihrer zahlreichen Nachbarn ange- 

1) Papahagi, Din literatura poporalä a Aromiailor, S. 938. 

2) S. den Zakonik von Stefan Dusan, Ausg. Novakovid und den romanti- 
schen Kommentar von Hasdeü in Archiva istoricä III. Vgl. den Chrysobulos- 
von Stefan üroschll. in dem Belgrader Spomenik IV (1890); eine Erklärung von 
J. Bogdan in den Convorbirl literare XXIV, S. 488 ff. 

3) Jorga, Notes et extraits Ü, S. 69. Besonders Jirecek, Wlachen und 
Maurowlachen in den Denkmälern von Ragusa (Sitzungsber. der böhm. GeseUsch. 
der Wissensch , 1879). 

4) „Tschetta". 

5) Vgl. Bi der mann in den Mitteilgn. des bist. Vereins für Steiermark 
XXI, Graz 1883, S. 3 ff.: Die Serbenansiedelungen in Steiermark und im Waras- 
4iner Grenzgeneralate. Dazu Ungedrucktes im Grazer Archive. 



Wandernde Hirten und ansässige Ackerbauer usw. 153 

eignet: nur in dem Gemeinnamen von „Wallachen*', „Ballachen'', 
„ Wlahones", in etlichen beibehaltenen Worten und in ihren Tauf- 
namen: Radul, Päunovicl, Frincal, Dragul, Barbul^ Barbicl usw. 
läfst sich ihr Ursprung noch erkennen. Ihre ,, zirulischen ^' Briefe, 
durch welche sie ihre Treue gegen die Christenheit und ihre Ver- 
treterin, die habsburgische Monarchie, im Jahre 1596 erklärten, 
waren unzweifelhaft serbisch geschrieben. Obgleich sie eine Or- 
ganisation haben, die derjenigen der Rumänen ziemlich ähnelt — die 
Aräminen kennen den Namen von Knesen und Wojwoden nicht 
und sind gewöhnt, nur fremde Oberhäupter anzuerkennen — scheinen 
auch diese wlachischen Uskoken in Dalmatien, Erain („Border- 
land '', Grenze) und Bosnien oder Slawonien ein in der Ferne ge- 
l)liebener Zweig der letzteren zu sein und keine nähere Blutsver- 
wandtschaft mit den Bewohnern der Donauufer zu haben. Weiter 
finden sich bis heute in Istrien rumänische Bauern, die, in un- 
gefähr neun Gemeinden der Halbinsel wohnend — Castelnuovo, 
Pisino, Albona usw. — , nicht nur ihren Nationalnamen Rumeri 
— durch Rhotazismus aus Rumeni entstanden (von den slavischen 
Nachbarn werden sie spöttisch Cißi oder Ciribiri nach einigen 
Worten ihres Sprachschatzes *) genannt) — beibehalten haben, son- 
dern auch, besonders in der älteren Generation, zum Teile den 
Sprachgebrauch der alten Zeiten. Ihre Mundart betrachten die 
Philologen als einen besonderen, den dritten Zweig der „rumäni- 
schen " Sprache, in welche sie auch die aräminische einschliefsen — , 
aber durch die Behandlung des 1 zwischen c, g und einem Vo- 
kale, durch die Erhaltung des fi, durch Formen wie miarä, 
reace, für miere, rece, wobei sich, wie im Aräminischen, der 
Umlaut des Diphthonges ea zu e in gewissen Fällen nicht findet, 
durch die Ersetzung des 6 durch ts usw. unterscheidet sich diese 
Mundart von dem Rumänischen, wie es heute gesprochen wird, 
während sich darin eine Ähnlichkeit mit dem Aräminischen finden 
läfst*). Andrerseits werden die Rumeri von ihren slavischen 
Nachbarn, in die sie, ihre Sprache immer mehr vergessend, bald 
aufgehen werden, mit dem Namen von „ Ciöerei " bezeichnet. Das 

1) S. auch PopOYicI in Eomania, Jahrg. 1903. 

2)S. Philippide, Introducere in istoria limbei ^i literaturei romine 
(Jassy 1888), S. 28-29. 



154 1. Kapitel. 

Wort, dessen Erklärung oft vergebens versucht wurde, ist vi< 
leicht nichts anderes als Tsintsar, eine Bezeichnung, die den 
minen von den sie umgebenden Fremden, neben dem andei 
„ Kutzowlachen ", hinkenden Wlachen, d. h. einfach : Bergwlachei 
da sie ihren unbeholfenen Gang auch auf der Ebene und in d( 
Städten behalten, beigelegt wird *). 

Der Name Tsintsarl — mag dessen Ursprung nun von Sli 
ven, Griechen oder Türken erfunden worden sein — bezi( 
sich keinesfalls auf die Eigenart der Makedo- und Istrorumänei 
das ö, welches auch den Griechen unbekannt ist, mit ts zu vei 
tauschen. Er ist vielmehr einer dieser rätselhaften Namen, 
dem die Bergleute, besonders Hirten, von den Einwohnern d( 
Flachlandes bezeichnet werden, und er entspricht einigermafsen der 
oben gegebenen Erklärung der „ Hinkenden ". Die Hirten auf dem 
linken Ufer der Donau, die eigentlichen Rumänen, fühlen sich seihst 
als etwas von den Bewohnern der Ebene, den Eigentümern des 
Landes: ^arina,^ara und der Sümpfe: balta verschiedenes. Als 
Herren des Gebirges und zugleich Ausnützer der Ebene betrachten 
sie sich selbst als edler als diese und nennen mit Stolz die Berge 
(muntele) ihre Heimat. Sprachunterschiede gibt es auch zwischen 
dem Hirten und dem Feldbauer: so haben die Bewohner der 
Höhen und Täler des Bihar eine Menge örtlicher Ausdrücke, die 
anderswo zwar verstanden, aber nicht gebraucht werden. Ihre 
Kleidung ist, was Form und Stoff anlangt, nicht dieselbe: die 
Hirten tragen enge, sehr lange und gekräuselte Hosen, welche 
itarl heifsen, und die nur noch in dem Hügellande der Moldau, 
nicht aber auf der ungarischen und walachischen Ebene bekannt 
sind. Der ^eran, der Bauer an den Flüssen, in Siebenbürgen, 
jenseits des „Waldes " gegen die Theifs, in der Walachei und Moldau, 
gibt dem Nachbarn, welcher sein Gast während der Winterzeit 
wird, den Namen Muntean, Pädurean, d. h. Einwohner der 



1) Vgl. noch über die Istrorumänen loanMaioresca, Itinerariu in Istria, 
2. Ausg. 1874 und 1900; Miklosich, Wanderungen und Rumunische ünter- 
ßuchungen I, in den Denkschr. der Wiener Akademie XXXII, 1881; weiter 
Byhan in dem Jahresberichte dos rum. Seminars von Dr. Weigand in Leipzig, 
Bd. VI; Popovicl in den Studj di filologia roraanza IX, 26. 

2) S. Frincu ^i Candrea, Kominil din Mundil apusenl. Bukarest 1888. 



Wandernde Hirten und ansässige Ackerbauer usw. 155 

Berge und Wälder^), aber gewöhnlicher die Namen Mocan oder 
Moty d. h. den ersten oder den zweiten, je nach der Höhe, in 
der sich die Ansiedelungen der Bergbewohner befinden, und den 
diesen Ortsverhältnissen entsprechenden Trachten. Durch seine 
Wanderungen in die Dobrudscha und nach Bessarabien im Süd- 
osten ^ wo die weiten öden, mit wildem, hohem Grase bewach- 
senen Gefilde sich ausbreiten, hat sich besonders der Mocan als 
klassischer Hirte einen grofsen Ruf erworben. Mit dem Bei- 
namen Mocan, Mo^ für den HerdenfUhrer ist auch der Name 
Cinöer, 'fin^ar und, noch mehr, der Name Hu^ull — ursprüng- 
lich gewifs Hu^I, wozu später der mit der Zeit unverständliche 
Artikel gekommen ist — für die slavisierte Hirtenbevölkerung im 
"Norden der Bukowina in Verbindung zu bringen. 

Für den Mocan und Mo^ ist der auf sein Feld angewiesene 
fiauer, der immer arbeiten mufs, damit neue Nahrung emporsteigt, 
ein ^eran, wie das platte Land im allgemeinen ^ra genannt 
wird, wie noch heute der Hirte aus der Kronstädter Gegend in 
Siebenbürgen das Königreich Rumänien nur ausnahmsweise mit dem 
Staatsnamen Romänia, im gewöhnlichen Sprachgebrauche aber 
mit der alten Bezeichnung ^ara, Land, belegt. In nationaler 
Färbung ist für ihn die tara eine ^ara • Romäneascä, das rumä- 
nische Land, soweit er in der Mehrheit oder ausschliefslich Leute 
findet, die sich mit ihm verständigen können. „In dem ganzen 
rumänischen Lande% singt das Volk, „gibt es kein Mädchen 
dem ardelenischen (transsylvanischen) gleich*'. Die anderen, von 
den Gebildeten und Ungebildeten später gebrauchten geographi- 
schen Bezeichnungen: Ardeal, Muntenia, Moldova, Dobrogea, Ba- 
sarabia, Bucovina, Bugeac wurzeln in bekannten späteren ge- 
schichtlichen Ereignissen: Ardeal ist das ungarische Erd^ly, das 
von dem König der Pufsta eroberte Land, Moldova kommt aus 
der alten ^ara Moldovel, deren Erklärung bald gegeben wer- 
den wird; Muntenia nennen die Moldauer das ehemalige Fürsten- 
tum Walachei, weil es in der Zeit, als das „moldauische Land" 
einen Herrscher bekam, noch nicht als Staat von den hohen Bergen 



1) Silvestru Moldova», ^ara noasträ. Hermannstadt 1892. S. 60 
bis 61. 



156 1. Kapitel. 

bis hinab zur Ebene reichte; die Herrschaft der walachischeo 
Dynastie der Bassaraben hat der Qegend nördlich der Donaamün' 
düngen den Namen Basarabia gegeben ^ und die russische Er- 
oberung erstreckte diese Benennung bis Hotin ^ auf die ganze 
Insel zwischen dem Pruth, Dnjestr und der unteren Donau. Diesen 
alten angulus des Mittelalters haben zuerst die Tataren bei ihrer 
Festsetzung in dem eigentlichen^ geschichtlich erwiesenen Bessara- 
bien zum Budschak gestempelt. Bukowina heifst Buchenwald. 
In früheren Zeiten wurde diese Benennung nur für den Wald 
überhaupt gebraucht, und so selten, dafs man sie in geschriebenen 
Quellen nur spärlich findet ^). Bei der Eroberung des Landes durch 
Osterreich mufsten die kaiserlichen Beamten einen Namen für das 
ganze Gebiet haben, und so entstand denn der heutige Sinn des 
Ausdruckes Bukowina. 

Im Lande, d. h. im rumänischen Lande, orientierten sich die 
Einwohner nur nach den Flüssen. Diese Sitte hatten die Rumänen^ 
Verdränger und Nachfolger der Slaven in der Ebene, von diesen 
übernommen, welche überall ihre Nomenklatur dem hydrographi- 
schen Netze aufgezwungen und auf den Flufsufern ihre später 
verschwundenen Gradiste, die Burgen, für ihre Wojwoden errichtet 
hatten. In Pannonien geschah bezüglich der Magyaren dasselbe, 
als sie an der Stelle der aufgesogenen Slaven als ein neues Volk 
auftraten: so sagt ausdrücklich Otto von Freising im 12. Jahr- 
hundert, dafs die Ungarn keine systematische Landeseinteilung 
besitzen und das Land ihres Königs „nach den Flüssen'^ ein- 
teilen^). In Siebenbürgen, wo die §chel, die Slaven (Sclavi) 
— vgl. den Namen der rumänischen Vorstadt von Brasov-Kron- 
stadt — , nur langsam absorbiert wurden, werden bei allen Ver- 
leihungen seitens des Königs die Grenzen nach fliefsenden Ge- 
wässern angegeben, wie man sie später auch, bei Schenkungen 
der walachischen und moldauischen Wojwoden findet; wie dort 
verleiht man dem „treuen Diener" des Herrschers das Gebiet 



1) Vgl. Ulianickij, Materialien zur Geschichte von Kufsland, Polen,. 
Moldau, Walachei und Türkei im 14. bis 15. Jahrhundert (russisch). Moskau 
1887. S 23. 

2) Monum. Germ. hist. SS. XX, S. 368—369. 



Wandernde Hirten and ansässige Ackerbauern usw. 157 

zwischen zwei Flüssen, eine insula, wie der lateinische Ausdruck 
lautet^ und nach dem Namen der Eigentümer ist von insula 
Ohristiani oder insula Gerhardi ^) die Bede. Im Volksmunde leben 
bis heute die auch durch die geschichtliche Überlieferung unzählige 
Male bezeugten Flufsnamen fiir Land und Leute, um ihre Be- 
grenzung oder ihren Ursprung anzudeuten. Man sagt in Sieben- 
bürgen, neben Ardeal, das sich bis jetzt nicht sehr tief in die 
Volksseele eingeprägt hat: „pe Some§", „pe Timave", um den 
nordiTvestlichen Teil der Provinz nach den dort rinnenden Wassern 
Kokel und Szamos zu bezeichnen. Der südwestliche Winkel, ein 
schönes, romantisches Gebiet mit hohen Gipfeln und kristallhellen 
Bergfiüfschen , wo ehemals die Hauptstadt im Reiche des Deke- 
balus stand^ wird "("ara Ha^egulul genannt, gewifs nach dem 
alten Namen des bedeutendsten dortigen Wassers, des heutigen 
Streiü; die „terra Harszoc" wird auch urkundlich in einer könig- 
lichen Schenkung vom Jahre 1247 erwähnt*). Die 'fara Ha^- 
gulul steht in unmittelbarer Berührung mit den Tälern des Jiiü, 
die „pe Jiiurl'^ heifsen; jenseits der Grenze bestand ein freies 
Land der „Jiiuri", welches später bei der Gründung des wala- 
chischen Fürstentums in zwei Gerichtsbezirke (jude^e), den von 
Ober- und Unter- Jiü, mit slavischer Terminologie : „ Gorjiü-Gorj " 
und „Doljiü-Dolj" zerfiel. Hier findet man jenseits der Grenze 
eine besondere Tracht, welche vielleicht auch diesseits zu beob- 
achten ist. Ein viel gröfserer Flufs, der mächtige, breite, ruhige 
01t, Alt der Sachsen, kennzeichnet die'faraOltuluI, auf seinem 
rechten und linken Ufer, in Siebenbürgen wie in der Walachei: 
die „possessio Fogros", das spätere Vasallenherzogtum von Fo- 
garas — der Name (Fägära^), von Fag, Buche ist lateinischen 
Ursprungs — liegt neben dem Flusse 01t im Oltlande ^). Die 
Bewohner der ehemaligen kleinen oder österreichischen Walachei 
heifsen im allgemeinen Oltenl, aber der alte Gerichtssprengel des 
01t existiert bis heute in der Nähe von Slatina, einer alten sla- 
vischen Ansiedelung auf dem rechten Ufer des Flusses. Von dem 
Fogaraser Gebiete kommt man jetzt östlich in Südsiebenbürgen zur 

1) S. Zimmermann-Werner-Müller I, II, unter: insula. 

2) Zimmermann-Werner I, S. 74. 

3) Zimmermann-Werner I, S. 177, nr. 244. 



158 2. Kapitel. 

'{'ara-Birsel; deren Hauptstadt Brasov ist^ die Stadt der Krone; 
auch hier hat der Flufs, der riü (rivus) das Land benannt. Die 
grofse Hauptader der siebenbürgischen Bergfestung ist der Ma- 
rcs, rumänisch Mures, und die Bewohner der angrenzenden Dörfer 
werden Muränen! benannt. In dem ungarischen Lande, westlich, 
jenseits der Biharhöhen, ist das Land des Cris (Koros) : da wohnen 
die Crisenl, welche für den Mocanen und Motzen etwas von der 
rumänischen Welt ganz verschiedenes sind. Was im Nordwesten 
des „Ardeals^^ als vidic, d. h. Gebiet der sächsischen Stadt 
Bistritz, die ihren Namen dem hier durchfliefsenden Bache Bistritz 

— dies ist ein bekannter slavischer Ausdruck für Flüsse — ver- 
dankt, war sicher in älteren Zeiten eine "fara Bistri^el. Jen- 
seits des Gebirges gründeten marmorosische Edle walachischen 
Blutes einen Zukunftsstaat auf dem Gebiete des Moldovaflusses, in 
der 'fara Moldovel. Auch in der Moldau werden etliche von 
den uns schon aus der ersten Zeit überlieferten Bezirksnamen 

— rumänisch heifst der Bezirk ^inut — nach den Flüssen be- 
nannt: Covurluiü, Tutova, Putna. Das ist die Regel bei den 
walachischen Gerichtssprengeln, judete: so Arge^, 01t, vielleicht 
Teleorman, dann: Dimbovi^a, lalomi^a, Prahova, Ilfov; noch im 
Anfange des 15. Jahrhunderts werden die Zöllner „der Prahova" 
erwähnt ^). Die Handels wege waren auch nach den Flüssen orien- 
tiert und entsprechend benannt: so führten um 1500 die Routen 
der Dimbovi^a, der Prahova, des Teleajin in der Walachei nach 
Bukarest — Giurgiu und Buzäü — Bräila ^). 



2. Kapitel. 
Das Stadtewesen. 

Die Rumänen hatten keine Märkte und Städte: diese tragen 
vielmehr hier und da fremde Namen, die ihren Ursprung beleuchten. 
In Bai a, wovon das eine in der Moldau dicht neben dem Bistritzer | 
siebenbürgischen Gebiete liegt, das andere — Baia de Aramä, l 

1) Bog d an, Documente $1 regeste privitoare la relatiüe ^äril-Bomine^tl 
cu Bra^ovul ^i Ungaria. Bukarest 1902. S. 14, nr. x. 

2) Ebend. S. 135—136. 



Das Städte Wesen. 159 

das Crz-Baia — j zum walachischen Mehedintzer Kreise, das dritte 
— Baia-de-fier — zum oberen Jiiü-Bezirke gehört und von denen 
die beiden letzteren in dem ehemaligen ungarischen Banate liegen, 
erkerint man das ungarische Banja, Bergwerk, welchem das sla- 
vische Eodna — Eodna unmittelbar bei Bistritz gelegen — ent- 
spricht. Nun weifs man, dafs Baia, auch „Moldova*', „Stadt 
Molde*', „Moldovabanya" genannt^), eine Gründung der Sieben- 
bürger Sachsen aus dem Bistritzer Stuhle ist. Von der Gemeinde^ 
ihrem „ Groffen " und den Richtern, welche ihm zur Seite standen, 
hat man ziemlich viele Briefe an die Verwandten aus der sieben- 
bürgischen Hauptstadt; diese werden bis in das 17. Jahrhundert 
deutsch geschrieben, d. h. „ sächsisch '^ Die Richter oder Grafen 
fiir die Bergwerke heifsen Bender, Kirschner usw. Der Name 
„Banja^' wird erst sehr spät gebraucht und, als ein moldauischer 
Beamter einen Brief von hier datiert, lautet der Name der Stadt 
magyarisch: „Boia'^ ^). Ein moldauischer Fürst aus dem Anfang 
des 15. Jahrhunderts, der Baia besonders begünstigte, Alexander 
der Gute, datiert eine Schenkung von „ Bani " ^). Die ausgewan- 
derten Sachsen blieben ihrem katholischen Glauben treu: in der 
grofsen Kirche der hl. Jungfrau, die ein hoher steinerner Turm 
beschützte und die fünf Altäre zierten, einer Gründung desselben 
Fürsten Alexander, ruhte unter dem Taufbecken die katholische 
Fürstin Margarete, Alexanders Gemahlin. Daneben bestand auch 
ein Kloster, das „monasterium moldavicense '', und weiter draufsen 
in der Flur ein Kirchlein S. Peters. Steinerne Gedenktafeln, von 
und für deutsche Bürger von Baia errichtet, wurden in den letzten 
Jahren dort aufgefunden ^). Bei aller Sorge um das Seelenheil 
ward aber das irdische Wohl und das selten lockende Vergnügen 
auch nicht vernachlässigt: Baia hatte seine Bierbrauerei, und durch 
die Bekanntschaft mit dem Bier der getreuen Bürger dieser Stadt fand 
vielleicht der grausame Alexander Läpusneanu um die Mitte des 



1) Jorga, Documente romiae^tl din Arch. Bistri^I II, S. 130; besonders 
I, S. xrv. 

2) Ebenda I, 8. 83; vgl. Hurmuzaki XI, Kegesten, S. 904. 

3) Orest Popescul, Cäteva documente moldovenescl. Czernowitz 1895. 
S. 4. 

4) Bandini, in den Jahrbüchern der rum. Akademie XVI, S. 243 ff. 



160 2. Kapitel. 

16. Jahrhunderts Geschmack an diesem in der übrigen Moldau beinahe 
unbekannten Getränke *). Unter diesem bierdurstigen Wojwoden 
fertigte man in Baia auch Ziegel für die frommen Stiftungen desselben 
grausamen Tyrannen, aus einem Lehm, der besonders gerühmt wird^). 
Dafs die „Groffen^', rumänisch „§oltuzI", nach den über Polen ge- 
komnienen Schultheifsen genannt wurden, dafs Nikolaus oder Georg 
Kischnervon den Fürsten Giurgiuman und Nicoarä benannt wurden^), 
nimmt der Stadt ihren fremden Charakter nicht. In den Fürsten- 
urkunden selbst werden die Bajer als „Sachsen von Baia*' be- 
zeichnet^), und nach ihrem Nationalnamen haben die Kolonisten 
die nächstgelegene Ortschaft Sasca genannt ^). Den Bergen, welche 
die Landesgrenze gegen Siebenbürgen bildeten, sehr nahe gelegen, 
nur zwei Meilen davon entfernt, blieb Baia in seinen guten Tagen 
immer eine Vertreterin fremder Kultur auf rumänischem Boden, 
und das einheimische Element überwog erst in der Zeit des Ver- 
falls. Diese kam erst, nachdem Bistritz selbst seinen Reichtum 
und sein blühendes geschäftliches Leben eingebüfst hatte **). 

Weiter unten in diesem Landstriche zwischen dem Sereth und 
den Karpathen liegt Roman, an demselben Moldauflusse, welcher 
an Baia vorbeifliefst. Eigentlich hiefs die Stadt, in der slavi- 
schen Staatssprache der Urkunden, poMancKHi Topr, die Stadt 
Romans, und als Begründer nennt die, durch Chronisten aus 
dem 17. Jahrhundert, Miron und Nikolaus Costin, vermittelte Über- 
lieferung den Fürsten Roman aus dem 14. Jahrhundert. Dies 
stimmt übrigens zu der Bezeichnung als noBorpa;!!;^ d. h. Neue Stadt, 
die der angeblichen Stiftung des Roman beigelegt wird. Roman 
erscheint auch unter dem Namen von Untere Stadt (eine Urkunde 
wird oy jifiJiKeuh TpLr« datiert), und das Bistum, welches hier schon 
im 14. Jahrhundert errichtet wurde, hiefs das „Bistum des Un- 
teren Landes". Stephan der Grofse erbaute zum Schutze der Stadt 



1) Wickenhauser, Moldawitza, S. 88, 94, 95; Doc. Bistritel I, S. lxix. 

2) Doc. Bistr. I, S. Lxvm. 

3) Hurmuzaki XI, S. 903—904. 

4) Arch. ist. I \ S. 102. 

5) a. a. 0. 

6) Vgl. auch Studil ^i documente V, S. 69, nr. 1; VII, S. 10.4, nr. 8 
(Siegel von Baia mit der Jahreszahl 1200); I, Vorrede. 



Das Stadtewesen. 161 

die FestoDg Smeredova und hatte auch hier, wie in den meisten 
städtischen Ansiedelungen seines Landes^ eine Residenz. Die Ver- 
waltang war dieselbe wie in Baia und stellte eine Nachahmung 
der siebenbürgischen Verhältnisse dar; das Stadtsiegel hatte ^ wie 
in diesem letzteren Orte, eine lateinische Inschrift, oder eine sla- 
vische mit lateinischen Buchstaben. Der fürstliche Begründer hatte 
zur Stadtgründung, wie das bereits üblich war, fremde Elemente 
eingeladen, und solche waren auch aus dem Sachsengebiete in 
das Nachbarland gekommen, wie sich auch welche aus den un- 
garischen Bergdörfern — diese gab es schon in dieser fernen Zeit 
in beträchtlicher Zahl — einfanden. Der Unterschied zwischen 
ungarischen und sächsischen Bürgern blieb bis in späte Zeit be- 
stehen und war noch im 17. Jahrhundert lebendig. Wir besitzen 
Briefe der Romaner Gemeinde aus etwas früherer Zeit, und als Ver- 
walter derselben werden Leute genannt, die entschieden fremde 
Namen tragen ^). Sogar einen „Hrotan Dragoman aus dem tirg 
Roman '^ erwähnt eine Urkunde von 1570; Dragoman hiefs der 
mündliche Übersetzer, der Dolmetsch *). 

Nordwestlich von Roman, fast im Gebirge, stand schon im 
14. Jahrhundert, und zwar in dessen letzten Jahren, ein grofses 
Kloster, die Stiftung eines der ersten Metropoliten des „moldaui- 
schen Landes^'; erbaut hat dieses berühmte Gotteshaus namens 
Neam^ der Fürst Peter Mu^at um dieselbe Zeit. Schon im 15. Jahr- 
hundert wird neben dem Kloster eine Burg erwähnt, in der zwei 
Burggrafen, oder pircälabl, residieren. Die Fürsten kamen 
zuweilen nach Neam^, meistens durch die unaufhörlichen Kämpfe 
um die Krone dazu gezwungen. Unter der Burg, auf dem 
Wege zum Kloster hatte sich schon um diese Zeit eine gröfsere 
Ansiedelung, ein tirg oder Marktflecken, gebildet, und zwar trug 
dieser ebenfalls den Namen Neam^. Neam^ bedeutet für den Ru- 
mänen so viel als „ Deutscher ^^. Ein katholischer Visit ator aus 



1) Vgl. die Anmerkungen bei J. Bogdan, Vechile cronioe moldovene§tI päna 
la ürechiä, S. 262—263; Cronice inedite, S. 58, 76; Bandini, Annalen der ram. 
Akad. a. a. 0., S. 236—237 ; H u n f a 1 vy , Die Eumänen und ihre Ansprüche, S. 129, 
Anm. 3; Alelchisedek, Chronica Bomanului I; ürechiä, Sigilografia rominä; 
Studil §i doc. V, S. 74, nr. xvi; Doc. Bistr. I, S. vn; II, S. 113, nr. 10. 

2) Uricariul XVIII, 8. 179. 

Jorga, Gesehiehte der Bam&neiL. I. 11 



162 2. Kapitel. 

dem 17. Jahrhundert fand in dem ärmlichen Markte^ der schon seit 
langem vollständig romanisiert war^ drei kleine hölzerne Kirchen 
der ,^ Schismatiker'^; aber unter dem ebenfalls hölzernen römischen 
Bethause standen die Grundsteine einer ehemaligen gröfseren ^^deut- 
sehen" Kirche, und, mit mehr oder weniger Übertreibung, spra- 
chen die Einwohner des heruntergekommenen Ortes von der glück- 
lichen Zeit, als die Sachsen, die alleinigen Bürger in dem nach 
ihnen genannten tirg, fünf Kirchen besafsen und sich durch leb- 
haften Handel bereicherten ^). Das ist wohl im grofsen und ganzen 
richtig: liegt doch Neam^ am Abhänge des Gebirges dort, wo der 
Bicazpafs nach Bistritz führt. Um diesen Pafs in den Händen 
zu haben und um durch das „moldauische Land" zum Sereth- 
tale zu gelangen, hatten gewifs die Bistritzer, die Gründer von Baia, 
auch diesen kleineren Stapelplatz angelegt ^). Noch um 1 60O 
herum hatte Neam^ eine „ deutsche " eigene Verwaltung, mit einem 
^oltuz und zwölf pirgarl, neben denen auch die Altesten, bätrini, 
erscheinen: für die Umgebung wurde ein Jahrmarkt gehalten, und 
es besuchten diesen, um Vieh zu kaufen, sogar Bauern aus Cim- 
pulung ^) ; die Eintragung der Käufe erfolgte in ein Register oder 
catastif des Marktes *). 

Von Baia nach Roman ging auf dem linken Ufer der Mol- 
dova der Handelsweg, der weiter nach dem früher begründeten 
rumänischen Fürstentum der sogenannten Walachei führte. Ro- 
man entsprach, was seine geographische Stellung anbelangt, dem 
Tulghe^passe (Tölgyes): von dem nächsten Bruche in der Ge- 
birgskette kam man, den meist ungarischen Dörfern älterer, vor- 
und nachtatarischer Gründung, entlang, durch die Salz werke von 
Ocna ^) nach Bacäü, wo die Moldova in den Sereth mündet. Die 
Stadt, weniger bedeutend als Roman, trägt einen magyarischen 
Namen: auch hier besteht bis zu unseren Tagen eine katholische 
Gemeinde; im 15. Jahrhundert wurde Bacäü, wo sich früher schon 



1) Bandini S. 240. 

2) Brief von Neam^, rumänisch, in Doc. Bistrit^el I, S. 4, nr. vn. 

3) a. a. 0. I, S. 4, nr. vn. 

4) a. a. 0. I, S. 25, nr. xxxiii. 

5) Magyarisch Akna; vgl. Vizakna in Siebenbürgen, wie auch die wala- 
chische und die oltenische Ocne. 



Das Stäiltewcsen. 16S 

die Franziskaner aus dem szeklerischen Ceik angesiedelt hatten, 
die Residenz des ^^ lateinischen '' Bischofs und blieb es, dem Na- 
men nach wenigstens, bis ins 18. Jahrhundert *). 

An dem nächsten Karpathenpasse, dem Oituz, hatten magya- 
rische Ankömmlinge den Markt Trotu§ gegründet an dem Flusse 
gleichen Namens, der vom scheidenden Gebirge herunterfliefst. 
"Protus ist der Ort, den im 15. Jahrhundert das Heer des Königs 
]Sf atthias von Ungarn brandschatzte und wo hussitische Magyaren 
einen Teil von den heiligen Büchern in ketzerischer Übersetzung 

aJte, sehr seltene Sprachdenkmäler der magyarischen Sprache — 

i?viedergaben *). Im folgenden Jahrhundert kehrten diese Verirrten 
in den Schofs der katholischen Kirche zurück und werden als 
ihre treuen Söhne von den Visitatoren bezeichnet. Auch nach 
1650, als das fremde Element in den rumänischen Städten und 
Märkten seine ursprüngliche Bedeutung zugunsten [der Rumänen 
schon eingebüfst hatte, war der iudex von Trotu^, der ^oltuz, 
ein Ungar und Katholik '). In der Blütezeit war Trotu§ bedeu- 
tender als Bacätl selbst, imd man konnte in Siebenbürgen noch 
im Jahre 1538: „Bacäü, eine Stadt, welche vier Meilen von Trotu^ 
steht ^' schreiben ^). Alexander Läpuisneanu und Jakob Heraklides, 
moldauische Fürsten desselben Jahrhunderts, hielten sich ftir ihre 
auswärtigen Beziehungen mit der ungarischen Welt Siebenbürgens 
Schreiber, Diaken, aus Trotus, die ihre Muttersprache nicht ver- 
lernt hatten *). Der ^oltuz von 1591 — welcher in einer Urkunde 
die Landessprache benutzt — heifst Tama^ (Tamas) und gehört 
mithin zu der älteren fremden Bürgerschaft ^). In den ersten Zeiten 
ging durch Trotu^ der ganze, nicht gering zu schätzende Handel 
mit der grofsen Handelsstadt der Sachsen im Burzenlande, mit 
dem blühenden Bra^ov (Kronstadt), und in diesem moldauischen 
Orte safsen die Zöllner des Fürsten, um den Zoll von den Händ- 

1) Studil §1 doc. I, Vorrede. Der Fürst war hier durch einen üread- 
nic vertreten; üricariul XVIII, S. 179. 

2) Zwei alte ungarische Texte aus einer Hs. der E. bay. H.- u. Staats- 
bibliothek von Friedrich Keinz; München 1879. 

3) Band in i S. 212. 

4) Doc. Bistr. I, S. xxxvm. 

5) Doc. Bistr. I, S. lxi, lxvi. 

6) Arch. ist. IS S. 105. 

11* 



164 2. Kapitel. 

lern zu erheben. Aber nicht nur die in der Moldau angesessenen 
oder die siebenbürgischen Handelsleute trafen sich auf dieser Ver- 
kehrsstrafse : es kamen regelmäfsig aus dem galizischen Lemberg 
Deutsche, und besonders Armenier: sie wählten diesen sicheren und 
kurzen Weg, um nach Kronstadt zu gelangen ^). Die Stellung 
von Trotu^ war um so wichtiger, als man durch zwei Täler, so- 
wohl von dem Gyimes- als von dem Ojtuzpasse aus, bei der Ver- 
einigung der Grenzbäche dorthin gelangen konnte. Die Bedeu- 
tung von Trotu§ wurde noch erhöht durch die in der Nähe liegen- 
den Salzwerke, deren ungarische Ausbeuter, Ciangäl oder ^angal, 
aus dem dortigen Dorfe, das um das Jahr 1650 300 Häuser zählte, 
und anderen Orten der Gegend die Früchte ihrer Arbeit nicht 
nur an den fürstlichen Eammermeister (Cämära^) von Ocna ab- 
lieferten, sondern gewifs auch die Bürger von Trotu^ versorgten 
und jedenfalls ihren Lohn in den Schenkhäusern des Marktes ver- 
zehrten und vertranken ^) : der Hammer dieser ^angäl erscheint 
bezeichnenderweise auf dem Stadtsiegel ^). 

Von Bacäü aus führte die Handelsstrafse, die von Suceava (Su- 
czawa) und Baia herkam, nach anderen fremden Gemeinden von 
geringerer Bedeutung: so wurde Ajud berührt, das schon in den 
Handelsfreiheiten des 15. Jahrhunderts als Zollstätte auf der Route 
nach der Walachei erwähnt wird-*). Der gewöhnliche spätere 
Name ist Agiud, Agud, und dort wie in Trotu§ und anderen 
Städten sächsisch - siebenbürgischen Rechtes begegnet man einem 
^oltuz und einem Kollegium von zwölf pirgarl, welche die 
Angelegenheiten des Marktes (tirg) mit dem Rate „guter und alter 
Leute" (oamenl buni §i bätrini) besorgten, besonders auch Zeug- 
nisse für Eigentumsübertragungen ausstellten ^). Ein dortiger Ge- 

1) Privilegien von Stephan dem Grofsen und seinem Vorgänger Peter Aron 
an die Lemberger Kaufleute, 1456 und 1460; in Hurmuzaki, Doc. 11', 
S. 681, 690. 

2) Bandini, S. 211; Ghibänescu, in Arcbiva soc. $t. ^i lit. din la^I, 
n, S. 593 ff. 

3) Vgl. über diese Gemeinde auch üricariul XVIII, S. 319; Studil ^i 
doc. VII, S. 91, nr. 12. 

4) Aber nur in der Urkunde von Stephan a. a. 0., nicht auch in derjenigen 
seines Vorgängers. 

5) Studil 9i doc. V, S. 7—8, nr. 35; S. 15, nr. 67. 



Das Städtewesen. 165 

xnoindevorsteher im Beginne des 17. Jahrhunderts trägt den Namen 
Oliince; der von ihm bestätigte Akt ist rumänisch geschrieben 
ixnd mit einem ganz unverständlichen Siegel bekräftigt. Die rechte 
]£ntwickelung von Agiud verhinderte aber die Nachbarschaft des 
xiicht allzu weit entfernten, günstiger gelegenen Trotu§. Der Name 
.A^giud ist mit Näsäud, ^am^ud, Aiud in Siebenbürgen zu ver- 
gleichen, und der Ort ist unzweifelhaft magyarischen Ursprungs; 
£tl>er durch dasselbe Element, das wir in den anderen tirguri der 
Oregend finden, wurde hier bürgerliches Leben in einem ehemaligen 
üorfe erweckt; nur dafs hier der fremde Chai*akter der tirgo- 
Are^I, der Bürger, früher als anderswo verschwand: im 17. Jahr- 
liundert waren jedenfalls in Agiud keine Katholiken mehr vor- 
lianden. 

Durch die Grenze zwischen den rumänischen Fürstentümern, 
8o wie sie seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auf beinahe vier- 
hundert Jahre hinaus gegolten hat, war die Stadt Foc^anlin einen 
moldauischen und einen walachischen Teil geschieden. Foc^anl 
war der Sitz zweier Bezirkshauptleute und später zweier isprav- 
nicl oder Präfekten, hat aber nur eine sehr kurze Vergangen- 
heit: im Jahre 1738 lebten noch die Enkel derjenigen, welche 
einst „in dem Dorfe Stoe§tI, wo heute der tirg FocsanI steht" ^), 
Ackerbau getrieben hatten. In dieser Gegend, am Flusse Putna, 
am Abhänge des Hochlandes Vrancea, wo man auch im 15. Jahr- 
hundert die Burg Cräciuna findet, erwähnt das Handelsprivilegium 
für die Lemberger vom Jahre 1460 auf der walachischen Verkehrs- 
ader eine Zollstädte in „Putna", einer Örtlichkeit, die später 
nicht mehr zu finden ist. 

So sind wir schon in das südwestliche walachische Für- 
stentum gelangt, und hier findet sich wie in der Moldau auch 
eine Zone von Städten im Hochlande oder in der mit Hügeln 
(muncele, muscele) bedeckten Landschaft, die beinahe alle 
durch siebenbürgische Zuwanderung in nachweisbarer Zeit ge- 
gründet worden sind. Bei der Erforschung ihrer Geschichte wird 
die Nachricht immer verständlicher, die sich in einem päpstlichen 
Briefe vom Jahre 1234 vorfindet und besagt: in dem Sprengel 



1) Studil 9i doc. V, S. 235. 



IM 2. Kapitel. 

des Bischofs der Eumanen (ungefähr von Buzäii bis Bacäü) hätten 
die falschen ketzerischen Bischöfe der Walachen auch ,, etliche 
aus dem Reiche Ungarn, ebenso Ungarn wie Deutsche (Theuto- 
nici) und andere Rechtgläubige, die zu ihnen kämen, um standig 
dort zu bleiben, und mit den Walachen ein und dasselbe Volk 
bilden ", auf ihre Seite gebracht ^). Es mufste eine sehr starke, 
lang dauernde Verschmelzung dieser verschiedenen Volkselemente, 
eine sehr starke Beeinflussung der Eingewanderten durch das zahl- 
reichere angesessene Volk Platz greifen, wenn alle in derselben 
Form ihren christlichen Glauben bekannten! 

In Buzäü, wo sich noch sehr spät eine Neigung zur Abson- 
derung von dem übrigen südlichen und westlichen Teile des wa- 
lachischen Fürstentums fühlbar machte, wo eine zahlreiche blü- 
hende Landaristokratie — die boierl de Buzäü ^) — sich zu- 
sammenfand, hatte vom 16. Jahrhundert an ein Bischof, ein Nach- 
folger der eben genannten „pseudo-episcopi'^, seine Residenz. Die 
Stadt liegt am Abhänge des Hügellandes, in dem Tale eines Flusses, 
der sich aus dem siebenbürgischen Burzenlande durch den nach 
ihm benannten Buzäüpafs ergiefst. Zum ersten Male erwähnt 
wird Buzäü im Jahre 1431 ^) in einer Aufzählung der sämtlichen 
tirgs des Landes. Etwas später schreibt ein Teilfiirst der Wa- 
lachei aus Buzäü *), und vierzig Jahre darauf zieht der walachische 
Fürst Radu! auf dieser einzig dastehenden Handelsstrafse mit sei* 
nem Heere gegen seinen feindlichen moldauischen Nachbar ^). Die 
Stadt war als eine alte Ansiedelung bekannt, und ein Ragusaner 
Reisender zählt im 16. Jahrhundert Buzäü unter diejenigen Ort- 
schaften, die der fabelhafte Gründer des walachischen Fürsten- 
tums „ Negrul- Vodä " angelegt und mit Erdwällen befestigt haben 



1) ZimmermaDn-Wernerl, S. 60—61: „et nonnulli de regno üngariae, 
iam IlDgari quam Theutonici et alii orthodox! morandi causa cum ipsis traa- 
seunt ad eosdem, et sie cum eis, quia populus udus facti cum eisdem Walathis, 
eo [episcopo] contempto, praemissa recipiunt sacramenta**. 

2) Vgl. die offizielle Chronik des Fürstentums im 17. Jahrhundert; in 
Laurian ^i Bälcescu, Magazinul istoric IV, S. 267. 

3) Bogdan, Documente ^i regeste privitoaro la relatlile '^ärii-Rumine^ti 
cu Bra^ovul ^i Ungaria. Bukarest 1902. S. 23. 

4) Bogdan a. a. 0., S. 32—33; vgl. S. 66. 
ö) Studil §i doc. III, S. xxxr. 



Das Städtewesen. 167 

11 ^). Im 17. Jahrhundert safsen hier auch Soldaten^ cälära^I, 
eiche kleinere Abgaben entrichteten, weil sie Reiterdienste zu 
leisten hatten^). Sie standen unter einem cäpitan und iuz- 
fcaschen^), und ihre Stellung hängt mit der drohenden Gefahr 
^ines Einfalles seitens des siebenbürgisch- ungarischen Fürsten zu- 
sammen. Der Handel war in Buzäü niemals sehr lebendig: hier- 
lier kamen die siebenbürgischen Kronstädter^ in deren Interessen- 
sphäre Buzätl lag, um Weine aus dem Hügellande zu erhan- 
deln; die Bürger selbst aber besuchten die sächsische Handels- 
stadt mit Fischen, meist DonaufischeU; die sie von Bräila bezogen ^). 
Für die Sachsen war Buzäü der ^^Bozamarkt^' oder ,,Büssen- 
markt'^; denn der älteste Name, den Einheimische der Stadt gaben, 
lautet Bozeü und ähnelt demjenigen, welcher dem Flusse und den 
nach ihm benannten Orten jenseits der Berge anhaftet ^). Über 
die Buzäuer Verwaltungsorganisation wissen wir bisher nichts : sie 
war aber ohne Zweifel nicht anders als diejenige anderer wala- 
chischer Märkte, wobei nur der Name des moldauischen ^oltuz in 
judet, Richter, eine Übersetzung des sächsischen Titels, umgewan- 
delt erscheint. 

Durch einen anderen, viel bedeutenderen Pafs kommt man 
aus demselben Burzenlande in die Walachei: nämlich auf dem 
Wege, der über die Zollstätten ßucär und Dragoslavele, die je- 
doch immer nur Dörfer mit „fürstlichen Leuten" für die Erhe- 
bung der Abgaben geblieben sind, nach dem „langen Tale" führt, 
wo die nach dieser Bodenbeschaffenheit genannte Stadt Cimpulung 
ihre Häuser dem Bache der Fürstin (Riul Doamnel) entlang auf- 
reiht. Durch diesen Pafs sind in den ersten Jahren des 1 3. Jahr- 
hunderts als Lehnsleute des ungarischen Königs die anderswo un- 
beschäftigten deutschen Ritter gekommen, um das „Kumanenland" 
für das Christentum und die Kultur zu erobern. Wie wir schon 
gesehen haben ®), gelang das grofse Werk nicht, und die Walachei 



1) Luccari, Annali di Rausa. Ausg. von 1605, S. 49. 

2) Studil §i doc. IV, S. CLXvni, Anm. 1. 

3) a. a. 0, S. coLxxm; vgl. S. 41. 

4) Hurmuzaki XI: Rechnungen von Kronstadt; Bogdan, S. 295. 
.5) Bogdan a. a. 0., S. 33. 

5) Vgl. oben S. 134. 



168 2. Kapitel. 

wurde kein PreuTsen des MorgenlandeB, wenn auch die Ritter nach 
ihrem Brauche in Cimpulung, dem „ Langfelde " oder der „ Langenaue ** 
der Sachsen; eine „Marienburg'' und ein ^^ Marienkloster'' erbauten. 
Von der Burg blieb im Laufe der Zeit nichts übrig, nicht einmal 
eine Kunde im Volke, während das Kloster immer bewohnt war; 
ja, als es der Zahn der Zeit in eine Kuine verwandelte und sich die 
Mönche anderwärts ein Heim erbauten, blieb doch der altertümliche 
Name Cloa^ter, und zwar bis heute erhalten. Die deutschen Ritter 
hatten in Cimpulung vielleicht schon etliche deutsche Ansiedler vor- 
gefunden, aber erst unter ihrem Schutze entstand in diesem so gün- 
stigen Pafsorte ein landfremdes Bürgertum und in der Folge eine 
Stadt, die niemals ihre Bedeutung vollständig verloren hat. Cim- 
pulung hatte zwar nicht, wie Baia und Bacäü, einen lateinischen 
Bischof, aber die einheimische Verfassung mit einem „ Groff '^ oder 
com es, maior, Jude und zwölf pir gar I blieb immer erhalten^ und 
obwohl diese treuen alten Geßlhrten der rumänischen Nachbarbevöl- 
kerung ihre Sprache schon sehr früh verloren, behielten sie doch ihre 
sächsischen oder ungarischen Namen, wie Wolf und andere, und 
ihren Glauben haben sie niemals, selbst in den Zeiten der Verfol- 
gung, wie unter dem Fürsten §erban Cantacuzino (1678 — 1688) *)^ 
weltlichen Interessen geopfert. Nach einiger Zeit wurden die Richter 
abwechselnd aus der Mitte der fremden und der rumänischen 
Bürger erwählt ^), Die Institution der Gottesmänner, die sich auch 
in dem rumänischen Vororte von Kronstadt §chel findet, — sie 
waren Verwalter der Kirchengüter — , ist auch sehr spät noch in 
der eliemaligen „Langenaue" heimisch, wo die „oro^anl" auch 
ungewöhnliche, fremdklingende Namen, wie Han^ul (Hans), Tä- 
ma^, Balint, Orban, Blaj (Blasius), Martin, bis in das 18. Jahr- 
hundert tragen. Als Sa^I, „Sachsen", kennen die Fürsten diese 
ihnen jetzt vollständig unterworfene Bevölkerung zisalpinischen 
Ursprunges. Selbst in dieser Zeit des Verfalles noch geniefsen 
die Bürger Steuervorrechte: im ganzen haben sie nur 137 — 150 
ungarische Gulden zu entrichten und sind von den gewöhnlichen 
Lasten frei. Jetzt, im 18. Jahrhundert, erscheinen die Nachkommen 
der fremden Handwerker und Kaufleute als „Katholiken", al& 

1) Engel, Gesch. der Walachei: Relation von Dumont; S. IUk 

2) Studil §i doc. I-U, S. 273f. 



Das Städtewesen. 169 

«ine in sich geschlossene bürgerliche Gemeinschaft in der sich mit 
^Rumänen immer mehr füllenden Stadt. Die alten Privilegien „der 
"verstorbenen christlichen Fürsten" für die Gemeinde waren — so 
sagt ein Richterbrief von 1735 — „in dem Kloster aufbewahrt'*, 
Tind erst kurze Zeit vorher waren etliche von diesen hochbedeuten- 
deu Akten den Vorstehern desselben entrissen worden, „um gewisse 
Sachen und Gewohnheiten der Stadt daraus zu erkunden '^ Der 
Ankauf von „Grund und Erbguf in Cimpulung war allen Stadt- 
fremden verboten, selbst dem Fürsten und dem dortigen ortho- 
doxen Kloster; nur die Bürger konnten liegendes Gut sich ein- 
ander übertragen. Sie allein hatten das Recht, öffentliche Ver- 
kaufsstände auf der grofsen Marktstrafse und auf dem Platze zu 
halten ^). Aus der alten Zeit existiert noch eine deutsche Urkunde 
der Langenauer vom Jahre 1521 *), eine andere von 1528 ist 
lateinisch geschrieben *), und wie es in der Moldau mit Trotus der 
Fall war, kamen Leute aus der Grenzstadt und Zollstätte in der 
fürstlichen Kanzlei als Schreiber für fremde Angelegenheiten an. 

Die Stadt Tirgovi§te, schon im 15. Jahrhundert der bedeu- 
tendste Sitz des Landesfursten, wird in den ältesten Privilegien für 
die Kaufleute aus dem Burzenlande als ora^ (Stadt, vom unga- 
rischen väros) erwähnt. Schon im Anfange des 16. Jahrhun- 
derts wohnen an diesem, besonders durch seine politische Stellung 
ausgezeichneten Orte Deutsche wie „Schufsraan de Thargovistia'* 
und Griechen wie „ Frangopol " *). Die Verwaltung war in den 
Händen eines Jude, welchem zwölf pirgarl zur Seite standen; 
eine Kirche und ein Franziskanerkloster bestanden für die fremde 
Bevölkerung. Neben diesem Bethause, welches dem Schutzheiligen 
des Ordens gewidmet war, stand auch die Kirche der Heiligen 
Jungfrau. Aber schon im 1 6. Jahrhundert waren die katholischen 
Familien wenig zahlreich; selbst zusammen mit den des nahe 
liegenden Dorfes ^otinga *) waren es nicht einmal dreifsig, mei- 

1) S. auch Acte 91 fragm. UI, S. 81—82; Bogdan a. a. 0. Das Werk von 
Arie e sc u, Istoria Cimpulungulul (*2 Bände, Bukarest 1855) ist völlig wertlos. 

2) Bogdan a. a. 0., S. 285, nr. cxxxiv. 

3) Doc. Bistr. I, S. xviii. 

4) Quellen der Stadt Kronstadt I, S. 20, 33. 

5) Relationi universali di Giovanni BoteroBenese, Ausg. von Venedig 
1596. S. 94-95. 



1?0 . 2. Kapitel. 

ßtens Sachsen, aber auch etliche Ungarn siebenbürgischer Abkunft 
befanden sich darunter. Dagegen hatten die Rumänen in Tirgoviste, 
welches über hundert Jahre ihre Wojwoden beherbergt hatte, 
tausend Häuser, d. h. ebenso viele Familien. Die Franziskaner- 
kirche besafs kein älteres Privilegium als dasjenige des Fürsten 
Radu ^erban (1601 — 1611), und ^otinga wurde ihr erst von dem 
fast unmittelbaren Vorgänger dieses Herrschers, Mihnea, in den 
achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts geschenkt^). Die Erklä- 
rung für diese wenig einflufsreiche Stellung des fremden Bürger- 
tums in einer Stadt, welche dennoch als sein Werk betrachtet 
werden mufs, ist in dem Umstände zu suchen, dafs die ersten 
siebenbürgischen Begründer, die nur schwache An&nge eines sla- 
vischen tirg vorfanden, sich bald in der überwiegenden einhei- 
mischen Dorfbevölkerung verloren haben, so dafs nur der alte 
Glaube und Namen wie Frincul, d. h. „der Franke", „der Ka- 
tholik" übrig geblieben sind. Endlich scheint es, als ob die in 
historischer Zeit kaum mehr erwähnte Gemeinde Säcuienl durch 
siebenbürgische Szekler ins Leben gerufen worden ist ^). 

Keine einzige andere fremde Stadtgründung, d. h. eine, die 
von der anderen Seite des Gebirges her erfolgt wäre, läfst sich 
in dem nördlichen Teile der Walachei erweisen. Auf dem rechten 
Oltufer, wo mehrere Jahrzehnte lang ein ungarisches „Border- 
land " bestand, ist es auch nicht anders. Daraus folgt natürlicher- 
weise, dafs »ich eigentliche Städte und eine belebte Handelsstrafse 
mit bedeutendem, Reichtum bringenden Verkehr hier nicht finden und 
dafs man Städte nur hier und da der Donau entlang suchen darf. 
Von den Gemeinden, ora§ genannt, welche in den Handelsbriefen 
der ältesten walachischen Fürsten erwähnt werden, sind zwar die 
meisten zu einer gewissen Stärke und Freiheit, niemals aber zu einer 
wirtschaftlichen Blüte gelangt. Durch das Vorhandensein eines fürst- 
lichen Residenz- oder Jagdschlosses, oder durch das Privatinteresse 
eines Mächtigen, welcher die umwohnende ländliche Bevölkerung 
gern nach seinem Markte ziehen wollte, wurde das bisherige Dorf 

1) Vgl. Acte §i fragm. I, S. 66; Studil §1 doc. I-II, S. 236, 237 
Anm. 1; S. 243, nr. xxi. 

2) Bogdan a. a. 0., S. 23. Der Bezirk hiefs aber auch weiter Säcuienl, 
slavisch abgekürzt: „Saac". 



Das StädtewesoD. 171 

zur O ras würde erhoben und hiefs von da ab Bapom in den be- 
treffenden slavischen Urkunden, wobei es auch die von den wirk- 
lichen Städten entlehnte Richterverfassung erhielt. Solche Ge- 
meinden, von des Fürsten Gnaden, die ohne Mitwirkung der 
Kaufleute gestiftet werden und meistens in entfernten, für den 
Verkehr bedeutungslosen Gegenden liegen, sind Tirgsor, „ der kleine 
Markt", wo ein Fürst, ein sehr energischer Fürst, getötet wurde, 
Vlad Dracul (15. Jahrhundert), Arge§, das Gebirgsnest, das ca- 
strum, woher die ersten Herrscher des neugebildeten Fürsten- 
tums ihre Soldaten und Richter kommen liefsen (ßapom aprem) '); 
Gherghi^a, wichtig besonders im 17. Jahrhundert, als es von Bür- 
gern, die im Dienste des Landesherrn bewaffnet waren, bewohnt 
wurde; Pite^tl, jenseits des 01t, im Jiiülande und tief im Ge- 
birge gelegen, diente dem Kleinhandelsverkehr; der Marktflecken 
Tirgul Gilortulul (Cärbune^tl) wurde auch Tirgul-Bengäl genannt, 
und da Benga ein dortiger angesehener Edelmann war, ersieht man 
leicht, dafs dies die Schöpfung eines reichbegüterten Vasallen der 
fürstlich walachischen Krone ist *). Der Flecken Tirgu Jiiulul ist 
nach dem vorbeifliefsenden Bache benannt. In der Zeit des Mircea 
Ciobanul, der gegen die Mitte des 1 6. Jahrhunderts herrschte, stand 
hier kein tirg, sondern nur ein Dorf, das zuerst den Bauern, dann 
aber einem Edelmanne, Buzea, der es käuflich an sich gebracht 
hatte, gehörte. Mircea konfiszierte dem verräterisch und flüchtig 
gewordenen Bojaren sein Besitztum und, indem er irgendeinen 
Günstling damit beschenkte, vermittelte er dem Orte Stadtrecht. 
So entstand Tirgul • Jiiulul. Neben dem Dorfpircälaben erscheint 
seitdem ein Richter mit den üblichen pirgarl, die sich zuerst 
gegen das Ende des Jahrhunderts nachweisen lassen. Als die 
Familie des Buzea, die Buze^tl, ihr Eigentum zurückerhielt, be- 
kam sie auch den neuen Markt und liefs ihm unter Bedin- 
gungen, die nicht überliefert sind, seinen neuen Charakter, der 
seitdem niemals angefochten worden ist. Es scheint, als ob schliefs- 
lich der oltenische tirg durch einen Vertrag mit seinen Besitzern 
«eine vollständige Freiheit erlangt hätte: jedenfalls besafsen die 

1) Vgl. Hasdeü in Revista noua I und die Entgegnung von Xenopol 
in Arcbiva soc. ^tiint. ?i lit. din la^I I. 

2) S. für Tirgu-Jiiulul die Monographie von Stefulescu, T. Jiiü, 1897. 8». 



i;3 2. Kapitel. 

„orä^anl" schon im 17. Jahrhundert alle Rechte auf ihrem Grund 
und Boden. Neben einem fischreichen Teiche, nach dem slavi- 
schen : Rimnic genannt, entstand das Fischerdorf, die spätere Stadt 
Rimnic in dem späteren Gerichtsbezirke Vilcea, und an der an- 
deren Grenze der Walachei nannte man einen Markt Rimnicul- 
Särat, weil ein Teich, der in einem salzreichen Gebiete lag, zum 
bequemen Salzsammeln während der heifsen Sommermonate diente. 
So war auch in den Bergen der Moldau dicht neben Städten 
siebenbürgischen Ursprunges eine rumänische Stadt, Piatra — der 
Felsen — , entstanden, weil die vorbeifliefsende Bistri^a eine 
sichere und kurze Zufuhr des im Überflüsse vorhandenen Holzes 
der bisher niemals gelichteten uralten karpathischen Wälder ge- 
stattete. Die Bürger waren meistens pluta^l, die ihre platten 
Holzprahme mit langen Stangen auf den reifsenden Wellen lenkten 
und das gefällte Holz aus dem Hochlande zur Donau hinabführten, 
wo einheimische und fremde Kauf leute der kühnen Gebirgsbauern 
harrten. Der „staroste de butnarl*^, der Alteste der Buttner, 
spielte hier selbstverständlich eine grofse Rolle neben dem ^oltuz. 
des Marktes (ora^) *). 

Im östlichen Teile der Moldau, zwischen dem Sereth, dem 
Pruth und weiter bis zum Dnjestr, welcher die östliche Landes- 
grenze bildet, begegnet man einer grofsen Anzahl von tirguri, 
welche beinahe alle Spuren eines hohen Alters an sich haben. 
Cernäu^I (heute Czernowitz), ein ehemaliges Dorf, dessen Name 
dieselbe russische Endsilbe hat wie viele ländliche Gemeinden 
diSser G^egend, war eine alte Grenz- und Zollstätte des Fürsten- 
tums der Moldau vor der Annektierung des polnischen Landea 
Pokutien. Der Weg von den galiziscben Handelsstädten nach 
Südosten berührte den kleinen tirg nicht, aber schon vor der 
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ging eine Seitenstrafse über 
Siret und CernäutI nach Kamieniec, welche später durch die Ver- 
bindung Dorohoiü - Hotin ersetzt wurde. Der tirg hatte einen 
^oltuz und zwölf Bürger, und besonders, nachdem in demselben 
Jahrhundert die moldauischen Fürsten die russische Gegend im 
Westen gewonnen hatten, wurde CernäutI ein bedeutender Ort,. 



1) Arch. ist. l\ S. 79-80; Studil §i doc. VII, S. 91, nr. 11. 



Das Städtewesen. 173 

• • 

micht nur als Zollstätte und Uberfahrtsstelle, sondern auch fiir den 
inländischen Handel ^). Andere Städte besitzen eine zahlreiche 
deutsche Bevölkerung. So Siret, das an dem gleichnamigen Flusse, 
in der heutigen Bukowina liegt, wo am Ausgange des 14. Jahr- 
hunderts Bürger mit Namen wie Czymmirman, Heinrich Schone- 
becke wohnten; etwas später finden sich die Namen Kempe und 
Ounrad*); im Jahre 1402 waren bei einer Wunderuntersuchung 
in Siret anwesend liorenz Springer und der eben genannte Peter 
Oonrad ^) : um diese Zeit bestand hier ein lateinisches Bistum, das 
gleich nach der Gründung des moldauischen Fürstentums geschaflfen 
^worden war. Weiter im Südosten hatte Suceava (das heutige bu- 
koTv^inaer Suczawa) eine ständige deutsche Bevölkerung, schon ehe 
und auch nachdem es die Hauptstadt des Landes geworden war. 
Siebenbürgische Sachsen kamen nicht selten nach Suczawa und ver- 
langten von ihren ehemaligen Mitbürgern Qeburtszeugnisse, „lit- 
ter ae*', oder „Briefe", auf Grund deren sie dann das deutsche 
Bürgerrecht in Suczawa erhielten *). Ihrerseits gingen die Sucza- 
waer, durch deren Stadt ein grofser Handels weg nach der Ta- 
tarei und den Landschaften der unteren Donau führte, nach Lem- 
berg, dem russischen, dann polnischen Grenzern porium , um hier 
nach Vorzeigung der Suczawaer ^) Heimatslegitimationen nach dem 
dortigen magdeburgischen ius civile als gleichberechtigt zu gel- 
ten^): „Michel Koler" von Suceava kam nach Lemberg 1466'), 
und noch im Jahre 1514 schreibt in deutscher Sprache an die 

1) Studil §i doc. V, S. 71. Was Wickenhauser unter dem Titel von 
„Bochotin oder Geschichte der Stadt Öernaüz und ihrer Umgegend" I (Wien 
1874) veröffentlicht hat, verdient keineswegs diesen Namen : es finden sich darin 
einige ins Deutsche übersetzte Urkunden und Briefe und als Vorrede ein merk- 
würdiges Produkt der Beschäftigung mit Philologie und Geschichte in irgend- 
einem Kiähwinkel. Vgl. auch für Cernautl im 15. Jahrhundert Uricariul 

xvin, s. 61. 

2) Czolowski, Pomniki Dziejowe Lwowa z archiwum miasta, I— II, Lem- 
berg 1892, 1896. 

3) Czolowski, Sprawy woloskie w polsoe, Lemberg 1891 (aus dem „Kwar- 
talnik historyczny "), S. 28—32. 

4) Doc. Bistr. I, S. vi. 

5) Beziehungsweise der aus Siret oder Boman. 

6) Eela^iile cu Lembergul I, S. 11, 13, 18 usw. 

7) Chilia ^i Cetatea-Albä, S. 288. 



174 2. Kapitel. 

Bistritzer „Sthano Groph mith seinen Geschworenen Bürgern der 
Stadt Czocze" ^). Der Suczawaer Tuchscherer (pannirasor) Jo- 
hann^ welcher bald danach erscheint und zu Handelszwecken nach 
Bistritz reist ^ ist, nach seinem Gewerbe zu urteilen ; gewifs kern 
einheimischer Moldauer *). Endlich gibt es einen Brief vom Jahre 
1527 an die Bürger von Bistritz , der im Namen des ,, Janusch 
Tyschler, Groff, myth sampt zaynen geschweren Bürgern auff der 
Socza" deutsch verfafst ist ^). 

Nach Suczawa kamen oft die Karren deutscher „Fuhrleute", 
die auch in der slavischen Terminologie der Handelsverträge nach 
ihrer Beschäftigung mit diesem fremden Namen bezeichnet werden. 
Aber wenigstens fast ebenso stark vertreten waren neben diesen die 
Karren der galizischen Armenier, dieser jüngeren geriebenen Han- 
delsleute, welche die Verhältnisse im Morgenlande, dem sie ent- 
stammten, aufserordentlich gut kannten. Im 14. Jahrhundert war 
trotz unaufhörlicher Verteidigungskämpfe und trotz gelegentlicher 
schwacher Hilfe aus dem Abendlande das Königreich Kleinarme- 
nien, das am Mittelmeere lag, den eindringenden „Sarazenen" des 
syrisch-ägyptischen Sultans erlegen, und in gröfseren oder kleineren 
Scharen fuhren die unglücklichen Einwohner zu Schiffe nach dem 
nördlichen Gestade des Schwarzen Meeres, während andere sich 
eine neue Heimat auf den Inseln des südlichen Meeres suchten. 
In der Krim, wo die Genuesen herrschten, waren sie wie zu Hause, 
und als unter grofsen Gefahren Kaufleute aus den nördUchen 
Gegenden durch das wüste Tatarenland dorthin kamen, um die 
kostbaren Erzeugnisse des Orients, Spezereien und Luxuswaren, 
einzukaufen, folgten sie ihnen bei ihrer Rückkehr. Nach etlichen 
Jahrzehnten war Lemberg voll von den fetten, bräunlichen, ketze- 
rischen Gästen aus Asien, die den Levantehandel systematisch fiir 
diese Gegenden nutzbar zu machen begannen. Ebenso wie in 
Lemberg gingen sie auch in den bisher äufserst armseligen tirgs 
der östlichen Moldau vor, wo sie bald die versprengten Deutschen 



1) Doc. Bistr. I, S. xi. 

2) Ebend. 8. xvn. 

3) Doc. Bistr. I, S. xvn, ex. Ein anderer deutscher Brief eines Einwoh- 
ners von Suceava in Studil ^i documente Y, S. 609. Ein ungarischer der 
Stadtobrigkeit steht ebend. S. 601. 



Das Städteweseu. 175 

und die dem Handel wenig geneigten Rumänen überflügelten. Ein 
Aswador, ein Agop, ein Sahak richtete sich gemächlich in Siret 
und Suczawa ein mit ihren Priestern und Protopopen, und daraus 
entw^ickelte sich später ein Bischofssitz für die moldauischen Ar- 
menier. Die moldauische Fürstenherrschaft fand wahrscheinlich 
schon bei ihrer Entstehung in Suczawa nicht nur die „armenischen 
Bürger", sondern auch ihre abgesonderte Munizipalität, den ^oltuz 
und seine zwölf pirgarl armenischer Rasse vor. 

In den ältesten Privilegien des moldauischen Fürsten zu An- 
fang des 15. Jahrhunderts triflft man auf dem Handelswege nach 
Kanaeniec, der starken Grenzfestung der polnischen Provinz Po- 
dolien, die Ortschaft Dorohoiü: ^oporöHt. Von Dorohoiü, wo 
der Zoll erhoben wurde, ging es weiter zu der moldauischen Burg 
Hotin, die Kameniec gegenüber am rechten Ufer des breiten 
Dnjestr mit seinen hohen felsigen Wänden, wahrscheinlich seit der 
Zeit, wo das Fürstentum begründet wurde, stand : hier nahm man 
von den moldauischen Zöllnern Abschied und kam in das Land 
des Königs. Das Zollamt von Dorohoiü stand ehemals in Siret 
und dasjenige von Hotin in Cernäu^l, dem heutigen Czernowitz, 
der Hauptstadt der Österreichischen Bukowina, und die Handels- 
strafse nach dem östlichen Teile Polens hatte folglich eine ganz 
andere Richtung. Die Einkünfte des Hotiner Zolles waren im 
16. Jahrhundert sehr bedeutend, und auch die Einkünfte aus So- 
roca (heute Soroki in Bessarabien) und von der ganzen nördlichen 
Grenze gegen das benachbarte Königreich waren mit diesem ver- 
einigt ^): durch Hotin gingen Juden und Griechen aus Konstan- 
tinopel und anderen Städten mit reichen morgenländischen Waren. 
Bei solchen Verhältnissen ist es erklärlich, dafs unter dem Schlosse, 
wo auch gelegentlich die Fürsten, wie z. B. Bogdan Läpusneanu, 
residierten, eine bürgerliche Gemeinde entstand, die im Anfange 
des 17. Jahrhunderts vorhanden ist, ein eigenes Siegel und einen 
eigenen Voit (Vogt) besitzt, der in dieser Gegend die Stelle des 
soituz der Bergstädte innehat und dem zwölf Beisitzer zugesellt 
sind, die hier wie dort pirgarl heifsen. Dorohoiü, woher auch ein 
mächtiger Bojar des 15. Jahrhunderts stammt, wurde zum tirg, und 



1) Kel. cu Lembergul I, S. 91ff. 



176 2. Kapitel. 

dafs' auch hier eine städtische Verwaltung die Angelegenheiten 
der Gemeinde besorgte, ist durch Zeugnisse des 18. Jahrhun- 
derts ^) erwiesen. Der Fürst hielt aber damals in Dorohoiü einen 
Beamten, der den Titel Grofs- Vätav fuhrt, so dafs die fürstlichen 
Anspräche auf dem Boden des Marktes sehr alt zu sein schei- 
nen *). 

Viel bedeutender als Dorohoiü war das weiter südlich gelegene 
Boto^anl, das in den Handelsfreiheiten der Lemberger noch nicht 
erwähnt wird und in dieser Zeit nur ein einfaches Dorf, im Be- 
sitze der Nachkömmlinge eines gewissen Botäs war. Das Auf- 
blühen von BotosanI, das bald ein gut bevölkertes Städtchen 
wurde, ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen : zuerst stand das 
Dorf an der zweiten grofsen Handelsstrafse des moldauischen Landes^ 
an der grofsen Verkehrsader, die östlich vom scheidenden Sereth 
nach der unteren Donau, nach Chilia (heute Kilia) und Cetatea- 
Albä (heutigem Akkirman; beide in Bessarabien) , den südlichen 
Häfen der Gegend, führte. Zweitens war die Entwickelung des 
Landes nach Südosten orientiert, und in dem Mafse, als die Berg- 
städte verarmten, wuchs der Reichtum der jüngeren Handelsstädte 
im Gebiete des Pruth. Die Armenier von Siret und Suczawa 
waren nicht die letzten, die diesen Umschwung verstanden; sie 
verliefsen zum Teil diese ihre ersten Ansiedelungen und gründeten 
in dem Dorfe der „Botäsanl*^ eine armenische Gemeinde, der sich 
später, wie überall, eine rumänische Vorstadtbevölkerung anschlofs. 
Die Bürger hatten einen einzigen Rat, aus einem ^oltuz und 
zwölf pirgarl bestehend ^). BotosanI war schon ein „oppidum" 
im Jahre 1528 *), und die Fürsten erbauten hier eine ihrer zahl- 
reichen Residenzen, die in der Moldau die Wichtigkeit eines Ortes 
nur bezeugen, nicht aber verursachen. Vielleicht waren auch et- 
liche Befestigungswerke um die oft durch Tatareneinfalle heim- 
gesuchte Stadt angelegt. Erst mit dem 18. Jahrhundert ging die 



1) Jorga, Document«le Gallimachi II, S. 382, nr. 362; und Stndil ^i 
documente V, S. 536, nr. 28. 

2) Studil ?i doc. V, S. 73; Arch. ist. I\ S. 71. 

3) Arch. ist. I^ S. 21; Studil ^i doc. V, S. 220ff.; VII, S. 121ff. 

4) Doc. Bistr. I, S. xvn. * 



Das Städtewesen. 177 

Bedeutung von Botoi^anl zurück aus Gründen, deren Erörterung 
nicht hierher gehört ^). 

Boto^anl besafs wie alle moldauischen Städte seinen Bezirk 
oder OcoP), der vielleicht unter bürgerlicher Verwaltung stand, 
jedenfalls von den Einwohnern als Weidegrund benutzt wurde. 
Aber die Stadt gehörte einem fremden l'inut an, der seinen Namen 
nach der älteren Kesidenz, Htrläü, führte, die nach dem in der 
Nähe fliefsenden Bache auch Bahlul hiefs. Eine eigentliche Stadt 
bildete sich hier nicht, aber gegen 1650 sprach man noch unter 
den dortigen Katholiken — das waren sämtlich Ungarn — von 
den 1 500 Häusern, die sie einmal besessen hatten '). Um dieselbe 
Zeit nennt ein moldauischer Füi'st die Einwohner von Hirlätt 
„orä^eanl", den Ort selbst aber, wo ein Vorgänger von ihm, 
einige Jahrzehnte vorher, in seinem schönen Lusthause gestorben 
war, ttrg und wendet sich wegen eines Weingärtners des romaner 
Bischofs an den ^oltuz und seine pirgarl^). 

Diese moldauischen Armenier standen in fortwährenden Be- 
ziehungen zu der galizischen Metropole ihrer neuen Ansiede- 
lungen, und sie hatten dasselbe ins armenicum wie die Lem- 
berger Verwandten, bei denen sie kraft heimatlicher Zeugnisse 
ohne weiteres als naturalisiert galten ^). Gegen Südosten wohnten 
«ie bis Botoi^anl jenseits des Sereth und von der anderen Seite 
des Flusses bis „Romanum Forum ^', Roman, wo auch Beglau- 
bigungsbriefe für Deutsche in Lemberg ausgestellt wurden *). 
Armenische Steinkirchen — die meisten stammen aus den letzten 
Jahren des 14. Jahrhunderts — fanden sich am Ende des 17. in 
Su*et, Suceava, Boto^anl, Roman, Jassy, wie auch in Gala^l, Cetatea- 
Albä, und vielleicht auch in Tighina, wo sich das Vorhandensein 
einer verhältnismäfsig geringen armenischen Bevölkerung am besten 
durch eine spätere langsame Ausbreitung erklärt ^). 

1) Vgl. Studil 9i doc. V, S. 649 ff., wo eine kurze Geschichte d. Stadt gegeben wird. 

2) Vgl. G.PopovicI, Ocoalele iugaene, in Convorbirl literare XXIV, S. 1009 ff. 

3) Bandini S. 251. 

4) Stadil 9i doc. V, S. 73, nr. xn. 

5) Bd. ca Lembergol I, S. 11 asw. 

6) Ebenda. 

7) Vgl. Studil 9i doc. I-II, S. 29—31; Arch. soc. 9t ?! lit. din la?! V^ 
8.333-334 

Jorga, Gesekichte der Bumiaen. I. 12 




178 2. Kapitel. 

Andere Fremde , in alten oder neueren Zeiten^ hatten den 
Grund für die Entwickelung städtischer Gemeinden im östlichen 
Teile der Moldau gelegt Dem Flusse Bahlul folgend, kamen die 
Handelskarren nach Cotnarl ^). Jetzt ist es ein armseliges Dorf, 
sich selbst überlassen und seiner berühmten imd einträglichen Wein- 
gärten durch die Verheerungen der Reblaus fast völlig beraubt; 
einst aber war es, wie Hirläü; eine beliebte Residenz der mol- 
dauischen Fürsten, und um auf den sonnendurchglühten runden 
Hügeln Weinreben anzupflanzen, kamen deutsche Arbeiter aus den 
westlichen Städten, die unter einem, aus ihren eigenen Reihen er- 
wählten fürstlichen pircälab standen. Hier errichtete der ana- 
chronistische und ebenso anatopische griechische Abenteurer, mit 
humanistisch -abendländischem Anhauch, Johann Basilikos, eine 
lateinische Schule und ein Bistum für die zum wahren Glauben 
übergetretenen hospites des Landes^). Von dem. Bischöfe, den 
der erfinderische, romantische Mann einsetzte, ist nur die Bezeich- 
nung „Hügel des Bischofs" — dealul piscupulul — oder 
einfach: la piscup für einen der besten Weingärten der Um- 
gegend geblieben. Der pircälab Gregor Rossenberger, ein Ver- 
trauter und treuer Gefährte des Fürsten Peter Rare^, in der ersten 
Hälfte desselben 16. Jahrhunderts, blieb nicht ohne einheimischen 
oder fremden Amtsnachfolger. Nur von Zeit zu Zeit kam der 
Mundschenk, der Mare-Päharnic des Landes, um bei der Wein- 
lese den Fürsten, der auch einen Teil dieser Rebenhügel besafs, zu 
vertreten. Die Gemeinde von Cotnarl blieb bis ins 18. Jahr- 
hundert aus Nachkömmlingen der ersten deutschen und ungari- 
schen Einwohper zusammengesetzt. Der soltuz und seine zwölf 
pirgarl standen an der Spitze der Bürger, die in dieser Zeit, 
als die alten fremden Volksteile in der Landesbevölkerung auf- 
gingen, Hanos, Frincul, Darvas, Wolff, Alner oder Alciner, Ga- 
lambas. Feiten Dorcos ^) heifsen und bei ihrem katholischen Lehrer 

1) Der Name ist gewifs dem ersten deutschen Ansiedler entnommen. Vgl- 
ein „Coanar", in Harmuzaki II*, S. 729. 

2) Emile Legrand, Deux vies de Jacqaes Basilioos. Paris 1889. 8.35; 
Jorga, Noaveaux materiaox pour servir k Thistoire de Jacqaes Baailikos THe- 
radide. Bukarest 1900. S. xvi. 

I 

3) Vgl. Studil §1 doc. I— II, S. 95, Anm. 2; V, S. 64; Uricariul V, 
S. 403 ff. 



Das Städtewesen. 199 

gleich ihren Glaabensgenossen von Cimpulung in der Walachei 
den Gebrauch der lateinischen Bachstaben lernten ^). Es existierten 
in dem reichen Cotnarl nicht weniger als drei steinerne Kirchen; 
Anteile an Weinbergen wvirden auch von Polen durch Kauf oder 
Pacht erworben ^). Offiziell war Cotnarl noch im 17. Jahrhundert 
ein tirg, was übrigenB auch aus seiner städtischen Verfassung her- 
vorgeht : als Zeuge findet sich in Cotnarl bei einer Streitigkeit im 
Jahre 1612 der Grofsmundschenk lona^co^ der als hervorragender 
Bojar zuerst genannt wird, der pircälab Pintelel als fürstlicher 
Verwaltungsbeamter steht an zweiter Stelle, und zuletzt kommt 
der ^oltuz Feiten und seine zwölf Gehilfen *). Einer von diesen 
letzten wird Grofspirgar, pirgar-mare, genannt, und aufser ihnen 
spielte auch der Kellermeister, pivnicer, eine KoUe ^). 

Nahe der Stelle, wo sich der Bahlul in deü Pruth ergiefst, 
steht in einem wasserreichen blühenden Tale und auf dem Ab- 
hänge der Hügel, welche die alte Stadt vortrefflich beschützten, 
die Nachfolgerin von Suceava, als ständige Residenz der moldaui- 
schen Fürsten: Jassy (la^l). Halbgelehrte wollten die Stadt mit 
einer alten Vergangenheit, die sich bis auf die Römer erstreckt, 
beschenken; später war man auch mit einer Gründung aus der 
Zeit der Barbarenwanderungen zufrieden. Tatsächlich war Jassy 
zuerst gewifs nur ein Dorf, das nach einem Bauer namens la^ 
benannt wurde, und es finden sich gleichnamige Ortschaften auch 
sonst in den rumänischen Landen bis in die Berge des Oltlandes 
hinein: so Valea la^ulul und Gura la^ulul in verschiedenen wa- 
laohischen .Gebieten, ja selbst die Volksdichtung erzählt bei Er- 
bauung des berühmten Klosters Arge^ von einem „ kleinen Schweine- 
hirten mit Namen las " ^). In den ältesten^ Handelsprivilegien 
fehlt der Name Jassy nicht, und auch im Beginne des 16. Jahr- 
hunderts wird Jassy erwähnt als ein Markt wie Hirläü, als ein 
zweites ^, Bahlul '^, wo die Fürsten auf ihren Reisen durchs Land 



1) Vgl. Eelat. cu Lembergul I, S. 34; Doc. Bistritel 1— ü. 

2) Bandini S. 253. 

3) Studil ^i doc. V, S. 11—12, nr. 56. 

4) Ebenda S. 72. 

5) „'n la? purcära?". Vgl. Materialurl folkloristice I, S. 25. 

12* 



180 2. Kapitel 

etliche Tage verbringen '). Als Peter Raref zaerst Vorliebe lür 
den schön gelegenen Platz an den Tag l^te, war Jassy ein tirg, 
und etwas später trifft man als Verwalter daselbst einen Voit, 
wie in Hotin, und seine ,, Geschworenen '^ Die Einwohner ge- 
nossen von Seiten des Fürsten, der unter der Dynastie der Läpo^- 
nenl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ihr gewöhnlicher 
Gast wurde, die schon bekannten Privilegien : eine gewisse eigene 
Gerichtsbarkeit sowie Beglaubigungs- und Asylrechte. DafUr waren 
sie verpflichtet, das sehr verschiedenartige Geld; das die fremden 
Handelsleute, die Bürger des Landes und die Bauern dem fürstlichen 
Schatze zufliefsen liefsen, in weifses, reines Silber fiir die an die 
türkische Pforte zu zahlende Landessteuer umzuwechseln '). Die 
Einwohner waren zu einem sehr grofsen Teile Rumänen, aber 
nach diesem Mittelpunkte der Moldau, die auch die heutige Buko- 
wina und das von den Russen „Bessarabien'' genannte Land jen- 
seits des Pruth umfafste, kamen Fremde aus sehr verschiedenen 
Gegenden und recht verschiedenem Blute. Etliche davon waren 
Katholiken, die schon in älterer Zeit hier angesiedelten sprachen 
Ungarisch; man sagte aber im 17. Jahrhundert, als es nur drei- 
hundert solche gab, die ungarische Gemeinde hätte ehedem tau- 
send Köpfe gezählt Diese Ungarn waren meistens Weingärtner 
und wohnten nebeneinander „in vinetis'^, was auf einen Ursprang 
der Stadt führt ähnlich dem von Cotnarl ^). Der spätere ZufluTs 
aus den Nachbarländern hätte dann mit der anderen Bevölkerung 
auch die ersten Handelsleute und Gewerbetreibenden nach Jassj 
geführt. Die Einheimischen erscheinen im 16. Jahrhundert be- 
sonders als Karrenfuhrer und Warenträger. 

Im Westen von Jassy entrichteten die Kaufleute, welche die 
Serethlinie — den „walachischen" Weg — verliefsen, um die 
andere Richtung gegen die Tatarei hin einzuschlagen, ihren Zoll in 
Tirgu-Frumos, im „ Schönen Tirg '^, jetzt einem schmutzigen jüdischen 
Neste, in dem nichts an die Vergangenheit erinnert Tirgu-Fru- 



1) Doc. Bistr. I, S. xvn. 

2) Vgl. den Brief von 1581 in Bei. cu Lembergul I, S. 53 und die Privi- 
legien für die Jassyer Handelslente in üricariul, n (2. Ausg.), S. 31 ff.; X, 
8. 114. 

3) Bandini S. 259. 



Das Städtewesen. 181 

mos lag zwar nicht an der grofsen ,, tatarischen^' Strafse^ und darum 
ivird es nicht in den Sandeisprivilegien erwähnt^ aber seit alter 
Zeit schon stand die ziemlich ansehnliche Gemeinde durch einen 
kleineren Handelsweg mit Hirläü in Verbindung '). 

Aus dem Tale des Bahlul steigt man in dasjenige eines ebenso 
kleinen Baches , der dieselbe altertümliche slavische Endung auf- 
iTireist und Vaslul genannt wird. Das Städtchen Vaslul hat eine 
Geschichte; die der von Jassj sehr ähnelt. Es war auch eine 
Residenzstadt der moldauischen Fürsten, es beherbergte auch eine 
fremde Kolonie ungarischer Sprache, nur war sie unbedeutender 
als jene. Doch lag Vaslul an der Handelsstrafse, die gegen die 
„Tatarei" und „Türkei" führte — um die- Ausdrücke des 15. Jahr- 
hunderts zu gebrauchen — , und war gewifs viel älter als Jassy 
so dafs es schon in den ersten Handelsprivilegien erwähnt wird ^). 
Ein soltuz war der Vorstand des Marktes im 17. Jahrhundert*). 

Ostlich von Vaslul, beinahe am Ufer des Pruth begegnet 
man wieder einer Hügellandschaft ^ wo die Sonne immer schöne 
Eeben mit gutem Weine reifen liefs. Um die lohnende Tätigkeit 
der Winzer zu entfalten, zogen vielleicht noch im 15. Jahrhun- 
dert ungarische Kolonisten heran, die bis heute abseits von den 
übrigen Bewohnern der Stadt HusI hausen, in einem eigenen Dorfe, 
dessen Bauern zwar rumänisch sprechen, aber sich als Ungarn zu 
erkennen geben und in eine katholische, seit kurzer Zeit restau- 
rierte Kapelle, die noch auf einer Anhöhe liegt, zum Gottesdienste 
gehen. Man mufs annehmen, dafs die rumänischen Hu^enl jen- 
seits des scheidenden Tälchens zuerst Vorstadtbewohner und dann 
Hörige der am Ende des 16. Jahrhunderts errichteten Bischofs- 
kirche geworden sind. Bisher herrschte die Ansicht, in dem Namen 
Hu§I sei eine Erinnerung an Hufs selbst, den alten Propheten der 
Volkskirche, zu erblicken, ja ein Visitator des 17. Jahrhunderts 
spricht mit gelehrter Würde von der Verfolgung der Hussiten in 
Nordungarn durch König Matthias Korvinus, der durch diese seine 
kirchliche Politik der Moldau fleifsige Einwohner zugeführt hätte. 
Doch leider gibt es auch noch ein anderes Hu^I in der Moldau, 

1) Popescul, S. 8. 

2) Vgl. Bandini, S. 20—21; Doc. Bistritel, Kegister. 

3) Studii §1 doc. V, S. 76, nr. xix. 



182 2. Kapitel. 

in deren nordwestlichem Winkel^ wo keine Spur und keine Mög- 
lichkeit einer hussitischen Kolonisation vorhanden ist. Der Name 
ist einfach auf den Begründer und Stammvater Hu^ul; Husul zu- 
rückzufuhren; und tatsächlich wird zu Ende des 15. Jahrhunderts 
eine Enkelin des ^^ Husul ^^ in fürstlichen Urkunden erwähnt^). 
Im Jahre 1650 hatte Hu^I nach der einzigen bisher bekannten Ur- 
kunde des tirgs^) einen ^oltuz und mehrere ;,gute und alte 
Leute ^' an seiner Spitze: das Siegel trägt ein Kreuz neben un- 
verständlichen Zeichen ^). In Hu^I wie in Cotnarl hielt der Fürst 
einen Mundschenk : Pähamic ^). 

Nordöstlich von Hu^I; am Pruth^ blühte ehemals die Gemeinde 
Fälciiü, in älteren slavischen Urkunden Falcin^ ^ojctihh genannt, 
deren Bedeutung durch die Übertragung seines Namens auf den 
bis heute bestehenden Bezirk Fälciiü, der seine jetzige Hauptstadt 
in dem jüngeren Hu^I hat, erwiesen wird ^), Wie kein anderer 
moldauischer freier Ort — aufser Piatra — trägt Fälciiü noch im 
17. Jahrhundert die Benennung ora^, die in der Walachei üblich 
ist, und wird nicht tirg genannt. Die, rein rumänische, Verfassung 
gleicht 1642 der von Jassy: neben dem pircälab, dem Burggrafen 
des Fürsten, der in anderen Urkunden zu finden ist, fungiert ein 
„voit^* (Vogt) mit zwölf pirgarl und einer unbestimmten Anzahl 
von „guten und alten Leuten '^ Im Stadtsiegel befindet sich ein 
Eo'euz. Die Visitatoren der katholischen Kirche hatten in Fälciiü 
nichts zu suchen, und deshalb mufs man annehmen, dafs sich die 
anfangs vorhandene fremde Bürgerschaft schon früh unter den in 
der Nachbarschaft wohnenden Rumänen verloren hat ®). Keller- 
meister finden sich auch in dieser Weinbergsgegend '). 

Über die Vergangenheit von Birlad, Brälad — Bräladul war 

1) Ygl. Melchisedek, Cronica Hu^ilor I (Bukarest 1869), S. 14; Ghi- 
bänescu in Arch. din Ia§I I, S. 405 oder Uricariul, XVIII, S. 159—160. 
Yordem stand in dieser Gegend der tirg Särata (Melchisedek ebenda). 

2) Vgl. Melchisedek I, S. 34—35. 

3) Studil 9i doc. V, S. 607. 

4) Melchisedek I, S. 37. 

5) So war auch damals Boto^anl in dem Bezirke des heute viel kleineren 
Hirläü einbegriffen. 

6) Studil 9i doc. V, S. 73; Arch. din Ia§I I, S. 395. 

7) Ghibänescu a. a. 0., S. 559. 



Das Städtewesen. 18S 

bis ins 1 6. Jahrhundert auch ein Personenname ^) — läfst sich 
viel mehr als über die irgendwelcher anderen Stadt in der Moldau 
vermuten. Von den russischen Ansprüchen auf das ganze freie, 
unbesetzte, von Petschonegenscharen durchstreifte und ausgesogene 
Oebiet bis zur weiten, in den Sagen und der Volksgeographie der 
Slaven gut bekannten Donau war hier schon die Rede und auch 
davon, wie diese kraftlosen ehrgeizigen Ansprüche schliefslich in 
ein Nichts zusammensanken. Als Fürsten verschiedenen Blutes 
in dem noch formlosen ruthenischen Staate an den Quellen des 
Dnjestr miteinander um die Herrschaft stritten und als Halitsch 
schon die Macht an sich zu ziehen begann, fand der Besiegte stets 
eine Zuflucht bei den Petschenegen imd den herrenlosen rumäni- 
schen Dorfleuten: man sagte in einem solchen Falle, wenn man 
einen nicht mehr sah und ihn doch noch am Leben wufste, er 
sei „zur Donau" gegangen. Bei der ersten besten Gelegenheit 
pflegte aber der hartnäckige Prätendent zurückzukehren, um noch 
einmal sein Glück zu versuchen: das ist die Laufbahn des tap- 
feren Don Quixote unter den russischen Dynasten, des Iwanko, 
des Sohnes des Rostislaw, von dem man sagte, er sei in seinen 
Unglücksjahren ein Berladnik geworden; noch nach seinem 
Tode wurden seine immer unruhigen Kampfgenossen Berlad- 
niks genannt. Einmal, im Jähre 1174, haben diese Franctireurs 
des Baubens eine Stadt mit Namen 01e§je erobert, und die russi- 
schen Fürsten mufsten sie durch einen eigens dazu unternommenen 
Zug verjagen; dies gelang nach einer Schlacht, die bei Dtzina 
(oy Dtzinia) geschlagen wurde. Seitdem verschwinden die Ber- 
ladniks für immer. 

Dies alles ist einer einzigen russischen Chronik entnommen, 
welche nur kurze annalistische Aufzeichnungen gibt und kaum 
gleichzeitig mit den Ereignissen entstanden ist, wenigstens nicht 
in der Form, in der sie uns jetzt vorliegt. Es fanden sich natür- 
lich Forscher, die über all dieses, Olesje, Dtzinia usw. ein langes 
und breites zu sagen wufsten, aber ein unbefangener, die Verhält- 
nisse der Zeit würdigender Leser wird solche Aufschlüsse nicht 
mit einer geschichtUch festgelegten Wahrheit verwechseln. Aus 



1) Uricariul XVin, S. 130. 



184 2. Kapitel. 

den dürftigen Angaben der" Chronik kann man nicht klug wer- 
den , da die Nachricht nirgends eine Ergänzung und Erklärung 
findet. Berladnik hat zwar eine Ähnlichkeit mit dem Namen 
der Stadt Bärlad in der Moldau; die russischen Fürsten werden, 
wenn sie von ihren Verwandten ausgewiesen werden, nach der 
Donau — wie zum Tode oder zum Teufel — geschickt, und von 
grofsen galizischen Herrschern wurde gerühmt, sie hätten sich die 
,, imgarischen Berge" und die Fischerdörfer an der Donau unter- 
tänig gemacht i). Femer klingt Dtzinia einigermafsen wie V i - 
cina an der unteren Donau; „Selun", wo Iwanko gestorben ist, 
könnte eher Sulina an der Mündung des Flusses als Solun, Salo- 
nik sein. Endlich erscheint Bärlad als eine der ältesten Städte 
in der Moldau, und neben ihr stand noch im 17. Jahrhundert ^) eine 
alte tatarische Burg. Vielleicht kann man daraus den Schlafs 
ziehen, dafs Iwanko hier seinen ,, Grad '^ hatte und als Raubritter 
der Landschaft, als ungerufener Aufseher der Donau carpon es 
dieser Zeit, bei den Karren der Fischer seines Amtes waltete. 
Aber das ist alles, — und vielleicht zu viel. 

Jedoch an einen Staat von Brälad und eine Bedeutung des- 
selben für den Handel zwei Jahrhunderte vor der Gründung des 
moldauischen Fürstentums darf man nicht denken. Was Birlad 
später war, dankt es dem Verkehrswege, der von Lemberg über 
Siret und Suceava, besonders aber über Siret, nach den „tata- 
rischen" Häfen führt. Die Armenier, die, wenn auch gering an 
Zahl, dort wohnten, waren aus Städten zugewandert, die ihrerseits 
dieses morgenländische Element aus Galizien erhalten hatten, und 
die Einwanderung der Armenier in diese russisch-polnische Gegend 
ist nur im 14. Jahrhundert erfolgt. In der Zeit des fabelhaften 



1) Chanson d'Igor, Ausg. d'Avril, passim; im übrigen handelt darüber ein- 
gehend J. Bogdan in seinem Stadium über eine gefälschte Urkunde des Iwanko 
Yon 1134! — als es kein Halitsch gab — an die Mesembrioten — als sie gans 
ruiniert wurden — für den Handel in Gala^i — das zuerst im 16. Jahrhundert 
erscheint — und anderen Städten mit Waren, darunter die „ungrischen" — 
welche nicht existierten. S. die Jahresberichte der rum. Akademie, XIV. Dazu 
Studil ^i documente V, S. 596 — 597. Es ist sonderbar, wenn man nicht das 
politische Interesse ins Auge fafst, dafs eine so plumpe Fälschung hier und da 
einen Verteidiger findet! 

2) Bandini, S. 201—202. 



Das Städtewesen. 18& 

irrenden Ritters Iwanko Kostislawowitsch besafsen Lemberg und 
ErakaU; woher die ganze Handelsbewegung in diesen südöstlichen 
Gegenden kam^ noch gar keine Bedeutung: die Deutschen kamen 
nach Erakau, das erst damals eine civitas wurde ^ nicht vor 
dem Jahre 1257, und die Bedeutung von Lemberg stammt erst 
aus dem 14. Jahrhundert, als sich die Armenier neben den Deut- 
schen hier niederliefsen. Im 12. Jahrhundert fanden sich in den 
unteren Tälern des Sereth, Pruth und Dnjestr nur einzelne zer- 
streute Dörfer in einer Wüstenei, so wie die byzantinischen Heere 
das Land fanden: eine Handelsstrafse existierte noch nicht, und 
selbst auf dem kaiserlichen Gebiete war es unmöglich, systema- 
tische Beziehungen mit fremden Ländern zu unterhalten. 

Im 15. Jahrhundert schon erscheint in Birlad ein ^oltuz mit 
seinen zwölf pirgarl^ d. h. eine Institution des Magdeburger 
Rechtes: der Vorsteher heifst einmal Carapoton und ist mithin ein 
Armenier gewesen ; ein anderes Mal ist sein Name Dinga. Auf dem 
Siegel wird die, übrigens jetzt ärmlich ihr Leben fristende Ge- 
meinde als Stadt : trag Bärlad bezeichnet; es finden sich femer 
drei roh gezeichnete Fische darin, sowie drei Sterne und eine 
Sonne: die heraldische Deutung dieser Zeichen wird keine beson- 
dere Schwierigkeit bereiten *). 

TecucI steht dort, wo der Birladflufs in den viel gröfseren 
Sereth mündet. Es ist wie Birlad eine Ansiedelung an der grofsen 
östlichen Strafse, eine Handelsstadt, die in die erste Hälfte des 
15. Jahrhunderts zurückreicht: noch in dem Teilungsvertrage der 
Moldau zwischen den beiden bis dahin miteinander kämpfenden 
Söhnen Alexanders des Guten wird TecucI im Jahre 1435 als 
Ort, MHCTo, genannt, gerade wie Vaslul: beide sind von einem 
BOJOCTL, einem zur Stadt gehörigen Gebiet, das gewifs aus Fel- 
dern, Wiesen, Wald usw. besteht, umgeben, während Birlad allein 
den Titel tirg, d. h. Handelsstadt mit Markt, trägt *). Der „Ort" 
des 15. Jahrhunderts mit seinem fürstlichen Zollamte sank sehr 
früh zu einem grofsen Dorfe herab. Gegen 1650 waltete hier noch 

1) Studil ?i doc. V, S. 69—70, 82—83; VI, S. Iflf.; VH, S. 91, nr. 13 und 
AI. Papadopul-Calimah, Notita istorica despre Bärlad, Bärlad 1889. 

2) Hurmuzaki, Doc. I', S. 855. Tecuciü ist übrigens auch Personen- 
name (Studil 9i doc. VI, S. 475, nr. 102). 



1S6 2. Kapitel. 

«in ^oltuz mit seinen pir gar 1^ und die Einwohner nannten sich 
nach den veröffentlichten Urkunden orä^aul, Stadtleute. Indem 
Siegel mit slavischer Inschrift^ in dem als Wappenbild ein schlecht 
gekritzelter fliehender Hase mit spitzigen Beinchen stand ^ war 
zwar noch trag Tecucl zu lesen ^ aber die fremden Bürger, 
der Verkehr und der Reichtum ^ alles, was in Birlad und Vaslul 
zum Teil noch flimmerte, war dahin ^). Die Fürsten kamen, so- 
lange sie von einer Residenz zur anderen zogen, nicht weiter als 
bis Vaslul, und das hatte auch seine Bedeutung. 

Die im 17. Jahrhundert blühende Hafenstadt Gala^I, an der 
Mündung des Pruth in die Donau, existierte zweihundert Jahre 
vorher, in der Gründungszeit der Moldau, noch nicht: sie entstand 
erst später durch die neuen wirtschaftlichen Interessen, die sich 
aus der türkischen Oberherrschaft ergaben, und zwar in einer 
Gegend, wo neben den Mühlen auf dem Bache Covurlul nur ein 
armseliges Fischerdorf stand. Das auf dem bessarabischen Ufer, 
fast im Winkel zwischen den beiden Flüssen gel^ene Renl, von 
den Türken nach einer anderen slavischen Benennung Tomarova 
genannt, hatte früher als Gala^l in diesem Landstrich Bedeutung 
gewonnen, obgleich auch dieses nicht weiter als in die zweite 
Hälfte des 16. Jahrhunderts zurückreicht und obwohl auch hier 
niemals eine Stadtverfassung bestanden hat. Aber als um die 
Mitte des 16. Jahrhunderts Basilikos bei seiner Thronbesteigung 
diese m argine seines kleinen Reiches besuchte, ging er von Ga- 
lant — der Ort wird nicht durch ein Appellativum näher bezeich- 
net, obgleich der sächsische Reisende Reicherstorfer wenig vorher 
Gala^I als oppidum kennt ^) — nach dem „oppidum Renl, 
wo viele griechische Kaufleute wohnen" ^). 

Zwischen dem Pruth und Dnjestr, in der Landschaft, die in 
jeder Hinsicht eine dritte insula, ein drittes Gebiet mit eigenem geo- 
graphischem, ethnographischem und nicht minder wirtschaftUchem 
Charakter bildet, findet man eine Anzahl von Städtchen, die, wie 



1) Studil $i doc. V, S. 84, nr. 31. 

2) Chorographia, in Papiu, Tesaur., III, S. 142. 

3) Legrand a. a. 0., S. 31; VII, S. 90, nr. 8. Ein Zeugnis der gala^er 
Barger in Studil ^i doc. VII, II Th., 2. Ein Befehl an den Zollner von ßenl 
ebenda VI, Anhang. 



Das Städtewesen. 187 

Hotin, aus einem „ Podgrad " — wie es in den serbischen Ländern 
^nannt wird — erwachsen sind. Die Fürsten der Moldau oder ihre 
unbekannten Vorgänger in diesen Grenzstricfaen besafsen Festungen 
als Schutz gegen ihre tatarischen Feinde und hatten bei diesen Zoll- 
ämter für die durchreisenden Kauf leute errichtet, und zwar in Soroca, 
das erst im 16. Jahrhundert, noch zur Zeit Stephans des Grofsen, 
-entstanden ist ^\ und in dem viel älteren Tighine, Tighina, woraus 
die Türken ,, Bender'^ gemacht haben, jene Tighina, das ehemals, 
zur Zeit^ als Cetatea-Albä noch dem Khan der Tataren gehörte, den 
Weg in die Steppe, in die campi der Horde, gegen CaflFa und die 
blühende Krim öffnete ^). Soroca und Tighina haben niemals städti- 
schen Charakter besessen, und das letztere, welches eine Stadt hätte 
werden können, wurde durch die Verlegung des Handelsweges im 
15. Jahrhundert daran gehindert. Westlich von den beiden Burgen 
mit ihrer marktähnlichen Umgebung stand OrheT, das auch noch 
in den Zeiten Stephans des Grofsen befestigt wurde, und seine 
-eigenen pircälaben, Burggrafen, hatte: diese vertraten die ehe- 
maligen Befehlshaber des verlassenen Tighina, dem jedoch unter 
seinen türkischen Eroberern eine bessere Zukunft beschieden war '). 
Orhel bekam von den moldauischen Fürsten bürgerliche Frei- 
heiten und besafs das von den Städten der Moldau angenommene 
magdeburgische Recht : neben dem Pircälaben des Fürsten ordnete 
die städtischen Angelegenheiten ein ^oltüz mit seinen Beisitzern, 
die schon gegen das Jahr 1580 zu finden sind *). Südwestlich 
davon liegt in der Nähe des grofsen Pruthwaldes, der Codrul Chi- 
gheciulul, an der Schwelle einer südlichen „Wüstenei", Läpu^na, 
■das noch im 16. Jahrhundert^) der ersten Ansiedler harrte; es 
war die letzte Zollstätte fiir die Handelsleute, die nicht bis zu 
<ien südlichen Häfen reisen wollten. Wie in jedem Grenzorte 
wenigstens hielt der Fürst auch in Läpu^na seine Grofs-Vataven, 
und selbst um 1590 einen pircälab: aber daneben sprachen, wie 
in jedem anderen tirg, in geringeren Streitigkeiten der soltuz, 
•diepirgarl und die „guten Leute" Recht. Auf dem Siegel, wel- 
<5he8 ein Kreuz zeigt, wird die Gemeinde „ Liposna '* genannt ^). 

1) Harmuzaki, II*, S. 699. 2) S. die Lemberger Handelsprivilegien. 
3) S. Popescul, S. 11. 4) Studii ^i doc. V, S. 74. 

5) Popescul, S. 28. 6) Studii ^i doc. V, S. 74. 



^ 



188 2. Kapitel. 



Die südmoldauischen Häfen, durch die bis in das letzte Viertel 
des 15. Jahrhunderts ein grofser Teil des polnischen und des 
entfernteren deutschen Handels durch Vermittelung der deutschen 
und armenischen Kauf leute Lembergs nach dem Morgenlande ging, 
wobei ein Umtausch mit Orientwaren, die von Griechen, Raga* 
sanem und Armeniern über das Schwarze Meer gebracht wurden, 
vor sich ging, sind Chilia und Cetatea-Albä, die später als Kilu 
und Ak-kirman bekannt wurden. 

Man braucht nicht unbedingt an die alte Hlig des gotischen 
Königs Dromichaites zu denken, um eine Erklärung fiir die Ent* 
stehung von Chilia zu gewinnen: auf einer Insel der unteren Do- 
nau, und zwar dem danach benannten Flufsarme, erbaut, hatte* 
die alte Stadt eine gesicherte und für den Handel sehr günstige 
Lage. Fischer wohnten besonders in Alt-Chilia, und sie waren 
gewifs meistens Rumänen. Aber die Byzantiner, die selbst in den 
traurigen und heillosen Zeiten der Barbarenüberflutungen immer 
an der Küste des Pontus und am unteren Laufe der Donau in 
den renovierten Kastellen der justinianischen, dann maurizischen 
Eroberungszeit etliche Stützpunkte besafsen, hatten die Stadt Xüjk'H 
oder XrjXi^ nicht vergessen: sie erscheint bei den Chronisten des 
griechischen Ostreiches im 12. Jahrhundert als Zufluchts- oder 
Verbannungsort, je nach Lage der Dinge. Der junge Alexio» 
Komnenos beweinte hier mit seinen schmerzenden versengten Augen 
sein grausames Geschick; hier ward der abgesetzte, mit einem 
qualvollen Tode bedrohte Kaiser Andronikos von seinen Verfol- 
gern erreicht ^). Wenn man daran denkt, wie derselbe Andro- 
nikos, als er unter der Regierung seines Vetters Manuel noch ein 
hilfloser Prätendent war, durch das Wlachengebiet nördlich der 
Donau in die „ halitscher Berge *' *) floh, wobei er von den dortigen 
Rumänen eingeholt wurde, wird es klarer, warum der entthronte 
Kaiser gerade auf diesem ihm bekannten Wege seine Rettung suchte. 
Im 13. Jahrhundert verbannten die Herrscher von Konstantinopei 
ihre in Ungunst gefallenen Patriarchen nach Chele, und im 14. Jahr- 
hundert noch kommt „Chele oder Lykostomion" in einem Ver- 

1) 1183 und 1185. Ich glaube, daXd an dieses, nicht an das bithyniscbd 
Chele zu denken ist. 

2) Choniates, S. 1«; vgl. oben S. 120. 



Das Städtewesen. 189 

seichnisse der Besitzungen des Patriarchats ^) vor. In derselben Zeit 
Icamen die Genuesen^ die als Dank für ihre Hilfe bei der Wieder- 
«i^ufriclitung des byzantinischen Reiches für die neue Dynastie der 
I^aläologen das Handelsmonopol im Schwarzen Meere erhalten 
hatten und nun in dessen grölseren und kleineren Häfen, sowie 
ixi den dazu gehörigen Flüssen die Handelsflagge des Heiligen Georg 
bissen wollten, auch nach der griechischen Burg an der Donau- 
mündung. Schon im Jahre 1381 residierte hier ein genuesischer 
Konsul mit seinem massarius, während die Schiffe der Bepu- 
blik Pangalli ^), Eonstanza ^), Vicina ^) und die Donaumündungen 
Sulina und S. Georg ^) besuchten ^), um Eorn und rohe Häute 
25U verfrachten. Doch dieses italienische caricatorium fru- 
xnenti kam schon im Anfang des folgenden Jahrhunderts, nach 
1403, in die Hände des grofsen walachischen Fürsten Mircea. 
Unter walachischer Herrschaft und wenig später imter ungarischen 
Befehlshabern, die Johann Hunyady geschickt hatte, lebte und 
gedieh Chilia, bis es im Jahre 1465 von dem moldauischen Hel- 
den Stephan erobert wurde. Die Stadt hatte eine gewifs sehr ge- 
mischte Bevölkerung, die meist dem Morgenlande entstammte, d. h. 
hauptsächlich griechischen Ursprungs war. Nach zwanzig Jahren 
war der Sultan (1484) Herr von Chilia und der Donaumündungen, 
und die Zeit des lebendigen Verkehrs und des daraus fliefsenden 
Reichtums war fiir Chilia und zum Teil auch fiir die ganze Mol- 
dau vorüber '). 

Der Dnjestr mündet ins Schwarze Meer durch eine Art von 
kleinem Meerbusen. An dessen nordwestlichem Ufer, wo selbst 
grofse Schiffe gefahrlos einlaufen konnten , standen seit uralten 
Zeiten die grauen Mauern einer Steinfestung, eines Steingrads, 
«lavischen Ursprungs, der, wie gewöhnlich fUr gröfsere, nicht 



1) 8. meine Chilia ^i Cetatea-Albä, S. 32—34 

2) Die heatige Mangalia. 

3) Die ebenso wieder umgetaufte rumänische Stadt in der Dobrudscha, ehe- 
mals das türkische Eüstendsche. 

4) Nicht mit Mäcin identisch. 

5) Vielleicht nach ihrem SchutzheUigen genannt. 

6) Vgl. das dritte Kapitel von: Chüia ^i Cetatea-Albä. 

7) S. die bezüglichen Kapitel des eben genannten Buches. 



190 2. Kapitel. 

hölzerne Festen Belograd^ Cetatea-Albä genannt wurde. In den 
Zeiten, als die ersten russischen Seeräuber die Gewässer des nörd- 
lichen Pontus befuhren, als die byzantinischen Befehlshaber an 
der Grenze langwierige Erkundigungs- und Verhandlungsreisen ' 
ins Innere der Steppe zu den Petschenegen unternahmen , ¥nrd 
die Weifse Burg am Dnjestr, aber auch als alte Schwarze Burg 
(von Kulturmenschen, die nicht den „weifsen^* Stein, aber wohl 
äas graue Alter desselben bemerkten) in verschiedenen Berichten 
erwähnt. Es folgte dann, gegen 1330, eine Zeit, wo die tataiischen 
Eroberer ihre Zöllner hier in „ Moncastro ^' einsetzten. Als die Ge- 
nuesen die Mündung des Dnjestr sich unterwarfen, fanden sie hier 
noch die Reste des byzantinischen Maurokastron , dessen Namen 
sie als Mauocastro, Maocastro, endlich Moncastro verstanden, wäh- 
rend die einheimische Bevölkerung immer nur eine Cetatea-Albä 
gekannt hat. Die italienischen Kaufleute besetzten vielleicht, wie 
dies mit Caffa geschehen ist, mit Erlaubnis des Khans, die Borg, 
die sie vollständig renovierten, verloren sie aber noch im 14. Jahr- 
hundert an die ihre Herrschaft „bis zum Meere*' erweiternden 
Fürsten der Moldau; in den Rechnungen von Caffa und Pera 
werden genuesische Offiziere in Moncastro niemals erwähnt. Je- 
doch wurde eine Wiederbelebung der alten Zustände gegen den 
Anfang des 15. Jahrhunderts mit Erfolg versucht: im Jahre 1400 
bis 1401 entsandte der Fürst Alexander ein Heer und liefs die 
Gebeine des heiligen Johann des Neuen, der etUche Jahrzehnte 
vorher durch die tatarischen Heiden gemartert worden war, aus 
Cetatea-Albä nach seiner Hauptstadt Suceava bringen; noch 1410 
wird die Hafenstadt als eine Kolonie der Genuesen von einem 
Notar der Republik erwähnt *). Später gicrg die Stadt in den 
dauernden Besitz Alexanders und seiner Nachfolger über, und als 
dann das Land von zwei Fürsten beherrscht wurde, welöhe nach 
hartnäckigem Kampfe durch Vertrag ihren langen Streit beendeten, 
bekam der jüngere, Stephan, die südlichen Gegenden; einer seiner 
Verwandten und Erben, Alexandrei, residierte in Cetatea-Albä 
und wurde hier, 1455, begraben *). 

1) Becueil des historiens des croisades V, Sp. 289 A. 

2) S. die Erzählung nach einheimischen und fremden Berichten in meiner 
Chilia ^i Cetatea-Alhä. 



D»8 Städtowesen. 19t 

Die Bedeutung von Cetatea-Albä, das in unmittelbarer Nach- 
barschaft der tatarischen Länder lag und in Verbindung mit dem 
Meere stand, übertraf die von Chilia: im 14. Jahrhundert , noch 
vor der Oenuesenzfcit, liefen in den Dnjestrhafen Fahrzeuge und 
Schiffe aus Trapezunt und anderen Orten des asiatischen ponti- 
schen Ufers ein. In der Legende des Märtyrers Johann werden 
„Wohnungen der Juden" erwähnt, und die Flotte der Kreuz- 
fahrer fand hier schon vor 1450 zahlreiche Genuesen^), die le- 
tinl des Volkes, das in seinen epischen Dichtungen die grofseni 
yyletinischen" Herren der Dobrudscha und ihren ungemessenen 
Reichtum bewunderte. Neben den Genuesen und, wie diese selbst^ 
aus der Krim kommend; trieben hier die Armenier einen lebhaften. 
Handel mit Ost und West. Die Griechen konnten an diesem von. 
ihnen in uralter Zeit gegründeten Umschlagsorte^ wo sich die sla- 
vischen und turanischen Barbaren der Campanea trafen ^ nicht, 
fehlen: so findet sich ein y^ffamosus^^^ y^Kryche von Weifsenborg^^, 
Kalojanni, und sein Sohn Duka, welche den Lembergem nur zu gut. 
durch ihren Pfeffer und andere Spezereiware bekannt waren ^). 
Die ;, Walathen '^; die von diesem ^^walachischen^^ Hafen aus nach, 
der galizischen Handelsmetropole kamen , wie Dimitri, Dimitra^, 
und sein Vater ^^Jurgius^'; waren gewifs in der gesamten Bevöl- 
kerung nicht so zahlreich vertreten wie ihre Mitbürger fremden. 
Ursprungs ^). Über die Verfassung der Hafenstadt in der mol- 
dauischen Zeit wissen wir einiges^ und danach waren die Verhält- 
nisse dort ganz anders als in den übrigen staatsrechtUch anders 
gestellten Städten: neben den fürstlichen pircälaben richteten 
und beglaubigten die jupani und die Altesten; auch von dem 
Stadtsiegel ist die Rede, aber ohne nähere Angaben ^). Dies alles- 
aber ward anders mit der türkischen Eroberung im Jahre 1484; 
wodurch das neue Akkirman noch mehr als eine Grenzfestung des- 
Sultans wurde und sogar etwas von seiner kommerziellen Bedeutung 
von ehedem behielt 



1) Wayrin, Anch. crooiqaeB, Ausg. Hardy V, S. 65; Ausg. W^^ Dupont 
n, S. 95. 

2) Chilia ^i Getatea-Albä, S. 282 ff. 

3) Vgl. ebend. und Eela^e cu Lembergul I, S. 18 ff. ; B o g d a n , Doc. ^i reg., S.123. . 

4) Acte 9 i fragm. IIP, S. 32—36. 



193 2. Kapitel. . 

■ 

Wie bei Chilia und Cetatea-Albä wurde auch das Schicksal 
der walachischen Städte an der Donau durch die frühzeitige^ den 
Verkehr hemmende türkische Eroberung entschieden. Dies voll- 
zog sich unter Soliman dem Orofsen ohne Blutvergiefsen, einfach 
durch einen kaiserlichen Erlafs an den hilflosen Fürsten der Wa- 
lachei, und zwar etliche Zeit nach den Kämpfen des von Ungarn 
unterstützten Radu de la Afuma^I gegen die Begen des rechten 
Donauufers, und bald nach der für den christlichen Osten ent- 
scheidenden Schlacht von Mohäcs im Jahre 1526, wobei der letzte. 
Nationalkönig des ungarischen Reiches auf der Flucht in den Sümpfen 
umkam. Durch diese Mafsnahme und durch die Besetzung der Ort- 
schaften am Dnjestr war in diesen Gegenden die Reichsgrenze gesichert. 

Unter diesen walachischen Donauhäfea war bis zum 16. Jahr- 
hundert Bräila der bedeutendste Handelsplatz gewesen. Dort, wo 
•der Sereth in die grofse Wasserader mündet, gelegen, hatte Bräila 
die günstigste Lage, um den Ertrag seiner Fischereien weithin 
•exportieren zu können, denn mit einem Fischerdorf beginnen alle 
^iese Donauhäfen, wenn nicht ein ehemaliges, längst verlassenes 
kaiserlich - byzantinisches Kastell den Anfang gebildet hat. Die 
ursprüngliche Ansiedelung war gewifs aus rumänischen Fischern 
und griechischen Kaufleuten zusammengesetzt, aber der Name 
•erinnert an den rumänischen Personennamen Bräilä, woraus auch Bräi- 
loiü geworden ist. Die Gründung des walachischen Fürstentums gab 
dem bescheidenen Dorfe die Möglichkeit eines starken Aufschwungs : 
im Jahre 1368 erteilte der Fürst Vlaicu den sächsischen Handels- 
leuten von Kronstadt, die durch Bräila („Braylau") nach „fremden 
Reichen " segeln wollten '), Erleichterungen, d. h. wenn sie Bulgaiüen, 
Konstantinopel und die Türkei aufsuchen wollten. Einige Jahrzehnte 
später bestand in diesen Gegenden nur ein einziges „fremdes 
Reich ^% dasjenige des heidnischen Kaisers von Adrianopel, und der 
byzantinische Kaiser war tatsächlich ein Gefangener seiner Nach- 
barn. Nach Bräila kamen aber, nach dem Zeugnisse eines deut- 
schen Reisenden, in immer gröfserer Anzahl „kocken und galein 
^us der haidenschafft '^ ^). Der byzantinische Chronist Chalkokon- 

1) Zimmermann-Werner-Müller 11, S. 307, nr. 908. 

2) Schiltb erger, Ausg. Nenmann, München 1859, 8. 92; Ausg. Laog- 
xnantel, Nürnberg 1885, S. 52. 



Das Städtewesen. 19S 

dylas erwähnt im folgenden Jahrhundert Bräila als einen sehr be- 
deutenden Hafen und die wichtigste Stadt des walachischen Herr- 
schers. Aus diesem Zeitalter stammt ein glücklicherweise auf- 
bewahrter Brief der Gemeinde von Bräila an die von Kronstadt^ 
der sich mit einer Intervention für Miho5 aus Kagusa beschäftigt, 
welcher in Bräila sich dauernd niedergelassen hatte^ die dem Fürsten 
eustehende Steuer zusammen mit den anderen Bürgern entrichtete 
und folglich in die Bürgerschaft aufgenommen worden war. Man 
«iehty dafs die Stadt wie jede andere freie städtische Ansiedelung 
im Lande ihren Richter und die ihm zur Seite stehenden pirgarl 
hatte, und dafs die Bürger gegen Zahlung einer gewissen verein- 
barten Summe an den Landesschatz das Recht eines unabhängigen 
Richterstuhls in Handelsangelegenheiten erworben hatten. Im 
16. Jahrhundert; unmittelbar vor der Errichtung einer türkischen 
Festung, begegnet man wieder einem ähnlichen Interventionsschrei- 
ben von Bräila ^). Die fremde barbarische Herrschaft führte durch- 
aus nicht zur Armut und zur Entvölkerung ^), und Bräila galt 
noch 1569 als der bedeutendste Stapelplatz für beide Fürsten- 
tümer ^). Jedoch an eine &eie Entwickelung, an eine politische 
Bedeutung des grofsen Donauhafens war jetzt nicht mehr zu den- 
ken: die siebenbürgischen Sachsen hatten die alte Handelsstrafse 
Kronstadt-Bräila vergessen ^), imd die Fische aus den dortigen 
Gewässern sandte der Nazir der Festung nach Konstantinopel. 

Südlich von Bräila teilt sich die Donau in zwei Arme und 
dann in eine Unmenge von Bächen und Teichen, so dafs eine für 
die Fischerei äufserst günstige Stelle entsteht, die sich in dieser 
Hinsicht nur mit den Donaumündungen vergleichen läfst. Auf 
einer kleinen Strecke findet man dann wieder einen geeinten Strom, 
dann aber erstreckt sich bis Silistrien eine zweite Insel, die ebenso 
aussieht wie die vorige. Zwischen diesen reichen Fischereigründen 
erhob sich, Hir^ova in der Dobrudscha gegenüber, dessen Alter 
sich nicht feststellen läfst, der tirg Flocl, einer von den ältesten 



1) Chalkokondylas, S. 505; Bogdan a. a. 0., S. 236 — 237, 309. 
Ygl. y i g n a , Codioe diplomatico delle colonie tauro-ligari I (Genua 1868), S. 364, 843. 

2) Ohilia fi Cetatea-Albä, S. 194, wo aber das Zitat von Bandini 
auf Galant zu beziehen ist. 

3) Hurmuzaki IIS S. 589, nr. 570. 4) Bogdan a. a. 0., S. 4, 5, 9, 12. 

Jor^a, 'Oeseliiehte 4tor Sam&nen. I. 13 



IM 2. Kapitel 

des walachischen Landes ^ der schon im 15. Jahrhundert erwi 
wird ^). Flocl entging dem Schicksale von Bräila, und noch imj 
17. Jahrhundert ernährten sich durch die Fischerei die Mitglied! 
der hiesigen Gemeinde^ die sich^ wie es scheint; aus Rumänen ani 
Bulgaren zusammensetzte und gemäfs dem überall verbreitei 
siebenbürgischen Stadtrechte von einem Richter und seinen pir 
garl verwaltet wurde *). 

Von der römischen Zeit an bis zur Gegenwart hat Durosi 
rum^ Drstor^ Silistrien, seine Stellung als Hauptort an dem Punk 
behauptet; wo die Donau ihre westlich-östliche Richtung verändei 
sich nördlich wendet und die bis an das Schwarze Meer reichendi 
Scythia Minor ; die heutige rumänische Dobrudscha; westlich 
grenzt. Eine bedeutende Ansiedelung auf dem linken Ufer Wi 
durch das wichtige Silistrien unmöglich gemacht; Cälära^l; dii 
Hauptstadt des jetzigen Bezirkes lalomita^ ist nichts anderes ali 
ein vom Glücke begünstigtes ehemaliges Soldatendorf; ;;Sat sluji 
toresc"; wo Reiter angesiedelt waren, die gewisse Steuererleich 
terungen genossen und dafür mit ihren Pferden am Hofe des Für* 
sten erscheinen mufsten. An dem grofsen Flusse aufwärts findet 
man nur Dörfer und ödes Land bis zu dem Punkte; wo di& 
Donau eine ziemlich grofse Insel bildet: dort liegt Rustschuk in 
Bulgarien und dieser Stadt gegenüber Giurgiu. Rustschuk ver- 
tritt jetzt die Stelle des älteren, nahe dabei gelegenen Cerven, wo 
gelegentlich der Bischof von „Silistrien und Cerven" — so im 
17. Jahrhundert^) — residierte*). Giurgiu hat keinen genuesi- 
schen Ursprung; wie man, gestützt auf seinen Namen ; lange Zeit 
geglaubt hat: die Stadt ist nach ihrem Gründer, einem Rumänen 
Giurgiu ; genannt; war im 14. und 15. Jahrhundert eine Burgy 
deren Besitz von Türken und Rumänen heifs umstritten wurde, 
aber zuletzt den ersteren verblieb. Handel, Handelsfreiheiten und 
städtische Verwaltung waren in Giurgiu vor 1829 — damals gaben 
die Türken ihre Donaurajas der Walachei zurück — völlig un- 
bekannt; hier war nur ein Vad; ein Epo;^, d. h. ein Übergang 

1) Bogdan a. a. 0., S. 23, 121. 

2) Studil 9i doc. V, S. 605—606. 

3) Annalen der ram. Akademie XXI, S. 2, Anm. 1. 

4) Jiredek, Fürstentum Bulgarien, S. 410. 



Das Städtewesen. 195 

nach dem inneren türkischen Lande ^ und auf einer alten Strafse 
gelangten die Eronstädter hierher^). Turnu-Mägurele an der 
Mündung des 01t ist nach dem alten byzantinischen Kastell; das 
nach seiner Wiederherstellung durch die Türken in den Kriegen 
zwischen ihnen und den Christen als ^^Nicopolis Minor'' eine Rolle 
spielt ^)y benannt : mit dem Handel und Städteleben steht es hier 
iwrie in Giurgiu. Noch weiter den Strom hinauf gab es noch im 
Jahre 1247 reiche Fischereien in Celel, und diese piscinae wur- 
den für den ungarischen König durch die Verwaltung des ihm ge- 
hörigen Banats ausgenutzt'). Calafat war im 15. Jahrhundert 
nur eine Zollstätte ^ und in deren bescheidener Geschichte haben 
die Genuesen, wie fölschlich angenommen worden ist^ nichts zu 
suchen *). Und endlich in dem Namen der Burg, von der aus 
sich die eben genannte ungarische Mark in dem westlichen wala- 
chischen Lande entwickelte, in Severin, ist nichts anderes als eine 
Cetatea lul Severin zu sehen — denn den Namen Severin findet 
man, wie schon bemerkt, oft im Lande, ja es gibt auch ein Dorf 
Severine§tl — , genannt nach einem unbekannten Häuptling oder 
Dorfgründer, der sich hier festsetzte. Die Burg behielt, bis sie im 
16. Jahrhundert den Türken zufiel, ausschliefslich den Charakter 
eines befestigten Platzes ^). 

Im Innern des Oltlandes, wenn man auch das linke Ufer des 
Olt in Betracht zieht, findet man zwei Städte, welche eine Erwähnung 
verdienen. Craiova, die Hauptstadt des Gebietes im 17. Jahrhun- 
dert, hat keinen fabelhaften kumanischen oder bulgarischen Ur- 
sprung *) : als die walachischen Fürsten das Banat bekamen, grün- 
deten sie, da sie die Burg Severin nicht ihr eigen nannten, ein 
„Neu-Severin" im Gebirge, in der Nähe des Teiches, nach dem 
die Stadt den Namen Rimnic trug, und hierher wurde auch der 
Sitz des Bischofs von Severin verlegt. Craiova wird von einem 

1) Bogdan a. a. 0., S. 22. 

2) S. Chilia §i Cetatea-Albä, S. 65-66, 253. 

3) Zimmermann-Werner I, S. 74. 

4) Archiva istoricä IS S. 19-21; vgl. S. 29 — 31; Venelin, Dako- 
bulgarische Akten (russisch), 1840, S. 121 — 123. 

5) S. Hurmuzaki XI, unter dem Schlagworte. 

6) So nahm Hasdeü, Originile Craiovel (Bukarest 1878; vgl. Oltenes- 
cele, Craiova 1884) an. 

13* 



IM 2. Kapitel. 

ragusanischen Schriftsteller am Ende des 16. Jahrhunderts wegen 
seines Namens mit der Geschichte des heldenhaften Eralsohnes 
Marko in Verbindung gesetzt ^). In dieser Zeit war die Stadt 
y^ausgedehnty völkreich und voll allerlei Vorrat", aber aller Be- 
festigungswerke entblöfst, obgleich der Ban dort seine Residenz 
aufgeschlagen hatte. Das Siegel von Craiova trägt in einem dop- 
pelten Kreise das Kreuz, zwei Sterne und die Inschrift: ,, Craiova 
ora^ " ^). Von einer städtischen Verfassung ist aber nirgends die Rede. 

Auf dem walachischen Ufer des 01t stand schon im Jahre 
1368 als ein altes portorium für die siebenbürgischen Waren, 
die nach dem Banate gefährt wurden, Slatina. In dem schon 
erwähnten Handelsprivilegium für die Kronstädter befreit d«r Fürst 
Vlaicu die Fremden von der hier zu entrichtenden Abgabe, und 
es läfst sich vermuten, dafs wir es, wie bei Tighinea in der Mol- 
dau, auch hier mit einem alten Grenzort zu tun haben. Die Grenze 
wurde durch die Ausdehnung des Staates weiter hinausgeschoben 
und später erscheint Slatina nicht mehr als bedeutender Ort, ab 
tirg oder ora^ des Landes. 

Das ist, kurz gesagt, alles, was sich über die Anfänge der 
rumänischen Städte sagen läfst. Jetzt müssen wir zu den inneren 
Städten der walachischen Ebene übergehen. 

Als zeitweilige Hauptstadt der Walachei erscheint Bucure^tl 
(Bukarest) zuerst im 15. Jahrhundert, unter dem SchützUng der 
Türken, Badu dem Schönen, der sich nur unter dem Schutze der 
benachbarten türkischen Festung Giurgiu zu halten vermochte '). 
Man hat angenommen, dafs die alte „Burg an der Dimbovi^'^ — 
dieser Flufs läfst auch durch Bukarest seine trüben, dürftigen 
Wellen fliefsen — identisch sei mit dem später unter dem Kamen 
Bucure^tl auftauchenden Orte. Tatsächlich gab es aber im Anfang 
des 15. Jahrhunderts eine „cetatea Dimbovi^l^' in der Nähe der 



1) Mauro Orbini, Eegno degli Slavi, S. 279. Vgl. meine Stadil ^i doc. 
III, Vorrede, S. Lxm. 

2) Walther, Res gestae Michaelis, in Papiu, Tesaur I, S. 25; Studil 
9i doc. V, S. 800, nr. 32. 

3) Bogdan a. a. 0., S. 73. Vgl. lonnescn Gion, Istoria Bacore^tilor 
(Bakarest 1899), S. 23 ff. Das Bach ist übrigens wegen des vollständigen Man- 
gels an Kritik und des bombastischen Stils beinahe unbrauchbar. 



Das Städtewesen. 197 

FlufsqueUe im Hochgebirge, uod dort hatten die in das Land kommen- 
den Kronstädter ihren Zoll zu entrichten ^). An demselben Flufs- 
laufe wurde aber später ein zweites castrum errichtet, und die 
Leute, die sich unter dessen Schutze zusammenfanden, nannten ihre 
Siedelung nach einem hier befindlichen Dorfe „Bucure^tl^^, d. h. 
Nachkömmlinge des Bucur. Bald entstand die Strafse nach Giur- 
giu und bildete eine direkte Verkehrsader mit den türkischen 
Ländern ; dies trug ebenso wie die Niederlassung der türkisch ge- 
sinnten Herrscher zur günstigen Entwickelung und Bereicherung 
von Bukarest bei. Die älteste Verfassungsurkunde dieser Resi- 
denzstadt stammt aus dem Jahre 1578; seitdem erscheinen regel- 
mäfsig der Richter und die zwölf pirgarl von Bukarest nebst 
vielen einheimischen und fremden Gewerbe- und Handelsleuten ^). 
Das Siegel, etliche Male verändert, steht in Beziehungen zu den 
bekanntesten, gröfsten Kirchen der Hauptstadt: die Mutter Gottes 
mit dem Jesuskinde ist zuerst dargestellt, später kommt die Ver- 
kündigung darin zum Ausdruck. 

In Caracal, Caracäl, entstand ein Städtchen, nicht allzuweit 
vom 01t, in der sogenannten Oltenia, in Folge davon, dafs der krie- 
gerische Fürst Michael während seiner Kämpfe mit den Türken *) 
an der Donau sein Quartier hier nahm: weiter wissen wir nichts 
über die besciieiaene Geschichte dieser Ortschaft. 

Dies mag genügen, um die Anfange des rumänischen Städte- 
wesens zu kennen und zu beurteilen. 

Überall trifft man in diesen Städten Fremde, die mit ihrem 
Rechte, mit der in ihrer Heimat üblichen Stadtverfassung gekom- 
men sind, um ähnliche Kolonien auf rumänischem Boden zu grün- 
den. Die einheimische Bevölkerung hat es nur zu Fischerdörfern 
an der Donau, die sich dann zu Häfen ausgewachsen haben, oder 
zu fürstlichen Residenzen für den Landesherrn unter dem Schutze 
seines „castrum" gebracht. 



1) Bogdan a. a. 0., S. 6. 

2) GioQ a. a. 0., S. 718 ff., mit lithographischen Faksimiles, was das Best^^ 
in dem Werke bildet. Vgl. auch Tocilescu in der Zeitschrift „Tinerimea ro- 
iQLDä", Nene Serie I, S. Iff. Ein Brief des Munizipalamtes von Bukarest, auch, 
in Studil ^i doc. V, 8. 70—71. 

'S) Hurmuzaki XII, Register, S. vii. 



198 3. Kapitel. 

Dasselbe mufs auch für den Teil des alten ;, rumänischen 
Landes'^ gelten^ der heute Siebenbürgen^ Erd^ly und nach dieser 
letzten Benennung rumänisch Ardeal heifst. Alle Städte verdan- 
ken ihr Dasein einer fremden bürgerlichen Einwanderung^ denn auch 
die Magyaren haben selbst keine städtischen Gemeinden gegründet 
Die älteren Städte sind alle durch die vom Rheine her ins Land 
gerufenen Sachsen erbaut. Wo die Deutschen nicht das bürger- 
liche Element geliefert haben, oder wo sie erst später und in ge- 
ringerer Anzahl hingekommen sind und infolgedessen die Macht 
nicht allein besessen haben , gibt es nur Marktflecken, die in 
neuerer Zeit entweder durch die Errichtung von Jahrmärkten oder 
durch die Entdeckung irgendwelcher reicher Erwerbszweige aus 
Dörfern erwachsen sind. Hier wie jenseits der Berge zeigt sich 
die Unlust des rumänischen Volkes, in einer geschlossenen reichen 
Stadt zu leben, wo es regelmäfsige Arbeit gibt und ein spai*samer 
Haushalt geführt werden mufs. Der Rumäne braucht Raum, 
Himmel, Natur, Freiheit, dies sind seine wichtigsten Bedürfnisse: 
sie liegen auf dem Grunde seiner Seele und klingen auch in sei- 
nen Liedern wieder. 



3. Kapitel. 
Die rumänischen Dörfer. 

I. Der Rumäne besitzt kein altes Wort in seinem ursprüng- 
lichen Sprachschatze für gröfsere Bildungen gemeinsamen Zusammen- 
lebens. Er kennt nur den sat (Dorf) und die cetate (civitas) 
aus uralten Zeiten, aber unter letzterer Bezeichnung versteht er 
nur die Burg. Er hat solche cetä^l unter zweierlei Gestalt 
kennen gelernt und zwar ohne Unterbrechung, so dafs sich daraus 
die Beibehaltung dieses lateinischen Sprachelementes erklärt. Er- 
stens fand er an der Donau die Überbleibsel des grofsen oströmi- 
schen, dann byzantinischen Festungsgürtels, der gegen das Jahr 
1000 zum Teil noch bestand und von dem einige Teile, wie Tumu, 
Chilia, Cetatea-Albä — Turris, Chele und Maurokastron — bis in 
die neuere Zeit bestanden haben. Zweitens aber machte er die 
Bekanntschaft des slavischen Grad, der, meist am Flufslaufe, in einer 
unangreifbaren Lage aus Holz und Lehm erbaut, einem „demo- 



.^i 



Die rumänischen Dörfer. 199 

kratischen^^ Fürsten zum Wohnsitz diente. Die Namen Grad und 
Grädi^te sind einige Male — so bei Hatzeg in Siebenbürgen und 
in vielen anderen jetzigen Dörfern des walachischen Hoch- und 
Flachlandes — zu Ortschaftsnamen geworden, während für den Be- 
griff Festung einzig und allein das Wort cetate in Gebrauch ge- 
blieben ist Die sla vischen Grads verschwanden im allgemeinen, 
schon wegen ihres wenig dauerhaften Matenals: nur dort, wo der 
gröfste und wichtigste Flufs des Landes, der Marcs, Siebenbürgen 
verläXst, fanden die eindringenden Ungarn des Königs noch eine 
slavische Steinburg, Belgrad, welche von Rumänen für irgendeinen 
ihrer unbekannten Häuptlinge verteidigt wurde. Für den König 
and für die offizielle Überlieferung bildete hier Alba ^) den Mittel- 
punkt des neueroberten Landes ; für die in der Nähe angesiedelte 
magyarische Bevölkerung war es in Hinsicht auf unbekannte Ver- 
hältnisse während der unabhängigen Zeit oder gleich nach der 
Eroberung Gyula-Fehervär, die weifse Burg des Gyula: eine an- 
dere weifse Burg war die Residenz des Königs, und eine dritte, 
an der Donau gelegen, die Weifse Burg des Kaisers, die grie- 
chische Weifse Burg. Für die Rumänen aus dem Volke blieb 
aber die königliche und bischöfliche Stadt bis auf unsere Tage 
das alte berühmte Belgrad (Bälgrad). 

Wie cetate hat auch sat einen alten Ursprung, und in dem 
lateinischen^) Vorläufer des rumänischen Wortes — satum — 
spiegelt sich das ackerbauende Leben der römischen Ansiedler in 
den Donauländem wieder. Der sat ist die charakteristische Form 
für das Wohnen der Rumänen bis heute geblieben. 

Ein Dorf gehörte vormals einer und derselben Familie; alle 
Einwohner ohne Unterschied waren Blutsverwandte, Nachkömm- 
linge eines Stammvaters, der auch die Ortsgrenzen des sat fest- 
gestellt hatte. In der Moldau hiefs das Erbland, trotz seiner spä- 
teren Teilungen, bätrin, d. h. „Älter", und bei der späteren 
Vereinigung mehrerer vorher voneinander unabhängiger Dörfer 
sprach man von zwei, drei bätrini, aus denen zusammen die 
späteren gröfseren Gemeinden erwachsen sind. So hatte z. B. das 

1) Alba Jalia =» Gyula! ist ein von den Gelehrten gebüdeter Name. 

2) Es wird jedoch dem Worte sat gewöhnlich ein albanesischer Ursprung 
zuerkannt (0. Densusianu I, S. 353, 355). 



aOO 3. Kapitel. 

Dorf Plotune^tl im 18. Jahrhundert drei bätrini; die Bichm-|li 
folge der vorhandenen Schenkungs- und Teilungsbriefe genau 
gegeneinander abgrenzen liefsen. Einer hatte in der ältesten Ver- |ji 
gangenheit einem Priester gehört, der zweite einem gewissen An- 
drei Brtnzä; der dritte endlich, dessen Geschichte besser bekannt 
ist, die Erbschaft und das Dorf des Stan Plotun, hat auch den|] 
Gesamtnamen von Plotune^tl hergegeben, indem die zwei anderen 
bätrini, als weniger bedeutend, sozusagen in seine Familie auf- 
genommen wurden. Wir besitzen zwar nicht den fürstlicben 
Schenkungsbrief für Plotun selbst, aber wohl die im Jahre 1520 
für seine Söhne ausgestellte Bestätigung der Schenkung ^). 

Diese Art, ein Dorf zu gründen, war selbstverständlich schon 
viel früher üblich, als ein Fürstentum entstand: eine grofse An- 
zahl, vielleicht die Mehrzahl aller Dörfer, bei denen die Endung 
-e^tl oder -enl an den Namen des Stammvaters angefügt ist, 
gehören hierher : man sagte „PiscanI", wo der Piscul gestanden hat *), 
„Pi^ivoie§tI", wo Pi^ivol Boul usw. gewesen ist. In den frühesten 
Fürstenurkunden, die sich auf die Besitzrechte der Bewohner der 
Moldau beziehen, findet man ganz dieselben Verhältnisse, die sich 
später genauer und in zahlreicheren Fällen wahrnehmen lassen: 
so erscheint z. B. 1418 vor dem Fürsten, um eine Landforderung 
anzubringen, im Namen von mehreren Söhnen und Enkeln, al& 
Vertreterin des ungenannten ursprünglichen bätrin, eine alte 
Frau, Maicolia *). 

In der Moldau, ebenso wie in der Walachei, heifst das von 
dem Ahnen überkommene Erbgut eine mo^ia. Die Bezeichnung 
ist von» derjenigen des Ahnherrn selbst hergeleitet. Denn mo^ 
bedeutet Grofsvater oder Stammvater. Darum heifsen auch in 
der Walachei die freien Bauern, welche noch ihren eigenen Boden 
besitzen, ohne von jemand anders als dem Fürsten und seinem 
Beamten abhängig zusein, moi^neni oder moijtenl, d. h. Nach- 
kömmlinge des mos und zugleich erbliche Besitzer seiner Ver- 

1) Archiva societätil ^tiintifice §i literare din lai^I I, S. 385 f., 556 f. 

2) üricari ul XVIII, S. 120; J. 1533. Vgl. die Urkunde des walachischen 
Fürsten Dan, welcher in einem Dorfe den Anteil zweier Familien, der liga^e^tl 
und Eu^e^tl, anerkennt; Arch. ist. I^, S. 19. 

3) Popescul nr. 1. 



Die ramänischen Dörfer. 201 

lassenschaft^ der mo^ia. Das Land selbst, der politische Staat; 
erscheint in diesem Lichte, und nach diesem Grundbegriffe ist 
jeder Rumäne Sohn und Herr seiner heimatlichen Erde, danach 
wird das Vaterland nur als mo^ie, als das den kämpfenden und 
arbeitenden Ahnen gehörige Erbgut angesehen und genannt. Als 
sehr alte Benennung slavischen Ursprungs kommt schon in den 
ersten Urkunden, welche den Bodenbesitz betreffen, das Wort 
ocinä (cö^iHHa, «THnna, wT^rana) und auch der Ausdruck mo^ie 
ohabnicä vor: die Familienbesitzungen tragen diesen Kamen, 
während die späteren Schenkungen des Fürsten — in der Moldau 
wenigstens — als Urik (oypnK, magy. örök), wie später die Urkunde 
heilst, womit sie vergeben wurden, bezeichnet werden. Ocinä war 
kein . Kanzleiausdruck ruthenischen oder bulgarischen Ursprtmgs, 
wie manches andere Wort und ebenso manche Formel ; die rumäni- 
schen Bauern von Siebenbürgen sprechen vielmehr im Anfange des 
17. Jahrhunderts von ihren „ocine" in demselben Sinne wie die 
Fürsten der Moldau im 15. Besitzungen, die sie so nennen, be- 
stätigen ^). Ja noch im 15. Jahrhundert findet man im Hatzeg- 
lande Dörfer, alte Dörfer aus entfernter Zeit, die Ohaba, Ohabita, 
Uric heifsen *). Mit der Zeit wurden aber die „urice" selbst zu 
„ocine", gesetzlich und auch im Sprachgebrauche: man spricht 
nun von „rechten ocine aus ihrem rechten und wahrhaftigen 
uric", und eine vom Fürsten bekräftigte „ocinä" konnte auch 
„uric" benannt werden *), ja es kommt vor, dafs in Bestätigungs- 
urkunden dasselbe Dorf bald „uric", bald „ocinä" genannt wird *). 

Die mo§ie wurde von allen Mitgliedern der Familie — ein- 
mal erscheint ausnahmsweise das Wort fämeaia für „farailia", 
aber es lebt nicht mehr im Volksnaunde — beherrscht, und es 
gibt keinen Unterschied zwischen Brüdern und Schwestern, zwi- 
schen Söhnen und Töchtern, zwischen der Mutter und ihren Spröfs- 
lingen hinsichtlich des Rechtes am Boden. So erscheinen, um 
einen neuen uric zu bekommen, „Tatul Plotun, mit seinen Brü- 
dern Sima und Coste und mit seinen Schwestern Anu§ca und 

1) Stadil ^i doc. IV, S. 15 — 17; G. Popovicl in Primos lui 
D. Sturdza, Bukarest 1903, S. 360, Anm. 6. 

2) Hurmuzaki II*, S. 276, nr. 246; S. 378, nr. 334. 

3) üricariul XVm, S. 33. 4) Uricariul XVIII, S. 256. 



208 3. Kapitel. 

Sorea und Neaga und Micae^'; die auf derselben Stufe Nachfolger 
und Erben des Stan Plotun sind; fUr alle gibt es nur eine Ver- 
leihung, nur eine einzige Urkunde^ welche den ältesten Mitglie- 
dern der ,,8ementie'S des Stammes, ausgehändigt wird; eine einzige 
Grenze umschliefst die Anteile , pär^l — wieder ein lateinischer 
Ausdruck — / aller Blutsverwandten, und Grenzsteine bezeichnen 
nur die Ausdehnung der ganzen Dorfflur — die Grenze heifst 
hotar (magyar. Ursprungs) oder margin e — , so wie sie noch 
besteht oder vor der Vereinigung mit einem anderen bestanden hat 

An dem Walde, am Bache, an den Wiesen und an der öden 
Landschaft ringsherum, die sich noch bis gegen 1550 hier und 
da vorfand, kurz an dem ganzen Gebiete, das dem der deutschen 
und auch siebenbürgisch-sächsischen Feldmark entspricht, hat jeder 
Einwohner des Dorfes das gleiche Recht, und nicht einmal an 
theoretisch konstruierte Anteile darf man denken: die Teile, die 
durch keine äufseren Zeichen voneinander geschieden sind und 
nur bei einem Verkaufe, der erst später einzutreten pflegt, zuerst 
begrenzt und hier und da bestimmt werden müssen, diese Teile, 
pär^I, slavisch a^oä, beziehen sich nur auf die vatra satulul, 
nicht auf den Umkreis, die gemeine Mark, sili^te, die auch der 
Rand, la margine'), genannt wird. Mit einer charakteristischen 
Bezeichnung werden die Dorfmitglieder, selbst noch in einer sehr 
späten Entwickelungsperiode, als sich der Grad der Verwandt- 
schaft nicht mehr erkennen liefs und das Heiraten innerhalb des 
Dorfes ein Erfordernis der Sitte war, belegt: sie heifsen selbst dann 
noch „fra^I de mo^ie", d. h. Brüder auf dem Erbgute *). Zu einer 
späteren Zeit galt das Dorf nicht mehr als Besitz des ältesten 
Erben jenes ersten Ansiedlers, konnte mithin auch nicht durch 
diesen allein vor dem Landesherrn und dem ungeschiiebenen Ge- 
setze vertreten werden: darum mufsten alle Einwohner als Mit- 
besitzer des Ganzen, obgleich tatsächlich nur Nutzniefser eines 
Teiles, bei jeder Veränderung des Dorfeigentums vor dem Richter 
erscheinen. Das ist eine allgemeine rumänische Sitte, in der Mol- 

1) Sili^e ist der unbewohnte Teil einer Ansiedelung oder der Zustand 
des Ortes vor der Ansiedelung: so sagt man, dafs aus einer sili^ite ein Dorf 
gemac;ht wurde; Uricariul XVIII, S. 350. 

2) Studil 9i doc. V-VI, E^ister. 






Die rumänischen Dörfer. SOS 

dau sowohl wie in der Walachei, und nicht weniger in Sieben- 
bürgen. Die Nachbarn ;,von oben und von unten" erscheinen bei 
jedem Verkauf, Tausch oder Vertrag, der sich auf den Grund 
und Boden bezieht, neben der eigentlichen Familie ; beim Verkaufe 
wird ihnen die betreffende parte angeboten, sie können sie zu 
dem landläufigen Preise, wie ihn die Gemeinde feststellt, annehmen 
oder auf dieses Recht verzichten — was in Siebenbürgen „a le- 
päda'', wegwerfen ^) heifst. In diesem Falle darfauch der Fremde 
kommen und sein Geld anbieten: aber nur, wenn er von den äl- 
teren erblichen Besitzern in ihren Kreis aufgenommen, man möchte 
sagen „adoptiert" wird, kann er von dem Fürsten die Bestätigung 
der Vertragsurkunde, carte (carta, lateinisch), später slavisch zapis 
genannt, verlangen. Trotzdem behalten die mo^nenl, die Nach- 
kommen des moi^ oder bätrin, immer das heilige Recht, ihr Eigen- 
tum, wenn sie in bessere Verhältnisse kommen, zurückzufordern ^). 
Sie brauchen dann nur die ursprüngliche Kaufsumme den Blut- 
fremden, dem verhafsten Eindringling, zurückzuerstatten: man „wirft 
ihm das Geld weg", i se aruncä banil, und er mufs sich 
fortpacken, um das einträchtige Familienleben in dem Dorfe wieder 
herzustellen. Später, als man vollkommnere Häuser baute, Zäune 
anlegte und Verbesserungen aller Art vornahm, wurde der Anteil 
eines jeden am Wasser, am waldigen Hügel und am Teiche ab- 
gesondert und in dauerndes Besitztum verwandelt. In der Mol- 
dau dagegen besitzt, bis tief in die moderne Zeit herein, jeder 
Bauer nur den dritten, vierten usw. Teil eines bätrin, und zwar sind 
in der Regel, wie es scheint, die Erbteile fUr alle Erben auf- und 
absteigender Linie gleich gewesen, so dafs der Witwe gerade soviel 
wie den Kindern und Enkeln zufiel. Die Erbschaft heifst mo^- 
tenire, und dieses Wort besagt, dafs vor allem der Besitz an 
Grund und Boden dazu gehörte, während in der Verteilung der 
beweglichen Güter, der Herde, des Hornviehes, der Geräte, Klei- 
der und Kleinodien, wenn sich bei einem reicheren Bauer solche 
fanden, Ungleichheit herrschte. Der Hausvater, die Hausmutter 
konnten, wenn sie in ihren alten Tagen von einem ihrer Söhne 

1) Studii 9i doc. IV, S. 15. 

2) VgL Stüdil 9i doc. V — VI, Hegister unter dem Schlagworte: „a arunca 
bacii". 



204 3. Kapitel. 

oder von einer ihrer Töchter versorgt worden, ihr Feld diesem 
oder dieser noch bei Lebzeiten schenken oder durch mündüclie^ 
viel seltener dnrch geschriebene diatä hinterlassen ^). Bei LiebzeiteiL 
des Vaters waren die Kinder, soweit sie noch nicht eigene Fanu- 
Ben gegrdndet hatten, „im selben Brode'^, intro pitä, mit dem 
Hausherrn, der sie dem Staate oder dessen Nachfolgern, den Grofs- 
grundbesitzem, gegenüber vertrat *). Verlor einer durch ein Ver- 
brechen oder durch unziemendes Betragen seinen Anteil völlig 
oder für läugere Zeit, dann fiel nach dem Gewohnheitsrechte die 
verlassene oder verlorene Ho&telle den anderen Mitgliedern der 
grofsen alten Familie zu '). 

Der Fremde kommt nur dann dauernd in ein Dorf und verliert 
sich in der unzertrennbaren Einheit der Bewohner, wenn er heiratet 
oder adoptiert wird; ja bei Licht besehen, stellt die Heirat, so 
wie sie der rumänische Bauer bis heute in etlichen entlegenen 
Gebieten versteht — aufser wenn der junge Mann die Frau in 
sein heimatliches Dorf führt, was in der Volksdichtung immer eine 
Gelegenheit zur Trauer und zum Fluche für die Neuverheiratete 
ist — eine Adoption dar. Es ersteht dadurch dem alten Vater 
ein neuer Sohn ; als solcher wird er betrachtet und bekommt den 
gleichen Anteil an der „väterlichen" Erbschaft; ja die Brüder der 
Frau nennen ihn ihren Bruder. 

Aber auch ohne eine solche wirkliche neugeschaffene Ver- 
wandtschaft bekommt der Rumäne „Brüder", die dann auch zu Mit- 
gliedern desselben Dorfes mit gleichen Rechten werden: zwei 
Freunde laden die Gemeinde zu der Festlichkeit ihrer Verbrü- 
derung, wobei sie feierliche Formeln austauschen und unter dem 
Segen des Glaubens „frati de cruce" werden*); das gilt oft mehr 
als wahre Blutsverwandtschaft, und in der Volkslegende spielt 
dieser Gebrauch eine recht grofse Rolle. Oft aber verfolgen in 
der Heldendichtung solche künstliche Verwandtschaften nicht die 
edlen Zwecke treuer Freundschaft und Aufopferung: die infrä- 
^ire geschieht vielmehr nur, um dadurch einen gut zahlenden 

1) Meine Säte 91 preo^I, S. 110. 

2) Meine Doc. Bistritel, passina. 

3) Säte ?i preotl, S. 125—126. 

4) Bibicesca, PoobÜ populäre, Anmerkungen. 



Die rumänischen Dörfer. 305 

Fremdling in die Dorffamilie einzuschmuggeln. Gibt es doch den 
sonderbaren und ziemlich komischen Fall, dafs sich zwei Klöster^ 
um den Willen der Stifter nicht zu verletzen, für Tauschzwecke 
heilig verbrüdern ^): Mönche, Diener, Hirten der beiden Gottes- 
häuser sollen sich gegenseitig als Genossen betrachten. Koch im 
15. Jahrhundert findet sich eine „Verbrüderung bis zum Tode" 
zwischen einem Bojaren und den^Söhnen seines eigenen Bruders, 
damit sie sich gegenseitig beerben können ^). Bei den Personen- 
verbrüderungen gab es auch einen „infrä^itor", eine Art von 
Pseudovater ad hoc, der zu Geschenken für die neuen Brüder, 
ihre wahren Väter, falls diese noch lebten, und ihre Hausfrauen 
verpflichtet war. War dann dies alles dem Brauche gemäfs ver- 
laufen und durch einen zapis feierlich verkündigt worden, dann 
vollzog man endlich die Schenkung von Erbteilen, die anders un- 
möglich gewesen wäre '). Später wurden solche Verbrüderungen 
auch für Handelszwecke von Handelsgenossen gemacht, „auf dafs 
wir Brüder beim Gewinne und Schaden seien"*). 

Um ähnliche Zwecke zu erfüllen, nahm man bei den Rumänen 
wie bei den benachbarten Bulgaren **) fremde Personen, jüngere 
oder ältere an Sohnes Statt an, und diese Söhne anderen Blutes 
hiefsen de fiü, als Sohn^), fiü de suflet oder auch „suflet", 
d. h. Seelensöhne. So verfahren meistens kinderlose Leute, die 
von ihren entfernten Verwandten in ihren letzten kummervollen 
Jahren keine Unterstützung erwarten durften und daher an Kindes 
Statt den „guten Christen", der sich aus Milde ihrer annahm, 
adoptiei*ten ^). 

Diese Verhältnisse haben nur, wenn man sie äufserlich und 
oberflächlich betrachtet, eine Ähnlichkeit mit den slavischen Dorf- 
gemeinden, mit der Zadruga und dem Mir. Grundsätzliche 
Verschiedenheit herrscht zwischen den rumänischen Verhältnissen, 

1) Arch. ist. I«, S. 29. 

2) Arch. ist. IS S. 6. 

3) Ebenda I \ S. 139 ; J. 1620. 

4) Studii 9i doc. V, Jahr. 1720, S. 491 (s. Register, Schlagwort „frati"). 

5) S. die Fälle bei Thronstreitigkeiten im 13. Jahrh. in Jireöek, Oesch. 
der Balgaren. 

6) Uricariul XVIH, S. 416. 

7) Säte 9i preo^I, S. 127. 



306 3. Kapitel. 

die^ wie die dabei verwendeten Worte andeuten , bis in die vor- 
slavische Zeit zurückreichen^ und den serbischen oder rassischen. 
Dort ist es möglich^ alles auf die ursprüngliche y, Demokratie '^, auf 
das Leben unter der Regierung des Familienvaters zurückzufuhren, 
während hier die Agrarverhältnisse mafsgebend geworden sind. 
Es ergibt sich hier alles nicht aus den politischen Lebensverhält- 
nissen, sondern vielmehr aus dem ewigen, ausschliefslichen Bedtz- 
rechte des Ahnherrn. Dort geht alles auf das Faktum der Bar- 
barenwanderungen zurück^ woran die Slaven ihren Anteil hatten, 
hier auf die langsame Ausbreitung eines friedlichen, in den An- 
fangen eines Kulturlebens stehenden Volkes ^ das sich Raum für 
seine zukünftige Geschichte sucht. 

II. Hier und da findet man in der rumänischen Volksdichtung 
Stellen, die das Leben im Freien, das Wandern des Hirten ver- 
herrlichen. „ Regenwölkchen ", singt das Bauemmädchen, „ Regen- 
wölkchen schön, steig nicht stark zu Berge, denn dort steht mein 
Schöner: du wirst auf ihn regnen, du wirst ihm was antun, und 
so kann er mit den Schafen nicht mehr ausziehn" ^). „Schlechter 
Berg", spricht der Hirte, „wenn ich oben wäre, würde ich herum- 
spähn, wohin weiter wandern ? " ^). Oder die Liebe mit den Wolken 
und Sternen, die über den Bergen hangen oder ruhig leuchten, 
vergleichend, singen sie: „Von dem Berge kommt die Wolke, von 
der Liebe kommt das Heimweh; von dem Berge kommen Sterne, 
von der Liebe kommt mir Trauer " ^). 

Aber solche Weisen werden nur in wenigen Gebieten ge- 
sungen, wo bei widrigen Naturverhältnissen die Einwohner sich 
zum guten Teile von den Herden ernähren müssen; in der Tat 
stammen die angeführten Proben alle aus dem siebenbürgischen 
nordöstlichen Kreise von Bistritz, wo die Dorfbewohner, ohne 
völlig auf den Ackerbau in geeigneten Strichen zu verzichten, ihre 
kleinen Herden ins Gebirge treiben müssen. Aber auch in dem 
Volksliede erscheint als Hauptbeschäftigung des Rumänen die „Be- 
arbeitung der Erde", die schwere, heilige Kultur des Bodens: lu- 
crul pämintulul, von welcher alles kommt und fiir welche 

1) Oni^or, Poesii populäre I, S. 38. 

2) Ebenda S. 76. 

3) Ebenda S. 32. 



Die ramänischen Dörfer. S07 

alles andere aufgeopfert wird. „Was ist das Beste auf der Erden ", 
fragt, zice („sagt"), „die Volksweise", und die Antwort lautet: 
„Nichts ist besser als ein Pferdchen, weil es trägt dich und fort- 
bringt dich". „Was ist das Beste auf der Erden?" „Nichts ist 
besser als der Ochse, weil er ziehet schwarze Furchen und dir 
drischt das weifse Eom ". Und nur, um zum Schlüsse auch den- 
jenigen zu befriedigen, welcher auf eine andere Weise die tägliche 
Nahrung erwirbt, wird noch einmal gefragt: „Was ist das Beste 
auf Erden?" „Nichts ist besser als das Schäfchen, weil es dich 
im Sommer nähret und im Winter warm dich hält" ^). 

Beim Tode wird besonders das Verscheiden im Frühling, in 
der Zeit rühriger Arbeit betrauert, und die bocitoare, die be- 
zahlten E^tageweiber jammern: „Wo ich geh' und singe, sah ich 
Männer mit dem Pfluge; ihre Frauen bringen Essen, und die 
Männer schreiten pflügend, und die Frauen kommen singend, und 
sie gehen alle jauchzend . . . Ach ! wie stolz bist du gestorben, 
als der Pflug ging und die Wiesen grünten und die Bäume 
knospten " *). 

Wenn, im tiefen Winter, bei der grofsen Feier des neuen, 
immer besseren Jahres, die jüngere und auch ältere Bevölkerung 
des Dorfes sich in kleinen Gruppen versammelt, um beim Antiitt 
der Nacht, die grofsartig komische Musik der leeren Fässer auf- 
zuführen, die mit Häuten geschlossen sind, aus denen ein Pferde- 
schwanz herausragt, um von dem gelegentlichen Buhal Spieler mit 
feuchten Händen bearbeitet zu werden, und wenn bei, dieser Dorf- 
vorstellung in der eisigen freien Luft des Abends althergebrachte 
Lieder erschallen, ist nicht von Herden und von keinem Hirten- 
könig die Rede, — nein, der Patron der Jahreswende ist der 
„Bruder Trojan", ein Kaiser der Bauern, und in die Geschichten 
von seinem Ritte auf dem kostbar verzierten Pferde werden allerlei 
Einzelbilder aus der Mühl- und Feldarbeit eingeflochten.' Diese 
colindä des Neujahrs heifst übrigens a merge cu plugul, cu 
plugu^orul; die mit dem Pfluge umhergehen und die dabei be- 
schäftigten, froh singenden Dorfburschen werden plugarl genannt. 



1) Marian, Sgrbätorüe I, S. 17. 

2) Marian, Ingroparea, S. 505. 



208 3. Kapitel. 

Die VolkBliteratur pflegt auch diejenigen Zustände zu kenn- 
zeichnen^ mit denen das Volk im besonderen verwachsen ist Aber 
das Volkslied ist es nicht allein, das uns von der Verbindung des 
rumänischen Volkes mit dem Grund und Boden des Dorfes er- 
zählt; es gibt dafür auch noch andere Zeugnisse. Vor allem sind 
die Zustände, wie wir sie aus den frühesten Urkunden kennen 
lernen, in allen Teilen des ,, rumänischen Landes'^ dieselben. Die 
organisierenden, nach festen Grenzen strebenden Fürsten der „ Trans- 
alpina'' und der „moldauischen terra" haben dieselben Elemente 
zu Untertanen am südlichen wie am östlichen Abhänge der Kar- 
pathen; es ist die nämliche Bevölkerung, die zwei Jahrhunderte 
früher die ungarischen Könige und ihre Beamten in den Tälern 
Siebenbürgens zu beherrschen anfingen, wo wir das zentrale Mutter- 
land des „ walachischen " Stammes und seines dakisch-römischen 
Vorläufers zu suchen haben. 

III. Die Wojwoden von Arge^ finden in der allmählich vom 
Norden aus eroberten Ebene Dörfer mit ackerbauemder Bevölkerung, 
mit „sili^tl" und „^rine'', und zwar in so grofser Anzahl, dafs 
sie kein Land vergeben konnten, da alles schon besetzt und be- 
sessen war. Von öden Gebieten ist niemals die Rede; und diese 
Tatsache bestätigt auch die Schenkungsurkunde B^las IV. zu- 
gunsten der Johanniter, die, im Oltlande wenigstens, „agriculturae". 
Wiesen, Mühlen und Kirchen als vorhanden auffuhrt. 

In der Moldau ist zwar die Beschenkung „treuer Diener" 
mit in der „Wildnis", in der noycxHHa gelegenen Gebieten nicht 
selten, aber dies ist nicht wörtlich zu verstehen, schon deshalb 
nicht, weil dieses „öde Land" dennoch durch bereits vorhandene, 
geographisch festgelegte Punkte begrenzt ist ^). 

Aufserdem finden sich unbewohnte Striche nur in gewissen 
Gegenden, während in den übrigen Teilen des Fürstentums eine 
alte Bevölkerung lebt, die die Eroberer mit ihrem langjährigen 
Besitz bestätigen und sichern. In diesen viel zahlreicheren Fällen 
bekommt der bisherige tatsächliche Besitzer das Gut, welches er 
von seinen Eltern und Voreltern geerbt hat, in den „alten Gren- 
zen " : diese sind so allgemein bekannt, dafs ihre nähere Beschrei- 



1) Orest Fopescul, S. 8. 



Die ram&nischen Dörfer. S09 

bong als nicht notwendig erscheint. Die Dörfer sind alle ocine 
und stammen aus einer 2jeit^ wo ein rumänisches Fürstentum in 
diesem moldauisch ,, transalpinischen Lande '^ noch nicht bestand^ und 
sie behielten gemäfs dem uric des Herrschers von Suczawa ihr 
^tes Recht; das man nicht antasten konnte ^). 

Der ungarische König trifft an den siebenbürgischen Ge- 
^^ässern keine unbeständige^ ruhelose, wild herumschweifende; dürf- 
tige Hirtenbevölkerung; wie politische Voreingenommenheit es so 
oft zu beweisen versucht hat An ein vollständiges, metaphysisches 
desertum, in einer finichtbareu; schönen Gegend, zwischen gut 
bevölkerten Nachbargebieten; zu denen die Earpathenpässe Zu- 
gang gewährten; darf man nicht denken, schon weil eine solche 
Annahme völlig unlogisch wäre. In dem Privileg für die deut- 
schen Ordensritter werden schon die ;;Blaci^' — der Name wurde 
später in der königUchen Eanadei durch ;;01aci^S dann durch 
9;WaIachi'^ ersetzt — als auf derselben Kulturstufe mit den un- 
garischen Grenzwächteru; den SzeklerU; lebend erwähnt: es existiert 
in Siebenbürgen neben den Hofstellen der sächsischen hospites in 
diesem Jahre 1222 eine ;; terra Blacorum^' und ;;eine terra Sicu- 
lorum^'^). Hirten haben jedoch; wie wir schon bei den Arä- 
minen sahen ; zwar ihre Berge ; aber kein eigenes Landgebiet. 
£twas später bekommt eine der ersten frommen Stiftungen in der 
transsilvanischen ProvinZ; Eerz im Oltlande, wo der gebildete ;, latei- 
nische '^ MöDch in harter Arbeit noch eine schöne Mission zu erfüllen 
hatte ; eine terra geschenkt; welche den Wlachen abgenommen; 
entrissen war; ;; exempta deBlacis '^ ^). Derselbe König AndreaS; dem 
die Magyaren ihre Herrschaft in der Karpathenfestung zum gröfsten 
Teile zu danken haben; bestätigt die Freiheiten der sächsischen 
Ansiedler und gibt ihnen dabei das Recht; den ;;Wald der Wla- 
<;hen und Petschenegen^^ gerade so wie diese ;;Blaci et Bisseni'^ 
selbst gemeinschaftlich zu benutzen; den betreffenden Wald mufs 
man sich sehr .ausgedehnt denken als einen jener unendlichen 



1) S. den ersten Fall von fürstlichem urteil in Grandstreitigkeiten in 
Orest Popescul, S. 3—4; J. 1408. 

2) Zimmermann-Werner I, S. 20. 

3) S. 27. Vgl. „terrae Siculorum*', 1252; Zimmermann-Werner I, 
ß. 78, nr. 86. 

Jorga, Geschiclite der Bnm&aen. 1. 14 



210 3. Kapitel. 

Wälder ; wie sie das frühe Mittelalter kennt; etwa wie den her- 
cynischen^ den serbischen Wald^ der sich von Belgrad bis Nisch 
erstreckte ^), oder den walachischen am nördlichen Ufer der Donau. 
Nicht ausschliefslich als Hirten nutzten die Wlacho-Bisseneu ihren 
Wald; sondern nur^ wie es die Sachsen, die gewifs nicht ausschliefe- 
lieh dem Hirtenleben huldigten, auch taten, um Holz zum Bauen 
der Hütten und zum Brennen zu sammeln, und ihre Schweine- 
herden zur Mast hineinzutreiben; eine solche silva findet sich 
übrigens in Siebenbürgen mit jeder gröfseren oder kleineren 
Bauemansiedelung vereinigt. Darum entrichteten sie auch den 
Sachsen, was eigentliche Hirten, die keinen Herd haben und keine 
Grenzen kennen, niemals getan hätten, terragia, wie sie die 
Sachsen selbst in besonderen Fällen dem siebenbürgischen Bischof 
zu bezahlen nicht verschmähten ^). Wegen der Verheerungen, 
welche die Schafe und Schweine der walachischen Dörfer in ihrem 
Walde anrichteten, klagen die Sachsen im 15. Jahrhundert vor dem 
königlichen Gericht, wie sie sich im 13. gewifs oft bei den könig- 
lichen Beamten haben beschweren müssen ^). Solche Herden im 
Sachsenwalde zu mästen war übrigens auch bei den Sachsen selbst 
Sitte, und der „ritus suae gentis'^ unterschied sich nicht von dem 
ritus der benachbarten Eingeborenen *). 

Die Petschenegen waren Reste der ehemaligen barbarischen 
Militäraristokratie an der Donau, die als Flüchtlinge aus diesem 
Gebiete, wo sie geherrscht hatten, gekommen waren; manche 
Gruppe mag auch inselartig in Siebenbürgen noch von ihren Ein- 
fällen im 11. Jahrhundert her bestanden haben. Sie lebten in ge- 
ordneten Verhältnissen und genossen gewisse Vorrechte : im Jahre 
1222 sprechen sie klagend von „ihrer alten libertas'^ ^), die sie 
angetastet wähnen. Sie erkennen als ihre Obrigkeit mehrere 
jobbagiones und einen com es an, der nur drei Jahre fungiert 
und nur selten imter den seiner Obhut anvertrauten Barbaren er- 



1) „ Octo diebas in saltu spaciosissimo expletis ", „ ingentia et spaciosissima 
Bulgarornm nemora"; Historiens occidentauz des croisades lY, S. 278. 

2) Zimmmermann-Werner I, S. 198, nr. 269. 

3) Hurmuzaki I*, S. 192ff. 

4) Zimmermann-Werner I, S. 10. 

5) „Eorum libertas ab antiquo instituta"; Hurrnuzaki I, S. 78. 



Die rumänischen Dörfer. Sil 

scheint. Die y^Bisseni'^ entrichten ihrem Vorstande nur sehr kleine 
Abgaben^ sind aber zum Militärdienste verpflichtet. Wie die 
Szekler — die andere siebenbürgische Bevölkerung, welche ur- 
kundlich neben den Rumänen erwähnt wird, — sind sie dieser 
oder jener königlichen Burg als Wächter und gelegentliche Ver- 
teidiger zugewiesen, und in dem Dorfe, in dem sie leben ^ haben 
die ungarischen Beamten feste Grenzen, metae, abgesteckt^). 
Sie ähnelten gewifs in jeder Hinsicht den Petschenegen in West- 
bulgarien und Serbien, den „Pincenarii qui Bulgariam inhabita- 
bant^' aus dem 12. Jahrhundert: diese letzteren waren auch mit der 
Wacht an den Flüssen betraut *) und hielten mit ihren Pfeilen 
und Bogen aus Hom und Knochen den nachbarlichen Feind vom 
Lande fern. Bis zum Jahr 1324 gab es in Siebenbürgen noch 
„freie Leute, die Bissenen waren ^^, „homines liberi Biceni'^^). 

Als Genossen der Szekler und der Petschenegen werden die 
„ Olaci ^^ bald zu denselben militärischen Zwecken verwendet. Die 
meisten jobbagiones castrorum, die man bei Gyula-Feh^rvär, 
bei Solnok, Ung, Szathmär — der Name ist rumänisch und bedeutet 
„Grofsdorf" — , bei Rodna, Orte, die alle ursprünglich königliche 
castra sind, während des 13. Jahrhunderts findet, waren sicher 
Rumänen: die in der zuerst genannten Burg heifsen 1206 „Gynna 
(Ghinea), Gyna, Gyurgy (Giurgiü), Iseph, Willera" *). Vom Pri- 
stalde des Königs erhielten sie Hofstellen in einer „villa militum^' ^), 
und dieser Landbesitz war, wenn sie ihren Pflichten nachkamen, 
erblich. Diese Einrichtung läfst sich bis zu den Zeiten „des hei- 
ligen Königs '', d. h. König Stephans I., zurückführen ^), und noch 
in der Mitte des 13. Jahrhunderts war der jobbagionatus ein 
honor, eine Militärwürde; hiefs doch der Vertreter des obersten 
Kriegsherrn in Siebenbürgen ebenfaUs jobbagio '). Solche Wa- 
lachen waren es, die neben anderen „inhumani homines'', Kuma- 

1) Hurmnzaki I, S. 125. Vgl auch S. 73 (nr. m), 101. 

2) HiBt. ocddentaox, 8. 278. 

3) Hurmazaki I, S. 588, nr. ccxxTLXiy. 

4) Zimmermann-Werner I, S. 8—9; ebend. S. 146, nr. 205; S. 240; 
Hurmuzaki I, S. 327, nr. 238; S. 470, nr. 379. 

5) Zimmermann-Werner I, S. 8. 

6) Ebenda I, S. 53—54. 

7) Ebenda I, S. 34. 

14* 



81S 3. Kapitel. 

nen, Ungarn, ,, verschiedenen Slaven^^, Szeklem, Petschenegea 
(Bezzermini), Ismaeliten (Tataren), gegen den Bohmenkönig Otto- 
kar 1260 in der Schlacht zu Kressenbrunn kämpften ^). 

Aber noch in dieser Zeit wurden nicht selten die königlichen 
Rechte an den auf königlichen Befehl und mit dem Gelde des 
Königs erbauten Schlössern von habgierigen, ungehorsamen Edlen 
und Greben, nobiles und comites, usurpiert, was ausdrücklich 
im Jahre 1238 erwähnt wird '). So sank mit der Zeit die Stel- 
lung eines jobbagio immer tiefer^herab, und zwar in dem Malse, 
als das Land durch andere Kräfte, diejenigen der Sachsen und 
des emporkommenden siebenbürgischen Adels verteidigt wurde. 
Noch im 13. Jahrhundert erscheinen die jobbagiones als mit 
den gemeinen rustici auf gleicher Stufe stehend und mufsten wie 
diese eine Übersiedelungsgebühr bezahlen ^) : sie gehörten einem 
Edelmanne, selbst wenn sie selbst „Kenezien'^ waren ^), oder einer 
Kirche ^), und waren schon 1366 durch eine „antiqua et approbata 
regni consuetudo '', aufser in Kriminalfallen, dem Richterstuhle der 
Edelleute untergeordnet ^). Aber auch in dieser ihrer Erniedrigung 
fochten sie noch mit ihren „ Bauern waffen^' — armarusticana— ■ 
unter der Fahne des nobilis und behielten auch ihr ererbtes 
Recht an dem alten Boden ihres Geschlechtes ^). 

Aber aufser den Jobbagiendörfem an der Grenze, von Gyula- 
Fehörvär an bis zum Szeklerwinkel, wo sich gegen 1300 und im 
folgenden Jahrhundert ganze rumänische Dörfer oder wenigstens 
rumänische Einwohnergruppen im Besitze ihrer alten geschenkten 
Giiter ^) in altungarischen Orten finden, war das ganze Land bei 

1) Katona VI, 8. 314; vgl. Jorga, Studil ^i doc. III, 8. 76, nr. 1; Mon. 
Germ. Hist., Scr., IX, Begister unter Walachi. 

2) Hurrnuzaki I, 8. 67. 

3) Vgl. auch Hurrnuzaki I, 8. 576—577, nr. 455. 

4) Ebenda I^ 8. 247. Für die Erklärung dieses zweiten „honors" s. oben 
8. 139, 152—153 und weiter unten. 

5) Zimmermann-Werner n, 8. 54. 

6) Ebenda H, S. 235, nr. 840; 8. 230—231, nr. 834. 

7) Zimmermann-Werner II, 8. 526. 

8) „Terra relicti et donati fiiere"; Hurrnuzaki I: „villa olachalis des 
ürsns Knezius"; I', 8. 335 — 336. Vgl. auch „üngari sive Olachi oonstitati 
infra indagines"; 1294. 



Die mmänischen Dörfer. SIS 

der Ankunft der Ungarn mit ^^villae olachales'^ besät. Sie lassen 
sicli an dem Beinamen Ol ah-, an den altslavischen Namen, die 
die schon verschwundenen Slaven nicht weiter trugen, die aber 
von den neuen magyarischen Ansiedlem des Landes angenommen 
'wnrden, und endlich an den Namen der Einwohner erkennen. 
Die in den erwähnten vi IIa e fest angesessenen Rumänen haben 
auch die Namen der Flüsse, die zuerst in slavischem Gewände 
„Mansch", „Schebis" (später Maros, Sebes) erscheinen, überliefert, 
und ebenso die zahlreichen Ortschaftsnamen, die sich, wie Siret, 
Qala^I oder Orädifte, auch in „transalpinischen" Gebieten finden. 
Um einzelne datierte Fälle anzugeben, so stöfst man schon 1135 
auf den „Crez" (Cre^u?) ^), 1219 auf das „pratum Mjkula", die 
„villa Myroslov" (Miräsläü) und eine andere, „Sycozov"*), 1219 
auf die königliche udvornici: „Cuzma, Bessu, Bud, Bundu"'), 
1221 auf einen „incola Nugul", die „servi": „Micou, Lazou", 
den „vinitor" „Buchta", den Hirten „Pychu'^*), 1246 aber auf 
die Ortschaften: „Byolokol" und „Golou"*), 1252 auf den Berg 
„Vecul"®) und in demselben Jahre auf den Personennamen Bu- 
dul ^). 1236 wird als des Verrats schuldig Nicolaus, Sohn des 
„Borch", sowie „Mica Barbatus^' ®) genannt, 1276 die „terra filio- 
rum Mykula '^ ^), 1283 die Ortschaft „Musna"^®); dann die Orts- 
namen „Mogorrenn", „Pastorren", die sich sprachlich nur ritmä- 
nisch erklären lassen dürften, endlich die Dörfer Olahteluk, Olah- 
kercz usw. *^). Dabei sollen verdächtige Zeugnisse ganz aufser 
Betracht bleiben: ein solches wäre etwa die Nachricht von 1231, 
die in aufserge wohnlicher Form von „Trulh, Sohn des Choru" 
erzählt, einem Gutsbesitzer im Fogaraslande und Erben anderer 



1) Fejer, VlI^ S. 102; zuerst bei 0. Densusianu I, S. 393 zitiert. 

2) Hurmuzaki I, S. 70, nr. 81. 

3) Ebenda S. 70. 

4) Ebenda 8. 71—73. 

5) Zimmermann-Werner I, S. 72. 

6) Ebenda S. 79, nr. 86; II, S. 246, nr. 853. 

I) Monumenta Hangariae Historica XII, S. 343 ; apad 0. Densusianu I,S. 393. 

8) Hurmuzaki I, S. 143, nr. 112. 

9) Ebenda I, S. 409, nr. 328. 

10) Zimmermann-Werner I, S. 144-145, nr. 203. 

II) Ebenda S. 48, 67; Hurmuzaki I, S. 446, 583. 



S14 3. Kapitel. 

rumänischer Bauern, die dort lebten „in der Zeit, als das Land 
Fogaras den Bulgaren gehört hätte " ^) ; dies steht weder mit der 
Geschichte im Einklang, noch entspricht es der in jener Zeit ge- 
bräuchlichen Ausdrucksweise. Ähnliches gilt von einer Hattert- 
festsetzung, worin Rumänen des Bistritzer Bezirks im 14. Jahr- 
hundert mit grofsem Pathos von ihren „ millenären " Besitzrechten 
in der Gegend sprechen ^). 

Weiter haben die Magyaren von dieser alten Bevölkerung 
Worte wie c er für einen in Siebenbürgen sehr verbreiteten Baum, 
dessen Rinde zur Gerberei verwendet wird *), übernommen, ,^ cur- 
tis" in lateinischen Urkunden für den Sitz einer Obrigkeit*), 
kerep-corabie für die Wasserfahrzeuge auf dem Marosflusse *). Das 
szeklerische Wort üdvarh^ly kommt gewifs vom slavischen üvor 
(hung. Udvar), das die Rumänen dem ungarischen Sprachschatze 
zugebracht haben ^). Auch für den nur in Siebenbürgen und 
nicht über das 13. Jahrhundert hinaus vorhandenen Stand der 
„udvomici" des Königs ist dieselbe Erklärung anzunehmen^): es 
waren freie Bauern mit erblichem Besitze, der terra udvornicorum 
genannt wird. Endlich sind auch, wie unten noch zu ersehen ist, 
Namen für politische Würden von diesen Vorgängern und teilweisen 
Wohnnachbarn entlehnt: vielleicht „pristald" (pristav), gewifs aber 
die ^,udvornici" und der Wojwode. 

Die Erwähnung von deserta, die nicht selten vorkommt, 
ist ebenso zu erklären, wie die nscTHHa der moldauischen Fürsten. 
Eine sessio, eine terra kann, besonders nach dem Tatarenein- 
falle, wirklich „öde" gewesen sein ®), aber dafs das ganze Burzen- 
land die Kanzleibezeichnung von „vacua et inhabitata" verdient 

1) Zimmermann-Werner I, S. 55, Nr. 64. 

2) Hurmuzaki V, S. 116. 

3) „Cortices arborum vulgariter cheer"; Zimmermann-Werner II, 
S. 243, nr. 851. • 

4) „Gurtes pontificales", Zimmermann-Werner I, S. 72, nr. 81. 

5) „Navis kerep"; 1248; Hurmuzaki I, S. 77. Die ebenda erwähnte 
„navis olch" kann nicht erklärt werden. 

6) Die alte Form des Schlosses ist: Utvord 1301; Hurmuzaki I, S. 553. 

7) Hurmuzaki I, S. 69, 125; Zimmermann- Werner I, S. 174. 

8) Hurmuzaki I, S. 696; I«, S. 28, nr. 21. Vgl. I, S. 221—222, 
nr. 222. 



Bio rumänischen Dörfer. 216 

Iiätte ^)j ist nicht anzunehmen: wie sollte denn die alte slovenische 
Terminologie, wie sie in Birsa, Bra§ov, Codlea usw. fortlebt, über- 
mittelt worden sein? Die Bevölkerung war gewifs dünn, hier wie 
in anderen Teilen des „ Rumänenlandes ^', aber hier wie überall 
in seinen Grenzen lagen die „mansiones Olacorum'^ in Dörfern 
zusammen, die ihre „metae antiquae^^, „veteres metae^' ganz wie 
in der Moldau besafsen *). Die „agricolationes^' der Walachen 
Mraren nicht nur im 15. Jahrhundert auf diesem Boden bekannt ^), 
sond.ern schon im 14. gab es einen besonderen „modus Olacho- 
rum '', um die Grenzen eines Grundbesitztums genau festzustellen *). 
Den Ackerbau hat die Bevölkerung der Karpathen- und 
IDonaugegenden niemals vergessen, und anderen Beschäftigungen 
zuliebe, die sie freiwillig oder gezwungen übten, aufgegeben: 
diese Hauptbeschäftigung und wichtigste Quelle der Nahrung er- 
losch und versiegte niemals seit der entfernten Zeit der römischen 
Kolonisation in Dakien und dem noch weiter zurück liegenden 
freien Treiben der unabhängigen Getodaken. Manches in der 
Agrarterminologie stammt zwar von den Slaven, die eine beträ<5ht- 
liche Kultur aus ihrer Steppenheimat mitbrachten, aber diese ent- 
lehnten Wörter bezeichnen meistens Gerätschaften : plug, rari^ä, 
die Bestandteile des plugs oder weniger wichtige Einzelheiten 
der Feldarbeit. Das meiste aber von den Ausdrücken, die der 
Bauer täglich benutzt und die im Vordergrunde seines Denkens 
«tehen, gehört vielmehr dem ererbten lateinischen Wortschatze an; 
so zuerst die Bezeichnungen für die Tätigkeiten, in die die Feld- 
arbeit zerfallt : a ara (= arare), a sämäna (= seminare), a culege 
(= colligere), a intoarce, d. h. ein Feld nach mifsglückter Arbeit 
wieder zu bestellen, a secera. Der angehäufte Ertrag der Ernte 
«inschUefslich des rund herumstehenden Raumes, welcher zum Schutze 
gegen Feuersgefahr durch Pflugfurchen begrenzt ist, heifst arie 



1) Zimmermann-Werner I, S. 16. 

2) Vgl. die Wioderschenkung von „mansiones Olacorum** im Jahre 1293; 
Zimmermann- Wem er I, S. 195; die Definition der „sessio terre" für die- 
selben „mansiones": „terre arabiles, silvae, feneta", ebenda, imd die „metae 
antiquae" für „villae olakales" gegen 1350 im Oltlande, Hurmuzakil, S. 670.- 

3) Hurmuzaki I*, S. 541, nr. 453. 

4) J. Mihälyi de Ap^a, Diplome maramure^ene I (1901) I, S. 31. 



216 3. Kapitel. 

(= area). Die yerschiedenen Getreidearten tragen auch fast aaa- 
Bchliefslich lateinische Namen : griü; orz, meiü; säcarä, oväs; 
eine Ausnahme machen nur die später entlehnten Kulturpflanzen^ 
bei denen aber auch oft eine Bedeutungswandelung gestattet, dab 
das einheimische Sprachmaterial die neue Bezeichnung liefert, so 
bei porumb; popu^oiü für türkischen Weizen, und daneben 
Benennungen wie rapi^ä,hriscä (Rips, Heidekorn). Auch die auf 
den Weinbau bezüglichen Worte enthalten viel Lateinisches. Be- 
zeichnend ist es, dafs für den zugunsten einer verlockenden Theorie 
zum Hirten von Beruf gestempelten Nordrumänen die Nahrung im 
allgemeinen pine, Kornbrot heifst, dafs mit einem älteren Ver- 
wandten oder mit einem Hausherrn zusammenzuleben als ,, in einem 
Brote mit ihm zu sein^', a fi intr' o pitä, bezeichnet wird. 

IV. Wie es von einem Volke, das in primitiven Kultur- 
verhältnissen lebt, nicht anders zu erwarten ist, verfertigt sich der 
Bauer alles, was er braucht, selbst. Für sein Haus braucht er 
keinen Baumeister: es werden vier Pfahle in die Erde gegraben, 
zwischen diese ein Netz von Zweigen hindurchgeflochten, und 
über dies alles, was das solide Element des Dorf häuschens bildet, 
kommt eine dicke Schicht von Erde und Lehm. Das Dach wird 
aus Stengeln, Zweigen, Schilf und wieder aus darüber geworfener 
Erde gebildet. Bis sehr spät waren die Fensteröfinungen mi^ 
Papier verklebt, und nur bei den reicheren Leuten sah man das 
auf Jahrmärkten oder bei Reisen in die Sts^dt eingekaufte „kos^ 
bare'* Fensterglas. Holzhäuser wurden, trotz des in dem Berg- 
und Hügellande in überreicher Fülle vorhandenen Baumaterials 
— mit Ausnahme der tragbaren Hirtenhütten — nicht errichtet, 
nur Dorfkirchlein aus ungetünchtem schwarzen alten Holze, mit 
gelbem und grünem Moose verziert, gab es, wo an hohen Fest- 
tagen ihre winzigen Glöcklein, Geschenke frommer Sünder mit 
etwas besser gefülltem Beutel, die armen Leute mit ihrem Ge- 
bimmel anlockten. 

Die Strafse heifst bei den Rumänen in der Moldau gerade 
wie in der Walachei und in Siebenbürgen, wenn sie nur zwei 
Ortschaften verbindet, drum, eine Erinnerung an die Zeiten, da 
alte griechische Elemente ihre Sitten und ihren Wortschatz mit den 
der römischen Herren verschmolzen. Der Reisende ist ein cälätor 



Die rumäDischen Dörfer. 317 

siber das Wort cale — später, seit der modernen Neugestal- 
tong der Sprache wird auch die Neubildung stradä viel ge- 
braucht — kommt auch in Redewendungen vor: so geht der 
Mann, der sein Ziel nicht erreicht und zurückkehren mufs, la 
calea 'ntoarsä, den „zurückgeführten" Weg. Als die Leute 
des Königs in Siebenbürgen erschienen, neue Barbaren für die 
einheimische barbarisierte Bevölkerung, fanden sie die schon längst 
in Schutt verfallenen, vergessenen grofsen Strafsen der vergangenen 
kaiserlichen Blüte- und Schmerzenstage nicht mehr, aber noch im 
13. Jahrhundert gab es „viae" oder „magnae viae" im Innern 
des neueroberten Landes ^) : sie liefen gewifs den Flüssen entlang 
von einem grofsen Tale zum anderen und bildeten Verbindungslinien 
zwischen den westlichen und östlichen, nördlichen und südlichen 
Pässen. Ahnhche drumuri — die Volksdichtung erwähnt gern 
als Wege für ihre Helden die „ drumuri säpate ", die auch urkund- 
lich bezeugt sind, — waren auch in dem „ transalpinischen*' ru- 
mänischen Gebiete vorhanden und wurden nach der Staatsgrün- 
dung benutzt, aber nicht erst geschaffen, da sie die Natur meist 
selbst gebahnt hatte. 

In den Gebirgsdörfern hat jede Ansiedelung, jede grofse Dorf- 
famihe ihr Bächlein ; doch spielt es nicht dieselbe ßoUe bei heim- 
lichen Zusammenkünften, wie unten in der Ebene der Brunnen, 
fintina, wenn wir dem Liede glauben dürfen. Dies Bächlein 
trägt sehr oft keinen eigenen Namen, weil eine Unterscheidung 
nicht notwendig ist und ein besonderer Name nur eine unnütze 
Belastung des Gedächtnisses darstellen würde. Das Bächlein ge- 
hört dem Dorfe, und das Dorf selbst ist eine in sich geschlossene, 
sich selbst genügende Welt: dieses rastlose, kleine, überall und 
immer die Natur belebende Element, welches alles sieht und nichts 
von alledem behält, ist die valea satulul, wörtlich „Tal des 
Dorfes" mit Einschlufs des darin fliefsenden Wassers. Wenn 
erst das uralte, aber immer jugendfrische Bächlein zur Dorfgrün- 
dung an seinen Ufern eingeladen hat, dann ist auch sofort auf der 
einen oder der anderen Seite dieser bescheidenen Gönnerin 
in nicht minder bescheidener Form die Strafse vorhanden. Das 



1) Zimmermann- Wem er I, S. 3, nr. 3; S. 48. 



S18 8. Kapitel. 

ist die uli^ä, ein slavischer Name, der überall zu treffen ist, aach, 
und zwar in der Moldau, in der liebkosenden oder entstellten Form 
ulicioarä, hudi^. In der Ebene aber entsteht ohne die Hil& 
des Bächleins eine sich ebenso kräuselnde, labjrinthische Yer< 
kehrsader für Arbeitsleute, die sie beim dämmernden Heran- 
kommen des Tages oder beim verschleierten Eintritte der Nacht 
benutzen, denn das sind die Stunden, wo der Bauer „zum Felde" 
— la cimp — geht, oder von dort matt und schweigsam zurück- 
kehrt; für den Reiter und den langsam vorbeifahrenden Ochsen- 
karren, das übliche Gefährt des Landes seit jenen alten ^^sarma- 
tischen" Tagen und noch in der Gegenwart, ein Vehikel^ das säch 
von selbst bewegt, während der Ochsenführer sinnt, singt, träumt, 
und selbst bei dem sengenden Brande der Sonne im Sommer sogar 
seligst schläft; für die Frauen, die, rein gekleidet, wenn nicht die 
allen Nachbarn offenbar gewordene Not jedes Schamgefühl vernichtet 
hat, aus der f u r c ä — auch ein Vermächtnis der grofsen Ahnen — 
den weifsen Faden während des Gehens geschickt weiter spinnen; 
schliefslich auch für die sich selbst überlassenen, in blofsem Hemde 
herumflatternden, durch Gottes Gnade immer recht zahlreichen 
Kinder des Dorfes. Im Winter aber benutzt meistens ein einziger 
Gast die weifse, jetzt einsame Gasse : der Nordwind, der oft monate- 
lang — aufser in der walachischen Ebene, wo das Wetter weniger 
rauh ist — alles mit der Ruhekappe des dichten Schnees bedeckt 
Die uli^ä oder vale des Dorfes scheidet in der charakteri- 
stischen rumänischen Ansiedelung, dort, wo nicht der fremde alte 
Einflufs der nach deutscher Weise sich ansiedelnden Sachsen, oder 
der fremde neue Einflufs der abendländischen Kultur eingewirkt 
hat, grofse und weite Hofstellen, die von einer lebendigen, im 
Frühling und Sommer blähenden Hecke oder einem Zaune aus 
Zweiggeflecht oder schliefslich, wenn auch nur bei reichen gos- 
podarl = Hausherren, von hölzernen Planken, zaplaz, ulucl, 
umgeben sind. Das kleine Wohnhaus verschwindet beinahe im 
ausgedehnten freien Räume, in dem sich eine curte für das Ge- 
flügel und das Kleinvieh, namentlich die Schweine, findet; daneben 
stehen die aus demselben Material wie das Haus selbst errichteten 
Gebäulichkeiten zur Aufbewahrung der Nahrungsmittel, und end- 
lich liegt dort auch der Obstgarten, livadä, pomet, welcher 



ä 



Die nimäniscben Dörfer. 319 

n einigen Gebirgsgegenden^ wo aus Pflaumen das einheimische 
sdkoholische Getränk ^uicä zubereitet wird, eine Quelle be- 
trächtlicher Einkünfte bildet. Die anderswo gewöhnlichen Blumen- 
gärten verzieren nur den Hof der wohlhabenden Leute; Gemüse- 
bau gibt es nur in einigen Winkeln des rumänischen Landes, und 
bleibt zum grofsen Teile bis heute den fremden Sirbl, Bulgaren, 
überlassen. Neben dem Hause werden nur die Kräuter angebaut, 
die zur Bereitung der neben der mämäliga — einer Art gelbem 
Brot aus türkischem Weizen — als Speise üblichen saueren Fisch-, 
Fleisch- oder Gewürzsuppe, borf oder ciorbä de bor^, not- 
wendig sind. Oft wird in der Nähe des Hauses als Küche oder 
Keller (statt der pivni^ä) der bordeiü benutzt, eine unterirdische 
Wohnung, manchmal mit zwei Kammern, die nur von der offen 
gelassenen Tür einiges Licht bekommt und worin arme Leute 
oft eine dauernde Zuflucht suchen und, wenn sich ihre Lage 
nicht besserte, mehrere Generationen lang verbleiben mufsten. 

Ins Haus selbst gelangt man durch eine, vom Bauer eben- 
falls eigenhändig gehauene hölzerne Tür, obgleich seit alter rö- 
mischer Zeit im Dorfe auch lemnarl immer vorhanden waren *). 
Der lEisenmeister, der me^ter für Eisenarbeit heifst fierar, ein 
Ausdruck, welcher uns in dieselben entfernten Zeiten zurückführt. 



1) Man darf wohl annehmen , dafs in der ersten Zeit des Völkergemisches 
der romanische Bauer, gewohnt, sich alles auf dem Markte zu kaufen, im 
Verfertigen von Oerätschaften ungeübt war, und dafs der auf sich selbst ange- 
wiesene slavische Stamm sie, ohne mit Geld oder Feldprodukten die Stadt 
aufzusuchen, besser herstellte. Dafs dem Bomanen bereits vor der Ankunft der 
Slaven die Handwerke, die „Meisterschaften** — man hat das Wort me^ter 
von den Ungarn und Sachsen später übernommen, aber gebraucht wird da- 
neben auch in verändertem Sinne mäestru = magister (pasäre mäiasträ, 
wundertätiger Vogel, wie maitre Merlin, der „Zauberer" Merlin) — bekannt 
waren, zeigen die Appellativa der verschiedenen einfacheren Beschäftigungen, 
wie lemnariü, fierariü, pietrariü. Aber für die Geräte selbst hat man 
«lavische Worte entlehnt — in der Weise, wie in neuerer Zeit die alten Worte 
för Kleidungsstücke und Modesachen von den Franzosen, direkt oder indirekt, 
herübergenommen , die alten griechischen und türkischen Ausdrücke verdräng- 
ten; letztere hatten ihrerseits ältere slavische Bezeichnungen, hinter denen 
^eder andere, noch ältere, ebenfalls slavische Benennungen stehen, verdrängt. 
Das auf diesem Eampffelde Besiegte stirbt mit seinem Namen ab, und für die 
neuen besseren Begriffe werden Worte von den Siegern entlehnt. 



SSO 3. Kapitel. 

aber die^bäuerliche Wohnung besitzt keinen oder nur einen ganz 
primitiven eisernen Schlüssel; den in diesem letzteren Falle der 
berufsmäfsige Schöpfer solcher Arbeiten, der erfinderische Zigeuner 
hergestellt hat, der Metallurg und Musikant in einer Person ist 
Zuerst kommt man in die tin da; d. h. den Vorraum^ und dann 
in die meistens auf zwei reduzierten Wohnzimmer. Hier steht ein 
runder oder viereckiger hölzerner Tisch; vielleicht finden sich auch 
einige Stühle — scann wie masä entstammen dem lateinischen 
Wortschatze — ; aber die Zierde des Hauses und den Stolz der 
Hausfrau bilden die der Wand entlang stehenden Betten, lavitä, 
und die zierlich genähten; kunstreich und mit wahrem Kunstsinne 
gestickten Bett- und Kleidungsstücke; diC; damit sie jedermann 
sehen kann, sehr hoch aufgetürmt werden; fast so hoch; dafs sie 
die kleine Öllampe berühren. Neben dieser hängt bei den Reichen 
ein mit Silber ;, bekleidetes ''; imbräcätä; und mit Gold über- 
decktes; suflatä; Bild eines Heiligen oder der Mutter GotteS; das 
wunderwirkende icoanä (elyuov). Der hochgebaute Backofen mit 
weit geöffnetem Rachen — der Bauer bereitet sich selbst das 
Brot; wenn er reich genug ist, um sich von Kornbrot zu ernäh- 
ren — ist auch eine Art von ,, Möbelstück" der bäuerlichen ;;gos- 
podärie": auf seinem platten, ausgedehnten warmen Rücken ruht, 
während der Nacht und geniefst die Wonne einer überreichen 
Körperwärme der zartere Teil der Familie oder der etwa krank 
darniederliegende. Das Haus ist übrigens nur für den Winter, 
schlechtes Wetter imd für die Nacht gebaut: das wahre Leben 
wird draufsen unter dem heiteren oder finsteren Himmel gelebt 
Wenn der Feldarbeiter nach schwerem Tagewerke nach Hause 
kommt; braucht er daheim kein Licht mehr: nur selten bleibt er 
auf dem erweiterten; vorspringenden Teile der unteren Mauer, der 
prispä; stehcD; um da zu sprechen und zu scherzen, und nur aus- 
nahmsweise macht er Licht; indem er mit seinem Stahl an der 
cremen e oder einem Feuersteine Funken schlägt; um den opae^, 
eine in Fett eingeschlossene ;;M&che"; anzuzünden. Bei der freund- 
lichen Musik der Grillen; die auch zu den Cuptorbewohnem ge- 
hören; schläft er seinen tiefen; wohlverdienten Schlaf. 

Handel wurde in diesen Dörfern; die vom Ackerbau lebten, 
allerdings auch getrieben, und die Worte nego^, negustor, a 



Die rumänischen Dörfer. SSI 

vinde^acumpära gehören zu den romanischen Sprachelementen. 
Selbst der Handel mit dem Gelde war nicht unbekannt, obgleich 
der Name ban, für Münze , eines späteren Ursprunges ist: ca- 
petC; das entliehene Geld, vielleicht auch dobindä, die Zinsen, 
sind schon vor der Slavenzeit im Gebrauche. Gewöhnlich wur- 
den Handelsgeschäfte dort abgeschlossen, wo sich die Bewohner 
mehrerer Dörfer an grofsen Festen zusammenfanden. Diese Ort- 
lichkeiten hiefsen nedel (sing, nedeie), was vielleicht aus Ne- 
delia, dem Namen des Sonntags bei den Slaven, hergeleitet ist. 
Viele solche nedel gab es gewifs an der Donau, und ihr Name 
lebt noch in heutigen Ortsnamen der Gegend. Für die Berg- 
bewohner fanden die nedel auf einem Gipfel, zwischen zwei 
oder mehreren Tälern, statt: man kennt bis heute Nedel im 
Hatzeglande, und noch „ein Teil des Berges l'ible^ im nord- 
östlichen Gebiete von Siebenbürgen" heifst Nedeia^); bei dieser 
Gelegenheit wurde auch getanzt, getrunken und nicht zuletzt 
manche Heiratsverbindung unter den Anwesenden angebahnt. Darum 
hiefsen die nedel auch bisweilen tirgul fetelor, das heifst 
Mädchenmarkt ^). Die Benennungen b i 1 c i ü und iarmaroc 
(b öl CS und Jahrmarkt) für solche Versammlungen mit mehreren 
Zwecken — die katholischen Seelenhirten suchten im 18. Jahr- 
hundert den Gebrauch der bilciurl als für die Sitten gefahrlich 
auszurotten ^) — wurden erst später von den Sachsen und Ungarn 
entlehnt. 

V. Trotz der Einfachheit der Verhältnisse fehlte es den Bauern 
nicht an einem Seelenleben, obgleich Einzelheiten darüber nicht 
in guten oder schlechten Büchern überliefert sind. Die Seele des 
Bauern findet meistens die ihr unentbehrliche Nahrung, übernatür- 
liches Grauen und Hoffen, traurige und heitere Bilder und Szenen, 
in seinem christlichen oder vielmehr christlich-heidnischen Glauben, 
zu dem er naiv und innig hält. Zu Werke geht er immer, zum 
alltäglichen wie zum aufserordentlichen, gefährlichen, das für sein 



1) Ich glaube den Namen auch in einer Quelle des 17. Jahrhunderts, viel- 
leicht bei Bandini, getrofiPen zu haben. 

2) VgL Frincu ^i Candrea, S. 72ff.; vgl. S. 53flf.; Oni^or, Poesii 
populäre, S. 38. 

3) Studil 9i doc. V, S. 461. 



232 3. Kapitel. 

Leben entscheidend wird^ indem er das Kreuzeszeichen an Stira, 
Brust und Schultern schlägt Beim spärlichen Essen dankt er 
zuerst mit demselben segnenden Zeichen dem, der seine sauere 
Arbeit unbelohnt lassen konnte und dennoch ihm^ dem Sündigen, 
die Ernte auf dem Ackerchen emporsteigen zu lassen geruht hat 
Für ihn ist jeder gute, ehrliche, verständlich sprechende Mensch 
ebenso ein Rumäne wie ein Christ, un cre^tin. Infolge des nicht 
zu leugnenden Einflusses des bulgarischen Bogomilismus, welcher 
die Beinigung der Seele in wundertätigen, von allen Übeln erlö- 
senden strengen Fasten predigt, enthält er sich jeglicher Fleisch- 
nahrung, ja sogar der Milch und, Eier; wer anders handelt, gilt 
als ein hartnäckiger Heide, ein Gotteslästerer, ein schmutziger, 
„unreiner'^ Letin, d. h. Katholik. Diese Fastenzeiten weifs er auf 
einfache Weise sehr gut zu berechnen, und lange vorher wartet er wie 
auf ein grofses, glückliches Familienereignis, wie auf eine ihm per- 
sönlich zugedachte Wohltat auf den Osterfeiertag, wenn in der 
leuchtenden Dorf kirche, vor den in ihren besten Kleidern prangenden 
armen Leuten, durch die näselnde Stimme des noch vor kurzem 
ziemlich ungelehrten Priesters Gott selbst in der Auferstehung aus 
dem Grabe einen Augenblick seinen ewigen Sieg über den bösen 
Tod feiert. Und nicht anders ist es bei der Feier des Jahresschlusses, 
wenn die Arbeit ruht, die einzige, zu welcher er sich berufen fühlt, 
denn alles andere ist im Grunde nur für den Zigeuner, Juden, 
Griechen, Neamt (Deutschen) und Ciocol (Stadtbewohner, Aristo- 
kraten, Beamten) geschaffen. Dann widmet er sich ganz den grofsen 
Wintersaturnalien, den Festtagen des Überflusses, des Vollessens, 
Volltrinkens und Vollsingens zur Feier der Geburt unseres Herrn: 
Cräciun^), der „alte^^ Cräciun, Mo^ Cräciun, mit seinem 
Verkündiger und Vorläufer, dem Mo§ Ajun des vorigen Tages. 
Beim Eintritt des neuen Jahres wird zu Ehren des christlichen 
Heiligen Basilius die uralte Weise von dem grolsen Pflüger Kaiser 
Trajan hinter den eisglänzenden Fenstern gesungen. Der Tag der 
Taufe Jesu ist das Fest des Eisbrechens, und die Mutigen tauchen 
in die eisigen Fluten hinein, um das zum Ruhme des AufiSnders 

1) Bezüglich des UrspruDges des Namens wäre vielleicht an Christas, Crftst 
zu denken. Vgl. das griech. XQiaTovyewa, S. 0. Densusianu, I, 261 
bis 262; Conv. lit. 1903, S. 640. 



Die rumänischen Dörfer. %29 

hinan tergevvorfene Kreuz mit starren Fingern zu erhaschen. An 
dem Feste, wo ein Einblick in die verschlossene Zukunft gewährt 
wird, öffnet sich die Himmelspforte blitzschnell und schliefst sich 
wieder für ein ganzes Jahr, und alles, was auf Erden atmet, be- 
komnit eine menschliche Stimme, um wer weifs welche grofsen 
Sachen in unverständlichen Worten und Sätzen auszusprechen. 
Dieses und noch manches andere mehr von christUchen allgemeinen 
Gebräuchen und besonderem nationalem Aberglauben, Zauberei 
und Geisterglauben lebt bei den rumänischen Bauern ^). 

Dafs das Christentum in sehr alten Zeiten angenommen wurde 
und dafs es unendlich tief in der Seele des rumänischen Bauern wur- 
zelt, bezeugen nicht nur die wenigen schon S. 43 zitierten Wörter. 
Mit Ausnahme einzelner Kultushandlungen und der Benennung 
etlicher Kirchendiener und Kirchenbücher wird vielmehr beinahe alles, 
was zur neuen Religion gehört, durch lateinische Worte ausgedrückt. 
Der Glaube wird lege genannt, der Priester ist ein preot (pres- 
byter), Karfreitag Ca rnele gl, und ebenso C ä § 1 e g I (carnem, ca- 
seum ligare), läsatul de sec, päresimi (quadragesimae), frupt 
(fructus). Alles, was sich auf das Fasten bezieht, — nur post, 
Fasten, ist slavischen Ursprungs — läfst sich auf lateinische Typen 
zurückführen. Eine grofse Anzahl der Namen christlicher Heiliger 
kommt in eigenartigen, sehr alten Zusammensetzungen vor: der 
heilige Georg, Singiorz, gehört hierher, nach dem auch ein Dorf 
in Oatsiebenbürgen benannt ist; ferner der „Bruder des Cräciun*', 
Sinväsiiü, S. Basilius, mit dessen Festtage das neue Jahr, der hoff- 
nungsvolle Anul Noü, beginnt. Nicht minder Sintämäria, welche 
am Tore des Himmels oder des Paradieses steht, um alles zu hören 
und zu erhören, Sintä- Maria, die Mutter des Herrn, Maica 
Domnulul. Der Tag des Simmitru(S. Demetrius) bedeutet wie 
derjenige des heiligen Georg eine Wendung des Jahres, und ist 
darum bei den Rumänen, wie bei anderen Völkern der Balkanhalb- 
insel, ja selbst bei den Türken, die seinen Festtag den „Tag Kasim" 
nennen und an diesem ihre Feldzüge im Herbste zu unterbrechen 
pflegen, mit vielen Akten des wirtschaftlichen und gesellschaft- 
lichen Lebens verknüpft; Sinziene (S.Johannes) und sein weib- 



1) Harlan, Serbätorile la Bominl, 3 Bde. 



224 3. Kapitel. 

liches Korrelat Sinziana^ die oftmitCosinzeana, der ^, Schwester 
der Sonne und Herrin der Tage" *), verschmolzen erscheint, wA 
beide wesentliche Bestandteile der Märclfenwelt und des Volksaber- 
glaubens. Sinnicoarä und Sintoader, die Heiligen Nikolaus 
und Theodor, entscheiden in dem Kampfe zwischen dem endenden 
Winter imd dem wieder lachenden Frühling. Sintoader ist ein 
stolzer Reiter, dessen Rosse durchbrechende Hörner tragen ; er und 
sein ritterlicher Gefahrte beschützen die Sonne, und in den ersten 
Tagen des Monats März entsteht durch ihren Kampf das groCae 
Gemenge von Schneeflocken, Regen und bescheidenen, vorüber- 
fliegenden Sonnenstrahlen, der mo^I und habe, „alter Männchen 
und Weiber", nach dessen Entscheidung der Bauer seine winter- 
liche cäciula (die meistens schwarze Lammfellmütze), um S. Georg, 
der überall, selbst in den harten Bergen, das neue Grün auf die 
Erde bringt, beiseite legen kann. Der Heilige Andreas, tndreiü, 
hat dem Monat Dezember seinen Namen gegeben; der Heilige Pan- 
teleemon, Sf. Pintilie, „Cälätorul", „der Reisende", werden sehr 
geehrt, aber besonders gilt dies für den grofsen Heiligen Petru, Sin- 
petru — in der Moldau: Pletru, Chetru — , der zusammen mit 
Gottvater selbst, beide in der Gestalt von zwei armen alten Bettlern, 
auf der Erde wandelt, um das Treiben der Menschen zu erforschen. 
Aber das rumänische Volk kennt auch solche Heilige, die in 
dem calendarium der Gelehrten nur wenig geschätzt sind ; denn bei 
ihm, dem Bauer, der seit uralten Zeiten eine Kenntnis, eine sichere 
Kenntnis des cälindariü, mit Berechnungen auf sorgfältig auf- 
bewahrten Bohnen, besitzt, spielt mancher von den Gelehrten 
nicht beachtete Tag in dem Alltagsleben eine sehr grofse Rolle. 
Der Bauer braucht in jeder Lage einen Schutzheiligen, den er 
mit Fasten und Beten, mit althergebrachten Formeln und Ge- 
bräuchen versöhnen oder gewinnen kann. Vor dem gefurchteten 
Feuer schützt ein heiliger Phokas (Foca, davon das Wortspiel 
mit foc: Feuer); Schutzpatron gegen Kopfschmerzen sind diebei- 
ligen Antänäsüle, in deren Namen die Heiligen Anton und Tänase ^) 
miteinander verschmolzen sind; gegen die Gefahr des Blitzes hat 
man doch den Sintilie (H. Hellas), der mit seinem schweren Karren 



1) Mari an, Serbätorl I, S. 106. 



Die nunftnischen Dörfer. SS5 

«uf dem Erzboden des Himmels donnernd dahinrollt, oder die 
Fulgerätoare, die Blitzenden, oder die Cercovil de iarnä. 
Es gibt einen tollen Heiligen, den Trif , and hochverehrte ,, christ- 
liche'' Gk>ttheiten, welche mit Schnecken oder Heuschrecken die 
27achlässigen bestrafen. Die Filipl, d. h. Tage des heiligen 
Philipp, mehrmals im Jahre gefeiert, stehen mit den grofsen Feier- 
tagen der Kirche auf einer Linie. . 

Das klingt doch ziemlich heidnisch, aber es ist ein Heiden- 
tnxn, welches von dem der slavischen Nachbarvölker oft sehr 
verschieden ist in bezug auf HeUigenoamen und Heiligen- 
hedeutung. Trotz alledem hat der Rumäne vor dem Heidentume, 
vor dem ausgesprochenen, nicht vor dem unbewufst beibehaltenen, 
Abscheu. Das Gute, Milde ist christlich; so klagt der Bauer 
«einer Geliebten: 

„Schöne, da bist nicht Christin, 
Weil da mich Unsdialdigen hassest" ^). 

Das Böse, Harte dagegen wird als „heidnisch ^^ (pägin) bezeichnet, 
«o dafs es genug „heidnische'^ Mädchen, „ heidnische '^ Herren und 
«o weiter gibt Das hindert ihn aber nicht, nach seinem bunten 
Dorfkalender, der viel reicher ist als der irgendwelchen anderen 
•christlichen Bekenntnisses, Festtage der Räuber, der Schafe oder der 
Wölfe . furchtsam zu beobachten und einen gewissen „ namenlosen '' 
Donnerstag ab unheilbringend zu betrachten. Aus der römischen 
Zeit hat er teilweise die Bezeichnung der Monate geerbt: Faur, 
Februar, Mär^i^or, Mar^, Frier, April, Maiü, Aust, Ogusta, 
Oustea, August; für die anderen Monate sind poetische, erfun- 
dene Namen vorhanden: Cuptor, Cire^ar, Brumar, Florar, nach 
4er Hitze, den Kirschen, dem Nebel, den Blumen usw. benannt; 
aber die haben nur im Kalender ihre Bedeutung. Die lateinischen 
Namen der Wochentage sind dagegen in der neuen Sprache voll- 
ständig erhalten, und in jedem derselben sieht der Rumäne eine 
Heilige, die auch in seinen Märchen vorkommt, meistens als eine 
-ehrwürdige alte Matrone, welche Schlangen, IVösche und allerlei 
Ungeziefer bei sich ernährt, badet und kämmt, und die verfolgte 
Unschuld, in der Gestalt des ausgestofsenen Mädchens, erkennt 



1) Enea Hodoi^, Poesil poporale, S. 97. 

Jorga, 0«seliioht6 der Baminen. I. 15 



286 3. Kapitel. 

und belohnt. Einmal wird sogar ^ unter diesen ,, Heiligen der 
Woche", die Heilige LunI als ,, Beschützerin der Hirten" genannt ^). 
Übrigens werden als eigentliche Hauptgöttinnen dieser Gattung 
Sfinta LunI, Sfinta Vinerl und Sfinta Duminecä er- 
wähnt, und zweimal in acht Tagen: Mittwoch und Freitag zur 
Ehre der mächtigen Sfinte: Miercurl und Vinerl beobachtet die 
rumänische Frau, selbst in den. gebildeten Ständen und bis zu den 
jüngsten Generationen, ein unerbittlich strenges Fasten. 

In den Volksmärchen erscheinen übernatürliche Wesen, die 
aber nur dort, nicht einmal in der Volksdichtung, vertreten sind: 
nicht genug, dafs es von dummen Riesen und witzigen bärtigen 
Zwergen, wie Tartahot mit dem langen Barte, auf seinem hinkenden 
Hasen einer ist, wimmelt, dafs es ein Reich für die Schlangen mit einem 

« 

kaiserlichen Vorsteher gibt ; nicht genug, dafs jedes Tier die Macht 
besitzt, sich menschlich auszudrücken. Ungeheueres zu verrichten 
und die Zukunft aufzuklären, wofür ihm dann der Titel von 
mäiestru,mäiasträ:„ magister ", „ magistra " zukommt — neben 
diesen aufserordentlichen Pferden und Vögeln, besonders Adlern 
(pajuri), und den weisen, sprechenden Bäumen gibt es schreck- 
liche bälaurl und zmel. Jene sind Schlangen mit ungeheueren, 
immer Nahrung verlangenden Körpern und mit mehreren Köpfen, 
eine Abart der antiken Hydren ; diese unbestimmten, kolossalen Ge- 
schöpfe, die windschnell, mit grofsem Lärm kommen, buzdu- 
gäne, mächtige „masse-d'armes" schwingen, die näzdrävan, 
weissagen und besitzen eigene Bewegungskraffc, so dafs sie 
selbst den Nagel, an dem sie zu hängen haben, nach einigem 
grauenerweckenden Umherirren finden; aber sie lassen sich doch 
regelmäfsig von menschlichem Verstände und menschlichem Mute, 
von der wundertätigen Jugend und Seelenreinheit besiegen, so dafs 
sie, in Fässern eingeschlossen, nur unheimlich heulen, bis ein ein- 
fältiger Reisender als Erlöser kommt; sie scheinen eine Verkör- 
perung der starken, gewitterbringenden, durch die lachende Sonne 
bezwingbaren Winde zu sein. 

Aber diese furchtbaren zmel sind niemals im Alltagsleben 
gefürchtet, und gegen sie hat der Rumäne keine „incantationes^V 



1) Mari an, S^rbätorile U, S. 13. 



Die rumänischen Dörfer. SS7 

keine descintece; an dem Brunnen, wo sie in den Liedern 
lauern^ furchtet kein junges Dorf'mädchen , deren Geist mit Mär- 
chen dieser ungeschriebenen romantischen DorfUteratur genährt 
wurde, einen bälaur mit offenem Rachen versteckt zu finden. 
Dagegen kennt der Rumäne wohl andere übernatürliche Wesen, die 
tatsächlich, obgleich meistens unsichtbar, sein Leben mehr als alle 
Heiligen der christlichen offiziellen und geheimen Kirche beherrschen. 
Die guten höheren Wesen werden, ohne Unterschied und spezielle 
Benennungen, als z ine bezeichnet, und unter den zine sind auch 
die ursitoare, welche den Lebenslauf der kaum geborenen Kinder 
durch ihr weises Denken und ihre rätselhaften Aussprüche be- 
stimmen. Die schlechten Halbgottheiten der heidnischen Vergangen- 
heit sind die vilve, welche jedes Dmg beleben: so gibt es in den 
Bergmarken Siebenbürgens eine VilvaBäil^); die von dem Qrabe 
auferstandenen Toten, die vijl^), und besonders die immer auf 
bösen Fahrten weilenden und eilenden Ungenannten, die ;;Sie^^, 
ele oder iele, euphemistisch die „Schönen", die „Guten", die 
„Milden" genannt ^). Die verführerischen FlufsnympheU; die, durch 
Schönheit berückend, süfs dem Fischer und Nachtreisenden wunder- 
bare Traumweisen vorsingen und liebedürstend und bedürftig 
menschlicher Seelen mit dem Leben des Geliebten fort zu den 
blauen Tiefen zurückfliegen, die Vilen der Slaven und Nereiden 
der Griechen sind dem Rumänen nicht bekannt. Aber in dem 
Walde, der ihm näher steht als die von den Slaven bevorzugten 
Flüsse, lebt als unfreundliches Wesen die Mama Päduril, Mutter 
des Waldes, und ihr viel seltener genannter Ehegemahl, der Alte 
des Waldes. In den Tiefen der Erde kriecht das „Erdhündchen", 
cä^elul pämintulul, dessen unheimliches Bellen bei den Stein- 
kreuzen, welche Mord und unseligen Tod andeuten, von einsamen 
verirrten Wanderern mit Grausen gehört wird. 

Die Divination, das Beschwören ;der schwarzen Mächte ist 
ihm auch nicht fremd, was sich aus seinem Glauben an schlechte 



1) Frincu i^i Gandrea, S. 120; vgL ^äineana, Studil folklohce (interos- 
sante Aufsätze mit vielen Zitaten, weniger Originalität und noch weniger 
Scharfsinn), Bukarest 1896. 

2) Frincu ^i Gandrea, S. 270ff. 

3) Säineanu a. a. 0. 

15* 



888 3. Kapitel. 

Götter notwendig ergibt Zum Teile haben sie solche vräjl, 
,, Zauberei '', von den Slaven entlehnt , wie das noch heute von 
den Kuthenen in der Bukowina geschieht ^). Aber Bezeichnungen 
wie farmece, descintece, desfacerl, a arunca — g^en 
jemand einen unheilvollen Spruch schleudern — ^, a da^ a face 
— mit demselben Sinne — , fapt für eine teuflische, durch Zauber 
vollbrachte y dem gewöhnlichen menschlichen Sinn unerklärbare 
Tatsache (factum) zeigen, dafs vieles von diesem kindisch grausamen 
Hokuspokus schon aus der römisch-thrakischen Zeit herstammt 

VI. Aus dem jetzt genügend bekannten sozialen und psychischen 
Leben des rumänischen Bauern entsteht auch seine nur mündlich 
weiter getragene oder vielmehr weiter gesungene Volksliteratur. 
Durch Berufene und Unberufene wurde sie bis zur Schwelle un- 
serer Tage getragen, und aus dem Gemische von Gutem und 
Schlechtem, von Ursprünglichem und Angeklebtem, von treu wieder- 
gegebenen Sätzen und Versen und willkürlich oder unwillkürlich 
entstellten, läfst sich etwa folgende Charakteristik der rumänischen 
Bauemlegende und des rumänischen Bauernliedes gewinnen. 

In den Produkten des Volksgeistes lassen sich drei Gruppen 
unterscheiden: Dorfhumor und Dorfsprüche, in Prosa erzählte Le- 
genden und endlich — die wahre Essenz des Volksgeistes — 
dessen gereimte, mit bestimmten Weisen verbundene dichterische 
Schöpfung im engeren Sinne. 

Die Rumänen sind nicht wie die Franzosen ein scherzendes 
Volk, obgleich sie ausgezeichnete Anlagen zu einem tieferen, be- 
obachtenden und belehrenden satirischen Humor besitzen. Bätsei, 
kleine satirische Stücke, snoave genannt, werden erfunden und 
mitgeteilt. Bei den ^ezätorl, den bäuerlichen Abendgesellschaften, 
die naturgemäls entstehen, wenn mehrere Frauen zusammen, cu 
lucrul, mit ihrer Spinnarbeit die langen Winterabende verbringen, 
und, um später, in der Fastnachtszeit, Hochzeit zu halten, die jungen 
Leute ihrerseits sich ihnen zugesellen, aber auch bei den prive- 
ghiurl, wo, während in einem der 2^merchen ein bitter be- 
weinter und schwer entbehrter Hausvater auf dem Tische mit der 



1) S. besonders die neue SammlaDg der Yolksliteratar, die Frau Elens 
Nicolitfi-Yoronca (Datinele ^i credin^ele poporulal roman, Giemo- 
witz 1903; 3 Bände) herausgegeben hat 



Die ramäniBchen Dörfer. 229 

Totenkerze und dem heiligen Bilde der Toten in der weiTsen un- 
beweglichen Hand and auf der Brust von der langen Arbeit end- 
lich ruht; in dem anderen ^ um Zerstreuung für die Eingeladenen 
und auch gelegentlich für die Trauernden selbst zu bringen und 
nicht zuletzt von dem menschlichen dämonischen Drange^ Schmerz 
mit Freude zu mischen^ beseelt , kommen sie dazu^ durch solche 
Mittel auf verweinten Gesichtern das Lachen zu erzeugen. In 
manchen siebenbürgischen Dörfern ist es auch gebräuchlich; an 
einem bestimmten Tage des Jahres mittels einer Zigeunerweise 
satirischer scharfer Art über unbeliebte Dorfgenossen von einem 
Baume herab sprechen, aber nicht singen zu lassen: es ist eine 
gefiirchtete und zugleich erheiternde Sitte, welche a dapestesat, 
über das Dorf werfen, d. h. die grolsen und kleinen Sünden dieses 
und jenes bekannt machen heifsi 

Die snoave gehören ausschliefsUch dem rumänischen Volke 
und beziehen sich meistens auf den Typus dessen, der mit Schlau- 
heit dennoch Dummheit vereint, auf den Einfältigen, der die Ellugen 
in Verwirrung bringt, den Picalä, oder aber auf die verschiedenen 
Völker, welche den Rumänen bekannt sind und deren Fehler und 
Schwächen sie geifseln. Die gtcitorl oder Rätsel gleichen meist 
denen dieser benachbarten Völker. 

Als Erzählungen, welche wegen ihrer Länge trotz des poeti- 
schen Inhaltes des poetischen Gewandes entbehren müssen, sind 
die basme oder pove^tl zu bezeichnen. Eine poveste wird 
gewöhnlich den Kindern von der Mutter oder der Grofsmutter 
erzählt, um sie im kalten oder wärmeren Hüttchen in den Schlaf 
zu lullen. Die Erzählerin glaubt nicht daran: mit einem Scherze 
beginnt sie und endet mit einem anderen: es ereignete sich dies 
alles zu jener Zeit, heifst es, mit einem verständigen Lächeln, das 
in der tiefen Nacht des Zimmers verborgen bleibt, als „der Floh 
Eisenhufe bekam und dennoch haushoch sprang und der Dumme 
ein Weiser war und der Weise ein Dummer", \md so weiter. 
Das kleine Publikum glaubt aber felsenfest an die Geschichten 
vom roten und grünen Kaiser, von den windartigen zmel und 
den vielköpfigen bälaurl, an die Bäume, die singen, und an die 
guten Tiere, die reden, raten und helfen. Und als eine dichte- 
rische Vorspiegelung des Lebens für Kinderverstand und Kinderherz 



2S0 3. Kapitel. 

erzählen diese langen, wunderlichen pove^tl immer wieder runzlige 
Mütterchen, die dieselben Geschichten einst aufmerksam auf dem 
väterlichen cuptor als frische zarte Blinder vernommen haben. 
Fremde Elemente gibt es auch in den Prosalegenden, aber das 
meiste läfst sich auch sehr leicht aus dem auf denselben mensch- 
lichen Verhältnissen beruhenden Materiale und dem nach derselben 
menschlichen Logik der Einbildung arbeitenden Volksgeiste er- 
klären 0- 

Ehemals wurden an den Höfen der Fürsten und in den Häu- 
sern der grqfsen Bojaren epische Gedichte vorgetragen und nach 
einer bestimmten Weise gesungen: Der polnische Reisende Stryj- 
kowski im 16. Jahrhundert, der schwedische Diplomat Strafsburgh 
im 17., die rumänischen Chronisten desselben Jahrhunderts sind 
Zeugen dieser Sitte, der man besonders während der Festmähler, 
ospe^e, huldigte. Beim Einzüge des Heeres in eine Stadt sang 
man auch solche in Verse gebrachte Erzählungen, und bei dem 
Erscheinen der walachischen Leute des Fürsten Konstantin in 
Väsärhely 1659 hörten die Einwohner die Volksweise von dem 
„Bauernmädchen, welches seine Ziegen im Berge verloren hatte" *). 

Viele dieser Lieder gröfseren Umfanges sind gleich nach 
Erfüllung ihres Zweckes, zu loben oder zu tadeln, mit den In- 
teressen und Leidenschaften der schnell rinnenden Zeit verloren 
gegangen; die meisten sind entstellt worden und haben sich mit 
allerlei fremden Motiven vermischt, so dafs in ihnen Altes und 
Neues nicht mehr zu unterscheiden ist: zu den ältesten gehöii 
ohne Zweifel das Lied, in welchem die an dem ritterlichen Fürsten 
Badu de la Afuma^I, dem Besieger der Donautürken, im Jahre 
1529 von dem treulosen Bojaren Drägan verübte Mordtat *) be- 
klagt wird. Daneben aber erinnerte sich das Volk in seinen 
Liedern an die grofsen, auf die Mitwelt stark wirkenden Ereig- 

1) Ein grofses Werk über die Basmele romine hat Lazär Säineana 
im Jahre 1897 auf Kosten der rumänischen Akademie herausgegeben : man findet 
darin viel Unnützes, viele langwierigen Analysen eines schon gedruckten Materials 
und zu wenig Zusammenhang. 

2) Vgl. meine Ist. lit. rom. in sec. al XVIIIie» II, S. 460; Mon. comi- 
tialia Transylvaniae XII, S. 358f., 370f. 

3) Das Lied ist in den Sammlungen Marian und „Tocilescu" (s. die biblio- 
^aphischen Notizen) zu finden. 



Die ramänischen Dörfer. 331 

ipiisse. Der Name des glänzenden Eroberers Michael des Tapferen 
aus dem Ende des 16. Jahrhunderts und diejenigen seiner besten 
j^ieger, einheimischer oder iremder^ leben noch heute in dem poe- 
tischen Schatze des Volkes, selbstverständlich, ohne dafs alles über 
sie Gresungene auf bestimmte wirkliche Ereignisse zurückzuführen 
wäre. Über die Fürsten der Moldau, welche den Namen Stefan 
getragen haben, und unter denen sich eine harmonische Kaisernatur, 
ein junger Mann, der blutig mit der Herrschaft spielte, ein kühner 
Abenteuerer, welcher in den grausamen Qualen des Pfahles endete, 
und ein greiser Wüterich, welcher durch die Hinrichtung der Edel- 
ieate seine Liebe für die „ Armen '^ bezeugte, finden, ist noch etwas 
von einem oder von dem anderen, oft von allen, aufbewahrt, in 
xätselhaften Erzählungen vom Fürsten „§tefan" oder „^teföni^ä". 
Die ehrgeizige Laufbahn des Bojaren Konstantin Bäläceanu in der 
2iveiten Hälfte. des 17. Jahrhunderts, der der Schwiegersohn eines 
f^üreten, der Schwager eines Prätendenten war und selbst als Be- 
ij^erber um eine Wojwodenkrone auftrat, zugleich ein grofser 
Landesbojar, Verräter, kaiserlich-österreichischer Offizier, kurz eine 
dramatische Persönlichkeit war, deren Andenken sich durch seinen 
blutigen Kopf, welcher nach der Niederlage bei Zerne^tl auf den 
Trümmern des bäläceanischen Hauses in Bukarest aufgepflanzt wurde, 
dem Volksgeiste besonders tief eingeprägt hat, diese Laufbahn läfst 
$ich noch mehr oder weniger in einem sehr entstellten Liede erken- 
nen ^). Endlich rief die Betrachtung der wunderschönen, märchen- 
haften Kirche in Curtea-de-Arge§ bei denjenigen, welche sie in der 
ältesten Zeit , besahen , die dunkle Mythe von einem menschlichen 
Leben wach, welches, wenn es „ hineingebaut ^' wird, einem Ge- 
bäude Dauer verleiht, und so entstand die schönste rumänische 
Ballade, worin das doppelte Martyrium, der Frau, die in die Wände 
lebendig eingemauert wird, und ihres Gemahls, des Baumeisters, 
welcher durch dieses Opfer die Vollendung und die Dauer seines 
grofsen Werkes erkaufen mufs, besungen wird. 

Die Sage der Kirche von Arge§, auf einem Volksaber- 
glauben aufgebaut, gleicht einer sehr schönen serbischen Legende, 
welche sich durch denselben in der ganzen Balkanhalbinsel ver-- 



1) Sammlung „Tocilescu". 



8SS 3. Kapitel. 

tretenen Aberglauben erklären läfsi Aber daneben gibt es einen 
ganzen Zyklus von Legenden^ welche sich durch die serbischen 
Namen der Helden, durch die Anspielungen an fremde geogra- 
phische und geschichtliche Tatsachen — Jovan Jorgovan und so 
weiter, der Cräi^or, Eralsohn Marko — als eine am Donauufer, 
wo die rumänische und slavische Bevölkerung von Mehadia bi» 
Silistrien nördlich und südlich wechselt, gemachte Entlehnung au» 
dem serbischen, viel reicheren und ursprünglicheren Balladenschatze 
zu erkennen gibt 

Der rumänische Nationaltanz — abgesehen von dem kriege- 
rischen, nur zu gewissen Zeiten und durch dazu auserwählte Tänzer 
getanzten dan^ul cälu^erilor oder dem entlehnten sirba, der 
von den Serbobulgaren herrührt, — ist die Hör a: der Name erin- 
nert an altgriechische Elemente in der romanischen Sprache der 
Donauansiedler. Sie wird an Fest- und Sonntagen, vor dem Ver- 
sammlungs- und Gesellschaftshause, der circiumä (Dorfschenke}^ 
oder an einem anderen geeigneten Orte, vom Nachmittage an bis 
zum Sonnenuntergänge mit grofsem Eifer getanzt, aber meistens 
nur von jungen Leuten, die das Hausglück noch suchen, fläcäl 
in weifsen gestickten Hemden, mit Blumen am Rande des runden 
Hutes, und Mädchen mit un verhülltem Kopfhaare, das eben&lls 
mit Blumen geschmückt wird. Jedes legt die rechte Hand auf die 
Schulter des Nachbarn oder der Nachbarin — ein jedes kann^ 
wann es will, „in den Tanz eintreten ^^, a intra in joc — , und 
nach dem Takte der Weisen, welche durch die „läutarl" (alter- 
tümlich „aläutarl^^,) meistens Zigeuner, auf Geigen, .vi oarä, ge- 
spielt werden, bewegt sich unter Erheben und energischem Stampfen 
der Füfse in einem vorwärtsstrebenden und zurückweichenden 
unaufhörlichen Wallen der Reigen. Um den Takt auch mit dem 
Rhythmus der Dichtung zu kennzeichnen, spricht der Leiter der 
hora, welcher bei Festlichkeiten am fürstlichen Hofe ein Grofs- 
bojare war und einen sUbemen Stab trug, kurze Dichtungen, die 
4rovisiert und vergessen oder weiter ^tn^n werden, je nach- 
dem sie mehr oder weniger gut gelungen sind. So entsteht ein 
grofser Teil der lyrischen Volksdichtung. 

In hellen Nächten hält bei der Herde, unter dem schimmern- 
den Lichte deß klaren Himmels der Hirte, meistens ein Knabe^ 



Die mmänischen Dörfer. 2SS 

Wache und setzt in der mysteriöBen Einsamkeit der in silbernem 
Nebel schlummernden Ebene, oder der phantastisch sich ringsum- 
her erhebenden Berge und Hügelgestalten die ihm unentbehrliche 
Flöte, die er sich selbst geschnitten, an den Mund und ,, singt '^, 
cintä; jetzt ertönt die zweite Nationalweise des rumänischen 
Volkes. EUngt die Melodie der Hora lebendig, froh, bewegt, ja 
bacchantisch, so entwickelt sich langsam, trauernd, vom Seufzer 
zu lauter Klage, zu krampfhaftem Schluchzen, ergreifend in ihrer 
anTergleichlichen Einfachheit, die Doinä, die Melodie des dor, der 
Herzenssehnsucht nach dem Verlorenen, nach dem Erhofften, nach 
dem Unerreichbaren. Nach diesem seine Seele reinigenden, dich- 
terisch vorbereitenden Präludium, welches oft — auch jetzt noch — 
ohne Flöte, nur durch Anlegen eines Baumblattes an den pfeifen- 
den Mund des „Sängers^' vorgetragen wird, singt der Hirte. Er 
beginnt mit der Anrufung des Blattes, das ihn zum Instrumental- 
musiker erhoben hat: „Grünes Blatt von ../' und bezeichnet es 
wohl auch als von solchen Dingen stammend, die tatsächlich keine 
Blätter tragen. Mit kurzen, flieCsenden Versen seinen dor weiter- 
führend, spricht er, mit entlehnten oder eigenen Worten, sehr oft 
mit firemden, alten Weisen, denen sich die eigenen zugeseUen, von 
dem weit hinter sich gelassenen Dorfe, seiner einzigen Heimat, 
von der Geliebten, von der Natur, in die er seine eigenen Ge- 
danken hinemsingt und die ihm seine eigensten inneren Empfin- 
dungen in menschlichen Versen entgegenraunt Von Schlachten und 
Streben, von Kampf gegen die Feinde und das Schicksal wird 
nicht gesungen in der bescheidenen, intimen, allgemein mensch- 
lichen Doina. Nur der aus seinem Familien- und Freundesver- 
bande ausgeschlossene „Freischütz^', der von allen Unterjochten 
heimlich geliebte, niemals vergessene, oft unterstützte „outlaw^^, 
der seinen hörigen Pflug mit der Flinte vertauscht hat und der 
ewige Gast der Wälder geworden ist, nur der singt nach der ihn 
ernährenden Räubertat von Rachezügen und Vergeltungswerken: 
so sind die ctntece haiduce^tl entstanden, die nach diesem 
politischen, sozialen, ja in gewissem Sinne auch nationalen Kämpfer, 
dem haiduc, genannt sind. Erst in der neuesten Zeit kUngt 
aus der Volksdichtung, in einer sich immer wiederholenden und 
erweiternden Klasse von Liedern, die Klage über die unabwend- 



!S34 3. Kapitel. 

bare Notwendigkeit, dafs der Mann als Krieger für ihm unver- 
ständliche ^ keinen Gewinn bringende Ziele kämpfen mufs in un- 
mittelbarer Zwecke entbehrenden Schlachten für den Staat, den 
Kaiser oder König. 

Das ist die Literatur der Dörfer, deren letzte Elemente ur- 
alt sind. 

• • ^^ 

VII. Altere Einrichtungen in der Zeit selbständigen 
Dorflebens. Bis zur Einführung der Gesetze, welche aus den 
kaiserlich byzantinischen Rechtsbüchern und den kirchlichen Satzan- 
gen im 17. Jahrhundert zusammengesch weifst wurden, und später 
nach den Gesetzbüchern des Abendlandes im 18. Jahrhundert, ja als 
einfache Übersetzungen von französischen und belgischen Origi- 
nalen in unserer Zeit bearbeitet wurden, haben die Humanen, die 
sich einer ansehnlichen bäuerlichen Kultur erfreuten, nicht etwa 
ohne bestimmte ßechtssatzungen gelebt; jedoch waren jene eben- 
sowenig niedergeschrieben wie die jedermann gut bekannte Volks- 
literatur. Alle nationalen und fremden Herrscher erklären, dafs 
sie dieses Recht vorgefunden hätten, und so tief war es in das 
Bewufstsein der Ackerbauer und Hirten, der Rumänen im Hoch- 
und Plattlande, eingegraben, mit solchen unausrottbaren Wurzeln 
haftete es darin, dafs sie alle es respektieren mufsten, um nicht 
eine Verschwörung der in ihren seelischen Grundfesten erschütterten 
Bevölkerung hervorzurufen. Die Fürsten der Moldau und Wa- 
lachei kennen nicht nur „alte Grenzen^', jenseits deren ihr Ge- 
schlecht und ihre Vorgänger keine Eigentumsrechte besafsen, son- 
dern auch eine alte Überlieferung im Gebiete des sozialen Lebens, 
eine Landesgewohnheit, obiceiul pämintuluT, „ein Landes- 
gesetz", legea ^eril, wonach am Fürstenhofe wie in dem klein- 
sten Winkel des Fürstentums, in grofsen und kleineren Streit- 
sachen und bei Verträgen alles gerichtet und geschlichtet wurde. 
In Siebenbürgen, wo gewifs kein zigeunisches Recht ^) vom Staate 
anerkannt worden ist, wird bis ins 16. Jahrhundert in allerlei 
lateinischen Urkunden und Schriften von „ritusVlachie", „ins 



1) Mit der angeblichen rumäDischen Einwanderung in dieses Land bat man 
nämlich ebenso freundlich wie aufrichtig die bekannte Einwanderung der Zi- 
geuner verglichen. 



Die ramänischen Dörfer. 3S5 

Volachie" „lex districtuum volahicalium universorum" 
gesprocheA^ und dieses Gesetz oder ius, war eine lex ^^antiqua 
et approbata"; man spricht nicht minder als vom ,,ritas Volachie" *) 
vom „ modus Olachorum ", die Grenzen eines Gutes festzustellen *). 
Bis zur Einführung der neuen Gesetze in dem zu Ungarn gehörigen 
Lande; und auch nach dieser Zeit, wo sie noch immer im prak- 
tischen Gebrauche nebenbei bis heute fortleben^ sind diese Rechts- 
gewohnfaeiten als heiliges Ahnenrecht treu bewahrt worden. 

Das ,;Walachische Recht'' bezieht sich zum gröfsten Teile auf 
Grundeigentum und auf alles , was damit zusammenhängt. Dies 
zeigt wieder, wie innig die Geschichte dieses Volkes mit Acker- 
bau und Bodenbesitz verbunden ist. Es beantwortet die Frage, 
wie es beim Erbgange, bei Veräufserungen und bezüglich des 
Instanzenzuges im Rechtsstreite zu halten ist 

Einige Rechtssätze sind schon oben bei der Entstehung des 
Dorfes besprochen worden. Das Erbrecht der ganzen Familie, 
das der Witwe und der Kinder beiderlei Geschlechts und nicht 
minder das der Brüder des Erblassers, besonders wenn kein Sohn 
da ist, und das der Tochter, die lieber ihr Heiratsgut in klingen- 
der Münze nimmt, bildet einen Teil der Vorschriften des „wla- 
cfaischen Gewohnheitsrechtes " *). Entfernte Verwandte können, 
wenn kein näherer Erbe sich anmeldet, sich ebenfalls zu „ Erbteil- 
brüdem^^ aufwerfen ^). Man kann nach rumänischem Gewohn- 
heitsrecht seinen Grund und Boden, der nicht nur dem jeweiligen 
Besitzer individuell gehört, nur mit der Einwilligung der Nach- 
barn, d. h. Verwandten und „Erbteilbrüder", verkaufen, und der 
Verkauf mufs während dreier Sonn- oder Festtage vor der Elirche, 
wo sich das Dorf zum Gottesdienste versammelt, feierlich angekündigt 
werden'). Beim Verkaufe wh*d adälma^ getrunken, in Sieben- 
bürgen wie in den transalpinischen Ländern, und dieser Zeugentrunk 
wird immer in dem betreffenden Akte notiert, wobei auch oft das 
Quanlium des verabreichten Weins oder Branntweins zum Schlüsse 



1) Hormuzaki, IP, S. 419—420, 453, nr. 379; S. 248-249, nr. 223; 
S. 510, nr. 407; S. 513. 

2) Mihalyi, Dipl. maram. I, S. 31. 3) Hurmuzaki IP, S. 419—420. 
4) Ebefid. 5) Studil §i doc. IV, S. 15. 



tM 3. Kapitel. 

mit angegeben wird. Um Wortbrach zu verhindern und die Lost 
zu weiteren Prozeseen abzuBchneiden, wird eine Summe festgesetzt^ 
welche von dem Urheber eines solchen Rechtsstreites zu bezahlen 
ist: in Siebenbürgen heifst sie bir^ag^ in den rumänischen freien 
Gebieten feriie, heriie. Greuliche Verwünschungen werden in 
die Veräufserungsakte eingetragen gegen die Nachbarn und Ver- 
wandten; welche^ nachdem sie von dem Rechte^ das verkäufliche 
Stück Boden an sich zu bringen, keinen Gebrauch gemacht haben, 
was a lepäda, a se lepäda heifst, später dennoch als Bewerber 
erscheinen. Aber diese Drohung mit der Strafe des Himmels ge- 
nügt doch nicht: nach vielen Jahren kommt der blutsverwandte 
Nachbar und wirft dem Fremden unter irgendeinem Vorwande 
oder auch ohne einen solchen sein Geld zurück (aruncä banil), 
imd dieser mufs sich aus der Dorfgemeinschaft fortpacken. 

Die Altesten jeder Ortschaft, die Dorfpatriarchen, „gute alia 
Leute% oamenl bunl ^i bätrtnl, sind diejenigen, die das Ur- 
teil finden. Man kommt zu ihnen, um einen Termin angesetzt 
zu erhalten, und sie pun zi, „setzen einen Tag^'; es ist meist 
ein bekannter Festtag oder eine gewöhnliche Frist, sieben, vier- 
zehn usw. Tage nach oder vor dem betreffenden Festtage. Um 
ein Urteil zu bekommen, ist von vornherein den Richtern eine 
Summe zu zahlen: a da lege, „Gesetz geben'', d. h. es ist eine 
Bezahlung für die Findung des Rechtes zu leisten. Bis heute 
bringt der Mo^ seine gro^i^ä, seinen Groschen, um diese vom 
Staate nicht anerkannten Richter für ihre Mühewaltung zu be- 
lohnen. Wenn der Tag kommt, „sitzen die Alten im Stuhle'', tn 
Scann, weshalb sie im Mo^nlande scäunenl genannt werden: 
man sagt ebendort von ihnen, dafs sie „Gesetz halten", ^in legen. 
Die Parteien können Akten bringen, cär^I — „Briefe" — oder 
mit dem slavischen Namen zapis genannt, auf denen unter den 
guten oder schlechten Text von der Hand des Dorfpriesters oder 
Diacs, litteratus, „cärturariü", auch die Zeugen ihre Finger auf 
einen von Rauch oder Tinte erzeugten Flecken gedrückt haben: 
a pune degetele^). Der Schwur ist ein bekanntes Beweis- 



1) Proben solcher Aktenstücke nach wahichischem Rechte aas Slebenbürgeo 
um 1500 siehe Hurrnnzaki, II*, S. 453, nr. 379. 



Die rumänischen Dörfer. 3S7 

mittel, am Tatsachen festzustellen, aber am häufigsten beschwören 
die beigezogenen Personen nicht ein Faktum, sondern nur die 
Olaabwürdigkeit der Partei, welcher sie beistehen. Dieser Ge- 
brauch der Eideshelfer findet sich übrigens auch im alten deut- 
schen Rechte des Mittelalters, und durch die Slaven haben ihn 
auch die Rumänen an sich gebracht Hat die Gegenpartei nichts 
weiter einzuwenden, so ist alles zu Ende; das „ Gesetz^' hat ent- 
schieden: s'a rumpt legea, sagen die Mo^I: derjenige von den 
piritorl, Prozefsbeteiligten, für den die, in traditioneller Anzahl 
(sechs, zwölf; vierundzwanzig), beigebrachten Eideshelfer (jurä- 
torl) „ geschworen ^^ haben, att jurat, ist der Sieger, während 
der Besiegte „vom Gesetze blieb^', a rämas de lege. Dann ist 
nur noch eine carte au&susetzen. Will aber der Besiegte seine 
Niederlage nicht anerkennen, dann mufs er sich bereit erklären, 
eine doppelte Anzahl von Eideshelfem, die derselben Klasse an- 
gehören müssen, vor das Gericht zu bringen ; dann wird ihm dazu 
eine lege gegeben, und, weil schon eine lege, um die ersten 
Eideshelfer vorzuladen, ausgegangen ist, heifst diese zweite: „Ge- 
setz über das Gesetz ^^, lege peste lege. Bei hartnäckigen Leuten 
— und in Besitzstreitigkeiten ist der rumänische Bauer stets bis 
zum Wahnsinn hartnäckig — geht das waghalsige Spiel, zu dem 
der Hals anstachelt, immer höher, bis endlich eine Partei nicht 
mehr die angekündigte Anzahl von schwörenden Genossen beizu- 
bringen vermag. 

Unten wird von den höheren Instanzen des Rechtes die Rede 
sein, denn diese bilden auch ein Glied in der politischen Ver- 
fassung des rumänischen Volkes })* 

In den Belehnungsurkunden von 1247 bis 1251 für die Jo- 
hanniter ist von den damaligen „maiores terre'^ des den Ordens- 
brüdern zu dichterer Ansiedelung verliehenen Landes die Rede ^). 
Edelleute ÜEmden sich auch bei den Rumänen, die natürlich auch 
höhere Richter und tüchtigere EUiuptleute besessen haben, als die 

1) Die „ pecuniaram solutio et refasio*' und die „ plurimorum homlnum elogia " 
kommen aach, in Siebenbürgen, im gefälschten Akte von 1231 vor, der wahr- 
scheinlich im 16. Jahrhundert entstanden ist; Zimmermann- Werner I, 
8. 55. Für die ,,oamenI bnni" auch Ar eh. ist. I^ S. 71. 

2) Zimmermann-Werner I, 8. 74. 



238 3. Kapitel. 

Dor&ltesten waren. Im Jahre 1359 lebte die Witwe eines ,,01a- 
chen'' Rem an (Roman) ^ welcher in seinen Lebzeiten ^yorbara- 
rias'' des Königs in den Bergwerken von Zlatna gewesen war '> 
Ein magister Sarachenus — der Name klingt entschieden rumä- 
nisch, Säräcin — ist 1366 Graf der königlichen Kammer und Vor- 
steher der Salzwerke in D^es ^). Im 15. Jahrhundert werden aus- 
drücklich ^ywolachy nobiles^', ^^nobiles, ut dicitur vallachorum 
nostrorum^^ genannt^). In Haczeg, im Banat^ im Szeklerlande 
werden bis spät rumänische neme^I, boerl, boerina^I^) er- 
wähnty und ihre Spur hat sich bis heute noch nicht verloren. 

Noch im Jahre 1291 erscheinen Walachen unter den 
transsilvanischen nobiles, jedoch entsenden sie nicht wie die 
Szekler und Kumanen ihre Vertreter zu den Reichstagen. Aber 
bald kommen sie auch zu diesen, schon 1289, allerdings nur die 
,,religiosi viri'^, d. h. diejenigen, welche zum katholischen Glauben 
gehören, während die griechischen Rumänen ausgeschlossen blei- 
ben ^). Die Fürsten, die in „Transalpinien'^ Staaten gründeten, 
fanden überall bereits einen von der Bevölkerung anerkannten 
Adel vor. 

Woher kam diese privilegierte Klasse des rumänischen Volkes ? 
Welches waren die Eigenschaften, die sie als Leiter der Nation 
erscheinen liefsen? 

Das Vaterland heifst, wie schon gesagt wurde, mo^ie: d. h. 
über die Grenzen seines Feldes, seines Erbgutes, das er von seinem 
Ahnherrn übernommen hat, sieht der rumänische Bauer, das ru- 
mänische Volk nicht hinaus. Dieses allein gilt es zu verteidigen, 
weil es für ihn die einzig mögliche Lebensbedingung ist. Aber, 
ohne von dem Ganzen einen begrenzten und empfundenen Begriff 
zu haben, dämmert es ihm doch unbestimmt, dafs alle diese Ej*b- 
güter, alle diese Schenkungen oder Eroberungen der Ahnherren 



1) Zimmermann-Werner-Mailer II, 8. 172, nr. 758. 

2) Zimmermann-Werner-Mäller 11, 8. 247, nr. 855. 

3) Hurmuzaki, I«, S. 650, 653, nr. 544. 

4) Für die Erklärungen der Namen s. unten. 

5) „Viri leligiosi nobUes, Ungari, Saxones et Syculi partis tninssüvanae**; 
Zimmermann-Werner, wo auch das andere, xmta den Jahren 1291, 1292. 
YgL auch, 1350, Hurmuzaki, I', S. 43—45. 



Die ramänischen Dörfer. 339 

zusammen ein Gröfseres bilden: das Land der Rumänen ^ die 
Tara - Rom äneascä. Wenn der fremde Nebenbuhler kam^ um 
ein Stück aus diesem weiten Lande zu reifsen, dann wurden diese 
ßesitzteile als zur "(^ara-Romäneascä gehörig bezeichnet, und 
von den älteren rumänischen Bewohnern wird dieser Begriff den 
Ankömmlingen, die ihn nur unklar zu erfassen vermögen, über- 
mittelt: dies Gebiet ist den Wlachen abgenommen, „exempta de 
Blaccis'* schreibt im 13. Jahrhundert ein ungarischer König. 

Seine Nachbarn nennt der Rumäne mit Namen, die ein hohes 
Interesse haben und manches sagen. Bei keinem von ihnen er- 
kennt die Denkungsart des Volkes einen Herrscher an. Die Slaveti 
werden vom rumänischen Bauern nach der von ihnen bewohnten 
Gegend unterschieden. Für den Bulgaren hat der Rumäne nur 
einen Namen, der ohne spezifische Veränderungen als ein neuer 
erscheint. Während dieser für den Arämlnen Vurgar (mit 1 = r, 
eine charakteristische Eigenschaft der Sprache) heifst, ist „Bulgär" 
für den Donaurumänen eine später angenommene Benennung. 
Aus den Quellen für die ältere Zeit, wie auch aus der Volksdich- 
tung des Flachlandes sieht man sehr deutlich, dafs für den Ru- 
mänen jenseits der Donau bis zu den weiter wohnenden Türken 
und Griechen nur Serben, Sirbl, leben: so wird in der walachi- 
schen Chronik des 17. Jahrhunderts von einem Serben aus Nico- 
polis usw. gesprochen, und nicht einmal in dem Baiadenzyklus 
erscheint der Bulgarenname. 

Die Deutschen sind den Rumänen nur durch Vermittelung 
der Slaven, welche mit ihnen in Verbindung standen, bekannt ge- 
worden: darum ist die Volksbezeichnung für die Deutschen slavi- 
schen Ursprungs, aber unterliegt den in der alten Zeit wirkenden 
Sprachgesetzen: er heifst Neam^, von Nemetz. 

Die sich Hellenen nennenden südlichen Nachbarn und späteren 
Mitbewohner der Städte sind für die Rumänen Grecl, mit dem 
lateinischen Namen, und in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich 
nicht von den Aräminen, die diese Benennung aus dem romani- 
schen Erbteile beibehalten haben. 

Interessanter ist Ungur für den Bewohner von Ungarn, den 
Magyaren; diafs nicht dieser letztere Name, der von dem betreffen- 
den Volke einzig anerkannt und gebraucht wird, sondern der so- 



tM 3. Kapitel. \ 

zusagen politische ^ gelehrte Name Ungar in den rumänischen 
Sprachschatss aufgenommen worden ist; läfst sich nur auf eine 
Weise erklären , die mit den bekannten historischen Tatsachen 
vollständig übereinstimmt: in den ersten Zeiten hat keine un- 
mittelbare Berührung zwischen Rumänen und Magyaren jen- 
seits der Theifs stattgehabt, und erst nachdem der ungarische 
Staat und der ungarische König durch EinfäUe, Zinsansprüche und 
Unterhandlungen bekannt geworden waren, nachdem ganze Striche 
des ,; rumänischen Landes '^ von der ungarischen Macht gewonnen 
waren, entstanden magyarische Kolonien, die von den Unterdrückten 
mit dem Siegemamen des Staates benannt wurden. 

Die höchste staatliche Gewalt ist für den Rumänen in Worten 
ausgedrückt; welche dem ältesten lateinischen Momente der Spra- 
che angehören ; und dies legt für ihre Ursprünglichkeit Zeugnis 
ab. Der Kaiser, welcher den jeweiligen Ansiedlern aus dem ganzen 
römischen Orbis eine Stellung an der Donau angewiesen hat^ der 
Kaiser, unter dem diese entfernten Ahnen ein glückliches oder 
geiahrliches Leben führten, der Kaiser, welcher dann in griechi- 
scher Form von einem Jahrhundert zum anderen seine Heere an 
der Grenze oder jenseits davon dem siegreichen Barbarentum ent- 
gegenführte, um seine Rechte zu verteidigen, dieser Kaiser ist bei 
dem rumänischen Bauer noch immer nicht vergessen. Für ihn bleibt 
dasHaupt aller späteren kleineren Cral (Kralen) der tmpäraty 
von ihm liebt er zu sprechen^ und in dem Volksmärchen finden sich 
nur tmpärä^il und tmpära^I^ Kaiserreiche und Kaiser, als be- 
herrschte Gebiete und Gebietsbeherrscher; alte Kaiser und schöne 
Kaisersöhne mit goldenem Kraushaare als Helden. Neben dem 
^Impärat trifit man als Inhaber desselben Herrscherrechtes den 
Domn, dominus^ was ebensoviel als tmpärat bedeutet , weil 
das Volk dem „Domn^^ die ganze politische Machtfülle zuschreibt. 
Dieser Titel wurde seit dem 13. Jahrhundert den tatsächlich unab- 
hängigen Fürsten jenseits der Berge gegeben^ aber Bezeichnungen 
wie „mere domne^tl^^, Apfel des Domn^ für ,;die schönsten Apfel '^ 
bezeugen einen viel älteren Gebrauch des ursprünglich lateinischen 
Ausdruckes. Es ist auch nicht zufällig, dafs in Siebenbürgen^ wo 
kein rumänischer Fürst in geschichtlicher Zeit dauernd regiert 
hat, der Eigentümer des Bodens, dem der Bauer vom Staate, bei- 



Die rumänischen Dörfer. S41 

:Bahe vollständig überlassen wird, er, welcher urteUt, richtet und 
den Boden beherrscht, domn genannt wird. 

Ebenso wird als volkstümlicher, nicht gelehrter Ausdruck fiir 
den Herrscher eines gröfseren oder kleineren Gebietes der von den 
alten dakisch-pannonischen Slaven entlehnte Woj wo denname ge- 
braucht, der sich auch, wenn auch nicht bei den Bulgaren, 
so doch bei den Östlichen und westlichen, nördlichen und südlichen 
Serben bis zur türkischen Eroberung im 15. Jahrhundert, neben 
dem höheren, aber auch späteren Titel ^upan, Herr der ^apa 
(Gegend), und Kral (Carolus) erhalten hat. Im 13. Jahrhundert 
war im transalpinischen Oltlande Litovol ein solcher Wojwod, der 
über einen „ Eeneziatus ^' ^) herrschte, während die „Olaci^^ am 
linken Flufsufer, und ebenso die. in den Bergen, einen Wojwoden 
hatten, der einen „voevodatus'^ besafs: das ist ein subtiler, aber doch 
erkennbarer diplomatischer Unterschied. Es war also um 1247 bis 
1251 „voevodatus*' ein rumänisches Gebiet, in dem die Rumänen 
unter nominell fremder Herrschaft sich selbst regierten, und der 
höchste Machthaber aus den Reihen der „Walachen" war der Woj- 
wod, aber das Land des Wojwoden konnte gegebenenfalls infolge eines 
engeren Zusammenhangs mit dem Lehnsherrn untergeordnetes Enezen- 
gebiet betrachtet werden. Die späteren Erweiterer des walachi- 
Bchen Landes und die Begründer des Fürstentums Moldau tragen 
zuerst den Titel von „Voevoda^^ und nur nach diesem auch den 
eines Domn als Erklärung, um sich als Alleinherrscher zu be- 
zeichnen. Hie und da ist das Wort Wojwode auch in geographische 
Namen übergegangen und zwar von der Donauebene bis zu den 
Earpathentälem ^). Als die herumstreifenden Zigeuner, nicht vor 
dem 13. Jahrhimdert, in den rumänischen Ländern erschienen, um 
dann über die Strafsen und Pfade Ungarns ihre ewigen Wander- 
züge auszudehnen, übernahmen sie von den in ihrer Umgebung 
wohnenden Rumänen, welche die braunen Gäste noch nicht zu 
Sklaven gestempelt hatten, den Namen Wojwode fiir ihren ober- 
sten Führer, und so entstanden dann die „Zigeunerwojwoden^^, 
natürlich meistens in Ungarn, wo ihnen die Rechte freier Leute 

1) S. oben S. 139, 144-145, 152; unten S. 245 f. 

2) Bezirke: Musoel, Teleonnan, lalomi^a, unter der alten slavischen Form 
von „Voevoda". Vgl. auch Uricariul, XVm, S. 372. 

Jorga, fiMcMohte der BninftneiL. I. 16 



24S 3. Kapitel. 

zugestanden wurden, weniger in den rumänischen Fürstentümeni, 
wo dies nicht der Fall war. Dafs die Türken von Rumänen wie Yon 
Serben den Namen und den Begriff des Wojwoden fiir die Vor- 
steher christlicher, ihnen unterjochter Gemeinden entlehnt haben, ist 
wegen der späteren Zeit dieser Entlehnung von geringerer Wichtigkeit. 
In Siebenbürgen gibt schon im Anfange des 13. Jahrhunderts 
der erobernde ungarische König den Titel „ Voevoda" seinem Stell- 
vertreter in den nicht eximierten Gegenden des „ transsilvani- 
schen'^ Landes: schon 1206; als Andreas IL die Privilegien seiner 
Vorgänger erneuert; verleiht er den neu ankommenden sächsischeu 
hospites auch das Recht; dafs sie in keinem Falle dem ^,Vai- 
voda" unterworfen sein sollen ^). Im Jahre 1219 erscheint auch; 
nur durch seinen Taufnamen bezeichnet; ein ;;fidelis noster Nevke 
Woywoda", welcher beauftragt ist, die Domherren von Gran in 
ein vom Könige geschenktes siebenbürgisches Gut einzufuhren *). 
Zwei Jahre später erscheint als Zeuge in einer königlichen Urkunde 
„Paul, Sohn des Wojwoden Peter'* ^). Als erster „Waivoda transil- 
vanus" wird Hula, Bruder des Ratolt, 1231 erwähnt*); daneben 
lautet im Jahre 1251 der Titel „Woyvoda noster partium ultrasü- 
vanarum"^), während 1238 nur von dem „Vaivoda pro tempore 
constitutus" die Rede ist ^). Es ist der einzige Wojwode des Kö- 
nigs, und er erscheint in Siebenbürgen, wo auch eine rumänische 
Bevölkerung existiert, bei der sich die Wojwodenwürde überall 
findet und zwar als Bezeichnung für das höchste Staatsoberhaupt. 
Die Entlehnung von der rumänischen Bevölkerung des Landes ist 
danach offenkundig. Ferner wird in dem später gebildeten Grenz- 
komitate Szolnok 1261 das Gebiet zugleich „vaivodatus^^ und ,^co- 
mitatus^', der königliche Vorsteher über diese zweite rumänische 
Mark „vaivoda" und „comes" — und zwar zuerst „vaivodatus" 
und „vaivoda" — genannt'). Schon 1279 aber wurde der „co- 



1) Zimmermann-Werner I, S. 10. 

2) Hurmuzaki I, S. 69. 

3) Ebenda S. 73. 

4) Ebenda I, S. 121, nr. 94; Zimmermann-Werner I, S. 55. 

5) Hurmuzaki I, S. 248, nr. 192. 

6) Zimmermann-Werner I, S. 67. 

7) Zimmermann-Werner I, S. 84, nr. 94; S. 85; ebenda S. 66, nr. 74. 



Die rumänischen Dörfer. 24S 

xnitatus'' Szolnok mit dem Wojwodat Siebenbürgen .vereinigt, 
und so wird dann dieses zweite Wojwodat nicht mehr besonders 
erwähnt ^). 

Im 14. Jahrhundert; als das nördlich von Siebenbürgen lie- 
gende Hochland Marmoros durch Heranholung von deutschen und 
ungarischen hospites, die sich im grolsen Tale, dem rumäni- 
schen Cimpulung '^); niederliefsen, zum wirtschaftlichen und politi- 
schen Leben erwachte, und infolge der militärischen Organisation 
durch die Könige der neuen, französischen Anjoudjnastie dieses 
Gebiet gefestigt wurde, da trug gelegentlich der ungarische Gespan, 
„comes", auch, wie in Szolnok, den Titel Waivoda, und neben 
ihm erschien auch ein „Vaivoda Olacorum de Maramorisio '' '). 
£s sind auch Namen solcher Wojwoden der „königlichen Wa- 
lachen'^, „olahorum reginalium'^, überliefert*). 

Erst später, bei dem Verfalle der Institution, wird in den könig- 
lichen Ländern der Name Wojwode für kleinere Machthaber ge- 
braucht. Der Wojwode Herbord besitzt 1271, wenngleich nur eine 
,^ terra seu villa^^, so doch eine solche, die das ganze Gebiet zwi- 
schen den Kokelflüssen, oberherhalb ihres Vereinigungspunktes, ein- 
nimmt ^). Der „ Negul Woy voda "wohnt nur 1326 — seine frühere 
Laufbahn ist unbekannt — „considet et commoratur «, inememDorfe 
des Bihargebietes ^). Neben Leuten, die nur „ dicti Voyvode ", sogen. 
Wojwoden, sind ^), tragen diesen ehedem viel bedeutenderen Titel die 
Dorfrichter — man denke auch an die „comites parochiales" — in 
walachischen Grenzgebieten oder bei Bergwerken, schliefslich solche, 

1) Hurmazaki I, S. 358, nr. 268; Zimmermann-Werner I, S. 294, 
nr. 317; J. 1309. 

2) Vgl. die „Cimpulungurl" in der Moldau — zwei — ; in der Walachei, 
im Banate; Uurmuzaki I', S. 612. Vgl. auch Onciul, Zur Gesch. der Bo- 
mänen in Marmarosch; aus der „Bomänischen Bevue'* VI, Jahrg. 1890. Un- 
gaiischerseits sind das Werk von Wenzel (Pest 1857) und die 1889 erschie- 
nene Publikation der hung. historischen Gesellschaft über seinen Ausflug in 
Marmoros zu verzeichnen. 

3) Mihalyi, S. 55, 78. Vgl. Säte ^i preo^I, und im ganzen J. Bogdan, 
Originea Voevodatulul la Bominl, in den Denkschr. der rum. Ak., 11. Serie, XXIV. 

4) Mihalyi, S. 77. 

5) Hurmnzaki I, S. 355. 

6) Ebenda S. 474, 598. 

7) Mihalyi, S. 160—161; Hurmnzaki U\ S. 361, nr. 318. 

16* 



1 



244 3. Kapitel. 



die an ge&hrlichen Punkten einer Landstrafse stationiert sind, wo 
eine ständige Besatzung von bewaffneten ^ tüchtigen Bauern nötig 
ist ^). Zum letzten Male wird ein walachischer Wojwode in den 
Eronländem im Jahre 1450 genannt^ und im ganzen 14. und 15. 
Jahrhundert zusammen werden nicht zehn Dorfwojwoden erwähnt 
Was der Wojwode in seinem Wojwodat oder ,,tenutum" 
— rumänisch wird das Gebiet 'j'inut genannt') — für Rechte 
und Pflichten hatte, erhellt aus den ungarischen Urkunden, welche 
die y^transsilvanischen'^ Beamten des Königs betreffen. An erster 
Stelle hat er das Land gegen den inneren oder äufseren Feind zu 
beschützen: das besagt schon der Sinn seines slavischen Namens^ 
denn Wojwod bedeutet Heerführer. In dieser Beziehung ist er 
für das ungarische Reich eine Art von Markgraf. Nächst dem 
Kampfe im Interesse des Staates ergibt sich die Notwendigkeit, 
durch richterlichen Spruch die zwischen verschiedenen Personen 
schwebenden Streitigkeiten beizulegen. Im Dorfe selbst werden 
zwar die kleineren Streitigkeiten geschlichtet, doch wer mit dem 
Urteil imzufrieden ist, kann sich an einen höheren Richterstuhl 
wenden, und das ist der des Wojwoden. Dieser urteilt grund- 
sätzlich selbst, aber in der Regel traut er sich nicht, in Sachen, 
die ihm nicht persönlich bekannt sind, einen Spruch zu fallen, 
und beauftragt nach walachischem Rechte eine Anzahl von sach- 
kundigen Nachbarn der Parteien ^), welche diese selbst erwählt 
haben, mit dem Entscheid. Bei den Verbrechen jedoch, über die 
der König zu richten hat, wie Mord, Raub, Entfuhrung, steht das 
Recht des strafenden Urteils dem Wojwoden zu, der in vorkönig- 
licher Zeit in eigenem Namen Recht sprach. Um alle Klagen za 
hören, alles geschehene Unrecht sich erzählen zu lassen und nach 
Befinden zu ahnden, durchzieht der Wojwode unaufhörlich das 
Land und residiert nur zeitweilig in Gyula-Fehörvär; solche Ge- 
richtsreisen, um „Scann'' zu halten^), heifsen descensus, aber 



1) Zimmermann-Werner-Müller II, S. 172, nr. 758; Harmuzaki 
I, S. 304: das Datum mufs mit einem Jahrhundert später gesetzt werden; l\ 
S. 166, nr. 129; S. 729, nr. 604; S. 762; S. 762-763, nr. 631. 

2) „YaJYodatus et tenuti nostri*'; Hurmuzaki I', S. 59. 

3) Hurmuzaki I', S. 748, nr. 619. 

4) Siehe S. 236. 



Die rumänischen Dörfer. 246 

von diesem wojwodalen descensus sind die hospiteS; die 
nobile s, kurz alles ; was sich eines besonderen Rechtes erfreut^ 
befreit ^). Bei einem solchen descensus benutzt der Wojwode 
seine Anwesenheit auch, um die Einkünfte zu sammeln, welche 
in den Zeiten der Unabhängigkeit ihm selbst, jetzt jedoch nur zum 
kleineren Teile, im übrigen aber dem Könige gehören und die 
„regalis utilitas'^ desselben bilden^). Dieses y,tributum vaivoda- 
tus'' ^) besteht aus den „decimae'^, die auch von Sachsen bezahlt 
^Verden, und aus der „quinquagesima ovium^', die in natura von 
den rumänischen und szeklerischen Hirten ohne Unterschied unter 
ähnlichen Bedingungen geleistet wird ^). Die Rumänen nannten 
datul oilor, was in lateinischer Terminologie „datia ovium'^ 
hiefs ^). Die dijma, „decima^' (^^g- d^szma), ist bei ihnen ebenso 
lange in Gebrauch, und dies ist aufser der gloabä, die nach dem 
Verlust eines Prozesses oder um der Leibesstrafe zu entgehen, gezahlt 
wird, alles, was das rumänische Volk in seinen primitiven Zu- 
ständen, ehe sich ein eigentliches Staatsleben entwickelte, seinen 
Oberhäuptern an Abgaben zu entrichten hatte. 

Richter mit geringeren Befugnissen, und nur dies, juzl, wie 
sie auch genannt wurden — der Name findet sich in der Moldau 
vom Anfange an^), und von den Rumänen haben auch die Zi- 
geuner ihre juzl übernommen — waren die „Knezen"; die Be- 
zeichnung entstammt demselben altslavischen Wortschatz, aus 
dem die Benennung der fürstlichen Kneze der Elroaten und Ser- 



1) „Vaivoda" und sein „viceiudex", 1238; -Zimmermann- Werner I, 
S. 67. ,, Quae tempore Yaivodatus sui ratione iudicii cessit et remansit " ; ebenda 
I, S. 310: J. 1313. Vgl. „iudex et wajvoda de Earansebes"; Hurmuzaki 
n«, S. 542. 

2) Zimmermann-Werner I, S. 35. 

3) Ebenda S. 66, nr. 74. 

4) Vgl. Hurmuzaki I^, S. 59; Zimmermann-Werner I, S. 10: Hur- 
muzaki II ^ S. 9, nr. 4; I', S. 130, nr. 88; S. 246, nr. 194; S. 497—498, nr. 
410. Vgl. Zimmer mann- Werner I, S. 67, 80: „prov^entus ex parte Sicu- 
lorum et Olacorum"; S. 87, nr. 97: „ab Olachis et Siculis"; S. 195; Hur- 
muzaki I^ S. 392, nr. 326: die „quinquagesima**, welche „de partibus tran- 
Bylvanis" im allgemeinen genommen wird; II ', S. 348, nr. 306: Humanen, 
welche sie nicht entrichten. 

5) Vgl. Säte ^i preoti, S. 120 und Hurmuzaki I», S. 434, nr. 357. 

6) „Unde a fost Jude Petrica"; Orest Popescul, S. 23; J. 1517. 



246 3. Kapitel. 

ben ^); der Bussen und Polen^ herrührt. Bei den serbischen und 
bosnischen Aräminen ^), wie bei den in die galizischen Berge ver- 
irrten oder vielmehr als Ansiedler gebrachten Bolochovenl '), und 
nicht minder bei den walachischen, siebenbürgischen und auch 
moldauischen Bumänen finden sich solche Knezen oder Kenezen. 
Zuerst werden sie erwähnt in der Schenkung an die Johanniter 
von 1247 bis 1251, und diese mächtigen Kenezen ^ deren Gebiet 
beinahe als ein Wojwodat zu betrachten ist, Johann und Färca;, 
welche dem Könige nichts als einen Teil ihrer Einkünfte abzu- 
geben hatten, hielten in ihren Händen das ganze Douaugebiet vom 
Severiner Bergterritorium bis an den 01t, wo heute die drei Di- 
strikte Mehedin^I, Jiiul de jos und Bomana^I bestehen. Weil jade 
und Knez, judecie oder jude^^) identisch sind, kann man an- 
nehmen, dafs die späteren jude^e, soweit sie alte Namen tragen, 
den früheren Keneziaten, beinahe in denselben Grenzen, ent- 
sprechen. 

In der Marmoros fanden die Ungarn zahlreiche Knezen, 
welche häufig bei Grenzstreitigkeiten und sonst als Zeugen auf- 
gerufen werden, und auch als „omnes Kenezii^^ des Landes vor- 
kommen. Etliche davon waren vom Könige anerkannt, und 
solche bestätigte Kenezen befinden sich dann in einem höheren 
Bang und einer angeseheneren Stellung^): sie helfen bei der Ein- 
bringung der königlichen Einkünfte, wobei sie einen Teil als Ent- 
gelt behalten, und sprechen Becht im Namen des höheren G^- 
richtsherrn. Sie können eins oder mehrere Dörfer mit den dazu 
gehörigen Grundstücken, Wäldern usw. in ihrer persönlichen Ge- 
walt, unter der „ iurisdictio " *') ihres „officiolatus" ^) haben und 

1) „Deinde cepit Bosnam posuitque ibi Stephanum Eneziam"; Presbyter 
Diocleas, bei Lucius, S. 300; bei Elai6, Geschiebte Bosniens, S. 61. 

2) Hurmuzaki I«, S. V85, 797; ebend. IP, S. 663. 

3) Miklosich, Wanderungen, enthält, in dem Zusätze von Kalnzniacki, 
alles, was bisher über diese rumänischen Bewohner der Bolochower Gr^end za 
wissen ist; vgl. Hurmuzaki II', S. 153, nr. 132; S. 219, nr. 197. 

4) In moldauischen Urkunden wird judecia für das Territorium des Jude 
gebraucht, der walachische Bezirk hiefs immer jude^. 

5) S. die Verfügungen E. Ludwigs in Zimmermann-Werner II, S.256L 

6) Hurmuzaki I, S. 553—554, nr. 442. 

7) Ebenda I«, S. 300, nr. 239. 



Die ramänischen Dörfer. 347 

besitzen endlich ein erbliches Recht an dieser nova donacio des 
Xönigs ^). Mit den Altesten zusammen, auch mit den erwählten ju- 
ra^ly denen dann die gleiche Aufgabe zufallt ^); fallen sie Urteile, 
und in Eriegszeiten erschienen sie als Bandenführer ihrer bogen- 
be^w-afiTneten Bauern ^). 

!Ebenso ging es ihnen, ja noch verhältnismäfsig besser, im 
benachbarten Bistritzer Gebiete ^), im Hatzeger Tale und den spä- 
teren Grenzdistrikten. 

Aber in Siebenbürgen selbst verloren sie bald an Bedeu- 
tung. Denn als sich die Macht der Edelleute erweiterte, brachten 
diese selbst solche villae in ihren Besitz, in welchen von alters her 
erbliche Knezen residiert hatten. Und als die freien Bauern zu ge- 
knechteten jobbagiones herabsanken, teilten ihre Vorsteher das- 
selbe Los, und wo im 14. Jahrhundert „Kenesii'' erwähnt werdeni 
sind auch sie als Jobbagien bezeichnet '^). Seitdem gelten sie als 
villi ei der Grundherren ^) und werden meist dazu verwendet, 
flüchtige Unglücksgefährten zu verfolgen ^). Was aus den transalpi- 
nischen Knezen geworden ist, wird weiter unten mitgeteilt werden ®). 
So erscheint im Anfange des 16. Jahrhunderts das rumänische 
Volk : dies ist seine Verfassung, dies sind seine Sitten, die Aufse- 
rungen der Volkskraft, als sich der erste konsolidierte Staat des 
„rumänischen Landes ^^ bildet. Es ist dasselbe Bild, welches sich 
bis heute erhalten hat: das Volk zeigt ein einheitliches Wesen, ob- 
gleich es politisch zerstückelt ist. 



1) Ebenda S. 461, sr. 378. 

2) Ebenda S. 397 ; vgl. S. 586. 

3) Ebenda S. 89, nr. 66. Vgl, auch II*, S. 39, nr. 27; S. 43, nr. 34. 

4) Boc. Bistritel, Begister, Schlagwort: CnejI. 

5) Z. B. Hurmuzaki I', S. 247: „iobbagio Bartha Eenesias*^ YgL 
S. 481, nr. 399. 1418 ein £nez des Königs, welcher Jobbag ist; S. 505, nr. 
417; II», S. 295, nr. 264. 

6) Eoram villici seu Kenezii". Hurmuzaki I', S. 739; vgl. den „villi- 
cus" von Comätiel, Zimmermann-Werner I, S. 233 — 234, nr. 305. 

7) Hurmuzaki I, S. 687, nr. 542; I», S. 226 — 227, nr. 176; S. 237, 
nr. 184. 

8) Vgl. die oben (S. 243, Anm. 3) zitierte Arbeit von J. Bogdau und 
desselben Despre cnejil la Bomänl, in den Denkschriften der rum. Akademie, 
Jahrgang 1903; deutsch im Archiv für slavische Philologie, XXV. Band. 



Zweiter Abschnitt. 

Zeit der Unabhängigkeit und der losen Ab- 
hängigkeit von dem osmanischen Reiche. 
Kriegerischer Staat der freien Bauern ^). 



1. Kapitel. 
Kämpfe gegen Ungarn für die Unabhängigkeit im 
Fürstentume Walachei. Gründung des Pürstentumes 
Moldau. Früheste Zustände in beiden Staaten und 

erste Organisationsmafsregeln. 

Ein neues Zeitalter für das rumänische Volk eröffnet sich 
durch die Vereinigung der vorher getrennt bestehenden Wojwo- 
date am 01t; und infolge der Ausdehnung des dadurch gebildeten 
Staates auf die Knezialgebiete an der Donau. Dieser Vorgang 

1) Als erzählende Qaellen für diese Periode kommen die von Bogdan (siehe 
ohen S. 1) herausgegehenen slavischen Chroniken in Betracht: „Chronik von Patna*' 
und „Chronik vonBistri^"; ferner eine Bearbeitung , welche die „moldo-polnische 
Chronik" heifst, weil sie in Jassy von dem Polen Nik. Brzeski verfafst wurde, 
die überschwenglichen Arbeiten von Macarie und Eftimie für die Zeit derRare^- 
iden und des Alexander Läpu^neanu und endlich die rumänische Kompilation 
der alten Chroniken, die GrigoreUrecheim 17. Jahrhundert verfafste (in Eo- 
gälniceanu, Letopisete I und in der Ausgabe Picot; Kritik in Jorga, Istoria 
literaturil romine in secolul al XYIIXi^^^^; Bd. II, Exkurse), ürkanden- 
material für die inneren Zustände findet sich in den oben (S. 4 f.) bezeichneten Samm- 
lungen; für die äuTseren Ereignisse liegt es in den Bänden I und 11 (mehrere 
Teile) des „Hurmuzaki-Eorps" vor. Von Spezialuntersuchungen kommen nur 
die folgenden in Betracht: 

1. J. Bogdan, Ylad ^epe^ (Bukarest 1896). Klare Schilderung der Lauf- 
bahn dieses walachischen Gfegners Muhammeds II. 



Kämpfe gegen Ungarn nsw. Gründung des Fürfitentums Moldan. 249 

hat UDge&hr zweihundert Jahre gedauert. In diese Zeit flällt die 
Gründung eines neuen ; nordöstlichen Wojwodats^ es ist das im 
^^moldauischen Lande '^^ der Befreiungskampf gegen Ungarn, und 
gelegenthch auch gegen Polen, hinsichtlich des an dieses Land 
angrenzenden Fürstentumes Moldau. Dann kommen die viel be- 
deutenderen gegen den alles vernichtenden Fortschritt der osma- 
nischen Macht: unter Soliman II. entsteht als Folge der von den 
Rumänen erfochtenen Siege, der von ihnen erlittenen Nieder- 
lagen und der von den glücklichen und unglücklichen Kämpfen 
verursachten Erschöpfung das neue Vasallenverhältnis zu dem 
heidnischen Kaiser. Die innere Verfassung und das politische Leben 
wandeln sich unter dem Einflüsse der neu einwirkenden Tatsachen 
seit dem um lö50 entstandenen Abhängigkeitsverhältnis langsam, 

2. D. Onciul, Originile principatelor romäne (1899); schildert den Ur- 
sprung der Fürstentümer Walachei und Moldau. 

3. N. Jorga, Studil asupra Chiliel ^i Cetä^il-Albe (Bukarest 1900). In 
Verbindung mit der Ortsgeschichte der zwei Häfen der Moldau an der Donau 
nnd am Meere wird die ganze moldauische Geschichte im 15. und zum Teil im 
16. Jahrhundert erzählt; zum Schlüsse eine Bibliographie aller einschlägigen 
Quellen und Bearbeitungen. 

4. J. ürsu, Eela^iunile Moldovel cu Polonia panä la moartea lul Stefan cel 
Mare (Piatra 1900). Beziehungen zwischen Polen und Moldau bis 1504. Quellen- 
mäfsiges, präzises Werkchen. 

5. N. Jorga, Documente romine§ti din Archipele Bistri^I I. Als Vorrede zu 
den rumänischen Akten im Stadtarchive von Bistritz (in Siebenbürgen) wird 
eine Geschichte der Moldau auf Grund der dortigen lateinischen und deutschen 
taglichen Korrespondenzen gegeben. 

6. N. Jorga, Studii §i docuniente III, Vorrede: bringt eine Skizze der 
walachischen Geschichte bis Mitte des 16. Jahrhunderts. 

7. D. Onciul, Titlul lul Mircea cel Bätrin ^i posesiunile lui, in den Convor- 
biri literare 1901 — 1903 (auch Separatabdruck). Bei der Erläuterung des 
Herrschertitels des Fürsten Mircea wird kurz die ganze walachische Geschichte 
bis ins 15. Jahrhundert wiedererzählt; der Verfasser ändert einige seiner 
früheren Ansichten und behandelt zum ersten Male in seinen Arbeiten die Zeit 
nach der Gründung des Fürstentums. 

8. AI. Läpedatu, Badn cel Frumos (in der Zeitschrift Transilvania 1901), 
Vlad Cälugärul (in den Gonv. literare, Jahrgang 1903; auch Separatabdruck): 
die zweite Arbeit ist eine ausgezeichnete Monographie. Beide Fürsten, deren 
Leben geschildert wird, herrschten in der Walachei im 15. Jahrhundert. 

9. Die im Druck befindliche Sammlung der Studien zur Bechtsgeschichte von 
G. Popoyicl enthält auch vieles über die ältere Geschichte der Moldau. 



250 1. Kapitel. 

aber gründlich. An der Eraftanspannung, welche geleistet werden 
mufste^ um die Freiheit und den christlichen Glauben gegen die 
Epigonen der Barbaren zu verteidigen^ nimmt das siebenbürgische 
Rumänentum teil und wird dafür durch neue politische Privilegien 
belohnt; aber auch hier hat die Anerkennung der türkischen 
Oberherrschaft nachteiUge Folgen fiir die bisher militärische 
Dienste leistende rumänische Bevölkerung. 

Basarab (Bassaraba, Bassarabä); der karpathische ^^ Pförtner 
der Alpen '^^ ist bekannt durch seinen Kamen^ seine Verwandtschafi^ 
eine ohne Folgen gebUebene Niederlage und einen Sieg, der seine 
Laufbahn abschliefst und zugleich einen Wendepunkt in der ru- 
mänischen Geschichte bedeutet. Aber kein Brief von ihm, keine 
Urkunde ist erhalten; seine treuen Gefährten stiegen namenlos in 
das Grab. Selbst die Volkssage hat sich seiner nicht angenommen, 
und sein Name ist nicht durch den Bau eines Ellosters oder einer 
Kirche verewigt worden. 

Er war Wojwode als Oberherr eines rumänischen Territori- 
ums und ward von den Seinigen gewifs auch Domn genannt; 
diesen Titel — „dominus", rocno^^HHB — mag er angenommen 
haben, um sein Streben, keine fremde Suzeränität anzuerkennen, 
kundzutun, und dies ist wahrscheinlich in der Zeit der letzten 
Siebenbürgischen Wirren, in den Tagen des grofsen Sachsen- 
aufstandes, geschehen. Das Gebiet, in dem Basarab herrschte, 
hiefs für ihn selbstverständlich „das rumänische Land", kannten 
doch seine Untertanen auch in der Nachbarschaft, wo Könige ge- 
boten, nur eine „^ara Ungureascä, ^ara Le^eascä, f ara Turceascä", 
die „Länder" der Ungarn, Polen und Türken. Er betrachtete 
sich als Herrn des „ganzen rumänischen Landes"'), seit kein 
anderer Wojwod mehr als Nebenbuhler in der Nachbarschaft stand. 
Wie einst die „Kaiser der Bulgaren und Griechen" auf dem 
rechten Ufer der Donau das gahze Rhomäerland als ihre natürliche 
Erbschaft und Konstantinopel als ihre Hauptstadt betrachteten, 
so wird auch Basarab weder im Osten noch im Norden na- 
türliche, unverrückbare Grenzen anerkannt haben. Gewisser- 



1) Vgl. die Titulatur seines Enkels Yladislav; Hasdeü, Negru-Vodü, 
Faksimüe 11. 



Xämpfe gegen Ungarn usw. Gründung des Fürstentums Moldau. Sftl 

mafsen fühlte er sich als Vertreter der rumänischen Nationalität, 
denn alle Oebiete, die endlich von den Usurpatoren verlassen 
Tvarden, wenigstens alles von Tataren befreite Land mu^te ihm 
von Rechts wegen anheimfaUen. In seinen an Untertanen gerichteten 
Briefen und seinen Schenkungsurkunden sprach er gewifs nur von 
der 9^ göttlichen Qnade^% die ihm Berg und Tal verliehen habe: 
die Formel ^^Dei et regis Hungariae gratia" oder ,yDei et Regiae 
Maiestatis gratia^^ erscheint übrigens bei seinen Nachfolgern nur 
in solchen Schriftstücken, die dem Könige oder seinen Beamten 
vor Augen kommen konnten, und nur in Zeiten, wo das politische 
Interesse die Schonung der fremden Eitelkeit gebot. Aber in keiner 
slavischen Urkunde ist eine jener Formeln zu finden, niemals also 
hat seinen eigenen Untertanen gegenüber ein rumänischer Fürst 
eine andere Quelle seiner Macht anerkannt als die „Gnade Gottes ^^ 
Diese „ Gnade ^' verdiente der Herrscher als „rechtgläubiger" 
Fürst, denn die Rumänen waren auch gute Christen, beobachteten 
streng die Fasten- und Feiertage, hatten auch Bischöfe, die ihre 
Priester weihten; aber diese Bischöfe, die im Jahre 1234 vom 
Papste als „pseudoepiscopi" bezeichnet werden '), sind, wie sich 
sehr deutlich aus den siebenbürgisch-rumänischen kirchlichen Ver- 
hältnissen im 16. Jahrhundert ergibt ^), nur Vorsteher etlicher pri- 
mitiv ausgestatteter Klöster, in denen keine bestimmte Ordensregel 
herrschte. Die stare^I oder Altesten dieser Bergeinsiedeleien legten 
sich den Namen Vlädicä bei, und ihnen gehorchten die Dorf- 
geistlichen, die sich in keiner Hinsicht von ihrer bäuerlichen Herde 
scharf unterschieden. Ihre spärliche Gelehrsamkeit, ihre Bücher, 
ihre eigene Weihe bezogen diese „Vlädicl" oder episcopi von 
den Bischöfen des rechten Donauufers, wo es noch Städte gab, in 
denen höhere Geistliche leben konnten. 

Die durch Basilius, den Bulgarentöter, festgestellte Ordnung 
der bulgarischen Kirche *) war auch nach der Wiederherstellung 
des Zarats in fio'aft geblieben : danach besalsen Metropolitanrechte 
über das benachbarte Gebiet der Bischof von Silistrien, wo auch 
der Patriarch residiert hatte, und der von Widdin. Neben dem 

1) Zimmermann-Werner, I, S. 60, nr. 69. 

2) Säte ^ipreo^I; vgl. Bunea, VechUe episoopil romänescl, (Blaj, 1901.) 

3) Geiz er, in der Bjzantimschen Zeitschrift, 11, S. 22 ff. 



SS2 1. Kapitel. 

Zaren Johannitius findet sich ein Bischof von Widdin; und esl 
ist schon angedeutet worden, dafs den rumänischen ^^ Alanen '' 
durch diö Vermittelung des Bischofs von BiTÜiva — Viöina, in der 
Dobrudschai an der unteren Donau — die Erlaubnis zuteil ward, 
den Flufs zu überschreiten und sich im griechischen Reiche fest- 
zusetzen ^). Daher kommt es , dafs sich als Eirchensprache der 
Rumänen das in der bulgarischen Kirche übliche Altslowenische 
mit allen seinen griechischen Wörtern und Wendungen ein- 
gebürgert hat. Aber die Sprache der Kirche war im Mittelalter 
immer auch die der allgemeinen Kultur, und der Staat nahm sie 
bei seiner Entstehung ohne weiteres an. Die slavische BUdung 
der Gelehrten des Landes brachte es mit sich, dafs die ältesten, 
auf innere Angelegenheiten bezüglichen Urkunden slavisch ge- 
schrieben sind, und dafs bis ins 17. Jahrhundert diese fremde 
Sprache des Mittelalters in den fürstlichen Kanzleien fast aus- 
schliefslich in Gebrauch blieb ^). 

Aber nicht nur dadurch wirkte der süddonauische EinfluCs 
in den nördlichen Landschaften bis zu den karpathischen Haupt- 
städten des Wojwoden. Die Sprache der rumänischen Urkunden 
des 14. Jahrhunderts unterscheidet sich überhaupt nicht von der 
der gleichzeitigen bulgarischen Urkunden; sogar die Orthographie 
der slavischen Urkunden des „rumänischen Landes ^^ im 14. Jahr- 
hundert ist der bei den Bulgaren in derselben Zeit üblichen ganz 
ähnlich. Die Kanzleigebräuche sind dieselben : Titulatur, Kontext, 
und Datierung sind in beiden Ländern ganz gleich. Von dem Kreuze, 
mit dem die erste Zeile beginnt, bis zu dem mit roter Tinte in 
kalligraphisch verschlungenen Buchstaben unten kunstvoll ge- 
zeichneten Monogramm ist alles fast identisch ^). Die Würden- 

1) S. oben S. 144. 

2) Vgl. die Aufsätze von J. Bogdan und D. Onciul in der Jubilarsamm- 
long , JjuI Titu Maiorescu", 1900. Eine Dissertation der Universität Agram (1900) 
Yon Ilie Bärbulescu behandelt die Schicksale des kyrillischen Alphabets bei 
den Bumänen. (Rum. Übersetzung in Bevista p ist., arch. ^i filologie, 
1902 — 1903.) Das neue Buch desselben: Fonetica Alfabetulul cirilic in textele 
romine (1904) enthält wenig Nützliches neben vielem Naivem. 

3) Vgl. die Faksimilien bei Hasdeü, Negru-Vodä, mit dem des Briefes 
eines Widdiner Teilzaren in dem Archiv für slavische Philologie JLVll, 
S. 546. S. auch diejenigen in Analele Academiel Bomäne VIII. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründung des Färstentums Moldau. 3SS 

träger des walachischen Herrschers heifsen wie bei den benach- 
l>aj*ten Bulgaren boiarl, 6ojip0H^ ihr Ehrenname ist Japan oder 
Pa.li; auch hier zerfallen sie in ^^grofse'^ und ^^ kleine'^ Bojaren. 
TVie bei dem Nachbarvolke findet sich unter diesen ersten Räten 
des Wojwoden ein Logofet, ein Vistiamic und ein Vomic, d. h. 
der oberste Kanzler, der Schatzmeister und der maior domus^), 
Würden, die mit Ausnahme der letzten vielleicht alle durch lin- 
l^ische, aber anspruchsvolle Nachahmung in Pr^slav, Prespa und 
Tmowo von dem prunkvollen Byzanz entlehnt worden sind *). Im 
15. Jahrhundert findet man daneben den Stolnic, Pähamic und 
Comis, d. h. den Msatre d'hötel, den Truchsefs und den Stall- 
meifiter, wovon das erste Amt auch bei den Bulgaren existiert, 
während Pähamic aus dem rumänischen Worte pähar, Glas, ge- 
bildet ist und Comis nur eine bulgarische Entstellung des byzan- 
tinischen Y^img (lat. comes) zu sein scheint ^). Ferner erscheinen 
in demselben Zeitalter am walachischen Hofe ein Stratomic, d. L 
Heerführer, und ein Cliucer, beides entlehnte Bezeichnungen, sowie 
ein Spätar, dessen Name sich daraus erklärt, dafs es seine Pflicht 
war, das Schwert (spata) dem deutschem Marschall entsprechend 
voranzutragen ^). Noch im 15. Jahrhundert wurde sehr wahrscheinlich 
auch der cubicularius mit der bulgarischen Benennung Postel- 
nic angestellt. Die Bezeichnung Ban für Würdenträger, die 
sich schon im 14. Jahrhundert ^) gelegentlich am Fürstenhofe finden, 
wurde von den Ungarn zugleich mit dem Banate selbst über- 
nommen. Sieben von den zehn grofsen walachischen Hofwürden 
sind also von den ersten Nachahmern der Byzantiner auf die Ru- * 
mänen vererbt worden, wie ihre Namen und der Vergleich mit 
suddonauischen Urkunden beweisen ^). 

1) Dvor, ffCurtis", Residenz des Herrsebers. 

2) Vgl. die Diplome von Mircea, dem sechsten Fürsten des Landes, in Venelin, 
Wlacho-bulgarische Aktenstücke (russisch), dann in Müetiö-Agura, Sbornik von 
Sofia, Jahrgg. 1893; Archiva istoricä I, S.97~98;Hurmnzaki I>, S.341 
— 342; Bogdan, Bei. cu Bra^OTul, S. 5; Bogdan, Un chrisov al lul Mir- 
cea-cel-Bäträn, in den Denkschriften der mm. Akademie, Jahrgang 1903. 

3) Bogdan, S. 17. 

4) £benda S. 23; Arch. ist IS S. 5—6, 66, 73. 

5) Hurmnzaki I>, S.-342. 

6) YgL Jireiek, Geschichte der Bulgaren, S. 385—387. 



SS4 1. Kapitel. 

Um sich diesen starken politischen Einflafs zu erklären, braucht 
man nicht, wie schon gezeigt wurde, an eine durch nichts bezeugt» 
Herrschaft des ersten oder zweiten bulgarischen Reiches über das 
entgegengesetzte Donauufer zu denken. Eine solche Herrschaft hätte 
sich auch auf keinen Fall bis in die Earpathennester erstreckt, wo 
die ersten Wojwoden der Zukunft harrten, und als Schützlinge der 
slavischen Kaiser hätten jene auch nicht in diesem entl^ensten 
Winkel residiert. Die Teilzaren von Widdin waren im 13. Jahr- 
hundert die unmittelbaren Nachbaren der oltenischen Gegend, die 
durch die Einnahme von Severin gegen 1300 vollständig in den 
Besitz der Herren von ganz „Wlachien'^ gekommen war. Michael, 
der Sohn des §isman, der die neue widdinische Dynastie gründete^ 
derselbe Michael, dem die Erbschaft des ungarischen Schützlings 
Sfentislav, vielleicht durch ungarische Gunst und Hilfe, zu- 
gefallen war, entstammte nach einem byzantinischen Chronisten 
„kumanisch-bulgarischem'^ Blute. Sein Neffe Alexander nahm 
die Tochter des Basarab zur Frau, und der älteste Sohn Basarabs 
heifst auch Alexander, was ältere FamilienverbindungCD anzudeuten 
scheint ^). 

Zu Beginn der Herrschaft Michaels von .Tmowo ist Basarab 
sein Verbündeter; als die Stunde der Schlacht kam, die zwischen 
ihm und dem benachbarten, starken und ehrgeizigen Kral der 
Serben, der sich auch zum Kaiser des Ostens aufwerfen wollte^ 
entscheiden sollte, da zog Michael gegen seinen Feind durch 
„Pannonien'S was das ehemalige ungarische Banat bedeuten mafs, 
und unter den Fliehenden nach der verlorenen Schlacht von Vel- 
bu£d, im Jahre 1330, fand sich auch Basarab ^). Als letzterer 

l)Oben S. 144. Vgl. aach die Namen Stracimir (Vater Alexanders) und Tychomir 
— Tocomerius — (Vater Basarabs). Basarab selbst ist ein bei den Bumänen sehr 
▼erbreiteter Name, den man im Banat und im Hatzeglande, ja selbst bei mol- 
dauischen Zigeunern des 17. Jahrhunderts findet. Vgl. die in Säte ^i preo^I, 
S. 165, Anmerkung 1 angegebenen Stellen, und dazu Hurmuzaki I^, S. 593; 
ebenda S. 53; Jorga, Studil as. secolulul al XVn^e», S. 52. Siehe aacfa 
den Aufsatz „Basarabä** in dem Magnum Etjmologicum von Hasdeü. 

2) Serbische Jahrbücher, in dem Glasnik von Belgrad, erste Serie, Band 
LTTI ; Sp m e n i k III , 1901 ; Glasnik des Museums von Serajewo VI, Jahr- 
gang 1894 und den Zakonik des Zaren Dusan; Nachfolgers des Siegers tod 
Velbnid; Vorrede. 



Kämpfe gogen Ungarn usw. Gründung des Fürstentums Moldau. 255 

seine Trappen dem Bulgarenherrscher zuführte, hatte er keine 
Elroberungspläne; er erstrebte keine Erweiterung seines Besitzes 
an der serbischen Donau , sondern erfüllte nur seine Pflicht als 
Michaels Verwandter und sein getreuer Nachbar. Der neu- 
gegriindete walachische Staat war noch zu schwach, um Erweite- 
rungsgelüste zu hegen und sich in die Balkan wirren , deren es 
jederzeit genug gab, hineinzumischen. 

Der Wojwode hatte noch keine festen Grenzen für sein Ge- 
biet gewonnen, noch keine Festen zu seiner Verteidigung er- 
baat und noch keinen Schatz für gröfsere Unternehmungen an- 
gesammelt. Seine Macht war nicht gröfser als die jedes rumäni- 
schen Bezirks wojwoden: er hielt Gericht auf seinen descensus, — 
möghcherweise ist dies der ursprüngliche Sinn von descälecat, 
descälecätoare, womit die Gründung des Landes bezeichnet wird, 
gewesen; er verfugte in Zeiten der Gefahr über die Wehrmacht 
seines Volkes und erhob einige geringe Steuern, die in den Ur- 
kunden des 14. und 15. Jahrhunderts bei Exemptionsverleihungen 
verzeichnet werden. Ihm gehörte der Zehnte, dijma, im all- 
gemeinen von allem, was den spärlichen Reichtum des Landes 
bildete; daneben gehörten ihm die väml — Zölle — von den 
Schafen, Schweinen und Bienen, deren Name nur in bulgarischer 
Übersetzung in den slavischen Urkunden vorkommt. Von den 
Saaten wurde ihm eine Steuer bezahlt, die nach dem gebräuch- 
lichen Getreidemafse ciblä, KÄ>.6j[b, cubulus, bei den sächsischen 
Siebenbürgen „ Kübel '% wahrscheinlich rumänisch ciblärit (sla- 
visch KiELÖjapcTBo) hiefs ^). Wie in Siebenbürgen das tributum 
de vino, so wurde auch im Lande des transalpinischen Wojwoden 
eine Taxe entrichtet, um die Weinrebe pflanzen und bauen zu 
dürfen, der vinäriciü oder vinäriciü domnesc. Aus späteren 
Quellen geht hervor, dafs die Steuerpflichtigen für die Entrichtung 
der Weintaxe in örtliche Gruppen eingeteilt waren; die Bezirke 
trugen den Namen popor, und dieser Ausdruck bezeichnet ur- 
sprünglich jede zu einem speziellen Dienste angewiesene Anzahl von 
freien Bauern *). Femer wurden dem obersten Richter Geldstrafen, 

1) Siehe auch meine im Drack befindliche Istoria lul Mihal Yiteazul, 
a 109. 

2) VgL Studil 9i doc. V, Kap. VIII, X und S. 170, nr. 2. 



356 1. Kapitel. 

gloabc; für allerlei Vergehen und Verbrechen bezahlt Die Dorf- 
knezen sind verpflichtet, ihm beim Eintritt in ihr Amt ein Pferd 
zu schenken ^). Endlich hatte jedermann die Pflicht^ die fursilicheii 
Leute mit Nahrung und Reisemitteln zu versorgen, was podvozi, 
podvoade — jedes von diesen Worten hat auch eine uns nicht 
sehr klare spezielle Bedeutung — hiefs. Dies sind die Rechte 
eines Domn, die in der bulgarischen Staatssprache cj[7»:öa und 
Aa^6a h^ifseu; was dem schon in dem Schenkungsakte für die 
Johanniter gebrauchten Worte r e d i t u s ^ beziehungsweise auch den 
Worten utilitates et servitia, und ebenso den rumänischen 
Bezeichnungen venituri §i slujbe entspricht. 

Durch alle diese von den fürstlichen Steuereinnehmern (Önp^ 
später birari), Strafgeldsammlern (rjroÖHH^ra; globnicl); Dorf- oder 
Bezirksrichtern (cjai^h; jude^I) und Beamten im allgemeinen 
(npaBHTejEe) eingehobenen Wojwodeneinkünfte gelangte jedoch kein 
gemünztes Geld in den Staatsschatz von Arge^. Der Wojwode, 
der oberste Herr des Landes, war aber nach morgenländischer 
Anschauung der Urquell aller Besitzrechte, und so mufsten alle 
Veränderungen des Besitzes an Grund und Boden auch von ihm 
bestätigt werden ; ja in einer Schenkung von Ländereien wird, 
noch im Jahre 1490, bei einem gelegentlichen Wechsel des In- 
habers, als Geschenk für den Fürsten die Lieferung eines ,^ guten 
Pferdes" vorgeschrieben *). Erst später wurde die aUgemeine 
Pflicht einer Eontribution in Geld eingeführt, aber noch recht 
spät werden im Lande Fogaras, welches den transalpinischen 
Wojwoden als ungarisches Lehen gehörte und in der im freien 
Fürsten tume üblichen Weise organisiert war, Einkäufe gemach^ 
wobei man den Preis in Ochsen, Pferden oder Schafen entrichtete '). 
Im 15. Jahrhundert wird ein Stück Land mit „einem guten Pferde, 
zwei Bechern, zwei Löffeln und einem silbernen Gürtel" be- 



1) Bogdan, Cnezil, in den Denkschriften der romanischen Akadomia, 
Jahrgang 1903, S. 34—35. 

2) Arch. ist. I», S. 6. 

3) Nach ungednickten Quellen, wie aach nach dem Material, welches toh 
N. Densnsianu in der „Colmnna Inl Traian" und gesondert als „Monumente 
peutru istoria ^rel Eägära^ulul** (Bukarest 1883) herausgegeben wurde, in 
meinem Säte ^i preo^I, 8. 143ff. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründung des Färstentnms Moldan. S57 

zahlt ^). Wenn der Fürst einem Erlöster einige seiner Einkünfte 
schenkt, spricht er von Einkünften etwa wie: ,9400 Kübehi jährlich 
aus dem Richterkreise Jale§; 35 Beutehi Eäse^', oder etwa von 
Käse, Honig und einer Anzahl von ,, langen^' oder ,, kurzen^' 
Stacken Tuch für die Kleidung der Mönche «). Diese Verhältnisse 
dauerten für den rumänischen Bauern noch lange, so dafs man sie 
noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts findet: es wurde zwar in 
den Kaufverträgen der Preis in einer gewissen Summe Geldes an- 
gegeben , aber die Münzen kamen fast nie zum Vorschein; 
man berief vielmehr die guten Leute des Dorfes, um den Wert 
der statt des Geldes angebotenen Naturalien festzustellen, was a 
biciului heifst. Man kam auf diese Weise zu dem Ergebnis, 
dafs „ein Ochse, eine Kuh mit Kalb und ein cojoc (Lederjacke) 
für einen Dukaten, ein anderer cojoc ftir zwei silberne Münzen, 
und ein Grundstück, schon gepflügt und besät, für einen anderen 
Dukaten gegeben wurden *)." 

Gemünztes Geld kam nur von den „väml^*, den Zollstätten, 
ein und wurde von den fremden Kaufleuten bezahlt. Die Grün- 
dung des walachischen Fürstentumes begünstigte das Gedeihen 
der südlich gelegenen sächsischen Städte in Siebenbürgen, wo 
Hermannstadt (Sibiiü, Nagj-Szeben) das oltenische Land und Kron- 
stadt (Bra^oY, Brassö) die Grofse Walachei als ihr ausschliefsliches 
Handelsgebiet betrachteten ; aber nicht nur um die hier vorhandenen 
wohlfeilen Naturalien nach den weiter fortgeschrittenen abend- 
ländischen Ländern zu exportieren, sondern auch um auf den 
neuen Handelswegen nach dem reichen Morgenlande, dem Lande 
der viel gesuchten, teuer bezahlten Spezereien, gewinnbeflissen zu 
pilgern. Die sächsischen Kaufleute, die mit den noch dem Könige 
gehörenden Städten des dalmatinischen Ufers wie auch mit Wien 
und den grofsen deutschen Städten Verbindung unterhielten , er- 
warben von deren Herrn Privilegien, kraft deren sie in den „ trans- 
alpinischen '^ Gebieten ruhig und sicher Handel treiben durften. Die 
älteste bisher bekannte Urkunde eines walachischen Fürsten ist das 
Handelsprivilegium vom 20. Januar 1368 , das den Kronstädtem 

1) Arch. ist I», 8. 70; vgl. III, S. 192. 

2) Arch. ist IS S. 19. 

3) Ebenda S. 71. 

Jörg», Gotehielite der BninftneB. I. 17 



/ 



858 1. Kapitel 

^;ihre alten Freiheiten'^ ^) erneuert Daraus^ wie auch aus den Be- 
stätigungen derselben Rechte und aus einer Schenkungsurkunde 
für ein fürstliches Kloster *) lassen sich die damaligen Handels- 
wege in dem neuen Fürstentume erkennen. Es waren drei von 
Bedeutung. Der erste ging von Kronstadt an den Zollstätten 
Rucär und Dragoslave vorüber bis Cimpulung^ wo der fürstliche 
Zolleinnehmer wohnte ; dort war die alte Verfassung^ nach der das Re- 
giment der Stadt in den Händen der fremden^ katholischen ^^Grafen^', 
comites; lag, noch unverändert geblieben ^). Von CÜmpulung, wo 
die Kronstädter Kaufleute die tricesima, den dreifsigsten Teil des 
Wertes ihrer Waren, entrichten mufsten, gingen die Karren nach 
Süden gegen Giurgiu, das sich am Ende des 14. Jahrhunderts im 
Besitze des Fürsten Mircea befand ^), um hier über die Donau zu 
setzen. Ein anderer zollfreier Weg — man bezahlte hier nur für 
die bei der Rückkehr mitgebrachten Waren des Orients nach 
einer bestimmten Taxe — führte nach dem blühenden Donau- 
hafen Bräila. Von Hermannstadt fuhren die Handelsleute durch 
den Roten-Turmpafs gegen Calafat, das den im Banate bevor- 
zugten Überfahrtsort und zugleich die Zollstation (scala) darstellte. 

Vom Süden her kamen in die Walachei die Kaufleute aas 
Griechenland, die gute Geschäfte machten und das Land als Quelle 
schneller Bereicherung lobten % und neben ihnen, in nicht minder 
grofser Zahl die noch unternehmenderen, aUe möglichen Sprachen 
kennenden Bürger von Dubrownik-Ragusa, der slavisch-italienischen 
Hafenstadt an der Adria. Noch im Jahre 1349 zogen sie durch 
Serbien, das sie wirtschaftlich völlig erobert hatten, über die Donan 
nach dem „Lande des Basarab^', d. h. in die nach ihrem Be- 
gründer benannte Walachei an den beiden Ufern des 01t ®). 

So kamen aus Siebenbürgen ungarische königliche Münzen 

1) „Ab antiquis in terra nostra TraDsalpina babitis"; Zimmermann- 
Werner-Müller II, S. 306—307, Nr. 908. 

2) Bog da n, Rel. cu Bra^ovul, S. Iff.; Arch. ist. U, S. 19—21. 

3) Vgl. die Grabinschrift von „Laurentias, comes de Longocampo *' 1300, 
in meinen Stadil ^i doc., I — 11, S. 273, Nr. 1 und die Beisebeschreibong von 
Sparnau and Tennstädt 1385, in meinen Acte ^i fragm. Uli, S. 1—2. ' 

4) Arch. ist. Ii, S. 96—97. 

5) Ellissen, Analekten IV, Leipzig 1860, S. 223. 

6) Miklosich, Mon. Serbica, S. 146. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Grändang des FürRtentums Moldau. 269 

mit der Lilie der Anjous^ dem französischen flos^ von dem der 
florenus seinen Namen erhielt, und ebenso Denare^ Aspri, von 
geringem Werte in das Land. Von den Ländern jenseits der 
Donau brachten Slaven und Griechen bulgarische und byzan- 
tinische perperi (hyperperi) und Aspem anderen Gepräges. 
Aspri; ;y silberne Aspem ^^^ blieben für die Bewohner der Walachei 
eine Art Nationalmünze ^)^ wenn man in wahrer Münze, in barem, 
^^ bereitem ^^ Gelde bezahlte (acnpn roTOBH, bani gata). Im 14. und 
15. Jahrhundert nannte man die für die walachischen Fürsten in 
Siebenbürgen geschlagenen Münzen, die mehr eine politische Be- 
deutung als einen täglichen Kurs hatten^), perperi, und eine 
Steuer der späteren Zeit heifst nach dieser kaiserlich-östlichen 
Münze pärpärit. Der landläufige Ausdruck ban aber entstand 
gewifs durch die Münzen, die im Severiner Banate im Umlauf 
waren *). 

Durch diese Zustände war den walachischen Fürsten in der 
ersten Zeit ihre politische Tätigkeit vorgeschrieben. Burgen 
hatten sie, aufser der Hauptstadt, nicht; von Fremden bewohnte 
Städte gab es nur wenige an den Handelswegen entlang; sie waren 
von keiner Mauer umgeben, genossen aufser Cimpulung keine ernst 
zu nehmenden bürgerlichen Freiheiten und hatten für die Produk- 
tion nicht die geringste Bedeutung, weil dann nur Einzelverkäufer 
fremder Fabrikate wohnten. Das Geld war sehr spärlich und flofs 
meistens in den Schatz des Wojwoden, der in gewissen Fällen 
und Verhältnissen dem mächtigeren Nachbar Tribut zahlen mufste. 
Die Kultur war, in ihren höheren Erscheinungen wenigstens^ von 
den benachbarten südlicheren Gegenden entlehnt worden: es war 
noch keine Nationalkirche vorhanden, der Eiang der Glocke störte 
noch nicht die Einsamkeit der Berge und den tiefen Frieden der 
Ebene mit den zerstreuten weifsen Hüttchen. 

1) Ar eh. ist. I*, S. 6, J. 1490: Verkaufspreis in „Aspem". 

2) Vgl. D. A. Sturdza, Übersicht der Münzen, Wien 1874, in 8°, Se- 
paratabdruck von der „Numismatischen Zeitschrift" von Earabaöek; Fischer, 
Beitrag zur Münzkunde des Fürstentums Moldau, aus dem „Jahrbuch des Bu- 
kowiner Landesmuseums", Czernowitz 1901. Bogdan, Bei. cu Bra^ovul, S. 
202—203; Szabo, Szekely Okleveltar IH, S. 40-43. (Vgl. Con vorhin literare 
XXXVI, S. 95, Anm. 1.) 

3) Vgl. Hasdeü, Magnum Etymologicum, unter „Ban". 

17* 



MO 1. Kapitel. 

Allerdings erobern ^ etwas aufser den Grenzen gelegenes 
dauernd in Besitz nehmen, das konnten die Wojwoden von 
Arge^ nicht; aber zur eigenen Verteidigung war das Land wie 
geschaffen. Im Norden ragten undurchdringUche Berge mit 
sehr engen^ von hohen Felsen beherrschten Pässen: mit Stricken 
mufsten da die Kriegsmaschinen hinuntergelassen werden^ und nur 
die kleinen Pferde der Dorfbewohner fanden hier den Pfad. Im 
Süden aber ergofs sich die Donau und erweiterte sich zu Sümpfen, 
die jeden Eindringling zu verschlucken drohten. Dazu erstand 
im Lande anstatt der älteren juzl oder Knezen, die in beschei- 
denen Verhältnissen als Vorsteher von kleinen Gebieten oder als 
Beamte des Fürsten^) fortlebten^ ein neues Bojarentum, von 
frischem, jugendlichem Leben erfüllt, nach grofsen Taten in der 
Zukunft gierig. Es waren dies alte, gutsbesitzende Geschlechter, 
welche ihre Ländereien langsam durch Kauf zusammengebracht 
hatten. Sehr zahlreich, besonders in dem viel früher entwickelten 
Banate, waren sie doch noch nicht mächtig und reich genug, um 
eine Gefahr für die Autorität des Wojwoden zu bilden, aber 
immerhin stark und reich genug, um mit eigenen Mitteln inmitten 
der freien Bauern, die sie auf ihren Beutezügen begleiteten, 
unter der Fahne des Fürsten — dem Adler mit dem Kreuz im 
Schnabel — gegen den nördlichen oder südlichen, den öst- 
lichen oder westlichen Feind zu kämpfen und ihn zu besiegen. 

Der schon fest im Sattel sitzende König von Ungarn, Karl 
Robert, allerdings war davon nicht überzeugt. Die Sachsen hatte 
er besiegt, in Bosnien hatte er einen treuen Vertreter als Ban des 
Landes; mit Serbien scheint er in guten Beziehungen gestanden 
zu haben, in einer Zeit, als sich die ganze balkanische Welt ver- 
einigte, um, ohne Erfolg, die Bildung eines neuen, aufstrebenden 
Zarats zu verhindern. In dem Anjou war der alte Traum seiner 
Vorgänger aus der erloschenen Dynastie wiedererstanden: ein 
kaiserliches Ungarn lateinischer und katholischer Art wollte er 
auf den Trümmern der jugendlich unsicheren oder altersschwachen 
Staaten des schismatischen Morgenlandes errichten. Seit langer 



1) Im 14. nnd 15. Jahrhundert (bis 1425) werden jade^I von Jale^, Motni 
und Jütt genannt; Arch. ist. I\ 8. 19—20, 98; Bogdan, ün chrisor, S. 6. 



Kämpfe gegen ÜDgam usw. Gründung des Fürstentums Moldau. 261 

Zeit hatte Basarab durch nichts mehr seine Zugehörigkeit zum 
ungarischen Reiche zu erkennen gegeben: keine Huldigung 
und keine ^^reditus'' waren von ihm gekommen. Jetzt^ nach der 
grausamen Niederlage von Velbuid^ nach dem Tode des Zaren 
Michael in der unglücklichen Schlacht^ kam dies alles dem Könige 
wieder zum Bewufstsein. Ein grolses Heer mit dem Könige selbst 
an der Spitze drang in die Walachei ein^ um Arge^ und den dort 
von den Kriegsstrapazen ausruhenden alten Bergfürsten zu über- 
rumpeln. Basarab entschlüpfte aber aus seinem Neste und der hun- 
gernde, umherirrende Gegner sandte Boten zu ihm, um ihn um 
Frieden zu bitten. Der schlaue Wojwode gestand wahrscheinlich 
alles zu, was man von ihm verlangte, aber bei dem Rückzuge 
seines königlichen Lehnsherrn erschien er in der Gebirgswildnis^ 
um durch Felsblöcke die er von den Höhen herunterschleuderte, 
die lanc:sam und schwerfällifi: vorrückenden Unscarn zerschmetternd 
zu begSlfsen. Der König selbst entging kal dem Tode und 
kehrte niemals hierher zurück; in der um 1334 — 35 erzwungenen 
Einnahme von Severin erblickte er schon eine Genugtuung für 
seinen gekränkten Ehrgeiz *). 

König und Wojwode überlebten beide diese Begebenheiten nicht 
lange. Im Jahre 1342 bestieg Ludwig!., ein aufserordentlich leb- 
hafter, tatensüchtiger Mann, voll von französischem Eifer füf Kreuz- 
züge und Kaiserpläne, den ungarischen Thron, den er nur als einen 
Stützpunkt betrachtete, um Höheres zu erreichen : in Polen, der Hei- 
mat seiner GemahUn, in Italien, woher sein Haus stammte, in der 
Balkanhalbinsel, und im ganzen Oriente, wo Kriege für die Befreiung 
des heiligen Grabes ausgebrochen waren, wollte er Taten vollbringen. 
Ln folgenden Jahre erschien bei dem neuen Herrscher, als er 
nach Siebenbürgen kam, um dort die Verhältnisse aufs neue zu 
ordnen und die Grenzen zu sichern, Alexander (Alexandru), der 
Sohn und Nachfolger des verstorbenen Basarab. Aber damit war kein 
dauernder Friede hergestellt, denn alle die walachischen Bojaren, 

1) Johann von Thnrocz, die ungarische Chronik des 14. Jahrhunderts, 
bei Schwandtner, Scriptores; dazu zahlreiche Erwähnungen in ungarischen 
Urkunden, zusammengestellt Hurmuzaki I; auch Eatona VIII, S. 642 — 
643. Vgl. Jorga, Lupta pentru stäpinirea Yidinulul, in Gonvorbirl literare 
XXXIV, Heft 11. 



2«S 1. Kapitel. 

die mit der Bildung eines neuen Staates unzufrieden waren, aUe 
Wojwodensöhne, die das Herrschertum ihrer Vorfahren noch nicht 
vergessen konnten, kamen zu ihm, um ihre Treue gegen die un- 
garische Krone und die von dieser vertretene römische Kirche 
zu bekunden. Diese ersten rumänischen Flüchtlinge aus politischen 
Gründen, pribegl: ein Nikolaus, ein Stanislaus, ein Ladislas und 
dessen Sohn Carapciü, ein „Aprozya'^, ein Neagu und noch andere 
erhielten den Titel „comites'^ und auch Landgebiete dicht an der 
Grenze, und bezahlten diese Freigebigkeit durch Ränke gegen den 
Emporkömmling von Arge^ und seine Familie, wie auch durch 
Dienste im Heere des Königs ^). Einmal wurde der Bischof von 
Grofs- Wardein an Alexander abgesandt, um über den Frieden zu 
verhandeln, und endlich genofs der Fürst von „Transalpinien^^ die 
Ehre, in königlichen Urkunden — so 1355, allerdings vier Jahre 
später nicht mehr — „unser transalpinischer Wojwode'^ genannt 
zu werden ^). Es scheint, als ob dem Fürsten Alexander, nach 
dem Tode seiner ersten Gemahlin, die ihm einen Sohn, Vlaico, 
geboren hatte und — nach dem Namen dieses Sohnes zu 
schhefsen — eine serbische oder bosnische Prinzessin gewesen ist, 
von dem Könige selbst eine neue Heirat angeboten worden seL 
Im Jahre 1370 wird als Witwe Alexanders und Mutter von zwei 
schon verheirateten Töchtern eine Fürstin Klara bezeichnet, die 
dem römischen Glauben anhing; diese neue Ehe mufs folglich um 
das Jahr 1350 geschlossen worden sein, und weil Vladislav (Vlaico), 
der Stiefsohn Klaras, seinen Feldherm Ladislas von Doboka „con- 
sanguineus^' nennt, war vielleicht die Verwandtschaft durch diese 
zweite Heirat Alexanders herbeigeführt worden. Ladislas wird 
aber als Sohn eines „Janus Meister '^ bezeichnet, und „Meister^', 
„magister^^, ist ein Ehrentitel, welcher in älteren Zeiten den ra- 
manischen Edelleuten in Ungarn oft; verliehen wurde. Er ist ein 
Enkel des Bans Myked, dessen Name an den rumänischen Micul 

1) Dieser Sachverhalt ergiht sich aas der Vergleichnng des päpstlichen 
Briefes Ton 1345 (Hurrnuzaki I, S. 697—698, Nr. du) mit spätenn 
Privilegien des Königs für die Flüchtlinge aas der Walachei (ebenda I>, S. 98 
— 100, Nr. LXXYi, S. 180 ff.). Die Bechtslage des ehemaligen törzbuiger do- 
miniums, Kronstadt 1882, Anhang, S. 3. 

2) Harmazaki I«, S. 37—38, 60. 



Kämpfe gegen Uogam usw. Gründung des Fürstentums Moldau. 263 

erinnert; und dazu kommt noch, dafs Myked als Ban dem Lau- 
rentius, der auch Besitzungen in der Grafschaft Doboka hatte^ in 
seinem Amte folgte. Wichtiger als die Erhebung einer ungarischen 
Frau auf den Ti^alachischen Thron wäre eine Kückgabe des Ba- 
nats Severin für die Befestigung der friedlichen Beziehungen 
zwischen dem mächtigen König und dem aufstrebenden Wojwoden 
gewesen, aber eine solche fand nicht statt; vielmehr folgten ein- 
ander drei Bane in der Donaufestung, die Karl Robert ernannte. 
Das war die Frucht des 1330 errungenen Sieges. 

Alexander, oder, wie sein Name auf seinem Grabsteine lautet, 
^,Nikolaus Alexander^^, starb am 16. November 1364 und wurde 
in Cimpulung bestattet, obgleich er als Anhänger der griechischen 
Kirche durch die Vorsorge seiner kathoUschen Frau in dem von ihm 
erbauten' rumänischen Kloster, nicht in dem der Fremden, be- 
graben ist ^). £r hatte nicht gekämpft und nicht gesiegt, nur ver- 
loren, obgleich die tatsächUche Unabhängigkeit des Landes gegen 
nördliche altkönigliche, gegen südliche kaiserlich bulgarische und 
neuköniglich serbische Nachbarn aufrechterhalten blieb. König 
Ludwig war zu viel mit seinen grofsen italienischen Plänen be- 
schäftigt, um an die Ausdehnung seiner wirkUchen Grenzen bis 
an die Donau denken zu können, und, als er nach vielem Blut- 
und Geldverlust wieder an die ernsten Interessen Ungarns dachte, 
sah er in dem „Kaiser*^ Stephan Duschan, dem Herrn des Donau- 
ufers und eventuellen Bewerber um Bosnieh, ein unvergleichlich 
stärkeres Hindernis für seine eigenen Imperatorträume. Noch im 
Jahre 1356 erschien ein ungarischer Ban mit den Waffen in 
Serbien, und als „capitaneus^^ des Papstes im Kampfe gegen die 
Schismatiker hatte Ludwig selbst einen grofsen königlichen Zug 
gegen dieses benachbarte Reich angekündigt; doch er bifs sich in 
Dalmatien fest, da er dieses Land den Venetianern entreifsen wollte, 
und erst nach drei Jahren wurde Serbien angegriffen. Der Nach- 
folger des Duschan mufste wohl etwas von der grofsen Erbschaft 
des verstorbenen einzigen Kaisers der serbischen Nation abtreten, 
auch in Bosnien -wurden die Wojwoden durch Waffengewalt unter 



1) Onciul, Orig. princ, S. 182; Hasdeü, Magnum Etymologicum IH, 
col. 2554 oder Negru-Voda, S. corr. 



S«4 1. Kapitel. 

das ungarische Joch gebeugt. Aber nicht lange darauf eröffneten 
sich für Ludwig neue, schönere Aussichten im deutschen und 
italienischen Westen; Ermahnungen zum Kreuzzuge klangen ver- 
lockend an sein Ohr, und der verfaulte, beziehungsweise noch 
nicht organisierte christliche Osten blieb sich in seiner UDruhigen 
Ohnmacht selbst überlassen. 

Aber dieser hochbegabte Herrscher erwarb sich auch grofse 
Verdienste um Ungarn selbst. Er brachte nicht nur an der Stelle 
der halbvergessenen Privilegien und usurpierten Vorrechte das 
neue königliche ßecht unter den Siebenbürgen zur Geltung, er 
gab auch dem äuTserst wichtigen Vorposten des Königreichs im 
gebirgigen Norden eine Burg. Er ist der eigentliche Kolonisator 
der marmorosischen Karpathenfestung, durch ihn erst entstand 
den ungarischen und deutschen hospites die Möglichkeit, zu wirt- 
schafitlicher Blüte zu gelangen. Er scharte zuerst die vorgefundene 
walachische Bevölkerung um das königliche Banner, das er weiter 
bis zu den blühenden Tälern des ehemaligen kleinrussischen 
Beiches von Halitsch vorwärtstragen wollte, und dies würde die 
Pläne, die er, der Erbe des polnischen Königs, dessen Tochter 
seine Mutter war, schmiedete, ungemein gefördert haben. Nur 
ein Herrscher von diesem Schlage konnte endlich an die Unter- 
drückung der „transalpinischen'^ Tataren denken, die mit Basa- 
rab gegen Karl Robert und mit ihm und den Bulgaren gegen den 
serbischen König gekämpft hatten, an die Unterjochung der 
„schwarzen" Heiden, die die fruchtbaren Täler von der Halitscher 
Grenze bis zur Donau beherrschten. Karl Robert hatte erst im 
Jahre 1324, während seiner Anwesenheit in Siebenbürgen, Truppen 
„ins eigentliche Tatarenland" geschickt, aber es ist unbekannt, ob 
diese sich auch in dieser Vorpostenstellung halten konnten ^), und 
mit diesem Versuche mag die Bitte zusammenhängen, die er im 
Jahre 1332 an den Papst richtete: er wollte seinen Hausgeistlichen 
„Vitus de Monteferreo" zum Bischof von Milcov ernannt sehen *). 

Dieses alles hängt innig zusammen und bildet die Vor- 
bedingung für die Bildung eines neuen rumänischen Fürstentums 



1) Zimmermann-Werner I, S. 388—389, nr. 427. 

2) Harmuzaki I, S. 622—23, nr. 496. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründang des Färstentums Moldau. !365 

in der Gegend am Seret um 1360. Die russische Herrschaft in 
Qalizien und Lodomerien war schon vor der Thronbesteigung Lud- 
wigs erloschen. Das Land war vielmehr zwischen dem von Osten 
kommenden polnischen Könige^ der südwestlich sich ausbreitenden 
litauischen Macht und den in der Nachbarschaft streifenden und 
Zins erhebenden Tataren in immer wechselnder Weise geteilt. 
Die Bevölkerung hing dem griechischen Glauben an^ weil sie aus 
Rassen, d. h. Eleinrussen, bestand : sie hafste die Polen als Anhänger 
eines fremden, sich ihnen aufdrängenden Glaubens und war den 
Tataren, die sich mit den Geldleistungen beschieden, nicht allzu 
feindlich gesinnt. Die Russen riefen die Tataren im Jahre 1341 
herbei, um ihnen plündernd zu ihrem Rechte zu verhelfen, aber 
der polnische König erzwang sich einen Sieg über diese wilden 
Nebenbuhler. Im Jahre 1342 wurde Ludwig in sehr jugendlichem 
Alter König von Ungarn und benutzte diese Stellung, um seinen 
ermordeten Bruder, den Beherrscher von Neapel, zu rächen und 
zu beerben. Schon in der ersten Zeit seiner Regierung ging er 
nach Siebenbürgen, um dort die Verhältnisse neu zu ordnen, aber 
doch erst, nachdem er zwei volle Jahre ruhig in Wissegrad ge- 
blieben war. Unterdessen erhob sich der bisherige Wojwode 
„ Olacorum de Maramorisio '', der sich auch unter König Karl Ro- 
bert ungehorsam bewiesen und eine Entsendung des Reichs- 
primaten nötig gemacht hatte ^). 

Der Rebell fand auch unter den Bergrumänen Anhang. Dies 
geschah im Winter 1342 zu 1343; Bogdan verlor selbstverständ- 
lich sein vom Könige anerkanntes Wojwodat, aber energische Mafs- 
regeln konnte der König gegen ihn, der auch in den Litauern des Ha- 
litschlandes möglicherweise eine Stütze fand, nicht ergreifen. 



1) Ich mufs annehmen, dafs der Wojwode Bogdan, der Sohn des Micul, mit 
dem der Primas 1335 unterhandelt hatte, kein anderer als der marmorosische 
Bogdan war. Zu dieser Zeit waren aufser in der Walachei die Wojwoden zu 
tief gesunken, als dafs man an einen transsilvanischen Wojwoden, d. h. einen 
Dorfvorsteher , denken könnte. Aufserdem lebte dieser Bogdan, der Sohn des 
Micul, „aufserhalb Ungarns", und Marmoros ward in der Tat zu dieser Zeit 
noch nicht als zu Ungarn gehörig betrachtet. Alle übrigen Bedenken können 
gegenüber diesen zwei Argumenten nicht aufkommen. Vgl. Mihalyi I, S. 11 — 
13, 14, meine Säte ^i preo^I, S. 134 und Bogdan, Originea Yoevodatulul, 
S. 7. 



S66 1. Kapitel. 

Als Ludwig im Jahre 1344 nach Siebenbürgen reiste, begab er 
sich nur nach Kronstadt, um persönlich die Huldigung des „trans- 
alpinischen ^', viel bedeutenderen und älteren Rebellen zu empfangen^). 
Um die östliche Grenze besser zu sichern, ernannte der König 
einen Offizier, Andreas, den Sohn des Laczk, zum Markgrafen, 
der, wie vor ihm kein anderer, die Würde eines Grafen der 
Szekler mit der eines sächsischen „Gereb^^ in Kronstadt, wo etwas 
firüher ein Salomon als „comes^^ vorkommt, und der eines mar- 
morosischen Grafen vereinigte. Ja dieser Mann war zugleich auch 
comes in Szathmär und erhielt nach etlichen Jahren als höcbste 
Belohnung auch noch den transsilvanischen Woiwodat ^). 

Im Jahre 1349 erschienen die Litauer mit der ihnen immer 
sicheren tatarischen Hilfe, um die Polen, die das ganze klein- 
russische Land eingenommen hatten, zu verdrängen. Ludwig von 
Ungarn, als berufener Erbe König Kasimirs, eilte zum zweiten 
Male nach Siebenbürgen, um durch sein Erscheinen an der Grenze 
die feindlichen Pläne zu durchkreuzen. Er kam bis zum säch- 
sischen Nösen (Bistritz), vielleicht auch weiter, aber in dieser I 
Handelsstadt erschienen vor ihm die marmoroser Knezen mit 
Klagen gegen Bogdan und seine Helfer. Der König ordnete zwar 
an, dafs die von den Rebellen besetzten Güter zurückgegeben 
werden sollten, aber man sieht doch nicht recht, was tatsächlich 
gegen den infidelis notorius von dem Grafen Andreas oder 
von seinem eigenen Neffen Johann, dem Sohne des Juga, und dem 
neuen Wojwoden der „Marmoroswlachen^^, unternommen worden 
ist ^) : der erste Besitzer verlor seine Güter, ohne dafs er versucht 
hätte, dieses zu verhindern. 

Im Jahre 1352 beginnt der Krieg mit den Tataren um die 
Erbschaft der russischen Könige von neuem. Die Heiden dringen 
durch die Karpathenpässe der Moldau bis ins Szeklerland vor und 
zerstören die Bui^ Varhögy vollständig, die ehedem zur Grenz- 



1) J. von EüküUö (Thurocz) und Zimmermann-Werner-Müller 
II, S. 18, nr. 600. 

2) Vgl. Mihalyi I, S. 26—27; Zimmermann-Werner-Müller H 

S. 73. 

3) Mihalyi, S. 26—27. Andreas blieb in Bistritz bis Ende des Jahres, 
Zimmermann-Werner-Müller II, S. 73. 



Kämpfe gegen Ungarn obw. Gründung des Fürstentums Moldau. S47 

Verteidigung gegen die Petschenegen gedient hatte ^). Ludwig 
kam mit zahlreicher Reiterei ^ um die Schmach zu rächen: im 
Juni 1352 war er von seinem Reiche abwesend^ und Verordnungen 
für das vom Könige nicht betretene Siebenbürgen werden von der 
Königin Elisabeth erlassen ^). Im September war jedoch der Sieger 
über die Tataren nach Ofen zurückgekehrt , aber unter der Lei- 
tung des neu ernannten siebenbürgischen Wojwoden dauerten nun 
die kleinen Züge in die ;; partes orientales'^ fort. Während dieser 
erfolgreichen Kämpfe wurde Bogdan ^ freiwillig oder gezwungen^ 
ein treuer Untertan der Elrone^ und ein marmorosischer Knez^ 
Sas, vielleicht Sohn des Drago^, erhielt zuerst von Andreas 
und später vom Könige selbst, neben dem Titel eines Wojwoden^ 
ein Stück ^/transalpinisches^' Land dem Bistritzer Bezirke gegen- 
über , wo von altersher schon die sächsische Ansiedelung Moldva- 
banya, die ^^ Stadt Molda^'^ bestand; ebenso ward in das Schlofs 
,9 des Deutschen '% die Cetatea Neam^ulul^ eine königliche Be- 
satzung gelegt, um den Pafs zu bewachen, und im Gebiete des 
Milcovflusses wollte der König für die Wiederherstellung des 
alten Bischofsitzes sorgen '): schon 1347 hatte er einen seiner 
Kapläne vom Papste zum Bischof ernennen lassen. 

Galizien und Podolien standen damals gerade ruhig unter der 
Herrschaft des alten polnischen Königs; die Tataren, in kleine 
Banden zerteilt, hatten ihre Widerstandskraft verloren; Ungarn 
hatte seine Oberhoheitsrechte südlich von der serbischen Donau 
und westlich, in Bosnien, teilweise wiedererlangt, der walachische 
wie der bulgarische Alexander verlebten friedlich ihre letzten Jahre; 
die Ermahnungen zum Kreuzzuee waren in dem kleinen Neurom, 
zu Avigoon, zur Stunde vergJn - da, in dieser schlaffen iJ, 
schüttelte die „terra moldavana'^ das fremde Joch des ungarischen 
Königs ab: die wenig zahlreichen hiesigen „Olachen^^ wollten das 
Beispiel des alten Basarab nachahmen. Ein Feind von Bogdan, Dra- 
go^, der Sohn eines von ihm entsetzten Gyula, wird vom comes 

1) Hnrmuzaki 12, S. 32—33. 

2) Zimmermann-Werner-Müller ü, S. 87. 

3) Vgl. Hurmuzaki I, S. 622—623; I«, S. 31, 32—33, dann 4—5, 
7—8, 8—9 und die folgende Erzählung. Der Bischof nahm jedoch niemals seinen 
Sitz ein und diente dem Könige nur als Botschafter in entfernte Gegenden. 



n 



S«8 1. Kapitel. 



oder von dem Wojwroden Andreas ausgesandt, um diese Wirr«i 
zu BÜllen; dies geschah 1360^). Bogdan selbst sab ein^ dafs 
für ihn die Zeit gekommen war, wo er eine grofse Rolle spielen 
konnte. Sas war gestorben^ und sein Sohn Balc (Balisa) kam aus 
Ungarn, wo er dem Könige gedient hatte, um das väterliche Erbe 
anzutreten , begegnete aber hier dem vormaligen „ notorius infide- 
lis", wurde geschlagen, und seine Brüder fielen in dem Kampfe. 
Im Jahre 1865 beschwichtigte der König seine „treuen Vasallen'', 
Balc, den „Meister*', und seinen Bruder Drag durch die konfis- 
zierten Güter der Familie Bogdans; später gelangten sie zu hohen 
Würden in ihrer Heimat, und ihr Geschlecht behielt bis zum Ende 
des 15. Jahrhunderts die Stelle, die Andreas innegehabt hatte ^). 

Mehrere Rachezüge der Ungarn folgten, aber ohne dafs da- 
mit etwas Ernstes erreicht worden wäre. Für Polen, das seine 
Stellung in Galizien immer mehr befestigte, war die Gründung 
dieses neuen kleinen Pufierstaates, der ungarische Angriffe ver- 
hindern und zur Auflösung der Tatarenwelt beitragen konnte, 
kein unerwünschtes Ereignis. Bogdan erstrebte Unabhängigkeit; 
auf seinen Münzen figuriert nur sein Name „Bogdan Voevoda Vd. 
Moldaviensi[s]*', der Ochsenkopf mit dem Sterne zwischen den 
Hörnern, ein in Marmoros nicht unbekanntes Wappen, und neben- 
bei der Halbmond und eine Rosette als Verzierungen, während 
der Revers des kleinen runden Silber-Ban zwei Dolche zeigt'). 
Eine solche Unabhängigkeitserklärung in Münzform konnte nicht 
in Ungarn geprägt werden, deshalb geschah dies in Polen, 
höchst wahrscheinlich in dem seit kurzem seine glänzende Lauf- 
bahn beginnenden Lemberg und mit der Erlaubnis des Landes- 
herm. 

Für das walachische Fürstentum, das alle befreiten Gebiete 
„Transalpiniens" im Namen des Rumänen volkes in sich aufnehmen 
wollte, war die Bildung eines Eonkurrenzstaates, einer separatisti- 
schen ^ara-Romäneascä, rund um Baia, eine wenig angenehme 
Tatsache. Vielleicht hätte, wenn er noch nicht so alt gewesen 



1) Mihalyi I, S. 37 ff. 

2) Mihalyi I, passim; v^. Säte §1 preotl, S. 137 — 139. 

3) Sturdza a. a 0. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründang des Fürstentums Moldau. 369 

^wäre^ Alexander Einspruch dagegen erhoben und dieses Stück 
Tsttarenland für sich verlangt; jedenfalls konnte — so mufste man 
annehmen — sein junger, rastloser und verständiger Sohn Vladis- 
lav (Vlaico) so handeln. Aber es kam anders ^ denn die in der 
ßalkanhalbinsel eintretenden Verwickelungen führten zu einem 
ruhigen Zusammenleben zwischen dem Domn der ^^ ^ara-Bomä- 
neascä'' und dem über eine andere Valachia herrschenden Woj- 
woden und „gospodar" von Baia, dem „Woyewoda muldaviensis'^ *), 
und diesen Verhältnissen müssen wir uns zunächst zuwenden. 

Im Jahre 1365 ^ in derselben Zeit, als Bogdan zum Herr- 
scher der ;; terra moldavana^' wurde , rüstete sich der ungarische 
König zu einem grofsen, vernichtenden Kriege gegen den neuen 
Wojwoden von Transalpinien, der die Einkünfte der Krone nicht 
besser als sein Vater ablieferte. Vielleicht dachte er damit auch 
den Anfang zur ^^Bekuperation'^ der Moldau zu machen. Die 
Streitkräfte des Beiches sammelten sich zu Temeschwar; in dem 
G-ebiete des comes von Keve und Krassow^ und sollten dann in 
Severin, das Vlaico ^ wie es scheint^ wiedergewonnen hatte, 
einbrechen. Der Zug sollte gegen Ende Februar begonnen 
werden, und im FrühUng erhielt Ludwig die nicht unangenehme 
Nachricht vom Tode des Zaren Alexander. Dieser hatte in den 
letzten Jahren das Gebiet fon Widdin einem von seinen Söhnen, 
Straämir, den er mit einer griechischen Fürstin erzeugt hatte, als 
Apanageherrschaft übergeben, während ein anderer, mit 
einer getauften Jüdin erzeugter Sohn als Nachfolger in Trnowo 
anerkannt wurde. Ihre Absichten auf Widdin hatten aber die 
Uogarn schon seit dem 13. Jahrhundert vielmals bekundet, und 
Ludwig folgte den Spuren seiner arpadischen Vorfahren. Mit 
Vlaico, dem Walachen wojwoden , welcher sich gewifs zur Hilfe- 
und Tributleistung bereit erklärt hatte, da für ihn auch im Süden 
etwas zu gewinnen war, wurde sofort Frieden geschlossen, und 
um freie Hand in Westbulgarien zu fi^ewinnen und für immer 
die UBgarischen Inter^n mit denen der „transalpinischen« 
Fürsten dauernd zu verketten, ergriff Ludwig zugunsten seiner 

1) Es ist bezeichnend, dafs noch im 15. Jahrhundert der Wojwod immer 
nur von seinen „walachischen"* gens, terra, castra, dominia, terrigenae spricht 
S. Hurmuzaki I», S. 295—297. 



270 1. Kapitel. 

Nachbarn eine ganz neue mutige Mafsregel. Den grörftten Tdl 
des OlÜandes vereinigte er mit dem Schlosse Fogaros, nannte da» 
Gebiet nach neuen französischen Vorbildern^) ducatus de Fo- 
garas und beschenkte damit den ,, Transalpinen '^ Dieser nahm 
die Gabe gern an^ verteilte das dünnbevölkerte Land unter seine 
Bojaren, denen er im Fürstentume selbst nichts mehr zu verleihen 
hatte, und schuf dort Verhältnisse, die noch bis in das 18. Jahr- 
hundert ein treues Bild des alten rumänischen sozialen und poh- 
tischen Lebens gebUeben sind. 

Die Wiedergewinnung des Widdiner Bulgarien „von Rechts 
wegen ^' ging sehr schnell vonstatten. Widdin war nur von etlichen 
„Jassier Herren^' — solche waren es, die 1330 bei Velbuzd in den 
Reihen der Bulgaren kämpften — von feindlichen „Philistei seu la- 
zones^' besetzt: Anfang Juni gehörte schon die Stadt dem ungarischen 
König, der den „ Zaren ^' und seine Frau, eine Tochter von Klara 
und Alexander, in ehrenvolle Gefangenschaft führte. Die ganze 
Gegend wurde nun königlich und katholisch; in Widdin wurde 
ein Hauptmann eingesetzt, und die Franziskaner, die schon 1324 
behufs Bekehrung der Seelen im schismatischen Morgenlande 
an Stelle der alten „predigenden'^ Dominikaner*) unermüdlich 
tätig waren, erschienen im Gefolge des Eroberers. Aus dem 
Teile des Severiner Banats, das Ungarn noch behalten hatte^ 
d. h. von Mehadia, Orsova usw. an bis zur Grafschaft Keve- 
Erassö, und aus dem neu gewonnenen südlich der Donau ge- 
legenen Winkel, wurde ein neuer Banat gebildet mit Widdin als 
Hauptstadt, und das war eine viel bessere Feste als das schwache 
Severin. 

Ludwig hatte bereits seine Teilnahme an dem vom neuen 
Papste Urban V. gepredigten Elreuzzuge zugesagt, und von Wid- 
din aus schien er eine gröfsere Unternehmung vorzubereiten. 
Wieder ward durch ganz Europa die Ermahnung zum Kampfe 



1) Vorher wurde der Titel dax nur für fremde Ffiisten oder Mitglieder der 
Königsfamilie gebraucht. 

2) Vgl. W. Schmidt, Bomano-catholici per Molda?iam episcopatus et lei 
romano-catholicae res gestae (Budapest 1887), S. 14, Anmerkung 5; vgl. Studil 
^i doc. I, Yorrede; dazu Abraham in der polnischen Zeitschrift Ewartakik 
hystoryczni, Jahrgang 1902. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Giflndong des Fürstentoms Moldan. 271 

gegen Türken und Sarazenen verbreitet, und gerade in den Tagen, 

als Ludwig Herr von Widdin wurde, hatte König Peter von 

Cypeni seinen Eriegszug nach Ägypten , . bei dem er Alexan- 

drien gewann, unternommen; ein anderer Ereuzzugf&hrer, Graf 

Amadeus von Savoyen, hatte seinerseits dem griecluschen Kaiser, 

seinem Verwandten, seine persönliche Hilfe gegen die Osmanen 

versprochen, aber dieser elende Basileas, der nur noch tlber seine 

Hauptstadt und etliche vereinzelte Gebibte gebot — alles andere 

sehörte ietzt dem Emir der Turkmanen aus dem Hause Oth- 

mans -, kam durch Widdin im Winter, nachdem es erobert 

worden war^ an den Hof des mächtigen Franzosen ^ der über 

Ungarn herrschte; und reiste^ von diesem begleitet^ auf demselben 

Wege wieder über Widdin zurück. Ludwig aber bat in Venedig 

um Schiffe ; um eine Flucht der Türken nach ihrer asiatischen 

Heimat zu verhindern. 

Trotz aller dieser Vorbereitungen war ein dauernder Erfolg nicht 
zu verzeichnen. Zwiespalt und Mangel an gegenseitigem aufrichtigem 
Vertrauen beschleunigten das unrühmliche Ende des Zuges. Der 
griechische Kaiser wurde von Siäman, dem Herrscher von Tmowo, 
mit dessen Vater er in längerem Streite gelegen hatte ^ zu Varna 
gefangen genommen und mufste sich zu Abtretungen von dem 
* wenigen ; was er noch besafs; verstehen. Amadeus kam ins 
Morgenland; wo er ein ganzes Jahr verweilte, nur um seine 
Verwandten wieder in Freiheit zu setzen und etliche Häfen, wie 
Gallipolis, für den Augenblick den Türken zu entwinden. Von 
Avignon aus erhielt der ungarische König den zwar gut katho- 
lischen, aber weniger christlichen Rat, er solle den griechischen 
Ketzer von Konstantinopel nicht zu schnell aus den Händen der 
ihn bedrohenden Türken befreien. Von Cypern aus ging man 
nach Seeräuberart vor, um an der syrischen Küste Beute zu 
machen. Ludwig von Ungarn kam nach Widdin im Jahre 1366, 
um den Jahrestag seines Sieges zu feiern und dem eroberten Lande 
äne endgültige Verfassung zu verleihen, ^isman hatte an einen 
anderen Mitbewerber um die bulgarische Herrschaft, den Bojaren 
Dobrotiß, die Küste des Schwarzen Meeres von Varna bis zu den 
Donaumündungen verloren, da dieser wahrscheinlich den Krieg 
Sigmans gegen die Kreuzfahrer zu diesem Schlage benutzte; als 



272 1. Kapitel. 

Ersatz wollte er nun wenigstens Widdin an sich bringen und 
scheute sich nicht ; zu diesem Zwecke sich Türken als Mithelfer 
zu erwählen: im Frühling 1368 hatte der Krieg der Bulgaren, 
um Widdin wiederzugewinnen, schon begonnen. 

Ludwig verlangte» von seinem Vasallen in Arges, der ihn als 
„dominus naturalis et gratiosus^' anerkannte^), Truppen und 
Lebensmittel imd bat ihn nicht zum wenigsten um seinen Bat 
bei diesen neuen verwickelten Ereignissen. „Layko^^, der Trans- 
alpine, versprach alles, was nur von ihm verlangt wurde, und der 
König rüstete sich auch zum Kriege gegen die Bulgaren und Türken, 
die zahlreich heranrückten und von der Bevölkerung gut auf- 
genommen wurden. Ungarn und „Wlachen^' kamen unter der 
persönlichen Führung des Königs nach Widdin, der Feind wurde 
gehörig geschlagen, und dabei zeichnete sich Ladislaus von Doboka 
aus. Die Gefahr war somit verschwunden. 

Doch fiir den walachischen Fürsten war es verlockend, diese 
grofse, schöne Stadt unter seinen Augen von Fremden, von Be- 
kennern eines anderen Glaubens, besetzt zu sehen, und sofort 
nach dem Abzüge des Königs zog Vladislav, von der Einwohner- 
schaft begünstigt, in Widdin ein. Das war aber nichts anderes 
als ein Krieg gegen Ungarn, bei dem Vladislav in Dobrotiö von 
Vama einen Bundesgenossen fand. Ludwig unternahm im Jahre* 
1369 einen doppelten Angriff, um die Macht des Rebellen voll- 
ständig zu brechen. Im Sommer rückte der König g^en Severin, 
während die siebenbürgiBchen Herren unter ihrem Wojwoden 
durch den Buzäüpafs in die Grofse Walachei eindrangen, um sich 
schnell der zweiten Hauptstadt Vladislavs, des „castrum IHmbo- 
vi^'^ zu bemächtigen. Der Fürst aber zog aus seiner Hauptstadt 
Arge; aus, um seinem bisherigen Lehnsherrn zu begegnen. Beide 
Unternehmungen schlugen fehl. Zuerst ward der Wojwode von 
Siebenbürgen durch den fürstlichen pircälab, den Bur^rafen 
Dragomir, zurückgeworfen und die Bauern in den Bergen be- 
reiteten den Flüchtlingen einen Empfang, ähnlich dem, den Kail 
Bobert im Jahre 1330 erlebt hatte; der Führer dieses unglück- 
lichen Zuges ward als blutige Leiche zurückgebracht Nach der 

1) Zimmermann-Werner-Müller II, S. 306, nr. d08. 



Kämpfe ge^n Ungarn usw. Gründung des Fürstentams Moldau. S78 

Xande von diesem Un&Ue versuchte der König das Glück nicht 
weiter^ und Widdin gehörte seitdem zwar nicht mehr den Ru- 
mänen, aber auch nicht den Ungarn. Straämir wurde hier wieder 
eingesetzt and fUhrte sein Leben lang eine Schattenherrschaft^ 
Layko aber beherrschte wie vordem als tatsächlich unabhängiger 
Herr seine erbliche Wojwodschaft^ das eroberte Banat und das 
Herzogtum y das er ^^von Qottes Qnaden und derjenigen des im- 
garischen Königs« besafs. 

£r lebte bis 1377; vielleicht sogar bis 1382 oder 1385 und 
benutzte als schlauer ^ fein berechnender , kaltblütiger Mann jede 
Gelegenheit; um seinen Staat zu vergröfsern und zu befestigen. 
Der ungarische König suchte zwar in erster Linie seinen Ehrgeiz zu 
befriedigen^ aber vor allem diente er den Interessen der allein selig- 
machenden römischen Kirche. Nun erkannte aber Layko den trans- 
silvanischen Bischof als den Oberhirten seiner Geistlichkeit an und ver- 
langte von ihm einen Suffragan. Durch die Ernennung eines gewissen 
Gregor ward Arge^ schon 1369 Bischofsitz, und der Bischof führte 
den Titel „episcopus Severinj, nee non partium transalpinarum«; 
wie man sieht , wird Severin, als neugewonnenes Land, wo der 
walachische Fürst in der Theorie nur Ban der ungarischen Königs 
war, an erster Stelle genannt ^). Die wenn auch nicht sehr 
wesentliche Sympathie des Papstes, der an Vladislav, wie an 
seinen Vater und Grofsvater schrieb und ihn zum Glaubens- 
wechsel ermahnte, war damit auch gewonnen. 

Zu Straäimir stand Vladislav in guten Beziehungen; Dobro- 
tiö war für ihn ein alter Verbündeter, und vor ^igman brauchte 
er sich nicht weiter zu furchten. Dem Kral VucaSin, dem neuen 
Serbenbeherrscher, hatte er seine Halbschwester Anka zur Frau 
gegeben, und nicht der Mangel an walachischen Hilfstrappen war 
daran schuld, dafs der König 1371 im Kampfe gegen die Türken 
an der Maritza bei Crmen entscheidend geschlagen wurde und 
sein Leben verlor. Lazar^ VucaSins Nachfolger, der nunmehrige 



1) Die Beihe der Ärgerer Bischöfe reicht bis 1505, und sogar 1644 wird 
noch ^'ner genannt. Studil ^i doc., Vorrede, S. xxm — y; daza meine Notiz in 
Gonvorbirl literare, 1904, April. 

Jörg», Oeseliiehte der Bamftaen. I. 18 



274 1. Kapitel. 

Erbe des glorreichen Daäan^ war aber zu schwach, als dals auf 
ihn zu rechnen gewesen wäre. 

Das Vordrängen der Türken mofste wohl den walachiachen 
Fürsten beunruhigen, aber er allein konnte sie nicht angreifieo, 
und der ungarische König selbst gab die Vorbereitungen zu einem 
Kreuzzuge gegen Murad II. auf, denn ihm fehlte es an Greld und 
Unterstützung, und er war auch durch seine mannigfachen Inter- 
essen als König von Ungarn und Polen — die zweite Königs- 
krone trug er seit 1370 — zu sehr in Anspruch genommen. 
Vladislav hatte eine Unterstützung Ludwigs erwartet und Ichlofs^ 
da sie ausblieb, schon im Jahre 1372 Frieden mit dem türkischen 
„Emir^^. Als dann der König wieder einen heiligen Krieg plante, 
mufste er seine Grenzen gegen die Walachen verteidigen. Im 
Jahre 1374 sprach man in Ungarn sogar von einem „ Bündnisse '^ 
zwischen Walachen und Türken und von einer Übergabe der 
Feste Nicopolis seitens der letzteren an die ersteren. Zuletzt ent- 
brannte noch einmal, und zwar deswegen, der letzte Krieg zwischen 
Vladislav und Ludwig. Zu 1376 erwähnt eine ungarische Ur- 
kunde den Johann Trentul als Ban von Severin — Eekuperations- 
ban in spe wahrscheinlich — , aber der Einfall mifsglückte, und 
Vladislav starb, wie er regiert hatte: unabhängig. 

Einmal zeigt der walachische Fürst seine Freundschaft gegen- 
über dem königlichen Nachbarn dadurch, dafs er bei den Heiligen 
Stephan, Ladislaus und Emerich schwört, was dem katholischen 
Bischof von Arges angenehm klingen mochte, aber nichtsdesto- 
weniger war er im Herzen ein hartnäckiger Schismatiker. Seinern 
Sohne Badul gab er eine Prinzessin zur Frau, die, nach ihrem 
Namen Kallinikia zu urteilen, griechischen Blutes war ^). Anderer- 
seits war Kyratza, die Tochter des Zaren Alexander, schon 1355 
die Frau des byzantinischen Kaisersohnes Andronicus '). Da- 
bei hat Vladislav, wie sein Vater Alexander, die rumänische 
Kirche in der alten hergebrachten Weise organisiert. 






i 



1) Arch. ist. I, S. 20. Vgl. Stefalescu, Tismana, 2. Ausg. 1903, 
B. 162; Jorga, Operele lul C. Cantacuzino, S. 24. 

2) Acta patriarchatus I, S. 432->433. Ygl. Jire6ek, Geschichte der Bal- 
garen, S. 321 und Anm. 9. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründung des Fürstentums Moldau. S7& 

Für die Rumänen existierten eigentlich nur zwei Arten von 
Geistlichen: popl und vlädicl. Der Vorsteher eines Klosters 
wurde auch popä genannt, aber wenn dieses Kloster eine höhere 
Bedeutung hatte, dann trat dessen Abt alsVlädicä, Bischof, vor 
das Volk; es konnte auch vorkommen, dafs ein fremder Bischof 
in den rumänischen Ländern seine Zuflucht gesucht hatte, und wurde 
ein solcher Klostervorsteher, dann war der Bischofstitel für ihn eher 
gerechtfertigt ^). Aber alle diese Bischöfe, die bei kleinen hölzernen 
Bergkirchlein und etlichen Mönchzellen residierten, waren fiir 
die morgenländische Kirche ebenso wie für die katholische des 
Westens, nur pseudoepiscopi, die von niemand als von 
den bäuerlichen Priestern anerkannt wurden und deren Namen 
in kein hierarchisches, slavisches oder griechisches Verzeichnis, ein- 
geschrieben sind. 

Das genügte aber Alexander für das politische Ansehen seines 
Staates nicht, und um der Ausbreitung der lateinischen Kirche 
Schranken zu setzen, brauchte der Wojwode andere Ej'äfte als die 
der volkstümlichen Vlädicl. Um richtige Bischöfe zu bekommen, 
konnte er sich an den neubulgarischen Patriarchen von Tmowo 
wenden, oder an den altbulgarischen von Achrida, noch besser 
an den von dem „Kaiser'^ Duschan eingesetzten Patriarchen von 
Ipek, den geistlichen Oberhirten für das serbo-romäische Zaren- 
tum^ und endlich an den ökumenischen Patriarchen von Kon- 
stantinopel. Das Schwierige an der Sach^ war, dafs durch die 
Anerkennung der geisthchen Oberhoheit irgend eines Patriarchen auch 
die des betreffenden weltlichen Dynasten in gewissem Gfrade mit 
inbegriffen war ; doch meinte Layko offenbar, dafs der am wenigsten 
Geföhrliche immer noch der entfernte Byzantiner sei ^). Übrigens war 
die Zeit günstig fiir die konstantinopolitanischen Patriarchen, die 



1) Im 16. Jahrhundert trifft man einen Ylädicäin Tänganul; im 17. einen 
Bischof Antonie in Arge^; Ar eh. ist. I, S. 35, 105. Vgl. den Fall mit dem 
griechischen Bischof Marcus im siebenhürgischen Dorfe Feleac, Fleck, in Säte §i 
preo^I, S. 319 ff. und weiter unten. Bezüglich der Bischöfe von Strehaia s. B i a n u , 
in der Denkschr. der rum. Ak., 1904« 

2) Das Patriarchat yon Achrida war absichtlich Ton den Byzantinern schon 
1272 wiederhergestellt worden; Jiredek, Geschichte der Bulgaren, S. 274 und 
Geizer, Patriarchat von Achrida (1902). 

18 ♦ 



S76 1. Kapitel. 

gerade damals hier und da verlorene oder veraltete Rechte wieder 
an sich brachten. Strasimir^ der Schwager VladislavS; lag mit 
seinem Bruder §i§man in Streit und war kein Freund der Serben; 
dies bewies er auch dadurch, dafs er sich in kircUichen Ast- 
gelegenheiten von Tmowo, Achrida und Ipek frei machte und für 
Widdin, wie auch fiir das 1371 auf kurze Zeit eroberte Sofia die 
Oberhoheit des konstantinopolitanischen Stuhles anerkannte ^). 
Selbst der serbische Despot Johann Ugljesa; der Nebenbuhler 
Vukaäins, hatte übrigens das Vergehen Duschans gegen die Hie- 
rarchie gutgemacht und sein usurpiertes Qebiet dem alten Pa- 
triarchen des ganzen europäischen Ostens wieder untergeordnet^). 
Bei der Einnahme des Reiches von Halitsch hatte endlich König 
Kasimir ,,mit seinen Knezen und Bojaren des russischen Landes'' 
ebenso von Konstantinopel die Weihe des Metropoliten von 
Halitsch^ Antonius mit Namen, begehrt ^). 

Schon im Jahre 1359 entschlofs sich der Patriarch, auf inständiges 
Bitten des Wojwoden Alexander, mit Genehmigung des Kaisers, 
der in guten Beziehungen zu dem „Grofs wojwoden und Herrn 
(av&ivrriQ) von Ungrowlachien" stand, einen Metropoliten für den 
neuen Staat an der Donau zu ernennen. Das Land hatte keine 
gelehrten Priester, die diese Würde hätten anstreben können^ so 
dafs Alexander einen benachbarten Prälaten, den er vielleicht 
schon manchmal beherbergt hatte, als aQxugevg verlangte: es war 
dies der Metropolit Hjrakinthos von Vitzina oder Viöina an den 
Donaumündungen, wo es gewifs keine geeignete Bischofsresidenz 
gab. Vielleicht war dies derselbe Mann, der einige Zeit vorher 
wegen Aufnahme der „ Alanen '^ ins byzantinische Reich unter- 
handelt hatte. Ihm wurde der Titel eines Metropoliten von 
„Ungrowlachien" verliehen, und da er die Exarchen würde be- 
safs und das Land in der ersten Zeit fast nur aus den Berg- 
abhängen, den plaiurl^), bestand, erhielt er noch den weiteren 
Titel: e^aQXOQ ^ÖJ' ^Aayijycöy. 

1) Acta patriarchatus I, S. 551; Tgl. Jireöek, S. 338—339. 

2) Ebenda S. 560ff. 

3) Ebenda S. 577—578. 

4) Sl. n.iaHHHa; ygl. den Namen „Floniny" in der Erzählung der Schlacht 
von „1359" zwischen Moldauern und Polen bei Dlugosz. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründang des Fürstentums Moldau. S77 

r 

Aber in seinen letzten Jahren hatte Hyakinthos das Unglück^ 
leinen Herrn^ den Patriarchen gegen sich zu reizen^ vielleicht weil 
BT sich gegenüber der klagen Politik des Wojwoden Vladislav 
als zu schwacher Verteidiger der Orthodoxie zeigte. Er wurde 
n&ch Konstantinopel gerufen^ um dort eine Untersuchung zu be- 
stehen, lehnte dies aber wegen Altersschwäche ab. Doch wurde auf 
sein ausdrückliches Verlangen der Priester Daniel Eoitopulos, auch 
ein Grieche, der den Titel dikaiophylax der „Grofsen Kirche" 
tmg und sich neben seinem ,, Bruder '' Hyakinthos im Wlachen- 
lande befand, zum Patriarchen geschickt, um sich zum Metropoliten 
ernennen zu lassen. Dies schien aber dem Okumenikus zu hart, 
und so bekam Daniel, als Mönch Anthimos, nur einen „Teil von 
XJngrowlachien '', wobei er dem Hyakinthos ausdrücklich als Ge- 
hilfe zur Seite gestellt wurde und versprechen mufste, seinen 
vitzinisch-ungrowlachischen Vorgesetzten nicht beunruhigen zu 
wollen. Erst später, dank neuer Verwickelungen in dem politi- 
schen Leben des Fürstentums, wurde für Anthimos, den bisherigen 
Soffragan ohne Sitz, eine neue bestimmte Stellung geschaffen ^). 

Ajber damit gab es immer noch keine Schule für einheimische 
Priester und Gelehrte, und diese brauchte das aufstrebende Fürsten- 
tum ebenso nötig wie eine festgeordnete Hierarchie des Ellerus. 
Diese Griechen sorgten nur für sich selbst, und das Patriarchat 
hatte gewifs keine Lust^ eine neue Heimstätte für die Pflege 
slavischer Kultur zu gründen. Das geschah vielmehr auf andere 
Weise. 

Im ganzen Morgenlande waren die griechischen Klöster be- 
rühmt. Dies Beispiel ahmten die Bulgaren, die in ihrer Kirche 
eine griechische Herrschaft erlebt hatten, im 13. Jahrhundert nach: 
so entstand die glänzende „kaiserliche^' Mönchsgemeinschaft von 
Bylo und eine Anzahl von Kirchen mit Zellen für Mönche neben 
der Hauptstadt Tmowo. Die Serben wiederum, mit höherem, aus 
dem Abendlande überkommenem Sinn für die Kunst, bauten sich 
. besonders im 14. Jahrhundert schöne, reiche Klöster inmitten 
blühender, fruchtbarer Landschaften. In der Zeit, als das Reich 
Duschans dem Verfall entgegenging, lebte und wirkte im Lande 



1) Acta patriarchatus I, 8. 383 ff., 532 ff. 



S98 1. KapiteL 

des Knezen Lazar ein groifier Eroberer auf einem ander/ 
biete: der |,pop Nikodim^' pfl^e von den Mächtigeii «dsr W< 
Geld zu erbetteln y um in einheimischen oder fremden Gebietes 
Gotteshäaser in der Einöde zu erbauen. Dmrch seine Bestrebungen 
entstanden im Bannkreise von Jiiti auf felsigen Gründen, im hei- 
ligen Frieden der ernsten, tannenbedeckten Karpathenhöhen, das 
grofse Kloster Tismana, der Mutter Gottes gewidmet, und das 
kleinere Vodita, über dem Sankt Antonius, der Patron der Ein- 
siedler, als Schutzheiliger wachte. Als der serbische Erlöster- 
erbauer erschien, herrschte noch Vladislav (Layko) in Arge^, und 
neben vielen Dorfschenkungen vom Knez Lazar erhielt die fromme 
Stiftung Vodita vom walachischen Grofswojwoden Acker und 
Wälder, Fischereirechte in der Donau towie lährliche Geschenke an 
NahronU^itteln und Kleidern, und endüch, was immer zu ge- 
schehen pflegte, Ansiedelungen (säla^e), d. h. Familien von ,yA^- 
ganl'^ (Zigeunern). Badul und seine Frau Eallinikia folgten dem 
Vorbilde ihres Vaters, und ebenso Dan, der älteste Sohn und 
Nachfolger Raduls, der sich allerdings auch vom „ Popen '^ Geld 
geben Uels, ehe er seine „ Schenkungen'^ machte. Alle diese 
Herrscher verzichteten bei Gelegenheit dieser Schenkungen zum 
ersten Male auf einige Rechte, die sie überall in dem ganzen 
von ihnen beherrschten rumänischen Lande besafsen. So entstand 
eine Art von „toter Hand'' in diesem Winkel des Morgenlandes, 
wie dies übrigens auch jenseits der Donau geschehen war. Nie- 
mand durfte nun den Grund des Klosters noch betreten, sei es, 
um seine Herden zu weiden, sei es um im Namen des Landes- 
herm Steuern, Lieferungen und Dienste zu fordern oder Recht 
zu sprechen. Kein Fremder besals das Recht, Mühlen zu bauen 
oder Wein zu keltern und zu verkaufen. Die Brüder, die sich 
in „Gelehrte", Schriftgelehrte, Kalligraphen, diaclfur die ftirsiUche 
Kanzlei, und „Einfache" gliederten ^), von denen letztere das Feld 
bebauten und alles Materielle besorgten, hatten das Recht, ihren 
„egumen" zu erwählen: dieser war absoluter Herr im Gebiete des 
kleinen Mönchstaates, wo man zu Ehren Gottes sang, schrieb und 
arbeitete '). Beide Klöster wurden dann vereinigt, und seitdem 

1) Vgl. Archivaistoricä I», S. 26-27. 

2) Vgl. ebenda, I, S. 140-141. 



Kämpfe gegen Ungarn usw. Gründung des Fürstentums Moldau. S79 

iderm^ot über Tismana wie über Vodi^a derselbe Nachfolger des 
g^lerdienstvoUen^ kulturbriDgenden Popen ^). 

Kadul und Eallinikia hatten zwei Kinder^ Dan und Mircea^ 
die beide altrumänische Namen tragen. Bisher war die Frage 
der Thronfolge 9 da immer nur ein Erbe dagewesen war, nicht 
aktuell geworden, jetzt aber wollte jeder von den Brüdern die 
Herrschaft. Mircea besafs sie zuerst, wurde dann aber von Dan 
besiegt und vertrieben. Der Sieger mischte sich in die inneren 
Kriege, die Ungarn nach dem Tode des grofsen Königs Ludwig 
im Jahre 1382 spalteten: der benachbarte ungarische Banat, wo 
: man in dieser Zeit immer ungarischen Bauen begegnet, kämpfte 
für den neapolitanischen Prätendenten Ladislaus gegen Sigmund 
i von Brandenburg, den Gemahl der jugendlichen Königin Maria, 
: einer der beiden von Ludwig hinterlassenen Töchter. „Eine grofse 
Anzahl von Walachen" half den empörten ungarischen Grofsen: 
darunter sind auch die Bojaren Dans zu rechnen, der in das Ge- 
biet der Burg Mehadia („Myhald") eindrang; er strebte wie sein 
■ Grofsvater den Besitz von Severin an, und die Burg ist vielleicht 
; in seine Hände gefallen, denn unter den Förderern des frommen „ Pops '^ 
: von Tismana erscheint auch der Ban Lucacl, der nicht von der 
: ungarischen Krone eingesetzt ward *). Im Oktober 1385 lebte 
s und urkundete noch Dan; im Jahre 1387 war schon Mircea 
^ Herrscher. Sein ehrgeiziger Bruder nahm seine Zuflucht zu Sis- 
! man, dem Bulgarenzaren, der ihn später, im Jahre 1393, ermorden 



1) Ygl. aber die Entstehung der walachischen Klöster Archiva istorical^, 
^ S. 17, 19—20; m, S. 192; Hasdeü, Ist. criticä, S. 127fif. Zuzeiten 
t' \?ar die „manastirea Domneasca" von Cimpulung nur eine Kirche ohne 
; Mönche, Cozia im walachischen Banate und Cotmeana wurden von dem späteren 
, Fürsten Mircea gegründet. Bistri^a, in derselben Gegend der Karpathen, ver- 
dankt seine - Gründung einer mächtigen Familie von dortigen Grofsbojaren. 

' S. weiter unten. — Ober Nikodim vgl. Buvarac im Archiv für slavische 
'' Philologie, Bd. XI. Beschreibungen rumänischer Klöster gibt es für Snagov 
( und Brebu von Mandrea (Bukarest 1900, 1902), für Cozia von P. An- 
^ tonescu (Literatura §1 arta romina; Separatabdruck 1903). Über Curtea de 
', Arge^ 8. unten. 

2) Vgl. Hurmuzakil», S. 300, 301, 302 ff., 308; Archiva istoricä IS 
S. 20; vgl. meine Lupta pentru stSpinirea Yidinulul, S. 998. 



280 2. Kapitel 

liefsy vielleicht um den Türken einen Gefallen zu tun ^). Eine 
neue Zeit für die Walachei beginnt mit diesem tapferen und 
schlauen Organisator. 



2. Kapitel. 

Die eigentliche Organisation der rumänischen Staaten, 

durch Mircea in der Walachei und durch Alexander 

in der Moldau. Innere Streitigkeiten zwischen den 

Bewerbern um die Ffirstenkrone. Tfirkenkämpfe. 

Als Mircea die alleinige^ unbestrittene Macht in seine ge- 
schickten Hände nahm^ um sie dreifsig lange Jahre beinahe immer 
glücklich zu handhaben — er wurde nur einmal besief^t und ver- 

scheint immer als ,, dominus ^^ seines Landes — , waren die Grenzen 
überall, im Norden wie im Süden ^ noch offen und harrten der 
Verschiebung durch einen vorwärtsstrebenden neuen Herrscher. 
Erst im Jahre 1387 erhielt der Prinzgemahl Sigmund die 
Statthalterschaft in Ungarn nach sieben Jahren der Anarchie. 
Nachdem er Ungarn wieder geeinigt hatte, warteten auf ihn lang- 
wierige Kriege mit den Türken, zu deren Entfernung er die 
Kräfte des walachischen Wojwoden unumgänglich nötig hatte. 
Jenseits der Donau starb gegen 1385 Dobrotig von Vama, und 
sein Nachfolger Ivanko führte' nur eine kurze unbedeutende Re- 
giemng, deren Ende sich nicht näher bestimmen Mkt giämim 
von Tmowo zeigte sich unfähig, den Türken Widerstand zu leisten. 
Strasimir von Widdin lebte immer in dem Dunkel seiner Ohn- 
macht. Der ehemalige bosnische Ban Tvrtko, der zum Knd 
ausgerufen ward, war in der Tat mehr König von Serbien, wie 
er sich auch nannte, als der fromme, schwache Lazar, dem der 
Märtyrertod auf dem Schlachtfelde gegen die Heiden beschieden 
war. Schon 1386 oder 1387 waren die Krieger des ruhmvollen 
alten Sultans Murad in Serbien eingedrungen, und weil das bul- 



1) Vgl. Hasdeü, a. a. 0.; bulgarische Annalen, verofifentlicht von J. Bog- 
dan im Arch. f. slay. Philologie XTTT; Litzica in dem schon zitierten Omaginl 
Maiorescu, meistens nach n c i u 1 , Orig. princ. Vgl. Studil §ii docnmente III, S. it. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 281 

garische Brüderzarenpaar Hilfe gegen den christlichen Nachbarn 
▼erweigert hatte, wurden zugleich Vorbereitungen auch gegen sie 
getroffen. Zwar siegten bei Plo£nik (1387) die slavischen Fürsten 
der Balkanhalbinsel über eine osmanische Streitmacht, doch stand 
diese nicht unter dem Befehle des Sultans selbst, da dieser wich- 
tigere Interessen in Asien zu verteidigen hatte. Im Jahre 1389 
versuchten die Christen bei Eossowo wieder das ihnen scheinbar 
günstige Glück : hier fiel der gefurchtete Murad an ein und dem- 
selben blutigen Entscheidungstage wie der Kral, aber durch 
Mörderhände, die ihm den Genufs des Sieges raubten. Schon 
vorher waren die Türken in der Dobrudscha und an der Donau 
bei Silistrien und Nikopolis erschienen, sie hatten §iäman ge- 
fangen genommen und unter schweren Bedingungen wieder in dem 
schon einmal eroberten Tmowo als Vasallen eingesetzt. Im Jahre 
1391 unternahm der junge Sultan Bajesid einen neuen Feldzug 
gegen das Reich von Widdin. Dann gab es wieder Frieden, 
Nikopolis und Silistrien wurden den Christen zurückgegeben, aber 
von türkischen Grenzbegen wieder überrumpelt. Doch Mircea 
war auch schon im Jahre 1390 „Despot der Länder von Do- 
brotiö und Herrscher über Silistrien'^ und hielt seine Befehlshaber 
dort ^); im Jahre darauf wurde ihm dieser Vorposten jenseits der 
Donau entrissen, als der Sultan persönlich gegen ihn zu Felde zog ^). 
Im Jahre 1393 ward Bulgarien überschwemmt, seine Hauptstadt 
zum zweiten Male eingenommen und nicht wieder zurückgegeben, 
sondern in einen Trümmerhaufen verwandelt ; der letzte Zar kam 
ins Gefängnis und starb dort vereinsamt ^). Der Sultan ging dann 
nach Asien, um dort seine Stellung zu befestigen, und Mircea be- 
nutzte diese Gelegenheit, um ins türkische Bulgarien einzufallen. 
Bei der Rückkehr Bajesids ward er aber vom Sultan selbst in 
der Walachei angegriffen, doch bei Rovine an der Donau, in der 



1) Hurmuzaki I', S. 322. Die Urkunde von „1387'' scheint erst später 
entstanden zu sein. S. Chilia ^i Getatea-Albä, S. 61 — 62. 

2) Türkische Annalen: in lateinischer Übersetzung yon Leunclavius, in 
deutscher yon Nöldeke, Zeitschrift der deutschen inorgenländischen Gesell- 
schaft XV, 8. 333, in ungarischer von Thurj. Vgl. Chilia ^1 Getatea-Albä, 
S. 65. 

3) Jireöek, Geschichte der Bulgaren, S. 346 ff. 



282. 2. EapiteL 

sumpfigen üfemiederangy wurden die Türken geschlagen ^ und die 
serbischen Fiirsten, Marko und Konstantin^ die ihren heidnischen 
Herren notgedrungen gefolgt waren, fielen in dem ihnen un- 
erwünschten Kampfe. Jedoch nach dem Siege zog sich der 
viel zu schwache Mircea zurück, nahm seinen in Arge^ auf- 
gehäuften Schatz mit sich und entfloh über die Berge zu jenem 
selben König Sigmund, gegen den er sich erst 1390 mit dem pol- 
nischen König und Bewerber um Ungarn, Vladislav von Litauen, 
durch einen förmlichen Vertrag verbunden hatte ^). Sigmund 
seinerseits hatte nicht vergessen, neue Namen in die veralteten 
Verzeichnisse der ungarischen Baue des Severiner Banats ein- 
zutragen, und wünschte zweifellos einen Karl Robert oder Ludwig 
den Groüsen als Eroberer nachzuahmen. Jetzt aber hatte die 
drohende Gefahr alle diese Gedanken verscheucht, denn seit 1391 
war Ungarn selbst von türkischen Plünderungszügen heimgesucht 
worden, und nach der Flucht Mirceas herrschte in der fürstlichen Burg 
der Ebene, in Dimbovi^a, ein gewisser Vlad, der von einer türkischen 
Besatzung unterstützt, beziehungsweise bewacht wurde. In Kronstadt 
schlofs am 7. März 1395 der König mit dem Wojwoden einen Ver- 
trag, um die Donaugrenze für die Christenheit wieder zu erobern '). 

Aber Mircea hätte ebensogut der Weg nach der Moldau offen- 
gestanden, um den Türken zu entkommen. Um zu verstehen, 
warum er ihn nicht benützt hat, warum kein einheitliches Vor- 
gehen der beiden rumänischen Fürstentümer in dieser Zeit des 
Kampfes um die Unabhängigkeit und das Leben Platz gnS, 
warum denselben nach kurzem Leben die Zukunft verschlossen 
blieb und ihnen ein träges Vasallenverhältnis drohte, mufs man 
den Ereignissen in der Moldau näher treten. 

Bogdan, der Begründer des Staates, starb bald und hinter- 
liefs zwei Söhne. Der jüngere wird in einer späteren rumänischen 
Beimchronik nach älteren Aufzeichnungen „Fedor Bogdanovicl^' 



1) Harmuzaki I', a. D. Vgl. die Erzählang nach serbischen Annalen 
und der türkischen Chronik bei Jireöek, Zar Würdigung der neuentdecktea 
bulgarischen Chronik (Archiv für slavische Philologie XIU, S. 538—539) und 
ChUia 9i Cetatea-Albä, S. 65—66. Dazu Fhrantzes, S. 82—83. 

2) Vgl. Chilia ^i Cetatea-Albä und dazu meine Anmerkung in Conv. literare, 
1901, S. 475—476 über eine SteUe in den Mon. Hung. Yaticana. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 28S 

genannt^): er ist gewifs identisch mit den ^,dax Chodor", der 
1397 seine eigenen ^^homines^^ in dem Lande des Fürsten Stephan, 
d. h. in der ganzen Moldau , hatte ^). Der älteste Sohn Bogdans 
und seiner Frau Marie ') hiefs La^o (Latzko) — dies ist ein 
ungarischer Name — und hatte eine gewisse Anna zur Frau. Elr 
hing völlig vom polnischen Könige ab und ihm zu Ge&llen 
empfing er sehr wohlwollend die Franziskanermissionare , die 
1370 ein katholisches Bistum zu Seret errichteten, denn bis dort- 
hin hatte sich die Macht des moldauischen Fürsten ausgedehnt. 

Als La^o starb, herrschten im polnischen Nachbarreiche 
anarchische Zustände, denn Kasimir war gestorben und der 
ungarische König Ludwig konnte das Erbe nur unter Schwierigkeiten 
antreten. Andrerseits mischten sich die Litauer in den Streit, da sie 
Galizien für sich begehrten. Unter diesen Umständen fanden auch 
die Moldauer Gelegenheit zu einem Dynastiewechsel und Prätendenten- 
streit, obwohl sie Besseres zu tun gehabt hätten. Die capi- 
tanei und milites, d. h. dieVitezI oder Ritter marmorosischen 
Ursprungs, die marmorosische Namen tragen, wie: Drago^, nach 
dem „die Felder von Dragof " heifsen, Grozea, Mihal Ivani^, Roman, 
Costea, vielleicht auch Domuncu^, dessen Namen eine Legende 
mit dem Beginne des Fürstentumes in Verbindung bringt ^), 
Andras, Jurj *), — sie alle fanden dabei die erwünschte Ge- 
legenheit zu tapferem Streiten. Ebenso ging es den Grofsen in 
dem moldauischen Lande, einem Niatedul, einem Drägoiü, einem Costin, 
einem Ori? oder Orä^, die alle — nach den Namen zu urteilen — 



1) S. die folgenden Anmerkungen. 

2) „Duds Chodor homines in terra nostra existentes "f Pro chaska, Codex 
diplomaticus Witoldi, S. 43. 

3) Dosoftel, moldauischer Metropolit des 17. Jahrhunderts, in seinen 
versifizierten geschichtlichen Aufzeichnungen, nach yerlorengegangenen Kirchen- 
pomelnics, wiedergegeben auch inBianu^iHodo^, Bibliografia rominä, S. 265. 

4) Bandini, S. 306. Die drei Brüder Domucus, Yolcha und Drago^ 
ziehen zur Auerochsenjagd — die Fabel bezweckt die Erklärung des Landes- 
wappens — gerade wie die „ungenannten Fürstensöhne" der Tiel bekannteren 
Erzählung, die der gleichzeitige Chronist U r e c h e überliefert. Kogälniceanu, 
Letopisete I, S. 131. 

5) Vgl. Jurj Fogan, Edler in Marmoros, Ende des 16. Jahrhunderts; 
Doc Bistr. I, nr. 2. 



S84 2. Kapitel. 

dem emheimischen Elemente angehört haben ^). Es gab aber auch 
in dem neugegrundeten Fürstentume Baia-Cimpulong-Rädäa^I mit 
seinem beschränkten Gebiet und mit seiner spärlichen Bevölkerung 
neben ^^ ungarischen^^ Lehnsleuten, die mit dem Eroberer gekommen 
waren 9 freie Bauern in den Bergen und Tälern , endlich säch- 
sische Ansiedler, Sa^I, in Baia, Sasca und an anderen Orten sowie Ar- 
menier oder deutsche in Siretiü, — im östlichen Teile sogar russische 
Volksfiihrer, die sich an der Grenze des alten russischen Staates 
niedergelassen hatten. Zu den Russen mufs man einen Ste^ 
rechnen, femer einen Stanislay und einen loan Stravicl, der sich 
sogar «) ein Siegel mit kteinischer Umschrift anfertigen Hefs. Für 
solche Leute schien es an der Zeit, den „ fremden ^^ Empor- 
kömmling mit einem litauischen Fürsten alten edlen Blutes als 
Herrscher zu vertauschen. So riefen sie und „brachten heim'^ 
— sagt die litauische Chronik ') — den Enez Jurij Eoryatowicz; 
dieser entstammte ^derselben Familie, die den Herzog Alexander 
Michael von Galizien, den Vertreter des polnischen Königs, und 
den „dux^^ Theodor hervorgebracht hatte; letzterer erwarb die 
Herrschaft über die Ruthenen im marmorosischen Lande in den- 
selben Tagen, wo in der Moldau das Fürstentum entstand^). 
Neben diesem Bewerber um die moldauische Krone, welcher bald, 
vielleicht durch eine Mordtat, verschwand ^), trat ein anderer auf, 
Stephan mit Namen, der also geradeso heifst wie der Neffe 
Bogdans, mit diesem aber nicht verwechselt werden darf ^). Er 

1) Vgl. die Urkunden des 14. und 15. Jahrhunderts bei Orest Fopes- 
cnl, in Archiva istoricä und Hurmuzaki I', slavischer Anhang. 

2) Prochaska, a. a. 0. 

3) Letopisiee litwy, Wikia 1827, S. 50; zitiert bei Hasdeü, Ist critica, 
8. 90. 

4) Alle waren Brüder. S. Basilovics, Brevis notitia fundationis Theo- 
dori, usw., (Easchau, 1804, 2 Bde.). 

5) Vgl. die Nachrieht bei Stryjkowski — auch in Arch. ist. n, S. 7—8 — 
über die Begräbnisstatte von Jurij in einem übrigens unbekannten Erlöster in 
der Nähe von Birlad. Die dadurch von Hasdeü ins Leben gerufene Fäl- 
schung (in Foita de istorie, Mai 1860, S. 67—68 und Ist. criticä, S. 89, An- 
merkung 1) ist in meiner Vorrede zu dem 5. Bände der Studil ^i doc. gehörig 
beleuchtet worden. Vgl. aber G. Popovicl in dem Prinos Sturdza (Ba- 
karest 1903), und in seinem oben S. 249, Anm. zitierten Werke. 

6) S. Mihalyi, S. 26—27. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten and T&rkenkämpfe. 28S 

starb auch bald darauf, vielleicht ohne überhaupt einmal an- 
erkannt gewesen zu sein: wenigstens fehlt sein Name in aUen 
Fürstenverzeichnissen; die sich in den späteren Chroniken finden ^). 
Zwei Söhne dieses ersten Stephan und einer katholischen Prinzessin, 
Margarete oder Mu^ata *), einer Verwandten König Ludwigs, P«ter 
und Stephan, stritten danach miteinander um die Herrschaft, 
wobei Stellvertreter des ungarischen Königs im galizischen Distrikte 
fiir Stephan, als den älteren Bruder, Partei nahmen; doch infolge 
einer KriegsUst — er sägte die Bäume an, so dafs sie auf das 
mühsam durch die Wälder vordringende Heer des Gegners nieder- 
stürzten, — gewann Peter als der klügere den Sieg *). Der 
Dynastiewechsel in Polen, der inmitten grofser Schwierigkeiten vor 
sich ging, half Peter, dem Sohne der Mu^ta oder Margarete und 
wie La^co „dux terrae Moldaviae'^, im Anfange sogar „durch 
Gottes Gnaden^', seine Stellung befestigen. Im Jahre 1384 sieht 
man, wie er der von seiner Mutter erbauten Kirche der Prediger- 
mönche in Siret das Recht, das „pensatorium'^ zu erheben, d. h. die 
Einkünfte der Wage ftir Handelswaren, schenkt ^). Drei Jahre später 

1) Dagegen enthalten die Verzeichnisse einen Gostea, bei dem sich aber 
nicht sagen läTst, ob er zur Familie Latcos oder za der neaen Dynastie ge- 
hört. Jorij hatte wahrscheinlich die Tochter La^s, Anastasia, geheiratet; diese 
Ehe blieb aher kinderlos. Melchisedek, in An. Ac. Rom. YII; meine Ist. lit. 
rom. II, 8. 532, Anm. 1; Kozak, Die Inschriften aus der Bukowina, I, Wien, 
1903: Eadautz, Nr. vm; meine Studil 9i doc., VI, S. 626-627. 

2) Sie heifst in einer Urkunde ihres Sohnes Eoman von 1392 Mu^ata; 
Oncinl, in Bev. p. ist., arch. ^i fil. YII, S. 369. Daneben Margarete in 
einer anderen Urkunde ihres anderen Sohnes Peter, Studil ^i doc. I— II, S. tt.ty; 
Conv. lit. April 1904. In der einheimischen Chronik hedeuten die Worte 
CBIHL MoymaTHHB ebenfalls: Sohn der Mu^ata; Bogdan, Vechile Cronici, 
S. 143. Stephan hiefs auch der Sohn einer Schwester von Feter, Eoman und 
Stephan; Onciul a. a. 0. 

3) So kann die Erzählung hei Dlugosz über einen angeblich 1359 statt- 
gehabten Kriegszug, wohei auch eine Stelle ans dem Leben des Erzbischofs Oles- 
nicki von Callimachus heranzuziehen ist, mit anderen einheimischen, auch ur- 
kundlichen Nachrichten in Einklang gebracht werden. Ygl. Czolowski, Po- 
czs^tki Moldawii i wyprawa Eazimierza wielkiego r. 1359 ; Ewartalnik historjczny 
IV, Heft 2, 1890 und J. Bogdan, in Conv. literare XXIY, S. 538 ff. 

4) Sadok Bari^cz, Bys dziejow zakonu kaznodziejskiego w Polsce, (Lem- 
berg 1861), U, S. 499: die Stelle ist in der Yorrede meiner Studil ^i doc. 
I— n, abgedruckt. 



1 



S8< 2. Kapitel. 



wurde der litauische Herzog Jagiello Christ ; als Wladislaw heiratete er 
die Königin Hedwig, die Tochter und Erbin des 1382 gestorbenen 
Königs Ludwig, und erwarb mit ihr auch die polnische Krone. Gleich 
darauf ging Peter nach Lemberg, traf dort den neuen Herrscher 
und schwor als ^^Wojevoda muldaviensis'^ in die Hände des Me- 
tropoliten von Eaew den Eid der Treue Wladislaw, dem ^^Grols- 
f&rsten und Erben von ReuTsen^', dem er überallhin Heeresdienste 
▼ersprach ^). Der ,,capitaneus'' Dzula, der ,,mar8calcus'' Drägoiü 
und auch die anderen Bojaren ohne besondere Titel, Stenczel oder 
Stanislav, bekräftigen durch ihren Eid den ihres Wojwoden *). 
Im Jahre 1388 macht auch Peter im Verein mit seinem Bruder 
und Mitregenten Roman ') zugunsten des sehr bedrängten oder 
hilflosen polnischen „Verwandten '' und Oberherm eine Anleihe 
▼on 3000 genuesischen Silbermünzen; ftir den Fall, dafs die Rück- 
zahlung nicht zum festgesetzten Termin erfolgen sollte, verpfiiiidet 
ihm der König das ganze Gebiet von Halitsch. Selbstverständlich 
ward in so aufgeregter Zeit das Geld nicht zurückgegeben, aber 
statt des entfernten Halitsch bekam Peter jenseits der „alten 
Grenzen'^ seines Landes den Bezirk von Szepenik, der mit seinen 
„gorodi^^, worunter Czeczjn (nahe bei dem heutigen Czemowitz) und 
Chmielow, vielleicht auch Hotin inbegriffen waren, zu einer Starostie 
nach polnischem Muster eingerichtet wurde : polnische Zöllner warteten 
nun auf die Kauf leute inKolomea, der Hauptstadt des pokuczischen 
Landes, und der alte Grenzjahrmarkt wurde von Boto^anl nach 
Szepenik und dem benachbarten Dorfe Len^^tl verlegt ^). Von der 
Seite des Gebirges aus, wo bis tief hinein nach Galizien kernige, 



1) Hurmazaki 1', Faksimile nach dem im HauptarchiTe zu Moskau be- 
findlichen Originale. 

2) Ebenda S. 297. 

3) Als Mitregent (er gibt ein offizielles Zeugnis in einer Streitigkeit) auch 
1386 erwähnt; Gzotowski, Pomniki Lwowa I, nr. 350. 

4) Vgl. die Akten für die Anleihe in den Akty zapadnoi Bossii I, S. 22; 
rumänisch in Arch. ist I, S. 177; dann das Versprechen von Iva^oo, dem 
Sohne Peters, 1400, dafs er den szepeniker Distrikt zurückgeben wird; Hur- 
muzaki I', S. 820—821; vgl. auch die Nummern 668 und 682. Endlich die 
Marktordnung von 1579 in Arch. ist. I^, S. 172, nach Zubrzycki, Kronika 
miasta Lwowa, S. 204. Vgl. auch die abweichende Meinung von G. PopoyicIinOma- 
giulMaiorescu,S. 476 ff. und Gout. lit XXXIV, S.432, wie dessen Bechtastudien. 



I>ie eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Tarkenkämpfe. 287 

ursprünglich rumänische Namen für die meisten Gipfel vorkommen, 
'waren die „neuen Grenzen'^ keineswegs ein fremdes Gebiet. 

Durch Vermittelung Peters wurden dann Beziehungen mit 
dem benachbarten Wojwoden des ,, bassarabischen Landes^', des 
Landes Bäsärabäs, angeknüpft. So kamen schon 1389 zwei Bo- 
jaren, comites, desMircea, Manea und Roman, Sohn des Fierea 
d. h. Fierescul, nach Polen und stellten im Verein mit dem mol- 
dauischen Bojaren Drägoiü Punktationen fest, vermöge welcher 
ihr Herr dem polnischen Könige gegen Ungarn beistehen sollte, 
während andrerseits dem rumänischen Fürsten Truppen im 
Kampfe gegen denselben Staat und ,yfreundliche Hilfe'^ g^g^n andere 
gewährt werden sollte. Eine feierliche Urkunde wurde aber nicht 
unterzeichnet, und im Jahre 1390 erschienen in Suczawa, einer 
neuen Eroberung und neuen Residenz Peters, Roman und ein 
„Radius Gadky'^ — wahrscheinlich der Ban Radu, der später 
nach England auswanderte ^), — mit sehr hochmütigen Bedingungen 
von selten Mirceas, der die Südgrenze seines Gebietes jetzt 
gesichert glaubte. Der Krieg gegen Ungarn mufs auch von den 
polnischen Räten gutgeheifsen und die Gründe müssen dem Woj- 
woden vorher angezeigt werden ; Mircea wird bevollmächtigt, auch 
im Namen des Königs Verträge mit Sigmund zu schliefsen, und 
es wird eine Strafe für denjenigen, der diese Bestimmungen mifs- 
achten sollte, festgesetzt. Eine neue Frist wurde für die Redaktion 
der endgültigen Urkunde bestimmt^ und so entstand dann der feier- 
liche Vertrag von 1390, der 1391 bestätigt ward, auf der Grund- 
lage vollständiger Parität. Mircea erhielt dadurch das Versprechen, 
dafs seinem von ihm tatsächlich nicht mehr behaupteten Herzog- 
tume Fägärai^, bei glücklichem Erfolge der Waffen gegen Sigmund, 
das dominium von Amla^ (Omlas, Hamlesch), das in einem 
blühenden rumänischen Gebiete jenseits des 01t gelegen ist, an- 
gefügt werden solle, und nennt sich stolz „Ffogoras et Omlas dux^' ^). 
Peter war in dem Vertrage nicht mit Namen genannt : er war ja kein 
Verbündeter, sondern der Wojwode des Königs, und die Erfolge 
der Königin Hedwig gegen die Ungarn in den umstrittenen gali- 

1) Eymer, Foedera, in Arch. ist. 1\ S. 88. 

2) Beste Ausgabe des Vertrages bei Zimmermann-Werner-M&ller II, 
8. 642-643, nr. 1245. 



1 



888 2. Kapitel 



zischen Ländern moTsten seine Treue befestigen. Sein Nachfolger 
Roman folgte zwar Peters Beispiel , aber als ein Krieg zwischen 
Wladislaw und seinem vetterlichen ,, Bruder^' Witold ausbrach, 
zeigte sich der moldauische Fürst schwankend. Übrigens war 
dieser Boman ein unternehmender Mann. Schon sein Bruder hatte 
die Feste Meam^ besessen und liels daneben das grofse Kloster 
Neam^ erbauen ^). Roman selber errichtete dort^ wo die Moldau 
in den Seret mündet^ eine nach ihm genannte ,, Stadt des Wojwoden- 
Roman'^ oder einfach Roman ^). Sein Titel lautet zu einer 
Zeit^ als Sigmund von Ungarn die transalpinischen Verhältnisse 
schärfer zu beobachten anfing und auch Reisen nach Siebenbürgen 
unternahm, sehr feierlich und anspruchsvoll: ,, Grofs-Wojwod und 
selbständiger (caMOA^p^KaBHu) Herr, von Gottes Gnaden Beherrscher 
(pBÄeLfl^SLfl) des moldauischen Landes ^ von den Bergen (cdT 
HJiaHHHLi) bis zum Meere'' '). Diese Begrenzung seines Landes be- 
hält er in seinem Titel auch in dem Huldigungsakte von Sucs&awa, 
1393; wo Roman mit dem vom Könige entlehnten Titel als 
9, Erbe'' seines Landes, das hier das ;; rumänische Land" im all- 
gemeinen heifst; belegt wird ^). Bald nach der Unterzeichnung 
dieser Urkunde ^ in der Roman keine weitergehende militärische 
Hilfe als bis Krakau und ,; Polen", d. h. nicht gegen Litauer und 
Ritter vom Deutschen Orden , versprach , wurde er auf Befehl 
Wladislaws abgesetzt und gefangen genommen: sein Neffe Iva^ 
und vielleicht sein Bojar Vilcea ^vollbrachten die Tat und schleppten 
den Gefangenen mit seinen Söhnen Alexander und Bogdan nach 
Polen ^). Jetzt endlich wurde der ältere feindliche Bruder Stephan 
Fürst der Moldau von des Polenkönigs Gnaden. 

Seit 1391 hatte Mii^cea^ der Fürst der Walachei, durch 
nichts den Beweis erbracht, dafs er mit Polen verbündet sei, obgleich 
er eine ,, Schwester" des Königs im litauischen Sinne, d. h. eine Ver- 
wandte, vielleicht eine Base von ihm, zur Frau genommen hatte, 
so dafs seine Söhne die anenceH, d. h. die Neffen Wladislaws 



1) Arch. i8t.I\S. 140; Jatz im irski, Handschriften yonNeamt(ni88i8di). 

2) Arch. ist l\ S. 18. 

3) Arch. ist. IS 8. 18; Onciul, in Eev. p. ist., arch. 9i fil. VII, S. 367. 

4) Harmnzaki I', S. 816. 

5) Ebenda S. 820—821. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. S8S^ 

waren. Jetzt neigte sich der Wojwode von Argei^ vielmehr der 
ungarischen Partei zu und zwar seit dem Augenblicke^ wo Sig- 
mund die Verteidigung der Donaugrenze gegen die vordringenden 
Türken übernommen hatte ^). Andrerseits sah der polnische 
König in dem Sultan einen natürlichen Verbündeten gegen den ver- 
balsten Schwager^ so dafs Boten nach Adrianopel gingen , um 
einen gemeinsamen Angriff gegen Ungarn zu verabreden. Mircea 
wurde beschuldigt, diese Unterbandlungen seinem neuen Beschützer 
verraten zu haben^ und schrieb aus Giorgiu^ wo er sich im August 
1394 *) als Eroberer „mehrerer türkischer Städte" aufhielt, 
einen entrüsteten Brief^ um diesen Zweifel an seiner B^chtschaffen- 
heit zu widerlegen. Doch nach etlichen Monaten erschien Baje- 
sid, um den feindlichen Nachbarn für seinen Einfall zu bestrafen, 
und als er Mircea vertrieben hatte, fand er keinen besseren Schützling, 
den er als Herrscher an der Donau einsetzen konnte, als denselben 
Vlad, der im Jahre 1396 der ihm vom polnischen König er- 
wiesenen Wohltaten gedenkt und ihm, dem rechtmäfsigen Erben 
von Ungarn, als subditus nach Art der Lehnsleute Treue 
schwört. Einer solchen Demütigung hatte sich bis dahin kein 
walachischer Fürst unterworfen '). 

Sigmund konnte die Herrschaft dieser beiden polnisch-türkischen 
Schützlinge, Stephan und Vlad, nicht dulden. Schon gegen Ende des 
Jahres 1394, wenn nicht früher — in den letzten Monaten dieses 
Jahres tobte der türkisch-walachische Ejrieg dicht an den Grenzen 
seines Reiches — sammelte der ungarische König seine Streitkräfte und 
wollte Stephan persönUch aus der Moldau verjagen; er erzwang 
sich durch den Szeklerpafs den Weg zur Hauptstadt des Wojwoden, 
der, bei „Hindov" — wahrscheinlich Hirlov, Hirläü — geschlagen *), 

1) Ygl. darüber Beckmann, Der Kampf Kaiser Sigismunds gegen die 
werdende Weltmacht der Osmanen, Gotha 1902. Die Ansichten Beckmanns 
scheinen mir aber im Ganzen nicht ri<ihtig za sein. 

2) Der Brief ist undatiert: 1394 ist mir, nach dem Inhalte und dem 
Titel des Wojwoden zu urteilen, am wahrscheinlichsten. Siehe Hurmuzaki I^, 
S. 825-826, nr. 654. 

3) Ebenda S. 374—375, nr. 316« 

4) Hindov in der alten slavischen Chronik, bei Bogdan, Yechile cronicl, 
S. 143 und ebenso auf dem Grabsteine Stephans in Bädäu^I (die Inschrift be- 
nützt aber die Chronik), bei Kozak, a. a. 0., Kapitel „Badautz**. 

Jörg», Gescliicht« der Bnmftneii. 1. 19 



290 2. Kapitel. 

auf den Kampf verzichten mufste. Hirläü scheint er sich 
zur zweiten Residenz für den östlichen Teil seiner Länder aos- 
erwählt za haben^ und dieses wäre, wenn die Annahme richtig ist, die 
fürstliche Stadt, wo Stephan die Oberhoheit Ungarns anerkannte ^), 
doch nur, um gleich darauf, am ß, Januar 1395; feierlich den 
Polen Treue und Hilfe gegen jedermann, Mircea, den walachischen 
Fürsten, mit einbegriffen, zu schwören^). Im Jahre 1395 kam 
der König in die nunmehr türkische Walachei und ging bis zur 
Donau vor, wo er die Türken aus Klein-Nikopolis, Tumu, vertrieb, 
konnte jedoch Vlads nicht habhaft werden; dieser türkische Vasall 
brachte vielmehr dem grofsen „Craiü*' (König), als er sich zurückzog, 
in den Bergen von Posada, im Bezirk Prahova, eine empfindliche 
Schlappe bei ^), deren sich Basarab selbst nicht hätte zu schämen 
brauchen. 

Durch glänzende, aus dem fernen Abendlande zu Hilfe 
eilende Ritterheere unter dem Befehle grofser Herren aus 
königlichem Blute, durch seine eigenen Krieger, die er in gewal- 
tiger Zahl zu einem Entscheidungszuge sammelte, und nichi zu- 
letzt durch die walachischen Anhänger Mirceas hoffte Sigmund 
sich im Jahre 1396 von der türkischen Nachbarschaft zu be- 
freien. Vlad ward durch den siebenbürgischen Wojwoden Stibor 
geschlagen ^) , durch den König selbst wurde Strasimir von der 
türkischen Oberhoheit befreit, das linke Donauufer kam fiir etliche 
Wochen in ungarischen Besitz, aber im September machte der 
grofse Sieg des an die gefährdete Stelle eilenden „ blitzschnellen '^ 
Sultans, die furchtbare Niederlage der Christen bei Nikopolis, alle 
diese grofsen Hoffnungen zunichte ^). 



1) Hurmuzaki I», S. 333, nr. 273; S. 362, 414. 

2) Hurmuzakil*, S.817;Uljanicki,S.8-9;Uricarinlin,S.70— 71. 

3) Erwähnt in vielen Urkunden des Königs, bei Fe j er; die meisten hat 
auch Hurmuzaki I' aufgenommen. Dazu die ungarische Chronik von Jo- 
hann von ThuroGz bei Schwandtner. Vgl. Chilia ^i Getatea-Albä, S. 66. 
Dann die Stellen bei Zimmmermann-Werner-Müller m, und die Notiz 
in Convorbirl literare, 1901, S. 1055. 

4) G. Wenzel, Sztibor Yajda, in den „Dissertationen der ungarischen 
Akademie", Budapest 1874, S. 96 ff. 

5) Vgl. besonders Köhler, Die Schlachten von Kicopoli und Warna (Bres- 
lau 1882). 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Tiirkenkämpfe. 291 

Im Jahre 1397 kam Stibor von neuem, um das walachische 
Liand Mircea zurückzugeben , und diesmal gelang es ihm, den 
Usurpator in Dimbovi^ zu fassen *). Bei der Wiedereroberung 
der Donaustädte Silistrien, Nikopolis und Widdin setzte zwar in 
demselben Jahre auch Bajesid über die Donau, wahrscheinlich 
im bewaldeten Distrikte von Teleorman, aber ein Vordringen 
dordi die rings umher auf nur ihnen vertrauten Pfaden lauernden 
Feinde erwies sich als unmöglich. Solange der Sieger von Ni- 
kopolis lebte, blieb Mircea ein unbezwingbarer Feind für die 
Türken; 1399 urkundete er in Giui^iu *), und 1400 wird ein 
Sieg von ihm erwähnt, den er über einen Teil des türkischen 
Heeres erfocht, das von einem Plünderungszuge nach Ungarn 
zurückkehrte ^). Als Bajesid von dem grofsen Tatarenkaiser 
Tixnur im Jahre 1402 geschlagen und gefangengenommen wurde, 
und der türkische Staat dem vollständigen Verderben nahe 
schien, war Mircea noch immer nicht mit den Türken ver- 
söhnt, und auch diesmal erfüllte er seine Pflicht als Vertreter der 
christlichen Interessen an der unteren Donau ^). Aus seinem Ge- 
birgsneste eilte er herbei, um sich an der Teilung der von 
anderen erruugenen Beute zu beteiligen. Dafs er auch den 
EZrieg fortsetzte, zeigt seine Anwesenheit in Giurgiu, wo er am 
16. September 1403, um seine Zwecke besser verfolgen zu können, 
einen dritten Vertrag mit Polen schlofs ^). Der ungarische König 
hatte in entlegenen Gegenden mit Aufständischen und nicht zuletzt 
mit denjenigen, die ihm die Besitzergreifung seines brüderlichen 
Erbes in Böhmen streitig machten, vollauf zu tun, und für mehrere 
Jahre kümmerte sich deshalb der Ungar nicht um diese „trans- 
alpinischen^^ Gebiete. 

Ein Zusammenwirken der Walachen mit den Moldauern wäre 
jetzt wieder natürüch gewesen. Aber hier war mit der KonsoHdie- 
rung des jüngeren rumänischen Staates im Gegenteil ein Neben- 

1) Wenzel a. a. 0. 

2) Archiva istoricä I, S. 97. 

3) Acte ^i fragmente III ^, S. 4—5. Vgl. dazu Chilia §i Cetatea-Albä, S. 68. 

4) Jorga, Notes et extraits I, S. 116. Vgl. meinen Aufsatz in den 
Cony. lit, Jahrgang 1901, S. 473 ff. 

5) Hurmuzaki I«, S. 824—825. 

19* 



292 2. Kapitel 

buhler entstanden^ der sich nach dem Hinscheiden Mirceas sogar 
als der Stärkere erwies und natürlicherweise die tatsächliche 
Herrschaft über das ganze rumänische Land aüstrebte. 

Es wurde schon gesagt , was für Elemente der ^^herab- 
steigende^/ marmarosische Staatsbegründer ^ descälecätor, vor- 
fand. Das reiche Land war nicht etwa unbesetzt. Die früheren 
Herrscher ; die Tataren , waren zum Teil in der heimatlichen 
Wüste verschwunden und hatten nur etliche Inseln zurück- 
gelassen, die als Tätärai^I, kleine Tataren^ in eigenen Dörfern^ wie 
die Timurta^enl; oder in gewissen Vororten der fürstlichen Städte 
und in der Nähe der Burgen unter ihren Sultanen^ rumänisch 
^oldanl — später findet sich das Wort auch als Familienname — 
angesiedelt waren. Die heidnischen Namen, wie Tschabalai, BoriS; 
verschwanden allerdings nicht völlig, aber die meisten Zurück- 
gebliebenen liefsen sich taufen und hiefsen nun Petru^ Toader, 
Toma, Filip, Filimon, Lucacl usw., ja' selbst ihr letzter un- 
abhängiger Fürst in diesen Gegenden trag 1368 den Namen 
Demetrius. Nach der Sitte ihrer Väter lebten sie in Hütten weiter 
und noch im 16. Jahrhundert hatten diese christlichen Tätära^I 
im ganzen Lande fünfhundert Ansiedelungen (^Bop) und kämpften 
treulich an der Seite ihrer Bezwinger selbst gegen die freien Teile 
ihres eigenen Volksstammes ^). 

Die Einheimischen bestanden in den unteren Volksschichten 
beinahe nur aus Rumänen; eine ruthenische Bevölkerung fand 
sich nur in den Städten und in den annektierten Gebieten; alle 
fremden Elemente hatten rumänisches Gepräge angenommen und 
waren ihrer Herkunft nach nicht mehr zu erkennen. Es li^t 
aber nicht der geringste Grund vor, um einen Einflufs der Nachbar- 
völker auf das soziale Leben der Landesbewohner anzunehmen. 
Bogdan ^ der Eroberer , fand im ,^ moldauischen Lande ^^^ gerade 
wie seine Nachfolger in den später gewonnenen Bezirken ^ nur 
freie Bauern, wie es auch die des walachischen Fürstentums 
waren. Den besten Beweis dafür liefert die bis sehr spät er- 
haltene Freiheit der Bauern von Cimpulung, in der Nähe von 

1) Vgl. Archiva istoricä I*, S. 12; l\ S. 103, 121, 124, 142, 180; Eeichers- 
dorffer, Chorographia Mold., hei Papiu, Tesanr UI^ S. 137; Zimmermann- 
Werner-Müller 11, S. 315, nr. 917. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Tarkenkämpfe. 29S 

aia, der ersten Hauptstadt des Landes. Wie in der ganzen 
'^ara-Romäneascä waren diese Bauern in Dörfern angesiedelt und, 
^wie im ganzen Gebiete rumänischer Nationalität; gab es auch 
l^ier in jedem Dorfe oder Dorfteile zur Schlichtung von Streitig- 
keiten j uz I, die nach einem aus Galizien entlehnten Ausdrucke 
£kuch vätämanl genannt wurden'). 

Unmittelbar gehörten dem Fürsten alle öden Gebiete , die 
gsuize noycTHHa, wovon er Teile nach Belieben an Klöster und Bo- 
jaren verschenkte. In der Theorie aber besafs er, wie sein wa- 
lachischer Nachbar, ein Obereigentum an dem ganzen ihm po- 
litisch unterworfenen Lande: jeder Besitzwechsel mufste seine Be- 
stätigung erhalten, um als rechtmäfsig anerkannt zu werden. Jeder 
Sinwohner ,, seines moldauischen Landes'^ schuldete dem Wojwoden 
einen Naturalzehnten , den die Gelehrten, slavisch, deseatinä 
nannten, während auch hier der Volksausdruck dijmä war. 
So brachte man nach seiner Curte, d. h. Residenz, zu bestimmten 
Terminen den Zehnten von den grofsen, alten Weingärten in Hirläü 
und Cotnarl und den Zehnten vom Wachse, das man in der blü- 
henden, herrlich prangenden grünen Hügellandschaft bei Tirgul- 
Frumos sammelte ^); ja selbst von jeder Schenke ward ihm eine 
Abgabe geliefert. Dieses alles hiefe dare, slavisch ^an. Dar- 
über hinaus — der nicht genauer bekannte sulgiü für das ge- 
schlachtete Vieh und ili^ sind auch unter die Zehnten zu 
rechnen — waren die Dorfleute verpflichtet, die Beamten des 
Fürsten zu beherbergen und für ihr Fortkommen zu sorgen, po- 
sad, podvod, ihm Botendienste, a merge in jold (nach dem 
ungarischen zsöld) zu leisten sowie seinen Wein und andere 
Einkünfte auf ihren Karren zu transportieren '). Hatten sich 
Tiere verirrt, so mufste der Besitzer bei ihrer Auffindung an den 
Fürsten eine Taxe, pripas, entrichten. 

Um diejenigen, die sich gegen das menschliche Leben und 
die menschliche Freiheit vergingen, mit harten Strafen zu belegen, 
um die Strafgelder zu sammeln und die Einbringung der Ein- 

1) Vgl. z. B. Archiva istorica I , S. 86 ; Studil ^i documente Y, S. 3, nr. 3 ; 
S. 396; Xenopol, Cuza-Vodä I, S. 415, Anm. 7 und besonders Bogdan, Cnezil. 

2) Archiva istorica IS S. 102—4, 113. 

3) Ebenda S. 153. 



294 2. Kapitel. 

künfte zu besorgen, hielt sieh der Wojwode Beamte , di^ in 
slavischen Kanzleisprache ureadnicl heifsen. Im ei 
werden sie als globnicl, de^ugubinarl, welche letztere nor! 
moralische Handlangen verfolgten, pripä^arl usw., besseichnet 

Aber alle diese brachten, wie in der Walachei, nur Natoia- 
lien an den Hof: ein Strafgeld für einen Bojaren wird z. B. einmal 
mit zwanzig Ochsen berechnet Hier wie dort bestand der Kmcb- 
tum des Landes in Schafen und Bienen, nur dafs statt der 
Schweine die Moldauer lieber Ochsen in grofsen Herden auf ihren 
ausgedehnten Gütern mästeten. An diesen Quellen des Reichtums 
hatte auch der Wojwode seinen Anteil, aber in viel gröJCserem 
Mafse als sein Nachbar nahm der Beherrscher Nordrumäniens 
Geld von den fremden Kaufleuten ein. £s gingen ja doch durch 
seine Moldau zwei, ja bald drei grofse Verkehrsadern zwischen 
Polen und der Levante, nämlich nach Caffa die grofse ^, tata- 
rische'^ Route, nach Chilia und Moncastro die „ moldauische^' und 
nach Bräila oder Giurgiu die „walachische'^ ^). So flössen in den 
fürstlichen Schatz viele russische Rubel und Groschen, aus Galizien; 
„ fränkische '' oder „ tatarische '^ Goldstücke (zlo^l), die in alter 
Zeit verbreitetste Münze, und Silberstücke aus Caffa, die dortigen 
ianuini; etwas später und seltener ungarische Dukaten, ughl, und 
die Denare von Siebenbürgen, endlich auch morgenländische Aspem 
und Hyperperi, die jedoch nicht als gewöhnliche Münzen gelten 
können. Mit diesen reicheren finanziellen Mitteln, mit den zahl- 
reichen Fremden, die aus Ungarn, aus „ Rufsland ^^, aus „ Griechen- 
land'^, aus dem bessarabischen und selbst aus dem OlÜande ^) auf 
die öden Ländereien des Fürsten, der EQöster und Bojaren 
strömten, mit den wenigen, aber mächtigen und dazu dem Woj- 
woden streng untergeordneten Bojaren verschiedenen Ursprungs 
war viel mehr zu erreichen als mit den Mitteln, die dem Wa- 
lachen zu Gebote standen. Das Land mit seinen zahlreichen 



1) Vgl. oben S. 174 flF. 

2) S. über das Gebiet Oltenl im Süden der Moldau Chilia ^i Getatea-Albä, 
S. 94—95 (aber der Name kann auch aus dem patronymischen Oltea Btanmien). 
Die slobozil, Zufluchtsorte für Fremde, „Bussen oder Griechen", werden oft in 
Urkunden des 15. Jahrhunderts genannt. S. z. B. Studil ^i documente Y, 
S. 393^4 und Y. A. Urechiä, in den Denkschriften der nun. Akademie, EL 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. JS95 

Städten und Burgen, von denen jede in der alten Zeit ihren mili- 
tärisclieii Vorsteher , ihren eigenen ptrcälab, wenn auch dieser 
Titel selbst nur bei einigen belegt ist, besafs, war vorzüglich für 
jeden Kampf gerüstet. 

Das benachbarte walachische Land war für die Fürsten der 
Moldau, nichts anderes als die Erbschaft des Basarab und hing 
nur mit der historischen Erinnerung an diesen Begründer zu- 
sammen. Auf den hochkUngenden Titel Mirceas hatte Roman 
mit seiner nicht bescheideneren Titulatur geantwortet. Noch in den 
Jahren 1360 — 1370 gab es von Halitsch bis an die Donau kein anderes 
Bistum als das des Fürsten von Arge^, und deshalb empfahl der 
Patriarch dem neuemannten Metropoliten von Halitsch, dafs 
er sieb wegen der Weihe seiner Bischöfe an Hyakinthos von 
Ungrowlachien wende. Aber auch der moldauische Staat wollte 
Beine unabhängigen Bischöfe haben. Nachdem der Mönch Niko- 
dim in der Walachei Klöster errichtet hatte, gab es im Nachbar- 
lande tüchtige Kleriker, doch schon unter dem Wojwoden Peter 
ward auch in der Moldau, und zwar dicht bei der alten Burg 
Neani^ und unter ihrem Schutze in der gesicherten Buhe der 
Berge, ein erstes Kloster errichtet, in dem der fromme Stifter 
auch sein Grab fand. Bald darauf erstand am Ufer des reifsenden 
Flusses Bistri^ ein Gotteshaus gleichen Namens, und schon im 
Jahre 1395 werden diese beiden ixovidqta der Mutter Gottes und 
des h. Demetrius in einer vom byzantinischen Patriarchat stam- 
menden Notiz erwähnt^). Als geistlicher „ctitor" (xr^rw^) der 
beiden Klöster erscheint später in einer von ihm herrührenden 
Urkunde losif, von dem es irgend woanders heifst, er sei ein 
„Verwandter (avyycwyg) des Landesfürsten ^^ Ihm kommt auch 
das Verdienst zu, das Klosterleben mit allen seinen Kulturforde- 
rungen eingeführt zu haben. 

Peter oder sein Nachfolger — aber wahrscheinlicher der 
erstere — schickte diesen selben losif nach Halitsch, wo er 
nach dem alten Rechte dieser Kirche Bischof von Moncastro 
werden sollte. Obgleich der Hafen noch den Genuesen, den 
Herren des Schwarzen Meeres, gehörte, schlug er tatsächlich hier 
seinen Sitz auf. Vielleicht in der von ihm gegründeten Stadt 

1) Miklosich-Müller n, S. 241. 



S96 2. Kapitel. 

bildete Roman für einen gewissen Meletios ein zweites Bistum. 
Aber diese ^^ serbischen^' Bischöfe aus der Schule Kikodims ge- 
fielen in Konstantinopel 9 da man bisher so schöne Erfolge in 
diesen Ländern erzielt hatte , keineswegs^ und so ernannte der 
Patriarch Antonios seinerseits einen rechtmäfsigen ^^Metropoliten'' 
für Maurovlachia oder Rhossovlachia; wie die Griechen das 
Fürstentum nannten. Dieser Metropolit, Theodosios, wurde ver- 
jagt, und so erging es auch einem zweiten, mit Namen Jeremias, 
der beim Verlassen der Moldau den Fürsten, die Bojaren, die 
Klerisei und die Einwohner alle mit dem Banne belegte. Stephan 
schickte, um die Sache friedlich beizulegen, den moldauischen 
Protopopen Peter zuNeilos, dem Nachfolger des Antonios: dieser 
wollte Peter die Exarchenwürde verleihen, und er nahm sie 
auch an. Aber das Land wollte die Macht des Exarchen nicht 
anerkennen, und der Metropolit Yon Mitylene noch in demselben 
Jahre 1395, sowie Michael, der Bischof von Bethlehem, der tat- 
sächlich seit 1397 in der Moldau residierte, hatten keinen besseren 
Erfolg. Erst im Jahre 1401 unter dem neuen Fürsten Alexander 
und einem neuen Patriarchen ward der' langjährige Streit beigelegt 
Durch eine feierliche Botschaft beschwichtigte der Fürst den 
Patriarchen; es ward dann eine Untersuchungskommission in die 
Moldau geschickt, und diese gab dem losif recht. Jeremias 
blieb in Tmowo, wo er seit 1394 fungierte, und mit einer 
Ehrenwache liefs Alexander die Gebeine des Märtyrers Johannes 
des Neuen von Moncastro nach Suczawa bringen, wo neben der 
Kirche dieses wundertätigen moldauischen HeiUgen der neue Bischof- 
sitz losifs erstand: sein Bistum hiefs in Konstantinopel rtjg MoXdo- 
ßXaxiccg zum Unterschiede von der ungrowlachischen Kirche ^). 

Stephan besafs im Lande Anhang, und durch den Bruder 
seiner Frau, den Bojaren Mihail, der die Würde eines „capitaneus 
moldaviensis'' bekleidete^) und als erster unter den Räten des 
Fürstentums genannt wird, hatte er sich der Treue einiger Bo- 
jaren versichert. Das konnte jedoch sein frühzeitiges Hinscheiden 

1) Miklosich-Müller H, S. 223, 241, 243—244, 256—257, 278-280, 
281, 283, 359-361, 494—495, 519, 528—533. Das Leben des HeUigen zitiert 
in Ghüia ^i Cetatea-Albä, S. 79-80. 

2) Vgl. Hurmuzaki I', S. 817 und Prochaska, Codex Witoldi, S. 43. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 297 

nicht hindern, das aber sicher nicht vor 1400 anzusetzen ist. 
Um seine Erbschaft bewarb sich der in Polen gefangene Fürst 
Roman sowie seine Söhne, aber auch der Neffe Stephans, Iva^co, 
der Sohn des Fürsten Peter, der, für den Fall, dafs er als „ Erbe 
des rumänischen Landes^' anerkannt würde, alle möglichen Ver- 
pflichtungen gegenüber der polnischen Elrone auf sich zu 
nehmen bereit war ^). Aber Iva^co konnte das Ziel seiner 
Wünsche trotz der ritterlichen Hilfe des „Viteaz" Costea Vala^in 
nicht erreichen ; der einzige Sohn Peters ist nicht Fürst der Mol- 
dau zugunsten des Königreichs Polen geworden. Roman starb, 
ohne dafs man bestimmt sagen kann, ob er zum zweiten Male 
die Regierung übernommen hat. Noch im Jahre 1400, als Ivasco 
deili Könige seine Verheifsungen machte, wurde ein Sohn Romans, 
der in den Urkunden seines Vaters nicht namentlich genannt wird, 
^n nneheUcher oder jüngerer Sohn, mit dem marmorosischen Namen 
luga, Herrscher in Suczawa. Als Zeugen nennt er in seinen 
Schenkungsurkunden an erster Stelle seine Brüder Alexander und 
Bogdan, doch diese waren ihm tatsächlich keineswegs zugetan, 
luga behielt die Bojaren seines Vorgängers — aufser Mihail — 
bei, und mit ihnen begann auch noch im Frühling des Jahres 
1401 Alexander allein, d. h. ohne Kollegen, seine Regierung, indem 
er damit für mehr als dreifsig Jahre den Bürgerkriegen und Fürsten- 
wechseln ein Ende machte^). Nach einer Chronik, die unter 
den Söhnen Alexanders entstanden ist, hat der walachische Fürst 
diese Veränderung herbeigeführt, indem er durch einen Kriegszug 
den luga „zu sich nahm^' ^). Wollte er damit dem Alexander 
die Regierung verschaffen? Wenn man bedenkt, dafs in dem 
ersten Jahre nach der Thronbesteigung (1400) der neue Fürst seinen 

1) Hurmnzaki I^ slayischer Anhang, S. 820 £f. An eine Ennordung 
Stephans in Hirlau ist — nachdem seine Grahinschrift durch Eozak, a. a. 0. 
richtig ahgedruckt worden ist, — nicht mehr zu denken. 

2) Tgl. Hurmuzaki a. a. 0.; eine Urkunde von luga, in Archiva roma- 
neascä I, S. 14—15; eine zweite in Revista pentru ist., arch. §i filologie II, 
S. 714— 715; Miklosich-M&ller II, S.53; Bogdan, Cronice inedite, S.35. 

3) Bogdan a. a. 0.; vgl. auch über alle diese moldauisch-polnischen Be- 
ziehungen Niemczewski, Untersuchungen über das polnische Oberhoheitsrecht 
über die Moldau (Leipzig 1872), und J. U r s u , Belatiunile Moldoyel cn Polonia 
(Katra-Neamt 1900). 



298 2. Kapitel. 

Bruder Bogdan als Mitregenten neben sich hat, wird es nicht 
leicht, daran zu glauben ^). 

Alexander war, als er den Thron bestieg, noch jung, und 
ein gewisser Costea erscheint als sein bedeutendster Ratgeber. 
Der Fürst und dieser sein Vormund unterwarfen sich im Jahre 
1402, schon im Monat März, der polnischen Oberherrschaft und 
schwuren dem benachbarten König und Reufsenherrscher Treue. 
Nach etlichen Monaten aber ward die grofse Völkerschlacht von 
Angora geliefert, in der die unzähligen Tatarenschwärme und die 
Grausamkeit Timurs den Sieg über die eiserne Organisation der 
Türken Bajesids davontrugen. Während der Verwickelungen, die 
daraus hervorgingen, zog Mircea, der walachische Fürst, noch 
einmal an die Donau, um die Grenzen seines Gebietes weiter in 
das ehemalige bulgarische Reich hinein zugunsten seines empor- 
strebenden Staates vorzuschieben. Vom ungarischen Könige, der 
in äufserst sch¥rierigen Verhältnissen lebte und besonders im 
Süden gegenüber seinem Nebenbuhler Ladislaus endgültig im 
Nachteil zu sein schien, war fiir diese Kämpfe keine Hilfe, kein 
Vorschub zu haben, und im Osten gab es jetzt nur noch eine 
starke christliche Macht, und das war Polen. Von Giurgiu ans 
erneuerte Mircea auf seinem Eroberungszuge ^) seinen seit zehn 
Jahren vergessenen Vertrag mit König Wladislaw *). Während 
Sigmund im Jahre 1404, endlich siegreich über seine empörten 
Untertanen, einen neuen Zug nach Böhmen unternahm, ging 
Alexander von der Moldau nach Kamieniec in Podolien, das 
seinem Chotin gegenüberliegt, um hier dem königlichen Nachbarn, der 
ihm das Szepeniker Land überlassen hatte — deshalb erscheint in dem 
Verzeichnisse der Anwesenden auch der Burggraf von '{^e^ina (Cze- 
czin) — persönlich seine Treue mit dem Eide zu bekräftigen*). 

Im Jahre 1406 erst konnte Sigmund von Ungarn an der 



1) Die anedierte Urkunde vom 29. Jani 1400 in der Bibliothek der rum. 
Akademie kami nicht ins Jahr 1401 versetzt werden, schon weil das Datum 
ganz deutlich geschrieben ist Vgl. Chilia ^i Cetatea-Albä, S. 79. Es gibt auch 
eine andere vom 11. Februar (Denkschr. der rum. Ak., 1903, 1. Teil, S. 62—64). 

2) Vgl. auch Hnrmuzaki I''*, S. 429, nr. 453. 

3) Hurmuzaki I', S. 824. 

4) Ebenda S. 826, nr. 654. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und T&rkenkampfe. 999 

südlichen Grenze seines schlecht verteidigten Reiches erscheinen. 
Bei Severin kam ihm im November Mircea, der Ban des Landes, 
entgegen ; und gewifs haben hier beide eine mündUche Ver- 
einbarung getroffen, um diese Länder gegen die geschwächten 
Türken zu behaupten ^). Im Jahre 1408 schlug Sigmund den 
Yenetianem vor, einen gemeinsamen Krieg gegen die Türken zu 
unternehmen: eine Flotte der Republik sollte nach Licostomo, 
d. h. dem Chilia Mirceas, kommen, um von hier die ungarisch- 
walachischen Truppen nach Gallipolis überzufuhren ^). Dagegen 
schwört Alexander ein Jahr früher, 1407, zum ersten Male nicht 
mehr als „moldauischer Wojwode'% sondern als „Herr des mol- 
dauischen Landes '* dem polnischen Oberherm zu Lemberg den 
Eid der Treue »). 

Bald beherbergte Mircea den flüchtenden Musa, den Sohn Baje- 
«ids, der mit seiner Hilfe 1410 den Krieg gegen seinen Bruder Soliman 
begann, allerdings mit wechselndem Erfolge, wobei er noch einmal in 
der Walachei eine Zuflucht fand. Endlich, im Februar 1411, wurde 
Musa Beherrscher des osmanischen Reiches, und fünf Jahre lang hatte 
der walachische Fürst in dem ehedem gefurchteten südlichen Nachbarn 
einen Freund. Deshalbaber wurde er von neuemzum Feinde der Ungarn. 
Auf der anderen Seite hatte Polen einen Krieg mit dem Deutschen 
Orden begonnen und, als Vikar des römischen Reichs, bald als 
erwählter römischer König, ergriff Sigmund die Partei der Ritter, 
die er auch durch Truppen unterstützte. Unter diesen Umständen 
wurden die rumänischen Fürsten für Polen wertvolle Bundesgenossen, 
und in der entscheidenden Schlacht bei Tannenberg (1410) 
kämpften in der Tat auch Moldauer unter den siegreichen pol- 
nischen Fahnen ^). Aber auch nach; diesem Siege und dem darauf 
folgenden Frieden mit dem Orden blieb die Haltung Mirceas imd 
Alexanders, mit Rücksicht auf das Verhalten des neuen Kaisers, 
für den Polenkönig von grofser Bedeutung. Als rocno^ap, domi- 
nus, wie er sich schon 1407 nennt, schlofs Alexander, der dem 
Nachbarn tausend silberne ianuini geliehen hatte, 1411 einen 

1) Archiva istoricä I, S. 98. 

2) Ljnbic, Listine, in den Mon. Slayoram meridionalium , Y, S. 136 — 8. 

3) Hurmuzaki I«, 8. 827—828. 

4) Script rer. PrasBiaram lY, S. 57. 



n 



SOO 2. Kapitel. 



Vertrag mit Polen, welcher — nur n:iit dem Unterschied, dafs die 
alte Titalation von „unser Herr'' für den polnischen König bei- 
behalten wurde — dieselben Bedingungen hinsichtlich gegenseitiger 
Hilfeleistung, wie der neue Vertrag Mirceas mit König Wladislaw, 
enthielt. Ja noch mehr: es wurden fiir den Fall, dafs das Geld 
nicht zurückgegeben würde, dem moldauischen Alleinherrscher die 
Burgen Sniatyn und Kolomea mit dem ganzen pokutischen Lande, 
wie es vorher unter dem Fürsten Peter mit Czeczun, Chmielow 
und dem Sepeniker Gebiet gewesen war, in Aussicht gestellt ^). 
Endlich heiratete nach kurzer Zeit Alexander auch noch als dritte 
Frau nach der katholischen Margarete und der orthodoxen Anna 
eine „Schwester'' des polnischen Königs und seines litauischen 
„Bruders" Witold: Ryngalla *). Schon seit 1410 gab es eine la- 
teinische Kirche in der alten Hauptstadt Baia, wo auch ein neuer 
katholischer Bischof residierte ^). Wie ernst gemeint aber auf pol- 
nischer Seite die Freundschaft war, zeigt am besten die Klausel in dem 
schon 1412 zu Lublau unterzeichneten Vertrage zwischen Sigmund 
und Wladislaw, nach welchem eine eventuelle Teilung der Moldau, 
für den Fall, dafs Alexander dem Kaiser seine Truppen gegen die 
Türken verweigern sollte, in Aussicht genommen wird. Dabei sollte 
Ungarn die Hälfte von dennördlichenBuchenwäldern, ferner dieGegend 
von Birlad bis zur Donau, endlich die Hälfte von dem Landstriche 
zwischen Prut und Donau mit Moncastro bekommen, während alles 
übrige, mit Jassy und Chilia, dem polnischen König zugedacht ward ^). 
Wir ersehen hieraus, wie weit sich unter dem klugen Begi- 
mente Alexanders das moldauische, jetzt ziemlich unabhängige 
Land ausgedehnt hatte; der grofse Herrschaftstraum seines Vaters 
Roman war durch ihn zur Wirklichkeit, zur starken tatsächlichen 
Wirklichkeit geworden. Die Moldau war jetzt das Land, das von 
den Bergen bis zum Meere reichte, und zwar ohne Kri^e, ohne 
Blutvergiefsen und Menschenopfer, nur infolge kluger, gewandter 



1) Harmazakil', S. 829 und der Vertrag mit Miroea, ebenda, S. 472—473, 
nr. 391. 

2) Vgl. Harrnuzakil^S. 834 und Studil ^i .documente, I— 11, S. xzziff. 

3) Ebenda, nach Schmidt und den Notizen von Eubel in der Böm. 
Quartalschnft, 1898, XII, S. 108; Bandini, S. 244. 

4) Zuletzt wurde der Vertrag veröffentlicht bei Prochaska, S. 229-230. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Tarkenkämpfe. S91 

ad stiller Politik. Das Sepeniker Gebiet, das einst die Boiaren Stephans 
afopfern woUten, war gut besetzt und befand sichin Verteidi^gs- 
astctnd, denn in jedem ehemaligen russischen ^^gorod'^ safs ein 
Burggraf. Aufserstande, schönes genuesisches Silber zu bezahlen, 
rie der polnische König immer gewesen war, hatte er seit dem 
Vertrage von 1411 Pokutien, dieses schöne Land, mit hunderten 
^on Dörfern an den moldauischen ,, Bruder '^ verloren. Das Herzog- 
mn ^,Chodor^^ war verschwunden, und vom Bruder Bogdan 
Hier von dem in die Walachei gebrachten gefährlicheren Bruder 
[uga ist keine Rede mehr. Die Bojaren schliefsen sich alle eng 
in den alleinigen Fürsten an. Im Süden ist das Fürstentum über 
Jassy, Vasluiü, Birlad bis zu Chilia an den Donaumündungen und 
bia nach Moncastro (Cetatea-AIbä) an die Dnjestrlinien gelangt, 
fmd das sind seine natürlichen Grenzen. Die Genuesen haben dem 
FtLTBten auch die politische Herrschaft über den letztgenannten 
! Hafen nach 1410 überlassen, und Chilia war entweder die von 
.Dobrotic durch Mirceas Vermittelung vererbte Ansiedelung auf der 
*l[leinen Donauinsel, die „alte Kilia^^ (Eski-Kilia), oder eine neue, am 
Ufer entstandene, welche die Bedeutung der walachischen Herrschaft 
über die Donaumündungen erheblich abschwächte. Ostlich reichte 
der Staat Alexanders bis zum Dnjestr, und alle vaduri, die Furten 
bei Hotin xmd Tighinea, waren in den Händen des Wojwoden. 

Die grofsen Handelsstrafsen waren schon angelegt und wurden 
^uch viel benützt. Armenische und deutsche Karren gingen von 
Lemberg nach Caffa in die „Tartarei^^, nach Cetatea-Albä und 
nach Bräila, nach dem „muntenischen^' Lande, d. h. durch Giurgiu 
in die Türkei, und schon 1407 hatte Alexander die Zollgebühren 
for die königlichen Handelsleute festgesetzt ^). Abgesehen von den 
»reysae moldavienses'^ fanden auf den stark besuchten Jahrmärkten 
von Sniatyn in dem neuerworbenen Lande Pokutien, „conventiones 
Wallachorum ^' statt: diese brachten Naturalien dorthin, um dagegen 
Groschen, „sexagenae^^, „fertones^^ sogar silbeme Rubel, odt^r 
Hüte, Elleider, Bogen und Schwerter einzutauschen *). Durch den 
siebenbürgischen Wojwoden Stibor wurden die ZoUemkünfte bei 

1) Akta zapadnoi Bossü, I, S. 30-32; Archiva istoricä I, S. 130—132. 

2) Vgl. Arch. ist, a. a. C; Czolowski, Pomniki II; Jorga, Bela- 
tiüe ca Lembeigal I, Bukarest, 1900. 



\ 



^ 



802 2. EapiteL 



Bistritz in der gleichen Weise 1412 ger^elt Ans diesen Satzungen 
ist zu ersehen, dafs Tache von Ypem, Löwen und Eöhi in die Mol- 
dau eingeführt wurden, wogegen man die schon erwähnten Na- 
turalien oder ,, tatarische Waren'', d. h. Spezereien, exportierte ^). 
Durch die Fürsorge für die älteren Klöster — Neam^ und Bistrita 
erhielten eine gemeinsame Leitung — , durch die firbauung neuer 
Gotteshäuser in Moldavi^ und Pobrata (oder S. Nicolae de la 
Poianä) in derselben Gebirgslandschafl, durch die Gründung 
einer Eorchenmetropole, welcher nunmehr der Bischofsratz des 
,y unteren Landes '' in Roman untergeordnet wurde, war der Grund 
zu einem intellektuellen Aufschwung des Landes gelegt ^). Dieses 
ausgedehnte, reiche Herrschafh^biet erschien beinahe als ein Reich, 
und der Name seines Beherrschers leuchtet durch die Zeiten hin- 
durch, wie der eines alten sagenhaften klugen Königs. 

Bald wollte auch diese „kleine'' Walachei die ältere , die 
yygrofse'' Walachei, überflügeln, und dies um so mehr, ab die letzten 
Jahre Mirceas keineswegs glänzend verliefen und er froh sein 
mufste, wenn er seine Stellung am linken Donauufer behaupten 
konnte. Schon 1413 wurde Musa von dem energischen „Sultan 
Yon Asien'', seinem Bruder Mohammed, geschlagen und auf der 
Flucht zur rettenden Donau getötet. Das war der Anfang des Kri^es 
z¥rischen dem neuen osmanischen Herrscher und dem ehrgeizigen 
Walachen, der sich in die inneren Angelegenheiten des mächtigen 
Nachbarstaates gemischt hatte. Zwar versuchte Mircea noch einmal, 
sich am Kampfe um die türkische Krone zu beteiligen, und 
nahm nicht nur Rebellen gegen Mohammed, wie den politischen 
Agitator und Ketzer Bedreddin, bei sich auf, sondern auch einen 
sogenannten Bruder des neuen Sultans, Mustafa, der ihm als ein 
Musa redivivus erschien. Mit walachischer Hilfe hatte Mustafa 
seine Laufbahn 1415 begonnen, zwei Jahre später weilte er als 
Flüchtling in Salonik, der Apanage des Despoten Andronik, als 
diese Stadt von einem türkischen Heere belagert wurde. Während 
ihres Krieges gegen die Türken unterhandelten die Yenetianer auch 
mit „Mircea Wojwod" wegen eines Bündnisses. Bald aber erschien 
Mohammed selbst an der unteren Donau, um sich zu rächen; dieses 

1) Harmuzaki I', S.491 — 493, undmeineDocumenteleBistritel,!, S.iv— v. 

2) J. Bogdan, in den Con?. lit., Jahrgang 1900, S. 3ödfif. 



I>ie eigentliche Organisation. Inneie Streitigkeiten und Türkenkämpfe. SOS 

Mal versuchte er jedoch, die Verhältnisse klug berechnend, nicht 
"wieder das, was seinen Vorgängern mifslungen war: er dachte 
nicht mehr daran, die Walachei zu erobern, um seinem Reiche 
einen neuen Landstrich zu gewinnen oder auch nur einen treuen 
Wojwoden an Stelle desjenigen, der ihn &ech beleidigt hatte, ein- 
zusetzen. Nein, er sah ganz trefifend, dafs es viel leichter sei, 
diesem neu emporsprudelnden Leben gegenüber einen Damm 
aufzuwerfen, und er befahl deshalb, dafs in seiner Anwesenheit 
die von ihm eroberten Festungen an der Donau und in der Do- 
brudscha befestigt werden sollten. So kam das von Mircea selbst 
erbaute ^) Giurgiu in die Hände eines türkischen Befehlshabers; 
an den Mündungen des Flusses, in Isacce, ja vielleicht in Sulina 
hielten Osmanen Grenzwacht. Das benachbarte Land aber, das nicht 
wie die Moldau Alexanders reich an Burgen war, lag schutzlos da, 
allen Raubgelüsten der in ihren Nestern lauernden berufsmäfsigen 
Landesverwüster ausgesetzt Man mufs annehmen, dafs Mohammed 
das ehemals von seinem Vater mit starker Besatzung belegte Klein- 
Nikopolis nicht vergessen hat, und dafs der Turm Bajesids, Turnu, 
wieder das linke Ufer der Donau für die Osmanen bewachte. 
Schliefslich erzählt auch ein türkischer Chronist, osmanische Truppen 
seien im Banat erschienen, und die „principes^' des Landes hätten 
ihnen Geiseln zur Sicherung ihrer Treue gestellt, wobei auch 
Severin erobert worden wäre. Das ist nicht undenkbar, denn es 
wurde wenigstens an einem anderen Punkte eine Burg erbaut. 
Nach den türkischen Erzählern dieser Begebenheiten hätte auch 
Mircea seinen Bezwiiigem zum ersten Male Tribut auf drei Jahre 
bezahlt und ihnen sogar einen seiner Söhne als Unterpfand der 
Treue ausgeliefert Nun weifs man, dafs der junge Sohn Mirceas, 
sein zweitgeborener, Dan, zuerst im türkischen Heere gedient hat, 
und das würde eine Bestätigung dafür sein, dafs die Unterwerfung 
von 1417 eine vollständige war*). Als die Erniedrigung Mirceas 



1) Wavrin, Anchiennes cronicqaes, Beschreibung des Feldzages von 1445. 

2) Vgl. die türkischen Chronisten in den Übersetzungen von Leunclavius 
nndNöldeke; Chalkokondylas, S. 77—80; Dukas, S. 201; Venetianische 
Akten bei Ljubiö, Listine VII, S. 218; Jorga, Notes et extraits, I, S. 247j 
Acte 9i fragmente, III, S. 6—7. Vgl. Chilia ?i Cetatea- Alba , S. 68 ff. Dan 
liatte auch die walachischen Hilfstruppen Musas befehligt. 



804 2. Kapitel. 

durch den persönlichen Zag des Sultans Mohammed durchgeführt 
war, hatte der Wojwode des ^yrumänischen Landes^^ schon ein be- 
trächtliches Alter erreicht; und seit einigen Jahren, schon seit 1413, 
seinen Sohn Mihail ^), welcher auch einige Zeit in Konstantinopel 
noch gelebt hatte, zum Mitregenten angenommen. Mircea starb in 
dem letzten Tage des Januar 1418 und hinterliefs diesen s^nen 
Sohn und Mitregenten in einer äufserst schwierigen Lage, ohne dals 
dieser die Hilfsmittel gehabt hätte, sich daraus zu befreien «). 

Um diese Zeit war Sigmund von Ungarn als nimmer rastender 
Kaiser im Abendland beschäftigt. Der polnische Verwandte^ ein 
„ Onkel '^ Mihails, der im Jahre 1414 den litauischen dux Sigmund 
Korybuth nach Arge^ geschickt hatte ^), war zu fem, um in die wa- 
lachischen Verhältnisse, wie er es in der Moldau getan hatte, ein- 
greifen zu können. Zwar bemühten sich auffallenderweise die Türken 
vorerst nicht, einen Prätendenten gegen Mihail aufzustellen^ aber 
aus Konstantinopel, wo der zweite Sohn Mirceas seit einiger Zeit 
Zuflucht gefunden hatte, aus diesem elenden Konstantinopel des 
armen, machüosen byzantinischen Kaisers, segelte ein Schiff ab, 
das jenen Dan nach „Asprokastron^^ brachte, und dort warteten 
walachische Rebellen ihres künftigen Führers. Fürst Alexander 
von der Moldau bot Dan seine Hilfe an, und so entbrannte in der 
Walachei, gerade wie vor zwanzig Jahren in der Moldau und wie 
es in der Walachei selbst vor Mircea der Fall gewesen war, der 
Bruderzwist um die Krone. Trotz der ungarischen Hilfe, die ihm 
aus Siebenbürgen zuteil ward, wurde Mihail von Dan, der auch 
die Donautürken herbeigerufen hatte, geschlagen und getötet^); 
das geschah schon im Jahre 1420. Es war eine gute Ge- 
legenheit, um auch gegen Moncastro vorzugehen, das sich prächtig 



1) Hasdeü, Istoria criticä, S. 132. 

2) Die serbischen Chroniken geben das Todesdatnm. Vgl. Stndil ^i docn- 
mente in, S. m— iv. 

3) Bela^iile cu Lembergul, I, S. 7. 

4) Vgl. die schon zitierten Byzantiner, die ungarische Chronik yon Thnrocz, 
TV, Kap. 17, sowie die serbischen Annalen; eine Urkunde von MihaU bei Engel, 
Geschichte der Walachei, S. 164, Anm., die auch bei Zimmermann-Werner- 
M all er, IV, aufgenommen werden wird; zwei andere bei Bogdan, Belatiile 
cu Bra^OYul, S. 6-*7. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten and Türkenkämpfe. 805 

zum Stützpunkt für die Herrschaft über den westlichen Teil des 
Schivarzen Meeres eignete ^ und so wurde denn zum grofsen 
Schrecken Alexanders der reiche Hafen im Frühling des Jahres 
1420 von den habgierigen ,,Heiden" belagert Um sich für die 
Zukunft wenigstens gegen einen gelegentlichen Angriff der in der 
Walachei herrschenden Türken zu schützen^ liefs Alexander^ ob- 
gleich ihm Dan den Thron zunächst zu verdanken hatte ^ seinen 
Hafen Mon Castro von podolischen Meistern gehörig befestigen '). 
Im Jahre 1421 aber wurde Siebenbürgen dafür von raubenden 
Türkenscharen überfallen *). 

Jedoch der energische Sultan Mohammed starb schon im Sommer 

des Jahres 1421. Sein Sohn und Nachfolger^ Murad^ eine ebenso 

energische Herrschernatur — das Talent zum Herrschen lag schon 

in dem wilden Blute Osmans — , hatte zuerst seine Erbschaft 

gegen den ;,Sohn Bajesids^' Mustapha, den ehemaligen Schützling 

Mirceas^ zu verteidigen; und ein zweiter Mustapha^ ein Bruder 

Murads, trat als Kronprätendent in Asien auf. Dann unternahm 

er, um die Byzantiner für ihre Unterstützung dieses Bruders zu 

bestrafen^ die Belagerung ihrer Hauptstadt ; bald darauf^ im Jahre 

1423; wurde Morea überfallen. Auf der anderen Seite fand Kaiser 

Sigmund; trotz seiner Verwickelungen in Böhmen^ noch Zeit, den 

Florentiner Pippo Span, einen Feldherm, der bereits 1419 den 

Türken im Temeschwarer Banat viel Schaden zugefugt hatte, 

nach der unteren Donau zu entsenden. Dan pafste sich diesen 

neuen Verhältnissen an, trat in ein Abhängigkeitsverhältnis zu 

Ungarn und erhielt so zugleich Gelegenheit, seine militärischen 

Fähigkeiten und seine ritterliche Natur im Olanze der Siege zu 

zeigen. 

Der Krieg an der Donau begann schon im Jahre 1422. Dan 
und Pippo gingen über die Donau bei Silistrien und kehrten sieg- 
reich zurück ; der junge byzantinische Kaiser sprach während seiner 
Anwesenheit in Venedig von den ungarisch- rumänischen Erfolgen ^). 

1) Voyage de Guillebert de Lannoy: Ausgaben Serrure, 1840; Potvin 
1879; Webb, in Archaeologia, XXI, 1826. Vgl. übrigens Ghilia §ii Getatea-Albä, 
S. 82-84. 

2) Wandinschrift von Kronstadt ; Quellen der Stadt Brasso (Kronstadt), IV, S. 1. 

3) Notes et extraits I, S. 349—350. 

Jorga, ÜMchichte der Baminen. I. 20 



so« 2. Kapitel. 

Gewifs wurde durch diese Angriffe damals der Festungsgürtel am 
linken Ufer wieder erobert, und das ist eine bedeutsame Tatsache. 
Sobald jedoch der Sultan freie Hand bekam^ wurde dem Treiben 
Einhalt getan. Ein gewisser Radu; der Prasnaglava genannt wird, 
erhielt von den Türken die Mittel , um sein Glück zu versuchen, 
und warf sich als Fürst auf. Der Angriff erschien dem ungarischen 
König so gefahrlich, dafs er 1425 selbst an die Donau kam. Hilfs- 
truppen wurden zwar Dan gestellt, aber im Mai 1426 erlag er 
doch der Übermacht und mufste sich nach Siebenbürgen flächten ^). 
Alexander stand in dem Verdacht, diese Eroberung des benach- 
barten Landes durch Radu ermöglicht zu haben, und trägt im 
Jahre 1428 den Titel „Herrscher des ganzen moldowlachischen 
Landes''^), was sich nicht nur aus dem griechischen Titel seines 
Metropoliten erklären läfst. 

Sigmund kam nach den Vorgängen von 1395 zum ersten 
Male wieder in die Walachei, um nicht die Türken dort am Nach- 
barn zu haben. Weil er erst mit grofser Verspätung in Kron- 
stadt anlangte, kehrten die Moldauer, die sc}ion bis Brä.ila vor- 
gedrungen waren, wieder um. Mit dem Frühling 1426 wurden 
die Pässe überschritten, und im Mai bereits war Radu zu seinen 
Helfern zurückgeworfen. Giurgiu wurde durch die Ungarn besser 
befestigt, und aus Rache für die erduldete Schmach streifte Dan 
wieder in der Nähe von Silistrien auf dem türkischen Ufer umher. 
Im Severiner Banat war damit wieder Sigmund der Herr. Die 
Erbschaft des verstorbenen serbischen Despoten Stephan (gestorben 
Juni 1427) hatte Sigmund zum Teil an sich gezogen, und in der 
Donaufeste Belgrad einen ungarischen Befehlshaber eingesetzt Der 
bosnische König aber erkannte den Schwager Sigmunds als seinen 
Erben an. Im Jahre 1428 focht Sigmund, der auch Walachen 
und Litauer in seinem Heere hatte, wieder gegen die Türken, die 
ihm die serbischen Gebiete zu entreifsen versuchten ^). Um die 
Donaugrenze halten zu können, rief der Kaiser seine alten 



1) Vgl. auch Oncinl, im Aufsätze Bada Prasnaglaya der Enddopedia Bo- 
mänä, worin ältere Urkunden von Badu erwähnt sind. 

2) Archiva iatorica I^, S. 121. 

3) Vgl. Katona XII, S. 501 ff. und die anderen bei Fefsler II, S. 375 
bis 376, angegebenen Quellen. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 307 

Freunde ; die Deutschherren ^ und gab ihrem Befehlshaber Klaus 
von Redwitz schon zwischen 1428 und 1430 die Severiner Burg 
samt der ,^Grafifschaft der Moncz und Salcz-Camern in Syben- 
l> argen '^ ^). Um auch im entgegengesetzten Winkel eine tapfere, 
kriegsbereite Besatzung zu haben, wollte Sigmund die Moldauer 
aus Chilia veijagen und die Festung den Rittern des Bans Klaus 
anvertrauen. Alexander sollte den gegen ihn erhobenen Verdacht 
mit. dem Verlust des Thrones büfsen, und zur Verwirklichung 
dieses Gedankens hatte sich Sigmund, wenn nicht der Hilfe Polens, 
so doch der des mächtigen litauischen Herzogs Witold versichert: 
der Litauer wollte damit die Königskrone, die er von Sigmund 
verlangt hatte, verdienen. Es scheint, als habe der Kaiser nicht 
nur beabsichtigt, anstatt des verhafsten Wojwoden eine seiner Krea- 
turen einzusetzen, sondern als habe ihm sogar der Gedanke vor- 
geschwebt, das Land, gemäfs dem Vertrage von 1412, mit den 
übrigen Nachbarn zu teilen. Dan, den die Türken 1428 noch 
einmal verjagt hatten, kam wieder ins Land und zog 1429 mit 
einem mächtigen Heere aus, um seine „alten bessarabischen Grenzen^' 
wiederzuerobern, was ihm übrigens gegen den stärkeren Alexander 
nicht glückte. Aber der ungarisch-türkische Waffenstillstand von 
1429, der Tod Witolds 1430 und der Ausbruch neuer ketzerischer 
Unruhen in Böhmen vernichteten schliefslich alle die grofsen 
Pläne Sigmunds. Ohne an der Donau etwas Dauerndes ausgerichtet 
zu haben, setzte sich der vielbeschäftigte Mann andere Ziele, um 
sie ebensowenig zu erreichen ''^). 

Die Stellung des moldauischen Fürsten blieb also unerschüttert, 
und er erlebte glücklichere Tage des Alters, als sein vormaliger 
Nachbar Mircea. Zuerst verschwand in unbekannten inneren 
Elämpfen sein Feind, der WalachenfUrst Dan, und die Lage, die 
sein Tod schuf, gestattete dem Moldauer, eine bedeutende Rolle 
zu spielen. Obgleich Wladislaw von Polen ihn gegen die Eroberungs- 



1) Eönigsberger Archiv des Deutsclien Ordens, Schublade YII, 24. 

2) Die Quellen bei Frocbaska a. a. 0., Lewicki, Codex epistolaris 
saecnli decimi quinti (Ejrakau 1891, 1894; 2 Bde.); bei Pesty, A szörenyi 
Bansag, bei Voigt, Gesch. Preufsens, YII; in den Deutschen Reichstagsakten 
und im Codex diplomaticus patrius. Näher angegeben sind sie in Chilia ^i Ceta- 
tea-Albä. Vgl. auch Hurmuzaki I', S. 583. 

20* 



tos 2. Kapitel. 

gelüste Sigmunds in seinen Schatz und Schirm genommen hatte, waren 
dennoch seine Beziehungen zu diesem Beiche, namentUch nach 
seiner 1421 erfolgten Scheidung von RyngaQa, nicht mehr so innig 
wie vordem^); dagegen fand er in Swidrigaillo, dem Bruder 
Witoldsy in diesem anderen Schismatiker , der nicht nach kaiser- 
licher Gunst strebte, einen guten Freund und Nachbarn. Zu den 
Türken und den Tataren trat er in gute Beziehungen und sicherte 
sich dadurch die östlichen und südlichen Grenzen seines Landes. 
So half er denn einem walachischen Bojaren, Aldea, der sich als 
Sohn des grofsen Mircea ausgab, die Erbschaft Dans erringen, und 
mit Rücksicht auf seinen moldauischen Beschützer nahm dieser 
als Fürst den Namen Alexander an. Dieser walachische Alexander 
ging nun zum türkischen Kaiser, trat ihm die Donaufestun^en ab 
und schickte aufserdem zwanzig Bojarenkinder als Geiseln an 
seinen Hof^). Um ihn zu verjagen, entsandte Sigmund einen 
anderen Sohn Mirceas und zwar einen echten Ursprungs, d&r 
seit seiner Kindheit am Hofe des Kaisers erzogen worden war, 
allerdings einmal einen Fluchtversuch nach Polen unternommen 
hatte: er hiefs Vlad und wurde wegen seiner Grausamkeit Dracal, 
der Teufel, genannt. Von Nürnberg ging Vlad nach Tirgovi§te, 
seiner neuen Hauptstadt, wo wir ihn zu Anfang des Jahres 1482 
in unaufhörlichem Kampfe gegen Alexander- Aldea finden. Um den 
Wirren ein Ende zu machen, beschlofs der Sultan, seinen Begier- 
beg (d. h. Oberbefehlshaber) von Europa in die Donauländer zu 
schicken. Ein kleines Heer versuchte in die Moldau zu kommen, 
fand aber den alten Fürsten gut gerüstet und wurde entscheidend 
geschlagen. Die Hauptmasse jedoch vertrieb Vlad aus Tirgovistc 
und drang sengend und brennend bis ins Burzenland vor. Alexander, 
der Walache, hatte seinem Herrn Gefolgschaft geleistet und setzte 
seine Laufbahn noch etÜche Jahre fort. In den Jahren 1433 und 
1434 erschienen Türken in der Walachei, doch wohl, um ihn g^en 
den zurückgekehrten Vlad zu schützen, aber erst 1436 kam es 



1) Der ScheiduDgsakt , lateinisch und slavisoh, bei Hurinnzaki I*; das 
moldauische Hilfskorps focht noch 1422 gegen die Deutschherren ; Dlugosz, 

Xm, S. 301. 

2) Vgl. Bogdan, Belatüle cn Bra^OYul, S. 32; Bertrandon de la 
Brocqaiere (Ausgabe Schefer), S* 190. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und T&rkenkampfe. S09 

zu einem grofsen Zuge gegen den letzteren^ den auch die Sieben- 
bürgen unterstützten. Binnen weniger Wochen hatten die Türken 
das Land grausam verwüstet, und beim Rückzüge führten sie neben 
vielen anderen Gefangenen, wie es scheint, auch den Wojwoden 
mit sich. Diesem war es gelungen, Alexander zu töten; er besafs 
aber auch genug Geschmeidigkeit, Schlauheit und Scharfsinn, um 
alle gegen ihn erhobenen Anklagen zu entkräften. Aus der Ge- 
fangenschaft im Schlosse von Gallipolis kehrte er direkt wieder 
auf seinen Fürstenthron zurück und begleitete 1438 die Türken 
auf ihrem Verheerungszuge nach Siebenbürgen ^). 

Vlad fuhrt den Titel eines Herzogs von Fägära§ und Amla^, 
und es fehlt ihm nur der eines Bans von SeVerin, um seinem 
Vater Mircea ebenbürtig zu erscheinen. Aber in Wirklichkeit 
liefs sich seine Macht nur mit der Mirceas in dessen letzten Jahren 
vergleichen. Ungarn vermochte er sich nicht zu widersetzen, und 
die Städte an der Donau gehörten, wie vor ihm, wieder den Türken. 

Um das andere rumänische Fürstentum, die Moldau, stand es 
nicht viel besser. Nachdem es 1432 die Gefahr einer Über- 
wältigung durch die Türken glücklich überstanden hatte, birach 
Alexander in Polen ein, um das pokutische Land endlich in Besitz 
zu nehmen, und dies gelang ihm auch. Während seiner Abwesen- 
heit besorgte • sein Sohn, Ilie, der der Ehe Alexanders mit einer 
Moldauerin, Ana oder Neaci^, entstammte, die Angelegenheiten des 
Landes ^). Aber bald nach seiner Rückkehr schlofs im Winter oder 
Frühjahr 1433 dieser greise Held des Friedens seine müden Augen, 
und sein ruhig herrschendes väterliches Zepter ward in den un- 
geduldigen jugendlichen Händen seiner Söhne zu einem scharfen 
Schwerte des Bruderkrieges. Ein Atridenzeitalter brach blutig und 
finster über die blühende Moldau herein, und im Lande des guten, 
milden Patriarchen sprach man nun von vertriebenen Fürsten, ge- 
blendeten Brüdern, ermordeten und vergifteten Verwandten und 
von unaufhörlichen feindlichen Einfällen. 

Dieses Verhängnis wurde durch die Zustände in Polen noch 

1) Die Qaellen finden sich in Stadil ^i documente, III, S. xiff. Vgl. Bog- 
dan a. a. 0., S. 25ff. 

2) Dingo BZ, XIII, S. 461—462; Revista p. ist., arch, §i fil., Vü, S. 370 bis 
371 j Urs n, S. 49; Studil fi doc., VI, S. 652 ff. 



SlO 2. Kapitel. 

gefördert. Als Alexander Btarb, regierte hier noch der alte Jagiello, 
der seinem ^^ Neffen '^ Hie bei der Eidesleistung im Jahre 1433, 
wenn nicht das gleich zurückgenommene Pokutien, so doch das 
ganze Sepeniker Gebiet feierlich verliehen hatte ^). Bald darauf 
entfloh Stephan^ ein unehelicher Sohn Alexanders , nach der 
Walachei; wo er bei Vlad, der in Hie wie in dessen Vater einen 
Feind erblickte ^ Aufnahme fand. Als er^ noch im Jahre 1433, 
den unbeliebten Bruder vom Throne gestofsen hatte, nahm der alte 
König Wladislaw, obwohl llie, der zu ihm geflohen war, 
eine Prinzessin zur Mutter hatte und seit vielen Jahren mit 
Marinka, einer Schwester der Frau des iüne:eren Wladislaw — 
dies war der Sohn des König« -, vennJt war, ohne Schwierig- 
keiten zu machen, den Huldigungseid des Siegers entgegen. I>er 
nahe Verwandte Ilie hatte zwar mit seinem Vater zusammen 
gegen Polen gekämpft, und nur nach einem ganzen Jahre voll 
unaufhörlicher Feindseligkeiten sich entschlossen^ die Huldigung 
anzubieten ; Stephan hatte allerdings dasselbe getan, aber auch be- 
deutendere Erfolge davongetragen ^). Auch befand sich Stephan 
nicht in einer Lage, die ihn zu einer bedingungslosen Unterwerfung 
zwäng: von den Bojaren seines Landes umgeben, die Wirren im 
benachbarten Litauen kennend, verlangte er an erster Stelle, dals 
durch besondere königUche Urkunden die ausdrückliche Verzeihung 
für alles Geschehene und die Anerkennung, dafs das Sepeniker 
Gebiet zu seinem Erbreiche gehöre, ausgesprochen würde. Dieses 
wurde auch zugestanden, nur Pokutien wurde mit Ausnahme eines 
einzigen Dorfes vom Könige zurückgenommen, und Stephan erhielt 
nicht, wie sein Vater, den Titel „gospodar^^, sondern nur den 
alten, viel einfacheren und niedrigeren eines Wojwoden. Nachdem 
der Befehlshaber von Halicz diese Urkunden nach Suczawa ge- 
bracht hatte, schwur Stephan in seine Hände den Treueid und 
verpflichtete sich dabei zu persönlicher Huldigung, sobald der König 
oder seine Söhne ihr Land ReuTsen betreten würden *). 

Bald darauf starb der greise König und hinterliefs zwei ganz 



1) Hurmuzaki I«, S. 580-581. 

2) Chüia 9i Cet.-Albä, S. 302-303. 

3) Hurmuzaki I', S. 842ff. 



eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 311 

Söhne. Während der neue pohlische Herrscher noch unter 
^oirixiundschaft stand und kindlich mit dem Zepter spielte, flüchtete 
licfai Ilic; dessen Befreiungsgesuche aus dem Kerker im Schlosse 
^iexsi.dz in Anbetracht seiner Vergangenheit auf den polnischen 
Eleiobstagen ungehört verhallten; nach der Moldau , wo er mit 
fremden und einheimischen Truppen wieder den Kampf für die 
K!i*oiie aufnahm. Doch nach einigen Schlachten schlössen die Brüder 
im August 1435 einen Vertrag, der beiden den gleichen Titel, „Herren 
des moldauischen Landes^', zubilligte; Ilie zog danach seine Ein^ 
ktinfte aus dem nördlichen Teile des Fürstentums, Stephan da- 
gegen aus dem Gebiete von Vasluiü, Birlad, TecucI, Oltenl, Covurluiü 
und Cbilia. Die podolischen HaupÜeute des polnischen Königs 
Katten dieses Übereinkommen in patriarchalischer Weise vermittelt, 
und der König wurde als Beschützer des Vertrages anerkannt. 
Hie, der äufsere Vertreter dieser moldauischen Doppelregierung, 
erneuerte darauf noch 1435 seinen Eid und kam im folgenden 
Jahre auch selbst nach Lemberg, um mit grofser Feierlichkeit 
persönlich seinem Lehnsherren zu huldigen. Er versprach nicht 
nur — und es war das erste Mal, dafs ein Herrscher der Moldau 
dies tat — eine jährliche Steuer, einen Tribut von Ochsen, Pferden, 
purpurnen Tüchern und Hausenkarren, sondern er opferte auch, 
um die Schuld seines Vaters gegen Polen wieder gutzumachen, 
freiwillig alle seine Bechte auf das Sepeniker Gebiet, mit ^e^ina, 
Chmielow und Hotin ^) : das war das wesentliche Ergebnis seiner 
kriegerischen Anstrengungen *)! 

Während die Moldau in so tiefe Abhängigkeit von Polen ge- 
riet und aus dem verheerten walachischen Lande der unermüdliche 
Vlad, „der Teufel", von den Türken in die Gefangenschaft ge- 
schleppt wurde, starb nach so vielen glänzenden und nutzlosen 
Taten, die nur ein ehrgeiziger Mann mit ungenügenden Mitteln, 
aber hohen Titeln und riesigen Ansprüchen verrichten kann, der 
Kaiser und König Sigmund. Unter seinem Schwiegersohn und 



1) Hurmnzaki I^ s. slavischer Anhang und Dlngosz zum Jahre 1436. 

2) Die Akten im slavischen Anhange von Hurmuzaki I^ Ygl. Chilia 
^i Cetatesr Alba, S. 93 S. Die Lehensabhängigkeit der Moldau von Polen erkennt 
Ilie noch 1439 an. 



SIS 2. Kapitel. 

Nachfolger Albrecht blieben alle Anstrengungen^ die man machte, 
um etwas g^n die von allen Seiten einfallenden Türken auszu- 
richten^ ohne merklichen Erfolg: 1439 konnte der Sultan nach Be- 
lieben die Eroberung Serbiens fortsetzen, und die wichtige Festung 
Semendria fiel tatsächlich in seine blutigen Hände. Um dem Chaos 
zu seinem vollen Rechte zu verhelfen und die Christenheit in diesen 
Gegenden noch mehr zu schwächen, trat auch noch früh der Tod 
des jungen, energischen Fürsten ein. Dem polnischen König fiel 
nun die Hinterlassenschaft seines Grofsvaters Ludwig zu, die man 
ihm zugleich mit der Hand der Witwe Albrechts anbot, und un- 
gesäumt erschien er im Frühling des Jahres 1440 in Ungarn. 
Aber hier waren die anarchischen Zustände so schlimm geworden, 
dafs noch viel gestritten werden mufste, ehe Wladislaw mit Fug 
seinen neuen Titel annehmen konnte. Eigentlich geschah das erst 
1443, als die Königin Elisabeth kurz vor ihrer zweiten erzwungenen 
Vermählung mit dem Eindringlinge starb und für Wladislaw nur 
noch ein Nebenbuhler vorhanden war: das war aber ein König 
in der Wiege, der nachgeborene Sohn Albrechts. 

Doch Wladislaw war auch jetzt nur scheinbar Inhaber der 
königlichen Macht. Denn während man diese Schwertstreiche zu- 
gunsten des Königs, der Königin und des Königssohnes führte, hatte 
sich durch grofse Verdienste um Vaterland, Christenheit und Kultur 
ein Mann dunkler Herkunft, wenn nicht zur höchsten Stelle^ so doch 
zum höchsten Ruhme emporgearbeitet. Johann von Hunjady war 
ein „Oläh", ein siebenbürgischer Rumäne, ein Vit4z aus Wojwoden- 
stamme, und während der fünfzehn Jahre, in denen er Feldzüge gegen 
die Türken unternahm, beherrschte er nicht nur die ganze süd- 
liche Grenze, sondern auch deren transalpinische Fortsetzung. Alles, 
was mit den Verteidigungskreuzzügen zusammenhing, gehörte 
diesem Ritter des Elreuzes, und die Walachei wie die Moldau waren 
wichtige Vorposten in dem Kampfe gegen die Türken oder die 
Tataren^ die in der Krim ein neues Kaiserreich gegründet hatten 
und von dort aus die öden podolischen Felder durchschwärmten. 
Durch ihn wurde gewissermafsen die seit einem Jahrhundert unter- 
brochene Einheit des rumänischen Volkes im Fühlen und Handeln 
wiederhergestellt: das geschah durch das Banner des Kreuzes^ 
das eine starke rumänische Faust trug. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. SIS 

Der Rabe in dem Wappen der Hunyady und der Beiname 
CorvinuS; den das Geschlecht erst unter König Matthias^ dem 
Sohne dieses Ritters Johann^ erhielt , sind nicht genügende Zeug- 
nisse für einen y^ transalpinischen'^ Ursprung. Tatsache ist dagegen^ 
dafs es im Jahre 1409 eine rumänische Familie von Berufssoldaten 
gab, die aus den Brüdern Voicul^ Mogo^ und Radul^ den Söhnen eines 
gewissen „Serbe" (Sirbul), aus einem anderen Radul, Sohn des „Serbe" 
mit einer anderen Frau, und aus Johann, Sohn des Voicul, welcher 
Johann in dieser Zeit beinahe zwanzig Jahre zählte, sowie aus 
einem jüngeren Bruder, gleichfalls Johann genannt, bestand. Voicul 
bekam 1409 vom Könige Sigmund, dem er als „Viteaz", d. h. 
„aulae miles" diente, ein Gut in der Hunyader Grafschaft. Der 
ältere Johann zeichnete sich bis sehr spät vor seinen Geschlechts- 
genossen nicht besonders aus. Diese waren auch zum gröfsten 
Teile Rumänen, und das walachische Element, welches so tief ge- 
sunken war, begann während der unaufhörUchen Kriege mit den 
an zwei Grenzen drohenden Türken wieder eine Rolle zu spielen 
und höher auf der sozialen und politischen Stufenleiter emporzu- 
steigen. Die Zeit der unabhängigen Wojwoden, der gefiirchteteten 
Knesen war gewifs schon vorüber, aber, wenn kein Jahr ohne Ver- 
heerungszüge der unversöhnlichen heidnischen Feinde, der unver- 
tilgbaren muselmanischen dracones verging, wenn der Berufs- 
soldat auf allen Pässen, immer lauernd, zur Stelle sein mufste, da 
bildeten die glänzenden Banderia der älteren Zeit, die Pracht- 
kavallerie der ritterlichen Ängeviner, nicht das zweckmäfsige Ver- 
teidigungsmittel. Immer häufiger wurden die „Walachen" in die 
Wald- und Felsengegenden geschickt, um hier schlau und hartnäckig, 
durch gröfsten Mut und höchste Bedürfnislosigkeit zugleich un- 
bezwingbar, mit den asiatischen türkischen Akindji, mit den wilden 
osmanischen „verlorenen Sentinellen^' zu ringen. Die castra der 
alten petschenegisch-kumanischen Tage, die seit geraumer Zeit 
beinahe verlassen lagen, bekamen neue Befestigungen, und neben 
ihnen wurden in districtus olachicales, in Bezirken voller 
Krieger, Rumänen des Königs und flüchtige Elemente, die von 
den Gütern der Edlen oder der Eorche gewichen waren, sowie 
Sachsen und Jobbagyen angesiedelt. Die „libertates^' der Rumänen, 
durch Ludwig den Grofsen zertreten, wurden durch Sigmund wieder 



814 2. Kapitel. 

ins Leben gerufen ^). Sieben solcher Abteilungen der Militärgrenze, 
die sich von dem Eisernen Tor am Marospasse bis Severin und OrsoTa 
ausdehnten; wurden im XV. Jahrhundert als sedes geschaffea '). 
Dadurch empfanden die rumänischen Jobbagyen die Unter- 
drückung seitens der Grundherren nur noch schwerer, und in 
Abwesenheit des Kaisers vereinigten sie sich, in Zeiten der höchsten 
Türkengefahr, mit den anderen geknechteten Bauern, den unedlen 
Magyaren, — beide unter dem aufrührerischen hussitischen Ein- 
flüsse — um gemeinsam mit den Waffen, die für einen anderen, 
etwas grausameren Feind bestimmt waren, ihre Freiheit zu er- 
kämpfen. Als Führer wird auf rumänischer Seite ein Michael 
genannt; der Befehlshaber der ganzen bäuerlichen Macht, der 
Wojwode dieser j ac quer ie, ein Ungar, Paul von Vajdahäza, nimmt 
einen ungewöhnlichen, hochtrabenden Titel an: „vexillifer iini- 
versitatis regnicolarum Hungarorum et Valachorum huius prineipatos 
Transylvaniae", Bannerträger aller ungarischen und walachischen 
bäuerlichen Bewohner der siebenbürgischen Erde. Auf Berges- 
gipfeln, wo sich von alters her bei nedel und tirguri die Ru- 
mänen versammelten, wurden Verträge mit den Edelleuten und 
Sachsen, die auch die höhere Klasse der freien, unabhängigen 
Szekler für sich gewonnen hatten, geschlossen. Was die armen, 
wilden Leute verlangten, ist leicht zu erraten: sie wollten nur in 
kleiner, bei ihnen gebräuchlicher Münze den Zins entrichten, und 
nicht mit dem Golde der Reichen, das ihnen fehlte; sie wollten, 
dafs ihnen das gesetzliche Recht, gegen Entrichtung eines terra - 
giums abziehen zu können, zuerkannt werde, dafs die bäuer- 
lichen Erbrechte nicht vom Grundherren angetastet würden, dafs 
man sie nicht mehr zur Verzehntung ihrer Schweine und Bienen 
zwinge, sondern dafs die Herren sich mit einem bestimmten Mafae 
von Arbeitsleistung auf dem Felde oder bei der Mühle, mit einer 
Abgabe von Hafer und turte, Brötchen, begnügen möchten, dafs 
sie nicht zwangsweise in die Bergwerke gebracht werden dürften, dafs 
ihnen die Pflanzung und Kultur der Weinrebe gestattet werde, 
dafs der von den durchziehenden Heeren angerichtete Schaden 
nicht unvergolten bleiben möchte, und dafs sie selbst als Zeugen 

1) Hurmazaki I^ S. 491, nr. 404. 

2) Hurmuzaki 11*, S. 12. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 315 

gegen den Edelmann erscheinen könnten. Zuerst ^ sofort nach 
ihrem Siege, wurde ihnen dies alles zugestanden. Aber bald 
sammelten sich neue feindliche Kräfte, die dem zahlreichen, aber 
«chlecht geführten und ungenügend bewafineten Heere härtere Be- 
clingungen abzwangen : Zins von einem Gulden in Gold von jedem 
IPflage mit acht Ochsen und von jedem entsprechenden Besitze an 
^ieh; jährliche Geschenke, ein Tag Frondienste in der Woche, 
Anerkennung der Patrimonialgerichtsbarkeit am Hofe des Edel- 
mannes oder Kirchenvogts, kurzfristige Bezahlung des terra- 
giums, um freien Abzug zu erhalten, Pflicht, die Waffen zur Ver- 
teidigung des Landes zu tragen, Amnestie für das Geschehene, 
wobei derjenige, welcher diesen Vertrag bricht, wenn er ein 
Edelmann ist, zur Genugtuung verpflichtet wird, während der 
Bauer das Verschulden mit dem Kopfe zu büfsen hat. Von einer 
jährlichen Abordnung guter, alter Leute, die hoch auf dem Berge 
zusammenkämen, um zu prüfen, ob auch die Bedingungen der 
„Verbrüderung" beobachtet worden sind, von diesem weisen, 
naiven Parlamente, ist jetzt nicht mehr die Rede. Die Amnestie 
wurde schliefslich mit dem Blute der Gemarterten und Hingerichteten 
feierlich besiegelt. Ein neuer blutiger Protest dagegen ward erst nach 
einem Jahrhundert friedlichen, schmerzlichen Duldens erhoben ^). 
Die bevorzugten, mit Privilegien ausgestatteten Ankömmlinge hatten 
dem beherrschten „populus" des Landes wieder den eisernen Zaum 
an den blutenden Mund gelegt; das unbebaute Land hatte seine 
Arbeitstiere wiederbekommen. 

Der Aufstand, der die meisten Anhänger unter den Rumänen 
gefunden hatte, mifslang und diente nur dazu, die sanktionierende 
Verjährung der Ungerechtigkeit zu hindern. Aber dieselbe Militär- 
ordnung Kaiser Sigmunds schaffte die MögHchkeit, zu Ruhm zu 
gelangen, für eine grofse Anzahl rumänischer „milites^^ und „olä- 
hischer" Vit^z, die als Kenner der Bergpässe, der Walddickichte 
und morastigen Flufsufer mehr als andere für den ewigen Klein- 
krieg mit den auflauernden Türken geeignet waren. Die Schenkungs- 
urkunden, mit denen langjähriges, gefahrliches Kämpfen belohpt 
wurde, haben die Namen dieser Streiter für Ungarn und die 
Christenheit besser überliefert als die parteiischen oder zu kurz 

1) Hurmuzaki I«, S. 615ff., 621ff.; S. 636, iir.536; vgLÜ«, S. 120— 123* 



S16 2. Kapitel. 

gefafsten chroDikalischen Aufzeichnungen des Landes. Hierher ge- 
hören Mitglieder der Familie Bizere^ welche noch in die Kriege 
gegen Dan I. verwickelt waren, das Geschlecht Cioma, aus dessen 
Mitte gegen 1450 auch ein Ban von Severin entnommen wurde, 
die Mu^na, die Chendri^, die Cindea, die Tapfersten aus dem 
Banate, dem Hatzeger Lande und Hunyader Gebiete. 

Da sich das Land unter dem grofsen, immer entfernten König 
und Kaiser einer vollkommenen Anarchie erfreute, mischten sich 
die Vit^z und ihre rumänischen Geiahrten auch in Angelegenheiten 
der Nachbarländer. Vlad Dracul weilte bald in der Walachei, 
bald in seinen transalpinischen Besitzungen, die ihm sein mächtiger 
Gönner bestätigt hatte. Hier suchte er Geld und Soldaten, wo- 
gegen er Land an neue Fogarascher Bojaren vergab ^). Zu ihm, 
in sein heifsumstrittenes walachisches Fürstentum, wenn nicht gar 
in die Moldau, deren Beziehungen zu Ungarn in dieser Zeit nicht 
genügend bekannt sind, kamen, um Sold, Beute, Land und Ruhm 
zu gewinnen, Bojaren vonFägära^, neme^l von Ha^eg und Bauern 
aus dem umliegenden Gebiete ^). 

Der grofse und kleine „Oläh Jänos", die beide ihre mili- 
tärische Laufbahn unter der Familie Cbäk, unter Franz von Csanäd, 
dem Bischof von Agram, und dann 1433 — 1435 unter dem Herzog 
von Mailand ^) begonnen hatten, mögen vielleicht Beschäftigung auch 
bei dem „Wojwoden" gefunden haben, und sie erlernten in dem un- 
aufhörlichen Kriege gegen die „ Heiden ^^ in den Donauburgen die 
grofse Kunst, der osmanischen Macht auf gleiche Weise Widerstand 
zu leisten. Das erbeutete und als Sold empfangene Geld liehen sie 
der Königlichen Kammer, die auch die bescheidensten Zuschüsse 
gebrauchen konnte, dafür aber bekamen sie als P^der, an deren 
Einlösung nicht zu denken war, königliches Land und traten damit 
in den Adelstand des siebenbürgischen Fürstentums. Nach 1435 
gelangten sie dann schnell zu Ansehen und Macht ^). 



1) Studil ^i documente, II, S. lxiv— v; Bogdan, Rela^iüe ca Bra^vul, 
a 39, 40, 44—45, 48. 
• 2) Vgl. Hurmuzaki l^ S. 592-594, nr. 436; S. 590, nr. 492. 

3) Bonfinius III, cap. IV, S. 304 der Ausg. von 1690. 

4) Johann der ältere hatte auch Sigmund auf seinen kaiserlichen und böh- 
mischen Zügen begleitet; Diplom von 1453, in Hurmuzaki IE', S. 30. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. S17 

Vor den sich immer erneuernden türkischen Stürmen hatten 
eicli die wenig zahlreichen Deutschen Ritter von Severin zurück- 
gezogen, vielleicht erst nach dem Tode ihres Förderers, des Kaisers, 
<le]r sie gerufen hatte. Wahrscheinlich im Namen eines der recht- 
mäfsigen Besitzer der Landschaft, des walachischen Wojwoden, 
übernahmen jene Brüder „Oläh" die Verteidigung des Severiner 
Hiandes und legten kleine Trupps eigener Reiter undFufsknechte nach 
SeT^erin, Orsova und Mehadia. Westlich schlofs sich ihre kleine, 
selbständige Macht an die Posten von Krassö, Eewe und Belgrad 
B,xi, deren Verteidigung einem unternehmenden Ragusaner, Franko 
von Talovac, anvertraut war. Elisabeth und Albrecht, das neue 
Slönigspaar, erkannten die Tatsache an, bezahlten nur einen ganz 
kleinen Teil der Auslagen, und, da die Brüder den Rest selbst 
übernahmen, erhielten sie neue Besitzungen der Elrone verpfändet 
ZvL gleicher Zeit Wurden die beiden Johann von Hunyadj feier- 
lich zu Banen von Severin ernannt. Als wenig später der innere Krieg 
um die Krone ausbrach, halfen die Baue dem „polnischen König'' 
gegen die viel mächtigeren Barone, während sie nebenbei auch 
ihren Kampf mit den bulgarischen Türken fortsetzten und die 
Grenze so gut verwahrten, dafs in dieser Zeit der Wirren die 
Feldherren des Sultans keine Gelegenheit fanden, siegreich in das 
Land der Anarchie einzufallen. Aus der Hand Wladislaws bekamen 
sie zu den alten wieder neue Besitzungen. Im Jahre 1441 war 
der ältere Johann , ohne die Stellung im Severiner Banat aufzu- 
geben — von dem Bruder wird von nun an nicht mehr ge- 
sprochen — , nach Ladislas von Chäk, Wojwode von Siebenbürgen 
und, als Nachfolger des „ Markgrafen '^ Sigmunds, des berühmten 
Italieners Pippo, auch Graf von Temeschwar, comestemesiensis. 
Durch die Verteidigung Belgrads gegen die Türken, welche die 
nördlichen Grenzen des eroberten Serbiens weiter auszudehnen suchten, 
durch einen glücklichen Streifzug, wobei er im Innern der neuen 
türkischen Provinz deren obersten Befehlshaber Isak- Pascha schlug, 
hatte sich Johann diese glänzende Stellung verdient ^). 

Mit seinem Siege von 1440 hatte Johann von Hunyady nicht 
nur einen türkischen Einfall in Ungarn von dem vollständig er- 



1) Vgl.Hurmuzaki I', S. 462—463, 651-652, 664-665, 671, 678-679. 



S18 2. Kapitel. 

oberten Serbien her verhindert; sondern eine Ära langer, seh 
riger Kämpfe mit der Verteidigung aUer ungarischen Grenzen 
die immer weiter vorwärts strebende osmanische Macht erö 
und den Christen die Möglichkeit gegeben^ auch auf das südli 
Donauufer vorzudringen. 

Im Jahre 1441 herrschte in der Walachei, die er endlich in 
gesichertem Besitze hatte, aber als Vasall der Türken, mit denen 
gemeinsam er 1438 in Siebenbürgen eingedrungen war, Vlad 
DracuL In der Moldau waren die Beziehungen der versöhnten 
Brüder Bie und Stephan zueinander noch friedlich. Ersterer fiihrla 
in Suczawa ein wenig glänzendes Leben/ inmitten der gewöhnlichen 
Regierungsgeschäfte; dem letzteren war die schwierigere Aufgabe 
zugefallen ; seine Besitzungen in der ,,^ara-de-jos'' (dem unteren 
Lande) gegen die seit einiger Zeit; gewifs infolge türkischer Ver- 
hetzung, sich wieder rührenden Tataren der Krim zu verteidigen. 
Im Jahre 1439 kam Ilie auch nach Vasluiü; um das gemeinsame 
Fürstentum gegen einen tatarischen Raubzug zu schützen, aber imch 
seinem Abzug brachen die wilden Horden ins Land und drangen, 
ohne Widerstand zu finden, bis Boto^anl vor; im Dezember 1440, 
während Hunyadj mit den serbischen Begen zu schaffen hatte, 
kam eine tatarische Rotte, um Birlad und Vasluiü zu verbrennen; 
die Intervention des ungarisch-polnischen Königs beim Sultan hatte 
nur wenig Erfolg *). Stephan liefs durch einen fremden Meister 
Cetatea-Albä, das ihm anvertraut war, aufs neue befestigen ^). 

Im Jahre 1442 schickte nun Murad seinen Donaubegen 
Mezed durch die Walachei nach Siebenbürgen. Er kam, besiegte 
bei Sz.-Imbre die Streitkräfte des Landes und wollte im März 
mit der Beute durch die westlichen Pässe entschlüpfen. Der 
„ polnische '^ König von Ungarn kämpfte zwar gegen die Cillyer, aber 
Hunyady konnte zur gefährdeten Stelle eilen ; in echt „ walachischer '' 
Weise wartete er mit den castrenses am Eisernen Tor der KsLr- 
pathen : die Türken wurden geschlagen und ins Land zurückgeworfen. 
Als sie nun die Pässe nach der Walachei hin aufsuchten, fanden 



1) Cron. de la Bistri^a' bei B o g d a n , Cronice inedite. Vgl. Chüia ^i Cet- 
Albä, S. 98-99. 

2) Abhandlungen der Gesellschaft von Odessa (rassisch) Bde. II, XY; Tgl. 
Conv. lit, XXXV, S. 247 f., 469 f. 



Z>ie eigeDtliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. tl9 

ie skuch dort einen wenig freundlichen Empfang von Seiten des 
yOrstchen^'. Nachdem der Sultan zur Strafe für den Vater die 
^line Vlads eingezogen hatte ^ kam gegen den Herbst der Beg- 
Ler\>eg von Rumelien selbst mit einem grofsen guten Heere ^ fand 
skber ein ödes Land vor^ wie seine Vorgänger in der Zeit Mirceas, 
and. als er^ der lalomi^a folgend , in Siebenbürgen einfallen wollte, 
Btsknd er Hunyady gegenüber und erlitt eine entscheidende Nieder- 
lage. Die Beste der Barbaren wurden bis zur Donau verfolgt ^). 
Nach seinem ersten Erfolge bereits war Hunyady Verträge 
^mit dem walachischen und auch dem moldauischen Wojwoden einge- 
gangen; wodurch dem Königreiche Ungarn die Lehensabhängigkeit 
der rumänischen Fürstentümer gewährleistet und der Markgraf 
Äa ihrer miHtärischen Unterstützung verpflichtet wurde. Im fol- 
genden Jahre unternahm der Wiederhersteller der unterworfenen 
christlichen Staaten einen glänzenden Feldzug nach Serbien ^ wo 
er den nach Ungarn geflüchteten Despoten Georg Brankoviö ein- 
setzen wollte. Zuerst sollte der Weg durch die Walachei ein- 
geschlagen werden, aber man wählte dann den über Belgrad als 
den sicherem^ und dennoch stiefs Vlad mit 20000 Kriegern, Bo- 
jaren und freien Bauern zu den Fahnen seines Beschützers. Der 
moldauische Wojwode erschien aber nicht: er hatte in seinem 
Lande selbst genug Grausiges zu verrichten. Es scheint in der 
Tat, als ob Hunjady mit dem für seine Zwecke wichtigeren Be- 
herrscher der Südmoldau einen entsprechenden Vertrag geschlossen 
hat: dadurch gewann Stephan den Mut, sich unabhängig zu 
erklären und nach der Herrschaft über das ganze Land zu streben. 
Im Mai des Jahres 1443 war er schon in der Hauptstadt Suczawa, 
und sein unglücklicher Bruder wurde nach byzantinischem und 
türkischem Muster — so war es z. B. dem Despotensohn Gregor 
1438 ergangen — geblendet Seine Frau Marinka flüchtete sich 
imd gab ihren Polen die Burgen des Sepeniker Gebietes ^). 



1) Serbische, venetiaDische und ungarische Chroniken; Erzählung von 
Wayrin; die. Kritik und nähere Angabe der Quellen bei Hu her, Kämpfe der 
Ungarn gegen die Türken, Arch. f. öst. Gesch. LXYIII, Jahrg. 1886; dann 
Jorga, Studil ^i doc, III, S. xinff. 

2) Die Landeschronik und die Urkunden bei Hurmuzaki IP. Vgl. Chilia 
§i Cet.-Albä, S. 100—101. 



SSO 2. Kapitel. 

Auch an dem grofsen Zuge von 1444, durch den Hunyady 
auch Bulgarien zu unterwerfen^ so das ungarische Keich mit einem 
Oürtel von zinspfiichtigen Staaten zu umgeben und die Balkan- 
grenze — bis zur vollständigen Verdrängung der Türken — zu ge- 
winnen hoffte^ auch an diesem Feldzuge nahm nur Vlad Dracul teil 
Zu Nikopolis vereinigte er sich mit dem vordringenden ungarischen 
Heere, das der König selbst befehligte. Er nahm an der Freude 
über die Siege und an dem Schmerz der Katastrophe von Warna 
teil, in welcher der junge Wladislaw, mit Ungestüm kämpfend, fiel 
Dafs Dracul die Gelegenheit benützt hätte, um seinen Wohltäter 
bei der Rückkehr gefangenzunehmen, ist durch nichts bewiesen ^). 

Nach der grofsen Niederlage bei Warna verloren jedoch 
durchaus nicht alle diejenigen, welche die Vertreibung der Türken 
aus Europa erstrebten, ihre eben noch so hell leuchtenden Hoff- 
nungen. Der burgundische Herzog hatte schon seine in Venedig 
ausgerüsteten Schiffe mit denjenigen des Papstes in die Levante 
geschickt, um die erwartete Flucht der Heiden nach Asien zu 
verhindern. Diese nun zwecklose Flottille mit tapferen französischen 
Rittern kam durch das Schwarze Meer, wo die Türken ihre 
Macht noch nicht begründet hatten, an die Donaumündungen 
und fuhr den Flufs selbst hinauf, um den verschwundenen König 
Wladislaw zu suchen und sich an dem neuen ungarischen Zuge von 
1445 zu beteiligen. Nachdem die Kreuzfahrer die Kunde vom 
Tode des Königs erhalten hatten, schlössen sie einen Vertrag mit 
Vlad und Hunyady, um noch einmal das Glück gegen die Donau- 
türken zu versuchen: eigentlich wollte man nicht mehr einen 
grofsen, gefährlichen Zug, sondern nur die Eroberung des rechten 
und linken Donauufers wagen, um dadurch die Walachei ihrer 
Fesseln zu entledigen. Das gelang aber nur bei kleineren oder 
weniger befestigten Plätzen, wie Turtucaia und Giurgiu, während bei 

1) Vgl. besonders die Erzählungen von de Palatio bei Lewicki, Codex 
epistolaris, und von Beb ei m, in: Quellen und Forschungen zur vaterländischen 
Geschichte, Literatur und Kunst (Wien 1849). Die reiche Literatur ist in 
meinen Studil ^i doc. in und Notes et extr. I angegeben. Dazu kommt die 
neuere Polemik zwischen A. Brückner, Geschichte der polnischen Literatur, 
und etlichen magyarischen Gelehrten in Szazädok, 1901, welche Privatbriefe des 
Gegners und andere Beweisstücke benutzen. Vgl. auch Mitteil, des Listituts 
für österr. Geschforsch. 1904. 



Die eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten nnd Tfirkenkämpfe. SJBl 

iSilistrien und Tumu alle Versuche scheiterten. Das persönliche 
^Irselieinen Hunyadys bei Tomu^ dem Klein -Nikopolis aus Sig* 
lociixiidB Zeiten y half auch nichts^ und nachdem, um der Form zu 
:geixligen^ die Donau bei Bachowa überschritten worden war, löfte 
«iclü das christliche Heer auf ^). Obgleich Hunyady 1446 zum. Re- 
genten des ungarischen Reiches gewählt wurde, erneuerte er seine 
Angriffe gegen die Osmanen nicht. Vlad schlofs mit letzteren 
Frieden und lieferte dabei auch die Bulgaren, die bei ihm Zu- 
iflucht gesucht hatten, 12 000 an der Zahl, aus. 

Das verdrofs den ungarischen Gubemator, der die unhaltbare 
JLage seines bisherigen Schützlings nicht verstehen wollte. Ende 
1446 zog er nach der Walachei; wäJirend der grofsen Winter- 
ifestzeit wurde Vlad geschlagen und zusammen mit seinem älteren 
Sohne und Mitregenten Mircea getötet ^). An seiner Statt wurde 
-ein Yladislav, der Sohn des Danciul und Enkel des ersten Dan, 
s^xxm Vasall-Fürsten ernannt. 

In demselben Jahre aber tötete Roman, der Sohn des Bie, 

«icher mit pokiischer Hilfe, seinen Oheim, den Usurpator Stephan. 

IDieser hatte sich, nach kurzem unbekanntem Ringen, in das Untere 

^and geflüchtet; hier wurde er gefangengenommen, vom Henker ent- 

liauptet upd sein Leichnam im neam^r Kloster beigesetzt (13. — 16. Juli 

1447). Bei seinem Streben nach der blutigen Ejrone des ver- 

.armten moldauischen Landes hatte Roman in dem Gemahle seiner 

•Schwester, dem walachischen Fürsten Vlad Dracul, einen Helfer 

•igefunden, und eben deshalb konnte er Hunyady nicht gefallen. 

Jetzt war die Macht des ungarischen Regenten grofs genug, um 

auch in die Moldau Fürsten nach seinem Willen einzusetzen. Aus 

Siebenbürgen kam ein gewisser Peter, der die alte Schwester des 

Hunyady geheiratet und den Eronstädtem ein Handelsprivi* 

legium verliehen hatte: es glückte ihm, den Nebenbuhler, der 

^uch am 2. Juli 1448 starb, zu verdrängen. Nach dem 

Tode Romans, dessen Bruder Alexander, von der polnischen 



1) Wavrin; Brief von J. de Zredna, Schwandtner, Scriptoresü; Studil 
:§i dop., I — n, S. XXV— xxvn. 

2) Vgl. Studil ^i doc, in, S. xxvn — xxvm und Hurmuzaki I', S. 758, 
or. 626. 

Jorjfa, Geflcliichie der Bamänen. I. 21 



S23 2. Kapitel. 

Mutter Olechno genannt , sehr jung war^ konnte auch der neue 
König von Polen, Easimir, die Huldigung Peters entgengennehmeß; 
dies geschah bald darauf im August ^). 

Jetzt erst ging Hunyady nach Warna, um die erduldete 
Schmach zu rächen. Die Serben waren mit der 1443 gewonnenen 
Stellung zufrieden und hatten keine Lust mehr zu grofsen Unter- 
nehmungen. Der walachische Fürst rührte sich nicht und schickte 
seinem Gönner nur Hilfstruppen. Wieder schlofs der Feldzug 
mit einer Niederlage bei Kossovopolje , tragischen Andenkens. 
Bei der Rückkehr wurde der besiegte Held „Janko" von Q-eorg 
Brankoviö angehalten; und Hunjady kehrte nach allen diesen 
Mifserfolgen und Erniedrigungen nach Siebenbürgen zurück und 
strafte auch den Walachen für seine Gleichgültigkeit^ indem er 
ihm die zisalpinischen Lehen entzog ^). 

Trotz alledem ging in der Walachei kein Fürstenwechsel "vor 
sichy und Vladislav mufste sich mit bitteren Klagen über das Be- 
nehmen des Gubernators begnügen. In der Moldau jedoch fand 
derselbe Gubernator, und nicht nur ein Mal, Gelegenheit zuna 
Eingreifen. 

Bogdan, ein natürlicher Sohn des grofsen alten Alexander — 
er wurde nach dem Bruder Alexanders genannt — , erhob sieb 
nach dem Regierungsende und dem Abgange seines Halbbruders 
Peter. Nun war Peter aus Siebenbürgen gekommen, hatte den 
dortigen Sachsen Handelsfreiheiten verliehen und überdies, um 
die Kreuzzugspläne Hunyadys zu begünstigen, ihm die wichtige 
Festung Chilia abgetreten. Andrerseits schickten die Polen als Nach- 
folger ßomans und als Vertilger aller unehelichen Usurpatoren den 
jugendlichen Olechno. Da erkannte Bogdan, dafs er dem unga- 
rischen Regenten Treue schwören musste, wenn er Hilfe haben 
wollte, und er führte den Vorsatz aus am 11. Februar und 
5. Juli 1450 ^): in dem ersten dieser wichtigen Verträge verspricht 



1) Slayische Akten, yerö£fentlicht von J. Bogdan in An. Acad. Born. XI; 
Hurmuzaki V; Dlugosz und die moldauische Chronik; Chilia ^i Cet.-Albä^ 
S. 101—102; meine Istoria lul Stefan-cel-Mare (Bukarest 1904), S. 41—2, und 
weiter unten, S. 325, Anm. 1. 

2) Chüia §i Cet.-Albä, S. xxx; Bogdan, Eel. cu Bra?., S. 59fiF. 

3) Bogdan, in An. Ac. Born., XI, S. 55 — 58. 



._ , 



II>ie eigentliche Organisation. Innere Streitigkeiten und Türkenkämpfe. 8SS 

Bogdan ^^ seinem gnädigen Vater ^'^ dafs er nie jemand anderen in 
dieser Eigenschaft anerkennen, dafs er dem Regenten mit Truppen 
helfen und ihm eine Zuflucht in Zeiten der Not bieten werde; in dem 
zi?veiten fügt er noch eine Klausel hinzu, wodurch den Walachen, 
denen Chilia anvertraut war, dessen friedlicher Besitz, solange es 
Hunyady haben will, gesichert wird. Am ersteren Datum war Bog- 
dan von den Polen, die schon eine Annexion der Moldau beab- 
siclitigten, nach Roman, jenseits des Sereth, verjagt; im Juli befand 
er sich in Suczawa, im September, schlofs er einen Waffenstillstand, 
dem eine Überrumpelung des königlichen Heeres folgte. Im Jahre 1451 
begann der Krieg mit neuen Kräften und, während Bogdan' in 
der Nähe von Suczawa, in Reusenl, weilte, wurde er von einem 
zweiten Peter Wojwoden,„dem Sohn des Alexander" — dieser 
Peter führte früher den Namen Aron — , bei einem Schmause 
überrascht und getötet. Alexander wollte das Land mit diesem 
neuen Eindringlinge nicht teilen ; er rang mit ihm mehrere Jahre, 
begab sich in ungarischen Schutz und schwur, sehr demütig, 
„seinem Vater lanus Voevod" Treue; aber 1455 aufs Haupt ge- 
schlagen, suchte er eine Zuflucht in Cetatea-Albä, wo der junge 
verdorbene Wüstling, von seinen eigenen Bojaren vergiftet, starb. 
Dem zweiten Peter blieb somit das ganze Land ^). 

Selten hat ein Fürst seine Stellung mit so tiefen Demütigungen 
erkauft wie dieser elende Sohn Alexanders des Guten. Er wufste, dafs 
ihn Hunyady nicht dulden konnte, nachdem er seinen Schützling ge- 
tötet und Alexander, der auch mit dem ungarischen Gubemator 
durch den Treueid verbunden war, vertrieben hatte. Darum 
suchte er noch 1455 polnische Gnade zu erlangen und erhielt sie 
auch 1456 endgiltig gewährt. Als Gegenleistung versprach er Truppen 
gegen den Deutschen Orden, 400 Reiter mit Speeren, „sogenannte 
bronnych^', dann eine Ochsenlieferung für denselben baltischen 
Krieg; dafür gab er der Marinka, der Witwe Die's, Siretiu und 
Olhovät, ja liefs sie sogar in der Hoffnung, dafs er auch Hotin 
und fe^ina abtreten könnte, verpflichtete sich auch zu einer Mit- 
gift für die Tochter Marinkas und lieferte dem Könige die tata- 
rischen Flüchtlinge, die sich bei ihm fanden, wie auch den rus- 



1) Chilia §1 Cet-Albä, S. 103 S. ; Ist. lui Stefan, S. 43 ff. 

21* 



SS4 2. Kapitel. Die eigentliche Oiguüsation. Innere Streitigkeiten usw. 

Bischen Herzog Michail aus. Alles , was er mit and«:en 
früher vereinbart hatte, sollte künftig keine Geltung mehr haben, 
und Hunyady selbst wurde angegriffen, denn der Vertrag spradi 
auch von abgetretenen Gebieten, zu deren Wiedereroberung mck 
Peter verpflichtete, und dies wies ziemlich deutlich auf Chilia 
hin »). 

Aber es folgten noch andere Erniedrigungen. Der junge 
Sultan Mohammed hatte 1453 seine Residenz in Konstantin- 
opel aufgeschlagen, nachdem er das verdorbene Griechentum mit 
dem Schwerte weggefegt hatte. Eine grofsartige Demonstration 
der türkischen Flotte im Schwarzen Meer fand 1454 statt 
Im Jahre 1455 verlangte der heidnische Kaiser des Morgen- 
landes von Peter, dafs er ihm als „Kharadj^^ ohne Säumen 
2000 ungarische Gulden entrichte. Der furchtsame Wojwode bat 
den Metropoliten Theoktist und seine Bojaren um Rat und schickte 
dann von Vasluiü aus — er, der von Tataren bedrohte, von 
Ungarn gehafste und von Polen verlassene Fürst — den Logo- 
föt Mihul zum Sultan, um ihm die Versicherung zu bringen, dafs 
das Geld — der grofse Herrscher von „Asien und Europa" be- 
gnügte sich nicht mit dem falschen Eide seines Vasallen, sondern 
forderte echte Goldmünzen — kommen werde. 

Diese Botschaft, die erste moldauische Botschaft, die bezüg- 
lich eines Tributes aus der Moldau an einen osmanischen Macht- 
haber abging, traf den Sultan in Serbien, wo er das Eroberungs- 
werk wieder begonnen hatte. Der serbische Despot weilte als Flücht- 
ling in Ungarn ; Belgrad wurde belagert, und abermals eilte Hunyady 
zur Befreiung der wichtigen Festung herbei. 

Bevor er seine Kräfte dazu zusammenraffte , traf er MaTs- 
regeln, um sich der rumänischen Länder zuversichem. Vladislav 
Dan wurde wahrscheinlich schon 14ö5 ^) angegriffen und, obgleich 
er noch im April 1455 urkundet, verlor er doch bald darauf sein 
Fürstentum ^). An seine Stelle trat nun der ältere von den 

1) Hu^muzakiI^ S. 65— 67, 667- 668, 675 ff. YgLPärvan, Aleaändrel- 
Vodä §i Bogdan-Vodä (Bukarest 1904). 

2) Vgl. Chilia ^i Cet.-Albä, S. 107, nach dem Diplomatariom ragasannm 
von Gelcich. 

3) S. Bogdan, Vlad T^P®?» Chronologische Notizen. 



3. Kapitel. Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 825 

Söhnen Draculs, welcher als Geisel bei Sultan Murad und am 
türkischen Hofe lebte und türkische Grausamkeit und türkische 
TVollixst kennen gelernt hatte. 



3. Kapitel. 

Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates 
waiirend der fünfzigjährigen Regierung Stephans des 

Grofsen, des Fürsten der Moldau ^). 

Stephan^ der Sohn des ermordeten Bogdan und Enkel Alexan- 
ders des Guten, des wahrhaft königlich regierenden alten Fürsten 
der Moldau (1400 — 1433); war aus der Walachei gekommen '), ge- 
sandt von dem dort durch Johann Hunyadj neu eingesetzten 
Wojwoden Vlad, dem Pfähler (^epe^), dem er also seine Thron- 



1) S. im ganzen meine soeben (1904) erschienene Istoria lul ^tefan-cel-Mare, 
Ausgabe des Untemchtsministeriams. 

2) Im Monat Mai ohne Jahresangabe (=» 1445) sdireibt aas der Moldau, 

von Yasluiü aus, ein Wojwode, Stephan, und man kann ahnen, dafs dieser 

der Sohn des ermordeten Bogdan, der künftige Stephan der Grofse sei. Dieser 

Stephan tut den Eronstädtern zu wissen, dafs „er Wojwode dieses Beiches*', 

d. h. der Moldau sei, „ nachdem er die Kämpfe mit unserem Bruder Peter, dem 

Wojwoden, der mit feindlicher Hand über ihn gekommen sei", beendet habe« 

Dann verlangt er Nachrichten über „Johann den Wojwoden", der bald darauf nach 

der Walachei zog. „Stephanus Yaivodda de Moldva . . . Noveritis me esse Yaivodank 

in isto regno, videlicet in Moldva, licet retroactis temporibus, non multnm elapsis,. 

in guerra et discordia quam gerebamus cum Petro, fratre nostro Vaivoda, sinistra 

manu mihi invadente, non modicum persequebamur vosmet ipsos; nunc Dei per 

gratiam sumus in regno nostro padfice. Quare Yestras üniversitates petimus . . . 

quatenus, quod vioes aut hospites vestri civitatis et provinciae vestrae, videlicet 

Barza, aliqna dampna sive iniurias et mutilationes membrotum in suis merci- 

moniis et in negotiationibus suarum rerum nostro in regno . . . passi fuissent . . .^ 

volumus satisfactionem impendi . . . Item intime petimus vestras amidtias et. 

fratemitates quod, si auditis vel audivistis aliquam famam de loanne Yaivoda. 

aut aliam famam . . . , renuncietis . . . Scripta in Moldva, in civitate Wazlo, anno 

praesenti post festum Urbani Papae feria sezta." Original im Eronstadter 

Archiv, Abschrift in der Bibliothek der Bumänischen Akademie. Der Schreiber 

ist sicher der vorige Stephan, der Sohn Alezandes des Guten. 



8S6 3. Kapitel. 

besteiguDg verdankte. Von polnischen Offizieren aus der Nach- 
barschaft unterstützt ^), versuchte sich sein Vorgänger, der feige 
Peter Aron, ein unehelicher Sohn Alexanders des Guten, noch 
länger zu halten, aber das gelang ihm nicht. Noch am 1. April 
1457 war er in Suczawa; unmittelbar darauf, am 12. April, siegte 
Stephan bei Dolje^tl (in Hreasca), dann bei Orbic, und Peter 
entfloh nach dem einzigen ihm offen stehenden Schlupfwinkel, 
nach Polen. 

Aber der „Wojwode Johann", der rumänische und all- 
gemein christliche Held, war nicht mehr am Leben und konnte 
sich der seinem Wunsche gemäfs vollzogenen Veränderung nicht 
mehr freuen. Ihm war der beste Tod des Kriegers beschieden: 
im Siegesrausche, nachdem er die stolzen Fahnen des Sultans 
von den Mauern Belgrads hatte schwinden und ihn den Kückzug 
hatte antreten sehen, war er gestorben. Für Ungarn und die ru- 
mänischen Länder, ja für die ganze östliche Welt war es eine 
bedeutende Stunde, da sich die müden Augen des grofsen Türken- 
bekämpfers schlössen. 

In seinem Vaterlande Ungarn begann ein neues Zeitalter von 
Bürgerkriegen, bis endlich das königliche Kind Ladislaus den Beweis 
erbringen konnte, dafs die Regierungsgeschäfte nicht seine Sache 
seien. Es verging noch einige Zeit, ehe Matthias, der jüngere 
Sohn Hunyadys, kraft der Verdienste seines Vaters die ungarische 
Erone erhielt, aber dieser grofse König Matthias, so glänzend er in der 
Geschichte Ungarns dasteht, besafs nicht die Kraft, um seinen Ehr- 
geiz zu beherrschen, und sah nicht ein, was „Johann der Walache^' 
genau wufste, dafs für Ungarn alles von dem Erfolge bei der 
Verteidigung gegen die Türken abhänge. Er vergeudete nutz- 
los seine Kraft, um österreichische, böhmische und transalpinische 
Länder zu erobern. In der Walachei erwies sich Vlad, der Sohn 
des„Drachen^^, nur als schwacher Dilettant im Hinrichten und Pfählen 
von Feinden, Untertanen und Tieren 2). Der Geist Hunjadjs 
kam aber auf einige Zeit wenigstens über jenen jungen Fürsten- 

1) Hurmuzaki P, S. 675-677, nr. 516. 

2) Ein Gedicht Martin Beheims über Vlad hat neuerdings Gr. Gon- 
daratu aufgefunden und 1903 als Leipziger Dissertation veröffentlicht. In demselben 
Jahre ist es im „Archiv für siebenbürgische Landeskunde" erschienen. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 337 

söhlig der die Moldau den schlaffen Händen des Peter Aron entrifs^ 
durcli kluge Berechnung wie durch mutiges Streiten die Verhält- 
nisse der Zeit meisterlich beherrschte und^ gegen das Schicksal 
kämpfend; sein unabwendbares Vorwärtsschreiten wenigstens ver- 
zögerte ^ so dafs er nach einem halben Jahrhundert kraftvoller 
Xtegierung seinen Nachfolgern ein freies ^ grofses, reiches Land 
hinterlassen konnte. Sein starker Arm hob endlich das in den 
Staixl> gefallene Zepter des greisen Alexander. 

I. Um seine Laufbahn zu verstehen ^ ist es notwendig , die 
inneren Kräfte des Landes kennen zu lernen. 

Bisher war man gewöhnt gewesen^ die neuei*standene Moldau 
&Is ,^ Kleine Walachei ^^ zu bezeichnen ^); jetzt , nach der langen 
trefflichen Regierung Alexanders, und trotz der zwanzig Jahre, 
die in innerem Hader und Anarchie verflossen waren, verdiente 
das Land Bogdans, das „Bogdanien^^ der Türken und mancher 
Oriechen, nicht mehr eine Hintansetzung gegenüber der Walachei. 
In jeder Hinsicht war die Moldau stärker als das ältere, herab- 
gekommene „rumänische Land'^, dem gegenüber sie in stetigem 
Kampfe zum Vorteil für sich und das ganze Volk immer mehr in 
den Vordergrund trat. 

Wenn man den Hof eines Vladislav Dan oder eines Vlad 
^epe§ mit dem des Moldauers Stephan vergleicht, sei es auch 
nur in dessen ersten Regierungsjahren, so ergibt sich sofort die Über- 
legenheit der Moldau. Die walachischen Bojaren sind wenig 
zahlreich, die meisten haben keine Titel, beinahe alle werden nur 
nach ihren Taufnamen genannt, die einander ohne jegliche Ord- 
nung folgen. So erscheint in einer Urkunde Vladislavs zunächst 
ein Dragorair Udri^te, wahrscheinlich die rechte Hand des Woj- 
woden, dann ein Vornic und zuletzt ein Logofät; auf diese folgen 
vier Bojaren mit Taufnamen und dem Namen des Vaters, zwei Spätarl, 
der Vistier, derPäharnic, derStolnic, derComis und derStratornic, bei 
denen allen die Familie, der sie angehören, unbekannt bleibt^). 
In einer Urkunde von f epe§ finden sich zwei Bojaren ohne Würde, 
dann der Vornic, der Vistier, der Stolnic^ der Comis, der Päharnic, 

1) Lannoj, Schiltberger; polnische Akten, in Chilia ^i Cet.-Alba, 
S. 80, Anm. 3. 

2) Arch. ist. 1\ S. 142. 



8S8 3. Kapitel. 

der Stratornic und der Logof ät ^). Nimmt man dagegen eine Urkande 
Stephans, so sieht man in ihr zahlreiche stolze Bojaren erscheinen^ 
deren Abkunft sich in den vorhergehenden, die inneren oder äufaeren 
Verhältnisse behandelnden Aktenstücken sehr gut verfolgen läfst,. 
und bei vielen sind die FamiUennamen angegeben. Zwar ist 
noch immer, obwohl die Legende den Ursprung eines moldauischen 
Bojarenstandes und die Bildung eines geordneten, etikettemäfsigent 
Diwan dem alten Alexander zuschreibt ^), die Rangordnung nochr 
wenig ausgebildet, aber sofort auf den Fürsten folgen die Barg- 
grafen, dann die grofsen Würdenträger des militärischen Landes, 
die pircälabl von Hotin, Cetatea-Albä, Neam^, Roman und Orhe]^ 
ferner die HofofGziere : allen voran der Vornic^ dann der Spätar^ der 
Vistiernic, der Postelnic, cubicularius des Wojwoden, der Pä- 
hamic, der Stolnic und der Comis, neben denen erst in namenlosen» 
Hintergrunde „alle unsere moldauischen Bojaren, grofse und 
kleine" zusammen erscheinen ^). Die Ordnung der Hofoffiziere 
bleibt immer dieselbe, diejenige der Burggrafen wechselt nur 
wenig und, bei Vergleich mit einer Schenkung Stephans von^ 
Jahre 1463, ergibt sich, dafs Rang und Titulatur nur zum Teile der 
unter Alexander gebräuchlichen entspricht, dafs nach dieser Zeit 
Vervollständigungen vorgenommen wurden und dafs das Verdienst, 
sie eingeführt zu haben, Stephan zukommt ^). Er bat etliche ältere 
Würden, wie z. B. die des Ploscar, abgeschafft, und in seinen 
letzten Jahren vergab er eine Ehrenstelle, deren Inhaber selbst 
noch über dem Spätar rangierte, dem ehemaligen Burggrafen^ 
jetzigen Pförtner von Suczawa, der später, nach polnischem Muster,. 
auch Hatman genannt wurde ^). 

Unter den walachischen Bojaren waren gewifs viele trans- 
danubischen Ursprungs: Flüchtlinge, die nach der Unterjochung 
des bulgarischen und serbischen Staates, oder nach der Belage- 
rung der Byzantiner in ihrer glänzenden, aber armen Hauptstadt 



1) Bog d an, Ylad ^epe?, S. 75. 

2) üreche, Aasgabe Eogälniceanu, S. 137 — 139. 
8) Urkunde von 1472, in Orest Pope sc ul, S. 11. 

4) Vgl. Popescul, S.19? Arch. ist. 1\ S.154; Studil §1 doc. , V, S.38& 
bis 386. 

5) Studil §i doc. V, S. 387. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S89 

ihre Heimat verlassen hatten. Nach dem Namen können wir 

Serben und Bulgaren selbstverständlich nicht unterscheiden, aber 

in einem Sarandino oder Sinadino erkennt man sofort den Griechen '), 

wie auch in ELalojanni, aber mit der Ausnahme von Harvat^ Hor- 

Y&Oi, sind fremde Elemente aus dem Norden, die sich viel besser 

zum Kriege als für Ränke und verräterische Umtriebe eignen, 

nicht vertreten. In der Moldau dagegen findet man in den 

Reihen der Bojaren, neben Ungarn oder Ungurenl, wie der Ciomis 

^andru einer ist, viele Ruthenen: Dajbog, la^co Hudicl, den Vistiemic 

luga, dessen Tochter Sophia auch ,,Sob^a^' heifst ^); der Deutsche 

Lucian Hermann spielt eine grofse Rolle in der Moldau des 

15. Jahrhunderts ^), von den Griechen aber ist nur in den späteren 

Jahren der Vistiemic Kirakola zu nennen ^). 

Die grofsen moldauischen Bojaren treten überall ans Licht, 
durch ihre Zeugenschaft in den Urkunden nicht minder als durch 
ihre Taten in den Kriegen; die kleinen Bojaren dagegen treten 
nur spärlich hervor. Zu Reichtum und Bedeutung im Staate waren 
meistenteils diejenigen gelangt, denen der Wojwode Besitz, aus- 
gedehnten Besitz in der „Wüste", d. h. in dem besitzerlosen 
Lande, dessen es hier noch genug gab, geschenkt hatte. In der 
Walachei dagegen hatte keine Einwanderung (descensus) aus 
fremdem Gebiete stattgehabt: die „Grofs-Wojwodschaft" eines 
Basarab war von innen heraus entstanden. In der bergigen 
Gegend, die den Bewohnern zu dem Namen „Muntenl" und ihrem 
Lande zu der Bezeichnung „Muntenia"^) verhalf, gab es viele 
Bojaren, aber alle waren nur arme hobereaux, bäuerliche Herren 
eines kleinen Stückes Berg oder Bodens, die sich nur in geringem 
Mafse von den benachbarten Bauern unterschieden. Die noycTHHa, 
die Wüste, war hier an der Donau zu suchen. Nachdem der wa- 
lachische Fürst diese Grenze gewonnen hatte, hielt er es für klüger, 
statt wie in der Moldau, das öde Gebiet seinen Bojaren zu schenken 



1) Bogdan, Documente ^i Begeste, Alphab. Begister. 

2) Popescul, S. 14. 

3) Vgl. Chilia ^i Cet.-Albä, unter diesen Namen. Vgl. den Aufsatz J. Bog- 
dans über den Gedenkstein in Cetatea-Alba, Cony. lit, Jahrgang 1900. 

4) Arch. ist. Ii, S. 116. 

5) VgL auch Hurmuzaki 11*, S. 549. 



SSO 3. Kapitel. • 

mit dem Rechte, davon so viel in Besitz zu nehmen, wie sie wollten 
und konnten, und „Griechen und Serben '^ usw., d. h. allerlei 
Flüchtlinge in dieser slobozie aufzunehmen, ganze Massen von 
bulgarischen, gewifs auch serbischen Bauern, mit ausgedehnten Frei- 
heiten, anzusiedeln, wie dieses unter Vlad Dracul, Eadu dem Grofsen 
und Mihal Viteazul geschehen ist ^). Edelleute, wie sie es hier 
gab, waren zu schwach, um eine Stütze des Staates zu sein, aber 
staxk genug, um seine Lage zu verschUmmern, zu ehrgeizig, zu 
zahlreich, zu eng mit den Bauern verbunden, um friedlich unter 
dem Zepter des Wojwoden zu leben. Zur Verteidigung nur 
wenig brauchbar, besonders seitdem ihre Zahl noch gröfser ge- 
worden war und die Einwanderer zugenommen hatten, waren sie 
für eine ruhige Entwickelung gefährlich. Weil das ungeschriebene 
Kecht des rumänischen Volkes jedem Blutsverwandten das Hecht 
zur Thronfolge zugestand, machten sie die Bewerbung um die 
Krone zu ihrem ausschliefslichen, für Land und Leute ver- 
derblichen Sport, während unter Stephan und seinen Nachfolgern 
die grofsen Bojaren der Moldau für die Verteidigung und die 
Ausdehnung der Grenzen ihres Vaterlandes kämpften. 

Ein späterer Chronist, der alte slavische chronikalische Auf- 
zeichnungen ins Rumänische übersetzte, beginnt seine Erzählung 
vom „alten und guten Stephan -Vodä" mit den Worten: „Sich 
für gröfsere Taten vorbereitend, suchte Stephan -Vodä nicht das 
Land zu organisieren, sondern er rüstete sich zum Kriege : er ver- 
teilte Fahnen an sein Heer und gab ihm Hotnogen und Haupt- 
leute (cäpitani) zu Befehlshabern" ^). In der Zeit Stephans war 
das Wort h o t n o g — nach dem magyarischen hadnägy — noch 
unbekannt und wurde gewifs erst im 16. Jahrhundert durch 
die ungarischen Hauptleute der ungarischen Leibgarde der Für- 
sten eingeführt; cäpitan gehört zwar dem alten Sprachschatze 
an, bezeichnet aber in den gleichzeitigen Quellen nicht eine 
militärische Würde. Das Heer des grofsen Stephan war in der 



1) Studil 9i doc. III, S. xxvi, xxvm, xlii; Hurmazaki, XII, im 
J. 1598. Davon kommt der Name von Vla^ca fiir einen grofden TeU des 
Donautales, von den übersiedelten Bulgaren gegeben und von den Bomänen 
entlehnt. 

2) üreche, S. 152. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 381 

Tat nicht so organisiert , wie Ureche im 17. Jahrhundert an- 
nahm. 

In erster Linie bestand es aus den ^^grofsen und kleinen ^^ 
Bojaren^ die alle Heeresdienst leisten mufsten und vom Fürsten 
direkt für einen bestimmten Tag zusammenberufen wurden. Sie 
kamen von ihren Höfen ^), welche zum Teile, wie noch Spuren 
in dem nördlichen Teile der Walachei verraten, mit Türmen und 
bohen Mauern befestigt waren: das Pferd, das Ej*iegsg6wand, die 
Waffen waren ihr eigen; die letzteren bestanden aus hastae, 
rum. suli^l, aus hölzernen Keulen, mäciuci, und Schwertern, 
8 äbil, Worte, die auch die siebenbürgischen Sachsen übernommen 
haben. Die grofsen Würdenträger, die Bäte des Fürsten, die Burg- 
grafen, waren gleichzeitig auch die Führer solcher Bojarenschwärme. 
Mit Ausnahme dieser letzten wurden die Reiterkorps der Bojaren, 
die sich den ungarischen Banderien vergleichen lassen, nach dem 
Siege oder nach der Niederlage, bezw. nach dem festlichen 
Schmause, der dem ersteren folgte, „nach Haus'' entlassen, bis 
dem Lande wieder einmal Gefahr drohte. 

Neben den Bojaren kämpften aber auch andere Truppen, 
^reiche in den slavischen Chroniken „VitezI" (bitash), d. h. mi- 
lites, oder lonainii^ Tapfere, und xLcapn^ Husaren, genannt werden. 
Die milites wurden als Belohnung für kriegerische Verdienste 
nach der Bückkehr vom Kriege durch fUrsÜiche Gnade ernannt. 
Ihre Stellung glich der der ungarischen milites curiae, und 
darum wurden sie auch Curtenl (Curte = Curia) genannt 
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts betrug die Zahl der nach 
Stephans Weise eingerichteten equites aulae 3000. Sold be- 
kamen sie nicht, aber sie wurden durch Verleihung von Gütern, 
die Curtenie hiefsen und einer besonderen Steuer unterlagen, 
belohnt ^). Die anderen waren — ähnliche Einrichtungen gab es 
später, im 16. Jahrhundert, in der Walachei — entweder 
Leute, die von gewissen Steuern befreit waren, den besonderen 
Namen Hänsarl,in der Walachei R o s 1 , trugen und mit bestimmten 

1) ^Bop, curte. 

2) Vgl. Beichersdorf, Chorographia Molda viae, in F a p i u , Tesaor, in, 
8. 138; Golski, Sprawa rycerska, in Ar eh. ist. I', S. 160; Stadil ^i doc., 
V, S. 16, nr. 70. Vgl. Studii ^i doc., V, S. 6—7, nr. 26, 33. 



SSS 3. Kapitel 

Waffen unter den mit Heiligenbildern geschmückten Fahnen 
erscheinen mofsten, oder freie Bauern, ^^Voinicl'^. 

Die Bojaren mit ihren Söhnen konnten nur einen kleinen 
Bruchteil des moldauischen Heeres bilden; die Curtenl und 
Hänsarl waren auch nicht allzu zahlreich. Am stärksten war 
unter dem Banner des Wojwoden die bäuerliche BevoIkerung^ 
vertreten: vom Pfluge und von den Herden kamen sie mit ihrer 
gewöhnlichen, bis heute erhaltenen uralten Kleidung: diecäciulä 
von schwarzem Lammfelle, in der Moldau hoch aufgetürmt, da& 
rauhe Hemd, das braune Mäntelchen^ sucman genannt, oder die 
Lederjacke, cojoc, enge Beinkleider von Leinwand, vom Knie 
abwärts gekräuselt, und zusammengebundene rohe Lederstücke 
bildeten diese „ Uniform '^ der Arbeit und des Eri^es, die den 
prachtliebenden Polen ein wenig unscheinbar, „ dunkel '% vorkam. 
Das wallende, lockige Haar, das energische Gesicht, die grofsen, 
meist schwarzen oder kastanienbraunen Augen verliehen aber den 
Bauern mehr als Flittergold und farbige Paradekleider ein mili- 
tärisches Aussehen, dasjenige hartnäckiger, unbezwingbarer Elrieger. 
Die reichsten — und beträchtlicher Reichtum war in dieser Zeit 
nichts Ungewöhnliches — erschienen auf ihren eigenen Pferden,, 
kleinen, ausdauernden, gehorsamen Tieren, die bei kärglicher 
Nahrung viel Arbeit zu leisten vermochten. Sättel brauchten die 
Söhne des Gebirges oder des welligen Hügellandes nicht; aus 
einem beliebigen Strange oder einer Baumrinde machten sie sich 
einen Zaum, und diese Montur genügte. Als Waffen dienten ihnen 
dieselben Keulen, mit denen sie die Herden bewachten, die Sicheln 
und Sensen, mit denen sie ernteten, und dieselben Äxte mufsten 
Holz und Schädel spalten; die Bogen, mit denen man den Vogel 
erlegte, wurden auf den Feind gerichtet, und aus Zweigen ver- 
fertigten sie sich kleine Schilde. Die Fufstruppen bestanden aus- 
schliefslich aus Bauern und Hirten, und im Innern des Landea 
mufsten diese auch, um dem Feinde die Wege zu versperren, 
Bäume im Walde fäüen und Verhaue herrichten, Saaten und 
Dörfer verbrennen und die aufkeimende Kultur durch Brand in 
schützende Wildnis verwandeln. Das war ein moldauisches Heer,, 
gefürchtet aufserhalb der Grenzen des Vaterlandes, innerhalb der- 
selben aber unbezwingbar selbst nach der Niederlage: das ge- 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 8S8 

«chlagene Heer brach sich doch — wie wir es in der Gegen- 
wart bei den Buren erlebt haben — in schnell fliehenden Banden, 
von denen jede die Einwohnerschaft eines Dorfes oder einer 
Gegend darstellte^ Bahn, und auf Befehl ihres Domn vereinten sie 
sich wieder an bestimmter Stelle und zu gegebener Stunde zum 
^geordneten Heer ^). 

Die Stärke dieses mächtigen Verteidigungssystems lag, wie 
«chon mehrmals betont wurde ^ bei dem freien Bauern. Er war 
«o nützlich und der Staat war in so hohem Mafse auf seine 
breiten Schultern aufgebaut; dafs sich niemand seine Freiheit an- 
zutasten erdreistete. Naoh allen den Umwandlungen, die seit dem 
gelungenen Abenteuer Bogdans des Begründers im Lande vor sich 
gegangen waren, fanden sich in der Moldau zweierlei Bauern. Die 
einheimischen, die die Eroberer schon vorgefunden hatten, behielten 
ihre Felder und standen wie früher unter ihren juzl oder vätä- 
manl; am Hofe des Wojwoden erschienen sie nur, wenn sie 
bei Streitigkeiten um Grund und Boden eine höhere Instanz 
anriefen; demselben obersten Richter waren sie für begangene 
Verbrechen verantwortlich; der Domn empfing auch von ihnen 
den Zehnten. In der „Ode'^ hatten aufserdem die Klöster und 
Bojaren Land erhalten und mit Bewilligung des Fürsten 
fremde Kolonisten angesiedelt: diese befanden sich in den ersten 
Zeiten dem steuerfordernden Staate gegenüber in derselben Lage, 
dabei aber schuldeten sie auch dem Grundherrn eine gewisse 
Fronarbeit, die clacä, und je nach den verabredeten Bedingungen 
auch andere Dienste und Geschenke. Auf Klostergrunde hatte 
der Abt das Recht auf die fürstlichen Zölle, Mühlen und Weide- 
plätze und übte auch die Gerichtsbarkeit aus. 

Nun hiefsen für den einheimischen Bauern diese Fremden, 
die sich ihm politischer Ursachen halber zugesellten, vecini, 
Nachbarn, während sie selbst eine höhere Stellung genossen: in 
der Walachei ist ihr Name mo^nenl, Nachfolger des Dorfstifters, 
und dem entspricht in der Moldau die Bezeichnung räzäfl (aus 

1) Für diese Militärverhaltnisse s. besonders die Beschreibung der Zustände 
im Fägära^er Lande, in meinen Säte ^1 preo^I, S. 143 ff. ; die Beschreibung von 
Golski; den Bericht des Yenetianer Arztes Matthäus vonMurano, in 
Hurmuzaki, Vin, i. J. 1502, S. 37. 



3S4 3. Kapitel. 

razä; im Sinne des französischen rayon). Aber selbst die IVem- 
den besafsen in dieser guten Zeit des harmonischen Zusammenleben«, 
in der sich die Klassen nicht feindlich gegenüberstanden, in der 
das Land stark war in seiner Einheit vom kleinsten Bauern bi& 
zum höchsten^ dem gekrönten Domn der Bauern ^ — ihre Mut 
erzeugende Freiheit. 

JobbagyeU; unfreie Leute, waren nur die Tataren des Fürsten, 
die bei Schenkungen mit dem Boden zugleich vergeben werden; 
dann vielleicht die ruthenischen und rumänischen Bauern in dem 
von Polen überkommenen sepeniker und pokutischen Gebiete, end- 
lich alle Flüchtlinge aus fremden Landen. So klagen die Szekler 
1493, dafs sie sich, wenn sie entweichen, in der Moldau und der 
Walachei dem dortigen Fürsten als Jobbagyen ergeben müssen ^). 
Später wurden solche heimatlose Fremde als „Zigeuner des 
Fürsten^' in Beschlag genommen und traten mit allen ihren Nach- 
kommen in die Sklaverei ^). Aber in dieser Zeit waren auch die 
Zigeuner, die in Urkunden erwähnt wurden, keine eigentlichen 
Haussklaven, weil sie nicht persönlich, sondern nur mit dem ganzen 
säla^ verkauft werden durften und weil sie weniger zu Haus- 
arbeiten als, wie die Jobbagyen auch, zur Bebauung der Felder ver- 
wendet wurden ^). 

In der Walachei dagegen waren die Bojaren zahlreich, sie lebten 
viel auf ihrem Grund und Boden und standen dem Bauer zu 
nahe; die fürstliche Autorität stand ihnen zu fem, und die Lage 
der arbeitenden Klasse war merklich schlechter als in der Moldau, 
und dieses Unterliegen des älteren Fürstentums zeigt sich auch 
noch in manchen anderen Verhältnissen. 

Die Walachei hatte noch keine ständige Hauptstadt. Argef 
wurde zwar seit Miröea und Mihail, dem Sohne Mirceas, ja auch von 
Dan IL und Vlad Dracul als Residenz benutzt, aber letzerer stieg 
bis Tlrgoviste hinunter, und sein Nachfolger Vladislav-Dan urkundet 
auch aus dieser Stadt. Die Freunde der Türken, die nach ihm auf 
den Fürstenstuhl kamen, gingen bis Bucurei^tl, der i,Burg an der 

1) „Se Waywodis dictorum regnorum in iobbagionem dederant"; Hur- 
muzaki H«, S. 345. 

2) Meine Doc. relative la famüia Gallimachi, I, S. 247—248. 

3) Arch. ist. IS S. 121. 



Höchste Macht des kämpfenden mmänischen Staates asw. 835 

Dimbovi^", wo sie sich beinahe unter dem Schutze der mächtigen 
Festung Giurgiu befanden. Die Bedeutung der alten jude^e als 
Landeinteilungsbezirke war verschwunden, und sie erhielten auch 
keinen neuen Inhalt: in den fürstlichen Bestätigungsurkunden wird 
die Lage der Dörfer nur nach den in der Nähe ffiefsenden Wässern 
bestimmt. Das Gebiet jenseits des 01t dagegen galt noch immer als 
eine auf einer anderen Vergangenheit ruhende Einheit ^ und die 
Fürsten schreiben an ^^oltenische Bojaren'^ mehr ratend als 
befehlend ^). Nachdem im Anfange des 16. Jahrhunderts die 
Borg Severin in türkische Hände geraten war, residierte in 
Craiova ein walachischer Ban, der ebenso wie der Fürst die 
höchste Gerichtsbarkeit ausübte und tatsächlich fürstUche In- 
Bignien, eine eigene Fahne ^ die grapä^ sich vortragen liefs'). 
Die kirchliche Zentralbehörde fristete ein ärmliches Dasein in 
dunklen Verhältnissen, so dafs nicht einmal ein zuverlässiges^ altes 
Verzeichnis der walachischen Metropoliten auf uns gekommen ist. 
Die Frage der Suffraganbischöfe war noch immer nicht entschieden. 
Anthinios^ „Bischof eines Teiles von Ungro-Vlachien", später 
^^des Teiles gegen Severin^' genannt^ hatte nicht den Mut^ tat- 
sächlich aus Eonstantinopel in seine Diözese zu kommen^ und 
als er starb^ erhielt er keinen Nachfolger *) : erst unter dem vierten 
Basarab; zu Beginn des 16. Jahrhunderts^ kam ein fremder 
griechischer Prälat ins Land; und jetzt erst ergriff man Mafsregeln, 
um die walachische Kirche zu organisieren. Aufser den nikodimi- 
schen Stiftungen entstanden nur zwei bedeutende Klöster^ und zwar 
beide in der Ebene Snagovul und Tinganul; die sich aber beide 
mit den gleichzeitigen Bauten in der Moldau nicht eigentlich 
vergleichen lassen*). Von diesen Klöstern ^ alten und neuen ^ ist 
jedoch keine bedeutende Kulturbewegung ausgegangen: slavische 
kalligraphische Arbeiten walachischen Ursprungs sind unbekannt, 



1) Bogdan, Bei. ca Bra^oval, S. 58. 

2) Chronik des Constantin Cäpitanal, Ausg. Jorga, S. 165. 

3) Miklosich-Müller,!, n, passim. Neues über die walachischen Metro- 
politen bei Bogdan, Bei. cu Bra^OYul, S. 306 ff. 

4) „Offizielle** walachische Chronik, in Magazinnl istoric, lY, S. 234; über 
Snagoy eine Broschüre des Architekten G. Mandrea, Bukarest, 1900, mit Ab- 
bildungen. 



SS6 3. Kapitel. 

und alfr der Kompilator des 17. Jahrhunderts Materialien for 
die ältere Geschichte des Fürstentums suchte , fand er nur arm- 
selige Aufzeichnungen in etlichen älteren Klöstern, mit denen er 
so gut wie nichts anfangen konnte. 

Ganz anders steht es mit der Moldau. Die Fürsten huldigten 
hier der Gewohnheit, die sie bis spät beibehielten, einmal im Jahre 
das ganze Land zu durchreisen, von einem Kloster zum anderen 
2U ziehen und auch in den grofsen und kleinen Städten, in den 
fürstlichen Weingärten, wie zu Cotnarl und Hu^I, für einige Tage 
Aufenthalt zu nehmen. Aber die ständige Hauptstadt des Fürsten- 
tums blieb von der Frühzeit an bis nach 1550 Suczawa, wo 
•eine mächtige Burg erbaut wurde ^). Das Land war in 1*inu- 
turl, Bezirke, eingeteilt, deren es unter Petru ^chiopul za Ende 
-des 16. Jahrhunderts zweiundzwanzig gab ^). In jeder Bezirksstadt 
war die fürstliche Gewalt durch väta^I, die Steuererhifs ge- 
nossen ^), und in besonderen Fällen durch einen Bojaren höheren 
Banges vertreten. Darunter lagen freie Zufluchtsstätten, slobozil, 
und Umzäunungen oder ocoale, wo die Bürger ihr Vieh weiden 
liefsen, ihr Holz sammelten und ihre Hörigen ansiedelten. 

Die Kirche war seit Alexander dem Alten stramm organisiert 
Alu der Spitze stand der MetropoUt von Suczawa und unter ihm 
der Suflragan in der „unteren Borg^', in Roman ^). Zu diesen 
beiden fügte nun Stephan, noch bevor er in den Jahren 1479 
bis 1480 die alte Klosterkirche von Rädäu^I erneuerte und die 
Gräber seiner Ahnen mit neuen Steinen bedecken liefs ^), als 
drittes Bistum das von Rädau^I hinzu: 1463 bestand es noch nich^ 
während es schon 1472 erwähnt^) und 1480 derselbe Bischof 
loanichie auch in den schon berührten Grabinschriften genannt 



1) S. über die dort, von Bomsdorfer, ontemommenea Ausgrabungen das 
. Jabrbuch des Bukowiner Landesmuseums und eine zusammenfassende Darstelloog 

der Ergebnisse vom selben. Ihm verdanken wir auch eine gute Arbeit über dal 
Bchlofs Neamf, mit Abbüdungen. 

2) Hurmuzaki, XI, S. 219—220, nr. ooclil 

3) Ebenda. 

4) S. StudiX 9i doc, V, S. 386, nr. 1. 

5)Melchisedek, in den Denkschriften der rumänischen Akademie, VH» 
Ä 267—270; Kozak, a. a. 0. 

6) Wichenhauser, Putna, S. 159. 






Höchste Macht des kämpfenden rnmänischen Staates usw. S37 

wird ^). Die auf solche Art organisierte moldauische Kirche befand 
«ich nicht mehr in Abhängigkeit vom Eonstantinopolitanischen 
Patriarchate^ das 1439 zu Florenz die seelenverderbende Union 
mit den Abendländern unterzeichnet hatte ^ wenn auch der Me- 
tropolit der Moldau Damian und sein Protopop Konstantin bei 
jenem Akte anwesend gewesen waren ^). Ein gewisser Theoktist 
hatte 1451 die Erbschaft des ,, ketzerischen^' Damian übernommen^ 
und dieser Theoktist hatte sein geistliches Amt vom rechtgläubig 
gebliebenen Patriarchen zu Achrida empfangen, obgleich der Brief, 
in dem Stephan selbst um diese Gunst bittet, als eine Fälschung 
2a betrachten ist ^). Neben dem Metropoliten Theoktist und dem 
roraaner Bischof Tarasie erscheinen in einer Schenkungsurkunde 
von 1463 noch die vier „Popen", die den grofsen Mönchs- 
gemeinden der Moldau vorstanden: Theodor von Bistri^a, der 
-als Vorsteher des ersten moldauischen Klosters den anderen an 
Rang voransteht, loasaf von Neam^, Anastasie von Moldavi^a und 
Stahie von dem neueren Gotteshause Pobrata. Im Jahre 1466 
begann Stephan unter dem frommen Einflüsse des grofsen Metro- 
politen Theoktist den Bau eines viel schöneren Klosters, zur Er- 
innerung an einen grofsen Erfolg seiner Politik. Putna, in der 
heutigen Bukowina, wurde schon 1469 feierlich geweiht, wobei 
«ich über sechzig Mitglieder des moldauischen Klerus einfanden, 
ioasaf von Neam^ erhielt die Leitung dieses gröfseren Gotteshauses, 
und unter ihm begann ein unbekannter Mönch, unter Benutzung 
der älteren Aufeeichnungen von Bistri^a, über Alexander Olechno (den 
Jungen) und seine Familie, eine in korrekter slovenischer Sprache 
geschriebene Chronik des moldauischen Landes, in der er auch 
als Zeitgenosse über die glücklichen imd unglücklichen Emg- 
nisse unter Stephan berichtete. In Neam^ und in anderen Klöstern 

1) Vgl. Studil ?i doc, V, S. 386, nr. 1. Vgl. üricariul XVin, S. 58ff. 
"Früher, seit den Tagen Alexanders des Guten, residierte hier nur ein sehr reich- 
begüterter Abt, welcher über die älteren Fürstengräber wachte. 

2) Notes et extr. II, S. 10 und Anm. 1; vgl. Hurmuzaki I^, zum 
J. 1435, die Unterhandlungen des Papstes mit dem Metropoliten Gregorius. 

3) Rumänische Übersetzung einer Korrespondenz, die im Kloster Rylo von 
Gregoroviö abgeschrieben wurde, in Magazinul istoric, I, S. 277 — 27Ö; das Ori- 
iginal im serbischen Glasnik, VII, S. 177. Vgl. Bogdan, Vechile cron. S. 251, 
nr. 14; Jirecek, Byzantinische Zeitschr. 1904, S. 200. 

Jorga, Geschichte der Bamänen. I. 22 



8S8 3. Kapitel. 

schrieben die kundigen Hände gelehrter, künstlerisch begabter Brü- 
der tadellose slavische Handschriften mit schönen Heiligenbildern ^). 
In jedem bedeutenderen Orte endlich erstanden Kirchen und Klöster' 
von der Hand abendländischer, wahrscheinlich russisch-polnisch» 
Meister y und durch diese Zeichen des Dankes, die dem Himmel 
für den stets gespendeten Sieg errichtet wurden, bekam die Moldau 
ihre schönsten älteren Bauwerke. 

II. Die politische Geschichte Stephans findet, was das JLand 
selbst betriflFt, in Vorstehendem ihre Erklärung. 

Eine grofse Gefahr allerdings bestand im Anfange für die Moldau 
Stephans. Ungarn lebte unter Ladislaus Posthumus nur für seine 
inneren Kämpfe ; sein hochbegabter Nachfolger Matthias, der Sohn 
des alten Hunyady, hatte zuerst im Kampfe mit dem titelsüchtigen 
deutschen Kaiser andere Fragen zu lösen. Selbst die vordem so 
nachgiebige Walachei schüttelte das Joch einer unnützen Suzeränitat 
ab ; der neue Vlad, der gleich nach dem Tode seines Beschützers 
Hunyady Ungarn Treue geschworen hatte, begann jetzt die sieben- 
bürgischen Nachbarn zu beunruhigen, bei denen sich ein Ver- 
wandter von ihm, der Bruder des getöteten Wojwoden Vladislav- 
Dan, auf Befehl des Königs aufhielt, sowie ein ehemaliger Mönch^ 
Vlad mit Namen, als Prätendent gegen ihn auftrat. Nach Matthias' 
Thronbesteigung erlaubte sich der walachische Wüstiüng grausame 
Verbrechen gegen die Blronstädter: ihr Gebiet ward verheert, ihre 
Kaufleute und Boten wurden gepfö-hlt, ohne dafs er seines Neben- 
buhlers Dan habhaft werden konnte. Matthias sandte im Frühling 
1460 jenen Fürstensohn mit zahlreichen Bojaren aus, um den 
„Tyrannen" zu verjagen; doch Vlad siegte und liefs seinen Feind 
feierlichst in der von ihm so geliebten Weise hinrichten. Das Ge- 
biet Alma§ wurde verheert, und dazu hatte er sich durch Vertrag 
mit den Türken deren Hilfe versichert. 

Polen unternahm keine Schritte, um Peter Aron zurückzuführen,, 
und die Einfalle Stephans in die benachbarten Provinzen des 
Beiches blieben unbeantwortet. An eine Erneuerung des Lehns- 
eides war für den Augenblick nicht zu denken, und so war die 



1) Vgl. meine Gesch. der rum. Literatur im XVII. Jahrhundert 11^ 
S. 531 ff.; Geschichte der kirchlichen Literatur his 1688 (rumänisch), 1904. 



Höchste Macht des kämpfenden ramänischen Staates usw. 339 

Moldau ohne grofse Opfer wieder frei geworden. Am 4. April 
1459 schlofs endlich Stephan in seinem Lager am Dnjestr einen 
Vertrag mit den Offizieren an der Grenze, worin er auf die augen- 
blickliche Rückeroberung des von Polen besetzten Hotin verzichtete 
und für den Fall, dafs der König in Reufsen erschiene, seine Hul- 
digung in Aussicht stellte ; dabei erhielt er das Versprechen , dafs 
Peter Aron seiner ehemaligen Heimat nicht zu nahe kommen 
•würde ^). Die Anhänger des letzteren hatte er begnadigt, und so 
standen beinahe alle Bojaren des Landes zu dem neuen jungen 
Herrscher ^). 

In jenem Vertrage spricht Stephan von einem bevorstehenden 
Klriege zwischen Polen und „den Heiden", womit wahrscheinlich 
die Tataren gemeint sind. Aber zu einem grofsen Rückeroberungs- 
zug gegen die Osmanen, zu einer Rache für den Tag von Warna 
rüstete man sich überall in Europa, und zwar unter der Führung 
eines Papstes, der in freundschaftlichen Beziehungen zu Johann 
Hunyady gestanden hatte und als Humanist in der barbarischen 
Herrschaft über den klassischen Boden Griechenlands eine Schmach 
fiir sein Zeitalter sah. Während Pius II. seine grofse Kreuzzugs- 
flotte ausrüstete — er selbst allerdings starb angesichts seines 
Werkes kurz vor der Abfahrt in Ancona — , regte sich auch in 
den Herzen der Donaufärsten wieder die Liebe zu der Christen- 
heit, der auch sie angehörten. Vlad quälte jetzt an Stelle von 
Sachsen oder siebenbürgischen Rumänen lieber Türken, zu seiner 
täglichen Zerstreuung, auf Pfählen. Nachdem er sich mit Matthias 
versöhnt und sich eine katholische ungarische Frau zu nehmen ge- 
lobt hatte, wollten ihn die Donautürken mit süfsen Worten zu sich 
locken und ihn gefangennehmen. Er kam zwar zur vorgeschlagenen 
Grenzregulierung und brachte angeblich den verlangten Tribut 
fiir drei Jahre und dazu fünfzig Knaben und fünfzig Pferde mit, 
aber in der Tat war er von einem kleinen Heere umgeben, das den 
Beg von Nikopolis in die Flucht schlug und Giurgiu durch Über- 
rumpelung einnahm. Eine ganze Reihe kleiner Streifzüge folgte,^ 
und das Ergebnis war, dafs im Winter des Jahres 1462 von allen 



1) Hurmuzaki ^^ S. 126-127. 

2) Ebenda, S. 132, vgl. S. 683—685, auch S. 75 nr. 64; S. 67—68. 

22* 



t40 3. Kapitel. 

türkischen Festungen an den Donauufem nur noch Widdin unver- 
brannt dastand. Er wäre sogar, einen gewissen Mehemed-Pascha 
vor sich herjagend , so tief in das türkische Land eingedrängt, 
dafs selbst die Einwohne der grofsen Besidenzstädte des in Morea *| 
weilenden Sultans fiir ihre Sicherheit fürchteten und sich zur Flucht 
wandten ^). Einen grofsen persönlichen Zug gegen den Rebellen 
bereitete Mohammed IL für 1462 vor, und wenn man die über- 
lieferte Zahl betrachtet; zu deren Höhe der Sultan sein Heer 
brachte; bekommt man den Eindruck , als hätte er damit nicht 
nur einen Fürstenwechsel erreichen, sondern das Land, wie 
vorher Serbien^ Bulgarien und bald danach Bosnien^ in dauernden 
Besitz nehmen wollen. Das war übrigens die gewöhnliche Politik 
des Eroberers von Konstantinopel; und deshalb hatte er diesmal; 
wie er im entgegengesetzten Falle wohl unzweifelhaft getan 
hätte ; keinen gefügigen; unbedeutenden Prätendenten in seinem 
Gefolge. 

Jedoch das Beginnen der über hunderttausend Krieger und 
Arbeiter zählenden Armee des Sultans war nicht von Erfolg be- 
gleitet. Zwar konnten die Türken ruhig die Donau bei Nikopolis 
überschreiten: keine walachischen Prahme traten den mächtigen 
„kaiserlichen" Galeeren entgegen; und der Weg nach Tirgovi^te 
stand offen. Aber bald hier^ bald dort; in dunklen NächteU; an schwer 
zugänglichen Pässen; an Flüssen ; die aus ihren Ufern getreten 
waren; kurz überall da; wo die Zahl der Kämpfer ihre Bedeutung 
verliert und dem Mutigen und dem Kenner der Ortlichkeit der 
Sieg winkt; erschien der unermüdliche Vlad mit seinen Reiter- 
bandeu; erschreckend; metzelnd und blitzschnell sich flüchtend. Der 
grausame Anblick erst vor kurzem gepfählter Muselmanen bot sich 
dem stolzen Eroberer dar und verfehlte gewifs seine Wirkung nicht 
Endlich fanden die Türken in dem Lande ; das die Verteidiger 
selbst gründlich verheert hatten; keine Nahrung; und wie gewöhn- 
lich brach in der ungeheueren; an Hunger leidenden Menge die 
Seuche aus. Zum Glück für Mohammed erschien bei ihm Radu; 



1) Venetianische Chronik bei Jorga, Acte si fragm. III \ S. 12—14; Brief 
von Vlad selbst, bei Bogdan, Vlad T^Pß?» S. 78—82 und die präzise Er- 
zählung des Byzantiners Chalkokondylas. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S41 

dei* jüngere Bruder Vlads^ ehemals eine berühmte männliche Schön- 
heit des kaiserlichen Harems, und versprach , mit seiner Partei 
dem Kaiser pünktlich und gehorsam zu dienen, wenn er nui* die 
Mittel erhalten würde, um sich als Fürst halten zu können. Das 
Verlangte ward huldvollst zugesagt, und die osmanische Macht 
ivieli bis an die Donau zurück, ohne die Grenzen des Reiches tat- 
säelilich erweitert zu haben. 

Vlad hatte sich schon zeitig um ungarische Hilfe bemüht, 
und Matthias dachte mit einem Schlage zweierlei zu erreichen: 
zuerst wollte er die Walachei vor einer türkischen Besitznahme 
retten und dann in der Moldau, an Stelle des stolzen Stephan, 
der zu huldigen vergessen hatte, der den nunmehr treuen Vlad 
wegen der alten „bessarabischen Grenzen '^ aus der Zeit Alexanders 
befehdete und 1461 das Szeklerland mit einem Raubzuge beehrt 
hatte ^) , Peter Aron einsetzen , der nach dem Vertrage von 
1459 nach Ungarn geflohen war. Aber bis zu seiner Ankunft 
vollzogen sich wichtige Dinge. Die türkische Flotte ging nach 
Chilia, um die Festung und damit die Herrschaft über die Donau- 
mündungen zu bekommen. Ungarn mit guten Geschützen lagen 
darin, aber der Fürst der Moldau hatte die historischen Rechte 
seines Landes auf Chilia nicht vergessen und erblickte zugleich 
ganz richtig im Besitz dieses Punktes eine geographische Not- 
wendigkeit für seinen Staat. Deshalb eilte er nach dem Kriegs- 
schauplatz, um die Beute, wenn möglich, fiir sich zu gewinnen. 
Seitdem er seinem Nachbar in Waffen gegenüberstand und seine 
Grenze im Süden auf dessen Kosten zu erweitern suchte, hatte 
Stephan endlich auch dem polnischen König die seit lange ver- 
sprochene Huldigung, am 2. März, geleistet ^), aber ohne irgend- 
welches Gebiet abzutreten. Im Juni stand er schon unter den 
Mauern von Chilia, aber auch Vlad eilte seinerseits persönlich 
zur Verteidigung des wichtigen Hafens herbei. Vor der Ankunft Vlad» 
wurde Stephan am Fufse verwundet und zog sich zurück; die 
Türken, von dem Mifserfolge in der Walachei benachrichtigt,. 



1) Die Moldauische Chronik. 

2) Hurmuzaki II«, S. 694-695, nr. 521; S. 696-697, nr. 522; S. 69& 
bis 699, nr. 523. 



S42 3. Kapitel. 

segelten nach Osten. Von diesen Feinden endlich befreit, ^^andte 
sich der ebenso energische wie grausame P£ähler und Christen- 
ritter gegen den unwürdigen Bruder. Dieser wollüstige Schwäch- 
ling hatte die meisten Bojaren, die eben einen solchen Herrsch» 
gern sahen, auf seiner Seite, und weil er die Familien der 
Krieger in ihrem Zufluchtsorte, vielleicht im Kloster Snagov ge- 
fangengenommen hatte, traten auch mifsvergnügte Untertanen 
aus der Mitte der Gefährten Vlads unter sein halb weibisches 
Zepter. Der Sieger von Chilia aber floh, wütend und Hache 
schnaubend, nach Siebenbürgen, wo er vorher so viel Unheil angestif- 
tet hatte. 

Das geschah im August, und im September schon stand Eüönig 
Matthias in Torda. Unter Giskra entsendete er einen Vortrab, 
der mit Vlad selbst in die Walachei eindringen sollte. Dieser kam, 
gern und freudig, zugleich teuflische Rachepläne schmiedend, bis 
zum Passe Rucär und schickte, um auch den Sultan mit seinem 
Vorhaben auszusöhnen, von hier aus einen Brief an Mohammed, 
mit fabelhaften Versprechungen; sogar Siebenbürgen wollte er 
ihm preisgeben, wenn nur seine Verbrechen gegen den Kaiser 
verziehen würden! Solche lügnerische Anerbieten waren in jener 
Zeit etwas Tägliches; hatte doch selbst Alexander, der Türken- 
schützling, den Ungarn unversöhnlichen Hafs gegen die Heiden 
versprochen! Jedenfalls durfte aber ein solcher Brief nicht dem 
ungarischen König vor Augen kommen, aber vielleicht durch 
die Bemühung Badus oder die der so tief gekränkten Sachsen 
geschah gerade dies. Augenblicklich ward der Feldzug abge- 
brochen, und Vlad wanderte statt auf den Thron der Walachei in 
einen ungarischen Kerker, in dem er, unschuldige Tiere marternd, 
mehr als zehn Jahre seines besten Lebensalters verbrachte ^). 

Es folgten nun einige Jahre, während deren die Türken ihre 
Eroberungen in Bosnien und Albanien vervollständigten und 



1) Der Brief in den Commentarii Fius' des II. (Ausgabe von 1614), S. 296 
bis 297. Vgl. dazu die venetianischen Nachrichten in den Acta extera der ma- 
gyarischen Akademie. Die Kritik in Chilia ^i Cet.-Albä, S. 121 — 130; Studil 
^i doc, S. XXX— xxxn. Für die Laufbahn Vlads vor 1462 s. meinen Aufsatz: 
LucrurI nouä despre Vlad f epe?, in Conv. lit. von 1900. Im ganzen, über ^epe?, 
-das Buch von J. Bog d an, Vlad ipepe^ ^i nara^unile germane ^i rnse^tl asupra 



^ 



Höchste Macht des kämpfenden rarcänischen Staates usw. S48 

ilirem Reiche eine feste Westgrenze verliehen; war es doch immer 
clex grofse Traum des ehrgeizigen Sultans Mohammed gewesen, 
durch das gegenüberliegende Italien bis in das Herz der Christen- 
lieit vorzudringen ! Der zweite Hunyady, bei dem die ungarische 
SKrone nicht alle Tugenden des Vaters ersetzte, suchte zwar die 
türkischen Statthalter aus Bosnien zu verjagen und unternahm zu 
diesem Zwecke 1463 und 1464 zwei Züge nach Bosnien: die 
zwei dadurch gegründeten bosnischen Banate hatten selbstverständ- 
lich Dicht langen Bestand, und der neuernannte König von Bosnien, 
Uikolaus Ujlaky, ein greiser Gefahrte des alten Hunyady, regierte 
tatsächlich niemals. Noch 1465 kam der ungarische König in 
die südlichen Landschaften seines Reiches und im November 
stand er an der Save ^). Zu gleicher Zeit beschäftigten ihn aber 
böhmische und österreichische Verwickelungen : und dabei handelte 
•es sich um eine Erbschaft der Vergangenheit, auf die er nicht 
leichten Herzens verzichten wollte. 

Stephan wufste diese Verhältnisse auszunutzen. Der bild- 
schöne Radu war eine lächerliche Gestalt; er verdankte seine 
Existenz fast nur der Gunst seines Beschützers, und da diese ihm 
nicht helfen konnte, verlor er durch eine schlau vorbereitete 
Überrumpelung Chilia, wo im Januar 1465 wieder moldauische 
Pircälaben ihres Amtes walteten ^). 

Matthias antwortete erst 1467, und noch eine Provokation 
des moldauischen Fürsten war erforderlich, um den König zu 
einem AngriiFe gegen die Moldau zu bewegen. Durch seine 
weitzielende Politik war Hunyady zu einem harten Bedrücker 
seiner Untertanen geworden, die ihm schwere Abgaben zahlen 
mufsten, ohne zu erfahren, wo ihr Geld hinkam. Besonders 
war man in Siebenbürgen, wo Graf Johann von Pösing und 
Sankt Georg, ein Deutscher aus Osterreich, als Wojwode 



lul (Bukarest 1896), mit verschiedenen Versionen der ^epe^legende , deutsch und 
russisch redigiert, und mit fepe^büdern. Neuerdings ist die volkstümliche 
Broschüre „Von dem Dracole Wayda, dem grofsen Tyrannen; gedruckt zu Augs- 
purg durch Mattheum Francken " im Faksimüe, auf Kosten der rumänischen Aka- 
demie, neu herausgegeben worden. Vgl. auch oben S. 326, Anm. 2. 

1) Gel eich, S. 624. 

2) Chilia §i Cet.-Albä, S. 129. 



844 3. Kapitel. 

waltete, mit diesen Gelderpressungen unzufrieden. Der sächsisclie 
Glraf ßoth bewog den Wojwoden dazu, dafs er sich zum Könige 
ausrufen liefs, und Stephan, der davon erfuhr, sagte mit YergntigeD 
seine Hilfe zu. Truppen hatten sich bereits versammelt, als Matthias, 
von einem starken Heere umgeben, herbeieilte, um den Aufruhr 
zu dämpfen. Das gelang ihm leicht, und Blut flofs nur uater 
dem Beile des Henkers. Johann, der die Ehre des Königtum» 
nur etliche Wochen genossen hatte, Hefs sich ruhig der Wojwod- 
schaft berauben, und nfemand erhob seine Stimme, um gegen die 
schnell vollzogenen Hinrichtungen Einspruch zu erheben. Nach- 
dem nun alles wieder im alten Geleise war, zog Matthias, von 
Kronstadt aus, nach den Pässen, die zur Moldau fähren, obwohl 
bei dem raschen Ende der Erhebung tatsächlich noch keine 
moldauischen Hilfstruppen zu den Aufständischen in Siebenbürgen 
gestofsen waren. Matthias war an Winterfeldzüge gewöhnt und 
regte sich deshalb vor Mitte November nicht von der Stelle. Die 
Wege fand er durch Verhaue versperrt und liefs sie in Eile wieder 
öfi&ien; von Trotu§ ging er zum Flusse Sereth, folgte dessen Laufe 
bis Roman und liefs die hölzernen Verteidigungswerke dieser Stadt 
in Flammen aufgehen; dem Moldovaflusse entlang gelangte end- 
lich der stolze Sieger im Dezember nach Baia. Stephan hatte,, 
wie von ungarischer Seite versichert wird, Friedensvorschläge ge- 
macht, hatte aber eine Abweisung erfahren und fand nun ein 
besseres Mittel, um sich des Feindes zu entledigen. In tiefer 
Nacht drangen Tausende von Bauern in Baia ein, und im Lichte 
der brennenden kleinen Holzhäuser entspann sich ein hartnäckiger 
Kampf: nach solchen „ Schlachten ^^ kann sich dann jede Partei 
des Sieges rühmen. Das steht aber fest, dafs Matthias seine 
Absicht, bis nach Suczawa vorzudringen, aufgab, dafs er mit 
fluchtartiger Schnelligkeit den gefährlichen Boden der Moldau ver- 
liefs und dafs er vier Jahre lang im Rücken — „in spina dorsi" — 
das schmerzende Eisen eines „walachischen^^ Pfeiles zur Erinne- 
rung an den Sieg oder an die Niederlage von Baia getragen hat ^). 
Keinen Huldigungseid hat der moldauische Wojwode geleistet*, er 
scheute sich auch nicht, den König durch einen Einfall in Sieben- 



1) Bonfinius. VgL D2ugosz und die moldauische Chronik. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S45 

bürgen aafs neue zu beleidigen^ und fand keine Ruhe^ bis er nicht 
Peter Aron in seinen Händen hatte , um ihm das schwache, 
ehrgeizige Haupt abzuschneiden. Für lange Jahre fesselte das 
Eerne Abendland die Aufmerksaipkeit des ungarischen Königs; 
&r kämpfte dort mit dem polnischen Prinzen Wladislaw um die 
Erbschaft des hussitischen Königs von Böhmen. Erst 1475 wurde 
er frei; gerade noch rechtzeitig, um sich in die Verwickelungen des 
Ostens hineinmischen zu können '). 

Unterdessen hatte sich Stephan ^ trotz gelegentlicher Schläge^ 
die er gegen die aUe christlichen Gebiete in ihrer Nähe regel- 
xnäfsig besuchenden Tataren führte , auch der Walachei ange- 
nommen; wenigstens in den Verträgen hatte er seit langem 
neben der gelegentlichen Krankheit auch den Tatareneinfall als 
Sntschuldigungsgrund angeführt. 

Hier galt es^ zuerst eine feste^ haltbare Grenze zu gewinnen, 
östlich und westlich bis zur Linie des unteren Sereth vorzudringen, 
den Besitz des Bezirkes Putna, der dem Fürsten der Moldau 
schon seit den Tagen Alexanders des Grofsen gehörte, zu er- 
obern und alle Festungen und Häfen in der Nähe, Cräciuna 
am Gebirge sowie Bräila zu verbrennen und zu schleifen. 
Zweitens mufste an Stelle des christlichen autonomen Gubernators 
des türkischen Kaisers in dem Schlosse an der Dimbovi^ ein Freund, 
ein guter, tapferer Christ eingesetzt werden. Aber — und dies war 
das gröfste Unglück für die kräftige Entwickelung des kraftvollen, 
unglücklichen rumänischen Volkes — dieser Fürst durfte kein 
Sohn, kein Verwandter, kein Würdenträger des Moldauers sein, 
ja am allerwenigsten hätte der Moldauer selbst das Land für sich 
nehmen dürfen; denn ein uralter unausrottbarer Brauch, die 
heilige Landessitte, verlangte, dafs immer nur Mitglieder der alten 
Dynastie, nur Nachkömmlinge des ersten Wojwoden die Macht 
in ihren Händen haben sollten, und vom Stamme Mirceas war 
nur ein einziger Mann zum Herrscher berufen, und dieser eine 
Mann, fast dem Wahnsinn verfallen, safs zu Ofen im Kerker 
und liefs Mäuse den Tod am Pfahle sterben, während sich Stephan 



1) Vgl. auch Chiüa 9! Cet.-Albä, S. 130—131, 270—273 und den betreffen- 
den Teil der Istoria Inl Stefan-cel-Mare. 



S46 3. Kapitel. 

mit allerlei unfähigen Menschen , ebenso untreuen wie unbrauch- 
baren, feigen, verdorbenen Epigonen helfen mufste. 

Schon 1469 war die Rede von einem bevorstehenden Kriege 
zwischen dem aufstrebenden Moldauer und dem walacbischen 
Schwächling, dessen Ohnmacht zu Eroberungen verlockte. Dieser 
hatte die Tataren gegen Stephan gehetzt ; aber sie wurden bei Lip- 
nic im heutigen Bessarabien im August aufgerieben, und das 
Erscheinen türkischer Schiffe an der Donau brachte Stephan keinen 
Erfolg. Die Feindseligkeiten verzögerten sich noch etliche Monate 
infolge unbekannter Ursachen, und erst im Winter des folgenden 
Jahres, im Februar 1470, ward Bräila von Stephan durch einen plötz- 
lichen Einfall vernichtet. Das war ein schwerer Schlag für Radu, 
der bis Buzäü vorrückte, um dem Feinde die Spitze zu bieten, 
aber nicht einmal zu einer Schlacht kam. Die Türken rüsteten 
zum Angriff auf Negroponte, liefsen aber den Verlust ihres Schütz- 
lings, der sie selbst schwer genug traf, ungerächt. Zur gleichen 
Zeit war der lange, schwierige Krieg zwischen den Osmanen und 
ihren asiatischen Nebenbuhlern, den Tataren des mächtigen tat- 
kräftigen Usun-Hassan, ausgebrochen, und 1473 mufste def Sultan 
selbst nach Asien hinüber. Das war eine gute Gelegenheit für 
die Unternehmungen des moldauischen Fürsten, der im Früh- 
ling des Jahres 1471 nach einem glücklichen Treffen zu Socl 
(7. März) den in die Moldau eingefallenen Eadu verjagte und 
seine Bojaren hinrichten liefs. Der Flüchtling wandte sich zu 
den Donaubegen, jedoch wahrscheinlich war der von den Chris- 
ten gefürchtete Alibeg oder sein Bruder Skender — es waren die 
Söhne Mihaloglis — . nicht in seiner Residenz. Der Sieger konnte 
sein Werk nicht zu Ende führen, denn Kadu kehrte zurück, be- 
festigte die Burg Cräciuna, und der Moldauer verlangte die pol- 
nische Vermittelung , um die Sache zu entscheiden. Die scharfe 
gegenseitige Beobachtung der beiden Nachbarn dauerte das ganze 
Jahr 1472; ßadu erkundigt sich furchtsam nach Stephan, forscht 
nach dessen Beziehungen zu den Szeklern, die, um den Verhee- 
rungszügen zu entgehen, ihm Zehnten entrichteten und Heeres- 
folge leisteten. Schon war der Bezirk Putna wie unter Alexander 
dem Alten in gesichertem moldauischen Besitz, als von Milcov aus, 
d. h. von der walacbischen Grenze her, der dritte Zug gegen die 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 347 

(Walachei begann. Das war im Herbste 1473, als nach einem Siege 
il3er Usun den Torkmanen Mohammed II. ermüdet nach seiner kaiser- 
lichen Kesidenz auf europäischen Boden zurückkehrte. Zehn Tage 
Eia.ch dem Aufbruche fand die Schlacht bei Cursul Apel (lümnicul-Särat) 
stsktt, und sie bedeutete einen Sieg Stephans; iiinf Tage später 
begegnete dieser dem Besiegten wieder unter den Wällen der Burg 
IMmbovita. Badu flüchtete, dem Feinde seine Familie und seinen 
Schatz als Beute zurücklassend ^ und in der jungen Prinzessin 
Voichi^-Maria fand später der Eroberer seine künftige — dritte — 
Frau. £in gewisser Laiot, der den fürstlichen Namen Basarab 
^angenommen hatte — er hatte auch einen Sohn, der Basarab 
getauft war, und beide, der „senior" und „iunior", wie sie sich 
nannten und genannt wurden ^), begegnen uns schon einige Jahre 
früher in Siebenbürgen bei Sighi^oara — , wurde als Fürst einge- 
setzt: seine Rechte leitete er von seinem Vater Dan II. ab, dem er 
aber keineswegs glich. Unmittelbar darauf drangen die Azapen 
der donauischen Mihalogli, Radu mit sich führend, bis tief in die 
Moldau ein; trotzdem findet der Moldauer die Mittel, um seinem 
Feinde das Leben zu nehmen; Basarab aber erwirbt sich, ohne 
seinen Wohltäter zu fragen, die Gunst des Sultans und begleitet 
1474 die Türken auf ihrem Zuge nach Asien ^). 

Durch diese Versöhnung mit seinem mächtigen Nachbarn an 
der Donau, dem Besitzer der Festungen am linken Ufer des 
Flusses — dies war allerdings eine Notwendigkeit für jeden 



1) CTapz und Mjra;^, senior und iunior. In einer Urkunde des jüngeren 
Basarab, welche ausgestellt wurde, als der senior noch lebte, spricht der erstere 
Ton seinem „verstorbenen" Vater. Dieses wäre ein Grund, um einen anderen ver- 
wandtschaftlichen Nexus zwischen den beiden Basarab anzunehmen. Aber die 
Urkunde ist nur in einer späteren Übersetzung erhalten, so dafs man keinen 
sicheren Schlufs daraus ziehen kann. S. Conv. lit. 1903, 1. Mai. Übrigens 
nennt sich der jüngere Basarab, Sohn eines Basarab, und einen anderen Fürsten 
^Is den Prätendenten mit diesem Namen kann man zurzeit nicht herausfinden. 
S. meine Istoria lui Stefan, S. 327-329. 

2)Eamusio, Navigazioni e viaggi, II, S. 67; Bogdan, Eel. cu Bra^. 
S. 78—79. Für alles andere, die moldauische Chronik. Vgl. Chilia §i Cet.-Albä, 
S. 132 ff.; Studii ^i doc. HI, S. xxxivff. Eine ziemlich gute Monographie über 
Eada cel Frumos ist die von A. Lapedatu, in der Zeitschrift Transilvania, 
Jahrgang XXXIII (1902). 



S48 3. Kapitel. 

mittelmäfsigen Mann, der das walachiBche Zepter in seine HäQde 
nahm — y hatte sich Basarab von Stephan getrennt. Dieser ver- 
zieh ihm das nicht und konnte es ihm nicht verzeihen, denn, wenn 
ein türkischer Vasall in Bacure^tl safs, dann rückte die Grenze 
der ,, Heiden '^ bis an den Milcov vor. Wieder überschritt ein mol- 
dauisches Heer dieses Grenzflüfschen, allen Drohungen zum Trotz, die 
schon vorher die Türken gegen Stephan ausgestofsen hatten. Der mol- 
dauische Fürst war zwar noch ein Feind des ungarischen Königs, 
aber mit dem beinahe unabhängigen, tapferen Vizewojwoden von 
Siebenbürgen und mit den Szeklem stand er in guten Beziehungen. 
Während nun die Moldauer das Schlofs Teleajin brandschatzten, 
stiegen die Ungarn vom Gebirge herab, wurden zwar zuerst ge- 
schlagen, siegten aber in einem zweiten Treffen am 20. Oktober 
1474: ihr Schützling und derjenige Stephans, der jüngere Basarab, 
errang dadurch für etliche Wochen die Herrschaft über die 
Walachei. 

Giurgiu lag so nahe an der Hauptstadt des halbunterjochteo 
Landes, dafs der allmächtige Alibeg bald Gelegenheit fand, 
den vom Sultan anerkannten Fürsten Basarab „ senior ^^ ^eder- 
einzusetzen, und wieder brandschatzten die Azapen strafend jen- 
seits der Grenze. 

Dazu verlangte ein Gesandter des Sultans, der jetzt den 
asiatischen Kriegen ein glorreiches Ende gesetzt hatte, wie 
gewöhnlich, den Tribut für die verflossenen Jahre und die Kück- 
gabe von Chilia ; er wurde aber natürlich abgewiesen *). Stephan 
blieb in Vasluiü und ergriff dort alle Mafsregeln zu Verteidigung. 

Zuerst berief er die Bojaren zu sich und das ganze Luid, 
^ara, um mit Curtenen und Husaren die Unabhängigkeit aller 
und das gröfsere oder kleinere Stück moldauischen Bodens eines 
jeden kämpfend zu verteidigen. Die Szekler aus den beiden 
zinspflichtigen Stühlen Udvarhely und Csik wurden aufgeboten;, 
ob der polnische dominus ein Hilfskorps geschickt hat, bleibt 
unentschieden. Unter den Ungarn des kleinen Heeres befand 



1) Dlagosz. Vgl. die Akten bei Gelcich, Hurmuzaki 11* und ia 
den Monumenta Yaticana Hung. historiam illastrantia ; zitiert in Chilia ^i Cet- 
Alba, S. 138 ff. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 849 

licli aber noch nicht der grausame Held Vlad Dracul; der seit 
Kurzer Zeit seine Freiheit wiedererlangt hatte und nach mensch- 
lichem Blute lechzte. 

Cis auf das Lager ward alles verlassen und gründlich ver- 
brannt: ,,ein jeder zerstörte sein eigen Haus^', um den Feind aus- 
a^uhungem. Mitten im harten Winter erschien mm Soliman-Pascha, 
der £unuche (Hadum-Soliman), mit einem gewaltigen Heere und 
schleppte auch den elenden Basarab den älteren mit sich. Während 
kleinere Abteilungen Chilia und Cetatea-Älbä belagerten, rückte 
er selbst bis zum befestigten Lager , nördlich von Vasluiü, vor, 
wo seit mehreren Wochen Stephan unbeweglich stand. Die unüber- 
sichtliche Landschaft mit ihren vielen Hügeln, dunklen Wäldern, 
tiefen Flüssen und breiten Morästen und dazu das Wetter — es 
herrschte ein dichter Nebel, der alles verhüllte, — machte Frem- 
den jede Orientierung unmöglich. Am 10. Januar 1475 boten die 
Moldauer beim Anbruch des Tages aus dem unsichtbaren ver- 
schanzten Lauerorte den Türken den Morgengrufs in Gestalt 
unzähliger Pfeile. An schöne Schlachtfelder in breiten südlichen 
Ebenen gewöhnt, kamen die Türken ins Weichen, und es genügten 
einige energische Hiebe von selten des Fufsvolkes, um sie in die 
Flucht zu schlagen. Die Reiter taten dann das ihrige und be- 
deckten die ganze Gegend bis zum „Vad^' von Obluci^a (Isaccea) 
mit den Leichen der tapferen Söhne des „ unüberwindlichen '^ 
Sultans. Durch ein strenges viertägiges Fasten bei Brot und Wasser 
und durch das Gelübde, eine neue Kirche zu Ehren Gottes, des 
Lenkers der Schlachten, zu erbauen, feierten die bescheidenen 
Bauern den Sieg. Das fiir die Befreiung der zahkeichen Ge- 
&ngenen dargebotene Geld verschmähend, liefs sie Stephan alle, 
grofse und kleine, pfählen — ein Meister dieses Sports war ja 
„Bruder" Vlad! — zur Strafe dafür, dafs sie, die Reichen, in sein 
armes Land gekommen waren ^). 

Nach der Schlacht an der „Hohen Brücke" (Podul Innalt) 



1) Hauptsächliche Quellen für die Schlacht sind die moldauische Chronik, 
Blagosz, die Erzählungen in Acta extera, V, S. 300; Columna lul Traian, 
VII, S. 423—424; und das neue Material in Jörg a, Acte ^i fragm. III ^ Vgl. 
Chilia 9i Cet.-Albä, S. 139-140 und Istoria lul ^tefan, S. 153 flP. 



350 3. Kapitel. 

kam^ wie es scheint^ Basarab der Altere in die Walachei zurüek 
und versuchte die Türken daraus zu verjagen *): es wurden wenig- 
stens nach Ofen zwei ,,Bennpanyer" mit einem roten Kreuze uii 
,,an dem Scha£ft ain sylbrein Krewtz'' geschickt^ einem ,, falsches 
Christen'' von Basarab entrissen *). Von Suczawa aus richtete Stephan 
ein Zirkularschreiben an alle christlichen Fürsten — es ist das erste 
Schriftstück dieser Art, das vom moldauischen Hofe ausgegangen ist— 5 
er erklärte in kurzen^ energischen Worten die Tatsache und bat sie 
um Hilfe. „Da, wir das grafs Här sahen^ haben wir uns redlich mit 
unserm Leib und Waffen auffgemacht unt unns wider sy gesetzt 
haben^ und, mitt Hilff des almechtigen Gots, wyr dieselben unser und 
der gantzen Christenhayt Veint krefftigckhlichen überwunden, und 
sy zwstert haben; und under unsern Fiessen zwtreten sindt wär- 
den" 8). . 

Die Antwort des Sultans liefs in dieser Zeit des gröfsten türki- 
schen Ruhmes nicht lange auf sich warten. Eine starke Flotte 
wurde ausgerüstet, um alles, was sich an den Ufern des Schi/varzen 
Meeres noch in Feindeshänden befände, zu erstürmen und diese 
nahezu geschlossene See vollständig für die türkische Macht za 
erobern. Mohammed IL wartete in Adrianopol, von einem starken 
Heere umgeben, auf die Erfolge seiner galeondjis; war ihnen 
der Sieg geworden, dann wollte er selbst aufbrechen, um die letzten 
Spuren der ungehorsamen kleinen christlichen Staaten zu vertilgen. 

Stephan suchte Hilfe bei seinen östlichen und westlichen Nach- 
barn, bei Freund und Feind zugleich. Dem polnischen König, 
von dem er einige abendländische Krieger zur Sicherung seiner 
südlichen Häfen verlangte, hatte er bisher noch nicht persönlich 
gehuldigt ; dieser zögerte auch deshalb und schickte vorderhand nur 
nichtssagende Bitten und Drohungen an den solchen Mitteln 
gegenüber gleichgültigen Sultan. Der ungarische Herrscher sah ganz 
im Gegenteil jetzt ein, dafs für die Zukunft seiner Staaten eine 



1) Der junge Basarab war bei Stephan gewesen; aber der Brief in Bpg- 
dan, Eel. cu Bra^., S. 86—87 ist eines späteren Datums. S. Istoria hl 
Stefan, S. 187. 

2) lacobi ünresti Chronicon Austriacam, in der Gollectio von Hahn, I, 
1724, S. 527 ff. ; in meinen Acte ^i fragm. III^, abgedruckt. 

3) Acte 9i fragm., 1IL\ S. 91—92. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S51 

^Festung an der Donau schwerer wiege als eine ganze Provinz im 
entfernten, mit Ungarn wenig zusammenhängenden Westen, ver- 
ständigte sich mit seinem polnischen Mitbewerber bezüglich der 
Erbschaft Podiebrads und beschlofs, alles zur Verteidigung der von 
den Osmanen bedrohten Donaugrenze aufzubieten. Der ehemalige 
Feind in der Moldau durfte nicht türkischer Rache preisgegeben 
"werden, und, statt des verräterischen alten Basarab, mit dem jedoch 
l>ald, aus opportunistischen Gründen, für den Augenblick ein Ver- 
trag „gegen die Türken" geschlossen wurde, galt es in der Walachei 
einen guten Christen als „capitaneus" des ungarischen Königs auf- 
zustellen. Die Anerbietungen Stephans wurden ohne Bedenken 
rasch angenommen; auf ein Schreiben vom 12. Juli läuft die Ant- 
Tirort am 15. August ein. Stephan hatte versprochen, dafs „er alles, 
was seine Vorgänger dem ungarischen König schuldig waren, er- 
füllen werde" — eine glimpfliche Art, die Suzeränitätsfrage zu be- 
bandeln — y und er erhielt für diese entgegenkommende Artigkeit, 
denn mehr sollte dies nicht sein, das Versprechen einer genügenden 
Hilfe in der Stunde der Gefahr. In der Walachei soll nun der 
grausame, aber tapfere Vlad regieren. Zwischen Stephan und Vlad 
sollen dieselben Grenzen, wie zwischen Alexander und Mircea in 
Kaiser Sigmunds Zeit Geltung haben, d. h. Chiha, die Ursache 
des brudermörderischen Krieges von 1462, bleibt bei der Moldau. 
Ferner erhielt Stephan als Zufluchtsort in Siebenbürgen für den 
Fall, dafs ihn gegen die Heiden sein altes Glück verlassen sollte, 
das Schlofs Ciceü (Csicsö), im nordöstlichen Teile des Landes, nicht 
weit von der marmorosischen Wiege des moldauischen Fürstentums. 
Später wurde ihm auch ein zweites Schlofs: Cetatea de Baltä, 
Küküllövär, im westlichen Siebenbürgen, geschenkt. Schliefslich 
erhielten die Szekler den Befehl, dem Nachbarstaate, wenn auch 
nur in kleiner Anzahl, zu Hilfe zu kommen. 

Als dieser Vertrag zustande kam, waren schon zwei Monate 
verflossen, seitdem Cafiu, die Perle des Euxinus, das reichste 
Emporium der Franken und der Christen überhaupt, in diesen 
Gegenden als leerer, entvölkerter Ort dalag; auf den starken 
Wällen, die die Genuesen errichtet hatten, spazierten die Janit- 
scharen Kaiser Mohammeds, des Autokrators des Ostens. Das be- 
nachbarte Fürstentum der Heiligen Theodori, das Land Mangup, 



SSa 3. Kapitel. 

WO Machthaber aus kaiserlichem Blute^ mit denen Stephan durch sdoe 
zweite Frau Maria verschwägert war, wenn auch auf einem kleinen 
Gebiete geboten ^ wurde noch bis zum Winter geduldet, und m 
lange erfreuten sich auch die Mitglieder der herrschenden Familie 
noch ihres Lebens. An die untere Donau kamen zaerst einige 
bulgarische Truppen, aber sie wurden von Chilia zurückgetrieben. 
Noch ein zweiter Angriff wurde unternommen, und zwar diesmal 
auch gegen Cetatea-Albä, bei der Rückkehr der mit Beute be- 
ladenen siegreichen Armada. Doch die Feinde waren so beschäftigt, 
um das Erworbene zu verteilen und zu geniefsen, dafs sie keine 
Zeit hatten, um etwas Ernstes zu unternehmen, und der alte hj- 
dropische Eroberer von Eonstantinopel blieb in seinem glänzenden 
Lager, ohne sich fortzubewegen ^). 

Damit war aber das gefahrliche Spiel Stephans noch nicht 
gewonnen. Zwar begann sich endlich auch König Matthias zu 
regen, kam nach Schabatz an der serbischen Donau und bemäch- 
tigte sich der starken, bedeutenden Festung, ohne dafs der ge- 
fürchtete AHbeg gegen einen solchen Gegner seinen Eriegsrohm 
rechtfertigen konnte. Von hier aus wurde der junge Despot Wuk 
und der noch nicht betagte Fiahler Vlad, dem jetzt alle seine 
Sünden verziehen wurden, nach der reichen bosnischen Silbergraben- 
Stadt Srebenica geschickt, und ^epes bekam Gelegenheit zu zeigen, 
dafs er noch nicht verlernt hatte, Gefangene, Verwundete und 
Leichen heidnischen Bekenntnisses eigenhändig mit dem gewohnten 
Pfahle zu durchbohren *). Für das neue eben angebrochene Jahr 
ward zu einem grofsen Feldzug, im alten hunyadischen Sinne, mit 
zahlreichen Truppen und furchtbaren Kriegsmaschinen gerüstet : in 
dem überall verbreiteten Prospekte des grofsen Reklamekönigs 



1) Die Quellen in Vign a , Codice diplomatico delle colonie tauro-liguri dorante 
la Signoria di San-Giorgio, in den Atti della societa ligore dl storia patria, VI, 
YII (Genua, 1868 — 1873); Acta extera; Makuscev, Monumenta Slavorom 
meridionalium (Warschau 1874) ; zweiter Teil, im Glasnik von Belgrad, 11. Serie, 
XIV — ^XV; Teleky, A hunyadyak kora magyarorszägon , Pest, 1852 — 1857; 
Lewicki, Hurmuzaki II\ Acte ^i fragm., D2ugosz usw.; näher in Chilia 
§i Cet.-Albä, S. 140 ff. angegeben. Vgl. Istoria lul Stefan, S. 164. 

2) Lucrurl nou& despre Vlad fepe^j in Convorbirl literare, Jahrgang 1900, 
mit einem dazu gehörigen lateinischen Briefe. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. 858 

waren die siebenbüi^chen Rumänen, ^^die sich mehr als irgend- 
welche anderen Krieger im Streite gegen die Türken auszeichnen 
und immer mit dem Vater des Königs und mit Seiner Majestät 
selbst gefochten haben ^'^ auf 2000 angegeben; der moldauische 
^^capitaneus^' erschien danach mit 12000 Reitern und 20000 Mann 
zu Fiifs ;,und Geschütz genug ^^^ der walachische Fürst , Basarab 
oder 'f epef, mit 8000 Reitern und 30 000 Mann zu Fufs ^). 

Von alledem ward nichts Tatsache. Nur die serbischen Pri- 
begen des Königs, Wuk, die Jaksiö, und etliche Edelleute schlugen 
an der südlichen Grenze den Alibeg noch einmal. Matthias war 
mit den grofsen Vorbereitungen zu seiner Heirat mit der neapoli- 
tanischen Prinzessin Beatrix beschäftigt, und bald darauf brach die 
alte Fehde mit Kaiser Friedrich von neuem los. Gegen die Türken 
hatte er jetzt zum letzten Male in seinem Leben gekämpft. 

Von dieser Seite also hatte Stephan nichts zu hoffen als leere 
Ermahnungen und die Ausnutzung seiner eventuellen Erfolge. Die 
neuen Beteuerungen, die er von Polen aus vernahm; waren bei 
einem König vom Schlage Kasimirs ebenfalls wertlos. Die mäch- 
tigen „Franken" im Westen: Venedig, Florenz und Seine Heilig- 
keit der römische Papst, an den sich der Ketzer flehentlich bittend 
gewandt hatte, waren zu weit und brauchten ihre Kräfte fUr sich 
selbst. Nach den Ereignissen von Nikopolis, Warna und Ancona 
glaubten in jenen Gegenden nui* Schwärmer an die Möglichkeit 
gröfserer Erfolge gegen die unwiderstehlichen Osmanen. So kamen 
denn ungehindert, ödes, verbranntes Land unter den Hufen ihrer 
Pferde zertretend, Schwärme wilder, blitzschneller Tataren vom 
Osten ; vom Süden kam der alte heidnische Kaiser selbst mit einem 
ungeheueren Heere, um dem selbständigen Dasein dieses unbequemen 
moldauischen Soldatenstaates ein Ende zu bereiten und um in Suczawa 
. zu vollenden, was er in Konstantinopel vor zwanzig Jahren be- 
gonnen hatte. Kriechend lag der armselige Basarab zu den Füfsen 
des Herrschers beider Weltteile, und seine Untertanen bahnten 
den türkischen Herren den Weg nach der Hauptstadt Stephans. 
Endlich nahte auch eine türkische Flotte, um Chilia und Cetatea- 
Albä das Schicksal Caffas und Mangups zu bereiten. 

1) Ebenda; Acte 91 fragm. III \ S. 101—102; Istoria lul Stefan, S. 352, 
HO. II. 

Jo'Tga, Geschichte der fiamänea. I. 23 



S54 3. Kapitel. 

Doch auch dieses Mal mifslang der Angriff auf die stark 
befestigten Häfen; im Norden und Süden konnten die Tataren, 
obgleich sie nach Herzenslust raubten ; dem moldauischen Helden 
nicht widerstehen und flohen mit ihren Oefangenen und ihrer Beute. 
Man hat angenommen dafs die Bojaren jetzt dieser unendlich^i 
E^ämpfe müde waren; dies pafst vielleicht für einige wenige: sie 
wufsteu; dafs im Heere Mohammeds ein Sohn Peter Arons, ein 
unschuldiger junger Prätendent , stand, der unter seinem Zept^ 
milde Herrschaft und glückliche Anarchie verhiefs. Die Baueroy 
deren Dörfer unter den Händen der Tataren in Flammen auf- 
gegangen waren^ die armen Bauern, die seit dem Frühling tmter 
den Waffen standen und keinen Samen in die ungepflügte Erde 
gestreut hatten, aus dem das Brot för sie und ihre Familien empoiv 
keimen konnte, wurden für etliche Wochen beurlaubt und sie ver- 
liefsen jetzt auch das Heer. Stephan stand allein mit seinen Pala- 
dinen und den besoldeten Curtenl, er konnte den Weg nach seiner 
Hauptstadt nicht sperren und mufste sich über den Sereth bis unter 
die Mauern der Cetatea Neamj^ulul zurückziehen. In den Wäldern 
der Bergabhänge, beim Dorfe Räzboienl in der Valea-Albä (Weilsen 
Tale), versuchte er sein letztes, um das Land zu retten ^ wurde 
aber „zertreten", d. h. von der Menge der Feinde erdrückt (26. Juli 
1476). Er floh nicht nach Polen, das ihm keine Hilfe gesandt 
hatte: das Gebirge seines eigenen Landes deckte und beschützte 
ihn besser. 

Städte, Burgen und Dörfer wurden verbrannt und zerstört, 
aber auf diese Weise ward keine Nahrung fiir die unzähligen 
Krieger und Räuber geschafft, und dem Hunger folgte der Hunger- 
tod: die Pest Den Moldauern günstige Stürme hatten im Schwarzen 
Meere die Proviantgaleeren zerstreut und vernichtet, und dabei hatte 
auch die andere Flotte, die sich an der Donaumündung befand, 
so viel gelitten, dafs die moldauischen Häfen unangetastet blieben. 
Stephan war bald in die Täler zurückgekehrt, und der Eleinkrieg, 
den er so gut wie Vlad der Pfahler zu fuhren verstand, wurde 
unter seiner Leitung erfolgreich fortgesetzt. Endlich bekam Mo- 
hammed durch den auskundschaftenden Basarab die unerwünschte 
Nachricht, dafs sich der königlich ungarische Befehlshaber Stephan 
Bäthory, mit Vlad als Berater und Helfer, der Grenze nähere: die 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S55 

>oiiau wurde unter wenig rühmlichen Umständen überschritten 
\jtA die Moldau blieb^ was sie vorher gewesen war, der freie Staat 
LeB starken Stephan. In demselben Jahre noch rückte er mit 
Lern siebenbürgischen Kriegsvolk in die Walachei^ um den un- 
würdigen Basarab zu verdrängen; nach der Einnahme von Tii^o- 
vifte wurde BucureftI belagert; nach einigen Tagen erobert , und 
äas unterworfene Land schwor dem grausamen ^epe^ zum zweiten 
Bfale Treue 1). 

Als Basarab mit den Donautürken zurückkehrte, wurde Vlad 
geschlagen und unter uns unbekannten Umständen getötet Der 
Türken&eund aber behielt seinen Thron bis 1477, wo er von 
Stephan^ der sich endlich rächte, und von Basarab dem Jüngeren, 
seinem gleichnamigen Sohne, nach Siebenbürgen veijagt wurde ^). 
Zwei Jahre . führten dann diese beiden einander sehr ähnlichen 
Fürsten einen Familienkrieg, in dem sie sich gegenseitig Frau, Grofs- 
mutter und Tochter raubten und sich mit Schmähreden überhäuften. 
Der junge Basarab zeigte auch Neigung zur Politik des Pfählens, 
und so bekam er denn als letzten Segen aus dem Munde seines 
ehrwürdigen Vaters den Beinamen "(^epelu^, der kleine P&hler. 
Stephan konnte bald den auch von den Türken unterstützten Sohn 
ebensowenig dulden wie den Vater. In den Jahren 1479 — 1482 
liefs er die Grenze an der Donau und am Meere zuerst durch die 
Befestigung von Chilia, dann von Cetatea-Albä sichern. Deswegen 
benutzten die Türken, die 1479 jenseits des Grenzflusses in die 
Walachei gekommen waren, und von dem „jungen Basarab '' unter- 
stützt wurden, diese raublustigen und rachesüchtigen Akindjis der 
Mihalogli, nicht den Weg durch die Moldau, sondern suchten die 
nach Siebenbürgen fuhrenden Pässe auf, wo sie Bäthory im 
Eenyörmezö völlig vernichtete. Im Jahre 1481 hielt der ^epelu^, 
der bei seinen Beschützern hoch in Gunst stand und in seinem 
Fürstentume von keinem Nebenbuhler beunruhigt ward, die Zeit 



1) Die Qaellen sind in denselben Sammlangen wie bisher enthalten. Dazu 
die moldauischen Chroniken und eine italienische Erzählung in Columna lul 
Traian, Vn, S. 376 — 380; die Inschrift von Eäzboienl, in den Denkschriften der 
nun. Akademie, VH, S. 171—172. Vgl. Chilia ^i Cet.-Albä, S. 147 ff.; Studil 
^ doc., III, S. XXXVI bis xxxvn. 

2) Istoria lul Stefan, S. 188—189. 

23* 



S5< 3. Kapitel. 

für gekommen, um Chilia dem geschwächten Fürsten der Moldau 
zu entreifsen, rief die Donautürken zu Hilfe und bereitete einen 
Schlag vor. Er nahm aber einen anderen Weg und verheerte die 
westliche Moldau bis in den Bezirk Bacäü ^). 

Aber er hatte kein Glück. Während er sich schon des 
künftigen Erfolges freute, starb der grofse Sultan Mohammed und 
hinterliefs zwei Söhne, feindliche Brüder, unter denen sich nun ein 
hartnäckiger Kampf um die glänzende Erbschaft des energischen 
Vaters entspann. Der schlechte Nachahmer des P&hlers mu&te 
nicht nur zu Hause bleiben, sondern empfing hier den Besuch 
Stephans, der jetzt seine Hände frei hatte. Wenige Wochen nach 
dem Tode des Sultans drang der moldauische Herrscher von der 
einen und Bäthory von der anderen Seite in die Walachei ein, 
und am 8. Juli 1481 wurde ^^epelu^ vollständig geschlagen, wie- 
wohl er neben Bimnicul Särat an der Grenze eine gute Stellung 
eingenominen und mit grofsem Selbstvertrauen angegriffen hatte >). 

Als „ christlichen '^ Fürsten der Walachei hatte Stephan einen 
gewissen Mircea mit sich gebracht, den er seinen „Sohn^' nannte. 
Doch fand dieser keinen Anhang, und Vlad, der einstige Möncli^ 
der schon dem "{"epe^ bittere Stunden verursacht hatte, wurde von 
den Ungarn und von einer Bojarenpartei zum regierenden Wojwo- 
den ausgerufen. Er ging an die Donau, fand die Anerkennung 
der Brüder Alibeg und ihre Unterstützung, verfolgte Basarab, der 
bei Glogova, im äufsersten Westen des Landes, von den oltenischen 
Feudalen getötet wurde, und blieb, nachdem auch der unglückliche 
Mircea den Tod gefunden, der Herr des ganzen ungrowlachischen Ge- 
bietes. Der moldauische Nachbar selbst beschützte ihn g^en 
Basarab und entrifs diesem am 10. März 1482 durch eine Über- 
rumpelung seines Sohnes Alexander die Grenzfestung Crädona 
am Milcov*). 



1) Istoria lul Stefan, S. 196. 

2) Moldauische Chronik, Inschrift der dafür errichteten Elirche in Arcbin 
societ. ^tiintifice ^i literare din Ia§I, VI, S. 475— 476; Eozak, Inschriften, 
S. 115-115; fremde QueUen, in Chilia §1 Cot.-Albä, S. 152—154. Vgl Studil 
9i docj in, S. Yxxvm — xl. 

3) Bogdan, Bei. cu Bra^ovol, S. 114; Studil $i doc, in, S. xjjul— n; 
Istoria lul ^tefan, S. 199. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S57 

JBndlich hatte Stephan alle Festungen des Südens, und zwar 
rehörig befestigt, in seiner starken Hand und konnte seine Herr- 
schaft als gesichert betrachten, zumal da unter den Türken der 
Bürgerkrieg wütete. Desto ' schmerzlicher traf es ihn, als 1484 
der siegreiche Sultan Bajesid H. den Plan, das Schwarze Meer zu 
ge^viriimen, wieder auäiahm und sich mit einer sehr starken Flotte 
und einem mächtigen Heere persönlich ssum Angriff auf die Moldau 
und die ganze nordöstliche Christenheit anschickte. Dem bedrohten 
Fürsten kam von seinen Nachbarn, obgleich dieser Schlag auch 
sie traf, und zwar Polen am empfindlichsten, keine Hilfe. König 
Matthias hatte kurz vorher seinen Waffenstillstand mit dem neuen 
Herrn der osmanischen Welt erneuert, denn ihm lag besonders die 
Erwerbung Österreichs am Herzen. Der gute weichherzige Jagel- 
lone von Polen hatte noch nicht das Vergnügen gehabt, den stolzen, 
durch Sieg und Niederlagen gestählten Krieger von Suczawa feier- 
lich vor sich knieen zu sehen, und, ehe dies nicht geschehen sei, 
wollte er dem hartnäckigen, falschen Moldauer nicht einen seiner 
jungen Söhne zu Hilfe schicken. Von dem walachischen Vlad end- 
•lieh braucht man gar nicht erst zu reden. Über schwere Reiter 
und gutgeschulte Landsknechte verfugte Stephan nicht, und die 
moldauische Flotte bestand nur aus Booten, die nicht gegen die 
Galeeren venetianischer Art aufzukommen vermochten. So erreichte 
denn Bajesid die Donau, vereinigte sich hier mit den unzähligen 
tatarischen Schwärmen und den Walachen Vlads und stürmte nach 
achttägiger Belagerung Chilia am 14. Juli. Am 4. August ergab 
sich auch Cetatea-Albä, und bei seiner Rückkehr über die untere 
Donau konnte sich der siegreiche Sultan rühmen, dafs er mit der 
ersten Festung „den Schlüssel und die Pforte zum ganzen mol- 
dauischen Lande, wie auch zu Ungarn und dem ganzen Donau- 
gebiete '^, mit der zweiten „den Schlüssel und die Pforte zu ganz 
Polen, Rufsland, Tatarien und zum ganzen Schwarzen Meere ^^ 
gewonnen habe. Beide Plätze wurden in besseren Stand gesetzt, 
und in der Umgebung ward jedem ein grofses Stück Raj a zugeteilt, 
das den türkischen Besatzungstruppen Nahrung gewähren sollte ^). 



1) Brief des Sultans 2. [= 11.?] August, in den Acta extera, VI, S. 36—37; 
Makuscev, II, S. 134 — 136, nr. 14; nach verlorenen, gleichzeitigen Briefen Cam- 



S58 3. Kapitel. 

Damit noch nicht zu&ieden, wünschte der Sultan nichts ge- 
ringeres als die Absetzung des moldauischen Fürsten, um an seiner 
nördlichen Grenze sich völlige Sicherheit zu verschaffen. Die Annek- 
tiernngspoütik seines Vaters hatte er dagegen aufgegeben, und ein 
Fürst wie der walachische Vlad hätte in der Moldau seinen An- 
sprüchen genügt Ein solcher türkischer Kandidat fand sich nun 
tatsächüch in einem Spröfsling der moldauischen Dynastie; er wird 
von seinem Gegner „Hronet^', „Hruet", „Hromot" genannt, und 
es war vielleicht der oben erwähnte Alexander, der Sohn des Peter 
Aron, der sich seit längerer Zeit am Hofe der Sultane angehalten 
hat Mit diesem erschien 1485 der rumelische Beglerbeg im Lande. 
Stephan, dessen Hauptstadt wieder gebrandschatzt worden war, 
ging jetzt zum zweiten Male nach Polen und leistete in Kolomea 
endlich dem Könige den lange ersehnten Eid. Dieser aber rückte 
nun in Begleitung seiner Söhne nach Poki^tien, während der Fürst 
mit einem polnischen Hilfskorps zurückkehrte und binnen kurzem 
sein Land von den Feinden befreite. Dennoch folgte ein neuer 
Verheerungszug unter dem Oberbefehle des Iskender Mihaloglu und 
eines neuen, später viel genannten, donauischen Beg;. dies war 
Balibeg, der Sohn des Malkotsch ; im November zu Cätläbuga wur- 
den sie geschlagen. Wieder erschienen die Türken im nächsten 
Frühling und drangen sehr tief 'ins Land bis nach ^cheia am Sereth ; 
dieses Mal aber ward der Prätendent nicht nur besiegt, sondern 
auch gefangen und enthauptet, und die Osmanen und Walachen 
verloren damit den von ihnen begünstigten Gegenfursten ^). 

Die Polen suchten anfangs eine Verbindung mit den Türken, 
wie es ihr ungarischer Nachbar getan hatte, erreichten aber ihre 
Absicht nicht, da sie wahrscheinlich die Rückgabe der eroberten 
Häfen zu dringend verlangten. EndUch Msten sie sich ein Herz 



bini) in Sansovino, Historia universale de' Turchi, Ausgabe von 1654, foL 166 
y^; Modus epistolandi eximii medicine doctoris etc. loannisIJrsiniiCraco- 
viensis, Kap. XXII, aucb in Chilia ^i Cet.-Albä, S. 279—281; moldauische 
und italienische — Acte ^i fragm. IIF — Chroniken; türkische Chronik in L eun- 
«lavius, Historiae. Im übrigen s. mein eben erwähntes Werk über die zwei 
Festungen, S. 153 ff. 

1) Moldauische und türkische Chroniken; Lewicki, II, S. 332 ff. Vgl. 
OhiKa 9i Cet.-Albä, S. 167 ff., 283 ff. 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates usw. S59 

und versuchten eine Wiedereroberung der. beiden ,, Schlüssel und 

Pforten '', von denen sie besonders Moncastro interessierte. Der 

Königssohn Johann Albrecht kämpfte im September 1487 mit 

2sienilich gutem Erfolge wider die Tataren aus den öden ^^bialo- 

grodischen Feldern^' jenseits des unteren Dnjestr, die seit 1475 

die Vasallen des türkischen Kaisers und Beschützer der tatarischen 

Krim waren. Zunächst verlangten die Polen noch immer die 

beiden Festungen der neuen Raja, aber, obgleich sie diese nicht 

erhielten, schlofs der König mit grofser Freude, ohne sonst Opfer 

zu bringen, im Frühling des Jahres 1489 einen Vertrag ^). 

So waren denn von jetzt an die Polen wie die Ungarn Freunde 
des Sultans, und auf ihre Hilfe bei der Verdrängung der Heiden 
aus der südlichen Moldau war nicht mehr zu rechnen. Noch 
mehr: als im Jahre 1490 König Matthias starb, bewarb sich ein 
Sohn Kasimirs, Wladislaw, um die ungarische Krone^ die einst sein 
gleichnamiger Oheim getragen hatte. In eine solche Situation 
woUte Stephan auf keinen Fall geraten; falsche Verbündete und 
Beförderer der türkischen Interessen konnte er nicht an aUen seinen 
Grenzen dulden. Deshalb erklärte er sich für den deutschen Neben- 
buhler Wladislaws, den König Maximilian, erinnerte sich gleich- 
zeitig zum ersten Male der noch nicht bezahlten polnischen An- 
leihe aus der Zeit seines grofsen Ahnherrn und forderte kraft 
jenes Vertrages Pokutien. Schon 1490 unter Kasimir, die Wirren 
des benachbarten Königreichs benutzend^ hatte er Pokutien ein- 
genommen. Um dieses Ziel zu erreichen, entschied er sich zu 
einem Schritte, den er bisher unter keinen Umständen getan hätte: 
dieser letzte Vertreter des heiligen Kampfes gegen die heidnischen 
Barbaren folgte, wenn auch widerstrebend, dem wenig christlichen 
Beispiele seiner ebenso klugen wie feigen Nachbarn und bezahlte 
wie Peter Aron und Vlad den Türken Tribut 

Diese verlangten von ihm den Pafs nach Polen fiir sich und 
jhre raublustigen tatarischen Qenossen; dazu konnte er sich aller- 
dings nicht entschliefsen, obgleich der neue polnische König, der 
ihm 1487 sehr wenig geholfen hatte, den Frieden mit Bajesid 

^.^.^— »_— .^-^_*— H— ^ • 

1) Acta extera, YI, S. 134 ff.; Wein reich, in Script, reram prassicarum, 
IV. Vgl. Chiüa 9i Cet.-Albä, a 169 ff., 2%-297. 



S60 3. Kapitel. 

erneuerte. Johann Albrecht, ein romantischer Schwärmer^ der gern 
grofse gefährliche Pläne entwarf, verscheuchte sogar alle Bedenken 
und zog im Jahre 1497 als Feind gegen die Moldau. 

Im Frühling wurden die polnischen Herren und Vasallen be- 
nachrichtigt, dafs der König einen Zug gegen die Türken beab- 
sichtige, um die christliche Grenze an der unteren Donau wieder- 
herzustellen. Und so sammelten sich unter seinen Fahnen ,,za 
Hilf und Trost der Christenheit" Alexander, der Herzog von 
Litauen, der Bruder des neuen Kreuzfahrers, der alte kranke Groß- 
meister des Deutschen Ordens und noch viele andere, die das gro&e 
Geheimnis wufsten oder auch nicht wufsten. Auf dem Wege 
wurden die letzteren mit erdichteten Nachrichten von grofsen Er- 
folgen gegenüber Türken und Tataren gespeist; in Polen war 
sogar das Gerücht verbreitet, Chilia und die „Weifse Burg" würden 
schon belagert. Erst als die Gesandten des Moldauers nach Über- 
schreitung der Grenze durch das ganze Heer auf seinem eigenen 
Boden festgenommen worden waren, erkannte man endlich, ohne 
eine Erklärung dafür zu finden, dafs der König gegen Stephan 
„mit Zorne erwecket" sei. Während letzterer, noch zu schwach, 
um sofort die Beleidigung zu beantworten, sich von Suczawa nach 
Roman zurückzog, wurde die Hauptstadt mehrere Wochen lang 
belagert; doch diese war in der letzten Zeit so gut befestigt worden, 
dafs sie trotz aller Anstrengungen nicht eingenommen werden konnte. 
Südwärts konnte der Feind nicht dringen, solange der moldauische 
Fürst mit seinem in der Eile gesammelten Heere im Wege stand ; 
was aber ein Rückzug aus der Moldau bedeutet hätte, das wufste 
der polnische König ebensogut wie alle seine Nachbarn. Deshalb 
nahm er die Vermittelungsvorschläge an, die der Wojwode von 
Siebenbürgen, Drägfiy, ein Spröfsling der Dragoschiden von Mar- 
moros, den der neue ungarische Herrscher zur Beruhigung der 
Sachsen geschickt hatte, unterbreitete. In dem Frieden wurde 
auch vereinbart, dafs das Heer bei seinem Rückzuge keinen Schaden 
anrichten dürfe. Nun besafs aber dieses Heer, wie damals gewöhn- 
lich, nicht genügende Nahrungsmittel und raubte deshalb, um leben 
zu können. Zur Bestrafung der zweimal Treulosen erschien da 
plötzlich Stephan in den unwegsamen Tiefen der Bukowiner Wälder, 
wo schon vor einem Jahrhundert ein polnisches Heer begraben 



Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates vlbw, 3€1 

'vrorden war; das alte Spiel b^ann aufs neue, und unter den 
stürzenden Bäumen fiel die glänzende Reiterei des polnischen Königs^ 
die prunkhafte Szlachta^ während die Pfeile der Bauern dicht her- 
niederregneten. Die Ankunft eines Hilfskorps endete mit einer 
neuen Niederlage bei Len^i^tl, und vergebens rang der junge, ehr- 
geizige König mit dem stärkeren, rächenden Schicksale. Er mufste 
fliehen mit wenigen versprengten Rittern, die von ihrer reichen 
Ausstattung nur „gewundte Pferde und zerlochte Harnische ^^ heim- 
brachten, während vom Fufsvolk lediglich einige kleine Abteilungen 
der bäuerlichen Metzelei entgingen. Das war der Tag von Cozmin, 
der Sankt Demeterstag 1497, der wie einst 1467 die Weihnachts- 
nacht von Baia den christlichen Nachbarn der Moldau zeigte, dafs 
hier kein Land zu erwerben war '). 

Nun konnten auch die Türken ruhig in Polen einfallen, und 
in den Jahren 1497 und 1498 kamen in der Tat die Scharen 
Balibegs, um sich an podolischer und russischer Beute zu erfreuen. 
Stephan selbst erschien 1498 vor Lemberg. Erst 1499 machte 
Stephan ihren Verheerungen ein Ende. Am 12. (18.) Juli 
kam endUch durch ungarische Vermittelung ein neuer Friede 
zustande. Diesmal ist von keiner Suzeränität gegenüber Polen 
oder Ungarn die Rede, diesmal verlangt man von dem mol- 
dauischen Vasallen nicht, dafs er ohne die Erlaubnis seines „ do- 
minus ^^ keinen Krieg beginnen und keinen Frieden schliefsen dürfe. 
Jetzt ist er selbst ein „dominus", der sich nur verpflichtet, die 
gegen das polnische Eeich gerichteten Anfeindungen der Türken 
nicht mehr zu begünstigen. Dagegen wird ihm von Wladislaw 
wie von Johann Albrecht Hilfe zugesagt und endlich eine grofse 
gemeinsame Unternehmung gegen die Osmanen und ihre Schütz- 
linge verabredet, wobei sich die Ungarn gegen den Sohn und 
Nachfolger Vlads und die Polen durch Obluci^ (Isaccea) gegen 
das Innere des türkischen Reiches wenden sollten ^). 



1) Die polnischen Chroniken: Miechowski, Wapowski; Naker, Der 
Chronist des Deutschen Ordens ; moldauische Chronik ; Akten in Acte ^i fragm. HL 
Vgl. Chilia ^i Cet.-Albä, S. 174 flF., 303 ff.; Istoria lul Stefan, S. 227 f. 

2) Hurmuzaki 11% S. 421 ff., 439ff., 719ff. Über die türkischen Züge 
8. die Diarii von Sanudo in Törtenelmi Tar, XIV, in dem Arkir za povjestnicu 
jugoslavensku V, oder in der neuen, vollständigen venetianischen Ausgabe. Neues 



S6S 3. Kapitel. Höchste Macht des kämpfenden rumänischen Staates i^sw. 

Aber zu diesem grofeen Völkerkriege kam es, wie zu erwarten 
war 9 doch nicht , trotz aller Ereuzzugspläne; die wieder Europa 
dorchschwirrten. Von Polen aus wurde nichts unternommen; 
Boldur^ der Befehlshaber Stephans^ drang nach 1499 in die so 
peinlich beengende türkische Provinz auf moldauischem Boden ein 
und griff die Festungen an; die Ungarn scharmützelten 1501 ein 
wenig an der bosnisch-serbischen Grenze. Die strafenden türkischen 
Waffen schritten indessen von einem Siege zum anderen, und 
die vor lauter Nüchternheit verfaulende Christenheit spaltete sich 
immer mehr. Während von beiden Seiten neue Unterhandlungen 
mit dem glücklich erobernden Sultan angeknüpft wurden, regte 
sich in dem alten Stephan wieder die Verachtung gegenüber den 
königUchen Schwächlingen in seiner Nähe, und sein GroU richtete 
sich gegen denjenigen, der ihm seine Erbschaft Pokutien vorent- 
hielt. Er drang in das Land ein, wie es in einem ebenso vor- 
gerückten Alter der grofse Alexander getan hatte, und erklärte 
den königlichen Gesandten auf ihre Klage, dafs er diese recht- 
mäfsige Eroberung ad gutur suum behalten werde ^). 

Johann Albrecht war schon gestorben, und Stephan hatte den 
Thronwechsel, durch den Alexander König ward, benutzt, um 
die moldauische Herrschaft in „seinem Lande Pokutien '^ zu be- 
festigen. Die ruthenische Bevölkerung russischen Glaubens, die 
von ihren polnischen Beamten und polnischen Grundherren hart 
geplagt wurde, suchte in Masse unter seinen Fahnen Zuflucht und 
kämpfte mit ihm gegen die Polen. 

Der Eroberer setzte überall im Lande, in Sniatyn, Kolomea und 
Hajicz, seine Bojaren und Zöllner ein (1502). Im Zaren von Moskau 
Iwan, mit dessen Familie Stephan eng befreundet blieb, — ob- 
wohl durch die Ränke der Zarewna Sophia Demetrius, der 
Enkel Iwans und Stephans, von der Erbschaft zugunsten des 
Sohnes Sophias ausgeschlossen ward ^), — hatte gleichzeitig Ale- 



daza in Acte ^i fragm. III^ und im Anhang der Chiüa ^i Cet-Albä, Eönigs- 
berger Akten. 

1) Ulianicki, S. 225-- 227. 

2)EaTamzin, Geschichte Bufdands; die Belege Earamzins in Acti 
otnosjaStiesb Bossii, l und üricarul III; vgl. aber Hurmuzaki 11', S. 493, 
nr. 393. 



4. Kapitel. Yei&ll der rumänischen Kriegsstaaten. S6S 

rx^ander^ der doch der Schwiegersohn Iwans war^ einen hart- 
xiäckigen Gegner gefunden. So konnte der König vorläufig nichts 
^egen die Moldau unternehmen. Trotz der tatarischen Versiehe* 
«rang, dafs der Sultan die ganze Moldau seinem heidnischen 
Vasallen überlassen hätte, liefs sich nicht einmal der Khan gegen 
Stephan aufwiegeln ^). Selbst die Politik des ungarischen Königs 
fiu^hien den Polen zu versöhnlich; um gegen sie aufrichtig und 
^ivohlwollend zu sein. 

Von diesen neuen kriegerischen Strapazen kehrte nun Stephan 
anatt und schwer krank in die Moldau zurück: die Gicht und dazu 
«die alte Wunde am Fufse^ eine Erinnerung an den Ejieg von Chilia^ 
1462^ verursachten ihm grofse Schmerzen. Vergebens wurden 
^us Venedig; Nürnberg und aus dem Morgenlande berühmte, er- 
fahrene Arzte gerufen. Im alten Körper erlosch die Lebensflamme, 
und so entschlief; inmitten eines blutig errungenen Friedens , am 
.2. Juli 1504 der gröfste unter den rumänischen Herrschern ^). 



4. Kapitel. 

T'erf all der rumänischen Kriegsstaaten nach dem Tode 

Stephans des Grossen. 

Der Tod des ;,Walachen'' war ein grofses Ereignis für das 
^anze östliche Europa^ für die Zukunft der rumänischen Fürsten- 
rtümer aber ward es geradezu entscheidend. Von einem Streite 
um die Erbschaft konnte nicht die Eede sein, denn zwei Tage 
vor seinem Tode liefs sich der Sterbende auf das Feld tragen^ wo 
nach alter Sitte die Bojaren ihren neuen Herrschern wählten^ und 
«er bestrafte diejenigen^ die unter den zahlreichen Sandern des drei- 

1) Hurmuzaki II«, S. 508, nr. 405. 

2) Moldamsche Chronik. Die Grabinschrift bei Melchisedek, in den 
Denkschriften der rumänischen Akademie a. a. 0.; Kozak, Inschriften, S. 84. 
J^ den Krieg mit Polen die in Hurmuzaki 11^ angesammelten Materialien 
«und Istoria lul ^tefan, S. 248 f. 



SM 4. Kapitel. 

mal verheirateten und dazu sehr ausschweifenden Stephan einen 
anderen Wojwoden erwählen würden, als den ältesten, von seinen» 
Vater bevorzugten Bogdan, den Sohn der noch lebenden Tochter 
Baduls des Schönen, selbst mit dem Tode kämpfend, im voraus^ 
mit dem Tode. So ging denn die Erwählung Bogdans mit vvrunder- 
barer Eintracht vonstatten ^). 

In Polen lebte ein anderer Sohn des mm Verstorbenen, Peter 
mit Namen, dessen Mutter eine Fischerfrau aus Hirläu war; er 
war selbst nach der Legende auch in seinen jungen Jahren Fischer. 
Diesen Mann konnte der polnische König gegen den in die poku- 
tischen Wirren verwickelten Bogdan aufwiegeln. Dann lebte am 
türkischen Hofe als Geisel des zinspflichtigen Vasallen in der Moldau 
der Sohn Alexanders: letzterer hatte die ihm als Erstgeborenem 
Stephans zustehenden Erbrechte dem nach dem Grofsvater 
Stephan genannten Sohne hinterlassen. Hier war eine fremde 
Intervention schon wahrscheinlicher. Endlich hatte auch der feind- 
lich gesinnte Fürst der Walachei, Radu, der Sohn und Nachfolger 
Vlads seit 1496, ein Mönchsfreund und Earchenerbauer, ein frommer 
nichtswürdiger Schwächling — seinem Ahnen Vlad dem Teufel, 
in nichts Gutem oder Bösem ähnlich — , einen „moldauischen 
Erben" bei sich, und zwar nicht nur einen einzigen, sondern sogar 
zwei: einen Roman und einen Trifäilä, welch letzterer sich als 
Prätendent gewifs einen schöneren Ealendemamen beilegte. 
Dabei sollen zwei „moldauische Fürsten", die in Siebenbürgen der 
Stunde ihrer Heimkehr harrten, noch ganz unerwähnt bleiben^ zu 
deren Gunsten der ungarische König seine Truppen bereithielt, um sie 
„gegen die Türken" in die Moldau zu senden. 

Bogdan, ein Jüngling von 29 Jahren, wird uns vom venetia- 
nischen Arzte seines Vaters als ein bescheidener, aber tapferer 
Mann geschildert, seiner grofsen Erbschaft würdig: „modesto quanto 
una donzela e valente homo." Bescheiden war er vielleicht, je- 
doch nicht allzusehr, denn er bildete sich ein, gegen die Rück- 
gabe von Pokutien die Schwester des polnischen Königs, die 
r eginula Elisabeth, als Braut heimführen zu können, obgleich er 
an einem Auge so stark verwundet war, dafs er immer den Bei- 

1) Hurmnzaki VIII, S. 40. 



Verfall der rumänischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 865 

xistmen Orbul; der Blinde; behielt. Die Tapferkeit seines Vaters 
äiAtteer sicher geerbt: wir sehen^ wie er persönlich gegen Polen 
zix Felde zieht und in die Tore des unbezwingbaren Lemberg zur 
JSrinnerung mit seiner ungeduldigen Lanze hineinsticht Den wa- 
l&chischen Nachbarn^ welcher in sein Land eingefallen war, schickte 
^r* sofort heim und er hätte, was Stephan in solchen Fällen zu tun 
pflegte, getan, wenn nicht ein ehrwürdiger Prälat, ein Nachkömm- 
ling der serbischen Kral, der neue Metropolit Baduls, Maxim, die 
Herrscher desselben Volksstammes zur Bruderliebe ermahnt hätte ^). 
Aber die Haupteigenschaft; des grofsen Toten, die kluge £r- 
iTV'ägung der Zeitumstände, die weise Berechnung der Möglichkeiten, 
clas mangelte dem häfslichen Ritter Bogdan völlig. Die Politik, 
•die er gegen alle seine Nachbarn verfolgte, ist vielmehr schliefs- 
lieh fehlgeschlagen. 

Von Alexander, dem König von Polen, verlangte er eine 
«chöne Braut, die sich zu einer solchen Heirat niemals entschliefsen 
konnte. Um sich mit der leeren Hoffnung abspeisen zu lassen, 
verzichtete er aber auf Pokutien, zog seine Besatzungen aus den 
dortigen Burgen zurück und rief seine Beamten aus den Städten 
ab und dabei erbot er sich noch, ein grofses Gefolge von polnischen 
Dienern und Priestern, sogar einen Bischof, für seine künftige 
Frau zu halten. Nun starb nach etlichen Monaten, im August 
1506, der polnische Herrscher, und sein Bruder und Nachfolger 
Sigmund, dem die Besitzungen Stephans im Jahre 1497 vorbe- 
halten worden waren, zeigte sich als ein entschiedener Feind der 
Moldauer und einer Verschwägerung mit moldauischen, barba- 
rischen Ketzern. Während der Erwählung Sigmunds fallt Bogdan 
als ein „Erbe der Perfidie seines Vaters" in Polen ein, nimmt 
Pokutien wieder in Besitz und versucht sich der Feste Kamieniec 
zu bemächtigen. Es folgen Verhandlungen bis 1509: Elisabeth 
will nicht an seiner Seite auf dem armseligen Throne der Moldau 
sitz^i. Bogdan klagt beim Papste, geht über die neue Grenze 
und verheert grausam das galizische Gebiet, Rohatin erobernd und 



1) Die moldauische Chronik, in verschiedenen Fassungen, bei Bogdan, 
Vechile Cronicl: moldo-polnische Chronik ; Cronicl inedite, wie auch in der rumä- 
nischen Obersetzung des üreche, aus dem XVII. Jahrhundert. Dazu das serbische 
„Leben von Maxim", das in Archiva istorica, II, S. 65 £f. übersetzt ist. 



S<6 4. EapiteL 

bis Lemberg vordringend; er kehrt mit geraubten Glocken und 
ganzen Gemeinden rechtgläubiger Ruthenen zurück, die er in sein» 
Einöden ansiedelt. Darauf eilt ihm der polnische Feldherr Ka- 
mieniecki in sein Land nach, vergilt die Verheerungen und geht, 
allerdings nicht ohne auch von den Moldauern etwas abbekommen 
zu haben, mit Beute zurück. 

Die Polen, verwickelt in moskowitische Fehden, waren der 
moldauischen Suzeränität schon mehr als überdrüssig; 1507 hatten 
sie ihre Oberhoheitsrechte an Unficam abgetreten, und nun wurde 
der »g.™«!,, K»„ig ^ V»ittl» ^entf». N^b lang«. 
Streit kommt man zu einem Vertrage, der als bedeutendsten 
Punkt die Aufhebung der Heiratsvertrages -r- Bogdan hatte schon 
eine moldauische Frau gefunden — enthält und einen ungarischen 
Schiedsspruch hinsichtlich Pokutien in Aussicht stellt (10. März 
1510). Doch dieser ist niemals ge&Ut worden. 

Während dieser lächerlichen Kämpfe um eine widerstrebende 
Braut hatten die Türken immer mehr Boden gewonnen. Schon 
im Jahre 1504 wurden beide rumänische Fürsten „zur Pforte^ 
gerufen. Badu, der kein mutiger Mann war, leistete dem Rufe 
persönlich Folge und kehrte zurück, nachdem er sein Geld in 
Geschenken verschwendet hatte. Bogdan erneuerte durch seinen 
einflufsreichen Bojaren, loan Täutul, das erste Mitglied seines 
Rates, die Huldigung Peter Arons und Stephans, und der Sultan 
antwortete durch einen „Gnadenakt", indem er neue Privüegien 
erteilte. Nach späteren Nachrichten ward darin die Erhaltung 
des Glaubens, die vollständige Autonomie des Landes, dessen Ver- 
teidigung gegen alle Feinde, die fireie Erwählung der Fürsten, die 
Errichtung einer moldauischen Gesandtschaft in Konstantinopel^ 
(kapu-kehaialyk) — doch ist ein solcher Stellvertreter an der Pforte 
zugleich als Geisel zu betrachten — , die Rechtsunfähigkeit der Türken, 
moldauischen Grund und Boden zu erwerben und daselbst Gotteshaus^ 
zu bauen, zugesichert, aber auch ein Tribut von 4 000 türkischen 
Dukaten, vierzig edlen Falken, giriffalchi, die am Hofe jedes 
muselmannischen Herrschers heifs begehrt waren, und vierzig 
moldauischen Mähren ^). 

1) Der Inhalt ist bei N. C o s tin , in den Letopise^e III, S. 452 angegeben. YgL 
üreche, S. 179, welcher „zehn Beutel Creld", ÖOOO Dukaten angibt und die 



Verfall der rumänischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. S67 

Die Walachei erleidet darauf immer mehr Demütigungen ; die 
I>onautürken entreifsen Radu 1507, während Bogdan die katho- 
lischen Kirchen in Galizien beraubt, seine Besitzungen am 
Slnrome, wo er bisher Zoll erhoben hatte, entfuhren die zu ihm 
geflüchteten Bulgaren, und darunter gewifs auch viele Rumänen, 
und zwingen ihn noch zu einer Reise nach KonstantinopeL Nach- 
dem der arme Mann auch noch von den Moldauern besiegt worden 
ist^ stirbt er 1508. G^gen die Ungarn, die einen Sohn des jungen 
Basarab, Danciul, ins Land bringen wollen, gelingt es dem Miha- 
logli-Hause, dem die Aufsicht über die Donau seit langen Jahren 
anvertraut war, einen neuen Wüstling auf den Thron zu sitzen, 
Mihnea, einen angeblichen Sohn des '('epe^, dem er auch durch 
seine hämische Grausamkeit, durch seine diabolische Lust an 
Menschenqualen ähnlich war. Der „böse^^ Mihnea tötet viele seiner 
ßojaren im Jahre 1510, als Bogdan den Frieden mit Polen schlofs. 
Die am Leben gebliebenen Bojaren verjagen Danciul nach Sieben- 
bürgen, wo er und einer der Serben vom Hofe Raduls, Demeter 
Jaksiö, ihn ermorden. Durch die Gnade Mehmed-begs, des Sohne& 
von Alibeg Mihalogli, wird nun ein Elind, der junge Vlad, Vlädu^,. 
eingesetzt. 

Von mm an ist die walachische Geschichte bis in späte Zeit 
von zwei Faktoren beherrscht: neben den allmächtigen Donau- 
türken stehen die zu ungehorsamen Feudalen gewordenen un- 
zähligen Bojaren, die unaufhörlich für einen oder den anderen 
„Fürstensohn", den es gerade jenseits der Donau und der Kar- 
pathen gibt, untereinander in Streit Hegen. In verschiedenen 
Gegenden erscheinen jetzt mächtige Feudalhäuser, welche diese 
blutige nichtsnutzige Bewegung unterhalten, sie schüren und leiten. 
Man beginnt von Buzäuer Bojaren, von Bojaren von Slatina, aber 
besonders von den oltenischen Bojaren zu sprechen. Hier, im 
rumänischen Banate, leben vier Brüder: Barbu, Pirvu, Danciul 
und Radu, die ausgedehnte Ländereien besitzen und mit bedeu- 
tenden Familien verschwägert sind; eine Schwester von ihnen,. 
Neaga, hat ein Eind von einem Basarab, wahrscheinlich vom jüngeren. 



ganze Geschichte mit der Erbauung der Kirche in Bäline^tl durch Tautul, mit 
dem angeblich geschenkten Gelde des ersten Tributs in Zusammenhang bringt. 



S*8 4. EapiteL 

Sie sind alle fromm wie der verstorbene Badu, kaufen gern die 
Oebeine von Heiligen aus der Balkanhalbinsel, erbauen Klöster — 
ihnen ist die Errichtung des schönen Klosters Bistri^ zu dank^i — 
und erfreuen sich eines Ansehens, das sich mit dem des durch säe 
erhobenen Fürsten gar nicht vergleichen läfsi Im Jahre 1499 
war der älteste Bruder, der in dem neuerstandenen Craiova in 
der Ebene sitzt, nur „Barbu von Craiova^^, aber schon im Seginne 
des XVI. Jahrhunderts ist er, als erater Bojar, auch ,,jBan von 
Oraiova^', obgleich der ungarische König noch seinea Ban in 
Severin unterhält und die älteren Fürsten die Rechte Severins 
auf Bimnic am Qlt, das neue Severin, übertragen hatten. Die 
Bane von Craiova werden nur aus diesem Geschlechte entnommen, 
und jeder Fürst, der gegen diesen Gebrauch verstöfst, verliert so- 
fort seine kurze Macht und zugleich sein Leben. 

So erging es dem Vlädu^. Die „Pirvule§tl" und die „Banove|[" 
riefen den Freund Mohammed von Nikopolis; nach einer Schlacht, 
in der zahlreiche Bojaren im Heere des jungen Fürsten fielen, 
wurde dieser selbst gefangen und in Bucure^tl (Bukarest), „unter einem 
Birnbäume'', am 25. Januar 1512 enthauptet. Jetzt wurde der Neffe 
der „Pirvule^tl^' Neagoe, nach seiner Mutter Neaga genannt, aber 
itls Fürst mit dem Namen seines Vaters Basarab protzend, viel- 
leicht auch durch moldauisches Zutun ^), eingesetzt. Gemahl einer 
serbischen Prinzessin, der Nichte des Metropoliten Maxim ^)y eines 
gelehrten Mannes, mit vielem Kunstsinne begabt, folgte er der 
frommen Politik Raduls und verdient gewifs mehr als dieser den 
Namen ,,des Grofsen^^ wenn die Dankbarkeit der Kirche darin 
2um Ausdruck kommen soll. Er ist der Erbauer der weltberühm- 
ten Kirche von Arge^ : sie ist aber auch das einzige Werk seines 
neunjährigen, bis September 1521 währenden Herrschens. 

Was aber geschah in der starken Moldau in dieser Zeit? Die 
türkisch-tatarischen Wogen tobten an ihren Grenzen, und nicht 
nur einmal hatte Bogdan das Schicksal seiner walachischen Nach- 
barn, wenn nicht ein härteres zu fürchten. Während der Sultan- 
4sohn Selim Chilia und Cetatea-Albä, jetzt Akkirman genannt, den 



1) Acta Tomiciana, II, S. 94. 

2) S. auch Convorbirl-literare, 1903, S. 435ff. 



_J 



Verfall der rumänischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 869 

Befehlshabern seines schwachen, alten Vaters entrifs und im Bunde 
mit seinem Schwager, dem Sohne des Tatarenkhans, diese Gegen- 
den mit Lärm erfüllte, war Bogdan nicht einen Augenblick seines 
Daseins sicher. Nachdem Selim Sultan geworden war, ging er 
nach Asien, um hier die Erbschaft der Sudanen und Khalifen, 
den Padischahtitel, zu gewinnen. Unterdessen erduldete die Mol- 
dau geradeso wie Polen die unaufhörlichen Strei&üge der los- 
gelassenen Tataren, denen die Raja in der südlichen Moldau und 
ganzen Dobrudscha überlassen worden waren. Nicht nur das Land 
zwischen dem Dnjestr und Pruth, sondern auch das bis zum 
Sereth und nördlich bis Hotin und Dorohoiü ward systematisch aus- 
geplündert, und eine Schlappe bei der Rückkehr genügte nicht, um 
die raubenden Besucher fiir die Zukunft fernzuhalten. Selbst 
während seiner glänzenden Hochzeitsfeier im Jahre 1513 hatte 
der geplagte Fürst die Tataren zu Gästen. Im April 1517 
starb, noch sehr jung, Bogdan in Hu^I am Pruth, wo er viel- 
leicht in dieser Frühlingszeit weilte, um die östliche Grenze zu 
sichern. 

Der alte Logofät Täutul war gestorben, und als der mächtigste 
moldauische Bojar galt Arbure der Hatman. Dieser führte die 
Vormundschaft für den jungen, kaum neunjährigen Bastardsohn 
Bogdans, Stephan mit Namen, den der Vater nach der bewährten 
Methode Stephans des Grofsen und Klugen in seiner Gegenwart 
zum Nachfolger hatte wählen lassen. 

Der junge Stephan konnte bei seinem Alter eine eigene Politik 
nicht betreiben, und alles, was um diese Zeit in der Moldau geschah, 
ist das Werk Arbures. Während der dauernden Unsicherheit, 
welche die Türken verursachten, wurde ein neuer feierlicher Ver- 
trag mit Polen unter dem Namen Stephans und dem seines jüngeren 
Bruders Peter im Jahre 1517 ^) unterzeichnet. Gegen 1522 
endlich wurde Stephan selbst der Herr seiner Taten, und dies zeigte 
sich bald durch Ereignisse, die vielleicht seinem Mute, keineswegs 
aber seinem Verstände und Herzen Ehre machen. 

Durch sein ungerechtes, herausforderndes Betragen verursachte 
Stephan eine Verschwörung der Bojaren, die Peter an die Stelle 



1) Hurmuzaki, H«, S. 261ff., 287 ff. 

Jorga, G«Bc1iichte der Hamänen. I. 24 



S70 4. Kapitel. 

seines Bruders bringen wollten. Hinrichtungen folgten diesea 
Machenschaften; und unter den davon Getroffenen fand sich auck 
der alte Arbure. £s folgte ein Zug gegen das Heer der Aufstän- 
dischen , das sich schon angesammelt hatte: der Wojwode si^te, 
und die Beihen der Emigranten nach Polen und Ungarn wurden 
um so dichter. Der Hauptgegner des Fürsten ^ Nicoarä ^erpe, 
verlangte vom polnischen König die Auslieferung des älteren Peter, 
der als Prätendent den Namen Bare^ trägt; dieser lebte in Preufsen 
unter Aufsicht und soUte jetzt die Herrschaft; über die Moldau 
antreten. 

Damals war seit drei Jahren Sultan beider Weltteile jener 
SolimaU; der den gröfsten Persönlichkeiten der Geschichte würdig 
zur Seite gestellt werden kann^ der Mann, in welchem den Türken 
endlich einmal ein Imperator geboren war. Im Jahre 1521 er- 
oberte er Belgrad und bahnte sich einen Weg nach Ungarn^ 1522 
erschien er unter den Mauern der Johanniterfeste Bhodos und 
machte dieser fränkischen Besitzung im Mittelmeere ein £nde; 

1523 bereitete er den neuen Zug nach der Donau vor, welcher 

1524 auch unternommen wurde. Während so die Osmanen die 
Vorbereitungen zur Besetzung beider Ufer des grofsen Stromes 
trafen, hatten die Moldauer nichts Besseres zu tun, als sich nach 
einem anderen Fürsten umzusehen, und schwächten dadurch ihre 
Streitkräfte. In der Walachei aber stand es noch schlimmer. 

Basarab war schon im September 1521 gestorben, und sein 
Nachfolger war — wie bei Bogdan — ein unmündiges Kind. 
Dieser Knabe, von dem gelehrten Vater anspruchsvoll Teodosie 
genannt, erhielt als Vormund seinen Onkel Preda, auf den nach 
dem Tode Barbus die Würde eines Ban übergegangen war. Docl] 
die „Bojaren von Buzäü^' fanden einen tauglicheren Herrscher in 
dem Mönche Dragomir, der sich Vlad nennen liefs ^). In einer 
Schlacht fiel Barbu, und der „Craiovesc'' Pirvu folgte ihm in der 
Würde und politischen Stellung. Er rief die Hilfe des Mohammed- 
beg an, der gerade von der Einnahme Belgrads zurückkam, und 
so wurde Teodosie in Bucurei^tl wiederhergestellt. Die walachischen 
Patrioten waren Christenfreunde und erwählten jetzt einen Bojaren 



1) Vgl. auch Conv. literare, 1902, S. 284. 



Yeifall der romanischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Greisen. 871 

AUS der Grofs- Walachei zum neuen Gegenfursten^ denn Vlad war 
getötet worden. Dieser ,,Herr von Afuma^I^^ (im Bezirke Ilfov) tat 
seinen Untertanen kund und zu wissen^ dafs er ^^Radu Voevod sei^ der 
Sohn des grofsen Badu Voevod'^ Nach kleinen Siegen und einer 
entscheidenden Niederlage wurde Radu nach Siebenbürgen ver- 
jagt. Ein Versuch; von hier aus mit ungarischer Hilfe zurück- 
snikehreU; mifsgliickte; und auch die nur für den Augenblick ent- 
scheidende Ankunft des siebenbürgischen Wojwoden Johann 
Zapolya hatte keinen Erfolg. Zuletzt machte Radu den Türken 
Anerbietungen: diese hatten eingesehen , dafs Teodosie^ ihr Gast 
in Konstantinopel; unver wendbar war^ und ernannten deshalb 1523 
einen gewissen Vladislav zum Herrscher der Walachei. Obwohl 
anfangs von den Pirvule^tl unterstützt, ward er bald von ihnen 
selbst vertrieben. Der neue Fürst hiefs auch Radu, obgleich er 
als Bojar lange Jahre nur als Bädica genannt erscheint ; die Türken 
lockten diesen neuen Prätendenten zu sich und gaben ihm statt 
einer Fahne den Todesstofs. Wieder entspann sich der £[rieg 
zwischen Radu und Vladislav; beide wurden vom Sultan nach 
Konstantinopel geladen, und hier bekam endlich Radu de la Afuma^I 
Anfang 1525 die Fürstenwürde, unterstützt von Donautürken und 
den Craiovaer Bojaren. Ein Jahr vorher aber war Severin in 
die Hände der Osmanen gefallen. 

In die bescheidene Chronik der Taten Stephans des Jüngeren 
mufs auch ein Sieg über die aus Polen heimkehrenden räuberischen 
Türken eingezeichnet werden. Aber während der grofse Sultan 
alle seine Streitkräfte sammelte, um dem tiefgesunkenen König- 
reiche Ungarn den letzten Schlag zu versetzen, hatte Stephan 
nichts Besseres zu tun als mit Radu einen bewaffneten Streit um 
die jüngere Tochter Basarabs — die ältere wollte keinen von 
den beiden heiraten — anzufangen. Stephan siegte zwar, mufste 
aber doch die einzige der Prinzessinnen, die noch frei war, heiraten. 
Im Frühling traf der türkische Befehl ein, für Proviant und Hilfs- 
truppen zum Elriege gegen den König von Ungarn zu sorgen, 
dieser dagegen bat dringend, dem Verlangen nicht Folge zu leisten. 
Die beiden rumänischen Herrscher, obwohl miteinander verfeindet, 
wufsten sich in gleicher Weise aus dieser Verlegenheit herauszuziehen: 
keiner von ihnen erschien auf der Walstatt, wo der letzte der 

24* 



S7S 4. Kapitel. 

ungarischen Monarchen fiir die Ehre seines Namens kämpfend 
mit seinem Reiche fiel. Rumänische Fahnen wehten am grofsen 
Ungliickstage von Mohäcs am 29. August 1526 nicht^ und 
vielleicht verstand keiner von den beiden Fürsten die Tragweite 
des grofsen Ereignisses '). 

Um die neugeschaffene Lage zu benutzen^ erschien nach dem 
schon am 14. Januar 1527 eingetretenen Tode Stephans als neuer 
moldauischer Fürst Peter der Fischer. 

So war wieder ein ehrgeiziger^ strebsamer Mann auf den Thron 
der Moldau gekommen. Peter unterschied sich von seinem Vater nur 
dadurch, dafs bei ihm der Durst nach Eroberungen jedes andere 
Hptiv des Handelns überwog. Wo er nur eine schlecht verteidigte 
Grenze sah, wo er nur von einer der im Bürgerkriege liegenden Par- 
teien herbeigerufen wurde, da war er mit seinem starken moldauischen 
Heere zur Stelle, wenn er es auch bei weitem nicht so gut führte wie 
Stephan. Er war wirklich ein nimmer rastender Ränkeschmied^ und 
in den unzähligen Fäden, die seine Schlauheit wob, sah er sich 
zuletzt selbst gefangen. Als er starb, besafs — gröfstenteils durch 
seine Schuld — sein Land engere Grenzen als zuvor; es lag 
in den Fesseln türkischer Burgen wie die Walachei, und das An- 
sehen eines moldauischen Fürsten war tief gesunken. 

Und dennoch bot sich für ihn nach der Schlacht von Mofaäcs 
eine vorher niemals dagewesene Gelegenheit, im benachbarten 
siebenbüi'gischen Lande einzugreifen, wo er schon als Erbe Stephans 
des Grofsen das 1475 geschenkte Csicsö sowie das etwas später 
dazugekommene Schlofs Cetatea-de-Baltä — ungarisch Eüküllövär, 
nach dem dabei fliefsenden Eüküllöflusse genannt — besafs ^), 
wo er seine Beamten in Reteg (Bistritzer Bezirk) hatte und durch 
eine Verfügung König Ludwigs in der bedeutenden, stark befestigten 
sächsischen Stadt Bistritz eine Rente von tausend Gulden jährlich 
einhob ^). Siebenbürgen hatte an der entscheidenden Schlacht 



1) Die Hauptquellen sind die moldauischen Chroniken und die Acta Tomi- 
ciana. Für die Beziehungen der Moldau zu Türken und Tataren: Ghilia ^i Cetatea- 
Albä; für die Geschichte: Studil ^i doc. III und meine PretendentI domne^tl 
in secolul al XTI-lea (Bukarest, 1898). 

2) ChiHa si Cet.-Albä, S. 271 ff. 

3) Hurmuzaki, II' , S. 510, no. cccLvni. 



Verfall der rumänischen EriegBstaaten nach dem Tode Stephans dos Grolsen. STS 

gegen die Türken nicht teilgenommen, weil der dortige Wojwode, 
der seit langem als möglicher Nachfolger des kinderlosen Königs 
galt, seine Kräfte für seine persönlichen Zwecke sparen wollte; 
dem Ehrgeize dieses Wojwoden, Johann Zapolya, der schon bei 
Lebzeiten Ludwigs IL sein Land als ein regnum, als ein beinahe 
unabhängiges Gebiet betrachtete; standen nur die durch einen 
FamUienvertrag erworbenen Rechte des Kömischen Königs Ferdi- 
nand im Wege, der die Schwester Ludwigs geheiratet hatte. Selbst- 
verständlich entschied sich der kluge Sultan Soliman für den kleinen 
Dynasten, der einem kleinen Geschlechte entstammte, und erkannte 
den Mann als ,,König Jänos'' an, der für die Österreicher und 
ihre Freunde immer nur „Jänos Weyda", kurz der „Weyda" blieb. 
Nun war aber Zapolya zu schwach, um sich allein halten zu 
können; er traute aber auch seinem türkischen Gönner zu wenig, 
als dafs er ihn gern bewaffnet neben sich gesehen hätte. Andrer* 
seits mufste sich Ferdinand seine Königreiche Ungarn und Böhmen 
zu einer Zeit erkämpfen, als die ganze Macht der zahlreichen 
österreichischen Besitzungen für die grofsen mittelalterlichen Pläne 
seines Bruders, Kaiser Karls V., aufgeboten wurde. Endlich fühlte 
sich der Sultan noch nicht mächtig genug, um eine so ausge- 
dehnte christliche Provinz mit einem Schlage zu besetzen und zu 
beherrschen. 

In Siebenbürgen lebten aber Hunderttausende von rumänischen 
Bauern und Hirten, die trotz ihrer Erniedrigung imstande waren, 
einen Herrscher ihres Stammes freudig zu begrüfsen: „etliche 
Walachen", schreibt ein kundiger Diplomat, „besitzen einen grofsen 
Teil des Landes, und leicht könnten sie sich in Anbetracht der 
gemeinsamen Sprache dem Moldauer anschliefsen ^)'^ 

Seit geraumer Zeit waren die Szekler an moldauische Ein- 
fälle, aber auch an rumänische Waffenbrüderschaft und an die 
Oberhoheit der benachbarten Wojwoden gewöhnt. Mit sieben- 
bürgischen „Walachen" stark vermischt oder wenigstens dicht 
neben ihnen lebend, konnten sie einer moldauischen Eroberung 
Siebenbürgens gar nicht feindlich gesinnt sein, und derselbe pol- 

1) „Et aliqui Valachi possident bonam regni partem, qui lovi de causa, propter 
linguae ßodetatem, illi adhaererent" ; Mon. HuDg. Hißt. XVI, S. 147 — 152;. 
Hurmozaki 11*, S. 306—307, do. clxxi. 



874 4. Kapitel. 

nisch- ungarische Diplomat erkennt dies auch ausdrücklich an. 
Es waren aufserdem kaum zehn Jahre verflossen, seit die Bewe- 
gimg der Bauern in UDgam, der „Kreuzzeug" Georg Doszas^ eines 
Szeklers, gegen die sich immer mehr Rechte anmafsenden £del- 
leute blutig niedergeschlagen worden war: diese Bewegung hatte 
ihr Ende erst im Banate gefunden, und es ist festgestellt, da(s 
auch rumänische Bauern aus den an Siebenbürgen angrenzenden 
Gespanschaften an dem Bauernkriege teilgenommen haben ^). Nach 
dem Siege des privilegierten Standes wurde kraft neuer Gesetze 
mit den Bauern noch härter verfahren; dies diente gewifs nicht 
zur Beruhigung der Gemüter, so dafs die Ankunft eines Fürsten 
der freien Bauern, wie es der moldauische Nachbar war, mit lautem 
Jubel von Ungarn, Szeklem und Rumänen zugleich aufgenommen 
werden mufste. Als einem Statthalter des Römischen Königs wäre 
Rare;, wenn er sich diesen Titel beigelegt hätte, auch die Unter- 
werfung der deutschen Bürger aus den sächsischen sieben Stühlen 
sicher gewesen. 

Peter befolgte zuerst in betreff Siebenbürgens die eiozige Poli- 
tik, die Früchte versprach, den Bund mit den Deutschen. Noch 
1527 kamen zwei Gesandte Ferdinands zu ihm, wovon einer ihm 
das Versprechen brachte, dafs selbst Bistritz fiir treue Dienste ab- 
getreten werden könnte. Aber gleich darauf wandte sich das Blatt, 
denn Ferdinand verschwand vom Kampfplatze. Zapolya fand 
immer mehr Unterstützung und Liebe, und endlich — dies war 
für den Fürsten der Moldau entscheidend — brach Soliman selbst 
am 10. Mai 1529 von Konstantinopel auf, um die ungarischen 
Wirren beizulegen, d. h. dem „König Jänos" zur Befestigung seines 
Thrones zu verhelfen. Auf ausdrückliches Verlangen Peters vertraute 
ihm Zapolya die Stadt Bistritz „pfandweise^' an, doch unter der Bedin- 
gung, dafs er die Anerkennung der dortigen Sachsen gewinnen oder 
erzwingen würde. Durch Einfälle ins Szeklerland angekündigt, 
begann der grofse Zug der Moldauer im Juni; schon am 22. dieses 
Monats wurden die sächsischen Anhänger Ferdinands im Süden 
der Provinz unter dem Schlosse Feldvär (Feldioara) vollständig 



1) S. den guten Aufsatz von S. S. Secula, in Arch. soc. 9t. 9! lit. din 
la?!, VIII, S. 125 ff., wo auch die ungarische Literatur angegeben ist. 



Verfall der romanischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 375 

:e8chlageii und verloren auch ihr Geschütz. Durch eine Bewegung 
ler Bojaren; die vielleicht auch der moldauische Nachbar aufge- 
v^iegelt hatte ; war der walachische Fürst im Januar 1529 des 
rhrones und Lebens verlustig gegangen , und sein Nachfolger 
Basarab fand im Lande keine Anerkennung. Im März brachten 
ciun die Donautürken ^ die an der Stelle des verbannten Mehe- 
med unter einem neuen Statthalter standen^ den Fürsten Moise, einen 
Sohn Vladislavs, herbei^ der als nunmehriger Herrscher nicht die 
unsichere Politik seines Vorgängers in betreff der siebenbürgischen 
Angelegenheiten befolgte, sondern, dem türkischen Befehle gehorsam, 
einige Truppen gegen Kronstadt abschickte, doch ohne etwas We* 
sentliches auszurichten ^). 

Nach seinem Siege verlangte Peter von den Bistritzer Sachsen 

sein Schlofs Balvanyos (rum. Ungura^) und seine Stadt Bistritz, doch 

wurden ihm beide nach vorausgegangener Verständigung mit der Uni- 

versitas Saxonum, die gegen Zapolya und dessen Anhänger unversöhn- 

üch blieb, verweigert. Unter schrecklichen Drohungen, das Land 

brandschatzen und seine Einwohner vierteilen, ja mit Weib und Kind 

„braten'^ zu lassen, brach der Moldauer von neuem gegen seine 

ungehorsamen Untertanen los. Ein Heer erschien vor den Mauern 

von Bistritz, alles verwüstend, konnte aber doch die Mauern der 

hartnäckigen Stadt nicht übersteigen, während der Fürst selbst 

bei der Belagerung von Kronstadt etwas besseren Erfolg hatte. 

Neue, ebenso furchtbare und leere Droh werte ausstofsend, kam 

Peter im Herbste zurück. Der flir das Jahr 1530 angekündigte 

Einfall blieb aber aus '). Es wurde niemand von den Bistritzem 

gebraten, und Peter begnügte sich mit unbestimmten Oberhoheits- 



1) Studil ^i doc. III, S. xlix— l, Hurmuzaki, XI: siebenbürgische 
Eechnungen und die beigegebenen Anmerkungen nach den eäcbsischen Cbro- 
niken, von Eemenj, Deutsche Fundgruben, 2 Bde. und ein Ergänzungsband, 
den Trauschenfels herausgegeben bat. Er yeröffentlicht dazu die Akten aus 
dem Wiener Archive, welche neuerdings Fr. Schuller, im Archiv für sieben- 
bürgische lAudeskunde veröffentlichte. (Bde. XXVI, XXVIII und XXEX.) 

2) Nach ungedruckten Akten im Bistritzer Archive, in Docum, Bistri^el 
I, S. xixff. Vgl. Heinrich Wittstock, in Trauschenfels, Magazin, N. F. II; 
Wen rieh im Arch. für siebenb. Landeskunde, N. F., Bd. VI; ß. Schuller, 
ebenda XXIII; die Eegesten der Bistritzer Akten von Albert Berger, 3 Fas- 
zikel im Programme des dortigen Gymnasiums. 



S7« 4. Kapitel. 

rechten und mit dem jährlichen Zinse ^seiner^ siebenbärgiseheD 
Stadt. Die günstige Gelegenheit zu einer Erwerbung^ Sieben- 
bürgens war vorüber, und Peter wandte sich jetzt gegrai Polen. 

Pokutien hatte Bogdan tatsächlich nicht zurückgegeben , aber 
wahrscheinlich während der Minderjährigkeit des jungen Stephan war 
die Zurückgabe erfolgt In der ersten Zeit nach seiner Thron- 
besteigung zeigt sich Peter, der langjährige Gast des pohiischen 
Königs, der ihn gegen die Wut seines Neffen Stephan zu sebützen 
wuiBte, höchst willfthrig gegen das Reich, mit dem er zu Elnde 
des Jahres 1527 einen Vertrag unter den gewöhnlichen Bedin- 
gungen schliefst ^). Aber 1528 verlangt er schon von der Pforte 
— allerdings wird er scharf abgewiesen — die Erlaubnis, -wegen 
des ihm entzogenen Erblandes Pokutien in Polen ein£sdlen zu 
dürfen. Gleichzeitig heuchelt er gegen den König selbst treue 
Freundschaft und verlangt unter anderem, am Tage von Piotrkow, 
dafs man ihm bei Aufbringung der türkischen Steuer helfe '). 
Im Jahre 1529 ist der Moldauer in Siebenbürgen beschäfitigt 
In den ersten Monaten des Jahres 1530 wird der Walachenfurst 
Moise, welcher begonnen hatte, Bojaren zu entbaupteu, — ein noch 
nicht erlaubtes blutiges Spiel — verjagt, doch kehrt er mit sächsischer 
Hilfe unter Mark Pemäinger, dann unter dem siebenbürgischen Bischof 
und Stephan Majlätb, dem künftigen Wojwoden, zurück. Aber sein 
Nachfolger Vlad gewinnt im August einen entscheidenden Si^ 
bei Vii^oara: Moise und sein Ban von Craiova finden im Kampfe 
den Tod, Majläth aber fallt in die Hände des Siegers. Bald er- 
scheint dieser neue Vlad als Schwiegersohn und Verbündeter 
Peters, und dieser Umstand erklärt einigei^nafsen den Sieg vom 
August 1530. 

Die Vorbereitungen Peters gegen Polen waren ebensowenig in 
Konstantinopel wie in Ungarn Geheimnis geblieben. Der König 
wurde gerade im August um die Rückgabe Pokutiens angegangen, 
doch dieser Bitte folgte die Abweisung selbstverständlich. Im 
September drangen die Moldauer in das geforderte Land ein, und 
wie unter Stephan und Bogdan gelang es ihnen ohne gro&e Schwie- 
rigkeiten, die „alten Grenzen^^ wiederherzustellen. Erst nach vielem 

1) Auch Id Hurmuzaki II' abgedruckt. 

2) Hurmuzaki, Supl. II, B. I, S. 18-19, no. iv. 



Yerfall der mmänischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 877 

Hader entscfalofs sich der polnische Reichstag zur Anwerbung 
eines Heeres, um den Eindringling hinauszuwerfen, ja man wartete 
sogar, bis eine günstige Antwort vom Sultan, an den ein besonderer 
Bote abging, eintraf. Dann endlich übernahm Johann Tarnowski 
den Befehl über ein starkes Heer und führte es nach Pokutien, 
das ihm „in zwei Tagen '^, so sagt der offizielle Bericht, zu- 
fieL Wütend versuchte der ungeduldige Wojwode „sein Land" 
wiederzuerobem , brachte auch in wenigen Tagen mit seinen 
Curtenl viele Bojaren und eine Menge bewaffneter Bauern zu- 
sammen, aber der Vortrab seines Heeres wurde von den besser 
disziplinierten, schwerer bewaffneten und mit besseren Geschützen, 
die sie auch zu benützen verstanden, versehenen Polen geschlagen. 
Nach drei Tagen erlitt Peter selbst zu Obertyn — seit jener Zeit 
ein berühmtes Schlachtfeld, dessen Name durch polnische Sieges- 
berichte in ganz Europa verbreitet wurde — , am 22. August 1531 
dasselbe Schicksal. Seine Fahnen, die türkischen und christlichen, 
seine zu FeldvÄr gewonnenen Geschütze und sein Lager wurden 
erbeutet, seine Krieger auf der Flucht hingemetzelt ; er selbst trug 
drei Wunden auf seinem ermatteten Körper, in dem schmerz- 
erfuUt die unversöhnUche Seele loderte. 

In Polen nahm der Jubel über diesen ersten, unleugbaren 
Sieg, den man über die so oft erfolglos bekämpften Barbaren im 
Süden davongetragen hatte, kein Ende, und die Verfasser der 
„Zeitungen" wie die Dichter wetteiferten in ihren schwungvollen 
Lobpreisungen. Doch der Besitz Pokutiens blieb, trotz der Ver- 
schwendung, die man mit schönen Worten trieb, immer strittig. 
Nun sammelte Peter Serben, Türken und Tataren, erfahrene Be- 
rufssoldaten, die zu Einfällen in fremdes Gebiet geeigneter waren 
als die moldauischen Bauern, und schickte einige Abteilungen in 
sein ererbtes Land. Die Polen erwiderten diesen Besuch in ähn- 
Ucher Art, und beim Abzug dieser Gäste fanden die Moldauer 
Gelegenheit zur Rache. Die von beiden Seiten angerufene Ver- 
mittelung Zapolyas nützte sehr wenig; der Wojwode wollte seiner- 
seits kein Unrecht feststellen, und selbst den Sieg von 1531 erklärte 
er in einem ganz eigentümlichen Sinne : „der König dürfe nicht zu 
stolz sein", sprach er, „wegen seines Sieges, weil er ihn nicht durch 
eigene Macht, sondern durch das Glück, welches oft wechselt, gewonnen 



S78 4. Kapitel 

hat: es siegte nicht der Könige sondern Gott, welcher den Fürsten 
für seine Zuversicht strafen wollte/' Gewifs wäre der Krieg wieder 
ausgebrochen y wenn nicht die siebenbürgischen Angelegenheiten 
die ganze Aufinerksamkeit Pete« in Anspruch genommen hätten. 

Im Jahre 1532 zog der immer siegreiche Sultan gegen seinen 
verachteten und verhafsten Feind; das Haus Osterreich: er kam 
aber nicht weiter als bis Güns. Zur selben Zeit wurde Aloisio 
Gritti nach Siebenbürgen gesandt, um die dortigen Verhältnisse 
an Ort und Stelle zu untersuchen. Es war ein Dogenbastardsohn, 
der zum vollkommenen Levantiner geworden war und die Schlau- 
heit des morgenländischen Franken mit dem tollen Mut und dem 
riesigen Einbildungsvermögen des geborenen Abenteurers ver- 
einigte. 

Man sprach mit Besorgnis davon, dafs messer Aloisio-Pascha 
sich anstatt des ,,Weyda'^ und des ,yDeutschen'^ zum König von 
Ungarn aufwerfen wolle, und dafs er die Moldau bereits seinem Freunde 
in Eonstantinopel, einem Haremsschwager des Sultans, dem schon 
bekannten Stephan, dem Enkel des Helden, bestimmt habe, während 
für die Walachei einer der jungen Söhne des kaiserlichen Bevoll- 
mächtigten als passender christlicher Gubemator erschien. Wahr 
oder unwahr, nötigten diese Gerüchte die dabei Interessierten da- 
zu, alle ehrgeizigen Pläne beiseite zu lassen und auf das schon 
in ihrem Besitze Befindliche gut achtzugeben. 

Die Verhandlungen mit Polen dauerten in der gewöhnlichen 
schläfrigen Weise auch im Jahre 1533 fort. Im folgenden Jahre 
kam Gritti wieder, der mehr denn je in der Gunst des Sultans 
stand und sich schon fest im königlichen Sattel sitzen fühlte. 
Er trat sehr hochfahrend auf, ja er liefs einen Bojaren, der 
ihm in der Walachei — dort war an Stelle des ertrun- 
kenen Vlad ein anderer Vlad, ein gewesener „Vintilä von 
Slatina" getreten — bei der Überfahrt nicht schnell genug gedient 
hatte, hinrichten; er wiegelte die dortigen immer unzufriedenen 
Grofsen gegen diesen neuen Vlad auf, der aber die Spuren der 
Intriganten bis in die Zelte des stolzen Italieners verfolgte und 
sie teils dem Henker, teils dem Gefängniswärter in der Bergfeste 
Poienarl, einer ^epe^ischen Gründung, überantwortete. In Sieben- 
bürgen schob Gritti die Schuld für diesen schlechten Empfang jen- 



. ATeifall der rumänischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. S79 

reits der Berge dem Wojwoden Emerich Cadbak in die Schuhe 
xnd liefs ihn dafür töten. Doch das war zu viel. Das un- 
EruLhige Siebenbürgen glich doch noch nicht der schon unter- 
joohten Walachei: der freche Mensch ward in Mediasch ein- 
geschlossen. 

Hier wartete er vergebens auf die Hilfe des versöhnten Vlad, 
dex* wohl zur Hand hätte sein können^ sich aber nicht bewegte. Um 
so eifriger bemühte sich Peter um die Befreiung des kaiserlichen 
Statthalters. Ein würdiger Nebenbuhler Grittis in der grau- 
samen Verschmitztheit des Orientalen ; eilte der Moldauer gegen 
Alediasch; lockte den Belagerten zu sich^ verriet ihn dann aber 
ohne Skrupel an die Aufständischen, die ihm bald den Weg zum 
strafenden Himmel zeigten. Von den beiden Söhnen des Dogen- 
spröfslingS; die dem guten Rare^ anvertraut wurden ; hörte man 
niemals wieder etwas. 

Nach dieser Tat der Rache waren gewifs die alten Beziehungen 

Rare^' zu den Türken und ihrem ungarischen Könige ein wenig 

ins Schwanken geraten. Er brach zwar nicht die Freundschaft 

mit Zapolya^ liefs sich aber auch von den Boten König Ferdinands^ 

der Feldvär vergessen wollte, aufsuchen. Mit ihnen schlofs er 

im April 1535 einen Vertrag; in welchem neben der Au&ahme 

der gewöhnlichen ELlauseln von seiten der Kaiserlichen ein ELilfs- 

geld von jährlich 6000 Dukaten , von seiten des Moldauers die 

Verweigerung eines gröfseren Zinses an die Pforte und der Reise 

nach Konstantinopel versprochen wurde. Durch einen Akt vom 

Monate Juni wurden Peter alle seine siebenbürgischen Besitzungen 

feierlich bestätigt Während der Wojwode mit Polen, jetzt unter 

kaiserlicher Vermittelung, das alte Spiel der Verhandlungen weiter 

trieb und in geeigneten Augenblicken verheerende Truppen in das 

Nachbarreich sandte, erfuhr endlich Zapolya diesen neuen gegen 

ihn gerichteten Frontwechsel und bestrafte den falschen Freund 

damit, dafs er ihm 1536 Balvanyos entrifs. 

Wieder war jetzt in Peter der Trieb zur Eroberung Sieben- 
bürgens erwacht. Die Türken liefsen ihn gewähren; Ferdinand 
aber war sein Verbündeter und bot ihm sogar 1537 die Über- 
gabe der sehr bedeutenden maramorosischen Burgen Munkatsch 
4ind Hufst an; auf Zapolya hatte er keine Rücksicht mehr zu 



S8# 4. KapiteL 

nehmen. Peter hatte den römischen König gebeten, yc 
keinen neaen Wojwoden in Siebenbürgen zu ernennen, „Ihs 
mich nicht mit K M. durch Gesandte oder Schriften yersiiaiffi^j 
haben werde über gewisse heimliche Sachen, welche das WolL' 
des Landes betreffen und die besonders geeignet sein werdeo^ 
diese siebenbürgische Provinz mit £. M. zu versöhnen und E. M. 
zu erhalten'^ 

Aber gerade in dem Augenblicke, wo das bewa&ete ESn* 
schreiten des Wojwoden Bedeutendes hätte bewirken könne]], 
rüstete sich der polnische König zu einem persönlichen Ziige 
gegen Peter Pokutiens wegen, um durch einen glänzenden Sieg die 
berühmte Tat seines Feldherm Tamowski zu verdunkeln. Nim- 
mehr ging man gegen den mit Eiden, Bitten und Drohungen um 
sich werfenden „Walachen^^ wirklich tüchtig ins Zeug. Seine 
Gesandten erhielten im August den Befehl ungesäumt heimza- 
kehren, und ein starkes königliches Heer drang bis nach Oalizien 
vor; doch ein Aufstand, der im unangreifbaren Nachbarlande 
ausbrach, vereitelte den erhofften Sieg. 

Der sichere Mifserfolg einer jeden Offensive gegen die Moldau 
zeigte sich nach wenigen Monaten auch in dem MiTsgeschicke^ 
das den polnischen Befehlshaber Nikolaus Sieniawski betraf. Er 
rückte mit zahlreichen stolzen Eittem heran, um den fehlge- 
schlagenen Zug seines königlichen Herrn fortzusetzen, aber in 
einem Treffen mit den Moldauern verlor er am 1. Februar 1538, 
nachdem er lediglich einen Strich Landes geplündert hatte, nicht 
weniger als 2000 Gefährten. 

Den Polen war es ganz unmöglich, den bösen Nachbar unter 
Bedingungen, die sie stellten, zum Frieden zu zwingen — da 
erhielten sie einen entscheidenden Verbündeten in dem gro&en 
Kaiser des Ostens, der schon im Juli seinen Marsch gegen die 
Moldau antrat, während ein neues polnisches Heer gegen Hotin vor- 
rückte. Soliman kam, nicht um polnische Interessen zu fordern — 
diese waren ihm völlig gleichgültig — , sondern um eigene Zwecke zu 
verfolgen. Er brauchte in der Moldau wie in der Walachei, um 
der ganzen nördlichen Grenze sicher zu sein, einen unbedeuten- 
den christlichen Sklaven und eine Reihe schützender türkischer 
Festungen. Deshalb wollte er Peter verdrängen, seinen Schwager 



Verfall der rumäDi sehen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 381 

Stephan an seine Stelle setzen^ das Raja der beiden Häfen nord- 
wärts ziemlich weit ausdehnen und sich dadurch ein zweites Giurgiu 
am Dnjestr verschaffen. 

Wer konnte dem Sultan in diesen Gegenden widerstehen? 

Die Furcht versöhnte zwar für einen Augenblick Zapolya und 

Ferdinand; aber die Polen, mit denen Peter in der gröfsten Eile 

Frieden schlofs, indem er ihnen Pokutien ,,auf ewig'^ überliefs, 

die endlich zufriedenen Polen, die nur über den besiegten Feind 

triumphierten, sich der wiedererlangten Provinz freuten, aber nicht 

an ihre ganze, von jetzt an bedrohte Zukunft dachten, hörten nicht 

auf die eindringliche Ermahnung und die verzweifelte Bitte Peters. 

Von seinen Bojaren verlassen und von den Bauern nur in der 

Stille betrauert, konnte Peter nicht einmal wie sein grofser Vater ein 

Heer zur Verteidigung seines Landes zusammenbringen. Er floh 

nacl). Hotin, wurde hier von den schon eingenisteten polnischen 

Truppen abgewiesen und irrte nun als ein armer, alter, verfolgter 

Mann, der weinend vor wundertätigen Heiligenbildern in den 

Klöstern die Hände rang und bei den Bauern ein Stück Brot 

erbettelte, in den pfadlosen moldauischen Bergen umher. Endlich, 

im September, konnte er durch einen Pafs nach Siebenbürgen 

entschlüpfen, gute Leute nahmen sich seiner an, und er erreichte 

seine Feste Csicsö. Aber hier durch den Bischof Martinuzzi, den 

Befehlshaber Zapolyas, belagert, ward der Fürst gefangengenommen 

und als Staatsgefangener wieder eingeschlossen. 

Der Sultan rückte geradenwegs auf Suczawa los, empfing 
die Huldigung der Bojaren, setzte seinen Schwager Stephan „den 
Türken" als christlichen Wojwoden ein, umgab ihn mit 500 Janit- 
scharen, annektierte die ganze südliche Hälfte des jetzigen Bessara- 
biens und liefs bei Tighinea — es ist von nun an das türkische 
Bender — eine starke Festung erbauen, auf deren Pforte geschrieben 
stand, dafs der unbesiegbare Kaiser die Moldau gebändigt, den 
ungehorsamen Beg in den Staub geworfen und unter den Hufen 
seiner Pferde zerstampft; habe. 

Jetzt erst sahen die Bojaren der Moldau, die sich gegen ihren 
Fürsten empört hatten, ein, welchen Fehler sie begangen, ja dafs 
sie sich nicht nur an ihrem Fürsten, sondern auch an ihrem 
Vaterland und ihren eigenen Interessen — im entrissenen Gebiete 



$88 4. Kapitel. 

lagen doch auch Bojarengiiter^ die nun für immer verloren waren ! — 
in verblendeter Neuerangssucht versündigt hatten. Sie maehteal 
nunmehr dem in Suczawa zurückgelassenen ^^Türken^' trotz seiner 
Janitscharen wacht das Leben recht sauer. Dieser Schwächling, | 
der nur das Leben von Konstantinopel kannte; dieser Harem»- 
schwager des Sultans sollte, ohne von irgendeiner Seite auf 
Hilfe rechnen zu können, und noch dazu in einem Jahre, wo die 
Heuschrecken — sie trugen ihm selbst den Beinamen Läcnstä 
ein, d. h. Heuschrecke — alles verwüstet hatten, die türkisohen 
Besatzungen aus den jüngst eroberten Plätzen verjagen und 
den Bau Benders stören! Dreimal entstanden ihm durch die 
Ränke der Bojaren Gegenfursten, welche vorgaben, den glor- 
reichen Stephan oder den vom Lande betrauerten Peter znm 
Vater zu haben. Endlich beschritt man den sichersten Weg, 
um sich seiner zu entledigen. Verschworene drangen in das 
Schlofs von Suczawa ein, und nach einigen Augenblicken 
ward eine blutige, unschuldige Fürstenleiche vor den Pöbel 
geworfen. Cornea, der Pförtner, aber ward jetzt als Alexander, 
Sohn des Bogdan, zum regierenden Herrn der Moldau aus- 
gerufen. 

Ohne Verzug erkannten ihn die Polen an; jedoch die An- 
erkennung eines Königs, der seine VasaUen gewohnheitsgemäfs im 
Stiche liefs, konnte den schwankenden Thron des durch eine Ver- 
schwörung erkorenen Fürsten nicht gerade befestigen. Die Streif- 
züge , die Cornea, dem Rate des Polenkönigs folgend, gegen alle 
benachbarten türkischen Schlösser, wie Oczakow, Akkerman, Chilia, 
Bender, unternahm, waren gewifs auch nicht das beste Mittel, um 
ihm die Gunst des Sultans zu erwerben. Er hatte zwar einige 
Bojaren auf seiner Seite, aber viele von ihnen waren aus Neid 
oder aus anderen Beweggründen gegen diesen Emporkömmling, 
und die Bauern vollends führten nur den Namen des guten, nicht 
habgierigen Volkssohnes Peter im Munde. 

Dieser kam auch wirklich, nachdem er in Briefen an den 
Sultan, die seine Frau, die Despotentochter Helena, in serbischer 
Sprache verfafste, Beue an den Tag gelegt und sich auf Soli- 
mans Aufforderung hin bei ihm persönlich mit schönen Ghiben, 
demütigen Gebärden und süfsen, falschen Worten vorgestellt hatte. 



Verfall der mmäDischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stepbans des Grofsen. 38S 

£r wolle von nun an kein Unruhestifter mehr^ sondern ein ge- 
fugiger Statthalter des Kaisers sein ; er würde als Strafe für seine 
Vergangenheit einen gröfseren Tribut bezahlen und, wie ehemals 
sein ,, türkischer^' Neffe , Janitscharen in Suczawa halten — dies 
alles versprach er. Wenige MonatC; nachdem er in der türkischen 
Hauptstadt Aufenthalt nahm und sich um dep moldauischen Thron 
bemühte ; kam aus Ungarn die wichtige , folgenschwere Nach- 
richt ^ dafs ,, König Jänos^^ nicht mehr unter den Lebenden sei. 
Der Verstorbene hinterliefs aber von seiner jungen Gemahlin, der 
polnischen Königstochter Isabella, die er erst kürzlich heimgeführt 
hatte, nur einen unmündigen Sohn, Johann Sigmund. Für 
Soliman stand von vornherein fest, dafs dieser Säugling, den er 
Stephan zu nennen geruhte, König von Ungarn, wie sein Vater es 
hatte haben wollen, werden mufste, und er erwartete zugleich 
eine augenblickUche Stärkung der deutschen Partei, um sie ent- 
sprechend demütigen zu können. Um aber seinen Zug würdig 
in Szene zu setzen, brauchte er an der Grenze des umstrittenen 
Königreiches allerdings treue Vasallen, diese aber mufsten zugleich 
auch bessere Leute sein, als „Schwager^' Stephan „die Heuschrecke^^, 
gewesen war. In der Walachei war im Sommer 1535 dem Vlad- 
Vintilä ein politisches Jagdunglück passiert, und als Nachfolger 
setzten die oltenischen Bojaren, in deren Wäldern die verhäng- 
nisvolle Hirschjagd stattgefunden hatte, einen Mönch vom IQoster 
Arge^ ein, der wegen seiner präsumtiven Rechte auf den Fürsten- 
hut zwangsweise ins Kloster gesteckt worden war. Als Bojare 
hatte er den Namen Peter getragen, im Erlöster nannte man ihn 
Paisie, als Fürst legte er sich den geläufigen Fürstennamen Radu 
bei nach seinem angeblichen Vater, Radu Voevod, selbstverständ- 
lich „dem Grofsen"; zur Unterscheidung von anderen Fürsten 
dieses Namens wurde er Radu Paisie ^oder Radu Cälugärul ge- 
heifsen. Im Jahre 1539 erhoben sich die Bojaren unter ^erban, 
dem Ban von Craiova, auch gegen ihn; doch wurde er durch 
die Donautürken zurückgebracht, und zum Lohn dafür erhielten 
diese 1540, nachdem Radus Sohn Marco für seinen Vater einen 
Besuch am Hofe zu Konstantinopel gemacht hatte, den wichtigen 
Hafen von Bräila, den einzigen Punkt, der noch an den ehe- 
maligen reichen Landbesitz an der Donau erinnerte, und zugleich 



884 4. Kapitel. 

die einzige Stelle, die einen freien Zugang zur Donau und damit 
zum Meere gestattete ^). 

Jetzt lief nun auch noch die Nachricht ein, dafs Stephan durch 
den y;hain''; d. h. durch den Verräter Alexander ersetzt worden sei 
und dafs sich die Moldau in hellem Aufruhr befinde. Ohne Ver- 
zug bekam deshalb Peter die kaiserliche Fahne, kaiserliche Truppen 
und ward — zum zweiten Male — in feierlicher Audienz zum 
Fürsten der Moldau ernannt Stolz über seinen ^ySieg^', eilte 
er an die Donau und liefs seinen Freunden melden, „daXs er 
wieder, was er gewesen war, geworden sei, und noch mehr ab 
das''. Das Land schlofs sich ihm an, und eine Bojarenpartei hielt 
vom ersten Augenblicke an zu ihm; die anderen, die das £<and 
an den Sultan und dessen ermordeten Schützling verraten hatten, 
wurden festgenommen, und die erneute Thronbesteigung des Für- 
sten ging so glücklich vonstatten, dafs Blut nur unter dem Schwerte 
des Henkers flofs, dem die Köpfe Alexanders und seiner Gehilfen 
verfielen. Schon Ende Februar war der alte, erfahrene Herrscher 
wieder in Suczawa und konnte seine Familie aus Siebenbürgen 
dorthin zurückkehren lassen. 

Aber die politische Lage seines Landes war doch eine wesent- 
lich andere geworden; der Fürst konnte nicht mehr wie früher 
seine Gegner als mutiger Kitter herausfordern. Der Versuch, 
Tighinea aus den Händen seiner Befestiger durch in Polen ge- 
liehenes Geld loszukaufen, gelang nicht Denn die Polen konnten 
sich trotz der gegenteiligen türkischen Versicherung und seiner 
eigenen Beteuerung, unmöglich je von Herzen mit dem alten 
bekannten Friedensstörer aussöhnen, den sie jetzt ungern wieder 
SLU ihren Grenzen erscheinen sahen. Unter diesen Umständen 
wiesen sie auch die Bitten um Geld kurz ab. Der König, der 
den Tataren Tribut zahlen mufste, hatte kein Geld zu verleihen. 
In Siebenbürgen fand er nur erklärte oder heimliche Gegner, 
und seine dortigen Burgen — an Bistritz dachte er jetzt gar 
nicht mehr — wurden ihm vorenthalten. Schon 1541 über- 
schritt er die Karpathen, um dem Sultan seine Dankbarkeit für 



1) Vgl. Chilia 9i Cet.-Albä, S. 323 mit [TunusH : d. h. Michael Cantacuzino], 
*Iaj<aqla t^s BXaxCag, Wien 1806, cap. xlvi. 



^Verfall der rumänischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. S85 



ihm ;y verliehene ^^ Würde zu bezeigen^ und Majläth^ der schon 
^Ixiinal der Gefangene walachischer Truppen gewesen war, fiel bei 
axeser Gelegenheit in seine Hände: durch das Versprechen freien 
Gheleites hatte er wie gewöhnlich sein Opfer angelockt Der un- 
Anhängige, keinen König und keine Königin anerkennende Wojwode 
'v^on Siebenbürgen wurde nach Belgrad zu dem Sultan geschickt, 
der eben gegen die ,, Deutschen^' in IJDgam ins Feld gezogen 
^WSLT, Während nun die Türkisch- und Deutsch -E^aiserlichen um 
XJngam stritten, war der Regent Martinuzzi; ^^ Bruder Georg'', der 
Sischof und Schatzmeister, der wirkliche Herr im siebenbürgischen 
XLiande. Gegen diesen fährte Rare^ unaufhörlich Fehde wegen der 
Surgen; erst 1544 wurden Csicsö und EüküUövär geschleift und 
ilir Gebiet hierauf den moldauischen Beamten übergeben. Peter 
mufste dafür von Herzen dankbar sein, aber er war nunmehr 
auch nur einer von den zahlreichen fremden Gutsbesitzern in 
Siebenbürgen, und seine Rechte an diesem Boden hatten ihre po- 
litische Bedeutung verloren. 

Schwer durch seine türkische Umgebung und Bewachung 
sowie durch den Verlust eines bedeutenden Teiles seines Herr- 
schaftsgebietes bedrückt, war Peter auch noch gezwungen worden, 
seinen ältesten Sohn als Geisel zur Pforte zu schicken, und aufser- 
stande, aus dem verarmten, verwüsteten Lande den erhöhten Tribut 
herauszupressen, mufste er auch noch die Drohung hören, man 
würde ihn zu einer alle drei Jahre zu wiederholenden Huldigung 
nach Eonstantinopel fordern. Da vernahm Peter mit grofsem 
Jubel die Nachricht, dafs sich die Christenheit, d. h. das christliche 
römische Reich deutscher Nation, endlich daran machte, die 
Türken aus dem seit 1541 besetzten Ofen zu vertreiben. Peter 
trat sofort in heimliche Verbindung mit dem erwählten Führer 
des ungarischen Kreuzzuges, dem Markgrafen Joachim von Branden- 
burgy und schlofs mit ihm im März 1542 einen Vertrag, wodurch 
er sich zu Spionendienst, zur Verproviantierung des christlichen 
Heeres und aufserdem zu unmöglichen Taten, wie der Gefangen- 
nahme des grofsen Sultans, verpflichtete. Im Juni, während der 
Feldzug schon weit fortgeschritten war, lieh er dem Markgrafen 
in seiner Eigenschaft als Keichskapitän die hohe Summe von 
200000 ungarischen Dukaten, die niemals zurückgegeben worden 

Jorga, Geschichte der Bara&nen. I. 25 



S86 4. Kapitel. 

ist ^). Wie gewöhnlich erging sich der Wojwode in unmäfsigex^ 
stark übertriebenen Reden, die er unvorsichtigerweise auch d^ 
pohlischen Agenten gegenüber gebrauchte. Aber dieses alles 
führte zu weiter nichts ; als wahrscheinhch zu einem neuen Ver- 
trage mit König Ferdinand. Wenn zu Beginn des Jahres 1543 
auch der nichts weniger als unternehmende walachische Radu einen 
solchen abschliefst , wobei er sogar seine bewaffnete Hilfe gegen 
die ;, ungläubigen Türken und Tataren'' verspricht, so mufs naan ge- 
wifs auch darin ein Verdienst des unruhigen Moldauers erblicken. 
Als dieser im September 1546 starb, war sein Land ruhig und 
gedieh im Frieden. Eigentlich war er ebensowenig ein Freand 
der Polen geworden wie er ein treuer Diener der Türken geblieben 
war, aber gegen die ersteren hatte er sich durch die Bildung einer 
neuen Starostie in Sepenic, gegen die letzteren durch die Wieder- 
erbauung des Schlosses Soroca einigermafsen geschützt. In der 
Walachei waren schon 1544 innere Kriege zwischen Badu und 
einem vierten Basarab, der unter dem Namen Laiot besser be- 
kannt ist, ausgebrochen ; dieser war mit Haiducken und Pribegen 
aus dem ungarischen Banat gekommen, hatte gesiegt, war aber 
schliefslich doch von den Türken und Tataren geschlagen und getötet 
worden. Nach einigen Monaten , im März 1545, nachdem Rada 
zur Pforte gerufen imd von hier nach Ägypten verschickt worden 
war, bekam das Land direkt aus Eonstantinopel einen neuen 
Fürsten: Mircea, „den Sohn des Radul", einen grausamen Wüterich. 
Er tötete von den politischen Flüchtlingen alle diejenigen, welche 
so unvorsichtig waren, zurückzukommen und sich unter seine 
Herrschaft zu begeben, im ganzen zweihundert Bojaren, und über- 
dies erfuhr er in jedem Jahre die Feindschaft der noch im Aus- 
lande gebliebenen durch Einfälle, so dafs er sich, immer siegreich 
über die schwachen Rotten, den hohen Genufs vergossenen Men- 
schenblutes immerwährend verschaffen konnte. Das war för die 



1) Die Akten bei Papiu, Tesaur, III, Idff.; vgl. Jorga, Acte ^i fragm. 
I, S. 108 — 110 und n. Traut, Surf. Joachim U. von Brandenburg und der 
Türkenfeldzug vom Jahre 1542 (Gummersbach 1892), wie auch die Vorreden zum 
X. und XI. Bande der Sammlung Hurmuzaki. Für die Polenkriege Eare^* 
meine Studien in Convorbirl literare 1901. Ygl. auch VeressEndre, Izabella 
Kirälyne (Budapest 1902). 



Verfall der rumänischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. S87 



>ja«n sehr kummervoU, weniger für das von ihnen bedrückte 
I^And^ gleichgültig aber den Türken und ebenso dem Moldauer^ 
der ihm 1546 sogar seine älteste Tochter Chiajna — vielleicht eine 
VVitwe Vlads des Ertrunkenen — zum Weibe gab. Als der 
Schwiegervater starb ^ regierte der Schwiegersohn Köpfe mähend 
das walachische Land ; doch dieses war vollständig von den Türken 
"beherrscht, völlig von Konstantinopel abhängig. 

Das gleiche Los traf die damals noch viel stärkere Moldau 
XLur drei Jahrzehnte später, als ein ,,walachischer'' .Fürst aus dem 
gefügigen Stamme dieses Mircea des Hirten — Ciobanul — 1574 
den Thron des benachbarten Landes bestieg. Dieser rasche Ver- 
fall des Landes Stephans des Grofsen und Peters des Unruhigen 
bedarf einer Erklärung. 

Peter hinterliefs drei Söhne, von denen keiner seine guten 
Eigenschaften besafs. Einer, Konstantin, lebte als Geisel zu Kon- 
stantinopel ; der älteste. Hie, war beim Tode des Vaters im Lande, 
und so wurde er ohne weitere Schwierigkeit — die Verhältnisse 
von 1538 hatten zur Lehre gedient — von den Bojaren zum Fürsten 
erwählt. Mit vielem Stolze schreibt er seinen Nachbarn, dafs Gott 
und die Bojaren, „mit der Genehmigung der kaiserlichen Majestät'^ 
heidnischen Glaubens, ihn zum Nachfolger seines Vaters gemacht 
hätten; „ich werde wissen '', fügt er hinzu, ,,sein Erbe zu bewahren, 
den Guten mit Güte, den Feinden mit Feindschaft zu begegnen ''. 
Diese guten Absichten hatten jedoch keinen Bestand: Hie 
war auch beim Sultan gewesen und hatte in Konstantinopel die 
Herrlichkeit des reichen, glänzenden hauptstädtischen Lebens in der 
Nähe des mächtigen kaiserlichen Hofes kennen gelernt, wo die 
Schätze und Grofsen des ganzen Morgenlandes täglich zusammen- 
strömten. In der Moldau erschien ihm demgegenüber alles klein- 
lich und abgeschmackt, und deshalb verbrachte er die Zeit in 
Gemeinschaft mit seinen türkischen Günstlingen beiderlei Geschlechts 
bei Festlichkeiten. An etwas anderes dachte er überhaupt nicht, 
und als er 1550 den Befehl erhielt, in Siebenbürgen einzufallen, 
wo Martinuzzi kaiserliche Politik trieb und seine gnädige Frau, 
die Königin, mit ihrem Sohne bald nach Polen schickte, da über- 
trug er die Ausführung dieses Auftrages seinem Bruder Stephan. 

Ln folgenden Jahre, und zwar im Mai, gab er freiwiUig die Herrschaft 

25* 



888 4. Kapitel. 

über die Moldau^ die ihm nicht im geringsten behagen wollte, auf, 
setzte eben diesen Stephan als Verweser ein und ging zu seinem 
Kaiser, der ihm zugleich mit Verleihung des gläubigen Namens 
Mohammed die Statthalterschaft von Silistrien übertrug. Nicht 
lange darauf starb dieses elende entartete Geschöpf in uns dunklen, 
unbekannten Verhältnissen. 

Stephan, obgleich weniger verdorben — er war auch jünger — , 
war ein ebenso grofser Taugenichts und wurde durch seine Nei- 
gung zu Liebesabenteuern eine wahre Plage für die Bojaren- 
famiUen. Seine ganze übrige Tätigkeit ist recht unbedeutend. 
Er ging 1552 auf „kaiserlichen'^ Befehl nach Siebenbürgen. Hier 
führte der Italiener Castaldo das Kommando, ein feiner Intriguen- 
spinner, der einem solchen Nachbarn vollständig gewachsen war. 
Um die Grenzen vor feindlichen Besuchen zu sichern, dachte er 
daran, die beiden Türkenfreunde Mircea und Stephan durch gut 
kaiserliche Wojwoden zu ersetzen, und wählte aus den zahlreichen 
Pribegen, die ihm zur Verfügung standen und unter denen sich 
auch „ Fürstensöhne ^' befanden, für die Moldau einen gewissen 
Alexander oder Aron ^), für die Walachei einen gewissen Ilia§ , der 
als Prätendent den Namen Badu — gewifs wieder ein „Radu, 
Sohn des grofsen Badu'^ — annahm. Iji dem letzteren Fürsten- 
turae hatte er einen guten, aber nicht lange währenden Erfolg zu 
verzeichnen. Mircea wurde von Badu im Herbst 1552, nachdem 
letzterer eine gröfsere Schlacht gewonnen hatte, vertrieben, aber 
schon im Frühling war der vertriebene Tyrann von den Türken 
an der Donau wieder in sein Land zurückgeführt. In der Moldau 
jedoch kam, obgleich Stephan durch die älteren Bojaren, die sich 
durch die jungen und allzu jungen zurückgedrängt sahen, getötet 
wurde, nicht der castaldische Alexander zur Herrschaft, sondern 
ein anderer Mann, der zuerst Peter der Stolnic hiefs und sein 
Leben angeblich einem moralischen Fehltritt des tollen ^tefani^- 
Vodä verdankte. Dieser Peter ward zwar auch einige Zeit in 
Siebenbürgen beherbergt, aber den Thron bestieg er doch mit 
Hilfe des polnischen Königs, dem er auch — das war jetzt nur 
eine gleichgültige Formalität — feierlich Treue schwur. 



1) S. meine Maranti^url istorice culese in Ungaria (Budapest 1904), S. 15 ff. 



Yerfall der rumänischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 389 

In Alexander Läpu^neanu hatte endlich die Moldau ; wenn 
nicht der Türke ^ ein dem walachischen Mircea entsprechendes 
Subjekt gefunden. Wie jener ^ wenn auch nicht in so hohem 
Mafse^ war dieser Sohn der Frau aus Läpu^na ein Freund des Tötens 
und Quälens und übte es unaufhörlich an seinen unglücklichen Unter- 
tanen. Viele Tausende armer Sünder mufsten ihre leichte Schuld 
mit dem Leben büfsen, andere yerloren das Augenlicht^ um sich 
nicht wieder auf dem schlechten Wege zurückfinden zu können. 
Wie Mircea kannte auch dieser zweite Wüterich in seiner Gerech- 
tigkeitsliebe keinen Unterschied des Standes und sorgte gleich- 
mäfsig für die Sicherung des Friedens im Lande: Priester fielen 
unter seinen Augen als Verräter gegen seine ^^Majestät^^, und der 
Geruch des Bojarenblutes kitzelte seine feine^ kundige Nase. Übri- 
gens war er ein kranker Mann mit roten Augen — eine ,^scaturigo 
quaedam^^ plagte ihn — , und die am Leben gebliebenen Bojaren 
erblickten darin eine Strafe des Himmels für seine Verbrechen. 

Sein Vorbild Mircea safs allerdings nicht lange auf dem wa- 
lachischen Throne. Für ein uns unbekanntes Vergehen wurde er 
1554 in Bukarest von türkischen und moldauischen Truppen über- 
fallen , und während die Hauptstadt brannte^ ging der Fürst in 
die Verbannung, in der er beinahe vier Jahre lang blieb. Sein Nach- 
folger, ein Sohn — und dieses Mal ein unzweifelhafter Sohn — 
des Mönches Badu-Vodä, hiefs Petra^cu und behielt, da er ein 
schlichter, keineswegs grofstuender Mensch war, diesen seinen 
an die bescheidene Vergangenheit erinnernden Namen bei. Alle 
Bojaren, selbst diejenigen, welche sich mit Mircea am stärksten 
kompromittiert hatten, fanden bei ihm eine väterliche Aufiiahme. 
Gemeinsam mit seinem ganz anders gearteten Nachbarn ging er 1556 
nach Siebenbürgen und führte die Königin Isabella in ihre Haupt- 
stadt zurück, wo sie seitdem, von den Türken und ihren Vasallen 
beschützt, blieb. Gegen Ende des folgenden Jahres bereitete der erst 
vor kurzem verheiratete Fürst einen neuen Einfall in das benach- 
barte Land vor, und seine Truppen unter dem einflufsreichen Bo- 
jaren Socol hatten schon die Grenze überschritten, als Petra^cu starb. 
Nach einem vergeblichen Versuch Socols, Radu Ilie wieder zur 
Regierung zu verhelfen, wurde Mircea zum zweiten Male vom 
Sultan mit der walachischen Fürstenwürde belehnt und begann 



S90 4. Kapitel. 

im Frühling 1558 mit einem schrecklichen Blutbade seine neue 
Herrschaft. 

In demselben Jahre flüchtete sich aus der Moldau, wo seine 
Pläne entdeckt worden waren, ein gewisser Jakobos Baailikos, 
bisher ein geliebter Gast des allgemein gefürchteten und gehalsten 
Wojwoden, mit dem er durch die Fürstin Ruxanda, eine Tochter 
Baref', verwandt zu sein vorgab. Der Mann, noch jung — er 
zählte kaum fünfunddreifsig Jahre — , war sehr schön und schil- 
derte aufserordentlich beredt die Gröfse seiner Vorfahren, die er 
bis zum mythischen Herakles hinauf verfolgte, die Weite seiner 
Kenntnisse, die hohe Stellung seiner Freunde und Gönner und die 
grofsen Taten, die er in Zukunft vollbringen wollte. Er war 
gewifs in der stark herabgekommenen, im Vergleiche mit dem 
abendländischen Europa, Ungarn und Polen ausgeschlossen, noch 
barbarischen Moldau eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Er er- 
zählte gern, mit seinen feurigen Augen die lauschenden Zuhörer 
beherrschend, dafs er, Jakob, einem alten griechischen Geschlechte 
entsprossen und mit Kaisern, Helden der Sage und Göttern im 
heidnischen Oljmpos verwandt sei, dafs sein Vater, von den Türken 
elendiglich getötet, ein Markgraf von Samos gewesen sei und 
dafs er Herrscherrechte über Paros geerbt habe. Dann ging er 
auf seine Laufbahn in den für das griechische Altertum und seine 
moderne Abart schwärmenden Kulturländern Europas über und 
erzählte, wie er in Frankreich für den grofsen Cäsar Karl V. 
gekämpft, wie er Elriegsbeschreibungen verfafst, wie er, als über- 
aus gelehrter Mann, als Meister aller Wissenschaften, das Becht, 
ehrgeizige Dichter mit dem Lorbeer zu krönen, erhalten habe, wie 
er in Preufsen vom mächtigen Herzog Albrecht und in Polen von 
diesem oder jenem Edelmanne, der sich durch freien Geist und 
Liebe für die Wissenschaft auszeichnete, hoch geschätzt, geehrt 
und bewundert worden sei. Die Bojaren, die ihn erzählen hörten, 
sagten sich, dafs der schöne Fremdling, welterfahren, hoch- 
begabt und milde, wie er war, ein besserer Fürst für die Mol- 
dau sein müfste, als der kranke Alexander mit den roten Augen 
und noch mehr geröteten Händen. Er selbst zögerte nicht mit 
seiner Zustimmung zu dieser heimlichen Wahl und war bald darauf 
auf der Flucht. 



Verfall der rumänischeD Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 391 

In Kronstadt liefs er seine Genealogie drucken ; in der er 
Rechte auf alle nur möglichen Fürstensitze verteidigte. Dann 
"v^orbarg er sich im Zipserlande^ zu Eesmarck, bei Albrecht Laski, 
xr&it dem er dieselbe unersättliche Abenteuerlust und auch dieselbe 
IL«iebe zu dem reinen Christusglauben; wie er auch in Polen jetzt 
gepredigt wurde^ gemein hatte. Noch im Jahre 1560 unternahm 
cor einen AngriflF auf seinen ehemaligen Beschützer Alexander, aber 
xioch bevor er die Grenze erreichte, wurde seine kleine Schar von 
dem aufgebotenen Landsturm des Palatinats Russien zersprengt. 
IMun liefs der interessante Schauspieler die Nachricht verbreiten, 
der berühmte Jakob der Despot sei nicht mehr unter den Leben- 
den, er ergehe sich jetzt, durch hartherzige Feinde vergiftet, unter 
den Zypressen der elysischen Felder, mit den Weisen und Helden 
des klassischen Altertums, mit denen allen er mehr oder weniger 
verwandt war, göttliche Zwiesprache haltend. Viele glaubten 
daran und beweinten den Edlen, der dahingeschieden sei, während 
er selbst sich in seinem angeblichen Grabe aufserordentlich regte. 
Mit Laski verabredete er sich von neuem und versprach ihm das 
Schlofs Hotin mit seinem reichen p ort orium, dem bedeutendsten 
in der Moldau dieser Zeit. Er scharte allerlei Abenteuergenossen 
um sich, rief Emigranten aus seinem moldauischen Erbreiche 
in seine Umgebung und fiel wirklich in die Moldau ein. Bei 
Verbia (1561) wurde Alexander trotz des Janitscharenschutzes so 
aufs Haupt geschlagen, dafs er seine atemlose Flucht bis Chilia 
nicht unterbrach, von wo ihn der Sandschak nach Konstantinopel 
bringen liefs. 

Nun begann der Sieger eine etwas sonderbare Regierung, denn 
so viel Grofses in kleinem Baume pflegt lächerlich zu wirken. Ja 
wenn er selbst dies alles noch ernst genommen hätte, wäre er 
vielleicht der Held einer ergreifenden Tragödie geworden, aber 
der erlauchte Despot war doch zu viel Schauspieler und lebte 
zu wenig in der Welt. Was wollte er nicht alles, seitdem er 
eine Grundlage für seine Projekte gefunden hatte? Zuerst wollte 
er sich in Anwesenheit der von allen benachbarten grofsen und 
kleinen Höfe entsandten Vertreter mit einer kostbaren Krone 
krönen lassen, war er doch auch der Erbe der byzantinischen 
Kaiser, das natürliche Haupt der rovQKO^QarovfÄevri EXldg, der 



SM 4. Kapitel. 

geborene Befreier des hellenischen Volkes! Dann ging sein Streben, 
um seinem Gönner, Kaiser Ferdinand, zu dienen und als res tau- 
rator patriae zu erscheinen, dahin, die siebenbürgischen Festen 
als solche, nicht als unnütze Trümmerhaufen dem dortigen usur- 
patorischen „Jüngling'' zu entreifsen, und es fanden sich in Ungarn 
auch Leute, die dem Kaiser rieten, dafs man ihm die Wojwodschaft 
des ganzen Landes jenseits der Karpathen anvertraue ; galt er doch 
als treu, mächtig und gescheit! Femer konnte er unmöglich bei 
seiner grofsartigen Vorstellung einer Herrschermacht die Türken 
länger in der südlichen Moldau dulden und sich unmöglich wie 
ein gewöhnlicher Wojwode einer heidnischen Konti*oUe seitens 
des Sultans aussetzen. Wie stolz klingt sein Appell, den er an 
seine „mutigen und kriegerischen Bojaren '' richtet: er erinnert sie 
an ihre römische Herkunft und begrüfst sie als Nachfolger „der 
tapferen Römer, welche die ganze Welt zittern machten". Mit 
solchen Gefährten war er sicher, das Verlorene wiederzuerwer- 
ben und die türkischen feigen Barbaren unter seinen kaiserlichen 
herakleischen Füfsen zu zertreten: „Meine Absicht^', schrieb er, 
„ist keine andere als die, dafs die Donau die Grenze meines Landes, 
der Moldau, werde und dafs ich Tag und Nacht mit den un- 
gläubigen vermaledeiten Türken im Kampfe liege." Nicht nur dem 
transsilvanischen, sondern auch dem transalpinischen Jüngling, 
dem kränkelnden, unmündigen Sohne Mirceas — letzterer war 
bereits 1559 auf den Leichen seiner Opfer ruhend entschlafen — j 
auch diesem „lahmen'^ Peter, den eine gefürchtete Mutter beschützte, 
wollte er sein Land entreifsen. Aber dieses alles war nur Vor- 
bereitung, nur heroisches Präludium : das Schauspiel sollte mit der 
grofsen Apotheose des Herakliden als Kaiser im ganzen christlichen 
Osten unter dem Beifalle des staunenden humanistisch denken- 
den westlichen Europa schliefsen. 

In Wirklichkeit jedoch trugen die folgenden Taten alle Spuren 
eines elenden Erdendaseins. loan Voevod — das war sein Herrscher- 
name, den er selbstverständlich mit Purpurtinte schrieb, wie 
er sich auf den Münzen mit der Krone auf dem schönen Kopfe 
abbilden liefs, — loan Voevod also, der „vindex et defensor 
libertatis patriae*', der „patronus Moldaviae", empfing die tür- 
kische Bestätigungsfahne, die er den Vertretern der fremden Herrscher 



Yerfall der rninänischeiiKriegSBtaatcn nach dem Tode Stephans des Grofsen. S9S 

^s eine Art orientalisches Goldenes Vlies erklärte, er bezahlte 
äen Tribut und nannte den Sandsehak von Chilia und Akkerman 
^9 seinen Vater". Nach einem Grenzkriege gegen die Walachei 
«rbot er sich, eine Tochter Mirceas, eine Schwester des ,, lahmen 
«Tangen", zur Frau zu nehmen, während er auch mit dem kie- 
^wischen Wojwoden und mit dem krakauischen Palatin, Martin 
2borowski, wegen einer passenden Heirat unterhandelte. Während 
er dann Gelehrte, die ihn bewunderten, in die Moldau berief, um 
lateinische Universitäten zu gründen, während er einen Bischof des 
Tvahren Glaubens, einen Sozinianer, einsetzte, entstand, von ihm 
unbemerkt, eine allgemeine Verschwörung: Tom^a, vielleicht ein 
Bamowski, wurde als rechtgläubiger, einheimischer Wojwode aus- 
gerufen und unterzeichnete die in das Land ergehende Herrscher- 
proklamation mit dem ehrwürdigen Namen „Stephan Voevod'^ 
Die fremden Truppen des Griechen und Ketzers wurden über- 
rumpelt und vernichtet, der Usurpator selbst in Suczawa einge- 
schlossen und dort von dem neuen Fürsten mit seinen Bojaren 
und ungarischer, wahrscheinlich auch walachischer Hilfe belagert. 
Die Vermittelung eines berühmten Kosakenhäuptlings, Dmitri Wis- 
niewiecki, welcher von einer Schwester des Peter Rare^ abstammte 
und folglich auch Rechte auf den moldauischen Thron geltend 
machen konnte, blieb erfolglos, und der mutige Führer der Helden 
vom Dnjepr, der ritterlichen christlichen Tataren, die, aus Gliedern 
aller Nationen gebildet, die Wacht an der östlichen Grenze gegen 
die Wüste hin hielten, fiel elendiglich in diesem Zuge, der unter- 
nommen wurde, um eine Krone zu erwerben, die schon längst 
ihren Glanz verloren hatte. Was den Despoten betrifft, so ver- 
teidigte dieser sein Leben — er hoffte vielleicht auch seinen Für- 
stenthron behaupten zu können — mit einer bewunderungswürdigen 
Ausdauer, aber von allen verlassen, mit £aski seit langem entzweit, 
mufste er endlich nachgeben und, in fiirstlichem Gewände aus der 
Burg herausreitend, spielte er, wie es sich gebührt, auch den 
fünften Akt und erfuhr das blutige Ende (4./o. Nov. 1563) ^). 

Bis zum März des folgenden Jahres hielt sich Stephan noch 
als ein umherirrender Fürst, bald siegreich, bald im Kampfe gegen 

1) S. über den Despoten meine Nouveaux materiaux pour servir ä rhistoire 
de Jacques Basilikos FHeraclide, dit lo Despote (Bukarest 1900). 



SM 4. Kapitel. 

die Türken unterliegend, die noch im November 1563 mit Alexand» 
ins Land eingedrungen waren. Einige Bojaren standen noch auf 
«einer Seite, aber dem Lande, den Bauern, blieb sein Schicksal 
ganz gleichgültig. Zuletzt flüchtete er sich nach Polen, wo man 
meinte, dafs ein moldauischer Usurpator die polnische Todesstrafe, 
falls sie von einem türkischen Czauschen verlangt wird, verdiene. 
Zwei Bojaren begleiteten ihn in diesen unrühmlichen Tod. 

Andere schickte ihm in grofser Menge der wütende Alexander, 
der Hotin zerstören liefs, in den Tod nach, und zwar bei jenem 
berüchtigten Schmause, der durch Mangel an Gästen seinen Ab- 
schlufs fand. Dabei fiel aber langsam vollständige Finsternis anf 
die Augen, die dieses erquickende Schauspiel noch blinzelnd an- 
gesehen hatten. Hier und da stieg einmal von den Bergen m 
ungeduldiger Fürstensohn herab, mit Bauern, Hirten und Hai- 
ducken, die er mit deutschem kaiserlichen Gelde angeworben battej 
wurde aber immer abgewiesen. Aber gegen die von den Bojaren 
erwartete, immer weiter fortschreitende Strafe Gottes war nicits 
zu tun, und so starb denn der grausame Tyrann 1568 als ein 
höchst unglückHcher Mann. 

Sein Sohn und Nachfolger Bogdan war noch ein sehr junger 
Mann, der dem Vergnügen mehr als ziemlich huldigte. In der 
Walachei war noch im Todesjahre Alexanders der Knabe Peter 
abgesetzt worden, und sein älterer Vetter oder Halbbruder, der neue 
Alexander, hatte die Regierung mit starker Hand ergriffen, der dem 
Kate seiner Günstlinge, der Brüder Iva^cu und Albu aus Gole^tl, fol- 
gend, die Bojaren der entgegengesetzten Partei verfolgte. Bogdan 
hatte unterdessen nichts Besseres zu tun als sich mit Familien- 
heiraten abzugeben: eine von seinen Schwestern wurde die Ge- 
mahlin eines Landesbojaren, für die anderen suchte er Partien in 
Polen, wobei er viel Unzufriedenheit stiftete und manche Rache- 
gelüste wachrief Er selbst warb um die Hand der Tochter Tarlos, 
und während er Besuche jenseits des Dnjestr abstattete, wurde er 
von dem verschmähten Liebhaber einer seiner Schwestern überfallen 
und verwundet (1572). Die Türken zauderten nicht lange, ihm 
einen Nachfolger zu geben. Der als Armenier, zugleich auch b\» 
guter Muselmann und reicher Juwelier in Eonstantinopel bekannte 
loan, der in seiner ersten Jugend am moskauischen Hofe gelebt 



' 









Verfall der ramäDischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stepbans des Grofsen. 395 

und dort eine Frau und sein einziges Kind zurückgelassen hatte^ 
galt schon seit 1561 för den Sohn des ^tefäni^ä und rechtmäfsigen 
Erben des moldauischen Thrones. Jetzt wurde er dazu er- 
nannt und Yon Alexander dem Walachen nach Jassy^ der neuen 
Residenz, geführt. 

Er trat in die Fufstapfen des alten Läpu^neanu als systema- 
tischer Verfolger der Bojaren^ aber „das Land", „die Armen", liebten 
ihn trotzdem oder vielleicht gerade deswegen. Einen Angriff Bog- 
dans mit privater polnischer Hilfe wies er zurück. Aber der 
Nachbar, der eine Stellung für den abgesetzten Verwandten suchte, um 
ihn sich vom Halse zu schaffen, trat ihm jetzt als Feind entgegen 
und bewirkte noch im Anfange des Jahres 1574 seinen Fall. 
Man forderte von loan einen erhöhten Tribut; trotzig verweigerte 
er dies und hatte den Mut, mit einem starken Korps Kosaken 
auch um die Fürstenwürde zu kämpfen. Zweimal wurde Peter 
der Lahme zurückgetrieben, ja Bender und Akkerman wurden 
von loan und seinen Helfern verheert. Zuletzt, ohne dafs der 
zur Donau beorderte Beglerbeg von Rumili erschien, wurde er — 
dank dem Verrate einiger Grofsen — umzingelt und mufste sich 
in Roi^canl ergeben. Am Tage darauf (11. Juni) wurde er durch 
zwei Kamele in Stücke zerrissen. 



Der freie Staat der Moldau und Walachei besafs seine eigene 
Kultur, die er von den versunkenen Staaten südlich der Donau 
überkommen und die, besonderes in ersterem Lande, auf neuem 
Boden eine selbständige Entwickelung genommen hatte: dies gilt 
für die Kalligraphie, die omamentale Kunst und auch, obgleich 
weniger, für die Literatur. Mit dem Verfalle der Selbständigkeit 
ging auch diese hohe slavische Kultur, dieses Merkmal besserer, 
reicherer und sichererer Zeiten, zugrunde. Aber sie verschwand 
nicht — wie es auch mit dem politischen Ansehen des Staates ge- 
schah — mit einem Male, durch einen plötzlichen Untergang, sondern 
langsam, durch einen beinahe unbemerkten Bückgang, bis von 
beiden nichts weiter übrig blieb als einige vereinzelte, aufser Zu- 
sammenhang mit dem neuen Leben stehende Erscheinungen. 



396 4. Kapitel. 

Tbeoktisty der grofse Metropolit Stephans, der ihn gekrönt 
und ihm stets mit gutem Rate zur Seite gestanden hatte, war im 
Jahre 1477, nachdem er funiundzwanzig Jahre der moldauischen 
Kirche vorgestanden, gestorben. Nach einigen meist unbedeutenden 
Nachfolgern, Georg, Theoktist II., David und Theoktist lU., ward 
das Haupt des moldauischen Klerus Gregor, der lange Zeit Abt des 
Klosters Pobrata gewesen war. Er besafs seine hohe Würde unter 
Peter Rare^, der Pobrata wiederherstellte, sich dieses Kloster als Grab- 
stätte ausersah und dort die Fortsetzung der Landeschronik schreiben 
liefs. Demselben königlich auftretenden, grofsen, aber unruhigen 
Fürsten ist auch die erste wirklich literarische, mit allem gelehrten 
Aufputz versehene slavische Darstellung der Geschichte eines moldau- 
ischen Fürsten, nämlich der seinigen, bis zu seiner Rückkehr aus Kon- 
stantinopel, zu danken: dem byzantinisch-bulgarischen Chronisten 
Manasses seine Mittel der Darstellung, Redewendungen, Vergleiche 
und Zitate entlehnend, schrieb der Mönch Macarie von Neam^, später 
Bischof von Roman, diese fieifsige Arbeit für seinen Herrn und 
Fürsten, der als Gemahl einer Despotentochter solche wichtige 
Leistunficen zu würdifi^en wufste. Seine Gelehrsamkeit verdankte 
aber wlcarie nicht der Erziehung in einem fremden Kloster am 
Balkan, wo das Licht der Kultur mit der einreifsenden Armut 
und der Erniedrigung alles nationalen Lebens unter den Türken 
erloschen war. Er war vielmehr ein Schüler des dritten Theo- 
ktist, der ihm als Oberhirte von Roman vorangegangen war und 
dem alten Hause zu Neam^ einen neuen Glanz verliehen hatte. 
Dieses gute Beispiel ermunterte auch Eftimie, den Nachfolger 
Macaries in Neam^. Bevor er sich in die politischen Wirren der 
Zeit mischte, einen Prätendenten gegen den grausamen Alexander 
unterstützte und nach Siebenbürgen floh, wo er dank seiner viel- 
gerühmten Gelehrsamkeit einen Bischofsitz fiir die dortigen Ru* 
mänen erhielt, hatte der neue Abt nach Kräften die überschweng- 
liche, schablonenhafte Fürstenbiographie Macaries fortgesetzt, und 
seine gewandte Feder schilderte mit gutbezahlter Tinte die Taten 
des Tyrannen aus Läpu^na, den er — sein künftiger Gegner — 
als „ den Tapferen und Neuen ^^ hinstellt und als den Tagendhaften 
und Frommen bezeichnet, dessen Regierungsweise sich vorteübaft 
von der der ausschweifenden und feigen Söhne Rare^' unterscheide. 



T'erfall der rumänischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 897 

Liäpu^neanu ward auch zum Klostergründer^ weil er in Erwägung 
d.er grofsen Schuld gegen den Himmel, die er auf sich geladen 
hatte ; viele Generationen von Mönchen brauchte; um sich durch 
ihr Beten vor dem Allmächtigen rein zu waschen. Deshalb er- 
stand in der klassischen Elosterheimat der engen Earpathentäler 
Slatina, ein neues Gotteshaus, das der gegen seine eigenen Unter- 
tanen ,,tapfere'^ Fürst durch die geschickten Hände siebenbürgischer 
deutscher Meister nach dem Muster Pobratas errichten liefs. Hier 
in Slatina schrieben die besten literarischen Kräfte femer die An- 
nalen des Fürstentums nieder. Schliefslich liefs auch der gute lahme 
Peter in der Nähe der neuen Hauptstadt Jassj mit grofsem Geld- 
aufwande ein Kloster erbauen^ das nach der Vorstadt von Konstan- 
tinopel Galata genannt wurde, und bedachte diese seine Stiftung auch 
mit Gütern und Zigeunern, damit sich die Mönche Gott allein 
weihen könnten. Unter Peter lebte noch als vergessener Einsiedler 
Isaia, das Licht der Gelehrsamkeit in Slatina, der Bischof von Rädäu^l: 
unter dem gegenüber Mönchen und Priestern nicht allzu mildherzigen 
loan „ dem Grausamen '^ war dieser Isaia oft wegen seiner Kennt- 
nisse zu Gesandtschaften verwendet worden und hatte eine Kompi- 
lation der Annalen schon gegen 1560 verfafst ^). 

Aber ein Schüler Macaries, Teofan, der sich seinerzeit von 
dem Wojwoden loan verfolgt nach Siebenbürgen flüchtete ^), war 
noch immer moldauischer Metropolit und kann als der letzte Ver- 
treter slavischer Gelehrsamkeit in dem mafsgebenden rumänischen 
Fürstentume gelten ^). 

Die walachische E^irche befand sich noch lange in einem un- 
geordneten Zustande. Meistens sind nur die Namen der Metropo- 



1) Im Jahre 1566 verfaTste eine ähnliche Kompilation aof Grund der ver- 
fichiedenen Annalen der polnische Gesandte NicoIausBrzeskiin seiner Mutter- 
sprache zum Zeityertreib, während er sich in Jassy aufhielt. Ausgaben in Arch. 
ist. III; Bogdan, Yechile cronicl (Bukarest 1891), und Cronicl inedite (Buka- 
rest 1895): bei Bogdan findet sich die ganze alte slavische Historiographie der 
Moldau gesammelt. — Vgl. meine Istoria literaturil religioase a Kominilor 
pänä la 1688 (Bukarest 1904). 

2) Doc. Bistritel, H, S. 115. 

3) Über dieses alles vgl. meinen ersten Exkurs zur Ist. literaturil romine 
iB secolul al XVm^^» 



S98 4. Kapitel. 

liten in den unsicheren ^^pomelnice'^ erhalten^). Wie die 
moldauische Metropolie wurde die walachischc; nach dem Floren- 
tiner Konzile ; zu dem sie übrigens keine Vertreter gesandt hatte^ 
dem Patriarchen von Achrida unterstellt ^ und der gefälschte 
Brief des Patriarchen an Stephan den Qrofsen erwähnt den 
Metropoliten von Ungrowlachien MacariC; der auch noch während 
des Streites zwischen den basarabischen Prätendenten genannt 
wird *). 

Erst unter dem frommen Radu wurde, gewifs auf den Rat 
des Metropoliten Maxim, des Spröfslings des Despoten, ein berühmt^' 
heiliger Mann aus Griechenland berufen, um die Beform des 
walachischen Ellerus zu beginnen. Niphon war ein Serbe und 
hatte vor den türkischen Herren von seinem Stuhle als Patriarch 
der „Grofsen Kirche '^ von Byzanz weichen müssen, weil man ihn 
falschen Zeugnisses beschuldigte, um sich in den Besitz einer Erb- 
schaft zu setzen. Aus seiner Verbannung im klosterreichen Berge 
Athos rief ihn Radu^ zu sich, und er traf nun organisatorische 
Mafsregeln. Der Sitz des Metropoliten ward von Arge^ nach 
Tirgovi^te verlegt, um so den Oberhirten wieder in die Nähe des 
regierenden Wojwoden zu bringen; zwei Suffraganbischöfe wurden 
tatsächlich und gesetzmälsig, zum ersten Male unter Anerkennung 
seitens der weltlichen Macht, dem MetropoHten beigegeben: einer 
von ihnen residierte in Rimnic und trug den Titel Bischof von 
Neu-Severin, der andere hatte das östliche Land unter seinem Krumm- 
stab und nahm in Buzäü seine Residenz. Ein fremder montenegriner 
Mönch, Macarie, der unter dem Metropoliten Maxim ins Land ge- 
kommen war, erhielt den Auftrag, zum ersten Male kircWiche 
Bücher, selbstverständlich in slavischer Sprache, zu drucken. Doch 
Kiphon war nicht das Glück vergönnt, diese ersten walachischen 
Drucke zu sehen : er hatte sich zu viel um die Angelegenheiten des 
etwas frei lebenden und liebenden Hofes des frommen, aber da- 
bei lebenslustigen Fürsten gekümmert, und deswegen ward ihm 

1) Eine Geschichte der walachischen Metropolie giht es his jetzt noch nicht. 
Die Namensverzeichnisse hei Lesviodacs, Istoria hisericeascS pe scort (Buka- 
rest 1845), können dem Forscher einigermaüsen aushelfen. 

2) Bogdan, Bei. cu Bra^ovul, S. 253. Eine neue Ausgabe dieses Werkes^ 
dem auch der slavische Originaltext heigegeben wird, ist im Drucke. 



Verfall der rumänischen Eriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 39^ 

der Hat erteilt^ sich anderswo eine Zufluchtstätte zu suchen. Bald 
darauf starb er, tief betrauert wegen seiner heiligen Lehren und 
^W^erke, in einem Athoskloster. Radu folgte ihm bald im Tode 
nach, und das erste Produkt der einfachen walachischen Hand- 
druckerei erschien unter der Herrschaft eines Fürsten ^ der Blut 
mehr liebte als Tinte: Mihnea. Während das Kind Vlad auf dem 
Fürstenthrone safs, folgte diesem ersten Liturgienbuch, auch ein 
Oktoich, um wenigstens dem dringendsten Bedürfioiis nach kirch* 
liehen Büchern abzuhelfen. Es scheint, als ob hiernach Macarie zum 
Metropoliten erwählt worden sei, jedenfalls trägt diesen Namen der 
Metropolit unter Basarab HI. Neagoe ^), der der klassische Beför- 
derer der Kirche im walachischen Fürstentum wurde. 

Neagoe hatte die letzten traurigen Tage, die Niphon in der 
Walachei verbrachte, mit erlebt. Als Fürst zeigte er sich un- 
gemein freigebig für die Kirche und ihre Diener, entsprach aber 
dieser seiner Neigung unglücklicherweise meist durch Bauten und 
Geschenke im europäischen oder asiatischen Morgenlande, wo* 
auf dem Berge Athos, in Syrien und auf dem Berge Sinai seit 
alters weltberühmte Klöster bestanden. Doch auch im Lande 
verewigte er seinen Namen als Kunstverständiger, als erster Lieb- 
haber für schöne Werke der Architektur, Skulptur und Malerei,, 
durch die Errichtung einer prachtvollen Kirche zu Arge^, die der 
Stadt einen Ersatz für den Verlust der Metropolie bieten sollte. 
Der alte Bau wurde beseitigt, und durch die Hände fremder be- 
währter Meister aus dem Orient erstand ein wunderschönes Ge- 
bäude aus Steinquadern, die eiserne Klammem zusammenhielten^ 
mit Marmor überdeckt, mit Schnitz werk in vergoldeten Blumen- 
kränzen, die zweimal die ganze Kirche mit einem Schönheits- 
gürtel umfafsten, mit einer zierlichen Vorhalle, zwölf schönen 
Pfeilern „nach den zwölf Aposteln", mit einer eleganten Treppe 
und schlanken Türmen. Durch diesen Bau und den der neuen 
Hauptkirche von Tirgovi^te trat er in Wettbewerb mit seinem 
Vorgänger Radu, der geradeso die fürstliche Begräbnisstätte au& 



1) S. Biana und Hodo^, Bibliografia romioä; Hodo^ im Annnare der 
Typographie Minerva (Bukarest 1902) , in Convorbirl literare 1902 und zuletzt 
in dem Prinos Sturdza, 1903; meine Ist. lit. religioase. 



4. EapiteL 

Stein und Marmor in der Nähe der Residenzstadt ^)y St Nikolaus in 
den Weinbergen^ errichtet hatte, und er überflägelte ihn. Es war 
«in glänzendes, ungewöhnliches, lange in der Elrinnerung haftendes 
Schauspiel, als am Tage der Mutter Gk>ttes im Jahre 1517 — 
Sintä- Maria cea Mare — in Anwesenheit des ganzen wa- 
hichischen Klerus, der konstantinopolitanische Patriarch selbst, 
drei griechische Metropoliten, die mit ihm gekommen waren, und 
der erste Abt, der protos vom Athosgebirge, die Kirche zu Ai^ 
weihten *). 

In der Weise, wie Neagoe das Leben verstand, war die Er- 
zählung der kleinen Taten, die, zum gröfsten Teile Sünden , eine 
menschliche Laufbahn fällten, durchaus nicht eine Notwendigkeit 
Deshalb lieis er sich zwar von seinem Gaste (1517), dem Protos 
-der Athosklöster, nachdem er schon heimgekehrt war, eine L^ende 
des Heiligen Niphon, ursprünglich in griechischer oder slavischer 
Sprache geschrieben, überreichen, aber er unterliefs es, wie Baref, 
durch einen Gelehrten seiner Kirche, — und er hatte doch den 
Macarie — die Landeschronik fortsetzen zu lassen. Auch selbst 
war er imstande, schön und mit rhetorischem Schwünge zu 
schreiben, wie die erhaltenen, an seinen kleinen Sohn, den zu 
einem unglücklichen Geschick praedestinierten Teodosie, gerich- 
teten Ermahnungen bezeugen. In diesen wenigen Blättern er- 
scheint er nicht nur als Kompilator, der kirchliche Weisheit vor- 
irägt, sondern auch als ein wirklich guter, milder Mann. So schreibt 
er: „Wenn dir aus dem Einkommen der Herrschaft etwas übrig 
bleibt, so denk doch nicht, dafs dieser Überflufs von dir gewonnen 
sei: nein, du hast es wieder von den Armen gewonnen, und von 
denjenigen, die dir Untertan sind, über die zu gebieten Gott dir 
l)eschieden haf Oder: „Dein Becher sei nicht allzu hoch gefttllt 



1) Über die Grabmäler daselbst s. LäpSdatu in Gonyorbirl literare, 
XXXVn, S. 433-434. 

2) Die Heiligenlegende Niphons ist in rumänischer Übersetzung im 
Arch. ist. I', gedruckt; nach einer anderen Abschrift gab sie separat C. Er- 
bice anu 1888 heraus. Auch in einer Fassung der offiziellen Landeschronik aas 
dem XVII. Jahrh. ist sie überliefert. Ein reich illustriertes Prachtwerk über 
•die in unserer Zeit von einem französischen Architekten renovierte Kirche von 
.Arge9 gab bei dieser Gelegenheit Tocilescu heraus. 



Terfall der romanischen Kriegsstaaten nach dem Tode Stephans des Grofsen. 441 



menschlichem Blute, denn für dieses Blut mufst du dich vor 
O-ott verantworten, wenn du es mitleidlos vergiefst." 

Nach ihm jedoch trat der Verfall sehr rasch ein, und wieder 
kt die Geschichte der Metropolie, der gesamten kirchlichen 
ierarchie und der slavischen Kultur zu einem einfachen Ver- 
zoiehnisse der Metropoliten herab. Als unter Radu Paisie und 
JVIircea dem Hirten (1545 — 1547), dann unter der Fürstin Ecaterina, 
«iner Levantinerin griechischen Glaubens, und ihrem Sohne Mihnea, 
zischen den Jahren 1568 und 1589 wieder slavische Bücher für 
rumänische Kirchen erschienen, und zwar ein Sbomik, ein Ok- 
toich, ein Psalter, ein Triodion und ein Evangelienbuch, da 
i^ohnte der Drucker in Kronstadt. Dieser, der Diacon Coresi, ist 
^gewifs kein Grieche von Geburt, sondern ein Rumäne, ein Emigrant 
^us der Zeit Mirceas des Hirten, und in der Veröffentlichung solcher 
Sucher für die „Walachen'' sahen die kronstädter Sachsen eine 
neue Quelle des Erwerbs. Aber derselbe Coresi arbeitete auch an 
zwei rumänischen Drucken, an einem Psalter und einem EvangeUen- 
buch, und von ihm stammt eine ganze Reihe solcher rumänischer 
Werke, die im Dienste der deutschen und ungarischen Propaganda 
für das „reine Christentum" erschienen ^). Ihm gebührt jedoch 
keineswegs das Verdienst, die Übersetzung der heiligen Schriften und 
liturgischen Bücher aus dem Slavischen besorgt zu haben: zum Teil 
wurde diese Arbeit schon in den Hussitenzeiten, wo überall das Wort 
Oottes rings umher in der Volkssprache gepredigt wurde, durch 
•einen unbekannten Priester aus dem marmorosisch-bistritzer Winkel 
geleistet; in dieser Weise erstanden der rumänische Psalter, der 
«ogar in mehreren Handschriften auf uns gekommen ist (Psaltirea 
de la ^cheia, 1889 von J. Bianu herausgegeben), die Evangelien- 
bücher und die Apostelgeschichte (nach der Handschrift von 
J. Sblera veröffentlicht). Coresi änderte nur hier und da die 
«chon veraltete und sehr rohe Sprache dieser Übersetzungen des 
15. Jahrhunderts, die als die ältesten ehrwürdigen Denkmäler der 
rumänischen Sprache zu betrachten sind. Neue Arbeiten kamen 
dazu, wie eine nach dem Ungarischen bearbeitete Evangelien- 



1) S. Nerva Hodo^ in dem schon zitierten Frinos Sturdza; Hodos ^L 
Bianu, Bibliografia romänä und meine Istoria literaturil religioase. 

Jorga, Gesehiehte der Bamänen. I. 26 



40S 4. Kapitel. Yeifall der rumäniBchen Kriegsstaaten usw. 

erklärung; eine Oebetsammlung (Molitvenic) und ein Litorgienbäcb, 
welch letzteres noch nicht wieder aufgefunden worden ist. Als refor- 
mierter Katechismus diente die nach dem deutschen lutherischen 
Originale 1544 verfafste und gedruckte ^^ChrisÜiche Prüfung" von 
Hermannstadt Andere Rumänen und auch Fremde folgten dem 
Beispiele Coresis und bereicherten diese aufkeimende Literatur. 
In Broos erschien 1582 auch der erste Teil einer neuen ^ sehr 
schönen Übersetzung der Bibel. 

Dies alles bedeutet aber auch für die rumänische Kultur den 
Beginn einer neuen Zeit. 



-c.-<|3Ö^ 



af 



Druck von Friedrich Andreas Perthes, AkdengeselLichaft, Ootha. 



1 



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