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Full text of "Die Musik"

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-iY- 


DIEMUSIK 

ILLUSTRIERTE  HALBMONATSSCHRIFT 

HERAUSGEGEBEN  VON  KAPELLMEISTER 

BERNHARD  SCHUSTER 


FÜNFTER  JAHRGANG 

VIERTER  QUARTALSBAND 

BAND  XX 


VERLEGT  BEI  SCHUSTER  &  LOEFFLER 
BERLIN  UND  LEIPZIG 


Muse 

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DIEMUSIK 

VERZEICHNIS   DER  KUNSTBEILAGEN 
DES  FÜNFTEN  JAHRGANGS  (1905—1906) 

Notenbeilagen : 

Jobann  Sebastian  Bacb,   Präludium  und  Fuge  in  g-moll.    No.  16  aus  dem  zweiten 
Teil  des  Wohltemperierten  Klaviers. 

—  Suite  III  (Original  C-dur)  für  Violine  solo  nach  den  Suiten  für  Violoncell  bearbeitet 

von  Ferdinand  David. 

Ludwig  van  Beethoven,    Finale   des  nach  seiner  E-dur-Klaviersonate  op.  14,   No  1 
bearbeiteten  F-dur  Streich-Quartetts. 

Constanz  Berneker,  Vorspiel  zum  zweiten  Teil  und  Arie  für  Alt  aus  der  Krönungs- 
kantate  ,,Herr,  der  König  freuet  sich  in  Deiner  Kraft^. 

Franz  Liszt,   Der  ursprüngliche,   bisher  unveröffentlichte  Schluss  der  zweiten  Ballade 
(h-moll)  für  Pianoforte. 

Wolfgang  Amadeus  Mozart,  Lied  beim  Auszug  in  das  Feld. 

—  Vier  Sitze  aus  den  5  Divertimenti  für  2  Klarinetten  und  Fagott.    Übertragung  für 

Klarinette  (oder  Violine)  und  Klavier. 

—  Zwei  Fragmente  (bisher  unveröffentlicht). 

Carl  Nielsen,  Symphonische  Suite  für  Pianoforte  (II.  Satz)  op.  8. 

Robert  Schumann,  Canon  für  vier  Männerstimmen.    Zu  op.  65  Ritomelle  gehörig. 

Abt  Vogler,  Aus  dem  Gewitter  in  «Lampedo**. 

Autographen  in  Faksimile: 

Johann  Sebastian  Bach,  Anfang  der  Michaelis-Kantate  „Es  erhub  sich  ein  Streit.** 

^    Ein  Gedicht  an  seine  Braut. 

Ludwig  van  Beethoven,  Anfang  des  Terzetts  »Euch  werde  Lohn  in  bessern  Welten* 
aus  der  ersten  Bearbeitung  des  Fidelio. 

—  Blatt  aus  einem  Skizzenbuche. 

Georg  Ben  da,.  Erste  Partiturseite  der  „Ariadne  auf  Naxos**. 
Michael  Haydn,  Invaliden-Lied. 
Franz  Liszt,  Ein  Brief. 

—  Das  Lied  „Ach!   was  ist  Leben  doch  so  schwer!" 

—  Seite  eines  Noten-Manuskriptes. 

König  Ludwig  I.  von  Bayern,  Gedicht  „An  Mozart**. 
Wolfgang  Amadeus  Mozart,  Anfang  des  „Veilchens**. 
Hans  Sachs,  Notenschrift:  Der  „kurze  Ton**. 
Robert  Schumann,  Brief  an  Richard  PohL 

—  Skizzenblatt  zu  den  „Haus-  und  Lebensregeln**. 
Richard  Wagner,  Brief  an  die  Fürstin  Sayn-Wittgenstein. 

—  Korrekturseite  aus  seinem  Handexemplar  vom  »Ring**:  Erster  Druck  für  Freunde  1853: 
Carl  Maria  von  Weber,  Brief  an  Friedrich  Rochlitz. 

—  Eine  Seite  aus  seinem  Tagebuche  mit  den  Freischütz-Einnahmen. 

—  Skizzen  zu  den  „Drei  Pintos**. 

—  Nachkomponierte  Preghiera  zum  „Oberon**. 
Caroline  von  Weber,  Ein  Brief. 

Kunst : 

N.  Aronson,  Beethoven-Büste  (drei  Blatt). 

Sandro  Botticelli,  Die  Madonna  mit  den  singenden  Engeln. 

A.  Bovy,  Liszt-Medaillon. 

Hugo  L.  Braune,  Aus  der  Tristan-Mappe. 


1593581 


Nepomuk  de  la  Croce,  Die  Familie  Mozart. 

J.  Danhauser,  Liszt  am  Klavier. 

Karl  Adolf  Donndorf,  Das  Bach-Denkmal  in  Eisenach. 

Hubert  und  Jan  van  Eyk,  Die  singenden  Engel  am  Genter  Altar. 

—  Die  musizierenden  Engel  am  Genter  Altar. 

E.  Farago,  Richard  Strauss. 

E.  Fechner,  Clara  Wieck. 

C.  Gu6rin,  Jean  Jacques  Rousseau. 

Wilhelm  Hagen,  Mozart-Büste. 

Frans  Hals,  Der  Narr. 

—  Die  singenden  Knaben. 

Max  Harrach,  Don  Juan- Allegorie. 

Hubert  Herkomer,  Porträt  von  Richard  Wagner. 

Georg  Kolbe,  Bach-Büste. 

Gustav  Landgrebe,  Mozart  Statuette. 

Robert  L6on,  Medaillonportrit  von  Guido  Adler. 

RafaSl  Mengs,  Die  Mutter  Carl  Marias  von  Weber. 

Adolph  von  Menzel,  Porträt  von  Beethoven. 

Moreau  Lejeune,  Sechs  Stiche  zu  Rousseaus  „Pygmalion*. 

A.  Müller,  Porträt  von  Johann  Sebastian  Bach. 

E.  Pf  leiderer,  Brahms-Relief. 
Rembrandt,  David  vor  Saul  spielend. 
Hanna  Richter,  Liszt-Büste. 
Ludwig  Richter,  Weihnachtsbild. 

F.  Rumpf,  Porträt  von  Carl  Maria  von  Weber. 
Ferdinand  Schimon,  Porträt  von  Carl  Maria  von  Weber. 
Julius  Schnorr  von  Carolsfeld,  Porträt  von  Beethoven. 
Ludwig  Schwanthaler,  Das  Mozart-Denkmal  in  Salzburg. 

Moriz  von  Schwind,  Fidelio. 

—  Szenische  Darstellungen  zum  „Fidelio*. 

Carl  Seffner,  Bach-Büste. 
~-    Mozart-Büste. 

Karl  Ferd.  Sohn,  Porträt  von  Clara  Schumann. 

Franz  Stassen,  Aus  der  Tristan-Mappe. 

Jan  Steen,  Die  Musikstunde. 

Gerard  Terborch,  Die  Lautenspielerin. 

Hans  Thoma,  Siegfried. 

—  Wotan. 

Jan  Vermeer  van  Delft,  Der  Musikunterricht. 

Heinrich  Wad^r^,  Marmor-Relief  des  Ehepaares  Rheinberger. 

Porträts : 


Gräfin  Marie  d'Agoult. 

Eugen  d'Albert. 

Johann  Georg  Albrechtsberger. 

Anton   Arensky  (in  seinem  Arbeltsximmer). 

Johann  Ambrosius  Bach. 

Johann  Sebastian  Bach  nechCHaatemann. 

—  nach  G.  Haassmann. 

—  Dach  Schlick.  ^ 

—  nach  A.  Lemoine. 

Wilhelm  Friedemann  Bach. 
Philipp  Emanuel  Bach. 
Georg  Benda. 
Constanz  Berneker. 

Joseph   Böhm  mit  Noteoachrirt. 

Johann  Christian  Brandes. 


August  Bungert. 

Jenny  Bürde-Ney. 

Carl  Cannabich. 

Franz  Danzi. 

Felicien  David  mit  Namenszuc. 

L6o  Delibes. 

Felix  Draeseke. 

Friedrich  Wilhelm  Gotter. 

Eduard  August  Grell. 

Johann  Michael  Haydn. 

Fanny  HenseL 

Franz  von  Holstein  mit  Namenaznt. 

Joseph  Joachim. 

Louis  Köhler. 

Karl  Lautenschläger. 


Franz  Liszt  (zwei  JugeodbüdnlMe). 

—  (am  Dirlgentenpult). 

—  nach  W.  Ktiübach. 

—  BACh  Kriehuber. 

—  auh  Leprince. 

—  nach  S.  Mittag. 

—  aaob  einer  ilteren  Photi^rapbie. 

—  (Im  Alter). 

—  in  aelnem  Velmarer  Heim. 

Franz  Liszts  Mutter. 

Gustav  Mahler. 

Maria  Malibran. 

Mathilde  de  Marchesi. 

Adolph  Bernhard  Marx. 

Arnold  Mendelssohn. 

Rosa  von  Milde. 

Pauline  Anna  Milder-Hauptmann. 

Wolfgang  AmadeusMozartnacbT.Biood. 

—  nacb  Job.  Boalo. 

—  nacb  einer  Lltbograpble. 

Edgar  Munzinger. 
Christian  Gottlob  Neefe. 
Carl  Nielsen. 
Ludwig  Nohl. 
Robert  Radecke. 
Felix  vom  Rath. 
Josef  Rheinberger. 

—  Im  Alter  von  14  Jabren. 


Joseph  August  Roeckel  (twel  Blldalaae). 

Camille  Saint-Saens. 

Emil  Scaria  mit  Namenazug. 

Karl  Franz  Emil  Schafhäutl. 
Nanette  Schechner-Waagen. 
Otto  Schelper. 
Gustav  Schoenaich. 
Wilhelmine  Schröder-Devrient 

Robert  Schumann  im  21.  u.  40.  Lebenajabre. 

—  nacb  J.  N.  Heinemann. 

—  nacb  E.  Kaiser. 

—  nacb  J.  J.  B.  Laurena. 

Anton  Schweitzer. 

Isidor  Seiss. 

Sophie  Friederike  Seyler. 

Abt  Vogler. 

Paul  Graf  von  Waldersee. 

Carl  Maria  von  Weber  mit  Namenezug. 

—  nach  Zoelner. 

—  nacb  Jfigel. 

—  nacb  Knabig. 

Joseph  Miroslav  Weber. 
Joseph  Weigl. 
Peter  von  Winter. 
Fürstin  Caroline  von  Sayn- 

Wittgenstein   als  Mldcben  u.  Im  Alter. 

Karl  Friedrich  Zoellner. 


Gruppenbilder : 

Bayreuther  Bühnenfestspiele  1906: 

Martha  Lelfler-Burckard  (Kundry)  und  Alois  Hadwiger  (Parsifal). 

Marie  Wittich  (Isolde)  und  Dr.  Alfred  von  Bary  (Tristan). 

Katharina   Fleischer  -  Edel  (Sieglinde),     Peter   Cornelius    (Siegmund)    und    Allan 

Hinckley  (Hagen). 
Berühmte  Darstellerinnen  des  Fidelio: 

Wilhelmine  Schröder-Devrient,  Luise  Koester-Schlegel,  Marianne  Brandt 

Georgine  Januschofsky,  Anna  Sachse-Hofmeister,  Fanny  Moran-Olden. 

Katharina  Klafisky,  Lilli  Lehmann« 
Eine  Matinee  bei  Liszt: 

Beriioz,  Czemy,  Ernst,  Kriehuber,  Liszt. 
Robert  und  Clara  Schumann  am  Klavier. 
Robert  und  Clara  Schuman  nach  E.  Kaiser. 
Die  Söhne  von  Robert  Schumann: 

Ludwig  Schumann,  Ferdinand  Schumann,  Felix  Schumann. 
Zu  Robert  Schumanns  Freundeskreis: 

Gottlob  Wiedebein,  Theodor  Töpken,  Ernst  Adolf  Becker. 

Henriette  Voigt,  Amalie  Rieffei,  Anna  Robena  Laidlaw. 
Zum  42.  Tonkünstlerfest  des  Allg.  Deutschen  Musikvereins,  Essen: 

Georg  Heinrich  Witte,  Otto  Neitzel,  Hugo  Kann. 

Rudolf  Siegel,  Hermann  Bischoff,  Walter  Braunfels,  Richard  Mors. 

Das  Münchener  Streichquartett:  Theodor  Kilian,  Georg  Knauer,  Ludwig  Vollnhals, 

Heinrich  Kiefer. 

Das  Essener  Streichquartett:  Alexander  Kosman,   Paul  Lehmann,  Philipp  Neeter, 

Ferdinand  Anger. 
Heinrich  und  Therese  Vogl  als  Tristan  und  Isolde. 
Richard  und  Siegfried  Wagner. 


Verschiedenes: 

Huldigungsblatt  für  Bach  von  Augustin  Carlini. 

Bach-Denkmal  in  Köthen. 

Bach-Denkmal  in  Leipzig. 

Bachs  Geburtshaus  in  Eisenach. 

Bach-Herme  am  Denkmal  Friedrichs  des  Grossen  in  der  Berliner  Siegesallee. 

Der  Stammbaum  der  Familie  Bach. 

Johann  Sebastian  Bach  in  seinem  Leipziger  Wirkungskreise. 

Bachs  Wirkungsstätten: 

Die  neue  Kirche  in  Arnstadt.    Die  St.  Blasiuskirche  in  Mühlhausen. 

Esther  Charlotte  Brandes  als  Ariadne  auf  Naxos. 

Das  Sterbehaus  F^licien  Davids  in  Saint  Germain-en-Laye. 

Das  neue  Glinka-Denkmal  in  St.  Petersburg. 

Karl  Hill  als  Alberich. 

Zur  Bühnen-  und  Konzertreform: 

Inneres  der  Kirche  S.  Annunziata  in  Florenz;  Inneres  der  Kirche  S. 
Trinitä  in  Florenz;  Kleiner  Saal  des  Konzertpalais  in  Kopenhagen. 
Skizze  zu  einer  Anlage  für  verdecktes  Orchester  von  Jean  Girette; 
Plan  der  staffeiförmigen  Anordnung  der  Orchesterpodien  im  Dessauer 
Hoftheaterorchester;  die  staffeiförmige  Anordnung  der  Orchester- 
podien im  Dessauer  Hoftheaterorchester;  Plan  des  Prosceniums  und 
der  verdeckten  Orchesteranlage  des  im  Bau  begriffenen  Charlotten- 
burger Schillertheaters. 

Entwürfe  zu  einem  Theater  am  Gendarmenmarkt  in  Berlin  von  Karl 
Friedrich  Schinkel  (zwei  Blatt);  Grundriss  des  projektierten  Münchner 
Festbaus  von  Gottfried  Semper  für  König  Ludwig  II. 
Holzmodell  des  Theaters  von  Herculanum;  das  antike  Theater  von 
Orange;  Teatro  Greco  in  Pompeji;  Teatro  Olimpico  in  Vicenza. 
Inneres  des  Festspielhauses  in  Bayreuth;  Inneres  des  Prinzregenten- 
theaters in  München. 

Franz  Liszts  Geburtshaus  in  Raidlng. 

Entwurf  zu  einem  Liszt-Denkmal  für  Weimar. 

Liszt-Karikatur:  Im  Konzertsaal. 

Pariser  Liszt-Karikatur. 

Medaillon  mit  den  Porträts  Franz  Liszts  und  Rosas  von  Milde. 

Die  Totenmaske  von  Franz  Liszt. 

Wohnstätten  Franz  Liszts: 

Letzte  Wohnstätte  in  Wien  (Schottenhof)  1886;  Wohnhaus  in  Genf  1835—1836. 

Der  neue  Mozart-Brunnen  in  Wien. 

Mozarts  Grab  auf  dem  St.  Marxer  Friedhof  in  Wien. 

Huldigungsblatt  für  Mozart  von  A.  H.  Payne. 

Das  Mozart-Medaillonrelief  aus  dem  Jahre  1788. 

Die  Komische  Oper  in  Berlin. 

Das  Geburtshaus  Josef  Rheinbergers  in  Vaduz. 

Titelblatt  zu  Hans  Sachsens  Wittenbergiseher  Nachtigall. 

KaiserL  Königl.  Schauspielhaus  an  der  Wien. 

Das  neue  Nürnberger  Stadttheater. 

Theaterzettel  der  ersten  Don  Juan-Aufführung  in  Leipzig. 

Thomaskirche  und  Thomasschule  in  Leipzig  zur  Zeit  Bachs. 

Die  Thomaskirche  in  Leipzig  in  heutiger  Gestalt. 

Tristan  und  Isolde.    Fresko  in  der  Burg  Runkelstein. 

Tristans  Tod.    Fresko  im  Frauengemach  der  Burg  Runkelstein. 

König  Marke  tötet  Tristan.    Nach  einer  Handschrift  des  15.  Jahrh. 

Eine  Wagner-Karikatur  zur  Uraufführung  der  Meistersinger  in  München. 

Das  Geburtshaus  Carl  Marias  von   Weber  in   Eutin;    Webers  Wohnung   in 
Klein- Hosterwitz. 


INHALT 


Seite 

V^olfgang  Golther,  Zur  Entstehung  von  Richard  Wagners  Tristan 3 

C.  Fr.  Glasenapp,  Richard  Wagners  Briefe  an  Freiherrn  von  Lüttichau  .   .   .    .    17.  147.  231 

Georg  Mfinzer,  Hans  Sachs  als  MusilLer 31 

Neue  Wagner-Literatur 36 

Dr.  Gustav  Altmann,   Das  42.  TonkOnstlerfest  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins 

in  Essen 47 

Leopold  Schmidt,  Robert  Schumann 75 

F.  Gustav  Jansen,  Aus  Robert  Schumanns  Schulzeit 83 

G.  N oren -Herz her g,  Robert  Schumann  als  Musikschriftsteller 100 

Hermann  Erler,  Ein  ungedruckter  Kanon  fOr  vier  Minnerstimmen  und  sechs  ungedruckte 

musikalische  Haus-  und  Lebensregeln  Robert  Schumanns 107 

F.  Gustav  Jansen,  Ein  unbekannter  Brief  von  Robert  Schumann .110 

Dr.  Richard  Hohenemser,  Clara  Wieck-Schumann  als  Komponistin 113.  160 

Conrad  Ramrath,  Das  Schumann-Fest  in  Bonn  (22.-24.  Mai  1006) 127 

Dr.  Gustav  Altmann,  Ober  Robert  Schumanns  Krankheit 130 

Neue  Schumann-Literatur     ...*.. 134 

Prof.  Otto  Schmid,  Johann  Michael  Haydn  (f  zu  Salzburg  am  10.  August  1806)     .    .    .  159 

Paul  Hirsch,  Ein  unbekanntes  Lied  von  W.  A.  Mozart 164 

Jodocus   Perger,  Aus  Josef  Rheinbergers  Leben   und  Schaffen.     Nach   persönlichen  Er- 
innerungen sowie  nach  bis  jetzt  unveröffentlichten  Dokumenten  .    .    .    .   «     203.  308.  376 

Ernst  Otto  Nodnagel,  ConsUnz  Bemeker  (f  am  9.  Juni  1906) 222 

Dr.  Carl  Hagemann,  Bayreuth  1906 244 

» 

J.  G.  Prod'homme,   F61icien  Davids  Reise  nach  Deutschland  (1845).     Ungedruckte  Briefe  275 

Dr.  Maximilian  Runze,  Carl  Loewe  und  die  Vogelwelt 295.  353 

Dr.  Victor  Lederer,  Musikdramatische  Festspiele  bei  den  alten  Barden.    Eine  historische 

Skizze 347 

A.  von  Ende,  Die  Musik  der  amerikanischen  Neger 368 

Eugen  Gura,  Erinnerungen  aus  meinem  Leben 390 

Bernard  Scharlitt,  Das  Musikfest  in  Salzburg  (14.— 20.  August  1906) 395 


Besprechungen  (BQcher  und  Musikalien) 36.  134.  174.  248.  324.  397 

Revue  der  Revueen      53.  179.  253.  329.  406 

Umschau .    .    .  56.  1 82.  257.  33 1 .  412 

Anmerkungen 71.  139.  200.  272.  344.  415 


BrflDD     .   .  . 

Cobujf  .    .  . 

Frankfurt  ■.  M. 

Gotha     .    .  . 

Aachen  .   .    . 

Amaterdam 
Antwerpen 
Baden-Baden 
Baltimore  .  . 
Boiton  .  .  . 
Braunsctaweig 
Bremen  .  .  . 
Bromberg  .    . 

BrOaael  .   .  . 
Clnclnnatl 

Cobure  .   .  . 

Darmnadt  .  . 

Deaaau   .   .  . 

Dortmund  .  . 


INHALT 

Kritik  (Oper) 

Seile 

KOIn 60.  187.  263 

Leipzig 168 

MOncben ISS 

NQmberg ISO 

Kritik  (Konzeit) 

Sdie 

Erfurt 63 

Flenaburg 267 

Freiburg  i.  B 267 

GleascD 267 

GftrHiz 193 

Gotha 337 

Graz 64 

Halle  a.  S 64 

Hannover 65 

Jena 338 

Jobaaneiburg 195 

Kaaael 65 

Klei 195.  268 

KKIn 270 

Königsberg  1.  P.  .   .    .    .  196 

UIpzig 196 

London 197 


Sdn 

Paria 263 

Rio  Grande  do  Sul .   .    .334 

Straaaburg 264 

Wdmar 264 

Siltt 

LObeck 198 

Luzem IM 

Mainz 65.  199 

Mancbeater 66 

Neuenburg 66 

Pari« 339 

Prag 68 

Rio  Grande  do  Sul .   .   .271 

Schwerin 69 

Speyer    340 

Stockholm 341 

TepilU-ScbOoau     ....    69 

Tatnguu 271 

VIesbaden 69 

Torma 70 

Zwlckan 342 


NAMEN-  UND 
SACHREGISTER 

ZUM  III.  QUARTALSBAND7DES^FÜNFTEN 
JAHRGANGS    DE.R    MUSIK   (1905/6) 


Abendroth,  Irene,  418. 

Abendroth,  Mix,  181. 

Abendroth,  Kpm.,  254. 

Abt,  Elisabeth,  184.  198.  413. 

Ackt«,  ATno,  70.  71.  121.  273. 

Adam,  Adolphe,  184. 

Adrian,  Lotte,  201. 

Affemi,  Ugo,  71. 

d*Agoult,    Gräan,   43.    44.    07. 

136  (Bild). 
Alabieff,  Alexander,  420. 
Albert  v.  Monaco,  FOrst,  188. 
d' Albert,  Eugen,  32.  67.  68.  71. 

120.  122.  128.  120.  131.  165. 

184.  202.  205.  276.  280.  347. 

348.  395.  417. 
Albrecht,  Markgraf  v.  Branden- 
burg, 400. 
Alexander,      Grossherzog     v. 

Sachsen  -Weimar  -  Eisenach, 

181. 
V.  Alitisz,  Alexander,  384.  385. 
Althof  382. 

Altmann-Kuntz,  Margarete,  278. 
Altschuler,  Modest,  203. 
Alvarez  (Sänger)  273. 
Amati,  Nicolaus,  394. 
Ambros,  A.  W.,  183.  384. 
Ancona  (Singer)  133. 
Andersen,  H.  Chr.,  30.  124.  342. 
Andersen,  Joachim,  200. 
Andersen,  Wilhelm,  160. 
Andersen,  Frau  (Sängerin),  256. 
Andrae,  Harald,  196. 
Andr«,  Johann,  302.  384. 
Andres,  Edeltraut,  415. 
Ang6  de  Lassus,  Lucien,  186. 
Angove,  Ivy,  68. 
Ankenbrank  (Sänger)  423. 
Anselmi  (Sänger)  66. 
Ansorge,  Conrad,  205. 
Anton,  Max,  413. 
Apel,  Job.  Aug.,  321. 
Arctowska,  Jane,  68. 
Arensky,   Anton,    68.  70.    134, 

421. 
Arger,  Jane,  127. 
Armbrust,  Walter,  127. 
Arndt,  E.  M.,  179. 
V.  Arnim,  Achim,  312. 
V.  Arnim,  Bettina,  253. 
Arnoldson,  Sigrid,  66.  189. 


Arntzen,  Antoinette,  395. 
Aronson,  N.,  424. 
d'Artelli,  Regina,  196. 
Aschaffenburg,  Alice,  351. 
Auber,  D.  F.  E.,  184.  187.  188. 

341.  349.  376. 
V.  Auer,  Leopold,  131.  201. 
Aulin,  Tor,  202. 
Austin,  Frederick,  132. 
Auzende  (Komponist)  133. 
Bach,  Job.  Seb.,  12.  35.  57.  63. 

67.  68.  70.   75.   80.  81.    84. 

85.  86.  88.  89.  98.  129.  141. 

142.  144.  148.  150.  152.  153. 

156.  169.  172.  195.  198.  199. 

201.  277.  278.  315.  345.  346. 

350.  395.  396.  410.  417.  418. 

419.  420.  422. 
Bach,  J.  Chr.,  198. 
Bach,  Otto,  386. 
Bach- Verein  (Leipzig)  420. 
Back,  Bürgermeister,  278. 
Backhaus,   Wilhelm,    133.  199. 

200. 
Baggesen,  Jens,  334.  388. 
Ballet,  Adeline,  126. 
Balakirew,  Mili,  106. 
Ballio,  Anna,  127. 
Bändel,  Theodore,  69. 
Bandrowski,  Alexander,  186. 
Banasch,  Richard,  185. 
Banger  Nachf.  207. 
Barbaja  (Impresario)  22.  288. 
Barbier,  Jules,  416. 
Barcewicz,  Stanislaw,  201. 
Barck,  Cornelius,  119. 
Bardazewska  172. 
Bärmann,  H.  J.,  299.  318. 
Bamay,  Lola,  206. 
Bartei,  Lucile,  133. 
Bartram,  Robert,  65.  414. 
Barzewitsch,  Stephan,  134. 
Bassermann,  Florence,  113. 
Bassermann,  Fritz,  113. 
Bassi  (Sänger)  186. 
Batka,  Richard,  114.   191.  248 

249.  252.  347. 
Battistini  (Sänger)  66. 
Batz,  Reinhold,  415. 
Bau  berger,  Alfred,  191. 
Bauer,  Louis,  419. 
Bauer,  Paula,  192. 


Baumbach,  Rudolf,  179. 
Beaumarchais,  Pierre  Augustin, 

116.  117.  274. 
Bechsteio,  C,  394. 
Becht,  Ella,  200. 
Becker,  Hugo,  349.  409. 
Becker,  Reinhold,  129. 
Beckmann,  Gustav,  154.  213. 
Beeg,  George,  118. 
van    Beethoven,  Johann,    355. 

366.  367. 
van  Beethoven,  Karl,  362.  364. 

366.  368. 
van  Beethoven,  Ludwig,  12.  15. 

20.  22.  24.  49.    50.    67.    68. 

70.   71.   98.    104.    125.    126. 

127.  128.  129.  130.  131.  133. 

134.  135.  136.  194.  195.  196. 

197.  198.  199.  200.  201.  202. 

204.  205.  206.  207.  212.  256. 

262.  276.  279.  289.  312.  313. 

315.  319.  322.  330.  342.  349. 

351.  355  ff  (14  bzw.   15  un- 
gedruckte   Briefe    B.*s).   373. 

378.  388.  392.  396.  397.  417. 

418.  421.   422.   424  (Bilder). 
Behm,  Eduard,  205. 
Behn6e,  Harriet,  423. 
Behr,  Hermann,  417. 
Beidler,  Franz,  134. 
Beier,  Franz,  65.  414. 
Beines,    C,  200. 
Beines,  Martha,  194.  419. 
de  Bellaille  (Pianistin)  22. 
Bellini,  Vincenzo,  122. 
Bellwidt,  Emma,  194. 
Bender,  Paul,  191. 
Benedikt,  J.,  376.  390. 
Berard,  Helene,  70. 
Berber,  Felix,  201. 
B6r61,  Paul,  188. 
Berger,  Albrecht,  415. 
Berger,  Wilhelm,  200. 
Bergman,  Gustav,  205. 
Berliner    Madrigal -Vereinigung 

205. 
Berliner    Musikalien- Druckerei 

393. 
Berliner  Vokalquartett  417. 
Berlioz,  Hector,  4.  5.  6.  56.  65. 
70.  71.96.98.  133.  135.  194. 
198.  199.  202.  203.  207.  212. 


fl 


NAMENREGISTER 


250.  276.  284.  312.  349.  396. 

417.  421.  422. 
Berneker,  Constaotin,  131. 
de  Berry,  Herzogin,  16.  17. 
Berthold  (Kammermusiker)  64. 
Berton  414. 

Bertram,  Theodor,  116.  195. 
Berwald,  Franz,  419. 
V.  Beyer,  Dr.,  361.  362. 
Beyle,  L6on,  123. 
Bibl,  Rudolf,  115. 
Kgl.  Bibliothek  {Berlin)  396. 
Kgl.  Bibliothek  (Breslau)  396. 
Kgl.  Bibliothek  (Jena)  396. 
Bie,  Oskar,  417. 
V.  Biegeleben  41. 
Bigot  de  Morogues,  Marie,  356. 
Birrenkoven,  Willy,  415. 
BischofT,  Hermann,  260. 
Bischoir,  Johannes,  347. 
V.  Bismarck,  Otto,  247. 
Bizet,  Genevi&ve,  188. 
Bizet,  Georges,    114.  131.  187. 

188.  279.  416. 
Bizet,  Jacques,  188. 
BJOmton,  BjOmsteme,  350.  408. 
Blahetka,  Leopoldine,  21. 
Blank,  Viktoria,  181. 
V.  Blankensee,  Graf  Karl,  335. 
Blanquart  277. 
Blass,  Robert,  412. 
Blech,  Leo,  204.  347.  413. 
Kgl.     Blindenanstalt     (Steglitz) 

394. 
BlOchlinger  365.  366. 
Blockx,  Jan,  185. 
Blumenfeld,  Felix,  134. 
Biathner,  Julius,  113.  394. 
Boccherini,  Luigi,  325. 
V.  Boehe,  Arthur,  212. 
Boehm,  Adolf  P.,  419. 
Boehm-van    Endert,    Elisabeth, 

419. 
Boeiy,  A.  P.  F.,  150. 
BoCllmann,  L6on,  150. 
Boepple,  Paul,  180.  420. 
Böhm,  Anna,  127. 
Böhm,  Julius,  114. 
Bohn,  Emil,  104. 
Bolto,  Arrigo,  186. 
Boieldieu,  F.  A.,  185.  341. 
Bolz,  Oskar,  348. 
Bondi,  Georg,  45. 
Bonnemaison  (Musik vertag)  23. 
Bopp,  W.,  351. 
Bopp-Glaser,  Auguste,  68. 
Borchard,  Adolphe,  133. 
V.  Bordeaux,  Herzog,  17. 
le  Borne,  Fernand,  132. 
Boronat,  Olympia,  66. 
V.  Bortkiewicz,  Sergei,  127.  205. 
Borullau,  Alft^,  416. 
van  Bos,  Coenrad,  68.  197.  204. 
Bossi,  Enrico,  192.  201.  207. 


Bosetti,  Hermine,  191.  198. 
Bosquet  (Pianist)  128. 
Bote  &  Bock  393. 
Boucherit,  Jules,  200. 
Bouman,  Anton,  115. 
Bouvet  (Sanger)  188.  189. 
Bovy,  A.,  72. 
Braham,  John,  352. 
Brahms,  Johannes,  38.   67.  68. 

69.  71.  112.    113.    125.    126. 

131.  133.  134.  170.  194.  196. 

197.  198.  199.200.  201.202. 

203.  204.  205.  206.  207.  208. 

(Bild).    249.   275.    277.    278. 

279.  341.  346.  349.  396.  397. 

410.  417.   418.  422.  423. 
Brahms-Gesellschaft,    Deutsche, 

346. 
Bram    Eidering    70.    130.    131. 

418. 
Brandenberger,  Ernst,  194. 
Brandes,  Friedrich,  129. 
Brandes,  Helene,  120. 
Brandt,  Karoline,  283.  318.  319. 

320. 
Brandt,  G.  A.,  154. 
Braunfels,  Walter,  280. 
Brause,  Hermann,  126.  203. 
Brehme  (Singer)  20. 
Breitenfeld,  M.,  273. 
Breitenfeld,  Richard,  65. 
Breithaupt,  Rud.  M.,  95. 
Breitkopf  &  Hftrtel   15.  31.  47. 

48.    56.    95.    97.    344    (Mit- 
teilungen No.  85).    356.  357. 

358.  360.  384.  386.  393. 
Brema,  Marie,  127.  128. 
V.  Brenner,  Genofeva,  313. 
Brentano^  Clemens,  312. 
Brentano,  Maximiliana,  370. 371. 
Bret,  Gustav,  153. 
Breuer  334. 
Breuer,  Hans,  274. 
Breuster  (Eisenstadt)  19. 
Br^val,  Lucienne,  273.  276. 
Briesemeister,  Otto,  195. 
Brinkmann,  Rudolf,  120. 
Brockhaus,  F.  A.,  399. 
Brode,  Max,  131. 
Brodersen,  Anne  Marie,  158. 
Brombaro  (Sftnger)  66. 
Bromberger,  David,  70. 
Bruch,  Max,  68.  134.  417. 
Bruch,  Wilhelm,  422. 
Brflckler,  Hugo,  106. 
Brückner,  Anton,  130.  134.  198. 

199.  202.  204.  205.  206.  207. 

212.  236.  249.  422. 
Brucks,  Otto,  114. 
Bruneau,  Alfred,  127.349. 
Brunetti,  Therese,  319. 
Brflnner,  Marianne,  69. 
Branner,  Steffi,  69. 
van  der  Bruyn  417. 


Buf«  125. 

Buff-Hedinger,  Emilie,  206. 

Buchholz  &  Diebel  386. 

Bflcbmann,  Georg,  382. 

Buisson  (Singerin)  71. 

V.  Baiow,  Hans,  31.  45.  51.  56. 

102.  103. 
Bflnte,  Charles,  69. 
Burchard,  Gustav,  409. 
BQrde-Ney,  Jenny,  208  (Bild). 
Burg-Zimmermann  192. 
Bürger,     G.    A.,    382  fr   (B.s 

.Lenore*  in  der  Musik).  390. 

401. 
Burgstaller,  Alois,  412. 
Burmester,  Willy,  128.  131.  192. 

200.  201.  202.  204.  205. 
Burrian,  Carl,   131.    181.    184. 

198. 
Busoni,  Ferruccio,  32.  127.  133. 

207.  396. 
V.    Bylandt-Rheydt,    Reichsgraf 

Wilhelm,  181. 
Byron,  Lord,  97.  370. 
Caballero,  M.  F.,  64. 
Cabisius,  Arno,  181. 
CicUienverein  (Kopenhagen)  4 1 9. 
Cahier,  Mme.,  66.  71.  416. 
Cahnbley  -  Hinken,    TiUy,    417. 

419. 
Cahn-Poft  351. 
de  Camondo,  Isaac,  273. 
Capoul,  Victor,  273. 
Cari6n,  Friedrich,  351. 
Carii  et  Co.  299. 
Carr6,  Marguerite,  189. 
Carr6,  Michel,  348. 
Carrefio,    Teresa,  32.  67.   132. 

197.  198.  205.  395. 
Caruso,  Enrico,  122.  412. 
Carvalho  188. 

Casals,  Pablo,  70.  128.  278. 
Casella,  Komponist,  277. 
Cassirer,  Fritz,  116. 
Castelli,  Ignaz,  334.  387. 
Cavalieri,  Lina,  66.  186. 
Cavaill6-CoU,  Aristide,   78.  86. 

88.  139.  140.  141.  143.  144. 

145. 
Chalmin  (Singer)  188.  189. 
Chantavoine,  Jean,  18. 
Charrier,  Alice,  126. 
Chassang,  Marthe,  189. 
du  Chastein  (Pianist)  128. 
Chausson,  Emeste,  134.  422. 
Chauvet,  Ch.  A.,  150. 
Chemet,  Rente,  130. 
Cherubini,  Luigi,  71.  201.  206. 

224. 
Chessin,  Alexander,  421. 
Chestakoff,  Ludmilla,  115. 
Chevillard,  Camille,  132.  133. 
V.  Ch6zy,   Helmina,    288.   289. 

322. 


NAMENREGISTER 


III 


Chodakowakl  (Oberregisseur)  67. 

416. 
Choisy,  Frank,  158. 
Chopin,  Frederic,  36.  38.  60.  71. 

08.  00.   135.   160.    108.  312. 

376.  306.  307.  410. 
Cboudena,  Paul,  188. 
Christian  IX.,  König,  200. 
Christianaen,  Binar,  158. 
Cicero,  Marcua  Tulliua,  283. 
Cimaroaa,  Domenico,  341. 
Clemens  (Maurermeister)  113. 
Clement  (Sänger)  180. 
Clement!,  Muzio,  21. 
Clericus,  Paul,  201. 
Closaon,  Emest,  168. 
Coates,  John,  104. 
Cohen,  Msgr.,  410. 
Collin,  Paul,  188. 
Colonne,  Edouard,  71.  132.  133. 

103.  277. 
Concordia   (Essener   Minnerge- 
sangverein) 214. 
Conrat,  Ilse,  208. 
Conrat,  Hugo  Johannes,  115. 
Conried,    Heinrich,    122.    123. 

412. 
Cornelius,   Peter,  56.   60.   115. 

120.  183.  185.  106.  108.  202. 

204.  284.  341.  413. 
Cornelius,  Peter  (Singer),   185. 
Cortot,  Alfred,  60.  200. 
Cossmann,  Bernhard,  58. 
Courvoisier,  Walter,  262.  417. 
Cowen,  F.  H.  132.  108. 
Cramer,  Joh.  Bapt,  21. 
Crickboom,  Matthieu,  128. 
dela  Cruz-FrOlich,  Louis,  70.  71. 
Culp,  Julia,  68.  133. 
de  Cussy,  Chev.  Ferd.,  335. 
Czemy,  Carl,  15.  20.  20. 
Dallier  (Organist)  153. 
Damroscb,  Frank,  422. 
Danhauser,  Josef,  136. 
Danielson,  Gerda,  60. 
Danzi,  Franz,  316.  317.  301. 
David,  Ferdinand,  166. 
DavidofT,  Carl,  58.  106. 
Davies,  Fanny,  132. 
Debussy,  Claude,  123.  130.  133. 

204.  340. 
Dechert,  Hugo,  70.  204. 
Decker,  Jakob,  120. 
Decsey,  Ernst,  252. 
Degen,  Franz,  102. 
Dehmlow,  Hertha,  120. 
Dehn,  Otto,  113. 
Delibes,  L«o,  341.  416. 
Delius,  Frederik,  280. 
Delmas,  J.  Fr.,  273.  274. 
Demelius,  Margarete,  386. 
Demellier  (Singerin)  124. 
Demmler,  Carl,  120. 
Demuth,  Leopold,  202. 


Dennery,  Mathilde,  415. 
Dessa  (Singer)  124. 
Dessoir,  Max,  102. 
Destinn,  Emmy,  127.  184. 
DIabelli,  Anton,  24.  363. 
Dickenson,  Mary,  126. 
Di6mer,  Louis,  277. 
Diener,  Fritz,  413. 
Dierich,  Karl,  68.  105. 
Dietrich,  Karl,  184.  418. 
Dietrich,  Marie,  117. 
Dietz,  Johanna,    70.   131.    104. 

100. 
Dietz,  M.,  348. 
Ditfurth  383. 

V.  Dittersdorf,   Frhr.  Karl,  341. 
Doebber,  Johannes,  70. 
Doenges,  Paula,  347. 
Doepper-Fischer,  Karoline,  107. 
Doering,  Ciaire,  120. 
DOhler,  Theodor,  20. 
V.  Dohnanyi,  Ernst,  71. 200. 400. 

410.  423. 
Dohrn,  Georg,  417. 
Doli,  Emmy,  127. 
Dolores,  Antonla,  107. 
Doninger,  Lina,  110. 
Donizetti,  GaCtano,  122.  341. 
DOrflfel,  Alfired,  47. 
Dorner  (Dirigent)  423. 
Dorr6,  Thea,  412.  415. 
Dotzauer,  Friedrich,  58. 
Drachmann,  Holger,  150. 
Draeseke,  Felix,  56. 
Drieberg,  Kammerherr,  318. 
Dröscher,  Georg,  117. 
Dubois,  Theodore,  153. 
Dulong,  Henri,  131. 
Dulong,  Magda,  131. 
Dumas,  Alexandre,   136  (Bild). 
Duncan,  Isadora,  71. 
Dupuis,  Sylvain,  65.  128. 
Durand,  Ed.,  150.  151. 
Durand-Schott  (Verleger)  151. 
DQrer,  Albrecht,  142. 
V.  Dusch,  Alexander,  317.  321. 

300. 
DQwell,  Werner,  60. 
DvoHk,  Anton,  60. 71.  126.  108. 

200.  422. 
van  Dyck,  Ernst,  186.  277. 
Dygas  (Singer)  67.  416. 
Eames,  Emma,  412. 
Eberlein,  Gustav,  180. 
Eberwein,  Carl,  385. 
Eck,  Hermann,  102. 
Eck  &  Co.  44. 
Eckermann,  J.  P.,  288. 
Eckman,  Ida,  270. 
Eckschllger,  August,  333. 
Edger,  Louis,  60. 
Egidi,  Arthur,  154. 
Ehlers,  Paul,  251.  252. 
Ehrhard,  Ed.,  413. 


Eichberger,  Walther,  413. 
Eichler,  Hanns,  348. 
Eilenberg,  Richard,  303. 
Eisenberger,  Severin,  120. 
Eisner,  Bruno,  133. 
Ekeblad,  Marie,  117. 
Eliot,  George,  136. 
Engelen  (Regisseur)  65. 
Engelmann,  Th.  W.,  113. 
Englerth,  Gabriele,  102. 
Enna,  August,  342. 
Epp,  R.,  108. 
Erard,  S6bastien,  35.  400. 
Erb,  M.  Jos.,  270. 
Erckert,  C,  131. 
Erckmann-Chatrian  123. 
Erdmann -Jesnitzer,     Friedrich, 

400. 
Erianger,  Camille,  123  (»Aphro- 
dite". UraufTflhrung  in  Paris). 

124.  277. 
Frier,  Clara,  68. 
Ernst,  H.  W.,  68.  108. 
Ernst- Ludwig,     Landgraf    v. 

Hessen- Darmstadt,  308. 
Essener  Frauenchor  213. 
Essener  Musikverein  212. 
Essener  Quartett  213. 
Esterhazy,  Fürst,  15. 
Ethofer,  Rosa,  126. 
Ettelt,  O.,  70. 
Eugen,    Prinz   v.  WOrttemberg, 

316. 
Ewald,  Otto,  115. 
van  Eweyk,    Arthur,    106.  205. 

206. 
Fabricius,  Jacob,  410. 
Fajt  (Eisenstadt)  10. 
Faliero-Dalcroze,  Nina,  100. 
Faltin,  Richard,  115. 
Farrar,  Geraldine,  186.  187. 180. 

274. 
Faur6,  Gabriel,   133.   153.  277. 
Fauth,  Albert,  204. 
Fay,  Amy,  31. 
Federlin  208. 
Fein,  Antoine,  113. 
Felix,  Bened.,  274. 
Fenten,  Willy,  351. 
Ferdinand,  Grossherzog  v.  Tos- 

cana,  208.  200. 
Fesca,  F.  E.,  313. 
F6tis,  F.  J.,  56.  06. 
Feuillard,  L.  R.,  58. 
Fiblch,  Zdenko,  417. 
Fiebiger,  Erna,  185. 
Fiedler,  Max,  130. 
Fiedler,  Oskar,  110. 
Fiegner  (Singer)  66. 
Field,  John,  08. 
Finck,     Henry    T.,     168.     160. 

346. 
Finger  (Singerin)  416. 
Fink,  G.  W.,  318. 

I^ 


IV 


NAMENREGISTER 


Finkenstein,  Jettka,  417. 
Fischer,  A.,  310. 
Fisclier,  Jenny,  110. 
Fischer,  Richard,  125.  417. 
FIscher-Zeitz  131. 
Fiteiberg,  Georg,  124.  423. 
Fitger,  Arthur,  117. 
FUdnitzer,  Luise»  348. 
Flatau,  Dr.,  254. 
Flaubert,  Gustave,  123. 
Fleisch,  Prof.,  276. 
Fleischer,  Oskar,  306. 
Fleischer-Edel,    Katharina,    126. 
Flesch,  Carl,  171. 
Flemming,  Dr.,  310. 
Flockenhaus,  Ewald«  104. 
Flohr,  Hubert,  351. 
Floresco,  Silvio,  68. 
FlOring,  D.,  408. 
T.  Flotow,  Frhr.  Friedrich,  122. 

341.  412. 
V.  FOdransperg,  Nellie,  127. 
Foerstel,  Ludwig,  68. 
Foerster,  Anton,  418. 
Forchhammer,    E]nar,    64.    65. 

184. 
la  Forge,  Frank,  205. 
Forkel,  Joh.  Nikol.,  312. 
Förster,  Charles,  277. 
Förster,  Friedrich,  335.  380. 
Förster,  J.  B.,  421. 
Förster,  Karl,  300. 
Förster -Lauterer,    Hertha,    274. 

275. 
V.  Fossard,  Alfred,  100. 
Franck,    C6sar,    84.    128.    133. 

140.  150.  153.  180.  103.  108. 

200.  205. 
Fraenkel  (Sängerin)  416. 
Francillo  -  Kaulfmann,    Hedwig, 

305. 
Franke,  Fr.  Wilh.,  154.  351. 
Franz,  Robert,  08. 
Franz  Josef  I.,  Kaiser,  181. 
Fremstad,  Olive,  412. 
Freudenberg,  Gflnther,  60. 
Frich6,  Ciaire,  123. 
Fried,  Oskar,  125. 
Friedberg,  Carl,  135. 
Friedlaender,   Max,     113.    346. 

306. 
Friedmann,  Ignaz,  133. 
Friedrich  der  Grosse  306. 
Friedrich,   Herzog  von  Anhalt, 

64.  181. 
Friedrich  August  L,  König  von 

Sachsen,  310. 
Friedrich   Wilhelm,    Prinz   von 

Preussen,  302. 
Friedrich  Wilhelm   IV.,    König, 

371. 
Frischen,  Josef,  70. 
Fritsch,  Grete,  60. 
Frodl,  Dirigent,  270. 


Fröhlich,  Alftvd,  120. 
Fröhlich,  Franz  Joseph,  206.  207. 

208.  300.  301. 
Fromm,  Mathilde,  205. 
Fuchs,  Albert,  120. 
Fuchs,  Kpm.,  10. 
Fuchs  (Eisenstadt)  10. 
V.  Fulda,  Adam,  300. 
Füller  Maitland,  J.  A.,  105. 
Funger,  Max,  120. 
Gabrilowitsch,  Ossip,   71.    124. 

205. 
Gade,  Niels  W.,  157.  200. 
Gadski,  Johanna,  205. 
Gafurius,  Franchinus,  300. 
Galfy,  Hermine,  60. 
Galkin,  Nikolaus,  410. 
Galston,  Gottfried,  205. 
Galvany  de  Tejada,  Maria,  66. 
Gftnsbacher,  Joh.  B.,  207.  200. 

317.  300. 
Ganz,  Rudolph,  128. 
Garcia,  Manuel,  166. 
Garden,  Mary,  123. 
Gareis,  Josef,  121. 
Gast,  Peter,  167. 
Gaston,  Luddy,  110. 
Gatty,Nicholas,122(9Greysteel'. 

Uraufföhrung  in  Sheffield). 
Gatty,  R.,  122. 
Gausche,  Hermann,  100. 
Gauthier,  Th6ophile,  31. 
G6dalge  (Komponist)  133. 
Gehlhar  &  Co.  303. 
Gehrer,  Gisela,  101. 
Geis,  Josef,  101. 
Geist,  W.,  278. 
Gelinek,  Josef,  330. 
Geller- Wolter,  Luise,  131.  105. 
Genast,  Emilie,  51. 
Gentili,  A.,  424. 
Genossenschaft  Deutscher  Ton- 
setzer 181. 
Gentner,  Karl,  120.  273. 
Gentz,  A.,  126. 
Gerber,  E.  L.,  325. 
Gerhardt,  Paul,  108.  408. 
Gericke,  Wilhelm,  180.  203. 
Gern  (Bassist)  335. 
V.  Gerstenberg,  H.  W.,  380. 
Gessner  184. 
Gevaert,  F.  A.,  168.  260. 
Geyer,  Stefi,  202. 
Gigout,    Eugftne,  80.    82.    146. 

140.  150.  151. 
Gille  43. 

Glaser  (Cellist)  120. 
Glass,  Louis,  200.  257.  280. 
Glassbrenner,  Adolf,  53. 
Glazounow,  Alexander,  131. 106. 

203.  421.  433. 
V.  Glehn,  Alflred,  114.  127. 
Glinka,  Michael,   115.  124. 
Gluck,  Chr.  W.,    10.  40.   102  ff 


(Nochmals  G.'s  Ouvertflre  zu 

«Paris    und    Helena**).    135. 

160.  184.  301.  370. 
Godowsky,  Leopold,  32.  205. 
Goethe,    Wolfgang,    7.'  8.  44. 

55.  08.    126.    160.   170.  247. 

288.     200.    320.    358.    350. 

360. 
Goethe,  Frau  Rath,  253. 
Goette,  Eduard,  60. 
Goetz,  Hermann,  117.  135.  341. 

347. 
Goetze,  C,  304. 
Goetze,  Elisabeth,  60. 
Goetze,  Marie,  184.  105. 
Goetzel,  Anselm,  101. 
Göhler,  Georg,  131. 
Goldenweiser,  S.,  421. 
Goldmark,  Karl,  122.  101. 
Goldoni,  Carlo,   118.  110.  100. 
Göllerich,  August,  31.  05.  06. 

07.  202.  384. 
Gonzenbach,  C,  72. 
Goritz,  Otto,  412. 
Gorski,  Ladislas,  200. 
Gorter,  Nina,  411. 
Göttmann,  Adolf,  302. 
Gounod,  Charles,  121.  108.270. 

416. 
Grabert,  Martin,  125.  127. 
de  Gramont,  Louis,  123. 
Graue,  Emmy,  108. 
Graupner,  Christoph,  308. 
Grawert,  Martin,  180.  203. 
Gregor,  Hans,  272. 
Gr6try,  A.  E.  M.,  203.  341. 
Grieg,  Edvard,  67. 150. 168. 160. 

171.  200.  204.  350.  422. 
Grillparzer,  Franz,  280. 
Grimm,  Heinrich,  108. 
Grimm,  J.  O.,  203. 
Grisi  (Konzertmeister)  200. 
Grombczewski,  A.,  185. 
Grondona,  Emma,  120. 
Grosch  (Singer)  418. 
Gross,  Rudolf,  102. 
Grotrian-Steinweg  Nf.  304. 
Grove,  George,  332. 
Grumbacher  de  Jong,  Jeannette, 

105.  106.  100.  205. 
GrQnfeld,  Alfired,  306. 
Grflnfeld,  Heinrich,  68. 
Grflning,  Wilhelm,  117. 
Grflnwald,  Joseflne,  1 10. 
Grunzow  (Singerin)  412. 
Gruseln,  Fritz,  185. 
Grflters,  August,  276. 
Grfltzmacher,  Friedrich,  64.  130. 

131.  108.  418. 
Guarnerius,  Jos.,  304. 
Gubitz,  Friedr.  Wilh.,  310.  334. 
•  335.  388.  380.  300. 
Guidi  (Impresario)  66. 
Guilmant,  Alexandre,  70.  80. 82. 


NAMENREGISTER 


84.  130.  147.   140.  150.  151. 

152.  153.  108. 
Gulbnmson,  Ellen,  200. 
GundUch,  Georg,  60. 
Gunsbourg,  Raoul,  65.  186.  187. 

188.  180. 
Günther,  A.,  105. 
Gflnther,  Martha,  418. 
Gura,  Hermann,  126.  204.  348. 

350. 
Gflnenich-Quartett  130.  240. 
Guthell-Schoder,  Marie,  101.274. 
Gutzmann,  Dr.,  182. 
Haagen,  Hans,  182. 
Haakon,  König,  64. 
de  Haan  -  Manifarges,    Pauline, 

420. 
Haas,  Fritz,  278. 
Haas  (Verleger)  384. 
Hacke,  Heinrich,  303. 
Hickel,  Fritz,  351. 
Hackenberger,  Oskar,  204. 
Hadley,  H.,  422. 
Hagemann,  Carl;  114.240.261. 

416. 
Hagen,  Adolf,  418. 
Hagin,  Heinrich,   102. 
Hahn,  Hermann,  72. 
Hahn,  Reynaldo,  133.  276. 
Hlhnel,  Otto,  408. 
Haindl,  August,  422. 
V.  Haken,  Max,  120. 
Halir,  Carl,  204. 
Hall,  Mary,  120. 
Hall«-Orchester  107. 
Hamann,  Hugo,  201. 
Hamelle  (Verleger)  152.  153. 
Hamm,  A.,  270. 
Hammer  (Dirigent)  240.  252. 
Hammerstein,  Oskar,  122.  123. 
Händel,  Georg  Friedrich,  57. 105. 

151.  106.  100.  200.  203.  204. 

213.  351.  306.  421.  422. 
Hansen,  Christian,  60.  110. 
Hansen,  Wilhelm,  158. 
Hanslick,  Eduard,  183.  415. 
Härder,  Knud,  208. 
Harlacher,  August,  348. 
Hartmann,  Ludwig,  352. 
V.  Hartmann,  Hofrat,  208.  200. 

301. 
Haslinger,  Carl,  47.  48.  51. 
Haslinger,  Tobias,  47.  371.  372. 
Hasse,  Joh.  Ad.,  57. 
Hasselmann,  Direktor  278. 
Hassler,  Hans  Leo,  104. 
Hauff,  Wilhelm,  170. 
Hang,  Friedrich,  301. 
Hauptmann,  Moritz,  166. 
V.  Hausegger,  Siegmund,  63.  70. 

114.  130.  207.  275. 
V.  Haxthausen,  William,  110. 
Haydn,  Joseph,  10.  20.  24.  26. 

67.    68.   71.    105.    125.    135. 


172.  204.  213.  315.  342.  374. 

376.  307. 
Haydn,  Michael,  314.  315. 
Haydter,  Alexander,  274. 
Hayot-Quartett  133. 
Hebbel,  Friedrich,  127.  206. 
Hecklng.  Lilli,  423. 
Heermann,  Emil,  340. 
Heermann,  Hugo,  340.  400. 
Hegar,  Friedrich,  112.  113. 164ff 

(F.  H.).  270.  350.  302.  410. 

418.  420. 
Hegel,  G.  F.  W.,  53. 
Hehemann,  Max,  240.  250.  251. 
Heilbut,  Emil,  424. 
Heine,  Heinrich,  31.  170. 
Heinemann,  Alexander,  68.  125. 

105.  201. 
Heinrich,  Max,  107. 
Heinrichshofen,  Adalbert,  64. 
Heise,  Peter,  348. 
Hekking,  Anton,   107.  202. 
Heibig,  Laura,  133. 
Hell,  Theodor,  337. 
Heller,  Am6Iy,  108. 
Heller,  Ludwig,   185. 
Heller,  Stephen,  408. 
Hellers  Konservatorium  304. 
Helstedt,  Gustav,  410. 
Hempel,  Frida,  205.  351. 
Henikstein  &  Co.  368. 
Henke,  Waldemar,  120. 
Henrichsen,  Roger,  410. 
Henschen,  F.,  120. 
Hensel-Schweitzer,  Elsa,  65. 273. 
Henselt,  Adolf,  36. 
Herder,  Joh.  Gottfr.,  332.  382. 

383. 
Hering,  Richard,  100. 
Herliczka,  Josa,  106.  201. 
Hermes,  Renata,  350. 
Herold,  Wilhelm,  116. 
Herper,  Frieda,  414. 
Hermann,  Daniel,  278. 
Herrmann,  David,  133. 
Herrmann,  Gustav,  131. 
Herrmann,  Karl,  201. 
Herrmann,  W.,  108. 
Hertz,  Alfred,  412. 
Hertz,  Edmund,  133.  277. 
Herbert,  Victor,  180. 
Herwegh,  Georg,  43.  44. 
Herzog,  Emilie,  105. 
V.  Herzogenberg,  Heinrich,  170. 
Hess,  Ludwig,  67.  204. 205. 207. 

417. 
Hesse,  Ad.  Friedr.,  76.  151. 
Hesse,  Helene,  412. 
Hesse,  Max,  102. 
Heuberger,  Richard,  118.  416. 
Heuser,  Karl,  64.  420. 
Heuschkel,  J.  P.,  314. 
Heydrich,  H.,  135. 
Hiedler,  Ida,  417. 


HIelscher,  Hans,  417. 

Hiemer  (Librettist)  3 1 6. 3 1 7. 333. 

380. 
Hildebrand,  Adolf,  208. 
Hildebrand  (Arehitekt)  113. 
Hilgermann,  Laura,  274. 
Hill,  Karl,  208  (Bild). 
Hiller,  Job.  Adam,  341.  413. 
Himmelstoss,  Richard,  417. 
Hindermann,  A.,  278. 
Hinrichsen,  Henri,  63. 
Hinze-Reinhold,  Bruno,  68. 
V.  Hochberg,  Graf,  68.  113.  125. 
Höcker,  Robert,  303. 
Hoeberg,  Georg,  257.  280. 
Hofmann,  Friedrich  (Architekt), 

256. 
Hoftnann,  Julius,  64.  416. 
Hofmann  (Eisenstadt)  10. 
Hoffmann,  Baptist,  117.  105. 
Hoffimann,   E.  T.  A.,  310.  380. 

306.  416. 
Hoffmann  v.  Fallerslebeo,  A.  H., 

170. 
Hofmeister,  Friedrich,  102. 
V.  Hohenlohe,  FQrstin  Marie,  15. 

56. 
V.  Hohenlohe,  Kardinal,  40.  41. 
HohlfDld,  Prof.,  170. 
Holm,  Grete,  184. 
V.  Holberg,  Ludwig,  160. 
Holby,  John,  300. 
Holiday,  Eugen,  134. 
J.  Holles  Nachf.  08. 
Hollm,  Lydia,  60. 
Holstein,  Ludwig,   150. 
V.  Holtei,  Carl,  385.  386. 
Holter,  Iver,  350.  410. 
Holthusen,  Senator,  113. 
Homer,  Luise,  412. 
Homeyer,  Paul,  154.  420. 
Hopfb,  Carl,  134. 
Hom,  Camillo,  207. 
Homdorf,  Alfred,  213. 
Homung,  Hans,  100. 
Hörflgel,  M.,  304. 
Hösl,  Marie,  184. 
Hövelmann-Tomauer,  Luise,  1 00. 
V.  d.  Hoya,  Amadeo,  202. 
Hubermann,  Bronislav,  202. 
Hubert,  Carola,  70.  203. 
Huber,  Hans,  165.  351. 
Huberdeau  (Singer)  124. 
Huberti,  G.  L.,  128. 
Hugo,  Victor,   136  (Bild).  270. 
Huhn,  Chariotte,  120. 
V.  Halsen,  Georg,  117. 
Hummel,  Job.  Nep.,  21.  23.  27. 

28.  20.  03. 
Humperdinck,    Engelbert,    112. 

122.  135.  185.  280.  415. 
Hunold,  Erich,  65. 
Huss,  Henry  Holden,  422. 
Hutt,  Robert,  120. 


VI 


NAMENREGISTER 


Hflttenbreoner,  Anselm,  386. 

Hflttenbrenner,  Felix,  386. 

Ibach  Sohn  394. 

IgoumnofP  (Pianist)  114. 

lUing,  Arthur,  414. 

d'lndy,  Vincent,  128.  200.  279. 

Ippolitow-Iwanow,  Michail,  113. 

114.  189.  421. 
Irrgang,  Bernhard,  154. 
Isaac,  Heinrich,  399.  400. 
Isalberti,  Silvano,  120.  414. 
Isouard,  Nicolo,  341. 
Istel,  Edgar,  162. 
Jakob  (Organist)  153. 
Jacobsen,  J.  P.,  259. 
Jaeger,  Anna,  409. 
jager,  P.,  412. 
Jiger,  Rudolf,  129. 
Jaeil,  Alfred,  29. 
Jahnke,  Zdislaw,  204. 
Jahns,  Max,  296.  299.  304.  315. 
331.  332.  333.  334.  335.  388. 
389.  390.  391. 
Jakobowitz,  Ignaz,  53. 
Jandöek  (Komponist)  420. 
Jansen,  Eise,  127. 
Janssen,  Julius,  199. 
Jaques-Dalcroze,  Emile,  165. 180. 

182.  410.  411. 
Järnefelt,  Armas,  115. 
Jaudoin  (Pianist)  133. 
Jauner,  Franz,  183. 
Jehin,  L6on,  187.  189. 
Jemain  (Komponist)  132.  133. 
Jensen,  Adolf,  106. 
Joachim,  Joseph,  105.  113.  346. 

397.  422.  424  (Bild). 
Joachim-Quartett  135. 
Jommelli,  Niecola,  325. 
Jonis,  Alberto,  126.  196.  278. 
Jörn,  Carl,  117.  195. 
Josquin  de  Prds  399. 
Jflgel  (Kupferstecher)  352. 
Jungblut,  Albert,  194. 
Junker,  A.,  135. 
Juon,  Paul,  68.  280.  409. 

Kahl  166. 

Kflhler,  Willibald,  351.  416. 

Kahn,  Robert,  112. 

C.  F.  Kahnt  Nachf.  31.  95.  393. 
409. 

Kaiser,  Alfred,  272. 

Kalbeck,  Max,  65.  274.  341. 

Kalergis,  Mme.,  44. 

Kalcher,  Job.  Nep.,  314.  315. 

Kalischer,  Alfr.  Chr.,  410. 

Kalkbrenner,  Friedrich,   20.  21. 
25.  93. 

Kallensee,  Olga,  65.  414. 

Kimpf,  Karl,  197. 

Kanka,  Dr.,  362. 

Kannegiesser,  F.  L.,  335. 

Kannegiesser,  K.  L.  L.,  387. 

Kappel,  Anna,  70.  195.  201. 


Kappelsberger  (Breslau)  68. 

Karg- Eiert,  Siegfried,  132. 

Karl  V.,  Kaiser,  401. 

Karl  VII.,  Kaiser,  57. 

Karvasy-Borchert,  Emy,  196. 

Kaschowska,  Felicia,  277. 

Käse,  Alft^d,  65.  414. 

V.  Kaskel,  Karl,  421. 

Kasten,  M.,  394. 

Katzenstein,  Dr.,  182. 

Kauer,  Ferdinand,  308. 

Kaufmann,  Lotte,  417. 

Kaulbach,  Wilhelm,  72. 

Kann,  Hugo,  67.  112.  131.  280. 

Kann,  Richard,  393. 

Keiser,  Reinhard,  398. 

Keller,  Gottfried,  107. 

Keller,  Wilhelm,  192. 

Kellermann,  Berthold,  95. 

Kemble  (Impresario)  322. 

Kennerknecht,  Karl,  181. 

Kernic,  Beatrix,  120. 

Kerst,  L6on,  410. 

Kesser,  Hermann,  410. 

Ketten,  Leopold,  201. 

Kettner,  Carl,  120. 

Kewitsch,  Willi,  127. 

Kiel,  Friedrich,  198.  346. 

Friedrich  Kiel-Bund  346. 

Kienzl,  Wilhelm,  65.  172. 

Kiess,  August,  119.  413. 

Kietzmann,  Kari,  65.  414. 

Kind,  Friedrich,  289.  331.  328. 
333.  335.  389. 

V.  Kinsky,  Fflrst,  360.  361. 

V.  Kinsky,  FQrstin,  358. 

Kirchner,  Theodor,  166. 

Kirnberger,  Job.  Phil.,  396. 

Kirsch,  Hedwig,  204. 

Kiss,  Johanna,  417. 

Kistler,  Cyrill,  194. 

Kiurina,  Bertha,  274. 

Klarmflller,  Fritz.  129. 

Kleeberg,  Clotilde,  133.  277. 

Kleefeld,  Wilhelm,  398. 

Klengel,  Julius,  200.  417. 

Kliebert,  Kari,  207. 

Klindworth,  Kari,  34.  72. 

Klindworth-Scharwenka-  Konser- 
vatorium 113. 

Kling,  H.,  136. 

Klinger,  Max,  113. 

Klopstock,  Friedr.  Gottl.,  10. 

Klose,  Friedrich,  202.  411. 

Klughardt,  August,  129.  386. 

Klum,  Hermann,  127.  422. 

Klupp- Fischer,  Olga,  71. 

Knibig,  M.,  352. 

Kneisel,  Franz,  105. 

Kneisel-Quartett  422. 

Knigge,  Adolf,  248. 

Knittl,  Cari,  204. 

Knoch,  Eva,  412. 

Knote,  Heinrich,  412. 


Knflpfer,  Paul,  71.  195. 
Koch,    Friedrich  E.,    198.    199. 

212. 
Kochanski  201. 
V.  KOchel,  Ritter  Ludwig,  68. 
Kocian,  Jaroslaw,  201. 
Koda  (Geigerin)  135 
Koebke,  Benno,  347. 
Koenecke,  Robert,  68. 
Koenen,  Tilly,  199.  202. 
Kogel,  Gustav  F.,  195. 
KOhler,  Louis,  36.  46. 
Kohmann,  Anton,  195.  278. 
Kohut,  Adolph,  410. 
Kolkmeyer,  H.,  70. 
Koller,  Prof.,  393. 
König,  Hermann,  119. 
Konstantin,  GrossfQrst,  114. 
Kopfermann,  Albert,  355. 
Kopka,  Martha,  182. 
Korb,  Fram  Anton,  196.  201. 
Kömer,  Karl,  130.  418. 
Kömer,  Theodor,  286,  334.  388. 

391. 
Koschak  361.  362. 
Kossmann,  A.,  279. 
V.  Kotzebue,  August,  334.  335. 

387. 
Kotzoltscher  Verein  125. 
Kovarovic  (Theaterdirektor)  124. 
Krihmer,  Ch.,  273. 
Kramm,  Georg,  386. 
Kranich,  Friedrich,  189.  348. 
V.  Kranz  361. 

Krarup-Hansen  (Sängerin)   185. 
Krasselt-Quartett  206. 
Kraus,  Ernst,  66.  120.  414. 
V.  Kraus,   Felix,  67.   199.  203. 

205.  419. 
V.  Kraus-Osborne,  Adrienne,  65. 

203.  205.  419. 
Krebs,  Cari,  113. 
Kreisler,  Fritz,  201.  205.  417. 
Kreisler,  Lotte,  129. 
Kremser,  E.,  421. 
Kretschmer  50. 
Kretzschmar,  Hermann,  96. 
Kreutzer,  Leonid,  71. 
Kreysing,  G.,  409. 
Kriehuber    (Kupferstecher)    72. 

136. 
KMikowsky,  Paul,  420. 
Kromar,  Laurenz,  395. 
Kross,  E.,  171. 
Krösz,  Joseph,  19. 
Kroyer,  Theodor,  400.  401. 
Krug-Waldsee,  Josef,   198.  202. 
Krupp,  Frau  Geheimrat,  213. 
Kruppscher  Bildungsverein  213. 
Kmse,  G.  R.,  397. 
Kubelik,  Jan,  105. 
Kühl  &  Klatt  395. 
Kuhn,  Paul,  184.  200. 
Kflhn,  Leonore  277. 


NAMENREGISTER 


VII 


Kullak,  Adolf,  31. 
Kullak,  Theodor,  208. 
Kumlick,  Josef,  385. 
Kunwald,  Ernst,  347.  350. 
Kurt,  Mola,  412. 
Kurz,  Lissi,  00. 
Kurz,  Selma,  202. 
Kutzschbach,    Hermann,    413. 

410. 
Kwas^Hodapp,  Frieda,  125. 
Lafont,  Hermann,  127. 
Lihnemann,  Otto,  199. 
U  Mara  31.  42.  43.  50. 
Lamartine  97. 

Lamond,  Frederic,  198.  422. 
LAndowska,  Vanda,   133.    142. 

277. 
Lang,  Gretchen,  310.  317. 
Lang,  H.,  154. 
Lange,  Gustav,  172. 
de  Lange,  Samuel,  134. 
Langer,  Ferdinand,  377. 
Larsen  (Kantor)  157. 
di  Lasso,  Orlando,  171.  172. 
Laudy  (Verleger)  151. 
Lauriston  (Minister)  17. 
de  Lausnay,  G.,  277. 
Lauterbach  &  Kuhn  200. 
Lazarus,  Gustav,  409. 
Lazzari,  Silvio,  277. 
Lea  (Cellist)  58. 
Lebert,  Sigmund,  98. 
Lebrecht,  Robert,  04. 
Leclair  (Komponist)  134. 
Lecocq,  Charles,  189. 
Lederer- Prina,  Felix,  195. 
Lederer-Schiessl,  Therese,  204. 
Leduc  (Verleger)  151. 
Lef&vre,  Jos.  Maria,  44.  45. 
LefHer-Burckard,  Martha,  114. 
Lehar,  Franz,  121.  410. 
Lehmann,  Lilli,  105.   133.  270. 
.   Uhr  333.  388.  391. 
Leitner,  Kpm.,  421. 
Lemmens,  N.  J.,  151. 
Lenau,  Nikolaus,  98. 
Lenk,  Olga,  120. 
V.  Lenz,  Wilhelm,  31. 
Leoncavallo,    Ruggiero,     122. 

272.  414. 
Leopold   August,   Herzog   v. 

Gotha,  318.  391. 
Leprince  (Lithograph)  72. 
Lermontow   105. 
Leroux,  Xavier,  189. 
Lessing,  G.  E.,  109. 
Lessmann,  Otto,  397. 
Leuckart,  F.  E.  C,  04. 
Levy,  Eduard,  195. 
Levy,  Frau,  195. 
Lewandowsky,  Max,  349. 
Lewinger^Quartett  129. 
Lewy,  Heinrich,  393. 
LeydstrOm  (Singer)  71. 


van  der  Leyen,  Rudolf,  113. 

Liadow,  Anatol,  423. 

Liapounow,  Sergei,  105.  100. 
423. 

Libert  (Organist)  153. 

V.  Lichnowsky,  FOrst,  357. 

Lichtenstein,  H.,  319. 

Liebeskind,  Ernst,  05. 

Liebich,  Karl,  319. 

Liebner,  Marie,  201. 

V.  Liechtenstein,  Fürst,  183. 304. 

Lienau,  Robert,  371. 

Liepmannssohn,  Leo,  03.  397. 

van  Lier,  Jacques,  08. 

Lies,  Otto,  384. 

v.  Liliencron,  Rochus  Frhr.,  401. 

Lind,  Jenny,  32. 

Lincke,  Paul,  272. 

Lindenhahn  131. 

Lindsay  (Singerin)  133. 

Linkenbach,  Henny,  410. 

Liszewski,  Tillmann,  194.  415. 

Liszt,  Adam,  15.  23.  29. 

Liszt,  Eduard,  47. 

Liszt,  Franz,  3  ff  (L.-Nekrolog). 
5flr  (F.  L.  u.  d.  Gegenwart). 
15  ff  (Aus  F.  L'.s  erster 
Jugend).  30  ff  (L.'s  Klavier- 
technik I).  40  ff  (Ein  Besuch 
bei  L.  in  Tivoli).  43  ff  (Elf 
ungedruckte  Briefe  L.s  an 
Schott  50ff  (Eine  L  -Karikatur). 
50.  09.  70.  71.  72  (Bilder). 
91  ff  (L.*s  Klaviertechnik 
Schluss).  105.  128.  131.  132. 
134.  135.  130  (Bilder).  109. 
183.  194.  197.  198.  199.  200. 
202.  204.  205.  207.  212.  250. 
278.  280.  284.  349.  384.  395. 
397.  413.  417.  418.  422. 

Litvinne,  F^lia,  187. 

Litzinger,  Franz,  419. 

V.  Lobkowiu,  Fflrst,   301.  308. 

V.  Lobkowitz,  Fürstin  Josephine, 
308. 

Loewe,  Carl,  120.  350. 

LOffler,  Ch.  M.,  421. 

Lohse,  Otto,  347.  415. 

Londoner  Symphonie -Orchester 
132. 

Loomis,  H.  V.,  422. 

Lorentz,  A.,  72. 

Lorenz,  C.  Ad.,  200. 

Lorenz,  Julius,  179. 

Loritz,  Joseph,  194. 

Lortzing,  Albert,  117.  180.377. 
390.  397.  414. 

Louis     Ferdinand,     Prinz    v. 
Preusseo,  390. 

Louis,  Rudolf,  45. 

Louys,  Pierre,  123. 

Lowe,  Ferdinand,  200. 

Löwe,  Direktor,  249. 

LOwenfeld,  Hans,  00.  348. 


V.    LOwenstein- Wertheim,   Graf 

Wilhelm,  389. 
Lubomirski,  Fflrst  Ladislaus, 

124. 
Lucas,  Alexander,  113.  340. 
Lucca,  Pauline,  279. 
de  Lucia,  Fernando,  105. 
Ludewig,  Marta,  120. 
Ludwig,    Herzog    v.    Wflrttem- 

berg,  310. 
Ludwig  IL,  König,  288. 
Lukas,  Job.  Lud.,  115. 
Lulek,  Fery,  134.  277. 
Lully,  J.  B.,  398. 
Lunde,  Gustav,  351. 
Lastner,  Karl,  183. 
Luther,  Martin,  400. 
Lutter,  Heinrich,  409. 
Mac  Dowell,  Edward,  203. 
Mac-Grew,  Rose,  70. 
Maeterlinck,  Maurice,  421. 
Mahaut  (Organist)  153. 
Mahler,  Gustav,  07.  114.    192. 

233.  230.  238.  242.  255.  274. 

280.  303.  304.  305.  300.  307. 

308.  310.  418. 
Malit  (Komponist)  421. 
Malata,     Oskar,     120    (»Dorp- 

rOschen  *.     Urauffflhrung    in 

Elberfeld). 
Malherbe,  Charles,  188. 
Malherbe,  Edouard,  277. 
Mana  (Komponist)  410. 
Mand,  Carl,  394. 
Manin,  Joan,  204. 
Mang,  Karl,  117.  413. 
Mannborg,  Th.,  394. 
Mannstidt,  Franz,  205. 
Mansfeld  (Singer)  412. 
Manthey,  Franz,  Ol. 
Maquaire  (Organist)  153. 
Marals,  Joanne,  278. 
de  Marchi  (Singer)  189. 
Margyl  (Opemsingerin)  274. 
Maria  Antonia  Walpurga,   Kur- 

fflrstin,  57. 
Marie  Madeleine  199. 
Marienhagen,  Otto,  09. 
Mannen tel  31. 
Marpurg,  Friedrich,  49. 
Marschner,  Heinrich,  191.  311. 
Marsop,  Paul,  03.  280. 
Marteau,  Henri,  171.  201.  280. 
Martersteig,  Max,  00. 
Marti  (Organist)  153. 
Martin,  Willy,  350.  422.  423. 
Marx,  A.  B.,  50.  208  (Bild). 
Marx,  Pepo,  114. . 
Massenet,  fules,  180.  189.  273. 

279. 
Materna,  Hedwig,  184. 
Mathieu-Lutz  (Singerin)  124. 
V.  Matthisson,  Fr.,  391. 
Matthlson-Hansen,  G.,  157. 


VIII 


NAMENREGISTER 


r 


Mauerbofer  (Pianistin)  200. 
Maurina,  Vera,  68.  126. 120. 400. 
Maximilian  I.,  Kaiser,  400. 
Mayer,  Carl,  100. 
Mayerhoff,  Franz,  108. 
Mayr,  Richard,  274. 
Mediciy  Lorenzo,  50. 
Mees,  Arthur,  180. 
Mehul,  E.  N.,  413. 
Meinel,  Gustav,  108. 
Meinert,  Kari,  355.  370.  372. 
Melartin,  Erkki,  115. 
Melcer,  Henrik,  201. 
Mendelssohn,  Arnold,  200. 
V.  Mendelssohn- Bartholdy,  Ernst, 

306. 
Mendelssohn  -  Bartholdy,    Felix, 

08.  132.  170.  171.  108.  201. 

202.  201.  308.  342.  376.  306. 

307.  417.  410. 
Mengelberg,  J.  W.,  102. 
Mengelbier,  Therese,  100. 
Menzel,  Wilhelm,  304. 
Meren,  Nanny,  60. 
M6renti6  (Opemsingerin)  274. 
Merim6e,  Prosper,  186. 
Merklin,  Joseph,  88. 
Merrick,  Frank,  106. 
Messchaert,  Johannes,  58.    130. 

105.  206. 
Mettemich,  FQrst,  27. 
Meuger-Froitzbeim,  Ottilie,  101. 

205. 
Meyer,  Alftvd,  205. 
Meyer,  Gustav,  180.  410. 
Meyer,  Hedwig,  131.  418. 
V7aldemar    Meyer-Quartett    68. 

205. 
Meyer  (Sängerin)  136. 
Meyerbeer,  Giacomo,  117.   184. 

187.  101.  272.304.317.326. 

385. 
Michel  Angelo  50. 
Mikorey,  Franz,  108.  280. 
V.  Milde,  Feodor,  115. 
V.  Milde,  Natalie,  115. 
V.  Milde,  Rosa,  115.  136  (Bild). 
V.  Mildenburg,  Anna,  275. 
Milder-Hauptmann,  Anna,  410. 
V.  Miller  zu  Aichholz,  Viktor,  34 1 . 
Milliet,  Paul,  186. 
Mittag,  S.,  136. 
Mivsky,  Moses,  102. 
V.  Moellendorff,  Willy,  125. 
Moers,  Andreas,  120. 
Moest,  Rudolf,  70. 
Mohr,  Ida,  104. 
Molle,  C,  72^ 
Monrad,  Cally,  132. 
Monteux,  Pierre,  400. 
Montgelas,  Graf,  200. 
Monti,  Max,  121. 
Moody-Manners   (Opern-Gesell- 
schaft) 122. 


Moore,  Thomas,  370.*^  301. 
Moralt,  C.,  181. 
Moravec  (Bratscher)  106. 
Morlacchi,  Francesco,  310. 
Moriet  (Sängerin)  188. 
Momy,  Lina,  65. 
Morogew  114. 
Mors,  Richard,  280. 
Moscheies,  Ignaz,  20.    21.    25. 

27.  28. 
Moszkowsky,  Maurice,  58. 
Moth,  H.,  417. 
da  Motta,  Jos«  Vianna,  60. 
Mottl,  Felix,  101.  200.  203.  206. 

212.    240.    257.     400.     413. 

415.  421. 
Motu,   Henriette,  66. 
Mousorgski,  Modest,  421.  423. 
Mozart,  Konstanze,  313. 
Mozart,  Leopold,  314. 
Mozart,  W.  A.,  17.  10.  20.  25. 

65.  67.68.60.  104.  116.  117. 

110.  120.  121.  122.  125.  127. 

133.  134.  135.  156.  184.  101. 

108.  100.  200.  202.  204.  205. 

206.  212.  233.  262.  274.  275. 

276.  202.  204.  302.  311.  314. 

325.  341.  342.  348.  373.  378. 

386.  300.  306.  414.  416.  418. 

421.  422. 
Machler,  K.,  333.  387.  388. 
Muck,  Carl,  206.  400. 
MOhlfeld,  Richard,  67. 
Mallen  (Pianist)  200. 
MOller,  Ad.,  70. 
Maller,  Cilli,  201. 
Maller,  F.,  70. 
Maller,  Julius,  117. 
Malier,  Peter,  64. 
Mailei^Osten,  Elisabeth,  410. 
Maliner,  A.,  201.  327. 
Manch,  Anna,  104. 
Manch,  Prof.,  71.  80.  278. 
Manchhoff,  Mary,  125.  104. 
Manz,  Adele,  100. 
Manzer,  Georg,  72. 
Musikpidagogischer    Kongress , 

Dritter,  181. 
Musikverein  (Kopenhagen)  410. 
Musiol,  Robert,  315. 
Mutin  144.  145. 
Mysz-Gmeiner,    Lula,    67.   128. 

130.  135.  105. 
Nagel,  Musikdirektor,  134. 
Nagler-Busching,  Helene,  108. 
Napoleon  1.  208. 
Naprawnik,  Eduard,  133. 
NebuSka,  O.,  421. 
Nedbal,  Oscar,  68.  343. 
Neisch,  Marga,  118. 
Neitzel,    Otto,    132.    201.    273. 

276.  280.  420. 
Nelle,  D.,  408. 
Neivera,  Joseph,  420. 


Neubeck,  Ludwig,  348. 
Neadörifer,  Julius,  348. 
Neuhaus,  Harry,  60. 
Neuhaus,  Tala,  60. 
Neumann  (Komponist)  420. 
Neumayr,  Fr.,  57. 
Newosky,  Olga,  134. 
Ney,  Elly,  71.  131. 
Nicolai,  Otto,  117.  121.  341. 
Nielsen,  Cari,  155  ff  (C.  N.).  208 

(Bild). 
Nielsen,  J.  G.,  157. 
Nielsen,  Niels  Jörgen,  156. 
Niemann,  Walter,  31. 
Niessen,  Wilhelm,  203. 
Nietzsche,  Friedrich,    167.  183. 
Niggli,  Fritz,  60. 
Nikisch,  Arthur,  64.  66.  67.  125. 

130.  131.  201.  240. 
Nissen,  Karl,  132. 
Nohl,  Ludwig,  30.  368. 
Norden,  Juanita,  127. 
Nordheim,  H.,  42. 
Nordraak,  Richard,  350.  408. 
Noske,  A.  A.,  384. 
Noskowski,  Sigmund,  421. 
V.    Nostiz    und   JInkendorf, 

Klotilde,  335. 
Nottebohm,  Gustav,  371. 
Novak,  V.,  68. 
Novalis,  Friedrich,  200. 
Nowowiejski,  Felix,  423. 
Nussböck,  Leopold,  366. 
Nassle,  Hermann,  418. 
Nassle,  Wilhelmine,  418. 
Nywkind  125. 
OberdOrflfer,  Martin,  108. 
Obrist,  Alois,  63.  112.  206. 
Ochs,  Siegfried,  67. 1 20. 105. 306. 
Oflfenbach,  Jacques,    115.    100. 

415.  416. 
Olive  Mead-Quartett  422. 
Olsner,  Dirigent,  213. 
Ondricek,  Franz,  201. 
Opitz,  Martin,  131.  336. 
Oppermann,  Martha,  107. 
Osbome-Hannah  (Singerin)  122. 
V.  Othegraven,  A.,  270.  420. 
Ottmann,  Marie,  121. 
Otto,  Georg,  108. 
Otto,  Julius,  414. 
Oury  (Violinist)  22. 
Pabst,  P.,  303. 
Pachler,  Marie,  362. 
Pachler-Koschak,  Faust,  362. 
Pack,  Ernst,  104. 
Paderewski,  Ignaz,  106.  270. 
PaCr,  Ferdinand,  185. 
Paesiello,  Giovanni,  341. 
Pagani,  Kpm.,  66. 
Paganini,  Niccolo,  31. 32. 03. 00. 

132.  136  (Bild).  108.  201. 205. 

418. 
Paine,  J.  K.,  346. 


NAMENREGISTER 


IX 


Palestrina,  Pierluigi,    156.   171. 

172.  206.  401. 
Palla  (Komponist)  420. 
Palmsren,  Sellm,  115. 
Paludan-MflUer  410. 
Panzner,  Carl,  70. 
V.  Paradis,  Maria  Theresia,  384. 
Parker,  Horatio,  422. 
Pasqu«,  E.,  377. 
V.  Paszthory,  Palma,  202. 
Pauer,  Max,  409.  422. 
Paul,  Jean,  328. 
Paur,  Emil,  203. 
Pawloffisky  (Eisenstadt)  19. 
Payne,  Mrs.,  135. 
Pembaur,  Josef,  198. 
Percy  383. 

Perier,  Jean,  188.  189. 
P6rilbou,  G.,  151. 
Perosl,  Lorenzo,  180. 
Perron,  Carl,  129.  191. 
Perzina,  Gebr.,  394. 
Pester-Prosky,  Berta,  120. 
Peter,  König  v.  Serbien,  180. 
V.  Peters,  Hofirat,  368. 
C.  F.  Peters,  Verlag,  21.  63.  234. 

259.  393. 
Peters,  Edition,  102. 
Peters,  Guido,  114. 
Petersburger   Kammermusik- 
verein 134. 
Petschnikoif,  Alexander,  204. 205. 
Petrarca  50. 

Pfannstiehl,  Bernhard,  198. 
Pfkff,  Marie,  350. 
Pfltzner,  Hans,  202.  206.  212. 

280.  350. 
Pfltzner,  O.,  70. 
Pfleiderer,  Ed.,  208. 
Philippi,  Maria,  67.    130.   194. 

195.  201.  205. 
Piatti,  Alfk^do,  58. 
Plchler,  Max,  130. 
Pieper,  Willy,  68.  417. 
Piem6,     Gabriel,      133.     150. 

192ff  (»Der  Kinderkreuzzug**. 

Deutsche     Urauffahrung     in 

Augsburg). 
Pinks,  Emil,  206. 
Plus  X.,  Papst,  180.  257. 
Piutti,  Cari,  198. 
Pixis,  Johann  Peter,  22.  25. 
Pizzolato,  Giuseppe,  118. 
Kgl.    Physikalisches    Institut 

(Beriin)  394. 
Planch6  (Librettist)  323. 
PlanQon  412. 
Plass  392. 
Platt,  J.,  172. 
Playfair,  E.,  278. 
Pleyel,  Camille,  44.  134. 
Pleyel,  Ignaz  Joseph,  26. 
PlOddemannscher       Frauenchor 

417. 


Pohl,  Richard,  31. 

Pöble,  Max,   198. 

Pohlig,  Cari,  134.  249.  348. 

Pokomy,  Hans,  416. 

Poldini,  Eduard,  124  (»Der 
Vagabund  und  die  Prinzessin". 
Deutsche  UrauffQhrung  In 
Prag). 

Pollak,  Egon,  117.  413. 

Ponchielli,  Amilcare,  122. 

da  Ponte,  Lorenzo,  274. 

Porges'scher  Gesangverein  422. 

Pornot,  Angele,  188. 

Porst,  Ottilie,  65.  414. 

Porth,  Viktor,  129. 

V.  Possart,  Ernst,  192. 

Pottgiesser,  Cari,  (»Die  Heim- 
kehr**. Uraufführung  in  Dort- 
mund). 413. 

Pracher  184. 

Präger,  H.  A.,  381. 

Prasch,  Aloys,  119. 

Prechtler,  Otto,  386. 

Preller,  Friedrich,  48.  49. 

Press,  Joseph,  68.  126.  196. 

Press,  Michael,  68.  126.  129. 

Presuhn  (Bratschist)  134. 

Preuss,  Alexander,  203. 

Preuss,  Arthur,  274. 

Preusse-Matzenauer,  Margarete, 
117.  191. 

Prevosti,  Franceschina,  415. 

Priess,  Pauline,  423. 

Prill,  Paul,  126.  348.  409. 

Prinz,  Rektor,  182. 

Prochazka  (Violinist)  196. 

Prflwer,  Julius,  118. 

Puccini,  Giacomo,  122.  189. 

Puschman,  Adam,  396. 

Quantz,  Job.  Joachim,  396. 

Queens  Hall-Orchester  132.  198. 

Quef  (Organist)  153. 

Raband-Van  der  MaCsen,  Leon- 
tine,  64. 

Rabaud  (Komponist)  133. 

Radecke,  Robert,  154. 

V.  Radziwill,  FQrst  Anton  Hein- 
rich, 370. 

Rafael  50. 

Raff,  Doris,  51. 

Raff,  Joachim,  42. 51.52. 72. 386. 

Rahter,  D.,  393. 

Raimund,  Ferdinand,  347. 

Rains,  L6on,  418. 

Ramann,  Lina,  9.  31.  45.  53. 
93.  95.  97. 

de  Ramis,  Bartolomeo,  399. 

Rangl,  Jan,  202. 

Rapin,  Eugen,  31. 

Rappold,  Marie,  412. 

V.  Rasumowsky,  FQrst,  356. 

vom  Rath,  Felix,  255.  263. 

Rauchenecker  166. 

Raumer,  Friedrich,  327. 


Reboul  (Cellistin)  417. 
Reclam,  Philipp,  10.  30.  31.  382. 
Rebi6eck,  Josef,  350. 
Reger,  Max,   75.  84.  107.  114. 

129.  131.  154.  162.  196.  199. 

200.  201.  207.  212.  278.  279. 

343.  357.  384.  417.  422. 
Rehberg,  \7illy,  200. 
Reichardt,  J.  F.,  313. 
Reichenberger,  H.,  273. 
Reicke,  Georg,  181. 
Reimann,  Eduard,  192. 
Reimann,  Heinrich,  154.  410. 
Reimann,  Otto,  192. 
Reimers,  Paul,  196.  205.  419. 
Reimers  (Fagottist)  131. 
Reinbeck,  G.,  332.  387.  390.  • 
Reinecke,  Carl,  420. 
Reisenauer,  Alft'ed,  205. 
Reisse,  Emma,  206. 
Reissiger,  G.,  304. 
Rellstab,  Ludwig,  54. 
Reitzes,  Josef,  113.  346. 
Renaud  (Singer)  186.  187.  189. 

274. 
Rennebaum,  A.,  95. 
Respighi,  Kardinal,  257. 
Reubke,  Otto,  154. 
Reuss,  August,  206.  421. 
Reuss,  Eduard,  31.  32. 
Reuss-Belce,  Luise,  70.  409. 
V.  Reznicek,  Frhr.  E.  N.,  423. 
Rhode,  Prof.,  316. 
Ribera,  Antonio,  185.  186.  202. 
Richardt  349. 

Richault  (Verleger)  48.  151. 
Richter,  E.  F.,  115. 
Richter,  Eugen,  198. 
Richter,  Hanna,  136. 
Richter,  Hans,  166.  197. 
Richter,  Otto,  418. 
Riedel- Verein  (Uipzig)  131.  420. 
Riehl,  W.  H.,  331. 
Riemann,  Hugo,    31.  102.  168 

377.  384.  385. 
Riemenschneider,  Georg,  160. 
Ries,  Ferdinand,  24. 
Ries  V.  Trzaska,  Adele,  419. 
Rietsch,  Heinrich,  204. 
Rietschel  323. 
Rietz,  Julius,  166. 
Righini,  Vincenzo,  312. 
Rimbault,  E.  F.,  382. 
Rimsky-Korssakow,   Nikolaus, 

124.  421.  423. 
Ringwald,  Barth.,  386. 
del  Rio,  Giannatasio,  364. 
Risler,  Edouard,  200.  206.  207. 

276. 
Ritter,  Hermann,  199.  260. 
Rochlitz,    Friedrich,   318.    352. 

374.  389. 
Röder,  C.  G.,  393. 
Rodln,  A.,  424. 


\-\ 


NAMENREGISTER 


r 


Roether,  Ed.,  Verlag,  234. 
Roger-Miclos,  Frau,  277. 
Rflhmeyer,  Theodor,  204. 
Röhr,  Hugo,  181. 
Roller,  Alfred,  274.  275. 
Romberg,  Bernhard,  69. 
ROmhild,  Albert,  418. 
ROntgen,  Julius,  58. 
van  Rooy,  Anton,  412. 
Roquette,  Otto,  14. 
Roricb,  Carl,  206. 
Rosa,  Carl,  348. 
Rosa,  Salvator,  50. 
Rose,  Frances,  116. 
Rosenberg  (Verleger)  151. 
Rosenfeld,  L.,  419. 
Rosenthal,  Felix,  68. 
Rosenhotr,  Orla,  157.  158. 
Rosmer,  Ernst,  415. 
Rossini,  Gioachino,  22.  121.  122. 

136  (Bild).  341.  380. 
ROssler,  Joseph,  384. 
Rosso  414. 
RÖsza,  Julius,  64. 
Roth,  Bertrand,  418. 
Rotten berg,  Ludwig,  121. 
Rottmann  (Maler)  46. 
Rousseau,  J.  J.,  341. 
Rousseau,  S.,  127. 
Rousselidre  (Singer)    186.   187. 

188.  274. 
Royet  (Sängerin)  186. 
Rozycki  (Komponist)   124.  423. 
Rubinstein,  Anton,  31.  56.  126. 

132.  166.  189.  198. 
Rubinstein,  Nicolai,  421. 
Rflckbeil,  Hugo,  134. 
ROckert,  Friedrich,  192. 
Rüdiger,  Hans,  418. 
Rudolf,  Erzherzog,  361. 
Rudolph,  Otto,  347. 
Rudy,  Marie,  130.  197. 
Rflfer,  Philipp,  112. 
Ruffö,  Titta,  66. 
Rflhle,  Friulein,  278. 
RQhlscher  Verein  129. 
Ruhoff  166. 

Rumpf,  F.,  424. 

Rungenhagen,  K.  F.,  313.  319. 

Rupp  (Organist)  71. 

Rflsche-Endorf,  Clcilie,  347. 

Russell,  Elyda,  277. 

RuthstrOm,  Julius,  197. 

V.  Saar,  Ferdinand,  56. 

Saatweber-Schlieper,  Ellen,  194. 
199. 

V.  Sachsen-Coburg-Gotha,  Her- 
zog, 64. 

Safonoff,  Wassili,  113.  203. 

Sala,  Richard,  198. 

Saint-Saens,  Camille,  124.  132. 

133.  150.  151.  185.  186.  187. 
193.  200.  277.  279.  401.  416. 
422. 


Salicath,  Theodora,  68. 

Salomon,  Andr6,  278. 

Salomon,  Hektor,  410. 

Samara,  Spiro,  186. 

Kgl.  Sammlung  alter  Musik- 
instrumente (Berlin)  394. 

Sand,  George,  136  (Bild). 

Sander,  Constantin,  64. 

Sander,  Marie,  64. 

Sander,  Martin,  64. 

Sänger,  Bert^and,  119. 

Sanssouci,  Essener  Männerge- 
sangverein, 214. 

Sapelnikoff,  \7assily,  196. 

Sass,  Arthur,  204. 

Sauer,  Wilhelm,  86. 

Sauret,  Emile,  133.  409.  422. 

Saury,  Eugdne,  133. 

de  Suset  199. 

V.  Sayn  -  Wittgenstein ,  Fürstin 
Caroline,  8.  45.  56.  72  (Bilder). 
94.  136.  397. 

Schaaf  &  Co.  394. 

Schäfer,  Franziska,  418. 

V.  Schallhammer,  Franz  Lud- 
wig, 299. 

Schal japin,  Feodor,  186.  189. 

Schalk,  Franz,  206. 

Schanz  362.  363. 

Scharrer,  August,  278.  350. 

Scharwenka,  Xaver,  181. 

Schauer- Bergmann,  Martha,  131. 

Schaul,  Joh.  B.,  325. 

V.  Scheffel,  Josef  Vicior,  179. 

Scheel,  Fritz,  203. 

Schelle  183. 

Schellhorn,  Aloys,  181. 

V.  Schenckendorff,  Max,  179.389. 

Scheinpflug,  Paul,  70.  204. 

Schelllng  53. 

Scheremet)ew,  Graf,  134. 

Schering,  Arnold,  57. 

Schertel,  A.,  412. 

Scheurer  125. 

Scheuten  70. 

Schjelderup,  Gerhard,  168.  413. 

Schiedmayer  394. 

Schildbach  (Cellist)  71. 

Schiller,  Friedrich,  206  256. 290. 

Schilling,  Gustav,  384.  385. 
386. 

Schillings,  Max,  117.  131.  165. 
192.  203.  205. 

Schimon  352. 

Schindler,  Max,  277. 

SchiOler,  Axel,  200. 

Schischkow  114. 

Schlegel,  Gebrüder,  290. 

Schlegel,  A.  W.,  329. 

Schlesinger,  Adolf  Martin,  370. 

Schlesinger,  Moritz,  368.  369. 
370.  371. 

Schlesinger  (Musikverlag)  47. 
48.  208.  300.  331. 


Schlitzer,  Hans,  121.  420. 
Schmalstich,  Clemens,  69. 
Schmedes,  Erik,  275. 
Schmedes,  Paul,  200. 
Schmid,  Heinrich  Kaspar,  263. 
Schmid,  Hermann,  181. 
Schmidt,  Felix,  125. 
Schmidt,  Julius,  1 15. 
Schmidt,  Robert,  179. 
Schmidt  (Organist)  151. 
Schmitt-Czanyi,  Cornelia,     417. 

418. 
Schmitt,  A.,  421. 
Schnabel,  Artur,  68.  125.  196. 
Schnabel  -  Behr,    Therese,    1 96. 

205.  349. 
Schn^evoigt,  Georg,   204.    212. 

257.  351.  421.  422. 
Schneider,  Walter,  273. 
Schniriin,  Ossip,  196. 
Schnitzler,  Victor,  113.  346. 
Scholz,  Bernhard,  276. 
Scholander,  Sven,  71. 
Schoenaich,    Gustav,    183.    208 

(Bild). 
SchOrg,  Franz,  133. 
V.  Schom,  Adelheid,  42.  72. 
Schott,  Franz,  45. 
Schott,  Johann,  43. 
Schott,  Frau,  52. 
Schott  Söhne  (Veriag)  43  ff.  51. 

52. 
Schrey  (Kpm.)  65. 
Schröder,  Dora,  197. 
Schröder,  Hermann,  171. 
Schröer,  Arnold,  383. 
Schröer,  K.  J.,  383. 
Schubernigg,  P.  J.,  19. 
Schubert,  Franz,  67.  71.  95.  96. 

98.  125.  126.   129    132.  134. 

169.   170.  198.  199.  200.  205. 

256.  277.311.  312.322.  331. 

342.  388.  389.  390.  391.  396. 

397.  423. 
Schubert- Verein  (Stuttgart)  134. 
Schuberth  &  Co.  393. 
V.  Schuch,  Ernst,  129.  181. 
Schultz-Beuthen,  Heinrich,  198. 
Schulz,  H.,  204.  205. 
Schulze,  A.,  181. 
Schumann,  Clara,  56.  166.  394. 
Schumann,  Georg,  70.  125.  195. 

204.  206. 
Schumann,  Robert,    12.  28.  31. 

36.  37.  38.  67.  71.  98.    126. 

127.  130.  131.  132.  134.  135. 

169.  197.  200.  202.  203.  204. 

212.  277.  284  312.  317.  391. 

396.  397.  408  410.  417.  420. 

421.  424. 
Schumann-Heink,  Ernestine,  67. 

70.   125.  131.  422. 
Schunke,  Gottfried,  27. 
Schunke,  Ludwig,  28. 


NAMENREGISTER 


XI 


Schfiaemaon,  Else,  417. 
Schatz,  Hans,  131. 
Schfltz,  Margarete,  201. 
Schuster  (Elsenstadt)  19. 
Schuster  &  LoefHer  393. 
Schwalm,  Oscar«  113. 
Schwartz,  Josef,  130.  418.  420. 
Schwechten,  G.,  394. 
Schwedler,  Maximilian,  201. 
Schweicker,  Hedwig,  204. 
Schwenkenbecher,    Dorothea, 

125. 
Schwensen  (Pianistin)  200. 
Schwickerath,   Eberhard,  410. 

417. 
Schwob,  Marcel,  193. 
Scott,  Walter,  370. 
Scrjabin,  Alexander,  423. 
Sebald,  Alexander,  68.  409. 
Sebald,  Amalie,  300. 
Sedlmayr,  Joseflne,  413. 
Seebe,  Madeleine,  129. 
Seffher,  Karl,  408. 
V.  Seida,  Frhr.,  334. 
Seidl,  Arthur,  250.  251. 
Seiffert,  Max,  57.  362.  363. 
Seitz,  Friedrich,  198. 
Sembrich,  Marceila,  412. 
Semper,  Gottfried,  280. 
de  S^nancourt,  Etienne,  66. 
Senff,  Barthold,  393. 
Senfl,  Ludwig,  400.  401. 
Senfly,  Bernhard,  400. 
Seng^r^Bettaque,  Katharina,  120. 
Senius,  Felix,  205. 
S^roff,  Alexander,  50. 
Sevcik,  O.,  58. 
Sevdik-Quartett  196.  202. 
Seyffardt,  E.  H.,135. 
Shapiro,  Michel,  126. 
Shotskjr  (Violinist)  196. 
Sibeiius,  Jean,  115.  128. 
Sichert  64. 
Sidney-Biden  205. 
Siegel,  C.  F.  W.,  393.  397. 
Sieglitz,  Georgi  191. 
Siegel,  Rudolf,  280. 
Siewert,  Hans,  118. 
Silbermann,  Gottfried,  89. 
Silhavy,  Otto,  68.  417. 
Siloti,  Alexander,    70.   71.  130. 

134. 
Simon,  Carl,  197.  394.  414. 
Simon,  James,  68. 
Simon-Gleaver,  Hugo,  277. 
Simonsen,  Niels  Inel,  410. 
Simrock,  Hans,  113.  346. 
Simrock,  Karl,  179. 
Simrock,  N.,  371.  393. 
Sinding,  Stephan,  277. 
Sirk,  Matthias,  360. 
Sistermans,    Anton,    195.    205. 

276.  417.  423. 
Sitt,  Hans,  139.  420. 


SlOgren,  Emil,  277. 

Skalitzky,  Ernst,  70. 

Slezak«  Leo,  202. 

Slivinski,  Josef,  134. 

Smart  323. 

Smetana,    Friedrich,    198.    200. 

204.  347. 
Smith,  Sidney,  172. 
Snischek,  C,  384. 
Soci6t6  de  concerts  des  Instru- 
ments anciens  202. 
Sohns,  Otto,  107. 
Sollin,  Fr.,  421. 
Solodownikoff  (Privatoper)  189. 
Selon  248. 

Sombom,  Komponist,  278. 
Sommer,  Hans,  63.  280. 
Sommerfeld,  Margarete,  120. 
Sonnen  125. 
Sontag,  Henriette,  22. 
Soomer,  Walter,  185. 
Sottolana  (Singer)  133. 
Sowade,  Eduard,  346.  389. 
Speidel,  Ludwig,  183. 
Spendiazow  423. 
Spengel,  Julius,  130. 
Speyer,  Edgar,  408. 
Speyer,  Edward,  113. 
Speyer-Kufferath,  Antonie,  112. 
Spicker,  Max,  180. 
Spinelli,  Niecola,  347. 
Spitta,  Friedrich,  331.  332. 
Spitteler,  Carl,  164. 
Spohr,  Ludwig,  311.  312.  317. 

318.  319.  381. 
Spontini,  Gasparo,  311.  322. 
Sporck,  Graf,  117. 
Stabemack,  Carl,  197. 
Staegemann,    Helene,   71.    420. 

423. 
Staegemann,  Max,  304. 
Staehelin  (Sängerin)  129. 
Stammer,  Emil,  119. 
Standhartner,  Joseph,  183. 
Stapelfeldt,  Martha,  202. 
Sutkowski,  Roman,  67. 
Stavenhagen,  Bernhard,  194. 201. 

207. 
Stebel,  Paula,  279. 
Stefanides,  Alex.,  121. 
Stehle  (Sflngerin)  49. 
Stein,  Helene,  127. 
V.  Stein,  PrObstin,  40. 
Steinbach,  Fritz,   70.   113.  203. 

249.  415.  419. 
Steiner  &  Co.  363. 
Steiner  (Verleger)  21.  28. 
Steinle  94. 

Steinmann,  Alfired,  197. 
V.    Steinsberg    (Theaterdirektor) 

315. 
Steinway  &  Sons  394. 
Stephani  184. 
I  Stephens,  Miss,  391. 


Stern,  Adolf,  43.  ^2.  385. 

Stern,  J.,  208. 

Stern,  R.,  250.  251.  253. 

Steffel  (Eisenstadt)  19. 

Steffens,  Hermann,  120. 

Steingriber  Verlag  393. 

Stock,  Friedrich,  129.  203. 

Stockhausen,  Franz,  278. 

Stockhausen,  Julius,  113. 

Stell,  J.  L.,  387. 

Stolz,  Georg,  184.  198. 

Storck,  Karl,  169.  182. 

Stoye,  Paul,  351. 

Strack,  Daisy,  418. 

Stradivarius,  Antonius,  394. 

Stransky,  Josef,  103. 

Straubö,  Karl,  154.  422. 

V.  Strauss,  Edmund,  184. 

Strauss,  Johann,  71.  122.  376. 
415. 

Strauss,  Richard,  70.  71.  116. 
1 17.  1 18  (»Salome*  in  Breslau) 
125.  129.  132.  134.  192.  198. 

199.  201.  202.  203.  204.  205. 
206.  207.  212.  259.  277.  349. 
350.  415.  421.  422.  423. 

Strebel  (Orgelbauer)  422. 
Streckfüss  391. 
Street-Kllndworth,  Agnes,  56. 
Streicher  (Stein)  363. 
Streicher,  Theodor,  262. 
Streichquartett,  Böhmisches,  67. 

68.  71.  133.  200.  202.  422. 
Streichquartett,   Brflsseler,    133. 

200.  204. 
Streichquartett,  MQnchner,  200. 

204.  422. 
Streichquartett,  Nflrnberger,  423. 
Streichquartett,  Petersburger,  134. 
Streichquartett,   Sflddeutsches, 

204. 
Stronck,  R.,  194. 
Stubbe,  Arthur,  197. 
van  der  Stucken,  Frank,  203. 
Stubenrauch,  Carlotta,  132. 
Stumm,  Dr.,  252. 
Suggia,  Guilhermina,  199. 
Suk,  Josef,  343. 
O'SuUivan,    Patrick,    127.    132. 

350. 
Sasse,  Otto,  417. 
Suter,  Hermann,  252. 
Sutter,  Anna,  64. 
SvirdstrOm,  Valborg,  126. 
Svendsen,  Johan,  133.  158.  159. 

198. 
de  Swert  58. 
Szeluta  (Komponist)  423. 
Szymanowski  (Komponist)  124. 

423. 
TaneTew,  Sergei,  113.  421. 
Tango,  Egisto,  272. 
Tappert,  Wilhelm,  63.  397. 
Tarnawski  (Sänger)  67.  416. 


XII 


NAMENREGISTER 


Tartini,  Giuseppe,  417. 

Täte,  Miss,  133. 

Taubert,  \7111ielm,  396. 

Tausig,  Carl,  31.  56. 

V.  Tautphoeus,  Frhr.  Joh.  Nep. 

300. 
Teibler,  Hermann,  114.  118. 
Tellhetm,  Karoline,  115. 
Tennyson,  Alfred,  102. 
Tester,  Emma,  351. 
Thal,  Paul,  127. 
Thalberg,  Marcian,  277. 
Thalberg,  Sigismund,  29.  36.  37. 
Thayer,  A.  W.,  360,  371. 
Thibaud,  Jacques,  134. 
Thierfelder,  Albert,  205. 
Thomson,  C^sar,  261. 
Thomson,  £.,  371. 
Thomas,  Theodor,  203. 
Thflrlings,  A.,  400. 
Tieck,  Ludwig,  290.  390. 
Timanow,  Vera,  134. 
Tinctoris,  Johannes,  399. 
Tinel,  Edgar,  193. 
Titte^  Bernhard,  185. 
Titz,  Johannes,  197. 
Titze-Krone,  Laura,  201. 
Tofte,  L.  W.,  157. 
Toller,  Georg,  413. 
Tomaschek,  Joh.  V7.,  384. 
Tomasini,  Anton,  19. 
Töpfer  64. 
Tordek,  Ella,  191. 
Toumemire  (Organist)  153. 
Tracey,  Minni,  134. 
Tracikiewicz  (Sängerin)  416. 
Tramer,  Leopold,  184. 
Tr6pard  (Komponist)  132. 
Trio,  Holländisches,  68. 
Trio,  Meininger,  200. 
Trio,     Russisches,    68.     126. 

129. 
Troubetzkoi,  Fflrst,  424. 
V.  Trfltzschler,  Gabriele,  197. 
Truxa,  Frau,  346. 
Tschaikowsky,    Peter,   68.    122. 

124.  125.  129.  130.  231.  198. 

199.  200.  201.  204.  205.  278. 

418.  421.  423. 
Tscherepnin,  Nikolai,  134. 
Tschemetzka,  \7era,  69. 
V.  Tuscher,  Mathias,  365.  366. 
Ufert,  Käte,  198. 
Uhland,  Ludwig,  179. 
Ulrici,  Wilhelm,  65.  414. 
Ullstein  &  Co.  393. 
Ultsch,  H.  Jos.,  300. 
Unnirow  (Sänger)  134. 
Unger,  Caroline,  22. 
Universal-Edition  114. 
Urbaczek,  Paula,  120. 
Urlus,  Jacques,  201.  420. 
Vach,  Ferdinand,  350.  420. 
Valesi,  J.  E.,  314.  { 


Vanor,  George,  410. 
V.  Varena  362.  363. 
Vaterhaus,  Hans,  69. 
V.  Vecsey,  Franz,  68. 
van  Veen,  J.  M.,  68. 
Veit,  August,  198. 
Velhaven,  Adelaide,  423. 
Vendler  (Komponist)  420. 
Verdi,  Giuseppe,  66.  120.  122. 

189.  349.  415.  416. 
Verex  (Eisenstadt)  19. 
Verhunc,  Fanchette,  118. 
Vessella  (Dirigent)  253. 
Viardot,  Paul  (Quartett),  277. 
Viardot,  Pauline,  56.  166. 
Vicq,  Ga6tane,  133.  134. 
Vidron,  Angele,  420. 
Vieme,    Louis,    147.   149.   151. 

152. 
Vieme  (Organist)  80. 
Vieweg,  Chr.  Fr.  393. 
ViUain  (Lithograph)  72. 
de  Villers,  Raffaelle,  277. 
Vlnös  (Sänger)  277. 
Viele,  Rudolf,  98. 
Visconti  189. 
Vobach  &  Co.  393. 
Vogler,  Abt,  300.  304.  313.  315. 

317.  326.  374. 
Voigt,  Valentin,  396. 
Volavä,  M.,  202. 
Volkmann,  J.,  95. 
Volkmann,  Robert,  127. 
Volkner,  Robert,  409. 
Voss,    Joh.    Heinrich,    333. 

388. 
Vrieslander,  Otto,  263. 
VulUermoz  277. 
Wagner,  Cosima,  43.  94. 
Wagner,  Gustav,  134. 
Wagner,  Karl,  181. 
Wagner,  Richard,  4.  5.  6.  7.  12. 

43.  49.  52.  53.  56.  65.  67.  96. 

98.  100.  102.  104.  115.  121. 

122.  123.  134.  135.  136.  155. 

164.  166.  167.  169.  181.  183. 

184.  189.  191.  198.  200.  202. 

204.  205.  247.  262.  272.  273. 

275.  277.  284.  286.  287.  288. 

291.  292.  293.309.311.319. 

323.  341.  348.  351.  379.  380. 

381.  395.  396.  397.  413.  414. 

417. 
Wagner,  Siegfried,  415. 
Wagner,  Frau  (Geigerin),  134. 
Wagner- Verein  (Berlin)  194. 
Wagner-Verein  (Wien)  408. 
Walch  (Eisenstadt)  19. 
Walcker,  E.  F.,  86. 
Walcker  &  Co.  395. 
Walker,  Edith,  412. 
Wallner  391. 
WallnOfer,  Adolf,  191. 
Walter,  Bruno,  279.  280. 


Walter,  Georg,  195. 

Walter,  Maria,  203.  205. 

Walter,  Raoul,  191.  200. 

Walter  (Sängerin)  412. 

Walter-Choinanus,  Iduna,    194. 

Warbeck,  Gustav,  347. 

Wargentln  389. 

Waschow,  Gustav,  120.  347. 

Waska  (Cellist)   196. 

V.  Weber,  Alexander,  323. 

Weber,  Anselm,  312. 

V.Weber,  Carl  Maria,  98.  119. 
131.  199.  200.  279.  283  ff 
(W.  der  Deutsche).  296  fr 
(Zwei  unbekannte  W.  Briefe). 
303  fr  (Die  drei  Pintos).  31 1  ff 
(C.  M.  V.  Weber  I).  324  ff 
(C.  M.  V.  Weber  als  Schrift- 
steller). 33 1  ff  (Zur  Verteidigung 
von  W.'s  einst.  Liedern  I).  337 
(C.  M.  V.  W.  als  Lehrer).  342. 
351.  352  (Bilder).  360.  373  ff 
(C.  M.  V.  W.  Schluss).  387  ff 
(Zur  Verteidigung  von  W.'s 
einst  Liedern.  Schluss).  396. 
417.  424  (Bilder). 

Weber,  Clara,  65.  273. 

V.  Weber,   Franz  Anton,  313. 
314. 

V.  Weber,  Fridolio,  313. 

V.  Weber,  Genofeva,  352  (Bild). 

Weber,  Gottfried,  299.  313.  317. 
326. 

Weber,  J.  J.,  37. 

V.  Weber,  Karl,  198.  304.  305. 
307. 

V.  Weber,  Karoline,  304.  352. 

V.  Weber,  Freifrau  Marion,  304. 
305. 

V.  Weber,  Max  Maria,  296.  302. 
304.  323.  337. 

Weber,  Wilhelm,    192.    193. 
194. 

Wedekind,  Erika,  121. 

Wegeier,  Julius,  113. 

Wegellus,  Martin,  115. 

Wehsener,  E.,  131. 

Weidemann,  Frieda,  192.  274. 

Weigmann,  Friedrich,  256. 

Weil,  Hermann,  204.  348. 

Weingartner,  Felix,  64.  65.  67. 
68.  106.  107.  125.  128.  132. 
133.  165.  180.  192.  195.  212. 
249.  276.  349.  421. 

Weiss,  Carl,  205. 

Weis,  Karl,  416. 

Welse,  Hermann,  198. 

Weismann,  Julius,  199. 

Weiss,  Marcelle,  133. 

Weisse,  Chr.  Felix,  341. 

Weissenboni)  Hermann,  69. 

Weitzig,  Hans,  196.  203. 

Weltzmann,  K.  Fr.,  31. 

Wekker,  Detr.,  19. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER 


XIII 


▼.  Welcky  Robert,  126. 

V7elte  &  Söhne  305. 

Weltlinger,  Sigmund,  65.  414. 

Wendel,  Ernst,  131. 

V7endel-Quartett  131. 

V7endllng,  Carl,  134.  200.  278. 

\7endt,  J.  C,  318. 

Werkmeister  (Cellist)  104. 

Wesendonk,  Otto,  166. 

Wessel,  Bernhard,  104. 

Westen,  Emanuel,  182. 

Wetz,  Richard,  107. 

Whitehill,  Clarence,  120.  414. 

Wiborg,  Elisa,  64.  348. 

Wickenhauser,  R.,  256. 

Widor,  Ch.  M.,  75.  80.  81.  82. 
84.  85.  130.  141.  142.  146. 
147.  148.  151.  152.  153.  272 
(Der  Fischer  v.  Saint  Jean. 
Erste  deutsche  Aufführung  in 
Fr.  a.  M.).  273. 

Wieh6,  Charlotte,  206. 

Wieniawski,  Henri,  418. 

Wihtol,  Joseph,  423. 

Wild,  Paul,  205.' 

V.  Wildenbruch,  Ernst,  102.  205. 

Wilhelm  IL,  KOnig  v.  Württem- 
berg, 64. 

Wilhelm  IV.,  Herzog  v.  Bayern, 
401. 

Wilhelm],  A.,  280. 

Wille,  Georg,  204. 

Winderstein,  Hans,  71.  131.200. 
201. 

Winderstein-Kapelle  203.  205. 

Winkelmann,  Hermann,  303. 304. 
305.  400. 

Winkler,  Th.,  326.  328.  320. 

Winter,  Oskar,  181. 


Wintemitz,  Arnold,   185. 

Wittenberg,  Alfred,  68. 

Witte,  Georg  Heinrich,  213.  214. 

280. 
Wohlbrflck  375. 
Wohlgemuth,  Gustav,  420. 
Wolf,  Hugo,   3.  106.   107.  128. 

134.  135.  102.  108.  200.  202. 

277.  416. 
Hugo  Wolf-Verein  408. 
Wolf,  Johannes,  168. 
Wolf,  Dr.,  361. 
Wolf-Ferrari,  Ermanno,  65.  67. 

1 14.  1 18  (.Die  vier  Grobiane«. 

Erste  Auffdhrung  in   Berlin). 

110.    126.     131.     180    (»Die 

vier  Grobiane**.  Urauffflhrung 

in  München).  212. 
Wolff,  P.  A.,  377. 
Wolfiram,  Carl,  400. 
Wolfrum,  Philipp,  1 12.  154. 248. 

254.  280. 
WoUank,  Justizrat,  310. 
Wolle  205. 

WoUgandt,  Edgar,  201. 
Wolter,  Charlotte,  107. 
Wolter,  Gustav,  351. 
Wolters,  Otto,  64. 
V.  Wolzogen,  Hans,  120. 
V.  Wolzogen,  Freifrau  Elsa  Laura, 

420. 
Wood,  Henry,  108.  408. 
Wormser,  Andr6,  348. 
Woyrsch,  Felix,  102. 
WflUner,  Franz,  380. 
WflUner,  Ludwig,  126.  131.  203. 

204.  205.  418. 
Anna  WOUnerscher  Frauenchor 

126. 


Wurmser,  Luden,  106. 

Wuz61,  Hans,  66.  414. 

van  der  Wyck,  Hess,  105. 

Wyschi\egradsky,  A.,  423. 

Ysaye,  Eugftne,  127.  128.  133. 
200.  201. 

Zachow,  F.  W.,  57. 

ZAdor,  Desider,  120. 

Zajic,  Florian,  68. 

Zalsman,  Gerard,  102.  104.  420. 

Zander,  Carl,  208.  280. 

Zanini,  Esther,  120. 

Zarlino,  Gioseffo,  300. 

Zbolnska  (Singerin)  67. 

Zelter,  Carl,  312.  318.  387. 

Zellner,  Leo,  125. 

Zeretelli,  Fürst,  66. 

Ziegfeld,  Dr.  400. 

Ziegler,  Adolf,  110. 

Ziese  (Pianistin)  131. 

Zimin  (Privatoper)  180. 

Zimmermann,  F.  A.,  64. 

Zimmermann,  Heinrich,  304. 

Zimmer-Quartett  133. 

Zinkeisen,  Anna,  200. 

Zmeskall  v.  Domanovecz,  Niko- 
laus, 20.  24. 

Zoellner,  Heinrich,  120.201.280. 
352. 

Zschemeck,  Georg,  201. 

Zschoriich,  Paul,  261.  262. 

Zulauf,  Ernst,  65. 

Zumpe,  Herman,  204.  413. 

Zumsteeg,  J.  R.,  384.  386. 

V.  Zur  Mühlen,  Raimund,  131. 
132.  134.  418. 

Zweers,  Bernard,  106. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BUCHER 


Berlioz,Hecton  Instrumentations- 
lehre. Erg.  u.  revid.  von  Richard 
Strauss.    Teil  I  u.  II.  250. 

Bohtt,  Emil :  Hundert  historische 
Konzerte  in  Breslau.  104. 

Brockhaus'  Kleines  Konversa- 
tions-Lexikon. I.  Bd.  300. 

Finck,  Henry  T.:  Edvard  Grieg. 
168. 

Grove,  George:  Dictionary  of 
Music  and  Musicians.  Bd.  II. 
105. 

Hagemann,  Carl:  Oper  u.  Szene, 
AufiBitze  zur  Regie  des  musikal. 
Dramas.  261. 

Höcker,  G.:  Drei  grosse  Ton- 
dichter. 342. 


Istel,  Edgar:  Die  komische  Oper. 
341. 

Kleefeld,  Wilhelm:  Landgraf 
Ernst  Ludwig  v.  Hessen-Darm- 
stadt und  die  deutsche  Oper. 
308. 

—  Blätter  hessischer  Tonkunst. 
308. 

Liszt,  Franz:  Briefe  (La  Mara). 
Bd.  Vin.  56. 

La  Mara:  Aus  der  Glanzzeit  der 
Weimarer  Altenburg.  56. 

V.  Miller  zu  Aichholz,  Viktor 
und  Kalbeck ,  Max :  Ein 
Brahms-Bilderbuch.  341. 

Neue   Kunstblätter:    Beethoven 


und  Wagner  von  Karl  Bauer. 
104. 

Praetorius,  Ernst:  Die  Mensural- 
theorie des  Franchinus  Ga- 
furius  und  der  folgenden  Zeit 
bis  zur  Mitte  des  16.  Jahrh. 
308. 

Riemann,  Hugo:  Handbuch  der 
Musikgeschichte.  Erster  Band. 
Zweiter  Teil.  168. 

Storck,  Karl:  Geschichte  der 
Musik.  III.  Abteil.  160. 

Zschorlich,Paul :  Mozart-Heuche- 
leL  261. 


XIV    REG.  D.  BESPR.  MUSIKALIEN,  ZEITSCHRIFTEN-  U.  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  MUSIKALIEN 


Arensky,  Anton:  op.  73.  Trio 
Nr.  2.  170. 

Aulin,  Tor:  op.  14.  Violinkonzert 
Nr.  3  c-moll.  —  op.  15.  Vier 
Stocke  in  Form  einer  Suite 
fOr  Violine  mit  Klavierbe- 
gleitung. 170. 

Berwald,  W.:  op.  32.  Sonate  fOr 
Violine  und  Klavier.  170. 

Brflckler,    Hugo:    op.  1  und  2. 
Lieder    und    Gesänge    aus 
Scheffels  «Trompeter  von  Sik- 
kingen".  106. 

Cleve,  Halfdan :  op.  6.  Klavier- 
konzert Nr.  2  b-moll.  401. 

Crome,  Fritz :  op.  3.  Sonate  pour 
Violon  et  Piano.  170. 

Courvoisier,  Walter:  Sieben  Ge- 
dichte   von    Peter   Cornelius 
für    eine    Singstimme    mit 
Klavier.  262. 

Denkmäler  Deutscher  Tonkunst. 
Erste  Folge.  Bd.  20.  57. 

—  Bd.  21  u.  22.     57. 

—  Zweite  Folge.  Denkmäler  der 
Tonkunst  in  Bayern.  3.  Jahrg. 
Bd.  II.  Erster  Teil.  400. 

Enna,  August:  H.  C.  Andersen. 
Festouvertflre  fOr  Orchester. 
342. 

—  Märchen,  Symphonische  Bilder 
fOr  Orchester.  342. 

Fuchs,  Robert:  op.  75.  Klavier- 
quartett. 170. 

Gorter,  Albert:  op.  17.  Acht 
Klavierstacke.  343. 

Heinrich  XXIV.  f.  L.  Prinz 
Reuss:  op.  21.  Zweite  Sonate 
fflr    Pianoforte    und   Violine. 


—  op.  22.  Sonate  fflr  Piano- 
forte und  Viola.  —  op.  23. 
Zwei  Streichquartette.    170. 

Istel,  Edgar:  op.  16.  Drei  Lieder. 
172. 

Kaun,  Hugo:  op.  2  und  op.  7. 
KlavierstQcke.  58. 

Kienzl,  Wilhelm:  op.30.  Kinder- 
Liebe  und  -Leben.  172. 

Kross,  E.:  Wie  hält  man  Violine 
und  Bogen.  170. 

Liapounow,  S.:  op.  11.  12 
Etudes  d'ex6cution  transcen- 
dente  pour  le  Piano.  105. 

Lies,  Otto:  op.  24.  .Lenore". 
401. 

Moszkowsky,  Maurice:  op.  60. 
Valse  de  concert  pour  le  Piano. 

—  Esquisse,  Vtoitienne,  Im- 
promptu, Coorse  folle  pour 
Piano.  58. 

Opienskiy  Henryk:  Sechs  Lieder. 

172. 
Petschnikoff,  Alexandre:  op.  10. 

Trois  morceaux  pour  Violon. 

171. 
Poldini,  Eduard:    op.  38.     De- 

kameron.  58. 
vom  Rath,  Felix:  Drei  Klavier- 

stflcke  op.  15/1.  Danza  malin- 

conica.    2.    Devozionale.     3. 

Burla.  263. 
Reger,   Max:    op.  76.  Schlichte 

Weisen.  107. 

—  op.  89.  Zwei  Sonatinen.  107. 

—  op.  77.     Zwei  Trios.  343. 

Röntgen,  Julius:    op.  47.    Alt- 
niederländische   Volkslieder. 
58. 


Schmid,  Heinrich  Kaspar:  Drei 
Lieder  fOr  Bariton  und  Klavier, 
op.  8.  —  Vier  Lieder  und  ein 
Duett  mit  Klavierbegleitung, 
op.  9.  263. 

Schröder,  Hermann:  Anleitung 
und  Übungen  zum  Partitur- 
spiel. 171. 

Sevcik,  O.:  op.  2.  Schule  der 
Bogentechnik.  —  op.3.  Vierzig 
Variationen.  (L.  R.  Feuillard.) 

Sohns,  Otto:  Sonate  fQr  Klavier 
und  Violine.  107. 

Stojanovits,  Peter:  op.  2.  Serenade 
fflr  Violine  mit  Klavierbe- 
gleitung. 171. 

Streicher,  Theodor:  Sechs  Lieder 
aus  des  ,,  Knaben  Wunder- 
hom*.  262. 

Suk,  Josef:  op.  25.  Scherzo 
fantastique  fQr  Orchester.  343. 

Urtel,  Elisabeth:  Neun  moderne 
Kinderlieder.  263. 

Vrieslander,  Otto:  Lieder  und 
Gesänge  nach  Gedichten  von 
Goethe,  aus  des  „Knaben 
Wunderhom*,  nach  verschiede- 
nen Dichtem  und  aus  „Pierrot 
Lunaire"  von  Albert  Giraud 
für  Singst,  und  Klavier.  263. 

Weingartner,  Felix:  op.22.  Zwölf 
Lieder.  106. 

Wetz,  Richard:  op.  20.  FQnf 
Gesänge«  107. 

Zilcher,  Hermann:  op.  11.  Kon- 
zert h-moll  fQr  Violine  und 
kleines  Orchester.  343. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  ZEITSCHRIFTEN- 

UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Abert,  Hermann:  Modemer 
Musikdilettantismus.  110. 

—  Adam  Krieger,  ein  ver- 
gessener Meister  des  deutschen 
Liedes.  264. 

The  Academy  (London):  From 
across  the^seas.  60. 

—  Strauss'  «Don  Juan*.  61. 

—  Choral  Music.  405. 
Altmann,  Wilhelm :  Die  deutsche 

Musiksammlung.  108. 
Andersson,      Otto:      Inhemska 
musiksträf  van    den    i   äldre 
flder.  60. 

—  Sängen  1  vftra  skolor.  403. 
Arend,  Max :    Die  unter  Glucks 

Mitwirkung  hergestellte,  ver- 


schollene älteste  deutsche 
Obersetzung  der  Iphigenia  auf 
Tauris.  405. 

Ars  et  Labor«  Musica  et  Musicisti 
(Mailand):  Luigi  Marchesi.  402. 

Aubaresses,  Frangois:  Critique 
et  Methode.  114.  405. 

Bach-Jahrbuch  402. 

Batka,  Richard:  Der  Monats- 
plauderer. 108. 

—  Smeuna  in  MQnchen.  110. 

—  Richard  Wagner  und  die 
Prager  Mozart-Tradition.  176. 

—  Von  der  Zukunft  des  Konzert- 
wesens. 265. 

—  Babel  und  Bibel  in  der 
Musik.  403. 


—  Heimat  und  Herkunft  der 
polyphonen  Musik.  403. 

—  Zur  Geschichte  des  Konzert- 
wesens in*  Prag.  403. 

Bayreuther  Blätter:  Ein  unge- 
druckter Schluss  des  » Beet- 
hoven*!] von;  Richard  Wagner. 
59. 

Bekker,Paul :  Pa8slonsmu8ik.403. 

Bellalgue,  Camille:  Österreichs 
Anteil  am  Geist  u.  an  der 
Geschichte  der  deutschen 
Oper.  264- 

Benet,  Michel:  Les  Etudes  de 
Liszt.  174. 

Bertelin,  Albert:  Des  6tudes  de 
composition      musicale,      oe 


REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE      XV 


qu'elles  sont,  ce  qu'elles 
devriient  6tre.  60. 

Bertini,  P.:  La  musici  stcra 
secondo  S.  Agostino  e  S. 
Tommaao.  61. 

Bie,  Oskar:  Musik  auf  Ab- 
bruch.  403. 

Blaschke, Julius:  Heinrich  Heine 
und  die  Musik.  110. 

Braungart,  Richard:  Programm- 
musik. 110. 

Breithaupt,  Rudolf  M.:  Mozart 
und  die  Zeitmusik.  265. 

Büchner,  Otto:  Ermanno  Wolf- 
Ferrari.  264. 

Bunge,  Rudolf:  Joh.  Seb.  Bachs 
Kapelle  zu  KOthen  und  deren 
nachgelassene  Instrumente. 402. 

Calvocoressi,  M.  D.:  M.  Vincent 
d'Indy.  405. 

de  Carlo,  A.:  La  Muslca  come 
fönte  d*tspirazione,  nelle  arti 
flguratlve.  59. 

Chantavoine,  Jean:  Goethe 
Musicien.  110. 

—  Franz  Liszt  et  Tart  classique. 
405. 

Chop,  Max:  Robert  und   Clara 

Schumann.  174. 
Closson,  Emest:  Cherubini.  100. 

—  F.  A.  Gevaert  175. 
Colles,     H.     C:    The    Oxford 

History  of  Music.  173. 

—  On  extempore  Playing.  173. 

—  Hubert  Parry's  ,Pied  Piper 
of  Hamelin".  405. 

—  Bach-Festival.  405. 
Cornelius,     Carl    Maria:     Die 

Werke  meines  Vaters.  59. 
Corver,  W.  J.:  Alfred  Tennyson 

en  Richard  Strauss.  174. 
Le    Courrier    musical:    Lettres 

in6dites  de  Gulllsume  Lekeu. 

60. 
Gripps,  A.  R.:  DoukhobourMusic. 

405. 
Crotched,  Dotted :  Private  musical 

coUections:  Mr.  Edward  Speyer. 

402. 
Dftlfico,  Melchiorre:  Verdi- Kari- 
katuren. 402. 
Dembski,  Max:  Hundert  Jahre 

deutschen      Minnergesanges. 

176. 
Dent,  Edward  J. :  The  Amflpamaso 

of  Orazio  Vecchi.  405. 
Dessoff,  Albert:  Aus  Briefen  von 

HermannGoetz  anOttoDessoff. 

402. 
Deutsch,  Erich:  Schwinds  .Die 

Hochzeit  des  Figaro*.  264. 
Döink,  Petrus:   Die  Einfahrung 

der    nach    der   vatikanischen 

Ausgabe   hergestellten   neuen 


Choralbücher  unter  dem 
kirchenrechtlichen  Gesichts- 
punkt. 175. 

Dubitzky,  Franz :  Mehr  Licht  in 
unsere  Partituren.  174. 

Erler,  Hermann:  Mendelssohns 
Reise  in  die  Schweiz.  176. 

Ernst,  Alfred:  La  melodia  de 
Wagner.  175. 

de  Fays,  J.:  Les  musiques  mili- 
taires.  60. 

Ferrerio,  A.:  Le  origini  del 
Melodrama.  61. 

Festschrift  zum  80.  Geburts- 
tage Herzog  Georgs:  Herzog 
Georg  II.  und  die  Melninger 
Kunst.  265. 

Finsk  Musikrevy:  Af-  vita  om 
dOmen  om  musik.  60. 

—  GreBnnan  Marie  d'Agoult.  60. 

—  Sm&  medel,  stora  verkningar. 
109. 

Fritzsche,  Dr.:  Erinnerungen  an 
Felix  Mendelssohn-Barthoidy. 
110. 

Galli,  A.:  Musica  artiflciosa.  60. 

Garms,  H.:  Een  Theoretische 
Invenuris.  174.  402. 

Gastou6,  A.:  La  musique  k 
Avignon  et  dans  le  Comtat 
du  XlVe  tu  XVIIIe  siftcle.  59. 

Gevaert,  F.  A. :  Die  musikalische 
Reproduktion.  175. 

Glasenapp,  C.  Fr.:  Siegfried 
Wagner.  109. 

Grand  -  Carteret ,  J. :  Retrato 
grafolögico  de  Wagner.    109. 

Grunsky,  Karl:  Mozarts  Kirchen- 
musik. 108. 

—  Musikpflege  im  Hause.  108. 
Gflrke,  G.;  Vom  Musiksaal  der 

Zukunft.  404. 

Guttmann,  Alfred:  Oskar  Fried. 
61. 

Hamburger  Echo :  Das  Orchester. 
173. 

Hamburger  Nachrichten:  Ein 
deutscher  Fflrst  Ober  Richard 
Wagner  im  Jahre  1849.   175. 

Das  Harmonium:  Die  musika- 
lischen Fachkreise  und  das 
Harmonium.  61. 

Heuss,  Alfred:  Das  dämonische 
Element  in  Mozarts  Werken. 
108. 

Hippius,  Adelaide:  Was  Rubin- 
stein in  den  Stunden  sagte.  404. 

Horovitz-Bamay,  Ilka:  Brahms- 
Briefe.  176. 

Illustrierte  Zeitung  (Leipzig) : 
Peter  Cornelius  in  seinen  Be- 
ziehungen zu  Franz  Liszt.  404. 

Ingegnieros,  Jos6:  Origen  y 
funciön  de  la  müsica.  109. 175. 


Isler,  Ernst:  Friedrich  Hegar.  403. 

Jaeil,  Marie:  Intelligenz  und 
Rhythmus  in  den  kflnstlerischen 
Bewegungen  beim  Kinde.  265. 

Joss,  Victor:  „Aschenbr6der.  109. 

—  »Dolores**.  175. 

Keller,  Alois:  ZithersQnden.  265. 
Kessler,   Adolf:    Musik   in    der 

Natur.  108. 
Kling,  H.:  Goethe  et  Berlioz.  59. 
Kloss,  Erich:  Das  Tannhiuser- 

Bacchanal.  109. 
— Choreographisches  bei  Richard 

Wagner.  174. 
Kohut,  Adolph:   Eine  80]ihrige 

SangeskQn stierin.  404. 
V.  Komorzynski,  Egon:  Mozarts 

konstnirs  Kap.  109. 
KOstlin,  H.A.:  Ein Stflck Volks- 
kunst. 108. 
V.    Kothen,    Axel:     Brückners 

4.  Symphonie.  109. 
Krogh,   Christian:    Ellen    Gul- 

branson.  403. 
Krtsmiry,  Anton :  Unzeitgemflsse 

Betrachtungen  zur  Mozartfeier. 

109. 
Lange,  Fritz:  Franz  Schubert  und 

die  Tanzmusik  seinerzeit.  264. 
Laser,  Arthur:  Musik  fflrs  Volk. 

175. 

—  Anregungen  zur  Programm- 
Reform.  404. 

Lee,  E.  Markham:  The  Future 
of  the  Cadence?  405. 

Lindau,  Paul:  Herzog  Georg 
V.  Sachsen  -  Meiningen  zum 
80.  Geburtstage.  403. 

Loerwald,  J.:  Der  Gesangswett- 
streit. 173. 

Lopez  Anön,  Francisco :  La  mü- 
sica arabe.  175. 

LflckhoCr, Walter:  Moderne  Haus- 
musik-Pädagogik. 264. 

Lttzemer  Tagblatt :  Heinrich 
Heine  und  die  Musiker.  173. 

Lyon,  Gustave :  L'acoustlque  au 
Trocad6ro.  405. 

Maclean,  Charles:  The  British 
School  on  View.  108. 

Manz,  Gustav :  Ein  Brief  Richard 
Wagners  an  seine  Schwester 
Klara.  176. 

Marling,  Frank  H.:  Musical  In- 
struments in  the  Metropolitan 
Museum,  New  York.  173. 

Marsop,  Paul :  Zurflck  zu  Mozart? 
404. 

—  Eine  Genossenschaft  ausQben- 
der  deutscher  Musiker.  404. 

Matras,  Maud:  A  Fantasy.  175. 
Mauclair,  Camille:  Propositions 

sur  la  musique.  174. 
Mey,  Kurt:  Musik  in  Italien.  404. 


XVI 


REGISTER  DER  ANGEZEIGTEN  NEUEN  OPERN 


V.  Mojsisovics,  Roderich:  Hector 
Berlioz'  Bedeutung  fflr  die 
Musik  unserer  Tage.  110. 

—  DelEtdenz  in  der  Musik?  174. 
Mflnzer^  Georg:  Peter  Cornelius 

aber  Ricliard  Wagner  in  Mfln- 

chen.  265. 
Musical  America  1906:  No.  10/1 1. 

61. 
The  Musical   Times   (London): 

Judas  Maccabaeus.  402. 

—  John  Day.  402. 
NaldOy  A.  R.:  Corriere.  61. 
Naught,  G.  Mc:   The  competi- 

tion     Festival    movement    in 
England.  405. 
Nef,  Karl:  Zur  Geschichte  zweier 
schweizerischen  Nationallieder. 
60. 

—  Männergesang  im  Kanton 
St.  Gallen.  173.  403. 

Neitzel,  Otto:  Messalina.  100. 

—  Ober  die  Begleitung  zum 
Gesang.  175. 

Neumann,  Angelo:  Kunst  und 
Kritik.  176. 

NieckSy  F.:  On  the  history  of 
the  Oratorio.  265. 

Obrist,  Aloys:  Klavierspielappa- 
rate und  musikalische  Seelen- 
werte. 109. 

Pfeiffer,  A.:  Die  Entwicklungsge- 
schichte des  Klaviers.  IV.  108. 

Pfltzner,  Hans :  Bahnentradition. 
59. 

Pfohl,  Ferdinand:  Mozart  und 
wir  170. 

Pifiero,  Elena:  La  mtisica  y  el 
Arte,  SU  acciön  moral.  109. 

Pommer,  Josef:  Das  älplerische 
Volkslied  und  wie  man  es 
findet  110.  265. 

Pramers,  Adolf:  Tonale  Geo- 
metrie. 265. 

Rappärd,  Chr.  A.:  Twee  Vocale- 
Orcheaterwerken  van  Richard 
Strauss.  60. 

ReusSi  Eduard:  Zur  Mozartfeier. 
59. 

Rhein.-Westf.  2:eitung:  Die  Ent- 


wicklung der  Ballade  als  musi- 
kalische Kunstgattung.  402. 

Richter,  Beruh.  Fr.:  Die  Wahl 
Job.  Seb.  Bachs  zum  Kantor 
der  Thomasschule  im  Jahre 
1723.    402. 

Riemann,  Hugo:  Die  Ausdrucks- 
kraft musikalischer  Motive.  60. 

de  Roda,  C.:  Un  quademo  di 
autografl  diBeethoven  del  1825. 
59. 

Rowbotham,  J.  F.:  Primitive 
Harmony.  405. 

Rast,  Ernst:  Gedanken  aber  das 
Wettsingen.  60. 

Scharlitt,  Bemard:  Briefe  von 
und  an  Chopin.  403. 

Schauby  F. :  Zur  Geschichte  des 
Diri^erens.  61. 

Scherrer,  Heinrich:  Gitarrespiel 
und  musikalische  Erziehung. 
264. 

Schiedermair,  Ludwig:  Neapoli- 
tanischer Brief  Simon  Mayrs 
a.  d.  Jahre  1813.    265. 

Schjelderup,  Gerhard:  Stimmen 
der  Völker  in  Liedern:  Das 
norwegische  Volkslied.  60. 

Schlegel,  Arthur:  Hans  Sommer. 
265. 

Schloesser,  Adolph :  Musikzu- 
stände in  England.  61. 

—  Das  moderne  Orchester.  61. 

—  The  Sonata.  174. 

—  Concert  Programmes.  405. 

Schmidt,  Kari:  Ober  die  Tätig- 
keit der  Kirchengesangvereine 
im  4.  Vierteljahre  1905.  61. 

Schmitz,  Eugen:  Die  vier  Gro- 
biane. 175. 

Schneider,  Max:  Verzeichnis  der 
bisher  erschienenen  Literatur 
aber  Job.  Seb.  Bach.  402. 

Schultz,  Detief:  Das  Musikjahr 
1905.     109. 

Segnitz,  Eugen :  Gesang  der  Ver- 
klärten. 61. 

—  Anton  Brückner.  174. 
Seitler,  Josef:  Musik  und  Mittel- 
schule. 404. 


Semper,  Manfk«d :  Gottfk'ied 
Semper  und  Wagner  in  ihrem 
persAnlichen  Verhältnis.  404. 

Senes,  G.:  Muslca  minuscola.  Ol. 

Solerti,  A.:  Primi  saggi  del 
melodramma  glocoso.  60. 

Sonneck,  O.  G.:  Washington's 
March.  405. 

Spencer,  Arthur:  Can  Music 
express  emotion?  61.  175. 

—  Musikens  härkonst  och  upp- 
gift.  403. 

Stanford,  Ch.  V.:  Das  falsch 
gedruckte  Metronomzeichen  in 
Beethovens  Neunter  Sympho- 
nie. 405. 

Steiner,  A.:  Hans  von  Baiow.  50. 

Stemfeld,  Richard:  Hugo  Wolf- 
Literatur.  265. 

de  Stoecklin,  Paul:  Max  Reger. 
405. 

Sylva,  Carmen :  Musikalische 
Stunden.  173. 

Thiessen,  Karl:  Peter  Cornelius 
als  Musiker.  109. 

—  Kritischer  Rackblick  auf  die 
Mozart-Gedenkfeier.  110. 

d'Udine,  Jean:  Musique  et  Pro- 
sodie.  174. 

—  L'teole  des  amateurs :  L'amour 
de  l'art.  405. 

—  Musique  ancienne.  405. 
Vivell»  P.  COlestin :  Das  Quilis- 

ma.  175. 
Volbach,  Fritz:   Wohin  steuern 

wir?  173. 
^  Ein'    feste   Burg    ist    unser 

Gott.    Kantate  von  Job.  Seb. 

Bach.  402. 
Weekblad    for    Muziek:    Onze 

Orchester.  60. 

—  Die  Apostel.  402. 
Wrassiwanopulos-Braschowanoff, 

George:  Richard  Wagner  und 

die  Antike.  59. 
de    Zielinski,    Jaroslaw:     First 

concerts  in  England.  173. 
Zuschneid,Karl :  MozartsKlavier- 

sonaten  und  ihre  Bedeutung 

im  Unterricht.  108. 


REGISTER  DER  ANGEZEIGTEN  NEUEN  OPERN 


Draeseke,  Felix:  Merlin.  177. 

Erlanger,  Baron  Friedrich :  Tess. 
266. 

Felix,  Hugo:  Les  Merveilleuses. 
62. 

Ganne,  Louis:  Hans  der  Flöten- 
spieler. 266. 

Gotthelf,  Felix:  Mahadeva.  344. 

Kistler,  Cyrill:  Die  Kleinstädter. 
406. 


Langert,   August:    Des  Sflngers 

Fluch.  111. 
L<eoncavallo,  R.:  Das  Rothemd. 

266. 
Leroux,  Xavier:  Theodora.  406. 
Massenet,  Jules:  Thörtee.  406. 
Mattausch,  A.:  Die  Brautnacht. 

177. 
Morvarer,  A.:  Die  Liebesgeige. 

266. 


Pacchierotti,  Ubaldo:  O  Eidel- 

bergia  mia.  406. 
Rasse,  Fran^ois:  DeTdamia.  177. 
R6kai,  Ferdinand:  Die  Zigeuner 

von  Nagy-Ida.  62. 
de     S^verac,     D^odat:     Soeur 

B6atrice.  62. 
Sousa,  J.  P.:  The  Free  Lance.  266. 
Woikowsky,V.:  DasNothemd.344. 
Wolf-Ferrari,  E.:  Der  Fieber.  111. 


NAMEN-  UND 
SACHREGISTER 

ZUMßlV.  QUARTALSBAND  DES  FÜNFTEN 
JAHRGANGS    DER    MUSIK   (1905/6) 


Aachen  (83.  Niederrheinisches 
Musikfest)  60. 

Abendroth,  Hermann,  198. 

Ackt6,  Aino,  187. 

Adamowski,  Tim,  334. 

Adler,  Guido,  36. 

AfTerni,  Ugo,  69. 

Aischylos  264. 

Akerberg,  Erik,  342. 

Albert,  FOrst  v.   Monaco,    332. 

Albers,  Henri,  191. 

d*Albert,  Eugen,  60.  62.  64.  69. 
264. 

Alexander  d.  Grosse  91. 

AlN^n,  Hugo,  341.  342. 

d'Allemagne,  Henry,  277. 

Allgemeiner  Deutscher  Musik- 
verein (42.  Tonkflnstlerfest  des 
A.  D.  M.)  47  ff. 

Altmann,  Wilhelm,  17. 

Altona  (Singerin)  267. 

Ambros,  A.  W.,  381. 

Andersen,  Anton,  342. 

d'Andrade,  Francesco,  395. 

Andrö  164. 

Andresen,  Lulu,  195. 

Anfossi,  Pasquale,  61. 

van  Anrooy,  P.i  190. 

Ansorge,  Conrad,  199. 

Anton,  Karl,  333. 

Anton,  König,  17. 

Arbos,  E.  F.,  176. 

Arcadelt,  Jakob,  192. 

Arensky,  Anton,  335. 

Ariosto,  Lodovico,  91. 

Aristides  90. 

Aristoteles  296. 

Arlte,  Gustave,  278.  283.  284. 
285. 

Arnheim,  Sophie,  196. 

Armingaud,  Jules,  288. 

Ascherfeld,  Klara,  192. 

Astruc  &  Co.  332. 

Attenhofer,  Karl,  199. 

Auber,  D.  F.  E.,  292. 

V.  Auer,  Leopold,  64. 

Augusts,  Prinzessin  v.  Preussen, 
278.  279. 

Aulin,  Tor,  342. 

Aulin,  Valborg,  342. 

Azevedo  277. 

Bach,  Job.  Seb ,  60.  61.  62.  65. 


66.   77.    111.    116.    120.  124. 

125.  138.  168.  169.  172.  174. 

177.  192.  193.  196.  197.  198. 

200.  204.  209.211.  212.226. 

228.  265.  268.  269.  271.  335. 

336.  337.  338.  340.  341.  343. 

382.  385.  398.  403. 
Bach,  Otto,  147.  148.  149.  151. 
Bachmann,  Walter,  186.  342. 
Bflck,  Knut,  342. 
Backhaus,  Wilhelm,  66.  268. 342. 
Bade,  Philipp,  340. 
Bak,  Adolf,  335. 
Balser-Fyshe,  Anna,  266. 
Banck,  C,  134.  157. 
Bannasch,  Richard,  262. 
Barblan,  Otto,  67. 
Bargiel,  Woldemar,  384. 
BarlOsius  42. 
Barrault  284.  294. 
Bartholomey,  Franz,  396. 
v.B«ry,Alfred,247.272  (Bild).  342. 
V.  Bassewitz,  Frl.,  266.  338. 
Bastard,  William,  340. 
Batz,  Reinhold,  51. 
Bauberger,  Alfred,  189. 
Bauer,  Harold,  192.  335. 
Bauerkeller  (Geiger)  343. 
Baumann,  Alexander,  214. 
Baumgarten,  A.  G.,  101. 
Baumgartner,  August,  261. 
de  Bayard,  Seigneur,  91. 
Becker,  Albert,  226.  248. 
Becker,  E.  L.,  142  (Bild). 
Becker,  Hugo,  338. 
Becker,  Jean,  382. 
Becker,  K.  F.,  325. 
Becket,  Thomas,  351. 
Beckman,  Bror,  342. 
Beckmann,  Gustav,  333. 
Beecher,  H.  W.,  374. 
de  Beer,  Pierre,  195. 
van  Beethoven,  Ludwig,  37.  45. 

58.  61.  63.  65. 69. 77. 103. 104. 

110.  111.  113.  115.  124.  129. 

131.  143.  160.  161.  170.  171. 

172.  173.  174.  191.  192.  193. 

196.  197.  200.  210.  249.  250. 

251.  265.  266.  267.  268.  269. 

270.  271.  286.  297.  335.  337. 

339.  340.  342.  343.  390.  395. 

396.  405. 


Behm,  Eduard,  338. 

Behr,  Hermann,  199. 

Behrens,  Peter,  270. 

Beier,  Franz,  65. 

Beines,  Carl,  190. 

Benazet    280.    283.    285.    287. 

288.  289. 
Bender,  Paul,  189. 
Benner,  Paul,  68. 
Bennett,  W.  St.,  141. 
Benolt,  Peter,  190.  337. 
Benzler,  Bischof,  58. 
Berg,  Arthur,  341. 
Berg,  Egon,  248. 
van  dem  Berg,  B.,  266. 
Berger,  Ludwig,  141. 
Berger,  Rudolf,  245.  247. 
Berger,  Wilhelm,  63.   65.   337. 

338. 
de  B^riot,  Charles,  344. 
Berlioz,  Hector,  50.  61.  66.  69. 

100.  131.  138.  191.  196.  197. 

199.  265.  271.  275.  280.  281. 

339.  348. 
Bernard  (Sfogcrin)  190. 
Berneker,    Constanz,   186.   196. 

222  ff  (C.  B.  t  9.  Juni  1906). 

272  (Bild). 
Bernouilll,  Eduard,  66. 
Bertram,  Theodor,  187.  247.  272. 
Berwald,  Franz,  341. 
Betz,  Franz,  392. 
Beyer  &  Söhne  162. 
Bigot,  Marie,  286. 
Bits,  Arthur,  335. 
Blnswanger,  Otto,  132. 
Bischoff,  Hermann,  50.  « 

V.  Bismarck  57. 
Bizet,  Georges,  265. 
Blanck-Peters,  Marie,  195. 
Blanquart  (Flötist)  340. 
Bliservereinigung,  Mainzer,  70. 
Blazer,  S.,  189. 
Blech,  Leo,  259.  333. 
Blesensis,  Petrus,  351. 
Bliesener  57. 
Blitz,  David,  340. 
Bloch,  Ernest,  68. 
Blockx,  Jan,  190. 
Bloomfleld-Zeisler,  Fannie,  1^2. 
Blumentbai  402. 
BlOthner  323. 

I 


II 


NAMENREGISTER 


Boche,  Ernsty  334. 

Böhme,  Doris,  261. 

BOhner,  Ludwig,  87. 

du  Bois-Reymond,  R.,  325. 

Bonis,  Mel.,  340. 

Bopp-Glaser,  Auguste,  101. 

BOpple,  Paul,  67. 

Borchers,  G.  197. 

Bomgässer,  Wilhelm,  62. 

V.  Bortklewicz,  Sergei,  336. 

van  Bos,  Coenraad,  62.  60. 

V.  Böse,  Fritz,  342. 

Bosetti,  Hermine,  61.  187.  188. 

108. 
Bossi,  Enrico,  268.  337. 
Bote  &  Bock  258. 
Böttcher  58. 
Böttge  185. 
Brahe,  Tycho,  342. 
Brahms,  Johannes,  60.  61.  62. 
63.  64.  66.  76.  105.  120.  120. 
138.  140.  172.  175.  177.  101. 
105.  106.  107.  108.  223.  240. 
265.  266.  268.  270.  271.  322. 
335.  336.  338.  342.  376.  381. 
386.  402. 
Branco,  Rudolf,  64. 
Brandt,  Marianne,  200. 225. 348. 
BrandukofT,  Anatol,  260. 
Braun,  Fritz,  247. 

Braun,  Hedwig,  106. 

Braun  (Komponist)  174. 

Braune,  Hugo  L.,  42.  71. 

Braunfels,  Walter,  51. 

Brause,  Hermann,  336. 

Breitenfeld,  Richard,  62. 

Breitengraser,  W.,  176. 

Breitkopfft  Hirtel  72.  122.  160. 
162.  174.  226.  248.  206.  302. 
300.  401. 

Brenuno,  Clemens,  207. 

Breuer,  Elise,  62. 

Breuer,  Hans,  247.  272. 

Bricht-Pyllemann,  Agnes,  60. 

Briesemeister,  Otto,  64.  247. 

Brockhaus,  Max,  155. 

Brodsky,  Adolf,  66. 

Broz&I,  Philipp,  65. 

Bruch,  Max,  62.  266.  271.  340. 
343. 

Brückner,  Anton,  62.  103.  106. 
108.  100.  227.  266.  270.  342. 
381.  305.  402.  413. 

Brflckner,  J.  J.,  08. 

Brückner,  Max,  262.  * 

BrQckner,  Oscar,  60. 

Bröggelmann,  H.,  268. 

Brflil-Kienemund  (Singerin)  265. 

Brun,  A.  B.,  64.  403. 

Brun,  Fritz,  67. 

Brunner  57. 

Buflr-Giessen,  Han»,  268. 

Buff-Hedinger,  Emilie,  64. 

Buhl,  Prof.,  313. 


Buhlig,  Richard,  338. 

Bukofzer,  Max,  324. 

V.  Baiow,  Hans,  313.  317.  318. 

310.  320.  321.  322.  341.  376. 

377.  380.  381.  383.  385.  386. 
Bulss,  Paul,  304. 
Buonamici,  Giuseppe,  321.  376. 

377. 
Burdach,  Konrad,  224. 
Burghardt  Du  Bois,  E.  W.,  368. 

374. 
Burgstaller,  Alois,  272. 
Burk-Berger,  Marie,  187. 
Burkert,  Otto,  265. 
Burmester,  Willy,  62.  108.  341. 
Burrian,  Carl,  61.  263. 
Busoni,  Ferruccio,  64.  101.  334. 
Busser,  Henri,  50. 
Büttner,  Max,  104.  262. 
Buysson  (Singer)  180. 
Byron,  Lord,  02. 
Cahier,  Mme.,  262. 
Caland,  Elisabeth,  325. 
de  CamoCns,  Luiz,  02. 
Capottl,  Victor,  332. 
Carr«,  Albert,  332.  333. 
Carrefio,  Teresa,  268.  343. 
Carus,  Carl  Erdmann,  84. 86.  06. 
Casals,  Pablo,  180. 
Caatlereagh,  H.  R.  St.,  02. 
V.  Certoriska,  Grftfln,  201. 
de  Cervantes,  Miguel,  02. 
Chamberlain,  H.  St.,  6. 
Charpentier,  Gustave,  333. 
Chaucer,  Geofflrey,  02. 
Chausson,  Emest,  334.  335. 
Ch«ridjian-Charrey  67. 
Chevalley,  Heinrich,  50. 
ChevlUard,  Camille,  332.  330. 
V.  Chigi,  Forst,  310. 
Chladek,  W.,  184. 
Chopin,  Fr6d6ric,  62.  64.  66.  81. 
100.  105.  118.  124.  172.270. 
271.  332.  335.  340. 
Chrysander,  Friedrich,  65.  107. 
Clark,  Ch.,  337. 
Giemen,  O.,  176. 
Coates,  Albert,  414. 
Coates,  John,  337. 
Codes,  Horatius,  Ol. 
Colbert,  J.  B.,  Ol. 
V.  CoUin,  Heinr.  Jos.,  80. 
Colonne,  Edouard,  260.  330. 
Columbus,  Christoph,  00. 
Combe,  Eduard,  68. 
Converse  266. 
Copdevielle,  Jean,  127. 
Corneille,  Pierre,  Ol. 
Cornelius,  Peter  (Singer),   247. 

272  (Bild). 
Cornelius,  Peter,  322.  376.  384. 
Correggio,  Antonio,  Ol. 
Cortot,  Alfred,  340. 
Corvinus,  Lorenz,  247.  264. 


Cossmann,  Bernhard,  288. 

Costa,  Franz,  180. 

Courvoisier,  Walter,  67. 

Cousa  314. 

Cowen,  F.  H.,  107.  343. 

Croissant,  Erna,  264. 

de  la  Cruz-Fröhlich,  Luis,  60. 

Culp,  Julia,  180.  101. 

Curtius,  Sp.,  Ol. 

Gzemy,  Carl,  134. 

Dahn,  Felix,  106.  223. 

Damcke,  Berthold,  57. 

Damrosch,  Frank,  185. 

Dancia,  Charles,  333. 

Dante  Alighieri  02.  268. 

Darkow,  Martin,  375. 

David,  F«icien,   275  ff  (F.  D.'s 

Reise  nach  Deutschland).  344 

(Bilder). 
David,  Ferdinand,  278.  281.  403. 
Davies,  Ben,  266. 
Davies,  Franggcon,  337. 
Dawison,  Max,  247. 
Debussy,  Claude,  101.  303. 
Dechert,  Hugo,  338. 
Decker,  Constantin,  258. 
Dehn,  Siegfried,  258. 
Delgrange,  Alexandre,  127. 
Delibes,  L6o,  381. 
Delius,  Frederik,  50. 
Demuth,  Leopold,  187.  263. 
D6n6r6siz,  A.,  67. 
Denys,  Thomas,  62. 
Dessoir,  Susanne,  337.  341. 
Destinn,  Emmy,  272. 
Deutsch  de  la  Meurthe,  Henri, 

332. 
Dietz,  Johanna,  62.  337. 
Dillmann,  Alexander,  64. 
Dima,  Henny,  180. 
Doebt>er,  Jobannes,  65. 
Doenges,  Paula,  187.  188.  262. 

334. 
V.  Dohn&nyi,  Ernst,  63. 128.  265. 
Dömpke,  Gustav,  223. 
Donizetti,  Gaetano,  147.  153. 
Dopper,  C,  100. 
Doret,  Gustave,  67. 
Dom,  Heinrich,  115. 
Draeseke,  Felix,  267. 
Drake,  Franz,  02. 
Dresden,  Sem,  178. 
Dressler,  Anton,  64. 
Dreyschock,  Felix,  333. 
Drill-Orridge,  Theo,  51.  187. 
Dufour,  W.  H.,  308. 
Dufour  278  ff.  281  ff.  284.  285. 
V.  Dulong,  Henri,  108. 
V.  Dulong,  Magda,  108. 
Dupont,  Gabriel,  333. 
Duport  286. 
Dupuis,  Sylvain,  102. 
V.  DQrk,  Frau,  300.  310. 
Duveyrier  278.  281    204. 


NAMENREGISTER 


III 


Dvorak,  Anton,  63.  65.  60.  192. 

199.  271.  334.  335. 
V.  Ebtrt  262. 
Ehlers,  Paul,  228.  229. 
Ehrhardt,  Marie,  261. 
Ehrhart,  Jacquea,  67. 
Elchberger,  Josef,  333. 
V.  Eichendorff,  Frhr.  Joseph,  249. 
Eichner,  Ernst,  86. 
Eitner,  Robert,  176. 
Ellberg,  Ernst,  342. 
Eidering,  Bram,  271. 
Elgar,    Edward,    191.  334.  336. 

337.  340. 
Elisabeth,  Königin,  278. 
Ellis,  W.  A.,  44.  348. 
Elman,  Mischa,  197. 
Elmblad,  Johannes,  59. 
Eltz,  Emil  Conrad,  98. 
Elvyn,  Myrtle,  267. 
Ende  174. 

Enfantin,  Arthur,  286. 
Enfkntin,    Barth^lemy   Prosper, 

276  ir. 

Enesco,  Georg,  340. 

Engel,  J.,  260. 

V.  Engelhardt,  Helene,  61. 

ErdmannsdOrffer,  Max,  380. 

Erlanger,  Camille,  333. 

Erler,  Hermann,  134.  139.  142. 

Ernst,  H.  W.,  265. 

Ernst   Ludwig,    Grossherzog  v. 

Hessen,  65. 
Erttel,  Otto  C,  85. 
Escudier,    L6on  u.  Marie,    282. 

283.  284.  285.  287.  288.  289. 

291  ff. 
Euler,  Leonhard,  91. 
Euripides  225. 
van  Eweyk,  Arthur,  62.  63.  196. 

197.  267.  270.  336. 
Farrar,  Geraldine,  396. 
Fassbänder,  Peter,  68.  198.  199. 
Faur6,  Gabriel,  340. 
Fechner,  E.,  200. 
Feinhals,    Fritz,    64.    187.   188. 

263. 
F6nelon,  Fran^ois  de  Salignac,  9 1 . 
Fernen,  Villi,  340. 
Ferchland,  Helene,  198. 
Ferdinand  Maximilian, Erzherzog, 

239. 
Fernet  (Tenor)  264. 
Fessel,  John,  341. 
Feuge,  Oskar,  333. 
Feuge-Gleiss,  Emilie,  247. 
F6vrier,    Henri,    263    («Le  roi 

aveugle.**      UrauffQhning    in 

Paris.) 
Fichte,  Joh.  Gottlieb,  102. 
Fiedler,  Oskar,  59. 
V.  Fielitz,  Alexander,  332. 
Finck,  Henry  T.,  40.  41. 
Fink,  G.  W.,  100. 


Fioravanti,  Valentino,  174. 
Fischer,  Gh.  V.,  236. 
Fischer,  H.,  338.  339. 
Fischer,  Richard,  198.  199.  340. 
Fischer  &  Franke  71. 
Fischer    (Chordirektor)    18.  21. 
Fitzner-Quartett  396. 
Flechsig  97. 
Fleischer,  Oskar,  413. 
Fleischer-Edel,   Katharina,   187. 

191.  192.  247.  272  (Bild). 
Flesch,  Carl,  63.  189. 
F16ring,  D.,  332. 
Forcellini,  Egidio,  96. 
Forchhammer-Ulsaker,Frau,  266. 
Forchhammer,  Ejnar,  262.  266. 
Fester,  St.  C,  375. 
Franck,  C6sar,  265.  341. 
Franke,  Fr.  W.,  65. 
Franklin,  Benjamin,  92. 
Franz,  Robert,  166.  382.  385. 
V.  Freiberg,  Heinrich,  4. 
Freiligrath,  Ferdinand,  303. 
Freyer,  Dr,  271. 
Freytag,  L.,  248. 
Fricke,  Richard,  45. 
Fried,  Richard,  264. 
Friedberg,  Carl,  270.  341. 
Friedfeldt,  Mara,  265. 
Friedenthal,  Albert,  271. 
Friedrich,  Kaiserin,  65. 
Friedrich  d.  Grosse  91. 
Friedrieb,  Herzog  v.  Anhalt,  63. 
Friedrich  August  II.,  KOnig,  17. 

232.  283. 
Friedrich  II.,  Herzog  v.  Anhalt, 

333, 
Friedrich  Wilhelm  III.,  König,57. 
Friedrich  Wilhelm  IV.,    König, 

58.  232.  278.  299. 
Friedrichs,  Fritz,  272. 
Friedrichs,  Kari,  64. 
Fritzsch,  E.  W.,  225.  376.  392. 
Frohschamer,  Prof.,  314. 
Froissart,  Jacques,  186. 
Froment-Meurice,  Jacques,  332. 
Fromm,  E.,  267. 
Fuchs,  Anton,  187.  189. 
FOchsel  339. 
Fugmann,  Job.  Chr,  86» 
Funk  298. 
Fflrst,  Helene,  198. 
FOrstenau,  L.  B.,  402. 
Gabrilowitsch,  Ossip,  196. 
Gade,  N.  W.,  64.  335.  342.  384. 
Gadski,  Johsnna,  187.  188.  192. 

335.  336.  337. 
Gihlert,  W.,  65. 
Glhrich,  Wenzel,  57. 
Gailhard,  Pedro,  332. 
Ginge  (Pianist)  196. 
Ganz,  Rudolph,  335. 
Garcia,  Manuel,  186.  344. 
Garibaldi,  Giuseppe,  311. 


Gast,  Fr.  Mor.,  86.  87. 
Gaul,  Franz,  186. 
Gautier,  Th.,  284. 
Gay,  Maria,  264. 
Gebhard,  Heinrich,  191. 
Gebhardt,  Martin,  58. 
Geess,  Hermann,  58. 
Geibel,  Emanuel,  125. 
Geisler,  Paul,  258.« 
Gensei,  I.,  141. 
Gentner,  K.,  340. 
Georges,  Alexandre,  333.  340. 
Gerardy,  Jean,  192.  265. 
Gerhardt,  P.,  343. 
Gericke,  Wilhelm,  191.  334. 
Gewandhaus  -  Kammermusikver- 
einigung 342. 
Geyer,  Ludwig,  21. 
Glossen,  Hans,  343. 
Gilbert  348. 
Gille,  Kari,  333. 
van  Gilse  (Komponist)  190. 
Glasenapp,  C.  Fr.,  18.  45.  235. 

399.  400. 
Glaso  57. 

Glazounow,  Alexander,  334. 
Glover,  Edwin,  266. 
Gluck,  Chr.  W.,  62.  212.  333. 

403. 
Godowsky,  Leopold,  64. 
Goethe,  Wolfgang,  3.  46.  49.  89. 

91.  102.  113.   132.  198.  199. 

262.  266.  323.  394. 
GOhler,  Georg,  197. 
Goldberg,  Jacques,  186. 
Goldmark,  Karl,   62.    191.  271. 

335.  342.  387. 
Goldschmidt,  Hugo,  66. 
Golther,  Wolfgang,  71. 
Gomes,  Carlos,  271. 
Goodson,  Katherine,  61. 
Göpel  (Singer)  63. 
Gorter,  Albert,  264. 
Gottfried  v.  Strassburg  3.  4.  6. 

8.  41. 
Gottlieb,  Julius,  262. 
Gottlieb,  N.,  62. 
Gottlieb- Noren,  H.,  178. 
Götte,  E.,  197. 
Gottsched,  Joh.  Chr.,  101. 
Götze,  Marie,  262. 
Gounod,  Charles,  63.  281.  319. 
Gouvy,  Theodor,  387. 
Grabowsky  (Kantor)  258. 
Graun,  K.  H.,  161. 
Graupner,  Christoph,  402. 
Greffulhe,  Grlfln  Elisabeth,  339. 
Greif,  Martin,  323. 
Grell,  E.  L.,  200  (Bild). 
Gretschaninoff,  Alexander,  260. 
Grieg,  Edvard,    68.    189.    266. 

271.  335.  340.  342. 
Grieser,  G.,  70. 
Grisebach,  Eduard,  174. 

1* 


IV 


NAMENREGISTER 


Griswold,  Putnam,  187. 
de  Groote  339. 
Gross,  Gisella,  336. 
Gruber,  J.,  414. 
Gruffydd  sb  Rhys  351. 
Gnimbacher  de  Jong,  Jeannette, 

62.   64.   65.    196.    207.    269. 

270.  340. 
Grfln,  Anastasius,  303. 
Grün,  S.,  393. 
Grund,  Wilhelm,  142. 
Grflters,  August,  128. 
Grfltzmacher,  Friedrich,  271. 
Guggenheim  (Singer)  70. 
Gulbranson,  Ellen,  247.  272. 
GQnzburg,  Raoul,  332. 
Gura,  Eugen,   304.    390  fr   (Er- 
innerungen aus  meinem  Leben). 

414. 
Gura,  Hermann,  198.  304. 
Garzenich-Quartett  271. 
Guszalewicz,  Allcei  263. 
Gutmann,  Albert,  186. 
Gutmann,  Emil,  186. 
Gutzkow,   Karl,    155.  156.  157. 

158.  231. 
de  Haan-Manlfarges,  Pauline,  65. 
Haase  &  Co.  200. 
Habel,  Ferd.,  184. 
Hadot  284. 
Hadwiger,  Alois,  245.  247.  272 

(Bild). 
Haeser,  Georg,  67. 
Hagel,  Richard,  188. 
V.  d.  Hagen  4. 
Higg.  J.  L.,  342. 
Hägg,  Gustaf,   342. 
Hahn,  Raynaldo,  395. 
Hallwachs,  Carl,  65. 
Hal6vy,  J.  F.  E.,  37.  285.  291. 

293. 
Halir,  Karl,  128.  338.  343. 
Hall,  Marie,  192.  265.  335. 
HalI6  66. 

Hallen,  Andreas,  342. 
Hals,  Frans,  415  (Bilder). 
Hamann,  Hugo,  343. 
Hamann,  Joh.  Georg,  101. 
Hamerling,  Robert,  258. 
Hand,  F.,  96. 
Hindel,  G.  F.,  58.  61.  65  (Die 

H. -Auffahrungen  der  Kaiserin 

Friedrich-Stiftung).    66.    111. 

190.  197.  198.  209.  265.341. 

376.  382. 
Hinel  (Maschinenmeister)    155. 
Hanslick,  Eduard,  40. 
van  der  Harst,  H.,  197. 
Hartmann,  Arthur,  186.  267. 
Hartmann,  C,  199. 
Hartmann»  L.,  262. 
Härtung,  Anna,  197. 
Harcourt  334. 
Hirtel,  H.,  140. 


Hirtinger,  Martin,  212. 
Hasse,  Joh.  Ad.,  197.  320.  405. 
Hauffe,  Kite,  268. 
Hauptmann,  Gerhart,  47. 
Hauptmann,  Moritz,  322. 
Hausburg,  Conrad,  196. 
Hauser,  Franz,  58.  210. 
Hausmann,  Robert,  128. 
Havemann,  Gustav,  198. 
Haydn,Joh.  Michael,  159  ff  (Joh. 

M.  H.)  174.  200  (Bild).  396. 
Haydn,  Joseph,  58.  62.  64.  86. 

159.  169.  193.270.271.297. 

335.  340. 
Hayn,  Chr.  Fr.,  98. 
Heam,  Lafcadio,  369.  370. 
Hebbel,  Friedrich,  43. 
Heermann,  Hugo,  335. 
Hegar,  Frida,  67. 
Hegar,  Johannes,  268.  341. 
V.  Heggendorf,  Frau,  83. 
V.  Heidenstam,  Verner,  341. 
Hein,  Paul,  190. 
Heine,  Ferdinand,  21.  231.  232. 
Heine,  Heinrich,  124.  229. 
Heinemann,  Ernst,  395. 
Heinemann,  J.  N.,  139. 
Hemberger,  Theodor,  192. 
Hempel,  A.,  268. 
Hempel,  Frida,  247. 
Hendrich,  Hermann,  42. 
Henneberg  (Komponist)  342. 
Henschel,  Grete,  198. 
Henselt,  Adolf,  124. 
Henzen  &  Hamann  18. 
Herder,  Joh.  Gottfr.,    88.    101. 

106.  193.  394. 
Herennius.,  Dec,  91. 
Herkomer,  Hubert,  71. 
Hermann,  Robert,  177. 
Herrmann,  Clara,  198. 
Hertel,  Gottfried,  83.  96.  98. 
Herz,  Henri,  116.  141. 
Herzog,  Emil  Wilhelm,  98.  99. 
Herzog,    Emilie,   84.    187.  220. 

221.  262. 
Herzog,  Joh.   Georg,   204.  210. 

213.  216.  217. 
V.  Herzogenberg,   Heinrich,  64. 
Hesch,  Wilhelm,  187.  188. 
Hess,  Ludwig,  65.  69.  191.  196. 

197.  269. 
Hess,  Max,  334. 
Hess,  Willy,  335. 
Hess-Quartett  335. 
Hess  van    der  Wyk,   Theodor, 

269. 
Heu  her  (Singerin)  63. 
Heubner  237. 
Heuss,  Alfred,  325. 
Hey,  Otti,  338. 
Heyermans,  Hermann,  47. 
Heyse,  Paul,  109.  319.  323.  380. 
Heyworth  (Komponist)  196. 


Hiekisch,  H.  J.,  59. 

Hielscher,  Paul,  59. 

Higginson,  Th.  W.,  374. 

Hilf,  Arno,  343. 

Hilf-Quartett  65. 

Hiller,  Ferdinand,  283.  384. 

Hinckley,  Allan,  247.  272  (Bild). 

Hinken-Cahnbley,  Tilly,  340. 

Hinflber  (Militirmusiker)  86. 

Hinze-Reinhold,  Bruno,  64.  338. 

Hirsch,  Paul,  200. 

Hirte,  Alfred,  414. 

Hirzel-Langenhan,  Anna,  198. 

V.  Hochberg,  Graf  Bolko,  193. 

Hoffmann,  Baptist,  189: 

HoAnann,    E.  T.  A.,    103.    104. 
174.  175. 

Hoffmann,  Jacques,  335. 

Hoffmann  (Militirmusiker)86. 87. 

HofTmann-Quartett  335. 

V.    Hoffoaass,    Franziska,    310. 
311.  313.  315. 

Hofmann,    Heinrich,    341.  402. 

Hofineier  (Pianist)  198. 

Hofineister,  Fr.,  117.  140. 

Hohenemser,  Richard,  200. 

Holland,  H.  S.,  114. 

HoUman,  Joseph,  340. 

V.   Holstein,    Franz,    320.    322. 
379. 

Holtschneider,  Carl,  63. 

Homer,  Luise,  46.  87.  91.  335. 

Hopkinson,   Francis,   400.  401. 

Hoppen,  Rudolf,  65. 

Hornemann,  Emil,  59. 

Huber,  Hans,  68. 

Huber-Petzold,  Ida,  67. 

Hue,  Georges,  333. 

Hughes-Hughes,  Dr.,  185. 

Hummel,  J.  F.,  396. 

Hummel,  Joh.   Nep.,    116.   136. 

Humperdinck,  Engelbert,  51. 186. 
188.  191.  204.  264.  266.  383. 

Hflnten,  Franz,  116. 

Hutcheson,  Ernst,  192.  335. 

Hutter,  Hermann,  341. 

Ibach,  Rudolf,  66. 

Ibsen,  Henrik,  43.  342. 
d'Indy,  Vincent,  191.  265.  332. 

334.  340. 
Isler,  Ernst,  68. 
Isola,  Gebrüder,  333. 
Istel,  Edgar,  414. 
Jadafrsohn,  Salomon,   382.  383. 

402. 
Jaeil,  Alfred,  322. 
Jiger,  G.,  175. 
Jiger  (Lithograph)  200. 
Jahn,  Otto,  164.  165.  250.  251. 
Jansen,  F.  Gustav,  84.  140. 
Janssen,  Julius,  63. 
Jaques-Dalcroze,   Emil,  60.  68. 

115.  191.  259.  334. 
Jimefelt,  Maikki,  61.  62. 


NAMENREGISTER 


Jeuan  Vawr  tp  y  Diwlith  351. 
Joachim,  Joseph,   75.   76.    111. 

128.   129.  172.  270.  383. 
Johannsen  195. 
Jomelli,  Nicola,  197. 
Jörn,  Carl,  64.  187. 
Josephaoti,  J.  A.,  341. 
Jourdan  278.  284.  286.  287.  288. 

292.  294. 
Jungblut,  A.,  62. 
Junker,  August,  271. 
Juon,  Paul,  51. 
Kagel,  Emily,  338. 
Kaiser,  Eduard,   139. 
Kalbeck,  Max,  41.  83.  395. 
Kalischer,  Alfr.  Chr.,  143. 
Kalkbrenner,  Chr.,  116. 
Kalliwoda,  I.  W.,  115. 
Kant,  Immanuel,  91.  102.  112. 
Kappet,  Anna,  128. 
Kaschkin,  Nikolai,  260. 
Kaspar,  kalter,  70. 
Kaufmann,  Hedwig,  194. 
V.  Kaulbach,  Wilhelm,  310.  312. 

323. 
Kaun,  Hugo,  51. 
Kayser,  Marie,  271. 
Keller,  Gottfried,  76.  178. 
Keller,  R.,   196. 
Keller  (Kassel)  65. 
V.  Keussler,  Gerhard,  69. 
Kiebitz  (Musikdirektor)  70. 
Kiedaisch,  Friedrich,  59. 
Kiefer,  Heinrich,  51.  198. 
Kien«,  Mme.,  286. 
Kilian,  Theodor,  51. 
Kipper,  Hermann,  414. 
Kirkby  -  Lunn,     Louise,     192. 

265. 
Kirsch,  Hedwig,  63. 
Kittl,  Job.  Fr.,  231. 
Kitzler,  Otto,  69. 
Klausner,  Otto,  69. 
Kleeberg,  Ciotilde,  335. 
Kleinert,  Rosa,  342. 
Kleinpaul,  A.,  65. 
V.  Kleist,  Heinrich,  258. 
Klemm,  Johann,  326. 
Kiengel,  Julius,  69.  343. 
Klincke  57. 

Klinkhardt,  Ed.  Ad.,  98. 
Klitzsch,  E.,  139. 
Kloepfel  334. 
Klopstock,  F.  C,  91. 
Klose,  Friedrich,  185.  222.  227. 

332. 
Klughardt,  August,  70. 
Knappe,  Helene,  264. 
Kneisel-Quartett  192.  335. 
Kniese,  Julius,  245.  246.   272. 
Knorr,  Iwan,  198. 
KnOpfer,  Paul,    198.   245.  272. 
Koboth,  Irma,  189. 
Koch,  Max,  43. 


V.  K6chel,  Ritter  Ludwig,   160. 

164.  165.  200.  396. 
Koenen,  Tilly,  337. 
Koetscher,  Hans,  67.  199. 
Kogel,  Gustav,  70. 
Kohmann,  Anton,  268. 
Köhler,  Louis,  223. 
Kopecki,  O.,  196. 
Kopfermann,  Albert,  144. 
Körung,  August,  342. 
Kömer,  Kari,  271. 
Kosegarten,  L.  Th.,  88. 
Kosman,  Alexander,  51. 
V.  Kotzebue,  August.  174. 
Kramer,  Job.  B.,  217. 
Kranich,  Friedrich,  247. 
Krasselt,  Alfred,  64. 
Kraus,  Ernst,  187.  247.  272. 
V.  Kraus,  Felix,  128.  245.  247. 

272.  338. 
V.  Kraus-Osborne,  Adrienne,  64. 

65.  128.  199.  247. 
Krause,  C,  176.    . 
Kreisler,  Fritz,  62.  66.  191.  199. 

337.  340. 
KfcJcy)  Joseph,  379. 
Krempe  (Sängerin)  343. 
Kremser,  Ed.,  59. 
Kreutzer,  Rodolphe,  403. 
Krieger,  Adam,  325.  326. 
Kriegeskotten  248. 
Krug,  Karl,  186. 
Krug,  L.,  184. 
Krzyzanowski,  Rudolf,  264. 
Kubelik,  Jan,  265. 
Kflchenmeister  (Journalist)  157. 
Küchenmeister,  Hermine,  157. 
Kafftaer,  Karl,  248. 
Kuhl-Dahlmann,  Ida,  268. 
Kahns,  Emil,  196. 
Kuhlenkampff,  Gustav,  58. 
Kunwald,  Ernst,  186. 
Kurtz,  Hermann,  4.  8 
Kusmitsch  (Singerin)  265. 
Kutzschbach,  Hermann,  268. 
Kwast,  lames,  194. 
Kwast-Hodapp,  Frida,  194. 
Lachner,  Franz,  212.  213.  218. 

219.  261.  309.  311.  323.  378. 

379.  380. 
Lachner,  Vincenz,  320. 
Lacombe,  Louis,  261. 
LafTitte  285. 
Laidlaw,  Anna  Robena,  134.  135. 

136.  141  (Bild).  142. 
Lalo,  Edouard,  265.  343. 
La  Mara  17.  235. 
Lamond,  Frederic,  64.  267.  336. 

338. 
Lang  (Cellist)  69. 
Lange  58. 

Landowska,  Vanda,  340. 
Lapidus,  Mela,  340. 
Lassen,  Eduard,  262.  335. 


Lauber,  Emile,  67. 
Lauber,  Joseph,  67.  68. 
Laurens,  J.  J.  B.,  139. 
Laurencin,  Graf  F.  P.,  384. 
Lautenschliger,  Karl,    186.  200 

(Bild). 
Lauterbach,  Kpm.,  343. 
Lavoisier  91. 
Le  Roux,  Hugues,  263. 
Lecocq,  Charles,  332. 
Lederer,  Victor,  352. 
Leffler-Burckard,   Martha,    245, 

262.  272  (Bild). 
Lehmann,  Lilli,   300.  304.  395. 
Leibniz  91. 

Lemercier  (Lithograph)  200. 
Leo  XIIL,  Papst,  252. 
Leonhard,  Emil,  210.  213.  217. 

309. 
Leonidas  91. 
Lessing,  G.  E.,  101. 
Lessmann,  Eva,  51. 
Lessmann,  Otto,  337. 
Levi,  Hermann,   187.  379.  380. 

381.  383.  386.  395. 
Leydhecker,  Agnes,  64.  268. 
Lichtenberger,  Henri,  277. 
V.    Lichtenstein,    Fflrst   August, 

214. 
Lichtwark,  K.,  198. 
Liebermann,  Max,  47. 
V.  Liechtenstein,  Ulrich,  5. 
Liepe,  Emil,  268. 
Lierhammer,  Theodor,  198. 
Lilljefors,  Rüben,  342. 
Lind,  Jenny,  113.  114. 
Lindblad,  A.  F.,  342. 
Lindemann,  Heinrich,  96. 
Lindgren,  Johann,  341. 
Lingg,  Hermann,  323.  380. 
Linewa,  Tr.,  260. 
Lipinski,  K.J.,  26.  27.  28.  110. 

147.  155. 
Liszewsky,  Tilmann,   187.   190. 
Liszt,  Franz,  8.  47.  60.  61.  63. 

65.66.  69.81.  108.  111.  114. 

124.  138.  191.  192.  193.   195. 

196.  198.  199.  227.  236.  237. 

238.  260.  266.  268.  271.  280. 

289.  321.  322.  335.  342.  343. 
Litzmann,   Berthold,    115.   117. 

119.  122.  124.  135.  136.  167. 

168.  169. 
Litzinger,  Franz,   186. 
Litynskt,  Leopold,  333. 
Locateüi,  Pietro,  403. 
LoefTler,  Ch.  M.,  337. 
Loewe,  Cari,    64.   295  fr  (C.  L. 

und  die  Vogelwelt  I).    353  fr 

(C.    L.    und    die    Vogelwelt. 

Schluss).  394.  414. 
Loewengard,  Max,  59. 
Lohse,  Joseflne,  261. 
Lohse,  Otto,  188.  263. 


VI 


NAMENREGISTER 


Lorenz,  Alfred,  266.   334.   337. 

338. 
Loritz,  Josef,  51.  267.  269.  341. 
Louis     Ferdinand,     Prinz     von 

Preussen,  86. 
Löwenstern  (Dirigent)  336. 
Lucas  291. 

Ludwig  I.,  König,  211.  212. 
Ludwig  IL,  König,  41.  200. 
Luigini,  Alexandre,  333.  340. 
Luitpold,  Prinz,  211. 
Luitpold,  Prinzessin,  211. 
Lussmann,  Adolf,  264. 
Luther,  Martin,  33.  34.  91.  250. 
Latkemann,  Alida,  189.  190. 
Lfltschg,  Waldemar,  335. 
V.  LOttichau,  Frhr.  Karl  August, 

17  ff  (Richard  Wagners  Briefe 

an  Frhr.v.  L.  1).  147ff(R.  W. 

Briefe  an  Frhr.  v.  L.  II).  231  ff 

(R.  W.  Briefe  an  Frhr.  v.  L. 

Schluss). 
V.  Lattichau,  Frfr.  Ida«  237. 
V.  Luxburg,  Grifin,  310. 
Luzzatto  (Komponist)  340. 
Lyon,  James,  401. 
Maarsens,  Prof.,  260. 
Machtscher   Gesangverein    338. 
Macquarre,  Andr6,  335. 
Maeterlinck,  Maurice,  389. 
Magnus,  E.,  267. 
Mahlendorf,    Bemhardine,    264. 
Mahler,  Gustav,  49.    191.   334. 

337.  395. 
Mabler  (Librettist)  262. 
Maier,  Jul.  Jos.,  210.  211.  214. 

216.  220.  308.  309.  311. 
Malibran,  Maria,  344  (Bild). 
Maltzin,  Josef,  267. 
Manön,  loan,  62. 
Mangen,  Kpm.,  59. 
Mann,  Eduard,  343. 
Mannstidt,  Franz,  70. 
Marbach,  Hofrat,  391. 
Marhold,  Carl,  130. 
Marie,  Königin,  219. 
Marion,  Georg,  188. 
Markham  Lee,  E.,  126. 
Marschner,  Heinrich,  390.  393. 

394. 
Marsop,  Paul,  52.  71.  405. 
Marteau,  Agnds,  67. 
Marteau,  Henri,  51.  61.  67.  191. 

192.  198.  266.  334.  338. 
Marx,  A.  B.,  104. 
Mascagni,  Pietro,  60. 
Mascewski  378. 
Massenet,  Jules,  265.  332. 
Matema,  Hedwig,  62. 
Mattheson,  Johann,   101. 
Matyasovich,  Victor,  414. 
Maurina,  Vera,  197. 
Mayer- Pirko,  Hermann,  186. 
Mayer-Reinach,  Albert,  195.  267. 


Mayr,  Simon,  259. 
Mechetti  (Verleger)  122. 
Meerlov  (Cellist)   189. 
M6hul,  E.  N.,  215. 
Meier-Wöhrden,  M.,  339. 
Meinck,  Ernst,  43. 
Meissner,  Karl  Fr.,  87. 
Meissner  (Militirmusiker)  86. 
Melanchthon,  Philipp,  91. 
Mellot-Joubert    (Singerin)    340. 
Mendelssohn,  Arnold,  62.   226. 

402. 
Mendelssohn,  Felix,  70.  81.  85. 

118.  119.  120.  121.   123.  124. 

129.  133.  137.  138.  140.   141. 

149.  166.  168.  169.  171.  172. 

173.  192.  196.  198   270.  271. 

278.  280.  281.  335.  397. 
V.  Mendelssohn,  Robert,  270. 
Mendelssohn  &  Co.  140. 
Mend&s,  Catulle,  332. 
Merian-Genast,  Marie,  322. 
Messchaert,  Johannes,    65.    70. 

127.  128.  195.  270. 
Messager,  Andr6,  333. 
Mestdagh,  Karel,  328. 
Metcalfe,  Susan,  192. 
Metzger-Froitzheim,  Ottilie,  70. 

194.  267. 
Meyer,  Alfred,  69. 
Meyer,  C.  F.,  252. 
Meyer,  H.,  343. 
Meyer      (Konversationslexikon) 

249. 
Meyerbeer,  Giacomo,   138.  211. 

232.  278.  279.  287.  289.  402. 
Michael,  Tobias,  326. 
Michotte,  E.,  45. 
Mikorey,  Franz,  63.  333. 
Milliet,  Paul,  262. 
de  Mirecour^  Eugene,  291. 
Missa,  Edmond,  333. 
Mitzier,  L.  Chr.,  101. 
Möbius,   P.  J.,    130.    131.    132. 

133. 
Moers,  Andreas,  262.  334. 
Moest,  Rudolf,  188. 
Mohr,  Emmy,  62.  64. 
Molidre  91. 
Mone  4. 

Monhaupt,  F.,  65. 
Monich,  H.,  343. 
Montez,  Lola,  291. 
Montillet,  M.  W.,  67. 
de  Montrichard,  A.,  340. 
Moor,  Emanuel,  67. 
Moos,  Paul,  36  ff. 
Morales,  Olallo,  342. 
Mörike,  Eduard,  224. 
Morin  278. 
Morino  57. 

Morlacchi,  Francesco,  28.  30. 
Mors,  Richard,  50. 
Morville  293. 


Morzin,  Graf,  159. 

Moscel  291. 

Moscheies,  Ignaz,  116.  318. 

Mossel,  I.,  189. 

da  Motta,  Jos6  Vianna,  266.  337. 

Mottl,  Felix,  62.  187.   189.  246. 

267.  272.  396. 
Mozart,  Leopold,  403. 
Mozart,  Marie  Anne,  414. 
Mozart,  W.  A.,  27.  38.  58.  59. 

61.  64.  65.  70.  86.  91.  116. 

131.  133.  138.  147.  160.  161. 

164  ff  (Ein   unbekanntes  Bild 

W.  A.   Ms.).    165.    187.    190. 

192.  193.  195.  196.  197.  199. 

200.  209.  212.  213.  217.  249. 

266.  267.  268.  270.  271.  319. 

321.  335.  338.  339.  341.  342. 

380.    381.    389.    395  ff  (Das 

Musikfest  in   Salzburg).   403. 

414. 
Mraczek-Quanett  265. 
Muck,  Carl,  193.  194.  245.  272 

335.  396. 
Mflhldorfer,  Wilhelm,  59. 
Mflhlfeld,  Richard,  65.  270.  337. 
MQhlfeld,  Kzm.«  62. 
Mailer,  A.,  70.  340. 
Malier,  Paul,  390. 
Mailer,  Wilhelm,  4. 
Malier-Osten,  Elisabeth,  195. 
Mailer-Reichel,  Therese,  198. 
Manch,  W.,  248. 
Manz,  Adele,  128. 
I  Manzer,  Georg,  72. 
Mussorgsky,  Modest,  69. 
Mysz-Gmeiner,    Lula,   65.   338. 

341. 
Nagel,  Wilibald,  62. 
Napoleon  I.,  Kaiser,  91.  314. 
Napoleon  III.,  Kaiser,  311. 
Nathane  286. 
Natterer,  Josef,  266.  338. 
Naumann,  Ernst,  185.  338. 
Naumann,  R.,  186. 
Naval,  Franz,  262. 
Neitzel,  Otto,  50.  336. 
Neubauer,  Manö,  177. 
Neumann,  Angelo,  258. 347. 386. 
Newton,  Isaac,  92. 
Niederfahr  (Librettist)   262. 
Niemann,  Albert,  392. 
Nicod^,  J.  L.,  340. 
Nietzsche,   Friedrich,    133.   249. 
Noach  (Geiger)  189. 
Nodnagel,  E.  O.,  272. 
No«l,  Marcel,  340. 
Nohl,  Ludwig.  378. 
Nolte  (Dirigent)  335. 
Nordquist,  Conrad,  342. 
Norman,  Ludwig,  342. 
Novak,  V.,  69. 
Novalis,  Friedrich,  5. 
Nugues,  Adele,  286. 


NAMENREGISTER 


VII 


Nussbaum,  Joh.  Nep.,  316.  323. 
386. 

Obrenovitch,  Mme.,  314. 

Offenbach,  Jacques,  292. 

aus  der  Ohe,  Adele,  335. 

Ohse  (Slngerin)  63. 

de  Oliva,  Pepita,  219. 

Ondricek,  Franz,  336. 

Oppel,  Riebard,  62. 

Oratorienvereln,  Amsteraamer, 
339. 

Orelio,  J.  M.,  194. 

Osterwald  (Prediger)  67. 

Ott  (Dirigent)  341. 

Ottenheimer,  Paul,  72.  189.  333. 

Ottermann,  Luise,  338. 

d'Oyly  Carle  Company  195. 

Pache,  Joseph,  192. 

Pacher,  Hedwig,  319. 

Paer,  Ferdinand,  174. 

Pahnke,  Woldemar,  67. 

PalestrinSi  Pierluigl,  182.  200. 
299. 

Parker,  Horatio,  192. 

Parry,  Hubert,  197. 

Pasdeloup,  J.  E.,  260. 

Pasqu«,  Ernst,  251. 

Pasquini,  Bernardo,  340. 

Patzig,  Richard,  188. 

Paul,  Jean,  89.  112.  129. 

Paul,  Oskar,  258. 

Paumann,  Conrad,  176. 

Pearle,  Aube,  266. 

Penable,  Jean,  127. 

Pentenrieder,  F.  X.,  216. 

Perez,  J.  C,  197. 

V.  Perfall,  Frhr.,  308.  309. 

Perger,  Jodocus,  272. 

Perron,  Carl,  272. 

Perstenfeld,  Joh.  Ev.,  210.  218. 
221.  308. 

Peters,  Guido,  396. 

Peterson-Berger,  Wilhelm,  342. 

Petrarca  92. 

PetschnikofT,  Alexandre,  70. 199. 
268.  396. 

Petschnikoff,  Lili,  396. 

Petzet,  Walter,  267. 

Pfeiffer,  August,  341. 

Pfitzner,  Hans,  51.  69.  198. 

Phil  harmonisches  Orchester,  Ber- 
liner, 128. 

Philipp,  John,  139. 

Philipp,  Robert,  262. 

Philippi,  Maria,  60.  61.  67.  195. 

Piening,  Karl,  65.  337. 

Piem«,  Gabriel,  62.  340. 

Pierret,  Auguste,  340. 

Pierson,  H.  H.,  108. 

Pillet,  L6on,  19. 

Piltzing,  A.,  86. 

Pinks,  Emil,  64. 

Pitt,  WiUiam,  92. 

Pixis,  Joh.  Peter,  288. 


Plaichinger,  Thila,  187. 

Plamondon  (Tenorist)  340. 

V.  Plappart,  Frhr.  August,    185. 

Plaschke,  R.,  343. 

Pockh,  Hans,  261. 

Podbertsky,  Theodor,  199. 

Poehly  209.  318. 

POhland,  Chr.  Fr.,  86.  87. 

Pöble,  Max,  343. 

Pohl,  Richard,    110.    111.    112. 

142.   193. 
Pokomy,  Hans,  264. 
Polak,  A.  J.,  126. 
PoUini,  Eduard,  385. 
P6pel,  Heinr.  Ferd.,  98. 
Popp  402. 
Porges,  Heinrich,  6. 
V.  Possart,  Ernst  Ritter,  187.  198. 

343.  379. 
Poultier  (Singer)  292. 
Powell,  Maud,  192. 
Praetorius,  K.  Fr.,  86.  87.   98. 
Preitz,  Franz,  333. 
Press,  Josef,  197. 
Press,  Michael,  197. 
Prieger,  Erich,  111.  250.  251. 
Prill,  Paul,  59.  69. 
Prinzhofer  344. 
Prochaska,  Karl,  248. 
PrOlss,  Robert,  17.  18.  19.  154. 

235. 
Prflfer,  Philipp,  186. 
Puccini,  Giacomo,  262. 
Pugnani,  Gaetano,  192. 
Pugno,  Raoul,  192.  265.  335. 
Purcell,  Henry,  342. 
Puschman,  Adam,  32. 
Quantz,  J.  J.,  402. 
Rachel  280. 
Racine  91. 

V.  Radwan,  August,  340. 
Rafael  91. 
Rahn,  Clara,  65. 
Ramrath,  Konrad,  251. 
Randolph,  Harold,  192. 
Rastrelli,  Joseph,  22. 
Rauchenecker,  Georg,  260.261. 
Ravel,  Maurice,  340. 
Rebner,  A.,  268. 
Reger,    Max,    64.   65.  69.   105. 

196.  265.  335.  338. 
Reichardt,  Joh.  Fr.,  104. 
Reimer,  G.,  248. 

Reimers,    Paul,    62.    195.    196. 

267.  270. 
Reinecke,    Carl,    68.    176.   195. 

197.  378.  384. 
Reinhard  91. 

Reisenauer,  Altred,  191.  335. 
Relssiger,  K.  G.,  19.  21.  22.  30. 

115.  147.  148.  153.  155. 
Rellstab,  L.,  100.  117.  142. 
Rembrandt  (Bild)  415. 
van  Rennes,  Katharina,  64. 


Renz,  Willy,  275. 
Rettensteiner  (Pfarrer)  163. 
Reubke,  Otto,  65. 
Reuss-Belce,  Luise,  247.  262. 
Rheinberger,  Anton.  2 1 0.2 1 1 .308. 
Rheinberger,   David,   210.   308. 

313.  314.  315.  316.  317. 
Rheinberger,  Egon,  389. 
Rheinberger,  Elisabet,  208.  210. 

213.  217.  218.  312. 
Rheinberger,     Franziska,    206. 

208.  316.  317.  318.  320.  321. 

344.  377.  378.  379.  380.  381. 

382.  383.  384.  386.  387. 
Rheinberger,  Hans,  310. 
Rheinberger,  Johanna,  208.210. 
Rheinberger,  Josephs,  210. 
Rheinberger,  Josef,   203  ff  (Aus 

J.  Rh.'s  Leben  und  Schaffen  1). 

272  (Bilder).  308  ff  (Aus  J. 

Rh.*s  Leben  und  Schaffen  II). 

344  (Bilder).  376  ff  (Aus  J. 

Rh.*s    Leben    und    Schaflien 

Schluss). 
Rheinberger,    Maly,    210.   217. 

218.  219.  310.  312.  313. 
Rheinberger,  Olga,  388. 
Rheinberger,    Peter,   208.    209. 

210.  213.  216.  218.  221.  313. 

315.  317. 
Richard,  Hans,  266. 
Richter,  E.  F.,  382. 
Richter,  Hans,  66.  197. 247. 272. 
Richter,  Karl  Ernst,  84.  85. 
Rider^Kelsey,  Corlnne,  337. 
Riedel,  Karl,  322. 
Rieffei,  Amalie,  142  (Bild). 
Rieffei,  W.  H.,  134.  142. 
Riehl,  W.  H.,  310.  319.  323. 
Riemann,  Hugo,  397.  398. 
Ries  V.  Trzaska,  Adele,  62. 
Ries  &  Erler  223. 
Riess,  F.,  115. 

RImski-Korssakow,  Nikolai,  343. 
Risler,  Edouard,  64.  340. 
Ritter,  Frau,  10. 
Rochlitz,  Friedrich,  100. 103. 104. 
Rflckel,    August,    28.   147.  148. 

150.  151. 
Rockstro,  W.  S.,  114. 
Rode,  M.,  340. 
Rodenberg,  Julius,  349. 
Rodrigues,  Olinde,  285. 
V.  Roerdanz,  Katie,  268. 
Rohde,  Erwin,  3. 
Rollett,  H.,  166. 
ROmer,  Hugo,  62. 
van  Roos  389. 
van  Rooy,  Anton,  272. 
Ros6-Quartett  69. 
Rosenmeyer,  H.,  63.  64. 
RosenmQUer,  Johann,  325. 
Rossini,  Gioachino,  44.  45.  115. 

293.  310. 


VllI 


NAMENREGISTER 


Rothe,  Heinrich,  08. 
Rother  (Pianist)  62. 
ROthlisberger,  Edmund,  67. 
Rothschild  285.  292.  294. 
Rousseau,  J.  J.,  91. 
Rubinstein,    Anton,     199.    260. 

268.  321.  335.  378. 
Rubinstein,  Arthur,  192. 
Rubinstein,  Joseph,  394. 
Rubinstein,  Nicolai,  260. 
ROckbeil-Hiller,  Emma,  65.  190. 
Rflckert,    Friedrich,     108.    124. 

126.  127. 
Rfldel,  Hugo,  245. 
Rudolph  (Sänger)  64. 
Ruegger,  Elsa,  335. 
RQnzler,  E.,  248. 
RQsche-Endorf,  Clcilie,  247. 
Rust,  F.  W.,  413. 
Saar,  L.  V.,  185.  192. 
Sachs,    Hans,    14.  31  ff  (H.   S. 

als  Musiker). 
Safonoff,  W,  J.,  332. 
Sahia,  Richard,  64.  343. 
Saint-Etiönne,    SylVain,    277  ff. 

280.  284  ff. 
Saint-Sa€ns,  Camllle,   128.  260. 

265.  271.  332.  333.  335.  340. 

342.  343.  396. 
Saint-Slmon,  Graf  Claude,  276. 
Salis-Solio  (General)  212. 
Salomon,  Joh.  Peter,  160. 
Samara,  Spiro,  262  (,»La  Bion- 

dinetta",      UrauffOhning      In 

Deutschland).  334. 
Samaroff,  Olga,  335. 
Samazeuilh,  GusUTe,  340. 
Sandberger,  Adolf,  176. 203.  204. 
Sanoschkar,  B.,  58. 
Sandreuter,  Em.,  67. 
Sarau,  A.,  382. 
Säur,  Chr.,  400. 
Saussure  91. 
Scaria,  Emil,  200  (Bild). 
Scarlatti,  Domenico,   197. 
V.  Schack,  Graf,  379. 
Schlfer,  Anna,  271. 
Schiffer,  Edmund,  67.  199. 
Schafhiutl,  K.  F.  E.,  205.  212. 

213.  214.  215.  217.  219.  220. 

221.308.309.  311.317.  318. 

344  (Bild).  380.  381.  387. 
Schaper,  Gustav,  186. 
Schaper,  Rudolf,  185. 
Scharwenka,  Xaver,  195.  267. 
Schattschneider  335. 
Schauer-Bergmann,  Martha,  70. 
Scheel,  Fritz,  192. 
Schefter  (Dirigent)  341. 
Scheibe,  Joh.  Rud.,   101. 
Scheidemantel,  Cari,  338.  342. 
Scheidt,  Samuel,  325. 
Schell,  Henriette,  65. 
Scheniawsky  (General)  260. 


Schetky,  J.  G.  C,  401. 
Scheurleer,  D.  F.,  175. 
Schiedermair,  Ludwig,  259. 
Schiller,  Friedrich,  46.  47.  88. 

91.  225. 
Schillings,  Max,  198.  334.  342. 
Schladebach,  Dr.,  147. 
Schlegel,  Elias,  101. 
V.  Schlegel,  Fr.,  85.  96. 
SchlemflUer,  Hugo,  266.  338. 
Schlitzer,  Hans,  188. 
Schmedes,  Erik,  272. 
Schmid,  H.,  338. 
Schmid,  Otto,  200.  405. 
Schmid-Lindner,  August,  64. 
Schmidt,  Felix,  63. 
Schmidt,  Gustav,  390. 
Schmidt,  K.,  340. 
Schmidt,  Louise,  268. 
Schmidt,  Kpm.,  342. 
Schmitt,  Jacob,  142. 
Schmitt,  J.,  341. 
Schmole,  Georg,  261. 
Schnabel,  Artur,  269.  270.  338. 
Schnabel -Behr,     Therese,     62. 

196.  267.  269. 
Schneevoigt,  Georg,  58.  63.  190. 

193.  267. 
Schnorr  V.  Carolsfeld,  Ludwig,  7 1 . 
Schoell,  Hedwig,  114. 
Scholz,  Richard,  404. 
Schopenhauer,  Arthur,  8.  9.  381. 
SchOrry  (Dirigent)  341. 
Schraderscher   a  cappella -Chor 

62. 
Schreyer,  Johannes,  397.  398. 
Schröder  (Militärmusiker)  86. 
SchrOder-Devrient,    Wilhelmine, 

18.  19.  21.  26.  29.  261. 
Schröter  (Kupferstecher)  200. 
Schubert,  Franz,  65.  66.  69. 105. 

117.  133.  159.  175.  191.  195. 

266.  270.  322.  334.  340.  364. 

403.  414. 
V.  Schubert  298. 
Schulze  88. 

Schumann,  August,  84.  99. 
Schumann,    Clara,     113  ff    (Cl. 

Wieck-Sch. als  Komponistini.) 

127.  128.  129.  135.  136.  137. 

138.  139  (Bilder).    140.    141. 

166  ff    (Cl.    Wieck-Sch.     als 

Komponistin,    Schluss).     200 

(Bild).  339. 
Schumann,  Elise,  139. 
Schumann,  Christiane,  85. 
Schumann,  Emil,  139. 
Schumann,  Eugenie,  139. 
Schumann,  Felix,  139. 140  (Bild). 
Schumann,  Ferdinand,  139.  140 

(Bild). 
Schumann,  Georg,  194. 199.338. 

343. 
Schumann,  Julie,  139. 


Schumann,    Ludwig,    139.    140 

(Bild). 
Schumann,  Marie,  139. 
Schumann,  Robert,  59.  60.  61. 

64.  70.   75 ff  (R.  Seh).  83 ff 

(Aus  R.Sch's.  Schulzeit).  100  ff 

(R.Sch.  als  Musikschriftstelter). 

107  ff  (Ein  ungedruckter  Kanon 

fflr  vier  Männerstimmen  und 

sechs  ungedr.  musikal.  Haus- 

u.  Lebensregeln  von  R.  Seh  ). 

110  ff  (Ein  ungedr.  Brief  von 

R.  Seh.).  114.  117.  118.  119. 

120.  121.  122.  123.  124.  125. 

126.  127  ff  (Das  Sch.-Fest  in 

Bonn).  130  ff  (Ober  R.  Sch's. 

Krankheit).  134.  135. 137. 138. 

139  (Bilder).    140.    141.    142. 

166.  167.  169.  170.  171.  172. 

173.  193.  196.  198.  199.  200. 

249.  259.  266.  270.  271.  335. 

337.  340.  341.  342,  403. 
Schumann- Hei  nk,  Ernestine,247. 

272. 
Schflmann  271. 
Schflnemann,  Else,  196.  197. 
Schunke,  Ludwig,  86.  140. 
Schur6,  Edouard,  249. 
Schuster,  Margarete,  343. 
Schatz,  Hans,  272. 
Schatz,  Hefnrich,  226.  267.  326. 
Schatzendorf  340. 
Schwartz,  Josef,  271. 
V.  Schwarzenberg,  FOrst,  212. 
Schwickerath,  Eberhard,  60.  61. 
V.   Schwind,    Moriz,    214.   323. 

379. 
Schytte,  Ludwig,  266. 
Scott,  Walter,  92. 
Scribe  281.  282.  291. 
Sehring,  Bernhard,  193. 
Seidel  309. 

Seidl,  Anton,  258.  392. 
Seiffart  57. 

Sembrich,  Marcella,  335. 
Semper,  Gottfried,  343. 
Sengem,  Leonore,  188. 
Senius,  Felix,  128.  194.  265. 
Seret,  Maria,  267. 
Settekorn,  Julius,  62. 
Shakespeare,    William,   66.   92. 

200.  350.  352. 
Sibelius,  Jan,  266.  343. 
Sibor,  Pf.  260. 
Siebeck,  K.  Chr.  H.,  84.  86. 
Siecke  57. 

Siegel,  C.  F.  W.,  71.  350. 
Siegel,  Rudolf,  50. 
Sigismund,  Erzbischof,  160. 
Simrock,  Karl,  4.  5. 
Sinding,    Christian,    178.    192. 

252.  334. 
Sinigaglia,  Leone,  335. 
Sistermans,  Anton,  265. 


NAMENREGISTER 


IX 


Sitty  Hans,  343. 
Sitt,  Frl.,  343. 
Sjögren,  Emil,  341. 
Slezak,  Leo,  64.  187.  188. 
Smetana,    Friedrich,     60.    334. 

343. 
SOdermann,  August,  342. 
Sohn  130. 
Sol,  Jan,  100. 
Solbrig,  G.  H.,  87.  08. 
Sommer,  Friedrich,  186. 
Sommer,  Hans,  51. 
Sonderburg,  Hans,  106. 
Sondra,  Olga,  262. 
Sonneck,  O.  G,  400.  401. 
Sonnen berg  88. 
Sontag,  Henriette,  344. 
Soomer,  V7alter,  188.  247. 
Soudant-Quartett  340. 
Speck  V.  Sternburg,  Baron,  302. 
Spencer,  Janet,  337. 
Spengel,  Julius,  108. 
Speriing,  C.  F.,   142. 
Sperling,  E.,  142. 
Spicker,  M.,  62. 
Spitta,  Philipp,  103. 
Spitteler,  Carl,  67. 
Spohr,  Ludwig,    63.    115.   343. 

300.  403. 
Stadtegger,  Julie,  188. 
Staegemann,    Helene,     62.    60. 

343. 
Stanford,  Gh.  V.,  342. 
Stapelfeldt,    Martha,    100.    104. 

343. 
Stassen,  Franz,  42.  71. 
Stavenhagen,     Bernhard,     268. 

270. 
Stebel,  Paula,  70. 
Steen,  Jan,  416  (Bild). 
Stein,  Fritt,  414. 
V.  Stein,  Heinrich,  356. 
Stein  (Dirigent)  335. 
Stein  (Singer)  63. 
Steinbach,  Emil,  100. 
Steinbach,  Fritz,  187.  270. 
Steingriber,  Alla,  63. 
Stender-Stefanl,  Alfred,  250. 
Stenhammar,  Wilhelm,  341.  342. 
Stephani,  Hermann,  185. 
Stern,  Eugen,  50. 
Sternfeld,  Richard,  42. 
Stichart,  Franz  O.,  08. 
Stieler,  Kari,  323. 
Stock,  Friedrich,  266. 
Stockhausen,  Julius,  250. 
Stolberg  88. 

Stolzenberg,  Georg,  403. 
Storck,  Karl,  402. 
Strathmann,  Friedrich,  64. 
Straube,  Kari,  106.  107. 
Strauss,  Joseph,  201. 
Strauss,    Richard,    63.    65.   60. 

105.  188.  180.  101.  103.  105. 


106.  107.  108.  263.  265.  266. 

268.  270.  335.  337.  306.  403. 
Streicher,  Theodor,  60. 
Streichquartett,  Basler,  67.  100. 
Streichquartett,  Böhmisches,  61. 
Streichquartett,    BrQsseler,    61. 

100.  267. 
Streichquartett,  Darmstftdter,  62. 
Streichquartett,  Hamburger,  106. 
Streichquartett,  Jenaisches,  338. 

330. 
Streichquartett,  Petersburger,  338. 
Streichquartett,  Weimarer,  64. 
Strindberg,  August,  47. 
Strube  334. 
Stuart,  Beatrice,  105. 
Stuart- Willfort  340. 
Stubenrauch,  Carlotta,  342. 
van  der  Stucken,  Frank,  266.  336. 

337. 
Sucher,  Joseph,  385. 
SuUivan,  Arthur,  105. 
Sully  Ol. 

Suquet  278.  284.  288. 
Suter,  Hermann,  250. 
SvardstrOm,  Valborg,  108. 
Svendsen,  Johan,  340. 
Swolfs  (Singer)  100. 
Tacitus  348. 

Taffanel,  C.  P.,  50.  332. 
Tagliaferro,  Magdaleqa,  271. 
Tamisier  202. 
Tasso  02. 
Tausig,  Carl,  321. 
Taussig  (Antiquariat)  165. 
Taxis,  Fflrstin,  310. 
Teil,  Wilhelm,  02. 
Terborch,  Gerard,  415  (Bild). 
Terschak,  Adolf,  402. 
Thalberg,  Sigismund,   116.  124. 

137. 
Themistodes  00. 
Therese,  Königin,  211. 
Thibeau  de  Chanvallon  370. 
Thoma,  Hans,  42.  72. 
Thomas,  Theodor,  336.  337. 
Thomson  141. 
Tichatschek,  Joseph,  18. 
Tieck,  Ludwig,  357. 
Tinel,  Edgar,  61. 
Tirindelli,  P.,  265. 
Tittmann,  J.  A.  H.,  07. 
Thuille,  Ludwig,  108.  204. 
Togni,  Feiice,  404. 
TonkQnstlerfest,  Schweizerisches, 

66 ff  (VII.  Seh.  T.). 
TOpfer  (Kammermusikus)  57. 
TOpken,  Theodor,  141  (Bild). 
Tower,  John,  250. 
Trautmann,  Franz,  317. 
Trautmann,  G.,  268. 
Treichler,  Willy,  67.  100. 
Trio,  Frankfurter,  266. 
Trio,  Giessener,  268. 


Trio,  HoUittdisches,    105.  336. 
Trio,  Meininger,  337. 
Trio,  Russisches,  107. 
Troupenas  (Verlag)  202. 
V.  Trzaska,  Wanda,  336. 
Tschaikowsky,  Peter  J.,  63.  64. 

101.  106.  107.  100.  260.  335. 

336.  337.  343. 
Turenne  Ol. 
V.  Türheim,  Ulrich,  4. 
Uhland,  Ludwig,  304. 
Uhlig,  Oskar,  64. 
Uhlig,  Theodor,  0.  237.  238. 
Urlus,  Jacques,  188. 
Valentin,  Kari,  342. 
Veitheim  380. 
Verdi,  Giuseppe,  265. 
Verhey,  F.  H.  H.,  70. 
Verhulst,  J.  J.  H.,  130.  141. 
Verlaine,  Paul,  177. 
Vermeer    van    Delft,   Jan,    415 

(Bild). 
Viardot-Garcia,  Pauline,  344. 
Vidal,  Paul,  50. 
Vienille  (Bassist)  264. 
Vieuxtemps,  Henri,  335. 
Vieweg.  Chr.  Fr.,  248. 
Vitali,  G.  B.,  64. 
Vogl,  Heinrich,  71  (Bild).  303. 
Vogl,  N.,  357. 
Vogl,  Therese,  71  (Bild). 
Vogler,  Abt,  212.  318.  344. 
Vogler,  Carl,  67. 
Voigt,  Carl,  141. 
Voigt,  Henriette,  141  (Bild). 
Voigt  (Organist)  106. 
H.  Volt  &  SOhne  338. 
Vokalquartett,  Basler,  67. 
Vokalquartett,  Berliner,  270. 338. 
Vokalquartett,  Frankfurter,  268. 
Volbach,  Fritz,  65.  66.  100. 
Volke,  Karoline,  184. 
Volkmann,  Robert,  63.  343. 
Volkner,  Robert,  188. 
Vollhardt,  R.,  342.  343. 
Voltaire  Ol. 

VoUerthun,  Georg,  251.  252. 
Voss,  Otto,  70.  340. 
Vuillermoz,  Emile,  127. 
Wad,  Emmanuel,  102. 
Wad6r6,  Prof.,  344. 
Wage,  L.,  142. 
Wagenseil,  Joh.  Chr.,  31. 
Wagner,  Hans,  184. 
Wagner,  Johanna,  157. 
Wagner,  Joh.  G.,  413. 
Wagner,  Klara,  0.  10. 
Wagner,  Minna,  44. 
Wagner,  Richard,  3  ff  (Zur  Ent- 
stehung von  R.W.*s  «Tristan*). 

17ff  (R.  W.'s  Briefe  an  Frhr. 

V.  Lflttichau  I.).   31.   32.  35. 

36  ff  (Neue  W.-Literatur).  48. 

58.  62.  63.  65.  60.  71  u.  72 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BOCHER 


(Bilder).  76.  77.  105.  110.  111. 
131.  138. 147  ff  (R.W.'s  Briefe 
an  Frhr.  von  Lflttichftu  II.). 
174.  187.  192.  196.  198.  199. 
204.  229.  231  ff  (R.  W.'s 
Briefe  an  Frhr.  v.  Lflttichaui 
Schluss).  244  ff  (Bayreuth 
1906).  249.  252.  258.  261. 
267.  268.  269.  271.  313.  321. 
322.  337.  341.  342.  343.  356. 
377.  378.  381.  390  ff.  391. 
402.  403.  414. 

Richard  Wagner- Verein  (Darm- 
stadt) 63. 

Wagner,  Siegfried,  71.  189.  245. 
272.  399.  400. 

Wagenaar,  Johann,  190. 

V.  Waldersee,  Paul  Graf,  186. 
200  (Bild). 

Waldstein,  Graf,  379. 

Walker,  Edith,  193.  194. 

Walter,  Bruno,  51. 

Walter,  Eugen,  339.  341. 

Walter,  Georg,  64. 

Walter,  Josef,  261. 

Walter,  O.  H.,  98. 

Wanka,  Wenzel,  165. 

Wanner,  Prof.,  211. 

Warnke,  Heinrich,  195.  335. 

Wartel,  P.  F.,  292. 

V.  Wasielewski,  Joseph,  98.  134. 

Wassmann  404. 

Weber,  Carl  Maria  v.,  26.  30. 
36.  86.  87.  116.  118.  149. 
174.  191.  209.  266.  267.  335. 
337.  390.  393.  394.  403. 

V.  Weber,  Caroline,  30. 

Weber,  F.  D.,  27. 

Weber,  Gottfried,  136. 

Weber,  Miroslaw,  62. 

Weber,  Wilhelm,  66. 

Webber  (Komponist)  334. 

Wedekind,  Erika,  268. 

Wegmann,  Friedrich,  62. 

Weidig,  Adolf,  178. 


Weidmannsche     Buchhandlung 

248. 
Weidt,  Lucio,  187. 
Weill,  Georges,  277. 
Weimar,  Wilhelm,  42. 
Weingartner,  Felix,  60.  61.  69. 

189.  190.  199.264.265.271. 

339. 
Weiske,  Victor,  98. 
Weismann,  Julius,  252. 
Weinlig,  Theodor,  115. 
Welcker,  Felix,  190. 
Wellmann,  Willi,  335. 
V.  Weinzierl,  Max,  58. 
V.  Welz,  Eduard  Ritter,  414. 
Wendel,  Bernhard,  58. 
Wenzel  135. 

Werner-Jenzen  (Sängerin)  62. 
Wesendonk,  Mathilde,  4.  9.  10. 

11.  12.    13.    15.  41.  44.  246. 
Wesendonk,  Otto,  44. 
V.  Wessel  260. 
Wessely  57. 
White,  George  L.,  374. 
Wideo,  Else,  199. 
Widor,  Ch.  M.,  333. 
Wieck,  Friedrich,  115.  117.  118. 

134. 
Wieck,  Marie,  339. 
Wiedebein,  Gottlieb,   140  (Bild). 
Wieland,  Chr.  M.,  91. 
Wigand,  Georg,  42. 
Wiklund,  Adolf,  342. 
Wilde,  Oscar,  188.  189. 
Wilhelm  I.,  Kaiser,  393. 
Wille,  O.  K.,  271. 
Wilms,  Jan  Willem,  87. 
Winckelmann  101. 
Winderstein,  Hans,  64. 
Winding,  August,  385. 
Windisch,  Prof.,  348. 
Windscheid  323. 
Winkler,    Theodor,    19.  20.  21. 
Winter,  F.,  197. 
Winternitz,  Felix,  334. 


Witherspoon,  Herbert,  337. 

Witt,  Friedrich,  103. 

Witte,  G.  H.,  51. 

Wittich,  Marie,  246.  272  (Bild). 

Wittwer,  Emil,  67.  199. 

Wohlgemuth,  Gustav,  59. 

Wolf,    Hugo,    61.  64.  69.  133. 

194.  198.  222.  224.  335. 
Wolf,  Wilhelm,  269. 
Wolff,  Hans,  262. 
Wolflnger  (Pfarrer)  210.  217. 
Wolfram  v.  Eschen bach,  3.  4. 
Wolf-Ferrari,  Ermanno,  63.  268. 

269. 
V.  Wolzogen,  Frhr.  Hans,  46.  72. 
V.  Wolzogen,  Freifrau  Elsa  Laura, 

69. 
Wood,  Henry,  197. 
Wormser,  Andr6,  332. 
Woyrsch,  Felix,  269. 
WQllner,  Franz,  387. 
Wailner,   Ludwig,   62.  69.  229. 
Wurfschmidtr  W.,  65. 
Wörker,  A.  G.,  85. 
Wurm,  Mary,  63. 
Wflrthele,  Adam,  264. 
WQst  (Sängerin)  29. 
V.  Wym6tal,  Wilhelm,  263. 
Ysaye,  Eugene,  62.  193. 
Ysaye,  Tb6o,  193. 
Zajic,  Florian,  198. 
V.  Zajic,  Ivan,  62. 
Zapf  322. 

Zeischka,  Franz,  69. 
Zemanek,  Dr.,  69. 
V.  Zemlinski,  Alexander,  186. 
Zilcher,  Hermann,  268. 
Zimmer,  Friedrich,  226. 
Zingarelli,  N.  A.,  197. 
zollner,  Heinrich,  51.  62. 
Zopff,  Hermann,  225. 
Zschoriich,  Paul,  176. 
Zumpe,  Herman,  392. 
Zuschneid,  K.,  64. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  BÜCHER 


d' Albert,  Marguerite:  Robert 
Schumann,  son  ceuvre  pour 
piano.  136. 

Braune,  Hugo  L. :  Richard  Wag- 
ners Bflhnen werke  in  Bildern 
dargestellt.  41. 

Bukofzer,  Max:  Was  ist  Ton- 
ansatz? 324. 

Caland,  Elisabeth:  Die  Aus- 
nutzung der  Kraftquellen  beim 
Klavierspiel ,  physiologisch  - 
anatomische  Betrachtungen. 
324. 


Chop,  Max:  Richard  Wagners 
»Tristan  und  Isolde**.  41. 

Ellis,  W.  Ashton :  Richard  Wag- 
ner to  Mathilde  Wesendonk. 
44. 

Finck,  Henry  T. :  Wagner  und 
seine  Werke.  40. 

Fricke,  Richard:  Bayreuth  vor 
dreissig  Jahren.  45. 

Glaaenapp,  C.  Fr:  Siegfried 
Wagner.  399. 

Hofhnann,  £.  T.  A.:  Sämtliche 
Werke.  174. 


Imbert ,  Hugues :  Johannes 
Brahms.  249. 

Kerst,  Friedrich :  Schumann- 
Brevier.  134. 

Kaffner,  Karl:  Die  Musik  in 
ihrer  Bedeutung  und  Stellung 
an  den  Mittelschulen.    248. 

Leighton  Cleather,  Alice  and 
Grump,  Basil:  Tristan  and 
Isolde.  44. 

Litzmann,  Berthold:  Clara  Schu- 
mann. II.  Band.  137. 

Meinck,  Ernst:  Friedrich  Hebbels 


REG.  D.  BESPR.  MUSIKALIEN,  ZEITSCHRIFTEN-  U.  ZEITUNGSAUFSÄTZE    XI 


und  Richard  Wtgnert  Nibe- 
lungen-Trilogleen.  43. 

Meyers  Grosses  Konversations- 
lexikon. 6.  Aun.  Bd.  XJI.  249. 

Michotte,  E.:  Souvenirs  per- 
sonneis.  La  visite  de  R. 
Wagner  ä  Rossini.  44. 

Moos,  Paul:  Richard  Wagner 
als  Ästhetiker.  36. 


Scheurleer,     D.    F.:     Portretten 
van  Mozart.  175. 

Schreyer,  Johannes:   Harmonie- 
lehre.    397. 

Sonneck,  O.  G.:    Francis  Hop- 
kinson  and  James  Lyon.  400.    v.   Wolzogen,    Hans:     Richard 

Sternfeld,      Richard:      Richard       Wagner.  46. 
Wagner  und  die   Bayreuther  i 
Bahnenfestspiele.  42. 


Storck,    Karl:    Geschichte    der 
Musik.  IV.  Abteilung.  402. 

Ein  Blick  in  die  Geisteswerkstatt 
Richard  Wagners.  42. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  MUSIKALIEN 


van  Beethoven,  Ludwig:  Leonore. 

250. 
Breitkopf  &  Hirteis  Hausmusik, 

Orchesterwerke    fflr    Klavier 

oder  Klavier  und  Harmonium. 

Streichquintett  und  Flöte.  404. 
Denkmäler  deutscher  Tonkunst. 

1.  Folge.  19.  Bd.  Arien  von 
Adam  Krieger.  325. 

Denkmäler  deutscher  Tonkunst. 

2.  Folge.  Denkmäler  deutscher 
Tonkunst  in  Bayern.  Werke 
Hans  Leo  Hasslers.  2.  Teil. 
176. 

Dresden,  Sem:  Sechs  Lieder. 
178. 

Fanzier,  Ludwig :  20  Lieder.  — 
Russische  Suite  fflr  Planoforte. 
178. 

Gottlieb-Noren,  H.:  op.  24.  Drei 
Gesänge.   178. 

Groditz,  Carl:  Acht  Lieder.  178. 

Hermann,  Robert:  op.  13.  Sonate 
fflr  Violine  und  Pianoforte.  177. 

Horwitz,  Rudolf:  op.  1.  Sechs 
Lieder.  328. 

V.  d.  Hoya,  Amadeo:  Die  Grund- 
lagen der  Technik  des  Violin- 
spiels. 2.  Teil.  II.  Abteilung. 
404. 

Kämpf,  Karl:  op.  26.  Zwei  Me- 
lodieen  fOr  Streichorchester. 
—  op.  27.  Hiawatha,  Suite 
fflr  grosses  Orchester.  327. 


Krflger,    Carl:    Suite    für   Flöte' 
und  Klavier.  177. 

Laska,  Gustav:  Kontrabass- 
Schule.  403. 

Locatelll,  Pietro:  L'art  du  Violon. 
403. 

Markees,  C:  Beiträge  zu  täg- 
lichen technischen  Studien  fflr 
Violine.  403. 

MayerhofT,  Franz:  op.  24.  Lenz- 
fahrt. 175. 

Melcer,  Henryk:  I.Concerto  pour 
Piano  et  orchestre.  327. 

Mikorey,  Franz:  Klavierkonzert 
in  A-dur  mit  Orchester.  327. 

Mestdagh,  Karel:  Lieder  und 
Gesänge.  328. 

Neubauer,  Mand:  op.  8.  Fflnf 
Lieder.  —  op.  9.  Aus  alten  japa- 
nischen Frahlingsliedcrn.  177. 

Nielsen,  Arnold:  op.  3.  Kaer- 
lighed.  Sieben  Gesänge.  328. 

van  Oosterzee,  Corn61ie:  op.  54. 
Chansons  sentimentales.  — 
op.  59.  Zwei  Lieder  fflr  eine 
Singstimme  mit  Klavierbe- 
gleitung. 328. 

Orchesterstudien  fflr   1.  Violine. 

—  Orchesterstudien  fOr  Viola. 

—  Orchesterstudien  aus  Wag- 
nerschen  Werken.  405. 

Pietzsch,  Hermann :  Neue  grosse 
theoretisch  -  praktische  Schu le 
fQr  Cornet  k  pistons.  403. 


Polo,  Enrico:  Esercizi  per 
Violino.  404. 

Reinecke,  Carl:  op.  273.  Der 
Geiger  zu  Gmflnd.  175. 

Ritter,  Hermann:  Viola-Schule. 
—  Miszellen  fflr  Altviola  und 
Pianoforte.  403. 

Schmid,  Otto:  Musik  am  Säch- 
sischen Hofb.  Bd.  7  und  8.  405. 

Scholz,  Richard:  op.  18.  Dy- 
namische Studien  fflr  Violine. 
404. 

Sinding,  Christian :  Alte  Weisen. 
178. 

—  Gesänge.  —  Vier  alte  dänische 
Lieder.  252. 

Sjögren,  Emil :  op.  44.  Sonate  fflr 
Pianoforte.  326. 

Smulders,  Carl:  Lieder.  177. 

Solobuch  fQr  Flöte.  —  Solobach 
fflr  Klarinette.  402. 

Sunford,  C.  V.:  op.  74.  Violin- 
konzert. 176. 

Stojanovits,  Peter:  op.  1.  Violin- 
konzert. 176. 

Togni,  Feiice:  Die  Ausbildung 
der  linken  Hand.  404. 

Volierthun,  Georg:  Gesänge.  25 1 . 

Wallner,  Ltepold:  Sonate  ro- 
mantique.  326. 

Weidig,  Adolf:  op.  31.  The 
Buccaneer.  178. 

Weismann,  Julius:  op.  15.  Drei 
Gedichte.  252. 


REGISTER  DER  BESPROCHENEN  ZEITSCHRIFTEN- 

UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Abert,  Hermann:  Robert  Schu- 
mann und  die  Gegenwart. 
408. 

Academy  (London) :  Vlenna  Phil- 
harmonie Society.  254. 

Alexejew,  P.  S.:  Mozarts  Flöten- 
kompositionen. 330. 

Altmann,  Gustav:  Zum  Gedächt- 
nis Schumanns.  411. 

Amsinck,  Susanne:  Fortschritte 
auf  dem  Gebiete  des  Musik- 
diktats. 54. 


Andersen,  A.  C:  Kobenbavns 
Organistkole.  256. 

Andersson,  Otto :  Sängen  i  skolan. 
320. 

—  Inhemska  musiks  träfvanden 
1  äldre  tider.     320. 

Anön,  Francisco  Lopez:  La  mü- 
sica  ärabe  y  su  influencia  en 
la  müsica  espafiola.  256. 

Antdiffe,  Herbert:  Die  Kammer- 
musik von  Johannes  Brahms. 
254. 


—  Whistler  and  modern  Music. 
329. 

Arend,  Max:  Die  Aufgabe  der 
musikalischen  Kritik  unserer 
Zeit  Gluck  gegenOber.  53. 

—  Der  Kölner  Männergesang- 
verein in  Leipzig.  330. 

Ars  et  Labor  (Mailand):  Giuseppe 
Verdi.  256. 

Aussaresses,  Fran^ois:  Critique 
et  Methode.     255. 


XII      REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITUNGSAUFSÄTZE 


Btchmann ,  Heinrich :  Robert 
Schumann.  411. 

Bachrichy  Sigismund :  Erinnerun- 
gen eines  Musikers.  55. 

Barrada,  Salvador:  La  Inspiration 
musical.  256. 

BatiLa,  Richard:  Insekten  als 
Musiker.  55. 

—  Wagnerianer  einst  und  jetzt. 
55. 

—  Robert  Schumann  in  Böhmen. 
179. 

—  Dreissig  Jahre  Bayreuth.  330. 

—  Richard  Wagner  in  Teplitz. 
330. 

—  Schumanns  Wirken  und 
Wesen.  406. 

Benedict,  Siegmund:  Das  Ge- 
heimnis von  Bayreuth.  330. 

Beutter,  Pfarrer:  Das  Chorbuch. 
55. 

Birnbaum,  Alexander:  Robert 
Schumann  als  Kritiker.    408. 

Bolza,  Giorgio:  II  primo  piano- 
forte  dei  Giuditta  Pasta.  256. 

Bonner  Zeitung:  Ungedruckte 
Briefe  Robert  Schumanns  1 70. 

Bonyer,  Raymond:  Felix  Wein- 
gartner.  255. 

Bahne  und  Sport:  Robert  Schu- 
mann und  das  Theater.   400. 

Bundi,  G :  Liszts  j^Tell-Kapelle". 
329. 

Calvocoressi,  M.  D.:  A  few  re- 
marks,  on  modern  French 
pianoforte  music.  254. 

Challier,  Ernst:  Heinrich  Heine, 
der  Lieblingsdichter  der  deut- 
schen Komponisten.  53. 

Chevillard ,  Camille :  Robert 
Schumann.  407. 

CoUes,  H.  C:  Grieg*s  piano 
music.  254. 

—  A  sidelight  upon  Wagner.  254. 
Combarieu,  Jules:  Saint-SaCns. 

256. 
Comee,  Fred.  R.:   The  Mission 

of  music.  253. 
Corver,  W.  J.:  Parsifal.  256. 
Crotched,     Dotted:     St.   Johns 

College  in  Oxford.  255. 

—  Canterbury  Cathedral.  255. 
Cserna,  Andor:  Carl  Goldmark. 

329. 

Debay,  Victor:  Le  songe  de 
G6rontiusd*  Edward  Elgar.  255. 

Delfico,  Melchiorre:  Verdi- Kari- 
katuren. 256. 

Dent,  Edward  J.:  The  eariiest 
string  quartets.  254. 

Desdaux,  Pierre:  Berlioz  en 
Angleterre.  255. 

Deutsch,  Otto  Erich:  Schuberts 
Totenehren    54. 


—  Anselm  Hflttenbrenners  Er- 
innerungen an  Schubert  180. 

Deutsche  Tageszeitung:  Robert 
Schumann.  409. 

DrOmann,  Chr.:  Was  kann  von 
selten  des  Kantors  und  Or- 
ganisten geschehen  zur  Hebung 
unseres  kirchlichen  Gemeinde- 
gesanges? 330. 

Droste,  Carlos:  Robert  Schu- 
mann. 410. 

Dubitzky ,  Franz :  Wilhelm 
Tappert.  53. 

—  Wie  erhalten  wir  ein  lichteres 
Notenbild?  54.  330. 

Ecorcheville,  Jules:  Corneille  et 

la  musique    255. 
Effenberger,  Hans:  Prager  Musik- 

verhflltnisse.  181. 
Elson,  Arthur:  Music  in  Denmark 

and  Switzerland.  253. 

—  The  Netheriands.  253. 
Erler,  Hermann:  Schumann  und 

die    Grflndung    der    »Neuen 
Zeitschrift  fflr  Musik*.  409. 
Fischer,    Cyriak:    Der    Meister 
der  Geige.  180.  330. 

—  Der  Meister  der  deutschen 
Romantik.   410. 

de  Flandreysy,  Jeanne:  Les  litho- 
graphies  musicales  de  Fantin- 
Latour.  256. 

Flodin,  Karl:  Martin  Wegelius. 
329. 

Fockema  -  Andreac,  J.  P.:  De 
herziening  der  wet  van  de 
maatschappij  tot  bevordering 
der  toonkunst.  256. 

Frans,  D.  C:  Aanmoediging  der 
Tooneelmaatschappijen.    256 

Freimark,  Hans:  Hausmusik  vor 
300  Jahren.  —  Das  Harmo- 
nium auf  der  Berliner  Musik- 
Fachausstellung  1906.  330. 

Gates,  Francis:  San  Francisco 
and  its  music.  253. 

Gauthier- Villars,  Henry :  Sur  les 
Lieder  de  Schumann.  407. 

Gehrmann,  Hermann:  Robert 
Schumann.  410. 

Gilman,  Lawrence:  A  discussion 
with  Vincent  d'lndy.  253. 

Glasenapp,  C.  Fr.:  Bayreuth  im 
Jahre  1875.  330. 

Griflinger,  Franz:  42.  Ton- 
kOnstlerfest  in  Essen.  330. 

Hammer,  Heinrich:  Das42.Ton- 
kflnstlerfest  des  Allg.  Deutschen 
Musikvereins.  329. 

Hansen,  Carl:  Halfdan  KJerulf, 
the  pioneer  of  Norwegian  mu- 
sic. 253. 
j  —  H.  D.:  Revision  af  Lovene. 
1      256. 


Hantich,  H.:  Müsicos  contem- 
porAneos.  256. 

Härder,  Knud:  Musiklif  i  KOpen- 
hamn.  329. 

Harrison,  Bertha:  Musical  pro- 
digies.  255. 

V.  Hausegger,  Sigmund:  Ge- 
danken zur  Besetzung  klassi- 
scher Orchesterwerke.  330. 

Haydn,  J.:  Mozarts  erste  Liebe. 
54. 

V.  d.  Heyde,  Colma:  Einejugend- 
freundscbaft  Clara  Schumanns. 
406. 

Hoffmann,  Bernhard :  Die  Wald- 
vogel -  Motive  in  Wagners 
„Siegfried".  53. 

Hollinder,  Alexis:  Obbr  den 
Gesangunterricht  an  höheren 
Midchenschulen.  53. 

dMndy,  Vincent:  El  oratorio  mo- 
derno.  256. 

Jaques-Dalcroze,  Emil:  Le  piano 
et  r^ducation  musicale.    255. 

Jewett,  A.  D.:  The  fundamental 
principles  of  piano  technique. 
253. 

Jungbauer,  Gustav:  Das  Bauern- 
sepp*n-Lied.  54. 

Kalbeck,  Max :  Robert  Schumann 
*und  Wien.  411. 

Karlyle,  Charles:  Die  Saison  in 
Covent  Garden.  330. 

—  Manuel  Garcia.  330. 
Keeton,  A.  E.:  Mendelssohn.  254. 
Kerst,     Friedrich :     Schumanns 

Verhlltnis  zu  Mozart.  407. 

Kienzl,  Wilhelm:  Ober  das 
Malerische  im  musikalischen 
Drama.  55. 

Kipper,  Hermann :  Robert  Schu- 
manns Krankheit  und  Tod. 
411. 

—  RobertSchumann  als  Musiker. 
411. 

Kleefeld,  Wilhelm :  Die  MQnch- 
ner  Vorlfluferin  der  Bayreuther 
Stilbildungsschule.  54. 

Kioss,  Erich:  Briefe  an  Richard 
Wagner.  54. 

—  Bayreuth  1906.  330. 

—  Drei  Jahrzehnte  Bayreuther 
Festspiele.  330. 

Knosp,  Gaston:  Pariser  Kapell- 
meister. 181. 

Koczirz,  Adolf:  Bemerkungen  zur 
Gittaristik.  329. 

Kohut,  Adolph:  Robert  Schu- 
mann und  die  Frauen.    410. 

Kölnische  Zeitung:  Robert  Schu 
mann.  411. 

V.  Komorzynski,  Egon:  Der 
MFreischatz"  und  das  ältere 
deutsche  Singspiel.  181. 


REGISTER  DER  BESPR.  ZEITSCHRIFTEN-  UND  ZEITONGSAUFSÄTZE     XIII 


—  Robert  Schumann  und  die 
Romantik.  406. 

—  Schumann  und  E.  T.  A.  Hoff- 
mann. 409. 

Korngold,  Juliua:  Robert  Schu- 
mann. 410. 

Krause,  Emil:  Ein  75)ihriger 
Geburtstag.  180. 

—  Zu  Robert  Schumanns  50  jäh- 
rigem Gedenktage.  411. 

Krebs,  Carl:  Robert  Schumann. 
400. 

Krtsmiry ,  Anton :  Gustav 
Schoenaich.  53. 

Kruse,  Georg  R.:  Aus  Otto 
Nicolais  letztem  Tagebuche. 
54. 

Kflffner,  Karl:  Zur  Lage  des 
Gesangunterrichts  in  Bayern. 
330. 

KQrnberger,  Ferdinand:  Ein  un- 
veröffentlichtes Manfred  -  Ge- 
dicht zu  Robert  Schumanns 
Musik.  407. 

Lange,  Fritz:  Der  Bruder  Joseph 
Haydns.  330. 

—  Robert  Schumann  in  Wien. 
411. 

Lederer,  Victor:  Maifestspiele  im 
alten  Bardenland.  181. 

—  Flamin,  der  letzte  Davids- 
bflndler.  330. 

Leichtentritt,  Hugo:  AufTOhrun- 
gen  älterer  Musik  in  Berlin. 
320. 

Leipziger  Neueste  Nachrichten: 
Seine  Clara.  407. 

Louis,  Rudolf:  Robert  Schu- 
mann. 411. 

Lucifer  (Antwerpen):  De  Ned.* 
Opera  Tijdelijk  in  eere  her- 
steld.  256. 

v.  Lflpke,  G.:  Hausmusik  von 
Max  Reger.  181. 

—  Schumann  und  die  Pro- 
grammusik. 406. 

Mauclair,  CamÜle:  La  musique 
de  piano  de  Maurice  Ravel. 
256. 

—  L'applaudissement  au  con- 
cert.  256. 

—  La  religion  de  la  Orquesta. 
256. 

Monthly  musical  Record:  The 
Spanish  music.  254. 

—  Norwegian  Music.  254. 
The    Musical    Times:     Private 

musical  collections.  255. 
The    Musician    (Boston):   John 

Knowles  Paine.  254. 
Montfort,   Robert:    La  M61odie. 

255. 
MOller,  Erich:  Charles  Adolphe 

Adam.  54. 


—  Am  Grabe  Robert  Schumanns. 
411. 

MQUer-Hartmann:  Robert  Schu- 
mann   411. 

Nef,  Karl:  Robert  Schumann 
und  das  Chorlied.     407. 

Neitzel,  Otto:  Das  42.  Ton- 
kOnstlerfest  des  Allgemeinen 
deutschen  Musikvereins  in 
Essen.  330. 

Nelle,  D.:  Klippen  im  Fahr- 
wasser des  Gemeindegesanges. 
55. 

Nervander,  E.:  Finska  teatems 
grundläggare  Kaarlo  Bergbom. 
320. 

Newman,  Ernest:  Edward  Elgar. 
253. 

Nolthenius,  Hugo:  »Im  grossen 
Schweigen"  von  A.  Diepen- 
brock.  256. 

Nordd.  Allgem.  Zeitung:  Die 
bflrgerliche  Oper.  55. 

Paul,  Ernst:  Ästhetische  Er- 
ziehung durch  Schulgesang. 
53. 

Pedersen,  Kr.:  Kirkesangens 
Ledere  og  Kirkesangen.   256. 

Prinz,  E.:  Geistige  Beherrschung 
der  TonvorsteUungen.    330. 

Prochäzka,  Rudolph:  Charakter- 
bilder aus  dem  älteren  Musik- 
Prag:  Hans  Seeling,  der  Kom- 
ponist der  ,Schilflieder*  und 
„Loreley*.  330. 

Prod'homme,  J.  G.:  Pierre  Cor- 
neille et  rOpöra  frangais.  329. 

Pudor,  Heinrich:  Till  kammar- 
musikens  historia.  329. 

Reuss,  Eduard:  Die  VI.  Sym- 
phonie von  Gustav  Mahler 
und  ihre  erste  Aufführung.  330. 

—  Die    Nacht    der    Liebe     in 
»Tristan  und  Isolde**.  330. 
Rhein.    Musik-     und     Theater- 
zeitung:     Zwei     ungediuckte 
Briefe  von   Clara  Schumann. 
407. 

Riemann,  Ludwig:  Das  Volks- 
lied im  niederrheinischen  In- 
dustriegebiet. 330. 

Ritter,  Hermann:  Das  Virtuosen- 
tum  in  der  Musik.  330. 

Rommel,  A. :  The  value  of  Bach 
to  the  piano  Student.  253. 

Rubinstein,  Antonio :  La  müsica 
y  sus  representantes.  256. 

Scheibler,  Ludwig:  Schumann 
als  Liederkomponist.  407. 

Scheidemantel,  Karl:  Deutscher 
Bahnen-  und  Konzertgesang. 
54. 

Scheirl,  Franz :  Der  Phonograph 
im  Dienste  desVolksliedes.  330. 


—  Hirtenlieder  zur  Zeit  der  Ge- 
burt Christi.  330. 

Scherber,  Ferdinand:  Max  Reger. 
53. 

—  Ein  Brief  Friedrich  Kinds 
an  Peter  Joseph  Lindpaintner, 
181. 

Schmitz,  Eugen:  Musikalische 
Popularisierungsbestreben.  54. 

Schollenberger,  Hermann :  An- 
dreas Späth.  329. 

Scolt,  E.  H. :  Musical  energy.  254. 

Segnitz,  Eugen:  Carl  Maria 
V.  Weber  und  Richard  W^agner. 
54. 

—  Schumanniana.  411. 
Shakespeare,  William:   Tone  in 

its  relationship  to  pro- 
nunciation.  253. 

Signale  für  die  musikalische 
Welt  (Leipzig):  Instrumen- 
tierungskunst und  Partitur- 
spiel. 330. 

Spanuth,  August:  Robert  Schu- 
mann. 409. 

Specht,  Richard:  Robert  Schu- 
mann. 410. 

Spencer,  Herbert:  Musikens 
härkomst  och   upp  gift.  329. 

Stauber,  Paul:  Die  Wiener 
Volksoper.  330. 

Stein,  Fritz:  Schumann  als 
Student  in  Heidelberg.  406. 

Storck,  Karl:  Beethoven  als 
Angelpunkt  in  der  Musik- 
entwicklung. 181. 

Streit,  A.:  Das  Mflnchener  Fest- 
spielhaus. 330. 

Sutro,  Emil:  Das  Doppelwesen 
des  Denkens  und  der  Sprache. 
330. 

Thiessen,  Karl:  Alte  Klavier- 
musik im  Hause.  330. 

Thormälius,  Gustav :  Die  Davids- 
bOndler.  410. 

V.  TidebAhl,  Ellen:  Sergej  Rach- 
maoinoff.  254. 

Tovey,  Donald  Francis:  The 
vitality  of  artistic  counter- 
point.  329. 

Vantyn,  Sidney:  La  sonate  en 
si  bemol  mineur  op.  35  de 
Chopin.  256. 

Das  deutsche  Volkslied  (Wien): 
Das  Volkslied  in  Österreich. 
329. 

Vossische  Zeitung:  Zu  Robert 
Schumanns  50  jähr.  Todestage. 
408. 

—  Robert  Schumann  als  Dichter. 
408. 

Weber- Bell,  Nana:  Physische 
und  psychische  Klangfarbe. 
54. 


REGISTER  DER  ANGEZEIGTEN  NEUEN  OPERN 


VeliiE*nner,  Felix ;  Robert  Schu- 

n»QD.  410. 
Wiens,  J.  P.  J.:  Het  NederiaDd- 

sche  Volkslied.  25Q. 
de  Wilde,  W.  J.:  Divigsties  over 

Kunst.  256. 


Wilson,  F.:  L'ontorio.  255- 
WlttlDC    C:    Job.    Seb.    Bichs 
Sonaten      rar     die     Violine. 


W  riMl  wanopulos-Brucho  vsnoir, 
George;  Richard  Wiener  und 
die  Antike.  53. 

vsn  Zebden :  Konlnk.Vereenlglnc 
hei  Nederlsodsch  Tooeel.  ZSe. 


REGISTER  DER  ANGEZEIGTEN  NEUEN  OPERN 


Alfln«,  Torre:  Der  Traam  eines 

Herbscabends.  182. 
de  Boeck,  August:    Relnaert  de 

VoB.  182. 
Boasl,  Enrico:  Der  Prophet.  412. 
C!te«,  Francesco:    Gloria.   257. 
Georges,  Alexandre:   Kleopatra. 

331. 
Gottbeir,  Felix:    Mahadevs.  56. 
Gradi,  Ferdinand:  Der  slQckliche 

Jack.  56. 


d'lndy,  Vincent:     Pbaedra    und 

Hippolji.  331. 
Kaiser,    Alfred :    Dame,    roi    et 

valet.  56. 
Knlenkampir,    Gustav :     Anne- 

Marel.  182. 
Lambert,    Marina :    Der    Kadett 

von  Nsvarra.  56. 
Loren u,    Alfred:     Der    MOncb 

von  Sendomir  56. 
de  Lunghi,  M.:  Raffael.  331. 


Marscbalk,  Max:  Aukassln  und 

Nlkolette.  (82. 
Messager,     Andr£:    Chandeller. 


Weissleder,     Psul:     Der    Weg 

durchs  Fenster.  412. 
V.   Zetniinsky,   Alexsnder:    Der 

Traumgorg.   182. 


DIE  MUSIK 


6.  WAGNER-HEFT 


Langsam 


fe 


P 


m  olto  creac. 


^ 


^^ 


1^ 


Richard  Wagner:  Tristan  und  Isolde 


V.  JAHR  1905/1906  HEFT  19 

Erstes  Juliheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  LoefHer 
Berlin  und  Leipzig 


Wol^ang  Golther 

Zur  Entslebung  von  Richard  Tagners  Tristan 

C.  Fr.  Glasenapp 
Riebard  Wagaers  Briefe  an  Frelherm  von  LQtticbau.  1, 

Geoi^  Mfinzer 

Hans  Sachs  als  Musiker 

Neue  Wagner-Literatur 
Titel  zum  19.  Band  der  MUSIK 


Revue  der  Revueen 

Umschau  (Neue  Opern,  Aus  dem  Opemrepertoire, 

Konzerte,  Tageschronik,  Totenschau) 

Kritik  (Oper  und  Konzert) 

Anmerkungen  zu  unseren  Beilagen 

Kunstbejlagen 

Anzeigen 

DIE  MUSIK  enchelnt  monatlich  iweinal.  Abonnementtprei«  tOr  dM 
Quartal  4  Mark.  AbonnemeiiUprelB  Hr  den  Jahrgang  15  Mark.  Prcla 
dei  eiDzelneo  Heftea  1  Mark.  Vlertelfahneinbaaddeckea  i  1  Mark. 
SanimelkaateD  fOr  die  Kuasibei lagen  det  ganzen  Jahrgangs  2,50  Mkrk. 
Aboonementt  durch  jede  Buch-  und  MuBlkalknbandluDg,  lOr  kleine 
Plltze  ohne  Buchhladler  Bezug  durch  die  PosL 


|as  Geheimnis  des  grossen  Kunstwerks  ruht  darin,  dass  Idee  und 
Erfahrung,  Überlieferung  und  Erlebnis  in  eins  verSiessen  und 
in  Stoff  und  Form  so  gestaltet  werden,  dass  der  dichterische 
Gedanke  mit  lebendigster  Wahrheit,  mit  unmittelbarer  Gegen- 
wartswirkung zum  Ausdruck  kommt  und  doch  in  ideale  Feme  gerückt  ist, 
etwa  so  wie  der  ganze  Faust  Goethes  eignes  Leben  und  Wirken  im  Gesarot- 
bild spiegelt.  Nur  selten  sind  alle  Voraussetzungen  erfüllt,  dann  aber 
entsteht  auch  ein  Kunstwerk  von  unergründlicher  Tiefe  und  unerschöpflich 
reichem  Gehalt.  Und  so  geschah's  bei  Richard  Wagners  «Tristan*,  dessen 
wahrhafte  Wundermacht  sich  längst  allen  denen,  die  hören  und  schauen 
können,  zu  tiefster  Ergriffenheit  offenbart  hatte.  »Ein  Wunder  war's,  ein 
unbegreiflich  hohes  Wunder  1"  Erwin  Rohde  schreibt  einmal  vom  Zauber 
des  Tristan: 

.Gewiss  gibt  es  in  der  Welt  keine  andre  Musik  von  solcher  Notwendigkeit; 
meine  Seele  sang  unmittelbar  mit  in  diesem  tönenden  Meeresrauschen  der  stürmenden 
Empfindung.    Da  ist  nichts  von  künstlich-künstlerischer  Willkür.* 

Was  wir  empfanden,  jetzt  können  wir's  auch  begreifen,  wie  es  so 
kommen  musste,  nachdem  die  Entstehungsgeschichte  aus  unmittelbaren 
Urkunden  uns  deutlich  ward.  Das  Werden  und  Wachsen  der  Tristan- 
dichtung aufzuzeigen,  soll  hier  versucht  werden.  In  der  Dresdener  Zeit 
(1842/9)  gab  sich  Wagner  überaus  fruchtbaren  und  gründlichen  altdeutschen 
Studien  hin,  aus  denen  Tannhäuser  und  Lohengrin,  Wieland  der  Schmied, 
Siegfrieds  Tod  und  der  Entwurf  der  ganzen  Ringdichtung  erwuchsen ;  auch 
der  erste  Meistersingerentwurf  von  1845  (vgl.  „Musik'  I,  4)  ging  aus  diesen 
Studien  hervor,  so  dass  in  der  Dresdener  Zeit  der  stoffliche^rund  zu 
allem  späteren  künstlerischen  SchafTen  gelegt  ward.  Damals  beschäftigte 
der  Meister  sich  auch  bereits  genauer  mit  dem  Tristan  Gottfrieds  von 
Strassburg,  aber  zunächst  noch  ohne  an  eine  Neudichtung  zu  denken.  Vor 
Gottfrieds  Tristan  war  ihm  auch  Wolframs  Parzival  vertraut  geworden,  zu 
dem  schon  der  Lohengrin  seine  Gedanken  hinführte.  In  Dresden  fehlte 
aber  noch  gänzlich  die  belebende  Anregung  zur  dramatischen  Wieder- 
geburt dieser  beiden  Stoffe  und  der  Meistersinger.  Es  musste  eine  Erfahrung 
eintreten,  um  die  aus  der  Kenntnis  der  mittelalterlichen  Quellen  gewonnenen 


DIE  MUSIK  V.  19. 


Eindrficke  zu  befruchten.  So  war's  schon  beim  Holländer  gewesen,  der 
auch  erst  auf  der  sturmischen  Seefahrt  von  Riga  nach  London  im  Juli 
1830  dem  Dichter  zum  anschaulichen  Erlebnis  ward,  das  dann  in  der  tief- 
sten Not  der  Pariser  Zeit  zur  Sehnsucht  nach  dem  Heil  sich  verdichtete. 
Wagner  musste  in  einem  Stoff  immer  erst  sich  selbst,  seine  eigene  Lebens- 
lage, Stimmung  und  Weltanschauung  gefunden  haben,  ehe  er  ihn  auszu- 
führen imstande  war.  Eine  innerliche  Aneignung  musste  der  dichterischen 
Umgestaltung  vorhergehen,  aber  nicht  so,  dass  der  Meister  einer  Sage 
etwa  fremde,  unverträgliche  Ideen  aufzwang,  vielmehr  so,  dass  er  ganz 
unwillkfirlich  hellseherisch  sein  eigenes  Schicksal  in  dem  überlieferten 
Stoffe  erschaute,  der  ihm  nun  plötzlich  in  ganz  neuem  Lichte  und  eigen- 
artig vertraut  erschien. 

Bei  solcher  innerlichen  Aneignung  und  Erneuerung  der  überlieferten 
Stoffe  stand  Wagner  seinen  ursprünglichen  Quellen  sogar  eine  Zeitlang 
feindselig  gegenüber.     So  fühlte  er  sich  von  Wolfram   einmal  schroff  ab- 

■ 

gestossen  (Briefe  an  Mathilde  Wesendonk  S.  146)  und  schreibt  ebenda: 
j^Schon  mit  dem  Gottfried  von  Strassburg  ging  mir's  in  bezug  auf  Tristan 
so.*  Vermutlich  trat  diese  Stimmung  bei  einer  erneuten  Lesung  des  Ge- 
dichtes in  Simrocks  Übersetzung  1855  ein. 

Dieser  entscheidende  Augenblick  trat  für  den  Tristan  im  Spätherbst 
1854  in  Zürich  ein,  wo  Wagner  in  tiefernster  Stimmung  den  ersten  Ge- 
danken des  Dramas  fasste,  das  1855  aufgezeichnet  und  im  August  und 
September  1857  endgültig  ausgeführt  wurde.  Hier  aber  ist  ein  Blick  auf 
die  Hauptquelle:  Gottfrieds  Tristanepos  notwendig. 

1844  war  die  ausgezeichnete  neuhochdeutsche  Bearbeitung  Gott- 
frieds von  Hermann  Kurtz  erschienen.  In  freier  Anlehnung  an  den  Ent- 
wurf von  Immermanns  unvollendetem  Tristan  und  an  die  Fortsetzungen, 
die  Ulrich  von  Türheim  und  Heinrich  von  Freiberg  im  13.  Jahrhundert 
zu  Gottfrieds  Gedicht  verfasst  hatten,  dichtete  Kurtz  einen  schönen, 
stimmungsvollen  Schluss,  so  dass  zum  ersten  Male  ein  abgerundetes  voll- 
ständiges Tristangedicht  vorlag.  So  lernte  Richard  Wagner  den  Tristan 
kennen.  In  der  Einleitung  war  auf  die  mythischen  Bestandteile  der  Tristan- 
sage hingewiesen,  die  auch  in  der  Siegfriedsage  wiederkehren  sollten. 
Schon  früher  hatten  Mono  und  von  der  Hagen  Tristan  und  Siegfried  ver- 
glichen; besonders  eingehend  hatte  Wilhelm  Müller  in  seinem  Versuch 
einer  mythologischen  Erklärung  der  Nibelungensage  1841  die  Ähnlichkeit 
behandelt.  Wagner  kannte  diese  Schrift  schon  durch  seine  Nibelungen- 
studien sehr  gut.  So  erschienen  ihm  von  Anfang  an  Tristan  und  Siegfried 
in  einer  gewissen  inneren  Verwandtschaft.  Kurtz  betonte  im  Tristan  vor 
allem  den  tiefen  Ernst: 

»Ein  alter  Mythus  von  Erringen  und  Nichterlangen  oder  Verlieren  zieht  sich 


GOLTHER:  ENTSTEHUNG  VON  WAGNERS  TRISTAN 


halbverkluogen  durch  diese  Stgen  hin,  und  im  Tristan  schimmert  noch  das  Heroische 
und  Tragische  zwischen  dem  Höfischen  und  Modischen  hervor.  Eben  dieser  tragische 
Faden  ist  mir  auch  in  den  gllnzenden  Geweben  Gottfrieds  fiberall  sichtbar  und 
scheint  mir  von  der  Kritik  lange  nicht  genug  beachtet  zu  sein:  so  glaube  ich  zum 
Beispiel,  dass  die  Rede  der  Königin  im  Garten,  welche  unter  leichten  Tftuschungen 
eine  dem  Lauscher  sehr  wohl  verstindliche  Wahrheit  birgt,  in  einem  Trauerspiel 
von  erschütternder  Wirkung  sein  würde.' 

Von  diesem  schönen  Tristanbuch  empfing  Wagner  tiefen  und  nach- 
haltigen Eindruck,  der  sich  sogar  bis  in  „Siegfrieds  Tod*  erstreckt.  In 
meinem  Buche  über  «Die  sagengeschichtlichen  Grundlagen  der  Ring- 
dichtung" (Charlottenburg  1002)  S.  14  habe  ich  gezeigt,  wie  Brünnhilde 
und  Gutrune  an  Siegfrieds  Bahre  nach  dem  Vorbilde  der  blonden  und 
weisshändigen  Isolde  am  Bett  des  toten  Tristan  geschildert  sind. 

1855  erschien  Simrocks  Erneuerung  von  Gottfrieds  Tristan.  Sie  steht 
an  poetischer  Wirkung  weit  hinter  der  von  Kurtz  zurfick.  Darum  machte 
sie  auf  Wagner,  wie  oben  (S.  4)  vermutet  wurde,  keinen  gfinstigen  Ein- 
druck. Im  Vorwort  ist  aber  ein  kurzer  Vergleich  mit  Romeo  und  Julie 
und  Hero  und  Leander  gezogen.  Da  wird  von  der  verlöschenden  Fackel 
gesprochen,  die  in  der  Herosage  eine  so  wichtige  Rolle  spielt,  da  mit  dieser 
Fackel  der  Stern  der  Liebe  erlischt.  In  Gottfrieds  Tristan  ist  nirgends  die 
im  Drama  so  bedeutungsvolle  Fackel  als  Liebeszeichen  erwähnt.  Aus  dem 
bescheidenen,  dürftigen  Vorwort  Simrocks  fällt  ein  zfindender  Funke  in 
des  Meisters  Seele  und  schafft  die  äussere  Form  des  zweiten  Tristanaktes: 
die  Fackel  nach  Hero  und  Leander  und  das  Tagelied  nach  Romeo  III,  5. 
Aber  Wagners  Fackelsymbol  ist  unvergleichlich  reicher  und  tiefer  an  Gehalt, 
und  das  Tagelied  ist  zum  Wächterlied  erweitert  und  zwar  nach  Ulrich  von 
Liechtensteins  zweiter  Tageweise,  wo  aus  feinfühliger  Erwägung  des  Dichters 
ein  Mädchen  den  Wächter  vertritt. 

Wenn  Fackel  und  Tagelied  für  die  Form  des  zweiten  Aufzugs  bedeutungs- 
voll wurden,  so  kann  er  seinem  Inhalt  nach  als  ein  Hymnus  an  die  Nacht 
bezeichnet  werden.  Weniger  im  einzelnen  als  in  der  Gesamtstimmung 
werden  wir  an  Novalis'  Nachthymnen  gemahnt.  Im  Tristan  aber  hat  die 
romantische  Schwärmerei  einen  unendlich  tieferen  und  sehr  bestimmten 
Sinn  gewonnen.  Ob  Wagner  gerade  in  der  Züricher  Zeit  Novalis  las  oder 
aus  seinen  sehr  eingehenden  früheren  romantischen  Studien  eine  Erinnerung 
daran  behalten  hatte,  die  jetzt  wieder  lebendig  und  fruchtbar  ward,  vermag 
ich  nicht  zu  bestimmen.  In  den  bisher  bekannten  Schriften  und  Briefen 
des  Meisters  ist  meines  Wissens  Novalis  nicht  erwähnt.  Sein  Einfluss  auf 
den  Tristan  ist  aber  zweifellos. 

Im  Drama  ist  die  reiche  äussere  Handlung  des  Epos  zu  wenigen 
plastischen  Bildern  verdichtet,  in  denen  der  Grundgedanke,  «das  Sehnen 
hin  zur  heil'gen  Nacht*,  unmittelbar  anschaulich  wird.     Nur  seelische  Vor- 


6 
DIB  MUSIK  V.  19. 


gänge  offenbaren  sich  in  Wort  und  Ton,  in  Gebärde  und  Handlung.  Aber 
die  Grösse  der  Wagnerschen  Dichtung  beruht  darin,  dass  sie  mit  dieser 
Beschränkung  keineswegs  undramatisch  wird.  Alles  geschieht  vor  unseren 
Augen,  nichts  Wesentliches  spielt  sich  hinter  der  Szene  ab  und  wird  nur 
beredet.  Das  Drama  ist  aus  einem  andern  Gedanken  heraus  gestaltet  als 
das  Epos.  Darum  musste  die  Handlung  auch  ganz  anders  werden  als  im 
Epos,  nicht  etwa  bloss  weil  aus  äusseren  Gründen  für  die  Bühne  verkürzt 
und  zusammengezogen  wurde.  Tristan  und  Isolde  wollen  im  Drama  von 
Anfang  an  bewusst  das  Notwendige,  die  Erlösung  ihrer  Liebe  aus  den 
Banden  des  Lebens,  den  Frieden  und  die  Sühne  des  Todes;  sie  kämpfen 
um  den  Tod  gegen  das  Leben.  Im  Epos  aber  kämpfen  sie  bis  zuletzt  um 
das  Leben  gegen  den  Tod.  Darum  ziehen  im  Epos  so  viele  Bilder  von 
Glück  und  Glanz,  von  erlisteten  Minnefreuden  auf  dem  hellschimmemden 
Grunde  des  höfischen  Lebens  an  uns  vorüber,  während  im  Drama  diese 
Welt  in  weiter  Feme  liegt.     Chamberlain  sagt: 

«Tristan  und  Isolde  werden  ans  nur  an  den  drei  entscheidenden  Augen- 
blicken ihrer  LiebestragOdie  vorgeführt,  sobald  die  Welt  dtzutritt,  bricht  Jedesmal  die 
Handlung  ab.* 

Alle  übermütigen  Situationen  des  alten  Gedichtes,  alle  Liebesränke 
sind  ausgeschieden,  ebenso  Isolde  Weisshand,  die  Nebenbuhlerin  der  blonden 
Isolde.  In  der  Vorgeschichte  ist  dem  Drama  der  Zug  neu  und  eigen,  dass 
Morold  Isolden  angelobt  war.  Dadurch  hebt  sich  Tristans  und  Isoldens 
Liebe  auf  noch  ernsterem  Hintergrunde  ab.  Auch  die  Zahl  der  Handelnden 
ist  im  Vergleich  mit  Gottfried  sehr  vermindert.     Chamberlain  sagt: 

«Nur  zwei  Personen,  Tristan  und  Isolde,  stehen  ganz  im  Vordergrund,  sehr 
weit  zurück,  fast  schon  symbolisierte  Gesulten  von  männlicher  und  weiblicher  Treue, 
erblicken  wir  Kurwenal  und  Braugine,  höher  als  diese,  aber  noch  weiter  zurück, 
König  Marke;  kaum  vom  Waldesgrfin  oder  vom  fernen  Meereshorizont  sich  abhebend, 
den  Hirten,  den  jungen  Seemann  und  Melot." 

Und  wie  wirken  alle  diese  Gestalten  zusammen  I  Meisterhaft  geschieht 
die  Mitteilung  alles  dessen,  was  zum  Verständnis  aus  der  Vorgeschichte 
zu  wissen  not  tut,  aus  ihren  Reden  und  Gesprächen,  die  stets  unmittelbar 
aus  der  durch  das  Dram%  jeweils  bedingten  Stimmung  hervorgehen.  In 
meinem  Büchlein  über  Richard  Wagner  als  Dichter  (Berlin  1 905)  habe  ich 
den  Sinn  der  Handlung^)  also  angedeutet: 

«Die  alte  Sage  knüpfte  die  Liebe  Tristans  und  Isoldes  an  den  Trank,  Wagner 
an  den  Blick:  ,er  sah  mir  in  die  Augenl^  Isolde  Hess  das  rächende  Schwert  sinken, 

^)  Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  nachdrücklichst  auf  eine  der  schönsten 
Tristanschriften,  die  wir  besitzen,  hinweisen,  die  aus  dem  Nachlass  von  Heinrich 
Porges  in  den  Bayreuther  Blättern  10Q2  und  1003  veröffentlicht  wurde  und  gar  wohl 
auch  einer  besonderen  Buchausgabe  würdig  wäre.  Wagner  selbst  schrieb  darüber 
am  15.  Mai  1867  aus  Luzem:  «wohl  mir,  dass  ich  so  empfunden  und  verstanden 
werde*. 


GOLTHER:  ENTSTEHUNG  VON  VAGNERS  TRISTAN 


denn  der  Blick  hatte  sie  int  tiefete  Herz  getroffen.  Die  todesemste  Liebe,  die  an 
diesem  Augenbliclc  sich  entzfindete,  durfte  nicht  ans  Tageslicht,  sie  barg  sich  schweigend 
im  Herzensgrande«  Welt  und  Wahn  trennten,  waa  Frau  Minne  vereinigt  hatte.  Nur 
ein  Ausweg:  der  Todestrank I  Eine  Hfille  liegt  auf  dem  Lebensglfick  der  Liebenden, 
Isolde  gehört  Tristan  und  soll  Marke  verfallen:  ,mir  erkoren,  mir  verloren!'  Isolde 
reicht  Tristan  den  Todestrank,  um  mit  dem  achweigend  Geliebten  aus  der  Tages- 
welt, die  ihrer  Liebe  keinen  Raum  gewihrt,  Ina  Wunderreich  der  Nacht  einzugehen. 
Tristan  fasst  Isoldens  Schweigen  und  ergreift  den  Balsam,  den  Todesbecher.  Und 
nun,  an  der  Schwelle  des  Todes,  darf  das  Geheimnis  sich  enthüllen.  Doch  Brangines 
wahnvolle  Treue  zwang  die  zum  Tode  sich  Sehnenden  fns  Leben  zurfick,  indem  sie 
nicht  den  Todestrank,  sondern  den  Lebens-  und  Liebestrank  in  den  Becher  goss. 
Welch  ungeheurer  Unterschied  trennt  also  Wagners  Drama  von  der  Sage:  in  der 
Sage  schafft  und  wirkt  ein  Zaubertrank,  das  kindliche  und  doch  auch  tiefe  Sinnbild 
der  unwiderstehlichen  Liebesmacht,  die  Liebe;  im  Drama  bringt  der  vermeintliche 
Todeatrank  die  längst  im  Herzensgrund  glimmende  Liebe  nur  zum  Gestindnis. 
Diese  in  den  Wonneschauern  des  ersehnten  Liebestodes  geoffenbarte  Liebe  ist  nun 
verdammt,  in  der  Welt  zu  leben  und  zu  leiden.  Im  groasen  Zwiegesang  des  zweiten 
Aktes  werden  sich  Tristan  und  Isolde  fiber  das  Wesen  ihrer  Liebe  klar:  aus  Licht, 
Tag,  Leben  verlangen  sie  nach  Dunkel,  Nacht,  Tod.  ,Ewig  wihr  una  die  Nacht  I< 
Mit  dem  Erlöschen  dieser  Scheinwelt  muss  auch  allea  enden,  was  ihre  Liebe  stört. 
Im  dritten  Akt  naht  die  Erlösung.  Mit  blutender  Wunde  erjagt  sich  Tristan  sein 
höchstes  und  letztes  Glück,  nicht  Liebesleben,  sondern  Liebestod,  und  über  dem  Toten 
verweht  Isoldens  Seele  ,in  des  Weltatems  wehendem  Ali'.  Abendlich  Dimmern 
umfriedet  Tristan  und  Isolde,  die  um  der  Liebe  willen  das  Leben  verneinten.  Marke, 
der  endlich  den  trugvoll  schmerzlichen  Wahn  durchschaut  hatte  und  die  Liebenden 
von  aller  Schuld  entsühnen  wollte,  segnet  die  Leichen.* 

Wagner  hat  den  Grundgedanken  seines  Dramas  in  kurzen  Worten 
zusammengefasst,  als  er  Vorspiel  und  Schlussatz  am  27.  Dezember  1863 
zum  erstenmal  in  Wien  aufführte: 

Tristan  und  Isolde 

a)  Vorspiel  (Liebestod) 

Tristan  führt,  als  Brautwerber,  Isolde  seinem  Könige  und  Oheim  zu.  Beide 
lieben  sich.  Von  der  schüchternsten  Klage  des  unstillbaren  Verlangens,  vom  zartesten 
Erbeben  bis  zum  furchtbaren  Ausbruch  des  Bekenntnisses  hoffnungsloser  Liebe,  durch- 
schreitet die  Empfindung  alle  Phasen  des  sieglosen  Kampfes  gegen  die  innere  Glut, 
bis  sie,  ohnmichtig  in  sich  zurücksinkend,  wie  im  Tode  zu  verlöschen  scheint« 

b)  Schlussatz  (Verklärung) 

Doch,  was  das  Schicksal  für  das  Leben  trennte,  lebt  nun  verklirt  im  Tode  auf: 
die  Pforte  der  Vereinigung  ist  geöffnet.  Ober  Tristans  Leiche  gewahrt  die  sterbende 
Isolde  die  seligste  Erfüllung  des  glühenden  Sehnens,  ewige  Vereinigung  in  ungemessenen 
Riumen,  ohne  Schranken,  ohne  Banden,  unzertrennbar! 

Wie  kam  nun  Wagner  zu  der  so  wirkungsvollen  Vereinfachung  und 
Verinnerlichung  der  bunten  Abenteuer,  die  seine  Vorlage  berichtete?  Wie 
er  zuvor  beim  »Ring'  alle  Nebenmotive  zurückgedrängt  hatte,  um  die  Haupt- 


8 
DIE  MUSIK  V.  19. 


Sache  mit  allem  Nachdruck  hervorzuheben,  so  verfuhr  er  auch  beim  »Tristan'. 
Er  sagt  darüber  (Schriften  6,  378 f.): 

»Mit  dem  Entwürfe  von  Tristan  und  Isolde  war  es  mir,  als  entfernte  ich  mich 
selbst  nicht  eigentlich  sus  dem  Kreise  der  durch  meine  Nibelungenarbeit  mir  erweckten 
dichterischen  und  mythischen  Anschauungen.  Der  grosse  Zusammenhang  aller 
echten  Mythen,  wie  er  mir  durch  meine  Studien  aufgegangen  war,  hatte  mich 
namentlich  für  die  wundervollen  Varistionen  hellsichtig  gemacht,  welche  in  diesem 
aufgedeckten  Zusammenhange  hervortreten.  Eine  solche  trst  mir  mit  entzuckender 
Unverkennbarkeit  in  dem  Verhiltnisse  Tristans  zu  Isolde,  zusammengehalten  mit 
dem  Siegfrieds  zu  Brfinnhilde,  entgegen.  Wie  in  den  Sprachen  durch  Lautverschiebung 
aus  demselben  Worte  zwei  oft  ganz  verschieden  dünkende  Worte  sich  bilden,  so 
waren  auch,  durch  eine  ihnliche  Verschiebung  oder  Umstellung  der  Zeitmotive,  aus 
diesem  einen  mythischen  Verhiltnisse  zwei  anscheinend  verschiedenartige  Verhältnisse 
entstanden.  Die  völlige  Gleichheit  dieser  besteht  aber  darin,  dass  Tristan  wie  Siegfried 
das  ihm  nach  dem  Urgesetze  bestimmte  Weib,  im  Zwange  einer  Täuschung,  welche 
diese  seine  Tat  zu  einer  unfreien  macht,  für  einen  anderen  freit,  und  aus  dem  hier- 
aus entstehenden  Missverhiltnisse  seinen  Untergang  findet.  Während  der  Dichter 
des  Siegfried,  den  grossen  Zusammenhang  des  ganzen  Nibelungemythus  vor  allem 
festhaltend,  nur  den  Untergang  des  Helden  durch  die  Rache  des,  mit  ihm  sich  auf- 
opfernden, Weibes  in  das  Auge  fassen  konnte,  findet  der  Dichter  des  Tristan  seinen 
Hauptstolf  in  der  Darstellung  der  Liebesqual,  welcher  die  beiden  über  ihr  Verhältnis 
aufgeklärten  Liebenden  bis  zu  ihrem  Tode  verfallen  sind.  Hier  ist  nur  breiter  und 
deutlicher  gefasst,  was  auch  dort  unverkennbar  sich  ausspricht:  der  Tod  durch  Liebes- 
not, welche  in  der  einseitig  des  Verhältnisses  sich  bewussten  Brünnhilde  zum  Aus- 
drucke gelangt.  Was  hier  nur  mit  entscheidender  Heftigkeit  sich  äussern  konnte, 
wird  dort  zu  einem  unendlich  mannigfaltigen  Inhalte;  und  hierin  lag  für  mich  der 
Anreiz,  diesen  Stoff  gerade  jetzt  auszuführen,  nämlich  als  einen  Ergänzungsakt  des 
grossen,  ein  ganzes  Weltverhältnis  umfassenden  Nibelungenmythus.* 

Wir  erkennen  hier  einen  Nachklang  der  oben  angeführten  Worte, 
mit  denen  Hermann  Kurtz  in  der  Einleitung  zu  Gottfrieds  Tristan  einen 
Gedanken  der  damaligen  Wissenschaft  zusammengefasst  hatte.  Was  Wagner 
einen  für  Siegfried  und  Tristan  gemeinsamen  Urmythus  nennt,  ist  in 
Wirklichkeit  nur  der  allgemein  menschliche  Grundgehalt,  den  der  Blick 
des  Dichters  als  einen*  tief  verwandten  Zug  beider  Sagen  erschaut,  den  er 
zur  kürzesten  tragischen  Formel  verdichtet.  Und  nun  erst  erregt  der 
Tristan  seine  innerliche  Teilnahme,  was  die  vielen  Abenteuer  des  mittel- 
alterlichen Romanos  nie  vermocht  hätten.  So  ward  die  Siegfriedsage  An- 
lass  zur  Vereinfachung  der  dramatischen  Fabel  der  Tristansage  aus  der 
epischen  Breite  und  Fülle.  Die  Verinnerlichung  ergab  sich  aber  aus 
persSnllchen  Erfahrungen  und  Stimmungen  in  den  für  den  Entwurf  und 
die  Ausführung  entscheidenden  Jahren. 

Durch  einen  Zufall  wurde  Wagners  Aufmerksamkeit  im  Herbst  1854 
auf  den  Tristanstoff  gelenkt,  zu  einer  Zeit,  da  er  durch  die  Bekanntschaft 
mit  Schopenhauers  Philosophie  in  ernster  Stimmung  war.  Im  selben  Brief 
vom   Dezember   1854  meldet  er  Liszt  von  Schopenhauer,    »der  wie  ein 


9 
GOLTHER:  ENTSTEHUNG  VON  WAGNERS  TRISTAN 


Himtnelsgeschenk  in  meine  Einsamkeit  gekommen  ist*",  und  vom  Tristan, 
den  er  «im  Kopfe*  entworfen  habe.  Im  Laufe  des  Jahres  1855  muss  das 
Drama  in  drei  Aufzügen  zu  künftiger  Bearbeitung  skizziert  worden  sein« 
Am  Schlüsse  war  noch  von  der  weissen  und  schwarzen  Flagge  die  Rede, 
wie  im  Epos  vom  weissen  und  schwarzen  Segel.  Davon  blieb  nur  Tristans 
Frage:  «die  Flagge?  die  Flagge?"  und  Kurwenals  Antwort:  «der  Freude 
Flagge  am  Wimpel,  lustig  und  belli'*  Im  dritten  Akt  erschien  Parzival 
auf  der  Suche  nach  dem  Gral  an  Tristans  Siechbett.  Durch  die  Sehnsuchts- 
qual des  Begehrenden  zog  wie  eine  himmlische  Trosterscheinung  der  Ent- 
sagende. Und  zum  Parzival  gesellte  sich  bald  auch  noch  Buddha,  «der 
Sieg  —  das  Heiligste,  die  vollständigste  Erlösung*. 

Aber  nicht  nur  Schopenhauers  Weltanschauung  gab  den  todesernsten 
Grundton,  vielmehr  «der  schönste  aller  Träume*,  «das  eigentliche  Glück 
der  Liebe*,  das  dem  nach  Liebe  verlangenden.  Künstler  bisher  noch  gar 
nicht,  oder  nur  aus  unnahbarer  Feme  aufgeleuchtet  war.  Von  diesem  so 
lange  unerfüllt  gebliebenen  Sehnen  sprechen  mannigfache  Äusserungen  in 
den  Briefen  aus  Zürich. 

«Gib  mir  ein  Herz,  einen  Geist,  ein  weibliches  Gemüt,  in  das  ich  mich  ganz 
untertauchen  könnte,  das  mich  ganz  fasste  —  wie  wenig  würde  ich  dann  nötig  haben 
von  dieser  Veit* 

schreibt  er  im  April  1854  an  Liszt.  Und  diese  Frau,  die  er  ersehnte,  war 
bereits  in  des  Meisters  Leben  getreten :  Mathilde  Wesendon k.  Schon 
am  26.  Februar  1852,  kurz  nach  der  ersten  Bekanntschaft  mit  Wesendonks, 
schrieb  Wagner  an  Uhlig: 

«Einige  neue  Bekanntschafken  haben  sich  mir  aufgedrungen  —  ich  bin  ver- 
wundert, so  viel  Lebhaftigkeit  und  selbst  Reiz  unter  Ihnen  anzutreffen."  Am 
20.  Mirz  1852  «schilt  mich  nicht  eitel,  wenn  ich  dir  auch  gestehe,  dass  die  wunder- 
baren  Wirkungen,  die  ich  um  mich  verbreite,  mir  ab  und  zu  ein  wohliges  Bewusstsein 
meines  Daseins  wiedergaben.  Ein  feucht  glänzendes  Frauenauge  durchdringt  mich  oft 
wieder  mit  neuer  Hoffnung''. 

In  der  «Walküre",  die  im  Juni  1852  gedichtet  wurde,  spricht  der  weh- 
waltende Siegmund  die  Worte: 

«ihres  Auges  Strahl 
streifte  mich  da, 
Wirme  gewann  ich 
und  Tag!* 

Und  über  die  im  Sommer  1854  aufgezeichneten  Skizzen  zur  Musik 
des  ersten  Aufzugs  der  «Walküre*  schrieb  Wagner:  «Gesegnet  sei  Mathilde!* 
Im  Rückblick  auf  die  Jahre  1852—58  schrieb  Wagner  am  20.  August  1858 
an  seine  Schwester  Kläre: 

«was  mich  seit  sechs  Jahren  erhalten,  getrSstet  und  namentlich  auch  gestärkt 
hat,  an  Minnas  Seite,  trotz  der  enormen  Differenzen  unseres  Charakters  und  Wesens, 
auszuhalten,   ist  die  Liebe  jener  jungen  Frau,   die   mir  anfangs  und   lange  zagend, 


10 
DIE  MUSIK  V.  19. 


zweifelnd,  zögernd  und  schQchtern,  dann  aber  immer  bestimmter  und  sicherer  sich 
niherte.  Dt  zwischen  uns  nie  von  einer  Vereinigung  die  Rede  sein  konnte,  gewann 
unsere  tiefe  Neigung  den  traurig  wehmütigen  Charakter,  der  alles  Gemeine  und 
Niedere  fern  hält  und  nur  in  dem  Wohlergehen  des  andren  den  Quell  der  Freude 
erkennt.  Sie  hat  seit  der  Zeit  unserer  ersten  Bekanntschaft  die  unermüdlichste  und 
feinfühlendste  Sorge  für  mich  getragen.* 

Dichtung  und  Vertonung  des  Rings  bis  zur  Mitte  des  Siegfried  ge- 
schah, bevor  der  Meister  das  Asyl  auf  dem  grünen  Hügel  bezogen  hatte. 
Als  er  aber  im  April  1857  sich  dort  niederliess,  da  kamen  Parzival  und 
Tristan  in  wundersame  Bewegung,  zunächst  dadurch,  dass  sich  die  bisher 
vereinigten  Stoffe  voneinander  loslösten.  Am  sonnigen  Karfreitagmorgen 
blickte  der  Meister  vom  Asyl  über  das  bereits  ergrünte  Gärtchen  hinaus 
in  die  weihevolle  Stille.  Plötzlich  fiel  ihm  ein,  dass  heute  Karfreitag  sei, 
und  er  entsann  sich,  wie  bedeutungsvoll  diese  Mahnung  ihm  schon  einmal 
in  Wolframs  Parzival  aufgefallen  war.  In  der  Ergriffenheit  dieser  Stimmung 
entwarf  er  vom  Karfreitagszauber  aus  mit  wenigen  Zügen  ein  Parzivaldrama 
in  drei  Akten.     Bald  danach  war  auch  die  Zeit  für  den  Tristan  gekommen. 

Am  4.  Juli  1857  heisst  es  in  einem  Briefe  an  Frau  Ritter  über  Tristan: 
«Noch  schlummert  das  Gedicht  in  mir:  ich  gehe  mit  Nächstem  daran,  es 
zum  Leben  zu  rufen.**  Nach  Vollendung  des  2.  Aufzuges  Siegfried  im 
August  1857  begann  die  Tristandichtung.  Vom  20.  August  1857  ist  der 
neue,  mit  der  uns  bekannten  Tristanfassung  völlig  übereinstimmende  Prosa- 
entwurf datiert.  Die  Dichtung  war  am  18.  September  1857  so  ziemlich 
übereinstimmend  mit  der  gedruckten  Fassung  vollendet.  Die  mit  Bleistift 
geschriebenen,  von  Frau  Wesendonk  sorgsam  mit  Tinte  nachgezogenen 
Kompositionsskizzen  tragen  die  Daten  für  Akt  I  1.  Oktober  bis  Syl- 
vester 1857;  für  II  4.  Mai  1858  bis  1.  Juli  1858;  für  III  9.  April  bis 
16.  Juli  1859  in  Luzern. 

Ureigene  Stimmung  webt  in  der  Dichtung  und  Musik,  aber  verklärt 
sich  doch  zum  reinsten,  völlig  unpersönlichen  Kunstwerk.  Wagner  selbst 
deutet  die  Entstehung  des  Tristan  einmal  mit  folgenden  Worten  an: 

»In  welch'  wunderbarer  Beziehung  ich  nun  aber  jetzt  zum  Tristan  stehe,  das 
empfinden  Sie  wohl  leicht.  Ich  sage  es  offen,  weil  es  eine,  wenn  auch  nicht  der 
Welt,  aber  dem  geweihten  Geiste  angehörige  Erscheinung  ist,  dass  nie  eine  Idee  so 
bestimmt  in  die  Erfahrung  trat.  —  Wie  weit  beide  sich  gegenseitig  vorausbestimmten, 
ist  eine  so  feine,  wunderbare  Beziehung,  dass  eine  gemeine  Erkenntnisweise  sie  nur 
in  dürftigster  Entstellung  sich  denken  wird  können.* 

Im  Brief  an  Kläre  heisst  es: 

»Und  diese  Liebe,  die  stets  unausgesprochen  zwischen  uns  blieb,  musste  sich 
endlich  auch  offen  enthüllen,  als  ich  vor'm  Jahre  den  Tristan  dichtete  und  ihr  gab. 
Da  zum  ersten  Male  wurde  sie  machtlos  und  erklärte  mir,  nun  sterben  zu  müssen!" 

»Bedenke,  liebe  Schwester,  was  mir  diese  Liebe  sein  musste  nach  einem  Leben 
von  Mühen  und  Leiden,  von  Aufregungen  und  Opfern,  wie  dem  meinigen!  —  Doch 


11 

GOLTHER:  ENTSTEHUNG  VON  WAGNERS  TRISTAN 


wir  erktnnten  sogleich,  dtts  an  eine  Vereinigung  zwischen  uns  nie  gedacht  werden 
dürfe:  somit  resignierten  wir,  jedem  selbstsfichtigen  Wunsche  entsagend,  litten,  duldeten, 
aber  —  liebten  unsl  — " 

Noch  ein  Jahr  später  schrieb  Wagner  aus  Venedig,  von  Erinnerungen 

fiberwältigt : 

„Heute  vor'm  Jahr  hatten  wir  einen  schönen  Tag.  Es  war  die  wundervolle 
Zeit.  Wir  feierten  den  18.  September**  (das  Datum  der  Vollendung  des  Tristan- 
gedichtes). 

Zu  den  Skizzen  des  ersten  Tristanaubuges  schrieb  Wagner  am  Sylvester 
1857  an  Frau  Wesendonk  die  Widmung: 

„Hochbeglückt, 

Schmerzentrflckt, 

frei  und  rein 

ewig  Dein  — 

was  sie  sich  klagten 

und  versagten, 
Tristan  und  Isolde, 
in  keuscher  Töne  Golde, 
ihr  Weinen  und  ihr  Küssen 
leg'  ich  zu  Deinen  Füssen, 
dass  sie  den  Engel  loben, 
der  mich  so  hoch  erhoben!" 

Und  als  Frau  Wesendonk  im  Dezember  1859  aus  Venedig  die  gedruckte 
Dichtung  erhielt,  schrieb  sie  Isoldens  Worte  hinein: 

.Mir  erkoren  — 

Mir  verloren  — 

Heil  und  hehr 

kühn  und  feig  — 
Todgeweihtes  Haupt! 
Todgeweihtes  Herz!* 

Mathilde  Wesendonk  ist  die  Verfasserin  der  fünf  Gedichte.  Vier 
davon  sind  im  Winter  1857/8  vertont  worden,  das  »Treibhaus*  am  1.  Mai  1858. 
»Träume«  und  im  »Treibhaus"  wurden  später  bei  ihrer  Veröffent- 
lichung als  »Studien  zu  Tristan  und  Isolde«  bezeichnet.  Aus  der  Musik  zu 
den  Träumen  ward  in  Venedig  die  Liebesnacht  des  zweiten  Tristanaufzuges, 
aus  dem  Treibhaus  das  Vorspiel  des  dritten  Aufzuges,  das  hoffnungslose 
Sehnen  des  todwunden  Tristan.  Wie  die  Blüte  aus  der  Knospe  ging  die 
Tristanmusik  aus  den  Tönen  der  Lieder  hervor.  Am  10.  April  1859  schreibt 
Wagner: 

»der  dritte  Akt  ist  begonnen.  Mir  ist  recht  deutlich,  dass  ich  nie  etwas  Neues 
mehr  erfinden  werde:  jene  eine  höchste  Blütenzeit  hat  in  mir  eine  solche  Fülle  von 
Keimen  getrieben,  dass  ich  jetzt  nur  immer  in  meinen  Vorrat  zurückzugreifen  habe, 
um  mit  leichter  Pflege  mir  die  Blume  zu  erziehen.« 


12 
=  DIE  MUSIK  V.  19. 


Wundervoll  heisst  es  im  Tagebuch: 

Jch  kehre  nun  zum  Tristan  zurück,  um  an  ihm  die  tiefe  Kunst  des  tönenden 
Schweigens  für  mich  zu  Dir  sprechen  zu  lassen." 

«Seit  gestern  beschäftige  ich  mich  wieder  mit  dem  Tristan.  Ich  bin  immer 
noch  im  zweiten  Akte.  Aber  —  was  wird  das  für  Musiki  Ich  könnte  mein  ganzes 
Leben  nur  noch  an  dieser  Musik  arbeiten.  O,  es  wird  tief  und  schön;  und  die  er- 
habensten Wunder  fOgen  sich  so  geschmeidig  dem  Sinn.  So  etwas  habe  ich  denn 
doch  noch  nicht  gemacht:  aber  ich  gehe  auch  ganz  in  dieser  Musik  auf;  ich  will  nichts 
mehr  davon  hören,  wann  sie  fertig  werde.    Ich  lebe  ewig  in  ihr.    Und  mit  mir  — .' 

.Das  ist  ein  schöner  Morgen,  liebes  Kind! 

Seit  3  Tagen  trug  ich  mich  mit  der  SteHe  »Wen  du  umfangen,  wem  du  gelacht" 
—  und  »In  deinen  Armen,  dir  geweiht"  u.  s.  w.  Ich  war  lange  unterbrochen,  und 
ftind  die  rechte  Erinnerung  bei  der  Ausführung  nicht  wieder.  Es  machte  mich  emstiich 
unzufrieden.  Ich  konnte  nicht  weiter.  —  Da  klopfte  Koboldchen:  es  zeigte  sich  mir 
als  holde  Muse.  In  einem  Augenblick  war  mir  die  Stelle  klar.  Ich  setzte  mich  an 
den  Flügel,  und  schrieb  sie  so  schnell  auf,  als  ob  ich  sie  lingst  auswendig  wüsste. 
Wer  streng  ist,  wird  etwas  Reminiscenz  darin  finden:  die  „Träume"  spuken  dabei. 
Du  wirst  mir  aber  schon  vergeben!  —  Du  Liebe!  —  Nein,  bereue  es  nie,  mich  zu 
Heben!    Es  ist  himmlisch!  — " 

Im  März  1859  schreibt  Wagner  aus  Mailand: 

„Venedig  dünkt  mich  bereits  wie  ein  Märchentraum.  Sie  werden  einmal  einen 
Traum  hören,  den  ich  dort  zum  Klingen  gebracht  habe!" 

Und  noch  am  28.  September  1861  von  Erinnerungen  überwältigt: 
„auch  das  Bleistiftblatt  des  Liedes  fand  ich,  aus  dem  die  Nachtszene  entstand. 
Weiss  Gott!    Mir  gefiel  dies  Lied  besser  als  die  stolze  Szene!" 

Und  bald  darauf: 

„dass  ich  den  Tristan  geschrieben,  danke  ich  Ihnen  aus  tiefster  Seele  in  alle 
Ewigkeit!" 

Unzart  und  unrichtig  wäre  nun  aber  eine  rein  persönliche  Auslegung 
und  Ausdeutung,  als  ob  Frau  Wesendonk  zum  Vorbild  der  Isolde  gedient 
hätte.  Sie  ist  weder  Sieglinde  noch  Isolde,  dafür  fehlte  ihr  der  heldenhafte 
und  tatkräftige  Zug.  Sie  ist  vielmehr  eine  leidende,  stille  Natur  und  ihr 
Einfluss  war  klärend  und  sänftigend.  An  Siegmund  und  Tristan  hat  Wagner 
viel  von  seiner  eigenen  Seele  gegeben.  Sein  eignes,  wehvolles  Schicksal, 
seine  Liebe  war  tief  verwandt  mit  dem  Lose  jener  Sagenhelden.  In  Frau 
Mathildes  Zügen  sah  er  einen  Abglanz  der  Sagenfrauen,  die  er  ersehnte, 
denen  er  im  Leben  noch  nicht  begegnet  war.  Aus  eignem  Erlebnis  kannte 
er  das  furchtbare  Sehnen,  die  Wonnen  und  Qualen  einer  Liebe,  die  nur 
jenseits  dieses  Lebens  Erlösung  findet.  So  ward  Frau  Mathilde  „seine 
Muse",  als  er  das  Drama  schuf,  worin  er  „dem  schönsten  aller  Träume 
ein  Denkmal  setzte*.  Und  so  bleibt  ihr  Namen  auf  immer  verknüpft  mit 
dem  Lebensabschnitt  voll  Weh  und  Wonnen,  da  der  Meister  die  Tragödie 
von  Tristan  und  Isolde  begann  und  vollendete.    Niemand  erfuhr,  so  lang* 


13 

GOLTHER:  ENTSTEHUNG  VON  WAGNERS  TRISTAN 


Frau  Wesendonk  lebte,  wie  innig  sie  mit  Tristan  und  Isolde  verwachsen 
war.  Als  der  Tristan  zum  erstenmal  seine  Wunderklänge  der  Welt  offenbarte, 
blieb  sie  ferne.  Was  mag  in  den  Junitagen  1865  ihre  Seele  bewegt  haben! 
Aber  der  Tod  entsiegelte  das  Geheimnis,  das  nun  vor  aller  Welt  offen  da 
liegt  und  jeden,  der  das  unvergleichliche  Meisterwerk  kennt,  mit  scheuer 
Ehrfurcht  erfüllt. 


Längst  war  der  unlösliche  Zusammenhang  zwischen  Tristan  und 
Meistersingern  erkannt.    Nietzsche  schrieb  darfiber  die  herrlichen  Worte: 

.Wer  sich  fiber  die  Nachbarschaft  des  Tristan  und  der  Meistersinger  .befremdet 
f&hlen  kann,  hat  das  Leben  und  Wesen  aller  wahrhaft  grossen  Deutschen  in  einem 
wichtigen  Punkte  nicht  verstanden:  er  weiss  nicht,  auf  welchem  Grunde  allein  jene 
eigentlich  und  einzig  deutsche  Heiterkeit  Luthers,  Beethovens  und  Wagners  erwachsen 
kann,  die  von  andern  Völkern  gar  nicht  verstanden  werden  wird  und  den  jetzigen 
Deutschen  selber  abbanden  gekommen  zu  sein  scheint  —  jene  goldhelle,  durcbge- 
gorene  Mischung  von  EinMt,  Tiefblick  der  Liebe,  betrachtendem  Sinn  und  Schalk- 
haftigkeit, wie  sie  Wagner  als  köstlichen  Trank  allen  denen  eingeschenkt  hat,  welche 
tief  am  Leben  gelitten  haben  und  sich  ihm  gleichsam  mit  dem  Lächeln  der  Genesenden 
wieder  zukehren.* 

Im  November  1861  hatte  der  Meister  Wesendonks  in  Venedig  auf 
einige  Tage  besucht.  Da  kam  ihm  der  Gedanke  zu  den  Meistersingern. 
Und  nun  ward  aus  dem  alten  Lustspielentwurf  von  1845  das  Drama  von 
Hans  Sachsens  Liebe  und  Entsagung.  Aus  Paris  schreibt  der  Meister 
Ende  Dezember  1861 : 

»Haben  Sie  schönsten«  herzlichsten  Dank,  mein  Kindl  — 

Ich  erwidere  Ihnen  mit  einem  Bekennmis.  Es  wird  unnütz  sein  es  auszusprechen : 

Alles  in  und  an  Ihnen  sagt  mir,  dass  Sie  Alles  wissen,  und  doch  treibt  es  mich,  Ihnen 

auch  meinerseits  Sicherheit  zu  geben.  — 

Nun  erst  bin  ich  ganz  resigniert! 

Das  Eine  hatte  Ich  nie  aufgegeben,  und  glaubte  es  mir  schwer  gewonnen  zu 
haben:  mein  Asyl  noch  einmal  wiederzufinden.  In  Ihrer  Nähe  wieder  wohnen  zu 
köntfen.  —  Eine  Stunde  des  Wiedersehens  In  Venedig  genfigte,  um  dieses  letzte  liebe 
Wahngeblld  mir  zu  zerstören! 

Ich  will  Ihnen  oft  'was  von  meiner  Arbelt  schicken.  Wss  werden  Sie  ffir  Augen 
mscben  zu  meinen  Meistersingern!  Gegen  Sachs  halten  Sie  Ihr  Herz  fest:  In  den 
werden  Sie  sich  verlieben!  Es  Ist  eine  ganz  wundeibtre  Arbeit  Der  alte  Entwurf 
bot  wenig,  oder  gar  nichts.  Js,  dazu  muss  man  Im  Paradies  gewesen  sein,  um  endlich 
zu  wissen,  was  In  so  etwas  steckt!  — *  « 

Diesem  Briefe  lag  die  erste  Niederschrift  des  Schusterliedes  bei,  wo 
Hans  Sachs  «der  Welt  ein  heiteres  und  energisches  Antlitz  zeigt*,  aber 
doch  auch  das  Motiv  ertönt,  das  »die  bittere  Klage  des  resignierten  Mannes 
ausdrückt". 

Aus  derselben  Stimmung  ist  der  Brief  vom  22.  Mai  1862  geschrieben, 


14 
DIE  MUSIK  V.  19. 


der  das  Vorspiel  zum  dritten  Akt  schildert  und  hernach  wie  ein  Programm 
(vgl.  nachgelassene  Schriften  S.  164 f.)  benutzt  werden  konnte: 

Biebrich  t/Rb.  22.  Mai  1862 
Liebe  Freundini 

Heuf  ist  mein  Geburtstag.    Man  hat  mir  Blumen  in's  Haus  geschickt.   Ich  war 

krank,  und  bin  erst  gestern  wieder  in  den  Park  gekommen.    An  Sie  durfte  ich  jetzt 

wenig  denken,  da  ich  Ihnen  in  Nichts  mehr  helfen  und  nur  stille  Wunsche  noch  für 

Ihr  Wohlergehen  hegen  darf. 

So  sass  ich  einsam. 

Plötzlich  kam  mir  ein  Einfall  zur  Orchestereinleitung  des  dritten  Aktes  der 
Meistersinger.  In  diesem  Akte  wird  den  ergreifendsten  Culmfnationspunkt  der  Moment 
abgeben,  wo  Sachs  vor  dem  versammelten  Volke  sich  erhebt,  und  von  diesem  durch 
einen  erhabenen  Ausbruch  seiner  Begeisterung  empfangen  wird.  Das  Volk  singt  da 
feierlich  und  hell  die  acht  ersten  Verse  von  Sachsens  Gedicht  auf  Luther.  Die  Musik 
dazu  war  fertig.  Jetzt  zur  Einleitung  des  3.  Aktes,  wo,  wenn  der  Vorhang  aufgeht, 
Sachs  in  tiefem  Sinnen  dasitzt,  lasse  ich  die  Bassinstrumente  eine  leise,  weiche,  tief 
melancholische  Passage  spielen,  die  den  Charakter  grSsster  Resignation  trigt:  da  tritt, 
von  Hörnern  und  sonoren  Blasinstrumenten  die  feierlich  freudig-helle  Melodie  des 
»Wacht  aufl  Es  rufet  gen  den  Tsg:  ich  hör*  singen  im  grfinen  Hag  ein'  wonnigliche 
Nachtigall'  wie  ein  Evangelium  hinzu,  und  wird  wachsend  von  dem  Orchester  durch- 
gefflhrt. 

Es  ist  mir  nun  klar  geworden,  dass  diese  Arbeit  mein  vollendetstes  Meisterwerk 
wird  und  —  dass  ich  sie  vollenden  werde. 

Mir  aber  wollte  ich  ein  Geburtstagsgeschenk  machen;  ich  thu*  es,  indem  ich 
Ihnen  diese  Nachricht  sende. 

Bewahren  Sie  sich;  pflegen  Sie  sich,  und  —  müssen  Sie  an  mich  denken  — 
so  stellen  Sie  sich  vor,  Sie  sihen  mich  immer  in  der  Stimmung  dieser  Geburtstags- 
Morgenstunde:  dies  wird  Ihnen  tröstlich  sein,  und  auch  Sie  werden  gedeihen.  Ge- 
wiss! — 

Schönsten  Gruss  von  Ihrem 

Richard  Wagner 

Im  dritten  Aubug  hören  wir  einen  Augenblick  tieftraurige  Tristan- 
klänge, als  Hans  Sachs  der  Mär  von  Tristan  und  Isolde  gedenkt.  Wie  ein 
Schatten  schwerer  vergangener  Erlebnisse  zieht  es  über  die  Seele  des 
Meisters.  Nur  einmal  spricht  Sachs  leise  seine  innersten  Gedanken  vor 
sich  hin: 

„Vor  dem  Kinde  lieblich  hehr 

mocht  ich  gern  wohl  singen; 
doch  des  Herzens  süss  Beschwer 

galt  es  zu  bezwingen." 

Der  wirkliche  Hans  Sachs  kannte  einen  um  1550  erschienenen 
Wormser  Druck  des  Prosaromanes  von  «Tristrant  und  Isalden",  der  seit 
1484  öfters  aufgelegt  worden  war.  Daraus  entnahm  er  1551  den  Stoff  zu 
5  Meistergesängen  und  1553  zu  einer  »Tragedia  Tristrant  mit  Ysalden*. 
Richard  Wagner  lässt  seinen  Hans  Sachs  einfach  diese  Tatsache  erwlhnen, 


15 

GOLTHER:  ENTSTEHUNG  VON  WAGNERS  TRISTAN 


bleibt  also  völlig  auf  dem  Boden  der  Wirklichkeit.  Aber  welch  tief  ergreifende 
Bedeutung  gewinnt  dieses  schlichte  Zitat  im  dritten  Aufzug  der  Meistersinger  1 

In  Hans  Sachs  ist  Richard  Wagners  Persönlichkeit  am  reinsten  und 
reichsten  verkörpert.  Die  Tristannacht  ist  zum  Johannistag  gewandelt. 
Dieselbe  .Muse'  waltet  aber  auch  über  dem  sonnigen  Werk.  Wir  finden 
ebensoviel  Wahrheit  und  Dichtung  in  den  Meistersingern  als  im  Tristan. 
Das  innerste  Heiligtum  des  echten  Kunstwerks  ist  immer  die  Erfahrung, 
zu  der  Leben  und  Umwelt  Voraussetzungen  und  Vorbedingungen  gab.  Aber 
die  Hauptsache  ist  doch  nur  die  Persönlichkeit  dessen,  der  etwas  erfuhr 
und  erlebte,  niemals  das,  was  ihm  widerfuhr.  Sonst  wäre  an  Meister- 
werken kein  Mangel,  während  doch  jedes  Meisterwerk  ein  einsames,  unteil- 
bares und  unbegreifliches  hohes  Wunder  ist  und  bleibt. 

So  sind  Parsifal  und  Meistersinger  aufs  innigste  mit  dem  Tristan, 
dem  .Ergänzungsakt  des  Nibelungenmythus''  verknüpft  und  gar  wundersam 
sind  alle  diese  grössten  Meisterwerke  mit  einander  verwoben.  In  den 
Briefen  an  Frau  Wesendonk  S.  144  sagt  Wagner  von  Amfortas:  »es  ist 
mein  Tristan  des  dritten  Aktes  mit  einer  undenklichen  Steigerung*;  er 
kennt  ja  keine  andre  Sehnsucht  als  zu  sterben;  und  der  Anblick  des  Grales 
gibt  ihm  immer  nur  das  eine,  dass  er  nicht  sterben  kann.  Nirgends  sonst 
aber  ist  soviel  ureignes  Erlebnis  völlig  wahr  und  doch  rein  kfinstlerich  ver- 
klärt worden  als  in  Tristan  und  Meistersingern.  Diese  beiden  Werke  haben 
ihre  Wunderkraft  unmittelbar  aus  des  Meisters  Seele  gewonnen.  Nun  ver- 
stehen wir  das  tiefe  Wort  vom  »tönenden  Schweigen*,  das  in  einem  Brief 

an  die  Fürstin  Wittgenstein  also  umschrieben  wird: 

»mich  reizt  an  grossen  Dichtem  immer  mehr,  was  sie  verschweigen,  als  was 
sie  aussprechen;  jt,  die  eigentliche  Grösse  eines  Dichters  lerne  Ich  fkst  mehr  aus 
seinem  Schweigen  als  aus  seinem  Sagen  kennen:  und  hierdurch  Ist  mir  Cslderon  so 
gross  und  teuer  geworden.  Das,  wss  mich  die  Musik  so  unsäglich  Heben  lisst,  Isf, 
dass  sie  alles  verschwelgt,  wihrend  sie  das  undenklichste  sagt:  sie  ist  somit,  genau 
genommen,  die  einzige  wahre  Kunst,  und  die  andern  Künste  sind  nur  Ansätze  dazu.* 

Das  ganz  Ausserordentliche  und  fast  Unbegreifliche  liegt  aber  darin, 
dass  die  beiden  allerpersönlichsten  Meisterwerke  zugleich  die  allerunpersön- 
lichsten  und  objektivsten  wurden,  an  denen  die  kfinstlerischen  Absichten  am 
reinsten  verwirklicht  sind,  so  dass  ihr  Schöpfer  selber  hernach  theoretische 
Betrachtungen  darüber  anzustellen  vermag.  So  schreibt  Wagner  vom 
zweiten  Aufzug  des  Tristan  an  Frau  Wesendonk  (S.  180): 

»Ich  erkenne  nun,  dass  das  besondere  Gewebe  meiner  Musik  (natürlich  immer 
im  genauesten  Zusammenhang  mit  der  dichterischen  Anlsge),  was  meine  Freunde 
jetzt  als  so  neu  und  bedeutend  betrachten,  seine  Ffigung  namentlich  dem  äusserst 
empfindlichen  Gefühle  verdankt,  welches  mich  auf  Vermittlung  und  innige  Verbindung 
aller  Momente  des  Oberganges  der  iussersten  Stimmungen  Ineinander  hinweist. 
Meine  feinste  und  tiefste  Kunst  möchte  Ich  jetzt  die  Kunst  des  Oberganges  nennen, 
denn  mein  ganzes  Kunstgewebe  besteht  aus  solchen  Obergingen:  das  Schroffe  und 


16 
DIB  MUSIK  V.  19. 


JIhe  ist  mir  zuwider  geworden;  et  ist  oft  onumgiaglich  und  nötig»  aber  auch  dann 
darf  es  nicht  eintreten,  ohne  dasa  die  Stimmung  auf  den  plötzlichen  Obergang  so 
bestimmt  vorbereitet  war,  dass  sie  diesen  von  selbst  forderte.  Mein  grösstes  Meister- 
stück in  der  Kunst  des  feinsten  allmShligsten  Oberganges  ist  gewiss  die  grosse  Szene 
des  zweiten  Aktes  von  Tristan  und  Isolde.  Der  Anfkng  dieser  Szene  bietet  das  über- 
strömendste  Leben  in  seinen  allerheftigsten  Affekten,  —  der  Schluss  das  weihevollste, 
innigste  Todesverlangen.  Das  sind  die  Pfeiler:  nun  sehen  Sie  einmal,  Kind,  wie  ich 
diese  Pfeiler  verbunden  habe,  wie  sich  das  vom  einen  zum  andern  hinfiberleiteti 
Das  ist  denn  nun  auch  das  Geheimnis  meiner  musikalischen  Form,  von  der  ich  kühn 
behaupte,  dass'  sie  in  solcher  Obereinstimmung  und  jedes  Detail  umfassenden  klaren 
Ausdehnung  noch  nie  auch  nur  geahnt  worden  ist.  Wenn  Sie  wfissten,  wie  hier 
jenes  leitende  Geffihl  mir  musikalische  Erfindungen  —  für  Rhythmus,  harmonische 
und  melodische  Entwicklung  eingegeben  hat,  auf  die  ich  früher  nie  verfallen  konnte, 
so  würden  Sie  recht  inne  werden,  wie  auch  in  den  speziellsten  Zweigen  der  Kunst 
sich  nichts  Wahres  erfinden  ISsst,  wenn  es  nicht  aus  solchen  grossen  Haupt- 
motiven kommt.* 

In  den  gesammelten  Schriften  7,150  und  163  heisst  es  vom  Tristan: 

»An  dieses  Werk  nun  erlaube  ich  die  atrengsten,  aus  meinen  theoretischen 
Behauptungen  fliessenden  Anforderungen  zu  stellen:  nicht  weil  ich  es  nach  meinem 
Systeme  geformt  bitte,  denn  alle  Theorie  war  vollstindig  von  mir  vergessen;  sondern 
weil  ich  hier  endlich  mit  der  vollsten  Freiheit  und  mit  der  ginzlichsten  Rücksichts- 
losigkeit gegen  jedes  theoretische  Bedenken  in  einer  Weise  mich  bewegte,  dass  ich 
während  der  Ausführung  selbst  inne  ward,  wie  ich  mein  System  weit  überflügelte. 
Es  gibt  kein  grösseres  Wohlgefühl  als  diese  vollkommenste  Unbedenklichkeit  des 
Künstlers  beim  Produzieren,  die  ich  bei  der  Ausführung  meines  Tristan  empfknd. 
Sie  ward  mir  vielleicht  nur  dadurch  möglich,  dass  eine  vorhergehende  Periode  der 
Reflexion  mich  ungefihr  in  der  gleichen  Weise  gestärkt  hatte,  wie  einst  mein  Lehrer 
durch  Erlernung  der  schwierigsten  kontrapunktischen  Künste  mich  gestärkt  zu  haben 
behauptete,  nimlich  nicht  für  das  Fugenschreiben,  sondern  für  das,  was  man  allein 
durch  strenge  Obung  sich  aneignet:  Selbständigkeit,  Sicherheit  —  Jeder  Zweifel  war 
mir  endlich  entnommen,  als  ich  mich  dem  Tristan  hingab.  Mit  voller  Zuveraicht 
versenkte  ich  mich  hier  nur  noch  in  die  Tiefön  der  inneren  Seelenvorgänge,  und 
gestaltete  zaglos  aus  diesem  intimsten  Zentrum  der  Welt  ihre  äussere  Form.  Ein 
Blick  auf  das  Volumen  dieses  Gedichtes  zeigt  sofort,  dass  ich  dieselbe  ausführliche 
Bestimmtheit,  die  vom  Dichter  eines  historischen  Stoffes  auf  die  Erklärung  der 
äusseren  Zusammenhänge  der  Handlung,  zum  Nachteil  der  deutlichen  Kundgebung 
der  inneren  Motive,  angewendet  werden  musste,  nun  auf  diese  letzteren  einzig  anzu- 
wenden mich  getraute.  Leben  und  Tod,  die  ganze  Bedeutung  und  Existenz  der 
äusseren  Welt,  hängt  hier  allein  von  der  inneren  Seelenbewegung  ab.  Die  ganze 
ergreifende  Handlung  kommt  nur  dadurch  zum  Vorschein,  dass  die  innerste  Seele  sie 
fordert,  und  sie  tritt  so  an  das  Licht,  wie  sie  von  innen  aus  vorgebildet  ist." 


rY<»V> 


le  Reibe  erhaltener  brieflicber  Dokninente  kennzeichnet  den 
\i^erkehr  zwischen  Richard  Wagner  und  seinem  Dresdener  Inten- 
lanten,  Freiherrn  Karl  August  von  Lüttlchtu.  Der  Altmannsche 
Katslog  Wagnerscher  Briere  zählt  1 1  Nummern  auf;  er  ist  aber 
nicht  vollstindig,  sondern  berüclcsichligt  nur  die  bis  dahin  durch  Prdlss, 
La  Mara  usw.  veröffentlichten.  Sehr  natürlich  gehört  die  Mehrzahl  dieser 
Dokumente  der  kurzen  Periode  ihrer  beiderseitigen  amtlichen  Beziehungen 
an;  ausserdem  haben  wir  noch  vor  Beginn  dieser  Beziehungen  6  Briefe, 
durch  welche  dieselben  erst  angebahnt  werden  und  das  Gestirn  des  jungen 
Meisters  vorübergehend  die  Richtung  aufgedrängt  erhielt,  die  ihm  in  seiner 
Bahn  doch  nicht  auf  die  Dauer  zu  eigen  werden  konnte.  Aus  der  Zeit 
nach  seiner  Trennung  von  Dresden  stammen  unseres  Wissens  nur  aocb 
zwei  dieser  Briefe;  der  eine  aus  Zürich  vom  29.  November  1852,  der  andere  aus 
Venedig  vom  8.  Februar  1859;  wenige  Jahre  später  gewann  diese  Korrespondenz 
ganz  von  selbst  ein  für  allemal  ihren  Abschluss  dadurch,  dass  der  alte 
Herr  —  nachdem  er  bereits  am  1.  April  1862  nach  achtundzwanzigjähriger 
Amtstätigkeit  in  den  Ruhestand  getreten  war  —  nun  auch,  auf  höhere 
Ordre,  vom  Schauplatz  seines  privaten  Daseins  abberufen  wurde. 

Der  erste  in  der  Reibe  dieser  Briefe  ist  aus  Paris,  aus  dem  vierten 
Stock  der  No,  25  me  da  Helder,  vom  4.  Dezember  1840  datiert.  Es  handelt 
sich  um  die  Empfehlung  des  soeben  vollendeten  .Rienzi*  an  das  kürzlich 
neuerrichtete  Dresdener  Hoftheater  mit  seinen  tüchtigen,  ja  selbst  glänzenden 
Kräften.  In  einem  .untertänigsten  Gesuch'  an  den  König  von  Sachsen 
hatte  er  sich  bereits  an  seinen  Landesherrn,  König  Friedrich  August  IL, 
gewendet,  für  dessen  Person  er,  seit  dem  Moment  seiner  Ernennung  zum 
Mitregentea  des  Königs  Anton  (1830)  eine  ungeheuchelte,  selbst  durch  die 
späteren  Revolutionsstünne  nicht  erschütterte,  Zuneigung  gefasst  hatte. 
Da  er  sich  dessen  aber  nur  allzu  gewiss  sein  durfte,  dass  der  König  in 
dieser  Angelegenheit  nicht  von  sich  aus  eine  Entscheidung  treffen  würde, 
ohne  zuvor  den  .sachverständigen*  Rat  seines  Hofmarschalls  und  General- 
Intendanten  eingeholt  zu  haben,  war  es  ganz  natürlich,  dass  er  gleichzeitig 
an  diesen  selbst  mit  einem  anderen  Schreiben  sich  wandte,  um  ihn  für 
V.  19  2 


18 
DIE  MUSIK  V.  10. 


sein  Werk  zu  gewinnen,  sowie  dass  er  weiterhin,  um  wiederum  den  Herrn 
Intendanten  für  das  Projekt  günstig  zu  stimmen,  die  Dresdener  Künstler- 
schaft, den  Chordirektor  Fischer,  Tichatschek  und  die  Schröder-Devrient 
in  seiner  eindringlichen  Art  dafür  zu  erwärmen  und  in  Bewegung  zu  setzen 
versuchte.  Die  beiden  frühesten,  in  dieser  Sache  an  den  König  und  an 
Lüttichau  gerichteten  Schriftstücke  sind  mehrfach  in  vollem  Umfang  zum 
Abdruck  gebracht  ^)  und  daher  jedermann  verhältnismässig  leicht  zugänglich. 
Wir  sehen  daher  von  einer  erneuten  Reproduktion  desselben  hier  ab  und 
heben  nur  den  Eingangspassus  hervor. 

Rkhard  Wagner  an  den  Frelherm  Ton  Lttttiehaa  (I). 

«Ew.  Excellenz 
dürfte  es  vielleicht  befremden,  zum  ersten  Male  mit  dem  Namen  eines  Mannes 
bekannt  gemacht  zu  werden  und  zu  gleicher  Zeit  von  demselben  ein  so  umfangreiches 
Gesuch  vorgetragen  zu  hören,  als  es  der  Gegenstand  meines  Schreibens  sein  wird. 
Obgleich  ich  Sachse  bin,  hatte  ich  doch  zu  meinem  Bedauern  nie  das  Glück,  genügende 
Gelegenheit  zu  flndeo,  auf  dem  Boden  und  vor  dem  Publikum  meines  Vaterlandes 
ausführlichere  Proben  meiner  künstlerischen  Fähigkeiten  abzulegen.  Nichtsdesto« 
weniger  aber  habe  ich  selbst  jetzt,  wo  es  mir  bereits  geglückt  ist,  mit  der  Direktton 
der  Acadimie  royale  de  musique  zu  Paris  in  unmittelbare  Unterhandlungen  wegen 
eines,  für  dieses  Theater  eigens  zu  komponierenden  Opemsüjets  zu  treten,  nicht  auf- 
gegeben, zu  gleicher  Zeit  zu  versuchen,  ob  mir  das  unschätzbare  Glück  beschieden 
sei,  ein  ähnliches  glückliches  Resultat  meiner  Bemühungen  da  zu  erlangen,  wo  ich 
es  mir  zur  höchsten  und  schmeichelhaftesten  Ehre  rechnen  müsste,  meine  Bewerbungen 
mit  Wohlwollen  aufgenommen  zu  sehen .* 

Die  hier  erwähnten  Verhandlungen  mit  der  Direktion  der  Pariser 
Grossen  Oper  bezogen  sich  bekanntlich  auf  den  .fliegenden  Holländer*, 
dessen  erster  Entwurf  noch  aus  dem  Mai  dieses  Jahres,  vor  der  Wieder- 
aufhahme  des  «Rienzi*  nach  längerer  Unterbrechung,  stammt  und  aus 
welchem  ein  Teil  der  Musik,  die  Ballade  der  Senta,  damals  bereits  kom- 
poniert war.^ 

,JedenfUl8",  so  schliesst  das  obige  Schreiben,  «glaube  ich  jedoch  nicht  unter- 
lassen zu  dürfen,  E.  E.  die  Versicherung  auszusprechen,  dass  nichts,  selbst  nicht  die 
glänzendsten  Erfolge,  die  mir  von  dem  Pariser  Publikum  beschieden  sein  könnten, 
mir  ein  gleiches  entzückendes  und  erhebendes  Gefühl  hervorbringen  könnte,  als  zu 
sehen,  dass  mein  in  Rede  stehendes  grösseres  Produkt  seiner  ursprünglichen  Be- 
stimmung nach  auf  dem  Boden  meines  Vaterlandes,  auf  dem  Hoftheater  Sr.  Majestät, 
meines  Königs,  in  das  Leben  träte*. 

Es  ist  zur  Genüge  bekannt,  dass  die  Angelegenheit  des  «fliegenden 


^)  Zuerst  durch  R.  Prölss,  das  Gesuch  an  den  König  in  der  Geschichte  des 
Dresdener  Hoftheaters  S.  532  ff.,  das  Schreiben  an  Lüttichau  in  einem  Aufsatz  der 
.Dramaturgischen  Blätter*  (Henzen  &  Hammann)  1877,  Band  II  No.  4  vom  30.  November. 

*)  Glasenapp,  Leben  Wagners  I,  S.  378.  381/82. 


19 
GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


Holländers'  an  der  Grossen  Oper,  für  die  er  zunächst  bestimmt  gewesen 
war,  eine  ganz  unerwartete  Wendung  nahm.  Gelegentlich  eines  seiner 
Besuche  bei  dem  damaligen  Direktor  der  Acad6mie  royale,  L6on  Pillet, 
musste  er  zu  seinem  grossen  Erstaunen  erfahren,  der  fiberreichte  Entwurf 
gefalle  diesem  Herrn  so  gut,  dass  er  sich  ihn  zu  anderweitiger  Verwendung 
abgetreten  wünschte.  Er  sei  nämlich  genötigt,  einem  älteren  Versprechen 
gemäss  einem  anderen  Komponisten  baldigst  ein  Opernbuch  zu  fibergeben, 
und  der  in  seinen  Händen  befindliche  Entwurf  scheine  ihm  ganz  zu  diesem 
Zwecke  geeignet.  Hartnäckig  bekämpfte  der  junge  Meister  diese  Zumutung, 
so  lange  er  konnte;  nach  einem  unter  den  trübsten  Nöten  durchgequälten 
Winter  jedoch  sah  er  die  Unhaltbarkeit  seiner  Situation  ein,  verkaufte 
seinen  Entwurf  der  Grossen  Oper  ffir  die  unbedeutende  Summe  von 
%00  Franks,  machte  sich  nun  aber  auch  sogleich  an  die  Ausfuhrung  seines 
Sujets  in  deutschen  Versen.  Dies  geschah  in  den  Tagen  vom  18.  bis 
28.  Mai  1841  in  Meudon,  während  eines  fast  sechsmonatlichen  Landaufent- 
haltes. Dies  war  das  Ende  seiner,  in  dem  Briefe  an  Luttichau  erwähnten 
hoffnungsvollen  Verhandlungen  mit  der  Pariser  grossen  Operl  Aber  auch 
Dresden  Hess  in  der  Zwischenzeit  nichts  Ermutigendes  von  sich  vernehmen. 
Monat  um  Monat  schlich  unter  täglichen  Nahrungssorgen  ffir  ihn  dahin. 
Mitten  aus  der  Arbeit  am  «fliegenden  Holländer*  heraus  sah  er  sich  daher 
genötigt,  am  25.  Mai,  drei  Tage  nach  seinem  achtundzwanzigsten  Geburtstag, 
abermals  brieflich  an  Lfittichau  heranzutreten. 

Bietaard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherm  tob  Lfittichau  (II).    Paris, 
25.  Mai  1841 

Diesen  zweiten  Brief,  erwähnt  von  Rob.  Prölss,^)  der  ihn  jedenfalls 
in  den  Archiven  des  Dresdener  Hoftheaters  gesehen,  haben  wir  unserer- 
seits nie  zu  Gesichte  bekommen;  auch  Altmann  registriert  ihn  sub  No.  60 
ohne  eigene  Kenntnis.  Seinen  Inhalt  können  wir  uns  jedoch  aus  den  ihm 
vorausgegangenen  Schreiben  an  Hof  rat  Winkler  (Theodor  Hell)  und 
Reissiger  erkennen.  Aus  dem  erstgenannten  nämlich,  vom  8.  April, 
scheint  hervorzugehen,  dass  die  Absendung  der  Partitur  nicht  direkt  an 
Lfittichau,  sondern  an  die  Schröder-Devrient  erfolgt  sei,  und  dass  diese 
das  ihr  geschenkte  Vertrauen,  als  Vermittlerin  zwischen  dem  weit  entfernten 
und  dadurch  zur  Ohnmacht  verurteilten  Kfinstlers  und  der  Generalintendanz, 
nicht  eben  im  erwünschten  Sinne  gerechtfertigt  habe. 

«Ich  erkenne  an,  dass  Herr  von  Lfittichau  grenzenlos  vernachlässigt  ist,  und 
zwar  ganz  ohne  meine  Schuld.* 

Und  noch  in  dem  etwas  späteren  Briefe  an  Reissiger  heisst  es  fiber  sie: 

»Die  gottlose  Dame  Schröder-Devrient  hat  mir  grossen  Kummer  bereitet,  wenn 

auch  nur  dadurch,  dass  sie  mich  so  gänzlich  in  Ungewissheit  läset  fiber  das,  was  sie'mit 

1)  .Dramaturg.  Blätter*  v.  J.  1877,  Band  II,  Nr.  4,  S.  123. 

2* 


20 

DIE  MUSIK  V.  ig. 


meinen  Sachen  angefangen  hat  Noch  weiss  ich  nicht,  ob  sie  die  Partitur  meiner 
Oper  Herrn  ▼.  L[uttichau]  in  meinem  Namen  zugestellt  habe;  da  sie  aber  verreist  ist, 
und  ich  sie  so  dringend  darum  gebeten  habe,  lässt  es  sich  fkst  nicht  anders  denken« 
Hat  nun  aber  Herr  v.  L[üttichau]  die  Partitur  erhalten,  (—  das  Buch  habe  ich  ihm 
direkt  von  Paris  zugeschickt  — ),  haben  femer  Sie  bei  ihm  für  mich  gesprochen,  wie 
Sie  mir  mit  so  viel  Liebenswflrdigkeit  es  zu  erwarten  gegeben  haben,  —  hat  endlich 
auch  Herr  Hofrath  Winkler,  wie  er  es  mir  stets  versichert  hat,  ein  gutes  Wort  f&r 
mein  Interesse  eingelegt,  —  so  begreife  ich  nicht,  warum  Herr  v.  L[&ttichau]  mir 
nicht  endlich  die  Freude  bereitet,  seine  Intentionen  zu  erkennen  zu  geben.  Ich  ver- 
lange ja  für  den  Augenblick  nichts  weiter,  als  eine  bestimmte  Erklärung  seinerseits, 
eb  er  meine  Oper  geben  lassen  will  oder  nicht" 

Wir  glauben,  diese  Auslassungen  genfigen  völlig,  um  uns  über  den 
Inhalt  des  fehlenden  zweiten  Briefes  an  Luttichau  eine  genaue  Vorstellung 
zu  geben;  vielleicht  aber  regt  diese  Erwähnung  einen  Dresdener  Leser 
der  .Musik"  dazu  an,  den  fehlenden  Brief  demnächst  ergänzend  an  dieser 
Stelle  aus  den  Dresdener  Akten  zu  publizieren,  nachdem  er  sich  die 
Erlaubnis  dazu  von  Bayreuth  aus  eingeholt  hat. 

Vergeblich  wartete  indes  der  junge  Meister  fünf  Wochen  lang  auf 
die  Beantwortung  seines  letzten  Schreibens  und  Hess  dann  am  30.  Juni 
ein  neues,  noch  dringlicheres  Gesuch  an  die  Dresdener  General  Direktion 
ergehen. 

Blehard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherrn  von  Lüttteban  (III).   Paris, 
30.  Juni  1841 

Auch  dieser  —  dritte  —  Brief  ist  nicht  zu  unserer  Kenntnis  gelangt, 
weil  wir  bisher  auch  nicht  den  leisesten  Versuch  dazu  gemacht  haben,  mit 
dem  Dresdener  Hoftheaterarchiv  deshalb  in  ein  Einvernehmen  zu  treten.  Der 
Inhalt  desselben  ist  für  uns  einstweilen  durch  die  gleichzeitigen  Schreiben 
an  Theodor  Hell,  Reissiger  usw.  genügend  charakterisiert;  z.  B.  durch  den 
an  Reissiger  gerichteten  Passus: 

»Was  aber  die  Gemfitsstimmung  eines  Pariser  Privatkomponisten,  zumal  wenn 
es  Sommer  ist  und  er  auf  dem  Lande  lebt,  angeht,  so  möchten  Sie  und  Herr  Hofhit 
W[inkler]  doch  vielleicht  ein  kleines  Unrecht  haben,  wenn  Sie  ihm  mehr  Contenance 
zutrauen  sollten,  als  ihm  die  Pariser  Lüfte  gerade  gelassen  haben  . . .  Wenn  Sie  und 
Herr  v.  L[üttichau]  in  das  wunderbare  Gewebe  von  Traurigkeiten,  Hoffnungen,  Aus- 
sichten, Albernheiten,  Plänen,  Zerstreuungen  usw.  blicken  kOnnten,  welches  meine 
gegenwärtige  Situation  ausmacht,  so  würden  Sie,  ich  glaube  es  fest,  plötzlich  wissen, 
ob  Sie  mir  ein  schnelles  Ja  oder  Nein  zusprechen  sollten*  (Leben  Wagners  I,  S.  414). 

In  der  Tat  bedeutete  nach  der  .grenzenlosen  Vernachlässigung'  seiner 
Sache  während  des  verflossenen  Halbjahrs  das  fernere  Verstreichen  jeder 
einzelnen  Woche  nichts  Geringeres  als  die  verstärkte  Befürchtung,  dass 
seine  Oper  nun  auch  während  des  bevorstehenden  Winters  von  1841  zu 
42  nicht  zur  Aufführung  gelangen   sollte,   mithin,    statt   des   verhofften 


21 
GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


baldigen  grossen  Erfolges,  ein  neues,  fast  unerträgliches  Lebensjahr  voll 
von  Quälereien  und  Plagen  der  niedersten  Art  I  Mit  jenem  (dritten)  Briefe 
vom  30.  Juni  kreuzte  sich  nun  allerdings  der  bereits  vom  Tage  vorher  — 
29.  Juni  —  datierte  langersehnte  Bescheid  der  Generaldirektion,  laut  dessen 
der  „Rienzi",  nach  sorgfältiger  Prüfung  des  Textbuches,  wie  der  Partitur, 
für  das  Institut  der  Kgl.  Sächsischen  Hofoper  zur  Aufführung  angenommen 
worden  war,  die  Zeitbestimmung  lautete  aber  noch  unbestimmt  genug: 
«sobald  tunlich,  hoffentlich  im  Laufe  des  nächsten  Winters'.  Auf  diese 
Nachricht  antwortete  Wagner  kurz  nach  ihrem  Empfang  in  einem  ebenfalls 
im  Dresdener  Archiv  erhaltenen  Briefe: 

Bichard  Wagner  an  Generaldirektor  Freiherrn  Ton  Lflttlolian  (IV.)   Meudon 
bei  Paris,  9.  Juli  1841 

und  damit  stockt  der  Briefwechsel  mit  der  Generaldirektion,  nach  vor- 
läufiger Erreichung  dieses  Zieles,  für  ein  volles  halbes  Jahr,  während 
andererseits  die  brieflichen  Beziehungen  zu  den  Dresdener  Kunstgenossen, 
wie  Ferdinand  Heine,  Chordirektor  Fischer,  die  Schröder-Devrient,  TIchat- 
schek,  Reissiger,  Hofrat  Winkler  immer  lebhafter  werden.  Alles  geht 
darauf  hinaus,  die  Aufführung  wenigstens  noch  zum  Februar  zu  ermög- 
lichen, da  für  ihn  so  unendlich  viel  davon  abhing.  Statt  dessen  schaltete 
sich  eines  jener  ephemeren  Repertoire-Ereignisse  nach  dem  andern  ein, 
und  seine  brieflichen  Anrufungen  blieben  vielfach  unbeantwortet,  wie  dies 
aus  dem  Schreiben  vom  4.  Januar  1842  an  den  alten  Familienfreund  seines 
Stiefvaters  Geyer,  Ferdinand  Heine,  in  so  ergreifender  Weise  hervorgeht 
«Sie  schweigen,  Herr  Fischer  schweigt *"  usw. 

i^Wenn  Sie  oder  irgend  jemand  ganz  genau  wfissten,  wie  meine  ganze  Lage, 
alle  meine  Pläne  und  Beschlüsse  durch  ein  solcbes  Verzögern  vernichtet  werden,  so 
würde  man  Erbarmen  haben.  Sollte  es  wirklich  soweit  kommen,  dass  man  meine 
Oper  für  dieses  Winterhalbjahr  noch  ganz  beiseite  legen  mfisste,  so  wäre  ich  in 
der  Tat  untröstlich,  und  Der-  oder  Diejenige,  die  an  dieser  Verzögerang  Schuld 
trüge,  hätte  eine  grosse  Verantwortung,  vielleicht  fQr  unsägliche  mir  bereitete  Leiden, 
auf  sich  gewälzt.'    (Leben  Wagners  I,  S.  426.) 

In  demselben  Briefe  heisst  es:  „Ich  habe  an  Herrn  von  Lüttichau 
geschrieben,  und  wende  mich  hiermit  auch  an  Reissiger*,  wodurch  ein 
fünftes,  uns  ebenfalls  unbekannt  gebliebenes  Schreiben  an  die  General- 
direktion, ungewissen  Datums,  konstatiert  wird: 

Btehard  Wagner  an  Generaldirektor  Freiherm  von  Lflttiehaa  (V).   Anfing 
Januar  1842 

Am  7.  April  1842  endlich  schlug  für  ihn  die  Stunde  seiner  Abreise 
aus  Paris  nach  Deutschland  nach  fast  dreijährigem  qualvollen  Aufenthalte 
daselbst.  Bei  seiner  Ankunft  in  Dresden  ersah  er  nur  allzudeutlich,  dass 
er  sich  wegen  seines  »Rienzi*  nicht  allzusehr  mit  der  Heimkehr  hätte  zu 


22 

DIE  MUSIK  V.  19. 


beeilen  brauchen  I  Nur  seinem  unablässigen  Drängen  war  es  zuzuschreiben» 
dass  die  Aufführung  endlich  doch  im  Oktober  1841  stattfand.  Die  be- 
sonderen Umstände,  die  sich  vereinigten,  um  nach  der  glänzenden  Auf- 
nahme des  Werkes  ihm  die  Kapellmeisterstellung  neben  Reissiger  anzu- 
bieten, gehören  nicht  in  den  Zusammenhang  der  gegenwärtigen  Darstellung, 
sondern  in  die  Biographie  des  Meisters.  Ihre  Annahme  kostete  ihn  eine 
beträchtliche  Überwindung,  auch  verblieb  er  in  ihr  kaum  sechseinhalb  Jahre; 
und  die  hierbei  bestandenen  Kämpfe  empfangen  gerade  aus  der  Korrespon- 
denz mit  Lüttichau  eine  ganz  eigenartig  neue  Beleuchtung.  Zunächst  sei 
es  uns  vergönnt,  aus  einem  ungedruckten  Briefe  an  den  Bruder  Albert 
(vom  3.  Dezember  1842)  einige  Sätze  anzuführen,  die  seine  Abneigung 
gegen  die  Annahme  der  ihm  angetragenen  Dresdener  Stellung  zum  Aus- 
druck bringen.  Im  Anschluss  an  die  Erwähnung  des  überraschend  ein- 
getretenen Todesfalls  des  armen  Rastrelli  heisst  es  in  dieser  vertraulichen 
Mitteilung : 

sSogleich  blickten  aller  Augen  auf  mich  als  seinen  Nachfolger  im  Amte:  am 
Hofe  sprach  man  davon  und  Lüttichau  Hess  mich  ausforschen.  Ich  liege  in  einem 
schweren  Kampfe:  gern  bliebe  ich  natürlich  für  die  nächsten  Jahre  noch  frei.  Ich  bin 
jetzt  in  meinem  besten  Alter,  wo  die  produktiven  Kräfte  am  frischesten  gespannt  sind: 
zwei  Sujets  zu  neuen  Opern  habe  ich  bereits  entworfen,  im  Laufe  von  zwei  Jahren 
könnte  ich  sie  komponiert  haben,  wenn  ich  frei  bliebe.  Ich  gestehe,  dass  ich  diese 
Freiheit  gern  mit  den  Opfern  einiger  Sorgen  in  pekuniärer  Hinsicht  erkaufte." 

Auf  der  anderen  Seite  musste  freilich  die  Aussicht,  ein  so  ausser- 
ordentliches Personal,  wie  es  gerade  damals  die  Dresdener  Oper  ihm  bot, 
zu  seiner  Disposition  zu  erhalten,  um  mit  ihm  die  höchsten  Kunstleistungen 
zu  erzielen,  etwas  Verführerisches  für  ihn  haben. 

«Ich  habe  deshalb",  fährt  er  im  Zusammenhang  des  obigen  Briefes  fort,  «und 
besonders,  da  man  mir  Vorwürfe  machte,  nicht  mit  der  Sprache  herauszurücken,  vor 
einigen  Tagen  mich  frei  gegen  Lüttichau  ausgesprochen:  da  eine  untergeordnete 
Stellung,  wie  sie  Rastrelli  inne  hatte,  mir  diese  Aussicht  nicht  biete,  so  könne  ich 
auf  den  erledigten  Platz  nicht  reflektieren.  Hierauf  hat  mir  nun  Lüttichau  erklärt, 
dass  es  sein  Wille  nicht  sei,  die  Stelle  so  wieder  zu  besetzen,  wie  sie  Rastrelli  inne- 
hatte; da  er  in  Reissiger,  dessen  zu  grosser  Schlaffheit  und  Unbeholfenheit  wegen, 
durchaus  nicht  mehr  das  nötige  Vertrauen  setzen  könne,  so  beabsichtige  er,  einen 
anderen  Kapellmeister  ihm  an  die  Seite  zu  setzen,  der  mit  ihm  zum  mindesten  voll- 
kommen gleiche  Rechte  teile.  —  Nun  stehe  ich  denn  wie  Herkules  am  Scheidewege: 
—  Jeder,  der  bloss  mein  materielles  Wohl  im  Auge  hat,  wird  mir  natürlich  zurufen: 
,Greir  zul'    Ist  damit  aber  auch  Alles  abgetan? * 

So  standen  die  Dinge  noch  vier  Wochen  später,  am  5.  Januar  1843, 
nachdem  tags  zuvor  der  «fliegende  Holländer"  an  der  Dresdener  Oper  in 
seiner  zweiten  Aufführung  einen  Erfolg  gehabt  hatte,  dessen  ungenügende 
Fundamentierung  sich  erst  viel  später  herausstellte,  während  er  für  den 
Augenblick  sogar  recht  glänzend  sich  ausnahm.     Da  erschien,  am  Tage 


23 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


nach  der  Vorstellung,  der  Bediente  des  Geheimrats  Lüttichau  von  neuem 
in  des  jungen  Meisters  Zimmer,  um  ihn  noch  an  demselben  Vormittag  zu 
einer  Besprechung  einzuladen.  Von  dem  Verlauf  und  Gegenstand  dieser 
Unterredung  werden  vir  nun  in  einem  noch  an  demselben  Tage  (5.  Januar 
nachmittags)  geschriebenen  (sechsten)  Briefe  unterrichtet,  dem  wir  im 
Nachstehenden  den  wichtigen  Hauptabschnitt  wörtlich  entnehmen: 

Rlohard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherrn  tob  Lilttielian  (VI)  5.  Januar  1843 

jyEw.  Excellenz 

beeile  ich  mich  davon  in  Kenntnis  zu  setzen,  dasa  nach  reiflicher  Überlegung 
meinerseits  ich  es  fSr  notwendig  erachte,  auf  die  von  E.  E.  heute  Vormittag  mir 
gütigst  gemachten  Vorschlage  zu  erklären,  wie  ich  es  für  unmöglich  halte,  unter  den 
Obwalteoden  Umstanden  eine  provisorische  Anstellung  als  Musikdirektor  der  K.  Ka- 
pelle auf  Probe  anzunehmen.  Den  Gründen,  die  ich  E.  E.  heute  nur  unentschieden 
und  in  nicht  gehöriger  Fassung  mitteilte,  habe  ich  zur  Motivierung  dieser  Erklärung 
hauptsächlich  Folgendes  hinzuzufügen  und  Dero  geneigter  Beachtung  untertänig  zu 
empfehlen. 

In  einer  Probe-Anstellung  als  Musikdirektor  erachte  ich,  meinen  besonderen 
Ansichten  über  den  jetzigen  Zustand  der  K.  Kapelle  und  der  Oper  nach,  es  für  rein 
unmöglich,  meine  Energie  E.  E.  in  dem  Lichte  und  der  Wirkung  zu  zeigen,  wie  ich 
es  unumgänglich  wünschen  muss,  um  E.  E.  von  der  Wichtigkeit  zu  überzeugen,  die 
ich  den  von  mir  zu  ühemehmenden  Pflichten  beilege.  Erlauben  mir  E.  E.  ganz  offen- 
herzig meine  wahre  Meinung  auszusprechen,  so  erachte  ich  es  für  Schuldigkeit,  hier 
zu  erklären,  dass  ich  die  künstlerische  Disziplin  der  K.  Kapelle  zu  dieser  Zeit  in 
einem  durchaus  nicht  befriedigenden  Zustande  gefunden  habe,  dass  ich  zumal  in  den 
letzten  Jahren  durch  näheres  Bekanntwerden  mit  den  Leistungen  der  bedeutenderen 
Pariser  Orchester  einen  so  grossen  Begriff  von  dem  erhalten  habe,  was  so  ausge- 
zeichnete Kräfte,  wie  sie  die  K.  Kapelle  in  sich  schliesst,  zu  produzieren  imstande 
sind,  dass  es  mir  meiner  ganzen  Natur  nach  unmöglich  sein  würde,  mit  dem  Antritt 
meiner  Funktionen,  möge  mir  ein  Titel  beigelegt  werden,  wie  er  wolle,  meine  ge- 
wonnenen Ansichten  und  Erfahrungen  nicht  zur  Tat  zu  machen.  Das  würde  ich  aber 
bei  dem  jetzigen  Zustande  der  Kapelle  nicht  bloss  durch  Mitteilung  meiner  Ansichten, 
sondern  namentlich  durch  tiefe,  in  die  Organisation  derselben  eingreifende  Massregeln, 
auf  deren  Festhalten  ich  bestehen  müsste,  zu  bewirken  imstande  sein.  Um  in  diesem 
letzteren  und  höchst  wichtigen  Punkte  mit  Erfolg  auftreten  zu  können,  bedarf  ich 
durchaus  der  Autorität  im  vollen  Sinne  des  Wortes,  ich  bedarf  des  unbedingt  ausge- 
sprochenen Vertrauens,  das  man  höhererseits  in  mich  setzt.  Sollte  ich  aber  nun  der 
K.  Kapelle  in  einer  Stellung  entgegentreten,  die  ihr  selbst  mehr  oder  weniger  die 
Freiheit  und  das  Recht  zugestände,  ihre  mehr  oder  weniger  parteiliche  oder  unpartei- 
liche Stimme  über  mich  abzugeben,  so  würde  ich  von  vornherein  nur  gelähmt  und 
befangen  auftreten  können;  in  diesem  einen  Jahre  aber,  in  welchem  ich  den  Grund 
zu  meinen  späteren  Leistungen  zu  legen  hätte,  würde  ich  nur  ein  für  allemal  die 
richtige  Stellung  verlieren,  ohne  die  unter  den  jetzigen  Umständen  niemand  dem  E.  E. 
untergebenen  Institute  von  gründlichem  Nutzen  sein  kann. 

Dies  ist  meine  vollste,  wahrste  Oberzeugung,  und  ich  stehe  im  Begriff,  sie  durch 
ein  bedeutendes  Opfer  zu  bekräftigen,  da  ich,  wenn  ich  erkläre,  die  von  E.  E.  mir 
angebotene  provisorische  Anstellung  nicht  annehmen  zu  können,  mir  sehr  möglicher- 


24 
DIE  MUSIK  V.  19. 


weise  die  Aussicht  auf  eines  der  ehrenvollsten  Ämter,  das  eines  Kapellmeisters  der 
der  K.  Kapelle,  fOr  jetzt  verschliesse.* 

Das  war  gesprochen  nicht  allein  wie  ein  Künstler,  sondern  auch  wie 
ein  Mann,  mit  völliger  Hintansetzung  aller  Rücksichten  auf  seine  persön- 
liche Lage.  Die  vollkommene  Kontinuität  der  Persönlichkeit  in  dem  noch 
jugendlichen  Schöpfer  des  »Rienzi*  und  des  „fliegenden  Holländers',  in 
dessen  Innerem  bereits  „Tannhäuser*  und  „Lohengrin"  sich  regten,  und 
des  späteren  Meisters  von  Bayreuth  springt  einem  jeden  in  das  Auge. 
Die  Unabhängigkeit  seines  Charakters,  die  Unbeugsamkeit  seines  refor- 
matorischen Geistes,  lässt  sich  die  Vorschriften  und  Bedingungen  seiner 
Tätigkeit  nicht  von  dem  zufälligen  Vorgesetzten  eines  bestehenden  kfinst* 
leriscben  Institutes,  sondern  allein  von  seinem  eigenen  Gewissen  diktieren» 
Damit  nun  aber  der,  von  jeder  persönlichen  Anmassung  entfernten,  Be- 
scheidenheit der  Ausdruck  nicht  fehle,  die  mit  wahrem  stolzem  Selbst- 
bewusstsein  stets  eng  verbunden  ist,  heisst  es  am  Schlüsse  des  Schreibens: 

„Ich  kann  nicht  in  E.  E.  dringen,  mir  auf  Treu  und  Glauben  eine  so  bedeutende 
Anstellung,  wie  ich  sie  einzig  in  Anspruch  nehme,  zuzuteilen,  erlaube  mir  jedoch  dies 
Einzige  noch  Dero  geneigter  Beachtung  anzuempfehlen,  dass  es  mir  nämlich,  falls  E.  E» 
mich  mit  dem  ausserordentlichen  Vertrauen  beehren  wollten,  unmöglich  sein 
würde,  auf  der  weiteren  Erfüllung  kontraktlicher  Zusagen  zu  bestehen,  sobald  ich  inne 
würde,  oder  E.  E  sich  zu  der  Erklärung  genötigt  sehen  würden,  dass  ich  ein  so  grosses 
Vertrauen  nicht  zu  rechtfertigen  imstande  wäre.* 

Der  von  uns  im  Druck  hervorgehobene  Ausdruck  „ausserordentliches 
Vertrauen*  bezieht  sich,  wie  nicht  allein  wir  ihn  verstehen,  sondern 
bisher  noch  ein  jeder,  mit  historischem  Sinne  ausgestatteter,  unbefangene 
Leser  dieses  Passus  ihn  verstanden  hat,  in  dem  ganzen  Zusammenhange 
des  Schreibens  natürlich  bloss  auf  die  Anstellung  ohne  das  ihm  zu- 
gemutete, und  in  dem  Schriftstück  abgelehnte  „Probejahr'';  zum  Ober- 
fluss  hat  Wagner  selbst  ihn  nochmals  unzweideutig  dahin  interpretiert. 
Es  war  daher  nicht  edel  von  Lüttichau,  gerade  diese  Wendung  späterhin, 
als  ihm  daran  gelegen  war,  aus  ihrem  Zusammenhang  loszureissen,  als 
wenn  damit  die  Entlassung  Wagners  aus  seiner  „lebenslänglichen''  An- 
stellung ein  für  allemal  seiner  Willkür  und  seinem  Belieben  anheim- 
gestellt wäre. 

Von  der  Persönlichkeit  Lüttichaus,  des  Mannes  mit  den  „schwarzen 
Augenbrauen'  und  der  wechselnden  Gesinnung,  haben  wir  an  anderem 
Orte  (Leben  Wagners  II,  S.  7 — 10)  auf  Grund  von  Schilderungen  der  Zeit- 
genossen ein  80  eingehendes  Bild  entworfen,  dass  uns  kaum  ein  Zug  daran 
zu  fehlen  scheint,  und  wir  demnach  von  einer  Wiederholung  der  dort  ge- 
gebenen Charakteristik  absehen.  Nur  der  eine  Zug  sei  hier  nochmals 
bestätigt,   dass   selbst  auch   ihm   (wie  allen,   die  je  mit   Richard  Wagner 


25 
GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


persönlich  verkehrten)  eine  Ahnung  von  der  fiberragenden  höheren  Be- 
deutung seines  damaligen  «Kapellmeisters*  von  Hause  aus  nicht  ganz 
fremd  geblieben  sei,  ein  dunkles  Bewusstsein  von  derjenigen  persönlichen 
Bedeutung  des  Genius,  die  sich  in  den  beiderseitigen  dienstlichen  Be- 
ziehungen nicht  erschöpfte.  Auch  war  sich  Luttichau  bei  allem  Ein- 
genommensein von  seiner  eigenen  Respektsstellung  wohl  bewusst,  zugleich 
im  Sinne  seines  fürstlichen  Herrn  zu  handeln,  wenn  er  sich  zu  dem  rast- 
los strebenden,  stets  nur  das  Beste  wollenden  jungen  Meister  von  vorn- 
herein eine  Art  väterlich  wohlwollender  Stellung  gab.  Ein  bemerklicher 
Aljtersunterschied,  durch  das  so  völlig  abweichende  Naturell  beider  noch 
vergrössert,  erleichterte  ihm  diese  Haltung.  Dennoch  sollte  es  zwischen 
beiden  an  Konflikten  nicht  fehlen,  die  sich  bis  zu  dem  endlich  unvermeid- 
lichen Bruch  steigern  mussten.  Ein  grösseres  Entgegenkommen  von  seiner 
Seite  gegenüber  den  durchaus  massvollen  Reformvorschlägen  Wagners  hätte 
wenigstens  dem  letzten  und  äussersten  Konflikt  unzweifelhaft  vorbeugen 
können,  zum  Heil  für  das  Dresdener  Königl.  sächsische  Kunstinstitut.  Ob 
ohne  weiteres  auch  zum  Heil  für  den  Künstler,  ist  eine  ganz  andere  Frage» 
deren  Erwägung  an  dieser  Stelle  uns  sehr  weit  fähren  könnte,  jedenfalls 
weiter,  als  es  der  Raum  für  den  gegenwärtigen  Zweck  gestattet. 

Der  nächste,  siebente,  Brief  an  Luttichau  stammt  vom  2.  Mai  1843, 
und  bezieht  sich  auf  eine  vorübergehende  Misshelligkeit  mit  dem  Konzert- 
meister Lipinski.  Er  war  bisher  nur  aus  dem  Konzept  bekannt,  und 
aus  diesem  mit  dem  approximativen  Datum  des  27.  April  zuerst  in  den 
«Bayreuther  Blättern*  (Jshrg.  1899,  S.  5if.)  abgedruckt.  Inzwischen  ist 
uns,  durch  private  abschriftliche  Mitteilung,  aus  dem  Nachlass  Lüttichaus 
der  betr.  Brief  in  seiner  definitiven  Gestalt  und  mit  dem  wirklichen  Datum 
bekannt  geworden,  und  es  ist  interessant  zu  beobachten,  worin  die  Ab* 
weichungen  bestehen.  Wir  setzen  deshalb  das  gesamte  Schriftstück  noch 
einmal  wörtlich  her.  Auch  dieses  Dokument  knüpft  in  seinen  charakte- 
ristischen Ausführungen  abermals  an  eine  vorausgegangene  mündliche 
Unterredung. 

Biohard  Wagner  an  Generaldirektor  Freiherm  von  Lütüehan  (VII),  2.  Mai  1843 

«Ew.  Excellenz 
haben  gestern  das  von  mir  gegebene  Versprechen  gütigst  angenommen,  zunächst  und 
überhaupt  mein  Verhalten  der  Königl.  Kapelle  gegenüber  mit  allem  Fleiste  so  ein- 
zurichten, dass  deren  gegründete  oder  nicht  gegründete  Klagen  über  dasselbe  keine 
Veranlassung  mehr  finden  sollen,  femer  für  das  Erste  und  besonders  in  dero  Ab- 
wesenheit') bei  der  Direktion  llterer  Opero,  selbst  wenn  es  meiner  künstlerischen 
Oberzeugung  zuwiderlaufen  sollte,  nichts  in  den  bisher  hier  gfiltigen  Auffassungen 
der  Tempi  usw.  abzuindem,  ohne  mich  jedoch  daran  verhindern  zu  lassen,  bei  dem 

^)  Konzept:  »und  besonders  wihrend  der  Abwesenheit  Ew.  Excellenz*. 


26 
DIE  MUSIK  V.  19. 


Studium  neuerer  Opern  nach  besten  Kriften  zur  möglichsten  Vollendung  der  Darstellung 
derselben  beizutragen.  Diesem  Versprechen,  dessen  treue  Erfüllung  die  zuletzt  ent- 
standene Misshelligkeit  allem  Vermuten  nach  zu  beseitigen  imstande  sein  wird,  halte 
ich  nach  ruhigerer  Überlegung  noch  einige  Erklirungen  hinzuzuffigen  für  nötig,  um 
sowohl  Ew.  Excellenz  mit  der  Beschaffenheit  der  meisten  mir  gemachten  Vorwürfe 
genauer  bekannt  zu  machen,  als  zumsl  auch  mich  in  künstlerischer  Hinsicht  noch 
genügender  zu  rechtfertigen,  als  dies  gestern  geschehen  konnte,  wo  ich  zwar  durch 
mehrere  von  Hm.  Lipinski  mir  gemachte  Insinuationen  selbst  bis  zum  Vergessen 
des  schuldigen  äusseren  Anstandes  vor  den  Augen  Ew.  Excellenz  aufgeregt  wurde, 
dennoch  aber  durch  dessen  stete  vague  Unterbrechungen^)  nicht  dazu  gelangen  konnte, 
in,  einer  ruhigen  und  besonnenen  Auseinandersetzung  mir  diese  nötige  Rechtfertigung 
auf  der  Stelle  zu  verschaffen. 

Was  Herrn  Lipinski  in  Gemeinschaft  mit  manchem  Mitgliede  der  Königl.  Kapelle 
nach  einem  durchaus  eintrichtigen  und  durch  künstlerische  Begeisterung  ausgezeichneten 
Zusammenwirken  in  den  Proben  und  Aufführungen  der  Oper  Armide^  hauptsichlich 
gegen  mich  erbittert  hat,  ist  von  ihm  unverholen  genug  vor  Ew.  Excellenz  zugestanden 
worden,  nimlich  —  der  Neid  wegen  der  mir  von  allen  Seiten  gemachten  Lobsprüche, 
trotzdem  ich  diese  nie  dahingenommen  habe,  ohne  den  grössten  Teil  derselben  der 
ausserordentlichen  Mitwirkung  aller  Krifte  unserer  Oper  zuzuwenden.  Ich  habe  sicher 
nicht  nötig,  Ew.  Excellenz  darauf  hinzuweisen,  in  wie  weit  dieses  Gefühl  des  Neides 
bei  Herrn  Lipinski  und  dessen  Anhingem  gewirkt  hat,  ihr  Urteil  über  mich  zu  trüben 
und  befangen  zu  machen.  Seit  den  Aufführungen  der  Armide  bin  ich  mit  der  Kapelle 
in  kein  bedeutenderes  Zusammenwirken  wieder  getreten  bis  zu  der  Probe  des  Don 
Juan:*)  —  nachdem  bis  dahin  dem  Erfolge  meiner  Leistungen  nichts  anzuhaben  war, 
hat  man  nun  die  Aufführung  dieser  Oper,  die  aus  vielen  Ursachen,  mit  denen  ich 
nichts  gemein  habe,  misslungen  zu  nennen  wsr,  als  geeignete  Gelegenheit  ergriffen, 
meine  Leitung  derselben  anzugreifen,  und  sucht  den  Vorwand  dazu  in  Änderungen, 
die  ich  in  viel  grösserer  Ausdehnung  darin  eingeführt  haben  soll,  als  diess  wirklich 
der  Fall  ist.  Herr  Lipinski  bestreitet  mir  das  Recht  und  die  künstlerische  Befugnis 
zu  dergleichen  Abinderungen,  und  stützt  sich  dabei  zunSchst  auf  die  Untrüglichkeit 
der  bisherigen,  hier  üblichen")  Auffassungen  älterer  Opern.  Nun  will  ich  zur  Um- 
stossung  dieser  Behauptung  nur  Eines  aufstellen:  —  als  mir  von  Ew.  Excellenz  der 
Auftrag  ward,  Euryanthe  zu  dirigieren,  bat  mich  die  Witwe  des  verewigten  Schöpfers 
dieser  Oper  um  eine  Unterredung,  in  welcher  sie  mich  beschwor,  doch  endlich  diese 
Musik  dem  Publikum  wieder  so  zu  Gehör  zu  bringen,  wie  Weber  es  verlangt  hätte, 
denn  es  seien  Vergreifungen  der  Tempi  usw.  allmählich  hier  eingerissen,  die  für  sie, 
die  sich  noch  sehr  deutlich  erinnere,  wie  Weber  ihr  das  wiederholt  vorgespielt  habe,^) 
sehr  oft  ganze  Teile  des  Werkes  entstellt  erscheinen  Hessen;  sie  wies  mich  zur 
genauen  Kenntnisnahme  der  Tempi,  wie  sie  Weber  sich  gedacht  hätte,  an  Madame 
Schröder-Devrient,  welche,  wie  sie  wisse,  den  Geist  der  ersten  Aufführungen  unter 
Weber  treu  im  Gedächtnis  bewahrt  habe.  Madame  Schröder-Devrient  bestätigte  die 
Aussagen  der  Frau  von  Weber  durch  ihre  Mitteilungen  vollkommen.    Ew.  Excellenz 


')  Konzept:  «stete  regen  Unterbrechungen*,  —  falls  es  sich  nicht  etwa  um 
einen  blossen  Lesefehler  gelegentlich  der  Abschrift  handelt. 

')  Konzept:  «als  bei  der  Probe*. 

")  Im  Konzept  fehlen  die  Worte  Jiler  üblichen*. 

^)  Konzept:  ,,die  für  die,  die  sich  noch  sehr  deutlich  erinnern,  wie  Weber 
ihnen  diess  wiederholt  vorgespielt  habe*. 


27 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


ersehen  hieraus,  wie  eine  Oper,  die  an  demselben  Orte,  bei  derselben  Kapelle,  unter 
Leitung  des  Komponisten  einstudiert  wurde,  binnen  zwanzig  Jahren  bedeutend  von 
der  ersten  und  wahren  Auffitssung  abweichen  kann,  und  Ich  frage  nun,  wer  will 
gültiger  Bürge  fOr  die  treue  Bewahrung  der  Tradition  bei  einer  Oper  sein,  die  vor 
fünbig  Jahren  bereits  hier  gegeben  und  nie  unter  der  Leitung  des  Komponisten  hier 
aufgeführt  worden  ist?* 

Es  sei  hier  hingegen  auf  die  von  uns  nachgewiesenen  authentischen 
Belehrungen  hingewiesen,  welche  dem  Meister  schon  früh  durch  den  ex- 
klusiven Mozartanhänger  Friedrich  Dionys  Weber  in  Prag,  als  Augen-  und 
Ohrenzeugen  der  ersten  Auffuhrungen  Mozartscher  Werke,  zuteil  geworden 
waren  (Leben  Wagners  I,  S.  163).  Aus  dem  reichen  Vorrat  der  Erinne- 
rungen des  Prager  Altmeisters  hatte  er  damals  sehr  detaillierte  Nachrichten 
und  Belehrungen  über  den  Vortrag  Mozarts  gesammelt,  die  ihm  für  sein 
eigenes  Bewusstsein  von  den  hier  in  Frage  kommenden  Problemen  für  alle 
Zeiten  von  allerhöchstem  Wert  waren  und  noch  1869  in  der  Schrift  «über 
das  Dirigieren"  zur  Verwertung  gelangen.  In  dem  Schriftstück  heisst  es 
nun  weiter,  wie  folgt: 

«Herr  Lipinski  stellte  mir  femer  gestern  in  Gegenwart  Ew.  Ezcellenz  die 
Unantastbarkeit  der  Leistungen  der  KOnigl.  Kapelle  entgegen.^)  Dass  dies  seinerseits 
nur  eine  Phrase  war,  durch  deren  Anwendung  er  in  den  Augen  Ew.  Ezcellenz  mir 
gegenüber  das  leichteste  Spiel  zu  gewinnen  hoffte,  ist  für  mich,  der  ich  Hm.  Lipinski's 
Ansichten  über  den  Stand  der  Kapelle  aus  seinen  Ausserangen  wiederholt  kennen 
gelemt  habe,  unzweifelhaft;  im  Gegenteil  ist  er  mit  mir  darüber  einig,  dass  in 
einzelnen  Teilen  unseres  Orchesters*)  nicht  immer  so  gespielt  wird,  wie  gespielt 
werden  sollte*).  Wenn  nun  Herr  Lipinski  an  diese  Unantastbarkeit  selbst  nicht  glaubt, 
waram  stellt  er  sie  mir  bei  einer  Gelegenheit  und  vor  einer  Person,  wo  mir  das 
leicht  gefihrlich  werden  konnte,  so  drohend  entgegen? 

In  der  Tat,  so  sehr  Hr.  Lipinski  sich  den  Anschein  gab,  nur  im  Interesse  der 
guten  Sache  zu  reden,  so  kann  ich  nicht  umhin  zu  glauben,  dass  er  entschieden  nur 
aus  willenlos^)  gekrinkter  Eitelkeit  in  seinem  persönlichen  Interesse  aufgetreten  ist, 
so  geschickt  er  dies  auch  mit  dem  allgemeinen  zu  vermengen  wusste.  Deshalb  zeihe 
ich  Hm.  Lipinski  der  Unredlichkeit  und  ausser  vielen  Wamungen,  die  mir  über  die 
Falschheit  seines  Charakters  zugekommen  sind,  würde  ich,  wenn  ich  nicht  fürchten 
müsste  durch  zu  lange  Ausdehnung  dieser  meiner  schriftlichen  Rechtfertigung 
Ew.  Ezcellenz  zu  sehr  zu  ermüden,  einen  Beleg  dafür  anführen,  den  ich  erst  kürzlich 
erlebt  habe,  und  der  wohl  bitte  hinreichen  können,  mich  vollkommen  über  ihn  auf- 
zukllren.*)   Wohl  weiss  ich  jedoch,  dass  auch  Leute  von  zweifelhaftem  Charakter  bei 


^)  Im  Konzept  folgt  hier  statt  des  Punktes  ein  Doppelpunkt. 

')  Im  Konzept  folgt  hier  die  niher  ausgeführte  Angabe:  „als  in  der  zweiten  Violine, 
den  Hümem,  der  ersten  Trompete,  sowie  bei  manchen  zweiten  Blasinstramenten*. 

*)  Das  Konzept  lautet  auch  hier  voUstlndiger:  »gespielt  werden  sollte;  den 
Vortrag  der  einzelnen  Virtuosen  in  unserer  Kapelle  stelle  ich  natürlich  bei  Seite*. 

^)  Im  Konzept  fehlt  das  Wort  .willenlos*. 

*)  Im  Konzept  wird  dieser  »Beleg*  tatsächlich  gebracht,  und  es  lautet  demnach 
der  ganze  Satz,  wie  folgt:  »und  ausser  vielen  Wamungen,  die  mir  über  die  Falschheit 
seines  Charakters  zugekommen  sind,  erwähne  ich  hier  einen  Beleg  derselben. 


28 
DIE  MUSIK  V.  10. 


ihren  sonstigen  ausgezeichneten  Fähigkeiten,  die  Zierde  eines  Kunstinstitutes,  wie  das- 
einer Kapelle,  sein  können^);  auch  ich,  wenngleich  ich  mich  von  so  groben  Charakter* 
fehlem  rein  weiss,  habe  mir  die  Heftigkeit  und  Unbesonnenheit  meines  Temperamentes 
vorzuwerfen,  und  kann  mich  daher  nicht  beklagen,  dass  mir  jetzt  eine  Lehre  gegeben 
worden  ist'),  die  jedenfalls  den  Vorteil  für  mich  hat,  dass  sie  mich  schnell  aus  einem* 
Irrtum  reisst,  nimlich  aus  dem  Irrtum,  Leute  für  meine  Freunde  zu  halten,  die  sich 
mir  als  solche  geben.  Ich  weiss  jetzt  plötzlich,  welchen  Weg  ich  zu  verfolgen  habe,, 
um  nach  und  nach')  zu  einem  Ziele  zu  gelangen,  das  ich  im  feuerigen  Eifer  für  die 
Sache  bereits  in  der  nScbsten  Nfthe  glaubte,  und  somit  verspreche  ich  Ew.  Excellenz 
ganz  insonderheit  auch  bei  meinem  ferneren  Zusammenwirken  mit  Herrn  Lipinski 
mit  vollkommenem  Vergessen  der  betrübenden  Erfahrungen,  die  ich  über  seinen 
Charakter  als  Mensch  machen  musste,  in  ihm  nur  noch  den  Künstler  vor  Augen 
haben  zu  wollen,  als  welchem  ich  ihm  meine  bewunderndste  Hochschitzung  nicht 
versagen  kOnnen  werde.^) 

Aber  auch  Ew.  Excellenz  wage  ich  darauf  hinzudeuten,  in  welchem  Sinne  die 
Klagen  Herrn  Lipinskis  zu  verstehen  seien,  und  dieselben  untertänigst  zu  ersuchen,, 
durch  Würdigung  meiner  Gegengründe  mir  beweisen  zu  wollen,  dass  ich  so  glücklich 
sei,  die  Achtung  Ew.  Excellenz  bewahrt  zu  haben,  denn  nur  in  dem  Bewusstsein  des 
unschätzbaren  Besitzes  derselben  werde  ich  den  Mut  haben  können,  in  der  Folgezeit^ 
wenn  meine  Stellung  gegen  die  Kapelle  gesicherter^)  sein  wird,  gegen  einzelne  An- 
griffe den  nachdrücklichsten  Schutz  Ew.  Excellenz  für  mich  nachzusuchen.* 

Wir  ersehen  aus  den  Erfahrungen  dieses  einen,  ersten  Vierteljahres 
seiner  Dresdener  Dirigententätigkeit,  wie  sehr  er  im  Recht  gewesen  war^ 
es  sich  auszubedingen,  dass  er  von  vornherein  mit  allen  autoritativen  Be- 
fugnissen seines  Amtes  ausgerüstet  würde,  um  den  —  aus  dem  Schosse 
des  von  ihm  selbst  geleiteten  Instrumentalkörpers  gegen  ihn  gerichteten  — 
Angriffen  seitens  der  Trägheit,  des  Neides,  der  gekrankten  Eigenliebe 
erfolgreichen  Widerstand  leisten  zu  können.  Dass  das  Einvernehmen  mit 
Lfittichau,   insbesondere  auch  dessen   lebhaftes  Interesse  an  dem  nie  Ver- 


den ich  erst  kürzlich  erlebt  habe,  und  der  wohl  hätte  hinreichen  können,  mich  voll- 
kommen über  ihn  aufzuklären.  —  Nachdem  Herr  Röckel  in  der  Kirche  mit  einer 
Messe  von  Morlachi  debütiert  hatte,  spreche  ich  beim  Nachhausegehen  Hm.  Lipinski,. 
welcher  sich  über  diese  Messe  gegen  mich  mit  diesen  Worten  äussert:  ,Welch  ein 
erbärmliches  Machwerk!  Man  muss  ein  Kreuz  darauf  zeichnen,  damit  sie  beiseite 
gelegt  werde,  um  nie  wieder  zum  Vorschein  zu  kommen  I  Wie  kann  man  solches 
Zeug  aufführen?^  —  Nachdem  ich  mich  Icaum  50  Schritt  von  Herrn  Lipinski  entfernt 
habe,  treffe  ich  auf  Herrn  Röckel,  und  als  ich  ihm  Vorwürfe  mache,  dass  er  diese 
Messe  zu  seinem  Debüt  gewählt  habe,  entgegnet  er  mir:  ,Ja,  mein  Gott!  Grade  diese 
Messe  hatte  mir  Herr  Lipinski  zu  meinem  Antritt  besonders  empfohlen!'  —  Was 
halten  Ew.  Excellenz  von  einem  solchen  Manne?* 

^)  Im  Konzept  folgt  hier  noch  der  Satz:  »dass  man  im  Gegenteil  nur  sehr 
selten  alle  Vortreüflichkeiten  des  Charakters  und  des  Geistes  vereinigt  finden  kann"» 

*)  Im  Konzept:  «eine  Lehre  geworden  ist*. 

^  Konzept:  »um  nun  nach  und  nach*. 

*)  Konzept:  »meine  bewunderndste  Hochschätzung  ja  nie  versagen  werde  können*. 

*)  Konzept:  »erst  gesicherter*» 


29 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LÜTTICHAU 

-sagenden  Erfolge  des  «Rienzi",  einstweilen  noch  ein  ziemlich  ungetrübtes 
blieb,  bezeugt  u.  a.  eine  Briefstelle  vom  14.  Juni  1843  (an  Albert),  an 
welcher  es  heisst: 

j^Lfittichau  ist  jetzt  auf  Reisen:  vor  der  Abreise  drang  er  in  mich,  ausfindig  zu 
machen,  wie  wir  den  ,Rienzi^  auch  ohne  die  Devrient  geben  könnten?  Js,  die  einzige 
Möglichkeit  ist,  dass  die  WQst  den  Adriane  singe,  --  für  die  Irene  bitten  wir  dann 
Singerinnen  genug.  Die  Wfist  gibt  nun  aber  keinesMls  ihre  Partie  her,  und  so  ist 
es  denn  bei  all  den  kleinen  Purzeln,  die  wir  haben,  keine  Möglichkeit,  eine  Singerin 
herauszufinden,  die  neben  der  WGst  den  Adriane  finge.  Geht  das  Ding  so  fort,  und 
kommt  die  Devrient  den  VInter  nicht,  so  ist  Lfittichau  mit  dem  ,Rienzi^  in  Verzweiflung, 
denn  er  ist,  und  wird  noch  auf  lange  hinaus  seine  Hauptoper  bleiben.  Dann  muss  Jo- 
hanna her:  der  Himmel  hat  ihr  sUes  zu  solchen  Rollen  verliehen,  und  meinen  Kopf 
gebe  ich  darum,  dsss,  wenn  Lfittichtu  Johanna  nur  sieht,  er  sogleich  fQr  sie  einge- 
nommen wird:  —  dann  kommt  dss  Obrige  nschl* 

Dass  sich  diese  Voraussage  buchstäblich  erffiUte,  ist  bekannt;  doch 
^geschah  dies  erst  ein  volles  Jahr  später.  Im  Winter  1843/4  wurde  «Rienzi* 
zwar  wiederholt  aufgeführt,  aber  bloss  mit  den  vorhandenen  Dresdener 
JCräften.  Den  Adriano  erhielt  „die  Wüst«  (d.  h.  Frau  Kriete,  geb.  Wüst), 
neben  ihr  wurde  die  Partie  der  Irene  einer  der  vorrätigen  Dresdener 
«Purzeln"  zuerteilt.  Wir  schalten  hier  übrigens  zur  weiteren  Kennzeich- 
nung des  oben  charakterisierten  »väterlichen'  Verhaltens  Lüttichaus  gegen 
den  jungen  Meister  noch  einen,  uns  erhaltenen,  Zug  aus  dem  Juli  1843 
•ein,  aus  welchem  sich  ergibt,  wie  einnehmend  verbindlich  der  sonst  häufig 
l>rfiske  Mann  gerade  gegen  Wagner  sein  konnte  und  wie  er  dann  imstande 
war,  selbst  einen  so  einfachen  Akt,  wie  den  einer  blossen  vierwöchent- 
iichen  Urlaubserteilung,  in  eine  besondere  Bezeigung  seiner  wohlwollenden 
Gesinnung  zu  verwandeln.  Als  dieser  nämlich  nach  den  sehr  bedeutenden 
4imtlichen  Anstrengungen  der  letzten  Monate  (Leben  Wagners  II,  S.  28/32) 
^ich  einer  Erholung  bedürftig  fühlte,  wandte  er  sich  deshalb  in  mündlicher 
Unterredung  an  seinen  Chef.  Da  verklärte  sich,  nach  Wagners  eigener 
Erzählung,  dessen  ganzes  Gesicht  (nachdem  er  kurz  zuvor  in  der  Ange- 
legenheit eines  beliebigen  Sängers  äusserst  «bockbeinig'  gewesen!),  und 
•mit  völliger  Anmut  des  Ausdrucks  sagte  er  zu  ihm: 

»Lieber  Wagner,  Sie  wissen,  wie  ich  Sie  liebe,  und  können  sich  somit  leicht 
denken,  dass  mir  Ihre  Gesundheit  selbst  über  den  Nutzen  geht,  von  dem  Sie  dem 
mir  anvertrauten  Institute  sind.  Leute  wie  Sie  müssen  vor  allen  Dingen  gesund  und 
guter  Lsune  sein;  also  verfügen  Sie  über  Ihre  Zeit  ganz  nach  Belieben.* 

Die  Erteilung  einer  Beurlaubung  in  einer,  an  Arbeitsansprüchen  reichen 
'Zeit,  hatte  ihren  Wert  in  sich  selbst;  aber  die  Art  und  Form,  in  welcher 
^ie  vor  sich  ging,  verfehlte  ausserdem  nicht,  auf  ein  dafür  empfängliches 
Oemüt  einen  »völlig  rührenden*  Eindruck  zu  machen.    Wäre  es  nur  immer 


:  DIE  MUSIK  V.  19. : 

bei  diesem  gaten  Einveraehmen  geblieben!  Aus  der  nächstrolgendeti  Periode 
ist  hier  hauptsächlich  des  eigentümlichen  Antagonismas  zu  gedenken,  in 
welchen  Lüttichau  in  Sachen  der  Überführung  der  sterblichen  Oberreste 
Carl  Maria  von  Vebers  aus  London  nach  Dresden  zu  dem  jungen 
Meister  trat. 

„Et  kSnne  doch  uamSflich  lugeben,"  insierte  er  »ich  gegpn  Tipier,  .dus 
gende  dem  Andenken  Tebera  eine  aolche  fibertrlebcne  Ehre  erwleaen  vfirde,  wihreod 
doch  der  verstorbene  Morlachl  viel  liogere  Zelt  um  die  Kgl.  Kapelle  alch  verdleut 
gemacht  habe,  und  nlemaad  daran  denke,  deiaen  Atche  aus  Italien  heranholen.  Zn 
welchen  Konsequenien  aollie  daa  fuhren?  Er  setze  den  Fall,  Relaalger  stflrbe  olch- 
arens  auf  einer  Baderelae;  aelne  Frau  könne  dann  mit  Recht  dann  ebenio  gut,  wie 
letzt  Frau  v.  Veber,  verlangen,  dasa  man  die  Leiche  Ihrea  Mannet  mit  Sang  und  Klasg 
herkommen  1108861* 

Es  ist  nun  doch  nicht  etwa  anzunehmen,  dass  dem  Herrn  Gehetmrat 
der  Unterschied  zwischen  den  Verdiensten  Webers  und  Reissigers  um  die 
deutsche  Kunst  wirklich  so  vSllig  unklar  gewesen  sei,  als  es  nach  dieser 
Äusserung  den  Anschein  hat  Sicher  aber  ist  es,  dass  er  seinerseits  keinen 
Vorteil  für  seine  Autorität  darin  erblickte,  diesen  Unterscjjied  besonders 
zu  betonen:  als  Vorgesetzter  wollte  er  es  nicht  mit  Genies  und  sonstigen 
unberechenbaren  PersSnticbkeiten  zu  tun  haben,  um  nicht  durch  eine 
ausserhalb  seines  Gesichtskreises  liegende  Gesetzmassigkeit  in  unbekannte 
Kometenbahnen  gerissen  zu  werden. 

Wir  haben  im  vorstehenden  das  Verhältnis  zwischen  Richard  Wagner 
und  seinem  Dresdener  Vorgesetzten  während  seines  ersten  Dresdener 
Amtsjahres  zum  besseren  Verständnis  der  an  den  letzteren  gerichteten 
Schriftstücke  in  grossen  Zügen  geschildert.  Nur  ein,  an  den  Schluss 
vdieses  ersten  Amtsjahres  geh&riges  Dokument  mussten  wir  uns  noch  vor- 
behalten, um  es  an  die  Spitze  eines  neuen  Abschnittes  unserer  Mittellungen 
zu  setzen,  zu  denen  es  in  einer  engeren  Beziehung  steht. 

FortaeUung  folgt 


m  Bewunderern  Richard  Wagners  ist  es  besonders  bemerkens- 
wert erschienen,  dass  er  aus  den  spärlichen  Quellen,  welche 
ihm  über  den  Meistergesang  nur  zur  Verfügung  standen,  doch 
ein  so  packendes,  lebensvolles  Kniturbild  erschaut  habe,  wie 
er  es  uns  zu  unserem  Entzücken  in  seinem  sonnigsten  Werke  zeigt.  Sein 
Genie  hat  divinaiorisch  erraten,  was  sonst  nur  auf  dem  Wege  mühsamen 
langwierigen  Studiums  zu  erbringen  gewesen  wäre.  So  war  ein  Hauptzeuge 
für  Richard  Wagner  der  Chronikeur  Wagenseil,  der  in  seinem  1697  ge- 
druckten Kommentar  der  Stadt  Nürnberg  in  einem  Anhang  von  der  .Meister- 
singer holdseligen  Kunst*  spricht.  Der  geschwätzige  Autor  verbindet  diese 
Abhandlung  mit  einer  Auseinandersetzung  über  die  vermutliche  Herkunft 
der  —  Zigeuner.  Beide  —  Meistersinger  und  Zigeuner  zlhlt  er  ztt  den 
kuriosen  Erscheinungen  seiner  Zeit:  man  habe  diese  .Zweyerlei  Art  Leute" 
zu  denen  gerechnet,  deren  .Ursprung,  Herkunft  und  wahre  BeschafTenheit 
noch  nicht  zu  erfohren  gewesen*.  Was  dieser  Gewährsmann  des  weiteren 
über  die  Meistersinger  erzählt,  entspricht  der  Art  und  Weise,  wie  er  sie 
als  Kuriosität  betrachtet.  Seine  etwas  unzuverlässigen  Berichte  und,  was 
noch  schlimmer  ist,  seine  entstellten  Aufzeichnungen  von  Meistersinger- 
melodieen  haben  vielen  Historikern  vom  Fach  als  wesentliches  Material 
für  die  Beurteilung  des  Meistergesanges  überhaupt  gedient.  Man  kann  es 
nicht  genug  bewundem,  dass  Wagner  hier  klarer  gesehen  und  dass  er  trotz 
aller  Karikierung  der  Auswüchse  dieser  Kunstrichtung  doch  den  edlen 
Kern  der  Sache  wohl  erhisst  bat.  Hans  Sachseos  Schlussrede  über  die 
kulturhistorische  Mission  der  Meistersinger  ist  dafür  ein  glänzender  Beweis. 
Wir  wissen  heut,  dass  jene  alten  Meister  —  so  wenig  unserm  Sprachgefühl 
auch  Ihre  ungeschlachten  Satz-  und  Versbildungen  zusagen  —  sich  dennoch 
durch  die  Verarbeitung  des  biblischen  und  weltlichen  Wissens  ungeheure 
Verdienste  um  die  Bildung  und  Aufklämng  ihrer  Zelt  erworben  haben.. 
Aber  wir  wissen  noch  mehr. 

Angeregt  gerade  durch  Wagners  Drama  haben  sich  auch  die  Musik- 
historiker intensiver  mit  dem  Meistersingerproblem  beschäftigt.  Man  hat 
versucht,  die  Aufzeichnungen  der  Melodieen  in  ihren  alten  Singebüchem 
zu   entzifTem  und  hat  gefunden,    dass   auch   ihre  vielverspottete  Melodik 


32 

DIE  MUSIK  V.  19. 


immerhin  besser  ist  als  ihr  Ruf.  Wir  wissen,  welche  Anregung  Wagner 
selbst  aus  den  verdorbenen  Melodieen  schöpfte,  die  er  nur  kannte.  Immer- 
hin musste  er  dort,  wo  er  die  edlere  Seite  des  Meistergesanges  zeichnen 
wollte,  aus  eigenem  geben.  Der  Held  seines  Dramas  —  Hans  Sachs  — 
konnte  als  Poet  zwar  in  eigenen  Worten  sprechen,  oder  Wagner  brauchte 
seine  Art  nur  nachzubilden.  Ffir  den  Musiker  Sachs  gab  dem  Komponisten 
das  Wissen  seiner  Zeit  nichts  her.  Die  „Wittenbergisch  Nachtigall*,  deren 
Text  Wagner  übernahm,  musste  er  mit  eigener  Melodie  versehen,  Sachsens 
Melodie  dazu  war  damals  nicht  bekannt. 

Heut  kennen  wir  nicht  nur  diese,  sondern  insgesamt  13  Melodieen 
von  Hans  Sachs.  In  zwei  jetzt  zu  Zwickau  aufbewahrten  Handschriften 
befinden  sich  folgende,  vielleicht  nicht  von  Sachs  selbst  geschriebene,  aber 
doch  unter  seinen  Augen  aufgezeichnete  Melodieen:  Silberweise,  Gfilden  Ton, 
Überhohe  Bergweise,  Morgenweise,  Gesangweise,  Kurze  Ton,  Lange  Ton, 
Neue  Ton,  Bewährte  Ton,  Überlange  Ton.  Reicher  noch  ist  das  von  Adam 
Puschman,  einem  Sachsschüler,  geschriebene  in  Breslau  befindliche  »Singe- 
buch', welches  noch  den  Rosen  Ton,  den  Klingenden  Ton  und  die  Spruch- 
weise enthält. 

Natürlich  finden  sich  bei  der  Beliebtheit  des  Meisters  seine  Melodieen 
auch. noch  in  vielen  anderen  Handschriften,  doch  dürfte  neben  den  Zwickauer 
Codices  der  Breslauer  den  grössten  Anspruch  auf  Glaubwürdigkeit  haben. 
Nicht  mehr  vorhanden  sind  leider  Sachsens  Melodieen  zu  seinen  »Hoftönen'', 
mehr  populären  Liedern.  Die  Melodieen  der  Meisterlieder  sind  in  neuerer 
Zeit  wiederholt  publiziert  worden ;  leider  ohne  die  nötige  Pietät  oder  Sorg- 
falt.^) Ihr  musikalischer  Wert  ist  recht  verschieden.  Während  einige 
handwerksmässig  trocken  erscheinen,  verraten  andere  eine  überraschende 
Kraft  des  Ausdrucks  und  der  Linienführung.  Es  zeigt  sich  hier  eine  ähn- 
liche Ungleichheit  wie  auch  bei  den  poetischen  Werken  des  ungeheuer 
fruchtbaren  Mannes.  Der  Gesamteindruck  ist  aber  doch  ein  recht  er- 
freulicher. Hans  Sachs  war  auch  als  Komponist  eine  respektable  Person« 
llchkeit.  Eine  isolierte  Erscheinung  ist  er  unter  seinen  Zunftgenossen  aber 
auf  musikalischem  Gebiete  nicht  gewesen,  wenn  er  auch  in  erster  Reihe 
steht.  Sein  Meisterstück  ist  zweifellos  die  Sil  her  weise.  Es  folge  hier 
die  Melodie  mit  dem  Originaltext.  Die  Noten  sind  unter  Vermeidung  der 
wechselnden  C-Schlüssel  des  Originals  im  Basschlüssel  gesetzt.  Die 
Koloraturen  sind  durch  kleine  Noten  unter  Bögen  gegeben.  Man  denke 
sich  das  Ganze  im  Tempo   eines  kraftvollen   evangelischen  Chorals.     Die 


^)  Es  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  einer  weiteren  Auseinandersetzung  über  diesen 
Punkt.  Ich  verweise  auf  meine  demnächst  erscheinende  grössere  Publikation  über 
das  Singebuch  Ad.  Puschmans  und  die  Melodieen  des  H.  S.—  Htuptsichlich  sind 
die  Melodieen  durch  falsche  Schlüssel  entstellt. 


33 

MONZER:  HANS  SACHS  ALS  MUSIKER 


Melodieen  sind  aber  ohne  Takteinteilung  aufzufassen.  Die  Silben  haben 
gleiche  Zeitwerte,  doch  können  unbetonte  immerhin  etwas  verkürzt  sein. 
Die  Verzierungen  (Koloraturen)  haben  theoretisch  nur  den  Wert  einer  un- 
verzierten  Silbe,  doch  darf  ein  tempo  rubato  angewendet  werden,  auch 
brauchen  die  einzelnen  Töne  einer  solchen  geblümten  Silbe  selbst  bei 
gleichen  Notenwerten  nicht  genau  gleichlang  genommen  zu  werden.  So 
wird  man  die  erste  Silbe  dehnen  dürfen,  um  die  ausdrucksvolle  Phrase 
zur  Geltung  zu  bringen,  während  man  die  vier  Noten  auf  «dem*  leichter 
nehmen  wird.  Es  gab  für  die  Ausführung  keine  feste  Regel,  als  die  Be- 
stimmung, dass  jeder  Vers  in  einem  Atem  gesungen  werden  musste.  Am 
Ende  jedes  Verses  tritt  eine  Fermate  ein.  Man  denke  eben  an  den  evan- 
gelischen  Choral,  so  wird  man  sich  leicht  hineinfinden.  Die  Melodieen 
4er  Meistersänger  sind  unbegleitet,  doch  empfiehlt  es  sich  für  den  Anfang, 
einige  einfache  Harmonieen  hinzuzunehmen.  Man  wird  von  der  Wucht 
und  Kraft  dieser  wahrhaft  schönen  Melodie  überrascht  sein: 


Silberweise  des  Htns  Stchs  (ntch  der  Zwicktuer  Htndschrift  M  2) 


m 


1.  Sal  -    -Ive    ich  gras  dich  scho-ne 

2.  AI    -    - 1 1er  btrm-hert-zi  -   kei  -  te 


m 


jS: 


iU      ^ 


(«) 


leit     all      vnser      hoffnung 


^ 


2l 


-Cd. 


± 


1.  Rex  chris-te     in    dem 

2.  Am    hei-ltnd  man  dich 

0'  ^   ^   g^^ 


i=4=2E 


3l=a= 


-O- 


.a. 


thro-ne 
sei  -  te 


:a: 


Salve     Christo    wir  grussen  dich 
<g    g — — fi — ^ 


^^-^Sg^^ 


1.  der    du      tregest       die    Kro  -  ne 

2.  tn     vn  -  Sern    letz-ten     zei  -  te 


#— *- 


m 


1 


ZE 


2SE 


-^ 


^ 


Ein      herr  himel    vnd   erdterich 


ßt      o  ^ 


1.  mi      - 

2.  vns 
Abgestng 

Q: 


se  -  ri  •  cor  -  di  -  e 
hiir-lich  bei  -  ge  -  ste 


Gtr  hoch   in     Hie -rar    -    chei-e 


•^• 


2z: 


-^■ 


:s: 


^gF=g 


IS 


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«*- 


Sa 


m 


vi  -  ta     dul  -  ce  -  de    bist  fur-war 

^  ,      (i) 


o   ^ 


221 


m 


Ad    te      christe    gar 
::5 — 7g^ 


frei-  e 


:ZL 


ISL 


:ä: 


i9- 


ZC 


des     lebens       vrespniag 


P 


ff        Q- 


-ZL 


-t^ 


IBi. 


-^- 


rJO. 


Et    spes  nostra  wan   an   dir   gar 


m 


Cla  -  ma-mu8  wir      stets  schreie 
^^    ff 


la: 


Ig^^ 


Hillf     vns  auss    allem      wee 


Es  fallt  ohne  weiteres  die  Obereinstimmung  oder  Ähnlichkeit  der  zweiten 

resp.  vierten  Zeile  mit  einer  Stelle  aus  dem  Lutherliede  «Ein'  feste  Burg" 
V.  19  3 


34 
DIE  MUSIK  V.  19. 


auf.  Nun  ist  diese  Sachs-Melodie  früher  komponiert  als  der  Choral  Luthers, 
Auch  hat  der  grosse  Reformator  bekanntlich  dem  Meistersang  nicht  fem 
gestanden.  Veranlasste  er  doch  einen  ihm  bekannten  Prediger  Wenceslaus 
Link  in  Nfimberg  für  ihn  sammeln  zu  lassen:  «alle  Deutsche  bilde,  reymen, 
lieder,  bücher  Meistergesenge  .  .  denn  er  habe  Ursach,  warum  er  sie  gern 
hette'.  Allein  es  wäre  irrig  zu  glauben,  dass  Luther  darum  etwa  dieses 
Motiv  gar  aus  Sachs  entlehnt  habe.  Das  wäre  eben  so  absurd,  wie  die 
Annahme,  dass  Luther  seinen  Choral  aus  Fragmenten  des  katholischen 
Kirchengesanges  zusammengeflickt  habe.  Überdies  kommt  das  Motiv  sehr 
oft  vor  Hans  Sachs  vor,  bei  mindesten  20  verschiedenen  Meistern.  Es  ist 
eine  beliebte  Schlusswendung,  die  bald  mehr  bald  weniger  prägnant  heraus» 
gearbeitet  —  bei  Hans  Sachs  besonders  kraftvoll  und  bewusst  auftritt.. 
Weniger  die  notengetreue  Übereinstimmung  selbst,  als  die  Ähnlichkeit  des 
Charakters  der  Meistersingermelodie  mit  der  des  evangelischen  Kirchen- 
liedes ist  zu  betonen;  und  diese  Ähnlichkeit  findet  sich  auch  sonst,  bei 
Sachs  wie  bei  anderen  Singern  der  Reformationszeit. 

Wählen  wir  ein  anderes  Beispiel  aus  Sachsens  Tönen;  seine  «Über- 
hoch Bergweise*.  Hier  haben  wir  einen  langen  Text,  der  die  Ungeschick- 
lichkeit der  schlechten  Singer  verspottet  und  dann  Sachsens  Sehnsucht 
nach  einem  grossen  Lehrmeister  ausdrückt.  Die  Melodie  ist  mitunter 
von  eignem  Reize  besonders  bei  der  Stelle:  .merken  lernt  ich  mit  fleisse 
.  .  .  .  der  Thön  mäncherleie  /neue /freue/: 


^ 


-Ä ^ ^_ llgfl-^ 


g     v!^ — ^»^        -^m-^ 


'ZI 


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JQ. ^. 


<»     <g     ^     BH» 


-^ 


mit    süsser    me  -  lo       -       dei  -  e      dem  maister  geh  ich    breise 


grfiss  er    mir  auch  mein         bertze      usw. 

Als  letztes  Beispiel  für  Sachs'  Melodik  führen  wir  hier  die  «Morgen- 
weise* an.  Man  weiss,  welches  ungeheures  Aufsehen  Sachsens  Gedicht  von 
der  Wittenbergischen  Nachtigall  erregte.  Dieses  Hauptwerk  Sachsens  existiert 
in  doppelter  Form:  als  Gedicht,  das  1523  gedruckt  wurde  und  eine  Popu- 
larität sondergleichen  fand  und  als  —  Meisterlied.  Es  ist  unbekannt,^ 
welche  Fassung  die  frühere  ist.  Tatsächlich  aber  hat  man  in  der  Singschule 
Nürnbergs  das  Lied  gesungen  und  zwar  nach  Sachsens  Melodie  der  Morgen- 
weise. Hier  der  Anfang  der  «Wittenbergisch  Nachtigall"  mit  ihrer  Melodie,, 
so  viel  mir  bekannt  zum  erstenmal  wieder  vereint: 


35 

MONZER:  HANS  SACHS  ALS  MUSIKER 


Die  NachtigaU 

In  der  Morgenweiae  Htns  Stchsens 


1^!      "» 


jOl 


£ 


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Wtcbt  tuf  wicht  auf    es  tt  -  get 


Ein  ntch  -  ti  -  gal    die      wa 


get 


T^ 


§ 


ir    Stirn    mit   suessem    hal 


^    •^ 


JUL 


■«■ 


ir   thon  durch   dinget   perg    vnd        thal 


^ 


^  ^  i>ü   "^V^^^^ 


die  mor-gen-ret  her     zi 


chet      usw. 


Das  Gedicht  ist  sehr  ausgedehnt  und  ergeht  sich  sehr  bald  in  Ver- 
gleichen und  Anspielungen,  die  uns  nicht  mehr  ohne  weiteres  verständlich 
sind.  Wagner  hat  in  den  »Meistersingern*  fOr  seinen  Choral  die  Fassung 
des  —  nichtgesungenen  —  Spruchgedichtes  als  Text  gewählt  Die  hier  ge- 
gebene Version  wie  die  Melodie  konnte  ihm  schwerlich  bekannt  sein. 

Sachsens  .Morgen weise*  ist,  wie  wir  leicht  sehen,  einfacher  als  seine 
Silberweise  und  gehört  überhaupt  zu  den  schlichteren  Melodien  des 
Meisters,  dennoch  ist  sie  nicht  ohne  Würde.  Sachs  wählte  wohl  gerade 
aus  Gründen  der  leichteren  Verbreitung  diese  einfache  Melodie.  Dass  er 
auch  kühnere  Weisen  ersinnen  konnte,  zeigt  uns  seine  Silberweise  und 
manche  seiner  übrigen  Melodieen.  Er  stellte  auch  als  Musiker  seinen 
Mann.  Was  aber  er  und  seine  schlichten  Zunftgenossen  sangen,  das  war 
bei  aller  Einfachheit  doch  ein  gewaltig  Lied,  das  Wiederhall  fand.  Der 
Meistersang  gehörte  mit  zu  dem  vielstimmigen  Sturmliede  der  Reformation  t 
Glücklich  die  Zeit,  wo  der  Handwerker  ein  Dichter  und  Musiker  war, 
der  einfiel  mit  seiner  Stimme  in  den  Freiheitskampf  der  Zeit.  Glücklich 
die  Zeit,  wo  die  Tonkunst  eine  lebende  wirkende  Macht  war  im  Leben 
eines  Volkes.  Heut  singen  die  «Meister*  aus  Wolkenkuckuksheim  —  wer 
aber  singt  das  Lied  unserer  Zeit,  unseres  Kampfes? 


PAUL  MOOS:  Richard  Wagner  als  Ästhetiker,  Versuch  einer  kritischen  Darstellung. 
Verlag:  Schuster  &  Loeifler,  Berlin  und  Leipzig  1906. 
Die  Wagnerliteratur  wird  noch  immer  so  sehr  von  einseitigen  Tendenzen  beherrscht» 
dass  man  es  jedesmal  mit  besonderer  Freude  hervorheben  muss,  wenn  sie  um  ein  Werk 
vermehrt  wird,  das  sich  bemüht,  objektiv  zu  sein.  Diese  Eigenschaft,  die  gar  keiner 
Erwihnung  bedfirfen  sollte,  besitzt  z.  B.  G.  Adlers  ,,  Richard  Wagner*,  und  ebenso 
ist  das  vorliegende  Buch  durch  sie  ausgezeichnet.  Alle  auf  die  Kunst  bezuglichen 
Äusserungen  Wagners,  die  naturgemlss  den  grössten  und  wichtigsten  Teil  seiner 
Schriften  bilden,  werden  darin  kritisch  beleuchtet.  Dagegen  wird  das,  was  er,  wenn  auch 
im  engsten  Zusammenhang  mit  seinen  ästhetischen  Anschauungen,  über  ausserkünst- 
lerische  Gebiete,  namentlich  über  Religion  und  Staat,  zu  sagen  hatte,  mit  Recht  in  der 
Regel  nur  referierend  behandelt  Die  Darstellung  ist  nicht  systematisch,  sondern  chrono- 
logisch, was  den  grossen  Vorteil  gewährt,  dass  uns  der  Entwicklungsgang  des  Ästhetikers 
Wagner  zu  klarer  Anschauung  kommt. 

Wie  Moos  stets  nach  Möglichkeit  auch  die  nicht  in  den  gesammelten  Schriften 
veröffentlichten  Aufeitze  berücksichtigt,  so  behandelt  er  in  der  Einleitung  Wagners 
Jugendarbeiten  und  rechnet  dann  als  erste  Periode  seiner  eigentlichen  schriftstellerischen 
Tätigkeit  den  Aufenthalt  in  Paris,  1839—42.  Schon  die  Besprechung  der  AuMtze  bis 
zum  Ende  dieser  Periode  gibt  uns  den  Schlüssel  zum  Verständnis  einer  Tatsache  in  die 
Hand,  die  den  Leser  unseres  Buches  oder  der  Wagnerschen  Schriften  zunächst  in 
höchstes  Erstaunen  versetzen  muss,  der  Tatsache  nämlich,  dass  Wagner  sehr  häufig  in 
späteren  Äusserungen  das  gerade  Gegenteil  von  dem  behauptet,  was  er  früher  gesagt 
hat,  ohne  diese  Meinungsänderungen  zu  begründen,  ja  wohl  ohne  sie  selbst  zu  bemerken. 
Wie  er  zu  Anfang  seiner  Dirigentenlaufbahn  unter  dem  Einfiuss  des  »jungen  Europa*, 
welches  das  Schlagwort  „Emancipation  des  Fleisches*  ausgegeben  hatte,  einseitig  und 
z.  B.  mit  Verkennung  Webers  dem  Melodieenzauber  der  italienischen  Oper  huldigt,  wie 
er  später  in  Paris  zwar  die  deutsche  Kirchen-  und  Instrumentalmusik  begeistert  feiert, 
aber  der  französischen  Oper,  der  ja  auch  sein  „Rienzi*  nachgebildet  war,  den  Vorrang 
vor  der  deutschen  einräumt  und  zum  Heil  der  dramatischen  Musik  eine  künstlerische 
Verbrüderung  beider  Nationen  herbeisehnt,  wie  er  sich  kurze  Zeit  darauf  mit  Ekel  und 
Empörung  von  der  französischen  Oper  abwendet  und  nun  auch  Weber  zu  würdigen  weiss, 
so  erschien  ihm  während  seines  ganzen  Lebens  alles,  was  ihn  gerade  künstlerisch  oder 
persönlich,  kurz,  gefühlsmässig  beschäftigte,  zugleich  als  das  Allgemeingültige  und  Not- 
wendige, ja  als  das  einzig  Berechtigte.  Wollte  man  diesen  eigenartigen  Zug,  diese  bei 
einem  Künstler  nicht  verwunderliche  Vorherrschaft  des  Gefühles  und  Willens  gegen  den 
analysierenden  Verstand  nicht  zugeben,  so  wäre  man  genötigt,  Wagner  den  Vorwurf  zu 
machen,  er  habe  mit  Bewusstsein  seine  Fahne  nach  dem  Winde  gedreht.    Aber  dieser 


37 
NEUE  WAGNER-LITERATUR 


Vorwurf  muss  von  einem  Manne,  der  seine  künstlerischen  Ziele  mit  so  unbeirrter  und 
rficlcsichtsloser  Konsequenz  verfolgte,  machtlos  abprallen. 

Als  die  reifsten  Arbeiten  der  ersten  Periode  sind  wohl  der  novellistisch  einge- 
kleidete Aufsatz:  »Ein  glQcklicher  Abend*  und  die  Abhandlung  »Ober  die  Ouvertüre*  zu 
betrachten.  In  ersterem  betont  Wagner  die  absolute  Selbstlndigkeit  der  Instrumental- 
musik und  die  Zwecklosigkeit  aller  Ausdeutungsversuche,  ein  Standpunkt,  dem  er  später 
leider  nicht  treu  blieb.  In  dem  Aufsatz  über  die  Ouvertüre  führt  er  aus,  diese  sollte  ein 
idealer  Prolog  sein  und  daher  das  Drama  nicht  vorwegnehmen,  sondern  nur  im  allge- 
meinen charakterisieren,  etwa  durch  einen  rein  musikalischen  Konflikt  und  seine  Lösung. 
Als  Beispiel  nennt  er  u.  a.  die  Ouvertüre  zu  »Don  Juan*,  will  aber  seltsamerweise  ihre 
langsame  Einleitung  nicht  als  Vorbereitung  auf  den  tragischen  Schluss  der  Oper  gelten 
lassen,  da  sie,  wie  er  meint,  in  diesem  Falle  am  Ende  der  Ouvertüre  stehen  müsste. 
Man  sieht  hieraus,  dass  er  trotz  der  vorher  ausgesprochenen  richtigen  Ansichten  doch 
zu  sehr  geneigt  ist,  dem  Gange  eines  Tonstückes  aussermusikallsche  Vorstellungsreihen 
unterzulegen. 

Ohne  diese  Neigung  wire  es  ihm  auch  nicht  möglich  gewesen,  der  3.  Leonoren- 
ouverture  darum  eine  Sonderstellung  anzuweisen,  weil  sie  nicht  mehr  ein  idealer  Prolog 
sei,  sondern  das  Drama  selbst  gebe;  Beethoven,  dessen  dramatischem  Genie  der  Fidelio- 
tezt  nicht  entsprechend  gewesen  sei,  habe  gleichsam  notgedrungen  die  ganze  dramatische 
Gewalt  in  die  Ouvertüre  verlegt.  Mit  Recht  bekimpft  Moos  diese  von  Wagner  auch 
spiter  vertretene  Auffiusung;  denn  derartiges  ist  in  der  reinen  Instrumentalmusik  über- 
haupt nicht  möglich,  und  Wagner  wurde  zur  Konstruktion  des  prinzipiellen  Gegensatzes 
zwischen  der  Leonoren-  und  etwa  der  Don  Juanen verture  ofTenbar  nur  durch  die  michtigere 
Wirkung  veranlasst,  die  erstere  auf  ihn  ausübte.  Aber  darin,  dass  das  Trompeten- 
signal in  demselben  Sinne  ein  rein  musikalisches  Element  sei  wie  die  in  die  Ouvertüre 
verwebte  Stelle  aus  der  Arie  Florestans,  kann  ich  Moos  nicht  beistimmen.  Auch  hat  die 
Ouvertüre  ihren  Namen  nicht  deshalb,  weil  sie  ausschliesslich  Leonore  charakterisieren 
soll,  sondern  weil  die  Oper  nach  Beethovens  ausdrücklichem  Wunsch  nicht  Fidelio, 
sondern  Leonore  heissen  sollte  und  zu  der  Zeit,  als  die  drei  C-dur-Ouverturen  entstanden, 
auch  so  hiess.  Ein  Hinweis  auf  Wagners  Faustouverture,  die  ja  während  der  Pariser 
Zeit  entstand,  wire  vielleicht  angebracht  gewesen. 

Sehr  wichtig  ist  die  Novelle  »Eine  Pilgerfahrt  zu  Beethoven*,  weil  sich  hier  zum 
erstenmal  die  von  Wagner  seitdem  immer  wieder  verfochtene  Ansicht  ausgesprochen 
findet,  Beethoven  habe  mit  dem  Schlussatze  der  9.  Symphonie  gezeigt,  dass  er  die  reine 
Instrumentalmusik  bis  an  ihre  ftusserste  Grenze  geführt  habe  und  nun,  um  das  Höchste, 
das  ihm  verschwebte,  auszudrücken,  genötigt  gewesen  sei,  zum  Wort  und  zur  Menschen- 
stimme zu  greifen.  Schon  hier  widerlegt  Moos  diese  Ansicht,  die  übrigens  heute  wohl 
nur  noch  von  wenigen  aufrecht  erhalten  wird.  Sie  ist  historisch  falsch,  da  Beethoven, 
weit  davon  entfernt,  die  Komposition  für  Instrumente  aufzugeben,  noch  nach  der  9.  Sym- 
phonie seine  letzten  Quartette  schrieb,  und  sachlich  unbegründet,  da  eine  Kunstgattung, 
die  überhaupt  Wert  besitzt,  zwar  zu  gewissen  Zeiten  in  Verfall  geraten,  niemals  aber 
prinzipiell  erschöpft  werden  kann. 

Nicht  nur  hinsichtlich  'der  Vorgeschichte  des  Musikdramas,  sondern  auch  hinsicht- 
lich seines  Wesens  sind  Wagners  spätere  Gedanken  schon  in  seiner  ersten  Periode  an- 
gedeutet. In  dem  »Bericht  über  eine  Pariser  Oper*  (Hal6vy's  »Königin  von  Zypern*) 
verlangt  er  vom  Textdichter,  er  solle  aus  der  Fülle  seines  Herzens  und  unbekümmert 
um  die  Musik  sein  Drama  schreiben  und  es  dann  einem  guten  Musiker  zur  Komposition 
üt)ergeben;  nur  so  werde  es  diesem  möglich  sein,  die  ganze  dramatische  Kraft  der  Ton- 
kunst zu  entfalten. 


38 
DIE  MUSIK  V.  19. 


Mit   Obergehung  der  Dresdener  Periode,  1842 — 40,  die  fast  susschiiesslich  mit 
künstlerischen  Taten  ausgefüllt  ist,  wenden  wir  uns  sogleich  der  Zürcher  Zeit,  1849— 58, 
zu.    In  den   ersten  Jahren  dieser  Periode  steht  Wagner  auf  dem  Höhepunkt  seiner 
schriftstellerischen   Titigkeit,  namentlich   mit  »Die   Revolution   und  die  Kunst*,  »Das 
Kunstwerk  der  Zukunft*  und  »Oper  und  Drama*,  die  eng  zusammengehören  und  im 
ganzen  als  Kompendium  der  Wagnerschen  Theorieen  zu  betrachten  sind.   Sehen  wir  von 
allen  ausserhalb  der  Kunst  liegenden  Verhältnissen  ab,  die  in  diesen  Schriften  berührt 
werden,  so  sind   es  namentlich   zwei   Hauptpunkte,  gegen   die  sich   Moos   mit   Recht 
wendet   Der  eine  betrifft  Wagners  Ansicht  vom  Wesen  der  Einzelkünste  gegenüber  dem 
ihm  vorschwebenden  Gesamtkunstwerk,  dass  nlmlich  die  ganze  Kunstgeschichte  seit  dem 
Aufhören  des  Gesamtkunstwerkes  der  griechischen  Tragödie  einen  Verfall  darstelle,  weil 
sich  die  Künste  von  einander  getrennt  und  infolge  dieser  »egoistischen  Vereinzelung* 
nur  ein  Scheinleben  geführt  und   nicht  dem  wahren  Volksbedürfais,  sondern  nur  dem 
Luxus  gedient  bitten,  dass  sie  aber  durch  das  neue  Gesamtkunstwerk  überwunden  und 
beseitigt  werden  würden.    Diese  Ansicht  sucht  Wagner  an  jeder  einzelnen   Kunst  zu 
begründen,  und  Moos   folgt  ihm  Schritt  für  Schritt    Sehr  richtig  betont  er,  dass  das 
Bedürfnis  der  einen  Kunst,  in  die  andere  überzugehen,  in  ihr  zur  Erlösung  zu  kommen,  von 
dem  Wagner  fortwährend   spricht,  gar  nicht  vorhanden  ist    Die  Tatsache  z.  B.,  dass 
sich  Musik  und  Poesie  im  Gesang  verbinden,  beweist  nur  die  Möglichkeit  ihrer  Ver- 
einigung, aber  durchaus  nicht,  dass  beide,  solange  sie. für  sich  bleiben,  unbeftiedigend 
wirken.    Die  Instrumentalmusik  ist  keineswegs   so   unbestimmt,  dass  sie,  wie  Wagner 
behauptet,  in  uns  die  Sehnsucht  nach  dem  Worte  erweckt    Was  sie  nicht  gibt,  nimlich 
Vorstellungen,  Begriffe  und  Kausalzusammenhinge,  verlangen  wir  auch  durchaus  nicht 
in   ihr  zu   finden.    Sobald  wir  mit  dem  Gedanken   des  Verschwindens  der  einzelnen 
Künste  Ernst  machen,  wie  es  Wagner  tatsichlich  fordert,  fühlen  wir,  wie  unendlich  arm 
wir  werden,  wie  wir  uns  im  strengsten  Sinne  des  Wortes  unersetzlicher  Güter  berauben 
würden.   Vielleicht  bitte  Moos  die  durch  nichts  anderes  ersetzbare  Eigenart  jeder  Kunst 
und   jeder   isthetischen    berechtigten    Kunstgattung   stirker   herausarbeiten    und    tiefer 
begründen  können.   Dann  wire  er  wohl  Wagner  nicht  einmal  so  weit  entgegengekommen, 
im  Drama,  beziehungsweise  im  Musikdrama  zwar  nicht  die  einzig  berechtigte,  aber  doch 
die  höchste  Kunstform  zu  erblicken. 

Der  zweite  Punkt,  dem  er  nicht  beistimmen  kann,  ist  die  Behauptung,  dass  im 
Gesamtkunstwerk  alle  Künste  gleichberechtigt  und  mit  voller  Entfaltung  ihrer  Eigenart 
zusammenwirken  könnten  und  müssten.  Er  weist  nach,  dass  die  Architektur  überhaupt 
nicht  ins  Drama  einbezogen  wird,  da  der  Theaterraum  ebensowenig  zu  dem  auf  der 
Bühne  Dargestellten  gehört  wie  der  Bilderrahmen  zum  Gemilde,  dass  die  Plastik  höchstens 
eine  ganz  gelegentliche  und  untergeordnete  Rolle  spielen  kann,  wenn  man  sie  nicht,  wie 
Wagner,  mit  der  Gebirdenkunst  verwechselt,  und  endlich,  dass  auch  die  schönste 
Dekorationsmalerei  der  wirklichen  Malerei  und  namentlich  derjenigen,  die  Menschen 
darstellt,  nicht  gleichkommt 

Viel  enger  ist  selbstverstindlich  die  Verbindung  zwischen  Tanz-  oder  Gebirden- 
kunst, Poesie  und  Musik.  Hier  bestreitet  Moos  nur,  dass  erst  die  Musik  die  Gebirde  ver- 
stindlich  mache;  vielmehr  sei  diese,  wo  es  sich  um  den  Ausdruck  von  Gedanken  und 
Gefühlen  handle,  nach  dem  Wort  das  geeignetste  Mittel.  Mit  Wagners  Ansichten  über  das 
Zusammenwirken  von  Poesie  und  Musik  scheint  Moos  einverstanden  zu  sein,  wenn  er  es 
auch  auf  Grund  moderner  musikgeschichtlicher  Forschungen  als  Irrtum  zurückweist,  dass 
die  Oper  von  Anfang  an  unter  Vernachlissigung  ihres  dramatischen  Gehaltes  nur  nach 
Entfaltung  der  Musik  gestrebt  habe,  und  dass  die  hier  und  da,  so  bei  Mozart,  wirklich  voll- 
zogene Vereinigung  von  Musik  und  Drama  gleichsam  nur  dem  Zufall  zu  verdanken  sei. 


39 

NEUE  WAGNER-LITERATUR 


Wagner  will  der  Ton-  und  Dichtkunst  im  Musikdrama  völlige  Gleichberechtigung 
«inriumen,  neigt  aber  in  der  Regel  dazu,  die  Musik  der  Poesie  unterzuordnen.  In 
Wahrheit  fibt  überall  da,  wo  sich  eigentliche  Musik  und  Poesie  vereinigen,  die  erstere 
•die  stirkere  Wirkung  aus.  Dieser  nun  einmal  gegebenen  und  aus  der  Natur  der  beiden 
Künste  nicht  schwer  zu  erklärenden  Tatsache  muss  Rechnung  getragen  werden.  Sobald 
wir  den  Eindruck  gewinnen,  dass  das  stärker  Wirkende  dem  schwächer  Wirkenden 
untergeordnet,  d.  h.  in  der  ihm  naturgemässen  Entfaltung  gehemmt  wird,  muss  uns  das 
«Is  Widerspruch,  als  Anomalie  erscheinen.  Eine  ganze  aus  Sekkorezitativen  bestehende 
Oper  wäre  ein  Unding,  da  wir  den  engen  Anschluss  der  Musik  an  die  Sprache  fort- 
während bemerken  und  uns  fragen  würden,  warum  nicht  diese  allein  auftritt,  statt  sich 
des  an  sich  so  wirksamen  musikalischen  Tones  zu  bedienen.  Wo  rezitativische  Bildungen 
angewendet  werden,  da  ist  es,  ausser  vielleicht  in  den  ältesten  Opern,  wirklich  auf  ein 
Herabdrficken,  ja  fast  auf  ein  Beaeitigen  der  Musik  zugunsten  des  Wortes  abgesehen. 
Würde  tatsächlich,  wie  Wagner  will,  die  Gesangsmelodie  aus  der  Sprach-  und  Versmelodie 
hergeleitet,  so  erhielten  wir  eben  nur  solche  herabgedrückte  Musik. 

Zudem  ist  trotz  allem,  was  bis  auf  den  heutigen  Tag  über  die  Obereinstimmung 
von  Text  und  Musik  geredet  wurde,  noch  nie  gezeigt  worden,  worin  diese  im  Gegen- 
satz zu  der  vorwagnerischen  Praxis  eigentlich  bestehen  soll.  Selbst  in  rezitativischer 
Form  lassen  sich  die  gleichen  Worte  verschieden  komponieren,  ohne  dass  man  sagen- 
könnte, welche  Komposition  mit  Notwendigkeit  aus  der  Sprach-  oder  Versmelodie  her- 
vorgegangen sei.  Von  einer  neu  gefundenen  Gesetzmässigkeit  kann  also  nicht  die  Rede 
sein.  Vielmehr  wird  es  in  betreff  der  Verbindung  von  Sprache  und  Musik  im  Gesang 
wohl  bei  der  durchaus  nicht  neuen  Erkenntnis  sein  Bewenden  haben,  dass  bei  sprach- 
und  sinngemässer  Wortbetonung  und  bei  richtiger  Einhaltung  der  gedanklichen  Gliederung 
des  Textes  die  Musik  die  in  demselben  gegebene  Stimmung  zu  vertiefen  und  dabei  ihren 
eigenen  Gesetzen  zu  folgen  hat.  Auch  die  Unterschiede  zwischen  eigentlichem  Gesang 
und  allen  Arten  des  Rezitatives  liegen  innerhalb  dieser  Grenzen.  Allerdings  bekämpft 
Moos  die  Entwicklung  des  Wagnerschen  Prinzipes  aus  einer  angenommenen,  der  Ursprache 
innewohnenden  Melodie,  nicht  aber  das  Prinzip  selbst. 

Wenn  Wagner  die  Vertiefung  und  Weiterführung  der  im  Text  gegebenen  Stimmungen 
dem  Orchester  zuweist,  so  spricht  er  auch  damit  nichts  Neues  aus.  Auch  lässt  es  sich 
sehr  wohl  denken,  und  kommt  häufig  genug  vor,  dass  uns  eine  Melodie  mit  einfachster 
Begleitung  den  tiefsten  Stimmungsgehalt  des  Textes  offenbart.  Also  auch  hier  haben 
wir  es  nicht  mit  ästhetischen  Notwendigkeiten,  sondern  nur  mit  Möglichkeiten  zu  tun. 
Ebenso  ist  der  Verzicht  auf  die  verschiedenen  Formen  der  Arie,  auf  Wortwiederholungen, 
auf  Ensemblesätze,  auf  den  Chor,  wo  er  nicht  handelnd  auftritt,  durchaus  kein  Gesetz, 
sondern  wieder  nur  eine  Möglichkeit,  deren  Verwirklichung  sich  von  Fall  zu  Fall  im 
Kunstwerke  selbst  zu  rechtfertigen  hat.  Nicht  anders  verhält  es  sich  mit  der  Verwendung 
von  Erinnerungs-  und  Leitmotiven. 

Auch  für  die  dramatische  Dichtung  und  für  die  Wahl  der  Stoffe  stellt  Wagner  keine 
Gesetze  auf,  sondern  verallgemeinert  nur  sein  persönliches  Verfahren;  doch  können  wir 
es  letzt  dem  Leser  des  vorliegenden  Werkes  oder  der  Wagnerschen  Schriften  überlassen, 
sich  selbst  davon  zu  überzeugen.  Nur  darauf  sei  in  Obereinstimmung  mit  Moos  hin- 
gewiesen, dass  sich  Wagner  täuscht,  wenn  er  meint,  seine  Dichtungen  seien  unabhängig 
von  dem  Zweck,  komponiert  zu  werden,  geschaffen.  Im  Gegenteil  ist  mindestens  in 
ihren  Stoffen  und  in  ihrer  Gesamtanlage  die  Rücksichtnahme  auf  ihre  musikalische 
Verwerttmg  deutlich  zu  erkennen,  was  Wagner  gelegentlich  auch  selbst  zugibt. 

Als  einen  wesentlichen  Vorzug  der  in  Rede  stehenden  Schriften  hebt  Moos  die 
Schärfe  der  Kritik  hervor;  denn  bekanntlich  besass  Wagner  für  die  inneren  Mängel  und 


40 

DIE  MUSIK  V.  19. 


Schwichen  der  Oper«,  die  er  vorfand,  und  für  die  Schäden  des  Theaterbetriebes  eineo 
überaus  feinen  Bliclc 

Noch  gar  vieles  wire,  bald  zustimmend,  bald  ablehnend,  zu  sagen,  um  der  Fülle 
des  von  Moos  dargebotenen  und  namentlich  auch  der  Besprechung  der  Schriften  aus  den 
beiden  letzten  Perioden,  1858—65  und  von  da  bis  zu  Wagners  Tode,  1883^  gerecht  zvt 
werden;  doch  wollen  wir  uns  damit  begnügen,  dem  Ästhetiker  Wagner  in  seinen  AndngeD 
und  auf  seiner  Höhe  an  der  Hand  unseres  Buches  gefolgt  zu  sein.  Moos  hat  mit  diesem 
Werke  nicht  nur  eine  Lücke  seiner  ^Modernen  Musikisthetik*,  sondern  auch  eine  solche 
der  Wagnerliteratur  ausgefüllt  Es  ist  geeignet,  viel  Irrtum  und  Verwirrung  aus  der 
Welt  zu  schaffen;  doch  sollte  man  ihm  mit  derselben  Freiheit  des  Urteiles  begegnen,, 
deren  sich  sein  Verftisser  Wagner  gegenüber  befleissigt  hat.  Freilich  muss  ich  offen 
bekennen,  dass  mir  die  Ausbeute  an  isthetischer  Erkenntnis,  die  sich  aus  Wagners 
Schriften  gewinnen  llsst,  nicht  eben  gross  zu  sein  scheint. 

Dr.  R.  Hohenemser 
HENRY  T.  FINCK:  Wagner  und  seine  Werke.   Deutsch  von  Georg  v.  Skal.  2.  Auf!, 
Verlag:  Schottlaender,  Breslau. 

Ober  das  nunmehr  schon  in  zweiter  Auflage  vorliegende  Werk  von  Finck  mag 
man  inhaltlich  denken  wie  man  immer  will;  eines  ist  unbedingt  und  rückhaltlos  an* 
zuerkennen:  der  ungeheure  Fleiss,  mit  dem  der  Verfasser  sein  Material  gesammelt  und 
mit  dem  er  dieses  auch  verwertet  und  verarbeitet  hat  Er  liefert  uns  eine  umfassende 
Lebensgeschichte  des  Meisters,  eine  eingehende  Würdigung  seiner  Schöpfungen  im 
einzelnen  und  er  kommt  auf  Wagners  Persönlichkeit,  sein  Wesen  und  seine  Eigentüm- 
lichkeiten sowie  auf  die  Zeitgenossen  und  Zeitverhftltnisse  so  oft  und  so  gründlich  zu 
sprechen,  dass  —  um  so  mehr  als  auch  die  Stellung  Wagners  In  der  Gesamtentwicklung 
der  Kunstgeschichte  gebührend  gekennzeichnet  und  festgehalten  worden  ist  —  sein  Werk 
wohl  als  eins  der  vielseitigsten  und  inhaltsreichsten  Wagnerbücher  bezeichnet  werden 
kann.  «Noch  nie  ist  ein  Künstler  so  angefeindet  worden  wie  Wagner;  noch  nie  sind 
über  einen  Menschen,  ausser  vielleicht  einen  Staatsmann,  so  viele  Lügen  verbreitet 
worden"  —  dies  ist  (S.  XI)  Fincks  Standpunkt,  der  seinen  Bekenner  zu  strengster 
Objektivität  nötigt;  mit  Recht  sagt  der  Verfasser  an  einer  anderen  Stelle,  bei  Wagner 
seien  Kunst  und  Leben  so  innig  miteinander  verwachsen,  dass  eine  Biographie  Wagner» 
zugleich  eine  Geschichte  seiner  Kunstwerke  sein  müsse.  Die  Lektüre  der  den  einzelnen 
Werken  gewidmeten  Kapitel  war  für  mich  wahrhaft  ein  Genuas.  Sie  beschrinken  sich 
keineswegs  etwa  auf  eine  Zusammenfassung  schon  bekannten  Materials,  sondern  enthalten 
eine  Fülle  selbstlndiger  Urteile  und  ebenso  origineller  wie  beherzigenswerter  Bemerkungen. 
So  heisst  es  z.  B.  (S.  207)  von  dem  Schluss  des  zweiten  Aktes  der  «Meistersinger*,  er 
stemple  Wagner  zu  einem  der  phantasiereichsten  und  poesievollsten  Dramatiker,  wXhrend 
ein  Meyerbeer  wahrscheinlich  den  Akt  mit  der  Prügelszene  «effektvoll'  geschlossen  hittCr 
Oder:  «Vor  Wagners  Zeiten  wurde  es  als  die  höchste  Errungenschaft  eines  musikalischen 
Genies  betrachtet,  nicht  einmal  eine  ganze  Symphonie,  sondern  nur  einen  symphonischen 
Satz  so  zu  komponieren,  dass  seine  Themen  logisch  entwickelt  und  verbunden  sind. 
Hier  haben  wir  aber  eine  vierstündige,  in  allen  ihren  Teilen  organisch  verbundene 
symphonische  Partitur.  Man  bedenke,  wie  viel  mehr  Genialitit  für  Formen  dazu 
erforderlich  ist,  als  zur  Komposition  eines  Satzes  einer  Symphonie,  und  man  überlege, 
wie  viel  mehr  Verstand  nötig  ist,  um  die  Bedeutung  einer  solchen  Tat  zu  fassen  und 
das  Wunderbare  in  ihr  zu  begreifen,  als  um  sich  einfach  von  einer  Reihe  von  Opern- 
melodien,  die  von  einer  Orchesterguitarre  begleitet  werden,  die  Ohren  kitzeln  zu  lassen  I* 
Wie  wohl  tun  solche  goldenen  Worte  dem  Herzen  im  Vergleich  zu  den  reichlich  angeführten 
zeitgenössischen  Kritiken!    Dem  köstlichen  Unsinn  Hanslicks,  «Beckmessers  der  Musik- 


41 
NEUE  VAGNER.LITERATUR 


geschichte  an  der  Wiener  Universitit*  (S.  214),  dem  die  Meistersinger  »das  Ende  aller 
Musik*  bedeuteten,  schliessen  sich  die  Beschimpfungen  Max  Kalbeclcs  an  (S.  388),  der 
Wagner  einen  «Vereinsmeier,  Reklameheld,  Rinkeschmied,  Skandal  macher  und  Sektierer" 
nannte.  Gewiss  hat  Finck  mit  seiner  Begründung  Recht,  wenn  er  sagt,  er  habe  so  viele 
von  den  tadelnden  Kritiken  der  Zeitgenossen  in  sein  Buch  aufgenommen,  weil  es  nur 
gerecht  sei,  sich  jetzt  über  jene  lustig  zu  machen,  die  sich  damals  über  Wagner  lustig 
zu  machen  suchten,  und  weil  diese  Kritiken  wie  guter  Wein  mit  jedem  Jahre  köstlicher 
werden.  Der  Humor  kommt  überhaupt  bei  Finck  sehr  oft  zur  Geltung,  und  das  erhöht 
den  Wert  seines  Buches,  dem  trockene  Nüchternheit  ebenso  geschadet  bitte  wie  unab- 
lissige  begeisterte  Bewunderung.  Wer  sich  über  den  kleinen  Druck,  die  alte  Orthographie 
und  einzelne  kleine  Mingel  der  Obersetzung  hinwegzusetzen  vermag  —  und  das  ist  ja 
leicht  —  wird  auch  aus  dieser  Ausgabe  Anregung  und  Belehrung,  Stimmung  und  Freude 
in  Fülle  schöpfen  können. 

MAX  CHOP:  Richard  Wagners  »Tristan  und  Isolde*.  Geschichtlich,  szenisch  und 
musikalisch  analysiert.  Verlag:  Reclam,  Leipzig. 
Die  vorliegende  Einführung  in  Wagners  »Tristan  und  Isolde*  zerfillt  naturgemiss 
in  drei  Abteilungen.  Die  erste  von  diesen,  »Die  Vorgeschichte  von  ,Tristan  und 
Isolde'*  betitelt,  behandelt  die  Entstehungs-  und  Aufführungsgeschichte  von  Wagners 
Werk,  wobei  Wagners  Beziehungen  zu  Mathilde  Wesendonk  gebührend  berücksichtigt 
werden  und  auch  der  »Tristan*  des  Gottfried  von  Strassburg  einer  knappen  Inhalts- 
wiedergabe gewürdigt  wird.  Im  zweiten  Abschnitt  findet  sich  eine  Szene  für  Szene  fort- 
schreitende Inhaltsangabe  der  Handlung  von  Wagners  Werk  —  auch  hier  eine  schöne 
Unmittelbarkeit  der  Darstellung  und  eine  Herzlichkeit  der  Sprache,  die  auch  denjenigen, 
dem  damit  nichts  neues  gesagt  werden  kann,  fesseln  oder  doch  erfreuen  muss.  Dass 
der  Literarhistoriker  hier  und  da  mit  einer  Kleinigkeit  nicht  einverstanden  sein  kann, 
flUlt  den  grossen  Vorzügen  der  Darstellung  gegenüber  nicht  allzusehr  ins  Gewicht:  so 
wird  z.  B.  auf  S.  15  Gottfried  »der  rheinische  Dichter*  genannt,  wihrend  wir  über  seinen 
wirklichen  Wohnort  so  gut  wie  gar  nichts  überliefert  haben,  oder  auf  S.  30  dem  Liebestrank 
eine  symbolische  Bedeutung  zugemessen,  die  er  nach  germanischer  Vorstellung  ebenso- 
wenig besitzen  kann  wie  der  Vergessenheitstrank,  den  die  Gibichungen  dem  Sigurd  reichen 
lassen.  Der  Hauptteil  des  Werkes  ist  das  dritte  Kapitel,  das  sich  mit  Wagners  Musik 
beschiftigt  und  nach  einer  dem  Wesen  des  Musikdramas  prichtig  gerecht  werdenden  Ein- 
leitung eine  der  Handlung  schrittweise  folgende  motivische  Erklirung  enthilt  Diese 
Erklirung  hilt  auf  das  schönste  die  Mitte  zwischen  einer  rein  musikalischen  und  einer 
rein  isthetischen  Analyse  und  verbindet  die  Psychologie  in  vollendeter  Weise  mit  der 
Erliuterung  des  musikalischen  Ausdrucks.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  schon  dieser 
letzte  Abschnitt  an  und  für  sich'  das  Büchlein  für  den  Laien  ebensosehr  wie  für  den 
Wagnerkenner  lesenswert  mache.  Dr.  Egon  v.  Komorzynski 

HUGO  L.  BRAUNE:  Richard  Wagners  Bühnenwerke  in  Bildern  dargestellt. 

I.  Tannhiuser.    II.  Tristan  und  Isolde.    Verlag:  Siegels  Musikalienhandlung 

(R.  Linnemann),  Leipzig  1906. 
Richard  Wagners  Werke  enthalten  wundervolle  Bilder,  die  auch  dem  Maler  und 
Zeichner  reiche  Anregung  bieten.  Lange  Zeit  mussten  wir  uns  mit  sehr  minderwertigen 
»Wagnergallerien*  und  »Wagnerwerken*  begnügen.  Auch  die  von  Ludwig  IL  für  seine 
Schlösser  befohlenen  Bilder  aus  Wagners  Dramen  und  ihren  mittelalterlichen  Quellen 
sind  ohne  künstlerischen  Wert.  Erst  seit  kurzer  Zeit  ist  ein  Umschwung  zum  Besseren 
erfolgt.    Wirkliche  Künstler  modemer  Richtung  haben  sich  verstindnisvoU  der  schönen 


42 
DIE  MUSIK  V.  19. 


Aufgabe  angenommen.  Allbekannt  sind  die  stimmungsvollen  Bilder  von  Hermann 
Hendrich,  die  man  gern  in  einer  Sammelmappe  vereinigt  sehen  wfirde.  1808  erschien 
das  «Rheingold*  von  Wilhelm  Weimar  (bei  Georg  Wigand  in  Leipzig).  Dann  sind  die 
bei  Fischer  und  Franke  erschienenen  «Meistersinger"  von  Barlösius  und  «Tristan*- und 
«Parsifal'-Blitter  von  Franz  Stassen  als  hervorragende  künstlerische  Leistungen  zu 
rühmen.  Auch  Hans  Thoma  stellte  sich  mit  seinen  Figurinen  zum  «Ring%  mit  seinem 
Wotanskopf  und  seiner  Gralsburg  in  den  Dienst  der  Wagnerschen  Kunst. 

Im  neuesten  Bilderwerk  von  Hugo  L.  Braune  sollen  sämtliche  Dramen  in 
einzelnen  Heften  zu  je  10  Blättern  behandelt  werden.  «Tannhäuser*  und  «Tristan*  liegen 
bereits  vor,  der  »Ring*  wird  bald  folgen.  Braune  gibt  keine  Szenenbilder,  vielmehr  gestaltet 
er  in  freier  Weise  seine  eignen  Eindrücke.  Gerade  in  ihrer  Selbständigkeit  beruht  der 
Wert  solcher  Nachbildungen.  Der  «Tannhäuser*  scheint  mir  besser  gelungen  als  der  «Tristan*, 
der  aber  zum  heurigen  Festspiel  besonders  gelegen  kommt.  Im  «Tannhäuser*  ist  nament- 
lich die  Landschaft  sehr  schön  und  stimmungsvoll.  Der  «Tristan*  bietet  nicht  soviele  dank- 
bare äussere  Umwelt,  da  die  ganze  Handlung  nach  innen  verlegt  ist.  Es  gilt  also,  die 
Seele  zu  erfassen  und  ins  Bild  zu  bannen.  Dazu  müssten  die  Personen  bedeutender, 
grösser,  eigenartiger  gehalten  sein.  Oberhaupt  sollte  der  Künstler  die  einzelnen  Helden- 
bilder noch  klarer  und  tiefer  erschauen.  Bisher  ist  mehr  die  Umgebung  wirkungsvoll 
dargestellt.  Unter  den  Tristanblättern  gelangen  die  Meerfahrt  (1),  der  Liebestrank  (4), 
der  Liebestraum  (6),  der  sieche  Tristan  (9),  Tristans  und  Isoldens  Tod  (10)  für  meine 
Empfindung  am  besten.  Hier  waltet  die  rechte  Stimmung  im  Ganzen  und  Einzelnen. 
Sehr  schön  ist  die  sinnbildlich  stilisierte  Umrahmung  der  einzelnen  Bilder,  z.  B.  die 
weissen  Schwäne,  die  das  Brautschiff  umschweben,  und  die  schwarzen  Schwäne,  die  mit 
Todesfittichen  das  letzte  Bild  beschatten.  Die  Bilder  sind  in  verschiedenartigem  leichten 
Farbenton  gehalten,  aus  dem  die  Zeichnung  in  feiner  Abstufung  hervortritt. 

Der  Ausstattung  gebührt  volles  Lob.  Diese  Mappen  besitzen,  den  übrigen  Bilder- 
werken gegenüber,  den  Vorzug  der  Billigkeit  (3  Mark  für  das  Heft),  und  werden  darum 
gewiss  grosse  Verbreitung  finden.  Jedes  einzelne  Drama  erscheint  für  sich  abgeschlossen ; 
alle  Hefte  zusammen  werden  eine  stileinheitliche  Gesamtdarstellung  ergeben,  wie  sie  in 
dieser  Vollständigkeit  und  Reichhaltigkeit  bisher  noch  nicht  versucht  wurde. 

RICHARD  STERNFELD:  Richard  Wagner  und  die  Bayreuther  Bühnenfest- 
spiele. Bd.  1  und  2  (Deutsche  Bücherei  No.  47/8),  Berlin  1906. 
Gute  Wagnerschriften  sind  überaus  selten.  Denn  dazu  gehören  streng  wissen- 
schaftliche Kenntnisse,  künstlerische  Empfindung  und  klare  Darstellung.  Alle  diese  Eigen- 
schaften besitzt  Stemfeld.  Darum  ist  er  ein  zuverlässiger  Führer  zum  Gral.  Die  hier 
vereinigten  Aufsätze  sind  in  verschiedenen  Zeitschriften,  teilweise  auch  in  der  «Musik* 
bereits  gedruckt.  Aber  man  liest  sie  mit  neuer  Freude  in  bequemer  Sammlung.  Sie 
sind  ein  trefflicher  Beitrag  zur  Erkenntnis  des  Wagnerschen  Gedankens.  Die  wohlfeilen 
Bändchen  sollten  recht  weit  verbreitet,  namentlich  von  allen  Festspielbesuchem  fleissig 
gelesen  werden.  Nur  sollten  sie  besser  ausgestattet,  namentlich  auf  besserem  Papier 
gedruckt  sein,  was  wohl  trotz  des  billigen  Kaufpreises  möglich  gewesen  wäre. 

EIN  BLICK  IN  DIE  GEISTESWERKSTATT  RICHARD  WAGNERS.  Von  einem  geist- 
lichen Freunde  des  Meisters  von  Bayreuth.  Berlin  1904,  Nagel  &  DursthoflP. 
Das  kleine  Büchlein  enthält  persönliche  Erinnerungen  des  Verfassers,  der  im 
Sommer  1865  kurze  Zeit  mit  Wagner  verkehrte.  Der  ungeheure  Eindruck,  den  der  Genius 
auch  auf  Femstehende  mit  bezwingender  Gewalt  ausübte,  wirkt  in  diesen  anspruchs- 
losen Blättern  nach.    Wagner  war  damals  mit  dem  Parzival  beschäftigt,  dessen  erster 


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NEUE  WAGNER-LITERATUR 


Entwurf  aus  dem  April  1857  stammt,  und  der  auf  des  Königs  Wunsch  im  August  1865 
wieder  aufgenommen  wurde. 

Der  Meister  war  in  tiefernster  Stimmung,  ganz  versunlcen  in  Betrachtung  des  Welt- 
leides und  des  leidenden  Heilands.  Der  geistliche  Herr  schreibt:  »er  hatte  mir  ein  Rltsel 
aufgegeben,  denn  dieser  Seufzer  des  Daseins  fing  an,  mich  lebhaft  zu  beschäftigen,  weil 
ich  sein  EfgriflPensein,  sein  vollstXndiges  Beherrschtsein  von  diesem  Gedanken  sah.* 
«Es  war  der  Parzivalgedanke,  der  sich  des  ganzen  Wagner  bemächtigt  hatte,  der  sein 
Wesen  durchdrang,  von  dem  er  sich  ergriflPen  fQhlte.*  „Wagner  unterrichtete  sich  ein- 
gehend fiber  die  geringsten  Einzelheiten,  fiber  Sinn  und  Bedeutung  der  Zeremonien,  über 
den  szenischen  Aufbau  der  Messe.  Wiederholt  Hess  er  sich  die  Prftfationen  vorsingen, 
kurz  es  war,  als  ob  er  Messelesen  lernen  wollte.  Besonders  interessierte  es  ihn,  den 
Moment  zu  erfahren,  in  welchem  man  die  Verwandlung  sich  vollziehend  denke,  und  ft'agte, 
ob  den  Gläubigen  nicht  ein  ,Frissonnement',  ein  Schauderfrösteln,  ergreife,  wenn  er  vor 
dem  in  Gott  Umgewandelten  stehe.*  Ich  glaube,  damals  gewann  der  «die  Kristallschale 
von  oben  erhellende  Lichtstrahl"  Gestalt  und  Leben,  den  wir  bei  der  Gralsfeier  im  ersten 
und  dritten  Aufzug  als  ergreifenden  Höhepunkt  vernehmen. 

Ober  Wagners  Verhältnis  zum  König  spricht  der  Verfasser  S.  171?.  Damals  ent- 
stand der  Gedanke  der  Parzivalburg  Neuschwanstein  fiber  der  Schwanritterburg  Hohen- 
schwangau.  Der  König  ward  im  vertrautesten  Kreise  Parzival  genannt.  Als  der  Meister 
den  »Parsilal*  1877  in  der  Dichtung  vollendete,  »wandelte  der  gekrönte  Parzival  immer 
dunklere  Bahnen,  immer  tiefer  verlor  er  sich  in  die  Irrgänge  des  dichten  Forstes,  in 
dessen  Mitte  der  Gralstempel  steht,  ohne  ihn  finden  zu  können." 

Auch  sonst  bietet  die  kleine  Schrift  gute  Beobachtungen,  z.  B.  über  Wagners  viel- 
besprochenes Mfinchener  Heim:  »alles,  was  ich  sah,  überstieg  nicht  im  geringsten  das, 
was  ein  wohlhabendes  Bürgerhaus  sich  ohne  Bedenken  gestattet.  Das  einzig  Hervor- 
stechende war  der  Eindruck,  dass  in  Einrichtung  und  Ausstattung  jedes  einzelnen  Raumes 
eine  zweckbewusste  Wahl  müsse  massgebend  gewesen  sein.  Gedämpfte  Ruhe,  vornehme 
Einftchheit,  solide  Grundlage,  Fehlen  jedes  Scheines  und  Flitters." 

Der  geistliche  Verfasser  weicht  nirgends  von  dem  ihm  pflichtmässigen  Standpunkte 
ab,  er  beugt  sich  aber  in  Ehrfurcht  vor  der  ernsten  Grösse  des  Meisters.  Und  darum 
ist  uns  sein  Zeugnis  besonders  wertvoll. 

ERNST    MEINCK:    Friedrich    Hebbels    und    Richard    Wagners    Nibelungen- 
Trilogieen.   Ein  kritischer  Beitrag  zur  Geschichte  der  neueren  Nibelungen- 
dichtung (Breslauer  Beiträge  zur  Literaturgeschichte,  herausgegeben  von  Max 
Koch  und  Gregor  Sarrazin.'  V.  Band).    Max  Hesses  Verlag,  Leipzig  1005. 
Ich  habe  Meincks   Buch  bereits  in  den  »Studien   zur  vergleichenden   Literatur- 
geschichte" von  M.  Koch  (Band  VI  S.  130if.)  ausftihrlich  angezeigt  und  kann  hier  nur 
wiederholen,  dass  ich  den  Ansichten  des  Verfassers  in  der  Hauptsache  beistimme,  aber 
Hebbels  Nibelungen  viel  schärfer  verurteile.    Ich  halte  Hebbels  Drama  für  ein  völlig 
verfehltes  Literaturprodukt,  weil  dem  Autor  jedes  Verständnis  für  die  Sagenüberlieferung 
im  Ganzen  und  im  Nibelungenlied  mangelt,  weil  seine  Gestaltungskraft  für  diesen  Stoff 
gänzlich  versagt  und  auch  die  Sprachform  äusserst  platt  und  roh,  jedenfalls  ganz  und 
gar  stillos  ist.     Somit  würde  ich  nimmermehr  Wagner  und  Hebbel   mit  einander  ver- 
gleichen.   Sie  haben  nichts  miteinander  gemein.    Man  suche  andre  Masstäbe  für  Hebbel, 
am  besten  Ibsens  «nordische  Heerfahrt".    Unsere  Literarhistoriker  gefallen  sich  ja  immer 
in  Vergleichen  zwischen  Hebbel   und  Ibsen.    Freilich   besteht  Hebbel  dabei  geradeso 
schlecht,  denn  Ibsens  Dramatisierung  der  Sigurdsage  ist  den  unglücklichen  Nibelungen 
unendlich  überlegen.    Ibsen  kennt  die  Sage  sehr  gründlich,  gewinnt  inneres  Verhältnis 


44 
DIE  MUSIK  V.  19. 


zu  ihr  und  ist  ein  tiefBinniger,  gestaltungsmichtiger  und  wirldlch  schöpferischer  Dichter, 
der  bei  seiner  Erneuerung  keine  widerwärtigen  Geschmacldosigkeiten  begeht. 

RICHARD  WAGNER  TO  MATHILDE  WESENDONK.  Translated,  prefiiced  etc.  by 
William  Ashton  Ellis.  Verlag:  H.  Grevel,  London  1905. 
Die  englische  Bearbeitung  der  Wesendonkbriefe  verdient  auch  bei  uns  ernstliche 
Beachtung  durch  die  ausgezeichnete  Einleitung  und  die  sehr  vermehrten  zum  Teil  vor- 
trefflichen Anmerkungen.  Die  Einleitung  gibt  eine  sehr  gute  Charakterschilderung  von 
Frau  Minna,  von  Otto  und  Mathilde  Wesendonk.  Gerade  die  Schilderung  von  Frau 
Minna,  die  auf  Briefe  und  andere  Urkunden  sich  gründet,  ist  zum  Verstindnis  vieler 
Einzelheiten  hochwichtig  und  durchaus  wahrheitsgetreu.  Aus  sorgsam  gesammelten 
Briefstellen  sucht  Ellis  femer  so  genau  als  nur  irgend  möglich  den  Verkehr  Wagners 
mit  Wesendonks  vom  Januar  1852  bis  zum  Abschied  aus  Zürich  festzustellen.  Die  kleinen 
Zettel  und  Briefe  1—55  sind  alle  zeitlich  geordnet  und  demnach  anders  gezihlt  als  in 
der  deutschen  Ausgabe.  Ellis  erkannte,  dass  im  Brief  61,  der  nicht  in  Urschrift,  sondern 
nur  in  Frau  Wesendonks  Abschrift  erhalten  war,  Bruchstücke  von  zwei  Briefen,  einem 
aus  dem  Dezember  1858  und  vom  2.  März  1859  vorliegen.  Brief  111  und  112  wurden 
mit  Recht  umgestellt.  Die  künftigen  deutschen  Ausgaben  werden  von  den  sicheren  Er- 
gebnissen der  überaus  gründlichen  englischen  Bearbeitung  manchen  Gewinn  ziehen. 
Einige  Male  schiesst  freilich  Ellis'  Scharfsinn  übers  Ziel,  z.  B.  wenn  er  (S.  9.  Anmerkung^ 
die  Tatsache  bezweifelt,  dass  der  Parzival  im  April  1857  aufgezeichnet  wurde  und  dafür 
einfach  April  1858  ansetzt!  Zur  «Vorbemerkung  der  deutschen  Ausgabe*  trigt  die  eng- 
lische Bearbeitung  S.  373  nach:  »So  Mathilde's  legacy  has  been  fulflUed;  the  wish  of 
Richard  Wagner  also,  —  for  the  Originals  exist  no  longer.* 

ALICE  LEIGHTON  CLEATHER  AND  BASIL  GRUMP:  Tristan  and  Isolde,  an  Inter- 
pretation embodying  Wagner's  own  explanation.  Verlag:  Methuen,  London  1905. 
Das  Buch  sucht  in  ansprechender  Weise  zu  einem  tieferen  Verstindnis  des  Tristan 
anzuleiten,  indem  poetische  und  musikalische  Erliuterung  mit  einander  vereinigt  sind. 
Eine  kurze  allgemeine  Einleitung  bestimmt  den  Grundgedanken  des  Dramas  als  die  Ver- 
schmelzung des  Liebes-  und  Todesverlangens,  wodurch  das  Drama  gänzlich  von  der 
Weltanschauung  der  übrigen  Tristangedichte  sich  absondert  und  vielmehr  auf  den  Boden 
der  östlichen,  indischen  und  persischen  Philosophie  und  Dichtung  tritt.  Dann  folgt  eine 
ausführliche  Darstellung  des  motivischen  Aufbaus,  wobei  soweit  als  nötig  auch  die 
Partitur,  nicht  bloss  der  Auszug  herangezogen  wird.  Sehr  gut  werden  Wagners  eigne 
Aussprüche  zur  Erklärung  herangezogen,  um  willkürliche  Auslegung  zu  meiden  (vgl.  z.  B» 
S.  30  und  S.  140  ff.  über  das  Blickmotiv,  dessen  Bedeutung  sich  darnach  bemisst,  dass 
Wagner  aus  dem  Auge  den  Charakter  herauslas).  Die  Anordnung  des  Buches  dürfte 
etwas  besser  sein.  In  Preface,  Introduction  und  Appendix  ist  manches  verzettelt,  was  zu 
einer  Geschichte  des  Tristandramas  übersichtlich  zusammengefasst  werden  konnte.  Man 
hat  den  Eindruck,  dass  zu  dem  Hauptstück  der  Erläuterung  des  Dramas  einige  Anmerkungen 
flüchtig  zusammengerafft  wurden.  Sehr  irreführend  ist  auf  S.  31  die  Bezeichnung  Markes 
als  vgood  old  king*. 

E.  MICHOTTE:    Souvenirs   personnels.      La  visite  de   R.  Wagner  ä   Rossini 
(Paris  1860).  Details  in^dits  et  commentaires.  Verlag:  Fischbacher,  Paris  1906. 
Nach   den  Konzerten   im  Januar  und  Februar   1860  besuchte  Wagner  den  hoch- 
betagten Rossini,  der  damals  allverehrt  in  Paris  weilte.   Von  der  Presse  waren  angebliche 
sarkastische  Urteile  Rossini's  verbreitet  worden.    Die  freundschaftliche  Aussprache  klärte 


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NEUE  WAGNER-LITERATUR 


darfiber  auf,  dass  hier  nur  böswillige  Erfindungen  in  Umlauf  gesetzt  worden  waren. 
Wagner  gewann  von  Rossini  den  Eindruck  des  ersten  wahrhaft  grossen  und  verehrungs- 
wfirdigen  Menschen,  der  ihm  bisher  in  der  Pariser  Kunstwelt  begegnet  war.  Von  diesem 
Besuche  wussten  wir  bisher  aus  Wagners  Erinnerung  an  Rossini,  die  1868  nieder- 
geschrieben wurde  und  im  8.  Band  der  Gesammelten  Schriften  abgedruckt  ist  (vgl.  dazu 
Glasenapp  II,  2  S.  245/7).  Michotte  wohnte  dieser  Unterredung  bei  und  machte  sich  aus- 
f&hrliche  Notizen,  die  er  nun  veröffentlicht.  Der  Gedankengang,  ja  der  Wortlaut  des 
Gespriches  ist  genau  aufgezeichnet  Zuerst  führt  Rossini  das  Wort  und  erzählt  von 
seinem  VerhUtnis  zur  deutschen  Musik,  insbesondere  von  einem  Besuch  t>ei  Beethoven. 
Hernach  sucht  Wagner  in  kurzen  Sitzen  die  Grundzfige  des  musikalischen  Dramas  zu- 
sammenzudringen.  Geschickt  und  taktvoll  passt  er  sich  dem  Verstindnis  seines  Zu- 
hörers an  und  setzt  ihm  auseinander,  worin  seine  kfinstlerischen  Absichten  von  den 
Gewohnheiten  der  Oper  abwichen. 

Wir  sind  Michotte  dankbar,  dass  er  diese  Aufzeichnungen  von  1860  jetzt  allgemein 
zuginglich  machte.  Wenn  sie  auch  inhaltlich  nichts  neues  bringen,  so  bieten  sie  doch 
das  an  und  f&r  sich  sehr  wertvolle  Zeugnis  der  unmittelbaren  Wiedergabe  eines  Ge- 
spriches Richard  Wagners.  Neben  den  Briefen  sind  die  Gespriche  die  ursprünglichste 
und  lebendigste  Quelle  zur  Kenntnis  eines  grossen  Mannes.  Aber  die  Aufzeichnung 
mnss  sofort  unter  frischem  Eindruck  und  streng  sachlich  erfolgt  sein.   Das  trifft  hier  zu. 

Prof.  Dr.  W.  Golther 

RICHARD  FRICKE:  Bayreuth  vor  dreissig  Jahren.  Erinnerungen  an  Wahnfried 
und  aus  dem  Festspielhause.  Verlag:  Richard  Bertling,  Dresden  1906. 
Wohl  nur  einem  kleinen  Teil  derer,  die  Richard  Wagners  gigantisches  Nibe- 
lungenwerk 1876  in  Bayreuth  bei  seiner  Erstaufführung  selbst  miterlebten,  wird  es 
noch  vergönnt  sein,  jetzt  nach  Verlauf  von  drei  Dezennien  zu  den  diesjihrigen  Fest- 
spielen wieder  seinen  Weg  zu  lenken,  und  so  mancher  der  damals  an  der  Ausführung 
des  Werkes  Mitschaffenden  ist  inzwischen  auch  in  das  Jenseits  hinübergegangen.  Viele 
aber  gibt  es,  die  auf  die  bedeutsamen  Tage  jener  Zeit  noch  zurückdenken  können,  und 
diesen  sowohl  wie  der  ganzen  grossen  Wagoergemeiode  von  heute  wird  es  von  Interesse 
sein,  Aufzeichnungen  kennen  zu  lernen,  die  damals  frisch  und  warm  unter  dem  Eindruck 
des  soeben  Erlebten  tiglich  zu  Papier  gebracht  wurden.  Diese  Aufzeichnungen  erschienen 
soeben  im  Druck  in  Buchform  unter  dem  Titel:  „Bayreuth  vor  30  Jahren",  herausgegeben 
aus  dem  Nachlasse  des  herzoglichen  Balletmeisters  Richard  Fricke  in  Dessau.  Fricke, 
der  vor  wenigen  Jahren  verstorbene  85jihrige,  eine  der  populiren  Figuren  innerhalb  der 
deutschen  Künstlerwelt  wihrend  einer  Reihe  von  Jahrzehnten,  war  einer  der  treuesten 
Helfer  Richard  Wagners  bei  der  Inszenierung  und  Erstaufführung  des  »Ring  des  Nibelungen*. 
Seine  Bayreuther  Eindrücke  und  Erlebnisse,  die  er  in  einem  Tagebuche  hinterliess,  werden 
hier  nach  dem  Manuskript  der  Öffentlichkeit  übergeben.  Die  originelle  und  humorvolle 
Art  Frickes  lisst  ihn  seine  Erinnerungen  ebenso  packend  lebhaft,  als  getreu  in  allen 
Einzelheiten  wiedergeben,  und  plastisch  tritt  dem  Leser  vor  Augen,  wie  sich  um  den 
Meister  mit  seinem  Stabe  1876  in  Bayreuth  die  Hochflut  der  Arbeit  einerseits,  anderer- 
seits aber  auch  die  Künstlergeselligkeit  dort  abspielte,  bis  der  Augenblick  kam,  wo  das 
mit  Spannung  erwartete  Ereignis  eine  Tatsache  geworden.  Alle  Zeitgenossen  und  Mit- 
arbeiter am  Werke  werden  an  diesen  Erinnerungen  Frickes  ihre  helle  Freude  haben,  und 
für  die  Charakteristik  und  Person  Wagners  bilden  sie  einen  neuen  interessanten  und 
wertvollen  Beitrag.  Ausser  einem  Bilde  Frickes  und  vier  faksimilierten  Widmungen  von 
Wagners  Hand  sind  dem  Buche  zehn  an  Fricke  gerichtete  und  bisher  noch  ungedruckte 
Briefe  Wagners  beigefügt.  Richard  Wanderer 


HANS  VON  WOLZOGEN:  Richard  Tagoer.  —  27.  Blndcbea  der  von  Paul  Reraer 
herauBfegebcDen  MonograpbJeensitntnlDnc  Die  Dichtung.  Verlag:  Schnater 
&  Loeirier,  Berlin  nnd  Leipzig  1905. 
Der  Name  dei  Amors  bfirgt  fQr  die  GGte  der  kleinen  Monographie.  Hana  Ton 
Tolzogen  stellt  als  Schrihsteller  eine  ao  eigenartige  Mischnng  von  obfektlver  Tahr> 
haftlgkeit  und  aubjektlver  Begeisterung  vor,  daas,  wer  Ihn  kennt,  aelne  Schriften  auch 
ungenannt  als  die  aeinigen  bestimmt  herausfinden  oder  vielmehr  heranafGhlen  kSnnie. 
Woliogen  Ist  ein  feat  In  sich  abgeachlossner  Charakter  mit  ausgetprocfaener  (Bapreulher) 
Weltanschauiing  und  klarem  Zlelbewnsatseln,  ein  Kimpfbr  mit  unerschrockenem  Male, 
aber  versShnllchem  Henen,  ein  deutscher  Mann,  der  mit  blankem  Schilde  und  edlen 
TalFen  frei  und  kühn  für  den  Idealismus  und  fQr  die  aua  diesem  geborene  Kunst  streitet 
Fflgt  man  noch  hinzu,  daia  er  schon  In  jungen  Jahren  von  Wagner  aelbat  nach  Barrenth 
berufen  wurde  und  faat  ao  lange  es  Bayrenther  Festspiele  gibt,  au  den  Intimen  des 
Hanaes  Tahnfried  gehOrt,  so  wird  wohl  ein  Jeder  davon  Oberzeugt  sein,  daaa  man  kaum 
einem  Besseren  die  An^be,  Richard  Tagner  als  Dichter  zu  behandeln,  anvertrauen 
konnte  als  gerade  Ihm.  Die  Oberzeugnng,  dass  der  Bayreuther  Melater  ein  dramallscber 
Dichter  allerersten  Ranges  war,  bat  sich  noch  viel  zu  wenig  Bahn  gebrochen  —  dank 
onsem  tintekiesenden  saecallsl  —  und  es  ist  daher  sehr  verdlenatllcb,  dleae  Tatsache 
BDch  einmal  der  groaseo  Menge,  so  weit  sie  sich  gebildet  nennt,  zu  beweisen.  Spitere 
Generationen  werden  allerdings  nicht  mehr  bezweifeln,  dass  Richard  Tagner  für  die 
germaniache  Kultur  eine  ebenso  grosie  geistige  Macht  bedeutet  wie  Homer  einst  für  die 
griechische,  dais  er  als  Dramatiker  Shakespeare  ebenbürtig  Ist  und  das  von  Goethe  und 
Schiller  ersehnte  und  versuchte  deutsche  Idealdrama  mit  Vollendung  krOnte:  für  die 
grosse  Masse  Ist  er  aber  heute  noch  Immer  nichts  als  ein  bedeutender  Opern komponlstl 
Dass  derartige  achiefe  Analcbieo  nicht  ewig  beatehen  bleiben,  dafür  aorgen  solche  aua- 
geieichneten  B&cher  wie  da«  vorliegende  In  vorzfigllcber  Telae.  Tir  raten  daher  allen 
Leaem  dringend,  die  kleine  Ausgabe  nicht  zu  scheuen  und  das  Buch  sich  xu  kaufen, 
und  wollen  hier  nur  noch  die  Oberachriften  der  einzelnen  Kapitel  anfOhrea.  Sie  Unten; 
^Der  Dichter  dea  mualkallachen  Dramas",  .Der  ,Verdichler'  des  Stoffes',  .Der  Dichter 
der  Sphiren',  .Der  Dichter  des  Geheimnisvollen*,  .Der  Dichter  der  Gestalten",  .Der 
Dichter  der  Bilder*,  .Der  Dichter  der  Charaktere",  .Der  Dichter  der  Form". 

Kart  Mey 


^  "'  '  R'i»  dritten  Male  —  aictast  Buel  tmd  Frankrurt  --  hatte  Icta  Gelefenbell, 
A  der  jlbrlichea  Heerachau  dea  LIazi  aeine  Gr&adunf  Terdankeaden 
"1  I  Zentral  Organa  der  leltgenAaalacben  deutachen  Tonknnat  anzuwohnen.  Ich 
2J  velas  nicht,  ob  Ich  der  einzige  geweaes  bin,  der  etwaa  herabgeailmmt 
V  die  dleallhrlge  FeatatadI  Eiaeo  verluien  hat;  mochte,  wai  dai  Auaier- 
llcbe  bctrilfi,  der  etwas  politelrerleroiiailge  PrlludiumatoD  des  Geschlfiibureaui  auch 
durch  die  sonatige  LlebenawGrdlgkelt  des  gaatgebenden  Ortea  weit  gemacht  worden 
■ein,  BO  war  doch  die  Istbetlache  Anaheute  der  Tage  keine  solche,  «n  der  das  Heu 
—  und  dieses,  nicht  der  kühle  Verstand  soll  doch  wohl  das  Hauptorgan  des  Kana^ 
empSodens  sein  —  sich  bitte  laben  kSnnen,  von  der  eine  frohe  Erioncning  dem 
Heimkehrenden  nachklingen  mochte.  ,Du  holde  Kunsf  —  was  lat  aus  dir  ge- 
wordenl  „Heiter",  so  verlangte  dich  ein  Scblller,  der  groaae  Tragfide;  dies 
Tort,  das  dem  ,ErBat"  and  der  aSireoge"  des  Kunitbakulus  von  heute  ein  solcher 
Greuel  Ist,  mSchte  Ich  efomsl,  wie  ich  glaube,  nicht  wider  den  Sinn  aelnes  Urhebers, 
mit  .erhellend',  .aurklirend"  Interpretieren.  Eine  Leuchte  aoll  der  Kflnatler  sein, 
deren  Strahlen  uns  sein  und  unser  eigenes  Innere  mit  seinen  HBben  und  Tiefen, 
seinen  Blumentrirten  und  nsckten  Gesteinen  durchglfitaen  und  erscfaliessen.  Tamm 
aber  wirkt  das  Licht  der  Heutigen  Dur  lu  oft  wie  ein  flackerndes  Irrlicht,  das  für  den 
Augenblick  blenden  kann,  lulettt  aber  doch  nur  den  Sumpf  beleuchtet,  dem  es  ent- 
quollen? Vor  allem,  meinem  Gefühle  nach,  deshalb,  well  der  Kunst  und  Ihren  Jflogem 
gar  zu  sehr  der  Zusammenbang  mit  dem  wahren  Fühlen  und  Sinnen,  dem  Suchen 
und  Sebnen  dea  beaseren,  nicht  nur  des  paranoiachen  Teiles  der  Mitwelt  verloren 
gegangen  Ist,  und  sie  sich  statt  dessen  der  Spielerei  mit  technischen  Problemen, 
Künsten  und  Reizen  überantwortet  bat,  die  beatenrails  die  Sinne  kitzeln,  nie  aber  die 
Seele  mit  jenem  .urkrlAigen  BetaBgen'  erfüllen  kSnnen,  daa  als  atlrkendea  und  er- 
hebendes Elixier  Ibr,  die  müden  Schwingen  belebend,  eininflSsaen  der  Kunst  eigenstes 
und  hehrstes  Ziel  ist.  Es  ist  ja  derselbe  Zug,  der  such  die  ScbweaierkGnste  nieder- 
drückt, der  die  Trostlosigkeiten  eines  Hauptmann,  Strlndberg,  Heyermans  erieugtf 
der  nnaere  Bildhauer  Impotent  macht,  einen  jungen  Goethe  darzuaiellen,  der  einen 
Liebermann  mit  seinem  bifiden  Wahlspruch  .l'srt  pour  l'art"  lu  dem  ebenso  freveln 
wie  anmessenden  Tort  begelstlosen  konnte:  .in  der  Kunst  lat  die  Form  allea,  der 
Inhalt  nichtsi'  Tebe  der  Nation,  deren  geistige  Nahrung  nach  diesem  Rezept  lu- 
bereltet  wird!     Und  Fluch  denen,  die  ea  zulassen,  dass  aolche  Grundsitie,  gleich  den 

■)  Obwohl  vir  dem  Verfsaser  nicht  in  alten  Punkten  beipBIchten  kSnnen,  so 
hallen  vir  es  doch  für  angemeaaen,  getreu  unaerer  Devlae:  Frelea  Tort  jeder  Partei^ 
die  Beaprecbung  elnea  modernen  Musikfestes  auch  einmal  von  diesem  subjektiven 
Geeichtspankt  aus  erSrtert  in  sehen.  Redaktion  der  BMusIk" 


48 
DIE  MUSIK  V.  10. 


Gewohnheiten  der  Nahrungsmittelfilschery  durch  stete,  unwidersprochene  Wieder- 
holung vor  der  Öffentlichkeit,  sUmlblich  das  Odium  ihrer  Verlogenheit  einbfissen 
und  jene  unglaubliche  Verwirrung  im  allgemeinen  Kunsturteil  anrichten  können,  wie 
wir  sie  heute  beobachten.  Ich  kann  der  sogenannten  ,pFachkritik"  den  Vorwurf  nicht 
ersparen,  dass  ihre  Vertreter,  vielleicht  ohne  es  zu  wissen,  viel  zu  sehr  nach  der 
Tabulatur  einer  gewissen  Richtung  beckmessern  und  in  ganz  einseitiger  Berfick- 
sichtigung  und  Würdigung  rein  technischer  Gesichtspunkte  im  Begriff  sind,  selbst 
gerade  in  das  Zunftregeltum  zu  versinken,  das  sie  theoretisch  zu  perhorreszieren  sich 
den  Anschein  geben.  Lesen  Sie  einmal  Wagners  Meistersingertext  im  Hinblick  auf 
solche  Gedanken,  meine  Herren,  beachten  Sie  die  köstlichen  Worte,  die  Meister  Sachs 
über  Kunst  und  Volk  zum  besten  gibt,  und  prüfen  Sie  dann,  inwieweit  Sie  der  Grösse 
gerade  dieser  AufAMsung  stets  gerecht  geworden  sind,  und  nicht  vielmehr  bald  den 
Stolzingschen  Oberschwang,  bald  die  in  Mode  befindlichen  Regeln  (welche  das  sind, 
ist  ja  wohl  gleichgültig)  als  das  einzig  wahre  gepriesen  heben.  Man  möge  es  mir 
nicht  verübeln,  wenn  ich  als  Kunstfreund  es  als  einen  Vorzug  betrachte,  ausser  einer 
leidlichen  musikalischen  Bildung  noch  einen  anderen  Beruf  zu  pflegen,  der  wie 
vielleicht  kein  zweiter  dazu  helfen  kann,  die  Elemente  der  Musik  sowohl  wie  ihre 
physiologischen  und  geistigen  Wirkungen  auf  den  Einzelnen  wie  auf  die  Masse  zu 
studieren  und  abzuwigen.  Die  Kunstkritik  wird  nur  dann  ihre  eminent  kulturwichtige 
Aufgabe  ganz  erfüllen  können,  wenn  sie  neben  denen,  die  als  reine  Fachleute  das 
Technische  in  seinen  Feinheiten  verfolgen  mögen,  auch  über  recht  viele  solcher  Krifte 
verfügt,  denen  die  Stellung  im  Leben  den  vielleicht  weniger  tiefgehenden,  aber  dafür 
mit  weiterem  Horizont  begabten  Blick  für  die  grossen  allgemeinen  Ziele  der  Kunst 
geschärft  hat,  einer  Kunst,  die  als  vornehmstes  Erziehungsmittel,  als  Schönheits- 
religion mehr  sein  soll  als  Artistik,  als  Problemspielerei,  als  Ateliervergnügen.  Wer 
etwa  solche  MusikverstSndige  aus  der  Kunstkritik  als  »Dilettanten*  verbannen  will, 
da  sie  weder  Klavierstunden  geben  noch  Takt  schlagen  und  die  Kunst  nicht  als 
die  milchende  Kuh,  sondern  als  die  hohe  heilige  Göttin  betrachten,  den  brauche  ich 
wohl  nur  an  das  Institut  der  Schwurgerichte  zu  erinnern,  wo  sogar  rechtsunkundige 
Laien  an  der  Schaffung  des  Urteils  mitwirken.  Jeder  nichts-als-Berufsmensch  ver- 
engert seinen  Horizont,  und  in  der  Kunst  wie  in  der  Wissenschaft  haben  recht  oft 
die  Outsider  die  Welt  mit  neuen  Gedenken  bereichert.  Drum  möge  man  überall 
mehr  auf  die  Stimme  der  kunstsinnigen  Gebildeten  achten,  die  das  Verhlltnis 
zwischen  Kunst  und  Volk  besser  wlgen  können,  als  einige  vorlaute  Jünglioge,  denen 
der  Himmel  vielleicht  ein  Fachtalentchen,  aber  sonst  nichts,  bescheert,  und  die  sich 
im  gegenseitigen  Begackern  ihrer  Eier  überbieten:  es  stinde  alsdann  wahrlich  besser 
um  die  echte  Kunst.  Man  verzeihe  die  scheinbare  Abschweifung  dieser  Aus- 
führungen: aber  angesichts  des  ganzen  Tuns  und  Treibens  auf  dem  Kunstmarkt  von 
heute  erscheint  es  gerade  bei  solchen  Gelegenheiten  wahrlich  nicht  überflüssig,  auch 
von  etwas  höherer  Warte  die  Art  des  Gebotenen  und  seiner  Aufnahme  einmal  zu  be- 
trachten. Nur  Toren  werden  meinen  Worten  nichts  als  öden  Konservativismus 
entnehmen.  Im  Gegenteil  —  unsere  Zeit,  unser  Empflnden,  das  in  so  bedeutsamen 
Wandlungen  begriffen  ist,  bedarf  des  Neuen,  diesem  Wandel  folgenden,  oder  auch 
ihm  voraufgebenden;  aber  nur  der  umfassende  Geist,  der  der  strebenden  Menschheit 
dienen  und  leuchten  will  und  nicht  den  Scbrullen  eines  artistischen  Krimskrams  und 
eines  dekadenten  Snobismus,  nicht  der  blosse  Kult  der  Form  oder  auch  der 
Formlosigkeit,  des  iusserlichen  Raffinements  und  der  Sinnenreizuog  oder  -bedubung 
wird  bleibende  Werte  schaffen,  die  als  Marksteine  der  Entwickelung,  die  Formen 
durch  den  Inhalt  adelnd,  Kulturaufgaben  erfüllen  und  in  Ewigkeiten  dauern  werden. 


40 
ALTMANN:  TONKONSTLERFEST  IN  ESSEN 


Wer  von  diesen  Gesichtspunkten  beseelt  die  Orchesterdarbietungen  der  Essener 
Tage  aufnahm,  der  vermochte  in  ihnen  die  Elemente  solcher  Grösse  nicht  zu  ent- 
decken. Einen  recht  Qbeln  Eindruck  musste  schon  das  Süssere  Arrangement  der  beiden 
Abende  machen:  im  ersten  bis  zu  fast  6  stundiger  Dauer  alle  sonstigen  Werke  stillos 
hineingeschachtelt  —  um  den  zweiten,  1  Vt  stundigen,  frei  zu  haben  ffir  den  «Heroen* 
der  modernen  Symphonik,  Gustav  Mab  1er  und  seine  VI.  Symphonie.  Wenn 
das  kein  Personenkultus  ist,  so  weiss  ich  wahrlich  nicht,  was  man  so  nennen  soll. 
Dass  der  Direktor  der  Wiener  Hofoper,  dem  so  ziemlich  alle  Konzertsäle  der  Welt 
heute  zu  jedem  neuen  Werke  offen  stehen,  der  besonderen  Förderung  durch  den 
Verein  nach  Sinn  und  Wortlaut  der  Satzungen  bedarf,  das  werden  ausser  dem  Vor- 
stand nicht  eben  sehr  viele  Mitglieder  als  Notwendigkeit  empfunden  haben.  Ich  habe 
jetzt  4  der  Mahlerschen  Riesenwerke  gehört,  und  meine  Bewunderung  vor  ihnen,  die 
nach  der  c-moll  recht  erheblich  war,  ist  gradatim,  gleich  dem  inneren  Wert  dieser 
Werke,  gesunken.  Es  gibt  Menschen,  deren  mit  breiter  Eloquenz,  mit  technischer 
Gewandtheit  vorgetragenen  Ansichten  man  einen  Abend  hindurch  mit  Vergnügen 
lauscht;  kommen  diese  Leute  aber  immer  wieder  mit  derselben  Weisheit,  nur  in  immer 
auf-  und  vordringlicherer  Form,  mit  immer  grösserem  Aplomb  und  Selbstgefilligkeit, 
mit  immer  lauterem  Vortrag  ihrer  Gemeinplätze,  so  fühlt  man  sich  schliesslich  an- 
gewidert und  geht  ihnen  aus  dem  Wege.  In  dieser  Lage  befinde  ich  mich  allmählich 
Mahler  gegenüber.  Was  er  zu  sagen  hat,  ist  im  Grunde  genommen  immer  dasselbe, 
wie  er  es  aber  sagt,  das  wird  immer  unausstehlicher.  Er  kennt  nur  noch  die  Blech- 
sprache; er  redet  nicht  mit  uns  —  er  brüllt  und  tobt  uns  an,  und  verwundert 
fragt  man:  Wozu  der  Lärm?  Es  gelingt  ihm  nicht,  uns  von  der  inneren  Not- 
wendigkeit des  von  ihm  Gesagten  zu  überzeugen,  vor  allem  wegen  der  ungeschlachten 
Masslosigkeit  seiner  Gebilde.  Goethe  sagt:  »In  der  Beschränkung  zeigt  sich  erst  der 
Meister*,  Mahler  sagt  (oder  tut)  das  Gegenteil,  —  ich  für  mein  Teil  halte  es  mit  Goethe. 
Zunächst  ergibt  wieder  die  Analyse  der  Mahlerschen  Riesenthemen,  dass  sie  entweder 
völlig  nichtssagend  oder  aber  aus  Elementen  fremder  Autoren  zusammengesetzt  sind, 
mit  Umbiegung  einiger  Töne,  geschickter  Verschmelzung  und  Unkenntlichmachung, 
Umrhythmisierung  usw.  —  aber  ihr  Kern  ist  das  Nachempfundene:  Kapellmeistermusik. 
Sodann  aber  hat  man  die  Empfindung:  solche  prägnanz-  und  formlose  Themen  von 
40—60  Takten  kann  man  ad  libitum  fabrizieren,  wenn  man  Lust  dazu  hat,  und  ebenso 
ist  der  Aufbau  der  ganzen  Sätze  vielmehr  ein  Nebeneinander-,  als  ein  Ineinander- 
arbeiten,  ein  organisches,  logisches  Gliedern.  Es  ist  Kilometermusik,  und  die 
ganze  Art  der  Mache,  insbesondere  den  fürchterlichen  Aufwand  an  Mitteln,  möchte 
ich  als  Amerikanismus  bezeichnen,  als  die  Kunst  der  «unbegrenzten  Möglich- 
keiten*. Am  originellsten  ist  Mahler  im  derbkomischen,  grotesken,  sowie  im 
Tanzrhythmus,  wie  er  sich  im  Scherzo  der  Symphonie  zeigt,  das  such  orchestral 
der  interessanteste,  pikanteste  Satz  des  ganzen  Werkes  ist.  Ich  fand  darin  meine 
früheren  Eindrücke  bestätigt,  dass  Mahler  eigentlich  das  Herz  eines  biederen 
Wiener  Operettenkomponisten  hat,  und  dass  er  auf  diesem  Gebiete  vielleicht  sehr 
Hübsches,  Eigenes  und  vor  allem  Liebenswürdiges  hätte  schaffen  können.  So 
aber  plagte  ihn  der  Grössenteufel,  dem  seine  in  der  Tat  erstaunliche  Kombinations- 
und Assimilierungsgabe  zu  Hülfe  kam  und  zwang  ihn,  pathetisch  zu  werden,  da- 
zwischen wohl  auch  süsslich  sentimental,  wie  in  dem  bis  auf  einige  Lichtpunkte 
recht  Übeln  Adagio.  Dazu  hilft  dann  aber  nur  die  Anleihe,  die  zu  verschleiern  der 
Autor  allerdings  gewindt  genug  ist,  die  aber,  in  Ermangelung  des  inneren  Wertes, 
mit  allen  Effektmitteln  des  Orchesters,  vor  allem  mit  den  lärmendsten  Instrumenten, 
unterstrichen  werden  muss,  um  zu   wirken   —   gewiss   kein  Zeichen   ihres  inneren 

V.  19.  4 


50 
DIE  MUSIK  V.  19. 


Vertes  —  wie  es  Menschen  gibt,  die  ihren  Ansichten  dadurch  eine  grössere  Richtig- 
keit zu  vindizieren  glauben,  dass  sie  sie  mit  Stentorstimme  vortragen.  In  diesem 
Grobschmieds-Stil  ist  der  erste  Satz,  ein  recht  gewöhnlich  klingender  langathmiger 
Marsch,  und  vor  allem  das  gigantenhaft-ungeschlachte  Finale  geraten,  das  Irgste 
Lflrmstück,  das  ich  noch  gehört  zu  haben  mich  entsinnen  kann,  und  dessen  stellen- 
weise vielleicht  mit  Kunst  aufgebaute  Organisierung  durch  das  völlig  masslose  Blech- 
werk zur  Unkenntlichkeit  entstellt  wird.  Es  ist  physiologisch  unmöglich,  aus  dieser 
Hlufiing  anhaltender  schreiender  Effekte  noch  etwas  wie  musikalische  Linien  oder 
Formen  herauszuhören,  und  die  Anmaasung,  die  in  dieser  Art  von  Tonsprache  steckt, 
kann  auf  jeden  feiner  Besaiteten  nur  noch  einen  abstossenden  Eindruck  machen. 
Dass  man  in  der  Stadt  der  Dampfhämmer  nicht  so  zart  konstruiert  ist,  bewies  der 
Applaus,  in  den  sich  bei  der  Generalprobe  allerdings  energisches  Zischen  mischte. 
Die  übrigen  Orchesterwerke,  die  der  erste  Abend  brachte,  litten  zum  Teil  an 
allzu  grosser  Einförmigkeit  bzw.  Ähnlichkeit;  es  sind,  wie  schon  angedeutet,  die  gleich- 
artigen Frfichte  des  neudeutschen  programmatischen  Leitmotivstils,  die  sich  im  Grunde 
genommen  —  sogar  bis  auf  die  unvermeidlichen  Violinsoli  —  gleichen  wie  ein 
Straussenei  dem  andern.  Ein  Eingehen  auf  die  Einzelheiten  des  Aufbaus  dieser  Werke 
erübrigt  sich  nach  den  in  Heft  V,  16  der  «Musik*  gegebenen  Erliuterungen.  So  seien  hier 
nur  einige  flüchtige  Eindrücke,  wie  sie  ein  einmaliges  Hören  gestattet,  kurz  skizziert. 
Rudolf  Siegels  i»Heroische  Tondichtung**,  mit  ihren  drei  ,»Zusammenbrüchen*,  steht 
stark  unter  dem  Götterdimmerungseinfluss,  enthftlt  manche  wohlklingenden  Momente,  aber 
wenig  Eigenes.  Zu  Otto  Neitzels  stellenweise  merkwürdig  »leer*  anmutendem  »Das 
Leben  ein  Traum*  mit  seinen  absonderlichen  Violinfiguren  über  ebenso  absonderlichen 
Orchesterakzenten  habe  ich  keine  rechte  Stellung  finden  können,  zumal  da  ich  mir 
nicht  klar  bin,  ob  der  geistvolle  Kritiker  der  »Kölnischen*  sich  damit  nicht  vielleicht 
einen  kleinen  Scherz  auf  die  Programmusik  hat  machen  wollen,  wie  auch  die  »Er- 
liuterungen* dazu  beinahe  vermuten  lassen.  »Dem  Schmerze  sein  Recht*  besingt 
Richard  Mors,  in  einer  Weise  jedoch,  die  mir  den  Eindruck  erweckte,  als  ob  eigentlich 
dem  sympathischen  jungen  Komponisten  das  Gebiet  des  Freundlichen  näher  läge. 
Aber  wer  »Der  Freude  ihr  Recht*  gäbe,  der  würde  ja  wohl  von  dem  Pamass  der 
»Neuesten*  auch  den  »Niedersturz*  oder  »Zusammenbruch*  erleben.  Das  bewies  in- 
direkt die  Aufnahme  des  Frederik  Delius'schen  »Meeresireibens*  ins  Programm,  eines 
Werkes  von  einer  so  niederziehenden  Trostlosigkeit,  wie  ich  noch  Weniges  gehört. 
Man  hat  fortgesetzt  das  Gefühl,  als  habe  der  Tonsetzer  neben  die  natürliche  Harmonik 
komponiert;  gewisse  stets  wiederkehrende  disharmonische  Fortschreitungen  (Sekunden, 
Septimen  usw.)  bringen  geradezu  qualvolle  Eindrücke  hervor,  die  der  stark  rhap- 
sodische Text  durchaus  nicht  rechtfertigt.  Was  frommt  denn  alle  Kunst,  die  auf 
solch  ein  Stück  verwandt  ist,  wenn  ihre  Wirkung  eine  solche  Verelendung  ist? 
Nichtsdestoweniger  bin  ich  überzeugt,  dass  eine  Reihe  prinzipientreuer  Dirigenten 
diese  Seeschlange  im  nächsten  Winter  sich  nicht  werden  entgehen  lassen,  und  dass 
ein  »wohlerzogenes*  Publikum  seiner  Genugtuung,  dass  sogar  so  ein  Stück  ein  Ende 
hat,  alsdann  den  entsprechenden  »handgreiflichen*  Ausdruck  geben  wird.  Züge, 
die  ein  entwicklungsfähiges  Talent  verraten,  wies  eine  E-Dur  Symphonie  von  Hermann 
Bischoff  in  nicht  geringem  Grade  auf.  Ihr  Programm  und  zum  Teil  auch  seine 
Durchführung  lehnt  sich  stark  an  Berlioz'  phantastische  Symphonie,  sowie  an  gewisse 
moderne  Vorbilder  an;  die  Musik  enthält  noch,  ich  möchte  sagen,  zuviel  Zuniliges, 
Nebensächliches,  Ungereiftes,  um  gross  und  klar  wirken  zu  können.  Oberhaupt  wird 
mit  den  kontrapunktischen  Finessen  zuviel  als  Selbstzweck  gearbeitet.  Man  werde 
sich  doch   einmal   klar  darüber,  dass  das  Verfolgen  von  mehr  als  2  selbständigen 


51 
ALTMANN:  TONKÜNSTLERFEST  IN  ESSEN 


Motivlinien  bereits  f&r  den  exquisit  Musilcslischen  fsst  so  ziemlich  unmöglich  ist; 
msn  beschneide  solch  sllzu  üppig  wucherndes  Rankenwerk,  und  msn  wird  einheit- 
lichere und  packendere  Wirkungen  erzielen.  Dasselbe  gilt  auch  von  der  Szene  aus  dem 
Mlrchenspiel  «Faladt*'  von  Walter  Braun  fei  s,  über  die  nlher  zu  berichten  bei  ein- 
maligem Hören  des  aus  dem  Zusammenhang  gerissenen  Stückes  kaum  möglich  ist 
Wie  endlich  Engelbert  Humperdincks  freundliche,  wenn  auch  nicht  vielsagende 
Gelegenheitskomposition  zur  silbernen  Kaiserhochzeit  in  das  Programm  geraten  war, 
ist  nicht  ganz  verstindlich. 

Die  Ausführung  der  Werke,  teils  unter  dem  vortrefflichen  Essener  Dirigenten 
Professor  Witte,  teils  unter  den  Komponisten  selbst,  Hess  kaum  etwas  zu  wünschen 
übrig.  Dank  der  guten  Leistungen  des  Orchesters  und  der  Solisten:  Kosm  an -Essen 
(Violine),  Loritz-München  (ein  musikalisch  wie  stimmlich  gleich  trefflicher,  umfang- 
reicher Bariton),  Frau  Drill-Orridge  (Wien),  Reinhold  Batz  und  Eva  Lessmann. 

Etwas  ergiebiger  war  die  Ausbeute  der  beiden  Kammermusikabende.  Am 
ersten  war  das  Klavier-Quintett  des  begabten  Deutschrussen  Paul  Juon  wohl  die  ge- 
filligste  Gabe;  dss  Heinrich  Zolin er'sche  halb  Programm-,  halb  nicht-Programmusik 
darstellende  Streichquartett  weckte  gemischtere  Gefühle.  Henri  M  arte  au  ist  ent- 
schieden ein  besserer  Geiger  als  Komponist;  in  seinen  8  Liebesliedem  für  Sopran  mit 
Streichquartett  kommt  er  über  gewisse  lusserliche  Effekte  nicht  hinaus.  Der  Glanzpunkt 
des  zweiten  Abends,  vielleicht  des  ganzen  Festes,  war  das  Hans  Pfi  tzner'sche  Klaviertrio 
op.  8,  vom  Komponisten  mit  den  Münchnern  Kilian  und  Kiefer  prlchtig  vorgetragen; 
namentlich  das  herrliche,  nur  etwas  zu  lang  geratene,  Adagio  zeigte  die  Begabung 
des  hoffentlich  aus  dem  Vaterland  der  Schrullen  immer  mehr  dem  Wege  edler 
Kunst  folgenden  Komponisten.  Gerade  darin  liegt  meines '  Erachtens  die  Haupt- 
gefahr der  von  mir  eingangs  geschilderten  Richtung  in  den  »massgebenden*  Künstler- 
und  Kritikerkreisen,  dass  die  Talente,  die  im  Grunde  das  Bestreben  bitten,  in  die 
Atmosphire  keuscher,  reiner  und  klarer  Kunst  hineinzuwachsen,  durch  den  Hohn  und 
die  Hetze,  die  auf  alles,  nicht  der  Moderichtung  Folgende  eröffnet  wird,  abgeschreckt, 
und  mit  Gewalt  auf  die  Bahn  des  Perversen  und  Abstossenden,  das  ja  nach  der 
Meinung  mancher  Leute  das  einzig  «würdige*  Gebiet  der  »modernen*  Kunst  ist,  ge- 
stossen  werden.  Recht  beweisend  für  diese  Anschauungen,  die  von  allen  wahren 
Kunstfreunden  nicht  scharf  genug  bekämpft  werden  können,  war  die  Art,  wie  einige 
solcher  Ultras  sofort  bereit  waren,  ein  wahrhaft  vornehmes  und  gediegenes  Quartett 
von  Hugo  Kann  als  »Nachtwichtermusik*  zu  verdammen.  Das  Publikum  hatte  aber 
in  diesem  Falle  den  besseren  Instinkt  und  zeichnete  das  klangschöne  Werk  mit 
ostentativem  Beifall  aus,  dessen  von  Herzen-Kommen  so  recht  gegen  den  zaudernden 
Achtungserfolg  anderer  Stücke  abstiess.  Zu  diesen  gehörte  z.  B.  ein  Klavierquintett 
von  Bruno  Walter,  ein  geradezu  kllgliches  Werk,  in  dem  nicht  einmal  die  klang- 
lichen Wirkungen  der  Instrumente  ausgenutzt  werden  und  das  mit  seinen  dürren, 
klapprigen  Motiven  den  Eindruck  eines  musikalischen  Skelets  machte.  Freundlich, 
wenn  auch  nicht  tief,  mutete  ein  Liedercyklus  »Letztes  Blühen*^  von  Hans  Sommer 
an:  auch  hier  aber  sofort  die  Neigung  der  Unentwegten,  den  sympathischen  Tonsetzer 
ob  seines  Mangels  an  Kakophonie  zu  verdammen. 

So  war  das  Gesamtbild  des  Festes  kein  durchweg  befriedigendes.  Sehr  zu 
wünschen  wire  es,  wenn  namentlich  die  Orchesterkonzerte  ein  nicht  gar  so  einseitig 
gefärbtes  Bild  von  dem  musikalischen  Wirken  der  Gegenwart  bieten  würden.  Noch 
wird  es  wohl  neben  Program msymphonikem  und  den  Clich^künstlern  der  Ton- 
malerei mit  ihrem  Wechsel  zwischen  ungestümem  Toben  und  hoffnungsloser  Lang- 
weiligkeit (zu  deutsch  »Stimmung*),  neben   Realisten   musikalischen  Schaffens   auch 

4» 


■  DIE  MUSIK  V.  19.  2 

Gflliter  ublicbierea,  voraebman  Cbar>ktera  (eben,  die,  obne  deibalb  unmodern  tu 
sein,  dat  Hell  der  Kumt  In  der  EntwlcklunK,  alcbt  im  Umstun  seben.  Solche  Talente 
Kleicbfalla  in  Rirdem  vire  schllessllcb  ein  edieret  Ziel  für  den  Allgemeinen  Dentichen 
Mailkverein  I 

Von  der  Hauptreraammlung  ist  nicht  viel  beaonderea  zu  bericbten.  Ala 
nicbater  Featort  vurde  Dreaden  In  Ausalcbt  (enommen.  Paul  Maraop  ritt  eine 
kfibne  Attacke  gegen  dat  Mnalkagententum,  die  zvar  nocb  keine  poaltire  TIrknog  zeitigte, 
ale  aber  in  dleaem  Milieu  aucb  wohl  nicht  haben  wird.  Ob  ea  den  Bemühungen  selbst- 
loaer  Hethr  gelingen  wird,  den  Kfinstlerstsad  aus  seiner  freigewihlten  Sklaverei  tu 
befreien  und  zum  eigenen  Herrn  aeinea  materiellen  Tohla  zu  machen,  d>a  scheint  mir 
noch  sehr  iwelfelhaft,  namentlicb  Im  Hinblick  auf  daa  Verhalten  der  .Sterne",  die  als 
hors  concoura  aich  feder  Klaaaiflzierang  wohl  widersetzen,  und  ebenso  wie  die  u^er- 
kannten  Genies"  oder  die  der  .krummen  Wege"  Bedürftigen  der  allgemeinen,  not- 
wendigen Rangordnung  sich  nicht  unterwerften  werden.  Denn  wie  iwi  den  Kompanlalen, 
so  gilt  auch  bei  den  Auaübenden  daa  Gesetz,  dasi,  wer  am  Reklame-Amerikanismus 
geleckt  hat,  für  die  Regungen  des  deutschen  Gemütes,  für  daa  poetische,  Intime 
EmpBaden  In  der  Kunst  abgestorben  ist,  sn  dessen  System atiacher  ErtStung  wir  ja 
konientrlscta  alle  diejenigen  arbeiten  sehen,  denen  der  deutsche  Idealismus  ein  Greuel 
Ist.  Darum  krilchien  auch  in  der  Mnalk  die  Raben  lauter,  denn  die  Nachtigallen 
achlagen,  und  der  blaue  Lappen,  nicht  die  blaue  Blume  ist  so  vielfach  das  Symbol  des 
Kunatstrebena  von  beute. 


BAYREUTHER  BLÄTTER  19O6,  4.-6.  Stück.  —  George  Wrassiwtnopulos- 
Brasctaowanoff  bringt  den  Scbluss  seiner  Arbeit  über  »Richard  Wagner  und  die 
Antike*.  Verfasser  hat  sich  bemüht,  seine  Aufgabe  möglichst  objektiv  zu  lösen 
und  im  Spiegel  der  eigenen  schriftstellerischen  Äusserungen  Wagners  auf  Grund 
seiner  Natur-,  Welt-  und  Kunstanschauung  dem  Leser  Wagner  durch  Wagner  zu 
erküren.  Aus  seinen  Betrachtungen  geht  klar  die  Tatsache  hervor,  dass  1, Wagner 
in  seinem  inneren  Leben  und  künstlerischen  Schaffen  von  zwei  Grundprinzipien 
geleitet  wird:  das  eine  ist  das  Natürliche,  das  andere  das  Ethische".  —  Einen 
hübschen  Artikel  veröffentlicht  Bernhard  Hoff  mann:  „Die  Waldvögel-Motive  in 
Wagners  ,Siegfried^*  Da  Wagner  die  grössten  Künstler  des  Vogelgesanges  oft  be- 
lauscht hat,  erscheint  es  ausgeschlossen,  dass  er  im  «Waldweben*  den  Gesang  der 
Vögel,  die  seinem  Herzen  so  nahe  standen,  missachtet  und  «die  musikalische  Dar- 
stellung des  Waldwebens  gleichsam  über  ihre  stimmbegabten  und  liederfrohen 
Kehlchen  hinwegkomponiert  hat.*  Allerdings  war  er  genötigt,  die  Vogelstimmen 
zu  »idealisieren*.  Der  vierte  Waldvogel  —  der  »selt'ne  Naturvogel*  —  ist  den 
Stimmen  zweier  verschiedener  Vögel  nachgeahmt  und  zwar  wohl  besonders  der 
der  Amsel  und  daneben  derjenigen  der  Nachtigall.  Interessant  ist  die  Tatsache, 
dass  alle  die  in  Betracht  kommenden  Vogelarten  »in  der  Nihe  von  Dresden, 
Wagners  langjlhrigem  Aufenthalt,  zu  den  hiuflgsten  Vertretern  der  Waldsinger 
gehören.* 

NEUE  MUSIKALISCHE  PRESSE  (Wien)  1906,  No.  7—10.  —  Max  Arend  be- 
leuchtet  die  »Aufgabe  der  musikalischen  Kritik  unserer  Zeit  Gluck  gegenüber*.  — 
Franz  Dubitzky  würdigt  eingehend  das  Lebenswerk  Wilhelm  Tapperts:  seine 
tausendjährige  Entwicklungsgeschichte  der  musikalischen  Zeichenschrift  (000  bis 
1000).  —  Anton  Krtsmäry  widmet  .Gustav  Schoenaich*  ein  pietitvolles  Gedenk- 
blatt. —  Ober  i»Max  Reger*  schreibt  Ferd.  Seh  erb  er.  Verfasser  hilt  das  Publikum 
für  den  hohen  technischen  Stand  der  gegenwärtigen  Tonkunst  viel  zu  wenig 
musikalisch  gebildet,  findet  aber  doch  den  oft  verwirrenden  Eindruck,  den  Regers 
Kompositionen  auf  Fremde  machen,  begreiflich. 

MONATSSCHRIFT  FÜR  SCHULGESANG  (Essen  a/R.)  1006,  Heft  1  u.2.—  Eine 
neue  Zeitschrift,  die  den  Interessen  des  Schulgesanges  an  höheren  und  niederen 
Schulen  dienen  soll.  Sie  macht  es  sich  in  erster  Linie  zur  Aufgabe,  den  Vernach- 
lässigungen der  Jetztzeit  in  der  musikalischen  Einwirkung  auf  das  Gemüt  des  Kindes 
entgegenzuwirken  und  dem  verhängnisvollen  Vordringen  der  materialistischen  Zeit- 
strömung mit  ihren  Utilitätsprinzipien  entgegenzutreten.  Aus  dem  Aufsatzteil  seien 
erwähnt:  Ernst  Paul:  »Ästhetische  Erziehung  durch  Schulgesang.*  —  Alexis 
Holländer:  „Ober  den  Gesangsunterricht  an  höheren  Mädchenschulen.* 

GIESSENER  ANZEIGER  19O6,  No.  60.  —  .Heinrich  Heine,  der  Lieblingsdichter  der 
deutschen  Komponisten*  betitelt  sich  eine  statistische  Plauderei  von  Ernst 
C ballier  sen.  Heine  ist  nicht  nur  der  vielgesungenste,  sondern  auch  der  am 
meisten  vertonte  Dichter.  246  Dichtungen  Heines  sind  4069  mal  vertont  worden, 
davon  allein  »Du  bist  wie  eine  Blume*  217  mal  einstimmig. 


54 
DIE  MUSIK  V.  19. 


VOSSISCHE  ZEITUNG  (Berlin),  5.  Mai  1906.  —  Georg  Richard  Kruse  berichtet 
«Aus  Otto  Nicolais  letztem  Tagebuche*. 

MÜNCHNER  NEUESTE  NACHRICHTEN  15.  April  1906.- Wilhelm  Kleefeld 
schreibt  über  die  «Mfinchner  Voriluferin  der  Bayreuther  Stilbildungsschule*  und 
teilt  einige  ungedruclcte  Briefe  Richard  Wagners  mit,  die  darauf  Bezug  haben.  Der 
Begrfinder  dieser  Stilbildungsschule  ist  Friedrich  Schmitt,  ein  Freund  Wagners, 
gewesen,  dessen  Theorie  als  Gesangspidagoge  seinen  unbedingten  Beifall  fand. 

BRAUNSCHWEIGISCHE  LANDESZEITUNG  8.  April  1906.  -  J.  Haydn  be- 
richtet  in  seinem  Artikel  »Mozarts  erste  Liebe*  allgemein  Bekanntes  Ober  Aloysia 
Weber. 

DIE  WOCHE  (Berlin)  1906,  No.  18.  —  In  einem  Artikel  .Deutscher  Buhnen-  und 
Konzertgesang*  beschlftigt  sich  Karl  Scheidemantel  mit  Julius  Stockhausen, 
der  als  erster  deutscher  Gesangskünstler  gegen  die  Alleinherrschaft  des  bei  canto 
angekämpft  und  den  der  deutschen  Gesangskunst  innewohnenden  Zauber  zu  ent- 
hüllen vermocht  hat. 

STETTINER  ZEITUNG  3.  Mai  1906.  —  Die  Erinnerung  an  den  Komponisten  des 
Postillon  von  Lonjumeau  »Charles  Adolphe  Adam*  ruft  Erich  Müller  zu  seinem 
Todestage  (gest.  3.  Mai  1856)  durch  einen  hübschen  Artikel  zurück. 

DAS  DEUTSCHE  VOLKSLIED  (Wien)  1906,  Heft  4/5.  —  Ober  die  Entstehung  und 
Geschichte  eines  Böhmerwald-Volksliedes  ,»Das  Bauernsepp'n-Liad*  berichtet  Gustav 
Jungbauer. 

NEUE  ZEITSCHRIFT  FÜR  MUSIK  (Leipzig)  1906,  No.  13  u.  14.  -  Unter  dem 
Titel  „Schuberts  Totenehren*  (Unveröffentliche  Dokumente)  veröffentlicht  Otto  Erich 
Deutsch  ein  Verzeichnis  der  in  österreichischen  Zeitschriften  nach  Schuberts 
Tode  erschienenen  Nekrologe,  die  von  bedeutenden  Schriftstellern  der  Zeit  in 
Poesie  und  Prosa  verftisst  worden  waren.  Er  berichtet  femer  über  Totenfeiern, 
die  zu  Ehren  Schuberts  veranstaltet  wurden  und  über  Sammlungen  für  ein  würdiges 
Grabmal  des  Meisters. 

SIGNALE  FÜR  DIE  MUSIKALISCHE  WELT  (Leipzig)  1906,  No.  31-39.  - 
„Musikalische  Popularisierungsbestreben"  von  Eugen  Schmitz.  Verfasser  be- 
spricht in  erster  Linie  die  Volksausgaben  der  Jetztzeit,  die  ihren  Zweck,  d.  h. 
ihre  bedeutsame  künstlerische  Mission  nur  dann  erfüllen  können,  wenn  »die  Ver- 
leger mit  Ausmerzung  aller  Salonmusik  reinen  Tisch  machen.*  Sehr  wichtig  im 
Rahmen  dieser  Popularisierungsbestrebungen  ist  auch  die  Betrachtung  der  popullren 
Musiktheorie  und  Musikwissenschaft,  die  ein  wichtiges  Glied  nicht  nur  der 
musikalischen,  sondern  der  geistigen  Bildung  überhaupt  darstellen.  Eine  der 
wichtigsten  Aufgaben  der  modernen  Musikwissenschaft  ist,  »eine  populir-zusammen- 
fassende,  dabei  doch  streng  wissenschaftliche  Musikliteratur  zu  schaffen.* 

MUSIKALISCHES  WOCHENBLATT  (Leipzig)  1906,  No.  15-23.  -  Nana  Weber- 
Bell  schreibt  über  ^physische  und  psychische  Klangfarbe*.  —  Susanne  Amsinck 
behandelt  die  »Fortschritte  auf  dem  Gebiete  des  Musikdiktats.*  —  Franz  Dubitzky 
betrachtet  in  einem  längeren  Artikel  Sonderbarkeiten  unserer  Notenschrift  unter 
dem  Titel:  »Wie  erhalten  wir  ein  lichteres  Notenbild?*  —  Erich  Kloss  berichtet 
über  »Briefe  an  Richard  Wagner*  und  behandelt  eingehender  Louis  Spohr,  Hector 
Berlioz,  Felix  Draeseke.   Aus  dem  Briefwechsel  der  genannten  Künstler  mit  Wagner 


55 

REVUE  DER  REVUEEN 


betrachtet  Verfasser  das,  was  in  Hinsicht  auf  die  ursprfingliche  und  früheste  Be- 
urteilung des  jQngeren  Wagner  und  seines  Kunstwerks  von  weiterem  Interesse  ist. 
—  Eugen  Segnitz  veröffentlicht  einen  Aufsatz:  «Carl  Maria  von  Weber  und 
Richard  Wagner*  (Zu  Webers  80.  Geburtstag  [?!]). 

KUNSTWART  (München)  1906,  Heft  16  u.  17.  —  Richard  Batka  wendet  sich  in 
einem  Artikel  «Wagnerianer  einst  und  jetzt*  gegen  die  heutige  Unsitte,  auf  die 
Wagnerianer  zu  schelten,  da  es  nichts  gibt,  worin  sich  »der  Wagnerianer  von  der 
sonstigen  Gefolgschaft  grosser  Männer  besonders  zum  Nachteil  unterscheidet* 
Er  führt  Minner  von  den  manigfaltigsten  künstlerischen  und  überhaupt  geistigen 
Interessen  als  Typen  des  eigentlichen  Wagnerianismus  an  und  bezeichnet  die  ganze 
Wagnerei  mit  einem  Paradoxon  als  «vielseitigste  Einseitigkeit  der  Kunstgeschichte*. 
. . .  «Die  Zeit  des  Wagnerianertiims  ist  aus,  die  Zeit  des  WagnerverstSndnisses  ist 
gekommen.*  Als  erfreuliches  Zeugnis  des  kritischen  Wagnerverständnisses  unserer 
Zeit  führt  Verfasser  das  Buch  von  Paul  Moos  «Wagner  als  Ästhetiker*  an,  «ein  Mann, 
der  dem  Meister  frei  ins  Auge  schaut.*  —  Einen  interessanten  Aufsatz  «Ober  das 
Malerische  im  musikalischen  Drama*  bringt  Wilhelm  Kienzl.  Nach  einer  all- 
gemeinen Betrachtung  über  das  Wesen  des  Gesamtkunstwerkes  betrachtet  Verfasser 
die  Dramen  Wagners,  die  eine  «neue  Ära  in  der  naturgetreuen  und  stimmungs- 
vollen Gestaltung  des  Bühnenbildes*  hervorgerufen  haben  . . .  Den  Wandlungen  der 
Kunst  ist  freier  Lauf  zu  lassen.  «Entwickelt  sich  das  Bedürfnis  nach  einem  neuen 
reproduktiven  Stil,  so  muss  auch  das  Kunstwerk  sich  finden,  das  uns  Gelegenheit 
bietet,  ihn  rein  darzustellen.* 

PRAGER  TAGBLATT,  n.  Mai  1906.  —  Einen  originellen  Artikel  bringt  Richard 
Batka:  «Insekten  als  Musiker*.  Es  ist  ein  anregender  naturwissenschaftlicher 
Streifzug,  auf  dem  wir  den  Autor  begleiten.  Aber  nicht  nur  das  Surren,  Brummen, 
Schwirren  und  Lispeln  untersuchen  wir  auf  die  verschiedenen  Tonhöhen  und  Klang- 
farben, wir  betrachten  auch  die  Instrumente  der  kleinen  Kammermuslci,  ein  Riesen- 
orchester kleiner  Instrumente. 

FRANKFURTER  ZEITUNG,  3.  Juni  1906.  -  Bemerkenswerte  Erinnerungen  an 
Richard  Wagner  teilt  Sigismund  Bachrich  in  den  «Erinnerungen  eines  Musikers* 
mit.  «Um  Bruchstücke  aus  dem  ,Nibelungenring<  zu  dirigieren,  kam  Wagner 
nach  Wien.  Eines  dieser  Konzerte  brachte  u.  a.  den  «Feuerzauber*,  nach  dem  der 
Beifall  nicht  enden  wollte.  Wagner  war  recht  ermüdet,  sass  auf  meinem  Stuhl 
und  war  lange  nicht  zu  bewegen,  sich  zu  erheben,  um  den  Dank  des  Publikums 
entgegenzunehmen.  Er  blickte  unverwandt  auf  die  Direktionsloge,  in  welcher 
Frau  Cosima  sass,  und  halblaut  sagte  er  schmunzelnd  zu  mir:  ,Ach  nee!  —  was 
wird  Muttern  dazu  sagenl'* 

NORDDEUTSCHE  ALLGEMEINE  ZEITUNG  (Berlin),  4.  Mai  1906.  -  Ein  mit 
J.  L.  unterzeichneter  Artikel  «Die  bürgerliche  Oper*  sieht  eine  notwendige  Reform 
des  Musikdramas  in  der  bürgerlichen  Oper.  Die  Aufgabe  unserer  Zeit  sei,  den 
Unsinn  auf  der  dramatischen  Bühne  zu  verdrängen.  «An  Kräften,  die  hohe  Auf- 
gabe zu  lösen,  fehlt  es  gewiss  nicht.* 

KORRESPONDENZBLATT  DES  EVANGELISCHEN  KIRCHENGESANG- 
VEREINS FÜR  DEUTSCHLAND  (Leipzig).  —  Eine  Plauderei  aus  der  Praxis 
eines  Kirchenchordirlgenten  «Das  Chorbuch*  veröffentlicht  Pfarrer  Beutter.  •— 
Superintendent  D.  Nelle  berichtet  über  «Klippen  im  Fahrwasser  des  Gemeinde- 
gesanges*, Sätze,  die  auf  der  XI.  Jahresversammlung  des  evangelischen  Kirchep- 
gesangvereins  für  Westfalen  zur  Verhandlung  gestellt  wurden. 


NEUE  OPERN 

Felix  Gotthelf:  «Mahadeva*  ist  der  Titel  eines  dreiaktigen  Musikdramas,  dessen 

Stoff  der  indischen  Mythologie  entnommen  ist. 
Ferdinand  GradI:    »Der  glfickliche  Jack^  Oper  in  drei  Akten,  Text  von 

Arthur  Lipschitz  und  Georg  Okonkowsky. 
Alfred  Kaiser:  «Dame,  roi  et  valet"  lautet  der  Titel  einer  komischen  Oper, 

die  der  Komponist  soeben  vollendet  hat. 
Marius  Lambert:  »Der  Kadett  von  Navarra*,  komische  Oper  von  Auguste 

Germain,  wurde  an  der  Volksoper  in  Brüssel  mit  Erfolg  aufgeführt. 
Alfred  Lorentz:  »Der  Mönch  von  Sendomir*,  Dichtung  von  Franz  Kaibel 

nach  der  Novelle  Franz  Grillparzers. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Bayreuth:  Buhnenfestspiele  1906.  Es  finden  zwei  Aufführungen  des  »Ring 
des  Nibelungen*  statt  (25.— 28.  Juli;  14.— 17.  August),  sieben  Aufführungen 
von  „Parsifal*  (23.  Juli,  1.,  4,7.,  8.,  11.,  20.  August)  und  fünf  Aufführungen 
von  ^»Tristan  und  Isolde"  (22.,  31.  Juli,  5.,  12.,  19.  August).  Orchester- 
leitung: Dr.  Hans  Richter,  Dr.  Carl  Muck,  Felix  M Ott  1,  Siegfried  Wagner, 
Michael  Balling,  Franz  Beidler.  Konzertmeister:  Carl  Wendling.  Ober- 
leitung der  musikalischen  Assistenz:  Carl  Müller.  Chöre:  Hugo  Rudel. 
Bühnenmusik:  Julius  Prüwer.  Regie:  Ernst  Braunschweig.  Inspizient: 
A.  Schertel«  Bühnenleitung:  Siegfried  Wagner.  Technisches  Personal: 
Friedrich  Kranich.  Solorepetitoren  und  musikalische  Assistenz  auf  der 
Bühne:  Dr.  Carl  Besl,  Hugo  Kirchner,  Carl  Kittel,  Ernst  Knoch,  Eduard 
Möricke,  Leopold  Reich  wein,  Antonio  Ribera.  Darstellendes  Personal: 
Das  Rheingold.  Luise  Reuss-Belce,  Emilie  Feuge-Gleiss,  Emestine 
Schumann-Heink,  Frieda  Hempel,  Marie  Knüpfer,  Adrienne  v.  Kraus- 
Osborne,  Theodor  Bertram,  Rudolf  Berger,  Alois  Hadwiger,  Dr.  Otto 
Briesemeister,  Max  Dawison,  Hans  Breuer,  Lorenz  Corvinus,  Jo- 
hannes Elmblad.  —  Die  Walküre.  Katharina  Fleischer-Edel,  Ellen 
Gulbranson,  Luise  Reuss-Belce,  Joseflne  v.  Artner,  Marie  Knüpfer, 
Ida  Salden,  Emestine  Schumann-Heink,  Cäcilie  Rüsche -Endorf, 
Agnes  Herrmann,  Adrienne  v.  Kraus -Osborne,  Rosa  Ethofer.  — 
Siegfried:  Emestine  Schumann-Heink,  Ellen  Gulbranson,  Emilie 
Feuge-Gleiss,  Ernst  Kraus,  Hans  Breuer,  Theodor  Bertram,  Max 
Dawison,  Johannes  Elmblad.  —  GOtterdftmmerung.  Ellen  Gulbranson, 
Cäcilie  Rüsche-Endorf,  Emestine  Schumann-Heink,  Adrienne  v.Kraus- 
Osborne,  Katharina  Fleischer-Edel,  Frieda  Hempel,  Marie  Knüpfer. 
Ernst  Kraus,  Rudolf  B  e  r  g  e  r,  A.  C.  H  i  n  c  k  1  e  y,  Max  Dawison. 
—  Tristan  und  Isolde.  Marie  Wittich,  Katharina  Fleischer- Edel, 
Dr.  Alfred  v.  Bary,  Ernst  Kraus,  Paul  Knüpfer,  Dr.  Felix  v.  Kraus, 
Walther  Soomer,   Dr.  Otto  Briesemeister,  Hans  Breuer,  Erik  Wirl, 


57 
UMSCHAU 


Franz  Adam.  —  Parsifal.  Ellen  Gulbranson,  Martha  Leffler-Burckard, 
Josefine  ▼.  Artner,  Rosa  Ethofer,  Emilie  Feuge  -  Gleiss,  Gertnid 
Foerstely  Frieda  Hempef,  Marie  Knüpfer,  Ida  Salden,  Dr.  Alfred 
▼•  Bary,  Erik  Schmedes,  Alois  Hadwiger,  Paul  Knüpfer,  Dr.  Felix 
V.  Kraus,  Theodor  Bertram,  Rudolf  Berger,  Franz  Adam,  Carl  Lejd- 
ström,  Erik  Wirl,  Hans  Breuer,  Dr.  Otto  Briesemeister. 
Berlin:  Das  Kgl.  Opernhaus  führte  in  der  verflossenen  Saison  zum  erstenmal 
auf:  »Das  Fest  auf  Solhaug*  von  W.  Stenhammar,  »Leonore*  von 
Beethoven,  »Der  lange  Kerl**  von  Woikowsky-Biedau.  Neu  einstudiert 
gingen  zehn  Werke  in  Szene:  «Orpheus  und  Eurydike*,  »Figaros  Hochzeit*, 
»Tannhiuser*,  die  Tetralogie  .Der  Ring  des  Nibelungen*,  »Der  Waffen- 
schmied*, »Der  Pfeifertag*  und  »Der  schwarze  Domino*.  In  der  Gesamt- 
zahl der  zur  Aufführung  gelangten  54  einzelnen  Opern  sind  deutsche 
Komponisten  mit  33  verschiedenen  Werken,  Franzosen  mit  13,  Italiener  mit  7, 
Schweden  mit  1  Werk  vertreten.  Von  der  Gesamtzahl  der  im  Laufe  des 
Spieljahres  gegebenen  Vorstellungen  entfallen  178  Abende  auf  deutsche, 
88  Abende  auf  französische,  37  Abende  auf  italienische  Komponisten. 

Die  Komische  Oper  (Direktion  Gregor)  will  in  der  nichsten  Saison 
folgende  Neuheiten  bringen:  »Der  Dämon*  von  Anton  Rubinstein, 
„Lakm6*  von  L£o  Delibes,  »Romeo  und  Julia  auf  dem  Dorfe*  von 
Frederik  Delius. 

KONZERTE 

Bautzen:  Im  Juni  1907  flndet  hier  das  II.  Lausitzer  Musikfest  statt. 

Cincinnati  (U.S.A.):  Vom  1.— 5.  Mai  fand  das  alle  zwei  Jahre  gefeierte  17.  »May 
Music  Festival*  unter  der  Leitung  von  Frank  van  der  Stucken  statt.  Der 
Chor  bestand  aus  400  und  das  Orchester  aus  110  Mitwirkenden,  und  die 
Damen  Gadski,  Rider-Kelsey,  Jeanet  Spencer  und  die  Herren  John 
Coates,  Ffrangcon-Davies,  Charles  Clark  und  Witherspoon  waren 
die  Solisten.  Als  Ehrengast  leitete  Sir  Edward  El  gar  seine  Oratorien  »The 
Apostles'  und  »The  Dream  of  Gerontius*,  sowie  zwei  seiner  Orchester- 
kompositionen. Ferner  kamen  das  Brahmssche  Requiem,  Bachs  Actus 
tragicus  »Gottes  Zeit  ist  die  allerbeste  Zeit*  und  Beethovens  Neunte 
Symphonie  nebst  Orchesterwerken  von  Bach,  Beethoven,  Weber,  Schumann, 
Dvofäk,  Wagnei,  Strauss,  Loeffler  und  van  der  Stucken  zur  Auffuhrung. 
Das  Fest  war  ein  grosser  Erfolg,  Besonders  gerühmt  wurden  die  Leistungen 
des  Festchores. 

TAGESCHRONIK 

Auf  ein  neunzigjähriges  Bestehen  konnte  am  12.  Juni  die  Philharmonische 
Gesellschaft  in  Potsdam  zurückblicken.  Diese  Gesellschaft,  die  zu  den  ältesten 
musikalischen  Vereinigungen  Deutschlands  zählt,  wurde  am  12.  Juni  1816  von  den 
Herren  Bliesener,  Wessely,  Glaso,  v.  Bismarck,  Siecke,  Brunner,  Seiifart  und  Klincke 
begründet  und  hielt  ihre  Zusammenkünfte  zuerst  in  dem  Morinoschen  Hause  in  der 
Schützenstrasse  ab.  Erst  1834  gelang  es,  dank  der  Muniflzenz  Friedrich  Wilhelms  III., 
eine  bleibendere  Stätte  im  Konzertsaale  des  Königlichen  Schauspielhauses  zu  er- 
langen. Die  Übungen  und  Aufführungen  leitete  seit  1827  der  joviale  Kammer- 
musikus Töpfer,  dem  im  Oktober  1838  der  auch  als  Komponist  in  Ansehen  stehende 
Musikdirektor  Berthold  Dam cke  folgte.  Nach  Damckes  Abgange  übernahm  Neu- 
jahr 1842  der  Königliche  Musikdirektor  Gäh  rieh  die  musikalische  Leitung.  Während 


58 
DIE  MUSIK  V.  19. 


der  Jahre  1848  und  1849  dirigierten  abwechselnd  die  Herren  Lange,  Häuser  und 
Böttcher.  Am  6.  Dezember  1849  übernahm  der  Königliche  Musilcdirektor  Wendel 
die  Leitung.  Im  Jahre  1851  vollzog  sich  der  Umzug  der  Gesellschaft  aus  dem 
Schauspielbause  in  das  jetzige  Heim,  in  den  Palast  Barberini,  wo  Friedrich  Wil- 
helm IV.  den  Potsdamer  Vereinigungen  fOr  Kunst  und  Wissenschaften  für  alle 
Zeiten  eine  feste  Stltte  bereitet  hat.  1891  trat  Wendel  zurück;  er  hat  wlhrend  der 
42  Jahre  seiner  segensreichen  Tätigkeit  der  Gesellschaft  einen  vorzüglichen  Ruf 
in  der  musikalischen  Welt  erobert.  Wendeis  Nachfolger  wurde  der  Königliche 
Musikdirektor  Professor  Martin  Gebhardt,  der  bis  1894  als  Dirigent  fungierte.  Von 
1894  bis  1898  leitete  Hermann  Geess  die  musikalischen  Aufführungen,  die  dann 
dem  Komponisten  Gustav  Knien  kam  pff  übertragen  wurden. 

Die  erst  vor  kurzem  gegründete  Gesellschaft  der  Musikfreunde  von 
Treviso,  die  bereits  480  Mitglieder  zihlt,  hat  am  Sonntag,  den  29.  April  im  Teatro 
Sociale  die  Reihe  ihrer  Konzerte  eröffnet.  Das  Kaim-Orchester  aus  München 
trug  unter  der  Leitung  von  Georg  Schn6evoigt  mit  grossem  Erfolg  Werke  von 
Beethoven,  Haydn,  Händel  und  Wagner  vor. 

Folgende  interessierende  Statistik  über  Wagner-Aufführungen  im  Innern 
Russlands  ist  uns  eingesandt  worden:  in  Saratow  gelangte  «Tannhiuser*  im 
Jahre  1895  zum  erstenmal  zur  Aufführung  und  wurde  im  Laufe  von  zwei  Monaten 
sechsmal  gegeben.  „Lohengrin*  erschien  im  Januar  1905  zum  erstenmal  und  wurde 
bis  Mitte  Februar  fünfmal  aufgeführt.  —  In  Kasan  wurden  yTannhiuser*  im 
Februar  1898  und  »Lohengrin*  Ende  November  1905  zur  ersten  Aufführung  gebracht. 

Der  Musiklehrer  B.  Sanoschkar  in  Graz  hat  einen  Metronom  konstruiert, 
der  insofern  eine  Neuerung  auf  diesem  Gebiete  bedeutet,  als  er  wlhrend  seines 
Ganges  mittelst  eines  Knopfes  (Regulators)  auf  jedes  beliebige  Tempo  eingestellt 
werden  kann,  und  ausserdem  an  der  Tempo-Skala  ersichtlich  gemacht  ist,  wieviel 
Schläge  in  der  Minute  das  Werk  im  vorgeschriebenen  Zeitmass  bei  den  ver- 
schiedenen Notenwerten  gibt.  Da  der  an  der  linken  Seite  der  Klaviatur  angebrachte 
Metronom  von  der  rechten  Seite  durch  einen  Mechanismus  reguliert  werden  kann, 
und  endlich  auch  mit  einem  beweglichen  Tritt-Podium  für  eine  beliebige  Anzahl 
von  mitwirkenden  Orchester-Musikern  in  Verbindung  zu  bringen  ist,  so  darf  er 
unbedenklich   als  das   vollkommenste   Werk  seiner  Gattung  bezeichnet  werden. 

Die  königl.  PhilharmonischeAkademie  zuBologna  hat  einen  Wett- 
bewerb für  ein  Streichquartett  beschlossen  und  setzt  1000  Lire  aus;  am  Wett- 
bewerbe können  alle  Komponisten  Italiens  wie  des  Auslandes  teilnehmen.  Der 
Einlieferungstag  ist  der  31.  Oktober  1906. 

Als  Ort  der  nächsten  Tonkünstlerversammlung  des  »Allgemeinen  deutschen 
Musikvereins*  ist  Dresden  in  Aussicht  genommen. 

Auf  Anregung  des  Bischofs  Benzler  wird  in  Metz  zu  Ostern  nächsten  Jahres 
in  Verbindung  mit  dem  Priesterseminar  eine  Organistenschule  errichtet  zur 
Heranbildung  junger  Leute,  besonders  vom  Lande,  zum  Organisten-  und  Kirchen- 
dienst, da  die  Lehrer  auf  den  Dörfern  häufig  nicht  in  der  Lage  sind,  diesen  Dienst 
zu  versehen. 

Am  11.  Juni  wurde  auf  dem  Zentralfriedhof  in  Wien  die  Leiche  des  Ton- 
dichters Max  V.  Weinzierl  in  dem  ihm  gewidmeten  Ehrengrabe  in  den  Ruhestätten 
für  historisch  denkwürdige  Personen  in  der  Kapellenstrasse  wieder  bestattet. 

Mozart-Saal  wird  der  mit  dem  Neuen  Schauspielhause  am  Nollendorfplatz 
in  Berlin  verbundene  Konzertsaal  heissen.  Er  wird  im  Oktober  d.  J.  seiner  Be- 
stimmung übergeben  und  von  der  Theater-  und  Saalbau-Akt.-Ges.  in  eigener  Regie 


59 
UMSCHAU 


betrieben.  Ffir  die  Symphonie-  und  populären  Konzerte  ist  man  bemüht,  ein 
Orchester  ersten  Ranges  zusammenzustellen,  das  auch  dem  Neuen  Schauspielhause 
für  seine  Aufführungen  zur  Verfügung  stehen  wird.  Der  Saal  steht  in  direkter 
Verbindung  mit  dem  Restaurant  des  Neuen  Schauspielhauses  in  der  Motzstrasse 
und  wird  auch  über  eine  kleine  Bühne  verfügen.  Die  Konzertdirektion  Eugen 
Stern  ist  mit  dem  Arrangement  der  Konzerte  des  Mozart-Saales  betraut  worden. 

Hofkapellmeister  Paul  Prill  aus  Schwerin  ist  als  erster  Kapellmeister  für 
das  Orchester  des  Mozart -Saales  und  des  Neuen  Schauspielhauses  durch  die 
Konzertdirektion  Eugen  Stern  verpflichtet  worden. 

Zu  Festdirigenten  für  das  VII.  Deutsche  Singerfest  1907  in  Breslau 
wurden  gewählt:  Prof.  Ed.  Kremser-Wien,  Chormeister  Gustav  Wohlgemuth- 
Leipzig  und  Kgl.  Musikdirektor  Paul  Hielscher-Brieg. 

Regisseur  Elmblad  vom  Wiesbadener  Hoftheater  ist  als  Oberregisseur  für 
die  Oper  an  das  Leipziger  Stadttheater  berufen  worden. 

In  Köln  ist  der  langjährige  Opemkapellmeister  Wilhelm  Mühld orfer,  der  im 
vorigen  Jahre  sein  SOjihriges  Künstlerjubilium  feierte,  in  den  Ruhestand  getreten. 

Aus  Paris  wird  berichtet,  dass  der  erste  Kapellmeister  der  Grossen  Oper, 
Mr.  Taffanel,  krankheitshalber  seine  Entlassung  genommen  hat  und  durch  Paul 
Vidal  ersetzt  werden  wird.  Zweiter  und  dritter  Kapellmeister  sind  Mr.  Mangin 
bzw.  Henri  Busser. 

Die  in  den  Heften  14,  16  und  18  des  IV.  Jahrgangs  der  »Musik*  stattgehabte 
Kontroverse  zwischen  den  Herren  Heinrich  Chevalley  und  Max  Loewengard 
in  Hamburg  hat  zu  einer  Privatklage  des  Herrn  Loewengard  gegen  Herrn  Chevalley 
wegen  Beleidigung  geführt.  Der  Angeklagte  Chevalley  wurde  wegen  Beleidigung 
zu  Mk.  25  event.  5  Tagen  Haft  und  in  die  Kosten  des  Verfahrens  verurteilt  Der 
Widerbeklagte  Loewengard  wurde  freigesprochen. 

Druckfehler-Berichtigung.  Auf  S.  374  des  18.  Heftes  muss  es  auf  der 
2.  Zeile  v.  u.  «am  frühesten*  heissen  statt  am  frischesten. 

TOTENSCHAU 

Am  2.  Juni  f  im  56.  Lebensjahre  zu  Budapest  Heinrich  J.  Hiekisch,  der 
frühere  erste  Klarinettist  des  Opemorchesters,  dem  er  24  Jahre  lang  angehörte, 
und  Professor  am  Nationalkonservatorium.  Hiekisch  war  ein  Meister  seines  In- 
struments, der  sich  besonders  auch  um  die  Modernisierung  und  technische  Ver- 
besserung des  Tärogatö  verdient  machte  und  es  mit  guter  Klangwirkung  an  Stelle 
des  Englisch-Homs  im  letzten  Akte  von  «Tristan*  einführte. 

In  Stuttgart  f  am  9.  Juni  im  74.  Lebensjahre  Geh.  Hofrat  Friedrich 
Kiedaisch,  1891  Intendant  des  Kgl.  Hoftheaters  in  Stuttgart. 

Am  9.  Juni  f  in  Kopenhagen  einer  der  ältesten  und  begabtesten  dinischen 
Komponisten:  Emil  Hornemann  (geb.  1840).  Mit  ausgeprägtem  und  ursprüng- 
lichem Talent  hat  er  namentlich  Opern  (Aladdin),  verschiedene  Theatermusik, 
Orchesterwerke  (Ouvertüren),  Kantaten  und  Lieder  komponiert.  Obschon  im 
nordischen  Tone  gestimmt,  ist  seine  Musik  deutlich  von  der  deutschen  Romantik 
(Schumann)  beeinflusst.  Hornemann,  eine  eigentümliche,  in  den  letzten  Jahren 
leider  leidende  und  deprimierte  Persönlichkeit,  war  auch  der  Leiter  einer  viel- 
besuchten Musikschule. 

Am  11.  Juni  f  in  Königswinter  Oskar  Fiedler,  Oberregisseur  am  Düssel- 
dorfer Stadttheater,  im  58.  Lebensjahre.  In  den  Jahren  1899—1902  war  er  als 
Oberregisseur  am  Hof-  und  Nationaltheater  in  Mannheim  titig. 


OPER 

KÖLN:  Im  neuen  Stadtthetter  bildete  Mtsctgni's  ziemlich  schwache  Oper  «Ami et* 
die  letzte  der  spärlichen  Novititen  der  Saison.  Ein  starker,  rein  äusserer  Erfolg 
wurde  dadurch  herbeigeführt,  dass  die  Theaterleitung  einem  billig  zu  enthusiasmierenden 
Publikum  das  Vergnügen  bereitet  hatte,  Herrn  IMascagni  in  eigener,  vielgenannter  Person 
die  «Amica*'  und  nachher  auch  die  unfehlbare  .Cayalleria*  dirigieren  zu  sehen  und  den 
»interessanten'*  Gast  nach  Programm  und  durch  hohe  Opern  preise  erstandenem  Rechte 
feiern  zu  können.  Etwas  weniger  Aufhebens  wurde  von  einer  sogenannten  «Fest- 
Vorstellung**  zu  Ehren  einer  Anzahl  der  von  der  Tagung  in  Essen  zurfickkehrenden 
Tonkünstler  gemacht.  Die  Festvorstellung  bestand  schlicht  und  recht  aus  der  so  und 
sovielten  Wiederholung  von  Jaques-Dalcroze's  anspruchsloser  Kleinigkeit  .Onkel  Da- 
zumal* und  Eugen  d'Alberts  einaktiger  Oper  «Flaute  solo*.  Kündigte  man  schon 
eine  Festvorstellung  an,  so  bitte  man  —  die  beiden  genannten  Komponisten  in  allen 
Ehren  —  doch  wohl  etwas  Interessanteres,  vielleicht  gar  so  etwas  wie  eine  kleine 
künstlerische  Tat  für  die  massgebende  Korona  der  Tonkünstler  vorbereiten  können. 
Aber  man  ist  hier  neuerdings  recht  bescheiden  geworden,  und  künstlerische  Taten  stehen 
bei  unserer  derzeitigen  Opernleitung  schwach  im  Kurse.  Paul  Hill  er 

KONZERT 

AACHEN:  83.  Niederrheinisches  Musikfest.  —  In  Glanz  und  Wonnen  ging  das 
diesjährige  Musikfest  zu  Ende,  drei  Tage  voll  ernster  Musik  und  einheitlicher 
Harmonie.  Es  war  rechte  Feststimmung,  vom  Herzen  kommende  Freude.  Der  erste 
Tag,  der  dem  Ganzen  die  Weihe  gab,  gehörte  Bachs  h-moll  Messe,  die  in  geradezu 
idealer  Weise  von  Prof.  Schwickerath  zu  Gehör  gebracht  wurde.  Trotz  der  geteilten 
Soprane  ein  wunderbarer  Ausgleich  der  Stimmen,  aufmerksamste  Sangesfreude  ringsum  I 
Heben  wir  den  köstlichen  Schluss  des  Gloria,  den  mystischen  Klang  des  Incarnatus, 
den  wuchtigen  letzten  Teil  des  Credo  und  den  schneidigen  Einsatz  des  Sanktus  nach 
der  Pause  hervor,  so  geschieht  es  nicht,  um  andere  Partieen  in  den  Schatten  zu  stellen. 
Prof.  Schwickerath  darf  auf  diese  Prachtleistung  stolz  sein;  sein  Ruhm  wichst  immer 
mehr  hinaus  über  die  rheinisch-westfilischen  Grenzen.  Das  gestehen  auch  fremd  her- 
gereiste Beurteiler  ihm  gerne  zu.  Weingartner  eröffnete  den  ersten  Tag  mit  dem  in 
nicht  übermissig  gelungener  Form  wiedergegebenen  Brandenburgischen  Konzert  in  G-dur. 
Von  den  Solisten  gewann  Frl.  Philippi  die  Meinung  des  Publikums.  Ihr  herrliches, 
klangreiches  Organ,  das  leicht  anspricht  und  biegsam  ist,  passt  recht  hinein  in  die  tief- 
gründige Stimmung  des  Werkes.  Bassist  de  la  Cruz-Fröhlich  erwies  sich  als  ge- 
schickter Singer  von  guter  Schule,  in  der  Tiefe  aber  nicht  mehr  als  ausreichend.  Der 
zweite  Tag  gehörte  Weingartner,  der  das  einheitliche,  höchst  fesselnde  Programm  in 
genialer  Weise  ausdeutete.  Mochte  auch  der  Vortrag  der  Manfred-Ouvertüre  Schumanns 
mit  fortreissen,  sein  eigenstes  Werk  war  die  Faustsymphonie  Liszts,  besonders  der  dritte 
Teil.  Wie  er  uns  den  stets  verneinenden  Geist  schildert,  den  himischen  Gesellen,  der 
die  heiligsten  Gefühle  in  den  Kot  seiner  gemeinen  Gesinnung  hinabzieht,  wie  er  dann 
gegen  ihn  kimpft  und  ihn  niederringt,  das  muss  man  erleben,  mit  hören  und  mit  sehen. 
Das  heisst  kongeniales  MitschaflTen!    Brahma'  Rhapsodie  und  Liszts  13.  Psalm  war  dem 


61 

KRITIK:  KONZERT 


A^ 


Chor  als  dtnkbare  Aufgabe  zugefallen;  die  Soli  vertraten  Frl.  Philipp!  mit  grossem 
Erfolg  und  Kammersinger  Burrian  aus  Dresden.  Was  er  an  Bach  gesündigt  hatte, 
renkte  er  an  diesem  Tage  wieder  ein.  Henri  Marteau  spielte  Brahma'  Violinkonzert 
mit  wundervollen  Klangfarben  und  ausgeprigter  Persönlichkeitsmarke.  Auch  am  dritten 
Tage  errang  er  mit  Schumanns  Phantasie  mit  Orchester,  die  durchaus  nicht  leicht  und 
leichtverstindlich  ist,  grossen  Beifall.  Katherine  Goodson  stand  im  Mittelpunkte  des 
Interesses  am  dritten  Tage.  Liszts  Klavierkonzert  in  Es-dur  brachte  sie  mit  markigem 
Anschlage  und  prignantem  Ausdruck  zustande.  Als  Komponist  stellte  sich  Weingartner 
mit  zwei  Gesingen  ffir  achtstimmigen  Chor  mit  Orchester  vor.  Die  sehr  schwierige, 
vom  Chor  unter  Schwickeraths  Leitung  aber  sehr  sorgsam  eingeübte  und  tonrein  zum 
Vortrag  gebrachte  »Traumnacht*  bringt  uns  unleugbar  in  die  vom  Dichter  geforderte 
Stimmung  hinein  und  hinterlisst  einen  recht  befriedigenden  Eindruck.  j^Sturmhymnus" 
leidet  in  erster  Linie  durch  den  effiektsuchenden  Text  der  Dichterin  Helene  von  Engel- 
hardt.  Das  wühlt  ja  geradezu  wie  der  selige  Schubart  der  Sturm-  und  Drangjahre  in 
Ungeheuerlichkeiten.  Weingartner  entfesselt  am  Schluss  einen  Orchesterlirm,  der  nicht 
das  Herz,  aber  die  Gehörnerven  angreift.  Burrian  sang  auch  einige  Lieder  des  Fest- 
dirigenten, von  denen  „Schifers  Sonntagslied"  am  wenigsten,  »Ich  denke  oft  ans  blaue 
Meer"  am  besten  gefielen.  Bachs  Messq  gab  Hermine  Bosetti-München  keine  Ge- 
legenheit, in  den  Vordergrund  zu  treten,  dafür  aber  erregte  sie  massloses  Staunen  durch 
den  stilvollen  Vortrag  und  die  ungewöhnlich  hohen  Töne  in  der  selten  gehörten  Arie 
Mozarts  »Vorrei  spiegaroi  oh  Diol*,  die  als  Einlage  zu  Anfossi's  Oper  »11  curioso  indis- 
creto"  1783  in  Wien  komponiert  wurde.  Dem  Publikum  lagen  Hugo  Wolfs  Lieder  niher, 
die  Schwickerath  feinsinnig  am  Flügel  begleitete.  Frau  Bosetti  trug  mit  erlesenem  Ge- 
schmack vor  und  musste  «Das  Elfenlied"  wiederholen.  Weingartner  dirigierte  am  dritten 
Tage  Beethovens  Leonorenouvertüre  No.  3,  Benvenuto  Cellini  von  Berlioz  und  das 
Meistersingervorspiel,  unter  dessen  rauschenden  Klingen  das  83.  Musikfest  sein  Ende 
nahm.  —  So  hat  Weingartner,  der  von  Berlin,  Paris,  Mannheim  und  Amsterdam  be- 
reits Abschied  genommen  hatte,  auch  Aachen  Lebewohl  gesagt.  Nicht  als  ein  Müder 
erschien  er  uns,  eher  als  ein  Künstler  in  der  Vollkraft  der  Jahre  und  des  Schaffens. 
Prof.  Schwickerath  sieht  mit  Genugtuung  auf  die  Musikfeste  zurück,  an  denen  er  seit 
1888  als  Chordirigent  teilnimmt.  Unter  seiner  Leitung  erklangen  hier  Hindels  «Messias", 
Beethovens  »Missa  solemnis"  mehrere  Male,  Tinels  «Franziskus",  der  von  hier  aus  seine 
Runde  um  die  Welt  machte,  Berlioz'  «Damnation  de  Faust",  Liszts  «Christus",  Francks 
«B6atitudes",  Brahms'  achtstimmige  Fest-  und  Gedenksprüche  und  in  diesem  Jahre 
Bachs  Messe.  Der  Festchor  bestand  aus  331,  das  Orchester  aus  119  Mitwirkenden. 
Generalproben  und  Konzerte  waren  iusserst  stark  besucht,  besonders  am  dritten  Tage. 
Das  Publikum  war  international,  nicht  in  dem  Sinne,  dass  recht  viel  sensationslüsterne 
globetrotters  sich  bemerkbar  machten;  Musiker  aus  Belgien,  Holland  und  Frankreich  waren 
zahlreich  erschienen.  Joseph  Liese 

AGRAM:  Den  Abschluss  der  heurigen  Konzertsaison  und  gleichzeitig  die  Vollendung 
des  zehnten  Jahrganges  des  Komitees  zur  Pflege  der  Kammermusik  bildeten  die 
drei  letzten  Kammermusiksoireen,  deren  Programme  Maikki  Jirnefelt,  das  Brüsseler 
Streichquartett  und  das  Böhmische  Streichquartett  bestritten.  Einen  schöneren,  reinsten 
Kunstgenuss  bietenden  Abgesang  konnten  wir  uns  nicht  wünschen.  Frau  Jirnefelt  brachte 
es  zuwege,  unser  im  Anfange  stets  etwas  reserviert  kühles  Publikum  im  Verlaufe  ihres 
Liederabends  für  ihre  Kunst  zu  erwirmen.  Es  ist  feine,  intime  Kunst,  deren  Hauptreiz 
in  der  Wiedergabe  kleiner  Stimmungsbilder  liegt,  die  mit  lebhaftem  Mienenspiel  und  oft 
packendem  Realismus  vorgetragen,  die  beabsichtigte  Wirkung  nie  versagen.  Ober  die 
oft  gerühmte  Kunst  der  Brüsseler  und  der  Böhmen  an  dieser  Stelle  zu  sprechen  ist 


62 
DIE  MUSIK  V.  19. 


wohl  überflüssig.  Bei  einer,  seitens  eines  Damenkomitees  veranstalteten  Akademie 
wurden  letzthin  eine  Anzahl  kroatischer  Volkslieder  in  der  Harmonisierung  Jvan 
▼.  Zajic's  vorgetragen;  es  zeigte  sich  wieder,  welch  eminente  unverbrauchte  Kraft  in  diesen 
Melodieen  liegt  Wann  wird  der  „Wecker*  kommen,  der  diese  Schitze  zu  einer  höheren 
Kunstform  erheben  wird?  Ernst  Schulz 

BRAUNSCHWEIG:  Die  Konzertsaison  liegt  abgeschlossen  hinter  uns,  alle  Ver- 
anstalter suchten  möglichst  günstig  abzuschneiden.  Dies  gelang  Direktor  Weg- 
mann mit  d'Alberts  Klavierabend,  dem  Verein  für  Kammermusik,  der  Hof- 
kapelle mit  Frl.  Staegemann  und  Man6n;  Direktor  Settekorn  bot  mit  seiner  Aka- 
demie für  Kunstgesang  eine  tüchtige  Wiedergabe  des  «Kinderkreuzzugs**  von  Piern6 
mit  Frl.  E.  Mohr,  H.  Gottlieb  und  Herrn  Jungbluth  als  Solisten.  Elise  Breuer- 
München  wurde  freudig  begrüsst,  der  neue  stellvertretende  Konzertmeister  Mühlfeld 
aus  Meiningen  erwies  sich  als  ein  gediegener  Geiger  mit  glatter  Technik  und  warm- 
blütigem Vortrag.  Der  Schradersche  a  cappella-Chor  und  der  Chorgesang- 
verein (Matthluspassion)  schliessen  den  musikalischen  Reigen  in  der  Karwoche  mit 
Passionskonzerten.  Ernst  Stier 

BREMEN:  Erhebliche  Neuheiten  haben  die  letzten  Wochen  hier  nicht  gebracht.  Grosses 
Gefallen  fand  die  von  Mottl  aus  Gluckschen  Opernsätzen  zusammengestellte 
Orchestersuite.  Von  Solisten  entzückten  an  je  einem  Philharmonischen  Abend:  d'Albert 
mit  dem  Brahmsschen  B-dur-Konzert,  Ysaye  mit  Bachs  E-dur  und  Bruchs  g-moll.  Recht 
freundlich  aufgenommen  wurde  auch  Maikki  Jirnefelt,  obwohl  die  Stimme  für  die 
Wagnerschen  Bruchstücke  mit  Orchesterbegleitung  nicht  ganz  ausreichte.  Den  Schluss 
der  Saison  machte,  wie  stets  seit  Panzners  Hiersein,  die  »Neunte*  in  vorzüglicher 
Chor-  und  Orchesterleistung.  Die  Soli  sang  wieder  das  Berliner  Quartett  (Grumbacher- 
de  Jong,  Schnabel-Behr,  Reimers,  van  Eweyk),  wobei  der  neu  eingetretene  Tenor 
sich  seiner  Aufgabe  stimmlich  nicht  recht  gewachsen  zeigte.  —  Von  auswirtigen  Künstlern 
gab  Wüllner  (Begleitung  van  Bos)  vor  ausverkauftem  Saale  und  unter  grösster  Be- 
geisterung seinen  dritten  Liederabend,  und  Burmester  mit  dem  Pianisten  Rot  her  ein 
missig  besuchtes,  aber  von  Hörern  und  Kritik  glänzend  aufgenommenes,  klassisch  gefärbtes 
Konzert.  Gustav  Kissling 

DARMSTADT:  Die  vergangenen  Wochen  brachten  uns  auf  dem  Gebiete  der  Instru- 
mentalmusik eine  ganze  Reihe  von  Novitäten:  Karl  Goldmarks  farbensprühendes 
Klavierquintett  op.  30  (B-dur),  Miroslaw  Webers  nachgelassenes  Streicbquintett  in  F-dur, 
ein  vornehm  empfundenes  und  elegant  geschriebenes  Werk,  das  durch  das  rührige  Darm- 
städter Streichquartett  seine  Uraufführung  erfuhr;  ferner  Anton  Brückners  herrlichen 
Schwanengesang,  seine  IX.  Symphonie  in  d-moll,  und  unseres  einheimischen  Tonsetzers 
Arnold  Mendelssohn  »Bärenhäuter^'-Vorspiele  zum  zweiten  und  dritten  Akt  der  einst 
viel  besprochenen  Oper.  Eine  weitere  Neuheit  von  Mendelssohn  war  sein  einaktiges  «Lied 
vom  treuen  Kanzle r**;  der  Männerchor  Humanitas,  der  es  unter  des  Komponisten 
Leitung  zur  Uraufführung  brachte,  bot  ausserdem  erstmalig  die  Männerchor- Balladen 
«König  Sigurds  Brautfahrt**  von  Heinrich  Zöllner  und  «Der  Pilot*  von  M.Spicker. 
Der  Musikverein  machte  sich  durch  treffliche  Vorführungen  von  Haydns  «Schöpfung* 
und  Bachs  «Matthäuspassion*  verdient,  in  welch  letzterer  als  Vertreter  der  «Cbristus*- 
Partie  Tomas  Denys  von  Rotterdam  sich  hier  sehr  vorteilhaft  einführte.  Ausserdem 
traten  als  Gesangssolisten  auf:  Richard  Breiten  feld,  Johanna  Dietz,  Hedwig  Mater  na, 
Helene  Staegemann  und  Frau  Werner-Jensen.  Die  Pianisten  waren  durch  Adele 
Ries  von  Trzaska,  die  mit  schönem  Erfolg  einen  Chopinabend  gab,  und  Wilibald 
Nagel,  die  Geiger  durch  Fritz  Kreis  1er  und  Willy  Burmester,  die  Orgel  virtuosen 
durch  Richard  Oppel,  Hugo  Römer  und  Wilhelm  Borngässer  vertreten.    Den  Höhe- 


63 

KRITIK:  KONZERT 


punkt  der  ganzen  Saison  jedoch  bildete  das  Jubilium  des  100.  Vereinsabends  des  Richard 
Wagner- Vereins,  der  sich  in  17]ibriger  zielbewusster  Titigkeit  zu  einer  führenden 
Stellung  im  Musikleben  Darmstadts  aufgeschwungen  und  es  jetzt  auf  eine  Mitglieder- 
zahl von  582  Personen  gebracht  hat.  Das  Programm  brachte  das  »Meistersinger*-  und 
»Tristanl'-Vorspie],  Liszts  «Mazeppa^  Strauss'  »Tod  und  Verklirung*  und  die  beiden  oben 
genannten  »Birenhiuter''- Fragmente  und  erfuhr  durch  das  Münchner  Kaim-Orchester 
unter  Georg  Schn6evoigts  grosszugiger  Leitung  eine  imposante  Wiedergabe. 

H. Sonne 

DESSAU:  Das  diesjährige  Palmsonntagskonzert  (No.  IX)  der  Hofkapelle  vermittelte 
zunftchst  Wagners  »Faust'-Ouvertüre,  Liszts  «Tasso**  und  Wagners  «Siegfried-Idyll«. 
Danach  gelangten  vor  geschlossenem  Bühnenvorhang  und  bei  verdunkeltem  Hause  im 
vertieftem  Orchesterraum  das  Vorspiel  und  der  Karfreitagszauber  aus  »Parsifal''  zu  er- 
greifender Wirkung.  An  den  Anfang  des  X.  und  letzten  Hofkapellkonzertes  stellte  sich 
als  Novität  Liszts  »Dante-Symphonie*,  deren  Wiedergabe  unter  Franz  Mikorey  vorzüg- 
lich war.  Mary  Wurm  (Hannover)  spielte  Tschaikowsky's  Klavierkonzert  op.  23  und 
Alla  Steingräber  (München)  sang  einige  Lieder,  ohne  dass  beide  Künstlerinnen  be- 
deutendere Erfolge  zu  verzeichnen  gehabt  hätten.  Am  5.  April  vereinigten  sich  die  Sing- 
akademie, die  Liedertafel,  dazu  ein  Chor  von  50  Knaben  mit  der  Hofkapelle  zur  Erst- 
aufführung von  Wolf-Ferrari's  .La  Vita  Nuova«,  die  in  allen  Teilen  von  Franz  Mikorey 
trefflich  vorbereitet  war  und  gut  vonstatten  ging.  Zu  einer  Kunstdarbietung  von  hervor- 
ragender Bedeutung  gestaltete  sich  das  Konzert  des  Berliner  Lehrergesangvereins,  das, 
von  Felix  Schmidt  geleitet,  unter  dem  Protektorate  des  Herzogs  Friedrich  von  Anhalt 
am  13.  Mai  im  hiesigen  Hoftheater  stattfand.  Das  trefflich  gewählte  Programm  erfuhr 
eine  geradezu  ideale  Ausführung.  Den  Schluss  bildete  unter  Mitwirkung  der  Hofkapelle 
Richard  Wagners  »Das  Liebesmahl  der  Apostel*.  Ernst  Hamann 

DORTMUND:  Eine  in  allen  Teilen  auf  künstlerischer  Höhe  stehende  Aufführung  des 
Spohrschen  Oratoriums  »Die  letzten  Dinge*  veranstaltete  der  Konservatoriumschor 
unter  Direktor  Holtschneider.  Solistisch  wirkten  mit  die  Damen  Ohse  und  Huber, 
die  Herren  Stein  und  Göpel.  —  Der  Musik- Verein  bot  als  letztes  Konzert  eine  Beethoven- 
feier, in  der  Janssen  den  klassischen  Humor  der  achten  Symphonie  in  herzerquickender 
Frische  hervorzauberte,  und  vonDohnänyi  neben  kleineren  Stücken  in  der  Chorphantasie 
und  dem  G-dur  Konzert  als  ein  technisch  ebenso  gewandter  wie  poetischer  Pianist  sich 
erwies.  Der  Chor  sang  stilgemäss  »Meeresstille  und  glückliche  Fahrt*,  »Elegischer  Gesang* 
und  den  Schlusschor  der  Phantasie.  —  Ein  Versuch,  unser  Stadttheater  durch  die  Auf- 
führung des  »Elias*  auf  dessen  Qualifikation  als  Konzertlokal  zu  prüfen,  fiel  negativ  aus. 

H.  Bulle 

ERFURT:  Die  soeben  zur  Rüste  gegangene  Saison  hat  uns  neben  vielen  minderwertigen 
künstlerischen  Leistungen  doch  auch  manchen  hohen  Kunstgenuss  geboten.  Das 
erste  Konzert  des  Musikvereins  wurde  von  den  Meiningern  unter  Leitung  Professor 
Bergers  bestritten;  das  Programm  enthielt  die  c-moll  Symphonie  von  Beethoven,  die 
tragische  Ouvertüre  von  Brahms,  die  D-dur  Serenade  von  Volkmann  und  die  kleine 
Symphonie  für  Flöte,  Oboen,  Klarinetten,  Fagotts  und  Hörner  von  Gounod,  die  sämtlich 
eine  gute  Wiedergabe  erfuhren.  Im  zweiten  Konzert  desselben  Vereins  wurde  die  Sym- 
phonie op.  d5  von  DvoHk  unter  der  Leitung  Rosenmeyers  in  einer  wenig  befriedigenden 
Weise  zu  Gehör  gebracht.  Der  Violinvirtuose  Karl  Flesch  spielte  das  Brahms-Konzert 
und  fesselte  sowohl  durch  eine  solide  Technik,  als  auch  namentlich  durch  einen  empfln- 
dungsvollen  Vortrag.  Beides  ist  auch  Frl.  Kirsch  nachzurühmen,  die  im  Verein  mit 
Herrn  Eweyk  das  Programm  des  dritten  Konzerts  bestritt.  Das  Programm  des  vierten 
Konzerts  enthielt  u.  a.  die  »Egmont*-Musik  von  Beethoven,  die  eine  annehmbare  Wieder- 


64 
DIE  MUSIK  V.  19. 


gäbe  fand.  Wihrend  Frau  Grumbacher-dejong,  die  Solistin  des  Abends,  die  Klirchen- 
Lieder  in  wenig  befriedigender  Weise  sang,  bot  sie  mit  einigen  Volksliedern  und  den 
reizenden  holländischen  Kinderliedem  von  Rennes  einen  durch  nichts  getrübten  Icünst- 
lerischen  Genuss.  Den  Manen  Mozarts  galt  ein  Kammermusikabend,  an  dem  von  dem 
Weimarer  Quartett  der  Herren  Krasselt,  Branco,  Uhlig  und  Friedrichs  das  d-moU 
Quartett  und  das  Es-dur  Divertimento  für  Violine,  Viola  und  Violoncello,  und  im  Verein 
mit  Herrn  Muhlfeld  (Meiningen)  das  Klarinettenquintett  zu  Gehör  gelangten.  Des 
weiteren  huldigte  man  dem  Meister  durch  die  Aufführung  der  c-moll  Messe,  deren 
Wiedergabe  unter  der  Leitung  Rosenmeyers  rühmende  Anerkennung  yerdient.  Von 
den  Solisten,  Frau  Buff-Hedinger,  Friulein  Leydhecker  und  den  Herren  Walter 
und  Rudolph,  zeichnete  sich  Friulein  Leydhecker  besonders  aus,  während  Herr 
Walter  total  indisponiert  war.  —  Gleich  dem  Erfurter  Musikverein  gab  auch  die 
Konzertvereinigung  «Sollerscher  Musikverein-Erfurter  Männergesangverein" 
(Dirigent:  Musikdirektor  Zuschneid)  fünf  Abonnementskonzerte.  In  einem  Volkslieder- 
abend bot  der  Männerchor  nichts  besonders  Rühmenswertes;  Frau  Kraus-Osborne, 
die  Solistin  des  Abends,  entzückte  die  Zuhörer  durch  den  Wohlklang  ihrer  Stimme  und 
ihren  seelenvollen  Vortrag  in  Liedern  von  Reger,  Chopin,  Loewe  und  in  einigen  Volks- 
liedern. Die  Herren  Pinks  und  Hinze-Reinhold  bestritten  das  Programm  des  dritten 
Konzerts,  während  in  dem  vierten  Richard  Sahla  und  Emmy  Mohr  als  Solisten 
mitwirkten.  Herr  Sahla  fesselte  weniger  durch  blendende  Technik,  als  durch  Wärme 
des  Vortrags.  Er  spielte  das  Konzert  No.  4  von  Mozart  und  einige  kleinere  Sachen, 
unter  denen  die  »Ciacona''  von  Vitali  hervorgehoben  sei.  Fräulein  Mohr,  ausgestattet 
mit  einem  hohen  Sopran  von  angenehmer  Klangfarbe,  hatte  u.  a.  die  Zigeunerlieder  von 
Brahma  gewählt,  die  ihrem  Naturell  nicht  ganz  entsprechen;  recht  Gutes  bot  die  Dame 
mit  Rezitativ  und  Arie  der  Elektra  aus  i^Idomeneo''.  Das  Programm  enthielt  des  weiteren 
einige  Werke  für  Männerchor,  die  eine  befriedigende  Wiedergabe  fanden.  Eine  solche 
wurde  auch  den  „ Kreuzfahrern"  von  Gade  zuteil,  die  neben  der  »Rose  Pilgerfahrt*  von 
Schumann  in  dem  folgenden  Konzert  zur  Aufführung  kamen,  dagegen  Hess  die  des 
letztgenannten  Werkes  leider  vieles  zu  wünschen  übrig.  Unter  den  Solisten  verdient 
nur  Kammersänger  Strathmann  (Weimar)  mit  Auszeichnung  genannt  zu  werden. 
Ausserhalb  des  Rahmens  dieser  Konzerte  gab  die  genannte  Vereinigung  noch  ein  Kirchen- 
konzert, in  dem  die  »Geburt  Christi"  von  Herzogenberg  zur  Aufführung  kam.  —  Im 
übrigen  sei  noch  einer  Aufführung  der  »Soci6t6  de  concerts  des  instrumenta  anciens" 
gedacht,  die  uns  u.  a.  mit  einer  wundervollen  Symphonie  in  A-dur  vom  A.  B.  Bruni  be- 
kannt machte,  und  femer  eines  Richard  Wagner-Abends,  den  Dr.  Briesemeister  und 
Dr.  Dillmann  veranstalteten.  M.  Puttmann 

GRAZ:  Fritz  Feinhals  hat  über  die  zarte  Seele  Schumanns  und  Wolfs  nicht  volle 
Macht;  er  siegt  mit  Richard  Strauss,  den  er  mit  aufflammendem  Temperament  und 
dramatischer  Kraft  darstellt.  Von  den  Solisten-Konzerten  der  Saison  war  übrigens  nur 
ein  Fünftel  wirklich  gut  besucht,  darunter  die  Abende  der  Tenor-Favorits  Jörn  und 
Slezak;  fast  könnte  man  von  einem  Konzertkrach  sprechen,  wenn  nicht  heimische  Ge- 
sellschaften (Haydns  ijahreszetten*  im  Singverein,  einige  Orchesterabende  des  Musik- 
vereines u.  a.)  besser  abgeschnitten  hätten.  Anton  Dressler  und  Schmid-Lindner 
hatten  »halben  Saal",  Godowsky,  Lamond,  Busoni  spielten  vor  leeren  Sesseln; 
Eugen  d'Albert  sagte  seinen  Abend  lieber  ab.  Dr.  Ernst  Decsey 

HALLE  a.  S.:  Als  wichtige  Erscheinungen  sind  nur  das  fünfte  Wind erstein- Konzert 
mit  Edouard  Risler,  der  das  Es-dur  Konzert  Beethovens  hinreissend  nachschuf, 
das  sechste  mit  Leopold  von  Auer,  der  mit  Tschaikowsky's  D-dur  Konzert  brillierte, 
zu  nennen.    Die  Orchesterwerke  waren  sehr  wähl-  und  skrupellos  zusammengestellt  und 


65 

KRITIK:  KONZERT 


fanden  ihren  einzigen  Höhepunkt  in  Strauss'  »Tod  und  VerUirong*'.  -r-  Die  AuffQhrung 
der  Matthins-Passion  durch  die  Sing- Akademie  (Prof.  Reuhke)  soll  nicht  auf  der 
wfinschenswerten  Höhe  gestanden  haben.  Etwas  matt  fiel  auch  die  Saulus-Aufführung 
Ton  Hindel-Chrysander  aus,  um  die  sich  die  neue  Sing- Akademie  unter  W.  Wurf- 
schmidt bemfihte.  Im  4.  Kammermusikabende  des  Hilf- Quartettes  aus  Leipzig  kam 
in  Halle  zum  ersten  Male  Max  Reger  mit  dem  Streichtrio  op.  77  zu  Wort  und  fand  hier 
ein  sehr  reserviertes  Publikum.  Martin  Frey 

HANNOVER:  Das  letzte  Abonnementskonzert  der  Kgl.  Kapelle  brachte  unter 
Doebbers  Leitung  eine  Wiederholung  der  im  Vorjahre  erstmalig  aufgef&hrten 
^Domestica*  von  Strauss  in  einer  den  Verhiltnissen  nach  wohlgelungenen  Wiedergabe. 
Ausserdem  gab  es  eine  kleine,  feine  Serenade  von  Mozart  für  vier  Orchester  und 
Schuberts  von  Liszt  instrumentierte  Märsche.  Solistin  war  Lula  Mysz-Gmeiner.  — 
Ein  weiteres  bedeutsames  Ereignis  spielte  sich  in  Gestalt  eines  Reger-Abends  ab,  der, 
Tom  Komponisten  unter  Mitwirkung  der  vorztiglichen  Altistin  Clara  Rahn  und  der 
Pianistin  Frau  Schell  veranstaltet,  eine  Anzahl  Regerscher  Tondichtungen,  u.  a.  seine 
herrlichen  »Schlichte  Weisen*  und  seine  Variationen  über  ein  Thema  von  Beethoven, 
mithielt.    Der  Eindruck,  den  das  Konzert  hinterliess,  war  hochbedeutsam. 

L.  Wuthmann 

KASSEL:  Mit  Teilen  aus  Wagners  »Parsifal«  und  unter  Mitwirkung  von  Ludwig  Hess 
schloss  das  mit  Beethovens  Pastoralsymphonie  eingeleitete  letzte  Abonnements- 
J^onzert  unter  Dr.  Bei  er  s  Leitung.  Die  Kammermusiken  der  Herren  Hoppen,  Gihlert, 
Keller  und  Monhaupt  verabschiedeten  sich  mit  Beethovens  op.  18  No.  3,  dem  d-moll 
.Quartett  von  Schubert  und  dem  Klavierquartett  op.  81  von  DvoHk,  in  dem  Dr.  Zulauf 
einen  neuen  Beweis  seiner  gediegenen  pianistischen  Fertigkeit  gab.  In  einem  Konzerte 
4es  Meininger  Trios  interessierte  besonders  ein  höchst  gehaltvolles  und  an  Schönheiten 
reiches  Klarinettentrio  op.  94  von  W.  Berger,  das,  vom  Komponisten  und  den  Herren 
.Mfihlfeld  und  Piening  meisterhaft  vorgetragen,  sich  der  wirmsten  Aufnahme  erfreute. 
Am  Karfreitag  gelangte  durch  einen  von  Dr.  Beier  gebildeten  Chor,  die  Königl.  Kapelle 
und  tüchtige  Solisten  Mozarts  Requiem  zur  Aufführung,  nachdem  kurz  zuvor  durch 
Herrn  Hall  wachs  mit  dem  Oratorien  verein  Bachs  Matthiuspassion  zum  Inhalt  eines 
Volkskonzertes  gemacht  worden  war.  Dr.  Brede 

MAINZ:  Die  Hindel-Aufführungen  der  Kaiserin  Friedrich-Stiftung.—  Am 
30.  Oktober  1004  wurde  von  dem  Vorstand  des  Vereins  j^Mainzer  Liedertafel 
und  Damengesangverein",  der  nun  auf  75  Jahre  seines  Bestehens  zurückblicken 
kann,  ein  Unternehmen  ins  Leben  gerufen,  das  unter  dem  Namen  der  »Kai serin 
Friedrich  Stiftung*  den  Zweck  verfolgt,  mustergemSsse  AufTührungen  von  Hindelschen 
Werken  in  der  Chrysanderschen  Bearbeitung,  sowie  von  anderen  hervorragenden  Werken 
zu  veranstalten  und  für  ihre  Verbreitung  zu  sorgen.  Diese  Stiftung  knüpft  an  die 
Hindel-Aufführungen  der  Jahre  1885  und  1807  und  soll  ein  2^ichen  dankbarer  Erinnerung 
sein  an  die  hohe  Schirmherria  jener  Feste,  die  verstorbene  Kaiserin  Friedrich.  Die 
Stiftung  und  die  stattfindenden  Aufführungen  stehen  unter  dem  Protektorat  Sr.  Kgl.  Hoheit 
des  Grossherzogs  Ernst  Ludwig  von  Hessen.  —  Die  beiden  Werke,  die  zur  Auf- 
führung gelangten,  waren  Judas  Makkabius  und  Saul.  Als  Solisten  waren  gewonnen 
Prau  Grumbacher  de  Jong,  Frau  Rückbeil-Hiller,  Frau  de  Haan-Manifarges, 
Frsu  von  Kraus-Osborne,  die  Herren  Ph.  Broz61,  L.  Hess,  Prof.  Messchaert, 
Prof.  Franke  und  A.  Klein pauL  Der  Chor  bestand  aus  206  Stimmen  einschliess- 
lich eines  Knabenchors,  das  Orchester  —  83  Musiker  —  aus  der  durch  Mitglieder 
AtT  Hoffüusik  au9  Darmstadt  verstirkten  stidtischen  Kapelle;  Leiter  der  Aufführungen 
war  Prof.  Dn  Fritz  Volbach.  —  Der.  17.  Mai  brachte  zuerst  «Judas  Makkabius*,  der 

V.  19.  5 


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DIE  MUSIK  V.  19. 


von  früheren  Aufführungen  der  Liedertafel  her  bereits  beluinnt  war.  Nehmen  wir  die 
Solisten  vorweg,  so  muss  gestanden  werden,  dass  man  eine  Tollendetere,  künstlerisch 
▼omehmere  Vertretung  der  Soli  sich  luium  denlcen  Icann.  Auch  die  Leistungen  des 
Chores  waren  yortreiflich.  Trotz  der  anstrengenden  Proben  Iclangen  die  Stimmen  frisch, 
die  Einsitze  kamen  mit  der  grOssten  Sicherheit,  die  Aussprache  war  so  deutlich  wie  nur 
möglich  und  die  monumentale  Grösse  der  Chöre  von  vollendetster  Plastik  neben 
minutiösester  Ausarbeitung  des  Details.  Den  Schluss  bildete  das  Hallelujah  aus  dem 
»Messias*,  in  dessen  Herübemahme  ich  keine  Versündigung  gegen  den  Geist  dea 
Meisters  erblicken  kann,  der  eine  solche  Praxis  oft  genug  selbst  geübt  und  damit  auch 
sanktioniert  hat  —  Fast  noch  bedeutender  war  der  Erfolg  am  zweiten  Tag  bei  der  Auf* 
führung  des  j^Saul*.  In  der  Geschlossenheit  der  Komposition  wirkt  er  noch  dramatischer 
als  der  «Judas  Makkabius*.  Oberhaupt  scheint  mir  das  mit  einer  der  wichtigsten  Faktoren 
bei  dem  Erfolg  dieser  Hindel-Aufführungen  zu  sein,  dass  sie  dem,  der  etwa  noch 
zweifelte,  mit  unumstösslicher  Gewissheit  sagen  konnten,  dass  Händel  einzig  und  allein 
als  Dramatiker  zu  erftissen  und  zu  verstehen  ist.  Dieselben  Vorzüge,  die  Solisten, 
Chor  und  Orchester  -—  ganz  hervorragend  waren  die  Bläser  —  bereits  am  ersten  Tag 
ausgezeichnet  hatten,  traten  auch  hier  in  fast  erhöhtem  Masse  hervor.  Prof.  Volbach 
leitete  die  Aufführungen  mit  dem  ganzen  Aufgebot  seiner  starken  Individualität  und  aus* 
gezeichneten  Könnens  und  gab  den  Leistungen  des  Chors  und  Orchesters  jene  bezwingende 
Grösse,  die  für  Händel  unerlässlich  ist  —  Neben  dem  künstlerischen  Zweck  der  Auf- 
führungen suchten  Vorträge  über  den  Stand  der  Händelforschung  zu  belehren.  Prof» 
Weber  (Augsburg)  sprach  über  «Die  Grundsätze  und  Ziele  Chrysanders  bei  der  Neu- 
gestaltung der  Händelwerke*  und  regte  die  Gründung  einer  j^Händelgesellschaft*  an* 
Dr.  E.  Bernoulli  (Zürich)  Hess  in  seinem  Vortrag  über  »Die  Quellen  zum  Studium 
Händelscher  Chorwerke*  einen  Blick  tun  in  die  philologische  Werkstatt  des  Händel- 
förschers,  und  Dr.  Hugo  Goldschmidt  (Berlin)  behandelte  in  geistvoller  Weise  »Die 
Grundsätze  für  die  Ausgestaltung  und  Vervollkommnung  des  Händeischen  Einzelgesaoges*. 
Im  Anschluss  daran  führte  Prof.  Volbach  Instrumente  vor,  die  für  die  Aufführung 
Händelscher  Werke  von  praktischer  Bedeutung  sind:  Flügel  und  Cembalo  (Fabrikant: 
Rud.  Ibach  Sohn),  sowie  hohe  Trompeten  und  Homer.  —  Alles  in  allem  genommen^ 
wirkten  bei  diesen  Händel-Aufführungen  sämtliche  Glieder  des  komplizierten  Organismus 
auf  das  harmonischste  zusammen,  um  die  Feier  zu  dem  zu  gestalten,  was  sie  geworden 
ist:  ein  Erlebnis  edelsten  Genusses,  eine  Quelle  reinster  Freude,  eine  Offenbarung  höchster 
Schönheit  Dr.  Heinrich  Willenbücher 

MANCHESTER:  Der  Rest  der  Hai  16 'sehen  Winterkonzerte  unter  Dr.  Hans  Richter 
brachte  una  einen  Berlioz- Abend:  »Romeo  und  Julie'-Symphonie,  die  aber  sehr 
matt  wirkte.  Femer  hatten  wir  zweimal  die  Sinfonia  Domestica,  unter  starker  Reklame 
als  Glanzpunkt  und  Hauptneuheit  hingestellt,  aber  auch  grosszügig  gespielt,  Dante» 
Symphonie  von  Liszt,  die  »Neunte*  von  Beethoven.  Gut  durchgeführt  war  Wagners 
»Liebesmahl  der  Apostel*.  Als  Solisten  traten  auf:  Dr.  Adolf  Br od sky  Bach-Konzert  in 
A  für  Geige  und  W.  Backhaus  Bach-Konzert  in  d-moU  für  Klavier;  der  letztere  spielte 
dies  gerade  so  schön  als  er  Schubert  Impromptu  op.  142  No.  3  und  Chopin  Scherzo  in 
cis-moll  nicht  schön  spielte.  Zum  Orchesterpensionsfonds-Konzert  spielte  Fritz  Kreisler 
prachtvoll  das  Brahmssche  Geigen -Konzert.  Ziemliche  Unzufriedenheit  herrscht  hier» 
dass  Richter  die  Konzerte  zu  schwer  und  unverdaulich  mache;  denn  20  Konzerte  hinter- 
einander mit  vielen  Symphonieen  und  Chor- Werken  ohne  Solisten-Abwechslung  ist  für 
die  hiesigen  Verhältnisse  etwas  zu  schwere  Kost  Ed.  Sachs 

NEUENBURG:  VIL  schweizerisches  Tonkünstlerfest  am  26.  und  27.  Mai  1906. 
Der  Temple  du  Bas,  eine  alte  Kirche  des  17.  Jahrhunderts,  die  die  Oberreste  des 


67 
KRITIK:  KONZERT 


onsterblichen  Predigers  Osterwald  in  sich  birgt,  vermochte  die  Musikfreunde/ die  aus 
sllen  Gauen  der  Schweiz  herbeigeeilt  waren,  luum  zu  fessen.  Die  Chorpartleen  hatte 
die  Neuenburger  Soci6t6  Choräle  (200  Mitglieder)  unter  der  kundigen  Hand  von 
Edm.  ROthlisberger  fibemommen,  den  Orchesterpart  hatte  das  Kaimorchester  aus 
Mfinchen  inne.  Der  Sonntag  Nachmittag  war  ausschliesslich  der  Kammermusik 
gewidmet.  Durch  ein  Streichquartett  op.  59,  vorzQglich  interpretiert  durch  das  Basler 
Quartett  (KAtscher,  Wittmer,  Schiffer  und  Treichler)  fQhrte  sich  Emanuel  Moor 
sehr  ▼ortellhafi  In  die  Konzerte  des  schweizerischen  Tonkünstler-Vereins  ein.  Eine 
wirklich  klangschöne,  einheitliche  Durchführung  der  leitenden  Grundidee  ist  das  Haupt- 
merkmal der  sehr  gefllligen  Komposition.  Der  bekannte  Konzertsinger  Paul  Böpple 
aus  Basel  trug  zwei  ansprechende  Lieder  von  Emile  La  üb  er  vor.  «Essais  de  psychologie 
musicale*  nennt  sie  der  Verfasser,  in  der  Tat  sind  es  zwei  hübsche  Tongemilde,  die 
rasch  den  BeiCill  des  Publikums  fanden.  Die  Idee  Marteau's,  das  Streichquartett  mit  dem 
Gesang  zu  kombinieren,  war  sehr  glücklich.  In  feinfühlender  Weise  hatte  der  gefeierte 
Genfer  Geiger  sieben  innige  Gedichte,  über  denen  der  Name  seiner  Gemahlin  Agn6s  Henri 
Marteau  steht,  vertont.  Hier  hatte  man  den  Eindruck,  die  poesievolle  Sprache  eines 
tief  empfindenden  Herzens  zu  hören,  und  Stücke  wie  »In  dem  Garten  meiner  Seele'  und 
«Liebeslied*  verglast  man  so  leicht  nicht  wieder.  Grossen  Erfolg  errang  Georg  Haeser 
mit  drei  reizenden  Liedern,  die  Frida  He  gar,  die  Tochter  des  gefeierten  Zürcher 
Dirigenten  in  prachtvoller  Welse  vortrug.  Von  Joseph  Lauber  kamen  zehn  stimmungsvolle 
Vokalquartette  auf  altdeutsche  Volksliedertexte  zur  Aufführung.  Viel  fHscher  Humor 
und  musikalische  Feinarbelt  steckt  in  diesen  Gesingen.  In  der  geradezu  idealen  Wiedergabe 
durch  das  Basler  Vokalquartett  (Ida  Huber-Petzold,  Maria  Philippi,  Herr  Sand- 
reuter und  Paul  Böpple)  errangen  diese  Quartette  den  Haupterfölg  des  ersten  Konzertes. 
A.D6n6r6siz  trat  mit  dem  ersten  Satze  aus  seiner  tragischen  Sonate  für  Orgel  an  die  Öffent- 
lichkeit, leider  nur  ein  Fragment  eines  gross  angelegten  Werkes,  aus  dem  man  keinen 
Schluss  auf  das  Ganze  ziehen  konnte.  M.  W.  Montillet  spielte  drei  kurze  Orgel- 
Kompositionen  seines  Lehrers  Otto  Barblan,  drei  kleine  Meisterwerke,  denen  ein  tiefcdr 
seelischer  Gehalt  innewohnt.  Als  ein  Störenfried  des  ersten  Konzertes  trat  Woldemar 
Pahnke  mit  einer  sogenannten  Sonate  in  D-dur  für  Violine  und  Klavier  vor  die  Öffentlich- 
keit. Eine  Hiufting  von  nichtasagenden  Kakophonieen,  ohne  leitende  musikalische  Idee  und 
ohne  Sinn  für  die  intimen  Wirkungen  einer  feinen  Rhythmik.  Am  Klavier  sass  jedoch, 
und  das  versöhnte  einigermassen,  eine  Meisterin,  Frau  Chöridjian-Charrey,  die  die 
schwierige  Partie  mit  bewunderungswürdiger  Vollendung  spielte.  Das  Programm  des 
ersten  Orchesterkonzerts  vom  Samstag  abend  brachte  wiederum  viel  des  Interessanten 
und  Schönen.  Ein  Konzertstück  für  gemischten  Chor  und  Orchester  von  Carl  Vogler 
betitelt  «Das  letzte  Lied'  bildete  die  würdige  Einleitung.  Prachtvolle  Klangschönheit  zeichnet 
in  erster  Linie  die  Komposition,  an  der  man  seine  Freude  haben  konnte,  aus;  es  war  eine 
würdige  Verherrlichung  der  beseligenden  Macht  des  Liedes.  Zwei  melodiöse,  recht 
stimmungsvolle  Weihnachtslieder  für  Frauenchor  bot  Jacques  Ehrhart.  Gustave  Doret, 
der  geistvolle  Komponist  des  letztjihrigen  Winzerfestes  in  Vevey,  erweckte  durch  sein 
ipRecueillement*  für  Sopransolo  und  Orchester  mit  Recht  ungeheuren  BeifeU.  Der  poetische 
Gehalt  des  Beaudelaire'schen  Gedichts  ist  durch  die  Musik  Dorets  noch  vertieft  worden, 
Orchester-  wie  Sopranpart  ein  wunderbares  Ganzes,  das  aus  dem  Herzen  kommend 
auch  imstande  wsr,  zum  Herzen  zu  sprechen.  Von  den  Orchesterwerken  sei  besonders 
der  grossangelegte  symphonische  Prolog  zu  Spittelers  i,01ympischer  Frühling*  von 
Walter  Courvolsier  erwihnt,  rauschende  breite  Melodieen,  die  Sprache  der  Begeisterung 
eines  tiefernsten  Künstlers.  Fritz  Brun  schuf  durch  seine  symphonische  Dichtung 
«Aus  dem  Buche  Hieb"  für  Orchester  ein  Werk,  das,  reich  an  starken  Affekten  und 

5» 


68 
DIE  MUSIK  V.  19. 


wirkungsvollen  Steigerungen»  zu  schönen  Hoffnungen  berechtigt  Wahre  Kunst  bot  auch 
der  Genfer  Emest  Bloch  in  seinen  swei  Konzertstficken  fGr  Orchester  ,»Frühling*'  und 
»Winter*.  Der  tiefe  Ernst  des  starren  Eises,  das  Heitere  des  Frühlings  in  seiner  ganzen 
Farbenpracht,  alles  spricht  in  herrlichen  Melodieen  zu  uns.  Wenig  konnte  der  ZQrcher 
Ernst  Isler  mit  seiner  ,»Quelle*  für  Tenorsolo,  gemischten  Chor  und  Orchester  be^ 
geistern.  Zwischen  dem  sanften  Plitschem  und  Dahingleiten  einer  Quelle  .und  dem 
ungeberdigen  Bergbachgebrause  Islers  ist  doch  ein  himmelweiter  Unterschied.  Eine 
Symphonie  in  F-dur  von  Peter  FassbSnder  in  Luzem  schloss  das  Konzert  würdig 
ab.  Eine  phantasiereiche,  sehr  saubere  Ausarbeitung,  prachtvolle  Klangwirkungen  und 
eigenartige,  kunstvoll  durchgeführte  Themen  sind  das  Hauptmerkmal  dieser  stimmmungs* 
vollen  Komposition.  Am  Sonntagskonzert  trat  zum  erstenmal  ein  junger  Neuenburgeri 
Paul  Benner»  mit  einem  religiösen  Chorwerke  mit  Sopransolo  und  Orchesterbegleitung 
vor  die  schweizerischen  Tonkünstler.  Sein  »Mortuus  pro  nobis"  macht  durchaus  den 
Eindruck  von  schöner,  ruhiger  Einheit  Eduard  Combe  hatte  das  Erntelied  von  Verlaine 
in  Töne  umgesetzt  Die  Komposition,  ein  Konzertstück  für  Chor  und  Orchester,  zeichnet 
sich  durch  iusserst  klangvolle  Chorpartieen  und  eine  glänzende  Instrumentierung  aus* 
E.  Jaques-Dalcroze's  »Tragödie  d'amour*,  ein  Zyklus  von  sieben  lyrischen  Stimmungs* 
bildem  für  Sopran  und  Orchester,  erregte  trotz  eines  geteilten  Urteils  ungeheuren  BeifklL 
Der  Vorwurf  einer  raffinierten  Effektmusik  ist  meines  Erachtens  nicht  ganz  gerechtfertigt; 
in  diesem  Werke  liegt  das  ganze  flammende  Temperament  eines  Welschen,  das  ein 
ruhiger  Deutschschweizer  nie  ganz  verstehen  kann.  Joseph  Lau  her  hatte  für  Henri 
Marteau  ein  Violinkonzert  geschrieben,  das  dieser  in  ganz  vollkommener  Weise  zu 
Gehör  brachte.  Entgegen  dem  modernen  sogenannten  Violinkonzert  hat  Lauber  der  Violine 
eine  ganz  selbständige  Rolle  zugedacht.  Das  Hauptstück  dieses  dritten  Konzerts  war 
die  fünfte  Symphonie  von  Hans  Huber  in  Basel,  betitelt  »Der  Geiger  von  Gmünd*. 
Im  Mittelpunkt  des  Ganzen  steht  eine  wundervolle  Geigenmelodie,  schon  an  und  für 
sich  ein  Kunstwerk  ersten  Ranges.  Karl  Reinecke  hat  bekanntlich  in  letzter  Zeit  die- 
selbe Legende  bearbeitet;  was  ihm  aber  fehlte,  das  Dramatische,  das  ist  Hubers  Symphonie 
im  schönsten  Sinne  zu  eigen.  Die  ganze  Romantik  des  katholischen  Kultus  gelangt  hier 
in  ihrer  schönsten  Farbenpracht  zur  Darstellung.  Die  Ausführung  aller  dieser  Werke 
durch  die  Soci6t6  Choräle  und  das  Kaimorchester  war  in  allen  Teilen  eine  vorzügliche. 
—  Soviel  vom  eidgenössischen  Tonkünstlerfest  im  gastlichen  Neuenburg,  das  mir  in  den 
sonnigen  Maitagen  einen  unauslöschlichen  Eindruck  hinterlassen  hat  Man  hat  schon  oft 
von  einer  spezifisch  schweizerischen  „Schule*  gesprochen,  und  in  der  Tat,  wenn  ich 
auch  diese  Bezeichnung  nicht  ganz  anerkennen  mag,  etwas  Wahres  ist  doch  daran.  Ein 
einheitlicher  Zug  ist  den  Komponisten,  so  verschieden  sie  auch  sonst  sein  mögen, 
eigen,  ein  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  ist  auch  an  diesem  Feste  sehr  prägnant  zum 
Ausdruck  gelangt.  Manchem  Musiker,  dem  die  Türen  des  Konzertsaals  bisher  verschlossen 
bleiben  mussten,  ist  durch  den  schweizerischen  Tonkünstlerverein  Gelegenheit  geboten, 
zu  Worte  zu  kommen,  und  eine  einzige  mustergültige  Aufführung  wird  ihm  zum  Ansporn 
fürs  ganze  Leben.  So  vermögen  diese  Konzerte  einen  segensreichen  Einfluss  auszuüben 
nicht  nur  auf  die  Komponisten  selbst,  sondern  auf  das  ganze  schweizerische  Musikschaffen. 
Nicht  jedem  der  jungen  Komponisten  ist  der  Stempel  der  Unsterblichkeit  an  die  Stime 
geschrieben,  doch  dessen  kann  sich  jeder  rühmen,  dass  auch  er  in  ernstem  Streben  ein 
Scherflein  beigetragen   zu   einem  würdigen  Gesamtbild  echt  schweizerischer  Musik. 

Fr.  Zollinger 

PRAG:  Aus  dem  konventionellen  Reigen  ragte  das  Grieg-Konzert  hervor,  in  dem 
sich  der  Meister  als  Dirigent  und  Pianist  sehen  und  hören  Hess.    Beides  ist  eigent* 
lieh  ein  massiger  Genuss.    Aber  der  bedeutende  Komponist  deckt  es  mit  seiner  Flagge. 


69 
KRITIK:  KONZERT 


Das  genfigt  —  dem  Publikttin.  Der  Minnergesangverein  hat  einen  neueii  Dirigenten^ 
Dr.  V.  Keussler,  der  sich  in  Mozaru  ^Requiem"  gfinstig  einführte«  Frau  Bricht- 
Pyllemann  liess  in  ihrem  Liederabend  den  alten  Hngo  Wolfenthusiasmus  der  Prager 
wieder  auflodern  und  trat  mit  Erfblg  für  Pfltzner  und  Streicher  ein.  Die  tschechische 
Philharmonie  schloss  die  Saison  mit  der  •  ^Nöunten"  ab.  Ihr  Hauptverdienst  liegt  in 
ihren  von  Dr.  Zemanelc  geleiteten  20  populiren  Konzerten,  in  denen  sie  mehrere  wertvolle 
Manuskriptsymphonieen  aus  Dvof  Aks  Frühzeit  brachte,  nimlich  op.  4  in  B,  op.  10  in  Es, 
op.  18  in  d-moll.  Der  moderne  Einfluss,  dem  sich  DvoHk  später  wieder  entriss,  ist  hier 
unverkennbar«  Ein  sehr  interessantes  Werk  sind  die  Tonsitze,  die  Mussorgsky  nach 
Bildern  eines  befreundeten  Malers  komponiert  und  zu  einer  Suite  vereinigt  hat* 
V*  Novaks  j»Slovakische  Suite*  (ursprünglich  für  Klavier)  hat  auch  im  instrumentalen 
Gewände  gelkllen.  In  Smetana's  selten  gehörter  »Triumphsymphonie*  ist  das  Scherzo 
ein  geniales  Dacapostück.  Dr.  Richard  Batka 

SCHWERIN  LM.:  In  der  letzten  Kammermusik  wurde  Schuberts  Trio  in  Es-dur 
op.  100  in  «vortrefflicher  Ausführung  gebracht  Paul  Prill  meisterte  die.  anspruchs- 
volle Klavierpartie  mit  grossem  Erfolg;  mit  ihm  vereinten  sich  Alfred  Meyer  (Violine) 
und  Kammervirtuos  Lang  (Cello)  zu  dem  gelungenen  Vortrage  des  Werkes.  Auch 
Beethovens  Sextett  bot  einen  ungetrübten  Genuss.  An  vier  weltlichen  Gesingen  ffif 
gemischte  Stimmen,  die  der  Hoftheaterchor  klangvoll,  rein,  dynamisch  fein  schattiert  und 
deutlich  sang,  konnte  man  seine  Freude  haben.  ^  Elsa  Laura  von  Wolzogen  erzielte 
mit  ihrer  eigenartigen  Kunst  vielen  Beifall;  bei  Ludwig  Hess  liess  diesmal  der  Besuch 
zu  wünschen  übrig;  dagegen  hatte  Wüllner  einen  vollen  Saal,  und  seine  Vortragskunst  fuid 
grossen  Anklang;  van  Boa*  Klavierbegleitung  war  ausgezeichnet.      Fr.  So  t  hm  an  n 

TEPLITZ-SCHÖNAU:  Im  IV.  Philharmoniachen  Konzert  kam  Regers  «Sin- 
fonietta*  zur  Aufführung;  trotz  guter  Wiedergabe  durch  das  Kurorchester  unte^ 
Zeischka  erfuhr  das  Werk  nur  eine  geteilte  Aufnahme.  Um  so  beifilliger  wurde  Strauss' 
»Till  Eulenspiegei*  entgegengenommen,  und  ebenso  ein  Cello-Konzert  von  Prof.  KlengeL 
—  Das  V«  Konzert  stand  unter  dem  Einfluss  d'Albert's;  es  gelangten  nur  Kompositionen 
(bis  auf  Brahma'  Klavierkonzert  in  B-dur)  des  berühmten  Klavieristen  zum  Vortrag. 
Der  hinreissende  Schwung  der  Improvisator-Ouvertüre,  wie  der  echte  Lustspielton  der 
Ouvertüre  zu  »Die  Abreise*  kamen  vorzüglich  zur  Geltung.  D' Albert  spielte  ausserdem 
noch  sein  eigenes  Klavierkonzert  No.  2.  —  Das  Programm  des  VI.  Konzertes  brachte  nur 
Weingartner'sche  Kompositionen  unter  seiner  Leitung.  Das  Publikum  nahm  die  G-dur 
Symphonie,  die  symphonischen  Dichtungen  »König  Lear**  und  »Die  Gefilde  der  Seligen'' 
mit  der  lebhaftesten  Anerkennung  auf.  Die  Liedkompositionen  wurden  unter  grossem 
Beifall  von  Helene  Staegemann  gesucgen.  —  Mitten  in  diese  grossen  Orchesterkonzerte 
trug  das  Ros^quartett  (Wien)  den  anziehenden  Ton  des  Intimen.  —  In  den  Volks* 
konzerten  brachte  Kapellmeister  Zeischka  u.  a.  noch  zwei  Manuskriptwerke  zur  Auf« 
ffihrung:  eine  symphonische  Dichtung  von  Kitzler  und  vom  hiesigen  Opernkapell- 
meister Klausner  ein  Violinkonzert  mit  Orchesterbegleitung.  Letzterem  Werk  ist  der 
Vorzug  einzuriumen.  Anton  Klinla 

WIESBADEN:  Zum  Besten  der  Deutschen  Musiker-Pensionskasse  hatten  sich  die 
königl.  Theaterkapelle  und  das  stidtische  Kurorchester  zu  einem  »Fest-Konzert* 
unter  Ugo  Afferni's  Leitung  vereinigt.  Wagners  Meistersingervorspiel,  Liszts  »Tasso", 
Beethovens  3.  Leonoren-Ouvertüre  in  schwunghafter  und  tongewaltiger  Ausführung  bildeten 
die  Haupttreffbr  des  Programms.  Als  Solist  liess  uns  namentlich  Cellovirtuos  Brückner 
seinen  schön  gesponnenen,  von  Wohllaut  gesSttigten  Ton  und  seine  glänzende  technische 
Bravour  aufs  neue  bewundem.  Ende  März  bescbloss  auch  das  Theater-Orchester  den 
Reigen  seiner  dieswinterlichen   Konzerte.     Hauptstück  des  Abends  war  hier  Berlioz' 


70 
DIE  MUSIK  V.  19. 


dramatische  Symphonie  i^Romeo  und  Julie*,  die  in  den  berfihmten  3  Orcbeatersltzen 
nach  wie  vor  ihre  zwingende  Gewalt  offenbarte ,  während  in  den  Chor-  und  Solo-Nummern 
sich  neben  eminent  Wirksamem  doch  auch  schon  manch  Verblasstes  und  opemhaft 
Wirkendes  vordrängte.  Die  Wiedergabe  des  schwierigen  Werkes  war  überall  von  Schwung 
und  Sorgfalt  getragen,  und  der  Dirigent  Prof.  Mannstidt  wurde  lebhaft  gefeiert  Das 
letzte  Konaert  des  »Cicilien-Vereins*  brachte  uns  dann  noch  eine  im  grossen  und 
ganzen  recht  annehmbare  Aufführung  der  «Matthius-Passion*  unter  G.  Kegels  Leitung. 
Er  kämpft  hier  vielfach  vergeblichen  Kampf:  die  Chor-Verhältnisse  unserer  Stadt  sind 

—  schon  durch  Zersplitterung  der  Kräfte  ^  nicht  die  besten,  und  der  Besuch  der  Proben 
muss  wohl  manchmal  viel  zu  wünschen  übrig  lassen.  Leider  haperte  es  diesmal  auch 
mit  den  Solisten:  Messchaert  hatte  abgesagt;  Müller  aus  Frankfurt  vertrat  ihn,  ohne 
ihn  ganz  zu  ersetzen;  die  übrigen  Herrschaften  taten  was  sie  konnten,  ohne  grade  alles 
zu  können,  was  sie  taten.  Otto  Dorn 

WORMS:  Fem  von  den  Wogen  des  grosstädtischen  Musiklebens  verlief  unsre  Saison 
ruhig  und  ohne  Auftvgung;  ich  glaube  nicht,  dass  wir  im  ganzen  Winter  so  viele 
Konzerte  hatten,  wie  Berlin  in  zwei  Wochen.  Nur  selten  verirrt  sich  fine  »Grösse*  zu 
uns,  obwohl  in  Worms  nicht  nur  ein  kunstftvudiges,  sondern  auch  ein  kapitalkräftiges 
Publikum  existiert  Ich  möchte  dies  gerade  an  dieser  Stelle  betonen,  um  allen  Meistern 
und  Meisterinnen  des  Gesanges,  der  Geige  und  des  Klaviers,  die  diese  Zeilen  lesen, 
unsre  alte  Nibelungenstadt  für  den  nächsten  Winter  in  »empfehlende  Erinnerung*  zu 
bringen.  —  Die  Liedertafel  stand  im  Mozartjahr  im  Zeichen  der  Romantiker,  allerdings 
gab  es  in  einem  der  kleineren  Konzerte  auch  einmal  10  Minuten  Mozart;  in  ihren  beiden 
grossen  Konzerten  brachte  sie  Mendelssohns  Elias  und  die  Faustszenen  von  Schumann. 
In  beiden  Aufführungen  unter  Direktor  Kiebitz'  treflPlicher  Leitung  hielten  sich  die 
Chöre  recht  wacker,  namentiich  im  Faust  fiel  die  Sicherheit  der  Einsätze  angenehm  auf. 
Von  den  Solisten  ist  neben  Müller-Frankfurt  besonders  Guggenheim-Worms  (bari- 
tonaler  Bass)  zu  erwähnen,  der  ein  prächtiges  Material  mit  guter  Schulung  verbindet 
Der  rührige  Philharmonische  Verein,  der  unter  Grieser  hauptsächlich  klassische 
Musik  pflegt,  spielte  in  einer  würdigen  Mozartfeier  die  D-dur  Symphonie  (Br.  u.  H.  No.  38) 
mit  klarer  und  stilgemässer  Interpretation  und  mit  rhythmischer  Straffheit  In  dem 
gleichen  Konzert  imponierte  Martha  Schauer-Bergmann-Breslau  durch  die  dramatische 
Wucht  ihrer  Stimme  und  durch  wohltuende  Tonsicherheit  Im  zweiten  Konzert,  dss  die 
Paukensymphonie  brachte,  spielte  Walter  Kaspar -Worms  korrekt  und  mit  guter 
Phrasierung.  Eine  freudige  Oberraschung  brachte  das  letzte  Konzert  des  Vereins:  Paula 
Stebel  ist  nicht  nur  ein  viel  versprechendes,  sondern  ein  bereits  recht  viel  gewähren- 
des Talent  —  Der  einzige  (!)  Kammermusikabend  des  Winters,  den  gleichfalls 
der  Philharmonische  Verein  veranstaltete,  brachte  zwei  von  der  Mainzer  Bläser-Ver- 
einigung aufgeführte  Neuheiten,  das  Bläserquintett  op.  79  von  Klughardt,  das  trotz  seines 
melodischen  Flusses  nicht  zu  erwärmen  vermochte,  und  das  preisgekrönte  Quintett  op.  20 
von  Verhey,  dessen  mit  besonderer  Liebe  behandelten  Klavierpart  Voss-Mainz  mit 
scharfer  Charakteristik  durchführte.  —  In  einem  eigenen  Konzert  spielte  Pete chnikoff 
vor  überfülltem  Saal  und  mit  aussergewöhnlichem  Beifall;  beides  war  auch  bei  Ottilie 
Metzger-Froitzheim  der  Fall,  die  in  einem  Konzert  des  Männergesangvereins  sang. 

—  Dass  wir  ds  auch  im  verflossenen  Winter  noch  nicht  zu  Volksaufführungen  mit 
ermässigten  Preisen  gebracht  haben,  ist  höchst  bedauerlich.       Dr.  Max  Strauss 

W«t6a  Ranmnuuigelt  mutstea  fflr  du  nlchite  Heft  surfickgettellt  werden  die  Berichte:  BrQnn,  CobaiiB,  Fnnk- 

ftirt,    Leipzig,  MQaehen,   NQrnberf,    Ptris,    Rio  Gmnde,    StniMbarg,   Weimar  (Oper);    Amsterdam,  Antwerpen, 

Baden«Baden,  Baltimore,  Bromberf,  Brfinn,  BrOaael,  Clnclnnatl,  Coburg,  Flenabuiig,  Frelbuff ,  Glesaen,  Jena,  Kiel, 

KOln,  Könlgsbeiig,  Leipzig,  London,  L&beck,  Luzem,  Mainz,  Paria,  Rio  Grande,  Tslnguu,  Zwickau  (Konzert). 


Unter  den  Portrits  Richard  Wagners  ist  uns  das  feine  Gouache-Bild  von 
Hubert  Herkomer  immer  besonders  lieb  gewesen.  Wir  stellen  darum  eine  Wieder- 
gabe dieser  ausgezeichneten  Arbeit,  deren  Original  das  Haus  Wahnfiried  beherbergt, 
unseren  heutigen  Bildern  voran.    Das  Bild  stammt  aus  dem  Jahre  1877. 

Das  kleine,  intime  Familienbild  veranschaulicht  treffend  die  viterliche  Lieb^ 
mit  der  Richard  Wagner  seinen  Sohn  umgab.  Heute  ist  aus  Jung-Siegfrled  ein^voU 
erblfihter  KQnstler  geworden:  ein  vorbildlicher  Regisseur  und  ein  prichtiger  Dirigent, 
und  seine  Titigkeit  wird  bei  den  diesjährigen  Festspielen  wieder  eine  bevorzugte  Be- 
achtung finden. 

Dem  Tristan,  der  unter  den  diesjihrigen  Darstellungen  in  Bayreuth  wohl  den 
Hauptanziehungspunkt  bilden  wird,  gehören  die  nichsten  sechs  Blatt.  Wir  sehen  den  Helden 
am  Steuer  des  Schiffes,  versonnen  lenkt  der  Recke  den  Kiel.  Franz  Stassen  ist  der 
Zeichner  dieses  ungemein  feinen  Blattes,  das  aus  einer  Tristan-  und  Isolde-Mappe  stammt; 
die  der  DQsseldorfer  Verlag  Fischer  &  Franke  in  einer  ausgezeichneten  Ausstattung  heraus- 
gegeben hat.  Die  feinsinnigen  Umrahmungen,  die  jedem  dieser  Stassenschen  Butter  ein 
eigenes  und  vornehm  gewihltes  Symbol  geben,  hat  auch  Hugo  L.  Braune  bei  seinen 
Tristanblittem  in  Anwendung  gebracht.  Aus  der  Mappe  dieses  Kfinstlers  wihlten  wir 
eines  der  schönsten  Blätter,  auf  deren  Wert  in  diesem  Heft  Wolfgang  Golther  auf  Seite  42 
verweist  Es  sei  noch  bemerkt,  dass  die  Originale  fisrbig  ausgestattet  und  in  sehr  ge- 
schmackvoller Ausführung  vom  Verlag  der  Wagnerschen  Schriften  C.  F.  W.  Siegel  in 
Leipzig  herausgebracht  worden  sind.  Drei  iltere  bildliche  Darstellungen  zeigen  uns  das 
ehrwürdige  Alter  der  Tristansage:  es  sind  dies  zwei  Fresken  auf  der  Burg  Runkel- 
stein  bei  Bozen,  deren  photographische  Wiedergabe  zum  erstenmal  vor  kurzem  vor- 
genommen worden  ist.  Auf  ddm  ziemlich  stark  bewegten  und  handlungsreichen  ersten 
Fresko  werden  uns  sogar  zwei  Darstellungen  aus  dem  Leben  der  Isolde  vorgeführt;  das 
andere  Blatt,  dessen  Original  im  Frauengemach  der  genannten  Burg  vorflndbar  ist,  zeigt 
den  Tod  des  Helden.  Wir  verdanken  die  beiden  Vorlagen  der  Liebenswürdigkeit  unseres 
geschätzten  Mitarbeiters  Dr.  Paul  Marsop.  In  der  Nationalbibliothek  zu  Paris  befindet 
sich  eine  Tristanhandschrift  aus  dem  15.  Jahrhundert,  aus  ihr  entnehmen  wir  eine 
wesentlich  anders  dargestellte  Sterbeszefte  Tristans:  sie  zeigt  uns,  wie  der  Singer 
idlhrend  des  Harfenspiels  vor  Isolde  durch  König  Marke  getötet  wird. 

Anlisslich  der  Veröffentlichung  einer  Reihe  von  Briefen  des  ersten  Darstellers 
von  Wagners  Tristan  haben  wir  Ludwig  Schnorr  von  Carolsfeld  in  mehreren  Aufhahmen 
als  Tristan  wiedergegeben.  Siehe  .Die  Musik«  IV.  Jahrgang,  Heft  20.  (Bin  Bild  seiner 
Gattin  im  Kostüm  der  Isolde  war  nicht  erlangbar.)  Heute  wollen  wir  das  schon  historisch 
gewordene  zweite  Tristanpaar  im  Bilde  vorführen:  Heinrich  und  Therese  VogL 
Der  Güte  von  Frau  Vogl  haben  wir  die  Neuaufnahmen  der  beiden  selten  gewordenen 
Bilder  zu  danken. 

Zum  Ring  des  Nibelungen,  der  in  diesem  Jahr  in  Bayreuth  abermals  erklingen 
wird,  und  zu  dessen  Verlebendigung  mehrere  Künstler  berufen  werden,  die  an  dieser 
Stelle  noch  nicht  gewirkt  haben,  bringen  wir  als  köstliches  Erinnerungsblatt  eine 
Korrekturbogenseite  des   Handexemplars   unseres   Meisters   aus   dem    ersten 


=  DIE  MUSIK  V.  19.  ; 

Druck  dea  RingcB  ffir  FreuDde  ■!!■  dem  Jabre  18S3;  et  zeigt  die  Änderungen  für 
die  apiiere  Faasang.  (Vir  enlnabmea  dieses  Blatt  der  anageieldiDeten  Monographie 
Hans  von  Toliogens :  Richard  Tagner  als  Dichter,  Qber  deren  Tfirdlpiag  unsere  Leser 
auf  Seite  46  dieses  Heftes  das  NBtlge  nachlesea  mSgan.) 

Durch  die  BereitwIUlgicelt  der  Verlagsana talt  Breitkopf  &  Hlrtel  wurde  es  uns 
mAgltcb,  den  Totaakopf  und  die  Gestalt  Siegfriede  vor  dem  erlegten  Drachen  — 
beide  von  der  Meisterhand  Hans  Thoma'a  —  wiedergeben  zn  dürfen.  (Beide  Blitter 
stammen  aga,  der  Serie  «ZeitgenOasiscbe  Kunslblitter',  die  der  genannte  Verlag  tu  dem 
ausaerordenillch  billigen  Preise  von  2  Mk.  In  den  Handel  gebracht  hat]  Natürlich  alad 
unsere  beiden  Reproduktionen  stark  verkieinen.  Das  tiefernste  Deutschtum  dea  jetit  In 
Karlsruhe  lebenden  Meisters  ist  leider  erst  apit  erkannt  worden;  Hans  Thoma  musste 
60  Jahre  alt  werden,  ebe  der  Deutsche  snBng  Ihn  su  Teratehen.  Zn  dem  Bayrenther 
Feataplel  steht  er  Im  engen  VerhUtnla,  stammen  doch  von  ihm  die  Kostüme  zum  Ring 
des  Nibelungen,  denen  wir  In  diesem  Jahre  wieder  begegnen  werden. 

Dem  Mfinzeracben  Aufaatz  über  Hans  Sachs  kSnnen  wir  eine  Nachbildung  des 
Titelblattes  der  .Tlttenberglscben  Nachtigall"  beifügen.  Die  Daratellnngen 
auf  dem  Holzschnitt  sind  im  Geiste  der  damaligen  Zelt  allegeriach.  Das  Blatt  eniatammt 
dem  Nürnberger  Druck,  der  für  den  ersten  gehallen  wird,  obwohl  er  ohne  Angabe  des 
Jahres  und  dea  Ortea  geblieben  Ist  Besonders  interessant  dürfte  auch  eine  Nachbildung 
.der  clgenbindlgen  Notenschrift  des  Dichters,  Musikers  und  Scbuhmacbera  sein.  Es 
Ist  dies  der  pKune  Ton",  zu  Landabut  aua  dem  Jahre  1519. 

Mit  einer  lusserat  seltenen  Karikatur  aus  der  Sammlung  dea  Kapellmeisters 
Ottenbeimer  in  Nürnberg  wollen  wir  die  diesmalige  Reihe  unserer  Beigaben  beachllessen. 
Tlr  sehen  Rlcbard  Tagner  In  der  KOnlgsloge  dea  Hof-  und  Nationalthesters  In  München. 
Das  lustige  Blatt  wurde  anlisslich  der  ersten  Melatersinger- Aufführung  in  München 
.421.  Juni  1868)  von  einem  unbekannt  gebliebenen  Satiriker  ausgeführt  Man  vergesae 
nicht  die  Torte  zu  beachten,  die  oberhalb  der  Loge  angebracht  aind  und  die  lauten: 
«Werden  wir  Ihn  da  wiederaehenP"  Ala  Erinnerungazeichen  an  die  damals  ^reode 
Münchener  Zelt,  als  Gedenkblatt  an  die  Uraufführung  eines  der  genialsten  Terke  der 
■gesamten  deutsdien  Kunst  wie  sls  launiges  Impromptu  eines  namenloaen  Karlkatarlaten 
dürfte  dieses  Bildchen  unseren  Lesern  wohl  genehm  sein. 


Niebdrnek  aar  mll  aiiidrilckllcber  Eriiutml*  du  Verlif»  (■■iit 
Atle  SechM,  Intboonden  du  der  OberMBunt.  Torbchalnn. 


Verantwortlicher  Scbriftleitei:  Kapellmeister  Benihard  Schuster 
Berlin  V.  57,  Bfilowstrasse  107  '• 


RICHARD  WAGNER 
Nach  einer  Gouache  von  Hubert  Herkomer.  1877 


RICHARD  WAGNER 
nit  dem  kleinen  Siegfried 


•••  ••• 


AUS  DEM  TRISTAN-MAPPENWERK 
VON  FRANZ  STASSEN    o    o    O    O 

(VcrliE  Fiachcr  &  Fnoke,  DEiKldorl) 


AUS  DER  TRISTAN-MAPPB 
VON    HUGO    L.    BRAUNE 

(Verlag    C.    F.    W.    SIecel,     Ltipiii) 


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•  • 

•  •• 


TRISTANS  TOD 
Fresko  im  Frauengemach 
der  Burg  Runkelsiein     o 


KÖNIG  MARKE  TÖTET  TRISTAN 
Nach  einer  Handschrift  des  15.  Jahr- 
hunderts in  derNationalbibÜothek  zu  Paris 


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HEINRICH  UND  THERESE  VOGL 
als  Tristan  und  Isolde 


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von  Hans  Thoma 


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TITELBLATT    ZU    HANS   SACHSENS 
WITTENBERCISCHER  NACHTIGALL 


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DER  »KURZE  TON«.    Facsimlle 
der  Notenschrift  des  Hans  Sachs. 


V.  19 


EINE  WAGNER  -  KARIKATUR 
ZUR  URAUFFÜHRUNG  DER 
MEISTERSINGER  IN  MÜNCHEN 


DIE  MUSIK 


SCHUMANN-HEFT 

Joseph  Joachim  gewidmet 

Licht  senden  in  die  Tiefe  des  menschlichen  Herzens  —  des 

Künstlers  Beruf!  — 

Die  Gesetze  der  Moral  sind  auch  die  der  Kunst  — 

Ohne  Enthusiasmus  wird  nichts  rechtes  in   der  Kunst  zu  Wege 

gebracht.  — 

Es  ist  des  Lernens  kein  Ende«  — 
Robert  Schumann 


V.JAHR  1905/1906  HEFT  20 


Zweites  Juliheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  und  Leipzig 


INHALT 


Leopold  Schmidt 
Robert  Schumann 

F.  Gustav  Jansen 

Aus  Robert  Schumtans  Sctaulielt 

G.  Noren-Herzbet^ 
Robert  Schumann  «Is  MnsikschriRsteller 

Hermann  Erler 

Ein  ungednickter  Canon   für  vier  Minnerstimmen  und 

sechs  angedruckte  musikalische  Hans-  und  Lebena- 

regelo  Robert  Schumanns 

F.  Gustav  Jansen 

Kn  nnbekannter  Brief  von  Robert  Schumann 

Dr.  Richard  Hohenemser 

Clara  Wleck-Schumann  als  Komponistin.  L 

Conrad  Ramrath 

Das  Schumann-Fest  in  Bonn 

Dr.  Gustav  Altmann 

Ober  Robert  Schumanns  Krankheit 

Neue  Schumann-Literatur 

Anmerkungen  zn  unseren  Bellagen 

Kunstbeilagen 

Mnslkbellage 

Anzeigen 

DIE  MUSIK  enckdlit  moaatllcb  zwdmtl.  AbonDcmentaprdt  fllr  du 
Quiftal  4  Mut.  AboDDcmenoprela  fQr  den  Jafaifiiit  19  Mark.  PreU 
de«  elnzelnea  Hefte*  I  Mark.  Viertel  Jahnein  band  deokeo  1  1  Mark. 
SunmelkaMen  tOr  die  KunilbeMagen  de*  sanzen  JabrgtDKi  2^  Mark. 
Abanaementi  durch  |ede  Buch-  und  MuaEkalieDhaDdluni,  Kr  kleine 
Piltz*  ohne  Buchhlodler  Becut  durch  die  Pml 


rt  ScbiimnnB  bekanntestes  Bild,  d«s  seine  Liederalbums  zn 
imückeo  pflegt,  zeigt  uns  des  Meisters  sinaendes  Haupt,  leicbt 
r  Seite  geneigt,  auf  die  Hand  gestützt.  Ob  porirStahnlicb 
er  nicbt,  dies  Bild  ist  in  bdherem  Sinne  wabr:  es  entspricbt 
der  Vorstellung,  die  wir  aus  Scbumanns  Terken  gewinnen.  So  blickt  ein 
Mensch,  der  sein  Leben  mebr  triurot  als  lebt,  der  der  Wirklichkeit  gegeo- 
überstehl  mit  dem  Kindergemüt  des  Dichters.  Da»  Wort  .Tondichter',  es 
passt  auf  keinen  Komponisten  so  wie  auf  Schumann,  dem  die  Musik  im 
eigentlichsten  Sinne  eine  Sprache  war,  ein  Mittel,  alles,  was  ibn  innerlich 
oder  iusserlicb  bewegte,  gestaltend  wiederzugeben.  Wer  des  edlen  Mannes 
Bildnis  literarisch  nachzeichnen  will  —  und  dies  hier  zn  versuchen  gibt 
uns  die  fündigste  Wiederkehr  seines  Todestages  die  ernste  Veranlassung  — , 
der  wird  gut  tun,  nicht  nach  neuen  geistreichen  Wendungen  zu  suchen, 
nicht  Nebenslcblichea  über  Gebühr  hervorzuheben,  um  dem,  was  über 
Schumann  Gutes  und  Richtiges  schon  gesagt  ist,  aus  dem  Wege  zu  gehen. 
Wie  in  allem  Grossen  liegt  auch  in  Schumanns  Wesen  eine  rührende, 
schlichte  Einfachheit;  ihr  werden  auch  in  der  Darstellung  wohl  schlichte 
Worte  am  nXchsten  kommen. 

Es  -gibt  eine  Grenzlinie,  auf  der  sich  Mensch  und  Künstler  am 
innigsten  berühren:  sie  geht  durchs  Herz.  Kunstverstand  und  Begabung 
kSnnen  von  Geist  und  Gemüt  getrennt  ein  selbständiges  Dasein  führen; 
wo  aber  Herzensreinbeit  and  Güte  sind,  da  spiegeln  sie  sich  getrealicb  in 
den  Quellen  künstlerischen  Schaffens.  Aus  meiner  Studienzeit  ist  mir  eine 
Stunde  nnvergesslich,  in  der  ich  eine  Probe  zu  Schumanns  .Paradies  und 
Peri'  unter  Joachims  Leitung  mitmachen  durfte.  Wir  waren  zu  der  Stelle  ge- 
kommen: .Denn  in  der  Trln'  ist  Zaubermacbt,  die  solch  ein  Geist  für 
Menschen  weint'  —  da  unterbrach  Joachim  und  sagte  zu  sich  selber  und 
den  Musizierenden  voll  ErgriiTeoheit :  .Welch  guter  Mensch  war  doch 
Schumann!'  Es  wlre  verkehrt,  in  solcher  Auffassung  eine  allgemeine 
moralisierende  Tendenz  der  Kunst   gegenüber  zu  sehen,   denn  es  handelt 


76 
DIE  MUSIK  V.  20. 


sich  hier  nicht  um  den  sittlichen  Wert  des  Guten,  sondern  um  seine  be- 
fruchtende und  läuternde  Macht  über  den  Schaffenden.  Joachim  hatte  ganz 
gewiss  nicht  nötig,  zu  sentimentalen  Betrachtungen  zu  greifen,  um  die 
musikalische  Potenz  Schumanns  zu  erhärten.  Er  hatte  eben  das  Wesen 
des  verewigten  Freundes  tiefer  als  andere  erfasst.  So  konnte  er  es  noch 
unlängst  bei  der  Gedächtnisfeier  am  Grabe  Schumanns  mit  den  Worten 
charakterisieren:  »eine  äussere  Würde  war  ihm  eigen,  der  sich  nichts  Un- 
lauteres zu  nahen  wagte".  Diese  Reinheit  des  Menschen  ist  zugleich  die  Rein- 
heit des  Künstlers.  Sie  lässt  sich  in  seiner  Gesinnung  als  künstlerische 
Ehrlichkeit  und  Vornehmheit,  sie  lässt  sich  bis  in  die  Handhabung  des 
Technischen  hinein  verfolgen.  Sie  ist  zugleich  von  eminent  kultureller 
Bedeutung.  Wie  käme  es  anders,  dass  wir  durch  die  Berührung  mit 
Schumann  uns  immer  so  hochgestimmt  fühlen,  so  sicher  vor  allen  un- 
lauteren Empfindungen?  Dass  er  uns  zu  einer  Hochburg  geworden  vor 
den  Gefahren  unredlicher  oder  auf  den  sinnlichen  Effekt  berechneter 
Kunstbestrebungen?  Die  Beschäftigung  mit  seiner  Musik  stärkt  und  be- 
flügelt ideale  Regungen,  sie  ist  wie  ein  Bad,  das  allen  materialistischen 
Schlamm  von  der  Seele  spült.  An  Schumann  scheiden  sich  denn  auch  in 
gewisser  Beziehung  die  Geister;  auf  ihn  passt  das  Wort  Gottfried  Kellers, 
dass  ,alle  Unkräuter  sich  von  ihm  abwenden,  wie  Hunde  von  einem 
Glase  Wein«. 

Beruht  nun  Schumanns  Grösse  in  dieser  Integrität?  Gewiss  nicht  in 
ihr  allein,  soviel  Macht  sie  ihm  auch  gegeben.  Was  den  Stempel  auf- 
drückt, ist  noch  nicht  die  treibende  Kraft.  Die  ist  vielmehr  der  bild- 
nerische Trieb,  das  ursprünglich  eingeborene,  spontane  Gestaltungsvermögen, 
die  Natürlichkeit  der  künstlerischen  Schaffensbedingungen.  Dem  Wollen 
und  Erkennen  bleibt  nun  einmal  das  Geheimnis  verschlossen,  das  unter 
allen  Hohes  erstrebenden  Geistern  immer  einige  Wenige  heraushebt,  sie 
zu  schöpferischen  Genies  macht.  Dieses  Etwas  hat  Schumann  mit  allen 
Grossen  gemein,  das  stellt  ihn  in  die  Reihe  der  Auserwählten.  Es  ist 
dabei  ganz  gleichgültig,  ob  man  ihm,  gegen  andere  gehalten,  Ungleichheit, 
ja  selbst  mangelnde  Meisterschaft  im  einzelnen  vorwerfen  kann.  Ob 
Schumann  Miniaturen  schafft,  ob  er  in  grossen  Formen  dichtet,  immer,  oder 
fast  immer  zeigt  das  Gedankenmaterial  eine  Prägung,  die  unverkennbar 
nur  ihm  angehört.  Die  Phantasie  eines  solchen  Originalen  ist  wie  ein 
Gefäss,  das  den  allgemeinen  Inhalt  anders  fasst,  als  es  vor  ihm  ge- 
schehen. Und  diese  Originalität  ist  etwas  völlig  Ungesuchtes  und  Un- 
bewusstes:  unter  der  Hand  gestaltet  sich  ihm  alles  so,  er  kann  gar 
nicht  anders.  Wir  nennen  das  den  eigenen  Ton,  die  persönliche 
Note.  In  diesem  Sinne  bildnerisch  haben  wir  nach  ihm  nur  noch 
zwei  Männer  wirken  sehen:   Wagner  und  Brahms.     Oft   ist   die  Eigenart 


77 
SCHMIDT:  ROBERT  SCHUMANN 


formell  nicht  einmal  nachweisbar;  bei  Schumann  namentlich  liegt  sie  dann  in 
der  Stimmung.  Denn  auch  ein  Stimmungsgebiet  gibt  es,  das  wir  erst  seiner 
Art  zu  empfinden  verdanken,  das  niemand  vor  ihm  gekannt  oder  zum  Aus- 
druck gebracht  hat.  Man  liebt  es,  Schumann  aus  dem  Geiste  der  Romantik 
zu  erklären,  in  deren  Bann  er  stand,  und  die  in  der  Tonkunst  mit  herauf- 
zufuhren  er  ja  berufen  war.  Aber  wenn  auch  Schumann  im  Romantischen 
wurzelte,  wenn  er  auch  in  gewisser  Beziehung  der  Romantiker  par  excel- 
lence  zu  nennen  ist,  so  wäre  damit  sein  Wesen  nicht  restlos  erklärt.  Nach 
Abzug  all  dessen,  was  er  seiner  Zeit  als  Tribut  gezahlt,  was  er  von  ihr 
empfangen  hat,  bliebe  ein  Persönliches,  das  mit  gleicher  Wirkungsßhigkeit 
in  ganz  anders  geartete  Epochen  hineinragt.  Wenn  alle  Werke  Schumanns 
der  Vergessenheit  anheimgefallen  wären,  so  würde  der  Schumannsche  Geist 
noch  weiterleben,  würde  der  Ton,  den  er  zum  erklingen  gebracht  hat, 
dennoch  forttönen.  Nur  so  erklärt  sich  auch  die  Tatsache,  diass  Schumann 
nachgeahmt  und  nachempfunden  werden  konnte,  wobei  uns  freilich  das 
Charakteristische  des  Originals  als  Manier  erscheint. 

In  der  Fähigkeit  also,  die  Dinge  auf  durchaus  eigene  Art  zu  sehen, 
seinem  Empfinden  ungezwungen  allzeit  einen  persönlich  gearteten  Ausdruck 
zu  geben:  darin  haben  wir  das  Merkmal  der  Bedeutung  Schumanns,  das, 
was  ihn  auf  eine  Stufe  mit  den  grossesten  Meistern  stellt,  den  wenigen, 
die,  von  höherem  Gesichtspunkt  betrachtet,  die  Träger  der  gesamten  Be- 
wegung sind.  Wir  können  etwas  als  spezifisch  .Schumannisch"  ansprechen, 
wie  wir  andres  Bachisch,  Beethovenisch  oder  Wagnerisch  nennen«  Dies 
Phänomen  muss  man  zunächst  im  Auge  behalten,  wenn  man  die  Stellung 
Schumanns  in  der  Musikgeschichte  verstehen,  den  Wert  seines  Schaffens 
und  seines  Einflusses  gerechterweise  abschätzen  will. 

Es  ist  immer  bezeichnend  für  die  ästhetischen  Ideale  einer  Zeit,  wie 
sie  sich  zu  den  Meistern  der  Vergangenheit  verhält.  Wie  verschieden 
stand  beispielsweise  das  18.  und  das  19.  Jahrhundert  einem  Bach  gegen- 
über, wie  anders  wiederum  versucht  ihn  die  lebende  Generation  zu 
würdigen!  So  ist  auch  das  Verhältnis  zu  Schumann  symptomatisch 
für  den  Geist  unserer  Tage.  Freilich  kein  Symptom,  das  uns  zu  be- 
ruhigen sonderlich  geeignet  wäre.  Die  offene  und  versteckte  Abkehr 
von  einem  so  edlen  Meister  (die  wir  uns  leider  als  eine  nicht  mehr 
zu  leugnende  Tatsache  eingestehen  müssen),  spricht  nicht  gerade  für 
eine  Verinnerlichung  auf  künstlerischem  Gebiete.  Die  Gemeinde  der 
unbedingten  "Anhänger  ist  stark  zusammengeschmolzen.  Wohl  hindert 
ein  Anstandsgefühl,  an  der  offiziellen  Verehrung  zu  rütteln,  die 
dem  Namen  und  Andenken  Schumanns  gezollt  wird,  wohl  hängt  das  Volk 
noch  an  seinem  Tondichter,  wo  er  in  seinen  vollendetsten  Schöpfungen  zu 
ihm  spricht.    Aber  gerade  die  massgebenden  Kreise,  die  modernen  Musiker 


78 
DIE  MUSIK  V.  20. 


und  ihre  Anhänger  ffihlen  oder  affektleren  eine  Geringschätzung,  die  jenen 
Wunderwerken  wie  der  gesamten  Persönlichkeit  gegenQber  übel  angebracht 
ist.  Man  sucht  diese  Geringschätzung  einigermassen  wettzumachen  durch 
das  gesteigerte  Interesse,  das  man  einzelnen  Seiten  dieser  Persönlichkeit, 
und  zwar  auf  aussermusikalischem  Gebiet,  entgegenbringt.  Da  preist  man 
Schumann  gern  als  den  Vorkämpfer  der  Modernen,  als  den  Brecher  neuer 
Bahnen,  der  in  jüngeren  Jahren  im  Streite  wider  die  Philister,  wider  allen 
Zopf  und  Schlendrian  in  der  Kunst,  dem  Neuen  und  Revolutionären  voll 
Begeisterung  zum  Siege  verhelfen  hat.  Oder  man  hebt  mit  Vorliebe  den 
Schriftsteller  hervor,  der  sich  mit  so  viel  Geist  und  Erfolg  für  die  Ideale 
einer  anbrechenden  neuen  Epoche  eingesetzt  hat.  Niemand  wird  diese 
Verdienste  Schumanns  bestreiten  oder  gering  achten  dürfen;  wer  sie  aber 
gar  zu  laut  rühmt,  gerät  in  Verdacht,  Wichtigeres  nicht  gelten  lassen  zu 
wollen.  Selbst  die  Krankheitsgeschichte  Schumanns  tritt  jetzt  beängstigend 
in  den  Vordergrund.  Man  weist  uns  dokumentarisch  den  erblich  Belasteten, 
Geistesgestörten  nach,  dessen  Kunstübung  schliesslich  nur  noch  als  eine 
interessante  Anomalie  erscheint.  Über  all  dem  wird  der  wundervolle 
Musiker  vergessen,  oder  tritt  doch  in  den  Hintergrund,  der  Musiker,  der 
uns  so  unvergänglich  Herrliches  geschenkt  hat,  der  im  Verein  mit  den 
Grössten  der  Nation  deutsches  Wesen,  deutsche  Kunst  liebenswert  und 
verehrungs würdig  gemacht  hat.  Dieses  Musikers  aber,  der  als  schöpferische 
Potenz  ein  von  dem  reflektierenden  und  leidenden  Menschen  unabhängiges 
Sonderdasein  geführt,  haben  wir  alle  Ursache,  uns  immer  und  immer 
wieder  dankbar  bewusst  zu  werden. 


Man  kann  nicht  gerade  sagen,  dass  Schumanns  musikalische  Be- 
deutung, sobald  sie  sich  offenbart  hatte,  unterschätzt  worden  wäre.  Auch 
jetzt,  wo  die  Ereignisse  der  letzten  drei  Jahrzehnte  den  Geschmack  stark 
verändert  haben,  wird  niemand,  er  sei  denn  fanatischer  Parteigänger  eines 
andern  Meisters,  sie  gänzlich  leugnen  wollen.  Aber  auch  hier  besteht 
eine  Neigung,  das  Akzidentielle  dem  Essentiellen  gegenüber  hervorzuheben. 
Am  stärksten  vielleicht  empfindet  man  noch  das  Individualistische  in  seiner 
Musik.  Schumann  knüpfte  in  dieser  Beziehung  an  den  späten  Beethoven 
an;  nichts  aber  ist  für  den  modernen  Geist  charakteristischer,  als  der 
Wunsch,  das  Ich  des  Künstlers  möglichst  unverhüllt  hervortreten  zu  sehen, 
der  Hang,  Schaffen  und  Leben  sich  durchdringen  zu  lassen,  sie  in  ihren 
Wechselwirkungen  zu  beobachten.  Schumann  war  in  diesem  Sinne  ein 
Modemer  und  wird  daher  als  solcher  heutzutage  am  besten  begriffen.  Hat 
er  doch  selbst  nicht  wenig  dazu  beigetragen,  die  Tonkunst  nach  der  Seite 


79 
SCHMIDT:  ROBERT  SCHUMANN 


des  konkreten  Ausdruckes  gefügiger,  beredter  zu  machen.  Wo  Schumann, 
in  dem  durch  Erziehung  und  Beanlagung  der  Dichter  oft  dem  Musiker 
fast  die  Wage  hält,  auch  äusserlich  auf  die  Beziehungen  zwischen  Wort 
und  Ton  weist,  wo  er  am  deutlichsten  poetische  Vorstellungen  wachruft, 
da  fühlt  man  die  engste  Verwandtschaft  mit  ihm. 

Nächst  dem  Individualismus  ist  es  das  Deutschtum  Schumanns, 
dessen  man  sich  gern  und  oft  bewusst  wird.  Schumann  ist  ein  wahrhaft 
nationaler  Meister,  denn  eigentlich  muss  man  Deutscher  sein,  um  ihn 
ganz  zu  verstehen.  So  viel  Sympathieen  ihm  das  Ausland  geschenkt 
hat,  nur  selten,  das  beweisen  die  Interpretationen  fremder  Künstler,  er- 
schliesst  er  ihm  restlos  sein  eigenstes  Wesen.  Es  gibt  da  Stimmungen 
in  seiner  Musik,  die  nur  ein  deutsches  Gemüt  empfinden  kann,  in 
seinem  tiefsten  Innern  rauschen  Quellen,  die  nur  ein  deutsches  Ohr 
vernimmt.  Im  Grunde  ist  es  ja  mit  aller  Höhenkunst  nicht  viel  anders 
—  wie  begrenzt  ist  oft  unser  Verständnis  und  unsere  Aufnahmefähigkeit 
den  Meisterwerken  der  Franzosen  und  Italiener  gegenüber!  Aber  bei 
Schumann  ist  diese  Seite  ganz  besonders  entwickelt,  und  es  kann 
nicht  Wunder  nehmen,  dass  unsere  Zeit,  in  der  das  Nationalgefühl 
auch  in  der  Kunst  wieder  erstarkt  ist,  den  Deutschen  in  Schumann  zu 
würdigen  liebt. 

Mit  dem  nationalen  Wesen  Schumanns  hängt  u.  a.  ein  gewisser 
burschikoser  Humor  zusammen,  der  namentlich  aus  seinen  Jugendwerken 
so  hell  hervorbricht.  Es  ist  die  eine  der  zwei  Seelen,  die  in  Schumann 
lebten;  die  andere,  zarte,  schwärmerische,  war  ganz  dem  Übersinnlichen 
zugewandt.  In  der  Fiktion  der  Davidsbündler,  die  sein  musikalisches  wie 
sein  literarisches  Schaffen  durchzieht,  hat  er  diese  Gegensätze  in  den 
Gestalten  „Florestan*  und  «Eusebius*  personifiziert.  Die  Figur  des  ver- 
mittelnden Meisters  Raro  hat  in  seinen  Werken  eigentlich  nie  die  rechte 
Verkörperung  gefunden.  Aber  wo  sie  es  tat,  wo  Schumann  in  reiferem 
Alter,  dem  Vorbilde  Mendelssohns  nacheifernd,  der  Phantastik  entsagte  und 
sich  klassischer  Abgeklärtheit  befleissigen  wollte,  musste  er  zugleich  einen 
wichtigen  Teil  seines  musikalischen  Selbst  zum  Opfer  bringen.  Jener 
frauenhaft  zarte,  träumerische  Schumann  nun,  der  in  seinen  Stimmungen 
das  Zwielicht  der  Dämmerung,  das  Ahnungsvolle,  Undefinierbare  liebt,  der 
geheimnisvoll,  wie  mit  zauberhaften  Fäden  seine  Musik  über  das  Medium 
des  materiellen  Klanges  hinweg  mit  der  Seele  des  Hörers  verknüpft,  der 
ganz  nach  innen  Gekehrte,  der  das  tiefste  Wesen  der  Romantik  mit  seinen 
Tönen  erschlossen  hat  —  er  gleichfalls  steht  unsrer  Zeit  sehr  nahe  und 
findet  ihr  volles  Verständnis.  Alle  .stillen,  nachdenklichen  Seelen",  alle 
Gemüter,  die  einer  schwärmerischen  Empfindung  fähig  sind,  fühlen  sich 
zu  ihm  hingezogen.     Ein   gewisser  sinnender,  träumerischer  Zug  unsrer 


80 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Musik,  ihr  oft  bis  zum  Grüblerischen  gesteigerter  Ernst,  sie  ruhen  nicht 
selten  auf  Schumannschem  Grunde. 

So  bezeichnend  nun  die  oberwähnten  Eigenschaften  für  unseren  Meister 
sind  —  der  literarisch-poetische  Einschlag  seiner  Musik,  das  Individualistische, 
die  in  echt  nationalen  Besonderheiten  wurzelnde  Art,  sein  tiefsinniges,  von 
zarter  Innigkeit  getränktes  Wesen  —  das  letzte  Wort  über  den  Musiker  ist 
damit  noch  nicht  gesprochen.  Das  alles  hätte  Schumann  im  gleichen  und  in 
noch  höherem  Masse  besitzen  können,  ohne  darum  Anspruch  auf  die  Be- 
deutung zu  haben,  die  wir  ihm  zuerkennen  müssen.  Etwas  anderes  musste 
sich  ihm  gesellen,  damit  es  zu  erschöpfendem  und  überzeugendem  Ausdruck 
gelangen  konnte:  die  spezifisch  musikalische  Erfindungs-  und  Ge- 
staltungsgabe. Durch  sie  trat  Schumann  der  Gruppe  derer  bei,  die  man, 
mögen  sie  im  einzelnen  durch  die  ewige  Wandlung  der  Anschauungen  Ein- 
busse  erleiden,  in  ihrer  geschichtlichen  Stellung  und  ihrem  bleibenden 
Werte  zu  respektieren  hat;  durch  sie  unterscheidet  er  sich  von  denen, 
deren  Reflexionen  gewiss  sehr  geistreich  und  zutreffend  sind,  die  oft 
auch  grossen  und  fördernden  Einfluss  auf  die  Entwicklung  haben,  bei  denen 
wir  aber  zumeist  nur  technische  Fähigkeiten  bewundern.  Es  wird  gut  sein, 
sich  stets  vor  Augen  zu  halten,  dass  das  Primäre  wie  bei  allen  bedeutenden 
Komponisten,  so  auch  bei  Schumann,  etwas  rein  Musikalisches  —  eben 
jene  Erfindungsgabe  —  ist,  und  gerade  heutzutage,  wo  die  Meinungen  nur  zu 
oft  davon  abirren,  kann  das  nicht  nachdrücklich  genug  betont  werden. 
Es  kommt  im  letzten  Grunde  nicht  darauf  an,  was  ma^  ausdrücken  will, 
wie  man  zu  instrumentieren  und  kontrapunktieren  versteht,  sondern  ob 
man  einen  Einfall  nicht  nur  so  persönlich,  sondern  auch  so  plastisch  zu 
gestalten  vermag,  wie  eben  beispielsweise  Schumann  es  vermochte. 

Ein  Überblick  über  das  gesamte  Schaffen  des  Meisters  würde  der  auf- 
gestellten Formel  von  seiner  Bedeutung  den  rechten  Inhalt  geben.  Er  ist 
aber  hier  nicht  am  Platze  und  bei  den  Lesern,  an  die  sich  diese  Blätter 
wenden,  wohl  auch  nicht  nötig.  Nur  in  Kürze  sei  darauf  hingewiesen, 
dass  in  der  Bewertung  seiner  Musik  eine  Wandlung  zugunsten  der  Jugend- 
werke und  der  kleineren  Gebilde  gegenüber  den  späteren  und  grossangelegten 
Arbeiten  stattgefunden  hat. 

Man  wird  Schumann  am  besten  erfassen,  wenn  man  von  seiner  Klavier- 
musik ausgeht.  Da  hat  er  das  Schönste  und  Eigenartigste  gegeben.  Schumann 
war  ja  selber  als  Komponist  vom  Klaviere  ausgegangen  und  hat  von  op.  1 
bis  23  nichts  als  Klavierwerke  geschrieben.  In  Stücken  wie  dem  «Karneval", 
den  vKreisleriana"  oder  » Kinderszenen",  in  den  «Novelletten"  und  „Phan- 
tasiestücken'' zeigt  sich  seine  Individualität  so  scharf  ausgeprägt  wie  sonst 
nur  in  seinen  Liedern  und  einigen  der  reifsten  Instrumentalwerken.  Mit 
ihnen  schuf  er  einen  neuen  Klavierstil;  ihre  eigenartig  polyphone  Schreib- 


81         ^ 

SCHMIDT:  ROBERT  SCHUMANN 


weise  gestaltete  wesentlich  den  modernen  Klaviersatz,  auf  den  nur  noch 
Chopin  und  Liszt  einen  gleich  starken  Einfluss  fibten.  Auch  das  phan- 
tastische Charakterstück  für  Klavier  mit  mehr  oder  weniger  ausgesproche- 
nem Programm  verdankt  eigentlich  erst  ihm  seine  Entstehung.  Nächst  der 
Klaviermusik,  bei  der  das  herrliche  a-moll  Konzert  nicht  vergessen  werden 
darf,  das  in  der  freien  Gestaltung  der  Form  so  vielfach  anregend  gewirkt, 
sind  es  die  Lieder  Schumanns,  die  ihn  uns  liebenswert  machen.  Der 
«Liederkreis",  die  «Myrten*,  «Dichterliebe",  .Frauenliebe  und  -leben' 
sind  Perlen  der  musikalischen  Lyrik  und  stellen  allein  schon  Schumann 
in  die  erste  Reihe  der  Meister.  Ganz  anders  als  Mendelssohn  ist  er  für 
die  Weiterbildung  des  Liedes  wichtig  gewesen.  Das  Verhältnis  der  Melodie 
zur  Begleitung  hat  sich  völlig  verändert;  das  Klavier  spielt  eine  be- 
deutendere oft  ganz  selbständige  Rolle  und  führt  die  Dichtung  in  langen 
Nachspielen  weiter.  Nimmt  man  noch  hinzu,  dass  Schumann  auch  auf 
dem  Gebiete  der  Kammermusik  uns  Unvergängliches,  wie  das  unbe- 
schreiblich schöne  Klavierquintett,  geschenkt  hat,  dass  die  zarten  Reize 
seiner  »Peri'  ewig  blühen  werden,  dass  alle  Frühlingslust  und  Schwärmerei, 
zu  der  seine  Seele  sich  aufschwingen  mochte,  zum  mindesten  in  der 
B-dur  Symphonie  auch  in  instrumentale  Formen  gebannt,  dass  einzelne 
seiner  „Faust* -Szenen  als  die  bisher  würdigste  Illustration  der  Goetheschen 
Dichtung  gelten  müssen,  und  dass  er  im  „Manfred*  noch  einmal  die  ganze 
Tiefe  seines  Geistes  offenbart  hat  —  dann  erscheint  es  wirklich  gleich- 
gültig, ob  man  manchen  andern  Arbeiten  technische  Mängel  vorwerfen  und 
in  der  späteren  Zeit,  in  die  die  Schatten  des  traurigen  Endes  vorausfielen, 
von  einem  Ermatten  der  Phantasie  reden  kann.  Es  hiesse  sogar  der  Grösse 
Schumanns  Unrecht  tun,  wollte  man  leugnen,  dass  sie  sich  im  kleinen 
Rahmen  meist  am  glücklichsten  bewährt  (schon  seine  kurzen,  oft  eigensinnig 
festgehaltenen  Rhythmen  sind  dafür  charakteristisch),  und  dass  das  Ringen 
mit  dem  StoflF,  das  Streben  nach  der  nicht  in  jungen  Jahren  erworbenen 
Herrschaft  über  die  Mittel  sich  oft  schmerzlich  bemerkbar  machten.  Wer 
seinem  Volke  so  Wundervolles  zu  geben  hatte,  bedarf  einer  schonenden 
Beurteilung  nicht. 

Schumanns  Einfluss  war  gross  und  wirkt  noch  heute  fast  ungeschwächt 
fort.  Ihn  im  einzelnen  nachzuweisen  wäre  eine  interessante  Studie. 
Schumannschen  Melismen,  harmonischen  Wendungen  und  Tonfarben  wie 
den  von  ihm  geprägten  Rhythmen  begegnen  wir  überall,  selbst  da,  wo  sie, 
wie  in  Wagners  Spätwerken,  nach  der  herrschenden  Auffassung  nicht  ge- 
sucht werden.  Auch  auf  das  Ausland,  namentlich  auf  Franzosen  und 
Russen,  hat  Schumanns  Eigenart  stark  gewirkt.  Am  höchsten  aber  werden 
wir  diesen  Einfluss  schätzen  müssen,  wo  er  zu  einer  dauernden  Verinner- 
lichung  des  musikalischen  Empfindens,  wie  des  musikalischen  Ausdrucks 


82 

m 

DIE  MUSIK  V.  20. 


gefuhrt  hat,  wo  Schumann  in  dem  Betonen  des  Poetischen,  des  Lossagens 
von  allem  Philistertum,  in  dem  mutigen  Eintreten  Für  neue  Bahnen  be- 
geisterte Jünger  und  Nachfolger  gefunden  hat. 


50  Jahre  bereits  ruht  nun  der  Meister  von  allen  Kämpfen.  Wir, 
die  wir  aus  Anlass  des  Todestages  (29.  Juli  1856)  sein  Andenken  erneuem 
wollen,  können  dies  nicht  besser  tun,  als  indem  wir  vor  allem  dessen  ge- 
denken, was  in  ihm  am  lebendigsten  war:  seiner  schöpferischen 
Phantasie.     So  wird  das  Erinnerungsbild  sich  am  reinsten  gestalten. 


voD  F.  Gustsv  Jansen-Hannover 


rai 


718  Schumann  Bich  1840  um  die  akademische  Doktorwürde  bewarb, 
bemerkte  er  tn  seinem  Lebensabriss,  er  habe  .eine  gewöhnliche 
I  Gymnasialbildung  erhalten'.  Wie  wenig  diese  bescheidene 
\  Selbsteinschätzung  den  Leistungen  des  ungewöhnlich  begabten, 
frühreifen,  mit  dem  Pridikat  eximie  dignus  entlassenen  Abiturienten  ent- 
spricht, ist  schon  an  anderen  Orten*)  Gegenstand  eingehender  Darstellung 
gewesen,  die  sich  auf  allerlei  Aufzeichnungen  Schumanns  —  Tagebuch- 
blätter, Gedichte,  novellistische  und  dramatische  Versuche,  Berichte  über 
einen    von   dem  Sekundaner   gegründeten   literarischen    Verein  —  stützte. 

Diese  biographischen  Materialien  haben  kürzlich  einen  wertvollen 
Zuwachs  erhalten  durch  einige  bisher  unbekannt  gebliebene  nachgelassene 
Handschriften  Schumanns,  deren  Benutzung  mir  Fräulein  Marie  Schumann 
freundlichst  gestattet  hat. 

Unter  den  MInnem,  die  sich  um  Schumanns  geistige  Entwicklung 
während  seiner  Schulzeit  verdient  gemacht  haben,  ist  namentlich  Gottfried 
Hertel  zu  nennen.  Er  war  1795  zu  Weimar  geboren  und  wurde,  nachdem 
er  Privatlehrer  in  der  Schweiz,  dann  Hauslehrer  bei  Frau  v.  Heygendorf 
in  Veimar  gewesen,  zum  Rektor  des  Zwickauer  Lyceums  berufen.  Als 
Ordinarius  der  Prima  liess  er  sich  die  Pflege  der  deutschen  Muttersprache 
besonders  angelegen  sein  und  fand  dafür  an  Schumann  einen  verstSndnis- 
fihlgen  Schüler.  An  Hertels  deutschen  Unterricht  hat  Schumann  wohl 
auch  besonders  gedacht,  als  er  in  seinem  autobiographischen  Abriss  vom 
19.  April  1843*)  die  beiden  Primanerjahre  als  .bedeutende  Zeit'  bezeichnete. 


■)  R.  Schumanna  Ge*.  ScbriftCD,  *.  Aufl^  Leipilg  1801,  Vorbericht  S.  VI  u.  t. 
~  .Aus  R.  Scbuminaa  Jugendieii*  von  M.  Kalbeck,  Edliatera  österrelcb.  Rundscbau, 
1883,  S.  22  n.  f. 

*)  Dieser  autobiograpblicb«  Abrlii  i>I  keine  zuHmineataiagende  Darstellnnc 
■ondem  entbUt  nur  Stichwone,  einzelne  Namen  usw.,  die  lediglich  inr  UnlerttütiuDg 
dea  eigenen  Gedichtnieies  dienen  solliea.  Der  Abritt  amhttt  7  blt  8  OcUvteiien  und 
reicht  blt  In  den  September  1834,  von  wo  ab,  wie  eine  Scblattbemerkung  tagt,  tlch 
.ziemllcta  ordeatllcb'  durchgefilhrte  TagebQcber  vorfinden. 


84 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Ein  anderer  Lehrer  Schumanns  —  Siebeck  —  scheint  mehr  auf  die 
musikalische  Entwicklung  Schumanns  eingewirkt  zu  haben.  K.  Chr. 
H.  Sieb  eck  aus  Leipzig  (1784—1846)  wirkte  von  1818  bis  1833  als 
Kantor  an  St.  Marien,  womit  die  Stellung  als  ordentlicher  Lehrer  der  Quarta 
des  Lyceums  verbunden  war.  Er  galt  für  einen  ebenso  tüchtigen  Lehrer 
wie  Kantor.  An  einem  vom  Kaufmann  Carus  gegründeten  Streichquartett 
nahm  er  als  Bratschist  teil.  Der  junge  Schumann  genoss  den  nicht  hoch 
genug  anzuschlagenden  Vorzug,  in  dem  kunstsinnigen  Carusschen  Hause 
seinen  musikalischen  Sinn  an  klassischer  Kammermusik  bilden  zu  können. 
Noch  nach  Jahren  gedachte  er  dankbar  seines  «väterlichen  Freundes"  Carus, 
an  dessen  Namen  sich  für  ihn  »die  teuersten  Jugenderinnerungen  knüpfen ''.^) 
Dass  er  aber  bei  den  Quartetten  nicht  nur  zuhören,  sondern  „oft  selbst  am 
Klavier  mitwirken  durfte**,  deutet  er  1838  in  einem  dem  Carusschen  Silber- 
paar gewidmeten  Glückwunschgedicht  an: 

«Der  einst  in  Eurem  Kreise 

Wie  Kind  vom  Hause  war, 
Bringt  heut*  so  innig  wie  leise 

Euch  seine  Wunsche  dar. 

Ihr  habt  ihn  gern  geliuen, 

Wenn  er  im  kindischen  Flug 
Nach  oben,  unten  und  mitten 

Euch  das  Ciavier  zerschlug  ...**) 

Es  ist  hier  noch  eines  anderen  Mannes  zu  gedenken,  der  zwar  nicht 
Schumanns  Lehrer  auf  der  Schule  war,  aber  ein  reges  Interesse  an  ihm 
und  seiner  Fortbildung  nahm  —  schon  als  langjähriger  Freund  seines 
elterlichen  Hauses.  Mag.  Karl  Ernst  Richter,  1795  in  Zwickau  geboren, 
war  1819  bis  1822  Konrektor  am  Lyceum,  dann  bis  1829  Diakonus  zu 
St.  Marien.  1827  begründete  er  die  für  die  konstitutionelle  Neugestaltung 
Sachsens  wichtig  gewordene  Zeitschrift  »Die  Biene,  wöchentliche  Mit- 
teilungen für  Sachsen  und  angrenzende  Länder*,  eine  Fortsetzung  von 
August  Schumanns  »Erinnerungsblättem  für  gebildete  Leser".  Gleichzeitig 
errichtete  er  eine  eigene  Buchhandlung.  1826  erschien  seine  Biographie 
Aug.  Schumanns,  vorher  und  nachher  verschiedene  philologische,  natur- 
wissenschaftliche  und  politische  Schriften.  1830  wurde  er  zum  Vertreter 
der  Bürgerschaft,  1832  zum  besoldeten  Stadtrat,  1833  zum  Abgeordneten 
für  den  ersten  konstitutionellen  Landtag  gewählt.  1835  wanderte  er  nach 
Nordamerika  aus,  lebte  später  einige  Jahre  in  Zürich,  dann  wieder  in 
Zwickau,  bis  der  »merkwürdige  Mann"*)  1868  in  Kötzschenbroda  sein  viel- 

^)  Nachruf  an  Carl  Erdmann  Carus,  N.  Zeitschr.  f.  M.    1843,  Jan.  23. 
*|  Vollständig  in  Janseos  Davidsböndlem,  1883,  S.  215. 
')  VergL  E.  Herzogs  Gesch.  d.  Zwickauer  Gymnasiums. 


85 

JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 

bewegtes  Leben  beschloss.  —  Schumann  traf. ihn  1833  wieder  in  Leipzig, 
wo  der  Verkehr  mit  ihm  ihn  angezogen  haben  muss,  denn  er  erwähnt 
seiner  in  Erinnerungsblättem  aus  jener  Zeit,  die  unter  der  Aufschrift 
,, Menschen*  einige  bemerkenswerte  Personen  seiner  Bekanntschaft  kurz 
charakterisieren.    Darin  heisst  es: 

.»Richter,  yulgo  Bienenrichter.  Nicht  ohne  Einfluss  auf  meine  frQhere  Bildung. 
Erkannte  frühzeitig  in  mir  den  Musiker.  Wollte  mich  einmal  auf  die  Fürstenschule 
nach  Grimma  schicken,  was  ich  ihm  nie  verziehen  haben  würde,  bitte  ich  damals 
nicht  Kraft  mich  entgegenzustemmen  gezeigt.  —  In  der  öffentlichen  Meinung  herab- 
gekommen. Ein  ordentlicher  Talleyrand  im  Umgang,  versetzt  so  scharfe  Hiebe,  dsss 
erst  spiter  die  Wunde  sich  zeigt  und  blutet.  —  Vor  ihm  kam  ich  mir  immer  wie  ein 
Schüler  vor.  Ein  Mensch,  dem  alles,  was  er  ergriff,  wunderbar  gelsng.  Zeichner, 
Musiker,  Kaufmann,  Prediger,  Philolog,  Politiker,  Buchblodler,  Advokst.  Da  er  nach 
Amerika  geht,  so  kann  ich  getrost  den  Bericht  schliessen  mit  dem  Gestftndniss  der 
Bewunderung  seines  poetischen  Genies.** 

Von  den  erwähnten  aus  Schumanns  Schulzeit  stammenden  Heften  ist 
das  erste  ein  massiger  Oktavband  mit  dem  Titel:  «Blätter  und  Blümchen 
aus  der  goldenen  Aue.  Gesammelt  und  zusammengebunden  von  Robert 
Schumann,  genannt  Skülander.  1823"  (November  und  Dezember). 

Der  Band  enthält  in  bunter  Folge  Eigenes  und  Fremdes:  kleine  Ge- 
dichte, Anekdoten,  biographische  Notizen  über  Tonkünstler,  Auszüge  aus 
Schubarts  »Ideen  einer  Ästhetik  der  Tonkunst";  griechische  und  lateinische 
Zitate;  eine  Zusammenstellung  aller  Versarten;  einen  Auszug  aus  dem 
«Freimütigen"  über  Mendelssohns  [c-moll-]  Symphonie;  auch  schon  eine 
Szene  aus  einem  auf  fünf  Akte  angelegten  Trauerspiel  «Der  Geist"; 
Stammbuchverse  («In  einen  Otto  Ertteln^)  geschenkten  Horaz  einge- 
schrieben", —  «In  einen  meinem  Freund  G.  Würker*)  geschenkten 
Terentius  eingeschrieben").  Bei  einem  kleinen  Gedicht  «Der  Knabe  und 
der  Hund"  klingt  die  Bemerkung  rührend:  «Dieses  so  hübsche  Gedicht 
und  so  einfache  Gedicht  hat  meine  gute  Mutter,  Christiane,  gedichtet." 
Auch  ein  Gedicht  «An  Napoleon  Bonaparte"  ist  von  ihr. 

Bei  mehreren  seiner  poetischen  Versuche  hat  Schumann  nach  Jahren 
(was  die  Handschrift  erweist)  berichtigende  Zusätze  gemacht  — :  «Obiges 
Gedicht  ist  zum  grössten  Teil  von  meinem  Vater"  —  »Von  meinem  Vater" 
—  «Nicht  von  mir." 

Von  Interesse  sind  die  Eintragungen  über  zwei  Quartettabende  bei 
dem  Postmeister  v.  Schlegel: 

«Am  11.  November  1.  Quartett  bey  Hr.  von  Schlegel. 


')  Otto  Constans  Erttel  aus  Mügeln,  ksm  1823  aufs  Lyceum. 
*)  Adam  Gotthilf  Würker  aus   Bockwa  b.  Zwickau,   1820—27  auf  d.  Lyceum, 
spiter  Pastor  in  Pausitz. 


86 
DIB  MUSIK  V.  20. 


1.  Quartett  [G  moll]  y.  Mozart  ffir  Pitnof.  (Hr.  ▼.  SchlegeP)),  Violoo 
(Hr.  Carns)y  Bratsche  (Hr.  Meissner*)),  Violoncello  (Hr.  Schröder*)). 

2.  Quartett  v.  Bothe.  Viel.  1  (Hr.  Meissner),  Viol.  2  (Hr.  Carus),  Viola 
(Hr.  Siebeck),  Violoncello  (Hr.  Schröder). 

3.  Quintett  v.  Prinsen  Louis  Ferdinand.  Pianof.  (t.  Schlegel),  Viol.  1 
(Hr.  Carus),  Viol.  2  (Hr.  Meissner),  Viola  (Hr.  Siebeck),  Violoncello 
(Hr.  Schröder). 

4.  Quartett  ▼.  Mozart.  Viol.  1  (Hr.  Carus),  Viol.  2  (Hr.  Meissner),  Viola 
(Hr.  Siebeck),  Violoncello  (Hr.  Schröder).« 

Am  27.  November  war  zweifes  Quartett  bei  Schlegel: 

1 .  Klavierquartett  [Es-dur]  v.  Mozart.  Schumann  spielte  das  Klavier. 

2.  Quartett  No.  3. 

3.  Quartett  v.  Mozart.    (Besetzung  wie  vorhin  unter  4.) 

Eine  grössere  Unternehmung  war  ein  Musikabend  im  Schumannschen 
Hause : 

„Am  7ten  Decemb.  wurde  bey  mir  die  erete  musikalische  Abendunterhaltung 
unter  Leitung  der  Directoren  Robert  Schumann  und  Carl  Praetorius*)  gehalten. 
Folgende  Stficke  wurden  gespielt: 

1.  Synfonie  f&r  Streichinstrumente,  Homer  u.  Flöten  v.  Ei  ebner.  [Unter 
Schumanns  Leitung.] 

Viol.  1  [A.]  Piltzing,«)  Hoffmann.*) 

Viol.  2  Praetorius. 

Viola  Pöhland.») 

Bass  Gast.*) 

Flöten:         Fugmann ^)  und  Hinüber.*) 

Homer:        Schröder  der  U  u.  2. 

2.  Chor  u.  Fuge  (Die  Himmel  erzählen  pp)  aus  der  Schöpfung  von  Haydn. 
[Unter  Praetorius'  Leitung.] 

3.  Variationen  ffir  Pianof.  u.  Clarinette  v.  M.  v.  Weber,  gespielt  von 
R.  Schumann  u.  A.  Piltzing. 


^)  Das  treffliche  Klavierspiel  des  Postmeistera  v.  Schlegel  hat  Schumann,  der 
auch  manchmal  mit  ihm  allein  musicierte,  in  lebhafter  Erinnerang  behalten.  Seine 
in  Heidelberg  (Mai  1830)  angefangene,  in  Leipzig  (Juli  1832)  ausgearbeitete  »Etüde 
( t  s  tique  en  doubles  sons*  hstte  er  mit  einer  Widmung  an  seinen  ehemaligen  Gönner 
eben.  Das  wurde  freilich  nachtriglich  geindert,  die  Etfide  1834  in  eine  „Toccata*^ 
umgewandelt  und  Ludwig  Schunke  gewidmet.  Die  freundlichen  Beziehungen  zwischen 
Schlegel  und  Schumsnn  blieben  auch  spiter  bestehen.  Schlegel  erfreute  Schumann 
in  den  Jahren  1837—1842  einigemal  durch  Briefe,  denen  er  Kompositionen  von  sich  oder 
kurze  Berichte  aus  dem  Zwickauer  Musikleben  ffir  die  Neue  Zeitschrift  beigelegt  hatte. 

*)  Meissner,  Schröder,  Hoffmann  und  Hinfiber  waren  vermutlich  Militirmusiker. 

*)  Karl  Friedr.  Praetorius  aus  Zwickau,    f  als  Advocat  daselbst. 

*)  A.  Piltzing  war  vermutlich  Militir-Musikmeister. 

^)  Chr.  Fr.  Pöhland  aus  Zwickau,  1827  Abiturient,  f  als  Pastor  in  Bielau. 

*)  Fr.  Mor.  Gast  aus  Altbeigem,  1823  bis  1830  auf  dem  Lyceum,  spiter  Advocat 
in  Kirchberg. 

^)  Job.  Chr.  Fugmann  aus  Sosa  b.  Zwickau,  war  1822  aub  Lyceum  gekommen. 


87 

JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 

4.  Terzett  y.  Kreutzer,  aus  den  Liedern  des  Frühlings  fSr 

Sopr.:    Solbrig.^) 
Alt:       Gast 
Tenor:  Pötaland. 

5.  Conzert  fQr  das  Clavier  mit  Orchester  ▼.  Böhner. 

6.  Chor  ans  Preciosa  von  M.  y.  Weber.    (Die  Sommernacht) 

7.  Variat  f.  Pianof.  u.  Flöte  v.  Wilma  (Hoflhnann  auf  der  Flöte.) 

8.  Terzett  von  Mfihling  ffir 

Sopr.  1   Solbrig. 
Sopr.  2  Meissner.*) 
Alt  Gast 

0.  Sonate  fQr  Violine  u.  Pfte.  von  Dussek.    Gespielt  von   R.  Schumann 

(Clavier),  Praetorius. 
10.  Ouvert.  aus  Domenico  von  Dells  Maria  fQr's  Orchester."    [Die  kritischen 
Bemerkungen  fiber  die  Ausführung  der  Stücke  sind  hier  weggelassen.] 

Das  zweite  der  Bandchen,  vAllerley  aus  der  Feder  Roberts  an  der 
Mulde*,  enthält  Gedichte  aus  dem  Jahre  1825,  denen  hernach  noch  die 
aus  1826  bis  1828  hinzugefugt  worden  sind.  Inhaltlich  sind  diese  recht 
verschieden.  Während  z.  B.  einige  im  August  1826  entstandene,  bekannten 
Melodieen  untergelegte  Burschen-  und  Kommerslieder  von  jugendlichem 
Frohsinn  eingegeben  sind,  vermutet  man  in  anderen,  ernsten  Dichtungen 
kaum  denselben  Verfasser.  Überall  aber  offenbart  sich  ein  merklicher 
Fortschritt  in  bezug  auf  Gedankengehalt,  Formgewandtheit  und  schwung- 
volle Sprache.  So  wird,  um  nur  ein  Beispiel  herauszuheben,  schwerlich 
jemand  den  Verfasser  der  folgenden,  in  den  ersten  Wochen  von  1827 
niedergeschriebenen  Verse  für  einen  Sechzehnjährigen  halten: 

Kunst  und  Wissen    • 
Kalt  ist  die  Bahn  und  steil  zur  Wissenschaft;  aber  die  Kunst  streut 
Göttliche  Rosen  'uns  schon  auf  der  ermfidenden  Bahn. 

Homer 
Vater  Homeros,  dich  schuf  die  Natur  zu  ihrem  Geliebten, 
Und  von  der  freundlichen  Stirn  zogst  du  den  Schleier  der  Lust. 
Siehe!    Da  steht  vor  dem  sterblichen  Blick  die  entrithselte  Schönheit, 
Die  der  Natur  du  gabst,  die  die  Natur  dir  verlieh. 

Mit  folgendem,  am  27.  August  1826  entstandenen  Gedicht:  «Die 
Dichtkunst  und  die  Tonkunst*  schloss  Schumann  seine  am  12.  September 
gehaltene  Schulrede: 

Ja!  wahrlich  schön  ist's,  mit  den  Banden  der  Camönen 
Zu  ketten  das  empfindungslose  Wort, 


^)  Gust.  Herm.  Solbrig  aus  Mfilsen  b.  Zwickau,   f  als  Justizamtmaon  in  Lössnitz. 

^  Karl  Friedr.  Meissner  aua  Zwickau,  von  1822  bis  1829  Schüler  des  Lyceums. 
Lebte  ala  Candidat  in  Glauchau,  von  wo  er  1839—1842  mit  seinem  Schul-  und  Uni- 
versititsfreunde  Schumann  brieflichen  Verkehr  unterhielt,  auch  ah  und  an  Notizen 
für  die  Neue  Zeitschrift  einsandte.    Er  starb  1884  als  Institutsdirector  in  Bad. Elster. 


88 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Der  Dichter  trägt  den  Menschen  zu  dem  höchsten  Schönen, 

Kuhn  schwingt  er  sich  durch  alle  Zonen  fort. 
Den  Himmlischen  kann  nur  der  Himmel  krönen, 

Den  Göttern  ist  die  Erde  ja  kein  Ort: 
Nichts  hat  die  Welt,  den  Dichter  zu  belohnen, 
Der  Himmel  giebt  ihm  seine  schönsten  Kronen. 

Doch  schöner  ist's,  wenn  das  Geliut'  der  Saite 

Verherrlichend  des  Dichters  Lied  erhebt. 
Wenn  zart  des  Verses  rh^rthmisches  Gebinde 

Des  Taktes  Zephyrwoge  überschwebt, 
Ton  kimpft  mit  Ton,  Wort  ringt  mit  Wort  im  Streite, 

Der  Ton  empfindet  und  die  Sylbe  lebt: 
Bis  endlich  in  der  Harmonien  zarten  Massen 
Sich  beide  Künste  treu  und  liebevoll  umfassen. 

Das  Bändchen  enthält  auch  einen  von  Schumann  vorgetragenen 
Prolog  zur  Abendunterhaltung  der  Lyceisten  am  13.  Oktober  1826.  Da 
diese  sehr  beliebten,  gegen  Eintrittsgeld  zu  besuchenden  musikalisch-dekla- 
matorischen Abendunterhaltungen  von  der  Schule  eingerichtet  wurden,  so 
unterstand  auch  Schumanns  Prolog  der  vorherigen  Zensur  des  Rektors. 
Zwei  Lieder  des  Bändchens  sind  mit  der  Vorbemerkung  versehen:  «Ged. 
u.  comp,  am  20sten  Febr.  27''  und:  »Ged.  u.  comp,  am  28sten  Febr.  27*, 
—  ein  Beweis,  wie  rasch  Schumann  produzierte. 

Die  Vorbilder  des  jugendlichen  Dichters  sind  meistens  unschwer  er- 
kennbar. Darüber  täuschte  sich  am  wenigsten  Schumann  selbst,  als  er  bei 
spaterem  Durchblättern  dieser  Gedichte  an  den  Rand  schrieb:  „Kose- 
gartenisch",  oder  »Stolbergisch'',  „Sonnenbergisch*,  „Herderisch*,  «Schulze*, 
«Schillerisch*  (zehnmal). 

Wie  das  zweite  Heft  einen  Fortschritt  gegenüber  dem  ersten  aufweist, 
so  ist  das  in  erhöhtem  Masse  mit  dem  dritten  der  Fall,  das  die  deutschen 
Aufsätze  Schumanns  aus  seiner  Primanerzeit,  also  aus  seinem  17.  und 
18.  Lebensjahre,  enthält.  Ursprünglich  in  losen  Quartblättern  eingereicht, 
sind  sie  hernach  in  einen  starken  Pappband  vereinigt  worden,  wobei  der 
Buchbinder  die  mit  roter  (inzwischen  abgeblasster)  Tinte  geschriebenen 
Korrekturen  teilweise  beschädigt  hat. 

Es  folge  hier  zunächst  ein  Verzeichnis  der  Aufsätze  nach  Schumanns 
Handschrift,  alsdann  eine  Auswahl  von  diesen  selbst. 

Dentsehe  Anfsätie  nnd  poetische  Tersnehe 

Schuljahr  1826 

I.  Betrachtung  von  einer  schönen  Gegend  um  Zwickau. 
II.  Wie  kann   man  aus  den  Spielen,  die  jemand  liebt,  auf  seinen  Charakter 

schliessen? 
III.  Phrixus  und  Helle.    [Gedicht.] 


8Ö 

JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 


IV.  Ober  die  Zuniligkeit  und  Nichtigkeit  des  Nachrubrns. 

V.  Welches  sind  die  Grfinde,  warum  selbst  grosse  Verdienste  das  Andenken  an 

ein  frfiher  begangenes  Verbrechen  nicht  auslöschen? 
VI.  Resignation  der  Ariadne  auf  Naxos.    [Gedicht] 

VII.  Ober  die  innige  Verwandtschaft  der  Poesie  und  der  Tonkunst.    Rede. 
VIII.  Goethes  Paradoxon:  Es  darf  sich  Einer  nur  für  frey  erklären,  so  fühlt  er 
sich  den  Augenblick  als  bedingt;  wagt  er  es  aber,  sich  für  bedingt  zu  halten, 
so  fühlt  er  sich  frey. 
IX.  Collins  Spruch:  Jede  Gefahr  kennt  nur  einen  königlichen  Gebieter  an:  es 

ist  der  Muth. 
X.  Bilder  der  Natur.    [Gedicht.] 

XI.  Empfindungen  bey  der  Ruckkehr  eines  siegenden  Heeres. 
XII.  Der  Kleinstidter  in  der  Residenz. 

XIII.  Abendwebmuth.    [Gedicht.] 

XIV.  Ober  die  Kunst  zu  entbehren. 

XV.  Warum  konnte  bey  den  Römern  die  Tragödie  nicht  gedeihen?    1.  Theil. 

Schuljahr  1827 

I.  Einfluss  der  Einsamkeit  auf  die  Bildung  des  Geistes  und  die  Veredlung  des 

Herzens. 
II.  u.  IV.  Warum  sind  die  roheren  Zeitalter  die  eigentlichen  Zeiten  der  Poesie? 

[1.  u.  2.  Theil.] 
III.  Die  Gespielen  des  Jfingliogs.    [Gedicht.] 

V.  Die  Stitte,  die  ein  guter  Mensch  betrat, 
Ist  eingeweiht;  nach  hundert  Jahren  klingt 
Sein  Wort  und  seine  That  dem  Enkel  wieder. 

Goethe's  Tasso. 
VI.  Das  Leben  des  Dichters.    Rede. 

VII.  Der  Sturz  des  Hypogryphen.    [Gedicht.]    Philomele.    [Desgl.] 
VIIL  Polyrhythmen. 
IX.  Leiden  sind  wie  Gewitterwolken,  in   der  Ferne  sehen  sie  schwarz,   in  der 

Nihe  kaum  grau.  Jean  Paul. 

X.  Warum  erbittert  uns  Tadel  in  Sachen  des  Geschmacks  mehr,  als  in  andern 

Dingen? 
XI.  Tasso.    [Gedicht.] 

Über  die  Zanuilgkeit  und  Nlohtigkeit  des  Naehrnhms 

[Die  Einleitung  Ist  hier  weggelassen] 

Es  giebt  zwei  verschiedene  Arten  von  Nachruhm:  die  eine  ist  der 

Glaube  einzelner  Individuen,  der  ihnen  im  Bewusstsein  ihrer  Thaten,  ihrer  Hand- 
lungen sagt,  dass  er  einstens  noch  Ruhm,  Nachruhm  haben  werde:  und  diese  würde 
man  besser  die  Vorstellung,  Gedanke,  Glauben  eines  einzelnen  Individuums  an  Nach- 
ruhm nennen;  die  andre  Art  aber  ist  der  Ruhm,  den  die  Nachwelt  in  der  Anerkennung 
der  Thaten  und  Handlungen  einzelnen  Individuen  ertheilt  hat,  den  letztere  folglich 
selbst  nicht  geniessen  können.  Ersterer  also  besteht  in  der  Vorstellung  allein,  letzterer 
in  der  ungeniessbaren  Wirklichkeit  Beide  nun,  von  welcher  Seite  man  sie  auch  be- 
trachtet, sind  meistens  nichtig  und  zufiilig,  und  vom  ersteren,  oder  von  dem,  der  in 
der  Vorstellung  allein  besteht,  glaube  ich  es  mit  diesen  Gründen  behaupten  zu  können: 

V.  20.  7 


90 
DIE  MUSIK  V.  20. 


I.  weil  er  einzig  und  allein  in  der  Vorstellung  besteht. 

Beym  Nachruhm  kommt  Alles  auf  die  Ansichten  und  Vorstellungsweisen  der 
Menschen  an:  ob  diese  eine  Handlung,  eine  ausgezeichnete  That  des  Nachruhms  wert 
halten,  ob  es  mit  dem  Kreise  ihrer  Ideen  sich  vereinbart,  das  Andenken  an  dieses 
oder  jenes  grosse  Werk  auf  die  Nachwelt  fortzupflanzen.  Die  Vorstellungsweise  der 
Menschen  ist  gleichsam  der  grösste  Gerichtshof,  vor  dem  das  Urtheil  fiber  die  Grösse 
und  Kleinheit  der  Thaten,  ob  sie  des  Nachruhms  werth  sind  oder  nicht,  ausgesprochen 
wird.  Auf  immer  ist  alle  Hoffnung  des  Nachruhms  dahin,  wenn  man  die  Neigung 
dieses  ausserordentlichen  Richters  nicht  gewinnen  kann,  und  ein  ewiges  Dunkel  ver- 
breitet sein  Missfallen  oft  fiber  die  lichtvollsten  Erscheinungen  im  Kreise  menschlicher 
Thaten.  Betrachtet  man  nun  die  Beschaffenheit  der  menschlichen  Vorstellung,  wie 
sie  oft  so  verkehrt,  oft  so  mangelhaft,  nicht  in  zwey  Individuen  ganz  dieselbe  ist,  wie 
sie  tausend  Verinderungen,  tausend  Abwegen  und  Verirrungen  ausgesetzt  ist,  so  kann 
es  nicht  fehlen,  dass  der  Nachruhm,  der  in  den  Sinnen  einzelner  Individuen  vor- 
gestellte Nachruhm  nichtig  sein  muss.  Und  wenn  man  das  ganze  Feld  der  Geschichte 
sorgsamen  Blickes  durchwandert:  wenn  man  vorz&glich  die  Art  und  Weise  betrachtet, 
nach  welcher  Nachruhm  und  Vergessenheit,  oft  giozliche  Vergessenheit  ausgetheilt 
wurde,  so  erhilt  der  Satz  seine  vollste  Bestitigung.  Es  hat  vielleicht  keine  grosse 
Handlung  gegeben,  die  nicht  auch  von  vielen  als  klein,  ja  als  schlecht  und  des  Nach- 
ruhms unwerth  genannt  wurde,  jenachdem  die  Ansichten  und  Meinungen  der  Menschen 
beschaffen  waren.  Die  grössten  Männer  der  Vorzeit  und  der  Gegenwart,  ob  sie  nun 
auf  dem  Felde  des  Krieges  ihre  Thaten  verrichteten  oder  in  den  Künsten  des  Friedens 
sich  auszeichneten,  waren  dem  Schicksale  unterworfen,  keines  Nachruhms  gewürdigt 
zu  werden,  weil  sie  nicht  glQcklich  genug  waren,  mit  dem  Gewinnen  der  Schlachten, 
mit  dem  Vollenden  grosser  Werke  in  der  Zeit  des  Friedens  auch  den  Beifall  der 
menschlichen  Vorstellungsweise  zu  gewinnen,  es  dahin  zu  bringen,  der  menschlichen 
Vorstellung  ihre  Irrthumer,  ihre  Verinderlichkeit,  ihre  Schwiche  zu  nehmen.  Der  in 
den  Sinnen  einzelner  Individuen  vorgestellte  Nachruhm  also  ist  nichtig,  weil  er  allein 
in  der  Vorstellung  besteht,  die  nichts  festes,  nichts  bleibendes  in  sich  enthilt: 

II.  aber,  weil  weniger  guten   Handlungen   öfters  Nachruhm,  lindern  weit 
bessern  hingegen  geringer  zu  Theil  wird. 

Wie  viel  schöne  und  grosse  Handlungen  der  Vorwelt  mögen  auf  uns  nicht  ge- 
kommen sein,  indem  wir  anderen,  weit  geringeren  den  Lorbeer  aufsetzten.  Die  Ge- 
schichte zeigt  uns  die  msonigfachsten  Beyspiele:  in  ihr  stehen  aufgezeichnet  Könige, 
die  mit  Feuer  und  Schwerdt  Linder  verwüsteten,  Menschen  hinmordeten  und,  sind 
sie  anders  auch  tapfer  und  kühn  gewesen,  ihr  Leben  in  Schlachten  gelebt  haben, 
indess  von  anderen  Ffirsten,  die  ihren  Staat  friedlich  regirten,  deren  höchster  Wunsch 
war,  ihr  Land  auszubilden,  nicht  einmal  ffir  gut  erachtet  worden  ist,  ihre  blossen 
Namen  der  Nachwelt  zu  fiberliefern:  Themistodes  steht  glänzend  da,  als  Sieger  von 
Salamis,  während  der  unterdrfickte,  gerechtere  Aristides,  der,  auf  die  Rathschläge  jenes 
aus  seinem  Vaterlande  verbannt,  noch  die  Götter  um  Glfick  ffir  die  Athenienser  an- 
fleht, ihm  kaum  an  die  Seite  gestellt  wird;  Columbus  muss  sein  Leben  im  Kerker 
enden,  indess  man  seine  entdeckten  Länder  nach  dem  Namen  eines  Abenteurers 
„Amerika"  nennt:  —  aufgezeichnet  sind  in  der  Geschichte  Dichter,  die  kaum  der  Er- 
wähnung werth  sind,  während  andere,  die  jenen  Vorbilder  und  Ideale  waren,  in  dem 
Dunkel  der  Unbekanntheit  und  Vergessenheit  verborgen  liegen.  —  Hierzu  ist  auch 
noch  zu  ffigen:  dass  manche  gar  keinen  Nachruhm  erhalten  haben,  die  ihn  wohl 
verdient  hätten;  so  kennen  gewiss  wenige  nur  die  zwey  Gefährten  jenes  Horatius 


91 

JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 

Codes,  den  Sp.  Curtius  und  Dec.  Herennius,  welchen  letzteren,  obgleieh  sie  eben 
den  Heldenmath  bewiesen  hstten,  die  Laune  der  Menschen  doch  nicht  den  Preis  er- 
theilte,  den  sie  dem  Codes  gegeben  hst:  und  von  jenen  dreyhundert  Spartanern,  die 
mit  Leonidas  bey  den  Thermopylen  fielen,  Icennt  man  Ton  diesen  einen  noch,  als 
ihren  Anf&hrer?  Wohl  bitten  sie  ebenso  gut,  wie  jener,  den  Nachruhm  der  ganzen 
Veit  verdient 

III.  aber  auch  deswegen,  weil  er  öfters  von  äusseren  Umstlnden  abhingt. 

Nehmen  wir  hier  nur  das  Schidcsal  Alexanders  des  Grossen.  Weltbekannt  und 
weltberGhmt  ist  zwar  sein  Name:  Jahrtausende  haben  sein  Andenken  nicht  auslöschen 
können.  Aber  wie  viele  giebt  es  auch,  die  ihn  dieses  hohen  Ruhmes  nicht  werth 
achten,  welche  harten  Urtheile  ergehen  von  Vielen  Ober  seine  Handlungen.  Ein 
iusserer  Umstand  war  die  Ursache,  dass  in  seiner  Zeit  kein  Mann  lebte,  der  mit  dem 
Geschenk  der  Musen  seine  Thaten  auch  geschmfickt  bitte.  Er,  der  die  göttlichen 
Gesinge  Homers  in  goldenem  Kasten  mit  sich  herumtrug,  er  der  Held  hatte  keinen 
Hom.er,  seine  unsterblichen  Thaten  zu  besingen«  Wie  ganz  anders  ist  es  dagegen 
mit  den  Helden,  die  Homer  in  seinen  Gedichten  feyert:  Unsterblicher  Ruhm  wird 
allen  zu  Theil,  das  Kleinste  selbst  und  Unbedeutendste  wird  als  herrlich  gepriesen. 
Ungetheilt  stimmt  die  Welt  ein  in  die  RuhmwGrdigkeit  der  Helden  des  Homer,  oft 
nicht  ihrer  Thaten  wegen,  nein  —  zu  Ehren  des  herrlichen  Liedes,  das  sie  zum 
Himmel  erhebt  und  den  unsterblichen  Göttern  gleichmacht.  Wer  weiss,  ob  je,  wenn 
kein  Homer  gelebt,  die  Helden  des  Troerkrieges  so  erhaben  uns  dargestellt  worden 
wiren,  als  es  nun  der  Fall  ist,  da  Homer  seine  göttliche  Leyer  zu  ihrem  Lobe  gerfihrt. 
Ja!  die  Oberzeugung  der  Ruhm  Würdigkeit  der  Helden  des  Homer  geht  so  weit,  dass 
selbst  die  wahrheitsvollen  Forschungen  der  ersten  Geschichtachreiber,  dass  ihre 
einsichtavoUen  Aussprüche,  die  Dürftigkeit  des  ganzen  Unternehmens  gegen  Troja 
darstellend,  dass  dies  alles  ihr  auch  nicht  das  Geringste  entzieht.  Obgleich  zwar 
wahrhaft  schöne  und  grosse  Thaten  nie  völlig  untergehen  können,  so  liegt  es  doch 
in  der  Macht  iusserer  Umstinde,  dass  sie  von  der  Nachwelt  gefeyert  werden,  dass  sie 
einen  Ehrenplatz  in  dem  Tempel  des  Nachruhms  finden.  Viel  aber  auch  kommt  auf 
den  Standpunkt  an,  den  einer  hat,  ob  er  vielleicht  auf  goldenem  Throne  sitae  oder  in 
der  Hütte  des  Bettlers  wohne,  ob  er  Herren  gebiethe  oder  selbst  dem  Gebote  eines 
Führers  gehorche.  Jene  stehen  auf  einem  Berge,  der  bis  in  die  Wolken  reicht  und 
alle  Welt  sieht  ihre  Handlungen,  alle  Welt  stimmt  ein  in  das  Lob  derselben:  diese 
sind  im  dunklen  Thale  der  Niedrigkeit  verborgen,  selten  nur  schweift  ein  Blick  an 
ihnen  vorüber,  niemand  achtet  auf  ihre  Thaten,  und  nur  Zufall  ist  es,  seltener  Zuftill, 
wenn  aus  dieser  Klasse  Einem  Nachruhm  zu  Theil  wird.  So  ist  endlich  die  Wahrheit, 
dass  der  in  den  Sinnen  einzelner  Individuen  vorgestellte  Nachruhm  nichtig  und  zu- 
nUig  sey,  auch  dadurch  bestitigt,  dass  er  öfters  von  iussem  Umstinden  abhingt. 

Die  Folgen  nun,  die  hieraus  springen,  sind,  dass  wir  unsern  Nachruhm  niemals 
auf  solche  Dinge  zu  begründen  suchen,  die  verginglich  sind  und  nicht  fortdauern 
können:  streben  wir  aber,  ihn  in  solchen  Sachen,  ihn  in  solchen  Werken  zu  erlangen, 
die  das  Interesse  aller  Menschen  auf  sich  ziehen,  der  ganzen  Menschheit  nützen  und 
sie  zieren,  wahrlich  dann  wird  er  nicht  untergehen.  Das  Andenken  an  solche  Minner, 
wie  sie  Teutachland  in  Luther,  Melanchthon,  Reinhard,  Schiller,  Göthe,  Wieland, 
Klopstock,  Leibniz,  Euler,  Kant,  Friedrich  dem  Grossen,  Mozart,  wie  sie  Frankreich 
in  Fenelon,  Voltaire,  Racine,  Corneille,  Molidre,  Rousseau,  Bayard,  Türenne,  Napoleon, 
Saussure,  Lavoisier,  Colbert,  Sully,  wie  sie  Italien  in  Raphael,  Correggio,  Ariosto, 


92 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Petrarca,  Tasso,  Dante,  wie  sie  England  in  Shakespeare,  Chaucer,  Byron,  Scott,  Pitt, 
Castlereagb,  Franklin,  Drake,  Newton,  wie  sie  Spanien  in  Cervantes,  Portugal  in 
CamoSns,  Schweiz  in  Teil,  wie  mit  einem  Worte  jedes  Land  unzählige  HeroSn  der 
Menschheit  in  neuerer  Zeit  besass  und  noch  besitzt  —  das  Andenken  an  solche 
Männer,  frage  ich,  das  könnte  verwischt  werden?  — 

[Censur  des  Rectors:  „Ist  fleissig  u.  umsichtig  behandelt**] 


Das  Leben  des  Dlehters 
Rede 

Matter  und  matter  welken  die  Rosen  im  Westen  dahin  —  die  Fluren  schlummern 
ihren  Blumenschlaf  —  wie  zürnende  TitanenhSupter  steigen  die  Schatten  der  Berge 
aus  dem  verhüllten  Horizonte,  und  ernst  wandeln  die  Sterne  herauf  an  dem  blauen 
Aether,  und  die  Frühlingswolke  zieht  über  das  erhabene  Blau  und  wiegt  die  schlummernde 
Welt  in  Träume  —  nur  die  Nachtphaläne  hängt  an  den  Rosenknospen,  und  die 
Nachtigallen  schlagen  in  den  Bäumen  schwellende  Accorde,  sanft  wie  die  sterbenden 
Hauche  der  Aeolsharfe  . . .  Aber  klar  und  heiter  schwelgt  das  Auge  des  Dichters  in 
der  Stemennacht  der  Natur  und  blickt  zu  den  Sternen  hinauf  und  blickt  zu  den 
Blumen  herunter,  und  die  Züge  verklären  sich,  und  das  Auge  lächelt,  und  es  lebt  in 
ihm  der  grosse  Gedanke:  Gott  und  Natur,  und  der  Gedanke  wird  Gebet  und  das 
Gefühl  Sprache: 

ip Wandeln  möcht*  ich  mit  euch,  ihr  Sterne,  die  ihr  oben  im  ewigen  Laufe  geht, 
ziehen  möcht'  ich  mit  dir,  o  Frühlingswolke,  die  du  über  dem  Schlummer  der  Welt 
daherziehst:  aber  mein  Auge  hängt  an  den  Blumen  der  Natur  und  trinkt  Wonne  aus 
ihrem  Blüthenkelch.  Wandelt  und  zieht  nur  fort  —  wandelt'  ich  mit  euch,  ohne  Duft 
und  Blüthen  gingen  mir  diese  Blumen  vorüber,  zog'  ich  mit  dir,  mein  Auge  sähe  hier 
die  Natur  nicht  mit  ihren  Rosen  und  Frühlingen:  auch  mein  Leben  ist  schön  und 
ewig." 

So  spricht  er,  und  die  Hände  falten  sich  zum  Gebete,  und  er  dankt  der  Gottheit, 
dass  er  ein  Mensch  ist.  Aber  dunkler  wird's  und  schweigender  um  ihn:  die  Phaläne 
faltet  die  Flügel  zusammen,  und  die  Nachtigall  verstummt.  Selig  und  entzückt  legt 
sich  der  Dichter  in  den  Blumenozean,  und  die  Rosen  duften  über  ihm,  und  die  Natur 
hüllt  den  schlummernden  Liebling  in  ihre  Blüthen. 

So  lebt  der  Dichter  ein  glückliches  Leben:  dunkel  und  blöde  wird  sein  Auge 
im  Geräusche  des  Tages,  aber  klar  und  heiter  wacht  es  auf  in  der  Einsamkeit  det 
Natur.  Das  Leben  des  Dichters  scheint  noch  das  letzte  Überbleibsel  aus  jenen 
glücklichen,  arcadischen  Zeiten  zu  seyn,  wo  das  Kindheitsalter  der  Menschheit  noch 
an  dem  Gängelbande  der  Natur  ging.  Der  trete  von  den  Blumenhöhen  des  Parnasses 
herab,  den  diese  Mutter  nicht  in  die  schaffende  Welt  einführte;  er  trete  von  seinen 
Höhen  ab,  welcher  nicht  durch  diesen  Vorhof  in  den  Tempel  der  Poesie  eindrang. 
Die  Poesie  ist  die  Sonnenblume,  die  allein  an  dem  Sonnenstrahle  der  Natur  hängt 
und  verwelkt,  wenn  dieser  Strahl  verlöscht.  Nicht  im  betäubenden  Lärme  der  Welt, 
nicht  im  tobenden  Gewühle  des  regellosen  Alltagslebens  kann  die  Blume  der  Poesie 
sich  schön  und  frey  entfalten:  still  im  Verborgenen  keimt  und  duftet  sie.  So  lebt  der 
Dichter  das  Leben  mit  der  Natur. 

Wer  Je  das  heilige  Leben  gefühlt  hat,  das  aus  der  Natur  niederfliesst  in  die 
Brust  des  Sterblichen,  wer  je  die  frommen  Muttertöne  hörte,  die  wie  Balsamstropfen 


93 
JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 


auf  die  Seele  des  Menschen  fallen  ~  er  ruft  mit  mir  aus:  es  schllgt  ein  grosses  Herz 
im  Busen  der  Natur.  Um  wie  viel  mehr  muss  der  Dichter  in  ihr  empfinden,  den  sie 
von  seinem  ersten  Erwachen,  wie  eine  zweite  Mutter,  anlächelte,  die  mit  ihm  aufwuchs 
und  seine  flammenden  GefQhle  mit  ihm  theilte?  Die  Lieder  des  Dichters  sind  nur 
das  Echo  der  Blumensprache  der  Natur:  sie  ist  die  Harmonilca,  deren  Tasten,  benetzt 
von  dem  Thau  der  Gef&hle,  Töne  und  Lieder  in  die  verlangende  Brust  strömte. 

Muss  der  Dichter  nicht,  wenn  er  durch  ihre  Blumen  fliegt,  sein  Leben  ein 
glfickliches  nennen?  muss  er  nicht,  wenn  am  heiteren  Abend  die  Sonne  hinter  die 
Berge  sinkt,  und,  wie  ein  heiiger  Schauer  der  Gottheit,  die  Abendsterne  heraufziehen,  be- 
geistert und  entzfickt  hinstürzen  in  ihre  Blumen,  und  der  Natur  und  der  Gottheit  danken, 
dass  sie  ein  höheres  Leben  in  ihn  senkten?  Und  ist  nicht  das  ganze  Leben  des 
Dichters  ein  glQcklicheres,  ein  reineres,  ein  geistigeres,  ein  höheres?  So  lebt  denn 
der  Dichter  in  dem  Schoosse  der  Natur  ein  glfickliches  Leben:  aber  er  lebt  auch 
in  ihr  jenes  reinere. 

Auf  der  Blumenleiter  der  Natur  nihert  sich  die  Seele  des  Dichters  immer  leiser 
und  leiser  dem  Bilde  der  Gottheit.  Aus  ihrem  Auge  llchelt  ihn  das  grosse  Vaterauge 
an,  auf  dessen  Winke  einst  die  Sonnenmassen  zusammenrollten  und  Weltenbftlle  aus 
dem  Nichts  sprangen:  in  ihrem  Tempel,  der,  ein  feyerHcher  Zeuge  der  Gottheit,  da- 
steht, fühlt  er  zuerst  den  schaffenden  Urgeist,  der  im  Stundenleben  der  Ephemere, 
wie  in  der  Seele  des  Menschen  wirkt  und  lebt:  in  ihrem  Blühen  und  Welken  ahnet 
sein  Geist  den  grossen  Gedanken  der  Schöpfung,  mag  sie  blühend,  wie  ein  erwachender 
Siugling,  im  Blumengewande  des  jungen  Lenzes  oder  wie  ein  betender  Silbergreis  im 
Sterbekleide  des  Winters  vor  ihm  liegen.  Steht  denn  der  Dichter  so  da,  wie  in  jener 
Stemennacht,  oder  steht  er  da  im  Brausen  des  Gewitters,  wo  die  Krifte  der  Natur 
sich  feindlich  bekimpfen,  mfissen  da  nicht  in  der  Seele  des  Dichters  die  erhabensten 
Gedanken  fiber  das  Erhabenste  erwachen?  da  nicht  in  ihm  der  Gedanke  an  die 
Unendlichkeit,  nicht  in  ihm  der  Gedanke  erwachen  an  jene  Minute,  die  zu  fassen  die 
irdische  Brust  bebt,  die  auszusprechen  die  sterbliche  Lippe  schaudert  —  jene  Minute, 
wo  die  Gottheit  den  ersten  Gedanken  zur  Schöpfung  fasste,  wo  noch  chaotische 
Finstemiss  fiber  das  ErschaflPene  lag,  jene  Minute,  wo  Sonnen  in  dem  dunklen  Aether 
zu  wandeln  anfingen,  Welten,  unzihlige  Welten  zusammenzurollen  und  fiammende 
Gestirne  zusammenzuströmen  begannen?  Und  welche  Seele  ahnet  diese  Gedanken 
reiner  und  heiliger,  als  die  des  Dichters?  Welcher  Busen  fühlt  inniger  und  wärmer 
die  Unendlichkeit  des  Höchsten?  Wer  fasst  aber  auch  den  Sinn  unsrer  schönen 
Sterblichkeit  schöner  und  tiefer,  als  er?  ...  Das  Herz  des  Dichters  ist  die  heilige 
Opferflamme,  die  die  Natur  und  die  Gottheit  schfirten:  aber  sie  glfiht  der  Natur  und 
der  Gottheit  und  beseeligt  die  Brust  des  Menschen. 

So  verbindet  sich  in  der  Seele  des  Dichters  das  gificklichste  mit  dem  reinsten 
Leben:  aber  mit  diesem  verbindet  er  auch  das  höchste  Leben.  Der  Dichter  lebt 
in  der  idealischen  Welt  und  arbeitet  ffir  die  wirkliche. 

Heiter,  wie  der  flatternde  Schmetterling,  fliegt  der  Knabe  durch  die  Gefilde: 
alles  um  ihn  athmet  Freundschaft  und  Liebe;  lächelnd  erwacht  er  am  Morgen,  wenn 
die  Sonne  steigt,  lächelnd  schlummert  er  am  Abend  ein,  wenn  die  Sonne  sinkt:  aber 
siehe!  schon  windet  sich  mit  leisem  Flfigelschlage  der  Genius  der  Dichtkunst  aus 
der  Hülle  hervor  —  und  das  erste  Bewusstseyn  wird  wach.  Was  sonst  in  seelenlosen, 
schleierhaften  Umrissen  vor  den  kindlichen  Augen  lag,  wird  jetzt  ein  tieferes  Sinnbild 
des  Lebens:  wo  er  sonst  nur  todte  Farben  und  stumme  Formen  schaute,  fühlt  er  jetzt 
alles  inniger  mit  seinem  Geffihle,  mit  seiner  Seele  verwebt  —  und  das  Geffihl  wird 
Sprache  und  die  Seele  wird  Gedicht.  —  Aber  wie  steht  jetzt  die  Welt  vor  ihm  da, 


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DIE  MUSIK  V.  20. 


wie  steht  sie  da  mit  ihrer  kalten  Conrenienzy  mit  ihren  kleinlichen  Rinken,  mit  ihren 
niedrigen  Kabalen.  Da  sieht  er  keinen  von  seinen  ersehnten  Triumen  erfüllt:  da 
erblickt  er  nichts  Höheres,  nicht  Geistigeres:  da  sieht  er,  wie  sie  im  Schlamme  des 
niederen  Lebens  herumwühlt:  aber  ob  sie  tiefer  und  tiefer  am  Boden  krieche,  erhaben 
über  sie  schwingt  er  sich  von  ihr  hinweg: 

Zur  Sonne  muss  der  Adler  dringen. 

Und  an  dem  Boden  kriecht  die  Schlange  nur, 

und  ferne  von  dem  Lirme  der  zankenden  Welt  baut  er  sich  in  froher  Einsamkeit 
seine  idealische  Schöpfung  und  schmückt  sie  mit  allen  Blumen  der  Phantasie.  Alle 
Heroön  einer  seligen,  hingeschiedenen  Vorwelt  stehen  bewundert,  vergöttert  vor  ihm: 
die  erste  Ahnung  vom  eigenen  Ideal  blitzt  in  ihm  auf  —  das  Drama  des  Lebens 
selbst  nimmt  er  in  sein  Gemilde  auf,  dass  das  Ideal  nur  noch  schöner  und  herrlicher 
strahle,  und  entzückt  wie  ein  glühender  Prometheus,  da  er  den  todten  Thon  be- 
seelte, steht  er  vor  dem  (eignen)  Götterbilde  des  selbst  geschaffenen  Ideals.  Auf  den 
Flügeln  der  Begeisterung  schwingt  er  sich  durch  die  Riume  und  schaut  wie  ein 
zürnender  Göttersohn  in  das  Treiben  der  Menschen  in  dem  Lirm  der  Welt,  und  es 
llchelt  sein  Auge  bey  dem  Gedanken:  dass  sein  Leben  ein  glücklicheres,  reineres 
und  höheres  sey. 

So  lebt  denn  der  Dichter  in  der  idealischen  Welt,  aber  er  wirkt  und 
arbeitet  auch  für  die  wirkliche.  —  Der  schönste  Schmuck  eines  Volkes  sind  seine 
Gesinge  I  wie  ewige  Sonnen  strahlen  sie  über  das  Leben  hin  und  strömen  das 
geistige  Rosenlicht  über  die  Trümmer  des  untergegangenen  Staates:  dess  ist  uns 
das  grosse  Hellas  Zeuge:  seine  Staaten  gingen  unter  —  die  Lieder  starben  nicht: 
seine  Völker  gingen  unter  —  und  die  Lieder  starben  nicht.  Die  Poösie  ist  der 
helle  Krystall,  in  dem  sich  das  geistige  Leben  der  Geschlechter  rein  und  klar 
abspiegelt,  das  glinzende  Prisma,  das  alle  Farben  in  einem  schöneren,  reineren  Lichte 
vergeistigt  wiedergiebt.  Zürnen  wir  nicht,  wenn  vielleicht  dem  Dichter  die  Mitwelt, 
für  die  er  wirkte  und  arbeitete,  nicht  den  Dank  zollte,  aber  ihm  die  Nachwelt  ver- 
götternd darbringt:  zürnen  wir  nicht,  wenn  jene  ihm  nicht  mehr  die  Kränze  auf  sein 
Haupt  setzt,  die  einst  Sophocles  von  einem  fühlenden  Geschlechte  empfing.  Der 
Dichter  bedarf  keines  Lohnes,  kommt  er  auch  öfters  mit  der  Welt  nicht  so  leicht  aus, 
wie  sie  mit  ihm.  —  Die  Poösie  ist  ihr  eigner  Lohn,  und  darum  ja  ist  das  ganze  Wesen 
des  Dichters  ein  Erhöhtes,  weil  sie  sich  selbst  am  schönsten  lohnt.  Wer  diesen  Lohn 
nicht  fühlt,  der  wag'  es  nicht,  den  liebelnden  Musen  die  Hand  zur  Freundschaft  an- 
zubieten. Alle  Wesen  der  Natur  scheinen  ihren  Fluch  zu  tragen,  im  Liebeln  ihrer 
Geburt,  wie  im  letzten  Seufzer  ihres  scheinbaren  Todes:  nur  die  Poesie  gebihrt  ihre 
Kinder  ohne  Wehen;  sie  gebihrt  in  Entzückungen:  ja!  Entzückungen  sind  ihre 
Wehen  . .  • 

Nein,  wie  der  Frühlingsthau  des  Himmels  ist  aber  auch  die  Tb r ine  des 
Dichters:  elegische  Wehmuth  ruht  auf  seiner  bethrinten  Wimper,  und  die  Thrine 
und  die  Wehmuth  löst  sich  lieblich  in  dem  Mollaccorde  seiner  Lieder  auf,  und  die 
Camöne  küsst  mit  ihren  Worten,  mit  ihren  Tönen  ihm  von  den  Wangen  die  Zihren 
hinweg,  und  wie  ein  kühler  Frühlingsregen  auf  die  dürstenden  Fluren  fallen  die  Küsse 
und  die  Worte  und  die  Töne  auf  die  matterschlagenden  Pulse  seines  Lebens.  Siehe! 
da  steigt  still  und  heiter,  wie  die  hingewelkte  Rose  aus  dem  Horizonte  der  unter- 
gesunkenen Sonne,  die  Blume  der  Erinnerung  aus  dem  Grabe  der  Sorgenzeit  auf,  und 
ihr  Flötenecho  hallt  noch  einmal  mit  seinen  Silbertönen,  mit  seinen  Silberaccorden 
in  die  Nacht  seiner  weinenden  Seele  wieder.    Fühlend  und  liebelnd,  wie  ein  Engel 


95 
JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 

des  Himmels,  steht  die  CamOoe  vor  einer  seligen  Vergangenheit,  vor  einer  triiben 
Gegenwart  und  vor  einer  nichtlichen  Zukunft:  aber  der  Dichter  stürzt  in  ihre  Arme, 
und  die  Vergangenheit  und  die  Erinnerung  keimt  blühend  wieder  und  die  Gegenwart 
liebelt  und  die  Zukunft  wird  heiter.  So  giesst  die  Muse  ewig  in  die  Wunden  ihres 
Lieblings  ihren  lindernden  Balsam  und  steht  beschützend,  wie  ein  Engel  mit  dem 
Flammenschwerdte,  vor  dem  Paradiese  des  jungen  Göttersohnes.  Sie  ist  sein  Trost, 
wenn  trüb  und  finster  die  Thrinen  des  Lebens  durch  seine  flammenden  Pulse 
schleichen;  sie  richtet  das  erstorbene  Leben  empor,  wenn  seine  Sonne  immer  matter 
und  matter  glüht,  wenn  die  Sterne  des  Lebens  erblassen  und  verlöschen  und  es 
dunkel  wird  um  die  Gegenwart  und  um  die  Zukunft. 

Denn  düster  und  ernst  steht  hinter  der  trügerischen  Larve  des  Glücks  das  ver- 
hüllte Schicksal  —  und  die  Maske  fillt  und  die  Gebilde  enthüllen  sich  und  die  Lose 
liegen.  Da  steht  der  Mensch  schwankend  vor  der  kalten  Wirklichkeit,  vor  seinen 
unerfüllten  Triumen.  Aber,  ob  alle  Seufzer,  die  sich  aus  dem  Schoosse  des  Schicksals 
loswinden,  ob  alle  Thrinen  in  sein  Leben  niedersinken:  ob  da,  wenn  die  menschliche 
Seele  zitternd  vor  dem  Winke  des  Schicksals  steht,  ob  da,  wenn  es  hereinbricht  mit 
seinen  Schmerzen  und  seinen  Seufzern,  da  wenn  das  irre  Fahrzeug  gescheitert  und 
zertK>rsten  auf  den  Wogen  des  Lebens  hierhin  und  dahin  geschleudert  wird  —  ob  da 

auch  Alles  stürzte.  Alles  in  den  Stürmen  unterginge das  Auge  des  Dichters 

weint  Thrinen  des  Schmerzes,  aber  seine  Seele  zürnt  nicht.  Sie,  die  freundlich  die 
rinnende  Thrine  auf  der  Wimper  trocknet,  die,  wenn  das  Leben  weint  und  das  Schicksal 
zürnt,  liebelnd  hinter  den  Seufzer  des  Menschen  tritt  und  in  ihre  Blüthen  und 
Blumen  die  Seufzer  und  die  Thrinen  einhüllt,  sie,  die  dem  Sterblichen,  daherfliegend 
auf  Rosenbaldachinen  von  blühenden  Frühlingen,  ihren  Himmel  von  Blumen  auf- 
schliesst,  soll  ich  sie  nennen?  —  die  Natur,  die  hohe  Trösterin  der  Menschheit,  nimmt 
liebend  den  Sohn  In  ihre  Mutterarme  auf  und  söhnt  Ihn  aus  mit  den  Menschen,  mit 
der  Welt  und  mit  dem  Schicksal. 

Der  Dichter  steht  höher  als  sein  Ort:  er  schaut  sehnsuchtsvoll  nach  der  fernen 
Leuchte  der  Sterne  und  schiigt  die  Flügel  seiner  Seele  auf;  und  wenn  die  siebenzig 
Minuten,  die  wir  Jahre  nennen,  ausgeschlagen  haben:  so  erhebt  er  sich  und  entzündet 
sich  steigend,  wie  ein  Phönix,  und  die  Asche  seines  Gefleders  fillt  zurück,  und  die 
enthüllte  Seele  kommt  allein,  ohne  Erde  und  rein  wie  ein  Ton  in  der  Höhe  an.  Hier 
aber  sieht  er  mitten  im  verdunkelten  Leben  die  Gebürge  der  künftigen  Welt  im 
Morgenrothe  einer  Sonne  stehen,  die  hinieden  nicht  aufgeht.  So  erblickt  der  Ein- 
wohner am  Nordpole  in  der  langen  Nacht,  wo  keine  Sonne  mehr  aufsteigt,  um  Mitter- 
nacht ein  vergüldendes  Morgenroth  an  den  höchsten  Bergen,  und  er  denkt  an  seinen 

langen  Sommer,  wo  sie  niemals  untergeht. 

(geh.  am  12.  September  27) 


Pol/rhythmen 

Der  sterbende  Schwan 

a 

Siehe  —  ermattet  liegt  er  am  Ufer  und  ahnet  den  kommenden  Tod:  aber  er 
schiigt  seine  Flügel  empor,  und  Töne  senken,  wie  Seufzer  von  Jenseits,  sich  hernieder 
^  und  ernst  und  erhaben  singt  er  —  und  stirbt. 

Ach!  —  wenn  wir  den  Tod  ahnen,  so  schlagen  auch  wir  die  Flügel  unserer 
Seele  auf  —  die  Lieder  zittern  von  Thrinen  nach  Oben  —  aber  die  Seele  vergeht 
unter  den  Tönen. 


96 
=  DIE  MUSIK  V.  20. 


Die  Harmonika  [d.  i.  Glashartnonika] 

Sfisse  Töne,  himmlische  Klänge  aus  den  Gräbern  einer  entschlafenen  Seligkeit, 
saget,  o  sagt  mir,  warum  wein'  ich,  wenn  ich  euch  höre?  —  Die  Töne  antworteten: 
wir  sind  Vorboten  einer  Welt,  nach  der  du  dich  sehnst,  der  du  entgegenweinst,  die 
du  hier  nimmer  findest wir  kommen  von  Jenseits. 

Der  schlummernde  Säugling 

Lächle,  schlafender  Engel,  lächle  in  deinen  süssen  Träumen  fort  —  aber  ach! 
schon  wachst  du  auf  und  —  weinst:  o  drucke  die  Augen  wieder  zu,  träume  wieder 
und  lächle  in  deinen  Träumen. 

Wie  du,  so  lächeln  auch  wir  in  den  Träumen  nur  ^  aber  wir  wachen  auf  und 
—  weinen,  wie  du.  [Zensur  des  Rektors:  »Gut*] 

Dass  diese  Aufsätze  Schumanns  ausserordentliche  Fähigkeiten  und 
Fertigkeiten,  sein  innerstes  Denken  und  Empfinden,  kurz:  seine  er- 
staunliche Frühreife  im  hellsten  Lichte  zeigen,  bedarf  wohl  keiner  Dar- 
legung. Ich  beschränke  mich  daher  auf  einige  Nachweisungen  über  das 
personliche  Verhältnis  des  Rektors  zu  seinem  ihm  so  sympathischen 
Schüler. 

Schumanns  deutsche  Arbeiten  behandeln  öfter  selbstgewählte  Themen 
und  enthalten  auffallend  wenig  Korrekturen.  Man  gewinnt  überall  den 
Eindruck,  dass  der  Rektor  die  Bedeutung  seines  so  vorzüglich  vorbereiteten, 
lerneifrigen  Schülers  bald  erkannte  und  anregend  und  begeisternd  auf  die 
Weiterentwicklung  seiner  Bildung  einzuwirken  verstand.  Die  Art,  wie  er 
dabei  auf  die  individuelle  Geistesrichtung  Schumanns  einging,  wie  er  seine 
dichterischen  Anlagen,  sein  sprachliches  Feingefühl  herauszubilden  suchte, 
ihn  auf  Fehler  der  Darstellung,  des  Stils,  des  Geschmackes  aufmerksam 
machte,  ist  unzweifelhaft  von  grossem  Nutzen  für  Schumann  gewesen. 

Das  dichterische  Talent  Schumanns  war  auch  schon  (1825)  dem 
Ordinarius  der  Sekunda,  Lindemann,  beachtenswert  erschienen,  was  aus 
seiner  Recension  eines  Gedichtes  »An  meinen  Freund,  einen  jungen  Dichter, 
der  nach  Griechenland  ziehen  will",  das  Schumann  vermutlich  als  deutsche 
Arbeit  eingereicht  hatte,  hervorgeht: 

«Auch  Sie  hat  das  Feuer  zu  oft  fortgerissen,  jedoch  giebt  dieses  Gedicht  einen 
Beweis  von  poetischem  Talente  u.  von  d.  Streben,  diese  edle  Naturgabe  auszubilden.* >) 

Auch  die  Musik  hat  ohne  Zweifel  dem  Rektor  und  seinem  Schüler 
mancherlei  Berührungspunkte  dargeboten.  Dass  Hertel  Interesse  für  Musik 
hatte,  geht  schon  daraus  hervor,  dass  er  als  Jenenser  Student  dem  Chor- 
verein des  Ästhetikers  F.  Hand  angehörte.    Schumann  gab  sich  nach  dem 


^)  Heinr.  Lindemann,  geb.  1800  zu  Jdhstadt,  war  von  1823  bis  1835  Konrektor 
in  Zwickau,  dann  in  Annaberg  und  in  Plauen.  Infolge  seiner  Beteiligung  am 
Dresdener  Maiaufstande  von  1849  wurde  er  seines  Amtes  entsetzt.  Er  hat  einige 
Grammatikalia  herausgegeben. 


97 
JANSEN:  AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT 


Eintritt  in  die  Prima  mit  erhöhtem  Eifer  musikalischen  Studien  hin;  in 
dem  autobiographischen  Abriss  erwähnt  er  „musikalische  [d.  h.  komposi- 
torische] Versuche"  und  »öffentliches  Auftreten  als  Klavierspieler'.  Auch 
hebt  er  die  Namen  des  alten  Carus  und  v.  Schlegels  besonders  heraus, 
in  deren  Häusern  er  Gelegenheit  fand,  auch  fremde  Künstler  zu  hören. 
Ferner  nennt  er  eine  Frau  Obristin  v.  Lindenau,  mit  der  er  zusammen 
musizierte. 

In  den  Korrekturen  der  Aufsätze  verleugnet  sich  nicht  das  Wohl- 
wollen des  Rektors  für  seinen  Lieblingsschüler.  Der  Lehrer  tritt  hier  bis- 
weilen ganz  zurück,  es  ist,  als  spräche  er  nicht  zu  einem  Schüler,  sondern 
zu  seinesgleichen.  In  dem  gedankenreichen  Aufsatz  über  den  «Einfluss  der 
Einsamkeit  auf  die  Bildung  des  Geistes"  fand  der  Rektor  keine  einzige  Ver- 
besserung nötig,  gab  aber  durch  die  Zensur  zu  erkennen,  wie  sehr  er  an  Schu- 
manns Entwicklung  teilnahm,  denn  er  schrieb  darunter:  «Auch  einen  festen 
Lebensplan  entwirft  man  am  besten  in  der  Einsamkeit.  Wissen  Sie, 
worauf  ich  hiermit  hindeuten  will?"  In  seinem  Wohlwollen  war  er  sogar 
allzu  nachsichtig  gegen  die  kleine,  oft  kaum  zu  entziffernde  Handschrift 
seines  Schülers,  dem  das  unheimlich  schnelle  Schreiben  schon  zur  anderen 
Natur  geworden  war.  Seinen  Tadel  kleidete  er  in  sehr  milde  Form: 
«Manches  kann  ich  durchaus  nicht  lesen",  und  «Hieroglyphen".  Der 
Rektor  hat  augenscheinlich  Äusserliches  nicht  tadeln  wollen,  wo  er  mit 
dem  Innerlichen  wohl  zufrieden  sein  konnte. 

In  den  letzten  Wochen  seiner  Zwickauer  Zeit  trat  Schumann  dem 
Rektor  dadurch  noch  näher,  dass  er  ihm  bei  den  Vorarbeiten  zu  einer 
neuen  Ausgabe  von  Forcellini's  «Totius  latinitatis  Lexicon"  behilflich  sein 
konnte. 

«Ich  mu88  t&cfatig  mit  corrigiren",  schrieb  er  am  17.  März  1828  an, Flechsig, 
«excerpiren,  aufschlagen,  die  Grüterischen  Inscriptionen  durchlesen;  die  Arbeit  ist 
interessant:  man  lernt  viel  daraus,  und  mancher  Pfennig  fliesst  mehr  in  die  Tasche. 
Ich  bekomme  einen  Thaler  von  jedem  Correcturbogen ;  übrigens  arbeiten  alle  aus- 
gezeichneten Philologen  daran  .  .  .  Unser  Rector  schwitzt  Tag  und  Nacht  darüber  und 
ist  der  Arbeit  kaum  gewachsen.  Ich  habe  jetzt  die  ganze  Bibliothek  durchstöbern 
müssen  und  viele  ungedruckte  Collectaneen  .  .  .  gefunden." 

Anfang  März  1828  wurde  auf  Anordnung  des  Konsistoriums  eine 
Revision  des  Lyceums  durch  den  Domherrn  Prof.  Dr.  Tittmann^)  vor- 
genommen. 

«Er  war",  berichtet  Schumann  an  Flechsig,  «äusserst  höflich  und  zeichnete 
mich  sehr  aus;  von  dem  Fackelau fzoge,  der  ihm  gebracht  wurde,  und  wo  ich  Chapeau 
d'honneur  und  Redner  war,  wirst  Du  gehört  haben." 


*)  Job.  Aug.  Heinr.  Tittmann,  Prof.  der  Theologie  in  Leipzig,  Prälat  des  Hoch^ 
Stifts  Meissen,  namhafter  theolog.  Schriftsteller  (1773—1831). 


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DIE  MUSIK  V.  20. 


Wenige  Tage  nachher  fand  die  (öffentliche)  Abgangsprüfung  und  der 
mit  Ball  verbundene  »Valediktions-Aktus*  (wie  man's  damals  nannte)  statt, 
bei  welchem  Anlasse  Schumann  sein  Gedicht  »Tasso*  vortrug.') 

Am  29.  März  traf  Schumann  in  Leipzig  ein,  wohin  der  Rektor  Hertel 
ihm  Empfehlungsbriefe  an  den  berühmten  Philologen  Gottfried  Hermann 
und    an    Amadeus  Wendt,   Professor   der  Philosophie,    mitgegeben    hatte. 

Auch  fernerhin  blieb  der  Rektor  seinem  ehemaligen  Zögling  freundlich 
zugetan.  Als  Schumann  im  Mai  1829  nach  Heidelberg  abreiste,  gab  er 
ihm  Empfehlungsbrie|e  mit  nach  Frankfurt,  Darmstadt  und  Karlsruhe. 


Die  vorstehenden  Notizen  über  Schumanns  Lehrer  stützen  sich 
namentlich  auf  Dr.  Herzogs  «Geschichte  des  Zwickauer  Gymnasiums",  auch 
auf  mündliche  Mitteilungen  des  Verfassers,  den  ich  im  Sommer  1882  in 
Zwickau  aufsuchte.  Es  war  mir  besonders  darum  zu  tun,  von  dem  ehe- 
maligen Mitschüler  Schumanns  etwas  Zuverlässiges  über  dessen  Schulzeit  zu 
vernehmen.  Meine  Frage,  ob  Schumann  sich  nicht  auch  schon  als 
Gymnasiast  hervorgetan  habe,  wurde  unbedingt  bejaht;  er  wäre  seinen 
meisten  Schulkameraden  , überlegen"  gewesen,  vorzüglich  im  deutschen 
Aufsatz  und  im  Latein;  ganz  erstaunlich  wäre  seine  Belesenheit  gewesen. 
Dem  Rektor  Hertel,  dessen  Achtung  und  Zuneigung  er  sich  bald  erworben, 
habe  Schumann  doch  wohl  das  meiste  zu  danken  gehabt. 

Auf  meine  Frage  an  Herzog,  ob  er  Wasielewski's  Schilderung  von 
Schumanns  Persönlichkeit  und  Charakter  für  zutreffend  hielte,  bekannte 
er,  die  Wasielewskische  Biographie  nicht  gelesen  zu  haben.  Was  ich  als- 
dann daraus  zitierte:  dass  Schumann  bis  zu  seinem  10.  Lebensjahre  »nur 
ein  Schüler  wie  hundert  andere"  gewesen,  —  dass  er  während  seiner 
Gymnasialzeit  „alle  solche  Einflüsse  von  sich  wies,  die  ihm  eine  mannig- 
faltige Berührung  und  Entwicklung  hätten  gewähren   können",  —  dass  er 


')  Die  anderen  Abiturienten  von  1828  waren:  K.  Fr.  Praetorius;  Hein.  Ferd. 
Pöpel  aus  Hartmannsdorf,  später  Advokat  in  Kirchberg;  G.  H.  Solbrig;  O.  Hermann 
Walter  aus  Langenchursdorf,  gestorben  als  Prediger  in  Amerika,  gehörte  zu  Schumanns 
nichsten  Freunden;  Job.  Im.  Brückner  aus  Kirchberg,  f  als  Cand.  d.  Theol.;  Chr. 
Fr.  Hayn  aus  Irfersgrun,  später  Pastor  in  Oederan  b.  Zwickau;  Victor  Veiske  aus 
Erlbacb,  spiter  Advokat  in  Schwarzenberg;  Franz  O.  Stichart  aus  Werdau,  spiter 
Pastor  in  Reinhardsgrimma;  Ed.  Ad.  Klinkbardt  aus  Unter-Heinsdorf,  später  Dr.  med. 
in  Canada;  Heinr.  Rothe  aus  Fraureuth  (Greiz),  spiter  Pastor  in  Grosspötzschau; 
Emil  Conr.  Eltz  aus  Schneeberg,  spiter  Bez.-Arzt  in  Mittweida;  Emil  Wilh.  Herzog, 
geb.  1809  in  Zwickau,  Dr.  med.  daselbst,  1839  in  den  Stadtrat  gewihlt,  legte  1865  seine 
irztliche  Praxis  nieder  und  lebte  nur  historisch-arcbiologischen  Studien.  Verf.  der 
Zwickauer  Chronik  (1839  u.  1845),  der  Geschiebte  des  Zwickauer  Gymnasiums  (1869)  usw., 
t  1883. 


^^^~      JANSEN:' AUS  ROBERT  SCHUMANNS  SCHULZEIT       ^^^^ 

als  verbitscbeltes  Muttersfihncbea  aurgewachsen,  was  denn  .auch  die  in 
seinem  spXteren  Leben  bervorgetrelene  Reizbarlieit  und  EmpflndlichlLeit, 
ja,  den  Maagel  aller  Nacbgiebigkeit  beim  Begegnen  widerstrebender  und 
seinem  Willen  sich  nicht  fügender  Elemente  erzeugt'  habe  —  das  hörte 
der  alte  Herr  liebelnd  und  kopfschüttelnd  an  und  bezeichnete  es  als  ^un- 
haltbare  Behauptungen*.  Auch  von  .Eitelkeit',  die  der  genannte  Biograph 
wiederholt  hervorhebt,  hielt  er  Schumann  vollkommen  frei. 

Dr.  Herzog  zeigte  mir  ein  Stammbuchblatt  vom  30.  Januar  1823, 
das  Schumann   ihm   als  Tertianer,  eben  12'/t  J^^''  *!'>   geschrieben  halte: 

aSolem  fl  muado  tollere  videnlur,  qui  imlcitlim  e  vi»  tollani,  qna  a  Dila 
ImmonalfbuB  nfbit  amablllui  nibil  jucundius.  CIc.  LicIIub.' 

Auch  ein  Bildnis  von  Schumanns  Vater  sah  ich  und  wurde  darüber 
belehrt,  dass  Robert  nicht  von  diesem,  sondern  von  der  Mutter  die  Ge- 
sichtszüge geerbt  habe.  Ebenso  wurde  mir  mitgeteilt,  dass  August  Schumann 
seinem  jüngsten  Sohne,  der  am  Tage  des  heil.  JHedardus  <8.  Juni)  geboren 
war,  ursprünglich  den  Namen  Medardus  hatte  beilegen  wollen. 


ROBERT  SCHUMANN 
ALS  MUSIKSCHRIFTSTELLER 


von  G.  Noren-Herzberg^-Bonn 


le  Gegenwart  wird  durch  ibre  Pirtelen  ctaarakterisfert.   Tic  die  polfiiicbe 

kann  min  die  muaikaliscbe  In  Liberale,  Mlttelmlaner  und   Reaktionlre, 

oder  in  Romantiker,  Moderne  und  Klassiker  teilen.     Auf  der  Rechten 

(Itzen  die  Allen,  die  Cootrapunktler,  die  Antlchromailker,  auf  der  Unken  die 

Jünglinge,  die  pbryglsctaen  MüIien,  die  Pormenvetlchier,  die  Genialiilts- 

frechen,  unter  denen  die  Beelbovener   als  Clstse   bervorstecben.     Im  Juate-Milieu 

acbwankt  Jung  wie  Alt  vermlscbt,  ia  ibm  sind  die  meiBien  Eneugniase  des  Taget 

begrilfeii  .  .  ." 

so  schreibt  Schumann  im  Jahre  1834,  selbst  der  Jüngsten  einer  unter  den 
Jünglingen,  den  Pormverächtern,  den  Genialitätsri^chen. 

In  diesem  Jahre  hatte  er  sich  mit  der  Gründung  der  .Neuen  Zeit- 
schrift für  Musik'  an  die  Spitze  der  neuen  Bewegung  gestellt,  die  in  be- 
wusster  Polemik  gegen  angesehene  MittelmSssigIceit  kritisch  wie  künstlerisch 
zu  Felde  zog,  und  die  wie  jeder  Kampf  der  ,  Davidsbfindler  gegen  die  Philister" 
mit  einem  scbltesslichen  Sieg  der  Jugend  endete,  d.  h.  wie  jeder  Kampf, 
bei  dem  die  Jugend  die  Talente  in  ihrem  Lager  führt. 

Zu  Beginn  jener  Bewegung  aber  waren  es  nicht  die  musikalisch- 
künstlerischen Werke,  die  der  aufstrebenden  Jugend  (den  Chopin,  Schu- 
mann und  Berlioz)  den  Platz  neben  den  Tagesgrössen,  Hummel,  Herz  und 
Hunten,  errangen,  sondern  die  musikkritischen  Taten  eben  jenes  Kreises, 
dessen  geistiger  Führer  Robert  Schumann  war,  und  dessen  Organ,  die  Neue 
Zeitschrift  für  Musik,  sich  in  kürzester  Zeit  als  ernstzunehmendes  Sprach- 
rohr neuester  Kunstbestrebungen  seinen  Platz  neben  den  älteren  konserva- 
tiveren Musikzeitungen  errang,  der  von  Rochlitz  begründeten  und  um  diese 
Zeit  von  Fink  geleiteten  «Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung"  in  Leipzig 
und  der  in  Berlin  erscheinenden  .Iris'  von  Rellstab. 

Man  ist  —  zweifellos  meistens  mit  Recht  —  geneigt,  ein  derartiges 
schnelles  zu  Wort  und  Ansehn  Kommen  neuer  Richtungen  und  neuer  diese 
Richtungen  vertretender  Organe  auf  die  persönliche  Begabung  des  geistigen 
Urhebers  oder  Führers  zurückzuführen,  und  in  gewissem  Sinne  ist  dies 
auch  bei  Schumanns  schnellem  Erfolg  auf  musikkritischem  Gebiet  der  Fall. 


101 
NOREN-HERZBERG:  SCHUMANN  ALS  SCHRIFTSTELLER 


Trotzdem  aber  ist  nicht  eine  glänzende  kritische  Begabung ,  d.  h.  ein 
schnelles  sicheres  Erfassen  des  Charakteristischen  und  Typischen  im 
Kunstwerk  und  scharfe  logische  Schlussfolgerung  der  Ausgangspunkt  jenes 
Erfolgs.  Die  Bedeutung  Schumanns  als  Musikschriftsteiler  beruht  vielmehr 
darauf,  dass  er  als  hochbegabter  produktiver  Musiker  in  einem  Zeitpunkt 
sich  der  musikalischen  Kritik  als  Beruf  zuwandte,  wo  eine  einseitig  fort- 
geschrittene ästhetische  Bildung  eine  musikalisch  -  ästhetische  Erziehung 
dringend  notwendig  machte.  Um  diesen  Zustand  und  die  Gründe  dafür  zu 
erkennen,  muss  man  sich  den  Gang  ästhetischer  Erkenntnis  und  Bildung, 
besonders  der  musikalischen,  vergegenwärtigen. 

Ungefähr  100  Jahre  vor  Schumanns  Eingreifen  in  den  Entwicklungs- 
gang der  musikalischen  Ästhetik  fällt  die  Geburtsstunde  der  Ästhetik  über- 
haupt. Um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  schrieb  Baumgarten  seine  Lehre 
von  der  sinnlichen  Erkenntnis  und  von  der  Schönheit  als  der  vollkommenen 
sinnlichen  Erkenntnis,  und  die  Kämpfe  der  Schweizer  und  Gottscheds  um 
das  Wunderbare,  d.  i.  die  Phantasietätigkeit  in  der  Kunst,  führten  unter 
steter  sprachlicher  Vervollkommnung  über  Elias  Schlegel  und  Lessing  end- 
lich zu  Herder,  dem  Schüler  Hamanns  und  Winckelmanns,  d.  i.  zu  einem 
bewussten  Proklamieren  der  Phantasietätigkeit  des  Genius  als  Wesens- 
eigentümlichkeit aller  Kunst  und  Kunstübung.  Ziemlich  unberührt  von 
all  diesem  Kämpfen  und  Ringen  um  ästhetische  Systeme  und  Formulierungs- 
methoden fristet  die  musikalische  Kritik  ein  unproduktives  Dasein.  Zwar 
blühte  die  musiktheoretische  Polemik  in  ungezählten  Programm-  und  Zeit- 
schriften, die  (entsprechend  der  Entwicklung  der  Musik  aus  kontrapunktischer 
Kunstfertigkeit  zu  vergeistigter  Kunst)  aus  theoretischen  Abhandlungen  über 
die  Kompositionstätigkeit  entstanden  und  nur  sehr  langsam  zu  vergeistigterer 
Behandlung  der  musikalischen  Kunstwissenschaft  fortschritten.  So  zeigen 
Schriften,  wie  die  des  berühmten  hamburgischen  Kapellmeisters  und  Ge- 
sandtschafts-Sekretärs Mattheson  klare,  verständliche  Erörterungen  über 
musikalische  Theorie  und  Praxis  und  werden  unklar,  geschraubt,  unver- 
ständlich, sowie  von  diesem  festen  Boden  der  Erfahrung  auf  den  ästhetischer 
Betrachtungen  übergegangen  wird;  so  verliert  sich  der  Herausgeber  der 
musikalischen  Bibliothek  (seit  1738)  Mitzier  in  gewagteste  philosophisch- 
mathematische Spekulationen  und  will  die  Musik  überhaupt  nicht  als  Kunst, 
sondern  nur  als  eine  Disziplin  der  Philosophie  gelten  lassen.  Und  so 
polemisiert  ebenso  gründlich  wie  deutlich,  aber  ohne  Fortschritt  nach 
ästhetischer  Seite  der  Königlich  Dänische  Kapellmeister  Johann  Rudolph 
Scheibe  in  seiner  Wochenschrift  »Critischer  Musikus^  (0.  Stück  Anmerkung): 

.Es  gibt  Leute,  die,  wenn  sie  auch  blos  von  praktischen  Dingen  reden,  es  sey 
auch  wovon  ei  wolle,  doch  allemal  am  Ende  ihrer  Rede  auf  ihre  Zahlen,  auf  ihr 
Monochord,  auf  ihre  Temperatur  und  ihre  liebe  Harmonik  kommen.    Alles  dies  sind 


102 
DIB  MUSIK  V.  20. 


zwar  nützlicbe  und  der  Musik  unentbebrlicbe  Sacheo,  aber  man  muaa  nur  keinen 
Abgott  daraus  macben  und  sie  in  alle  musikaliscben  Demonstrationen  einmiscben,  es 
mag  nun  die  Materie  leiden  oder  nicbt. 

Ein  tbeoretiscber  Musikant  kann  der  Matbematik  unmdglicb  entraten,  ein  prak- 
tiscber  Musikant  aber  und  wenn  er  aucb  ein  Komponist  wäre  Icann  obne  die  Matbe- 
matik ein  grosser  Mann  sein"  (S.  90). 

Auf  dieser  Basis  mehr  oder  weniger  eng  begrenzten  Regelzwanges, 
der  das  Kunstwerk  nicht  nach  dem  geistigen  Gehalt,  sondern  nach  der 
Obereinstimmung  mit  den  ein  für  alle  mal  gültigen  technischen  Gesetzen 
beurteilt,  bleibt  die  musikalische  Kritik  bis  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts, 
während  sich  auf  allen  fibrigen  Gebieten  der  Ästhetik  in  Deutschland  um 
diese  Zeit  bereits  ein  völliger  Umschwung  geltend  gemacht  hatte. 

Auf  Kants  Erkenntnis,  dass  das  Geschmacksurteil  nicht  objektiver 
logischer  Erkenntnis,  sondern  subjektiver  Empfindung  sein  Entstehen  dankt, 
folgte  Fichtes  Lehre  von  der  Entstehung  des  All  aus  der  Schöpferkraft 
des  denkenden  Ich,  in  der  die  Basis  ffir  eine  neue  Weltanschauung  ge- 
geben wurde,  eine  Weltanschauung,  nach  der  das  denkende  Ich  der 
Mittel-  und  Ausgangspunkt  des  gesamten  Weltalls  ist.  Den  fahrenden 
Kfinstlem  jener  Tage,  den  Dichtem,  kreuzt  sich  diese  philosophisch  kalte 
Lehre  von  der  Herrschaft  des  denkenden  Ich  fiber  die  lebendig  wirkende 
Natur  mit  dem  dichterisch  verklärten  Pantheismus,  wie  ihn  Goethe  in 
.Wilhelm  Meister'  ihnen  nahe  bringt,  und  sie  versuchen  eine  Vereinigung 
von  Fichteschem  Subjektivismus  und  Goetheschem  Pantheismus  zu  philo- 
sophisch-dichterischer Weltanschauung  zu  erheben.  Natur  und  Geist  ist 
eine  Einheit,  aber  nicht  wie  bei  Goethe  die  Einheit,  die  durch  das  Zu- 
sammenwirken beider  entsteht,  sondern  Natur  und  Geist  ist  dasselbe. 
Natur  ist  der  sichtbare  Geist,  und  Geist  ist  die  unsichtbare  Natur.  Der 
schöpferische  Geist  des  Menschen,  also  die  Phantasie,  die  geistige  Gebilde 
schafft,  ist  nur  eine  andere  Äusserungsform  des  Willens,  der  die  Natur 
schaflrt  und  bildet,  und  es  ist  nicht  nur  derselbe  Vorgang,  ob  die  schöpfer- 
ische Phantasie  oder  ob  die  Natur  schafft,  sondern  das  was  die  Phantasie 
frei  und  nur  ihrem  eignen  Drang  gehorchend  hervorbringt,  ist  dasselbe,  was 
die  Natur  erschafft,  ist  die  geistige  Form  dessen,  was  die  Natur  als  sicht- 
bare hervorbringt.  Einengung  der  Phantasie  also  durch  Gesetze  oder  Vor- 
bilder ist  Einengung  schöpferischer  Kraft,  die  auch  die  Natur  schuf,  und  das 
idealistische  Kunstprinzip,  das  dieser  Weltanschauung  ihr  Entstehen  dankt, 
heisst  naturgemäss:  die  weltschaffende  subjektive  Phantasie  des  Künstlers, 
gleichgiltig  ob  sie  hohes  oder  niederes,  hässliches  oder  schönes  zu  Tage 
fördert,  ist  einziges  Gesetz.  Willkur  des  geistigen  Schöpfers  dem  Ideen- 
gehalt und  der  Form  nach  ist  die  einzige  Form  aller  Kunstbetätigung,  ge- 
schlossene  Form    ist   Einengung    der    freischaffenden,    zu    ürillkürlichster 


103 
NOREN-HERZBERG:  SCHUMANN  ALS  SCHRIFTSTELLER 


Äusserungsform  sich  verdichtenden  Phantasie.  Unter  dem  Einfluss  dieser 
Welt-  und  Kunstanschauung  bildet  sich  die  Kritik  der  romantischen  Schule, 
die,  weil  von  schöpferischen,  den  Dichtern  durchaus  ebenbfirtigen  Geistern 
ausgeübt,  veniger  die  Beurteilerin  als  die  Verkünderin  der  neuen  künst- 
lerischen Richtung  wurde.  Die  Einwirkung  dieser  völlig  umgewandelten 
allgemeinen  Anschauung  von  den  Rechten  des  Künstlers  und  den  Pflichten 
des  Kritikers  zeigt  sich  auf  musikalischem  Gebiet  dann  zuerst  in  den  Be- 
strebungen des  literarisch  und  musikalisch  durchgebildeten  Fr.  Rochlitz, 
des  Begründers  der  «Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung*  um  1800.  Der 
Wert  der  von  ihm  eingeführten  durchaus  subjektiven  musikalischen  Kritik 
gegenüber  der  nach  festen  technischen  Dogmen  abschätzenden  lag  darin, 
dass  die  Wirkung  zum  Wertmesser  genommen  und  damit  zuerst  eine  un- 
befangene Wertung  neuer  anscheinend  ausserhalb  von  Regeln  geschaffener 
Kunstwerke  (Beethoven)  möglich  wurde.  Ob  diese  Wiedergabe  des  Ein- 
drucks als  charakterisierende  Kritik  für  das  Kunstwerk  ihren  Zweck  er- 
füllte, hing  aber,  abgesehen  von  der  Aufnahmeßhigkeit  des  Kritisierenden, 
ausserdem  noch  von  der  Begabung  des  Kritikers,  seine  Eindrücke  in  Worten 
wiederzugeben,  ab,  und  die  natürliche  Folge  dieser  Vorbedingung  romantisch 
subjektiver  Kritik  war  also,  dass  auch  auf  musikalischem  Gebiet  diejenigen 
das  Wirkungsvollste  leisteten,  deren  Empßnglichkeit  für  musikalische  Ein- 
drücke Hand  in  Hand  ging  mit  der  Fähigkeit,  diese  Eindrücke  in  Worten 
virtuos  wiederzugeben:  also  die  Dichter-Musiker  oder  die  Musiker-Dichter. 
Bahnbrechend  auf  diesem  Gebiet  ist  E.  T.  A.  Ho  ff  mann  gewesen, 

»in  dessen  Krelsleriant  ein  Glhrstoff  von  erstaunlicher  Krafc  steckt,  der  die 
ganze  Muaikschriftatellerei  unares  Jahrhunderts  durchdrungen  hat.*^) 

Aber  während  E.  T.  A.  Hoffmann  die  Musikschriftstellerei  nur  ge- 
legentlich um  des  Broterwerbs  willen  betrieb  und  dann  aus  der  Not  eine 
Tugend  machte,  d.  h.  seine  dichterische  Gestaltungskraft  auf  die  musikalischen 
Persönlichkeiten  oder  Werke  anwendete,  die  er  zu  besprechen  hatte  (vgl. 
in  seinem  Tagebuch  vom  17.  Mai  1809  bei  der  Besprechung  der  beiden 
Symphonieen  von  Friedrich  Witt  in  der  »Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung* : 
«Opus  1  dieser  ArtI  es  ging  besser  als  ich  gedacht  hatte"),  geht  sein  grösster 
Erbe  und  Nachfolger,  Schumann,  bewusst  den  Weg,  den  auch  er  infolge 
seiner  doppelten  Begabung  gehen  durfte. 

Robert  Schumanns  geistige  Persönlichkeit  in  der  Zeit,  als  er  musik- 
krittsch  sich  zu  betätigen  begann,  entspricht  durchaus  dem  Typus  der 
Jugend  um  1830,  deren  unbewusst  eingesogene  Weltanschauung  (nach 
Temperament  und  Lebenskreis  natürlich  modifiziert)  im  allgemeinen  aber 
doch  durchaus  romantischer  Philosophie  ihren  Ursprung  dankt.   Subjektivstes 


^)  Vergl.  Spiua,  Deuttcbe  Rundschau  1894:  .Schumanns  Schriften*. 


104 
DIE  MUSIK  V.  20. 


in  den  Mittelpunkt  Stellen  der  eigenen  Gefühle  und  Vorstellungen,  aristo- 
kratische Abkehr  vom  praktischen  Leben  und  den  praktischen  Zielen  der 
»Philister'*,  bewusstes  sich  Einfühlen  in  die  Natur  und  Naturstimmung,  liebe- 
volles sich  Vertiefen  in  die  Gedankengänge  deutscher  Märchenwelt  und  da- 
mit deutscher  Gefühlswelt  ist  der  Inhalt  des  Jünglingslebens  um  1825 — 1830, 
und  dazu  der  Drang,  in  eigener  schöpferischer  Betätigung  sich  als  Teil 
jener  Kraft  zu  wissen,  die  das  lebendige  All  erschafft.  Schumann  fühlt 
diesen  schöpferischen  Trieb  in  sich  schon  als  Knabe,  ehe  er  im  klaren 
darüber  war,  ob  seine  spezielle  Begabung  ihn  auf  die  Musik  oder  Poesie 
verwiese,  und  seine  gesamte  musikkritische  Tätigkeit  ist  daher  auch  durch- 
aus aufzufassen  als  die  Betätigung  eines  schöpferischen  Geistes:  gegebene 
Anregung  in  subjektivster  innerer  Verarbeitung  umzuschaffen  und  daraus 
ein  neues  Kunstwerk  hervorzubringen.  Und  der  Zusammenhang  zwischen 
dem  anregenden  Werke  (hier  also  dem  Musikstück)  und  dem  neugeschaffenen 
Kunstwerk  (bei  Schumann  also  der  Kritik)  besteht  nur  darin,  dass  beide 
dieselben  Wirkungen  auslösen,  wenn  auch  mit  verschiedenen  Mitteln.^) 
Robert  Schumanns  Kritiken  sind  grösstenteils  Phantasieen  des  Dichters 
Schumann  über  die  Eindrücke,  die  der  Musiker  Schumann  empfangen  hat, 
aber  nicht  Phantasieen,  wie  die  Rochlitz,  die  Reichardt,  die  Marx  sie  ge- 
schrieben hatten,  in  denen  sie  die  Wirkung  des  Musikstückes  beschrieben, 
sondern  Phantasieen,  aus  denen  diese  Wirkung  von  neuem  hervorspringt, 
also  Kunstwerke,  nicht  ästhetische  Analysen.  Das  Publikum  jener  Tage 
aber  war  durch  die  vorangegangenen  Jahrzehnte  höchster  Blütezeit  deutscher 
Dichtung  in  der  Aufnahme  allgemein  künstlerischer  Wirkungen  auf  dem 
Gebiet  der  Poesie  ungleich  geschulter,  als  auf  dem  Gebiet  der  Musik. 
Krassester  auf  die  Spitze  getriebener  Subjektivismus  in  der  Dichtung  war 
ihm  eine  geläuflge  Erscheinung,  und  die  ästhetische  Bildung  war  in  Be- 
ziehung auf  die  Dichtkunst  durchaus  fortgeschritten  genug,  den  künstlerischen 
Wert  der  von  jeder  Fessel  konventioneller  Gewohnheit  oder  objektiver  ästhe- 
tischer Normen  losgelösten  Romane  eines  Jean  Paul  oder  später  der  Ge- 
dichte und  Reisebilder  eines  Heine  verständnisvoll  zu  würdigen,  und  zwar 
nicht  zum  wenigsten  infolge  der  bahnbrechenden  kritischen  Erziehung,  die 
zwei  Jahrzehnte  früher  die  Gebrüder  Schlegel  geleistet  hatten.  Auf 
musikalischem  Gebiet  aber  lagen  die  Dinge  völlig  anders;  dort  war  man 
zu  einem  Verständnis  Beethovenschen  und  Schubertschen  Subjektivismus 
noch  nicht  durchgedrungen,  trotz  der  (eben  nur  gelegentlichen)  schöpferisch- 
kritischen Feldzüge  E.  T.  A.  Hoffmanns  und  der  didaktischen  Bemühungen 
Fr.  Rochlitz'.     Um  das   ästhetische  Urteil  der  Geniessenden  frei  zu  machen 


^)  »Wir  halten  die  für  die  hdctatte  Kritik,  die  durch  sich  selbst  einen  Eindruck 
hinterlisst,  dem  gleich,  den  das  anregende  Original  hervorbringt.*  Schumann,  Ge- 
sammelte Schriften. 


105 
NOREN-HERZBERG:  SCHUMANN  ALS  SCHRIFTSTELLER 

von  den  Vorstellungen»  dass  auf  musikalischem  Gebiet  die  von  frfiheren 
Zeiten  fibernommenen  Formen  einzuhalten  seien,  bedurfte  es  einer  ähn- 
lichen Erziehung  auf  musikalischem  Gebiet,  wie  früher  auf  literarischem. 
Diese  Erziehung  hat  Robert  Schumann  geleistet  und  damit  vorgearbeitet 
für  den  Aufschwung  subjektivster  Musikrichtung,  in  dem  wir  uns  heute 
noch  befinden.  Robert  Schumann,  als  Musiker  zwar  durchaus  auf  der 
Linie  Beethoven-Schubert-Brahms  stehend,  hat  als  Musikschriftsteller,  viel« 
leicht  unbewusst,  aber  trotzdem  völlig  sicher,  darauf  hingewirkt,  das  Publikum 
vorbereitend  zu  erziehen  fü^  Wagners  Musikdrama  und  Liszts  Instrumental- 
musik. Und  weil  er  selbst  ein  Kind  jener  in  literarischer  Beziehung  hoch- 
gebildeten Zeit  war,  so  ergriff  er  mit  genialer  Sicherheit  das  einfachste 
Mittel,  er  dichtete  die  Musikwerke,  denen  Musiker  und  Laien  verständnis- 
los gegenüberstanden,  zu  kleinen  poetischen  Phantasieen  um,  deren 
künstlerische  Wirkungen  das  Publikum  eben  infolge  seiner  Schulung  in 
literarisch-ästhetischen  Dingen  nachfühlen  konnte,  und  gewöhnte  sie  daran, 
die  gleiche  Erhöhung  des  Lebensgefühls,  die  sie  zu  empfinden  gei^öhnt 
waren  bei  den  Dichtungen  romantisch  subjektiver  Färbung,  nun  auch  zu 
fühlen  angesichts  solcher  von  landläufigen  Regeln  befreiten  subjektiven 
Musik,  und  wurde  daher  für  die  musikalische  Kritik,  wenn  auch  durch  in- 
direkte Mittel  dasselbe,  was  die  romantische  Kritik  für  die  Literatur  auf 
direktem  Wege  gewesen  war.  Diese  allgemeine  Lage  der  ästhetischen 
Bildung  zu  Schumanns  Zeit  muss  man  sich  vergegenwärtigen,  wenn  man 
heute  seine  musikkritischen  Aufsätze  liest,  um  zu  verstehen,  dass  es  nicht 
subjektive  Liebhaberei  Schumanns,  vielleicht  hervorgerufen  durch  seine 
doppelte  Begabung,  war,  die  ihn  diese  merkwürdige  Art  des  poetischen 
Phantasierens  an  Stelle  technischer  Analyse  anwenden  Hess. 

Bei  unsrer  heutigen  musikalischen  Bildung,  bei  der  das  Nachempfindungs- 
vermögen im  Publikum  in  viel  höherem  Masse  ausgebildet  ist,  als  das 
technische  Verständnis  des  Aufbaus  und  der  thematischen  Arbeit,  erscheint 
es  uns  fast  unverständlich,  dass  der  Gefühlsinhalt  Chopinscher  Variationen 
durch  die  poetische  Phantasie  Schumanns  eindringlicher  übermittelt  werden 
könnte  als  durch  das'  Tonstfick  selber,  auch  wenn  wir,  den  veränderten 
Zeitverhältnissen  entsprechend,  anstatt  Chopin  vielleicht  Strauss  oder  Reger 
gesetzt  dächten.  Das  Publikum  von  heute  ist  so  durchaus  entgegengesetzt 
gebildet,  dass  es  viel  eher  den  Gefühlsinhalt  der  Musik,  als  der  Dichtung 
erfasst  und  daher  auf  poetisch  gehaltene  Programme  zu  Musikwerken  nicht 
mehr  reagiert.  Damals  aber  lag  der  Fall  gerade  umgekehrt,  und  wie 
lange,  trotz  Schumann,  es  gedauert  hat,  bis  die  ästhetische  Aufnahmefähig- 
keit für  die  Musik  den  Grad  der  literarischen  erreicht  hat,  geht  meines 
Erachtens   am  schärfsten  daraus  hervor,  dass  das  reine  Verständnis  für 

Richard  Wagner,  den  Musiker,  erst  den  Umweg  über  Richard  Wagner,  den 
V.  20.  8 


106 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Dichter,  hat  machen  müssen.  Unter  diesem  Gesichtspunkt  gesehen,  ergibt 
sich,  dass  Robert  Schumanns  musikkritische  Tätigkeit  also  nicht  so  sehr 
ein  Fortbauen  der  musikalischen  Ästhetik  oder  der  musikalischen  Kritik 
als  solcher  bedeutet,  sondern  eine  Erziehung  zum  Verständnis,  d.  h.  ästhe- 
tischen nicht  technischen  Verständnis,  der  Musik.  Er  hat  weder  philo- 
sophisch die  Ursache  der  Wirkungen  musikalischer  Kunstwerke  untersucht, 
noch  verstandesgemäss  die  geistige  Arbeit  des  Musikers  analysiert  und  zur 
Kenntnis  weiter  Kreise  gebracht;  er  hat  einfach  das  Gefühl  der  Geniessenden 
erzogen  zur  Aufnahme  des  in  der  Musik  niedergelegten  geistigen  (dem 
Denken  und  dem  Fühlen  entsprungenen)  Gehalts,  und  er  steht  mit  dieser 
Tat,  die  er  fast  als  einzelner  geleistet,  auf  dem  Boden  modernster  Be- 
strebungen, die  darauf  abzielen,  die  ästhetische  Empfinglichkeit,  die  für  die 
Musik  bei  den  Geniessenden  in  hohem  Masse  vorhanden  ist,  für  bildende 
und  redende  Künste  zurückzuerobern.  Robert  Schumanns  Umdichtungen 
musikalischer  Kunstwerke  sind  im  Grunde  nichts  anderes,  als  unsre 
heutigen  in  umgekehrter  Richtung  gehenden  Versuche,  durch  musikalische 
Darbietungen  die  Stimmung  für  rein  poetische  Kunstwerke  zu  erwecken; 
und  beim  Oberschauen  weiter  Zeiträume  und  historischer  Entwicklungen 
ist  die  Vermutung  nicht  abzuweisen,  dass,  wenn  es  den  allerorts  sich 
mehrenden  Bestrebungen  zur  ästhetischen  Erziehung  einmal  gelungen  sein 
wird,  für  die  anderen  Kunstgebiete  das  Nacherleben  zu  erziehen,  die 
musikalische  Empfänglichkeit  wieder  ins  Hintertreffen  geraten  sein  könnte, 
wie  dies  um  1840  der  Fall  war,  und  man  sich  dann  wieder  auf  Robert 
Schumanns  Mittel  und  Wege  besinnen  wird.  Der  Zeitpunkt  also,  seine 
Bedeutung  als  Musikkritiker  zu  würdigen,  an  Einzelbeispielen  und  in 
grundsätzlicher  Stellungnahme  zu  seiner  Methode,  wird  wohl  erst  an  seinem 
100  jährigen  Todestage  gekommen  sein,  denn  die  Zeitepoche,  die  die  Früchte 
der  Arbeit  eines  Kämpfers  geniesst,  ist  am  wenigsten  geeignet,  jene  Arbeit 
voll  zu  bewerten,  weil  ihr  das  dadurch  Erreichte  selbstverständlich  er- 
scheint; erst  wenn  die  Früchte  wieder  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ver- 
loren sind,  greift  man  zurück,  um  in  Form  historischer  Betrachtung  das 
sich  zu  eigen  zu  machen,  was  vom  Alten  allgemeingültig  und  daher  auch 
auf  die  neue  Zeit  noch  anzuwenden  ist.  So  hat  man  es  in  diesen  Jahren 
in  bezug  auf  literarische  Bildung  mit  Herder  gemacht,  so  wird  man  um 
1050  wohl  hinsichtlich  musikalischer  Kritik  und  Erziehung  auf  Schumann 
zurückgreifen. 


5r«»v 


EIN  ANGEDRUCKTER  CANON  FÜR  VIER 

MANNERSTIMMEN  UND  SECHS  UNGEDRUCKTE 

MUSIKALISCHE  HAUS-  UND  LEBENSREGELN 

ROBERT  SCHUMANNS 

Mitgeteilt  von  Hermann  Erl er- Berlin 


[in  freundlicher  Geselle  im  Dienste  des  Zufalls  hat  mir  die  Robert 
Schumannschen  Originalhandschriften  der  vRitomelle  von  Fr. 
Rfickert  In  canonischen  Weisen  für  mehrstimmigen  Männerge- 
sang  op.  65*  in  die  Hand  gespielt.  Im  Druck  enthält  dieses 
Werk  folgende  sieben  Nummern:  No.  1.  Die  Rose  stand  im  Thau,  für 
5  Solostimmen  (2  Tenöre  und  3  Bässe).  No  2.  Lasst  Lautenspiel  und 
Becherklang  nicht  rasten,  für  Chor  (3  Bässe).  No.  3.  Blfith'  oder  Schnee  I 
ffir  Solostimmen  und  Chor  (3  Tenor-Solo  und  2  Tenor-  und  Bass-Chor- 
stimmen).  No.  4.  Gebt  mir  zu  trinken,  für  Chor  (3  Bässe).  No.  5. 
Zürne  nicht  des  Herbstes  Wind,  für  4  Solostimmen  (2  Tenöre  und  2  Bässe). 
No.  6.  In  Sommertagen,  für  Chor  (2  Tenöre  und  2  Bässe).  No.  7.  In 
Meeres  Mitten  ist  ein  offner  Laden,  Canon  infinitus  (2  Tenöre  und  2  Bässe). 
Die  Originalhandschrift  enthält  noch  eine  Nummer  mehr,  also  deren  acht, 
in  folgender  abweichender  Gruppierung,  auch  der  Titel  ist  ursprünglich  anders 
gefasst.     Ich  lasse  hier  genau  die  Einteilung  nach  der  Handschrift  folgen. 

Ritornelle  und  Vierzeiler  von  F.  Rückert 

als  Canons  für  mehrstimmigen  Männergesang 

Zum  Anfangt) 

I.  Zürne  nicht.  (1  oder  2  fach  zu  besetzen) 
II.  Gebt  mir  zu  trinken.  (Chor) 

III.  Lasst  Lautenspiel  und  Becherklang.  (Chor) 

IV.  Die  Rose  stand  im  Thau.  (1  oder  2  fach  zu  besetzen) 
V.  In  Sommertagen.  (Chor) 

VI.  In  Meeres  Mitten.  (Chor) 
VII.  Hätte  zu  einem  Traubenkemel  (Chor) 
VIII.  Blüth'  oder  Schnee!  (Solis  mit  Chor) 

Trotz  der  von  Schumann  angegebenen  Reihenfolge  stehen  aber  die 
acht  Nummern  durcheinander  geschüttelt.  Den  Anfang  auf  3  Seiten  bildet 
,Blüth'  oder  Schnee'   mit  dem  Entstehungsdatum   d.  28.  November  1847. 


0  Diese  Worte  vermag  ich  nicht  zu  deuten. 


8* 


108 
=  DIE  MUSIK  V.  20. 


Dann  folgt  »Die  Rose  stand  im  Thau",  ursprünglich  in  g-moU  geschrieben 
und  mit  dem  Zusatz  gezeichnet  .nach  A-mo!l  zu  transponiren*.  1.  Seite, 
Entstehungsdatum  d.  5.  November  1847.  Es  schliesst  sich  der  bis  jetzt 
unbekannt  gebliebene  Canon  (2  Seiten  Umfang)  «Hätte  zu  einem 
Traubenkern*  an.  Die  zwei  Oberstimmen  stehen  im  Basschlfissel,  es 
waren  also  4  Bässe  gedacht.  Schumann  schreibt  jedoch  vor,  Bass  1  und 
2  sind  für  Tenor  1  und  2  umzuändern.  Bass  3  und  4  werden  zu  Bass 
1  und  2.  «In  Sommertagen*  (2  Seiten)  wird  No.  4,  «In  Meeres  Mitten" 
(2  Seiten)  giebt  No.  5.  Am  Schiusa  derselben  ist  eine  halbe  Seite  durch- 
strichen und  mit  der  Bemerkung  «noch  nicht  ganz  fertig*  versehen. 
No.  6.  «Gebt  mir  zu  trinken*  (2  Seiten)  steht  in  G-dur,  soll  indes  nach 
F-dur  transponirt  werden.  No.  7.  «Lasst  Lautenklang*  (3  Seiten),  enthält 
die  durchstrichene  Notiz  «Nicht  zu  drucken*.  Den  Beschluss  bildet  als  No.  8 
(1  Seite),  «Zfime  nicht  des  Herbstes  Wind*.  Warum  Schumann  den  Canon 
«Hätte  zu  einem  Traubenkerne*  von  der  Veröffentlichung  fem  gehalten  hat? 
Vielleicht  weil  ihm  die  ursprünglich  für  4  Bässe  gedachte  Komposition  im 
Stimmenumfang  nicht  glücklich  gewählt  schien?  Der  Schluss  mit  dem  hohen 
gis  liegt  für  Bariton  bedenklich  hoch,  die  Composition  für  den  Tenor  I  in 
der  gesamten  Lage  zu  tief.  An  sich  ist  der  Canon  vortrefflich  in  der 
Komposition  und  steht  durchaus  auf  der  Höhe  der  gedruckten  Nummern.^) 
Derselbe  liebenswürdige  Bote  des  Zufalls  wehte  mir  das  auf  zwölf 
Oktavseiten  geschriebene  Original  der  so  berühmt  gewordenen  «Musi- 
kalischen Haus-  und  Lebensregeln*  auf  den  Schreibtisch.  Über- 
schrieben ist  dieser  Titel  noch  mit  «Lehrreicher  Anhang  zum  Album 
für  die  Jugend*  (1848).  Als  Beigabe  zu  diesem  Werke,  op.  68,  er- 
schienen die  Haus-  und  Lebensregeln,  die  von  Franz  Liszt  ins  Französische, 
von  Henry  Hug  Pierson  ins  Englische  übertragen  wurden.  Bei  einem 
Vergleich  der  in  Kleinigkeiten  vom  Druck  abweichenden  Handschrift  ent- 
deckte ich  6  ungedruckte  Nummern,  die  ich  hiermit  aus  ihrem 
Manuskriptgefängnis  erlöse  und  in  die  Freiheit  zu  Nutzen  und  Frommen 
der  musikalischen  Welt  flattern  lasse. 

I. 

Jeder  Zeit  gerechte  Würdigungl     Auch  die  neuere  hat  Glänzendes 
errungen.  — 

IL 

Schärfe  deine  Einbildungskraft  so,  dass  du  nicht  allein  die  Melodie 

« 

und  Composition,  sondern  auch  die  dazu  gehörige  Harmonie  im  Gedächt- 
niss  festzuhalten  vermagst.  — 


^)  Siehe  die  Musikbeilage  dieses  Heftes. 


109  ^ 

ERLER:  UNBEKANNTES  VON  SCHUMANN 


III. 
Es  hat  zu  allen  Zeiten  schlechte  Componisten  gegeben,  und  Narren, 
die  sie  gepriesen  haben. 

IV. 
Sollst  du  Jemandem  vorspielen,  so  ziere  dich  nicht;  sondern  thu's  gleich 
oder  gar  nicht!  — 

V. 
Du  musst  aber  nicht  nur  einen  Meister  lieb  haben.     Es  hat  deren 
viel  gegeben. 

VI. 
Glaube  nicht,  dass   die  alte  Musik  veraltet  sei.     Wie   ein   schönes 
wahres  Wort  nie  veralten  kann,  ebenso  wenig  eine  schöne  wahre  Musik! 

Der  auch  im  Original  gleiche  Abschluss  der  «Haus-  und  Lebens- 
regeln" lautet:  .es  ist  des  Lernens  kein  Ende",  eine  Mahnung,  der  gerecht 
zu  werden  Schumanns  unablässiges  Trachten  gewesen.  Es  ist  jetzt  bei 
einer  gewissen  musikalischen  Partei  zum  Sport  geworden,  zu  versuchen, 
die  edle  Gestalt  des  Meisters  von  dem  ihr  gebührenden  Postament  im 
Heiligtum  der  Musik  herunterzureissen.  Aber  der  Versuch  bleibt  Versuch ; 
den  Spöttern  zum  Trotz  werden  von  den  vornehmsten  Künstlern  die 
Hauptwerke:  die  Streichquartette,  die  Symphonieen,  das  Klavierquintett,  die 
C-dur  Phantasie,  der  Karneval,  Frauenliebe  und  -leben,  Dichterliebe  u.  a. 
mehr  denn  je  vorgeführt,  und  «Paradies  und  Peri"  erscheint  unablässig 
auf  den  Programmen  der  Gesangvereine. 

Es  muss  doch  ein  unverwüstlicher  Kern  in  diesen  Schöpfungen 
stecken,  wenn  sie  sich  trotz  der  feindlichen  Behauptungen  von  »Gedanken- 
blässe und  schlechter  Orchesterbehandlung"  so  lebenskräftig  erhalten.  Mir 
trat  bei  meiner  Betrachtung  ein  Brief  meines  hochverehrten  Freundes  Paul 
Heyse  in  Erinnerung,  dessen  goldene  Worte  den  Schluss  meiner  kleinen 
Abhandlung  bilden  mögen: 

„Sie  haben  mich  sehr  erfreut  durch  das  freundliche  Geschenk  Ihres  Schumann- 
Buches,  das  ich  während  meiner  Herbstfrische  so  recht  in  beschaulicher  Müsse  ge- 
niessen  konnte.  Von  früh  an  war  ich  diesem  Meister  mit  besonderer  yebe  und  Be- 
wunderung zugethan,  habe  mich  seinerzeit  in  die  Jugendbriefe  mit  wärmster  Sympathie 
vertiefe  und  nun  das  ganze  an  Wonne  und  Web  so  reiche  Leben  an  mir  vorüberziehen 
lassen.  Welch  ein  erquickender  Anblick,  das  so  starkmutbige,  heitere  und  bescheiden 
stolze  Voranscb reiten  dieses  ,frommen  Musikanten^  der  Im  Dienste  seiner  hohen 
Kunst  nicht  nach  äusserer  Ehre  und  Erfolg  trachtet,  gegenüber  dem  Urmenden, 
grössenwahnslnnlgen  Treiben  des  . . . . !  Die  Umnachtung  der  letzten  Jahre  erscheint 
als  ein  aus  rein  physischen  Ursachen  entsprungenes  Unheil,  das  weder  von  sittlicher 
noch  geistiger  Quelle  genährt  wurde,  und  so  bebilt  das  ganze  Lebensbild  einen  reinen 
vorbildlichen  Wertb." 


ile  la  der  «DeutscheD  Rerve*  von  1878  verSffentlicbtea  «Erinnerungen  an 
R.  Scbumann'  von  Riebard  Pobl  enibalten  am  Scblu»  eine  ungenaue 
DanielluDg  dei  Erkalieni  seiner  Bezlebung  zu  Schumann,  die  einer  Be* 
rictatlgnng  bedarf. 

Nachdem  Pobl  Schumanna  letzten  Brief  (vom  18.  Min  1853)  mit- 
geteilt und  die  Gründe  angegeben  bat,  warum  dieser  ihn  »verstimmt'  und  Ibm  die 
Lust  für  temere  Textbearbeituagen  benommen  habe,  flhrt  er  fort:  .Ich  legte  alao 
meine  Texte  vorliuBg  ad  acta  und  nahm  aodere  dringende  Arbeiten  vor.  So  verging 
das  Jabr  1853.  leb  hürte  von  Schumann  Nlcbta  mehr,  bis  plStzlicb  durch  die  Zeitungen 
die  erschünemde  Nacbrlcbi  lu  uns  kam,  dass  Schumann  am  27.  Februar  1854  alch 
in  den  Rhein  gestürzt  habe  . . .  Mich  erregte  es  betooders  tief  und  nachhaltig,  leb 
machte  mir  Vorwürfe,  den  verehrten  Meiater  gerade  in  den  letzten  Monaten  vor  seiner 
Krankheit  mehr  ala  ich  sollte,  vemacbllssigt  zu  haben.  Nun  war  es  freilich  lu 
•piti  . . ." 

Mit  den  .driogeoden*'  Arbellen  Pohls  ist  offenbar  seine  intensivere  Titigkeit 
für  die  »Neue  Zeitschrift  für  Muaik"  gemeint,  die  Propaganda  für  Vagner,  die  er  1852 
begann,  vom  Jahre  1853  an  aber  in  gesteigertem  Masse  auf  die  ginie  »Teimarsche 
Scfaule'  auadebnte.  Unter  dem  Pseudonym  Hoplit  war  er  der  Iltigsie  Mitarbeiter 
der  Zeitschrift,  und  man  feierte  Ihn  deshalb  In  seinen  letzten  Lebensjahren  gern  als 
den  »iltesten  Vagnerianer." ') 

Pohl  gibt  in  aeinen  . Erinnerungen*  einen  genauen  Bericht  über  den  vom 
16.  Oktober  1850  bis  zum  18.  Mirz  1853  gefSbrten  Briefwechsel;  dann  aber  will  er 
bis  zum  27.  Februar  1854  anlcbts  mehr"  von  Schumann  gebSrt  haben.  Allein  er  bat 
nach  dem  MIrz  1853  noch  zweimal  an  Schumann  geschrieben  (die  Briefe  beflndeo 


>)  Das  erste  Öffentlich  abgegebene  Urteil  Pobls  über  Tagner,  unter  dessen 
Leitung  er  am  Palmsonntag  1848  Beethovens  F  dur-Symphonie  (Nr.8)lD  Dresden  geh  Ort 
hatte,  verbrehet  sich  nur  über  den  Dirigenten  Tagner.  Nach  der  Erwihnung  des 
zu  langsamen  Tempos  der  Menuett  sagt  er:  ,Ea  lai  die  Coqueiterle  lu  rügen,  mit  der 
er  stereotyp  die  Beethovenschen  Meisterwerke  dirigiert,  ohne  einen  Blick  in  die  Par- 
titur tu  thun.  Das  soll  etwas  Besonderes  sein,  beisst  aber  Nichts,  als  dass  Herr 
Tagner  von  sich  sehr  eingenommen  ist.  Obrlgeos  lat  der  Zuschauer  Im  Zweifel,  ob 
Herr  Tagoer  nicht  den  Concenmelater  Llploskl  als  seine  lebendige  Partitur  betrachtet, 
da  er  eigentlich  nur  das  Tempo  nacbschligi,  was  jener  vorgelgt,  und  da  Herr  Tagner, 
wie  in  der  Generalprobe,  es  durchaus  nicht  unter  seiner  Türde  hilt,  sich  aua  seinem 
vergriiTenen  Tempo  im  letzten  Satz  durch  das  Orchester  heraus,  und  in  ein  gemlsslg- 
teres  hinüber  führen  zu  laiten.'    Siebe  Signale  ISIS,  S.  138. 


111 

JANSEN:  UNBEKANNTER  BRIEF  SCHUMANNS 


sieb  In  der  K5nisl.  Bibliothek  zu  Berlin)  und  im  Januar  1854  ibm  seine  Bröscbüre 
»Das  Karlsruber  Musikfest  im  Oktober  1S53  von  Hoplit*  (mit  der  bandsctarilltlicben 
Widmung  darauf:  alierm  Dr.  Robert  Schumann  verehrungsvoll  der  Verfuser.  Dresden, 
Januar  1854*)  zugesandt  Darauf  hat  Schumann  ihm  mit  folgendem  Briefe*)  geant- 
wortet: 

Düsseldorf,  den  6ten  Febr.  1854. 

Geehrter  Herr, 

Ihr  Brief  hat  sich  gefunden.  Da  er  in  meine  Korrespondenzbucher 
eingeheftet  war,  musste  er  in  Blätter  zerschnitten  werden.  Was  Sie  mir 
sonst  von  Ihren  literarischen  Arbeiten  mittheilen,  dafür  dank'  ich  Ihnen, 
namentlich  für  die  Akustischen  Briefe,^  weniger  für  die  Carlsruher  Brochure. 
Ich  gehe  immer  gern  gerade  aus  und  sage  denen,  die  mir  durch  lang- 
jährige Bekanntschaft  näher  stehen,  nach  Gewissenspflicht  die  Wahrheit. 
Dass  Sie  der  Hoplit  waren,  das  wusst'  ich  gar  nicht.  Denn  ich  harmonire 
nicht  sonderlich  mit  seinem  und  seiner  Partei  Liszt-Wagner'schen  En- 
thusiasmus. Was  Sie  für  Zukunftsmusiker  halten,  das  halt'  ich  für  Gegen<- 
wartsmnsiker,  und  was  Sie  für  Vergangenheitsmusiker  (Bach,  Händel,  Beet- 
hoven), das  scheinen  mir  die  besten  Zukunftsmusiker.  Geistige  Schönheit 
in  schönster  Form  kann  ich  nie  für  .einen  überwundenen  Standpunkt' 
halten.  Hat  diese  etwa  R.  Wagner?  Und  wo  sind  denn  die  genialen 
Leistungen  Liszts  —  wo  stecken  siel  Vielleicht  in  seinem  Pulte?  will  er 
vielleicht  die  Zukunft  abwarten,  weil  er  fürchtet,  man  versteh'  ihn  jetzt 
nicht?  D%nim  —  ich  kann  nicht  mit  diesem  Hoplitschen  Enthusiasmus 
harmoniren. 

Sie  haben  auch  mich  in  Ihrer  Brochure  genannt  und  die  Ouvertüre 
zu  Hamlet  [von  Joachim]  mit  grosser  Theilnahme  besprochen.  Aber  Sie 
haben  auch  an  anderer  Stelle  über  mich  sich  ausgelassen,  dass  ich  glaube, 
Sie  verstehen  mich  nicht.  Sie  sprechen  von  einem  Fehlen  von  Liebe,  die 
keine  Reflexion  ersetzen  könne.  Haben  Sie  sich  wohl  überlegt,  was  Sie 
da  geschrieben  haben?  Sie  sprechen  von  Mangel  an  Objectivität  —  haben 
Sie  sich  auch  das  überlegt?  Meine  vier  Symphonien,  sind  sie  eine  wie 
die  andere?  oder  meine  Trios?  oder  meine  Lieder?  Überhaupt,  gibt  es 
zweierlei  Arten  Schaffen?  Ein  ob-  und  subjektives?  War  Beethoven  ein 
objectiver?^  Ich  will  Ihnen  sagen:  das  sind  Geheimnisse,  denen  man 
nicht  mit  so  elenden  Worten  beikommen  kann.  Dann  sprechen  Sie  von 
Zwittergattungen !   Meinen  Sie  etwa  das  Requiem  der  Mignon,  —  das  Nacht- 

')  Schumann  hat  ihn  in  dem  Verzeichnis  seiner  abgesandten  Briefe  mit  «derbe, 
aber  wohlwollend*  bezeichnet.  —  Autograph  im  Besitz  von  Dr.  Erich  Prieger  in  Bonn. 
Der  Brief  liegt  diesem  Heft  im  Faksimile  bei. 

*)  Der  grössere  Teil  der  »Akustischen  Briefe"  Pohls  erschien  zuerst  anonym 
in  der  N.  Zeitschr.  von  1851. 

*)  Dieser  letzte  Satz  ist  noch  eingeschoben. 


:  DIB  MUSIK  V.  20.  ~ 

lied,  die  Pilgerfahrt  der  Rose,  den  Kfinigssohn  und  des  Singen  Flach, 
und  die  MannscriptbalUden,  die  ich  noch  habe.  Vom  Pagen  und  der  K&nigs- 
tocbter,  das  Glück  von  Edeoball  —  el,  das  könnte  mich  ja  bestimmen,  die 
Sachen  zurückzulegen  und  mein  Requiem  anzustimmen,  das  auch  noch  im 
Pulte  liegt! 

Lieber  Hr.  Hoplitl  Der  Humor  ist  die  Hauptsache  und  dann,  vas 
Sie  an  meinen  Compositionen  vermissen  und  was  namentlich  dem  Lied 
.Du  meine  Seele*  fehlt,  die  Liebe.  Diese  beiden  Hauptsachen  will  ich 
anwenden,  um  über  das,  was  Sie  mir  angethan,  hinwegzukommen.  Noch 
Eins:  ich  habe,  so  lang  ich  öffentlich  schrieb,  es  für  meine  heilige  PRicht 
gehalten,  jedes  Wort,  das  ich  aussprach,  auF  das  Strengste  zu  prüfen. 
Ich  habe  jetzt  auch  die  freudige  Genugthuuug,  bei  der  neuen  Ausgabe 
meiner  Schriften  hst  alles  unverSndert  stehen  lassen  zu  können!  leb  bin 
Xlter  als  Sie,  Ich  blicke  durch  mein  langjähriges  Schaffen  und  Arbeiten 
tiefer  und  klarer  in  die  Geheimnisse.  Suchen  Sie's  nicht  in  philosophischen 
Ausdrücken,  nicht  In  spltzGndigen  Unterscheidungen.  Jean  Paul  mit  seinem 
innigen  Gemüth  hat  die  Musik  tiefer  begriffen  als  der  scbarfdenkeode  Kant. 

Nnn  mit  einem  Sprung  über  die  Kluft,  die  uns  getrennt,  wegl 
Richard  Pohl  ist  mir  lieber  als  der  Hoplit.  An  den  Ersteren  ist  auch 
dieser  Brief  gerichtet  mit  alten  Grüssen.  R.  Seh. 

Tenn  Pohl  Hgt,  Scbumanni  trigiicb«  Geicbick  am  27.  Februar  1854  habe 
Ibn  sbesoiKlera  tief  und  nactabaltiK''  ergriffen,  lo  iat  daa  TollkemmeD  glaublicb.  Vena 
er  lieh  aber  anklagte,  Scbumano  .gerade  in  den  (etiten  Monaleo  vor  Man  Krank- 
belt"  mebr  als  er  aollte,  aVerDactallMlgt'  lu  haben,  ao  waren  dleie  SelbatTonrürfe 
nnbegründei. 


|e  tiefer  wir  uns  von  den  Werken  oder  den  Leistungen  eines 
hervorragenden  Menschen  ergrifTen  fühlen,  um  so  mehr  wird  in 
uns  der  Wunsch  rege,  nun  auch  seine  gesamte  Persönlichkeit, 
d.  h.  sein  Verhältnis  auch  zu  denjenigen  Gebieten,  auf  denen 
nicht  seine  Haupttätigkeit  liegt,  kennen  zu  lernen.  Wir  möchten  wissen, 
wie  der  Mann,  der  uns  die  Eroica  und  die  Neunte  Symphonie  schenkte.  Ober 
seine  Kunst  und  über  die  anderen  Künste  dachte,  wie  er  der  Religion  und 
Philosophie,  den  Forderungen  der  Sittlichkeit  und  dem  Wissen  gegenüber- 
stand; ja,  wir  gehen  noch  weiter  und  fragen  nach  seiner  äusseren  Er- 
scheinung, seinem  Verhalten  zu  Angehörigen  und  Freunden,  seinen  Eigen- 
heiten, seinem  Alltagsleben  und  nach  der  Art,  wie  er  sich  mit  der 
Alltäglichkeit  abfand.  In  diesem  tief  begründeten  Bedürfnis  unseres  Ge- 
mütes, dessen  Befriedigung  aber,  wie  ausdrücklich  betont  sei,  niemals  dazu 
dienen  kann,  unser  Verständnis  für  ein  Kunstwerk,  das  ja  ausschliesslich 
aus  sich  selbst  heraus  wirken  muss,  zu  erhöhen,  liegt  die  Berechtigung  der- 
jenigen Teile  der  Beethoven-  oder  beispielsweise  auch  der  Goetheforschung, 
die  sich  nicht  unmittelbar  auf  die  Schöpfungen  dieser  Meister  beziehen. 
Damit  sollen  aber  die  Auswüchse  solcher  Forschungen,  die  sich  nur  den 
Schein  der  Wissenschaftlichkeit  anmassen  und  heute  einer  völlig  un- 
verdienten Duldung,  wenn  nicht  gar  Wertschätzung  begegnen,  durchaus 
nicht  in  Schutz  genommen  werden. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass  ein  ausübender  Künstler,  sei 
er  Schauspieler  oder  Musiker,  nur  selten  in  uns  den  Drang  nach  Erfassung 
seiner  vollen  Persönlichkeit  wachruft.  Aber  um  so  bedeutsamer  sind  die 
wenigen  Fälle,  in  denen  er  dies  vermag.  Noch  auf  die  heutige  Generation 
der  Musiker  und  Musikfk'eunde  strömt  der  Name  Jenny  Lind  einen  eigen- 
artigen Zauber  aus,  obgleich  es  unsere  Grossväter  waren,  die  ihr  Ge- 
sang beglückte.  Aber  sie  fühlten  mit  unmittelbarer  Gewissheit,  dass  ihnen 
nicht  eine  gewöhnliche  Sängerin  gegenüberstand,  dass  vielmehr  aus  ihrem 
Gesang  eine  tiefe,  reine  Menschenseele  zu  ihnen  sprach,  und  dieses  Gefühl 
lebt  in  uns  fort.    Dass  sie  es  wert  war,  als  ein  Ganzes  erfasst  zu  werden. 


114 
DIE  MUSIK  V.  20 


beweisen  ihre  Briefe.^)  Vielleicht  in  noch  höherem  Masse  gab  eine  andere 
Künstlerin,  die  vor  nunmehr  10  Jahren  von  uns  schied,  also  der  Gegen- 
wart noch  viel  näher  steht,  durch  die  Art  ihres  Wirkens  Veranlassung,  Jhr 
Wesen  in  seiner  Gesamtheit  zu  empfinden  und  zu  betrachten.  Wir  meinen 
Clara  Schumann.  Man  darf  wohl  sagen,  dass  schon  seit  der  Zeit,  da 
sie  als  Kind  zuerst  an  die  Öffentlichkeit  trat,  niemand  in  ihr  bloss  eine 
bedeutende  Klavierspielerin  sah,  dass  man  sie  vielmehr  stets  als  eine  be- 
stimmt ausgeprägte  Persönlichkeit  bewunderte  und  verehrte.  Dieser  Stand- 
punkt tritt  bei  fast  allen  Menschen  hervor,  mit  denen  sie  während  ihres 
langen  Lebens  in  Berührung  kam,  oder  die  über  sie  schrieben,  ja,  er 
teilte  sich  selbst  dem  grossen  Publikum  mit.  Sie  lebt  in  unserem  Bewusst- 
sein  fort  als  der  Typus  des  reinsten  Künstlertumes,  verbunden  mit  edelster, 
charaktervoller  Weiblichkeit.  Sie  war,  wie  sie  Liszt  einmal  nannte,  eine 
Priesterin  ihrer  Kunst.  Wie  es  beim  Priester  sein  soll,  bildeten  bei  ihr 
Beruf  und  Leben  eine  untrennbare  Einheit.  Solche  Persönlichkeiten  sind 
es,  die  wir  möglichst  nach  allen  Seiten  ihrer  Lebensbetätigung  beobachtend 
und  am  liebsten  bewundernd  verfolgen  möchten. 

Es  ist  bekannt,  dass  Clara  Schumann  sowohl  vor  als  auch  nach  ihrer 
Verheiratung  eine  Reihe  von  Kompositionen  veröffentlichte,  und  so  könnte 
es  auffallen,  dass  dieser  Zweig  ihrer  Tätigkeit,  der  ihrem  eigentlichen  Be- 
rufe  doch  so  nahe  stand  und  dessen  Betrachtung  uns  einen  Einblick  in  ihr 
musikalisches  Denken  und  Empfinden  gewähren  müsste,  noch  nie  im  Zu- 
sammenhang gewürdigt  worden  ist.  Aber  die  Historiker  halten  sich 
begreiflicherweise  in  der  Regel  entweder  an  das  Vollendete  in  der  Kunst 
oder  an  solche  Werke,  die  Glieder  einer  Entwicklungskette  bilden,  und 
die  anspruchslosen  Kompositionen  Clara  Schumanns  gehören  zu  keiner 
dieser  beiden  Kategorieen.  Wenn  ihre  Behandlung  auch  nichts  weiter 
leistete,  als  das  Wesen  der  Künstlerin  von  einer  bis  jetzt  wenig  beachteten 
Seite  her  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu  erschliessen,  so  wäre  sie  bereits 
hinlänglich  gerechtfertigt.  Dazu  kommen  aber  noch  zwei  Umstände,  die  das 
Interesse  an  diesen  Werken  wesentlich  erhöhen  müssen.  Der  eine  ist,  dass 
sie  von  einem  weiblichen  Komponisten  und  zum  Teil  sogar  von  einem  Kinde 
herrühren,  der  andere,  dass  sie  unter  den  Augen  Robert  Schumanns 
entstanden,  und  er  es  weder  an  lebhafter  Teilnahme  noch  an  anspornender 
Ermunterung  fehlen  Hess.  Übrigens  stellt  sich  vielleicht  doch  heraus,  dass 
die  geringe  Beachtung  dieser  Kompositionen  auch  vom  rein  künstlerischen 
Standpunkte  aus  nicht  in  allen  Fällen  berechtigt  ist,  dass  das  eine  oder  das 
andere  Werk  doch  auch  um   seiner  selbst  willen  Wert  besitzt.     In   der 


^)  Jenny  Lind,  ihre  Laufbahn  als  Künstlerin,  von  H.  S.  Holland  und  W.  S. 
Rockstro,  übersetzt  von  Hedwig  Schoell,  1891. 


115 

HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


Clara  Schumannbiographie  von  B.  Litzmann ^)  sind  bis  auf  eine  Ausnahme, 
auf  die  wir  später  zurfickkommen  werden,  über  die  Kompositionen  nur 
die  äusseren  Daten  gegeben,  leider  nicht  immer  mit  der  wünschenswerten 
Genauigkeit. 

Friedrich  Wieck  war  in  musikalischen  Dingen  bekanntlich  ein 
einsichtsvoller  und  ausgezeichneter  Pädagoge  und  verlangte  daher  vom 
Klavierspieler,  dass  er  nicht  nur  sein  Instrument  beherrsche,  sondern  ein 
wirklicher  Musiker  sei.  Diesem  Grundsatze  gemäss  führte  er  seine  Tochter 
schon  sehr  früh  in  die  Theorie  der  Musik  ein.  Bereits  bevor  der  eigent- 
liche Klavierunterricht  begann,  wusste  sie,  was  ein  Dreiklang  sei  usw.  Wie 
weit  sind  unsere  heutigen  Durchschnittslehrer  und  die  meisten  Eltern  noch 
davon  entfernt,  diesen  einzig  richtigen  Weg  einzuschlagen!')  Es  dauerte 
nicht  lange,  so  verstand  sie  schon  in  jede  beliebige  Tonart  zu  modulieren, 
ein  Umstand,  der  für  ihre  Kompositionen  von  Wichtigkeit  wurde,  und  ihr 
freies  Phantasieren  erregte  früh  Bewunderung.  Für  die  weitere  theoretische 
Ausbildung  scheint  Wieck  seine  eigenen  Kräfte  bald  nicht  mehr  für  aus- 
reichend gehalten  zu  haben ;  denn  er  Hess  seine  Tochter  vom  Thomaskantor 
Weinlig  und  später  von  Heinrich  Dorn  unterrichten,  und  1834 
während  eines  mehrmonatigen  Aufenthaltes  in  Dresden  war  sie  noch 
Schülerin  von  Reissiger.  Unter  solchen  Umständen  waren  kleine  Kompo- 
sitionsversuche geradezu  etwas  Selbstverständliches.  1831  gab  der  Vater 
als  Opus  1  »4  Polonaises"  für  Klavier  heraus.  Bevor  wir  aber  auf  diese 
und  die  folgenden  Werke  eingehen,  müssen  wir  einen  flüchtigen  Blick  auf 
die  damalige  Musikpflege  werfen,  um  zu  erkennen,  aus  welchem  Boden 
Clara  Wieck  als  Komponistin  hervorwuchs. 

Zwar  eroberten  sich  in  den  Zwanziger-  und  Dreissigerjahren  des  1  O.Jahr- 
hunderts die  Symphonieen  Beethovens  allmählich  die  führende  Stellung, 
die  sie  heute  im  Konzertsaal  einnehmen,  und  auch  die  Symphonie 
Haydns  und  Mozarts  wurde  gepflegt.  Daneben  standen  Werke  von  mehr 
oder  weniger  bedeutenden  Epigonen  der  Klassiker,  wie  F.  Riess  und 
Kalliwoda,  aber  auch  solche  des  Romantikers  Spohr,  der  seine  eigenen 
Wege  ging.  Viel  schlimmer  dagegen  sah  es  mit  der  Solomusik  aus,  die 
für  uns  hier  in  erster  Linie  in  Betracht  kommt.  Wie  in  der  politisch 
stillen  Zeit  nach  den  Stürmen  der  Napoleonischen  Herrschaft  und  der  Be- 
freiungskriege durch  ganz  Europa  das  Streben  nach  mühelosem,  nicht  in 
die  Tiefe  dringendem  Lebens-  und  Kunstgenuss  ging,  wie  demzufolge  die 
gesamte  Opernbühne  von  der  Melodik  Rossini's  und  dem  italienischen  Ge- 


*)  Clara  Schumann,  ein  Künstlerleben,  von  B.  Litzmann,  1.  Bd.  1002,  2.  1905; 
der  Schluttband  steht  noch  aus. 

*)  Vergl.  Jaques-Dalcroze,  «Klavierunterricht  und  musikalische  Erziehung*, 
«Die  Mu8ik%  Jahrg.  5,  Heft  1 1  und  12. 


116 
DIE  MUSIK  V.  20. 


sänge  beherrscht  wurde,  so  machte  sich  auch  im  Konzertsaal  in  Komposition 
und  Wiedergabe  ein  glänzendes,  aber  oberflächliches  Virtuosentum  breit. 
Von  einem  Konzert  ffir  Klavier,  Violine  oder  eines  der  anderen  zahl- 
reichen Instrumente,  die  damals  solistisch  hervortraten,  schien  man  nichts 
anderes  zu  verlangen  als  erstaunliche  Technik  und  geßlllige,  nichtssagende 
Melodik.  Von  dieser  Schreibweise  unterscheidet  sich  die  der  häuslichen 
Musik,  also  namentlich  der  Klaviermusik,  da  diese  von  den  gleichen 
Komponisten  herrfihrt,  nur  durch  ein  geringeres  Mass  technischer  Schwierig- 
keiten. Man  betrachte  die  Konzerte,  Variationen,  Phantasieen  und  Tänze 
von  I.  N.  Hummel,  der  doch,  freilich  nur  als  Knabe,  noch  ein  Schuler 
Mozarts  war  und  zweifellos  zu  den  besten,  man  möchte  sagen  musikalischsten 
Vertretern  der  virtuosenhaften  Richtung  gehört,  und  man  wird  über  die  fast 
durchgängige  Leerheit  dieser  Stücke  staunen.  Es  ist  eigentümlich,  dass  die 
Klavierwerke  von  Weber,  die  doch  gewiss  dem  Virtuosen  glänzende  Auf- 
gaben stellen,  dabei  aber  einen  weit  höheren  Flug  nehmen,  damals  nur 
sehr  wenig  gespielt  worden  zu  sein  scheinen.  Aus  der  jüngeren  Generation 
der  Klaviervirtuosen  und  -Komponisten  ragt  I.  Moscheies  merklich  hervor, 
dessen  a-moll  Konzert  beispielsweise  sich  über  die  damalige  Schablone  er- 
hebt, wenn  es  auch  heute  nicht  mehr  aufführbar  wäre.  Dazwischen  aber 
stehen  Männer  wie  H.  Herz,  Hunten,  Kalkbrenner,  Thalberg  usw.,  die 
mit  geringen  Abweichungen  voneinander  die  höchste  Blüte  der  Richtung 
oder,  was  dasselbe  ist,  den  tiefsten  Verfall  der  Klaviermusik  repräsentieren. 

Lange  Zeit  bildeten  derartige  Kompositionen  den  Grundstock  der 
Programme  Clara  Wiecks.  Solche  Werke  hatte  sie  sich  von  früher  Jugend 
an  einzuprägen,  an  ihnen  hauptsächlich  hatte  sie  ihre  Technik,  ja  ihren 
musikalischen  Geschmack  zu  vervollkommnen.  So  ist  es  denn,  obgleich  sie 
schon  früh  einiges  von  Mozart  und  wenige  Jahre  später  auch  von  Bach 
spielte,  nicht  zu  verwundem,  dass  sie  in  der  ersten  Periode  ihrer  kompo- 
sitorischen Tätigkeit  sehr  stark  unter  dem  Einfluss  der  virtuosenhaften 
Richtung  steht.  Merkwürdiger  ist  es  vielleicht,  dass  sie  später  die  Kraft 
besass,  sich,  wie  in  der  Wahl  der  zu  spielenden  Werke,  so  auch  in  ihrem 
eigenen  Schaffen  völlig  von  diesem  Einfluss  zu  befreien.  In  ihrer  zweiten 
Periode,  die  etwa  mit  ihrer  Verheiratung,  1840,  beginnt,  gehört  sie  ent- 
schieden der  romantischen  Richtung  an.  Aber  wir  werden  bald  sehen,  dasS; 
sie  sich  auch  schon  vorher  der  Einwirkung  des  Neuen  und  Besseren 
keineswegs  verschloss. 

Vor  ihrer  Verheiratung  scheint  sie  nur  Kompositionen  für  Klavier 
und  zwar  mit  Ausnahme  eines  Konzertes,  Op.  7,  für  Klavier  allein  ver- 
öffentlicht zu  haben. ^)     Die  Polonaisen,   Op.  1,  sind  in  der  einfachsten 

^)  Die  Werke  mit  den  Opotzthlen  8,  9,  14,  18,  19  sind  im  Handel  nicht  er- 
hältlich und  mir  auch  sonst  nicht  zu  Gesicht  gekommen,  sodass  Ich,  da  ich  sie 


117 
HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


2ttli8sigeii  Form  gehalten,  indem  sie  nur  aus  Hauptteil  und  Trio  bestehen. 
Der  Polonaisenrhythmus  ist  überall  gut  durchgeführt.  Aber  in  der  Melodie- 
bildung herrscht,  wie  zu  erwarten,  keine  Neuheit  und  Selbständigkeit.  Der 
Klaviersatz  ist  noch  kindlich,  indem  meist  nur  die  einfachsten  Begleitungs- 
formen zur  Anwendung  kommen,  jedoch  durchaus  fehlerfrei.  Dass  die 
Komponistin  bereits  eine  vorgeschrittene  Spielerin  ist,  zeigt  sich  an  ver- 
schiedenen Oktavverdoppelungen  und  Terzenläufen.  Einen  gewissen  An- 
spruch auf  Originalität  kann  nur  das  Trio  aus  No.  3  erheben.  Es  ist  weiter 
ausgeführt  als  die  übrigen  und  bringt  eine  Reihe  guter  Modulationen. 
Auch  ist  der  Ton,  der  darin  angeschlagen  wird,  für  ein  Kind  auffallend 
ernst.  Nach  Litzmann  lobte  der  bekannte  Berliner  Kritiker  Rellstab  die 
Polonaisen  in  Anbetracht  der  Jugend  ihrer  Verfasserin,  tadelte  aber  Wieck 
heftig  wegen  ihrer  Veröffentlichung.^)  Wir  müssen  ihm  hierin  recht  geben; 
denn  so  viel  frilh  erworbene  Gewandtheit  sie  auch  zeigen,  so  liefern  sie 
doch  nicht  den  Beweis  eines  hervorragenden  Kompositionstalentes. 

Etwa  auf  gleicher  Stufe  stehen  die  »Caprices  en  forme  de  valses', 
Op.  2.  Von  denjenigen,  die  ich  kenne,  scheint  mir  No.  2  bei  weitem  am 
besten  gelungen  zu  sein.  Mit  seinem  lai^samen  Ländlerrhythmus,  der 
Schlichtheit  seiner  Melodie  und  sogar  mit  den  Schlusswendungen  erinnert 
es  an  gewisse  Tänze  von  Schubert.  Dass  Schumann  seine  Begeisterung 
für  dessen  Werke  auf  seine  junge  Freundin  übertrug,  ist  sehr  wahrscheinlich. 

In  Op.  1  und  2  fällt  der  verhältnismässig  häufige  Gebrauch  eines 
Kunstgriffes  auf,  der  einen  gewissen  virtuosen  Anstrich  hat,  ohne  gerade 
schwer  ausführbar  zu  sein.  Er  besteht  darin,  dass  zu  einem  in  der  Ober- 
stimme mehrmals  nacheinander  wiederholten  Ton  die  Unterstimme  der 
gleichen,  hier  stets  der  rechten  Hand,  in  denselben  Notenwerten  eine 
Seitenbewegung  macht.  In  solchen  Dingen  darf  man  wohl  die  Erinnerung 
an  technische  Übungen  erblicken,  mit  denen  die  Klavierspielerin  eben 
beschäftigt  war  oder  die  sie  vor  kurzem  überwunden  hatte. 

Die  Capricen  zeigte  Schumann  in  seiner  Zeitschrift  an,  umging  es 
aber  mit  feinem  Takt  und  in  seiner  romantisch  spielenden  Weise,  ein  Ur- 
teil  über   sie  abzugeben.     Nur  eine   Prophezeiung  auf  die   Zukunft   der 

nirgends,  auch  bei  Litzmann  nicht,  erwähnt  finde,  nicht  einmal  sagen  kann,  ob  sie 
überhaupt  erschienen  sind  oder  ob  ihre  Veröffentlichung  nur  geplant  war.  Op.  1—7 
erschien  bei  Hofmeister  in  Leipzig.  Davon  sind  das  2.  Heft  Von  op.  2,  femer  op.  3, 
Romance  varl6e,  und  op.  6,  Soir6es  musicales,  vergriffen  und  waren  mir  leider  auch 
sonst  nicht  zugänglich.  Ober  letzteres  liegt  eine  ausführliche  Besprechung  von 
Schumann  vor,  auf  die  wir  noch  zurückkommen  werdeii.  Op.  3  war  die  erste 
Komposition,  die  Clara  Wieck  Schumann  widmete,  und  dieser  benfitzte  ein  schönes, 
einfaches  Thema  daraus  zu  seinen  Impromptus,  op.  5. 

*)  »Iris«  von  1831,  24.  Stück.  Leider  war  mir  diese  Zeitschrift  nicht  zuginglich. 
Vergl.  Litzmann,  1.  Band,  Seite  26. 


118 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Komponistin  knüpft  er  an,  die  sich  freilich,  soweit  man  sie  nur  auf  diese 
und  nicht  auf  die  Spielerin  bezieht,  nicht  erffiUt  hat.^) 

In  ähnlich  unbestimmter  Art  spricht  er  von  den  »Valses  romantiques*, 
Op.  4.^  In  diesem  Werke  ist  deutlich  eine  Weiterentwicklung  zu  be- 
merken. Der  einfache  Klaviersatz  ist  einer  grösseren  VolIgrifBgkeit  und 
überhaupt  einer  virtuosenhafteren  Schreibweise  gewichen.  Zugleich  aber 
zeigen  sich  hier  in  Form  und  Inhalt  zum  erstenmal  Elemente  der 
Romantik,  die  ja  in  jener  Zeit  immer  mehr  zur  herrschenden  Richtung 
in  der  Tonkunst  wurde  und  ihrer  höchsten  Blüte  unter  Mendelssohn  und 
Schumann  entgegenging.  Romantisch  ist  schon  die  lockere  Zusammenfügung 
einzelner,  selbständiger  Teile  zu  einem  Ganzen  (als  ein  solches  stellen 
sich  die  Walzer  dar).  Zwar  gab  es  in  Wien  schon  zur  Zeit  der  Klassiker 
Walzerreihen,  die  dann  durch  Schubert  in  eine  höhere  Sphäre  erhoben 
wurden.  Während  aber  hier  wirklich  eine  Menge  selbständiger,  kleiner 
Stücke  nebeneinanderstehen,  die  nur  durch  gleichen  Grundcharakter  und 
geeigneten  Tonarten  Wechsel  verbunden  sind,  kehrt  bei  Clara  Wieck  der 
Anfangsteil  nicht  nur  später  wieder,  sondern  wird  auch  gelegentlich 
motivisch  verwertet.  Dadurch  werden  in  uns  Ansprüche  auf  eine  Ge- 
schlossenheit der  Form  erweckt,  die  dann  doch  nicht  anzutreffen  ist,  so  dass 
uns  die  Formlosigkeit,  d.  h.  die  willkürliche  Aneinanderreihung  der  Teile 
nur  um  so  mehr  beunruhigt.  Mangel  an  fester  Form  im  Grossen  aber  ist 
eine  in  der  Zeit  der  Romantik  nicht  seltene  Erscheinung.  Als  Beispiele 
hierfür  können  die  Sonaten  von  Weber,  die  h-moll  Sonate  von  Chopin, 
die  fis-moll  Sonate  von  Schumann  und  auch  einige  seiner  Novelletten 
dienen. 

Inhaltlich  deuten  die  vielen  Modulationen,  die  aber  hier,  auch 
wenn  sie  nicht  in  weit  entfernte  Tonarten  führen,  häufig  an  einer  gewissen 
Plötzlichkeit  und  Härte  leiden,  auf  die  Romantik  hin,  noch  mehr  vielleicht 
die  Einwirkungen,  die  unverkennbar  Chopin  auf  dieses  Werk  ausgeübt 
hat.  Sie  zeigen  sich  einerseits  in  der  schwer  zu  definierenden  Haltung  des 
Ganzen  und  namentlich  in  der  Melodiebildung,  wenn  auch  weder  der  Duft 
noch  die  Tiefe  eines  Chopinschen  Klavierstückes  annähernd  erreicht  ist, 
andererseits  in  der  Verwendung  gewisser  Melodieverzierungen,  wie  Sexten- 
vorschläge und  kleine  chromatische  Läufe.  Wieck  hatte  ebenso  wie 
Schumann  die  Bedeutung  Chopin's  früh  erkannt  und  seine  Tochter  namentlich 
die  Variationen  Op.  2  studieren  lassen,  die  eine  Zeitlang  einen  Glanzpunkt 
ihres  Programmes  bildeten. 

Bezeichnend   für  die  Unreife   und   das  Schwanken  der  Komponistin 

'}  Vergl.  Gesammelte  Schriften  von  R.  Schumann,  3.  Auflage,  1875,  1.  Band, 
Seite  334. 

')  Schumann,  e.  a.  O.,  Seite  199. 


119 
HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


zwischen  verschiedenen  Stilarten  ist  es,  dass  sie  den  Walzern  einen  glänzend 
Virtuosenhaften  Schluss  anhängte,  der  mit  seinen  verbrauchten  Modulationen 
an  die  italienischen  Opemfinales  der  damaligen  Zeit  anklingt.  Als  Ganzes 
betrachtet  wird  man  die  Komposition,  die  fibrigens  auch  in  ihren  Gedanken 
nicht  mehr  das  Gepräge  der  Kindlichkeit  trägt,  nicht  gelten  lassen ;  aber  an 
einzelnen  hübschen,  anmutigen  Teilen  wird  man  sich  doch  erfreuen. 

Eine  wirkliche  Verschmelzung  von  Technik  und  romantischem  Gehalt 
ist  in  den  ,4  Piöces  caracteristiques'',  Op.  5,  vollzogen.  Die  Romantik 
zeigt  sich  hier  von  einer  anderen  Seite,  nämlich  in  ihrer  Neigung  für  das 
Unheimliche  und  Spukhafte.  Hauptsächlich  der  Erzeugung  solcher  Stim- 
mungen dienen  die  weiten  Griffe  und  grossen  Sprfinge,  die  hier  auf- 
fallen. 1835  schreibt  Clara  Wieck  an  Schumann,  sie  bereite  die  «Danse 
des  Phantömes*  und  .Une  Nuit  de  Sabbat"  zum  Drucke  vor.^)  Mit 
letzterem  ist  zweifellos  die  Anfangsnummer  unserer  Sammlung:  Le  Sabbat, 
Impromptus,  gemeint,  mit  ersterem  wahrscheinlich  die  Schlussnummer: 
Ballet  des  Revenants.  Diese  beiden  Stficke  waren  also  jedenfalls  schon 
früher  entstanden,  ob  auch  die  beiden  anderen,  oder  ob  sie  damals  erst 
hinzukomponiert  wurden,  lässt  sich  nicht  sagen.  Dass  in  dem  Briefe  den 
Oberschriften  beigefugt  ist:  Doppelgänger-  und  Hexenchor,  deutet  darauf 
hin,  dass  Clara  Wieck  bei  der  Komposition  an  Märchen  dachte,  die  sie  als 
Kind  von  Schumann  so  gern  hatte  erzählen  hören  und  in  denen  der 
Doppelgänger  eine  grosse  Rolle  spielte.  Übrigens  spricht  sie  schon  1833 
von  geplanten  Doppelgänger-Kompositionen  und  von  einem  vollendeten 
Doppelgänger-Chor.  ^ 

Alle  vier  Stücke  sind  durchaus  gelungen.  Das  Dämonische  ist 
namentlich  in  No.  1  und  4  ausgeprägt.  Sehr  gut  beginnt  die  Einleitung 
des  letzteren  mit  dem  verminderten  Quintensprunge  des  Basses.  Der 
Hauptteil  ist  reich  an  scharfen  Dissonanzen,  wie  sich  überhaupt  in  denl 
ganzen  Heft  eine  bemerkenswerte  Beherrschung  auch  entlegenerer  har- 
monischer Möglichkeiten  zeigt.  Wo  er  zum  Schluss  wiederkehren  sollte, 
wird  er  nur  noch  angedeutet,  und  die  letzten  Akkorde  wenden  sich,  leise 
verklingend,  nach  Dur.  Dieser  Schluss,  sogar  mit  der  Terzlage  des  letzten 
Dreiklanges,  erinnert  unverkennbar  an  den  Anfang  und  das  Ende  der 
Ouvertüre  zum  vSommemachtstraum".  Auch  auf  die  Rhythmik  des  ganzen 
Stückes  scheint  dieses  Werk,  namentlich  der  Rüpeltanz,  eingewirkt  zu 
haben.  Noch  stärker  sind  die  Anklänge  an  Mendelssohn  in  dem  ruhigen 
Mittelsatz  von  No.  2,  einem  Caprice  alla  Bolero.     Hier  ist  seine  Melodie- 

')  Litzmann,  a.  a.  O.,  Seite  87.  Ober  die  Variationen  in  F,  die  sie,  wie  sie  in 
demselben  Briefe  schreibt,  gleichfalls  druckfertig  gemacht  hatte,  ist  mir  nichts  weiteres 
bekannt. 

*)  Litzmann,  a.  a.  O.,  S.  64. 


120 
DIE  MUSIK  V.  20. 


bildung  80  genau  michgeahmt,  dass  eine  Stelle  geradezu  wie  ein  Zitat  aus 
dem  »Frfihlingslied*  in  den  »Liedern  ohne  Worte"  erscheint.  Der  Satz 
ist  dem  erregten  und  sehr  guten  Bolero  gegenfiber  vielleicht  etwas  zu 
sentimental.  In  beiden  Teilen  findet  sich  die  rhythmische  Eigentümlichkeit, 
dass  der  Dreivierteltakt  in  der  rechten  Hand  in  den  zweiteiligen  Sechs- 
achteltakt umschlägt,  während  er  in  der  linken  beibehalten  wird.  In  dem 
Bolero  und  ebenso  in  No.  3,  einer  Romanze,  kommt  auch  die  Zusammen- 
ziehung von  Dreivierteltakten  in  Zweivierteltakte  vor,  ohne  dass  die  Takt- 
vorzeichnung wechselt.  Solche  Kombinationen  und  Verschiebungen  sind 
in  der  älteren  Tonkunst,  vom  15.  und  16.  Jahrhundert  bis  Bach,  häufig 
anzutreffen  und  gingen  von  da  zum  Teil  in  die  Musik  des  19.  Jahrhunderts 
über.  Am  ausgiebigsten  und  schönsten  wurden  sie  von  Brahms  verwertet. 
Ob  aber  schon  in  den  hier  in  Rede  stehenden  Kompositionen  etwa  eine 
Einwirkung  Bachs  anzunehmen  ist,  dürfte  sich  kaum  entscheiden  lassen. 
Die  eben  erwähnte  Romanze  bildet  wohl  den  Höhepunkt  der  Sammlung. 
Sie  steht,  wenn  man  diese  als  ein  Ganzes  betrachtet,  an  Stelle  des  lang- 
samen Satzes  und  kontrastiert  wirksam  ^  zu  den  übrigen  Stucken.  Sie  be- 
ginnt in  H-dur  und  schliesst  in  h-moU,  wodurch  ihre  ernste,  durch  aus- 
gesuchte Harmoniewendungen  noch  verstärkte  Stimmung  am  Schluss  eine 
eigenartige  Vertiefung  erfährt.  Leider  ist  der  Mittelteil  trotz  seiner 
Mendelssohnschen  Färbung  etwas  gewöhnlich  ausgefallen.  Der  Einwirkung 
Mendelssohns  werden  wir  von  nun  an  häufig  begegnen;  wurden  doch  seine 
Werke  sehr  rasch  Gemeingut  der  musikalischen  Welt,  und  stand  er  doch 
seit  seiner  Übersiedelung  nach  Leipzig,  1836,  zu  Clara  Wieck  und  zu 
Schumann,  der  ihn  aufs  höchste  verehrte,  in  freundschaftlichen  Beziehungen. 
Der  Opuszahl  nach  folgen  nun  die  »Soir6es  musicales*  (Tocca- 
tina, Ballade,  Nocturne,  Polonaise  und  2  Mazourkas),  die  Schumann  am 
12.  September  1837  in  seiner  Zeitschrift  besprach,  die  also  wohl  erst 
in  diesem  Jahre  erschienen  waren.  Zur  Begründung  dafür,  dass  es  nötig 
sei,  »sich  mit  einigem  Anteil  in  sie  zu  vertiefen*,  schreibt  er: 

»Sind  sie  doch  einer  so  ausländischen  Phantasie  entsprungen,  alt  dass  hier  die 
blosse  Obung  ausreichte,  diese  leltsam  verschlungenen  Arabesken  verfolgen  zu  können 
—  einem  zu  tief  gegründeten  Gemüt,  als  dass  man,  wo  das  Bildliche,  Gestaltenäbn- 
liehe  In  ihren  Kompositionen  mehr  in  den  Hintergrund  tritt,  das  triumeriscbe,  in  sich 
▼ertiefte  Wesen  auf  einmal  zu  fassen  vermöchte.* 

Spiter  heisst  es: 

ipEinesteils  verraten  die  Soireen  doch  gewiss  jedem  ein  so  zartes,  fiberwallen- 
des Leben,  das  vom  leisesten  Hauch  bewegt  zu  werden  scheint,  und  doch  auch  wieder 
einen  Reichtum  an  ungewöhnlichen  Mitteln,  eine  Macht,  die  heimlicheren,  tiefer 
spinnenden  Fiden  der  Harmonie  zu  verwirren  und  auseinanderzulegen,  wie  man  es 
nur  an  erfahrenen  Künstlern,  an  Minnem  gewöhnt  ist.* 


121 
HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


Und  endlich  lautet  das  zusammenfassende  Urteil: 

«Sind  sie  ein  Resultat?  Wie  die  Knospen  sind  sie's,  ehe  sie  die  Farbenflugel 
in  offener  Pracht  auseinandertreiben,  zur  Betrachtung  fesselnd  und  bedeutend,  wie 
Alles,  was  eine  Zukunft  in  sich  birgt*  ^) 

Das  „träumerische,  in  sich  vertiefte  Wesen'  würde  Schumann  viel- 
leicht schon  der  Romanze  aus  Opus  5  zuschreiben.  Aus  ihr  und  aus  den 
übrigen  Stücken  dieser  Sammlung  ist  uns  auch  schon  die  Fähigkeit  der 
Komponistin  entgegengetreten,  „die  heimlicheren,  tiefer  spinnenden  Fäden 
der  Harmonie  zu  verwirren  und  auseinanderzulegen.** 

Von  den  Werken  für  Klavier  allein,  die  mir  zugänglich  waren,  ge- 
hören in  die  erste  Periode  noch  zwei  Hefte,  Op.  10  und  11.  Ersteres  ent- 
hält zwei  Scherzi,  letzteres  drei  Romanzen.  Gleich  die  Einleitung  zum 
ersten  Scherzo  ist  wieder  harmonisch  sehr  interessant,  ohne  gesucht  zu 
sein.  Zu  einem  Orgelpunkt  in  der  Oberstimme  erklingen  chromatisch 
abwärtsschreitende  Akkordfolgen.  Das  Scherzo  selbst  ist  sehr  kräftig 
und  hübsch.  Dagegen  sind  die  beiden  Kantilenen,  die  als  zwei  Trios  zu 
betrachten  sind,  nicht  bedeutend.  Bei  oberflächlichem  Nachdenken  konnte 
man  von  einem  weiblichen  Komponisten  gerade  das  Umgekehrte  erwarten. 
Aber  es  ist  bekannt,  dass  man  die  wahrhaft  schöpferische  Begabung  eines 
Tonsetzers  an  nichts  leichter  erkennt  als  an  seinen  Adagios  und  überhaupt 
an  seinen  getragenen  Sätzen,  weil  nichts  schwerer  zu  schreiben  ist  als 
diese.  Hier,  wo  der  Reiz  des  raschen  Tempos  wegfällt,  wo  das  langsame 
Tempo  den  Hörer  sogar  leicht  ermüdet,  wo  auch  die  Rhythmen  in  der 
Regel  einfacher  sind,  fällt  der  Tonfolge  selbst  die  Aufgabe  zu,  den  ent- 
scheidenden Eindruck  auf  uns  auszuüben,  und  hierin  liegt  eben  die 
Schwierigkeit  für  den  Komponisten.  Darum  gelingt  selbst  solchen,  die  in 
anderem  Meister  sind,  denen  es  aber  an  der  höchsten  schöpferischen 
Kraft  fehlt,  so  selten  ein  wirklich  guter  langsamer  Satz,  und  Clara  Wieck 
macht  hierin  keine  Ausnahme.  Das  zweite  Trio  beginnt,  obgleich  die 
Haupttonart  des  ganzen  Stückes  d-moll  ist,  in  Es-dur,  wieder  ein  Beweis 
für  die  Vorliebe  der  Komponistin  für  Modulationen.  Einmal  liegt  die 
Melodie  im  Tenor,  wenn  die  Anwendung  dieses  Ausdruckes  auch  beim 
freien  Klaviersatze  erlaubt  ist.  Der  erste,  der  innerhalb  desselben 
den  Tenor  zeitweise  zur  Hauptstimme  erhob,  war  Weber,  und  von  ihm 
ging  dieser  Kunstgriff,  der  dem  Instrumente  schöne,  bis  dahin  un- 
bekannte Klangeffekte  entlockte,  auf  die  jüngeren  Romantiker  über.  Auch 
im  zweiten  Scherzo  steht  die  das  Trio  bildende  Kantilene  gegen  den  Haupt- 
teil weit  zurück.  In  diesem  findet  sich  ein  starker  Anklang  an  Mendels- 
sohn, und  hier  sind  wohl  auch  die  im  Dreivierteltakt  durch  Synkopierung 


^)  Schumann,  a.  a:  O.,  Seite  249. 

V.  20  9 


122 
DIE  MUSIK  V.  20. 


entstehenden  Zweivierteltakte  auf  den  Einfluss  dieses  Meisters  zurück- 
zuführen. 

Die  drei  Romanzen  erschienen  bei  Mechetti  in  Wien  und  wurden 
jedenfalls,  als  Clara  Wieck  1839  dort  konzertierte,  in  Druck  gegeben.^) 
Sie  sind  Schumann  gewidmet  und  entstanden  sicher  in  der  Zeit  des 
schwersten  Kampfes,  den  die  beiden  um  ihre  Vereinigung  zu  führen  hatten. 
In  der  Tat  herrscht  in  den  beiden  ersten  Stücken  eine  düstere  Grund- 
stimmung. No.  1  ist  nicht  besonders  gelungen,  da  die  ErBndung  des  Haupt- 
themas kein  glücklicher  Wurf  war.  Der  Mittelsatz  gemahnt  uns  zum 
erstenmal,  wenn  auch  nur  von  fern,  an  Schumannsche  Klaviermusik,  ver- 
läuft aber  im  ganzen  doch  konventionell.  Wieder  ist  die  eigenartige 
Modulationsordnung  zu  beachten:  das  Ganze  steht  in  es-moll,  der  Mittel- 
satz erscheint  das  einemal  in  Ges-dur,  das  anderemal  aber  in  A-dur. 

Bedeutend  besser  ist  die  zweite  Romanze,  deren  gutes  Hauptthema 
zuerst  im  Tenor  auftritt.  Den  Übergang  zum  .Mittelsatz  bildet  eine  leiden- 
schaftlich erregte  Stelle  über  einem  Orgelpunkt  des  Basses.  Der  Mittel- 
satz selbst,  Allegro  appassionato,  hält  sich  nicht  auf  der  Höhe  des  Hauptteiles. 
In  diesen  leitet  ein  langsamerer  Satz  mit  sehr  schöner  Vorbereitung  des 
Themas  zurück.  Man  sieht,  wie  sehr  gegen  früher  die  Herrschaft  über 
die  Form  gewachsen  ist  und  wird  sich  danach  nicht  wundem,  dass  die 
Werke  der  zweiten  Periode  gerade  eine  auffallende  Formgewandtheit  auf- 
weisen. Die  letzte  Romanze  bringt  gleichsam  die  Versöhnung,  ist  aber 
unbedeutend. 

Am  9.  November  1835  trat  Clara  Wieck  zum  erstenmal  mit  ihrem 
Klavierkonzert  an  die  Öffentlichkeit,  war  aber  schon  zwei  Jahre  vorher 
mit  seiner  Ausarbeitung  beschäftigt.  Schumann  besprach  es  im  4.  Schwärm- 
brief an  Chiara.  Da  es  mir  aber  unmöglich  erscheint,  genau  zu  erkennen, 
welche  Teile  des  Werkes  er  mit  seinen  verschiedenen  poetischen  Um- 
schreibungen meinte,  fiUire  ich  nur  diejenigen  Worte  an,  die  eine  positive 
Kritik  enthalten: 

«Ich  sah  oft  Kähne  kühn  über  den  Wellen  schweben,  und  nur  ein  Meistergrilf 
am  Steuer,  ein  straff  gezogenes  Segel  fehlte,  dass  sie  so  siegend  und  schnell  als 
sicher  die  Wogen  durchschnitten:  So  hört  ich  hier  Gedanken,  die  oft  nicht  die  rechten 
Dolmetscher  gewählt  hatten,  um  in  ihrer  ganzen  Schöne  zu  glänzen,  aber  der  feurige 
Geist,  der  sie  trieb,  und  die  Sehnsucht,  die  sie  steuerte,  strömte  sie  endlich  sicher 
zum  Ziel.«**) 

^)  op.  10  und  alle  in  der  Folge  noch  zu  erwähnenden  Werke  erschienen  bei 
Brehkopf  und  Härtel,  Leipzig. 

*)  Vollständig  ist  die  Stelle  bei  Litzmann,  a.  a.  O.,  Seite  91,  zitiert.    Übrigens 
nahm   Schumann  diesen  Schwärmbrief,  wie  auch  manches  andere,  nicht  in   seine 
gesammelten  Schriften,  1853  erschienen,  auf.    Erst  in  ihrer  4.  Auflage,  1891,  in  der 
nach  Möglichkeit  alle  seine  schriftstellerischen  Erzeugnisse  zusammengetragen  sind 
ist  er  wieder  abgedruckt. 


ii^ 

HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


Der  erste  Satz  des  Konzertes,  a-moll,  beginnt  im  Tutti  gleich  mit 
dem  kräftig  gehaltenen  Hauptthema.  Sehr  gut  ist  der  Einsatz  des  Klavieres 
mit  einigen  energischen  Gängen  in  Oktaven.  Dann  folgt  statt  des  Seiten- 
themas nur  ein  kleiner,  neuer  Tuttigedanke  in  der  Dominanttonart,  und 
hierauf  leitet  das  Klavier  rezitativartig,  nur  von  eingestreuten  Akkorden 
des  Tutti  unterbrochen,  in  das  eigentliche  Solo  über.  Dieses  umspielt 
naturgemäss  zunächst  das  Hauptthema,  verliert  sich  aber  bald,  namentlich 
nach  dem  Übergang  nach  F-dur,  in  weit  ausgesponnenes  Figurenwerk,  das 
zwar  nicht  unmelodisch  ist  und  manche  hübsche  Einzelheiten  enthält,  aber 
keinen  thematischen  Zusammenhang  mit  dem  Vorangegangenen  erkennen 
lässt  und  den  Hörer  ermüdet.  Diese  Episode  wird  es  hauptsächlich  ge- 
wesen sein,  in  der  Schumann  »einen  Meistergriff  am  Steuer"  und  »ein 
straflfgezogenes  Segel"  vermisste.  Erst  vom  As-durteil  an  wird  der  Anfang 
des  Hauptthemas  motivisch  verwertet,  bis  auf  der  Dominante  der  Haupt- 
tonart das  Tutti  einfällt,  um  seinen  zweiten,  dann  seinen  ersten  Gedanken 
zu  bringen  und  in  den  zweiten  Satz,  eine  Romanze  in  As-dur,  überzuleiten. 
Diese  leidet  an  allzu  schmachtender  Sentimentalität,  die  noch  dadurch  ver-^ 
stärkt  wird,  dass  bei  der  Wiederkehr  des  Hauptteiles  nach  einem  Mittel- 
satz in  E-dur  die  Melodie  dem  Violoncell  übertragen  ist  und  nur  vom 
Klavier  umspielt  wird.  Wieder  folgt  eine  Überleitung,  die  zum  Finale 
führt,  das  ein  Rondo  mit  zwei  Seitensätzen  und  den  üblichen  ausgeschmückten 
Wiederholungen  bildet.  Wie  der  letzte  Konzertsatz  stets  leicht  gehalten 
ist  und  besonderen  Glanz  entfaltet,  so  lässt  sich  auch  an  diesem  Finale 
die  virtuosenhafte  Richtung,  der  das  ganze  Konzert  angehört,  am  deut- 
lichsten erkennen.  Es  erfordert  einen  nicht  geringen  Grad  von  Technik, 
namentlich  in  weiten  Sprüngen,  und  hat  bei  nicht  gerade  gewählter  Melodik 
einen  frischen  Zug,  wie  er  einem  solchen  Satze  angemessen  ist.  Die  In- 
strumentierung scheint,  soweit  sich  das  nach  den  Angaben  des  Klavier- 
auszuges beurteilen  lässt,  einfach,  aber  geschmackvoll  zu  sein.  Nament- 
lich tritt  die  Gruppe  der  Holzbläser  öfters  in  hübschen  Gegensatz  zum 
Streichkörper.  Im  ganzen  konnte  sich  das  Konzert,  wenn  es  auch  auf 
die  Dauer  nicht  lebensfähig  war  und  von  der  Komponistin  nach  ihrer 
Verheiratung  wohl  nie  wieder  öffentlich  gespielt^wurde,  neben  den  damaligen 
Virtuosenhaften  Kompositionen  gleicher  Gattung  wohl  sehen  lassen,  und 
als  das  Werk  eines  vierzehn-  bis  fünfzehnjährigen  Mädchens  ist  es  eine 
ganz  erstaunliche  Leistung. 

Mit  den  Jahren  und  mit  der  zunehmenden  Veredelung  des  Musik- 
lebens, die  namentlich  dem  Schaffen  Mendelssohns  und  Schumanns  zu 
verdanken  ist,  aber  auch  der  reformierenden  Tätigkeit,  die  der  eine  als 
Dirigent  und  Klavierspieler,  der  andere  als  Schriftsteller  ausübte,  reinigte, 

vertiefte  und  befestigte  sich   auch   der  Geschmack   Clara  Wiecks.     Schon 

9* 


124 
DIE  MUSIK  V.  20. 


etwa  mit  18  Jahren  war  sie  die  bedeutendste  Beetbovenspielerin  ihrer  Zeit, 
ja  sie  stand  in  der  Erfassung  der  Beethovenschen  Werke  in  einer  Reihe 
mit  Mendelssohn  und  Liszt,  und  ebenso  war  sie,  wie  Schumann  bei  Ge- 
legenheit der  Besprechung  der  «Soireen*"  bezeugt,  in  alle  Geheimnisse  der 
Bachschen  Klaviermusik  eingedrungen.  Unter  den  Tonsetzern  ihrer  Zeit 
fand  sie  das,  was  sie  suchte,  bei  Chopin  und  Mendelssohn,  vor  allem  aber 
bei  Schumann.     Nicht  lange    nach    ihrer  Verheiratung  schrieb    sie   in  ihr 

Tagebuch : 

„Die  Konzertkomposidonen  als:  Etüden  von  Henselt,  Pbaotasieen  von  Tbalberg, 
Liszt  usw.  sind  mir  ganz  zuwider  geworden.  Alles  das  kann  keinen  dauernden  Genuss 
schaffen.* ») 

Damit  ist  ihre  endgültige  Abkehr  von  der  virtuosenhaften  Richtung 
scharf  bezeichnet,  und  auch  in  ihren  Kompositionen  findet  sich  von  ihr 
von  nun  an  keine  Spur  mehr. 

Für  diese  Wendung  ist  es  wohl  auch  charakteristisch,  dass  sie  zu- 
nächst nicht  fortfuhr,  Klaviersachen  zu  schreiben,  sondern  sich  in  der 
Komposition  von  Liedern  versuchte.  Zum  ersten  Weihnachtsfest  nach 
ihrer  Verheiratung  überraschte  sie  ihren  Mann  mit  drei  Liedern.  Obgleich 
Beide  nur  eines  von  ihnen,  „Ihr  Bildnis**  von  Heine,  der  Veröffentlichung 
wert  hielten  (es  erschien  als  No.  1  in  op.  13),  übergab  ihr  Schumann 
doch  einige  Gedichte  aus  Rückerts  „Liebesfrühling**  zur  Komposition, 
welchem  Werke  er  selbst  um  die  gleiche  Zeit  eine  Reihe  von  Liedertexten 
entnahm.  Es  muss  ihr  aber  anfangs  sehr  schwer  geworden  sein,  denn  im 
Januar  1841  schreibt  sie  resigniert: 

.Ich  habe  mich  schon  einige  Male  an  die  mir  von  Robert  aufgezeichneten  Ge- 
dichte von  Rückert  gemacht,  doch  will  es  gar  nicht  gehen.  —  Ich  habe  gar  kein  Talent 
zur  Komposition.* 

Diese  Stimmung  war  jedoch  vorübergehend,  denn  im  Juni  waren 
vier  Lieder  vollendet,  von  denen  drei,  mit  denjenigen  Schumanns  in  einem 
Hefte  vereinigt,  veröffentlicht  wurden.*) 

Gleich  das  erste  Lied,  „Er  ist  gekommen  in  Sturm  und  Regen", 
zeigt  die  Schreibweise  Schumanns  in  ausgeprägter  Form.  Namentlich  tritt 
sie  in  der  selbständigen,  unruhig  bewegten  Begleitung  und  im  Nachspiel 
hervor,  das  ganz  in  der  ^ton  Schumann  gefundenen  Art  die  Stimmung 
des  Liedes  fortspinnt  und  ausklingen  lässt.  Sehr  schön  wirkt  die  Ruhe 
am  Schluss  der  letzten  Strophe  im  Gegensatz  zu  der  vorangegangenen  Er- 
regtheit. .  Als  eine  gewisse  romantische  Willkür  ist  es  wohl  zu  bezeichnen, 
dass  das  Lied  in  f-moll  beginnt,  aber  in  As-dur  schliesst. 


^)  Litzmann,  2.  Band,  Seite  18. 

^  Als  op.  12  von  Clara  Schumann,  als  op.  37  von  Robert  Schumann.  Von  Clara 
ist  Nr.  2,  4  und  U. 


125 
HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


Um  so  einheitlicher  ist  das  folgende  Lied,  »Liebst  Du  um  Schönheif*, 
gehalten,  eines  der  schönsten,  die  sie  geschrieben  hat.  Die  Begleitung 
ist  noch  selbständiger  als  im  vorigen  Lied,  indem  sie  mehr  kontrapunktiert 
als  figuriert.  In  ihrer  massig  gehenden  Bewegung  gibt  sie  der  einfachen 
Melodie  einen  festen  und  doch  zugleich  reich  gegliederten  Untergrund. 
Eine  sehr  schöne  Sequenz  aus  Septimenakkorden  mutet  entschieden  alter- 
tümlich an  und  wäre  ohne  die  Einwirkung  Bachs  sicher  nicht  entstanden. 
Sie  fällt  aber  nicht  etwa  aus  dem  Stil  des  Ganzen  heraus,  sondern  fügt 
sich  im  Gegenteil  dem  Stimmengewebe  auf  die  natürlichste  Weise  ein. 
Das  Lied,  in  F-dur  stehend,  enthält  keine  eigentliche  Modulation,  sondern 
berührt  als  Ruhepunkt  nur  die  Dominante  der  verwandten  Molltonart. 
Trotz  dieser  Einschränkung  ist  es  durch  begeisterten  Schwung  ausgezeichnet, 
der  zu  Beginn  der  Schlusstrophe  noch  dadurch  gesteigert  wird,  dass  zu 
der  ersten  Melodiephrase  des  Alt  (die  Singstimme  als  Sopran  gerechnet) 
die  höhere  Oktave  tritt,  sodass  sie  nun  auch  höher  als  die  Singstimme  zu 
liegen  kommt.  Es  ist  vielleicht  kein  Zufall,  dass  gerade  in  dieser  Kompo- 
sition der  Schumannsche  Einfluss  stark  zurücktritt,  scheint  es  doch,  als 
habe  die  Begeisterung  für  das  Gedicht,  das  zweifellos  das  innerste  Fühlen 
der  Komponistin  aussprach,  sie  eigene  Pfade  finden  lassen. 

Das  letzte  Lied,  „Warum  willst  Du  Andre  fragen**,  erinnert  im 
Ganzen  und  in  Einzelheiten,  so  im  Nachspiel  und  in  einem  Septimensprung 
der  Melodie  nach  abwärts,  wieder  an  Schumann.  Der  Anfang  ist  sehr 
hübsch,  dann  aber  verflacht  die  Melodie  etwas. 

Wahrscheinlich  bis  Sommer  1843  entstanden  die  fünf  Lieder,  die 
mit  dem  bereits  erwähnten  als  op.  13  erschienen.  Bei  weitem  das  be- 
deutendste in  dieser  Sammlung  ist  Nr.  2,  .Sie  liebten  sich  Beide**  von 
Heine.  Einen  so  herben  Ton  tiefsten  Schmerzes  wie  hier  hat  Clara  Schu- 
mann niemals  sonst  angeschlagen.  Die  Deklamation  mit  den  charakteristischen 
Pausen  ist  ausgezeichnet,  die  Begleitung  nicht  sehr  selbständig,  aber  har- 
monisch sehr  ausdrucksvoll,  namentlich  durch  den  Orgelpunkt  im  Anfang. 
Auch  hier  kann  höchstens  von  einer  ganz  allgemeinen  Beeinflussung  durch 
Schumann  gesprochen  werden.  Er  selbst  machte  über  dieses  Lied  die 
Notiz:  „Das  Gelungenste,  was  sie  bis  jetzt  überhaupt  geschrieben  hat." 
Das  war  im  Sommer  1842.  Wir  müssen  ihm  vollkommen  recht  geben, 
aber  „Liebst  Du  um  Schönheit*  ebenso  hoch  stellen.  Aus  op.  13  kommt 
diesen  beiden  wohl  No.  3,  „Liebeszauber''  von  Geibel,  an  Wert  am  nächsten. 
Es  enthält  eine  echt  Schumannsche  Steigerung  und  bringt  später  eine  sehr 
schöne,  unerwartete  Ausweichung  auf  die  erniedrigte  7.  Stufe  der  Dur- 
tonart und  von  da  auf  die  Unterdominante.  Der  anmutig  aufstrebende  An- 
fang und  der  sinnende,  halb  nach  Moll  gewandte  Schluss  entsprechen  durch- 
aus dem  Gang  des  Gedichtes. 


Die  übrigen  Lieder  ralten  merklich  ab.  So  wird  in  No.  5,  .  Lorelei* 
von  Rückert,  nicht  gehalten,  was  der  schdne  Anfang  mit  den  gehenden 
Mittelstimmen  der  Begleitung  verspricht,  denn  alle  Schlusswendungen  sind 
schwächlich  geraten.  In  No.  1,  «Ihr  Bildnis',  das  übrigens,  wie  wir  sahen, 
das  älteste  dieser  Lieder  ist,  bringt  es  die  Melodie,  die  sich  über  einer 
in  Schumanns  Weise  gehaltenen  Akkordbegleitung  bewegt,  zu  keinem 
rechten  Höhepunkt.  No.  4,  .Der  Mond  kommt  still  gegangen*  von  Geibel, 
klingt  allzu  stark  an  Schumanns  , Mondnacht*  an  und  ist  auch  im  übrigen 
in  der  Erfindung  nicht  bedeutend.  In  No.  6  endlich,  .Die  stille  Lotos- 
blume* von  Geibel,  wirkt  die  immer  wiederkehrende  Trlole  der  Begleitung 
sehr  monoton.  Das  Lied  schliesst  nicht  nur  im  Gesang,  sondern  auch  im 
Nachspiel  mit  dem  Dominaotseptimenakkord,  weil  das  Gedicht  mit  einer 
Frage  endigt;  wieder  ein  echt  romantisches  Wagnis,  das  aber,  wie  mir 
scheint,  obgleich  es  in  neuester  Zeit  sogar  theoretisch  gutgeheissen  und 
empfohlen  wurde,')  stets  missliogen  muss,  da  wir  die  Dissonanz  nun  ein- 
mal nicht  als  End-,  sondern  nur  als  Durchgangspunkt  empBnden.  Daraus, 
dass  ein  Gedicht  mit  einer  Frage  schliessen  kann,  folgt  noch  lange  nicht, 
dass  ein  Musikstück  mit  einer  Dissonanz  schliessen  könne. 


')  Verfl.  A.  I.  Polak,  Otter  Ztitefnhelt  In  hnag  auf  KooioDtni,  Harmoule  uod 
ToDallllt,  1900,  Seite  50  und  anders  Stellen,  ferner:  E.  Mirkhim  Lee,  The  Putare  of 
tbe  Cadeuce,  ZeitachrlfE  der  Internationalen  MuBlkgeaellichirt,  JahrgiDi  7,  Seite  3159. 


■r  ein  pletiltvoller  Gedanke,  lo  Bonn,  In  der  Sudt,  In  der  Robert  und 
ira  Schninuia  ihre  lettle  RuheeUtte  hnden,  eine  Gedenkfeier  für  den 
29.  Juli  1856  verblichenen  Meliter  der  TSne  zu  veranttalten.  Welch 
udfgen  TIderhilI  diese  ichSne  Idee  hnd,  (eht  aus  der  Tätliche  her- 
•  ~^,  dm  die  groiie  Bonner  BeettaoTenhalle  ichon  Tocben  vor  Beginn 
dei  Feitei  auiverkiuh  war,  und  viele  Verehrer  dei  grSisien  dentichen  Romantikers 
keinen  Platz  mehr  hnden.  Ei  itellte  lich  jedoch  heraui,  da»  dai  rouitkillKhe 
Progrimm  dieses  Feitei  kein  beionden  glückliche!  war.  Man  ichien  die  Abilchl 
gebebt  zu  haben,  ein  von  den  früheren  Bonner  Schuminnresten  Im  Augnsi  1873  und 
Im  Mii  1880  sbwelchendes  Programm  auf  in  stellen.  Da  man  aber  damals  schon  das 
Bedeutendste  bervorgeaucbt  halte,  und  die  fQr  ein  Muslkfeit  groiaeo  Still  geeigneten 
Terke  gersde  infolge  der  Nitar  Schumanns  nicht  allzn  zahlreich  sind,  war  man  dlei> 
mal  auf  iwir  weniger  gehSrte,  aber  auch  mehrfach  unbedeutendere  Terke  angewiesen. 
Das  KoniertitQck  f&r  4  HSroer  mit  groisem  Orchester  op.  86  geh8rt  eigentlich  in 
einen  Prüfungaabend  eines  Koniervaloriums;  Schumann  lelbit  hat  ea  einmal  ala  ein 
.kurloies  Stfick'  bezeichnet;  luiierdem  konnten  lelbit  so  anagezeichnete  K&niiler  wie 
Jean  Penible,  Emile  Vulllermoz,  Jein  Copdevlelle  und  Alexandre  Delgrange 
IUI  Parle  die  fiberans  schwierige  Komposition  nicht  lechnlich  vollkommen  lauber  wieder- 
geben.  Man  hOrle  gar  viele  FehltOne,  und  mancher,  der  der  Generalprobe  ichon  bei- 
gewohnt, aih,  aozuaagen  auf  beltsen  Kohlen  sitzend,  mit  itelgendem  Unbehagen  die 
nicht  in  umgebenden  Fehler  wieder  herannahen.  Jedenhllk  war  das  Komilee  Qbei 
beraten,  als  es  dieses  Terk  auf  das  Programm  letzie.  Eine  ,künitle rieche  Noi- 
wendigkeif  —  wie  in  Bonn  behauptet  wurde  —  war  die  Aufführung  der  vollaündlgen 
Fauiimuilk  wohl  kium.  Schumann  bat  den  dritten  Teil  (Fauili  Verkllrung)  1844 
zuerst  allein  komponiert,  die  andern  Teile  4—5  Jahre  iplter,  die  Ouvertflre  wurde 
sogar  erat  im  Jahre  1853  geichrieben.  Dleier  Abiund  Ist  fSr  jeden  muilkalisch 
Empflndenden  zu  auffallend,  um  iiberhOrt  zu  werden.  Tollte  man  ein  grBsieres  Terk 
dem  Programm  elnfSgen,  so  bitte  unbedingt  .Pindiei  und  Perl'  gewihlt  werden 
mfiiien,  da  weder  die  BMeiic'  noch  dis  .Requiem'  geeignet  erscheinen  konnten. 
Ebensowenig  wird  du  .NeujabrsUed"  von  RGckert  für  Chor,  Soll  und  Orchester 
op.  144,  das  allgemein  als  eine  bedeutungiloie  Gelegen beitikompoiiiion  empfunden 
wurde,  dazu  gedient  haben,  die  Andenken  an  den  edlen  Meiner  In  gebfibrender  Teiae 
neu  zu  erwecken.  Auch  die  Tabl  der  Lieder  —  aus  dem  urelgeniten  Gebiete 
Schumann!  —  kDnnen  wir  von  nnaerm  Standpunkt  lui  nicht  gIBckllch  heliaen.  Mag 
die  H  Dichtern  ehe"  noch  lo  vortrefflich,  wie  in  diesem  Felle  von  Meischaert,  vor- 
|etr«gen  ^^Tito,  lo  scbSptt  doch  4er  ZyUns  weder  In  der  Erilndung  wie  In  der  Form 


128 
DIE  MUSIK  V.  20. 


$0  aus  dem  Vollen,  wie  so  viele  der  andern  herrlichen  Gesänge.  — *  Im  Mittelpunkt 
des  Festes  stand  unter  den  Mitwirkenden  Altmeister  Joseph  Joachim,  der  mit  der  ihm 
eigenen  Schlichtheit  die  sog.  »Rheinische  Symphonie*  Es-dur,  die  Ouvertüren  zu 
Genoveva  und  Manfred  und  das  Stück  für  4  Hörner  dirigierte  und  im  Verein  mit 
Halir,  Hausmann  und  D o h n ä n y i  (an  Stelle  des  im  letzten  Moment  absagenden  Saint- 
SaSns)  am  dritten  Tage  das  Es-dur  Klavierquartett  zu  herrlicher  Wiedergabe  brachte. 
Die  Direktion  der  übrigen  Werke  sowie  die  Klavierbegleitungen  lagen  in  Händen  des 
städtischen  Musikdirektors  Prof.  Grüters.  Was  bei  der  Aufführung  der  grossen  Werke 
für  Orchester  wie  für  Chor  allgemein  auffiel,  war  die  etwas  akademische  Ruhe,  mit  der 
sie  geleitet  wurden;  gar  manchem  erschien  einzelnes  geradezu  verschleppt,  so  be- 
sonders der  wundervolle  Eingangschor  des  dritten  Teils  der  Faustmusik.  Ausnahmen 
hiervon  machten  nur  die  B-dur  Symphonie  und  das  »Requiem  für  Mignon",  deren 
Ausführung  eine  wohltuende  Frische  zugute  kam.  Die  »Dichterliebe*  litt  sehr  durch 
die  Transposition  in  tiefere  Lagen.  Einzelnes  erschien  uns  hier  ganz  unmöglich.  Auch 
stand  hier  die  Begleitung  nicht  auf  der  poetischen  Höhe,  während  Prof.  Grüters  den 
Klavierpart  im  »Spanischen  Liederspiel**  mit  entzückender  Grazie  ausführte.  Selten  ab- 
geklärte Leistungen  waren  die  Klavierspenden  Emsts  vonDohnänyi,  der  mit  feinem 
Anschlag  und  vollendeter  Phrasierung  das  a-moll  Konzert  und  die  Kreisleriana  spielte. 
Ausser  Prof.  Messchaert  machten  sich  um  die  Soli  in  den  Gesangwerken  mit  Orchester 
Adele  Münz,  Anna  Kappel,  Adrienne  von  Kraus-Osborne,  Felix  Senius  und 
Dr.  Felix  vonKrausin  hervorragender  Weise  verdient.  Die  vier  letztgenannten  Künstler 
vereinten  ihre  Stimmen  schliesslich  zu  dem  köstlichen,  den  musikalischen  Teil  des 
Schumannfestes  beschliessenden  »Spanischen  Liederspiel*.  Der  wohlgeschulte  Chor 
und  das  vorzügliche  Berliner  Philharmonische  Orchester  vervollständigten  das 
Verzeichnis  der  385  Mitwirkenden.  —  Das  geschmackvoll  ausgeführte  Festbuch  wird 
wohl  auch  über  diese  Tage  hinaus  sich  für  viele  als  ein  liebes  und  bleibendes  Er- 
innerungszeichen bewähren,  da  es  ausser  den  notwendigen  Mitteilungen  eine  warm 
geschriebene  Skizze  des  Lebensganges  Schumanns,  die  Bildnisse  von  Robert  und 
Clara  Schumann,  eine  Ansicht  des  Grabdenkmals,  ein  Faksimile  des  zweiten  Liedes 
der  »Dichterliehe*  und  genaue  Daten  über  die  Fertigstellung  der  einzelnen  Werke, 
insbesondere  der  Faustmusik,  wie  sie  in  dieser  Vollständigkeit  bisher  noch  nicht 
veröffentlicht  worden  sind,  enthält.  Als  Nachtrag  erschienen  in  der  »Bonner  Zeitung* 
vom  24.  Mai  zwei  bisher  ungedruckte  Briefe  Schumanns  aus  den  Jahren  1847  und 
1852.  Grosses  Interesse  erregten  auch  die  Manuskripte,  welche  die  Familie  Schumann 
(von  deren  Angehörigen  zwei  Töchter  und  zwei  Enkel  des  Komponisten  zum  Fest 
erschienen  waren)  im  Beethovenhaus  ausgestellt  hatte.  Ein  gemeinschaftliches  Fest- 
essen und  eine  Rheinfahrt  bis  Andernach  vereinigten  die  zahlreichen  Teilnehmer  zu 
einer  fröhlichen  Gesellschaft.  —  Der  eigentlichen  Feier  voraus  ging  am  Sonntag  den 
20.  Mai  ein  erhebender  Gedächtnisakt  am  Grabe  Schumanns,  den  Joseph  Joachim 
mit  folgenden  ergreifenden  Worten  einleitete: 

»Ehrfurchtsvoll  nahen  wir  huldigend  der  geheiligten  Stätte,  in  der  Robert 
und  Clara  Schumann  ruhen.  Fünfzig  Jahre  sind  hingegangen  seit  dem  Tode 
des  Meisters,  vor  gerade  zehn  Jahren  ward  uns  Clara  Schumann  entrissen. 
Beide  bleiben  leuchtende  Sterne  am  Kunsthimmel  für  Schaffende  und  Ausübende. 
Generationen  wird  die  Muse  des  Tondichters  erquicken,  seine  Lieder,  seine 
instrumentalen  Tongebilde  sind  Eigentum  aller  Weltteile,  und  auch  wir  wollen 
uns  in  diesen  Tagen  erheben  an  dem,  was  er  geschaffen.  Es  wird  beredter 
von  seiner  Grösse  zu  uns  sprechen,  als  alle  Worte  es  vermöchten.  Aber  hier 
wollen  wir  besonders  des  edlen  Menschen  gedenken,  des  hohen  Menschen, 


129 _ 

RAMRATH:  DAS  SCHUMANN-FEST  IN  BONN 


wie  sein  Lieblingsdichter  Jean  Paul  diejenigen  seltenen  Sterblichen  beieichnet, 
die  immer  hinieden  unentwegt  ein  Geistesleben  fGbren,  den  göttlichen  Funken 
in  sich  fördernd;  deren  Gedanken  dem  Weltgetriebe  fern  bleiben,  das  weitab 
in  wesenlosem  Scheine  hinter  ihnen  liegt.  Und  doch  wie  gütig,  wie  liebevoll 
wandelte  dieser  hohe  Mensch  unter  seinen  Mitmenschen,  wie  suchte  er  fördernd 
jedes  Fiinkchen  echten,  wahren  Strebens  zu  reiner  Flamme  zu  entfachen.  Wie 
rein  und  neidlos  war  er  in  seiner  Bewunderung  anderer  Meister,  wie  liebte  er 
Mendelssohn,  Brahms,  wie  willig  erkannte  er  andere,  auch  Geringere,  an!  Seine 
Schriften  geben  dafür  ein  bleibendes  Zeugnis.  Aber  auch  für  seine  Gerecbtigkeits- 
liebe!  Er  durfte  im  Bewusstsein  seines  reinen  Wollens  bei  Gelegenheit  streng 
sein  und  verschwieg  seinen  Unmut  nicht.  Eine  äussere  Würde  war  ihm  eigen, 
der  sich  nichts  Unlauteres  zu  nahen  wagte;  und  doch  dabei  eine  rührende 
Bescheidenheit,  für  die  ein  eigenes  Erlebnis  aus  seinen  letzten  Lebensjahren 
mitzuteilen  mir  gestattet  sei.  Schumann  und  Clara  besuchten  Hannover,  und 
ich  hoffte,  ihnen  durch  VorfGhrung  von  Musik  eine  Freude  zu  bereiten.  Wir 
spielten  dem  Meister  Quartette  vor,  wobei  es  natürlich  war,  dass  ich  u.  a.  ein 
Lieblingsstück  von  mir  wählte,  das  f-moll  Quartett  von  Beethoven.  Als  ich  nun 
darauf  eines  seiner  eigenen  herrlichen  Quartette  auf  das  Pult  legte  und  er  dies 
sah,  gab  er  mir  in  seiner  treuherzigen  Weise  die  Hand  und  mit  einem  eigen- 
tümlich schönen  Ausdruck  der  wunderbar  milden  Augen  sagte  er:  ,^Nein,  dies 
nicht,  nach  dem,  was  wir  soeben  gehört!"  Ich  werde  die  Herzlichkeit  im  Ton, 
die  Wahrheit,  die  daraus  sprach,  nie  vergessen.  Es  ist  wohltuend,  gerade  hier 
in  der  Geburtsstadt  Beethovens  an  diese  Huldigung  zu  denken.  Beide  grosse 
Meister  hat  Bonn  durch  Monumente  geehrt,  den  hier  in  die  Welt  eintretenden, 
den  hier  zur  Ruhe  eingegangenen.  Möge  dies  der  Gemeinde  ein  Wahrzeichen 
bleiben,  Frau  Musika  in  Ehren  zu  halten,  für  ihre  Pflege  rastlos  tätig  zu  bleiben. 
Die  kommenden  Tage  werden,  wie  wir  alle  wünschen  und  hoffen,  Zeugnis  für 
das  Streben  der  Stadt  geben.  Bevor  wir  aber  diese  geweihte  Stätte  verlassen, 
wollen  wir  in  inniger  Verehrung  auch  derjenigen  gedenken,  die  an  des  Gatten 
Seite  hier  ruht,  seiner  Clara,  die  ihn  so  ganz  verstanden,  die  sein  Schmuck 
und  sein  Trost  durchs  ganze  Erdenwallen  blieb.  Erhebend  ist  es  auch,  das 
Leben  dieser  einzigen  Frau  zu  betrachten,  die  im  Kämpfen  gegen  ein  herbes 
Geschick  stark,  nie  verbittert,  die  Güte  selbst  blieb.  Immer  werden  Robert 
und  Clara  ein  Symbol  reinster  Liebe,  echten  deutschen  Seelenlebens  bleibeli. 
Mit  Sehnsucht  denken  alle  an  die  beiden  zurück,  welchen  das  Glück  ward,  in 
ihrer  Nähe  sich  zu  erbauen.  Die  Schönheit  dieser  Menschen  bleibt  läuternd 
für  uns,  auch  nach  ihrem  Heimgang  ,viel  zu  heilig  für  ihren  Schmerzt  Wir 
wollen  ihnen  huldigen,  indem  wir  rheinische  Blüten,  Kinder  des  Frühlings, 
darbringen.* 

Für  die  grossen  Verdienste,  die  sich  Meister  Joachim  im  Laufe  der  Jahre  um 
das  künstlerische  Gelingen  der  Beethovenfeste  in  Bonn  erworben,  waren  ihm  die 
Rechte  eines  Ehrenbürgers  der  Stadt  Bonn  verliehen  worden,  wofür  der  greise 
Künstler  in  bewegten,  ungemein  bescheidenen  Worten  dankte. 


ÜBER  ROBERT  SCHUMANNS 
KRANKHEIT 

voa  Dr.  Gustav  AltnianD-Strassburg 


eber  Robert  Schumanns  Krankbeit"  betitelt  sich  eine  52  SdUn 
lange  BroschGre')  von  Dr.  P.  J.  MAblus,  einem  Leipziger  Ncirenairte, 
der  auch  auf  andern  Grenzgebieten  leinea  Fachet  durch  achriftatelleriscbe 
Arbeiten  von  unerschrockener  Origlnillllt  sich  hervorgetaa,  u.  a.  mit  der 
bekannten  Abhandlung  .Ober  den  physiologischen  Schwactaslan  des 
Telbes'  der  modernen  Frauenbewegung  k&bn  den  Febdehindscbuh  hingeworfen  hat. 
Tle  et  dabei  dem  Verfisaer  nicht  darauf  ankam,  ZeltstrOmungen  und  Modeanalchten 
sich  mutig  enigegenzustemmen,  so  achelnt  ihm  auch  In  seiner  ScbumannbroichQre 
die  Neigung  zur  selbstindlgen  Umdeutuog  anscheinend  festitebender  Tatsachen  die 
Feder  geffihrt  zu  haben.  Die  bisherige  Anschauung  war  die,  diss  Robert  Schumann 
der  progreaslven  Paralyse  (vulgo  „Geh  Im  erweich  ung'  genannt)  erlegen  ael,  jener 
gefürcbteten,  gerade  das  reifere  Mannesalter  mit  Vorliebe  beimsuchenden  Gehlm- 
affeklion,  die  der  Hauptsache  nach  in  einem  Schwund  hetw.  einer  Entartung  der  die 
Denkfunktlonen  beherbergenden  »grauen  Substanz'  des  Grosablms  und  der  leitenden 
.weissen'  Pasersyateme  sich  dokumentiert.  MSblus  hill  sich  auf  Grund  einer  Reihe 
von  Daten  tQr  berechtigt,  diese  Annabme,  die  den  Eintritt  der  eigentlichen  Krankheit 
in  dem  offenkundigen  Tatanslnnsan falle  des  Jahres  1854  sieht,  anzuzweifeln  oder 
dabin  zu  modifizieren,  dass  das  Seelenleiden  Schumanns,  teilweise  auf  erblicher  Be- 
lastung beruhend,  wie  ein  roter  Faden  eigentlich  seinen  ganzen  Lebensweg  durch- 
ziehe, data  eine  vorzeitige  Verblödung  {Dementia  pilcoz)  schon  geraume  Zeit  vor 
dem  Eintritt  der  ausgesprochenen  Geistesstörung  bestanden  habe  und  dass  Schumann 
soltoit  ein  typisches  Beispiel  für  die  korrelativen  Beziehungen  zwischen  Genie  und 
Tahnsinn  sei,  Beziehungen,  die  ja  in  einer  Reibe  anderweitiger  Beobachtungen  und 
Abbandlungen  schon  wiederholt  niedergelegt  worden  sind.  —  Vir  erfahren  aus  der 
BroachQre  zunicbst  über  Schumanns  Familie  eine  Anzahl  Nachrichten,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  der  Vater  frfib  starb,  nacb  einem  an  Sorgen  und  Leiden  aller  Art 
reichen  DibcId,  seine  Mutter  ebenfalls  ein  Alter  von  kaum  40  Jabren  erreichte  und 
einen  «Hang  zum  Absonderlichen"  beaessen  habe,  dass  auch  die  Geschwister,  wiewohl 
simillch  ilter  als  Robert,  vor  ihm  gestorben  seien  —  alles  Angaben,  aus  denen  aller- 
dings das  Vorhandensein  einer  geringen  körperlichen  TlderstandsRhlgkelt  der  Familie 
Schumann  hervorgebt,  die  aber  doch  keine  zwingenden  Rfickscblflsse  auf  eine  ganz 
besonders  schwichliche  Naturbeanlagung  des  Komponisten  zulassen,  mit  der  seine 
actatfacbe  Vaterschaft  wohl  auch  nicht  ao  ganz  im  Einklang  stehen  dürfiel 
Sodann  wird  eine  Reihe  kleiner  Züge  und  Einzelheiten  iiber  die  iussere  Erscheinung 
Schumanns,  sein  Teaen  und  Auftreten  berichtet  Meines  Eracbiens  neigt  der  Nerven- 


■)  Im  Verlag  von  Carl  Marbold,  Hallp  a.  S.,  Iflpe. 


131 

ALTMANN:  ÜBER  SCHUMANNS  KRANKHEIT 


^  <« 


Spezialist,  dessen  tigliches  Brot  gewissermsssen  die  subtile  Beobachtung  solcher 
manchmal  recht  minutiösen  Apartheiten  bildet,  leicht  zu  einer  relativen  Oberschitzung 
ihrer  Bedeutung.  Im  Auftreten  eines  jeden,  besonders  künstlerisch-genial  und  daher 
«nervös**  beanlagten  Menschen  wird  sich  eine  Summe  von  Einzelheiten  ausfindig 
machen  lassen,  die  man  als  nicht  ganz  der  Norm  entsprechend  anzusehen  das  Recht 
hätte.  Wer  mit  den  Musen  Zwiesprache  ffihrt,  achtet  nicht  immer  auf  Europens 
ubertGnchte  Höflichkeit,  und  so  haben  bekanntlich  ein  Berlioz,  Beethoven,  Wagner  usw. 
genug  Momente  in  ihrem  Leben  gehabt,  die,  unter  die  Lupe  des  Psychiaters  genommen, 
zu  bedenklichen  Konsequenzen  fOr  die  Freiheit  dieser  Genies  hätten  führen  können. 
Wohin  käme  man  wohl  mit  solchen  Auslegungen?  Namentlich  soll  man  aber  in  der 
Deutung  a  posteriori  recht  vorsichtig  sein:  weiss  man,  dass  der  «Inkulpat*  später 
geisteskrank  geworden,  so  ist  es  ja  sehr  leicht,  bei  jeder  Absonderlichkeit,  auf-  die 
man  unter  andern  Umständen  gar  nicht  geachtet  hätte,  »Aha*  auszurufen,  «da  haben 
wir  bereits  die  Krankheit!''  Auch  die  graphologischen  Deutungen,  die  Folgerungen 
aus  den  Handschriftseigentumlichkeiten,  sind  nach  allen  mit  ihnen  gemachten  Er- 
fahrungen doch  ebenfalls  nur  cum  grano  salis  aufzunehmen.  Was  dann  weiterhin 
der  Verfasser  vom  Jahre  1830  an  als  bereits  «krankhafte*  Zfige  anführt,  hält  vor  der 
kühleren  Kritik  auch  nicht  durchgehends  stand.  Vieles  lässt  sich  ganz  ungezwungen 
als  Begleiterscheinung  einer  reinen  Neurasthenie  erklären,  die  ja  bei  Künstlern, 
namentlich  in  Perioden  angestrengten  Schaffens,  ein  ganz  gewöhnlicher  Zustand  ist 
—  und  wie  bekannt,  füllte  gerade  das  Produzieren,  diese,  noch  dazu  bei  den  hohen 
Selbstanforderungen  des  Meisters,  am  meisten  nervenverzehrende  Tätigkeit,  den  Haupt- 
teil seiner  Arbeitszeit  aus.  Welchem  Künstler  wäre  es  da  in  Augenblicken,  wo  nach 
intensivster  Konzentration  die  geistige  Resktion  erfolgt,  noch  nicht  passiert,  dass 
Melancholie,  Selbstmordideen,  dass  der  Gedanke  an  ein  «Wahnsinnig  werden"  in  ihm 
aufgetaucht  wäre?  Dahin  gehört  auch  die  Höben-  und  Platzangst,  von  der  berichtet 
wird;  nicht. minder  gewisse  subjektive  Gehörempflndungen,  die  bei  dem  soviel  mit 
dem  «inneren  Gehör"  arbeitenden  Tonsetzer  wahrlich  nichts  auffallendes  sind.  Man 
weiss,  wie  sehr  auch  Wagner  jahrelang  an  nervösen  Kopfbeschwerden  gelitten  hat. 
So  scheint  mir  die  Summe  der  Züge,  die  der  Verfasser  bis  zum  Jahre  1850,  der  Ober- 
siedelung  nach  Düsseldorf,  anführt,  für  das  Vorhandensein  eines  als  «Dementia*  zu 
bezeichnenden  Leidens  keineswegs  beweisend  zu  sein,  um  so  weniger,  als  bis  zu 
diesem  Jahre,  ja  sogar  noch  darüber  hinaus,  Schumann,  ganz  abgesehen  von  seinen 
scharfsinnigen  und  bahnbrechenden  Kunstkritiken,  eine  Reihe  so  genialer  und  be- 
zaubernder Werke  geschrieben  hat,  wie  sie  ein  bereits,  wenn  auch  nur  teilweise, 
«dementes*  Gehirn  sicher  nicht  hätte  konzipieren  und  ausbauen  können.  Schwache 
Stellen  in  diesem  oder  jenem,  oder  überhaupt  misslungene  und  minderwertige  Produkte 
lassen  sich  unschwer  aus  zeitweiser  Übermüdung  und  körperlichen  Leiden  erklären. 
Das  war  bei  Mozart,  Beethoven  usw.  nicht  anders.  Der  wirkliche  Zusammen- 
bruch erfolgte  doch  erst  im  Jahre  1854  unter  den  heftigsten  Sinnestäuschungen 
(Halluzinationen),  Exaltatlonszuständen  usw.,  bis  zu  der  Katastrophe,  dem  Selbstmord- 
versuch durch  Springen  in  den  Rhein  (am  27.  Februar  1854),  der  die  Oberführung  in 
die  Bonner  Anstalt  zur  Folge  hatte.  Die  geistige  Umnachtung,  die  hiermit  einsetzte, 
sollte  von  dem  Unglücklichen  —  vereinzelte  hellere  Momente  abgerechnet  —  nun 
nicht  mehr  weichen,  bis  am  9.  Juli  1856  der  Tod  seinem  sonnenlos  gewordenen 
Dasein  ein  Ende  machte.  Wenn  Möbius  nun  trotz  dieser  hinlänglich  charakteristischen 
Ausgangserscheinungen  der  Krankheit  und  des  ebenfalls  mit  der  Annahme  der  Paralyse 
sehr  wohl  übereinstimmenden  Sektionsbefundes  diese  Diagnose  ablehnt,  so  scheint 
einer  seiner  Hauptgründe  dafür  ^eine  Ansicht  zu  seiq,  dass  jeder  Paralyse  als  ur? 


132 
DIE  MUSIK  V.  20. 


sächliches  Moment  eine  syphilitische  Erkrankung  zugrunde  liege,  eine  Voraus- 
setzung, fOr  die  Schumann  —  abgesehen  von  den  acht  lebenden  Kindern !  —  allerdings 
keinerlei  Anlass  bietet.  So  häufig  nun  wohl  auch  der  Zusammenhang  dieser  beiden 
Affektionen  ist,  so  ist  nach  neueren  Anschauungen  (Binswanger  usw.)  die  Unfehlbarkeit 
desselben  doch  keineswegs  erwiesen.  Hingegen  wird  gerade  jene  Nervenerkrankung, 
von  der  Schumann  schon  iahrelang  unzweideutige  Symptome  aufwies,  eben  die 
Neurasthenie,  mit  Recht  heutzutage  als  ein  für  die  Paralyse  ganz  wesentlich  prä- 
disponierendes Moment  angesehen.  —  Prüfen  wir  nun  das  Gutachten,  das  Möbius 
als  Endprodukt  seiner  Ausfuhrungen  abgibt,  auf  Grund  der  von  uns  gemachten  Ein- 
wände, so  erscheint  zunächst  die  erbliche  Belastung  keineswegs  als  unumstössliche 
Wahrheit.  Ausgesprochene  Geisteskrankheit  ist  bei  keinem  der  Familienmitglieder 
mit  Sicherheit  nachzuweisen,  selbst  nicht  bei  der  angeblich  im  Anschluss  an  eine 
«Hautkrankheit*'  früh  verstorbenen  Schwester,  und  die  sonstige  Kurzlebigkeit  der 
Familie  erscheint  noch  nicht  als  ausreichender  Grund,  um  gerade  eine  psychische 
Belastung  des  einen  Sohnes  einwandsfrei  plausibel  zu  machen.  Gelegentlich  abnorme 
geistige  Sensationen  brauchen  durchaus  nicht  als  Vorboten  oder  Zeichen  einer 
20  Jahre  später  ausbrechenden  Erkrankung  zu  gelten:  man  denke  an  die  ganz 
ähnlichen  Erscheinungen  im  Leben  des  jungen  Goethe I  Auch  ein  Merkmal:  wie  die 
»Pfeifstellung  des  Mundes*  bereits  Jahrzehnte  vorher  als  pathologisch  zu  deuten, 
erscheint  nicht  zulässig.  Von  grösserer  Bedeutung  halte  ich  den  Malariaanfall  des 
Jahres  1833:  diese  Krankheit  in  schwererer  Form  wird  allerdings  von  verschiedenen 
Autoren  als  eine  der  Grundlagen  angesehen,  auf  denen  sich  eine  spätere  Paralyse 
entwickeln  kann.  All  die  Symptome,  die  Möbius  nun  weiterhin  zur  Stütze  seiner 
Dementia-Theorie  anführt,  besonders  auch  die  Melancholie,  scheinen  mir  viel  natürlicher 
als  neurasthenische  Merkmale  deutbar  zu  sein,  die  bei  der  erwähnten,  das  Gehirn 
so  ungemein  in  Anspruch  nehmenden  Tätigkeit  des  vielseitigen  Mannes  fast  als  etwas 
Unausbleibliches  betrachtet  werden  darf.  Eine  Dementia  präcox,  eine  bereits  ein- 
getretene, auf  anatomischen  Veränderungen  beruhende  Veränderung  des  Gehirns 
kann  unmöglich  mit  demjenigen  geistigen  Hochstand  einhergehen,  wie  er  bei  Schumann, 
wenn  auch  mit  zeitweiligen  Unterbrechungen,  bis  wenige  Jahre  vor  seinem  Tode 
nachweisbar  war  und  aus  der  Mehrzahl  seiner  Werke  so  überzeugend  spricht.  Ich 
vermag  somit  die  Ausführungen  des  Verfassers  auf  Seite  44  und  45  nicht  als  richtig 
anzuerkennen.  Ein  zerstörendes  Jugendirresein,  wie  er  den  Zustand  bezeichnet, 
kann  nicht  die  Quelle  eines  Liederborns  sein,  der  zu  den  krystallensten  Offenbarungen 
der  Musik  gehört,  nicht  der  Boden  einer  „Paradies*-,  „Faust*-  und  „Manfred'poesiel 
Es  wird  Möbius  nicht  gelingen,  die  Entstehung  solcher  Werke  auf  einem  bereits 
teilweise  zerstörten  Boden  glaubhaft  zu  machen,  und  wir  vermögen  die  nervösen 
Störungen,  i^nter  denen  Schumann  zeitweise,  wie  fast  alle,  denen  der  Himmel  die 
schmerzvolle  Gabe  des  Genies  verliehen,  gelitten  hat,  nicht  anders,  wie  als  funktionelle 
anzusehen.  Daran  wird  durch  das  Unterstreichen  kleiner  unwesentlicher,  mit  der 
Intelligenz  völlig  ausser  Beziehung  stehender  Besonderheiten  nichts  geändert  —  wie- 
viel mfissten  sonst  wohl  mit  dem  Stigma  der  Dementia  präcox  gezeichnet  herum- 
laufen! Ebensowenig  kann  ich  Äusserungen  weiblicher  Schreibsachverständiger 
(pag.  40)  als  wissenschaftliche  Unterlagen  eines  psychiatrischen  Gutachtens  anerkennen. 
Der  Hervorhebung  solcher  zweifelhaften  Momente  gegenüber  wirkt  es  um  so  be- 
fremdlicher, wenn  der  Verfasser  seinerseits  wesentliche  Gegengründe  gegen  seine 
Annahme  als  unerheblich  bei  Seite  schiebt  —  so  die  Grössenvorstellungen,  die 
Pupillenerweiterung,  vor  allem  zum  Schluss  das  Moment  der  geistigen  Oberanstrengung. 
Sätze  wie  „Von   besonderer  Anstrengung  war  eigentlich   keine   Rede*,  „Schumann 


133 
ALTMANN:  ÜBER  SCHUMANNS  KRANKHEIT 


arbeitete  freiwillig  und  zu  seiner  Freude;  solche  Arbeit  bekommt  eigentlich  gut,  und 
wir  sehen  ja  auch,  dass  sie  anderen  Komponisten  gut  bekommen  ist*,  sind  derart 
seicht,  dass  sie  auf  wissenschaftliche  Oberzeugungskraft  keinen  Anspruch  erheben 
können,  —  und  zudem  sind  sie  nicht  richtig:  denn  dass  die  Musik  die  Nerven  ihrer 
Junger  verzehrt,  das  beweist  doch  u.  a.  Mozarts,  Schuberts,  Mendelssohns  frfihes 
Ende,  und  dass  die  geistigen  Erkrankungen  z.  B.  von  Nietzsche  und  Hugo  Volf  auf 
Obersnstrengungen  mit  zurfickzufuhren  sind,  scheint  Jedem  Unbefangenen  doch  wohl 
sonnenklar.')  —  Ich  komme  somit  zu  dem  Resultat,  dass  die  Möbiussche  Arbeit 
immerhin  für  den  Musiker  wie  für  den  Mediziner  interessant  und  lesenswert  ist,  auch 
auf  manche  Punkte  des  Schumannschen  Seelenlebens  bedeutsame  Streiflichter  wirft, 
—  dass  sie  sber  wissenschaftlich  keineswegs  einwandsfrei  ist,  dass  ihre  Schlüsse 
sehr  subjektiv,  zum  Teil  nicht  ohne  WillkQr  geflrbt  sind,  und  dass  sie  die  bisherige 
Anschauung,  Schumann  sei  zwar  schon  jahrelang  neuropathisch  gewesen,  aber  erst 
in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  einer  richtigen  Geisteskrankheit,  nimlich 
der  Paralyse  (Gehirnerweichung),  anheimgefallen,  umzust&rzen  nicht  beweiskräftig 
genug  sind.  Zum  Schluss  —  wozu  der  ganze  unerquickliche  Streit,  der  sich  doch 
nicht  lösen  lässt?  Für  den  Musiker,  der  in  Schumann  einen  der  liebenswürdigsten 
Charaktere  der  Musikwelt  fiberhaupt  verehrt,  wire  es  wenig  erfreulich,  wenn  er  dessen 
reifste  Musikwerke  als  Gebilde  eines  bereits  mit  „beginnendem  Hirnschwund",  mit 
„Dementia  pricox"  behafteten  Individuums  anzusehen  genötigt  sein  sollte,  und  nicht 
vielmehr  als  die  eines  Genius,  dessen  sterbliche  Hülle  zwar  der  Unvollkommenheiten 
und  Flecken  nicht  ermangelte,  dessen  Licht  aber  doch  ungetrübt  erstrahlte,  bis  — 
nicht  ein  jahrzehntelanges  Schwilen,  sondern  ein  jlher  Schicksalsschlag  es  zum 
Erlöschen  brachte. 


')  Das  Fehlen  oder  Vorhandensein  eines  subjektiven  Krankheits-  oder 
Mudigkeitsempfindens  spielt  dabei  hiuflg  eine  ebensowenig  ausschlaggebende 
Rolle,  wie  bei  der  Entstehung  gewisser  Herzkrankheiten:  die  schidigenden  Folgen 
der  Oberanstrengung  treten  ein,  ohne  dass  der  Patient  vorher  sich  einer  solchen 
bewusst  geworden  ist. 


FRIEDRICH  KERST:  Scbumaan-Brevier.  Verlig:  Scbuaier  &  LoelTler,  Berlin  und 
Leipzig  1905. 

Das  ScbumaiiD-Brevier  schUetsI  sich  dem  Beethorea-  und  dem  Mouribrevler 
desselben  Henuigebers  aicb  Anlage  und  Form  an  und  «ird  vorausslcbtllcb  auch 
dieselbe  gQnaiige  Aufnahme  Boden  wie  diese.  Es  weodet  sieb  an  die  gebildeten  Kunsi- 
frenode,  denen  ea  eine  anregende  und  belehrende  Lektüre  bietet.  Der  Inhalt  lat  (mit 
wenigen  Ausnahmen)  den  Briefen  Schumanns  entnommen,  ein  zweiter  Teil  mit  Auaiflgen 
aus  den  Gesammellen  Schriften  soll  spiter  nachfolgen.  Das  bandliche  Bficblein  in 
Tascbenformai  enthilt  eine  mit  Geschmack  und  Pleilt  und  ohne  engherzige  Tendenz 
ausgewihlte  Sammlung  von  Charakter isilschen  AussptOcbeo  Scbumanai,  In  sieben  Gruppen 
geordnet  —  .Schumann  als  Mensch",  .Schumann  als  KGnsiler'',  .Ober  eigene  Terke', 
.Urteile  über  andere",  .Lehren  des  Lebens*,  .Der  Meister',  .Der  Dichter'.  Das  warm 
lu  empfehlende  Scbaizklaileln  «ird  seinen  Zweck,  das  Verstindnis  Schumanna  In  immer 
weitere  Kreise  tragen  zu  helfen,  nicht  verfehlen. 

Einige  notwendige  Berichtigungen  sind  hier  noch  anzumerken. 

Zunlchst  sej  darauf  hingewiesen,  dsis  zwei  der  ausgewihlien  Aphorismen  nicht 
aus  Schumanns  Feder  alammen.  Der  Herausgeber  ist  offenbar  Erler  gefolgt.  In  dessen 
Sammlung  der  nicht  In  Schumanns  Ges.  Schriften  enthaltenen  Aufsitze  auch  die  tng- 
lieben  beiden  Artikel  IrrtQmllcb  als  Erzeugnlsie  Schumanna  eine  Stelle  gefunden  haben. 
No.  250  Ist  nimllch  C,  Bancks  Davldsbündlerbrle Fe  .Aus  dem  Norden'  entnommen,  der 
am  19.  MIrz  1836  von  Potidam  aus  eingesandt  war  und  In  der  Neuen  Zeitschrift  Bancks 
Bündlernamen  .Serpentin"  als  Unlerscbrifi  trigt.  No.  250  Ist  von  Friedrich  VIeck 
und  zwar  aus  deaseo  Rezension  der  Czeiayscben  Toccata  op.  92,  mit  .14'  unterzelchneL 
(Auch  aus  einem  mir  vorliegenden  Briefe  TIecka  v.  28.  Mal  1835  an  RlefTel  zu  erweisen.) 

Dass  der  Abdruck  der  Aphorismen  nicht  Immer  nach  zuverlissigen  Quellen  erfolgt 
Ist,  zeigen  auch  Nr.  9  und  10.  Hier  hat  der  Herausgeber  nur  das  Datum  des  Briefes 
von  mir,  allea  übrige  von  Vaalelewskl,  der  aber  die  Originale  der  Briefe  an  Rosen 
(vgl  .Schumannbriefe',  2.  Aufl.  1904)  gar  nicht  in  HInden  gehabt  bat. 

Bei  No.  121  hebt  der  Herausgeber  hervor,  dass  er  diese  Briefslelie  nach  den 
.Berl.  N.  Nachr.*,  nicht  nach  meinen  Schumannbriefen  mitteile,  und  berichtet  zugleich, 
dais  die  Freundschaft  zwischen  Scbumannund  Miss  Laidlaw  .von  seilen  des  Komponisten 
etwas  der  Liebe  Ibnllchea  wurde'.     Darauf  Ist  einiges  zu  erwidern. 

Ich  kam  zu  AnAing  1895  In  lebhaften  Briefwechsel  mit  Mrs.  Thomson,  der  ehe- 
maligen Miss  Laidlaw,  und  wurde  dadurch  zu  einem  biographischen  Aufsalz  .R.  Schumann 
und  Robcna  Laidlaw'  (Grenzboten  1895,  IV  S.  320)  angeregt.  In  dem  Ich  auch  zwei 
Briefb  Schumanns  an  die  Künstlerin  zum  erstenmal  verfilfentl lebte.    Mrs.  Thomson  batte 


135 
NEUE  SCHUMANN-LITERATUR 


Schumtnns  Handschrift  nicht  zu  entritseln  vermocht  und  mir  ihr  kostbares,  mit  Briefen, 
poetischen  und  musikalischen  Erinnerungen  geschmücktes  Album  zugeschickt.  Aus 
diesem  habe  ich,  also  nach  den  Originalen,  meine  Abschriften  genommen,  fQr  deren 
buchsilbliche  Genauigkeit  ich  einstehe. 

Nach  Mrs.  Thomson's  Ableben  (1901)  brachten  die  Tagesblitter  nekrologische 
Notizen  mit  allerlei  Hindeutungen  auf  die  persönlichen  Beziehungen  Schumsnns  zu  der 
schönen  und  lebhaften  Englinderin,  die  in  Schumanns  JQnglingsjahren  ,,eine  bedeutende 
Rolle  gespielt",  ihm  .sehr  nahe  gestanden"  habe.  Als  das  auch  in  Musikzeitungen 
wissenschaftlicher  Richtung  überging,  schrieb  ich  eine  kurze  Entgegnung  (Zeitscfar.  d. 
Internat.  Mus.  Gesellsch.,  1902),  worin  die  beiden  Briefe  Schumanns  zum  nochmaligen 
Abdruck  kamen. 

Davon,  dass  bei  Schumann  die  Freundschaft  für  die  Künstlerin  in  eine  Herzens- 
neigung umgeschlagen  sei,  wusste  Schumanns  Freund  Wenzel  in  Leipzig  nichts.  Miss 
Laidlaw  selbst  bezeichnete  mir  gegenüber  die  Stellung  Schumanns  zu  ihr  als  höchst 
taktvoll  und  zurückhaltend.  Dass  die  intensivere  Neigung  auf  Seiten  der  Dame  war, 
lisst  auch  der  von  ihnen  geführte  Briefwechsel  vermuten.  Nach  Schumanns  erst  vor 
kurzem  aufgefundenem  Tagebuch  über  die  von  ihm  empfangenen  und  abgesandten  Briefe 
(letztere  mit  hinzugefügter  kurzer  Inhaltsangabe)  hat  die  Laidlaw  dreizehnmal  geschrieben, 
Schumann  nur  viermaL    Hier  eine  Zusammenstellung  der  Briefe: 


Miss  Laidlaw: 
Königsberg,  d.  7.  Juli 

Brief  des  Vaters, 

mit  Zigarrensendung)   d.  20.  Aug. 


Schumann: 
1837    d.  19.  Aug.,  nach  Königsberg. 


1837  d.  8.  Sept.,       »  » 
1837 
1837 
1837 

1838  d.  8.  Febr.  Die  gedruckten  Phantasie- 
stücke durch  Buchhindler- Gelegenheit 
nach  Petersburg  gesandt.    Ohne  Brief. 

1838 

1838  d.  12.  Juni,  nach  Königsberg. 
1838 
1838 
1838 

1839  d.  14.  Jan.,       »  » 
1839 
1839 
1839 

Wäre  Schumann  von  zärtlichen  Empfindungen  für  die  Dsme  beseelt  gewesen,  so 
bitte  er  schwerlich  sechs  Wochen  mit  der  Beantwortung  ihres  ersten  Briefes  gewartet. 
Nach  Empfang  ihres  vierten  Briefes  berichtete  er  (29.  Nov.  1837)  seiner  Braut  Clara: 
«Die  Laidlaw  schrieb  mir  aus  Posen  vor  acht  Tagen;  sie  hat  mich  im  Herzen,  glaub'  ich. 
Zum  Abschied  gab  sie  mir  eine  Locke,  dass  Du's  nur  weisst.  Eifersüchtig  kannst  Du 
wohl  gar  nicht  sein;  ich  möchte  Dich  doch  genauer  kennen*.  »Die  arme  Laidlaw  dauert 
mich*,  erwiderte  Clara;  »sie  trigt  Dich  im  Herzen?  Das  wundert  mich  nicht".  Und  aus 
Paris  (d.  28.  Febr.  1839):  «...  Die  Laidlaw  muss  aber  viel  Fortschritte  gemacht  haben 
—  am  Ende  hast  Du  sie  noch  lieber  als  mich?  Ei,  das  möchte  ich  mir  doch  verbitten, 
Herr  Robert  Schumann*.  (Litzmanns  Clara  Schumann  I  S.  154,  161  und  293.)  Von 
Schumanns  Briefen  an  die  Laidlaw  sind  die  letzten  beiden  nicht  mehr  vorhanden,  sie 


Königsberg, 

d.  10.  Sept. 

» 

d.  13.     . 

Posen, 

d.    8.  Nov. 

Dorpat, 

d.  30.  Jan. 

Königsberg, 

d.  11.  Febr. 

» 

d.    5.  Mai 

* 

d.    1.  Aug. 

Berlin, 

d.  25.  Nov. 

» 

d.  28.  Nov. 

Hannover, 

d.  17.  April 

Frankfurt  a.  M.,  > 

d.    9.  Juli 

Köln, 

d.    4.  Aug. 

136 
DIE  MUSIK  V.  20. 


enthielten  aber  ebensowenig  Intimes  wie  die  ersten.  Miss  Laidlaw's  Briefe  an  Schumann 
sind  auf  der  Kgl.  Bibliothek  in  Beriin. 

Ein  paar  kleine  Versehen  in  Notizen,  Namen  und  Daten  werden  für  eine  bald  zu 
erhoffende  zweite  Auflage  des  Schumann-Breviers  leicht  zu  verbessern  sein.  Aus  dem 
Bilderschmuck  des  Buchleins  ist  das  Titelbildnis  »Schumann  im  40.  Lebensjahr*  rühmend 
hervorzuheben;  es  ist  das  beste,  das  man  von  Schumann  hat.  Vortrefflich  ist  auch  die 
Nachbildung  der  Büste  Clara  Schumanns  von  Fr.  Hausmann.      F.  Gustav  Jansen 

MARGUERITE  D'ALBERT:  „Robert  Schumann,  son  (suvre  pour  piano."*  Verlag: 
Fischbacher,  Paris  1904. 

Diese  kleine  Schrift  gehört  zu  den  »liebenswürdigen*  Erscheinungen,  die  uns  mehr 
durch  die  Schwärmerei  fesseln,  die  aus  ihnen  hervorleuchtet,  als  durch  einen  originellen 
oder  gediegenen  Inhalt.  Die  Verfasserin  gehört  zu  den  Bewunderern  der  Schumannschen 
Kunst.  Der  Gedanke:  ^Je  me  propose  d' Studier,  au  moyen  de  cette  oeuvre,  l'ftme  qui 
inspirait  ä  Tartiste  ses  id6es,  le  coeur  oü  il  puisait  ses  sentiments,  et  le  temp6rament 
k  travers  lequel  lui  parvenaient  ses  sensations.  Je  rechercherai  ensuite,  dans  le  caractdre 
m6me  de  ses  compositions,  le  rdle  que  jouent  tour  ä  tour,  et  parfois  simultan6ment,  ses 
trois  foyers  d'inspiration,  et  je  terminerai  en  indiquant,  ä  l'aide  de  docunients  fournis  par 
sa  correspondance,  et  sa  biographie,  rinfluence  que  les  6v6nements  ext6rieurs  eurent  sur 
certaines  d'entre  elles  . .  .*  (S.  52/53)  —  also  das  psychologische  Moment  in's  Auge  zu 
fassen,  war  an  sich  ein  glücklicher  Griff,  wäre  er  nur  in  seiner  vollen  Bedeutung  er- 
kannt und  vertieft  und  des  weiteren  nicht  im  Konversationstone  behandelt  und  vielfach 
mit  Gemeinplätzen  belegt  worden.  Selbst  als  »Studie*  betrachtet  lässt  die  Schrift  nur 
eine  geringe  Benutzung  des  Materiales  erkennen  und  besonders  die  Verwendung  und 
Durcharbeitung  der  deutschen  Quellen  aus  der  neueren  Zeit  vermissen.  »Wasielewski* 
ist  in  vielem  überholt,  in  Einzelheiten  sogar  gar  nicht  mehr  massgebend.  Berthold 
Litzmann-Bonn  fehlt  vollständig.  Die  Zitate  aus  den  Briefen  an  seine  Mutter  wie  an 
Clara  und  an  Studienfreunde  überwiegen  zu  sehr  das  eigene  Urteil.  So  macht  das 
Ganze  eher  den  Eindruck  einer  Obersetzung  einiger  deutscher  Quellen  zu  dem  Zwecke, 
die  Franzosen  mit  ihnen  bekannt  zu  machen.  Dies  ist  ein  Verdienst,  wofür  wir  der 
Verfasserin  Dank  wissen.  Im  übrigen  ist  die  Studie  anregend  geschrieben  und  verrät 
in  der  Einteilung  Geist  und  Geschmack.  Den  Satz:  »Chez  aucun  musicien,  Tinfluence 
des  goüts  po^tiques  sur  ses  oeuvres  n'  a  M  plus  profonde  que  chez  Schumann*  (S.  12) 
möchte  ich  nicht  unbedingt  gut  heissen.  Die  »tardive  6ducation  classique*  als  Ur- 
sprung für  den  Mangel  an  melodischer  Proportion  und  Entwicklung  anzusehen,  geht  wohl 
nicht  an.  Die  Urteile  von  Hummel  und  Gottfried  Weber  (S.  48)  sprechen  uns  eben- 
falls nicht  sehr  an.  Wenn  Verfasserin  (S.  55)  sagt:  »S'  il  se  servit  de  formules  in- 
g^nieuses,  bizarres,  outrancidres,  ce  fut  pour  6voquer  ä  la  vie  de  nouvelles  Images,*  —  so 
zeugt  das  von  wenig  kritischem  Verstand.  Unlogische  Aussprüche  finden  sich  auch  auf  der 
folgenden  Seite.  Die  »neuen*  Modulationsmittel  sind  einmal  nicht  so  sehr  neu  und  zum 
andern  eine  geschichtliche  Notwendigkeit.  Die  Krankheit  Schumanns  als:  »maladie  du 
sidcle*  zu  bezeichnen,  ist  eine  jener  geistreichen  Phrasen,  denen  man  häufig  in  franzö- 
sischen Musikbüchem  begegnet.  Sehr  schön  ist  Schumanns  Ernst  und  die  Erhabenheit 
der  Gesinnung  geschildert.  Besonders  über  seinen  inneren  Schwächezustand  und  das 
Gefühl  der  Einsamkeit  findet  sich  auf  S.  76  ein  glänzendes  Urteil.  Trefflich  ist  das 
Kapitel:  »Der  Einfluss  der  Liebe  auf  sein  Werk.*  Der  zweite  Teil  enthält  in  kleiner  Essay- 
form treffende,  mehr  in's  allgemeine  gehende  Inhaltsangaben  der  hauptsächlichsten 
Klavierwerke.  Hier  hätte  man  eingehendere  und  »musikalischere*  Studien  erwartet. 
Die  etwas  übertriebene  Bewunderung  für  die  »Manfred*-Musik  soll  nicht  weiter  getadelt 


137 

NEUE  SCHUMANN-LITERATUR 


werdeo,  wie  Gberhaupt  der  Eindruck  herzlicher  Wirme  das  Büchlein  auch  den  Franzosen 
empfehlenswert  machen  dfirfte.  R.  M«  Breithaupt  | 

BERTHOLD  LITZMANN:  Clara  Schumann.  Ein  KQnstlerleben»  nach  Tage- 
büchern und  Briefen.  Zweiter  Band:  Ehejahre  1840—1856.  Verlag: 
Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig  1Q05. 

Fast  möchte  man  fragen,  ob  eine  Biographie  von  drei  dickleibigen  Binden  not- 
wendig gewesen  sei|  um  das  Leben  und  Leiden  einer  Clara  Schumannn  zu  würdigen, 
wihrend  sich  doch  z.  B.  ihr  berühmterer  Gatte  zwar  zahlreicher,  aber  keineswegs  so 
umfangreicher  Lebensbeschreibungen  bisher  zu  erfreuen  hat.  Indessen  ist  ja  gerade  sein 
Virken  in  vorliegendem  Werke  vOlllg  mit  eingeschlossen;  denn  wohl  niemals  hat  es  ein 
Künstlerpatr  gegeben,  das  bis  zur  Trennung  durch  den  unerbittlichen  Tod  so  eng 
und  innig  zusammengehört  hat  wie  Robert  und  Clara  Schumann.  Sahen  wir  im  ersten 
Bande  die  Jugend-  und  Lehrjahre  beider  in  lebendigen  Bildern  an  uns  vorüberziehen 
und  waren  wir  Zeugen  der  zwischen  ihnen  aufkeimenden  Seelen-  und  Herzensgemein- 
schaft, die  leider  zu  so  schweren  Kämpfen  mit  ihrem  hartköpfigen  Vater  führten:  so 
ziehen  wir  nun  mit  in  ihr  eheliches  Heim  ein,  das  sie  zunächst  in  Leipzig  aufgeschlagen 
haben.  Vir  gehen  1844  mit  ihnen  nach  Dresden  und  1850  nach  Düsseldorf,  wo  vier 
Jahre  später  Roberts  Geisteskrankheit  zu  einer  Trennung  des  Paares  führt;  wir  sehen 
endlich  den  kranken  Romantiker  in  der  Irrenanstalt  zu  Endenich  bei  Bonn  dahinsiechen 
Und  sterben,  Clara  dagegen  ihren  und  ihrer  Familie  Unterhalt  durch  Konzertreisen  er- 
werben. In  die  Geschichte  der  furchtbaren  Krankheit  Schumanns  führen  uns  die  von 
beiden  geführten  Tagebücher  nebst  einigen  charakteristischen  Briefen  zweifellos  besser 
ein  als  alles  bisher  Veröffentlichte.  Die  Leipziger  Jahre  und  in  der  Hauptsache  auch 
die  Dresdner  können  glückliche  genannt  werden.  Allerdings  gelang  es  Schumann  nicht, 
eine  seiner  Bedeutung  entsprechende  öffentliche  Position  zu  erlangen.  Aber  er  drang 
doch  als  Komponist  rasch  und  entschieden  durch  und  entwickelte  —  umgeben  von  Ehe- 
und  Vaterglück  —  eine  ausserordentlich  grosse  Fruchtbarkeit  im  Schaffen  bedeutender 
Tonwerke,  bis  die  tückische  Krankheit  allmählich  seine  Hand  erlahmen  machte.  Hatte 
er  Clara,  die  seine  Kompositionen  zuerst  In  Ihren  Konzerten  bekannt  und  populär 
machte,  gewiss  viel  zu  verdanken,  so  sie  Ihm  noch  mehr.  Denn  er  machte  aus  der 
Virtuosin  und  einstigen  Konkurrentin  Thalbergs  und  anderer  eine  Künstlerin,  die 
Bach  und  Beethoven  lieben  und  verstehen  lernte.  Es  war  dies  dadurch  In  so  hohem 
Grade  möglich,  dass  Clara  Ihm  nicht  nur  ein  liebendes  und  hingebendes  Weib  war, 
sondern  dass  sie  ihn  wie  ein  höheres  Wesen  verehrte,  sich  völlig  in  seine  Anschauungen 
hineinlebte  und  gleichsam  mit  seinen  Augen  sah  und  mit  seinen  Ohren  hörte.  Clara 
erscheint  uns  hierbei  um  so  bewundernswerter,  als  Schumann  auch  ihr  gegenüber  sehr 
schweigsam  und  verschlossen  war,  und  sie  manchmal  nicht  einmal  wusste,  was  er  gerade 
komponierte.  War  Schumann  schon  von  seiner  Dresdner  äusseren  Tätigkeit  nicht  be- 
friedigt, so  dass  Clara  sehr  scharf  aber  nicht  unrichtig  über  die  Dresdner  urteilt,  so 
wurde  ihm  Düsseldorf  durch  allerhand  Zänkereien,  Kleinlichkeiten  und  Ungezogenheiten, 
die  er  allerdings  durch  seine  Unentschlossenheit  uhd  geringe  Festigkeit  teilweise 'selbst 
verschuldet  hatte,  geradezu  verekelt.  Das  Paar  fühlt  sich  schliesslich  auf  Konzertreisen 
am  wohlsten,  obwohl  dabei  öfters  Clara  ihm  gegenüber  zu  sehr  in  den  Vordergrund 
tritt,  iHihrend  Ihm  nicht  Immer  die  Verehrung  zuteil  wird,  die  sein  Genius  fördern  durfte 
und  musste.  Schumanns  Genius  war  so  selbständig  und  eigenartig,  dass  er  keiner 
Stütze  bedurfte.  Es  Ist  Infolgedessen  nicht  nur  bedauerlich,  sondern  für  Ihn  von  schäd- 
lichen Folgen  begleitet  gewesen,  dass  er  glaubte  —  und  natürlich  Clara  auch  —  sich 
auf  Mendelssohn  stützen  zu  müssen;  dass  beide  diesen  Komponisten  nicht  nur  für  Schu- 

V.  20.  10 


■  DIE  MUSIK  V.  20.  = 


manni-ilelcben,  tondeni  nocb  fr^Mcr  bielten,  ihn  neben  Moiart  nnd  |ar  neben  Bach 
■(elllea:  daa  war  wohl  efa  von  Scbumannns  wefcblictaer  Natur  veranlaaaier,  icbwerer 
Irrtum.  Es  bitte  zur  Folge,  dass  Scbumana  uod  Clara  KfiDttlem  vie  Berlfoz,  Llait  und 
Vagner  immer  fremder  wurden,  ji  ihnen  mit  einer  gereizten  Feindseligkeit  und  mit 
krankhaftem  Überlegen heltsdünkel  ichlleaallcb  gegen Gberstan den.  Sowohl  Ibre  uoerbOrte 
Oberscbitiung  MeodelaBohni  wie  Ihre  vatanvolle  Untertcbliiung  der  genannten  kann 
zwar  beule  nur  ein  Liebeln  berrorrufen:  aber  es  berGbrt  unangenehm,  die  unveratindlge 
Art  lu  bemerken,  mit  der  Robert  über  einen  Richard  Tagnett  oder  gar  die  Schroffheit, 
mit  der  Clara  gelegenllicb  fibef  Frant  Listt  und  iwar  nicht  nur  als  Komponisten,  sondern 
auch  als  Klavierspieler  spricht  Von  Meyerbeer  mochte  Schnmann  nichts  irissen,  aber 
Richard  Tagner  schien  Ibm  wohl  zu  derselben  Kategorie  zu  gehSren.  Eine  aatGrllche 
Folge  des  übertriebenen  Mendel ssohnkultus  war  splter  eine  Brafams-Oberschitzung. 
Solche  IrrtOmer  nehmen  aber  dem  Charakterbilde  dea  Schumannschen  Ehepaares  nichts 
von  seinem  hoben  Terte;  vielmehr  umgrenzen  sie  es  gerade.  Im  ganten  enthilt  die 
Biographie  Claras  zweifellos  nicht  nur  eine  vorzügliche  uod  wertvolle  Darstellung  ihres 
und  Ihres  Gstlen  Schickssls,  sondern  gleichzeitig  ein  fesselndes  Kunst-  und  Kulturbild 
jener  Zelt,  so  dass  sie  In  keiner  Bibliothek  fehlen  sollte,  jedenfalls  in  keiner  musikalischen. 

Kurt  Mey 


•  ^••••4 


Wieder  ist  es  eine  Reibe  von  Porträts,  mit  denen  wir  die  Beigaben  dieses  Heftes 
einleiten.  Es  lag  uns  daran,  diesmal  einige  Bildnisse  vorzulegen,  die  in  Auffassung  und 
Haltung  von  den  sonst  Qblicben  Wiedergaben  des  träumenden  Kunstlers  mit  dem  stereotyp 
bangenden  Haupt  abweicben.  Unter  diesen  scbeint  uns  die  Lithograpbie  von  Eduard 
Kaiser  am  besten  gelungen.  Bilder  im  vollen  Profil  und  vom  stehenden  Schumann 
sind  ziemlich  rar.  Die  Zeichnung  von  J.  N.  Heinemann,  obwohl  mit  der  Bezeichnung 
1851,  scheint  uns  fraglos  den  Meister  in  jüngeren  Jahren  zu  geben.  Die  Arbeit  ist  weich 
und  flüssig  und  nicht  ohne  künstlerischen  Reiz.  Neben  dem  wohlgetroffenen  kleinen 
Bildnis  Schumanns  im  21.  Lebensjahre  bleibt  uns  als  das  wertvollste  dasjenige,  das 
den  Künstler  im  40.  Lebensjahre  darstellt.  Der  zarte  Ton,  in  dem  dieser  Kopf  ge- 
halten ist,  ist  bemerkenswert.  Die  Berliner  Photographische  Gesellschaft  hat  durch  John 
Philipp  eine  Neuzeichnung  dieser  schönen  alten  Daguerrotypie  gebracht,  die  uns  für 
unsere  Reproduktion  als  Vorlage  diente. 

Ein  sehr  seltenes  Blatt  ist  das  folgende,  dessen  Original  sich  in  der  Bibliothek  zu 
Carpentras  (Südfrankreich)  befindet;  Jean  Joseph  Bonaventure  Laurens,  der  Im  Oktober 
1853  Schumann  viermal  gezeichnet  hat,  sagt  in  einer  Schrift  über  den  Meister:  «Während 
ich  ihn  zeichnete,  war  ich  betroffen  und  erschrocken  über  die  abnorme  Weite  seiner 
Pupillen."  Als  eines  der  letzten  Bilder  Schumanns  aus  der  Zeit  der  beginnenden  Krank- 
heit darf  es  in  unserer  Sammlung  nicht  fehlen. 

Clara  Schumann  wollen  wir  dreimal  vorführen,  einmal  in  einer  Nachbildung 
nach  dem  schönen  Gemälde  des  Düsseldorfer  Malers  Sohn,  mit  welcher  Gabe  Clara 
ihren  Gatten  zum  Weihnachtsfest  1853  überraschte.  Das  nächste  und  das  übernächste 
Bild  zeigt  das  seltene  Künstlerpaar  vereint:  einmal  am  Klavier  nach  einem  alten, 
nicht  üblen  Kupferstich,  das  zweitemal  nach  einer  ausgezeichneten  Lithographie,  die 
gleichfalls  von  Eduard  Kaiser  aus  dem  Jahre  1847  stammt.  Dies  letzte  Blatt  scheint 
uns  eines  der  bemerkenswertesten  Porträts  und  eine  besonders  wertvolle  künstlerische 
Zeichnung. 

Über  die  Bildnisse  der  Söhne  Robert  und  Clara  Schumanns:  Ludwig,  Ferdinand 
und  Felix  lässt  sich  Hermann  Erler  folgendermassen  vernehmen: 

Der  Ehe  des  Künstlerpaares  entsprossen  acht  Kinder,  vier  Töchter:  Marie, 
Elise,  Julie  und  Eugenie  (von  diesen  ist  Julie,  verehelichte  Gräfin  Marmorito,  1872 
aus  dem  Leben  geschieden)  und  vier  Söhne  Emil,  Ludwig,  Ferdinand  und  Felix, 
sämtlich  verstorben.  Ober  den  Erstgeborenen,  Emil,  schreibt  Schumann  unterm 
22.  6.  1847  an  E.  Klitzsch:  .die  Trauer  ist  in  unser  Haus  gezogen  —  diesen  Morgen 
starb  uns  unser  jüngstes  Kind,  ein  Knabe  von  ein  und  ein  halb  Jahr."  --  Ludwig  er- 
blickte in  Dresden  am  20.  Januar  1848  das  Licht  der  Welt.  Der  Brief  an  Verhulst  in 
Rotterdam  vom  4.  11.  1848  meldet  über  ihn:  »einen  Knaben  haben  wir  jetzt  auch; 
Ludwig  heisst  er  und  ist  das  ganze  Glück  der  Mutter."  Des  ferneren  gedenkt  Schumann 
der  Söhne  Ludwig  und  Ferdinand  im  Endenicher  Briefe  an  Clara  vom  12.  10.  1854 
mit  den  Worten:  „Schreibe  mir  noch  mehr,  theure  Clara,  von  den  Kindern.  Ludwig 
wurde  das  Sprechen  immer  sehr  schwer,  aber  von  Ferdinand  wüsste  ich  es  nicht."  — 

10* 


140 
DIE  MUSIK  V.  20. 


Ludwig  kannte  ich  persönlich,  er  erlernte  Ende  der  1860er  Jahre  in  der  Schleaingerschen 
Musikalienhandlung  in  Berlin  den  Musikalienhandel.  Eine  ausbrechende  Geisteskrank- 
heit veranlasste  seine  dauernde  Unterbringung  in  der  Heilanstalt  zu  Colditz.  Erst  in 
den  ersten  Januartagen  1889  erlöste  ihn  der  Tod  von  seinem  unheilbaren  Leiden.  — 
Ferdinand  wurde  am  16.  Juli  1849  zu  Dresden  geboren.  Indirekt  erwähnt  der  Vater 
des  Sohnes,  indem  er  an  Dr.  H.  Hirtel-Leipzig  am  28.  7.  1849  schreibt:  ,,Heute  habe 
ich  mit  meiner  lieben  Frau  den  ersten  Ausflug  im  Wagen  gemacht  —  allemal  ein  Fest- 
tag — .*  Ferdinand  ergriff  den  kaufmlnnischen  Beruf  und  nahm  im  Bankhause  Mendelssohn 
&  Co.  in  Berlin  eine  geachtete  Stellung  ein.  Ein  schwerer  Gelenkrheumatismus  fesselte 
ihn  in  seinen  besten  Jahren  ans  Krankenlager  und  zwang  ihn,  schliesslich  seine  kauf- 
männische Tätigkeit  ganz  einzustellen.  Seine  letzte  Lebenszeit  verbrachte  er  in  Gera, 
Klavierunterricht  erteilend.  Auch  ihm  war  nur  ein  kürzeres  Erdenwallen  gegönnt:  bereits 
am  6.  Juni  1891  wurde  er  von  der  Erde  abberufen.  Ich  war  mit  ihm  befreundet  und  habe 
ihn  als  einen  sehr  fein  empfindenden,  liebenswfirdigen  Menschen  schätzen  und  lieben 
gelernt.  —  Des  Sohnes  Felix,  bei  dessen  Geburt  der  Vater  bereits  in  Endenich  weilte, 
wird  im  Briefe  an  Clara  vom  18.  9.  1854  gedacht:  „welche  Freudenbotschaften  hast  Du 
mir  wieder  gesandt,  dass  der  Himmel  Dir  einen  prächtigen  Knaben  und  im  Juni  ge- 
schenkt.* Eine  herzliche  Freude  hatte  es  Schumann  bereitet,  dass  der  jüngste  Sohn  den 
ihm  von  Mendelssohn  her  so  geliebten  Namen  Felix  in  der  Taufe  empfangen,  und  dass 
Johannes  Brahms  das  Kind  unter  die  Taufe  gehalten  hatte.  Wahrlich,  gute  Genien  um- 
standen die  Wiege  des  Neugeborenen,  dem  aber  beschieden  war,  in  der  Jugendblute  1879 
in  Frankfurt  a.  M.  heimzugehen.  Felix  besuchte  die  Universität  in  Heidelberg.  Seine 
unleugbar  vorhandene  poetische  Beanlagung  drückte  sich  in  einer  grösseren  Anzahl  von 
lyrischen  Gedichten,  sowie  auch  dramatischen  Versuchen  aus.  Brahms  lieh  verschiedenen 
seiner  Dichtungen  die  Flügel  der  Musik.  Die  grösste  Verbreitung  unter  ihnen  fand  das 
Lied  „Meine  Liebe  ist  grün". 

Zu  den  sechs  Bildern,  die  den  Freundeskreis  Schumanns  illustrieren,  und  die 
uns  F,  Gustav  Jansen  freundlichst  überliess  (teils  erhielt  er  sie  von  den  Persönlichkeiten 
selbst,  teils  von  deren  nächsten  Angehörigen),  sei  zur  näheren  Orientierung  auf  Jansens 
„Davidsbfindler«  (1883)  und  auf  „R.  Schumanns  Briefe*  N.  F.,  2.  Aufl.,  Leipzig  1904,  ver- 
wiesen.   Zu  ihrer  Erklärung  gab  uns  Prof.  Jansen  folgende  Anmerkungen: 

Gottlob  Wiedebein,  geb.  den  21.  Juli  1779  in  Eilenstedt  bei  Halberstadt, 
Kapellmeister  in  Braunschweig,  hatte  sich  hauptsächlich  durch  ein  Liederhefc  einen  in 
weiteren  Kreisen  hochgeachteten  Namen  erworben.  Der  achtzehnjährige  Schumann 
sandte  ihm  in  dem  Verlangen,  ein  entscheidendes  Wort  über  seine  eigene  Kunstanlage 
zu  vernehmen,  eine  Anzahl  Liederkompositionen  zu.  Wiedebein  erkannte  in  ihnen  die 
Begabung  des  Autodidakten,  fand  sie  aber  später  noch  bedeutungsvoller  in  seinen  ersten 
Klavierstücken,  die  er  Anfang  1835  von  Clara  Wieck  spielen  hörte,  ausgeprägt.  Der 
alte  Wieck  —  damals  Schumann  noch  günstig  gesinnt  —  schrieb  darüber  am  13.  Januar 
an  Fr.  Hofmeister:  „Der  Wiedebein  ist  über  die  Schumannschen  Kompositionen  entzückt, 
und  wir  werden  viel  zur  Verbreitung  derselben  thun.*  Seitdem  verfolgte  Wiedebein  Schu- 
manns Publikationen  mit  der  wärmsten  Teilnahme,  die  auch  zu  schriftlichen  Aussprachen 
führte.  Von  Schumanns  Briefen  an  Wiedebein  sind  nur  die  beiden  ersten  (aus  1828) 
erhalten  geblieben,  die  späteren  haben  sich  nicht  in  Wiedebeins  Nachlass  vorgefunden, 
nur  die  Davidsbündlertänze  mit  handschriftlicher  Widmung  vom  13.  Sept.  1838. 

Eine  Begegnung  von  Angesicht  zu  Angesicht  erfolgte  im  Sommer  1845,  als  Wiede- 
bein auf  einer  Reise  in  die  sächsische  Schweiz  Schumann  in  Dresden  aufsuchte.  Als 
beim  Verlassen  des  Hauses  seine  ihn  begleitende  Tochter  sich  etwas  enttäuscht  über 
Schumann  —  ypn  dessen  Persönlichkeit  sie  sich  ein  ganz  anderes  Bild  gemacht  —  aus« 


141 
ANMERKUNGEN 


spracb»  erwiderte  er:  ,,Aber  Kind,  sahst  Du's  denn  nicht,  der  Mann  ist  ja  krank!*  — 
Die  Tochter  wurde  im  Jahre  1852  Clara  Schumanns  Schülerin.  Bei  der  Obersendung 
der  Davidsbundlertinze  schrieb  ihr  der  Vater:  «Die  Tinze  sind  gar  herrlich,  und  Du  be- 
kommst bei  ihnen  und  durch  sie  erst  die  Einsicht  zu  dem  Folgenden  •  • .  Genug,  die 
Sachen  sind  reizend,  und  wenn  Du  sie  so  vorzutragen  lernst,  wie  ich  sie  mir  denke  und 
Frau  Schumann  sie  gewiss  ausfährt,  so  kannst  Du  damit  Köpfe  verrücken  —  versteht 
sich,  bei  Leuten,  die  Köpfe  haben.*  Ein  anderesmal :  „Dass  Dir  die  Sachen  Schumanns 
immer  mehr  und  mehr  gefallen,  freut  mich  ungemein,  denn  er  ist  und  bleibt  ein  hoch- 
begabter Mensch,  der  die  grösste  Ähnlichkeit  mit  Beethoven  hat.*  —  Wiedebein  starb 
den  17.  April  1854. 

Theodor  Töpken,  geb.  1807  in  Bremen,  Schumanns  Studiengenosse  in  Heidel* 
borg,  dann  Dr.  Jur.  und  Rechtsanwalt  in  Bremen,  wo  er  zu  den  ersten  Propagandisten 
für  Schumann  gehörte,    f  den  29.  Juni  1880. 

Aus  seinem  musikalischen  Nachlass,  der  in  Liedern  und  Klavierstücken,  teilweise 
mit  Violine  und  Cello,  bestand,  sind  einige  Liederhefte  veröffentlicht  worden,  die  von  des 
Verfassers  tonsetzerischer  Gewandtheit  zeugen. 

Henriette  Voigt  geb.  Kuntze,  geb.  den  24.  Nov.  1808  in  Leipzig,  Gattin  des  kunst* 
sinnigen  Handelsherrn  Carl  Voigt  daselbst,  war  eine  edle,  feinsinnige  Natur,  eine  ausgezeich- 
nete Klavierspielerin,  Schülerin  von  Ludwig  Berger.  Zu  ihrem  näheren  Umgange  gehörte  vor 
allem  ihr  viterlicher  Freund  Rochlitz.  Die  bedeutendsten  Künstler  Leipzigs  —  Mendels- 
sohn, Schumann,  L.  Schunke,  Clara  Wieck,  Bennett,  Verhulst  u.  a*  —  verkehrten  freund- 
schaftlich im  Voigtschen  Hause,  das  auch  von  den  auswirtigen,  im  Gewandhause  auf- 
tretenden Künstlern  gern  aufgesucht  wurde.  Schumann  widmete  ihr  seine  g-moU  Sonate. 
Sie  starb  am  15.  Okt.  1830.  —  Ihr  Bildnis  stammt  aus  der  Zeit  ihres  Berliner  Aufent- 
halts, 1828.  Seine  hier  vorgeführte  photographische  Nachbildung  hat  das  Lebensvolle, 
Charakteristische  des  Originals,  das  das  zarte  Rot  der  Lippen,  das  feine  dunkle  Asch- 
blond der  Haare  ausprägt,  nicht  wiederzugeben  vermocht.  —  Vergl.  J.  Gensei  „Schu- 
manns Briefwechsel  mit  Henriette  Voigt*,  1882.  —  „8  Briefe  [an  H.  Voigt]  und  ein 
Faksimile  von  F.  Mendelssohn-Bartholdy*,  1871. 

Anna  Robena  (richtiger  Robena  Anne)  Laidlaw,  geb.  den  30.  April  1819  zu 
Bretten,  lebte  zuerst  in  Edinburgh,  seit  1830  in  Königsberg  in  Pr.  Ihre  Klavierstudien 
vollendete  sie  bei  H.  Herz  in  London  und  bei  L.  Berger  in  Berlin.  Auf  ihren  Kunst- 
reisen kam  sie  Mitte  Juni  1837  nach  Leipzig,  wo  sie  am  2.  Juli  ein  Konzert  gab.  Schumann 
war  in  Jenen  beiden  Wochen  viel  mit  der  liebenswürdigen,  bildschönen  Eoglinderin  zu- 
sammen und  widmete  ihr  einige  Zeit  nachher  seine  Pbantasiestücke  op.  12.  —  Miss 
Laidlaw  stellte  ihre  Konzertreisen  nach  etwa  sechs  bis  sieben  Jahren  ein,  um  sich  in 
London  ausschliesslich  dem  Unterricht  zu  widmen.  1852  verheiratete  sie  sich  mit  dem 
Rechtsanwalt  Thomson  .in  Essez,  zog  aber  als  Witwe  wieder  nach  London  zurück,  wo  sie 
am  29.  Mai  1001,  82  Jahre  alt,  gestorben  ist.  —  In  meinem  Briefwechsel  mit  der  hoch- 
betagten, aber  körperlich  und  geistig  sehr  rüstigen  Dame  (1895)  teilte  sie  mir  allerlei 
Denkwürdiges  aus  ihrem  Künstlerleben,  insbesondere  über  ihre  Begegnung  mit  Schumann 
in  Leipzig  mit.  »Schumann  war  ein  echter  Mann,*  so  schliesst  einer  ihrer  letzten  Briefe 
an  mich,  „wie  selten  begegnet  man  einem  solchen  Manne!  An  Herolden  seines  Ruhmes 
wird  es  nicht  fehlen,  solange  Sie  und  ich  leben.*  Die  hier  mitgeteilte  Photographie  ist 
aus  ihrem  70.  Lebensjahre.  (Vergl.  meinen  Aufsatz:  „R.  Schumann  und  Robena  Laidlaw", 
Grenzboten  1895,  IV,  S.  320.) 

Ich  nehme  hier  Veranlassung,  eine  in  dem  genannten  Auhatz  enthaltene  Angabe 
über  die  Entstehungszeit  der  Schumannschen  Phantasiestücke  richtig  zu  stellen.  Diese 
sind  dem  Verleger  schon  am  22.  Mai  1837  angetragen  (am  7.  August  übergeben)  worden, 


142 
DIE  MUSIK  V.  20. 


wonach  ■ngenommen  werden  durfte,  dass  sie  alle  bereits  vor  Miss  Laidlaw's  Ankunft  in 
Leipzig  entstanden  waren.  Das  trifft  aber  in  bezug  auf  No.  1  »Des  Abends*  nicht  zu, 
wie  ich  mich  aus  ihrer  ersten  Niederschrift,  die  ihr  Eigentfimer,  Herr  C.  F.  Sper- 
ling in  Wilhelmshaven,  mir  vor  einiger  Zeit  zuzusenden  die  Gute  hatte,  fiberzeugt 
habe.  Auf  diesem  Blatte  steht  oben  links  das  Kompositionsdatum:  .Am  4ten  Juli 
37*,  oben  rechts:  .Herrn  Streben  aus  Stralsund  zu  freundlichem  Andenken  an 
Robert  Schumann.  Lpz.  29  Juli  1837.*  Dies  Phantasiestuck  (zuerst  .Am  Abend*  Gber- 
schrieben)  muss  also  entweder  kurz  vor  oder  kurz  nach  Miss  Laidlaw's  Abreise  von 
Leipzig  komponiert  sein.  Letzteres  ist  das  Wahrscheinlichere,  denn  die  Kfinstlerin  wird 
bald  nach  ihrem  Konzert  Leipzig  verlassen  haben,  weil  sie  schon  am  7.  Juli  in  Königs- 
berg einen  Brief  an  Schumann  schrieb. 

Der  Musiklehrer  E.  Sperling  (1809—1871)  in  Stralsund,  als  Chordirigent,  Komponist 
und  schSnwissenschaftlicher  Schriftsteller  titig,  bediente  sich  des  Pseudonyms  .Ernst 
Streben*.  Die  persönliche  Bekanntschaft  Schumanns  machte  er  in  Leipzig,  wo  er  zu- 
gleich mit  dem  obigen  Gedenkblatt  auch  einen  Empfehlungsbrief  an  Rellstab  empfing, 
der  mit  den  Worten  schliesst:  .Schenken  Sie  dem  bescheidenen,  wohlunterrichteten 
Jungen  Manne  einige  Augenblicke  Gehör  und  erinnern  sich  dabei  Ihres  ergebenen  Robert 
Schumann.* 

Ernst  A.  Becker,  geb.  den  6.  Aug.  1798  in  Dresden,  von  1830—1834  Unter- 
suchungsrichter am  Bergamt  in  Schneeberg,  bis  1836  Sekretir  im  Finanzministerium  in 
Dresden,  dann,  ans  Bergamt  zurückversetzt,  in  Freiberg.  Er  war  ein  vortrefflicher  Klavier- 
spieler und  gehörte  zu  den  vertrautesten  Freunden  Schumanns,  der  ihm  seine  Nacht- 
stöcke op.  23  widmete.  Als  pensionierter  Bergmeister  zog  Becker  wieder  nach  seiner 
Vaterstadt  Dresden,  f  den  31.  Juli  1874.  Die  Photographie  ist  aus  seinen  letzten 
Lebensjahren.    ^ 

Amalie  Rief  fei,  vorzugliche  Pianistin,  wurde  1822  in  Flensburg  geboren. 
Zuerst  Schfilerin  ihres  Vaters  W.  H.  Rieffei,  setzte  sie  ihre  Klavierstudien  bei  Wilhelm 
Grund  und  bei  Jacob  Schmitt  in  Hamburg  fort.  Nach  der  Verleihung  eines  Königl. 
dänischen  Reisestipendiums  (1839)  lebte  sie  etwa  anderthalb  Jahre  (1840-^1842)  in  Leipzig, 
wo  Schumann  sich  ihrer  freundlich  annahm  und  sie  durch  die  Widmung  seiner  Klavier- 
stficke  op.  32  auszeichnete.  Als  Klavierspielerin  machte  sich  Frl.  Rieffei  hauptsichlich  in 
Dänemark,  Schweden  und  Norwegen  bekannt.  Seit  1850  mit  dem  Kaufmann  L.  Wage  in 
Hamburg  verheiratet,  starb  sie  am  10.  August  1877. 

Ober  den  höchst  bemerkenswerten  Brief  Schumanns  an  Richard  Pohl  vom 
6.  Februar  1854  ist  Genaueres  im  Text  eingehend  gesagt. 

Das  Skizzenblatt  zu  den  Haus-  und  Lebensregeln  und  der  unbekannte 
Canon  für  Männerstimmen,  zu  op.  65  gehörig,  über  den  das  Nähere  im  Artikel  von 
Hermann  Erler  nachzulesen  ist,  vervollständigen  und  beschliessen  die  Zahl  unserer  Bei- 
gaben. 


Nachdruck  aar  mll  ausdrBcklichcr  Erlaubnis  des  Verlages  gesialieL 

Alle  Rechte,  insbesondere  das  der  Obersetzung,  vorbehalten. 

Für  die  ZurUcksendung  HB  verlangter  oder  nicht  angemeldeter  Manuakripte,  falle  Ihnen  nlebt  geaBgeod 
Porto  beiliegt,  Qbcmimmt  die  Redaktion  keine  Garantie.    Schwer  leserliche  iHaouskripie  werden  nngeprSII 

zurQckgessndt 

Verantwortlicher  Schriftleiter:  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Berlin  W.  57,  Bfilowstrasse  107  >- 


AUFRUF! 


Die  unterzeichnete  Verlagsanstalt  plant  die  erste  kritische  Gesamt- 
ausgabe der  Briefe  Ludwigs  van  Beethoven,  für  deren  Herausgabe  sie  den 
berufensten  Beethoven-Forscher  unserer  Zeit,  Herrn  Dr.  Alfr.  Chr.  Kalischer» 
bestellt  hat. 

Die  Notwendigkeit  und  die  Bedeutung  einer  monumentalen  Ausgabe 
der  Briefe  Beethovens  bedarf  an  dieser  Stelle  keiner  Hervorhebung. 

Alle  in  früheren  Sammlungen  enthaltenen,  in  den  mannigfachen 
Beethoven-Schriften  verstreuten  und  in  Zeitungen  gelegentlich  veröffentlichten 
Briefe  werden  hier  in  chronologischer  Ordnung  und  mit  eingehenden 
Erläuterungen  versehen  veröffentlicht  werden.  Nicht  zuletzt  die  noch 
ungedruckten  Briefe  des  Meisters,  an  deren  Besitzer  hierdurch  die  Bitte 
ergeht,  durch  ihre  Beihilfe  diese  Gesamtausgabe  zu  einer  lückenlosen  zu 
machen. 

Durch  die  Forschungsresultate  unserer  Zeit  unterstützt,  wird  die  Aus- 
gabe wissenschaftlichen  Charakter  tragen;  sie  soll  die  seltsame  Ortographie 
und  die  eigenwillige  Interpunktion  des  Meisters  festhalten.  Ihr  Wert  beruht 
auf  einer  zuverlässigen  Textkritik.  Der  Herausgeber  wird  zu  diesem  Zweck 
die  Originalbriefe  Beethovens  persönlich  prüfen,  um  die  Ausgabe  hinsichtlich 
der  richtigen  Lesart  so  korrekt  wie  nur  irgend  möglich  zu  gestalten;  leiden 
doch  die  veralteten  unvollständigen  Ausgaben  der  Briefe  von  1865  und  1867, 
die  heute  nur  für  schweres  Geld  noch  aufzutreiben  sind,  an  dem  Mangel 
einer  genügenden  Kenntnis  von  Beethovens  Handschrift. 

Da  der  Herausgeber  nicht  jeden  Brief  an  Ort  und  Stelle  einsehen  kann, 
so  wenden  wir  uns  hiermit  an  alle  Besitzer  von  Originalen  oder  Faksimiles 


144 
DIB  MUSIK  V.  20. 


Beethovenscher  Briefe  mit  der  Bitte,  die  umfassende  Arbeit  dadurch  fördern 
zu  wollen,  dass  sie  ihre  Originale  vertrauensvoll  auf  kurze  Zeit  an  die 
Königliche  Bibliothek  in  Berlin  zu  Händen  des  Leiters  der  Musik- 
abteilung Herrn  Dr.  A.  Kopfermann  zur  Benutzung  für  den  Herausgeber 
übersenden,  wie  dies  schon  mehrfach  geschehen  ist.  Herr  Dr.  Kopfermann 
wird  mit  Genehmigung  der  Generaldirektion  der  Königlichen  Bibliothek  diese 
Zusendung  unter  seine  besondere  Obhut  nehmen,  und  der  Herausgeber 
wird  den  Einsendern  in  seiner  Einleitung  zum  ersten  Bande  seinen  Dank 
abstatten. 

Diese  Gesamtausgabe,  die  eine  klassische  Biographie  des  grossen 
Meisters  in  Briefen  darstellen  wird,  soll  in  einer  dem  Genius  und  dem 
unschätzbaren  Werte  seiner  Briefe  würdigen  Ausstattung  erscheinen.  Um 
jedem,  auch  dem  Unbemittelten  die  Anschaffung  zu  erleichtern,  wird  das 
Werk  in  etwa  25  Lieferungen  zum  Einzelpreis  von  0,60  M.  erscheinen.  Die 
Leser  der  lyBIusik^^  sollen  bei  dem  Bezug  noch  eine  besondere  Subskriptions- 
Vergünstigung  geniessen,  über  die  wir  später  noch  näheres  bekannt  geben 
werden. 

Die  erste  Lieferung  erscheint  bereits  Ende  August;  der  erste  Band 
wird  Ende  November  1906  vorliegen. 


SCHUSTER  &  LOEFFLER,  BERLIN  W. 


ROBERT  SCHUHANN 
er  Lithographie  von  Eduard  Kaiser 


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ROBERT  SCHUMANN 
nach  J.  N.  Heinemann 


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ROBERT  SCHUMANN 

nacb  J.J.  B.  Laurens  o 

(1853 


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nach  dem  Gemaide  von  Sohn  (1853) 


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ROBERT  UND  CLARA  SCHUHANN    AM  KLAVIER 


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ROBERT  UND  CLARA  SCHUMANN 
nach  Eduard  Kaiser  (1847) 


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LUDWIG  SCHUMANN 


FERDINAND  SCHUMANN  FELIX  SCHUMANN 


DIE  SÖHNE  VON  ROBERT  SCHUMANN 


•  V  ••       ,« 


GOTTLOB  WIEDEBEIN 


THEODOR  TÖPKEN 


ERNST  ADOLF  BECKER 


ZU  ROBERT  SCHUMANNS  FREUNDESKREIS 


HENRIETTE  VOIGT 


AMALIE  RIEFFEL 


ANNA  ROBENA  LAIDLAW 


ZU  ROBERT  SCHUMANNS  FREUNDESKREIS 


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Mitgeteilt  von  Hermann  Erler 


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aUdi  «.  Dnuki  BarUanr  MwtkaUM  DrMkar«!  0.a.b.  H.  OkartallMkn«. 


C  Fr.  Glasenapp 

Richird  Wigners  Briefe  an  Freiberni  von  Lfitllcliau. 
Prof.  Otto  Schmid 

JobuiQ  Michsel  Haydn 
t  tu  Skliburc  am  lO.  August  1806 

Paul  Hirsch 

Ein  unbekanntes  Lied  von  W.  A.  Mozart 

Dr.  Richard  Hohenemser 

Clara  Wieck-Schumann  als  Komponistin  (Scbtuss) 

Namen-  und  Sachregister  zum  19.  Band 
der  MUSIK 

Besprechungen  (Bücher  und  Musikalien) 

Revue  der  Revueen 

Umschau  (Neue  Opern,  Aus  dem  Operarepertoire, 

Konzerte,  Tageschronik,  Totenschau) 

Kritik  (Oper  und  Konzert) 

Anmerkungen  zu  unseren  Beilagen 

Knnstbeilagen 

Mnsikbeilage 

Anzeigen 

DIE  MUSIK  encbdnt  moDstlicb  zweimal.  AboDDuneiitipreU  Hr  du 
QuHial  4  Mark.  AboDDemeanprel«  fOr  Jen  Jihrguc  15  Mark.  Prdi 
det  duduca  Heftel  I  Mark.  Viertel]  ■hrwlDbiaddeckeD  I  1  Mirk. 
SanmeUunon  fOr  die  KuaMbellagen  det  ganzea  JihrgaD|i  2,50  Mark. 
AtMunementa  durch  jede  Buch-  uad  MusikalienbaadluDc  tat  kleine 
PlltM  ohne  Buchhlndler  Beiue  durch  die  Poit. 


RICHARD  WAGNERS  BRIEFE  AN 
FREIHERRN  VON  LÜTTICHAU 

von  C.  Fr.  Glasenapp-Riga 


|fir  die  Fortsetzung  der  jüngst^)  von  uns  unternommenen'  Mit- 
teilungen aus  dem  brieflichen  Verkehr  zwischen  Richard  Wagner 
und  seinem  Dresdener  Vorgesetzten  Geheimrat  v.  Lfittichau 
hatten  wir  uns  zuletzt  noch  ein  schriftliches  Dokument  aus  dem 
Frfihjahr  1844  vorbehalten,  als  den  eigentlichen  Abschluss  seines  ersten 
Dresdener  Dienstjahres.  Reibungen  und  Gegensitze  hatte  es  sogleich  zu 
Beginn  seiner  neuen  Tätigkeit  genug  gegeben ;  indes  hatte  er  es  sich  vor- 
gesetzt, dergleichen  Konflikte-  inskünftig  zu  vermeiden  und  diesen  Vorsatz 
in  einer  Weise  durchgeführt,  dass  selbst  ein  Charakter,  wie  Lipinski, 
während  seiner  ganzen  sechsjährigen  Kapellmeisterperiode  nie  wieder  in 
einen  offenen  Widerspruch  zu  ihm  geraten  ist.  Dagegen  wissen  wir  aus 
der  näheren  Schilderung  von  Wagners  Leben,  wie  die  an  der  Oberfläche 
ausgeglichenen  Gegensätze  heimlich  nachwirkten,  indem  seine  heftigsten 
literarisch-kritischen  Gegner  das  reichhaltigste  Arsenal  für  ihre  öffentlichen 
Angriffe  nach  wie  vor  bei  Reissiger  und  Lipinski  fanden.  Hauptsächlich 
war  es  ein  gewisser,  Reissiger  nahebef^eundeter,  Dr.  Schladebach,  der  unter 
wechselnder  Chifhre  ziemlich  die  gesamte  auswärtige  Berichterstattung 
auf  seinen  Schultern  trug  und  hierbei  einen  völlig  planmässigen  Feldzug 
gegen  den  jungen  Meister  durchführte,  mit  dem  Endziel,  diesen  in  seiner 
Autorität  zu  schädigen  und  einen  gewissen  Herrn  Otto  (?)  Bach  an 
Röckeis  Stelle  einzuschieben.  In  erster  Linie  waren  es  Aufführungen 
Mozartscher  Werke  (des  .Don  Juan*  am  26.  April  1843,  und  des  ,Titus" 
am  3.  Mai  1844),  welche  diese  Antagonismen  in  einheimischen  und  aus- 
wärtigen Blättern  entfesselten.  Betrübend  blieb  bei  alledem  die  Vorliebe 
des  Hofes  für  die  Meisterwerke  der  neuesten  (Donizettischen)  italienischen 
Oper,  an  deren  Wiedergabe  sowohl  die  Kapelle,  wie  ihr  feuriger  Leiter 
ihre  Kräfte  sinnlos  zu  verschwenden  hatten.  Bald  vernahm  man  nun  bei 
solchen  Anlässen  einer  Aufführung  der  „Lukrezia  Borgia*,  ein  beliebiges  Duett 
darin  sei  durch  unsichere  Sänger  ins  Schwanken  geraten  und  —  »da  der  Dirigent, 
Herr  Kapellmeister  Wagner,  das  Einhelfen  unterliess  —  vollkommene 
Störung  in  die  Szene  gebracht  worden'.     Bald   wiederum   hiess   es,    bei 


^)  Vgl.  .Die  Musik«  V,  19  S.  17  ff. 


!!• 


148 
DIE  MUSIK  V.  21. 


einer  Darstellung  der  .Norma"  seien  die  Chöre  unsicher,  die  Kapelle  er- 
mattet und  unlustig  gewesen,  Herr  Wagner  habe  die  mannigfachen  Unsicher- 
heiten auf  der  Bfihne  und  im  Orchester  nur  eben  zu  verdecken  gewusst; 
bald  wiederum  ward  die  Leitung  der  « Regimentstochter'  (durch  Röckel)  als 
unsicher  getadelt  usw.  Es  mag  sein,  dass  öfFentliche  kritische  Beurteilungen 
dieser  Art  irgendwie  auch  bei  Hofe  nachgesprochen  worden  wären;  ins- 
besondere aber  wurde  Lüttichau  seitens  der,  für  jenen  Herrn  Bach  ein- 
tretenden, Clique  so  sehr  zu  dessen  Gunsten  bearbeitet,  dass  sich  hieraus 
Folgendes  entwickelte: 

Am  Sonnabend,  den  9.  März  1844,  als  Wagner  gerade  im  Begriff 
stand,  einen  vierzehntägigen  Urlaub  zu  einer  Reise  nach  Hamburg  an- 
zutreten, wo  sein  «Rienzi*  zur  ersten  Auffuhrung  gelangen  sollte,  berief 
ihn  Lüttichau  zu  einer  Besprechung  in  das  Bureau  der  Expedition.  Es 
handelte  sich  um  die  bevorstehende  definitive  Bestätigung  des  bis  dahin 
nur  provisorisch  angestellten  August  Röckel  in  seinem  Amt  als  Musik- 
direktor. Zu  dieser  Bestätigung  Röckeis  zeigte  sich  nun  Lüttichau  wenig 
geneigt,  er  wollte  ihn  durch  einen  tüchtigeren  Musiker  ersetzen,  und  der 
soeben  erwähnte  Herr  Bach  wurde  dabei  offen  genannt.  Immer  darauf 
bedacht,  seine  Superiorität  als  Hofbeamter  und  Vorgesetzter  zur  Geltung 
zu  bringen,  war  er  dabei  so  unvorsichtig,  inbetreff  Wagners  einige 
Wendungen  einfliessen  zu  lassen,  als  wenn  der  «allerhöchste  Hof*  auch 
mit  seinen  Leistungen  als  Dirigent  sich  nicht  unbedingt  zufrieden  erklärt 
hätte;  so  dass  es  ihm  selbst  erwünscht  erscheinen  müsste,  ihm,  anstatt 
des  unfähigen  Röckel  in  seiner  untergeordneten  Musikdirektorstellung,  einen 
mit  voller  Autorität  ihm  beizuordnenden  gediegenen  Musiker  —  offenbar 
aus  Reisslgers  Schule  ?  —  an  die  Seite  zu  stellen.  Auf  diese  Unterredung 
bezieht  sich  nun  der  achte,  uns  bekannt  gewordene  Brief  Wagners  an 
Lüttichau,  in  jeder  Beziehung  ein  wahres  Muster  feinfühliger  Vornehmheit 
und  Selbstlosigkeit,  dem  es  nur  auf  die  Sache,  nicht  aber  auf  die  Person 
und  den  eigenen  Nutzen  ankommt,  während  sich  der  Schreiber  desselben 
doch  zugleich  mit  der  vollen  Breite  seiner  Brust  schützend  vor  den, 
in  seiner  künstlerischen  wie  bürgerlichen  Existenz  plötzlich  bedrohten 
Röckel  stellt.  «Die  ausführliche  Unterredung',  heisst  es  in  der  Einleitung 
dieses  Schreibens,  «deren  mich  Ew.  Excellenz  am  vergangenen  Sonnabend 
würdigten,  hat  auf  mich  einen  Eindruck  hinterlassen,  dessen  Peinlichkeit 
mich  seit  dem  Augenblick,  wo  ich  die  Schwelle  der  Expedition  verliess, 
bis  jetzt,  wo  ich  mir  die  Freiheit  nehme,  mich  schriftlich  an  Ew.  Excellenz 
zu  wenden,  so  unablässlich  eingenommen  und  bewältigt  hat,  dass  ich,  ohne 
mich  gegen  irgend  Jemand,  selbst  nicht  gegen  meine  Frau,  darüber  aus- 
gelassen zu  haben,  durch  genaues  Zurategehen  mit  meinem  Innern  endlich 
zu  dem  vollsten  Bewusstsein  dessen  gelangt  bin,  was  mir  als  unverbrüch- 


149 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


liehe  Pflicht  erscheint."  Aus  diesem,  von  Lüttichau  in  seinem  Privatbesitz 
zurfickbehaltenen,  daher  im  Archiv  der  Dresdener  Hofoper  unvorhandenen, 
bisher  gänzlich  unbekannten  Schriftstücke,  teilen  wir  nun  im  folgenden 
die  wesentlichen  Hauptabschnitte  mit,  indem  wir  die  Verkürzungen  durch 
Punkte  (...»••)  andeuten. 

Richard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherm  r.  Lflttlohan  (VIII),  U.  Mai  1844. 

^Ew.  Excellenz  haben  mir  vorigen  Sonnabend  mit  deutlichen  Worten  gesagt, 
das!  ich  das  Vertrauen  des  allerhöchsten  Hofes  und  somit  notwendig  auch  das 
Ew.  Excellenz  nicht  in  dem  Grade  besJUse,  als  es  zu  wünschen  wire;  dass  dieses  noch 
fehlende  Vertrauen  zunichst  meine  Fihigkeiten  als  Dirigent  betrife,  und  dass 
Ew.  Excellenz  es  demnach  für  nötig  hielten,  zur  Direktion  der  Kapelle  noch  einen 
Mann  zu  berufen,  von  dem  Ew.  Excellenz  gewiss  sein  könnten,  dass  er  das  mir  noch 
fehlende  Vertrauen  für  sein  Teil  sicher  erwerben  werde.  Ew.  Excellenz  haben  mir 
wiederholt  versichert,  dass,  besisse  ich  das  mir  nötige  Vertrauen  des  allerhöchsten 
Hofes  in  dem  Masse,  als  es  zu  erwünscben  wire,  Sie  sich  keineswegs  versucht  finden 
würden,  sich  nach  einem  noch  talentvolleren  Dirigenten  umzusehen,  als  Röckel  es 
ist  (.....) 

Besteht  nun  der  Tadel,  der  gegen  mein  Dirigenten-Talent  ausgesprochen  wird, 
nur  in  den  hie  und  da  gegen  mich  zu  Xussernden  Wünschen  in  Bezug  auf  gewisse 
Tempi  in  den  Opern  der  neueren  italienischen  Maestri,  so  könnte  sich  ein  deutscher 
Musiker,  der  sonst  Tüchtiges  zu  leisten  imstande  ist,  dadurch  im  Ganzen  nur  wenig 
betroffen  fühlen,  ebensowenig,  als  dies  bei  Weber  und  Mendel [s]sohn,  bitten  diese  [sich] 
mit  ihnlichen  Aufgaben  zu  befassen  gehabt,  von  grossem  Belang  gewesen  sein  würde, 
und  zwar  aus  Gründen,  die  ich  einem  Teile  des  musikalischen  Publikums  gegenüber, 
der  jene  Opern  vorzugsweise  liebt,  gern  verschweige.  Man  kann  nur  einem  Gott 
dienen,  und  das  ist  der  wahre,  den  man  erkennt  und  verehrt!  —  Geht  jener  Tadel 
aber  weiter,  und  erstreckt  er  sich  auf  die  --  leider  nur  wenigen  —  Leistungen,  bei 
denen  mir  und  der  Kapelle  Aufgaben  gestellt  werden,  wie  sie  z.  B.  Mendel[s]sohn 
ausschliesslich  sich  nur  stellt,  und  bei  denen  einzig  die  wahren  Krifte  eines  Künstlers 
in  Anspruch  genommen  werden,  so  ist  er  allerdings  von  mir  in  ernsten  Betracht  zu 
ziehen«  und  ich  kann  nicht  anders  glauben,  als  dass  es  sich  um  einen  solchen  Tadel 
handle,  da  sich  Ew.  Excellenz  gedrungen  fühlten  mir  die  Erklirung  zu  machen,  ich 
besisse  das  Vertrauen  des  illerhöchsten  Hofes  nicht  in  dem  Masse,  als  dass  Ew.  Excellenz 
es  nicht  nötig  halten,  noch  einen  ganz  besonders  befihigten  Dirigenten  zur  Leitung 
der  Kapelle  zu  herufen. 

Fühlen  sich  nun  Ew.  Excellenz  bewogen  diese  Ansicht  von  der  Sache  zu  be- 
stitigen,  so  halte  ich  es  für  meine  Pflicht,  Sie  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass 
dann  auch  die  Anstellung  eines  zwar  wackeren,  aber  ziemlich  gewöhnlichen  Musikers, 
wie  Herr  Bach  es  ist,  der  Sache  und  dem  Institute  nicht  entsprechen  würde;  viel- 
mehr könnten  Ew.  Excellenz  dann  Ihr  Augenmerk  auf  einen  bedeutenderen  und 
renommierteren  Dirigenten  richten,  da  Ihnen  durch  meinen  notwendigen  Zurücktritt 
dann  leicht  die  Mittel  an  die  Hand  gegeben  würden,  den  Gehalt  für  die  zu  besetzende 
Stelle  reichlicher  auszustatten,  als  er  jetzt  ist,  und  für  welchen  Ew.  Ezcellenz  es 
immer  als  einen  glücklichen  Zufkll  ansehen  müssten,  einen  bedeutenden  Künstler 
für  die  Dauer  zu  gewinnen.  Ich  für  mein  Teil  würde  nimlich  mein  alleruntertinigstes 
Gesuch  an  Se.  Majestit  dahin  stellen,  dass  Allerhöchstdieselben  die  Gnade  hitten, 
mich  meiner  Funktionen  so  weit  zu  entbinden,  als  es  mir  gestattet  sein 


150 
DIB  MUSIK  V.  ZU 


sollte,  nur  meine  Opern  einzustudieren  und  zu  dirigieren,  sowie  viel- 
leicht in  besonderen  Pillen  nsch  dem  Wunsche  Sr.  Msjestit  diese  oder 
jene  Aufffihrung  zu  leiten,  sobtld  sie  der  Spezislitit  meines- geringen  Talentes 
angemessen  erscheinen  sollte,  wofür  mir  dann  natürlich  nur  ein  beliebiger  kleiner 
Gehalt  zuzugestehen  sein  würde. ^) 

Der  von  mir  unter  den  bezeichneten  Bedingungen  gewünschte  Zurüdctritt  yom 
eigentlichen  aktiven  Dienste  als  Vorstand  der  Kapelle,  wird  mir  aber  noch  aus  anderen 
Rücksichten  unter  den  mir  von  Ew.  Excellenz  vorgestern  dargetanen  Umstinden  zu 
einer  Gewissenspflicht.  Die  Kapelle  bedarf  jetzt  eines  Vertreters,  der  das  Vertrauen 
Sr.  Majestät  und  Ew.  Excellenz  im  vollsten  und  höchsten  Masse  besitzt,  weil  es 
die  höchste  Zeit  ist,  dass  ein  solcher  endlich,  und  zwar  nur  unter  dem  Ausspruche 
des  vollsten  Vertrauens,  beauftragt  werde,  einen  gründlichen  Bericht  über  den  Zu- 
atand  dieses  Institutes  und  über  die  unumginglich  notwendige,  unserer  Zeit  und  ihren 
Ansprüchen  gemisse  Abhülfe  der  in  demselben  wurzelnden  Obelstinde  abzugeben. 
Es  liegt  am  Tage,  dass  mit  einem  solchen  Auftrage,  wenn  er  Erfolg  haben  soll,  nur 
ein  Mann  beehrt  werden  kann,  der,  wie  erwihnt,  das  vollste  und  unbedingteste  Ver- 
trauen seiner  hohen  Vorgesetzten  innehat,  ein  Mann,  von  dem  man  auf  Treue  und 
Glauben  annimmt,  dass  er  der  Sache  vollkommen  gewachsen  ist  und  ohne  Ober- 
treibung  nur  das  wahrhaft  Nötige  beansprucht.  Nsch  meinen  neuesten  Erfahrungen 
gestehe  ich  zu,  dass  ich  sehr  eitel  war,  als  ich  mir  schmeichelte,  nicht  weit  mehr 
von  dem  Ziele  entfernt  zu  sein,  an  welchem  ich  die  unschitzbare  Ehre  eines  solchen 

Auftrages  beanspruchen  dürfte.  ( )  Durch  stetes  und  aufmerksames  Bestreben 

habe  ich  die  anfangs  zwischen  mir  und  der  Kspelle  bestehenden  Differenzen  so  weit 
zu  beseitigen  gewusst,  dass  ich  mir  jetzt  schmeicheln  darf,  von  ihr  als  Derjenige  an- 
gesehen zu  werden,  von  dem  sie  sich  mit  vollstem  Vertrauen  die  Abhülfe  ihrer  Leiden 
verspricht.  Dennoch  muss  ich  nun  einsehen,  daas  mir  das  Wichtigste  noch  fehlt, 
und  Ew.  Excellenz  könnten  zwar  in  Ihrer  mir  stets  bewiesenen  grossen  Güte  mir  die 
Hoffnung  machen,  das  mir  fehlende  volle  Vertrauen  des  allerhöchsten  Hofes  noch 
erwerben  zu  können,  ja  Ew.  Excellenz  haben  mir  bei  der  letzten  Unterredung  sogar 
diese  Hoffnung  für  spitere  Zeiten  schon  übrig  gelassen:  —  ich  aber  teile  diese  Hoff- 
nung nicht,  da  ich  mir  bewusst  bin,  unter  den  gegebenen  Umstinden  (—  und  andere 
Umstinde  herbeizuführen  steht  nicht  in  meiner  Macht,  —)  nicht  mehr  leisten  zu 
können,  als  ich  bisher  geleistet  habe;  und  sollte  ich  den  Glauben  haben,  mir  spiter 
noch  das  fehlende  Vertrauen  erwecken  zu  können,  so  würde  dies  doch  jedenfalls  zu 
spit  für  den  wichtigen  Dienst  sein,  welcher  der  Kapelle  aehr  bald  geleistet  werden 
muss.  Da  mir  ausserdem  Ew.  Excellenz  auch  oft  den  Vorwurf  meiner  Neuheit  in 
den  hiesigen  Verhiltnissen  machen,  so  muss  ich  bekennen,  wie  ich  selbst  nicht 
hoffe,  durch  Älterwerden  in  denselben  zu  gewinnen:  das  Auge,  welches  sich  gewöhnt, 
eine  lingere  Zeit  hindurch  tiglich  dieselben  Obelstinde  zu  sehen,  wird  wohl  endlich 
matt  und  stumpf,  und  gewahrt  sie  nicht  mehr  so,  als  damals,  wo  es  frisch  und 
scharf  war. 

Es  könnte  auffsllend  erscheinen,  dass  die  Sache  des  Musikdirektors  Röckel 
somit  zu  der  meinigen  geworden  ist,  und  um  nicht  den  Schein  einer  blinden  Partei- 
lichkeit für  irgend  jemand  auf  mich  zu  laden,  musste  ich  mich  offen  nach  allen 
Richtungen  hin  aussprechen;  Ew.  Excellenz  haben  mir  durch  die  Erklirung,  dass  die 
fragliche  Anstellung  Röckeis  mit  meiner  eigenen  Stellung  in  unmittelbarem  Zu- 
sammenhange stehe,  dazu  die  vollste  Veranlassung  gegeben*    ......••. 

>)  Die  Hervorhebungen  im  Druck  innerhalb  dieses  Absatzes  rühren  nicht  von 
Wagner  selbst  her. 


151 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


Das  Vergangene  bleibt  vergangen,  und  wenn  wir  in  bezug  auf  noch 
ganz  andere  geschichtliche  Momente  ein  Für  allemal  darauf  verzichten  müssen, 
sie  uns  zurückzurufen,  um  nachtrigliche  Augenzeugen  derselben  zu  werden, 
so  wird  sich  die  Notwendigkeit  dieses  Verzichtes  jedenfalls  auch  auf  den 
kostbaren  Moment  beziehen,  in  welchem  der  Exzellenz  mit  den  schwarzen 
Augenbrauen  bei  Durchlesung  dieses  Schreibens  das  Gesicht  merklich  sich 
verlängerte,  und  ihre  Mienen  die  verlegene  Verwunderung  wiederspiegelten, 
die  sich  dabei  ihres  Inneren  bemächtigte.  Wieder  einmal  hatte  sich  dieser 
noch  so  junge  «Kapellmeister"  ihm  gegenüber  als  etwas  durchaus  Inkommen- 
surables bewiesen,  zu  dessen  Beurteilung  ihm  der  Masstab  fehlte.  Der 
Vorschlag  eines  freiwilligen  Zurücktrittes  aus  einem  lebenslänglich  ver- 
liehenen Amte,  und  noch  dazu  nicht  in  der  gewohnten  Form  eines  komö- 
diantisch selbstüberhebungsvollen  Trotzes,  sondern  mit  der  verbindlichsten 
Anerkennung  seiner  «grossen  Gute',  dürfte  ihm  wohl  in  den  hergebrachten 
Verhältnissen  des  Dresdener  Hoftheaters  etwas  so  Neues,  Unerhörtes  gewesen 
sein,  dass  er  fürchten  musste,  der  König  würde,  auf  einer  näheren  Mitteilung 
der  motivierenden  Umstände  bestehend,  einen  tieferen  Einblick  in  dieselben 
verlangen,  als  ihm  lieb  war.  Um  so  mehr,  als  es  mit  dem  in  dem  Schrift- 
stück wiederholt  erwähnten  Mangel  an  Vertrauen  seitens  des  «allerhöchsten 
Hofes"  vielleicht  gar  nicht  so  arg  bestellt  war,  als  es  der  Herr  Geheim- 
rat bei  seiner  Unterredung  in  wohlberechneter  Klugheit  hatte  einfliessen 
lassen.     Vielleicht  war  dies  am  Ende  gar  nicht  so  «klug*  gewesen,  als  er 

es  sich  gedacht? Jedenfalls  drückt  sich  viel  in  dem  Umstände  aus, 

dass  er  diesen  Brief  nicht  zu  den  Akten  gab,  sondern  ihn  privatim  als 
Erinnerung  aufbewahrte. 

Der  Erfolg  der  Unterredung  vom  Sonnabend  den  9.  März  1844  und 
dieses  Schreibens  vom  Montag  den  11.  war  jedenfalls,  dass  einstweilen 
alles  beim  alten  blieb.  Röckel  erhielt  seine  Bestätigung,  zu  der  Anstellung 
des  Herrn  Bach  an  seiner  Statt  kam  es  nicht,  und  der  feurig  uneigennützige 
Künstler  wurde  nach  seiner  Rückkehr  aus  Hamburg  vorläufig  mit  seinen 
allzuweitgehenden  idealen  Forderungen  beschwichtigt.    Für  wie  lange  Zeit? 

Es  liegen  zwei  ernste,  ereignisreiche  Jahre  zwischen  diesem  und  dem 
nächsten  (uns  vorliegenden)  Briefe  Wagners  an  Lüttichau.  «Tannhäuser* 
wurde  vollendet  und  aufgeführt,  und  es  zeigte  sich  zwischen  dem  «Rienzi' 
und  seinem  Nachfolger  —  der  «fliegende  Holländer*  war,  da  Wagner  selbst 
zu  seiner  Wiederaufnahme  nicht  drängte,  für  Dresden  tot  und  begraben!  — 
eine  ganz  gewaltige  Kluft,  eine  Kluft,  die  nicht  allein  beide  Werke  von- 
einander, sondern  auch  den  schaffenden  Künstler  von  seinen  Zeitgenossen 
trennte.  Dieser  selbst  aber  blieb,  der  er  war,  und  bei  aller  vorschrifts- 
mässigen  Devotion  im  Verkehr  zwischen  dem  Kapellmeister  und  der  Ex- 
zellenz war  ihm  doch  auf  die  gewohnte  Weise  nicht  beizukommen.    Viel- 


152 
DIE  MUSIK  V.  21. 


mehr  knüpft  sein  nächstes  an  Lüttichau  gerichtetes  Schreiben  vom  2.  März 
1846  genau  an  das  ihm  vorangegangene  an.  Hatte  es  sich  in  jenem  darum 
gehandelt,  denjenigen  Mann  zu  finden,  der  «unter  dem  Ausspruch  des 
vollsten  in  ihn  gesetzten  Vertrauens  beauftragt  werde,  einen  gründlichen 
Bericht  über  den  Zustand  des  Instituts  der  Kapelle  und  über  die  unum- 
gänglich notwendige,  unserer  Zeit  und  ihren  Ansprüchen  gemässe  Abhülfe 
der  in  demselben  wurzelnden  Übelstände  abzugeben",  —  so  erschien  nun 
dieser  «Bericht"  selbst,  in  Gestalt  eines  vom  1.  März  datierten  Memorials 
mit  der  Aufschrift  »Die  Königliche  Kapelle  betreffend*,  der  sich 
noch  heute  —  unverötTentlicht  —  in  den  Akten  des  Königl.  Sachs.  Hof- 
theaters befinden  muss,  und  zwar  in  Begleitung  des  folgenden  Briefes: 

Richard  Wagner  an  Generaldirektor  Freiherrn  yon  Lilttichan  (IX),  2.  März  1846. 

«Ew.  Excellenz 

gebe  ich  mir  die  Ehre,  hiermit  eine  grössere  und  ziemlich  ausfuhrliche  Arbeit 
zu  überreichen,  zu  deren  Abfassung  ich  mich  durch  Stellung  und  Verpflichtung  ge- 
dringt fühlte.  Es  ist  nunmehr  das  driue  Jahr  verflossen,  seitdem  ich  auf  die  geneigte 
Empfehlung  Ew.  Excellenz  durch  die  besondere  Gnade  Sr.  Majestlt  als  Kapellmeister 
der  Kgl.  Kapeile  angestellt  wurde:  der  Ablauf  eines  solchen  Zeitraums  ist  wohl  ge- 
eignet die  Frage  zu  veranlassen,  wodurch  sich  das  neue  Mitglied  dem  Ganzen  nützlich 
erwiesen?  Mit  Trauer  muss  ich  gesteben,  dass  der  Nutzen,  von  dem  ich  in  meiner 
Stellung  werden  konnte,  sich  nur  noch  auf  einzelne  wenige  Leistungen  zu  erstrecken 
vermochte:  dass  ich  der  Kapelle  von  einer  auch  für  die  Zukunft  erspriesslichen 
Wichtigkeit  bitte  werden  können,  habe  ich  leider  als  nicht  in  meiner  Macht  stehend 
befinden  mfissen.  Ich  habe  erkennen  lernen  mfiseen,  dass  die  Kapelle  in  ihrer  be- 
stindigen  Kollision  mit  dem  Theater  und  dessen  wirrseligen  Bedürfnissen  zurück- 
treten musste,  Ja  dass  selbst  ihren  Leistungen  nicht  das  Gewicht  und  die  Berück- 
sichtigung beigelegt  werden  durfte,  die  vor  allem  nur  die  Theater- Interessen  für  sich 
in  Anspruch  nahmen.  Wenn  ich  nun  wiederholt  und  in  gesuchter  Vereinigung  mit 
meinen  Kollegen  die  iii  Anregung  gebrachten  Interessen  der  Kapelle  zu  wahren  suchte, 
durften  diese  Bemühungen  immer  nur  einen  sehr  teilweisen  Erfolg  haben,  und  mit 
grosser  Betrübnis  habe  ich  den  Grund  dafür  darin  erkennen  müssen,  dass  die  Aus- 
sagen und  Beteuerungen  der  technischen  Vorstinde  der  Kapelle  in  den  Augen  ihres 
hochzuverebrenden  Chefs,  wahrscheinlich  schon  von  lingerer  Zeit  her,  sich  nicht  der 
Glaubwürdigkeit  zu  erfreuen  hatten,  die  ihnen  allein  das  nötige  Gewicht  zu  geben 
vermag. 

In  dem  festen  Bewusstsein  der  Notwendigkeit  derselben  habe  ich  es  daher 
unternommen,  noch  einmal  alle  meine  in  den  drei  Jahren  meiner  Anstellung  ge- 
wonnenen Erfahrungen  und  Einsichten  zu  einer  klaren  und  beweiskriftigen  Darlegung 
auszuarbeiten.  Ich  habe  die  verflossenen  drei  Monate  dazu  verwendet,  mit  grösster 
Umsicht  alles  mir  notwendig  Erschienene  der  strengsten  und  genauesten  Prüfung  zu 
unterwerfen,  jeden  Punkt  sorgfiltig  zu  erwigen,  weshalb  ich  einzelne  Artikel  zwei-, 
drei-  und  viermal  umarbeitete  und  neu  verfasste,  und  bin  somit  schliesslich  zur  Be- 
endigung beiliegender  Arbeit  gelangt,  von  der  ich  Ew.  Excellenz  ersuche,  versichert 
sein  zu  wollen,  dass  ich  zu  ihr  durch  keinen  iusseren  Antrieb  veranlasst  worden  bin, 
indem  siCi  sowie  sie  hier  vorliegt,  ginzlich  mein  Geheimnis  ist,  und  ich  zu  keinem 


153 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LÜTTICHAU 

der  darin  enthaltenen  Punkte  durch  Betprechuns  oder  Übereinkommen  mit  den  sie 
betreffenden  Individuen  veranlasst  worden  bin.  Ich  fühlte  mich  einzig  durch  die 
Verpflichtung  dazu  gedrungen,  die,  meinem  Gewissen  nach,  mein  Sr.  Majestit  dem 
Könige  geleisteter  Eid  mir  auferlegt. 

Welches  das  Schicksal  dieser  Arbeit  sein  möge,  ob  sie  zu  einem  vollstindigen 
oder  nur  teilweisen  Erfolg  berechtigt  sei,  vermag  ich  nicht  genau  vorauszusehen,  jeden- 
falls aber  hege  ich  die  gerechte  HoiEoung,  dass  sie,  trotz  ihrer  Ausdehnung,  einer 
genauen  Betrachtung  für  würdig  befunden  werde,  indem  sie  die  besonderen  Interessen 
eines  Institutes  behaoidelt,  welches  auf  der  Civilliste  Sr.  Majestit  mit  einer  ansehn- 
lichen Summe  dotiert  ist,  wofür  notwendig  verlangt  werden  kann,  dass  dieses  Institut 
ein  voUstindiges  und  heilsam  organisiertes  Ganze  bilde.  Sollte  es  mir  gelingen,  auf 
diese  Weise  die  vollstindige  Achtung  Ew.  Excellenz  und  das  günstige  Urteil  derselben 
zu  erwerben,, dass  ich  nicht  unAhig  sei,  bei  der  Organisation  künstlerischer  Institute 
um  Rat  befragt  zu  werden,  so  würde  ich  mich  wahrhaft  glücklich  schätzen,  in  Zukunft 
Veranlassung  zu  andern  Arbeiten  erhalten  zu  dürfen,  welche  für  das  Gedeihen  der 
zweiten,  Ew.  Excellenz  untergebenen  Anstalt,  soweit  dies  die  Oper  betrifft,  in  ihn- 
lichem  Masse  ratschligliche  Sorge  trügen;  indem  ich  die  bei  weitem  grössere  Schwierig- 
keit eingestehe,  die  der  Organisation  eines  Opernpersonales  entgegensteht,  würde 
ich  mir  hier  im  voraus  doch  eine  Andeutung  erlauben,  nimlich,  dass  ich  bei  einer  solchen 
Arbeit  mein  grösstes  Augenmerk  mit  darauf  richten  würde,  die  mit  der  Zeit  nötig 
gewordenen  enormen  Ausgaben  für  die  Gehalte  des  Singerpersonals  nach  Kräften 
und  iusserster  Möglichkeit  zu  ermftssigen,  indem  jeder  Einsichtsvolle  in  diesem  un- 
verhlltnismässigen  Aufwände  wohl  den  zukünftigen  Ruin  simtlicher  Theater  zu  er- 
kennen gezwungen  ist,  der  schon  jetzt  alle  Berücksichtigungen  der  Billigkeit  gegen 
andere,  nicht  minder  wichtige  Körperschaften  des  ganzen  vereinigten  Kunstinstitutes 
ausserordentlich  erschwert,  indem  er  die  nötigen  Mittel  dazu  allein  zu  verschlingen  droht 

Mögen  Ew.  Excellenz  somit  das  Resultat  meiner  Bemühungen  mit  gewohnter 
Güte  aufnehmen,  und  vor  allen  Dingen  mir,  der  sich  Ihnen  persönlich  für  so  sehr 
verpflichtet  halten  muss,  eine  geneigte  Gesinnung  bewahren.* 

So  hatte  denn  der  rastlos  organisierende  Geist  des  jungen  Reformators 
den  ihm  so  erwünschten  .Auftrag*"  nicht  erst  abgewartet,  sondern,  da  dieser 
nicht  von  selbst  sich  einstellte,  unaufgefordert  den  notwendigen  Bericht 
über  den  gegenwärtigen  Zustand  der  Kapelle  eingereicht.  Die  Eingabe 
betraf  Übelstände  von  drängender  Natur.  Nur  das  Phlegma  Reissigers  hatte 
so  lange  ruhig  zusehen  können,  wie  sich  die  künstlerischen  Kräfte  der 
Kgl.  Kapelle  infolge  mangelhafter  Arbeitsteilung  Jahr  um  Jahr  ausschliesslich 
in  den  Dienstleistungen  des  Theaters  bei  minderwertigen  Aufführungen 
Donizettischer  Meisterwerke  verzehrten,  ohne  je  zur  befriedigenden  Lösung 
würdiger  und  wahrhaft  lohnender  Aufgabe  zu  gelangen.  Die  wenigen  Ge- 
legenheiten dazu  boten  sich  immer  nur  in  gedrängter  Zeit  und  eingeengt 
zwischen  den  trivialsten  Tagesbedürfnissen  des  Theaters  dar.  «Ich  hatte 
mir*,  sagt  Wagner  selbst,  „rastlose  Mühe  gegeben,  den  künstlerischen  Sinn 
der  Kapelle,  der  unter  der  Last  ordinärster  Tagesarbeit  zu  erliegen  drohte, 
zu  beleben  und  guten  Mutes  zu  erhalten,  so  dass  wir  zu  unserem  eigenen 


154 
DIE  MUSIK  V.  21. 


Verwundern  oft  von  unsrer  Leistung^  selbst/mehrr  fiberrascht  .wu^ep,  als 
wir  der  Abspannung  nach  von  uns  erwarteten.*  Da  der  ideelle  und 
praktische  Gewjnn  aus  der  Annahme  seiner  ^Voiischllge. vom  .sachlich- 
künstlerischen  Gesichtspunkte  aus  unmöglich  zu  bestreiten  war,  durfte  der 
Urheber  des  sorgfiltig  ausgearbeiteten  Reorganisationsentwurfes  wohl  mit 
.  Fug  und  Recht  darauf  bauen,  das  Ergebnis  seiner  reiflichen  Überlegungen 
ohne  wesentliche  Einschränkungen  akzeptiert  zu  sehen.  Dass  dies  nicht 
geschah,  dass  rein  gar  nichts  zu  seiner  Verwirklichung  vor  sich  ging, 
war  eine  seiner  bittersten  und  entscheidendsten  Erfahrungen  und  löste  ihn 
innerlich  vorzeitig  von  dem  ihm  anvertrauten  Amte  los.  —  Der  Zeit  nach 
schliesst  sich  an  das  soeben  mifgeteilte  Schriftstfick  noch  eine  kürzere 
Mitteilung  vom  4.  März  1846,  auf  die  bevorstehende  Palmsonntagsauf- 
führung  der  neunten  Symphonie  bezüglich.^) 

Blehard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherm  von  Liltllehan  (X),  4.  März   1846. 

«Ew.  Excellenz 
erlaube  ich  mir  eine  untertänigste  Bitte  vorzutragen. 

Die  Sache  betriflPt  das  Orchester  des  alten  Opernhauses,  welches  auf  eine  Weise 
konstruiert  ist,  die  allen  Regeln  f&r  die  Aufstellung  eines  Oratorien-  und  Symphonieen- 
orchesters  geradezu  widerspricht  und  wahrscheinlich  auch  an  keinem  Orte  der  Welt 
ihresgleichen  findet.  Die  Mängel  derselben  bedQrfen  fkst  keiner  Erörterung,  da  es 
jedem  in  die  Augen  springen  muss,  dass  ein  Instrumental-Orchester,  welches  nur 
zwei  Reihen  tief,  in  einem  weiten  Halbkreis  von  56  Fuss  im  Durchmesser  aufgestellt 
ist,  nur  mit  höchster  Mühe  und  unter  dem  peinlichsten  Einflüsse  der  Ängstlichkeit 
präzis  zusammenspielen,  eine  seinen  zshlrelchen  Mitteln  angemessene,  schöne  und 
kräftige  Wirkung  aber  gar  nicht  hervorbringen  kann. 

Soweit  mir  in  einer  flüchtigen  Berührung  dieses  Gegenstandes  in  einem  Ge- 
spräche mit  Ew.  Excellenz  Dero  Meinung  bekannt  werden  konnte,  würden  Sie  gegen 
den  Plan  einer  Umänderung  selbst  nichts  einzuwenden  haben.  Insofern  aber  dieser 
Orchesterbau  bloss  als  eine  Vorbereitung  für  das  nächste  und  die  folgenden  Konzerte 
zum  besten  des  Kapell-Wittwenpensionsfonds  angesehen  werden  müssten,  würden 
auch  die  Ausgaben  dsfür  diesem  Fond  zur  Last  fallen.  Dass  nun  aber  bei  dem  gegen- 
wärtigen Bestände  dieses  Fonds,  über  den  uns  jetzt  so  viele  Klsgen  zukommen,  gar 
keine  Aussicht  vorhsnden  wäre,  ihm  auch  noch  diese  Ausgaben  zumuten  zu  dürfoir, 
erhellt  deutlich,  und  die  Sache  würde  somit  für  jetzt  und  vielleicht  noch  für  längere 
Zeit  unmöglich  sein,  wenn  diese  Kosten  nicht  von  einer  andren  Seite  her  bestritten 
werden  dürften.  Ich  muss  nun  aber  die  Erledigung  der  angeregten  Frage,  nicht  nur 
weil  sie  an  und  für  sich  richtig  und  nothwendig  ist,  sondern  weil  wir  gerade  jetzt 
auch  einer  zshlreicheren  und  schärferen  Kritik  ausgesetzt  sind,  als  eine  Ehrensache 
ansehen,  für  die  ich  selbst,  wenn  ich  nur  etwas  reicher  wäre,  als  ich  leider  bin,  mit 
Freudigkeit  ein  Opfer  bringen  möchte;  wohin  ich  mich  umsehe,  komme  ich  aber 
immer  wieder  nur  auf  den  nächsten,  weil  ehrenvollsten  Weg  zurück,  der  ist:  die 
Gnade  Sr.  Majestät  des  Königs  anzugehen. 

^)  Dieselbe  ist,  gerade  wie  das  vorhergehende  Begleitschreiben  zu  dem  Memorial 
.Die  Königliche  Kapelle  betreffend',  zum  erstenmsl  von  R.  Prölss  in  den  „Drama- 
turgischen Blättern*  1878  verölTentllcht. 


155 
GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 

Weil  alles,  wofür  man  Unterktützung  erbittet,  bis  auf  einen  gewissen  Grad 
fertig  zur  Einsicht  Torliegen  muss,  habe  ich  meinen  Plan  zur  Aufstellong  eines 
Oratorium-  und  Sympbonieenorjchesters  ^er  Loki^litlt  des  .alten  Opernhauses  an- 
gemessen durch  die  Gefllligkeit  des  Herrn  Maschinenmeisters  Hinel  derart  regeln 
lassen,  dass  ich  denselben  Ew.  Excellenz  hierbei  zur  geneigten  Ansicht  vorlegen 
kann.  [Folgt  die  nihere  Ausführung  mit  terrassierten  amphitheatralischen  Erhöhungen 
für  Orchester  und  Gesangschor.]  Auch  Lipinski  ist  ganz  mit  mir  einverstsnden,  und 
ich  zweifle  gewiss  nicht,  dass  mein  Kollege  Reissiger,  welchem  Ew.  Excellenz  meiner 
Bitte  gemäss  diesen  Plan  vorlegen  würden,  etwas  Erhebliches  dagegen  nicht  ein- 
zuwenden haben  wird,  da  er  ganz  mit  der  Ansicht  übereinstimmt,  welche  wir  früher 
ül>er  diesen  Gegenstand  gesprichsweise  susgetauscht  haben. 

Dieser  Bau  würde  nun  nach  einem  Votanschlage  des  Hrn.  Hinel  bis  an 
200  Rth.  kosten,  sobald  er  vollstindig  mit  neuem  Material  ausgeführt  werden  sollte. 
Es  fhigt  sich  nun:  ist  ein  solches  Orchester  für  alle  Zukunft  nicht  noch  zu  andern 
Aufführungen  als  nur  den  sog.  Palmsonntagkonzerten  zu  benutzen?  Wenn  ich  mit 
aller  Bescheidenheit  wieder  sagen  dürfte,  was  mich  ein  Blick  in  die  Zukunft  ersehen 
llsst,  so  würde  ich  die  Holfnung  aussprechen,  dass  die  Kspelle  öfters  Gelegenheit 
erhslten  dürfte,  sich  in  derartigen  Aufführungen,  um  den  Beifall  Sr.  Msjestit  zu  be- 
werben, so  würde  dieses  Orchester  entweder  ganz  so  wie  es  ist  oder  doch  nur  mit 
geringen  Restaurationen  für  alle  Zeiten  und  Lokale  verwendbar  sein;  denn  unter  allen 
Umstlnden  enthllt  dieser  Bau  den  Kern  für  eine  geeignetste  Orchester-Aufstellung. 

Wie  glücklich  würden  mich  Ew.  Excellenz  machen,  wenn  Sie  meine  Bitte  und 
die  dafür  angegebenen  Gründe  durch  gütige  Berücksichtigung  beehren  wollten.  Vor 
allen  Dingen  seien  E.  E.  aber  versichert,  dsss  mich  zum  Ausspruch  dieses  Gesuches 
durchaus  kein  Beweggrund  persönlicher  Eitelkeit  antreibt,  sondern  lediglich  die  eifer- 
süchtigste Sympathie  für  den  Ruhm  der  Kapelle,  deren  Leistungen  durch  das  Fort- 
bestehen einer  iusseren  grossen  Msngelhaftigkeit  jedenfalls  beeintrichtigt  werden. 
Wenn  ich  daher  diesen  Antrag  vorllofig  allein  stelle,  und  nicht  zuvor  die  Unter- 
stützung meines  Kollegen  dafür  nachgesucht  habe,  so  geschieht  dies,  weil  ich  die 
Angelegenheit  für  eilig  halte  und  dagegen  die  Erfehrung  gemacht  habe,  dass  unsere 
gemein schsftlichen  Schritte  gewöhnlich  an  einer  gewissen  Langsamkeit  leiden.* 

Dem  Jahre  1847  gehören  unter  den  uns  vorliegenden  Schriftstücken 
zwei  an,  welche  den  deutlichsten  Beweis  dafür  erbringen,  wie  sehr  der- 
selbe Mann,  der  gegenüber  den  wirklich  produktiven  Reform-  und  Ver- 
besseningsvorschlägen  Wagners  seine  amtliche  Würde  immer  nur  mehr  im 
blossen  Hinhalten  und  Erschweren  jeder  tiefer  eingreifenden  Massregel 
bekundete,  wie  um  durch  solche  rein  passive  Beweise  seiner  administrativen 
Selbständigkeit  zu  einem  verstärkten  Bewusstsein  seiner  Oberhoheit  zu 
gelangen,  —  sich  andererseits  durch  die  oberflächliche  Süffisance  eines 
Gutzkow  dirigieren  liess,  dessen  Eintritt  in  das  Dresdener  Hoftheater- 
personal (als  .Dramaturg',  seit  Beginn  des  genannten  Jahres)  alsbald  zu 
neuen  Reibungen  und  Gegensätzen  Anlass  gab.  So  hat  denn  der  nächste 
in  der  Reihe  Wagnerscher  Briefe  an  Lüttichau  von  Anfang  bis  zu  Ende 
eigentlich  nur  die  Übergriffe  dieses  Mannes  zum  Gegenstand,  gegen  dessen 
Willkür  sich  die  GeQeraldirektion  in  ihrer  Schwäche  und  Nachgiebigkeit 
die  ärgsten  Blossen  gab.    Eine  Reihe  von  Artikeln  Gutzkows  in  der  Brock- 


156 
DIE  MUSIK  V.  21. 


hausschen  «Deutschen  Allgemeinen  Zeitung',  in  welcher  dieser  als  sein 
eigener  Advokat,  nämlich  als  öffentlicher  Beurteiler  eben  desselben  In- 
stitutes auftrat,  an  dem  er  als  Angestellter  funktionierte,  gab  zu  diesem 
Schreiben  die  nächste  Veranlassung.  Es  ist  vom  0.  Juli  1847  datiert,  und 
bisher  ebenfalls  unveröffentlicht. 

Rlehard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelkerrn  Ton  Lflttiehan  (Xi),  9.  Joli   1847. 

«Ew.  Excellenz 

muM  ich  leider,  so  listig  meine  Briefe  fallen  mögen,  nochmals  mit  einer  schriftlichen 
Mitteilung  heimsuchen. 

Meine  Stellung  zur  Oper  des  Königl.  Hoftheaters  hat  mich  zu  verschiedenen 
Malen  mit  erneutem  Kummer  erf&llen  müssen;  die  wiederholt  von  mir  erkannte 
Unmöglichkeit,  unter  den  bestandenen  Verhältnissen  und  bei  der  Konkurrenz  gleich 
berechtigter  Mitsprecher  das  mir  zweckmässig  Erscheinende  zur  Ausf&hrung  gebracht 
zu  sehen,  hat  mich  oft  entmutigt  und  meinen  angeborenen  Eifer  geschwächt:  —  ich 
habe  in  solchen  Stimmungen  oft  schon  erwogen,  auf  welche  Weise  es  möglich  sein 
durfte,  mich  auch  meiner  Stellung  nach  aller  Verantwortlichkeit  für  einen  Geschäfts- 
gang zu  entziehen,  in  welchem  ich  von  verschiedenen  Seiten  als  lebhaft  mitwirkend 
gedacht  werde,  und  deshalb  Meinungen  und  Ansichten  ausgesetzt  bin,  die  mich  um 
so  peinlicher  berühren,  je  höher  irrigerweise  mein  Einfluss  angeschlagen  wird. 

Wie  wenig  entscheidend  ]edoch  meine  Stimme  ist,  weiss  unter  Anderen  gewiss 
auch  Herr  Dr.  Gutzkow  sehr  genau:  —  desto  unverschämter  ist  das  Benehmen, 
welches  dieser  jetzt  eingeschlagen  hat.  Ew.  Excellenz  mache  ich  daher  zunächst  auf 
die  seit  kurzem  in  der  Deutschen  Allgemeinen  Zeitung  erschienenen  theatralischen 
Berichte  aus  Dresden  aufmerksam.  —  Wenn  an  und  für  sich  der  Gedanke  demütigend 
war,  dass  ein  Mann,  der  vor  nicht  sehr  lange  eben  nur  Journalist  gewesen,  sich  seit 
dem  flüchtig  mit  dem  Theater  (...)  bekannt  gemacht,  noch  nirgends  aber  betätigt  hat, 
dass  er  von  der  Sache  in  Wahrheit  etwas  verstehe,  —  plötzlich  die  höchste  technische, 
und  fast  selbst  administrative  Gewalt  über  eine  Anstalt  erhielt,  die  vorher  bereits 
schöne  Blüten  getrieben  hatte,  so  blieb  ich  doch  ohne  Grund  mich  im  Interesse  der 
Oper  persönlich  zu  beklagen,  solange  ich  annehmen  durfte,  seine  Instruktionen  er- 
streckten sich  zunächst  nur  auf  das  Schauspiel.  Nahm  ich  aber  nun  wahr,  wie  dieser 
Mann  in  der  kürzesten  Zeit  es  dabin  brachte,  dass  er  seiner  abgeschmackten  und 
die  höchste  Unkenntnis  verratenden  Anordnungen  und  Prätensionen  wegen  von  dem 
sämtlichen  Schauspielerpersonal  bereits  verlacht  und  verachtet  wird,  so  konnte  es 
mir  nicht  gleichgültig  bleiben,  zugleich  zu  erfahren,  dass  derselbe  auch  der  Opern- 
verwaltung vorstehen  sollte.  Diese  Erfahrung  war  es,  die  mich  im  Anfange  dieses 
Jahres  zunächst  von  Ew.  Excellenz  entfernt  hielt:  ich  leugnete  bereits  nicht,  dass 
dies  aus  Verdniss  geschah.  Was  übrigens  in  dieser  Zeit  zutage  kam,  wissen 
Ew.  Exoellenz:  Hm.  Gutzkows  Leistung  war  gewissermassen  Die  Musketiere  der 
Königin,  —  die  meinige:  Iphigenia  in  Aulis.  —  Diese  Beteiligungen  des  Drama- 
turgen an  den  Opemangelegenheiten  erreichen  endlich  aber  den  höchsten  Grad  — 
ich  kann  nicht  anders  sagen  —  unverschämter  Lästigkeit  seit  dessen  Berichten  in 
der  genannten  Zeitung;  denn  dass  diese  Berichte  von  ihm  direkt  herrühren,  wird 
ihm  hoffentlich  nicht  einfallen  zu  leugnen,  widrigenfalls  es  ihm  bewiesen  werden 
könnte.  Ew.  Excellenz  erkennen  daraus  den  Mann,  wie  er  ist,  und  wie  er  Leuten, 
die  ihn  früher  kannten,  bereits  zur  Genüge  erschienen  war:  ein  Zeitungsehreiber, 


157 

GLASENAPP:  VAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


ein  Ctiquenmacher,  dem  et  im  vorliegenden  Falle  nachznkonttruieren  iat,  data  ea 
ihm  Iceineawega  an  dem  Gedeihen  unaerer  Oper,  aondem  nur  an  der  Begründung 
aeiner  Macht  über  Allea  liegt,  indem  er  auch  die  Oper  mit  Peraonen  zu  beaetzen 
wünacht,  die  zu  aeiner  Clique  gehören.  —  Die  Art  und  Weiae,  wie  er  ea  veraucht 
Ew.  Ezcellenz  durch  Zeitungachreibereien  und  allerhand  aonatige  Machinationen  zum 
Engagement  der  Mad.  Kücbenmeiater  zu  zwingen,  iat  meinea  Erachtena  dem  Inatitute 
und  zumal  Ew.  Ezcellenz  gegenüber  ao  kompromittierend,  daaa  ea  mir  —  aufrichtig 
geaagt  —  unbegreiflich  eracheinen  würde,  wenn  dieaer  Mann  nicht  zur  atrengaten 
Rechtfertigung  gezogen  werden  aollte,  da  ich  mich  nicht  erwehren  kann  zu  glauben, 
aie  müaae  ihm  eigentlich  aeine  Stellung  koaten,  —  zum  mindeaten  weiaa  ich,  daaa 
ein  Miniater  einen  Beamten  entlaaaen  würde,  der  aich  ein  gleichea  Vergehen  zu 
Schulden  kommen  lieaae.*  . . . 

Angesichts  der  völligen  Haltlosigkeit  Lüttichaus  gegen  Gutzkow,  der 
ihm  durch  seine  Dreistigkeit  imponierte,  war  es  wahrlich  kein  geringes 
Verdienst,  dass  sich  der  junge  Meister  zu  diesem  orientierenden  Nachweis 
herbeiliess.  «Unsere  Oper  ist  nur  der  Spielball  einer  Partei",  Hessen  sich 
auch  die  Leipziger  Signale  (21.  Juli)  bereits  vernehmen,  «und  wer  eigent- 
lich Intendant  ist,  scheint  bald  unklar  zu  werden  .  •  .  Eben  gastiert 
Mme.  Küchenmeister,  von  Gutzkow  (in  der  AUg.  Zeitung)  als  Sängerin 
ersten  Ranges  empfohlen.  Möge  Apollo  Herrn  Gutzkow  nicht  strafen  I 
Die  Stimme  der  Fr.  Küchenmeister  ist  zwar  dramatisch  belebt,  aber"  etc. 
Wohlerfahren  in  der  Benützung  aller  sich  ihm  darbietenden  Konjunkturen 
und  nichts  verschmähend,  um  zu  seinem  Ziele  zu  gelangen,  hatte  sich  in- 
dessen Gutzkow  durch  seinen  Freund,  den  Journalisten  Küchenmeister  und 
Gemahl  der  genannten  Sängerin,  nun  auch  noch  mit  dem  Dresdener  Kritiker 
und  Journalisten  Karl  Banck  ins  Einvernehmen  zu  setzen  gewusst,  um  in 
bald  feinerer,  bald  gröberer  Tonart,  übereinstimmend  und  unverhohlen  es 
auszusprengen:  wenn  die  Sängerin  in  Dresden  nicht  angesprochen  habe,  so 
sei  dies  die  Schuld  der  musikalischen  Direktion  gewesen,  weil  Kapellmeister 
Wagner  seiner  Nichte  Johanna  Wagner  zuliebe  die  gastierende  Sängerin 
.schikaniert*  habel  .Gegen  Niederträchtigkeiten  dieser  Art*,  flbrt  daher 
Wagner  in  seinem  Schreiben  an  Lüttichau  fort,  „kann  mich  mein  Gewissen 
allein  nicht  schützen,  sondern  ich  muss  meiner  Ehre  zulieb  auf  einer 
dezidierten  Genugtuung  bestehen.* 

«Dieaer  böae  Geiat,  der  durch  Cliquenwesen  und  Verdichtigungaumtriebe  alles 
ndtige  gegenaeitige  Vertrauen  vernichtet  und  unaer  Inatitut  einer  aicheren  moraliachen 
Auflöaung  zuführt,  kann  niemand  mehr  bekümmern  ala  mich,  der  lieb]  offen,  warm 
und  begeiatert  einem  höchaten  Ziele  zuatrebe,  und  der  ich  ohnedem  achon  ao  oft  zu 
bedauern  habe,  miaaveratanden  und  mit  üblem  Vertrauen  belohnt  zu  werden.  Mein 
Schmerz,  unter  aolchen  Umatlnden  zu  immer  grOaaerer  Unluat  und  daraua  erfolgen- 
der Untätigkeit  mich  verwieaen  zu  aehen  . . .,  iat  ao  groaa  und  aufrichtig,  daaa  ich 
bei  glücklicheren  iuaaeren  Verhältoiaaen  ohne  Zweifel  achon  Se.  Majeatät  um  meine 
gänzliche  Entlaaaung  eraucht  haben  würde.  Gegenwärtig,  wo  von  allen  Seiten  auf 
mich  und  meine  aehr  unrichtig  gedeutete  Einwirkung  hergezogen  wird,  und  nun  auch 


158 
DIE  MUSIK  V.  21. 


noch  inmitten  der  Administration  Leute  sitzen,  wie  dieser  traurige  Dramaturg,  dessen 
ganze  Gesinnung  und  Verfahrungsweise  mir  als  der  vollkommene  Gegensatz  zu  der 
Richtung  eracheint,  in  welcher  einzig  die  Gewogenheit  des  Königs  und  die  höhere 
Aufmerksamkeit  des  Publikums  dem  Institute  neu  zu  gewinnen  oder  zu  erhalten  is^ 

—  gegenwtrtigy  sage  ich,  ersShe  ich  gar  kein  anderes  Mittel  innerer  und  äusserer 
Genugtuung  als  das  meiner  Entlassung  ...  und  würden  es  Ew.  Excellenz  nicht  für 
gut  und  zweckmissig  halten,  Hrn.  Gutzkow  offiziell  von  aller  Einmischung  in  die 
Angelegenheiten  der  Oper,  und  zumsl  auch  von  unseren  Opern-Konferenzen  zu  ent- 
fernen, und  könnten  sich  endlich  Ew.  Excellenz  nicht  entschliessen,  mir  die  Leitung 
der  Oper  . . .  rückhaltsloser  zu  übertragen,  als  dies  bisher  der  Fall  war,  wo  ich  fast 
bei  jeder  meiner  Ansichten  und  jedem  meiner  Anträge  auf  mehr  oder  minder  lihmende 
und  enchlaffende  Entgegnung  und  Abweisung  stossen  musste,  —  so  bin  ich  fest  ent- 
schlossen, der  Weisheit  Sr.  Majestit  des  Königs  das  Ermessen  zu  übergeben,  inwiefern 
und  auf  welche  Weise  meine  an  den  Tag  gelegten  Ffthigkeiten  als  dramatischer  Kom- 
ponist und  Dirigent  guter  Musiken  im  Dienste  Sr.  Majestit  so  zu  verwenden  wiren, 
dass  mir  dafür  ein  Honorar  zugestanden  werden  könnte,  welches  hinreiche  meine 
eingegangenen  Verbindlichkeiten  gegen  den  Pensionsfonds  zunichst  zu  sichern,  mir 
aber  keine  amtlichen  Beziehungen  und  Pflichten  in  betreff  der  Opern- 
angelegenheiten aufbürde"  etc. 

Ew.  Excellenz  wiederholten  Beweise  grösster,  fast  unverdienter  penönlicher 
Geneigtheit  und  wahrhaft  freundlicher  Gesinnung  sind  jederzeit  von  mir  mit  so  ge- 
rührter und  dankbarer  Einsicht  aufgenommen  i^orden,  dass  ich  kaum  nötig  zu  haben 
glaube,  mich  gegen  den  Verdacht  zu  wehren,  als  wolle  ich  mir  einfkllen  lassen,  hier^ 
mit  die  abgeschmackte  Rolle  eines. Drohenden  zu  spielen;  —  alle  meine  Empfindungen 
sind  so  wahrhaft  und  stark,  die  Triebfedern  meines  Handelns  so  weit  entfernt  von 
allem  kleinlichen  Eigennutz,  dass  ich  gegen  einen  solchen  Vorwurf  mich  sicher  fühle. 

—  Lieber  überlasse  Ich  mich  aber  nackt  und  schutzlos  der  Fürsorge 
Gottes  allein,  als  dass  ich  linger  in  einem  Verhiltnisse  Schutz  suche, 
in  dem  mein  Gewissen  und  meine  Ehre  zugleich  ferner  beunruhigt 
werden  sollten.*^) 

Es  war  weit  gekommen  in  dem  anfangs  so  vielversprechenden  Ver- 
hältnis, wenn  nicht  allein  sämtliche  positiven  Reformvorschläge  Wagners 
im  Lauf  dieser  fünf  Jahre  seines  Dresdener  Amtsverhältnisses  konsequent 
vertagt  und  dann  stillschweigend  beiseite  gesetzt,  sondern  ihm  schliesslich 
noch  ein  Intrigant  wie  Gutzkow  ungestraft  in  den  offiziellen  Kreis  seiner 
Tätigkeit  hineinpfuschen  durfte,  ohne  dass  er  imstande  gewesen  wäre,  sich 
seiner  zu  erwehren.  Als  nun  Lüttichau  auch  auf  den  vorstehenden  Brief 
hin  nicht  Miene  machte,  seinen  zudringlichen  Ratgeber  abzuschütteln,  blieb 
nichts  übrig  als  der  völlige  Bruch. 


^)  Die  Hervorhebung  im  Druck  rührt  nicht  von  Wagner  her. 

Schluss  folgt 


b  man  in  Salzburg  auch  seines  schlichten  einbeimischen  Meisters 
gedenken  wird,  wenn  man  sieb  anschickt,  im  August  des  Grossen 
Andenken  zu  feiern,  der  wohl  in  den  Mauern  der  Salzachstadt 
geboren  wurde,  im  übrigen  aber  sieb  erst  auswacbsen  konnte, 
nachdem  er  sich  davon  überzeugt  hatte,  doss  unterm  Krummstab  nicht 
immer  gut  zu  wohnen  sei,  und  dass  die  Atmosphäre  daselbst  für  ihn  etwas 
Bedrückendes  haben  musste?  Ob  man  einen  Kantus  zu  Ehren  Michael 
Haydns  steigen  lassen,  seinem  Gedächtnis  einen  Schoppen  im  Haydn- 
Stübchen  des  kühlen  Peterskellers  weihen  wird?  Verdient  hatte  es  der 
brave  Mann  schon  um  der  Anhänglichkeit  willen,  die  er  der  freundlichen 
Stadt  und  dem  Freundeskreise,  den  -  er  dort  gefunden,  bewies  und  zwar 
nicht  immer  ganz  leichten  Herzens  bewies.  Bisweilen  nimllch  mag  es 
auch  in  dem  .ruhigen,  klaren  Geist",  den  Schubert  dem  .guten  Haydn" 
nachrühmt,  rebelliert  haben  darob,  dass  er  doch  eigentlich  künstlerisch 
kalt  gestellt  war  in  seinem  Salzburg.  .Gebt  mir  Texte,*  heisst  es,  habe 
er  oft  gesagt,  .und  verschafft  mir  die  ermunternde  ßrstliche  Hand,  wie 
sie  über  meinem  Bruder  waltet,  und  ich  will  nicht  hinter  ihm  bleiben." 
Er  würde  richtiger  noch  gesprochen  haben,  wenn  er  den  Stosseufzer  ein- 
fach dahin  modifiziert  hätte:  .lasst  mich  nur  nicht  hier  in  Salzburg  geistig 
verkümmern,  das  andere  wird  sich  finden  I*  Führen  wir  den  Gedanken 
weiter  aus.  Hätte  sich  der  Lebensweg  Michaels  vielleicht  auch  nicht  so 
geglittet  wie  der  seines  genialen  Bruders,  der  einen  Bnanziellen  Notstand 
nur  In  den  Jahren  kannte,  die  zwischen  dem  Verlassen  des  Kapellhauses 
bei  St.  Stephan  und  seiner  Aufnahme  in  die  Kapelle  des  Grafen  Morzin 
liegen,  .durchgesetzt"  hätte  ersieh  schon;  denn  er  war  von  echtem  Schrot 
und  Korn  und  —  er  konnte  etwasi  Wie  dann  der  Fall  eintrat,  dass  man 
an  Michael  Haydn  von  Wien  aus  sich  wandte,  Salzburg  zu  verlassen,  da 
war  es  jedenfalls  zu  spät.  Der  Meister  war  ein  alternder  Mann.  Und 
wenn  er  gar  meinte,  eine  würdige  Forlsetzung  der  .Schöpfung*  seines 
Bruders  —  noch  dazu  auf  den  Text  eines  Lobbauerl  —  haben  schreiben 
zu  können,  so  ersieht  man  nur,  dass  er  sich  doch  über  sich  selber  täuschte. 
Auch  bei  Joseph  wäre,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  der  Knoten  nicht  in  dem 


160 
-  DIE  MUSIK  V.  21. 


Masse  gerissen,  wenn  er  nicht  den  Lockungen  Salomons  nach  London  ge- 
folgt wäre.  Mit  seinem  „etwas  vom  Philister*  hatte  er  sich  jedenfalls  in 
Esterhaz  ähnlich  eingesponnen  wie  Michael  in  Salzburg.  Doch  wozu  sich 
schliesslich  mit  „ Wenns*  und  »Abers'  herumschlagen.  Nehmen  wir  unsem 
Michael  Haydn  aufs  Korn,  wie  er  ist,  sehen  wir,  was  dann  an  ihm  bleibt. 
Ohne  Zweifel,  er  hat  den  Besten  seiner  Zeit  genug  getan,  sein  Bruder 
und  Meister  Wolfgang  Amadeus  waren  seine  besonderen  Schätzer.  So  hat 
er  schon  gelebt  für  alle  Zeiten,  nach  dem  bekannten  Dichterworte.  Ja, 
Mozart,  das  lässt  sich  nachweisen,  dankt  ihm  sogar  sehr  viel.  Wir  wissen 
ja  doch,  dass  auch  die  Grössten  nicht  alles  aus  sich  selbst  haben,  dass 
sie  der  Anregungen  von  aussen,  auch  gleichsam  der  Stimulantia  bedurften, 
und  erinnern  nur  einmal  daran,  wie  z.  B.  ein  Beethoven  es  sich  nicht 
selten  direkt  vornahm,  mit  Mozart  zu  wetteifern,  ihn  zu  fibertreifen.  Wir 
machen  dabei  u.  a.  nur  auf  die  Entstehung  des  Es-dur  Quintetts  op.  16  für 
Klavier,  Oboe,  Klarinette,  Hom  und  Fagott  (vom  Jahre  1797)  aufmerksam 
und  auf  einen  Vergleich  dieses  Werkes  mit  dem  gleichartigen  Mozarts  vom 
Jahre  1784.  In  ähnlicher  Weise  wirkte  ganz  offenbar  auch  im  vorliegenden 
Falle  der  ältere  auf  den  jüngeren  Meister  ein.  Um  einige  leicht  kontrollier- 
bare Proben  anzufahren,  verweist  der  Schreiber  dieser  Zeilen  den  Leser 
auf  sein  im  Verlag  von  Breitkopf  &  Härtel  erschienenes  Michael  Haydn- 
Album  (V.  A.  1498)  für  Klavier.  Er  schaue  sich  die  dort  bekannt  ge- 
gebenen Bruchstücke  aus  jenem  Requiem  (c-moll)  an,  das  Michael  Haydn 
im  Jahre  1771  »pro  celsissimo  principe  di  Schrattenbach'  schrieb,  d.  h. 
zum  Gedächtnis  des  am  16.  Dezember  gedachten  Jahres  verstorbenen  Erz- 
bischofs Sigismund.  Wie  Mozartisch  klingt  uns  das  an!  Dann  betrachte 
er  das  Fugato-Finale  der  dreisätzigen  C-dur  Symphonie  vom  Jahre  1784 
und  stelle  es  in  Vergleich  mit  dem  »Jupiter "-Finale.  Wie  »Verheissung 
zu  Erfüllung"  verhalten  sich  die  beiden  Sätze  zueinander,  gewiss,  aber 
unverkennbar  ist  es  doch,  dass  hier  der  jüngere  Meister  von  dem  älteren 
Anregungen  empBng.  Und  dass  solche  von  Michael  Haydn  auf  Mozart 
stattfanden  und  stattfinden  mussten,  wird  ja  übrigens  auch  selbst  von 
Skeptikern  kaum  in  Abrede  zu  stellen  sein,  wenn  man  sie  auf  Mozarts 
Briefwechsel  mit  seinem  Vater  verweist.  Was  schrieb  sich  nur  der  jüngere 
Meister  alles  zu  Studienzwecken  an  Werken  des  Salzburger  Kollegen  ab! 
Kleinere  Reminiszenzen,  wie  sie  uns  da  und  dort  in  einzelnen  melodiösen 
Phrasen  und  Wendungen  aufstossen  —  man  vergleiche  die  Anfangstakte 
des  im  obengedachten  Klavier-Album  mitgeteilten  Menuetts  aus  einem  C-dur 
Streichquintett  mit  denen  des  Terzetts  .0  selige  Wonne*  (Köchel-Verz.  344) 
aus  Mozarts  .Zaide*  —  könnte  man  dabei  auch  leicht  in  grösserer  Zahl 
monieren,  womit  selbstverständlich  nicht  gesagt  sein  soll,  dass  ein  Mozart 
»Anleihen*  zu  machen  nötig  gehabt  hätte.     Nur  zugunsten  unseres  Meisters 


164 
SCHMID:  JOHANN  MICHAEL  HAYDN 


soll  es  angeführt  werden,  dass  er  sein  Scherflein  redlich  beisteuerte,  um 
seine  Zeit  als  eine  beispiellos  produktive  erscheinen  zu  lassen,  und  wenn 
es  ihm  auch  nicht  beschieden  war,  ein  «leuchtendes  Licht'  zu  werden, 
so  war  er  immerhin,  als  ein  Mitstrebender  und  zugleich  ein  Pfadebner 
der  Grossen  seiner  Kunst,  auch  ein  Lichtbringer. 

Wir  wollen  nun  an  dieser  Stelle  weder  ein  trockenes  curriculum  vitae 
Michael  Haydns  bringen,  noch  uns  eingehender  fiber  sein  Schaffen  ver- 
breiten. Es  genfigt,  wenn  wir  als  kennzeichnendes  Moment  anfuhren,  dass 
eben  die  starke  persönliche  Note,  der  «Charakter*  dem  letzteren  abgeht, 
jder  sich  nur  im  «Strom  der  Welt'  gewinnen  lässt.  Der  Melodik,  der 
Orchestration  usw.  gebricht  es  an  jener  Intensität  und  überzeugenden 
Kraft  des  Ausdrucks,  die  ein  kräftig  pulsierendes  Temperament  zutage 
fördert.  Mit  andern  Worten:  die  Werke  des  Meisters  haben  gewisser- 
massen  etwas  Unpersönliches  an  sich.  Aber  —  seltsamer  Ausgleich  — 
gerade  dieses  Manko  der  Muse  Michael  Haydns  wurde  auf  einem  Gebiete 
als  ein  Vorzug  empfunden:  auf  dem  der  Kirchenmusik.  Hier  gilt  noch 
heute  in  den  deutsch-österreichischen  Landen  unser  Meister  vielfach  als 
bedeutendster  nationaler  Kirchenkomponist.  Joseph  Haydns  Frömmigkeit 
gab  sich  schon  seinen  Zeitgenossen  oft  zu  «lustig"  kund,  wie  vielmehr  der 
Gegenwart.  Mozart  zählt  überhaupt  mit  nur  wenigen  Werken  voll,  da  die 
Mehrzahl  seiner  kirchenmusikalischen  Schöpfungen  seiner  Jugendzeit  ent- 
stammen. Gerade  seine  bedeutendste  Kundgebung  aber,  sein  Requiem, 
atmet  ein  so  subjektives  Fühlen,  dass  es  trotz  aller  «Frömmigkeit*  von 
jeher  als  nicht  übereinstimmend  mit  den  Satzungen  strenger  «Kirchlichkeit" 
befunden  wurde.  Noch  weniger  natürlich  war  Beethoven,  der  «Gottsucher", 
ein  Kirchenkomponist  im  orthodoxen  Sinne.  Als  solcher  konnte  schliesslich 
einzig  Michael  Haydn  gelten,  der  sich  auch  in  den  Äusserlichkeiten  einige 
Reserve  auferlegte,  das  Orchester  in  seinen  grösseren  Kirchenwerken, 
Messen,  Litaneien  usw.  massvoll  und  stets  begleitend,  nie  konzertierend 
verwendete  und  für  die  Solostimmen  gleichfalls  nicht  allzu  opemhaft  brillant 
schrieb,  dabei  doch  immer  aber  in  seinen  Hauptwerken  eine  gewisse  Potenz 
verriet,  die  sie  weit  über  die  gewöhnlichen  «Landmessen"  erhob.  Was 
das  geistige  Moment  anlangt,  so  war  selbstverständlich  auch  Michael  Haydn 
vollständig  ein  Kind  seiner  Zeit.  Sein  Glaube  war  ein  durchaus  rationa- 
listischer, und  zwar  etwa  im  Sinne  desjenigen,  den  ein  Graun  in  seinem 
«Tod  Jesu"  bekennt.  Ebensowenig  wie  bei  diesem  wird  in  Michael  Haydns 
Kirchen  werken,  mit  Brendel  zu  sprechen,  «der  Hörer  über  sich  selbst 
hinausgeführt,  im  Gegenteil  findet  er  sich  selbst  und  sein  alltägliches 
Empfinden  wieder".  Kurz,  Michael  Haydn  ist  so  recht  ein  Komponist  des 
Aufklärungszeitalters  in  seinen  kirchlichen  Schöpfungen,  aber  sein  liebe- 

und  verständnisvolles  Eingehen  auf  die  Texte,  die  ihm  vorlagen  —  es  wird 
V.  21.  12 


162 
DIE  MUSIK  V.  ZU 


erzählt,  er  habe  sich  stets  erst  mit  einem  geistlichen  Freund  über  deren 
Auslegung  beraten,  bevor  er  sich  an  die  Komposition  machte  —  zeitigte 
doch  manche  ganz  köstliche  .Frucht,  und  zwar  vornehmlich  dort,  wo  es 
sich  um  die  kleineren  Formen  der  Gradualien,  Otfertorien,  Responsorien  usw. 
handelt.  Aus  der  Zahl  der  letzteren,  speziell  der  für  die  Karwoche  be- 
stimmten,  kennt  man  ja  allgemein  noch  das  schöne  «Tenebrae  factae'  für 
vierstimmigen  gemischten  Chor«  Kirchenchorleiter  seien  aber  darauf  hin^ 
gewiesen,  dass  ihm  durchaus  gleichwertig  die  Passionsgesänge  sind,  die 
Schreiber  dieser  Zeilen  aus  Michael  Haydns  Responsorien  auswählte  und 
im  Verlag  von  Hermann  Beyer  &  Söhne  in  Langensalza  veröffentlichte. 
Das  »Caligaverunt  oculi  mei"  beispielsweise  ist  ein  Gesang  von  unleugbar 
grosser  und  schöner  Wirkung.  Und  so  gibt  es  auch  unter  den  Gradualien 
und  Offertorien  noch  manche  Nummer,  die  wohl  einer  Reaktivierung  wert 
sein  würde,  sonderlich  auch  für  die  evangelische  Kirche,  die  in  Stadt  und 
Land  Motetten  gebrauchen  kann,  die  auch  bei  beschränkteren  Chorverhält-*^ 
nissen  ausführbar  sind.  Dem  Geiste  seiner  Zeit  trug  nun  Michael  Haydn 
auch  insofern  Rechnung,  als  er  eine  ziemliche  Anzahl  von  Kirchengesängen 
in  deutscher  Sprache  schrieb. 

Es  waren  ja  die  Tage,  in  denen  sich  auch  der  katholische  Klerus 
in  den  österreichischen  Landen  ehrlich  zum  Deutschtum  bekannte  und  in 
denen  daselbst  sogar  deutsche  Gesangbücher  erschienen.  Was  Michael 
nun  da  komponierte  —  er  gab  selber  Melodieen  für  solche  Salzburg-Gesang-« 
bücher  heraus  —  das  will  uns  jetzt  zumeist  nur  noch  wenig  behagen.. 
Selbst  das  ihm  zugeschriebene,  in  ganz  Österreich  als  .Militär-  oder  Feld- 
messe* gesungene  «Hier  liegt  vor  deiner  Majestät"  u.  a.  klingt  uns  in 
seiner  Melodik  etwas  „leierig*.  Aber  als  mildernden  Umstand  für  ihn 
wird  man  da  gelten  lassen  müssen,  dass  auch  die  Texte  zumeist  wenig 
dazu  angetan  waren,  seiner  Phantasie  höheren  Schwung  zu  verleihen.  Also 
der  Ausspruch  Michaels:  »Gebt  mir  Texte*  hat  schon  auch  wörtlich  ge^ 
nommen  seine  Berechtigung.  Und  das  erkennt  man  übrigens  zugleich^ 
wenn  man  die  Lieder  und  Quartettgesänge  des  Meisters  ansieht.  Von  den 
ersteren  findet  man  zwei  im  Deutschen  Lieder- Verlag  von  Breitkopf  &  Härtel 
erschienen,  typischer  Rokoko.  Von  den  anderen  veröffentlichte  der  Schreiber 
dieser  Zeilen  im  gleichen  Verlag  eine  Auswahl.  Auf  diese  Gesänge 
aber  möchte  man  angesichts  des  Gedenktags,  der  die  Veranlassung  zu 
diesem  Artikel  wurde,  doch  gerade  besonders  das  Augenmerk  lenken. 
Einmal  legen  sie,  was  man  auch  an  den  Poesieen  auszusetzen  haben  mag,. 
Zeugnis  davon  ab,  wie  gut  deutsch  man  im  stillen  Salzburg  dachte  und 
fühlte,  und  das  in  der  Zeit,  in  der  das  Deutschtum  politisch  seinen  tiefsten 
Stand  erlebte.  Dann  sind  sie  aber  auch  noch  um  deswillen  nicht  gering 
zu   bewerten,   weil   man  in  ihnen  die  ersten  unbegleiteten  Männer«^ 


163 
SCHMID:  JOHANN  MICHAEL  HAYDN 


quartette  vor  sich  hau  Im  .Haydn'-Stfibchen  des  Salzburger  Peters- 
kellers oder  draussen  im  Garten  zu  Armsdorf  beim  Pfarrer  Rettensteiner, 
dem  Intimus  Michael  Haydns,  stand  im  Rahmen  einer  feuchtfröhlichen 
Geselligkeit  die  Wiege  dieser  echt  deutschen  vierstimmiggesetzten  Lieder» 
wie  wir  sie  einmal  nennen  wollen  —  der  erste  Tenor  ist  zumeist  allein 
der  Melodieführer,  die  andern  Stimmen  vervollständigen  nur  die  Harmonie  — 
und  sie  singen  uns,  wenn  auch  auf  mangelhafte  Worte,  doch  von  allem, 
was  immer  nur  eine  deutsche  Brust  erfüllen  mag.  Da  wird  auf  immer 
neue  Weisen  das  Lob  des  Weins,  auch  das  des  Bieres  übrigens,  verkündet, 
da  wird  die  Schönheit  der  Natur,  die  Freude  am  Landleben  u.  a«  m,  in 
Tönen  gefeiert.  Aber  auch  des  bedrohten  Vaterlandes  und  der  Freiheit 
wird  gedacht.  Ein  Kantus  steigt  auf  «Erzherzog  Karl",  ein  andrer  beklagt 
das  «Fällen  der  Freiheitsbäume  in  der  Schweiz* ,  d,  h.  die  Begründung  der 
sogenannten  «Helvetischen  Republik"  seitens  der  französischen  Machthaber. 
An  die  kriegerischen  Zeiten  mahnen  ferner  allerhand  «Invaliden'-Gesänge^) 
u.  a.  m.  Kurz,  es  spiegelt  sich  auch  ein  Stücklein  Zeitgeschichte  in  ihnen 
wider,  nur  eben,  wie  es  nicht  anders  sein  konnte,  von  einem  etwas  klein- 
bürgerlichen Standpunkt  aus  angesehen,  und  das  schliesslich  textlich  wie 
musikalisch;  denn  Michael  Haydn  hatte  sich  eben  den  Verhältnissen  an- 
gepasst,  in  denen  er  alt  geworden.  Aber  rechten  wir  mit  dem  Geschick 
nicht  darob,  dass  es  diesem  «zweiten  Haydn"  einen  Lebensweg  versagte, 
der  das  «'was  vom  Philister",  das  ihm  wie  seinem  erfolgreicheren  Bruder 
anhaftete,  etwas  mehr  zurückgedrängt  hätte.  Es  kann  eben  nicht  lauter 
«führende  Geister"  geben.  Zählen  wir  Michael  Haydn  zu  denen,  die  erst 
der  künstlerischen  Betätigung,  dann  dem  Verständnis  unsrer  klassischen 
Meister,  vornehmlich  in  süddeutschen  Landen,  vorarbeiteten,  dann  dünkt 
uns  das  schon  genug,  ihm  einen  Ehrenplatz  im  Tempel  deutscher  Kunst 
zu  sichern. 


^)  Siehe  die  Beilagen  dieses  Heftes. 


wVÜHklw. 


12' 


[hrend  es  fär  den  Muslkliebhaber  oder  Forscher  bei  vielen 
Komponisten  oft  recht  schwierig,  ja  sogar  mitunter  unmögllcb 
ist,  sieb  über  einzelne,  weniger  bekannte  Kompositionen  zu 
orientleren,  ist  dies  bei  Mozart,  dank  der  unvergleichlich  gründ- 
lichen und  ausführlichen  Werke  von  Jahn  und  Köchel,  ein  leichtes. 

Wer  sich  für  ein  spezielles  Opus  von  Mozart  interessiert,  hat  sich 
nur  der  Mühe  zu  unterziehen,  Kdchels  thematisches  Verzeichnis  aufzu- 
schlagen und  wird  hier  in  wohltuender  Klarheit  und  Knappheit  alles 
Wissenswerte  sowie  die  nStigen  Hinweise  auf  die  ausführlichere  Biographie 
Jahns  finden. 

Leider  enthält  das  Verzeichnis  KScbels  auch  gar  manche  Nummer, 
zu  der  nur  ein  .Unbekannt"  gesetzt  werden  konnte,  und  unerseizliche  Ver- 
luste mögen  es  manchmal  sein,  die  die  Musikliteratur  betroffen  haben. 
Von  vielen  der  febleoden  Werke  kennen  wir  indessen  die  ersten  Takte 
oder  Anhngsworte  aus  dem  bekannten  thematischen  Verzeichnis,  in  das 
Mozart  vom  Jahre  1784  ab  bis  kurz  vor  seinem  Tode  die  Anfangstakte 
eines  jeden  Opus  chronologisch  und  jeweils  mit  genauem  Datum  eigen- 
händig eintrug.  Bekanntlich  besitzt  die  Familie  ARdr£  in  Offenbach-Frank- 
furt noch  beute  dies  kostbare  Autograph,  das  zweimal  (1805  und  1828) 
im  Druck  veröffentlicht  wurde. 

In  diesem  authentischen  Verzeichnis  beßndet  sich  unter  No.  04 
folgende  Eintragung: 

1788,  den  II.  AuEust, 

Ein  Lied  .Beym  Auszug  in  das  Feld' 


Köchel  hat  das  Lied  anter  No.  552  in  sein  Verzeichnis  aufgenommen 


HIRSCH:  UNBEKANNTES  LIED  VON  MOZART 

and  dazu  bemerkt:  »Autograpli,  Ausgaben,  Abschriften  unbekannt.'  In 
der  neuesten  Ausgabe  des  Köchelscben  Verzeichnisses,  die  1905  erscblenen 
ist,  hat  sich  hieran  nichts  geändert. 

Otto  Jabn  schreibt  über  das  Lied  (I.  Ausgabe  III,  S.  288  Anm.  28), 
dass  es  vermutlich  ebenso  wie  das  Lied  .Ich  mSchte  wohl  der  Kaiser  sein" 
(KÖchel  530)  mit  Bezug  auf  den  eben  begonnenen  Türkenkrieg  geschrieben 
sei;  auch  Jahn  halte  nichts  Näheres  darüber  ausfindig  machen  können. 

In  einem  Konvolut  alter  Noten  und  Handschriften  aus  dem  Besitze 
des  vor  etwa  45  Jahren  verstorbenen  Prager  Bürgermeisters  Wenzel  Vanka 
fand  sich  nun  vor  kurzem  das  hier  mitgeteilte*)  Blatt,  das  ich  von  der 
Prager  Antiquariatsfirma  Taussig  erworben  habe.  Die  Verfassung  des  Blattes 
scheint  darauf  hinzuweisen,  dass  es  aus  einem  Almanach  oder  einer  Zeit- 
schrift herausgerissen  ist  und  etwa  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts  gestochen 
wurde. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  es  sieb  um  einen  echten 
Abdruck  des  bisher  verschollenen  Mozartschen  Liedes  .Beim  Auszug  in 
dos  Feld-  handelt. 

Das  Lied  ist  augenscheinlich,  wie  Jahn  schon  annahm,  eine  Ce- 
legenheits-Komposition ;  es  ist  gewiss  kein  hervorragendes  Verk  des 
Meisters,  aber  nichtsdestoweniger  muss  es  für  jeden  Freund  Mozarts  von 
Interesse  sein,  nicht  vum  Wenigsten  darum,  weil  es  am  Tage  nach  Voll- 
endung der  grossen  C-dur<Jupiter)-Symphonle  geschrieben  wurde.  Frisch 
und  volkstümlich  ist  Komposition  und  Text,  und  leicht  prägt  sich  die  Me- 
lodie dem  Gedächtnis  ein;  dabei  sind  einige  Wendungen  unverkennbar  echt 
mozartisch,  so  besonders  das  kurze  Nachspiel. 

Leider  ist  es  mir  nicht  gelungen  festzustellen,  wo  das  Lied  publiziert 
wurde,  auch  konnte  ich  zu  der  ersten  Strophe  des  Textes  nirgends  die 
Fortsetzung  finden;  vielleicht  trägt  diese  Veröffentlichung  dazu  bei,  hier 
Klarheit  zu  schaffen. 


■)  Siehe  die  Mmikbellage  iliei^>  Heftes. 


Is  dauerte  etva  zehn  Jthre,  bevor  sich  Clara  Schumann  wieder 

'  dem  Liede  zuwaodte.    Vom  10.  bis  22.  Juni  1853  komponierte 

\  sie  secbs  Gedichte  von  H.  Rollett,  die  als  op.  23  erschienen. 

I  Da  sich  diese   Lieder  in  ihrem  Stil  von  den  früheren  nicht 

wesentlich  unterscheiden,  können  wir  sie  gleich  hier  besprechen.    Vihrend 

der  Arbeit  daran  schrieb  die  Komponistin  die  schönen  Worte  In  ihr  Tagebuch: 

„El  geht  doch  nlcbti  iiber  dis  seibat  Produijeren,  und  w^re  et  nur  um  dieie 

Stunden  des  SelbitverceHeni,  wo  man  nur  noch  in  TSnea  atmeL" 

In  den  ersten  vier  Liedern  ist  gegen  früher  wohl  eine  sicherere,  ge- 
übtere Hand  zu  erkennen ;  denn  wenn  sie  anch  nicht  alle  auf  gleicher  Höhe 
stehen,  so  herrscht  in  ihnen  doch  eine  gewisse  Gldchmasslgkeit  des  Ge- 
lingens. Sehr  hübsch  und  anmutig  ist  No.  1.  Man  könnte  es  für  eine 
Komposition  von  Schumann  halten,  und  trotz  dieser  engen  Anlehnung  ist 
es  nicht  matt  oder  nnorlginelt.  Die  zweite  Melodiezeile  wird  zuerst  vom 
Klavier  allein  gebracht,  wie  ja  Schumann  derartige  kleine,  vorbereitende 
Zwischensitze  besonders  Hebt  und  wie  sie  übrigens  schon  in  No,  I  und  3 
aus  op.  13  vorkommen.  Sehr  schön  sind  die  in  der  2.  und  3.  Strophe 
vorgenommenen  Veränderungen.  Das  zweite  Lied  bleibt  trotz  seiner  guten 
Begleitung  In  gebrochenen  Akkorden  und  trotz  des  harmonisch  interessanten 
Vorspieles,  das  freilich  am  Schluss  eine  Härte  enthält,  zu  sehr  in  Schu- 
mannschen  Formen  behngen.  Dagegen  zeigt  das  dritte  Lied  mehr  nur  im 
allgemeinen  den  Stil  des  Meisters.  Vorgezeichnet  ist  Dreiachteltakt,  der 
aber  in  der  Singsdmme  als  dreiteiliger,  in  der  Begleitung  als  zweiteiliger 
Sechssechszehnteltakt  behandelt  wird.  Die  so  entstehende  rhythmische 
Verworrenheit  dient  hier  dazu,  eine  Stimmung  in  uns  zu  erzeugen,  die 
derjenigen  Ibnllcb  ist,  die  das  geheimnisvolle  Rauschen  und  Flüstern  im 
Talde,  von  dem  im  Texte  gesprochen  wird,  in  uns  hervorrufen  würde. 
Dies  ist  vollkommen  gelungen,  und  überhaupt  Hegt  über  dem  Liede  etwas 
eigenartig  Dämmeriges.  No.  4  nähert  sich  im  Anschluss  an  das  volks- 
tümlich geßrbte  Gedicht  dem  Ton  des  älteren  Volksliedes,  wie  er  zuweilen 
von  Mendelssohn  und  Schumann,  sehr  häufig  aber  von  Robert   Franz  an- 


167 

HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


geschlagen  wurde.  Wie  bei  diesem  so  oft,  ist  die  Begleitung  annähernd 
zum  vierstimmigen  Chorsatz  verdichtet.  In  der  letzten  der  im  übrigen 
gleichen  Strophen  erRlhrt  der  Schluss  eine  Erweiterung  unter  sehr  wirk- 
samer Verwendung  des  Durdreiklanges  auf  der  erniedrigten  2.  Stufe  der 
Molltonart.  Auch  diese  Erniedrigung  gehört  zu  den  Ausdrucksmitteln, 
die  die  Romantiker  von  den  Alten  entlehnten  und  der  modernen  Tonkunst 
als  Bereicherung  zuführten. 

Die  beiden  letzten  Lieder  weichen  von  dem  Stil  der  vorangegangenen 
und  überhaupt  von  der  bisherigen  Schreibweise  Clara  Schumanns  etwas 
ab.  Sie  sind,  möchte  man  sagen,  in  einem  auf  das  begleitete  einstimmige 
Lied  übertragenen  und  zugleich  veredelten  Liedertafelstil  gehalten.  Dieser 
Stil  mag  unter  Umständen  seine  Berechtigung  haben,  aber  einer  Clara 
Schumann  liegt  er  nicht.  Vielleicht  wurde  sie  durch  die  schwächliche 
Poesie  der  Texte  unwillkürlich  zu  seiner  Anwendung  verleitet,  vielleicht 
auch  durch  die  rheinische  Sangeslust,  die  ihr  in  Düsseldorf  entgegentrat. 
In  dem  ersten  der  beiden  Lieder  finden  sich,  dem  Text  entsprechend, 
Andeutungen  des  Vogelgesanges  und  Nachahmungen  der  Jagdhömen 

Über  die  Lieder  Clara  Schumanns  hat  ihr  Biograph  ganz  im  all- 
gemeinen ein  Urteil  abgegeben,  freilich  in  erster  Linie  in  bezug  auf  ihr 
Verhältnis  zu  den  Texten.     Er  schreibt: 

i»E8  ist  ein  wunderbar  ioniges  sich  Einfühlen  in  den  Text  und  zugleich  ein 
wunderbar  sicheres  Herausholen  aller  in  diesem  Text  noch  eingeschlossenen,  ge- 
wissennassen unter  der  Oberfliche  der  Worte  liegenden  Stimmungs-  und  Empflndungs- 
keime.*  >) 

Darin  können  wir  ihm  nur  recht  geben.  Das  Ausschöpfen  auch  der 
unausgesprochenen  Stimmungen,  das  naturgemäss  hauptsächlich  der  Be- 
gleitung und  hier  wieder  namentlich  den  Zwischensätzen  und  dem  Nach- 
spiel zußllt,  geht  .auf  Schumann  zurück,  dessen  Hauptverdienst  um  die 
Entwicklung  des  Liedes  gerade  darin  besteht,  ihm  dieses  Moment  zugeführt 
zu  haben.     Wenn  aber  Litzmann  fortfährt: 

jyUnd  dabei  noch  etwas  Eigenes,  das  aber  eigentlich  ungewollt  ist:  der  Wider- 
schein, der  Widerklang  jenes  ,hiu8lichen  Glückes'  im  höchsten  Sinn*, 

60  kann  ich  darin  nur  Phantasterei  erblicken;  denn  es  wäre  z.  B.  um 
das  Lied  ^Sie  liebten  sich  Beide"  schlecht  bestellt,  wenn  darin  etwas  von 
»häuslichem  Glücke*  zu  bemerken  wäre.  Ein  derartiges  willkürliches 
Hineintragen  von  Schicksalen,  Stimmungen  oder  Ansichten  des  Komponisten 
in  seine  Werke  kann  man  nicht  entschieden  genug  zurückweisen. 

Die  Komposition  für  Klavier  scheint  Clara  Schumann  erst  Ende  1842 
oder  Anfangs  1843  wieder  aufgenommen  zu  haben.  Wenigstens  notierte 
Schumann  im  Februar  dieses  Jahres  in  sein  Tagebuch: 


^)  Litzmann  a.  a.  O.,  Seite  24. 


168 
DIE  MUSIK  V.  21. 


»Clara  hat  eine  Reihe  von  kleineren  Stficken  geschrieben,  in  der  Empfindunf 
80  zart  und  musikreicb,  wie  es  ihr  früher  noch  nicht  gelungen.* 

Obgleich  es  bekannt  ist,  dass  er  in  der  Milde  seines  Urteils  selbst 
da,  wo  ihn  keine  persönlichen  Beziehungen  bestechen  konnten,  manchmal 
zu  weit  ging,  fällt  es  mir  doch  schwer,  zu  glauben,  dass  er  mit  seiner  Be- 
merkung die  «4  flfichtigen  Stücke*,  op.  15,  gemeint  habe,  die  zwischen 
1843  und  1845  erschienen  sein  müssen;  denn  drei'  davon  sind  wirklich 
unbedeutend.  Der  Grund  für  dieses  auffallende  Misslingen  ist  vielleicht 
darin  zu  suchen,  dass  sie  sich  alle  in  langsamem  Tempo  bewegen.  Wenig- 
stens zeigt  das  kleine  Scherzo,  mit  dem  das  Heft  schliesst,  gleich  wieder 
ein  anderes  Gesicht.  Es  ist  ein  in  seiner  Anspruchslosigkeit  gefälliges 
und  hübsches  Musikstück.  Noch  wäre  zu  bemerken,  dass  sich  in  No.  2, 
Un  poco  Agitato,  im  Mittelteil  ein  harter  Querstand  findet,  und  dass  No.  3, 
Andante  espressivo,  sehr  entschieden  unter  Mendelssohnschem  Einfluss  steht. 

Auf  ein  ganz  anderes  Gebiet  führt  uns  das  folgende  Werk.  Es  ent- 
hält die  einzigen  veröffentlichten  Versuche  der  Komponistin  in  der  poly- 
phonen Schreibweise  ganzer  Stücke.      Am    23.  Januar  184^   notierte   sie: 

»Heute  begannen  wir  kontrapunktische  Studien,  was  mir  trotz  der  Mühe  viel 
Freude  machte;  denn  ich  sah,  was  ich  nie  möglich  geglaubt,  bald  eine  selbstgemachte 
Fuge  und  sah  bald  mehrere,  da  wir  die  Studien  regelmässig  alle  Tage  fortsetzten."  ^) 

Noch  im  selben  Jahre  erschienen  als  op.  16  drei  Präludien  und 
Fugen.  Da  sie  in  der  erwähnten  Notiz  weiter  sagt,  sie  habe  bis  jetzt  noch 
kein  schönes  Fugenthema  finden  können,  werden  die  Themen  dieser  Fugen 
wohl  erst  etwas  später,  nach  fortgesetzter  Übung,  entstanden  sein.  Freilich 
entspricht  das  erste  noch  nicht  allen  Anforderungen,  die  man  an  ein 
gutes  Fugenthema  stellen  muss.    Es  lautet: 


Man  sieht,  dass  hier  nicht,  wie  fast  durchgängig  in  den  Bach'schen 
und  anderen  guten  Fugenthemen,  zwei  kontrastierende  rhythmische  Be- 
wegungen vorhanden  sind,  wodurch  das  Thema  erst  Gestalt  und  Leben  er* 
hält,  dass  vielmehr  der  gehaltene  Ton  nicht  ausreicht,  um  zu  den  Sechs- 
zehntelfiguren einen  deutlichen  Gegensatz  zu  bilden.  Wie  es  kaum  anders 
sein  kann,  teilt  sich  die  rhythmische  Monotonie  des  Themas  der  ganzen 


^)  Litzmann  a.  a.  O.,  Seite  131.  Man  wird  die  Inkongruenz  in  den  Zeit- 
bestimmungen bemerkt  haben.  Ich  weiss  nicht,  ob  hier  eine  Flüchtigkeit  des  Tage- 
buches oder  des  Biographen  vorliegt. 


169 
HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


Fuge  mit.    Viel  besser  ist  die  zweite  Fuge  gelungen,  der  folgendes  Thema 
zugrundeliegt: 


Es  ist  klar,  dass  sich  hieraus  etwas  machen  Hess,  und  wirklich  hat 
sie,  obgleich  nicht,  wie  die  vorige,  drei-,  sondern  vierstimmig,  einen 
gewissen  frischen  Zug.  In  No.  3  ist  die  Bearbeitung  trotz  des  guten, 
stark  von  Bach  beeinflussten  Themas: 


r  T  »J  Ijü 


ziemlich   langweilig   ausgefallen.     Die    Fuge   ist   wieder  vierstimmig  und 

bringt  am  Schluss  eine  kleine  Engführung. 

Es  braucht   kaum  bemerkt  zu   werden,  dass   sich   diese  Fugen   mit 

denjenigen  Mendelssohns  oder  Schumanns  nicht  vergleichen  können.   Sicher 

war  die  Komponistin  selbst  hierfiber  niemals  im  Zweifel;    denn  in  ihrem 

Tagebuch  heisst  es  einmal,  freilich  bevor  sie  sich  selbst  in  dieser  Gattung 

versucht  und  bevor  Schumann  seine   herrlichen  Orgel-  und  Klavierfugeo 

geschrieben  hatte: 

.Die  Mendelssobnsctaen  Fugen  kommen  einem  doch  nach  den  Bachschen 
irmlich  vor.  Man  sieht  auch  sehr,  wie  sie  gemacht  sind  und  es  ihm  wohl  manchmal 
schwer  geworden  ist.  Ich  glaube  übrigens  gewiss,  es  lebt  jetzt  keiner,  der  solche 
Fugen  schreiben  könnte,  als  Mendelssohn.*  ^) 

Von  den  Präludien  ist  nur  das  dritte  im  gebundenen  Stil  gehalten, 
wie  ja  auch  Bach  in  den  Präludien  die  Polyphonie  keineswegs  streng 
durchführt.  Obgleich  diese  Schreibweise  der  Komponistin  von  Hause  aus 
fernlag,  ist  doch  gerade  dieses  Präludium,  dem  sich  die  Fuge  unmittelbar 
anschliesst,  entschieden  das  beste.  Unter  den  beiden  anderen  verdient  das 
erste  mit  seiner  synkopierten  Oberstimme  den  Vorrang,  während  das 
zweite,  in  der  Art  eines  Liedes  ohne  Worte  gehalten,  nicht  eben  viel  zu 
bedeuten  hat. 

Vom  Mai  bis  September  1846  entstand  ein  Werk,  das  Clara  Schumann 
auf  einer  Höhe  zeigt,  deren  Ersteigung  man  ihr  nach  ihren  bisherigen 
kompositorischen  Leistungen  wohl  kaum  zutrauen  konnte.  Es  ist  ein 
Trio  für  Klavier,  Violine  und  Violoncell,  op.  17.  Hören  wir  zu- 
nächst, wie  naiv  und  bescheiden  sich  ihre  Freude  über  das  Gelungene 
äussert  und  wie  sich  doch  schon  zugleich  und  mit  der  Zeit  immer  stärker 
die  Kritik  in  ihr  regt.     Im  Oktober  1846  schreibt  sie: 

»Es  geht  doch  nichts  über  das  Vergnügen,  etwas  selbst  komponiert  zu  haben 
und  dann  zu  hören.    Es  sind  einige  hübsche  Stellen  in  dem  Trio,  und,  wie  ich  glaube, 

^)  Litzmann  a.  a.  O.,  Seite  17. 


170 
DIE  MUSIK  V.  21 


ist  et  l^uch  in  der  Form  ziemlich  gelangen.   Natürlich  bleibt  es  immer  Frauenzimmer'- 
arbeit»  denen  es  immer  an  der  Kraft  und  hie  und  da  an  der  Erfindung  fehlt* 

Am  18.  November  heisst  es: 

»Ich  spielte  heute  abend  Roberts  Klavierquartett  und  mein  Trio,  das  mir,  ]e 
öfter  ich  es  spiele,  je  unschuldiger  vorkommt.' 

Und  nun  gar  ein  Jahr  nach  der  Vollendung,  im  September  1847: 

.Mein  Trio  erhielt  ich  heute  auch  fertig  gedruckt;  das  wollte  mir  aber  nicht 
sonderlich  auf  des  Roberts  d-moll  munden.    Es  klang  gar  weibisch  sentimental.* 

Gegen  diese  harte  Beurteilung  von  seiten  der  Komponistin  müssen 
^ir  das  Trio  entschieden  in  Schutz  nehmen.  Freilich,  nach  Schumanns 
Klavierquartett  oder  gar  nach  seinem  d-moll  Trio  gespielt ,  das  zum  Ge- 
iKraltigsten  und  Männlichsten  gehört,  was  er  überhaupt  geschrieben  hat, 
wird  es  keine  Wirkung  tun.  Aber  wir  müssen  es  für  sich  selbst  be« 
trachten,  und  da  zeigt  sich,  dass  uls  sentimental  nur  der  Hauptteil  des 
langsamen  Satzes  bezeichnet  werden  muss,  dass  es  im  übrigen  zwar  nicht 
von  Kraft  strotzt,  was  auch  durchaus  nicht  von  jedem  Werke  zu  verlangen 
ist,  dass  es  aber  nicht  in  Weichlichkeit  verßllt,  endlich,  dass  es  weit  mehr 
bietet  als  einige  hübsche  Stellen,  nämlich  ein  einheitliches  Ganzes,  also 
auch  in  der  Form  durchaus  gelungen  ist.  Letzteres  ist  um  so  beachtens- 
werter,  als  die  Komponistin  hier  zum  ersten  und  übrigens  auch  zum  ein- 
zigen Mal  einen  wirklichen  ersten  Sonatensatz  schrieb.  Diesem  war  sie 
im  ersten  Satze  ihres  Konzertes,  das  neben  dem  Trio  ihr  einziges  gross 
angelegtes  Werk  ist,  nur  bis  auf  einige  Entfernung  nahegekommen,  wie 
unsere  kurze  Analyse  gezeigt  haben  wird,  teils  weil  die  Konzertform 
grössere  Freiheit  erfordert,  teils  weil  es  sich  die  damals  noch  so  junge 
Künstlerin  verhältnismässig  bequem  gemacht  hatte.  Dass  sie  der  Sonaten- 
form so  lange  fernbleiben  konnte,  erklärt  sich  wieder  aus  den  musikalischen 
Strömungen  ihrer  Zeit.  In  der  Klavierkomposition,  der  sie  sich  ja  zunächst 
ausschliesslich  zuwandte,  wurde  seit  dem  Tode  Beethovens  die  Sonate  durch 
«ine  Unzahl  neu  aufkommender,  einsätziger  Formen  immer  mehr  zurück- 
gedrängt und  ist  heute  so  gut  wie  völlig  verschwunden,  während  sie  in  der 
Kammermusik  ihre  Herrschaft  stets  ungeschwächt  behauptet  hat. 

Der  erste  Satz  unseres  Trios,  Allegro  moderato,  g-moll,  hat  ein 
schönes  Hauptthema  mit  einem  charakteristischen  Oktavensprung  und  ein 
in  Melodie,  Harmonie  und  Rhythmus  stark  an  Schumann  erinnerndes 
Seitenthema.  Im  Übergang  zu  diesem  findet  sich  eine  Sequenz,  die, 
sicher  ohne  Absicht,  fast  notengetreu  aus  Schumanns  Klavierquintett  ent- 
lehnt ist.  Der  Durchführungsteil,  bekanntlich  diejenige  Stelle  im  ersten 
Sonatensatze,  die  das  meiste  technische  Können  erfordert,  ist  sehr  gut 
gelungen.     Er  behandelt  nacheinander  zwei  Motive  aus   dem  Hauptthema. 

Auch  der  Schlussatz  des  Trios,  Allegretto,   wieder   g-moll,   nähert 


171 

HOHENEMSER:  CL,ARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


sich,  wie  dies  so  häufig  geschieht,  der  Form  des  ersten  Sonätensatzes. 
Aber,  gerade  die  Art,  wie  er  von  dieser  abweicht,  ist  hier  besonders 
interessant.  Nachdem  sich  aus  einem  sehr  schönen  Hauptthema,  das  sich 
ebenso  wie  seine  gleich  darauf  folgenden  Umspielungen  in  ausgeprägt 
Mendelssohnscher  Melodik  bewegt,  und  einem  graziösen  Seitenthema,  das 
mit ;  seinen  Synkopen  wieder  die  Einwirkung  Schumanns  verrät,  ein  voll- 
ständiger erster  Teil  des  ersten  Sonatensatzes  aufgebaut  hat,  wird  das  Haupt- 
thema über  einem  Orgelpunkt  der  Dominante  und  mit  sehr  eigenartiger 
Harmonisierung  wieder  eingeführt.  Nun  folgt  eine  Fugierung  über  sein  erstes 
Motiv,  dann  eine  Verarbeitung  dieses  Motives  und  des  Anfanges  des  Seiten- 
themas, endlich  eine  neue  Fugierung  mit  sehr  gut  klingenden  Engführungen. 
Alles  dies  steht  an  Stelle  der  Durchführung;  denn  nun  kehrt  der  Satz  in 
den  Anfang  zurück  und  entwickelt  sich  ganz  wie  der  Schlussteil  des  ersten 
Sonatensatzes.  Zuletzt  erscheint  das  Thema  kodaartig  und  wieder  in  be- 
sonders wirksamer  Harmonisierung,  worauf  das  Ganze  in  G-dur  leise  aus- 
klingt. Die  Verwendung  fugierter  Stellen  mitten  im  freien  Satze  kannte 
$chon  Beethoven.  Aber  in  unserem  Falle  war  das  nächstliegende  Vorbild 
jedenfalls  der  letzte  Satz  in  Schumanns  Klavierquintett,  wo  freilich  der 
Übergang  von  der  Homophonie  zur  Polyphonie  in  weit  grossiartigerer  und 
packenderer  Weise  durchgeführt  ist. 

Der  zweite  Satz  des  Trios,  ein  Scherzo,  Tempo  di  Minuetto,  B-dur, 
ist  im  Haupt-  und  Mittelteil  durch  grosse  Feinheit  und  Anmut  ausgezeichnet. 
Im  zweiten  Teil  des  Hauptsatzes  erinnert  eine  Steigerung  mit  Imitationen 
sehr  entschieden  an  die  bekannte  «Träumerei"  von  Schumann.  Über  das 
Andante,  G-dur,  ist  nur  noch  zu  bemerken,  dass  sich  der  erregte  Mittel- 
teil in  e-moll  nicht  nur  als  Kontrast  zum  Vorangegangenen,  sondern  auch 
durch  seinen  eigenen  Wert  hervortut. 

Die  Instrumente  sind  in  dem  ganzen  Werk  mit  autfallender  Sicher- 
heit behandelt.  Das  Klavier  drängt  sich  nirgends  hervor,  sondern  ist  ver- 
hältnismässig einfach,  im  echten  Kammermusikstil  gehalten.  Der  Violine 
fallen  viele  dankbare  Aufgaben  zu,  und  auch  das  Violoncell  erscheint,  wie 
es  seit  Beethoven  üblich  wurde,  nicht  selten  als  selbstständige,  d.  h.  vom 
Klavierbass  losgelöste  Stimme. 

Formgewandtheit,  Wohlklang  und  eine  gewisse,  nunmehr  als  persön- 
liche Eigenart  hervortretende  Weichheit  sind  es,  die  das  Trio  charakteri- 
sieren und  weit  über  die  früheren  Instrumentalkompositionen  erheben. 
Obgleich  nach  seiner  Vollendung  in  dem  Schaffen  Clara  Schumanns  eine 
jahrelange  Pause  eingetreten  zu  sein  scheint,  machen  sich  die  gleichen 
Eigenschaften  doch  auch  in  den  späteren  Werken  geltend.  Im  Sommer  1853 
muss  der  Drang  zur  Komposition  in  ihr  mit  aller  Macht  neu  erwacht  sein; 
denn  vom  20.  Mai  bis  3..  Juni  dieses  Jahres  entstanden  die  Variationen 


172 
DIB  MUSIK  V.  21. 


Op.  20,  hierauf  die  bereits  besprochenen  Lieder  Op.  23,  und  schon  am 
29.  Juni  waren  drei  Romanzen  ffir  Klavier,  Op.  21,  vollendet.  Im 
Juli  folgten  noch  drei  Violinromanzen,  Op.  22. 

Während  der  Arbeit  an  den  Variationen  schrieb  sie  in  ihr  Tagebuch: 
9 Es  wird  mir  aber  sehr  schwer;  ich  habe  zu  lange  pausiert."  Dagegen 
heisst  es  nach  der  Fertigstellung:  »Wie  mir  scheint,  nicht  misslungen." 
Das  Thema  dieser  Variationen  ist  jenes  schöne  fis-mollstQck  von  Schumann 
aus  den  »Bunten  Blättern*  Op.  00,  das  nicht  viel  später  Brahms 
seinem  gewaltigen  Variationenwerk  Op.  0,  dem  ersten,  das  er  in  dieser 
Gattung  veröffentlichte,  zugrunde  legte.  Gegen  dieses,  das  sich,  durch 
Beethovens  Eroikavariationen  und  Schumanns  symphonische  Etüden  vor- 
bereitet, in  der  Behandlung  des  Stoffes  an  die  »Aria  mit  30  Veränderungen* 
von  Bach  anschliesst,  nehmen  sich  Clara  Schumanns  Variationen  freilich 
sehr  bescheiden  aus.  Sie  haben  die  gewöhnliche  Form,  d.  h.  die  Melodie 
bleibt  stets  in  der  Oberstimme  und  wird  im  wesentlichen  nur  verschieden- 
fach verziert  und  figuriert.  Aber  sie  sind  reich  an  gewählten  Figuren  und 
Harmoniewendungen.  Ganz  besonders  gilt  dies  von  der  Fis-durvariation. 
Es  war  bekanntlich  allgemeiner  Brauch,  wenn  das  Thema  in  Dur  stand, 
mindestens  eine  Variation  in  der  gleichnamigen  Molltonart  zu  bringen  und 
umgekehrt.  Hier  aber  geschieht  etwas  neues,  indem  die  Durvariation  zu- 
letzt nochmals  erscheint  und  das  Ganze  mit  einer  verklingenden  Koda 
stimmungsvoll  abschliesst.  In  der  ersten  Variation  begegnen  wir  wieder 
dem  Durdreiklang  auf  der  zweiten  erniedrigten  Stufe  der  Molltonart. 

Die  Klavierromanzen  sind  Brahms,  die  Violinromanzen  Joachim  ge- 
widmet, also  jenen  beiden  Männern,  die  Schumann  in  seinen  letzten 
Jahren  als  Menschen  und  als  Kunstler  am  nächsten  standen  und  auch 
seiner  Gattin  in  den  furchtbaren  Zeiten,  die  nun  fiber  sie  hereinbrachen^ 
die  treueste  Freundschaft  bewährten.  Von  den  Romanzen  für  Klavier  ist 
No.  3,  ein  Agitato  in  der  Weise  Chopin's,  wohl  am  wenigsten  selbständig, 
und  bedeutend.  In  No.  1  steht  zwar  das  Thema  unter  dem  Einfluss 
Mendelssohns;  aber  die  Harmonik,  die  kfihner  ist  als  bei  ihm  in  der 
Regel,  verleiht  dem  Stücke  doch  eine  gewisse  Eigenart.  Auch  eine  rhyth- 
mische Kfihnheit  findet  sich,  indem  im  Mittelteil  im  Viervierteltakt  ein- 
mal 5  Noten  der  einen  gegen  4  der  anderen  Stimme  gesetzt  sind.  No.  2,. 
eine  Art  Scherzando,  erinnert  nur  von  fem  an  Schumann.  In  allen  drei 
Stücken  fällt  die  Gewandtheit  auf,  mit  der  die  Rückkehr  in  den  Anfang: 
bewerkstelligt  ist. 

Die  erste  der  Violinromanzen  gehört  zu  den  wenigen  getragenen 
Kompositionen  Clara  Schumanns,  die  gut  gelungen  sind.  Sie  besteht 
aus  nur  einem  Teil  mit  Rückkehr  in  den  Anfang  und  hat  eine  sehr  selb- 
ständige,  melodisch   geführte  Begleitung.     In  No.  2  ist,   wie    im   letzten 


173  

HOHENEMSER:  CLARA  SCHUMANN  ALS  KOMPONISTIN 


ßatze  des  Trios,  unter  der  Einwirkung  Mendelssohns  ein  sehr  gutes  Moll- 
thema zustandegekommen.  Auch  der  in  Dur  stehende  Mittelteil  mit  kleinen 
Imitationen  in  der  Begleitung  ist  sehr  hübsch.  Das  Hauptthema  wird  bei 
seiner  Wiederkehr  kanonisch  behandelt.  Die  dritte  Romanze,  deren  Anfang 
sehr  stark  an  Schumann  anklingt  und  deren  Mittelteil  an  das  Gewohnliche 
streift,  fällt  etwas  ab. 

Nicht  lange  nach  dieser  Zeit  reinster  Schaffensfreude,  im  Februar  1854, 
kam  Schumanns  letzte  Krankheit  zu  gewaltsamem  Ausbruch,  und  zwei 
Jahre  später  wurde  er  von  seinen  Leiden  erlöst.  Diese  Ereignisse  scheinen 
in  Clara  Schumann  die  Lust  am  eigenen  Produzieren  für  immer  ertötet  zu 
haben.  Zwar  existieren  von  ihr  Kadenzen  zu  Beethovens  c-moll  Konzert, 
die  vielleicht  erst  später  entstanden  sind;  aber  derartiges  ist  doch  den 
eigentlichen  Kompositionen  nicht  beizuzählen.  — 

Wenn  wir  versuchen,  uns  über  das  produktive  Schaffen  Clara  Schumanns 
ein  Gesamturteil  zu  bilden,  so  dürfte  sich  etwa  folgendes  ergeben:  das 
Komponieren  war  nicht  ihre  Lebensaufgabe,  und  sie  selbst  war  hierüber 
keinen  Augenblick  im  unklaren.  Aber  es  war  ihr  wie  eine  einsame  Insel, 
auf  die  sie  sich  von  Zeit  zu  Zeit  zurückzog,  um  ganz  sich  selbst,  ganz 
ihrer  musikalischen  Phantasie  zu  leben.  Dass  sie  dabei  nicht  in  phan- 
tastische Träumerei  verfiel,  davor  bewahrte  sie  die  gründliche  Ausbildung, 
die  sie  genossen,  und  ihr  gesunder  Geschmack.  Wie  alle,  denen  „der 
göttliche  Funke"  versagt,  aber  ein  gewisses  Talent  gegeben  ist,  bedurfte 
sie  der  Anlehnung,  und  sie  fand  sie,  nachdem  sie  die  Jugendeindrücke 
überwunden  hatte,  auf  den  Höhen  der  Tonkunst  ihrer  Zeit.  In  ihrer  Ent- 
wicklung spiegelt  sich  im  Kleinen,  was  diese  Zeit  im  Grossen  leistete, 
nämlich  der  -Umschwung  von  Oberfiächlichkeit  und  Virtuosität  zu  der  auf 
Beethoven  fussenden  Romantik,  und  innerhalb  der  Romantik  gelang  es  ihr 
sogar,  eine  nicht  grosse,  aber  doch  anziehende  und  liebenswürdige  Indivi- 
dualität zu  offenbaren.  Wir  haben  stets  darauf  hingewiesen,  wie  sich  zum 
Teil  gerade  in  ihren  besten  Werken  fremder  Einfluss  am  wenigsten  geltend 
macht.  Mit  der  Veröffentlichung  ihrer  Kompositionen  wäre  sie  wahr- 
scheinlich vorsichtiger  gewesen,  wenn  nicht  erst  ihr  Vater  und  dann 
Schumann  als  künstlerische  Autoritäten  hinter  ihr  gestanden  hätten.  Aber 
vor  allem  einige  ihrer  Lieder  und  das  Trio,  dann  auch  ihre  letzten  In- 
strumentalstücke und  vielleicht  einzelnes  früheres  verdienten,  im  häuslichen 
Kreise,  wo  man  gute  Musik  liebt,  aber  die  Ansprüche  nicht  jeden  Augen- 
blick aufs  äusserste  spannt,  gepflegt  zu  werden.  Dort  könnten  sie  manche 
Freude  bereiten  und  das  Andenken  an  die  edle  Künstlerin  auch  von  dieser 
Seite  her,  die  aus  ihrem  Leben  und  Wesen  gar  nicht  wegzudenken  ist, 
lebendig  erhalten. 


BÜCHER 


159.  E.  T.  A.  HoSmanns  almtllcbe  Terke  in  15  Binden.  HerBni|egebea  mit 
einer  blognphlacben  Einleitung  von  Eduard  Grlaebicb.  Nene,  um  die 
mualliali sehen  Schriften  vermehrte  Ausgabe.  Verlag:  Max  Hesse,  Lelpiig. 
Eduard  Grlaebacb,  dem  am  22.  Min  dleaea  Jabres  verstorbenen  Dichter  des 
.Neuen  Tannbiuser*,  einem  der  bedeutendstea  deulscben  Biblioptallen,  verdanken 
wir  neben  einer  Reibe  ireffllcber  Neuausgaben  deutscher  Dichter  die  vorliegende, 
im  Jahre  1899  erstmalig  erschienene  Gesamtausgabe  des  grossen  Romantikers,  der, 
ein  Johannes  der  Musik,  alles  das  voraboend  welstagte,  was  spiter  von  dem  ihn 
glühend  verehrenden  Richard  XTagner  so  herrlich  erfüllt  wurde.  In  der  ersten  Auflage 
der  Griiebach sehen  Ausgabe  waren  merkw&rdlgerweiie  die  musfka] lachen  Schriften 
Hoffmanns,  die  erst  das  eigentliche  Versllndola  der  dichterischen  Persönlichkeit  des 
skurrilen  Kammergerlcblsrates  vermittelten,  ausgeschlossen  geweaen,  angeblich  .ihres 
speziflach  musikgelebrten  Charakters  wegen*.  Daas  Grisebach  damit  Hoffmann  ein 
grosses  Unrecht  antat,  wies  Ich  auafübrllcb  in  einem  Artikel  der  .Frankfurter  Zeitung* 
(24.  Mirz  1900)  nach,  und  dieser  von  Grisebach  lu  meiner  beaonderen  Genugtuung  Im 
Vorwon  der  neuen  Auflage  ilHerte  Aufsatz,  In  dem  Ich  die  fehlenden  Artikel  genau  an- 
gab,  ist  nun  die  Veranlassung  zur  Anftiahme  einer  Reibe  von  pricbdgen  muslkaliachen 
Aubltien  gewesen.  Tarum  sich  jedoch  Grisebach  darauf  bescbrinkte,  nur  einen  Teil 
der  Aufsltie  (nimllcta  ausser  dem  von  mir  entdeckten  Auhatz  Qber  Kotiebues  Opem- 
almanacb  nur  die  In  der  inkorrekten  Endeachen  Ausgabe  enthaltenen,  hier  korrekt  ab- 
gedruckten Aufsiue}  aufzunehmen,  ist  mir  rltselbaft.  Ich  vermisse  so  vor  allem  den 
herrlichen  Aufsatz  Qber  Job.  Seh.  Bachs  englische  Suiten  [Allg.  Mus.  Ztg.  1813,  Seite  68  f., 
von  mir  neuverSIfentllcht  Im  10.  Jahrg.  der  Zeiiachrlft  für  Haus-  und  Kirchen musilc. 
.Zur  Beurteilung  J.  S.  Bachs*,  Heft  3  Seite  37)  und  ausserdem  Besprechungen  von  PaErs 
Sofonisbe,  Tebers  Deotala  und  Brauns  Symphonie,  von  denen  zum  mindesten  die  Ein- 
leitungen den  Neudruck  reichlich  gelohnt  hitten.  Aber  auch  die  Aufnahme  der  Aufsitze 
über  Fioravand  und  Michael  Hayda,  deren  Auaschlusa  leb  seinerzeit  beantragt  halte,  mSchte 
ich  nach  neuerlicher  Prüfung  befürworten.  Nun  muss  leider  auch  ein  Won  über  die 
AchlUesterae  der  im  übrigen  so  musterhaft  korrekten  Ausgabe  Grlaebacbs  gesprochen 
werden:  die  Notenbeispiele.  Grisebach  scbeintsebr  unmusikalisch  gewesen  zu  sein, denn 
sonst  bitte  er  die  Fülle  grober  Fehler  in  den  Notenbeispielen  bemerken  müssen.  Aller- 
dings bat  er  die  Noieobeiaplele  so,  wie  sie  in  den  Originaldrucken  stehen,  wiedergegeben, 
allein  dort  schon  ist  die  Zahl  der  Fehler  Legion,  da  Hoffmann  selbst  sicher  keine 
Korrekturabzfige  zur  Vert&guag  hatte.  Es  wire  also  an  Grisebach  die  Notwendigkeit 
herangetreten,  die  Musikbelaplele  von  einem  Fachmann  revidieren  zu  lasaen.  Dass  er 
dies  nicht  tat,  hat  die  Brauchbarkeit  des  15.  Bandes  stark  vermindert,  und  man  kann 
dem  Verlag  nur  raten,  diesen  Band  oeudrucken  zu  lasaen.  Bei  einem  solcben  Neudruck 
kOnnte  man  mit  den  Notenbeitpielen,  die  genau  nacb  den  authentischen  Drucken  (bei 
Beethoven  also  nacb  der  Breitkopfscben  Geaamtausgabe)  zu  revidieren  wiren,  viel  freier 
verfahren,  da  man  gegenwirtlg,  wo  Beethovens  Terke  Gemeingut   der  mueikaliach  Ge- 


175 

BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


bildeten  sind,  nicht  mehr  so  ausf&hrlicher  Zitate  bedarf  als  zu  der  Zeit,  da  die  betreffendei» 
Werke  gerade  erschienen.  Es  genfigt,  wenn  die  Notenbeispiele  den  Text  verdeutlichen 
und  das  Nachschlagen  in  der  Partitur  erleichtem.  Aber  dass  die  Schlüssel,  Vorzeichnungen 
und  Versetzungszeichen  korrekt  sind,  kann  man  von  einer  Ausgabe,  deren  Herausgeber 
im  Text  jedes  Komma  respektierte,  wohl  verlangen.  Ist  diese  Forderung  erfüllt,  so  darf 
man  die  vorliegende  Ausgabe,  die  den  Vorzug  der  Handlichkeit  mit  VoUstindigkeit  und 
Billigkeit  vereinigt,  aufs  beste  empfehlen.  Aber  auch  jetzt  schon  ist  sie  zweifellos  die 
allerbeste  aller  existierenden  Holfmannausgaben,  und  wer  sich  in  die  Werke  des  grossen 
Romantikers  vertiefen  will  —  kein  Musiker  sollte  das  verabsiumenl  —  möge  zu  keiner 
anderen  Ausgabe  greifen.  Vorüber  sind  glficklicherweise  die  Zeiten,  da  man  einen  der 
grössten  Geister  Deutschlands  schnöde  zu  verlistem  gewagt,  da  engherzige  Literatur- 
geschichtsschreiber sein  Bild  zur  Pratze  verzerren  durften.  Nein,  die  Lektüre  der  Hoff- 
mannschen  Schriften  mit  ihren  tiefen  Blicken  in  Kunst  und  Natur  bedeutet  eine  Be- 
reicherung  des  Innenlebens  für  jeden  phantasievollen  Menschen,  der,  vom  Geiste  der 
Musik  entzündet,  plattem  Rationalismus  abhold  ist.  Dr.  Edgar  Istel 

160.  D.  F,  Scheurleer:  Portretten  van  Mozart.     Met  23  Afbeeldingen.    Verlag: 

Martinus  Nijhoff,  's-Gravenhage  1906. 
Der  Holunder  Dr.  F.  Scheurleer  überreicht  uns  hier  eine  interessante  Reihe  von 
23  Mozartportrits  aus  den  verschiedensten  Entwicklungsphasen  und  Aufenthaltsorten  des 
Wunderknaben  und  Meisters  und  alle  von  verschiedenen  deutschen,  österreichischen, 
hollindischen,  französischen  und  italienischen  Künstlern  gemalt  bezw.  gezeichnet.  Der 
kritisch  beleuchtenden  Tendenz  des  Werkes  entsprechend,  gibt  der  Autor  uns  dazu 
einen  schlicht  kurzen,  aber  ganz  klaren  und  übersichtlichen  Kommentar  über  Herkunft,. 
Entstehung,  Verbleib  der  einzelnen  Bilder  und  begründet  sowohl  deren  Echtheit,  wie 
auch  die  resp.  Zweifelhaftigkeit  oder  Unechtheit.  Einen  aparten  Reiz  bietet  der  Vergleich 
der  mehr  oder  weniger  glaubwürdigen  Konterfeis  und  einen  grösseren  vielleicht  noch 
der  aus  diesem  Vergleiche  drastisch  erhellende  spekulative  Charakter  der  meist  ver» 
breiteten  Mainzer  Bilder  besonders  des  —  um  mit  dem  Herausgeber  zu  sprechen  — 
«zuckersüssen*  Ölgemäldes  von  G.  Jiger.  P.  Dombrück 

MUSIKALIEN 

161.  Franz  Mayerhoff:  Lenzfahrt,  Dichtung  von  Emil  Walther,  Zyklus  von  Liedern 

und  Tänzen  für  gemischten  Chor,  Soloquartett  und  Orchester,      op.  24^ 

Verlag:  Vieweg»  Berlin -Gr.-Lichterfelde. 
Wer  uns  in  diesen  Zeitläuften  schwerkalibrigsten  Musikmachens  angenehm  unter- 
hält, aoU  uns  willkommen  sein.  So  sei  denn  auch  der  vorliegende  Zyklus  freundlichst 
begrüsst,  nicht  als  ob  er  auf  dem  Gebiete  etwas  Neues  brächte,  sondern  weil  daa  Ge- 
botene hübsch  und  anmutig  arrangiert  ist,  mit  artigem  Humor  gewürzt. .  Zu  wünschen 
wäre  gewesen,  dass  sich  der  Komponist  weniger  der  Melodik  der  Wiener  Walzerfürsten 
und  dafür  mehr  der  reichen  Rhythmik  der  Schubertschen  und  Brahmsschen  Tanzformen 
erinnert  hätte.     Die  rhythmische  Anspruchslosigkeit  geht  zuweilen   ein  bischen  weit. 

(Kommt  doch  sogar  ci°  J^  J^  J^  J^  |  J  J  |  ^o^O  Selbst  der  reizende  Schwälmer  Tanz,, 
den  der  Komponist  in  No.  6  als  Ritomell  einführt,  kann  ihn  nicht  verführen,  die  drei- 
taktigen  Motive  des  Nachsatzes  im  Chorsatze  nachzuahmen.  Das  bischen  Paprika  hätte 
dem  Werke  gut  getan. 

162.  Carl  Reinecke:   Der  Geiger  zu  Gmünd,  Dichtung  nach  einer  von  Heinrich 

Seidel  und  Justinus  Kerner  mitgeteilten  Legende  aus  dem  12.  Jahrhunden 


176 
DIB  MUSIK  V.  21. 


von  Heinrich  Karsten.  Für  dreistimmigen  weiblichen  Chor,  Sopran-  und 
Alt-Solo,  obligate  Violine  (mit  Deklamation),  op.  273.  Verlag:  Jul.  H.  Zimmer- 
mann, Leipzig. 

Die  hübsche  alte  Legende  vom  Geiger  zu  Gmünd  hat  Meister  Reinecke,  den  Un- 
ermüdlichen, an  die  Arbeit  gerufen,  und  er  hat  mit  seinem  op.  273  ein  Werk  geschaBfen, 
für  das  ihm  die  Frauengesangvereine  sehr  dankbar  sein  Werden.  Reinecke,  der  alte 
Gralswichter  der  Mozartschen  Klangwelt,  die  wir  überwunden  glauben,  predigt  uns 
Jungen  unermüdlich  das  Evangelium  seines  Meisters.  Und  wahrlich,  man  muss  trotz 
Herrn  Zschorlich  an  den  Jungbrunnen  glauben,  der  dorten  fliesst,  wenn  man  des  alten 
Herren  Frische  und  Klangfreudigkeit  in  vorliegendem  Werke  wieder  bewundert.  Nichts 
ist  von  geheimnisvoll-mystischer  Symbolik  in  dem  Werke  zu  finden,  er  sieht  es  durch 
«eine  eigenen  klaren  Augen,  hört  es  mit  seinen  gesunden  Ohren,  wie  sein  Meister  das 
»Incarnatus*  der  c-moll  Messe.  Und  so  entstand  ein  Werk,  anspruchslos  scheinbar,  aber 
4och  zu  denken  gebend  denen,  die  das  musikalische  SchafPen  der  Jetztzeit  ausserhalb 
einer  Partei  zu  betrachten  lieben.    Es  gibt  also  doch  noch  solche  Menschen. 

Paul  Hielscher 

163.  Denkmäler  deutscher  Tonkunst«   Zweite  Folge.    Denkmiler  der  Tonkunst 

in  Bayern.  5.  Jahrg.  Doppelband  in  zwei  Lieferungen.  Werke  Hans  Leo 
Hasslers.    2.  Teil.    Verlag:  Breitkopf  &  H&rtel,  Leipzig  1904. 

Die  zweite  Lieferung,  die  Kanzonetten  von  1590  u.  a.  m.  enthaltend,  habe  ich 
früher  angezeigt.  In  der  vorliegenden  ersten  Lieferung  bietet  A.  Sandberg  er  Be- 
merkungen zur  Biographie  H.  L.  Hasslers  und  seiner  Brüder,  ferner  zur  Musikgeschichte 
der  Stidte  Nürnberg  und  Augsburg  im  16.  und  zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts.  Sand- 
bergers  Arbeit  ist  das  Ergebnis  eines  durch  Jahre  reichenden  mühsamen  und  überaus 
fiorgfiltigen  Forschens.  Wenn  er  auch  keine  abgeschlossene  »Musikgeschichte*  der  ge- 
nannten Stidte  gegeben  und  alle  angesponnenen  Fftden  nur  in  Beziehung  auf  Hassler 
gebracht  hat,  so  ist  der  Band  doch  unendlich  reich  an  neuen  Mitteilungen,  reich  auch 
in  der  vortrefflichen  Gruppierung  des  Stoffes  und  der  übersichtlichen,  die  Kultur  des 
ganzen  Zeitraumes  nicht  ausser  acht  lassenden  Darstellung.  Bei  der  Fülle  des  Gebotenen 
<die  Darlegungen  beginnen  mit  der  Erwähnung  Conr.  Paumanns)  verbietet  sich  ein  Ein- 
gehen auf  Einzelheiten  von  selbst.  Eine  einzige  Zufügung  möchte  ich  zu  S.  15,  wo 
W.  Breitengraser  erwähnt  wird,  machen.  Der  dort  genannte  Dr.  O.  Giemen  fusst, 
wie  er  auch  selbst  angibt  (cf.  Eitner,  Quellenlexikon  X,  S.  462f.),  auf  G.  Krauses  Werk: 
Hei.  Lob.  Hessus.    Gotha,  F.  A.  Perthes.    1879.  Prof.  Dr.  Wilibald  Nagel 

164.  Peter  Stojanovits:  Konzert  (d-moll)  für  Violine  op.  1.  Verlag:  Ludwig  Doblinger, 

Wien. 
In  diesem  dem  Kaiser  von  Russland  gewidmeten  Violinkonzert  kann  ich  keine 
Bereicherung  der  Literatur  erblicken;  die  Inspiration  des  Komponisten  ist  gering,  in 
langweiliger  Breite  ziehen  die  drei  Sätze  an  uns  vorüber,  sogar  ohne  in  technischer 
Hinsicht  besonders  interessante  Aufgaben  zu  bieten. 

165.  C.  V.  Stanford:  Konzert  für  Violine  (D-dur)  op.  74.   Verlag:  Breitkopf  &  Härtel, 

Leipzig. 
Ein  gediegenes,  ansprechendes  Werk,  das  freilich  auf  keinen  neuen  Bahnen  wandelt. 
Besonders  gelungen  ist  der  erste  Satz.  In  der  Erfindung  steht  der  langsame  Satz  dagegen 
zurück;  er  ist  mit  einer  wirkungsvollen  Kadenz  von  E.  F.  Arbos  versehen.  Das  Haupt- 
thema des  frischen  Finale  ist  eine  gaelische  Volksmelodie.  Der  Violinpart  enthält  eine 
Reihe  nicht  uninteressanter  technischer  Probleme  und  ist  im  allgemeinen  dankbar  ge- 
halten; auch  zu  Studienzwecken  darf  dieses  Konzert  daher  empfohlen  werden. 


177 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


166.  Robert  Hermann:  Sonate  cls-moU  für  Pianoforte  und  Violine  op.  13.    Verlag: 

Friedrich  Hofmeister^  Leipzig. 
Auch  wer  fiber  manche  harmonische  KQhnheit  in  dieser  Sonate  den  Kopf  schuttein 
wird,  wird  ihr  das  Pridikat  „eigenartig*  nicht  versagen  können;  ich  halte  sie  sogar  ffir 
bedeutend  und  Hermanns  genialem  Klavierquartett  op.  0  gleichwertig;  freilich  habe  ich 
mich  viel  mit  Hermanns  Werken  beschiftigt  und  bin  mit  seiner  auf  Bach  beruhenden 
musikalischen  Sprache  vertraut.  Diese  Sonate,  die  aus  vier  knappen  Sitzen  besteht, 
fesselte  mich  nachhaltig  schon  beim  ersten  ZusammenspieL  Gleich  die  Einleitung  des 
sich  im  Tempo  allmihlich  steigernden  ersten  Satzes  gefiel  mir  ungemein.  Der  langsame 
Satz,  der  zum  Schluss  einer  gross  angelegten,  weihevollen  Sarabande  gleicht,  trigt  einen 
fist  transzendentalen  Charakter:  wie  eine  Vorahnung  des  Todes  mutet  die  darin  herr- 
schende Stimmung  an,  doch  eines  Todes,  vor  dem  man  kein  Grauen  empfindet.  Erinne- 
rungen an  das  Glfick  der  Kindheit  erweckt  das  kurze  Intermezzo.  In  dem  rhythmisch 
interessanten  Finale  ist  das  Gesangsthema  von  glficklichster  melodischer  Erfindung;  etwas 
Qberrascht  der  Schluss  in  Fis-dur;  im  viertletzten  Takt  ist  man  geneigt,  e  zu  spielen.  Für 
den  Geiger  sind  in  dieser  Sonate  mitunter  Intonationsschwierigkeiten  enthalten,  doch  wird 
ein  besserer  Dilettant  sie  nicht  unfiberwindlich  finden;  dagegen  erfordert  der  Klavierpart 
einen  sehr  tüchtigen  Pianisten.  Ich  habe  diese  Sonate  mit  einem  solchen  mehrfach  ge- 
spielt und  zwar  zu  sehr  verschiedenen  Zeiten,  und  jedesmal  steigerte  sich  der  von  vom 
herein  günstige  Eindruck,  den  wir  von  dieser  Sonate  hatten.  Es  lohnt,  sich  mit  ihr  näher 
zu  befkssen.  Hoffentlich  findet  sie  auch  im  Konzertsaal  Eingang,  was  ich  auch  von  dem 
Klavierquartett  Hermanns  erhoffe.  Es  wire  wirklich  Zeit,  dass  erste  Künstler  sich  der 
Werke  dieses  musikalischen  Sonderlings,  der  offenbar  seine  eigenen  Wege  unbeirrt  geht, 
annehmen.  Ob  Hermann  nicht  gut  tite,  ausser  Bachstudien  zu  treiben,  auch  einmal  sich 
mit  Brahms,  besonders  dessen  Kammermusikwerken  zu  befassen? 

167.  Carl  Krflger:  Suite  in  drei  Sitzen   für  Flöte  mit  Klavierbegleitung.    Verlag: 

Jul.  Heinr.  Zimmermann,  Leipzig. 
Dankbar  für  das  Soloinstrument,  stellenweise  gar  nicht  leicht  in  der  Begleitung, 
9orgfllltig  gearbeitet  und  fesselnd  durch  hübsche  Gedanken.    Im  ersten  Satz  (AUegro 
con  anima)  ist  namentlich  das  zweite  Thema  geflllig.    Die  Romanze  klingt  gut.    Das 
Rondo  cspriccio  brillante  muss  bei  guter  Ausführung  wirken. 

Prof.  Dr.  Wilh.  Altmann 

168.  Man6  Neubauer:  Fünf  Lieder  aus  »Des  Knaben  Wunderhorn*  für  eine 

Singstimme  und  Klavier.   Op.  8.  —  Aus  alten  japanischen  Frühlings- 
liedern für  eine  Singstimme  und  Klavier.    Op.  9.    Verlag:   Dr.  Heinrich 
Lewy,  München. 
Wenig  Reizvolles  ist  es,  was  der  mir  zum  ersten  Male  entgegentretende  Tonsetzer 
in  seinen  op.  8  und  9  zu  sagen  hat.    Relativ  am  besten  sind  ihm  »Bivouak*  und  »Das 
Rautenstriuchelein"  gelungen.    Die  charakteristische  Art,  wie  der  Komponist  hier  den 
dichterischen  Stoff  vertonte,  ISsst  ein  annehmbares  Talent  für  musikalische  Kleinmalerei 
erhoffen.    Im  übrigen  wird  Herr  Neubauer  sich  künftig  einer  intensiveren  Selbstkritik 
zu  befleissigen  haben,  um  Geschmacklosigkeiten,  wie  sie  die  übrigen  seiner  Gesinge 
wiederholt  zutage  fördern,  aus  dem  Wege  zu  gehen. 

169.  Carl  Smulders:   Lieder  für  Mezzosopran   und  Klavier.     »Kom  niet  de  verre 

wegen*;  »II  pleure  dans  mon  coeur".    Verlag:  A.  A.  Noske,  Middelburg. 
In  beiden  Gesängen  spricht  sich  ein  starkes  Talent  aus.    Namentlich  gelang  es 
dem  Komponisten,  der  Paul  Verlaineschen  Dichtung  »II  pleure  dans  mon  cceur*  Töne 
von  tiefer  Empfindung  zu  verleihen.    Eine  deutsche  Ausgabe  des  letzteren  Liedes  wire 
sehr  erwünscht. 

V.  21.  13 


178 
DIE  MUSIK  V.  2i. 


170.  Sem  Dresden:   Sechs  Lieder   für   eine   Singscimme   und    Klavier.     Verlag: 

A.  A.  Noske,  Middelburg. 
Soweit  sich  aus  den  vorliegenden  Gesingen  ein  Schluss  auf  die  Begabung  dieses 
hollindischen  Tonsetzers  ziehen  Usst,  darf  man  auf  die  Zukunft  Sem  Dresdens  gespannt 
sein.  Das  Material  seiner  musikalischen  Gedanken  und  die  Art  der  Ausarbeitung  inter- 
essiert auf  den  ersten  Blick.  Seine  in  kraftvollem  Melos  sich  gebenden  Motive,  die 
wohlklingende  Satztechnik  und  die  natürliche  Art  der  Deklamation  vertiefSsn  den  poetischen 
Gehalt  der  Dichtungen  und  erweitem  sie  zu  lyrischen  Szenen  von  grossem  Reiz.  Be- 
sonders glücklich  sind  die  drei  holländischen  ,»Liedjes*  gelungen.  Es  sind  warm  em- 
pfundene Stimmungsbilder.  Auch  die  deutschen  Gesinge  auf  Dichtungen  von  Rückert 
und  Bierbaum  lassen  so  gut  wie  keinen  Wunsch  unbefriedigt,  wenn  ich  auch  eine,  wenn 
auch  noch  so  vortrefflich  gemachte  Komposition  des  Bierbaumschen  «Der  lustige  Ehe- 
mann" nicht  für  geschmackvoll  halten  kann. 

171.  Ha  Gottlieb-Norent  Drei  Gesinge  nach  Texten  von  Emmy  Destinn  mit  Be- 

gleitung des  Pianoforte.  Op.  24.  Verlag:  Julius  Hainauer,  Breslau. 
Die  drei  Dichtungen  der  bekannten  dramatischen  Singerin  hat  Noren  durch  die 
AusdrucksAhigkeit  seiner  Erfindung  zu  prichtig  abgetönten  Stimmungsbildern  vertieft 
Wie  in  allen  anderen  Kompositionen,  die  ich  von  Noren  kenne,  so  ist  er  auch  hier 
nie  um  eine  eigenartig  harmonisierte  und  rhirthmisierte  Melodik  verlegen  und  zeigt  sein 
mehr  nach  der  Romantik  hinneigendes  Talent  im  hellsten  Lichte.  Zu  Verwundem  ist 
es,  dass  Gottlieb-Norens  Gesinge  nicht  mehr  Anklang  bei  unserer  Singerwelt  finden. 
Ein  so  volkstümlich  gehaltenes  melodiöses  Lied  wie  op.  24  No.  2  ,Es  war  einmal* 
müsste  beispielsweise  schon  lingst  in  allen  Stimmlagen  gesungen  werden. 

172.  Adolf  Weidig:  The  Buccaneer.    A  Song  Story.    Op.  31.    Verlag:  Clayton 

F.  Summy  Co.,  Chicago. 
Die  Erzihlung  in  Liedem  »Der  Pirat"  hat  Adolf  Weidig  zu  einem  Zyklus  für  Bariton 
mit  Klavierbegleitung  und  verbindendem  Text  gestaltet,  ohne  damit  ein  für  die  Literatur 
wertvolles  Werk  geschaflPen  zu  haben.  Seine  Phantasie  bewegt  sich  in  bekannten  Bahnen, 
ohne  im  geringsten  eine  eigene  Note  zu  zeitigen.  Ein  sehr  wisseriger  Eklektizismus, 
über  den  es  nicht  lohnt  weitere  Worte  zu  verlieren. 

173.  Ludwig  Fanzler:  20  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Pianofortebegleitung.  — 

Russische  Suite  für  Pianoforte.    Verlag:  J.  Schuberth  &  Comp.,  Leipzig. 

Dilettantische  Tastenbindiger-Phantasieen,  mühsam  am  Klavier  zusammengesucht. 

Ärgerliches  Zeug,  das  um  so  trauriger  wirkt,  weil  tatsichlich  ein  Fünkchen  Talent  unter 

der  schlammigen  Masse  hohler  Phrasendrescherei  und  banausischem  Schwulst  glimmt. 

174.  Carl  Grodltz:  8  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung.    Verlag: 

C.  Becher,  Breslau. 
Auch  diese  Produkte  haben  mit  der  Kunst  nichts  zu  tun.    Wenn  sie  auch  weit 
weniger  anspruchsvoll  als  die  vorigen  auftreten,  so  sind  sie  doch  mit  demselben  Masse 
zu  messen. 
1^  175.  Christian  Sinding:  Alte  Weisen,  Gedichte  von  Gottfried  Keller  für  eine 

Singstimme  und  Pianoforte.  Verlag:  Otto  Forberg,  Leipzig. 
Die  vorliegenden  sechs  Gesinge  des  berühmten  nordischen  Komponisten  sind 
fast  durchweg  schwach.  Sie  machen  den  Eindrack  bestellter  Gelegenheitsware.  Von 
Sindings  charakteristischer  Harmonik  ist  wenig  zu  bemerken.  In  den  Vertonungen  von 
»Ich  furcht*  nit  Gespenster",  »Wie  glinzt  der  helle  Mond*  sowie  »Alle  meine  Weisheit* 
finden  sich  zwar  einige  Anliufe  zu  einer  intensiveren  musikalischen  Ausdeutung  der 
Dichtungen  Kellers,  doch  kommt  es  namentlich  bei  den  beiden  letztgenannten  schliesslich 
auf  eine  rhythmische  Spielerei  heraus.  Adolf  Göttmann 


BONNER  ZEITUNG,  24.  Mai  1906.  —  Von  angenannter  Seite  werden  zwei  bisher 
ungedruckte  Briefe  Robert  Schumanns  veröffentlicht.  Der  eine  dieser  Briefe 
ist  an  Dr.  Raymund  Hirtel,  den  Chef  der  Leipziger  Firma  Breitkopf  &  Hirtel, 
gerichtet  Er  behandelt  den  Bindruck  des  Manfredtextes  in  die  Partitur.  Schumann 
schreibt  u.  a.:  .Die  Musik  würde  ohne  Kenntnis  des  Zusammenhanges  mit  dem 
Gedicht  Jedem  ein  RItsel  bleiben,  zumal  die  dramatische  Bearbeitung,  wie  ich  sie 
für  die  bfihnliche  Aufführung  unternommen,  vielfach .  vom  Original  abweicht, 
so  dass  jemandem,  der  die  erste  beste  der  vorhandenen  Übersetzungen  zur  Er- 
lluterung  der  Musik  hemihme,  der  Gang  des  ganzen  doch  nicht  klar  werden 
würde.*  Diesem  Brief  hat  Clara  Schumann  einige  Zeilen  beigefügt,  denen  wir 
folgende  Stelle  entnehmen:  .Mein  guter  Mann  ist  leider  noch  immer  nicht  ganz 
hergestellt  —  solch  Nervenleiden  ist  gar  langwierig,  und  recht  mit  Geduld  muss 
sich  mein  armer  Mann  wappnen  l  doch  hoffe  ich  zu  Gott,  er  soll  ihm  bald  seine 
alte  Kraft  wieder  verleihen!'  —  Der  zweite  Brief  ist  an  den  Verleger  Whistling  in 
Leipzig  gerichtet  Schumann  schreibt  darin  über  den  Stich  einer  Partitur  und 
über  Korrekturen  in  noch  zu  stechenden  Stimmen. 

PRAGER  TAGBLATT  1906,  No.  152;  176.  —  Zum  50.  Todestage  Robert  Schumanns 
bringt  Richard  Batka  einen  hübschen  Artikel  »Robert  Schumann  in  Böhmen",  in 
dem  er  die  mannigfachen  Beziehungen  aufdeclct,  die  Schumann  mit  Prag  und 
Böhmen  überhaupt  verbunden  haben.  Zum  erstenmal  kam  Schumann  im  August 
1819  als  neunjähriger  Knabe  in  Begleitung  seiner  Mutter  auf  einer  Reise  nach 
Karlsbad  über  die  böhmische  Grenze.  Er  empfing  hier  von  Moscheies,  der  in  der 
Kurstadt  konzertierte,  den  für  sein  ganzes  ferneres  Leben  entscheidenden  ersten 
Kunsteindruck.  Zum  zweitenmal  besuchte  Schumann  im  August  1827  Böhmen 
auf  einer  Ferienreise,  worüber  ein  Brief  an  seinen  Jugendfreund  Flechsig  niher 
unterrichtet.  Die  beiden  Liebestiuschungen  seines  Lebens  musste  er  auf  böh- 
mischem Boden  erfahren.  Knüpfen  sich  auch  für  den  Menschen  Schumann  allerlei 
schmerzliche  Erinnerungen  an  Böhmen,  so  hat  der  Künstler  des  Landes  stets 
freundlich  gedacht  Im  Jahre  1838  traf  er  zu  einem  dreitigigen  Aufenthalt  in 
Prag  ein  und  schrieb  einen  ausführlichen  Brief  an  seine  Braut  Clara  Wieck,  in 
dem  es  u.  a.  heisst:  »Wo  ich  in  Prag  hinhöre,  Du  kannst  nicht  glauben,  wie  lieb 
man  Dich  hat  Ober  Deinen  Vater  allein  ziehen  alle  her.**  Am  29.  Januar  1847 
gaben  Robert  und  Clara  Schumann  ein  Konzert  in  Prag,  das  lebhaften  Beifall  fand 
und  sogar  zu  persönlichen  Ovationen  für  Robert  führte.  Sie  haben  Prag  gemeinsam 
nicht  wieder  gesehen.  »Aber  wie  fest  der  empfangene  Eindruck  bei  ihnen  haftete, 
davon  konnte  ich  mich  vor  nunmehr  zehn  Jahren,  als  ich  Clara  Schumann  kurz 
vor  ihrem  Tode  in  Frankfurt  a.  M.  besuchte,  noch  selbst  überzeugen.  Mein 
Signalement  ,von  Prag*  genügte,  um  ihre  gegen  Fremde  sonst  streng  verschlossene 
Tür  zu  öffnen.  Und  nun  wachten  alle  schönen  Erinnerungen  im  Geiste  der  Greisin 
auf.  Der  Empfang  durch  Ambros,  Kittl,  das  Platteis  und  Landestheater  —  im 
wehmütigen  Gedenken  verklärten  sich  Claras  Züge.  Das  lag  nun  alles  so  weit, 
so  weit!* 

13» 


180 
DIE  MUSIK  V.  ZU 


HANNOVERSCHER  COURIER  1906,  27.  Juni.  —  .Der  Meister  der  Geige«,  za 
Joseph  Joachims  75.  Geburtstage,  28.  Juni,  von  Cyriak  Fischer.  In  der  geistigen 
Erfassung  der  Musik  kann  Joachim  heute  niemand  gleichgesetzt  werden.  .Das 
Adligste,  Reinste  und  Tiefste  seines  Empflndungsgehaltes  aus  der  lauteren  Innigkeit 
eines  echten  Künstlerherzens  heraus  zum  Ausdruck  zu  bringen:  in  all  dem  ist 
Joseph  Joachim  heute  einzig,  wie  er  es  vor  einem  Menschenalter  war  .  .  •  Alles 
Höchste  und  Tiefste  des  Geistes  zu  begreifen,  von  dieser  Seite  aus  der  Tonkunst 
wahrhaft  Herr  zu  werden:  das  ist  Ziel  und  Inhalt  seines  Lebens  gewesen.** 

HAMBURGER  FREMDENBLATT  1006,  28.  Juni.  —  Emil  Krause  widmet  Joseph 
Joachim  .Ein  75jähriger  Geburtstag*  einen  warmherzigen  Artikel.  .Joachim  ist, 
wie  Brahma,  Stockhausen,  Reinecke  usw.,  ein  Huter  dea  Vermichtnisses  unserer 
Klassiker.  .  .  Wir  verdanken  einem  gütigen  Geschick  in  Joachim  noch  heute  den 
Besitz  des  besten  Dolmetschers  der  klassischen  Werke.** 

GRILLPARZER -JAHRBUCH  1906.  .Anselm  Hüttenbrenners  Erinnerungen  an 
Schubert*,  mitgeteilt  von  Otto  Erich  Deutsch.  —  Diese  Erinnerungsblitter  ge- 
wihren  manchen  interessanten  Einblick  in  das  Seelenleben  Schuberts.  Hütten- 
brenner erzählt  u.  a.  folgendes:  .Wihrend  eines  Spazierganges,  den  ich  mit  Schubert 
ins  Grüne  machte,  fragte  ich  ihn,  ob  er  denn  nie  verliebt  gewesen  sei.  Da  er  in 
Gesellschaften  sich  so  kalt  und  trocken  gegen  das  zarte  Geschlecht  benahm,  so 
war  ich  schier  der  Meinung,  er  sei  demselben  ganz  abgeneigt.  ,0  neinl^  sprach 
er,  ,ich  habe  Eine  recht  innig  geliebt  und  sie  mich  auch.  Sie  war  eine  Schul- 
lehrerstochter,  etwas  jünger  als  ich,  und  sang  in  einer  Messe,  die  ich  komponierte, 
die  Sopransoli  wunderschön  und  mit  tiefer  Empfindung.  Sie  war  eben  nicht  hübsch, 
hatte  Blattnarben  im  Gesicht;  aber  gut  war  sie,  herzensgut.  Drei  Jahre  lang  hoffte 
sie,  dass  ich  sie  ehelichen  werde;  ich  konnte  jedoch  keine  Anstellung  finden, 
wodurch  wir  beide  versorgt  gewesen  wiren.  Sie  heiratete  dann  nach  dem  Wunsche 
ihrer  Eltern  einen  andern,  was  mich  sehr  schmerzte.  Ich  liebe  sie  noch  immer, 
und  mir  konnte  seither  keine  andere  so  gut  und  besser  gefallen  wie  sie.  Sie  war 
mir  halt  nicht  bestimmt.^*  •  .  .  Über  seine  tiglichen  Lebensgewohnheiten  berichtet 
folgende  Notiz:  .Nachmittags  komponierte  Schubert  nie;  nach  dem  Mittagessen 
ging  er  in  ein  Kaffeehaus,  trank  eine  kleine  Portion  schwarzen  Kaffee,  rauchte 
ein  paar  Stunden  und  las  nebenher  Zeitungen.  Abends  besuchte  er  ein  oder  das 
andere  Theater.  Gute  Schauspiele  waren  ihm  ebenso  interessant  wie  gute 
Opern."  •  .  .  .Bei  einem  Glase  Wein  oder  Punsch  war  Schubert  am  gesprichigsten; 
seine  musikalischen  Urteile  waren  scharf,  kurz  und  bündig;  er  traf  allezeit  den 
Nagel  auf  den  Kopf.    Er  glich  hierin  Beethoven,  der  mitunter  auch  sehr  ironisch 

war Wenn  in  Gesellschaften  gründlich  über  Musik  gesprochen  wurde,  hörte 

Schubert  mit  Vergnügen  zu  und  fiel  selten  in  die  Rede.  Wenn  aber  irgendein 
naseweiser  Dilettant  Behauptungen  aufstellte,  die  von  totaler  theoretischer  Un- 
wissenheit des  Redners  zeugten,  da  riss  dem  guten  Schubert  der  goldene  Faden 
der  Geduld  und  er  sagte  einem  solchen  Schwitzer  rasch  ins  Gesicht:  ,Schweigen 
Sie  lieber,  das  verstehen  Sie  nicht  und  werden's  auch  nie  verstehen!'*  .  .  .  .Von 
sich  und  seinen  Werken  sprach  Schubert  selten  und  auch  da  nur  wenige  Worte. 
....  Sein  Lieblingsdiskurs  drehte  sich  um  HSndel,  Mozart  und  Beethoven.*  .  .  . 
»Schubert  hatte  ein  frommes  Gemüt  und  glaubte  feat  an  Gott  und  die  Unsterblich- 
keit der  Seele.  Sein  religiöser  Sinn  spricht  sich  auch  deutlich  in  manchen  aeiner 
Lieder  aus.  Zur  Zeit,  als  er  Mangel  litt,  verlor  er  keineswegs  den  Mut,  und  hatte 
er  zuweilen  mehr,  als  er  bedurfte,  so  teilte  er  auch  gern  anderen  mit,  die  ihn  um 
milde  Gaben  ansprachen.* 


181 

REVUE  DER  REVUEEN 


WIR.  DEUTSCHE  BLÄTTER  DER  KÜNSTE  (Prag)  1906,  Heft  2.  -  Hans 
Effenberger  kritisiert  die  «Prager  Musikverhiltoisse".  Er  wendet  sich  besonders 
gegen  den  «hohlen  Wagnerschwindel,  wie  er  in  Prag  gezüchtet  wird%  der  der 
Hemmschuh  fQr  alle  Fortbildung  zum  Neuen  sei. 

NEUE  MUSIK-ZEITUNG  (Stuttgart),  1006,  No.  15-18.  —  „Hausmusik  von  Max 
Reger*^  bespricht  G.  ▼.  Lfipke,  und  verweist  dabei  auf  op.  82.  Diese  zwölf  kleinen 
Stücke  «Aus  meinem  Tagebuche"  sind  berufen,  dem  musikalischen  Lslen,  der 
«Rogers  Riesenwerke  mit  ingstlichem  Staunen  hört,  den  Namen  ihres  Schöpfers 
lieb  und  vertraut  zu  machen**.  —  Einen  intereasanten  Beitrag  liefert  Egon  von  Komor- 
zynski:  «Der  ,Freischütz'  und  das  ältere  deutsche  Singspiel.*  —  Gaston  Knosp 
würdigt  hervorragende  «Pariser  Kapellmeister"  wie  Edouard  Colonne,  Paul  Taffane), 
Alexandre  Luigini,  Camille  Chevillard,  Georges  Msrty,  Paul  Vidal,  Victor  Charpentier, 
Henri  Busser.  —  «Johann  Sebastian  Bachs  Sonaten  für  die  Violine"  bespricht 
C.  Witting.  In  diesen  Sonaten  ist  der  Nährboden  iür  das  heutige  Violinspiel  zu 
suchen,  denn  in  ihnen  sind  die  Grenzen  der  Leistungsfähigkeit  der  Violine  als 
mehrstimmigen  Instrumentes  gezogen,  und  der  gebildete  Geiger,  wie  auch  der 
fertigste  Virtuose  kann  seine  Meisterschaft  daran  prüfen.  —  Ferdinand  Scherber 
teilt  «einen  Brief  Friedrich  Kinds  an  Peter  Joseph  Lindpaintner"  mit.  Lindpaintner 
war  als  ausgezeichneter  Dirigent  an  der  Stuttgarter  Hofkapelle  und  als  Lieder- 
komponist bekannt  und  geschätzt.  —  Einen  anregenden  Beitrag  bringt  Victor  Lederer: 
«Maifestspiele  im  slten  Bardenland".  Der  erste  Mai  war  der  Zeitpunkt  des  alt- 
druidischen  Sommerfestes.  Die  keltischen  Völker  Britanniens  haben  Reste  dieser 
alten  Maifeier  konserviert.  In  alten  flnnianischen  Gesängen  Irlands  findet  sich 
wiederholt  das  alte  grosse  Druidenfest  «Baltaine"  erwähnt.  Der  Zeitpunkt  dieses 
Festes  war  (nach  unserem  Kalender)  der  letzte  April.  Tags  darauf  folgte  das 
eigentliche  Sommerfest:  die  mit  Gesang  und  Tanz  begangene  «Maifeier".  Ein 
Festesfeuer  wurde  enttündet  und  um  dieses  Feuer  wurde  getanzt  Beim  Tanzen 
sang  man  ein  Lied  auf  den  Sommer.  Verfasser  teilt  die  folgende  Strophe  eines 
solchen  alten  erhaltenen  Mai-  und  Sommerliedes  mit:  «For  we  were  up  as  soon 
SS  any  day  —  For  to  fetch  the  summer  home;  —  The  summer  and  the  May,  o  — 
For  the  summer  now  is  come."  ...  «In  diesen  altheidnischen  Tanzliedern  ruhen 
aowohl  die  Wurzeln  unserer  mehrstimmigen  Tonkunst  wie  auch  die  Wurzeln 
unseres  Dramas."  . .  •  Diese  Art  von  Maifeier-  und  Sommernachtspoesie  hat  in 
Shakeapeare's  Sommernachtstraum  ihren  letzten  herrlichen  Nachhall  gefunden.  — 
M.  Koch  veröffentlicht  die  Fortsetzungen  seiner  Arbeit  über  die  «Tonsatzlehre". 

MUSIKALISCHE  RUNDSCHAU  (München),  1906  No.  9-11.  —  Karl  Storck 
bringt  die  Fortsetzung  seines  Artikels:  «Beethoven  als  Angelpunkt  in  der  Musik- 
entwicklung," in  der  er  darlegt,  wie  im  Erringen  der  seelischen  und  sinnlichen 
Mächte  in  der  Musik  durch  Beethoven  ein  völliger  Umschwung  eingetreten  ist. 
—  Richard  Batka  schreibt  über  «Babel  und  Bibel  in  der  Musik".  Die  Aus- 
grabungen im  Orient  haben  die  Frage  nach  den  Anfängen  der  Kunstmusik  der 
Beantwortung  näher  gebracht.  Mesopotamien  ist  die  Wiege  der  Kirchenmusik,  und 
.die  semitischen  Völker  Vorderasiens  sind  ihre  Träger,  die  sie  von  den  Sumerern, 
einem  uralten,  geheimnisvollen  Kulturvolke  turkmenischen  Stammes  über- 
nommen haben. 


NEUE  OPERN 

Torre  Alfina:  »Der  Traum  eines  Herbstabends",  eine  musilcaliscfae  Tragödie 
von  Gabriele  d'Annunzio,  wird  in  der  nietasten  Saison  an  der  Komischen 
Oper  in  Paris  itare  Erstauffütarung  erleben. 

August  de  Boeck:  «Reinaert  de  Vos*,  eine  die  Reineke  Foctas-Fabel  in 
modernem  Gewände  auf  die  Buhne  bringende  Oper,  soll  im  nichsten  Vinter 
am  Filmischen  Theater  in  Antwerpen  zur  Auff&hrung  gelangen. 

Gustav  Kulenkampff:  „Anne-Marei*,  ein  abendfüllendes  Verk,  soll  im  Laufe 
des  Novembers  am  Theater  des  Westens  in  Berlin  zur  Uraufführung  gelangen. 

Max  Marschalk:  «Aukassin  und  Nikolette'yCin  romantisches  Liederspiel  in 
zwei  Aufzügen  und  sechs  Bildern,  ist  vom  Kgl.  Hoftheater  in  Stuttgart  zur 
Aufführung  angenommen  worden. 

Andr6  Messager:  »Chandelier",  eine  Operette,  Libretto  von  Robert  de  Flers 
und  Gaston  de  Caillavet  nach  Alfred  de  Musset,  wird  als  eine  der  ersten 
Novititen  an  der  Komischen  Oper  in  Paris  in  Szene  gehen. 

Charles  Siiver:  »Die  Biuerin*,  Buch  nach  depi  gleichnamigen  Roman  von 
Am^d6e  Achard,  erlebte  in  der  Komischen  Oper  in  Paris  ihre  Uraufführung. 

Alexander  von  Zemlinsky:  »Der  Traumgorg**  betitelt  sich  eine  abendfüllende 
Oper,  Text  von  Leo  Feld,  die  von  der  Wiener  Hofoper  zur  Aufführung  er- 
worben wurde. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Berlin:  «Pique  Dame*,  Tschaikowsky's  Oper,  die  schon  vor  llogerer  Zeit  von 
der  Generalintendantur  zur  Aufführung  erworben  wurde,  geht  als  eine  der 
ersten  Novititen  der  nSchsten  Spielzeit  im  Königl.  Opernhaus  in  Szene. 

B6ziers:  Bei  den  diesjihrigen  Festspielen  in  der  Arena  wird  Spontini's  grosse 
Oper  »Die  Vestalin*  zur  Aufführung  kommen.  Diese  alte,  fast  der  Ver- 
gessenheit anheimgefallene  Oper  eignet  sich  allerdings  infolge  ihres  Inhaltes 
für  die  Darstellung  unter  freiem  Himmel  sehr  gut  Der  Dekorations- 
maler der  grossen  Pariser  Oper,  Jambon,  hat  bereits  gewaltige  Kulissen  ent- 
worfen, die  eine  Fliehe  von  6000  Quadratmetern  aufweisen.  Die  Oper  wird 
in  B6ziers  am  26.  und  28.  August  aufgeführt.  Hervorragende  Solisten  der 
Pariser  Grossen  Oper  und  des  Königl.  La  Monnaie-Theaters  in  Brüssel 
wirken  mit;  femer  eine  grosse  Anzahl  von  Ballettinzerinnen  von  der  Mai- 
linder Skala  und  der  Pariser  Oper.  Als  Orchesterleiter  ist  wieder  Jean 
NuSsy-Verdie  gewonnen  worden.  Eine  besondere  Anziehung  werden  die 
diesjihrigen  Festspiele  in  B6ziers  noch  dadurch  ausüben,  dass  am  2.  Sept. 
ein  zu  Ehren  Saint-SaSns'  arrangiertes  Symphoniekonzert  stattfinden  wird, 
in  dem  der  gefeierte  Komponist  und  Louis  Diemer  zusammen  als  Solisten 
mitwirken,  und  in  dem  auch  Saint-SaSns'  neueste  Kantate  »La .  Gloire  de 
Corneille"  zur  Aufführung  gelangen  wird. 

Hirschberg  L  SehL:  Unter  der  Direktion  von  C.  Schmidek  erlebte  im  Frühjahr 


183 
UMSCHAU 


die  Oper  „MarielU*  Ton  P.  Niepel  Ihre  UraufffihniDg  und  erzielte  einen 
starken  Erfolg. 
Monte  Carlo:  Direktor  Raoul  Gnnzbourg  wird  in  der  nlchsten  Saison  folgende 
NoTititen  bringen:  Massenet  »Tb^rdse*,  Leronx  »Tbeodora%  Saint- 
SaSns  „L'anc6tre*. 


KONZERTE 


Alzey:  Der  Gesangverein  »Slngerkranz*  veranstaltete  am  27.  Mai  unter  Fritz 
Erckmann  eine  Mozart-Scbumann-Feiery  in  der  fast  ausscbliesslicb 
Werke  dieser  Meister  zum  Vortrag  kamen. 

Essen:  Die  Musikaliscbe  Gesellscbaft  veröffentlicbt  ibr  Winter- 
Programm  1906/07.  I.  Konzert:  Vokal-Quartette  gesungen  von  Jeannette 
Grumbacber-dejongy  Tberese  Scbnabel-Bebr,  Paul  Reimers,  Artbur 
▼an  Eweyky  begleitet  von  Bruno  Hinze-Reinbold.  Kompositionen  von 
Haydn,  Scbut>ert|  Scbumann,  Brabms  u.  a.  IL  Konzert:  Liederabend  und 
Orcbesterkonzert  unter  Mitwirkung  von  Max  Reger,  Ludwig  Hess,  Adele 
Mfinz,  Alexander  Kosman.  Lieder  von  Reger,  Strauss  u.  a.;  Klavierkonzert 
von  Mozart  (Solist:  Max  Reger);  Suite  für  Violine  und  Klavier  op.  03^ 
Serenade  fQr  Orcbester  op.  05  von  Reger  (Uraufffibrung).  III.  Konzert: 
Brucbstücke  aus  den  Opern  Siegfried  Wagners,  Werke  von  Riebard  Wagner 
und  Franz  Liszt  Dirigent:  Siegfried  Wagner.  IV.  Konzert:  Eroica;  Hymnen 
an  die  Nacbt  f&r  Bariton  und  Orcbester  von  Siegmund  von  Hausegger;  «Ein 
Heldenleben*  von  Riebard  Strauss,  Dirigent:  Siegmund  von  Hausegger. 

Frankfurt  a*M«:  Die  Leitung  der  Museums-Konzerte  werden  im  kommenden 
Winter  folgende  Gastdirigenten  fibemebmen:  Gustav  Mabler,  Felix  Mottl, 
Artbur  Nikiscb,  Fritz  Steinbacb,  Riebard  Strauss,  A.  Toscanini, 
W.  Mengelberg,  Henry  Wood,  Pbilipp  Wolfrum,  Ludwig  Rottenberg, 
Volkmar  Andreae,  Hermann  Suter,  Georg  Scbn^evoigt,  J«  Scbulz. 

M.«Gladbach:  In  den  «Cicilia'-Konzerten  und  in  den  secbs  Sympbonie-Konzerten 
des  stidtiscben  Orcbesters  (beide  unter  Leitung  von  Hans  Gelbke) 
kamen  im  vergangenen  Winter  u.  a.  zur  AuffQbrung:  Haydn  (Jabreszeiten), 
Wolf-Ferrari  (La  vita  nuova),  Hindel  (Estber),  Strauss  (Aus  Italien),  Liszt 
(Tasso),  Brabms  (Akademiscbe  Festouvertüre)«  Scbumann  (d-moU  Sympbonie), 
DvoHk  (Kameval-Ouvertfire),  Scbubert  (C-dur  Sympbonie),  Guilmant  (Sym- 
pbonie mit  Orgel),  Saint-SaSns  (Sympbonie  c-moll  mit  Orgel),  Glazounow 
(7.  Sympbonie),  Mac  Dowell  (Indianiscbe  Suite),  Volbacb  (»Ostern*),  Beet- 
boven  (Pastorale),  Grieg  (Lyriscbe  Suite  op.  54),  Pb.  Scbarwenka  (Arkadiscbe 
Suite),  Humperdinck  (Mauriscbe  Rbapsodie),  Borodin  (Steppenskizze),  Sgambati 
(Te  Deum  fQr  Streicborcbester  und  Orgel),  Max  Anton  (Burleske  f&r  Klavier 
und  Orcbester.  UrauffQbrung).  Solisten:  Luise  H5velmann-Tomauer,  Eva 
Lessmann,  Clcilie  Rüscbe-Endor!^  Angile  Vidron,  C.  Kayser,  E.  Diergardt, 
sowie  die  Herren  Hugo  Becker,  Emil  Pinks,  Hans  Gelbke,  Willy  Fenten, 
Josef  Loritz,  Max  Anton,  Bram-Eldering,  Felix  Senius,  J.  M.  Orelio,  F.  W. 
Franke  u.  a. 

Jena:  Am  10.  Juni  feierte  der  Kircbencbor  (Kantor  Haubold)  sein  40]ibriges 
Besteben  durcb  ein  woblgelungenes  Konzert 

Leipzig:  In  den  Gewandbaus-Konzerten  des  nicbsten  Winters  werden  nur 
solcbe  Orcbesterwerke  zur  AufHibrung  kommen,  die  erst  selten  oder  über- 
baupt  nocb  nicbt  im  Gewandbaus  aufgefQbrt  sind.    Als  Solisten  werden 


184 
DIE  MUSIK  V.  21. 


zum  ersten  Mal  im  Gewtndhaut  auftreten:  Marie  Buiaaon,  Julia  Culp, 
Hedwig  Helwigy  Selma  Kurz,  Margarete  Siema  (Geaang),  Leopold 
Godowaky,  Max  Pauer  (Klavier),  Fritz  Kr  ei  aler  (Violine),  Pablo  Caaala 
(Violoncello).  Eine  Neuerung  bilden  zwei  Abonnementakonzerte  mit  rein 
orcheatralem  Programm,  ohne  Mitwirkung  von  Solisten. 

Von  aoliatischen  Neuerscheinungen  für  die  Philharmonischen  Konzerte 
des  Vinderstein-Orchesters  sind  zu  nennen:  Mme.  Charles  Cahier, 
Marie  Panthös,  Ina  Vright,  August  Kiess,  Anton  Hekking,  Pablo 
Casals,  Serge  Liapounow,  Riccardo  Vines. 

Scheveningen:  Im  Juni  brachte  August  Scharrer  mit  den  Berliner  Phil- 
harmonikern folgende  Neuheiten  zur  Aufführung:  Paul  Ertel  »Belsazar*, 
Max  Reger  »Sinfonietta*,  Siegfried  Vagner  »Ouvertfire  zu  Bruder  Lustig*. 

Stuttgart:  Das  Programm  zu  dem  vom  4.  bia  8.  Oktober  stattfindenden  Hugo 
▼olf-Fest  ist  in  seinen  einzelnen  Teilen  nunmehr  festgelegt.  Es  bringt 
zwei  Liederabende,  ein  Kirchenkonzert,  eine  Auffuhrung  des  „Corregidor*, 
und  ein  Orchesterkonzert.  Als  Solisten  sind  gewonnen:  Emma  Rfickbeil- 
Hiller,  Hedwig  Schweicker,  Konzertsinger  Richard  Fischer  (Frankfurt) 
und  die  Hofopernsinger  Dr.  Kuhn  und  Veil.  Die  Klavierbegleitung  iiber- 
nimmt  Carl  Friedberg.  Das  Orchester  (Hofkapelle)  steht  unter  der  Leitung 
von  Hofkapellmeister  Po  hl  ig.  Die  Chöre  werden  von  dem  durch  ander- 
weitige Gesangskrifte  verstirkten  Hoftheaterchor  gesungen. 

TAGESCHRONIK 

Der  Vorstand  dea  Vereins  „Mainzer  Liedertafel  und  Damengesang- 
verein* hat  mit  Genehmigung  dea  Grossherzogs  von  Hessen  die  Erweiterung  der 
Satzung  der  Kaiserin  Friedrich-Stiftung  durch  Schaffung  des  Instituts  der 
Mitgliedschaft  beschlossen.  Als  Mitglied  soll  betrachtet  werden,  wer  einen  jfthr- 
liehen  Beitrag  von  mindestens  Mk.  10.—  entrichtet.  Die  Mitglieder  haben  daa 
Recht  auf  unentgeltliche  Oberlassung  einer  Eintrittskarte  und  sollen  die  von  der 
Stiftung  herauszugebenden  Veröffentlichungen  zu  Vorzugspreisen  beziehen  können. 
Nihere  Auskunft  erteilt  der  Schriftführer,  Landrichter  Dr.  L.  Krug  in  Mainz. 

Verein  der  Muaiklehrer  in  den  Lehrerbildungaanstalten  öater- 
reicha.  Mit  Bewilligung  der  k.  k.  n.  ö.  Statthalterei  haben  die  Musiklehrer  an 
den  Lehrerbildungsanstalten  Österreichs  nach  dem  Beiapiele  der  Zeichen-  und 
Turnlehrer  an  Mittelschulen  einen  Fachverein  mit  dem  Sitze  in  Wien  gegründet. 
Der  Zweck  dea  Vereins' ist  die  Förderung  der  Musikpflege  im  Schulwesen 
Qberhaupt  und  dea  Muaikunterrichts  an  den  Bildungsanstalten  für  Lehrer  und 
Lehrerinnen  inabesondere,  sowie  die  gegenseitige  Unterstfitzung  der  Berufskollegen 
und  -kolleginnen  in  Berufs-  und  Standesangelegenheiten.  In  die  Vereinsleitung 
wurden  gewählt:  Prisident:  Hana  Wagner;  Kaasier:  Ferd.  Habel;  Vize-Priaident: 
W.  Chladek;  Sekretär:  Karoline  Völkl. 

Dem  Verband  für  Jugend-Konzerte  haben  sich  bisher  24  Städte  an- 
geschlossen: Arolsen,  Buchsweiler  i.  Eis.,  Charlottenburg,  Düsseldorf,  Gotha, 
Hagenau  i.  Ela.,  Hannover,  Hildesheim,  Köln  a.  Rh.  Lübeck,  München,  Ohrdruf, 
Plauen  i.  V.,  Posen,  Quedlinburg,  Rathenow,  Rixdorf,  Schwedt  a.  O.,  Spremberg, 
Stettin,  Stuttgart  und  Weimar.  Das  Berliner  Komitee  für  Jugend-Konzerte  hat 
ala  weitere  Neueinrichtung  eine  Bibliothek  ins  Leben  gerufen,  für  die  zahlreiche 
Muaikverleger  ihre  besten  Werke  gesandt  haben.  Die  geeigneten  Stücke  aollen 
zur  Benutzung  für  die  Beteiligten  katalogiaiert  und  auaserdem  soll  ein  Büchlein 
herausgegeben  werden,   das  für   alle  Werke   der  Inatrumentalmuaik   einige  Er- 


185 
UMSCHAU 


liuterungen  gibt  und  auch  kurze  biographische  Notizen  über  die  hervorragendsten 
Tondichter  entbilt.  Femer  plant  das  Berliner  Komitee  noch  eine  Sammlung  von 
geeigneten  Liedern  mit  Klavierbegleitung  in  einzelnen  Heften  zu  je  zehn  Liedern; 
jedes  Heft  soll  ein  in  sich  geschlossenes  Programm  bilden. 

Internationaler  Wettstreit  von  Militirkapellen.  Die  badische  Leib- 
grenadierkapelle mit  ihrem  Dirigenten  Musikdirektor  Böttge  ist  vom  deutschen 
Konsulat  in  Gijon  in  Spanien  zur  Teilnahme  an  einem  internationalen  Wettstreit 
von  Militirmusiken  eingeladen  worden.  Es  nehmen  Militirkapellen  aus  Frankreich, 
Österreich,  Kussland,  Italien  und  Spanien  daran  teil.  Die  Kapelle  erhält  freie 
Reise,  Verpflegung  und  Einquartierung  sowie  wihrend  des  achttägigen  Aufenthalts 
zehn  Mark  tägliches  «Erfrischungsgeld*  pro  Musiker.  Es  sind  drei  Preise  von 
5000,  3000  und  2000  Pesetas  (ä  80  Pf.)  ausgesetzt.  Die  badische  Leibgrenadier- 
Kapelle  reist  Mitte  August  nach  Spanien  und   ist  fQr  die  ManSverzeit  beurlaubt 

Ein  Katalog,  der  für  die  Musikgeschichte  einen  ungewöhnlichen  Wert  be- 
sitzen wird,  sieht  der  Veröffentlichung  entgegen.  Der  Inhalt  wird  den  gesamten 
Schatz  an  Musik-Manuskripten  umfassen,  der  imBritischenMuseumzuLondon 
aufgespeichen  ist.  Das  Werk  wird  in  drei  Bänden  herausgegeben  werden,  von 
denen  der  erste,  der  ausschliesslich  der  kirchlichen  Vokalmusik  gewidmet  ist, 
eben  seine  Vollendung  erfahren  hat.  Der  zweite  Band,  dessen  Fertigstellung  ver- 
mutlich innerhalb  eines  weiteren  Jahres  beendet  sein  wird,  ist  zur  Aufnahme  der 
weltlichen  Vokalmusik  bestimmt.  Der  dritte  Band  wird  sich  auf  die  Instrumental- 
musik und  auf  Abhandlungen  über  Musik  beziehen,  ausserdem  auch  eine  genaue 
Liste  von  musikalischen  Instrumenten  enthalten,  soweit  sie  in  Manuskripten  des 
Museums  beschrieben  sind,  femer  noch  andere  mehr  vermischte  Gegenstände. 
Die  Zusammenstellung  des  ganzen  Katalogs  besorgt  einer  der  Beamten  an  der 
Manuskriptabteilung  des  Britischen  Museums,  Dr.  Hughes-Hughes. 

An  der  Universität  Göttingen  hat  sich  eine  akademische  Orchester- 
Vereinigung  gebildet,  die  die  künstlerische  Pflege  klassischer  und  modemer 
Musik  bezweckt. 

Universitätsmusikdirektor  Prof.  Dr.  Emst  Naumann  in  Jena,  der  seit  1860 
dort  tätig  ist,  wird  sich  am  1.  Oktober  von  seiner  öffentlichen  Wirksamkeit 
zurückziehen. 

Der  Leiter  der  Generalintendanz  der  K.  u.  K.  Hoftheater  in  Wien,  August 
Frhr.  von  Plappart,  hat  mit  Rücksicht  auf  andauemde  Kränklichkeit  sein  De- 
missionsgesuch eingereicht. 

Friedrich  Klose,  der  Komponist  der  Symphonie  »Das  Leben  ein  Traum* 
und  der  Oper  „Ilsebill*,  tritt  Oktober  dieses  Jahres  in  den  Lehrkörper  des  Basler 
Konservatoriums  ein  und  zwar  für  den  Unterricht  in  Komposition  und  doppeltem 
Kontrapunkt,  und  für  die  Leitung  der  höheren  Solfeggienklassen. 

Louis  Victor  Saar,  einer  der  hervorragendsten  in  Amerika  lebenden  deutschen 
Tonsetzer,  hat  eine  Berufung  als  erster  Professor  für  Komposition  an  das  „College 
of  Music*  in  Cincinnati  erhalten.  Während  des  letzten  Jahres  bekleidete  er  eine 
gleiche  Stellung  an  dem  unter  Leitung  von  Frank  Damrosch  in  New  York  begrün- 
deten Konservatorium.  Saar  hat  sich  durch  viele  Werke  auf  dem  Gebiete  der 
Kammermusik,  des  Liedes  und  Chorgesangs  sehr  vorteilhaft  bekannt  gemacht. 

Dr.  Hermann  Stephani  in  Flensburg  ist  zum  Organisten  und  Kantor  an 
der  St.  Andreaskirche  in  Eisleben  gewählt  worden. 

Zum  Direktor  des  Stadttheaters  in  Rostock  wurde  der  bisherige  Regisseur 
des  Mannheimer  Hoftheaters,  Rudolf  Seh  aper,  gewählt. 


186 
DIE  MUSIK  V.  21. 


Jacques  Goldberg ,  der  letzten  Winter  an  der  Metropolitan  Opera  in  New 
York  alt  Oberregiaaeur  titig  war,  wurde  in  gleicher  Eigenschaft  andaa  Stadttheater 
in  Dfiaaeldorf  berufen. 

Zum  Dirigenten  dea  philharmoniachen  Orcheatera  in  Berlin  wurde  nach  er- 
folgreichem Probedirigieren  Kapellmeiater  Dr.  Emat  Kunwald  einatimmig  gewihlt 
Er  tritt  aein  neuea  Amt  am  I.Juni  1007  an. 

Ffir  daa  Dreadener  Hoftheater  iat  Kapellmeiater  Alexander  ▼.  Zemlinaki 
vom  Kaiaer-Jubiliuma-Theater  in  Wien  von  1007  ab  verpflichtet  worden. 

Muaikverleger  Emil  Gutmann»  der  Sohn  dea  Wiener  Hofmuaikverlegera 
und  Konzertdirektora  Albert  Gutmann,  hat  in  Mfinchen  ein  Konzertbureau  eröffnet. 

Daa  Karl  Haaae-Stipendium  von  der  akademischen  Hochschule  für  Musik 
in  Berlin  in  Höhe  von  900  Mark  iat  der  Pianiatin  Liaa  Jackl  verliehen  worden. 

Daa  Stadtverordneten  -  Kollegium  von  Keichenberg  i.  B.  beachloaa,  dem 
Oberregiaaeur  am  Jubiliuma-Sudttheater  in  Wien,  Karl  Krug,  und  dem  Kapell- 
meiater Friedrich  Sommer,  der  in  der  letztverfloaaenen  Spielzeit  am  Reichenbeiier 
Stadttheater  gewirkt  hat,  dieaea  Theater  ala  Pichter  bzw.  Leiter  zu  fiberlaaaen. 

Der  Pianiat  Walter  Bachmann  in  Dresden  ist  zum  Kgl.  Kammervirtuoaen 
ernannt  worden. 

Prof.  Engelbert  Humperdinck-Berlin  erhielt  den  Kronenorden  3.  Kl., 
Prof.  Philipp  Rfifer-Berlin  den  Roten  Adlerorden  4.  Kl. 

Kammerainger  Franz  Litzinger  in  Dfiaaeldorf  ist  der  Rote  Adlerorden 
4.  Kl.  verliehen  worden. 

Der  Geiger  Arthur  Hartmann  in  Berlin  iat  vom  König  von  Serbien  durch 
Verleihung  des  Ritterkreuzes  des  St.  Sava  Ordena  auagezeichnet  worden. 

TOTENSCHAU 

Am  22.  Juni  f  in  Magdeburg  Kapellmeister  Gustav  Schaper. 

In  Paris  f  im  Alter  von  43  Jahren  der  Redakteur  dea  «Guide  muaical* 
Jacques  Froiasart.  Ein  verdienter  Muaikschriftsteller,  trat  er  ala  geachickter 
Oberaetzer  deutacher  Bfihnenwerke  für  deutache  Musik  und  Bfihnenkunst  ein. 

Am  1.  Juli  f  in  London  der  berühmte  Gesangameister  und  Erfinder  dea 
Kehlkopfspiegels  Manuel  Garcia  im  102.  Lebenajahr.  Im  Mirz  vorigen  Jahres 
wurde  er  an  aeinem  100.  Geburtstage  von  der  geaamten  Kunat-  und  Gelehrtenwelt 
in  hervorragendem  Masse  gefeiert.  Die  „Musik*  veröffentlichte  damala  aein  Bild 
und  die  wichtigaten  Daten  aua  dem  Leben  dea  Kfinstlers  (Jahrg.  IV,  Heft  11,  S.  380). 

62  Jahre  alt  f  in  Zürich  der  Musikdirektor  R.  Naumann. 

In  Wien  f  09  Jahre  alt  der  Theatermaler  Franz  Gaul.  Er  gehörte  über 
30  Jahre  dem  Hoftheater  als  Kostümzeichner,  zuletzt  ala  techniacher  Oberinspektor 
und  Leiter  des  Aussuttungswesens  in  der  Hofoper  an.  Er  hat  die  Ausstattung  zu 
einer  Reihe  von  bekannten  Ballets  geschaffen. 

In  Staraja  Russa  f  Hermann  Mayer-Pirko,  ein  geborener  Bayer,  der  in 
den  letzten  Jahren  als  stellvertretender  Kapellmeister  am  Michael -Theater  in 
St.  Peteraburg  wirkte. 

Ober  die  in  der  jüngsten  Zeit  Verstorbenen:  Paul  Graf  von  Walderaee 
und  Karl  Lautenachliger  siehe  das  nihere  in  den  Anmerkungen  dieses  Heftes. 

Auf  den  am  9.  Juni  in  Königsberg  i.  Pr.  aua  dem  Leben  geachiedenen  hervor- 
ragenden Tonaetzer  Konatanz  Berneker  wird  die  .Mueik"  in  einem  der  nichaten 
Hefte  auafuhrlich  zu  sprechen  kommen.   . 


OPER 

FRANKFURT  «.  M.:  Eine  wunderliche  Art  von  »Zyklas*  hatten  wir  Im  Mai.  Er  begann 
mit  einer  chronologiachen  Folge  der  Schöpfungen  Richard  Vagnera,  von  ,»Tann- 
hinaer'  an  aber  wechaelte  in  der  Serie  Vagner  mit  Mozart  ab.  Der  leitende  Gedanke 
einer  derartigen  Folge  iat  mir  verborgen  geblieben.  In  den  einzelnen  Werken  kamen 
daa  UnterhaltnngabedGrfnia  und  vielfach  auch  der  emate  künatleriacbe  Anapruch  durch 
Mitwirkung  bedeutender  oder  doch  vielveraprechender  Giate  auf  ihre  Rechnung.  Denk- 
wfirdig  waren  vor  allem  die  Abende,  an  denen  Lucio  Veidt  von  der  Wiener  Hofoper 
ala  groas  geartete,  hinreiaaende  Donna  Anna  auftrat  und  Fritz  Feinhala  aua  München 
den  Hana  Sache  imponierend  und  tonachön  verkörperte.  Auch  Frau  Fleiacher-Edela 
Eliaabeth  und  die  laolde  von  Paula  Döngea  aua  Leipzig  boten  ein  ganz  hervorragendea 
Intereaae.  Weitere  Giate  kamen  aua  Berlin,  ao  Emat  Kr  aua  ata  Lohengrin,  Frau 
Herzog  ala  Conatanze  in  der  „EntfQhrung"  und  Theodor  Bertram  ala  hier  bereite  be- 
kannter und  wertgeachitzter  Fliegender  Hollinder  und  Wotan.  Hermine  Boaetti  aua 
Mfinchen  gab  ala  Königin  der  Nacht  eine  koatbare  Leiatung  im  Koloraturgeaang  zum 
beaten,  hielt  dagegen  in  der  Auftrittaarie  die  dramatiache  Seite  der  Rolle  in  ziemlich 
flachem  Relief.  Theo  Drill-Orridge,  die  aich  von  hier  aua  ihren  Ruf  ala  tüchtige 
Konzertaingerin  erwarb,  trat  dieamal  ala  Wiener  Hofopemgaat  in  der  Rolle  dea  Adriane 
in  »Rienzi*  auf.  Soll  aber  ihre  Kunst  auch  von  der  Bühne  herab  atirkeren  Eindruck 
hinterlaasen,  ao  muas  daran  noch  manchea,  beaondera  im  Spiele,  wachsen  und  reifen.  An 
aufmunternder  Anerkennung  hat  ea  ihr  nach  der  groaaen  Arie  nicht  gefehlt.] 

Hana  Pfeilachmidt 

KÖLN:  Die  Opernfestspiele  im  Neuen  Stadttheater  nahmen  am  20.  Juni  ihren 
Anfang  mit  einer  ungemein  atilvollen  «Don  Juan* -Aufführung  nach  Hermann 
Levia  Bearbeitung.  Wihrend  Anton  Fucha  vom  Mfinchener  Hoftheater  eine  treffliche 
Inazenierung  nach  dem  Vorbilde  Poaaarta  schuf,  erzielte  Felix  Mottl  mit  dem  Orchester 
prachtvolle  Wirkungen.  Johanna  Gadaki-Tauacher  (New-York),  Marie  Burk-Berger 
(München),  Hermine  Bosetti  (München),  Fritz  Feinhala  (München),  Wilhelm  Heach 
(Wien),  Carl  Jörn  und  Putnam  Griswold  (Berlin)  vereinigten  sich  als  Solisten  zu  einem 
Ensemble  von  grösster  Eindruckskrafr.  Am  24.  Juni  folgte  eine  ausserordentlich  schöne 
»Lohengrin*- Aufführung  unter  Fritz  Steinbacha  Leitung.  Leo  Slezak  (Wien)  ala 
Titelheld,  Aino  Ackt6  (Paris),  die  allerdings  in  hiuflgem  Unreinsingen  eine  gewisse  In- 
disposition erkennen  Hess,  als  Elsa,  dann  Leopold  Demuth  (Wien)  als  Telramund,  femer 
Thila  Plaichinger  und  Putnam  Griawold  (Berlin)  ala  Ortrud  und  König,  denen  sich 
der  hiesige  stimmgewaltige  Tilmann  Liszewsky  ala  Heerrufer  anachloss,  wirkten  in 
glinzender  Weise  zusammen.  Auch  die  kleinen  Partieen  der  Edlen  und  Knaben  waren 
mit  eraten  Kriften  verschiedener  Stadttheater  beaetzt,  dann  fanden  die  Chöre  durch 
fünfzig  Schülerinnen  der  obersten  Chorklasse  des  Konservatoriuma  aowie  durch  hundert 
Mitglieder  dea  Gesangvereina  «Kölner  Liederkranz*  bedeutsame  Erginzung.  Unter 
Steinbach,  dessen  frisch  anmutende  und  geistig  vertiefte  Leitung  stets  den  ganzen 
Apparat  in  den  Bann  aeiner  muaikaliachen  Initiative  zog,  erachöpfte  zumal  das  Orchester 
die  Charakteriatik  und  den  Schönheitagehalt  dea  Werka  in  aeltenem  Maaae.  Anton  Fuchs' 
vornehme  Regiekunst  erhielt  in  stilechten  neuen  Dekorationen  und  reicher  koatümieller 


188 
DIE  MUSIK  V.  21. 


Ausstattung  eine  schätzbare  Unterstützung.  Auch  der  auf  den  27.  Juni  gefallene  dritte 
Abend  bedeutete  mit  einer  ausgezeichneten  Wiedergabe  des  «Fliegenden  Holländer* 
nach  allen  Richtungen  hin  einen  grossen  Erfolg  der  Festspielleitung.  Otto  Lohse  als 
starlE  individuell  zeichnender,  interessanter  Dirigent,  Fritz  Fein  hals  als  Holländer,  Leo 
Slezak  als  Erik,  Johanna  Gadski  als  Senta  und  Wilhelm  Hesch  als  Daland  fanden 
sehr  starken  Beifall.  Die  „Lohengrin'-AuffQhrung  wurde  am  29.  Juni  mit  Obemahme 
des  Telramund  durch  Feinhals  und  des  Königs  durch  Rudolf  Mo  est  von  Hannover 
wiederholt.  Die  ersten  beiden  Abende  fanden  das  Haus  ausverkauft,  die  beiden  folgenden 
zum  mindesten  ein  sehr  zahlreiches  Auditorium.  So  können  der  nach  allen  Richtungen 
das  Mögliche  leistende  Vorstand  des  Festspielvereins  und  das  eine  starke  Ergänzung  von 
auswärts  aufweisende  Publikum  miteinander  recht  zufrieden  sein.  Die  beiden  letzten 
Abende  bringen  Richard  Strauss'  „Salome*,  einmal  unter  des  Komponisten,  das  andere 
Mal  unter  Lohses  Leitung.  Paul  Hill  er 

LEIPZIG:  Am  25.  Mai  ist  auch  hier  die  Wilde-Strausssche  »Salome*  zur  Aufführung 
gelangt  und  zwar  in  so  künstlerischer  Bewältigung  der  abnormen  Aufgabe,  dass  die 
Bedeutsamkeit  des  ungeheuren  impressionistischen  Allkunstwerkes  voll  erfasst  una  allen 
an  der  Wiedergabe  des  Werkes  Beteiligten  mit  unzähligen  Hervorrufen  gedankt  werden 
konnte.  Kapellmeister  Hagel  leitete  die  von  ihm  bestens  vorbereitete  Aufführung  mit 
stimmungsreicher  Energie  und  Feinfühligkeit,  so  dass  auch  in  dem  einige  silebedzig 
Mann  starken  Orchester  bei  voller  Dezenz  des  Begleitens  nichts  von  den  schönen  und 
unheimlichen  Klangfärbungen  der  Straussschen  Partitur  verloren  ging.  Regisseur  Marion 
hatte  für  jederzeit  sinngemässe  Gestaltung  der  sich  vor  einer  gut-charakteristisch  gemalten 
Dekoration  des  Obermaschineninspektors  Patzig  abspielenden  Bühnenbilder  Sorge  ge- 
tragen, und  neben  Frau  Do  enges,  die  bei  bedeutender  Darstellung  die  Salome  un- 
übertrefflich schön  sang,  Herrn  Urlus,  der  als  Herodes  stimmlich  und  schauspielerisch 
auf  beträchtlicher  Höhe  stand,  und  Herrn  Soomer,  dem  die  Markigkeit  seines  Organes 
für  den  Jochanaan  sehr  zu  statten  kam,  wurden  auch  alle  mit  kleineren  Partieen  be- 
trauten Mitglieder,  von  denen  hier  noch  Herr  Schlitzer  (Narraboth),  Frl.  Sengern 
(Herodias)  und  Fri.  Studtegger  (Page)  genannt  sein  mögen,  ihren  Aufgaben  in  vollem 
Masse  gerecht.  Die  ungeheure  Schwierigkeit  des  Werkes  hatte  das  ganze  Personal  zu 
rastlosem  Aufgebot  seines  besten  Könnens  angeeifert,  und  so  hat  denn  die  Aufführung 
der  ganz  nach  der  Devise  »l'art  pour  Part"  geschaffenen  „Salome*'  wirklich  zu  einer 
hochbedeutenden  Kunsttat  geraten  können.  Man  bejubelte  das  schöne  Ereignis  um  so 
lebhafter,  als  zwei  Tage  zuvor  die  hiesigen  städtischen  Theater  vom  Rate  der  Stadt 
endgültig  an  Direktor  Robert  Volkner  verpachtet  worden  waren  und  man  somit  die 
Salome-Premiere  als  ein  gutes  Omen  für  die  nun  beginnende  neue  Opernära  auffassen 
konnte.  Arthur  Smolian 

MONCHEN:  Humperdincks  »Heirat  wider  Willen*  haben  wir  nunmehr,  ein  Jahr 
nach  der  Berliner  Uraufführung,  auch  hier  zu  hören  bekommen.  Die  Musik  Humper- 
dincks  zeichnet  sich,  wie  alles,  was  der  Meister  schreibt,  durch  unübertreffliche  technische 
Vollendung  aus,  namentlich  in  der  mit  subtilster  kontrapunktischer  Kunst  gearbeiteten 
und  mit  einer  Fülle  von  Wohllaut  getränkten  Instrumentation.  Die  thematische  Erfindung 
ist  aber  nirgends  von  besonderer  Bedeutung;  einige  hübsche  Einfälle,  wie  z.  B.  die  Melodie 
der  Brieflektüre  im  ersten  Akt,  nähern  sich  etwas  dem  Stil  der  Operette.  Auch  musikalisch 
ist  der  Lustspielton  keineswegs  immer  getroffen;  z.  B.  die  Instrumentaleinleitung  zu  der 
Szene  in  der  Bastille  klingt  so  schaurig  und  tragisch,  dass  man  zum  mindesten  an  einen 
Gang  zum  Halsgericht  denkt;  statt  dessen  handelt  es  sich  um  zwei  lockere  Vögel,  die 
im  Arrest  sitzen  und  ihrer  Verheiratung  entgegenharren.  Ganz  hübsch  gelungen  ist 
dagegen  im  letzten  Akt  die  Einführung  eines  Schäferlieds  und  eines  Menuetts  im  alten 


189 

KRITIK:  KONZERT 


Stil;  auch  einige  sehr  hfibsche  Ensembles  weist  die  Partitur  auf,  wobei  insbesondere  das 
Ges-dur-Quartett  am  Schluss  des  zweiten  Akts  Erwihnung  verdient  Die  ziemlich  lange 
Ouvertüre,  die  Humperdinck  nachkomponiert  hat  und  die,  irre  ich  nicht,  bei  uns  zur  Ur- 
aufführung kam,  erfreut  wieder  durch  ihre  prachtvolle  Instrumentation,  ist  aber  in  ihrem 
thematischen  Gehalt  wie  die  ganze  Oper  zu  unbedeutend.  Ein  prichtiges  Stück  ist  dagegen 
die  Verwandlungsmusik  des  zweiten  Aktes,  die  tonmalerisch  die  Hochzeitsfeier  darstellt 
und  auch  in  ihrem  kontrapunktisch-thematischen  Gefüge  interessant  ist.  Die  Aufführung 
unter  der  szenischen  Leitung  von  Fuchs  und  der  musikalischen  von  Mottl  war  sehr 
gut.  Von  den  einheimischen  Kriften  war  Frau  Bosetti  als  Luise  am  besten;  eine 
würdige  Partnerin  fand  sie  in  Frl.  Koboth  als  Hedwig.  Herr  Buysson  als  Montford 
erfreute  durch  gewandtes  Spiel  und  musikalische  Sicherheit,  war  aber  stimmlich  nicht 
stets  ausreichend.  Vorzügliches  bot  Herr  Hoffmann  aus  Berlin  als  Duval;  die  Rollen 
des  Gouverneurs  und  des  Königs  waren  mit  den  Herren  Bender  und  Bauberg  er  erst- 
klassig besetzt.  Dr.  Eugen  Schmitz  . 

NÜRNBERG:  Die  bayerische  Landesjubillumsausstellung,  die  in  Nürnberg  ihre  Pforten 
geöifnet  hat,  hat  auch  unserer  Oper  einen  letzten,  kriftigen  Impuls  gegeben.  Man 
hat  Festspiele  veranstaltet  und  eine  Reihe  der  gerühmtesten  Sterne  am  deutschen 
Opemhimmel  hat  zwei  Meistersingeraufführungen  besonderen  Glanz  verliehen.  Jung- 
Wagners  „Bruder  Lustig'  musste  in  solcher  Umgebung  noch  mehr  zusammen- 
schrumpfen. Dagegen  konnte  die  Opernbühne  Nürnbergs  den  Ruhm  für  sich  in  Anspruch 
nehmen,  aus  eigenen  Kriften  Richard  Straus^'  »Salome*  herausgebracht  zu  haben: 
an  dritter  Stelle  in  Deutschland!  Wer  die  stupenden  Schwierigkeiten  der  Partitur  aus 
eigener  Anschauung , kennt,  kann  die  Tat  unseres  Kapellmeisters  Paul  Ottenheimer 
ganz  würdigen,  und  die  Art,  wie  die  Musik  Strauss'  von  ihm  angefasst  und  wieder- 
geschaffen worden  ist,  rückt  Ottenheimer  in  die  vorderste  Reihe  unserer  Opemdirigenten. 
Henny  Dima  als  Salome  war  gut;  besser  noch,  besonders  im  Spiel,  Costa  als  Herodes. 
Das  auf  100  Mann  verstärkte  Orchester  hat  wohl  alle  Intentionen  des  Meisters  und  seiner 
Partitur  zum  Erklingen  gebracht.  Ober  das  Werk  selbst  kann  mau  ein  Urteil  nicht  in 
wenige  Zeilen  komprimieren:  für  diese  Wildesche  Dichtung  kann  eine  andere  Musik 
nicht  erdacht  werden,  und  die  Art,  wie  auf  dem  Boden  einer  kühnsten  Orchestration 
eine  ganz  neue  Harmonik  geschaffen  wird,  gegenüber  der  alle  Lehrbücher  versagen 
müssen,  wird  vielleicht  der  Ausgangspunkt  einer  neuen  technisch-musikalischen  Ära  sein. 

Dr.  Flatau 

KONZERT 

AMSTERDAM:  In  die  bereits  stark  abflauende  Saison  kam  nochmals  ein  frischer  Zug 
durch  das  Eintreffen  zweier  illustren  GIste:  Edvard  Grieg  und  Felix  Weingartner. 
Die  Grieg-Periode  gipfelte  in  einem  grossen  Konzert  im  Stadttheater,  bei  dem  nur  Grieg- 
sche  Werke  zur  Aufführung  gelangten  durch  den  genialen  Komponisten  selbst  am  Klavier, 
Julia  Culp  und  Pablo  Casals.  —  Wurde  der  nordische  Meister  bereits  hoch  gefeiert,  so 
wuchs  der  Beifall,  der  Felix  Weingartner  zuteil  wurde,  ins  Ungemessene.  Die  Wein- 
gartner-Woche  bot  Gelegenheit,  den  vielseitigen  Künstler  zu  bewundem  als  Redner, 
Kammermusik-Spieler,  Komponisten  und  Dirigenten.  Im  Verein  .Erasmus"  hielt  er 
einen  fesselnden  Vortrag  über  seine  „Oresteia*;  mit  den  Herren  Flesch,  Noach, 
Meerlov, -Mossel  und  Blazer  brachte  er  sein  Sextett  zu  glinzender  Geltung  und 
Alida  Lütkemann  begleitete  er  eine  Reihe  Lieder,  unter  denen  »Ghawaze*  und 
yPlauderwische"  besonders  gefielen.  Die  grüssten  Triumphe  feierte  er  in  zwei  Kon- 
zerten, in  denen  er  seinen  König  Lear,  sowie  seine  neuen  achtstimmigen  Chüre  mit 
Orchester  «Traumnacht*  und  «Sturmhymne"  zur  Aufführung  brachte  und   Beethovens 


IQO 
DIE  MUSIK  V.  21. 


Neunte  dirigierte.  Unter  Weingartners  die  letzte  Fiber  erregender  Leitung  vereinigte 
sich  alles  zu  grandioser  Wirkung:  der  hinreistend  singende,  eben  von  seiner  Pariser 
Kunstreise  ruhmreich  zurückgelcehrte  Chor  des  Oratorium -Vereins,  das  auserlesene 
Concertgebouw  Orchester  und  das  gute  Soloquartett,  bestehend  aus  den  Damen  Lütlce- 
mann,  Stapelfeldt  und  den  Herren  Swolfs  und  Sol.  Von  Weingartners  Wericen 
machte  den  tiefeten  Eindruck  die  Sturmhymne,  die  in  gewaltigen  Klingen  und  bizarren 
Effekten  See*  und  Wüstensturm,  sowie  die  Stürme  des  menschlichen  Henens  schildert. 

—  Zum  Schlüsse  der  Saison  bot  das  Concertgebouw  in  einem  nur  Werke  niederllndischer 
Tonkünstler  enthaltenden  Programm  Gelegenheit  zur  Würdigung  derJung-Niederlindischen 
Schule.  In  Doppers  zweiter  Symphonie  «Rembrandt*  finden  sich  schöne  talentvoll  be* 
arbeitete  Motive  und  vortreffliche  Instrumentation,  und  van  Gilses  Vorapiel  »Eine  Lebens- 
messe* ist  voll  edler  Stimmung.  Hieran  schlössen  sich  Bruchstücke  aus  Wagenaar* s 
geistvollem  »Doge  von  Venedig*  und  vanAnrooy's  gern  gehörte  pikante  Piet-Hein-Rhap- 
sodie.  Simtliche  Werke  seien  deutschen  Orchestervereinen  als  Programmbereicherung 
für  die  kommende  Saison  empfohlen.  Hans  Augustin 

ANTWERPEN:  Die  Konzertsaison  geht  ihrem  Ende  entgegen.  Sie  war,  ohne  überladen  zu 
sein,  recht  erfolgreich.  Vornehmlich  die  Gesellschaft  »Nouveaux  concerts*  bereitete 
uns  manchen  herrlichen  Abend,  so  an  letzter  Stelle  noch  eine  Quartectsoiree  des  Brüsseler 
Quartetts,  denen  ich  vor  allen  hier  gehörten  Vereinigungen  —  auch  den  »Böhmen* 

—  den  Vorzug  gebe;  femer  als  letztes  Abonnementskonzert  das  Kaimorchester  unter 
Schnöevoigt.  Mit  einigen  Worten  sei  auch  der  Gesellschaft  »Cercle  Artistique*  gedacht, 
die  uns,  wenn  auch  in  kleinem  Rahmen,  manchen  künstlerischen  Abend  bot  und  mit  ihrem 
Schlusskonzert  —  einer  etwas  verapiteten  MozartfSeier  —  einen  ungetrübten  Genuas  bereitete. 
In  letzterem  fiel  eine  junge  Brüsseler  Singerin,  Frl.  Bernard,  durch  ihre  prachtvolle,  wohl- 
geschulte Sopranstimme  auf.  Das  Jahreskonzert  des  unter  Leitung  eines  Lehrera  stehen- 
den gemischten  Chores  der  Lehrervereinigung  »Diesterweg*  brachte  im  eraten  Teil  als 
Neuheit  Hindels  »Cicilien-Ode*,  die  dank  der  prichtig  ausgeführten  Chöre  und  der 
vorzüglichen  Solisten,  Frl.  Bernard  (Sopran)  und  Herr  Swolfs  (Tenor),  grossen  Beifall 
erweckte.  Im  zweiten  Teil  kamen  Werke  modemer  Tonsetzer  zur  Aufführung,  von  denen 
Blockz*  »Vlaamsche  Kermis  aus  Milenka*,  besondere  aber  Benoit's  »Genius  des  Vader- 
landa*  die  Zuhörer  in  helle  Begeisterung  vereetzte.  —  Zu  einem  musikalischen  Ereignis 
für  Antwerpen  und  Brüssel  gestaltete  sich  die  Doppelaufführung  dea  Oratoriums  »Paulus* 
durch  die  gemeinsamen  Chöre  des  dortigen  deutschen  Gesangvereins  und  der  hiesigen 
deutschen  Liedertafel.  In  Antwerpen  vereinigten  sich  über  300  Erwachsene  und  Kinder 
zur  Unteratützung  der  Chorile,  um  dem  Werke  zu  einer  glänzenden  Wiedergabe  zu  ver- 
helfen. Seit  langen  Jahren  war  hier  ein  so  gut  disziplinierter  Chor  nicht  mehr  gehört  worden. 
Da  auch  das  Orchester,  aus  den  besten  Elementen  der  Antwerpener  Theatermusiker  sich 
zusammensetzend,  seine  volle  Schuldigkeit  tat,  und  die  Solisten,  Frau  Rückbeil-Hiller, 
Paul  Reimers  und  der  Cölner  Opemsinger  Liszewski  ganz  Hervorragendes  leisteten, 
so  war  der  Erfolg  ein  durchschlagender.  Felix  Welcker,  dem  Leiter  der  Aufführungen, 
wurden  auasergewöhnliche  Ovationen  dargebracht.  A.  Honigsheim 

BADEN-BADEN:  Erstes  Musikfest  (9.-- 11.  Juni).  Mit  einem  Orchester,  das,  wenn 
es  auch  durch  Zuzug  von  aussen  auf  ca.  00  Mann  veretirkt  wird,  gewöhnt  ist,  tag- 
tiglich  dreimal  zur  Kurgartenpromenade  und  zum  Brunnentrinken  usw.  aufzuspielen,  die 
»Neunte*  aufführen  und  sogar  aehr  gut  aufführen,  ist  keine  Kleinigkeit.  Der  städtische 
Kapellmeister  Paul  Hein  hat  im  Verein  mit  seinem  Kollegen,  dem  als  Liederkomponisten 
geschitzten  Musikdirektor  Carl  Beines,  der  die  Chöre  einstudierte  und  die  zur  Auf- 
führung gelangenden  Chorwerke  dirigierte,  die  schwierige  Sache  fertig  gebracht  Auch 
die  c-moll  Symphonie  von  Brahma»  dessen  Andenken  der  erate  Fesubend  gewidmet 


191 
KRITIK:  KONZERT 


war,  kam  ^berraachend  actaön  heraua«  Deaaelben  Meiatera  Violinkonzert  ftind  in  Fritz 
Kreialer  einen  hinreiaaenden,  berufenen  Interpreten,  dem  der  Lorbeer  dea  eraten  Feat- 
tafea  gehörte,  womit  nicht  geaagt  aein  aoU,  daaa  die  fibrigen  Mitwirkenden  leer  aua» 
gegangen  wiren.  Am  zweiten  Abend,  attaachlieaalich  Beethovenachen  Verken  zugedacht, 
apielte  Bnaoni  daa  Ea-dur  mit  der  von  ihm  bekannten  techniachen  Meiaterachaft.  An 
Stelle  der  in  letzter  Stunde  den  Unternehmern  der  Veranataltung  Schwierigkeiten  ver- 
uraachenden  Hamburger  Primadonna  Frau  Fleiacher-Edel  lieaa  aich  Auguate  Bopp- 
Glaaer  vom  Stuttgarter  Hoftheater  erfolgreich  mit  der  i,Ah  perfldo'-Arie  hören,  ohne 
freilich  eine  ao  intenaive  Wirkung  zu  erzielen,  wie  ea  dem  Tenoriaten  Ludwig  Heaa 
mit  dem  achlechterdinga  meiaterlichen  Vortrag  dea  Liederzyklua  i,An  die  ferne  Geliebte" 
beachieden  war.  Ala  Zugabe  lieaa  er  die  »Adelaide"  folgen«  Ich  habe  dieaea  hohe  Li^d 
der  achwirmeriachen  Sehnaucht  nie  empflndungavoller,  nie  atilreiner  aingen  hören.  Die 
Senaatlon,  oder  aagen  wir  beaaer  Attraktion,  dea  dritten,  auaachlieaalich  modernen  Meiatem 
gewidmeten  Konzertea  bildete  Richard  Strauaa,  der  peraönlich  erachienen  war,  um 
»Till  Eulenapiegela  luatige  Streiche*,  daa  Liebeaduett  aua  »Feueranot*,  den  »Camaval 
Romain"  von  Berlioz,  .Loa  Pr61udea"  von  Liazt  und  daa  »Meiaterainger^-Vorapiel  zu 
dirigieren,  aimtliche  Werke  unter  ganz  auaaergewöhnlichen  Ovationen  von  aeiten  dea 
enthuaiaamierten  Auditoriuma,  an  deaaen  Spitze,  unmittelbar  vor  dem  Dirigentenpult,  die 
aympathiache  Greiaengeatalt  dea  Groaaherzoga  Friedrich  von  Baden  zu  bemerken  war. 
Nachdem  Eulenapiegela  GlQck  und  Ende  in  Tönen  vorübergerauacht,  miachte  aich  in  daa 
Toben  dea  begeiaterten,  dem  diaboliachen  Humor  dea  geiatreichen  Capriccioa  aber  doch 
nicht  recht  beikommenden  Publikuma  der  von  Herzen  kommende  Tuach  dea  Orcheatera. 
Ungemein  duftig,  den  poetiachen  Gehalt  voUatlndig  auaachöpfend,  aang  Julia  Culp  drei 
von  Erotik  umloderte  Lieder  dea  »Salome'-Autora,  vom  Komponiaten  am  Flügel  begleitet 
Auch  dieae  Glanznummer  war  ein  Höhepunkt  und  gehört  zu  den  unvergeaalichen  Ein- 
drücken. Wenig  Glück  hatten  die  wenigen  Novititen  (für  Baden):  Humperdincka 
Kantate  »Die  Wallfehrt  nach  Kevlaar"  und  V.  dMndya  Bariton-Arie  aua  deaaen  Oper 
»L'6tranger",  auf  die  man,  nach  dieaer  Probe  zu  urteilen,  in  deutachen  Landen  nicht 
geapannt  zu  aein  braucht.  Ala  Interpret  fungierte  ein  Mitglied  der  Kgl.  Oper  in  Brüaael, 
Henri  Albera,  deaaen  atimmliche  Qualititen  —  er  beteiligte  aich  auch  am  Feueranot- 
duett  —  den  beaten  Eindruck  machten.  AUea  in  allem  darf  aich  die  Sudt  Baden  zu 
dem  achönen  und  anacheinend  ziemlich  deflzitloaen  Verlauf  dea  Featea  gratulieren.  Der 
Beauch  bitte,  beaondera  von  aeiten  der  anweaenden  Saiaongiate,  reger  aein  dürfen.  Aber 
man  llaat  nicht  ungeatraft  nach  Aufführung  von  Beethovena  »Neunter"  eine  Militlrkapelle 
im  Freien  konzertieren.  Man  wollte  eben  auch  den  »Minderbemittelten"  an  muaikaliachem 
Veratindnia  —  und  die  gibt'a  ja  überall  -—  etwaa  »bieten".  So  war  denn  beiden  Teilen 
geholfen.  Alfred  Beetachen 

BALTIMORE:  Wilhelm  Gericke  hat  die  Leitung  der  Boaton  Symphony  Concerte 
niedergelegt  und  aich  auf  der  letzten  Konzerttour  von  den  verachiedenen  Stitten 
aeiner  erfolgreichen  Titigkeit  verabachiedet.  Im  letzten  Konzert  brachte  er  neben  Gold- 
marka  »Sakuntala"-Ouvertfire,  Debuaay'a  Pr61ude  zu  »rAprda  Midi  d'un  Faun"  und  eine  fein 
auagearbeitete  Wiedergabe  der  C-dur  Symphonie  von  Schubert.  Dazwiachen  machte  una 
Henri  Marteau  in  dankenawerteater,  Weiae  mit  dem  Dalcrozeachen  Violinkonzert  be- 
kannt Im  Januarkonzert  der  Kapelle  enttiuachte  Alfred  Reiaenauer  mit  der  achwung- 
loaen  und  aelbat  techniach  unaauberen  Auaführung  dea  Weberachen  Konzenatückea, 
wihrend  Wilhelm  Gericke  aich  in  der  C-dur  Symphonie  von  Schubert  zu  ungewohnter 
Höhe  erhob.  Vincent  d'Indy'a  »Bergaymphonie",  in  der  Heinrich  Gebhard  (Boaton)  in 
vortreflriicher  Weiae  den  Klavierpart  übernahm,  Tachaikowaky'a  »Rimini-Phantaaie*,  Strauaa* 
Till  Eulenapiegel,  eine  Konzertouvertüre  von  Elgar  und  [daa  »Adagietto"r^aua}Mahlera 


192 
DIE  MUSIK  V.  21. 


f&nfter  Symphonie  bildeten  die  Programmnummern  dieses  and  des  folgenden  Konzertes. 
Marie  Hall,  die  englische  Geigerin,  gab  im  vierten  Konzerte  mit  hübschem  Ton  eine 
im  ganzen  ziemlich  unbedeutende  AusfChrung  des  Mendelssohnschen  Violinkonzertes. 
—  Unter  den  vier  Pianisten,  die  im  Peabody  auftraten,  nimmt  Harold  Bauer  ohne  Zweifel 
eine  hervorragende  Stellung  ein.  Sein  durchaus  gesundes,  unmanieriertes  Spiel,  dem  es 
Jceineswegs  an  Temperament  mangelt,  hinterliess  einen  bedeutenden  Eindruck.  Ausser  ihm 
gaben  recitals:  Emest  Hutcheson,  ein  Techniker  par  excellence,  und  Emmanuel  V ad, 
der  mehr  Poesie  besitzt,  aber  manchmal  geradezu  ins  Bizarre  verflUlt  Raoul  Pugno, 
der  f&r  die  erkrankte  Frau  Bloom field-Zeisler  engagiert  worden  war,  erzielte  seinen 
grössten  Erfolg  mit  den  Werken,  in  denen  er  die  ihm  eigne  musikalische  Grazie  und  die 
Leichtigkeit  seines  Anschlags  entfalten  konnte.  Die  Slogerin  Metcalfe  hat  einen 
sympathischen  Sopran,  den  sie  im  ganzen  gut  zu  gebrauchen  versteht.  Sie  singt  in  vier 
verschiedenen  Sprachen  mit  anscheinend  vollkommener  Beherrschung  der  Idiome.  Frau 
Kirkby-Lunn's  Stimme  klingt  in  ernsten  Gesftngen  unvergleichlich.  Ausser  den  er- 
wihnten  recitals  sind  noch  die  besonders  genussreichen  von  Jean  Gerardy  (mit  Klara 
Ascherfeld  als  Partnerin  am  Klavier)  und  von  Henri  Marteau  zu  nennen.  —  Die 
Programme  der  drei  letzten  Konzerte  des  Kneisel-Quartetts  unter  Harold  Randolph's 
Mitwirkung  wiesen  die  Streichquartette  in  Es-dur  von  Mozart,  B-dur  von  Beethoven,  c-moU 
von  DvoHk  und  verschiedene  Bruchstücke  auf.  —  Unter  Harold  Randolph's  Leitung  hat 
sich  der  im  vorigen  Jahre . gegründete  „Bach-Chor*  tüchtig  weiterentwickelt.  Seine 
Leistungen  in  diesem  Jahre  zeigten  einen  bedeutenden  Fortschritt  gegenüber  denen  im 
Vorjahre.  Das  erste  Konzert  brachte  fast  ausschliesslich  a  cappella  Gesinge,  beginnend 
mit  Bach,  Palestrina  und  Arcadelt,  und  mit  drei  russischen  Chören  schliessend.  Da- 
zwischen spielte  die  Geigerin  Maud  Powell  mit  dem  ihr  hier  stets  gewissen  Erfolg. 
Letzte  Woche  wiederholte  der  Bach-Chor  die  „Matthius'-Passion,  die  er  im  vergangenen 
Jahr  zum  erstenmal  in  Baltimore  zur  Aufführung  gebracht  hatte,  in  durchaus  erfreulicher 
Weise.  Nicht  ganz  so  befriedigend  waren  die  Solisten,  denen  man  den  Mangel  tieferen  Ein- 
dringens in  den  Geist  Bachscher  Musik  sehr  anmerkte.  —  Das  Philadelphia-Orchester 
kam  noch  zweimal  im  Winter  und  verstärkte  den  Eindruck,  den  es  unter  Fritz  Sehe eTs 
temperamentvoller  Leitung  bei  seinem  ersten  Auftreten  hinterlassen  hatte.  —  Arthur 
Rubinstein  (Klavier)  gab  gemeinsam  mit  der  Singerin  Johanna  Gadski  ein  Konzert, 
in  dem  er  Proben  seines  zweifellos  starken  Talents  ablegte,  das  freilich  noch  sehr  der 
Schulung  bedarf.  Frau  Gadski  riss  das  Publikum  zur  Begeisterung  hin.  —  Den  Schluss 
der  Saison  bildete  das  letzte  Konzert  des  Oratorien  vereine.  Joseph  Fache  brachte 
mit  seiner  aus  über  dreihundert  Stimmen  bestehenden  Singerschar  eine  sehr  anerkennens- 
werte Aufführung  des  13.  Psalm  von  Liszt  und  Horatio  Parker's  „Hora  Novissima*,  ein 
Werk,  das  viele  Schönheiten  enthllt.  —  In  Kürze  nachzutragen  sind  noch  die.  Mozart- 
feier des  »Germania^'-Männerchores,  der  unter  der  Leitung  Theodor  Hem bergers  in 
stetem  erfolgreichen  Aufstreben  begriffen  ist,  und  ein  Sonatenabend  des  Ehepaares 
Hemberger,  an  dem  Violinsonaten  von  Viktor  Saar  (op.  44),  Pugnani  (E-dur)  und 
Sinding  (E-dur)  gespielt  wurden.  Edg 

BrOSSEL:  Die  Concerts  populaires  beschlossen  ihre  Winterkonzerte  mit  einem 
Wagnerkonzert  bei  enormem  Andrang  des  Publikums,  das,  mit  Novititen  überfüttert, 
augenscheinlich  f^oh  war,  gesunde  Kost  vorgesetzt  zu  bekommen.  Aber  trotz  prächtiger 
Orchesterleistung  fehlte  die  rechte  Begeisterung.  Dem  Dirigenten  Dupuis  geht  der 
grosse  Zug  ab,  und  verschiedene  der  oft  vorzüglich  gehörten  Werke  wie  Tristan- 
und  Parsifal-Vorspiel  waren  im  Tempo  arg  vergriffen.  Frau  Fleischer-Edel  sang 
Isoldens  Liebestod  und  Schlusszene  ans  der  Götterdämmerung,  ohne  aber  einen  tiefen 
Eindruck  zu  hinterlassen.    Sonst  gab  es  noch  die  Holländer-Ouvertüre,  Waldweben  aus 


193 
KRITIK:  KONZERT 


Siegfried  und  Szenen  aus  dem  dritten  Alcte  der  Meistersinger.  —  Hoch  gingen  die  Wogen 
der  Begeisterung  im  fünften  Ysay  e-Konzert.  Der  Meister  spielte  in  seiner  bewunderungs- 
würdigen Weise  die  Konzerte  G-dur  von  Bach  (mit  2  Flöten),  G-dur  von  Mozart  und 
Beethoven.  Sein  Bruder  Th6o  leitete  das  Orchester,  das  die  Ouvertüren  aus  der  D-dur 
Suite  von  Bach,  Titus  von  Mozart  und  Fidelio  beisteuerte.  —  Einen  sensationellen  Erfolg 
hatte  ein  Konzert  des  Kaimorchesters  unter  Schn6evoigt.  Wenn  es  sich  auch, 
was  Klangschönheit  betrifft,  mit  den  hiesigen  Orchestern  nicht  messen  kann,  so  treten 
doch  andere  Vorzüge,  die  unseren  Orchestern  mehr  oder  weniger  abgehen,  wie  straffer 
Rhythmus,  genaueste  Beobachtung  der  Nuancen,  wundervolles  pp,  mit  einem  Wort 
einheitliche  Disziplin  in  um  so  helleres  Licht.  Schn6evoigt  war  bewunderungswürdig 
und  verdient  in  die  allererste  Reihe  der  lebenden  Dirigenten  gestellt  zu  werden.  Der 
Beifall  kannte  keine  Grenzen.  Das  Programm  bestand  aus  der  Oberon-Ouvertüre,  G-dur 
Symphonie  von  Haydn,  Tristan- Vorspiel  und  Finale,  Tannhiuser-Bacchanale  und  Beethovens 
Fünfter.  Felix  Welcker 

GÖRLITZ:  Das  16.  Schlesische  Musikfest  —  vom  17.  bis  19.  Juni  —  liegt  hinter 
uns.  Mit  ihm  zugleich  ist  endgültig  Schluss  gemacht  worden  mit  der  Benutzung 
der  seit  1878  für  den  Zweck  der  Schlesischen  Musikfeste  zur  Verfügung  gestellten  ehe- 
maligen Zirkushalle,  eines  prunklosen,  höchst  bescheidenen  Baues,  der  sich  aber  in- 
folge seiner  guten  Akustik  trefflich  für  einen  derartig  idealen  Zweck  eignete.  Am  Mittwoch 
ist  in  Gegenwart  des  Stifters  und  jetzigen  Protektors  der  Musikfeste  Grafen  Bolko 
von  Hochberg  und  des  seit  1894  als  Festdirigenten  tätigen  Hofkapellmeisters  Dr.  Muck 
(Berlin),  sowie  einer  grossen  Anzahl  hiesiger  offizieller  Persönlichkeiten  der  Grundstein 
zur  neuen  Musik  festhalle  gelegt  worden,  die  den  Namen  Stadthalle  führen  wird  und  zum 
Erbauer  den  bekannten  Charlottenburger  Architekten  Seh  ring  hat.  Halten  wir  nun  Rück- 
schau über  das  Programm  und  den  Verlauf  des  Festes,  so  ist  vor  allem  die  Frage  zu 
beantworten,  ob  es,  abgesehen  von  dem  iusseren  bedeutenden  technischen  Apparat«  den 
Zweck  eines  Musikfestes  voll  erfüllt  hat,  d.  h.  ob  Programm  und  Ausführung  künstlerisch 
erster  Güte  waren.  In  beiden  Fillen  ist  nicht  bedingungslos  ja  zu  sagen.  Was  das 
Programm  anbelangt,  so  waren  für  den  ersten  Festtag  Mozarts  Requiem  und  die  Faust- 
szenen von  Robert  Schumann  angesetzt;  für  den  zweiten  Te  deum  von  Brückner, 
Sinfonia  domestlca  von  Richard  Strauss,  Prometheus  von  Liszt  (symphonische 
Dichtung  und  die  Chöre  zu  Herders  »Entfesselter  Prometheus"  mit  verbindender  Dichtung 
von  Richard  Pohl)  und  die  Schlusszene  der  Brünnhilde  aus  Götterdämmerung 
(Edith  Walker).  Der  dritte  Tag  brachte  Beethovens  achte  Symphonie,  c-moll-Klavier- 
konzert  von  Hochberg  (Frau  Kwast-Hodapp),  Sehnsucht  von  Georg  Schumann, 
die  fünf  Gesänge  für  eine  Frauenstimme  von  Richard  Wagner,  Liedervorträge  und 
die  Schlusszenen  aus  den  Meistersingern  (»Wach  auf,  Hans  Sachsens  Schlussgesang 
und  Schlusschor).  Die  erstgenannten  Werke  waren  aus  Pietätsgefühl  für  den  150.  Geburts- 
tag Mozarts,  bezw.  den  50.  Todestag  Robert  Schumanns  bestimmt  worden.  Konnte  man 
mit  der  Wahl  des  Requiems  einverstanden  sein,  so  wäre  es  vielleicht  besser  gewesen, 
an  Stelle  der  Faustszenen  eine  Schumannsche  Symphonie  zu  bringen,  da  die  Szenen  so 
ungleichen  musikalischen  Wert  besitzen,  dass  ihre  Länge  ermüden  musste,  welches  Ge- 
fühl denn  auch  wirklich  nach  dem  »Gerettet''-Chor  eintrat.  Mit  der  Auswahl  der  Werke 
des  zweiten  Tages  konnte  man  sich  vollkommen  einverstanden  erklären,  da  sie  alle  vier 
wirkliche  Höhenkunst  bieten.  Auch  die  Auswahl  der  Beethoven-Symphonie,  der  »Sehn- 
sucht*, der  »fünf  Gesänge*  und  der  Schlussmusik  am  letzten  Tage  war  gut  zu  heissen. 
Die  Aufnahme  des  Klavierkonzertes,  das  sich  als  die  solide  Arbeit  eines  begabten  Laien 
entpuppte,  ohne  die  Vorbilder  zu  verleugnen  und  ohne  besonderen  Anspruch  zu  erheben 
auf  die  geistige  Spannkraft  des  Zuhörers,  in  das  Programm  mag  als  berechtigt  angesehen 

V.  21.  14 


194 
DIE  MUSIK  V.  21. 


werden  gegenüber  der  Muniflzenz  des  Komponisten  den  Musikfesten  gegenüber.  Vanim 
man  aber  jetzt  nocb,  wo  wir  in  Görlitz,  wie  in  anderen  sctalesiscben  Stidten,  jeden  Vinter 
Solisten-Konzerte  der  bedeutendsten  Künstler  haben,  Liedervorträge  als  Entgegenkommen 
gegen  das  ,,grosse  Publikum**  für  nötig  hält,  ist  uns  unerfindlich.  Sie  passen  in  den  Rahmen 
eines  Musikfestes  absolut  nicht  hinein,  da  jeder  Tag  eines  solchen  Festes  unserer  Auffassung 
nach  nur  der  Gross-Kunst  gewidmet  sein  soll.  Dazu  kam  noch,  dass  der  Liedervortrige  dies- 
mal so  viel  waren,  dass  die  Feststimmung  stark  darunter  litt  und  erst  wieder  auflebte,  als 
die  Schlussmusik  ertönte  und  der  ganze  Klangzauber  der  Meistersingermusik  das  tausend- 
köpflge  Publikum  wieder  zur  Höhe  führte.  —  Wenden  wir  uns  nun  der  Ausführung  zu, 
so  steht  als  vollendete  Leistung  der  orchestrale  Teil  da.  Die  Kgl.  Kapelle  aus  Berlin 
war  zum  funftenmal  bei  uns  als  Fest-Orchester  eingekehrt  (die  Schles.  Musikfeste  finden 
alle  drei  Jahre  statt);  diesmal  in  einer  Stirke  von  114  Mitgliedern.  Durch  sie  hörten  wir 
die  symphonischen  Werke  in  tadelloser  Aufführung.  Glänzend  war  die  Wiedergabe  der 
Domestica,  der  vielumstrittenen,  die  auch  hier  geteilte  Aufnahme  fand.  Unbestritten  ist 
sie  ein  hochbedeutsames,  in  ihren  ersten  Teilen  klangschönes,  in  dem  angefehdeten  Fugen- 
teil kontrapunktisches  und  instrumentales  Meisterwerk.  Jedenfalls  war  ihre  Aufführung 
durchaus  berechtigt.  Nicht  so  vollkommen,  wie  die  Kapelle  war  der  Chor,  bestehend 
aus  den  vier  hiesigen  grösseren  Gesangvereinen  und  Vereinen  aus  acht  anderen 
schlesischen  Städten.  Mit  Hinzunahme  des  Knabenchors  beliefen  sich  die  Stimmen 
auf  914.  Wenn  der  Chor  auch  manches  Gute  leistete  infolge  d^r  staunenswerten  Gewalt 
und  Disziplin  des  Dr.  Muck,  den  als  Festdirigenten  zu  verlieren  ein  grosser  Schaden 
wäre,  so  machte  sich  leider  bei  den  Frauenstimmen  eine  zu  geringe  Klangfülle  geltend, 
hervorgerufen  durch  zu  ungleiches  Material.  Anstatt,  dass  zu  den  Musikfesten  nur  die 
besten  Sängerinnen  und  Sänger  der  grösseren  Gesangvereine  Schlesiens«  in  Betracht 
kommen  sollten,  werden  leider  alle  genommen,  die  sich  melden.  Anders  würde  es 
werden,  wenn  unsere  und  die  anderen  grossen  Gesangvereine  der  Provinz  von  vorn- 
herein mehr  künstlerisch  vorgingen,  mit  dem  dilettantischen  Einfiuss  endlich  aufräumten. 
Mehr  Ernst  hinter  das  Studium,  dann  werden  die  Proben  besser  gehen,  als  diesmal. 
Ebenso  ungleich  massig  wie  der  Chor  waren  die  Solisten.  Frl.  Kaufmann  (Berlin)  passte 
für  die  Solopartie  im  Requiem  gar  nicht,  da  ihre  Stimme  zu  klein,  ihr  Vortrag  zu  seelen- 
los ist.  Als  Liedersängerin  dagegen  sicherte  sie  sich  in  Hugo  Wolfschen  Liedern  einen 
guten  Abgang.  Kühl  veranlagt  ist  auch  der  Tenorist  Senius  aus  Petersburg.  Doch  füllte 
er  seine  Aufgaben  im  Requiem  und  den  Faustszenen  besser  aus,  als  seine  Partnerin 
Frl.  Kaufmann.  Ein  guter  Faust  war  Kammersänger  Büttner  (Karlsruhe),  der  sich  auch 
als  Hans  Sachs  als  vornehmer  Sänger  erwies.  Auf  ebenso  künstlerischer  Höhe  standen 
Frau  Metzger-Froitzheim  (Hamburg)  in  den  Liedern  von  Richard  Wagner  und  FrK 
Walker  als  Brünnbilde.  In  den  Chorwerken  waren  dann  noch  beschäftigt  die  Altistin 
Frl.  Stapel feldt  (Berlin)  und  Herr  Orelio- Amsterdam  (Bass).  Beide  gewannen  sich 
infolge  guten  Stimmaterials  und  gediegenen  Vortrags  allseitige  Sympathieen,  wie  auch 
Frau  Kwast-Hodapp  als  grosszügige  Pianistin.  Ihr  Gatte  erwies  sich  am  dritten  Tag 
als  äusserst  feinfühlender  Begleiter.  Georg  Schumann  ftind  mit  seiner  „Sehnsucht*,  die 
er  selbst  dirigierte,  gute  Aufnahme.  Ist  seine  Musik  auch  nicht  durchweg  individuell,  so 
merkt  man  doch  aus  dem  Werk  heraus  den  ernsten,  poesiebegabten  Musiker,  den  treff- 
lichen Kenner  des  modernen  Orchesters.  Ebenso  interessant  war  die  Bekanntschaft  des 
Tedeums,  bei  dem  nur  der  Chor  nicht  voll  auf  der  Höhe  stand,  um  die  zwingende 
Wirkung  dieser  markigen  Tonsprache  ganz  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Viel  Schönes  hat 
das  16.  Schles.  Musikfest  gebracht,  aber  auch  zu  mancher  Anregung  Anlass  geboten. 
Möge  man  nun  auch  nach  ihr  handeln.  Maxjacobi 


195 
KRITIK:  KONZERT 


JOHANNESBURG:  Die  starke  Depression,  die  schon  seit  Jahr  und  Tag  auf  dem  ganzen 
Geschftftsleben  Johannesburgs  liegt,  hat  auch  in  unserem  musilcalischen  Leben  einen 
voUstindigen  Stillstand  gezeitigt.  Das  ganze  letzte  halbe  Jahr  brachte  ausser  kleinen 
privaten  Veranstaltungen,  die  der  Erwihnung  kaum  bedürfen,  nur  zwei  Solistenkonzerte 
und  ein  Oratorium.  Der  Pianist  Pierre  de  Beer  gab  ein  Antrittskonzert,  in  dem  er  seine 
echt  musikalische  Natur  und  eine  gründliche  künstlerische  Durchbildung  zeigte,  so  dass 
sich  ihm  als  Klavier-Pädagoge  bald  ein  reiches  Feld  in  unserer  Stadt  eröflTnete.  Ferner 
gab  die  hier  sehr  geschätzte  Violinistin  Beatrice  Stuart  (Mrs.  de  Kok)  ein  eigenes  Konzert 
und  fand  mit  ihren  Darbietungen  wohlverdienten  Beifall.  Als  einziges  Oratorium  im  ganzen 
Jahr  wurde  wieder  der  j^Messias*  aufgeführt  und  zwar  in  recht  massiger  Ausführung. 
Bei  aller  Begeisterung  für  dies  herrliche  Werk  drängt  sich  Einem  aber  doch  unwillkürlich 
die  Frage  auf:  «warum  immer  nur  der  Messias  und  nicht  ein  einziges  Mal  ein  anderes 
Werk?*  —  Wie  allerorten;  so  ist  auch  in  Johannesburg  W.  A.  Mozarts  in  diesem  Jahre 
gedacht  worden,  indem  der  Deutsche  Club  die  erste  Hälfte  des  Jubiläumskonzerte?, 
das  anlässlich  der  silbernen  Hochzeit  unseres  Kaiserpaares  stattfand,  nur  mit  Kompositionen 
Mozarts  ausfüllte.  Den  Löwenanteil  des  Abends  trug  Beatrice  Stuart  davon;  ihr  war 
auch  die  führende  Stimme  in  dem  Mozartschen  Klarinettenquintett  übertragen,  mit  dem 
das  Konzert  eröffnet  wurde.  Schon  nach  dem  ersten  Satz  brach  das  beinahe  überfüllte 
Haus  in  tosenden  Beifall  aus,  der  sich  nach  jedem  Satz  immer  mehr  und  mehr  steigerte, 
dank  der  sicheren  und  fein  abgetönten  Ausführung  jedes  Beteiligten,  wodurch  bei  trefflichem 
Zusammenspiel  ein  abgerundetes  Ganze  geboten  wurde,  wie  man  derartiges  auf  dem  Gebiete 
der  Kammermusik  seit  Jahren  hier  nicht  gehört  hat.  •—  Eine  willkommene  Abwechslung 
im  ewigen  Einerlei  bot  das  Eintreffen  der  D'Oyly  Carle  Company  aus  London,  deren 
Repertoire  ausschliesslich  Sullivan'schen  Operetten  gewidmet  war.  Die  grösste  Zugkraft 
besass  natürlich  wieder  der  i^Mikado*,  der  bei  jedesmaliger  Aufführung  ein  volles  Haus 
erzielte.  Die  einzelnen  Kräfte  waren  recht  gut,  die  Chöre  ausgezeichnet  und  die  Truppe 
ganz  vortrefflich  eingespielt.  Maly  von  Trützschler-Sanders 

KIEL:  Auswärtige  Solisten  kehren  nur  ungern  bei  uns  ein,  um  auf  eigenes  Risiko  zu 
konzertieren.  Bedeutsam  war  ein  Konzert  des  »Holländischen  Trios''.  Höhen- 
kunst I  Dazu  die  reine,  klare  Atmosphäre  gereifter,  schlackenloser  Künstlerschaft. 
Elisabeth  Müller-Osten  (Berlin)  gab  einen  Abend  mit  japanischen  Liedern;  die 
Künstlerin  trat  im  japanischen  Kostüm  auf.  Japans  Liedergaben  sind  für  unsere  Ohren 
mehr  interessant  als  schön.  Scharwenka  (Berlin),  wenig  glücklich  assistiert  von  der 
Sängerin  Blanck-Peters,  gab  einen  wertvollen  Klavierabend.  Die  hiesige  Pianistin 
Lulu  Andresen  bot  ebenfalls  beachtenswerte  Leistungen.  —  Der  Organist  Warnke 
bewährt  sich  in  Volkskirchenkonzerten  (Eintritt  10  Pf.)  als  tüchtige  musikalische  Kraft 
und  konzertierte  u.  a.  einmal  mit  dem  Meistersänger  Messchaert.  Ein  Konzert  mit 
eigenen  Werken  (Wanderers  Sturmlied,  Heldenleben)  dirigierte  Richard  Strauss,  dessen 
neuer  .Königsmarsch**  ausserhalb  Berlins  hier  seine  Erstaufführung  (nach  Manuskript 
gespielt)  erlebte.  Das  klangvolle  Werk  trägt  für  Strauss'  Charakterbild  nichts  aus,  ist 
einer  freundlichen  Laune  entsprungen  und  bewegt  sich  unter  Anwendung  moderner  Mittel 
im  Frederizianischen  Stil.  Etwa  wie  ein  modemer  Maler  einen  altgeschichtlichen  Stoff 
behandelt:  unter  Respekt  vor  dem  kulturgeschichtlichen  Material,  aber  unter  Anwendung 
der  vorgeschrittenen  Technik.  —  Tüchtige  Leistungen  bot  der  Lehrer-Gesangverein 
(Dirigent:  Herr  Johannsen)  mit  dem  Vortrage  von  Männerchören.  Wagners  »Liebesmahl 
der  Apostel"  ging  aber  über  seine  Kraft.  Erwähnt  sei  noch  eine  Aufführung  von  Liszts 
»Faust-Symphonie*, Brahma'  »Rhapsodie* (die  Alt-Partie  sang  FrL  Philippi  [Basel]  sehr  ge- 
diegen) und  »Hakon  Jarl*  von  Reinecke.  Der  »Gesangverein*  (Dirigent:  Mayer-Reinacb) 
konzertierte  mit  dem  Hamburger  Orchester  des  Vereins  der  Musikfreunde:  Schubert  C-dur, 

14» 


106 

DIE  MUSIK  V.  21. 


Brahms  c-moll,  Brückner  ES'dur  Symphonie,  Strtuss'  «Tod  und  Verklirung*  waren  die 
Hauptwerke.  Die  Aufführung  der  »Matthlus-Passion*'  war  eine  würdige,  wenn  auch  nicht 
begeisternde  Leistung.  Wagners  Kaisermarsch  mit  Schlusschor  hatte  nicht  den  erhofften  Er- 
folg.—Das  Hamburger  Streichquartett  bescherte  uns  wieder  fein  abgestimmte  Kammer- 
musikabende. Die  Herren  Kopecki  und  Keller  gaben  wertvolle  Sonatenabende.  Kloste^- 
organist  Voigt  bot  einen  interessanten  Abend  mit  alter  Kammermusik.  Mit  einem  «Mozart- 
Abend*  beschloss  die  »Phil  harmonische  Gesellschaft"  (Dirigent:  Hans  Sonderburg) 
ihre  Saison.  Bläser-Serenade  c-moll,  Quintett  für  Klavier  und  Blasinstrumente  (Klavier 
Herr  Gänge)  waren  eigenartige  Gaben.  Die  Philharmonische  Gesellschaft  gab  drei  grosse 
Orchesterkonzerte:  Beethovens  Siebente,  Brückners  c-moll  No.  2,  eine  erstmalig  gespielte 
Suite  von  Heyworth,  Wagners  Ouvertüre  zum  »Fliegenden  Holländer*,  endlich  ein  Konzert, 
benannt  »Italien*  mit  Mendelssohns  «Italienische  Symphonie*,  Berlioz'  »Römischer 
Karnaval*,  Richard  Strauss'  »Italien*  (auf  der  Campagna),  Tschaikowsky's  »Capriccio 
Italien*.  —  Der  hiesige  Verein  der  Musikfreunde  strebt  erfolgreich  die  Gründung  eines 
eigenen  Orchesters  an,  das  für  Oper  und  Konzert  Verwendung  finden  soll. 

Hans  Sonderburg 

KÖNIGSBERG  i.  Pr.:  Das  letzte  der  Künstlerkonzerte  brachte  das  vornehme  Vokal- 
quartett Grumbacher,  Behr,  Reimers  und  Eweyk  zu  uns;  der  neue  Tenor 
fügt  sich  dem  Quartett  freundlich  ein,  erreicht  aber  meiner  Empfindung  nach  weder 
klanglich  noch  vor  allem  im  Vortrage  den  musikalisch  viel  kräftigem  Ludwig  Hess. 
Unter  den  Gesängen  des  Quartettes  waren  vier  alte  Madrigale  und  Villanellen  besonders 
interessant.  Das  letzte  Symphoniekonzert  wurde  durch  die  Mitwirkung  des  prächtigen 
Klavierspielers  Ossip  Gabrilowitsch  verschönt,  der  in  Schumanns  a-moll-Konzert  und 
Liszts  ungarischer  Phantasie  zwei  stark  verschiedene  Aufgaben  mit  gleichem  Glücke 
löste.  Die  Geigerin  Hedwig  Braun  und  die  Pianistin  Sophie  Arnheim  dürfen  sich 
rühmen.  Reger  als  Kammerkomponisten  in  Königsberg  eingeführt  zu  haben;  sie  spielten, 
nachdem  sie  das  Werk  schon  vorher  im  Anschluss  an  einen  Reger-Vortrag  des  Unter- 
zeichneten im  Musiklehrerinnen- Verein  vorgetragen  hatten,  die  grosse  C*dur-Sonate 
op.  72  in  einem  öffentlichen  Konzerte;  natürlich  erwarben  sie  sich  mit  ihrer  vortrefflichen 
Leistung  nicht  viel  Gegenliebe.  Eine  fein  musizierende  Vereinigung,  der  unter  Conrad 
Hausburgs  Leitung  stehende  Königsberger  Frauenchor,  hat  sich,  nachdem  sie 
mehrere  Jahre  pausiert  hatte,  mit  zart  ausgestrichelten  Gesängen  kürzlich  zweimal  hören 
lassen.  DasKönigsbergerKonservatorium  für  Musik  (Direktor  Emil  Kuhns)  beging  vor 
einigen  Wochen  das  Jubiläum  des  25  jährigen  Bestehens  mit  einem  Festkonzerte,  dessen 
Programm  aussergewöhnlich  war:  Bachs  Konzert  in  C-dur  für  drei  Klaviere,  Beethovens 
Oktett  für  Blasinstrumente  (trotz  seiner  hohen  Opuszabl  103  bekanntlich  ein  Jugendwerk 
des  Meisters)  und  eine  neue  Arbeit  von  C.  Berneker  »Die  Loisach-Braut*.  Bernekers 
Werk,  das  bei  diesem  Konzerte  die  Uraufführung  erfuhr,  ist  eine  Vertonung  des  Dahnischen 
Gedichtes  für  Orchester,  Frauenchor  und  Frauensoli;  modulatorisch  reich  und  von  Gesang 
überfiiessend,  adelt  die  Musik  den  Text;  der  feiogestimmte  Zusammenklang  der  Stimmen 
und  der  mit  ausdruckskräftigem  Klangsinne  behandelten  Instrumente,  die  zarte  Ver- 
ästelung der  Partitur  bieten  dem  Feinhörigen  viel  Genuss.  Bewundernswert  ist,  welche 
Leuchtkraft  Berneker  mit  sparsamen  Farben  erzeugt;  kein  greller  Effekt  stört  die  silbrige 
Tönung.  Schliesslich  seien  noch  die  Aufführungen  der  Matthäus-Passion  durch  die 
Musikalische  Akademie  und  des  Requiems  von  Mozart  durch  die  Singakademie 
gebührend  erwähnt.  Paul  Ehlers 

LEIPZIG:   Zu  den   Konzertberichten   ist  noch   nachzutragen,  dass  Ludwig  Hess  in 
einem  Kompositionskonzert,  das  er  mit  der  sympathischen  Altistin  Else  Schüne- 
mann   und   dem   trefflich   begleitenden  Karl  Straube  veranstaltete,  sich   mit  einigen 


197 

KRITIK:  KONZERT 


musikalisch-gescblosseneren  Gesangsstücken  Freunde  gewinnen  konnte,  —  dass  der  von 
Karl  Straube  geleitete  Bachverein  in  seinem  dritten  Kirchenkonzert  Handels  ,pSaul" 
(nach  der  Bearbeitung  von  Chrysander)  mit  den  Damen  E.  Götte,  E.  SchQnemann 
und  H.  van  der  Harst  und  den  Herren  L.  Hess,  A.  van  Eweyk,  F.  Winter  und 
G.  Borchers  als  Solisten  in  wirkcam-schöner  Weise  aufgeführt  hat,  —  dass  bei  einer 
Reinecke-Matinee  im  kleinen  Gewand haussaale  des  mitwirkenden  82jibrigen  Ton- 
setsers  vom  russischen  Trio  (V6ra  Maurins,  Michael  und  Josef  Press)  trefflich  vor- 
geführtes  c-moll  Trio  op.  230  und  die  von  Anna  Härtung,  M.  Press  und  dem  Kompo- 
nisten sehr  anmutvoll  wiedergegebenen  zwei  Lieder  ,.Italienische8  Tanzlied"  und  „Frühlings- 
blumen* für  Sopran,  Violine  und  Klavier  mit  Recht  wesentlich  lebhafter  ansprachen,  als 
die  einige  hübsche  Chorsitze  für  Sopran  und  Alt  enthaltende,  im  übrigen  aber  durch 
Trivialitit  der  Dichtung  und  Mangel  an  einheitlich-künstlerischer  Formung  verstimmende 
Ballade  „Der  Geiger  zu  Gmünd*,  —  und  dass  schliesslich  der  Riedel -Verein  unter 
Dr.  Georg  Göhler  in  seinem  vierten  Abonnementskonzert  ausser  Chören  von  Scarlatti, 
Perez,  Jomelli  und  Zingarelli,  die  trefflich  neueinstudiert  waren,  einige  Tonsitze  von  Job. 
Ad.  Hasse  und  von  Mozart  (Kyrie  für  fünf  Soprane;  Kyrie  und  Gloria  mit  Orgel)  erst- 
malig vorgeführt  hat.  Arthur  Smolian 

LONDON :  London  widerhallt  jetzt  von  Konzerten,  und  der  Musikkritiker  sieht  mit 
Freude  der  Osterwoche  entgegen,  die,  bis  auf  die  unvermeidlichen  Oratorien  mit 
dem  „Messias*  an  der  Spitze,  eine  Erholungspause  verspricht.  Im  Vordergrunde  stehen 
namentlich  die  Symphoniekonzerte  des  „London-Symphonie-Orchesters",  des 
„Queens-Hall-Orchesters*  und  der  „Philharmonischen  Gesellschaft*.  Das 
erstgenannte  Orchester  brachte  uns  neben  dem  dritten  Brandenburgischen  Konzert  von 
Bach,  der  Coriolan-Ouvertüre  Beethovens  und  der  Akademischen  Ouvertüre  von  Brahma 
auch  „Also  sprach  Zarathustra*  von  Richard  Strauss,  das  vorher  in  London  nur  einmal 
unter  der  Leitung  des  Komponisten  gehört  worden  war.  Die  Auffassung  Dr.  Richters 
wich  von  Jener  des  Urhebers  des  Werkes  ab,  namentlich  was  das  Tempo  anbelangt,  das 
langsamer  angeschlagen  wurde  und  wie  vielfach  behauptet  wird,  das  Werk  eindrucksvoller 
und  verstindlicher  gestaltete.  Die  Stimmen  über  diese  Tondichtung  sind  noch  immer 
sehr  geteilt.  Es  llsst  sich  aber  nicht  bestreiten,  dass  sie  an  Boden  gewinnt,  und  in 
Manchester  insbesondere  gehört  sie  schon  zu  den  „Inventarstücken*  des  Programms  des 
dortigen  von  Dr.  Richter  geleiteten  Hall6-Orchesters.  Das  Queens-Hall-Orchester, 
das  seinen  ersten  Symphoniezyklus  abschloss,  brachte  nur  ein  sogenanntes  „populires 
Programm*,  auf  dem  sich  auch  die  „Unvollendete*  Schuberts  befand,  das  aber  zu  keiner 
weiteren  Bemerkung  Veranlassung  bietet;  es  verdient  nur  erwihnt  zu  werden,  dass  die 
Leistungen  des  Orchesters  unter  Henry  Wood  ausserordentlich  gewachsen  sind.  Das 
Konzert  der  Philharmonischen  Gesellschaft  begann  mit  der  Ouvertüre  zur  Zauber- 
flöte, der  das  Andante  und  Scherzo  aus  „Romeo  und  Julie*  von  Berlioz  folgte.  Beson- 
deres Interesse  erregte  aber  das  Auftreten  von  Mischa  El  man,  der  das  erste  Tschai- 
kowsky'sche  Violinkonzert  in  einer  bewunderungswürdigen  und  für  sein  Alter  geradezu 
staunenswerten  Weise,  sowohl  was  Technik  als  Auffassung  anbetrifft,  zu  Gehör  brachte. 
Die  Novitit  des  Abends  war  eine  „Suite  altenglischer  Tinze*  von  Dr.  Cowen,  die 
grossen  Anklang  ftind  und  vom  Orchester  in  vorzüglicher  Weise  unter  Leitung  des  Kom- 
ponisten gespielt  wurde.  Als  ein  besonderes  Ereignis  verdient  die  Erstaufführung  von 
Sir  Hubert  Parry's  Tondichtung  „Der  Rattenfinger  von  Hameln*  für  Chor  und 
Orchester  erwihnt  zu  werden.  Die  Aufführung  fand  durch  die  „London-Choral-Society* 
statt.  Das  Werk  gehört  zum  hervorragendsten,  was  man  bisher  von  Parry  kennt.  Es 
fügt  sich  dem  Text  in  iusserst  charakteristischer  Weise  an,  ist  sehr  melodiös,  nament- 
lich in  seinem  humoristischen  Teil,  und  packend;  insbesondere  fand  die  Zaubermelodie 


198 
DIE  MUSIK  V.  21. 


des  Rattenfingers,  die  der  Oboe  übertragen  ist,  grossen  Beifall.  Auf  die  l^leineren  Kon- 
zerte einzagehen  verbietet  der  Raum.  Nicht  unerwähnt  soll  aber  der  ausserordentliche 
Erfolg  bleiben,  den  Dr.  Lierhammer  abermals  auf  dem  Londoner  Konzertboden  er« 
rungen  hat  r.  a. 

LÜBECK:  Unter  unseres  jugendlichen  und  hochbegabten  Kapellmeisters  Hermann 
Abendroth  Dirigentenstab  nahmen  die  Symphoniekonzerte  einen  ausserordentlich 
befriedigenden  Verlauf.  Was  für  den  Dirigenten  von  vornherein  einnehmen  musste, 
waren  die  mit  erlesenem  Geschmack  und  feinem  Stilgefühl  zusammengestellten  Pro- 
gramme, die  uns  eine  grosse  Zahl  neuer  Werke  brachten.  Wir  nennen  an  dieser  Stelle 
nur  Richard  Strauss'  »Heldenleben',  Schillings'  »Hexenlied*,  Liszts  j^Faustsymphonie*, 
Thuilles  .^Romantische  OuvertQre",  Wolfä  „Italienische  Serenade",  Pfitzners  ,»HeinzeI- 
minnchen',  Brückners  E-dur  Symphonie,  Hindels  Concerto  grosso  und  Bachs  h-moll 
Suite  fGr  Flöte  und  Streichorchester.  Von  den  Solisten  begrfissten  wir  in  Hermine 
Bosetti  und  Henri  Marteau  alte  und  liebe  Bekannte.  Gleich  warmer  Aufnahme  er- 
freuten sich  Ernst  von  Possart  (Hexenlied),  Richard  Fischer  (sechs  Lieder  von  Wolf  mit 
Orchester),  Valborg  S vir dström,  Heinrich  Kiefer,  Paul  Knfipfer,  und  Anna  Hirzel« 
Langenhan,  die  uns  Brahma'  B-dur  Klavierkonzert  als  örtliche  Novitit  brachte.  Die 
der  frischen  Initiative  Herrn  Abendroths  ihr  Entstehen  verdankenden  Volks-Symphonie- 
konzerte  fCllten  eine  fühlbare  Lücke  in  unserm  Musikleben  aus.  Ein  für  den  Richard 
Wagner-Stipendienfonds  veranstaltetes  Orchesterkonzert  erfreute  sich  nicht  des  zahlreichen 
Besuches,  wie  er  um  des  guten  Zweckes  willen  bitte  erwünscht  sein  müssen,  immerhin 
wurde  ein  Oberschuss  erzielt  —  Die  unter  Leitung  von  Professor  Spengel  (Hamburg) 
stehende  Singakademie  bescherte  uns  Mendelssohns  „Elias",  Hindels  „Belsazar"  in  der 
Spengelschen  Bearbeitung,  ohne  mit  letzterem,  durch  seine  Linge  ermüdenden  Werke 
einen  rechten  Erfolg  zu  erzielen,  und  Schumanns  Szenen  aus  Goethes  Faust  Iwan  Knorrs 
„Marien-Legende*  für  Soli,  Chor  und  Orchester  erwies  sich  als  eine  Niete.  Die  alt- 
hergebrachten drei  Kammermusikabende  von  Clara  Herrmann  erfreuten  sich  in 
diesem  Jahre  einer  ungleich  grösseren  Unterstützung  als  im  Vor]ahr,  wohingegen  der 
Versuch  Professor  Spengels,  gleiche  Abende  hier  einzurichten,  als  fehlgeschlagen  zu  be- 
trachten ist  Aus  den  Konzerten  des  Organisten  Lichtwark  registrieren  wir  als  be- 
deutungsvolle Novitit  Teile  aus  Liszts  „Missa  choralis";  wenn  wir  recht  unterrichtet 
sind,  werden  wir  in  diesem  Jahre  die  ganze  Messe  hören.  Unsere  vornehme  und  ausser- 
ordentlich leistungsfihige  Vereinigung  für  kirchlichen  Chorgesang,  eine  Schöpfung 
Lichtwarks,  hatte  sich  des  Werkes  mit  ernster  Hingebung  angenommen.  Im  Lehrer- 
Gesangverein  hörten  wir  als  Solisten  Florian  Zajfc,  Hermann  Gura  und  Therese 
Müller-ReicheL  Willy  Burmester,  der  sich  hier  grosser  Popularitit  erfreut,  fügte 
in  einem  öffentlichen  Konzert  des  Vereins  seinen  alten  Triumphen  einen  neuen  bei.  Als 
Geiger  von  sehr  starker  Qualitit  erwies  sich  in  einem  Volkskonzert  der  Hofkonzert- 
meister Gustav  Havemann  aus  Darmstadt  —  Für  Solistenkonzerte  ist  Lübeck  nach  wie 
vor  ein  schlechtes  Feld.  Grete  Henschel  erntete  keine  Lobsprüche  von  Auditorium 
und  Kritik.  Interessant  war  der  Duoabend  der  Geigerinnen  Ferchland  und  Fürst, 
ein  Ereignis  der  Lieder-  und  Duettenabend  des  Künstlerpaares  von  Dulong.  Herr 
Hofmeier  (Eutin)  spielte  in  dem  Konzert  Max  Regers  „Variationen  über  ein  Thema 
von  Beethoven"  mit  grossem  Erfolg.  J.  Hennings 

LUZERN:  In  den  Orchester-Abonnementskonzerten,  zu  denen  das  hiesige 
Stadtorchester  durch  Zuziehung  eines  Teils  des  renommierten  Orchesters  der  Basler 
Musikgesellschaft  auf  etwa  55  Musiker  gebracht  wird,  wurden  unter  Peter  Fassbaenders 
geistreicher  und  energischer  Leitung  von  grossen  Orchesterwerken  zur  Aufführung 
gebracht:  „Don  Juan"  von  Richard  Strauss,  die  tiefgründige  F-dur  Symphonie  von  Peter 


199 

KRITIK:  KONZERT 


Fassbtender  in  der  UrauffQhrung,  i» Waldweben''  von  Wtgner,  «Karneval*  von  DvoHk, 
die  jpOzean'-Symptaonie  von  Rubinstein,  die  »HoUinder'-Ouvertfirey  das  »Fest  bei  Capulet" 
aus  der  »Romeo  und  Julia" -Symphonie  von  Berlioz,  »Mazeppa*  von  Liszt  und  die 
Symphonie  Path6tique  von  Tschaikowsky.  Als  Solisten  traten  in  diesem  Rahmen  auf 
Alexandre  Petschnikoff,  Conrad  Ansorge,  die  Singerin  Else  Widen-München  und, 
am  Kammermusikabend,  das  Basler  Streichquartett  der  Herren  Koetscher,  Wittwer, 
Schaefför  und  Treichler.  —  Die  unter  Fassbaenders  Direktion  stehenden  stidtischen 
Gesangvereine  führten  auf:  der  Stidtische  Konzert  verein,  unter  Mithilfe  der  Lieder- 
tafel Luzern,  Schumanns  «Szenen  aus  Goethes  Faust";  die  Liedertafel  als  Urauf- 
führung Peter  Fassbaenders  wirkungsvolle  Ballade  »Des  Singers  Fluch*  für  Minner* 
Chor,  Bassolo  und  Orchester  zusammen  mit  andern  orchesterbegleiteten  und  a  cappella- 
ChOren;  der  Minnerchor  Attenhofers  »Kreuzfahrt" -Kantate  ffir  Minnerchor  und 
Orchester  und  »Eines  frummen  Landsknecht  Lieder"  von  Podbertsky,  sowie  in  der  Urauf- 
ffihrung  das  rhythmisch  originelle  a  cappella-»Reiterlied"  von  Fassbaender  und  Atten- 
hofers Chorballade  »Das  Schwedengrab".  Die  Wintersaison  schloss  am  Palmsonntag 
mit  einer  wohlgelungenen  Wiedergabe  des  Mozartschen  »Requiem"  durch  den  Stidtischen 
Konzertverein.  S  c  h  m  i  d 

MAINZ:  Recht  interessant  Ist  unsere  Konzertsaison  auageklungen.  Das  letzte  Wort 
hatte  die  Liedertafel.  Das  Konzert  brachte  nur  moderne  Werke.  Den  Anfang 
machte  Fritz  Volbachs  symphonisches  Gedicht  »Ostern",  in  Mainz  zum  ersten  Male 
aufgeführt,  vom  Orchester  und  dem  Organisten  Hartmann  aus  Frankfurt  ganz  vortrefflich 
gespielt  Dann  folgten  zwei  Lieder  mit  Orchester  von  Felix  Weingartner,  »Liebe  im 
Schnee"  und  »Tanzlied",  zwei  ungemein  stimmungsvolle  Stücke,  die  R.  Fischer  mit 
schOnem  Ton  und  warmem  Ausdruck  zur  Geltung  brachte.  Hierauf  die  beiden  grossen 
achtstimmigen  GhOre  mit  Orchester  desselben  Komponisten.  Sie  sind  von  hervor- 
ragender Behandlung  in  Technik  und  Aufbau,  sehr  stimmungsvoll  und  von  meisterhafter 
musikalischer  Farbengebung  und  Malerei.  Das  eine,  »Traumnacht",  ein  eigenartiges, 
phantastisches  Stimmungsgemilde  von  meist  zartem  Charakter,  das  andere,  grössere, 
»Sturmhymmus",  ein  michtiges,  bilderreiches  und  fesselndes  Werk.  Dem  Chor  bieten 
beide  Werke  ganz  aussergewöhnliche  Schwierigkeiten,  wie  kaum  ein  anderes  Stück« 
Beide  Werke  gelangen  unter  Weingartners  begeisternder  Leitung  ganz  ausgezeichnet 
Der  Erfolg  war  ein  ehrlicher,  grosser.  Den  Schluss  des  Konzertes  bildete  Brückners 
gewaltiges,  monumentales  Te  Deum  unter  Volbachs  Leitung.  Dem  Chore  hatte  er, 
besonders  in  den  Unisonostellen  Knabenstimmen  zugefügt,  was  die  Wirkung  besonders 
nach  Seite  der  kirchlichen  Stimmung  wesentlich  erhöhte.  —  Aus  den  beiden  letzten 
Symphoniekonzerten  erwihne  ich  zwei  Novititen:  Georg  Schumanns  Variationen  und 
Doppelfuge  über  ein  lustiges  Thema,  ein  geistvolles  Stück,  das  gut  gefiel  zumal  bei  trefflicher 
Durchführung  durch  den  Dirigenten  Emil  Steinbach;  und  eine  Symphonie  von  Hermann 
Behr,  ein  Erstlingswerk.  Der  Komponist,  der  aus  Mainz  stammt,  erntete  damit  reichen 
Beifall.  Das  Werk  selbst  berechtigt  zu  den  besten  Hoffnungen.  Oberall  zeigt  es  ein 
ernstes  Wollen  und  auch  ein  bereits  respektables  Können.  Harmonisch  interessant  und 
sehr  stimmungsvoll  ist  das  Adagiothema,  von  reizendem  Humor  das  Scherzo.  Als 
Solisten  zeichneten  sich  besonders  aus  Fritz  Kreis  1er  mit  dem  Beethovenkonzert,  und 
Frau  Kraus-Osborne  durch  den  wunderbaren  Vortrag  verschiedener  Arien  und  Lieder. 

Dr.  Fritz  Volbach 


Wegen  RaummaateU  mutsten  fUr  das  nichtte  Heft  zurQckgestellt  werden  die  Berichte:   BrQnn,  Coburg,  Köln, 
Parle,    Rio  Grande,   Straaaburg,  Weimar  (Oper);    hromberg,  3rfinn,  CIncinnatI,  Coburg,   Flenaburg,  Frelbuif, 

Cleaaen,  Jena,  Kiel,  KOln,  Paria,  Rio  Grande,  Tainguu,  Zwleluiu  (Konzert). 


ANMERKUNGEN  ZU 
UNSEREN  BEILAGEN 


E!^  Den  Artikel  Prof.  Schmids  zum  Gedichtnis  Michael  HayVIns  illustiieren  wir 
durch  ein  Porträt  des  Meisters  nach  einem  alten  Stich  von  Schröter,  sowie  durch  ein 
faksimiliertes  »Invaliden-Lied",  über  das  der  Leser  auf  S.  163  näheres  findet. 

Als  Nachklang  zu  unserem  Schumann-Heft  bringen  wir  ein  entzuckendes  Bild  der 
Heldin  der  Hohenemserschen  Studie:  Clara  Wieck  im  Alter  von  14  Jahren.  Das  seltene 
Blatt  ist  die  Wiedergabe  einer  Lithographie  von  Lemercier  nach  dem  Gemälde  von 
E.  Fechner  vom  Jahre  1832. 

Dem  Andenken  an  zwei  vor  20  Jahren  dahingegangene  Künstler  sind  die  beiden 
nächsten  Blätter  geweiht:  Eduard  August  Grell  (f  10.  August  1886),  den  gediegenen 
Kontrapunktiker  und  Komponisten,  von  1851—76  Dirigent  der  Berliner  Singakademie,  und 
Emil  Scaria  (f  22.  Juli  1886),  einen  der  ausgezeichnetsten  Wagner-Sänger  aller  Zeiten, 
den  klassischen  Vertreter  des  Gurnemanz  bei  der  ersten  Parsifalaufführung  1882.  Grells 
Porträt  ist  nach  einer  Photographie  von  L.  Haase  &  Co.  in  Berlin  gefertigt,  für  Scaria's 
Bild  diente  uns  eine  vorzügliche  Lithographie  von  Jäger  zur  Vorlage. 

Am  14.  Juni  d.  J.  starb  in  Königsberg  (Franken)  ein  gelegentlicher  Mitarbeiter 
unserer  Zeitschrift,  Graf  Paul  von  Waldersee,  im  Alter  von  75  Jahren.  Ein  aus 
Privatbesitz  stammendes  äusserst  seltenes  Bild  des  Verewigten  hat  uns  die  Firma 
Breitkopf  &  Härtel  zur  Wiedergabe  freundlichst  überlassen.  Graf  Waldersee  entsagte 
nach  dem  70er  Kriege  der  Offizierslaufbahn  und  widmete  sich  ganz  musikgeschichtlichen 
Studien.  Bekannt  wurde  er  in  weiteren  Kreisen  durch  seine  »Sammlung  musikalischer 
Vorträge*.  Er  hat  an  diesem  ausgezeichneten  Sammelwerk  selbst  mitgearbeitet  und 
Monographieen  über  Mozart  und  Palestrina  geschrieben.  Auch  als  eifriger  Mitarbeiter 
au  den  Gesamtausgaben  der  Werke  von  Bach,  Beethoven  und  Mozart  und  an  der  Heraus- 
gabe des  Kdchelschen  Mozartkataloges,  dessen  zweite  Auflage  er  besorgte,  hat  sich  der 
Verstorbene  um  unsere  deutsche  klassische  Musik  Verdienste  erworben. 

Der  am  30.  Juni  d.  J.  im  Alter  von  63  Jahren  verstorbene  Maschineriedirektor  des 
Münchner  Hoftheaters,  Karl  Lautenschläger,  dessen  Bild  wir  zum  Schluss  bieten, 
war  Deutschlands  grösster  Bühnentechniker.  Mit  17  Jahren  trat  er  bei  dem  Darmstädter 
Theatermeister  Brandt  in  die  Lehre.  König  Ludwig  II.  berief  ihn  1880  nach  München, 
wo  er  für  seine  glänzende  Inszenierungskunst  das  reichste  Feld  fand.  Er  führte  dort 
die  sogen.  Shakespeare-Bühne  ein,  die  den  szenischen  Rahmen  vereinfachte.  Als  erster 
erkannte  er  die  Wichtigkeit  der  elektrischen  Kraft  für  die  Bühne  und  schuf  eine  Menge 
Neuerungen,  die  vielfach  Nachahmung  gefunden  haben.  Seine  bedeutendste  Tat  aber 
war  die  Erfindung  der  Drehbühne,  die  gleichfalls  heute  immer  mehr  Aufnahme  findet. 
Lautenschläger  stand  in  früheren  Jahren  zu  dem  Meister  von  Bayreuth  in  engen  Be- 
ziehungen. 

Eine  im  Hinblick  auf  die  Salzburger  Mozarttage  doppelt  interessante,  äusserst  wert- 
volle Musikbeilage  bieten  wir  diesmal  mit  dem  unbekannten  Lied  von  W.  A.  Mozart, 
über  das  wir  das  Nähere  in  dem  Artikel  von  Paul  Hirsch  nachzulesen  bitten. 


Nichdruck  nur  mit  lusdrGckllcher  ErUubnt«  des  Veriates  gestattet. 
Alle  Reebte,  Insbesondere  des  der  Obersetzuns,  vorbebalten. 

Versntwortlfcher  ScbrilUeitcr:    Ktpellmeister  Bernhard  Schuster,  Berlin  W.  57,  BQlowstr.  107  I. 


JOHANN  MICHAEL  HAYDN 
t  10.  August  1806 


►:."• 


CLARA  WIECK 
Nach  dem  Gemilde  von  E.  Fechner 


EDUARD  AUGUST  GRELL 
t  10.  August  1886 


^?»j '  tAS'«/. 


PAUL  GRAF  VON  WALDERSEE 
f  14.  Juni  1906 


KARL  LAUTENSCHLÄGER 
t  30.  Juni  1906 


s 


Mit  Würde 


W.  A.Mozart 


Singstimme 


Clavicembalo 


wor-te  tren,  rief      Jo-aeph  sei  -  nen   Hee  -  ren:  Sie    eil     -      ten  f  lii     *     gel- 


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He      -      bety     und        sorgt,  dass     sie       kein        ün   -    ge-maeh,  selbst  niebt    6e  - 


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fahr     be   -     trtt       -        bet. 


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Stloli  a.  Druckt  Berliner  Moalkallea  Druckerei  G.m.b.  H.  dubrlotteabuFg. 


DIE  MUSIK 


Kleinliche  Sorgen  sind  der  Tod  des  künstlerischen  Schaffens. 

Anselm  Feuerba^h 

Gross  ist  überhaupt  nur  der,  welcher  bei  seinem  Werke  nicht 

seine  Sache  sucht,  sondern  allein  einen  objektiven  Zweck  verfolgt. 

Arthur  Schopenhauer 


V.JAHR  1905/1906  HEFT  22 

Zweites  Augustheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  und  Leipzig 


INHALT 


Jodocus  Perger 

Aas  Josef  Rhelnbergers  Leben  und  SchalTen 

Nach  p«rs<Dlicben  ErionerusKcn  ■owle  nach  Ma  ]eui  ubtct- 

flffBntlichten  Dokumenten.  I. 

Ernst  Otto  NodnaKel 

Constaoz  Berneker 

t  9.  Jvni  1906.    Ein  Gedicbnltwort 

C.  Fr.  Glasenapp 

Richard  Vagners  Briefe  an  Freiherrn  von  Lüttichau 
(SchluBi) 

Dr.  Carl  Hagemann 

Bayreuth   ieO€ 

Besprechungen  (Bücher  und  Musilialien) 

Revue  der  Revueen 

Umschau  (Neue  Opern,  Aus  dem  Opemrepertoire, 

Konzerte,  Tageschronik,  Totenschau) 

Kritik  (Oper  und  Konzert) 

Anmerkungen  zu  unseren  Beilagea 

KuBstbeilagen 

Mustkbeilage 

Anzeigen 

DIE  MUSIK  cnchelDt  monatlich  tweEmil.  AboBneineatipreli  fOr  da« 
Qtuutal  4  Mark.  Abonnemeattprela  Mr  iIcd  Jatargutg  15  Mark.  Prala 
dea  elDlelnea  Hehei  I  Mark.  Viertel Jabraelnbanddeckeo  k  1  Mark. 
Sanunelkaatea  fflr  die  Kuaaibeilacea  de*  samea  Jahrganp  2,50  Mark. 
AboonenwoB  durch  jede  Buch-  und  MusIkalieDhandlunc  Hr  Uebw 
Plloe  ohne  Buchhlodler  Bezug  durch  die  Poat. 


it  dem  grossen  Kontrapunktisteo  Rheinfaerger,  einem  der  grSssten 
die  je  gelebt,  wird  sich  eine  Musikgeschichte  stets  zu  bebssen 
hiben.  SpXtereo  Gener«tioaea  bleibt  es  vorbehalten,  den  Wert 
seiner  Lebensarbeit  entsprechend  elnzuschitzen  und  Belehrung 
und  Anregung  von  ihr  zu  empfangen. 

Es  ist  hier  nicht  meine  Aufgabe,  den  k&nstlerischen  Emingenschaften 
Rheinbergers  theoretltch  atchzaforscben  oder  deren  Wichtigkeit  für  das 
Studium  zu  beveisen ;  ich  will  vielmehr  trachten,  diesen  bedeutenden  Mann 
dem  Leser  menschlich  nahe  zu  bringen.  Ans  seiner  eigensten  Zelt  heraus 
soll  des  Kontrapunktmeisters  sympathische,  echt  sfiddeutsche  Gestalt  auf> 
tauchen,  warmes  Leben  soll  von  ihr  «usstrSmen,  sie  soll  zur  empSndendea 
Seele  sprechen. 

Die  kfiastleriscbe  wie  menschliche  Indlvldualitit  Rheinbergers  war 
eine  in  seltener  Weise  edle  und  liebenswürdige,  so  dass  wohl  mancher 
gewinnen  konnte,  der  seine  nähere  Bekanntschaft  machen  durfte;  er 
bereicherte  in  vornehmster  Art  Freunde,  Verehrer  und  Schüler.  Letzteren 
lehrte  er  nicht  nur  den  Kontrapunkt;  sein  ganzes  Leben  war  harmonisch 
durchgebildet,  und  so  lehrte  er  bewusst  oder  unbewusst  die  andern  jene 
innerliche  Harmonie  erstreben,  nach  der  jeder  bessere  Mensch  sich  sehnen 
muss  —  er  sei  Musikant  oder  nicht. 

Von  allem,  was  bis  jetzt  über  Rheinberger  erschien,  Ist  Adolf 
Sand  bergers  Überschau  des  künstlerischen  Werdens  und  Wirkens 
Rheinbergers  unstreitig  das  Bedeutendste.  Sandberger  schrieb  seine  Ab- 
handlung,*) als  der  ahochbegabte  Komponist'  eben  gestorben  war  und 
.München,  Deutschland,   die  ganze  musikalische  Welt   um   einen  grossen 


■]  Dieselben  becrelfen:  Joe.  Rheinbergera  Briefe  an  die  Seinen,  vom  12.  Lebens- 
jahre bli  In  aeln  relhs  Mui&esalMr  (von  den  Hlnterbllebe&en  Rb.s  d.  Verf.  freund- 
lichst zur  Verfügung  gestellt),  ferner  die  20  aGo'chlfu-  und  Tagebücher  Jos.  Kurt 
Rheinbergers',  von  seiner  Gattin  geführt  (in  der  k.  Hof-  und  Staatabibliothek  lu  MQachen), 

*)  Joa.  Rheinberger  von  Adolf  Sandberger,  Beilage  zur  Allgem.  Zeitung,  1001, 
Nummer  278. 

15« 


204 
=  DIE  MUSIK  V.  22. 


Toten  trauerte".  Selbst  Rheinbergers  Schüler,  geht  er  mit  feinem  Ver* 
ständnis  auf  Rheinbergers  Kompositionen  (Kirchen-,  Orchester-,  Klavier-, 
Kammer-Musik,  Chore  usw.)  ein,  die  .unserer  Seele  neuen  Stoff  geben 
und  in  ihrer  stärksten  Ausprägung  Anregungen  beruhigendster  und  beglücken- 
der Art  schenken".  Er  hebt  «als  den  wichtigsten  dieser  spezifisch  Rhein- 
bergerschen  Stimmungskomplexe*  hervor:  Beschaulichkeit,  milde  Wärme, 
schlichte,  männlich-innige  Empfindungen.  Er  erkennt  Rheinbergers  6r5sse 
als  in  seinem  absoluten  Musikertum  ruhend.  Er  gibt  Rheinberger  die  höchste 
Ehre  als  Komponisten  für  die  Orgel  (20  Orgelsonaten),  in  welchem  Gebiete 
der  Instrumentalmusik  Rheinberger  berufen  war,  .als  Neuerer  eine  ent- 
wicklungsgeschichtlich bedeutende  Stellung  einzunehmen'. 

.Bei  Bach  und  dem  eigentlich  strengen  Stil  ist  aber  Rh.  hier  keineswegs  stehen 
geblieben.  Wie  die  technischen  Anforderungen  ist  die  Erfindung  in  diesen  Stücken 
zunehmend  eigenartig  geworden  und  eine  Fülle  seltsamer  Gedanken  und  Gestalten 
blüht  uns  aus  den  gestrengen  drei  Systemen  dieser  Werke  entgegen.  Dem  Künstler, 
der  selbst  ein  trefflicher  Orgelvirtuos  war  (ein  Schüler  des  greisen  Dr.  Herzog),  galt 
die  Orgel  keineswegs  als  ausschliesslich  kirchliches  Instrument,  wie  auch  daraus  her- 
vorgeht, däss  er  weltliche  Einzelstücke  für  sie  komponirte ...  im  übrigen  finden  sich 
mit  die  schönsten  Fugen  des  grossen  Fugenmeisters  in  diesen  Orgelsonaten . . . 

In  Rheinberger  verliert  nicht  nur  die  gegenwärtige  Musikwelt  den  hervor- 
ragendsten aller  Kontrapunktlehrer,  die  gesamte  Musikgeschichte  kennt  nur 
wenige  Kräfte  von  ähnlicher  Bedeutung.  Was  der  Meister  auf  diesem  Felde  der  Kunst 
für  Dienste  leistete,  wird  erst  die  Nachwelt  voll  erkennen  • . .  Alle,  die  bei  ihm  lernten, 
machten  hier  eine  Schule  des  Handwerks  durch,  wie  sie  fundamentaler  nicht  gedacht 
werden  kann.  Humperdinck,  Thuille  und  wie  sie  alle  heissen,  deren  Namen  heute 
Klang  und  Ansehen  besitzt,  sie  können  bezeugen,  was  sie  Rheinberger  verdanken  . . . 
Welch  eminenter  Musiker  dieser  Mann  war,  das  können  in  ganzer  Fülle  doch  nur 
jene  ermessen,  die  unter  ihm  an  der  berühmten,  geliebten  und  gefürchteten  Tafel 
gearbeitet  haben. 

Die  absolute  Lauterkeit  und  ehrfurchtgebietende  Reinheit  von  Rheinbergers 
Charakter  hat  sich  auch  beim  Unterricht  bewährt.  Nie  habe  ich  in  unsem  Stunden 
nur  ein  einziges  Wort  aus  seinem  Munde  gegen  jene  hohe  Kunst  gehört,  die  ihm  so 
herzlich  unsympathisch  war.  Und  das  in  den  80  er  Jahren,  da  wir  noch  um  Wagner 
kämpften.  Später  sagte  mir  Rheinberger  gelegentlich  einmal:  ,Ich  hätte  manchen  gerne 
gewarnt,  aber  ich  hielt  es  für  meine  Pflicht,  euch  gehen  zu  lassen^ .  •  .*■ 

So  Adolf  Stndberger  über  seines  .treuen,  hochverehrten,  geliebten 
Meisters*  Wirken  und  SchaflPen  .  .  . 

Die  Betrachtung  eines  Künstlerlebens  von  solch  edler  Eigenart  kann 
hohe  erzieherische  Werte  für  die  menschlichen  Bestrebungen  und  Lebens- 
betätigungen darstellen,  um  die  schlummernden  Energieen  zu  wecken, 
die  Geister  von  Kleinmut  zu  befreien  und  sie  dem  hohen  Stand- 
punkte zuzuführen,  dass  strenge  Arbeit  vor  allem  not  tut.  Nichts 
vermag  uns  mehr  anzuregen  als  der  Oberblick  über  den  Werdegang  eines 
Meisters,  als  die  liebevolle  Betrachtung  seiner  grossen  leuchtenden  Vorzüge, 


205 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


t!s  die  ruhige  Wahrnehmung  tuch  der  Schattenseiten  seines  abgeschlossen 
vor  uns  liegenden  Kunstschaffens. 

Ich  meine,  die  liebevolle  Betrachtung.  Nur  wenn  du  einen  Menschen 
liebst,  wirst  du  sein  Geheimnis  erforschen.  Diesen  Menschen  aber  darfst 
du  lieben,  selbst  nach  der  exaktesten  Befolgung  des  manchmal  grausamen 
Satzes:  de  mortuis  nil  nisi  verum. 

Vergilbte  alte  Briefe  haben  eine  seltsame  Kraft.  Keine,  noch  so 
meisterliche,  Erzählung  kann  dieses  warm  pulsierende  Leben  hervorrufen, 
diese  Gluten,  diese  Flammen,  die  uns  aus  den  zarten  Blättern  entgegen- 
wehen, diese  köstlichen  Frühlingslüfte  und  Düfte,  die  ihnen  entschweben, 
diese  starken  Wogen  der  Leidenschaften,  die  ihnen  entströmen  .  . . 

Rheinberger  soll  hier  zu  uns  aus  handschriftlichen  Auf- 
zeichnungen sprechen;  nicht  nur  in  seinen  eigenen  Briefen  werden  wir 
ihn  suchen  und  finden,  sondern  wir  fühlen  sein  Wesen  auch  in  den  Zeilen  der 
andern,  die  sich  an  ihn  wenden  oder  die  einem  Dritten  von  ihm  erzählen. 
So  viele,  die  ihm  irgendwie  nahe  standen,  alles  was  er  liebte  und  nie  ver- 
gass,  lernen  wir  kennen:  die  Teuern,  die  Kleinen,  die  Grossen,  den  treu- 
besorgten Vater,  die  Geschwister  in  seiner  Heimat,  dem  wundervollen 
Berglande  Vaduz  im  unabhängigen  winzigen  Fürstentum  Lichtenstein,  den 
spätbiedermeierschen  »Repartitor  beym  Magistrate  München",  der  den 
zwölfjährigen  Komponisten  als  Zimmerherrn  aufnahm,  den  ersten  bedeuten- 
den Gönner,  den  vortrefflichen  Geologen  und  Akustiker  Prof.  Dr.  Schafhäutl 
(einen  seltenen  Originaltypus  von  einem  damaligen  Universitätsgelehrten), 
seine  Lehrer  und  die  meisten  Musikgrössen  seiner  Zeit.  Und  vor  allen 
andern  die  treue  Gattin  Rheinbergers,  die  so  viel  Anschaulichkeit  in  die 
9 Geschäfts-  und  Tagebücher' Josef  Kurt  Rheinbergers  zu  bringen  vermochte; 
die  Stimmungen  von  seinem  Leben  geben  ihre  charakteristischen  Federzüge 
wieder,  die  Umgebung,  in  der  er  wirkt,  die  Aufregungen,  Leiden,  die 
berauschenden  Erfolge,  die  seelischen  Freuden  und  Depressionen,  die  sie 
wie  ein  idealer  Kamerad  seines  täglichen  Schaffens  mit  ihm  trägt,  ja  sogar 
•seine  künstlerischen  Meinungen,  die  sie  ihm  ablauscht  und  die  sie  wohl 
gelegentlich  beeinflusst.  Seinen  Namen  »Josef'  ändert  sie  in  den  roman- 
tischeren „Kurt",  und  schliesslich  zeichnet  er  selbst  mit  „Kurt"  in  manchen 
Familienbriefen.  (Ich  fand  von  ihrer  Hand:  „In  der  Öffentlichkeit  heisst  er 
Josef  Rheinberger,  aber  zu  Hause  „Kurri  Rheinsputz".  Wer  kindisch  liebt, 
versteht  übrigens  solche  Tändeleien ;  wer  nie  recht  geliebt  hat,  wird  solches 
läppisch  finden.) 

Als  Eingang  zum  ersten  Band  der  „Geschäfts-  und  Tagebücher" 
findet  sich  eine  kleine  guterhaltene  Photographie  des  Paares  eingeklebt, 
zwei  interessante  Köpfe.  Ich  sah  die  beiden  zum  ersten  Male,  als  Ich 
noch  ein  Kind  war.     Meine   späteren   Erinnerungen  zeigen  mir  Franziska 


206 
=  DIE  MUSIK  V.  22. 


Rheinberger  (verwitwete  von  Hoffkiaass)  tls  eine  grosse  imponierende  Er- 
scheinung, weder  schltnk  noch  mager,  das  halbergraute  Haar  gescheitelt, 
mit  einigen  Stlmlöckchen,  mit  einem  Knoten  im  Nacken;  ihr  Gesicht, 
geistig,  scharf  geschnitten,  a  keen  face,  in  ihren  lichten  grauen  Augen,  in 
ihren  Zfigen  ein  eigentfimlicher  Ausdruck  von  hoheitsvoller  Bestimmtheit. 
Sie  war  mehrere  Jahre  ilter  als  ihr  Gatte. 

Rheinberger  war  gut  mittelgross,  trug  einen  braunen  Vollbart,  der 
nach  unten  spitz  endete.  Seine  Züge  waren  von  edler  Bildung,  Stime  und 
Schädel  von  ausgesprochen  interessanten  Formen,  die  Nase  kfihn  gebogen. 
Seine  klugen,  forschenden,  lichten  Augen  konnten  manchmal  sehr  liebens- 
würdig und  heiter  durch  die  scharfe  Brille  blicken.  Sein  typischer  Aus- 
druck war  jedoch  der  eines  strengen,  ernsten  Mannes,  dessen  mutiger  Geist 
mit  eiserner  Energie  dem  schwachen  Körper  stets  neue  Arbeitsstunden  ab- 
zuringen weiss,  der  mit  seinen  Gedanken  bei  seiner  Arbeit  weilt  und  der 
nur  momentan  von  seinem  Schreibtisch  abgerufen  ist .  . . 

Doch  kehren  wir  zu  seiner  Gefilhrtin  zurück.  Diese  merkwürdige 
Frau  dichtet,  zeichnet,  singt,  spielt  Klavier,  komponiert  auch  gelegentlich. 
Sie  sucht  nach  alten  Volksmelodieen  in  der  Staatsbibliothek,  sie  hat  Latein, 
Spanisch,  Italienisch,  Französisch  und  Englisch  studiert,  schreibt  Texte  für 
Oratorien,  Chöre,  Opern,  Lieder,  stickt  Paramente  nach  alten  Kirchen- 
mustem.  Dabei  lebt  sie  nur  für  den  geliebten  Gatten,  den  sie  erhöht, 
verehrt,  dem  sie  ein  möglichst  behagliches  Heim  schafft,  dem  sie  schrift- 
liche Arbeiten  abnimmt,  für  dessen  schwache  Gesundheit  sie  Tag  und  Nacht 
besorgt  ist.  Die  feinfühlige  Individualität  dieser  hochbegabten  Frau  ist  ein 
Motiv,  das  stets  durch  Rheinbergers  Leben  leise  klingt;  vielleicht  fühlt 
er  selbst  kaum  eine  gewisse  Einengung,  die  ihm  durch  ihre  stets  für  ihn 
neu  gefertigten,  manchmal  sehr  reizvollen  Teztdichtungen  geworden  sein 
mag  und  durch  so  manche  ihrer  Vorurteile,  die  er  unbewusst  angenommen 
haben  mag  und  die  er  früher  nie  besessen.  Sicherlich  trugen  sie  ein  gut 
Teil  dazu  bei,  ihn  vom  Flügelschlage  einer  neuen  grossen  Zeit  mehr  und 
mehr  abzuschliessen. 

Es  ist  eben  im  jahrelangen  glücklichen  Zusammenleben  fast  unmöglich, 
sich  stets  gleichen  Einwirkungen  vollkommen  zu  entziehen,  es  ist  ausser- 
dem schwer,  einige  Sonderbarkeiten  des  Kameraden  richtig  zu  deuten. 
Man  nimmt  sie  hin. 

Ein  Nervenleiden  fiberschattete  und  umdüsterte  Frau  Franziska  Rhein- 
bergers spätere  Lebenstage  —  vielleicht  eine  nachträgliche  Folge  jener 
Überstrenge  der  Erziehung,  die  ihre  frühe  Jugendzeit  ziemlich  freudlos 
gestaltet  hatte. 

Aus    manchem  Band   der   von   ihr   so   liebenswürdig   und  talentvoll 


207 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


geschriebenen  «Geschäfts-  und  Ttgebficher  Jos.  Kurt  Rheinbergers"  werden 
wir  sie  näher  kennen  und  lieben  lernen. 

In  der  Folge  eine  Aufzeichnung  über  den  Geburtsort  ihres  Gatten, 
die  ich  in  einem  Heft  mit  vergilbtem  grünen  Umschlag  fand;  aussen 
die  Aufschrift:  Aus  der  Heimat,  begonnen  1876. 

.Die  teure  Heimat  Josef  Rheinbergers  ist  landschaftlich  ein  wahres  Paradies 
und  wenn  Brentano  Vaduz  zum  Schauplatz  seines  Märchens  ,Gockel,  Hinkel  und 
Gackeleya*  erwählte,  so  mag  dies  geschehen  sein,  weil  es  so  ein  halb  vergessenes 
Wunderland  ist  .  • .  Hoch  oben,  kfihn  auf  vorspringenden  Felsen  gebaut,  schaut  das 
stattliche  Schloss,  dem  der  gewaltige  RSmerturm  und  der  ruinenhafte  halbrunde 
Rittersaal  im  Rücken  anhängt,  in  das  breite  prachtvolle  Rheintal  hinab.  Kurt  und  ich 
bewohnten  einst  ein  Zimmer  dieses  alten  Gebäudes;  O  das  war  schön,  wenn  am 
frühesten  Sommermorgen  die  stolzen  Berge  gegen  Balzers  zu  im  Morgenrot  glühten, 
während  der  Mond  erbleichend  im  blauen  Äther  schwamm  und  der  Rhein  sich  im 
Tale  geisterhaft  der  Ebene  zuwand  —  oder,  wenn  wir  abends  am  Fenster  lagen,  über 
uns  die  unabsehbaren  Sterne  und  unter  uns  jenseits  des  Rheines  aus  allen  Häusern 
die  Licbtlein  in  die  Nacht  schimmerten,  dass  man  wie  eingetaucht  in  ein  Stemen- 
meer  war.  Dazu  die  balsamischen  Düfte,  die  von  den  Blumen  heraufkamen,  die  in 
der  Mauerecke  des  Schlosseingangs  wuchsen  und  auch  das  Tal  hinabschwebten  . . . 
Ist  man  durch  einen  breiten  gewölbten  Torbogen,  dem  jetzt  die  Pforte  fehlt,  gegangen, 
so  kommt  man  zu  jenem  Mäuerchen,  wo  es  sich  die  erwähnten  duftenden  Blüten  so 
wohl  sein  lassen.  Von  hier  ist  der  Blick  in  die  Tiefe  erschreckend  und  wüchsen 
nicht  am  untern  Abhang  schlanke  Buchen  und  Tannen,  deren  Gipfel  die  Schauer  des 
Abgrunds  decken,  so  müsste  einen  Schwindel  erfkssen  beim  Hinabsehen.  Nahe  an 
dieser  Stelle  stand  früher  ein  Pförtnerhäuschen  und  noch  sieht  man  die  Konturen 
dessen  Abbruchs  an  der  steilen  Burgwand.  In  diesem  Häuschen  war  Kurts  Vater 
geboren  . . . 

Unter  dem  altersmüden  Baume  mit  der  prächtigen,  unsäglich  schönen  Femsicht 
gegen  Balzers  nach  Ragatz  zu,  mit  dem  Blick  auf  den  linken  Alpenhügel  mit  seinen 
dreissig  dicht  an  einander  geschmiegten  Hütten  auf  grüner  Matte  —  da  war  ja  schon 
von  jeher  Kurts  Lieblingsplätzchen  und  da  konnte  er  Stunden  verträumen,  während 
die  Seele  in  ihm  wuchs.    Das  war  einst  der  Lustgarten  der  stolzen  Ritter  von  Vaduz. 

Nun  geht  es  hinab  ins  grüne  geheimnisvolle  Dunkel  des  Buchenwaldes.  Eine 
steile  Holztreppe  (Stieg  genannt)  windet  sich  hinunter  an  den  merkwürdigsten  Stämmen 
vorüber  und  da  ihre  Kronen  gebrochen,  schienen  sich  die  gekränkten  Stämme  zornvoll 
zu  ballen  und  durch  die  gedrückten  Windungen  wurden  sie  in  grause  Untiere  ver- 
wandelt. Hier  ein  brüllendes  Nasborn,  dessen  Augenhöhlen  durchbohrt  sind,  dort 
ein  Stierkopf,  dessen  moosbewachsene  Homer  sich  gegen  das  breite  Hirschgeweih 
stemmen,  das  ihn  von  unten  bedroht.  Aber  aus  diesen  Ungeheuern  spriessen  neue 
Bäume  mit  jungen  schlanken  Stämmen  empor  und  die  Eichhörnchen  huschen  über 
die  Gezweige  . . .  Jetzt  geht  es  eine  Weile  am  Bergabbang  hin,  unten  schimmern 
schon  die  Dächer  des  Dorfes,  jetzt  auch  sind  wir  beim  Rentmeisterhause,  wo  Kurt 
geboren  wurde.  Dies  einstöckige  Giebelhaus,  so  traulich  von  Garten  und  Obstbäumen 
umgeben  und  im  Rücken  von  der  waldigen  Bergwand  geschützt,  sieht  mit  der  Front 
nach  Westen  gegen  den  Rhein  zu  und  seine  dicken  Mauern  zeigen,  dass  es  in  ver- 
gangenem Jahrhundert  gebaut  wurde.  Es  war  als  Witwensitz  der  einst  auf  Schloss 
Vaduz  regierenden  Grafen  von  Werdenberg  bestimmt  Nunmehr  hatte  es  der  Rent- 
meister zur  Nutzniessung  und  mit  ihm  seine  Frau  und  seine  grosse  Familie  . . . 


208 
DIE  MUSIK  V.  22. 


O  Heimat,  Heimat,  warum  müssen  wir  mit  solcher  Liebe  und  mit  solchen 
Schmerzen  an  dich  denken?  Sie  sind  ja  alle  tot  —  aber  Kurt  lebt  —  er^  den  deine 
Stille  erwärmt,  belebt,  zum  Sänger  gebildet!  . . . 

Seit  ich  Obiges  geschrieben  —  ist  eine  lange,  lange  Reihe  von  Jahren  ver- 
gangen! Ich  stehe  am  Abend  des  Lebens  und  zwar  sehe  ich  nicht  die  Sonne  in 
goldenem  klaren  Glänze  über  mein  Leben  versinken,  sondern  geheimnisvolle  Leidens- 
scbatten  haben  sich  über  dasselbe  gelagert  und  weiss  ich  nicht,  ob  mir  noch  so  viel 
Licht  bleiben  wird,  dass  ich  wenigstens  die  Jugendjahre  Jos.  Rheinbergers  beleuchten 
kann.  In  letzter  Zeit  kamen  so  viele  Anfragen,  teils  aus  Deutschland«  teils  aus  Amerika, 
ob  es  nicht  möglich  sei,  sein  Lebensbild  von  Kindheit  an  aufzuzeichnen,  dass  mein 
eigener  Wunsch  durch  diese  Bitten  noch  mehr  bekräftigt  wird;  auch  war  ich  schon 
nahe  daran  den  Versuch  in  Ausführung  zu  bringen,  da  scheiterte  das  Vorhaben  an 
verschiedenen  Gründen.  —  Ich  aber  möchte  nicht  zu  Grabe  steigen,  sei  es  körperlich 
oder  geistig,  ohne  meine  letzten  Kräfte  angespannt  zu  haben,  das  liebe  reine  Bild 
der  Jugend  Rheinbergers  der  Vergessenheit  zu  entreissen  . . ." 

[Dieser  tief  ergreifenden  Nachschrift  ist  das  Datum  »am  24.  Oktober  1891*  bei- 
gefügt.   Frau  F.  Rheinberger  starb  am  Silvestertag  desselben  Jahres.] 

Brief  des  Hofkaplans  (Franz  Fetz)  von  Vaduz  über  Rheinbergers 
Kindheit  (vom  29.  August  1867); 

Jos.  Rheinberger  ist  geboren  den  17.  März  1839  zu  Vaduz,  Fürstentum  Lichten- 
stein. Sein  Vater  Joh.  Peter  Rheinberger  war  damals  fürstl.  Rentmeister,  seine  Mutter 
Elisabet  Carigiet  von  Disentis  im  Kanton  Graubünden.  Nicht  lange  vor  seiner  Geburt 
hatte  Rheinbergers  Mutter  das  Unglück,  über  eine  lange  alte  Hausstiege  hinunter  zu 
stürzen,  so  dass  man  für  die  Geburt  des  Kindes  schwere  Folgen  fürchten  musste. 
Der  ängstlich  besorgte  Vater  machte  in  dieser  bedenklichen  Lage  das  Versprechen, 
der  Kirche  zu  Vaduz  eine  neue  Orgel  zu  widmen,  um  eine  glückliche  Entbindung  zu 
erflehen.  Gegen  alle  Erwartung  hatte  jener  Fall  der  Mutter  gar  keine  schlimmen 
Folgen. 

Mit  dem  Bau  der  Orgel  wurde  begonnen.  Inzwischen  wuchs  der  kleine  Poppe 
gesund  und  blühend  auf.  Seine  ältere  Schwester  wollte  Musik  erlernen,  der  Orts- 
pfarrer verschaifce  ihr  ein  altes  Klavier,  der  Schullehrer,  von  Scham  herüberkommend, 
erteilte  Unterricht.  Der  Vater  war  anfangs  nicht  einverstanden,  er  sagte:  meine 
Kinder  sind  nicht  musikalisch,  das  haben  sie  nicht  erben  können.  Er  hatte  jedoch 
Unrecht.  Wie  der  vierjährige  Poppe  das  Geklimper  des  Klaviers  hörte,  probierte  er 
mit  seinen  kleinen  Fingern  die  Tasten  zu  drucken  und  war  bald  nicht  mehr  davon 
abzubringen.  Der  Lehrer  merkte  dies  und  Hess  die  Schwester  Johanna  beiseite  und 
nahm  den  kleinen  Poppe  in  den  Unterricht.  Die  Fortschritte  waren  merkwürdig. 
Nun  kam  er  zu  der  neuen  Orgel,  da  waren  aber  die  Füsse  des  Kindes  für  das  Pedal 
zu  kurz  und  musste  ein  zweites  erhöhtes  Pedal  als  Sattel  daraufkonstruiert  werden 
und  Peppe  wurde  mit  sieben  Jahren  Organist.  So  war  Poppe,  dessen  Geburt  den 
Bau  der  Orgel  veranlasst  hatte,  der  erste  Organist  an  dieser  neuen  Orgel.  In  der 
Tat  merkwürdig. 

Sein  Studier-  und  Lesezimmer  war  oft  sehr  originaL  Er  machte  sich  auf  irgend- 
einem Baume  einen  Sitz  zurecht  und  setzte  sich  .unter  die  Vögel  hinein"  mit  einem 
Buche  in  der  Hand. 

Jener  Schullehrer,  ein  Tiroler  namens  Poehly,  der  mit  dem  vierjährigen  Kind 
das  Klavierspiel  begonnen  hatte,  erklärte  nach  einigen  Jahren  dem  kleinen  Sehüler 


209 
PERGER:  RHEIN6ERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


die  Musiktheorie  in  einer  leichtfasslichen  Methode,  welche  er  sich  eigens  zurechf- 
gelegt  hatte  und  der  Jugendliche  Organist,  auf  dessen  Besitz  die  Gemeinde  Vaduz 
nicht  wenig  stolz  war,  versuchte  sich  bald  auf  dem  Gebiete  der  Komposition.  Er 
schrieb  Versetten,  kleine  Lieder,  ja  sogar  eine  dreistimmige  Vokalmesse  mit  Orgel- 
begleitung, was  Aufsehen  in  der  ganzen  Umgebung  erregte,  wie  Zeitgenossen  erzählten. 

Der  Bischof  von  Chur  sprach  dem  Rentmeister  seinen  Wunsch  aus,  den  kleinen 
Organisten  zu  sehen  und  zu  hören  und  Joseph  kam  mit  seinem  Vater  nach  Chur  in 
den  Dom.  Man  führte  ihn  zur  Orgel,  der  Bischof  hatte  ein  Salve  regina  für 
vier  Minnerstimmen  und  Orgelbegleitung  auf  das  Pult  legen  lassen.  Der  junge 
Organist  begann  das  Vorspiel  und  bald  stimmte  der  musikliebende  PrSlat  den  Gesang 
mit  seinen  drei  Klerikern  an.  Aber  die  Wahrheitsliebe  und  das  feine  Gehör  des 
kleinen  Musikers  überwältigten  den  Respekt  vor  dem  Kirchen fürsten.  Entrüstet 
sprang  er  plötzlich  von  seinem  Sitz  auf  und  rief:  Aber  Herr  Bischof,  Sie  singen  ja 
fälscht  Der  Bischof  schenkte  nach  jener  Produktion  dem  freimütigen  Kritiker  einen 
Dukaten. 

Poehly  hielt  viel  auf  sehr  genaues  Oben  auf  dem  Klavier  und  nach  seinem 
Rat  legte  der  Rentmeister  seinem  Josef  für  100  und  mehrmaliges  Spielen  der  Skalen 
einen  kleinen  Geldbetrag  auf  das  Piano  (erst  ein  Harpsichord,  dann  ein  kleiner  auf- 
rechtstehender Flügel  aus  Wien).  Das  so  verdiente  Geld  sparte  unser  Pianist  zur 
Erwerbung  neuer  Musikalien  zusammen.  Meistens  währte  deren  Ankunft  lange,  aber 
endlich  erklangen  doch  die  Halsschellen  des  Vaduzer  Postschimmels,  der  die  heiss- 
ersehnten  TonschStze  brachte.  Da  lief  der  Kleine  manchmal  weit  dem  Gefährte 
entgegen  und  wartete  auf  der  Landstrasse,  bis  der  Schimmel  auftauchte.  Dann  sprang 
er  auf  den  Bock  zum  Kutscher  in  freudiger  Stimmung  über  die  bald  zu  enthüllenden 
Schätze. 

Doch  die  Mehrzahl  seines  bescheidenen  Notenbesitzes  musste  er  sich  durch 
Abschreiben  sauer  genug  erwerben,  wodurch  er  freilich  den  Bau  eines  Werkes 
besser  kennen  lernte,  als  durch  noch  so  oftmaliges  Spielen.  Viele  Schöpfungen 
Bachs,  Händeis,  Webers  studierte  der  Strebsame  gründlichst  auf  diese  Weise. 

Dem  kleinen  Musiker  war  übrigens  jedes  Lob  aus  unverständigem  oder 
schmeichelndem  Munde  eine  Pein;  niemals  ging  er  dem  Lobe  auch  nur  einen  Schritt 
entgegen  und  vermied  es,  von  sich  und  seinem  Tun  zu  reden.  Man  konnte  ihn 
schwer  dazu  bewegen,  neugierigen  Leuten  vorzuspielen,  welche  gekommen  waren, 
um  ,des  Rentmeisters  Pepi^  zu  sehen  und  zu  hören;  da  war  er  eben  nicht  auf- 
zufinden, sondern  versteckte  sich  im  hohen  Gezweig  einer  schattigen  Buche  so  lange, 
bis  er  die  lästigen  Besucher  das  Haus  wieder  verlassen  sah.* 

(Nach  den  Aubeichnungen  des  Lehrers  Poehly) 

9  jährig  hörte  Rheinberger  zum  erstenmal  ein^gut  ausgeführtes  Quartett 
(von  Mozart)  von  künstlerischen  Dilettanten,  die  von  Feldkirch  herüber- 
gekommen waren.  Es  war  für  ihn  ein  Freudenfest.  Der  erste  Geiger, 
ein  Kameralbeamter,  interessierte  sich  von  da  ab  warm  für  den  Kleinen, 
der  ihm  auf  dem  Flügel  mit  ungewöhnlicher  Fertigkeit  und  musikalischer 
Empfindung  vorgespielt  hatte.  Er  und  andere  Gönner  vermochten,  nach 
einigen  Jahren  des  ernstesten  Weiterstrebens  Josefs,  den  strengen  Vater 
zu  überreden :  endlich  konnte  sich  der  Rentmeister  Peter  Rheinberger  ent- 
schliessen,  seinen  nunmehr  12  jährigen  Sohn  nach  München  in  die  königl. 


210 
DIB  MUSIK  V.  22. 


Musikschttle  ztt  schicken.^)  Seine  Wohnung  war  zuvor  mit  ruhigen  .respek- 
tablen Leuten"  (beim  Magistratsfunktionär  Perstenfeld)  vereinbart  worden. 
Der  sehr  jugendliche  „Zimmerherr"  berichtete  die  hauptsächlichsten  Ein- 
drücke seines  Lebens  in  der  Stadt  den  Seinen  in  einer  Reihe  von  schlichten 
Briefen : 

München,  den  27.  des  8.  1851. 
Theuerste  Eltern  I 

Ich  halte  es  für  meine  kindliche  Pflicht,  Euch  bald  Nachricht  von  mir  zu  geben. 
Ich  ergriff  demnach  freudig  die  Feder,  weil  ich  nur  Gutes  schreiben  kann.  Am 
16.  ds.  M.  verliess  mich  der  Peter,  wenige  Stunden  hierauf  H.  Pfarrer  Wolflnger. 
Dies  fiel  mir  ein  wenig  schwer.  Denn  ich  stand  nun  ohne  Bekannte  in  einer  fremden, 
grossen  Stadt.  Aber  die  Freundlichkeit  und  herzliche  Aufnahme  meiner  Quartierleute 
stimmte  mich  bald  wieder  heiter,  so  dass  ich  ganz  ohne  Heimweh  davon  gekommen 
bin.  Mir  ging  es  bisher,  Qottlob,  immer  nach  Wunsch.  Herr  Perstenfeld  sorgt  für 
mich  wie  für  sein  eigenes  Kind  an  Leib  und  Seele,  so  kann  ich  Euch  gewiss  ver- 
sichern ...  Ich  habe  nur  2  Fächer  der  Musik:  Klavier  und  Harmonie  und  Kontra- 
punktslehre. In  beiden  Fächern  sind  tüchtige  Meister  meine  Lehrer.  Die  Klavier- 
stunden habe  ich  mit  2  Erwachsenen,  mit  einem  16  jährigen,  welcher  sehr  gut  spielt 
und  einem  14  jährigen.  —  Harmoniestunden  ebenfalls  mit  2  Erwachsenen.  Die  4  Er- 
wachsenen können  so  ziemlich  nicht  viel  für  ihr  Alter,  denn  ich  will  allen  gleich- 
kommen. —  Im  Ganzen  gefällt  es  mir  in  München.  Grüsst  mir  Alle,  besonders  die 
Mutter,  den  David,  den  Peter,  die  Josephs,  das  Hanni,  den  Toni,  das  Lise,  das  Male 
und  Alle  Verwandte  und  Freunde. 

Ich  verbleibe  Euer  dankbarster  Sohn  Jos.  Rh. 

Meine  Adresse  ist:  An  Josef  Rheinberger,  Zögling  des  Conservat  der  Musik 
zu  München,  Maximilians-Vorstadt,  Findiingsstrasse  Nr.  1/1  links,  nächst  der  pro- 
testantischen Kirche. 

München,  d.  30.  12.  1852. 
Theuerster  Vater! 

. . .  Nach  den  Worten  des  H.  Prof.  Herzog  habe  ich  im  Orgelspiel  alle  die- 
jenigen eingeholt,  welche  ein  Jahr  länger  lernen.  Durch  seine  Empfehlung  bin  ich 
nun  zum  Vice-Organist  von  St.  Ludwig  avancirt  und  werde  den  Dienst  dort  am  Neu- 
jahrstag antreten,  welches  mir  von  Nutzen  sein  wird.  Auch  in  der  Michaels-Hofkirche 
und  in  der  Kirche  in  der  Herzog-Max-Burg.  Die  andern  Professoren  Leonbard  und 
Maier  sind  gleichfalls  sehr  zufrieden  mit  mir  —  auch  das  Französische  geht  sehr 
gut,  obschon  ich  keine  schöne  Aussprache  habe.  —  Hat  der  Nikolaus  viel  gebracht? 
mich  hat  er  scheint's  vergessen  .. . 

Herr  Direktor  Hauser  veranstaltete  letzten  Montag  ein  Concert  (wo  jedoch  nur 
Gesang,  Violine  und  Violoncello)  —  unter  andern  erschien  auch  dabei  König  Ludwig 


*)  Die  Schüler  des  «k.  Konservatoriums  der  Musik*  zu  München  von  damals 
waren  viel  einfacher  bei  den  Konzerten  der  Schule  gehalten  als  die  „Akademiker*  an 
der  gleichen  Anstalt  von  heute.  Auf  den  Konzertprogrammen  war  nie  der  Name  des 
Ausführenden  verzeichnet:  z.  B.  es  stand  auf  dem  Zettel:  c-moll  Konzert  für  Klavier 
und  Orchester  von  Beethoven.  An  den  Säulen  des  Odeonssaales  waren  ferner  Plakate 
befestigt,  die  jegliche  Beifallsäusserung  strenge  verbaten. 


2n 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


und  KÖBigin  Therete,  Prinx  und  Prinzessin  Luitpold.  —  Alles  wsr  mit  der  Leistung 
▼oUkommen  zufrieden,  besonders  aber  KSnig  Ludwig  —  durch  dieses  Concert  bst  das 
Conseryatorium  viel  gewonnen.  Was  macht  der  Toni?  Treibt  er  noch  wacicer  die 
Buchbinderei?  Das  Heft|  das  er  mir  gemacht  hat,  ist  schon  mehr  als  halb  voll  Orgel- 
stücke I   Grfisst  mir  vorzfiglich  die  Hebe  Mutter! 

Mfinctaen,  den  28.  6.  1852. 

•  • .  Vor  14  Tagen  hörte  ich  zum  ersten  Male  eine  Oper  »Die  Zauberflöte*! 
Dieser  herrliche  Kunstgenuss  llsst  sich  nicht  beschreiben  (besonders  da  nur  15  Kreuzer 
unter  ihm  litten.)  Im  Consenratorium  wird  schon  tfichtig  zu  einer  guten  Prüfung 
vorgearbeitet  ...  In  den  Studienfichem  geht  es  mir  ganz  gut.  Nur  in  der  Harmonie- 
lehre krinkt  es  mich  sehr,  dass  ich  immer  auf  die  Andern  warten  muss  —  so  z.  B. 
blieb  Einer  14  Tage  lang  aus  —  ich  lernte  immer  vorwirts,  nun  muss  ich  aber  die 
nämlichen  Aufgaben  machen,  bis  er  auch  so  weit  gekommen  ist  als  ich  —  dessen 
ungeachtet  sagte  mir  der  H.  Professor  der  Compositionslehre  Maier,  dass  ich  die 
besten  Aufgaben  eingeliefert  bitte.  In  den  Klayierstunden  lernt  jeder  unabhängig 
vom  Andern  und  so  kommen  alle  schneller  zum  Ziele,  was  von  Herrn  Professor 
Wanner  sehr  zu  loben  ist.  Hier  herrscht  grosse  Theuerung,  so  z.  B.  kostet  das  Pfd. 
Schweinefleisch  15  Kreuzer,  das  Kalbfleisch  11  -f-r>  das  Rindfleisch  12 -^r,  das  Klafter 
Holz  13  fl.,  das  Pfund  Mehl  10  +r,  das  Pfd.  Schmalz  28  -fr,  das  Pfd.  Kaffb  40  +r, 
das  Pfd.  Zucker  24  +r,  eine  Wohnung  von  3  Zimmern  jährlich  130—50  Gulden.  — 
Wie  geht  es  dem  Toni?  Wenn  er  hier  wäre,  hätte  er  viel  Gelegenheit  sich  für's 
Zeichnen  und  Malen  auszubilden.  Wenn  ich  einmal  Zeit  habe,  werde  ich  ihm  recht 
viel  schreiben,  das  ihn  interessieren  würde.  Wie  geht  es  den  anderen  Brüdern  und 
Schwestern?  Und  Ihr,  theuerste  Eltern,  seid  Ihr  gesund?  Für's  Schuhflicken  bezahlte 
ich  bis  jetzt  dem  Schuster  über  3  fl.,  der  Schneider  aber  profltirte  von  mir  noch 
keinen  -fr,  denn  an  den  Kleidern  ist  noch  nichts  zerrissen;  aber  der  alte  braune 
Rock  ist  mir  ein  wenig  zu  klein  und  die  graue  Hose  ein  wenig  zu  kurz.  —  Am  15. 
musste  ich  das  Lehrgeld  für's  3.  Quartal  (10  fl)  bezahlen. 

Grüsst  mir  alle  lieben  Geschwister  und  Bekannte,  indem  ich  in  Erwartung  eines 

baldigen  Briefes  von  Euch  verbleibe  Euer  dankschuldigster 

Sohn  J.  Rh. 

München,  d.  26.  Februar  1853. 
Theuerste  Eltern! 

. . .  Ich  hörte  zu  meiner  grössten  Freude  Ihr  Wohlbeflnden  und  zu  meiner  Ver- 
wunderung die  Vermehrung  der  Grenziollwacht  und  dass  Lichtenstein  auf  den  Herbst 
Österreich  einverleibt  werde.  Ich  bitte  Sie,  mir  darüber  im  nächsten  Briefe  Aufschluss 
zu  ertheilen,  indem  ich  darauf  sehr  neugierig  bin.  —  Im  Consenratorium  sind  jetzt 
wöchentlich  2  mal  Ensemble  Obungen,  wobei  ich  immer  auf  der  Orgel  accompagnire. 
Auch  habe  ich  gestern  bei  solcher  Gelegenheit  ein  schönes,  sehr  schweres  Stück  von 
Job.  Seb.  Bach  gespielt  ... 

Nun  habe  ich  eine  Ouvertüre  für's  ganze  Orchester  in  Arbeit,  welche  bis  in 
2  Monaten  fertig  werden  muss.  Ich  hörte  in  diesem  Monate  den  „Prophet*  von 
Meyerbeer.  Diese  Musik  ist  pompös,  aber  entbehrt  grösstenteils  einer  harmonischen 
Grundlage  und  hascbt  zu  sehr  nach  Effekt. 

München,  den  31.  5.  1853. 
.  • .  Die  Prüfüngscommission  bestand  aus  einem  Ministerialratb,  einem  Professor 
der  Universität,  welcher  ein  sehr  strenger  Musiker  ist,  femer  einem  Schulinspektor, 


212 
DIE  MUSIK  V.  22. 


einem  Oberconsistorialrath  und  Hofsinser  Hirtioger  .  • .  Contrtpunkt:  Es  wurde  mein 
«Qaartett*  aufgeführt,  Herr  Direktor  spielte  Viola  und  ich  musste  dirigiren.  Und  die 
Herren  hatten  die  Geduld,  es  ganz  zu  hören  und  fragten  mich  noch  hernach,  ob  ich 
es  gewiss  selbst  gemacht  hätte.  Die  Orgelprufung  dauerte  nur  2  Stunden,  weil  nur 
4  Schüler  waren;  mich  traf  davon  eine  volle  Stunde,  welche  mir  ziemlich  heiss  machte. 
Da  musste  ich  registriren,  prflludiren,  die  Passacaglia  von  Bach  producireo,  ferner 
musste  ich  in  den  6  griechischen  Tonarten  Obergänge  machen  und  als  ich  glaubte 
fertig  zu  sein,  schrieb  der  Professor  der  Universität  ein  Fugenthema  auf,  welches  ich 
im  Stegreif  zur  Fuge  machen  sollte  (das  allerschwerste  einer  Prüfung),  ich  spielte  und 
sie  sagten,  es  sei  sehr  gut  gegangen.  Weil  ich  erst  seit  dem  Oktober  spielte,  war  ich 
der  erste,  und  gleich  nach,  mir  fiel  Einer  total  durch,  welcher  4  Jahre  lernte.  Dar- 
nach sagten  sie,  ich  hätte  die  schwerste  und  beste  Prüfung  gemacht  . . .  Der  Professor 
der  Universität  hatte  mich  eingeladen,  zu  ihm  zu  kommen.  Ich  ging  auch  hin  und 
blieb  3  volle  Stunden  bei  ihm.  Da  musste  ich  nun  Partituren  lesen,  nämlich  «Iphigenia 
in  Tauris",  ,»Alceste*  von  Gluck  und  mehrere  Ouvertüren  von  Mozart,  alle  aus 
16  Zeilen.  Da  sagte  er,  diese  Ouvertüren  hätte  ich  gewiss  schon  gefibt  und  brachte 
nun  Partituren  von  Ahb6  Vogler,  welche  nur  er  allein  und  zwar  die  Handschrift  be- 
sitzt und  es  freute  ihn  sehr,  dass  ich  sie  eben  so  gut  spielte  wie  die  andern.  Nun 
sind  die  Prüfungen  vorbei  und  ich  danke  Gott,  dass  Alles  so  gut  ging  . . . 

München,  d.  1./7.  1853. 

Heute  früh  sagte  Herr  Direktor  zu  mir,  es  würde  ihn  sehr  freuen,  wenn  ich 
das  nächste  Jahr  wiederkäme.  Er  hätte  mir  schon  lange  eine  Freistelle  in  Anbetracht 
meines  Fleisses  und  guten  Betragens  verschafft,  wenn  ich  kein  Ausländer  wäre  . . . 
Jener  Professor  der  Universität  (Dr.  Schafhäutl)  hat  mich  öfters  eingeladen,  bei  ihm 
zu  essen,  mit  ihm  an  Feiertagen  auf  das  Land  zu  fahren,  dann  nimmt  er  öfter 
Partituren,  Messen  etc.  mit  mir  durch  und  nachdem  er  mich  nach  seinem  Ausspruche 
genug  gepeinigt  hat,  nimmt  er  mich  immer  in  die  Oper  mit.  Er  ist  schon  3  mal  in 
Vaduz  gewesen,  benannte  alle  Dörfer  und  Alpen.  Bei  Tisch  war  auch  ein  General 
Salis-Solio  (gewesener  Anführer  der  Sonderbündler).  Dieser  lobte  die  Lichtenstein'sche 
Armee  ungemein  und  habe  deren  2.  Befehlshaber  Rheinberger  in  Bregenz  beim  Fürsten 
Schwarzenberg  gesehen.  Herr  Schafhäutl  will  mir  aufs  nächste  Jahr  den  Unterricht 
des  Generalmusikdirektors  Lachner  (!!!)  verschaffen.  Er  zeigte  mir  die  Hof-  und 
Univers.  Bibliothek  und  gab  mir  daraus  theoretische  Werke  mit  zum  Durchstudieren  . .  • 
Ich  weiss  wohl,  dass  es  für  meine  Ausbildung  gut  wäre,  wenn  ich  noch  ein  Jahr 
hieher  käme  —  weiss  aber  auch,  was  es  kostet.  Ich  habe  schon  so  viel  nachgedacht 
und  studiert,  weiss  aber  nichts  zu  finden,  denn  hiesige  Studenten  geben  Unterricht 
zu  6  -{-r  per  Stunde!  Gott  jedoch  wird  weiter  helfen,  hat  er  ja  bis  jetzt  auch  ge- 
holfen. Ich  meinestheils  werde  trachten,  fieissig  und  brav  zu  bleiben,  denn  nur 
dadurch  ist  es  mir  möglich,  meine  Dankbarkeit  für  Ihre  väterliche  Liebe  einigermassen 
an  den  Tag  zu  legen.  Ich  denke,  die  Heimreise  werde  15—16  fi.  kosten,  ohne  die 
verschiedenen  kleinen  Ausgaben,  welche  ich  bis  dahin  haben  werde. 

Ihr  dankbarster  Sohn 

Jos.  Rh. 
Mündlich  mehr. 

1.  November  1853. 

Soeben,  wie  ich  die  Feder  ergreife,  wird  an  der  Thüre  geläutet,  der  Briefträger 
ft'agt,  ob  hier  nicht  ein  .Joseph  Rheinberger*  wohne,  ich  gehe  hinaus  und  sehe  eine 


213  

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Schachtel  Traubcii,  wovon  mir  eine  während  dem  Schreiben  fehr  gut  mundet  Ich 
danke  daher  der  lieben  Mutter  und  dem  Lise  diesen  mir  so  raren  Genuas.  Nach- 
mittags  werde  ich  einige  der  schönsten  Herrn  Prof.  Schafhlutl  bringen,  welcher  mich 
eben  so  freundlich  behandelt  wie  früher.  Die  Messe  op.  2  von  mir  werde  ich  ihm 
FreitsgSy  als  an  seinem  Namenstage  überreichen.  -^  Diesen  Monat  stifteten  einige  der 
besseren  Schüler  des  Conservatoriums  einen  Icleinen  Mozart^Vereiny  dessen  Direictor 
Jos.  Rheinberger  heisst.  Es  wurde  letzten  Sonntag,  als  am  Vorabend  Mozarts 
Namenstag,  von  uns  ein  Conzert  gegeben,  wobei  ich  dirigierte  und  mehrere  Personen 
eingeladen  waren.  —  Die  nichste  Woche  werde  ich  meine  Sonate  opus  111  endigen  . . . 
Ich  bin  immer  gesund  und,  theuerste  Eltern,  Ihr  stets  dankbarster  Sohn  Jos.  Rhein- 
berger, Direktor  des  Mozart-Vereins. 

30.  Nov.  1853. 
Nlchsten  Montag  werden  die  Eleven  des  Conservatoriums  ein  kleines  Concert 
veranstalten,  bei  welchem  ich  mit  meinem  Verein  auch  mitwirken  werde.  Nächsten 
Samstag  8  Tage  soll  meine  Cantate  im  Conservatorium  aufzuführen  probirt  werden, 
wenn  ich  mit  Stimmenabschreiben  bis  dahin  fertig  werde;  dieses  ist  sehr  langweilig 
und  zeitraubend,  indem  ich  nebenbei  drei  Ouvertüren  von  Mozart  für  Streichquartett 
arrangiren  und  mit  dem  Verein  einstudiren  muss,  nebenbei  die  Aufgaben  nicht 
versäumen  darf,  in  allen  Conserv*Ensembles  mitwirken  muss,  dann  soll  ich  noch 
mein  Quartett  und  meine  Klaviersonate  endigen  und  im  Auftrag  von  H.  Prof. 
Leonhard  ein  Offertorium  componiren.  Dieses  Alles  gibt  Arbeit  bis  Weihnachten 
•—  wer  spielt  und  singt  die  Rorate  in  Vaduz?  —  Am  Namenstag  der  lieben  Mutter 
hatten  wir  zum  ersten  Male  Schnee!  .  .  . 

30.  Dezember  1853. 

...  Ja,  theuerste  Eltern,  ich  weiss  es,  welche  Opfer  ich  koste,  weiss  es,  dass 
dieses  nur  die  aufopfernde  väterliche  und  mütterliche  Liebe  thun  kann,  aber  desswegen 
bestrebe  ich  mich  immer  mehr,  mich  dieser  Ihrer  Opfer  würdig  zu  bezeigen.  Nicht 
durch  Worte  ksnn  ich  all'  dieses  ausdrücken,  nein,  nur  durch  die  That  kann  ich's  — 
Sie  werden  sehen,  es  soll  Ihnen,  sobald  es  in  meiner  Macht  liegt,  ao  viel  es  möglich 
ist,  vergolten  werden  •  .  .  Der  Himmel  weiss  es,  es  sind  diess  nicht  leere  Ver- 
sprechungen; nein,  es  sind  die  Worte  des  festesten  Vorsatzes.  —  Ober  die  Weih- 
nachtsferien (8  Tsge)  habe  ich  ein  grosses  Offertorium  (op.  5)  componirt  und  den 
Professoren  vorgelegt.  Herrn  Prof.  Schafhäutl,  welcher  Euch  alle  f^undlichst  grüssen 
lässt,  habe  ich  auch  ein  Exemplar  geschenkt  und  seinen  Beifall  erhalten.  Meine 
Cantate  hat  Samstag  die  Freude  erlebt,  aufgeführt  zu  werden.  Sie  hat  sehr  gefeilen 
—  die  Professoren  drückten  mir  die  Hand  —  einer  hat  mir  gar  gratulirt  etc.  aber  am 
Meisten  freuten  mich  einige  süssauere  Gesichter  unter  den  Kollegen. 

Die  28  fl  habe  ich  erhalten  —  den  Christkindlgulden  der  Mutter  habe  ich  dem 
Conservatoriumdiener  als  Trinkgeld  gegeben  (Für's  Orgelzieh'n).  Das  Geld  vom  Peter 
habe  ich  zu  Handschuhen  verwendet  Ich  befinde  mich  immer  munter  und  wohl  und 
lass  Alle,  besonders  die  liebe  Mutter  grüssen. 

Professor  Herzog  an  Rheinbergers  Vater: 

München,  27.  Juni  1853. 

...  Ihr  Sohn,  welcher  bei  mir  Unterricht  im  Orgelspiel  erhält,  sagte  mir,  dass 

sein  Vater  wahrscheinlich  die  Absicht  habe,  ihn  im  nächsten  Jahre  zu  Hause  zu 

behalten.  Da  mir  an  diesem  höchst  talentvollen  und  bescheidenen  kleinen  Burschen 

unendlich  viel  gelegen  ist,  so  wollte  ich  hiemit  bei  Ihnen  anfragen,  ob  es  denn  gar 


214 
DIE  MUSIK  V.  22. 


nicht  möglich  wlre,  dass  er  noch  ein  Jahr  hier  sein  könnte?  Ich  an  Ihrer  Stelle 
wfirde  Allea  aufbieten,  denn  der  kleine  Patron  verspricht  einer  der  glinzendaten 
Orgelspieler  zu  werden,  die  je  gelebt  haben.  Um  aber  so  weit  zu  kommen,  dass  er 
auf  seiner  Laufbahn  selbstindig  wird  und  sich  mit  Glück  und  zweifelsloser  Festigkeit 
durch  alle  Irreal  des  musikalischen  Lebens  hindurch  zu  winden  yersteht,  braucht  er 
gewiss  noch  ein  volles  Jahr  tüchtige  Leitung.  Sehen  Sie  darum  die  paar  Hundert 
Gulden  nicht  an,  Sie  werden  es  zu  keiner  Zeit  zu  bereuen  haben.  Bei  einer  Prüfung 
in  Gegenwart  einer  Ministerialkommission  hat  er  allgemeines  AufSiehen  gemacht  und 
sich  die  persönliche  Freundschaft  eines  der  Herren,  Prof.  Dr.  Schafhintl  erwoihen, 
die  ihm  nur  förderlich  sein  kann.  Auch  habe  ich  vor,  wenn  er  im  nichsten  Jahre 
fix  und  fertig  ist,  mit  ihm  eine  kleine  Reise  zu  machen  und  ihn  ala  Orgelspieler 
einzuführen  in  die  musikalische  Welt  .  .  . 

Julius  Maier,  Professor  für  Kontrapunkt  am  Konservat.  München, 

an  Rheinbergers  Vater: 

München,  21.  April  54. 

.  .  .  Joseph  ist  15  Jahre  alt  und  (ich  sage  Ihnen  dies  offen  und  mit  herzlichster 
Theilnahme)  mit  seinem  so  ausgesprochenen  Talente  und  einer  für  seine  Jugend  so 
überraschenden  Festigkeit,  Sicherheit,  ja  fast  minnlichen  Besonnenheit  ausgestattet, 
dass  von  ihm  Glinzendes  zu  erwarten  ist,  wenn  seine  Studien  und  Fortschritte  nicht 
unterbrochen  werden,  wenn  er  nicht,  bis  er  mindestens  das  18.  Jahr  erreicht  hat,  bloss 
der  Kunst  leben  kann  •  .  .  Diese  Erwigungen  veranlassten  mir  manches  Nachdenken 
darüber,  wie  man  an  Ihren  Landeaherm  gelangen  könnte,  um  für  Joseph  eine  Unter- 
stützung zu  erzielen.  So  Gott  will,  habe  ich  den  Weg  gefunden.  Herr  vonSchwind 
(Professor  an  der  Malerakademie  hier)  ist  ein  Jugendfreund  eines  Herrn  Alexander 
Baumann  in  Wien  und  dieser  steht  in  sehr  vertrauten  Verhältnissen  zu  dem 
künftigen  Fürsten  von  Lichtenstein,  Fürst  August.  Herr  von  Schwind  hat  an  Baumann 
geachr leben,  welcher  erwiederte:  er  werde  mit  Vergnügen  thua,  was  in  seinen  Kriften 
stehe  und  hoffe  zum  Ziele  zu  gelangen.  Damit  aber  der  (unmusikaliache)  Fürst  von 
der  Zweckmässigkeit  der  Verwendung  überzeugt  würde,  bedürfe  es  glinzeader  Zeug- 
nisse, namentlich  auch  eines  von  dem  hiesigen  weithin  berühmten  General-Musik- 
direktor Lachner.  Ich  brachte  den  Joseph  zu  Lachner,  dieser  sah  Compositionen 
desselben  durch  und  äusserte  sich  mir  sehr  erfreut  und  erstaunt  über  Talent  und 
Kenntnisse  des  jungen  Menschen  —  er  wird  Joseph  ein  glinzendes  Zeugniss  aus- 
stellen •  .  . 

Dr.  ScbafhSutl  (Universitätsprofessor)  an  Rheinbergers  Vater: 

München,  d.  22.  Juli  1853. 
Wohlgeborener,  verehrter  Herr  Rentmeister  I  Ich  hörte  öfters  viel  des  Lobes 
über  das  so  sehr  musikalische  Talent  Ihres  mir  splter  liebgewordenen  Sohnes,  aber 
erst  durch  eine  Inspektion  und  Prüfung  ex  officio  an  unserm  Conservatorium  lernte 
ich  ihn  näher  kennen.  Er  ragte  durch  Physiognomie  und  Haltung  so  weit  über  seine 
Mitschüler  hervor,  dass  ich  beim  ersten  Anblicke  zu  meinem  Nachbar  sagte:  Der 
muss  unser  Rheinberger  seyn.  Ich  schrieb  ihm  bei  der  Prüfung  ein  Thema  auf,  das 
er  auf  der  Orgel  auszuführen  hatte  und  er  that  dies  mit  so  viel  Gewandtheit^  dass 
alle  Commlssionsmifglieder  in  Erstaunen  geriethen  ...  Ich  wollte  ihm  ein  Zwei 
Guldenstück  als  Andenken  geben  (ein  Experiment,  das  mir  gewiss  bei  keinem  seiner 
Mitschüler  missglückt  wire)  allein  er  war  nicht  zu  bewegen  daaselbe  anzunehmen  und 
dieser  Zug  machte  mir  den  Knaben  noch  von  einer  anderen  Seite  her  interessant. 


215 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Bald  nach  der  Prfiftiiic  kam  er  mit  einem  aeiner  Mitachfiler,  der  mich  acboft 
früher  kannte,  in  meine  Wohnung  um  mir  zu  zeigen,  daaa  er  mehr  in  muaikaliacher 
Hinaicht  zu  leiaten  yeratinde  ala  er  wihrend  der  Prüfung  zu  zeigen  Fermochte.  Ich 
aetzte  ihn  nun  an*a  Klavier  und  beachifHgte  ihn  da  zwei  Stunden  lang.  Ich  bemericte 
da  noch  mehr,  daaa  mein  junger  Freund  in  Hinaicht  auf  muaikaliache  Begabung  eine 
auaaerordentliche  Eracbeinung  aey. 

• . .  Wir  fhbren  in  der  Münchner  Umgebung  apazieren  —  und  damit  lernte  ich 
ihn  auch  noch  von  der  Seite  aeinea  Herzena  kennen,  die  für  mich  nicht  minder  an« 
ziehend  war  ala  die  aeinea  Geiatea.  Der  Knabe  hat  wirklich  in  aeinem  ao  zarten 
Alter  in  muaikaliacher  Hinaicht  Schwierigkeiten  überwunden,  die  mancher  aonat  gute 
Muaiker  wihrend  aeinea.  ganzen  Lebena  nicht  zu  beaiegen  lernt,  dabei  bat  er  ein 
geaundea  muaikaliachea.Gedlchtniaa  und  daa  feinate  Gefühl  für  muaikaliache  Sdi5nheit, 
ao  daaa  ea  gar  keine  Schwierigkeiten  macht,  ihn  in  die  Tiefen  muaikaliaclier 
Schöpfungen  einzuführen,  ja  ich  kann  dabei  eine  Sprache  führen,  deren  ich  mich 
gewöhnlich  nur  im  Umgange  mit  gereiften  muaikaliachen  Minnem  bedienen  kann. 
Er  iat  für  aeine  Jahre  auaaerordentlich  gebildet,  richtig  denkend  und  achlieaaend,  lieat 
gerne,  hat  achon  aehr  viel  geleaen  —  kurz  er  würde,  wenn  er  atudirt  bitte,  ein  eben 
ao  vorzüglicher  Student  geworden  aeyn.  Dabei  iat  er  ao  gut  von  Herzen,  ao  beacheiden 
im  Umgange,  daaa  ich  ihn  mit  der  voUaten  Wahrheit  daa  begabteate  liebenawürdigate 
Kind  nennen  Icann,  daa  mir  wihrend  meinea  langen  Lebena  vorgekommen  iat. 

Bei  all  dieaer  hervorragenden  geiatigen  Entwicklung  iat  er  doch  immer  noch 
ein  fWthlicher  vierzehnjibriger  Knabe;  er  lacht  und  rollt  mit  aeinen  Kameraden  im 
Graae  herum  und  unteracheidet  aich  von  ihnen  nur  dadurch,  daaa  er  auch  da  tüchtiger 
und  gewandter  iat  ala  aie.  Dabei  iat  er  noch  ao  unverdorben,  daaa  ich  bei  aeinen 
naiven  Fragen  im  i»Don  Juan*  acht  haben  muaate,  einer  paaaenden  Antwort  halber 
nicht  In  Verlegenheit  zu  gerathen  •  • . 

...  So  wollen  wir  in  der  frohen  Oberzeugung  leben,  daaa  er  nicht  nur  ein 
groaaer  Muaiker,  aondem  auch,  worauf  denn  doch  zuletzt  allea  ankommt,  ein  guter 
Menach  werde  und  bleibe.  Und  aomit  empfehle  ich  mich  Ihnen,  indem  ich  Sie  noch 
bitte,  unaem  lieben  Jungen  in  meinem  Namen  zu  küaaen  und  bleibe 

Ihr  ergebener  Freund 

Schafhiutl 

Professor  Schafhiutl  an  Josef  Rheinberger: 

(Der  Brief  beginnt  mit  einer  geschriebenen  Notenzeile,  dem  Anfang 
der  Arie  Jakobs  im  «Josef  in  Ägypten*  von  M6hul ;  unter  den  Noten  der 
Text:  O  mon  Joseph,  eher  enfant  de  mon  coeurt) 

München  den  16.  Auguat  1853. 

Die  Hilfte  dea  Zeitraumea,  der  Dich  von  mir  trennte,  iat  nun  vorüber  und  Du 
glaubet  nicht  wie  aehr  ich  wünache,  daaa  auch  die  zweite  Hilfte  vorüber  aeyn  möchte, 
um  wieder  einmal  in  Dein  liebea  freundlichea  Auge  achauen  zu  können.  Natürlich 
achreibat  Du  mir  noch  öfter  und  zuletzt  genau  den  Tag,  an  welchem  Du  in  München 
eintreffen  willat  oder  muaat.  Wenn  nicht  unüberateigliche  Hindemiaae  in  den  Weg 
treten,  nehme  ich  dann  meinen  Weg  aua  unaerem  bayeriachen  Gebirge  über  Bregenz 
oder  Feldkirch  nach  Vaduz  und  nehme  Dich  da  eigenhindig  in  Empfang. 

Man  hat  mich  nimlich  zum  Commiaaionamitgliede  der  grosaen  Induatrie-Aua- 
atellung  gemacht,  die  hier  atattflnden  wird,  und  da  blühen  mir  denn  Plagen,  Arbeit, 
Verdruaa  und  dergleichen  angenehme  Dinge  im  Vollauf.    Ich  bin  bereite  14  Tage  von 


216 
DIE  MUSIK  V.  22. 


Morgens  7  Uhr  bis  Abends  6  Uhr  In  meiner  Uniform  einsezwingt  (eseasen  und  hsbe 
die  Endprfifüngen  unserer  polytechnischen  Schule  geleitet;  jetzt  nsch  Beendigung 
dieser  listigen  Arbeit  drohen  mir  wieder  neue  Commissionssitzungen,  der  kfinftigen 
Industrie-Ausstellung  hsiber.  Durch  2  bin  ich  bereits  glücklich  gekommen,  heute 
Abend  ist  die  Dritte.  Wenn  ich  mich  jedoch  ein  Bischen  los  machen  kann,  gehe  ich 
ins  Gebirge  und  gegen  den  15.  September  nach  Vaduz,  d.  h.  zu  Dir,  lieber  Junge! 
Musikalisch  Neues  gab  ea  wihrend  Deiner  Abweaenheit  nichta;  Du  haat  also  noch 
nichts  yersiumt.  Wir  hatten  hier  unaem  gewöhnlichen  Jahrmarkt,  der  viel  SpelEtakel 
machte.  Auch  er  ist  vorüber  und  nur  noch  einige  Buden,  ein  Wachsflgurenkabinet 
und  der  Seiltinzer  von  Wien  sind  zurückgeblieben. 

Deprosse  habe  ich  wenig  geaehen.  So  viel  ich  erführ,  atudirt  er  Contrapunkt 
bei  Pentenrieder  namentlich  die  fünf  Gattungen  dea  zweiatimmigen  strengen  Satzes  . . . 
zu  welchen  ihr  im  Conservatorium  noch  nicht  gekommen  seid,  da  Meyer  in  um- 
gekehrter Ordnung  anflog,  nämlich  mit  dem  4  stimmigen  atrengen  Satze,  wihrend  die 

alten  Contrapunktiaten  mit  dem  2atimmigen  anfangen Daaa  Du  zu  Hauae 

allmihlig  etwaa  Langeweile  empfindeat,  iat  mir  aehr  begreiflich,  da  Du  aus  Deinem 
gewohnten  Leben  und  Treiben  in  musikalischer  Hinaicht  herauageriaaen  biet... 
Dennoch  haat  Du  Etwaa  in  Deinem  heimischen  Vaduz,  waa  Du  aonst  nirgends  so 
wiederflnden  wirst  —  Du  bist  am  Herzen  und  in  den  Armen  Deiner  Eltern  —  sie 
halten  Dich  mit  einer  Liebe,  die  aich  unter  allen  Wechaelfillen  dea  Lebena  nie  indert, 
und  die  auf  Erden  höchatena  nur  mit  dem  Tode  aufhört.  Darum  freue  Dich  dea 
GIfickea,  Deine  Liebsten  noch  so  wohl  und  frisch  zu  geniessen  und  ihnen  so  nahe  zu 
aeyn,  ao  recht  von  ganzem  Herzen  und  kehre  dann  wieder  froh,  loüftig  und  zur  Arbeit 
gerfiatet  zu  uns  nach  München  zurück . . . 

Bisher  bin  ich  jeden  Feiertag  in  der  Menterachwaige  geweaen  und  hat  mir  da- 
bei nur  der  bekannte  Rheinberger  gefehlt.  Du  hast  mir  kein  Wörtchen  geschrieben, 
wie  Du  mit  meiner  Handachrift  zurecht  gekommen  biat  —  hast  Du  meinen  Brief  voll- 
stindig  entziflPert  oder  hast  Du  vieles  dabei  ala  unentrithaelbar  überhüpfen  müaaen? 
Grüase  mir  recht  freundlich  Deine  lieben  Eltern  und  lass  bald  wieder  etwaa  von  Dir 
hören  —  indem  ich  mich  auf  den  Augenblick  freue,  in  dem  ich  Dich  wieder  in  meine 
Arme  schliessen  werde,  küsse  ich  Dich  im  Geiste  und  bin 

Dein  alter  Freund  Schafhiutl 

Rheinberger  an  die  Seinen: 

d.  20.  Februar  1854. 

...  Ich  wundere  mich,  daaa,  wie  Peter  mir  achrieb,  alle  ao  beaorgt  um  meine 
Geaundheit  seien,  ds  ich  in  meinem  letzten  Briefe  versicherte,  daas  ich  wieder  her- 
geatellt  sei.  (Der  Doktor  hat  mir  12  Beauche  gemacht)  Ich  kann  nun,  Gott  aei 
Dank,  schon  seit  Anfang  Februar  die  Unterrichta-Stunden  wieder  besuchen.  Bei 
meinem  ersten  Ausgehen  aber  meinte  ich  mehrere  Male,  ich  könne  nicht  mehr  nach 
Hause  kommen,  ao  matt  und  krank  fühlte  ich  mich.  Sobald  ich  wieder  Bier  trinken 
durfte,  gewann  ich  wieder  neue  Kräfte  und  bin  jetzt  wieder  atlrker  ala  zuvor  I 

Damit  Sie  sehen,  theuerste  Eltern,  dass  ich  nicht  faul  war,  ao  will  ich  Ihnen 
meine  Kompoaitionen  herzlhlen:  Sonate  aua  F  moll  f.  Pianof.,  Miaaa  zu  4  Singatimmen 
und  Orcheater  op.  II,  OflPertorium  aua  Eadur,  Sonate  f.  Pianof.  aua  cmoll  op.  IV, 
Grand  Quatuor  f.  II  Violinen,  Viola  u.  Cello  aua  F  dur  op.  V,  Capriccioso  aua  E  dur 
f.  Pianof.  op.  VI.  Ausserdem  noch:  Grosse  Fuge  für  die  Orgel  in  FmoU  (Herzog 
gewidmet),  Cantate  für  Orgel  und  Chor,  Praeludium  und  Fuge  in  D  dur  f.  d.  Orgel 
(Herzog  gewidmet),  ein  Kyrie  zu  5  —  und  ein  2ehörige8  Sanctua  zu  6  Singatimmen^ 


217 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


eine  Motette  zu  4  Stimmen,  eine  Menge  Fugen,  Verietten.  •—  Endlich  habe  ich  ein 
Concert  fQr  2  Klaviere  angefangen  —  kostet  aber  viele  Mfihen  und  Geduld  —  alles 
dieses  war  nur  Nebensache,  keine  Aufgaben  . . .  Morgen  trage  ich  den  Brief  auf  die 
Post,  welcher  Ihnen,  theuerste  Eltern,  die  Nachricht  bringt,  dass  ich  bin 

Ihr  dankbarster  gesunder  Sohn  J.  Rh. 

MQnchen,  den  9.  Mirz  1854. 
.  • .  Herr  Prof.  Leonhard  gibt  sich  viele  MQhe  mit  mir;  letzthin  verbesserte  er 
die  Parthieen  der  Blasinstrumente  an  meinem  Offertorium  («Universi,  qui  te  expectant") 
und  sagte,  diese  Arbeit  sei  mir  vorzQglich  gelungen.  Bis  jetzt  habe  ich  wieder  ein 
Miserere  zu  8  Stimmen  od.  2  Chören,  ein  Stabat  mater,  ein  Vater  unser  in  Esdur 
und  wieder  ein  grosses  praeludium  und  Fuge  fQr  Herrn  Herzog  componirt  —  alle 
diese  Arbeiten  zeige  ich  zuvor  Herrn  Professor  Schafhiutl,  welcher  vorzuglich  Sie, 
beste  Eltern,  grüssen  lisst.  Letzten  Sonntag  waren  wir  wieder  in  der  Menterschweige 
und  besichtigten  bei  Grosshesselohe  den  Riesenbau  der  Eisenbahnbrficke  über  die 
Isar  . .  •  Jetzt  wimmelt  die  ganze  Stadt  von  Rekruten.  Die  alten  Stiefel  sind  mir  jetzt 
zu  klein  geworden,  gestern  im  I.  Abonnement-Concert  drückten  sie  mich  so,  dass  ich 
bald  ein  Mozart*8Ches  Lied  überhört  bitte  —  ich  muss  sie  desshalb  in  einen  Antiquitits« 
kästen  schicken  und  ein  paar  andere  machen  lassen.  Die  Semmeln  sind  Jetzt  so 
klein,  dass  ich  beim  Frühstück  oft  nicht  weiss,  ob  ich  sie  schon  verzehrt  oder  nicht. 
Der  Toni  soll  mir  schreiben,  wen  bei  uns  das  Loos  getroffen,  Soldat  zu  werden  und 
das  Mali  soll  die  KramePschen  Etüden  spielen.  Nachschrift:  Ich  bin  begierig,  ob  die 
liebe  Mutter  nicht  auf  das  Osterei  vergisst?!  .  • . 

29.  5.  1854. 
...  Es  freute  mich,  aus  Ihrem  letzten  Briefe  zu  erfahren,  dass  wir  keine  Kuh« 
schellen  von  Glocken  mehr  haben.  H.  Wolflnger  dichte  ich,  hat  sich  wegen  dem 
Fiston,  wenn  nicht  ganz  unrichtig,  doch  etwas  stark  ausgedrückt  —  allerdings  hat 
Fis-dur  nicht  das  Erhabene  des  C  —  das  feierliche  des  Es,  das  Freudige  des 
D  oder  das  Fromme  des  A dur-Accordes,  sondern  etwas  Düsteres,  Angstliches 
in  der  Klangfarbe  —  das  Verzweiflungsvolle  lisst  sich  in  Fis  dur  leichter  ausdrücken 
als  in  mancher  andern  Tonart.  Seien  wir  indessen  froh,  dass  wir  nun  doch  (gegen 
früher)  eine  Tonart  haben.  (Dies  ist  schon  ein  Zeichen  des  Fortschrittes,  es  wire 
gut,  wenn  Manches  in  Lichtenstein  nur  eine  Tonart  bitte,  wenn's  für  jetzt  auch 
PIs-dur  wire.) ... 

Liebes  Matscherle!   [Rh.8  Schwester  Maly] 

Gelt,  der  Münchner  Saniklos  [Sankt  Nikolaus]  stellt  sich  besser  ein,  als  bei 
mir  der  Vaduzer.  —  Hier  hast  Du  zwei  Stücke,  die  Du  zu  Deiner  Freude  spielen 
darfst,  Du  wirst  sie  bald  können.  Das  andere  Heft  enthilt  nur  Etüden,  die  Du  auch 
allein  einstudieren  kannst,  weil  der  Fingersatz  dabei  ist  —  alle  drei  kosten  2  fl.  42  -\-t. 
Dein  Briefchen  hat  mich  sehr  gefreut;  Du  musst  mir  schreiben,  was  Dir  der  Vater 
für  Dein  Orgeln  geschenkt  hat?   »Wenn  i  an  Stoza  Geld  hitt*,  Du  müsstest  so 

schöne  Sachen  bekommen,  ja  — Ich  weiss  nichts,  was  für  Dich  passt,  als  dass 

ich  immer  wohl  und  gesund  und  das  Bier  süss  und  gut  und  Du  fleissig  und  's  Lisi 
stolz. ist  mit  seinem  HutI  aber  erst  mein  Hut!  und  mein  Oberrock  und  die  Brillen, 
ich  wette,  dass  mich  keine  von  Euch  mehr  kennen  würde.  Mir  schiigt  das  Klima 
gut  an,  ich  bin  ganz  breit  und  dick.  Die  Cholera  kann  mich  gern  haben,  wenn's  will. 
Was  soll  ich  schreiben?  Dass  ich  fleissig  componire  —  dass  ich  oft  an's  Matscherle 

V.  22.  16 


218 
DIE  MUSIK  V.  22. 


denke,  sogar  oft  davon  rede,  obacbon  ich's  zn  Hause  recht  von  Herzen  gern  geprügelt 
hab'  —  nicht  wahr?  wegen  dem  bleiben  wir  doch  gute  Freunde!  Schreibe  Du  nur  Tiel 
und  wenn  Du  nichts  weisst,  so  schreib'  vom  Schnutz  und  vom  Rolli>  gelt  alter  Matsch! 
Was  sagen  die  Leut  In  Vaduz,  daas  Du  Orgel  gespielt  hast?  Lass  Du  die  Kloster- 
frauen nur  schwätzen«  so  was  verstehen  sie  so  wenig  wie  —  der  Rolli  oder  (bitt*  um 
Verzeihung!)  der  Peter,^)  dem  ich  meine  tiefeten  Komplimente  mache! 

Dein  Bruder  Joseph  Rh. 

29.  Nov.  1854. 
. . .  Beim  Oratorien-Verein  bin  ich  nun  angestellt  als  »Chor-Repetitor*,  mit  wie- 
viel Douceur  weiss  ich  noch  nicht.  (Nota  bene  ich  trage  jetzt  einen  Hut  !!!)  Mein 
Überrock  ist  sehr  warm  und  kostete  10  fl.  Mit  der  Cholera  ist's  noch  nicht  rein, 
vom  15.  bis  20.  November  starben  noch  31  Personen;  fibrigens  schone  ich  mich  gut. 
—  Die  Mfinchner  thun,  wie  wenn  nichts  gewesen  wire,  reden  nie  davon  .  • . 

Den  10.  Dezember  1854. 
. . .  Hier  fuge  ich  noch  in  Kürze  meine  Ausgaben  bis  Neujahr! 


fl. 

+  r 

fl. 

+r 

Dem  Doctor 

8 

— 

für  Bleistifte,  Federn 

24 

Perstenfeld 

44 

— 

-    Mali's  Musikalien 

2 

42 

für's  Holz 

8 

— 

-    Aufenthaltskarte 

2 

24 

einen  Hut 

3 

— 

-    Krankenhauskarte 

1 

30 

Oberrock 

10 

^- 

-    Handschuhe 

— 

48 

in  2  Concerte 

2 

-    Hosenträger 

— 

42 

Noten-,  Schreib-  u.  Pack- 

-    einen  Kalender 

— 

15 

Papier 

1 

12 

-    Briefmarken 

— 

36 

eine  Zahnbürste 

15 

Lisi's  Hut,  mir  nachzube- 

ein Kamm 

18 

zahlen 

1 

30 

für  Siegellack 

"^~ 

12 
12 

Auf  der  Reise 

11 

25 

•    Kerzen 

Summarum 

99 

59 

Vom  15.  November  bis  Neujahr  1855. 

Ich  dachte  mir  zuvor,  mir  auf  das  Kristkindl  etwas  zu  kaufen  aus  dem  Geld, 
welches  ich  vom  Herrn  Vetter  in  Schaan  hatte,  nachdem  ich  aber  die  Ausgaben  be- 
rechnet, dachte  ich,  jetzt  lässt  Du  es  bleiben !  Was  macht  die  liebe  Mutter?  Ist  sie 
gesund?  Lisi  und  Mali  sollen  mir  schreiben,  was  der  Saniklos  gebracht.  Ich  gebe 
jetzt  eine  Harmoniestunde,  welche  mir  —  2  wöchentliche  Vergelts  Gott!  bringt.  Ich 
freue  mich  recht  auf  Vaduzer  Briefe  .  • . 

29.  Januar  1855. 
. . .  Nachdem  meine  Oper  eingebunden  war,  trug  ich  sie  zu  Herrn  General- 
musikdirektor Lachner.  Er  war  ausgezeichnet  zufrieden  und  bedauerte,  dass  meine 
Wahl  auf  einen  so  unbedeutenden  Text  gefallen,  sonst  hätte  er  sie  aufführen  lassen. 
Letzten  Sonntag  war  ich  bei  ihm  zu  Tisch  geladen,  er  stellte  mich  seiner  Mutter, 
Frau,  Tochter  und  Sohn  vor  ...  Bei  Jener  Gelegenheit  hätte  ich,  wenn  ich  ein  paar 
Jährchen  älter  gewesen  wäre,  eine  Direktorsstelle  mit  1000  fl.  bekommen,  welche 
es  nicht  alle  Tage  schneit,  es  konnte  mich  dieses  ungeheuer  ärgern  . . .  Gegenwärtig 


1)  Rh.s  Bruder 


219 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 

macht  hier  eine  epaniicbe  Tinzerln  Pepita  de  Olira,  Furore.    Man  dichte,  man 
hitte  hier  der  apanischen  Tinzerinnen  genug  gehabt  . . . 

Ihr  dankschuldigster  Sohn, 
'    Chor-Repetitor  des  Oratorien-Vereins 

27.  Februar  1855. 
. . .  Geatem  gab  unser  Oratorien- Verein  sein  erstes  Concert  mit  sehr  grossem 
▼erdienten  Beifalle.  Dieser  Verein  macht  mir  viel  zu  thun,  denn  oft  haben  die  Damen, 
dann  wieder  die  Herrn  allein  Probe;  jedoch  lerne  ich  vieles  dabei  und  bin  auf 
meinem  bescheidenen  Posten  nicht  ohne  Neider.  Dieser  lochen  treten  die  letzten 
Industrie-Ausstellungsgiste  ihre  Heimreise  an:  nimlich  die  der  Cholera  zum  Opfer 
gefallenen,  welche  ausgegraben  und  in  ihre  Heimat  geeisenbahnt  werden.  Letzten 
Sonntag  fiel  hier  ao  viel  Schnee,  dass  man  in  der  Stadt  die  Communication  nur  mit 
Mühe  erhalten  konnte,  an  manchen  Stellen  4  bis  5'  tief.  Es  folgt  das  Verzeichnis 
der  Ausgaben  des  Februar.  Für  Fastnachtsbelustigungen  ist,  glaube  ich,  wenig  dar- 
unter! . . . 

30.  April  1855. 
Theuerste  Eltern! 

Oft  denke  ich:  werde  ich  dieses  ganze  Jahr  hier  in  München  bleiben  können 
oder  wohin  sonst?  Prof.  Schafhiutl  apricht  freilich  davon,  wie  von  einer  ausgemachten 
Sache,  aber  ich  will  ihn  auch  nicht  geradezu  fragen.  Venu  ich  hier  nur  eine  kleine 
Stelle  hitte,  daa  Obrige  wire  meine  Sorge  —  wenn  ich  nur  um  3—4  Jahre  ilter 

wire  —  hörte  ich  achon  oft Letzthin  wurde  im  Saale  des  Conservatoriuma 

mein  Quintett  (op.  19)  von  mir  aufgeführt,  das  sehr  gefiel.    Ich  bekam  darüber  ver- 
schiedene Komplimente  • .  • 

8.  Mai  1855. 

. ..  Mein  Rock  hat  16  fl.  gekoatet,  jedoch  ist  es  durchaus  nicht  nöthig,  daas 
Sie  mir  jene  10  fl.  schicken,  denn  so  viel  ich  ausserordentliche  Ausgaben  habe,  ver- 
diene ich  schon.  Einen  Opemtext  habe  ich  nun  glücklicherweise  gefunden  und  zwar 
bei  einem  jungen,  beinahe  blinden  Dichter  . .  •  Gegenwirtig  componire  ich  eine 
Symphonie  op.  22,  welche  sehr  den  Beifdl  des  H.  Generalmusikdirektors  hat  •  •  • 

19.  Juni  1856. 
. . .  Das  Mali  schreibt  mir  nur  immer,  bevor  ich  nach  Hause  komm,  es  weiss 
schon  warum,  aber  ao  pfiffig  bin  ich  auch.    Ich  werde  ihm  einen  ganzen  Pack 
Musikalien  mitbringen  ...  Der  Mutter  viele,  viele  Grüsselü 

Rheinberger  (ISjihrig,  Student  an  der  königl.  Musikschule  zu  München) 

an  seinen  Vater: 

München,  7.  August  1855. 

Theuerster  Vater!    Soeben  wie  ich  nach   Hauae  komme,  liegt  Iht   theueres 

Schreiben  auf  dem  Tische.  —  In  Betreff  der  Symphonie  habe  ich  nur  zu  berichten, 

dass  die  Aufführung  nicht  stattfinden  konnte,  weil  grosse  Besetzung  noch  nicht  zu 

haben  war  und  ich  dem  Direktor  geradezu  sagte,  dass  ich  sie  mit  kleiner  Besetzung 

nicht  geben  laase.    Der  Direktor  sagte,  es  sei  ihm  sehr  viel  daran  gelegen,  dass  sie 

gut  gegeben  werde;  er  versprach,  sie  mir  mit  grosser  Feierlichkeit  am  Namenstage 

der  Königin  Marie  gewiss  aufzuführen.    Schafhiutl  freut  aich  ungemein  darauf  und 

sagt  Beifall  voraus,  was  mich  mehr  f^ut  als  100  bestellte  Bravoachreier;  jedenfklla 

miethe  ich  mir  auf  jenen  Tag  einen  schönen  Frack  und  studiere  »Verbeugungen*  ein. 

Lachner  gibt  sich  viele  Mühe  mit  mir  und  hat  mich  gerne,  sowie  auoh  aeine  Familie. 

16* 


220 
DIE  MUSIK  V.  22. 


Mit  Tscbavoll  habe  ich  toujoura  correspondance  frao9ai8e;  er  schrieb  mir  vor 
3  Tagen.  Er  hat  eine  Violine  um  3000  fr.  gekauft.  Ich  muss  mich  wieder  photo- 
grapbieren  lassen,  ihm  mein  Bild  und  ein  Violinconcert  (von  mir  noch  zu  komponiren) 
schicken.  Stunden  zu  geben  habe  ich  wöchentlich  5  (3  dem  Schweizer  und  2  einem 
würtemberg.  Schullehrer,  auch  Schfiler  von  J.  Maier)  und  soll  dafür  monatlich  (von 
beiden)  8  fl.  einnehmen;  jedoch  bin  ich  auf  diesem  Punkt  (der  Schweizer  ein  Geld-  und 
Talent-armer  Tropf)  sehr  vergesslich,  dass  ich  oft  sage,  die  oder  jene  Stunde  gelte 
nichts,  weil  ich  nur  Vt  Stunde  ihm  gegeben  habe,  wobei  er  oft  froh  ist  (Solche 
Leute  meinen  immer,  wenn  sie  zu  einem  Schuster  nichts  taugen,  so  werden  sie 
Komponisten,  gehen  Vi  J*^^  ^Q  ^^^  Lehr  und  sind  ,,fertig*;  Pfui!)  (Der  WQrtemberger 
ist  flehsig  und  brav,  obschon  erst  45  Jahre  alt.)  Dann  nehme  ich  seit  einem  Monat 
beinahe  tiglich  englischen  Sprachunterricht;  nimlich  ein  Freund  von  mir  lernt  es 
bei  seiner  Schwester,  welche  6  Jahre  in  England  war  und  dem  es  allein  zu  langweilig, 
sagte  ich  solle  mit  ihm  lernen,  was  ich  auch  that;  oft  lachte  Schafhftutl,  wenn  wir 
Sonntags  fortfuhren  und  ich  englisch  sprach. 

Meine  Garderobe  ist  en  hon  6tat.  —  Aufs  Oktoberfest  wird  im  Glaspalaste  ein 
Riesen-Concert  veranstaltet.  Von  meinem  Verleger  in  Leipzig  habe  ich  bis  dato  noch 
nicht  Antwort.  Die  liebe  Mutter  lasse  ich  vielmahls  herzlich  grossen  sowie  die 
Obrigen.  Ihnen,  verehrtester  Vater!  danke  ich  vielmahls  für  das  uberschickte  Geld 
und  bitte  Gott!  Ihnen  stets  Gesundheit  und  Zufriedenheit  zu  erhalten!  Nochmals 
Allen  meinen  Gruss.  Jos.  Rheinberger 

Theuerster  Vater! 

Ihrem  Wunsche  gemäss  beeile  ich  mich,  sogleich  nach  der  Auffuhrung  meiner 
Symphonie  zu  schreiben.  Als  die  Probe  (letzten  Freitag)  war,  bekam  ich  wohl  etwas 
Angst:  nicht  wegen  der  Symphonie,  sondern  wegen  den  Musikern,  welche  gewöhnlich 
die  Werke  jfingerer  Compositeurs  nicht  gerne  und  auch  schlecht  spielen;  als  sie  aber 
das  Werk  in  der  Probe  kennen  gelernt,  spielten  sie  mit  Eifer  und  Liebe;  schon  in 
der  Probe  klatschten  mir  die  Musiker  zu,  als  ich  dirigirte.  Gestern  holte  ich  mir 
vom  Kleiderverleiher  einen  passenden  Ballanzug,  der  mir  ausgezeichnet  gut  stand 
und  begab  mich  in  den  Concertsaal  ,,zur  Tonhalle*.  Als  es  nun  halb  8  Uhr  war  und 
der  ganze  Saal  voll  Leute,  sprang  ich  voll  Freude  auf  die  Erhöhung,  wo  das  Dirigenten- 
pult steht,  machte  dem  Publice  eine  Verbeugung  und  flog  an.  Es  ist  ein  erhebender 
Gedanke,  so  an  der  Spitze  von  80  Musikern  zu  sein,  wenn  sie  alle  auf  das  Zeichen  zum 
Anfangen  warten.  Nun,  alles  ging  gut,  nach  jedem  der  4  Sitze  stieg  der  Beifall  und 
zuletzt  wurde  ich,  weiss  Gott  wie  ofr,  gerufen;  mit  dem  Orchestre  bin  ich  sehr  zufrieden. 

Ich  versichere  Sie  aber,  Theuerster  Vater!  dass  ich  bei  der  Auffuhrung  nicht 
eine  Spur  von  Angst  hatte,  denn  ich  war  meiner  Sache  gewiss,  was  ich  H.  Schafhiutl 
sagte,  welcher  die  grötste  Freude  hatte,  mich  als  Dirigent  und  Komponist  zugleich 
auftreten  zu  sehen.  Als  ich  nun  nach  der  Symphonie,  welche  '/i  Stunden  dauerte, 
zu  den  Zuhörern  herabkam,  driogte  sich  alles  zu  mir,  um  mir  zu  gratulieren,  Bekannte 
und  Unbekannte;  besonders  das  Adagio  entzuckte  Alles;  es  hitte  mich  aber  noch 
mehr  erfreut,  wenn  Sie,  theuerster,  bester  Vater!  anwesend  gewesen  wiren. '  Herrn 
Schafhiutl  hörte  ich  hernach  zu  einem  andern  Professor  sagen,  es  sei  dies  ein 
Werk,  wie  es  nicht  ein  Knabe,  sondern  ein  Mann  von  30  Jahren  mache.  Dieses 
Urtheil  freute  mich  am  Meisten.  Auch  H.  Herzog  war  anwesend.  Ich  danke  Gott, 
dass  Alles  so  gut  gegangen.  —  Und  nun,  theuerste  Eltern!  leben  Sie  wohl,  grQssen 
Sie  mir  die  lieben  Geschwister,  ich  verbleibe  Ihr  dankschuldiger  Sohn 

München,  d.  16.  9.  1855.  Jos.  Rheinberger 


::•  ... 


221 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Magistrats-RepartitorJ.  Ev.  Perstenfeld  an  Rentmeister  Peter  Rbein- 

berger: 

Euer  Hocbwoblgeboren  ...  So  viel  icb  wabrnebme  wird  Pepi's  Aufenthalt  in 
Mfineben  nicht  mehr  von  sehr  langer  Daner  seyn  —  ich  denke  daher  jetzt  schon 
mit  bangem  Herzen  an  die  Scbeidestunde,  wo  ich  diesen  mir  so  lieb  gewordenen 
Sohn  —  denn  als  solcher  galt  er  in  unserer  Familie  —  verlieren  soll.  Uns  wird  sein 
vierjihriger  Aufenthalt  in  unserer  Mitte  unvergesslicb  bleiben  und  ich  habe  den 
sehnlichsten  Wunsch  —  nach  seiner  dereinstigen  Abreise  —  einen  jungen  Menschen 
zu  bekommen,  der  ihm  doch  nur  einigermassen  gleicht. 

Haben  Sie  vielleicht  in  der  Folge  einmal  Gelegenheit,  mir  einen  Knsben  oder 
Jüngling  rekommandiren  zu  können,  so  wird  es  mich  recht  freuen;  ich  habe  gerne 
junge  Leute  um  mich,  die  Kopf  und  Herz  auf  dem  rechten  Fleck  haben.  Freilich 
mfisste  es  ein  ganz  gut  erzogener  Junge  seyn,  denn  ein  Schwindler  würde  es  bei  uns 
nicht  aushalten  können,  dem  wire  es  bei  uns  zu  langweilig.  In  den  langen  Winter- 
abenden z.  B.  wird  zur  Erholung  aus  irgend  einem  guten  Buche  vorgelesen;  an  Sonn* 
und  Feyertagen  Nachmittags  begnügt  man  sich  mit  einem  Spaziergange  auf  ein  nahe- 
gelegenes Dorf.  Kameradschaften  werden  in  der  Regel  nicht,  sondern  nur  ausnahms- 
weise geduldet,  wenn  nämlich  unzweideutige  Beweise  von  Rechtschalfenheit  vorhanden 
sind.    Das  Honorar  richtet  sich  nach  den  Zeitverhlltnissen  . . . 

Bei  dieser  Gelegenheit  kann  ich  nicht  unberührt  lassen,  was  sich  am  ver- 
gsngenen  Samstag,  den  15.  ds.  Mts.  Abends  ereignet  hat.  Es  wurde  nimlich  zur 
Nachfeyer  des  hohen  Namensfestes  unserer  Königin  in  einem  grossen  Saale  eine 
grosse  musikalische  Produktion  veranstaltet,  wo  die  von  Joseph  componierte  grosse 
Simphonie  gleich  anfangs  aufgeführt  wurde. 

O  bitte  ich  Sie  herwünschen  können,  um  Augen-  und  Ohrenzeuge  gewesen 
zu  seyn,  welch  herrlichen  Triumph  Ihr  Sohn  an  diesem  Abend  gefeyret  hat.  Um 
'/s8  Uhr  bestieg  dieser  junge  Mozart  bei  glinzend  beleuchtetem  und  überfülltem  Hause 
die  Tribüne  und  mit  krftftigem  Arme  den  Taktstock  führend,  dirigierte  er  das  erste 
grosse  Produkt  seines  schönen  Geistes  und  nach  jeder  der  4  Abtheilungen  wurde  er 
stürmisch  gerufen  und  applaudirt.  Herr  —  ich  kann  diese  rührende  Scene  nicht 
weiter  beschreiben,  denn  mein  Herz  ist  noch  zu  voll  von  dieser  Freude.  Mir  sind 
die  Thrlnen  gleich  einem  Bache  den  Augen  entstürzt,  ich  bitte  ihn  gerne  vor  der 
ganzen  Versammlung  in  meine  Arme  schliessen  und  ausrufen  mögen:  Heil  dem 
Vater,  der  einen  so  hoffnungsvollen  Sohn  besitzt. 

Seine  Freunde  und  Gönner  z.  B.  H.  Prof.  Schafhautl  und  Herzog  u.  A.  hatten 
ganz  von  Freude  strahlende  Gesichter  und  wer  ihn  auch  früher  nicht  kannte,  dem 
ist  jetzt  seine  Person  und  sein  Name  ehrenvoll. 

Ich  glaube,  dass  Ihr  Vaterherz  in  einem  Freuden-Meer  geschwommen  wIre, 
und  erst  das  noch  viel  zartere  Mutterherz,  das  bitte  gar  zerplatzen  müssen!  Mehr 
über  Ihren  Sohn  zu  schreiben  vermag  ich  nicht,  die  Feder  versagt  mir  den  Dienst, 
weil  wie  gesagt  mein  Herz  noch  zu  voll  ist.  — 

Somit  schliesse  ich  meine  Zeilen  und  überlasse  sie  Ihrer  freudenvollen  Herzens- 
erwigung  —  überzeugt,  dass  eine  gewichtige  Freudenthrane  dieselben  benetzen  wird. 

Ihrer  freundlichen  Erinnerung  mich  empfehlend  verbleibe  ich  mit  aller  Ver- 
ehrung Euer  Hochwohlgeboren 

ergebenster  Diener  und  Freund  J.  Ev.  Perstenfeld 

17.  September  18&5.  Repartitor  beym  Magiatrate  München. 

Fortsetzung  folgt 


Tis  Hugo  Wolfs  tötlictae  Krankheit  ausbrach,  war  der  geniale 
Meister  erst  37  Jahre  alt,  nnd  als  seine  grauenhafte  TragSdie 
,  sich  erfüllte,  der  Tod,  schneller  fast,  als  man  za  hoffen  ge- 
i  wagt,  ihn  erlöste,  stand  er  im  43.  Lebensjahre.  Seinen  Be- 
wunderem und  Freunden  konnte  es  schwachen  Trost  gewähren,  sich  zu 
sagen:  nach  menschlichem  Ermessen  hatte  er  den  Triampb  seiner  Kunst 
erleben  müssen.  Erlebt  hat  er  ja  auch  streng  genommen  noch  den  Anfang 
des  Siegeszuges,  der  seine  Lieder  gegenwärtig  durch  die  Kulturwelt  führt; 
nur  konnte  er  sich  nicht  mehr  daran  Freuen.  Und  wenn  seine  Anhänger 
auch  erkannten,  dass  die  Quellen  des  plStzlicfaen  Erfolges  nicht  alle  rein 
und  ungetrübt  waren,  erkannten,  dass  einen  Teil  der  Singer,  die  sich,  vielbch 
erst  nach  jahrelangem  Sträuben,  auf  Wolfs  Liederschätze  stürzten,  Sensation- 
bedürfnis, einen  Teil  der  jubelnden  Hörer  Snobismus  trieb,  so  durften  wir 
doch  hoffen,  dass  dieser  krasse  Fall  von  Verkennung  auch  als  lauter  Mahn- 
ruf an  das  .Volk  der  Dichter  und  Denker'  wirken  werde. 

Wirklich  wachten  jetzt  auch  die  .thörichten  Jungfrauen'  auf,  um  den 
.Bräutigam*  nicht  wieder  zu  verpassen.  So  wurde  uns  in  den  letzten 
Jahren  schon  mehrere  Male  ein  neuer  Heiland  aufgeschwatzt.  Ober 
eines  dieser  kurzlebigen  Genies  ward  sogar  an  hervorragender  Stelle  von 
einem  der  Frühwolfianer  gesagt,  es  gebe  zwar  wichtige  stilistische  Er- 
rungenschaften Wolfo  wieder  auf,  sei  sogar  noch  unreif  und  ein  Ver- 
sprechen für  die  Zukunft,  aber  es  sei  doch  .das  Genie*  oder  dergleichen. 
Dann  wurde  es  wieder  stille  davon. 

Während  man  dies  Satyrspiel  zur  Tragödie  Wolf  aufführte,  liess  man 
zwei  wirklich  Grosse  und  wirklich  Reife,  zwei  Meister,  abseits  liegen  und 
kümmerte  sich  nicht  um  sie.  Der  Jüngere  von  ihnen,  Friedrich  Klose, 
stand  glücklicherweise  in  einiger  Fühlung  mit  dem  zentralen  Musikleben, 
und  so  konnte  man  ihn  auf  die  Daner  nicht  übersehen. 

Der  Ältere  aber,  ein  Meister  nicht  minder  edler  Art  als  Hugo  Wolf, 
starb  jetzt  an  der  Schwelle  des  Greisenallers,  beinahe  62  Jahre  alt,  und 
ausserhalb  seiner  engeren  Heimat  ist  sein  Name  fast  unbekannt.    Ja  von 


223 
NOONAGEL:  CONSTANZ  BERNEKER 


der  reichen  Ausbeute  dieses  langen  Künstlerlebens  ist  nur  ein  verschwin- 
dender Bruchteil  gedruckt. 

Ich  konstatiere  die  tief  beschämende  Tatsache,  dass  von  Constanz 
Berneker,  geboren  am  31.  Oktober  1844  (in  Darkehmen  i.  Ostpr.),  als 
er  am  9.  Juni  1906  in  Königsberg  die  Augen  schloss,  nichts  weiter  ge- 
druckt war  als  zwei  Kantaten,  13  Lieder,  2  Balladen  und  1  Duett.  Zwölf 
dieser  Lieder,  die  »Tannhäuser"  -  Lieder  (nach  Felix  Dahn),  sind  nicht 
einmal  im  Musikalienhandel  zu  haben,  da  die  Verlagsfirma  nicht  mehr 
existiert.  Drei  »Sonnenlieder"  aus  Bernekers  letzten  Jahren  erscheinen 
dieser  Tage  im  Verlage  von  Ries  &  Erler  (Berlin). 

Ehe  ich  auf  das  SchatTen  des  Meisters,  soweit  es  mir  durch  Druck 
oder  Auffuhrungen  zugänglich  geworden,  kurz  eingehe,  möchte  ich  unter- 
suchen, wie  es  möglich  war,  dass  dieser  Mann,  den  alle  sachverständigen 
Kenner  seiner  Werke  als  Meister  preisen,  wie  es  schon  Louis  Köhler  als 
Kritiker  der  Hartungschen  Zeitung  Jahre  hindurch  getan,  so  unerkannt  und 
ungewürdigt  durchs  Leben  gehen  konnte. 

Der  Ursachen  für  diese  ebenso  betrfibende  wie  beschämende  Er- 
scheinung sind  verschiedene  zu  erkennen. 

Die  wirksamste  lag  zweifellos  in  ihm  selbst,  in  einer  gewissen 
Keuschheit  seiner  künstlerischen  Natur.  Alles  Sich-an-den-Laden-legen, 
das  Hinuntersteigen  auf  den  Markt  mit  seiner  Kunst  wäre  ihm  als  Herab- 
würdigung, als  Prostitution  seines  Schaffens  erschienen.  Seiner  stolz- 
bescheidenen Art  fehlte  es  an  dem  Impetus  kräftiger  Initiative,  wenn  es 
sich  um  ihn  selbst  handelte,  so  vollständig,  dass  ihm  auch  ein  erlaubter, 
vielleicht  gar  gebotener  Schritt  in  das  Getriebe  musikalischen  Geschäfts- 
lebens widerstrebte. 

Ein  zweites  Moment  sei  hier  nur  angedeutet,  da  ich  am  kaum  ge- 
schlossenen Grabe  nicht  bitter  werden  möchte.  Konstanz  Bemeker  stand 
Jahre  lang  in  enger  Fühlung  mit  der  Öffentlichkeit  als  Nachfolger  Louis 
Köhlers  im  Amte  des  Musikkritikers  der  » Königsberger  Hartungschen 
Zeitung.'  Diese  Stellung,  in  der  er  zum  Segen  des  Königsberger  Musik- 
lebens eine  gediegene,  höchst  verdienstvolle  Wirksamkeit  entfaltet  hat,  gab 
er  unter  hier  nicht  näher  zu  erörternden  Umständen  auf,  und  sein  Nach- 
folger im  Recensentenamt,  Gustav  Dömpke,  vertrat  eine  völlig  entgegen- 
gesetzte, einseitige  musikalische  Richtung,  die  kaum  einen  andern  modernen 
Komponisten  gelten  lassen  wollte  als  Brahms,  allem  .Wagnerianisieren* 
geflissentlich  feindlich  war  und  so  natürlich  auch  Bernekers  Kunst  mit 
Antipathie  und  selbst  in  den  letzten  Jahren  nur  mit  einer  erzwungenen, 
lauen  Anerkennung  begleitete. 

In  anderer  Beziehung  freilich  war  dies  plötzliche  unmotivierte  Ende 
seiner  Kritikertätigkeit  wohl  doch  ein  Glück   für  Bemeker.    Gewiss,  er 


224 

DIE  MUSIK  V.  22. 


war  eine  ungemein  feinfühlige,  rezeptive  Natur,  und  da  er  in  durchaus 
individueller,  eigenartiger  Weise  seinem  künstlerischen  Empfinden  Ausdruck 
zu  finden  wusste,  so  war  er  ein  echter  und  berufener  Kritiker,  berufener 
als  so  manche  der  zünftigen  Recensenten.  Namentlich  ermöglichten  ihm 
'  sein  feines  spürsinniges  Verständnis  und  sein  berufliches  Pflichtgefühl,  mit 
warmherziger  Begeisterung  auch  für  neue  Erscheinungen  einzutreten.  An- 
lässlich eines  von  mir  in  Königsberg  veranstalteten  Hugo  Wolf-Mörike- 
Abends  schrieb  er  über  den  jüngeren  Meister  —  der  damals  noch  lebte  — 
einen  Aufsatz,  der  mir  bis  heute  in  der  Wolfliteratur  an  Feinheit  kon- 
genialen Verstehens  und  Nuanciertheit  des  literarischen  Ausdrucks  unüber- 
troffen scheint.  Aber  wenn  ihn  auch  seine  kritische  Tätigkeit  als  in  seltenem 
Masse  hierfür  berufen  zeigt,  sein  ureigenes  Gebiet  war  doch  das  Schaffen 
neuer  Werte.  Und  insofern  meine  ich:  es  war  ein  Glück  für  ihn, 
dass  seine  Kritikertätigkeit  endete;  denn  sie  nahm  ihm  Zeit  und 
Kraft  weg,  die  seinem  tondichterischen  Schaffen  zu  Gute  kommen  mussten. 
Zu  den  Ursachen  für  die  Unbekanntheit  der  Bernekerschen  Schöpfungen 
gehört  zweifellos  auch  die  Weltabgeschiedenheit  seiner  Heimatprovinz  und 
der  Stätte  seines  Wirkens,  sowie,  im  engsten  Zusammenhang  damit,  der 
Charakter  der  ostpreussischen  Bevölkerung.  Ein  bezeichnendes  Beispiel 
habe  ich  selbst  erlebt,  als  in  Gumbinnen  gelegentlich  des  III.  litthauischen 
Musikfestes  die  herrliche  »Krönungskantate"  aus  der  Taufe  gehoben 
wurde.  Ein  Gumbinner  Blatt  benutzte  damals  meine  Anwesenheit,  um 
mich  zu  einer  .Gastkritik*  einzuladen,  erlaubte  sich  dann  aber  eine  kleine 
redaktionelle  Korrektur.  In  der  Meinung,  Berneker  sei  in  Gumbinnen,  wo 
er  nur  das  Gymnasium  besucht  hatte,  geboren,  nannte  ihn  meine  Festkritik 
«Gumbinnens  bedeutendsten  Sohn*.  Die  biographische  Un- 
genauigkeit  blieb  unberührt,  aber  den  Superlativ  .bedeutendsten*  milderte 
man  zum  Positiv  ab  und  entschuldigte  das  bei  mir  mit  «lokalen  Rück- 
sichten*, da  sonst  »andere  bedeutende  Söhne  Gumbinnens*  sich 
zurückgesetzt  fühlen  könnten! 

Auch  dieser  Prophet  galt  nichts  im  Vaterland,  obwohl  man  ihn  als 
»Lokalgrösse*  gern  und  willig  anerkannte.  Oft  genug  kam  es  vor,  dass 
Vorstandsmitglieder  seiner  Köntgsberger  Singakademie,  wenn  er  mit  dem 
Studium  eines  eigenen  Werkes  begann,  ihm  mit  ostpreussisch  derben 
Worten  von  weiteren  Proben  und  der  Aufführung  abrieten.  Einer  seiner 
Grabredner,  Prof.  Dr.  Konrad  Burdach  aus  Berlin,  spielte  darauf  an 
in  einem  schönen  Passus  seiner  warmen,  tief  empfundenen  Gedächtnis- 
rede: .Seiner  Kunst  Eigenart  und  das  Geheimnis  ihrer  Wirkung  ist, 
dass  sie  überall  die  Seele  des  dichterischen  Wortes  in  Musik  verwandelt. 
Oft  haben  wir  diesen  Zauber  erfahren,  waren  wir  Zeugen,  wie  er  Sänger 
und    Hörer,   die   anfangs   zweifelten    an   der  Wirkung  dieser 


225 
NODNAGEL:  CONSTANZ  BERNEKER 


neuen  Art  Musik,  durch  die  Auffuhrung  fortriss  zu  Bewunderung  und 
tiefer  Ergriffenheit*. 

Als  ich  vor  fast  sieben  Jahren  nach  Königsberg  kam,  war  mir  Bemekers 
Name  wohlbekannt,  doch  nur  als  Kritiker  mit  dem  Glorienschein  der  Lokal- 
grosse  umwoben,  und  als  ich  ein  Jahr  später  das  Baritonsolo  in  seinem 
„Hohen  Lied"  übernahm,  war  es  eigentlich  nur  eine  Geßlligkeit  gegen  den 
älteren  Kollegen  am  Konservatorium.  Aber  dann,  in  der  ersten  Probe, 
erlebte  ich  eine  der  grössten  künstlerischen  Überraschungen,  ja  Offen- 
barungen meines  Lebens.  Das  war  keine  geistliche,  keine  Kantorenmusik, 
das  war  nicht  das  «allegorische*  hohe  Lied,  das  Christus  und  seine  Kirche 
als  Liebespaar  symbolisiert.  Nein,  diese  Musik  atmete  die  ganze  schwüle 
Glut  und  brennende  Süsse  orientalischer  Sinnlichkeit  und  wirkte  durch 
ihr  hinreissendes  Feuer,  ihren  melodischen  und  harmonischen  Reichtum 
geradezu  aufregend.  Und  ein  solches  Juwel  der  Frauenchorliteratur  ist 
jetzt  seit  drei  Jahrzehnten  Manuskript  geblieben!  Dabei  hatte  es  seine 
Uraufführung  in  Königsberg  unter  Mitwirkung  der  Marianne  Brandt  er- 
lebt, und  nachdem  Zopffes  1878  mit  grossem  Erfolg  in  Leipzig  aufgeführt, 
fand  sich  sogar  ein  Verleger  dafür,  der  idealgesinnte  £.  W.  Fritzsch,  der 
auch  Wagners  und  Nietzsches  Schriften,  verlegte.  Da  man  aber  mit  Idea- 
lismus kein  Geschäft  machen  kann,  so  brach  damals  sein  Unternehmen 
zum  ersten  Mal  zusammen  und  —  das  «Hohe  Lied"  blieb  ungedruckt. 

Eine  Reihe  weiterer  Hauptwerke  teilte  das  gleiche  Geschick:  das 
Oratorium  .Judith"  wollte  etwa  gleichzeitig  eine  bedeutende  Verlagsanstalt 
edieren,  und  Berneker  hätte  nur  die  Hälfte  der  Herstellungskosten 
zu  erlegen  brauchen,  so  wäre  das  Geschäft  perfekt  geworden.  Schillers 
«Siegesfest"  für  Männerchor  und  Orchester  erlebte  1872  in  Berlin  seine 
Uraufführung.  Einer  letztes  Frühjahr  vom  Königsberger  Friedrichskollegium 
veranstalteten  Aufführung  des  (für  gemischten  Schülerchor  eingerichteten) 
Werkes  war  im  Laufe  der  Jahre  eine  beträchtliche  Reihe  Aufführungen 
vorangegangen.  Die  Chöre  zu  «Antigone*  und  zum  «Kyklops"  des 
Euripides  hätte  ich  in  Königsberg  s.  Z.  hören  können,  wenn  mich  nicht 
die  Berufspflicht  als  Kritiker  gezwungen  hätte,  am  selben  Abend  irgend 
einen  auf  Engagement  gastierenden  Phonastheniker  zu  würdigen.  Von  den 
Chören  zur  «Braut  von  Messina"  habe  ich  leider  nur  die  erschütternde 
Totenklage  einmal  gehört,  ein  in  seinem  schlichten  Pathos  den  Eindruck 
der  edlen  Verse  mächtig  steigerndes,  tief  ergreifendes  Tongebilde.  Das 
letzte  Jahr  brachte  einige  neue  Schöpfungen:  eine  .Märchenouvertüre" 
und  eine  Chorballade  mit  Orchester  und  Soli  «Die  Loisach-Braut",  deren 
Königsberger  Uraufführungen  ich  leider  fernbleiben  musste. 

Die  «Reformationskantate"  (1883)  ist  mir  leider  gleichfalls  unbe- 
kannt, wohl  aber  sind  zwei  grössere   Kantaten  gedruckt  und   zwar  in 


226 
DIE  MUSIK  V.  22. 


der  bei  Breitkopf  &  Härtet  erschienenen  Sammlung  «Kirchen-Oratorien  und 
-Kantaten',  herausgegeben  von  Professor  Dr.  Friedrich  Zimmer,  in  der 
auch  zwei  Werke  von  Albert  Becker  und  Arnold  Mendelssohns  Bear- 
beitungen zweier  Passionen  von  Schütz  erschienen  sind.  Das  kurze 
Kirchenoratorium  »Christi  Himmelfahrt"  (1887)  soll,  wie  der  .Tag*" 
weiss,  in  Holland  und  Österreich  Verbreitung  gefunden  haben,  vermutlich 
aber  doch  nur  im  Gottesdienst,  also  als  kirchliches  Gebrauchsobjekt,  nicht 
als  Kunstwerk,  obwohl  es  gerade  als  solches  ernste  Beachtung  verdient  und 
nur  von  einem  grösseren,  künstlerisch  auf  der  Höhe  stehenden  Chor  und 
einem  tüchtigen  Orchester  zu  voller  Geltung  gebracht  werden  kann.  Die 
Ouvertüre  besteht  im  Hauptsatz  aus  einer  feurigen  Orgel-Fuge,  die  sich 
stellenweise  die  Freiheit  einer  fünften  Stimme  gestattet.  Von  grosser 
Schönheit  ist  die  Baritonarie  Jesu:  „Ich  will  euch  nicht  Waisen  lassen'. 
Den  ersten  Teil  schliesst  eine  lebendige,  charaktervolle  Chorfuge.  Aus 
dem  zweiten  Teil  sind  die  schöne  lyrische  Instrumentaleinleitung  und  die 
innige  Tenorarie  des  Jakobus  .So  seid  nun  geduldig*  bemerkenswert. 
Diese  Arie  kann  auch  den  entzücken,  der  den  Gesdur-Satz  im  ,  Deutschen 
Requiem'  mit  den  gleichen  Textworten  begeistert  liebt. 

Weit  bedeutender  und  reicher  ist  die  Kantate  »Christus  der  ist  mein 
Leben"  (1889/90),  in  der  schon  die  Choralsätze  in  Harmonik  und  Stimm- 
führung freier  und  eigenartiger  blühen,  so  dass  man  bei  dieser  reichen 
Selbständigkeit  eigentlich  nur  an  Bachsche  Choralsätze  denken  kann.  Das 
Werk  als  Ganzes  fordert  durch  die  häufige  Übereinstimmung  der  Textworte 
—  die  für  den  Totensonntag  oder  Karfreitag  gewählt  sind  —  den  Vergleich 
mit  dem  » Deutschen  Requiem"  geradezu  heraus,  braucht  ihn  aber  auch  in 
keiner  Weise  zu  scheuen.  Nach  einem  einleitenden  Choral  beginnt  die 
Kantate  mit  einem  machtvollen  Chor  „Der  Tod  ist  der  Sünde  Sold",  in 
dem  die  Stimmungen  der  Erhabenheit  und  Unerbittlichkeit  sich  zu  er- 
schütternder Wirkung  verschmelzen;  mit  den  Worten  »aber  die  Gabe 
Gottes  ist  das  ewige  Leben"  krönt  eine  kurze  Fuge  von  zuversichtlicher 
Stimmung  den  charaktervollen  Satz,  und  eine  Alt-Arie  von  eindringlicher 
Melodik  schliesst  sich  tröstend  an,  deren  Begleitung  von  einem  leidvollen 
auf  Christi  Opfertod  hinweisenden  Motiv  beherrscht  wird.  Von  männlich- 
kraftvoller Schönheit  ist  die  Bariton- Arie  «Sehet  welch  eine  Liebe"  mit 
einer  packenden  harmonischen  Steigerung  im  Mtttelsatz  und  einer  entzückend 
zarten  lyrischen  Koda.  Der  folgende  Chor  «Unser  keiner  lebt  ihm  selber" 
bietet  durch  den  Trauermarschcharakter  bei  dreiteiligem  Takt  einen  äusser- 
lichen  Vergleichspunkt  mit  dem  düsterprächtigen  zweiten  Satz  des  Brahms- 
schen  Meisterwerkes,  ist  aber  durchaus  eigenartig  und  selbständig.  Das 
unisono  der  tiefen  Stimmen  im  Wechsel  mit  dem  des  ganzen  Chores  ist 
von  unfehlbarer  Wirkung.    Scharf  kontrastiert  dann  der  zweite  Abschnitt 


227 
NODNAGEL:  CONSTANZ  BERNEKER 


»Leben  wir",  der  in  eine  Fuge  ausmündet.  Den  zweiten  Teil  beginnt  die 
zarte  und  liebliche  Seligpreisung  der  Toten.  Die  melodisch  und  harmonisch 
reizvolle  und  dankbare  Sopran- Arie  »Herr,  meine  Tage  sind  einer  Hand 
breit"  führt  zu  dem  an  Umfang  und  innerer  Bedeutung  reichsten  Abschnitt 
der  ganzen  Partitur,  dem  riesigen  Chor  »Sterben  wir  mit,  so  werden  wir 
mit  leben*.  Die  weit  dimensionierte  gewaltige  Doppel  fuge,  die  den 
Satz  krönt,  bringt  in  ihrer  Engführung  eine  modulatorische  Steigerung  von 
kolossaler  Wucht.  Chromatisch  steigert  Berneker  in  je  vier  Takten  von 
B  nach  H,  dann  nach  C  und  nach  Des,  von  wo  aus  sich  dann  auf  C, 
als  der  Dominante,  ein  majestätischer  Orgelpunkt  von  28  Takten  Ausdehnung 
erschliesst.  Nach  einer  wundervollen  Bariton-Arie  mit  Terzett  dreier 
Soprane  »Sei  getreu"  malt  der  Schlusschor  die  transzendentalen  Wunder 
der  Erlösung  mit  den  lichtesten  Farben  der  modernen  Palette. 

Kenne  ich  diese  beiden  Werke  nur  vom  Papier,  so  verdanke  ich  der 
»Krönungskantate*  (»Herr,  der  König  freuet  sich  in  Deiner  Kraft*), 
die,  1901  zur  Feier  des  zweihundert  jährigen  Jubiläums  der  preussischen 
Königskrönung  entstanden,  nicht  den  Charakter  einer  Gelegenheitsschöpfung 
trägt,  sondern  nach  Inhalt  und  Stil  allgemein  künstlerische  Bedeutung  und 
Wirkung  besitzt,  von  ihrer  Uraufführung  nebst  Generalprobe  einen  der  nach- 
haltigsten künstlerischen  Eindrücke  moderner  Chormusik;  vergleichbar  etwa 
der  Wirkung,  wie  ich  sie  von  Brückners  Te  deum,  Kloses  d-moll  Messe 
oder  von  dem  »Christus*  von  Liszt  erfahren  habe. 

Ein  archaisierender  a  cappella-Chor  eröffnet  als  Introitus  das  Werk. 
Den  ersten,  »Berufung*  betitelten  Teil  leitet  ein  längeres  Orchestervorspiel 
und  ein  Chor  ein,  bereits  ein  vollständiges  Bild  von  Bemekers  künstleri- 
scher Physiognomie  gewährend  in  der  kraftvollen,  edlen,  chormässigen 
Melodik,  den  blühenden  Stimmführungen,  dem  plastischen  Aufbau,  der  bei 
allem  harmonischen  und  modulatorischen  Reichtum  streng  an  der  Tonalität 
festhält.  Kennzeichnend  für  die  Modernität  dieser  Tonsprache  ist  die 
Farbenpracht  der  Orchestrierung  und  der  vornehm  erlesene  Geschmack, 
mit  dem  sie  verwendet  wird,  namentlich  in  der  schönen,  melodischen  und 
kernigen,  sich  mächtig  steigernden  Fuge.  Die  reichblühende  Orchester- 
behandlung belebt  auch  in  dem  anschliessenden  Baritonsolo  die  stark  ent- 
wickelte, aber  gleichwohl  nicht  überladene  Polyphonie.  Der  durch  eine 
gewaltige  Steigerung  vorbereitete  Choralsatz  ist  von  prächtigen,  kraftvollen 
Fanfaren  gegliedert.  Eine  glänzende  Bereicherung  des  Konzertrepertoires, 
auch  aus  dem  Rahmen  des  Ganzen  losgelöst,  verspricht  die  grossangelegte, 
bedeutende  Baritonarie  »Wohl  dem,  des  Hilfe  der  Herr  ist*  zu  werden; 
sie  ergreift  durch  die  innige  Wärme  des  Empfindungausdrucks.  Zu  den 
modernen  stilistischen  Vorzügen  des  Abschnittes  —  wie  überhaupt  des 
Bemekerschen  Oratorienstiles  —  gehört  die  meisterhafte  Handhabung  der 


228 
DIE  MUSIK  V.  22. 


Prosodie.  Im  Orchester  singt  jede  einzelne  Stimme,  und  daraus  ergibt  sich 
der  überschwängliche  Reichtum  der  fesselnden,  eigenartigen  und  in  ihrer 
logischen  Entstehung  stets  natürlichen  Harmonik.  Auch  in  dem  bewegten 
reichen  Mittelsatz  ist  die  Melodie  durch  die  deklamatorische  Feinheit  von 
inbrünstigem  Ausdruck.  Eine  wunderschöne  Violoncello -Kantilene  auf 
einem  Orgelpunkt  und  bei  gesangvollen  Mittelstimmen  ist  aus  der  herr- 
lichen Arie  noch  hervorzuheben. 

Der  erste  Teil  gipfelt  in  seinem  Schlusschor,  einem  mit  souveräner 
technischer  Meisterschaft  kolossal  getürmten  Doppelchor,  ohne  jedes  Schielen 
nach  Beifall  und  Effekt  aus  Geist  und  Charakter  der  Ausdrucksmittel  empfunden 
und  erfunden.  Von  den  entzückend  harmonisierten  Innigkeiten  des  Frauen- 
chors klingt  besonders  köstlich  eine  Folge  von  Sextakkorden,  auf  liegender 
Stimme  in  der  Quart  auf  und  niedersteigend,  und  von  ungeheurer  Grösse 
—  ohne  viel  Spektakel  —  ist  der  kühne,  scheinbar  harmoniefremde 
Posauneneintritt  am  Höhepunkt  des  gewaltigen  Satzes. 

Die  Altarie^)  zu  Beginn  des  »Kampf  und  Sieg"  betitelten  zweiten 
Teiles  ergreift  durch  die  warme,  grosslinige  Melodik  ihrer  wehmütigen 
Klage  stellenweise  bis  zu  Tränen.  Die  edle  Ausdrucksweise  wirkt  durch 
ihre  Natürlichkeit  und  Ehrlichkeit  unmittelbar  verständlich.  Von  Einzel- 
heiten dieser  wohl  gleichfalls  als  selbständige  Konzertnummer  bedeutend 
wirkenden  Arie  möchte  ich  nur  die  schöne  Verwendung  der  verschleiert 
klingenden,  tieferen  Oboetöne  und  einige  köstliche  Wendungen  in  chromati- 
scher Gegenbewegung  hervorheben.  Womöglich  noch  schöner  ist  das 
anschliessende  Baritonsolo. 

Der  prachtvoll  harmonisierte  Choral  »Der  Herr  ist  noch  und  nimmer 
nicht"  zeigt  wieder  unverkennbar  Bach  verwandte  Züge.  Aber  es  ist 
kein  Abklatsch,  sondern  eine  Umgestaltung  Bachschen  Choralstiles.  Mit 
frappanter  Kraft  hat  Bemeker  sich  den  Altmeister  zu  eigen  gemacht,  ihn 
digeriert  und  so  sich  seine  eigene  Physiognomie  bewahrt.  Grosse  Schön- 
heiten weist  die  Stimmführung  in  Orchester-  und  Singstimmen  des  Duetts 
von  Alt  und  Bariton  auf.  Im  nächsten  Chor  ist  mit  harmonischer  Pracht 
und  machtvoller  Grösse  eine  freie  Umgestaltung  des  Lutherchorales  ein- 
gewirkt. Die  Art,  wie  hier  die  Trompeten  verwendet  sind,  lässt,  obwohl 
sie  vollkommen  selbständig  ist,  an  die  Glanznummer  in  Bachs  Kantate 
über  jenen  Choral  denken.  Im  Finale  folgt  auf  einen  Chor  von  kolossalem 
Jubel  und  herrlicher  Steigerung  ein  wohlklanggesättigtes,  bezaubernd  schönes 
Sätzchen  für  Soloquartett  mit  obligater  Geige.  Nach  der  Uraufführung 
haben  Kollege  Paul  Ehlers  und  ich  unabhängig  von  einander  dies  Juwel  an 
melodischer   Schönheit    und    reizvoller   Polyphonie   dem    »Meistersinger"- 


^)  Siehe  die  Musikbeilage  dieses  Heftes 


229 

NODNAGEL:  CONSTANZ  BERNEKER 


Quintett  ebenbürtig  zur  Seite  gestellt,  und  ich  finde,  wir  haben  daran 
wohl  getan. 

Eine  jubelnde  Fuge  von  unmittelbarer  Durchschlagskraft  in  Stimmung, 
musikalischer  Erfindung  und  klarer,  kraftvoller  Gestaltung  schliesst  sich  an, 
eine  der  schönsten  Vokalfugen,  die  ich  kenne;  ihr  hinreissender  Stim- 
mungsausdruck ist  so  überwältigend,  dass  nicht  bloss  mir  damals  in 
Gumbinnen  die  Augen  nass  wurden.  Besonders  stark  wirken  in  diesem 
Glanzstück  zwei  kunstvolle  Engffihrungen  des  Themas  und  der  Orgelpunkt. 
Mit  dem  figurierten  Choral  »Lob,  Ehr'  und  Preis  sei  Gott'  schliesst  das 
Werk,  das  mir  in  der  modernen  Ausdrucksfähigkeit  seiner  Mittel,  in 
der  unbedingten  und  sicheren  Meisterung  der  Massen,  in  der  blühenden 
Schönheit  und  dem  Reichtum  der  Erfindung,  in  der  ausserordentlichen 
künstlerischen  Technik  zu  den  hervorragendsten  Kunstschöpfungen 
des  letzten  halben  Jahrhunderts  zu  gehören  scheint.  Auch  darin 
stimmte  ich  damals  mit  Paul  Ehlers  überein,  dass  wir  die  ganze  .Krönungs- 
kantate**  an  Reichtum  und  Unmittelbarkeit  dem  «Deutschen  Requiem**, 
diesem  Kleinod  der  modernen  Chorliteratur,  ebenbürtig  fanden. 

Als  \ilter  Bayreuthveteran,  der  die  glorreichen  Tage  von  1872  und 
1876  mitgemacht,  hat  Bemeker  sich  dem  Einfiuss  Wagners  gegenüber  doch 
seine  Selbständigkeit  gewahrt,  hat  die  stilistischen  Errungenschaften  des 
grossen  Bahnbrechers  für  den  musikalischen  Individualismus  selbständig 
verarbeitet  und  sich  amalgamiert^  so  dass  sein  Schaffen  auf  .  kirchlichem "^ 
Gebiet  einen  neuen  individuellen  Stil  aufweist.  In  der  Eigenart  und  wurzel- 
haften Echtheit  seines  Schaffens  beruht  die  Bedeutung  dieses  künstlerischen 
Charakterkopfes. 

Es  gebricht  mir  an  Raum,  noch  auf  die  verschwindend  wenigen 
lyrischen  Schöpfungen  einzugehen,  die  an  die  Öffentlichkeit  gelangt  sind. 
Die  »Tannhäuserlieder"  mit  ihrem  harmonischen  Liebreiz  und  ihrer  blühen- 
den Erfindung,  die  beiden  kernigen,  wirksamen  Balladen  op.  9,  das  liebens- 
würdige, stimmungsvolle  Heinelied  «Es  ßillt  ein  Stern  herunter*,  dann  ein 
graziöses,  eigenartiges  Duett  für  Frauenstimmen  »An  den  Schmetterling'' 
ist  alles,  was  gedruckt  vorliegt.  Zufällig  kenne  ich  noch  ein  über 
30  Jahre  altes  ungedrucktes  Liederheft  von  ihm,  aus  dem  mir  nament- 
lich »Mädchens  Abendlied'',  » Abendstimmung ",  »Liebesstimmung*  und 
»Das  weinende  Mädchen*  durch  feine  individuelle  Züge  lieb  geworden  sind. 
Die  bedeutendsten  Lieder,  die  ich  von  ihm  kenne,  sind  die  in  dem  Zyklus 
»Weltuntergangs  Erwartung*  von  Ludwig  Wüllner  ans  Licht  gezogenen 
genialen  Genrebilder,  vor  denen  die  Berliner  Tageskritik  leider  durch- 
gefallen ist.  Eine  der  rührigsten  modernen  Verlagsfirmen  hatte  s.  Z.  den 
Zyklus  vom  Komponisten  erbeten.  Auf  die  Berliner  Abschlachtung  hin 
sandte  sie  das  Manuskript  zurück  mit  dem  Bemerken  »Angabe  der  Gründe 


erlassen  Sie  uns  vobl'I  Ich  habe  damals  in  No.  0  <1005)  der  «AUg.  Mus. 
Ztg.*  die  genial  erFuodenen  und  meislerbaft  gestalteten  Lieder  eingebend 
gewürdigt.  Nocb  ehe  Benieker  meine  Besprechung  gelesen,  entschuldigte 
er  sich  brieflich,  mich  nicht  besucht  zu  haben  und  sagte  u.  a.:  .Wie  gern 
bitte  ich  insbesondere  von  Ihnen  —  wenns  möglich  war —  die  Beruhi- 
gung darüber  erhalten,  dass  mein  ZyMus  vielleicht  doch  nicht  ganz  die 
vergebliche  Arbeit  Ist,  als  welche  die  Berliner  Kritik  Ihn  im  allgemeinea 
erscheinen  lisst."  Eine  ungemein  feine  und  nur  allzu  treffende  Bemer- 
kung enthält  derselbe  Brief:  ,Über  musikgebildete  Männer  verfügt  Berlin 
ja  wohl  ohne  Frage;  aber  das  empfängliche  Herz,  das  intime  Verständnis 
und  der  Wille,  der  Gedankenwelt  anderer  nahe  zu  treten,  das  ist's,-  was 
wobl  den  meisten  von  ihnen  fehlt.'  —  Ach  ja,  und  gerade  solcher  Naturen 
bedarf  der  Schaffende  als  Resonanzboden,  und  sie  nicht  gefunden  zu  haben 
in  seinem  langen  Leben,  das  war  die  Tragik  dieses  Meisters.  Er  trug  sie 
mit  Sachs'scher  Resignation,  sagte  sogar  einmal:  .Wenn  ich  mehr  An- 
erkennung gefunden  hätte,  würde  ich  vielleicht  weniger  ernst  und  tief  und 
streng  in  meinem  musikalischen  Streben  geworden  sein."  .Ist  das  nicht 
rührend?'  fragte  der  Freund  Bemekers,  dem  Ich  diese  Mitteilung  danke, 
amSchte  man  nicht  weinen  über  solche  Grösse  der  Gesinnung?  Aber  ist 
nicht  doch  auch  ein  Körnchen  Wahrheit  in  dieser  überbescheidenen  Äusse- 
rung? Andererseits  freilich  bleibe  ich  dabei:  er  hätte  mehr,  er  bitte  reicher, 
glänzender  geschaffen,  wenn  ihm  die  volle  Sonne  des  Erfolges  gelächelt 
hätte.' 

Nur  ein  unvollständiges  Bild  konnte  ich  hier  entwerfen,  doch  das 
eine  glaube  ich  deutlich  gezeigt  zu  haben,  dass  hier  wieder  einmal  ein 
echter  Meisler  unerkannt  durch  die  Welt  geschritten  ist.  Hier  gilfs 
also  »uts  neue  eine  kulturelle  Schuld  zu  sühnen.  Darum  auf  ans  Werk: 
ihr  Sänger  und  ihr  Dirigenten  I 


|ir  waren  in  unserer  Darstellung  der  Verhältnisse  bis  auf  den 
Punkt  gelangt,  auf  welchem  der  junge  Meister  sich  nur  noch 
1  auf  ein  völliges  Zerwürfnis  mit  seinem  Chef,  als  einziges  Mittel 
I  zur  Vahrung  seiner  künstlerischen  Ehre,  angewiesen  erkannte. 
.Vielleicht  hast  Du  bereits  davon  gehört*,  schreibt  er  daher,  unterm 
6.  August  1847  an  den,  einer  Kur  wegen  eben  von  Dresden  entfernten 
Ferdinand  Heine,  .dass  ich  seit  ungeiHbr  drei  Wochen  auf  das  Bestimm- 
teste mit  Lüttichau  gebrochen  habe,  so  dass  zumal  von  meiner  Seite  aus 
an  eine  Wiederversöhnung  gar  nicht  mehr  zu  denken  ist.  Gutzkow  wurde 
mir  zur  Veranlassung.  Die  Umstände  sind  eigentlich  votlstindig  gleich- 
gültig; es  ist  der  uralte  Kampf  der  Kenntnis  und  Oberzeugung  gegen  den 
Unverstand.  An  ein  Obereinkommen  Ist  da  gar  nicht  zu  denken;  ist  aber 
ein  Konflikt  einmal  so  weit  geraten,  wie  dieser  letzte,  so  wird  endlich 
auch  ein  Nebenetnander-Bestehen  undenklich,  und  so  verharre  ich  jetzt  in 
dem  festen  Entschlüsse,  der  Sache  ein  Ende  zu  machen."  Ähnlich  spricht 
er  sich  in  einem  vom  11.  August  an  Klttl  in  Prag  gerichteten  Briefe  aus. 
Dass  es  sich  trotz  allem  zunächst  um  rein  persönliche  Beziehungen  bandelte, 
mit  der  gegebenen  Möglichkeit  eines  Ausgleichs,  sobald  Lüttichau  ein  Ent- 
gegenkommen zeigte,  keineswegs  aber  um  eine  unvermittelte  offizielle  Amts- 
kündigung mitten  im  begonnenen  neuen  Tbeaterjahr,  —  darauf  haben  wir 
bereits  an  geeignetem  Orte  in  Wagners  Leben  (II,  S.  193)  hingewiesen, 
noch  vor  erfolgter  Kenntnis  des  zuletzt  mitgeteilten  ausführlichen  Briefes, 
der  damals  noch  völlig  unzugänglich  im  Privatbesitz  ruhte.  Noch  deutlicher 
bringt  ein  —  ebenfalls  bisher  unbekanntes  —  Schreiben  an  Lüttichau  vom 
10.  August  dies  zum  Ausdruck: 

Blebard  Vagner  an  Qeneraldirektor  Freiherr  voir  LfltUcbaa  (XII),  10.  Augn»  18474 

Ew.  Excellenz 
ersuche  Ich  In  geneigte  Erwlgung  lu  liehen,  dasi  unter  den  bestehenden  Verhilt- 
ni«>en  und   nicb  den   mir  lugestoaieaen  Errahrungeo,  meia  Tunacta,  aui  meiner 
jetilcen  Stellung  als  Kapellmelater  ausiuicheiden,  ein  aufrichilKer  aeln  muaa.    Wenn 
Ich  nun  meiner  bis  jetit  noch  nicht  geordneten  Lage  einenelu»^  anderertelts  aber 


232 
DIE  MUSIK  V.  22. 


zamal  einem  Wohltiter  gegenfiber,  dessen  grösste  Verdienste  am  meine  Person  mir 
eine  anvergessliche  Verpflichtung  auferlegeo,*)  die  vollste  Rucicsicht  darsaf  zu  nehmen 
habe,  dass  ich  in  meinem  Vorhaben  mit  fiberlegtester  Besonnenheit  und  ohne  alle 
Obereilung  zu  Werke  gehe,  so  hoffe  ich  der  Billigung  dieser  Rücksicht  von  Seiten 
Ew.  Excellenz  gewiss  sein  zu  dürfen.    Richte  ich  zugleich  die  gehorsamste  Bitte  an 
Ew.  Excellenz,  bis  zur  Lösung  der  obschwebenden  Frage  mir  amtliche  Citationen 
zu  ersparen,^  so  fürchte  ich  nicht  dies  als  grobe  Dienstpflicht- Verletzung  gedeutet  zu 
sehen,  da  ich  die  wesentlichen  Obliegenheiten  eines  Kapellmeisters  auch  jetzt  nicht 
im  geringsten  zu  vemachlSssigen  mir  bewusst  bin.  —  Ich  bin  so  sehr  von  der  allem 
Kleinlichen  weit  entfernten  Gesinnung  Ew.  Excellenz  überzeugt,  dass  ich  mir  sogar 
gestatte,  bei  dieser  Gelegenheit  meinen  Wunsch,  im  Laufe  dieses  Monates  auf  8  Tage 
verreisen  zu  dürfen,  mit  der  Bitte  um  geneigte  Erfüllung  desselben  auszusprechen, 
wobei  ich  dem  Königl.  Dienste  keine  Störung  zu  bereiten  hoffe,  da  der  Kapellmeister 
Reissiger,  so  viel  ich  von  diesem  weiss,  seinen  Urlaub  erst  im  Monat  September  an- 
zutreten gedenkt,  in  welchem  ich  denn  jedenfalls  noch  fungieren  werde,  sobald  Ev. 
Excellenz  meine  beschleunigte  Entfernung  aus  dem  Königl.  Dienste  nicht 
zuvor  etwa  selbst  beantragen  sollten.*) 

Schliesslich  erlaube  ich  mir  noch  die  Erkllrung,  dass,  sollte  es  im  unverinderten 
Willen  Ew.  Excellenz  liegen,  die  Aufführung  des  ,Rienzi*  jetzt  noch  zustande  gebracht 
zu  sehen,  ich,  nach  genauerer  Überlegung  der  Umstände  und  nachdem  ein  gütliches 
Verfahren  in  diesem  Bezug  Missstimmung  erzeugt  hat,  es  für  das  Ratsamste  halte, 
mit  der  Besetzung  der  Frauenpartieen  in  dieser  Oper  es  beim  Alten  zu  lassen.* 

Mit  der  Wiederaufnahme  des  .Rienzi"  hatte  es  die  Bewandtnis,  dass 
sie,  wie  es  scheint,  durch  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  von  Preussen  ver- 
anlasst war:  derselbe  weilte  nämlich  damals  eine  Woche  in  Pillnitz  bei 
König  Friedrich  August  zum  Besuch.  »Jener  muss  aber  mit  fiesem,  und 
wahrscheinlich  der  ganze  Hof,  manches  über  mich  gesprochen  haben*, 
meldet  Wagner  brieflich  an  Heine;  «denn  am  Tage  nach  einer  grossen 
Tafel  kam  Lüttichau  in  die  Stadt  gesprengt  und  bestellte,  alles  Übrige  solle 
beiseite  gesetzt  werden  und  zunächst  «Rienzi*  wieder  in  Szene  gehen. 
Wohlverstanden,  alles  nach  meiner  Katastrophe*  —  d.  h.  nach  dem  soeben 
dargestellten  Zerwürfnis  mit  der  Generaldirektion.  Immerhin  konnte  der 
Vorgang  dem  einsam  in  seiner  Wohnung  im  Marcolini'schen  Palais  an 
seinem  «Lohengrin*  schaffenden  Künstler  nur  eine  Genugtuung  sein.  Um 
so  mehr,  als  im  Oktober  desselben  Jahres  eben  derselbe  »Rienzi*  nun 
auch  seinen  —  durch  Meyerbeer  um   vier  Jahre  verzögerten!  —  Einzug 


^)  Es  kann  wohl  niemand  entgehen,  dass  die  Verdienste,  die  sich  Lüttichau 
um  ihn  erworben,  mit  der  von  Wagner  ein  für  allemal  unzertrennlichen  Noblesse  und 
seinem  Dankbarkeitsbedürfnis  in  der  obigen  Wendung  eine  allzuhohe  Bewertung  er- 
halten haben I 

')  Die  Hervorhebung  im  Druck  rührt  nicht  von  Wagner  her,  und  bezieht  sich 
in  erster  Linie  auf  jene  dem  Meister  verhassten  .Konferenzen*,  in  welchen  Gutzkow 
ungestraft  das  grosse  Wort  führen  durfte!  (Vgl.  Leben  Wagners  II,  S.  211). 

*)  Die  Hervorhebung  im  Druck  rührt  wiederum  nicht  von  Wagner  her. 


233 ' 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LÜTTICHAU 

in  die  Berliner  Hofoper  halten  sollte.  Leider  war  der  Gegendruck  da- 
mals in  der  preussischen  Hauptstadt  noch  ein  allgewaltiger:  dieselbe  Macht, 
der  es  gelungen  war,  die  erste  Aufführung  des  Werkes  von  Jahr  zu  Jahr 
hinauszuschieben,  wusste  es  mit  den  ihr  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  auch 
weiterhin  —  nach  den  ersten  acht  Auffuhrungen  —  dauernd  von  der 
dortigen  Buhne  zu  verbannen.  Bekanntlich  gelangte  «Rienzi*  (ganz  wie 
der  »Fliegende  Holländer*")  erst  nach  Meyerbeers  Tode  —  1864  — 
wieder  zur  Aufführung,  um  von  da  ab  unangefochten  das  Feld  zu  behaupten, 
und  .Tannhäuser"  und  „Lohengrin"  hatten  inzwischen  in  Berlin  einen 
äusserst  schwierigen  Kampf  zu  bestehen  gehabt. 

Aus  sämtlichen  bisher  erwähnten  Schriftstücken  geht  hervor,  wie 
wenig  der  Meister  jemals  dazu  gelangt  ist,  sich  in  seinem  Dresdener  Amte 
wohl  und  heimisch  zu  fühlen.  Mit  Widerstreben  hatte  er  es  angenommen 
(VI,  5.  Jan.  1843);  bereits  nach  Ablauf  des  ersten  Jahres  war  er  seiner-* 
seits  schon  wieder  im  Begriff  gewesen  es  für  allezeit  niederzulegen  (VIII, 
11.  Mai  1844),  und  nachdem  alle  Hoffnungen  auf  die  Möglichkeit  eines 
gründlicheren  Eingreifens  (IX,  2.  März  1846)  an  der  Zähigkeit  des  bestehen^ 
den  Theaterschlendrians  gescheitert  waren,  dienen  die  beiden  letzten  in  der 
Reihe  (XI,  XII)  nur  zum  Ausdruck  des  »aufrichtigen  Wunsches'',  aus  dieser 
qualvollen  Stellung  je  eher,  je  lieber  auszuscheiden,  und  der  Aussicht  darauf, 
dass  Lüttichau  etwa  gar  selbst,  von  sich  aus,  eine  Beschleunigung  seiner 
Entfernung  aus  dem  Königlichen  Dienste  veranlassen  könnte.  .Vergeb'ne 
Hoftaung!"  Wir  kennen  Lüttichaus  Erwiderungen  auf  die  einzelnen  Briefe 
nicht,  nur  die  Tatsache  steht  ausser  allem  Zweifel,  dass  er  auch  in  diesem 
Punkte  die  gewohnte  Zähigkeit  bewies.  Er  entliess  Wagner  nicht,  so  wenig  er 
andererseits  darauf  bedacht  war,  auf  seine  Wünsche  und  Forderungen  Rück- 
sicht zu  nehmen.  Das  schliesst  nicht  aus,  dass  er  Momente  der  Einsicht 
in  die  geistige  Überlegenheit  seines  , Kapellmeisters*,  des  Bewusstseins 
auch  von  seiner  moralischen  Würde,  insbesondere  der  Vornehmheit,  des 
feinen  Zartgefühls  hatte,  die  aus  sämtlichen  an  ihn  gerichteten  Schriftstücken 
Wagners  hervorleuchten  und  im  persönlichen  Verkehr  wohl  noch  ent- 
schiedener, ausgeprägter  hervorgetreten  sind.  Zeitweilig  wurde  dann  dieses 
Wohlwollen,  diese  ihm  abgerungene  Hochachtung  des  Künstlers,  wie  des 
freien  Mannes  in  ihm  auch  zur  Tat.  In  der  „Mitteilung  an  meine  Freunde" 
spricht  Wagner  in  diesem  Sinne  mit  ausdrücklicher  Anerkennung  von  dem 
«ihm  geneigten  Willen  der  Direktion*,  welche  das  Werk  gegen  alle  An- 
fechtungen der  damaligen  Öffentlichkeit  aufrecht  erhielt,  so  dass  es  während 
der  Dresdener  Periode  des  Meisters  zwanzig  Mal  zur  Aufführung  gelangte. 
Leider  wissen  wir  aus  der  ferneren  Entwicklung  des  beiderseitigen  Ver- 
hältnisses, dass  es  ihm  nicht  gelang,  einen  andauernden  und  entscheiden- 
den Einfluss  auf  den  büreaukratischen  Sinn  seines  Intendanten  zu  gewinnen, 

V.  22.  17 


234 
DIE  MUSIK  V.  22. 


und  sich  demgemlss  dieses  Verhältnis  mit  der  Zeit  immer  holhiangsloser 
und  unerfreulicher  gestaltete. 

Im  Frühjahr  1846  hatte  Wagner  mit  dem,  von  uns  mitgeteilten,  ernsten 
Begleitschreiben  (IX)  seinen  Reorganisationsplan  für  das  Institut  der  Kgl. 
Kapelle  der  Generaldirektion  eingereicht;  es  war  nichts  zu  dessen  Ver- 
wirklichung geschehen.  Einen  entsprechenden  Reorganisations-Entwurf  für 
das  gesamte  Institut  der  Kgl.  Hofoper  hatte  er  darin  ebenfalls  in  Aussicht 
gestellt  und  bloss  den  Auftrag  zu  seiner  Abfassung  erwartet.  Dieser  Auf- 
trag wurde  nicht  erteilt;  Kein  Wunder  also,  wenn  die  hoffnungsvoll  sich 
anlassende  Bewegung  der  Geister  i.  J.  1848,  die  Anerkennung  bestehender 
Schäden,  die  scheinbare  Bereitwilligkeit  zu  ihrer  Verbesserung,  ihn  dazu 
veranlasste,  den  damals  unausgeführten  Entwurf  nun,  in  dem  Sinne  eines 
« National theaters  für  das  Königreich  Sachsen"  zur  eingehenden  Ausfuhrung 
zu  bringen, — nicht  mehr  aber  zur  Überreichung  an  die  Generalintendanz,  sondern 
zur  unmittelbaren  Einhändigung  an  den  Minister  des  Innern,  den  liberal  ge- 
sinnten Martin  Oberländer  (Leben  Wagners  II,  S.  223).  Wie  empfindlich 
und  eifersüchtig  Lfittichau  auf  diese,  durch  die  bisher  gemachten  Erfahrungen 
gebotene,  Übergebung  der  zunächst  liegenden  Instanz  blickte,  wie  sehr  er 
sich  dadurch  getroffen  fühlte,  ist  bekannt.  Er  Hess  sich  dadurch  zu  der 
handgreiflichen  Ungerechtigkeit  der  Behauptung  hinreissen,  Wagner  habe 
«überhaupt,  so  lange  er  hier  wäre,  nichts  genfitzt"  (Ebendaselbst  S.  273). 
Hatte  die  Direktion  ihn  denn  zu  dieser,  von  ihm  selbst  ersehnten,  gemein- 
nützlichen Betätigung  jemals  kommen  lassen?  hatte  sie  ihm  dazu  nur  im 
entferntesten  den  Weg  geebnet  und  nur  eine  seiner  Forderungen  erfüllt? 
Hatten  nicht  innerhalb  der  bestehenden  Verhältnisse,  auf  der  gegebenen 
unvollkommenen  Grundlage,  die  Aufführungen  seiner  eigenen  Werke  der 
Dresdener  Bühne  zu  höchstem  Glänze  gereicht?  Waren  nicht  die  von 
Grund  aus  neustudierten  Vorführungen  Gluckscher  Opern,  wie  der  «Armida", 
und  vor  allem  der  in  Dresden  noch  gar  nicht  aufgeführten  »Iphigenia  in 
Aulis",  weiterhin  der  neunten  Symphonie,  ein  Ehrenschmuck  für  Dresden 
gewesen,  Vorgänge  von  einer  Bedeutung,  wie  man  sie  bis  dahin  nicht 
gekannt?  —  Die  beiden  ersten  Briefe  aus  dem  stürmischen  Jahr  1848 
drucken  wir  hier  nicht  abermals  ab,  da  sie  durch  mehrfachen  Abdruck 
jedermann  zugänglich  sind. 

■ 

Richard  Wagner  an  Generaldirektor  Freiherrn  Ton  Lflttiehaa  (XIII),  Dresden 
18.  Juni  1848. 

(Et  ist  dies  der  grosse  i^politische*  Brief,  mit  Bezug  auf  Wagners  Rede  im  Vater- 
landsverein, wörtlich  mitgeteilt  in  den  «Bayreuther  Blittern*,  Jahrg.  1883,  V./VI.  Stück, 
ausserdem  faksimiliert  in  Chamberlains  grossem  illustriertem  Wagoerbuch). 

Riehard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherm  r.  Lttttlehan  (XIV),  Dresden 
20.  (?)  Juni  1848. 


235 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LÜTTICHAlF 


(Wörtlich  abgedruckt  in  Gltseoapp,  Leben  Wagners  II,  S.  240.  Das  Schreiben 
beginnt  mit  der  Anrede:  »Vortrefflichster  Mann!*  und  schliesst  mit  der  Nachschrift: 
),Diesmal  habe  ich  ,Exzellenz<  und  Alles  vergessen!  Verzeihung!  Es  ging  nicht  anders!*) 

Zu  dem  ersten  dieser  beiden  Briefe  hatte  es  sich  Eingangs  um  die 
erbetene  Gewährung  eines  Stadturlaubes  gehandelt ;  an  diesen  Eingang  knüpft 
sodann  der  ihm  folgende  mit  der  Bitte  um  eine  Verlängerung  dieses,  bereits 
erteilten  Urlaubes  zum  Zweck  einer  zu  unternehmenden  Reise  (vgl.  Leben 
Wagners  II,  S.  242/44). 

Riehard  Wagner  an  Generaldirektor  Freiherrn  von  Lflttlchan  (XV), 

.Excellenz,  Dresden  2.  Juli  1848. 

von  Ihrer  grossen  Gfite  bin  ich  so  fest  überzeugt,  dass  ich  keine  Fehlbitte  zu 
tun  hoffe,  wenn  ich  Sie  herzlichst  ersuche,  den  mir  gewährten  Urlaub  noch  verlängern 
zu  wollen,  vielleicht  um  3  bis  4  Wochen:  ich  fühle  das  grösste  Bedürfnis  eine  kleine 
Reise  zu  unternehmen,  um  Leib  und  Seele  zu  stärken  und  sie  an  neuen  Eindrücken 
zu  erfrischen.  Unsereines  ist  nun  einmal  ein  schwer  zu  erziehender  Mensch!  — 
Bis  dahin  werden  ja  wohl  auch  Sie,  Excellenz,  sowie  ich,  darin  klarer  sehen,  ob  mir 
überhaupt  in  Dresden  noch  eine  Zukunft  blühen  kann,  —  und  ich  werde  mir  dann 
in  Ruhe  Ihren  gütigen  Rat  erholen,  und  Ihrem  Ermessen  des  Notwendigen  und 
Schicklichen  werde  ich  mit  meiner  Oberzeugung  gern  und  willig  mich  anschliessen.* 

An  dieses  Schreiben  schliesst  sich  dann  unmittelbar  noch  das  fol- 
gende, als  das  letzte,  uns   bekannt  gewordene  aus  der  Dresdener  Zeit: 

Richard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelherm  von  Lfittichan  (XVI), 

.Ew.  Excellenz  ^"^«^^°  3.  Juli  1848. 

gütiges  Schreiben  mit  grösstem  Danke  für  die  darin  ausgesprochene  freundliche 
Gesinnung  erwidernd,  erlaube  ich  mir  zunächst  Ihnen  anzuzeigen,  dass  ich  sogleich 
nach  Empfang  desselben  mich  mit  der  herzlichsten  und  dringendsten  Bitte  an  Kapell- 
meister Reissiger  gewandt  habe,  für  mich  das  unter  Umständen  vielleicht  grosse  Opfer 
bringen  zu  wollen,  das  eine  Verlängerung  meines  Urlaubs  allein  möglich  macht.  Ich 
erkenne  seine  iMehrbeschäftigung  an,  glaube  ihm  auch  herzlich  gern,  dass  es  ihm 
gerade  schwer  wird,  ihr  zu  genügen,  weshalb  ich  mich  ihm  dann  auch  jedenfalls 
unbedingt  bereit  erkläre,  nach  meinem  Rücktritt  in  den  Dienst  —  wenn  dieser  mir 
wieder  möglich  geworden  sein  wird  —  zu  einer  neuen  Geschäftsteilung  die  Hand  zu 
bieten,  nach  welcher  Ihm  grundsätzlich  der  Dienst  erleichtert  werden  soll,  ausserdem 
aber  dann  so  lange  für  ihn  gänzlich  einzutreten,  als  er  es  irgend  verlangen  mag:  nur 
möge  ei  dagegen  anerkennen,  dass  es  sich  jetzt  bei  mir  um  eine  moralische  Lebens- 
frage handle,  dass  meine  Bitte  um  Verlängerung  meiner  vorläufigen  Dienstdispensa- 
tion  nicht  auf  Eigensinn,  sondern  auf  einem  tiefmenschlichen  Gefühle  der  peinlichsten 
Natur  begründet  sei,  welches  mir  gebieterisch  hierin  das  Schickliche  vorschreibt. 
Gewiss  habe  ich  nicht  nötig,  Ew.  Excellenz  meine  Stimmung  näher  zu  bezeichnen; 
liegt  nur  meine  Schuld  zu  Grunde,  so  bin  ich  auf  jede  Sühnung^)  gefasst  Die  Zeit 
vermag  jedoch  viel;  gönnen  wir  ihr  Raum,  ihre  heilende  Macht  auszuüben !** 


^)  So  liest  R.  Pröiss  in  seiner  »Gesch.  des  Dresdner  Hoftheaters*;  in  dem  Ab- 
druck in  La  Mara's  .Musikerbriefen«  II,  S.  260  wird  das  fragliche  Wort  nicht  »Sühnung«, 
sondern  »Büssung*  gelesen;  uns  selbst  hat  das  Original  nicht  vorgelegen. 

17* 


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DIB  MUSIK  V.  22. 


Bei  allem  Bestreben,  gegen  Lfittichau  gerecht  zu  sein,  ist  es  doch 
nicht  möglich,  sein  Auge  gegen  den  hässlichen  Flecken  auf  seinem  Bilde 
zu  verschliessen,  wie  er  sich  aus  seinem  hinterhaltig  perfiden  Bericht  an 
den  König  vom  8.  Februar  1848  ergibt  (Leben  Wagners  II,  S.  217/18),  oder 
aus  den  durchaus  unvornehmen,  kleinlich  erbitterten  Schmähungen  gegen 
Wagner  auf  der  Konferenz  am  14.  Februar  1849  (ebendaselbst  S.  272/74). 
Dazwischen  liegt,  als  eine  nicht  minder  unedle  Handlungsweise  jene  rück- 
sichtslose Ablehnung  der  .Lohengrin'-Partitur  (ebendaselbst  S.  258/59). 
«Wie  stand  es  damals,*  schreibt  Wagner  darüber  drei  Jahre  später  an  den 
alten  Fischer,  «als  ich  noch  da  war,  der  ich  diese  Oper  eigens  für  Dresden 
und  den  damaligen  Bestand  des  Personals  geschrieben  hatte?  Damals  hielt 
man  es  für  gut,  mich  etwas  zu  schikanieren:  schon  waren  dem  jungen 
Heine  die  Bestellungen  für  die  Dekorationen  zugegangen,  als  es  plötzlich 
Lüttichau  einfiel,  alles  wieder  abzubestellen.  Ich  habe  damals  geschwiegen : 
aber  Ihr  wusstet  nicht,  wie  schmählich  es  mich  niederdrückte,  mich  in 
meinen  Kunstbestrebungen  so  abhängig  zu  wissen,  dass  ich  nur  als  Heuch- 
ler und  Speichellecker  Fortkommen  für  meine  Kunst  hätte  ersehen  können. 
Pfui!  wer  Ehre  im  Leibe  hat,  macht  sich  da  fort!' 

Nach  einer  späteren  Darstellung  des  Verhältnisses,  von  deren  Gültig- 
keit man  den  Meister  selbst  zu  überzeugen  suchte,  habe  nun  zwar  Lütti- 
chau damals  den  .Lohengrin'  nicht  aus  eigenem  Antriebe  fallen  lassen, 
sondern  —  infolge  der  Wühlereien  einer  Hofkamarilla  —  «auf  einen  Wink 
von  oben  her".  Wer  aber  trug  die  Schuld,  wenn  der 'König  selbst  über 
Wagners  Verdienste  und  berechtigte  Ansprüche  so  mangelhaft  unterrichtet 
war,  wenn  nicht  der  Intendant  selbst,  für  den  es  Ehrensache  gewesen 
wäre,  unter  seiner  Verwaltung  ein  derartiges  Vorgehen  nicht  zu  dulden? 
Die  Verblendung  Lüttichaus  über  die  dem  schaffenden  Genius  gegenüber 
mindestens  einzuhaltenden  Grenzen  der  Schicklichkeit  erreichte  ihren  Höhe- 
punkt anlässlich  jener  bereits  erwähnten  Konferenz  vom  14.  Februar  1849, 
bei  welcher  der  theatralische  Bureaukratismus  wahre  Orgien  feierte.  Mit 
Recht  musste  der  Künstler  die  ihm  so  unerwartet  zuteil  gewordene  Ober- 
häufung mit  ebenso  heftigen,  als  grundlosen  Vorwürfen  als  eine  unver- 
diente Kränkung  empfinden.  Fast  um  die  gleiche  Zeit  (16.  Februar)  fand 
in  Weimar  unter  Liszts  Ägide  die  erste  Aufführung  des  »Tannhäuser" 
statt.  Wagner  war  nicht  dazu  anwesend.  .Es  war  mir  unmöglich,  meinen 
Peiniger  mit  irgendeiner  Bitte,  wie  der  um  einen  Urlaub,  anzugehen.*  Viel- 
mehr hatte  er,  nach  seinen  eigenen  Worten,  mehrere  Tage  mit  sich  zu 
kämpfen,  ob  er  es  wirklich  länger  ertragen  sollte,  um  des  Bissen  Brotes 
willen,  den  ihm  sein  Dienstverhältnis  zu  essen  gebe,  sich  femer  noch 
»dem  Despotismus  der  boshaftesten  Ignoranz  auszusetzen*. 

Es  kamen  die  Maitage  des  Jahres  1849  und  mit  ihnen  verwirklichte 


237 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


sich  für  den  ringenden  und  leidenden  Künstler  das,  was  er  längst  voraus- 
empfunden: »es  lebte  in  mir  der  Gedanke,  dass  ich  wahrscheinlich  nicht 
in  Dresden  als  Kapellmeister  sterben  wfirde.*  Es  war  doch  aller  Zähig- 
keit Lüttichaus  in  jenen  Zeitläufen  nicht  möglich,  den  von  ihm  ausgeübten 
eigentümlichen  Zwang  des  blossen  Hinhaltens  auf  die  Dauer  auszuüben, 
mit  welchem  er  den  jungen  Meister  trotz  aller  wiederholten  Abschieds- 
gesuche immer  wieder  in  der  Fessel  eines  «Amtes*  zurückzuhalten  bestrebt 
war,  mit  welchem  dieser  innerlich  nichts  gemein  hatte.  »Wie  mir  die 
Dresdener  Katastrophe  längst  in  den  Gliedern  lag,  wissen  Sie,"  schreibt 
er  bald  darauf  an  seinen  jungen  Freund  Uhlig,  , —  nur  hatte  ich  keine 
Ahnung  davon,  welcher  Sturmwind  mich  eigentlich  von  dort  hinwegführen 
sollte.  Versichert  sind  Sie  auch  wohl,  dass  alle  Amnestie  und  Restitution 
der  Welt  mich  nicht  wieder  vermögen  könnten,  irgendwo  wieder  Das  zu 
werden,  was  ich  in  Dresden  zu  meinem  grössten  Leiden  war." 

Mit  Herrn  von  Lüttichau  gab  es  nun  auch  keine  Verhandlungen  mehr, 
weder  mündliche  noch  schriftliche.  Nui*  von  einem  Schreiben  an  die» 
unter  allen  Umständen  ihm  wohlgeneigte  und  von  ihm  hochverehrte,  durch 
feinsinnige  Bildung  ausgezeichnete  Gemahlin  seines  gewesenen  Chefs, 
Frau  Ida  von  Lüttichau  (geb.  v.  Knobeisdorf),  wissen  wir:  es  galt  die  ent- 
schlossene Verhinderung  des  angeblich  bereits  gefällten  Todesurteils  über 
Heubner,  eines  der  Häupter  der  ^provisorischen  Regierung'  während  der 
stürmischen  Maitage,  der  sein  schwieriges  Amt  mit  rühmlicher  Selbstauf- 
opferung bis  zur  Erschöpfung  durch  Schlaflosigkeit  durchgeführt  hatte,  und 
in  diesem  Zustande  der  Erschöpfung,  in  tiefem  Schlaf,  wehrlos  gefangen 
genommen  war.  Welch'  unmittelbare  Wirkung  jenes  Schreiben  ausgeübt, 
entzieht  sich  unserer  Kenntnis:  er  pries  darin  die  Verdienste  Heubners 
und  erklärte,  wie  der  König  nicht  nur  besser  gefahren  sein  würde,  wenn 
er  ihn,  nach  seiner  ursprünglichen  Absicht,  zum  Ministerium  berufen  hätte, 
sondern,  wie  er  jetzt  noch  nicht  besser  tun  könnte,  als  wenn  er  Heubner 
kennen  lernen  und  sich  zum  Freunde  machen  wollte.  Tatsächlich  wurde 
das  im  Januar  1850  gefällte  und  einige  Monate  später  durch  das  Ober- 
Appellationsgericht  bestätigte  Todesurteil  über  Heubner  von  dem  Monarchen 
',im  Wege  der  Gnade"  zu  lebenslänglicher  Zuchthausstrafe  »gemildert*  und 
auch  diese  blieb,  wie  die  Folgezeit  lehrte,  ebensowenig  «lebenslänglich*, 
wie  Wagners  Anstellung  zu  Dresden!  —  Erst  aus  einem  Briefe  an  Liszt 
vom  13.  Januar  1853  erfahren  wir,  dass  er  sich  auch  wiederum  an  seinen 
einstigen  Dresdener  Intendanten  gewandt:  »An  Lüttichau  habe  ich  ge- 
schrieben und  mir  den  ,Lohengrin*  jetzt  dort  verbeten,  weil  ich  zu  keinem 
seiner  Kapellmeister  das  nötige  Zutrauen  habe.*  Mit  Bezugnahme  auf 
diese  Erwähnung  hat  Prof.  Altmann  in  seinem  katalogischen  Verzeichnis 
Wagnerscher  Briefe  das  hier  erwähnte  Schreiben  an  Lüttichau,  unter  dem 


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DIE  MUSIK  V.  22. 


hypothetischen  Datum  des  10.  Januar  1853  mit  registriert  und  es  mithin 
drei  Tage  früher,  als  den  Brief  an  Liszt,  angesetzt.  Er  hat  den  Wortlaut 
des  soeben  zitierten  Passus  offenbar  so  aufgefasst,  dass  Wagner  kürzlich 
(oder  «soeben")  an  Lüttichau  geschrieben  habe.  Diese  Annahme  ist,  wie 
auch  der  Zusammenhang  ergibt,  nicht  zutreffend;  die  Worte  an  Liszt  refe- 
rieren vielmehr  bloss  über  etwas  Vergangenes,  vor  fast  einem  Vierteljahr 
Geschehenes.  Der  dort  gemeinte  Brief  an  Lüttichau  trägt  vielmehr  im 
Original  das  Datum  des  29.  November  1852  und  entspricht,  als  Ausfuhrung 
eines  Vorsatzes,  der  kurz  zuvor  an  Uhlig  gerichteten  Ankündigung:  ,  Wegen 
des  Lohengrin  muss  ich  an  Lüttichau  schreiben,  sobald  ich  nur  erst  etwas 
Bestimmtes  weiss.*  Und  weiterhin  (27.  November):  „Weisst  Du,  dass  die 
Dresdener  Tannhäuser-Wiederaufführung  durchaus  nur  unheimlich  auf  mich 
gewirkt  hat?  Allen  Anzeichen  nach  darf  ich  mich  für  überzeugt  halten, 
dass  auch  jetzt  noch  der  Tannhäuser  in  Dresden  keinen  rechten  und  echten 
Erfolg  gewonnen  hat:  dies  Dresden  wäre,  wenn  ich  dort  geblieben,  das 
Grab  meiner  Kunst  geworden.  In  Weimar,  Schwerin,  Breslau  und  Wies- 
baden, überall  übte  sogleich  die  erste  Vorstellung  den  Schlag  aus,  zu  dem 
es  in  Dresden  eigentlich  gar  nicht  gekommen  ist.  Ich  ahne,  dass  Dresden 
jetzt  meinem  ,Lohengrin^  schaden  könnte,  wenn  er  dort  herauskäme."  Aus 
dieser  Stimmung  heraus,  und  in  dieser  Befürchtung  ist  der  Brief  an 
Lüttichau  sogleich  auf  der  Stelle,  und  nicht  erst  nach  zweieinhalb  Monaten, 
geschrieben  worden. 

Blehard  Wagner  an  Generaldirektor  von  Lftttiehan  (XVII),  Zürich  29.  No- 
vember 1852. 

Auch  aus  diesem  eingehenden,  manches  Persönliche  berührenden 
Schreiben,  ganz  wie  aus  dessen  Vorgängern,  ausführlichere  Mitteilungen 
zu  machen,  wären  wir  hier  gern  geneigt,  wenn  nicht  der  Zufall  uns  daran 
hinderte,  dass  die  in  unserem  Besitz  befindliche  wortgetreue  Kopie  uns 
durch  augenblicklichen  Wechsel  des  Wohnortes  unerreichbar  ist.  Aus  der 
Erinnerung  heben  wir  hier  nur  den  einen  Zug  derselben  hervor,  dass  es 
nicht  allein  das  altgewohnte  Zeremoniell  der  Anrede,  sondern  in  seiner 
ganzen  Abfassung  genau  dieselbe  vertrauensvolle  Sprache  aufweist,  wie  nur 
irgend  einer  der  Dresdener  Briefe.  Von  einem  Nachtragen  der  Verirrungen, 
in  welche  die  »Exzellenz"  ihm  gegenüber,  namentlich  in  der  letzten  Zeit 
ihres  Verkehrs,  zunehmend  geraten  war,  zeigt  sich  keine  Spur;  es  setzt 
überall  nur  das  ungetrübte  Wohlwollen  voraus,  welches  ihm  Lüttichau  doch 
im  persönlichen  Verkehr,  unter  dem  unmittelbaren  Eindruck  der  bezau- 
bernden Persönlichkeit  Wagners,  häufiger  bewiesen  haben  muss,  als  es  aus 
den  Akten  und  Dokumenten  hervorgeht.  Den  gleichen  Ton  finden  wir 
auch  in  dem  letzten  Briefe  Wagners  an  Lüttichau,  aus  Venedig,  vom 
9.  Februar  1859  angeschlagen.    Hierin  handelt  es  sich  um  einen  Versuch, 


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GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


■^*- 


die  Vermittelung  seines  alten  Gönners  zugunsten  eines  milderen  Ver- 
fahrens für  seine  Ruckkehr  in  das  Königreich  Sachsen  anzurufen,  als  es 
ihm  von  dort  aus  einzig  angetragen  war:  der  König  würde,  so  hiess  es, 
n  i  e  von  der  einmal  getroffenen  Bestimmung  abgehen,  die  Begnadigung  nur 
für  solche  sich  vorzubehalten,  die  der  Untersuchung  und  Beurteilung  seiner 
Gerichte  sich  gestellt  haben  würden.  Unmöglich  konnte  er  sich,  der  in 
den  zehn  Jahren  ein  ganz  anderer  geworden,  der  längst  über  die  kurze 
Revolutionsepisode  in  seinem  Leben  hinaus  war,  nachträglich  den  Chancen 
einer  richterlichen  Untersuchung  aussetzen,  sich  ein  paar  Monate  lang 
verhören  oder  gar  als  politischen  Märtyrer  einstecken  lassen!  Wir  lassen 
die  hierauf  bezüglichen  ausführlichen  und  beredten  brieflichen  Ausführungen 
wenigstens  teilweise  folgen,  durch  eine  verkürzte  Wiedergabe  des  letzten 
an  Lüttichau  gerichteten  Briefes. 

Riehard  Wagner  an  Generaldirektor  Frelhem  Ton  Lfittleliaa  (XVIIl), 

Venedig  9.  Februar  1850. 
Excellenz 

Alle  meine  Lebentintereiten  dringen  tich  gegenwärtig  bei  mir  auf  dem  Punkte 
zutammen,  wo  ich  für  meine  fernere  Zukunft  bettimmt  Witten  mutt,  woran  ich  mit 
meinem  Schickttle  bin:  ob  ich  )e  wieder  Deuttchland  werde  betreten  dürfen,  oder  ob 
ich  ein  für  allemal  darauf  verzichten  mutt,  und  demgemätt,  towohl  für  meine  baut- 
liehe  Exittenz,  alt  für  meine  weiteren  kfinttleritchen  Unternehmungen  auf  dat  Aut« 
land  angewieten  bleibe. 

Et  dürfte  Eurer  Excellenz  vielleicht  nicht  ganz  unbekannt  geblieben  tein,  datt 
seit  länger  tchon  der  Grottherzog  von  Stchten-Weimar,  tpäter  auch  der  Grottherzog 
von  Baden  angelegentlich  bei  Sr.  Majettät  det  Königt  von  Sachten  tich  für  meine 
ttraffk'eie  Rückkehr  nach  Deuttchland  verwendet  haben.  Vor  drei  Jahren  bereite  habe 
auch  ich  telbtt  mich  unmittelbar  an  Seine  Majettät  wegen  meiner  Begnadigung  ge- 
wandt, und  vor  einem  Jahre  in  einem  Schreiben  an  Seine  Königl.  Hoheit  det  Prinzen 
Albert  mein  herzlichet  Getuch  um  gnädige  Verwendung  für  mich  gerichtet.  Ich  bin 
auf  allet  dietet  gänzlich  ohne  Betcheid  geblieben.  Datt  aber  nicht  die  mindette 
Milde  gegen  mich  eingetreten  tei,  habe  ich  toeben  wieder  zu  meiner  trturigtten  Ver- 
wunderung tut  den  Schritten  der  Königl.  Regierung,  die  Kaiterl.  ötterreichitche 
Regierung  zu  meiner  Autweitung  tut  Venedig  zu  bettlmmen,  ertehen  mütten.  Da 
ich  in  Venedig  mich  nur  um  der  Herttellung  meiner  jetzt  tehr  leidenden  Getundheit 
willen  aufhalte,  to  helfe  ich  für  dietmal,  et  werde  der  dringenden  Verwendung  meinet 
hietigen  Arztet  gelingen,  Seine  K.  K.  Hoheit  den  Generalgouvemeur  Erzherzog 
Ferdinand  Maximilian  zur  Verzögerung  meiner  Autweitung  bit  zur  wärmeren  Jahret- 
zeit  zu  vermögen.  Dennoch  fühle  ich  auch  durch  diete  Erlkhrung  letzt  mich  auf- 
gefordert, einen  letzten  Schritt  zur  Bettimmung  meiner  Lage  zu  tun.  Ich  hatte 
detbalb  im  Sinne,  mich  an  den  neu  ernannten  Königl.  Minitter  der  Juttiz  in  Dretden 
zu  wenden.  Doch  mutt  ich  fürchten,  von  ihm  doch  nur  einen  amtlich  tutgedrückteo, 
unbefriedigenden  Betcheid  zu  erhalten,  und  mehr  wie  je  hatte  ich,  diet  fiberlegend, 
inne  zu  werden,  wie  kläglich  im  Ganzen  meine  frühere  Stellung  in  Dretden  von  mir 
benutzt  worden  war,  datt  ich  jetzt  vergebene  nach  einer  ein  fluttreichen  Perton  [mich] 
UBtehen  mutt,  die  dort  mein  to  tchwer  leidendet*  Interette  vertrete.    Da  kann  Ith 


240 
DIE  MUSIK  V.  22. 


denn  nun  nicht  umhin  einzusehen,  dast,  wie  grosse  Misstimmungen  (ich  wage  zu 
behaupten:  Missverstindnisse)  auch  einst  zwischen  meinem  verehrten  Chef  und  mir 
eintraten,  dennoch  Eure  Excellenz  gewiss  nicht  ganz  aufgehört  haben,  diejenige  Teil- 
nahme mir  zu  bewahren,  die  mich  einst  zu  meiner  Dresdener  Stellung  berief,  und 
trotz  grosser  Sorgen,  die  ich  Ihnen  bereitete,  mich  meist  doch  immer  schützend  und 
freundlich  aufrecht  erhielt  Ich  ersehe  zu  meiner  grossen  Freude  auch  aus  Ihrem 
gfitigen  und  rücksichtsvollen  Benehmen  gegen  meine  Frau,  dass  Sie  mir  ebenMls 
wohl  eine  Erinnerung  bewahren,  in  der  manche  bittere  Rückempflndung  sich  wohl- 
wollend  aufgelöst  hat;  so  dass  ich  nicht  anders  kann,  als  einsehen,  wie  Eure  Excellenz 
eigentlich  gewiss  und  bestimmt  der  durch  mein  Schicksal  mir  angezeigte  letzte  Ver- 
mittler am  Dresdner  Hofe  sei,  den  ich  jetzt  nur  mit  grossem  Unrecht  umgehen  würde  (. .  .}• 
So  viel  ich  nun  in  Erfahrung  gebracht,  und  aus  Privatmitteilungen  entnehmen 
konnte,  sind  Seine  Majestit  entschlossen,  für  die  1849  flüchtig  gewordenen  Teilnehmer 
am  Dresdner  Aufstande  keine  Amnestie  eintreten  zu  lassen,  sondern  die  Begnadigung 
sich  nur  für  den  Fall  vorzubehalten,  dass  der  BetreflTende  sich  der  Untersuchung  und 
Beurteilung  der  Gerichte  gestellt  haben  werde.  Auch  mir  ist  angedeutet  worden,  dass 
ich  nur  auf  diesem  Wege  zu  meiner  Begnadigung  würde  gelangen  können.  Ich  habe 
daher  reiflich  erwogen,  ob  es  mir  ritlich  dünken  dürfte,  diesem  Verfahren  mich  zu 
unterwerfen.  Einesteils  konnte  ich  mir  sagen,  dass  unmöglich  schwere  und  besonders 
gravierende  Anklagen  gegen  mich  erhoben  werden  könnten;  einige,  im  Vertrauen  mir 
mitgeteilte  Hauptpunkte,  erkannte  ich  sofort  als  durchaus  unbegründet  und  deshalb 
unnachweisbar,  so  dass  ich  vielleicht  nicht  ohne  Hoffnung  einer  ginzlichen  Frei- 
sprechung mich  der  Untersuchung  stellen  könnte.  HItte  ich  nun  dabei  einen  Zweck 
von  entscheidender  Lebenswichtigkeit;  gilte  es,  zu  einer  Familie  wieder  zurückzu- 
kehren, in  eine  Anstellung,  oder  sonst  einen  bürgerlichen  Beruf  wieder  einzutreten, 
die  mir  nur  durch  die  Rückkehr  in  meine  spezielle  Heimat  möglich  sein  könnten, 

—  so  würde  ich  wahrscheinlich  zu  jenem  Schritte  mich  anlassen,  selbst  auf  die  Ge- 
fahr hin,  eine  kürzere  Freiheitsstrafe  noch  überstehen  zu  müssen.  Diese  hierfür 
einzig  entscheidende  Rücksicht  kann  aber  bei  mir  nicht  stattfinden.  Nach  einer 
zehnjihrigen  Verbannung  und  ^nzlichen  Entfernung  aus  meinem  künstlerisch-prakti- 
schen Wirkungskreise  kann  mir  die  Rückkehr  in  einen  solchen,  selbst  wenn  er  mir 
geboten  wire,  nicht  mehr  wünschenswert  erscheinen.  War  von  jeher  meine  Gesund- 
heit sehr  reizbar  und  zu  höchst  scbidlichen  Oberanstrengungen  geneigt,  so  ist  dies 
jetzt  in  einem  sehr  erhöhten  Grade  der  Fall.  Durch  eine  feste  Anstellung  mit  stindiger 
Funktion  meine  bürgerliche  Lage  zu  verbessern,  kann  mir  nicht  mehr  in  den  Sinn 
kommen;  sie  würde  in  Kurzem  mein  Tod  sein.  Alles,  was  ich  mir  bei  der  Rückkehr 
nach.  Deutschland  als  wünschenswert  vorstellen  kann,  wire  lediglich  die  Möglichkeit, 
an  einzelnen  bedeutenden  Theatern,  in  sehr  seltenen  FiUen,  erste  Aufführungen  meiner 
Opern  selbst  zu  überwachen.  Ich  gestehe,  dass  diese  Möglichkeit,  wenn  sie  mir  ge- 
boten würde,  sehr  wohltitig  auf  mich  und  meine  fernere  Arbeitslust  wirken  müsste. 

—  Doch  rit  mir  meine  Erfahrung,  auch  hierin  behutaam  zu  sein,  und,  in  Betracht 
der  meist  sehr  ungenügenden  Beschaffenheit  der  deutschen  Opempersonale,  mir  beim 
periodischen  Befassen  mit  dem  Einstudieren  meiner  Opern  genau  nicht  mehr  Er^ 
frischung  und  Genugtuung  zu  versprechen,  als  andererseits  durch  Ärger,  Kummer 
und  Oberanstrengung  Verschlimmerung  meiner  Leiden  entstehen  könnte.  Ja,  meine 
Empfindlichkeit  in  der  Berührung  mit  der  Theaterwelt  hat  sich,  wie  ich  aus  einzelnen 
Wahrnehmungen  entnehmen  konnte,  durch  meine  zehnjihrige  ginzliche  Zurück« 
gezogenheit  ganz  in  dem  Masse  gesteigert  als  meine  Anforderungen  immer  feiner, 
geistiger  und  idealer  geworden  sind. 


241 

GLASENAPP:  WAGNERS  BRIEFE  AN  LOTTICHAU 


Ebea  diese  Geistetstimmnnt,  die  andrerseits  sieb  auf  eine  uogemein  sensibel 
gewordene  nervöse  BeschsUbntaeit  meiner  Gesundheit  grfindet,  liest  mich  nun  sucb 
ernstlich  erwlgen,  ob  ich  nicht  eine  höchst  nachteilige  RQcksichtslosigkeit  gegen 
meinen  leidenden  Zustand  begehen  würde,  wenn  ich  mich  den  jedenfalls  sehr  auf- 
regenden und  mehr  als  peinigenden  Chancen  einer  gerichtlichen  Untersuchung,  mit 
irgend  welchem  (f&r  mich  unmittelbar  schidlichem)  Freiiieitsentzug  aussetzen  wollte. 
Venn  ich  mir  sage,  letzt,  nach  zehn  Jahren,  in  denen  ich  meine  Ansichten  so  ginzlich 
gelndert  habe,  dass  ich  in  politischem  Bezug  gar  nicht  mehr  als  derselbe  Mensch  an- 
zusehen  bin;  jetzt,  wo  Jene  unglfickselig  aufgeregte  Zeit  wie  ein  verwirrtes,  durchaus 
unkenntlich  gewordenes  Traumbild  mir  vorschwebt,  zu  dem  ich  nur  verwunderungsvoll 
den  Kopf  schfitteln  kann;  jetzt  also  — sollte  ich  mich  einer  monatelangen  Untersuchung 
aussetzen,  langen,  peinlichen  Verhören  über  Dinge,  die  mir  nur  noch  wie  Schatten  gegen- 
wirtig  sind,  und  in  denen  ich  doch  mit  juristischer  Genauigkeit  mich  zu  verhalten  bitte, 
endlich  noch  Konfrontationen  mit  jedem  Beliebigen,  der  in  jener  Zeit  etwas  Ver- 
fingliches  habe  an  mir  beobachten  wollen,  unterziehen,  —  immerhin  noch  in  der 
Sorge,  für  irgend  eine  damals  begangene,  lingst  bereute  Torheit,  in  Strafe  und  Haft 
zu  verfallen:  —  so  kann  ich  nicht  anders,  als  diesen  Weg  zu  meiner  Begnadigung, 
aus  der  Natur  der  Dinge  und  ihrer  Rückwirkung  auf  meine  leidende  Gesundheit,  für 
nicht  existierend  zu  erkennen. 

Von  meiner  geistigen  und  physischen  Schonung  hingt  es  ab,  ob  ich  noch  eine 
Reihe  von  Kunstwerken,  zu  denen  die  Entwürfe  in  mir  leben,  vollenden  und  der 
Welt  zum  Eigentum  werde  fibergeben  können;  diese  Rücksicht,  die  ich  mit  einigem 
Selbstgefühle  nach  meinen  künstlerischen  Erfolgen  jetzt  zu  nehmen  habe,  gebietet 
mir,  bestimmt  und  entschieden  —  ich  erklire  Eurer  Excellenz  dies  hiermit  —  von 
dem  Versuche,  auf  dem  angedeuteten  Wege  meine  Begnadigung  zu  erwerben,  abzu- 
sehen. — -  Ich  bitte  demnach  herzlich  zu  beklagen,  wenn  ich  denn  nun  einmal  solch 
eine  Unbesonnenheit,  wie  1849,  begehen  musste,  dies  nicht  als  badischer,  öster- 
reichischer, wohl  selbst  russischer  Untertan«  in  Baden,  Österreich  oder  Russland 
begangen  zu  haben,  weil  ich  dann  derselben  Milde  teilhaftig  geworden  sein  würde, 
welche  dort  allen  denen,  die  mit  mir  im  ganz  gleichen  Falle  waren,  auf  dem  Wege 
gnidiger  Niederschlagung  der  gegen  sie  eingeleiteten  Untersuchungen,  bereits  lingst 
straffireie  Rückkehr  in  ihr  Vaterland  gewihrt  hat. 

Sehe  ich  durch  diese  mir  notwendige  Erklirung  den  für  jetzt  einzig  mir  offen 
stehenden  Weg  zur  Rückkehr  nach  Deutschland  mir  verschlossen,  so  will  ich  doch 
den  Gedanken,  ein  für  allemal  aus  meinem  Vaterlande,  dem  ich  durch  meine  Kunst 
bestimmter  als  je  ein  anderer  Künstler  angehöre,  verbannt,  und  für  Leben  und  Kunst 
femer  einzig  suf  das  Ausland  angewiesen  zu  sein,  nicht  eher  als  für  meine  definitiven 
Entschlüsse  massgebend  ansehen,  als  bis  ich  mich  aus  der  Mitteilung  Eurer  Excellenz, 
um  die  ich  Sie  hiermit  herzlichst  angehe,  die  Notwendigkeit  eines  solchen  Entschlusses 
als  unabweisbar  erkannt  habe  (. . . .).  Fillt  daher  von  jener  Seite  gar  nichts  in  meine 
Wagsetaale,  so  müsste  ich,  wenn  auch  mit  Kummer,  mich  doch  zu  resignieren  wissen. 
Dann  bitte  ich  ganz  und  entschieden  dem  Auslande  allein  nur  noch  anzugehören; 
es  wfirde  mir  wehmütig  sein,  die  Schwierigkeiten  der  Sprache  für  meine  dramatischen 
Werke  überwinden  zu  sollen,  doch  müsste  mir  hierbei  eine  wohl  nicht  ganz  ungerecht- 
fertigte Bitterkeit  nach  Möglichkeit  helfen.  Zur  besonderen  Genugtuung  würde  es 
mir  aber  gereichen,  dass  ich  nicht  selbst  die  Klage  über  die  mir  widerfahrene  harte 
Behandlung  zu  führen  bitte;  —  stumm,  aber  doch  laut  genug  würde  meine  Grab- 
schrift sie  der  Welt  melden. 


242 
DIE  MUSIK  V.  22. 


Wie  dem  nun  sein  werde,  so  fable  ich  mich  jetzt  herzlich  erleichtert,  nachdem 
ich  meinem  ersten,  einst  so  freundlichen,  und  jetzt  gewiss  mir  nicht  plötzlich  ent- 
fremdeten Wohltäter  mich  mitgeteilt,  und  Eurer  Excellenz  es  anheimgegeben  habe, 
in  welcher  Weise  es  Ihnen  gut  dünlst,  einen  letzten  entscheidenden  Versuch  für  eine 
Bestimmung  meines  Schicksales  zu  unternehmen.  Ich  erwarte  Ihre  geneigte  Antwort 
in  dem  Sinne,  dass  ich  davon  ein  für  allemal  es  abhingen  lasse,  ob  ich  je  wieder 
nach  Deutschland  zurückkehre,  oder  nicht.  Möge  Gott  Ihr  Herz  und  Ihre  Schritte 
lenken,  da  ich  an  Ihrer  Weisheit  nicht  zu  zweifeln  habel 

Auf  dieses,  die  Situation  des  verbannten  Meisters  in  erschöpfender 
Weise  darlegende  Dokument  mit  seiner  hinreissend  warmen  Herzens-  und 
Geistesberedsamkeit  ist  uns  —  ausnahmsweise  —  auch  die  Antwort 
Lüttichaus  erhalten.  Er  hat  sie  eigenhändig  an  die  Spitze  des  Briefes 
gesetzt;  sie  trägt  in  ziemlich  umgehender  Erledigung  das  Datum:  «Dresden, 
d.  16.  Februar  1859". 

Ihre  Zuschrift  vom  9.  d.  M.  habe  ich  am  14.  erhalten  und  verfehle  nicht,  Ihnen 
darauf  zu  erwidern,  dass  es  nicht  in  meiner  Stellung  liegt,  auf  Ihre  Begnadigung  hin 
mit  Erfolg  einwirken  zu  können,  indem  das  einmal  festgestellte  Prinzip,  dass  der 
Betreffende  sich  der  Untersuchung  und  Beurteilung  der  Gerichte  vorerst  zu  stellen 
habe,  was  Sie  entschieden  ablehnen,  der  Konsequenz  wegen  wohl  nicht  umgangen 
werden  kann  und  wird,  daher  Ihnen  überlassen  bleibt,  sich  selbst  unmittelbar  an 
S.  Maj.  d.  König  zu  wenden.  Carl  v.  Lüttichau 

Das  war  Alles.  Kein  Ton  persönlicher  Anhänglichkeit  spricht  aus 
diesen  Zeilen.  Auch  hier  war  Wagner,  wie  überall  und  immer,  aus  der 
Fülle  seiner  menschlichen  Natur  heraus  der  reicher  und  grossmfitiger 
Spendende  gewesen.  Man  würde  sich  auch  vergeblich  bemühen,  zwischen 
diesen  Zeilen,  kurz  und  offiziell,  wie  sie  gehalten  sind,  etwas  von  Lüttichaus 
wahren  und  tieferen  Empfindungen  für  den  ihm  einst  unterstellten  schöpfe- 
rischen  Genius  herauslesen  zu  wollen.  Sie  sind  darin  nicht  enthalten. 
Doch  dürfte  man  ihm  vielleicht  unrecht  tun,  sie  auch  in  seinem  Inneren, 
seiner  Erinnerung,  als  nicht  vorhanden  zu  betrachten.  Aus  den  eigenen 
Erinnerungen  Wagners  spricht  manches  dagegen.  Wir  können  hierfür  nur 
abermals  auf  die  ausführlichere  Charakterschilderung  Lüttichaus  in  unserer 
Biographie  des  Meisters  (Leben  Wagners  II,  S.  9/10)  verweisen.  Die  Un^ 
zulänglichkeit  seiner  Bildung,  der  Mangel  jedes  spezifischen  Kunst- 
verständnisses gaben  ihm  der  überlegenen  Künstlerpersönlichkeit  gegenüber 
wiederholt  jene  äusserlich  schroffe  ablehnende  Haltung,  der  seine  wahre 
Empfindung  offenbar  nicht  immer  entsprach.  Es  scheint,  er  habe  diese  im 
Verkehr  mit  Wagner  immer  zurückgehalten,  bis  auf  die  wenigen  Fälle, 
wo  sie  —  selten,  aber  von  dem  jungen  Meister  wohl  verstanden  —  von 
Person  zu  Person  sich  äusserte.  Vielleicht  hätte  sich  dies  auch  an  einem 
anderen  als  gerade  dem  sächsischen  Hofe  etwas  anders  gestaltet?  Von  der 
Feindseligkeit,  welche  sich   nach   den  Maiereignissen   und  nach  Wagners 


^3^=^       GLASENAPP:  VAGNERS  BRIEFE  AN  LOtTICHAU       TT^p^^ 

Entfernuag  «us  Dresden  der  Hofkreise,  namentlich  in  einigen  Familien  des 
höheren  sächsischen  Adels  gegen  ihn  bemächtigt  hatte,  macht  man  sich 
schwer  einen  BegrifF,  wenn  man  dies  nicht  —  direkt  oder  Indirekt  —  mit 
erlebt  bat,  wie  es  dem  Verfasser  noch  in  der  Mitte  der  sechziger  Jahre  zu 
seinem  Erstaunen  sich  aufdrängte.  Hier  hätte  Lüttichau  mit  einer  welter- 
gebenden Sympathiebezeigung  für  den  verbannten  Künstler  einen  ganz 
ausserordentlich  schwierigen  Stand  gehabt.  Vielleicht  ist  demnach,  nächst 
seiner  büreaukratiscben  Kargheit  in  schriftlichen  Mitteilungen,  das  Einzige, 
was  man  zwischen  den  Zeilen  seines  Antwortschreibens  vom  16.  Februar 
1859  herauszulesen  sich  berechtigt  halten  darf,  etwas  von  dieser,  ihm  durch 
seine  Umgebung  aufgenötigten  Zurückhaltung?? 

Mit  diesem  Schreiben  schliessen  die  brieflichen  Beziehungen  zwischen 
Richard  Wagner  und  seinem  Dresdener  Intendanten.  Es  sind  im  ganzen 
18  Briefe,  die  uns  teils  vorliegen,  teils  in  ihrer  Existenz  nachweisbar  sind. 
Vielleicht,  dass  sie  sich  mit  der  Zeit,  wenigstens  Für  einige  Jahre  der 
Dresdener  Periode,  noch  durch  bisher  unaufgefundene  Schriftstücke  er- 
gänzen werden. 

Wagners  Rückkehr  nach  Sachsen  Im  Jahre  1862  hat  Lüttichau  nicht 
mehr  erlebt. 


BAYREUTH  1906 

von  Dr.  Carl  Hsgemann-Essen 


Ib  itehl  Im  Zeichen  der  Jublllen.  Heuer  erklingen  die  Fanhren  aaf 
gllcbllcben  HGgel"  im  drei»ic>ten  Jalire,  wobei  gleicbieiilK  der  »RIok" 
Utesier  Bayreutber  unter  des  Meillers  Dramen  aelnen  dreiulgitea 
enlber  Geburtstaf  und  damit  aeinen  drei>sic>ten  Geburtatag  fiberhanpt 
-.^.ben  darf.  Und  im  nicbaten  Sommer,  wo  wieder  gespielt  werden  aotl, 
trinder.Psrsirtl'  ■—  Bayrentbs  Lieblings- und  Scbmerzenakind:  aeln  letitgeborener,'Ton 
treuen  PDegem  iogatlich  beb  Steter  Sproas  —  In  das  iweltejabrbundertvlertel  eines  knnst* 
froben  Daaelns  ein.  Von  Freunden  Tagnerseber  Kunst  Ist  nun  angeregt  worden  (mit 
grossem  Recht,  wie  mir  scbetnt),  des  Melstera  elnilgartlges,  so  gani  abseits  von  allem 
übrigen  Opemscbalfeo  siebendes  dramatisches  Mysterium  zu  diesen  Feiertsgen  in  einem 
neuen,  durchaus  stilvollen  und  In  einem  die  bedeuliamen  Errungenschaften  modemer 
B&hnenkunat  mit  vollem  Bewusstseln  susnQtzenden  dekorativen  Gewände  zu  selgen 
—  Ibm  alle  die  achlagkriftigen,  bfibnen künstlerischen  Terte  sngedelben  zu  lassen,  die  snr 
Freude  der  Kulturmenschbelt  in  fünfundzwanzig  regsamen  Jahren  eines  gesteigerten 
Portscbritta  erprobt  und  anderorten  auf  deutschen  Schsubrettem  lingst  als  stindige 
Einriebtangen  zu  genleisen  sind,  die  man  iafolgedessen  nun  aber  auch  im  Brennpunkt 
des  europliicben  Operntheatera,  in  Bayreuth,  nicht  mehr  missen  mOchte.  Man  erwartet, 
dass  die  Torte,  die  der  SchOpfer  des  „Parslfsl'  einstens  Im  Schosse  Tahnfrieds  zn 
adnen  ausübenden  Künstlern  sprach,  vor  allen  anderen  gerade  hier  und  nicht  luleU 
für  die  Darstellung  seines  Schwsnengesangea  beherzigt  werden:  aKinder!  macht  NenesI 
Neues  und  abermal  Neuesl  Hingt  Ihr  euch  ans  Alte,  so  hat  euch  der  Teufel  der 
UaproduktlTlIit  ond  ihr  aeld  die  traurigsten  Künstler  . . .' 

Im  ganzen  wire  eine  vollstindlge  Neubeschaffung  der  Dekorationen  und  der 
Kostüme  dringend  notwendig.  Dass  die  Biyreother  In  dieser  Hinsicht  sehr  wohl 
wissen,  worauf  es  snkommr,  zeigen  einige  neue  Szenenbilder  des  .Ringes',  die  Im 
Lautto  der  lettten  Jahre  neu  gestellt  wurden  und  das  Entzücken  Jedes  Kenners  erregen: 
I.  B.  die  durchaus  plastisch  durchgebildete  Sde  FelshShe  des  zweiten  TalkÜrenalclea 
und  Jetzt  vor  allem  auch  die  alimmungsatarke,  maleriscb  wnnderbar  fein  empfundene 
Taldazenerie  im  „Siegfried*,  in  die  hinein  sich  dann  der  ganze  Nuancenreicbinm  des 
ausgezeichneten  und  susgezeichnet  gehsndbabten  Bayreutber  Beleuch tu ngaap parates 
ergiesst.  Im  elnielnen  taiite  sieb  die  Phantasie  Irgend  eines  grossen  Künstlen  als- 
dann mit  dem  dekorailons malerischen  Problem  des  Blumengartens  zu  bescbifUgen, 
der  mitssmt  seinen  lebenden  Blumen  fürderhln  nicht  mehr  wie  bisher  gezeigt  werden 
kann.  Hat  man  alsdann  die  gleissenden  Verführerinnen  einmal  anders  angezogen  nnd 
ihrem  teuflischen  Getue  einen  wollüstigeren  Rshmen  gegeben,  so  wird  es  der  aus- 
gezeichneten  Bayreutber  Massenregie,  der  wir  Js  den  berühmten  zweiten  Tannhluser- 
Akt,  daa  erste  Loben grin -Fi aale  und  die  Meiatersinger- Festwiese  denken,  nicht  schwer 
werden,  dss  entzückende  lyrische  Tsnzintermezto  der  Parslhlparlliar  In  die  ausglebiga 
azenlscbe  Erscbelnungsfünn  umzusetzen. 


245 
HAGEMANN:  BAYREUTH  1006 


Wie  weit  mmn  in  WahnfHed  diesen  beute  ganz  allgemeinen  Wfinachen  nach- 
kommen  wird,  bleibt  abzuwarten.  Jedenfalls  dfirfte  es  das  beste  Mittel  sein,  um  den 
.Parsilkl'  als  Bayreutber  Vermicbtnis  zu  erhalten,  wenn  man  ihn  jetzt  zum  Jubilium 
in  insserer  und  innerer  Vollendung  neu  erstehen  Hesse. 

Sehr  sinnig  mutet  es  an,  dass  man  zum  Geleit  des  JubUlums*j,Parsilal'  den 
»Lobengrin*  erkoren  hat.  Vielleicht  Hast  man  die  Reihe  der  Aufführungen  im  nJtohsten 
Sommer  einmal  mit  dem  »Parsifal*  beginnen,  um  alsdann  den  »Lohengrin*  unmittelbar 
daran  anschliessen  zu  können.  Es  wfirde  ungemein  reizvoll  sein,  die  beiden  Grals«* 
dramen  einmal  unmittelbar  hintereinander  geniessen  zu  können. 

Die  »Parsifal'-AuffQhrung  stand  unter  dem  Stern  einer  neuen  Bayreuther  Jugend. 
Alois  Hadwiger,  ein  junger  Singer  aus  Graz,  der  vor  Jahren  von  Siegfried  Wagner 
entdeckt  und  der  Bayreuther  Singschule  übergeben  worden  war,  versuchte  sich  in 
der  Titelrolle  und  betrat  damit  überhaupt  zum  ersten  Male  mit  einer  grösseren  Auf- 
gabe die  Bühne,  denn  sein  Froh  des  Jahres  1004  hatte  zu  irgend  einem  abschliessenden 
Urteil  noch  keine  Gelegenheit  gegeben.  Inzwischen  war  man  fleissig  um  ihn  bemüht 
gewesen,  so  dass  man  es  wagen  durfte,  den  Neuling  für  den  indisponierten  Schmedes 
als  Parsifkl  hinauszustellen.  Einen  in  Wuchs,  Aussehen  und  Haltung  prächtigeren 
Heldenknaben  als  diesen  sahen  die  Festspielgäste  bisher  wohl  kaum.  Hadwiger  bringt 
in  seinem  Äusseren  schlechterdings  alles  für  die  Partie  mit  und  weiss  so  mit  dem 
ersten  Auftreten  gleich  die  volle  Illusion  zu  schaffen,  was  man  bekanntlich  nicht  von 
allen  Parsifalvertretem  der  nun  ablaufenden  fünfundzwanzig  Jahre  behaupten  kann. 
Gesanglich  zwar  ist  er  noch  nicht  fertig.  Die  Stimme  sitzt  noch  nicht  einwandfrei 
und  der  Ton  wird  vielfach  noch  zu  gaumig  gebildet  Auch  fehlt  dem  Organ  noch 
die  rechte  Durchschlagskraft,  um  beispielsweise  daa  berühmte  »Amfortas'  im  zweiten 
Akt  mit  der  nötigen  Erschütterung  hinausbringen  zu  können.  Auch  worden  die  Stellen 
des  geläuterten  Parsifal  noch  einer  ausgiebigen  Durchfeilung  bedürfen.  Der  dritte  Akt 
wurde  in  Bayreuth  schon  würdiger,  hoheitsvoller  gezeigt.  Interessant  war  die  Kundry 
der  Frau  Leffler-Burckard  aus  Wiesbaden,  die  alle  Phasen  dieser  eminent 
schwierigen  Aufgabe  mit  grosser  Deutlichkeit  des  Ausdrucks  zu  nehmen  wusste.  Ihre 
umfangreiche,  gut  gebildete  und  auch  hinreichend  machtvolle  Stimme  gibt  leicht  und 
willig  alles  her,  was  diese  anspruchsvolle,  rätselreiche  Partie  fordert.  Vielleicht  gab 
die  Künstlerin  in  den  Verführungsszenen  des  zweiten  Aufzuges  ein  wenig  zu  viel  an 
psychologischer  Ausdeutung  im  Mimisch-Gestischen.  Der  Parsifalstii,  wie  er  auf  dem 
Hügel  festgel^alten  wird,  scheint  mir  vor  allem  ein  Betonen  der  durchgehenden  grossen 
Linie  zu  bedingen  und  auf  eine  Vereinfachung  des  darstellerischen  Apparates  hin- 
zuweisen. Auch  Herr  Berger  (Berlin)  als  Amfortas  konnte  im  ganzen  wohl  gefallen, 
wenn  die  ganze  Leistung  immerhin  auch  noch  entwicklungsfähig  ist.  Er  hatte  eine 
sehr  gute  Maske  gemacht  und  verstand  zu  singen.  Vom  Stamme  der  Alten  war  dazu 
Paul  Knüpfe r-Gurnemanz  zur  Freude  aller  ständigen  Festspielbesucher  geblieben, 
der  in  dieser  Partie  mit  Felix  von  Kraus,  dem  erklärten-  Liebling  des  Hauses 
Wahnfried,  abzuwechseln  hat.  Für  diese  seine  wahrhaft  grosszügig-erhabene,  meistert 
liehe  Stilleistung  ist  kein  Lob  gross  genug.  Er  führte  uns  an  diesem  Abend  mehrfach 
auf  die  höchsten  Höhen  modemer  Kunstübung,  wozu  aber  immer  noch  allein  Bayreuth 
mit  seinen  einzigartigen  Spielbedingungen  die  Möglichkeit  bietet.  So  war  denn  die 
Parsifalaufführung,  die  Muck  mit  gewohnter  Präzision  dirigierte,  von  edler  Weihe 
getragen.  Und  da  auch  die  Chöre  unter  dem  Berliner  Chormeister  Rudel  von  ihrer 
Klangachönheit  und  Sicherheit  nichts  verloren  hatten,  so  konnte  der  diesjährige  erste 
Parsifalabend  den  Vergleich  mit  früheren  wohl  aushalten.  Hoffientlich  weias  man  das 
Erbe,  das  Kniesoi  jahrzehntelang  mit  zäher  Aufopferung  zu  wahren  verstand,  in  Bayreuth 


246 
DIE  MUSIK  V.  22. 


auch  feraer  zu  hüten  und  zu  hegen.  War  dieser  echte  deutsche  Mann  auch  kein 
Höhenffihrer  im  Reiche  der  neueren  tragischen  Bühne  für  das  musikalische  Drmma, 
so  darf  ihm  doch  seine  unermüdliche  Pionierarbeit,  die  Unerbittlichkeit  seines  Willens 
im  Dienste  notwendiger  und  wichtiger  Einzelheiten  jetzt  nach  seinem  Tode  nicht  gp" 
schmilert  werden.  Es  bedarf  bei  einem  so  riesenhaften  Ganzen,  wie  es  die  stilirolle 
Aufführung  eines  Wagnerschen  Dramas  doch  darstellt,  auch  Grosser  im  KleindiensC 
Und  wohl  uns,  dass  es  solche  Menschen  und  Künstler  gibt  -^  dass  es  sie  in  Bayreutb 
gab  und  hoffentlich  auch  fürder  geben  wird.  JedenMls  sollte  Knieses  Name  bier 
nicht  fehlen,  wenn  ihn  das  offizielle  Verzeichnis  der  Festspiele  auch  nicht  mehr  als 
Chef  der  Bühnenleitung  aufweist. 


Zusammen  mit  dem  »Parsifal*  und  dem  »Ring*  gab  es  auch  diesmal  wieder, 
wie  in  den  letzten  Jahren  üblich,  eine  Neuinszenierung  —  besser  eine  Neuein- 
studierung. Es  lag  nahe,  dazu  den  »Tristan*  zu  wlhlen.  Nicht  nur,  dass  dieses  fQr 
viele  Kunstfreunde  bedeutsamste  Werk  des  Meisters  llngere  Zeit  in  Bayreuth  nicht 
zu  sehen  und  zu  hören  war  —  das  wundervolle  Wesendonk-Buch,  dem  wir  nun- 
mehr die  tiefsten  Einblicke  in  die  seelischen  Vorbedingungen  des  Liebesdramas,  in 
sein  Wachsen,  Werden  und  Vollenden  danken,  hatte  wohl  in  vielen  den  glühenden 
Wunsch  geweckt,  dass  Wagners  Hohelied  vom  Manne  und  Weibe  einmal  wieder  an 
geweihter  Stitte  in  denkbarster  Vollendung  erstehen  und  damit  nicht  nur  allen  Lieb- 
habern höchster  Kunst  ein  weit  nachhallender  Genuas,  sondern  der  Muse  dieses 
Dramas,  jener  holden  Frau  der  Züricher  Monde,  ein  würdiges  Denkmal  gesetzt 
werden  möchte.  Und  so  sah  man  denn  diesem  Ereignis  allseitig  mit  grösster 
Spannung  und  auch  naturgemiss  mit  den  gesteigertsten  Ansprüchen  entgegen.  Bay- 
reuth musste  hier  nun  doch  —  so  meinte  man  —  zu  einer  unerhört  grossen  Tat 
ausholen.  Verlangt  doch  gerade  der  »Tristan*  neben  dem  »Parsifal*  am  dringendsten, 
unerbittlichsten  nach  der  Festspielbühne,  nach  Festspielstimmung.  Und  so  kann  es 
denn  immerhin  nicht  wunder  nehmen,  dass  es  für  viele  besonders  Anspruchsvolle 
eine  kleine  Enttiuschung  gab,  als  die  alten  Dekorationen  des  1802er  »Tristan*  ohne 
die  geringste  'Änderung  und  Auffrischung  wieder  zum  Vorschein  kamen.  Dieser 
Rahmen  der  letzten  Tristan-Periode  ist  ja  ohne  Zweifel  in  der  Hauptsache  recht 
schön  und  vermag  den  Verlauf  des  Stückes  in  keinem  Falle  zu  stören.  Wie  fein 
abgestimmt  sind  z.  B.  die  tiefblauen  und  tiefroten  Töne  des  zeltartigen  Gemaches  im 
ersten  Aufzuge  und  wie  echt  und  günstig  nehmen  sich '  durchweg  die  dabei  sehr 
geschmackvoll  durchgebildeten  Kostüme  aus.  Ob  man  aber  nicht  doch  erwarten 
durfte,  dass  bei  dieser  Gelegenheit  in  Bayreuth  die  Lösung  des  dekorativen  Problems 
im  ersten  Akt  hStte  versucht  werden  müssen,  das  doch  heute  mit  dem  riesenhaften, 
die  ganze  Bühne  einnehmenden  Zeltzimmer  noch  keineswegs  gelöst  ist  —  dass  femer 
der  Schlussaufzug  einmal  auch  im  Dekorativen  schon  in  der  ganzen  trostlosen  Öde, 
wie  sie  die  traurige  Hirtenweise  so  unnachahmlich  zu  malen  weiss,  gezeigt  würdet 
Dies  muss  also  vorläufig  noch  ein  frommer  Wunsch  bleiben,  dem  hoffentlich  einer 
der  nlchsten  Festspielsommer  die  Erfüllung  bringt.  Sonst  kann  man  beim  »Tristan* 
eigentlich  nur  loben.  Die  Leistung  des  Orchesters  unter  Mottl  war  so,  wie  man 
sie  erwarten  durfte:  gross,  glänzend  und  stellenweise  sphärenhaft-schön.  Dass  dieser 
prachtvolle  Künstler  wieder  an  der  Wagnerstitte  zur  Mitarbeit  berufen  wurde,  soll 
den  Bayreuthem  ganz  besonders  gedankt  werden.  Marie  Wittich  gibt  sich  als 
Isolde  im  rein  Darstellerischen  noch  nicht  frei  genug.  Sie  klebt  noch  ein  wenig  an 
all  den  vielen,  für  sich  ja  trefflichen  Einzelheiten,  die  man  ihr  in  Wahnfried  zur 


247 

HAGEMANN:  BAYREUTH  1906 


Beobachtung  empfohlen  hat.  Es  fehlt  noch  in  etwas  die  grosse  Linie  und  die  Selbst- 
verstindlichkeit  im  künstlerischen  Wollen,  wie  sie  z.  B.  die  darstellerisch  einzige 
Brünnhilde  der  Gulbranson  aufweist.  Gesanglich  aber  war  die  Leistung  von  aus- 
gereifter Schönheit  und  in  ihrer  Gesamtwirkung  kaum  zu  überbieten.  Dasselbe  gilt 
auch  für  die  Brangine  der  Fleischer-Edel,  die  mit  dieser  Aufgabe  künstlerisch  wohl 
nicht  ganz  so  hoch  stieg,  wie  beim  vorigen  Male  mit  der  verblüffenden  Darstellung 
der  Elisabeth  im  »Tannhtuser*  —  die  aber  dennoch  grosse  Erwartungen  einzulösen 
verstand.  Die  geschlossenste,  fiberwiltigendste  Leistung  des  Tristanabends,  vielleicht 
des  ganzen  ersten  Cyklus  überhaupt,  bot  aber  Dr.  Alfred  von  Bary  als  Tristan. 
In  ihm  hat  Bayreuth  offenbar  eine  ganz  grosse  Künstlernatur  entdeckt  und,  wie  es 
jetzt  deutlich  wurde,  bereits  zu  einer  weit  fortgeschrittenen  Künstlerschaft  heran- 
gebildet. In  ihm  scheinen  sich  zwingende  intuitive  Schöpferkraft  und  grosse,  das 
Kunstwerk  im  ganzen  und  einzelnen  bis  ins  letzte  und  kleinste  durchdringende 
Intelligenz  zu  paaren.  Dazu  verfügt  der  Künstler  über  ein  sinnlich  schönes,  aus- 
drucksvolles Organ,  das  in  der  Tiefe  und  Mittellage  schon  nahezu  ganz  wunschlos 
llsst  und  nur  in  der  Höhe  noch  der  letzten  klanglichen  Vollendung  bedarf.  So 
wurden  die  Szenen  auf  dem  Schmerzenslager  im  dritten  Akt  zu  einer  ergreifenden 
Offenbarung.  Man  darf  es  nunmehr  sagen:  von  Alfred  von  Bary  kann  uns  noch  einmal 
des  Grossen  Grösstes  gewiesen  werden.  Walter  Soomer  als  Kurwenal  hatte  mit 
einer  leichten  Indisposition  zu  klmpfen,  so  dass  die  allem  Anschein  nach  mächtige 
Stimme  nicht  zu  voller  Entfaltung  kommen  konnte.  Herrlich  dagegen  sang  Felix 
von  Kraus  den  Marke  -  Monolog.  Er  ist  doch  der  Meistersinger  der  modernen 
deutschen  Gesangschule. 


Die  erste  »Ring'-Aufführung  wurde  wesentlich  von  den  llngst  bekannten  Leistungen 
der  alten  Bayreuth-Garde  getragen.  Hans  Richter  sass  am  Pult:  wie  immer  als  ein 
Klangzauberer  grossen  Stils,  geliutertsten  Geschmacks  —  als  Wahrer  und  Förderer 
der  guten  alten  Tradition,  die  nun  doch  einmal  kein  leerer  Wahn  ist  —  als  nach- 
schaifender  Baumeister  des  gewaltigen  Tragödiengebftudes.  Als  Erda  und  Waltraute 
war  uns  Ernestine  Schumann-Heink  zurückgekehrt,  die  sich  mit  ihrer  pompösen 
Künstlerschaft  schnell  wieder  in  die  grossen  gesanglich-darstellerischen  Stilaufgaben 
hineinfand.  Den  Wotan  gab  auch  diesmal  Bertram,  der  ebenso  wie  Ernst  Kraus 
(SiegfHed)  die  Bayreuther  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  Hast,  um  verschiedene 
Scharten  der  voraufgegangenen  Winter  auszuwetzen.  Beide  Künstler  boten  ihr  bestes 
auf:  und  da  gab  es  eben  etwas  ganz  grosses.  Zur  Seite  stellten  sich  ihnen  auch  in 
diesem  Jahre  wieder  Hans  Breuer,  der  prichtige  Mime,  Ellen  Gulbranson  als 
grosszügige  Walküre,  Frau  Reuss-Belce  als  hoheitsvoll  zürnende  Göttermutter  und 
nicht  zuletzt  Dr.  Briesemeister,  der  unübertreffliche  Loge.  Die  jüngeren  Krifke: 
u.  a.  die  Herren  Soomer  (Donner),  Hadwiger  (Froh),  Corvinus  und  Braun 
(Riesen),  Berger  (Günther),  Hinckley  (Hagen),  Peter  Cornelius  (Siegmund)  und 
die  Damen  Feuge-Gleiss  (Preis),  Rüsche-Endorf(Gtttrune),von  Kraus-Osborne, 
Hempel,  sorgten  für  ein  abgerundetes  Ensemble.  Nicht  so  recht  am  Platze  war 
der  Hamburger  Dawison  als  Alberich.  Ihm  fehlte  im  Spiel  und  Gesang  die  un- 
geheure Dimonik,  die  diesen  stets  verneinenden  Zwergengeist  auszeichnet.  Die 
Abfolge  der  teilweise  herrlichen  Szenenbilder  mit  ihren  Wolkengefügen  und  Be- 
leuchtungsphinomenen  Hess  unter  Meister  Kranichs  Leitung  auch  diesmal  wieder 
nichts  zu  wünschen. 


BÜCHER 


170.  Karl  Kflffiier:  Die  Musik  In  ihrer  Bedeutung  und  Siellunc  an  den 
MitlelschuleD.  Verlag:  Chr.  Fr.  Vleweg,  Berlin-Gr.  LichterMde. 
Gewisse  Fragen  liegen  In  der  Luft  und  heischen  baldige  Lfiaung.  Auf  dem  Unter 
rlchtsgeblete  bescfaiftlgt  die  Pflege  des  Gesangunterrichts  an  den  bSheren  Knalienschuiea 
gegenwlnig  die  weitesten  Kreise;  der  letite  Künsten lebungstag  zu  Hamburg,  der  musik- 
pidagogiscbe  Kongress  in  Berlin  und  der  18.  deutsche  evsngel.  Kirchen geaangverelnatag 
au  Rothenburg  o/T.  (Leipilg,  Breitkopf  &  Hlrtcl)  beacblFtlgten  aich  mit  dem  Gegenstsnd; 
vor  Jahresfrist  ersuchte  mich  Professor  L.  Freytag-Berlln  um  eine  dlestwtDgliche  Ab- 
handlung rCr  seine  Zeitschrift.  KQtfner  bestliigt  In  seinem  Verk  fast  In  allen  Teilen 
meine  Ansichten  (Pidagogiscbes  Archiv  Mal-Heft  1005)  und  sichert  ihnen  durch  die  Buch- 
fttrm  weitere  Verbreitung,  grosseren  Erfolg.  Im  allgemeinen  Teil  spricht  er  etwas  weit- 
schweifig über  die  Musik  im  Urteil  der  Zeiten  und  Vftiker,  Qber  die  Möglichkeit  allgemehi 
bildender  Tlrkung  der  Mnalk,  iuasere  und  innere  Lage  des  Musikunterrichts  an  den 
Mlnelschulen  und  die  prinzipiellen  Forderungen  bezüglich  Gestallung  dea  Mnaikunterrichts, 
rennt  also  offne  Türen  ein.  Die  Ansichten  über  Musik  finden  sich  noch  auaführlicher  in 
Jeder  guten  Geschichte  der  Pidagogik  oder  der  Musik,  auch  in  Anibologfeen  i.  B.  im  „Buch 
der  Bücher*  (I.  Bd.)  v.  Egon  Berg  (Teschen,  Procbaika).  Im  zweiten,  dem  beaondem 
Teil,  legt  er  den  Finger  in  eine  olfne  Wunde,  beklagt  mit  Recht  die  wenig  günatige  Lage 
des  Gesangunterrichts  und  die  Vemscbllsslgung  der  Strelcb  Instrumente,  stellt  die  Gründe 
dieser  auffallenden  Erscheinung  fest  und  gibt  die  Mittel  lur  Besserung  an.  T.  Mfinch 
(„Geist  dea  Lehramts",  Berlin,  G.  Reimer  1903)  behauptet,  dasa  glückllcherwelae  eine 
Hebung  des  Gessogunterrlchls  an  den  hfiberen  Knabenschulen  im  letzten  Jahrzehnt 
bemerkbar  sei;  Kfiffaer  beweist  das  Gegenteil,  seine  Forderungen  lassen  sich  bei  gutem 
Tillen  grösstenteils  erfüllen:  ein  tüchtiger  Lehrer  erreicht  zweifellos  das  richtige  und 
reine  Vomblaitsingen,  sowie  guten  Cborklsng.  In  den  methodischen  Bemerkungen  zu 
den  neuen  preusslschen  Lehrpllnen  1891  helssi  es  für  den  Geschichtsunterricht:  .Der 
Erfolg  hingt  In  erster  Linie  von  der  LehrerpersSnllcbkett  ab".  Das  gilt  auch  vom  Geaang. 
Der  auafübrllche  Lehrgang  lehnt  sich  im  allgemeinen  an  Alb.  Becker  und  Kriegeskotten 
(Schulchorbucb  für  Gymnasien  und  Realschulen,  Quedlinburg,  Vieweg),  E.  Rünzier  (Gesang- 
Bctaule  für  hSbere  Knabenschulen,  Berlin,  Teldmsnnscher  Verisg)  sn  und  irird  aachlich 
begründet.  Ober  dss  Singen  wibrend  der  Mutsilon  sind  die  Meinungen  geteilt;  ebenso 
viele  und  ebenso  bedeutende  Aulorltiien  verlangen  vSlIlge  Schonung  der  Stimme  wibrend 
der  wichtigen  Zeit;  die  Kenntnis  des  Soprsn-,  Alt-  und  Tenorschifissels  kann  der  Schüler 
entbehren,  sie  wird  nicht  einmal  In  den  Konservatorien  von  allen  geforden;  auch  In 
lieing  auf  Harmonie-  und  Formenlehre,  die  Stoffe  aus  der  Musikgeschichte  luw.  scblesst 
der  Verfssser  stellenweise  Ober  das  Ziel  hinaus.  Im  fibrigen  wird  ihm  aber  Jeder  Fach- 
mann freudig  beistimmen  und  die  am  Schiusa  dea  verdlenatvollen  Buches  formulierten 
Tflnache  teilen.    Druckfehler  finden  sich  auf  Seite  34,  72,  150  und  158. 

Ernst  Stier 


249 
BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


177.  Hugues  Imhert:  Johannas  Brahmt.    Sa  vie  et  son  oeuvre.    Verlag:   Paris, 

Fiachbacher. 
Diese  mit  einer  auaffibrlichen  Vorrede  von  Edouard  Schur6  versehene  Arbeit  setzt 
mit  den  Worten  Schümanns  ein:  Brahma  sei  der  Mozart  dea  19.  Jahrhunderts.  Ihre 
Grundlage  iat  die  Begeisterung.  Es  war  für  den  Verfasser  begeisternd,  die  „belle  et 
noble  figure**  des  »plus  merveilleux  symphoniste  qui  ait  paru  depuis  la  mort  de  Beet- 
hoven" wieder  aufleben  zu  lassen  —  sie,  ,»une  des  plus  signiflcatives  parmi  les  maitrea 
de  Part  musical  au  19e  siöcle*!  So  ist  denn  zunächst  die  eigentliche  Lebensbeschreibung 
durchaus  enthusiastisch  gehalten;  die  Lebensabschnitte  ergeben  sich  durch  Höhepunkte 
des  Triumphs;  er  erscheint  als  der  Fortsetzer  und  Nachfolger  Beethovens,  sein  Leben 
wird  mit  Schumann,  Nietzsche  und  andern  Grossen  und  Bedeutenden  verwoben,  der 
Vergleich  zwischen  Brahma  und  Wagner  angestellt.  Ober  seine  Siege  in  Frankreich  be- 
sonders gehandelt,  aelbst  Anekdotisches  aller  Art,  das  in  PQlle  verarbeitet  worden  iat, 
eigentlich  immer  mit  einer  gewiaaen  Begeiaterung  vorgebracht.  Massvoller  ist  die  Analyse 
der  Kompositionen  von  Brahma,  die  den  zweiten  Teil  dea  Buches  ausmacht;  hier  zeigt 
sich  ganz  beaonders  in  der  Besprechung  der  Symphonieen  und  der  Ouvertfiren  eine 
sympathiache  Knappheit  und  Treifaicherheit  in  der  Charakteristik,  wlhrend  bei  der  Be- 
handlung der  Lieder  wieder  der  Enthusiaamus  emporflammt,  wenngleich  hier  gar  oft  zu 
geiatvollen  Vergleichen  führend  (z.  B.  S.  131:  «Teiles  les  6toiles  que  la  flction  dea  anciens 
repr6sentait  comme  des  clous  d'or  forg6s  par  les  dieux  pour  attacher  le  volle  de  la  nuit, 
lea  m61odiea  de  Brahma  apparaissent  dana  le  flrmament  de  Tart  mualcall*).  Im  einzelnen 
iat  das  Buch  reich  an  Schönheiten  (S.  147  ein  guter  Vergleich  zwiachen  Brahma  und 
Schumann  [Eichendorifs  j^Mondnacht*],  S.  90  Zigeunermusik  u.  v.  a.  m.),  und  irgendwelche 
Fehler  aind  bloss  formal  —  wie  etwa  z.  B.  der  Ort  Gmunden  in  Oberösterreich  mehr- 
mala  i^Gmünden*  genannt  erscheint.  Dr.  E.  v.  Komorzynski 

178.  Meyers  Grosses  KonTersationslexikon,   Ein  Nachschlagwerk  dea  allgemeinen 

Wissens.  Sechste,  gänzlich  neubearbeitete  und  verbesserte  Auflage.  Bd.  XII 
(L  —  Lyra).    Verlag:  Bibliographiaches  Institut,  Leipzig  und  Wien. 

Wieder  ist  ein  Band  von  Meyers  Grossem  Konversationslexikon  fertig  und  so  die 
stattliche  Serie  bereita  auf  12  Binde  angewachaen.  Band  XII  von  L  bis  Lyra  bringt  una 
aua  allen  Gebieten  eine  solche  Wissensfülle,  dass  die  Wahl  achwer  wird,  daa  Beste 
herauszugreifen.  Aus  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften  sind  der  Luft  und  dem  Licht 
eine  Reihe  Artikel  gewidmet,  die  uns  hochinteressante  Aufschlüsse  über  diese  beiden 
dem  Menschen  unentbehrlichsten  Naturkrifte  und  Materien  geben.  Namentlich  über 
»Luftdruck^  „Lufttemperatur"  werden  wir  durch  sehr  instruktive  Karten  aufgeklärt.  Die 
80  rätselhaft  erscheinende  Fata  Morgana  wird  durch  ein  atimmungavollea  Farbenbild  einer 
I.Luftspiegelung''  in  der  Wüste  gegenwärtig.  Ein  reicher  Sonderartikel  von  Ländern,  wie 
«Litauen*,  «Livland*,  die  uns  gerade  jetzt  durch  ihre  politischen  Unruhen  interessieren, 
»Lothringen**,  .Luxemburg*,  und  Städteartikel,  von  denen  »Leipzig*,  »London*  und  »Lübeck* 
mit  gründlich  erneuerten  Plänen  hervorzuheben  sind,  sind  sowohl  ihres  geographischen 
wie  geschichtlichen  und  wirtschaftlichen  Gehalts  wegen  zu  betonen.  Wie  eine  Landkarte 
entateht,  zeigt  uns  die  von  einem  eingehenden  Artikel  begleitete  Tafel  »Landkarten- 
darstellung*, wie  ein  lithographischer  Farbendruck  zustande  kommt,  eint  aehr  klare 
Chromotafel.  Einen  breiten  Raum  nimmt  die  »Landwirtschaft*  mit  einer  Reihe  ein- 
schlägiger Artikel  (Landwirtschaftliche  Betriebaerfordemisse,  Betriebssysteme,  Maschinen, 
Wirtschaftaerträge  usw.  usw.)  ein,  durch  die  wir  einen  gründlichen  Oberblick  über  diesen 
für  unser  Land  wichtigsten  Beruf^zweig  bekommen  können,  dessen  politische  Bestrebungen 
aus  dem  Artikel  »Landwirtachaftspolitik*  eingehend  beleuchtet  werden.  Sehr  hübsch  aus- 
geführt aind  die  Chromotafeln  »Landwirtschaftliche  Schädlinge*.    AUgemeinea  Interease 

V.  22.  18 


250 
DIB  MUSIK  V.  22. 


haben  die  Artikel  i^Lebensversicheniiig",  ,»Llquidttion*,  ,»Lotterie'.  Einen  ganz  prichtigen 
Schmuck  hat  die  ,,Literatur*  durch  Beigabe  von  vier  Holzschnittafeln  mit  Portrita  der 
»Klaasiker  der  Weltliteratur*  erhalten.  Aus  dem  Reich  der  Technik,  deren  meisterhafte 
Holzschnittwiedergaben  zu  den  Hauptschitzen  des  «»Grossen  Meyer*  gehören,  sind  die 
fast  neuen  Tafeln  »Lampen*,  «»Leuchtturm*,  «Lokomobilen*,  .Lokomotiven*  und  »Luft- 
schiffahrt* hervorzuheben«  Luthers  Lebensbild  und  die  Darlegung  seines  Lebens  gibt 
dem  Buch  unter  den  grossem  Artikeln  einen  guten  Abschluss.    Richard  Wanderer 

MUSIKALIEN 

179.  Ludwig  van  Beethoven:  Leonore.  Oper  in  drei  Akten.  Klavierauszug.  Verlag: 
Breitkopf  &  Hlrtel,  1905. 
Zur  Jahrhundertfeier  der  Erstaufführung  von  Beethovens  einziger  Oper  wurde  der 
Musikwelt  ein  neuer  Klavierauszug  der  Leonore  beschert  In  bescheidener  Zurückhaltung 
nennt  sich  sein  Herausgeber  nur  am  Schlüsse  der  inhaltreichen  Einleitung:  es  ist  der 
ausgezeichnete  Beethovenforscher  Dr.  Erich  Prieger  in  Bonn.  Auch  um  welche 
Fassung  der  Leonore  sichs  handelt,  die  erste  oder  die  zweite,  wird  auf  dem  Titel  nicht 
ausdrücklich  bemerkt,  doch  ersieht  der  mit  der  Entstehungsgeschichte  des  Fidelio  Ver- 
traute sogleich  aus  der  Angabe  der  Aktzahl,  dass  hier  die  frtiheste  Fassung  der  Oper 
vorliegt,  wie  sie  am  20.  November  1805  in  Wien  zum  ersten  Male  in  Szene  ging.  Wir 
kannten  diese  Fassung  bisher  aus  dem  um  1852  von  Otto  Jahn  herausgegebenen  Klavier- 
auszuge der  zweiten  Bearbeitung,  dem  die  Abweichungen  der  ersten  teils  in  Fussnoten, 
teils  im  Anhang  beigefügt  sind.  Um  sich  ein  Bild  der  ersten  Fassung  zu  verschafPen, 
war  man  gezwungen,  die  betreifenden  Steilen  zusammenzusuchen  und  in  die  Lücken 
einzufügen.  In  Priegers  Auszug  besitzen  wir  nun  die  erste  Leonore  in  ihrer  Gesamt- 
heit und  können  aufe  bequemste  im  Zusammenhang  mit  dem  Ganzen  die  mancherlei 
musikalischen  Schönheiten  geniessen,  die  Beethoven  aus  dramatischen  Gründen  bei  der 
zweiten  Bearbeitung  beseitigte  und  in  die  dritte,  den  Fidelio,  nur  teilweise  wieder  aufnahm. 
Dass  die  Priegersche  Ausgabe  nun  nicht  etwa  bloss  aus  einer  Zusammenstellung  der  in 
Betracht  kommenden  Partieen  des  Jahnschen  Auszuges  besteht,  ist  bei  der  wissenschaftlich 
exakten  Arbeitsweise  des  allgemein  geschätzten  Gelehrten  selbstverständlich.  Seit 
25  Jahren  ist  Prieger  an  der  Wiederherstellung  der  Leonorenpartitur  tätig,  von  der 
bekanntlich  nur  verstreute  Bruchstücke  auf  uns  gekommen  sind.  Mit  rastlosem  Fleisse 
und  grossen  pekuniären  Opfern  hat  er  alles  zusammengetragen,  was  im  Laufe  der  Zeit 
an  einschlägigem  Material  zutage  gekommen  ist.  Mit  scharfem  Urteil,  unter  stetiger 
Berücksichtigung  der  neuesten  Forschungsergebnisse,  hat  er  den  Stoff  gesichtet,  mit 
grösster  Vorsicht  zusammengestellt  und  mit  peinlichster  Genauigkeit  die  Partitur  wieder- 
aufgebaut, die  als  Unterlage  für  den  vorliegenden  Klavierauszug  gedient  hat.  Dieser 
zeigt  wohl  ein  Bild,  das  sich  im  wesentlichen  mit  den  betreifenden  Teilen  des  Jahnschen 
Auszuges  deckt,  ~  in  den  Einzelheiten  aber  eine  Fülle  von  Varianten  und  Abweichungen 
aufweist.  Wenn  man  die  beiden  Ausgaben  Takt  für  Takt  vergleicht,  so  findet  man  nicht 
nur  oifenkundige  Versehen  Jahns  verbessert,  nein,  auch  von  jenem  nicht  verzeichnete 
Wiederholungen  eingefügt,  Textworte  nebst  der  musikalischen  Deklamation  geändert, 
einzelne  Taktmotive  und  selbst  ganze  Perioden  durch  andere  ersetzt.  Bedeutenden  Ab- 
weichungen begegnen  wir  im  Schlussakte.  Hier  erscheinen  in  der  Instrumentaleinleitung 
(Nr.  13)  Stellen,  die  bei  Jahn  nirgends  verzeichnet  sind,  kleine  ausdrucksvolle  Sätze,  die 
in  der  letzten  Bearbeitung  der  Oper  zum  Teil  wieder  Verwertung  fanden.  Auch  von  den 
beträchtlichen  Varianten  im  darauf  folgenden  Rezitativ  des  Florestan  gibt  Jahn  keine 
Notiz.    Prieger  fügt  das  von  jenem  fortgelassene  Melodram  vor  dem  Grabduett  (Nr.  14) 


251 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


ein,  da  es  nach  neueren  Forschungen  sicher  —  wenn  auch  vielleicht  in  etwas  anderer 
Gestalt,  als  wir  es  aus  dem  Fidelio  kennen  —  bereits  in  der  ersten  Leonore  vorkam. 
In  Ermangelung  anderer  Vorlagen  entnahm  es  Prieger  dem  Fidelio.  Die  grösste  Ab- 
weichung der  Ausgaben  findet  sich  in  den  OuvertQren.  Denn  Jahn  teilt  nur  die  so- 
genannte ipgrosse*  Leonorenouvertüre  (Nr.  3)  mit,  die  für  die  zweite  Bearbeitung  der 
Oper  geschrieben  wurde,  während  Prieger  die  Ouvertüre  «Nr.  2*  gibt,  die  bei  den  Auf- 
fuhrungen der  ersten  Fassung  gespielt  wurde.  Diese  Ouvertüre  hat  Konrad  Ramrath  in 
Köln  für  Priegers  Ausgabe  in  Klavierauszug  gebracht.  Alles  Übrige  hat  der  Herausgeber 
nach  seiner  Partitur  selbstindig  für  Klavier  eingerichtet.  Sein  Auszug  trigt  im  Klavier- 
satz ein  von  dem  Jahnschen  stark  abweichendes  Gepräge.  Denn  die  beiden  Gelehrten 
befolgten  bei  der  Bearbeitung  verschiedene  Grundsitze.  Jahn  erstrebte  vor  allen  Dingen 
bequeme  Spielbarkeit  und  verzeichnete  nicht,  was  sich  den  Hinden  nicht  fügen  wollte. 
Prieger  beabsichtigte  dagegen  ein  möglichst  treues  Bild  der  Partitur  zu  bieten  und  nahm 
daher  an  Stimmen,  soviel  irgend  ging,  in  den  Satz  herüber,  wenn  auch  hie  und  da  der 
Rahmen  des  KlaviermSssigen  überschritten  wurde.  Er  huldigte  dabei  der  richtigen 
Ansicht,  «es  sei  besser,  dass  der  Spieler  am  Instrument  den  einen  oder  anderen  Ton 
weglasse,  als  dass  irgend  ein  wesentlicher  Zug  im  Gesamtbilde  fehle."  Die  Angabe 
der  führenden  Instrumente  ist  besonders  dankenswert,  weil  sie  eine  Vorstellung  der 
jeweiligen  Orchesterfarben  ermöglicht  Durch  Priegers  Klavierauszug  erhalten  wir  eine 
klare  Anschauung  von  der  Leonorenmusik  in  ihrer  ersten  Form.  Um  uns  den  Verlauf 
der  ersten  Aufführung  zu  vergegenwärtigen,  fehlt  es  nur  noch  an  dem  die  Musiknummem 
verbindenden  Dialog,  der  sich  ja  auch  von  dem  des  Fidelio  unterschied.  Dieser  Mangel 
fällt  um  so  mehr  auf,  als  Im  übrigen  in  der  Ausgabe  möglichste  Vollständigkeit  erstrebt 
und  erreicht  ist.  In  den  Opern,  die  überhaupt  gesprochenen  Dialog  besitzen,  ist  dieser 
auch  ein  integrierender  Bestandteil  und  nicht  ohne  Schaden  für  das  Verständnis  des 
gsnzen  Werkes  zu  entbehren.  Enthält  der  Dialog  doch  zumeist  wichtige  Momente  der 
Handlung,  ja  bisweilen  sogar  die  Motivierung  einzelner  Züge  der  Musik.  Daher  hat  sich 
auch  die  Einfügung  des  Dialogs  in  die  Klavierauszüge  fast  allgemein  eingebürgert  Dass 
er  in  dem  vorliegenden  fehlt,  scheint  mir  dafür  zu  sprechen,  dass  es  Prieger  trotz  aller 
Bemühungen  nicht  geglückt  ist,  den  ursprünglichen  Dialog  aubuflnden.  Aber  auch  ohne 
Dialog  bleibt  seine  Leonorenausgabe  wertvoll  genug.  Besonders  sei  noch  der  aus- 
gezeichneten historisch-kritischen  Einleitung  gedacht,  die  ihr  Prieger  beigegeben  hat 
Kurz  wird  darin  die  Entstehungsgeschichte  der  Oper  erzählt,  ausführlicher  werden  die 
Hauptphasen  der  Rekonstruktion  ihrer  ersten  Form  geschildert  Auch  interessante 
Pressstimmen  über  die  ersten  Aufführungen  der  Leonore  sind  beigefügt,  die  bekunden, 
wie  kühl  die  Zeitgenossen  Beethovens  das  Werk  begrüssten,  in  dem  wir  heute  eine  der 
herrlichsten  Gaben  des  unsterblichen  Meisters  lieben  und  bewundem.  Durch  die 
detaillierte  Angabe  der  Quelle  des  Fideliostolfes  hat  sich  Prieger  ein  Verdienst  erworben. 
Zur  Erwähnung  des  Aufeatzes  «Fidelio  und  der  Wasserträger"  von  Ernst  Pasqu^ 
(Anm.  36)  möchte  ich,  da  ich  in  der  Beethovenliteratur  noch  nirgends  einen  Hinweis 
darauf  ftnd,  bemerken,  dass  Pasqu^  jenen  StoflP  in  der  spannenden  Novelle  «Das  Urbild 
des  Fidelio"  in  anderer  Gruppierung  breiter  ausgeführt  hat  (Meyers  Volksbücher 
Nr.  1093).  —  Möge  Priegers  Leonorenauszug,  der  schlicht  und  vornehm  ausgestattet  und 
nicht  zu  teuer  ist  (7,50  M.,  der  Jahnsche  kostet  10  M.),  zahlreiche  Käufer  finden.  An 
Lesern  und  Spielern  wird  es  ihm  nicht  fehlen.  Dr.  Hans  Volkmann 

180.  Georg  Vollerthun:   Gesänge  nach  Gedichten  von  Detlev  von  Liliencron. 
Verlag:  C.  F.  Kahnt  Nacht,  Leipzig. 
Fünf  Gesänge  ohne  Opuszahl,  doch  wohl  nicht  den  Erstlingen  des  Komponisten 
beizuzählen.    Das  Wollen  und  SchafPen  VoUerthuns  basiert  unverkennbar  auf  achtungs- 

18* 


252 
DIE  MtrSIK  V.  22. 


wertem  Grunde.  Nirgends  finden  sich  Mätzchen  oder  Pltttheiten,  alles  ist  ernst  angefssst. 
Aber  gerade  hier  scheint  mir  des  Komponisten  Achillesferse  hervorzuschauen:  es  ist  ein 
Musizieren,  nach  Herbst,  nach  trockener  Überlegung  immer  wieder  anschmeckend.  Vom 
Hauche  lebendiger  Begeisterung,  fibe^quellenden  Dranges  nach  Auslösung  innerer 
Spannungen  ist  nicht  viel  zu  spüren.  Ein  wenig  Brahmsische  Art  liuft  mit  unter,  so  in 
„Sehnsucht^  Oft  ist  auch  eine  vollkommen  adiquate  Wiedergabe  der  im  Texte  liegenden 
Werte  zu  vermissen.  MQsste  z.  B.  nicht  das  trotzende  »Ich  liebe  dich*  in  sieghaftestem 
Dur  ertönen,  das  Nachspiel  von  »Alt  geworden*  unbedingt  in  Moll  stehen?  Dies  sind 
nur  beispielsweise  herausgegriffene  Stichproben.  Der  Wurf  ars  dem  Vollen,  dem  Ganzen 
gelang  Vollerthun  in  diesen  Liedern  noch  nicht.  Die  hier  und  da  vorhandenen  guten 
Gedanken  werden  im  allgemeinen  noch  allzu  sehr  im  schweren  Gefuge  oft  harter,  un- 
nötig spröder  und  herber,  manchmal  anscheinend  nur  um  ihrer  selbst  willen  geschaffener 
Begleitung  erdrückt.  Den  musikalischen  Gehalt,  Form  und  Linie  und  die  ganze  Auf- 
machung in  ,»T6m6raire"  halte  ich  für  unzulänglich.  In  den  anderen  Gesingen  liest  sich 
jedoch  ein  Fortschritt  gegen  früher,  das  Bestreben  nach  Rundung  deutlich  erkennen. 
»Sehnsucht',  »Glückes  genug*  —  trotz  des  (wohl  unbewussten)  Seitenblickes  auf  Wagners 
»Triume*  ^  und  »Heimgang  in  der  Frühe*,  das  nur  zum  Schlüsse  recht  alltiglich 
wird,  können  wohl  immerhin  als  unter  günstigeren  Auspizien  entstanden  gelten,  und 
die  Hoffnung  erscheint  nicht  unberechtigt,  von  dem  Komponisten  noch  ganze,  ausgereifte 
und  auch  erkennbar  persönlich  gefirbte  Sachen  in  Zukunft  einmal  erwarten  zu  können. 

181.  Julius  Weisniann:  Drei  Gedichte,  op.  15.  Verlag:  C.  F.  Kahnt  Nachf.,  Leipzig. 
Was  Anlage,  Durchführung,  Form,  prizise  Gedanken,  kurz  das  gesamte  technische 

und  sachliche  Rüstzeug  beachtenswerten  Schaffens  anbetrifft,  so  scheint  mir  Julius  Weis- 
mann —  seine  Fingerhütchenballade  kenne  ich  noch  nicht  —  nach  diesen  drei  Gesingen 
auf  C.  F.  Meyersche  Texte  entschieden  zu  den  aus  der  Masse  hervorragenden  Begabten 
zu  gehören.  Das  köstliche,  die  Palastrevolte  der  pipstlichen  Schweizergsrde  unter 
Leo  XIII.  humorvoll  und  satirisch  schildernde  Gedicht  »Alte  Schweizer*  dünkt  mich  ein 
guter  Wurf  in  dieser  Vertonung.  Den  »Siersprnch*  dichte  ich  mir  aber  in  ganz  anderen, 
wuchtigeren,  aus  lebendiger  Anschauung  geborenen  Rhythmen  weit  schöner.  Ein  Treffer 
ist  er  nicht.  Ober  das  »Hugenottenlied*  als  Dichtung  kann  man  verschiedener  Ansicht 
sein.  Ich  selbst  halte  es  für  nicht  sehr  geschmackvoll  —  trotz  höchster  Wertschitzung 
und  Vorliebe  für  den  Dichter.  Wer  anderer  Meinung  ist,  wird  in  Weismanns  Komposition 
die  rechte  musikalische  Wiedergabe  dieses  brutalen  Fatalistengesanges  vollauf  erblicken 
dürfen.    Achten  wir  auf  das,  was  der  Tonsetzer  fernerhin  bringen  wird! 

182.  Christian  Sinding:  Gesinge  auf  Texte  nach  V.  Krag.  —  Vier  alte  dinische 

Lieder.  Verlag:  Rob.  Forberg,  Leipzig. 
Es  sind  dies  neue  Ausgaben  der  vorliegenden  Gesinge.  Christian  Sinding  bleibt 
sich  in  all  seinen  Liedern  gleich.  Ihre  Vorzüge  und  Schwichen  wurden  bereits  in 
Jahrg.  III,  Heft  22  dieser  Zeitschrift  erwihnt.  Die  Lyrik,  die  Sinding  vertont,  ist  aber,  zumal 
in  solcher  Obersetzung,  für  deutschen  Geschmack  oft  kaum  geniessbar.  Ein  paar 
Nummern  solcher  Art  mögen  auch  dem  ernsteren  Musikfreunde  ja  zuzeiten  nicht  un- 
willkommen sein,  aber  die  gleichförmige  Masse  wirkt  ermüdend.  Man  überhiuft  eine 
Tafel  ]a  doch  nicht  mit  Süssigkeiten,  Puddings  und  Limonaden!  Nichtigkeiten  wie  »Abends 
nur  fliegt  der  Rabe*  oder  »Es  schrie  ein  Vogel*  drucken  zu  lassen,  widerstreitet  der  bei 
einem  so  begabten  Komponisten  berechtigten  Forderung  nach  wihlerischerer  Selbstkritik, 
selbst  wenn  diese  »Takte*  (kann  man  fast  nur  sagen)  und  diese  Stimmungsstammelei 
etwa  als  »Volkslied*  zu  gelten  haben  sollten.  Wer  sich  an  »nordisch*  gefllrbten  Liedern 
als  solchen  erfreuen  msg,  dem  können  die  anderen  Gesinge  Sindings  als  Hausmusik  ja 
wohl  uugen.  Alfred  Schattmann 


Aus  fremden  Zungen 

THE  MUSICIAN  (Boston),  1906,  No.  4—6.  —  Lawrence  Gilman  veröffentlicht 
eine  interressante  Plauderei  mit  Vincent  d'Indy:  ^A  discusaion  with  Vincent 
d'Indy**.  Er  schildert  ihn  als  eine  ganz  aussergewöhnliche  Persönlichkeit:  «for  he 
is  both  a  musician  and  unassuming,  a  man  of  extraordinary  gifts".  Sein  ton- 
setzerisches  Schaffen  ruht  auf  klassischer  Grundlage:  »he  has,  one  is  to  infer  from 
him,  adhered  faithfully  to  the  old  and,  as  he  calls  them  'fundamental'  forma,  — 
allowing  himself,  he  admits  occasional  diversions,  harmonic  and  rhythmic,  but 
holding  constantly  in  view  the  traditional  requirements  of  the  classic  molds". 
Interessant  ist  ein  Ausspruch  über  die  musikalische  Form:  «Form  [he  means 
traditional,  not  elemental  form]  is  a  thing  of  the  grammarians,  to  be  discussed 
behind  closed  doors  by  persons  who  believe  in  musty  counterpoint  and  the  rules 
of  the  gaoäe"  ....  Vincent  d'Indy  selber  ist  »anything  eise  but  a  grammarian*. 
—  »Halfdan  Kjerulf, *the  pioneer  of  Norwegian  music*  von  Carl  Hansen.  Ver- 
fasser schildert  den  Lebensgang  Kjerulfs,  der  als  erster  die  Schönheit  des 
norwegischen  Volksliedes  erkannte  und  die  deutsche  romantische  Schule  auf 
norwegischen  Boden  verpflanzte.  Die  Anzahl  seiner  Liederkompositionen,  die  in 
Amerika  bekannter  sind  als  in  Norwegen,  belauft  sich  auf  ca.  100.  — ^  In  der 
Kollektion  »Club  programs  for  all  nations*  veröffentlicht  Arthur  Elsen  einen 
lesenswerten  Artikel  »The  Netherlands*.  —  A.  Rommel  erörtert  »the  value  of 
Bach  to  the  piano  Student*.  Erwähnenswert  sind  femer:  William  Shakespeare: 
»Tone  in  its  relationship  to  pronunciation*.  —  Fred.  R.  Comee:  »The  Mission  of 
Music*.  —  A.  D.  Jewett:  »The  fundamental  principles  of  piano  technique".  — 
Einen  lesenswerten  Aufsatz  Ober  »Edward  Elgar*  schreibt  Emest  Newman.  Elgar 
habe  seinem  Volke  und  der  Welt  bewiesen,  dass  der  Engländer  auch  musikalisch 
produktiv  sein  könne  und  sein  Schaffen,  vom  »Traum  des  Gerontius*  an,  bedeute 
einen  Markstein  in  der  Entwicklung  der  neuen  englischen .  Musikgeschichte.  — 
Arthur  Elsen  berichtet  über  Musik  in  »Denmark  and  Switzerland".  Als  bedeu- 
tendsten dänischen  Komponisten  feiert  Verfasser  Niels  Wilhelm  Gade.  Er  stellt 
ihn  zwischen  die  klassische  und  die  neuere  romantische  Schule.  Als  Schüler 
Mendelssohns  hat  man  ihn  oft  mit  Unrecht  »Mrs.  Mendelssohn"  genannt,  doch 
Gade  zeigt  genug  Originalität,  um  auf  eigenen  Füssen  zu  stehen:  .His  cantata, 
'the  Erl-King's  Daughter',  is  almost  entirely  founded  upon  the  melodiös  of  his 
native  Und."  Neben  Gade  werden  als  bedeutendere  dänische  Tonsetzer  folgende 
aufgeführt:  Eduard  Lassen,  als  Liederkomponist  bekannt;  August  Enna;  Victor 
Bendix,  ein  Schüler  Gades;  August  Winding;  Karl  Attrup;  August  Hyllested; 
Asgar  Hamerik;  Ludwig  Schytt6.  —  Als  hervorragendere  Schweizer  Tonsetzer 
werden  Hans  Huber,  Emile  Jaques-Dalcroze,  Gustave  Doret,  Rudolf  Ganz,  Otto 
Barblan,  Volkmar  Andrae,  Friedrich  Klose,  Georg  Haeser,  Lothar  Kempter,  Combe, 
Denereaz,  Niggli,  Suter,  Franck,  Lauber,  Hegar  und  Reymond  gewürdigt.  —  Ober 
das  Musikleben  San  Franciscos  berichtet  Francis  Gates  manches  Interessante  in 
seinem  Artikel:  »San  Francisco  and  Its  Music."   The  musical  interests  of  the  city 


254 
DIE  MUSIK  V.  22. 


temporarily  destroyed.  —  Ein  warmer  Nachruf  ist  dem   kürzlich  verstorbenen, 
berühmten  Komponisten  Ameril^as  «John  Knowles  Paine**  gewidmet. 

THE  MUSICAL  STANDARD  (Chicago),  1006,  No.8.  —  Einen  Beitrag  zur  Musik- 
pädagogik liefert  E.  H.  Scolt  durch  seine  Abhandlung  »Musical  energy**.  Er  be- 
spricht die  eigentümliche  Erscheinung,  dass  »one  great  need  among  music  pupils 
everywhere  and  of  e?ery  grade  is  more  musical  energy.  Not  ambition,  not  talent, 
not  love  for  music".  —  In  einer  Studie  „Mendelssohn*  betrachtet  A.  E.  Keeton 
die  vielseitige  Begabung  des  Künstlers:  wenn  er  ein  Maler  geworden  wäre,  so 
bitte  er  Landschaften  im  Charakter  von  John  Everett  Millais  geschaffen  «peaceful 
landscapes,  portraits  of  high  bom  women,  or  of  brighteyed,  tenderly-nurtured 
children*.  Hätte  er  sich  der  Dichtkunst  gewidmet,  so  wäre  er  wahrscheinlich  ein 
zweiter  Tennyson  geworden.  In  Prosa  bitte  er  „delightful  novels*  geschrieben, 
«secure  of  a  monopoly  of  appreciative  and  well-educated  readers.*  —  Ferner:  Ed- 
ward J.  Dent:  „The  earliest  string  quartets.* 

ACADEMY  (London),  1006,  No.  1776/1783.  —  H.  C.  Celles  bespricht  »Grieg's  piano 
music".  Mit  den  modernen  Schulen  hat  seine  Musik  keine  tiefergehende  Berührung 
gewonnen,  «he  takes  a  place  with  the  old  writers".  Er  ist  ein  Demokrat  unter 
den  Tonsetzem  der  Jetztzeit,  in  dem  Sinne,  dass  seine  Musik  von  jedem  Durcb- 
schnittsmusiker  mit  Vergnügen  gespielt  werden  kann.  „Unlike  the  great  classics 
he  has  no  thought  too  high  for  average  comprehension,  while  like  them  he 
expresses  himself  instead  of  deputing  the  task  to  bis  Interpreters*.  —  Derselbe 
Autor  wendet  sich  in  einem  Artikel  »A  sideiight  upon  Wagner*  gegen  falsche 
Wagnerkritik  anlisslich  der  Ringaufführungen  in  London,  die  dadurch  mit  hervor- 
gerufen werde,  dass  Wagner  in  England  „the  lapdog  of  the  fashion  and  the  Idol 
of  the  musical  dilettante*  geworden  sei;  ^^by  such  he  has  been  invested  with  'the 
divinity  that  doth  hedge  a  king*,  and  any  one  who  calls  that  in  question  is  a 
traitor**.  —  In  einer  Besprechung  von  „Brahms'  op.  l*'  beklagt  Verfasser  die 
seltene  Aufführung  des  Werkes,  dessen  Schöpfer  Schumann  in  seinem  bekannten 
Aufsatz  „Neue  Bahnen'  freudig  begrüsste.  —  Femer  ein  Artikel  über  die  „Vienna 
Philharmonie  Society*. 

MONTHLY  MUSICAL  RECORD  (London),  1006, June, July.-, The  Spanish  music« 
betitelt  sich  eine  mit  J.  S.  S.  unterzeichnete  Abhandlung.  Trotz  hervorragender 
Namen  auf  den  Gebieten  der  Malerei  und  der  Dichtkunst  gibt  es  keinen  eigent- 
lichen .national  composer  whose  music  is  constantly  being  performed«.  Wihrend 
die  Opernkomponisten  nur  sehr  unbedeutend  sind,  haben  Dramatiker  und  Novellisten 
viel  Material  zu  Opemlibretti  geliefert;  es  sei  nur  an  „die  Hochzeit  des  Figaro*, 
„Don  Juan«,  „Die  drei  Pintos*  u.  a.  m.  erinnert.  Eine  hervorragende  Rolle  in  der 
spanischen  Musik  spielt  die  Guitarre  zur  Begleitung  der  «national  music:  the  Basque 
songs,  the  boleros  and  seguidillas  of  Old  Castille,  the  beautiful  melodiös  of 
Andalusia,  and  the  North  Spanish  national  dance,  the  ,Jota*.*  —  M.  D.  Calvocoressi 
bringt  „A  few  remarks,  on  modern  French  pianoforte  music*.  —  Lesenswert  ist 
der  Artikel  „Norwegian  Music«.  Bedeutende  Verdienste  um  das  Musikleben  Nor- 
wegens hat  sich  Rikard  Nordraak,  der  Komponist  der  Nationalhymne  erworben. 
Bekannt  ist  seine  Musik  zu  den  Bjömsenschen  Dramen  „Maria  Stuart  in  Schott- 
land« und  „Sigurd  Slembe«.  Bekannter  ist  auch  Severin  Svendsen,  dessen  vier 
norwegische  Rhapsodieen  sich  grosser  Popolaritit  erfreuen.  —  Ober  die  Kammer- 
musik von  Johannes  Brahma  schreibt  Herbert  Antcliffe.  —  Ellen  von  TidebShl 
bespricht  zwei  Opern  von  „Sergez  Rachmaninoff«:  „The  Covetous  Knight«  und 
„Francesca  da  Rimini«. 


255 

REVUE  DER  REVUEEN 


THE  MUSICAL  TIMES  (London),  ig06,  May,  June.  —  Bertha  Harrison  erzlhlt 
von  den  ersten  «Musical  prodigies"  in  England.  Im  15.  und  16.  Jahrhundert  war 
die  Musik  Gemeingut  des  ganzen  Volkes  ohne  Rangunterschiede  und  bildete  einen 
wesentlichen  Bestandteil  des  tiglichen  Lebens.  Erst  im  18.  Jahrhundert  fingen  die 
»Upper  classes*  an,  mehr  Sorgfalt  auf  die  musikalische  Erziehung  zu  verwenden, 
und  im  Jahre  1711  finden  wir  das  erste  Wunderkind,  einen  achtjährigen  Knaben, 
der  »with  the  mastery  of  a  füll  grown  and  mature  artiste"  kleine  Stücke  von 
Rameau  und  Couperin  spielte.  Unter  den  bewundernden  Zuhörern  befand  sich 
auch  Hindel,  der  zu  dieser  Zeit  England  zum  ersten  Male  besuchte.  Das  grösste 
Wunderkind  dieser  Zeit  ist  ein  elQihriger  Knabe  namens  Dubourg,  dessen  Ruhm 
viele  ausllndische  Musiker  nach  London  zog,  unter  ihnen  auch  Geminiani,  einen 
Schüler  Corelli's.  —  In  der  Artikelserie  .Private  Musical  Collections"  erscheint 
die  Portsetzung  der  Besprechung  der  Mr.  Edward  Speyer  gehörenden  reichhaltigen 
Sammlung.  Von  den  an  dieser  Stelle  bereits  angeführten  Schitzen  sei  noch  ein 
englischer  Brief  Carl  Maria  von  Webers  vom  6.  Pebruar  1826  erwihnt.  Der  Brief 
enthilt  Einzelheiten  über  seine  Reise  nach  London  und  ist  in  einem  auffallend  guten 
Englisch  geschrieben,  wenn  man  bedenkt,  dass  Weber  sich  seine  Sprachkenntnisse 
nur  durch  Privatstudien  angeeignet  hatte.  Es  heisst  da  u.  a.:  »I  leave  Dresden 
the  16.  Pebruary.  I  shall  sleep  every  night,  because  I  am  forbidden  to  travel  by 
night,  —  remain  one  day  at  Frankfort,  and  hope  to  arrive  at  Paris  the  25th  Pebruary. 
There  I  must  remain  some  days,  and  therefore  I  can  not  be  in  London  —  embarking 
at  Calais  —  before  the  6th  or  7th  of  March."  —  Sehr  lesenswert  sind  die  Artikel 
von  Dotted  Crotched  über  «St.  John's  College  in  Oxford**  und  die  „Canterbury 
Cathedral". 

LE  JOURNAL  MUSICAL  (Paris)  1006,  No.  10—13.  —  Ober  Berlioz'  Besuch  in 
England  —  ,»Berlioz  en  Angleterre*  —  teilt  Pierre  Desclaux  einiges  Interessante 
mit.  Entzückt  von  der  Gastfreiheit  des  Landes  und  der  bewundernden  Aufnahme 
seitens  der  Kritik  schreibt  er  u.  a.  an  seinen  Freund  Morel:  „Ma  musique  a  pris 
sur  le  public  anglais,  comme  le  feu  sur  une  train6e  de  poudre  ...  Le  vieil  Hogarth 
du  Daily  News  6tait  dans  une  agitation  des  plus  comiques:  J'ai  tont  mon  sang  en 
feu,  m'a-t-il  dit;  Jamals  la  vie  je  n'ai  €t€  ,ex6cut6'  de  la  sorte  pour  la  musique!" 
—  Femer  sind  zu  erwähnen:  Robert  Montfort:  „La  M61odie".  Definition  — 
Historique  —  fitat  actuel  de  la  m^lodie.  —  Fran^ois  Aussaresses:  ,,Critique  et 
Methode"  IIL  —  F.Wilson:  „L'oratorio".  —  Raymond  Bonyer  feiert  Felix  Wein- 
gartner  mit  begeisterten  Worten.  Nachdem  ^eingartners  Stellung  zur  französischen 
Musik  erörtert  worden  ist,  sagt  Autor  u.  a.:  „Ainsi  r6ve  et  pense  le  Kapellmeister, 
en  conduisant  par  ccnur,  avec  une  memoire  sans  ombres,  les  drames  sonores  les 
plus  ardus  en  se  grisant  d'harmonie  savante  et  vibrante,  en  s'identifiant,  les  bras 
tendus,  avec  Berlioz,  le  romantique  par  excellence  qui  rcfl6ta  sa  vie  dans  son  art 
avec  ,notre  grand  h6ros  Beethoven,  ä  qui  nous  devons  toujours  et  toujours  revenir  si 
nous  voulons  vraiment  nous  entendre  sur  la  musiqueS" 

LE  COURRIER  MUSICAL  (Paria)  1006,  No.  10—13.  —  Emil  Jaques-Dalcroze 
bringt  die  Obersetzung  seines  in  der  „Musik**  publizierten  aktuellen  Aufsatzes :  «Le 
piano  et  l'öducation  musicale".  —  Victor  Debay  bespricht  »Le  songe  de  G6rontius 
d'Edward  Elgar*.  —  Ober  „Corneille  et  la  Musique*  schreibt  Jules  £corcheville 
einen  lesenswerten  Artikel.  Corneille  hat  eine  grössere  Sammlung  von  „po^sies 
l^göres"  hinterlassen,  die  sich  vorzüglich  dazu  eignen,  in  Musik  gesetzt  zu  werden. 
Mehrere  von  ihnen  tragen  die  Bezeichnung  »chanson";  am  bekanntesten  sind 
zwei  nach  den  Komponisten  benannte:  „rair  de  Blondel  et  l'air  de  Lambert*.  — 


256 
DIE  MUSIK  V.  22. 


Camille  MaucUir  ver5ffeDtlicht  zwei  interessante  Essays:  La  musique  de  piano 
de  ,»Maurice  Ravel**  und  „rApplaudissement*  au  concert.  Er  sagt  fiber  die  Musik 
Ravel's:  „II  ne  transpose  pas  en  langage  sentimental  des  impressions  de  natnre; 
r^ellement,  son  piano  imite  les  oiseaux  du  soir,  ou  l'eau  courante,  ou  les  bonds 
et  les  gestes  Mbriles  du  gracioso  espagnol,  et  nous  les  voyons,  et  nous  les  touchons, 
et  cependant  ce  n'est  jamais  ä  force  de  virtuosit6.* 

LE  FIGARO  (Paris)  1906,  2.  Juni.  —  »Les  lithographies  musicales  de  Fantin-Latour* 
würdigt  Joanne  de  Flandreysy,  im  besonderen  die  Lithographieen  Wagners  und 
Berlioz'.  Verfasser  nennt  ihn  ,»un  grand  poite,  un  grand  psychologue  et  un  grand 
peintre**  . . .  „Dans  certaines  de  ses  compositions  lithographiques,  il  y  a,  poor  ainsi 
dire,  un  excds  de  r6ve  traduit  par  un  excfts  de  besut^*  .  •  •  Fantin-Latour  wurde 
im  Jahre  1836  zu  Grenoble  geboren;  sein  Vater,  selbst  Maler,  brachte  ihn  früh- 
zeitig nach  Paris. 

WEEKBLAD  FOR  MUZIEK  (Amsterdam)  1906,  Nr.  15-27.  -  J.  P.  J.  Vierte 
beklagt  in  einem  Artikel  „Het  Nederlandsche  Volkslied*  den  Niedergang  des  einst 
in  so  hoher  Blüte  stehenden  Volksliedes.  Seine  Neubelebung  stellt  sich  im  be- 
sonderen der  i^Algemeen  Nederlandsch  Verbond*  zur  Aufgabe.  —  Die  Aufführungs- 
ft'age  des  i^Parsifal*  behandelt  in  einem  längeren  Aufsatz  W.  J.  Corver.  — 
Sidney  Vantyn  bespricht  «La  sonate  en  si  bemol  mineur  op.  35,  de  Chopin*.  — 
Hugo  Nolthenius  analysiert  ein  Tongedicht  für  Orchester  mit  Baritonsolo  „Im 
grossen  Schweigen*  ?on  A.  Diepenbrock.  —  Femer:  J.  P.  Fockema  Andreae: 
»De  herziening  der  wet  Van  de  maatschappij  tot  bevordering  der  toonkunst*.  — 
W.  J.  de  Wilde:  »Divagaties  over  Kunst*.  Motto:  i,Kunst  is  nabootsing.*  — 
»lets  over  Mozart.* 

LUCIFER  (Antwerpen)  1906,  No.  20.  —  D.  C.  Frans:  »Aanmoediging  der  Tooneel- 
maatschappijen*.  —  Van  Zehden:  «Konink.  Vereeniging  het  Nederlandsch 
Tooneel*.  —  Ein  mit  S.  S.  unterzeichneter  Artikel  beschlfcigt  sich  mit:  .De  Ned. 
Opera  Tijdelijk  in  eere  hersteld*. 

MEDLEMSBLAD  FOR  »DANSK  ORGANISTFORENING*  (Kopenhagen)  1906, 
No.  26—30.  —  Es  sind  zu  erwähnen  die  Artikel:  A.  C.  Andersen:  „Kobenhavns 
Organistkole*.  —  H.  D.  Hansen:  „Revision  af  Lovene*.  —  Kr.  Pedersen: 
Kirkesangens  Ledere  og  Kirkesangen*. 

ARS  ET  LABOR,  MUSICA  ET  MUSICISTI  (Milane)  1906,  No.  5  u.  6.  - 
Melchiorre  Delfico  bringt  die  Fortsetzung  seiner  interessanten  Verdi-Karikaturen. 
Das  Schlusskapitel  behandelt  „il  caricaturista  degli  artisti  suoi  contemporanei*. 
—  Femer:  Giorgio  Bolza:  .11  primo  pianoforte  die  Giuditta  Pasta.*  —  Mar...: 
.Giuseppe  Verdi.* 

MUSICA  (Buenos-Aires)  1906,  No.  6—9.  —  Francisco  Lopez  Afiön  veröffentlicht 
den  Schluss  seiner  interessanten  Abhandlung  über  .La  müsica  ärabe  y  su  influencia 
en  la  müsica  espanola.*  —  Salvador  Barrada  verbreitet  sich  über  .La  Inspiration 
musical.*  —  Einen  lesenswerten  Artikel  bringt  Vincent  d'Indy:  .El  oratorio 
moderne.*  —  Jules  Combarieu  schreibt  über  Saint-SaSos  und  würdigt  ihn  als 
Mensch  und  als  Künstler.  —  Erwähnenswert  sind  noch  folgende  Aufsitze:  .Camille 
Mauclair:  .La  Religion  de  la  Orquests.*  —  Antonio  Rubinstein:  .La  müsica 
y  sus  representantes.*  —  In  der  Artikelserie  .Müsicos  contemporineos*  würdigt 
H.  Hantich  das  künstlerische  Schaffen  Anton  Dvoräk's. 


NEUE  OPERN 

FraneesGo  Cilea:  »Gloria*»  Textbuch  von  Aituro  Colantti. 
Spiro  Samara:  «Rhea'  betitelt  sich  eioe  neue  Oper,  Libretto  von  Paul  Milliet, 
die  der  Komponist  soeben  vollendet  bat. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Lfibeek:  Das  Ergebnis  des  beschränkten  Wettbewerbs  zur  Erlangung  von  Plinen 
für  den  Bau  eines  Stadttheaters  nebst  Saalbau  ist,  dass  das  Preis- 
gericht, dem  von  auswärtigen  Herren  Geh.  Baurat  Prof.  Dr.  Wallot-Dresden, 
Geh.  Baurat  von  Grossheim-Berlin,  Geh.  Oberbaurat  Launer-Berlin,  Ober- 
regisseur Max  Grube-Berlin  und  Stadtbaurat  KuUrich-Dortmund  angehörten, 
sich  einstimmig  für  den  Entwurf  von  Prof.  Duifer-Dresden  ausgesprochen 
hat.  Die  Theaterbaukommission  hat  sich  in  ihrer  Sitzung  vom  18.  Juli 
diesem  Beschluss  gleichfalls  einstimmig  angeschlossen.  Ausser  Prof.  Dfilfer 
waren  zum  Wettbewerb  aufgefordert  die  Architekten  Heilmann  und  Littmann 
in  München,  C.  Moritz  in  Köln  und  H.  Seeling  in  Berlin.  Mit  dem  Ab- 
bruch des  alten  Theaters  ist  bereits  begonnen. 

London:  Londoner  Musikfreunde  haben  das  erforderliche  Kapital  für  eine  vier 
wöchentliche  deutsche  Opernsaison  im  Januar  n.  J.  aufgebracht,  deren 
Preise  nicht  so  unerschwinglich  hoch  wie  die  von  Covent  Garden  sein  sollen. 
In  Aussicht  genommen  ist,  ausser  der  „Walküre",  die  Wiederaufführung  des 
lange  nicht  gehörten  «Freischütz",  dann  i,Fidelio*  und  Smetana's  „Verkaufte 
Braut*.  Der  Tenor  Van  Dyck  hat  die  Direktion  übernommen.  Von  britischen 
Sängern  und  Sängerinnen  sind  John  Coates,  Agnes  Nicholls,  Corinne 
Kirkby-Lunn  und  David  Bispham  in  Aussicht  genommen.  Auch  soll 
das  Orchester  ausschliesslich  englisch  sein. 

Paris:  Die  Grosse  Oper  wird  die  neue  Saison  mit  der  Oper  „Ariane**  von 
Massenet  eröffnen.  Femer  sind  zur  Aufführung  angenommen  eine  zwei- 
aktige  Oper  „Midas",  Text  von  Henry  Vuagneux,  Musik  von  Paul  Vidal, 
„Die  Tochter  des  Ramses*  von  demselben  Komponisten  und  ein  ein- 
aktiges Gesangspiel  „Das  Mysterium". 

KONZERTE 

Berlin:  Für  das  „Händelfest*,  das  in  Berlin  vom  25.-28.  Oktober  unter  dem 
Protektorat  des  Kronprinzen  gefeiert  werden  soll,  ist  nunmehr  das  Programm 
entworfen.  Es  gelangen  zur  Aufführung:  „Israel  in  Egypten*  unter  Leitung 
von  Siegfried  Ochs.  Instrumentalwerke  und  die  „Cäcilienode*  unter 
Leitung  von  Joseph  Joachim.  „Belsazar**  unter  Leitung  von  Georg 
Schumann.  Die  ganze  Veranstaltung  wird  durch  ein  Vormittagskonzert 
beschlossen,  in  dem  ausschliesslich  Kammermusikwerke  zu  Gehör  kommen. 
Als  Solisten  sind  gewonnen:  Emilie  Herzog,  Agnes  Hermann  (Strassburg), 
Pauline  de  Haan-Manifarges,  Bella  Alten,  Johannes  Messchaert,  Felix 


258 
DIE  MUSIK  V.  22. 


SeniuSy  Paul  Knfipfer  und  Putnam  Griawold.  Den  choriactaen  und  in- 
strumentalen Teil  fil>ernehnien  Chor  und  Orchester  der  Königl.  Hochschule, 
der  Philharmonische  Chor,  die  Sing-Akademie  und  das  Philharmonische 
Orchester. 

Paris:  Die  Philharmonie,  die  unter  dem  Namen  Palais  Philharmonique  auf 
einem  Terrain  der  Champs-Elys6es  erstehen  wird,  wird  einen  grossen  Saal 
erhalten,  dessen  Bfihne  mit  allen  modernen  maschinellen  Einrichtungen  vei^ 
sehen  werden  soll,  um  auch  Opern  auffOhren  zu  können.  Der  Saal  erhilt 
2200  Plätze.  Zwei  weitere  SUe,  zu  je  1200  und  700  Pützen  mit  amphi- 
theatralischem  Aufbau  der  Pütze,  sind  fQr  Konzerte  und  Kammermusik- 
Abende  bestimmt.  Gleichzeitig  sollen  diese  Riume  aber  auch  f&r  musi- 
kalische Fachausstellungen  dienen.  An  allen  Sonntagen  werden  Lamoureux- 
Konzerte  veranstaltet  werden. 

TAGESCHRONIK 

Am  10.  August  feierte  einer  unserer  begabtesten  Tonsetzer,  dem  es  —  wie 
so  manchem  anderen  Deutschen  —  leider  nicht  vergönnt  war,  sich  nach  Verdienst 
durchzusetzen,  seinen  50.  Geburtstag:  Paul  Geisler  in  Posen.  Geboren  1856  zu 
Stolp  in  Pommern,  zeigte  er  schon  frfih  beachtenswerte  musikalische  Anlagen. 
Er  wurde  der  Schfiler  des  Stolper  Pianisten  und  Komponisten  Constantin  Decker 
(eines  Schülers  Siegfried  Wilh.  Dehns)  und  genoss  spiter  die  Unterweisung  des 
Kantors  Grabowsky  in  Marienburg.  In  Leipzig  förderte  den  jungen  Musiker  be- 
sonders Professor  Dr.  Oskar  Paul  und  der  bekannte  Wagnerdirigent  Anton  Seidl, 
der  damals  unter  Angelo  Neumanns  Direktion  am  dortigen  Stadttheater  als  Opern- 
kapellmeister  wirkte.  Neumann  engagierte  Geisler  als  Musikdirektor  und  Kor- 
repetitor an  die  Leipziger  Oper  und  als  zweiten  Kapellmeister  f&r  seine  grosse, 
durch  ganz  Mittel-Europa  unternommene  Wagner-Tournee,  spiter  auch  an  die  Oper 
in  Bremen,  allwo  er  die  Direktion  des  Stadttheaters  fibemommen  hatte.  Durch 
Krinklichkeit  gezwungen,  zog  sich  Geisler  von  der  Dirigententitigkeit  zurück  und 
widmete  sich  nun  ganz  der  Komposition  und  dem  l/nterrichte,  erst  in  Hamburg, 
dann  in  Berlin  und  seit  einigen  Jahren  in  Posen.  Seine  hervorragendste  Schülerin 
war  die  leider  früh  verstorbene  bedeutende  dramatische  Singerin  Katharina  Klafsky. 
Geisler  hat  sich  als  Komponist  auf  verschiedenen  Gebieten  mit  Glück  ver- 
sucht Er  schrieb  Lieder  und  interessante  Klavierstücke,  vielfach  angeregt  durch 
bedeutende  Dichtungen,  u.  a.  von  Kleist  und  Hamerling  (z.  B.  „Monologe*,  Berlin, 
Bote  &  Bock),  femer  Orchesterwerke  und  Opern.  Aufsehen  erregte  vor  etwa 
25  Jahren  auf  einem  Tonkünstlerfeste  des  »Allg.  Deutschen  Musikvereins*  seine 
symphonische  Dichtung  «Till  Eulenspiegel",  ein  Stück  voll  Erfindung,  Geist 
und  Klangpracht  Eine  Oper  ,» Fritjof"  erlebte  ihre  erfolgreiche  Uraufführung  in 
Bremen.  Es  folgten  die  durch  eindringliche  und  breite  Melodik  sich  auszeichnenden 
Opern  »Die  Ritter  von  Marien  bürg*  (Uraufführung  in  Hamburg)  und  „Schiff- 
brüchig*. Neuerdings  hat  Geisler  den  vierteiligen  Einakterzyklus  „Hertha*, 
„Der  Marianer*,  „Warum?"  und  „Prinzessin  Ilse*  vollendet,  zu  dem  er 
sich  —  wie  zu  seinen  früheren  Opern  —  die  Texte  selbst  verfasste;  dieser  harrt 
noch  der  Bühnenaufführung.  Auch  vierSymphonieen  liegen  in  des  Komponisten 
Pult  Die  Partitur  der  vierten  stammt  erst  aus  diesem  Jahre.  Es  wire  nicht  mehr 
als  billig,  wenn  unsere  Konzert-  und  Theaterdirektionen  sich  am  50.  Geburtstage 
dieses  hochbegabten  und  in  echt  deutscher  Bescheidenheit  sich  in  die  Stille  seiner 
Arbeitsstube  zurückziehenden  Tondichters  daran  erinnerten,  dass  er  noch  —  lebt 


259 
UMSCHAU 


nnd  dies  oder  jenes  seiner  grosseren  Werke  zum  tönenden  Leben  erweckten.  Die 
Werke  verdienten  es  wahrlich.  W.  K. 

Von  wohlunterrichteter  Seite  wird  uns  mitgeteilt:  «Es  ist  anzunehmen,  dass  auf 
der  in  Berlin  seinerzeit  zusammentretenden  Konferenz  zur  Revision  der  Berner 
Obereinkunft  betr.  die  Bildung  eines  internationalen  Verbands  zum  Schutze  von 
Werken  der  Literatur  und  Kunst  vom  9.  September  1886  (Reichsgesetzblatt  1887 
Seite  493  ff.)  der  Antrag  zur  Beratung  gestellt  werden  wird,  die  Dauer  des  im 
Unionsgebiet  zu  gewährenden  Urheberrechtsschutzes  durch  Festsetzung  einer 
einheitlichen  Schutzfrist  zu  regeln.  Soweit  sich  bisher  Bestrebungen  in  dieser 
Richtung  geltend  gemacht  haben,  hatten  sie  insgesamt  die  Tendenz,  die  international 
zu  vereinbarende  einheitliche  Schutzfrist  weiter  zu  bemessen,  als  dies  zurzeit  im 
deutschen  Urheberrechte  der  Fall  ist;  meistens  wird  eine  Schutzdauer  von  50  Jahren 
verlangt  Massgebend  fQr  die  Stellung  der  deutschen  Delegierten  zu  einem  solchen 
Vorschlag,  dessen  Annahme  eine  Abinderung  der  deutschen  Urheberrechtsgesetz- 
gebung in  einem  sehr  wesentlichen  Punkte  zur  Folge  haben  mfisste,  wird  vor 
allem  der  Gesichtspunkt  sein,  ob  und  in  welchem  Masse  eine  Ausdehnung  der 
zurzeit  reichsrechtlich  geltenden  Schutzfrist  den  Interessen  der  beteiligten  Kreise 
entspricht* 

Am  Hause  Hauptstrasse  160  in  Heidelberg,  in  dem  Robert  Schumann  von 
1829—1830  als  Student  wohnte,  ist  eine  Schumann-Gedenktafel  angebracht 
worden. 

Der  auch  als  Komponist  bekannte  Kapellmeister  Leo  Blech  vom  Deutschen 
Landestheater  in  Prag  ist  an  das  Kgl.  Opernhaus  in  Berlin  berufen  worden. 

Julius  Stockhausen,  der  greise  Sangesmeister,  feierte  am  22.  Juli  in 
Frankfurt  a.  M.  in  vollkommener  geistiger  Frische  und  Rfistigkeit  seinen 
80.  Geburtstag. 

Zum  Direktor  des  Bemer  Stadttheaters  wurde  Kammersinger  Alf^d  Stend er- 
ste f  an  i  in  Altenburg  gewihlt 

In  der  philosophischen  Fakultit  der  Universitit  Marburg  habilitierte  sich 
Dr.  Ludwig  Schiedermair  mit  einer  Antrittsvorlesung  fiber  «Die  Bedeutung  der 
neapolitanischen  Oper  des  1^  Jahrhunderts"  als  Privatdozent  ffir  Musikwissen- 
schaft Seine  Habilitationsschrift  ist  betitelt:  „Beiträge  zur  Geschichte  der  Oper 
um  die  Wende  des  18.  und  19.  Jahrhunderts.    1.  Band:  Simon  Mayr". 

In  den  Tagen  vom  25.-27.  September  wird  in  Basel  der  zweite  Kongress 
der  internationalen  Musikgesellschaft  stattfinden,  der  u.  a.  die  Vertreter 
der  Musikwissenschaft  an  sämtlichen  Universitäten  angehOren.  Neben  den  wissen- 
schaftlichen Erörterungen,  die  der  Kongress  bringen  wird,  sind  auch  zwei  Konzerte, 
ein  geistliches  Konzert  im  Münster  und  ein  anderes  im  Musiksaale  der  Stadt  Basel 
unter  der  Leitung  des  Baseler  Kapellmeisters  Hermann  Suter,  vorgesehen. 

Die  Genfer  Anstalt  fOr  rhythmische  Gymnastik  (Dir.:  Prof.  E.  Jaques- 
Dalcroze,  7  Avenue  des  Vollandes,  Genf)  eröffnet  einen  14tägigen  Normalkursus, 
fQr  ausländische  Lehrer  bestimmt,  in  dem  die  rhythmische  Gymnastik- 
methode klargelegt  und  praktisch  vorgeführt  werden  wird.  Der  Zweck  dieser 
Methode  ist:  die  Entwicklung  des  Sinnes  für  musikalische  Metrik  und  musikalischen 
Rhythmus,  des  Sinnes  für  die  plastische  Harmonie  und  das  Gleichgewicht  der 
Bewegungen  und  die  Regelung  der  Bewegungsgewohnheiten.  Der  Kursus  wird 
vom  23.  August  bis  zum  8.  September  stattfinden. 

Wie  aus  New  York  berichtet  wird,  bereitet  ein  gelehrter  amerikanischer 
Musikkenner  John  Tower  die  Veröffbntlichung  eines  gross  angelegten  Lexikons 


260 
DIE  MUSIK  V.  22. 


vor,  in  dessen  erstem  Teil  man  die  Titel  aller  bekannten  Opern,  alphabetisch  c^ 
ordnet,  finden  soll;  der  zweite  Teil  dieses  Lexikons  wird  ein  Verzeichnis  simt- 
licher  Opernkomponisten  mit  der  Angabe  ihrer  Werke  enthalten,  und  in  einem 
dritten  Abschnitt  soll  eine  genaue  Statistik  darfiber  veröffentlicht  werden,  wie  viel 
mal  die  einzelnen  Stoffe  in  Musik  gesetzt  worden  sind.  Der  Autor  hat  dreizehn 
Jahre  angestrengter  Arbeit  gebraucht,  bevor  er  den  gewaltigen  Stoff  gesammelt 
hatte. 

Die  geistige  Bewegung,  die  durch  die  Revolution  in  Russland  herauf- 
beschworen ist,  hat  sich  auch  auf  dem  Gebiete  der  Musik  kund  getan :  im  Oktober 
werden  „Musik-Kurse  für  Volk  und  Arbeiter*  eröffnet  zur  Förderung  des 
Chorgesangs  (geistliche  und  moderne  Lieder)  mit  Spezialkltssen  für  Klavier,  Violine, 
Cello  und  andere  Instrumente,  Theorie,  Musikgeschichte  bei  einer  Mindestzahlung 
von  3  Rubel  im  Jahr.  Die  Räume  der  Stadt-  und  Dorfschulen  werden  dazu  in 
den  freien  Stunden  benutzt.  Die  neuen  «Musik-Kurse  fürs  Volk*  sind  nur  eine 
Filiale  der  Union  zur  Errichtung  einer  Hochschule  für  das  Volk,  für  die  der 
General  Scheniawsky  (gestorben  im  Herbst  1905)  ein  Kapital  von  beinahe  einer 
Million  Rubel  vermacht  hat.  Das  Komitee  der  Musik-Sektion  ist  eifrig  mit  dem 
Ausarbeiten  der  Semesterprogramme  und  der  Feststellung  der  Statuten  des  Vereins 
beschiftigt  und  zlhlt  unter  seinen  Mitgliedern  wohlbekannte  Namen  auf:  S.  Taneieff, 
Gretschaninoff,  Tr.  Linewa,  Pf.  Sibor,  Kaschkin,  J.  Engel  u.  v.  a. 

Die  Philharmonische  Gesellschaft  in  Moskau,  die  im  letzten  Früh- 
jahre so  jäh  aufgelöst  wurde,  ist  zu  neuem  Leben  berufen  worden.  Am8./21.Jttni 
hat  eine  von  der  Regierung  gestattete  Sitzung  der  Verwaltungsmitglieder  der 
Institution  stattgefunden,  in  der  über  das  weitere  Fortschreiten  der  Musik- 
gesellschaft debattiert  wurde.  Für  die  kommende  Saison  sind  zehn  Abonnements- 
konzerte angemeldet,  sowie  die  Erwählung  eines  neuen  Direktors  der  Musikschule 
vorgenommen  worden.  Der  wohlbekannte  Cellist  Brandukoff,  dem  dieser  Posten 
angeboten  wurde,  soll  seine  Zustimmung  dazu  gegeben  haben,  ein  überaus  er- 
freuliches Ereignis  im  Musikwesen  der  Stadt,  da  sein  künstlerisches  Vermögen 
wohlbekannt  ist.  Brandukoff  hat  seine  Studien  im  Konservatorium  zu  Moskau 
im  Jahre  1877  zur  Zeit  Nicolai  Rubinsteins  absolviert,  bei  welcher  Gelegenheit 
ihm  die  grosse  goldene  Medaille  als  höchste  Auszeichnung  zugeteilt  wurde. 
Später  hat  er  in  Paris  grosse  Triumphe  gefeiert,  indem  er  in  den  Konzerten 
von  Padeloup,  Colonne,  Saint-Saöns  auftrat,  mit  Anton  Rubinstein  und  Liszt  spielte 
und  an  den  Quartetten  von  Prof.  Marseens  teilnahm.  Brandukoff  erfreute  sich 
einer  warmen  Freundschaft  von  selten  Tscbaikowsky's. 

Eine  Million  Rubel  ist  der  Warschauer  Philharmonie  durch  Erbschaft 
zugefallen,  die  der  verstorbene  Herr  v.  Wessel  der  genannten  Gesellschaft  in  Form 
eines  Rittergutes  vermacht  hat.  Der  Ministerrat  hat  nunmehr  dahin  entschieden, 
dass  die  Warschauer  Philharmonie  zur  Annahme  der  Erbschaft  ermächtigt  ist 

TOTENSCHAU 

Am  17.  Juli  f  in  Elberfeld  der  Komponist  Georg  Rauchenecker,  einer 
aus  dem  schweizerischen  Wagnerkreise.  In  den  letzten  Jahren  bekleidete  er  die 
Stellung  eines  städtischen  Kapellmeisters  in  Elberfeld  und  machte  sich  sehr  um 
die  Hebung  der  volkstümlichen  Konzerte  verdient.  Als  Komponist  haben  ihn  sehr  be- 
achtenswerte Kammermusikwerke,  mehrere  Symphonieen  (unter  denen  die  vor  zwei 
Jahren  entstandene  und  mit  grossem  Erfolge  in  Elberfeld  aufgeführte  „Elegische** 
die  hervorragendste),  mehrere  Violinkonzerte,  zahlreiche  Chorwerke  (.Nikolaus 


261 
UMSCHAU 


von  der  Flfie*  1874  in  Zfirlch  preisgekrönt)  und  Lieder  bektnnt  gemacht.  Seinem 
bescheidenen  ruhigen  Wesen  entsprach  nicht  ein  Vordringen  und  Geltendmachen, 
so  dass  er  selbst  wohl  die  Schuld  hat,  dass  sein  Name  nicht  mehr  bekannt  und 
yon  seinen  Kompositionen  ausserhalb  wenig  gehört  wurde.  Schmerzlich  war  ihm, 
dass  seine  Opern  «Florentin*,  «Sanna*,  ,»Don  Quixote"  und  «Zlatorog*  trotz  guten 
Erfolges  bei  den  Erstaufführungen  sich  nicht  durchzusetzen  vermochten;  aber  wie 
so  oft  waren  auch  hier  die  wenig  geeigneten  Libretti  ein  Hindernis.  Allerdings 
instrumentierte  Rauchenecker  in  der  Regel  an  Stellen,  die  leichtere  Instrumen- 
tation verlangten,  zu  schwer.  Er  war  geboren  am  8.  März  1844  in  München  als 
Sohn  eines  Musikers.  Früh  begann  seine  musikalische  Ausbildung.  Seine  Lehrer 
waren  Lachner  (Klavier,  Orgel),  Baumgartner  (Komposition),  Walter  (Violine). 
1868  wurde  er  Direktor  des  stidtischen  Konservatoriums  in  Avignon  und  später 
Theaterkapellmeister  in  Aix  und  Carpentras.  Als  der  Krieg  ausbrach,  musste  Rauchen- 
ecker Frankreich  verlassen.  In  Zürich  und  in  Winterthur  finden  wir  ihn  spiter  als 
Musikdirektor.  Dann  ging  er  nach  Berlin  und  dirigierte  eine  Zeitlang  das  Phil- 
harmonische Orchester  und  war  am  Stemschen  Konservatorium  titig.  Von  Berlin 
aus  siedelte  er  nach  Barmen  über,  wo  er  eine  Musikschule  gründete.  Nach  drei 
Jahren  schlug  er  dann  seinen  bleibenden  Wohnsitz  in  Elberfeld  auf,  wo  er  den 
Instrumentalverein,  verschiedene  Gesangvereine  und  schliesslich  das  Stidtische 
Orchester  leitete.  Anlisslich  seiner  häufigen  Berufung  als  Preisrichter  wurde  er 
vielerorts  eine  bekannte  Persönlichkeit.  1902  bereitete  ihm  Stadt  und  Bürger- 
schaft am  60.  Geburtstage  eine  grossartige  Ehrung  in  einem  „Rauchenecker- 
Abend*,  an  dem  auch  neue  Kompositionen  aus  seiner  Feder  ihre  Erstaufführung 
erlebten,  und  er  so  erkennen  konnte,  wie  beliebt  er  war.  Dass  er  nicht  eine  her- 
vorragendere Stellung  einnahm,  lag  z.  T.  auch  darin  begründet,  dass  Rauchenecker 
nach  echter  Musikantenart  einen  guten  Tropfen  sehr  liebte.  In  seiner  Komposition 
ist  ihm  Wagner,  ohne  dass  er  dessen  Nachtreter  genannt  werden  dürfte,  gefährlich 
gewesen.  Dennoch  ist  seine  Kammermusik  dem  Besten  ihrer  Art  zuzurechnen 
und  wird  auch  sicher,  wenn  sich  der  rechte  Mann  ihrer  annimmt,  eine  Zukunft 
haben.  —  Raucbenecker  erzählte  gern  und  begeistert  von  den  Quartettabenden 
bei  Wagner  in  Zürich,  wo  er  ein  gern  gesehener  Mitspieler  war.  Noch  in  letzter 
Zeit  beschäftigte  ihn  der  Gedanke,  das  Buch  »Philosophie  und  Musik*  von  La- 
combe  aus  dem  Französischen  zu  übersetzen.  Sein  biederes  Münchnerisch  hatte 
durch  den  französischen  Akzent,  eine  Folge  des  langen  Aufenthalts  in  Frankreich, 
einen  fremdartigen  Klang.  Aber  sonst  war  Rauchenecker  ein  Deutscher  bester  Art. 
Sein  Tod  ist  für  das  Elberfelder  Musikleben  ein  fühlbarer  Verlust. 

Friedrich  Kerst 

Am  25.  Juli  f  in  Dresden  die  Pianistin  und  Kammervirtuosin  Doris  Böhme, 
die  vor  50—60  Jahren  in  Konzerten  der  Schröder- Devrient  als  musikalisches 
Wunderkind  Aufsehen  erregte. 

In  Wien  f  im  60.  Lebensjahre  die  königlich  sächsische  Kammersängerin  im 
Ruhestande  Marie  Ehrhardt. 

Am  20.  Juli  t  in  Stuttgart  der  ausgezeichnete  Kammersänger  Dr.  Hans  Pockh, 
der  jahrzehntelang  als  erster  Bassist  und  als  Opernregisseur  der  Hofbühne  vor- 
zügliche Dienste  leistete. 

In  Dresden  f  der  Pianist  Prof.  Georg  Schmole  im  66.  Lebensjahre. 

Josefine  Lohse,  die  jugendlich-dramatische  Sängerin  der  Kölner  Oper,  f 
daselbst. 


KRITIK 


Ma^^,^^^s^^ta^^^^&.^^db^MBi^& 


OPER 

BROnN:  Knapp  vor  SalsonBChluas  gab  ca  noch  eine  Novial:  Face Jn l'a  .Toaca"  und 
eine  Uraufführung:  .Edelrot",  eine  einaictlge  Bauernoper,  Text  von  Mahler  und 
NiederfGbr,  Mnallc  von  Juliua  Gottlfeb,  die  neben  hiibachen  Analtzen  oft  den  An- 
tlnter  verrit.  Auch  hat  uns  der  Mal  eine  Aufführung  dea  .Rioga"  und  der  aMeliler- 
■Incet"  gebracht.  S.  Ehrenttein 

COBURG:  Der  neue  Intendant  Herr  von  Ebart  hat  ea  veratanden,  den  jungen  Herzog 
für  die  Oper,  deren  Fonbeiteben  anftinga  ataric  In  Frage  gezogen  war,  lebhaft  lu 
intereaaieren,  ao  da»  an  einem  Tied ererblühen  der  unter  dem  kunatalnnigen  Henog 
Ernai  II.  so  berühmten  Coburger  Oper  wenigatena  an  dem  guten  Tillen  hierzu  nicht  zu 
zveifein  lat  Hierfür  apracben  vor  allem  die  gewlaaenhaften  zeitgemlaien  Neueinatudle* 
rangen  ilterer  Melaterwerke  und  neuerer  Komponiaten,  die  aimtllch  neu  mit  prlchtigen 
atlmmungavollen  Dekorationen  aua  dem  Atelier  dea  Aitmeiatera  der  Bühnendekoradona- 
kunst  Prof.  Brückner  sowie  teilweise  auch  mit  neuen  Koatüroen  ausgerQatei  wurden,  wie 
z.  B.  der  B^ton  Juan*  nach  Vleabadener  Muater,  die  .Telsse  Dame'  und  Goethes 
aFauBl"  1.  und  11.  Teil  mit  der  Musik  von  Lassen.  Femer  wurde  der  aFliogsnde 
Hollinder*  nach  Bayreuther  Mnater  in  einem  Aufzug  eingerichtet  und  durchaus  mit 
neuen  Dekorationen  und  neuen  Maachlnen  versehen.  Im  Canien  war  der  Drang  nach 
hSberer  künatleri acher  Arbelt  durctaans  erkennbar  und  wurde  durch  einen  überaus  regen 
Besuch  gewürdigt.  Von  den  zahlreichen  GrSasen  der  Salaon  mOchte  Ich  nur  erwlhnen: 
Ejnar  Forchhammer  (Frankfun),  Mme.  Gabler  <Nev  York),  die  Herren  Philipp  und 
Naval,  die  Damen  GOtze  und  Herzog  (Berlin),  Frau  Reuss-Belce,  Frau  Letfler- 
Burckard  (Wlesbsden),  Frau  Doenges  und  Herr  Moers  (Leipzig),  Herr  Büttner 
(Karlsrahe),  Freu  Sondrs  (Nürnberg)  und  Dr.  Bannaach  (Halle),  die  Hmi  sämtlich 
mehlfach  an  unaerer  und  der  Gothaer  Bühne  aufgetreten  aiod.  Aucb  eine  Uraufführung 
für  Deutschland  hat  unser  Hoftheater  in  dleaer  Salaon  zu  verzeicbnen  und  zwar  von 
Spiro  Samara'a  drelaktiger  Oper  .La  Blondlnetta"  (L'histoire  d'amour),  Text  von 
Panl  Mllliet  In  einer  durchaus  geschickten  und  deklamstorisch  gut  stilisierten  Obei^ 
Setzung  von  L.  Hartmann.  Der  Komponlat  lat  von  Gebnrt  Grieche,  der  aelne  Studien 
am  Pariser  Konservatorium  unter  Lto  Dellbes  vollendet  and  bereita  sieben  Opera 
geecbrieben  hat,  deren  letzte  kfirzUcb  in  Monte  Carlo  Ihre  erfolgreiche  Premiere  zu 
verzeichnen  hatte.  Die  Handlung,  die  alch  teilwelae  suf  der  Inael  Elena  vor  Venedig, 
lellweiae  auf  dem  Schlachtfeld  vor  Verona  zur  Zeil  des  Napoleooiachen  Erobern ngszugea 
um  1797  abapielt,  ist  kurz  folgende:  Blondinetta  Ist  mit  einem  Gondoller  Andrea  ver- 
aprochen,  wird  aber  auch  von  Glannl,  dem  Führer  der  Gondoliers,  umworben.  Der  Kurat 
fordert  zum  Kampf  gegen  Napoleon  auf  und  wihrend  Glannl  zum  Schutz  der  Inael  aus- 
eraeben  ist,  zieht  Andrea  In  den  Feldzug,  wo  er  schwer  verwundef  wird.  Nsch  Isnger 
Gefsngenachaft  kehrt  der  Todtgeglaubte  wieder  in  aetne  Heimat  zurück,  wo  aoeben 
Biondlnetu  nach  langem  vergeblichen  Harren  alch  aelnem  Nebenbuhler  Glannl  vermihlt 
haL  An  seinem  Glück  verzweifelnd,  ersticht  sich  schlleasUch  Andrea.  Tenn  nun  aucb 
dieser  Vorwurf  In  mancherlei  Variationen  bereita  auf  die  Bühne  gebracht  worden  lat,  so 
hat  ea  doch  der  Librettlat  veratanden,  diesem  Stoff  durch  seinen  zweiten  Akt  eine 
ori^nelle  Faaanng  zn  geben.  Indem  er  bei  dem  auf  dem  Schlachtfeld  acbwer  Verwnn- 


263 
KRITIK:  OPER 


deten  FiebenrisioDen  eintreten  liest,  deren  Inhalt  die  in  einem  Nebelschleier  gehaltene 
Bfihne  wiedergibt  Andrea  sieht  hierin  das  Bild  seiner  Heimat,  sieht,  wie  sein  Neben- 
buhler Gianni  um  seine  Braut  wirbt,  sie  zum  Tanze  führt  und  im  dritten  Bild  ihr 
schliesslich  in  der  Kirche  angetraut  wird.  Weit  über  dem  Textbuch  steht  die  Musilc 
Samara's,  Hier  ist  yor  allem  prignant  der  unerschöpfliche,  mit  sfidlicher  Glut  dahin- 
fliessende  Melodieenstrom,  dem  sich  originelle  Erfindung  und  tiefgehende  Empfindung 
nicht  abstreiten  lassen.  Freilich  legt  der  Komponist  den  schönsten  Teil  seiner  schwung- 
vollen Melodik  in  das  Orchester,  das  fast  immer  gegenfiber  dem  vokalen  Part  eine  völlig 
selbständige  Führung  erhilt.  Samara  beherrscht  die  Technik  der  Instrumentierungskunst 
in  der  den  Franzosen  eigenen  souverinen  Art  und  Weise.  Von  den  rein  instrumentalen 
Nummern  möchte  ich  hier  auf  die  in  den  Visionen  enthaltene  Kirchenszene,  die  in 
idealisierter  Walzerform  gehaltene  Aufforderung  zum  Tanz,  die  allerdings  den  Vater 
Delibes  nicht  verleugnen  kann,  sowie  auf  den  Hochzeitsreigen  verweise^,  in  welch  letzterem 
sich  der  Komponist  ebenso  wie  in  einem  fugierten  Satz  des  Orchesters,  auf  dessen 
Grundlage  sich  zwei  Gondoliere  necken,  als  vortrefflicher  Symphoniker  zeigt.  Der 
schwächste  Punkt  der  Oper  sind  die  Chorsitze,  die  der  Komponist  offenbar  etwas  ver- 
nachllssigt  hat.  Im  ganzen  haben  wir  es  iedoch  mit  einem  geistreichen  interessanten 
Werk  zu  tun,  das  sicher  die  Beachtung  aller  Bühnen  verdient  Die  Oper  erzielte  in 
einer  vortrefflichen  Aufführung  mit  Kammersinger  Wolff  als  Andrea  sowohl  hier  wie 
auch  in  Gotha  einen  durchschlagenden  Erfolg.  Otto  Baldamus 

KÖLN:  Die  beiden  letzten  Abende  der  Opern festspiele  im  Neuen  Stadttheater 
brachten  Richard  Strauss'  Musikdrama  »Salome",  die  erste  Aufführung  am  2.  Juli 
unter  des  Komponisten,  die  andere  am  4.  Juli  unter  Otto  Lohses  Leitung.  Erfreuten 
sich  die  Festspiele  überhaupt  schon  sehr  starken  Besuchs,  so  Hess  die  mit  «Salome* 
nun  einmal  gewaltsam  verknüpfte  »Sensation*  an  diesen  Abenden  kein  Plitzchen  unver- 
kauft. Interessiert  hat  das  Werk  zweifellos  alle  Theaterbesucher,  ich  konnte  aber  keinen 
einzigen  finden,  den  es  erfreut  bitte,  und  das  Ist,  vom  Standpunkte  des  musikalischen 
Schönheitsbegriffes  betrachtet,  nur  zu  begreiflich.  Der  Beifall  war  zunichst  kein  sehr 
lebhafter,  natürlich  aber  wurden  dem  berühmten  Dirigenten  und  Komponisten,  als  ihn 
die  Singer  auf  die  Bühne  hinauszogen,  gewisse  Ovationen  dargebracht;  der  Erlbig  des 
Werkes  selbst  war  kein  echter.  Die  Aufführung  bot  ihm  alle  möglichen  Chancen.  Alice 
Guszalewicz  (Köln)  als  Vertreterin  der  Titelrolle,  Carl  Burrian  (Dresden)  als  Herodes 
dann  Leopold  Demuth  (Wien)  und  Fritz  Fein  hals  (München)  als  Darsteller  des 
Jochanaan  abwechselnd,  und  eine  treffliche  Besetzung  der  kleinen  Rollen  ergaben  ein 
glinzendes  Ensemble.  Das  Bühnenbild  hatte  Wilhelm  von  Wym6tal  (Köln)  sehr  charak- 
teristisch behandelt.  Bewundernswert  hielt  sich  das  Orchester.  Besonders  herzlicher 
Dank  wurde  unter  gerechter  Würdigung  seiner  Festspielverdienste  überhaupt  und  seiner 
diesmaligen  so  enorm  schwierigen  Leistung  im  speziellen  am  letzten  Abend  an  die 
Adresse  des  immer  wieder  stürmisch  auf  die  Bühne  berufenen  Otto  Lohse  gerichtet 
Der  Vorstand  des  Festspielvereins  darf  mit  stolzer  Genugtuung  auf  den  sehr  bedeutenden 
künstlerischen  Erfolg  dieser  zweiten  Serie  zurückschauen,  der  mit  der  Zukunft  der 
hiesigen  Festspiele  auch  ihre  volle  Berechtigung  sicherstellt  Paul  Hill  er 

PARIS:  Die  Komische  Oper  gab  das  dramatische  Erstlingswerk  von  Henri  F^vrier 
.Le  Roi  Aveugle*  mit  gutem  Erfolg.  Der  Komponist,  dem  wir  bereits  eine  tüchtige 
Geigensonate  verdanken,  hatte  seinen  Stoff  selbst  in  einer  Novelle  des  bekannten  Roman- 
dichters Hugues  Le  Roux  gefunden,  und  dieser  unterzog  sich  selbst  der  Mühe,  ein  Opem- 
buch  in  zwei  Akten,  die  durch  ein  Zwischenspiel  verbunden  sind,  daraus  zu  machen« 
Der  in  der  norwegischen  Legendenzeit  lebende  blinde  König  wird  von  seiner  Tochter  in 
schnödester  Weise  verlassen.    Der  fremde  Wikinger  brauchte  sie  eigentlich  gar  nicht  zu 


264 
DIE  MUSIK  V.  22. 


rauben,  denn  schon  sein  erster  Anblick  versezt  sie  in  onpstriotische  Verzückung.  Sie 
besingt  seine  Erscheinung  und  der  bHnde  Vater  bildet  sich  ein,  das  Lied  gelte  seinen 
eigenen  jugendlichen  Heldentaten.  Ungeschickterweise  hat  sich  der  Tonsetzer  nicht  ein- 
mal hier  zu  einer  geschlossenen  melodischen  Form  bequemen  wollen,  und  so  bleibt  die 
dramatische  Wirkung  unsicher.  Sehr  gut  hat  er  dagegen  die  Szene  behandelt,  wo  die 
Untertanen  den  vom  Wikinger  zu  Boden  geworfenen  König  auffinden  und  von  ihm  den 
Raub  der  Tochter  erfahren.  Der  Chorsatz  ist  hier  namentlich  sehr  erfreulich  und  auch 
das  Orchester  ist,  von  einigen  allzu  direkten  Wagnerismen  abgesehen,  gut  behandele 
Der  Bassist  Vienille  fand  Gelegenheit,  sich  in  der  Titelrolle  auszuzeichnen,  und  ein 
neuer  Tenorist  Fern  et  konnte  als  Wikinger  wenigstens  den  Besitz  eines  guten  stimmlichen 
Materials  nachweisen.  Felix  Vogt 

STRASSBURG:  Einige  wertvollere  Neueinstudierungen  waren  —  nicht  sehr  ökonomisch 
—  dem  Saisons9hluss  vorbehalten.  d'Alberts  „Flaute  solo*,  trotz  seiner  „Meister- 
singerei*,  den  unvermeidlichen  Längen  und  dem  operettenhaften  Einschlag  ein  prächtiges, 
echtes  Musikantenstücklein,  das  eine  dauernde  Bereicherung  unseres  Opemschatzes  be- 
deutet, gleich  der  »Abreise*,  fand  mit  Pokorny,  Corvinus  und  Frau  Knappe  in  den 
Hauptrollen  unter  Frieds  gewissenhafter  Leitung  gute  Wiedergabe  und  warme  Aufnahme; 
Lussmann  ein  zu  farblos-weicher  Prinz.  Der  Eindruck  von  Cornelius'  klassischem 
„Barbier*  litt  unter  Kapellmeister  Gorters  Stil-  und  Tempomissgriffen  und  dem  Mangel 
an  peinlicher  Sorgfalt  und  Sauberkeit,  durch  den  dieser  Dirigent  leider  nicht  selten 
die  empfindlicheren  Hörer  verletzt.  Heisst  das  etwa  „den  Lustspielton  wahren*,  wenn 
man  aus  dem  würdevoll-gravitätischen  Museigreis  einen  polternden  Zappelphilipp  macht 
(wo  sonst  Corvinus  ein  idealer  Vertreter  der  Rolle  hätte  sein  können),  eine  ganze  Reihe 
von  Sätzen  (besonders  Ensembles)  ins  Unverständliche  übersetzt  und  so  und  soviele  der 
feinen  Pointen  dieser  köstlichen  Partitur  nicht  unterstreicht  sondern  verwischt?  —  Besser 
gelang  dem  letztgenannten  Dirigenten  Humperdincks  „Heirat  wider  Willen*  ^  bis 
auf  einige  Flüchtigkeiten  in  den  heiklen  Ensembles  — ,  das  auch  stilistisch  eine  wesent- 
lich leichtere  Aufgabe  darstellt;  die  Solisten,  die  Damen  Mahlendorf  und  Croissant, 
Herren  Würthele,  Knappe  und  Corvinus  trafen  den  heiteren  Rokokocharakter  des 
nur  im  dritten  Akt  zu  ernst  einherschreitenden  und  im  Ganzen  etwas  einförmig  ge- 
haltenen Werkes  recht  gut  Ob  die  Musik  mit  ihrer  unentwegt  wie  ein  Ameisenhaufen 
kribbelnden  Polyphonie  upd  mehr  reflektiert-künstlicher  als  natürlich-charakteristischer 
Struktur  sich  bleibend  halten  wird,  möchte  ich  fast  bezweifeln.  Im  Grunde  ist  Humper- 
dinck  ein  besserer  Vorarbeiter  als  Erfinder  —  wo  nicht,  wie  in  Hansel  und  Gretel,  die 
Volksweisen  seinen  Erfolg  bewirkten.  —  Eine  echte  Carmen  war  die  Spanierin  Maria 
Gay.  Eine  „Ring*aufführung  unter  Gorter  beschloss  die  Saison.  Ob's  auch  „der  echte 
Ring*  war,  will  ich  für  diesmal  nicht  untersuchen  und  nur  hoffen,  dass  ich  in  der  nächsten 
Saison  nicht  über  Grobschmiedsarbeit  werde  klagen  müssen.  Sonst  wären  hier  manche 
Voraussetzungen  zu  einer  erstklassigen  Oper  vorhanden:  das  Interesse  der  Stadtverwaltung, 
der  Eifer  der  Direktion,  die  Tüchtigkeit  des  Orchesters  und  der  meisten  Solisten.  Möge 
die  künstlerische  Leitung  sich  such  stets  auf  dieser  Höhe  bewegen  und  besonders  dem 
nahezu  beispiellosen  Schlendrian  so  mancher  Inszenierungen  ein  wohlverdientes  Ende 
bereiten I  Dr.  G.  Altmann 

WEIMAR :  Das  verhältnismässig  einförmige  grösstenteils  aus  Wiederholungen  bestehende 
Repertoire  unseres  Hoftheaters  wurde  in  den  letzten  Wochen  in  interessanter 
Weise  durch  eine  örtliche  Erstaufführung  von  Weingartners  „Orestes*,  Trilogie  nach 
der  Oresteia  des  Aischylos  unterbrochen.  Das  ernste,  schöne  Momente  enthaltende  Werk, 
dessen  technische  Behandlung  die  Erfindung  leider  überragt,  wurde  in  den  beiden  Erst- 
aufführungen unter  der  Leitung  Krzyzanowski's  warm  aufgenommen,  während  die 


265 

KRITIK:  KONZERT 


dritte  und  letzte  Wiederholung  unter  des  Komponisten  eigener  Leitung  den  nachhaltigsten 
Beifall  des  nicht  sehr  zahlreich  erschienenen  Publikums  entfachte,  der  in  erster  Linie 
dem  genialen  Dirigenten  galt.  Von  besonders  schöner  Virlcung  sind  die  Chöre,  während 
das  Orestmoiiv  nicht  ganz  glücklich  erfunden  erscheint.  —  Mara  Fried  fei  dt  vom  Stadt- 
tbeater  in  Metz  hinterliess  als  Violetta  in  Verdi's  »Traviata*  von  den  vielen  im  Koloratur- 
fach  stattgefundenen  Gastspielen  den  unbedingt  besten  Eindruck,  da  sich  eine  edle  Ton- 
gebung  mit  nobler  Gestaltungsweise  paart.  Carl  Rorich 

KONZERT 

BRONN:  Im  letzten  Musikvereinskonzert  bekamen  wir  eine  recht  gerundete  Auf- 
führung der  Matthäuspassion  zu  hören.  Die  Soli  sangen  die  Damen  Brfill- 
Kienemund  und  Kusmitsch  und  Herr  Sistermans,  der  gleichzeitig  die  Partie  des 
Evangelisten  markierte,  da  Herr  Senius  nach  der  Generalprobe  heiser  wurde.  Das 
Quartett  Mraczek  brachte  u.  a.  Dohnanyis  Klavierquintett  zum  Vortrag.  Otto  Burkert, 
der  Organist  des  ,,deut8chen  Hauses*,  veranstaltete  auch  heuer  eine  Bachfeier  und 
zahlreiche  Orgelvorträge,  von  denen  eine  Msx  Reger- Matinee  besonders  interessierte. 

S.  Ehrenstein 

CINCINNATI:  Seit  meinem  ersten  Bericht  über  die  Konzertsaison  wurden  folgende 
Konzerte  veranstaltet:  Jan  Kubelik  gab  Ende  Januar  eine  Matinee.  Eine  Sonate 
von  Händel,  das  Praeludium  aus  Bachs  E-dur  Sonate  (für  Violine  allein)  sowie  Ernsts 
fls-moll  Konzert  bildeten  die  Hauptnummern  des  Programmes.  —  Am  Tage  nach  diesem 
Konzert  erschien  das  New  Yorker  Symphonieorchester  mit  Felix  Weingartner 
als  Gast.  Der  geniale  Dirigent  erzielte  einen  grossartigen  Erfolg,  der  in  einer  herrlichen, 
grossangelegten  Wiedergabe  von  Beethovens  c-moll  Symphonie  gipfelte.  Man  bereitete 
dem  grossen  Künstler  stürmische  Ovationen  und  erkannte  in  ihm  einen  der  berufensten 
Vertreter  der  Direktionskunst  unsrer  Zeit.  —  Das  wenige  Tage  später  stattfindende 
Symphoniekonzert  unsres  hiesigen  Orchesters  brachte  als  Hauptnummern  Cesar  Francks 
hochinteressante  d-moll  Symphonie,  Berlioz'  Benvenuto  Cellini-Ouveitüre  und  Bizeta 
melodiöse  Suite  .Roma".  Das  Orchester  erledigte  sich  seiner  Aufgabe  mit  grossem 
Geschick  und  bekundete  durchweg  ein  klares  Verständnis  für  die  Meisterwerke  der 
französischen  Schule.  Raoul  Pugno  vervollkommnete  das  Bild  gallischen  Geistes  durch 
eine  brillante  Wiedergabe  des  glänzenden  c-moll  Konzertes  von  Saint-Saöns;  es  ist  übrigens 
lebhaft  zu  bedauern,  dass  dieser  bedeutende  Pianist  sich  leider  häufig  zu  einem  förm- 
lichen Wettspielen  mit  einem  automatischen  Klavier  hinreissen  lässt;  sein  Vortrag  ver- 
liert dadurch  an  Klarheit  und  Tiefe,  das  seelenvolle  Spielen  verbietet  sich  dann  von  selbst 
Ein  anderes  Bild  brachte  das  nächste  Symphoniekonzert,  in  dem  Brahms'  D-dur  Symphonie, 
d'lndy's  ,»Le  Champ  de  Wallenstein*  und  ein  symphonisches  Gedicht  „Tragi-Commedia* 
eines  hiesigen  Komponisten  P.  Tirindelli  das  orchestrale  Kontingent  bildeten.  Leider 
vermag  sich  der  letztere  nicht  von  den  Ungezogenheiten  der  neuitalienischen  Schule 
loszureissen,  sonst  vermöchte  er  Gutes  zu  leisten.  Die  Orchestrierung  ist  sehr 
wirkungsvoll  und  verhalf  dem  Werke  zu  einem  Achtungserfolg.  Corinne  Kirkby-Lunn 
sang  die  Arie  „Gerechter  Gott*  (Rienzi)  und  R.  Strauss'  Hymnus,  op.  33.  Leider  blieben 
die  Leistungen  der  Künstlerin  hinter  den  Erwartungen  zurück,  zu  denen  man  gemäss 
ihrer  i^Kundry*  in  der  englischen  Aufführung  des  »Parsifal*  berechtigt  war.  Um  so 
erfreulicher  gestaltete  sich  das  Auftreten  Gerardy's  im  folgenden  Konzert,  der  durch 
seine  herrliche,  technisch  wie  geistig  hochstehende  Wiedergabe  des  Lalo'achen  d-moll 
Konzertes  die  Zuhörer  enthusiasmierte.  Vervollständigt  wurde  das  Programm  durch 
Bachs  D-dur  Suite,  Berlioz'  Harold-Symphonie  und  Massenet's  „Phödre^-Ouverture.  Im 
folgenden  Konzert  trat  Marie  Hall,  die  bekannte  englische  Geigenvirtuosin  auf.  Sie 
V.  22.  19 


266 
DIE  MUSIK  V.  22. 


spielte  Bruchs  g*inoll  Konzert  mit  feinem  VerstSndnis,  wenngleich  auch  ihr  Ton  nicht 
besonders  gross  noch  modulations fähig  ist.  Mozarts  9Zauberflöte*-Ouvertttre,  Beethoyent 
siebente  Symphonie  und  Converse's  »The  mystic  Tnimpeter*  waren  die  Nummern  des 
Orchesters.  Das  folgende  Konzert  gestaltete  sich  zu  einem  interessanten  Lokalereignis, 
insofern  Hans  Richard,  Lehrer  am  hiesigen  Conservatory  of  Music,  als  Pianist  mit 
der  Wiedergabe  des  Schytteschen  cis-moU  Konzertes  debütierte.  Der  Solist  besitzt 
einen  kraftvollen,  abgerundeten  Ton  und  eine  glänzende  Technik.  Brückners  vierte 
Symphonie,  Humperdincks  „Hansel  und  Gretel**- Vorspiel,  Sibelius'  „Schwan  von 
Tuonela"  und  Liszts  „Pr61udes*  bildeten  die  Orchesterkompositionen  des  Programmes. 
Das  zweitletzte  Symphoniekonzert  brachte  Henri  M  arte  au,  der  mit  einer  herrlichen 
Wiedergabe  des  Brahmsschen  Konzertes  die  Zuhörer  erfreute.  Strauss'  farbenprächtige 
symphonische  Phantasie  „Aus  Italien*,  Webers  „Oberon*-Ouverture,  und  zwei  kleinere 
Kompositionen  van  der  Stuckens  „Idylle*  und  „Calibans  Pursuit*  bildeten  die  weiteren 
Nummern  des  Programms.  Das  letzte  Konzert  bestand  in  einer  Auslese  Wagnerscher 
Kompositionen,  wie  der  Ouvertüren  zu  den  älteren  Werken  des  Meisters,  sowie  des 
„Siegfried- Idyll*  und  der  „Rheinfahrt*  aus  der  Götterdämmerung.  Als  Solist  trat  Ben 
Davies  auf.  Das  Symphonie-Orchester  spielte  mit  anerkennenswerter  Brillianz  und 
erntete  nebst  seinem  energischen  Leiter  reichen  Beifall.  —  Ein  von  dem  englischen 
Männerchor  „Orpheus*  veranstaltetes  Konzert  verdient  besondere  Erwähnung,  da  der 
Verein  über  vorzugliches  Material  verfügt  und  eine  treffliche  Schulung  unter  seinem 
Dirigenten  Edwin  Glover  aufweist.  —  Erwähnt  sei  noch,  dass  zwei  hiesige  Pianisten, 
B.  van  dem  Berg  und  der  Unterzeichnete  für  die  Konzerttour  des  berühmten  Thomas- 
Orchesters  gewonnen  wurden  und  Schubert- Liszts  Wandererphantasie,  das  a-moll 
Konzert  von  Grieg  und  Mozarts  d-moU  Konzert  vortrugen.  Friedrich  Stock,  der  infolge 
seiner  glänzenden  Verdienste  um  die  Leitung  der  Chicagoer  Symphoniekonzerte  für 
weitere  drei  Jahre  als  Dirigent  verpflichtet  wurde,  leitete  sämtliche  Konzerte. 

Dr.  N.  J.  Elsenheimer 

COBURG:  Die  verflossene  Saison  war  an  künstlerischen  Ereignissen  recht  arm,  wss 
wohl  die  notwendige  Folge  des  geringen  Besuches  der  öffentlichen  Konzerte  selbst 
der  ausgewähltesten  Künstler  sein  dürfte.  Auch  die  Symphonie-Konzerte  der  Hofkapelle, 
von  denen  drei  geplant  aber  nur  zwei  wegen  des  hierfür  mangelnden  Interesses  zur  Aus- 
führung kamen,  konnten  in  Hinblick  auf  den  finanziellen  Erfolg  die  Hoftheaterintendanz 
nicht  befriedigen,  trotzdem  di6  Leistungen  des  Orchesters  unter  Alfred  Lorenz  mit 
einem  zwar  nicht  modernen  aber  interessanten  Programm  völlig  auf  der  Höhe  standen 
und  im  zweiten  Konzert  Jos6  Vianna  da  Motta  in  dem  fünften  Beethovenschen  Konzert 
und  einigen  Klavlerpiecen  seine  technische  und  musikalische  Meisterschaft  in  hervor- 
ragender Weise  darlegte.  Von  den  ferneren  Konzerten  kommen  hier  noch  drei  Kammer- 
musikabende der  künstlerisch  hervorragenden  Frankfurter  Trio-Vereinigung  FrL 
von  Bassewitz  (Klavier),  Josef  Natterer  (Violine)  und  Hugo  Schlemüller  (Cello)  in 
Betracht,  die  in  allen  ihren  Abenden  dem  leider  nur  spärlich  vertretenen  Publikum  einen 
ungetrübten  Genuss  mit  Brahms,  Beethoven,  Schubert  und  Schumann  boten  und  auch 
eine  Uraufführung  eines  neuen  Klavierquartetts  von  Alfred  Lorenz  brachten,  das  als 
interessante,  wenn  auch  nicht  immer  klangschöne  Novität  gut  ansprach.  Dagegen  konnte 
ein  Konzert  zweier  amerikanischer  Künstlerinnen  Anna  Balser-Fyshe  (Klavier)  und 
Aube  Pearle  (Sopran)  nur  wenig  befriedigen.  Ausser  diesen  öffentlichen  Konzerten,  zu 
denen  noch  einige  Veranstaltungen  lokaler  Musiker  treten,  können  nur  noch  die  Konzerte 
der  Gesellschaft  „Verein*  Anspruch  auf  künstlerisches  Interesse  beanspruchen.  Hier 
hörten  wir  Ejnar  Forchhammer  und  Frau  Ulsaker-Forchhammer  (Frankfurt),  die 
mit  einem  fesselnden  Programm  von  Liedern  mit  Goetheschem  Text  im  ersten  Teil  und 


267 

KRITIK:  KONZERT 


Im  zweiten  nur  neuere  Gesinge  und  Duette  nordUeber  Komponisten  grosse  Triumphe 
feierten  und  zwar  unter  Mitwirkung  des  Karlsruher  Pianisten  und  Komponisten  Walter 
Petzet.  Femer  traten  in  diesen  Konzerten  der  Violinist  Arthur  Hartmann,  der 
namentlich  durch  seinen  formyollendeten  Vortrag  der  Chiaconna  entzückte,  sowie  Myrtle 
Elyyn  auf,  eine  Pianistin,  deren  Spiel  sich  seit  ihrem  letzten  Auftreten  bedeutend  ver- 
feinert hat.  Sodann  folgten  der  Cellist  Josef  Malkin  und  Maria  Seret,  sowie  zum 
Todestage  Beethovens  Frederic  Lamond  mit  einem  der  Bedeutung  des  Tages  ent- 
sprechenden Programm  aus  den  Werken  des  Meisters,  während  Frl.  Altena  ausser  den 
schottischen  Liedern  noch  die  Arie:  «Ab  perfldo'*  mit  klangschönem  Organ  und  dramatisch 
empflndungswarmem  Vortrag  beisteuerte.  Otto  Baldamus 

FLENSBURG:  Das  hiesige  Musikleben  steht  unter  keinem  günstigen  Stern.  Die  Stadt, 
die  60000  Einwohner  ziblt  und  den  Mittelpunkt  der  ganzen  nördlichen  Provinzhilfte 
von  Schleswig-Holstein  bildet,  besitzt  die  grösste  Schiffsreederei  von  ganz  Preussen  und 
damit  eine  sehr  bedeutende  Wohlhabenheit,  allein  die  geistigen  Interessen  treten  allzu- 
weit zurück  hinter  Geselligkeit  und  Vergnügungen  leichtwiegendster  Art,  unter  deren 
Vormundschaft  sich  zumeist  die  Kunst  begeben  muss,  will  sie  überhaupt  gehört  werden. 
Der  Gang  der  Entwicklung  im  letzten  Jahrzehnt  ist  betrübend,  aber  für  viele  Städte 
kennzeichnend.  An  der  Spitze  der  musikalischen  Faktoren  steht  der  „Gesangverein**, 
in  dem  —  cantare  a  non  cantando  —  40  singende  Mitglieder  1720  nichtsingenden  gegen- 
überstehen. Seinem  äusseren  Wachstum  läuft,  nicht  ohne  innere  Wechselbeziehung,  das 
Absterben  eines  früher  grossen  Dilettanten-Orchestervereins  und  das  Zurückgehen  der 
schwer  um  ihre  Existenz  kämpfenden  wirklichen  Chorvereinigungen  parallel  —  des 
kunsterzieherisch  Wichtigsten,  was  die  Provinz  vielleicht,  was  das  Musikleben  überhaupt 
kennt.  Musikleben  aber  ist  kein  träger,  passiver  Musikkonsum,  zu  dem  man  sich  alle 
8  Tage  einmal  in  weiteren  Zirkeln  trifft,  und  wenn  es  «Namen*  von  internationalster  Ab- 
stempelung gilt  kennen  zu  lernen  —  es  ist  aktives,  begeisterungsfreudiges  Einsetzen  der 
eignen  Persönlichkeit  zur  Ermöglich ung  grosser,  gemeinsamer  Aufgaben  oder  aber  intimer, 
herzenswarmer  Pflege  von  Hausmusik.  Flensburg  ermangelt  beider.  —  Bemerkenswertere 
Aufführungstatsachen  sind  ausser  E.  Magnus'  populären  Kirchenkonzerten  drei  zu  ver- 
zeichnen: Mozarts  Requiem  (E.  Fromm),  Heinrich  Schütz'  Historia  vom  Leiden  und 
Sterben  Jesu  Christi  in  Riedelscher  Zusammenfassung  der  4  Passionsmusiken  des  Meisters 
(E.  Magnus)  und  Felix  Draesekes  »Columbus*  (Lehrergesangverein,  der  Unterzeichnete). 
Von  auswärtigen  Gästen  verdienen  an  erster  Stelle  Erwähnung  das  Brüsseler  Streich- 
quartett, das  Vokalquartett  Grumbacher  de  Jong  -  Behr  -  Reimers  -  Eweyk, 
O.  Metzger,  Scharwenka,  Loritz;  als  einzige  hervorragendere  Orchesterdarbietung 
in  Flensburg  soll  auch  des  Beethoven- Wagnerabends  der  Hamburger  Gesellschaft  der 
Musikfreunde  unter  Dr.  Mayer-Reinach  gedacht  werden.   Dr.  Hermann  Stephani 

FREIBURG  i.  Br.:  Das  Hauptereignis  der  Saison  war  das  am  5.  Mai  stattgehabte 
VII.  Städtische  Symphonie-Konzert  unter  Felix  Mottl,  dessen  Programm  «Euryanthe*- 
Ouvertüre  von  Weber,  8.  Symphonie  von  Beethoven,  Vorspiel  und  Liebestod  aus  »Tristan 
und  Isolde*,  „Siegfried-Idyll**  und  »Meistersinger-Vorspiel*  der  eminenten  Leistungs- 
fähigkeit des  genialen  Dirigenten  ein  reiches  Feld  bot.  —  Wenige  Tage  später  erschien 
im  Kolosseumssaale  das  Münchener  Kaim-Orchester  mit  Georg  Schn6evoigt  an 
der  Spitze.  Das  Programm  enthielt  die  Beethovenschen  Symphonieen  in  B-dur  und 
c-moU  nebst  der  III.  Leonore-Ouvertüre;  Herr  Schn6evoigt,  der  auswendig  dirigierte, 
rechtfertigte  den  guten  Ruf  des  Orchesters  auf  das  vollständigste  und  erzielte  reichen 
Applaus.  Victor  August  Loser 

GIESSEN:  In  dem  abgelaufenen  Konzertjahr  hat  der  Giessener  Konzert-Verein 
sein  Programm  in  zehn  Konzerten  zur  Ausführung  gebracht.  Von  den  zwei  Orchester- 

19^ 


268 
DIE  MUSIK  V.  22. 


konzerten  brachte  ans  das  erste  klassische  Masik  mit  Teresa  Carre&o  am  Klavier 
(Beethovens  c-moll  Konzert),  das  zweite  moderne  Werke  (Liszt  ^Pröludes*,  R.  Stranss 
«Don  Juan*,  R.  Wagner  »Meistersinger^vorspiel)  mit  Katie  v.  Roerdanz,  in  der  wir 
eine  sehr  intime  Interpretin  stimmungsvoller  Gesinge  kennen  lernten.  —  Von  den  drei 
Solistenabenden  erfreute  uns  der  erste  mit  Liedern  und  Duetten,  die  Hans  B uff- dessen 
mit  Erika  Wedekind  unter  der  vorzuglichen  Begleitung  von  Hermann  Kutzschbach 
aus  Dresden  zu  Gehör  brachte.  In  einem  eigenen  Klavierabend  hörten  wir  dann 
Wilhelm  Backhaus  mit  dem  Rubinsteinpreis-Programm.  Dem  Künstler  war  ein  ganz 
aussergewöhnllch  grosser  Erfolg  beschieden,  den  er  wohl  in  erster  Linie  seiner  nr^ 
wüchsigen,  durch  keinerlei  Künsteleien  beeinflussten  Spielweise  zu  verdanken  hat«  Am 
dritten  Abend  lernten  wir  in  Hermann  Zilcher,  als  Begleiter  von  Alezander  Petschni* 
koff,  nicht  nur  einen  feinsinnigen  Begleiter,  sondern  auch  einen  vorzüglichen  Pianisten 
kennen.  An  drei  Kammermusikabenden  hörten  wir  das  „Giessener  Trio*:  G.  Traut- 
mann, A.  Rebner  und  Johannes  Hegar,  von  deren  Darbietungen  wir  in  erster  Linie 
ein  Trio  von  Enrico  Bossi,  sowie  das  Doppelkonzert  für  Violine  und  Violoncell  von 
Brahma  mit  Klavierbegleitung  hervorheben  wollen.  Diese  Kammermusikvereinigung, 
die  in  Giessen  seit  Jahren  regelmlssig  der  Kammermusik  neue  Freunde  gewinnt,  gewfthrt 
an  ihren  Abenden  jungen  Sängern  oder  Sängerinnen  Gelegenheit,  bekannt  zu  werden: 
als  solche  hörten  wir  diesmal  Louise  Schmidt  (Berlin-Halensee),  Ida  Kuhl-Dahlmann 
(Köln)  und  Käte  Hauffe  (Frankfurt).  An  den  beiden  Chorabenden  brachte  der  Verein, 
in  Verbindung  mit  dem  akademischen  Gesangverein,  Mozarts  Requiem  (Solisten 
das  Frankfurter  Vokalquartett)  mit  der  Maurerischen  Trauermusik,  sowie  Bachs  h-moll 
Messe  zur  Ausführung.  In  letzterer  wirkten  als  Solisten  mit  H.  Brüggelmann, 
Agnes  Leydhecker,  Anton  Kohmann,  Emil  Liepe,  sowie  A.  Hempel,  der  Organist 
des  Kaimsaals  in  München.  Das  Orchester  des  Konzertvereins  wird  nach  wie  vor 
gebildet  aus  der  durch  auswärtige  Künstler  verstärkten  trefflichen  Kapelle  des  Infanterie- 
Regiments  Kaiser  Wilhelm  zu  Giessen.  Spohr 

KIEL:  7.  Schleswig-Holsteinisches  Musikfest.  Am  17.  und  18.  Juni  waren 
hier  insgesamt  10  Chorvereinigungen  der  Provinz  versammelt,  vertreten  durch 
ca.  550  Singende,  dazu  ein  Orchester  von  ca.  00  Mitgliedern,  für  das  das  hannoversche 
Hoforchester  den  Stamm  stellte,  um  unter  der  zielsicheren,  vornehmen  Leitung  von 
Bernhard  Stavenhagen  aus  München  das  Musikfest  zu  begehen.  Das  erste  Konzert 
wurde  durch  Wolf-Ferrari's  »La  vita  nuova*  eröffnet.  Der  Tezt  (nach  Dante)  t)e- 
handelt  des  Dichters  Beatrice-Liebe,  die  in  dem  Neunjährigen  zu  der  um  ein  Jahr 
jüngeren  Tochter  eines  florentinischen  Bürgers  aufspross,  die  später  dem  Dichter  ein 
schwärmerisch  angebetetes  Symbol  ward,  dem  er  seinen  ganzen  Herzensdienst  widmete, 
etwa  in  der  Art  ritterlichen  Minnedienstes.  In  Kanzonen  und  Sonetten,  von  poetischer 
Prosa  unterbrochen,  preist  er  diese  Liebe.  So  entstand  ein  Werk  von  verschwiegener  Schön- 
heit, das  sich  ganz  von  der  realen  Welt  abwendet.  Es  führt  sein  Leben  im  symbolistischen 
Schwelgen,  in  blutleeren,  schemenhaften  Gestalten,  die  sich  phantastisch  bilden  und 
wieder  zerrinnen,  im  Nebel  einer  ätherfeinen  Empfindungswelt.  Diese  ätherische,  stoff- 
lose Welt  überschwenglicher  Empfindungen  hat  Wolf-Ferrari  in  Töne  gekleidet.  Seine 
Musik  steht  kongenial  unter  dem  Zwange  des  poetischen  Vorwurfs  und  bewegt  sich  In 
unreal  anmutenden  Klängen.  Wie  die  Dichtung  nur  eine  Stimmung  kennt,  so  musste 
auch  die  Musik  auf  eine  Stimmungsgleichmässigkeit  gestellt  werden,  die  dem  Kunst- 
werke Gefahr  bringen  kann,  insofern  von  der  Gleich mässigkeit  zur  Einförmigkeit  kein 
grosser  Schritt  ist.  In  der  Tat  wirkt  schliesslich  ermattend,  was  zuerst  bunt  und  viel- 
gestaltig anmutete.  So  ergeht  es  auch  diesem  Werke  wegen  seiner  ätherischen  Gleich- 
stiromigkeit  und  um  seiner  zarten,  blassen  Farben  willen,  um  die  der  Komponist  nicht 


^269 

KRITIK:  KONZERT 


herumkommen  konnte.  Dieser  Gefahr  sucht  Wolf-Ferrari  durch  verblüffende  Klang- 
kombinationen zu  begegnen,  die  verschiedentlich  zu  wirklichen  Neuklingen  (z.  B.  im 
Engelreigen,  wo  Streichinstrumente,  Klavier,  Harfen  und  Pauken  sich  zusammenfinden, 
om  ein  Stficklein  von  höchster  Originalitit  zu  schaffen)  gefuhrt  haben.  Der  Komponist 
beweist  nicht  nur  iusserlich  durch  Einigung  eines  Prologs  und  eines  «Intermezzo* 
seine  Bekanntschaft  mit  den  modernen  Meistern  seines  Landes.  Als  Ferrari  bewegt  er 
sich  in  musikalischen  Latinismen;  als  Wolf,  als  Sohn  des  deutschen  Malers  Wilhelm 
Wolf,  zeigt  er  deutsches  Tonempflnden.  So  kommt  ein  Italiener  heraus  mit  deutschem 
Einschlag,  aber  doch  mehr  Italiener  als  Deutscher.  La  vita  nuova  ist  ein  hoch  inter- 
essantes, klangvolles  Werk,  neu  und  eigenartig,  die  willkommene  Gabe  eines  illustren 
Künstlers,  ein  wirkliches,  von  deutschen  Gemütern  zwar  als  Spezialitit  zu  geniessendes 
Kunstwerk,  aber  die  Tat  eines  wirklichen  musikalischen  Schöpfers.  Joseph  Loritz  sang 
die  schwierige  Bariton-Partie  mit  souveriner  Sicherheit  und  in  gewlbltem  Vortrag,  der 
die  visionire  Exaltation,  die  selige  Verschlossenheit  der  Töne  eindrucksvoll  darstellte. 
Insgesamt  fand  das  Werk  durch  Chor  und  Orchester  eine  würdige,  gehaltvolle  Wieder^ 
gäbe,  ohne  überall  die  sublimsten  Feinheiten  zu  erschöpfen.  —  Es  folgte  von  Job.  Seb. 
Bach  die  Kantate  für  Doppelchor  und  Orchester  „Nun  ist  das  Heil".  Das  Werk  ist 
ein  Torso,  den  wir  nicht  missen  möchten,  dessen  Ergänzung  niemandem  leicht  gelingen 
würde.  Ein  gewaltiges  Stück  Musik,  voll  Heil  und  Kraft  und  Macht,  ein  Denkmal 
deutscher  Kunst,  gegossen  aus  Tönen  von  Erz,  erbaut  aus  Quadern  wuchtiger  Harmonieen. 
Das  Werk  hinterliess,  von  Stavenhagen  zwar  In  einem  überschwer  akzentuierten  Tempo 
dargeboten,  einen  tiefen  Eindruck.  Das  Vorspiel  zum  dritten  Akt  und  die  Festwiesen- 
szene aus  den  Meistersingern  beschloss  das  Konzert  Man  hatte  den  Beckmesser  sans 
ftQon  gestrichen,  hatte  aber  die  auf  Beckmesser  bezugnehmenden  Reden  des  Volkes 
ruhig  stehen  lassen,  hatte  auch  sonst  allerlei  amputiert  und  wieder  zusammen- 
geflickt, so  dass  ein  sehr  merkwürdiges  Wagner-Fragment  herauskam.  Aber  auch  so 
erlag  das  Publikum  der  sieghaften  Kraft  und  der  Selbstherrlichkeit  Wagnerscher  Musik. 
Auch  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  in  dem  »Wach  auf* -Chor  und  etlichen 
anderen  Episoden  hervorragende  Wirkung  erzielt  wurde.  Genannt  sei  von  den  Solisten 
Ludwig  Hess,  der  klangkriftig  und  belebt  Walter  Stolzings  Preislied  sang.  —  Das 
zweite  Konzert  brachte  eine  Weihnachtsmusik  von  dem  Altonaer  Komponisten  Felix 
Woyrsch,  »Die  Geburt  Christi*.  Woyrsch  behandelt  den  Bibeltext  als  rechter 
Musiker-Poet,  dem  die  kleinen  rhythmischen  Feinheiten  der  Sprache  nicht  entgehen  und 
der  sich  in  der  Bildung  seines  Melos  von  dem  natürlichen  melodischen  Tonfall  eines 
pointiert-musikalischen  Sprechens  leiten  Iftsst  Er  geht  dem  Worte  nach,  ohne  sich 
sklavisch  an  das  Wort  zu  ketten.  Er  bleibt  immer  in  der  jeweilig  angeschlagenen  Grund- 
stimmung, doch  lisst  er  oft  das  einzelne  Wort  zu  einem  poetischen  Programm  für  seine 
Musik  werden.  In  seiner  Weihnachtsmusik  findet  sich  (wie  in  seinem  Passions- 
Oratorium)  eine  glückliche  Verbindung  des  klassischen  Charakters  mit  modernem  Geiste. 
Diesem  Zusammenklange  beider  Elemente  fehlt  glücklicherweise  die  Lauheit  des 
Eklektizismus,  das  Hinken  auf  beiden  Seiten.  Ungesucht  und  doch  gewählt  vornehm 
sind  seine  Mittel,  mit  denen  er  schaltet.  Ruhig,  edel,  von  Innerlichkeit  getragen,  schlicht, 
begabt  mit  einem  volkstümlich  anmutenden  Charakterzuge,  so  tritt  seine  Musik  über- 
zeugend vor  den  Hörer.  Das  Werk  fand  unter  der  schwungvollen  Leitung  des  Kom- 
ponisten eine  sehr  warme  Aufnahme  und  hinterliess  einen  nachhaltigen  Eindruck.  Es 
war  ein  Höhepunkt  des  Musikfestes.  Ausser  den  bereits  genannten  Solisten  wirkten 
noch  mit  Frau  Grumbacher  de  Jong,  Frau  Schnabel-Behr,  Herr  Hess  van  der 
Wyk  und  Artur  Schnabel,  der  mit  dem  Vortrag  von  Beethovens  G-dur  Konzert  eine 
höchsten  Lobes  würdige  Leistung  bot.     Die  GesangsspUsten  vereinigten  sich  noch  zu 


270 
DIE  MUSIK  V.  22. 


der  Btimmungsvollen  Wiedergabe  der  j^Neuen  Liebealieder"  (zweite  Serie  der  Liebes- 
walzer)  von  Brahma.  Den  Scbluaa  dea  Musikfeatea  machte  Brucknera  neunte 
Symphonie  mit  Te  Deum.  Der  erate  Satz  dieaer  Symphonie  ateht  unter  dem  Zeichen 
einer  abrupten  Thematik.  Aber  ea  handelt  aich  um  ein  mächtigea  Klanggebilde.  Ein 
groaaea,  feierlichea  Wachaen  und  Werden,  ein  feinea  Bilden  und  Geatalten,  dann  wieder 
in  heftigem  Aufeinanderdringen  türmen  aich  Klangmaaaen  auf,  in  zackig  aprunghaften 
Intervallen  zur  Höhe  greifend.  Ein  wirklichea  Chaoa,  ohne  SchSpfungamorgen.  Ein 
tollea  Scherzo  folgt,  dann  ein  myatiachea  Adagio  mit  angehingtem  Te  Deum.  Ea  iat 
eine  reiche,  kühne  Muaik.  Der  Featdirigent  Stavenhagen  leitete  die  Symphonie  achwung- 
▼oll;  daa  Orcheater  apielte  mit  Hingebung.  Daa  Te  Deum  zwar  klang  choriach  atarr. 
Daa  Werk  fand,  wie  zu  erwarten  war,  geteilte  Aufnahme  beim  Publikum,  daa  aber  doch 
die  Grösae  Bruckneracher  Kunat  empfand  und  alle  Mitwirkenden  durch  reichen  BeifiU 
auazeichnete.  Daa  7.  Schleawig-Holateinische  Muaikfeat  brachte  vielea,*  worüber  man 
aich  freuen  konnte.    Aber  ea  begeiaterte  nicht.  Hana  Sonderburg 

KÖLN:  Die  deutache  Kunatauaatellung  1006  beaitzt  in  dem  von  Peter  Behrena  ge- 
achaffenen  «Tonhauae*  einen  für  aeine  Zwecke  ganz  vorzüglich  geeigneten,  alao 
zunächat  akuatiach  tadelloaen,  dann  aber  auch  hinaichtlich  der  Auaatattung  aehr  atil-  und 
atimmungavollen  Kammermuaikaaal,  der  nur  140  Peraonen  Raum  gewihrt.  Die  Serie 
der  aich  über  den  ganzen  Auaatellungaaommer  eratreckenden  Aufführungen  wurde  am 
19.  und  20.  Mai  in  einem  Abend-  und  einem  Vormittagkonzerte  durch  daa  Joachim- 
Quartett  in  vornehmater  Weiae  inauguriert.  Die  Künatler  brachten  zunichat  Mozarta 
Streichquartett  Ea-dur,  Beethovena  f-moll  und  Haydna  G-dur  Quartett  zu  Gehör,  um  dann 
Schumanna  Streichquartett  F-dur  und,  zuaammen  mit  Robert  v.  Mendelaaohn  ala 
zweiten  Celliaten,  Schuberta  Quintett  C-dur  folgen  zu  laaaen.  Bei  der  dritten  Ver- 
anataltung  am  27.  Mai  errangen  Karl  Friedberg  und  Johannea  Meaachaert  vor  über- 
fülltem  Saal  einen  auaaerordentlichen ,  fast  ala  sensationell  zu  bezeichnenden  Erfolg. 
Friedberg  apielte  Schuberta  Impromptu,  Werk  142,  Schumanna  Traumeawirren  und  Brahma' 
Capriccio  d-moll,  Werk  116,  spiter  von  Chopin  daa  Fis-dur  Impromptu  und  die  Aa-dur 
Polonaise,  Werk  53,  mit  auserlesener  Feinheit  der  geistigen  Interpretierung  und  meister- 
lich in  allem  Techniachen.  Mit  einer  achönen  Auawahl  von  Liedern  von  Schubert, 
Brahma  und  Richard  Strauaa  zeigte  aich  Messchaert  wie  gewöhnlich  ala  ein  Triumphator 
dea  Kunatgeaanga.  Dritter  im  vielvermögenden  Dreibunde  war  Fritz  Steinbach,  der  ea 
nicht  verachmihte,  aeine  Künatlerachaft  als  Begleiter  in  den  Dienat  der  achönen  Sache 
zu  atellen.  —  In  einem  „Volkakonzert"  brachte  Fritz  Steinbach  am  11.  Juni  in 
Gürzenich  bei  kleinen  Eintrittspreisen  eine  vortreffliche  Aufführung  von  Mendelssohns 
^yEliaa",  die  indea  lediglich  aus  Gründen  nicht  genügender  Vorsorge  von  selten  dea  be- 
treffenden Verwaltungsbureaua  leider  ziemlich  schwach  besucht  war.  Als  Solisten  wirkten 
Jeannette  Grumbacher-de  Jong,  Therese  Behr,  Paul  Reimera  und  Arthur  van 
Eweyk;  weiter  atanden  daa  atidtiache  Orcheater  und  der  Gürzenich-Konzertchor  im 
Dienate  der  von  Steinbach  ao  gut  gemeinten  populSren  Veranataltung.  —  Auch  die  am 
12.  Juni  atattgehabte  vierte  Aufführung  im  Tonhauae  der  Kunstauastellung  war  von 
groaaem  künatleriachen  Erfolge  begleitet.  Das  von  Jeannette  Grumbacher-de  Jong 
geführte  Vokalquartett  bewShrte  in  dem  kleinen  Kammermuaikaaale  die  bekannten 
Vorzüge  dieaer  Vereinigung  im  vollaten  Masse  mit  einer  trefflichen  Auswahl  von  Ge- 
aingen  von  Schubert,  Haydn  und  Brahma.  Bei  Fritz  Steinbacha  feinainniger  Flügel- 
begleitung, die  wiederum  einen  äuaaerst  willkommenen  Faktor  zum  Gelingen  auamachte, 
kam  der  Gehalt  der  verachiedenen  Gesänge  zu  überaua  gewinnender  und  charakteriatiacher 
Wirkung.  —  Zur  fünften  Kammermuaik- Aufführung  im  Tonhauae  der  Kunat- 
auaatellung hatte  aich  der  auagezeichnete  Klarinettiat  Richard  Mühlfeld  von  Meiningen 


271 
KRITIK:  KONZERT 


mit  dem  Gurzenich-Quartett  der  Herren  Bram  Eidering,  Karl  Körner,  Josef  Seh  wartz 
und  Friedrich  Grützmacher  verbunden,  um  das  Mozartsche  Klarinettenquintett  A-dur 
und  dasjenige  von  Johannes  Brahms  in  h-moll  zu  reinstem  Genüsse  zu  vermitteln. 
Femer  spielten  die  Kölner  noch  Dvofüks  F-dur  Quartett.  Dass  sie  auch  dieses  Tonwerks 
Eigenart  voll  erschöpften,  bedarf  nicht  sonderlicher  Versicherung.       Paul  Hill  er 

RIO  GRANDE  DO  SUL:  Musikalische  Ereignisse  ersten  Ranges  sind  nicht  zu  ver- 
zeichnen. Die  besten  Darbietungen  bot  eine  13  jihrige  Pianistin,  Magdalena  Taglia- 
ferro  aus  Sao  Paulo,  die  in  Stücken  von  Bach,  Chopin,  Grieg,  Saint-SaSns  usw.  nicht 
nur  eine  aussergewöhnliche  Technik,  sondern  auch  ein  weitgehendes  Verständnis 
dokumentierte;  ein  Repertoire  von  80  Nummern  bekundet  daneben  ein  glSnzendes  Ge- 
dächtnis. —  Der  Klub  Haydn  in  Porto  Alegre  förderte  in  seinen  drei  letzten  Konzerten 
(3&-— 40.)  wieder  das  VerstSndnis  guter,  meist  klassischer  Musik,  der  man  sonst  in  ein- 
heimischen Kreisen  ziemlich  abhold  war.  Die  Konzerte  werden  jetzt  fast  ebensosehr 
von  Brasilianern  als  von  Deutschen  besucht.  Beethoven,  Haydn  und  Mozart  fehlen  in 
keinem  Programm,  daneben  figurieren  zuweilen  auch  Vagner  und  von  Nationalkomponisten 
Carlos  Gomes.  Fr.  Köhling 

T SINGTAU  (Kiautschou):  Im  Winter  1905—1906  sind  zwei  für  das  musikalische  Leben 
unserer  Kolonie  erfreuliche  Ereignisse  zu  verzeichnen.  Zunächst  die  kurz  nach 
Neujahr  erfolgte  Fertigstellung  eines  zum  «Hotel  Prinz  Heinrich"  gehörigen  Konzert- 
saales. Er  ist  in  einfachen,  aber  geschmackvollen  Formen  gehalten,  fasst  etwa  600  Personen 
und  hat  eine  gute,  bei  nicht  völlig  gefülltem  Räume  sogar  einstweilen  zu  gute  Akustik. 
Damit  ist  die  frühere  Misere  der  Konzerte  in  den  unzulänglichen  Räumen  des  Seemanns- 
hauses endgültig  beseitigt.  Das  zweite  Ereignis  ist  die  nach  allerlei  Schwierigkeiten  zu- 
, Stande  gekommene  Gründung  eines  Vereins  für  Kunst  und  Wissenschaft.  Er  hat 
unter  anderem  die  Pflege  guter  Musik  auf  sein  Programm  gesetzt  und  will  namentlich 
für  auswärtige  Künstler  das  Arrangement  von  Konzerten  besorgen.  ^  Die  Grundlage  der 
musikalischen  Darbietungen  bilden  die  jähriichen  4 — 5  Symphonie-Abende  der  aus 
42  Musikern  bestehenden  Kapelle  des  III.  Seebataillons  unter  Leitung  ihres  begabten 
und  strebsamen  Dirigenten  O.  K.  Wille.  Vornehme  Programme  und  sorgfältige  Vor- 
bereitung sind  ihnen  nachzurühmen;  unter  anderm  gelangten  zur  Aufführung:  Beethovens 
Pastorale,  Ouvertüre  «Weihe  des  Hauses"  und  Oktett  für  Blasinstrumente,  Symphonleen 
von  Haydn  (D-dur),  Schumann  (B-dur),  Goldmark  (Ländliche  Hochzeit)  und  Mendelssohn 
(Schottische),  symphonische  Dichtungen  von  Berlioz  (Bruchstücke  aus  „Romeo  und  Julie*) 
und  Liszt  (Tasso),  Serenade  von  Weingartner,  Berlioz'  Ouvertüre  zu  «Benvenuto  Cellini" 
und  sogar  das  Tristan- VorspieL  Auch  die  im  allgemeinen  der  leichten  Musik  gewidmeten 
sieben  oder  acht  populären  Konzerte  weisen  stets  einen  höheren  Ansprüchen  genügenden 
Teil  auf.  —  Auswärtige  Künstler  haben  im  vergangenen  Winter  Tsingtau  nur  wenig  besucht. 
Prof.  August  Junker  aus  Tokio,  Marie  Kayser  (jetzt  Frau  Generalkonsul  von  Syburg)  aus 
Yokohama  und  der  vielgereiste  Albert  Friedenthal  aus  Berlin,  die  in  der  Zeit  von  1903 
bis  Anfang  1905  hier  Lorbeeren  ernteten,  sind  leider  nicht  wieder  gekommen.  Erst  gegen 
Schluss  der  Saison  erschien  als  freudig  begrüsster  Ersatz  eine  junge  Frankfurter  Geigerin, 
Anna  Schäfer,  und  spielte  mit  schönem  Ton  und  hervorragender  Technik  Bruchs 
g-moll-Konzert,  Beethovens  Sonate  F-dur,  op.  24,  Bachs  Chaconne  und  Wagners  Träume. 
Von  den  hiesigen  Dilettanten  unterstützten  sie  Dr.  Frey  er  (in  Bachs  Doppelkonzert  für 
Violine),  Schümann  und  der  Unterzeichnete  (am  Klavier),  am  wirksamsten  aber  ein 
hiesiger  Musikfreund  durch  Zurverfügungstellung  eines  prachtvollen  Steinweg-Flügels. 

Dr.  Georg  Crusen 

Wesen  Raummangels  mussten  ffir  das  nichste  Heft  zurQckgestellt  werden  die  Berichte :  Gotha,  Rio  Grande  (Oper) ; 
BrombeiSi  Cincinnati,  Gotha,  Jena   Paris,  Speyer,  Stoclsholm,  ZwlcJcan  (Konsert). 


Den  tnwa  Teil  der  Perger'schea  VerOffenrlfcbuac  illuitrieren  wir  durch  eine  Abbildonc 
dei  Geburisbausei  von  Joief  Rbeinberger  nach  efaem  Aquarell.  In  dem  dicht 
dineben  gelegenen  Klrchleln  veraib  der  Sieben]ihrlge  dai  OrtaDlstenamt.  Du 
ivelte  Bild  lelgt  uns  dea  vlenehnj Ihrigen  Rbeinberger  nach  einer  Pbotogripble 
Tom  30.  Juni  1853. 

CDnalinz  Bernekers  Bild  lei  die  Beigabe  lu  dem  Antkel,  den  Ernst  Olto  Nodaa|el 
dem  Entachlafenen  In  dleaem  Hefte  widmet. 

Die  folgenden  drei  Blitter  bringen  Portrl»  solcher  bei  den  dlesllhrlgen  Bayreuiher  Fest- 
spielen  mitwirkenden  KQnstler,  deren  Bilder  die  .Musik"  blaber  noch  nicht  ver- 
Sffenilicbt  hat:  Martha  Leffler-Burckard  (Kundry),  Alois  Hadwlger  (ParslM); 
Marie  Tltllch  (Isolde),  Dr.  Alfred  von  Barr  (Tristan);  Kstbarlna  Flelacher 
Edel  (Slegllnde^  Peter  Cornelius  (Siegmund),  Allan  Hlnckley  (Hagen).  Heb 
20/21  des  I.  Jahrgangs  enthielt  die  Portrita  von:  Peliic  Moni,  Hana  Richter, 
Carl  Muck,  Siegrrled  Tagner,  Julius  Knlese,  Frltt  Friedrichs,  Hans  Breuer, 
Alois  Burgstaller,  Anton  van  Rooy,  Theodor  Bertram,  Emat  Kraua,  Erik 
Scbmedes,  Erneatine  Scbumann-Kelnk,  Emmy  Destlnn,  Ellen  Gulbranson, 
Carl  Perron,  Paul  KnQpter,  Dr.  Felix  von  Kraua,  Hans  SchGti. 

Ober  die  MuBlkbeilage  bitten  wir  den  Leser  daa  nihere  in  dem  Nodnagelschen  Artikel 
S   228  nachlesen  tu  wollen. 


«rUatler  oder  Blchi  iufcaKldeiar  Manutkripte,  Mli  Ibnn 
II  dit  RcdikiroD  kt[B*  Girut[e.    S<!hnr  leKrlJcki  MinuikrlpM  «c 
lorOekEHindL 

Vercutwortlicher  Schriftleiter:   Kapellmeister  Bernhard  Schuster 
Berlin  W.  57,  BOlovstrasse  107  ■■ 


JOSEF  RHEINBERGERS  GEBURTSHAUS  IN  VADUZ 


JOSEF  RHEINBERGER 
im  Alter  von   14  Jahren 


CONSTANZ  BERNEKER 
t  9.  Juni  1906 


MARTHA  LEFFLER-BURCKARD 
ALS  KUNDRY 


ALOIS  HADWIGER 
ALS  PARSIFAL 


BAYREUTHER  BÜHNEN  FESTSPIELE  1906 


MARIE  WETTICH 
ALS  ISOLDE 


DR.  ALFRED  VON  BARY 
ALS  TRISTAN 


BAYREUTHER  BÜHNENFESTSPIELE  1906 


KATHARINA  FLEISCHER-EDEL 
ALS  SIEGLINDE 


PETER  CORNELIUS 
ALS  SIEGMUND 


ALLAN  HINCKLEY 
ALS  HAGEN 


BAYREUTHER  BÜHNENFESTSPIELE  1906 


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stich  n.  Omeki  B«rlliier  Musikalien  Druckerei  O.ra.b.  H.  Charlottonlrarg. 


DIE  MUSIK 


»Ernst  ist  das  Leben,  heiter  ist  die  Kunst.*  Und  sie  strahlt  ihre 
Heiterkeit  in  den  Ernst  des  Lebens  hinein.  Wenn  wir  auch  nur 
durch  ein  Bild,  eine  Melodie,  ein  Gedicht  inne  geworden  sind, 
dass  das  Ideale  kein  Traum,  sondern  Tatsache,  dass  die  Einigung 
des  Geistes  und  der  Natur,  des  Unendlichen  und  Endlichen  nicht 
bloss  möglich,  sondern  vollzogen  ist,  so  glauben  wir  an  die  Lösung 
der  Rätsel  und  Widerspräche  auch  auf  anderen  Gebieten,  so  haben 
wir  einen  Hafen  des  Friedens  im  Sturme  des  Krieges,  ein  Paradies 
in  der  Wildnis  gefunden,  so  halten  wir  fest  an  dem  Vollendeten 
und  dem  wahrhaft  Wirklichen  und  nehmen  alles  andere  als  Trübung, 
die  sich  lichten,  als  Halbheit,  die  sich  ergänzen,  als  Sehnsucht, 

die  sich  erfüllen  wird. 

Moritz  Carridre 


V.JAHR  1905/1906  HEFT  23 

Erstes  Septemberheft 

Herausgegeben  von  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Verlegt  bei  Schuster  &  Loeffler 
Berlin  und  Leipzig 


J.  G.  Prod'homme 

Filiden  Divids  Reise  nach  Oeutscbland  (1845) 
Ungsdnickt«  Briete 

Dr.  Haxlmilian  Kunze 

Carl  Loeve  nnd  die  Vogelwelt.  I. 

Jodocus  Perger 

Ans  Josef  Rbelnbergers  Leben  nnd  Scbafffen 

NKb  penSolicheo  Erianeraiicen  sowie  nach  bis  jetzt  iiD*er- 

StfeatllGtaten  Doknmaaien.  IL 


Besprectanngen  (BQcher  nnd  Musikalien) 

Revue  der  Revueen 

Umschau  (Neue  Opern,  Aus  dem  Openirepertoire, 

Konzerte,  Tagescbronik,  Totenschau) 

Kritik  (Oper  nnd  Konzert) 

Anmerkungen  zu  unaeren  Beilagen 

Knnstbeilagen 

Anzeigen 


DIE  MUSIK  enehdoi  nonatUch  ivdfli«L  AbaaneaicQiiprdi  fDr  du 
Quarttl  4  Mark.  AboPDcmeiitaprala  flir  den  Jaliriant  15  Mark.  Preii 
de«  eiDidncn  Hefte«  1  Mark.  Viertel Jabraelnbaaddecken  1  I  Mark. 
Saininelk««(eD  ror  dl«  KunaibetlageD  dea  (aiuea  Jahr(aiicB  2,90  Mark. 
Abonnemean  durch  iede  Buch-  und  MnaikalJenhandluob  Mr  kleine 
Plltze  ohne  Bnchklndler  Bezni  durch  die  Pon. 


FfiLICIEN  DAVIDS  REISE  NACH 
DEUTSCHLAND  (1845) 

UNGEDRUCKTE  BRIEFE 

mitgeteilt  von  J.  G.  Prod'homme- Paris ') 


|61icieii  David*)  war  za  jener  Zeit  35  Jahre  alt.  Seine  Symphonie- 
Ode  «Die  Wfiste*  hatte  soeben  am  8.  Dezember  1844  in  Paris*) 
einen  allerersten  Erfolg  davongetragen.  Am  Abend  zuvor  war 
der  junge  Tonsetzer  für  das  grosse  Pariser  Publikum  eine  noch 
völlig  unbekannte  Persönlichkeit,  am  andern  Morgen  befsnd  sich  sein  Name 
in  aller  Leute  Munde,  und  Monate  hindurch  setzte  das  Werk  seinen  Sieges« 
zug  in  der  Provinz  und  ebenso  im  Ausland  fort.  Im  FrQhjahr  1845  unter- 
nahm David  selbst  eine  Reise  nach  Sudfrankreich,  nach  Lyon,  Marseille 
und  Aiz-en-Provence,  wo  er  seine  Erziehung  erhalten  hatte,  und  brachte 
überall  sein  Werk  erfolgreich  zur  Aufführung. 

Nachdem  er  sich  darauf  ein  paar  Tage  wieder  in  Paris  aufgehalten 

^)  Ans  dem  Franiöslscben  von  Willy  Renz. 

')  Der  hervorragende  französische  Tonsetzer,  dessen  Todestag  sich  am  29.  August 
d.  J.  zum  30.  Male  Jihrte,  ist  der  heutigen  Genention  in  Deutschland  Hut  nur  mehr 
dem  Namen  nach  bekannt  Im  zweiten  Drittel  des  vorigen  Jahrhunderts  Händen  nicht 
nur  seine  .Orientalischen  Gesinge*  und  sein  symphonisches  Tongemllde  »Die  Wfiste* 
auf  deutschen  Konzertprogrammen  hinflg  ihren  Platz,  auch  seine  Oper  »Lalla  Ronkh* 
erachien  mit  Erfolg  auf  manchen  Bfihnen  unseres  Vaterlandes.  Davids  abenteuerliche 
Reise  nach  dem  Orient,  die  er  nach  der  Aufhebung  der  Salnt-Simonisten-Gemeinde 
als  einer  ihrer  eifrigsten,  fiberzeugtesten  Antalnger  unternahm,  und  die  dabei  ge- 
wonnenen Eindrücke  waren  von  nachhaltigstem  Einflnss  auf  sein  gesamtes  spiteres 
kfinstlerisches  Schaffen.  Er  ist  der  musikalische  Orientalist  par  ezeellence  und  er- 
weist sich  auf  diesem  eng  umgrenzten  Spezialgebiet  als  ein  Kfinstler  von  originaler 
Erfindung  und  Gestaltungskraft,  als  ein  Meister  zart  ezotiicher  Lyrik,  stimmungsvoller 
Situationsmalerei  mit  starker  Betonung  der  Lokalfirbe.  Diese  Einseitigkeit,  so  souveriln 
er  sie  handhabte,  war  der  Vorzug,  aber  auch  die  Schwiche  von  Davids  tonsetzerischem 
Schaffen;  er  hat  im  Grunde  genommen  ans  seiner  «Wfiste*  nie  mehr  heransgefanden. 
Den  ungeheuren  Erfolg  dieser  Symphonie-Ode,  die  mit  Ihrer  Verachmelzung  von  In- 
strumentalsitzen und  Gesangsnummem  lange  Zelt  die  einzige  Nachfolgerin  von  Berlioz* 
»Romeo-  und  Julle-Symphonle*  blieb,  hat  keines  seiner  spiteren  Werke  wieder  er- 
reicht Kflnstlerisch  auf  gleicher  Höhe  stehen  einzelne  Teile  der  »Lalla  Roukh",  vor 
allem  der  erste  Akt,  eine  Anzahl  seiner  »Orientalischen  Gesinge*,  sowie  manche 
Partleen  des  »Moses*.  [R.] 

*)  Im  Konservatorium. 

20^ 


276 
DIB  MUSIK  V.  23. 


hatte,  trat  er  zu  Beginn  des  Mai  1845  seine  erste  Reise  nach  Deutschland 
an.  Mit  Hilfe  seiner  Saint-Simonistischen')  Freunde  stand  David  in  fort- 
währendem Briefwechsel  mit  dem  «Vater*  Enfantin,*)  dem  Oberhaupt 
der  religiösen  Gemeinschaft,  deren  Händel  mit  der  Juli-Regierung  im  Jahre 
1832  grosses  Aufsehen  erregt  hatten.     Im  .Fonds  Enfantin",  der  gegen- 


^)  Sftint-Slmonismus  heitst  die  sozialistische  Schule,  die  in  Frankreich  nach 
des  Grafen  Claude  Saint-Simon  (1760— 1S25)  Tode  dessen  Anhinger  grQndeten.  Der 
Saint-Simonismus  ist  keineswegs  identisch  mit  der  Lehre  Saint-Slmon's;  seine  Junger 
haben  auch  neue  und  teilweise  von  den  seinigen  abweichende  Dogmen  aullgestellt. 
Als  sein  Ideal  betrachtete  der  Salnt-Simonlsmus  eine  allgemeine  Verbrfiderung  aller 
Menschen  zum  Zweck  der  friedlichen  Arbeit.  Die  neue  polltisch-sozlale  Lehre  gipfelte 
darin,  dass  durch  eine  gerechtere  Ausgleichung  des  Eigentums  dem  Zuftül,  der  jetzt 
das  Los  der  Menschen  lenke,  abgeholfen  werden,  dass  zu  dem  Zweck  das  Erbrecht 
der  Familie  aufgehoben,  das  hlnterlassene  Vermögen  in  die  Hand  des  Staates  gelegt 
und  mittels  eines  verzweigten  Banksystems  nach  dem  Grundsatz  verteilt  werden  sollte: 
Jedem  nach  seiner  Fähigkeit;  jeder  Fähigkeit  nach  ihrer  Arbelt*  Die  Schule  hatte 
Verzweigungen  in  zahlreichen  Städten  Frankreichs.  [R.] 

*)  Barth61emy  Prosper  Enfantin  (1796—1864),  Sohn  eines  Banklers,  trat  1812  in 
die  polytechnische  Schule,  die  er  1814  wegen  Teilnahme  am  Kampf  gegen  die  Ver- 
bfindeten auf  den  Höben  von  Montmartre  verlassen  mnsste.  Er  wurde  Handlungs- 
reisender und  war  in  Petersburger  und  Pariser  Bankhäusern  tldg.  Nach  des  Grafen 
Salnt-Slmon  Tode  wurde  er  ein  Hauptvertreter  seiner  Schule  und  trat,  als  die  Salnt- 
Slmonisten  eine  gesellschaftliche  Organisation  annahmen,  als  »P6re*,  als  geistliches 
OI>erhaupt  und  Papst  der  Salnt-Slmonlstischen  Zukunftskirche  an  ihre  Spitze.  Seine 
Lehre  von  der  Velbergemeinschaft  f&hrte  1831  zu  einer  allgemeinen  Spaltung.  1832 
zog  sich  E.  mit  42  Getreuen  (darunter  auch  F611clen  David)  auf  sein  Landgut  In  der 
Vorstadt  M6nllmontant  zurfick,  wo  sie  eine  salnt-slmonistische  »Familie*  bildeten.  In 
demselben  Jahre  wurde  die  Gesellschaft  von  der  Regierung  aufgelöst  und  E.  zu  zwei 
Jahren  GeAngnls  verurteilt.  Den  nach  einigen  Monaten  aus  der  Haft  Entlassenen 
finden  wir  kurz  darauf  In  Egypten  als  Ingenieur  des  Pascha  mit  Arbeiten  am  NU  und 
dem  Plan  einer  Kanalisierung  der  Landenge  von  Suez  beschäftigt.  Nach  seiner  RQck- 
kehr  in  die  Heimat  wurde  er  Postmeister  in  der  Gegend  von  Lyon,  spiter  Mitglied 
der  wissenschaftlichen  Kommission  von  Algler,  die  Im  Auftrage  der  Regierung  die 
Kolonisationsfrage  dieses  Landes  untersuchen  sollte.  Nach  der  Februarrevolution  gab 
er  kurze  Zelt  das  Blatt  »Le  Cr6dit  public*  heraus.  Seine  Hauptschriften  sind:  »Traitö 
d'fconomie  politique*  (1830),  «La  religlon  Salnt-Simonienne*  (1831),  .Colonlsation  de 
l'Algirle*  (1843).  —  Dieser  merkwfirdige  Mann  bat,  wie  auf  seine  andern  Jfinger,  so 
auch  auf  F611clen  David  einen  nicbt  geringen  Einfluss  ausgefibt.  Es  bleibe  dahin- 
gestellt, ob  dieser  Eiofluss  In  allen  Punkten  ein  segensreicher  gewesen  ist,  jedenfalls 
mutet  die  röhrende  FGrsorge  des  »Vaters*  für  Davids  geistiges  und  leibliches  Wohl- 
ergehen, för  seine  k&nstlerlsche  Entwicklung  und  Weiterbildung,  wie  sie  sich  in  den 
hier  veröffentlichten  Briefen  erweist,  ungemein  sympathisch  an.  Auch  sein  nicht  ge- 
ringes Verstindnis  ffir  Fragen  merkantiler  Natur  geht  daraus  zur  Evidenz  hervor. 
Desgleichen  liest  der  Briefwechsel  die  bestechende  Suada  und  die  fascinierenden 
persönlichen  Eigenschaften  ahnen,  über  die  Vater  Enfantin  nach  allgemeinem  Urteil 
in  reichem  Masse  verfQgt  haben  giuss.  [R.] 


277 

PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


wältig  in  der  Arsenals-Bibliothek^)  aufbewahrt  wird,  haben  sich  die  Briefe 
gefunden,  die  wir  nachstehend  veröffentlichen.  Eigenhändige  Briefe  von 
David  sind  ausserordentlich  selten;  der  Tonsetzer  schrieb  wenig,  so 
wenig  sogar,  dass  ihm  Vater  Enfantin  einen  Sekretär  nachschicken  musste. 
Er  wählte  für  diesen  Posten  einen  Landsmann  Davids:  Sylvain  Saint- 
Etienne,  der  sich  übrigens  hartnäckig  darum  beworben  hatte;  er  war 
Musikalienhändler  in  Aix  und  wurde  später  Musikverleger*)  in  Paris.  Die 
hier  nach  den  Originalen  des  «Fonds  Enfantin"  zum  erstenmal  wortgetreu 
mitgeteilten  Briefe  besitzen  u.  E.  einen  um  so  höheren  Wert.  Wir  be- 
schränken uns  auf  die  erste  Reise  nach  Deutschland,  in  deren  Verlauf 
David  «Die  Wüste*,  seine  beiden  Symphonieen,  die  Quintette  und  eine  Anzahl 
seiner  ^Orientalischen  Gesänge*  unter  Beifall  zu  Gehör  brachte  und  seinen 
.Moses  auf  dem  Sinai*  schrieb,  der  im  Winter  darauf  in  Paris  zur  Auf- 
führung kam,  freilich  ohne  den  glänzenden  Erfolg  der  „Wüste*  zu  finden.*) 


F^liclen  David  an  Vater  Eufantin 

Lieber  Vater, 
soeben  erbalte  ich  Ihren  Brief  vom  25.  MaL  Ihre  Neuigkeiten  haben  mich  zu 
gleicher  Zeit  betrübt  und  erfreut.  Letzteres,  soweit  es  das  Konzert  und  das  Ge- 
schäftliche anbelangt,  ertterea,  weil  ich  merke,  dass  ich  noch  auf  lange  Ihre  Gegen- 
wart werde  entbehren  müssen.  Aber  schliesslich  —  Gottes  und  Ihr  Wille  geschehe. 
Ich  zögerte  so  lange  mit  dem  Schreiben,  weil  ich  Ihnen  gern  Bestimmtes  mitteilen 
wollte.     Gott  sei   Dank  sind   es  gute  Nachrichten,  wie  Sie  gleich  aehen  werden. 


1)  Ms8.  7Ö0O— 7761.  Diese  Papiere,  die  1804,  dreissig  Jahre  nach  Enfantin's 
Tode,  der  Öffentlichkeit  zugänglich  gemacht  und  in  den  letzten  Jahren  von  Henry 
d'Allemagne  katalogisiert  wurden  (Allgem.  Katalog  der  in  den  öffentlichen  Bibliotheken 
Frankreichs  befindlichen  Handschriften,  Bd.  53,  1904),  enthalten  die  Korrespondenz 
und  die  Archive  der  Saint-Simonisten.  Vgl.  über  die  saint-simonistiache  Bewegung 
das  ausgezeichnete  Werk  von  Georges  Weill  «L'6cole  saint-aimonienne*,  ebenao  das 
neue  Werk  von  Henri  Lichtenberger  „Henri  Heine  penseur*. 

*)  Bei  ihm  erschien  Davids  Oratorium  .Moses  auf  dem  Sinai*.  Wir  werden 
im  Verlauf  des  Briefwechsels  sehen,  dass  Vater  Enfantin  mit  seinen  Leistungen  nicht 
immer  zufrieden  war  und  insbesondere  seinen  Plan,  Davids  Verleger  zu  werden, 
eine  Zeit  lang  leidenschaftlich  belcämpfte.    [R.] 

')  David  schrieb  nach  der  »Wüste*  folgende  Werke:  «Moses  auf  dem  Sinai* 
(28.  März  1846),  »Christoph  Columbus*  (12.  Dezember  1847),  »Eden*  (25.  August  1848; 
erlebte  nur  ein  paar  AuffQbrungen  in  der  Grossen  Oper),  »Die  Perle  von  Brasilien* 
(22.  November  1851  im  Th^ätre-Lyrique),  »Herculanum*  (4.  Mirz  1850  in  der  Grossen 
Oper),  »Lalla  Roukh*  (12.  Mai  1862).  Der  »Saphir*  und  die  »Gefangene*  hatten  nur 
geringen  Erfolg.  Ausser  seinen  »Orientalischen  Gesingen*  schrieb  David  noch  zwei 
Symphonieen,  24  Streicbquintette  (betitelt  »Die  vier  Jahreszeiten*)  und  zwei  Nonette 
f&r  Blasinstrumente.  Die  beste  Biographie  Davids  verfasste  Azevedo  (1863),  die 
groaaenteils  auf  den  von  Sylvain  Saint-Etienne  in  einer  Broschüre  (Marseille  1845) 
niedergelegten  Angaben  fusst. 


278 
DIB  MUSIK  y.  23. 


Zuolchtt  einmftl  habe  ich  Mendelssohn  in  Fnnkftirt  getroffen,  der  mich  wie  einen 
Freund,  wie  einen  Bruder  aufnahm.  Vir  sprachen  viel  von  Ihnen;  er  möchte  Sie 
gern  sehen.  In  Leipzig  fuid  ich  denselben  Empfing  von  selten  des  trefflichen  Dufonr,') 
der  mich  mit  den  massgebenden  literarischen  und  musilsalischen  Persönlichkeiten 
bekannt  machte.  Ich  bitte  gern  meine  Konzerte  mit  Leipzig  eröfftaet,  aber  leider 
fehlte  Ferdinand  David,  der  musikalische  spiritus  rector  dieser  Stadt.  So  musste 
ich  mich,  um  keine  Zeit  zu  verlieren,  nach  Berlin  wenden,  und  ich  habe  gut  daran 
getan.  Ich  ging  zuerst  zu  Meyerbeer,  der  mich  mit  offenen  Armen  aufnahm.'  Sie 
können  sich  keinen  Begriff  davon  machen,  wie  liebenswfirdig  und  zuvorkommend  er 
gegen  mich  war.  Er  teilte  gleich  dem  König*)  meine  Ankunft  mit,  u«d  dieser  befahl 
sofort  ein  Konzert  in  Potsdam,  um  sich  meine  Musik  anzuhören. 

Meyerbeer  regelte  alles  und  leistete  mir  Dolmetscherdienste  bei  den  Proben. 
Letzten  Montag  fand  das  Konzert  statt.  Der  ganze  Hof  war  zugegen.  Kolossaler 
Erfolg.  Der  König  gab  das  Zeichen  zum  Beifall.  Die  Auff&hrung  war  aber  auch 
prachtvoll.  Diese  Chöre  I  Sie  mfissten  sich  das  einmal  anhören.  Die  Symphonie  in 
Es  erzielte  weniger  Eindruck  als  das  übrige,  doch  fand  auch  sie  Beifall.  Nach  dem 
Konzert  befahl  mich  der  König  zu  sich.  Er  beglQckwQnschte  mich  in  der  schmeichel- 
haftesten Weise,  nach  ihm  die  Königin")  und  die  Prinzessin  von  Preussen.*)  Tags 
darauf  übersandte  er  mir  60  Dukaten.  Die  Prinzessin  von  Preussen  wünschte  mich 
bei  sich  zu  sehen.  Meyerbeer  ffihrte  mich  ein;  sie  war  iusserst  liebenswürdig  zu 
mir.  Das  erste  Konzert  in  Berlin  ist  auf  nlchsten  Montag  festgesetzt.  Soeben 
kommen  wir  von  der  Probe  im  Saale  des  Opernhauses.  Die  Prinzessin  von  Preussen 
hat  ihr  beigewohnt  und  mich  abermals  herzlich  beglückwünscht.  Das  Programm  wird 
aus  zwei  Symphonieen  und  drei  [Orientalischen]  Gesingen  bestehen:  »Der  Tag  der 
Toten",  »Die  Schwalben"  und  »Der  Tschibouk"  —  alles  ins  Deutsche  übertragen. 
Man  erzlhlte  mir,  die  Berliner  Presse  habe  sich  sehr  lobend  über  das  Hofkonzert 
ausgesprochen.  Das  ist  famos,  denn  sie  ist  tonangebend  für  Deutschland.  Wie  Sie 
sehen,  geht  alles  gut,  und  ich  bin  zufrieden,  soweit  ich  es  fem  von  Ihnen  sein  kann, 
und  trotz  der  so  traurigen  Erinnerungen  an  Paris.  Ich  habe  diesen  Kummer  noch 
nicht  verwinden  können,  wie  Sie  es  wünschen.  Er  verfolgt  mich  überall.  Wenn  sie 
es  nur  wüssten,  was  mich  diese  Trennung  kostet,  sie,  die  mich  für  herzlos  halten!') . . . 

Leben  Sie  wohl,  Vater,  ich  küsse  Sie  von  ganzem  Herzen.    Einen  Händedruck 

den  lieben   Freunden   und   Freundinnen  Jourdan,  Suquet,  Morin,   Duveyrier*)   usw. 

Sagen  Sie  ihnen,  dass  ich  sie  nicht  vergesse. 

Berlin,  den  30.  Mai  1845 

F61icien  David 

Über  Davids  Berliner  Erfolg  und  das  bevorstehende  Konzert  in  Leipzig 
erfahren  wir  auch  aus  einem  anscheinend  von  dem  Saint- Simonisten 
Gustave  Arl6s,  der  sich  damals  studiumshalber  in  Deutschland  aufhielt, 
an  seine  Eltern  in  Lyon  gerichteten  Schreiben: 


>)  Saint-Simonist. 
')  Friedrich  Wilhelm  IV.  [R.] 

*)  Elisabeth,  Tochter  König  Max  I.  von  Bayern.    [R.] 
^)  Die  nachmalige  Kaiserin  Augusts.    [R.] 

^)  Diese  Äusserungen  beziehen  sich  auf  unbekannte  Vorginge  interner  Natur, 
die  sich  unmittelbar  vor  Davids  Abreise  abgespielt  haben  müssen.    [R.] 
^  Saint-Simonisten. 


279 

PROiyHOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


Leipzig,  den  16.  Juni  1845 

...  Ich  habe  immer  mehr  zu  tun,  bin  mit  Arbeit  überhiuft  und  finde  infolge- 
dessen wenig  Zeit  f&r  mich,  noch  dazu  seit  David  von  Berlin  zUrfick  ist.  Denn  da 
er  nicht  eine  Silbe  Deutsch  spricht,  gehe  ich  ihm  ein  bischen  an  die  Hand.  Dann 
ist  er  etwas  schwerftllig  (eine  Eigenschaft,  die  Du  mir  immer  vorgeworfen  hast!),  und 
siehst  Du:  trotzdem  bin  ich  imstande,  ihm  jetzt  behilflich  zu  sein,  dass  er  das  Ge- 
schiftliche  nicht  ausser  acht  lisst,  was  mir  zuweilen  öfters  noch  passiert.  Gestern 
geleitete  ich  ihn  zur  ersten  Probe  f&r  sein  am  nichsten  Donnerstag  stattfindendes 
Konzert,  und  dann  speisten  wir  bei  P.s,  die  wir  gegenwirtig  ziemlich  oft  sehen,  und 
die  unsem  Komponisten,  der  auch  in  Berlin  einen  grossen  Erfolg  errungen,  aus- 
gezeichnet aufnahmen.  Die  Prinzessin  von  Preussen  liess  ihm  durch  Meyerbeer 
sagen,  Berlin  habe  ihm  hoffentlich  derart  gefallen,  dass  er  so  schnell  als  möglich 
dahin  zurückkehre.  Der  König  und  die  Königin  beglfickwQnschten  ihn  gleichfalls; 
mit  einem  Wort:  er  kam  höchst  befriedigt  von  Berlin  zurück.  Ober  seine  Musik 
habe  ich  mir  noch  kein  Urteil  bilden  können,  aber  wenn  ich  nach  seinem  Charakter 
scbliessen  darf,  in  dem  Güte  und  Oifenherzigkeit  vorherrschen,  so  möchte  ich  auf 
Deutsch  sagen,  dass  er  etwas  Kindliches,  nicht  aber  Kindisches  hat.  Ich  glaube,  er 
wird  hier  einen  vollen  Erfolg  erzielen.  Man  spricht  schon  viel  von  seinem  Konzert, 
und  dann  wird  die  Ausführung  glänzend  sein,  denn  es  herrscht  eine  Art  musikalischer 
Rivalitit  zwischen  Leipzig  und  Berlin,  die  die  Singer  in  Schwung  bringen  wird.  Im 
übrigen  soll  es  mir  ein  unbeschreibliches  Vergnügen  bereiten,  den  französischen 
Komponisten  vom  Beifall  eines  Publikums  empfangen  zu  sehen,  das  sich  auf  sein 
Musikverstindnis  etwas  einbildet  und  im  allgemeinen  unsere  Musik  nach  einigen 
Vaudevillestrophen  beurteilt,  von  miserablen  Singem  vorgetragen,  die,  weil  sie  in 
Frankreich  nichts  zu  verlieren  und  zu  gewinnen  haben,  sich  hierher  fiüchten  und  von 
Zeit  zu  Zeit  Deutschland  durchziehen  •  .  . 

Vater  Enfantin  an  F61icien  David 

Paris,  den  24.  Juni  1845 

Lieber  Freund,  durch  Dufour's  Brief  vom  18.  erhalte  ich  endlich  gute  Nach- 
richten von  Dir,  aber  sehr  wenig  Einzelheiten.  Nach  Deinem  erfreulichen  Potsdamer 
Bericht  erwartete  ich  sehnsüchtig  einen  solchen  über  das  Berliner  Konzert.  Ich  be- 
durfte auch  wirklich  eines  freundlichen  Wortes  als  Antwort  auf  meinen  Brief.  Dufour 
schreibt  nicht  einmal,  ob  Du  in  Berlin  ein  Konzert  gegeben,  was  für  einen  Erfolg  Du 
gehabt  hast,  noch  wieviel  Konzerte  Du  in  Leipzig  zu  veranstalten  gedenkst.  Du  weisst, 
ich  habe  Dir,  abgesehen  von  den  beiden  Symphonieen,  stark  empfohlen,  in  Leipzig 
ein  paar  Quintette,  das  Nonett  und  Dein  Stück  für  Cello  und  Klavier  zur  Aufführung 
zu  bringen.  Du  musst  diesen  musikalischen  Brennpunkt  Deutschlands  von  den  in 
Deiner  Seele  lodernden  Gluten  bis  in  die  lussersten  Winkel  erhitzt  zurücklassen. 
Ich  lege  Dir  auch  die  Förderung  des  aMoses"  ans  Herz.  Mit  der  Suez-Angelegenheit 
geht  es  hier  immer  besser  voran.^)  Es  ist  möglich,  dass  ich  deswegen  in  der  nichsten 
Zeit  nach  Deutschland  gehe.  Die  Vorbereitungen  dafür  sind  im  vollen  Gang  und  der 
»Moses*  muss  uns  dabei  begleiten.  Duföur  und  Du  müsst  Eoch  mit  einem  Deutschen 
in  Verbindung  setzen  wegen  des  deutschen  Textes  für  Deine  Musik;  er  muss  ent- 
weder den  meinen  übersetzen  oder  aber  Dich  zu  dem  seinen  begeistern* 

^)  Vater  Enfantin  trug  sich,  seit  seiner  egyptischen  Reise  im  Jahre  1835^  als 
einer  der  ersten  mit  dem  Gedanken  eines  Durchstichs  der  Landenge  von  Suez. 


280 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Dttfonr  ersucht  mich  um  meine  Ansicht  über  den  Besuch,  den  Du'  den 
nordischen  Stidten  zugedscht  hsst;  es  tut  mir  leid,  aber  das  mfisst  Ihr  mit  Euch 
selber  ausmachen.  Vas  mich  betrifft^  so  kann  ich  nur  sagen,  dass  mir  die  Sache 
nicht  sonderlich  sympathisch  ist;  das  mag  f&r  einen  ausübenden  Künstler  gut  sein, 
aber  es  will  mir  nach  Berlin,  Leipzig  und  Wien  Deiner  nicht  recht  würdig  erscheinen. 
An  andere  Städte  denke  ich  nur  in  dem  Fall,  dass  eine  dringende  Berufung  Ton  seifen 
eines  grossen  Künstlers  oder  eines  fürstlichen  Micens  vorliegt.  Ich  ziehe  für  Dich 
jenes  Aufsehen  vor,  das  eine  intimere  Kenntnis  Deiner  Persönlichkeit  und  Deiner 
Kunst  in  Deutschland  erregen  muss,  wenn  Dich  Mendelssohn  nach  Leipzig  oder 
Frankfurt  einlidt  Ich  las,  dass  man  Dich  in  Baden-Baden  ankündigte,  wie  man  Liszt 
oder  die  RacheP)  ankündigt,  obwohl  ich  mit  einer  Anzeige  nicht  einverstanden  war 
und  sie  gerade  in  bezug  auf  das  geringe  Honorar  Benazet's*)  sogar  für  direkt  on* 
passend,  hielt.  Sprich  darüber  mit  Dufour  und  wirf  Deine  Perlen  nicht  vor  die  Sine. 
Ich  lege  Dufour  ans  Herz,  Deine  Sache  immer  von  diesem  wichtigsten  Gesichts- 
punkt aus  betrachten  zu  wollen:  dass  Du  in  diesem  Augenblick  die  Suez-Angelegenheit 
in  Deutschland  betreibst,  ebenso  wie  er  selbst;  dass  infolgedessen  Deine  Reisen,  Deine 
Anwesenheit,  Deine  Musik,  alle  Deine  Handlungen  sich  in  diesem  Kernpunkt  Deines 
religiösen  Lebens  vereinigen  müssen.  Jedermann  soll  Dich  für  einen  grossen  Kompo- 
nisten halten,  gut;  aber  Dufour  soll  Dich  nicht  dazu  verführen  —  sintemalen  Du 
nicht  der  König  David  bist  —  vor  der  Bundeslade  zu  singen.  Das  wire  schlecht  ge- 
handelt, und  Ihr  würdet  Unnützes  und  vielleicht  gar  Obles  tun.  Ja,  lieber  Freund, 
denke  recht  an  David,  der  den  „Moses*  in  sich  trigt,  welcher  Moses  Israel  in  das 
gelobte  Land  führt  Zeige  diesen  Brief  Dufour  und  marschiert  festen  Fusses  auf  dem 
Pfad,  der  die  Welt  nach  Suez  führt.  Ich  erhielt  einen  Brief  von  Sylvain,  der  mir 
seine  baldige  Ankunft  hier  meldet  und  mir  mitteilt,  dass  er  von  Dir  einen  Brief  er- 
halten habe.  Berlioz  scheint  in  Marseille  Fiasko  gemacht  zu  haben.  Freund  Sylvain 
habe  ich  derart  eingeheizt,  dass  er,  wie  ich  glaube,  seine  Sache  jetzt  besser  verstehen 
und  mehr  imstande  sein  wird,  sich  nützlich  zu  erweisen.') 

Lebewohl,  mein  Freund. 

F^licien  David  an  Vater  Enfantin 

[Leipzig,]  den  26.  Juni  1845 
Lieber  Vater, 

Ihr  letztes  Schreiben  hat  mir  sehr  wohl  getan;  es  hat  mich  in  meinem  Kummer 
getröstet  und  mir  Krsft  gegeben  gegen  die  Verleumdung,  die  mir  Undankbarkeit  vor- 
wirft. Venu  ich  all  das  Leid  auch  noch  nicht  überwunden  habe,  so  hat  es  sich  doch 
wenigstens  verringert,  und  ich  hoffe,  dass  Ihre  viterliche  Zuneigung  mir  vollends  die 
Ruhe  geben  wird.  Es  ist  mir  so  schrecklich,  mit  irgend  jemand  im  Unfrieden  zu 
leben  und  noch  dazu  mit  Freunden,  die  ich  lieb  gehabt  habe.  Ihre  hoffnungsreichen 
Worte,  sie  dereinst  wieder  zu  uns  zurückzuführen,  haben  mich  recht  getröstet  Gebe 
Gott,  dass  dieser  Tag  nicht  mehr  fem  ist. 

Gestern  Abend  gab  ich  im  Theater  mein  zweites  Konzert.  Der  Erfolg  war  ein 
vollstindiger.    Der  Saal  gefüllt    Ich  betrachte  diesen   Erfolg  als  einen  wirklichen 


')  Die  grosse  französische  Tragödin  (1820-1858).    [R.] 
^  Der  bekannte  Spielpichter  von  Baden-Baden. 

^  Es  handelt  sich  um  das  Textbuch  zum  »Moses*,  das  Sylvain  Saint-Etienne 
nach  den  Ideen  Vater  Enfantin's  versiflzierte. 


281 

PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


Sieg,  denn  die  Leipziger  mit  ilirer  ausschliesslichen  Mendelssohn-Schwirmerei  sind 
Dicht  leicht  zu  packen.  Vielleicht  werde  ich  noch  ein  Konzert  veranstalten;  dann 
fahre  ich  nach  Dresden,  wo  ich  angemeldet  bin. 

Ich  habe  in  meinem  letzten  Berliner  Brief  Ihnen  mitzuteilen  vergessen,  dass 
ich  den  Rest  des  Textes  zum  „Moses*  erwarte,  um  ihn  fertig  zu  stellen.^)  Nach  dem 
Vers  »fais  moi  plutdt  mourir*  wollten  Sie  einige  Verse  anbringen,  in  denen  Moses, 
nach  der  Offenbarung  des  allmichtigen  Gottes  (Trompeten  und  Donner),  sich  wieder 
gestirkt  fühlt;  dann  beginnt  er  aeine  Arie,  die  ich  bereits  angefangen  habe: 

,Au  sein  des  nations  tu  voulus  nous  b6nir 
pour  reprendre  sur  terre 
le  nom  de  r6temel,  la  divine  Lumi&re 
des  temps  pass6s,  de  l'sTenir.* 

Dieae  Arie  muss  noch  eine  Zeitlang  im  selben  Rhythmus  weitergehen;  dann  folgt 

das  Gebet: 

„Etemel,  Etemel 

tu  nous  a  promis  en  partage  .  .  .* 

Der  Marsch  ist  fertig,  und  Sie  brauchen  im  Versmass  nichts  zu  indem.  Ich  habe 
mich  entschieden,  Frauenstimmen  in  die  Chöre  einzuführen,  was  m.  E.  von  grosser 
Wirkung  sein  wird.  Gerade  der  Schlusschor  »sslut*  geflllt  mir  nicht  zur  Beendigung 
der  Szene,  noch  dazu  mit  der  Verwendung  der  Frauenstimmen.  Ich  will  den  Anfing 
»salut,  terre,  salut*  beibehalten  bis  zum  Moll:  »ton  peuple  a  faim*.  Ich  bin  nicht 
der  Ansicht,  dass  das  Volk  Israel  jammern  soll  beim  Anblick  des  gelobten  Landes: 
es  ist  vielmehr  ein  Sang  voll  von  Begeisterung,  erfüllt  von  Dankbarkeit  gegen  Gott 
und  von  Hoffhungsfreudigkeit  für  die  Zukunft  —  etwas  Mlchtiges,  Grandioses.  Ich 
denke,  Sie  stimmen  mir  bei.  Ich  will  auf  all  das  warten,  um  die  letzte  Hand  an- 
zulegen, und  dann  an  das  Schreiben  der  Partitur  gehen.  Mit  Gottes  Hilfe,  hoffe  ich, 
wird  sie  nicht  schlecht  ausfallen.  Das  ist  alles,  was  ich  Ihnen  wegen  des  »Moses* 
sagen  wollte.  Ich  bitte  auch  gern  das  Opernbuch  von  Scribe,*)  um  es  mir  wihrend 
meiner  Reisen  durch  den  Kopf  gehen  zu  lassen.  Ich  möchte  gleichzeitig  ein  paar 
Werke  auf  Stapel  liegen  haben.  An  Scribe  werde  ich  wegen  dieses  Textes  schreiben. 
Duveyrier  könnte  ihm  einstweilen  die  Sache  erzihlen. 

Leben  Sie  wobi,  Vater;  Ihr  Sohn,  für  den  Sie  so  Hebe  und  tröstliche  Worte 

finden,  küsst  Sie  von  ganzem  Herzen. 

F61icien  David 

Ich  vergase  ganz,  Ihnen  mitzuteilen,  wie  reizend  Dufour  gegen  mich  ist;  ich 
wollte,  wir  wiren  eines  Tags  für  immer  beisammen.  Auch  bei  meinem  Namensvetter 
Ferdinand  David  habe  ich  viel  Freundschaft  und  Entgegenkommen  gefunden  .  .  . 

Vater  Enfantin  an  F^licien  David 

Paris,  den  3.  Juli  1845 

Lieber  Freund,  Dein  Brief  vom  26.  zeigt  mir,  dass  Du,  ohne  es  zu  ahnen,  mir 
zu  meinem  Namensfest  am  St.  Prosper-Tsge  einen  herrlichen  deutschen  Strauss  über- 


^)  Der  »Moses*  war  ursprünglich  für  Wien  bestimmt. 

*)  Vielleicht  handelt  es  sich  um  das   Buch    zu  »La  nenne  sanglante",   das 
schliesslich  an  Gounod  fiel,  nachdem  es  Meyerbeer  und  Berlioz  abgelehnt  hatten. 


282 
DIE  MUSIK  V:  23. 


reicht  hast  Aber  Dein  Leipziger  Erfolg,  to  ausserordentlichen  Vert  ich  ihm  anch 
beimesse,  gilt  mir  doch  nicht  so  viel  als  Deine  lieben  Worte  yoU  Ruhe,  Vertrauen 
und  Hoffoung,  die  Du  an  mich  richtest;  auch  nicht  so  viel  als  der  Eifer,  mit  dem  ich 
Dich  bei  Deinem  Sinai-Verke  beschäftigt  sehe,  diesem  heiligen  Vorspiel  zu  unserer 
Suez-Messe,  dem  ich  so  hohen  Vert  beilege.  Darüber  sollst  Du  aber  nicht  die  in 
meinem  letzten  Schreiben  an  Dufour  erwähnten  Dinge  Ycrgessen:  die  Gesinge,  die 
wir  Ende  des  Monats  Juli  liefern  mfissen.^)  Wir  haben  schon  1500  Fr.  mit  den 
Quintetten  yerbummelr,  und  Escudier  bitte  eine  Gelegenheit  mehr  zum  Schikanieren. 
Hfiten  wir  uns,  ihnen  am  Ende  des  Monats  einen  ihnlichen  Grund  zu  geben.  Viel- 
leicht trifft  Dich  mein  Brief  im  Augenblick  der  Abreise  mit  Dufour  hierher,  um  einen 
Monat  mit  uns  zu  verbringen.  Du  könntest  dann  Scribe  persönlich  sprechen,  und 
wir  könnten  uns  auch  weit  besser  über  das  Textbuch  zum  .Moses*  unterhalten.  Ich 
bin  vollkommen  Deiner  Ansicht,  dass  das  „salut*  kein  guter  Abschluss  ist.  Deshalb 
hattest  Du  an  einen  heiter  bewegten  orchestralen  Schluss  gedacht.  Da  Du  aber 
Frauenstimmen  hinzunimmst  (und  ich  bitte  gern  auch  noch  einen  Kinderchor,  wenn 
es  sich  machen  liest),  so  stimme  ich  nunmehr  dafür,  mit  dem  Orchester-  und  Chortuttl 
abzuschliessen.  Meiner  Ansicht  nach  könnte  dann  das  »salut,  terre*  im  Ganzen  bleiben. 
Aber  vielleicht  mfisste  man  auf  das  letzte  «Gloire  i  Dieu*  nach  einem  fröhlichen 
Zwischensatz  einen  Chor  folgen  lassen,  der,  von  ausgelassen  lustigen  und  vor  Jubel 
hüpfenden  Kinderstimmen  intoniert  (das  Gegenteil  eines  christlichen  Kinderchores), 
zum  allgemeinen  Tanz  hinüberleitete,  und  den  dann  die  I.  und  II.  Tenöre,  dann  die 
Frauen,  dann  das  Ganze  aufnehmen  würden  • . .  Vielleicht  müsste  Moses  sogar,  wie 
der  Musiker,  Dichter  und  Tinzer  David,  nach  und  nach  alles  in  Schwung  bringen. 
Aber  dazu,  lieber  Freund,  müssten  wir  beieinander  sein:  Du  an  Deinem  Klavier,  ich 
die  Feder  in  der  Hand.  Bis  dahin  feile  an  Deinem  Werke,  vollende  alle  angefengenen 
Stücke,  und  sei  überzeugt,  dass  wir  beim  Anhören  uns  alle  beide  an  dem  prachtvollen 
Schweif  Deines  erhabenen  morgenlindischen  Kometen  begeistern  werden  .  .  . 
Schiebe  vier  Verse  Rezitativ  vor  dem  Gesang:  «au  aein  des  nations"  ein.  Nimm 
femer  an,  dieser  Gesang  werde  durch  eine  oder  zwei  Strophen  von  genau  demselben 
Rhythmus  vermehrt  dem  Chor:  vMaitre  des  peuples  et  des  Rois"  vorangehen.  Das 
darf  Dich  nicht  aufhalten;  nichts  wird  leichter  sein,  als  Deiner  Musik  Worte  zu  unter- 
legen. Schreibe  vorliuflg  la-la-la  oder  die  Namen  der  Noten  hin.  Du  rhythmisierst 
so  gut,  dass  sich  auf  Deine  musikalische  Andeutung  das  Wort  von  selber  einstellt. 
Im  übrigen  erinnerst  Du  Dich,  dass  ich  Dir  den  Rat  gab.  Dich  mit  Dufour's  Hilfe  mit 
einem  deutschen  Dichter  in  Verbindung  zu  setzen,  der  das  Vollendete  übertragen  und 
das  nicht  Fertige  nach  Deinen  eigenen  Angaben  erginzen  könnte.  Bedenke,  dass  es 
eine  apostolische  Eroberung  von  höchster  Wichtigkeit  bedeutete,  wenn  Dir  dieser  Fund 
gelinge:  ein  Deutscher,  der  den  poetischen  Sinn  Deiner  Musik  verstinde!  Mir  scheint, 
Du  müsstest  diesen  Fund  tun;  in  Deutschland  herrschen  Ja  solch  enge  Wechsel- 
beziehungen zwischen  Dichtkunst  und  Musik.  Ausserdem:  Deutschland  adoptiert 
Deine  Musik,  infolgedessen  muss  der  deutsche  Dichter  sich  bereits  in  Deiner  Nihe 
befinden.    Aufgepasst  also  . . . 

Ich  küsse  Dich,  mein  Kind,  das  ich  fest  zu  sehr  liebe,  denn  ich  leide  unter  der 
Trennung,  obwohl  ich  es  deutlich  fühle,  dass  Gott  es  so  haben  wollte. 


0  Den   Pariser  Verlegern  Escudier  (zwei   Brüder:  Marie  E.,  1819—1880,  und 
Uon  E.,  1821—1881). 


283 

PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


F6IiGien  David  an  Vater  Enfantin 

Leipzig,  den  25.  Juli  1845 
Lieber  Vater, 

soeben  bin  ich  wieder  in  Leipzig  angelangt,  nach  einem  dreiwöchentlichen  Aufenthalt 
in  Dresden.  Meine  Kompositionen  haben  dort  eine  ebenso  gnte  Aufnahme  gefunden 
wie  in  Leipzig.  Die  Einwohner  versicherten  mir,  einen  ihnlichen  Enthusiasmus  seit 
langem  nicht  gesehen  zu  haben.  Die  Dresdener  gelten  für  sehr  kühl.  Ich  für  meine 
Person  bin  überzeugt,  dass  sie  von  einer  für  meine  Musik  begeisterten  Schar  Polen 
und  Polinnen  angefeuert  wurden.  Daher  hat  es  mir  auch  nicht  an  Einladungen  bei 
polnischen  Fürstinnen,  Griflnnen  usw.  gefehlt.  Man  veranstaltete  mir  zu  Ehren  eine 
Menge  Feste,  für  die  ich  mich  mit  Liebenswürdigkeit  revanchieren  musste.  Ich  habe 
Ansprachen  gehalten  und  bin  als  Singer  aufgetreten.  Zufillig  war  ich  disponiert,  und 
ich  reiste  ab  mit  dem  Renomm6e  eines  grossen  Komponisten  und  entzückenden 
Singers!  Das  alles  ist  vielleicht  ein  bischen  übertrieben,  aber  ich  kann  ruhig  be- 
haupten, dass  es  nicht  von  unlautem  Machenschaften  herrührt  Ich  habe  zwei  Kon* 
zerte  in  Dresden  gegeben.  Man  verlangte  noch  ein  drittes,  aber  ich  wollte  lieber 
Ausdrücke  des  Bedauerns  über  mich  ergehen  lassen,  als  die  Langmut  der  Dresdener 
auf  die  Probe  stellen.  Der  König  ^)  und  die  königliche  Familie  wohnten  dem  zweiten 
Konzert  bei  und  applaudierten.  Kurz:  ich  bin  befriedigt  von  meinem  Dresdener 
Aufenthalt.  Mehrere  Tage  verbrachte  ich  bei  Ferdinand  Hiller  in  Pillnitz  bei 
Dresden.  Er  war  reizend  zu  mir  und  hat  viel  von  Ihnen  gesprochen  und  von  den 
Alten  in  der  rue  Monsigny.*)  Wir  machten  zusammen  verschiedene  Ausflüge  in  die 
Sächsische  Schweiz,  eine  wilde,  ungemein  malerische  Landschaft.  Ihren  Brief,  in  dem 
Sie  mir  eine  Reise  mit  Dufour  nach  Paris  vorschlagen,  habe  ich  erhalten.  Ich  glaube 
nicht,  dass  dieser  Plan  sich  im  Augenblick  verwirklichen  kann.  Wie  Sie  wissen,  ist 
Gustave  Arlös  nach  Lyon  gereist.  Die  Absichten  Dufour's  sind  mir  einstweilen  nicht 
bekannt;  er  ist  nämlich  zurzeit  mit  seiner  Familie  auf  dem  Lande,  15  Meilen  von 
Leipzig  entfernt.  Was  mich  betrifft,  so  denke  ich,  ist  es  am  besten,  wenn  ich  mich  nun- 
mehr an  den  Rhein  begebe,  um  dann  Karlsruhe,  Frankfurt,  Baden-Baden  zu  besuchen 
und  von  dort  über  München  nach  Wien  zu  gehen.  Soeben  habe  ich  an  Benazet  ge- 
schrieben, um  ihm  meine  Anwesenheit  in  Leipzig  anzuzeigen  und  ihn  nach  seinen 
Plänen  und  Bedingungen  zu  fragen.  Ich  teilte  ihm  mit,  ich  wolle  nichts  mit  Konzert- 
details zu  tun  haben  und  würde  mich  nur  unter  der  Bedingung  zu  einem  Abkommen 
verstehen,  dass  er  die  Vorbereitungen  in  die  Hand  nimmt.  Ich  sehe  nicht  ein,  warum 
wir  diese  Einnahmen  verabsäumen  und  sie  den  Escudier's  zugute  kommen  lassen 
sollten,  denn  ich  glaube,  unser  Vertrag  läuft  Ende  August  ab.  Obrigens  die  Escudier*s 
—  sagen  Sie  mir  doch  einmal,  was  Sie  von  ihrem  russischen  Projekt  halten.  Sie 
schrieben  mir,  sie  wollten  die  ,» Wüste"  bis  zum  nächsten  Frühjahr  nicht  veröffent- 
lichen.   Ich  denke,  man  sollte  darauf  nur  unter  günstigen  Bedingungen  eingehen. 

Wie  man  mir  mitteilt,  wäre  ein  Aufenthalt  im  September  in  Wien  von  Vorteil, 
da  die  Stadt  in  diesem  Monat  sehr  besucht  sei.  Es  wäre  gut,  diesen  Wink  zu  berück- 
sichtigen.   Ober  all  das  erwarte  ich  Ihre  Ratschläge. 

Dufour  hat  die  dritte  Soir6e')  und  drei  Romanzen  nach  Paris  geschickt,  die 


^)  Friedrich  August  II.    [R.] 

')  Vor  ihrer  Versprengung  im  Jahre  1832  hatten  die  Saint-Simonisten  ihren  Sitz 
in  Paris,  6  Rue  Monsigny. 

*)  ,»Die  vier  Jahreszeiten"  bestehen  aus  den  Abteilungen:  Les  soir6es  de  Prin- 
temps,  d'£t6,  d'Automne,  d'Hiver.    Jede  Abteilung  zählt  sechs  Stücke.    [R.] 


284 
DIE  MUSIK  V.  2a. 


am  Ende  des  Monats  zu  liefern  sind.  Eine  vierte  wird  folgen.  Ffir  die  Abrechnung 
fehlen  nur  noch  zwei.  Jourdan  soll  in  meinem  Schreibtisch  nachstehende  Gesinge 
heraussuchen:  «Marine",  mit  den  Anfangsworten  Jt  suis  de  quart*  und  «Uabsence*, 
von  T.  Gautier,  der  mit  den  Worten  beginnt:  »Reviens,  reviens»  ma  bien-aim6e". 

Ich  würde  ganz  gern  die  Musilc  zum  ^^Moses"  ohne  den  Text  schreiben,  aber 
ich  habe  schon  einen  erfolglosen  Versuch  gemacht.  Ich  muss  unbedingt  das  Buch 
haben.  Venu  Sie  inmitten  ihrer  Arbeiten  einen  Augenblick  daran  denken  könnten, 
so  würden  Sie  Ihrem  Sohn  und  Mitarbeiter  einen  grossen  Gefallen  erweisen. 

Das  ist  ein  —  für  meine  Verhlltnisse  ?-  langer  Brief  geworden,  für  Sie 
allerdings  nicht,  der  Sie  mich  so  sehr  zum  Schreiben  auffordern.  Die  Zeit  fem  von 
Ihnen  und  den  lieben  Pariser  Freunden  wird  mir  ziemlich  lang.  Das  Wiedersehen 
wird  um  so  freudiger  werden.  Man  muss  sich  drein  finden  und  das  begonnene  Werk 
wohl  zu  Ende  führen. 

Leben  Sie  wohl,  lieber  Vater,  ich  küsse  Sie  als  Ihr  Sie  zirtlich  liebender  Sohn, 
der  seinerseits  an  Ihre  ganze  Liebe  glaubt. 

Meine  Grüsse  an  den  wackem  Jourdan,  der  mir  ein  so  reizendes  Briefchen 
geschrieben,  an  Suquet,  Hadot,  Barrault')  und  an  alle  andern. 

F61icien  David 

Vater  Enfantin  an  F6Iicien  David 

2.  August  [1845] 

Mein  lieber  Freund,  ich  bin  im  Besitz  des  Schreibens  von  Sylvain  vom  27.  Sein 
Inhalt  ist  gleich  erfreulich,  was  Deinen  neuen  Erfolg  und  seine  eigene  Person  an- 
belangt. Dufour  wird  Euch  darüber  instruieren,  was  Ihr  nach  Lyon  senden  sollt. 
Was  Davids  Brief  an  Bscudier  betrifft,  so  hat  er  doppelt  unrecht:  einmal  ist  es 
Sylvain's  Sache,  sich  um  das  Geschiftliche  zu  bekümmern,  und  zweitens  bitte  das 
ganz  gut  durch  meine  Hinde  gehen  können.  Mit  den  Escudier's  ist  noch  nichts 
geregelt;  ich  habe  bloss  einen  Brief  von  ihnen,  in  dem  es  heisst:  «Wir  werden  die 
Publikation  für  Januar  anzeigen.  Unterdessen  wollen  wir  zum  Wortlaut  unserer  früheren 
Verträge  zurückkehren;  unsere  gegenseitige  Stellung  wird  dann  dieselbe  sein  wie  vor 
dem  Vertrag  vom  23.  Februar*.  Das  ist  nicht  ganz  verständlich,  da  der  Vertrag  vom 
23.  Februar')  zur  Klärung  einer  etwas  zweideutigen  Sachlage  abgeschlossen  wurde; 
aber  es  ist  keine  Gefahr  dabei,  noch  dazu  in  Berücksichtigung  dessen,  was  ich  Euch 
beiden  sagen  will:  Arifts,  Dufour  und  viele  andere  bekämpften  meine  auf  den  »Moses* 
und  Wien  bezügliche  Idee.  Alle  sind  der  Ansicht,  Wien  dürfe  nicht,  aber  Paris  müsse 
den  ersten  Genuss  dieses  Werkes  haben.  Ich  hatte  im  Stillen  gehofft,  mit  Dir,  lieber 
Freund,  in  Wien  zusammen  sein  zu  können,  und  das  war  wohl  der  Grund,  der  bei 
meiner  Erwägung  den  Ausschlag  gab.  Heute  teile  ich  die  Ansicht  unserer  Freunde, 
dass  Paris  und  mir  diese  Erstlinge  gehören . . . 

Um  Dir  mit  einem  Deinem  Frankfurter  entsprechenden  Erfolg  aufzuwarten, 
möchte  ich  Dir  mitteilen,  dass  in  dem  Augenblick,  wo  ich  Sylvain's  Brief  erhielt, 
ein  Schreiben  vom  Vorstand  der  Lyoner  Eisenbahngesellschaft  eintraf,  das  mir  die 
einstimmig  erfolgte  Ernennung  zum  Administrator  dieser  Gesellschaft  meldet.  Das 
zwingt  mich  natürlich  zum  Hierbleiben.  Beeile  Dich  also,  mein  Kind,  wenn  Du  in 
Karlsruhe  zu  Ende  bist,  die  Partitur  des  »Moses*  vollkommen  fertig  zu  stellen,  und 


>)  Saint-Simonisten. 

*)  Es  ist  die  Rede  von  dem  Vertrag  Davids  mit  seinen  Verlegern  Escudier. 


285 

PROD'HOMME:  DAVIDS' REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


zeige  dann  den  Parisern  und  Deinem  Vater  den  Weg  in  das  gelobte  Land.    Ich  will 
dann  alle  meine  groben  Erörterungen  mit  Sylvain  mittels  eines  derben  Händedrucks 
ins  Reine  bringen,  und  Dich  werde  ich  mit  einem  herzlichen  Kuss  begrüssen,  was 
schon  verzweifelt  lange  nicht  mehr  der  Fall  gewesen. 
Also  auf  baldiges  Wiedersehen. 

Vater  Entantin  an  F61leien  David 

[Paris,]  den  8.  August  1845 
Lieber  Freund,  Rodrigues^)  hat,  wie  er  mir  mitteilt,  gestern  von  Hal6vy  erfkhren, 
das  Institut  sei  übereingekommen,  Dir  den  ersten  in  der  Abteilung  der  Schönen 
Kfinste  freiwerdenden  Platz  zu  verleihen.  Ich  freue  mich,  meinen  Brief  mit  dieser 
guten  Nachricht  beginnen  zu  können,  denn  um  es  nochmals  zu  wiederholen:  ich  kann 
nicht  zu  Dir  reisen. 

Freund  Sylvain,  bei  dem  ich  trotz  allen  Suchens  keine  kaufininnische  Ader 
zu  entdecken  vermag,  empfindet  so  viel  herzliche  Zuneigung  und  Ergebenheit  fQr 
Dich,  dass  ich  mich  über  Deine  Einladung  sehr  gefreut  habe.  Obwohl  er  kein  Deutsch 
spricht  und  sus  Aix  stammt,  hat  doch  seine  untadelige,  biedere  Person  etwas  Deutsches; 
er  wird  Dir  also  in  Deutschland  von  Nutzen  sein  können,  und  ausserdem  werde  ich 
an  ihm  einen  etwas  prompteren  Korrespondenten  haben  als  an  Dir,  der  Du  mir 
indessen  doch  am  25.  Juli  einen  prichtigen  Brief  geschrieben  hast.  Es  wire  mir  also 
lieb,  wenn  er  mit  Dir  von  Baden-Baden  aus  nach  Vien  und  Prag  gehen  könnte,  um 
von  dort  auf  meine  seinerzeitige  Mitteilung  hin  die  Escudier's  nach  Russland  zu  be- 
gleiten; es  müsste  Ja  mit  dem  Teufel  zugehen,  wenn  ich  bis  dahin  nicht  selbst  mit 
Dir  zusammentreffen  könnte.  Vas  Baden-Baden  anbelangt,  so  lege  ich  Dir  die  Ver- 
pflichtung auf,  Dich  Benazet  gegenüber  nicht  zu  verpflichten!  Du  sollst  dort  als 
Reisender,  als  Tourist  auftreten.  Venu  Dir  die  Stadt  gefillt  und  die  dortige  Gesell- 
schaft zussgt,  so  bedarf  es  zweifellos  nur  einer  Handbewegung,  um  die  von  Benazet 
angebotenen  1000  Fr.  zu  erhalten.  Wenn  Du  dagegen  eine  Verpflichtung  eingehst, 
so  wird  dieser  Hanswurst  von  Benazet  gehörig  mit  Reklametrompete  und  Annonzen- 
tafel  arbeiten;  das  würde  nach  Humbug  schmecken,  und  so  etwas  mnsst  Du  gerade 
in  Deutschland  unbedingt  vermeiden. 

Ich  weiss  noch  nicht,  welches  Arrangement  ich  mit  Escudier  wegen  Russland 
treffen  werde;  geschiftliche  Verhandlungen  mit  diesen  Kerls')  sind  schwieriger  als 
mit  den  Fürsten  der  Hochfinanz.  Mit  diesen  letzteren,  lieber  Freund,  hat  Dein  Vater 
in  diesem  Jahre  einen  Vertrag  über  die  Summe  von  200  Millionen  unterzeichnet;  seine 
Unterschrift  befindet  sich  neben  der  von  Rothschild  und  Laffitte.  Das  ist  meine 
Wüsten-Symphonie!  Du  wirst  verstehen,  weshalb  ich,  trotz  des  lebhaften  Verlangens 
Dich  wieder  zu  sehen,  unbedingt  auf  meinem  Posten  bleiben  muss,  den  mir  Gott 
so  wunderbarer  Weise  dieses  Jahr  beschert  hat 

')  Olinde  Rodrigues.  Als  das  Vertrauen  des  Publikums  zur  saint-simonistischen 
Sache  erschüttert  war  (1831)  und  die  freiwilligen  Beiträge  abnahmen,  suchte  R.  dem 
Defizit  durch  eine  Anleihe  auf  Aktien  aufzuhelfen.  Er  verliess  1832  die  «Familie* 
und  legte  Beschlag  auf  ihr  Vermögen,  um  die  kontrahierte  Anleihe  zu  decken.    [R.] 

*)  Vater  Enfantin  schrieb  am  23.  August  aus  Paris  an  Arifts-Dufour:  .Die 
Escudier's  mschen  mir  noch  immer  gehörig  zu  schaffen;  sie  reden  von  einer  Reise 
nach  Ruasland,  wohin  ich  David  nicht  schicken  möchte.  Ich  überlege  hin  und  her, 
wie  wir  am  besten  von  diesen  Kerls  loskommen  könnten;  leider  vermag  uns  Sylvain 
hierbei  gar  nichts  zu  nützen." 


!■ 
II 

II 


286 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Bei  Mme.  Kiend^)  habe  ich  Lieder  von  Dir  von  den  beiden  T9chtem  Duporfs 
mit  vortrefflicher  Empfindung  yortragen  hören,  nnd  gestern  sang  Nathalie  in  einem 
Stfick  in  den  Vari6t68  Conpleta  fiber  Deine  «Schwalben"  .  .  • 

Ich  erfahre,  dasa  man  am  26.  Juli  die  Eiaenbahn  von  Prag  nach  Wien  eröffhel 
hat;  daa  wird  Deine  Unbequemlichkeiten  etwaa  erleichtem.  Ea  verlangt  mich  zu 
wiaaen,  wie  Dir  Dein  Abatecher  nach  Bonn  bekommen  ist  und  wie  Du  Dich  bei 
diesem  Muaikfest  verhalten  hast.  Ich  hatte  ao  unendlich  viel  zu  tun,  dass  ich  mich 
mit  unserem  »Moses*  gar  nicht  beschiftigen  konnte,  aber  ich  zeigte  Jourdan,  um  was 
es  sich  handelte,  und  Du  wirst  die  Ergänzung  demnichst  bekommen.  Ich  bleibe 
immer  noch  beim  »salut*  unter  dem  Vorbehalt,  mit  etwas  anderem  zu  schliessen;  und 
daf&r  bitte  ich  gern  eine  orchestrale  und  hernach  apokalyptiache  Steigerung;  aber  ea 
müaate  eine  Freuden-Apokalypae  sein.  Die  Einleitung  zu  Deiner  »Vüste*,  nur  um- 
gekehrt^ d.  h.  daa  Gegenteil  dea  Unermeaslichen  und  Ewigen:  daa  Augenblickliche,  Ge- 
gebene, Gegenwirtige,  Gegenstindliche.  Religiöser  Verzfickungstaumel.  Tanz  Davids 
vor  der  Bundealade,  am  Altar,  angeaichta  dea  gnidigen  und  atarken  Gottes  —  wihrend 
die  Maurer  den  Tempel  bauen,  die  Ingenieure  den  Kanal  graben,  die  Schmiede 
daa  Eiaen  himmem«  Lautea  Gelichter  der  Kinder.  Geaang  der  Frauen.  Die  ganze 
Natur,  Sonne,  Himmel  und  Erde,  daa  ganze  All  in  Freude  getaucht  Bedenke,  liebes 
Kind,  daaa  1845  mein  erstes  Freudenjahr  iat,  und  dass  ich  mich  mit  Dir  und  f&r  Dich 
freuto  will.  Ich  umarme  Dich. 

8.  Auguat,  Arthurs*)  Geburtstag. 

II.  Auguat.    Lieber  Freund,,  anbei  einige  Uminderungen  von  Jourdan'a 

Hand.  Der  Anfimg  ist  meines  Erachtena  unnötig,  weil  Du  Deine  Beschwörung  bereits 
geschrieben;  der  mittlere  Teil  könnte  allenfslla  gehen;  was  den  Schluss  betrifft,  so 
ist  es  eigentlich  bloss  ein  Anfing.  Nach  dem  Mldchenchor  wird  Moaea  den  Frauen-, 
dann  den  Minnerchor  herausfordern;  dieaer  wird  aich  mit  den  Frauen  und  Kindern 
zu  einem  ftmoaen  Tutti  vereinigen  .  .  . 

Die  Freunde  lassen  grfissen,  auch  Adele.*)  Sie  achmoUt  ein  bischen  mit  Dir, 
well  Du  sie  in  Deinen  Briefen  Immer  vergessen  habest  Ich  sagte  ihr.  Du  könnest 
nichts  dafür,  aber  Du  werdest  bei  Deiner  Rückkehr  gleich  mit  ihr  dinieren! 

Inzwischen  war  der  von  dem  rfirsorglichen  Vater  Enfantin  für  den 
etwas  unpraktischen  David  als  Reisemarschall  und  Sekretär  bestellte  Syl- 
vain  Saint-Etienne  in  Deutschland  angekommen,  wovon  uns  folgender 
ergötzliche  Brief  unterrichtet: 

SylTain  Saint-Etienne  an  Vater  Enfantin 

Frankfurt,  den  17.  August  1845 
Mein  Herr, 

ich  bin  gestern  um  Vsl  Uhr  in  Frankfurt  angekommen,  aber  von  F61icien  keine 
Spur.  Man  erzählte  mir,  er  sei  schon  vorgestern  ausgerfickt,  aber  in  welcher  Richtung, 
konnte  mir  kein  Menach  sagen.  Ea  scheint  mir  unmöglich,  dass  er  unser  Rendez- 
vous hier  vergessen  und  nicht  einmal  Anstalten  für  ein  Konzert  in  einer  Stadt  wie 


^)  Die  Mutter  von  Frau  Bigot,  der  berfihmten  Pianistin  und  Freundin  Beethovena. 
')  Arthur  Enfitntin,  der  natfirliche  Sohn  Vater  Enfantin'a. 
*)  Adele  Nuguea,  eine  Kouaine  Vater  Enfentin's. 


287 
PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


Fnokfäit  betroffen  haben  tollte,  wo  man  f8r  gute  Musik  etwas  fiferig  xu  haben 
scheint,  denn  festem  abend  konnte  ich  fQr  eine  MozartauffOhning  keinen  Platz  mehr 
bekommen. 

Ich  warte  nun  ab  und  ziehe  Erkundigungen  ein;  ich  will  nach  benachbarten 
Stidten  wie  Mainz  und  Wiesbaden  schreiben  und  hoffe,  durch  irgendeine  deutsche 
Zeitung  zu  erfahren,  wo  er  eigentlich  steckt.  Wie  dem  auch  aei,  ich  hielt  es  ffir  an- 
gemessen, mich  von  hier  nicht  zu  entfernen,  denn  wenn  man  hintereinander  herrennt, 
Hüft  man  Gefehr,  sich  fiberhaupt  nicht  zu  treffen.  Gar  zu  lange  sollte  er  fibrigens 
nicht  auf  sich  warten  lassen,  denn  ich  weiss  nicht,  ob  mein  Geldbeutel,  der  infolge 
der  Reise  schon  bedenklich  zusammengeschrumpft  ist,  solange  aushilt;  unglQcklicher- 
weise  kann  ich  mich  hier  nicht  so  verstindlich  und  bekannt  machen,  wie  ich  gern 
möchte.  Wenn  Sie  durch  Zufeil  in  Paris  eher  etwas  erfehren  ala  ich,  dann  schreiben 
Sie  mir  bitte.    Ich  wohne  hier  im  «Hotel  du  Rhin*  Zimmer  2S  . . . 

Genehmigen  Sie  . .  •  usw. 

Sylvain  Saint-Etienne 

F^llelen  David  an  Vater  Enfantin 

Baden-Baden,  den  20.  August  1S45 
Lieber  Vater, 

seit  zwei  Tagen  bin  ich  in  Baden-Baden,  nachdem  ich  den  Festlichkeiten  in 
Bonn^)  beigewohnt  hatte.  Ich  will  Ihnen  keine  Beschreibung  davon  geben,  da  Sie  In 
den  Zeitungen  mehr  oder  weniger  genaue  Berichte  darfiber  gelesen  haben  werden. 
Ich  f&r  meine  Person  fend  sie  sehr  wenig  würdig.  Aber  wenn  Ich  mit  Bonn  nicht 
sonderlich  zuftieden  war,  ao  bin  Ich  entzückt  von  den  Ufern  des  Rheins.  Welch' 
herrliches  Land!  Und  Baden-Baden  erst!  Ich  würde  mich  glücklich  schitzen,  einige 
Zelt  hier  verweilen  zu  können,  wenn  das  Wetter  nur  nicht  so  abscheulich  wire.  Ich 
warte  tagtäglich  auf  ein  paar  Sonnenstrahlen« 

Benazet  will  zwei  Konzerte  yeranstalten«  Das  erste  soll  am  30.  da.  stattfinden. 
Nach  den  Vorbereitungen  zu  schllessen,  wird  es  eine  Torzügllche  Aufführung  geben. 
Ich  erhalte  1000  fir.  pro  Konzert;  wenig  zwar,  aber  Ich  habe  mich  um  nichts  zu 
kümmern.  Dirigieren  wollte  Ich  bei  dieser  Gelegenheit  nicht,  worin  Sie  mir  wohl 
beistimmen  werden. 

An  Sylvain  schrieb  ich  nach  Empfeng  seines  ersten  Briefes  und  Terabredete  ein 
Zusammentreffen  in  Frankfort  Ich  werde  ihm  nochmals  schreiben,  damit  er  nach 
Baden-Baden  kommt. 

Mit  dem  «Moses*  geht's  voran.  Den  grossen  Schlusschor  habe  ich  ohne  Text- 
worte fertig  gemacht  und  bin  sehr  zufHeden  damit  Ich  glaube,  es  wird  keine 
Schwierigkeiten  haben,  den  Text  unterzulegen.  Den  Chor  der  aufrührerischen  Juden 
habe  ich  gleichfalla  Torlingert,  ebenso  den  Marsch  in  der  Wüste.  Das  alles  ist  femos 
gegangen;  ich  muss  jetzt  bloss  noch  die  grosse  Arie  Tollenden,  aber  dazu  brauche 
ich  unbedingt  den  Text    Sylvain  hilft  mir  dabei. 

Von  den  Escudler's  erhielt  ich  einen  Brief  mit  der  Bitte  um  2  Gesinge  zur 
VervoUstindigung  eines  Albums,  gegen  ein  Honorar  von  1000  fr.  Wenn  Sie  es  für 
richtig  halten,  dieses  Angebot  anzunehmen,  so  soll  Jourdan  in  meiner  Schublade,  in 
der  sich  die  Gesinge  befinden,  folgende  heraussuchen:  »Le  souvenir  d'amour^, 
.Amour,  amour,  ah!  tu  n'es  qu'un  beau  r6ve*  und  dann  noch  einen  anderen:  aJoie 
et  tristesse*,  der  mit  den  Worten  anfllngt:  .comme  aujourd'hui  je  suis  joyeuse*. 

^)  Es  handelt  sich  um  die  Einweihung  des  Beethoven-Denkmals  In  Bonn.   [R.] 


288 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Soviel  fiber  das  Geschifttiche.  Nunmehr  mdctate  ich  meinem  guten  Vater  etwas 
Liebes  sagen.  Ich  bedaure  aufrichtig,  Ihnen  durch  mein  langes  Schweigen  Sorgen 
bereitet  zu  haben.  Es  ist  ganz  einftich  Trägheit.  Aber  keine  Trigheit  des  Herzens! 
Das  Herz  hört  nicht  auf,  f&r  Sie  zu  schlagen.  Das  wissen  Sie  ja  selbst  Darum 
möchte  Ihr  Sohn  auch  gar  zu  gern  eine  Zeile  von  Ihnen  erhalten.  Das  w&rde  ihm 
wohl  tun  und  ihn  geduldig  den  Tag  der  Heimkehr  erwarten  lassen. 

Leben  Sie  wohl,  lieber  Vater.  Wenn  Sie  mir  trotz  Ihrer  Arbeiten  ein  kleines 
LelMnszeichen  zukommen  lassen  wollen,  dann  schreiben  Sie  mir  bitte  nsch  Baden- 
Baden,  poste  restante. 

Ihr  Sie  zirtlich  liebender  Sohn  ^  F61icien  David 

Tausend  Grusse  an  Freund  Jourdan,  Suquet  .  • . 

Sylvain  Saint-Etienne  an  Vater  Eiiftmtin 

Baden-Baden,  den  25.  August  1845 
Mein  Herr, 

nachdem  ich  acht  Tage  in  Franlrfürt  gewartet,  hörte  ich  endlich,  F61icien  sei  in 
Baden-Baden,  und  ich  beeilte  mich,  ihn  einzuholen.  Was  die  Benazet-Angelegenheit 
betriiflt,  so  war  es  zu  spät,  um  ein  Arrangement  zu  treffen.  David  war  seit  acht  Tagen 
dort  und  hatte  mit  ihm  um  das  Honorar  von  1000  fr.  abgeschlossen,  was  nicht  gerade 
übermässig  ist  in  Anbetracht  der  Menge  Personen,  die  in  den  Saal  gehen,  und  des 
Geldbeutels  der  Badegäste.  Ein  Kerl,  der,  wie  man  sagt,  Jährlich  600  000  fr.  verdient, 
hätte  schon  etwas  nobler  zahlen  können  —  aber,  wie  ich  Ihnen  sagte:  die  Sache  ist 
erledigt    Nur,  glaube  ich,  wird  man  zwei  Konzerte  geben  können. 

[Folgen  lange  Ausführungen  Qber  Verlagsangelegenheiten,  in  denen  Sylvain  stark 
und  anscheinend  nicht  ganz  uneigennfitzig  gegen  die  seitherigen  Verleger  David's, 
namentlich  die  Escudier's,  polemisiert.] 

. .  Bedenken  Sie,  dass  man  hier  den  »Moses*  zur  Aufführung  bringen  könnte 
oder  wenigstens  Bruchstficke,  denn  David  rechnet  damit,  ihn  in  Leipzig  zum  ersten- 
mal aufführen  zu  lassen,  ein  Gedanke,  der  mir  fibrigens  nicht  übel  geflUlt  Ich 
werde  anscheinend  verschiedene  Strophen  zum  «Moses*  machen  müssen.  Da  Ihr 
Text  nicht  eintraf,  komponierte  David  auf  ein  ganz  anderes  Versmass.  Ich  will  mein 
Bestes  tun,  um  mich  von  Ihren  und  seinen  Ideen  inspirieren  zu  lassen  und  nichts  zu 
verderben  ... 

Das  erste  Konzert  findet  Samstag,  den  30.,  statt  Gestern  gab  es  eine  private 
musikalische  Veranstaltung  bei  Benaze^  in  der  Armingaud,  Pixis,  Cossmann^)  und 
zwei  andere  Künstler,  deren  Namen  ich  nicht  weiss,  die  Quintette  von  F61icien  unter 
dem  bewundernden  Beifall  einer  gewählten  Zuhörerschaft  zur  Aufführung  brachten. 
Ich  kann  Ihnen  nicht  beschreiben,  mit  welchen  Beifallsbezeugungen  unser  Freund 
überschüttet  worden  ist  . . . 

Vater  Enfantiii  an  F61icien  David 

Paris,  den  27.  August,  am  Tage  des  Prozesses*) 
...  Ich  höre  mit  Vergnügen,  dass  Dein  »Moses*  voran  schreitet,  denn  ich  hege 
immer  noch  den  Wunsch,  Du  möchtest  ihn  diesen  Herbst  in  Wien  zur  Aufführung 

^)  Jules  Armingaud  (geb.  3.  Mai  1820  zu  Bayonne),  ausgezeichneter  Geiger.  — 
Jbh.  Peter  Pixis  (1788—1874),  vorzüglicher  Klavierspieler,  hatte  von  1845  an  seinen 
Wohnsitz  in  Baden-Baden.  —  Bernhard  Cossmann  (geb.  17.  Mai  1822),  der  berühmte 
Cellist    [R.] 

')  Jahrestag  der  Gerichtsverhandlung  gegen  die  Saint-Simonisten  (27.  August  1832). 


289 
PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 

bringen,  um  dann  in  Paris  den  Winter  attszunutzen.  Es  ist  also  ganz  natüriich,  dass 
Dir  Sylvain  bei  Deinen  Wiener  Konzerten  an  die  Hand  gebt  und  Dir  dann  beim  Ver- 
trieb des  Werkes  in  Frankreicb  behilflich  ist  und  es  spiter  in  Verlag  nimmt  Schreibt 
also  schleunigst  die  Stimmen  aus  und  sorgt  f&r  einen  guten  deutschen  Text,  denn  es 
naht  der  September,  und  im  Oktober,  glaube  ich,  müsst  Ihr  in  Wien  sein.  Bis  dahin 
ist  Baden-Baden  ein  angenehmer  Aufenthaltsort.  Ich  denke,  man  stellt  Dir  dort  Fuhr- 
werk und  freien  Mittagstisch  zur  Verfügung.  Benazet  schien  mir  dafflr  Sorge  tragen 
zu  wollen,  aber  Du  erwähnst  nur  die  1000  fr.,  die,  ohne  Wagen  und  Freitisch,  am 
Ende  des  Monats  flöten  wiren.  Ich  bitte  gern  erfahren,  ob  Du  mit  Meyerbeer  in 
Bonn  ebenso  zufrieden  gewesen  wie  in  Berlin,  ob  Liszt  nett  zu  Dir  war,  ob  im  all- 
gemeinen die  Menge  Musiker,  die  Du  dort  träfet,  etwas  heiliges  Feuer  in  ihrer  Seele 
zu  besitzen  schienen.  Erzähle  Sylvain  davon,  er  soll  mir  dann  Einzelheiten  mitteilen. 
Ich  ersuche  ihn,  mir  ausführlich  intime  Details  in  betreif  Deiner  zu  berichten,  die 
mir  sehr  wichtig  sind,  fiber  die  Du  Dich  aber  aus  Besorgnis,  Deine  Briefe  könnten 
zu  lang  werden,  immer  ausschweigst.  .  .  . 

Diese  verflixten  Eisenbahnen  haben  mich  mehr  in  Anspruch  genommen,  als 
ich  dachte,  und  werden  es  noch  geraume  Zeit  tun.  Die  im  Norden  ist  in  Ordnung, 
aber  letzt  kommt  die  Lyoner  an  die  Reihe  und  dann  die  von  Avignon.  Ich  bin  schon 
jetzt  überzeugt,  dass  meine  Symphonie  mir  dieses  Jahr  mehr  einbringen  wird,  als 
die  Deinige!  • . . 

Grüsse  mir  Sylvain.  Ich  nehme  mir  ihn  des  öfteren  etwas  vor,  was  nicht  ver- 
hindert, dass  ich  sehr  froh  bin,  ihn  um  Dich  zu  wissen  . . .  Dich  umarme  ich,  ihm 
gebe  ich  einen  kleinen  Puff:  jedem  nach  seiner  Kapazität!  Ihr  braucht  verschiedene 
Behandlung;  auch  schreibt  er  mir  häuflg,  während  ich  Deine  Briefe  als  Raritäten  ein- 
rahmen lassen  werde  .  .  • 

28.  August  1845 

Lieber  Freund,  obwohl  ich  Dir  gestern  geschrieben,  will  ich  gleich  fortfahren, 
um  die  Zeit  zu  sparen,  die  wir  mit  der  Schreiberei  Sylvain's,  wenn  sie  so  weiterginge, 
wie  sie  angefangen  hat,  verlieren  würden.  Er  schickt  mir  so  eine  Art  Vertrags- 
verlängerung für  die  Veröffentlichung,  und  die  von  ihm  ins  Feld  geführte  Begründung  ist 
so  kindlich,  dass  ich  ganz  starr  vor  Staunen  bin.  Wie?  —  im  Augenblick,  wo  Du 
Ihm  mitteilst,  dass  die  fürstlichen  Geschenke  für  Deine  Person  bestimmt  sind,  im 
Augenblick,  wo  er  bereits  merkt,  dass  die  Konzerte  In  Deutschland  sehr  wenig  ein- 
tragen. Im  Augenblick,  wo  er  selbst  sich  dem  Vertrieb  Deiner  .Wüste*  in  Russland 
widersetzt,  Im  Augenblick  endlich,  wo  er  mit  seinen  eigenen  Ohren  hört,  dass  Dein 
„Moses*  nahezu  vollendet  ist  —  just  in  diesem  Augenblick  geht  er  mit  dem  Gedanken 
einer  Vertragsverlängerung  um,  aus  Angst,  die  Partitur  der  „Wüste*  komme  nicht 
nach  München  und  Wien!  Seltsam.  Ich  habe  heillose  Angst,  er  oder  Du  könntet 
Escudler's  Brief  beantworten.  Tu'  mir  die  Liebe  und  falle  nicht  darauf  herein  und  ver- 
hindere Sylvain,  der  Versuchung  zu  unterliegen.  Ihr  habt  den  Escudler's  überhaupt 
nichts  mitzuteilen,  sintemalen  sie  in  Paris  sind,  und  Ich  desgleichen. 

Wäre  Freund  Sylvain  der  Mann,  aus  Deiner  Musik  Kapital  zu  schlagen,  so 
würde  er  nicht  einen  Tag  in  Deutschland  bleiben,  denn  Deutschland  ist  dafür  kein 
Boden,  und  aus  diesem  Grunde  haben  die  Escudler's,  diese  gewiegten  Geschäftsleute, 
ohne  Zweifel  darauf  verzichtet.  In  Deutschland  handelt  es  sich  nicht  um  geschäftliche 
Ausbeutung;  Du  sollst  Dir  dort  einen  guten  Namen  mtchen  und  in  erster  Linie 
Propaganda  treiben  . .  •  Beschwöre  Sylvain:  er  soll  Dein  Sekretär  sein  und  Deine 
Korrespondenz  nsch  Deinen  Angaben  führen;  er  soll  mich  über  Deine  Gesundheit, 

V.  23  21 


290 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Deinen  Reiseweg,  Deine  Arbeiten  und  ebenso  fiber  Deine  grossen  und  kleinen  Leiden 
auf  dem  LAufenden  erhalten,  mein  liebes  Kind,  fiber  Deine  kleinen  und  grossen 
Freuden,  fiber  Dein  mir  so  teures  Leben;  er  soll  die  ermfidenden  und  langweiligen 
Verhandlungen  in  Deinem  Verkehr  mit  Theatern,  Musikern,  Kopisten,  ausfibenden 
Kfinstlem,  Librettisten,  mit  Zudringlichen  jeder  Art  von  Dir  fernhalten;  er  soll  mit 
seiner  brfiderlichen  Liebe  fiber  alles  wachen,  was  schldlich,  unbequem  und  krinkend 
ffir  Dich  sein,  was  Deine  Reise  stören  könnte;  er  soll  meinetwegen  einen  Vers,  der 
sich  in  Deinen  Rhythmus  nicht  einffigen  will,  beschneiden,  verindem,  ummodeln;  er 
soll  fix  zur  Stelle  sein,  wenn  die  Inspiration  fiber  Dich  kommt;  er  soll  Dir  beim 
Kopieren  helfen,  beim  Ausschreiben  von  Stimmen,  wenn  es  Dich  ermfidet;  er  soll 
Deine  musikalischen  Ideen  im  Fluge  festhalten,  die  Du  aufs  Papier  wirfst,  um  sie 
dann  vielleicht  auf  immer  wieder  zu  verlieren,  wenn  Du  an  ihm  nicht  eine  Art 
lebendigen  Registers  und  gewandten  Gedankenlesers  hättest  Aber,  bei  Gott,  weiter 
soll  er  nicht  gehen,  und  vor  allem  soll  er  sich  nicht  ums  Geschlfdiche  kfimmem; 
davon  hat  er  keine  Ahnung,  nicht  die  blasseste  Ahnung;  er  wfirde  mehr  Schaden  als 
Nutzen  stiften.  Zum  Unglfick  glaubt  er,  als  Verleger  sich  nfitzlich  erweisen  und  sich 
einen  Platz  an  Deiner  Seite  erringen  zu  können.  Ein  unheilvoller  Wahn:  es  gibt 
keinen  einzigen  Verleger  in  Paris,  der  nicht  zehn  derartiger  Geschiftsieute  an  die 
Wand  drfickte.  Zum  Henker,  weshalb  begnfigt  er  sich  nicht  mit  Deiner  Liebe?  Wie 
viele  Leute  wiren  mit  seinem  Los  zufrieden!  Wenn  er  seine  Ansprfiche  nicht  herab- 
schraubt, wird  er  Deine  und  infolgedessen  auch  seine  eigenen  Geschifte  schidigen. 
Wenn  er  dagegen,  statt  Dich  auszunutzen,  darfiber  wachte,  dass  Du  nicht  von  anderer 
Seite  ausgeriubert  wirst,  wenn  er  seinen  Ehrgeiz  auf  die  Ffirsorge  beschrinkte,  Deinen 
Werken  gute  Verleger,  gute  Aufffihruogen  und  anstindiges  Honorar  zu  erwirken,  wenn 
er  Dein  Vertrauter  im  Verkehr  mit  Verlegern,  Musikern  und  Journalisten  wire,  wenn 
er  Dich  ausserdem  vor  dem  oft  mit  Recht  gegen  Dich  erhobenen  Vorwurf  allzugrosser 
Gleichgfiltigkeit  schfitzte  —  dann  wfirde  Freund  Sylvain  Dir  einen  wahrhaften  Dienst 
erweisen,  den  einzigen,  den  er  Dir  zu  erweisen  imstande  ist  . . . 

F^Iicien  David  an  Vater  Enfantin 

[Baden-Baden,]  Ende  August  1845 
Lieber  Vater, 

Ihren  Brief  habe  ich  Sylvain  mitgeteilt.  Er  war  sehr  betrfibt  darfiber,  und  ich 
gleichftills.  Warum  soll  er  auf  den  Plan,  Verleger  zu  werden,  verzichten,  und  das 
jetzt,  wo  er  sein  Geschift  aufgegeben  hat,  im  Vertrauen  auf  mein  Wort,  ihm  den 
»Moses*  in  Verlag  zu  geben?  Was  den  Posten  anbelangt,  den  Sie  ihm  bei  mir  zu- 
dachten, so  glaube  ich  nicht,  dass  dieser  Gedanke  ausffihrbar  ist.  Sylvain  hat  eine 
Familie,  von  der  er  sich  nicht  trennen  kann  und  die  er  unterhalten  muss.  Ich  glaube, 
es  wire  am  besten,  wenn  er  sich  mit  einem  anderen  Musikalienhindler  assoziieren 
wfirde.  Es  wire  mir  sehr  peinlich,  mein  Versprechen  wieder  rfickgiogig  machen  zu 
mfissen,  nach  den  Opfern,  die  er  mir  gebracht.  Ich  will  nicht  einmal  von  unserer 
alten  Freundschaft  reden,  aber  ich  möchte  ihm  einen  Beweis  meiner  Zuneigung  in 
dieser  Angelegenheit  geben,  und  ich  hoffe,  dass  Sie  meinen  festen  Entschluss  nicht 
missbilligen  werden. 

Der  j,Moses"  schreitet  voran.  Um  die  Eintönigkeit  des  so  ernsten  Stoffes  etwas 
zu  verringern,  haben  wir  eine  Klageromsnze  ffir  eine  Frauenstimme  eingeschoben, 
nach  den  auft-fihrerischen  Schreien  der  Juden.  Das  wird  sein  Gutes  haben.  Ich 
brauche  nur  noch  die  Arie  des  Moses  zu  vollenden,  und  das  Ganze  ist  fertig.  Ich 
werde  dann  mit  dem  Schreiben  der  Partitur  beginnen. 


291 

PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 


Einzelheiten  fiber  die  Bftden-Badener  Veranstaltung  haben  Sie  erhalten;  ea  ging 
alles  vortrefflich.  Es  fknd  nur  ein  Konzert  sutt,  fQr  2000  f^.  Ich  erwarte  die  Ankunft 
des  Grossherzogs,  um  in  Karlsruhe  ein  Konzert  zu  geben.  Dann  werden  wir  nach 
Frankfurt  zurfickkehren,  um  dort  auch  einige  Konzerte  vorzubereiten.  Der  Erfolg 
Ihrer  «Symphonie*  hat  mich  aehr  beglQckt.  Wer  empfinde  darfiber  mehr  Freude,  als 
Ihr  Sohn,  der  Sie  verehrt,  und  den  Sie  so  von  Herzen  lieben? 

Leben  Sie  wohl,  teurer  Vater,  ich  umarme  Sie  zärtlich  und  erwarte  ungeduldig 
den  Tag  unserer  Wiedervereinigung. 

F^licien  David 

P.  S.  Viele  Grüsse  an  die  Freunde  und  auch  an  die  Freundinnen,  die  in  meinem 
letzten  Schreiben  mit  einbegriffen  waren,  und  die  ich  nicht  vergessen  habe. 

Von  den  Escudier's  erhielt  ich  einen  Brief;  sie  schlagen  mir  ein  Opembuch 
von  Lucas  vor.  Ich  kann  daa  nicht  annehmen.  Es  ist  besser,  wenn  ich  mit  einer 
Oper  von  Scribe  beginne.  Und  überdies  erfuhr  ich,  Hal6vy  habe  dieaes  Buch 
abgelehnt. 

Sylvaln  Saint-Etlenne  an  Vater  Enfantin 

Baden-Baden,  den  1.  September  1845 

. . .  Der  Erfolg  des  Konzertes  am  Samstag  war,  wie  Sie  aus  dem  Bericht  er^ 
sehen  haben  werden,  fkbelhaft,  und  waa  mich  besonders  trtute  und  mich  in  betreff 
der  andern  Werke  wieder  beruhigt,  war  der  Umstand,  dass  das  Symphonie-Fragment 
ebensolchen  BeifUl  erhielt  wie  die  »Wüste*.  Es  scheint,  daas  das  zweite  Konzert 
nicht  hier,  sondern  in  Karlsruhe  stattfinden  wird.  Da  aber  Benazet  in  seinem  Schreiben 
zwei  Konzerte  garantiert  hatte,  riet  ich  David,  2000  fr.  statt  1000  zu  verlangen,  weil 
doch  1000  für  jedes  bestimmt  waren. 

David  war  hier  der  Gegenstand  sehr  schmeichelhafter  Ovationen;  alle  Welt, 
Frauen  und  Minner,  zeigte  ihn  sich  im  Saale  mit  Geaten  und  bewundernden  Blicken 
und  mit  Worten,  wie:  »Das  ist  erl  . . .  da  kommt  F^licien  David,  der  Komponist  der 
,Wüste'"  und  so  fort.  Verschiedene  angesehene  Persönlichkeiten  luden  ihn  zu  Soireen 
ein.  Gestern  abend  war  er  bei  der  polnischen  Grifln  von  Certoriska  zu  Gast,  die  sehr 
gut  Klavier  spielt.  Moscel,  Strauss,^)  Pizis  und  andere  Künstler  haben  ihn  lebhaft 
beglückwünscht  Er  musste  sich  in  5—6  Albums  eintragen,  die  man  ihm  entgegen- 
streckte . . .  Die  Dame,  die  beim  Applaudieren  beinahe  ihren  Schirm  zerbrach,  war 
die  Tlnzerin  Lola  Montez,*)  die  ganz  gern  mit  David  angebandelt  hätte;  aber  dieser 
winkte  ab,  weil  die  Capricen  dieser  Schönen  sich  zuweilen  in  Stockschlige  umsetzen 
und  manchmal  noch  üblere  Folgen  nach  sich  ziehen.  Morgen  oder  übermorgen  reisen 
wir  nach  Frankfurt.  David  kann  sich  rühmen,  Baden-Baden  zu  kennen.  Er  wanderte 
jeden  Tag  nach  einer  andern  Gegend,  und  an  Bewegung  hat  es  ihm  nicht  gefehlt; 
aber  wenn  er  noch  viel  solcher  Plätze  flinde,  würde  es  mit  dem  ipMoses*  etwas 
langsam  vorangehen  . . . 

Genehmigen  Sie  usw.  Sylvain  Saint-Etienne 

^)  Vermutlich  der  Violinist  und  Komponist  Joseph  Strauss  (1793—1866),  von 
1824—1863  Hofkapellmeister  in  Karlsruhe.    [R.] 

*)  Die  bekannte  Abenteurerin,  die  einige  Jahre  darauf  in  der  bayrischen  Ge- 
schichte eine  Rolle  zu  spielen  berufen  war.  Eugdne  de  Mirecourt,  der  1854  eine 
Monographie  über  F61icien  David  herausgab,  berichtet,  die  heissblütige  Spanierin  habe 
David  nach  Frankfurt,  Karlsruhe  und  München  verfolgt  und  nicht  verstehen  können 
.le  peu  de  Sympathie  de  Tez-apötre  pour  la  femme  libre.*    [R.] 

21^ 


292 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Yj^ter  Enfantin  an  Fölicien  David 

Paris,  den  8.  September  1845 

Lieber  Freund,  auch  wir  haben  unsere  Konzerte  in  Paris.  Vorgestern  wurden 
im  Saal  St.  Jean^  zugunsten  der  Opfer  von  Monville*)  Deine  «WQste*,  vier  neue 
Gesinge  und  zwei  Soirten  aufgef&hrt  Die  Ausfuhrung  Hess  manches  zu  wünschen 
fibrig.  Poultier')  sang  sehr  gut  «Eveillez-vous",  was  Furore  machte,  Wartel*)  Je 
suis  de  quart*.  Abgesehen  von  Offenbach*)  und  dem  stindigen  Kontrabassisten 
wurden  Deine  Quintette  von  den  beiden  Geigern  und  dem  Bratschisten  verhunzt  Ich 
weiss  noch  nicht,  welcher  Ertrag  für  die  unglücldichen  Opfer  erzielt  wurde. 

Deinen  und  Sylvain's  Brief  vom  1.  September  habe  ich  erhalten.  Sylvain  ist 
gewiss  der  beste  Kerl  von  der  Welt,  aber  er  hat  noch  nicht  begriffen,  dass  ich  in 
dieser  Beziehung  auch  meine  nicht  geringen  Ambitionen  habe.  Wenn  er  glaubt,  ich 
wolle  ihm  übel,  weil  ich  ihm  Ratschlige  erteile,  wenn  er  der  Meinung  ist,  ich  wolle 
ihn  schidigen,  weil  ich  ihn  verpflichte,  das  zu  leisten,  was  er  zu  leisten  imstande  ist, 
so  ist  das  wirklich  betrübend.  Um  uns  klar  zu  werden,  und  damit  Du  Dich  nicht 
selbst  tiuschst,  will  ich  folgende  Frage  stellen:  ist  es  mOglich,  dass  Sylvain  den 
„Moses"  verlegt,  dass  er  den  «Moses*  vertreibt,  dass  er  Dir  behilflich  ist,  andere 
Werke  zu  komponieren,  dass  er  Deine  Werke  in  Paris  verkauft,  sie  in  London  auf- 
führen liest  und  Dich  in  Deutschland  begleitet?  Mit  einem  Wort:  er  will  all  das 
allein  leisten,  was  in  diesem  Augenblick  zwei  Brüder  Escudier,  Tamisier,  Jourdan,  ich, 
er,  Sylvain  und  Du  selber  leisten?  Er  kann  es  ja  behaupten,  aber  ich  glaube  es 
nicht  ganz.  Wenn  er  Verleger  ist,  so  muss  er  verlegen.  Wenn  er  als  Verleger  seine 
Erzeugnisse  absetzen  will,  so  braucht  er  ein  anderes  Selbst,  nicht  etwa  seine  Tochter, 
sondern  einen  wirklichen  Geschiftsmann,  der  mit  Annoncen,  Reklame,  Zeitungsartikeln 
Bescheid  weiss;  er  muss  ein  Verlagshaus  gründen,  etwa  wie  die  Hiuser  Troupenas, 
Schlesinger  und  Escudier.  Wenn  er  in  dieser  seiner  doppelten  Eigenschaft  Dir  auch 
noch  Dienste  erweisen  will  ihnlich  denen,  die  er  Dir  jetzt  erweist,  wenn  er  sich  ein- 
bildet, all  das  schaffen  zu  können,  so  erklire  ich  ihn  für  verrückt. 

Wenn  er  sich  dagegen  darauf  beschrinkte,  den  «Moses*  den  Verlegern  bis  auf 
weiteres  vorzuenthalten  (besagte  Verleger  würden  sich  dann  um  dieses  Handelsobjekt 
reissen),  so  würde  ich  diese  Haltung  weit  eher  verstehen,  aber  im  übrigen  ist  es  die- 
selbe, die  ich  und  Jourdan  seither  beobachtet  haben,  wihrend  die  Rolle,  die  Escudier 
gespielt  hat,  ganz  anderer  Art  ist  Wenn  er  mit  den  Verlegern  Vertrige  abschliesst, 
ihnlich  dem  unsrigen  mit  Escudier,  und  Dir  garantiert.  Dich  über  Wasser  zu  halten, 
ihnlich  wie  wir  Dir  die  Hindemisse  aus  dem  Wege  zu  riumen  versuchten  —  gut; 
dann  soll  er  kommen  und  uns  dabei  helfen  ...  Im  übrigen  glaubt  er,  ich  tiuschte 
mich  in  ihm,  ich  beurteilte  ihn  falsch,  und  er  könne  sehr  wohl  alles  bewiltigen.  Er 
soll  es  versuchen.  Ich  würde  mit  Vergnügen  meinen  Irrtum  eingestehen,  sibe  ich, 
dass  er  der  Rothschild  dieser  Branche  ist  Aber  dann  bitte  ich  Dich,  mit  ihm  darüber 
zu  reden,  welcher  von  Deinen  Freunden  bei  Dir  den  unumginglich  notwendigen 
Posten  einnehmen  soll,  für  den  mir  Sylvain  wie  geschaffen  vorkam.    Wer  soll  dann 


^)  Im  Pariser  Stadthaus. 

")  Das  Dorf  Monville  (Seine-Inf6rieure)  war  durch  einen  Cyclon  zerstört  worden. 
')  Poultier,  ein   ehemaliger  Böttcher,  hatte  am  4.  Oktober  1841  als  Tenor  an 
der  Grossen  Oper  debütiert 

^)  Pierre  Frangois  Wartel  <1806— 1882),  Tenorist,  seit  1831  an  der  Grossen  Oper. 
^)  Jacques  Offenbach  war  damals  Cellist  an  der  Komischen  Oper. 


203 
PROD'HOMME:  DAVIDS  REISE  NACH  DEUTSCHLAND 

Dein  Pylides,  Dein  Begleiter  sein?  Du  schreibst  mir,  Du  seiest  nicht  Termögencl 
genug,  als  dass  SyWain  hierbei  eine  gesicherte  Zukunft  habe;  gerade  weil  Sylvain  es 
nicht  versteht,  durch  Förderung  Deiner  Geschifte  fQr  Euch  beide  gehörig  Geld  zu 
▼erdienen.  Aber  er  glaubt,  fQr  sich  als  Verleger  und  für  Dich  als  Komponisten  viel 
▼erdienen  zu  können,  er  k  la  Escudier  und  Du  k  la  Auber,  Hal6^y  oder  Rossini. 
Dann  empfehle  ich  Dir,  ein  weibliches  oder  minnliches  Geschiftsgenie  zu  engagieren 
oder  Dich  ein  bischen  zum  Juden  umzumodeln,  wenn  Du  willst,  dass  Sylvain  sein 
Ziel  erreicht,  denn  Du  ▼erstehst  nichts  ▼om  Geschiftlichen  wie  Auber,  Hal6^y  oder 
Rossini,  und  ich  bezweifle  nach  wie  vor,  dass  SyWain  es  mit  den  Escudier's  aufhehmen 
kann. ...  Er  behauptet,  der  .Moses*  werde  mehr  einbringen  als  die  »Wüste*,  wenn 
er  ihn  ▼erlege  und  ▼ertreibe,  d.  h.  er  werde  dieses  Werk  mehr  ▼erkaufen  und  mehr 
Konzerte  mit  ihm  ▼eranstalten,  als  etwa  die  Escudier's.  Das  bleibe  dahingestellt,  aber 
man  darf  nicht  ▼on  Anfang  an  so  denken.  Die  »Wüste*  hat  Dir  wenig  eingebracht 
im  Verhiltnis  zum  Gewinn  der  Escudier's,  weil  Du  ▼om  ersten  Tag  ▼om  Verleger,  der 
Dir  das  Aufführungsrecht  um  nichts  und  den  Verlag  um  ein  geringes  abgekauft  hat, 
über  den  Löffel  barbiert  worden  bist.  Wenn  nun  SyWain  das  Eigentumsrecht  um  eine 
hohe  Summe  einem  gut  gestellten,  gut  eingeführten  Verleger  mit  guter  Kundschaft 
abtreten,  wenn  er  gleichzeitig  das  Aufführungsrecht  günstig  ▼erkaufen,  wenn  er  end- 
lich neben  und  mit  Dir  arbeitend  Dir  beim  Schaffen  neuer  erfolgversprechender  Werke 
helfen  würde,  so  dünkt  mich,  Hesse  sich  das  ersehnte  Resultat  ▼iel  eher  erreichen, 
als  wenn  er  Dich  erstens  dort  hinhilt,  zweitens,  als  Konkurrenz  zu  allen  be- 
stehenden, einen  ganz  neuen  Musik^erlag  gründet  und  drittens  Deutschland,  Frank- 
reich usw.  bereist.  Was  SyWain  will  und  was  ich  will,  ist,  dass  seine  Freundschaft 
für  Dich  Euch  beiden  dazu  ▼erhilft,  ▼on  Deiner  Musik  den  denkbar  grössten 
Nutzen  zu  ziehen.  Dein  Talent  und  Dein  Renom6e  möglicht  zu  steigern.  Die  Teilung 
des  ▼on  Euch  beiden  Gewonnenen  kommt  erst  in  zweiter  Linie  . . .  aber  er  hat  es 
sich  in  den  Kopf  gesetzt,  in  Paris  einen  Laden  aufzumachen!  . . .  Dieser  Teufelskerl 
—  ich  ▼erheisse  ihm  den  Himmel,  und  er  ▼erlangt  die  Hölle  I  Meiner  Treu,  es  ist 
doch  licherlich,  sich  darüber  zu  beklagen,  weil  ein  Schwiegenrater  einem  eine  zu 
schöne  Braut  zuführt!  Und  Du  —  gute  Seele,  die  Du  bist  —  erhebst  dagegen  Ein- 
spruch und  ssgst:  »Ach,  lieber  Vater,  machen  Sie  aus  meinem  Freund  . .  .*  »Was, 
mein  Herr?*  »Meinen  Verleger!"  Hol'  Euch  der  Henker  alle  beide,  Ihr  seid  mir 
zwei  schöne  Kerls!  Er  soll  Verleger  und  Agenten  bluten  lassen,  er  soll  gute  und 
schöne  Konzerte  ▼eranstalten,  die  das  Genie  und  nicht  minder  das  Herz  meines 
Kindes  zur  Geltung  bringen,  er  soll  Deinen  Geldbeutel  rundlich  machen,  aber  in 
erster  Linie  Deinen  Namen  und  Deinen  Charakter  geachtet;  er  soll  dafür  sorgen,  dass 
diese  beiden  stets  blank  bleiben;  er  soll  Dir  die  Widerwirtigkeiten  fernhalten.  Deine 
Sorgen  beschwichtigen,  mit  Dir  arbeiten,  Dich  betreuen,  er  soll  dessen  eingedenk 
sein,  dass  er  mir  zu  einem  grossen  Teil  für  Dein  Leben  ▼erantwortlich  ist,  aber  Dein 
Verleger  werden  wollen  —  nochmals:  das  ist  kliglich.  Begreift  Ihr  endlich?!  Ich 
umarme  Euch  alle  beide,  aber  Ihr  seid  zwei  entsetzliche  Kindsköpfe  . . . 

Vater  Enfantin  an  F61ieieo  David 

[Paris,]  den  18.  Oktober  1845 

Ich  fürchte,  lieber  Freund,  dieser  Brief  kommt  erst  nach  Eurer  Abreise  ▼on 
Karlsruhe  an,  indessen  schreibe  ich  ihn,  weil  es  mir  sehr  irgerlich  wire,  wenn  meine 
durch  Mor^ille  erteilte  Zustimmung  zu  SyWain's  Projekt  nicht  Euch  beiden  zu  Gesicht 
kime.    Ich  hoffe  noch  immer,  dass  Ihr  durch  Kombination  ▼on  Mor^ille's  Brief  mit 


l  DIE  MUSIK  V.  23.  ] 

meinem  Torheifeb enden  and  mJI  Rfickiiclil  darauf,  wm  Euch  die  Klugheit  rit,  Euch 
zur  Tiener  Reise  nur  enticbllesien  werdet,  venu  David  vollkammen  gesund  ist. 
Tenn  nicht,  macht  Euch  eachte  auf  den  RGckweg,  ohne  OberhetianE,  In  kleinen 
Tagerelaen,  verbringt  die  Nichte  nicht  In  der  Poitkuticbe  und  kommt  zu  Eurem 
lieben  Vater,  der  lieh  so  sehr  luh  Wiedersehen  freut  und  unglücklich  wir«,  sein 
Kind  fem  van  sich  leidend  zu  wissen.  Die  Gesundheit  über  allei,  helsst  heute  die 
Parole.  Ruhm  und  Gold  sind  erworben,  und  wir  müaten  uns  alle  fDr  die  grossen 
unser  harrenden  Au^aben  schonen;  und  diiu  bedarf  ea  rfisdger  Burachen.  Ich  bin 
sehr  glGcklich  &ber  diesen  neuen  Erttolg  in  Karlsruhe  und  nicht  im  mindesten  über- 
rascht fiber  die  Bewunderung  die  die  Symphonie  In  Es-dnr  hervorgemfbn.  Ich  hatte 
immer  so  das  Gefühl,  als  bitten  die  Deutschen  den  richtigen  Merks  dafür.  Aucb 
hitle  ich  gern  gewnsst,  ob  In  Prsnkfurt  oder  Karlsruhe  einige  Deiner  Quintette  an 
GehQr  kamen.  Das  wire  klug  gewesen,  denn  sie  bitten  ohne  Zweifel  Erfolg  gehabt. 
Teilt  mir  umgehend  das  Resultat  Eurer  Entschllessung  mit;  hils  Ihr  nsch  VIen  geht, 
hat  mir  Rothschild  versprochen.  Euch  elniuRühren,  waa  von  grossem  Nutzen  für  Encfa 
wire.  Um  die  Pariser  Blltter  hebe  Ich  mich  nicht  kümmern  kCnneu,  und  selbst 
wenn  ich  es  gekonnt  bitte,  bitte  Ich  schwerlich  etwas  unternommen.  Tenn  wir  nacb 
Deiner  Helmkehr  die  Aufführung  des  »Moiea*  votbereiten,  dann  wollen  wir  auf  einige 
gute  deutsche  Kritiken  über  den  Erfolg  des  fuugen  frsniSslschen  Meisters  zorfick- 
greifen  ...  Im  übrigen  Ist  Jonrdan  abwesend,  Barrault  Ist  nicht  mehr  am  BKurier", 
Duvejrrier  hat  ebensoviel  zu  tun  wie  ich,  und  schliesslich  llsst  sich  In  Frsnkrelcb 
über  die  Musik  Davids  nichts  Neues  mehr  ssgen.  Das  wichtigste  Ist  Jetzt,  zur  Jahres- 
wende In  Paris  etwaa  Neues  zu  Gehör  zu  bringen.  Lebt  wohl,  liehe  Freunde,  und 
nochmals:  die  Geaundheli  über  alles. 


rl  Loewe,  der  geborene  Balladenmeister,  bat  allein,  was  das 
ganze  Dasein  aus  Natur,  Geschichte  und  Menschentum  der 
Ballade  zureicht,  bei  seiner  musikalischen  Gesultung  fast  aus- 
nahmslos den  rechten  Ton  verliehen.  Dies  sein  unbestrittenes 
Verdienst  wird  noch  gehoben,  wenn  wir  bedenken,  wie  umfassend  er  sich 
in  der  Balladenkomposilion  zeigt,  wie  grosse  Mannigfaltigkeit  das  von  ihm 
behandelte  Balladengebiet  im  einzelnen  aufweist,  wie  die  einzelnen  Balladen 
und  Legenden  —  die  einen  nach  dieser,  die  anderen  nach  anderen  Seiten 
hin  —  alle  nur  denkbaren  Beziehungen  in  Menschentum,  Geschichte  und 
Natur  berühren.  Loewe  war  darum  ein  Meister  der  Realistik.  Man  würde 
ihn  aber  unrichtig  einschitzen,  wenn  man  ihn  nur  als  feinsinnigen  Nacb- 
bildner  der  Natur  auRasste.  Seine  Kunst,  in  Tönen  zu  schaffen,  ist,  wie 
ihnlich  bei  jedem  grossen  Komponisten,  eine  Art  von  NeuschSpfung;  d.  h. 
was  auf  dem  Gebiet  der  Natur  oder  Geschichte  sich  zuträgt,  schafft  er  auf 
dem  Gebiete  der  Tdne  von  neuem.  Hierin  besteht  Loewes  echte  Genialitlt. 
Das  schliesst  nicht  aus,  dass  er  sich  der  Natur  mit  seiner  Kunst  auch 
mehr  äusserlich  wieder  annShert  und  aus  ihr  erschaut  und  erhorcht,  was 
er  zu  sagen  und  zu  singen  hat.  War  er  doch  eine  Persönlichkeit,  die  sich 
bei  ihrem  hohen  Idealismus  auch  auf  die  reale  Lebensseite  mit  praktischem 
Geschick  verstand. 

Loewe  liebte  unaussprechlich  die  Tierwelt.  Und  wenn  er  auch  sonst 
jene  einfachen,  oft  geringfügigsten  Gegenstände  und  Eindrücke  des  Daseins 
treffend  in  Tönen  wiederbelebte:  bei  der  Darstellung  der  Tierwelt  gelang 
ihm  solches  auf  besondere  Weise.  Zumal  aber  war  es  die  Vogelwelt,  die 
ihn  in  seiner  frühesten  Jugend  mit  Entzücken  erfüllte,  so  dass  er  schon  als 
Kind  jeden  Vogel  nach  seinem  Gesänge  und  Gezwitscher  genau  unter- 
schied, —  die  ihn  bis  in  sein  höchstes  Greisenalter  fesselte.  Nicht  nur  als 
Komponist  hat  Loewe  die  Vogelwelt  behandelt,  sondern  auch  schrift- 
stelleriscb  hat  er  ihr  sein  Interesse  zugewandt,  und  zwar  in  einer  bisher 
unveröffentlichten  Abhandlung  über  die  Vogelstimmen.  Wenngleich 
sie  unvollendet  blieb,  bietet  sie  doch  eine  Fülle  feinsinniger  Betrach- 
tungen  und   geistvoller   Bemerkungen.     Die  vor  uns   liegende   Loewesche 


296 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Handschrift  enthält  ausser  der  eigentlichen,  leider  zu  früh  abgebrochenen, 
Abhandlung  noch  „Materialien*  zu  ihr,  sowie  bruchstQckweise  Ergänzungen, 
die  zweifellos  als  „Vorarbeiten"  zu  betrachten  sind.  Derartige  bruch- 
stückweise Ausführungen  finden  sich  auch  in  der  von  ihm  ausserdem 
noch  verzeichneten  Klassifizierung  der  bekanntesten  Singvogelarten.  Ich 
veröffentliche  das  Ganze  in  folgender  Anordnung:  A.  den  eigentlichen, 
unabgeschlossenen,  Aufsatz;  B.  die  Materialien-Sammlung,  die  ich  nunmehr 
lediglich  als  Ergänzungen  des  Aufsatzes  nehme.  Da  hier  die  Vogellaute, 
Vogelsprache  und  Vogelmanieren  von  Nichtsängern  behandelt  werden  (von 
denen  der  Kuckuck  den  Übergang  zu  den  Sängern  bilde),  so  lassen  sich 
ohne  Schwierigkeit  diejenigen  hierhergehSrigen  Raub-,  Nacht-,  Wasser-  und 
Hausvögel,  die  Loewe  in  seinen  Balladen  und  Gesängen  behandelt  hat, 
hinzufügen.  C.  Selbstverständlich  mussten  nun  aber  auch  die  vielen  Stellen 
bedacht  werden,  in  denen  uns  Loewe  die  Weisen  nebst  Eigenart  zahlreicher 
Singvögel  in  seinen  Werken  vorführt,  womit  eine  besonders  wertvolle  Er- 
gänzung zu  seiner  Abhandlung  geboten  wird.  Hierbei  wurde  zuerst  den 
Singvögeln  in  ihrer  unbestimmten  Allgemeinheit,  sodann  in  ihrer  Sonderheit 
nach  der  oben  angedeuteten  Klassifizierung  —  von  der  Lerche  Sang  (1) 
bis  zu  der  Wachtel  Schlag  (12)  — ,  Rechnung  getragen.  Ich  bemerke  da- 
bei, dass  alles,  was  wörtlich  von  Loewe  selbst  gesagt  ist,  in  , "  gesetzt 
wird.  Die  hin  und  wieder  angeführte  Gesamt-Ausgabe  [Ges.-Ausg.]  ist  die 
von  mir  bei  Breitkopf  &  Härtel  in   17  Bänden  herausgegebene  Ausgabe. 

A. 

»Die  zweite  Klasse  der  Tierwelt,  die  Vögel,  haben  zu  allen  Zeiten  den  Natur- 
forschern, von  Aristoteles  an,  viel  Gelegenheit  zum  Nachdenken  gegeben,  und  sie 
bieten  in  den  zoologischen  Museen  dem  Auge  die  erfreulichste  Unterhaltung  dar.  Die 
Ornithologen  haben  ihre  Eigenschaften,  den  Bau  ihrer  Glieder,  Federn,  ihren  Flog, 
ihr  Schwimmen,  auch  ihre  Seelenfibigkeiten  bis  in  die  kleinsten  Details  beobachtet 
und  angegeben,  aber  eine  Haupteigensctaaft  dieser  Tiere:  ihre  Töne  sind  fast  ganz  dem 
Versuche,  sie  durch  Zeichen  darzustellen,  in  den  Hintergrund  getreten.  Uns  dünkt, 
ein  Teil  dieser  Töne,  welche  sie  hervorbringen,  könnte  allerdings  durch  Noten,  rhyth- 
mische Taktzeichen,  durch  Ausdrucks-  oder  Espressivzeichen  angedeutet  werden,  und 
dfirfte  in  den  Naturalienkabinetten  auf  einem  Tlfelchen  dem  Vogel  als  ein  unter- 
haltendes Attribut  beigef&gt  werden,  gleichsam  als  ein  Autographon  für  das  Gehör 
der  Menschen.  Die  Bezeichnung  der  kleinen  Weisen  hat  allerdings  selbst  fQr  ein 
geübtes  Ohr 'seine  nicht  geringen  Schwierigkeiten.  Denn  einmal  halten  diese  Natnr- 
slnger  ihre  Kunstleistungen  in  einer  ausserordentlich  hohen  Oktave,  so  dass  sie  auch 
das  feinste  Ohr  nur  mit  grosser  Muhe  ihrer  Höhe  und  Tiefe  nach  unterscheiden 
kann  und  ihre  Melodieen  leicht  mit  dem  allgemeinen  Namen  «Gezwitscher*  abfindet; 
aber  bei  genauerer  und  wiederholter  Aufmerksamkeit  hört  man  doch  deutlich  in  der 
Wiederholung  manchen  Tonfall,  Tonsteigen,  verschiedene  Stimmregister,  genug,  eine 
Art  Melodie,  Rhythmus  und  Ausdruck  heraus,  bei  einigen  leichter,  bei  anderen 
schwieriger.    Das  Ohr  des  Vogels  ist  ungleich  kleiner  und  feiner  konstruiert;  seine 


297 

KUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Töne,  die  haaptsichlich  nur  für  seine  Zwecke  zunächst  bestimmt  sind,  werden  such 
mit  seiner  kleineren  Stimme  meist  in  der  vier-,  fOnf-  und  sechsgestrichenen  Oktave 
hervorgebracht.  Diese  Oktaven  sind  auch  ganz  zweckmässig,  da  sich  bekanntlich  hohe 
und  feine  Töne  im  Freien  weiter  verbreiten,  als  tiefe  und  grobe,  weil  jene  weit  inten- 
siveren, quasi  spitzigeren  Scballwellchen  leichter  das  Luftmeer  durchbohren,  sls  breitere 
und  msssenhaftere,  welche  in  der  Luftmasse  mehr  Widerstand  finden  und  eher  auf- 
hören zu  schwingen.  Dsher  wird  der  Hilferuf  bei  aller  Kreatur  allemal  hoch  an- 
gestimmt, die  Pfeifchen  gellen  bei  der  Trommel  distinkter  hindurch,  als  ein  ganzes 
Musikchor;  ein  hoch  und  pfeifenähnlich  einsetzender  Donnerschlag  ist  näher  und  ge- 
fährlicher, als  das  bassartige  Rollen  desselben.  —  So  lieblich  und  angenehm  es  f&r 
den  Menschen  ist,  seinen  Melodieen  und  Tonschöpfungen  nachzugehen  und  zu  horchen, 
aus  ihnen  den  Gemfitszustand  und  auch  selbst  den  Charakter  eines  musizierenden 
Individuums  mit  psychologischem  Fühlhorne  zu  empfinden,  ebenso  interessant  ist  es 
für  den  Naturfreund,  deren  onomatopoSticis  oder  Naturlauten  nachzuhorchen,  welche 
den  Wanderer  zur  Tag-  oder  Nachtzeit  berühren.  Denn  sie  sind  der  Grundtypus  der 
Sprache  des  Menschen,  und  diese  wieder  der  seiner  Musik.  Der  Schöpfer  gab  gewiss 
seinem  ganzen  Weltall  einen  Ton,  und  den  einzelnen  Sonnensystemen,  Planeten  und 
Satelliten  Töne,  so  dass  die  griechische  Lehre  der  Harmonie  der  Sphären  ebenso 
wahrscheinlich  eine  Art  idealer  Realität  haben  dürfte,  als  der  Ton  in  seinen  Grund- 
stoffen einem  jeden  Elemente  der  Erde  fibarhsupt  innewohnt.  Das  Meer  hat  seine 
gewaltigen  und  lieblichen  Töne  wie  die  Luft  in  sich;  das  Feuer  erzeugt  sie  wie  die 
Erde  und  ihre  Stoffe;  der  Stein  selbst  vibriert  ihr  nach,  wie  der  scheinbar  tote  Ssnd 
der  Wüste  klingt,  wenn  er  zu  Bergen  aufgetrieben  wird.  Die  lieblichen  Töne  der 
Vögel  stellen  sich  mit  ihren  süssen  Melodieen  nahe  an  den  Menschen  heran,  so  dass 
selbst  schon  einer  vom  andern  lernen  kann,  und  es  wäre  keine  unwürdige  Aufgabe 
des  Tonkünstlers,  mit  seinem  ausgebildeteren  Ohre  dem  Naturforscher  zu  Hilfe  zu 
kommen,  um  ihm  sagen  zu  können,  dieser  oder  jener  Vogel  hat  folgende  Weise.  — 
Wir  möchten  aus  den  Zeichen  doch  manchen  Vogelsang  in  natura  wieder  erkennen, 
auch  wenn  wir  ihn  bisher  überhört  hätten.  Denn  die  Variabilität  der  Melodieen  in 
den  verschiedenen  Vögelgattungen  verdient  schon  im  allgemeinen  unsere  Bewunderung. 
Welch  ein  Reichtum  von  Melodieen  ist  erforderlich,  um  einer  jeden  Gattung  eine 
bestimmte,  ihm  allein  eigene  Modulation  und  Wendung  zu  verleihen,  abgesehen  von 
der  Klangfarbe,  welche  gleichfalls  zur  Unterscheidung  der  Gattungen  beiträgt.  Wir 
bewundem  hier  den  Reichtum  der  Natur  ebenso,  wie  in  andern  Gegenständen. 

Um  nun  in  der  nötigen  Kürze  unserer  Aufgabe  näher  zu  rücken,  so  lassen  wir 
es  uns  angelegen  sein,  die  Melodieen  der  Gesangvögel  zu  fixieren  (welche  unseren 
musikalischen  Zeichen  am  nächsten  stehen). 

Beethoven  hat  uns  hier  in  seiner  Pastoral-Symphonie  eine  drollige  Probe  der 
Nachtigall,  des  Kuckucks  und  der  Wachtel  gegeben.  Weniger  bekannt  in  der  musi- 
kalischen Literatur  scheint  aber  desselben  Komponisten  Nachahmung  des  »Schlossers* 
im  ersten  Satze  dieser  Symphonie  zu  sein. 


m 


? 


in  inflnitum,  eines  Vogels,  der  besonders  an  schwülen  Sommertagen  vor  dem  Gewitter 
unablässig  seine  Triole  hören  lässt,  weshalb  ihn  auch  die  Landleute  den  Regenpfeifer 
nennen.  Bekannter  ist  der  Hahn  in  Haydns  Schöpfung  suf  der  Oboe,  und  seine  Grille 
in  den  beiden  Flöten  auf  d  und  eis,  (die  nun  weniger  hierher  gehört).  Die  Weisen 
und  Rhythmen  der  Nachtigall  hat  man  vielfach  nachgebildet. 


298 

1  DIE  MUSIK  V.  23. 


Intereasint  ist  die  Weise  der  Heidelerche  (Alaada  arborea),  welche  In  un- 
gemein engen  chromatiachen  kleinen  Terzen  aua  der  Höbe  (bat  einen  Federbuscb) 
zart  herabaingt;  zart  und  schmeichelhaft: 


Leicht  ist  auch  der  Fink  zu  erkennen,  der  ausser  seinem  gewöhnlichen  «Fink* 
noch  einen  schmetternden  dreisten  Schlag  in  drei  verschiedenen  Stimmlagen  hören 
Hast. 

8v« 

accelerando 

Presto      ^     m  m  m  m  mik U^  «   ^        » ^ ^ ^^ 

Porte  I  /[    r  f  I    r  l*r  P-f-fTl    1    r  r  r  mT  r  fiti»^y  F  Jtrm  ^  m    l      i         r\rm         I 


Anhang. 

1.  2.  3. 

Wirtsgebfibr,  trinke  Bier.  In  y.  Schuberts  zehnter  Auflage  seiner  Natur- 
geschichte heisst  es:  An  diesem  Tiere  (Fink)  hat  man  die  sonderbare  Beobachtung 
gemacht,  dass  auch  die  Vögel  in  ihrem  Gesänge  gewisse  Moden  (modi)  halten.  Denn 
alte  Leute  vom  Thfiringer  Walde  erinnern  aich  noch,  gewiase  Waldmelodieen  und 
Weiaen  von  den  Finken  in  den  Wäldern  gehört  zu  haben,  die  aeitdem  verschwunden, 
und  dagegen  andere  an  ihrer  Stelle  auflgekommen  aind. 

Wenn  also  einmal  von  Zeit  zu  Zeit  unter  den  Finken  ein  rechtea  Genie  auf- 
steht und  eine  neue  Melodie  aufbringt,  so  pfeifen  ihm  die  andern  Finken  alle  nach, 
und  aeine  Weise  wird  eine  Zeitlang  Mode.  In  manchen  Thfiringer  Walddörfem  iat 
eine  ao  grosse  Liebhaberei  an  Finken,  dass  die  Bauern  aonst  wohl  eine  gute  Kuh  ffir 
einen  Finken  hingeben. 

Funk  sagt:  ein  Finke  achlage  den  Reitzug,  Bräutigam,  Hochzeitgebuhr,  Musketier, 
Malvasier,  Ritschebier  usw.  (Augum;  die  Mädchen  und  jungen  Burschen  prophezeien 
sich  allerlei  Schönes,  je  nachdem  sie  dieses  in  dem  Sänge  hören.) 

Pirol  (Oriolua  galbula),  Pflngatvogel,  Golddrossel,  Wiedewal,  Kirschvogel, 
Goldamael. 

Sfiss,  in  tiefbr  melancholischer  Stimmlage  einer  Flöte,  läast  die  Golddrossel  einen 
verminderten  Septimenakkord  ganz  aphoriatiach  hören: 


I      o     Pfihlo      i       o     PGhlo 
(Pflngatvogel)       (Vogel  Bulow) 


gewöhnlich  singt  sie: 


^f-^'^  '^|LJ 


I      0      Pfihlo.« 


299 

RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Hier  bricht  der  eigentliche  Aufsatz  ab.  Stimmen  der  Lerche,  des 
Finken,  des  Pflngstvogels  folgen  noch  einmal  unter  C. 

B. 

ipEs  kommt  darauf  tn  zu  bestimmen:  Skala,  Rhythmus  (oder  vielleicht  gar  Takt) 
und  Espression.  Wenn  die  Meinung  festgehalten  wird,  dass  die  Vögel  noch  aus  einer 
antedilttVianischen  Zeit  herüberstammen,  so  muss  es  interessant  sein,  diesen  Urboden 
des  Klanges  in  ihnen  wiederzufinden.  Das  Reich  des  Klanges  und  der  Töne  kann 
aber  seiner  Natur  nach  nichts  anderes  sein,  als  was  es  ist.  Die  Intervalle  der  meisten 
Singvögel  sind  aber  bei  weitem  mehr  noch  als  chromatisch,  sie  lassen  auch  die  Wirbel- 
töne hören.  Ihre  Skala  ist  nicht  so  einftch  und  auf  grosse  Intervalle  reduziert,  als 
die  menschliche.  Je  höher  das  Geschöpf,  desto  mehr  Weite  wollen  die  Intervalle 
haben.  Das  Diatonische  der  Musik  ist  erhabener  als  das  unedlere  triviale  Chromatische. 
(Kirchenmusik.    Palestrina.)« 

^Material. 

Unter  den  Raubvögeln,  die  nicht  singen,  nehmen  die  Naturforscher  einen 
Singfalken  an  (Falco  musicus)  in  Sfidafriks,  der  statt  des  wfisten  Geschreies  dieser 
Gattung  einige  angenehme  singende  Töne  hören  lassen  soll. 

Levirostres.  Die  Leichtschnibler  (Psittaci),  Papageien,  singen  im  Natur- 
zustande eigentlich  gar  nicht«  sondern  lassen  ein  widriges  Geschrei,  Gekreisch,  auch 
zuweilen  ein  unmelodisches  Gegurgel  hören,  welches  mit  dem  Getön  eines  Karren- 
rades zu  vergleichen  ist.  Sie  haben  die  Fakultit,  nachzuahmen,  Worte  sprechen  zu 
lernen,  und  sind  in  dieser  Eigenschaft  sehr  feintönlg  zu  nennen.  In  der  menschlichen 
Gesellschaft  bildet  sich  nun  auch  ihr  Tonsinn,  den  sie  von  Natur  empfangen  haben, 
ungemein  aus.  Sie  lernen  ganze  Tonleitern  auf  das  richtigste  und  reinste  im  Fuss- 
tone  einer  schönen  Flöte  angenehm  nachsingen,  flöten  Melodieen  in  Menge  und 
solfeggieren  fQr  sich,  wenn  sie  Langeweile  haben,  auf  das  lieblichste  und  über- 
raschendste, indem  sie  ordentlich  melodisch  zu  komponieren  scheinen.  Auch  ahmen 
sie  Stimmen  anderer  Vögel  nach,  miauen  wie  eine  Katze,  bellen  wie  ein  Hund, 
lachen,  seufzen,  gihnen  und  niesen  dem  Menschen  nach.  Genug,  die  Natur  hat  alle 
Keime  der  Elemente  des  Hörens  und  Tonsinns  in  ihre  Seele  gelegt,  aber  im  Natur- 
zustande bleiben  sie  völlig  unentwickelt,  gleichsam  als  wire  bei  ihnen  in  der  Ent- 
wicklung der  Farbenpracht  ihres  Gefieders  die  Entwicklung  ihrer  Tonanlagen  über- 
sehen worden." 
« 

Loewe  hat  dem  Papagei  im  Jahre  1847  ein  besonderes  Werk  ge- 
widmet, op.  111,  das  in  doppelter  Gestalt,  für  vier  Männerstimmen  und 
für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung,  erschienen  ist.  Die  Bezeichnung 
»humoristische  Ballade"  trifft  eigentlich  nicht  ganz  zu.  Wohl  enthält  sie 
echt  Loeweschen  Humor;  doch  verläuft  sie  zu  tieftragischem  Ende.  Loewe 
selbst,  der  einer  der  ersten,  wenn  nicht  der  grösste,  Meister  der  Kunst, 
den  Humor  musikalisch  zu  behandeln,  war,  nennt  das  Stück  in  einem  Briefe, 
den  er  über  seine  Balladenvorträge  beim  König  Friedrich  Wilhelm  IV., 
dem  gerade  diese  Nummer  besonders  gefiel,  im  Sommer  1853  schrieb, 
allerdings  ein  «drolliges  Gewächs" ;  doch  schwebte  ihm  in  dem  Augenblick 
sicherlich   mehr  die  politische  Seite  des  Werkes  vor  als  dies,   dass  das 


300 
DIB  MUSIK  V.  23. 


Ganze  doch  so  recht  eigentlich  eine  Tier-Tragödie  sei.  In  der  Umgegend 
von  Waterloo  wohnte  ein  Franzose,  der  tagtäglich  mit  seinem  Papagei 
französisch  plauderte.    Seit  dem  Schlachttage  aber  (A-dur  geht  nach  a-moU 


über)  verfugt  sein  «Matz**  nur  über: 


:    ^ 


f 


Vor  Ärger,  um  Sieger  fiber 


Bum! 


das  den  Franzosenruhm  vernichtende  «Bum*  zu  werden  (a-moU  geht  wieder 
nach  A-dur  zurück),  tötet  ihn  sein  Herr.  Die  ganze  Manier  des  Papagei, 
seine  stimmliche  Ausdrucksweise,  sein  schriller  Aufschrei  im  Sterben  ist 
mit  köstlicher  Treue,  wie  folgt,  gezeichnet: 


i^^jH  j  j'tj'  m 


der  bat  auch  ei  -nen  Pa  -  pt  -  gel,  der  hat  auch  ei -Den  Pa-  pa  -  gei»  der 


** 


sprach  sa     laut     zu  -  vor, 


der  sprach  so  laut  zu  -  vor! 


Dann  jedoch,  als  die  Schlacht  so  laut  nun  sprach: 

PP 


* 


5 


5=^F^ 


t=^ 


da  schwieg  der   Pa  -  pa  -  gel 


und  alsdann: 


^P^^^^^ 


sprach    er   nur  ei  -  ner  -  lei. 
In  der  Folge  ertönt  nur  noch  sein 


fe 


=:,  wovon  auch  die  Drohung  ihn 


Bum! 
nicht  abbringen   kann:    .Und  weisst  du  weiter  nichts  als  Bum!   den  Hals 
dreh  ich  dir 


** 


f~r-rr\-T^^^ 


uml*      Bum!    Da  dreht  er    den    Hals  ihm   um,  und       er  sprach  sterbend: 


m 


rit 


t 


a^ 


i 


^m 


f 


m 


Bum!"      Und     er  sprach  ster-bend:       Bum! 

Frau  Lilli  Lehmann  brachte  diese  Ballade  vor  einigen  Jahren  durch 
ihren  Meister- Vortrag  zu  erschütternder  Wirkung.     Loewe  Hhrt  fort: 


301 
RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


«Die  Spechte  (Pici)  liefern  gar  keine  Exemplare  für  Töne  (haben  eine  Art 
kurzen  Gelichters),  sondern  sind  nur  auf  Industrie  bedacht;  ebensowenig  auch  Dünn- 
schnäbler  (tennirostres).* 

Seinen  Klopftönen  und  seinem  Getue  nach  schildert  Loewe  den 
Specht  in  der  anmutigen  Legende  «Jungfrau  Lorenz*,  nachdem  er  beim 
Eintreten  des  Mägdleins  in  den  heimlich-stillen  Wald  von  E-dur  nach  C-dur 
fibergegangen  war,  wie  folgt: 


seiner  .Industrie*  nach  im  .Kleinen  Haushalt*: 


I M  \  '  *  JP"^  J  J'  -l'l  -1'  J^-j.  J   i'l  J'  ;■  j  1  ■ 


der  Specht,  der  Holz  mit  dem  Schnabel  haut,  hat  das  Hans  mir  auf-  ge-baut 

Mit  einer  kurzen  Erwähnung  der  Raben,  von  denen  er  sagt: 

«Sie  haben  wie  die  Leichtschnibler  viel  Talent,  nachzuahmen,  wollen  aber  mit 

den  Tönen  nichts  zu  tun  haben,  sondern  beschrinken  sich  wie  die  Philologen  auf 

Wörter«  — 

weist  er  hinüber  zur  Kategorie  der  Raubvögel.  Unter  ihnen  sei  zuerst 
der  Krähe  gedacht,  wie  Loewe  sie  in  der  «lustigen  Hochzeit*  darstellt: 
«Ich  bin  ein  sehr  schwarzer  Kerl,  kann  nicht  Brautführer  sein*,  —  wozu 
Loewe  den  Vortrags  vermerk  macht:  «Mit  schnarrendem  R.*  Sodann  sei 
als  Loewes  Lieblingsvogel  die  Eule  angeführt.  Sie  wird  mehrfach  von 
ihm  charakterisiert,  so  in  seiner  «Walpurgisnacht*,  der  Oper  «Emmy*, 
der  «lustigen  Hochzeit*,  in  der  auf  die  Frage:  «Wer  soll  Braut  sein?* 
von  der  Gesamtheit  der  Tiere  geantwortet  wird,  und  zwar  im  Allegro 
Vivace: 


y 


P 


^^ 


^ 


r-r 


Eu  -  le    soll 


^ 


S 


m 


-f-r 

Braut  sein. 


^ä^Ht 


? 


302 
DIE  MUSIK  V.  23. 


wobei  die  Tiere  der  Eule  den  Brautantrag  sichtlich  in  deren  eigener  Ton- 
sprache machen.     Sie  antwortet  mit  eulenmässiger  Gelassenheit: 

Sotto  voce 


\^ 


k 


mj^\r.T  er  H'-Hf^-H-t^'  r  r  I  ii'   r 


Ich  bin    ein  sehr   griss-Hch  Ding,      kann  nicht  die   Braut  sein. 

In  erschreckendster  Gestalt,  als  Botin  des^Unglücks  oder  fast  als  Toten- 
vogel, zeigt  sie  sich  in  ^Jungfrau  Lorenz*.  Das  Magdlein  hat  sich  im 
Walde  verirrt;  die  Mittagszeit  streicht  vorüber,  der  Abend,  die  Nacht 
bricht  herein, 


^-rjiiJ     r     r     p  j^- 


dem  Schrei    der 


Eu 


le        lauschet  ihr  Ohr, 


Irrlichter  tanzen  über  dem  Moor,  —  ohnmächtig  bricht  es  zusammen. 

Wie  Loewe  mit  besonderer  Vorliebe  seinem  erlauchten  Vetter,  dem 
Könige  der  Tierwelt,  seine  musikalischen  Grüsse  sandte  (so  im  «Landgraf 
Ludewig",  dem  .Mohrenfürsten',  «Kaiser  Ottos  Weihnachtsfeier**),  so  ver- 
nachlässigte er  auch  den  König  der  Vogelwelt  nicht.  Bildlich  werden 
Adler  in  der  unlängst  von  mir  aufgefundenen  kraftvollen  Ballade  von  der 
«preussischen  Kriegerin''  («Die  Heldenbraut*,  Breitkopf  &  HärteU  Band  V) 
vorgeführt,  indem  die  im  Schlachtgewühl  daherstürmenden  preussischen 
Krieger  kreischenden  Adlern,  die  nach  Blut  lechzen,  verglichen  werden, 
wobei  in  Singstimme  wie  Begleitung  ihrem  Kreischen  und  Rauschen  sinn- 
gemässer, packender  Ausdruck  verliehen  wird.  Schon  hier  treten  ähnlich 
charakteristische  Intervalle  hervor,  wie  sie  Loewe  später  bei  jener  genialen 
Zeichnung  der  Adler  in  .Odins  Meeresritt*  anwendet,  wo  von  der  schwarzen 
nachtumwobenen,  dann  später  lichtumglühten  Erscheinung  des  Odin  schliess- 
lich nichts  realistisch  Greifbares  übrig  bleibt,  als  das  Rauschen  seiner  trotz 
schnellsten  Fluges  ihn  nimmer  erreichenden  zwölf  Adler.  Dies  Adler- 
Rauschen  hinter  dem  Gotte  her,  ein  Meisterstück  genialer  Erfindung,  hat 
Loewe  naturgemäss  lediglich  dem  instrumentalen  Teile  überlassen. 

Loewe  hat  für  bestimmte  Empfindungen  und  bestimmte  Situationen 
meist  ähnliche  musikalische  Motive.    So  wandte  er  schon  in  seiner  ersten 


303 
RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Ballade  1817  für  die  handelnden  («redend-handelnden",  wie  er  zu  sagen 
pflegte)  Personen  klar  erkennbare,  entwicklungsfähige  Leitmotive  an.  Ja, 
er  überträgt  solche  selbst  auf  Tiere.  Solches  hat  er  besonders  genial  in 
seiner  Tierballade  «Der  Feind'  zum  Ausdruck  gebracht  (vgl.  Ges.- Ausg. 
Band  IX,  No.  18).  Es  ist  dies  eines  seiner  allerwert vollsten  Werke,  eine 
wahre  Perle  der  gesamten  Gesangsliteratur.  Das  Stilleben  der  Tiere  wird 
uns  gezeichnet.  Nacheinander  erscheinen  Adler,  Wildschwein,  Eichkatz, 
Wolf,  Damwild,  Fuchs,  Reh,  Hase,  Ente,  Fischlein  im  waldigen  Bereich 
vom  hohen  Horst  bis  zur  Tiefe  des  Sees,  —  und  endlich  .der  Mensch 
sich  zeigt,  —  geht  durch  den  Wald".  Das  Ganze  in  D-dur  gehalten,  weist 
im  Einzelverlauf  wechselnd  die  Tonarten  C-dur,  h-moll,  fis-moll  auf.  Jedes 
Tier  wird  durch  ein  besonderes  musikalisches  Motiv  charakterisiert.  Der 
Adler,  als  König  der  Lfifte,  beginnt  den  Reigen.  Das  von  Loewe  ffir  ihn 
bereitete  Motiv  weist  wieder  das  schon  früher  für  den  Adler  bezeichnete 
Intervall  auf: 

Andante  maesttno  e  ben  wmtenuto 

P  ff        c»> 


it.  i:  .  TFfE 


T-i:rl  I  r-  -j^B 


Der     Ad  -  1er  lauscht  aaf         sei  -  nem  Horst; 


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Besondere  Liebe  hat  Loewe  dem  Falken  entgegengebracht.  Er  schildert 
ihn  in  seiner  tierlichen  Eigenart  und  Manier,  in  seiner  Erziehungsfähigkeit 
und  Abrichtung.  An  zwei  damals  moderne  Dichter,  deren  Spuren  er  auch 
sonst  mit  Vorliebe  nachgeht,  schliesst  er  sich  dabei  vornehmlich  an,  Ferd. 
Freiligrath  und  Anastasius  Grün.  Ersterem  folgt  er  ins  Märchenland  der 
Tierromantik,  letzterem  in  das  Gebiet  geschichtlicher  Darstellung.  Beide- 
mal gestaltet  er  die  Falken  in  ihrer  Gewöhnung  an  den  Menschen.  Dass 
jedesmal  dem  Falken  ein,  wenn  auch  verwandtes,  doch  immerhin  gesondertes 
Motiv  vom  Komponisten  zugedacht  wurde,  ist  auf  die  wesentlich  anderen 
Situationen  zurückzuführen:  hier  ist  das  Falkenmotiv  mit  mehr  natürlicher 
Treue  dem  geschichtlichen  Vorgang  angepasst,  dort  entspricht  es  mehr  der 
romantischen  Märchenstimmung.  Beidemal  aber  wird  das  ursprüngliche 
Leitmotiv  mehr  und  mehr  entwickelt.  Solche  Entwicklung  geschieht  im 
Zusammenhange  des  balladischen  Vorganges  und,   was  besonders  wichtig 


304 
DIE  MUSIK  V.  23. 


erscheint,  in  der  immer  mehr  sich  entfaltenden  Anpassung  des  Falken  an 
Menschenweise  und  Menschensinn. 

Der  vielgesungene  «Edelfalk*  (Ges.- Ausg.  Bd.  IX,  No.  15),  der  be- 
sondere Berühmtheit  durch  die  Meistervorträge  von  Eugen  Gura,  Lilli  Leh- 
mann, Paul  Bulss,  Hermann  Gura  empfing,  und  von  dessen  Musik  schon 
sein  Dichter  mit  Bewunderung  gesprochen,  zeigt  uns  nach  der  in  mannig- 
fachen Variationen  wiederkehrenden  erzählenden  Eingangsphrase  das  erste 
Falkenmotiv,  darauf  sich  gründend,  wie  die  Fürstin  vom  Falken  erschaut 
wird,  in  dessen  Seele  sich  heisse  Begier  erzeugt,  ihr  zu  dienen: 


i 


ö^ 


A 


mf 


^^ 


Tiefste  Sehnsuchtsregung  fügt  dem  zunächst  einfachen  zweiten  Motiv: 


i 


Ffff 


das  etwa  den  krummen  Schnabel  oder  die  Kralle  zeichnen  soll,  zunächst 
die  Schlussphrase  der  auf  die  Fürstin  bezüglichen  Erzählungsmelodie  hinzu: 


Wie  der  Falk  nun  die  „Prinzess"  in  ihrer  ganzen  Holdseligkeit  erschaut, 
erweitert  sich  jenes  einfache  Falkenmotiv  durch  seine  zweimalige  Wieder- 
holung und  durch  Hineinverwebung  des  erzählenden  Themas  (linke  Hand). 
Eine  nach  der  letzten  Wiederholung  erfolgende  Kadenz  verläuft  in  jenem 
selben  erzählenden  Ton,  so  dass  sich   das  neue  Falkenmotiv  so  gestaltet: 


Wo  das  heisse  Verlangen  des  Falken  seinen  Gipfelpunkt  erreicht,  steigert 


305 


Mtte« 


RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


sich  der  Aufschwung  in   der  zweiten  Wiederholung  jener  d2  8tel-Figur  zii 
der  Form: 


tttff 


t=t 


Als  ihm  aber  sein  sehnlichster  Wunsch  erfüllt  ist,  finden  wir  das  neue 
Falkenmotiv  zunächst  dem  ersten  Falkenthema,  wohl  zum  Zeichen,  dass 
dasselbe  als  überwunden  erscheinen  soll,  unmittelbar  angefügt  —  dann 
aber  das  ganze  Thema  folgendermassen  variiert: 


usw. 


wodurch  kenntlich  gemacht  wird,  wie  er  beglückt  von  neuem  die  Schwingen 
rührt  und  sich  nun  in  dem  stolzen  Bewusstsein  wiegt,  der  geliebten  Prin- 
zessin Diener  zu  sein. 

Köstlich  ist  auch  gezeichnet,  wie  sehr  der  Edelfalk  sich  menschlichen 
Manieren  anzupassen  vermag,  besonders  mit  der  Stelle: 


Die  zweite,  historische,  Falkenballade  Loewes  ist  die  fünf  Jahre  später 
(1844)  von  ihm  komponierte  .Reigerbaize*  (vgl.  Ges.-Ausg.  Bd.  IV,  No.  0). 
Auch  hier  steht  der  Falk  in  Diensten  einer  Fürstin,  der  Herzogin 
Maria  von  Burgund,  Gemahlin  des  nachmaligen  Kaisers  Maximilian.  Beim 
Ritt  zur  Reigerbaize  sass  er  ihr  auf  dem  Arm.  Wegen  seines  »weissen 
Gewandes"  ward  er  bei  Hofe  scherzweis: 


t|rrrTT=;:^)  ry  j^'ji^ 


der      Do  -  mi  -  ni  -  kt  -  ner     ge  •  nannt. 


V.  23 


22 


506 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Hierauf  baut  sich  das  eigentliche  Falkenmotiv  auf,  dem  dann  ein  zweites, 
mehr  die  Annäherung  an  menschliches  Wesen  ausdrfickendes  Motiv  folgt: 


t  X  1  r\ 


USW. 


ein  schwar-zes  Kipp-chen  be  -    deckt  ihn 
Am  Schluss  der  Ballade,  nachdem  das  tragische  Ende  der  Herrin  infolge 
Sturzes  mit  dem  Pferde  erfolgt  war,  treffen  wir  zunächst  wieder  das  zweite 
Motiv  mit  dem  Ausdruck  rührenden  Mitgefühls  ausgestattet  an: 


innocentamente 
P 


Mit 


&  g  p-  jj.Z^J'1  p   j^T.jlT-p   i  j' 


trau  -  rig     ge  -  senk  -  tem  Köpf-chen,     im      blut  -  ge  •  tüncb-ten 


^  j^j'i  ^-p  j-  j'  J.I  f  j^j. 


Gras,      als      Tr5  •  ster    ihr    zur     Sei  -  te        der      Dominikaner  tass; 

Die  letztere  Ballade  bietet  uns  nun  auch  eine  auf  sorgfältigem  Studium 
begründete  Schilderung  der  «Reiger*,  oder  wie  man  sie  für  gewöhnlich 
nennt:  Reiher,  dar.  Wir  werden  auf  die  weit  sich  dehnende,  baumlose, 
von  Dorn  bewucherte  Heide  geführt,  wo  zur  Linken  ein  Weiher,  «des 
Reigervolkes  Bad".    Man  sieht,  man  belauscht  das  gefiederte  Völkchen: 


usw. 


Die  Reiher  werden  aufgeschreckt;  es 


^g      g    M— g=^^ 


U 


t 


£ 


f 


kreitcht    aus     dem  Schilf  her  -   -  vor,        und  rechts   und       links       hia 


307 

KUNZE:  LOBWB  UND  DIB  VOGEL VBLT 


scheuchte 


Reiger  empor'.    Wir  hören  das  Gekreisch  und  vernehmen  das  Rauschen 
in  Wasser  und  Lüften.  — 

Wie  bei  den  letzt  vorgeführten  Raubtiermotiven  die  Tiere  als  solche, 
ihre  Manieren,  ihre  Lock-  und  KreischtSne,  ihre  Weise  der  Anpassung  an 
den  Menschen  gezeichnet  werden,  so  finden  wir  ähnlich  auch  den  Storch 
von  Loewe  charakterisiert.  Die  Störche  zeigen  sich  uns  als  Zugvögel,  so 
(Ges.-Ausg.  Bd.  XVI): 


w 


A 


B 


3  Jl  J  t 


Die      Stör -che   ziehn; 
ihre  musikalische  Seite  wird  kenntlich  gemacht: 


ip-pem  die  Stör  •  che. 


E 


Schon  kltp-pem 

Drollig  wird  uns  des  Storches  ganzes  Wesen  von  Loewe  in  einem  Kinder- 
liedchen  vorgeführt,  zu  dem  leider  der  Text  bisher  nicht  aufgefunden  ist; 
die  Melodie  findet  sich  in  dem  Vorwort  zu  Bd.  II  der  Ges.-Ausg.  Bekannt 
dagegen  ist  die  Stelle  aus  dem  «kleinen  Haushalt*: 

I 


m 


I 


^^ 


^  j  .r  J  ja 


Storch  im  Haus  t»t      Kin  -  der  -  wir  -  ter. 
Als  eigentlicher  Sangesvogel  betrachtet,  versagt  der  Storch  natürlich;  launig 
wird  uns  dies  in  der  »lustigen  Hochzeit'  veranschaulicht: 


Der  Storch  der  sprach  zu    ih-nen  hinwieder  den  Bei  -  den:      Ich  bab'  ei-nen 


E 


* 


gro  -  ssen  Schnabel,   kann  nicht  wohl  der   Spielmann  sein. 

Scbluss  folgt 


22* 


Rheinberger  (an  die  Seinen): 

10.  II.  isse. 

In  Sevelcn  lit  nach  Davld'a  und  des  Herrn  ObertBriter's  H«imrel>e  gldcb  der 
Commandant  ciDgeichlafaD)  und  ich  lancwellte  mich  bla  lO'/t  Uhr,  wo  mich  der  Pott- 
walen erlSale  und  mich  bla  4  Uhr  nach  Rorachacb  brachte;  erat  am  10  Ubr  fuhr  dai 
DampFboot,  welcbei  Jelit  prachtvoll  auaijeht,  nach  Lindau.  Vegen  der  erosaen  Kilte 
nahm  Ich  Eiaenbahn  2.  Klaiae,  und  von  Augsburg  brachte  mich  der  Ellzug  In  '/i  Stunden 
nach  MGnchen.  Die  Herrn  Maler,  Perfall,  Scbafblutl  empflngen  mich  luaserat  freund- 
scbaMkh  und  —  nun  altie  ich  in  meiner  alten  Tohnung  bei  Peralenteld'a  und  habe 
achon  Mebreres  componirL  leb  beBnde  mich  ganz  wohl  und  hoffe  roicb  mit  Gottea 
Hilft  durchbringen  zu  kSnnen.    Ich  habe  l*/t  Klafter  Holz  zu  9  D.  gekauft  .  .  . 

Davld'a  Tag  1S56. 

...  Mit  Schrecken  sah  Ich  an  dem  ausgebliebenen  .Cbrlslkindl',  dais  durch  dea 
Schwelzerkrieg  schon  die  Posten  unterbrochen  sind.  Hat  Toni  mein  Packet  mit  Brief 
erhalten  oder  hat  es  etwa  ein  krlegeamuthlger  Schvitzarhoppna  aufgefangen? 

Von  hiealger  Hochachule  sind  alle  Schweizer- Studenten  abgezogen,  um  In  Ihrer 
Helmatb  den  Morgenatem  zu  handhaben.  (Telcgr.  Depesche  von  heute  morgen!  «Die 
hohle  Gasse  ist  mit  Pulver  geladen  worden,  well  man  Heber  die  ganze  Schweiz  in  die 
Luft  sprengen  will,  als  dasi  ein  fremder  TprannensSldling  diesen  tpartaniachen  Boden 
betreten  darf.  Dufour  bat  auf  allgemeinen  Wunsch  den  Namen  ,Leonida>'  ange- 
nommen.') 

Vorgestern  sah  man  hier  einige  preuisiscbe  OfSzIere.  —  Muis  Llcbtentteln 
auch  den  Rhein  besetzen?  Vas  schreibt  unser  Ex-Lleutenaoi  [Rb.s  Bruder]  aus 
Anr  darüber?  Hier  freut  man  licb,  bta  die  Geschichte  losgeht,  damit  es  wieder  zu 
lesen  gibt  ...    In  Erwartung  eines  ungeheuer  langen  Briefes  verbleibe  ich 

Ihr  dankbarster  Sohn  Jos.  Rh. 

München  am  David's  Tag  1857. 

Neujahr!  —  Nie  veiflosa  noch  diese  Zelt,  ohne  das>  >le  mir  Ihr  viierllches 
Valien  so  recht  vor  die  Augen  getfihrt  .  .  .  Das  Cbristklndl  Ist  zu  mir  nun  doch 
gekommen;  es  brachte  in  einer  grosaen  Schachtel  einen  kleinen  Cbrlsibium  und  viele 
Geacbenke.  Ich  erinnerte  mich  mit  Tebmuth  an  die  langen  Jahre,  welche  verflossen, 
aeit  Ich  den  Telbnachts-Abend  Im  Kreise  meiner  tbeueraten  AngehSrlgen  verlebt  und 
zum  letzten  Male  in  Vaduz  die  Mette  gespielt.  Solcbe  Zelten  kommen  nicht  wiederl 
Die  Erfüllung  meiner  kühnsten  Tünsche  kOnate  mir  diese  Freude,  die  ich  damals  als 
Kind  gennas,  nicht  mebr  vertchaifen. 

Gestern  Abend  wurde  im  Oratorien  verein   mein  Oratorium   aufgeführt.     Ich 


309 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


accompagnirte  selbst  am  Klavier.  Der  Beifall  war  enttaasiastiscta,  ich  wurde  ordentlich 
mit  Gratulationen  Qberschfittet  —  auch  von  Lachner  und  Schafhiutl.  Vielleicht  kommt 
Niheres  gedruckt.  Sonst  waren  die  Feiertage  f&r  mich  schlimm;  denn  trotz  der 
heftigsten  Grippe  musste  ich  den  Organistendienst  an  der  Theatinerkirche  versehen 
und  Nachmittags  lag  ich  vom  heftigsten  Fieber  geschüttelt  im  Bett.  Gestern  war  es 
weit  besser.  Der  Oratorienverein  schickte  mir  zum  Concert  einen  Wagen  und  nun 
bin  ich  heute  so  wohl  als  wie  immer,  nur  noch  mit  Catarrh  behaftet . . .  Gezeichnet: 
Jos.  Rh.  k.  Hoforganist  (mit  60  fl.  Gehalt). 

1.  3.  1857. 
...  In  dem  dritten  Seiderschen  Conzerte  Hess  ich  ein  neues  Streich-Quartett 
auff&hren,  welches  so  gefiel,  dass  ich  nach  dem  letzten  Satze  gerufen  wurde.  Ich 
bekam  weit  mehr  Applaus  als  alle  übrigen  Pidcen.  Die  Herren  Lachner,  Perfkll, 
Schafhiutl,  Maier,  Leonhard  sagten  mir  viel  Schmeichelhaftes  und  des  anderen  Tages 
kam  sogar  ein  Hofmusiker  in  meine  Wohnung,  um  mir  zu  gratulieren.  Eine  Recension 
lege  ich  bei  .  .  . 

22.  3.  57. 
Meinen  18.  Namenstag  habe  ich  fröhlich  bei  H.  Prof.  Schafhiutl  mit  Champagner 
gefeiert.  — 

1.  7.  57. 
Obwohl  es  mich  sehr  gelreut  bitte,  Sie  heuer  wieder  in  Vaduz  zu  sehen,  so 
thut  es  mir  leid,  nicht  kommen  zu  können.  Erstens  würde  ich  alle  meine  Stunden 
verlieren,  zweitens  würde  es  so  viel  kosten,  hin  und  her  zu  reisen  als  ein  Monat 
Aufenthalt  dahier  ...  Ich  hoffe  aber,  theuerste  Eitern,  dass  Sie  nichts  desto  weniger 
oft  in  Gedanken  bei  mir  sind,  als  wie  ich  bei  Ihnen.  Schüler  habe  ich  gegenwirtig 
drei.  Diesen  zusammen  habe  ich  7  Stunden  wöchentlich  zu  geben.  Diese  sind  ver- 
schieden bezahlt:  5  i  zu  24  -f~r  u.  2  ft  zu  40  -|-r.  Von  nichster  Woche  ab  bekomme 
ich  wieder  2  Schüler.  Letzten  Monat  (Juni)  habe  ich  mir  Geld  zusammengespart  zu 
Kleidern  und  kaufte  mir: 

1  graue  Hose  zu 7  fl  48  -fr 

1  Gilet  zu 3  ,  30    « 

einen  Seidenhut  (Cylinder)  zu    3  »  —    i, 

und  ein  Halstuch  zu .    .    .    .  —  »  48    , 

Summa  15  fl    6  +r. 

Zu  einem  neuen  schwarzen  Rock,  den  ich  brauchte,  hat's  nicht  mehr  gereicht  .  •  . 
Die  liebe  Mutter  soll  desswegen  mir  nicht  zürnen,  dass  es  mir  heuer  mein  Beruf  er- 
schwert, in  ihre  Arme  zu  eilen;  dass  ich  sie  immer  kindlich  liebe,  weiss  sie  ja  auch  . . . 
Und  nun,  theuerster  Vater,  indem  ich  darüber  Ihre  Entscheidung  erwarte,  verbleibe 
ich  Ihr  dankbarer  und  dankschuldiger  Sohn  Jos.  Rh. 

3.  12.  1857. 
.  .  •  Schüler  habe  ich  genug,  so  muss  ich  z.  B.  an  den  Dienstagen  und  Freitagen 
Nachmittags  allein  4  Stunden  geben  und  diese  Stunden  nehmen  mir  die  Zeit  von 
1—7  Uhr  weg,  wo  ich  müde  heimkomme  und  dann  das  Glück  habe,  bis  12  IJhr  Nachts 
an  einer  Arbeit  zu  sit<en,  wenn  ich  ein  opus  fördern  will ...  So  bin  ich  seit  3  Wochen 
keine  Nacht  vor  12  Uhr  ins  Bett  gekommen  und  musste  schon  einigemal  um  6  Uhr 
früh  Rorate  spielen.  Doch  befinde  ich  mich  immer  gesund  .  .  .  Letzthin  war  ich  zu 
einer  Soir6e  bei  Maler  v.  Dürk  eingeladen.    Dort  wurde  eine  Arie  aus  Jephta  von 


310 
DIE  MUSIK  V.  23. 


einer  Frau  von  Hofftaaass^)  (sie  lernt  auch  Harmonielehre  bei  mir)  vorgetragen  und 
da  capo  verlangt  .  •  • 

17.  7.  1857. 
.  .  .  Meine  2  Schuler  bei  Grosshindler  L.  sind  prichtige  Kerls.  Bei  der  ersten 
Lektion  war  ich  iiach  5  Minuten  schon  auf  dem  Punkte,  den  Hut  zu  nehmen  und  zu 
gehen.  Bei  dem  einen  geht  es  jetzt  ein  wenig  besser,  wihrend  der  Andere  zum  ver- 
zweifeln starrköpfig  ist  und  nicht  lernen  will.  Seine  Mama  sagt,  er  mfisse  aber 
Klavier  lernen,  weil  Musik  das  menschliche  Gemfith  veredle  und  zur  Erziehung  noth- 
wendig  gehOre.  Ich  dachte,  dass  hier  ein  Haselstecken  mehr  veredeln  würde  als  die 
arme  gute  Musica;  ich  sagte  es  aber  nicht  .  •  .  Meine  übrigen  Schüler  sind  viel 
talentvoller  und  folgsamer,  besonders  die  kleine  Tochter  des  bekannten  Schriftstellers 
Prof.  Dr.  Riehl 


•  . 


21.  3.  1858. 

Heute,  als  am  Palmsonntag  soeben  aus  dem  Hochamte  kommend,  ergreife  ich 
meine  stihleme  Notenfeder,  um  an  Dich,  geliebteste  Schwester,  zwar  keine  Noten, 
sondern  Worte  zu  richten  . . .  Der  Geist,  der  in  unserem  ehemaligen  Hause  seinen 
Hokus-Pokus  treibt,  ist  wahrscheinlich  von  mir  dazu  beauftragt,  denn  ich  kann  es 
nicht  verdauen,  dass  andere  Leute  diese  alten  gemüthlichen  Riume  bewohnen.  Dass 
das  Mali  (gib  am  a  Kdssle  för  mil)  fleissig  Orgel  spielt,  hör"  ich  gerne,  ebenso,  dass 
mein  Predigtgesang  noch  hie  und  da  daran  kommt.  Wenn  ich  so  ein  halbes  Jahr  zu 
Hause  wire,  wollte  ich  unsere  Kirchenmusikalien  schon  ausmisten. 

Dass  unser  Hans  noch  heirathet,  hat  mich  sehr  amüsirt;  ich  möchte  doch  auch 
etwas  von  seiner  zirtlichen  Liebe  zu  der  schönen  Bergerin  sehen  . . . 

. . .  Das  Schachspielen  ist  meine  liebste  Unterhaltung,  auch  wohl  die  billigste, 
weil  es  hier  nie  um  Geld  gespielt  wird.  —  Um  vier  Uhr  ging  ich  in  dem  englischen 
Garten  spazieren,  dort  war  aber  fast  die  ganze  Münchner  Noblesse,  so  dass  man  vor 
lauter  Krinolinen  kaum  durchkam  I  Dann  trugen  mich  meine  Füsse  nach  Hause  und 
nun  (halb  7  Uhr)  Abends  sitze  ich   hier  und  schreibe  Dir  bei  oflPenem  Fenster  .  .  . 

Gestern  Abend  war  Soir6e  bei  Gräfin  Luxburg,  wobei  mehrere  Gräfinnen  und 
Grafen  (auch  eine  Fürstin  Taxis)  das  Stabat  mater  von  Rossini,  welches  ich  mit  den- 
selben einstudirt  hatte,  aufführten.  Unter  den  Zuhörern  war  auch  Fürst  Chigi,  der 
päbstl.  Nuntius. 

Ich  freue  mich  sehr,  heuer  nach  Hause  zu  kommen.  Grüss  mir  die  liebe 
gute  Mutter  recht  herzlich,  deren  treuer  Sohn  sich  zugleich  auch  als  Dein  Bruder 
Pepi,  Orgelist  in  Münka  unterzeichnet 

Letzten  Freitag  war  ich  bei  Hofmaler  von  Dürk  eingeladen,  spielte  mehrere 
Compositionen  von  mir  mit  grösstem  Beifalle  und  hatte  für  diese  Soir6e  zwei  Gesangs- 
Quartette  componirt,  welche  ungemein  gefielen.  Es  waren  einige  noble  Herrschaften 
anwesend.  Freitag  ging  ich  mit  Frau  von  Dürk  zum  Akademiedirektor  v.  Kaulbach, 
dem  berühmten  Maler.  Es  war  noch  ein  bekannter  Klaviervirtuose  dort,  was  mich 
nicht  abhielt,  meine  Compositionen  zu  spielen.  Herr  von  Kaulbach  verlangte  immer 
noch  etwas  zu  hören  und  ich  fand  immer  Beifall.    Ich  bin  dort  wieder  eingeladen  • . . 

...  Ich  bin  immer  gesund  und  ein  fieissiger  Tintenverbraucber  ... 

30.  Mai  1858. 
•  .  .  Heuer  hatte  ich  eine  bunte  Musterkarte  von   Schülern:    1    Regierungs- 
kommissär, 1  Lieutenant,  1  Offlziersfrau,  1  schles.  Rittergutsbesitzerstochter,  1  Coope- 

^)  Später  seine  Gattin. 


311 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


rator,  1  Grifln  (L.).  —   Und  wenn  ich  nun  so  viel  zu  laufen  habe,  können  Sie  doch 
nnmöglich  Terlangen,  daat  ich  noch  wachsen  sollt  •  .  • 

, .  .  .  Mein  Christkind],  von  dem   ich   geschrieben,  erhielt  ich  von  einer  Frau 
von  Hoffnaass,  welche  die  Haupt-Solo-Parthie  in  meiner  Cantate  gesungen  hat  . . . 

2.  5.  1859. 
Theuerste  Eltern!  Ich  habe  Ihnen  diesmal  nur  wenig  mitzutheilen,  jedoch  ist 
dies  wenige  etwas  werth.  Es  macht  mir  Freude,  Ihnen  mittheilen  zu  können,  dass 
ich  Sonntag  d.  1.  Mai  zum  Professor  am  Conservatorlum  ernannt  wurde.  Ich 
wurde  zu  meiner  grossen  Genugthuung  von  Direktor  Hauser  beim  k.  Ministerium 
vorgeschlagen.  Heute  frfih  wurde  ich  zur  Eidesleistung  gerufen,  erhielt  das  Dekret 
als  Professor  mit  300  Gulden  Gehalt  und  begann  schon  die  Unterrichtsstunden  zu 
geben  (tiglich  2*/«  Stunden  von  ^lill^l  Uhr  grösstentheils  Frauenzimmern).  Dieses 
In  höchster  Eile  . . .    Gez.  J  . . .  Rh  . . .  Professor  am  k.  Conservatorium. 

7.  5.  1859. 

.  .  .  Hier  wird  so  viel  politisirt,  geschimpft  und  gelärmt  den  ganzen  Tag  in 
allen  Classen,  in  Wirtshaus  und  Privathaus,  von  Kammern,  König,  Minister,  Napoleon 
und  Garibaldi,  dass  ich  so  was  nicht  einem  Brief  anvertrauen  würde  . . .  Was  sagt 
man  in  Lichtenstein  vom  Krieg  und  der  bevorstehenden  Ausrückung?  Wird  von  Seite 
der  Bauern  recht  geschimpft?  Hier  herrscht  ungemeiner  Patriotismus  —  wenn  Napo- 
leon auf  bayrisch-rheinbündlerische  sentiments  reflektirte,  so  hat  er  sich  gewaltig  ver- 
rechnet. Du  solltest  nur  so  eine  patriotische  Demonstration,  etwa  im  Theater,  sehen; 
wie  auch  geringe  deutsch-patriotische  Stellen  eine  zündende  Wirkung  wachrufen.  — 
Unter  meinen  hiesigen  Bekannten  hat  die  Conscription  wie  eine  zweite  Cholera  ge- 
haust, indem  fast  Alles  zum  Militaer  muss.  Einstands-Minner  für  Kürassiere  kosten 
schon  3000,  3500  fl.  . . . 

„O  welches  Glück,  ein  Lichtensteiner  zu  sein!"  Wie  viele  haben  mich  hief 
heuer  darum  beneidet.  Das  nimmt  sich  sonderbar  aus.  Die  hiesigen  Besitzer  von 
österreichischen  Papieren  kennt  man  jetzt  alle  sogleich  auf  der  Strasse,  weil  sie  so 
aussehen:  [folgt  ein  Kopf  mit  zu  Berg  stehendem  Haar]. 

13.  5.  1860. 

.  .  .  Das  einzige  Etwihnenswerthe  ist,  dass  ich  seit  ersten  Mai,  dem  Jahrestag 
meiner  Anstellung,  nicht  mehr  Klavier-,  sondern  Compositionslehrer  bin  (mit  100 fl. 
Gehaltserhöhung)  .  .  .  Mein  jetziges  Fach  ist  weit  schwieriger,  aber  auch  rühmlicher 
und  interessanter;  es  kann  in  jeder  Beziehung  als  Avancement  gelten. 

...  Da  nun  heute  ein  ruhiger  Sonntag  Abend  ist  und  das  Feuer  lustig  im  Ofen 
prasselt,  wird  der  Tisch  niher  zu  diesem  Wirmespender  gerückt  und  ein  Briefbogen 
geholt  ...  Im  nichsten  Abonnement-concert  will  Lachner  das  grosse  Octett,  welches 
ich  in  den  Ferien  geschrieben,  aufführen  —  nichstdem  war  mir  von  Dresden  die 
Aufführ,  desselben  zugesagt  .  .  .  Meine  50  Variationen  (auch  aus  den  Ferien)  spielte 
ich  dem  berühmten  Pianisten  Mortier  de  Fontaine  vor;  er  beurtheilte  sie  so  günstig, 
über  alle  Erwartung  schmeichelhaft,  dass  ich  Anstand  nehme,  sein  Urtheil  sogar  in 
diesem  Briefe  zu  schreiben.  Auch  Lachner,  Maier  und  Schafhiutl  sprachen  sich 
lusserst  lobend  darüber  aus  •  .  . 

7.  11.  186K 
Theuerste  Eltern  . .  • 

Bei  mir  verfliesst  ein  Tag  wie  der  andere.  —  »Keine  Ruh  bei  Tag  und  Nacht* 

vor  lauter  Musik,  Kopf-  und  Bauchweh  vor  lauter  Musik  —  und  wenn  einmal  ein 


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DIE  MUSIK  V.  23« 


Sonn-  oder  Feiertag  kommt,  ^rtt  recbt  Masik;  komme  ich  von  meinem  Tagwerk  nach 
HaasOy  wartet  schon  ein  Schüler  zur  Musik;  und  wartet  keiner,  so  gibt's  erst  recht 
Musik  •  •  . 

6.  2.  1861. 
• .  •  Müsste  ich  nur  nicht  immer  meine  beste  Zeit  an  Dummköpfe  vergeaden, 
so  wollte  ich  was  Rechtschaffenes  zu  Tage  fördern;  das  Schulmeistern  wird  mir  immer 
zuwiderer.  Wenn  ich  mein  bescheidenes  Auskommen  bitte,  ohne  mich  erst  mit 
Schülern  herumzubalgen,  wollte  ich  gern  von  früh  bis  spät  an  meinem  Notenpulte 
sitzen  und  noch  Te  Djum  singen  dazu  • . . 

25. 11.  62. 
. .  •  Ober  Kaulbach's  wundervolles  Reformationsbild  hätte  ich   Dir  gerne  ge- 
schrieben, aber  ich  kam  nicht  dazu,  denn  so  ein  Brief  würde  Stunden  brauchen  . . . 

15.  10.  1863. 
...  Das  lumpige,  elende,  erbirmliche  Geld!  Da  fragt  Dieser  oder  Jener:  Ja, 
warum  thun  Sie  nicht  das?  —  warum  gehen  Sie  nicht  dorthin?  Bescheiden  ant- 
wortet man:  O,  ich  habe  nicht  Lust,  nicht  Zeit!  . . .  Lüge!  kein  Geld  habe  ich!  Und 
dann  sollte  man  sich  dessen  noch  schämen  —  ist  das  nicht  eine  erbärmliche  Veit? 
Verlassen  wir  dieses  unharmonische  Thema.  [Rh.  an  seinen  Bruder.] 

29.  12.  63. 
.  • .  Wenn  ich  auch  schon  seit  Jahren  dem  väterlichen  Hause  ferne  war,  so 
bleiben  mir  doch  die  elterlichen  Herzen  die  wahre  Heimath  —  und  wenn  es  mir  auch 
von  jeher  nicht  gegeben  war,  darüber  viele  Worte  zu  machen,  so  fühlte  ich  es,  seien 
Sie  dessen  versichert,  nur  desto  lebhafter  ...  —  Mein  Leben  in  München  ist  ziemlich 
einförmig;  wenn  ich  auch  Viel  zu  thun  habe,  so  ist  mir  doch  die  rastlose  Thätigkeit 
zur  andern  Natur  geworden  —  so  dass  ich  jede  Unterbrechung  hasse  . . . 

3.  1.  65. 
Theuerste  Eltern! 

. . .  Bisher  war  meine  Stellung  am  Theater  sehr  angenehm  und  —  was  viel 
werth  ist  —  sind  sämmtliche  Leute,  mit  denen  ich  dort  zu  thun  habe,  sehr  für  mich 
eingenommen.  Maly  hat  durch  Lisi  [Rh.s  Schwestern]  erfahren,  dass  es  Ihnen  gerade 
nicht  besonders  lieb  sei,  dass  ich  zur  Bühne  gegangen.  Ich  kann  mir  keinen  stich- 
haltigen Grund  dafür  denken.  Sollten  Sie  vielleicht  aus  Gründen  der  Moral  dagegen 
sein,  so  kann  ich  Sie  versichern,  dass  nirgends  ein  anständigerer  Ton  herrscht,  als 
gerade  bei  der  Bühne  und  sich  die  Sache  vom  Parterre  aus  weit  schlimmer  ausnimmt 
als  sie  ist  —  und  was  die  decolletirten  Frauentoiletten  anbetriffc,  ist  es  doch  besser 
und  ungefährlicher,  wenn  man  an  sie  gewöhnt  ist,  als  wenn  nicht  Doch  glaube  ich, 
Sie  apfui**  sagen  zu  hören  und  damit  genug.  Dis  Schauspiel  von  Calderon,  zu  dem 
ich  die  Musik  geschrieben,  wird  bis  Mitte  der  Fastenzeit  das  Licht  der  Lampen  er- 
blicken . .  • 

19.  5.  1865. 

...  Ich  habe  mit  Vergnügen  gesehen,  dass  Ihr  anfängt  auch  an  musikalischen 

Fragen  theilzunehmen,  sobald  dieselben  zu  »brennenden*  werden.  Ja,  an  einer  solchen 

laboriren  wir  in  München  gegenwärtig  gehörig,  und  das  um  so  mehr,  da  der  König 

so  entschieden  Partei  darin  genommen   —   er  allein  ist's,  der  die  «Zukunft*  festhält 


j 


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PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


gegen  den  Willen  seiner  näheren  und  ferneren  Umgebung  und  daraus  erküren  sich 
alle  weiteren  Konsequenzen. 

Wagner  ist  unstreitig  eine  geniale,  aber  ebenso  egoistische  Persönlichkeit  — 
er  lebt  und  denkt,  als  wenn  das  ganze  Jahrhundert  nur  seinetwegen  da  wäre;  wenn 
nun  der  Zufall  oder  das  Geschick  will,  dass  einem  solchen  Künstler  ein  König  zum 
Freunde  wird,  so  kann  man  sich  leicht  erküren,  data  es  Feuer  und  Flammen  setzen 
muss  und  das  um  so  mehr,  als  Wagner  bisher  gerade  in  Folge  seines  unglficklichen 
Temperaments  viele  Kränkungen,  Verläumdungen  und  Verfolgungen  erleiden  mussto 
und  Misstrauen  und  Verbitterung  sich  seiner  bemächtigten.  Und  nun  plötzlich 
sieht  er  sich  auf  dem  Gipfel  seiner  kfihnsten  Träume,  erhält  die  Mittel  in  Fülle,  seinen 
musikalisch-reformatorischen  Ideen  nachhängen  zu  können  —  und  das  steigt  ihm 
zu  Kopfe. 

Sein  Freund  Bfilow  (der  ausgezeichnetste  Klavierspieler,  den  ich  noch  gehört), 
dessen  persönliche  Bekanntschaft  ich  natürlich  auch  gemacht,  ist  wagnerischer  als 
Wagner  selbst,  wie  es  ja  auch  Katholiken  gibt,  die  katholischer  sind  als  der  Pabst 
selbst.  Bulow  ist  zwar  Berliner,  aber  seiner  Richtung  nach  mecklenburgischer  Junker, 
der  in  einem  jeden  Publikum  nur  «Canaille*  sieht  —  daher  die  famosen  „Schweine- 
hunde*,  welche  ihm  schon  bittere  Stunden  genug  eingetragen  haben. 

Tristan  und  Isolde  sind  noch  nicht  gegeben  worden  d.  h.  öffentlich  —  denn 
die  Hauptprobe  war,  auf  Befehl  des  Königs  in  Kostüm  und  Beleuchtung  vor  einem 
geladenen  Publikum  —  und  doppelt  interessant  durch  eine  längere  Ansprache  Wagner's 
und  die  Masse  Fremder,  welche  selbst  aus  den  fernsten  Gegenden  Europa's  kam,  das 
Wunderwerk  zu  sehen,  war  bitter  enttäuscht,  die  Oper  nicht  zu  Gehör  zu  be- 
kommen . . .  Wir  hatten  überhaupt  einen  musikalisch  höchst  belebten  Winter;  jeden- 
falls ist  München  jetzt  der  Centralpunkt  der  deutschen  Musik;  wie  es  aber  weiter 
gehen  soll,  das  wissen  die  Götter  . . .  Ausserdem  habe  ich  Dir  nicht  viel  zu  berichten. 
Maljr  ist  die  meiste  Zeit  bei  Frau  von  Hoffnaass,  wo  ich  auch  jeden  Sonntag  Nach- 
mittag und  etwa  noch  einen  Werktagabend  zubringe  . . . 

Da  Peter  gern  schlechte  Witze  über  mein  Juoggesellenthum  macht,  so  kannst 
Du  ihm  sagen,  dass  stille  Wasser  tief  seien  und  man  nicht  wissen  könne,  was  sich 
noch  im  Laufe  eines  Jahres  alles  ereignen  könnte.  Sapienti  sat.  Und  Du,  ehrwürdiges 
Wrack  eines  hämorrhoidenreichen  Junggesellenthum's,  Du,  o  David  der  Gerechte,  sollst 
seiner  Zeit  der  Erste  sein,  dem  ich  die  entsprechenden  Mittheilungen  machen  werde  . . . 

[Rh.  an  s.  Bruder  David.] 

31.  12.  1865. 
. . .  Meine  Gesundheit,  seit  2  Jahren  ziemlich  wankend  (ich  wollte  Ihnen, 
theuerste  Eltern,  nur  nicht  schreiben),  hat  sich  wieder  neu  gefestigt  und  ist  die  Gefahr 
einer  Lungenkrankheit  verschwunden,  wie  eine  neuliche  genaue  ärztliche  Untersuchung 
von  Prf.  Buhl  darthat  . . .  und  so  ist  nun  auch  die  gedrückte  und  melancholische 
Stimmung,  an  welcher  ich  seit  dritthalb  Jahren  laborirte,  von  mir  gewichen. 

21.  1.  66. 
. . .  Das  Theater  gibt  mir,  für  die  600  fl.,  die  ich  von  dort  beziehe,  verhältniss- 
mässig  nicht  sehr  viel  zu  thun  und  ist  mein  Leben  im  Ganzen  ein  Behagliches;  es 
mag  überhaupt  viele  melancholischere  Junggesellen  geben  als  ich  bin,  ja,  wenn  ich 
oft  Abends  im  warmen  Zimmer  sitze  und  meine  Theeroaschine  vor  mir  auf  dem 
Tische  brodelt,  so  fühle  ich  fast  eine  Art  irdischer  Glückseligkeit  und  bin  mild  ge- 
stimmt gegen  die  Hinfälligkeiten  dieses  Jammerthaies  ...    [an  s.  Bruder  David.] 


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DIE  MUSIK  V.  23. 


Bad  Kreuth  10.  8.  66. 
. . .  Hiuflg  gehe  ich  mit  Prf.  Frohschamer,  dem  berühmten  Philosophen  spazieren; 
er  ist  Icath.  Geistlicher,  steht  aber  auf  dem  römischen  Index;  ohne  zu  wiedermfen, 
Hess  er  alles  Ober  sich  ergehen  ...  Es  sind  noch  andere  interessante  Giste  da,  unter 
andern  auch  Cousa's  mangelhaft  bekleidete  Maltresse  Obreno?itch;  da  sie  aber  «ver- 
achtet* wurde,  fuhr  sie  mit  grossem  Pomp  von  hinnen  • . .  Eine  4w5chentl.  Kur 
kommt  sehr  hoch:  unter  100  fl.  komme  ich  nicht  durch;  doch  bekommt  sie  mir  vor- 
trefflich . . .    Kreuth  ist  reizend  gelegen,  3000'  fiber  Meer  . .  • 

[an  s.  Bruder  David.] 

1.  12.  1866. 

. . .  Herzlichen  Dank  für  Deinen  Brief:  ich  erhielt  ihn  unmittelbar  vor  der 
II.  Vorstellung  des  «Magus*  so  dass  ich  ihn  im  Theater-Orchestre  las,  angethan  mit 
meinem  neuen  unwiderstehlichen  Frack.  Auch  diese  Vorstellung,  welche  ich  wieder 
selbst  dirigirte,  ftmd  ein  volles  Haus  und  grossen  Beifall.  —  Und  nun  gar  meine 
Wallenstein-Sinfonie  —  die  hat  gehörig  durchgeschlagen,  wie  seit  Jahren  kein  neues 
Sinfonie-Werk.  Man  war  sehr  darauf  gespannt  schon  des  interessanten  Titels  wegen 
und  der  ganze  enorme  Odeons-Saal  zum  Erdrücken  voll.  Es  war  mir  doch  ein  bischen 
sonderbar  zu  Muth  als  ich  ein  so  herrliches  Orchestre  von  100  Mann  unter  meinem 
Kommando  hatte  und  eine  Legion  von  Opernguckern  auf  mich  gerichtet  war,  als  ich 
das  Dirigentenpult  bestieg;  aber  mit  dem  ersten  Ton  war  meine  Beftingenheit  weg  und 
der  Beiftdl  stieg  gradatim  von  Nummer  zu  Nummer  —  am  Schluss  war  ein  endloser 
Beifall,  in  den  auch  das  ganze  Orchestre  einstimmte;  so  was  hat  denn  doch  etwas  er- 
greifendes und  ich  sagte  heimlich  ein  herzliches  »Gott  sei  Dank*. 

Lachner  zeigte  sich  in  der  ganzen  Angelegenheit  sehr  freundlich  und  iusserte 
sich  überall  über  mein  Werk  so  lobend,  dass  ich  es  gar  nicht  zu  schreiben  getraue; 
er  hat  sich  darin  seit  der  für  ihn  trüben  Wagner-Periode  etwas  geindert.  Ja,  wenn 
Complimente  Dukaten  wiren,  könnte  ich  jetzt  einige  Jahre  sorgenlos  leben  ...  [an 
s.  Bruder  David.] 

17.  2.  1867. 
Mein  1.  Bruder  David! 

. . .  Letzte  Woche  erhielt  ich  von  der  Gewandbaus-Concertdirektion  die  Ein- 
ladung, meinen  Wallenstein  am  28.  II.  dort  selbst  zu  dirigieren,  natürlich  sagte  ich  zu, 
muss  aber  der  Proben  wegen  und  um  das  Orchestre  und  die  dortigen  Musikgrössen 
kennen  zu  lernen,  doch  einige  Tage  eher  hingehen.  Da  Leipzig  die  musikalisch  ton- 
angebende Hauptstadt  Norddeutschlands  ist,  so  ist  das  für  mich  von  grosser  Wichtig- 
keit; sollte  ich  dort  eine  Schlappe  erleiden,  wie  seiner  Zeit  der  sei.  Napol6on,  so  habe 
ich  doch  nicht  so  viel  zu  verlieren  wie  jener.  Meinen  Rückzug  (hoffentlich  ohne  ver- 
folgt zu  werden),  nehme  ich  über  Berlin,  Dresden,  Prag  und  Regensburg,  so  dass  ich 
bei  dieser  Gelegenheit  ein  gut  Stück  deutschen  Landes  sehen  werde.  Das  Künstler- 
leben hat  etwas  Aufregendes  und  Aufreibendes  —  ich  will  froh  sein,  w«nn  ich  einmal 
in  Ruhe  und  Müsse  wieder  eine  grössere  Arbeit  vornehmen  kann  . . . 

Leipzig,  d.  28.  Februar  1867  Nachts  Vtl2  Uhr. 

Theuerster  Vater! 

Es  freut  mich,  Ihnen  mittheilen  zu  können,  dass  meine  Sinfonie  in  dem  heutigen 

Concerte  ganz  ausserordentlich  gefallen  hat;  es  ist  hier  ein  sehr  heikler  Boden, 

darum  ein  Erfolg  in  Leipzig  als  massgebend  für  die  musikalische  Welt  angesehen 

wird;   auch  ist  es  mir  wirklich  merkwürdig,  mit  welcher  Achtung  ich  hier  überhiuft 


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PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


werde.  In  den  8  Tagen  meinet  Hierseins  bin  ich  tiglich  in  den  vomebmsten  Hiusem 
zu  Mittag  und  Abend  geladen.  —  Morgen  reise  icb  noch  nach  Berlin^  dann  über 
Dresden  und  Prag  nach  Hause  . . . 

3.4.  1867. 
Mein  lieber  Bruder! 

...  Du  wirst  durch  den  1.  Vater  von  meinem  Entschluss,  mich  zu  verheirathen, 

gehört  haben  und  wirst  Dich  mit  den  andern  Geschwistern  darüber  freuen,  denn  Fanny^) 

ist  eine  in  jeder  Beziehung  ausgezeichnete  Frau,  die  ich  eben  so  hoch  achte,  als 

ich  sie  liebe  . . .  Hoffentlich  werden  wir  glücklich  .  • .  Schreibe  doch  Deiner  künftigen 

Schwigerin,  die,  wie  ich  Dich  versichern  kann,  eine  höchst  liebenswürdige  Dame  ist, 

ein  kleines  Briefchen  —  es  braucht  eben  nicht  graziös  oder  elegant  zu  sein  « . . 

16.  4.  1867. 
.  • .  Vir  lassen  uns  in  Harlaching  trauen  (eine  Stunde  von  München),  besteigen 
dann  dort  die  Eisenbahn  und  fahren  nach  Salzburg,  wo  wir  4—5  Tage  bleiben  und 
dann  zurückkehren  werden.  Mein  lieber  David,  die  letzten  Tage  des  Junggesellen- 
thum's  sind  sehr  aufiregend  —  man  ist  zu  gar  keiner  Thitigkeit  mehr  aufgelegt.  Nun 
lebe  wohl,  alter  Knabe,  grüsse  mir  Peter  herzlich,  es  bitte  uns  sehr  gefreut,  wenn 
er  hätte  zur  Trauung  kommen  können  . . . 

29.  7.  1870. 
Lieber  Bruder! 

Dass  ich  so  lange  nicht  zum  Schreiben  komme,  daran  ist  wohl  hauptsichlich 
die  allgemeine  Kriegsaufregung  schuld,  die  natürlich  alles  Andere  in  den  Hintergrund 
dringt.  Aus  Deinem  Briefe  ersahen  wir  den  Vorschlag,  uns  nach  Vaduz  zu  flüchten. 
Du  scheinst  also  zu  glauben,  man  befürchte  hier  eine  Invasion  der  Franzosen;  man 
fürchtet  zwar  den  Krieg  (nicht  die  Franzosen),  wenn  er  droht;  nun  er  aber  da  ist, 
zeigt  sich  eine  gehobene  Stimmung  überall,  in  allen  Schichten,  die  verbohrtesten 
Ultramontanen  vielleicht  ausgenommen,  die  überhaupt  kein  Herz  für  ein  geeintes 
Deutschland  haben. 

Heute  schliesst  die  k.  Musikschule.  Montag,  d.  1.  August,  gehen  wir  nach 
Kreuth,  da  eine  weitere  Entfernung  von  der  Heimath  in  dieser  Zeit  nicht  angezeigt 
ist  und  die  Pflicht  gebietet,  auch  die  allgemeinen  Lasten  mit  zu  tragen  . . . 

19.  Dez.  1870. 
Mein  lieber  Bruder  David! 

...  Vergangene  Woche  kamen  zwei  meiner  grösseren  Werke  vors  Publikum: 
Sonntags  die  7  Raben  (mit  vielem  Beifall)  und  Montags  mein  grosses  Requiem  zum 
GedAchtniss  der  im  deutsch-frzs.  Kriege  gefallenen  Helden.  Die  Wirkung  war  eine 
grosse  und  michtige.  Dass  die  Stimmung  dahier  in  Folge  des  lang  andauernden  und 
so  opferreichen  Krieges  eine  ernste  ist,  kannst  Du  Dir  vorstellen.  Fast  alle  meine 
Bekannten  bei  der  Armee  sind  todt  oder  verwundet  . . .  Doch  muss  dieser  schreck- 
liche Krieg  ausgeklmpft  werden,  bis  die  Franzosen  genug  haben,  das  ist  das  allgemeine 
Gefühl;  ist  es  doch  für  die  Deutschen  eine  Abrechnung  für  Jahrhunderte.  Die 
Kreirung  des  Kaiserthums  hat  hier  allgemein  befriedigt,  doch  keine  Spur  von 
Enthusiasmus  hervorgerufen  —  man  ist  zu  ernst  dazu!  Die  benachbarten  Österreicher 
sind  aber  sehr  bös  über  das  neue  Kaiserthum  —  nun,  früher  oder  spiter  müssen  sie 
auch  herüber  und  wir  Vaduzer  ebenfalls  —  die  Lawine  ist  im  Rollen  und  wird  alles 
Deutsche  in  sich  aufnehmen  . . . 


')  Frau  von  Hoffnaass. 


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DIE  MUSIK  V.  23. 


8.  6.  1871. 
Mein  lieber  David  I 

Da  mir's  nach  und  nacb  der  Zustand  meiner  rechten  Hand  gestattet^  Briefe, 
wenn  auch  nur  Icurze,  zu  schreiben,  so  erachte  ich  es  für  eine  an(enehme  Pflicht, 
Dir  zu  schreiben  und  zwar  an  einem  „lieblichen  Frohnleichnamsmorgen',  an  welchem 
eingeheizt  werden  muss.  Fanny  war  so  freundlich,  mir  seit  Dezember  alle  Correspon- 
denz  abzunehmen  und  so  im  wahren  Sinne  des  Vortes  meine  rechte  Hand  zu  sein. 
Merkwürdigerweise  war  ich  immer  im  Stande,  meinen  Geschäften  in  der  Musilcschule 
nachzukommen  . . .  Nussbaum  [berühmter  Chirurg]  sagt,  dass  bis  zur  völligen  Her- 
stellung der  Hand  noch  ein  gutes  Halbjahr  vergehen  werde,  doch  würde  ich  ohne 
bleibenden  Schaden  davonkommen.  Diese  schöne  Krankheit  heisst  Knochen-Fontanelle 
und  bildete  sich  zwischen  Mittel-  und  Zeigefinger  . . .  Vielleicht  kann  ich  nun  auch 
bald  wieder  ein  wenig  Klavier  spielen,  eine  Freude,  die  mir  bei  meinem  neuen  Flügel 
wohl  zu  gönnen  wire  . . . 

Wie  geht  es  den  lieben  Eltern?  Und  Peter  mit  Familie?  Ich  bitte.  Alle  herzlichst 
zu  grüssen.    Da  ich  meine  Hand  nicht  sehr  ermüden  darf,  muss  ich  schliessen  • . . 

19.  6.  1877. 
Mein  lieber  David!  . . .  Dass  ich  nahe  daran  war,  nach  Frankfurt  als  Direktor 
eines  dort  von  der  Stadt  neu  zu  gründenden  Conservatoriums  überzusiedeln,  weisst 
Du  wohl;  doch  glaube  ich,  wenigstens  als  Komponist,  besser  gethan  zu  haben,  hier 
zu  bleiben,  obschon  die  Frankfurter  bis  zu  zehntausend  Mark  Gehalt  geboten  bitten. 
Dafür  ist  Frankfurt  viel  theuerer  als  München  und  das  Leben  für  einen  Künstler  dort 
unter  den  tonangebenden  Geldmenschen  eben  social  nicht  angenehm.  Und  schliesslich 
ist  mir  die  freie  Zeit,  die  ich  für  künstlerische  Produktion  verwende,  überhaupt  für 
Geld  nicht  feil  —  und  so  bin  ich  geblieben  . . . 

8.  12.  1877. 

Mein  lieber  David!  Es  ist  heute  so  melancholisch  —  dunkel  —  nebliges  Wetter, 
—  Feiertagsruhe,  die  darin  besteht,  dass  ich  über,  unter  und  neben  mir  Klavierspielen 
höre,  so  dass  ich  nichts  Besseres  thun  kann,  als  ein  Stündchen  bei  Dir  einzukehren, 
um  so  mehr,  als  es  nach  dem  bekannten  Volkslied  »schon  lange  her"  ist. 

Der  nasse  neblige  Winter  ohne  Schnee  und  Eis  hat  meiner  Frau  leider  nicht 
gut  gethan,  indem  sie  seit  8  Tagen  bettlägerig  ist  an  einem  Gelenkrheumatismus,  der 
aber  nicht  recht  zum  Durchbruche  kam,  so  dass  doch  Hoffnung  ist,  in  einigen  Tagen 
wieder  zum  normalen  Befinden  zurückzukehren.  Sonst  leben  wir  vergnügt  und  in 
vielerlei  Arbeit  thitig.  Heute  traf  es  mich,  zum  ersten  male  in  Galauniform  zu 
amtiren.  Damit  Du  weisst,  wie  schön  ich  dabei  war,  so  will  ich  Dir  ein  getreulich 
Bild  derselben  mit  Worten  abconterfeyen.  Es  war  nimlich  heute  in  der  alten  Hof- 
kapelle der  Residenz  der  »St.  Georgiritterordensfestgottesdiensf,  und  da  dirigirte  ich 
das  Hochamt  im  grünen  Frack  mit  reichgoldgestickten  Kragen  und  Schössen,  weissen 
langen  Gilet  mit  grossen  Goldknöpfen,  den  Degen  an  der  Seite  und  Schiffhut  mit 
Goldquaste  und  Kokarde  —  kurz  und  gut,  so  wie  man  es  eben  im  vorigen  Jahrhundert 
trug  —  da  war  ich  »gar  arg  schön",  so  dass  es  schier  nicht  zu  sagen.  Alles  bis  zum 
letzten  Knopf  vorgeschrieben  —  dass  da  die  Musik  schön  klingen  muss,  ist  selbst- 
verstindlich  . .  • 

Wie  geht  es   Dir  in   Deinem   einsamen  Malepartus?     Lasse   doch   von   Dir 

hören !  . . . 

Dein  alter  Bruder 

Jos.  Rh. 


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PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


10.  11.  1882. 
Mein  lieber  Bruder  David! 
Wir  haben  uns  heute  sehr  an  Deinem  lieben  Brief  erfreut 
Gegen  Abend  war  unser  alter  Freund,  Dr.  Franz  Trautmann,  da;  Fanny  las  ihm 
Dein  Rencontre  mit  der  Prinzessin  vor,  er  fand  Deine  Schilderung  ganz  köstlich  — 
ich  möchte  das  auch  Alles  mit  angesehen  haben.    Femers  erfreuten  wir  uns  auch 
daran,  dass  Du  nun  der  Vice-Regent  von  Lichtenstein  geworden  bist;  hoffen  wir,  dass 
die  Geschichte  Dich  einst  als  den  Besten  von  Allen  verzeichnen  wird  . . . 

An  eben  demselben  heutigen  Abend  las  Fanny  auch  dem  Dr.  Trautmann  den 
ersten  Theil  Deiner  Notizen  über  unsem  unvergesslichen  Vater  vor;  Trautmann  war 
ganz  entzQckt  über  Deinen  Styl  und  finde  es  sehr  verdienstlich,  wenn  Du  das  und 
Jenes  fiber  Land  und  Leute  in  Lichtenstein  aufnotiren  würdest.  Ich  selbst  bin  auch 
dieser  Ansicht  . . .    Mit  herzlichem  Grusse 

Dein  alter  Bruder  und  Freund 

Josef  Rh. 

29.  12.  83. 
Lieber  Bruder  und  Senior  des  Hauses  derer  vom  Rheinberg! 

Vor  Allem  meine  besten  Wünsche  zu  dem  beginnenden  Jahre,  das  Du  in  steter 
Gemüthsruhe  ohne  alle  Gebresten  verbringen  mögest!  Der  Winter  will  sich  nicht 
schön  anlassen:  er  hilt  so  die  Mitte  zwischen  einem  nebligen  November  und  kothigen 
April  und  manchmal,  wenn  es  nicht  gerade  regnet,  schneit  es  auch.  Ich  glaube,  dass 
heuer  alle  Schlittschuhverkiufer  verhungert  sind;  nun,  die  haben's  dann  eben  über- 
standen! Das  irdische  Jammerthal  wird  ohnedem  auf  die  Lioge  der  Zeit  nicht 
schöner  und  es  ist  verwunderlich,  dass  sich  ftist  ein  Jeder  daran  anklammert!  Das 
kommt  wohl  daher,  dass  man  nicht  ganz  genau  weiss,  wie  -man's  drüben  trifft. 

Zum  Glück  aber  hat  man  die  Doctores  medicinse;  die  räumen  doch  ordentlich 
auf,  wenn  Niemand  freiwillig  in  das  jenseitige  Eden  hinüberfahren  will  und  Über- 
völkerung droht  —  sodann  die  Doctores  politicae,  die  mit  dem  Generaladerlass  eines 
,»gerechten  nothwendigen  Krieges"  einschreiten.  Nun  wollen  wir  hoffen,  mein  lieber 
Bruder  Davide,  dass  wir  uns  am  Sylvester  des  kommenden  Jahres  wieder  in  gutem 
Humor  treffen  mögen.    Amen!  Dein  alter  Bruder 

Jos.  Rh. 

13.  12.  1884. 

Mein  lieber  David!  Dein  letzter  Brief  erinnert  mich  daran,  dass  ich  Dir  schon 
ewig  lang  nicht  mehr  geschrieben;  erst  war  ich  fast  ein  halbes  Jahr  gar  nicht  im 
Stande  zu  schreiben,  und  nun,  wo  es  wieder  so  ziemlich  geht,  habe  ich  eben  mehr 
Noten  als  Buchstaben  geschrieben.  Zum  Schreiben  brauche  ich  eine  eigene  Haltung 
der  Hand  (die  mit  vier  Narben  gezeichnet  ist)  und  natürlich  in  Folge  der  vieljihrigen 
Krankheit  sehr  kraftlos  ist.  Besonders  der  Zeigefinger  muss  noch  beim  Klavierspielen 
pausiren.    Aber  ich  muss  selbst  mit  solchen  Halbheiten  zufrieden  sein  . . . 

Der  Antheil,  den  Peter  [Rh.s  Bruder]  an  der  Bülow-Feier  hier  nahm,  hat  mich 
recht  gefreut,  und  war  es  in  der  That  eine  festliche  Zeit.  Bülows  Klavier-  und 
Orchesterleistungen  sind  in  der  That  unübertrefflich  . . .  Prof.  v.  Schafhiutl  hilt  trotz 
seiner  82  Jahre  gesund  und  ftlsch  seine  Vorlesungen. 

Sein  Zimmer  ist  bestindig  auf  20—22  Grad  R6aumur  geheizt,  weil  er  behauptet, 
in  München  sei  noch  Niemand  f^tn  der  Hitz"  gestorben  . . . 


318 
DIE  MUSIK  V.  23. 


31.  d.  8.  1887. 
. . .  Prof.  y.  Schafbiutl  ist  trotz  seiner  84  Jahre  recht  wacker  nnd  hat  erat  dieser 
Tage  ein  neues  Bach  über  den  Komponisten  Abb6  Vogler  veröffentlicht 

3.  5.  1889. 

Mein  lieber  David I  ...  Mein  lieber  alter  Poehli  ist  gestorben I  [Rh.s  erster 
Klavierlehrer.]  Es  that  mir  wohl,  ihm  von  Zeit  zu  Zeit  Unterstfitzung  zukommen  zu 
lassen.  So  geht  Eins  um's  Andere.  Nur  Prof.  v.  Schafhäutl  ist  trotz  seiner  86  Jahre 
dauerhaft,  fröhlich  und  geistesfrisch  —  möge  er  noch  recht  lange  so  fortmachen. 

Die  Osterzeit  war  fQr  mich  wieder  recht  anstrengend  —  es  gibt  unter  dem 
neuen  regime  auch  mehr  Uniformsdienste  als  f^her,  und  meiner  friedfertigen  Natur 
wiedersteht  es  immer,  den  Degen  umzugürten.  Komisch  ist  es  auch,  dass  mir,  seit 
ich  durch  den  Maximiliansorden  »hofflhig'  bin,  jede  Hoftrauer  angesagt  wird,  was 
aber  nicht  weh  thut  .  •  .  Nun  lebe  wohl,  und  wenn  Dir  das  viele  Regieren  noch 
etwas  Müsse  llsst,  so  erfreue  bald  mit  einem  Briefe 

Deinen  alten  Bruder   Josef  Rh. 


Von  hier  ab  beginnen  Excerpte  aus  den  „Geschäfts-  und  Tagebüchern 
Jos.  Kurt  Rheinbergers*,  gefuhrt  von  seiner  Gattin.^)  Neben  ihren  persön- 
lichen Aufzeichnungen  finden  sich  die  Briefe  resp.  geschäftlichen  Anträge 
der  Verleger  Rheinbergers,  sowie  die  Briefe  bekannter 'oder  befreundeter 
Kunstler  an  Rheinberger,  eingeordnet.  Diese  begleiten  alle  Bücher.  Die 
hervorragendsten  sind  hier  aufgenommen,  da  sie  Rheinberger  im  Urteile 
seiner  Zeitgenossen  zeigen. 

Ignaa  Moscheies  an  Rheinberger 

Leipzig,  d.  20.  Sept.  1868. 
Geschätzter  Herr! 
Seit  langer  Zeit  hat  keine  Erscheinung  in  der  musikalischen  Literatur  so  sehr 
meine  Sympathie  erregt  als  Ihr  ,»Dtto  für  2  Klaviere  op.  15*.  Dass  dieses  schwung- 
volle kunstreiche  Werk  mir  gewidmet  ist,  nehme  ich  dankend  von  Ihnen  an  und 
werde  es  meiner  Bibliothek  einverleiben,  wie  es  jeder  ächte  Kunstliebhaber  tun  sollte. 
Mit  ausgezeichneter  Hochachtung  der  Ihrige  Moscheies 

Hans  von  Bttlow  an  Rheinberger 

München,  3.  Juli  1865. 
Kurz  vor  der  letzten  Tristan-Aufführung  von  einem  kleinen  Erholungsausfluge 
zurückgekehrt,  habe  ich  erst  heute  Vormittags  die  nähere  Bekanntschaft  mit  Ihrem 

^)  Im  ersten  Teil  dieser  biographischen  Skizze  sind  drei  Worte  durch  ein  Ver- 
sehen des  Verfassers  bei  der  Korrektur  ausgeblieben.  Es  sind  dies  die  Worte:  ,»in 
der  Intention'';  sie  fehlen  (vgl.  .Musik**  V,  22  S.  206)  in  dem  Satze,  der  von  Frau  Rhein- 
bergers  Textdichtungen  handelt.  Der  Satz  muss  also  heissen:  »Vielleicht  fühlt  er 
selbst  kaum  eine  gewisse  Einengung,  die  ihm  durch  ihre  stets  für  ihn  neu  gefertigten, 
manchmal  in  der  Intention  sehr  reizvollen  Textdichtungen  geworden  sein  mag*  .  .  . 
(Die  Textdichtungen  Frau  F.  Rheinbergers  bleiben  in  Form  und  Gehalt  meistens  weit 
hinter  der  Intention  der  Dichterin  zurück;  sie  zeigen  merkwürdigerweise  wohl  die 
schwächste*  Seite  der  künstlerischen  Betätigung  dieser  talentvollen  Frau.) 


319 

PERGERrRHBINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


interessanten  Kitvierwerke  eingehen  können.  Da  ich  nicht  weiss,  wann  ich  die  Ehre 
haben  würde,  Sie  zu  Hause  ohne  Störung  Ihrer  kostbaren  Müsse  anzutreffen,  so  be- 
schrinke  ich  mich  heute  darauf,  Ihnen  schriftlich  den  Zuwachs  der  Bewunderung 
auszudrücken,  mit  welchem  mich  Ihre  meisterhaften,  künstlerischen  Produktionen  er- 
füllen. Sobald  ich  meine  vom  Taktstab  versteiften  Finger  wieder  ein  wenig  disziplinirt 
haben  werde,  will  ich  mir  gestatten,  Ihnen  die  50  Variationen,  die  mir  sehr  sympathisch 
sind,  wenigstens  zum  grössten  Teile  mit  der  Anfrage  vorzuspielen,  ob  ich  dieselben 
dem  Münchener  Publikum  im  künftigen  Winter  den  Absichten  des  Komponisten  ent- 
sprechend vorführen  kann.    Mit  vorzüglichster  Hochachtung  ganz  ergebenst 

Hans  von  Bülow 

(Tagebveh  der  Fran  F.  Rhelnberger): 

Dienstag,  4.  April  1869. 

Eben  sagt  Kurt:  Gestern  wandelte  ich  noch  »im  Tal  des  Espingo'  (schöne 
Preisballade  von  Paul  Heyse  gedichtet),  heute  weiss  ich  schon  nichts  mehr  davon. 
Wenn  ich  komponire  und  es  kommen  mir  gute  Gedanken,  dann  tausche  ich  nicht 
mit  dem  König  und  all  seiner  Regiererei  •  .  .  aber  das  Musikantenvolk  .  •  .  pfui 
Teufel  .  .  . 

Hauptprobe  der  Oper  »Die  7  Raben".  Alles  ging  vorzüglich.  Die  Direktion 
war  eben  so  nobel  wie  die  Komposition.  Nur  wenige  Auserlesene  hörten  zu,  waren 
aber  ganz  begeistert.  Ein  poetischer  Duft  schwebt  über  dem  Ganzen.  Die  Stehle 
wird  herrlich.  Ich  getraue  mich  noch  nicht,  mich  zu  freuen  -  aber  wir  kamen 
doch  Beide  ganz  begeistert  nach  Hause.  Ich  empfand,  wie  auf  der  Welt  kein 
Mann  seiner  Frau  ein  reineres  und  innigeres  Glück  bereiten  kann,  als  es  mir  durch 
Kurt  zu  Teil  wird.  Nichts  in  seinem  Charakter  —  auch  nichts  in  seinen  Gewohn- 
heiten —  keine  Laune,  kein  Eigendünkel  und  kein  Neid  stören  und  verdunkeln  sein 
Talent.  Das  empfanden  auch  Alle  durch,  dass  die  Komposition  von  seltener  Noblesse 
spriche.  Prof.  Riehl  besonders  war  ganz  entzückt.  Die  Erscheinung  der  tröstenden 
Fee  im  Kerker  macht  sich  wunderschön.  Und  morgen  .  .  .  morgen  II  Beim 
Herausgehen  sagte  Hedwig  Fächer  sehr  treffend:  Diese  Musik  regt  wirklich  alle 
besseren  Gefühle  des  Menschen  an.  So  ist  es  auch.  Die  Luft  wird  wie  abgeklSrt, 
und  das  geistig  reine  Element  der  wahren  Kunst  wirkt  auf  die  unschuldigen  Empfindungen. 
Die  reine  Treue  Elsbef  s  hat  einen  rührenden  Zauber.  Nur  ein  unverdorbener  Mensch 
kann  auch  so  unschuldig  komponieren.  In  Gounod's  Faust  regt  das  sinnliche  Element 
auf,  hier  bei  Elsbeth  ist  man  in  besseren  Regionen.  —  Wir  konnten  Beide  kaum  zu 
Mittag  essen,  der  Körper  war  ganz  in  den  Hintergrund  gedringt  von  unserer  glück- 
lichen Begeisterung.  Ich  ging  Nachmittags  aus,  um  Kurt  für  morgen  Abend  eine 
goldene  Uhrkette  zu  kaufen  nebst  einem  Medaillon,  worauf  in  hohen  Buchstaben  das 
Wort  .love"  steht.    Das  wird  ihn  an  Mozarts  Ring  in  Salzburg  erinnern. 

Sonntag,  den  23.  Mai  1809. 
Erste  Aufführung  der  7  Raben. 
Wie  mir  war,  durch  die  vergitterte  Loge  des  Intendanten  auf  die  liebe  Gestalt 

des  dirigirenden  Componisten  zu  sehen?! Er  wurde  stürmisch  gerufen,  die  Oper 

hatte  vollstindigen  Erfolg.  Man  fühlte,  dass  es  kein  gemachter  Lokal-  oder  Partei- 
Erfolg  war,  sondern  der  Ausdruck  der  ins  Herz  getroffenen  Menge.  Mich  beglückte 
bei  Allem  die  gewonnene  Oberzeugung,  dass  die  Freude  des  Publikums  am  wahrhaft 
Einfachen  und  Edlen  nicht  verloren  gegangen  ist  Kurt  war  sehr  glücklich, 
der  liebe  gute  Mensch! 


320 
DIB  MUSIK  V.  23. 


Hans  Yon  Bfilow  an  Rhelnber^r 

München,  d.  24.  Mai  1860. 
Hochgeehrter  HerrI 

Unter  den  Ihnen  heute  von  allen  Seiten  znetrdmenden  Gratulationen  bitte  ich 
auch  neinen,  gewiss  nicht  den  am  wenigsten  herzlichen  Glückwunsch  zu  dem  Erfolge 
Ihres  schönen,  edlen  und  styWollen  Werkes  zu  genehmigen.  Ich  hege  die  feste  Ober- 
zeugung, dass  jede  Wiederholung  Ihrer  Oper  die  Erkenntnis  des  Wertes  Ihres  ausser- 
ordentlichen musikalischen  Vermögens  fördern  und  steigern  wird.  Unendlich  bedauere 
ich,  dass  meine  dienstlichen  Geschifte  mich  gegenwirtig  so  ausschliesslich  in  An- 
spruch nehmen,  dass  keine  Zeit  übrig  bleibt,  Ihnen  meine  lebhafte  Bewunderung 
Ihrer  lebten  Tondichtung  im  Einzelnen  auszusprechen.  Seien  Sie  aber  versichert 
meiner  aufrichtigsten  Antheilnahme  und  Mitfreude  wie  an  dem  Gelingen  der  gestrigen 
Aufführung,  so  an  jeder  Steigerung  des  Erfolges,  die  nicht  ausbleiben  kann. 

Ihr  in  vorzüglichster .  Hochachtung  und  Bewunderung  ergebenster 

Hans  von  Bfilow 

(Tagebuch  der  Fran  F«  Rheinberger): 

Donnerstag,  den  10.  Juni  1860. 
12  Jahre  seit  Kurt  und  ich  uns  kennen.   Wir  spielten  zur  feierlichen  Er- 
innerung das  vierhindig  arrangirte  Te  Deum  von  Hasse,  das  erste  Stück,  das  wir 
damals  zusammen  spielten. 

Samstsg,  den  12. 
Leider  scheint  es  sich  zu  bestätigen,  dass   Bülow  von  hier  fort  will!    (Be- 
geisterte Briefe  von  V.  Lach n er,  Mannheim  über  «Die  7  Raben*  sowie  von  Holstein, 
dem  Komponisten  des  „Haideschacht''.) 

Hans  TOB  Bfilow  an  Rheinberger 

München,  den  12.  Juni  1860. 

Aus  vollem  Herzen  danke  ich  Ihnen  für  die  freundlichen  Zeilen,  die  Sie  die 
Güte  gehabt  haben  mir  aus  Anlass  der  Nachricht  von  meinem  Entlassungsgesuche  zu 
schreiben.  Wenn  irgend  etwas  beitragen  könnte,  mich  in  meinem  —  seit  lange  reiflich 
erwogenen  —  Entschlüsse  wankend  zu  machen,  so  wäre  es  die  Äusserung  der  Sym- 
pathie eines  Mannes,  den  ich  als  Künstler  wie  als  Charakter  so  sehr  hoch  stelle,  wie 
Sie.  Allein  auch  die  Rücksicht  auf  meine  wirklich  angegriffene  Gesundheit,  die  sich 
ja  durch  einen  entsprechenden  Urlaub  wieder  herstellen  Hesse,  nimmt  in  den  Motiven 
meines  Versatzes,  München  zu  verlassen,  nur  die  2.  Stelle  ein. 

In  erster  Linie  steht  die  leider  fortdauernd  befestigte  Oberzeugung  mieh  nutzlos 
für  die  Sache  aufzureiben,  weil  die  Hindernisse,  die  einer.  Höheres  (in  den  Resultaten) 
anstrebenden  Tbätigkeit  meinerseits  entgegenstehen,  sich  aufs  Ersichtlichste  als  un- 
wegräumbar  gezeigt  heben.  Zum  Theil  mag  ich  dieselben  wohl  auch  in  meiner 
„persona  ingrata*  zu  suchen  haben. 

Nochmals  herzlichsten  Dank  und  die  Versicherung  unwandelbarer  Hochtchtung 
und  Ergebenheit  Ihses  aufrichtigen  Bewunderers  Hans  von  Bülow 

Hans  von  Bfilow  au  Rheinberger 

München,  d.  25.  Juni  1872. 
Ihre  gütige  Einladung  —  darf  ich  ohne  Insolenz  Sie  ergebenst  ersuchen  mir 
eine  Verugung  von  deren  Annahme  zu  gestatten?   Vielleicht  sogar  bis  Mitte  nächster 
Woche?    Wie  werthvoll  es  mir  in  jeder  Hinsicht  sein  würde,  mit  Ihnen  und  Ihrer 


321 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFPEN 


verehrten  Gemahlin  einige  freie  Augenbliclce  ruhig  zu  verplaudern,  darüber  sind  Sie 
ja  doch  bei  meiner  Ihnen  bekannten  herzlichen  Bewunderung  fQr  Sie  ausser  Zweifel. 
Gegenwirtig  komme  ich  aber  kaum  zu  mir  selbst  und  kann  Ihnen  aufrichtigst  von 
meiner  Gesellschaft  abrathen. 

Bei  dieser  Gelegenheit  muss  ich  mein  Gewissen  noch  beschwichtigen,  indem 
ich  Sie  tausendmal  um  Entschuldigung  bitte,  dass  die  Tristanprobe  einige  Ihrer 
devotesten  Jünger  zu  einer  akuten  Untreue  verleitete.  Wenn  ich  auch  keine  Ver- 
f&hrerrolle  hiert>ei  gespielt  habe  —  danke  ich  Ihnen  doch  die  von  Ihnen  geübte 
Condescendenz.  Ihr  alter  Verehrer  Hans  von  Bülow 

(Tagebuch  der  Frau  F.  Rhelnberger): 

Kurt  war  sehr  zufrieden  mit  der  Aufführung  des  »Thal  des  Espingo'.  ^)  Ich 
musste  immer  seine  Augen  ansehen,  während  sie  sangen.  Ich  erkannte,  was  ihm  die 
Seele  ergriff,  obgleich  er  sich  beherrschte:  O  Heimatwonne  . . .  Wie  achtungsvoll 
waren  doch  alle  die  Herren  gegen  Kurt.    Wie  einen  Meister  behandeln  sie  ihn. 

Mittwoch,  den  4.  August  1860. 

Schluss  des  Schuljahres  mit  dem  höchst  brillanten  5.  Concerte.  Buonamici 
spielte  die  letzte  Note  und  Bülow  dirigirte  den  letzten  Takt.  Er  verschwand  dann,  um 
sich  das  Abschiednehmen  zu  ersparen.  Ich  kann  es  nicht  fsssen,  dass  nun  Bülow 
für  immer  fortgeht.  Er  hat  doch  in  diesen  2  Jahren  die  Schule  auf  eine  eminente 
Höhe  gebracht. 

Abb6  Liszt  besuchte  Gurt.  Er  sprach  davon,  dass  er  die  7  Raben  in  Weimar 
empfohlen.  Was  hast  du  darauf  geantworter,  frug  ich  Kurt:  Nichts,  ich  habe  ihn  mir 
angeschaut  und  als  er  von  Bülow  sprach,  dass  er  das  »malheur*  bedauere,  habe  ich 
wieder  geschwiegen  und  ihn  angeschaut.  Kurt  kann  ungemein  ausdrucksvoll  schweigen. 
[Sehr  richtig,  daran  erinnere  ich  mich.  Rbeinberger  beherrschte  eigentümlich  den 
vor  ihm  Sitzenden,  wenn  er,  nach  einem  leidenschaftlichen  Satz  —  oft  aus  Gründen 
sehr  feinen  Taktes  —  schwieg.] 

25.  Sept.  1860. 

Kurt  ist  verstimmt  über  die  abscheulichen  musikalischen  Vethiltnisse.  Seit 
Bülow  fort  ist,  hat  er  keinen  Preund  mehr  unter  den  Künstlern  hier  ...  In  den 
Zeitungen  immer  noch  die  heftigsten  Schlachten  zwischen  Richard  Wagner  und  der 
Intendanz.    Sie  sagen  sich  schmähliche  Dinge.    Wie  gut  ist  es  ferne  zu  stehen. 

5.  Dezember. 

Soeben  wurde  Kurt  mit  seinem  Requiem  fertig.  Er  lud  mich  ein,  die  letzte 
Note  daran  zu  schreiben,  das  b  im  Bass.  Es  ist  Abends  halb  8  Uhr  und  während 
wir  still  und  ernst  bei  der  Lampe  sitzen,  ist  in  Mannheim  die  erste  Aufführung  der 
7  Raben.  Wie  es  wohl  geht?  Niemand,  Niemand  weiss,  der  es  nicht  erlebt  hat,  was 
das  für  ein  eigenthümliches  Gefühl  ist  Heute  ist  auch  Mozarts  Sterbetag.  Man 
fühlt  sich  wie  verflochten  mit  den  Menschen,  deren  Werke  uns  ein  so  iheures  Ver- 
mächtniss  sind  . . . 

Bei  dem  c-dur  Schlüsse  der  Passionsmusik  musste  ich  schluchzen.  leb  glaube, 
es  griff  ihn  selbst  an.    Ich  begrüsse  sein  religiöses  Gefühl,  wie  eine  zarte  Pflanze . . . 

23.  Nov.  1860. 
Kurt  nennt  Carl  Tausig  einen  eminenten  Künstler,  doch  stellt  er  Rubinstein 
und  Bülow  geistig  unvergleichlich  höher. 

1)  Im  akademischen  Gesangverein  zu  München. 

V.  23.  23 


322 
DIE  MUSIK  V.  23. 


27.  April  1870. 
Cornelius  war  da  und  wollte   Kurt  erzählen,  wie  es  sich   mit  der  Scheidung 
Bülows  von  seiner  Frau  und  deren  Heirat  mit  Wagner  zutrüge.    Kurt  brach  kurz  ab 
und  frug  Cornelius:  Wie  geht  es  Ihrer  Familie?  ...   Gewiss  hat  B&low  unter  allen 
Freunden  keinen  so  zarten  Bekannten  wie  Kurt. 

Sonntag,  d.  10.  Juli  1870. 
Kurt  erhielt  ein   hübsches   Briefchen  von   Holstein  aus   Leipzig  mit  den  ge- 
druckten Musikbriefen  Moritz  Hauptmanns,  in  denen  er  vor  und  nach  Tisch  schwelgte. 
Seine  eigenen  Ansichten  klar  von  Andern  dargelegt  zu  sehen,  thut  fast  physisch  wohl, 
besonders  jetzt  in  dieser  unerquicklichen  WalkQrenzeit. 

Franz  von  Holstein^)  an  Bheinberger 

10.  Juli  1870. 

Kürzlich  war  Liszt  hier,  wir  trafen  ihn  bei  Zapf;  er  war  gehalten,  fein,  liebens- 
würdig und  ohne  die  früher  so  sehr  an  ihm  fühlbare  Pretention.  Sein  Benehmen 
gegen  Damen  hat  jetzt  etwas  «Väterliches*,  und  das  „Ungefährliche"  dieser  Beziehungen 
scheint  auf  das  schöne  Geschlecht  eben  so  fascinirend  zu  wirken  wie  die  früheren 
»gefährlichen*  Eigenschaften,  die  man  ihm  nachrühmte.  Er  spielte  Abends  bei  Riedel 
mit  Jaell  seinen  »Mazeppa*  auf  2  Klavieren.  Es  ist  bewundemswerth,  wie  man  etwas 
Hässliches  so  schön  spielen  kann.  Frau  Merian-Genast  sang  Lieder  von  ihm  mit 
jenem  krankhaft  hysterischen  Anflug,  mit  jener  Hingebung,  welche  diese  Sachen  er- 
fordern. Jeder  Ton  schien  zu  sagen:  „Nimm  mich  hin  wie  ich  bini*  Ihr  Trio  hat, 
wie  ich  höre,  sehr  gefallen,  Ihre  vierhändige  Magus  u.  Kronen-Musik  wird  zur  Sommer- 
übung mit  nach  Karlsbad  genommen  . . . 

(Tagebuch  der  Frau  F.  Bhelnberger): 

15.  Juli,  Freitags.    Kriegserklärung  Frankreichs  an  Preussen. 

17.,  Sonntag.  Zwei  Schüler  Kurts  aus  Sachsen  sind  bereits  einberufen  wegen 
des  Krieges.    Es  ist  keine  gute  Zeit  zum  Arbeiten  jetzt. 

10.  Juli,  Dienstag.  Kurt  hat  nicht  viel  innere  Ruhe.  Wir  waren  viel  im  Freien. 
Abends  spielte  er  wunderschön  seine  melancholischen  4  stimmigen  Lieder  des  Ge- 
dächtnisses. Ein  Exemplar  davon  schenkte  er  Peter  Cornelius,  der  zufällig  auch 
das  Media  vita  komponirt  hatte. 

Samstag,  den  23.  JuH.  Heute  speiste  Johannes  Brahma  bei  uns.  Er 
kam  zum  ersten  Male  in  unser  Haus.  Vor  Tisch  spielte  er  mit  Kurt  seine  ungarischen 
Tänze.  Dann  spielte  ihm  Kurt  aus  der  Partitur  sein  Requiem  vor.  Recht  munter 
waren  wir  bei  Tisch,  und  Brahma  erzählte  manches  Interessante.  Er  findet  Kurt  so 
geistesverwandt  mit  Franz  Schubert.  Ich  glaube,  es  liegt  in  den  plötzlich  sehn- 
süchtigen Zügen,  in  dem  tiefen  Aufathmen,  die  Kurt  fast  in  jeder  Komposition  hat . . . 

27.  Juli.  Kurt  sitzt  Vor-  und  Nachmittags  in  den  Prüfungen.  Seine  Schüler 
haben  sie  vorzüglich  bestanden  und  er  wurde  vielfach  darüber  beglückwünscht  Im 
Dbrigen  interessirt  ihn  natürlich  die  Politik  am  Meisten. 

Lange  Pause.  Sieg  der  Deutschen.  Napoleon  gefangen.  In  Frankreich  Republik. 
Heute  erst  am 

9.  September  (1870)  hat  Kurt  wieder  etwas  komponirt,  nämlich  in  einem  Athem- 
zug  ein  Scherzoso. 


^)  Der  Komponist  der  Oper  «Der  Haideschacht*. 


323 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


11.  September.  In  Leipzig  wurde  HWillensteins  Lager*  in  einem  Volkslsonzerte 
zu  Ehren  der  Verwundeten  aufgeführt.  Es  freute  mich.  Kurt,  durch  die  frische  und 
liebenswürdige  Art  der  Gessngsakademiker  angeregt,  komponirt  sogleich  «Heerbann- 
lied der  Deutschen",  Text  von  Lingg.  Es  wird  eine  heilige  Freude  sein,  diese  Lieder 
von  den  jungen  Leuten  singen  zu  hören,  die  noch  aus  der  Schlacht  zurückkommen. 

13.  Oktober  1870.  Kurt  hat  heute  einen  neuen  Flügel  bekommen.  Einen 
Stutzflügel  von  Blüthner  aus  Leipzig.  Möge  er  lange  und  glücklich  darauf  spielen 
und  schöne  Einfllle  bei  ihm  haben.  Er  triumphirte,  dass  ich  in  die  Meistersinger 
ging  und  er  mittlerweile  zu  Hause  spielen  konnte. 

24.  November,  Donnerstag.  Gestern  Abend  war  Riehl  da,  und  Kurt  spielte 
ihm  zu  dessen  Entzücken  seine  beiden  Hefte  Kindermusik  vor  (Riehl  sagte  zu  Rhein- 
ber^er:  «Die  Komponisten  geben  ihr  Bestes,  wenn  sie  sich  auf  den  Standpunkt  der 
Kinder  stellen*). 

Donnerstag,  den  8.  Dezember  war  die  erste  Orchesterprobe  des  Requiems 
(zum  Gedichtnis  der  im  deutsch-französischen  Kriege  gefallenen  Helden;  erstes  Concert 
des  Oratorienvereins  pro  1870,  71).  Als  die  Probe  beendet  war,  brachen  die  Hof- 
musiker in  lautes  Bravo  aus,  was  für  diese  bequemen  musikverhirteten  Minner 
staunenswerth  ist. 

Reiche  Tage  vom  Sonntag  Morgen  bis  Montag  Abend. 

Sonntag,  den  11.,  Vormittags,  Hauptprobe  des  grossen  Requiems.  Der  Gesammt- 
eindruck  war  überwältigend.  Orchester,  Singer  und  Zuhörer  brachen  nach  dem 
Schlüsse  in  begeistertes  Bravo  aus.  Ich  sah  nichst  den  Noten  nur  auf  Kurt,  der 
ganz  durchgeistigt  und  blass  an  seinem  Dirigentenpulte  stand.  Beim  Benedictus  zuckte 
es  durch  ihn  wie  ein  elektrischer  Strom.  Er  sagte  mir,  es  habe  ihn  plötzlich  gepackt 
Die  Chöre  gingen  vorzüglich.  Alle  Musiker  und  Schriftsteller  waren  im  Saal 
vertreten  . . . 

Sonntag,  den  11.  Dezember  1870.  5.  Vorstellung  der  7  Raben.  Wir  gingen 
zusammen  auf  die  Galerie  noble  und  hatten  unsere  Plitze  neben  Franz  Lachner  und 
Moritz  von  Schwind. 

Erste  Aufführung  des  Requiems.  Es  ging  vorzüglich  und  zündete.  Alle  geistigen 
Notabilitlten  waren  im  Concerte  vertreten:  Riehl,  Karl  Stieler,  Kaulbach,  Heyse, 
Lachner,  Schwind,  Windscbeid  u.  viele  Andere.  Die  Hofmusiker  boten  sich  an,  das 
Werk,  ohne  Honorar  zu  beanspruchen,  zu  wiederholen. 

Das  Jahr  1870  in  Freundeskreis  beschlossen.  Kurt  hat  in  diesem  Jahre  zahl- 
reiche Werke  komponirt  und  sein  Requiem  zur  Aufführung  gebracht.  Durch  sei 
langes  Leiden  (Ausmeisselung  einiger  Knochen  der  Hand  und  Drüsen-Aufschneiden 
durch  den  ,,herrlichen*  Chirurgen  Nussbaum)  also  künstlerisch  nichts  verloren  — 
seelisch  desto  mehr  gewonnen.  Zum  Schlüsse  wurde  er  zum  Inspektor  des  theo 
retischen  Orgel-  und  Klavier- Faches  an  d.  k.  Musikschule  ernannt. 

[Am  24.  Jan.  71  sendet  Martin  Greif  aus  Wien  an  Rheinberger  den  Entwurf  zu 
einer  deutschen  Nationalhymne,  die  Rh.  sogleich  komponirt.)  Darüber  das  Buch]: 
Drei  Hymnen  hat  Kurt  nun  für  verschiedene  Gelegenheiten  gehabt;  die  erste  wurde 
zur  Goethe-Enthüllungsfeier  vom  König  bestellt,  die  zweite  zur  Enthüllung  der  Madonna 
vom  Magistrate  und  von  der  Geistlichkeit  bestellt  und  mit  Grobheit  belohnt  —  und 
diese,  von  Künstlerhand  erregt  —  was  wird  sie  für  Früchte  tragen?  Die  schönsten 
wiren  es,  wenn  das  deutsche  Volk  sie  sänge  . . .  Man  erwartet  täglich  die  Kapitulation 
von  Paris.    Wäre  es  also! 

Schluss  folgt 

23^ 


bOcher 

183.  Max  Buko&er:  Vas  Ist  Tonaniati?    Verlag:  Aaguai  Hlrtcliwald,  B«r)ln. 

AU  Eri^nzunt  zu  seiner  fQr  Larrngologen  und  GcBaoglehrer  gleich  wertrallea 
Schrift  .Zar  Hygiene  dea  Tonansattes*,  die  Ich  i.  Z.  hier  empfohlen  habe,  hat  Dr.  med. 
Max  Balcoher  in  KSnigsberg  t/Pr.  eingehend  die  Frage  .Tai  ist  Tonaasatz?"  behandelt. 
Die  Ergebnisse  dieser  vornehmlich  termlnologlachen  Untcraucbung  hat  er  wieder  in  einer 
mediziniachen  Zeltscbrlft,  dem  Arctalr  f&r  Laryngologie  (17.  Bd.  3.  Heft),  TerOfrenillchi; 
ein  Sonderdruck  macht  sie  auch  dem  Laien  zagiagllch.  Tas  ist  Tonansstz?  Die  Frag« 
kommt  einem  im  Anfange  Tlelleicht  etwas  simpel  und  —  soweit  es  sich  um  die  aprach- 
liche  Umgrenzung  des  Begriffes  handelt  —  kaum  der  Unterauchung  wert  vor.  Ein  wenig 
Nachdenken  und  das  Blltiem  in  der  einachligigen  mnaikalischen  Literatur,  die  in  Ihren 
Haupivertretem  von  Bnkofzer  fibrigens  wSrtlich  zitiert  wird,  zeigen  aber  bald  eine  Wirrais 
von  Aorfasaungen  dieees  Begriffes  auf,  die  die  entschiedenen,  bis  zur  Wurzel  gehenden 
Forschungen  Bukohera  nur  allzusehr  rechtfertigt.  Seine  Meinung,  dass  der  Begriff  durch 
masilose  Erweiterungen  aelner  Pilgnanz  beraubt  sei,  wird  von  den  Tataachen  geatützL 
Tas  alles  unter  .Toaanaaiz''  verstanden  wird,  wie  aehr  die  verachledenen  Mualker  und 
Kritiker,  Gesangiebrer  und  Singer  in  ihren  Analegungen  dea  Begriffes  auaeinand ergehen, 
wieviel  Verwirrung  mit  dieaem  einen  Torte  angerichtet  wird,  Ist  erstaunlich.  Bukober 
kommt  ea  hauptslchllch  auf  eine  Vetatindigung  zwischen  den  Laryngologen  und  den 
Gesanglehrem  (und  Singem)  an;  aus  dieser  Bemühung  iat  die  kleine,  viel  Material  ent- 
hallende Schrift  entatanden.  Indessen  geht  sie  Im  Grunde  Jeden  an,  der  mit  dem  Gesänge 
praktisch  und  theoretisch  zu  tun  hst.  Ohne  hier  auf  die  Einzelheiten  der  Interessanten 
sprachlichen  Untersuchung,  die  leb  vielmehr  dem  persSnIlchen  Studium  empfeble,  ein- 
zugehen, mOchte  ich  an  dieser  Stelle  nur  die  Scblussforderung  Bukofiera  unterstützen 
und  alle,  vornehmlich  such  die  In  die  Telce  und  Breite  wirkenden  Tages kritlker,  zn 
ihrer  Erfüllung  authrdern.  Diese  Forderung  lautet;  den  Begriff  .Tonanaatz*  (=  aitsqne) 
ganz  allein  für  den  Vorgang  an  der  Glottis  im  Momente  der  Tonerzeugung  zu  benfitien, 
hingegen  für  die  Vorginge  luden  Reannanzriumen  die  bereita  elngefühne  und  aehr 
klare  Bezeichnung  aTonanscblag"  (— Emission  du  son)  anzuwenden.  Durch  die  priilse 
Untersctaeidung  dieser  beiden  Begriffe  dfirfte  manche  Unbestimmtheit  In  der  Gesanga- 
terminologle  bald  verachwinden.  Bnkofzer  macbl  einen  wohlbegrQndeten  vemQnfiigea 
Vorschlag;  warum  aoUte  man  ihn  nicht  obne  Elnscbrinkung  annehmen? 

Paul  Ehler« 
1S4.  Elisabeth   Caland:    Die   Auanutiung   der    Kraftquellen    heim    Klavier- 
spiel, pbysiologiscb-snalomlache  Betrachtungen.    Verlag:  Ebnersche  Musi- 
kalien band  lung,  Stuttgart. 
Mit  diesem  Terke,  das  zum  Teil  bereits  im   Sommer  1004  im  .Klavieriebrer* 
publiziert  wurde  und  achon  damals  das  bScbsie  fachliche  Intereaae  wacbrief,  dfirfte  der 
Ring  der  planlaiiacben    Forschung   geschlossen   sein;   denn   ea   iat   der   bekannten  Ver- 
haaerio  der  .Deppeachen  Lebrsitze*  auf  empiriscbem  Tege  geglückt,  der  Natur  ein  neues 
Gesetz  abzugewinnen  und  in  exakter  Velae  lu  begrfinden.    Die  Paysloiogle  nahm  bisher 


325 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


den  Standpunkt  ein,  dass  die  musknllren  Funktionen  des  Armes  mit  den  Bewegungen 
des  Schultergelenks  im  grossen  ganzen  abschlössen.  E.  Caland  hat  jedoch  nachgewiesen, 
dass  wir  bei  der  Armhebung  flhig  sind,  das  Schulterblatt  abwirts  zu  ziehen,  und  so  die- 
jenige Kraftquelle  zu  erschliessen,  die  vermöge  ihrer  Stirke  und  Ergiebigkeit  (M.  latissi- 
mus  dorsi)  für  das  Klavierspiel  der  Zukunft  von  wesentlicher  und  entscheidender  Be- 
deutung werden  kann.  Diese  Schulterblattsenkung,  die  »eine  ganz  ungewöhnliche  Herr- 
schaft Ober  die  Koordination  der  titigen  Muskelgruppen  erfordert*,  ist,  wie  R.  du  Bois 
Reymond  ausdrQcklich  bestitigt,  »der  Form  und  dem  Grade  nach  für  den  Physiologen 
neu  und  überraschend".  Der  Wert  dieser  Bewegung  ist  praktisch  der,  dass  wir  erstens 
in  den  Besitz  der  stärksten  Muskelquelle  gelangen,  zweitens  den  vollkommensten  Zu- 
sammenschluss  aller  beteiligten  Muskelgruppen  erreichen  und  infolgedessen  schliesslich 
drittens  jene  Einheit  bewusster  Bewegungen  ermöglichen,  die  als  höchster  und  letzter 
Zweck  des  Kunstspiels  überhaupt  zu  gelten  hat;  denn  »es  kommt  nicht  darauf  an,  stets 
die  ganze  Kraft,  welche  die  Muskeln  hergeben  können,  zur  Entfaltung  zu  bringen,  sondern 
vielmehr  auf  die  richtige  Art  ihrer  Vermittlung  der  auszuführenden  Bewegungen."  Das 
der  Kern  der  für  die  künftige  Technik  massgebenden  Schrift  I  Der  weitere  Vorzug  der- 
selben liegt  in  der  höchst  einfachen  und  klaren  Darstellung  der  anatomischen  Grund- 
lagen, sowie  in  der  praktischen  Erliuterung  der  hauptsichlichen  Muskelfunktionen,  d.  h. 
in  der  angewandten  Muskelphysiologie.  Der  moderne  Klavierpldagoge  hat  damit  endlich 
das,  was  ihm  bislang  fehlte:  einen  ausgezeichneten  und  sicheren  Führer  durch  das 
immerhin  schwierige  und  den  meisten  noch  fremde  Gebiet  aller  auf  das  Klavierspiel 
bezüglichen  physiologischen  Probleme.  Es  ist  nunmehr  Sache  der  pädagogischen  Ver- 
binde und  leitenden  Kreise  (Akademieen  und  Institute),  vor  allem  aber  Sache  des  Staates, 
auf  dieser  gewonnenen  Grundlage  aufzubauen  und  ein  einheitliches  System  zu  schaffen, 
das  dem  lemiischen  Methodenungeheuer  endgültig  den  Garaus  macht,  indem  es  unter 
Anlehnung  an  die  Natur  die  Gesetze  und  Ergebnisse  der  modernen  physiologischen 
Forschung  ins  Praktische  übertrigt  und  sie  jedem  Lehrer,  der  als  Bildner  doch  auch  in 
diesen  Dingen  ein  objektives  Wissen  sein  eigen  nennen  muss,  zur  unabweislichen 
Pflicht  macht.  Was  E.  Caland  schliesslich  über  .Pro-  und  Supination"  (cf.  das  vorzüg- 
liche photographische  Material  der  Adduktions-  und  Abduktionsstellung  [Röntgenbilder]), 
über  die  .aktive  Fixation",  »isolierte  Kontraktion",  sowie  über  den  »freien  Fall"  und  die 
Bedeutung  der  Innendrehung  der  Hand  (Pronation)  sagt,  darf  als  wichtige  positive  Er- 
ginzung  der  genialen  »Deppeschen  Lehre"  gelten.  Das  Buch,  dessen  Tafeln  und  Bilder- 
beilagen ebenso  vorzüglich  wie  interessant,  sollte  demnach  als  physiologischer  »Leitfaden" 
jedem  Pidagogen  von  Bildung  und  Geschmack  zur  Hand  sein.      R.  M.  Breithaupt 

MUSIKALIEN 

185.  DenkmAler  deutscher  Tonkunst:   Erste  Folge.     10.  Bd.    Arien   von   Adam 

Krieger.  Herausgegeben  von  Alfred  Heuss.    Verlag:  Breitkopf  &  Hirtel, 

Leipzig  1905. 

Kriegers  Name  ist  heute  nicht  vielen  mehr  bekannt;  die  Musikschrifrsteller  sprechen 

über  ihn  im  wesentlichen  nur  auf  Grund  dessen,  was  Becker  seinerzeit  in  der  »Neuen 

Zeitschrift  für  Musik"  veröffentlichte.    Neues  biographisches  Material  haben  Fürstenau  u.  a. 

beigebracht;  ihnen  reiht  sich  jetzt  Heuss  an,  dem  es  gelungen  ist,  einige  weitere  Quellen 

zu  erschliessen.     Krieger  ist    1634   in   Driesen  geboren,   war  Schüler   des   Hallenser 

Scheidt  und  lebte  etwa  von  1650  ab  in  Leipzig,  wo  er  neben  der  Musik  auch  humanistische 

Studien   an   der  Universitit  getrieben  zu  haben  scheint.    Mit  hervorragenden  Musikern 

wie  Rosenmüller  hat  er  sicherlich  in  Verkehr  gestanden;  auch  mag  er  ein  Kollegium 


326 
DIE  MUSIK  V.  23. 


musicum  geleitet  haben.  1655  wurde  er  Organist  an  der  Nikolai-Kirche.  Spiter  siedelte 
Krieger  nach  Dresden  Ober;  um  die  Nachfolge  des  1657  gestorbenen  Thomaskantors 
Tob.  Michael  bemfihte  er  sich  von  dort  aus  vergeblich,  trotzdem  der  Kurfürst  und  seine 
Gemahlin  sich  für  ihn  beim  Rate  der  Stadt  verwandten.  Nicht  viel  spiter  ist  Krieger 
wohl  Nachfolger  Klemms  als  Hoforganist  in  Dresden  geworden.  Dass  er  mit  H.  Schütz 
in  Verbindung  gestanden,  ist  anzunehmen,  aber  nicht  zu  beweisen.  Er  starb  am  30.  Juni  1666. 
Kirchenkompositionen  von  ihm  sind  ausser  einem  kleinen  Reste  nicht  auf  uns  ge- 
kommen; einen  Teil  der  V Arien"  hat  er  selbst  herausgegeben.  Freunde  sammelten  seine 
in  weiten  Kreisen  bekannten  Lieder,  deren  manches  seine  Entstehung  in  studentischen 
Kreisen  gefunden  zu  haben  scheint,  und  gaben  sie  in  Druck.  Diese  Sorglosigkeit  Kriegers 
in  bezug  auf  Bekanntgabe  seiner  Schöpfungen  mag  wenigstens  zum  Teil  darin  begründet 
liegen,  dass  er  allem  Anscheine  nach  eine  überaus  heitere  und  gesellige  Natur  war,  die 
die  Gegenwart,  guten  Wein  und  schöne  Frauen  liebte  und  der  Zukunft  nicht  sonderlich 
achtete.  Viele  seiner  Liederdichtungen  (er  war  ein  über  den  Durchschnitt  hervorragender 
Dichter)  scheinen  Erlebtes  widerzuspiegeln.  In  seiner  Einleitung  zu  den  Arien  Kriegers 
hat  Heuss  dessen  Stellung  in  der  Geschichte  des  deutschen  Liedes  vortrefflich  angegeben; 
Krieger  steht  mitten  in  der  Bewegung,  die  dem  Liede  Einflüsse  des  Volksliedes  in  bezug 
auf  Symmetriegesetze,  Einflüsse  der  Tanzmusik  in  bezug  auf  prignante  Rhythmik  und  Ver- 
wendung kurzer  Motive  zuführte.  Er  hat  diese  Gesetze  musikalischen  Gestaltens  in 
künstlerisch  fein  empfundener  Weise  verwendet,  ist  Trivialitäten  aus  dem  Wege  gegangen 
und  hat  so  seine  geschlossenen  Liedformen  mit  ursprünglichem  Inhalte  zu  füllen  ver- 
standen, dass  man  die  Arien  noch  heute  gern  hören  wird.  Die  Liedform  ist  für  Krieger 
so  bezeichnend,  dass  er  sie  auch  grösseren,  ihrer  Natur  nach  darüber  hinausgreifenden 
Schöpfungen  zugrunde  legte.  Seine  starke  Empflndungskraft  Hess  ihn  aber  nicht  in 
formalistischer  Engherzigkeit  aufgehen;  wo  es  die  Natur  seiner  den  Kompositionen  unter- 
legten Dichtungen  verlangt,  durchbricht  er  die  Gesetze  strenger  Symmetrie  und  weiss 
überaus  wirkungsvolle  Steigerungen  zu  erzielen.  Die  Sammlung  bietet  Liebeslieder, 
Trinklieder  u.  a.  m.  Es  steckt  eine  Fülle  von  Stimmung  in  den  Gesängen ;  hervorragend 
sind  einige  humoristische  Lieder.  Alles  in  allem  ist  Krieger  als  Musiker  eine  durchaus 
originale  Erscheinung,  die  wert  ist,  dass  man  ihr  eine  gebührende  Aufmerksamkeit  er- 
zeigt. Prof.  Dr.  Wilibald  Nagel 

186.  Emil  Sjögren:   Senat  (A-dur)   för  Piano,   op.  44.    Verlag:    Musikaliska  Konst- 

förningen,  Stockholm. 
Für  Haus  und  Unterricht  wird  diese  nicht  zu  schwer  geschriebene  Sonate  als  an- 
genehme Bereicherung  der  Klavierliteratur  gelten  können.  Sie  bewegt  sich  auf  mittlerer 
Linie,  von  Seichtheit  wie  Tiefe  gleich  fem,  ist  mit  gutem  Können  klavieristisch  gearbeitet 
und  weist,  zwar  nicht  in  der  Form,  aber  in  der  Erfindung  neben  Gewohntem,  landläufig 
Glattem  doch  manchen  Zug  eigenartigeren  Charakters  auf,  der,  wenn  er  auch  keine 
markante  Physiognomie  an  dem  Tonsetzer  selbst  erkennen  lässt,  doch  Liebhaber  nörd- 
licher Kunst  erfreuen  wird.  Nur  Anfang  und  Schluss  des  Adagios  sind  in  der  Erfindung 
etwas  wohlfeil. 

187.  Leopold  Wallner:  Sonate  Romantique.    Verlag:  Schott  frdres,  Brüssel. 

Die  auf  den  Stimmungswert  dieser  Sonate  zielende  Bezeichnung  »romantisch*  kann 
als  Freibrief  für  ihren  geringen  musikalischen  Gehalt  nicht  genügen.  Es  stehen  da  auf 
26  Seiten  Folgen  von  Tönen  und  Akkorden  in  solchen  verschwimmenden  Farben  und 
weichlichen,  blassen  Konturen  —  abgesehen  von  den  allzu  häufigen  chromatischen 
Wagnerismen  — ,  dass  irgendwelche  rechte  Freude  daran  nicht  aufkommen  kann.  Die 
Sonate  erweckt  auch  trotz  der  offenbaren  auf  Form  gerichteten  Absicht  doch  nicht  den 
Eindruck  organischen  Wachstumes,  befriedigender  baulicher  Meisterung.    Ohne  erfindungs- 


327 

BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


kriftigere,  einigermassen  originelle  Gedanken  und  eine  klavierteclinisch  wenigstens 
interessante  Verarbeitung  werden  solche  Niederschriften  von  eigentlich  nur  Aneinander- 
stückelungen  wenig  charakteristischer  EinfiUe,  so  gut  sie  gemeint  sein  mögen,  eben 
niemals  den  Anspruch  auf  ernstere  Beachtung  erheben  können.  Die  seinerzeit  be- 
sprochenen —  ebenfalls  «romantischen'*  I  —  Oboestfickchen  aus  derselben  Feder  waren 
da  eine  weit  bessere  Talentprobe  und  scheinen  für  den  Umfang  dieser  Begabung  Richt- 
linien zu  enthalten. 

188.  Henryk  Melcer:   I.  Concerto  pour  Piano  et  Orchestre.    Verlag:   Ludwig  Dob- 

linger,  Wien. 
Klavierkonzerte  sind  oft  hauptsichlich  Aufstapelungen  der  individuellen  technischen 
Fertigkeiten  ihrer  Schöpfer,  die  sich  ja  auf  unendlich  verschiedene  Gebiete  der  Spiel- 
weise dieses  Instrumentes  erstrecken  können.  Nur  selten  —  und  das  sind  dann  eben 
die  hiuflger  gespielten,  von  den  Meisterwerken  nicht  erst  zu  reden  —  ist  ihr  Inhaltswert 
und  ihre  Formensprache  von  besonderer  Bedeutung.  Dies  muss  auch  von  dem  vor- 
liegenden, in  c-moll  stehenden  Konzerte  gesagt  werden.  Soviel  aus  der  Bearbeitung  für 
zwei  Klaviere  zu  ersehen  ist,  kann  der  Verfasser  flüssig  und  wirkungsvoll  schreiben. 
Die  Ansprüche  auf  technisches  Reproduktionsvermögen,  besonders  höchste  GelSuflgkeit, 
Übereinandergreifen  der  Hände  u.  a.  m.  sind  nicht  gering.  Aber  es  dürfte  wahrschein- 
lich sein,  dass  Inhalt  und  Form  verwöhnten,  um  nicht  zu  sagen  höchsten,  Ansprüchen 
nicht  genügen  werden.  Das  in  keinem  Falle  unvornehme  Stück  enthält  ja  manches 
Hübsche,  so  im  gesangsvollen  Adagiosatze.  Der  pathetisch  gehaltene  erste  Satz  über- 
trifft auch,  relativ  gesprochen,  den  scherzoartigen  Schlussteil  an  gedanklichem  Werte. 
Das  Gesamtbild  ist  aber  doch  vorwiegend  das  eines  mehr  »ad  usum  proprium**  ge- 
schriebenen, über  den  anständigen  Durchschnitt  nur  wenig  emporragenden  Werkes. 

189.  Franz  Mikorey:  Klavierkonzert  in  A-dur  mit  Orchester.    Verlag:  C.  F.  Kahnt 

Nachf.,  Leipzig. 
In  diesem  Werke  werden  Pfade  gewandelt,  die  diejenigen  des  im  vorgehenden 
besprochenen  an  aristokratischem  Wesen  um  ein  Erkennbares  übertreffen.  Es  ist  dies 
ganz  offenbar  kein  für  in  erster  Linie  virtuose  Zwecke  geschriebenes  Werk,  sondern  Solo- 
instrument und  Orchester  —  auch  in  diesem  Falle  liegt  mir  nur  die  Bearbeitung  für  2  Klaviere 
vor  —  treten  hier  mehr  in  den  Dienst  eines  Höheren,  Obergeordneten,  des  Kunstwerkes 
an  sich.  Die  formale  Technik  ist  sicher  und  im  allgemeinen  gut  gerundet.  Mit  Aus- 
nahme des  etwas  gewaltsam  anmutenden  Dberganges  vom  Largo  zum  Schlussteile  gibt 
es  da  nirgends  eine  Lücke,  eine  allzu  bequeme  oder  eine  harte  Fortführung  der  Linie, 
und  das  bedeutet  schon  etwas.  Auch  die  Behandlung  des  nicht  leichten  Klavierparts 
und  seine  Ergänzung  und  Durchsetzung  mit  dem  Orchester  zeugen  von  sicherem  Können. 
Meines  Empfindens  hätte  sich  aus  dem  auch  in  den  Nebengedanken  recht  glücklich  er- 
fundenen Material  des  ersten  Satzes  wohl  noch  mehr  herausholen  lassen,  das  Haupt- 
thema dominiert  ein  wenig  zu  sehr.  Das  Largo  mit  der  beachtenswert  hier  angebrachten 
Kadenz  und  der  Schlussteil  enthalten  ebenfalls  nicht  übles  Material.  Das  Hauptthema 
des  letzteren  ist  deutlich  erkennbar  vom  Geiste  des  Hauptthemas  des  Eröffnungssatzes 
beeinflusst,  was  zur  Einheitlichkeit  des  Werkes  mit  beiträgt.  Stören  könnten  den  oder 
jenen,  der  da  besonders  anspruchsvoll  ist,  die  chromatischen  Folgen  alterierter  Akkorde 
auf  S.  61.  Wer  gedenkt  da  nicht  der  Walküre?  Der  vorherrschende  Eindruck  dieses 
dem  Herzog  von  Anhalt  gewidmeten  Konzertes  ist  jedenfalls  ein  guter,  und  mancher 
wird  Interessantes  und  Dankbares  in  dem  ernst  angelegten  Werke  finden. 

190.  Karl  Kftmpf:  Zwei  Melodieenfür  Streichorchester,  op.  26.  ~  Hiawatha,  Suite 

für  grosses  Orchester,  op.  27.  —  Verlag:  Otto  Jonasson-Eckermann  &  Co., 
Berlin. 


328 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Die  Melodieen  sind  anspruchslose  Stücklein,  durch  keine  Besonderheit  susgezeichnet 
Die  Suite  ist  durch  Stimmungen  aus  dem  bekannten  Longfellowschen  Epos  aogeregit. 
Ein  starkes  Talent  hätte  wohl  beträchtlich  mehr  daraus  gemacht.  Beispielsweise  ent- 
halten die  den  Teilen  «Minnehaha'  und  j^Chibiabos*  vorangestellten  Verse  auch  noch 
anderes,  als  die  Musik  zu  schildern  sucht.  Sie  malt  nur  mit  einer  Farbe,  dort  finden 
sich  aber  deren  mehr.  Ein  abrundender  fünfter  Teil  hätte  dem  Werke  gewiss  wohlgetan. 
So,  wie  es  angeordnet  ist,  versickert  es.  Die  Erfindung  —  einmal,  im  ersten  Satze, 
läuft  das  Nibelungenschicksalsmotiv  mit  unter  —  und  ganze  Art  der  Tonstücke  deutet 
auf  ein  mittleres  Können  und  Wollen.  Innerhalb  seiner  engeren  Grenzen  ist  es  nicht 
unliebenswürdig.  Die  Instrumentation  ist  im  allgemeinen  sicher,  sie  bewegt  sich  in 
üblichen  Bahnen.  Einige  unnötige  Härten  —  auch  kleine  Druckfehler  —  finden  sich 
hier  und  da.  Für  leichtere  Unterhaltungskonzerte  wäre  die  Suite  nicht  übel  zu  ver- 
wenden, das  Opus  26  auch  für  Dilettantenorchester.  Alfred  Schattmann 

191.  Corn^lie   van   Oosterzee:    Chansons   sentimentales,     op.  5i.   —   Zwei 

Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung,  op.  59.  Verlag: 
A.  A.  Noske,  Middelburg. 
Die  bekannte  holländische  Komponistin  bat  bereits  durch  eine  grosse  Anzahl  meist 
in  dem  graziös  lyrischen  Genre  sich  bewegenden  Kompositionen  instrumentaler  und 
vokaler  Natur  ihr  schönes  Talent  bewiesen.  Ihre  als  op.  54  erschienenen  »Chansons 
sentimentales*  machen  davon  keine  Ausnahme.  Es  sind  fein  rhythmisierte  melodische 
Liedchen,  die  Sängerinnen  mit  guter  französischer  Aussprache  eine  willkommene  Ab« 
wechslung  im  Liederprogramm  bieten.  Weniger  kann  ich  mich  mit  op.  59,  No.  1  ,Lenz- 
entzücken"  befreunden.  Es  ist  ein  wohl  schwungvoll  gemeintes  Lied,  das  aber  durch 
eine  verzogene  Rhythmik  im  Flusse  stockt,  ferner  durch  eine  geringwertige  Behandlung 
der  Dichtung  diese  keineswegs  erschöpft,  op.  59  No.  2  ist  in  vieler  Beziehung  darin 
besser  geraten,  wenn  ich  auch  manche  auf  Kosten  der  melodischen  Phrase  gemachte 
Silbendehnung  nicht  gerade  für  geschmackvoll  halten  kann. 

192.  Arnold  Nielsen:  Kaerlighed.  SiebenGesänge.  Zwei  Hefte,  op.3.  Nordischer 

Musikverlag,  Kopenhagen. 
Eine  eigenartig  sprunghafte  Komponistennatur  tritt  uns  in  diesen  Liebesliedem 
entgegen.  Keiner  der  sieben  Gesänge  vermag  vollständig  zu  befriedigen.  Hohles  Pathos, 
trockene  Melodik,  musikalische  Ungeschicklichkeiten  wechseln  mit  Momenten  tiefer 
Empfindung,  starken,  fast  dramatischen  Ausdrucks  und  interessanter  Harmonik.  Ein  ab- 
schliessendes Urteil  über  die  vorliegenden  beiden  Hefte  zu  nUen,  ist  insofern  schwierig, 
als  es  auf  alle  Fälle  ein  schiefes  Bild  von  dem  Talent  Nielsens  geben  würde,  auf  dessen 
Weiterentwicklung  man  gespannt  sein  darf.   Mir  scheint  die  Herausgabe  des  op.  3  verfrüht. 

193.  Karel  Mestdagh:   Lieder  und  Gesänge  für  eine  Singstimme  mit  Begleitung 

des  Pianoforte.    Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Lieder  von  glatter,  sauberer  Arbeit  —  nichts  weiter.    Ihre  Drucklegung  war  ebenso- 
wenig eine  zwingende  Notwendigkeit,  als  ihr  Verbleib  in  dem  Manuskriptenschubfach 
ihres  Schöpfers  ein  Verlust  für  die  Literatur  gewesen  wäre. 

194.  Rudolf  Horwitz:  Sechs  Lieder  für  eine  Singstimme  mit  Begleitung  des  Piano- 

forte. op.  1.  Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Auch  dieser  Komponist  versteht  seinen  Gesängen  eine  glatte,  für  ein  op.  1  fiast  allzu 
glatte  Faktur  zu  geben.  Seine  Erfindung  ist  nicht  gerade  bedeutend,  doch  gegenüber  der 
des  Holländers  Mestdagh  eigenartiger  und  tiefer.  Ihm  ist  der  poetische  Stoif  nicht  nur 
das  Mittel  zum  Zweck,  ein  hübsch  abgerundetes  Lied  zu  schreiben,  er  sucht  verschiedent- 
lich, wenn  auch  noch  nicht  überzeugend,  die  Dichtung  musikalisch  charakterisierend  aus- 
zudeuten. Adolf  Göttmann 


SCHWEIZERISCHE  MUSIKZEITUNG  (Zürich)  1906,  No.  15-19.  -  Hermann 
Schollenberger:  »AndreaB  Späth.**  Ein  Verschollener.  Zum  Gedichtnis  seines 
dreissigiihrigen  Todestages:  26.  April  1876.  Splth  wurde  1792  im  coburgischen 
Dorfe  Rossach  geboren  und  bewies  schon  in  früher  Jugend  grosses  musikalisches 
Talent,  das  ihn  zur  Komposition  von  Kantaten,  Motetten  und  Chören  befihigte. 
Er  wirkte  11  Jahre  lang  als  Organist  und  Kapellmeister  in  Morges  am  Genfersee, 
folgte  1833  einem  ehrenvollen  Rufe  nach  Neuchfttel  als  Musikdirektor  und  Ge- 
sangslehrer am  dortigen  College.  Im  Jahre  1841  wurde  er  als  Konzertmeister  an 
der  Herzogl.  S.  Coburg-Gotha'schen  Hofkapelle  nach  Coburg  berufen.  Durch 
seine  Freundschaft  mit  Leonhard  Widmer,  dem  schweizerischen  Volksdichter, 
wurde  der  Volksgesang  wieder  mit  bedeutendem  Erfolge  gepflegt.  Auf  dem  Ge- 
biete der  Kirchenmusik,  vor  allem  aber  als  Opemkomponist  hat  Späth  Hervor- 
ragendes geleistet.  Den  Gipfelpunkt  seines  künstlerischen  Schaffens  erreichte  er 
mit  der  Oper  «Omar  und  Suitana.*  Seine  Opemkompositionen  bewegen  sich  alle 
nach  der  romantischen  Seite  hin,  speziell  in  romantisch-komischer  Richtung;  die 
Libretti  hat  sämtlich  Widmer  geschrieben.  —  G.  Bundi  behandelt  ,Liszt*s  Tell- 
kapelle"  und  beklagt,  dass  dieses  Werk,  «in  dem  ein  Meister  die  Herrlichkeit 
unserer  Heimat  besungen  hat,"  nur  so  wenigen  bekannt  sei.  Friedrich  Klose  hat 
das  Werk  für  Orchester  bearbeitet. 

FINSK  MUSIKREVY  (Helsingfors)  1906,  No.  6-12.  —  K.  Fl  od  in  widmet  »Martin 
Wegelius*  einen  warmen  Nachruf  und  würdigt  eingehend  seine  grossen  Verdienste 
um  die  Musik  in  Finland.  —  Ander  Cserna  beschäftigt  sich  in  einer  Skizze  mit 
dem  künstlerischen  Schaffen  »Carl  Geldmarkts.*  —  Die  Hefte  enthalten  femer: 
Otto  Andersson:  »Inhemska  musiks  träfvanden  i  äldre  tider"  (Fortsättning)  — 
Herbert  Spencer:  «Musikens  härkomst  och  upp  gift"  (Slut).  —  E.  Nervander: 
»Finska  teatems  grundläggare  Kaarlo  Bergbom.*  —  Otto  Andersson:  »S&ngen  i 
skolan.*  —  Heinrich  Pudor:  »Till  kammarmusikens  historia.*  —  Knud  Härder: 
^Musiklif  i  Kdpenhamn." 

ZEITSCHRIFT  DER  INTERNATIONALEN  MUSIKGESELLSCHAFT  (Leipzig) 
1906,  Heft  9  u.  10.  —  Adolf  Koczirz:  »Bemerkungen  zur  Gitarristik*.  Verfasser 
gibt  einen  kurzen  Dberblick  über  die  historische  Entwicklung  des  Gitarrespiels  und 
seine  Verbreitung  in  Deutschland.  —  Donald  Prancis  Tovey:  »The  vitality  of 
artistic  counterpoint".  —  H.  Leichtentritt  beklagt  in  einem  Artikel  »Aufführungen 
älterer  Musik  in  Berlin",  wie  wenig  zielbewusst  die  Pflege  älterer  Musik  gehandhabt 
werde.  —  J.  G.  Prod'homme:  »Pierre  Corneille  et  rOp6ra  fran^ais".  —  Herbert 
Antcliffe:  .Whistler  and  modern  Music*.  —  Heinrich  Hammer:  .Das  42.  Ton- 
künstlerfest des  Allgemeinen  Deutschen  Musik-Vereins". 

DAS  DEUTSCHE  VOLKSLIED  (Wien)  1906,  No.  6  u.  7.  -  »Das  Volkslied  in 
Österreich*,  ein  Aufruf  zur  Sammlung  und  Aufzeichnung  aller  Volksdichtung  und 
Volksmusik,  zwecks  Herausgabe  der  gesamten  Volksdichtung  und  Volksmusik  der 
einzelnen  Völker  und  Stämme  Österreichs  seitens  des  Unterrichtsministeriums.  — 


330 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Franz  Scheirl:  »Der  Phonograph  im  Dienste  des  Volksliedes*.  —  »Hirtenlieder 
zur  Zeit  der  Geburt  Christi*,  wie  sie  in  Ebensee  heute  noch  gesungen  werden. 

DAS  HARMONIUM  (Leipzig)  1906,  No.5-7.  -  Hans  Freimark:  »Hausmusik  vor 
300  Jahren*.  —  »Das  Harmonium  auf  der  Berliner  Musik-Fachausstellung  1906.* 

CORRESPONDENZBLATT  DES  EVANGELISCHEN  KIRCHENGESANG- 
VEREINS FÜR  DEUTSCHLAND,  1900,  No.8.  —  Chr.  Drömann:  »Was  kann 
von  Seiten  des  Kantors  (Gesanglehrers)  und  Organisten  geschehen  zur  Hebung 
unseres  kirchlichen  Gemeindegesanges?* 

MUSIKALISCHES  WOCHENBLATT  (Leipzig)  1906,  No.  24—32.  —  Franz  Du- 
bitzky:  »Wie  erhalten  wir  ein  lichteres  Notenbild?*  (Fortsetzungen).  —  Erich 
Kloss:  «Bayreuth  1906*.  —  Eduard  Reuss:  «Die  Nacht  der  Liebe  in  »Tristan 
und  Isolde^*. 

SIGNALE  FÜR  DIE  MUSIKALISCHE  WELT  (Leipzig)  1906,  No.  38-46.  — 
Siegmund  von  Hausegger:  j^Gedanken  zur  Besetzung  klassischer  Orchesterwerke*. 
—  ylnstrumentierungskunst  und  Partiturspiel*  mit  F.  Pr.  unterzeichnet.  —  Otto 
Neitzel:  ^Das  42.  Tonkünstlerfest  des  Allgemeinen  Deutschen  Musikvereins  in 
Essen*.  —  Charles  Karlyle  bespricht  „die  Saison  in  Covent  Garden*,  und  widmet 
»Manuel  Garcia*  einen  warmen  Nachruf.  —  Karl  Thiessen:  „Alte  Klaviermusik 
im  Hause*. 

NEUE  MUSIKALISCHE  PRESSE  (Wien)  1906,  No.  14  u.  15.  -  Emil  Sutro:  „Das 
Doppelwesen  des  Denkens  und  der  Sprache*.  —  Eduard  Reuss:  „Die  sechste 
Symphonie  von  Gustav  Mahler  und  ihre  erste  Auffuhrung*.  —  Fritz  Lange:  „Der 
Bruder  Joseph  Haydns".  —  Victor  Lederer:  „Flamin,  der  letzte  Davidsbündler*. 

RHEINISCH-WESTFÄLISCHE  SÄNGER-ZEITUNG  (Iserlohn)  1906,  No.  5.  — 
Max  Arend:  „Der  Kölner  Männer-Gesang- Verein  in  Leipzig*.  —  Ludwig  Riemann: 
„Das  Volkslied  im  niederrheinischen  Industriegebiet*. 

MUSIKALISCHE  RUNDSCHAU  (München)  1906,  No.  12  u.  13:  Hermann  Ritter: 
„Das  Virtuosentum  in  der  Musik*.  —  P.  S.  Alexejew:  „Mozarts  Flötencompo- 
sitionen*.  —  Paul  Stauber:  „Die  Wiener  Volksoper*.  —  Franz  Griflinger: 
«42.  Tonkünstlerfest  in  Essen*. 

NEUE  MUSIK-ZEITUNG  (Stuttgart)  1906,  No.  20.  —  Siegmund  Benedict:  „Das 
Geheimnis  von  Bayreuth*.  —  Erich  Kloss:  »Drei  Jahrzehnte  Bayreuther  Fest- 
spiele*. —  Hans  vonWolzogen:  „Alt-  und  Neu-Bayreuth*.  —  C.  Fr.  Glasenapp: 
„Bayreuth  im  Jahre  1875*. 

MONATSSCHRIFT  FÜR  SCHULGESANG  (Essen  a/R.)  1906,  Heft  3  u.  4.  - 
Dr.  Küffner:  „Zur  Lage  des  Gesangunterrichts  in  Bayern*.  —  Arthur  Liebscher: 
„Hausmusik  für  die  Volksschule*.  —  E.  Prinz:  „Geistige  Beherrschung  der  Ton- 
vorstellungen*. 

NEUE  FREIE  PRESSE  (Wien)  1906,  15.  Juli.  —  A.  Streit:  „Das  MQnchener  Fest- 
spielhaus*. 

BRESLAUER  ZEITUNG  1906,  28.  Juni.  —  Cyriak  Fischer:  „Ein  Meister  der  Geige*; 
zu  Josef  Joachims  75.  Geburtstage. 

PRAGER  TAGBLATT  1006,  15.,  24.  u.  29.  Juli.  —  Richard  Batka:  „Richard  Wagner 
in  Teplitz*.  —  „Dreissig  Jahre  Bayreuth*.  —  Rudolph  Prochiszka:  „Charakter- 
bilder aus  dem  älteren  Musik-Prag:  Hans  Seeling,  der  Komponist  der  ,Schilflieder' 
und  ,Lorcley**. 

Wegen   Rtummangels   musste   diesmal    von   einer  eingelienderen   Behandlung   der   aufgefQhrten    Artikel    Abstand 

genommen  werden. 


NEUE  OPERN 

Alexandre  Georges:  »Kleopatra'',  nach  einem  Textbuch  von  Jean  Richepin. 
Vincent  d'Indy:  »Phaedra  und  Hippolyt**,  Buch  von  Jules  Bois,  soll  an  der 

Komischen  Oper  in  Paris  zur  Erstaufführung  gelangen. 
M.  de  Lunghi:   „Rftf^Ael^   eine   dreiaktige   Oper,   wurde   im   Teatro   Feiice   in 

Sinigaglia  zum  ersten  Male  aufgeführt. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Berlin:  Das  Theater  des  Westens  kfindigt  folgende  Novitäten  an:  Eugen 
d'Albert  («Tiefland*),  Gustav  Kulenkampff  (»Anne-Marei*),  Claude 
Terrasse  («Der  Kongress  von  Sevilla*;  »Der  Herr  von  Vergy*),  Josef  Man as 
(«Unser  Theodor*),  Bertrand  Sänger  («Bonbonnidre*),  Franz  L6har  (»Der 
Göttergatte*). 

Lortzing-Theater.  Aus  dem  Spielplan  der  ersten  Saison  sind  an 
Neuerwerbungen  von  Opern  und  Operetten  zu  nennen:  «Die  Arlesierin*  von 
Bizet,  „Zwei  Witwen*  von  Smetana,  «Der  König  der  Berge*  von  Schu- 
macher und  Schön  au,  «Der  verlorene  Sohn*  von  Wormser.  Als  Neu- 
einstudierungen werden  «Doktor  und  Apotheker*  von  Dittersdorf,  «Die 
Grossherzogin  von  Gerolstein*  von  Offenbach,  «Das  Spitzentuch  der 
Königin*  von  Strauss  in  Szene  gehen,  denen  sich  Aufführungen  von 
«Zauberflöte*,  «Freischütz*,  «Undine*,  «Zar  und  Zimmermann*  u.  a.  an- 
reihen. 

Brüssel:  Das  Monnaie-Theater  wird  in  der  kommenden  Spielzeit  Strauss' 
«Salome*  zur  Aufführung  bringen. 

KONZERTE 

Berlin:  Die  Programme  für  das  zweite  Konzert  (26.  Oktober)  und  die  Kammer- 
musik-Matinee (28.  Oktober)  des  Händel  festes  sind  nun  auch  festgestellt 
worden.  Das  zweite  Konzert  unter  Leitung  von  Joseph  Joachim  bringt 
das  Orgelkonzert  in  g-moU,  Arien  aus  der  Oper  «Rinaldo*  und  aus  dem 
«Herakles*,  die  Ouvertüre  zur  Oper  «Agrippina",  das  Concerto  grosso  in 
h-moll  und  zum  Schluss  die  Cäcilien-Ode.  Solistisch  sind  an  der  Ausführung 
des  Programms  Emilie  Herzog,  Pauline  de  Haan-Manifarges  und 
Felix  Senius  beteiligt  In  der  Matinee  am  28.  Oktober  gelangen  Sonaten 
für  zwei  Oboen,  für  Gambe,  für  Violine,  eine  Sonate  für  Flöte,  Violine  und 
Cembalo,  Kammerduette  für  Sopran  und  Alt  und  für  Sopran  und  Bass  und 
einige  Klavierstücke  zur  Aufführung,  an  der  u.  a.  die  Damen  Herzog, 
de  Haan-Manifarges,  Marie  Bender,  Joseph  Joachim,.  Robert  Haus- 
mann, Johannes  Messchaert,  Paul  Prill  beteiligt  sein  werden. 

Essen:  Die  Musikalische  Gesellschaft  plant  für  \9Qd  ein  mehrtägiges  Bach - 
fest  unter  Mitwirkung  des  Leipziger  Thomanerchors,  Bachvereins  und 
Gewandhausorchesters. 


332 
DIE  MUSIK  V.  23. 


TAGESCHRONIK 

Der  XIX.  deutsche  evangelische  Kirchengesangyereinsttgy  der, 
wie  bereits  mitgeteilt,  unter  dem  Vorsitz  des  Oberkonsistoritlrtts  D.  Flöring- 
Darmstadt  in  Schleswig  stattfinden  soll,  wird  nach  neueren  Bestimmungen  vom 
2.  bis  4.  September  abgehalten  werden,  da  der  frfiher  angekündigte  Termin  (18.  und 
19.  September)  aus  örtlichen  Gründen  nicht  beibehalten  werden  konnte. 

Preisausschreiben  für  Musiker.  Ein  französisches  Konsortium,  be- 
stehend aus  der  Pariser  Musikverlagsanstalt  A.  Astruc  et  Cie.,  dem  französischen 
Grossindustriellen  Henri  Deutsch  de  la  Meurthe  und  dem  Fürsten  Albert  von 
Monaco,  hat  die  Ausschreibung  eines  internationalen  Concours  Gdnöral  de  Musique 
angekündigt.  Nach  den  Bedingungen  (zu  haben  bei  der  Soci6t6  Musicale,  Paris, 
32  Rue  Louis  le  Grand)  bestehen  folgende  Abteilungen  und  Preise:  1.  Oper  oder 
lyrisches  Drama  (30000  fr.),  2.  Komische  Opbr  (12000  fr.),  3.  Ballet  oder  Ballet* 
Pantomime  (8000  fr.),  4.  Trio  für  Klavier,  Violine  und  Cello  (3000  fr.),  5.  Sonate  für 
Klavier  und  Violine  (2000  fr.).  Die  dramatischen  Kompositionen,  die  den  ersten 
Preis  der  Jury  erhalten,  werden  im  Theater  in  Monaco  (Direktor:  Raoul  Günzbnrg) 
oder  auf  einer  grösseren  Pariser  Bühne  zur  Darstellung  gebracht  Die  Text- 
bücher zu  den  dramatischen  Kompositionen  können  vom  Komponisten  selbst  oder 
von  einem  anderen  Autor  geschrieben  sein.  Vorschriften  über  Anzahl  der  Akte 
und  Szenen  werden  nicht  gemacht;  nur  muss  die  Aufführungszeit  eine  normale 
sein.  Das  Ballet  muss  so  sein,  dass  es  den  künstlerischen  und  choreographischen 
Anforderungen  einer  grossen  Bühne  entspricht,  und  das  Trio  wie  die  Sonate  müssen 
den  Charakter  von  Kammermusikwerken  tragen.  Die  Frist  läuft  am  31.  Okt.  1006 
ab.  Der  Jury  gehören  u.  a.  Saint-SaSns,  Jules  Massenet,  Pedro  Gailhard  (Direktor 
der  Grossen  Oper),  Albert  Carr6  (Direktor  der  Op6ra  comique),  Victor  Capoul, 
Vincent  d'Indy,  Charles  Lecocq,  Andr6  Wormser,  Chevillard,  Taffanel,  Catulle  Mendfta 
und  Raoul  Günzburg  an. 

Es  wird  unsere  Leser  interessieren,  zu  erfahren,  dass  auf  der  diesjährigen 
«Musik-Fachausstellung*  in  Berlin  der  Zeitschrift  »Die  Musik*  für  hervorragende 
Leistungen  Diplom  und  Ausstellungsmedaille  zuerkannt  worden  sind. 

Ein  Denkmal  Chopin's  in  Paris.  Der  an  Denkmälern  so  reiche  Park 
Monceau  wird  ein  neues  Monument  erhalten.  Es  ist  das  Denkmal  Chopin's,  dsa 
der  Künstler  Jacques  Froment-Meurice  ausgeführt  hat,  und  besteht  in  einem  herr- 
lichen Marmorstein,  dessen  weisser  Glanz  aus  dem  Grün  der  Gebüsche  reich 
hervorglänzt  und  aus  einem  von  Geissblatt  und  Efeu  umrankten  Relief,  das  den 
Tondichter  am  Klavier,  von  der  Muse  zu  seinen  unsterblichen  Melodieen  begeistert, 
darstellt. 

Eine  Rundreise  durch  den  Westen  der  Vereinigten  Staaten,  nach  Kanada, 
Kolorado,  Kalifornien,  Texas  usw.  unternimmt  in  der  kommenden  Saison  das 
Chicagoer  Symphonie-Orchester  unter  Leitung  von  Alexander  von  Fielitz. 

Das  Lamoureux-Orchester  aus  Paris  (Dirigent:  Camille  Chevillard) 
wird  im  Oktober  eine  Rundreise  durch  Deutschland  unternehmen.  Nach  einigen 
Konzerten  in  Nord-Frankreich  wird  es  sich  in  Köln,  Hamburg,  Hannover,  Berlin, 
Leipzig,  Dresden,  Frankfurt  a.  M.,  Mannheim,  Stuttgart,  Strassburg  i.  E.  hören  lassen, 
um  dann,  die  Hauptstädte  der  Schweiz  zu  besuchen. 

Die  Philharmonische  Gesellschaft  in  New  York  verpflichtete  W.  J.  Safonoff 
auf  drei  Jahre  als  ständigen  Leiter  ihrer  philharmonischen  Konzerte. 

Friedrich  Klose  wurde  als  Lehrer  für  Kontrapunkt  und  Kompositionslehre 
an  die  Akademie  der  Tonkunst  in  München  berufen. 


333 

UMSCHAU 


Kapellmeister  Paul  Ottentaeimer  vom  Nfirnberger  Stadttbeater  wurde  alt 
Nachfolger  von  Leo  Blech  zum  ersten  Kapellmeister  am  Landestheater  in  Prag 
gewihlt. 

Kapellmeister  Karl  Gille  vom  Hamburger  Stadttheater  ist  f&r  das  Kaiser- 
Jubiläums-Theater  in  Wien  verpflichtet  worden. 

Organist  Gustav  Beckmann  in  Essen  erhielt  den  Titel  Kgl.  Musikdirektor. 

Herzog  Friedrich  II.  von  Anhalt  verlieh  an  seinem  50.  Geburtstage  dem 
Hofkapellmeister  Franz  Mikorey  sowie  dem  Musikdirektor  Franz  Preitz  (Zerbst) 
den  Orden  ffir  Kunst  und  Wissenschaft  Gleichzeitig  wurde  der  Tenorist  Oskar 
Feuge  von  der  Dessauer  Hofoper  zum  Kammersänger  ernannt. 

TOTENSCHAU 

Am  28.  Juli  f  in  Lemberg  der  Direktor  der  Philharmonie  Leopold  Litydski. 

Am  29.  Juli  f  Alexandre  Luigini,  Kapellmeister  an  der  Komischen  Oper 
in  Paris.  Die  musikalische  Welt  Frankreichs  verliert  in  ihm  ihren  besten  Kapell- 
meister,  man  kann  sagen  den  einzigen  tfichtigen  Kapellmeister,  der  seit  Jahren 
an  der  Spitze  eines  Opern-Institutes  gestanden  hat.  Luigini  war,  wie  jedes  Jahr, 
während  der  Opemferien  nach  Mont-Dore  gegangen,  als  eine  akute  Erkrankung 
der  Leber  sich  bei  ihm  einstellte,  der  er  nach  kurzer  Zeit  erlegen  ist.  In  seiner 
Wohnung,  32  Boulevard  Haussmann  in  Paris,  wo  vor  ihm  lange  sein  Direktor 
Albert  Carr6  gewohnt  hat,  ist  er  dahingegangen,  betrauert  von  der  musikalischen 
Welt  Frankreichs  und  seinen  zahlreichen  Freunden  und  Verehrern.  —  Luigini 
wurde  am  9.  März  1850  in  Lyon  geboren  als  Spross  einer  Musikerfamilie  aus 
Modena.  Er  besuchte  das  Konservatorium  in  Paris  und  erhielt  in  der  Violinklasse 
von  Dancia  im  Jahre  1809  einen  zweiten  Preis.  Im  Jahre  1870  zu  den  Waflfbn 
gerufen,  machte  er  den  Krieg  in  der  Rhöne-Armee  mit.  Im  Jahre  1872  wurde  er 
Konzertmeister  der  Grossen  Oper  in  Lyon  unter  der  Leitung  seines  Vaters,  um 
im  Jahre  1877  die  Orchesterleitung  selbst  zu  übernehmen.  Als  1807  Albert 
Can6  Direktor  der  Komischen  Oper  in  Paris  wurde,  war  eine  seiner  ersten  Taten, 
Luigini  zu  sich  nach  Paris  zu  berufen.  Nur  kurze  Zeit  stand  er  der  Komischen 
Oper  fem,  während  er  die  Opern-Saison  der  Gebruder  Isola  in  der  Gait6  diri- 
gierte. Seit  1004,  nach  dem  Abgang  Andr6  Messager's,  fungierte  Luigini  als  Kapell- 
meister der  Komischen  Oper  und  brachte  fast  alle  Neuheiten  und  Neueinstudie- 
rungen wie:  „Louise*  von  Charpentier,  „Pelleas  und  Melisande*  von  Debussy, 
„Titania*  von  Georges  Hue,  .Alceste*,  »Iphigenie*  und  »Orpheus*  von  Gluck, 
»Muguette*  von  Missa,  ,,Les  p6cheurs  de  St.  Jean"  von  Widor,  »La  Cabrera*  von 
Gabriel  Dupont,  »Helena'  von  Saint-SaSns,  »Miarka*  von  Alexander  Georges  und 
»Aphrodite*  von  Camille  Erlanger  mit  durchschlagendem  Erfolg  heraus.  Sehr  verehrt 
von  seinen  Musikern  und  Sängern  bewahrte  er  doch  immer  seine  Autorität.  Man  er- 
kannte in  ihm  den  bedeutenden  zielbewussten  Meister,  aber  auch  den  wohlwollenden 
Freund,  der  für  jeden  ein  liebenswürdiges  Wort  stets  bereit  hatte.  Von  seinen 
Kompositionen  gehören  sein  Ballet  6gyptien  und  La  voix  des  cloches  zu  dem 
eisernen  Bestand  aller  französischen  Orchester.  Sein  Verschwinden  bedeutet 
einen  unersetzlichen  Verlust  ffir  die  Komische  Oper.  Max  Rikoff 

Am  29.  Juli  f  in  Darmstadt,  70  Jahre  alt,  der  Hofmusikmeister  Karl  Anton. 

Am  1.  August  f  in  Berlin  im  Alter  von  45  Jahren  der  Pianist  Felix  Drey- 
schock,  ein  vortrefflicher  Klavierspieler  und  ausgezeichneter  Pädagoge. 

Der  ehemalige  langjährige  Bassist  des  Prager  Deutechen  Landestheaters, 
Josef  Eichberger,  f  am  2.  August  in  Wien. 


OPER 

GOTHA:  In  seiner  Tätigkeit  als  Operndirigent  sind  Alfred  Lorenz  ziemlich  enge 
Grenzen  gesteckt,  da  die  Leitung  unserer  Bühne  mit  nur  beschränkten  Mitteln  zu 
rechnen  hat.  Immerhin  konnte  er  mit  Hilfe  auswärtiger  Kräfte  (Andreas  Moers,  Paula 
Do  enges)  eine  Reihe  Wagnerscher  Werke  in  anerkennenswerter  Weise  zur  Aufführung 
bringen  (Walküre,  Tannhäuser,  Tristan,  Fliegender  Holländer  —  letzteren  nach  Bayreuther 
Muster  ohne  Pause).  Der  Vollständigkeit  wegen  sei  erwähnt  die  Erstaufführung  der 
Oper  „La  Biondlnetta*  von  Spiro  Samara,  die  im  Stile  der  Jungitaliener  manche 
sch5ne  musikalische  Momente  und  dramatische  Effekte  aufweist,  ohne  doch  nachhaltig 
wirken  und  fesseln  zu  können.  O.  Weigel 

RIO  GRANDE  DO  SUL:  Elend  steht  es  um  die  italienischen  Opemtruppen,  die  hier 
alljährlich  auftauchen.  Ein  kümmerliches  Orchester,  unmögliche  Dekorationen,  hohe 
Preise,  schlechte  Kräfte  sind  stereotyp;  trotzdem  lässt  man  sich  bei  der  sonstigen  musi- 
kalischen Dürre  immer  wieder  verleiten,  die  Vorstellungen  zu  besuchen.  Ich  hörte  mir 
Cavalleria  und  Bajazzi  an;  doch  dieses  Abends  Qual  war  so  gross,  dass  ich  auf  weitere 
Genüsse  gern  verzichtete.  Übrigens  gibt  es  alljährlich  dasselbe  Menü,  obgleich  als  Lock- 
vögel immer  einige  neue  Opern  verheissen  werden.  Fr.  Köhling 

KONZERT 

BOSTON:  Die  verflossene  Musiksaison  war  nicht  besonders  interessant.  Es  sah  aus, 
als  ob  Wilhelm  Gericke,  der  uns  mit  Schluss  derselben  verliess,  gleichgültig  ge- 
worden wäre.  Die  Programme  waren  eintönig  und  die  neuen  Werke  recht  selten.  Eine 
Neuerung,  die  Unikum  in  der  Geschichte  des  Boston-Symphonie-Orchesters  ist,  war  das 
Engagement  Vincent  d'Indy's  für  die  Leitung  eines  der  regelmässigen  Konzerte.  Es 
war  kein  Erfolg:  d'Indy  ist  der  geborene  Nichtdirigent.  Seine  Art  ist  geradezu  ein- 
schläfernd. Ein  weniger  gutes  Orchester  hätte  zweifellos  umgeworfen.  Dazu  brachte  er 
seine  zweite  Symphonie  (in  B-dur),  die  uns  in  der  vorigen  Saison  schon  auf  die  Folter 
gespannt  hatte.  Erfreulicher  waren  seine  Istar -Variationen  und  seine  Bergsymphonie 
(op.  25)  mit  Piano.  Das  grosse  Ereignis  der  Saison  war  Mahlers  Fünfte  Symphonie 
(cis-moll).  Für  mich  war  sie  die  erfreulichste  Bekanntschaft,  die  ich  seit  Jahren  gemacht 
habe.  Wie  da  alles  singt  und  leuchtet  und  blüht!  Das  ist  Schubert  redivivus.  Es  war 
das  erstemal,  dass  ein  Mahlersches  Werk  in  Boston  gespielt  wurde,  und  die  Aufführung 
war  über  alles  Lob  erhaben.  Die  Solotrompete  (Herr  Kloepfel)  und  das  Solohorn 
(Max  Hess)  waren  wundervolL  Die  Symphonie  musste  auf  Verlangen  im  nächsten 
Konzert  wiederholt  werden.  Die  anderen  Nova  waren:  Chausson's  Symphonie  in  B-dur 
(op.  20),  ein  ernstes,  schönes  Werk,  und  eine  saftlose  c-moll  Symphonie  von  Webber, 
einem  Amerikaner.  Dann  Boehe's  .Odysseus'  Ausfahrt  und  Schiffbruch*,  Dvofäk's 
ipWaldtaube*  und  Glazounoff's  „Kremlin*,  ein  fürchterliches  Spektakelstück.  Von 
Ouvertüren  waren  neu:  Busoni:  Lustspiel  -  Ouvertüre  op.  38,  Smetana:  Libussa, 
Schillings:  Pfeifertag  (III.  Akt),  Elgar:  In  the  South  und  Harcourt:  Tasso.  Von 
Konzerten  waren  neu:  Jaques-Dalcroze:  c-moll  Violinkonzert  (Henri  Marteau), 
Sinding:  A-dur  Violinkonzert  (Felix  Winternitz)  und  Strube's  fls-moU  Violinkonzert 
(Tim  Adamowski).    Dieses  letzte  Konzert  —  es  verdiente  eher  den  Namen  einer  Suite 


335 

KRITIK:  KONZBRT 


—  ist  das  Werk  eines  ernsten  und  hochbegabten  Musikers,  der  seine  eigenen  Wege 
wandelt  und  Grosses  zu  sagen  hat.  Das  Konzert  ist  schwierig,  aber  dankbar  und  sollte 
die  weiteste  Verbreitung  finden.  —  Im  übrigen  hörten  wir  nur  die  alte  Leier.  Für  eine 
Saison,  die  24  Konzerte  umfasst,  wahrlich  ein  trostloses  Resultat.  Solisten  waren  ausser 
den  oben  erwihnten  Geigern:  Willy  Hess,  der  Beethovens  Violinkonzert  unvergleichlich 
schön  spielte,  Jacques  Hoffmann  mit  Goldmarks  a-moll  Konzert  op.  28,  Hugo  Heer* 
mann  mit  Brahms'  op.  77  und  Marie  Hall  mit  Mendelssohns  e-moll  Konzert.  Besondere 
Erwähnung  verdient  Adolf  Bak,  der  Vieuxtemps'  einsitziges  a-moll  Konzert  in  herrlichster 
Vollendung  spielte.  Es  ist  unverstindlich,  dass  dieser  junge  Geiger  nicht  versucht,  sich  den 
internationalen  Namen  zu  machen,  den  er  verdient.  Er  könnte  in  seiner  Sphire  —  der 
klassischen  Violinliteratur  —  das  Höchste  leisten.  Ich  denke,  man  tut  gut,  sich  den 
Namen  zu  merken.  Von  Cellisten  hörten  wir  Elsa  Ru egger  (Saint -  Saöns'  a-moll- 
Konzert)  und  Heinrich  Warnke  (DvoHk's  h-moll  Konzert).  Von  Pianisten:  Reisenauer 
(Webers  Konzertstück  f-moU),  Waldemar  Luetschg  (Liszt:  a-moll),  Rudolph  Ganz(Li8zt 
Es-dur),  Emest  Hutcheson  (Rubinsteins  viertes  Konzert  d-moll),  Harold  Bauer  (Schu- 
manns a-moll  Konzert),  Adele  aus  der  Che  (Beethovens  fünftes  Konzert)  und  Olga 
Samaroff  (Griegs  a-moll  Konzert),  eine  neue  Erscheinung  im  Konzertsaal,  deren  Spiel 
in  jeder  Beziehung  geradezu  verblüffend  an  das  Clotilde  Kleebergs  erinnert.  Von  den 
Vokalsolisten  erwähne  ich  nur  Frau  Gadski  und  Louise  Homer.  Neben  vielen  der 
hier  genannten  Solisten  gaben  eigene  Konzerte:  Raoul  Pugno  und  Marcella  Sem  brich, 
die  mit  ihrer  nie  versagenden  Kunst  die  riesige  Symphoniehalle  bis  auf  den  letzten 
Platz  füllte.  Unsere  Kammermusikvereinigungen  haben  auch  in  dieser  Saison  Vor- 
zügliches geleistet,  allen  voran  wieder  die  Kn eiseis;  mit  Harold  Bauer  spielten  sie 
Schuberts  B-dur  Trio  und  mit  Rudolf  Ganz  Cbausson's  Klavierquartett  A-dur;  ferner 
hatten  sie  eine  interessante  Konzertetfide  von  Sinigaglia.  Ihre  herrlichste  Leistung  aber 
war  Beethovens  op.  127.  Das  Hess-Quartett  machte  sich  dadurch  verdient,  dass  es 
Regers  Trio  für  Flöte  (Andr6  Macquarre),  Violine  und  Viola,  die  erste  Regersche 
Komposition,  die  wir  hier  in  Boston  zu  hören  bekamen,  aufführte.  Ein  neues  Quartett 
von  Taneieff  in  b-moll  und  Glazounoff' s  Novelletten  für  Streichquartett  waren  andre  will- 
kommene Neuigkeiten.  Das  Hoffmannquartett  brachte  das  selten  gehörte  Homquintett 
in  Es-dur  von  Mozart  und  das  zweite  Klaviertrio  (op.  73)  von  Arensky  heraus.  —  Dass 
Carl  Muck  die  nächste  Konzertsaison  hier  dirigiert,  ist  schon  bekannt. 

Dr.  Georg  S.  Schwarz 

BROMBERG:  Die  hiesige  Orchestervereinigung  brachte  unter  der  wechselnden 
Leitung  von  Bils,  Nolte,  Schattschneider  u.  a.  die  sechs  ersten  Symphonieen 
von  Beethoven.  Femer  machte  uns  Arthur  Bils  in  dankenswerter  Weise  mit  einer  Sym- 
phonie von  Lassen  bekannt,  temperamentvoller,  wohlklingender,  gesunder  Musik.  An 
Neuheiten  gab  es  ausserdem  .Wanderers  Sturmlied*  und  .Tod  und  Verklärung*  von 
R.  Strauss,  sowie  «Feuerreiter*  von  H.  Wolf,  in  gelungener,  teilweise  trefPlicher  Wieder- 
gabe durch  die  Singakademie  unter  Schattschneider.  Neue  Erscheinungen  waren:  die 
Kammermusikvereinigung  des  Konservatoriums,  die  in  mehreren  erfolgreichen 
Konzerten  u.  a.  Bach,  Haydn,  Beethoven,  Schumann,  Brahms,  Tschaikowsky,  Saint-SaSns 
spielte;  ferner  der  Pianist  Willi  Wellmann  (Beethoven,  Chopin,  Brahms  u.a.).  In  ver- 
schiedenen Mozartfeiem  wurden  die  c-moll  Messe  (Singakademie,  Schattschneider),  die 
Symphonieen  Es-dur  und  C-dur,  die  bekanntesten  Ouvertüren  und  die  Klavierkonzerte 
D-dur  und  d-moll  (Willi  Wellmann)  zu  Gehör  gebracht.  Der  Männergesang  fand  eine 
sehr  würdige  Pflege  durch  die  «Eintracht*  unter  Stein.  Letzterer  steuerte  auch  mit 
einigen  sehr  ernst  zu  nehmenden  Chorwerken  eigener  Komposition  bei.  Sehr  Erfreuliches 
bot  auch  der  Schleusenauer  Gesangverein  mit  Beethovens  »Chorphantasie*,  Gades 


336 
DIB  MUSIK  V.  23. 


jyFruhlingslied"  u.  a.  unter  Löwenstern.  Von  auswirtigen  Künstlern  besuchte  ans 
Hermann  Brause  (Lieder-  und  Balladenabend),  die  vHolllnder'y  die  uns  mit  Tscbai- 
kowsky's  a-moll  Trio  bekannt  machten,  Eweyk  und  Gisella  Gross,  Ondricek,  der 
etwas  enttäuschte,  mit  Sergei  von  Bortkiewicz,  der  auf  allen  Gebietea  der  Technik 
zu  Hause  ist,  jedoch  mit  seinem  Spiel  kalt  Hess,  Wanda  von  Trzaska,  die  durch  ihre 
Bravour  grossen  Eindruck  machte.  Endlich  ein  anregender  Vortragsabend  von  Dr.  Otto 
Neitzel.  Die  Höbepunkte  der  Saison  waren  für  uns  das  Schumann -Trio,  dessen  at>- 
geklärte  Höhenkunst  ich  mit  unvergleichlich  bezeichnen  möchte,  und  Fr6d6ric  Lamond, 
dessen  wunderbares  Beethovenspiel  zur  Andacht  zwang.  W.  Well  mann 

CINCINNATI:  Das  17.  Maifest  der  Stadt  Cincinnati  fand  in  den  Anfangstagen 
des  Monats  Mai  (vom  1.— 5.)  statt  und  verdient  aus  verschiedenen  Gründen  be- 
sondere Beachtung.  Abgesehen  davon,  dass  das  alle  zwei  Jahre  abgehaltene  Fest  un- 
streitig die  bedeutendste  Rolle  in  der  Geschichte  grossangelegter  Musikfeste  in  den  Ver- 
einigten Staaten  bildet,  brachte  man  gerade  der  diesjährigen  Veranstaltung  ganz  besonderes 
Interesse  entgegen,  zumal  die  künstlerische  Leitung  Frank  van  der  Stucken,  dem 
bewährten  Leiter  der  hiesigen  Symphoniekonzerte,  fibertragen  war.  Der  Gründer  und 
ständige  Leiter  der  Maifeste,  Theodor  Thomas,  ist  im  Januar  des  Jahres  1005  aus  dem 
Leben  geschieden.  Nach  reiflicher  Überlegung  gelangte  man  zu  der  Oberzeugung,  dass 
der  Dirigent  des  hiesigen  Symphonieorchesters  wobl  die  geeignetste  Persönlichkeit  sei, 
das  schwierige  Amt  des  Nachfolgers  zu  übernehmen,  zumal  er  als  Cbordirigent  zu  den 
Besten  unsrer  Zeit  gerecbnet  werden  muss;  zudem  war  die  Aufgabe  eines  einheitlichen 
Wirkens  zwischen  dem  Chor  wie  dem  Orchester  am  leichtesten  zu  lösen,  wenn  man  die 
Oberleitung  des  Ganzen  sowie  die  Spezial Vorbereitung  der  beiden  konzertierenden  Haupt- 
faktoren derselben  bewährten  Kraft  anvertraute.  Dass  man  sich  bei  dieser  Berechnung 
nicht  getäuscht  hatte,  bewies  der  Erfolg.  Van  der  Stücken  organisierte  einen  neuen  Chor, 
zu  dem  er  die  besten  Sänger  der  Stadt  heranzog  und  mit  dem  er  unermüdlich  probte. 
Das  Endresultat  war  ein  glänzendes.  Bedenkt  man,  dass  derselbe  Künstler  auch  die 
20  regulären  Symphoniekonzerte  nebst  den  dazugehörigen  Proben  leitete,  femer  noch 
verschiedene  Orchesterarrangements  für  das  Fest  vorbereitete  und  ausserdem  einen 
lOOOstimmigen  Kinderchor  heranbildete,  so  muss  man  die  ausserordentliche  Arbeitskraft 
des  Mannes  rückhaltslos  bewundern.  Der  erste  Abend  des  Festes  war  pietätvollerweise 
dem  Andenken  des  unvergesslichen  Theodor  Thomas  geweiht.  Bachs  herrliche  Kantate 
jyGottes  Zeit  die  beste  Zeit*  in  stilvoller,  feingearbeiteter  Orchestrierung  des  Festdirigenten 
eröffnete  das  Konzert.  Der  gemischte  Cbor,  die  Solisten,  der  Knabenchor  und  das 
Orchester  leisteten  Vorzügliches;  dasselbe  lässt  sich  über  das  Deutsche  Requiem  von 
Brahma  aagen.  Frau  Gadski  sang  zwischen  den  beiden  Weiken  die  Scblusszene  aus 
der  „Götterdämmerung*  und  riss  durch  ihren  wundervollen  Vortrag  die  gewaltige  Zu- 
hörerschar zu  enthusiastischem  Beifall  hin,  der  natürlich  auch  dem  aus  100  Mann  be- 
stehenden Festorchester  und  dem  Dirigenten  galt.  Es  war  das  Ganze  eine  würdige  Feier 
des  Andenkens  an  denjenigen  Künstler,  der  den  Amerikanern  als  Apostel  der  himm- 
lischen Tonkunst  erschien  und  das  Evangelium  der  überirdischen  Schönheiten  der  Musik 
während  seines  ganzen  Lebens  predigte;  das  herrliche  Theodor  Thomassche  Symphonie- 
orchester von  Chicago  sowie  die  glanzvollen  Matmusikfeste  von  Cincinnati  bilden  das 
kostbarste  Vermächtnis  von  Theodor  Thomas,  der  mit  Fug  und  Recht  zu  den  hervor- 
ragendsten Deutschamerikanern  gerechnet  wird.  Galt  das  erste  Konzert  dem  Andenken 
eines  grossen  Toten,  so  gestaltete  sich  der  folgende  Abend  zu  einer  Ehrung  für  einen 
lebenden  Meister:  Sir  Edward  Elgar  war  auf  Einladung  des  Direktoriums  herüber- 
gekommen, um  sein  Oratorium:  i,Die  Apostel"  persönlich  zu  leiten.  Das  Werk  er- 
zeugte vermöge  seines  tiefen  Inhaltes  eine  ernste,  weihevolle,  religiöse  Stimmung  und 


337 
KRITIK:  KONZERT 


*  *  - 


fibte  auf  das  Publikum  eine  mächtige  Wirkung  aus.  Es  ist  dem  Künstler  gelungen,  den 
richtigen  Ausdruck  zu  finden  far  seine  Ideen  in  Anlehnung  an  R.  Wagners  Darstellungs- 
weise; wahrhaft  überwältigend  wirken  die  beiden  ersten  Teile  des  Werkes,  ferner  die 
berühmte  Bibelstelle:  «Du  bist  Petrus"  sowie  der  geradezu  wunderbare  Schlusschor  mit 
seinem  gewaltigen,  architektonisch  an  die  himmelanstrebende  Gotik  erinnernden  Aufbau. 
Das  Oratorium  erscheint  im  Glänze  berückend  schöner  Orchestration.  Die  Solisten: 
Corinne  Rider-Kelsey  (Sopran),  Janet  Spencer  (Alt),  John  Coates  (Tenor),  Franggeon 
Davis  (Bariton)  sowie  Gh.  Clark  (Bariton)  erledigten  sich  ihrer  Aufgabe  mit  Geschick, 
der  Chor  war  seiner  Aufgabe  vollständig  gewachsen.  In  den  beiden  Matineen,  die  am 
Donnerstag  und  Samstag  mittag  stattfanden, '  war  den  Solisten  und  dem  Orchester  Ge- 
legenheit geboten,  sich  auszuzeichnen.  Besonderen  Anklang  fanden  Herr  Clark  mit 
dem  Vortrag  der  Heiling-Arie:  j,An  jenem  Tag*,  sowie  Herbert  Witherspoon  mit  der 
Wiedergabe  der  Weberschen  Arie  aus  der  Euryanthe:  „Wo  borg*  ich  mich".  Das  Orchester 
erntete  reichen  Beifall  mit  Beethovens  „Leonoren-Ouvertüre",  Schumanns  «B-dur  Sym- 
phonie", »La  mort  de  Tintagiles",  dem  dramatischen  Tongemälde  von  Loeffler,  dem  Vor- 
spiel und  Liebestod  aus  Wagners  „Tristan  und  Isolde",  der  letzten  Tschaikowsky- 
Symphonie,  der  Liebesszene  aus  R.  Strauss'  „Feuersnot"  und  dem  Vorspiel  aus  den 
„Meistersingern".  Zwei  Kompositionen  von  Elgar:  eine  brillante  Konzertouvertüre  „Im 
Süden"  op.  50,  sowie  „Introduktion"  und  „Allegro"  op.  47  für  Streichorchester  vervoll- 
ständigten das  Orchesterprogramm.  Eine  weitere  Glanznummer  bildete  Frau  Gadski's 
Wiedergabe:  „Dich,  teure  Halle"  aus  Wagners  Tannhäuser.  Besondere  Anziehungskraft 
übte  das  Abendkonzert  am  Donnerstag  aus  durch  einen  Kinderchor  von  1000  Stimmen; 
die  Knabenstimmen  zeichneten  sich  besonders  aus  durch  ihre  wohltuende  Frische  und 
die  Sicherheit  der  Einsätze.  Sämtliche  Kinder  sangen  die  Benoitsche  Kantate:  „In  die 
Welt  hinein"  auswendig  und  begeisterten  die  Zuhörer  zu  jubelndem  Beifall.  Auch  Frank 
van  der  Stuckens  brillantes  Tongemälde:  „Pax  triumphans",  in  dem  die  Kinder  den 
Schlusschoral  sangen,  wurde  enthusiastisch  aufgenommen.  Das  letzte  Konzert  bot  einen 
starken  Kontrast  durch  die  Zusammenstellung  der  beiden  Werke:  „Der  Traum  des 
Gerontius"  von  Elgar  sowie  Beethovens  Neunter  Symphonie.  Der  Chor  sang  vorzüg- 
lich trotz  der  Anstrengung  der  vorausgehenden  Konzerte,  während  das  Orchester  Er- 
müdung zeigte.  Elgar  dirigierte  seine  eigne  Komposition,  die  in  bezug  auf  musikalische 
Erfindung  den  Aposteln  ziemlich  nachsteht.  Mit  der  Aufführung  der  Neunten  Symphonie 
gelangte  das  Fest  zum  Abschluss.  Das  Ganze  war  ein  grosser  Erfolg,  dank  der  unermüd- 
lichen Energie  und  der  umsichtigen  Leitung  van  der  Stuckens  sowie  der  reichen  finan- 
ziellen Unterstützung,  die  die  einfiussreichsten  Kreise  dem  Musikfest  in  vollem  Masse 
gewährten.  Es  schliesst  sich  also  das  17.  Maifest  seinen  Vorgängern  würdig  an.  Es  sei 
noch  bemerkt,  dass  binnen  kurzem  eine  schöne  Statue  des  ersten  Festdirigenten:  Theodor 
Thomas  in  der  Musikhalle  aufgestellt  wird,  um  die  Besucher  der  Halle  stets  an  die 
Bedeutung  des  grossen  Kapellmeisters  zu  erinnern.  Dr.  N.  J.  Elsenheim  er 

GOTHA:  Der  verdienstvolle  Leiter  unserer  Hofoper,  Hofkapellmeister  Alfred  Lorenz, 
hat  in  unser  Musikleben,  das  bereits  begann,  in  seinen  Leistungen  unter  das  Mittel- 
mass zu  sinken,  einen  frischen,  freieren  Ton  gebracht.  Von  seinen  Aufführungen  im 
hiesigen  Musikverein  sind  besonders  erwähnenswert  „Das  verlorene  Paradies"  von 
Bossi  und  das  „Weihnachtsoratorium"  von  Bach,  „Taillefer"  von  Richard  Strauss  und 
die  zweite  Symphonie  von  Mahler.  Die  Solistenabende  zeichneten  sich  durch  einen  be- 
sonderen Charakter  aus,  so  der  Lisztabend  mit  Johanna  Dietz  und  Vianna  da  Motta 
und  der  Mozartabend  (Requiem,  Jupitersymphonie,  Eva  Lessmann).  An  bedeutenderen 
Künstlern  waren  im  übrigen  herangezogen:  das  Meininger  Trio  (Berger,  Mühlfeld, 
Piening),  Tilly  Koenen,  Susanne  Dessoir  und  Fritz  Kreisler.    Als  Komponist  konnte 

V.  23.  24 


338 
DIE  MUSIK  V.  23. 


Lorenz  sich  dem  Publikum  mit  einem  Klavierquartett  vorstellen,  das  die  Künstiei^ 
Vereinigung  von  Bassewitz-Natterer-Schlemfiller  an  einem  Kammermusikabend 
vorführte.  Es  fand  viel  Beifall;  es  ist  recht  originell,  aber  nicht  einfsch  in  der  Durch- 
fuhrung. O.  Weigel 
JENA:  Die  Schwierigkeiten,  die  wir  vor  Jahresfrist  mit  einem  würdigen  musikalischen 
Programm  zur  Schillerfeier  hatten,  gaben  den  Anstoss  zu  einer  Bewegung  fOr  die 
Verbesserung  unserer  Orchesterverhältnisse.  Die  unternommenen  Schritte  hatten  den 
Erfolg,  dass  die  Subvention  der  Stadtkapelle  von  1600  auf  2500  Mk.  erhöht  wurde.  Mehr 
war  zurzeit  nicht  möglich.  Jena  gehört  eben  zu  den  Mittelstidten,  die  trotz  des  dringenden 
Bedürfnisses  nicht  in  der  Lage  sind,  ein  "eigenes  leistungsnhiges  Orchester  halten  zu 
können.  Wir  waren  also  auch  in  der  verflossenen  Saison  auf  auswirtige  Kapellen  an- 
gewiesen oder  mussten  unsere  Stadtkapelle  durch  Weimarer  oder  Rudolstldter  Hofmusiker 
ergänzen.  Von  den  akademischen  Konzerten  waren  deshalb  die  Hälfte  wieder  Solisten- 
abende. Den  ersten  bestritt  das  Berliner  Vokalquartett  mit  Artur  Schnabel  am 
Klavier.  Etwas  mehr  Abwechslung  im  Repertoire  wäre  bei  wiederholtem  Auftreten  dem 
Quartett  zu  wünschen.  Mit  Vergnügen  hörten  wir  Lula  Mysz-Gmeiner  wieder,  die 
von  Eduard  Behm  begleitet  wurde.  Ihr  Programm  würde  ergänzt  durch  den  hiesigen 
Violoncellisten  Hugo  Fischer.  Zu  grossem  Dank  sind  wir  der  Konzertkommission  für 
die  Veranstaltung  des  höchst  interessanten  Reger- Abends  verpflichtet,  an  dem  sich 
freilich  die  Geister  schieden.  2*/«  Stunden  Regersche  Musik  waren  aber  auch  für  starke 
Nerven  eine  Anstrengung  bei  aller  Feinheit  der  Vortragskunst  Wie  anderwärts,  wurde 
Max  Reger  unterstützt  von  Henri  Marteau,  OttiHey  und  Richard  Buhl  ig.  Das  erste 
Orchesterkonzert  gaben  die  Meininger  unter  Wilhelm  Berger.  Leider  war  ihr  Pro- 
gramm viel  zu  lang.  Bei  dem  am  29.  Januar  als  Mozartfeier  gestalteten  Konzert  sang 
Felix  Kraus  neben  anderem  die  beiden  Sarastro-Arien.  Fr6deric  Lamond  spielte  in 
herrlicher  Weise  Beethovens  G-dur  Konzert.  Das  kombinierte  Orchester  hatte  unter 
Naumanns  Leitung  einen  schönen  Erfolg  mit  der  Zauberflöten-Ouvertüre.  Im  letzten 
Konzert  wurde  Hugo  Becker  wie  immer  mit  Jubel  begrüsst.  —  Die  beiden  grösseren 
Chorvereine,  der  bürgerliche  Gesangverein  und  der  M ach ts sehe  Musikverein  hatten 
für  ihre  Aufführungen  die  Geraische  Hofkapelle  gewonnen;  ersterer  veranstaltete  einen 
gut  gelungenen  Brahms-Schubert-Abend,  letzterer  (H.  Schmid)  bot  uns  Brahma'  deutsches 
Requiem  in  vortrefflicher  Aufführung.  Unser  Kirchenchor  brachte  in  seinem  ge- 
wohnten Totensonntag8k<^nzert  ein  Bach-Programm,  in  dem  die  achtstimmige  Motette 
»Fürchte  Dich  nicht"  den  Höhepunkt  bildete.  Ausserdem  gab  er  noch  die  Konzerte  zum 
Besten  des  Orgelbaufonds  der  Stadtkirche.  Bevor  aber  noch  in  dieser  der  dringend 
wünschenswerte  Neubau  vorgenommen  wird,  werden  wir  uns  im  grossen  Volkshaussaale 
an  einem  modernen  Werk  erfreuen  können,  dessen  Aufstellung  bereits  der  Firma 
H.  Voit  &  Söhne  in  Durlach-Karlsruhe  übertragen  ist.  Hoffentlich  gelingt  es,  die  Orgel 
so  einzubauen,  dass  weder  die  Architektonik  noch  die  Akustik  unseres  schönen  Saales 
leidet.  Alle  Künstler  sind  ja  immer  wieder  entzückt  von  dem  Räume:  so  Karl  Scheide- 
mantel, der  für  einen  Liederabend  gewonnen  war.  Luise  Otter  mann -Dresden,  die  im 
Auftrage  des  Komitees  für  Volksunterhaltungsabende  einen  internationalen  Volkslieder- 
abend veranstaltete,  versetzte  ihr  Publikum  in  wahres  Entzücken.  Emily  Kagel- Berlin 
offenbarte  in  einem  Liederabend  ein  liebenswürdiges  Vortragstalent  Bruno  Hinze- 
Rein  hold  hatte  mit  seinem  Klavierabend  einen  schönen  Erfolg.  —  Die  Kammermusik 
war  im  letzten  Winter  infolge  der  Gründung  eines  Jenaischen  Streichquartettes 
reichlicher  vertreten  wie  früher.  In  den  drei  von  der  akademischen  Konzertkommission 
veranstalteten  Abenden  brachte  das  Trio  Schumann-Halir-Dechert  mit  seinem  at>- 
geklärten  Spiel  entschieden  den  Höhepunkt    Es  konzertierten  femer  das  Petersburger 


339 
KRITIK:  KONZERT 


und  das  Böhmische  Streichquartett.  Das  Jenaische  Streichquartett,  bestehend  aus  den 
Herren  deCroote,  Ffichsel,  Fischer  und  dem  Unterzeichneten,  richtete  sechs  volks- 
tümliche Kammermusik-Abende  ein,  in  deren  Programm  nur  die  vier  Wiener  Gross- 
meister des  Quartetts  vertreten  waren,  in  erster  Linie  Mozart.  Mit  dem  Besuche  und 
künstlerischen  Erfolge  konnte  die  junge  Künstlervereinigung  durchaus  zufrieden  sein.  — 
Das  MozartjubiUum  haben  wir  für  unsere  Verhältnisse  recht  grundlich  gefeiert.  Zur 
Vorbereitung  sprach  der  Unterzeichnete  in  den  Volkshochschulkursen  fiber  »Hajrdn, 
Mozart  und  Beethoven,  ihr  Leben  und  ihre  Werke*.  Ausser  von  den  akademischen 
Konzerten  wurden  würdige  Mozartfeiem  veranstaltet  vom  Verein  der  Musikfreunde, 
der  in  letzter  Zeit  eine  ganze  Reihe  der  Divertimenti  des  Meisters  zur  Auffuhrung 
brachte,  und  vom  Komitee  fOr  Volksunterhaltungsabende.  Das  Konzert  des  letzteren 
wurde  in  erster  Linie  erwihnenswert  durch  die  Mitwirkung  von  Marie  Wieck,  der 
Schwester  Clara  Schumanns,  wenn  auch  ihr  Vortrag  des  Mozartschen  Es-dur  Konzertes 
durch  ein  heftiges  Unwohlsein  litt.  —  Von  dem  neugegrfindeten  Orchesterverein 
unter  der  Leitung  von  de  Groote  muss  die  Zukunft  erst  lehren,  ob  er  für  unser  Musik- 
leben von  Bedeutung  sein  wird,  ebenso  von  dem  Frauenchor,  um  dessen  Bildung  sich 
Eugen  Walter,  der  Leiter  des  Gamisonkirchenchores,  augenblicklich  bemüht 

Meier-Wöhrden 

PARIS:  Die  Oratorienkonzerte  bilden  immer  noch  den  wundesten  Punkt  im  Pariser 
Musikleben.  Colonne  und  Chevillard  haben  es  zwar  endlich  dazu  gebracht,  »Fausts 
Verdammung*  von  Berlioz  mit  genügender  Chorleistung  auszustatten,  aber  da  sie  ihre 
Chöre  teuer  zahlen  müssen,  so  wagen  sie  nur  selten  das  Experiment  mit  anderen  grossen 
Chorwerken  und  begnügen  sich  selbst  für  die  Chöre  der  Neunten  mit  einem  Ungeflihr. 
Die  Soci6t6  des  Grandes  Auditions  der  Grifln  Elisabeth  Greffulhe  hat  schon  die 
verschiedensten  Versuche  gemacht,  in  die  Lücke  zu  treten,  aber  das  einzige  wahre 
Rettungsmittel,  die  Gründung  eines  grossen,  regelmässig  übenden  Dilettantenvereins,  ist 
von  ihr  noch  immer  nicht  in  Angriff  genommen  worden.  Für  den  Schluss  des  von  jener 
Gesellschaft  angeordneten  Beethoven-Berlioz-Zyklus  wurde  auf  den  Wunsch  des 
Dirigenten  Weingartner  der  Oratorienverein  von  Amsterdam  nach  Paris  geladen, 
weil  er  ausser  seinen  musikalischen  Eigenschaften  die  der  Dreisprachigkeit  besitzt  So 
konnte  sowohl  die  Damnation,  als  die  Neunte  von  einer  starken  Chormasse  im  Original- 
text gesungen  werden.  Den  Amsterdamer  Singem  verdankten  wir  auch  den  Genuas 
der  selbst  in  Deutschland  fast  vergessenen  Chorphantasie  mit  Klaviersolo  von  Beet- 
hoven. Sie  ist  eine  Art  Brücke  vom  Fidelio-Finale  zur  Neunten.  Das  Klavier  hat  fast 
nur  Arabesken  auszuführen.  Das  Programm  brachte,  wie  üblich,  eine  Menge  unnötiger 
Notizen,  verschwieg  aber  die  Hauptsache,  dass  die  Chorphantasie  das  Erwachen  des 
Frühlings  schildert,  und  gab  nicht  einmal  eine  Andeutung  über  den  Sinn  der  deutsch 
gesungenen  Chöre.  In  der  Neunten  scheiterte  die  Regel  der  Originalsprache  leider  an 
den  Solisten.  Die  deutsch  singenden  Krifte  blieben  aus  und  wurden  in  der  letzten  Stunde 
durch  vier  Sänger  der  Grossen  Oper  ersetzt,  die  sich  wenig  für  diese  Aufgabe  eigneten. 
Der  Chor  begann  wie  eine  Unterrichtsstunde.  »Joie*,  sang  der  Bassist,  und  der  Chor 
übersetzte  sehr  richtig:  »Freudel*  Nichts  ist  übrigens  hisslicher,  als  das  zweisilbig  ge- 
sungene französische  Wort  Joie*.  Als  Lokal  diente  für  diese  Konzerte  die  Grosse  Oper, 
aber  es  zeigte  sich,  dass  ihre  Bühne  noch  weniger  als  die  des  Chfttelet  dazu  geeignet 
ist,  grosse  Chormassen  mit  einem  Orchester  zu  vereinigen.  Der  grosse  Konzertsaal  für 
Oratorienmusik  fehlt  eben  in  Paris  gerade  so  gut  wie  der  grosse  Oratorienverein.  Gegen 
Ende  Mal  versuchte  die  gleiche  .Socidt6  des  Grandes  Auditions*  ihr  Heil  wieder  einmal 
in  dem  nur  zur  Sommerzeit  möglichen  Trocadero,  um  mit  dem  Orchester  und  dem 
üblichen   Berufschor   Chevillards    ein    modernes    englisches    Oratorium,   den   überaus 

24* 


340 
DIE  MUSIK  V.  23. 


katholischen  ^Traum  des  Gerontius"  von  Elgar  in  Paris  heimisch  zu  machen.  Die 
sanftselige  Nuance  gelingt  diesem  Tonsetzer  sehr  gut,  und  das  Orchester  und  der  Tenorist 
Plamondon  wurden  ihr  durchaus  gerecht  Der  Chor  war  dagegen  weder  rein  noch 
taktfest  und  hob  einige  vulgärere  Stellen  grausam  hervor.  —  Die  Konzerte  in  der  Kunst- 
ausstellung der  Sociötö  Nationale  finden  noch  immer  nicht  den  Besuch,  den  sie  eigentlich 
verdienten,  mag  auch  viel  Unbedeutendes  in  unfertiger  Ausfuhrung  geboten  werden.  Man 
hört  da  doch  immer  irgend  etwas  Neues.  Erwähnen  wir  ein  tüchtiges  Klavierquartett 
von  Luzzatto,  ein  fast  zu  gefälliges  Streichquartett  von  Luigini,  dem  Dirigenten  der 
Komischen  Oper,  das  vom  Quartett  Soudant  sehr  gut  vorgetragen  wurde,  eine  etwas 
bizarre,  aber  interessante  Geigensonate  von  Samazeuilh,  um  die  sich  Cortot  und 
Enesco  verdient  machten,  eine  von  Blanquart  reizend  vorgetragene  Flötensuite  von 
Marcel  Noel,  ein  Streichquintett  von  Svendsen  mit  einem  bemerkenswerten  Variationen- 
satz, einen  Liederkreis  von  Alexandre  Georges,  mit  dem  Frau  Mellot-Joubert  Ehre 
einlegte.  —  Eine  neue  Sitte  scheint  es  zu  sein,  dass  sich  einige  Komponisten  zusammen- 
tun, um  ihre  Werke  gemeinsam  vorzuführen.  So  hörten  wir  im  Saale  Berlioz,  einem 
kleinen  und  sehr  praktisch  eingerichteten  neuen  Konzertsaal  in  der  Rue  de  Clichy, 
fünf  Klavierstficke  „Miroirs*  von  Maurice  Ravel,  den  man  als  potenzierten  Liszt  be- 
zeichnen könnte,  und  ein  eher  rückschrittliches  Klavierquartett  der  Frau  Mel.  Bonis. 
Im  Saale  des  christlichen  Junglingsvereins  Hess  A.  de  Montrichard  eine  ansprechende 
Geigensonate  hören,  die  der  berühmte  Hollman  mit  William  Bastard  vortrug,  der 
gleichzeitig  als  Liederkomponist  von  seiner  eigenen  Mutter  zur  Geltung  gebracht  wurde. 

—  Zu  sechs  Geigensonaten  vereinigten  sich  Enesco  und  Auguste  Pierret.  Bach,  Beet- 
hoven und  Schumann  bestritten  den  ersten  Abend  das  Programm.  Der  zweite  war  den 
Modernen:  d'Indy,  Faur6  und  Piernö  gewidmet.  —  David  Blitz  brachte  mit  dem  Cellisten 
Hollman  Saint-SaSns  und  Grieg  zu  Gehör.  —  Risler  hatte  mit  dem  Vortrag  sämt- 
licher Klaviersonaten  Beethovens  so  viel  Erfolg,  dass  er  das  Experiment  im  grösseren 
Lokal  des  Nouveau-Th6ätre  wiederholte.  Er  weiss  auch  den  weniger  t>ekannten  Werken 
überraschende  Effekte  zu  entlocken,  bleibt  aber  den  berühmtesten  oft  etwas  schuldig. 
So  litt  z.  B.  das  Allegro  der  Path6tique  an  Überstürzung  und  das  Adagio  an 
Verschleppung.  Nur  das  Finale  hielt  die  richtige  Mitte.  —  Drei  Konzerte  bei  Erard 
veranstaltete  August  von  Radwan,  der  namentlich  mit  sehr  viel  Gefühl  spielt  und  dem 
Schubert  und  Chopin  am  besten  liegen.  Mit  Recht  zog  er  die  zweite  Phantasie  Schuberts 
der  brillanteren  und  viel  bekannteren  ersten  vor.  -—  Cortot  stellte  drei  romantische 
Programme  auf,  das  erste  mit  Chopin,  das  zweite  mit  Schumann,  das  dritte  mit  Liszt. 
Er  spielte  alle  24  Präludien  Chopin's  der  Reihe  nach,  ohne  das  Publikum  zu  ermüden. 

—  Die  bekannte  Bach-Spezialistin  Frau  Lande wska  hat  in  Mela  Lapidus  eine  gute 
Schülerin  herangebildet.  Sie  spielte  mit  ihr  eine  Sonate  des  vorbachschen  Italieners 
Pasquini  für  zwei  Klaviere.  Allein  Hess  die  Anfängerin  eine  der  kleinen  französischen 
Suiten  von  Bach  hören.  —  In  zwei  Konzerten  erntete  der  Geiger  Kreis  1er  neue  Lorbeeren. 
Ich  glaube  fast,  dass  er  gegenwärtig  Bachs  Chaconne  besser  spielt  als  irgendwer. 

Felix  Vogt 

SPEYER:  Das  pfälzische  Musikleben  erhob  sich  in  der  letzten  Saison  quantitativ 
und  qualitativ  wesentlich  über  das  der  vorigen.  Gute  Konzerte  bot  namentlich  wieder 
Neustadt  a.  H.  unter  Philipp  Bades  Leitung.  Cäcilienverein  und  Liedertafel  brachten 
u.  a«  Haydns  «Schöpfung*,  Nicod6s  »Meer*,  Bruchs  »Odysseus*  zur  Aufführung,  dazu 
kamen  mehrere  Symphoniekonzerte  mit  durchweg  vorzüglichen  Programmen.  Von  den 
Solisten  seien  Jeannette  Grumbacher  de  Jong,  Tilly  Hinken-Cahnbley,  Richard 
Fischer,  A.  Müller,  Schützendorf,  Stuart-Willfort,  M.  Rode,  W.  Fenten, 
K.  Schmidt,  K.  Gentner,  O.  Voss  genannt.   —   Eine  vorzügliche  Wiedergabe  von 


341 
KRITIK:  KONZERT 


Hindels  „Samson*  verzeichnet  der  Cicilienverein  in  Frtnkenthtl  unter  der  Führung 
von  Arthur  Berg;  hieran  reihen  sich  eine  Mozart-  und  eine  Schumannfeier  durch  den 
Liederkranz  (Dir.  J.  Schmitt).  —  Der  Musikverein  Landau  (Dir.  E.  Walter)  erwarb 
sich  neben  andern  Veranstaltungen  insbesondere  durch  seine  Aufführung  der  «Matthäus- 
Passion*  von  J.  S.  Bach  verdientes  Lob.  —  Reges  Musikleben  zeigten  in  Kaiserslautern 
wieder  der  Cicilien-  und  der  Musikverein,  als  deren  Dirigent  Aug.  Pfeiffer  erfolgreich 
wirkt  Der  Musikverein  besitzt  zurzeit  den  stärksten  Chor  der  Pfalz,  und  er  ist  bestrebt, 
diesem  Aufgaben  zu  stellen,  die  seiner  Kraft  würdig  sind.  Eine  Mozart-  und  eine 
Schumannfeier  sind  besonders  zu  nennen.  —  Unermüdlich  titig  sind  die  unter  Ott  und 
Sch5rry  stehenden  Vereine  in  Zweibrücken  und  Pirmasens,  die  sich  nicht  bloss 
einer  tüchtigen  musikalischen  Mitgliedschaft  erfreuen,  sondern  sich  auch  —  weil  finanziell 
vortrefflich  fundiert  —  in  bezug  auf  Engagement  von  Solisten  etwas  Besonderes  leisten 
dürfen.  Hermann  Hutters  »Coriolan*  war  ein  Glanzpunkt  in  ihrer  Konzertreihe.  Von  den 
erschienenen  Künstlern  nenne  ich  nur:  Susanne  Dessoir,  Johanna  Dietz,  Tilly  Koenen, 
Lttla  Mysz-Gmeiner,  Karl  Friedberg,  Josef  Loritz,  Willy  Burmester,  Johannes 
Hegar.  —  Speyer  darf  fünf  Konzerte  des  Cicilienvereins  (Dir.  Schefter)  anführen,  in 
denen  neben  Kammermusikwerken  und  kleineren  Stücken  u.  a.  auch  solche  grösseren 
Umfangs,  wie  Hofmanns  «Jungfrau  von  Orleans*,  Mozarts  «Requiem",  Schumanns  «Faust- 
Szenen*  usw.  zur  Aufführung  gelangten.  Der  Vollständigkeit  halber  darf  ich  hier  auch 
einen  Vortragszyklus  verzeichnen,  den  ich  zum  Besten  der  Wagner-Stipendien-Stiftung 
über  das  Generalthema  «Von  Bach  bis  Wagner*  hielt,  und  dier  stets  sehr  gut  besucht 
war.  —  Nach  wie  vor  wird  in  der  Pfalz  der  Pflege  des  Männergesangs  grosse  Aufmerk- 
samkeit zugewendet.  Schade  nur,  dass  man  nur  selten  aus  dem  landläufigen  Geleise 
des  süsslichen  Singsangs  herauskommt,  ein  wie  auch  anderwärts  unrühmliches  Verfahren, 
sintemal  der  weitaus  grosste  Teil  des  Publikums  auf  diesem  Gebiete  musikalischer  Be- 
tätigung seine  Nahrung  sucht.  Karl  Aug.  Krauss 

STOCKHOLM:  Erstes  schwedisches  Musikfest.  —  In  den  Tagen  vom  31.  Mai 
bis  1.  Juni  wurde  das  erste  schwedische  Musikfest  unter  lebhaftester  Teilnahme  des 
Publikums  gefeiert.  Es  war  dies  ein  Niederschlag  der  stark  hervorbrechenden  national- 
schwedischen Gefühle,  die  sich  auf  allen  Gebieten  im  letzten  Jahre  als  Rückschlag  der 
Unionskrise  mit  Norwegen  gezeigt  haben.  Die  Festlichkeiten  dauerten  zwei  Tage,  in  denen 
man  förmlich  in  Musik  schwamm.  Der  letzte  Konzerttag  währte  von  12  Uhr  mittags  bis 
12  Uhr  nachts;  es  gab  nämlich  zwei  Konzerte,  und  inzwischen  war  eben  Zeit  zum  Um- 
kleiden und  Mittagessen!  Es  will  unter  solchen  Umständen  schon  etwas  heissen,  dass 
die  Teilnahme  des  Publikums  sich  eher  steigert  als  vermindert;  und  dies  war  wirklich 
der  Fall,  sogar  am  letzten  Tage.  Der  Beifall  war  spontan,  der  fiammende  Ausdruck  einer 
zuzeiten  geradezu  vulkanischen  Begeisterung:  so  namentlich  bei  Wilhelm  Stenhammar's 
monumentaler  Komposition  von  v.  Heidenstam's  nationalem  Gedicht  Ett  Folk  (Ein  Volk), 
wundervoll  vorgetragen  von  dem  trefflichen  Sänger  John  Fessel  und  gestützt  von  einem 
gewaltigen  Chor.  «Sverige*  (Schweden),  Medborgars&ng  (Mitbürgergesang)  und 
Soldatersang  —  alles  echte  und  gerechte  «Vaterlandslieder*  —  riefen  beispiellosen 
Beifall  hervor.  Viel  bedeutete  dabei  der  radikal-politische  Inhalt  der  Lieder  —  aber 
Stenhammar  hatte  wirklich  auch  den  Nagel  auf  den  Kopf  getroffen.  Ähnliches  Beifalls- 
gewitter grüsste  am  Schluss  des  Festes  die  poesieverklärten,  prachtvoll  orchestrierten 
Arbeiten  Hugo  Alfv6n's:«Skärgärdssägen*und«Midsommervaka*.  Von  den  «Alten* 
waren  alle  bedeutenderen  vertreten :  an  der  Spitze  der  originelle,  eigenartige  Symphoniker 
Franz  Berwald  (1796—1868),  der,  in  klassischen  Bahnen  wandelnd,  seiner  Zeit  eine 
Generation  voraus  war.  Seine  Symphonieen,  Quartette,  Trios  usw.  sollten  in  der  ganzen 
Welt  gespielt  werden.    Hans  v.  Bülow  nannte  ihn  einen  «wirklichen  musikalischen  Selbst- 


342 
DIE  MUSIK  V.  23. 


denker".  Dann  SSdermann,  der  ,»8chwedi8chate"  von  allen,  der  Grieg  Schwedens, 
Norman,  A.  F.  Lindblad,  Joaephson  und  endli^  Johan  Lindgren,  ein  schwedischer 
C68ar  Franck,  der  Lehrer  der  Jungen.  Von  den  jGngeren  waren  die  Vertreter  der  roman- 
tischen Schule  zahlreich  vertreten.  Viel  Glück  hatte  ein  frisches  und  echt  «nordisches* 
Chorstück:  Islandsf&rd  (Fahrt  nach  laland)  des  hervorragenden  Emil  Sjögren.  Eng 
an  die  Gadesche  Richtung  sich  anschliessend  steht  J.  A.  Higg  mit  seiner  „Nordischen 
Symphonie".  Eigentümlich  und  von  symphonischem  Leben  getragen  war  ein  Konzert- 
stück für  —  fünf  Celli  und  drei  Kontrabisse  von  dem  in  Norwegen  geborenen  Anton 
Andersen.  Zu  dieser  Gruppe  gehören  noch  Erik  Ikerberg  (mit  einer  Kantate  zum 
Gedichtnis  Thycho  Brahes),  Karl  Valentin  (Ouvertüre),  Valborg  Aulin  (Chorstfick: 
Procul  est),  Ruhen  Lilljefors  und  Knut  Bick  (Gesangsstücke),  der  debütierende 
Adolf  Viklund  (Piano-Konzertstück),  sowie  August  Körung  und  J.  Jacobson  (Ge- 
singe). Mehr  modern  gefirbt  waren  wirkungsvolle  Arbeiten  von  Gustaf  Higg  (Klavier- 
Trio)  und  Tor  Aul  in  (Violin-Konzert),  femer  eine  Ouvertüre  von  Ernst  Ellberg,  Ge- 
sangstück (mit  Orchester)  von  Petersen- Berger,  und  Lieder  von  Olallo  Morales. 
Von  Wagners  Richtung  angehaucht  sind  Komponisten  wie  Hall6n  und  Stenhammar, 
von  dessen  Werk  »Ein  Volk"  schon  die  Rede  war.  Hall6n's  grosses  Jule-Oratorium 
(Weihnachts-Oratorium)  zeichnete  sich  durch  prachtvollen  Chorsatz  und  ostlindisches 
Kolorit  aus,  würde  aber  durch  Kürzungen  gewinnen.  Zu  den  ganz  Modernen  zihlen 
noch  Hugo  Alfv6n  und  Bror  Bookman  (u.  a.  eine  prichtige  Ballade),  sowie  der  deutsch- 
geborene  Henneberg  (Vorspiel  zu  Ibsens  «Brand*).  Die  Konzerte  wurden  im  grossen 
und  schönen  neuen  Hofopemhaus  abgehalten,  was  allerdings  mehr  ein  isthetisches  als 
volkstümlich  günstiges  Resultat  hervorbrachte:  bei  den  begrenzten  Raumverhiltnissen 
mussten  die  Preise  hoch  gehalten  werden,  und  das  »Volk*  konnte  auf  diese  Weise  nicht 
mit  dabei  sein.  Der  Chor  (600  Mitglieder  aus  allen  Gegenden  Schwedens)  und  das 
Orchester  (80  Künstler)  machten  ihre  Sache  vortrefflich.  Dirigenten  waren  ausser 
den  Komponisten  selbst  die  Hofkapellmeister  Nor dquist,  Henneberg  und  Tor  Aulin. 

A.  H. 

ZWICKAU:  Die  Pflege  von  Zwickaus  weltlichem  Musikleben  liegt  in  der  Hauptsache 
den  Veranstaltungen  ob,  mit  denen  Zwickau  durch  den  Musikverein,  die  stidtische 
Kapelle  und  das  Konzertetablissement  Schwanenschloss  als  Schumanns  Vaterstadt  sich 
würdig  zu  erweisen  sucht  Der  Musikverein  unter  der  umsichtigen  Leitung  des  Kgl. 
Musikdirektors  Voll  bar  dt  bietet  vor  allem  gute  Solisten  vortrige;  so  erfreute  uns  die 
reife  Künstlerschaft  Dr.  von  Barys  und  Scheidemantels;  Rosa  Kleinert  (Dresden) 
verriet  zur  Mozartfeier  trotz  Indisposition  gute  Ausbildung.  Als  trefflichen  Mozartspieler 
bewihrte  sich  Fritz  v.  Böse.  Walter  Bachmann  (Dresden)  zeigte  in  Schumanns  op.  17 
und  Liszts  Faustparaphrase  neben  tiefer  Empfindung  hochentwickelte  Technik.  Einen 
herrlichen  Genuss  bereitete  zur  Feier  des  fünfzigjihrigen  Bestehens  des  Musikvereins 
das  poesievolle  Spiel  Wilhelm  Backhaus',  und  beste  Erinnerungen  frischte  die  tempera- 
mentvolle Geigerin  Carlotta  Stubenrauch  auf.  Die  Leipziger  Gewandhauskammer- 
musikvereinigung bot  edelsten  Genuss  mit  Schumanns  Quartett  A,  Mozarts  Diverti- 
mento Es,  Beethovens  Quintett  C.  Dass  sich  neben  solchen  Leistungen  das  Orchester 
würdig  zu  behaupten  vermag,  bewies  die  wohlgelungene  Wiedergabe  von  Brückners 
vierter  Symphonie  und  Liszts  Idealen;  als  Neuheiten  interessierten  alte  Stücke  für 
Streichorchester  von  Purcell  und  Stanfords  irische  Rhapsodie.  —  Die  stidtische  Kapelle 
hat  durch  erhöhte  Subvention  und  durch  die  Berufung  des  zielbewussten  Kapellmeisters 
Schmidt  einen  hohen  Aufschwung  genommen.  Unter  ihren  Darbietungen  ragten  hervor 
die  Symphonieen  e  von  Brahms  und  A  von  Beethoven,  Goldmarks  »lindliche  Hochzeit*, 
Saint-Saöns'    ^eunesse  d'Hercule*,    Liszts  „Tasso*   und    Schillings*   ,,Hexenlied*   und 


|^^=  KRITIK.  KONZEKT  ^^» 

aelenalachei  Fesf  <t.  Posiart).  In  Salnt-SaiaB'  Sjmiphonfe  e  mit  obligatem  Klavier 
und  Orgel  verhinderte  die  Eraetzun{  der  Orgel  durch  Hannonium  einen  ungetrübten 
Genuas,  und  Sfbellui'  »Scbwtn  Ton  Tuonela"  wurde  durcb  daa  vorher  geiplelte,  aua 
ander«  gearteter  Stlmmungsveli  geborene  Violinkonzert  Beethovena  <Pror.  Sabla)  um 
einen  Teil  aelner  Virkung  gebracht.  Einen  wSrdlgen  Abachluaa  bildete  Beethoveoa 
Neunte,  Im  Soloquarteit  irelflicbMano  (Dreaden)  und  Sem  per  (Leipzig).  Von  Instrum  ental- 
soliiten  hOrten  wir  In  dieien  Konzerten  Altmeister  Klengel,  Prof.  Sltt  und  dessen 
Tochter,  sowie  Mon ich  (Berlin)  mit  gut  entwickelter  Technik.  —  In  den  Schwanenscbloss- 
konzerten  wechselt  die  Chemnitzer  Sladtkipelle  unter  Pöble  mit  der  hiesigen  MUltir- 
kapelle  (Lanterbach)  ab.  Jene,  entsprechend  ihrem  iltbewihrteo  Rufe,  gab  Glanz- 
leistungen In  der  Eroica,  Tscbalkowiky's  Paihfiiique,  Volkminns  Ouvertüre  zu  Richard  III., 
Ustta  .Tasso';  Cowen's  skandinavische  Srmphonle  wollte  trotz  cfTektvoller  Stellen  nicht 
mehr  recht  packen,  und  mehr  der  Lust  an  instrumentellen  Überraschungen  als  reinem 
Kunstempfinden  Ist  wohl  auch  Rimskl-Korssakow's  .Capriccio  eipignol*  entflossen.  Die 
Milltlrkapelle  legte  In  Tagners  Faustouvertüre,  Smetana's  Vysehtad,  In  der  Eroica,  Im 
Meistersingervorspiel  Zeugnis  davon  ab,  dass  Ihr  erneutes  Auhtreben  von  Erfolg  be- 
gleitet ist  Mit  Lalo's  Symphonie  espagnole  machte  uns  H.  Meyer,  mit  Salnt-Ssens' 
Violinkonzert  b  Bauerkeller  bekannt;  Hallr  zeichnete  alch  In  Spohra  Gesangsszene 
aus.  Hilf  in  Bruchs  Konzert  g  und  Bachs  Air.  Beachtenswene  Choranffah rangen  boten 
der  Lehrergesangavereln  und  der  a  cappella-Verein,  beide  Vollbardta  schwung- 
voller Leitung  unterstehend.  Ala  Solisten  wirkten  bei  diesen  Konzerten  mit  Teresa 
Carreüo,  Hugo  Hamann  (Violine),  Margarete  Schuater- Kassel  (Gesang).  Vollatea' 
Lob  verdient  die  Aulfübrung  des  Judas  Makkibius"  durcb  Vollhardt;  Solisten:  Frau 
Krempe  (Zwickau),  FrL  Siapelfeldt  (Frankfurt),  Gleasen  und  Plaschke,  sowie  das 
Interessante  Georg  Schumannkonzert  In  der  Marienkirche,  dessen  schwere  Aufgeben 
Vollhirdts  Kirchenchor  vorzüglich  iOste.  Auf  den  hScbst  lehr*  und  gen uasrei eben  Cyklus 
blstoriscberVortrlge  unseres  Orgelkünstlers  Gerhardt  Ist  schon  an  anderer  Stelle  dleaer 
Zellachrifi  hingewiesen  worden.  —  Oaai  dieser  Oberflusa  an  cykl Ischen  Konzerten  keinen 
Raum  fflr  selbstindige  Konzerte  bietet,  Hat  erktlrllch.  Und  ao  war  zu  bedauern,  dass 
der  herrliche  Volksliederabend  von  Helene  Staegemann  nur  actawach  besucht  war. 

Dr.  Berlbold 


Wir  beginnen  mit  einem  Porträt  von  F^licien  David  nach  dem  wunderyoUen 
Gemilde  von  Prinzhofer  aus  dem  Jahre  1845,  also  aus  dem  Jahre  von  Davids  Deatsch- 
landreise,  von  der  die  hier  mitgeteilten  Briefe  handeln.  Das  Sterbehaus  Davids  in 
Saint  Germain-en-Laye,  in  dem  der  weitgewanderte  Tondichter  vor  30  Jahren  (am 
29.  August  1876)  die  Augen  schloss,  lag  damals  in  der  Rue  des  Monts-Grevets;  heute 
ist  es  No.  18  Rue  F61icien  David. 

Das  Bild  Joseph  Rheinbergers  ist  die  Wiedergabe  der  letzten  photographischen 
Aufoahme  des  Meisters.  Sprechend  ähnlich  sind,  wie  man  uns  mitteilt,  die  Porträts  des 
Ehepaares  Joseph  und  Franziska  Rheinberger  auf  dem  Marmor-Relief  von  ProL 
Wad6r£-München. 

Der  erste  Gönner  und  freundschaftliche  Berater  des  jugendlichen  Rheinberfer, 
Prof.  Dr.  Karl  Franz  Emil  Schafhäutl  (1803—1890),  war  ein  ebenso  ausgezeichneter 
Musiker  wie  Geognost.  Er  stellte  u.  a.  Untersuchungen  über  die  Ursache  der  ver- 
schiedenen Klangfarben  an,  deren  Ergebnis  zu  einer  starl^n  Erschütterung  der  Helm- 
holtzschen  Theorie  der  Klangfarben  führte.  Von  seinen  Schriften  sind  neben  einer  aus- 
/ührlichen  Biographie  des  Abt  Vogler  und  Abhandlungen  über  akustische  Themen  zu 
nennen:  „Ober  die  Kirchenmusik  des  katholischen  Kultus*,  «Der  echte  Gregorianische 
Choral  in  seiner  Entwicklung*,  «Ein  Spaziergang  durch  die  liturgische  Musikgeschichte 
der  katholischen  Kirche*. 

Zur  Erinnerung  an  den  70.  Todestag  (23.  September)  von  Maria  FelicitäMalibran, 
einer  der  genialsten  Sängerinnen  des  19.  Jahrhunderts,  bringen  wir  ihr  Bild  nach  einem 
seltenen  alten  Stich,  der  wie  das  Porträt  F61icien  Davids  aus  der  Mendelssohn-Sammlung 
in  Berlin  stammt.  Maria  Malibran  war  die  Schwester  von  Pauline  Viardot-Garcia  und 
dem  kürzlich  verstorbenen  Manuel  Garcia.  Ende  der  zwanziger  Jahre  trat  sie,  die  be- 
deutendste Rivalin  der  Sontag,  mit  ungeheurem  Erfolg  in  London,  Paris,  Deutschland 
und  Italien  auf.  Sie  war  in  zweiter  Ehe  mit  dem  Violinvirtuosen  Charles  de  B6riot  ver- 
mählt und  starb  schon  im  Alter  von  28  Jahren.  Auch  als  Komponistin  hat  sie  sich 
hervorgetan  und  schrieb  Chansonetten,  Noktumen  und  Romanzen,  die  zum  Teil  er- 
schienen sind. 


rg**S 


Nach  druck  nnr  mit  au  tdrfickl  icher  Erlaubnis  des  Verlacea  ceatatiel. 

Alle  Rechte,  inabeaondere  daa  der  Obersetzung,  vorbehalten. 

Pflr  die  Zurflcksendunt  unverlangter  oder  nicht  angemeldeter  Mannskripte,  falls  Ihnen  nicht  genSgand 
Porto  belllegt,  Qbemlmmt  die  Redaktion  keine  Garantie.    Schwer  leaerllche  Manuakrlpte  werden  ungeprQft 

surflckgeaandt 

Verantwortlicher  Schriftleiter:  Kapellmeister  Bernhard  Schuster 

Berlin  W.  57,  Baiowstrasse  107  >- 


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FßLECEEN  DAVIDS  STERBEHAUS 
IN     SAINT     GEBMAIN -EN-LAYE 


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JOSEPH  RHEINBERCER 


MARMOR-RELIEF  DES  EHEPAARES  RHEINBERGER 
von  Prof.  WaderS 


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KARL  FRANZ  EMIL  SCHAFHAUTL 


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MARIA  MALIBRAN 
t  23.  September  1836 


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Dr.  Victor  Lederer 

Iftusikdromatische  Festspiele  bei  den  alten  Barden 
Eine  hl>torl>che  Skliie 

Dr.  Maximilian  Runze 

Carl  Loewe  und  die  Vogelwelt  (Schluss) 

A.  von  Ende 

Die  Musik  der  amerikanischen  Neger 

Jodocus  Perger 

Aus  Josef  Rheinbergers  Leben  und  Schaffen 

Nach  peraSnllctaen  Erianeruiiien  >ovle  aacb  bts  jeiti  uanr- 

fiffentlicliten  Dokameaten   (Schluss) 

Eugen  Gura 

Erlnnernngen  aus  meinem  Leben 

Bemard  Scharlitt 
Das  Musikfest  in  Salzburg  (14.— 20.  August) 

Register  der  Kunstbeilagen  des  5.  Jahrgangs 

Titel  zum  20.  Band  der  MUSIK 

Besprechungen  (Bücher  und  Musikalien) 

Revue  der  Revueen 

Umschau  (Neue  Opern,  Aus  dem  Opemrepertoire, 

Konzerte,  Tageschronik,  Totenschau) 

Anmerkungen  zu  unseren  Beilagen 

Kunstbeilagen 

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DIB  MUSIK  erscheint  moDiillch  zweimal.  AboDnementtprds  fOr  dH 
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B 


ig  auf,  Schatten  Ben  Akiba's,  and  sage  dein  Sprüchlein  herl 
>u  sollst  wieder  einmal  recht  behalten  I  Lehre  uns  bescheidener 
rerden  und  einsehen,  dass  es  nichts  wirklich  Neues  unter  der 
lonne  gibt.  Am  allerwenigsten  —  auf  dem  Gebiete  der  KunstI 
Ein  Kreislauf  ist  alles,  das  Leben  nnd  die  Welt,  ein  Kreislauf!  . . . 

Maifestspiele  I , , .  Ver  denkt  nicht  sogleich  an  Angelo  Neumann,  den 
genialen  Prager  Theaterdirektor,  der  ebenso  Tort  wie  Wesen  dieser  Institution 
in  den  modernen  Theaterbetrieb  eingeführt  und  mit  der  Veranstaltung  von 
theatralischen  Festauffühmngen  im  Monat  Mal  daa  kflnsilerische  Renommö 
seiner  Bühne  so  ausserordentlich  gehoben  halt . . .  Ich  erinnere  mich  oocta, 
wie  man  zunichst  über  den  Namen  spSttelle.  .Maifestspielel'  . . .  Und 
heute?  —  Ahmen  so  nnd  so  viele  Theaterdirektoren  das  Prager  Beispiel 
nach  ... 

Ob  wohl  schon  jemand  daran  dacht«,  dass  die  Maifestspiele  Angelo 
Neumanns  (dessen  Verdienst  dadurch  natürlich  nicht  gescbmilert  wird)  nur 
die  Renaissance  viel  Uterer  Gedanken  und  einer  bis  in  graue  Vorzelt 
zurückreichenden  Institution  darstellen? 

Vielleicht  doch.  Denn  gewiss  wird  mancher  an  Wagners  Sängerkrieg 
auf  der  Wartburg  gedacht  haben.  Singt  nicht  der  Hirte:  Der  Mai  Ist  da? 
Unmittelbar  nachher  der  SXngerkrleg  —  folglich  kann  dieser  nichts  anderes 
sein  als  eine  Art  Malfesispiele  . . . 

Es  ist  das  kein  Zufall.  Die  holde  Maienzeit  war  stets  das  Ideal  der 
Dichter,  nicht  nur  der  Lyriker.  Und  wenn  vir  die  Geschichte  unserer 
dramatischen  Kunst  zurückverfalgen,  so  finden  wir,  dass  sie  den  Monat 
Mai  zunKchst  schon  deshalb  als  den  geeignetsten  Zeitpunkt  ihrer  BetStigung 
Iwgrüssen  musste,  weil  sie  ursprünglich  —  wenn  wir  so  sagen  dürfen  — 
Freiluftkunst  gewesen  Ist.  Das  Sommertheaier  Ist  Xlter  als  das  Wintertheater. 
Aber  auch  ein  zweites  Moment  kommt  hinzu:  alle  Kunst  ist  Nach- 
ahmung der  Natur.  Wie  nun  Im  Monat  Mai  auf  der  Bühne  der  Natur  sich 
nach  langer  Pause  wieder  neues  dramatisches  Leben  regt,  so  erwacht  auch 
im  Herzen  der  Menschen  das  Streben  nach  dramatischer  Betitiguog.  Ea 
findet  seinen  einfachsten  Ausdruck  darin,  dass  man  .im  Maien  —  zu 
zweien'    wandelt.     Es   weckt   aber  auch   Im   trü   schSpfferischen   Magier- 


346 

DIB  MUSIK  V.  24. 


geiste  einen  mächtigen  Widerhall:  die  alten  orientalischen  und  griechischen 
Mysterien  waren  nichts  weiter  als  Symbolisierungen  der  wiedererwachenden 
Natur,  des  früchtereifenden  Sommers  . . .  Auf  ähnliche  altheidnische  Feiern 
geht  auch  der  Ursprung  unseres  Theaters  zurück« 

Diese  ältesten  Maifestspiele,  von  denen  hier  die  Rede  sein  soll,  waren 
in  erster  Reihe  dramatische  Ausgestaltungen  der  altheidnischen   Maifeier. 

Maifeier?  —  höre  ich  erstaunt  rufen  .  . . 

Ja  —  lieber  Leser:  Ben  Akiba  breitet  segnend  seine  Arme  drüber 
und  sagt  Amen.  Die  Feier  des  ersten  Mai  ist  um  mehr  wie  2000  Jahre 
älter  als  die  moderne  Sozialdemokratie.  Der  erste  Mai  war  nämlich  der 
Zeitpunkt  des  altdruidischen  Sommerfestes. 

Die  keltischen  Völker  Britanniens,  der  Bretagne  und  Irlands  haben 
—  zum  Teil  bis  auf  den  heutigen  Tag  —  Reste  dieser  alten  Maifeier 
konserviert.  Ihre  Literaturquellen  geben  zugleich  Aufschlüsse  über  die 
frühere  Gestaltung  des  Festes  und  seiner  Festspiele. 

So  finden  wir  schon  in  den  alten  finnianischen  Gesängen  Irlands, 
die  bis  in  das  dritte  Jahrhundert,  vielleicht  noch  weiter  zurückreichen 
(manche  Dichtungen  in  der  eben  erscheinenden  neuesten  Publikation  Prof. 
Windischs  sollen  sogar  aus  der  Zeit  Christi  stammen),  wiederholt  das  alte 
grosse  Druidenfest  «Baltaine'  erwähnt. 

Der  Zeitpunkt  dieses  Festes  war  (nach  unserem  Kalender)  der  letzte 
April.  Tags  darauf  folgte  das  eigentliche  Sommerfest,  die  mit  Gesang  und 
Tanz  begangene  «Maifeier*. 

Ein  Festesfeuer  wurde  entzündet  (ein  Symbol  des  alten  Sonnenkultus^ 
dessen  Bestand  bei  den  Germanen  ja  auch  Tacitus  verbürgt),  und  um 
dieses  Feuer  wurde  getanzt .  •  •  Beim  Tanzen  aber  sang  man  ein  Lied  auf 
den  Sommer. 

Solcher  «Sommer'-lieder  haben  die  britannischen  Kelten  eine  unglaub- 
liche Zahl.  Von  Mund  zu  Mund  vererbt,  leben  sie  zum  Teil  noch  heute 
unter  der  Hirtenbevölkerung  von  Wales  und  der  stammesverwandten  Bre- 
tagne (die  Bretonen  sind  aus  Wales  ausgewanderte  Kelten,  zwischen  den 
beiden  Sprachen  besteht  nur  ein  Dialektunterschied).  Sommerlieder  — 
Mailieder  . . .,  erfüllt  von  Resten  aller  Mysterien  . .  •  Fahrende  Sänger  ver- 
breiteten sie  über  ganz  Europa  .  .  •  Man  denke  an  das  Lied  des  Hirten  in 
Tannhäuser  und  vergleiche  die  Weise  mit  dem  Lied  des  Bretagner  Hirten 
bei  Berliozl  . . .  Vielleicht  wird  auch  manchem  Leser  Thomas  Moore's 
entzückendes  Gedicht  «rieh  and  rare  were  the  gems"  bekannt  sein.  Moore 
hat  es  zu  der  populärsten  »Sommer'-melodie  Irlands  gedichtet.  Die  ver- 
breitetste  Sommermelodie  von  Wales:  „Heiston  Forey'  hat  Gilbert  im 
Jahre  1823  aufgezeichnet,  Wort  und  Text  eines  in  Comwales  erhaltenen 
Mal-  und  Sommerliedes  teilt  Ellis  in  Brandts  Antiquities  L  224  und  teil- 


349 
LEDERER:  FESTSPIELE  BEI  DEN  BARDEN 


weise  auch  Rodenberg  in  seiner  prächtigen  i, Harfe  von  Erin''  (S*  46)  mit. 
Ich  will  eine  Strophe  hierhersetzen: 

»For  we  were  up  as  soon  ts  tny  dty 
For  to  fetch  tbe  summer  home; 
The  summer  and  the  May,  O 
For  the  summer  now  is  cöme.* 

In  diesen  altheidnischen  Tanzliedern  ruhen  sowohl  die  Wurzeln  unserer 
mehrstimmigen  Tonkunst  als  auch  die  Wurzeln  unseres  Dramas.  Ein  schon 
im  Jahre  1226  niedergeschriebener  «summer'-Kanon  (bisher  ein  Rätsel 
der  Musikgeschichte)  beweist,  dass  diese  Lieder  mehrstimmig  in  einer 
gewissen  improvisierten,  kanonisch  imitierenden  Polyphonie  ausgeführt 
wurden.  Der  refrainartige  Bau  anderer  Sommerlieder  (oft  stehen  einander 
sogar  Ansprache  und  Antwort  gegenfiber)  zeigt,  dass  Chorführer  und  Chor 
einander  gegenfibertraten  und  (ebenso  wie  in  den  Anfängen  des  griechischen 
Dramas)  dramatische  Lebhaftigkeit  in  den  Gesang  brachten.  Natumach- 
ahmung  —  insbesondere  Kuckucksstimmen-  und  Tierstimmenimitation  (ver- 
gleiche »Sommemachtstraum)'  —  vervollständigte  den  Stimmungszauber,  und 
die  in  der  Mitte  flammende  Waberlohe  (ich  meine  das  Maifeuer,  um  das 
getanzt  wurde)  gab  dazu  auch  den  szenischen  Effekt .  • . 

Aus  den  Schatten  der  Dämmerung,  die  sich  Ruhe  spendend  hernieder- 
senkten, machte  nun  die  Phantasie,  von  alter  DruideiUradition  genährt,  gütige 
Feen  . . .  Sonne  und  Erde  —  Oberen  und  Titania . . .  nach  langem  winterlichen 
Zwist  haben  sie  sich  wieder  gefunden  und  versöhnt  . .  .  Der  Mai  hat  den 
Frieden  wiederhergestellt  . . .  Der  holde  Wonnespender  Mai  . .  •  Kann  man 
das  Glück  der  Elfen  nicht  belauschen?  . . .  Vielleicht  durch  Zaubermacht?  . . . 

Und  in  Kolonnen  löst  sich  der  Reihen  .  • .  Man  zieht  hinaus  in 
langem  Zuge,  mit  dem  Zauberstab,  dem  Maibaum,  an  der  Spitze  .  .  .  Hinaus 
zum  alten  romantischen  Felsen  . . .  Ein  Mann  mit  einem  Schlüssel  geht 
voran,  die  alte  Feenfestung  zu  öffnen  ...  Er  nimmt  den  Hut  ab,  die  andern 
folgen  seinem  Beispiel  .  .  .  Und  dreimal  ruft  er  laut  die  Erde  aus  dem 
Schlummer.  (Wie  der  Wanderer  in  «Siegfried".)  Und  dreimal  klopft  er  mit 
dem  Schlüssel ...  Er  setzt  ihn  an  ...  Da  schallt  des  Waldvögleins  Stimme: 
Kuckuck,  Kuckuck  . . .  Und  »es  ist  der  rechte  Schlüssel  nicht*,  sagt  der 
Mann  ...  Ja,  wann  findet  der  Mensch  den  rechten  Schlüssel  zu  seinem 
Glück?  . .  •  Und  »es  ist  nicht  der  rechte  alte  Mai',  ruft  der  Barde,  der 
dem  »Schlüsselmann"  zur  Seite  geht .  . .  »der  rechte  alte  Mai  wie  einst 

»Ja  wie  einst"  schallt  es  im  Chore  »  »wie  einst  zur  Zeit  Arthurs 

...  Da  schwingt  sich  ein  Barde  auf  den  Felsen  zur  Linken  .  . .  Aller 
Blicke  sind  auf  ihn  gerichtet  ...  Er  verschwindet  . . .  Aber  gleich  ist  er 
wieder  zur  Stelle  . .  •  Doch  nein  —  ein  Königssohn  steht  dort,  mit  der 
Harfe  in  der  Hand  in  vornehmer  Rittertracht  . .  • 


... 
... 


350 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Und  dort  auf  der  andern  Seite  —  auf  jenem  Felsen  drüben  —  ein 
zweiter  Barde  ...  ein  Bardenschfiler  noch  .  •  •  midchenhaft  zart  ...  im 
Frauengewand  • .  •  Hero  und  Leander?  •  • .  Ach  nein!  —  Arthur  und 
Gwenhwyvarl*) 

Das  Theater  beginnt  • .  •  Die  Zuhörer  lagern  sich  .  •  • 

Arthur:  Schwan  ist  mein  Rosa  und  tilgt  mich  gut; 

Nicht  scheut  es  vor  der  Vssserflut  — 

Hindurch  —  kein  Zaudern  kennt  mein  Mut  . . . 
GwenhwyTsr:  Grfin  ist  mein  Thron  wie  die  Natur 

Und  wer  mich  liebt  ^  der  prahlt  nicht  nur! 

▼ort  halten  heisst  es,  Held  Arthur! 

Wer  reitet  mein  Ross?    Wer  ist  so  kühn? 

Wer  wird  fQr  mich  auf  das  Kampffeld  ziehn, 

Cai  zu  besteh'Oy  den  Sohn  von  Sevin? 
Arthur:  Ich  will  reiten!    Ich  will  den  Kampf  bestehnl 

Durch  tosende  Flut  soll  mein  tapferes  Ross  mir  gehn! 

Ich  bin  der  Mann,  Cai  kfihn  ins  Antlitz  zu  sehn! 
Gwenhwyvar:  Halt»  JQnglingy  halt!    Noch  bist  du  frei; 

Hundert  wie  du  sind  zu  schwach  gegen  Cai! 

Bleib,  ach  bleibe,  zu  spit  kam  die  Reu! 
Arthur:  Gwenhwyvar,  reizendes  herrliches  Veib, 

Hilst  mich  fQr  Spielzeug  zum  Zeitvertreib? 

Nein!  —  Hundert  Cais  hilt  stsnd  mein  Leib! 
Gwenhwyvar:  Ha,  Jfingling  im  schwarzen  und  gelben  Gewand 

Seh  ich  dich  •  •  • 

Und  so  geht  es  weiter.  Statt  des  Vorhangs  sinkt  die  Nacht  hernieder .  • . 


Ich  habe  nichts  selbst  hinzugedichtet.  Ich  habe  nur  verbunden,  was 
verschiedene  Quellen  älteren  und  neueren  Datums  zu  berichten  wissen. 
Muss  ich  den  Leser  erst  noch  darauf  aufmerksam  machen,  wie  diese  Art 
von  Maifeier-  und  Sommemachtspoesie  in  Shakespeare's  «Sommemachts- 
traum'  ihren  letzten  herrlichen  Nachhall  fand?  • . . 

Ich  habe  bereits  in  meinem  jfingst  erschienenen  Werke  «Über  Heimat 
und  Ursprung  der  mehrstimmigen  Tonkunst"*)  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  die  Wurzeln  unserer  dramatischen  Kunst  im  alten  Wales  zu  suchen 
und  aus  den  »Hud  a  Lledrith"  genannten  Volks-  und  Bardenspielen  her- 
vorgewachsen sind.  In  meiner  «Keltischen  Renaissance'^  habe  ich  auch 
die  Beeinflussung  der  Shakespeare'schen  Feenpoesie  durch  altbardische 
(kymrische)  Quellen  aus  Wales  —  Shakespeare  ist  ja  an  der  Grenze  von 
Wales  geboren  —  an  einigen  Beispielen   zu   zeigen   versucht.     Was   ist 

^)  Gwenhwyvar,  die  spitere  zweite  Gemahlin  Arthurs,  als  Ginevra  der 
Romane  dem  Leser  wohl  nicht  unbekannt.  *)  Leipzig,  1006^  C.  F.  W.  Siegel  (R.  Linne- 
mann).    *)  Ebendaselbst 


351 
LEDERER:  FESTSPIELE  BEI  DEN  BARDEN 


z.  B.  die  Fee  Mab  anderes  als  die  walisischen  Mabinogien?  (Altkeltische 
Feengeschichten).  Obigen  dramatischen  Dialog  habe  ich  aus  einer  kymrischen 
Dichtung,  die  spätestens  dem  12.  Jahrhundert  entstammt,  frei  fibertragen. 
Erhalten  sind  ähnliche  Dialoge  resp.  dramatische  Szenen  zwischen  Myrddln 
(vulgo  Merlin)  und  Ysgolan,  zwischen  Myrddin  und  seiner  Schwester,  zwischen 
Arthur  und  Trystan  u.  a.  Diese  keltischen  Kunstdenkmäler  sind  die  ältesten 
Dokumente  dramatischer  Poesie  in  Nordeuropa. 

Es  steht  aber  auch  ausser  Zweifel,  dass  die  Kunst  des  «Theaters' 
aus  Wales,  dem  Lande  Konig  Arthurs,  nach  England  und  Frankreich  und 
späterhin  auch  nach  Deutschland  kam.  So  wissen  wir  z.  B.,  dass  theatra- 
lische Darstellungen  von  Abenteuern  aus  dem  Arthurkreise  auch  in  Frank- 
reich die  älteste  Form  dramatischer  Kunst  im  Mittelalter  sind.  Gegen 
Ende  des  12.  Jahrhunderts  wurden  sie  nach  Frankreich  gebracht.  Petrus 
Blesensis  (gest.  1200)  und  die  Annales  BurtonenSes  erzählen  von  solchen 
Schauspielen  und  Schauspielern  als  etwas  ganz  Gewohnlichem.  Kurz  vorher 
tauchen  solche  «Maskenspiele'  auch  in  London  auf,  nämlich  im  Jahre  1180. 
Erzbischof  Becket  fand,  wie  unser  Gewährsmann  berichtet,  solchen  Ge- 
fallen an  den  Spielen,  dass  er  ähnliche  Spiele  unter  den  Mönchen  zu 
fördern  strebte.  Wie  diese  lediglich  Kopieen  der  alten  Bardenspiele  und 
der  Theaterstucke  herumziehender  «bourdeurs'  waren  (dies  der  gewöhn- 
liche Name  der  dramatischen  Jongleure  des  Mittelalters),  so  behielten  sie 
auch  den  Namen :  Burdana  (worin  der  Stamm  bard  deutlich  zu  erkennen  ist). 

Eine  der  ältesten  Nachrichten  fiber  dramatische  Kunst  in  Wales  selbst 
gibt  ein  walisischer  Bericht  über  grosse  Maifestspiele,  die  der  Fürst 
Gruffydd  ab  Rhys  im  Jahre  1135  veranstaltete.  Es  heisst  da  u.a.:  «A 
chynnal  phob  chwareuon  Hud  a  Lledrith,  a  phob  arddangos*,  d.  h. :  und  es 
wurden  dort  alle  Arten  von  Spielen  der  Phantasie  und  des  Scheins  aus- 
geführt und  jede  Art  von  Darstellungen.  Eine  ausfuhrliche  Erklärung  dessen 
aber,  was  unter  „Hud  a  Lledrith*  verstanden  wurde,  gibt  eine  aus  dem 
Jahre  1180  stammende  Abhandlung  des  Jeuan  Vawr  ap  y  Diwlith.  Sie  ist 
in  den  im  Jahre  1848  herausgegebenen  »Jolo-Manuscripts*  enthalten  und 
besagt  folgendes: 

»Hud  a  Lledrith  (wörtlich:  Tiuschung  und  Schein)  nennt  man  ein  dichterisches 
Werk,  in  dem  eine  Anzahl  von  Personen,  die  in  bezug  auf  Eigenschaften,  Stand  und 
Gemfitsart  einen  andern,  als  den  ihnen  wirklich  angehörigen  Charakter  annehmen, 
Wechseireden  und  Beratungen  halten.  In  solchen  Darstellungen  führen  verkleidete  [1] 
Personen  Gespräche  miteinander,  jede  f&r  oder  wider  den  Gegenstand,  den  sie  ihrer 
Betrachtung  unterwerfen,  um  gleichsam  die  richtige  oder  falsche,  die  heitere  oder 
traurige  Seite  desselben  in  Hinsicht  entweder  auf  Erfolg,  Zusammenhang  und  Not- 
wendigkeit, oder  des  Gegenteils  zur  Anschauung  zu  bringen;  oder,  um  bei  der  Ge- 
legenheit der  Tugend  Ehre  und  Belohnung  zu  spenden,  hingegen  auf  das  Laster 


352 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Schmach,  Verderben  und  Strafe  zu  werfen,  und  auf  diese  Weise  das  GIfick  und  Ge* 
deihen  der  Guten  deutlich  zu  machen,  und  nicht  minder  durch  das  Eiend,  welches 
Ober  den  Menschen  von  bösen  Gesinnungen,  Handlungen  und  Gewohnheiten  herein- 
bricht. Ein  Gedicht  dieser  Art  wird  durch  Frage  und  Antwort  in  Szene  gesetzt:  für 
und  gegen,  oder  für  und  f&r,  durch  Widerrede  und  Entgegnung,  damit  der  in  Rede 
stehende  Gegenstand  oder  die  Begebenheit  in  ihrem  rechten  Lichte  und  ihrer  wahren 
Gestalt  erscheinen  und  die  dadurch  angezogenen  Personen  yon  Anfang  bis  Ende  die 
Dinge  in  ihrem  wirlcHchen  Charakter  erkennen  mögen  und  zu  der  Erkenntnis  geffihrt 
werden,  dass  die  ganze  in  ein  solches  Gewand  gekleidete  Darstellung  dazu  diene, 
die  Wahrheit  zu  enthüllen.*)  [I I !]  Aus  diesem  Grunde  wurden  in  alter  Zeit  [!]  Werke 
dieser  Art  Terschiedentlich  benannt:  Gedichte,  Schauspiele,  Unterhaltungen  der 
Täuschung  und  des  Scheins  (der  Illusion  und  Phantasie);  jetzt  aber  nennt  man  den 
Ort  der  Darstellung  mit  Einschluss  der  Schauspieler  Hillock  (d.  h.  eigentlich:  kleiner 
Hügel,  Bühne)  der  Illusion  und  Phantasie  und  die  Vorstellung  selbst  —  ein  Mirakel- 
spiel.« 

Eine  interessante  Dramaturgie  aus  dem  Jahre  1180!  Sagt  sie  nicht 
dasselbe  wie  der  latinisierte  Name  Burdana?  Dass  nämlich  die  kirchlichen 
Mirakelspiele  lediglich  Kopieen  weltlicher  Bardenkunst  sind,  ebenso  wie  auf 
dem  Gebiete  der  Literatur  und  Poesie  die  kirchlichen  Nachdichtungen  und 
Farcituren  und  wie  auf  musikalischem  Gebiet  —  die  gesamte  mittelalter- 
liche Kirchenmusik  ?  . .  •  Bardenkunst,  keltische  Bardenkunst  ist  die  Grund- 
lage aller  unserer  schönen  Künste !  Was  im  Altertum  das  Volk  der  Griechen 
—  das  waren  im  Mittelalter  die  britannischen  Kelten.  Und  ich  möchte 
diese  Zeilen  nicht  schliessen  ohne  denselben  Ruf,  in  den  meine  «Keltische 
Renaissance«  mündet :  Gedenket  der  Barden !  Denn  noch  liegen  sie  leider 
in  Vergessenheit  da,  gleichwie  die  Griechen  vor  der  griechischen  Re- 
naissance •  •  • 


■  ■    ■ 

■      —    -r ~  1 


Blicken  wir  zurück:  dass  der  Ursprung  des  deutschen  Theaters  auf 
umherziehende  englische  Komödiantentruppen  zurückgeht,  ist  notorische 
Tatsache.  Dass  die  gesamte  deutsche  Bühnenkunst  ohne  den  Einfluss 
Shakespeare's  nicht  denkbar  wäre,  ist  Faktum.  Dass  Shakespeare  auf 
mittelalterlicher  walisischer  Bardenkunst  fusst,  hoffe  ich  an  den  zitierten 
Stellen  glaubhaft  gemacht  zu  haben.  (Im  übrigen  soll  davon  in  einem 
eigenen  Werke  die  Rede  sein.)  Von  den  Barden  führt  der  Weg  weiter 
zurück  zu  den  Druiden  und  der  Ursprung  unserer  dramatischen  Kunst  auf 
das  Baltaine  und  das  Maifeuer. 

Maifestspiele  der  Ausgangspunkt  —  Maifestspiele  der  Endpunkt  der 
Entwicklung:  ein  Kreislauf  ist  alles,  das  Leben,  die  Welt  und  die  Kunst! 
. . .  Steig  auf,  Schatten  Ben  Akiba's,  und  sage  dein  Sprüchlein  her! 


.  • 


^)  Hier  schimmert  die  alte  Bardenparole:  »Y  gwir  yn  erbyn  y  byd"  (Wahrheit 
der  ganzen  Welt  zum  Trotz)  unverkennbar  durch.  VergU  Lederer  ^Keltische  Re- 
naissance". 


jnter  den  Vasservdgeln  ist  auch  die  M6we  zu  erwähnen.    Loewe 

I  schildert  vorübergehend  der  ,M8we  Geschrill'  im  .gefangenen 

Admiral*  und  mit  besonderer  Charakterisierung  (er  zeichnet 

I  zumal  den  Flug  der  Möwen  unter  Anwendung  von  Oktaven  und 

Quarten)  im  «alten  SchifTsherm'  (beide  in  Bd.  X  der  Ges.-Ausg.). 

Auch  dem  Schwan  wendet  er  mehrfach  sein  Interesse  zu,  z.  B.  in 
der  Ballade  vom  .kleinen  Schiffer*.  Ja,  eine  eigene  grössere  Ballade,  .Die 
Schwanen  Jungfrau*,  ist  der  Veranschaulichung  des  Schwanenlebens  ge- 
widmet. Gleich  nach  dem  Eingangstakt  (Thema  des  .Ritter  Weither')  er- 
scheint der  SchwXoe  Kreischmotiv: 


^i^# 


Von  Ihm  unterscheidet  sich  das  Flugmotiv,  charakteristisch  durch  die  Be- 
gleltang  gehoben: 


Schvi  •  ne 


Unter  den  WasservSgeln  ist  auch  die  Ente  von  Loewe  nicht  ver- 
gessen. Sie  wird  tonmalerisch  gezeichnet  in  der  Frühlingssonate  und  be- 
hauptet als  Wildente  eine  Stelle  in  der  oben  angeführten  klassischen  Ballade 
.Der  Feind*.  Dass  das  Motiv  der  Ente  dem  des  Königs  der  Lüfte  an- 
gepasst  and  somit  untergeordnet  erscheint,  entspricht  ganz  Loewes  Kom- 
positionsweise.   Es  lautet: 


354 
DIE  MUSIK  V.  24. 


S 


£ •_, m±£ n •. 


•  • 


}    J    ^T 


Die       En  -  te    duckt  im      düs  •  fern  Rohr 


:«; 


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PSd. 
Die  Schnepfe  hat  Loewe  launig  in  einem  bisher  unveröffentlichten 
achtstimmigen  Männergesang  .Die  Schnepfensonntage*  behandelt.  Nur 
vorübergehend  findet  das  Huhn  Erwähnung,  wie  in  der  »Einladung',  und 
die  Kfichlein,  wie  in  dem  Fabelliede  .Wer  ist  Bär?*;  —  dagegen  ist  der 
Hahn  als  ein  echt  balladenhaftes  Tier  reichlicher  von  ihm  bedacht.  So 
finden  wir  ihn  in  »ElvershSh*  und  im  .Geisterleben"  (Bd.  III  und  Bd.  VIII). 
Vermerkt  sei  das  Hahnmotiv  aus  dem  Liede  .Wach  auf  (Bd.  XVI): 


a.  ji  I }  j-^-i^j  I ;  -f~r^-^r^=^='F^ 


Der  Hahn  hat     ge-kriht:  Wach  auf,  wach  auf,  wach    aufl 

Hier  wfirde  sich   der  Kuckuck  anreihen.     Loewe  schreibt  fiber  ihn  in 
seinen  Vorarbeiten: 

„Nur  der  Kuckuck  (cuculus  canorus)  gibt  im  Frühlinge  zwei  schöne  Töne  von 
sich,  die  einem  B-Klarinett  ähnlich  sihd.  Gewöhnlich  ist  es  die  Dur-Terz  e  c  in  der 
zwei  gestrichenen  Oktave,  die  den  Ausdruck  des  Heiteren,  Persönlichen  und  Sorgen- 
freien hat  Ebensowohl  hört  man  die  Moll-Terz  es  c,  welche  aber  keineswegs  als 
solche  klingt,  sondern  Qian  hört  sie  alsdann  im  Gefühl  als  5,  3^  über  dem  Gnindton 
as,  in  welchem  Falle  sie  womöglich  einen  noch  schalkhafteren  Ausdruck  hat.  Zu- 
weilen hörst  du  auch  die  Sekunde  d  c,  aber  selten;  niemals  indes  die  Quarte  f  c* 

Im  Zusammenhang  mit  dieser  wissenschaftlichen  Zugrundlegung  hat 
Loewe  die  Kuckucksstimme  sowie  sein  possierlich  Gebaren  ausführlich 
dargestellt  in  seinem  launigen  Fabelliede  «Der  Kuckuck*  (Bd.  IX,  No.  10), 
wobei  indes  in  der  Hauptstelle  die  kleine  Terz  a  fis  figuriert: 


|ZtZL-^r?T^^^[=4:^3 


^ 


5 


Kuk  •  kuk,       Kuk  -  kuk,       lacht     fein    da  -  rein 
Loewe  ßhrt  fort:  .Der  Kuckuck  macht  den  Übergang  zu  den  Singvögeln.' 


C. 

.Die  Sincvfigel",  so  setzt  Loewe  seine  Vorbemerkungen  fort,  .sind  meist  klein, 
haben  kurze,  schlanke  FQsse,  scharfzugespitzte  Scbnibel  und  leben  von  Insekten  nnd 


355 

RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Pflanzensamen.  Ihr  Fleisch  ist  meist  wohlschmeckend.  Unter  den  Singvögeln  er- 
heben sich  durch  Unterricht  zum  Gesänge  von  Menschenmelodieen:  Kanarienvogel, 
Dompfaff  —  singt  nicht  frei  —  (Kreuzschnabel),  Staar  (Drossel,  Amsel).  Die  anderen 
haben  kein  Gehör.   Auch  ist  das  Gehör  individuell.   Manche  gar  nicht,  etwelche  viel.* 

Dann  finden  sich  noch  folgende  aphoristische  Notizen: 
.Unterscheide  junge  und  alte  Vögel.    Ihre  Edukation.    In  den  Provinzen  ver* 
schieden.    Harzflnken  z.  B.  singen,  schlagen,  pfeifen.* 


Die  Singvogel  im  allgemeinen 

Loewe,  mit  seinem  unendlich  feinen  Gehörsvermögen,  seinem  wonnigen 
Wohlbehagen  an  der  ton-  und  sangesreichen  Vogelwelt,  macht  mit  vielen 
seiner  Werke  auch  uns  in  ihr  heimisch.  Mit  all  ihren  Zaubertönen 
verflicht  er  sie  in  die  ernsten  wie  fröhlichen  Lebensepisoden  und  breitet 
durch  solches  Hineinverweben  derselben  in  die  Geschicke  der  Menschheit 
einen  verklärenden  Glanz  fiber  das  oft  öde  Dasein  oder  unglückliche  Be- 
wusstsein. 

So  haben  Singvögel  die  Bestimmung,  dem  Heiligen  zu  dienen  und 
ihm  die  Wfiste  zu  beleben  und  zu  verschönen  (vgl.  «Das  Paradies  in  der 
Wfiste«,  Bd.  XIII): 


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f-M^¥-i^ 


Ihm      san-gen    die    Vö  -  gel,   die    einst  mit    An  -   to  -  ni  -  us 


m'  i  i  r  { m 


Lob  •  lie  •  der    an  •  ge  -  stimmt. 

Dem  verschmachtenden  Pilger  in  der  Wfiste  werden  sie  zum  Retter,  ihn 
zum  erfrischenden  Labequell  der  Oasis  lockend  (vgl.  das  »Lied  eines  Vög- 
leins in  der  Wüste",  aus  dem  »Arabischen  Liederkranz*,  Bd.  VI): 

aoito  voce 


i0-f*-^  II'  P^  P 


^^~*r . 


Ich      schau -ke  -  le    leicht  mich  im      grfi   -  -   nen      Laub        und 

sing ich    sin  -  ge    von    Fried und      Ruh von 

sing ich    sin  -  ge    von    Lieb und    Treu,         den 


drau 
drau 
Wan 


ssen  wir 
ssen  kür 
drer     lock- 


belt  der  hei  -  -  sse  Staub.  Ich 
ren  die  Waf  -  fen  da  -  zu.  Ich 
ich   vom   Pfad her    -   bei. 


Dem  nach  Tröstung  schmachtenden   Sünder  bieten  sie  (vgl.  den  »Mönch 
zu  Pisa«,  Bd.  IV): 


356 
DIB  MUSIK  V.  24. 


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f=^^s-f 


* 


8Ü    -    ssen      Klang 


Dem  vor  Grauen  ohninächtig  zur 
Erde  gesunkenen,  im  Waldes- 
dickicbt  verirrten  Mägdlein  singen 
sie  beim  ersten  Morgenwind  die 
Schrecken  von  der  Seele  (vergl. 
»Jungfrau  Lorenz*,  Bd.  XIII),  wo- 
bei zumal  des  Finken  Sang  kennt- 
lich hervortritt.  Zur  Erhöhung 
reiner  Menschen  freude  jubeln  sie  dem  beglfickten  Menschenherzen  ihren 
frohesten  Schall  entgegen  (vgl.  das  Lied  «Niemand  hat's  geseh'n*,  Bd.  XVI): 


j^^ 


da  sangen    die  Vög-lein      mit      lau    -    tem 


Schall, 


An  der  ganzen  Bewegung  der  Natur  nehmen  sie  teil,  nächtens  den  Reiz 
des  Elfenzaubers  mit  ihrem  Gesang  erhöhend  (vgl.  „Elvershöh",  Bd.  III; 
fibrigens  hat  diese  Loewesche  Ballade  und  besonders  die  hier  folgende 
Stelle  das  höchste  Entzücken  Richard  Wagners  hervorgerufen,  wie  mir 
seinerzeit  Heinrich  von  Stein,  der  langjährige  Hausfreund  R.  Wagners, 
persönlich  mitteilte): 


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Die         Vöa-lein       all'      ii 


^ 


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g     r    g 


grü  -  nen       Hain,     sie 


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ni»tt. 


357 
RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


t 


hupf-ten  und   zirp  -  ten    Lie 


der 


Die  Singvögel  sind  vom  Schöpfer  gesandt,  um  der  ffihlend'en  Brust 
des  Menschen  die  Ffille  ewiger  göttlicher  Schönheit  nahe  zu  bringen.  Eine 
vollständige  Vogelballade  (oder  besser  -Legende)  gibt  diesem  Gedanken 
Ausdruck,  nämlich  »Der  Gesang"  <B.  IX  No.  13).  Loewe  selbst  schreibt 
zu  dem  Vorwurf  dieses  Werkes  in  obiger  Abhandlung: 

«Lieblich  versinnlich t  der  Dichter  N.  Vogl  in  einer  artigen  Legende:  ,Der  Ge- 
sang*  die  Art  und  Veise,  wie  der  Herr  den  Vögeln  am  fQnften  Schöpfungstage  durch 
einen  Engel,  den  er  sendet,  den  Gesang  beibringt,  indem  dieser  auf  einem  Rohre 
(gracili  avena)  allerlei  Weisen  vorbläst,  die  sie  sich  dann  sofort  aneignen.* 

Nicht  weniger  als  siet>en  verschiedene  Singvögel  ffihrt  uns  hier  Loewe, 
jeden  nach  seinem  eigentümlichen  Gesänge,  und  doch  sämtlich  durch  das 
einheitliche  Band  des  Balladenstiles  zu  einer  Gesamtwirkung  verbunden, 
vor:  den  Zeisig,  Stieglitz,  Finken,  die  Lerche,  das  Rotkehlchen,  die  Meise 
und  Nachtigall. 

Mit  noch  vielen  anderen  Gesängen  ist  er  uns  ein  Ffihrer  in  die 
Sangeswelt  der  Vögel  (hier  sei  nur  hingewiesen  auf  das  Duett  «Noch  ahnt 
man  kaum  der  Sonne  Licht",  «Die  Zugvögel",  «Das  Vöglein",  «Vogelsang", 
nach  einer  Dichtung  von  L.  Tieck,  und  den  Gesang  von  der  Waldkapelle!); 
—  fühlte  er  sich  doch  mit  seiner  göttlichen  Gabe  selber  zu  singen  und 
mit  seiner  echten  Schaffenskunst  dem  Vogel  in  den  Zweigen  so  nahe  ver- 
wandt! Schuf  er  doch  aus  Innerstem  Empfinden  und  gab  immerdar  nur 
das,  was  in  ihm  lebte  und  webte,  —  sein  innerstes  Selbst!    Darum  berief 


358 
DIE  MUSIK  V.  24. 


er  sich  auch  einst  —  im  Gegensatze  zu  so  vielen  anderen  Komponisten 
konnte  er  es  tun  —  auf  das  Sängerwort  seines  geliebtesten  Meisters  der 
Dichtkunst  (wir  geben  es  mit  Loewes  eigenem  Sang,  vgl.  Bd.  XI): 


Ich     sin 


ge 


wie  der     Vo 


gel       singt  der       in    den 


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a^ 


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Zwei    -    gen 


woh 


net 


Die  Singvögel  im  besonderen 

Wir  folgen  dem  Loeweschen  Verzeichnis. 

1.  Lerchen.  Loewe  unterscheidet  «Feldlerchen,  Heidelerchen,  Schopf- 
lerchen'.  Leider  hat  er  in  dieser  Übersicht  den  Naturgesang  so  wenig 
bei  der  Lerche  wie  bei  den  nachfolgenden  Singvogel-Arten  wissenschaftlich 
analysiert.  Dagegen  hat  er  den  Lerchensang  in  der  unter  A.  veröffent- 
lichten Abhandlung  wissenschaftlich  zu  bestimmen  versucht.  Wir  müssen 
uns  hier  ausserdem  mit  dem  begnügen,  wie  er  den  Lerchensang  kunst- 
mässig  seinen  Balladen  und  Liedern  eingewoben  hat.  Mehrere  Lieder  sind 
ganz  der  Lerche  gewidmet  wie  das  nach  dem  Luaschen  Text  komponierte 
(B.  XVI),  wo  die  Lerchenstimme  hauptsächlich  von  der  Begleitung  charak- 
terisiert wird.  Interessant  ist  der  entsprechende  Abschnitt  aus  dem  »Gesang* 
(r.  Hand),  der  zu  einem  Vergleich  der  unter  A.  mitgeteilten  Probe  auf- 
fordert.   Auch  das  Krummachersche  (B.  XVI)  ist  hier  zu  erwähnen: 


^"Ü  J   J'  J  ."  ^  C  M  I  H  C   F  p-^ 


Hört   die   Ler-che,  sie    singtt 


hoch  in    den  bliu  -  li  •  eben 


^=r^ 


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&=^ 


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Lfif  -  ten; ih  -  re     me  •  lo  -  di  -  sehe  Brust  - 

Bekannt  ist  der  Lerche  Sang  in  der  i^Heinrichs'-Ballade;  besonders  reiz- 
voll die  süsse  Romantik  des  bei  alledem  so  naturgetreu  wiedergegebenen 
Lerchenzaubers  in  der  Ballade  vom  Tajostrand,  an  der  Stelle:  »Und  musst 
du  mich  verlassen,  wenn  früh  die  Lerche  singt I*  (B.  VI).  Endlich  ist  un- 
verkennbar der  Lerche  abgelauscht  jener  Zwischensatz  in  der  Ballade  vom 


359 
KUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Schneeglöckchen  (B.  IX,  No.  17):  Der  Frfihling  zieht  ein;  mit  luft'gen 
Schwingen  kommt  ein  West  daher,  dem  folgt  mit  freudigem  Singen  ein 
Vöglein  übers  Meer;  dem  ein  zweites;  und  fröhlichen  Geleites 


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zieht    Früh  -  ling     hin  -  ter  -  drein,         zieht  Früh  -  ÜDg     hin  -  ter- 


M: 


P 


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F=l=?= 


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drein,      zieht    Früh 


ÜDg     hin  -  ter    -    drein  I 


Ober  2.  den  St  aar  zu  3.  den  Drosseln  fibergehend,  bei  denen  Loewe 
»Sangdrossel*  und  »Amsel*  unterscheidet,  finden  wir  erstere  in  der  be- 
kannten Ballade  »Thomas  der  Reimer*  gezeichnet.  Wenigstens  hat  nach 
Überlieferung  in  der  Loeweschen  Familie  der  Meister  hier  die  Sangdrossel 
im  Sinne  gehabt: 


ein  Vogel 


sang    im      E    -    -    sehen  -  baiim 


Der  »Amsel*  Flöteton  ist  einem  allerliebsten  —  leider  recht  unbekannt 
gebliebenen  —  Liedchen  von  Loewe  zugrunde  gelegt  (»Abendstunde*;  auch 
unter  der  Überschrift  »Die  Amsel  flötet*;  B.  XVII,  No.  55): 


360 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Un  poco  adagio 


Auch  unter  4.  den  Kernbeissern  hat  Loewe  seine  Lieblinge.    Zunächst 
trifft  er  folgende  Einteilung: 

j^a)  Loxia  curvirostris,  KreuzscbDabel  (singen?)  (wie  Dompfaff),  b)  Der  Dom- 
pfaffy  L.  pyrrhula,  knarrt  wie  eine  TQr.  c)  Der  GrGnling,  L.  ctalorts.  d)  Kembeisser 
oder  Dickscfanabel,  L.  coccotbraustea.    e)  Pirol,  Orlolus,  frisat  Kirschfleisch.* 

Sehr  zu  beklagen  ist,  dass  er  anscheinend  die  Kreuzschnäbel  nicht 
näher  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte.  Er  hätte  an  ihnen  besonders  lehr- 
reiche Studien  anstellen  können,  da  sie  trotz  aller  Anlage  zur  Zahmheit 
ihre  Natur  als  Waldvögel  nie  verleugnen  und  über  eine  herrliche  Singe- 
weise verfügen,  die,  stets  sanft  und  melodisch  bleibend,  ein  Durchschnitt- 
mittleres von  Lerche,  Nachtigall  und  Drossel  darbietet.  Kaum  ein  Sing- 
vogel spinnt  die  Melodie,  mit  allen  möglichen  Variationen  ausgestattet,  mit 
Flötentönen  und  Trillern  geziert,  so  weit  aus  als  der  Kreuzschnabel.  Kein 
Vogelsang  auch  kommt  menschlicher  Intelligenzkraft  im  Gesänge  so  nahe 
wie  die  Kreuzschnabelweise. 

Den  Pirol  dagegen  hat  Loewe  mit  viel  Liebe  behandelt.  Nach  jener 
wissenschaftlichen  Begründung,  die  oben  in  Loewes  Abhandlung  mitgeteilt 
ist,  hat  er  die  Pirolstimme  in  einer  reizenden  kleinen  Tier-Humoreske 
.Ich  und  mein  Gevatter"  kunstgerecht  angewendet  und  entwickelt.  »Zwei 
wunderliche  Gevattern,  die  immer  miteinander  flattern,  bei  den  Kirsch- 
bäumen wohlbekannt.*     Der  geschwätzige  Pirol  führt  das  Wort: 

Begleitung  r.  H. 


i 


p^üZEsirt 


S 


»Kirschvogel  bin  ich  geheissen. 


^JJ-^^  j-J'-J 


und  von  dem  Kerne  beissen  Kembeisser  ist  mein  Ge-vat-ter  genannt.* 

Über  5.  den  Ammer  bemerkt  Loewe:  er  .singt  nicht  sonderlich*,  —  und 
unterscheidet  «Goldammer,  Gartenammer,  Rohrsperling".  Mehr  am  Herzen 
liegt  ihm  6.  das  Geschlecht  der  Finken  (Fringilla): 


361 

RUNZE:  LOEVE  UND  DIE  VOGELWELT 


»a)  Fink  (Fr.  caelebs),^  b)  Sperling  (NB.  Fr.  domestic«  et  montant),  c)  Stieglitz 
(Fr.  carduelis)^  Distelfink;  lernt  Wasser  ziehen,  d)  Kanarienvogel  (Fr.  canaria),  e)  Zeisig 
,(Pr.  sp)nus)y  gleicht  dem  Knarren  eines  Stnimpfwirkerstuhles." 

Auch  den  Finkensang  ffibrte  uns  Loewe  mit  wissenschaftlicher  Be- 
gründung vor.  Gerade  ihn  treffen  wir  in  mannigfachen  Balladen  und 
Legenden  an,  z.  B.  in  «Jungfrau  Lorenz": 


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* 


iUnd  unmittelbar  zusammen  mit  dem  Stieglitz,  im  obenerwähnten  .Gesang*. 
Ebenda  wird  uns  auch  der  Zeisig,  wie  er  flink  hervorspringt  und  lieblich 
«ingt,  vorgeführt.  Besonders  feinsinnig  zeichnet  uns  Loewe  dies  anmutige 
Vöglein  in  einem  ihm  besonders  gewidmeten  Liede  (Bd.  XVII,  No.  23): 

AUegntto  gracioso 
P 


ll'  ü  J    j  f  71r-  f.  *  J'lr    J'  ^ 


Zeis-lein,  Zeis-lein,  Zeis-lein,      wo     ist,     wo    ist  dein  Hius 


lein? 


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^ 


g^  rPü^-flTf^ 


hoch,  hoch  im      Baum- 


aus   usw. 


iLieblich  tönt  der  Abgesang: 


aus  z^r .-  ,t^n  ^IQ  -  (en  •  reis   -   -   lein      da    ist,  da  ist  mein  Hluslein 
y.  2,^.  26 


362 
DIB  MUSIK  V.  24. 


7.  Die  Grasmficke  (Sylvia).  Hier  kommt  a)  die  Nachtigall  in 
Betracht,  der  Loewe  natfirlich  stets  sein  grösstes  Interesse  gewidmet  hat. 
Noch  in  seinen  letzten  Lebensjahren  in  Kiel  stellt  er  eingehende  Be- 
trachtungen über  Nachtigallengesang  an»  unterscheidet  genau  die  in  Dfistem- 
brook  heimischen  Arten  und  gibt  Mitteilung  Qber  deren  von  der  Pommer- 
schen  Nachtigall  abweichende  Weisen.  In  seiner  Abhandlung  fuhrt  er  noch 
folgendes  über  diesen  seinen  Liebling  unter  den  Singvögeln  aus: 

«Die  Nachtigall  (S.  luscinla)  singt  nur  in  der  Nistzeit,  Ausdruck  der  Liebe. 
Die  Motarcillen  sind  die  besten  Singer,  welches  zum  Teil  im  Kehlbau  und  Schnabel- 
bau liegt.  Der  Schnabel  ist  lang,  dünn,  gerade,  pfriemenfSnnigi  mit  fast  gleich  langen 
Kinnladen  und  am  oberen  Teil  einem  Einschnitt  v.  Schubert  sagt:  Im  Frfihling 
kommen  zuerst  die  Minnchen,  etliche  Tage  früher  als  die  Veibchen,  von  ihrer  Reise 
an,  setzen  sich  dann  abends  auf  die  Zweige  und  wetteifern  im  Schönsingen.  Dazu 
haben  sie  aber  auch  ihren  guten  Grund.  Denn,  wenn  die  Weibchen  von  der  Reise 
zurückkommen,  bemerkten  sie  immer,  dass  sich  diese  zuerst  diejenigen  Minnchen 
auswählen,  die  am  schönsten  singen,  und  da  es  bei  ihnen  Immer  mehr  Minnchen 
gibt  als  Weibchen  (wie  auf  den  Privatbillen),  bleiben  die  Minnchen,  die  am  schlechtesten 
singen,  zuletzt  allein  übrig  und  bekommen  kein  Weibchen.  Die  höhere  Gattung  ist 
der  Sprosser,  mit  dem  Beinamen  Phllomela;  er  Ist  etwas  grösser  und  singt  lauter 
und  schmetternder." 

Zahlreich  sind  die  Beispiele  der  Nachtigallstimme  in  Loewes  Ge- 
sängen, unter  denen  das  bekannteste  sein  dürfte: 


Gegenüber  diesem  Jubelschall  erklingt  im  zweiten  Teil  der  Gregor-Legende 
der  schwermutsvolle  Fldtenton: 


yr»  T  c  i?  h.a^3P?^y?^g^ 


t=H: 


^1=1= 


Mein  Freund  das      Ist      die      Nach  -  ti 


Fast  eine  kleine  Nachtigall -Tragödie  könnte  man  die  an  sich  in 
launigem  Ton  gehaltene  Fabelballade  vom  Kuckuck  und  der  Nachtigall 
nennen.    Tragisch,  —  weil  hier,  wie   so   oft  im  Leben,   der  anmassliche 


363 
RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Unverstand  Urteilsgewalt  fiber  die  höchsten  Ideale  fibt.  Der  Esel  erteilt 
dem  einfältigen  aber  fromm  klingenden  Kuckucksgesang  den  Preis.  Die 
Nachtigall,  im  Bewusstsein  ihrer  himmelhohen  Überlegenheit,  singt  erst 
gemässigt  in  schönen  Tönen;  dann,  als  sie  des  Esels  Unvemehmlichkeit 
erkennt,  ergeht  sie  sich  in  schmetterndsten  Akkorden,  um  ihr  Können  ihm 
deutlich  zu  machen;  als  jener  aber  in  seiner  ganzen  Blödigkeit  verharrt, 
erscheint  sie  verängstigt;  die  Töne  versagen  nach  und  nach,  und  sie  ver- 
stummt zuletzt: 


^^¥N^ 


diminuendo 


Diese  Zeichnung  und   Entwicklung  der  Nachtigallstimme  ist  ein  grosses 
Meisterwerk  des  Komponisten. 

Die  dem  bezaubernden  Nöckgesang  horchende  Nachtigall  lässt,  hier- 
durch in  ihrem  Können  beschwingt,  ihr  Atmen  anschwellen  zu  mächtigem 
Sang: 


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i=i=^t 


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und    at  -  mend    horcht    die  Nach  -  ti  -  gall, 


und    at  -  mend 


ho 


rcht  die 


^ 


i:lJIIi~3~rn: 


i^=^t=^ 


Nach 


-    ti  -   gall. 


Loewe  fährt  fort: 

,b)  Der  Mönch  (S.  atrlca  capilla),  so  gross  wie  der  Sperling,  mit  schwarzer 
Platte  auf  dem  Kopf,  mehr  Im  Walde,  in  hohen  Blumen. 

e)  Die  graue  Grasmücke  (S.  cineraria,  cumica,  garmla)  im  Gestriuch  und  Grat. 
Kleiner  und  gewandt;  ihr  Liedchen  ertönt  erst  ganz  leise,  auf  einmal  aber  endigt  es 
mit  einigen  lauten,  schnell  aufeinanderfolgenden  Tönen,  während  deren  der  kleine 
Vogel  sich  tanzend  In  die  Luft  hebt,  zuletzt  eine  Schwenkung  im  Kreis  herum  macht 
und  dann  sich  auf  sein  Gesträuch  setzt.  Er  loctct:  Tzä,  Tzl;  wenn  er  fürchtet  oder 
zürnt  bei  Annäherung  an  sein  Nest:  Gä,  Gi,  Gä;  auch  Giäk,  Glik.  Von  Zeit  zu 
Zeit:  Klapp,  Klapp,  Müllerchen. 

d)  Die  gelbbäuchige  (S.  Hippolaia)  .Dak,  Dak,  Fidhoi,  Fidhoi,'  (8  Fuss  hoch 
in  Gabelzweigen),  singt  sehr  schön,  ist  schwer  fortzubringen.  Lischen  allerlei.  Graziös, 
klein,  geschwätzig. 

26* 


364 
DIE  MUSIK  V.  24. 


e)  Rotschwinichen  (S.   Phoenicunis),   in  Mauern,    Gebinden,   sonderbar 
krichzende  Stimme. 

f)  Rotlcehlchen  (S.  Rubecula)  (in  der  Erde)  melancholischer  Gesang.' 

Loewe  schildert   das  Rotkehlchen  nach  Beweglichkeit  und  Stimme 
in  der  erwähnten  Legende  .der  Gesang": 


kehl  -  chen   schlupft 


^^ 


2    i  i 


aus    Laub    und    Duft 


I 


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Über  g)  den  «Zaunkönig  (S.  troglodytes),  singt  artig,  stark  schnarren- 
der Laut'  bringt  Loewe  ein  Beispiel  in  seiner  »Lustigen  Hochzeit".  Ihn 
trilTt  die  Wahl,  Bräutigam  zu  sein;  er  sprach  hinwieder: 

tenore  primo 


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^  i  J^    f^ 


tdL^  ^'i>  ;"  f=py=^ 


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Ich    bio    eio  sehr  idei-ner  Kerl,  kann  nicht  derBrlu-ti  -  gam  leln, 

:»  J    j^  j»— ^-1^ — r 


^^ 


ich  kann  nicht  Brlu  •  tt  -  gam    sein. 

Loewe  registriert  weiter: 

„h)  Goldhähnchen  (S.  regulus),  der  kleinste  Sänger.    Haubenköoig." 

Über  den  Hänfling  <den  er  leider  nicht  wie  Fr.  Schubert  musikalisch 
bedacht  hat)  schreibt  er: 

»Lieblingsvogel  der  westniischen  Spinnstuben:  Spinn  dike,  spinn  dike;  spinn 
fin,  spinn  fin,  spinn  ilnl" 

8.  Bachstelzen  <Mx>tacilla): 

a)  Die  weisse  Bachstelze  (M.  alba)  Langschwanz;  einfache,  helldurcbdringende 
Stimme«    Im  Winter  vor  Sonnenaufgang  und  -Untergang. 

b)  Die  gelbe,  Ackermännchen  (M.  flavia). 

c)  Die  graue  <A1  boarula). 

9.  Meise  (Parus). 

Über  sie  bringt  er  im  »Gesang*  ein  kurzes  Beispiel. 


365 

RUNZE:  LOEWE  UND  DIB  VOGELWELT 


10.  Schwalbe  (hinindo); 

»Die  braonkehlige  Rtttchschwalbe  (h. ruatica),  die  weisskehlige  Haus* 
•chwalbe  (h.  arbica),  die  graue  Uferschwalbe  (b.  riparia),  der  Ziegenmelker 
oder  die  Nachtschwalbe  (h.  caprimulgus)  (AmselgrSsse);  die  Stimme  schnarrt  wie 
ein  Spinnrad." 

Wie  wäre  es  denkbar,  dass  Loewe  seine  «treuen  Schwalben"  nicht 
geliebt  hätte  I  Schon  als  Kind  komponierte  er  ein  Liedlein  über  sie.  Auch 
später  hat  er  sie  mehrfach  mit  Tönen  bedacht.  Dass  er  am  Anfang  seiner 
volkstfimlichen,  wehmutsvollen  Ballade  «Die  verlorene  Tochter"  (Bd.  IX, 
No.  1): 


Es      flo  -  gen  drei  Schwil-be-lein       fi  •  ber    den  Rhein 


die  Stielung  der  Noten,  wie  seine  Handschrift  sie  aufweist,  nach  oben  ge- 
zogen hat,  entspricht  seiner  Eigenart,  hin  und  wieder  schon  mit  Noten- 
zeichen ein  wenig  zu  malen. 

Im  ^kleinen  Haushalt"   reiht  sich  das  Schwalbenmotiv  dem  thema- 
tischen  Zusammenhange  des  Ganzen  ein: 


i 


h 


I  g  c  rH'=^^ 


•4  g  c  r- 


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dass  das  Haus   be  -  wer  -  fen   sei,     trug   die  Schwalbe     Mör-tel      bei 

Mit  seinem  «Schwalbenmärchen"  (Bd.  IX,  No.  14)  hat  er  seiner  besonderen 
Vorliebe  gerade  für  das  reizende  Tierlein  klassischen  Ausdruck  verliehen. 
Sehnlich  sind  sie  erwartet  von  der  Unkenkönigin  und  den  Ihren,  da 
Frühling  die  Natur  belebt: 

AUegretto  leggiero 

erue. 


fütte  corde 


306 
DIB  MUSIK  V.  24. 


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drü ber       hin  mii 


»Uli«  llt 


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Es  folgt  ihre  Erzählung  in  der  Schwalbensprache: 


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g    C    p    ^ 


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tönt    Ge  -  zwit-Bcher  in     die  Wel  •  Itn:  Vie  -  le    GrQs-se  nsw. 

Und  so  fliesst  die  ganze  Märchenerzählung  der  Schwalben  und  das  Schwalben- 
märchen  selbst  in  streng  gebundener  Darstellungsform  dahin,  in  lauter 
Achteln,  zu  Anfang  und  gegen  den  Schluss  in  der  rechten  Hand  mit 
Sechzehnteln.  Wo  die  Singstimme  die  Achtel  verliert,  nimmt  sie  die  rechte 
oder  linke  Hand  auf.  Nur  bei  der  Oberbringung  der  Grüsse  an  die  Königin 
treten  Viertel  ein. 

11.  «Die  Tauben.  Lachtaube*.  Von  Loewe  mehrfach  behandelt,  z.B. 
in  den  Oratorien  .Die  sieben  Schläfer"  und  »D^s  hohe  Lied*;  sodann  in 
der  Legende  »Das  Wunder  auf  der  Flucht",  in  der  zum  »persischen  Lieder- 
kreise* (Bd.  VI)  gehörenden  »Taubenpost*  und  in  besonders  gelungener 
Weise  (»die  wilden  Tauben  sind  hier  eingezogen*)  in  der  grossen  Ballade 
»Die  Gruft  der  Liebenden*. 

12.  »Die  Wachtel*. 

Wer  kennt  ihn  nicht,  den  Weckruf  aus  dem  »Kleinen  Haushalt*: 


IJ    JJl-C^^-ri 


die  Wachtel  wacht  ruft    sie:  Kindl  Kind! 

•      •  .     « 

A  £    £  und  wenn  ä±  4t 


der  Tag 


beginnt. 


y-Fg| 


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367 

RUNZE:  LOEWE  UND  DIE  VOGELWELT 


Und  nun  mit  diesem  von  Loewe  zuletzt  aufgeführten  Singvogel  und  dessen : 


zurück  zu  seiner  bekanntesten  Ballade,  der  vom  »Vogelherd",   und  somit 

zu  dem  zuerst  und  zu  dem  am  liebsten  von  ihm  behandelten  Singvogel: 

.Der  Lerche  Sang,  der  Wachtel  Schlag,  die  süsse  Nachtigall!* 


i|  SebKnhelt  bat  Amerika  der  Telt  geichenkl,  mit  AnanahmB  der  rauben 

rbabenhelt,  die  Gott  dem  Bnieo  dea  Landea  aittltepil(t  hat  Der  menaeb- 

cbe  Gelat  dleaer  neueD  Welt  zeugt  mebr  von  Kraft  nod  ErfladunKafabe« 

la  Ton  ScbSnbeit    Und  ao  rScte  ea  der  Zahlt,  data  daa  Volkalied  der 

_[flter  —  der  rbytbmlacbe  Ruf  dea  SUaves  —  beute  nlcbt  nur  ala  die 

einilge  amerikanlacbe  Muafk  daatebt,  aondem  auch  ila  der  acbSoate  klancUctae  Aua^ 

druck  menacbUcber  Erhhrung  auf  dieiem  KoatlDcnt    Vera acbliaa Igt,  balb  veracbtet 

und  vor  allem  bebarrlicb  Terkanal  und  mistveraianden,  bleibt  ea  trotz  alledem  ein 

eigentOmllcbea  gdatigea  Erbe  der  Nation  und  die  grSiate  Gabe,  die  die  Neger  dleaem 

Lande  dargebracht' 

Wenn  man  Amerika  durchaus  eine  typische  ■merlkaoische  Musik 
geben  will,  so  hätte  die-  Musik  der  nordameriksnlscben  Indianer  vielleicht 
mehr  Anspruch  darauf,  als  solche  zu  gelten,  well  diese  Autocbthonen  sind. 
Die  Heimat  der  Neger  hingegen  ist  Afrika,  und  die  Wurzeln  ihres  Volks- 
tums sind  am  Congo  und  nicht  am  Mississippi  zu  suchen.  Nichtsdesto- 
weniger ist  obige  Äusserung  eines  begabten  Literaten  und  Professors  der 
Soziologie  an  der  Universltit  von  Pennsylvanien  bemerkenswert,  well  er 
selber  schwarzer  Abstammung  ist.  Prof.  William  Edward  Burghardt  Du  Bois 
mag  die  Bedeutung  der  Negermusik  für  Amerika  überschätzen,  aber  als 
eine  Autorität  für  das,  was  an  Ihr  echt  oder  unecht  ist,  kann  man  Ihn 
wohl  anerkennen.  Auch  ist  gegen  seine  Einteilung  derselben  in  afrika- 
nische, afro -amerikanische  und  Negermusik  von  heute  schlechterdings 
nichts  einzuwenden. 

Die  Musik  der  amerikanischen  Schwarzen  weist  vielfach  auf  ihren 
afrikanischen  Ursprung  zurück.  Sie  hat  mit  der  Musik  afrikanischer 
VolksstSmme  das  ausserordentlich  entwickelte  rhythmische  Gefühl  gemein. 
Dieses  zeigt  sieb  sogar  in  dem  Wiegenlied,  mit  dem  schwarze  Mütter  In 
Amerika  seit  mehr  als  zweihundert  Jahren  Ihre  Kinder  einschläfern: 


Bend*  nn  -  li,      nu  -  11, 


369 
VON  ENDE:  AMERIKANISCHE  NEGERMUSIK 


Schon  die  Urahne  wusste  nicht  mehr,  was  diese  Worte  bedeuteten;  aber 
unermfidlich  sang  sie  die  Weise  ihren  Kindern  und  ihren  Kindeskindem, 
und  sie  verfehlte  ihre  Wirkung  niemals.  Das  Lied  hat  sich  durch  münd- 
liche Überlieferung  bis  auf  den  heutigen  Tag  vererbt.  Etwas  jüngeren 
Ursprungs  mag  das  folgende  geistliche  Lied  sein,  dessen  Text  bereits  auf 
die  Heimatslosigkeit  hinweist: 


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ft==*r 


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Yen  may       bu  -  ry 


^—^   J    j.  j4=jj^-i^-iN 


me     in    the  East,  yon  may      bury       me    In    the 


— H 1- 


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West,        But         I    -    11      bear     tbe    trumpet    in     the      mor  -  ntng. 
Man  darf  nicht  vergessen,   dass  die  Schwarzen  diese  und  andere  Liedef 
niemals  singen,  ohne  dabei  den  Oberkörper  vor-  und  zurückzubeugen  oder 
den  Rhythmus  mit  dem  Fusse  zu  markieren.     Denn  ursprünglich  war  ihrä 
Musik  kaum  mehr  als  rhythmischer  Schall. 

Die  Schwarzen  in  den  Wäldern  Afrikas  pflegten  einen  Baumstamd 
auszuhöhlen  und  die  Öffnung  mit  frischer  Tierhaut  zu  bespannen;  dand 
setzte  sich  einer  rittlings  auf  das  Instrument  und  bearbeitete  es  mit  deif 
Handflächen  oder  mit  Keulen.  Die  westindischen  Nachkommen  diesem 
Trommlerurahns  taten  einen  Schritt  vorwärts,  indem  sie  statt  des  Baum"^ 
Stamms  ein  Fass  nahmen;  gespielt  wurde  auf  diesem  Instrument  genau  in 
derselben  Weise.     Lafcadio  Heam  schreibt  darüber  in  »Two  Years  in  the 

French  West  Indies": 

»Der  geschickte  Trommler  (bei  tamboure)  setzt  sich  mit  entblösstem  Ober^ 
körper  rittlings  auf  sein  ka  und  bearbeitet  es  gleichzeitig  mit  den  Fingerspitzen  beider 
Hinde^  Hin  und  wieder  druckt  er  die  nackte  Ferse  mehr  oder  weniger  fest  gegen 
das  Fell,  um  den  Ton  zu  variieren.  Das  nennt  man:  der  Trommel  die  Ferse  geben 
—  bailly  talon.  MittlerweUe  schiigt  ein  Knabe  mit  einem  Stock  auf  das  unbedeckte 
Ende  der  Trommel,  wodurch  eine  klappernde  Begleitung  entsteht.  Der  Klang  dieser 
Trommel,  wenn  sie  gut  gespielt  wird,  hat  eine  wild  hinreissende  Kraft,  die  zum  Tanze 
anreizt  und  ihn  beherrscht  —  ein  eigentumlich  wogendes  Steigen  und  Fallen.* 

Diese  Trommel  spielte  bei  den  Festen  der  Schwarzen  auf  Martinique 
und  in  ganz  Westindien  eine  grosse  Rolle.  Von  den  Antillen,  wo  die  Musik 
des  afrikanischen  Negers  durch  französische  und  spanische  Einflüsse  modi-* 
fiziert  wurde,  kam  sie  nach  Louisiana.  Die  Calinda,  die  an  Sonntagen  auf 
jeder  Plantage  in  Martinique  getanzt  worden,  bürgerte  sich  auf  dem  Place 
Congo  in  New  Orleans  ein  und  bot  den  Weissen  lange  Jahre  ein  Schau- 
spiel, dem  sie  ebenso  gebannt  wie  angewidert  zuschauten.  Denn  der  Tanz 
war  eine  ziemlich  anstössige  Pantomime,  die  von  zwei  einander  gegenüber« 
stehenden  Tänzerreihen  ausgeführt  wurde.  Die  Tänzer  näherten  und  tnu 
femten  sich  unter  Gliederverrenkungen  und  lasciven  Gesten.     Solche  Mimik 


370 
DIE  MUSIK  V.  24. 


charakterisiert  auch  die  immer  seltener  vorkommende  Voodoofeier,  einen 
unheimlichen  Götzendienst. 

An  die  scharfzüngigen  «griots*  von  Senegambien  erinnern  die 
»pillards'',  Spott-  und  Schmählieder,  die  heute  noch  von  den  Schwarzen 
in  Louisiana  jedermann  nachgeheult  werden,  der  während  des  Karnevals 
ihr  Missfallen  erregt.  Charakteristisch  für  diese  Lieder  ist  gleichfalls  der 
scharf  markierte  Rhythmus.     Lafcadio  Heam  schreibt  in  dem  vorerwähnten 

Buche: 

.Vor  mehr  als  hundert  Jahren  druckte  Thibeau  de  Cbanvallon  sein  Staunen 
aus  über  den  Zauber  des  Rhythmus,  welcher  die  Lieder  und  Tinze  der  Sklaven  von 
Martinique  auszeichne.  Der  rhythmische  Sinn  derselben  machte  einen  tiefen  Ein- 
druck auf  Ihn.  Ich  sah,  schrieb  er,  wie  sieben-  bis  achthundert  Neger  eine  Hochzeits- 
gesellschaft mit  Gesang  begleiteten;  dabei  sprangen  sie  zuweilen  alle  zusammen  in 
die  Luft  und  kamen  gleichzeitig  herunter;  das  wurde  so  exakt  ausgeführt,  dass  der 
Absprung  nur  einen  einzigen  Laut  verursachte.  Ahnliches  kann  man  während  jedes 
Karnevals  in  St.  Pierre  beobachten,  wenn  der  Teufel  seine  nächtliche  Runde  macht, 
von  hunderten  von  Knaben  gefolgt,  die  in  die  Hände  klatschen  und  zusammen  hüpfen. 
Aber  auch  in  der  boshaften  Sitte  des  pillard,  creolisch  piya,  kann  man  dasselbe 
beobachten.  Irgend  jemand,  den  zu  belästigen  dem  Volke  erlaubt  dünkt,  findet  sich 
plötzlich  auf  der  Strasse  von  einem  mehrere  hundert  Köpfe  zählenden  Chor  verfolgt, 
der  sein  Lied  mit  Händeklatschen,  Tanzen  und  Laufen  begleitet  und  zwar  so  takt- 
mässlg,  dass  alle  die  nackten  Füsse  den  Boden  in  demselben  Moment  berühren  . . . 
Ein  Beispiel  solchen  Spottchors  Ist  Loema  tombi,  das  von  einem  Mädchen  handelt, 
welches  Tugend  heuchelte  und  zu  Falle  kam.  Das  von  den  Klatschbasen  gesungene 
und  von  händeklatschen  begleitete  Lied  ist  in  seinem  Wechsel  von  Chor  und  Soli 
und  den  Wiederholungen  des  Refrains  ad  Infinitum  charakteristisch  für  das  Negerlied 
überhaupt.  Die  Frage  der  Einzelstimme  ,SAgt  an,  lst*8  wahr?'  und  die  Antwort  des 
Chors  ,Loema  Ist  gefallen*  folgen  einander  rascher  und  rascher,  bis  die  Sänger  vor 
Ermüdung  aufhören  müssen.* 

AUegro  moderato 


i 


C6     ti     man-mallle  -  lä,  Zautt   te   bo  -  la  -  rl- vi6,  Ou'a  dl  moln  comm'  ga: 

Refrain  ad  Üb.  sempre  acceUrando 


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M-^  j  j  j  -ri 


Si    oue     Lo  -  e  -  ma    tom-b6?     Ou'a   dl   molo  comm'ga,    Lo  -  e  -  ma    tom- 


$ 


b6?  Ou'a  dl   moln  comm'       ca,  Lo  -  e  -  ma   tom  -  -  b6?  Ou'a  dl  moln  comm' 


3 


h     I    -4- 


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^A,     Lo  -  e  -  ma     tom    -   -    b€? 
In   vielen  Liedern   lässt  der  Text  die  Tragödie   des  Rassevorurteils 
ahnen,  die  in  der  Literatur  der  Südstaaten  Nordamerikas  eine  so  hervor- 
ragende Rolle  spielt  und  dem  Leben   in  New  Orleans,  als  es  noch  das 


371 


VON  ENDE:  AMERIKANISCHE  NEGERMUSIK 


Paris  des  westlichen  Kontinents  war,  eine  romantische  Färbung  gab.  Aus 
jener  Zeit,  da  die  Schwester  als  gefeierte  Schönheit  auf  dem  Quadronen- 
balle  die  Huldigungen  der  weissen  Männer  entgegennahm,  während  der 
ebenso  freigeborei^e  Bruder  nur  als  Musikant  Zutritt  erlangen  konnte, 
stammt  das  Lied  vom  Troloulou-Fiedler.  (Milatraisse  heisst  im  creolischen 
Dialekt  die  freie  Quadronin  oder  Alle  de  couleur,  cocodrie  ist  der  Spott- 
name für  einen  unvermischten  Schwarzen.)  Das  Lied  lautet  in  der  Über- 
setzung: 

«Gelbes  Midchen  a^bt  zum  Ball, 

Neger  leuchtet  ihr  zum  Saal, 

Fiedelmann! 

Na,  was  geht  es  dich  denn  an. 

Sag,  was  geht  es  dich  denn  an, 

Fiedelmann? 


Mi  -  la-traisse  cour-  ri    dans  bal,  Co  -  co  -  drie    po'  -  t6     ft  -  nal,  Trou-lou- 


^■g,j  C  fi    g  m^i    g    C-^ 


loulC'estpas  zaf- faire    k     tou,  C'est  pas  zaf- faire     h   tou,  Trou-lou -lou! 

In  das  innere  Gefühlsleben  der  Sklaven  lassen  nur  wenige  Lieder  blicken. 
Von  Mutter  und  Kind  singt  manches  Lied;  selten  wird  der  Vater  erwähnt; 
noch  seltener  Heim  und  Heimat.  Die  Klage  des  flüchtigen  oder  müden 
Wanderers  hingegen  hallt  in  vielen  wieder.  Auch  der  Liebeslieder  gibt  es 
nicht  allzuviele;  von  echtem  tiefen  Liebesglück  gibt  keines  Kunde,  wohl 
aber  manches  von  Liebesleid.  Eine  Liebestragödie  lässt  uns  dunkel  das 
folgende  Lied  ahnen,  das  eines  der  ältesten  seiner  Art.  Eine  alte  Negerin 
sagte  davon,  es  könne  nur  mit  einem  vollen  Herzen  und  einem  sorgen- 
schweren Geiste  gesungen  werden: 


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Poor  Ro  -  sy,  poor  gal;  Poor  Rosy  poor  gal;  Ro  -  sy  break  niy 

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^    '     ä 

poor  heart,  Heav'n  sball  •  a  •   be     my  bome. 

Eigentämlich  und  für  das  Ohr  der  Weissen  ermüdend  sind  die  Wieder- 
holungen. Um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  sei  hier  eines  der  uralten 
Familienlieder  erwähnt,  eine  Art  Willkommen:   «Howdy,  howdyl*: 


bowdy,  bowdy,  brotber.an'    a  bowdy,    howdy  do?      M  •  m  •  m-in-m 


372 
DIE  MUSIK  V.  24. 


An'  I  do  migtaty  well,  an'  I  thtnk  God  too!  M-m-m-m-m 
In  diesem  Liede  werden  Bruder,  Schwester,  Onkel,  Tante,  Vettern,  Basen,, 
kurz  alle  Verwandte  der  Reihe  nach  einzeln  angesungen.  Eine  ganz^ 
eigene  Wirkung  macht  das  von  dem  Chor  mit  geschlossenen  Lippen  ge- 
summte «M-m-m-m',  das  als  ein  unartikulierter  Ausdruck  innigen  Be* 
hagens  aufgefasst  werden  kann. 

Die  ursprüngliche  Tanzform  ist  in  vielen  Liedern  deutlich  erkennbar.. 
Es  gab  aber  auch  der  Tänze  viele,  in  Westindien  noch  mehr  als  in  Loui* 
siana.  Cosaque,  beguine  und  belair,  auch  bele  oder  bela  genannt,  wurden 
in  letzterem  Staate  wenig  getanzt ;  hingegen  mag  die  giouba  identisch  sein 
mit  der  juba  von  Georgia  und  Nord-  und  Sfid-Carolina.  Die  einfachen 
Tanzrbythmen  wurden  häufig  durch  Synkopierung  variiert  und  kompliziert, 
wodurch  jene  in  der  heutigen  Negermusik  beliebte  Taktart  entstand,  die 
der  klassischen  Musik  nichts  weniger  als  fremd  ist,  in  Amerika  aber  seit 
einigen  Jahren  als  «rag  time*,  hin  und  wieder  auch  .Scotch  snap*  ge« 
nannt,  die  leichtere  Operette  und  das  Vari6t6  beherrscht.  Westindischen 
Ursprungs  ist  das  folgende  Beispiel: 


f^ffJ  rj||'Tf,_4af4|!  .ff^r^^^44s?f^?3g 


^Ffhl'Tf^  L'  I  rTc  fJ  .1;  I  f^  I  JiT-H^ 


l^mifj  Itlfr^C^  I J^  I  ^J  ^^l^Ö^iP 


Während  die  meisten  weltlichen  Lieder  der  Neger,  sofern  sie  älteren 
Ursprungs,  aus  dem  französischen  Westindien  stammen  und  dem  Text  nach 
eine  Verquickung  afrikanisch-heidnischer  und  französisch-katholischer  An* 
schauungen  darstellen,  in  der  Musik  den  Einfluss  französischer  und  italie- 
nischer Melodiefuhrung  verraten,  finden  sich  in  den  geistlichen  Liedern 
die  afrikanisch-heidnischen  Elemente  mit  dem  Protestantismus  vermischt, 
dessen  Macht  sich  die  Schwarzen  auf  den  Bahama-  und  anderen  Inseln 
gebeugt.  Die  Erweckungsversammlungen  der  Methodisten  und  Baptisten 
machten  auf  die  Neger  einen  tiefen  Eindruck.  Die  religiöse  Begeisterung 
steigerte  sich  bei  ihnen  zu  einer  Aufregung,  die  an  Hysterie  grenzte.  Die 
lebhafte  Einbildungskraft  Hess  sie  den  Text  der  Gesänge  wörtlich  nehmen; 
jedes  Gleichnis  war  für  sie  ein  Faktum.  Dass  es  dem  religiösen  Gefühl  der 
Rasse  keineswegs  widersteht,  einen  Bibeltext  einer  beliebigen  einigermassen 
passenden  Melodie  aufzupfropfen,  ist  eine  Kleinigkeit  gegenüber  den  grotesken 


373 

VON  ENDE:  AMERIKANISCHE  NEGERMUSIK 


Paraphrasen  bekannter  Hymnentexte,  die  man  unter  den  geistlichen  Liedern 
4er  Neger  findet.  Die  für  diese  geltende  Bezeichnung,  negro  Spirituals, 
'hat  daher  einen  etwas  humoristischen  Beigeschmack. 

In  der  Regel  werden  diese  Hymnen  in  bedeutend  rascherem  Tempo 
.gesungen  als  die  Kirchenlieder  der  Weissen.  Unterbrochen  wird  der  rhyth- 
mische Fluss  der  Melodie  häufig  durch  rezitativische  Rufe,  shouts,  die  an 
•den  Juchzer  unseres  Volksgesangs  erinnern.  Häufig  beginnt  ein  Lied  mit 
einem  solchen  Ruf,  wie  das  bekannte  .Goin'  over  on  de  udder  side  of  Jordan '^ : 


Oh—     l'm  jes'   «•go-in'   o-ver  on  de    ud- der  side  of  Jordan,  An'  Tm 

JVfM 


1^      ^      ^-^=^,g     ;if^    g1^    II    J 


t 


f  I  f  ^  I  r  ■ 


jea      a  -  go  -  In'     o  -  ver,  o  -  ver  home      Vm  gwin    a  •  way     to     see    my 

Da  capo 


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Je  •  SU8    gwin    a  -  way     to       «ee    my      Lord 

Ausser  diesen  Fermaten  variiert  auch  die  Neigung  zum  Synkopieren  die 
Taktart  geistlicher  Lieder,  die  man  sich  sonst  nur  in  getragenem  Tempo 
denkt.    So  lautet  eines  der  ernstesten  Lieder: 


\^iri\i  jj.^y#i>^j I J  P-'  a  J^f^ 


Thit  World  is      not      my      home,    thit  world  is      not      my     home,  tbis 


1^  i  ii^r^^^tr-'J  r  C;Kr  fj  if  .j 


World    is        a      bortany  wil  -  der  -  ness,  this    world       is       not      my     home 


Did  Christ  s'er    Sin  •  ners  weep?    And  shall  our  cbeeks  be      dry?      Let 


fj-i3.  /;■  PfT  fJ  r  iV  I  f j  f!  ^ 


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flood    of       pen   -   i  -  ten  -  tial  grief  burst    forth     from      ev'      ry        eye. 

Gesungen  werden  die  Lieder  in  parallel  untereinander  zu  denkenden 
^Stimmen,  die  einander  ablösen,  sekundieren,  alles  regellos,  willkürlich,  aber 
dank  dem  Gehör  und  der  Treffsicherheit  der  Sänger  mit  bewundernswerter 
Exaktheit.  Die  Begleitung  spielen  Geigen,  Banjo,  oder  auch  eine  Harmonika; 
ja  sogar  ein  mit  einem  Papier  umwickelter  KanHB  genfigt  dem  sangeslustigen 
Schwarzen,  seiner  Stimme  den  nötigen  harmonischen  Halt  zu  geben.  Besitzt 
«r  keine  Singstimme,  so  .bringt  er  jes  fertig,  «o  kunstvoll  zu  pfeifen,  dass 


374 
DIE  MUSIK  V.  24.  = 


er  ein  Publikum  anzuziehen  imstande  ist.  Denn  vor  einem  Publikum  sich 
hören  zu  lassen,  ist  ihm  ein  Genuss.  Nichtsdestoweniger  gelangte  die 
eigenste  Musik  der  amerikanischen  Neger  nur  spät  und  vereinzelte  zur 
Kenntnis  der  Weissen,  die  ausserhalb  des  schwarzen  Gärtels  wohnten. 
Der  im  Norden  zuerst  auf  dieselbe  aufmerksam  machte,  war  Thomas 
Wentworth  Higginson.  Aber  erst  die  Konzerttour  der  Fisk  Jubilee  Singers 
offenbarte  weiteren  Kreisen  den  Sangesreichtum  der  eben  erst  freigewordenen 
Schwarzen.  Es  war  im  Jahre  1871,  als  George  L.  White,  Lehrer  einer 
Sonntagsschule  für  Negerkinder,  denen  er  Gesangunterricht  erteilte  und  von 
denen  ihm  der  Liederschatz  der  Plantagenneger  fibermittelt  worden,  mit 
neun  seiner  Schüler,  vier  Knaben  und  fünf  Mädchen,  von  Nashville  nach 
Cincinnati  reiste,  um  durch  Konzerte  das  nötige  Kapital  für  eine  höhere 
Lehranstalt  für  Schwarze,  die  Fisk  Universität,  zu  beschaffen.  Auf  dem 
Wege  dahin  machten  sie  in  Wilberforce  Halt,  wo  sich  die  älteste  Schule 
für  Schwarze  befand,  und  empfingen  den  Segen  eines  Bischofs  ihrer  Rasse. 
Aus  Gasthäusern  gewiesen,  in  Eisenbahnwaggons  nur  geduldet,  kämpften 
sie  sich  tapfer  bis  Oberlin  durch.  Dort  tagte  eine  Konferenz  der  Kon- 
gregationalisten  und  spendete  ihnen  begeisterten  Beifall.  Die  Kunde  von 
ihrem  Singen  drang  nach  New  York.  Henry  Ward  Beecher  hatte  den  Mut, 
sich  ihrer  anzunehmen.  Einer  besseren  Empfehlung,  als  des  Erfolges  in 
New  York,  bedurften  sie  nicht.  Von  da  au  war  ihre  Reise  ein  Triumph- 
zug, den  sie  auf  Europa  ausdehnten.  Sieben  Jahre  sangen  sie  in  aller 
Herren  Ländern  vor  den  gekrönten  Häuptern  Europas.  Als  sie  nach  der 
Heimat  zurückkamen,  hatten  sie  zum  Besten  der  Schule  hundertundfünfzig- 
tausend  Dollars  ersungen. 

Die  Lieder,  die  sich  auf  dieser  Konzertreise  am  eindrucksvollsten 
erwiesen,  waren  die  schwermütigen  Weisen  der  Plantagenneger,  die  Sklaven- 
lieder. In  ihnen  hat  sich  die  Eigenart  der  Musik  ihrer  Rasse  am  besten 
erhalten.  Prof.  Burghardt  Du  Bois  teilt  sie  in  Lieder,  die  das  afrikanische 
Element  am  unverfälschtesten  zum  Ausdruck  bringen,  wie  die  beiden  ersten 
Beispiele.  Ihnen  schliessen  sich  diejenigen  an,  die  er  afro-amerikanische 
Negerlieder  nennt.  Von  ihnen  folgt  als  Beispiel  der  Anfang  des  bekannten 
«Steal  away"  mit  den  langausgehaltenen  Fermaten: 


^i^.^^^^^^^^^^ 


Die  Elemente,  die  gestaltend  auf  die  Negermusik  gewirkt,  sind  also  ein 
starker  Kern  afrikanischen  Ursprungs,  französisch-spanisch-katholische  Ein- 
flüsse in  den  Antillen,  englisch-protestantische  auf  den  Bahamainseln« 
später  auf  den  Mississippidampfern  irische  und  schottische  Lied-  und  Tanz- 
weisen  und  in  New  Orleans  und  Umgegend  die  von  den   französischen 


375 

VON  ENDE:  AMERIKANISCHE  NEGERMUSIK 


Kreolen  eifrig  gepflegte  französische  und  italienische  Musik.  Das  Gesamt- 
produkt ist  von  äusserster  Einfachheit.  Von  ffinfundsechzig  authentischen 
Beispielen  stehen  nur  dreizehn  in  Moll;  auf  ihre  Taktart  hin  betrachtet 
finden  sich  darunter  je  vier  Beispiele  im  Zwei-Viertel-,  acht  im  Drei-Vlertel- 
und  zwei  im  Sechs-Achtel-Takt.  Der  Schluss  ist  fast  ohne  Ausnahme  in 
der  Tonika. 

Seit  der  Süden  nicht  mehr  wie  in  den  Zeiten  der  Sklaverei  eine  Welt 
für  sich  bildet,  hat  sich  der  Charakter  der  Negermusik  erheblich  verändert. 
Schon  die  in  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren  auftauchenden  .Minstrels*, 
die  ursprünglich  von  echten  Plantagenliedem  und  -tanzen  ausgingen,  er- 
setzten diese  bald  durch  solche,  die  in  Anlehnung  an  echte  Vorbilder  die 
Melodieen  geschickt  nachahmten  und  sogar  etwas  von  dem  rhythmischen 
Schwung  der  Originale  ahnen  Hessen.  Die  Minstrels  waren  meistens  weisse 
Gesangskomiker,  häufig  auch  musikalisch  gebildete  Sänger,  die  die  schwarze 
Maske  gewinnbringend  fanden.  Gesungen  wurde  mit  Begleitung  von  Banjos, 
Ziehharmonika,  Schellentrommel,  Klappern  und  Triangel,  und  es  sollen  in 
jener  für  den  Musiker  von  Beruf  sehr  ungünstigen  Periode  nicht  wenige 
deutsche  Musiker  die  Verkleidung  nicht  gescheut  haben,  um  sich  als  Mit- 
glied eines  Minstrelorchesters  ihr  Brot  zu  erwerben.  StephenCollins 
Foster,  geboren  in  Pittsburg  im  Jahre  1826,  war  der  hervorragendste 
Komponist  von  Minstrelmusik.  Sein  Vater  war  Nordirländer,  seine  Mutter 
stammte  von  einer  aristokratischen  Familie  Marylands,  und  er  selbst  hatte 
eine  gute  Erziehung  genossen.  Er  war  der  deutschen  und  französischen 
Sprache  mächtig,  hatte  eifrig  die  klassischen  Meister  der  Tonkunst  studiert 
und  schwärmte  besonders  für  Mozart.  Den  Text  zu  seinen  Liedern  dichtete 
er  selbst  in  echtem  Negeridiom.  Lieder  wie  «Come  to  de  lattice,  love* 
wurden  im  ganzen  Lande  populär  und  gehören  auch  zu  dem  Besten,  was 
auf  dem  Gebiete  in  Amerika  geleistet  worden.^) 

Aus  der  Minstrelmusik  entwickelte  sich  jene  fälschlich  als  Neger- 
musik geltende  Liedergattung,  die  heute  als  «coon  song'^  weltbekannt  ist. 
Sie  hat  mit  der  echten  Negermusik,  den  Plantagenliedem,  noch  weniger 
gemein,  als  die  Minstrelweisen.  Denn  während  diese  doch  manchmal 
einzelne  Bruchstücke  einer  Negermelodie  enthielten,  wie  «Down  the  Swanee 
River"  und  «Old  Black  Joe**,  sind  die  «coon  songs*  Eintagsfliegen,  die  in 
irgend  einem  Wolkenschaber  am  ,Rialto"  entstanden  sind,  wie  der  Broadway 
von  New  York  in  der  Sprache  des  amerikanischen  Bühnenvolkes  heisst, 
und  erst  von  der  Bühne,  wo  weisse  Sänger  und  Sängerinnen  sie  als  Ein- 
lage in  einem  beliebigen  Stück  singen,  unter  die  Schwarzen  des  Landes 
gelangen. 

*)  Vgl.  über  ihn  den  Aufsatz  von  Dr.  Martin  Darkow  »Stephen  C.  Foster  und 
das  amerikanische  Volkslied*  im  Amerika-Heft  der  »Musik*  (Jahrg.  IV,  Hefe  16). 


5.  April  1871.  Kurt  iit  {elit  in  der  rechtea  Hand  labm  und  sein  ScbGIer 
Buon'amlcl  (ausgeieicbneler  Pianist,  Bülowichüler)  aa  der  linken;  so  aplelten  sie  mit 
den  guten  Armen  zusammen  iwelblndlf.    Ei  war  iusiif  und  traurig  ingleicb  .  .  . 

7ie  freut  es  mlcb,  dait  Kurt  >o  kollcgiti  gegen  andere  isL  Das  wird  ibm 
Segen  bringen.    Nur  kein  neldlacber,  engheriiger  Künstler. 

15.  Mal  71  (dirigierte  Rbeinberger  Hlndela  .Sani"  Im  Oratorien vereintkonzert). 
Hindel  glaubte  nocb  an  Hlmmet  und  H911e  —  es  webt  deshalb  der  grosse  Geist  der 
Bibel  In  seinen  ulisterblicben  Terkenl  — 

JudI  71.'  Leider  bat  Kurt  in  diesem  Monate  wieder  sehr  starken  Husten 
gehabt.    DM  HSnd'bekommt  immer  grOisere  LScber,  doch  spielt  er  etwas  Klavier. 

1.  Oktober  71.  Geliebelt;  well  letzt  Fritiscb  [Verleger]  in  seiner  Zeitung  durch- 
aus aus  Peter  Comehus  elden  berfibmten  Mann  machen  will  —  bitte  Kurt  elaiges 
Talent  gezeigt  im  Tagnerscblepptragen,  so  wire  ihm  wabracbelnllch  ein  Ibniictaes 
GlQck  wieiterttbren. 

H*H  TOI  Blllew  *D  Bkelnbeiyer 

Florenz,  d.  4.  Oktober  1871, 
Hochgeehrter  Meister  und  Freund, 
Sie  haben  mir  durch  das' Geschenk  Ihrer  neuen  Klavierkompoaiiloneo,  durcb 
diesen  beredten  Gruds  eine  {rokse  FVeude,  einen  wahren  Genuas  gewihtt;  ich  benutze 


377 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


die  Gelegenheit  der  Rückreise  «unseres"  Heben  Buonamici,  Ihnen  hiefür  meinen 
herzlichsten  Dank  auszusprechen,  dem  ich  die  Bitte  beifügei  der  photographirten 
.Südfrucht*,  welche  er  Ihnen  in  meinem  Namen  für  Ihr  Arbeitszimmer  überbringt, 
eine  freundliche  Aufnahme  zu  gönnen,  meinem  Wagniss  keine  andere  als,  wenn  das 
Wort  nicht  unbescheiden  ist,  die  kollegialste  Deutung  beilegend. 

Wie  sehr  gönnte  ich  Ihrer,  wie  ich  mit  wahrem  Kummer  vernommen,  stets 
leidenden  Gesundheit  den  wiederbelebenden  und  kriftigen  Einfluss  des  Himmels  dieses 
Landes  und  seiner  trotz  aller  Verwilderung  gottbegnadet  gebliebenen  Bewohner! 
Diesem  Einflüsse  verdanke  ich  es  allein,  wenn  ich  meine  praktische  Musikerkarridre 
mit  Beginn  des  künftigen  Jahres  wieder  aufnehmen  kann,  wenn  ich  der  Hoffnung 
entgegensehen  darf,  im  Laufe  desselben  der  Freude  eines  persönlichen  Wiedersehens 
mit  Ihnen  teilhaft  zu  werden. 

Fra  di  noi  —  ich  habe  mich  S.  M.  dem  Könige  von  Baiem  zu  ausserordentlichen 
Dienstleistungen  in  München  zur  Verfügung  gestellt  und  dieses  Erbieten,  zu  dem  ich 
speziell  durch  die  Kunde  von  dem  Wunsche  S.  Maj.  nach  einer  Wiederaufführung 
des  Wagnerischen  ,»Tristan*  —  mein  Dirigentenprivileg  —  bestimmt  wurde,  ist  an 
allerhöchster  Stelle  mit  gnidigster  Annahme  beehrt  worden. 

In  der  frohen  Erwartung,  Ihnen  somit  in  nicht  allzulanger  Frist  meinen  Glück- 
wunsch zu  vollständiger  Herstellung  Ihrer  für  die  Kunstwelt  zu  so  segensreicher 
Wirksamkeit  berufenen  irdischen  Existenz  und  ihren  materiellen  Bedingungen  in 
eigener  Person  darbringen  zu  können,  mit  der  Bitte,  mich  Ihrer  Frau  Gemahlin  ver- 
ehrungsvoll zu  empfehlen  und  mir  Ihr  ferneres  freundschaftliches  Wohlwollen  zu 
bewahren,  grüsse  ich  Sie  herzlichst  durch  „Ihren"  Buonamici  als  Ihr  in  vollster  und 
aufrichtigster  Hochschätzung  treu  ergebener  Bewunderer      Hans  von  Bülow 

(Ans  dem  Tagebnoh  tob  Fraa  F.  Bheinberger): 

Wir  haben  das  prachtvolle  Colosseumsbild  aufgehängt,  welches  Kurt  von  Bülow 
aus  Florenz  geschickt  bekam. 

12.  November  71.  [Sie  rät  ihm,  in  ,»Thürmers  Töchterlein"  eine  Volksmelodie, 
deren  sie  sich  erinnert,  zu  verwenden]:  Diese  Melodie  stammt  aus  alter  Zeit  und  ich 
habe  sie  einst  die  Donau  hinunter  für  mich  gesungen  zwischen  Linz  und  Wien.  Kurt 
fand  den  Einfall  gut  und  ich  schrieb  auch  gleich  die  passenden  Worte  dazu.  Draussen 
fiel  der  erste  Schnee,  Kurt  und  ich  arbeiteten  in  höchster  Zufriedenheit  und  Einigkeit, 
in  herzlichstem  Glücke  daheim. 

19.  November.  Es  versteht  sich  dies  zwar  von  selbst,  aber  ich  meine,  ich 
müsste  es  nochmal  niederschreiben,  wie  beseligend  das  Gefühl  ist,  dass  Kurt  und  ich 
so  ganz  und  gar  verstehen,  genügen,  erfreuen,  leben  und  weben  in  seiner  Kunst.  Es 
überkommt  mich  so  oft  eine  Fluth  von  Dankbarkeit,  dass  ich  ihm  Freund  und  Alles 
sein  kann.    Fest  bis  zum  Tode  und  auch  nachher  vereint!  — 

^  Bheinberger  an  Franz  tob  Holstein 

München,  den  3.  iL  72 

Heute  beginne  ich  das  Finale  des  dritten  Aktes  von  «Thürmers  Töchterlein*. 
Mein  Librettodichter  ^)  ärgert  mich  von  Zeit  zu  Zeit,  in  der  besten  Meinung  allerdings; 
er  scheint  manchmal  Angst  für  „seinen  Teil"  unseres  Töchterleins  zu  haben.    Ich 


')  Rheinbergers  Frau. 

V.  24.  27 


378 

DIE  MUSIK  V.  24. 


dachte  schon  an  König  Salomon,  der,  den  Streit  zo  schlichten,  eine  radikale  Theiinng 
vorschlug.  Wie  würde  man  bei  einer  Oper  eine  solche  Theilung  anstellen?  Ich  wire 
in  der  grössten  Verlegenheit  —  ich  müsste  Nohl  oder  Mascewski  oder  einen  andern 
»Musikdeuter*  (früher  hörte  man  Musik,  heut  zu  Tag  muss  man  sie  deuten  können) 
fragen  —  denen  würde  —  da  nur  Wagner  eine  wirkliche  Vermihlung  von  Wort  und 
Ton  gelingt  —  es  gewiss  nicht  schwer  werden,  Text  und  Musik  chemisch  zu  sondern. 
Nun,  am  wenigsten  Verdruss  haben  Sie  gewiss  mit  Ihrem  Librettisten  gehabt; 
schliesslich  soll  man  sich  die  Texte  eben  selbst  machen  .  .  . 

(Ans  dem  Tagebneh  Ton  Frau  F.  Rheinberger)t 

Sonntag,  den  4.  Februar  72  ...  da  brachte  der  Postbote  ein  grosses  Packet: 
das  grosse  Requiem  kam.  Ein  ergreifender  Augenblick,  dieses  Werk,  an  dem  wir 
Beide  so  lange  gearbeitet,  das  an  all  die  herben  Verluste  des  grossen  Krieges 
schmerzlich  erinnert  —  gedruckt  vor  uns  liegen  sehen.  Gedruckt  mit  schönem  Titelblatte 
und  nun  reisefertig,  um  in  die  Welt  zu  ziehen  und  an  die  Herzen  der  Menschen  zu 
pochen  .  .  .  Wie  nahe  stand  es,  dass  Kurt  die  Ankunft  dieses  Werkes  nicht  erlebt 
bitte.    Und  wie  wire  mir  dann?!  .  .  .    Herr,  ich  danke  Dir! 

München,  den  22.  Februar  72.  Kurt  schickte  die  Partitur  der  Oper  »Thfirmers 
Töchterlein"  an  die  Hoftheater- Intendanz:  «Jetzt  heisst  es  moralische  Wasserstiefel 
anziehen",  sagte  er. 

27.  Dez.  71.  Heute  war  Lachner  da,  um  den  ersten  Akt  von  Kurt's  komischer 
Oper  zu  hören;  er  trank  vorher  behsglich  mit  uns  Caf6.  Dann  spielte  Kurt  und  es 
war  interessant,  die  Theilnahme  und  das  Falkenauge  des  Altmeisters  zu  beobachten, 
der  mit  solchem  Verstindnisse  die  Partitur  überflog.  Sein  Unheil  war  höchst  be- 
friedigend .  •  . 

AntOB  Bobinsteln  an  Bheinberger 

Wien,  d.  31.  Dez.  1871 
...  Ich  habe  Ihre  Zusendung  des  praeludium  und  Fuge  für  den  Concertvortrag 
erhalten  —  besten  Dank  für  die  Widmung  ~  ich  werde  sie  studieren  —  sie  muss 
von  grosser  Wirkung  sein. 

Ich  verfolge  mit  grosser  Aufmerksamkeit  Ihre  Komponistenkarri&re  und  freue 
mich  über  deren  Erfolg  —  es  würde  mich  freuen,  die  Gelegenheit  einer  persönlichen 
Anniherung  mit  Ihnen  zu  haben  —  bis  dahin  mit  besten  Glückwünschen  Ihr 

Anton  Rubinstein 

Carl  Belneeke  an  Bhelnberger 

Leipzig,  8.  Jan.  72 
Verehrter  Freund! 

Nehmen  Sie  das  kleine  Stückchen,  welches  ich  mit  Ihrem  Namen  geziert  und 
wodurch  ich  zugleich  eine  alte  Schuld  abzutragen  suchte,  freundlich  auf!  Sollte  es 
Ihnen  auch  als  Musikstück  an  sich  ein  klein  wenig  Freude  machen  können,  so 
würde's  mich  ganz  besonders  freuen.  Spiter  werde  ich  Ihnen  das  Stückchen  noch 
einmal  in  separater  Ausgabe  zuzusenden  mir  erlauben,  da  ich  mir  das  Eigentumsrecht 
für  die  Einzelausgabe  vorbehalten;  doch  müssen  Sie  einstweilen  noch  mit  dem  Stücke 
in  dieser  etwas  unvortheilhaften  iusseren  Erscheinung  fürlieb  nehmen. 

Mit  der  Versicherung  aufrichtigster  Hochachtung  verbleibe 

Ihr  ganz  ergebener 

Carl  Reinecke 


379 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 

(Aus  dem  Tagrebneh  fon  Fran  F«  Bheinber^er): 

[Der  Direktor  des  Präger  KonserTstoriums,  Krejcy,  ladet  Rh.  ein,  zur  Auf- 
führung seiner  «herrlichen**  symphonischen  Dichtung  .Wallensteins  Läget*  im  Mirz 
nach  Prag  zu  kommen,  was  Rh.  dankend  annimmt:  »Ich  freue  mich  sehr,  Ihr  be- 
rfihmtes  junges  Orchester  kennen  zu  lernen,  von  dessen  Vortrefflichkeit  mir  Franz 
Lachner  erst  vor  kurzer  Zeit  sprach.*] 

21.  Mirz  72.  Der  Vorabend  des  Reisetags  war  uns  sehr  unbehaglich.  Wir 
nahmen's  innerlich  tragisch  und  schwiegen  drum.  Wenn  man's  zu  Hause  so  gut  hat, 
geht  man  nicht  gern  auf  die  Wanderung.  Als  wir  am  22.  Mirz  (Freitag)  Morgens  auf 
den  Bahnhof  kamen,  standen  Kurt's  Schfiler  da,  um  ihm  glückliche  Reise  zu  wünschen. 
Ein  reizender  Gedanke  von  den  Kerls.  In  Schwandorf  Possart  und  Frau  gesehen,  die 
eben  zu  einem  Gastspiel  nach  Berlin  reisten.    Also  Andere  wagen  es  auchl  ... 

In  Prag  müde  angekommen,  Kurt  hat  Kopfweh.  Er  besuchte  sogleich  Krejcy, 
der  ihn  aufforderte,  Nachmittags  seine  Sinfonie  zur  Probe  zu  dirigieren  . . . 

Er  kam  sehr  zufrieden  von  der  Probe  heim:  diese  jungen  Geiger  haben  einen 
merkwürdigen  Schwung,  sie  spielen  mit  Leib  und  Seele  . . . 

Kurt  machte  Besuch  bei  Graf  Waldstein,  dem  indirekten  Nachkommen  des  alten 
Wallenstein,  dessen  altes  Palais  er  noch  bewohnt. 

Er  lud  Kurt  zu  Tische  ein.  Kurt  schlug  es  aus,  weil  ich  bei  ihm  war.  »Ich 
bin  kein  reisender  Virtuos,  der  sich  einladen  liest,  indessen  die  Frau  im  Hotel  sitzt," 
sagte  er  zu  mir  ganz  stolz;  »meine  Frau  gehört  zu  mir."  Waldsteio  sei  etwas 
frappirt  gewesen  und  Krejcy  habe  sich  in  böhmischen  Bücklingen  gewunden  .  • . 

Aufführung  des  Wallenstein  in  Prag.  Kurt  wurde  mit  Applaus  empfangen,  als 
er  erschien.  An  seinem  Pulte  hing  ein  Lorbeerkranz,  den  ihm  seine  Schüler  an  das 
Pult  gelegt  hatten  (von  München  aus  geschickt).  Das  Werk  fand  eine  vortreffliche 
Aufnahme.  Mir  war  es  eine  ernste  Feier,  es  wieder  zu  hören,  spielte  es  doch  in 
meiner  Leidensgeschichte  eine  so  grosse  Rolle:  »Im  letzten  Satze,"  sagte  mir  einmal 
Kurt,  »ist  Deinethalben  jede  Note  mit  meinem  Herzblute  geschrieben."  (Krankheitszeit  I) 

21.  April  Sonntag.  In  der  Dimmerung  lag  Kurt  auf  dem  Sofa  beim  Fenster  in 
seinem  Zimmer  und  ich  spielte  einiges  aus  den  7  Raben,  was  mich  fast  traurig  machte. 
Kurt  ist  so  strenge  in  der  Kritik  gegen  sich,  spricht  niemals  renommirend  oder 
klagend  —  schweigt  also  auch  darüber,  dass  diese  Oper  so  eingeschlafen  ist  • . . 

Mai  72.  Das  Klavier-Quartett  scheint  sich  raschen  Weg  durch  Deutschland  zu 
bahnen. 

Juli  1872.  Seit  ich  zuletzt  geschrieben,  ist  die  Tristan-Sündfluth  eingebrochen, 
die  eine  Menge  von  langhaarigen,  abgebleichten  Enthusiasten  nach  München  schwemmte, 
die,  wenn  sie  nicht  in  Liebestrank  oder  Bier  oder  brünstiger  Sehnsucht  ersiuften  und 
verglühten,  wohl  wieder  weiter  gewandert  sind.  Auch  Holstein's  waren  gekommen, 
um  die  tragische  Geschichte  zu  hören  und  zu  sehen,  waren  aber  so  angegriffen  davon, 
dass  sie  andern  Tages  wie  Mücken  im  Winterschlaf  mit  gebeugten  Köpfen  auf  der 
Bank  im  königlichen  Garten  sassen.  Wir  lernten  auch  den  neuen  Münchener  Kapell- 
meister Levy  aus  Karlsruhe  kennen.  Levy  scheint  kühl  und  für  sich  umsichtig.  Er 
tritt  mit  Bewusstsein  auf  und  wird  sich  seine  Stellung  möglichst  angenehm  zu  machen 
wissen.  Bisher  ist  er  nicht  berühmt.  Wir  gingen  mit  ihm  und  Holstein's  in  die 
Schack'sche  Galerie,  wo  man  bei  Betrachtung  der  Schwind'schen  Kompositionen 
Heimweh  nach  Wald  und  Minne  bekam  . . . 

[Diese  Zeilen  sind  ein  interessanter  Beitrag  zu  einer  psychologischen  Studie 
über   das  damalige  Publikum.     Es  war  die  Zeit  der  Kimpfe  aller  musikalischen 

27* 


380 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Richtungen;  wir  gestatten  uns  jetzt,  die  damals  Lebenden,  in  ihren  eigensten  Vor- 
urteilen Befangenen,  die  sich  selber  auch  noch  behaupten  wollten,  durchweg  als 
kleinliche  Philister  zu  verurteilen.  Die  i,kolossale*  körperliche  Anstrengung,  welche 
die  Aufführung  der  »neuen*  Musik  den  Sängern,  dem  Orchester  und  nicht  zum 
wenigsten  dem  Zuhörer  f&r  »endlose  Stunden*  verursachte,  muss  mit  in  Betracht  ge- 
zogen werden.  Die  Anerkennung  der  Schönheit  und  Grösse  der  »neuen*  Musik  war 
daher  offenbar  den  meisten  nicht  leicht,  man  war  eben  kurze,  traurige  Arien  ab- 
wechselnd mit  fröhlichen  Genres  gewohnt  und  liebliche,  leichtverstlndliche  Melodieen 
zu  mehr  als  harmlosen  Texten.] 

Ende  Oktober  72.  Levy  brachte  einen  herrlichen  Abend  bei  uns  zu,  indem  Kurt 
ihm  sein  Requiem  vorspielte  und  Levy  es  recensirte.  Prächtig  ...  Es  war  ein  förm- 
licher Dichter-Congress  bei  uns:  Paul  Heyse,  Hermann  Lingg  und  Veitheim.  Kurt 
musste  aus  seiner  Oper  vorspielen  und  that  es  mit  der  grössten  Leidenschaft,  so  dass 
die  Dichter  jubelten  . . . 

25.  November  72.  Ein  reineres  Glück  als  Kun's  Kompositionen  mit  ihm  am 
Klavier  in  seinem  Arbeitszimmer  durchzunehmen,  kann  es  auf  Erden  nicht  geben. 

Letzten  Dezember  72.  Es  ist  ein  trauriger  Abschluss  dieses  Jahres.  Kurt  liegt 
mit  Morphium-Injektion  (wegen  rasender  Kopf-  und  Genickschmerzen)  zu  Bette  und 
schlummert  in  Betäubung  hinüber  in  das  neue  Jahr  . . .  Dies  Buch  zeigt,  wie  Kurt^s 
Schöpfungen  nach  allen  Weltgegenden  geflogen  sind  und  vielfach  die  Herzen  eroberten ... 
Leider  ist  sein  Körper  nicht  kräftiger  geworden,  wenn  auch  die  Hand  heilte. 

1873.  Aufführung  der  Oper  »Des  Thurmers  Töchterlein*.  Franz  Lachner  be- 
zeugt seine  wärmste  Theilnahme  an  dem  glänzenden  Erfolg  des  neuesten  Werkes. 

Kurt  hat  das  wundervolle  »Laudate*  von  Mozart,  das  bisher  ungedruckt  blieb, 
herausgegeben.  Wie  Kurt  an  Mozart  hängt,  weiss  Niemand.  Er  sagte  mir  heute,  er 
freue  sich  dreimal  so  stark  auf  das  Erscheinen  dieses  »Laudate*,  als  je  auf  ein 
eigenes  Werk. 

Heute,  den  4.  November  73,  sandte  Kurt  seine  »Bezähmung  der  Wider- 
spänstigen*  an  Kapellmeister  ErdmannsdörflTer  in  Sondershausen.  In  Petersburg  wurde 
das  Klavierquartett  aufgeführt  (in  London  von  Bülow).  Es  ist  schön,  dass  sich  die 
Sachen  so  ganz  von  selbst  Bahn  brechen. 

November  73.   Kurt  hat  ein  Geschwür  am  Halse  und  auch  die  Hand  eitert  stark. 

[Folgen  Nachrichten  von  Aufführungen  Rh/scber  Kompositionen  in  mehreren 
Städten.] 

Dez.  73.  Die  Cholera  greife  scharf  um  sich:  heute  25  Todte.  Viele  ergreifen 
die  Flucht. 

Joachim  Raff  an  Bheinberger 

Wiesbaden,  14.  Dezember  73. 
[Wallensteins  Lager]  .  .  .    Die  Aufführung  fand  gestern  statt,  das  Werk  war 
fleissig  cinstudirt,  wurde  recht  schön  vorgetragen  und  fand  viel  Beifall  .  .  .    Gott 
schenke  Ihnen  Lust  und  Müsse,  uns  noch  mit  recht  vielen  so  schönen  Werken  zu 
erfreuen,  an  deren  Verbreitung  den  regsten  Antheil  nimmt 

Ihr  aufrichtig  ergebener  Joachim  Raff 

(Aus  dem  Tagebuch  von  Frao  F*  Bheinberger): 

I.Jan.  1874.  Enthusiastische  Aufnahme  der 7  Raben.  Kurt  hatte  grosse  Freude, 
dass  sein   alter  Gönner  Prof.  v.  Schafhäutl   ausnahmsweise  auch  im  Theater  war. 


381 

PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Schtfhiud  wtr  sehr  entzückt  von  den  7  Raben  und  wiederholte,  dass  es  ein  gross- 
artiges  Werk  sei. 

7.  Februar  1874.  Schöner  musikalischer  Abend  bei  uns.  Kurt  schwelgte  mit 
Brückner  in  Mozartschen  Violinsonaten  und  war  dabei  ganz  selig.  Ja,  mein  Herzens- 
Mozart,  Du  hast  doch  das  tiefste  Gemfith.  Kurt  rief  ganz  begeistert  aus:  O  Wonne 
in  dieser  Musik!  Zum  Teufel  mit  aller  Schopenhauer'schen  Musik.  Es  war  ein 
reizender  Abend,  der  erst  gegen  ein  Uhr  endete. 

Dienstag,  den  6.  Januar  74,  wird  auf  Verlangen  von  Johannes  Brahma  (durch 
Levy)  die  Partitur  der  7  Raben  nach  Wien  geschickt. 

31.  Januar.  Es  ist  wirklich  ein  eigenthümlicher  Zug  von  Kurt,  dass  er  keine 
an  ihn  gestellte  Bitte  länger  als  zwei  Nichte  unerfOllt  oder  unbeantwortet  ISsst  So 
fleissig  er  ist,  so  hat  er  doch  immer  Zeit,  Andere  zu  hören.  Andern  zu  antworten,  zu 
helfen.  Wird  er  um  eine  Komposition  gebeten,  so  ist  sie  meist  nach  3  Tagen  schon 
fertig  in  den  HInden  der  Bestellenden.  Er  hat  gar  keine  Untugend  der  sogenannten 
Genies.    Dies  zur  Ehre  der  Wahrheit. 

Die  neue  dreimanualige  Orgel  (in  Vaduz)  spielt  Kurt  zum  ersten  Male  ffir  das 
Requiem  seines  Vaters  (Mirz  74).  Es  sei  das  herrlichste  Orgelwerk,  das  er  kenne. 
Kurt  spielte  über  eine  Stunde  sich  selbst  in  tiefes  Entzücken  hinein. 

28.  April.  Äussere  Zeichen  der  Verehrung  seiner  Musik  dringen  sich  in  diesen 
Tsgen:  er  findet  in  seinem  festlich  beleuchteten  Arbeitszimmer  einen  silbernen  Wein- 
pokal inmitten  eines  herrlichen  Blumenkranzes  auf  einer  kostbaren  Kristallplatte  vom 
Oratorienverein  geschenkt  zum  lOjihrigen  Dirigenten-Jubilium;  aus  Nürnberg  eine 
reizende  silberne  Filigrankapsel  mit  einem  goldenen  Ehrensold.  Bei  All  dem  bleibt 
er  so  urkomisch  gleichgültig. 

25.  Juni.  Gestern  besuchte  uns  Bülow,  der  mit  ungeheuerer  Achtung  von 
Kurt  sprach.  Er  nennt  ihn  den  ersten  Kontrapunktisten  und  Lehrer  Deutschlands. 
.  .  .  Wir  wiren  bald  ein  Bischen  in  Streit  geraten  wegen  Wagner,  aber  Kurts  Ruhe 
brachte  es  ins  Gleichgewicht.  Bülow  erzihlte  viel  Interessantes  von  Russland  und 
England. 

13.  Herrliches  Zusammensein  mit  Ambros  aus  Wien.  Beseligend,  wenn  die 
eigenen  Kunstanschauungen,  mit  denen  man  einsam  im  modernen  Strome  steht,  von 
einem  gelehrten  braven  Manne  vollstindig  bestitigt  werden.  Ambros  brauchte  sogar 
Kurts  eigene  Worte:  »Der  Teufel  hole  die  ,geistreiche*  Musik,  wenn  sie  nicht  zugleich 
schön  ist."  Ober  Wagners  Walküre  ist  er  eben  so  empört  wie  wir,  vom  sittlichen 
Standpunkte. 

Bheinberg er  an  Anglist  Wilhelm  Ambros 

München,  10.  10.  74 
Gegenwirtig  schreibe  ich  an  einer  Sinfonie,  welche  zu  meiner  Überraschung 

die  sSocieti  orchestrale  di  Firenze"  bei  mir  bestellte;  hat  doch  noch  keine  deutsche 

Gesellschaft  je  etwas  bei  mir  bestellt  . .  • 

[Ober  Delibes'  Oper  »Le  roi  Ta  dit*]  • .  •  Schade,  dass  nicht  zur  Abwechselung 

hie  und  da  eine  wirmere  tiefere  Melodie  auftaucht.    Leidenschaft  ist  eben  doch 

die  Seele  der  Musik  ... 

(los  dem  Tagebuch  von  Frau  F.  Bhelnberger): 

1.  November  74.  Kurt  war  neulich  selig,  Don  Juan  wieder  zu  hören  .  • .  Nur 
die  Angst,  wenn  er  hustet,  stört  mein  Glück.    Nun  hat  er  die  Hand  im  vierten  Jahre 


382 
DIE  MUSIK  V.  24. 


krank,  kann  sie^aber  nur  unter  Tags  ohne  Binde  tragen.    Eine  lange,  lange  Prüfung. 
Sonst  ist  er  wohl  und  heiter. 

Robert  Frani  an  Bheinberger 

Halle,  d.  27.  Dez.  74 
Mein  theuerer  hochverehrter  Herr! 

Nicht  beschreiben  liest  sich's,  welche  Weihnachtsfreude  Sie  mir  mit  Ihrem 
lieben  Briefe  gemacht  haben!  Wenn  ich  Ihnen  die  Versicherung  gebe,  dass  Sie  der 
Erste  unter  den  vielen  Künstlern  Deutschlands  sind,  welcher  aus  freien  Stücken  eine 
meiner  Bearbeitungen  nicht  nur  der  Beachtung  gewürdigt,  sondern  ihr  auch  ein  offen- 
bares Interesse  entgegengebracht  hat,  so  werden  Sie  obigen  Ausruf  begreifen!  [Er 
bespricht  eine  demnftchst  erscheinende  Brochure  v.  A.  Sarau,  Leipzig:  Robert  Franz 
und  das  deutsche  Volks-  und  Kirchen-Lied.]  Der  Autor  weist  meine  engen  Be- 
ziehungen zum  deutschen  Volks-  und  Kirchen-Liede  nach  und  werden  im  zweiten 
Abschnitte  meine  Bearbeitungen  besprochen.  Dem  Texte  sind  altdeutsche  Lieder  und 
6  Chorile  in  einer  Bearbeitung  von  mir  beigegeben,  die  ein  merkwürdiges  Licht  auf 
die  Vergangenheit  wie  auf  die  Gegenwart  werfen.  Wenn  ich  hier  Ihre  Aufmerksam- 
keit auf  das  Buch  zu  lenken  suche,  geschieht  es  nicht  aus  eitlen  Absichten,  sondern 
nur  des  höchst  interessanten  Gegenstandes  wegen. 

Ihrem  Wunsche,  Hindels  »Acis  und  Galathea*  zu  bearbeiten,  werde  ich  leider 
nicht  mehr  nachkommen  können.  Es  wird  Ihnen  wohl  nicht  unbekannt  geblieben 
sein,  dass  ich  vom  Schicksal  schwer  heimgesucht  bin.  Der  Zustand  meines  Gehörs 
macht  es  mir  ganz  unmöglich,  dergleichen  Aufgaben  jetzt  noch  mit  Aussicht  auf  Er- 
folg zu  lösen  . . .  Das  für  Bachs  und  Hindels  Vokalwerke  herzustellende  Accompag- 
nement  fordert  eine  materielle  Kontrolle  des  Tonsatzes  —  eine  solche  ist  für  mich 
nicht  mehr  vorhanden!  ...  Die  hier  gebotenen  Stoffe  sind  ja  so  wundervoller  Art, 
dass  man  sich  selbst  der  höchsten  Ehren  durch  deren  Verbreitung  werth  macht.  Mit 
den  herzlichsten  Grüssen  Ihr  ergebenster  Robert  Franz 

(Ans  dem  Tagebncb  von  Frau  F.  Bhelnben^er): 

Nachtrag:  Nun  sind  schon  so  ziemlich  alle  deutschen  Komponisten  zu  Kurt 
gekommen.    Kurt  ist  von  Allen  weitaus  der  Jüngste. 

22.  Mai  1874.  Heute  hat  Kurt  sein  81.  Werk  fertig  gemacht.  Das  ist  für  einen 
Mann  von  35  Jahren  genug! 

5.  Dez.  1874.  Es  war  ein  fleissiges  Jahr;  er  hat  viel  geschaffen,  aber  auch  viel 
verloren  —  den  theuren  Vater!  ...  Wohl  auch  viele  glückliche  Stunden  gehabt  im 
Hause  und  in  Italien. 

Jean  Beoker  an  Rheinberg er 

2.  Februar  76 

[schreibt  aus  Amsterdam  über  den  warmen  Erfolg  des  Quartettes  op.  88.    Derselt>e 

aus  Berlin  9.  Mirz  76:]  .Ihr  Werk  gefillt  sehr  und  erwirbt  sich  überall  Freunde.   Es 

ist  nun,  wie  Sie  sehen,  meinem  Repertoire  einverleibt  und  sehne  ich  mich  darnach 

es  Ihnen  auch  in  München  vorzuspielen." 

Salomon  JmUssoIui  an  Bbeinberger 

Leipzig,  Palmsonntag  76 
Soeben  habe  ich  in  der  Thomaskirche  Ihr  herrliches  Requiem  (ganz  vortrefflich 
unter  Richter's  Leitung)  ausgeführt  gehört.  Ganz  erfüllt  von  dem  empfangenen  tiefen 


383 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Eindrucke  kann  ich  ea  mir  nicht  veraagen,  Ihnen  meine  aufrichtige  Freude  über  Ihr 
ach^nea,  wahrhaft  edlea  Werk  auazuaprechen.  Ich  begrüaae  Sie  verehrungayoll  und 
ergebenat.  Jadaaaohn 

Hennann  Leit  an  Rheinbergor 

Alexanderbad,  20.  9.  1877 
Verehrter  Herr  Kollegel 

Soeben  leae  ich  in  der  Allgemeinen,  waa  ich  llngat  erwartet  und  —  gehofft 
hatte«  Nehmen  Sie  meinen  aufrichtigen  und  herzlichen  Glfickwunach  [zur  Ernennung 
zum  k.  Hofkapellmeiater].  Laaaen  Sie  una  gute  Kollegen  aein  und  gute  Freunde  I 
Von  ganzem  Herzen  reiche  ich  Ihnen  die  Hand  zu  eintrichtigem  Zuaammenwirken 
und  hoffe,  daaa  Sie  einachlagen  und  dasa  aua  unaerem  Bunde  nicht  nur  ffir  una  aelbat 
aondem  auch  f&r  die  muaikaliachen  Verhiltniaae  Münchena  Gutea  erblühen  mögel 
.  •  .  Alao  nochmala  meinen  Glückwunsch  und  —  auf  gute  Kameradachaft.  Ich  habe 
achwere  troatloae  Zeiten  durchgemacht,  eine  nicht  unbedenkliche  Krankheit,  von  der 
ich  immer  noch  nicht  ganz  erholt  bin.  Ich  will  nun  nichsten  Sonntag  im  Nürnberger 
oder  Regenaburger  Theater  probiren,  wie  ich  Muaik  und  Hitze  und  Menachengewühl 
ertrage,  und  hoffe  mich  dann  Ende  dea  Monats  zum  Dienat  melden  zu  können. 

Groaae  Freude  hatte  ich  durch  daa  Zusammensein  mit  Holsteins,  die  14  Tage 

hier  waren  ...  Ihr  ganz  ergebener 

Hermann  Levi 

(Ans  dem  Tagebveh  Ton  Frau  F.  Bheinberger): 

[Januar  1878  erhllt  Rheinberger  daa  Ritterkreuz  des  k.  bayr.  Michaelsordens 
I.  Klaaae. 

In  der  Folge  viele  begeiaterte  Anerkennungabriefe  (und  Ernennungen  zum 
Ehren-Mitgliede  von  muaikaliachen  Vereinen  aua  Deutschland,  Frankreich,  England 
und  Amerika.  In  England  wurden  Rheinberger'sche  Kompositionen  zuerst  durch 
Bülow  eingeführt,  gespielt  oder  persönlich  dirigirt.  Dort  wurde  seine  kontrapunktiatische 
Begabung  direkt  «maaterly*  (meiaterlich)  gefunden]. 

Niela  Gade  an  Rheinberger 

Kopenhagen,  20.  Oktober  79 

.  .  .  Mit  Interesse  und  Freude  habe  ich  Ihre  Ouvertüre  durchgelesen  und  werde 

sie  in  unserm  Winterconcerte  zur  Aufführung  bringen.    Die  Komposition  ist  klar  und 

schöngefasst  und  muss  sehr  schön  klingen  ~  Eigenschaften,  auf  die  ich  aehr  viel 

halte  .  .  .    Dbrigens  haben  wir  hier  in  Kopenhagen  öftere  Kompositionen  von  Ihnen 

gehört,  sowohl  Orchester-  als  Kammermusik. 

Ihr  freundlich  ergebener 

Niela  Gade 

Engelbert  Hnmperdlnek  an  Rheinberger 

Xanten,  15.  10.  79 
Hochgeehrter  Herr  Hofkapellmeister!  Laut  soeben  eingetroffener  Benach- 
richtigung aeitena  des  Herrn  Prof.  Joachim  in  Berlin  wurde  mir  von  der  dortigen 
Mendelssohn-Stiftung  für  die  unter  Ihrer  Anleitung  gefertigten  Arbeiten  «Humoreske* 
und  «Wallfahrt  nach  Kevlaar*  der  Preis  verliehen,  bestehend  in  einem  Reisestipendium 
von  1500  Mark«  Dieae  Ihnen  gewias  erfreuliche  Mittheilung  nebst  achtungavollen 
Grüaaen  von  Ihrem  dankbar  ergebenen  Schüler  E.  Humperdinck 


Telt  setzt,  um  deren  Fortkommen  man  8lcb  gir  keine  weiteren  Sorgen  zu  macbea 
braucbl.  Setzen  Sie  diese  schSne  Bescblfilgung  mit  gleichem  Pieisse  fort  und  seien 
Sie  Überzeugt,  dass  mit  andauernder  Tbellnabme  dieselbe  verfolgen  wird 

Ibr  Bitergebener  Ferdinand  Hiller 

ifoldemar  Barglel  m  Bkeloberger 

Berlin,  25.  2.  82 
.  .  .  Nur  zu  eigener  Genugihuung  würde  es  mir  gerelcben,  Gelegenheit    zu 
finden,  von  Ihren  wertvollen  Terken  zur  AuRühruog  zu  bringen  .  .  . 

Carl  Belneobe  an  Bhelnber^r 

Leipzig,  1.  12.  82 
KSnnen  Sie  es  nicht  möglich  machen  zu  kommen  und  Ibr  Verk  zu  dlrlgireti  . . . 
ea  würde  mich  so  sehr  freuen.   Schreiben  Sie  mir  gleich  mit  einem  Torte  Ja",  damit 
Ich  noch  ankündigen  kann:  Unter  Leitung  des  Komponisten. 

Ihr  ergebenster  Carl  Reinecke 
(Telegramm:  Leipilc,  d.  8.  12.  82,  an    Rh  ein  berger-München.    Chrlstopborus- 
Aufführung  vortrefflich,  grosser  Beifall,  nur  anerkennende  Gespriche  auf  dem  Heim- 
wege.   Brief,  Kritiken  folgen.) 
')  Doktor  der  Phlloaophie. 


385 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Robert  Frani  an  Bhelnbergrer 

Halle,  22.  Jan.  84 

Besten  Dank  für  die  Obersendung  Ihrer  Photographie,  die  mir  ein  ernstes  liebes 
Gesicht  zeigt.  Auf  Ihren  Wnnsch  schicke  ich  die  meinige,  kann  aber  dabei  nicht 
verhehlen,  dass  sie  sich  etwas  ledern  ausnimmt.  Lassen  Sie  sich  nochmals  meine 
aufrichtige  Freude  darüber  sagen,  dass  Sie  Ihre  herrlichen  Gaben  in  den  Dienst  des 
grossen  Sebastian  Bach  stellten:  angesichts  des  wQsten  Treibens  der  Gegenwart  kann 
man  gar  nichts  Besseres  thun,  als  die  Aufmerksamkeit  der  Menschen  auf  Werke 
hinzuleiten,  in  denen  der  reine  Athem  der  Kunst  weht  .  .  . 

Am  Schlüsse  Ihres  Briefes  heisst  es:  »in  München  werde  ich  durch  ein  wohl- 
wollendes Entgegenkommen  nicht  yerwöhnt*.  Da  sollten  Sie  erst  das  Verhalten 
meiner  lieben  Landsleute  in  Halle  kennen  lernen!  Seitdem  ich  vollends  auf  jede 
praktische  Tätigkeit  Verzicht  leisten  muss,  stehe  ich  in  deren  Augen  noch  tief  unter 
NulL  Die  Menschen  können  eben  nicht  vertragen,  dass  man  ein  bischen  anders  ist, 
wie  sie;  —  auch  fühlt  sich  der  grosse  Haufen  in  seiner  grollenden  Abneigung  voll- 
kommen sicher,  weil  er  die  ungeheuere  MajoritXt  bildet.  In  Deutschland  namentlich 
ist  das  von  jeher  so  gewesen!  .  .  . 

Hans  von  Blllow  an  Bhelnberger 

Ihre  freundlichen  Zeilen,  gleichzeitig  mit  dem  schuldigen  Danke  für  Ihr  Bild 
nicht  allzu  unlinglich  zu  beantworten,  fehlt  es  mir  gegenwirtig  an  Müsse.  Zudem 
sehe  ich  immer  noch  der  versprochenen  Dipteralisirung  von  Bach's  142jihrigen  XXX 
entgegen,  um  so  ungeduldiger,  als  mich  Herr  Winding  (Copenhagen)  mit  einer  Reduction 
In  usum  delphin  —  ae  ennuyirt  hat. 

Sie  wissen,  oder  wissen  es  vielleicht  nicht,  dass  ich  Ihres  Thürmers  Töchterlein 
für  ein  sehr  lebensfähiges  Bühnenwerk  halte.  In  einer  Matin6e  in  Hamburg  möchte 
ich  den  Wallenstein  so  »dramatisch*  (Theaterconcert)  aufführen,  dass  eine  Empfehlung 
gen.  Oper  an  Pollini  und  Sucher  nicht  ginzlich  pour  l'empereur  d' Allem agne  expek- 
torirt  würde.  Hitten  Sie  die  Güte,  meine  vielleicht  infernolostricante  Absicht  durch 
sofortige  Zusendung  einiger  Textbücher  (auch  in  Bremen  —  vide  Beilage)  zu  fördern? 

Noch  Eines!  Sie  haben  vor  bald  vier  Lustren  eine  grosse  Klavierfuge  (H  dur? 
—  eine  Art  Pendant  zu  op.  106  Finale)  geschrieben,  die  mir  abhanden  gekommen  ist, 
deren  Titel  mir  nicht  einmal  mehr  erinnerlich  ist,  die  mir  aber  damals  so  fabelhaft 
imponiert  hat,  dass  ich  jetzt,  wo  ich  bei  »Klaue*  bin,  deren  Einübung  riskiren  möchte. 
Nehmen  Sie  mir  diese  Express-Betteleien  nicht  übel,  haben  Sie  die  Güte,  mich  Ihrer 
Gemahlin  verehrungsvoll  zu  empfehlen  und  bleiben  Sie  versichert  der  unwandelbaren 
vorzüglichen  Hochachtung  Ihres  ganz  ergebenen  Bewunderers 

Hans  V.  Bülow, 

Meiningen,  12.  Februar  84  Intendant  der  herzogl.  Hofkapelle 

Berlin,  26.  Febr.  84 
Hochgeehrter  Herr  und  Freund! 

Besten  Dank  für  Ihren  molto  a  proposito  gekommenen  Brief,  der  in  Bremen 
und  Hamburg  meine  Thürmertöchterlichen  Bestrebungen  wirksam  gefördert  hat. 
Pollini  ist  sehr  geneigt,  detto  Sucher  —  Beide  sind  mir  persönlich  verpflichtet. 
Aber  nun  —  um  aller  Heiligen  willen  —  Textbücher,  womöglich  eines  mit  Dialog 
und  Klavierauszüge!  habe  in  Bremen  auf  letztere  umsonst  gefahndet.  C  . . .  ist  ja 
nach  Californien  ver— pleitet 


386 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Senden  Sie  KlavierauszGge  an  . . .  Bremen. 

...  Dr.  G  •  •  • 

Letzterer  ist  ein  so  schneidiger  Kritiker,  dass  er  T.  stürzen  wird  und  dass 

Angelo  Neumann  Alles  thut,  was  er  —  befiehlt. 

II  faut  battre  son  fröre  pendant  qu'il  est  chauve. 

Der  Ihrigste  in  skandalöser  Hatz 

Bülow 

Joh«  Nep.  Nnssbaam  V  ab  Frau  Fanny  Rheinberger 

d.  12.  IV.  83 
Grfissen  Sie  mir  den  guten  Herrn  Hofkapellmeister  vielmals  und  sagen  Sie  ihm, 
dass  seine  Hand  nicht  ganz  gesund,  aber  wieder  recht  ordentlich  brauchbar  werden 
wird  . . . 

Hans  yon  Baiow  an  Frau  Fanny  Rheinberger 

Frankfurt  am  Main,  11.  Juni  84 
Gnidigste  Frau! 

Genehmigen  Sie  meinen  freudigst  verbindlichsten  Dank  f&r  die  gütige  Mit- 
theilung der  neuen  Klaviersonate  Ihres  hochverehrten  Gemahls.  Das  ist  ja  der 
.reine  Frühling*.  Ich  bitte  nicht  geglaubt,  dass  ausser  einem  neuen  opus  von 
Brahma  noch  etwas  anderes  Zeitgenössisches  —  wenn  auch  (nicht  obgleich)  in  an- 
derer Weise  —  mich  so  fesselnd  anmuthen  würde.  Habe  ich  es  nöthig,  zu  sagen, 
dass  ich  es  mir  zur  Ehre  und  Freude  rechnen  werde,  das  hochliebenswürdige  und 
dabei  ao  ideal-klaviermlssige  Werk  in  nichster  Saison  nach  Kräften  würdig  zu  repro- 
duciren?  Den  Autor  in  diesem  Betreff  persönlich  zu  konsultiren,  hoffentlich  gibt  sich 
hierfür  Mitte  nächsten  Novembers  Gelegenheit.  —  Eine  längere  Tournee  der  Meininger 
Hofkapelle,  welche  uns  sogar  nach  Wien  uaw.  führen  wird,  würde  ein  ängstliches 
Umgehen  der  Residenz  Hermann  Levi's  doch  gar  zu  missdeutbar  auffällig  machen. 
Es  sollen  somit  auch  drei  Concerte  im  Odeon  von  mir  in  München  veranstaltet 
werden,  in  deren  Programmen  der  mir  zwanzig  Jahre  lang  lieb  und  wert  gebliebene 
Wallenstein  nicht  fehlen  wird.  Nicht  unwahrscheinlich  dürfte  es  Ihnen  von  Interesse 
sein,  einmal  ein  Rheinberger'sches  Werk  in  wirklich  sorgRltiger  Weise  einstudiert  — 
nach  mindestens  dreimal  so  vielen  Proben  als  landesüblich,  zu  hören.  Da  dem 
Cbristophorus  in  Düsseldorf  solch  gebührende  Gunst  nicht  hat  zu  Theil  werden 
können,  so  erlaube  ich  mir,  die  Abwesenheit  seines  Autors  vom  genannten  Feste  — 
wie  erbärmlich  dilettantenhaft  es  bei  diesen  Routs  zugeht,  habe  ich  vor  2  Jahren  in 
Aachen  unter  Wüllner  erlebt;  übrigens  soll  die  heilige  Pflngsttaube  auch  diesmal  nur 
über  der  Brahms'schen  Sinfonie  geflattert  haben  —  aus  keinem  andern  Grunde  zu 
beklagen,  ala  dass  wiederum  «ein  Nussbaum  vor  Ihrem  Hause  steht*,  Ausgang 
wehrend.  Möge  derselbe  diesmal  nur  auf  Nimmerwiederkehrenmüssen  seine  Schuldig- 
keit thuni  Meine  innigsten  Wünsche  für  baldigste  Genesung  des  verehrten  Meisters, 
dessen  von  Ihnen,  gnädige  Frsu,  als  von  einem  hierin  so  unvergleichlichen  Rivalen 
geschilderter  Heroismus  im  Ertrsgen  der  von  Mstrigna  natura  verhängten  Leiden, 
die  respektvollste  Bewunderung  hervorrufen  muss. 

In  vorzüglichster  Hochschtung  habe  ich  die  Ehre,  gnädigste  Frau,  mich  zu 

nennen  Ihren  ganz  ergebenen  Diener 

H.  V.  Bülow 


^)  Professor  der  Chirurgie  an  der  Universität  München. 


387 
PERGER:  RHEINBERGERS  LEBEN  UND  SCHAFFEN 


Frani  Wfillner  an  Bbelnberger 

Köln,  20./2.  85 

In   Berlin  habe  ich  am  30.  Januar  die  Ouvertüre   zur  »Bezähmten   Wider- 

apänttigen"  mit  sehr  gutem  Erfolg  zur  Aufführung  gebracht    Dieselbe  ist  seitdem  ein 

Repertoirestück  des  philharmonischen  Orchesters  geworden  . . . 

Ihr  treulichst  ergebener 

F.  Wfillner 

(Aas  dem  Tagebuch  tob  Frau  F.  Rheinberger): 

[Auf  einer  leeren  Seite  ein  Lorbeer-Blatt,  darauf  mit  Tinte,  von  Frau  Rh.s  Hand, 
geschrieben:]  50  Jahre.    17./III.  89. 

Mirz  1880.  Prof.  Schafhlutl,  86  Jahre  alt,  gratulirt  in  einem  langen  Schreiben 
zum  50.  Geburtstage  jenem  Josef  Rheinberger,  dessen  er  sich  noch  so  liebevoll  als 
»kleinen  Rheinberger"  erinnert« 

Karl  Goldmark  an  Rheinberger 

Wien,  18.  März  1889 
Herzlichst  danke  ich  Ihnen  für  Ihre  lieben  Zeilen,  die  mich  hoch  erfreuten. 
Wenn  die  Stimmen  nicht  gezihlt,  sondern  gewogen  werden,  dann  wiegt  die  Stimme 
eines  Joseph  Rheinberger  ein  ganzes  Publikum  auf  .  .  • 

Theodor  Gonrj  an  Rheinberger 

schreibt  am  27.  Juni  89  aus  Oberhomburg, 
dass  «die  Aufführung  des  ,Christophorus^  in  Görlitz  ein  glänzender  Triumph*  war . . . 

Unter  den  anliegenden  Papieren  finden  vir  einen  Brief  von  dem 
jungen  Komponisten 

Max  Boger  an  Rheinberger 

Weiden,  bayr.  Oberpfalz,  30.  Sept.  1900 
[Er  dedicirt  Rheinberger]  „als  kleines  Zeichen  seiner  aufrichtigsten  und  be- 
sonderen Verehrung"  eine  [Orgel-]Phantasie  und  Fuge  .  .  . 

Beginn  des  Bandes  15  der  „Geschäfts-  und  Tagebücher*  von  Kurt 
Jos.  Rheinberger  geführt  von  Frau  Franziska.  Von  hier  ab  ist  ein  selt- 
samer Übergang  bemerkbar;  —  nichts  mehr  von  Musik  —  es  folgen  lange 
religiöse  Abhandlungen  über  die  Verse  des  Ecclesiasten  .  . .  wie  ein  düsterer 

Hinweis  auf  kommendes  Unheil  steht  die  Überschrift: 

O  mors  quam  amara  est  memoria  tua,  homini  pacem  habenti  in  substantiis 
suis!  Eccles.  41, 1.  Darunter,  deutsch:  O  Tod  wie  bitter  ist  Deine  Erinnerung  fQr 
den  Menschen,  der  in  Frieden  seinen  Reichtum  geniesst  • . . 

Hierauf  finden  wir  das  Verzeichnis  der  Werke  Rheinbergers  von 
seiner  eigenen  zitternden  Hand  geschrieben;  die  Briefe  und  Anträge  der 
Verleger  laufen  fort,  ebenso  die  Briefe  der  Freunde  und  Verehrer,  die 
Berichte  und  Telegramme  von  In-  und  Ausland  über  schöne  Erfolge  — 
doch  keine  intime  Aufzeichnung  mehr;  die  Nacht  de$  Wahns  hat  ihre  er- 


388 
DIE  MUSIK  V.  24. 


barmungslosen  schweren  dunklen  Fittiche  über  die  Seele  der  treuen  Ge- 
fährtin gebreitet.  Wohl  kehrt  die  unglückliche  Frau  nach  Wochen  in  das 
früher  so  freudvolle  Heim  zurück  —  sie  ist  wieder  klar,  nur  traurig, 
melancholisch;  doch  die  seelischen  Stürme  haben  auch  ihren  Körper  ge- 
schwächt, sie  leidet,  sie  legt  sich,  sie  steht  nimmer  auf:  mors  optima  rerum. 

Was  Rheinbergers  feinfühlige  Natur  bei  all  dem  gelitten,  ist  kaum  zu 
ermessen.  Arbeit  tröstete  ihn.  Der  echte  Künstler  begräbt  sein  Leid  in 
den  Tiefen  seiner  Kunst,  und  seltene  Blumen  entspriessen  dem  dunklen 
Grunde. 

Eine  Nichte,  Olga  (aus  Vaduz),  weilte  10  Jahre  bei  dem  Einsamen. 
Äussere  Ehren  und  hohe  Auszeichnungen  wurden  ihm  zuteil:  der  Adel 
wird  ihm  verliehen,  er  wird  Geheimrat,  wird  Ehrendoktor  der  philosophi- 
schen Fakultät  der  Universität  München.  Der  »Doktor"  erfreute  ihn  am 
meisten.  Sein  letztes  veröffentlichtes  Werk  (vor  seinem  Tode,  am  25.  No- 
vember 1001)  war  eine  Orchesterfuge  zu  sechs  Themen  —  sein  Dank  an 
die  philosophische  Fakultät. 

Am  27.  November  1001,  zwei  Tage  nach  Rheinbergers  Tod,  betrat 
ich  noch  einmal  die  mir  seit  meiner  Kindheit  wohlbekannten  Räume,  in 
denen  er  34  Jahre  gelebt  hatte. 

Ja,  es  gibt  Laren  und  Penaten  wie  die  Alten  glaubten  —  doch  nur 
wer  sie  verehrt,  nur  wer  ihnen  opfert,  fühlt  sie:  ihm  offenbaren  sie  ihre 
geheimnisvoll  beglückende  Gegenwart.  Das  wussten  schon  die  alten  Mönche. 
Sagt  da  Thomas  a  Kempis:  «So  Du  Deine  Zelle  liebst  und  treulich  hütest, 
wird  sie  Dir  eine  liebe  Freundin,  so  Du  sie  viel  verlässt,  wird  sie  Dir 
düster  und  verhasst;  unfreundlich  wird  sie  Dich  empfangen  . . ." 

Wenn  je  einer  die  Wechselwirkung  der  Freundschaft  mit  unbelebten 
Dingen  empfand,  so  war  dies  Rheinberger,  der  sein  stilles  Heim  so  sehr 
liebte.  Er  konnte,  unglücklich,  tagelang  herumirren,  wenn  Tapeten  erneuert 
oder  Änderungen  in  der  Wohnung,  namentlich  in  seinem  grossen,  drei- 
fenstrigen  Arbeitszimmer  gemacht  wurden. 

Ich  ging,  unwillkürlich  mit  leisen  Schritten,  durch  den  Raum.  Die 
Bäume  grüssten  zum  Fenster  herein,  die  alte  Uhr  tickte  gleichmütig  wie 
ein  strenger  Metronom.  Und  nun  sagte  ich  mir  vor,  dass  ich  den  Freund 
gestern  tot  gesehen  hatte;  da  lag  er  doch  in  der  Leichenhalle,  das  bleiche 
Gesicht  kontrastierte  eigentümlich  mit  dem  lustig  bunten  Band  des  hohen 
Ordens  am  Halse.  Ich  sah,  wie  das  Band  das  spitze  Ende  des  Vollbartes 
bedeckte,  was  das  Gesicht  viel  kürzer  erscheinen  Hess,  und  ich  hatte  den 
Leichenwärter  geholt,  der  in  die  grosse  traurige  Glaskammer  trat,  das 
Band  etwas  nach  abwärts  rückte  und  die  Bartspitze  befreite,  so  dass  die 
Schüler  und  Freunde  die  lieben  charakteristischen  Züge  zum  letzten  Male 
gut  erkennen  sollten. 


d^^^      PERGER:  RHEINBERGBRS  LEBEN  UND  SCHAFFEN      ~^S 

Sonderbar  —  und  hier  konnte  ich  nicht  glauben,  dass  er  gestorben 
sei,  hier  in  diesen  Räumen,  in  denen  er  so  viel  Innerliches  erlebt  und 
gestaltet  hatte.  Die  alt-italienische  Madonna  lächelte  herunter  (über  dem 
Schreibtisch  mit  den  unvollendet  aufliegenden  Blättern),  da  hing  an  der 
grossen  Rückwand  des  Zimmers  das  nette  altdeutsche  Bild  aus  der  Dürer- 
zeit und  über  den  vielen  Büchern  das  schöne  forum  romanum  des  alten 
Niederländers  van  Roos.  Da  stand  das  kleine  Harmonium  <das  jetzt  zu 
mir  gewandert  ist),  die  Mozartstatuette,  doch  beute  ohne  jeden  Blumen- 
schmuck davor:  alle  Blumen  .bekam  sonst  der  Mozart*  — .  Hatten  sie 
ihn  wirklich  aus  dieser  seiner  kleinen  Welt  forlgetragen  für  immer?  .  . 
Wird  er  nie  wieder  aus  jener  dunklen  Türe  zu  mir  bereintreten  P  .  .  Es 
redete  der  schweigende  schwarze  Blüthner-FIügel  eine  seltsame  Sprache, 
als  wollte  er  bedeuten:  in  der  Pause  erst  wirkt  der  Rhythmus.  Die  grosse 
Pause  war  gekommen. 

Und  ich  dachte  den  Gedanken  Maurice  Maeterlincks  neu,  als  ob  er 
mein  eigener  wäre,  den  schönsten  Gedanken  über  die  unbewusst  Dahin- 
lebenden und  die  neben  ihnen  geheimnisvoll  Scheidenden,  in  seinem  kleinen 
Buch  ,Zu  Hause':  .  .  .Jeder  trägt  in  seiner  Brust  mehr  als  einen  Grund, 
nicht  mehr  zu  leben.  Man  siebt  in  die  Seelen  nicht  ao  hinein,  wie  In 
dieses  Zimmer  .  .  .  Man  lebt  Monate  lang  an  der  Seite  eines  Menschen, 
der  nicht  mehr  zu  dieser  Welt  gehört  und  für  dessen  Seele  es  keine 
Umkehr  gibt;  man  antwortet  ihm  gedankenlos  .  .  . 

Sie  leben  an  Euerer  Seite  Tag  und  Nacht,  aber  Ihr  seht  sie  nicht  früher 
als  bis  sie  für  immer  gehen  .  .  ,. 

Rbelnberger  hatte  sie»  gewünscht,  auf  dem  acbSnen  Friedbot  In  Vadui  einai 
«uizurataeii,  in  deiaen  unmittelbirer  NUe  die  Bergwasier  Im  Schatten  alter  Biume 
ins  Tal  biannlemuicheii ;  doch  erfüllte  er  Tunscb  uad  Testament  lelner  Gemahlin 
und  erwarb  Im  Mflnctaner  Büdl.  Friedhofe  eine  .Hallengrabatltte*.  Der  talentvolle 
junce  Bildbauer  Egon  Rbeinberger  icbuf  du  Grabmal  des  Onkeli  In  grauem  Sand- 
stein. —  Joaef  Rhelsbergeii  Testament  spendete  250,000  Mk.  für  wohllitige  Zwecke 
(ohne  Untenchied  der  Konfeaifon  fQr  die  Münchner  Armen  allein  100,000  Mk.) 


Laufe    des    Winters    1874,    am    20.    Dezember,    erschien    in 

!.eipzig  Meister  Richard  Wagner. 

Friedrich   Haase,   der  Direktor  und  Pächter  des  Leipziger 

Theaters,  war  mit  dem  Meister  in  einem  Tantiemenstreit  be- 
griifen  und  wollte  sich  gerade  deshalb  nicht  verstehen,  diesem  den  Gerallen 
zu  tun,  eines  der  Wagnerschen  Werke  auf  der  Bühne  des  Stadttheaters  in 
des  Meisters  Gegenwart  zu  Ehren  desselben  aubuführen.  Ich,  der  ich 
seit  1870  in  allen  hervorragenden  Wagnerschen  Baritonrollen  beschäftigt 
war,  hllte  mir  es  zur  höchsten  Ehre  angerechnet,  als  Wolfram,  Telramund, 
Holländer  oder  gar  als  Hans  Sachs  vor  den  Augen  des  Meisters  aufzu- 
treten. Freilich  wäre  diesem  durch  Aufführung  eines  seiner  Werke  mit 
den  allerorts  (und  auch  in  Leipzig)  üblichen  Strichen  kein  besonderer  Ge- 
fallen getan  worden,  und  ich  habe  es  sogar  für  ein  Glück  gehalten,  dass 
der  Meister  mit  derartigen  fragmentarischen  Darbietungen  damals  verschont 
wurde. 

Da  aber  Kapellmeister  Gustav  Schmidt  nicht  imstande  war,  Haases 
unfreundliche  Gesinnung  gegen  Wagner  zu  besiegen,  so  glaubte  Schmidt 
diesen  mit  der  Vorführung  eines  der  Werke  der  von  ihm  besonders  ver- 
ehrten deutschen  Meister  zu  erfreuen.  Anfangs  dachte  er  an  Beethovens 
Fidelio,  an   Msrscbners  Templer,  an  Webers   Euryanthe,  erst  zuletzt  an 

')  AU  im  FrGbJibr  1902  Eugen  Gura  lich  von  aelner  weitrerzve)|ten  Ver- 
ehrergemelnde  durch  eine  Reihe  von  Konienen  verabschiedete,  brachte  iinaere  Zeli- 
schrifi  au«  der  Feder  von  Paul  Müller  (.Die  Musik',  Bd.  2,  S.  1673  ff.)  tine  fein- 
sinnige Studie  aber  den  un  vergleich  liehen  KQnsüer,  die  besonders  den  unerreichten 
Vortrags melsier  auf  dem  Gebiete  der  Ballade  und  des  Liedes  In  den  Kreis  Ibier  Be- 
trachtung zog.  Am  26.  August  d.  J.  hat  nun  der  MelstersISger  seine  Augen  fGr  immer 
geschlossen.  Tlr  glauben  unseren  Lesern  einen  Gefallen  lu  erweteen,  wenn  wir  Im 
Folgenden  anziehende  Einzelheiten  auch  über  seine  nicht  minder  bedeutungsvolle 
TItigkelt  als  Bühnensinger  sowie  über  seine  Beziehungen  zum  Bayreuther  Meister 
mitteilen,  und  zwar  entnehmen  wir  die  fesselnden  AusfQbrungen  mit  Genebmignng 
des  Verlages  den  Interessanten  .Erinnerungen  aus  meinem  Leben",  die  der  Ent- 
acblafene  im  vorigen  Jahre  bei  Breitkopf  &  Hirtel  erscheinen  Hess  (geh.  Mk.  4, 
geb.  Mk.  5).  Anmerkung  der  Redaktion 


391 

GURA:  AUS  MEINEM  LEBEN 


Spohrs  Jessonda,  worin  ich  schon  öfters  (seit  17.  Oktober  1870)  den 
Portugiesenführer  Tristan  d'Acunha  dargestellt  hatte.  Am  20.  Dez.  1874 
kam  also  im  Stadttheater  eine  Aufführung  dieses  vornehmen  Werkes  zu- 
stande, die  im  ganzen  zu  höchster  Zufriedenheit  Wagners  sich  gestaltete. 
Er  hatte  seinen  Sitz  im  ersten  Rang  in  der  Mitte  des  Balkons.  Ein  freund- 
licher Zufall  fugte  es,  dass  neben  ihm  meine  Frau  sass,  um  welches  Glück 
sie  schon  von  vielen  im  versammelten  Publikum  beneidet  wurde.  Wagners 
frappanter  charakteristischer  Kopf  war  natürlich  sofort  Gegenstand  des  all- 
seitigsten  Interesses  (und  auch  der  Neugierde)  der  guten  Leipziger.  Alle 
Welt  wandte  sich  nach  dem  auf  dem  Mittelbalkon  sitzenden  Meister,  den 
die  Darstellung  meines  Tristan  d'Acunha  derart  anregte,  dass  er  mit  lauten 
freudigen'  Äusserungen  nicht  zurückhielt.  Am  Schluss  der  Oper  verab- 
schiedete er  sich  von  meiner  Frau  mit  herzlichen  Worten  und  schloss: 
»Grüssen  Sie  mir  vielmals  Ihren  Mann,  er  hat  mir  aufrichtige  Freude  ge- 
macht!   Sagen  Sie  ihm:  Er  ist  ein  Mann,  ein  MannI'' 

Ende  Dezember  schrieb  Wagner  in  seinem  Aufsatz  im  musikalischen 
Wochenblatt  ^)  «Über  eine  Opernaufführung  in  Leipzig" : 

»Wer  so  selten  eine  Theatervorstellung,  und  namentlich  die  Aufführung  einer 
Oper  besucht,  wie  leb,  der  verspürt  in  schwächerem  oder  stärkerem  Grade  gewiss 
auch  die  Empfindung  einer  dem  Vorgange  sehr  günstigen  Überraschung.  Namentlich 
das  Erklingen  des  Orchesters  übt,  in  solchen  Fällen,  stets  einen  wahrhaft  magischen 
Eindruck  auf  den  sonst  in  so  grosser  Zurückgezogenheit  Dahinlebenden.  Nicht  anders 
erging  es  mir  auch  diesmal  beim  Erklingen  der  Ouvertüre  zu  ajessonda". 

Eine  einzige  Gestalt,  wie  diejenige  des  vom  Komponisten  wohl  etwas  zu  weich- 
lich gehaltenen  portugiesischen  Generals  Tristan  d'Acunha,  sobald  sie  uns  ein  Künstler 
von  der  Begabung  des  Herrn  Gura  vorführt,  kann  uns  als  eine  wahrhaft  interessante 
Erscheinung  einnehmen.  Dieser  gegenüber  durfte  diesmal  iedes  Bedenken  ver- 
schwinden: Alles  war  rein  und  edeL  Allerdings  fesselte  schon  des  Darstellers  ein- 
faches Auftreten:  Als  er,  von  Nadori  gerufen,  mit  der  Frage:  ,Wer  soll  jenen  Tod 
erleiden?*  vom  Hügel  zu  den  Frauen  herabschritt,  stellte  sich  mir  in  ihm  eine  tragische 
Erscheinung  von  rührendster  und  ergreifendster  Einfachheit  dar.  Wie  schwer,  ja  wie 
unmöglich  die  Vorzüge  eines  solchen  männlich -künstlerischen  Naturells  durch  die 
selbst  sorgAltigste  Verwendung  vereinzelter  glücklicher  Begabungen,  wie  angenehmes 
Äussere,  gutes  Stimmaterial  usw.  zu  ersetzen  sind,  dies  erkennt  man  sofort  an  der 
Umgebung  eines  jener  ,aus  dem  Ganzen  Geschnittenen!'  Hier  gelingt  alles,  selbst 
die  unsingbarste  Spobrsche  Violinpassage  beeinträchtigt  den  Vortrag  des  Sängers  nicht 
mehr,  weil  dieser  uns  jeden  Augenblick  fesselt,  und  somit  unsre  Aufmerksamkeit  auf 
das  verfehlte  Aussenwerk  seiner  ihm  aufgedrungenen  Leistung  gleichsam  entkräftet 
wird.«  — 

Nach  der  Oper  wurde  mir  die  Auszeichnung,  vom  Meister  gebeten 
zu  werden,  einer  geselligen  Zusammenkunft  im  Kreise  einiger  Leipziger 
Freunde  beizuwohnen.     Darunter  waren  auch  Hofrat  Marbach  und  dessen 


^)  Später  in  den  ersten   Band   der  gesammelten   Schriften    und   Dichtungen 
R.  Wagners  aufgenommen. 


392 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Sohn,  der  Buchhändler  und  Musikverleger  E.  W.  Fritzsch,  der  Dirigent 
Riedel,  der  im  Jahre  1872  mit  seiner  Sängerschar,  dem  Riedeischen  Verein, 
unter  Wagners  Dirigentenstab  in  Bayreuth  bei  der  Grundsteinlegung  des 
Festspielhauses  die  Chore  der  Neunten  Symphonie  leitete.  Als  Zusammen- 
kunfcsort  diente  das  Hotel  Hauffe,  das  zum  Zeugen  der  anregendsten  Ge- 
spräche wurde.  Des  andern  Tages  hatte  ich  sogar  die  Ehre,  des  Meisters 
persönlichen  Besuch  in  meiner  Wohnung,  an  der  Ecke  der  Schfitzenstrasse 
(im  Hause  des  Baron  Speck  von  Stemburg),  am  Schwanenteiche,  zu 
empfangen. 

Sein  Wunsch  war  vor  allem:  In  seinem  in  Bayreuth  darzustellenden 
Ring  des  Nibelungen  mich  in  den  Reihen  der  Darsteller  zu  sehen. 

Da  einer  alten  Abmachung  gemäss  der  Meister  den  trefflichen,  im 
Jahre  1868  bewährten  Hans  Sachs-Darsteller  Franz  Betz  als  dereinstigen 
Wotan  im  Auge  hatte,  so  war  es  begreiflich,  wenn  er  auf  diesen  stimm- 
gewaltigen und  reckenhaften  Bariton  immer  wieder  zurückkam,  denn  Betz 
war  ohne  Frage  in  dieser  Zeit  unter  allen  Baritonsängem  der  berufenste. 

Wagner  übersandte  mir  zwar  durch  Seidl  die  Partieen  des  Wotan  im 
Rheingöld  und  in  der  Walküre  und  des  Wanderers  im  Siegfried  zu  an- 
gelegentlichstem Studium,  aber  als  meine  eigentlichste  Aufgabe  sandte  er 
mir  später  durch  Zumpe  den  Günther  in  der  Götterdämmerung.  Diese 
Aufgabe  ergriff  ich  auch  gleich  mit  Feuereifer,  so  dass  ich  vollkommen 
mit  der  Rolle  vertraut  bei  den  ersten  Proben  erscheinen  konnte  . .  . 

Es  waren  Tage  der  gewaltigsten  Erhebung,  diese  Proben  in  den 
Räumen  des  Festspielhauses.  Auf  der  Bühne  sitzend,  vor  sich  die  Partitur 
des  Nibelungenwerkes,  von  dessen  musikalischer  Herrlichkeit  wir  zwar  in 
steigender  Weise  ergriffen  wurden,  von  dessen  hoher  Bedeutung  und  kultur- 
geschichtlicher Wichtigkeit,  von  dessen  vorbildlicher  Sendung  wir  nur  zum 
geringen  Teil  eine  Ahnung  hatten,  feuerte  der  Meister  alle  Mitwirkenden 
durch  seine  geistsprühende  Persönlichkeit  an;  nicht  nur  eingreifend  in  den 
Vortrag  der  Darsteller  und  die  Entwicklung  der  szenischen  Bilder,  auch 
belebend  und  anfeuernd  auf  den  Vortrag  des  Orchesters,  das  Hans  Richter 
in  der  Tiefe  des  unsichtbaren  Raumes  leitete. 

Als  nach  dem  Rheingold  die  alles  berückende  Walküre  folgte,  worin 
Albert  Niemann  zuerst  seinen  gewaltigen  Siegmund  sang,  erinnere  ich  mich 
deutlich  eines  Vorfalles,  der  mir  als  Beispiel  von  der  Ursprünglichkeit 
eines  warm  und  heftig  empfindenden  Künstlergemütes  im  Gedächtnis  haftet. 
Beim  dritten  Aufzuge  war  Niemann  noch  als  Zuhörer  anwesend;  als  nun 
gegen  das  Ende  des  Aktes  zum  erstenmal  das  Motiv  von  Wotans  Abschied 
(bei  der  stürmischen  Umarmung  Brünnhildens)  in  gewaltigem  Glanz  mit 
vollem  Orchester  in  seiner  überwältigenden  Tonpracht  ertönte,  wirkte  das 
ungeheure  Motiv  auf  Niemann  mit  solcher  Übergewalt,  dass  der  alte  Recke, 


393 
GURA:  AUS  MEINEM  LEBEN 


von  stärkster  Ergriffenheit  gepackt,  in  heftiges  Schluchzen  ausbrach  und 
erst  lange  nach  Beendigung  der  Probe  zu  endlicher  Beruhigung  gelangen 
konnte. 

Ebenso  unvergesslich  ist  mir  der  momentane  Eindruck,  den  Heinrich 
Vogl  als  Loge  im  Rheingold  im  Jahre  1876  auf  das  versammelte  Publikum 
machte,  als  er  das  sangreiche  Motiv  von  „Weibes  Wonne  und  Wert*  mit 
seiner  pastosen  Stimme  erklingen  Hess.  Alles  brach  in  freudigen  Jubel 
aus  in  Gegenwart  des  alten  Heldenkaisers  Wilhelm  L 

Unter  den  mitwirkenden  Damen  war  auch  eine  Frau  S.  Grün,  einstens 
dem  Verbände  des  Berliner  Hofopemtheaters  angehörig,  die  in  erster  Linie 
dazu  bestimmt  war,  eine  Göttin  (die  Fricka)  im  Rheingold  darzustellen.  An 
einem  freien  Nachmittage,  an  dem  eine  Pause  im  Ringstudium  gemacht 
wurde,  hatten  schon  verschiedene  der  mitwirkenden  Herren  und  Damen 
auf  des  Meisters  aufmunterndes  Geheiss  Fragmente  aus  dessen  früheren 
Werken  am  Klavier  vorgetragen.  Da  von  andern  schon  manches  aus  dem 
Tannhäuser  gewählt  war,  wurde  auch  Frau  Grün  vom  Meister  gebeten, 
das  Gebet  der  Elisabeth  aus  dem  dritten  Akte  des  Tannhäuser  vorzusingen. 
Ehe  sie  aber  begann,  sprach  diese  mit  heiterer  Naivität  folgende  Worte  zu 
Richard  Wagner:  „Aber  lieber  Meister,  ich  mache  Sie  aufmerksam,  ich 
pflege  dieses  Stück,  wie  Sie  es  selber  gebilligt  haben  sollen,  mit  den  all- 
gemein üblichen  Kürzungen  und  Strichen  vorzutragen."  Kaum  hatte  Frau  G. 
dieses  Ansinnen  ausgesprochen,  als  der  erregte  Meister  sich  ihr  zornig  zu- 
wandte mit  den  Worten:  „Was  sagen  Sie  da?  ich  hätte  jemals  solche 
Striche  gebilligt  und  noch  dazu  im  Gebet  der  Elisabeth?"  Geradezu  bebend 
herrschte  er  sie  an:  ,Jetzt  hören  Sie  mich  vor  allen  Dingen  einmal  ge- 
fälligst an !"  Und  mit  besonderem  Ausdrucke  deklamierte  er  ihr  die  in  Frage 
kommende  Stelle  aus  dem  Gebet  der  Elisabeth: 

„Wenn  je,  in  tör'gem  Wabn  befangen,  mein  Herz  sich  abgewandt  von  dir,  — 
Wenn  je  ein  sundigei  Verlangen,  ein  weltlich  Sehnen  keimt  in  mir:  — 
So  rang  ich  unter  tausend  Schmerzen,  dass  ich  es  tot  in  meinem  Herzen!" 

mit  einer  grossartigen  Erhebung,  mit  einem  faszinierenden  erhabenen 
Schwung,  der  uns  Zuhörer  alle  mächtig  ergriflP.  Als  er  hocherregt  geendet, 
donnerte  er  ihr  nochmals  ins  Gesicht:  «Und  Sie  wagen  zu  behaupten,  ich 
selber  hätte  jemals  diesen  Strich  gebilligt?  Haben  Sie  jemals  über  den 
Sinn  dieser  Worte  nachgedacht?  Hatten  Sie  eine  Ahnung,  was  ich  der 
Elisabeth  mit  diesen  Worten  in  den  Mund  gelegt  haben  wollte?  Hatten 
Sie  jemals  eine  Ahnung  von  dem  Seelenschmerz  der  landgräflichen  Jungfrau?'' 
Erst  als  nach  und  nach,  wie  von  selber,  ein  Gespräch  über  die  Be- 
deutung der  musikalischen  Deklamation  und  über  die  Bedeutung  der  Meister 
Weber  und  Marschner  in  Gang  kam,  wurde  er  wieder  heiter  und  gemässigter. 
Man  sah  ihn  allmählich  aus  seiner  zornigen  Erregung  sich  loslösen  beim 

V.  24.  28 


■  DIE  MUSIK  V.  24.  ; 

Nennen  dieser  Romantiker,  und  gar  zuletzt  beim  Nennen  des  ihm  ver- 
wandten Zeitgenossen  Karl  Loewe,  des  BaUadenliomponisten. 

.Ha,  rief  der  Meister,  das  ist  ein  ernster,  mit  Bedeutung  die 
schöne  deutsche  Sprache  behandelnder,  nicht  hoch  genug  zu 
ehrender  deutscher  Meister,  echt  und  wahrt*  —  Sofort  trat  er  ao 
seine  musikalische  Bibliothek  und  schlug  Loewes  Kompositionen  der 
nordischen  Balladen  Herders  auf:  Edward,  Herr  OluF,  Uhlands  Drei  Lieder, 
Goethes  Erlkönig. 

Augenblicklich  musste  Joseph  Rubinstein,  der  Begleiter  bei  den 
Nibelungen-Proben,  an  das  Klavier.  Ich  sang  ihm  den  düsteren  Edward, 
Herr  Oluf  und  Goethes  Erlkönig.  Da  ich  beim  Edward  einige  der  manig- 
fachen  Ausrufe  ,0h'  zu  vereinfachen  wähnte,  indem  ich  zwei  Ausrufe 
musikalisch  in  einen  zusammenzog,  also  mit  einem  komplizierten  Empßndungs- 
laut  eine  Vereinfachung  zu  bringen  glaubte,  rief  Wagner  sogleich:  , Haiti 
das  dürfen  Sie  nicht  I  Jeder  dieser  Ausrufe  in  seinen  mannigfachen  Ab- 
stufungen bat  seine  volle  Berechtigung.  Diese  elementaren  Rufe  müssen 
in  der  hier  fixierten  Form  gebracht  werden!*  Und  ich  Hess  mir  es  nicht 
umsonst  gesagt  sein  1  Gewissenhaft  saug  ich  seit  diesem  Tage  jeden  dieser 
Ausrufe :  Oh  I  Je  nach  der  Person  (Mutter  oder  Sohn)  mich  einer  ver- 
schiedenartigen Färbung  befleissend. 

ich  durfte  am  Schlüsse  dieses  Abends  wahrnehmen :  Es  war  mir  ge- 
lungen, den  Meister  aus  zorniger  Aufgeregtheit  durch  seine  geliebten  Romantiker 
Weber  und  Marschner  und  namentlich  durch  das  Singen  Loewescher 
Balladen  wieder  in  eine  behagliche  Stimmung  versetzt  zu  haben.  ~ 


tal  selten  Ut  ein  MuilkfCit  in  lo  unbebolfener  Art  und  Tefte  amDgien 
«ordea,  wie  das  dicEjibrige  in  Saliburg,  mit  dem  die  Impaunie 
Selbe  von  Huldigungen  ihren  AbichluM  hnd,  die  In  deutichen  Landen 
■UB  Ania»  der  isa  Tiederkehr  von  Moiarti  Geburtstage  dem  GcDiua 
dieses  Meisters  dargebracbt  wurden.  Gleicb  der  ErSffaungsabend  am 
14.  August  brachte  eine  arge  Enttiuscbung.  Denn  die  von  Ulli  Lebmann  im  Verein 
mit  dem  In  der  musikailacben  Telt  fast  unbekannten  Pariser  Komponisten  Raynaldo 
Hahn  In  einer  einzigen  Probe  einstudierte  .Don  Giovannl'-Tledergabe  war  nichts 
weniger  als  eines  Mozirtfestes  würdig.  Alle  Achtung  vor  der  gewiss  von  den  besten 
Absichten  geleitet  gewesenen  grossen  Künstlerin!  Aber  wlre  es  des  UrschSpfers 
der  deutschen  Oper  nicht  würdiger  gewesen,  wenn  man  zu  Ehren  seiaea  ISO.  Geburts- 
tages sein  herrlichstes  Bühnenwerk  in  einer  deutschen  Tiedergabe  dargeboten 
bitte,  anstatt  mit  einem  Htt  durchweg  aus  nlchtitaltenlscben  KGnatlem  lu- 
sammen gesetzten  Ensemble  einen  Italienischen  .Don  Giovanni*  zu  bringen,  der  schon 
infolge  der  Mannlgtalilgkelt  In  der  Uehandlung  des  Italienischen  Idioms  durch  die 
Mitwirkenden  von  vomtaerein  daa  Geprlge  der  Uneloheitlicbkell  tragen  mussie?  An 
guten  deutschen  Obersetzungen  Ist  doch  kein  Mangel.  Erst  in  Jüngster  Zeit  Itt  zu  den 
bisherigen  von  Kalbeck,  Levi  u.  a.  eine  susgezeichnete  von  Heinemann  hinzugekommen. 
Und  was  die  Rezltstivrenigkeii  deutscher  Singer  betrflTi,  so  haben  die  Toliendeten 
aFigaro'-Aarrührungen  des  Tlener  Hofopemtheatera  unter  Gustav  Mahler,  die  den 
Glanzpunkt  des  ganzen  Festes  bildeten,  wohl  zur  Genüge  bewiesen,  wieviel  sieb  in 
dieser  Hinsicht  such  in  deutscher  Sprache  erreichen  lissi  —  allerdings  durch  mehr 
als  eine  Probe.  Oder  bitten  wir  in  der  Tat  diesen  Italienischen  ,Don  Ciovsnni* 
beim  Mozarifeite  in  Salzburg  dem  Umstände  zu  verdanken  gehabt,  dass  die  Herren 
d'Andrade  und  Hahn  zur  Mitwirkung  herangezogen  werden  sollten?  Dss  waren  — 
unumwunden  gesagt  —  beide  Herren  denn  doch  nicht  wert.  d'Andrade'a  bezeich- 
nenderweise in  Deutschland  mebr  denn  in  seiner  Heimat  bewunderter  Don  Giovanni 
mag  ja  In  früheren  Jahren  seine  Vlrkung  nicht  verfehlt  haben;  gegenwlrtig  vermag 
aeln  zwar  ausgezeichnetes,  jedoch  nicht  immer  einwandfreies  Spiel  und  seihst 
seine  unleugbar  musteibafte  Behandlung  des  Rezitativs  doch  keineswegs  darüber 
hinwegzutiutchen,  dass  sein  Organ  eine  senischwuodene  Pracht'  iat.  Und  die 
DirlgierRhlgkeiten  des  Herrn  Hahn  reichen  ja  nicht  einmal  an  die  eines  duich- 
Bchnlttlichen  deutschen  Stsdttheaterkapel  Im  eiste  rs  heran.  Der  Unstern,  der  ßber  dem 
ersten  Theatetfestabend  gewaltet,  bebernchie  zum  Teil  auch  die  Festkonzerte.  So 
war  vor  allem  die  Zusammensetzung  der  Programme  eine  von  Grund  aus  verfehlte. 
Ein  Mozartfest  mit  Beethovens  c-moll  Symphonie  -und  der  Neunten  Brückners,  das  ist 
ein  Monstrum,  wie  es  von  mit  der  Musikgeschichte  auf  Kriegsfuss  Sichenden  nicht 
schlimmer  hitte  zustandegebracbt  werden  kOnnen.    Gar  arg  war  es  weiter  um  die  bei 


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DIE  MUSIK  V.  24. 


diesen  Festkonzerten  mitwirkenden  Solisten  bestellt  Zum  grossen  Teile  als  Ersatz 
fQr  die  ursprfinglich  in  Aussicht  genommenen  und  in  letzter  Stunde  absagenden 
eingetreten,  vermochten  sie  den  an  ein  Musikfest  geknöpften  Erwartungen  durchweg 
nicht  zu  entsprechen.  Das  erste  der  vier  in  der  altertümlichen  Aula  academica  statt- 
gefundenen Festkonzerte  ging  am  15.  August  unter  Mottls  Leitung  vor  sich  und 
brachte  die  von  den  Wiener  Philharmonikern  meisterhaft  wiedergegebene  C-dur 
Symphonie  (K6chel  No.  504),  das  Andante  mit  6  Variationen  für  Streichorchester  und 
zwei  H5mer  aus  dem  Divertimento  No.  17  (Kdchel  No.  334)  sowie  die  hier  allerdings 
unangebrachte  Beethovensche  FQnfte.  Die  piftce  de  resistance  dieses  Konzertes  bildete 
das  von  Saint-SaCns,  dem  ein  begeisterter  Empfang  bereitet  wurde,  nicht  in  einer 
den  Erwartungen  ganz  gerecht  werdenden  Weise  gespielte  Klavierkonzert  in  Es 
(Köchel  482).  In  dem  am  17.  August  stattgefundenen  zweiten  Festkonzerte  gab  es 
zunichst  eine  Sensation:  das  Erscheinen  Richard  Strauss',  der  für  den  absagenden 
Dr.  Muck  eingetreten  war,  am  Dirigenteopulte.  Die  von  ihm  herrlich  zu  Gehör  ge- 
brachte Ouvertüre  zur  «Zauberflöte"  weckte  eine  begeisterte  Stimmung  im  Festsaale, 
die  aber  leider  schon  mit  der  nichsten  Nummer  des  Programms,  der  konzertanten 
Symphonie  für  Violine  und  Viola  (Köchel  No.  364),  schwand,  da  das  Solistenehepaar 
Petschnikoff  seiner  Aufgabe  sich  nicht  gewachsen  zeigte.  Wohl  erwärmte  die  darauf- 
folgende, von  Strauss  nach  einer  einzigen  Probe  meisterhaft  geleitete  Brucknersche 
Neunte  die  Festgiste  wieder,  doch  konnte  man  allgemein  der  Meinung  Ausdruck 
geben  hören,  dass  dieses  Werk  hier  nicht  am  Platze  gewesen.  Hatte  dieses  zweite 
Konzert  schon  nicht  zur  Genüge  zu  befriedigen  vermocht,  so  war  das  dritte  (am 
18.  August)  an  Enttluschungen  nur  zu  reich.  Hier  trat  nämlich  die  ganze  Kopf- 
losigkeit, mit  der  das  Fest  veranstaltet  worden  war,  am  erschreckendsten  zutage. 
Denn  fast  alle  in  diesem  Konzert  Mitwirkenden  erwiesen  sich  als  minorum  gentium. 
Voran  Guido  Peters,  der  es  beinahe  zuwege  gebracht  hätte,  die  Festgäste  aus 
dem  Saale  zu  treiben,  wenn  er  nicht  so  vorsichtig  gewesen  wäre,  sein  Programm 
ohne  Pause  herunterzuleiern.  Auch  das  Wiener  Fitzner-Quartett,  das  das  Es-dur 
Quartett  (Köchel  493)  und  mit  Herrn  Bartholomey  das  A-dur  Quintett  (Köchel 
581)  wohl  ganz  einwandft'ei  zu  Gehör  brachte,  ja  mit  dem  glänzend  wiedergegebenen 
Larghetto  des  letztgenannten  Werkes  die  durch  das  Vorhergegangene  arg  ver- 
dorbene Stimmung  des  Saales  ein  wenig  gebessert  hatte,  konnte  bei  all  seiner  nicht 
zu  unterschitzenden  Tüchtigkeit  doch  nicht  darüber  im  unklaren  lassen,  dass  es  keines- 
wegs musikfestreif  sei.  Und  selbst  Geraldine  Farrar,  die  prachtvolle  Zerline  der 
verunglückten  »Don  Giovanni'-Aufführung,  enttäuschte  mit  dem  Vortrage  der  Arie  mit 
obligater  Vieline  »Non  temer  amato  bene"  (Köchel  400),  durch  den  sie  wieder  einmal 
den  Beweis  dafür  erbrachte,  dass  eine  ausgezeichnete  Bühnensängerin  nicht  immer 
auch  eine  gute  Liedersängerin  ist.  Das  vierte  und  letzte  Festkonzert  (am  19.  August) 
war  der  Kirchenmusik  gewidmet  und  entschädigte  teilweise  für  den  schlechten  Ein- 
druck, den  dts  ihm  vorausgegangene  hervorgerufen  hatte.  Von  einheimischen 
Kräften,  die  der  Mozarteumsdirektor  Hummel  leitete,  bestritten,  brachte  es  als  erste 
Nummer  die  dem  Programm  zur  Erinnerung  an  den  100.  Todestag  Michtel  Haydns 
(10.  August)  eingefügte  Motette  .Tenebrae  factae  sunt*  dieses  Meisters,  ein  tiefernstes 
Werk,  dss  allgemeines  Interesse  erregte.  Den  Höhepunkt  dieses  Konzertes  bezeich- 
nete die  nach  dem  göttlichen  »Ave  verum*  vollendet  wiedergegebene  Krönungsmesse. 


BÜCHER 

195.  Johann««  Schreyer:  Harmonielehre.  (VBlIlg  umcearbeJtete  Ausgabe  der 
Schrift  >Voa  Bach  bla  Tagner".'^  Veriag:  Holie  &  Pahl,  Dresden. 
Ei  lit  unmSgllch,  alch  in  venigen  Zeilen  Dber  dieaei  Terk  xa  iuiaern,  für  das 
die  BezelcbnuBg  BersiUauig"  einmal  unbedingt  zntrjffc;  et  rfihrt  Indirekt  an  einige  Grund- 
fragen unseres  Musiklebens.  Schreyer  ist  durch  den  Llctatbrlnger  unserer  Tlssenscbaft, 
durch  RIemann  angeregt,  nach  der  poalilven  vie  nach  der  negativen  Seile.  Der  reiche, 
scharhlnnlge  und  gllniende  Geist,  der  ans  dem  Bucbe  spricht,  Ist  so  recht  berufen,  im 
Kampfe  des  Ucbtes  gegen  die  Finsternis  einer  unserer  Ffihrer  zu  aeln.  Unter  Finsternis 
verstehe  ich  hier  die  noch  vielhch  ungestSrt  herrschende  Art  des  muslklbeoretiachen 
Unterrichts  nach  Lehrbüchern  literer  Art,  die  es  mOgllch  macht,  dass  der  SchQIer  Jahre 
laug  lernt  und  achreibt,  von  der  einfachen  Harmonielehre  bis  zum  vierfachen  Kontra- 
punkt eine  Unzahl  von  Au^aben  anfertigt,  nm  alch  hernach  in  der  Knnat  noch  veniger 
auszukennen  als  vorher.  Das  Licht  bringt  die  auf  Riemann  fussende  hier  klasalach  auf- 
tretende Art  dea  Verfasser*,  uuaere  Kunstwerke  zu  analysieren,  mit  Vermeldung  jeder 
Gedankenloalgkell  eineraelts  und  jeder  philologischen  oder  laiheüschen  GrSbelel  ander- 
seits. Jeder,  der  sich  ernster  mit  Musik  befssst,  müsste  das  Buch  lesen.  Vor  allem  die, 
velche  Kompositionen  mQndlich  oder  im  Druck  beurteilen.  Ich  meine  nicht  nur  jene 
bloss  negativen  unter  den  Kritikern,  jene  Elementar-  und  Oberlehrer,  Bankkommls, 
Rech  taanvslta-Bureau  vorsieh  er,  Postaasistenten,  Agenten,  Buchhalter  usw.,  die  in  Ihrem 
Berufta  alle  Ehren  einer  bGrgerllchen  Ezlsteni  geniessen  und  nebenbei  In  dem  unseren 
als  fahrendes  Volk  marodleren,  nur  mikelnd,  ohne  Grfinde  dafür  angeben  zu  kSnnen. 
Ich  meine  aogar  Musiker,  die  allzu  leicht  und  rasch  über  neue  und  alle  Terke  unserer 
Kunst  lu  urteilen  pflegen.  Nicht  eine  einzige  von  Schreyera  Analysen  brauchten  sie  zu 
verstehen,  um  den  richtigen  Nutzen  zu  haben;  sie  kConten  aber  seine  Methode  sehen, 
kSnnten  merken,  welcher  Aufwand  an  Kenntnis,  Scharfsinn  und  Geistesarbeit  nOtIg  Ist, 
um  Terke  der  Tonsetzkunst  ohne  Sden  blöden  Parteistandpunkt  aachlicb  zu  prüfen. 
Aber  auch  die  negative  Seile  des  Anschlusses  an  Riemann  darf  Ich  nicht  unerwihnt 
laasen:  auch  Schreyer  gebraucht  Riemsnnsche  Phrsa lern ngszei eben,  selbst  schlimme,  wie 
z.  B.  die  VIedergabe  von  Mendelssohns  .Frühlings  11  cd'  in  der  Notenbeilsge  beweist. 
Tenn  der  Phras lern n gebogen  die  letzte  Note  vor  dem  Taktstrich  In  die  folgende  Phrase 
mit  hereinzieht,  so  kann  er  noch  gutes  stiften;  ein  grosser  Teil  jener  Bogen  aber,  die 
nach  der  ersten  Note  des  Taktes  beginnen  und  diese  slso  von  der  Phrase  abschneiden, 
scheint  mir  musikalisch  überhaupt  nicht  mehr  diskutabel.  Sie  haben  den  Charakter 
einer  .Zwangsvorstellung',  wie  ile  ja  bei  geistig  ootmilen,  ja  besonders  bei  sehr  hoch 
organisierten  Menschen  vorkommen  und  leider,  obiwar  selten,  auch  ansteckend  sind. 
Es  Ist  als  ob  man  druckte:  ,derf  reundl  ichel  esei"  anstatt  .der  freundliche  Leser".  Da 
nun  nie  ein  Klavierspieler  versuch!  sein  wird,  am  Ende  eines  solchen  Bogens  mit  dem 
Finger  von  der  Taste  zu  geben,  noch  ein  Viel  In  spiel  er,  den  Strich  da  lu  wechseln,  noch 
ein  Bllser  oder  Solfegglenalnger,  den  Luftstrom  da  zu  unterbrechen,  so  kfinnte  einer 
aus  dem  grossen  Publikum  sagen:  wenn  die  Pbrasierungszeicben  bloss  dazu  da  sind. 


308 
DIE  MUSIK  V.  24. 


dass,  wie  Riemann  will,  Anfing  und  Ende  der  Phrase  hier  gedacht  wird,  —  ei,  so  deolct 
euch  doch  an  euren  grünen  Tischen  was  ihr  wollt,  meinetwegen  lest  die  Noten  von  rechts 
nach  links.  So  liegt  aber  die  Sache  nicht,  vielmehr  greift  der  methodische  Wahnsinn 
lingst  in  die  Ausgaben  über;  schon  Riemann  selbst  zieht  die  Konsequenz,  z.  B.  von 
einem  Doppelbalken,  der  vier  Sechzehntelnoten  verbindet,  die  erste  oder  die  ersten  beiden 
einzeln  abzuschneiden  und  jede  hilflos  mit  ihrem  Doppelschwänzchen  flattern  zu  lassen. 
Herausgeber  und  Verleger  denken  gar  nicht  daran,  dass  sie  es  dem  Publikum  schuldig 
wären,  »phrasierte*  Ausgaben  nur  so  herzustellen,  dass  auf  der  einen  Seite  der  Original- 
text, auf  der  anderen  der  bearbeitete  stände.  So  kommt  täglich  der  Fall  vor,  dass  sich 
Jemand  z.  B.  Bachs  d-moll  Konzert  in  Rtemanns  gewiss  vortrefflich  bearbeiteter  Be- 
gleitung eines  zweiten  Klavieres  kauft  und  es  einfach  nicht  lesen  kann.  Durch  die 
blossen  Phrasierungsausgaben  wird  Begriff  und  Achtung  des  geistigen  Eigentums  in  der 
heillosesten  Weise  untergraben.  Was  den  zweiten  trüben  Stein  in  Riemanns  Krone  be- 
trifft, die  Bezifferung  des  Mollakkords  von  oben  statt  von  unten,  so  hat  Schreyer  diese 
nicht  angenommen,  trotz  der  erschöpfenden  und  überzeugenden  Theoreme  des  Meisters. 
Und  das  mit  Recht,  denn  es  gibt  Punkte,  wo  die  Theorie  schlechterdings  mit  einer  Um- 
setzung in  die  Praxis  nichts  zu  tun  hat,  so  wenig,  als  jemand  im  Restaurant  anstatt  Salz 
»Chlornatrium*  oder  statt  Wasser  «HaO*  bestellen  wird,  weil  diese  Bezeichnungen  die 
chemische  Konstitution  dieser  beiden  Dinge  ausdrücken.  Aber  was  wollen  Irrtümer  in 
einzelnen  Feststellungen  gegen  die  Schöpfung  einer  neuen  Methode  bedeuten?  Diese 
Grosstat  muss  Riemann  unbestritten  bleiben,  und  ohne  Zweifel  ist  Schreyer  sein  be- 
deutendster Mitkämpfer.  Beide  sind  erleuchtete  Gegner  der  Geistesträgheit  und  Dumm- 
heit in  allen  Gestalten,  sei  es  ȟberlebter**,  d.  h.  niemals  lebendig  gewesener  Schulzopf 
der  Konservatorien,  sei  es  die  sublime  Kritikerweisheit  eines  mehrerer  Ländler  und 
Walzer  kundigen  Zitherlehrers  oder  die  Exklusivität  und  zusammenhangslose  Produk- 
tivität eines  modernen  Antimelodikers.  Allen  ruft  Schreyers  Buch  zu:  lernt  erst,  musi- 
kalisch zu  denken!  Wenn  die  Kunst  der  Analyse,  wie  er  sie  lehrt,  sich  mehr 
verbreitet,  dann  wird  es  auch  immer  weniger  möglich  sein,  dass  die  Werke  eines 
Genius,  der  die  dem  echten  Philister  nun  einmal  höchst  unsymphathische  Eigenschaft 
hat,  unter  den  Lebenden  zu  weilen,  ich  meine  natürlich  Strauss,  überhaupt  noch  in  der 
Öffentlichkeit  abträglich  beurteilt  werden  können.  Dem  Leser  aber  bin  ich  noch  eine 
Begründung  des  oben  angewandten  Begriffes  „Zwangsvorstellung*  schuldig.  Die  einfachsten 
Bedingungen  zu  dem  betreffenden  Versuche,  den  jeder  am  Klavier  nachmachen  kann, 
fand  ich  in  Oberitalien,  wo  an  manchen  Kirchen  die  diatonisch  gestimmten  Glocken  mit 
Hämmern  rhythmisch  geschlagen  werden,  wahrscheinlich  um  das  Durcheinanderschütteln 
der  Töne,  wie  das  Glockenziehen  sie  hervorbringt,  zu  vermeiden.  Minutenlang  hört  man 
dort  dieselbe  Tonfolge  ohne  jedes  Gefühl  der  Monotonie  an,  weil  das  Gehör  die  Töne 
nicht  in  einer  ganz  bestimmten  Weise  ordnet  („phrasiert*),  sondern  sich  verschiedenen 
Gruppierungen  abwechselnd  und  selbst  gleichzeitig  zuneigt.  Es  fasst  z.  B.  die  einhche 
Wiederholung  von  c  und  d  verschieden  zusammen,  z.  B.  im  4/8-Takt  cdcd,  cdcd  usw. 
oder  dcd|c,  dcd|c  usw.  Durch  nichts  wird  der  Grundirrtum  in  der  vielbesprochenen 
Phrasierungslehre  klarer:  das  Obersehen,  dass  der  Reiz  fast  jeder  Melodie  eben  in  der 
Unbestimmtheit,  in  der  Abwesenheit  des  Zwanges  zu  einer  bestimmten  Deutung  beruht. 
Der  Anspruch  der  Theorie,  das  melodische  Vorstellen  erschöpfend  und  eindeutig  fest- 
legen zu  wollen,  ist  eben  unberechtigt.  Ebensowenig  wie  z.  B.  ein  Landschaftsbild  nur 
auf  einen  Punkt  hin  fixiert  werden  darf,  je  nach  dessen  Wahl  dann  die  andern  Partien 
in  Abstufungen  undeutlicher  gesehen  werden,  ebensowenig  lässt  sich  für  jede  Melodie 
eine  einzige  Art  der  Zusammenfassung  der  Töne  dem  Hörer  vorschreiben.  Die  Wahl 
und  der  Deutlichkeitsgrad  des  „Blickpunktes*,  der  hier  eine  bestimmte  Stelle,  dort  eine 


399 

BESPRECHUNGEN  (BÜCHER) 


bestinimte  Beziehung  von  Tönen  erftsst,  ist  vielfach  rein  subjektiv,  teils  willkürlich,  teils 
unwillkürlich.  Bleiben  wir  bei  dem  lehrreichen  Glockenbeispiel.  Bei  drei  Glocken  c  d  e 
wird  das  Gehör  erst  ganz  befriedigt  sein,  wenn  es  die  Töne  so  auffasst:  d  e  |  c  oder 
rhythmisch  verschoben:  d  |  e  c.  Werden  die  Glocken  dagegen,  wie  man  es  wohl  hören 
kann,  des  längeren  Nachklingens  der  grössten  wegen  so  geschlagen:  c  e  d  e,  so  ergibt 
sich  sofort  eine  grössere  Anzahl  von  Gruppierungen,  die  wechselnd  oder  auch  gleich- 
zeitig zum  Bewusstsein  kommen  können,  was  die  Ursache  ist,  dass  man  niemals  müde 
wird,  gerade  diese  Ton  folge  zu  hören.  Es  mengen  sich  reizvoll  im  Bewusstsein  die 
Figuren:  c  e  d  e,  e  d  e|c,  de|ce,  e|ced.  Die  innere  Nötigung  nun,  einen 
4/8-Takt  immer  als  2  3  4  |  1  zu  hören  oder  gar  bei  8/8  oder  8/16  das  erste  immer  als 
zum  vorhergehenden  Takt  gehörig  und  die  Phrase  als  mit  dem  zweiten  beginnend  zu 
hören,  sehe  ich  für  eine  »Zwangsvorstellung**  an.  Und  zwar  von  ähnlicher  Art,  wie  sie 
beim  Mikroskopieren  und  Teleskopieren  manchen  Naturwissenschaftlern  vorkommen  und 
die  Allgemeingültigkeit  ihrer  Beobachtungen  beeinträchtigen,  oder  wie  gewisse  philo* 
sophische  Theoreme,  die  ausser  dem  ursprünglich  damit  Behafteten  und  einigen 
Schülern,  durch  psychisches  Kontagion,  keinem  Menschen  einleuchten  können. 

Dr.  Max  Steinitzer 
106.  C.  Fn  Glasenapp:    Siegfried  Wagner.     Bd.  16  der  von  Carl  Hagemann 

herausgegebenen  Monograpbieensammlung »Das Theater".  Verlag:  Schuster 

&  Loeflrier,  Berlin  und  Leipzig  1906. 
Glasenapp  will  Siegfried  Wagner  aus  dem  Streit  der  Meinungen  ins  helle  Licht 
der  klaren  Tatsachen  rücken.  Darum  sucht  er  das  wahre  Wesen  seiner  Künstlerschaft 
auf  und  verfolgt  die  bisherigen  Schicksale  seiner  Werke.  Siegfried  wiederholt  nicht  die 
Aufgabe  seines  Vaters  und  darf  daher  in  seinem  SchaflTen  nicht  äusserlich  mit  den  Meister- 
werken verglichen  werden.  Sein  Ziel  ist  die  deutsche  Volksoper,  wie  ein  Wiener  Kritiker 
meinte  »die  Erfüllung  Webers".  Diesen  Weg  beschritt  er  von  Anfang  an,  im  »Bärenhäuter* 
mit  fast  ungeteiltem  Beifall,  sicher  und  fest.  Aber  eins  hat  Siegfried  vom  Vater  ererbt: 
die  dramatische  Begabung  im  Sinne  des  Worttondramas.  Und  diese  Gabe  befähigt  ihn 
auch  zu  seinen  wundervollen  Bayreuther  Inszenierungen.  Siegfried  Wagner  hat  den 
Blick  für  die  Bühne;  auch  als  Musiker  ist  er  durchaus  nur  Dramatiker.  Damit  ist  Ver- 
schiedenheit und  Verwandtschaft  zweifellos  sicher  bestimmt.  In  den  einzelnen  Werken 
gibt  der  Verfasser  treffliche  Bemerkungen,  die  wohl  zu  erneuter,  eingehender  Beschäf- 
tigung anzuregen  vermögen.  Das  reine  Bild  von  Siegfrieds  Schaffen  erfuhr  bisher  im 
Theaterwesen  unserer  Zeit  nur  trübe  und  unvollkommene  Spiegelung.  Der  »Bärenhäuter" 
erschien  zuerst  im  Münchener  Hoftheater  und  trat  von  dort  einen  raschen,  aber  kurzen 
Siegeslauf  über*  die  meisten  Hof-  und  Stadttheater  an.  Unbegreiflicherweise  wurde  das 
entzückende  Werk  nicht  auf  dem  Spielplan  gehalten,  sondern  verschwand  nach  und  nach 
ganz.  Der  »Bärenhäuter"  ging  am  Schicksal  des  »Wildfaog"  zugrundet  Merkwürdiger  Fall 
Die  Musiker  gestanden  den  späteren  Partituren  wachsende  Vervollkommnung  zu,  trotz- 
dem wollte  man  sie  nicht  aufführen.  Waren  sie  in  der  poetischen  Anlage  schwerer  und 
dunkler,  so  konnte  und  musste  man  doch  umsomehr  vorläufig  wenigstens  am  »Bären- 
häuter" festhalten.  Es  ist  bekannt,  wie  der  »Wildfang"  in  München  aufgenommen  wurde, 
ähnlich  wie  dereinst  der  »Tannhäuser"  in  Paris.  Glasenapp  ist  fest  überzeugt,  dass  hier 
Ränke  mitspielten,  die  mit  dem  »Wildfang"  selbst  gar  nichts  zu  tun  hatten.  In  seiner 
grossen  Biographie  (IV,  Einleitung)  verlieh  er  dieser  Meinung  bereits  unverholenen  Aus- 
druck. Ausserhalb  Münchens  glückte  es  dem  »Wildfang"  besser,  aber  er  fand  nicht  mehr 
die  Verbreitung,  wie  der  »Bärenhäuter".  Zumal  die  Hofbühnen  begannen  spröde  zu  werden. 
Siegfried  Wagners  Ansehn  war  durch  diese  leidigen  Vorgänge  erschüttert;  man  wurde 
vorsichtig.    Der  »Bärenhäuter"  hatte  ja  zudem  die  erste  Neugier  befriedigt.    Da  trat  das 


400 
DIB  MUSIK  V.  24. 


Hamburger  Stadttheater  ein  und  brachte  den  .Kobold"  und  ,»Bruder  Lustig*  zur  ersten 
AuffQhrung.  Hamburg  besitzt  vorzfigliche  Singer  und  ebensogute  Musiker.  Aber  diese 
Kräfte  werden  nicht  im  künstlerischen  Sinn  ausgenQut  Die  Hamburger  Wagner- 
auff&brungen  sind  vollkommen  stillos  und  heillos  zusammengestrichen.  ,Die  Werke 
Siegfried  Wagners  werden  zweifellos  gut  gesungen;  dass  aber  ihre  dramatische  Eigenart 
stilgerecht  in  schöne  BQhnenerscheinung  getreten  wire,  davon  konnte  ich  mich  nicht 
überzeugen«  Ich  glaube  im  Gegenteil,  dass  ihre  dramatische  Wirkung  erheblich  ab- 
geschwächt war  und  dass  die  etwa  von  auswärts  zugereisten  Fachleute,  d.  h.  die  Theater- 
direktoren, Kapellmeister  und  Regisseure  nur  eine  unvollkommene  Vorstellung  bekommen 
mussten«  Ich  kann  daher  Glasenapp  auch  nicht  unbedingt  beipflichten,  dass  mit  Sieg- 
fHeds  Werken  der  Bayreuther  Darstellungsstil  zu  den  Theatern  komme  und  seine  Spuren 
hinterlasse.  Sonst  müsste  am  Hamburger  Stadttheater  eine  wahre  Hochkultnr  der 
Wagnerschen  Kunst  bestehen  I  Einer  Hamburger  Aufführung  fehlt  die  werbende  Kraft, 
die  echt  künstlerische  Wärme,  die  dramatische  Beseelung.  Als  blosse  Opemvorstellunc 
mag  sie  gut  sein.  Was  sagt  auch  Siegfrieds  fränkische  Märchen-  und  Sagenwelt  dem 
Hamburger,  überhaupt  dem  Norddeutschen? 

So  sind  die  Bühnenschicksale  der  Werke  Siegfrieds  bisher  immer  noch  trübe  und 
verworren,  und  darunter  leidet  das  Gesamturteil.  Glasenapp  hat  im  starken  und  reinen 
Glauben  an  die  Zukunft  der  Werke,  die  wohl  aufgehalten,  aber  nicht  unterdrückt  werden 
können,  in  diese  Wirren  ein  offenes,  mutiges  und  klares  Wort  hineingesprochen.  Dass 
er  es  mit  Liebe  und  herzlicher  Begeisterung  tat,  ist  nur  recht  und  natürlich. 

Das  Büchlein  enthält  Bilder  Siegfried  Wagners  in  verschiedenen  Lebensaltem, 
Siegfried  an  der  Spitze  des  Bayreuther  Orchesters  und  ein  Szenenbild  aus  dem  «Bärenhäuter*. 

Prof.  W.  Golther 
197.  O.  G.  Sonneck:    Francis   Hopkinson  and  James  Lyon.     Two  studies  in 
early  American   music      Printed    for   the   author   by   H.    L.    Mc   Queen, 
Washington  1905. 

Ober  die  erste  Periode  der  amerikanischen  Musik,  d.  h.  die  Zeit  nach  den  Un- 
abhängigkeitskriegen, besitzen  wir  trotz  einzelner  Arbeiten  von  Mathew,  Ritter  und  Elsen 
und  mehrerer  Spezialthemen  behandelnden  Abhandlungen  noch  nichts  zusammenhängendes, 
das  auf  wissenschaftlich-strenger  Basis  ruht.  Eine  grosse  Zahl  kritischer  Untersuchungen 
muss  noch  gemacht  werden,  ehe  von  einer  systematischen  Geschichtsschreibung  der 
Musik  in  Amerika  wird  die  Rede  sein  können.  Unter  diesen  Umständen  ist  das  Buch 
Sonnecks  mit  besonderer  Freude  zu  begrüssen;  der  vielseitig  gebildete  und  vortrefflich 
methodisch  arbeitende  Verfasser  hat  mit  ihm  eine  hervorragende  Arbeit  geleistet,  für  die 
wir  ihm  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet  sein  müssen.  Nach  einer  allgemeine  Ge- 
sichtspunkte betonenden  Einleitung  gibt  Sonneck  eine  biographische  Skizze  des  Dichter- 
Komponisten  F.  Hopkinson,  der  1737  geboren  wurde  und  1791  in  seiner  Vaterstadt 
Philadelphia  starb.  Das  erste  Kapitel  behandelt  in  der  Form  eines  Kalendariums  das 
allmähliche  Erwachen  des  musikalischen  Lebens  der  Stadt  Die  Quellen  flössen  nicht 
eben  reichlich,  was  der  Verfasser  aber  beigebracht  hat,  ist  musik-  wie  kulturgeschichtlich 
ebenso  belehrend  wie  interessant  und  zum  Teil  unterhaltend.  Der  persönliche  Ton,  den 
die  Darstellung  zuweilen  annimmt,  passt  ausgezeichnet  zur  gewählten  Form  der  Dar^ 
Stellung.  Ins  einzelne  zu  gehen,  würde  zu  weit  führen.  Man  erlebt  die  langsame 
Steigerung  künstlerischen  Verlangens  und  künstlerischer  Darbietungen  und  freut  sich, 
unter  den  wenigen  ernsten  Musikern  der  Frühzeit  Philadelphias  auch  einem  deutschen 
Namen,  Chr.  Säur,  zu  begegnen,  der  bislang  in  den  bibliographischen  und  lexiko- 
graphischen Handbüchern  gefehlt  hat.  Die  musikalische  Entwicklung  der  Stadt  geht  vom 
ersten  Tanzmeister  im  Jahre  1729  bis  zu  den  theatralischen  Aufführungen  der  50er  Jahre; 


401 

BESPRECHUNGEN  (BÜCHER)^ 


es  sind  Jsbre,  in  denen  sich  nsch  und  nsch  in  kleinen  Verhiltnissen  IcGnstlerische  Fiden 
snspinnen,  eine  Zeit,  die  manche  Erscheinung  henroirief,  die  sich  auch  in  Europa  ein- 
gestellt hatte:  Widerstand  der  Geistlich Iseit  gegen  das  Theaterwesen,  eine  Zeit  endlich, 
die  als  ganzes  genommen,  trotz  eines  gewissen  —  in  Anbetracht  der  Höhe  der  all- 
gemeinen Kultur  Philadelphias  um  1750  fiberraschenden  —  hinterwildlerlschen  Milieus 
des  tiefsten  Interesses  nicht  entbehrt.  In  diesem  Milieu  wuchs  Hopkinson  heran. 
Das  zweite  Kapitel  bespricht  seine  musikalische  Erziehung,  das  dritte  seine  Konzerte. 
Oberall  finden  sich  interessante  EinzelzGge,  die  dem  Leser  namentlich  auch  den  Menschen 
nahe  bringen.  Schade,  dass  Sonneck  die  Umgebung,  in  der  Hopkinson  nach  dem  Un- 
abhlngigkeitskriege  lebte,  nicht  genauer  schildert  und  uns  Daten  fiber  die  Verhiltnisse 
der  S.  57  genannten  Musiker  vorenthilt.  Es  wire  interessant  zu  wissen,  woher  und  wann 
z.  B.  J.  G.  C.  Schetky  gekommen  ist.  Es  mag  derselbe  sein,  den  ich  als  im  Dienste 
des  Darmstidter  Hofes  stehend  («Zur  Geschichte  der  Musik  am  Hofe  von  Darmstadt* 
Leipzig,  Breitkopf  &  HIrtel)  nachgewiesen  und  als  landfahrenden  Gesellen  geschildert 
habe.  Vom  weiteren  Inhalte  des  ersten  Abschnittes  erwihne  ich  kurz  Kapitel  f&nf,  das 
Hopkinsens  Verbesserungen  an  der  Mechanik  des  Harpsichords  (Clavicembals  usw.)  be- 
handelt. Kapitel  sechs  (die  Oberschrift  enthilt  den  Druckfehler:  IV)  spricht  Ober 
Hopkinson, als  Dichter- Komponisten.  Sonneck  weist  nach,  dass  nicht  W.  Billings  von 
Boston  (1747—1800),  sondern  wahrscheinlich  Hopkinson  oder  J.  Lyon,  von  dem  er  im 
zweiten  Abschnitte  seines  Werkes  spricht,  der  erste  amerikanische  Komponist  von  Ge- 
burt war:  beider  früheste  Werke  gehören  demselben  Jahre,  1750,  an;  von  ihnen  war  H. 
der,  welcher  das  erste  weltliche  amerikanische  Lied:  .My  days  have  been  so  wondrous 
free*  schrieb,  eine  hübsche,  harmlose  Komposition.  Hopkinson  war  keineswegs  ein 
Genie,  aber  er  hat,  das  ist  nach  der  Lektüre  von  Sonnecks  Buch  klar,  mit  ehrlichem 
Enthusiasmus  Grundsteine  gelegt,  auf  denen  spätere  Zeiten  weiter  bauen  konnten. 
Konnte  er  für  die  Geschichte  der  Musik  ausserhalb  seiner  Heimat  keine  Bedeutung  ge- 
winnen, so  leistete  er  für  die  Anfinge  der  Musik  in  den  Vereinigten  Staaten  erhebliches. 
Ausführlich  auf  die  anderen  Arbeiten  Hopkinson's,  von  denen  Sonneck  zum  Teil  fak- 
similierte Proben  gibt,  einzugehen,  verbietet  der  beschrinkte  Raum.  Der  zweite,  James 
Lyon  gewidmete  Abschnitt  des  Buches,  ist  mit  derselben  philologischen  Genauigkeit  ge- 
arbeitet. Lyon  wurde  1735  in  Newark  N.  Y.  geboren  und  machte  sich  einen  Namen  als 
Patriot  im  Unabhingigkeitskriege.  Der  erste  Abschnitt  behandelt  Lyon's  frühes  Leben 
und  Wirken,  der  zweite  bis  vierte  seine  «Urania,  a  choice  collection  of  Psalm-Tunes, 
Anthems  and  Hymns,*  die  1761  erschien.  Des  historisch  eminent  wichtigen  Werkes, 
über  das  von  Ritter  ein  wenig  begründetes  und  durchaus  nicht  zu  rechtfertigendes  Ver- 
dammungsurteil geflllt  worden  ist,  nimmt  sich  Sonneck  mit  grosser  Sorgfalt  an,  es  von 
der  Warte  vorurteilsfreier  Forschung  aus  historisch  einscbitzend.  Kapitel  fünf  unter- 
sucht, nachdem  im  vorhergehenden  Abschnitte  sein  Stammbaum  aufwirts  bis  zur  ,»Urania*' 
hin  möglichst  aufgedeckt  ^worden  ist,  die  Einwirkung  des  Werkes  auf  die  Folgezeit  und 
bespricht  weiterhin  die  anderen  Kompositionen  Lyon's.  Auch  ihm  wird,  wie  keinem  Künstler 
der  Vergangenheit,  gerecht  werden,  wer  ihn  vom  modernen  Standpunkte  aus  beurteilt.  Er 
war  ein  Pionier  seiner  Kunst  und  will  als  solcher  gewürdigt  werden.  —  Ich  habe  ver- 
sucht, mit  wenigen  andeutenden  Strichen  einen  Begriff  von  dem  Reichtum  des  Bandes 
zu  geben,  den  wir  Sonneck  verdanken.  Gewiss  liegt  uns  vieles  oder  das  meiste  darin 
fem,  weil  es  für  unsere  eigenen  Verhältnisse  keine  Bedeutung  gewonnen  hat;  aber  das 
Buch  ist  deshalb  so  interessant,  weil  es  einen  relativ  schnellen  Aufschwung  künstlerischer 
Verhältnisse  in  einem  Lande  zeigt,  von  dem  man  im  allgemeinen  annimmt,  dass  seine 
künstlerischen  Interessen  zum  mindesten  in  früherer  Zeit  sehr  niedrige  gewesen  seien. 
Man  kann   —   und   das  täte  uns  oft  recht  not  —  aus  Sonnecks  Buch  wieder  einmal 


402 
DIE  MUSIK  V.  24. 


lerneHy  dass  die  Begriffe  Idealismus  und  Arbeitsfreudigkeit  für  eine  Sache  um  der  Sache 
willen  nicht  an  unser  Volk  gebunden  sind. 

.  198.  Karl  Storck:  Geschichte  der  Musik.  IV.  Abteilung.  Muthsche  Verlagshand- 
lung, Stuttgart  1905. 
Mit  der  vorliegenden  vierten  Abteilung  ist  Storcks  Buch  zum  Abschlüsse  gelangt. 
Manchem  Abschnitte  darin  gebe  ich  gern  die  den  früheren  Teilen  gewordene  Empfehlung 
mit  auf  den  Weg;  manch  anderer  Teil  aber  hat  mich  recht  enttäuscht:  je  mehr  das  Buch 
dem  Ende  naht«  um  so  flüchtiger  ist  es  gearbeitet.  Nehmen  wir  z.  B.  673 ff.:  Klassizismus 
und  Romantik.  Die  einleitenden  Bemerkungen  enthalten  einzelnes  Treffende,  aber  erschöpfend 
das  Wesen  der  Romantik  darzulegen,  ihren  musikalischen  Eigenton  zu  bestimmen,  das 
Verhältnis  von  romantischer  Dichtkunst  und  Musik  —  beide  gehören  zueinander  und 
beeinflussen  und  durchdringen  sich  oft  in  ganz  erheblichem  Masse  —  zu  bestimmen, 
hat  Storck  nicht  vermocht.  Er  geht  weder  auf  die  Harmonik  der  Romantiker  näher  ein, 
erläutert  ihre  Stellung  zu  den  tonalen  Anschauungen  der  Klassiker  nicht,  noch  findet  er 
andere  als  allgemeine  Bemerkungen  zur  sogen.  Formlosigkeit  der  Romantik.  Unter 
diesem  Mangel  hat  auch  seine  Darstellung  Wagners,  die  ich  im  ganzen  direkt  dürftig 
nennen  muss,  zu  leiden.  Und  was  sollen  die  Fantastereien  bei  der  Besprechung  Brückners 
bedeuten  I  Den  Vorwurf,  den  man  vielen  modernen  »Musikgeschichten*  gemacht  hat, 
wird  man  hier  wiederholen  müssen:  einzelne  der  führenden  Meister  werden  mit  einer 
kurzen  schlagwortartigen  Erwähnung  abgetan,  wo  ausführliche  Würdigung  am  Platze 
gewesen  wäre.  Von  Arnold  Mendelssohn  z.  B.  heisst  es  pag.  817  nur:  er  weise  (mehr 
nach  Brahms.  Wenn  Mendelssohn,  der  bis  heute  noch  kein  warmes  Verhältnis  zu 
Brahms  gefunden  hat,  halb  vergnügt  und  halb  ärgerlich  über  diese  Wertung  seines 
Wirkens,  das  als  ganzes  weit,  weit  ab  von  Brahms  führt,  lächeln  wird,  kann  ich  das  sehr 
wohl  verstehen.  Der  Literaturnachweis  S.  835 ff.  ist  erschreckend  geringfügig  aus- 
gefallen. Ich  habe  es  als  einen  Hauptvorzug  von  Storcks  Buch  angesehen,  dass  es,  für 
gebildete  Laien  von  einem  gebildeten  Manne  geschrieben,  manchem  Leser  Lust  zu  weiteren 
Studien  machen  könne.  Storck  hätte  daraufhin  seinen  Literaturnachweis  übersichtlich 
und  erschöpfend  anlegen  müssen.  Indem  er  kritiklos  alle  möglichen  Erzeugnisse  neben- 
einander nennt,  wirkt  er  bei  denen,  die  Führer  für  weitere  Studien  suchen,  verwirrend. 
Mancherlei  wäre  zu  sagen  über  das,  was  dem  Buche  noch  ausserdem  fehlt:  allzu  wenig 
ist  über  die  Lautenmusik  gesagt  worden;  Graupner,  der  seinerzeit  Darmstadt  zum 
Mittelpunkt  der  deutschen  Instrumentalmusik  machte,  wird  gar  nicht  erwähnt  usw.  Das 
sind  Mängel,  die  die  Vorzüge  des  Buches,  die  ich  früher  erwähnte,  doch  nicht  ganz  wett- 
machen können.  Eine  zweite  Auflage  wird  trachten  müssen,  sie  auszumerzen.  Ich 
empfehle  dem  Verfasser  ein  ruhigeres  Tempo  bei  der  Arbeit  und  spreche  mein  Bedauern 
aus,  das  gern  gezollte  Lob  nach  Durchsicht  des  vierten  Teiles  etwas  einschränken  zu 
müssen.  Prof.  Dr.  Wilibald  Nagel 

MUSIKALIEN 

199.  Solobuch  für  Flöte.  —  Solobuch  für  Klarinette.  Verlag:  Breitkopf  &  Härte], 
Leipzig. 
Zwei  sehr  reichhaltige  Sammlungen,  die  sehr  willkommen  sein  und  gute  Dienste 
leisten  werden.  Das  Solobuch  für  Flöte  enthält  17  meist  grössere  und  schwierigere 
Konzertstücke,  z.  B.  Blumenthals  Quelle,  Fürstenaus  Reminiszenzen  aus  Meyerbeers 
Prophet,  Heinrich  Hofmanns  Serenade  op.  65  und  Konzertstück  op.  98,  Jadassohns 
Capriccio  op.  137,  das  G-dur  Konzert  von  Quantz,  zwei  Phantasieen  von  Terschak,  Popps 
Lohengrin-Phantasie.  —  Die  wichtigsten  Werke  im  Solobuch  für  Klarinette  sind  Davids 


403 

BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


bekannte  Variationen  op.  8,  Mozarts  Konzert,   das  3.  und  4.  Konzert  von   Spohr  und 
Stolzenbergs  Serenade  op.  6. 

200.  Hermann  Pletzsch :  Neue  grosse  theoretiscb-praktiscbe  Schule  für  Cornet 

k  Pistons   vom   ersten  Anfang  bis   zur  künstlerischen  Ausbildung.    Eng- 
lischer Text  von  John  Bernhoff.    2  Teile.    Verlag:  C.  F.  Schmidt,  Heil- 
bronn a.  N. 
Der  durch  sein  Werk  „Die  Trompete  als  Orchesterinstrument*  rühmlichst  bekannte 
Verfasser  bat  es  verstanden,  mit  dieser  Cornet  i  Pistons-Schule  wieder  ein  ungemein 
brauchbares  Werk  zu  schaffen.    Auf  mehr  als  200  Seiten  grossen  Formats  ist  ein  geradezu 
erschöpfendes  Obungsmaterial  zusammengetragen;  neben  blossen  Etüden  ist  eine  Fülle 
von  Volksliedern,  Chorälen,  Opernmelodieen  aufgenommen.  Das  Werk  dürfte  sehr  will- 
kommen sein. 

201.  Pietro  Locatelli:  L'art  du  Violon.    25  Caprices  pour  Violon  seul.  Nouvelle 

Edition  revue,  doigtöe  et  developp6e  par  Edouard  N  a  d  a  u  d.  Verlag : 
Costallat  &  Cie,  Paris. 
Locatelli's  bedeutsames  Unterrichtswerk  ist  heute  fast  vergessen,  da  es  an  brauch- 
baren, die  Auflösung  der  zahlreichen  Abkürzungen  des  Originals  enthaltenden  Ausgaben 
fehlte.  Aus  Davids  „Hoher  Schule*  kennt  man  freilich  seine  Bearbeitung  der  „Labyrinth* 
genannten  Etüde  Locatelli's.  Vorliegende  Ausgabe  ist  für  den  praktischen  Gebrauch  vor- 
treifüch  hergerichtet,  indem  alle  Abkürzungen  ausgearbeitet  sind.  Der  angehende  Virtuose 
wird  grossen  Nutzen  daraus  ziehen. 

202.  Hermann  Ritter:  Viola-Schule  für  den  Schul-  und  Selbstunterricht.  —  Mts- 

zellen  von  Vortragsstücken  verschiedener  Tondichter  für  Altviola  und  Piano- 
forte.  Verlag:  Chr.  Friedrich  Vieweg,  Berlin-Grosslichterfelde. 
Die  Schule  ist  entschieden  sehr  brauchbar;  ausser  Volksliedern  sind  zur  Ergänzung 
des  Obungsmaterials  auch  Etüden  von  Kreutzer  (übertragen)  und  Bruni,  sowie  Duette 
von  Leopold  Mozart  aufgenommen.  Auf  zwei  Seiten  sind  sehr  hoch  liegende,  unbequeme 
Stellen  aus  Werken  von  Wagner,  R.  Strauss  usw.  abgedruckt,  um  die  Nützlichkeit  der 
füofsaitigen  d.  h.  noch  mit  einer  E-Saite  versehenen  Viola  zu  erhXrten.  —  Die  Misz eilen 
enthalten  Stücke  von  Bach,  Gluck,  Mozart,  Beethoven,  Schubert,  Schumann  (Die  Duette 
op.  78  für  Sopran  und  Tenor!)  und  Weber  in  leicht  spielbarer  Form.  Bei  den  Mozartschen 
Stücken  fehlt  jeder  Nachweis,  wober  sie  stammen. 

203.  Gustav  Laska:  Kontrabass-Scbule.    2  Bände.    Verlag:  Breitkopf  &  Härtel, 

Leipzig. 
Ein  Werk  wie  das  vorliegende  gab  es  bisher  nicht;  mit  grosser  Ausführlichkeit 
sind  darin  die  einzelnen  Lagen  behandelt,  wird  der  Schüler  ganz  allmählich  zur  Meister- 
schaft geführt.  Dafür,  dass  er  bei  den  zahlreichen  Übungen  doch  nicht  die  Lust  am 
Musizieren  verliert,  sorgen  eingestreute  kleine  Vortragsstücke,  namentlich  auch  Volks- 
lieder, denen  eine  Klavierbegleitung  beigefügt  ist.  Die  Schule  ist  für  den  in  reinen 
Quarten  gestimmten  viersaitigen  Bass  bestimmt  und  zum  Selbstunterricht  vorzüglich 
geeignet;  sie  sollte  in  den  Händen  jedes  Kontrabassisten  sein,  der  nicht  bloss  zum 
Tanze  aufspielt. 

204.  €•  Markees:   Beiträge  zu  täglichen  technischen  Studien  für  Violine. 

Veriag:  Albert  Stahl,  Berlin. 
Wertvoll  für  angehende  Virtuosen,  namentlich  zur  Erlangung  einer  reinen 
Intonation.  Sehr  beherzigenswert  ist  folgende  Regel  des  Verfassers  über  den  Lagen- 
wechsel: «Lagenwechsel  führe  man  immer  so  aus,  dass  derselbe  von  dem  zuletzt  be- 
schäftigten Finger  begonnen  wird,  also  von  demjenigen  Finger,  der  aufgesetzt  ist  und 
nicht  von   demjenigen,  der  aufgesetzt  wird.**    Sehr  wichtig  sind  auch  des  Verfassers 


404 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Trillerübangen,  bemerkenswert  auch  seine  Fingersätze  bei  Obungen,  die  Dreikiinge  und 
Septimenakkorde  auf  einer  Saite  bringen. 

205.  Feiice  Togni:  Die  Ausbildung  der  linken  Hand.    Systematische  Obungen 

für  Violine.  Vorbereitende  Tonleiter-  und  Akkordübungen.  Verlag:  Breit- 
kopf &  Hirtel,  Leipzig. 
In  drei  Heften,  von  denen  das  erste  die  beiden  ersten,  das  zweite  die  übrigen 
Lagen,  das  dritte  die  Verbindung  der  Lagen  behandelt,  liegt  ein  mit  bewunderungswertem 
pädagogischen  Scharfblick  zusammengestelltes,  äusserst  reichhaltiges  und  sehr  em- 
pfehlenswertes Obungsmaterial  vor.  Es  betrifft  hauptsächlich  das  Aufsetzen  der  Finger, 
die  Reihenfolge  der  Tonleitern  und  die  Einteilung  der  Lagen.  In  allen  diesen  Punkten 
ist  Togni  ein  überzeugter  Anhänger  von  Wassmann,  dem  Erfinder  des  sogen.  Quinten-* 
doppelgriifsystems.  Er  lässt  übrigens  die  Obungen  in  der  zweiten  (der  alten  ersten) 
seiner  12  Lagen  beginnen,  da  die  Haltung  in  seiner  ersten  (der  früheren  sogen«  halben) 
Lage  wegen  des  Drucks  des  ersten  Fingers  gegen  den  Hals  für  den  Anfänger  zu 
schwierig  ist. 

206.  Richard  Scliolz:  Dynamische  Studien  für  Violine,    op.  18.    Verlag:  Breit- 

kopf &  Härte],  Leipzig. 
Wie  alle  R.  Scholzschen  Obungswerke  ist  auch   dieses   für  das  Studium   recht 
wertvoll.    In  76  Stücken,   von  denen  die  grösseren  auch  in  rein  musikalischer  Hinsicht 
manches  bieten,  wird  dem  Schüler  reichlich  Gelegenheit  geboten,  alle  Feinheiten  der 
Dynamik  sich  anzueignen. 

207.  Enrico  Polo:     Esercizi  per  Violine  applicati  alle  Scale  maggiori  e  minori. 

Verlag:  Marcello  Capra,  Torino. 
Nur  für  angehende  Virtuosen  nützlich ;  besonders  hervorzuheben  sind  die  Doppel- 
griffstudien. 
206.  Amadeo  von  der  Hoya:  Die  Grundlagen  der  Technik  des  Violinspiels. 
2.  Teil,  II.  Abteilung.    Praktisch-technische  Elementarlehre.  —  Anhang:  Ton- 
leiter-, Akkord-  und  Intervallstudien.    Verlag:  Max  Hesse,  Leipzig. 
Das  gross  angelegte  Studienwerk  (vgl.  ,,Die  Musik*  Bd.  16,47)  ist  nun  vollendet. 
Wer  die  Lust  nicht  verliert,  diese  mit  wahrhaft  bewunderungswürdigem  pädagogischen 
Geschick  verfassten  Obungen  durchzumachen,  der  muss  unstreitig  die  denkbar  solideste 
Grundlage  für  sein  Violinspiel  gelegt  haben.    Ich  möchte  ganz  besonders  den  auch  einzeln 
käuflichen,  sehr  billigen  Anhang  (2  Mk.  für  72  Seiten)  empfehlen,  der  entschieden  zu 
dem  besten  derartigen  Obungsmaterial  gehört. 
200.  Breitkopf  &  Härteis  Hausmusik.    Orchesterwerke,  bearbeitet  für  Klavier 
oder  Klavier   und    Harmonium,   Streichquintett    und   Flöte:    Beethoven, 
Symphonie  No.  1,  bearbeitet  von  A.  Faerber;  Enna,  Ouvertüre  .Das  Streich- 
holzmädel*, bearbeitet  von   Fr.  H.  Schneider;   Maillart,   Ouvertüre  »Das 
Glöckchen   des  Eremiten*,  bearbeitet   von  demselben;   Weber,  Ouvertüre 
„Preciosa*,  bearbeitet  von  A.  Faerber.    Verlag:  Breitkopf  &  Härtel,  Leipzig. 
Sehr    brauchbare   Bearbeitungen,  die   namentlich    den    bestehenden    Dilettanten- 
Orchestern   sehr  erwünscht  sein  werden,   zumal  jede   Blasstimme  ohne  weiteres  mit- 
gespielt werden  kann.    Sehr  erwünscht  wäre,  um  diese  Bearbeitungen  auch  dem  Hause 
wirklich    zugänglich    zu    machen,  wenn    die   Kontrabasstimme   noch    ins   Klavier  ein- 
gezogen wäre. 
210.  Orchesterstudieu  für  1.  Violine.    Eine  Sammlung  schwieriger  Stellen  aus  Ton- 
werken für  Kirche,  Theater  und  Konzertsaal.    Mit  Fingersatz-  und  Bogen- 
strichbezeichnungen von  Friedrich  Hermann.    2  Bände.    Orchesterstudien 
für  Viola  von  Friedrich  Hermann.    1  Bd.    Verlag:   Breitkopf  &  Härtel, 


405 
BESPRECHUNGEN  (MUSIKALIEN) 


Leipzig.  —  Orctaesteretudien  aus  den  Werlsen  »Die  Meistereinger  von  Nürn- 
bcfS*f   9^^^  R^nS  ^^^  Nibelungen*,    »Paraiftl*'  von   RIcbtrd  Wagner  f&r 
Flöte  von  Emil  Prill,  fQr  Violoncell  von  Hugo  Becker,  für  Kontra- 
bas s  von  Jota.  GeissL    Verlag:  B.  Schott's  Söhne,  Mainz. 
In  seinen  ergreifenden   und  erschfittemden  Auhitzen  fiber  die  soziale  Lage  der 
deutschen  Orchesterniusiker  hat  Paul  Marsop  auf  die  enorm  gesteigerten  Ansprüche  an 
die  Leistungsfihigkeit  der  Orchestermusiker  hingewiesen.    Wer  sich  davon  fiberzeugen 
will,  der  braucht  nur  einen  Blick  in  die  oben  aufgeführten  Orchesteretudien  zu  werfen 
und  er  wird  fiberall  auf  Stellen  stossen,  zu  deren  Ausfuhrung  nur  wirkliche  Kfinstler 
imstande  sein  werden.    Ja,  ich  behaupte  sogar,  ein  Geiger,  der  Beethovens  Konzert  in 
technischer  Hinsicht  mfihelos  bewiltigt,  wird  an  zahlreichen  Stellen  in  Hermanns  sehr 
brauchbarer  und   instruktiver  Sammlung  geradezu   verzweifeln,   ebenso   wird   es    sehr 
tfichtigen  Bratschisten,  Flötisten,  Violoncellisten  und  Kontrabassisten  gehen,  wenn  sie  die 
andern  oben  aufgeffihrten  Orchesterstudien  zur  Hand  nehmen.    Ihre  Herausgeber  haben 
es  sich  angelegen  sein  lassen,  durch  Hinzuffigung  von  Fingeraatz  das  Studium  wesent- 
lich zu  erleichtem.    Auch  Dilettanten  seien  diese  Studien  warm  empfohlen,  schon  damit 
sie  eine  Ahnung  bekommen,  wie  ungemein  schwer  heutzutage  der  Musikerberuf  ist;  aber 
auch  sonst  enthalten  diese  Studien  eine  solche  FQlle  von  Anregung,  nicht  bloss  in  tech- 
nischer Hinsicht,  dass  ihre  Anschaffung  nur  empfohlen  werden  kann. 

Prof.  Dr.  Wilh.  Altmann 
211.  Otto  Schmid:  Musik  am  Sächsischen  Hofe.  Band  7  und  8.  J.  A.  Hasse; 
ausgewlhlte  geistliche  Gesinge  ffir  Sopran  und  Alt  mit  Orgel-  oder  Klavier- 
begleitung. Bearbeitet  und  herausgegeben  von  Otto  Schmid,  Dresden.  Ver- 
lag: Breitkopf  &  Hirtel,  Leipzig. 
Die  Königl.  Hofbibliothek  in  Dresden,  die  sozusagen  der  Niederachlag  einer  Jahr- 
hunderte langen  Pflege  der  schönen  Kfinste,  insbesondere  der  Musik  am  dortigen  Hofe 
ist,  bietet  mit  ihren  reichen  Schitzen  ffir  den  Musikhistoriker  und  den  praktischen 
Musiker  eine  weite  Fundgrube.  Manch  lyervorragendes  oder  mindestens  historisch  wert- 
volles Werk  ist  aus  ihren  Schrinken  durch  den  glficklichen  Spfirsinn  unserer  Musik- 
wissenschaftler der  breiteren  Öffentlichkeit  fibermittelt  worden.  Das  interessante  Sammel- 
werk von  Kompositionen  älterer  Meister  und  ffiretlicher  Dilettanten,  die  dem  Sächsischen 
Hofe  angehörten  oder  ihm  nahe  standen,  welches  Otto  Schmid-Dresden  unter  dem  Titel 
»Musik  am  Sächsischen  Hofe*  herausgibt,  lässt  uns  einen  besondere  weiten  Blick  in  das 
Musikleben  des  18.  Jahrhunderts  tun.  Es  liegen  bis  jetzt  9  Hefte  vor,  die  in  ihrer  Viel- 
seitigkeit und,  soweit  ich  sie  kenne,  geschickten  Zusammenstellung  dem  Sammelfleiss 
des  Herausgebers  alle  Ehre  machen.  Mit  den  hier  vorliegenden  Heften  7  und  8  ist 
Otto  Schmid  besonders  glficklich  gewesen.  Aus  den  vielen  Oratorien  und  Messen  des 
ruchtbaren  Johann  Adolf  Hasse,  an  dessen  .Liedlein*  der  grosse  Thomaskantor  sich 
gern  zu  erfreuen  pflegte,  hat  der  Herausgeber  eine  Auslese  von  Arien  für  Sopran  und 
Alt,  sowie  ein  Duett  ffir  beide  Stimmgattungen  zusammengestellt,  die  ihrem  wertvollen 
musikalischen  Inhalte  nach  es  verdienen  der  Vergessenheit  entrissen  zu  werden.  Be- 
sondere erfreut  dfirfen  unsere  Kirchensäogerinnen  fiber  diesen  wertvollen  Zuwachs  der 
Kirchenarienliteratur  sein,  umsomehr  als  die  Hasse'schen  Arien  nicht  allein  dankbare 
Aufgaben  bieten,  sondern  fiberhaupt  die  Kirchenmusik  dieses  tfichtigen  Meistere  durch 
den  damals  immer  mehr  sich  geltend  machenden  Einfluss  der  italienischen  Opemmusik, 
eine  gewisse  Sonderstellung  in  der  Spezialliteratur  einnimmt. 

Adolf  Göttmann 


Zu  Robert  Schumanns  Gedächtnis 

KUNSTWART  1906,  Hefe  20.  —  Dem  50.  TodesUge  Robert  Schumanns  widmet  der 
Kunstwart  ein  besonderes  Heft.  Richard  Batka  bespricht  ^Schumanns  Wirken  und 
Wesen*.  An  Schumanns  Worte  anknüpfend:  .Es  afflziert  mich  alles,  was  in  der 
Welt  vorgeht,  Politik,  Literatur,  Menschen;  über  alles  denke  ich  nach  meiner  Weise 
nach,  was  sich  dann  durch  die  Musik  Luft  machen,  einen  Ausweg  suchen  will. 
Deshalb  sind  viele  meiner  Kompositionen  so  schwer  zu  verstehen,  weil  sie  an  ent- 
fernte Interessen  anknüpfen,  oft  auch  bedeutend,  weil  mich  alles  Merkwürdige  der 
Zeit  ergreift  und  ich  es  dann  musikalisch  aussprechen  muss,**  bezeichnet  ihn  Autor 
als  den  ersten  modernen  Musiker,  den  Deutschland  hervorgebracht  hat.  Der  alten 
absoluten  Musikästhetik  brach  Schumann  die  Spitze  ab  und  erkürte:  »Die  Ästhetik 
der  einen  Kunst  ist  die  der  andern,  nur  das  Material  ist  verschieden.*  In  noch 
stärkerem  Masse  hat  Schumann  auf  seine  Zeit  als  Kritiker  gewirkt.  Mit  der  Be- 
gründung der  »Neuen  Zeitschrift  für  Musik*  begann  eine  neue  Ära,  indem  er 
darin  sein  Ideal  verwirklichte,  demzufolge  eine  Kritik  »durch  sich  selbst  einen 
Eindruck  hinterlassen  sollte,  dem  ähnlich,  den  das  anregende  Original  hervor- 
bringt*. »Schumann  der  Komponist  wird  Schumann  den  Musikschriftsteller  weit 
überleben.*  Draeseke  sagt  von  ihm:  »Er  hat  als  Genie  begonnen  und  als  Talent 
aufgehört.*  Eine  natürliche  Erscheinung  ist  die  Abnahme  der  Pflege  Schu- 
mannscher Werke  im  Konzertsaal,  die  der  grossen  Erweiterung  des  modernen 
Konzertrepertoires  zuzuschreiben  ist.  In  einer  kommenden  neuen  Periode,  die 
»als  heilsamer  Rückschlag  eine  neue  Verinnerlich ung  und  Einkehr  bringen  wird, 
wird  für  uns  gerade  Schumann  als  führender  Geist  und  Patron -unserer  Hausmusik 
neuerdings  an  Bedeutung  gewinnen*.  —  Aus  Robert  Schumanns  Schriften  und 
Briefen  wird  in  Auszügen  mancherlei  Lesenswertes  mitgeteilt. 

NEUE  MUSIK-ZEITUNG  (Stuttgart)  1906,  No.  10.  —  Ober  »Schumann  und  die  Pro- 
grammusik* verbreitet  sich  G.  v.  Lüpke.  Neben  seinen  Schriften  geben  seine 
Kompositionen  Belehrung  über  sein  Verhältnis  zur  Programmusik.  Hat  Schumann 
auch  nicht  im  strengen  Sinne  des  Wortes  Programmusik  geschaffen,  so  sind  doch 
seine  Instrumentalkompositionen  selten  ganz  voraussetzungslos.  —  »Robert  Schu- 
mann und  die  Romantik*  behandelt  Egon  v.  Komorzynski.  Schumann  ist  auf 
musikalischem  Gebiet  der  ausgesprochene  Romantiker  der  Persönlichkeit.  Er  ist 
ein  echter,  ein  wahrer  Romantiker  gewesen.  Schon  sein  Wesen  ist  romantisch, 
denn  »als  ein  echter  Romantiker  verknüpft  er  das  Leben  und  die  Kunst  mit- 
einander, keines  von  beiden  ist  ihm  ohne  die  gleichzeitige  Gemeinschaft  mit  dem 
andern  denkbar*.  Auch  in  bezug  auf  sein  Naturgefühl  ist  Schumann  ein  durch 
und  durch  romantischer  Musiker.  Er  hat  die  Natur  immer  beseelt.  »Er  schildert 
sie  nicht,  sondern  belebt  sie  mit  eigener  Empfindung.*  —  Ferner  sind  zu  erwähnen: 
Colma  V.  d.  Hey  de:  »Eine  Jugendfreundschaft  Clara  Schumanns.*  —  Friu 
Stein:  »Schumann  als  Student  in  Heidelberg.* 

RHEINISCHE  MUSIK-  UND  THEATERZEITUNG  (Köln)   1906,  No.  20/21.  - 


407 

REVUE  DER  REVUEEN 


Ludwig  Scb eibler  behandelt  ,,Schuinann  als  Liederkomponist*.  Verfasser  be- 
trachtet das  Verhältnis  der  Schumannschen  Liederkompositionen  zu  den  wichtigsten 
Vorgingen!  Schumanns  im  Lied,  die,  ausser  Schubert,  seine  Zeitgenossen  waren: 
Löwe,  Marschner,  Spohr  und  Mendelssohn.  Er  untersucht  auch  das  Wert^erhiltnis 
von  Schumanns  Liedern  und  Gesingen,  sowie  von  seinen  Balladen,  zu  den  Ilteren 
Hauptmeistern  auf  beiden  Gebieten:  Schubert  und  Löwe.  —  Friedrich  Kerst  er- 
örtert »Schumanns  Verhlltnls  zu  Mozart*.  Beethovens  mehr  mystische  Musik 
stand  Schumann  näher,  als  Mozarts  »helle  Art  zu  denken  und  zu  dichten",  die  ihm 
nur  ein  unerreichtes  Ideal  bleiben  konnte.  Der  Jüngling  Schumann  blickte  zu 
Mozart  auf  wie  zu  einem  hellen,  glänzenden  Schneegipfel;  im  Mannesalter  tritt 
Mozart  zurück  und  »die  erhabene  Vorstellung  von  einst  wird  zur  liebenswürdigen 
Erinnerung*.  —  Das  Heft  enthält  ferner  »Zwei  ungedruckte  Briefe  von  Clara 
Schumann*  aus  dem  Nachlass  des  verstorbenen  Musikdirektors  Dr.  Julius  Otto 
Grimm.  Die  beiden  Briefe  zeigen  die  grosse  Künstlerin  als  sorgsame  Mutter,  die 
mit  rührender  Hingebung  um  das  geistige  und  leibliche  Wohl  ihrer  Kinder 
besorgt  ist. 
SCHWEIZERISCHE  MUSIKZEITUNG  (Zürich)  1906,  No. 22.  — »Robert  Schumann 
und  das  Chorlied*,  zur  50.  Wiederkehr  seines  Todestages,  29.  Juli  1856,  betitelt 
sich  ein  Aufsatz  von  Karl  Nef.  —  Wenn  die  Jetztzeit  auch  von  Schumannschen 
Kompositionen  vielleicht  etwas  übersättigt  ist,  so  trifft  das  »einzig  nicht  zu  für  seine 
Chorlieder*,  weil  diese  nie  so  recht  zur  Tagesordnung  gekommen  sind.  Verfasser 
bespricht  die  unbegleiteten  Chorlieder  Schumanns  und  sagt  u.  a.:  »Schumanns 
Chorlieder  können  nie  populär  werden  wie  ihre  Gegenstücke  von  Mendelssohn; 
abei  wo  wirklich  kunstsinnige  Sänger  zusammenkommen,  da  greife  man  herzhaft  zu 
ihnen,  da  werden  sie  leisten,  was  Schumann  als  seine  Künstlermission  betrachtete 
und  ihm  sein  höchstes  Glück  war,  dass  er  es  mit  seinen  Tönen  konnte,  nämlich 
Freude  bringen*.  —  Die  Nummer  enthält  femer  Auszüge  aus  Jugendbriefen  Robert 
Schumanns. 

LE  COURRIER  MUSICAL  (Paris)  1906,  No.  14.  -  Camille  Chevillard  feiert  das 
Andenken  Robert  Schumanns  mit  begeisterten  Worten:  »Nom  magique  et  douloureux, 
6voquant  une  gloire  et  un  martyre!  Nous  nous  rappellerons  toujours  Tenthousiasme 
de  nos  vingt  ans  quand  nous  d6vorämes  Toeuvre  de  celui  k  qui  nous  aurions  tant 
voulu  dire:  Ale  conflance  en  ton  6toile,  tu  seras  parmi  les  plus  grands.*  — 
Henry  Gauthier-Villars  schreibt  »Sur  les  Lieder  de  Schumann*. 

LEIPZIGER  NEUESTE  NACHRICHTEN  1906,  29.  Juli.  -  Von  ungenannter  Seite 
werden  einige  hübsche  Erinnerungen  an  Clara  Schumann  unter  dem  Titel  »Seine 
Clara*  veröffentlicht.  »Im  Salon,  im  Familien-  und  Freundschaftskreise  kam  ihre 
Kunst  erst  recht  zur  Geltung.  Wer  einmal  in  die  vornehm-schlichten,  von  weissem 
Haare  umrahmten,  gewinnenden  Gesichtszüge,  auf  dem  Kopfe  ein  schwarzes  Spitzen- 
häubchen, geschaut  hatte,  dem  blieben  diese  Züge  unvergesslich.* 

ÖSTERREICHISCHE  RUNDSCHAU  (Wien),  Bd.  VIII,  Heft  92,  93.  -  »Ein  un- 
veröffentlichtes Manfred-Gedicht  zu  Robert  Schumanns  Musik*  von  Ferdinand 
Kürnberger,  mitgeteilt  und  eingeleitet  von  Otto  Erich  Deutsch.  Die  Publikation, 
mit  deren  VeröfFentlichung  zum  50.  Todestage  Robert  Schumanns  zugleich  auch 
den  Manen  des  phantasiereichen  Dichters  gehuldigt  werden  soll,  erfolgt  nach  einer 
Abschrift  im  Wiener  Archiv  der  »Gesellschaft  der  Musikfreunde*.  Erich  Deutsch 
teilt  darüber  u.  a.  mit,  dass  er  das  „schöne  Poem*  nicht  auf  dem  Wege  zu  Kürn- 
berger, sondern  bei  musikhistorischen  Studien  gefunden  habe.    Es  ist  unbekannt. 


408 
DIE  MUSIK  V.  24. 


wer  den  Dichter,  der  der  Musik  als  geoiessender  Laie  gegenfiberstand,  veranlasste, 
für  die  geplante  Wiener  Erstaufführung  des  Schumannschen  „Manfred*  einen  fkst 
ginzlich  neuen  Text  zu  schreiben.  Sicher  aber  ist  Kumberger  bei  seiner  Arbeit 
von  einem  musikkundigen  Manne  beraten  worden.  Das  Gedicht  zeigt  ihn  als  einen 
Meister  der  gebundenen  Sprache. 

DER  TAG  (Berlin)  1906,  27.  Juli.  —  Hermann  Abert:  »Robert  Schumann  und  die 
Gegenwart*.  Den  Grund,  dass  Schumanns  Ruhm  „da  und  dort  kleine  Flecken 
aufzuweisen  beginnt,  mfissen  wir  nicht  in  den  Zeitverhiltnissen,  sondern  in  seiner 
eigenen  künstlerischen  Persönlichkeit  suchen»  Denn  sie  ist  es,  welche,  nach 
Schumanns  eigenem  Bekenntnis,  auch  seinen  Werken  ihren  eigentümlichen  Stempel 
aufprägt."  .  .  .  Nur  wenige  haben  sich  in  so  idealer  Weise  über  den  moralischen 
Beruf  der  Kunst  ausgesprochen  wie  Schumann.  Wie  als  Mensch,  giebt  er  sich 
auch  in  seiner  Kunst  als  echten  Aristokraten,  dem  Jede  Reminiszenz  an  das 
Hergebrachte,  Alltägliche  verhasst  ist*. 

VOSSISCHE  ZEITUNG  (Berlin)  1006,  26.  und  29.  Juli.  —  »Zu  Robert  Schumanns 
SOjährigem  Todestag*.  Schumann  war  eine  hochpoetische,  tiefsinnige  Natur,  ein 
Mensch  von  komplizierter  Geistesveranlagung,  der  von  einer  mächtig  in  die  Weite 
drängenden  Leidenschaft  erfüllt  war.  Aus  der  Enge  wollte  er  einer  neuen  Zeit  ent- 
gegen. »Mit  Kleinem  ist  schwer  durchdringen**,  äusserte  er  selbst.  Richard  Wagner 
sagte  von  ihm:  „Schumann  war  eigentlich  ein  lieber,  guter  deutscher  Kerl  mit 
einer  gewissen  Anlage  zur  Grösse;  aber  sie  haben  ihn  elend  verdorben!*  — 
«Robert  Schumann  als  Dichter.*  Schumanns  einziges  und  nur  wenig  bekanntes 
Wortgedicht,  das  auf  die  Nachwelt  gekommen  ist,  sei  hier  wiedergegeben.  Es  ist 
im  Jahre  1838  in  der  von  ihm  gegründeten  „Neuen  Zeitschrift  für  Musik*  er- 
schienen und  Clara  Wieck  gewidmet.  Der  Dichter  überschreibt  es:  Traumbild  am 
9.  September  abends.    Konzert  von  C.  W. 

Von  oben  gekommen  ein  Engelskind, 

Am  Flügel  sitzt  und  auf  Lieder  sinnt. 

Und  wie  es  in  die  Tasten  greift, 

Im  Zauberringe  vorüberschweifc 

Gestalt  an  Gestalt 

Und  Bild  nach  Bild, 

Erlkönig  alt 

Und  Mignon  mild. 

Und  trotziger  Ritter 

Im  WalTenflitter, 

Und  knieende  Nonne 

In  Adachtswonne. 

Die  Menschen,  die's  hörten,  die  haben  getobt. 

Als  war's  eine  Sängerin  hochbelobt; 

Das  Engelskind  aber  unverweilt 

In  seine  Heimat  eilt. 

BERLINER  BÖRSEN-COURIER  1906,  29.  Juli.  -  »Robert  Schumann  als  Kritiker* 
von  Alexander  Birnbaum.  Schumanns  kritische  Schriften  sind  deshalb  bis  auf 
den  heutigen  Tag  frisch  und  lebendig  geblieben,  weil  sie  von  einer  Begeisterung 
durchtränkt  sind,  die,  wie  Grimm  sagt,  ,,nie  Unrecht  haben  kann  —  selbst  da 
nicht,  wo  sie  sich  irrt.* 


409 
REVUE  DER  RBVUEEN 


DEUTSCHE  TAGESZEITUNG  (Berlin)  1906,  23.  Juli.  —  Ein  Gedenkblatt  .Robert 
Schumtnn*  mit  D.  K.  B.  unterzeichnet  Soll  Schumann  aeiner  wahren  Beachalfen- 
heft  nach  gewürdigt  werden,  ao  darf  man  aich  nicht  »auf  die  Unterauchung  aeiner 
iuaaeren  Schickaale  und  aeiner  auaachlieaalichen  Bedeutung  ala  achaffender  Muaiker 
beachrinken.  Man  muaa  vielmehr  der  paychologiachen  Peraönlichkeit  dea  Kfinatlera 
nachforachen,  aich  in  die  Tiefen  einer  Seele  veraenken,  die  ao  fein  und  empflndaam 
beachaifen  war,  daaa  ihre  Lebenaiuaaerungen  ftiat  den  rauhen  Hauch  dea  Tagea 
nicht  ertragen  konnten  und  die  in  zarter,  rührend  ursprünglicher  Weise  allea 
wiedergab,  waa  im  Getriebe  dea  wirklichen  Lebena  oft  unvermittelt  und  grauaam 
auf  aie  einwirkte.*  Schumann  sagt  von  aich  aelbat:  «Menach  und  Muaiker  auchten 
aich  immer  gleichzeitig  bei  mir  auazuaprechen." 

BERLINER  TAGEBLATT  1906,  23.  und  29.  Juli.  —  Egon  von  Komorzynski: 
»Schumann  und  E.  Th.  A.  HoflPmann*.  Schumann  iat  häufig  mit  Jean  Paul  ver- 
glichen worden;  weit  gröaaer  aber  iat  die  Ähnlichkeit  zwiachen  ihm  und  dem  von 
ihm  verehrten  Hoifmann.  Schon  rein  luaaerlich  laaaen  aich  beide  vergleichen: 
ea  war  ihnen  beiden  nur  eine  Lebenazeit  von  46  Jahren  zugemeaaen,  die  bei  beiden 
einen  düateren  Abachluaa  fand.  Verfaaaer  führt  in  weiterem  aua»  dass  ,,Hoffmann 
ebenao  eine  von  der  Literaturgeachichte  notwendig  geforderte  Eracheinung  war  wie 
Schumann  eine  von  der  Muaikentwicklung,  und  daaa  dieae  Tataache  aich  in  einer 
tiefen  inneren  Verwandtachaft  dea  Wesens  beider  Romantiker  apiegelt*  —  Hermann 
Er  1er  berichtet  intereaaantea  über  .Schumann  und  die  Gründung  der  ,Neuen 
Zeitachrift  für  Muaik**  und  teilt  einige  eigenhindige,  ungedruckt  gebliebene 
Niederachriften  Schumanna  mit,  die  die  geachiftlichen  Verhandlungen  über  die 
Gründung  der  .Neuen  Zeitschrift  für  Musik"  wiedergeben. 

NEW  YORKER  STAATS-ZEITUNG  1906,  29.  Juli.  -  Ein  hübsches  Erinnerungs- 
blatt zum  29.  Juli  1906  —  .Robert  Schumann*  —  bringt  Auguat  Spanuth.  Wer 
Schumanna  Werk  richtig  abachitzen  will,  .muaa  zunächst  in  Betracht  ziehen,  daaa 
Schumanna  künatleriaches  Schaffen  begann,  ehe  er  aich  die  techniache  Be- 
herrachung  aeiner  Kunat  hinreichend  zu  eigen  gemacht  hatte  und  daaa  gerade  aua 
dieaer  ersten  Schaffenaperiode  einige  Werke  herausragen,  die  dem  Zahn  der  Zeit 
beaaer  trotzen  zu  können  acheinen,  ala  manche  Produkte  der  Periode  aeiner  ao- 
genannten  Abklirung.* 

DIE  GARTENLAUBE  (Leipzig)  1906,  No.  30.  —  Carl  Kreba:  .Robert  Schumann«. 
Zum  Gedichtnia  aeines  50.  Todeatagea.  Ea  ist  interessant,  den  Klavieratil  Chopina 
und  Schumanna  zu  vergleichen,  die  zu  gleicher  Zeit  aufwuchsen.  .Chopin  ging 
von  Mozart  und  Hummel  aus,  eine  virtuosische  Ader  ist  in  ihm,  aber  er  aublimiert 
die  Virtuositit  zu  hdchater  Feinheit,  und  er  schaffe  in  aeinen  beaten  Schüpfungen 
Werke  von  intimater  Poeale,  öfter  nur  musikalische  Aphorismen.  Schumann  baaiert 
auf  Beethoven.  Er  iat  von  vornherein  mehr  Ausdruckskünstler,  Süsseren  Glanz 
verscbmiht  er,  aber  aua  der  breiten  Wucht  aeinea  Klaviersatzea  bricht  oft  ein 
aeltsames  Leuchten  hervor:  weite  Lagen,  Vollatimmigkeit,  ein  gedankenachwerea, 
tiefsinniges  Wesen.* 

BÜHNE  UND  SPORT  (Berlin)  1906,  No.  12.  —  Der  mit  A.  Z.  unterzeichnete  Artikel 
.Robert  Schumann  und  das  Theater*',  eine  unglückliche  Liebe,  beschiftigt  sich 
mit  des  Künstlers  Opernplänen,  die  durch  Richard  Wagner,  der  zur  aelben  Zeit 
die  Zügel  der  Herrschaft  auf  dem  Gebiete  dea  musikalischen  Dramas  an  aich 
riss,  sich  nicht  zu  verwirklichen  vermochten. 

V.  24.  29 


410 
DIB  MUSIK  V.  24. 


DEUTSCHE  WARTE  (Berlin)  1906,  29.  Juli.  —  Cyritk  Fischer  feiert  den  »Meister 
der  deutschen  Romantik*.  Schumann  war  der  erste  Meister,  in  dessen  Tönen  die 
Romantik  allein  herrscht.  Doch  wie  der  romantische  Triumer  nicht  zugleich  der 
Mann  der  Tat  ist,  so  hat  auch  Schumann  die  eigentlich  dramatische  Kraft  gefehlt 
„Sein  Eigenstes,  seinen  wahren  Genius  hat  Schumann  nur  in  seinen  Liedern  und 
in  seiner  Klaviermusik  gegeben." 

ILLUSTRIERTE  ZEITUNG  (Leipzig)  1906,  No.  3291.  -  Carlos  Droste:  »Robert 
Schumann'.  Ein  mit  warmer  Begeisterung  geschriebener  Artikel,  der  mit  den 
Worten  des  Goetheschen  »Faust**  ausklingt,  die  Schumann  tief  ergreifend  vertont 
hat:  »Es  kann  die  Spur  von  meinen  Erdentagen  nicht  in  Aeonen  untergeh'n!* 

DAHEIM  (Leipzig)  1906,  No.  43.  —  »Die  Davidsbfindler".  Zu  Robert  Schumanns 
SOjIhrigem  Todestage.  Von  Gustav  Thormilius.  Verftisser  schildert  in  an- 
schaulicher Weise  die  Zusammenkünfte  der  Bierrunde  in  dem  Leipziger  Restaurant 
»Zum  Kaffeebaum*,  die  unter  Schumanns  reger  Beteiligung  Anlass  zur  Gründung 
des  »Davidsbundes**  gab. 

FRANKFURTER  ZEITUNG  1906,  27.  und  28.  Juli.  —  Ein  lebensvolles  Bild  des 
Menschen  und  Künstlers  entrollt  Hermann  Gehrmann  in  einem  Gedenkartikel 
»Robert  Schumann*.  Wenn  das  Wirken  Schumanns  von  der  Mehrzahl  seiner 
Beurteiler  an  dem  Mendelssohns  gemessen  wird,  so  genfigt,  um  der  bis  in  unsere 
Zeit  hineinragenden  Grösse  des  Tondichters  vollkommen  gerecht  zu  werden,  »ein 
durch  Mendelssohn  gewonnener  Masstab  nicht  mehr  allein,  weil  Mendelssohn  im 
Kern  seines  Wesens  Klassizist  blieb,  während  Schumann  den  geborenen  Roman- 
tiker niemals  ganz  verleugnete.*  ...  Im  Bereiche  der  absoluten  Kunstmusik  wies 
Schumann  u.  a.  Volkmann  und  Grieg  den  Weg.  Brahma  nahm  von  ihm  seinen 
Ausgangspunkt  und  ihm  sollte  es  auch  vorbehalten  bleiben,  »das  Ziel  zu  erreichen, 
das  Schumann  mit  zunehmenden  Jahren  offensichtlich  vorschwebte:  eine  durch 
die  Romantik  hindurchgegangene  neue  klassische  Ausdrucksweise". 

NEUE  FREIE  PRESSE  (Wien)  1906,  28.,  29.,  30.  Juli.  —  Ein  Gedenkblatt  —  »Robert 
Schumann*  —  zu  seinem  50.  Todestage  veröffentlicht  Felix  Wein gartn er.  Verfksser 
behandelt  mit  Liebe  einige  Momente  aus  des  Meisters  Schaffensperiode.  Der 
Grund  einer  Herabminderung  der  WertschXtzung  Schumanns  ist  vielfkch  »nur 
durch  die  momentane  Entwicklung  der  Musik  herbeigeführt*.  Da  Wagner  sich 
ihm  feindselig  gegenüberstellte,  so  genfigte  dies  den  Anhingem  seiner  Schule, 
»um  ffir  Schumann  nicht  viel  mehr  als  ein  vornehmes  Achselzucken  fibrig  zu 
haben".  Autor  spricht  sich  dabei  selbst  nicht  vom  Vorwurf  frei,  »in  höheren 
Jahren  zum  mindesten  sehr  nachlässig  über  Schumann  geurteilt  zu  haben*.  — 
Adolf  Ktthut  schildert  »Robert  Schumann  und  die  Frauen".  Verfasser  beschreibt 
sein  zärtliches  Verhiltnis  zur  Mutter,  seine  erste  Schwärmerei  für  zwei  Eng- 
länderinnen Nanni  und  Liddy,  seine  Liebe  zu  Emestine  von  Fricken  und  die 
endliche  Erfüllung  aller  heissen  Wünsche  in  Clara  Wieck.  —  »Robert  Schumann* 
von  Julius  Korngold.  »Schumann  gehört  nicht  zu  den  gewaltigsten,  erhabensten 
Sängern,  aber  zu  den  edelsten,  reinsten,  gemütvollsten,  und  er  hatte  seine  eigene 
Weise*. 

DIE  ZEIT  (Wien)  1906,  28.  Juli.  —  Richard  Specht  beschäftigt  sich  mit  dem 
Dichter  »Schumann*.  Das  latent  Poetische  ist  vielleicht  gerade  das  Wesentliche 
in  Schumanns  Musik.  Er  selbst  meint  darüber:  »Wäre  mein  Talent  zur  Dichtkunst 
und  Musik  nur  in  einem  Punkte  konzentriert,  so  wäre  das  Licht  nicht  so  gebrochen 
und  ich  getraute  mir  viel.* 


411 
REVUE  DER  REVUEEN 


NEUES  WIENER  JOURNAL  1906,  28.  Juli.  —  Fritz  Ltngc  teilt  einige  Erinneruagen 
mit  über  „Robert  Schumann  in  Wien*.  Das  «Wiener  Schumann-Haus"  —  Schön- 
latemgasse  No.  7A  —  existiert  heute  noch  fast  in  derselben  Gestalt  wie  vor  bei- 
nahe siebzig  Jahren,  nur  ist  es  schwer  aufzufinden,  denn  ihm  fehlt  heute  das 
Eingangstor.  Vom  Hofe  des  Nachbarhauses  gelangt  man  durch  eine  hölzerne 
Gittertür  zur  Treppe,  die  in  den  ersten  Stock  der  Gassenfront  führt. 

NEUES  WIENER  TAGBLATT  1906,  28.  Juli.  -  »Robert  Schumann  und  Wien« 
von  Max  Kalbeck.  «Geradezu  unglaublich  klingt  es,*  schreibt  Verfasser  u.  a., 
«dass  die  1836  erschienene  C-Dur-Phantasie  am  29.  November  1862  zum  ersten 
Male  öffentlich  in  Wien  gehört  worden  ist.  Johannes  Brahms  spielte  sie  in  seinem 
denkwürdigen  ersten  Wiener  Konzert!* 

KÖLNISCHE  VOLKSZEITUNG  1906,  29.  Juli.  -  .Robert  Schumanns  Krankheit 
und  Tod*  und  «Robert  Schumann  als  Musiker*  behandelt  Hermann  Kipper. 

KÖLNISCHE  ZEITUNG  1906,  29.  Juli.  — .Robert  Schumann*.  Zu  seinem  fünfzigsten 
Todestage.  In  jeder  der  Schumannschen  Kompositionen  erkennen  wir  ein  scharf 
umrissenes,  aus  innerstem  Gemüt  erwachsenes  musikalisches  Miniaturbildchen. 
«Und  wenn  wir  von  der  Entstehungsquelle  mehr  nach  aussen  gehen  und  die 
Ausprägung  des  musikalischen  Stimmungs-  oder  Charakterbildes  betrachten,  so 
zeigt  sich  daran  gerade,  wie  unrecht  Schumanns  Verkleinerer  haben,  ihm  den 
echten  Musikanten  abzustreiten,  der  er  höchstens  im  äussern  Formenschema 
nicht  ist.* 

HAMBURGISCHER  CORRESPONDENT  1906,  29.  Juli.  —  .Robert  Schumann« 
von  Robert  Müller-Hartmann.  Hat  Schumann  zwar  die  Tonmalerei  in  den 
Dienst  seiner  Kunst  gestellt,  so  ist  ihm  doch  niemals  die  stilisierte  Nachahmung 
des  sinnlich  Wahrnehmbaren  zur  Hauptsache  geworden.  Charakteristisch  für  ihn 
ist,  wie  er  bei  seiner  Kritik  der  Berlioz'schen  Symphonie  fantastique  «die  ästhetische 
Berechtigung  eines  zu  scharf  profilierten  Programms  bestreitet*. 

HAMBURGER  FREMDENBLATT  1906,  29.  Juli.  —  .Zu  Robert  Schumanns  fünfzig- 
jährigem Todestage*  bringt  Emil  Krause  ein  hübsches  Gedenkblatt. 

MÜNCHNER  NEUESTE  NACHRICHTEN  1906,  29.  Juli.  -  Einen  lesenswerten 
Aufsatz  veröffentlicht  Rudolf  Louis:  »Robert  Schumann*.  .Wie  kaum  irgend 
einem  andern  unserer  deutschen  Meister  wird  gerade  Schumann  der  Reiz  des  un- 
gelösten Rätsels  jederzeit  verbleiben.  Ist  er  doch  im  eminenten  Sinne  des  Wortes 
eine  »problematische  Natura* 

STRASSBURGER  POST  1906,  29.  Juli.  —  ,Zum  Gedächtnis  Schumsnns*  von 
Gustav  Altmann.  »Die  ganz  grosse  Form  war  nicht  seine  eigentliche  Domäne; 
hier  versagte  nicht  selten  die  Gestaltungskraft,  nicht  immer  fähig,  das  Werk  mit 
der  gleichen  Erhabenheit  zu  durchdringen,  ein  typisches  Zeichen  für  denjenigen 
Nervenzttstand,  den  ich  als  Neurasthenie  ansehen  möchte,  die  bei  Schumann  lange 
vorhanden  war  und  zur  Endkatastrophe,  der  Paralyse,  führte.* 

STETTINER  TAGEBLATT  1906,  29.  Juli.  —  Ein  sinniges  Gedenkblatt  »Am  Grabe 
Robert  Schumanns*  widmet  Erich  Müller  dem  fünfzigsten  Todestage  Schumanns. 

GRAZER  TAGBLATT  1906, 29.  Juli.  —  Heinrich  Bachmann  feiert  Robert  Schumann 
als  »Meister  des  Volksliedes*. 

LEIPZIGER  TAGEBLATT  1906, 29.  Juli.  —  »Schumanniana*  teilt  Eugen  Segnitz  mit. 

29» 


NEUE  OPERN 

Enrico  Bossh  «Der  Prophet*,  ein  einaktiges  Werk,  soll  noch  in  diesem  Jahre 
an  der  Dresdener  Hofoper  zur  Urauffühning  gelangen. 

Paul  WeisBleder:  »Der  Weg  durchs  Fenster",  ein  Einakter,  erlebte  in  Köln 
seine  Urauff&hrung. 

AUS  DEM  OPERNREPERTOIRE 

Lemberg:  Das  Opemrepertoire  verheisst  bis  zum  31.  Dezember  folgende  Neu- 
aufführungen: Giordano  (Andrea  Chenier),  Mascagni  (L'amico  Friu), 
Donizetti  (Don  Pasquale),  Tschai kowsky  (Eugen  On6gin),  Kienzl  (Evan- 
gelimann), Gounod  (Romeo  und  Julia),  Boito  (Mefistofele),  Weis  (Der 
polnische  Jude),  Zelenski  (Die  alte  Mir),  Mfinchheimer  (Mazeppa),  femer 
.Tannhftuser',  „Siegfried"  und  »Meistersinger".  —  Direktor:  Ludwig 
Heller,  Kapellmeister:  Antonio  Ribera,  Konzertmeister:  Deman. 

Paris:  Die  Grosse  Oper  stellt  folgende  Neuheiten  in  Aussicht:  Saint-Sa6ns 
(Ariane),  Vi  dal  (La  Alle  de  Ramsds),  Savard  (La  For6t). 

Die  Komische  Oper  kündigt  von  Novitäten  an:  Hillemacher 
(Circo),  Messager  (Le  chandelier),  Lazzarri  (La  L6preux),  Ducas  (Ariane 
et  Barbe-Bleu),  Leroux  (Le  chemineau),  d'Indy  (Ph6dre  et  Hippolyte),  Doret 
(Les  Armaillis). 

Zürich:  Carl  Maria's  von  Weber  komische  Oper  .Die  drei  Pintos"  ist  vom 
Stadttheater  zur  Aufführung  angenommen  worden. 

KONZERTE 

Berlin:  Für  die  zehn  philharmonischen  Konzerte  unter  Arthur  Nikisch  in 
kommender  Saison  hat  die  Konzertdirektion  Hermann  WolflT  bis  jetzt  folgende 
Künstler  fest  verpflichtet:  Willy  Burmester,  Femiccio  Busoni,  Mischa 
Elman,  Carl  Flesch,  Camille  Saint-Sa£ns,Artur  Schnabel  und  Johanna 
Tauscher-Gadsky. 

Der  Friedrich  Kiel-Bund  veranstaltet  in  der  ersten  Hilfte  des 
Oktobers  seinen  zweiten  Vortragsabend. 

Frankfurt  a«JIL:  Für  die  unter  Leitung  von  Hugo  Reichenberg  er  und  Ludwig 
Rottenberg  stehenden  sechs  Opernhaus- Abonnementskonzerte  wurden 
bisher  folgende  Solisten  verpflichtet:  Margarethe  Preuse-Matzenauer, 
Corinne  Kirkby-Lunn,  Joanne  Diot,  Lucio  Weidt,  Paul  Goldschmidt, 
Fritz  Kreisler,  Alfred  Reisenauer,  Hans  Lange.  Es  kommen  u.  a.  zur 
Aufführung:  Beethoven  (8.  Symphonie;  Kantate  auf  den  Tod  Josef  IL), 
Strauss  (Symphonie  f-moll;  Sinfonia  domestica),  Schumann  (B-dur 
Symphonie),  Berlioz  (Harold  in  Italien),  Raff  (Symphonie  »Im  Walde"), 
Tschaikowsky  (5.  Symphonie). 

Kopenhagen:  Prof.  Hermann  Ritter- Wfirzburg  (Viola  alta)  absolvierte  Ende  Juli 
ein  dreimaliges  Gastspiel  mit  grossem  Erfolg. 


413 
UMSCHAU 


Mannheim:  Im  Mai  1907  findet  ein  f&nftägiges  Musikfest  statt.  Der  erste 
Abend  soll  alten  Mannheimer  Meistern  gewidmet  sein,  wihrend  die  übrigen 
Festtage  einen  geschichtlichen  Oberblick  Qber  die  Entwicklung  der  Musik 
bis  auf  den  heutigen  Tag  ermöglichen  sollen.  Hofkapellmeister  Hermann 
Kutzschbach  wird  die  Leitung  übernehmen. 

Scheveningen:  In  den  Konzerten  des  Berliner  Philharmonischen 
Orchesters  unter  August  Scharrer  kamen  ausser  den  kürzlich  hier  er- 
wähnten Werken  u.  a.  noch  folgende  zur  ersten  Aufführung:  Dvoi^ik  (Suite 
op.  39),  Volk  mann  (Symphonie  B-dur),  Widor  (Violoncello-Konzert  e-moll), 
Berlioz  (Sinfonie  phantastique),  Liszt  (Faustsymphonie).  Gelegentlich  der 
Rembrandt-Feier  fknd  am  21.  Juli  ein  Konzert  im  Kursaal  statt,  das 
lediglich  Werke  niederllndischer  Tonsetzer  aufwies;  Tortreten  waren: 
E.  de  Hartog,  J.  H.  Verhulst,  F.  E.  A.  Koeberg,  Carl  Smulders,  Gottfried 
Mann,  J.  van  Loorij,  P.  C.  van  Anrooy.  Von  Solisten  traten  auf:  A.  van  Rooy, 
Marianne  Schryver,  Richard  Fischer,  Melanie  Michaelis,  Matje  Lammen, 
Agnes  Landenberger,  J.  van  Rijsselberg,  G.  Lauweryns,  Fanny  Carlhant, 
Hornquartett  der  Wiener  Hofoper,  Clara  van  Yzer,  B.  van  Hasselt,  S.  Einthoven, 
A.  Müller,  Elsa  Hensel-Schweitzer,  Heinrich  Hensel,  Alba  Cufilhs,  Nora 
Boas,  Maria  Seret,  J.  van  der  Wissel,  Johanna  Klippink,  Pablo  Cassls. 

Wien:  Die  Konzerte  der  Philharmoniker  werden  in  dieser  Saison  abwechselnd 
Felix  Mottl  und  Richard  Strauss  dirigieren.  Dr.  Muck  ist  bekanntlich  bis 
Mai  1907  nach  Boston  verpflichtet. 

TAGESCHRONIK 

Mit  diesem  Heft  schliesst  der  V.Jahrgang  der  MUSIK.  Das  lang 
erwartete  Bruckner-Heft  wird  den  VI.  Jahrgang  verheissungsvoll 
eröffnen. 

Die  Königl.  Sammlung  alter  Musikinstrumente  in  Berlin  (Vorstand: 
Prof.  Dr.  Oskar  Fleischer)  hat  im  letzten  Jahre  wieder  wertvolle  Bereicherungen 
erfahren.  Von  den  neu  angekauften  Instrumenten  sind  ein  paar  byzantinische 
Holzkastagnetten  aus  dem  Griberfelde  bei  Achmim  in  Oberigypten  und  ein  soge- 
nanntes Clavecin  royal  als  wichtigste  hervorzuheben.  Letzteres  ist  von  Johann 
Gottlob  Wagner  in  Dresden  1788  erbaut  worden,  der  es  1774  erfand,  und  stammt 
aus  der  Hinterlassenschaft  des  verstorbenen  Thomaskantors  Prof.  Dr.  Rust  in 
Leipzig.  Es  hat,  obgleich  nicht  mehr  durch  Federkiele  angerissen,  sondern  mit 
Himmem  angeschlagen,  doch  noch  ganz  den  Klang  der  alten  Clavicymbel,  da- 
neben aber  Hast  sich  durch  einen  Kniehebelzug  auch  die  moderne  Klangfarbe  der 
Hammerklaviere  herstellen.  Ausserdem  zeichnet  es  sich  durch  den  sogenannten 
Crescendozug  aus.  Die  Erhaltung  des  Klaviers  ist  so  gut,  dass  es  von  seinem 
ursprünglichen  Klange  kaum  wesentlich  verloren  haben  kann.  Femer  sind  drei 
aufrechtstebende  Klaviere  aus  der  Obergangsepoche  der  Giraffenform  in  die  des 
Piaoinos  als  für  die  Geschichte  des  Klaviers  interessant  angekauft  worden.  Unter 
den  weiteren  Neuankiufen  ist  die  Gruppe  der  automatischen  Klaviere  durch  ein 
Pianopbon  venreten,  ein  Drehklavier  mit  buch  förmigen  durchlochten  Notenbändem. 
Die  Gruppe  der  Zungenpfeifenwerke  vervollständigen  die  Harmonieflöte  von  Maier 
Mari,  d.  L  eine  Ziebbarmonika,  die  fast  schon  ein  Harmonium  darstellt,  sowie 
mehrere  zum  Teil  sehr  kunstvolle  Zugbarmoniken  ffir  Konzertspiel,  mit  Flöten, 
mit  Faltenbalg  usw.,  wihrend  drei  rumänische  Tsmburizen,  eine  hfibsch  bemalte 
Viola  d'amore,   zwei   Banjos  alter  Form,  eine  Akkordzither  und   eine  Violoncell- 


414 
DIE  MUSIK  V.  24. 


Streichzither  die  Gattung  der  Saiteninstmmente  erginzen  helfen.  Schliesslich 
seien  noch  eine  kleine  und  eine  sehr  grosse  Trommel  mit  bayrischem  Wappen  und 
Bemalung,  sowie  ein  hübsches  Flötenuhrwerk  genannt 

Am  16.  August  wurde  am  Geburtshause  der  Mutter  Mozarts  in  St.  Gilgen 
am  Wolfgangsee  eine  Denktafel  enthüllt,  auf  der  auch  seine  Schwester  Nannerl 
verewigt  ist.    Die  Tafel  ist  ein  Werk  des  Bildhauers  J.  Gruber. 

Das  Münchener  Kaim-Orchester  unternimmt  im  Frühjahre  1907 
eine  Rundreise  nach  Oesterreich,  die  es  durch  die  bedeutendsten  Stidte  der 
Monarchie  führt. 

Auf  Anregung  des  Herrn  Victor  MatyasoTich  ist  in  Budapest  eine 
Musiksammlung  im  Entstehen  begrifPen,  für  die  bereits  simtliche  ungarischen 
Verleger  ihre  Verlagserzeugnisse  zur  Verfügung  gestellt  haben. 

An  Stelle  Prof.  Naumanns  wurde  Fritz  Stein- Heidelberg  zum  akademischen 
Musikdirektor  in  Jena  erwählt. 

Albert  Coates,  Korrepetitor  am  Leipziger  Stadttheater,  ist  als  erster  Kapell- 
meister für  das  Stadttheater  in  Elberfeld  verpflichtet  worden. 

Kapellmeister  Alfred  Hirte  wurde  zum  Dirigenten  der  Görlitzer  Phil- 
harmonie gewählt. 

Hermann  Kipper  in  Köln,  seit  1872  Theaterreferent  der  »Kölnischen  Volks- 
zeitung*, dem  Nestor  der  Musikkritiker  Deutschlands,  wurde  aus  Anlass  seines 
80.  Geburtstages  (27.  August)  der  Professortitel  verliehen. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter  Dr.  Edgar  Istel- München  wurde  vom  fran- 
zösischen Ministerium  der  schönen  Künste  zum  Offizier  der  Akademie  in  Paris 
ernannt. 

TOTENSCHAU 

Am  25.  Juli  f  in  Egem  am  Tegernsee  der  Komponist  Eduard  Ritter  v.  Welz, 
1879—82  Dirigent  der  Liegnitzer  Singakademie  und  Liedermeister  des  Niederschle- 
sischen  Sängerbundes. 

Am  26.  August  f  nach  achtmonatlichem  schweren  Leiden  in  seiner  Villa  bei 
Leoni  am  Stambergersee  der  Meistersänger  Eugen  Gura  im  65.  Lebensjahre. 
Gura  war  am  8.  November  1842  in  Pressern  bei  Saaz  (Böhmen)  als  Sohn  eines 
Volksschullehrers  geboren.  Musikalische  und  zeichnerische  Talente  zeigten  sich 
früh  bei  dem  Knaben;  indessen  musste  er  auf  Wunsch  seines  Vaters  die  poly- 
technische Schule  in  Wien  beziehen.  Hier  empfing  er  jedoch  starke  künstlerische 
Eindrücke,  die  schliesslich  eine  Entscheidung  herbeiführten.  Er  übersiedelte  1861 
nach  München,  um  sich  dort  für  die  Malerei  auszubilden.  Nach  der  Aufführung 
einer  Ritterkomödie  durch  Kunstakademiker,  wobei  Gura  die  Hauptrolle  sang, 
fasste  er  den  Entschluss,  sich  der  Gesangskunst  zu  widmen.  Nach  zweijährigem 
Studium  wurde  er  an  die  Münchner  Oper  engagiert,  ging  aber  1867  an  das  Stadt- 
theater in  Breslau,  um  1870  einem  Rufe  nach  Leipzig  Folge  zu  leisten.  Hier 
wirkte  er  sechs  Jahre.  1876  erschien  er  bei  den  Bayreuther  Festspielen  als 
Günther.  Bis  1882  gehörte  er  der  Hamburger  Oper  an  und  war  von  da  bis  1896 
eine  Zierde  des  Münchner  Hofkheaters.  Auf  der  Bühne  zeichnete  er  sich  vor- 
nehmlich in  den  Gestalten  Wagners  aus.  Sein  Günther,  Amfortas,  König  Marke 
und  Hans  Sachs  zählten  zu  den  klassischen  Leistungen  der  deutschen  Bühnenkunst. 
Auch  als  Don  Juan,  Graf  Almaviva,  Hans  Helling  und  Rigoletto  wurde  der  Künstler 
von  aller  Welt  anerkannt.  Als  Loewe-  und  Schubertinterpret  hatte  er  bekanntlich 
nicht  seinesgleichen.    (Vgl.  den  Artikel  S.  300  fr.) 


Als  die  gebildete  Welt  am  15.  Juli  ds.  Js.  den  300.  Geburtstag  Rembrandts  feierte, 
hatten  wir  die  Absicht,  auch  unsererseits  des  grossen  Meisters  zu  gedenken,  so- 
weit das  Bereich  des  Musikalischen  in  Frage  kommt;  doch  verbot  die  Disposition 
unserer  Juli-Hefte  dieses  Vorhaben.  Jene  Feier  hat  die  Blicke  stärker  als  durch 
andere  Hinweise  auf  die  holländische  Malerei  gelenkt.  Es  möge  uns  darum  ge- 
stattet sein,  eine  Reihe  derjenigen  Werke  von  holländischen  Künstlern  zu  ver- 
vielfältigen, denen  Motive  musikalischer  Natur  zugrunde  liegen. 

Indem  wir  Rembrandt  natürlich  den  Vortritt  lassen,  müssen  wir  ersehen,  dass  in  dem 
Riesenwerk  dieses  Meisters  musikalische  Vorwürfe  fast  gar  nicht  vorkommen;  das 
einzige  Gemälde,  das  wir  wählen  konnten,  ist  sein  David  vor  Saul  spielend. 
So  gering  also  für  uns  die  Ausbeute,  so  herrlich  ist  das  Bildwerk  selbst.  Das 
Moritzhaus  im  Haag  beherbergt  dieses  Meisterstück,  das  aus  den  Jahren  1664 — 1665 
stammt  und  hinsichtlich  des  Formats  eines  der  grSssten  aus  der  Spätzeit  ist. 
Vermag  unsere  einfiirbige  Nachbildung  auch  nicht  viel  mehr  als  den  Kontur  zu 
geben,  fällt  die  überraschende  Farbenwirkung  und  das  berauschende  Bad  von  Licht 
und  Luft  so  ziemlich  weg,  so  kann  doch  jeder  Beschauer,  der  das  Original  nicht 
gesehen  hat,  wohl  mitfühlen,  welche  starke  ErgriflPenheit  den  alternden  König  durch 
das  Saitenspiel  des  jungen  David  gepackt  hält.  Wie  er  mit  dem  Vorhang  die  Tilne 
abwischt  und  David,  selbst  ergriffen,  nicht  zu  dem  Weinenden  aufzuschauen  wagt, 
das  ist  eines  jener  Dokumente  dieses  ^Meisters  der  Seele",  das  zu  seinen  mächtig- 
sten Offenbarungen  gehört. 

Ist  uns  unter  den  Gemälden  Rembrandts  nur  noch  eine  Darstellung  desselben  Motivs 
aus  früheren  Jahren,  etwa  1613,  bekannt,  so  ist  die  Zahl  der  Bilderwerke  von 
Frans  Hals  mit  Darstellungen  musizierender  Menschen  höchst  ergiebig.  Das 
bekannteste  ist  Der  Narr,  auch  »Der  Mann  mit  der  Laute*  genannt  (im  Reichs- 
museum zu  Amsterdam).  In  der  breiten  Pinselführung  und  dem  leuchtenden 
Goldbraun  eines  der  genialsten  Bilder  dieses  grossen  Charakteristikers  gehört  es 
zur  Klasse  der  Genrebilder,  der  eigentlichen  Domäne  der  holländischen  Maler. 
Diesem  Charakter  entsprechen  noch  mehr  die  Singenden  Knaben,  in  der 
Kasseler  Gemäldegalerie.  Prachtvoll  anschaulich  ist  das  Bemühen  der  beiden 
Buben,  ihren  Singsang  in  den  richtigen  Takt  zu  bringen. 

In  Gerard  Terborch  haben  wir  den  Aristokraten  der  nordischen  Renaissance  vor  uns; 
seine  Szenen  spielen  sich  im  Salon  ab.  Die  Laute  ist  das  Lieblingsinstrument 
seiner  Kavaliere  und  seiner  in  Atlas  gekleideten  Damen.  Eine  dieser  eifrig 
übenden  distinguierten  Erscheinungen  ist  die  Lautenspielerin,  ebenfalls  in 
Kassel.  Wundervoll  ist  der  Silberton  auf  dieser  preziösen  Tafel,  kühl  zwar,  aber 
so  leuchtend,  dass  man  die  Bilder  dieses  Künstlers  so  leicht  nicht  verglast. 
Übrigens  haben  wir  sein  excellentes  «Konzert*  (in  Berlin)  unseren  Lesern  früher 
einmal  vermittelt. 

Einen  Schritt  tiefer  ins  Bürgerliche  geht  Jan  Vermeer  van  Delft,  dessen  geniale  Art 
erst  seit  einigen  Jahrzehnten  das  Entzücken  der  Kunstfreunde  geworden  ist.    Im 


:  DIB  MUSIK  V.  24.  '■ 

Geieatatz  su  dem  Helldunkel  Rembrandia  lai  er  der  Maler  dea  flirrenden  Sonnen- 
Ifcbtei.  Auch  er  bevonuct  Interieur-Sienen,  von  denen  der  bfer  voriiecende 
MuBlknnterrlcht  (im  Wlndsor  Castle)  ein  prachtvollea  Beiipiel  IiL  Die  kSat- 
llcben  Farben  des  Orlglnala  kann  nniere  Repradukdon  siebt  vortluacben,  aber 
wer  einmal  einen  Verroeer,  deesen  Oeuvre  nur  etvi  40  Gemilde  umftaat,  (eaebea 
hat,  velaa,  welche  klangvollen  Akkorde  aeln  mondacbelnzartei  Blau,  aeln  reines 
Gelb  und  aein  fefnes  Perlgrau  ergeben. 

Jan  Sieen  iat  neben  Hala  der  Humoriil  der  Holllader;  davon  verilt  seine  ematbafte 
Masikatunde  allerdtnga  nlcbls,  aber  aie  zeifti  data  aucb  dieser  K&natler  der 
Mualk  aebr  nabe  stebt;  ja,  er  war  ein  begeisterter  Musikfreund,  der  aucb  aelbat 
einige  Instrumente  beberrachte,  und  die  Zabl  aeiner  fiedelnden,  blasenden  und 
grOblenden  Gestalten  Ist  hat  unQberaehbar.  Steena  Eigenart  kommt  In  dem  vor- 
liegenden Blatte,  desaen  kleines  und  leider  nicht  gut  erbaltenea  Original  in  der 
Nation algalerie  in  London  aufbewahrt  wird,  nicht  lur  Geltung.  Der  llrmende 
Kirmeston  fehlt.  Aber  auch  aus  dleaem  Bildchen  wird  der  Muaikfrennd  nicht 
ohne  Notiznahme  vorübergeben  kSnneo,  lumal  ihn  der  Bau  dea  Talblklaviers 
und  auch  hier  wieder  die  Vorliebe  des  17.  Jshrbunderla  für  die  Laute  intern 
essleren  muas. 

Unser  Exlibris  scbüesst  am  Qnartalsende,  das  dleamal  das  Ende  des  V.  Jahrganges 
ist,  wie  üblich  den  Rel|en. 


HBCliilruck  Dm'  mit  ■ludrilckElebar  BiUnbnl«  da*  V«rl*aci  («iiiiKL 
Alle  Recbts,  iDabeHDden  du  d«r  DbWMtmot,  mkhiütca. 

iticr  oder  nlcbi  ungtineldaKr  Muatkrlpie,  lUli  Ihan   nloht  (■Bflgead 
Rediklloa  keine  GanoUft    Sclivir  leHtiletae  Miniukrfpte  «ndaa  uifaprOft 
nrflcktcauidL 

Verantvortlicber  Schriftleiter:  Kcpellmeister  Bertihard  Schuster 
Beriin  W.  57,  BQIowstrtsse  107 '- 


•  •  • 


•    ••    • 


FRANS  HALS,  DER  NARR 


FRANS  HALS,  DIE  SINGENDEN  KNABEN 


•  * 


f 


GERARD  TERBORCH,  DIE  LAUTENSPIELERIN 


•"• 


;  '.•  ', 


JAN  VERMEER  VAN  DELFT,  DER  MUSIKUNTERRICHT 


JAN  STEEN,  DIE  MUSIKSTUNDE 


Für  den  20.  Band  der  .MUSIK"  (Heft  19-24  des  V.J«hrg«ng«) 


>o. 


5.  JAHR    HEFT  M 

Zweites  Septemberheft 


Mit  faksjm.  Brief  von  Prof.  Joachim 


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Notizen  gegeben,  wie  wir  sie  besser  neeh  nirgendwo  finde B. 
Dafür,  dass  dieselben  durchaus  sachgemäss  und  kritisch 
behandelt  sind,  bürgt  die  Tatsache,  dass  eine  |ede  vorher 
der  betreifenden  Persönlichkeit  vorgelegen  hat  .  .  .  Blne 
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das  soziale  u.  gesellschaftL  Leben» 

Land  und  Leute. 

Gr.  8^     320  Seiten   auf  imit.  Büttenpapier. 

Vorn.  geb.  M.  4.—,  brosch.  M.  3.20. 
Mit  1 1  ganzseitigen  interessanten  Abbildungen. 

Ans  dem  Inhalt: 

Die  reichste  Stadt  der  Welt.  —  Gentleraen.  — 
The  Temple.  —  The  House  of  Commons.  —  Im 
Wirbelwind  der  Saison.  —  Londoner  Kflnstlerleben. 
—  Unter  Millionären.  —  A  Merry  Christmas  and 
a  Happy  New  Year.  —  Die  Deutschen  in  London. 

Feseelnll.  inetrulKtiv« 

Eine  Reihe  kurzer  plastischer  Bilder,  von  ge- 
schulter   Hand    aus    dem    mächtig    pulsierenden 

Leben  gegriffen. 


Verlag  H.  A.  LUDWIG  DEGENER,  LEIPZIG. 


II 


Unser  u.  Sünserinnen  hohen  stets  durchschloienden 
B  ^  Erfois  mit  Liszts  unQheiinffenen  Liedeni  ^  ^ 

Heue  krltlscte  AduiiIk   *   Jedes  Lied  einzeln  In  3  Stlnunlmien 

Umtllehe  B7  Usdvr  in  Albumformati 

original  in  3  Binden,  le   I   Bind  brosch.  M.  3.50,  geb.  M.  4.S0  n 
hocl]     .  .   3         ,         ,    I      ,  ■  " 

minel  .  .  3        .        .   I      . 
(ief      .  .  3        .        ,    I      , 


3.60,     , 

,    4.50     . 

3.ao.   , 

.    4.50     . 

3.ao,    . 

,    4.50     , 

Llssta  LIedsr  mit  Orch«Bt«P4 


No.  1.  Sligaoiis  Lied,  mittel 

P«itituf  M.  3.--,  Stlrameo  M.  3.— 
„    2.  Es  war  ein  Kfinlg  In  Thule,  mittel 
Pirtitur  M.  3.—,  Stimmen  M.  3.— 
,    7.  Der  FlHcherknabe.  hoch 
.    8.  Der  Hirt     ..... 
.    9.  Der  Alpenjftger .    .     . 

komplett  Part.  M.  4.—,  Stimm.  Abscbrift 


No.  10.  DI«  Lorelei,  hoch 

Pirtituf  M.  3.—,  Stimmen  M.  3.— 
.      10.  Duselbe,  mittel 

Partitur  M.  3.~,  Stimmen  M.  3.— 
,    25.  Die  Vätergruft,  tief 

Partitur  M.  3.—,  Stimmen  M.  3.— 
,    43.  Die  drei  Zigeuner,  mittel 

Partitur  M,  3.—,  Stimmen  M.  6.— 


l 


:  In  allen  flandlungen  -voi-r&tigf  : 


Verlag  von  C.  F.  Kahnt  NachfolgePy  Leipzig 


% 


Bei  dem  KöniglJcben  HoFtbeater 
zu  Wiesbaden  soll  zum  1.  Dezbr. 
1906  die  Stelle  eines 


mit  der  Funktion  eines  »kleine 
Trommelschlägers  zur  Besetzung 
gelangen. 

Bewerber  wollen  ihre  Gesuche 
unter  Beifügung  ihrer  Atteste  und 
des  Lebenslaufes  alsbald  an  die 
unterzeichnete  Intendantur  unter 
dem  Vermerk  .Bewerbutig  um 
die  Orchesterdieoerstelte*  ein* 
reichen. 

Gehalt  nach  Übereinkunft. 

Intendontiu'  der 
Kfinisilchen  Scliousplele. 


-...J 


Im  Oerlage  Sdtiufter  A  loeffler,  Berlin,  erDöien: 

ßiograptüfdtie  Itotizeti 


Über 


ludwig  Dan  Beett)Oüen 

Don 
WtgtltX  und  Ries. 

neudruA  mit  ergänzungen  und  Erläuterungen 

Don 

Dr.  Hlfr.  Qn  Kauften 

0etie(tet  nik.  3-— •    Oebunden  infe-  *•— . 


Urteile  der  Preffe; 

nilgemeine  leltung,  mtin^rti:  Der  DerUnrr  Derlag  Siftulter  d  loeffler 
tiat  flfb  ein  mabres  Dtrdinin  eriDorDtn.  tndrm  er  die  beriiliniten  BiograpJt^lCfbfn 
notizrn  über  Beetbooen  Don  roegeler  nnd  Ries,  dte  Kaam  me^r  zu  erhalten  waren. 
In  einem  (eftr  gefibmadiooll  und  leitgetreu  ausgeOatteten  nendrndi  mit  bc^t^D 
dankensmerten  Crgäniungen  und  Crlänternngen  uon  Dr.  nitt  Cbr.  Kaliftber  heraus« 
gegeben  bat.  beransgeber  nnd  Oerleger  konnten  gar  keine  glttdill(bere  Ider  baben, 
als  dlefes  alte  Standard  mork  der  Beetbonen^forfdiung  mieder  ingängliib  zu  madEien. 

leipziger  Cageblatt:  leb  empfeble  das  mabrbaft  klafdfibc  inbaltsreidye 
Bnib«  in  freundlidi)  neuem,  damaliger  2eit  angepaltem  Bemande,  atlen  mufikern 
nnd  munkfteunden  aufs  märmHe. 

Rbeinlfibeinntik^undCbeaterzeitnng:  ber  ftifdie ron  der Sd)ttderung, 
die  reibt  lebbaft  iD  und  M%  von  eibter  BegelDerung  und  t)erebrung  zeugt,  wird 
iedem  fteunde  Beetbonens  und  feiner  Runfl  eine  laterelfante  lektiire  bilden;  für 
leden  mebr  eingemeibten  aber  ift  diefer  tleudrudi  eine  mlUkommene  0elegenbeit,  0d9 
das  unentbebrUibe  lt)erk(btn  nunmebr  fUr  ein  paar  mark  zulegen  zu  können. 


Ourcti  )ede  Buctiliandlung  zu  htzit^ml 


IV 


\ 


-»E      ?    _- 


^ 


UlIO  wClJCri  Rttnst«6eigenbau 

Berlii  £.  IS*  Kaiserstr.  39/40 


Spfiialität: 


ErsikUsside  meistergeiden, 

Bratrd[)cn  und  Ccllis 

naib  den  akustifdiiea  Prinstpitn 
der  alten  ItaUenKdE^fn  meister 

«  «  (Dr.  eroiimmi  Ckforl«)  «  « 

DletBc  critftlasiiifi  Mflfttriflgfi  sind  ^n»  der  (»croor« 
ragndsm  ttallcals4icBin(tstrr  nl^t  onr  glrtOnKrtlg,  soBtfrrn  ttber* 
trefren  dteselben  sosar.  eine  grosie  fluatol  KanttUr,  tfte  wX^t 
lutTnmentt  von  mir  ttmotbent  Haben  mir  dies  anf  arnnd  per* 
genomiiieiier  Konliarreaiproninoen  anfi  neoe  befuitut  Oteibeittgl. 
Unerkcnanngen  können  in  mein.  Iltelter  lederiett  eingesehen  oerden. 


DMcnitff  Cirntlf. 


frH$mt  kottnfrci. 


lefrn  Sie  gefl.  die  Brofr&flre: 

,JI«ht%urt  Ut  JlUtt  NNd  Vieles  Spiele«  wirk- 
HA  de«  Co«  N«a  die  Jl«$pr«d)e  der  flelae?*' 

eine  ketierlfibe  Studie  non 

$««.-R«t  Dr.  m«  6ro$$«i««N. 

Derlag:  Berlii  Ol-,  Bal^nstrasse  25. 


Melier  Terltg  you  Mes  d  Erler  io  BertiB, 

Soeben    erschienen   und  erscheinen    demnächst: 

Johannes  Doetikr.  Der  klierlelirllDg. 

Ein    dramatisches  Capriccio   nach   Goethe   von 
Hermann     Erler    und   Johann    Doebber. 

Klavlerauazufl  mit  Text  Mk.  10.—  no. 

irnoll  leodelssok  ..Paria". 

FQr  Chor,  Solo  und  Orchester. 

Klavierautzug  mit  Text  Mk.  10  —  no. 

BansFfilm.  Das  Chnst-Elfleio. 

Weibnachtsmirchen     von     Ilse    von     Stach. 

Klavlerattszug  mit  Text  Mk.  10.~  no. 

Bemlianl  toeoliageiL  3  ElaTierstficke. 

Op.  10.    No.  1.  Notturno.  No.  2.  Mazurka. 
No.  3.  Gavotte  Capriee. 

k  Mk.  2.50. 


Josef  Rheinbepgep. 

s=s3ss=  Vokalwerke.    a= 
(Fortsetzung    von    Seite    VII    der    ersten    Inserate). 

Op.   164.      D«r   Stern    von    lletli« 
lehem.     Eine   WcihnachtÄ-KantaU' 
für  gemischten   ('hör.     Soll   (Soprun 
und  Bass)  und  Orchester  Ofler  Pinno- 
forto.    Gedicht   von   F.  v<  HoffnjuLss. 
Text  deutsch  u.  engl.     Neue  AiLSRube. 
Orchesterpartitur     nj).     Mk.     15.-  . 
OrcheHterstimmen     iio.    Mk.    15.-  . 
Klavlerau8zug  no.  Mk.  4.60.  Die  vier 
Chorntimmen  (ä  Mk.  1.—)  Mk.  4.  -. 
Textbuch  (10.  Aufl.)   no.  Mk.  —.10. 
Op.  179.    Hymnus,    an    die   Tt»n- 
knnat.    Gedicht /von  H.  Lingg-    Für 
Mftnnerchor  mit  ^Blasinstrumenten  u- 
Pauken  oder  Piarioforte. 
Partitur   mit  ^unterlegtem   Klavier- 
auszug Mk.  8.'  -.    Orchesterstimmen 
Mk.   5.  -,      Ohorstimmeu    Mk.   1.--. 
Op.  185.  Siebent  eharakterlnAlscbe 
Oesl&nir*>  ffiT  vier  Männerstimmen. 
No.  1.   Die/Waldros«.  (Pctierer.)  Part, 
u.    Stirnnv    Mk.   1  75.     No.   2.     Citt 
mor«  mit./  ((Jeibel.)    Part.  u.  Stimm. 
Mk.  1.    /  NO.  8.    Zugvögel.  (HosÄus.) 
Part,   u/  Stimm.    Mk.   1.50.     No.  4. 
Maeresftille.  (Hosäus  )  Part.  u.  Stimm. 
Mk.   V.    .    No.  5.    Singvtfglein    ting. 
(nosijfus.)    Part.  u.  Stimm.  Mk.  1.   -. 
No.  f).    Nach  der  Trauer.   (Hosüus.) 
Part.    u.   Stimm.    Mk.   1.     .    No.   7. 
Gtttib  NaobL   ((ieibel.)  Part.  u.  Stimm. 
MkJ.  1.-  . 
Tranen njirfifreiiianir.    Text  nach  P.  B. 
Für  gem- Chor.  Part.  u. Stimm.  Mk.l.-  -. 
VorwÄrt«!    Gedicht  von  Remy.    Für 
Kännerchor.  Für  das  500  jähr.  Jubiläum 
derUniversität  Heidelberg  komponiert. 
Partitur  u.  Stimmen  Mk.  2.—. 

Verlag   von   Rob.  Forkerg  in  Leipzig. 


i 


Ulolinscliale 

ID  Frankfurt  a.  H.,  FiRMKrointr.  2li. 

Leiter:  Hugo  Kortschak. 

ftglM  ies  «iiM  iüBlen  am  1.  Septeialiiif. 


Vollständige  Ausbildung  nach  Methode  Sevcik. 

Spezialkurse   für   Anfänger    unter   Leitung    des 

Herrn  Rudolf  Milewsky. 

Nebenfächer:    Kammermusik,  Theorie,  Klavier, 

Pädagogik. 

Prospekt  kostenlos. 


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Berlin  SW.  GegrQndet  1850.  Bernburcerser.  9Sa. 

Hanpttelirar :  Mtdame  BUneht  OorelU,  Frau  Lydia  Holte,  Frau  Prof.  Salsa  Nleklata-KeBpotr,  Aana  Wtllaar, 
Eagen  Brieger,  Dr.  Paul  Brnni- Molar,  Alozandor  Hoinenaiin,  NleolaBi  Bothatthl,  köntgl.  Kammersänger,  Wladytlav 
SoMOBana,  8.  KUbaufcy. 

II.  Bortraa,  Theodor  BoUnaaa.  Sovoria  BUoBbor|or,  «tathor  FroadOBborl,  BottMod  Balotoa,  Braao 
Bortatovikt,  Braot  Hoffitmoier,  Bnrao  Blaio-BoUihold,  Professor  Harttn  Eraaio,  Baau  Eool^  Pmressor  Jaaos 
Ewaoi,  Frioda  Kwait-Hodapp,  Grossherzogl.  Kammervirtuosin,  Dr.  Paal  Lntionko,  Professor  B,  A.  Papeadloki 
BOftaT  Pohl,  Professor  Philipp  B&for,  A.  Bohmldt-Badokow.  Th.  Sohlahorlor,  Professor  A.  Soraaan,  Professor 
B.  B.  Tanbort,  Otto  Toft,  königl.  Musikdirektor  W.  Harrioro-WlpporB«  Boh.  Bioin,  llartha  laataa,  Clara  Kraaoo, 
Pool  Oohliohligor,  Brnit  Oiiko. 

Profiesser  Bnota?  HoUaoBdor,  Alfrod  Wittonborg,  Konzertmeister  Frtti  Ardayl,  Konzertmeister  Haz 
Brfiaborgf  die  kOnigi.  Kammermusiker  Willy  Nieklag  und  Walter  BaBpoimaan,  ■aorioo  Booon,  H.  BottBob-lforoB, 
W.  Krtteh,  Blas  ■odeni,  Clara  Sohvarti,  Brnvo  Siegel  usw.  (Violine);  Jooeph  Halkla,  Bagea  Baadow,  kSaigl. 
Kammermusiker  (Cello);  Bernhard  Irrgaag,  königl.  Musikdirektor  (Oi;gel);  Carl  ESapf  (Harmonium);  Fr.  Pooatta, 
königl.  Kammervirtuose  (Harfe);  Hr.  Oantoloa  (clirom.  Harfe);  Kapellmeister  Professor  Arno  ElofU,  Haas  PStsaor. 
Professor  Philipp  Bfifbr,  Professor  B.  B.  Tanbort,  WBhoIm  Blatte.  F.  Beyer,  Arthnr  Wtllner  (Harmonielehre, 
Komposition);  Dr.  Leopold  Sohmldt  (Musikgeschlclite) ;  Sga.  Dr.  Captnoohl  (Italleniscli);  Dr.  med.  B.  Llwonborg 
(Physiologie  der  Stimme)   usw.  usw. 

EapoUBOliterfOhnlo:  Kapellmeiater  Baao  PStiner,  Professor  Amo  ElOffbL 

Choriehnlo:  Professor  Amo  EleflU,  PrÜBaTlita:  H.  Bottttob-Keroa. 

Orohoftonohnlo:  Professor  BnataY  Hellaeader,  BottUob-Boren« 

Blieoroehnlo:  Die  königl.  Kammermusiker  Boeoslor  (Fldte),  BnadCkM  (Oboe),  BaBBOh  (Klsrinette),  KooUor 
(Fagott),  Ltttmann  (Hom),  Eooalgiborg  (Trompete),  »*"ff'«!ig  (Kontrabass). 

KaauaonnVBik:  Professor  lamoi  Ewaet,  Bagea  Saadow,  kgl.  Kammermusiker,  BoitaT  BoflAo  (Bliser-Ensemble). 

Bonünar  flir  die  Ausbildung  zum  Lehrberuf:  Leiter:  Professor  B.  A.  Fapondtok«  Paal  Beyer  (Klavier); 
WUly  BleklBg  (Violine),  W.  SoldoinaaB  (Gesang). 

für  Kinder  vom  6.  Jahre  an. 
Inspektor:  Gustav  Pshl. 

SehaaiplOlSohnlo;    Leiter:  Professor  Lee  Frledrloh;    Rezitation:  Bagoa  Alba.  ^ 

OpenieohBiy:''CgifgP!'Hirft^4y**  BothaShli  königl.  Kammersinger;  Psrtieen-  und  Ensemblestudium ;  Professor 
Arno  Eleffel,  Kapellmeister  Felix  pSiUbJ^^I^^^^'"^'''^^  ''  ^toal;    Correpetitlon :   Kapellmeister  MaX  Both. 

Sonderkano  ffir  HsrmonieIebre^Kä)Sii£^"°'^'*  '^"^^  ^^^  Komposition  bei  Wilhelm  Blatte. 

Sosdorkareo  Ober  Lltoratargee^ehte^cr^^^*^  ^^  MiuXki  Musikschriftsteller  J.  0.  Lniitlg. 

Beginn  des  Schuljahres  I.  amtAnhAr  w..  ^  mmersemesters  1.  AprfL  Btntrltt  Jedonelt.  Prospekte  und 
Jahresberichte  kostenfrei  direh  d J  sSRÜ", .V'  ^!L,5^^>^1 1  - 1  Uhr. 


Elementar-KlaYier-  and  Yiolinsehale 


durch  das  Sekretariat.    Sprechzcl> 


\rir  g  iiwKiavi^rschule 

des  Stern'schen  Konsef^***""'"™* 

Technikmethode  nach  A    K    it'!-«!«?. 
Berlin  W.,  Potsd.merstr.  115«.  Direk  or^Vr^l«^  «"»*»^  OoUae.der. 


Konzert-Direktion  Hermanilt,Wolff 


Saal  ledKieifl:  äor;''^ÄTLÄ/v^ii  /,V"'"-=a«  BekiemüehV? S.ip.M.  oS:; 

Gertrud  Flgcher-Maretrtl  /cfs  T*   ^  nw     l";  Sept :  fteorg  YollerthnA     Okt.  •"  Leonore 
W«lliiiir  <r.«r ?   d  ^5.     V  '      i  ^^-  °'""  P*nl  GoIdschmWt  (Kl.)    3^ 
wallner  (Ges.)    4.  Okt.:   Irene  Schnsn  (Viol.)  u.  Rieh.  Gloyen  (Gm.)  V. 

PhUh.  Fr.ue7:VereiM     2  o";  ^5r    H^r»"«^  ^T  "*»  ^'«*«-  "•  W.ise„7\   Jbei»  (Ges.) 
4.  Okt.:  Theodor  BohlL?»'  (K^rmT.'o^'hSte'!'"  ^°"^    ''  °'''-'  ^"""^  »*•      " 

27   Sept.:  BUsabet  Krau- Bewert  (Ges.)    29.  Sept.:  Dr.  Alfrei    .    HtoB«' 


♦ 


Consematoire  de  Wuiique  de  Beneve  " 


71.  Scliillatr  —  1400  SchllH  —  60  Lahnr 


ö 


Otto  Bublui,  Joasph  Iiaabe^  RarmoDd,  Pabiikf 


~    iroldl 


MuieP^nth  6i3ourg«i)l5-Font«iD  iu,:6ov«t,CherlcIJlBii-CnarTar. 

QuUlomot,  Thfirlncer,  Obiuevaiit,  Kuni.  IiaTster  naw. 
UBtorrioMaMabari    Thnric   der    Mmlt,    PUmxotTIt,   Solfttc   Su- 

Jh-Ienr,  JmpnivlHIlon.  HinnDnle,  Kooiposliloa  u.  iDilrumcntdlonilebFC, 
olo- u.  Charteimg,  Pltiio.Orrel.  Violine,  Vlalancell.ainilfchclmOrcheiler 
Dbircbir  IntaameaK,  Enunible,  Quitieil-Orchcitcripicl.  Obunpa  Im 
SIfciilllchcn  Voitrit,  Ceuhlchit   der    Muilk    u.   dnniitlKhcr   Untcrrlehl. 

ElNtrHtiiT.ScpKDbcr.  AMtnahm«prBI*nBiiO'.ii'.iZ- Sepien  ber. 

Anmclduac  lu  dlcKT  Prurune  nüBdllch  oder  ichrtnilch  vom  31.  Auguil 
hli  7.  September  Im  Koniervilorliimitunau.  Proapikle  und  Lchrtr- 
-    .       .  -        ..  .  „,,j    Diraktir. 


U-. 


■M  Nmmmtr  liigl  rm  l^mftU  Htr  nnhigtHiulrltn  „MaBlk- 
lastMlt  ma  Charlottoabuig"  M.  Di*  AUrllmif  drr 
iUhttrkImu»  t-rht  hrrv-rragiMilr  Namia  a-/ (Julim  LitbaH  Jtr  Oftr.  Cf^g 
ii-gil  für  K„«Mtrlgf.^Hf,  Dramalirg  Dr.  Ken-t  /kr  Stiauifitl.  tV™  MmriHa 
für  Klfvirr.  Piv/istiir  Mirliail  Prtu  Jär  VMiH,.  Jm/  J'nii  /Wr  rMoHallf, 
l-ro/iiiBr  E.  Kftnkamfg  /mt  KümfoiitiiTH  u.a.m.)  U  dtr  Atltiliag  Jär  Haus- 
m«,U,  iml^raUrl  am  miUlm  dir  .  lfMfrn./iU,rtHr  ärr  Har/t  al,  //<.».- 
UtIrmmnI.  da  in  dtr  Wrigtitckm  chriamalUchiH  Ifar/r  m/lii^/i  ti«  tit-u  HaugiW^r. 
mit    tUliga    lattrumiHt   ditirr    CaUoHg  gliehaßr-    itl.     titrr   da,   Stmlnar.    dit 


A.  Riecher?. 
zu  verkaufen.  A.  Flottmann, 
Osaabriiok,  Canaanderiattr.  47d. 


Diesem  Heft 
liegen  bei:  a 

Titel  und  Inhalt  für  das 
4.  Quartal  des  V.  Jahrgang 

(Band  20) 

Register   der  Kunstbeilagen 
des  V.  Jahrgangs  der  MUSIK 

i>  und  8aehpagl«1«r  folgt  in  einem 
der  nlchsten  Hefte. 


Soeben  erschien  die 


EinMdecke 


fOr   das  4.  Quartal 

des  V.  Jahrangs 
s  Preis:  I  Mark.  = 


lEHIIIllElIIEl 


.11  beitrebt,  durch  »llde, 
kuUnn  ond  Khnelle  Be- 
dlcDunt    Ihren    KuBden- 

Erlelcbnninc  der  An- 
•cbiffuDi  werdes  Bfail- 
IMn  Talluhhirwan  Is  der 
HShe  dei  10.  Tcllei  da 
Kiurprelse*  elnierlaml. 
VoUrtlad.  Linar  O  AIKn 
ntwt)  tun.  o  Faaliliitaltg 


Koiiervitonmi  tlr  miulK  im 
Ittvitadt  aiAtrütardt 

(Suitllcti  konieialoaicne  Aniuli) 

litiniiH  lo  Hin  Inlitii  Ir 
lBlt.ilBdil.llinLSdiiii«lil 

^=  Fr«qu*ni  W  ScMUir  ^= 
EInMH  jadaruH  —  31  Lahrirlll* 

llUnlilttRIlBltRsw. 

MiminHlfni  1S.  w.  nii 

Praipakt  u.  Jahraibar,  gnt «,  Sekratari«! 
Anmeld.  tlgl,  I.  Koniarvatorium  (Saalbau) 
□er  Direktor:    Ph.  Bad«. 


Richard  Fisctier 

Konzert-  und  Oratorien-Tenor 

Frankfurt  a.  Main 

Corneliusstrasse  No.  13. 
Konzertdir.  Herrn.  Wolff 


Konzertsängerin 
Sopran-Mezzosopran 

Ale  in  in  gen    (Thüringen) 
H«l«it«nati«kafl  B. 


Amelia  Thyllfiri 


Berlin  -  Charlottenburg, 
Cauerstrasse  31. 


Schioeizerisches  Concert-Burenu  Bosel 

Inaiiniinti  ni  ttmtittD  *  IhMdi  lenominiin  Rliulln  *  Inlttliiigii  m  EuigiitiitL 


Adotf  Qöttmann 


Lehrer  fflr  gesangliche  und  sprachliche  Tonfaildung.  Stinunkorrekturen 

VollstHndige  stilistische  Ausbildung  Für  den  Opern-  und  Konzertges«ng. 
Berlin  W.     Bülowstrasse  85  a.    Sprechstunde:  Wochentags  3 — 5. 


Paul  Joh.  Haase 

Konzert-  u.  Oratorien- 
Singer  (Basa-Bariton) 

Lehrer  der  Tonbildung 

nach  MOlter-Brunow 

Berlin  W. 

KurfüralenstraBse  113 


Erich  Hollaender 

Cellist 

Berlin  W.  35 

Potsdamerstr.  115a>i 
Cello-Unterricht.    Lehreram 
Stern  sehen    Konservatorium. 


Bariin,  Abonnemenlskouerle 

Im  Sut  der 

Singakademie.    (8.  Salion.) 

Waldemar  Heyer- Qnartett. 

Prof.  WKideiDBT  H«yer,  I.  Viol. 
Hki  Heln«ck«,  II.  Violine. 
Bartholli  Helme.  Viola. 
Albrecbt  LOfler,  Violoncello. 


»Ir  htaifildlrflitl»  Her 
Wnia,  Brrlln  W.  Xrt  , 
KCi«<iinikh<  Lrltiie  d»  T 
ninrMerer-aiinrlettii,! 

W.  SO,  Kyirhliiaenir.  10. 


Kontert,  Oratorini 

KaMe: 


Erikii  Besserer, 

liDlMrtigtln 
Berlin  W., 

Steglitzerstr.   28'^- 


Karl  Götz 

Konzertbariton 

MANNHEIM 

Werderstrasse  3. 
Vertretung: 

[nDiwslatalii  (DitB  lanifdu) 

BeplinW.,Gentblnerstr.ig. 


DelPerugiaSehmidl 
Handolinen 

MandMen 

P     Lauten      ■ 
Guilappen  ^ 
aiirkiiit  dli  ktste  Marke 

(mir  eobC, 
imui  mit  OHglnil-UnlirKOrlfl 

f.  J)el  Perugia). 
■    Allein-Debuet  ■■ 

r  ror  die  ganze  Veit  "Vfl 

G.  Schmidl  i  Co.,  Triest 

(Oesterrelcta). 

bliioBi  uratli.  o  UsilstB  Bidianung, 
WltJtrNrkMTtr  tttadii. 


0.  Hlöckel 

Geigenbauer 

BERLIN  SW.                             CHARLOTTENBURG 
Kochatr.  7.                                                 Uhlaoilair.  I«3. 
Gegrandet  1869. 


|UtKi||is|tranntc 
jH,       -    - 


\  rb  OrBh*iUr,SBhiiIa  o.  Haaa. 


11  l 

°l  I 

JdI.  Itlm.  ikniii,  Ulpilg. 


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In  einfacbiten  bia  hlnaten  Qualltltee  empflehlt 

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Steinway  &  Jons 

New-York  —  London 
Hamburg 


St.  Pauli,  Schanzenstrasse  20—24. 


Nbubb  Pitnino-Moiiell  5 
■.  1230.—  neHo. 


Hof-  Pianoforfefabrikanfen 


Sr.  U^eatat  des  Deutsohen  EeiaerB  und  EÖDigs  von  FreusBon, 
8r.  Uajestat  des  Eaiaera  von  Österreich  lud  Königs  von  Ungant. 
6r.  Majestät  des  EaUers  von  Bussland. 
Sr.  Uajestat  des  EÖDiga  Eduard  von  EngUod. 
Ihrer  Majestät  der  Königin  Alexandra  tod  England. 
Sr.  Uajest&t  des  Schah  von  Fersien. 
Sr,  Majestät  des  Königs  von  Ssahsen, 
Sr.  MajesUt  des  Königs  von  Italien. 
Ihrer  MajesUt  der  Eöuigin-Begentln  von  Spanien. 
Sr.  Majestät  des  Königs  von  Schweden  und  Norwegen. 
8r.  Majestät  des  Sultans  der  Türkei, 
eto.  eto.  eto. 

Nach  oielner  MdnnDt  kommi  weder  in  Amerik*  noch  in  Europa  ein  andere«  FabiikRt  Ihren  vonOsUchen 
Enentniuen  in  irücnd  dner  der  hervomEendeo  Eigenschihen  nihe,  welche  sie  dem  KOnitler  und  Pablikum  gleich  weit 
michen.    Auf  alle  Fllk  iai  Ihr  Fabrikat  jetzt  in  meinen  Augen  dH  ideale  Produkt  unseres  Zeitaltera.        Eugwi  Ü'AlberL 

Ea  macht  mir  ein  gant  aaMcrordenillches  Vergnagen,  Ihnen  selbst  lu  ssnen,  daaa  meine  Verehrang  and 
Bewunderung  tOt  die  unabertroffene  Schönheit  dea  Tone«,  die  Vollendung  des  Mechanlamna  und  die  wirklich  wunder- 
bare Dauerhaftigkeit  unbegrenzt  sind. 

14.  Mal  1001.  Tarnt  Cu-raBe. 

Meine  Freude  Ober  die  FOllc,  die  Macht,  die  Ideale  Schönheit  des  Tones  und  die  Vollkommenheit  der  Spiel- 
art Ihrer  Klaviere  lat  unbegrenn.  I.  J.  PadSrawlkL 

Bei  einer  tadellosen  Klavistur,  einer  phystkallach  denkbarst  richtigen  Konstruktion,  vereinen  Ihre  FlOgel  Im 
Klange  die  Kraft,  die  Weichheit  und  die  Brillanz,  sowie  die  llngste  Tondsuer,  und  sie  ermöglichen  die  grössie  Ver- 
schiedenheit der  Anschlagsanen.  FtrruDcIs  BbiürL 

Ihre  unvergielchlkheD  lastrameate  elid  ao  hock  Dber  alle  Kritik  erhaben,  dass  Ihnen  sogar  Jedes  Loh 
llchirlleh  enchelnen  muss  Sett  ÜMttr.