Google
This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct
to make the world's books discoverablc online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe.
Äbout Google Book Search
Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web
at|http: //books. google .com/l
Google
IJber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nu tzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen
unter Umständen helfen.
+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Über Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen.
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter|http: //books . google .coiril durchsuchen.
-iY-
DIEMUSIK
ILLUSTRIERTE HALBMONATSSCHRIFT
HERAUSGEGEBEN VON KAPELLMEISTER
BERNHARD SCHUSTER
FÜNFTER JAHRGANG
VIERTER QUARTALSBAND
BAND XX
VERLEGT BEI SCHUSTER & LOEFFLER
BERLIN UND LEIPZIG
Muse
0)1
f '
/
/ ■
DIEMUSIK
VERZEICHNIS DER KUNSTBEILAGEN
DES FÜNFTEN JAHRGANGS (1905—1906)
Notenbeilagen :
Jobann Sebastian Bacb, Präludium und Fuge in g-moll. No. 16 aus dem zweiten
Teil des Wohltemperierten Klaviers.
— Suite III (Original C-dur) für Violine solo nach den Suiten für Violoncell bearbeitet
von Ferdinand David.
Ludwig van Beethoven, Finale des nach seiner E-dur-Klaviersonate op. 14, No 1
bearbeiteten F-dur Streich-Quartetts.
Constanz Berneker, Vorspiel zum zweiten Teil und Arie für Alt aus der Krönungs-
kantate ,,Herr, der König freuet sich in Deiner Kraft^.
Franz Liszt, Der ursprüngliche, bisher unveröffentlichte Schluss der zweiten Ballade
(h-moll) für Pianoforte.
Wolfgang Amadeus Mozart, Lied beim Auszug in das Feld.
— Vier Sitze aus den 5 Divertimenti für 2 Klarinetten und Fagott. Übertragung für
Klarinette (oder Violine) und Klavier.
— Zwei Fragmente (bisher unveröffentlicht).
Carl Nielsen, Symphonische Suite für Pianoforte (II. Satz) op. 8.
Robert Schumann, Canon für vier Männerstimmen. Zu op. 65 Ritomelle gehörig.
Abt Vogler, Aus dem Gewitter in «Lampedo**.
Autographen in Faksimile:
Johann Sebastian Bach, Anfang der Michaelis-Kantate „Es erhub sich ein Streit.**
^ Ein Gedicht an seine Braut.
Ludwig van Beethoven, Anfang des Terzetts »Euch werde Lohn in bessern Welten*
aus der ersten Bearbeitung des Fidelio.
— Blatt aus einem Skizzenbuche.
Georg Ben da,. Erste Partiturseite der „Ariadne auf Naxos**.
Michael Haydn, Invaliden-Lied.
Franz Liszt, Ein Brief.
— Das Lied „Ach! was ist Leben doch so schwer!"
— Seite eines Noten-Manuskriptes.
König Ludwig I. von Bayern, Gedicht „An Mozart**.
Wolfgang Amadeus Mozart, Anfang des „Veilchens**.
Hans Sachs, Notenschrift: Der „kurze Ton**.
Robert Schumann, Brief an Richard PohL
— Skizzenblatt zu den „Haus- und Lebensregeln**.
Richard Wagner, Brief an die Fürstin Sayn-Wittgenstein.
— Korrekturseite aus seinem Handexemplar vom »Ring**: Erster Druck für Freunde 1853:
Carl Maria von Weber, Brief an Friedrich Rochlitz.
— Eine Seite aus seinem Tagebuche mit den Freischütz-Einnahmen.
— Skizzen zu den „Drei Pintos**.
— Nachkomponierte Preghiera zum „Oberon**.
Caroline von Weber, Ein Brief.
Kunst :
N. Aronson, Beethoven-Büste (drei Blatt).
Sandro Botticelli, Die Madonna mit den singenden Engeln.
A. Bovy, Liszt-Medaillon.
Hugo L. Braune, Aus der Tristan-Mappe.
1593581
Nepomuk de la Croce, Die Familie Mozart.
J. Danhauser, Liszt am Klavier.
Karl Adolf Donndorf, Das Bach-Denkmal in Eisenach.
Hubert und Jan van Eyk, Die singenden Engel am Genter Altar.
— Die musizierenden Engel am Genter Altar.
E. Farago, Richard Strauss.
E. Fechner, Clara Wieck.
C. Gu6rin, Jean Jacques Rousseau.
Wilhelm Hagen, Mozart-Büste.
Frans Hals, Der Narr.
— Die singenden Knaben.
Max Harrach, Don Juan- Allegorie.
Hubert Herkomer, Porträt von Richard Wagner.
Georg Kolbe, Bach-Büste.
Gustav Landgrebe, Mozart Statuette.
Robert L6on, Medaillonportrit von Guido Adler.
RafaSl Mengs, Die Mutter Carl Marias von Weber.
Adolph von Menzel, Porträt von Beethoven.
Moreau Lejeune, Sechs Stiche zu Rousseaus „Pygmalion*.
A. Müller, Porträt von Johann Sebastian Bach.
E. Pf leiderer, Brahms-Relief.
Rembrandt, David vor Saul spielend.
Hanna Richter, Liszt-Büste.
Ludwig Richter, Weihnachtsbild.
F. Rumpf, Porträt von Carl Maria von Weber.
Ferdinand Schimon, Porträt von Carl Maria von Weber.
Julius Schnorr von Carolsfeld, Porträt von Beethoven.
Ludwig Schwanthaler, Das Mozart-Denkmal in Salzburg.
Moriz von Schwind, Fidelio.
— Szenische Darstellungen zum „Fidelio*.
Carl Seffner, Bach-Büste.
~- Mozart-Büste.
Karl Ferd. Sohn, Porträt von Clara Schumann.
Franz Stassen, Aus der Tristan-Mappe.
Jan Steen, Die Musikstunde.
Gerard Terborch, Die Lautenspielerin.
Hans Thoma, Siegfried.
— Wotan.
Jan Vermeer van Delft, Der Musikunterricht.
Heinrich Wad^r^, Marmor-Relief des Ehepaares Rheinberger.
Porträts :
Gräfin Marie d'Agoult.
Eugen d'Albert.
Johann Georg Albrechtsberger.
Anton Arensky (in seinem Arbeltsximmer).
Johann Ambrosius Bach.
Johann Sebastian Bach nechCHaatemann.
— nach G. Haassmann.
— Dach Schlick. ^
— nach A. Lemoine.
Wilhelm Friedemann Bach.
Philipp Emanuel Bach.
Georg Benda.
Constanz Berneker.
Joseph Böhm mit Noteoachrirt.
Johann Christian Brandes.
August Bungert.
Jenny Bürde-Ney.
Carl Cannabich.
Franz Danzi.
Felicien David mit Namenszuc.
L6o Delibes.
Felix Draeseke.
Friedrich Wilhelm Gotter.
Eduard August Grell.
Johann Michael Haydn.
Fanny HenseL
Franz von Holstein mit Namenaznt.
Joseph Joachim.
Louis Köhler.
Karl Lautenschläger.
Franz Liszt (zwei JugeodbüdnlMe).
— (am Dirlgentenpult).
— nach W. Ktiübach.
— BACh Kriehuber.
— auh Leprince.
— nach S. Mittag.
— aaob einer ilteren Photi^rapbie.
— (Im Alter).
— in aelnem Velmarer Heim.
Franz Liszts Mutter.
Gustav Mahler.
Maria Malibran.
Mathilde de Marchesi.
Adolph Bernhard Marx.
Arnold Mendelssohn.
Rosa von Milde.
Pauline Anna Milder-Hauptmann.
Wolfgang AmadeusMozartnacbT.Biood.
— nacb Job. Boalo.
— nacb einer Lltbograpble.
Edgar Munzinger.
Christian Gottlob Neefe.
Carl Nielsen.
Ludwig Nohl.
Robert Radecke.
Felix vom Rath.
Josef Rheinberger.
— Im Alter von 14 Jabren.
Joseph August Roeckel (twel Blldalaae).
Camille Saint-Saens.
Emil Scaria mit Namenazug.
Karl Franz Emil Schafhäutl.
Nanette Schechner-Waagen.
Otto Schelper.
Gustav Schoenaich.
Wilhelmine Schröder-Devrient
Robert Schumann im 21. u. 40. Lebenajabre.
— nacb J. N. Heinemann.
— nacb E. Kaiser.
— nacb J. J. B. Laurena.
Anton Schweitzer.
Isidor Seiss.
Sophie Friederike Seyler.
Abt Vogler.
Paul Graf von Waldersee.
Carl Maria von Weber mit Namenezug.
— nach Zoelner.
— nacb Jfigel.
— nacb Knabig.
Joseph Miroslav Weber.
Joseph Weigl.
Peter von Winter.
Fürstin Caroline von Sayn-
Wittgenstein als Mldcben u. Im Alter.
Karl Friedrich Zoellner.
Gruppenbilder :
Bayreuther Bühnenfestspiele 1906:
Martha Lelfler-Burckard (Kundry) und Alois Hadwiger (Parsifal).
Marie Wittich (Isolde) und Dr. Alfred von Bary (Tristan).
Katharina Fleischer - Edel (Sieglinde), Peter Cornelius (Siegmund) und Allan
Hinckley (Hagen).
Berühmte Darstellerinnen des Fidelio:
Wilhelmine Schröder-Devrient, Luise Koester-Schlegel, Marianne Brandt
Georgine Januschofsky, Anna Sachse-Hofmeister, Fanny Moran-Olden.
Katharina Klafisky, Lilli Lehmann«
Eine Matinee bei Liszt:
Beriioz, Czemy, Ernst, Kriehuber, Liszt.
Robert und Clara Schumann am Klavier.
Robert und Clara Schuman nach E. Kaiser.
Die Söhne von Robert Schumann:
Ludwig Schumann, Ferdinand Schumann, Felix Schumann.
Zu Robert Schumanns Freundeskreis:
Gottlob Wiedebein, Theodor Töpken, Ernst Adolf Becker.
Henriette Voigt, Amalie Rieffei, Anna Robena Laidlaw.
Zum 42. Tonkünstlerfest des Allg. Deutschen Musikvereins, Essen:
Georg Heinrich Witte, Otto Neitzel, Hugo Kann.
Rudolf Siegel, Hermann Bischoff, Walter Braunfels, Richard Mors.
Das Münchener Streichquartett: Theodor Kilian, Georg Knauer, Ludwig Vollnhals,
Heinrich Kiefer.
Das Essener Streichquartett: Alexander Kosman, Paul Lehmann, Philipp Neeter,
Ferdinand Anger.
Heinrich und Therese Vogl als Tristan und Isolde.
Richard und Siegfried Wagner.
Verschiedenes:
Huldigungsblatt für Bach von Augustin Carlini.
Bach-Denkmal in Köthen.
Bach-Denkmal in Leipzig.
Bachs Geburtshaus in Eisenach.
Bach-Herme am Denkmal Friedrichs des Grossen in der Berliner Siegesallee.
Der Stammbaum der Familie Bach.
Johann Sebastian Bach in seinem Leipziger Wirkungskreise.
Bachs Wirkungsstätten:
Die neue Kirche in Arnstadt. Die St. Blasiuskirche in Mühlhausen.
Esther Charlotte Brandes als Ariadne auf Naxos.
Das Sterbehaus F^licien Davids in Saint Germain-en-Laye.
Das neue Glinka-Denkmal in St. Petersburg.
Karl Hill als Alberich.
Zur Bühnen- und Konzertreform:
Inneres der Kirche S. Annunziata in Florenz; Inneres der Kirche S.
Trinitä in Florenz; Kleiner Saal des Konzertpalais in Kopenhagen.
Skizze zu einer Anlage für verdecktes Orchester von Jean Girette;
Plan der staffeiförmigen Anordnung der Orchesterpodien im Dessauer
Hoftheaterorchester; die staffeiförmige Anordnung der Orchester-
podien im Dessauer Hoftheaterorchester; Plan des Prosceniums und
der verdeckten Orchesteranlage des im Bau begriffenen Charlotten-
burger Schillertheaters.
Entwürfe zu einem Theater am Gendarmenmarkt in Berlin von Karl
Friedrich Schinkel (zwei Blatt); Grundriss des projektierten Münchner
Festbaus von Gottfried Semper für König Ludwig II.
Holzmodell des Theaters von Herculanum; das antike Theater von
Orange; Teatro Greco in Pompeji; Teatro Olimpico in Vicenza.
Inneres des Festspielhauses in Bayreuth; Inneres des Prinzregenten-
theaters in München.
Franz Liszts Geburtshaus in Raidlng.
Entwurf zu einem Liszt-Denkmal für Weimar.
Liszt-Karikatur: Im Konzertsaal.
Pariser Liszt-Karikatur.
Medaillon mit den Porträts Franz Liszts und Rosas von Milde.
Die Totenmaske von Franz Liszt.
Wohnstätten Franz Liszts:
Letzte Wohnstätte in Wien (Schottenhof) 1886; Wohnhaus in Genf 1835—1836.
Der neue Mozart-Brunnen in Wien.
Mozarts Grab auf dem St. Marxer Friedhof in Wien.
Huldigungsblatt für Mozart von A. H. Payne.
Das Mozart-Medaillonrelief aus dem Jahre 1788.
Die Komische Oper in Berlin.
Das Geburtshaus Josef Rheinbergers in Vaduz.
Titelblatt zu Hans Sachsens Wittenbergiseher Nachtigall.
KaiserL Königl. Schauspielhaus an der Wien.
Das neue Nürnberger Stadttheater.
Theaterzettel der ersten Don Juan-Aufführung in Leipzig.
Thomaskirche und Thomasschule in Leipzig zur Zeit Bachs.
Die Thomaskirche in Leipzig in heutiger Gestalt.
Tristan und Isolde. Fresko in der Burg Runkelstein.
Tristans Tod. Fresko im Frauengemach der Burg Runkelstein.
König Marke tötet Tristan. Nach einer Handschrift des 15. Jahrh.
Eine Wagner-Karikatur zur Uraufführung der Meistersinger in München.
Das Geburtshaus Carl Marias von Weber in Eutin; Webers Wohnung in
Klein- Hosterwitz.
INHALT
Seite
V^olfgang Golther, Zur Entstehung von Richard Wagners Tristan 3
C. Fr. Glasenapp, Richard Wagners Briefe an Freiherrn von Lüttichau . . . . 17. 147. 231
Georg Mfinzer, Hans Sachs als MusilLer 31
Neue Wagner-Literatur 36
Dr. Gustav Altmann, Das 42. TonkOnstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins
in Essen 47
Leopold Schmidt, Robert Schumann 75
F. Gustav Jansen, Aus Robert Schumanns Schulzeit 83
G. N oren -Herz her g, Robert Schumann als Musikschriftsteller 100
Hermann Erler, Ein ungedruckter Kanon fOr vier Minnerstimmen und sechs ungedruckte
musikalische Haus- und Lebensregeln Robert Schumanns 107
F. Gustav Jansen, Ein unbekannter Brief von Robert Schumann .110
Dr. Richard Hohenemser, Clara Wieck-Schumann als Komponistin 113. 160
Conrad Ramrath, Das Schumann-Fest in Bonn (22.-24. Mai 1006) 127
Dr. Gustav Altmann, Ober Robert Schumanns Krankheit 130
Neue Schumann-Literatur ...*.. 134
Prof. Otto Schmid, Johann Michael Haydn (f zu Salzburg am 10. August 1806) . . . 159
Paul Hirsch, Ein unbekanntes Lied von W. A. Mozart 164
Jodocus Perger, Aus Josef Rheinbergers Leben und Schaffen. Nach persönlichen Er-
innerungen sowie nach bis jetzt unveröffentlichten Dokumenten . . . . « 203. 308. 376
Ernst Otto Nodnagel, ConsUnz Bemeker (f am 9. Juni 1906) 222
Dr. Carl Hagemann, Bayreuth 1906 244
»
J. G. Prod'homme, F61icien Davids Reise nach Deutschland (1845). Ungedruckte Briefe 275
Dr. Maximilian Runze, Carl Loewe und die Vogelwelt 295. 353
Dr. Victor Lederer, Musikdramatische Festspiele bei den alten Barden. Eine historische
Skizze 347
A. von Ende, Die Musik der amerikanischen Neger 368
Eugen Gura, Erinnerungen aus meinem Leben 390
Bernard Scharlitt, Das Musikfest in Salzburg (14.— 20. August 1906) 395
Besprechungen (BQcher und Musikalien) 36. 134. 174. 248. 324. 397
Revue der Revueen 53. 179. 253. 329. 406
Umschau . . . 56. 1 82. 257. 33 1 . 412
Anmerkungen 71. 139. 200. 272. 344. 415
BrflDD . . .
Cobujf . . .
Frankfurt ■. M.
Gotha . . .
Aachen . . .
Amaterdam
Antwerpen
Baden-Baden
Baltimore . .
Boiton . . .
Braunsctaweig
Bremen . . .
Bromberg . .
BrOaael . . .
Clnclnnatl
Cobure . . .
Darmnadt . .
Deaaau . . .
Dortmund . .
INHALT
Kritik (Oper)
Seile
KOIn 60. 187. 263
Leipzig 168
MOncben ISS
NQmberg ISO
Kritik (Konzeit)
Sdie
Erfurt 63
Flenaburg 267
Freiburg i. B 267
GleascD 267
GftrHiz 193
Gotha 337
Graz 64
Halle a. S 64
Hannover 65
Jena 338
Jobaaneiburg 195
Kaaael 65
Klei 195. 268
KKIn 270
Königsberg 1. P. . . . . 196
UIpzig 196
London 197
Sdn
Paria 263
Rio Grande do Sul . . .334
Straaaburg 264
Wdmar 264
Siltt
LObeck 198
Luzem IM
Mainz 65. 199
Mancbeater 66
Neuenburg 66
Pari« 339
Prag 68
Rio Grande do Sul . . .271
Schwerin 69
Speyer 340
Stockholm 341
TepilU-ScbOoau .... 69
Tatnguu 271
VIesbaden 69
Torma 70
Zwlckan 342
NAMEN- UND
SACHREGISTER
ZUM III. QUARTALSBAND7DES^FÜNFTEN
JAHRGANGS DE.R MUSIK (1905/6)
Abendroth, Irene, 418.
Abendroth, Mix, 181.
Abendroth, Kpm., 254.
Abt, Elisabeth, 184. 198. 413.
Ackt«, ATno, 70. 71. 121. 273.
Adam, Adolphe, 184.
Adrian, Lotte, 201.
Affemi, Ugo, 71.
d*Agoult, Gräan, 43. 44. 07.
136 (Bild).
Alabieff, Alexander, 420.
Albert v. Monaco, FOrst, 188.
d' Albert, Eugen, 32. 67. 68. 71.
120. 122. 128. 120. 131. 165.
184. 202. 205. 276. 280. 347.
348. 395. 417.
Albrecht, Markgraf v. Branden-
burg, 400.
Alexander, Grossherzog v.
Sachsen -Weimar - Eisenach,
181.
V. Alitisz, Alexander, 384. 385.
Althof 382.
Altmann-Kuntz, Margarete, 278.
Altschuler, Modest, 203.
Alvarez (Sänger) 273.
Amati, Nicolaus, 394.
Ambros, A. W., 183. 384.
Ancona (Singer) 133.
Andersen, H. Chr., 30. 124. 342.
Andersen, Joachim, 200.
Andersen, Wilhelm, 160.
Andersen, Frau (Sängerin), 256.
Andrae, Harald, 196.
Andr«, Johann, 302. 384.
Andres, Edeltraut, 415.
Ang6 de Lassus, Lucien, 186.
Angove, Ivy, 68.
Ankenbrank (Sänger) 423.
Anselmi (Sänger) 66.
Ansorge, Conrad, 205.
Anton, Max, 413.
Apel, Job. Aug., 321.
Arctowska, Jane, 68.
Arensky, Anton, 68. 70. 134,
421.
Arger, Jane, 127.
Armbrust, Walter, 127.
Arndt, E. M., 179.
V. Arnim, Achim, 312.
V. Arnim, Bettina, 253.
Arnoldson, Sigrid, 66. 189.
Arntzen, Antoinette, 395.
Aronson, N., 424.
d'Artelli, Regina, 196.
Aschaffenburg, Alice, 351.
Auber, D. F. E., 184. 187. 188.
341. 349. 376.
V. Auer, Leopold, 131. 201.
Aulin, Tor, 202.
Austin, Frederick, 132.
Auzende (Komponist) 133.
Bach, Job. Seb., 12. 35. 57. 63.
67. 68. 70. 75. 80. 81. 84.
85. 86. 88. 89. 98. 129. 141.
142. 144. 148. 150. 152. 153.
156. 169. 172. 195. 198. 199.
201. 277. 278. 315. 345. 346.
350. 395. 396. 410. 417. 418.
419. 420. 422.
Bach, J. Chr., 198.
Bach, Otto, 386.
Bach- Verein (Leipzig) 420.
Back, Bürgermeister, 278.
Backhaus, Wilhelm, 133. 199.
200.
Baggesen, Jens, 334. 388.
Ballet, Adeline, 126.
Balakirew, Mili, 106.
Ballio, Anna, 127.
Bändel, Theodore, 69.
Bandrowski, Alexander, 186.
Banasch, Richard, 185.
Banger Nachf. 207.
Barbaja (Impresario) 22. 288.
Barbier, Jules, 416.
Barcewicz, Stanislaw, 201.
Barck, Cornelius, 119.
Bardazewska 172.
Bärmann, H. J., 299. 318.
Bamay, Lola, 206.
Bartei, Lucile, 133.
Bartram, Robert, 65. 414.
Barzewitsch, Stephan, 134.
Bassermann, Florence, 113.
Bassermann, Fritz, 113.
Bassi (Sänger) 186.
Batka, Richard, 114. 191. 248
249. 252. 347.
Battistini (Sänger) 66.
Batz, Reinhold, 415.
Bau berger, Alfred, 191.
Bauer, Louis, 419.
Bauer, Paula, 192.
Baumbach, Rudolf, 179.
Beaumarchais, Pierre Augustin,
116. 117. 274.
Bechsteio, C, 394.
Becht, Ella, 200.
Becker, Hugo, 349. 409.
Becker, Reinhold, 129.
Beckmann, Gustav, 154. 213.
Beeg, George, 118.
van Beethoven, Johann, 355.
366. 367.
van Beethoven, Karl, 362. 364.
366. 368.
van Beethoven, Ludwig, 12. 15.
20. 22. 24. 49. 50. 67. 68.
70. 71. 98. 104. 125. 126.
127. 128. 129. 130. 131. 133.
134. 135. 136. 194. 195. 196.
197. 198. 199. 200. 201. 202.
204. 205. 206. 207. 212. 256.
262. 276. 279. 289. 312. 313.
315. 319. 322. 330. 342. 349.
351. 355 ff (14 bzw. 15 un-
gedruckte Briefe B.*s). 373.
378. 388. 392. 396. 397. 417.
418. 421. 422. 424 (Bilder).
Behm, Eduard, 205.
Behn6e, Harriet, 423.
Behr, Hermann, 417.
Beidler, Franz, 134.
Beier, Franz, 65. 414.
Beines, C, 200.
Beines, Martha, 194. 419.
de Bellaille (Pianistin) 22.
Bellini, Vincenzo, 122.
Bellwidt, Emma, 194.
Bender, Paul, 191.
Benedikt, J., 376. 390.
Berard, Helene, 70.
Berber, Felix, 201.
B6r61, Paul, 188.
Berger, Albrecht, 415.
Berger, Wilhelm, 200.
Bergman, Gustav, 205.
Berliner Madrigal -Vereinigung
205.
Berliner Musikalien- Druckerei
393.
Berliner Vokalquartett 417.
Berlioz, Hector, 4. 5. 6. 56. 65.
70. 71.96.98. 133. 135. 194.
198. 199. 202. 203. 207. 212.
fl
NAMENREGISTER
250. 276. 284. 312. 349. 396.
417. 421. 422.
Berneker, Constaotin, 131.
de Berry, Herzogin, 16. 17.
Berthold (Kammermusiker) 64.
Berton 414.
Bertram, Theodor, 116. 195.
Berwald, Franz, 419.
V. Beyer, Dr., 361. 362.
Beyle, L6on, 123.
Bibl, Rudolf, 115.
Kgl. Bibliothek {Berlin) 396.
Kgl. Bibliothek (Breslau) 396.
Kgl. Bibliothek (Jena) 396.
Bie, Oskar, 417.
V. Biegeleben 41.
Bigot de Morogues, Marie, 356.
Birrenkoven, Willy, 415.
BischofT, Hermann, 260.
Bischoir, Johannes, 347.
V. Bismarck, Otto, 247.
Bizet, Genevi&ve, 188.
Bizet, Georges, 114. 131. 187.
188. 279. 416.
Bizet, Jacques, 188.
BJOmton, BjOmsteme, 350. 408.
Blahetka, Leopoldine, 21.
Blank, Viktoria, 181.
V. Blankensee, Graf Karl, 335.
Blanquart 277.
Blass, Robert, 412.
Blech, Leo, 204. 347. 413.
Kgl. Blindenanstalt (Steglitz)
394.
BlOchlinger 365. 366.
Blockx, Jan, 185.
Blumenfeld, Felix, 134.
Biathner, Julius, 113. 394.
Boccherini, Luigi, 325.
V. Boehe, Arthur, 212.
Boehm, Adolf P., 419.
Boehm-van Endert, Elisabeth,
419.
Boeiy, A. P. F., 150.
BoCllmann, L6on, 150.
Boepple, Paul, 180. 420.
Böhm, Anna, 127.
Böhm, Julius, 114.
Bohn, Emil, 104.
Bolto, Arrigo, 186.
Boieldieu, F. A., 185. 341.
Bolz, Oskar, 348.
Bondi, Georg, 45.
Bonnemaison (Musik vertag) 23.
Bopp, W., 351.
Bopp-Glaser, Auguste, 68.
Borchard, Adolphe, 133.
V. Bordeaux, Herzog, 17.
le Borne, Fernand, 132.
Boronat, Olympia, 66.
V. Bortkiewicz, Sergei, 127. 205.
Borullau, Alft^, 416.
van Bos, Coenrad, 68. 197. 204.
Bossi, Enrico, 192. 201. 207.
Bosetti, Hermine, 191. 198.
Bosquet (Pianist) 128.
Bote & Bock 393.
Boucherit, Jules, 200.
Bouman, Anton, 115.
Bouvet (Sanger) 188. 189.
Bovy, A., 72.
Braham, John, 352.
Brahms, Johannes, 38. 67. 68.
69. 71. 112. 113. 125. 126.
131. 133. 134. 170. 194. 196.
197. 198. 199.200. 201.202.
203. 204. 205. 206. 207. 208.
(Bild). 249. 275. 277. 278.
279. 341. 346. 349. 396. 397.
410. 417. 418. 422. 423.
Brahms-Gesellschaft, Deutsche,
346.
Bram Eidering 70. 130. 131.
418.
Brandenberger, Ernst, 194.
Brandes, Friedrich, 129.
Brandes, Helene, 120.
Brandt, Karoline, 283. 318. 319.
320.
Brandt, G. A., 154.
Braunfels, Walter, 280.
Brause, Hermann, 126. 203.
Brehme (Singer) 20.
Breitenfeld, M., 273.
Breitenfeld, Richard, 65.
Breithaupt, Rud. M., 95.
Breitkopf & Hftrtel 15. 31. 47.
48. 56. 95. 97. 344 (Mit-
teilungen No. 85). 356. 357.
358. 360. 384. 386. 393.
Brema, Marie, 127. 128.
V. Brenner, Genofeva, 313.
Brentano^ Clemens, 312.
Brentano, Maximiliana, 370. 371.
Bret, Gustav, 153.
Breuer 334.
Breuer, Hans, 274.
Breuster (Eisenstadt) 19.
Br^val, Lucienne, 273. 276.
Briesemeister, Otto, 195.
Brinkmann, Rudolf, 120.
Brockhaus, F. A., 399.
Brode, Max, 131.
Brodersen, Anne Marie, 158.
Brombaro (Sftnger) 66.
Bromberger, David, 70.
Bruch, Max, 68. 134. 417.
Bruch, Wilhelm, 422.
Brflckler, Hugo, 106.
Brückner, Anton, 130. 134. 198.
199. 202. 204. 205. 206. 207.
212. 236. 249. 422.
Brucks, Otto, 114.
Bruneau, Alfred, 127.349.
Brunetti, Therese, 319.
Brflnner, Marianne, 69.
Branner, Steffi, 69.
van der Bruyn 417.
Buf« 125.
Buff-Hedinger, Emilie, 206.
Buchholz & Diebel 386.
Bflcbmann, Georg, 382.
Buisson (Singerin) 71.
V. Baiow, Hans, 31. 45. 51. 56.
102. 103.
Bflnte, Charles, 69.
Burchard, Gustav, 409.
BQrde-Ney, Jenny, 208 (Bild).
Burg-Zimmermann 192.
Bürger, G. A., 382 fr (B.s
.Lenore* in der Musik). 390.
401.
Burgstaller, Alois, 412.
Burmester, Willy, 128. 131. 192.
200. 201. 202. 204. 205.
Burrian, Carl, 131. 181. 184.
198.
Busoni, Ferruccio, 32. 127. 133.
207. 396.
V. Bylandt-Rheydt, Reichsgraf
Wilhelm, 181.
Byron, Lord, 97. 370.
Caballero, M. F., 64.
Cabisius, Arno, 181.
CicUienverein (Kopenhagen) 4 1 9.
Cahier, Mme., 66. 71. 416.
Cahnbley - Hinken, TiUy, 417.
419.
Cahn-Poft 351.
de Camondo, Isaac, 273.
Capoul, Victor, 273.
Cari6n, Friedrich, 351.
Carii et Co. 299.
Carr6, Marguerite, 189.
Carr6, Michel, 348.
Carrefio, Teresa, 32. 67. 132.
197. 198. 205. 395.
Caruso, Enrico, 122. 412.
Carvalho 188.
Casals, Pablo, 70. 128. 278.
Casella, Komponist, 277.
Cassirer, Fritz, 116.
Castelli, Ignaz, 334. 387.
Cavalieri, Lina, 66. 186.
Cavaill6-CoU, Aristide, 78. 86.
88. 139. 140. 141. 143. 144.
145.
Chalmin (Singer) 188. 189.
Chantavoine, Jean, 18.
Charrier, Alice, 126.
Chassang, Marthe, 189.
du Chastein (Pianist) 128.
Chausson, Emeste, 134. 422.
Chauvet, Ch. A., 150.
Chemet, Rente, 130.
Cherubini, Luigi, 71. 201. 206.
224.
Chessin, Alexander, 421.
Chestakoff, Ludmilla, 115.
Chevillard, Camille, 132. 133.
V. Ch6zy, Helmina, 288. 289.
322.
NAMENREGISTER
III
Chodakowakl (Oberregisseur) 67.
416.
Choisy, Frank, 158.
Chopin, Frederic, 36. 38. 60. 71.
08. 00. 135. 160. 108. 312.
376. 306. 307. 410.
Cboudena, Paul, 188.
Christian IX., König, 200.
Christianaen, Binar, 158.
Cicero, Marcua Tulliua, 283.
Cimaroaa, Domenico, 341.
Clemens (Maurermeister) 113.
Clement (Sänger) 180.
Clement!, Muzio, 21.
Clericus, Paul, 201.
Closaon, Emest, 168.
Coates, John, 104.
Cohen, Msgr., 410.
Collin, Paul, 188.
Colonne, Edouard, 71. 132. 133.
103. 277.
Concordia (Essener Minnerge-
sangverein) 214.
Conrat, Ilse, 208.
Conrat, Hugo Johannes, 115.
Conried, Heinrich, 122. 123.
412.
Cornelius, Peter, 56. 60. 115.
120. 183. 185. 106. 108. 202.
204. 284. 341. 413.
Cornelius, Peter (Singer), 185.
Cortot, Alfred, 60. 200.
Cossmann, Bernhard, 58.
Courvoisier, Walter, 262. 417.
Cowen, F. H. 132. 108.
Cramer, Joh. Bapt, 21.
Crickboom, Matthieu, 128.
dela Cruz-FrOlich, Louis, 70. 71.
Culp, Julia, 68. 133.
de Cussy, Chev. Ferd., 335.
Czemy, Carl, 15. 20. 20.
Dallier (Organist) 153.
Damroscb, Frank, 422.
Danhauser, Josef, 136.
Danielson, Gerda, 60.
Danzi, Franz, 316. 317. 301.
David, Ferdinand, 166.
DavidofT, Carl, 58. 106.
Davies, Fanny, 132.
Debussy, Claude, 123. 130. 133.
204. 340.
Dechert, Hugo, 70. 204.
Decker, Jakob, 120.
Decsey, Ernst, 252.
Degen, Franz, 102.
Dehmlow, Hertha, 120.
Dehn, Otto, 113.
Delibes, L«o, 341. 416.
Delius, Frederik, 280.
Delmas, J. Fr., 273. 274.
Demelius, Margarete, 386.
Demellier (Singerin) 124.
Demmler, Carl, 120.
Demuth, Leopold, 202.
Dennery, Mathilde, 415.
Dessa (Singer) 124.
Dessoir, Max, 102.
Destinn, Emmy, 127. 184.
DIabelli, Anton, 24. 363.
Dickenson, Mary, 126.
Di6mer, Louis, 277.
Diener, Fritz, 413.
Dierich, Karl, 68. 105.
Dietrich, Karl, 184. 418.
Dietrich, Marie, 117.
Dietz, Johanna, 70. 131. 104.
100.
Dietz, M., 348.
Ditfurth 383.
V. Dittersdorf, Frhr. Karl, 341.
Doebber, Johannes, 70.
Doenges, Paula, 347.
Doepper-Fischer, Karoline, 107.
Doering, Ciaire, 120.
DOhler, Theodor, 20.
V. Dohnanyi, Ernst, 71. 200. 400.
410. 423.
Dohrn, Georg, 417.
Doli, Emmy, 127.
Dolores, Antonla, 107.
Doninger, Lina, 110.
Donizetti, GaCtano, 122. 341.
DOrflfel, Alfired, 47.
Dorner (Dirigent) 423.
Dorr6, Thea, 412. 415.
Dotzauer, Friedrich, 58.
Drachmann, Holger, 150.
Draeseke, Felix, 56.
Drieberg, Kammerherr, 318.
Dröscher, Georg, 117.
Dubois, Theodore, 153.
Dulong, Henri, 131.
Dulong, Magda, 131.
Dumas, Alexandre, 136 (Bild).
Duncan, Isadora, 71.
Dupuis, Sylvain, 65. 128.
Durand, Ed., 150. 151.
Durand-Schott (Verleger) 151.
DQrer, Albrecht, 142.
V. Dusch, Alexander, 317. 321.
300.
DQwell, Werner, 60.
DvoHk, Anton, 60. 71. 126. 108.
200. 422.
van Dyck, Ernst, 186. 277.
Dygas (Singer) 67. 416.
Eames, Emma, 412.
Eberlein, Gustav, 180.
Eberwein, Carl, 385.
Eck, Hermann, 102.
Eck & Co. 44.
Eckermann, J. P., 288.
Eckman, Ida, 270.
Eckschllger, August, 333.
Edger, Louis, 60.
Egidi, Arthur, 154.
Ehlers, Paul, 251. 252.
Ehrhard, Ed., 413.
Eichberger, Walther, 413.
Eichler, Hanns, 348.
Eilenberg, Richard, 303.
Eisenberger, Severin, 120.
Eisner, Bruno, 133.
Ekeblad, Marie, 117.
Eliot, George, 136.
Engelen (Regisseur) 65.
Engelmann, Th. W., 113.
Englerth, Gabriele, 102.
Enna, August, 342.
Epp, R., 108.
Erard, S6bastien, 35. 400.
Erb, M. Jos., 270.
Erckert, C, 131.
Erckmann-Chatrian 123.
Erdmann -Jesnitzer, Friedrich,
400.
Erianger, Camille, 123 (»Aphro-
dite". UraufTflhrung in Paris).
124. 277.
Frier, Clara, 68.
Ernst, H. W., 68. 108.
Ernst- Ludwig, Landgraf v.
Hessen- Darmstadt, 308.
Essener Frauenchor 213.
Essener Musikverein 212.
Essener Quartett 213.
Esterhazy, Fürst, 15.
Ethofer, Rosa, 126.
Ettelt, O., 70.
Eugen, Prinz v. WOrttemberg,
316.
Ewald, Otto, 115.
van Eweyk, Arthur, 106. 205.
206.
Fabricius, Jacob, 410.
Fajt (Eisenstadt) 10.
Faliero-Dalcroze, Nina, 100.
Faltin, Richard, 115.
Farrar, Geraldine, 186. 187. 180.
274.
Faur6, Gabriel, 133. 153. 277.
Fauth, Albert, 204.
Fay, Amy, 31.
Federlin 208.
Fein, Antoine, 113.
Felix, Bened., 274.
Fenten, Willy, 351.
Ferdinand, Grossherzog v. Tos-
cana, 208. 200.
Fesca, F. E., 313.
F6tis, F. J., 56. 06.
Feuillard, L. R., 58.
Fiblch, Zdenko, 417.
Fiebiger, Erna, 185.
Fiedler, Max, 130.
Fiedler, Oskar, 110.
Fiegner (Singer) 66.
Field, John, 08.
Finck, Henry T., 168. 160.
346.
Finger (Singerin) 416.
Fink, G. W., 318.
I^
IV
NAMENREGISTER
Finkenstein, Jettka, 417.
Fischer, A., 310.
Fisclier, Jenny, 110.
Fischer, Richard, 125. 417.
FIscher-Zeitz 131.
Fiteiberg, Georg, 124. 423.
Fitger, Arthur, 117.
FUdnitzer, Luise» 348.
Flatau, Dr., 254.
Flaubert, Gustave, 123.
Fleisch, Prof., 276.
Fleischer, Oskar, 306.
Fleischer-Edel, Katharina, 126.
Flesch, Carl, 171.
Flemming, Dr., 310.
Flockenhaus, Ewald« 104.
Flohr, Hubert, 351.
Floresco, Silvio, 68.
FlOring, D., 408.
T. Flotow, Frhr. Friedrich, 122.
341. 412.
V. FOdransperg, Nellie, 127.
Foerstel, Ludwig, 68.
Foerster, Anton, 418.
Forchhammer, E]nar, 64. 65.
184.
la Forge, Frank, 205.
Forkel, Joh. Nikol., 312.
Förster, Charles, 277.
Förster, Friedrich, 335. 380.
Förster, J. B., 421.
Förster, Karl, 300.
Förster -Lauterer, Hertha, 274.
275.
V. Fossard, Alfred, 100.
Franck, C6sar, 84. 128. 133.
140. 150. 153. 180. 103. 108.
200. 205.
Fraenkel (Sängerin) 416.
Francillo - Kaulfmann, Hedwig,
305.
Franke, Fr. Wilh., 154. 351.
Franz, Robert, 08.
Franz Josef I., Kaiser, 181.
Fremstad, Olive, 412.
Freudenberg, Gflnther, 60.
Frich6, Ciaire, 123.
Fried, Oskar, 125.
Friedberg, Carl, 135.
Friedlaender, Max, 113. 346.
306.
Friedmann, Ignaz, 133.
Friedrich der Grosse 306.
Friedrich, Herzog von Anhalt,
64. 181.
Friedrich August L, König von
Sachsen, 310.
Friedrich Wilhelm, Prinz von
Preussen, 302.
Friedrich Wilhelm IV., König,
371.
Frischen, Josef, 70.
Fritsch, Grete, 60.
Frodl, Dirigent, 270.
Fröhlich, Alftvd, 120.
Fröhlich, Franz Joseph, 206. 207.
208. 300. 301.
Fromm, Mathilde, 205.
Fuchs, Albert, 120.
Fuchs, Kpm., 10.
Fuchs (Eisenstadt) 10.
V. Fulda, Adam, 300.
Füller Maitland, J. A., 105.
Funger, Max, 120.
Gabrilowitsch, Ossip, 71. 124.
205.
Gade, Niels W., 157. 200.
Gadski, Johanna, 205.
Gafurius, Franchinus, 300.
Galfy, Hermine, 60.
Galkin, Nikolaus, 410.
Galston, Gottfried, 205.
Galvany de Tejada, Maria, 66.
Gftnsbacher, Joh. B., 207. 200.
317. 300.
Ganz, Rudolph, 128.
Garcia, Manuel, 166.
Garden, Mary, 123.
Gareis, Josef, 121.
Gast, Peter, 167.
Gaston, Luddy, 110.
Gatty,Nicholas,122(9Greysteel'.
Uraufföhrung in Sheffield).
Gatty, R., 122.
Gausche, Hermann, 100.
Gauthier, Th6ophile, 31.
G6dalge (Komponist) 133.
Gehlhar & Co. 303.
Gehrer, Gisela, 101.
Geis, Josef, 101.
Geist, W., 278.
Gelinek, Josef, 330.
Geller- Wolter, Luise, 131. 105.
Genast, Emilie, 51.
Gentili, A., 424.
Genossenschaft Deutscher Ton-
setzer 181.
Gentner, Karl, 120. 273.
Gentz, A., 126.
Gerber, E. L., 325.
Gerhardt, Paul, 108. 408.
Gericke, Wilhelm, 180. 203.
Gern (Bassist) 335.
V. Gerstenberg, H. W., 380.
Gessner 184.
Gevaert, F. A., 168. 260.
Geyer, Stefi, 202.
Gigout, Eugftne, 80. 82. 146.
140. 150. 151.
Gille 43.
Glaser (Cellist) 120.
Glass, Louis, 200. 257. 280.
Glassbrenner, Adolf, 53.
Glazounow, Alexander, 131. 106.
203. 421. 433.
V. Glehn, Alflred, 114. 127.
Glinka, Michael, 115. 124.
Gluck, Chr. W., 10. 40. 102 ff
(Nochmals G.'s Ouvertflre zu
«Paris und Helena**). 135.
160. 184. 301. 370.
Godowsky, Leopold, 32. 205.
Goethe, Wolfgang, 7.' 8. 44.
55. 08. 126. 160. 170. 247.
288. 200. 320. 358. 350.
360.
Goethe, Frau Rath, 253.
Goette, Eduard, 60.
Goetz, Hermann, 117. 135. 341.
347.
Goetze, C, 304.
Goetze, Elisabeth, 60.
Goetze, Marie, 184. 105.
Goetzel, Anselm, 101.
Göhler, Georg, 131.
Goldenweiser, S., 421.
Goldmark, Karl, 122. 101.
Goldoni, Carlo, 118. 110. 100.
Göllerich, August, 31. 05. 06.
07. 202. 384.
Gonzenbach, C, 72.
Goritz, Otto, 412.
Gorski, Ladislas, 200.
Gorter, Nina, 411.
Göttmann, Adolf, 302.
Gounod, Charles, 121. 108.270.
416.
Grabert, Martin, 125. 127.
de Gramont, Louis, 123.
Graue, Emmy, 108.
Graupner, Christoph, 308.
Grawert, Martin, 180. 203.
Gregor, Hans, 272.
Gr6try, A. E. M., 203. 341.
Grieg, Edvard, 67. 150. 168. 160.
171. 200. 204. 350. 422.
Grillparzer, Franz, 280.
Grimm, Heinrich, 108.
Grimm, J. O., 203.
Grisi (Konzertmeister) 200.
Grombczewski, A., 185.
Grondona, Emma, 120.
Grosch (Singer) 418.
Gross, Rudolf, 102.
Grotrian-Steinweg Nf. 304.
Grove, George, 332.
Grumbacher de Jong, Jeannette,
105. 106. 100. 205.
GrQnfeld, Alfired, 306.
Grflnfeld, Heinrich, 68.
Grflning, Wilhelm, 117.
Grflnwald, Joseflne, 1 10.
Grunzow (Singerin) 412.
Gruseln, Fritz, 185.
Grflters, August, 276.
Grfltzmacher, Friedrich, 64. 130.
131. 108. 418.
Guarnerius, Jos., 304.
Gubitz, Friedr. Wilh., 310. 334.
• 335. 388. 380. 300.
Guidi (Impresario) 66.
Guilmant, Alexandre, 70. 80. 82.
NAMENREGISTER
84. 130. 147. 140. 150. 151.
152. 153. 108.
Gulbnmson, Ellen, 200.
GundUch, Georg, 60.
Gunsbourg, Raoul, 65. 186. 187.
188. 180.
Günther, A., 105.
Gflnther, Martha, 418.
Gura, Hermann, 126. 204. 348.
350.
Gflnenich-Quartett 130. 240.
Guthell-Schoder, Marie, 101.274.
Gutzmann, Dr., 182.
Haagen, Hans, 182.
Haakon, König, 64.
de Haan - Manifarges, Pauline,
420.
Haas, Fritz, 278.
Haas (Verleger) 384.
Hacke, Heinrich, 303.
Hickel, Fritz, 351.
Hackenberger, Oskar, 204.
Hadley, H., 422.
Hagemann, Carl; 114.240.261.
416.
Hagen, Adolf, 418.
Hagin, Heinrich, 102.
Hahn, Hermann, 72.
Hahn, Reynaldo, 133. 276.
Hlhnel, Otto, 408.
Haindl, August, 422.
V. Haken, Max, 120.
Halir, Carl, 204.
Hall, Mary, 120.
Hall«-Orchester 107.
Hamann, Hugo, 201.
Hamelle (Verleger) 152. 153.
Hamm, A., 270.
Hammer (Dirigent) 240. 252.
Hammerstein, Oskar, 122. 123.
Händel, Georg Friedrich, 57. 105.
151. 106. 100. 200. 203. 204.
213. 351. 306. 421. 422.
Hansen, Christian, 60. 110.
Hansen, Wilhelm, 158.
Hanslick, Eduard, 183. 415.
Härder, Knud, 208.
Harlacher, August, 348.
Hartmann, Ludwig, 352.
V. Hartmann, Hofrat, 208. 200.
301.
Haslinger, Carl, 47. 48. 51.
Haslinger, Tobias, 47. 371. 372.
Hasse, Joh. Ad., 57.
Hasselmann, Direktor 278.
Hassler, Hans Leo, 104.
Hauff, Wilhelm, 170.
Hang, Friedrich, 301.
Hauptmann, Moritz, 166.
V. Hausegger, Siegmund, 63. 70.
114. 130. 207. 275.
V. Haxthausen, William, 110.
Haydn, Joseph, 10. 20. 24. 26.
67. 68. 71. 105. 125. 135.
172. 204. 213. 315. 342. 374.
376. 307.
Haydn, Michael, 314. 315.
Haydter, Alexander, 274.
Hayot-Quartett 133.
Hebbel, Friedrich, 127. 206.
Hecklng. Lilli, 423.
Heermann, Emil, 340.
Heermann, Hugo, 340. 400.
Hegar, Friedrich, 112. 113. 164ff
(F. H.). 270. 350. 302. 410.
418. 420.
Hegel, G. F. W., 53.
Hehemann, Max, 240. 250. 251.
Heilbut, Emil, 424.
Heine, Heinrich, 31. 170.
Heinemann, Alexander, 68. 125.
105. 201.
Heinrich, Max, 107.
Heinrichshofen, Adalbert, 64.
Heise, Peter, 348.
Hekking, Anton, 107. 202.
Heibig, Laura, 133.
Hell, Theodor, 337.
Heller, Am6Iy, 108.
Heller, Ludwig, 185.
Heller, Stephen, 408.
Hellers Konservatorium 304.
Helstedt, Gustav, 410.
Hempel, Frida, 205. 351.
Henikstein & Co. 368.
Henke, Waldemar, 120.
Henrichsen, Roger, 410.
Henschen, F., 120.
Hensel-Schweitzer, Elsa, 65. 273.
Henselt, Adolf, 36.
Herder, Joh. Gottfr., 332. 382.
383.
Hering, Richard, 100.
Herliczka, Josa, 106. 201.
Hermes, Renata, 350.
Herold, Wilhelm, 116.
Herper, Frieda, 414.
Hermann, Daniel, 278.
Herrmann, David, 133.
Herrmann, Gustav, 131.
Herrmann, Karl, 201.
Herrmann, W., 108.
Hertz, Alfred, 412.
Hertz, Edmund, 133. 277.
Herbert, Victor, 180.
Herwegh, Georg, 43. 44.
Herzog, Emilie, 105.
V. Herzogenberg, Heinrich, 170.
Hess, Ludwig, 67. 204. 205. 207.
417.
Hesse, Ad. Friedr., 76. 151.
Hesse, Helene, 412.
Hesse, Max, 102.
Heuberger, Richard, 118. 416.
Heuser, Karl, 64. 420.
Heuschkel, J. P., 314.
Heydrich, H., 135.
Hiedler, Ida, 417.
HIelscher, Hans, 417.
Hiemer (Librettist) 3 1 6. 3 1 7. 333.
380.
Hildebrand, Adolf, 208.
Hildebrand (Arehitekt) 113.
Hilgermann, Laura, 274.
Hill, Karl, 208 (Bild).
Hiller, Job. Adam, 341. 413.
Himmelstoss, Richard, 417.
Hindermann, A., 278.
Hinrichsen, Henri, 63.
Hinze-Reinhold, Bruno, 68.
V. Hochberg, Graf, 68. 113. 125.
Höcker, Robert, 303.
Hoeberg, Georg, 257. 280.
Hofmann, Friedrich (Architekt),
256.
Hoftnann, Julius, 64. 416.
Hofmann (Eisenstadt) 10.
Hoffmann, Baptist, 117. 105.
Hoffimann, E. T. A., 310. 380.
306. 416.
Hoffmann v. Fallerslebeo, A. H.,
170.
Hofmeister, Friedrich, 102.
V. Hohenlohe, FQrstin Marie, 15.
56.
V. Hohenlohe, Kardinal, 40. 41.
HohlfDld, Prof., 170.
Holm, Grete, 184.
V. Holberg, Ludwig, 160.
Holby, John, 300.
Holiday, Eugen, 134.
J. Holles Nachf. 08.
Hollm, Lydia, 60.
Holstein, Ludwig, 150.
V. Holtei, Carl, 385. 386.
Holter, Iver, 350. 410.
Holthusen, Senator, 113.
Homer, Luise, 412.
Homeyer, Paul, 154. 420.
Hopfb, Carl, 134.
Hom, Camillo, 207.
Homdorf, Alfred, 213.
Homung, Hans, 100.
Hörflgel, M., 304.
Hösl, Marie, 184.
Hövelmann-Tomauer, Luise, 1 00.
V. d. Hoya, Amadeo, 202.
Hubermann, Bronislav, 202.
Hubert, Carola, 70. 203.
Huber, Hans, 165. 351.
Huberdeau (Singer) 124.
Huberti, G. L., 128.
Hugo, Victor, 136 (Bild). 270.
Huhn, Chariotte, 120.
V. Halsen, Georg, 117.
Hummel, Job. Nep., 21. 23. 27.
28. 20. 03.
Humperdinck, Engelbert, 112.
122. 135. 185. 280. 415.
Hunold, Erich, 65.
Huss, Henry Holden, 422.
Hutt, Robert, 120.
VI
NAMENREGISTER
Hflttenbreoner, Anselm, 386.
Hflttenbrenner, Felix, 386.
Ibach Sohn 394.
IgoumnofP (Pianist) 114.
lUing, Arthur, 414.
d'lndy, Vincent, 128. 200. 279.
Ippolitow-Iwanow, Michail, 113.
114. 189. 421.
Irrgang, Bernhard, 154.
Isaac, Heinrich, 399. 400.
Isalberti, Silvano, 120. 414.
Isouard, Nicolo, 341.
Istel, Edgar, 162.
Jakob (Organist) 153.
Jacobsen, J. P., 259.
Jaeger, Anna, 409.
jager, P., 412.
Jiger, Rudolf, 129.
Jaeil, Alfred, 29.
Jahnke, Zdislaw, 204.
Jahns, Max, 296. 299. 304. 315.
331. 332. 333. 334. 335. 388.
389. 390. 391.
Jakobowitz, Ignaz, 53.
Jandöek (Komponist) 420.
Jansen, Eise, 127.
Janssen, Julius, 199.
Jaques-Dalcroze, Emile, 165. 180.
182. 410. 411.
Järnefelt, Armas, 115.
Jaudoin (Pianist) 133.
Jauner, Franz, 183.
Jehin, L6on, 187. 189.
Jemain (Komponist) 132. 133.
Jensen, Adolf, 106.
Joachim, Joseph, 105. 113. 346.
397. 422. 424 (Bild).
Joachim-Quartett 135.
Jommelli, Niecola, 325.
Jonis, Alberto, 126. 196. 278.
Jörn, Carl, 117. 195.
Josquin de Prds 399.
Jflgel (Kupferstecher) 352.
Jungblut, Albert, 194.
Junker, A., 135.
Juon, Paul, 68. 280. 409.
Kahl 166.
Kflhler, Willibald, 351. 416.
Kahn, Robert, 112.
C. F. Kahnt Nachf. 31. 95. 393.
409.
Kaiser, Alfred, 272.
Kalbeck, Max, 65. 274. 341.
Kalergis, Mme., 44.
Kalcher, Job. Nep., 314. 315.
Kalischer, Alfr. Chr., 410.
Kalkbrenner, Friedrich, 20. 21.
25. 93.
Kallensee, Olga, 65. 414.
Kimpf, Karl, 197.
Kanka, Dr., 362.
Kannegiesser, F. L., 335.
Kannegiesser, K. L. L., 387.
Kappel, Anna, 70. 195. 201.
Kappelsberger (Breslau) 68.
Karg- Eiert, Siegfried, 132.
Karl V., Kaiser, 401.
Karl VII., Kaiser, 57.
Karvasy-Borchert, Emy, 196.
Kaschowska, Felicia, 277.
Käse, Alft^d, 65. 414.
V. Kaskel, Karl, 421.
Kasten, M., 394.
Katzenstein, Dr., 182.
Kauer, Ferdinand, 308.
Kaufmann, Lotte, 417.
Kaulbach, Wilhelm, 72.
Kann, Hugo, 67. 112. 131. 280.
Kann, Richard, 393.
Keiser, Reinhard, 398.
Keller, Gottfried, 107.
Keller, Wilhelm, 192.
Kellermann, Berthold, 95.
Kemble (Impresario) 322.
Kennerknecht, Karl, 181.
Kernic, Beatrix, 120.
Kerst, L6on, 410.
Kesser, Hermann, 410.
Ketten, Leopold, 201.
Kettner, Carl, 120.
Kewitsch, Willi, 127.
Kiel, Friedrich, 198. 346.
Friedrich Kiel-Bund 346.
Kienzl, Wilhelm, 65. 172.
Kiess, August, 119. 413.
Kietzmann, Kari, 65. 414.
Kind, Friedrich, 289. 331. 328.
333. 335. 389.
V. Kinsky, Fflrst, 360. 361.
V. Kinsky, FQrstin, 358.
Kirchner, Theodor, 166.
Kirnberger, Job. Phil., 396.
Kirsch, Hedwig, 204.
Kiss, Johanna, 417.
Kistler, Cyrill, 194.
Kiurina, Bertha, 274.
Klarmflller, Fritz. 129.
Kleeberg, Clotilde, 133. 277.
Kleefeld, Wilhelm, 398.
Klengel, Julius, 200. 417.
Kliebert, Kari, 207.
Klindworth, Kari, 34. 72.
Klindworth-Scharwenka- Konser-
vatorium 113.
Kling, H., 136.
Klinger, Max, 113.
Klopstock, Friedr. Gottl., 10.
Klose, Friedrich, 202. 411.
Klughardt, August, 129. 386.
Klum, Hermann, 127. 422.
Klupp- Fischer, Olga, 71.
Knibig, M., 352.
Kneisel, Franz, 105.
Kneisel-Quartett 422.
Knigge, Adolf, 248.
Knittl, Cari, 204.
Knoch, Eva, 412.
Knote, Heinrich, 412.
Knflpfer, Paul, 71. 195.
Koch, Friedrich E., 198. 199.
212.
Kochanski 201.
V. KOchel, Ritter Ludwig, 68.
Kocian, Jaroslaw, 201.
Koda (Geigerin) 135
Koebke, Benno, 347.
Koenecke, Robert, 68.
Koenen, Tilly, 199. 202.
Kogel, Gustav F., 195.
KOhler, Louis, 36. 46.
Kohmann, Anton, 195. 278.
Kohut, Adolph, 410.
Kolkmeyer, H., 70.
Koller, Prof., 393.
König, Hermann, 119.
Konstantin, GrossfQrst, 114.
Kopfermann, Albert, 355.
Kopka, Martha, 182.
Korb, Fram Anton, 196. 201.
Kömer, Karl, 130. 418.
Kömer, Theodor, 286, 334. 388.
391.
Koschak 361. 362.
Kossmann, A., 279.
V. Kotzebue, August, 334. 335.
387.
Kotzoltscher Verein 125.
Kovarovic (Theaterdirektor) 124.
Krihmer, Ch., 273.
Kramm, Georg, 386.
Kranich, Friedrich, 189. 348.
V. Kranz 361.
Krarup-Hansen (Sängerin) 185.
Krasselt-Quartett 206.
Kraus, Ernst, 66. 120. 414.
V. Kraus, Felix, 67. 199. 203.
205. 419.
V. Kraus-Osborne, Adrienne, 65.
203. 205. 419.
Krebs, Cari, 113.
Kreisler, Fritz, 201. 205. 417.
Kreisler, Lotte, 129.
Kremser, E., 421.
Kretschmer 50.
Kretzschmar, Hermann, 96.
Kreutzer, Leonid, 71.
Kreysing, G., 409.
Kriehuber (Kupferstecher) 72.
136.
KMikowsky, Paul, 420.
Kromar, Laurenz, 395.
Kross, E., 171.
Krösz, Joseph, 19.
Kroyer, Theodor, 400. 401.
Krug-Waldsee, Josef, 198. 202.
Krupp, Frau Geheimrat, 213.
Kruppscher Bildungsverein 213.
Kmse, G. R., 397.
Kubelik, Jan, 105.
Kühl & Klatt 395.
Kuhn, Paul, 184. 200.
Kflhn, Leonore 277.
NAMENREGISTER
VII
Kullak, Adolf, 31.
Kullak, Theodor, 208.
Kumlick, Josef, 385.
Kunwald, Ernst, 347. 350.
Kurt, Mola, 412.
Kurz, Lissi, 00.
Kurz, Selma, 202.
Kutzschbach, Hermann, 413.
410.
Kwas^Hodapp, Frieda, 125.
Lafont, Hermann, 127.
Lihnemann, Otto, 199.
U Mara 31. 42. 43. 50.
Lamartine 97.
Lamond, Frederic, 198. 422.
LAndowska, Vanda, 133. 142.
277.
Lang, Gretchen, 310. 317.
Lang, H., 154.
Lange, Gustav, 172.
de Lange, Samuel, 134.
Langer, Ferdinand, 377.
Larsen (Kantor) 157.
di Lasso, Orlando, 171. 172.
Laudy (Verleger) 151.
Lauriston (Minister) 17.
de Lausnay, G., 277.
Lauterbach & Kuhn 200.
Lazarus, Gustav, 409.
Lazzari, Silvio, 277.
Lea (Cellist) 58.
Lebert, Sigmund, 98.
Lebrecht, Robert, 04.
Leclair (Komponist) 134.
Lecocq, Charles, 189.
Lederer- Prina, Felix, 195.
Lederer-Schiessl, Therese, 204.
Leduc (Verleger) 151.
Lef&vre, Jos. Maria, 44. 45.
LefHer-Burckard, Martha, 114.
Lehar, Franz, 121. 410.
Lehmann, Lilli, 105. 133. 270.
. Uhr 333. 388. 391.
Leitner, Kpm., 421.
Lemmens, N. J., 151.
Lenau, Nikolaus, 98.
Lenk, Olga, 120.
V. Lenz, Wilhelm, 31.
Leoncavallo, Ruggiero, 122.
272. 414.
Leopold August, Herzog v.
Gotha, 318. 391.
Leprince (Lithograph) 72.
Lermontow 105.
Leroux, Xavier, 189.
Lessing, G. E., 109.
Lessmann, Otto, 397.
Leuckart, F. E. C, 04.
Levy, Eduard, 195.
Levy, Frau, 195.
Lewandowsky, Max, 349.
Lewinger^Quartett 129.
Lewy, Heinrich, 393.
LeydstrOm (Singer) 71.
van der Leyen, Rudolf, 113.
Liadow, Anatol, 423.
Liapounow, Sergei, 105. 100.
423.
Libert (Organist) 153.
V. Lichnowsky, FOrst, 357.
Lichtenstein, H., 319.
Liebeskind, Ernst, 05.
Liebich, Karl, 319.
Liebner, Marie, 201.
V. Liechtenstein, Fürst, 183. 304.
Lienau, Robert, 371.
Liepmannssohn, Leo, 03. 397.
van Lier, Jacques, 08.
Lies, Otto, 384.
v. Liliencron, Rochus Frhr., 401.
Lind, Jenny, 32.
Lincke, Paul, 272.
Lindenhahn 131.
Lindsay (Singerin) 133.
Linkenbach, Henny, 410.
Liszewski, Tillmann, 194. 415.
Liszt, Adam, 15. 23. 29.
Liszt, Eduard, 47.
Liszt, Franz, 3 ff (L.-Nekrolog).
5flr (F. L. u. d. Gegenwart).
15 ff (Aus F. L'.s erster
Jugend). 30 ff (L.'s Klavier-
technik I). 40 ff (Ein Besuch
bei L. in Tivoli). 43 ff (Elf
ungedruckte Briefe L.s an
Schott 50ff (Eine L -Karikatur).
50. 09. 70. 71. 72 (Bilder).
91 ff (L.*s Klaviertechnik
Schluss). 105. 128. 131. 132.
134. 135. 130 (Bilder). 109.
183. 194. 197. 198. 199. 200.
202. 204. 205. 207. 212. 250.
278. 280. 284. 349. 384. 395.
397. 413. 417. 418. 422.
Litvinne, F^lia, 187.
Litzinger, Franz, 419.
V. Lobkowiu, Fflrst, 301. 308.
V. Lobkowitz, Fürstin Josephine,
308.
Loewe, Carl, 120. 350.
LOffler, Ch. M., 421.
Lohse, Otto, 347. 415.
Londoner Symphonie -Orchester
132.
Loomis, H. V., 422.
Lorentz, A., 72.
Lorenz, C. Ad., 200.
Lorenz, Julius, 179.
Loritz, Joseph, 194.
Lortzing, Albert, 117. 180.377.
390. 397. 414.
Louis Ferdinand, Prinz v.
Preusseo, 390.
Louis, Rudolf, 45.
Louys, Pierre, 123.
Lowe, Ferdinand, 200.
Löwe, Direktor, 249.
LOwenfeld, Hans, 00. 348.
V. LOwenstein- Wertheim, Graf
Wilhelm, 389.
Lubomirski, Fflrst Ladislaus,
124.
Lucas, Alexander, 113. 340.
Lucca, Pauline, 279.
de Lucia, Fernando, 105.
Ludewig, Marta, 120.
Ludwig, Herzog v. Wflrttem-
berg, 310.
Ludwig IL, König, 288.
Lukas, Job. Lud., 115.
Lulek, Fery, 134. 277.
Lully, J. B., 398.
Lunde, Gustav, 351.
Lastner, Karl, 183.
Luther, Martin, 400.
Lutter, Heinrich, 409.
Mac Dowell, Edward, 203.
Mac-Grew, Rose, 70.
Maeterlinck, Maurice, 421.
Mahaut (Organist) 153.
Mahler, Gustav, 07. 114. 192.
233. 230. 238. 242. 255. 274.
280. 303. 304. 305. 300. 307.
308. 310. 418.
Malit (Komponist) 421.
Malata, Oskar, 120 (»Dorp-
rOschen *. Urauffflhrung in
Elberfeld).
Malherbe, Charles, 188.
Malherbe, Edouard, 277.
Mana (Komponist) 410.
Mand, Carl, 394.
Manin, Joan, 204.
Mang, Karl, 117. 413.
Mannborg, Th., 394.
Mannstidt, Franz, 205.
Mansfeld (Singer) 412.
Manthey, Franz, Ol.
Maquaire (Organist) 153.
Marals, Joanne, 278.
de Marchi (Singer) 189.
Margyl (Opemsingerin) 274.
Maria Antonia Walpurga, Kur-
fflrstin, 57.
Marie Madeleine 199.
Marienhagen, Otto, 09.
Mannen tel 31.
Marpurg, Friedrich, 49.
Marschner, Heinrich, 191. 311.
Marsop, Paul, 03. 280.
Marteau, Henri, 171. 201. 280.
Martersteig, Max, 00.
Marti (Organist) 153.
Martin, Willy, 350. 422. 423.
Marx, A. B., 50. 208 (Bild).
Marx, Pepo, 114. .
Massenet, fules, 180. 189. 273.
279.
Materna, Hedwig, 184.
Mathieu-Lutz (Singerin) 124.
V. Matthisson, Fr., 391.
Matthlson-Hansen, G., 157.
VIII
NAMENREGISTER
r
Mauerbofer (Pianistin) 200.
Maurina, Vera, 68. 126. 120. 400.
Maximilian I., Kaiser, 400.
Mayer, Carl, 100.
Mayerhoff, Franz, 108.
Mayr, Richard, 274.
Mediciy Lorenzo, 50.
Mees, Arthur, 180.
Mehul, E. N., 413.
Meinel, Gustav, 108.
Meinert, Kari, 355. 370. 372.
Melartin, Erkki, 115.
Melcer, Henrik, 201.
Mendelssohn, Arnold, 200.
V. Mendelssohn- Bartholdy, Ernst,
306.
Mendelssohn - Bartholdy, Felix,
08. 132. 170. 171. 108. 201.
202. 201. 308. 342. 376. 306.
307. 417. 410.
Mengelberg, J. W., 102.
Mengelbier, Therese, 100.
Menzel, Wilhelm, 304.
Meren, Nanny, 60.
M6renti6 (Opemsingerin) 274.
Merim6e, Prosper, 186.
Merklin, Joseph, 88.
Merrick, Frank, 106.
Messchaert, Johannes, 58. 130.
105. 206.
Mettemich, FQrst, 27.
Meuger-Froitzbeim, Ottilie, 101.
205.
Meyer, Alftvd, 205.
Meyer, Gustav, 180. 410.
Meyer, Hedwig, 131. 418.
V7aldemar Meyer-Quartett 68.
205.
Meyer (Sängerin) 136.
Meyerbeer, Giacomo, 117. 184.
187. 101. 272.304.317.326.
385.
Michel Angelo 50.
Mikorey, Franz, 108. 280.
V. Milde, Feodor, 115.
V. Milde, Natalie, 115.
V. Milde, Rosa, 115. 136 (Bild).
V. Mildenburg, Anna, 275.
Milder-Hauptmann, Anna, 410.
V. Miller zu Aichholz, Viktor, 34 1 .
Milliet, Paul, 186.
Mittag, S., 136.
Mivsky, Moses, 102.
V. Moellendorff, Willy, 125.
Moers, Andreas, 120.
Moest, Rudolf, 70.
Mohr, Ida, 104.
Molle, C, 72^
Monrad, Cally, 132.
Monteux, Pierre, 400.
Montgelas, Graf, 200.
Monti, Max, 121.
Moody-Manners (Opern-Gesell-
schaft) 122.
Moore, Thomas, 370.*^ 301.
Moralt, C., 181.
Moravec (Bratscher) 106.
Morlacchi, Francesco, 310.
Moriet (Sängerin) 188.
Momy, Lina, 65.
Morogew 114.
Mors, Richard, 280.
Moscheies, Ignaz, 20. 21. 25.
27. 28.
Moszkowsky, Maurice, 58.
Moth, H., 417.
da Motta, Jos« Vianna, 60.
Mottl, Felix, 101. 200. 203. 206.
212. 240. 257. 400. 413.
415. 421.
Motu, Henriette, 66.
Mousorgski, Modest, 421. 423.
Mozart, Konstanze, 313.
Mozart, Leopold, 314.
Mozart, W. A., 17. 10. 20. 25.
65. 67.68.60. 104. 116. 117.
110. 120. 121. 122. 125. 127.
133. 134. 135. 156. 184. 101.
108. 100. 200. 202. 204. 205.
206. 212. 233. 262. 274. 275.
276. 202. 204. 302. 311. 314.
325. 341. 342. 348. 373. 378.
386. 300. 306. 414. 416. 418.
421. 422.
Machler, K., 333. 387. 388.
Muck, Carl, 206. 400.
MOhlfeld, Richard, 67.
Mallen (Pianist) 200.
MOller, Ad., 70.
Maller, Cilli, 201.
Maller, F., 70.
Maller, Julius, 117.
Malier, Peter, 64.
Mailei^Osten, Elisabeth, 410.
Maliner, A., 201. 327.
Manch, Anna, 104.
Manch, Prof., 71. 80. 278.
Manchhoff, Mary, 125. 104.
Manz, Adele, 100.
Manzer, Georg, 72.
Musikpidagogischer Kongress ,
Dritter, 181.
Musikverein (Kopenhagen) 410.
Musiol, Robert, 315.
Mutin 144. 145.
Mysz-Gmeiner, Lula, 67. 128.
130. 135. 105.
Nagel, Musikdirektor, 134.
Nagler-Busching, Helene, 108.
Napoleon 1. 208.
Naprawnik, Eduard, 133.
NebuSka, O., 421.
Nedbal, Oscar, 68. 343.
Neisch, Marga, 118.
Neitzel, Otto, 132. 201. 273.
276. 280. 420.
Nelle, D., 408.
Neivera, Joseph, 420.
Neubeck, Ludwig, 348.
Neadörifer, Julius, 348.
Neuhaus, Harry, 60.
Neuhaus, Tala, 60.
Neumann (Komponist) 420.
Neumayr, Fr., 57.
Newosky, Olga, 134.
Ney, Elly, 71. 131.
Nicolai, Otto, 117. 121. 341.
Nielsen, Cari, 155 ff (C. N.). 208
(Bild).
Nielsen, J. G., 157.
Nielsen, Niels Jörgen, 156.
Niemann, Walter, 31.
Niessen, Wilhelm, 203.
Nietzsche, Friedrich, 167. 183.
Niggli, Fritz, 60.
Nikisch, Arthur, 64. 66. 67. 125.
130. 131. 201. 240.
Nissen, Karl, 132.
Nohl, Ludwig, 30. 368.
Norden, Juanita, 127.
Nordheim, H., 42.
Nordraak, Richard, 350. 408.
Noske, A. A., 384.
Noskowski, Sigmund, 421.
V. Nostiz und JInkendorf,
Klotilde, 335.
Nottebohm, Gustav, 371.
Novak, V., 68.
Novalis, Friedrich, 200.
Nowowiejski, Felix, 423.
Nussböck, Leopold, 366.
Nassle, Hermann, 418.
Nassle, Wilhelmine, 418.
Nywkind 125.
OberdOrflfer, Martin, 108.
Obrist, Alois, 63. 112. 206.
Ochs, Siegfried, 67. 1 20. 105. 306.
Oflfenbach, Jacques, 115. 100.
415. 416.
Olive Mead-Quartett 422.
Olsner, Dirigent, 213.
Ondricek, Franz, 201.
Opitz, Martin, 131. 336.
Oppermann, Martha, 107.
Osbome-Hannah (Singerin) 122.
V. Othegraven, A., 270. 420.
Ottmann, Marie, 121.
Otto, Georg, 108.
Otto, Julius, 414.
Oury (Violinist) 22.
Pabst, P., 303.
Pachler, Marie, 362.
Pachler-Koschak, Faust, 362.
Pack, Ernst, 104.
Paderewski, Ignaz, 106. 270.
PaCr, Ferdinand, 185.
Paesiello, Giovanni, 341.
Pagani, Kpm., 66.
Paganini, Niccolo, 31. 32. 03. 00.
132. 136 (Bild). 108. 201. 205.
418.
Paine, J. K., 346.
NAMENREGISTER
IX
Palestrina, Pierluigi, 156. 171.
172. 206. 401.
Palla (Komponist) 420.
Palmsren, Sellm, 115.
Paludan-MflUer 410.
Panzner, Carl, 70.
V. Paradis, Maria Theresia, 384.
Parker, Horatio, 422.
Pasqu«, E., 377.
V. Paszthory, Palma, 202.
Pauer, Max, 409. 422.
Paul, Jean, 328.
Paur, Emil, 203.
Pawloffisky (Eisenstadt) 19.
Payne, Mrs., 135.
Pembaur, Josef, 198.
Percy 383.
Perier, Jean, 188. 189.
P6rilbou, G., 151.
Perosl, Lorenzo, 180.
Perron, Carl, 129. 191.
Perzina, Gebr., 394.
Pester-Prosky, Berta, 120.
Peter, König v. Serbien, 180.
V. Peters, Hofirat, 368.
C. F. Peters, Verlag, 21. 63. 234.
259. 393.
Peters, Edition, 102.
Peters, Guido, 114.
Petersburger Kammermusik-
verein 134.
Petschnikoif, Alexander, 204. 205.
Petrarca 50.
Pfannstiehl, Bernhard, 198.
Pfkff, Marie, 350.
Pfltzner, Hans, 202. 206. 212.
280. 350.
Pfltzner, O., 70.
Pfleiderer, Ed., 208.
Philippi, Maria, 67. 130. 194.
195. 201. 205.
Piatti, Alfk^do, 58.
Plchler, Max, 130.
Pieper, Willy, 68. 417.
Piem6, Gabriel, 133. 150.
192ff (»Der Kinderkreuzzug**.
Deutsche Urauffahrung in
Augsburg).
Pinks, Emil, 206.
Plus X., Papst, 180. 257.
Piutti, Cari, 198.
Pixis, Johann Peter, 22. 25.
Pizzolato, Giuseppe, 118.
Kgl. Physikalisches Institut
(Beriin) 394.
Planch6 (Librettist) 323.
PlanQon 412.
Plass 392.
Platt, J., 172.
Playfair, E., 278.
Pleyel, Camille, 44. 134.
Pleyel, Ignaz Joseph, 26.
PlOddemannscher Frauenchor
417.
Pohl, Richard, 31.
Pöble, Max, 198.
Pohlig, Cari, 134. 249. 348.
Pokomy, Hans, 416.
Poldini, Eduard, 124 (»Der
Vagabund und die Prinzessin".
Deutsche UrauffQhrung In
Prag).
Pollak, Egon, 117. 413.
Ponchielli, Amilcare, 122.
da Ponte, Lorenzo, 274.
Porges'scher Gesangverein 422.
Pornot, Angele, 188.
Porst, Ottilie, 65. 414.
Porth, Viktor, 129.
V. Possart, Ernst, 192.
Pottgiesser, Cari, (»Die Heim-
kehr**. Uraufführung in Dort-
mund). 413.
Pracher 184.
Präger, H. A., 381.
Prasch, Aloys, 119.
Prechtler, Otto, 386.
Preller, Friedrich, 48. 49.
Press, Joseph, 68. 126. 196.
Press, Michael, 68. 126. 129.
Presuhn (Bratschist) 134.
Preuss, Alexander, 203.
Preuss, Arthur, 274.
Preusse-Matzenauer, Margarete,
117. 191.
Prevosti, Franceschina, 415.
Priess, Pauline, 423.
Prill, Paul, 126. 348. 409.
Prinz, Rektor, 182.
Prochazka (Violinist) 196.
Prflwer, Julius, 118.
Puccini, Giacomo, 122. 189.
Puschman, Adam, 396.
Quantz, Job. Joachim, 396.
Queens Hall-Orchester 132. 198.
Quef (Organist) 153.
Raband-Van der MaCsen, Leon-
tine, 64.
Rabaud (Komponist) 133.
Radecke, Robert, 154.
V. Radziwill, FQrst Anton Hein-
rich, 370.
Rafael 50.
Raff, Doris, 51.
Raff, Joachim, 42. 51.52. 72. 386.
Rahter, D., 393.
Raimund, Ferdinand, 347.
Rains, L6on, 418.
Ramann, Lina, 9. 31. 45. 53.
93. 95. 97.
de Ramis, Bartolomeo, 399.
Rangl, Jan, 202.
Rapin, Eugen, 31.
Rappold, Marie, 412.
V. Rasumowsky, FQrst, 356.
vom Rath, Felix, 255. 263.
Rauchenecker 166.
Raumer, Friedrich, 327.
Reboul (Cellistin) 417.
Reclam, Philipp, 10. 30. 31. 382.
Rebi6eck, Josef, 350.
Reger, Max, 75. 84. 107. 114.
129. 131. 154. 162. 196. 199.
200. 201. 207. 212. 278. 279.
343. 357. 384. 417. 422.
Rehberg, \7illy, 200.
Reichardt, J. F., 313.
Reichenberger, H., 273.
Reicke, Georg, 181.
Reimann, Eduard, 192.
Reimann, Heinrich, 154. 410.
Reimann, Otto, 192.
Reimers, Paul, 196. 205. 419.
Reimers (Fagottist) 131.
Reinbeck, G., 332. 387. 390. •
Reinecke, Carl, 420.
Reisenauer, Alft'ed, 205.
Reisse, Emma, 206.
Reissiger, G., 304.
Rellstab, Ludwig, 54.
Reitzes, Josef, 113. 346.
Renaud (Singer) 186. 187. 189.
274.
Rennebaum, A., 95.
Respighi, Kardinal, 257.
Reubke, Otto, 154.
Reuss, August, 206. 421.
Reuss, Eduard, 31. 32.
Reuss-Belce, Luise, 70. 409.
V. Reznicek, Frhr. E. N., 423.
Rhode, Prof., 316.
Ribera, Antonio, 185. 186. 202.
Richardt 349.
Richault (Verleger) 48. 151.
Richter, E. F., 115.
Richter, Eugen, 198.
Richter, Hanna, 136.
Richter, Hans, 166. 197.
Richter, Otto, 418.
Riedel- Verein (Uipzig) 131. 420.
Riehl, W. H., 331.
Riemann, Hugo, 31. 102. 168
377. 384. 385.
Riemenschneider, Georg, 160.
Ries, Ferdinand, 24.
Ries V. Trzaska, Adele, 419.
Rietsch, Heinrich, 204.
Rietschel 323.
Rietz, Julius, 166.
Righini, Vincenzo, 312.
Rimbault, E. F., 382.
Rimsky-Korssakow, Nikolaus,
124. 421. 423.
Ringwald, Barth., 386.
del Rio, Giannatasio, 364.
Risler, Edouard, 200. 206. 207.
276.
Ritter, Hermann, 199. 260.
Rochlitz, Friedrich, 318. 352.
374. 389.
Röder, C. G., 393.
Rodln, A., 424.
\-\
NAMENREGISTER
r
Roether, Ed., Verlag, 234.
Roger-Miclos, Frau, 277.
Rflhmeyer, Theodor, 204.
Röhr, Hugo, 181.
Roller, Alfred, 274. 275.
Romberg, Bernhard, 69.
ROmhild, Albert, 418.
ROntgen, Julius, 58.
van Rooy, Anton, 412.
Roquette, Otto, 14.
Roricb, Carl, 206.
Rosa, Carl, 348.
Rosa, Salvator, 50.
Rose, Frances, 116.
Rosenberg (Verleger) 151.
Rosenfeld, L., 419.
Rosenthal, Felix, 68.
Rosenhotr, Orla, 157. 158.
Rosmer, Ernst, 415.
Rossini, Gioachino, 22. 121. 122.
136 (Bild). 341. 380.
ROssler, Joseph, 384.
Rosso 414.
RÖsza, Julius, 64.
Roth, Bertrand, 418.
Rotten berg, Ludwig, 121.
Rottmann (Maler) 46.
Rousseau, J. J., 341.
Rousseau, S., 127.
Rousselidre (Singer) 186. 187.
188. 274.
Royet (Sängerin) 186.
Rozycki (Komponist) 124. 423.
Rubinstein, Anton, 31. 56. 126.
132. 166. 189. 198.
Rubinstein, Nicolai, 421.
Rflckbeil, Hugo, 134.
ROckert, Friedrich, 192.
Rüdiger, Hans, 418.
Rudolf, Erzherzog, 361.
Rudolph, Otto, 347.
Rudy, Marie, 130. 197.
Rflfer, Philipp, 112.
Ruffö, Titta, 66.
Rflhle, Friulein, 278.
RQhlscher Verein 129.
Ruhoff 166.
Rumpf, F., 424.
Rungenhagen, K. F., 313. 319.
Rupp (Organist) 71.
Rflsche-Endorf, Clcilie, 347.
Russell, Elyda, 277.
RuthstrOm, Julius, 197.
V. Saar, Ferdinand, 56.
Saatweber-Schlieper, Ellen, 194.
199.
V. Sachsen-Coburg-Gotha, Her-
zog, 64.
Safonoff, Wassili, 113. 203.
Sala, Richard, 198.
Saint-Saens, Camille, 124. 132.
133. 150. 151. 185. 186. 187.
193. 200. 277. 279. 401. 416.
422.
Salicath, Theodora, 68.
Salomon, Andr6, 278.
Salomon, Hektor, 410.
Samara, Spiro, 186.
Kgl. Sammlung alter Musik-
instrumente (Berlin) 394.
Sand, George, 136 (Bild).
Sander, Constantin, 64.
Sander, Marie, 64.
Sander, Martin, 64.
Sänger, Bert^and, 119.
Sanssouci, Essener Männerge-
sangverein, 214.
Sapelnikoff, \7assily, 196.
Sass, Arthur, 204.
Sauer, Wilhelm, 86.
Sauret, Emile, 133. 409. 422.
Saury, Eugdne, 133.
de Suset 199.
V. Sayn - Wittgenstein , Fürstin
Caroline, 8. 45. 56. 72 (Bilder).
94. 136. 397.
Schaaf & Co. 394.
Schäfer, Franziska, 418.
V. Schallhammer, Franz Lud-
wig, 299.
Schal japin, Feodor, 186. 189.
Schalk, Franz, 206.
Schanz 362. 363.
Scharrer, August, 278. 350.
Scharwenka, Xaver, 181.
Schauer- Bergmann, Martha, 131.
Schaul, Joh. B., 325.
V. Scheffel, Josef Vicior, 179.
Scheel, Fritz, 203.
Schelle 183.
Schellhorn, Aloys, 181.
V. Schenckendorff, Max, 179.389.
Scheinpflug, Paul, 70. 204.
Schelllng 53.
Scheremet)ew, Graf, 134.
Schering, Arnold, 57.
Schertel, A., 412.
Scheurer 125.
Scheuten 70.
Schjelderup, Gerhard, 168. 413.
Schiedmayer 394.
Schildbach (Cellist) 71.
Schiller, Friedrich, 206 256. 290.
Schilling, Gustav, 384. 385.
386.
Schillings, Max, 117. 131. 165.
192. 203. 205.
Schimon 352.
Schindler, Max, 277.
SchiOler, Axel, 200.
Schischkow 114.
Schlegel, Gebrüder, 290.
Schlegel, A. W., 329.
Schlesinger, Adolf Martin, 370.
Schlesinger, Moritz, 368. 369.
370. 371.
Schlesinger (Musikverlag) 47.
48. 208. 300. 331.
Schlitzer, Hans, 121. 420.
Schmalstich, Clemens, 69.
Schmedes, Erik, 275.
Schmedes, Paul, 200.
Schmid, Heinrich Kaspar, 263.
Schmid, Hermann, 181.
Schmidt, Felix, 125.
Schmidt, Julius, 1 15.
Schmidt, Robert, 179.
Schmidt (Organist) 151.
Schmitt-Czanyi, Cornelia, 417.
418.
Schmitt, A., 421.
Schnabel, Artur, 68. 125. 196.
Schnabel - Behr, Therese, 1 96.
205. 349.
Schn^evoigt, Georg, 204. 212.
257. 351. 421. 422.
Schneider, Walter, 273.
Schniriin, Ossip, 196.
Schnitzler, Victor, 113. 346.
Scholz, Bernhard, 276.
Scholander, Sven, 71.
Schoenaich, Gustav, 183. 208
(Bild).
SchOrg, Franz, 133.
V. Schom, Adelheid, 42. 72.
Schott, Franz, 45.
Schott, Johann, 43.
Schott, Frau, 52.
Schott Söhne (Veriag) 43 ff. 51.
52.
Schrey (Kpm.) 65.
Schröder, Dora, 197.
Schröder, Hermann, 171.
Schröer, Arnold, 383.
Schröer, K. J., 383.
Schubernigg, P. J., 19.
Schubert, Franz, 67. 71. 95. 96.
98. 125. 126. 129 132. 134.
169. 170. 198. 199. 200. 205.
256. 277.311. 312.322. 331.
342. 388. 389. 390. 391. 396.
397. 423.
Schubert- Verein (Stuttgart) 134.
Schuberth & Co. 393.
V. Schuch, Ernst, 129. 181.
Schultz-Beuthen, Heinrich, 198.
Schulz, H., 204. 205.
Schulze, A., 181.
Schumann, Clara, 56. 166. 394.
Schumann, Georg, 70. 125. 195.
204. 206.
Schumann, Robert, 12. 28. 31.
36. 37. 38. 67. 71. 98. 126.
127. 130. 131. 132. 134. 135.
169. 197. 200. 202. 203. 204.
212. 277. 284 312. 317. 391.
396. 397. 408 410. 417. 420.
421. 424.
Schumann-Heink, Ernestine, 67.
70. 125. 131. 422.
Schunke, Gottfried, 27.
Schunke, Ludwig, 28.
NAMENREGISTER
XI
Schfiaemaon, Else, 417.
Schatz, Hans, 131.
Schfltz, Margarete, 201.
Schuster (Elsenstadt) 19.
Schuster & LoefHer 393.
Schwalm, Oscar« 113.
Schwartz, Josef, 130. 418. 420.
Schwechten, G., 394.
Schwedler, Maximilian, 201.
Schweicker, Hedwig, 204.
Schwenkenbecher, Dorothea,
125.
Schwensen (Pianistin) 200.
Schwickerath, Eberhard, 410.
417.
Schwob, Marcel, 193.
Scott, Walter, 370.
Scrjabin, Alexander, 423.
Sebald, Alexander, 68. 409.
Sebald, Amalie, 300.
Sedlmayr, Joseflne, 413.
Seebe, Madeleine, 129.
Seffher, Karl, 408.
V. Seida, Frhr., 334.
Seidl, Arthur, 250. 251.
Seiffert, Max, 57. 362. 363.
Seitz, Friedrich, 198.
Sembrich, Marceila, 412.
Semper, Gottfried, 280.
de S^nancourt, Etienne, 66.
Senff, Barthold, 393.
Senfl, Ludwig, 400. 401.
Senfly, Bernhard, 400.
Seng^r^Bettaque, Katharina, 120.
Senius, Felix, 205.
S^roff, Alexander, 50.
Sevcik, O., 58.
Sevdik-Quartett 196. 202.
Seyffardt, E. H.,135.
Shapiro, Michel, 126.
Shotskjr (Violinist) 196.
Sibeiius, Jean, 115. 128.
Sichert 64.
Sidney-Biden 205.
Siegel, C. F. W., 393. 397.
Sieglitz, Georgi 191.
Siegel, Rudolf, 280.
Siewert, Hans, 118.
Silbermann, Gottfried, 89.
Silhavy, Otto, 68. 417.
Siloti, Alexander, 70. 71. 130.
134.
Simon, Carl, 197. 394. 414.
Simon, James, 68.
Simon-Gleaver, Hugo, 277.
Simonsen, Niels Inel, 410.
Simrock, Hans, 113. 346.
Simrock, Karl, 179.
Simrock, N., 371. 393.
Sinding, Stephan, 277.
Sirk, Matthias, 360.
Sistermans, Anton, 195. 205.
276. 417. 423.
Sitt, Hans, 139. 420.
SlOgren, Emil, 277.
Skalitzky, Ernst, 70.
Slezak« Leo, 202.
Slivinski, Josef, 134.
Smart 323.
Smetana, Friedrich, 198. 200.
204. 347.
Smith, Sidney, 172.
Snischek, C, 384.
Soci6t6 de concerts des Instru-
ments anciens 202.
Sohns, Otto, 107.
Sollin, Fr., 421.
Solodownikoff (Privatoper) 189.
Selon 248.
Sombom, Komponist, 278.
Sommer, Hans, 63. 280.
Sommerfeld, Margarete, 120.
Sonnen 125.
Sontag, Henriette, 22.
Soomer, Walter, 185.
Sottolana (Singer) 133.
Sowade, Eduard, 346. 389.
Speidel, Ludwig, 183.
Spendiazow 423.
Spengel, Julius, 130.
Speyer, Edgar, 408.
Speyer, Edward, 113.
Speyer-Kufferath, Antonie, 112.
Spicker, Max, 180.
Spinelli, Niecola, 347.
Spitta, Friedrich, 331. 332.
Spitteler, Carl, 164.
Spohr, Ludwig, 311. 312. 317.
318. 319. 381.
Spontini, Gasparo, 311. 322.
Sporck, Graf, 117.
Stabemack, Carl, 197.
Staegemann, Helene, 71. 420.
423.
Staegemann, Max, 304.
Staehelin (Sängerin) 129.
Stammer, Emil, 119.
Standhartner, Joseph, 183.
Stapelfeldt, Martha, 202.
Sutkowski, Roman, 67.
Stavenhagen, Bernhard, 194. 201.
207.
Stebel, Paula, 279.
Stefanides, Alex., 121.
Stehle (Sflngerin) 49.
Stein, Helene, 127.
V. Stein, PrObstin, 40.
Steinbach, Fritz, 70. 113. 203.
249. 415. 419.
Steiner & Co. 363.
Steiner (Verleger) 21. 28.
Steinle 94.
Steinmann, Alfired, 197.
V. Steinsberg (Theaterdirektor)
315.
Steinway & Sons 394.
Stephani 184.
I Stephens, Miss, 391.
Stern, Adolf, 43. ^2. 385.
Stern, J., 208.
Stern, R., 250. 251. 253.
Steffel (Eisenstadt) 19.
Steffens, Hermann, 120.
Steingriber Verlag 393.
Stock, Friedrich, 129. 203.
Stockhausen, Franz, 278.
Stockhausen, Julius, 113.
Stell, J. L., 387.
Stolz, Georg, 184. 198.
Storck, Karl, 169. 182.
Stoye, Paul, 351.
Strack, Daisy, 418.
Stradivarius, Antonius, 394.
Stransky, Josef, 103.
Straubö, Karl, 154. 422.
V. Strauss, Edmund, 184.
Strauss, Johann, 71. 122. 376.
415.
Strauss, Richard, 70. 71. 116.
1 17. 1 18 (»Salome* in Breslau)
125. 129. 132. 134. 192. 198.
199. 201. 202. 203. 204. 205.
206. 207. 212. 259. 277. 349.
350. 415. 421. 422. 423.
Strebel (Orgelbauer) 422.
Streckfüss 391.
Street-Kllndworth, Agnes, 56.
Streicher (Stein) 363.
Streicher, Theodor, 262.
Streichquartett, Böhmisches, 67.
68. 71. 133. 200. 202. 422.
Streichquartett, Brflsseler, 133.
200. 204.
Streichquartett, MQnchner, 200.
204. 422.
Streichquartett, Nflrnberger, 423.
Streichquartett, Petersburger, 134.
Streichquartett, Sflddeutsches,
204.
Stronck, R., 194.
Stubbe, Arthur, 197.
van der Stucken, Frank, 203.
Stubenrauch, Carlotta, 132.
Stumm, Dr., 252.
Suggia, Guilhermina, 199.
Suk, Josef, 343.
O'SuUivan, Patrick, 127. 132.
350.
Sasse, Otto, 417.
Suter, Hermann, 252.
Sutter, Anna, 64.
SvirdstrOm, Valborg, 126.
Svendsen, Johan, 133. 158. 159.
198.
de Swert 58.
Szeluta (Komponist) 423.
Szymanowski (Komponist) 124.
423.
TaneTew, Sergei, 113. 421.
Tango, Egisto, 272.
Tappert, Wilhelm, 63. 397.
Tarnawski (Sänger) 67. 416.
XII
NAMENREGISTER
Tartini, Giuseppe, 417.
Täte, Miss, 133.
Taubert, \7111ielm, 396.
Tausig, Carl, 31. 56.
V. Tautphoeus, Frhr. Joh. Nep.
300.
Teibler, Hermann, 114. 118.
Tellhetm, Karoline, 115.
Tennyson, Alfred, 102.
Tester, Emma, 351.
Thal, Paul, 127.
Thalberg, Marcian, 277.
Thalberg, Sigismund, 29. 36. 37.
Thayer, A. W., 360, 371.
Thibaud, Jacques, 134.
Thierfelder, Albert, 205.
Thomson, C^sar, 261.
Thomson, £., 371.
Thomas, Theodor, 203.
Thflrlings, A., 400.
Tieck, Ludwig, 290. 390.
Timanow, Vera, 134.
Tinctoris, Johannes, 399.
Tinel, Edgar, 193.
Titte^ Bernhard, 185.
Titz, Johannes, 197.
Titze-Krone, Laura, 201.
Tofte, L. W., 157.
Toller, Georg, 413.
Tomaschek, Joh. V7., 384.
Tomasini, Anton, 19.
Töpfer 64.
Tordek, Ella, 191.
Toumemire (Organist) 153.
Tracey, Minni, 134.
Tracikiewicz (Sängerin) 416.
Tramer, Leopold, 184.
Tr6pard (Komponist) 132.
Trio, Holländisches, 68.
Trio, Meininger, 200.
Trio, Russisches, 68. 126.
129.
Troubetzkoi, Fflrst, 424.
V. Trfltzschler, Gabriele, 197.
Truxa, Frau, 346.
Tschaikowsky, Peter, 68. 122.
124. 125. 129. 130. 231. 198.
199. 200. 201. 204. 205. 278.
418. 421. 423.
Tscherepnin, Nikolai, 134.
Tschemetzka, \7era, 69.
V. Tuscher, Mathias, 365. 366.
Ufert, Käte, 198.
Uhland, Ludwig, 179.
Ulrici, Wilhelm, 65. 414.
Ullstein & Co. 393.
Ultsch, H. Jos., 300.
Unnirow (Sänger) 134.
Unger, Caroline, 22.
Universal-Edition 114.
Urbaczek, Paula, 120.
Urlus, Jacques, 201. 420.
Vach, Ferdinand, 350. 420.
Valesi, J. E., 314. {
Vanor, George, 410.
V. Varena 362. 363.
Vaterhaus, Hans, 69.
V. Vecsey, Franz, 68.
van Veen, J. M., 68.
Veit, August, 198.
Velhaven, Adelaide, 423.
Vendler (Komponist) 420.
Verdi, Giuseppe, 66. 120. 122.
189. 349. 415. 416.
Verex (Eisenstadt) 19.
Verhunc, Fanchette, 118.
Vessella (Dirigent) 253.
Viardot, Paul (Quartett), 277.
Viardot, Pauline, 56. 166.
Vicq, Ga6tane, 133. 134.
Vidron, Angele, 420.
Vieme, Louis, 147. 149. 151.
152.
Vieme (Organist) 80.
Vieweg, Chr. Fr. 393.
ViUain (Lithograph) 72.
de Villers, Raffaelle, 277.
Vlnös (Sänger) 277.
Viele, Rudolf, 98.
Visconti 189.
Vobach & Co. 393.
Vogler, Abt, 300. 304. 313. 315.
317. 326. 374.
Voigt, Valentin, 396.
Volavä, M., 202.
Volkmann, J., 95.
Volkmann, Robert, 127.
Volkner, Robert, 409.
Voss, Joh. Heinrich, 333.
388.
Vrieslander, Otto, 263.
VulUermoz 277.
Wagner, Cosima, 43. 94.
Wagner, Gustav, 134.
Wagner, Karl, 181.
Wagner, Richard, 4. 5. 6. 7. 12.
43. 49. 52. 53. 56. 65. 67. 96.
98. 100. 102. 104. 115. 121.
122. 123. 134. 135. 136. 155.
164. 166. 167. 169. 181. 183.
184. 189. 191. 198. 200. 202.
204. 205. 247. 262. 272. 273.
275. 277. 284. 286. 287. 288.
291. 292. 293.309.311.319.
323. 341. 348. 351. 379. 380.
381. 395. 396. 397. 413. 414.
417.
Wagner, Siegfried, 415.
Wagner, Frau (Geigerin), 134.
Wagner- Verein (Berlin) 194.
Wagner-Verein (Wien) 408.
Walch (Eisenstadt) 19.
Walcker, E. F., 86.
Walcker & Co. 395.
Walker, Edith, 412.
Wallner 391.
WallnOfer, Adolf, 191.
Walter, Bruno, 279. 280.
Walter, Georg, 195.
Walter, Maria, 203. 205.
Walter, Raoul, 191. 200.
Walter (Sängerin) 412.
Walter-Choinanus, Iduna, 194.
Warbeck, Gustav, 347.
Wargentln 389.
Waschow, Gustav, 120. 347.
Waska (Cellist) 196.
V. Weber, Alexander, 323.
Weber, Anselm, 312.
V.Weber, Carl Maria, 98. 119.
131. 199. 200. 279. 283 ff
(W. der Deutsche). 296 fr
(Zwei unbekannte W. Briefe).
303 fr (Die drei Pintos). 31 1 ff
(C. M. V. Weber I). 324 ff
(C. M. V. Weber als Schrift-
steller). 33 1 ff (Zur Verteidigung
von W.'s einst. Liedern I). 337
(C. M. V. W. als Lehrer). 342.
351. 352 (Bilder). 360. 373 ff
(C. M. V. W. Schluss). 387 ff
(Zur Verteidigung von W.'s
einst Liedern. Schluss). 396.
417. 424 (Bilder).
Weber, Clara, 65. 273.
V. Weber, Franz Anton, 313.
314.
V. Weber, Fridolio, 313.
V. Weber, Genofeva, 352 (Bild).
Weber, Gottfried, 299. 313. 317.
326.
Weber, J. J., 37.
V. Weber, Karl, 198. 304. 305.
307.
V. Weber, Karoline, 304. 352.
V. Weber, Freifrau Marion, 304.
305.
V. Weber, Max Maria, 296. 302.
304. 323. 337.
Weber, Wilhelm, 192. 193.
194.
Wedekind, Erika, 121.
Wegeier, Julius, 113.
Wegellus, Martin, 115.
Wehsener, E., 131.
Weidemann, Frieda, 192. 274.
Weigmann, Friedrich, 256.
Weil, Hermann, 204. 348.
Weingartner, Felix, 64. 65. 67.
68. 106. 107. 125. 128. 132.
133. 165. 180. 192. 195. 212.
249. 276. 349. 421.
Weiss, Carl, 205.
Weis, Karl, 416.
Welse, Hermann, 198.
Weismann, Julius, 199.
Weiss, Marcelle, 133.
Weisse, Chr. Felix, 341.
Weissenboni) Hermann, 69.
Weitzig, Hans, 196. 203.
Weltzmann, K. Fr., 31.
Wekker, Detr., 19.
REGISTER DER BESPROCHENEN BÜCHER
XIII
▼. Welcky Robert, 126.
V7elte & Söhne 305.
Weltlinger, Sigmund, 65. 414.
Wendel, Ernst, 131.
V7endel-Quartett 131.
V7endllng, Carl, 134. 200. 278.
\7endt, J. C, 318.
Werkmeister (Cellist) 104.
Wesendonk, Otto, 166.
Wessel, Bernhard, 104.
Westen, Emanuel, 182.
Wetz, Richard, 107.
Whitehill, Clarence, 120. 414.
Wiborg, Elisa, 64. 348.
Wickenhauser, R., 256.
Widor, Ch. M., 75. 80. 81. 82.
84. 85. 130. 141. 142. 146.
147. 148. 151. 152. 153. 272
(Der Fischer v. Saint Jean.
Erste deutsche Aufführung in
Fr. a. M.). 273.
Wieh6, Charlotte, 206.
Wieniawski, Henri, 418.
Wihtol, Joseph, 423.
Wild, Paul, 205.'
V. Wildenbruch, Ernst, 102. 205.
Wilhelm IL, KOnig v. Württem-
berg, 64.
Wilhelm IV., Herzog v. Bayern,
401.
Wilhelm], A., 280.
Wille, Georg, 204.
Winderstein, Hans, 71. 131.200.
201.
Winderstein-Kapelle 203. 205.
Winkelmann, Hermann, 303. 304.
305. 400.
Winkler, Th., 326. 328. 320.
Winter, Oskar, 181.
Wintemitz, Arnold, 185.
Wittenberg, Alfred, 68.
Witte, Georg Heinrich, 213. 214.
280.
Wohlbrflck 375.
Wohlgemuth, Gustav, 420.
Wolf, Hugo, 3. 106. 107. 128.
134. 135. 102. 108. 200. 202.
277. 416.
Hugo Wolf-Verein 408.
Wolf, Johannes, 168.
Wolf, Dr., 361.
Wolf-Ferrari, Ermanno, 65. 67.
1 14. 1 18 (.Die vier Grobiane«.
Erste Auffdhrung in Berlin).
110. 126. 131. 180 (»Die
vier Grobiane**. Urauffflhrung
in München). 212.
Wolff, P. A., 377.
Wolfiram, Carl, 400.
Wolfrum, Philipp, 1 12. 154. 248.
254. 280.
WoUank, Justizrat, 310.
Wolle 205.
WoUgandt, Edgar, 201.
Wolter, Charlotte, 107.
Wolter, Gustav, 351.
Wolters, Otto, 64.
V. Wolzogen, Hans, 120.
V. Wolzogen, Freifrau Elsa Laura,
420.
Wood, Henry, 108. 408.
Wormser, Andr6, 348.
Woyrsch, Felix, 102.
WflUner, Franz, 380.
WflUner, Ludwig, 126. 131. 203.
204. 205. 418.
Anna WOUnerscher Frauenchor
126.
Wurmser, Luden, 106.
Wuz61, Hans, 66. 414.
van der Wyck, Hess, 105.
Wyschi\egradsky, A., 423.
Ysaye, Eugftne, 127. 128. 133.
200. 201.
Zachow, F. W., 57.
ZAdor, Desider, 120.
Zajic, Florian, 68.
Zalsman, Gerard, 102. 104. 420.
Zander, Carl, 208. 280.
Zanini, Esther, 120.
Zarlino, Gioseffo, 300.
Zbolnska (Singerin) 67.
Zelter, Carl, 312. 318. 387.
Zellner, Leo, 125.
Zeretelli, Fürst, 66.
Ziegfeld, Dr. 400.
Ziegler, Adolf, 110.
Ziese (Pianistin) 131.
Zimin (Privatoper) 180.
Zimmermann, F. A., 64.
Zimmermann, Heinrich, 304.
Zimmer-Quartett 133.
Zinkeisen, Anna, 200.
Zmeskall v. Domanovecz, Niko-
laus, 20. 24.
Zoellner, Heinrich, 120.201.280.
352.
Zschemeck, Georg, 201.
Zschoriich, Paul, 261. 262.
Zulauf, Ernst, 65.
Zumpe, Herman, 204. 413.
Zumsteeg, J. R., 384. 386.
V. Zur Mühlen, Raimund, 131.
132. 134. 418.
Zweers, Bernard, 106.
REGISTER DER BESPROCHENEN BUCHER
Berlioz,Hecton Instrumentations-
lehre. Erg. u. revid. von Richard
Strauss. Teil I u. II. 250.
Bohtt, Emil : Hundert historische
Konzerte in Breslau. 104.
Brockhaus' Kleines Konversa-
tions-Lexikon. I. Bd. 300.
Finck, Henry T.: Edvard Grieg.
168.
Grove, George: Dictionary of
Music and Musicians. Bd. II.
105.
Hagemann, Carl: Oper u. Szene,
AufiBitze zur Regie des musikal.
Dramas. 261.
Höcker, G.: Drei grosse Ton-
dichter. 342.
Istel, Edgar: Die komische Oper.
341.
Kleefeld, Wilhelm: Landgraf
Ernst Ludwig v. Hessen-Darm-
stadt und die deutsche Oper.
308.
— Blätter hessischer Tonkunst.
308.
Liszt, Franz: Briefe (La Mara).
Bd. Vin. 56.
La Mara: Aus der Glanzzeit der
Weimarer Altenburg. 56.
V. Miller zu Aichholz, Viktor
und Kalbeck , Max : Ein
Brahms-Bilderbuch. 341.
Neue Kunstblätter: Beethoven
und Wagner von Karl Bauer.
104.
Praetorius, Ernst: Die Mensural-
theorie des Franchinus Ga-
furius und der folgenden Zeit
bis zur Mitte des 16. Jahrh.
308.
Riemann, Hugo: Handbuch der
Musikgeschichte. Erster Band.
Zweiter Teil. 168.
Storck, Karl: Geschichte der
Musik. III. Abteil. 160.
Zschorlich,Paul : Mozart-Heuche-
leL 261.
XIV REG. D. BESPR. MUSIKALIEN, ZEITSCHRIFTEN- U. ZEITUNGSAUFSÄTZE
REGISTER DER BESPROCHENEN MUSIKALIEN
Arensky, Anton: op. 73. Trio
Nr. 2. 170.
Aulin, Tor: op. 14. Violinkonzert
Nr. 3 c-moll. — op. 15. Vier
Stocke in Form einer Suite
fOr Violine mit Klavierbe-
gleitung. 170.
Berwald, W.: op. 32. Sonate fOr
Violine und Klavier. 170.
Brflckler, Hugo: op. 1 und 2.
Lieder und Gesänge aus
Scheffels «Trompeter von Sik-
kingen". 106.
Cleve, Halfdan : op. 6. Klavier-
konzert Nr. 2 b-moll. 401.
Crome, Fritz : op. 3. Sonate pour
Violon et Piano. 170.
Courvoisier, Walter: Sieben Ge-
dichte von Peter Cornelius
für eine Singstimme mit
Klavier. 262.
Denkmäler Deutscher Tonkunst.
Erste Folge. Bd. 20. 57.
— Bd. 21 u. 22. 57.
— Zweite Folge. Denkmäler der
Tonkunst in Bayern. 3. Jahrg.
Bd. II. Erster Teil. 400.
Enna, August: H. C. Andersen.
Festouvertflre fOr Orchester.
342.
— Märchen, Symphonische Bilder
fOr Orchester. 342.
Fuchs, Robert: op. 75. Klavier-
quartett. 170.
Gorter, Albert: op. 17. Acht
Klavierstacke. 343.
Heinrich XXIV. f. L. Prinz
Reuss: op. 21. Zweite Sonate
fflr Pianoforte und Violine.
— op. 22. Sonate fflr Piano-
forte und Viola. — op. 23.
Zwei Streichquartette. 170.
Istel, Edgar: op. 16. Drei Lieder.
172.
Kaun, Hugo: op. 2 und op. 7.
KlavierstQcke. 58.
Kienzl, Wilhelm: op.30. Kinder-
Liebe und -Leben. 172.
Kross, E.: Wie hält man Violine
und Bogen. 170.
Liapounow, S.: op. 11. 12
Etudes d'ex6cution transcen-
dente pour le Piano. 105.
Lies, Otto: op. 24. .Lenore".
401.
Moszkowsky, Maurice: op. 60.
Valse de concert pour le Piano.
— Esquisse, Vtoitienne, Im-
promptu, Coorse folle pour
Piano. 58.
Opienskiy Henryk: Sechs Lieder.
172.
Petschnikoff, Alexandre: op. 10.
Trois morceaux pour Violon.
171.
Poldini, Eduard: op. 38. De-
kameron. 58.
vom Rath, Felix: Drei Klavier-
stflcke op. 15/1. Danza malin-
conica. 2. Devozionale. 3.
Burla. 263.
Reger, Max: op. 76. Schlichte
Weisen. 107.
— op. 89. Zwei Sonatinen. 107.
— op. 77. Zwei Trios. 343.
Röntgen, Julius: op. 47. Alt-
niederländische Volkslieder.
58.
Schmid, Heinrich Kaspar: Drei
Lieder fOr Bariton und Klavier,
op. 8. — Vier Lieder und ein
Duett mit Klavierbegleitung,
op. 9. 263.
Schröder, Hermann: Anleitung
und Übungen zum Partitur-
spiel. 171.
Sevcik, O.: op. 2. Schule der
Bogentechnik. — op.3. Vierzig
Variationen. (L. R. Feuillard.)
Sohns, Otto: Sonate fQr Klavier
und Violine. 107.
Stojanovits, Peter: op. 2. Serenade
fflr Violine mit Klavierbe-
gleitung. 171.
Streicher, Theodor: Sechs Lieder
aus des ,, Knaben Wunder-
hom*. 262.
Suk, Josef: op. 25. Scherzo
fantastique fQr Orchester. 343.
Urtel, Elisabeth: Neun moderne
Kinderlieder. 263.
Vrieslander, Otto: Lieder und
Gesänge nach Gedichten von
Goethe, aus des „Knaben
Wunderhom*, nach verschiede-
nen Dichtem und aus „Pierrot
Lunaire" von Albert Giraud
für Singst, und Klavier. 263.
Weingartner, Felix: op.22. Zwölf
Lieder. 106.
Wetz, Richard: op. 20. FQnf
Gesänge« 107.
Zilcher, Hermann: op. 11. Kon-
zert h-moll fQr Violine und
kleines Orchester. 343.
REGISTER DER BESPROCHENEN ZEITSCHRIFTEN-
UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Abert, Hermann: Modemer
Musikdilettantismus. 110.
— Adam Krieger, ein ver-
gessener Meister des deutschen
Liedes. 264.
The Academy (London): From
across the^seas. 60.
— Strauss' «Don Juan*. 61.
— Choral Music. 405.
Altmann, Wilhelm : Die deutsche
Musiksammlung. 108.
Andersson, Otto: Inhemska
musiksträf van den i äldre
flder. 60.
— Sängen 1 vftra skolor. 403.
Arend, Max : Die unter Glucks
Mitwirkung hergestellte, ver-
schollene älteste deutsche
Obersetzung der Iphigenia auf
Tauris. 405.
Ars et Labor« Musica et Musicisti
(Mailand): Luigi Marchesi. 402.
Aubaresses, Frangois: Critique
et Methode. 114. 405.
Bach-Jahrbuch 402.
Batka, Richard: Der Monats-
plauderer. 108.
— Smeuna in MQnchen. 110.
— Richard Wagner und die
Prager Mozart-Tradition. 176.
— Von der Zukunft des Konzert-
wesens. 265.
— Babel und Bibel in der
Musik. 403.
— Heimat und Herkunft der
polyphonen Musik. 403.
— Zur Geschichte des Konzert-
wesens in* Prag. 403.
Bayreuther Blätter: Ein unge-
druckter Schluss des » Beet-
hoven*!] von; Richard Wagner.
59.
Bekker,Paul : Pa8slonsmu8ik.403.
Bellalgue, Camille: Österreichs
Anteil am Geist u. an der
Geschichte der deutschen
Oper. 264-
Benet, Michel: Les Etudes de
Liszt. 174.
Bertelin, Albert: Des 6tudes de
composition musicale, oe
REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITUNGSAUFSÄTZE XV
qu'elles sont, ce qu'elles
devriient 6tre. 60.
Bertini, P.: La musici stcra
secondo S. Agostino e S.
Tommaao. 61.
Bie, Oskar: Musik auf Ab-
bruch. 403.
Blaschke, Julius: Heinrich Heine
und die Musik. 110.
Braungart, Richard: Programm-
musik. 110.
Breithaupt, Rudolf M.: Mozart
und die Zeitmusik. 265.
Büchner, Otto: Ermanno Wolf-
Ferrari. 264.
Bunge, Rudolf: Joh. Seb. Bachs
Kapelle zu KOthen und deren
nachgelassene Instrumente. 402.
Calvocoressi, M. D.: M. Vincent
d'Indy. 405.
de Carlo, A.: La Muslca come
fönte d*tspirazione, nelle arti
flguratlve. 59.
Chantavoine, Jean: Goethe
Musicien. 110.
— Franz Liszt et Tart classique.
405.
Chop, Max: Robert und Clara
Schumann. 174.
Closson, Emest: Cherubini. 100.
— F. A. Gevaert 175.
Colles, H. C: The Oxford
History of Music. 173.
— On extempore Playing. 173.
— Hubert Parry's ,Pied Piper
of Hamelin". 405.
— Bach-Festival. 405.
Cornelius, Carl Maria: Die
Werke meines Vaters. 59.
Corver, W. J.: Alfred Tennyson
en Richard Strauss. 174.
Le Courrier musical: Lettres
in6dites de Gulllsume Lekeu.
60.
Gripps, A. R.: DoukhobourMusic.
405.
Crotched, Dotted : Private musical
coUections: Mr. Edward Speyer.
402.
Dftlfico, Melchiorre: Verdi- Kari-
katuren. 402.
Dembski, Max: Hundert Jahre
deutschen Minnergesanges.
176.
Dent, Edward J. : The Amflpamaso
of Orazio Vecchi. 405.
Dessoff, Albert: Aus Briefen von
HermannGoetz anOttoDessoff.
402.
Deutsch, Erich: Schwinds .Die
Hochzeit des Figaro*. 264.
Döink, Petrus: Die Einfahrung
der nach der vatikanischen
Ausgabe hergestellten neuen
Choralbücher unter dem
kirchenrechtlichen Gesichts-
punkt. 175.
Dubitzky, Franz : Mehr Licht in
unsere Partituren. 174.
Erler, Hermann: Mendelssohns
Reise in die Schweiz. 176.
Ernst, Alfred: La melodia de
Wagner. 175.
de Fays, J.: Les musiques mili-
taires. 60.
Ferrerio, A.: Le origini del
Melodrama. 61.
Festschrift zum 80. Geburts-
tage Herzog Georgs: Herzog
Georg II. und die Melninger
Kunst. 265.
Finsk Musikrevy: Af- vita om
dOmen om musik. 60.
— GreBnnan Marie d'Agoult. 60.
— Sm& medel, stora verkningar.
109.
Fritzsche, Dr.: Erinnerungen an
Felix Mendelssohn-Barthoidy.
110.
Galli, A.: Musica artiflciosa. 60.
Garms, H.: Een Theoretische
Invenuris. 174. 402.
Gastou6, A.: La musique k
Avignon et dans le Comtat
du XlVe tu XVIIIe siftcle. 59.
Gevaert, F. A. : Die musikalische
Reproduktion. 175.
Glasenapp, C. Fr.: Siegfried
Wagner. 109.
Grand - Carteret , J. : Retrato
grafolögico de Wagner. 109.
Grunsky, Karl: Mozarts Kirchen-
musik. 108.
— Musikpflege im Hause. 108.
Gflrke, G.; Vom Musiksaal der
Zukunft. 404.
Guttmann, Alfred: Oskar Fried.
61.
Hamburger Echo : Das Orchester.
173.
Hamburger Nachrichten: Ein
deutscher Fflrst Ober Richard
Wagner im Jahre 1849. 175.
Das Harmonium: Die musika-
lischen Fachkreise und das
Harmonium. 61.
Heuss, Alfred: Das dämonische
Element in Mozarts Werken.
108.
Hippius, Adelaide: Was Rubin-
stein in den Stunden sagte. 404.
Horovitz-Bamay, Ilka: Brahms-
Briefe. 176.
Illustrierte Zeitung (Leipzig) :
Peter Cornelius in seinen Be-
ziehungen zu Franz Liszt. 404.
Ingegnieros, Jos6: Origen y
funciön de la müsica. 109. 175.
Isler, Ernst: Friedrich Hegar. 403.
Jaeil, Marie: Intelligenz und
Rhythmus in den kflnstlerischen
Bewegungen beim Kinde. 265.
Joss, Victor: „Aschenbr6der. 109.
— »Dolores**. 175.
Keller, Alois: ZithersQnden. 265.
Kessler, Adolf: Musik in der
Natur. 108.
Kling, H.: Goethe et Berlioz. 59.
Kloss, Erich: Das Tannhiuser-
Bacchanal. 109.
— Choreographisches bei Richard
Wagner. 174.
Kohut, Adolph: Eine 80]ihrige
SangeskQn stierin. 404.
V. Komorzynski, Egon: Mozarts
konstnirs Kap. 109.
KOstlin, H.A.: Ein Stflck Volks-
kunst. 108.
V. Kothen, Axel: Brückners
4. Symphonie. 109.
Krogh, Christian: Ellen Gul-
branson. 403.
Krtsmiry, Anton : Unzeitgemflsse
Betrachtungen zur Mozartfeier.
109.
Lange, Fritz: Franz Schubert und
die Tanzmusik seinerzeit. 264.
Laser, Arthur: Musik fflrs Volk.
175.
— Anregungen zur Programm-
Reform. 404.
Lee, E. Markham: The Future
of the Cadence? 405.
Lindau, Paul: Herzog Georg
V. Sachsen - Meiningen zum
80. Geburtstage. 403.
Loerwald, J.: Der Gesangswett-
streit. 173.
Lopez Anön, Francisco : La mü-
sica arabe. 175.
LflckhoCr, Walter: Moderne Haus-
musik-Pädagogik. 264.
Lttzemer Tagblatt : Heinrich
Heine und die Musiker. 173.
Lyon, Gustave : L'acoustlque au
Trocad6ro. 405.
Maclean, Charles: The British
School on View. 108.
Manz, Gustav : Ein Brief Richard
Wagners an seine Schwester
Klara. 176.
Marling, Frank H.: Musical In-
struments in the Metropolitan
Museum, New York. 173.
Marsop, Paul : Zurflck zu Mozart?
404.
— Eine Genossenschaft ausQben-
der deutscher Musiker. 404.
Matras, Maud: A Fantasy. 175.
Mauclair, Camille: Propositions
sur la musique. 174.
Mey, Kurt: Musik in Italien. 404.
XVI
REGISTER DER ANGEZEIGTEN NEUEN OPERN
V. Mojsisovics, Roderich: Hector
Berlioz' Bedeutung fflr die
Musik unserer Tage. 110.
— DelEtdenz in der Musik? 174.
Mflnzer^ Georg: Peter Cornelius
aber Ricliard Wagner in Mfln-
chen. 265.
Musical America 1906: No. 10/1 1.
61.
The Musical Times (London):
Judas Maccabaeus. 402.
— John Day. 402.
NaldOy A. R.: Corriere. 61.
Naught, G. Mc: The competi-
tion Festival movement in
England. 405.
Nef, Karl: Zur Geschichte zweier
schweizerischen Nationallieder.
60.
— Männergesang im Kanton
St. Gallen. 173. 403.
Neitzel, Otto: Messalina. 100.
— Ober die Begleitung zum
Gesang. 175.
Neumann, Angelo: Kunst und
Kritik. 176.
NieckSy F.: On the history of
the Oratorio. 265.
Obrist, Aloys: Klavierspielappa-
rate und musikalische Seelen-
werte. 109.
Pfeiffer, A.: Die Entwicklungsge-
schichte des Klaviers. IV. 108.
Pfltzner, Hans : Bahnentradition.
59.
Pfohl, Ferdinand: Mozart und
wir 170.
Pifiero, Elena: La mtisica y el
Arte, SU acciön moral. 109.
Pommer, Josef: Das älplerische
Volkslied und wie man es
findet 110. 265.
Pramers, Adolf: Tonale Geo-
metrie. 265.
Rappärd, Chr. A.: Twee Vocale-
Orcheaterwerken van Richard
Strauss. 60.
ReusSi Eduard: Zur Mozartfeier.
59.
Rhein.-Westf. 2:eitung: Die Ent-
wicklung der Ballade als musi-
kalische Kunstgattung. 402.
Richter, Beruh. Fr.: Die Wahl
Job. Seb. Bachs zum Kantor
der Thomasschule im Jahre
1723. 402.
Riemann, Hugo: Die Ausdrucks-
kraft musikalischer Motive. 60.
de Roda, C.: Un quademo di
autografl diBeethoven del 1825.
59.
Rowbotham, J. F.: Primitive
Harmony. 405.
Rast, Ernst: Gedanken aber das
Wettsingen. 60.
Scharlitt, Bemard: Briefe von
und an Chopin. 403.
Schauby F. : Zur Geschichte des
Diri^erens. 61.
Scherrer, Heinrich: Gitarrespiel
und musikalische Erziehung.
264.
Schiedermair, Ludwig: Neapoli-
tanischer Brief Simon Mayrs
a. d. Jahre 1813. 265.
Schjelderup, Gerhard: Stimmen
der Völker in Liedern: Das
norwegische Volkslied. 60.
Schlegel, Arthur: Hans Sommer.
265.
Schloesser, Adolph : Musikzu-
stände in England. 61.
— Das moderne Orchester. 61.
— The Sonata. 174.
— Concert Programmes. 405.
Schmidt, Kari: Ober die Tätig-
keit der Kirchengesangvereine
im 4. Vierteljahre 1905. 61.
Schmitz, Eugen: Die vier Gro-
biane. 175.
Schneider, Max: Verzeichnis der
bisher erschienenen Literatur
aber Job. Seb. Bach. 402.
Schultz, Detief: Das Musikjahr
1905. 109.
Segnitz, Eugen : Gesang der Ver-
klärten. 61.
— Anton Brückner. 174.
Seitler, Josef: Musik und Mittel-
schule. 404.
Semper, Manfk«d : Gottfk'ied
Semper und Wagner in ihrem
persAnlichen Verhältnis. 404.
Senes, G.: Muslca minuscola. Ol.
Solerti, A.: Primi saggi del
melodramma glocoso. 60.
Sonneck, O. G.: Washington's
March. 405.
Spencer, Arthur: Can Music
express emotion? 61. 175.
— Musikens härkonst och upp-
gift. 403.
Stanford, Ch. V.: Das falsch
gedruckte Metronomzeichen in
Beethovens Neunter Sympho-
nie. 405.
Steiner, A.: Hans von Baiow. 50.
Stemfeld, Richard: Hugo Wolf-
Literatur. 265.
de Stoecklin, Paul: Max Reger.
405.
Sylva, Carmen : Musikalische
Stunden. 173.
Thiessen, Karl: Peter Cornelius
als Musiker. 109.
— Kritischer Rackblick auf die
Mozart-Gedenkfeier. 110.
d'Udine, Jean: Musique et Pro-
sodie. 174.
— L'teole des amateurs : L'amour
de l'art. 405.
— Musique ancienne. 405.
Vivell» P. COlestin : Das Quilis-
ma. 175.
Volbach, Fritz: Wohin steuern
wir? 173.
^ Ein' feste Burg ist unser
Gott. Kantate von Job. Seb.
Bach. 402.
Weekblad for Muziek: Onze
Orchester. 60.
— Die Apostel. 402.
Wrassiwanopulos-Braschowanoff,
George: Richard Wagner und
die Antike. 59.
de Zielinski, Jaroslaw: First
concerts in England. 173.
Zuschneid,Karl : MozartsKlavier-
sonaten und ihre Bedeutung
im Unterricht. 108.
REGISTER DER ANGEZEIGTEN NEUEN OPERN
Draeseke, Felix: Merlin. 177.
Erlanger, Baron Friedrich : Tess.
266.
Felix, Hugo: Les Merveilleuses.
62.
Ganne, Louis: Hans der Flöten-
spieler. 266.
Gotthelf, Felix: Mahadeva. 344.
Kistler, Cyrill: Die Kleinstädter.
406.
Langert, August: Des Sflngers
Fluch. 111.
L<eoncavallo, R.: Das Rothemd.
266.
Leroux, Xavier: Theodora. 406.
Massenet, Jules: Thörtee. 406.
Mattausch, A.: Die Brautnacht.
177.
Morvarer, A.: Die Liebesgeige.
266.
Pacchierotti, Ubaldo: O Eidel-
bergia mia. 406.
Rasse, Fran^ois: DeTdamia. 177.
R6kai, Ferdinand: Die Zigeuner
von Nagy-Ida. 62.
de S^verac, D^odat: Soeur
B6atrice. 62.
Sousa, J. P.: The Free Lance. 266.
Woikowsky,V.: DasNothemd.344.
Wolf-Ferrari, E.: Der Fieber. 111.
NAMEN- UND
SACHREGISTER
ZUMßlV. QUARTALSBAND DES FÜNFTEN
JAHRGANGS DER MUSIK (1905/6)
Aachen (83. Niederrheinisches
Musikfest) 60.
Abendroth, Hermann, 198.
Ackt6, Aino, 187.
Adamowski, Tim, 334.
Adler, Guido, 36.
AfTerni, Ugo, 69.
Aischylos 264.
Akerberg, Erik, 342.
Albert, FOrst v. Monaco, 332.
Albers, Henri, 191.
d*Albert, Eugen, 60. 62. 64. 69.
264.
Alexander d. Grosse 91.
AlN^n, Hugo, 341. 342.
d'Allemagne, Henry, 277.
Allgemeiner Deutscher Musik-
verein (42. Tonkflnstlerfest des
A. D. M.) 47 ff.
Altmann, Wilhelm, 17.
Altona (Singerin) 267.
Ambros, A. W., 381.
Andersen, Anton, 342.
d'Andrade, Francesco, 395.
Andrö 164.
Andresen, Lulu, 195.
Anfossi, Pasquale, 61.
van Anrooy, P.i 190.
Ansorge, Conrad, 199.
Anton, Karl, 333.
Anton, König, 17.
Arbos, E. F., 176.
Arcadelt, Jakob, 192.
Arensky, Anton, 335.
Ariosto, Lodovico, 91.
Aristides 90.
Aristoteles 296.
Arlte, Gustave, 278. 283. 284.
285.
Arnheim, Sophie, 196.
Armingaud, Jules, 288.
Ascherfeld, Klara, 192.
Astruc & Co. 332.
Attenhofer, Karl, 199.
Auber, D. F. E., 292.
V. Auer, Leopold, 64.
Augusts, Prinzessin v. Preussen,
278. 279.
Aulin, Tor, 342.
Aulin, Valborg, 342.
Azevedo 277.
Bach, Job. Seb , 60. 61. 62. 65.
66. 77. 111. 116. 120. 124.
125. 138. 168. 169. 172. 174.
177. 192. 193. 196. 197. 198.
200. 204. 209.211. 212.226.
228. 265. 268. 269. 271. 335.
336. 337. 338. 340. 341. 343.
382. 385. 398. 403.
Bach, Otto, 147. 148. 149. 151.
Bachmann, Walter, 186. 342.
Bflck, Knut, 342.
Backhaus, Wilhelm, 66. 268. 342.
Bade, Philipp, 340.
Bak, Adolf, 335.
Balser-Fyshe, Anna, 266.
Banck, C, 134. 157.
Bannasch, Richard, 262.
Barblan, Otto, 67.
Bargiel, Woldemar, 384.
BarlOsius 42.
Barrault 284. 294.
Bartholomey, Franz, 396.
v.B«ry,Alfred,247.272 (Bild). 342.
V. Bassewitz, Frl., 266. 338.
Bastard, William, 340.
Batz, Reinhold, 51.
Bauberger, Alfred, 189.
Bauer, Harold, 192. 335.
Bauerkeller (Geiger) 343.
Baumann, Alexander, 214.
Baumgarten, A. G., 101.
Baumgartner, August, 261.
de Bayard, Seigneur, 91.
Becker, Albert, 226. 248.
Becker, E. L., 142 (Bild).
Becker, Hugo, 338.
Becker, Jean, 382.
Becker, K. F., 325.
Becket, Thomas, 351.
Beckman, Bror, 342.
Beckmann, Gustav, 333.
Beecher, H. W., 374.
de Beer, Pierre, 195.
van Beethoven, Ludwig, 37. 45.
58. 61. 63. 65. 69. 77. 103. 104.
110. 111. 113. 115. 124. 129.
131. 143. 160. 161. 170. 171.
172. 173. 174. 191. 192. 193.
196. 197. 200. 210. 249. 250.
251. 265. 266. 267. 268. 269.
270. 271. 286. 297. 335. 337.
339. 340. 342. 343. 390. 395.
396. 405.
Behm, Eduard, 338.
Behr, Hermann, 199.
Behrens, Peter, 270.
Beier, Franz, 65.
Beines, Carl, 190.
Benazet 280. 283. 285. 287.
288. 289.
Bender, Paul, 189.
Benner, Paul, 68.
Bennett, W. St., 141.
Benolt, Peter, 190. 337.
Benzler, Bischof, 58.
Berg, Arthur, 341.
Berg, Egon, 248.
van dem Berg, B., 266.
Berger, Ludwig, 141.
Berger, Rudolf, 245. 247.
Berger, Wilhelm, 63. 65. 337.
338.
de B^riot, Charles, 344.
Berlioz, Hector, 50. 61. 66. 69.
100. 131. 138. 191. 196. 197.
199. 265. 271. 275. 280. 281.
339. 348.
Bernard (Sfogcrin) 190.
Berneker, Constanz, 186. 196.
222 ff (C. B. t 9. Juni 1906).
272 (Bild).
Bernouilll, Eduard, 66.
Bertram, Theodor, 187. 247. 272.
Berwald, Franz, 341.
Betz, Franz, 392.
Beyer & Söhne 162.
Bigot, Marie, 286.
Bits, Arthur, 335.
Blnswanger, Otto, 132.
Bischoff, Hermann, 50. «
V. Bismarck 57.
Bizet, Georges, 265.
Blanck-Peters, Marie, 195.
Blanquart (Flötist) 340.
Bliservereinigung, Mainzer, 70.
Blazer, S., 189.
Blech, Leo, 259. 333.
Blesensis, Petrus, 351.
Bliesener 57.
Blitz, David, 340.
Bloch, Ernest, 68.
Blockx, Jan, 190.
Bloomfleld-Zeisler, Fannie, 1^2.
Blumentbai 402.
BlOthner 323.
I
II
NAMENREGISTER
Boche, Ernsty 334.
Böhme, Doris, 261.
BOhner, Ludwig, 87.
du Bois-Reymond, R., 325.
Bonis, Mel., 340.
Bopp-Glaser, Auguste, 101.
BOpple, Paul, 67.
Borchers, G. 197.
Bomgässer, Wilhelm, 62.
V. Bortklewicz, Sergei, 336.
van Bos, Coenraad, 62. 60.
V. Böse, Fritz, 342.
Bosetti, Hermine, 61. 187. 188.
108.
Bossi, Enrico, 268. 337.
Bote & Bock 258.
Böttcher 58.
Böttge 185.
Brahe, Tycho, 342.
Brahms, Johannes, 60. 61. 62.
63. 64. 66. 76. 105. 120. 120.
138. 140. 172. 175. 177. 101.
105. 106. 107. 108. 223. 240.
265. 266. 268. 270. 271. 322.
335. 336. 338. 342. 376. 381.
386. 402.
Branco, Rudolf, 64.
Brandt, Marianne, 200. 225. 348.
BrandukofT, Anatol, 260.
Braun, Fritz, 247.
Braun, Hedwig, 106.
Braun (Komponist) 174.
Braune, Hugo L., 42. 71.
Braunfels, Walter, 51.
Brause, Hermann, 336.
Breitenfeld, Richard, 62.
Breitengraser, W., 176.
Breitkopfft Hirtel 72. 122. 160.
162. 174. 226. 248. 206. 302.
300. 401.
Brenuno, Clemens, 207.
Breuer, Elise, 62.
Breuer, Hans, 247. 272.
Bricht-Pyllemann, Agnes, 60.
Briesemeister, Otto, 64. 247.
Brockhaus, Max, 155.
Brodsky, Adolf, 66.
Broz&I, Philipp, 65.
Bruch, Max, 62. 266. 271. 340.
343.
Brückner, Anton, 62. 103. 106.
108. 100. 227. 266. 270. 342.
381. 305. 402. 413.
Brflckner, J. J., 08.
Brückner, Max, 262. *
BrQckner, Oscar, 60.
Bröggelmann, H., 268.
Brflil-Kienemund (Singerin) 265.
Brun, A. B., 64. 403.
Brun, Fritz, 67.
Brunner 57.
Buflr-Giessen, Han», 268.
Buff-Hedinger, Emilie, 64.
Buhl, Prof., 313.
Buhlig, Richard, 338.
Bukofzer, Max, 324.
V. Baiow, Hans, 313. 317. 318.
310. 320. 321. 322. 341. 376.
377. 380. 381. 383. 385. 386.
Bulss, Paul, 304.
Buonamici, Giuseppe, 321. 376.
377.
Burdach, Konrad, 224.
Burghardt Du Bois, E. W., 368.
374.
Burgstaller, Alois, 272.
Burk-Berger, Marie, 187.
Burkert, Otto, 265.
Burmester, Willy, 62. 108. 341.
Burrian, Carl, 61. 263.
Busoni, Ferruccio, 64. 101. 334.
Busser, Henri, 50.
Büttner, Max, 104. 262.
Buysson (Singer) 180.
Byron, Lord, 02.
Cahier, Mme., 262.
Caland, Elisabeth, 325.
de CamoCns, Luiz, 02.
Capottl, Victor, 332.
Carr«, Albert, 332. 333.
Carrefio, Teresa, 268. 343.
Carus, Carl Erdmann, 84. 86. 06.
Casals, Pablo, 180.
Caatlereagh, H. R. St., 02.
V. Certoriska, Grftfln, 201.
de Cervantes, Miguel, 02.
Chamberlain, H. St., 6.
Charpentier, Gustave, 333.
Chaucer, Geofflrey, 02.
Chausson, Emest, 334. 335.
Ch«ridjian-Charrey 67.
Chevalley, Heinrich, 50.
ChevlUard, Camille, 332. 330.
V. Chigi, Forst, 310.
Chladek, W., 184.
Chopin, Fr6d6ric, 62. 64. 66. 81.
100. 105. 118. 124. 172.270.
271. 332. 335. 340.
Chrysander, Friedrich, 65. 107.
Clark, Ch., 337.
Giemen, O., 176.
Coates, Albert, 414.
Coates, John, 337.
Codes, Horatius, Ol.
Colbert, J. B., Ol.
V. CoUin, Heinr. Jos., 80.
Colonne, Edouard, 260. 330.
Columbus, Christoph, 00.
Combe, Eduard, 68.
Converse 266.
Copdevielle, Jean, 127.
Corneille, Pierre, Ol.
Cornelius, Peter (Singer), 247.
272 (Bild).
Cornelius, Peter, 322. 376. 384.
Correggio, Antonio, Ol.
Cortot, Alfred, 340.
Corvinus, Lorenz, 247. 264.
Cossmann, Bernhard, 288.
Costa, Franz, 180.
Courvoisier, Walter, 67.
Cousa 314.
Cowen, F. H., 107. 343.
Croissant, Erna, 264.
de la Cruz-Fröhlich, Luis, 60.
Culp, Julia, 180. 101.
Curtius, Sp., Ol.
Gzemy, Carl, 134.
Dahn, Felix, 106. 223.
Damcke, Berthold, 57.
Damrosch, Frank, 185.
Dancia, Charles, 333.
Dante Alighieri 02. 268.
Darkow, Martin, 375.
David, F«icien, 275 ff (F. D.'s
Reise nach Deutschland). 344
(Bilder).
David, Ferdinand, 278. 281. 403.
Davies, Ben, 266.
Davies, Franggcon, 337.
Dawison, Max, 247.
Debussy, Claude, 101. 303.
Dechert, Hugo, 338.
Decker, Constantin, 258.
Dehn, Siegfried, 258.
Delgrange, Alexandre, 127.
Delibes, L6o, 381.
Delius, Frederik, 50.
Demuth, Leopold, 187. 263.
D6n6r6siz, A., 67.
Denys, Thomas, 62.
Dessoir, Susanne, 337. 341.
Destinn, Emmy, 272.
Deutsch de la Meurthe, Henri,
332.
Dietz, Johanna, 62. 337.
Dillmann, Alexander, 64.
Dima, Henny, 180.
Doebt>er, Jobannes, 65.
Doenges, Paula, 187. 188. 262.
334.
V. Dohn&nyi, Ernst, 63. 128. 265.
Dömpke, Gustav, 223.
Donizetti, Gaetano, 147. 153.
Dopper, C, 100.
Doret, Gustave, 67.
Dom, Heinrich, 115.
Draeseke, Felix, 267.
Drake, Franz, 02.
Dresden, Sem, 178.
Dressler, Anton, 64.
Dreyschock, Felix, 333.
Drill-Orridge, Theo, 51. 187.
Dufour, W. H., 308.
Dufour 278 ff. 281 ff. 284. 285.
V. Dulong, Henri, 108.
V. Dulong, Magda, 108.
Dupont, Gabriel, 333.
Duport 286.
Dupuis, Sylvain, 102.
V. DQrk, Frau, 300. 310.
Duveyrier 278. 281 204.
NAMENREGISTER
III
Dvorak, Anton, 63. 65. 60. 192.
199. 271. 334. 335.
V. Ebtrt 262.
Ehlers, Paul, 228. 229.
Ehrhardt, Marie, 261.
Ehrhart, Jacquea, 67.
Elchberger, Josef, 333.
V. Eichendorff, Frhr. Joseph, 249.
Eichner, Ernst, 86.
Eitner, Robert, 176.
Ellberg, Ernst, 342.
Eidering, Bram, 271.
Elgar, Edward, 191. 334. 336.
337. 340.
Elisabeth, Königin, 278.
Ellis, W. A., 44. 348.
Elman, Mischa, 197.
Elmblad, Johannes, 59.
Eltz, Emil Conrad, 98.
Elvyn, Myrtle, 267.
Ende 174.
Enfantin, Arthur, 286.
Enfkntin, Barth^lemy Prosper,
276 ir.
Enesco, Georg, 340.
Engel, J., 260.
V. Engelhardt, Helene, 61.
ErdmannsdOrffer, Max, 380.
Erlanger, Camille, 333.
Erler, Hermann, 134. 139. 142.
Ernst, H. W., 265.
Ernst Ludwig, Grossherzog v.
Hessen, 65.
Erttel, Otto C, 85.
Escudier, L6on u. Marie, 282.
283. 284. 285. 287. 288. 289.
291 ff.
Euler, Leonhard, 91.
Euripides 225.
van Eweyk, Arthur, 62. 63. 196.
197. 267. 270. 336.
Farrar, Geraldine, 396.
Fassbänder, Peter, 68. 198. 199.
Faur6, Gabriel, 340.
Fechner, E., 200.
Feinhals, Fritz, 64. 187. 188.
263.
F6nelon, Fran^ois de Salignac, 9 1 .
Fernen, Villi, 340.
Ferchland, Helene, 198.
Ferdinand Maximilian, Erzherzog,
239.
Fernet (Tenor) 264.
Fessel, John, 341.
Feuge, Oskar, 333.
Feuge-Gleiss, Emilie, 247.
F6vrier, Henri, 263 («Le roi
aveugle.** UrauffQhning in
Paris.)
Fichte, Joh. Gottlieb, 102.
Fiedler, Oskar, 59.
V. Fielitz, Alexander, 332.
Finck, Henry T., 40. 41.
Fink, G. W., 100.
Fioravanti, Valentino, 174.
Fischer, Gh. V., 236.
Fischer, H., 338. 339.
Fischer, Richard, 198. 199. 340.
Fischer & Franke 71.
Fischer (Chordirektor) 18. 21.
Fitzner-Quartett 396.
Flechsig 97.
Fleischer, Oskar, 413.
Fleischer-Edel, Katharina, 187.
191. 192. 247. 272 (Bild).
Flesch, Carl, 63. 189.
F16ring, D., 332.
Forcellini, Egidio, 96.
Forchhammer-Ulsaker,Frau, 266.
Forchhammer, Ejnar, 262. 266.
Fester, St. C, 375.
Franck, C6sar, 265. 341.
Franke, Fr. W., 65.
Franklin, Benjamin, 92.
Franz, Robert, 166. 382. 385.
V. Freiberg, Heinrich, 4.
Freiligrath, Ferdinand, 303.
Freyer, Dr, 271.
Freytag, L., 248.
Fricke, Richard, 45.
Fried, Richard, 264.
Friedberg, Carl, 270. 341.
Friedfeldt, Mara, 265.
Friedenthal, Albert, 271.
Friedrich, Kaiserin, 65.
Friedrich d. Grosse 91.
Friedrieb, Herzog v. Anhalt, 63.
Friedrich August II., KOnig, 17.
232. 283.
Friedrich II., Herzog v. Anhalt,
333,
Friedrich Wilhelm III., König,57.
Friedrich Wilhelm IV., König,
58. 232. 278. 299.
Friedrichs, Fritz, 272.
Friedrichs, Kari, 64.
Fritzsch, E. W., 225. 376. 392.
Frohschamer, Prof., 314.
Froissart, Jacques, 186.
Froment-Meurice, Jacques, 332.
Fromm, E., 267.
Fuchs, Anton, 187. 189.
FOchsel 339.
Fugmann, Job. Chr, 86»
Funk 298.
Fflrst, Helene, 198.
FOrstenau, L. B., 402.
Gabrilowitsch, Ossip, 196.
Gade, N. W., 64. 335. 342. 384.
Gadski, Johsnna, 187. 188. 192.
335. 336. 337.
Gihlert, W., 65.
Glhrich, Wenzel, 57.
Gailhard, Pedro, 332.
Ginge (Pianist) 196.
Ganz, Rudolph, 335.
Garcia, Manuel, 186. 344.
Garibaldi, Giuseppe, 311.
Gast, Fr. Mor., 86. 87.
Gaul, Franz, 186.
Gautier, Th., 284.
Gay, Maria, 264.
Gebhard, Heinrich, 191.
Gebhardt, Martin, 58.
Geess, Hermann, 58.
Geibel, Emanuel, 125.
Geisler, Paul, 258.«
Gensei, I., 141.
Gentner, K., 340.
Georges, Alexandre, 333. 340.
Gerardy, Jean, 192. 265.
Gerhardt, P., 343.
Gericke, Wilhelm, 191. 334.
Gewandhaus - Kammermusikver-
einigung 342.
Geyer, Ludwig, 21.
Glossen, Hans, 343.
Gilbert 348.
Gille, Kari, 333.
van Gilse (Komponist) 190.
Glasenapp, C. Fr., 18. 45. 235.
399. 400.
Glaso 57.
Glazounow, Alexander, 334.
Glover, Edwin, 266.
Gluck, Chr. W., 62. 212. 333.
403.
Godowsky, Leopold, 64.
Goethe, Wolfgang, 3. 46. 49. 89.
91. 102. 113. 132. 198. 199.
262. 266. 323. 394.
GOhler, Georg, 197.
Goldberg, Jacques, 186.
Goldmark, Karl, 62. 191. 271.
335. 342. 387.
Goldschmidt, Hugo, 66.
Golther, Wolfgang, 71.
Gomes, Carlos, 271.
Goodson, Katherine, 61.
Göpel (Singer) 63.
Gorter, Albert, 264.
Gottfried v. Strassburg 3. 4. 6.
8. 41.
Gottlieb, Julius, 262.
Gottlieb, N., 62.
Gottlieb- Noren, H., 178.
Götte, E., 197.
Gottsched, Joh. Chr., 101.
Götze, Marie, 262.
Gounod, Charles, 63. 281. 319.
Gouvy, Theodor, 387.
Grabowsky (Kantor) 258.
Graun, K. H., 161.
Graupner, Christoph, 402.
Greffulhe, Grlfln Elisabeth, 339.
Greif, Martin, 323.
Grell, E. L., 200 (Bild).
Gretschaninoff, Alexander, 260.
Grieg, Edvard, 68. 189. 266.
271. 335. 340. 342.
Grieser, G., 70.
Grisebach, Eduard, 174.
1*
IV
NAMENREGISTER
Griswold, Putnam, 187.
de Groote 339.
Gross, Gisella, 336.
Gruber, J., 414.
Gruffydd sb Rhys 351.
Gnimbacher de Jong, Jeannette,
62. 64. 65. 196. 207. 269.
270. 340.
Grfln, Anastasius, 303.
Grün, S., 393.
Grund, Wilhelm, 142.
Grflters, August, 128.
Grfltzmacher, Friedrich, 271.
Guggenheim (Singer) 70.
Gulbranson, Ellen, 247. 272.
GQnzburg, Raoul, 332.
Gura, Eugen, 304. 390 fr (Er-
innerungen aus meinem Leben).
414.
Gura, Hermann, 198. 304.
Garzenich-Quartett 271.
Guszalewicz, Allcei 263.
Gutmann, Albert, 186.
Gutmann, Emil, 186.
Gutzkow, Karl, 155. 156. 157.
158. 231.
de Haan-Manlfarges, Pauline, 65.
Haase & Co. 200.
Habel, Ferd., 184.
Hadot 284.
Hadwiger, Alois, 245. 247. 272
(Bild).
Haeser, Georg, 67.
Hagel, Richard, 188.
V. d. Hagen 4.
Higg. J. L., 342.
Hägg, Gustaf, 342.
Hahn, Raynaldo, 395.
Hallwachs, Carl, 65.
Hal6vy, J. F. E., 37. 285. 291.
293.
Halir, Karl, 128. 338. 343.
Hall, Marie, 192. 265. 335.
HalI6 66.
Hallen, Andreas, 342.
Hals, Frans, 415 (Bilder).
Hamann, Hugo, 343.
Hamann, Joh. Georg, 101.
Hamerling, Robert, 258.
Hand, F., 96.
Hindel, G. F., 58. 61. 65 (Die
H. -Auffahrungen der Kaiserin
Friedrich-Stiftung). 66. 111.
190. 197. 198. 209. 265.341.
376. 382.
Hinel (Maschinenmeister) 155.
Hanslick, Eduard, 40.
van der Harst, H., 197.
Hartmann, Arthur, 186. 267.
Hartmann, C, 199.
Hartmann» L., 262.
Härtung, Anna, 197.
Harcourt 334.
Hirtel, H., 140.
Hirtinger, Martin, 212.
Hasse, Joh. Ad., 197. 320. 405.
Hauffe, Kite, 268.
Hauptmann, Gerhart, 47.
Hauptmann, Moritz, 322.
Hausburg, Conrad, 196.
Hauser, Franz, 58. 210.
Hausmann, Robert, 128.
Havemann, Gustav, 198.
Haydn,Joh. Michael, 159 ff (Joh.
M. H.) 174. 200 (Bild). 396.
Haydn, Joseph, 58. 62. 64. 86.
159. 169. 193.270.271.297.
335. 340.
Hayn, Chr. Fr., 98.
Heam, Lafcadio, 369. 370.
Hebbel, Friedrich, 43.
Heermann, Hugo, 335.
Hegar, Frida, 67.
Hegar, Johannes, 268. 341.
V. Heggendorf, Frau, 83.
V. Heidenstam, Verner, 341.
Hein, Paul, 190.
Heine, Ferdinand, 21. 231. 232.
Heine, Heinrich, 124. 229.
Heinemann, Ernst, 395.
Heinemann, J. N., 139.
Hemberger, Theodor, 192.
Hempel, A., 268.
Hempel, Frida, 247.
Hendrich, Hermann, 42.
Henneberg (Komponist) 342.
Henschel, Grete, 198.
Henselt, Adolf, 124.
Henzen & Hamann 18.
Herder, Joh. Gottfr., 88. 101.
106. 193. 394.
Herennius., Dec, 91.
Herkomer, Hubert, 71.
Hermann, Robert, 177.
Herrmann, Clara, 198.
Hertel, Gottfried, 83. 96. 98.
Herz, Henri, 116. 141.
Herzog, Emil Wilhelm, 98. 99.
Herzog, Emilie, 84. 187. 220.
221. 262.
Herzog, Joh. Georg, 204. 210.
213. 216. 217.
V. Herzogenberg, Heinrich, 64.
Hesch, Wilhelm, 187. 188.
Hess, Ludwig, 65. 69. 191. 196.
197. 269.
Hess, Max, 334.
Hess, Willy, 335.
Hess-Quartett 335.
Hess van der Wyk, Theodor,
269.
Heu her (Singerin) 63.
Heubner 237.
Heuss, Alfred, 325.
Hey, Otti, 338.
Heyermans, Hermann, 47.
Heyse, Paul, 109. 319. 323. 380.
Heyworth (Komponist) 196.
Hiekisch, H. J., 59.
Hielscher, Paul, 59.
Higginson, Th. W., 374.
Hilf, Arno, 343.
Hilf-Quartett 65.
Hiller, Ferdinand, 283. 384.
Hinckley, Allan, 247. 272 (Bild).
Hinken-Cahnbley, Tilly, 340.
Hinflber (Militirmusiker) 86.
Hinze-Reinhold, Bruno, 64. 338.
Hirsch, Paul, 200.
Hirte, Alfred, 414.
Hirzel-Langenhan, Anna, 198.
V. Hochberg, Graf Bolko, 193.
Hoffmann, Baptist, 189:
HoAnann, E. T. A., 103. 104.
174. 175.
Hoffmann, Jacques, 335.
Hoffmann (Militirmusiker)86. 87.
HofTmann-Quartett 335.
V. Hoffoaass, Franziska, 310.
311. 313. 315.
Hofmann, Heinrich, 341. 402.
Hofineier (Pianist) 198.
Hofineister, Fr., 117. 140.
Hohenemser, Richard, 200.
Holland, H. S., 114.
HoUman, Joseph, 340.
V. Holstein, Franz, 320. 322.
379.
Holtschneider, Carl, 63.
Homer, Luise, 46. 87. 91. 335.
Hopkinson, Francis, 400. 401.
Hoppen, Rudolf, 65.
Hornemann, Emil, 59.
Huber, Hans, 68.
Huber-Petzold, Ida, 67.
Hue, Georges, 333.
Hughes-Hughes, Dr., 185.
Hummel, J. F., 396.
Hummel, Joh. Nep., 116. 136.
Humperdinck, Engelbert, 51. 186.
188. 191. 204. 264. 266. 383.
Hflnten, Franz, 116.
Hutcheson, Ernst, 192. 335.
Hutter, Hermann, 341.
Ibach, Rudolf, 66.
Ibsen, Henrik, 43. 342.
d'Indy, Vincent, 191. 265. 332.
334. 340.
Isler, Ernst, 68.
Isola, Gebrüder, 333.
Istel, Edgar, 414.
Jadafrsohn, Salomon, 382. 383.
402.
Jaeil, Alfred, 322.
Jiger, G., 175.
Jiger (Lithograph) 200.
Jahn, Otto, 164. 165. 250. 251.
Jansen, F. Gustav, 84. 140.
Janssen, Julius, 63.
Jaques-Dalcroze, Emil, 60. 68.
115. 191. 259. 334.
Jimefelt, Maikki, 61. 62.
NAMENREGISTER
Jeuan Vawr tp y Diwlith 351.
Joachim, Joseph, 75. 76. 111.
128. 129. 172. 270. 383.
Johannsen 195.
Jomelli, Nicola, 197.
Jörn, Carl, 64. 187.
Josephaoti, J. A., 341.
Jourdan 278. 284. 286. 287. 288.
292. 294.
Jungblut, A., 62.
Junker, August, 271.
Juon, Paul, 51.
Kagel, Emily, 338.
Kaiser, Eduard, 139.
Kalbeck, Max, 41. 83. 395.
Kalischer, Alfr. Chr., 143.
Kalkbrenner, Chr., 116.
Kalliwoda, I. W., 115.
Kant, Immanuel, 91. 102. 112.
Kappet, Anna, 128.
Kaschkin, Nikolai, 260.
Kaspar, kalter, 70.
Kaufmann, Hedwig, 194.
V. Kaulbach, Wilhelm, 310. 312.
323.
Kaun, Hugo, 51.
Kayser, Marie, 271.
Keller, Gottfried, 76. 178.
Keller, R., 196.
Keller (Kassel) 65.
V. Keussler, Gerhard, 69.
Kiebitz (Musikdirektor) 70.
Kiedaisch, Friedrich, 59.
Kiefer, Heinrich, 51. 198.
Kien«, Mme., 286.
Kilian, Theodor, 51.
Kipper, Hermann, 414.
Kirkby - Lunn, Louise, 192.
265.
Kirsch, Hedwig, 63.
Kittl, Job. Fr., 231.
Kitzler, Otto, 69.
Klausner, Otto, 69.
Kleeberg, Ciotilde, 335.
Kleinert, Rosa, 342.
Kleinpaul, A., 65.
V. Kleist, Heinrich, 258.
Klemm, Johann, 326.
Kiengel, Julius, 69. 343.
Klincke 57.
Klinkhardt, Ed. Ad., 98.
Klitzsch, E., 139.
Kloepfel 334.
Klopstock, F. C, 91.
Klose, Friedrich, 185. 222. 227.
332.
Klughardt, August, 70.
Knappe, Helene, 264.
Kneisel-Quartett 192. 335.
Kniese, Julius, 245. 246. 272.
Knorr, Iwan, 198.
KnOpfer, Paul, 198. 245. 272.
Koboth, Irma, 189.
Koch, Max, 43.
V. K6chel, Ritter Ludwig, 160.
164. 165. 200. 396.
Koenen, Tilly, 337.
Koetscher, Hans, 67. 199.
Kogel, Gustav, 70.
Kohmann, Anton, 268.
Köhler, Louis, 223.
Kopecki, O., 196.
Kopfermann, Albert, 144.
Körung, August, 342.
Kömer, Kari, 271.
Kosegarten, L. Th., 88.
Kosman, Alexander, 51.
V. Kotzebue, August. 174.
Kramer, Job. B., 217.
Kranich, Friedrich, 247.
Krasselt, Alfred, 64.
Kraus, Ernst, 187. 247. 272.
V. Kraus, Felix, 128. 245. 247.
272. 338.
V. Kraus-Osborne, Adrienne, 64.
65. 128. 199. 247.
Krause, C, 176. .
Kreisler, Fritz, 62. 66. 191. 199.
337. 340.
KfcJcy) Joseph, 379.
Krempe (Sängerin) 343.
Kremser, Ed., 59.
Kreutzer, Rodolphe, 403.
Krieger, Adam, 325. 326.
Kriegeskotten 248.
Krug, Karl, 186.
Krug, L., 184.
Krzyzanowski, Rudolf, 264.
Kubelik, Jan, 265.
Kflchenmeister (Journalist) 157.
Küchenmeister, Hermine, 157.
Kafftaer, Karl, 248.
Kuhl-Dahlmann, Ida, 268.
Kahns, Emil, 196.
Kuhlenkampff, Gustav, 58.
Kunwald, Ernst, 186.
Kurtz, Hermann, 4. 8
Kusmitsch (Singerin) 265.
Kutzschbach, Hermann, 268.
Kwast, lames, 194.
Kwast-Hodapp, Frida, 194.
Lachner, Franz, 212. 213. 218.
219. 261. 309. 311. 323. 378.
379. 380.
Lachner, Vincenz, 320.
Lacombe, Louis, 261.
LafTitte 285.
Laidlaw, Anna Robena, 134. 135.
136. 141 (Bild). 142.
Lalo, Edouard, 265. 343.
La Mara 17. 235.
Lamond, Frederic, 64. 267. 336.
338.
Lang (Cellist) 69.
Lange 58.
Landowska, Vanda, 340.
Lapidus, Mela, 340.
Lassen, Eduard, 262. 335.
Lauber, Emile, 67.
Lauber, Joseph, 67. 68.
Laurens, J. J. B., 139.
Laurencin, Graf F. P., 384.
Lautenschliger, Karl, 186. 200
(Bild).
Lauterbach, Kpm., 343.
Lavoisier 91.
Le Roux, Hugues, 263.
Lecocq, Charles, 332.
Lederer, Victor, 352.
Leffler-Burckard, Martha, 245,
262. 272 (Bild).
Lehmann, Lilli, 300. 304. 395.
Leibniz 91.
Lemercier (Lithograph) 200.
Leo XIIL, Papst, 252.
Leonhard, Emil, 210. 213. 217.
309.
Leonidas 91.
Lessing, G. E., 101.
Lessmann, Eva, 51.
Lessmann, Otto, 337.
Levi, Hermann, 187. 379. 380.
381. 383. 386. 395.
Leydhecker, Agnes, 64. 268.
Lichtenberger, Henri, 277.
V. Lichtenstein, Fflrst August,
214.
Lichtwark, K., 198.
Liebermann, Max, 47.
V. Liechtenstein, Ulrich, 5.
Liepe, Emil, 268.
Lierhammer, Theodor, 198.
Lilljefors, Rüben, 342.
Lind, Jenny, 113. 114.
Lindblad, A. F., 342.
Lindemann, Heinrich, 96.
Lindgren, Johann, 341.
Lingg, Hermann, 323. 380.
Linewa, Tr., 260.
Lipinski, K.J., 26. 27. 28. 110.
147. 155.
Liszewsky, Tilmann, 187. 190.
Liszt, Franz, 8. 47. 60. 61. 63.
65.66. 69.81. 108. 111. 114.
124. 138. 191. 192. 193. 195.
196. 198. 199. 227. 236. 237.
238. 260. 266. 268. 271. 280.
289. 321. 322. 335. 342. 343.
Litzmann, Berthold, 115. 117.
119. 122. 124. 135. 136. 167.
168. 169.
Litzinger, Franz, 186.
Litynskt, Leopold, 333.
Locateüi, Pietro, 403.
LoefTler, Ch. M., 337.
Loewe, Cari, 64. 295 fr (C. L.
und die Vogelwelt I). 353 fr
(C. L. und die Vogelwelt.
Schluss). 394. 414.
Loewengard, Max, 59.
Lohse, Joseflne, 261.
Lohse, Otto, 188. 263.
VI
NAMENREGISTER
Lorenz, Alfred, 266. 334. 337.
338.
Loritz, Josef, 51. 267. 269. 341.
Louis Ferdinand, Prinz von
Preussen, 86.
Löwenstern (Dirigent) 336.
Lucas 291.
Ludwig I., König, 211. 212.
Ludwig IL, König, 41. 200.
Luigini, Alexandre, 333. 340.
Luitpold, Prinz, 211.
Luitpold, Prinzessin, 211.
Lussmann, Adolf, 264.
Luther, Martin, 33. 34. 91. 250.
Latkemann, Alida, 189. 190.
Lfltschg, Waldemar, 335.
V. LOttichau, Frhr. Karl August,
17 ff (Richard Wagners Briefe
an Frhr.v. L. 1). 147ff(R. W.
Briefe an Frhr. v. L. II). 231 ff
(R. W. Briefe an Frhr. v. L.
Schluss).
V. Lattichau, Frfr. Ida« 237.
V. Luxburg, Grifin, 310.
Luzzatto (Komponist) 340.
Lyon, James, 401.
Maarsens, Prof., 260.
Machtscher Gesangverein 338.
Macquarre, Andr6, 335.
Maeterlinck, Maurice, 389.
Magnus, E., 267.
Mahlendorf, Bemhardine, 264.
Mahler, Gustav, 49. 191. 334.
337. 395.
Mabler (Librettist) 262.
Maier, Jul. Jos., 210. 211. 214.
216. 220. 308. 309. 311.
Malibran, Maria, 344 (Bild).
Maltzin, Josef, 267.
Manön, loan, 62.
Mangen, Kpm., 59.
Mann, Eduard, 343.
Mannstidt, Franz, 70.
Marbach, Hofrat, 391.
Marhold, Carl, 130.
Marie, Königin, 219.
Marion, Georg, 188.
Markham Lee, E., 126.
Marschner, Heinrich, 390. 393.
394.
Marsop, Paul, 52. 71. 405.
Marteau, Agnds, 67.
Marteau, Henri, 51. 61. 67. 191.
192. 198. 266. 334. 338.
Marx, A. B., 104.
Mascagni, Pietro, 60.
Mascewski 378.
Massenet, Jules, 265. 332.
Matema, Hedwig, 62.
Mattheson, Johann, 101.
Matyasovich, Victor, 414.
Maurina, Vera, 197.
Mayer- Pirko, Hermann, 186.
Mayer-Reinach, Albert, 195. 267.
Mayr, Simon, 259.
Mechetti (Verleger) 122.
Meerlov (Cellist) 189.
M6hul, E. N., 215.
Meier-Wöhrden, M., 339.
Meinck, Ernst, 43.
Meissner, Karl Fr., 87.
Meissner (Militirmusiker) 86.
Melanchthon, Philipp, 91.
Mellot-Joubert (Singerin) 340.
Mendelssohn, Arnold, 62. 226.
402.
Mendelssohn, Felix, 70. 81. 85.
118. 119. 120. 121. 123. 124.
129. 133. 137. 138. 140. 141.
149. 166. 168. 169. 171. 172.
173. 192. 196. 198 270. 271.
278. 280. 281. 335. 397.
V. Mendelssohn, Robert, 270.
Mendelssohn & Co. 140.
Mend&s, Catulle, 332.
Merian-Genast, Marie, 322.
Messchaert, Johannes, 65. 70.
127. 128. 195. 270.
Messager, Andr6, 333.
Mestdagh, Karel, 328.
Metcalfe, Susan, 192.
Metzger-Froitzheim, Ottilie, 70.
194. 267.
Meyer, Alfred, 69.
Meyer, C. F., 252.
Meyer, H., 343.
Meyer (Konversationslexikon)
249.
Meyerbeer, Giacomo, 138. 211.
232. 278. 279. 287. 289. 402.
Michael, Tobias, 326.
Michotte, E., 45.
Mikorey, Franz, 63. 333.
Milliet, Paul, 262.
de Mirecour^ Eugene, 291.
Missa, Edmond, 333.
Mitzier, L. Chr., 101.
Möbius, P. J., 130. 131. 132.
133.
Moers, Andreas, 262. 334.
Moest, Rudolf, 188.
Mohr, Emmy, 62. 64.
Molidre 91.
Mone 4.
Monhaupt, F., 65.
Monich, H., 343.
Montez, Lola, 291.
Montillet, M. W., 67.
de Montrichard, A., 340.
Moor, Emanuel, 67.
Moos, Paul, 36 ff.
Morales, Olallo, 342.
Mörike, Eduard, 224.
Morin 278.
Morino 57.
Morlacchi, Francesco, 28. 30.
Mors, Richard, 50.
Morville 293.
Morzin, Graf, 159.
Moscel 291.
Moscheies, Ignaz, 116. 318.
Mossel, I., 189.
da Motta, Jos6 Vianna, 266. 337.
Mottl, Felix, 62. 187. 189. 246.
267. 272. 396.
Mozart, Leopold, 403.
Mozart, Marie Anne, 414.
Mozart, W. A., 27. 38. 58. 59.
61. 64. 65. 70. 86. 91. 116.
131. 133. 138. 147. 160. 161.
164 ff (Ein unbekanntes Bild
W. A. Ms.). 165. 187. 190.
192. 193. 195. 196. 197. 199.
200. 209. 212. 213. 217. 249.
266. 267. 268. 270. 271. 319.
321. 335. 338. 339. 341. 342.
380. 381. 389. 395 ff (Das
Musikfest in Salzburg). 403.
414.
Mraczek-Quanett 265.
Muck, Carl, 193. 194. 245. 272
335. 396.
Mflhldorfer, Wilhelm, 59.
Mflhlfeld, Richard, 65. 270. 337.
MQhlfeld, Kzm.« 62.
Mailer, A., 70. 340.
Malier, Paul, 390.
Mailer, Wilhelm, 4.
Malier-Osten, Elisabeth, 195.
Mailer-Reichel, Therese, 198.
Manch, W., 248.
Manz, Adele, 128.
I Manzer, Georg, 72.
Mussorgsky, Modest, 69.
Mysz-Gmeiner, Lula, 65. 338.
341.
Nagel, Wilibald, 62.
Napoleon I., Kaiser, 91. 314.
Napoleon III., Kaiser, 311.
Nathane 286.
Natterer, Josef, 266. 338.
Naumann, Ernst, 185. 338.
Naumann, R., 186.
Naval, Franz, 262.
Neitzel, Otto, 50. 336.
Neubauer, Manö, 177.
Neumann, Angelo, 258. 347. 386.
Newton, Isaac, 92.
Niederfahr (Librettist) 262.
Niemann, Albert, 392.
Nicod^, J. L., 340.
Nietzsche, Friedrich, 133. 249.
Noach (Geiger) 189.
Nodnagel, E. O., 272.
No«l, Marcel, 340.
Nohl, Ludwig. 378.
Nolte (Dirigent) 335.
Nordquist, Conrad, 342.
Norman, Ludwig, 342.
Novak, V., 69.
Novalis, Friedrich, 5.
Nugues, Adele, 286.
NAMENREGISTER
VII
Nussbaum, Joh. Nep., 316. 323.
386.
Obrenovitch, Mme., 314.
Offenbach, Jacques, 292.
aus der Ohe, Adele, 335.
Ohse (Slngerin) 63.
de Oliva, Pepita, 219.
Ondricek, Franz, 336.
Oppel, Riebard, 62.
Oratorienvereln, Amsteraamer,
339.
Orelio, J. M., 194.
Osterwald (Prediger) 67.
Ott (Dirigent) 341.
Ottenheimer, Paul, 72. 189. 333.
Ottermann, Luise, 338.
d'Oyly Carle Company 195.
Pache, Joseph, 192.
Pacher, Hedwig, 319.
Paer, Ferdinand, 174.
Pahnke, Woldemar, 67.
PalestrinSi Pierluigl, 182. 200.
299.
Parker, Horatio, 192.
Parry, Hubert, 197.
Pasdeloup, J. E., 260.
Pasqu«, Ernst, 251.
Pasquini, Bernardo, 340.
Patzig, Richard, 188.
Paul, Jean, 89. 112. 129.
Paul, Oskar, 258.
Paumann, Conrad, 176.
Pearle, Aube, 266.
Penable, Jean, 127.
Pentenrieder, F. X., 216.
Perez, J. C, 197.
V. Perfall, Frhr., 308. 309.
Perger, Jodocus, 272.
Perron, Carl, 272.
Perstenfeld, Joh. Ev., 210. 218.
221. 308.
Peters, Guido, 396.
Peterson-Berger, Wilhelm, 342.
Petrarca 92.
PetschnikofT, Alexandre, 70. 199.
268. 396.
Petschnikoff, Lili, 396.
Petzet, Walter, 267.
Pfeiffer, August, 341.
Pfitzner, Hans, 51. 69. 198.
Phil harmonisches Orchester, Ber-
liner, 128.
Philipp, John, 139.
Philipp, Robert, 262.
Philippi, Maria, 60. 61. 67. 195.
Piening, Karl, 65. 337.
Piem«, Gabriel, 62. 340.
Pierret, Auguste, 340.
Pierson, H. H., 108.
Pillet, L6on, 19.
Piltzing, A., 86.
Pinks, Emil, 64.
Pitt, WiUiam, 92.
Pixis, Joh. Peter, 288.
Plaichinger, Thila, 187.
Plamondon (Tenorist) 340.
V. Plappart, Frhr. August, 185.
Plaschke, R., 343.
Pockh, Hans, 261.
Podbertsky, Theodor, 199.
Poehly 209. 318.
POhland, Chr. Fr., 86. 87.
Pöble, Max, 343.
Pohl, Richard, 110. 111. 112.
142. 193.
Pokomy, Hans, 264.
Polak, A. J., 126.
PoUini, Eduard, 385.
P6pel, Heinr. Ferd., 98.
Popp 402.
Porges, Heinrich, 6.
V. Possart, Ernst Ritter, 187. 198.
343. 379.
Poultier (Singer) 292.
Powell, Maud, 192.
Praetorius, K. Fr., 86. 87. 98.
Preitz, Franz, 333.
Press, Josef, 197.
Press, Michael, 197.
Prieger, Erich, 111. 250. 251.
Prill, Paul, 59. 69.
Prinzhofer 344.
Prochaska, Karl, 248.
PrOlss, Robert, 17. 18. 19. 154.
235.
Prflfer, Philipp, 186.
Puccini, Giacomo, 262.
Pugnani, Gaetano, 192.
Pugno, Raoul, 192. 265. 335.
Purcell, Henry, 342.
Puschman, Adam, 32.
Quantz, J. J., 402.
Rachel 280.
Racine 91.
V. Radwan, August, 340.
Rafael 91.
Rahn, Clara, 65.
Ramrath, Konrad, 251.
Randolph, Harold, 192.
Rastrelli, Joseph, 22.
Rauchenecker, Georg, 260.261.
Ravel, Maurice, 340.
Rebner, A., 268.
Reger, Max, 64. 65. 69. 105.
196. 265. 335. 338.
Reichardt, Joh. Fr., 104.
Reimer, G., 248.
Reimers, Paul, 62. 195. 196.
267. 270.
Reinecke, Carl, 68. 176. 195.
197. 378. 384.
Reinhard 91.
Reisenauer, Altred, 191. 335.
Relssiger, K. G., 19. 21. 22. 30.
115. 147. 148. 153. 155.
Rellstab, L., 100. 117. 142.
Rembrandt (Bild) 415.
van Rennes, Katharina, 64.
Renz, Willy, 275.
Rettensteiner (Pfarrer) 163.
Reubke, Otto, 65.
Reuss-Belce, Luise, 247. 262.
Rheinberger, Anton. 2 1 0.2 1 1 .308.
Rheinberger, David, 210. 308.
313. 314. 315. 316. 317.
Rheinberger, Egon, 389.
Rheinberger, Elisabet, 208. 210.
213. 217. 218. 312.
Rheinberger, Franziska, 206.
208. 316. 317. 318. 320. 321.
344. 377. 378. 379. 380. 381.
382. 383. 384. 386. 387.
Rheinberger, Hans, 310.
Rheinberger, Johanna, 208.210.
Rheinberger, Josephs, 210.
Rheinberger, Josef, 203 ff (Aus
J. Rh.'s Leben und Schaffen 1).
272 (Bilder). 308 ff (Aus J.
Rh.*s Leben und Schaffen II).
344 (Bilder). 376 ff (Aus J.
Rh.*s Leben und Schaflien
Schluss).
Rheinberger, Maly, 210. 217.
218. 219. 310. 312. 313.
Rheinberger, Olga, 388.
Rheinberger, Peter, 208. 209.
210. 213. 216. 218. 221. 313.
315. 317.
Richard, Hans, 266.
Richter, E. F., 382.
Richter, Hans, 66. 197. 247. 272.
Richter, Karl Ernst, 84. 85.
Rider^Kelsey, Corlnne, 337.
Riedel, Karl, 322.
Rieffei, Amalie, 142 (Bild).
Rieffei, W. H., 134. 142.
Riehl, W. H., 310. 319. 323.
Riemann, Hugo, 397. 398.
Ries V. Trzaska, Adele, 62.
Ries & Erler 223.
Riess, F., 115.
RImski-Korssakow, Nikolai, 343.
Risler, Edouard, 64. 340.
Ritter, Frau, 10.
Rochlitz, Friedrich, 100. 103. 104.
Rflckel, August, 28. 147. 148.
150. 151.
Rockstro, W. S., 114.
Rode, M., 340.
Rodenberg, Julius, 349.
Rodrigues, Olinde, 285.
V. Roerdanz, Katie, 268.
Rohde, Erwin, 3.
Rollett, H., 166.
ROmer, Hugo, 62.
van Roos 389.
van Rooy, Anton, 272.
Ros6-Quartett 69.
Rosenmeyer, H., 63. 64.
RosenmQUer, Johann, 325.
Rossini, Gioachino, 44. 45. 115.
293. 310.
VllI
NAMENREGISTER
Rothe, Heinrich, 08.
Rother (Pianist) 62.
ROthlisberger, Edmund, 67.
Rothschild 285. 292. 294.
Rousseau, J. J., 91.
Rubinstein, Anton, 199. 260.
268. 321. 335. 378.
Rubinstein, Arthur, 192.
Rubinstein, Joseph, 394.
Rubinstein, Nicolai, 260.
ROckbeil-Hiller, Emma, 65. 190.
Rflckert, Friedrich, 108. 124.
126. 127.
Rfldel, Hugo, 245.
Rudolph (Sänger) 64.
Ruegger, Elsa, 335.
RQnzler, E., 248.
RQsche-Endorf, Clcilie, 247.
Rust, F. W., 413.
Saar, L. V., 185. 192.
Sachs, Hans, 14. 31 ff (H. S.
als Musiker).
Safonoff, W, J., 332.
Sahia, Richard, 64. 343.
Saint-Etiönne, SylVain, 277 ff.
280. 284 ff.
Saint-Sa€ns, Camllle, 128. 260.
265. 271. 332. 333. 335. 340.
342. 343. 396.
Saint-Slmon, Graf Claude, 276.
Salis-Solio (General) 212.
Salomon, Joh. Peter, 160.
Samara, Spiro, 262 (,»La Bion-
dinetta", UrauffOhning In
Deutschland). 334.
Samaroff, Olga, 335.
Samazeuilh, GusUTe, 340.
Sandberger, Adolf, 176. 203. 204.
Sanoschkar, B., 58.
Sandreuter, Em., 67.
Sarau, A., 382.
Säur, Chr., 400.
Saussure 91.
Scaria, Emil, 200 (Bild).
Scarlatti, Domenico, 197.
V. Schack, Graf, 379.
Schlfer, Anna, 271.
Schiffer, Edmund, 67. 199.
Schafhiutl, K. F. E., 205. 212.
213. 214. 215. 217. 219. 220.
221.308.309. 311.317. 318.
344 (Bild). 380. 381. 387.
Schaper, Gustav, 186.
Schaper, Rudolf, 185.
Scharwenka, Xaver, 195. 267.
Schattschneider 335.
Schauer-Bergmann, Martha, 70.
Scheel, Fritz, 192.
Schefter (Dirigent) 341.
Scheibe, Joh. Rud., 101.
Scheidemantel, Cari, 338. 342.
Scheidt, Samuel, 325.
Schell, Henriette, 65.
Scheniawsky (General) 260.
Schetky, J. G. C, 401.
Scheurleer, D. F., 175.
Schiedermair, Ludwig, 259.
Schiller, Friedrich, 46. 47. 88.
91. 225.
Schillings, Max, 198. 334. 342.
Schladebach, Dr., 147.
Schlegel, Elias, 101.
V. Schlegel, Fr., 85. 96.
SchlemflUer, Hugo, 266. 338.
Schlitzer, Hans, 188.
Schmedes, Erik, 272.
Schmid, H., 338.
Schmid, Otto, 200. 405.
Schmid-Lindner, August, 64.
Schmidt, Felix, 63.
Schmidt, Gustav, 390.
Schmidt, K., 340.
Schmidt, Louise, 268.
Schmidt, Kpm., 342.
Schmitt, Jacob, 142.
Schmitt, J., 341.
Schmole, Georg, 261.
Schnabel, Artur, 269. 270. 338.
Schnabel -Behr, Therese, 62.
196. 267. 269.
Schneevoigt, Georg, 58. 63. 190.
193. 267.
Schnorr V. Carolsfeld, Ludwig, 7 1 .
Schoell, Hedwig, 114.
Scholz, Richard, 404.
Schopenhauer, Arthur, 8. 9. 381.
SchOrry (Dirigent) 341.
Schraderscher a cappella -Chor
62.
Schreyer, Johannes, 397. 398.
Schröder (Militärmusiker) 86.
SchrOder-Devrient, Wilhelmine,
18. 19. 21. 26. 29. 261.
Schröter (Kupferstecher) 200.
Schubert, Franz, 65. 66. 69. 105.
117. 133. 159. 175. 191. 195.
266. 270. 322. 334. 340. 364.
403. 414.
V. Schubert 298.
Schulze 88.
Schumann, August, 84. 99.
Schumann, Clara, 113 ff (Cl.
Wieck-Sch. als Komponistini.)
127. 128. 129. 135. 136. 137.
138. 139 (Bilder). 140. 141.
166 ff (Cl. Wieck-Sch. als
Komponistin, Schluss). 200
(Bild). 339.
Schumann, Elise, 139.
Schumann, Christiane, 85.
Schumann, Emil, 139.
Schumann, Eugenie, 139.
Schumann, Felix, 139. 140 (Bild).
Schumann, Ferdinand, 139. 140
(Bild).
Schumann, Georg, 194. 199.338.
343.
Schumann, Julie, 139.
Schumann, Ludwig, 139. 140
(Bild).
Schumann, Marie, 139.
Schumann, Robert, 59. 60. 61.
64. 70. 75 ff (R. Seh). 83 ff
(Aus R.Sch's. Schulzeit). 100 ff
(R.Sch. als Musikschriftstelter).
107 ff (Ein ungedruckter Kanon
fflr vier Männerstimmen und
sechs ungedr. musikal. Haus-
u. Lebensregeln von R. Seh ).
110 ff (Ein ungedr. Brief von
R. Seh.). 114. 117. 118. 119.
120. 121. 122. 123. 124. 125.
126. 127 ff (Das Sch.-Fest in
Bonn). 130 ff (Ober R. Sch's.
Krankheit). 134. 135. 137. 138.
139 (Bilder). 140. 141. 142.
166. 167. 169. 170. 171. 172.
173. 193. 196. 198. 199. 200.
249. 259. 266. 270. 271. 335.
337. 340. 341. 342, 403.
Schumann- Hei nk, Ernestine,247.
272.
Schflmann 271.
Schflnemann, Else, 196. 197.
Schunke, Ludwig, 86. 140.
Schur6, Edouard, 249.
Schuster, Margarete, 343.
Schatz, Hans, 272.
Schatz, Hefnrich, 226. 267. 326.
Schatzendorf 340.
Schwartz, Josef, 271.
V. Schwarzenberg, FOrst, 212.
Schwickerath, Eberhard, 60. 61.
V. Schwind, Moriz, 214. 323.
379.
Schytte, Ludwig, 266.
Scott, Walter, 92.
Scribe 281. 282. 291.
Sehring, Bernhard, 193.
Seidel 309.
Seidl, Anton, 258. 392.
Seiffart 57.
Sembrich, Marcella, 335.
Semper, Gottfried, 343.
Sengem, Leonore, 188.
Senius, Felix, 128. 194. 265.
Seret, Maria, 267.
Settekorn, Julius, 62.
Shakespeare, William, 66. 92.
200. 350. 352.
Sibelius, Jan, 266. 343.
Sibor, Pf. 260.
Siebeck, K. Chr. H., 84. 86.
Siecke 57.
Siegel, C. F. W., 71. 350.
Siegel, Rudolf, 50.
Sigismund, Erzbischof, 160.
Simrock, Karl, 4. 5.
Sinding, Christian, 178. 192.
252. 334.
Sinigaglia, Leone, 335.
Sistermans, Anton, 265.
NAMENREGISTER
IX
Sitty Hans, 343.
Sitt, Frl., 343.
Sjögren, Emil, 341.
Slezak, Leo, 64. 187. 188.
Smetana, Friedrich, 60. 334.
343.
SOdermann, August, 342.
Sohn 130.
Sol, Jan, 100.
Solbrig, G. H., 87. 08.
Sommer, Friedrich, 186.
Sommer, Hans, 51.
Sonderburg, Hans, 106.
Sondra, Olga, 262.
Sonneck, O. G, 400. 401.
Sonnen berg 88.
Sontag, Henriette, 344.
Soomer, V7alter, 188. 247.
Soudant-Quartett 340.
Speck V. Sternburg, Baron, 302.
Spencer, Janet, 337.
Spengel, Julius, 108.
Speriing, C. F., 142.
Sperling, E., 142.
Spicker, M., 62.
Spitta, Philipp, 103.
Spitteler, Carl, 67.
Spohr, Ludwig, 63. 115. 343.
300. 403.
Stadtegger, Julie, 188.
Staegemann, Helene, 62. 60.
343.
Stanford, Gh. V., 342.
Stapelfeldt, Martha, 100. 104.
343.
Stassen, Franz, 42. 71.
Stavenhagen, Bernhard, 268.
270.
Stebel, Paula, 70.
Steen, Jan, 416 (Bild).
Stein, Fritt, 414.
V. Stein, Heinrich, 356.
Stein (Dirigent) 335.
Stein (Singer) 63.
Steinbach, Emil, 100.
Steinbach, Fritz, 187. 270.
Steingriber, Alla, 63.
Stender-Stefanl, Alfred, 250.
Stenhammar, Wilhelm, 341. 342.
Stephani, Hermann, 185.
Stern, Eugen, 50.
Sternfeld, Richard, 42.
Stichart, Franz O., 08.
Stieler, Kari, 323.
Stock, Friedrich, 266.
Stockhausen, Julius, 250.
Stolberg 88.
Stolzenberg, Georg, 403.
Storck, Karl, 402.
Strathmann, Friedrich, 64.
Straube, Kari, 106. 107.
Strauss, Joseph, 201.
Strauss, Richard, 63. 65. 60.
105. 188. 180. 101. 103. 105.
106. 107. 108. 263. 265. 266.
268. 270. 335. 337. 306. 403.
Streicher, Theodor, 60.
Streichquartett, Basler, 67. 100.
Streichquartett, Böhmisches, 61.
Streichquartett, BrQsseler, 61.
100. 267.
Streichquartett, Darmstftdter, 62.
Streichquartett, Hamburger, 106.
Streichquartett, Jenaisches, 338.
330.
Streichquartett, Petersburger, 338.
Streichquartett, Weimarer, 64.
Strindberg, August, 47.
Strube 334.
Stuart, Beatrice, 105.
Stuart- Willfort 340.
Stubenrauch, Carlotta, 342.
van der Stucken, Frank, 266. 336.
337.
Sucher, Joseph, 385.
SuUivan, Arthur, 105.
Sully Ol.
Suquet 278. 284. 288.
Suter, Hermann, 250.
SvardstrOm, Valborg, 108.
Svendsen, Johan, 340.
Swolfs (Singer) 100.
Tacitus 348.
Taffanel, C. P., 50. 332.
Tagliaferro, Magdaleqa, 271.
Tamisier 202.
Tasso 02.
Tausig, Carl, 321.
Taussig (Antiquariat) 165.
Taxis, Fflrstin, 310.
Teil, Wilhelm, 02.
Terborch, Gerard, 415 (Bild).
Terschak, Adolf, 402.
Thalberg, Sigismund, 116. 124.
137.
Themistodes 00.
Therese, Königin, 211.
Thibeau de Chanvallon 370.
Thoma, Hans, 42. 72.
Thomas, Theodor, 336. 337.
Thomson 141.
Tichatschek, Joseph, 18.
Tieck, Ludwig, 357.
Tinel, Edgar, 61.
Tirindelli, P., 265.
Tittmann, J. A. H., 07.
Thuille, Ludwig, 108. 204.
Togni, Feiice, 404.
TonkQnstlerfest, Schweizerisches,
66 ff (VII. Seh. T.).
TOpfer (Kammermusikus) 57.
TOpken, Theodor, 141 (Bild).
Tower, John, 250.
Trautmann, Franz, 317.
Trautmann, G., 268.
Treichler, Willy, 67. 100.
Trio, Frankfurter, 266.
Trio, Giessener, 268.
Trio, HoUittdisches, 105. 336.
Trio, Meininger, 337.
Trio, Russisches, 107.
Troupenas (Verlag) 202.
V. Trzaska, Wanda, 336.
Tschaikowsky, Peter J., 63. 64.
101. 106. 107. 100. 260. 335.
336. 337. 343.
Turenne Ol.
V. Türheim, Ulrich, 4.
Uhland, Ludwig, 304.
Uhlig, Oskar, 64.
Uhlig, Theodor, 0. 237. 238.
Urlus, Jacques, 188.
Valentin, Kari, 342.
Veitheim 380.
Verdi, Giuseppe, 265.
Verhey, F. H. H., 70.
Verhulst, J. J. H., 130. 141.
Verlaine, Paul, 177.
Vermeer van Delft, Jan, 415
(Bild).
Viardot-Garcia, Pauline, 344.
Vidal, Paul, 50.
Vienille (Bassist) 264.
Vieuxtemps, Henri, 335.
Vieweg. Chr. Fr., 248.
Vitali, G. B., 64.
Vogl, Heinrich, 71 (Bild). 303.
Vogl, N., 357.
Vogl, Therese, 71 (Bild).
Vogler, Abt, 212. 318. 344.
Vogler, Carl, 67.
Voigt, Carl, 141.
Voigt, Henriette, 141 (Bild).
Voigt (Organist) 106.
H. Volt & SOhne 338.
Vokalquartett, Basler, 67.
Vokalquartett, Berliner, 270. 338.
Vokalquartett, Frankfurter, 268.
Volbach, Fritz, 65. 66. 100.
Volke, Karoline, 184.
Volkmann, Robert, 63. 343.
Volkner, Robert, 188.
Vollhardt, R., 342. 343.
Voltaire Ol.
VoUerthun, Georg, 251. 252.
Voss, Otto, 70. 340.
Vuillermoz, Emile, 127.
Wad, Emmanuel, 102.
Wad6r6, Prof., 344.
Wage, L., 142.
Wagenseil, Joh. Chr., 31.
Wagner, Hans, 184.
Wagner, Johanna, 157.
Wagner, Joh. G., 413.
Wagner, Klara, 0. 10.
Wagner, Minna, 44.
Wagner, Richard, 3 ff (Zur Ent-
stehung von R.W.*s «Tristan*).
17ff (R. W.'s Briefe an Frhr.
V. Lflttichau I.). 31. 32. 35.
36 ff (Neue W.-Literatur). 48.
58. 62. 63. 65. 60. 71 u. 72
REGISTER DER BESPROCHENEN BOCHER
(Bilder). 76. 77. 105. 110. 111.
131. 138. 147 ff (R.W.'s Briefe
an Frhr. von Lflttichftu II.).
174. 187. 192. 196. 198. 199.
204. 229. 231 ff (R. W.'s
Briefe an Frhr. v. Lflttichaui
Schluss). 244 ff (Bayreuth
1906). 249. 252. 258. 261.
267. 268. 269. 271. 313. 321.
322. 337. 341. 342. 343. 356.
377. 378. 381. 390 ff. 391.
402. 403. 414.
Richard Wagner- Verein (Darm-
stadt) 63.
Wagner, Siegfried, 71. 189. 245.
272. 399. 400.
Wagenaar, Johann, 190.
V. Waldersee, Paul Graf, 186.
200 (Bild).
Waldstein, Graf, 379.
Walker, Edith, 193. 194.
Walter, Bruno, 51.
Walter, Eugen, 339. 341.
Walter, Georg, 64.
Walter, Josef, 261.
Walter, O. H., 98.
Wanka, Wenzel, 165.
Wanner, Prof., 211.
Warnke, Heinrich, 195. 335.
Wartel, P. F., 292.
V. Wasielewski, Joseph, 98. 134.
Wassmann 404.
Weber, Carl Maria v., 26. 30.
36. 86. 87. 116. 118. 149.
174. 191. 209. 266. 267. 335.
337. 390. 393. 394. 403.
V. Weber, Caroline, 30.
Weber, F. D., 27.
Weber, Gottfried, 136.
Weber, Miroslaw, 62.
Weber, Wilhelm, 66.
Webber (Komponist) 334.
Wedekind, Erika, 268.
Wegmann, Friedrich, 62.
Weidig, Adolf, 178.
Weidmannsche Buchhandlung
248.
Weidt, Lucio, 187.
Weill, Georges, 277.
Weimar, Wilhelm, 42.
Weingartner, Felix, 60. 61. 69.
189. 190. 199.264.265.271.
339.
Weiske, Victor, 98.
Weismann, Julius, 252.
Weinlig, Theodor, 115.
Welcker, Felix, 190.
Wellmann, Willi, 335.
V. Weinzierl, Max, 58.
V. Welz, Eduard Ritter, 414.
Wendel, Bernhard, 58.
Wenzel 135.
Werner-Jenzen (Sängerin) 62.
Wesendonk, Mathilde, 4. 9. 10.
11. 12. 13. 15. 41. 44. 246.
Wesendonk, Otto, 44.
V. Wessel 260.
Wessely 57.
White, George L., 374.
Wideo, Else, 199.
Widor, Ch. M., 333.
Wieck, Friedrich, 115. 117. 118.
134.
Wieck, Marie, 339.
Wiedebein, Gottlieb, 140 (Bild).
Wieland, Chr. M., 91.
Wigand, Georg, 42.
Wiklund, Adolf, 342.
Wilde, Oscar, 188. 189.
Wilhelm I., Kaiser, 393.
Wille, O. K., 271.
Wilms, Jan Willem, 87.
Winckelmann 101.
Winderstein, Hans, 64.
Winding, August, 385.
Windisch, Prof., 348.
Windscheid 323.
Winkler, Theodor, 19. 20. 21.
Winter, F., 197.
Winternitz, Felix, 334.
Witherspoon, Herbert, 337.
Witt, Friedrich, 103.
Witte, G. H., 51.
Wittich, Marie, 246. 272 (Bild).
Wittwer, Emil, 67. 199.
Wohlgemuth, Gustav, 59.
Wolf, Hugo, 61. 64. 69. 133.
194. 198. 222. 224. 335.
Wolf, Wilhelm, 269.
Wolff, Hans, 262.
Wolflnger (Pfarrer) 210. 217.
Wolfram v. Eschen bach, 3. 4.
Wolf-Ferrari, Ermanno, 63. 268.
269.
V. Wolzogen, Frhr. Hans, 46. 72.
V. Wolzogen, Freifrau Elsa Laura,
69.
Wood, Henry, 197.
Wormser, Andr6, 332.
Woyrsch, Felix, 269.
WQllner, Franz, 387.
Wailner, Ludwig, 62. 69. 229.
Wurfschmidtr W., 65.
Wörker, A. G., 85.
Wurm, Mary, 63.
Wflrthele, Adam, 264.
WQst (Sängerin) 29.
V. Wym6tal, Wilhelm, 263.
Ysaye, Eugene, 62. 193.
Ysaye, Tb6o, 193.
Zajic, Florian, 198.
V. Zajic, Ivan, 62.
Zapf 322.
Zeischka, Franz, 69.
Zemanek, Dr., 69.
V. Zemlinski, Alexander, 186.
Zilcher, Hermann, 268.
Zimmer, Friedrich, 226.
Zingarelli, N. A., 197.
zollner, Heinrich, 51. 62.
Zopff, Hermann, 225.
Zschoriich, Paul, 176.
Zumpe, Herman, 392.
Zuschneid, K., 64.
REGISTER DER BESPROCHENEN BÜCHER
d' Albert, Marguerite: Robert
Schumann, son ceuvre pour
piano. 136.
Braune, Hugo L. : Richard Wag-
ners Bflhnen werke in Bildern
dargestellt. 41.
Bukofzer, Max: Was ist Ton-
ansatz? 324.
Caland, Elisabeth: Die Aus-
nutzung der Kraftquellen beim
Klavierspiel , physiologisch -
anatomische Betrachtungen.
324.
Chop, Max: Richard Wagners
»Tristan und Isolde**. 41.
Ellis, W. Ashton : Richard Wag-
ner to Mathilde Wesendonk.
44.
Finck, Henry T. : Wagner und
seine Werke. 40.
Fricke, Richard: Bayreuth vor
dreissig Jahren. 45.
Glaaenapp, C. Fr: Siegfried
Wagner. 399.
Hofhnann, £. T. A.: Sämtliche
Werke. 174.
Imbert , Hugues : Johannes
Brahms. 249.
Kerst, Friedrich : Schumann-
Brevier. 134.
Kaffner, Karl: Die Musik in
ihrer Bedeutung und Stellung
an den Mittelschulen. 248.
Leighton Cleather, Alice and
Grump, Basil: Tristan and
Isolde. 44.
Litzmann, Berthold: Clara Schu-
mann. II. Band. 137.
Meinck, Ernst: Friedrich Hebbels
REG. D. BESPR. MUSIKALIEN, ZEITSCHRIFTEN- U. ZEITUNGSAUFSÄTZE XI
und Richard Wtgnert Nibe-
lungen-Trilogleen. 43.
Meyers Grosses Konversations-
lexikon. 6. Aun. Bd. XJI. 249.
Michotte, E.: Souvenirs per-
sonneis. La visite de R.
Wagner ä Rossini. 44.
Moos, Paul: Richard Wagner
als Ästhetiker. 36.
Scheurleer, D. F.: Portretten
van Mozart. 175.
Schreyer, Johannes: Harmonie-
lehre. 397.
Sonneck, O. G.: Francis Hop-
kinson and James Lyon. 400. v. Wolzogen, Hans: Richard
Sternfeld, Richard: Richard Wagner. 46.
Wagner und die Bayreuther i
Bahnenfestspiele. 42.
Storck, Karl: Geschichte der
Musik. IV. Abteilung. 402.
Ein Blick in die Geisteswerkstatt
Richard Wagners. 42.
REGISTER DER BESPROCHENEN MUSIKALIEN
van Beethoven, Ludwig: Leonore.
250.
Breitkopf & Hirteis Hausmusik,
Orchesterwerke fflr Klavier
oder Klavier und Harmonium.
Streichquintett und Flöte. 404.
Denkmäler deutscher Tonkunst.
1. Folge. 19. Bd. Arien von
Adam Krieger. 325.
Denkmäler deutscher Tonkunst.
2. Folge. Denkmäler deutscher
Tonkunst in Bayern. Werke
Hans Leo Hasslers. 2. Teil.
176.
Dresden, Sem: Sechs Lieder.
178.
Fanzier, Ludwig : 20 Lieder. —
Russische Suite fflr Planoforte.
178.
Gottlieb-Noren, H.: op. 24. Drei
Gesänge. 178.
Groditz, Carl: Acht Lieder. 178.
Hermann, Robert: op. 13. Sonate
fflr Violine und Pianoforte. 177.
Horwitz, Rudolf: op. 1. Sechs
Lieder. 328.
V. d. Hoya, Amadeo: Die Grund-
lagen der Technik des Violin-
spiels. 2. Teil. II. Abteilung.
404.
Kämpf, Karl: op. 26. Zwei Me-
lodieen fOr Streichorchester.
— op. 27. Hiawatha, Suite
fflr grosses Orchester. 327.
Krflger, Carl: Suite für Flöte'
und Klavier. 177.
Laska, Gustav: Kontrabass-
Schule. 403.
Locatelll, Pietro: L'art du Violon.
403.
Markees, C: Beiträge zu täg-
lichen technischen Studien fflr
Violine. 403.
MayerhofT, Franz: op. 24. Lenz-
fahrt. 175.
Melcer, Henryk: I.Concerto pour
Piano et orchestre. 327.
Mikorey, Franz: Klavierkonzert
in A-dur mit Orchester. 327.
Mestdagh, Karel: Lieder und
Gesänge. 328.
Neubauer, Mand: op. 8. Fflnf
Lieder. — op. 9. Aus alten japa-
nischen Frahlingsliedcrn. 177.
Nielsen, Arnold: op. 3. Kaer-
lighed. Sieben Gesänge. 328.
van Oosterzee, Corn61ie: op. 54.
Chansons sentimentales. —
op. 59. Zwei Lieder fflr eine
Singstimme mit Klavierbe-
gleitung. 328.
Orchesterstudien fflr 1. Violine.
— Orchesterstudien fOr Viola.
— Orchesterstudien aus Wag-
nerschen Werken. 405.
Pietzsch, Hermann : Neue grosse
theoretisch - praktische Schu le
fQr Cornet k pistons. 403.
Polo, Enrico: Esercizi per
Violino. 404.
Reinecke, Carl: op. 273. Der
Geiger zu Gmflnd. 175.
Ritter, Hermann: Viola-Schule.
— Miszellen fflr Altviola und
Pianoforte. 403.
Schmid, Otto: Musik am Säch-
sischen Hofb. Bd. 7 und 8. 405.
Scholz, Richard: op. 18. Dy-
namische Studien fflr Violine.
404.
Sinding, Christian : Alte Weisen.
178.
— Gesänge. — Vier alte dänische
Lieder. 252.
Sjögren, Emil : op. 44. Sonate fflr
Pianoforte. 326.
Smulders, Carl: Lieder. 177.
Solobuch fQr Flöte. — Solobach
fflr Klarinette. 402.
Sunford, C. V.: op. 74. Violin-
konzert. 176.
Stojanovits, Peter: op. 1. Violin-
konzert. 176.
Togni, Feiice: Die Ausbildung
der linken Hand. 404.
Volierthun, Georg: Gesänge. 25 1 .
Wallner, Ltepold: Sonate ro-
mantique. 326.
Weidig, Adolf: op. 31. The
Buccaneer. 178.
Weismann, Julius: op. 15. Drei
Gedichte. 252.
REGISTER DER BESPROCHENEN ZEITSCHRIFTEN-
UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Abert, Hermann: Robert Schu-
mann und die Gegenwart.
408.
Academy (London) : Vlenna Phil-
harmonie Society. 254.
Alexejew, P. S.: Mozarts Flöten-
kompositionen. 330.
Altmann, Gustav: Zum Gedächt-
nis Schumanns. 411.
Amsinck, Susanne: Fortschritte
auf dem Gebiete des Musik-
diktats. 54.
Andersen, A. C: Kobenbavns
Organistkole. 256.
Andersson, Otto : Sängen i skolan.
320.
— Inhemska musiks träfvanden
1 äldre tider. 320.
Anön, Francisco Lopez: La mü-
sica ärabe y su influencia en
la müsica espafiola. 256.
Antdiffe, Herbert: Die Kammer-
musik von Johannes Brahms.
254.
— Whistler and modern Music.
329.
Arend, Max: Die Aufgabe der
musikalischen Kritik unserer
Zeit Gluck gegenOber. 53.
— Der Kölner Männergesang-
verein in Leipzig. 330.
Ars et Labor (Mailand): Giuseppe
Verdi. 256.
Aussaresses, Fran^ois: Critique
et Methode. 255.
XII REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITUNGSAUFSÄTZE
Btchmann , Heinrich : Robert
Schumann. 411.
Bachrichy Sigismund : Erinnerun-
gen eines Musikers. 55.
Barrada, Salvador: La Inspiration
musical. 256.
BatiLa, Richard: Insekten als
Musiker. 55.
— Wagnerianer einst und jetzt.
55.
— Robert Schumann in Böhmen.
179.
— Dreissig Jahre Bayreuth. 330.
— Richard Wagner in Teplitz.
330.
— Schumanns Wirken und
Wesen. 406.
Benedict, Siegmund: Das Ge-
heimnis von Bayreuth. 330.
Beutter, Pfarrer: Das Chorbuch.
55.
Birnbaum, Alexander: Robert
Schumann als Kritiker. 408.
Bolza, Giorgio: II primo piano-
forte dei Giuditta Pasta. 256.
Bonner Zeitung: Ungedruckte
Briefe Robert Schumanns 1 70.
Bonyer, Raymond: Felix Wein-
gartner. 255.
Bahne und Sport: Robert Schu-
mann und das Theater. 400.
Bundi, G : Liszts j^Tell-Kapelle".
329.
Calvocoressi, M. D.: A few re-
marks, on modern French
pianoforte music. 254.
Challier, Ernst: Heinrich Heine,
der Lieblingsdichter der deut-
schen Komponisten. 53.
Chevillard , Camille : Robert
Schumann. 407.
CoUes, H. C: Grieg*s piano
music. 254.
— A sidelight upon Wagner. 254.
Combarieu, Jules: Saint-SaCns.
256.
Comee, Fred. R.: The Mission
of music. 253.
Corver, W. J.: Parsifal. 256.
Crotched, Dotted: St. Johns
College in Oxford. 255.
— Canterbury Cathedral. 255.
Cserna, Andor: Carl Goldmark.
329.
Debay, Victor: Le songe de
G6rontiusd* Edward Elgar. 255.
Delfico, Melchiorre: Verdi- Kari-
katuren. 256.
Dent, Edward J.: The eariiest
string quartets. 254.
Desdaux, Pierre: Berlioz en
Angleterre. 255.
Deutsch, Otto Erich: Schuberts
Totenehren 54.
— Anselm Hflttenbrenners Er-
innerungen an Schubert 180.
Deutsche Tageszeitung: Robert
Schumann. 409.
DrOmann, Chr.: Was kann von
selten des Kantors und Or-
ganisten geschehen zur Hebung
unseres kirchlichen Gemeinde-
gesanges? 330.
Droste, Carlos: Robert Schu-
mann. 410.
Dubitzky , Franz : Wilhelm
Tappert. 53.
— Wie erhalten wir ein lichteres
Notenbild? 54. 330.
Ecorcheville, Jules: Corneille et
la musique 255.
Effenberger, Hans: Prager Musik-
verhflltnisse. 181.
Elson, Arthur: Music in Denmark
and Switzerland. 253.
— The Netheriands. 253.
Erler, Hermann: Schumann und
die Grflndung der »Neuen
Zeitschrift fflr Musik*. 409.
Fischer, Cyriak: Der Meister
der Geige. 180. 330.
— Der Meister der deutschen
Romantik. 410.
de Flandreysy, Jeanne: Les litho-
graphies musicales de Fantin-
Latour. 256.
Flodin, Karl: Martin Wegelius.
329.
Fockema - Andreac, J. P.: De
herziening der wet van de
maatschappij tot bevordering
der toonkunst. 256.
Frans, D. C: Aanmoediging der
Tooneelmaatschappijen. 256
Freimark, Hans: Hausmusik vor
300 Jahren. — Das Harmo-
nium auf der Berliner Musik-
Fachausstellung 1906. 330.
Gates, Francis: San Francisco
and its music. 253.
Gauthier- Villars, Henry : Sur les
Lieder de Schumann. 407.
Gehrmann, Hermann: Robert
Schumann. 410.
Gilman, Lawrence: A discussion
with Vincent d'lndy. 253.
Glasenapp, C. Fr.: Bayreuth im
Jahre 1875. 330.
Griflinger, Franz: 42. Ton-
kOnstlerfest in Essen. 330.
Hammer, Heinrich: Das42.Ton-
kflnstlerfest des Allg. Deutschen
Musikvereins. 329.
Hansen, Carl: Halfdan KJerulf,
the pioneer of Norwegian mu-
sic. 253.
j — H. D.: Revision af Lovene.
1 256.
Hantich, H.: Müsicos contem-
porAneos. 256.
Härder, Knud: Musiklif i KOpen-
hamn. 329.
Harrison, Bertha: Musical pro-
digies. 255.
V. Hausegger, Sigmund: Ge-
danken zur Besetzung klassi-
scher Orchesterwerke. 330.
Haydn, J.: Mozarts erste Liebe.
54.
V. d. Heyde, Colma: Einejugend-
freundscbaft Clara Schumanns.
406.
Hoffmann, Bernhard : Die Wald-
vogel - Motive in Wagners
„Siegfried". 53.
Hollinder, Alexis: Obbr den
Gesangunterricht an höheren
Midchenschulen. 53.
dMndy, Vincent: El oratorio mo-
derno. 256.
Jaques-Dalcroze, Emil: Le piano
et r^ducation musicale. 255.
Jewett, A. D.: The fundamental
principles of piano technique.
253.
Jungbauer, Gustav: Das Bauern-
sepp*n-Lied. 54.
Kalbeck, Max : Robert Schumann
*und Wien. 411.
Karlyle, Charles: Die Saison in
Covent Garden. 330.
— Manuel Garcia. 330.
Keeton, A. E.: Mendelssohn. 254.
Kerst, Friedrich : Schumanns
Verhlltnis zu Mozart. 407.
Kienzl, Wilhelm: Ober das
Malerische im musikalischen
Drama. 55.
Kipper, Hermann : Robert Schu-
manns Krankheit und Tod.
411.
— RobertSchumann als Musiker.
411.
Kleefeld, Wilhelm : Die MQnch-
ner Vorlfluferin der Bayreuther
Stilbildungsschule. 54.
Kioss, Erich: Briefe an Richard
Wagner. 54.
— Bayreuth 1906. 330.
— Drei Jahrzehnte Bayreuther
Festspiele. 330.
Knosp, Gaston: Pariser Kapell-
meister. 181.
Koczirz, Adolf: Bemerkungen zur
Gittaristik. 329.
Kohut, Adolph: Robert Schu-
mann und die Frauen. 410.
Kölnische Zeitung: Robert Schu
mann. 411.
V. Komorzynski, Egon: Der
MFreischatz" und das ältere
deutsche Singspiel. 181.
REGISTER DER BESPR. ZEITSCHRIFTEN- UND ZEITONGSAUFSÄTZE XIII
— Robert Schumann und die
Romantik. 406.
— Schumann und E. T. A. Hoff-
mann. 409.
Korngold, Juliua: Robert Schu-
mann. 410.
Krause, Emil: Ein 75)ihriger
Geburtstag. 180.
— Zu Robert Schumanns 50 jäh-
rigem Gedenktage. 411.
Krebs, Carl: Robert Schumann.
400.
Krtsmiry , Anton : Gustav
Schoenaich. 53.
Kruse, Georg R.: Aus Otto
Nicolais letztem Tagebuche.
54.
Kflffner, Karl: Zur Lage des
Gesangunterrichts in Bayern.
330.
KQrnberger, Ferdinand: Ein un-
veröffentlichtes Manfred - Ge-
dicht zu Robert Schumanns
Musik. 407.
Lange, Fritz: Der Bruder Joseph
Haydns. 330.
— Robert Schumann in Wien.
411.
Lederer, Victor: Maifestspiele im
alten Bardenland. 181.
— Flamin, der letzte Davids-
bflndler. 330.
Leichtentritt, Hugo: AufTOhrun-
gen älterer Musik in Berlin.
320.
Leipziger Neueste Nachrichten:
Seine Clara. 407.
Louis, Rudolf: Robert Schu-
mann. 411.
Lucifer (Antwerpen): De Ned.*
Opera Tijdelijk in eere her-
steld. 256.
v. Lflpke, G.: Hausmusik von
Max Reger. 181.
— Schumann und die Pro-
grammusik. 406.
Mauclair, CamÜle: La musique
de piano de Maurice Ravel.
256.
— L'applaudissement au con-
cert. 256.
— La religion de la Orquesta.
256.
Monthly musical Record: The
Spanish music. 254.
— Norwegian Music. 254.
The Musical Times: Private
musical collections. 255.
The Musician (Boston): John
Knowles Paine. 254.
Montfort, Robert: La M61odie.
255.
MOller, Erich: Charles Adolphe
Adam. 54.
— Am Grabe Robert Schumanns.
411.
MQUer-Hartmann: Robert Schu-
mann 411.
Nef, Karl: Robert Schumann
und das Chorlied. 407.
Neitzel, Otto: Das 42. Ton-
kOnstlerfest des Allgemeinen
deutschen Musikvereins in
Essen. 330.
Nelle, D.: Klippen im Fahr-
wasser des Gemeindegesanges.
55.
Nervander, E.: Finska teatems
grundläggare Kaarlo Bergbom.
320.
Newman, Ernest: Edward Elgar.
253.
Nolthenius, Hugo: »Im grossen
Schweigen" von A. Diepen-
brock. 256.
Nordd. Allgem. Zeitung: Die
bflrgerliche Oper. 55.
Paul, Ernst: Ästhetische Er-
ziehung durch Schulgesang.
53.
Pedersen, Kr.: Kirkesangens
Ledere og Kirkesangen. 256.
Prinz, E.: Geistige Beherrschung
der TonvorsteUungen. 330.
Prochäzka, Rudolph: Charakter-
bilder aus dem älteren Musik-
Prag: Hans Seeling, der Kom-
ponist der ,Schilflieder* und
„Loreley*. 330.
Prod'homme, J. G.: Pierre Cor-
neille et rOpöra frangais. 329.
Pudor, Heinrich: Till kammar-
musikens historia. 329.
Reuss, Eduard: Die VI. Sym-
phonie von Gustav Mahler
und ihre erste Aufführung. 330.
— Die Nacht der Liebe in
»Tristan und Isolde**. 330.
Rhein. Musik- und Theater-
zeitung: Zwei ungediuckte
Briefe von Clara Schumann.
407.
Riemann, Ludwig: Das Volks-
lied im niederrheinischen In-
dustriegebiet. 330.
Ritter, Hermann: Das Virtuosen-
tum in der Musik. 330.
Rommel, A. : The value of Bach
to the piano Student. 253.
Rubinstein, Antonio : La müsica
y sus representantes. 256.
Scheibler, Ludwig: Schumann
als Liederkomponist. 407.
Scheidemantel, Karl: Deutscher
Bahnen- und Konzertgesang.
54.
Scheirl, Franz : Der Phonograph
im Dienste desVolksliedes. 330.
— Hirtenlieder zur Zeit der Ge-
burt Christi. 330.
Scherber, Ferdinand: Max Reger.
53.
— Ein Brief Friedrich Kinds
an Peter Joseph Lindpaintner,
181.
Schmitz, Eugen: Musikalische
Popularisierungsbestreben. 54.
Schollenberger, Hermann : An-
dreas Späth. 329.
Scolt, E. H. : Musical energy. 254.
Segnitz, Eugen: Carl Maria
V. Weber und Richard W^agner.
54.
— Schumanniana. 411.
Shakespeare, William: Tone in
its relationship to pro-
nunciation. 253.
Signale für die musikalische
Welt (Leipzig): Instrumen-
tierungskunst und Partitur-
spiel. 330.
Spanuth, August: Robert Schu-
mann. 409.
Specht, Richard: Robert Schu-
mann. 410.
Spencer, Herbert: Musikens
härkomst och upp gift. 329.
Stauber, Paul: Die Wiener
Volksoper. 330.
Stein, Fritz: Schumann als
Student in Heidelberg. 406.
Storck, Karl: Beethoven als
Angelpunkt in der Musik-
entwicklung. 181.
Streit, A.: Das Mflnchener Fest-
spielhaus. 330.
Sutro, Emil: Das Doppelwesen
des Denkens und der Sprache.
330.
Thiessen, Karl: Alte Klavier-
musik im Hause. 330.
Thormälius, Gustav : Die Davids-
bOndler. 410.
V. TidebAhl, Ellen: Sergej Rach-
maoinoff. 254.
Tovey, Donald Francis: The
vitality of artistic counter-
point. 329.
Vantyn, Sidney: La sonate en
si bemol mineur op. 35 de
Chopin. 256.
Das deutsche Volkslied (Wien):
Das Volkslied in Österreich.
329.
Vossische Zeitung: Zu Robert
Schumanns 50 jähr. Todestage.
408.
— Robert Schumann als Dichter.
408.
Weber- Bell, Nana: Physische
und psychische Klangfarbe.
54.
REGISTER DER ANGEZEIGTEN NEUEN OPERN
VeliiE*nner, Felix ; Robert Schu-
n»QD. 410.
Wiens, J. P. J.: Het NederiaDd-
sche Volkslied. 25Q.
de Wilde, W. J.: Divigsties over
Kunst. 256.
Wilson, F.: L'ontorio. 255-
WlttlDC C: Job. Seb. Bichs
Sonaten rar die Violine.
W riMl wanopulos-Brucho vsnoir,
George; Richard Wiener und
die Antike. 53.
vsn Zebden : Konlnk.Vereenlglnc
hei Nederlsodsch Tooeel. ZSe.
REGISTER DER ANGEZEIGTEN NEUEN OPERN
Alfln«, Torre: Der Traam eines
Herbscabends. 182.
de Boeck, August: Relnaert de
VoB. 182.
Boasl, Enrico: Der Prophet. 412.
C!te«, Francesco: Gloria. 257.
Georges, Alexandre: Kleopatra.
331.
Gottbeir, Felix: Mahadevs. 56.
Gradi, Ferdinand: Der slQckliche
Jack. 56.
d'lndy, Vincent: Pbaedra und
Hippolji. 331.
Kaiser, Alfred : Dame, roi et
valet. 56.
Knlenkampir, Gustav : Anne-
Marel. 182.
Lambert, Marina : Der Kadett
von Nsvarra. 56.
Loren u, Alfred: Der MOncb
von Sendomir 56.
de Lunghi, M.: Raffael. 331.
Marscbalk, Max: Aukassln und
Nlkolette. (82.
Messager, Andr£: Chandeller.
Weissleder, Psul: Der Weg
durchs Fenster. 412.
V. Zetniinsky, Alexsnder: Der
Traumgorg. 182.
DIE MUSIK
6. WAGNER-HEFT
Langsam
fe
P
m olto creac.
^
^^
1^
Richard Wagner: Tristan und Isolde
V. JAHR 1905/1906 HEFT 19
Erstes Juliheft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & LoefHer
Berlin und Leipzig
Wol^ang Golther
Zur Entslebung von Richard Tagners Tristan
C. Fr. Glasenapp
Riebard Wagaers Briefe an Frelherm von LQtticbau. 1,
Geoi^ Mfinzer
Hans Sachs als Musiker
Neue Wagner-Literatur
Titel zum 19. Band der MUSIK
Revue der Revueen
Umschau (Neue Opern, Aus dem Opemrepertoire,
Konzerte, Tageschronik, Totenschau)
Kritik (Oper und Konzert)
Anmerkungen zu unseren Beilagen
Kunstbejlagen
Anzeigen
DIE MUSIK enchelnt monatlich iweinal. Abonnementtprei« tOr dM
Quartal 4 Mark. AbonnemeiiUprelB Hr den Jahrgang 15 Mark. Prcla
dei eiDzelneo Heftea 1 Mark. Vlertelfahneinbaaddeckea i 1 Mark.
SanimelkaateD fOr die Kuasibei lagen det ganzen Jahrgangs 2,50 Mkrk.
Aboonementt durch jede Buch- und MuBlkalknbandluDg, lOr kleine
Plltze ohne Buchhladler Bezug durch die PosL
|as Geheimnis des grossen Kunstwerks ruht darin, dass Idee und
Erfahrung, Überlieferung und Erlebnis in eins verSiessen und
in Stoff und Form so gestaltet werden, dass der dichterische
Gedanke mit lebendigster Wahrheit, mit unmittelbarer Gegen-
wartswirkung zum Ausdruck kommt und doch in ideale Feme gerückt ist,
etwa so wie der ganze Faust Goethes eignes Leben und Wirken im Gesarot-
bild spiegelt. Nur selten sind alle Voraussetzungen erfüllt, dann aber
entsteht auch ein Kunstwerk von unergründlicher Tiefe und unerschöpflich
reichem Gehalt. Und so geschah's bei Richard Wagners «Tristan*, dessen
wahrhafte Wundermacht sich längst allen denen, die hören und schauen
können, zu tiefster Ergriffenheit offenbart hatte. »Ein Wunder war's, ein
unbegreiflich hohes Wunder 1" Erwin Rohde schreibt einmal vom Zauber
des Tristan:
.Gewiss gibt es in der Welt keine andre Musik von solcher Notwendigkeit;
meine Seele sang unmittelbar mit in diesem tönenden Meeresrauschen der stürmenden
Empfindung. Da ist nichts von künstlich-künstlerischer Willkür.*
Was wir empfanden, jetzt können wir's auch begreifen, wie es so
kommen musste, nachdem die Entstehungsgeschichte aus unmittelbaren
Urkunden uns deutlich ward. Das Werden und Wachsen der Tristan-
dichtung aufzuzeigen, soll hier versucht werden. In der Dresdener Zeit
(1842/9) gab sich Wagner überaus fruchtbaren und gründlichen altdeutschen
Studien hin, aus denen Tannhäuser und Lohengrin, Wieland der Schmied,
Siegfrieds Tod und der Entwurf der ganzen Ringdichtung erwuchsen ; auch
der erste Meistersingerentwurf von 1845 (vgl. „Musik' I, 4) ging aus diesen
Studien hervor, so dass in der Dresdener Zeit der stoffliche^rund zu
allem späteren künstlerischen SchafTen gelegt ward. Damals beschäftigte
der Meister sich auch bereits genauer mit dem Tristan Gottfrieds von
Strassburg, aber zunächst noch ohne an eine Neudichtung zu denken. Vor
Gottfrieds Tristan war ihm auch Wolframs Parzival vertraut geworden, zu
dem schon der Lohengrin seine Gedanken hinführte. In Dresden fehlte
aber noch gänzlich die belebende Anregung zur dramatischen Wieder-
geburt dieser beiden Stoffe und der Meistersinger. Es musste eine Erfahrung
eintreten, um die aus der Kenntnis der mittelalterlichen Quellen gewonnenen
DIE MUSIK V. 19.
Eindrficke zu befruchten. So war's schon beim Holländer gewesen, der
auch erst auf der sturmischen Seefahrt von Riga nach London im Juli
1830 dem Dichter zum anschaulichen Erlebnis ward, das dann in der tief-
sten Not der Pariser Zeit zur Sehnsucht nach dem Heil sich verdichtete.
Wagner musste in einem Stoff immer erst sich selbst, seine eigene Lebens-
lage, Stimmung und Weltanschauung gefunden haben, ehe er ihn auszu-
führen imstande war. Eine innerliche Aneignung musste der dichterischen
Umgestaltung vorhergehen, aber nicht so, dass der Meister einer Sage
etwa fremde, unverträgliche Ideen aufzwang, vielmehr so, dass er ganz
unwillkfirlich hellseherisch sein eigenes Schicksal in dem überlieferten
Stoffe erschaute, der ihm nun plötzlich in ganz neuem Lichte und eigen-
artig vertraut erschien.
Bei solcher innerlichen Aneignung und Erneuerung der überlieferten
Stoffe stand Wagner seinen ursprünglichen Quellen sogar eine Zeitlang
feindselig gegenüber. So fühlte er sich von Wolfram einmal schroff ab-
■
gestossen (Briefe an Mathilde Wesendonk S. 146) und schreibt ebenda:
j^Schon mit dem Gottfried von Strassburg ging mir's in bezug auf Tristan
so.* Vermutlich trat diese Stimmung bei einer erneuten Lesung des Ge-
dichtes in Simrocks Übersetzung 1855 ein.
Dieser entscheidende Augenblick trat für den Tristan im Spätherbst
1854 in Zürich ein, wo Wagner in tiefernster Stimmung den ersten Ge-
danken des Dramas fasste, das 1855 aufgezeichnet und im August und
September 1857 endgültig ausgeführt wurde. Hier aber ist ein Blick auf
die Hauptquelle: Gottfrieds Tristanepos notwendig.
1844 war die ausgezeichnete neuhochdeutsche Bearbeitung Gott-
frieds von Hermann Kurtz erschienen. In freier Anlehnung an den Ent-
wurf von Immermanns unvollendetem Tristan und an die Fortsetzungen,
die Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg im 13. Jahrhundert
zu Gottfrieds Gedicht verfasst hatten, dichtete Kurtz einen schönen,
stimmungsvollen Schluss, so dass zum ersten Male ein abgerundetes voll-
ständiges Tristangedicht vorlag. So lernte Richard Wagner den Tristan
kennen. In der Einleitung war auf die mythischen Bestandteile der Tristan-
sage hingewiesen, die auch in der Siegfriedsage wiederkehren sollten.
Schon früher hatten Mono und von der Hagen Tristan und Siegfried ver-
glichen; besonders eingehend hatte Wilhelm Müller in seinem Versuch
einer mythologischen Erklärung der Nibelungensage 1841 die Ähnlichkeit
behandelt. Wagner kannte diese Schrift schon durch seine Nibelungen-
studien sehr gut. So erschienen ihm von Anfang an Tristan und Siegfried
in einer gewissen inneren Verwandtschaft. Kurtz betonte im Tristan vor
allem den tiefen Ernst:
»Ein alter Mythus von Erringen und Nichterlangen oder Verlieren zieht sich
GOLTHER: ENTSTEHUNG VON WAGNERS TRISTAN
halbverkluogen durch diese Stgen hin, und im Tristan schimmert noch das Heroische
und Tragische zwischen dem Höfischen und Modischen hervor. Eben dieser tragische
Faden ist mir auch in den gllnzenden Geweben Gottfrieds fiberall sichtbar und
scheint mir von der Kritik lange nicht genug beachtet zu sein: so glaube ich zum
Beispiel, dass die Rede der Königin im Garten, welche unter leichten Tftuschungen
eine dem Lauscher sehr wohl verstindliche Wahrheit birgt, in einem Trauerspiel
von erschütternder Wirkung sein würde.'
Von diesem schönen Tristanbuch empfing Wagner tiefen und nach-
haltigen Eindruck, der sich sogar bis in „Siegfrieds Tod* erstreckt. In
meinem Buche über «Die sagengeschichtlichen Grundlagen der Ring-
dichtung" (Charlottenburg 1002) S. 14 habe ich gezeigt, wie Brünnhilde
und Gutrune an Siegfrieds Bahre nach dem Vorbilde der blonden und
weisshändigen Isolde am Bett des toten Tristan geschildert sind.
1855 erschien Simrocks Erneuerung von Gottfrieds Tristan. Sie steht
an poetischer Wirkung weit hinter der von Kurtz zurfick. Darum machte
sie auf Wagner, wie oben (S. 4) vermutet wurde, keinen gfinstigen Ein-
druck. Im Vorwort ist aber ein kurzer Vergleich mit Romeo und Julie
und Hero und Leander gezogen. Da wird von der verlöschenden Fackel
gesprochen, die in der Herosage eine so wichtige Rolle spielt, da mit dieser
Fackel der Stern der Liebe erlischt. In Gottfrieds Tristan ist nirgends die
im Drama so bedeutungsvolle Fackel als Liebeszeichen erwähnt. Aus dem
bescheidenen, dürftigen Vorwort Simrocks fällt ein zfindender Funke in
des Meisters Seele und schafft die äussere Form des zweiten Tristanaktes:
die Fackel nach Hero und Leander und das Tagelied nach Romeo III, 5.
Aber Wagners Fackelsymbol ist unvergleichlich reicher und tiefer an Gehalt,
und das Tagelied ist zum Wächterlied erweitert und zwar nach Ulrich von
Liechtensteins zweiter Tageweise, wo aus feinfühliger Erwägung des Dichters
ein Mädchen den Wächter vertritt.
Wenn Fackel und Tagelied für die Form des zweiten Aufzugs bedeutungs-
voll wurden, so kann er seinem Inhalt nach als ein Hymnus an die Nacht
bezeichnet werden. Weniger im einzelnen als in der Gesamtstimmung
werden wir an Novalis' Nachthymnen gemahnt. Im Tristan aber hat die
romantische Schwärmerei einen unendlich tieferen und sehr bestimmten
Sinn gewonnen. Ob Wagner gerade in der Züricher Zeit Novalis las oder
aus seinen sehr eingehenden früheren romantischen Studien eine Erinnerung
daran behalten hatte, die jetzt wieder lebendig und fruchtbar ward, vermag
ich nicht zu bestimmen. In den bisher bekannten Schriften und Briefen
des Meisters ist meines Wissens Novalis nicht erwähnt. Sein Einfluss auf
den Tristan ist aber zweifellos.
Im Drama ist die reiche äussere Handlung des Epos zu wenigen
plastischen Bildern verdichtet, in denen der Grundgedanke, «das Sehnen
hin zur heil'gen Nacht*, unmittelbar anschaulich wird. Nur seelische Vor-
6
DIB MUSIK V. 19.
gänge offenbaren sich in Wort und Ton, in Gebärde und Handlung. Aber
die Grösse der Wagnerschen Dichtung beruht darin, dass sie mit dieser
Beschränkung keineswegs undramatisch wird. Alles geschieht vor unseren
Augen, nichts Wesentliches spielt sich hinter der Szene ab und wird nur
beredet. Das Drama ist aus einem andern Gedanken heraus gestaltet als
das Epos. Darum musste die Handlung auch ganz anders werden als im
Epos, nicht etwa bloss weil aus äusseren Gründen für die Bühne verkürzt
und zusammengezogen wurde. Tristan und Isolde wollen im Drama von
Anfang an bewusst das Notwendige, die Erlösung ihrer Liebe aus den
Banden des Lebens, den Frieden und die Sühne des Todes; sie kämpfen
um den Tod gegen das Leben. Im Epos aber kämpfen sie bis zuletzt um
das Leben gegen den Tod. Darum ziehen im Epos so viele Bilder von
Glück und Glanz, von erlisteten Minnefreuden auf dem hellschimmemden
Grunde des höfischen Lebens an uns vorüber, während im Drama diese
Welt in weiter Feme liegt. Chamberlain sagt:
«Tristan und Isolde werden ans nur an den drei entscheidenden Augen-
blicken ihrer LiebestragOdie vorgeführt, sobald die Welt dtzutritt, bricht Jedesmal die
Handlung ab.*
Alle übermütigen Situationen des alten Gedichtes, alle Liebesränke
sind ausgeschieden, ebenso Isolde Weisshand, die Nebenbuhlerin der blonden
Isolde. In der Vorgeschichte ist dem Drama der Zug neu und eigen, dass
Morold Isolden angelobt war. Dadurch hebt sich Tristans und Isoldens
Liebe auf noch ernsterem Hintergrunde ab. Auch die Zahl der Handelnden
ist im Vergleich mit Gottfried sehr vermindert. Chamberlain sagt:
«Nur zwei Personen, Tristan und Isolde, stehen ganz im Vordergrund, sehr
weit zurück, fast schon symbolisierte Gesulten von männlicher und weiblicher Treue,
erblicken wir Kurwenal und Braugine, höher als diese, aber noch weiter zurück,
König Marke; kaum vom Waldesgrfin oder vom fernen Meereshorizont sich abhebend,
den Hirten, den jungen Seemann und Melot."
Und wie wirken alle diese Gestalten zusammen I Meisterhaft geschieht
die Mitteilung alles dessen, was zum Verständnis aus der Vorgeschichte
zu wissen not tut, aus ihren Reden und Gesprächen, die stets unmittelbar
aus der durch das Dram% jeweils bedingten Stimmung hervorgehen. In
meinem Büchlein über Richard Wagner als Dichter (Berlin 1 905) habe ich
den Sinn der Handlung^) also angedeutet:
«Die alte Sage knüpfte die Liebe Tristans und Isoldes an den Trank, Wagner
an den Blick: ,er sah mir in die Augenl^ Isolde Hess das rächende Schwert sinken,
^) Ich möchte bei dieser Gelegenheit nachdrücklichst auf eine der schönsten
Tristanschriften, die wir besitzen, hinweisen, die aus dem Nachlass von Heinrich
Porges in den Bayreuther Blättern 10Q2 und 1003 veröffentlicht wurde und gar wohl
auch einer besonderen Buchausgabe würdig wäre. Wagner selbst schrieb darüber
am 15. Mai 1867 aus Luzem: «wohl mir, dass ich so empfunden und verstanden
werde*.
GOLTHER: ENTSTEHUNG VON VAGNERS TRISTAN
denn der Blick hatte sie int tiefete Herz getroffen. Die todesemste Liebe, die an
diesem Augenbliclc sich entzfindete, durfte nicht ans Tageslicht, sie barg sich schweigend
im Herzensgrande« Welt und Wahn trennten, waa Frau Minne vereinigt hatte. Nur
ein Ausweg: der Todestrank I Eine Hfille liegt auf dem Lebensglfick der Liebenden,
Isolde gehört Tristan und soll Marke verfallen: ,mir erkoren, mir verloren!' Isolde
reicht Tristan den Todestrank, um mit dem achweigend Geliebten aus der Tages-
welt, die ihrer Liebe keinen Raum gewihrt, Ina Wunderreich der Nacht einzugehen.
Tristan fasst Isoldens Schweigen und ergreift den Balsam, den Todesbecher. Und
nun, an der Schwelle des Todes, darf das Geheimnis sich enthüllen. Doch Brangines
wahnvolle Treue zwang die zum Tode sich Sehnenden fns Leben zurfick, indem sie
nicht den Todestrank, sondern den Lebens- und Liebestrank in den Becher goss.
Welch ungeheurer Unterschied trennt also Wagners Drama von der Sage: in der
Sage schafft und wirkt ein Zaubertrank, das kindliche und doch auch tiefe Sinnbild
der unwiderstehlichen Liebesmacht, die Liebe; im Drama bringt der vermeintliche
Todeatrank die längst im Herzensgrund glimmende Liebe nur zum Gestindnis.
Diese in den Wonneschauern des ersehnten Liebestodes geoffenbarte Liebe ist nun
verdammt, in der Welt zu leben und zu leiden. Im groasen Zwiegesang des zweiten
Aktes werden sich Tristan und Isolde fiber das Wesen ihrer Liebe klar: aus Licht,
Tag, Leben verlangen sie nach Dunkel, Nacht, Tod. ,Ewig wihr una die Nacht I<
Mit dem Erlöschen dieser Scheinwelt muss auch allea enden, was ihre Liebe stört.
Im dritten Akt naht die Erlösung. Mit blutender Wunde erjagt sich Tristan sein
höchstes und letztes Glück, nicht Liebesleben, sondern Liebestod, und über dem Toten
verweht Isoldens Seele ,in des Weltatems wehendem Ali'. Abendlich Dimmern
umfriedet Tristan und Isolde, die um der Liebe willen das Leben verneinten. Marke,
der endlich den trugvoll schmerzlichen Wahn durchschaut hatte und die Liebenden
von aller Schuld entsühnen wollte, segnet die Leichen.*
Wagner hat den Grundgedanken seines Dramas in kurzen Worten
zusammengefasst, als er Vorspiel und Schlussatz am 27. Dezember 1863
zum erstenmal in Wien aufführte:
Tristan und Isolde
a) Vorspiel (Liebestod)
Tristan führt, als Brautwerber, Isolde seinem Könige und Oheim zu. Beide
lieben sich. Von der schüchternsten Klage des unstillbaren Verlangens, vom zartesten
Erbeben bis zum furchtbaren Ausbruch des Bekenntnisses hoffnungsloser Liebe, durch-
schreitet die Empfindung alle Phasen des sieglosen Kampfes gegen die innere Glut,
bis sie, ohnmichtig in sich zurücksinkend, wie im Tode zu verlöschen scheint«
b) Schlussatz (Verklärung)
Doch, was das Schicksal für das Leben trennte, lebt nun verklirt im Tode auf:
die Pforte der Vereinigung ist geöffnet. Ober Tristans Leiche gewahrt die sterbende
Isolde die seligste Erfüllung des glühenden Sehnens, ewige Vereinigung in ungemessenen
Riumen, ohne Schranken, ohne Banden, unzertrennbar!
Wie kam nun Wagner zu der so wirkungsvollen Vereinfachung und
Verinnerlichung der bunten Abenteuer, die seine Vorlage berichtete? Wie
er zuvor beim »Ring' alle Nebenmotive zurückgedrängt hatte, um die Haupt-
8
DIE MUSIK V. 19.
Sache mit allem Nachdruck hervorzuheben, so verfuhr er auch beim »Tristan'.
Er sagt darüber (Schriften 6, 378 f.):
»Mit dem Entwürfe von Tristan und Isolde war es mir, als entfernte ich mich
selbst nicht eigentlich sus dem Kreise der durch meine Nibelungenarbeit mir erweckten
dichterischen und mythischen Anschauungen. Der grosse Zusammenhang aller
echten Mythen, wie er mir durch meine Studien aufgegangen war, hatte mich
namentlich für die wundervollen Varistionen hellsichtig gemacht, welche in diesem
aufgedeckten Zusammenhange hervortreten. Eine solche trst mir mit entzuckender
Unverkennbarkeit in dem Verhiltnisse Tristans zu Isolde, zusammengehalten mit
dem Siegfrieds zu Brfinnhilde, entgegen. Wie in den Sprachen durch Lautverschiebung
aus demselben Worte zwei oft ganz verschieden dünkende Worte sich bilden, so
waren auch, durch eine ihnliche Verschiebung oder Umstellung der Zeitmotive, aus
diesem einen mythischen Verhiltnisse zwei anscheinend verschiedenartige Verhältnisse
entstanden. Die völlige Gleichheit dieser besteht aber darin, dass Tristan wie Siegfried
das ihm nach dem Urgesetze bestimmte Weib, im Zwange einer Täuschung, welche
diese seine Tat zu einer unfreien macht, für einen anderen freit, und aus dem hier-
aus entstehenden Missverhiltnisse seinen Untergang findet. Während der Dichter
des Siegfried, den grossen Zusammenhang des ganzen Nibelungemythus vor allem
festhaltend, nur den Untergang des Helden durch die Rache des, mit ihm sich auf-
opfernden, Weibes in das Auge fassen konnte, findet der Dichter des Tristan seinen
Hauptstolf in der Darstellung der Liebesqual, welcher die beiden über ihr Verhältnis
aufgeklärten Liebenden bis zu ihrem Tode verfallen sind. Hier ist nur breiter und
deutlicher gefasst, was auch dort unverkennbar sich ausspricht: der Tod durch Liebes-
not, welche in der einseitig des Verhältnisses sich bewussten Brünnhilde zum Aus-
drucke gelangt. Was hier nur mit entscheidender Heftigkeit sich äussern konnte,
wird dort zu einem unendlich mannigfaltigen Inhalte; und hierin lag für mich der
Anreiz, diesen Stoff gerade jetzt auszuführen, nämlich als einen Ergänzungsakt des
grossen, ein ganzes Weltverhältnis umfassenden Nibelungenmythus.*
Wir erkennen hier einen Nachklang der oben angeführten Worte,
mit denen Hermann Kurtz in der Einleitung zu Gottfrieds Tristan einen
Gedanken der damaligen Wissenschaft zusammengefasst hatte. Was Wagner
einen für Siegfried und Tristan gemeinsamen Urmythus nennt, ist in
Wirklichkeit nur der allgemein menschliche Grundgehalt, den der Blick
des Dichters als einen* tief verwandten Zug beider Sagen erschaut, den er
zur kürzesten tragischen Formel verdichtet. Und nun erst erregt der
Tristan seine innerliche Teilnahme, was die vielen Abenteuer des mittel-
alterlichen Romanos nie vermocht hätten. So ward die Siegfriedsage An-
lass zur Vereinfachung der dramatischen Fabel der Tristansage aus der
epischen Breite und Fülle. Die Verinnerlichung ergab sich aber aus
persSnllchen Erfahrungen und Stimmungen in den für den Entwurf und
die Ausführung entscheidenden Jahren.
Durch einen Zufall wurde Wagners Aufmerksamkeit im Herbst 1854
auf den Tristanstoff gelenkt, zu einer Zeit, da er durch die Bekanntschaft
mit Schopenhauers Philosophie in ernster Stimmung war. Im selben Brief
vom Dezember 1854 meldet er Liszt von Schopenhauer, »der wie ein
9
GOLTHER: ENTSTEHUNG VON WAGNERS TRISTAN
Himtnelsgeschenk in meine Einsamkeit gekommen ist*", und vom Tristan,
den er «im Kopfe* entworfen habe. Im Laufe des Jahres 1855 muss das
Drama in drei Aufzügen zu künftiger Bearbeitung skizziert worden sein«
Am Schlüsse war noch von der weissen und schwarzen Flagge die Rede,
wie im Epos vom weissen und schwarzen Segel. Davon blieb nur Tristans
Frage: «die Flagge? die Flagge?" und Kurwenals Antwort: «der Freude
Flagge am Wimpel, lustig und belli'* Im dritten Akt erschien Parzival
auf der Suche nach dem Gral an Tristans Siechbett. Durch die Sehnsuchts-
qual des Begehrenden zog wie eine himmlische Trosterscheinung der Ent-
sagende. Und zum Parzival gesellte sich bald auch noch Buddha, «der
Sieg — das Heiligste, die vollständigste Erlösung*.
Aber nicht nur Schopenhauers Weltanschauung gab den todesernsten
Grundton, vielmehr «der schönste aller Träume*, «das eigentliche Glück
der Liebe*, das dem nach Liebe verlangenden. Künstler bisher noch gar
nicht, oder nur aus unnahbarer Feme aufgeleuchtet war. Von diesem so
lange unerfüllt gebliebenen Sehnen sprechen mannigfache Äusserungen in
den Briefen aus Zürich.
«Gib mir ein Herz, einen Geist, ein weibliches Gemüt, in das ich mich ganz
untertauchen könnte, das mich ganz fasste — wie wenig würde ich dann nötig haben
von dieser Veit*
schreibt er im April 1854 an Liszt. Und diese Frau, die er ersehnte, war
bereits in des Meisters Leben getreten : Mathilde Wesendon k. Schon
am 26. Februar 1852, kurz nach der ersten Bekanntschaft mit Wesendonks,
schrieb Wagner an Uhlig:
«Einige neue Bekanntschafken haben sich mir aufgedrungen — ich bin ver-
wundert, so viel Lebhaftigkeit und selbst Reiz unter Ihnen anzutreffen." Am
20. Mirz 1852 «schilt mich nicht eitel, wenn ich dir auch gestehe, dass die wunder-
baren Wirkungen, die ich um mich verbreite, mir ab und zu ein wohliges Bewusstsein
meines Daseins wiedergaben. Ein feucht glänzendes Frauenauge durchdringt mich oft
wieder mit neuer Hoffnung''.
In der «Walküre", die im Juni 1852 gedichtet wurde, spricht der weh-
waltende Siegmund die Worte:
«ihres Auges Strahl
streifte mich da,
Wirme gewann ich
und Tag!*
Und über die im Sommer 1854 aufgezeichneten Skizzen zur Musik
des ersten Aufzugs der «Walküre* schrieb Wagner: «Gesegnet sei Mathilde!*
Im Rückblick auf die Jahre 1852—58 schrieb Wagner am 20. August 1858
an seine Schwester Kläre:
«was mich seit sechs Jahren erhalten, getrSstet und namentlich auch gestärkt
hat, an Minnas Seite, trotz der enormen Differenzen unseres Charakters und Wesens,
auszuhalten, ist die Liebe jener jungen Frau, die mir anfangs und lange zagend,
10
DIE MUSIK V. 19.
zweifelnd, zögernd und schQchtern, dann aber immer bestimmter und sicherer sich
niherte. Dt zwischen uns nie von einer Vereinigung die Rede sein konnte, gewann
unsere tiefe Neigung den traurig wehmütigen Charakter, der alles Gemeine und
Niedere fern hält und nur in dem Wohlergehen des andren den Quell der Freude
erkennt. Sie hat seit der Zeit unserer ersten Bekanntschaft die unermüdlichste und
feinfühlendste Sorge für mich getragen.*
Dichtung und Vertonung des Rings bis zur Mitte des Siegfried ge-
schah, bevor der Meister das Asyl auf dem grünen Hügel bezogen hatte.
Als er aber im April 1857 sich dort niederliess, da kamen Parzival und
Tristan in wundersame Bewegung, zunächst dadurch, dass sich die bisher
vereinigten Stoffe voneinander loslösten. Am sonnigen Karfreitagmorgen
blickte der Meister vom Asyl über das bereits ergrünte Gärtchen hinaus
in die weihevolle Stille. Plötzlich fiel ihm ein, dass heute Karfreitag sei,
und er entsann sich, wie bedeutungsvoll diese Mahnung ihm schon einmal
in Wolframs Parzival aufgefallen war. In der Ergriffenheit dieser Stimmung
entwarf er vom Karfreitagszauber aus mit wenigen Zügen ein Parzivaldrama
in drei Akten. Bald danach war auch die Zeit für den Tristan gekommen.
Am 4. Juli 1857 heisst es in einem Briefe an Frau Ritter über Tristan:
«Noch schlummert das Gedicht in mir: ich gehe mit Nächstem daran, es
zum Leben zu rufen.** Nach Vollendung des 2. Aufzuges Siegfried im
August 1857 begann die Tristandichtung. Vom 20. August 1857 ist der
neue, mit der uns bekannten Tristanfassung völlig übereinstimmende Prosa-
entwurf datiert. Die Dichtung war am 18. September 1857 so ziemlich
übereinstimmend mit der gedruckten Fassung vollendet. Die mit Bleistift
geschriebenen, von Frau Wesendonk sorgsam mit Tinte nachgezogenen
Kompositionsskizzen tragen die Daten für Akt I 1. Oktober bis Syl-
vester 1857; für II 4. Mai 1858 bis 1. Juli 1858; für III 9. April bis
16. Juli 1859 in Luzern.
Ureigene Stimmung webt in der Dichtung und Musik, aber verklärt
sich doch zum reinsten, völlig unpersönlichen Kunstwerk. Wagner selbst
deutet die Entstehung des Tristan einmal mit folgenden Worten an:
»In welch' wunderbarer Beziehung ich nun aber jetzt zum Tristan stehe, das
empfinden Sie wohl leicht. Ich sage es offen, weil es eine, wenn auch nicht der
Welt, aber dem geweihten Geiste angehörige Erscheinung ist, dass nie eine Idee so
bestimmt in die Erfahrung trat. — Wie weit beide sich gegenseitig vorausbestimmten,
ist eine so feine, wunderbare Beziehung, dass eine gemeine Erkenntnisweise sie nur
in dürftigster Entstellung sich denken wird können.*
Im Brief an Kläre heisst es:
»Und diese Liebe, die stets unausgesprochen zwischen uns blieb, musste sich
endlich auch offen enthüllen, als ich vor'm Jahre den Tristan dichtete und ihr gab.
Da zum ersten Male wurde sie machtlos und erklärte mir, nun sterben zu müssen!"
»Bedenke, liebe Schwester, was mir diese Liebe sein musste nach einem Leben
von Mühen und Leiden, von Aufregungen und Opfern, wie dem meinigen! — Doch
11
GOLTHER: ENTSTEHUNG VON WAGNERS TRISTAN
wir erktnnten sogleich, dtts an eine Vereinigung zwischen uns nie gedacht werden
dürfe: somit resignierten wir, jedem selbstsfichtigen Wunsche entsagend, litten, duldeten,
aber — liebten unsl — "
Noch ein Jahr später schrieb Wagner aus Venedig, von Erinnerungen
fiberwältigt :
„Heute vor'm Jahr hatten wir einen schönen Tag. Es war die wundervolle
Zeit. Wir feierten den 18. September** (das Datum der Vollendung des Tristan-
gedichtes).
Zu den Skizzen des ersten Tristanaubuges schrieb Wagner am Sylvester
1857 an Frau Wesendonk die Widmung:
„Hochbeglückt,
Schmerzentrflckt,
frei und rein
ewig Dein —
was sie sich klagten
und versagten,
Tristan und Isolde,
in keuscher Töne Golde,
ihr Weinen und ihr Küssen
leg' ich zu Deinen Füssen,
dass sie den Engel loben,
der mich so hoch erhoben!"
Und als Frau Wesendonk im Dezember 1859 aus Venedig die gedruckte
Dichtung erhielt, schrieb sie Isoldens Worte hinein:
.Mir erkoren —
Mir verloren —
Heil und hehr
kühn und feig —
Todgeweihtes Haupt!
Todgeweihtes Herz!*
Mathilde Wesendonk ist die Verfasserin der fünf Gedichte. Vier
davon sind im Winter 1857/8 vertont worden, das »Treibhaus* am 1. Mai 1858.
»Träume« und im »Treibhaus" wurden später bei ihrer Veröffent-
lichung als »Studien zu Tristan und Isolde« bezeichnet. Aus der Musik zu
den Träumen ward in Venedig die Liebesnacht des zweiten Tristanaufzuges,
aus dem Treibhaus das Vorspiel des dritten Aufzuges, das hoffnungslose
Sehnen des todwunden Tristan. Wie die Blüte aus der Knospe ging die
Tristanmusik aus den Tönen der Lieder hervor. Am 10. April 1859 schreibt
Wagner:
»der dritte Akt ist begonnen. Mir ist recht deutlich, dass ich nie etwas Neues
mehr erfinden werde: jene eine höchste Blütenzeit hat in mir eine solche Fülle von
Keimen getrieben, dass ich jetzt nur immer in meinen Vorrat zurückzugreifen habe,
um mit leichter Pflege mir die Blume zu erziehen.«
12
= DIE MUSIK V. 19.
Wundervoll heisst es im Tagebuch:
Jch kehre nun zum Tristan zurück, um an ihm die tiefe Kunst des tönenden
Schweigens für mich zu Dir sprechen zu lassen."
«Seit gestern beschäftige ich mich wieder mit dem Tristan. Ich bin immer
noch im zweiten Akte. Aber — was wird das für Musiki Ich könnte mein ganzes
Leben nur noch an dieser Musik arbeiten. O, es wird tief und schön; und die er-
habensten Wunder fOgen sich so geschmeidig dem Sinn. So etwas habe ich denn
doch noch nicht gemacht: aber ich gehe auch ganz in dieser Musik auf; ich will nichts
mehr davon hören, wann sie fertig werde. Ich lebe ewig in ihr. Und mit mir — .'
.Das ist ein schöner Morgen, liebes Kind!
Seit 3 Tagen trug ich mich mit der SteHe »Wen du umfangen, wem du gelacht"
— und »In deinen Armen, dir geweiht" u. s. w. Ich war lange unterbrochen, und
ftind die rechte Erinnerung bei der Ausführung nicht wieder. Es machte mich emstiich
unzufrieden. Ich konnte nicht weiter. — Da klopfte Koboldchen: es zeigte sich mir
als holde Muse. In einem Augenblick war mir die Stelle klar. Ich setzte mich an
den Flügel, und schrieb sie so schnell auf, als ob ich sie lingst auswendig wüsste.
Wer streng ist, wird etwas Reminiscenz darin finden: die „Träume" spuken dabei.
Du wirst mir aber schon vergeben! — Du Liebe! — Nein, bereue es nie, mich zu
Heben! Es ist himmlisch! — "
Im März 1859 schreibt Wagner aus Mailand:
„Venedig dünkt mich bereits wie ein Märchentraum. Sie werden einmal einen
Traum hören, den ich dort zum Klingen gebracht habe!"
Und noch am 28. September 1861 von Erinnerungen überwältigt:
„auch das Bleistiftblatt des Liedes fand ich, aus dem die Nachtszene entstand.
Weiss Gott! Mir gefiel dies Lied besser als die stolze Szene!"
Und bald darauf:
„dass ich den Tristan geschrieben, danke ich Ihnen aus tiefster Seele in alle
Ewigkeit!"
Unzart und unrichtig wäre nun aber eine rein persönliche Auslegung
und Ausdeutung, als ob Frau Wesendonk zum Vorbild der Isolde gedient
hätte. Sie ist weder Sieglinde noch Isolde, dafür fehlte ihr der heldenhafte
und tatkräftige Zug. Sie ist vielmehr eine leidende, stille Natur und ihr
Einfluss war klärend und sänftigend. An Siegmund und Tristan hat Wagner
viel von seiner eigenen Seele gegeben. Sein eignes, wehvolles Schicksal,
seine Liebe war tief verwandt mit dem Lose jener Sagenhelden. In Frau
Mathildes Zügen sah er einen Abglanz der Sagenfrauen, die er ersehnte,
denen er im Leben noch nicht begegnet war. Aus eignem Erlebnis kannte
er das furchtbare Sehnen, die Wonnen und Qualen einer Liebe, die nur
jenseits dieses Lebens Erlösung findet. So ward Frau Mathilde „seine
Muse", als er das Drama schuf, worin er „dem schönsten aller Träume
ein Denkmal setzte*. Und so bleibt ihr Namen auf immer verknüpft mit
dem Lebensabschnitt voll Weh und Wonnen, da der Meister die Tragödie
von Tristan und Isolde begann und vollendete. Niemand erfuhr, so lang*
13
GOLTHER: ENTSTEHUNG VON WAGNERS TRISTAN
Frau Wesendonk lebte, wie innig sie mit Tristan und Isolde verwachsen
war. Als der Tristan zum erstenmal seine Wunderklänge der Welt offenbarte,
blieb sie ferne. Was mag in den Junitagen 1865 ihre Seele bewegt haben!
Aber der Tod entsiegelte das Geheimnis, das nun vor aller Welt offen da
liegt und jeden, der das unvergleichliche Meisterwerk kennt, mit scheuer
Ehrfurcht erfüllt.
Längst war der unlösliche Zusammenhang zwischen Tristan und
Meistersingern erkannt. Nietzsche schrieb darfiber die herrlichen Worte:
.Wer sich fiber die Nachbarschaft des Tristan und der Meistersinger .befremdet
f&hlen kann, hat das Leben und Wesen aller wahrhaft grossen Deutschen in einem
wichtigen Punkte nicht verstanden: er weiss nicht, auf welchem Grunde allein jene
eigentlich und einzig deutsche Heiterkeit Luthers, Beethovens und Wagners erwachsen
kann, die von andern Völkern gar nicht verstanden werden wird und den jetzigen
Deutschen selber abbanden gekommen zu sein scheint — jene goldhelle, durcbge-
gorene Mischung von EinMt, Tiefblick der Liebe, betrachtendem Sinn und Schalk-
haftigkeit, wie sie Wagner als köstlichen Trank allen denen eingeschenkt hat, welche
tief am Leben gelitten haben und sich ihm gleichsam mit dem Lächeln der Genesenden
wieder zukehren.*
Im November 1861 hatte der Meister Wesendonks in Venedig auf
einige Tage besucht. Da kam ihm der Gedanke zu den Meistersingern.
Und nun ward aus dem alten Lustspielentwurf von 1845 das Drama von
Hans Sachsens Liebe und Entsagung. Aus Paris schreibt der Meister
Ende Dezember 1861 :
»Haben Sie schönsten« herzlichsten Dank, mein Kindl —
Ich erwidere Ihnen mit einem Bekennmis. Es wird unnütz sein es auszusprechen :
Alles in und an Ihnen sagt mir, dass Sie Alles wissen, und doch treibt es mich, Ihnen
auch meinerseits Sicherheit zu geben. —
Nun erst bin ich ganz resigniert!
Das Eine hatte Ich nie aufgegeben, und glaubte es mir schwer gewonnen zu
haben: mein Asyl noch einmal wiederzufinden. In Ihrer Nähe wieder wohnen zu
köntfen. — Eine Stunde des Wiedersehens In Venedig genfigte, um dieses letzte liebe
Wahngeblld mir zu zerstören!
Ich will Ihnen oft 'was von meiner Arbelt schicken. Wss werden Sie ffir Augen
mscben zu meinen Meistersingern! Gegen Sachs halten Sie Ihr Herz fest: In den
werden Sie sich verlieben! Es Ist eine ganz wundeibtre Arbeit Der alte Entwurf
bot wenig, oder gar nichts. Js, dazu muss man Im Paradies gewesen sein, um endlich
zu wissen, was In so etwas steckt! — * «
Diesem Briefe lag die erste Niederschrift des Schusterliedes bei, wo
Hans Sachs «der Welt ein heiteres und energisches Antlitz zeigt*, aber
doch auch das Motiv ertönt, das »die bittere Klage des resignierten Mannes
ausdrückt".
Aus derselben Stimmung ist der Brief vom 22. Mai 1862 geschrieben,
14
DIE MUSIK V. 19.
der das Vorspiel zum dritten Akt schildert und hernach wie ein Programm
(vgl. nachgelassene Schriften S. 164 f.) benutzt werden konnte:
Biebrich t/Rb. 22. Mai 1862
Liebe Freundini
Heuf ist mein Geburtstag. Man hat mir Blumen in's Haus geschickt. Ich war
krank, und bin erst gestern wieder in den Park gekommen. An Sie durfte ich jetzt
wenig denken, da ich Ihnen in Nichts mehr helfen und nur stille Wunsche noch für
Ihr Wohlergehen hegen darf.
So sass ich einsam.
Plötzlich kam mir ein Einfall zur Orchestereinleitung des dritten Aktes der
Meistersinger. In diesem Akte wird den ergreifendsten Culmfnationspunkt der Moment
abgeben, wo Sachs vor dem versammelten Volke sich erhebt, und von diesem durch
einen erhabenen Ausbruch seiner Begeisterung empfangen wird. Das Volk singt da
feierlich und hell die acht ersten Verse von Sachsens Gedicht auf Luther. Die Musik
dazu war fertig. Jetzt zur Einleitung des 3. Aktes, wo, wenn der Vorhang aufgeht,
Sachs in tiefem Sinnen dasitzt, lasse ich die Bassinstrumente eine leise, weiche, tief
melancholische Passage spielen, die den Charakter grSsster Resignation trigt: da tritt,
von Hörnern und sonoren Blasinstrumenten die feierlich freudig-helle Melodie des
»Wacht aufl Es rufet gen den Tsg: ich hör* singen im grfinen Hag ein' wonnigliche
Nachtigall' wie ein Evangelium hinzu, und wird wachsend von dem Orchester durch-
gefflhrt.
Es ist mir nun klar geworden, dass diese Arbeit mein vollendetstes Meisterwerk
wird und — dass ich sie vollenden werde.
Mir aber wollte ich ein Geburtstagsgeschenk machen; ich thu* es, indem ich
Ihnen diese Nachricht sende.
Bewahren Sie sich; pflegen Sie sich, und — müssen Sie an mich denken —
so stellen Sie sich vor, Sie sihen mich immer in der Stimmung dieser Geburtstags-
Morgenstunde: dies wird Ihnen tröstlich sein, und auch Sie werden gedeihen. Ge-
wiss! —
Schönsten Gruss von Ihrem
Richard Wagner
Im dritten Aubug hören wir einen Augenblick tieftraurige Tristan-
klänge, als Hans Sachs der Mär von Tristan und Isolde gedenkt. Wie ein
Schatten schwerer vergangener Erlebnisse zieht es über die Seele des
Meisters. Nur einmal spricht Sachs leise seine innersten Gedanken vor
sich hin:
„Vor dem Kinde lieblich hehr
mocht ich gern wohl singen;
doch des Herzens süss Beschwer
galt es zu bezwingen."
Der wirkliche Hans Sachs kannte einen um 1550 erschienenen
Wormser Druck des Prosaromanes von «Tristrant und Isalden", der seit
1484 öfters aufgelegt worden war. Daraus entnahm er 1551 den Stoff zu
5 Meistergesängen und 1553 zu einer »Tragedia Tristrant mit Ysalden*.
Richard Wagner lässt seinen Hans Sachs einfach diese Tatsache erwlhnen,
15
GOLTHER: ENTSTEHUNG VON WAGNERS TRISTAN
bleibt also völlig auf dem Boden der Wirklichkeit. Aber welch tief ergreifende
Bedeutung gewinnt dieses schlichte Zitat im dritten Aufzug der Meistersinger 1
In Hans Sachs ist Richard Wagners Persönlichkeit am reinsten und
reichsten verkörpert. Die Tristannacht ist zum Johannistag gewandelt.
Dieselbe .Muse' waltet aber auch über dem sonnigen Werk. Wir finden
ebensoviel Wahrheit und Dichtung in den Meistersingern als im Tristan.
Das innerste Heiligtum des echten Kunstwerks ist immer die Erfahrung,
zu der Leben und Umwelt Voraussetzungen und Vorbedingungen gab. Aber
die Hauptsache ist doch nur die Persönlichkeit dessen, der etwas erfuhr
und erlebte, niemals das, was ihm widerfuhr. Sonst wäre an Meister-
werken kein Mangel, während doch jedes Meisterwerk ein einsames, unteil-
bares und unbegreifliches hohes Wunder ist und bleibt.
So sind Parsifal und Meistersinger aufs innigste mit dem Tristan,
dem .Ergänzungsakt des Nibelungenmythus'' verknüpft und gar wundersam
sind alle diese grössten Meisterwerke mit einander verwoben. In den
Briefen an Frau Wesendonk S. 144 sagt Wagner von Amfortas: »es ist
mein Tristan des dritten Aktes mit einer undenklichen Steigerung*; er
kennt ja keine andre Sehnsucht als zu sterben; und der Anblick des Grales
gibt ihm immer nur das eine, dass er nicht sterben kann. Nirgends sonst
aber ist soviel ureignes Erlebnis völlig wahr und doch rein kfinstlerich ver-
klärt worden als in Tristan und Meistersingern. Diese beiden Werke haben
ihre Wunderkraft unmittelbar aus des Meisters Seele gewonnen. Nun ver-
stehen wir das tiefe Wort vom »tönenden Schweigen*, das in einem Brief
an die Fürstin Wittgenstein also umschrieben wird:
»mich reizt an grossen Dichtem immer mehr, was sie verschweigen, als was
sie aussprechen; jt, die eigentliche Grösse eines Dichters lerne Ich fkst mehr aus
seinem Schweigen als aus seinem Sagen kennen: und hierdurch Ist mir Cslderon so
gross und teuer geworden. Das, wss mich die Musik so unsäglich Heben lisst, Isf,
dass sie alles verschwelgt, wihrend sie das undenklichste sagt: sie ist somit, genau
genommen, die einzige wahre Kunst, und die andern Künste sind nur Ansätze dazu.*
Das ganz Ausserordentliche und fast Unbegreifliche liegt aber darin,
dass die beiden allerpersönlichsten Meisterwerke zugleich die allerunpersön-
lichsten und objektivsten wurden, an denen die kfinstlerischen Absichten am
reinsten verwirklicht sind, so dass ihr Schöpfer selber hernach theoretische
Betrachtungen darüber anzustellen vermag. So schreibt Wagner vom
zweiten Aufzug des Tristan an Frau Wesendonk (S. 180):
»Ich erkenne nun, dass das besondere Gewebe meiner Musik (natürlich immer
im genauesten Zusammenhang mit der dichterischen Anlsge), was meine Freunde
jetzt als so neu und bedeutend betrachten, seine Ffigung namentlich dem äusserst
empfindlichen Gefühle verdankt, welches mich auf Vermittlung und innige Verbindung
aller Momente des Oberganges der iussersten Stimmungen Ineinander hinweist.
Meine feinste und tiefste Kunst möchte Ich jetzt die Kunst des Oberganges nennen,
denn mein ganzes Kunstgewebe besteht aus solchen Obergingen: das Schroffe und
16
DIB MUSIK V. 19.
JIhe ist mir zuwider geworden; et ist oft onumgiaglich und nötig» aber auch dann
darf es nicht eintreten, ohne dasa die Stimmung auf den plötzlichen Obergang so
bestimmt vorbereitet war, dass sie diesen von selbst forderte. Mein grösstes Meister-
stück in der Kunst des feinsten allmShligsten Oberganges ist gewiss die grosse Szene
des zweiten Aktes von Tristan und Isolde. Der Anfkng dieser Szene bietet das über-
strömendste Leben in seinen allerheftigsten Affekten, — der Schluss das weihevollste,
innigste Todesverlangen. Das sind die Pfeiler: nun sehen Sie einmal, Kind, wie ich
diese Pfeiler verbunden habe, wie sich das vom einen zum andern hinfiberleiteti
Das ist denn nun auch das Geheimnis meiner musikalischen Form, von der ich kühn
behaupte, dass' sie in solcher Obereinstimmung und jedes Detail umfassenden klaren
Ausdehnung noch nie auch nur geahnt worden ist. Wenn Sie wfissten, wie hier
jenes leitende Geffihl mir musikalische Erfindungen — für Rhythmus, harmonische
und melodische Entwicklung eingegeben hat, auf die ich früher nie verfallen konnte,
so würden Sie recht inne werden, wie auch in den speziellsten Zweigen der Kunst
sich nichts Wahres erfinden ISsst, wenn es nicht aus solchen grossen Haupt-
motiven kommt.*
In den gesammelten Schriften 7,150 und 163 heisst es vom Tristan:
»An dieses Werk nun erlaube ich die atrengsten, aus meinen theoretischen
Behauptungen fliessenden Anforderungen zu stellen: nicht weil ich es nach meinem
Systeme geformt bitte, denn alle Theorie war vollstindig von mir vergessen; sondern
weil ich hier endlich mit der vollsten Freiheit und mit der ginzlichsten Rücksichts-
losigkeit gegen jedes theoretische Bedenken in einer Weise mich bewegte, dass ich
während der Ausführung selbst inne ward, wie ich mein System weit überflügelte.
Es gibt kein grösseres Wohlgefühl als diese vollkommenste Unbedenklichkeit des
Künstlers beim Produzieren, die ich bei der Ausführung meines Tristan empfknd.
Sie ward mir vielleicht nur dadurch möglich, dass eine vorhergehende Periode der
Reflexion mich ungefihr in der gleichen Weise gestärkt hatte, wie einst mein Lehrer
durch Erlernung der schwierigsten kontrapunktischen Künste mich gestärkt zu haben
behauptete, nimlich nicht für das Fugenschreiben, sondern für das, was man allein
durch strenge Obung sich aneignet: Selbständigkeit, Sicherheit — Jeder Zweifel war
mir endlich entnommen, als ich mich dem Tristan hingab. Mit voller Zuveraicht
versenkte ich mich hier nur noch in die Tiefön der inneren Seelenvorgänge, und
gestaltete zaglos aus diesem intimsten Zentrum der Welt ihre äussere Form. Ein
Blick auf das Volumen dieses Gedichtes zeigt sofort, dass ich dieselbe ausführliche
Bestimmtheit, die vom Dichter eines historischen Stoffes auf die Erklärung der
äusseren Zusammenhänge der Handlung, zum Nachteil der deutlichen Kundgebung
der inneren Motive, angewendet werden musste, nun auf diese letzteren einzig anzu-
wenden mich getraute. Leben und Tod, die ganze Bedeutung und Existenz der
äusseren Welt, hängt hier allein von der inneren Seelenbewegung ab. Die ganze
ergreifende Handlung kommt nur dadurch zum Vorschein, dass die innerste Seele sie
fordert, und sie tritt so an das Licht, wie sie von innen aus vorgebildet ist."
rY<»V>
le Reibe erhaltener brieflicber Dokninente kennzeichnet den
\i^erkehr zwischen Richard Wagner und seinem Dresdener Inten-
lanten, Freiherrn Karl August von Lüttlchtu. Der Altmannsche
Katslog Wagnerscher Briere zählt 1 1 Nummern auf; er ist aber
nicht vollstindig, sondern berüclcsichligt nur die bis dahin durch Prdlss,
La Mara usw. veröffentlichten. Sehr natürlich gehört die Mehrzahl dieser
Dokumente der kurzen Periode ihrer beiderseitigen amtlichen Beziehungen
an; ausserdem haben wir noch vor Beginn dieser Beziehungen 6 Briefe,
durch welche dieselben erst angebahnt werden und das Gestirn des jungen
Meisters vorübergehend die Richtung aufgedrängt erhielt, die ihm in seiner
Bahn doch nicht auf die Dauer zu eigen werden konnte. Aus der Zeit
nach seiner Trennung von Dresden stammen unseres Wissens nur aocb
zwei dieser Briefe; der eine aus Zürich vom 29. November 1852, der andere aus
Venedig vom 8. Februar 1859; wenige Jahre später gewann diese Korrespondenz
ganz von selbst ein für allemal ihren Abschluss dadurch, dass der alte
Herr — nachdem er bereits am 1. April 1862 nach achtundzwanzigjähriger
Amtstätigkeit in den Ruhestand getreten war — nun auch, auf höhere
Ordre, vom Schauplatz seines privaten Daseins abberufen wurde.
Der erste in der Reibe dieser Briefe ist aus Paris, aus dem vierten
Stock der No, 25 me da Helder, vom 4. Dezember 1840 datiert. Es handelt
sich um die Empfehlung des soeben vollendeten .Rienzi* an das kürzlich
neuerrichtete Dresdener Hoftheater mit seinen tüchtigen, ja selbst glänzenden
Kräften. In einem .untertänigsten Gesuch' an den König von Sachsen
hatte er sich bereits an seinen Landesherrn, König Friedrich August IL,
gewendet, für dessen Person er, seit dem Moment seiner Ernennung zum
Mitregentea des Königs Anton (1830) eine ungeheuchelte, selbst durch die
späteren Revolutionsstünne nicht erschütterte, Zuneigung gefasst hatte.
Da er sich dessen aber nur allzu gewiss sein durfte, dass der König in
dieser Angelegenheit nicht von sich aus eine Entscheidung treffen würde,
ohne zuvor den .sachverständigen* Rat seines Hofmarschalls und General-
Intendanten eingeholt zu haben, war es ganz natürlich, dass er gleichzeitig
an diesen selbst mit einem anderen Schreiben sich wandte, um ihn für
V. 19 2
18
DIE MUSIK V. 10.
sein Werk zu gewinnen, sowie dass er weiterhin, um wiederum den Herrn
Intendanten für das Projekt günstig zu stimmen, die Dresdener Künstler-
schaft, den Chordirektor Fischer, Tichatschek und die Schröder-Devrient
in seiner eindringlichen Art dafür zu erwärmen und in Bewegung zu setzen
versuchte. Die beiden frühesten, in dieser Sache an den König und an
Lüttichau gerichteten Schriftstücke sind mehrfach in vollem Umfang zum
Abdruck gebracht ^) und daher jedermann verhältnismässig leicht zugänglich.
Wir sehen daher von einer erneuten Reproduktion desselben hier ab und
heben nur den Eingangspassus hervor.
Rkhard Wagner an den Frelherm Ton Lttttiehaa (I).
«Ew. Excellenz
dürfte es vielleicht befremden, zum ersten Male mit dem Namen eines Mannes
bekannt gemacht zu werden und zu gleicher Zeit von demselben ein so umfangreiches
Gesuch vorgetragen zu hören, als es der Gegenstand meines Schreibens sein wird.
Obgleich ich Sachse bin, hatte ich doch zu meinem Bedauern nie das Glück, genügende
Gelegenheit zu flndeo, auf dem Boden und vor dem Publikum meines Vaterlandes
ausführlichere Proben meiner künstlerischen Fähigkeiten abzulegen. Nichtsdesto«
weniger aber habe ich selbst jetzt, wo es mir bereits geglückt ist, mit der Direktton
der Acadimie royale de musique zu Paris in unmittelbare Unterhandlungen wegen
eines, für dieses Theater eigens zu komponierenden Opemsüjets zu treten, nicht auf-
gegeben, zu gleicher Zeit zu versuchen, ob mir das unschätzbare Glück beschieden
sei, ein ähnliches glückliches Resultat meiner Bemühungen da zu erlangen, wo ich
es mir zur höchsten und schmeichelhaftesten Ehre rechnen müsste, meine Bewerbungen
mit Wohlwollen aufgenommen zu sehen .*
Die hier erwähnten Verhandlungen mit der Direktion der Pariser
Grossen Oper bezogen sich bekanntlich auf den .fliegenden Holländer*,
dessen erster Entwurf noch aus dem Mai dieses Jahres, vor der Wieder-
aufhahme des «Rienzi* nach längerer Unterbrechung, stammt und aus
welchem ein Teil der Musik, die Ballade der Senta, damals bereits kom-
poniert war.^
,JedenfUl8", so schliesst das obige Schreiben, «glaube ich jedoch nicht unter-
lassen zu dürfen, E. E. die Versicherung auszusprechen, dass nichts, selbst nicht die
glänzendsten Erfolge, die mir von dem Pariser Publikum beschieden sein könnten,
mir ein gleiches entzückendes und erhebendes Gefühl hervorbringen könnte, als zu
sehen, dass mein in Rede stehendes grösseres Produkt seiner ursprünglichen Be-
stimmung nach auf dem Boden meines Vaterlandes, auf dem Hoftheater Sr. Majestät,
meines Königs, in das Leben träte*.
Es ist zur Genüge bekannt, dass die Angelegenheit des «fliegenden
^) Zuerst durch R. Prölss, das Gesuch an den König in der Geschichte des
Dresdener Hoftheaters S. 532 ff., das Schreiben an Lüttichau in einem Aufsatz der
.Dramaturgischen Blätter* (Henzen & Hammann) 1877, Band II No. 4 vom 30. November.
*) Glasenapp, Leben Wagners I, S. 378. 381/82.
19
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
Holländers' an der Grossen Oper, für die er zunächst bestimmt gewesen
war, eine ganz unerwartete Wendung nahm. Gelegentlich eines seiner
Besuche bei dem damaligen Direktor der Acad6mie royale, L6on Pillet,
musste er zu seinem grossen Erstaunen erfahren, der fiberreichte Entwurf
gefalle diesem Herrn so gut, dass er sich ihn zu anderweitiger Verwendung
abgetreten wünschte. Er sei nämlich genötigt, einem älteren Versprechen
gemäss einem anderen Komponisten baldigst ein Opernbuch zu fibergeben,
und der in seinen Händen befindliche Entwurf scheine ihm ganz zu diesem
Zwecke geeignet. Hartnäckig bekämpfte der junge Meister diese Zumutung,
so lange er konnte; nach einem unter den trübsten Nöten durchgequälten
Winter jedoch sah er die Unhaltbarkeit seiner Situation ein, verkaufte
seinen Entwurf der Grossen Oper ffir die unbedeutende Summe von
%00 Franks, machte sich nun aber auch sogleich an die Ausfuhrung seines
Sujets in deutschen Versen. Dies geschah in den Tagen vom 18. bis
28. Mai 1841 in Meudon, während eines fast sechsmonatlichen Landaufent-
haltes. Dies war das Ende seiner, in dem Briefe an Luttichau erwähnten
hoffnungsvollen Verhandlungen mit der Pariser grossen Operl Aber auch
Dresden Hess in der Zwischenzeit nichts Ermutigendes von sich vernehmen.
Monat um Monat schlich unter täglichen Nahrungssorgen ffir ihn dahin.
Mitten aus der Arbeit am «fliegenden Holländer* heraus sah er sich daher
genötigt, am 25. Mai, drei Tage nach seinem achtundzwanzigsten Geburtstag,
abermals brieflich an Lfittichau heranzutreten.
Bietaard Wagner an Generaldirektor Frelherm tob Lfittichau (II). Paris,
25. Mai 1841
Diesen zweiten Brief, erwähnt von Rob. Prölss,^) der ihn jedenfalls
in den Archiven des Dresdener Hoftheaters gesehen, haben wir unserer-
seits nie zu Gesichte bekommen; auch Altmann registriert ihn sub No. 60
ohne eigene Kenntnis. Seinen Inhalt können wir uns jedoch aus den ihm
vorausgegangenen Schreiben an Hof rat Winkler (Theodor Hell) und
Reissiger erkennen. Aus dem erstgenannten nämlich, vom 8. April,
scheint hervorzugehen, dass die Absendung der Partitur nicht direkt an
Lfittichau, sondern an die Schröder-Devrient erfolgt sei, und dass diese
das ihr geschenkte Vertrauen, als Vermittlerin zwischen dem weit entfernten
und dadurch zur Ohnmacht verurteilten Kfinstlers und der Generalintendanz,
nicht eben im erwünschten Sinne gerechtfertigt habe.
«Ich erkenne an, dass Herr von Lfittichau grenzenlos vernachlässigt ist, und
zwar ganz ohne meine Schuld.*
Und noch in dem etwas späteren Briefe an Reissiger heisst es fiber sie:
»Die gottlose Dame Schröder-Devrient hat mir grossen Kummer bereitet, wenn
auch nur dadurch, dass sie mich so gänzlich in Ungewissheit läset fiber das, was sie'mit
1) .Dramaturg. Blätter* v. J. 1877, Band II, Nr. 4, S. 123.
2*
20
DIE MUSIK V. ig.
meinen Sachen angefangen hat Noch weiss ich nicht, ob sie die Partitur meiner
Oper Herrn ▼. L[uttichau] in meinem Namen zugestellt habe; da sie aber verreist ist,
und ich sie so dringend darum gebeten habe, lässt es sich fkst nicht anders denken«
Hat nun aber Herr v. L[üttichau] die Partitur erhalten, (— das Buch habe ich ihm
direkt von Paris zugeschickt — ), haben femer Sie bei ihm für mich gesprochen, wie
Sie mir mit so viel Liebenswflrdigkeit es zu erwarten gegeben haben, — hat endlich
auch Herr Hofrath Winkler, wie er es mir stets versichert hat, ein gutes Wort f&r
mein Interesse eingelegt, — so begreife ich nicht, warum Herr v. L[&ttichau] mir
nicht endlich die Freude bereitet, seine Intentionen zu erkennen zu geben. Ich ver-
lange ja für den Augenblick nichts weiter, als eine bestimmte Erklärung seinerseits,
eb er meine Oper geben lassen will oder nicht"
Wir glauben, diese Auslassungen genfigen völlig, um uns über den
Inhalt des fehlenden zweiten Briefes an Luttichau eine genaue Vorstellung
zu geben; vielleicht aber regt diese Erwähnung einen Dresdener Leser
der .Musik" dazu an, den fehlenden Brief demnächst ergänzend an dieser
Stelle aus den Dresdener Akten zu publizieren, nachdem er sich die
Erlaubnis dazu von Bayreuth aus eingeholt hat.
Vergeblich wartete indes der junge Meister fünf Wochen lang auf
die Beantwortung seines letzten Schreibens und Hess dann am 30. Juni
ein neues, noch dringlicheres Gesuch an die Dresdener General Direktion
ergehen.
Blehard Wagner an Generaldirektor Frelherrn von Lüttteban (III). Paris,
30. Juni 1841
Auch dieser — dritte — Brief ist nicht zu unserer Kenntnis gelangt,
weil wir bisher auch nicht den leisesten Versuch dazu gemacht haben, mit
dem Dresdener Hoftheaterarchiv deshalb in ein Einvernehmen zu treten. Der
Inhalt desselben ist für uns einstweilen durch die gleichzeitigen Schreiben
an Theodor Hell, Reissiger usw. genügend charakterisiert; z. B. durch den
an Reissiger gerichteten Passus:
»Was aber die Gemfitsstimmung eines Pariser Privatkomponisten, zumal wenn
es Sommer ist und er auf dem Lande lebt, angeht, so möchten Sie und Herr Hofhit
W[inkler] doch vielleicht ein kleines Unrecht haben, wenn Sie ihm mehr Contenance
zutrauen sollten, als ihm die Pariser Lüfte gerade gelassen haben . . . Wenn Sie und
Herr v. L[üttichau] in das wunderbare Gewebe von Traurigkeiten, Hoffnungen, Aus-
sichten, Albernheiten, Plänen, Zerstreuungen usw. blicken kOnnten, welches meine
gegenwärtige Situation ausmacht, so würden Sie, ich glaube es fest, plötzlich wissen,
ob Sie mir ein schnelles Ja oder Nein zusprechen sollten* (Leben Wagners I, S. 414).
In der Tat bedeutete nach der .grenzenlosen Vernachlässigung' seiner
Sache während des verflossenen Halbjahrs das fernere Verstreichen jeder
einzelnen Woche nichts Geringeres als die verstärkte Befürchtung, dass
seine Oper nun auch während des bevorstehenden Winters von 1841 zu
42 nicht zur Aufführung gelangen sollte, mithin, statt des verhofften
21
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
baldigen grossen Erfolges, ein neues, fast unerträgliches Lebensjahr voll
von Quälereien und Plagen der niedersten Art I Mit jenem (dritten) Briefe
vom 30. Juni kreuzte sich nun allerdings der bereits vom Tage vorher —
29. Juni — datierte langersehnte Bescheid der Generaldirektion, laut dessen
der „Rienzi", nach sorgfältiger Prüfung des Textbuches, wie der Partitur,
für das Institut der Kgl. Sächsischen Hofoper zur Aufführung angenommen
worden war, die Zeitbestimmung lautete aber noch unbestimmt genug:
«sobald tunlich, hoffentlich im Laufe des nächsten Winters'. Auf diese
Nachricht antwortete Wagner kurz nach ihrem Empfang in einem ebenfalls
im Dresdener Archiv erhaltenen Briefe:
Bichard Wagner an Generaldirektor Freiherrn Ton Lflttlolian (IV.) Meudon
bei Paris, 9. Juli 1841
und damit stockt der Briefwechsel mit der Generaldirektion, nach vor-
läufiger Erreichung dieses Zieles, für ein volles halbes Jahr, während
andererseits die brieflichen Beziehungen zu den Dresdener Kunstgenossen,
wie Ferdinand Heine, Chordirektor Fischer, die Schröder-Devrient, TIchat-
schek, Reissiger, Hofrat Winkler immer lebhafter werden. Alles geht
darauf hinaus, die Aufführung wenigstens noch zum Februar zu ermög-
lichen, da für ihn so unendlich viel davon abhing. Statt dessen schaltete
sich eines jener ephemeren Repertoire-Ereignisse nach dem andern ein,
und seine brieflichen Anrufungen blieben vielfach unbeantwortet, wie dies
aus dem Schreiben vom 4. Januar 1842 an den alten Familienfreund seines
Stiefvaters Geyer, Ferdinand Heine, in so ergreifender Weise hervorgeht
«Sie schweigen, Herr Fischer schweigt *" usw.
i^Wenn Sie oder irgend jemand ganz genau wfissten, wie meine ganze Lage,
alle meine Pläne und Beschlüsse durch ein solcbes Verzögern vernichtet werden, so
würde man Erbarmen haben. Sollte es wirklich soweit kommen, dass man meine
Oper für dieses Winterhalbjahr noch ganz beiseite legen mfisste, so wäre ich in
der Tat untröstlich, und Der- oder Diejenige, die an dieser Verzögerang Schuld
trüge, hätte eine grosse Verantwortung, vielleicht fQr unsägliche mir bereitete Leiden,
auf sich gewälzt.' (Leben Wagners I, S. 426.)
In demselben Briefe heisst es: „Ich habe an Herrn von Lüttichau
geschrieben, und wende mich hiermit auch an Reissiger*, wodurch ein
fünftes, uns ebenfalls unbekannt gebliebenes Schreiben an die General-
direktion, ungewissen Datums, konstatiert wird:
Btehard Wagner an Generaldirektor Freiherm von Lflttiehaa (V). Anfing
Januar 1842
Am 7. April 1842 endlich schlug für ihn die Stunde seiner Abreise
aus Paris nach Deutschland nach fast dreijährigem qualvollen Aufenthalte
daselbst. Bei seiner Ankunft in Dresden ersah er nur allzudeutlich, dass
er sich wegen seines »Rienzi* nicht allzusehr mit der Heimkehr hätte zu
22
DIE MUSIK V. 19.
beeilen brauchen I Nur seinem unablässigen Drängen war es zuzuschreiben»
dass die Aufführung endlich doch im Oktober 1841 stattfand. Die be-
sonderen Umstände, die sich vereinigten, um nach der glänzenden Auf-
nahme des Werkes ihm die Kapellmeisterstellung neben Reissiger anzu-
bieten, gehören nicht in den Zusammenhang der gegenwärtigen Darstellung,
sondern in die Biographie des Meisters. Ihre Annahme kostete ihn eine
beträchtliche Überwindung, auch verblieb er in ihr kaum sechseinhalb Jahre;
und die hierbei bestandenen Kämpfe empfangen gerade aus der Korrespon-
denz mit Lüttichau eine ganz eigenartig neue Beleuchtung. Zunächst sei
es uns vergönnt, aus einem ungedruckten Briefe an den Bruder Albert
(vom 3. Dezember 1842) einige Sätze anzuführen, die seine Abneigung
gegen die Annahme der ihm angetragenen Dresdener Stellung zum Aus-
druck bringen. Im Anschluss an die Erwähnung des überraschend ein-
getretenen Todesfalls des armen Rastrelli heisst es in dieser vertraulichen
Mitteilung :
sSogleich blickten aller Augen auf mich als seinen Nachfolger im Amte: am
Hofe sprach man davon und Lüttichau Hess mich ausforschen. Ich liege in einem
schweren Kampfe: gern bliebe ich natürlich für die nächsten Jahre noch frei. Ich bin
jetzt in meinem besten Alter, wo die produktiven Kräfte am frischesten gespannt sind:
zwei Sujets zu neuen Opern habe ich bereits entworfen, im Laufe von zwei Jahren
könnte ich sie komponiert haben, wenn ich frei bliebe. Ich gestehe, dass ich diese
Freiheit gern mit den Opfern einiger Sorgen in pekuniärer Hinsicht erkaufte."
Auf der anderen Seite musste freilich die Aussicht, ein so ausser-
ordentliches Personal, wie es gerade damals die Dresdener Oper ihm bot,
zu seiner Disposition zu erhalten, um mit ihm die höchsten Kunstleistungen
zu erzielen, etwas Verführerisches für ihn haben.
«Ich habe deshalb", fährt er im Zusammenhang des obigen Briefes fort, «und
besonders, da man mir Vorwürfe machte, nicht mit der Sprache herauszurücken, vor
einigen Tagen mich frei gegen Lüttichau ausgesprochen: da eine untergeordnete
Stellung, wie sie Rastrelli inne hatte, mir diese Aussicht nicht biete, so könne ich
auf den erledigten Platz nicht reflektieren. Hierauf hat mir nun Lüttichau erklärt,
dass es sein Wille nicht sei, die Stelle so wieder zu besetzen, wie sie Rastrelli inne-
hatte; da er in Reissiger, dessen zu grosser Schlaffheit und Unbeholfenheit wegen,
durchaus nicht mehr das nötige Vertrauen setzen könne, so beabsichtige er, einen
anderen Kapellmeister ihm an die Seite zu setzen, der mit ihm zum mindesten voll-
kommen gleiche Rechte teile. — Nun stehe ich denn wie Herkules am Scheidewege:
— Jeder, der bloss mein materielles Wohl im Auge hat, wird mir natürlich zurufen:
,Greir zul' Ist damit aber auch Alles abgetan? *
So standen die Dinge noch vier Wochen später, am 5. Januar 1843,
nachdem tags zuvor der «fliegende Holländer" an der Dresdener Oper in
seiner zweiten Aufführung einen Erfolg gehabt hatte, dessen ungenügende
Fundamentierung sich erst viel später herausstellte, während er für den
Augenblick sogar recht glänzend sich ausnahm. Da erschien, am Tage
23
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
nach der Vorstellung, der Bediente des Geheimrats Lüttichau von neuem
in des jungen Meisters Zimmer, um ihn noch an demselben Vormittag zu
einer Besprechung einzuladen. Von dem Verlauf und Gegenstand dieser
Unterredung werden vir nun in einem noch an demselben Tage (5. Januar
nachmittags) geschriebenen (sechsten) Briefe unterrichtet, dem wir im
Nachstehenden den wichtigen Hauptabschnitt wörtlich entnehmen:
Rlohard Wagner an Generaldirektor Frelherrn tob Lilttielian (VI) 5. Januar 1843
jyEw. Excellenz
beeile ich mich davon in Kenntnis zu setzen, dasa nach reiflicher Überlegung
meinerseits ich es fSr notwendig erachte, auf die von E. E. heute Vormittag mir
gütigst gemachten Vorschlage zu erklären, wie ich es für unmöglich halte, unter den
Obwalteoden Umstanden eine provisorische Anstellung als Musikdirektor der K. Ka-
pelle auf Probe anzunehmen. Den Gründen, die ich E. E. heute nur unentschieden
und in nicht gehöriger Fassung mitteilte, habe ich zur Motivierung dieser Erklärung
hauptsächlich Folgendes hinzuzufügen und Dero geneigter Beachtung untertänig zu
empfehlen.
In einer Probe-Anstellung als Musikdirektor erachte ich, meinen besonderen
Ansichten über den jetzigen Zustand der K. Kapelle und der Oper nach, es für rein
unmöglich, meine Energie E. E. in dem Lichte und der Wirkung zu zeigen, wie ich
es unumgänglich wünschen muss, um E. E. von der Wichtigkeit zu überzeugen, die
ich den von mir zu ühemehmenden Pflichten beilege. Erlauben mir E. E. ganz offen-
herzig meine wahre Meinung auszusprechen, so erachte ich es für Schuldigkeit, hier
zu erklären, dass ich die künstlerische Disziplin der K. Kapelle zu dieser Zeit in
einem durchaus nicht befriedigenden Zustande gefunden habe, dass ich zumal in den
letzten Jahren durch näheres Bekanntwerden mit den Leistungen der bedeutenderen
Pariser Orchester einen so grossen Begriff von dem erhalten habe, was so ausge-
zeichnete Kräfte, wie sie die K. Kapelle in sich schliesst, zu produzieren imstande
sind, dass es mir meiner ganzen Natur nach unmöglich sein würde, mit dem Antritt
meiner Funktionen, möge mir ein Titel beigelegt werden, wie er wolle, meine ge-
wonnenen Ansichten und Erfahrungen nicht zur Tat zu machen. Das würde ich aber
bei dem jetzigen Zustande der Kapelle nicht bloss durch Mitteilung meiner Ansichten,
sondern namentlich durch tiefe, in die Organisation derselben eingreifende Massregeln,
auf deren Festhalten ich bestehen müsste, zu bewirken imstande sein. Um in diesem
letzteren und höchst wichtigen Punkte mit Erfolg auftreten zu können, bedarf ich
durchaus der Autorität im vollen Sinne des Wortes, ich bedarf des unbedingt ausge-
sprochenen Vertrauens, das man höhererseits in mich setzt. Sollte ich aber nun der
K. Kapelle in einer Stellung entgegentreten, die ihr selbst mehr oder weniger die
Freiheit und das Recht zugestände, ihre mehr oder weniger parteiliche oder unpartei-
liche Stimme über mich abzugeben, so würde ich von vornherein nur gelähmt und
befangen auftreten können; in diesem einen Jahre aber, in welchem ich den Grund
zu meinen späteren Leistungen zu legen hätte, würde ich nur ein für allemal die
richtige Stellung verlieren, ohne die unter den jetzigen Umständen niemand dem E. E.
untergebenen Institute von gründlichem Nutzen sein kann.
Dies ist meine vollste, wahrste Oberzeugung, und ich stehe im Begriff, sie durch
ein bedeutendes Opfer zu bekräftigen, da ich, wenn ich erkläre, die von E. E. mir
angebotene provisorische Anstellung nicht annehmen zu können, mir sehr möglicher-
24
DIE MUSIK V. 19.
weise die Aussicht auf eines der ehrenvollsten Ämter, das eines Kapellmeisters der
der K. Kapelle, fOr jetzt verschliesse.*
Das war gesprochen nicht allein wie ein Künstler, sondern auch wie
ein Mann, mit völliger Hintansetzung aller Rücksichten auf seine persön-
liche Lage. Die vollkommene Kontinuität der Persönlichkeit in dem noch
jugendlichen Schöpfer des »Rienzi* und des „fliegenden Holländers', in
dessen Innerem bereits „Tannhäuser* und „Lohengrin" sich regten, und
des späteren Meisters von Bayreuth springt einem jeden in das Auge.
Die Unabhängigkeit seines Charakters, die Unbeugsamkeit seines refor-
matorischen Geistes, lässt sich die Vorschriften und Bedingungen seiner
Tätigkeit nicht von dem zufälligen Vorgesetzten eines bestehenden kfinst*
leriscben Institutes, sondern allein von seinem eigenen Gewissen diktieren»
Damit nun aber der, von jeder persönlichen Anmassung entfernten, Be-
scheidenheit der Ausdruck nicht fehle, die mit wahrem stolzem Selbst-
bewusstsein stets eng verbunden ist, heisst es am Schlüsse des Schreibens:
„Ich kann nicht in E. E. dringen, mir auf Treu und Glauben eine so bedeutende
Anstellung, wie ich sie einzig in Anspruch nehme, zuzuteilen, erlaube mir jedoch dies
Einzige noch Dero geneigter Beachtung anzuempfehlen, dass es mir nämlich, falls E. E»
mich mit dem ausserordentlichen Vertrauen beehren wollten, unmöglich sein
würde, auf der weiteren Erfüllung kontraktlicher Zusagen zu bestehen, sobald ich inne
würde, oder E. E sich zu der Erklärung genötigt sehen würden, dass ich ein so grosses
Vertrauen nicht zu rechtfertigen imstande wäre.*
Der von uns im Druck hervorgehobene Ausdruck „ausserordentliches
Vertrauen* bezieht sich, wie nicht allein wir ihn verstehen, sondern
bisher noch ein jeder, mit historischem Sinne ausgestatteter, unbefangene
Leser dieses Passus ihn verstanden hat, in dem ganzen Zusammenhange
des Schreibens natürlich bloss auf die Anstellung ohne das ihm zu-
gemutete, und in dem Schriftstück abgelehnte „Probejahr''; zum Ober-
fluss hat Wagner selbst ihn nochmals unzweideutig dahin interpretiert.
Es war daher nicht edel von Lüttichau, gerade diese Wendung späterhin,
als ihm daran gelegen war, aus ihrem Zusammenhang loszureissen, als
wenn damit die Entlassung Wagners aus seiner „lebenslänglichen'' An-
stellung ein für allemal seiner Willkür und seinem Belieben anheim-
gestellt wäre.
Von der Persönlichkeit Lüttichaus, des Mannes mit den „schwarzen
Augenbrauen' und der wechselnden Gesinnung, haben wir an anderem
Orte (Leben Wagners II, S. 7 — 10) auf Grund von Schilderungen der Zeit-
genossen ein 80 eingehendes Bild entworfen, dass uns kaum ein Zug daran
zu fehlen scheint, und wir demnach von einer Wiederholung der dort ge-
gebenen Charakteristik absehen. Nur der eine Zug sei hier nochmals
bestätigt, dass selbst auch ihm (wie allen, die je mit Richard Wagner
25
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
persönlich verkehrten) eine Ahnung von der fiberragenden höheren Be-
deutung seines damaligen «Kapellmeisters* von Hause aus nicht ganz
fremd geblieben sei, ein dunkles Bewusstsein von derjenigen persönlichen
Bedeutung des Genius, die sich in den beiderseitigen dienstlichen Be-
ziehungen nicht erschöpfte. Auch war sich Luttichau bei allem Ein-
genommensein von seiner eigenen Respektsstellung wohl bewusst, zugleich
im Sinne seines fürstlichen Herrn zu handeln, wenn er sich zu dem rast-
los strebenden, stets nur das Beste wollenden jungen Meister von vorn-
herein eine Art väterlich wohlwollender Stellung gab. Ein bemerklicher
Aljtersunterschied, durch das so völlig abweichende Naturell beider noch
vergrössert, erleichterte ihm diese Haltung. Dennoch sollte es zwischen
beiden an Konflikten nicht fehlen, die sich bis zu dem endlich unvermeid-
lichen Bruch steigern mussten. Ein grösseres Entgegenkommen von seiner
Seite gegenüber den durchaus massvollen Reformvorschlägen Wagners hätte
wenigstens dem letzten und äussersten Konflikt unzweifelhaft vorbeugen
können, zum Heil für das Dresdener Königl. sächsische Kunstinstitut. Ob
ohne weiteres auch zum Heil für den Künstler, ist eine ganz andere Frage»
deren Erwägung an dieser Stelle uns sehr weit fähren könnte, jedenfalls
weiter, als es der Raum für den gegenwärtigen Zweck gestattet.
Der nächste, siebente, Brief an Luttichau stammt vom 2. Mai 1843,
und bezieht sich auf eine vorübergehende Misshelligkeit mit dem Konzert-
meister Lipinski. Er war bisher nur aus dem Konzept bekannt, und
aus diesem mit dem approximativen Datum des 27. April zuerst in den
«Bayreuther Blättern* (Jshrg. 1899, S. 5if.) abgedruckt. Inzwischen ist
uns, durch private abschriftliche Mitteilung, aus dem Nachlass Lüttichaus
der betr. Brief in seiner definitiven Gestalt und mit dem wirklichen Datum
bekannt geworden, und es ist interessant zu beobachten, worin die Ab*
weichungen bestehen. Wir setzen deshalb das gesamte Schriftstück noch
einmal wörtlich her. Auch dieses Dokument knüpft in seinen charakte-
ristischen Ausführungen abermals an eine vorausgegangene mündliche
Unterredung.
Biohard Wagner an Generaldirektor Freiherm von Lütüehan (VII), 2. Mai 1843
«Ew. Excellenz
haben gestern das von mir gegebene Versprechen gütigst angenommen, zunächst und
überhaupt mein Verhalten der Königl. Kapelle gegenüber mit allem Fleiste so ein-
zurichten, dass deren gegründete oder nicht gegründete Klagen über dasselbe keine
Veranlassung mehr finden sollen, femer für das Erste und besonders in dero Ab-
wesenheit') bei der Direktion llterer Opero, selbst wenn es meiner künstlerischen
Oberzeugung zuwiderlaufen sollte, nichts in den bisher hier gfiltigen Auffassungen
der Tempi usw. abzuindem, ohne mich jedoch daran verhindern zu lassen, bei dem
^) Konzept: »und besonders wihrend der Abwesenheit Ew. Excellenz*.
26
DIE MUSIK V. 19.
Studium neuerer Opern nach besten Kriften zur möglichsten Vollendung der Darstellung
derselben beizutragen. Diesem Versprechen, dessen treue Erfüllung die zuletzt ent-
standene Misshelligkeit allem Vermuten nach zu beseitigen imstande sein wird, halte
ich nach ruhigerer Überlegung noch einige Erklirungen hinzuzuffigen für nötig, um
sowohl Ew. Excellenz mit der Beschaffenheit der meisten mir gemachten Vorwürfe
genauer bekannt zu machen, als zumsl auch mich in künstlerischer Hinsicht noch
genügender zu rechtfertigen, als dies gestern geschehen konnte, wo ich zwar durch
mehrere von Hm. Lipinski mir gemachte Insinuationen selbst bis zum Vergessen
des schuldigen äusseren Anstandes vor den Augen Ew. Excellenz aufgeregt wurde,
dennoch aber durch dessen stete vague Unterbrechungen^) nicht dazu gelangen konnte,
in, einer ruhigen und besonnenen Auseinandersetzung mir diese nötige Rechtfertigung
auf der Stelle zu verschaffen.
Was Herrn Lipinski in Gemeinschaft mit manchem Mitgliede der Königl. Kapelle
nach einem durchaus eintrichtigen und durch künstlerische Begeisterung ausgezeichneten
Zusammenwirken in den Proben und Aufführungen der Oper Armide^ hauptsichlich
gegen mich erbittert hat, ist von ihm unverholen genug vor Ew. Excellenz zugestanden
worden, nimlich — der Neid wegen der mir von allen Seiten gemachten Lobsprüche,
trotzdem ich diese nie dahingenommen habe, ohne den grössten Teil derselben der
ausserordentlichen Mitwirkung aller Krifte unserer Oper zuzuwenden. Ich habe sicher
nicht nötig, Ew. Excellenz darauf hinzuweisen, in wie weit dieses Gefühl des Neides
bei Herrn Lipinski und dessen Anhingem gewirkt hat, ihr Urteil über mich zu trüben
und befangen zu machen. Seit den Aufführungen der Armide bin ich mit der Kapelle
in kein bedeutenderes Zusammenwirken wieder getreten bis zu der Probe des Don
Juan:*) — nachdem bis dahin dem Erfolge meiner Leistungen nichts anzuhaben war,
hat man nun die Aufführung dieser Oper, die aus vielen Ursachen, mit denen ich
nichts gemein habe, misslungen zu nennen wsr, als geeignete Gelegenheit ergriffen,
meine Leitung derselben anzugreifen, und sucht den Vorwand dazu in Änderungen,
die ich in viel grösserer Ausdehnung darin eingeführt haben soll, als diess wirklich
der Fall ist. Herr Lipinski bestreitet mir das Recht und die künstlerische Befugnis
zu dergleichen Abinderungen, und stützt sich dabei zunSchst auf die Untrüglichkeit
der bisherigen, hier üblichen") Auffassungen älterer Opern. Nun will ich zur Um-
stossung dieser Behauptung nur Eines aufstellen: — als mir von Ew. Excellenz der
Auftrag ward, Euryanthe zu dirigieren, bat mich die Witwe des verewigten Schöpfers
dieser Oper um eine Unterredung, in welcher sie mich beschwor, doch endlich diese
Musik dem Publikum wieder so zu Gehör zu bringen, wie Weber es verlangt hätte,
denn es seien Vergreifungen der Tempi usw. allmählich hier eingerissen, die für sie,
die sich noch sehr deutlich erinnere, wie Weber ihr das wiederholt vorgespielt habe,^)
sehr oft ganze Teile des Werkes entstellt erscheinen Hessen; sie wies mich zur
genauen Kenntnisnahme der Tempi, wie sie Weber sich gedacht hätte, an Madame
Schröder-Devrient, welche, wie sie wisse, den Geist der ersten Aufführungen unter
Weber treu im Gedächtnis bewahrt habe. Madame Schröder-Devrient bestätigte die
Aussagen der Frau von Weber durch ihre Mitteilungen vollkommen. Ew. Excellenz
') Konzept: «stete regen Unterbrechungen*, — falls es sich nicht etwa um
einen blossen Lesefehler gelegentlich der Abschrift handelt.
') Konzept: «als bei der Probe*.
") Im Konzept fehlen die Worte Jiler üblichen*.
^) Konzept: ,,die für die, die sich noch sehr deutlich erinnern, wie Weber
ihnen diess wiederholt vorgespielt habe*.
27
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
ersehen hieraus, wie eine Oper, die an demselben Orte, bei derselben Kapelle, unter
Leitung des Komponisten einstudiert wurde, binnen zwanzig Jahren bedeutend von
der ersten und wahren Auffitssung abweichen kann, und Ich frage nun, wer will
gültiger Bürge fOr die treue Bewahrung der Tradition bei einer Oper sein, die vor
fünbig Jahren bereits hier gegeben und nie unter der Leitung des Komponisten hier
aufgeführt worden ist?*
Es sei hier hingegen auf die von uns nachgewiesenen authentischen
Belehrungen hingewiesen, welche dem Meister schon früh durch den ex-
klusiven Mozartanhänger Friedrich Dionys Weber in Prag, als Augen- und
Ohrenzeugen der ersten Auffuhrungen Mozartscher Werke, zuteil geworden
waren (Leben Wagners I, S. 163). Aus dem reichen Vorrat der Erinne-
rungen des Prager Altmeisters hatte er damals sehr detaillierte Nachrichten
und Belehrungen über den Vortrag Mozarts gesammelt, die ihm für sein
eigenes Bewusstsein von den hier in Frage kommenden Problemen für alle
Zeiten von allerhöchstem Wert waren und noch 1869 in der Schrift «über
das Dirigieren" zur Verwertung gelangen. In dem Schriftstück heisst es
nun weiter, wie folgt:
«Herr Lipinski stellte mir femer gestern in Gegenwart Ew. Ezcellenz die
Unantastbarkeit der Leistungen der KOnigl. Kapelle entgegen.^) Dass dies seinerseits
nur eine Phrase war, durch deren Anwendung er in den Augen Ew. Ezcellenz mir
gegenüber das leichteste Spiel zu gewinnen hoffte, ist für mich, der ich Hm. Lipinski's
Ansichten über den Stand der Kapelle aus seinen Ausserangen wiederholt kennen
gelemt habe, unzweifelhaft; im Gegenteil ist er mit mir darüber einig, dass in
einzelnen Teilen unseres Orchesters*) nicht immer so gespielt wird, wie gespielt
werden sollte*). Wenn nun Herr Lipinski an diese Unantastbarkeit selbst nicht glaubt,
waram stellt er sie mir bei einer Gelegenheit und vor einer Person, wo mir das
leicht gefihrlich werden konnte, so drohend entgegen?
In der Tat, so sehr Hr. Lipinski sich den Anschein gab, nur im Interesse der
guten Sache zu reden, so kann ich nicht umhin zu glauben, dass er entschieden nur
aus willenlos^) gekrinkter Eitelkeit in seinem persönlichen Interesse aufgetreten ist,
so geschickt er dies auch mit dem allgemeinen zu vermengen wusste. Deshalb zeihe
ich Hm. Lipinski der Unredlichkeit und ausser vielen Wamungen, die mir über die
Falschheit seines Charakters zugekommen sind, würde ich, wenn ich nicht fürchten
müsste durch zu lange Ausdehnung dieser meiner schriftlichen Rechtfertigung
Ew. Ezcellenz zu sehr zu ermüden, einen Beleg dafür anführen, den ich erst kürzlich
erlebt habe, und der wohl bitte hinreichen können, mich vollkommen über ihn auf-
zukllren.*) Wohl weiss ich jedoch, dass auch Leute von zweifelhaftem Charakter bei
^) Im Konzept folgt hier statt des Punktes ein Doppelpunkt.
') Im Konzept folgt hier die niher ausgeführte Angabe: „als in der zweiten Violine,
den Hümem, der ersten Trompete, sowie bei manchen zweiten Blasinstramenten*.
*) Das Konzept lautet auch hier voUstlndiger: »gespielt werden sollte; den
Vortrag der einzelnen Virtuosen in unserer Kapelle stelle ich natürlich bei Seite*.
^) Im Konzept fehlt das Wort .willenlos*.
*) Im Konzept wird dieser »Beleg* tatsächlich gebracht, und es lautet demnach
der ganze Satz, wie folgt: »und ausser vielen Wamungen, die mir über die Falschheit
seines Charakters zugekommen sind, erwähne ich hier einen Beleg derselben.
28
DIE MUSIK V. 10.
ihren sonstigen ausgezeichneten Fähigkeiten, die Zierde eines Kunstinstitutes, wie das-
einer Kapelle, sein können^); auch ich, wenngleich ich mich von so groben Charakter*
fehlem rein weiss, habe mir die Heftigkeit und Unbesonnenheit meines Temperamentes
vorzuwerfen, und kann mich daher nicht beklagen, dass mir jetzt eine Lehre gegeben
worden ist'), die jedenfalls den Vorteil für mich hat, dass sie mich schnell aus einem*
Irrtum reisst, nimlich aus dem Irrtum, Leute für meine Freunde zu halten, die sich
mir als solche geben. Ich weiss jetzt plötzlich, welchen Weg ich zu verfolgen habe,,
um nach und nach') zu einem Ziele zu gelangen, das ich im feuerigen Eifer für die
Sache bereits in der nScbsten Nfthe glaubte, und somit verspreche ich Ew. Excellenz
ganz insonderheit auch bei meinem ferneren Zusammenwirken mit Herrn Lipinski
mit vollkommenem Vergessen der betrübenden Erfahrungen, die ich über seinen
Charakter als Mensch machen musste, in ihm nur noch den Künstler vor Augen
haben zu wollen, als welchem ich ihm meine bewunderndste Hochschitzung nicht
versagen kOnnen werde.^)
Aber auch Ew. Excellenz wage ich darauf hinzudeuten, in welchem Sinne die
Klagen Herrn Lipinskis zu verstehen seien, und dieselben untertänigst zu ersuchen,,
durch Würdigung meiner Gegengründe mir beweisen zu wollen, dass ich so glücklich
sei, die Achtung Ew. Excellenz bewahrt zu haben, denn nur in dem Bewusstsein des
unschätzbaren Besitzes derselben werde ich den Mut haben können, in der Folgezeit^
wenn meine Stellung gegen die Kapelle gesicherter^) sein wird, gegen einzelne An-
griffe den nachdrücklichsten Schutz Ew. Excellenz für mich nachzusuchen.*
Wir ersehen aus den Erfahrungen dieses einen, ersten Vierteljahres
seiner Dresdener Dirigententätigkeit, wie sehr er im Recht gewesen war^
es sich auszubedingen, dass er von vornherein mit allen autoritativen Be-
fugnissen seines Amtes ausgerüstet würde, um den — aus dem Schosse
des von ihm selbst geleiteten Instrumentalkörpers gegen ihn gerichteten —
Angriffen seitens der Trägheit, des Neides, der gekrankten Eigenliebe
erfolgreichen Widerstand leisten zu können. Dass das Einvernehmen mit
Lfittichau, insbesondere auch dessen lebhaftes Interesse an dem nie Ver-
den ich erst kürzlich erlebt habe, und der wohl hätte hinreichen können, mich voll-
kommen über ihn aufzuklären. — Nachdem Herr Röckel in der Kirche mit einer
Messe von Morlachi debütiert hatte, spreche ich beim Nachhausegehen Hm. Lipinski,.
welcher sich über diese Messe gegen mich mit diesen Worten äussert: ,Welch ein
erbärmliches Machwerk! Man muss ein Kreuz darauf zeichnen, damit sie beiseite
gelegt werde, um nie wieder zum Vorschein zu kommen I Wie kann man solches
Zeug aufführen?^ — Nachdem ich mich Icaum 50 Schritt von Herrn Lipinski entfernt
habe, treffe ich auf Herrn Röckel, und als ich ihm Vorwürfe mache, dass er diese
Messe zu seinem Debüt gewählt habe, entgegnet er mir: ,Ja, mein Gott! Grade diese
Messe hatte mir Herr Lipinski zu meinem Antritt besonders empfohlen!' — Was
halten Ew. Excellenz von einem solchen Manne?*
^) Im Konzept folgt hier noch der Satz: »dass man im Gegenteil nur sehr
selten alle Vortreüflichkeiten des Charakters und des Geistes vereinigt finden kann"»
*) Im Konzept: «eine Lehre geworden ist*.
^ Konzept: »um nun nach und nach*.
*) Konzept: »meine bewunderndste Hochschätzung ja nie versagen werde können*.
*) Konzept: »erst gesicherter*»
29
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LÜTTICHAU
-sagenden Erfolge des «Rienzi", einstweilen noch ein ziemlich ungetrübtes
blieb, bezeugt u. a. eine Briefstelle vom 14. Juni 1843 (an Albert), an
welcher es heisst:
j^Lfittichau ist jetzt auf Reisen: vor der Abreise drang er in mich, ausfindig zu
machen, wie wir den ,Rienzi^ auch ohne die Devrient geben könnten? Js, die einzige
Möglichkeit ist, dass die WQst den Adriane singe, -- für die Irene bitten wir dann
Singerinnen genug. Die Wfist gibt nun aber keinesMls ihre Partie her, und so ist
es denn bei all den kleinen Purzeln, die wir haben, keine Möglichkeit, eine Singerin
herauszufinden, die neben der WGst den Adriane finge. Geht das Ding so fort, und
kommt die Devrient den VInter nicht, so ist Lfittichau mit dem ,Rienzi^ in Verzweiflung,
denn er ist, und wird noch auf lange hinaus seine Hauptoper bleiben. Dann muss Jo-
hanna her: der Himmel hat ihr sUes zu solchen Rollen verliehen, und meinen Kopf
gebe ich darum, dsss, wenn Lfittichtu Johanna nur sieht, er sogleich fQr sie einge-
nommen wird: — dann kommt dss Obrige nschl*
Dass sich diese Voraussage buchstäblich erffiUte, ist bekannt; doch
^geschah dies erst ein volles Jahr später. Im Winter 1843/4 wurde «Rienzi*
zwar wiederholt aufgeführt, aber bloss mit den vorhandenen Dresdener
JCräften. Den Adriano erhielt „die Wüst« (d. h. Frau Kriete, geb. Wüst),
neben ihr wurde die Partie der Irene einer der vorrätigen Dresdener
«Purzeln" zuerteilt. Wir schalten hier übrigens zur weiteren Kennzeich-
nung des oben charakterisierten »väterlichen' Verhaltens Lüttichaus gegen
den jungen Meister noch einen, uns erhaltenen, Zug aus dem Juli 1843
•ein, aus welchem sich ergibt, wie einnehmend verbindlich der sonst häufig
l>rfiske Mann gerade gegen Wagner sein konnte und wie er dann imstande
war, selbst einen so einfachen Akt, wie den einer blossen vierwöchent-
iichen Urlaubserteilung, in eine besondere Bezeigung seiner wohlwollenden
Gesinnung zu verwandeln. Als dieser nämlich nach den sehr bedeutenden
4imtlichen Anstrengungen der letzten Monate (Leben Wagners II, S. 28/32)
^ich einer Erholung bedürftig fühlte, wandte er sich deshalb in mündlicher
Unterredung an seinen Chef. Da verklärte sich, nach Wagners eigener
Erzählung, dessen ganzes Gesicht (nachdem er kurz zuvor in der Ange-
legenheit eines beliebigen Sängers äusserst «bockbeinig' gewesen!), und
•mit völliger Anmut des Ausdrucks sagte er zu ihm:
»Lieber Wagner, Sie wissen, wie ich Sie liebe, und können sich somit leicht
denken, dass mir Ihre Gesundheit selbst über den Nutzen geht, von dem Sie dem
mir anvertrauten Institute sind. Leute wie Sie müssen vor allen Dingen gesund und
guter Lsune sein; also verfügen Sie über Ihre Zeit ganz nach Belieben.*
Die Erteilung einer Beurlaubung in einer, an Arbeitsansprüchen reichen
'Zeit, hatte ihren Wert in sich selbst; aber die Art und Form, in welcher
^ie vor sich ging, verfehlte ausserdem nicht, auf ein dafür empfängliches
Oemüt einen »völlig rührenden* Eindruck zu machen. Wäre es nur immer
: DIE MUSIK V. 19. :
bei diesem gaten Einveraehmen geblieben! Aus der nächstrolgendeti Periode
ist hier hauptsächlich des eigentümlichen Antagonismas zu gedenken, in
welchen Lüttichau in Sachen der Überführung der sterblichen Oberreste
Carl Maria von Vebers aus London nach Dresden zu dem jungen
Meister trat.
„Et kSnne doch uamSflich lugeben," insierte er »ich gegpn Tipier, .dus
gende dem Andenken Tebera eine aolche fibertrlebcne Ehre erwleaen vfirde, wihreod
doch der verstorbene Morlachl viel liogere Zelt um die Kgl. Kapelle alch verdleut
gemacht habe, und nlemaad daran denke, deiaen Atche aus Italien heranholen. Zn
welchen Konsequenien aollie daa fuhren? Er setze den Fall, Relaalger stflrbe olch-
arens auf einer Baderelae; aelne Frau könne dann mit Recht dann ebenio gut, wie
letzt Frau v. Veber, verlangen, dasa man die Leiche Ihrea Mannet mit Sang und Klasg
herkommen 1108861*
Es ist nun doch nicht etwa anzunehmen, dass dem Herrn Gehetmrat
der Unterschied zwischen den Verdiensten Webers und Reissigers um die
deutsche Kunst wirklich so vSllig unklar gewesen sei, als es nach dieser
Äusserung den Anschein hat Sicher aber ist es, dass er seinerseits keinen
Vorteil für seine Autorität darin erblickte, diesen Unterscjjied besonders
zu betonen: als Vorgesetzter wollte er es nicht mit Genies und sonstigen
unberechenbaren PersSnticbkeiten zu tun haben, um nicht durch eine
ausserhalb seines Gesichtskreises liegende Gesetzmassigkeit in unbekannte
Kometenbahnen gerissen zu werden.
Wir haben im vorstehenden das Verhältnis zwischen Richard Wagner
und seinem Dresdener Vorgesetzten während seines ersten Dresdener
Amtsjahres zum besseren Verständnis der an den letzteren gerichteten
Schriftstücke in grossen Zügen geschildert. Nur ein, an den Schluss
vdieses ersten Amtsjahres geh&riges Dokument mussten wir uns noch vor-
behalten, um es an die Spitze eines neuen Abschnittes unserer Mittellungen
zu setzen, zu denen es in einer engeren Beziehung steht.
FortaeUung folgt
m Bewunderern Richard Wagners ist es besonders bemerkens-
wert erschienen, dass er aus den spärlichen Quellen, welche
ihm über den Meistergesang nur zur Verfügung standen, doch
ein so packendes, lebensvolles Kniturbild erschaut habe, wie
er es uns zu unserem Entzücken in seinem sonnigsten Werke zeigt. Sein
Genie hat divinaiorisch erraten, was sonst nur auf dem Wege mühsamen
langwierigen Studiums zu erbringen gewesen wäre. So war ein Hauptzeuge
für Richard Wagner der Chronikeur Wagenseil, der in seinem 1697 ge-
druckten Kommentar der Stadt Nürnberg in einem Anhang von der .Meister-
singer holdseligen Kunst* spricht. Der geschwätzige Autor verbindet diese
Abhandlung mit einer Auseinandersetzung über die vermutliche Herkunft
der — Zigeuner. Beide — Meistersinger und Zigeuner zlhlt er ztt den
kuriosen Erscheinungen seiner Zeit: man habe diese .Zweyerlei Art Leute"
zu denen gerechnet, deren .Ursprung, Herkunft und wahre BeschafTenheit
noch nicht zu erfohren gewesen*. Was dieser Gewährsmann des weiteren
über die Meistersinger erzählt, entspricht der Art und Weise, wie er sie
als Kuriosität betrachtet. Seine etwas unzuverlässigen Berichte und, was
noch schlimmer ist, seine entstellten Aufzeichnungen von Meistersinger-
melodieen haben vielen Historikern vom Fach als wesentliches Material
für die Beurteilung des Meistergesanges überhaupt gedient. Man kann es
nicht genug bewundem, dass Wagner hier klarer gesehen und dass er trotz
aller Karikierung der Auswüchse dieser Kunstrichtung doch den edlen
Kern der Sache wohl erhisst bat. Hans Sachseos Schlussrede über die
kulturhistorische Mission der Meistersinger ist dafür ein glänzender Beweis.
Wir wissen heut, dass jene alten Meister — so wenig unserm Sprachgefühl
auch Ihre ungeschlachten Satz- und Versbildungen zusagen — sich dennoch
durch die Verarbeitung des biblischen und weltlichen Wissens ungeheure
Verdienste um die Bildung und Aufklämng ihrer Zelt erworben haben..
Aber wir wissen noch mehr.
Angeregt gerade durch Wagners Drama haben sich auch die Musik-
historiker intensiver mit dem Meistersingerproblem beschäftigt. Man hat
versucht, die Aufzeichnungen der Melodieen in ihren alten Singebüchem
zu entzifTem und hat gefunden, dass auch ihre vielverspottete Melodik
32
DIE MUSIK V. 19.
immerhin besser ist als ihr Ruf. Wir wissen, welche Anregung Wagner
selbst aus den verdorbenen Melodieen schöpfte, die er nur kannte. Immer-
hin musste er dort, wo er die edlere Seite des Meistergesanges zeichnen
wollte, aus eigenem geben. Der Held seines Dramas — Hans Sachs —
konnte als Poet zwar in eigenen Worten sprechen, oder Wagner brauchte
seine Art nur nachzubilden. Ffir den Musiker Sachs gab dem Komponisten
das Wissen seiner Zeit nichts her. Die „Wittenbergisch Nachtigall*, deren
Text Wagner übernahm, musste er mit eigener Melodie versehen, Sachsens
Melodie dazu war damals nicht bekannt.
Heut kennen wir nicht nur diese, sondern insgesamt 13 Melodieen
von Hans Sachs. In zwei jetzt zu Zwickau aufbewahrten Handschriften
befinden sich folgende, vielleicht nicht von Sachs selbst geschriebene, aber
doch unter seinen Augen aufgezeichnete Melodieen: Silberweise, Gfilden Ton,
Überhohe Bergweise, Morgenweise, Gesangweise, Kurze Ton, Lange Ton,
Neue Ton, Bewährte Ton, Überlange Ton. Reicher noch ist das von Adam
Puschman, einem Sachsschüler, geschriebene in Breslau befindliche »Singe-
buch', welches noch den Rosen Ton, den Klingenden Ton und die Spruch-
weise enthält.
Natürlich finden sich bei der Beliebtheit des Meisters seine Melodieen
auch. noch in vielen anderen Handschriften, doch dürfte neben den Zwickauer
Codices der Breslauer den grössten Anspruch auf Glaubwürdigkeit haben.
Nicht mehr vorhanden sind leider Sachsens Melodieen zu seinen »Hoftönen'',
mehr populären Liedern. Die Melodieen der Meisterlieder sind in neuerer
Zeit wiederholt publiziert worden ; leider ohne die nötige Pietät oder Sorg-
falt.^) Ihr musikalischer Wert ist recht verschieden. Während einige
handwerksmässig trocken erscheinen, verraten andere eine überraschende
Kraft des Ausdrucks und der Linienführung. Es zeigt sich hier eine ähn-
liche Ungleichheit wie auch bei den poetischen Werken des ungeheuer
fruchtbaren Mannes. Der Gesamteindruck ist aber doch ein recht er-
freulicher. Hans Sachs war auch als Komponist eine respektable Person«
llchkeit. Eine isolierte Erscheinung ist er unter seinen Zunftgenossen aber
auf musikalischem Gebiete nicht gewesen, wenn er auch in erster Reihe
steht. Sein Meisterstück ist zweifellos die Sil her weise. Es folge hier
die Melodie mit dem Originaltext. Die Noten sind unter Vermeidung der
wechselnden C-Schlüssel des Originals im Basschlüssel gesetzt. Die
Koloraturen sind durch kleine Noten unter Bögen gegeben. Man denke
sich das Ganze im Tempo eines kraftvollen evangelischen Chorals. Die
^) Es ist hier nicht der Ort zu einer weiteren Auseinandersetzung über diesen
Punkt. Ich verweise auf meine demnächst erscheinende grössere Publikation über
das Singebuch Ad. Puschmans und die Melodieen des H. S.— Htuptsichlich sind
die Melodieen durch falsche Schlüssel entstellt.
33
MONZER: HANS SACHS ALS MUSIKER
Melodieen sind aber ohne Takteinteilung aufzufassen. Die Silben haben
gleiche Zeitwerte, doch können unbetonte immerhin etwas verkürzt sein.
Die Verzierungen (Koloraturen) haben theoretisch nur den Wert einer un-
verzierten Silbe, doch darf ein tempo rubato angewendet werden, auch
brauchen die einzelnen Töne einer solchen geblümten Silbe selbst bei
gleichen Notenwerten nicht genau gleichlang genommen zu werden. So
wird man die erste Silbe dehnen dürfen, um die ausdrucksvolle Phrase
zur Geltung zu bringen, während man die vier Noten auf «dem* leichter
nehmen wird. Es gab für die Ausführung keine feste Regel, als die Be-
stimmung, dass jeder Vers in einem Atem gesungen werden musste. Am
Ende jedes Verses tritt eine Fermate ein. Man denke eben an den evan-
gelischen Choral, so wird man sich leicht hineinfinden. Die Melodieen
4er Meistersänger sind unbegleitet, doch empfiehlt es sich für den Anfang,
einige einfache Harmonieen hinzuzunehmen. Man wird von der Wucht
und Kraft dieser wahrhaft schönen Melodie überrascht sein:
Silberweise des Htns Stchs (ntch der Zwicktuer Htndschrift M 2)
m
1. Sal - -Ive ich gras dich scho-ne
2. AI - - 1 1er btrm-hert-zi - kei - te
m
jS:
iU ^
(«)
leit all vnser hoffnung
^
2l
-Cd.
±
1. Rex chris-te in dem
2. Am hei-ltnd man dich
0' ^ ^ g^^
i=4=2E
3l=a=
-O-
.a.
thro-ne
sei - te
:a:
Salve Christo wir grussen dich
<g g — — fi — ^
^^-^Sg^^
1. der du tregest die Kro - ne
2. tn vn - Sern letz-ten zei - te
#— *-
m
1
ZE
2SE
-^
^
Ein herr himel vnd erdterich
ßt o ^
1. mi -
2. vns
Abgestng
Q:
se - ri • cor - di - e
hiir-lich bei - ge - ste
Gtr hoch in Hie -rar - chei-e
•^•
2z:
-^■
:s:
^gF=g
IS
-i9~
«*-
Sa
m
vi - ta dul - ce - de bist fur-war
^ , (i)
o ^
221
m
Ad te christe gar
::5 — 7g^
frei- e
:ZL
ISL
:ä:
i9-
ZC
des lebens vrespniag
P
ff Q-
-ZL
-t^
IBi.
-^-
rJO.
Et spes nostra wan an dir gar
m
Cla - ma-mu8 wir stets schreie
^^ ff
la:
Ig^^
Hillf vns auss allem wee
Es fallt ohne weiteres die Obereinstimmung oder Ähnlichkeit der zweiten
resp. vierten Zeile mit einer Stelle aus dem Lutherliede «Ein' feste Burg"
V. 19 3
34
DIE MUSIK V. 19.
auf. Nun ist diese Sachs-Melodie früher komponiert als der Choral Luthers,
Auch hat der grosse Reformator bekanntlich dem Meistersang nicht fem
gestanden. Veranlasste er doch einen ihm bekannten Prediger Wenceslaus
Link in Nfimberg für ihn sammeln zu lassen: «alle Deutsche bilde, reymen,
lieder, bücher Meistergesenge . . denn er habe Ursach, warum er sie gern
hette'. Allein es wäre irrig zu glauben, dass Luther darum etwa dieses
Motiv gar aus Sachs entlehnt habe. Das wäre eben so absurd, wie die
Annahme, dass Luther seinen Choral aus Fragmenten des katholischen
Kirchengesanges zusammengeflickt habe. Überdies kommt das Motiv sehr
oft vor Hans Sachs vor, bei mindesten 20 verschiedenen Meistern. Es ist
eine beliebte Schlusswendung, die bald mehr bald weniger prägnant heraus»
gearbeitet — bei Hans Sachs besonders kraftvoll und bewusst auftritt..
Weniger die notengetreue Übereinstimmung selbst, als die Ähnlichkeit des
Charakters der Meistersingermelodie mit der des evangelischen Kirchen-
liedes ist zu betonen; und diese Ähnlichkeit findet sich auch sonst, bei
Sachs wie bei anderen Singern der Reformationszeit.
Wählen wir ein anderes Beispiel aus Sachsens Tönen; seine «Über-
hoch Bergweise*. Hier haben wir einen langen Text, der die Ungeschick-
lichkeit der schlechten Singer verspottet und dann Sachsens Sehnsucht
nach einem grossen Lehrmeister ausdrückt. Die Melodie ist mitunter
von eignem Reize besonders bei der Stelle: .merken lernt ich mit fleisse
. . . . der Thön mäncherleie /neue /freue/:
^
-Ä ^ ^_ llgfl-^
g v!^ — ^»^ -^m-^
'ZI
«•••**
JQ. ^.
<» <g ^ BH»
-^
mit süsser me - lo - dei - e dem maister geh ich breise
grfiss er mir auch mein bertze usw.
Als letztes Beispiel für Sachs' Melodik führen wir hier die «Morgen-
weise* an. Man weiss, welches ungeheures Aufsehen Sachsens Gedicht von
der Wittenbergischen Nachtigall erregte. Dieses Hauptwerk Sachsens existiert
in doppelter Form: als Gedicht, das 1523 gedruckt wurde und eine Popu-
larität sondergleichen fand und als — Meisterlied. Es ist unbekannt,^
welche Fassung die frühere ist. Tatsächlich aber hat man in der Singschule
Nürnbergs das Lied gesungen und zwar nach Sachsens Melodie der Morgen-
weise. Hier der Anfang der «Wittenbergisch Nachtigall" mit ihrer Melodie,,
so viel mir bekannt zum erstenmal wieder vereint:
35
MONZER: HANS SACHS ALS MUSIKER
Die NachtigaU
In der Morgenweiae Htns Stchsens
1^! "»
jOl
£
rj
m
Wtcbt tuf wicht auf es tt - get
Ein ntch - ti - gal die wa
get
T^
§
ir Stirn mit suessem hal
^ •^
JUL
■«■
ir thon durch dinget perg vnd thal
^
^ ^ i>ü "^V^^^^
die mor-gen-ret her zi
chet usw.
Das Gedicht ist sehr ausgedehnt und ergeht sich sehr bald in Ver-
gleichen und Anspielungen, die uns nicht mehr ohne weiteres verständlich
sind. Wagner hat in den »Meistersingern* fOr seinen Choral die Fassung
des — nichtgesungenen — Spruchgedichtes als Text gewählt Die hier ge-
gebene Version wie die Melodie konnte ihm schwerlich bekannt sein.
Sachsens .Morgen weise* ist, wie wir leicht sehen, einfacher als seine
Silberweise und gehört überhaupt zu den schlichteren Melodien des
Meisters, dennoch ist sie nicht ohne Würde. Sachs wählte wohl gerade
aus Gründen der leichteren Verbreitung diese einfache Melodie. Dass er
auch kühnere Weisen ersinnen konnte, zeigt uns seine Silberweise und
manche seiner übrigen Melodieen. Er stellte auch als Musiker seinen
Mann. Was aber er und seine schlichten Zunftgenossen sangen, das war
bei aller Einfachheit doch ein gewaltig Lied, das Wiederhall fand. Der
Meistersang gehörte mit zu dem vielstimmigen Sturmliede der Reformation t
Glücklich die Zeit, wo der Handwerker ein Dichter und Musiker war,
der einfiel mit seiner Stimme in den Freiheitskampf der Zeit. Glücklich
die Zeit, wo die Tonkunst eine lebende wirkende Macht war im Leben
eines Volkes. Heut singen die «Meister* aus Wolkenkuckuksheim — wer
aber singt das Lied unserer Zeit, unseres Kampfes?
PAUL MOOS: Richard Wagner als Ästhetiker, Versuch einer kritischen Darstellung.
Verlag: Schuster & Loeifler, Berlin und Leipzig 1906.
Die Wagnerliteratur wird noch immer so sehr von einseitigen Tendenzen beherrscht»
dass man es jedesmal mit besonderer Freude hervorheben muss, wenn sie um ein Werk
vermehrt wird, das sich bemüht, objektiv zu sein. Diese Eigenschaft, die gar keiner
Erwihnung bedfirfen sollte, besitzt z. B. G. Adlers ,, Richard Wagner*, und ebenso
ist das vorliegende Buch durch sie ausgezeichnet. Alle auf die Kunst bezuglichen
Äusserungen Wagners, die naturgemlss den grössten und wichtigsten Teil seiner
Schriften bilden, werden darin kritisch beleuchtet. Dagegen wird das, was er, wenn auch
im engsten Zusammenhang mit seinen ästhetischen Anschauungen, über ausserkünst-
lerische Gebiete, namentlich über Religion und Staat, zu sagen hatte, mit Recht in der
Regel nur referierend behandelt Die Darstellung ist nicht systematisch, sondern chrono-
logisch, was den grossen Vorteil gewährt, dass uns der Entwicklungsgang des Ästhetikers
Wagner zu klarer Anschauung kommt.
Wie Moos stets nach Möglichkeit auch die nicht in den gesammelten Schriften
veröffentlichten Aufeitze berücksichtigt, so behandelt er in der Einleitung Wagners
Jugendarbeiten und rechnet dann als erste Periode seiner eigentlichen schriftstellerischen
Tätigkeit den Aufenthalt in Paris, 1839—42. Schon die Besprechung der AuMtze bis
zum Ende dieser Periode gibt uns den Schlüssel zum Verständnis einer Tatsache in die
Hand, die den Leser unseres Buches oder der Wagnerschen Schriften zunächst in
höchstes Erstaunen versetzen muss, der Tatsache nämlich, dass Wagner sehr häufig in
späteren Äusserungen das gerade Gegenteil von dem behauptet, was er früher gesagt
hat, ohne diese Meinungsänderungen zu begründen, ja wohl ohne sie selbst zu bemerken.
Wie er zu Anfang seiner Dirigentenlaufbahn unter dem Einfiuss des »jungen Europa*,
welches das Schlagwort „Emancipation des Fleisches* ausgegeben hatte, einseitig und
z. B. mit Verkennung Webers dem Melodieenzauber der italienischen Oper huldigt, wie
er später in Paris zwar die deutsche Kirchen- und Instrumentalmusik begeistert feiert,
aber der französischen Oper, der ja auch sein „Rienzi* nachgebildet war, den Vorrang
vor der deutschen einräumt und zum Heil der dramatischen Musik eine künstlerische
Verbrüderung beider Nationen herbeisehnt, wie er sich kurze Zeit darauf mit Ekel und
Empörung von der französischen Oper abwendet und nun auch Weber zu würdigen weiss,
so erschien ihm während seines ganzen Lebens alles, was ihn gerade künstlerisch oder
persönlich, kurz, gefühlsmässig beschäftigte, zugleich als das Allgemeingültige und Not-
wendige, ja als das einzig Berechtigte. Wollte man diesen eigenartigen Zug, diese bei
einem Künstler nicht verwunderliche Vorherrschaft des Gefühles und Willens gegen den
analysierenden Verstand nicht zugeben, so wäre man genötigt, Wagner den Vorwurf zu
machen, er habe mit Bewusstsein seine Fahne nach dem Winde gedreht. Aber dieser
37
NEUE WAGNER-LITERATUR
Vorwurf muss von einem Manne, der seine künstlerischen Ziele mit so unbeirrter und
rficlcsichtsloser Konsequenz verfolgte, machtlos abprallen.
Als die reifsten Arbeiten der ersten Periode sind wohl der novellistisch einge-
kleidete Aufsatz: »Ein glQcklicher Abend* und die Abhandlung »Ober die Ouvertüre* zu
betrachten. In ersterem betont Wagner die absolute Selbstlndigkeit der Instrumental-
musik und die Zwecklosigkeit aller Ausdeutungsversuche, ein Standpunkt, dem er später
leider nicht treu blieb. In dem Aufsatz über die Ouvertüre führt er aus, diese sollte ein
idealer Prolog sein und daher das Drama nicht vorwegnehmen, sondern nur im allge-
meinen charakterisieren, etwa durch einen rein musikalischen Konflikt und seine Lösung.
Als Beispiel nennt er u. a. die Ouvertüre zu »Don Juan*, will aber seltsamerweise ihre
langsame Einleitung nicht als Vorbereitung auf den tragischen Schluss der Oper gelten
lassen, da sie, wie er meint, in diesem Falle am Ende der Ouvertüre stehen müsste.
Man sieht hieraus, dass er trotz der vorher ausgesprochenen richtigen Ansichten doch
zu sehr geneigt ist, dem Gange eines Tonstückes aussermusikallsche Vorstellungsreihen
unterzulegen.
Ohne diese Neigung wire es ihm auch nicht möglich gewesen, der 3. Leonoren-
ouverture darum eine Sonderstellung anzuweisen, weil sie nicht mehr ein idealer Prolog
sei, sondern das Drama selbst gebe; Beethoven, dessen dramatischem Genie der Fidelio-
tezt nicht entsprechend gewesen sei, habe gleichsam notgedrungen die ganze dramatische
Gewalt in die Ouvertüre verlegt. Mit Recht bekimpft Moos diese von Wagner auch
spiter vertretene Auffiusung; denn derartiges ist in der reinen Instrumentalmusik über-
haupt nicht möglich, und Wagner wurde zur Konstruktion des prinzipiellen Gegensatzes
zwischen der Leonoren- und etwa der Don Juanen verture ofTenbar nur durch die michtigere
Wirkung veranlasst, die erstere auf ihn ausübte. Aber darin, dass das Trompeten-
signal in demselben Sinne ein rein musikalisches Element sei wie die in die Ouvertüre
verwebte Stelle aus der Arie Florestans, kann ich Moos nicht beistimmen. Auch hat die
Ouvertüre ihren Namen nicht deshalb, weil sie ausschliesslich Leonore charakterisieren
soll, sondern weil die Oper nach Beethovens ausdrücklichem Wunsch nicht Fidelio,
sondern Leonore heissen sollte und zu der Zeit, als die drei C-dur-Ouverturen entstanden,
auch so hiess. Ein Hinweis auf Wagners Faustouverture, die ja während der Pariser
Zeit entstand, wire vielleicht angebracht gewesen.
Sehr wichtig ist die Novelle »Eine Pilgerfahrt zu Beethoven*, weil sich hier zum
erstenmal die von Wagner seitdem immer wieder verfochtene Ansicht ausgesprochen
findet, Beethoven habe mit dem Schlussatze der 9. Symphonie gezeigt, dass er die reine
Instrumentalmusik bis an ihre ftusserste Grenze geführt habe und nun, um das Höchste,
das ihm verschwebte, auszudrücken, genötigt gewesen sei, zum Wort und zur Menschen-
stimme zu greifen. Schon hier widerlegt Moos diese Ansicht, die übrigens heute wohl
nur noch von wenigen aufrecht erhalten wird. Sie ist historisch falsch, da Beethoven,
weit davon entfernt, die Komposition für Instrumente aufzugeben, noch nach der 9. Sym-
phonie seine letzten Quartette schrieb, und sachlich unbegründet, da eine Kunstgattung,
die überhaupt Wert besitzt, zwar zu gewissen Zeiten in Verfall geraten, niemals aber
prinzipiell erschöpft werden kann.
Nicht nur hinsichtlich 'der Vorgeschichte des Musikdramas, sondern auch hinsicht-
lich seines Wesens sind Wagners spätere Gedanken schon in seiner ersten Periode an-
gedeutet. In dem »Bericht über eine Pariser Oper* (Hal6vy's »Königin von Zypern*)
verlangt er vom Textdichter, er solle aus der Fülle seines Herzens und unbekümmert
um die Musik sein Drama schreiben und es dann einem guten Musiker zur Komposition
üt)ergeben; nur so werde es diesem möglich sein, die ganze dramatische Kraft der Ton-
kunst zu entfalten.
38
DIE MUSIK V. 19.
Mit Obergehung der Dresdener Periode, 1842 — 40, die fast susschiiesslich mit
künstlerischen Taten ausgefüllt ist, wenden wir uns sogleich der Zürcher Zeit, 1849— 58,
zu. In den ersten Jahren dieser Periode steht Wagner auf dem Höhepunkt seiner
schriftstellerischen Titigkeit, namentlich mit »Die Revolution und die Kunst*, »Das
Kunstwerk der Zukunft* und »Oper und Drama*, die eng zusammengehören und im
ganzen als Kompendium der Wagnerschen Theorieen zu betrachten sind. Sehen wir von
allen ausserhalb der Kunst liegenden Verhältnissen ab, die in diesen Schriften berührt
werden, so sind es namentlich zwei Hauptpunkte, gegen die sich Moos mit Recht
wendet Der eine betrifft Wagners Ansicht vom Wesen der Einzelkünste gegenüber dem
ihm vorschwebenden Gesamtkunstwerk, dass nlmlich die ganze Kunstgeschichte seit dem
Aufhören des Gesamtkunstwerkes der griechischen Tragödie einen Verfall darstelle, weil
sich die Künste von einander getrennt und infolge dieser »egoistischen Vereinzelung*
nur ein Scheinleben geführt und nicht dem wahren Volksbedürfais, sondern nur dem
Luxus gedient bitten, dass sie aber durch das neue Gesamtkunstwerk überwunden und
beseitigt werden würden. Diese Ansicht sucht Wagner an jeder einzelnen Kunst zu
begründen, und Moos folgt ihm Schritt für Schritt Sehr richtig betont er, dass das
Bedürfnis der einen Kunst, in die andere überzugehen, in ihr zur Erlösung zu kommen, von
dem Wagner fortwährend spricht, gar nicht vorhanden ist Die Tatsache z. B., dass
sich Musik und Poesie im Gesang verbinden, beweist nur die Möglichkeit ihrer Ver-
einigung, aber durchaus nicht, dass beide, solange sie. für sich bleiben, unbeftiedigend
wirken. Die Instrumentalmusik ist keineswegs so unbestimmt, dass sie, wie Wagner
behauptet, in uns die Sehnsucht nach dem Worte erweckt Was sie nicht gibt, nimlich
Vorstellungen, Begriffe und Kausalzusammenhinge, verlangen wir auch durchaus nicht
in ihr zu finden. Sobald wir mit dem Gedanken des Verschwindens der einzelnen
Künste Ernst machen, wie es Wagner tatsichlich fordert, fühlen wir, wie unendlich arm
wir werden, wie wir uns im strengsten Sinne des Wortes unersetzlicher Güter berauben
würden. Vielleicht bitte Moos die durch nichts anderes ersetzbare Eigenart jeder Kunst
und jeder isthetischen berechtigten Kunstgattung stirker herausarbeiten und tiefer
begründen können. Dann wire er wohl Wagner nicht einmal so weit entgegengekommen,
im Drama, beziehungsweise im Musikdrama zwar nicht die einzig berechtigte, aber doch
die höchste Kunstform zu erblicken.
Der zweite Punkt, dem er nicht beistimmen kann, ist die Behauptung, dass im
Gesamtkunstwerk alle Künste gleichberechtigt und mit voller Entfaltung ihrer Eigenart
zusammenwirken könnten und müssten. Er weist nach, dass die Architektur überhaupt
nicht ins Drama einbezogen wird, da der Theaterraum ebensowenig zu dem auf der
Bühne Dargestellten gehört wie der Bilderrahmen zum Gemilde, dass die Plastik höchstens
eine ganz gelegentliche und untergeordnete Rolle spielen kann, wenn man sie nicht, wie
Wagner, mit der Gebirdenkunst verwechselt, und endlich, dass auch die schönste
Dekorationsmalerei der wirklichen Malerei und namentlich derjenigen, die Menschen
darstellt, nicht gleichkommt
Viel enger ist selbstverstindlich die Verbindung zwischen Tanz- oder Gebirden-
kunst, Poesie und Musik. Hier bestreitet Moos nur, dass erst die Musik die Gebirde ver-
stindlich mache; vielmehr sei diese, wo es sich um den Ausdruck von Gedanken und
Gefühlen handle, nach dem Wort das geeignetste Mittel. Mit Wagners Ansichten über das
Zusammenwirken von Poesie und Musik scheint Moos einverstanden zu sein, wenn er es
auch auf Grund moderner musikgeschichtlicher Forschungen als Irrtum zurückweist, dass
die Oper von Anfang an unter Vernachlissigung ihres dramatischen Gehaltes nur nach
Entfaltung der Musik gestrebt habe, und dass die hier und da, so bei Mozart, wirklich voll-
zogene Vereinigung von Musik und Drama gleichsam nur dem Zufall zu verdanken sei.
39
NEUE WAGNER-LITERATUR
Wagner will der Ton- und Dichtkunst im Musikdrama völlige Gleichberechtigung
«inriumen, neigt aber in der Regel dazu, die Musik der Poesie unterzuordnen. In
Wahrheit fibt überall da, wo sich eigentliche Musik und Poesie vereinigen, die erstere
•die stirkere Wirkung aus. Dieser nun einmal gegebenen und aus der Natur der beiden
Künste nicht schwer zu erklärenden Tatsache muss Rechnung getragen werden. Sobald
wir den Eindruck gewinnen, dass das stärker Wirkende dem schwächer Wirkenden
untergeordnet, d. h. in der ihm naturgemässen Entfaltung gehemmt wird, muss uns das
«Is Widerspruch, als Anomalie erscheinen. Eine ganze aus Sekkorezitativen bestehende
Oper wäre ein Unding, da wir den engen Anschluss der Musik an die Sprache fort-
während bemerken und uns fragen würden, warum nicht diese allein auftritt, statt sich
des an sich so wirksamen musikalischen Tones zu bedienen. Wo rezitativische Bildungen
angewendet werden, da ist es, ausser vielleicht in den ältesten Opern, wirklich auf ein
Herabdrficken, ja fast auf ein Beaeitigen der Musik zugunsten des Wortes abgesehen.
Würde tatsächlich, wie Wagner will, die Gesangsmelodie aus der Sprach- und Versmelodie
hergeleitet, so erhielten wir eben nur solche herabgedrückte Musik.
Zudem ist trotz allem, was bis auf den heutigen Tag über die Obereinstimmung
von Text und Musik geredet wurde, noch nie gezeigt worden, worin diese im Gegen-
satz zu der vorwagnerischen Praxis eigentlich bestehen soll. Selbst in rezitativischer
Form lassen sich die gleichen Worte verschieden komponieren, ohne dass man sagen-
könnte, welche Komposition mit Notwendigkeit aus der Sprach- oder Versmelodie her-
vorgegangen sei. Von einer neu gefundenen Gesetzmässigkeit kann also nicht die Rede
sein. Vielmehr wird es in betreff der Verbindung von Sprache und Musik im Gesang
wohl bei der durchaus nicht neuen Erkenntnis sein Bewenden haben, dass bei sprach-
und sinngemässer Wortbetonung und bei richtiger Einhaltung der gedanklichen Gliederung
des Textes die Musik die in demselben gegebene Stimmung zu vertiefen und dabei ihren
eigenen Gesetzen zu folgen hat. Auch die Unterschiede zwischen eigentlichem Gesang
und allen Arten des Rezitatives liegen innerhalb dieser Grenzen. Allerdings bekämpft
Moos die Entwicklung des Wagnerschen Prinzipes aus einer angenommenen, der Ursprache
innewohnenden Melodie, nicht aber das Prinzip selbst.
Wenn Wagner die Vertiefung und Weiterführung der im Text gegebenen Stimmungen
dem Orchester zuweist, so spricht er auch damit nichts Neues aus. Auch lässt es sich
sehr wohl denken, und kommt häufig genug vor, dass uns eine Melodie mit einfachster
Begleitung den tiefsten Stimmungsgehalt des Textes offenbart. Also auch hier haben
wir es nicht mit ästhetischen Notwendigkeiten, sondern nur mit Möglichkeiten zu tun.
Ebenso ist der Verzicht auf die verschiedenen Formen der Arie, auf Wortwiederholungen,
auf Ensemblesätze, auf den Chor, wo er nicht handelnd auftritt, durchaus kein Gesetz,
sondern wieder nur eine Möglichkeit, deren Verwirklichung sich von Fall zu Fall im
Kunstwerke selbst zu rechtfertigen hat. Nicht anders verhält es sich mit der Verwendung
von Erinnerungs- und Leitmotiven.
Auch für die dramatische Dichtung und für die Wahl der Stoffe stellt Wagner keine
Gesetze auf, sondern verallgemeinert nur sein persönliches Verfahren; doch können wir
es letzt dem Leser des vorliegenden Werkes oder der Wagnerschen Schriften überlassen,
sich selbst davon zu überzeugen. Nur darauf sei in Obereinstimmung mit Moos hin-
gewiesen, dass sich Wagner täuscht, wenn er meint, seine Dichtungen seien unabhängig
von dem Zweck, komponiert zu werden, geschaffen. Im Gegenteil ist mindestens in
ihren Stoffen und in ihrer Gesamtanlage die Rücksichtnahme auf ihre musikalische
Verwerttmg deutlich zu erkennen, was Wagner gelegentlich auch selbst zugibt.
Als einen wesentlichen Vorzug der in Rede stehenden Schriften hebt Moos die
Schärfe der Kritik hervor; denn bekanntlich besass Wagner für die inneren Mängel und
40
DIE MUSIK V. 19.
Schwichen der Oper«, die er vorfand, und für die Schäden des Theaterbetriebes eineo
überaus feinen Bliclc
Noch gar vieles wire, bald zustimmend, bald ablehnend, zu sagen, um der Fülle
des von Moos dargebotenen und namentlich auch der Besprechung der Schriften aus den
beiden letzten Perioden, 1858—65 und von da bis zu Wagners Tode, 1883^ gerecht zvt
werden; doch wollen wir uns damit begnügen, dem Ästhetiker Wagner in seinen AndngeD
und auf seiner Höhe an der Hand unseres Buches gefolgt zu sein. Moos hat mit diesem
Werke nicht nur eine Lücke seiner ^Modernen Musikisthetik*, sondern auch eine solche
der Wagnerliteratur ausgefüllt Es ist geeignet, viel Irrtum und Verwirrung aus der
Welt zu schaffen; doch sollte man ihm mit derselben Freiheit des Urteiles begegnen,,
deren sich sein Verftisser Wagner gegenüber befleissigt hat. Freilich muss ich offen
bekennen, dass mir die Ausbeute an isthetischer Erkenntnis, die sich aus Wagners
Schriften gewinnen llsst, nicht eben gross zu sein scheint.
Dr. R. Hohenemser
HENRY T. FINCK: Wagner und seine Werke. Deutsch von Georg v. Skal. 2. Auf!,
Verlag: Schottlaender, Breslau.
Ober das nunmehr schon in zweiter Auflage vorliegende Werk von Finck mag
man inhaltlich denken wie man immer will; eines ist unbedingt und rückhaltlos an*
zuerkennen: der ungeheure Fleiss, mit dem der Verfasser sein Material gesammelt und
mit dem er dieses auch verwertet und verarbeitet hat Er liefert uns eine umfassende
Lebensgeschichte des Meisters, eine eingehende Würdigung seiner Schöpfungen im
einzelnen und er kommt auf Wagners Persönlichkeit, sein Wesen und seine Eigentüm-
lichkeiten sowie auf die Zeitgenossen und Zeitverhftltnisse so oft und so gründlich zu
sprechen, dass — um so mehr als auch die Stellung Wagners In der Gesamtentwicklung
der Kunstgeschichte gebührend gekennzeichnet und festgehalten worden ist — sein Werk
wohl als eins der vielseitigsten und inhaltsreichsten Wagnerbücher bezeichnet werden
kann. «Noch nie ist ein Künstler so angefeindet worden wie Wagner; noch nie sind
über einen Menschen, ausser vielleicht einen Staatsmann, so viele Lügen verbreitet
worden" — dies ist (S. XI) Fincks Standpunkt, der seinen Bekenner zu strengster
Objektivität nötigt; mit Recht sagt der Verfasser an einer anderen Stelle, bei Wagner
seien Kunst und Leben so innig miteinander verwachsen, dass eine Biographie Wagner»
zugleich eine Geschichte seiner Kunstwerke sein müsse. Die Lektüre der den einzelnen
Werken gewidmeten Kapitel war für mich wahrhaft ein Genuas. Sie beschrinken sich
keineswegs etwa auf eine Zusammenfassung schon bekannten Materials, sondern enthalten
eine Fülle selbstlndiger Urteile und ebenso origineller wie beherzigenswerter Bemerkungen.
So heisst es z. B. (S. 207) von dem Schluss des zweiten Aktes der «Meistersinger*, er
stemple Wagner zu einem der phantasiereichsten und poesievollsten Dramatiker, wXhrend
ein Meyerbeer wahrscheinlich den Akt mit der Prügelszene «effektvoll' geschlossen hittCr
Oder: «Vor Wagners Zeiten wurde es als die höchste Errungenschaft eines musikalischen
Genies betrachtet, nicht einmal eine ganze Symphonie, sondern nur einen symphonischen
Satz so zu komponieren, dass seine Themen logisch entwickelt und verbunden sind.
Hier haben wir aber eine vierstündige, in allen ihren Teilen organisch verbundene
symphonische Partitur. Man bedenke, wie viel mehr Genialitit für Formen dazu
erforderlich ist, als zur Komposition eines Satzes einer Symphonie, und man überlege,
wie viel mehr Verstand nötig ist, um die Bedeutung einer solchen Tat zu fassen und
das Wunderbare in ihr zu begreifen, als um sich einfach von einer Reihe von Opern-
melodien, die von einer Orchesterguitarre begleitet werden, die Ohren kitzeln zu lassen I*
Wie wohl tun solche goldenen Worte dem Herzen im Vergleich zu den reichlich angeführten
zeitgenössischen Kritiken! Dem köstlichen Unsinn Hanslicks, «Beckmessers der Musik-
41
NEUE VAGNER.LITERATUR
geschichte an der Wiener Universitit* (S. 214), dem die Meistersinger »das Ende aller
Musik* bedeuteten, schliessen sich die Beschimpfungen Max Kalbeclcs an (S. 388), der
Wagner einen «Vereinsmeier, Reklameheld, Rinkeschmied, Skandal macher und Sektierer"
nannte. Gewiss hat Finck mit seiner Begründung Recht, wenn er sagt, er habe so viele
von den tadelnden Kritiken der Zeitgenossen in sein Buch aufgenommen, weil es nur
gerecht sei, sich jetzt über jene lustig zu machen, die sich damals über Wagner lustig
zu machen suchten, und weil diese Kritiken wie guter Wein mit jedem Jahre köstlicher
werden. Der Humor kommt überhaupt bei Finck sehr oft zur Geltung, und das erhöht
den Wert seines Buches, dem trockene Nüchternheit ebenso geschadet bitte wie unab-
lissige begeisterte Bewunderung. Wer sich über den kleinen Druck, die alte Orthographie
und einzelne kleine Mingel der Obersetzung hinwegzusetzen vermag — und das ist ja
leicht — wird auch aus dieser Ausgabe Anregung und Belehrung, Stimmung und Freude
in Fülle schöpfen können.
MAX CHOP: Richard Wagners »Tristan und Isolde*. Geschichtlich, szenisch und
musikalisch analysiert. Verlag: Reclam, Leipzig.
Die vorliegende Einführung in Wagners »Tristan und Isolde* zerfillt naturgemiss
in drei Abteilungen. Die erste von diesen, »Die Vorgeschichte von ,Tristan und
Isolde'* betitelt, behandelt die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte von Wagners
Werk, wobei Wagners Beziehungen zu Mathilde Wesendonk gebührend berücksichtigt
werden und auch der »Tristan* des Gottfried von Strassburg einer knappen Inhalts-
wiedergabe gewürdigt wird. Im zweiten Abschnitt findet sich eine Szene für Szene fort-
schreitende Inhaltsangabe der Handlung von Wagners Werk — auch hier eine schöne
Unmittelbarkeit der Darstellung und eine Herzlichkeit der Sprache, die auch denjenigen,
dem damit nichts neues gesagt werden kann, fesseln oder doch erfreuen muss. Dass
der Literarhistoriker hier und da mit einer Kleinigkeit nicht einverstanden sein kann,
flUlt den grossen Vorzügen der Darstellung gegenüber nicht allzusehr ins Gewicht: so
wird z. B. auf S. 15 Gottfried »der rheinische Dichter* genannt, wihrend wir über seinen
wirklichen Wohnort so gut wie gar nichts überliefert haben, oder auf S. 30 dem Liebestrank
eine symbolische Bedeutung zugemessen, die er nach germanischer Vorstellung ebenso-
wenig besitzen kann wie der Vergessenheitstrank, den die Gibichungen dem Sigurd reichen
lassen. Der Hauptteil des Werkes ist das dritte Kapitel, das sich mit Wagners Musik
beschiftigt und nach einer dem Wesen des Musikdramas prichtig gerecht werdenden Ein-
leitung eine der Handlung schrittweise folgende motivische Erklirung enthilt Diese
Erklirung hilt auf das schönste die Mitte zwischen einer rein musikalischen und einer
rein isthetischen Analyse und verbindet die Psychologie in vollendeter Weise mit der
Erliuterung des musikalischen Ausdrucks. Man kann wohl sagen, dass schon dieser
letzte Abschnitt an und für sich' das Büchlein für den Laien ebensosehr wie für den
Wagnerkenner lesenswert mache. Dr. Egon v. Komorzynski
HUGO L. BRAUNE: Richard Wagners Bühnenwerke in Bildern dargestellt.
I. Tannhiuser. II. Tristan und Isolde. Verlag: Siegels Musikalienhandlung
(R. Linnemann), Leipzig 1906.
Richard Wagners Werke enthalten wundervolle Bilder, die auch dem Maler und
Zeichner reiche Anregung bieten. Lange Zeit mussten wir uns mit sehr minderwertigen
»Wagnergallerien* und »Wagnerwerken* begnügen. Auch die von Ludwig IL für seine
Schlösser befohlenen Bilder aus Wagners Dramen und ihren mittelalterlichen Quellen
sind ohne künstlerischen Wert. Erst seit kurzer Zeit ist ein Umschwung zum Besseren
erfolgt. Wirkliche Künstler modemer Richtung haben sich verstindnisvoU der schönen
42
DIE MUSIK V. 19.
Aufgabe angenommen. Allbekannt sind die stimmungsvollen Bilder von Hermann
Hendrich, die man gern in einer Sammelmappe vereinigt sehen wfirde. 1808 erschien
das «Rheingold* von Wilhelm Weimar (bei Georg Wigand in Leipzig). Dann sind die
bei Fischer und Franke erschienenen «Meistersinger" von Barlösius und «Tristan*- und
«Parsifal'-Blitter von Franz Stassen als hervorragende künstlerische Leistungen zu
rühmen. Auch Hans Thoma stellte sich mit seinen Figurinen zum «Ring% mit seinem
Wotanskopf und seiner Gralsburg in den Dienst der Wagnerschen Kunst.
Im neuesten Bilderwerk von Hugo L. Braune sollen sämtliche Dramen in
einzelnen Heften zu je 10 Blättern behandelt werden. «Tannhäuser* und «Tristan* liegen
bereits vor, der »Ring* wird bald folgen. Braune gibt keine Szenenbilder, vielmehr gestaltet
er in freier Weise seine eignen Eindrücke. Gerade in ihrer Selbständigkeit beruht der
Wert solcher Nachbildungen. Der «Tannhäuser* scheint mir besser gelungen als der «Tristan*,
der aber zum heurigen Festspiel besonders gelegen kommt. Im «Tannhäuser* ist nament-
lich die Landschaft sehr schön und stimmungsvoll. Der «Tristan* bietet nicht soviele dank-
bare äussere Umwelt, da die ganze Handlung nach innen verlegt ist. Es gilt also, die
Seele zu erfassen und ins Bild zu bannen. Dazu müssten die Personen bedeutender,
grösser, eigenartiger gehalten sein. Oberhaupt sollte der Künstler die einzelnen Helden-
bilder noch klarer und tiefer erschauen. Bisher ist mehr die Umgebung wirkungsvoll
dargestellt. Unter den Tristanblättern gelangen die Meerfahrt (1), der Liebestrank (4),
der Liebestraum (6), der sieche Tristan (9), Tristans und Isoldens Tod (10) für meine
Empfindung am besten. Hier waltet die rechte Stimmung im Ganzen und Einzelnen.
Sehr schön ist die sinnbildlich stilisierte Umrahmung der einzelnen Bilder, z. B. die
weissen Schwäne, die das Brautschiff umschweben, und die schwarzen Schwäne, die mit
Todesfittichen das letzte Bild beschatten. Die Bilder sind in verschiedenartigem leichten
Farbenton gehalten, aus dem die Zeichnung in feiner Abstufung hervortritt.
Der Ausstattung gebührt volles Lob. Diese Mappen besitzen, den übrigen Bilder-
werken gegenüber, den Vorzug der Billigkeit (3 Mark für das Heft), und werden darum
gewiss grosse Verbreitung finden. Jedes einzelne Drama erscheint für sich abgeschlossen ;
alle Hefte zusammen werden eine stileinheitliche Gesamtdarstellung ergeben, wie sie in
dieser Vollständigkeit und Reichhaltigkeit bisher noch nicht versucht wurde.
RICHARD STERNFELD: Richard Wagner und die Bayreuther Bühnenfest-
spiele. Bd. 1 und 2 (Deutsche Bücherei No. 47/8), Berlin 1906.
Gute Wagnerschriften sind überaus selten. Denn dazu gehören streng wissen-
schaftliche Kenntnisse, künstlerische Empfindung und klare Darstellung. Alle diese Eigen-
schaften besitzt Stemfeld. Darum ist er ein zuverlässiger Führer zum Gral. Die hier
vereinigten Aufsätze sind in verschiedenen Zeitschriften, teilweise auch in der «Musik*
bereits gedruckt. Aber man liest sie mit neuer Freude in bequemer Sammlung. Sie
sind ein trefflicher Beitrag zur Erkenntnis des Wagnerschen Gedankens. Die wohlfeilen
Bändchen sollten recht weit verbreitet, namentlich von allen Festspielbesuchem fleissig
gelesen werden. Nur sollten sie besser ausgestattet, namentlich auf besserem Papier
gedruckt sein, was wohl trotz des billigen Kaufpreises möglich gewesen wäre.
EIN BLICK IN DIE GEISTESWERKSTATT RICHARD WAGNERS. Von einem geist-
lichen Freunde des Meisters von Bayreuth. Berlin 1904, Nagel & DursthoflP.
Das kleine Büchlein enthält persönliche Erinnerungen des Verfassers, der im
Sommer 1865 kurze Zeit mit Wagner verkehrte. Der ungeheure Eindruck, den der Genius
auch auf Femstehende mit bezwingender Gewalt ausübte, wirkt in diesen anspruchs-
losen Blättern nach. Wagner war damals mit dem Parzival beschäftigt, dessen erster
43
NEUE WAGNER-LITERATUR
Entwurf aus dem April 1857 stammt, und der auf des Königs Wunsch im August 1865
wieder aufgenommen wurde.
Der Meister war in tiefernster Stimmung, ganz versunlcen in Betrachtung des Welt-
leides und des leidenden Heilands. Der geistliche Herr schreibt: »er hatte mir ein Rltsel
aufgegeben, denn dieser Seufzer des Daseins fing an, mich lebhaft zu beschäftigen, weil
ich sein EfgriflPensein, sein vollstXndiges Beherrschtsein von diesem Gedanken sah.*
«Es war der Parzivalgedanke, der sich des ganzen Wagner bemächtigt hatte, der sein
Wesen durchdrang, von dem er sich ergriflPen fQhlte.* „Wagner unterrichtete sich ein-
gehend fiber die geringsten Einzelheiten, fiber Sinn und Bedeutung der Zeremonien, über
den szenischen Aufbau der Messe. Wiederholt Hess er sich die Prftfationen vorsingen,
kurz es war, als ob er Messelesen lernen wollte. Besonders interessierte es ihn, den
Moment zu erfahren, in welchem man die Verwandlung sich vollziehend denke, und ft'agte,
ob den Gläubigen nicht ein ,Frissonnement', ein Schauderfrösteln, ergreife, wenn er vor
dem in Gott Umgewandelten stehe.* Ich glaube, damals gewann der «die Kristallschale
von oben erhellende Lichtstrahl" Gestalt und Leben, den wir bei der Gralsfeier im ersten
und dritten Aufzug als ergreifenden Höhepunkt vernehmen.
Ober Wagners Verhältnis zum König spricht der Verfasser S. 171?. Damals ent-
stand der Gedanke der Parzivalburg Neuschwanstein fiber der Schwanritterburg Hohen-
schwangau. Der König ward im vertrautesten Kreise Parzival genannt. Als der Meister
den »Parsilal* 1877 in der Dichtung vollendete, »wandelte der gekrönte Parzival immer
dunklere Bahnen, immer tiefer verlor er sich in die Irrgänge des dichten Forstes, in
dessen Mitte der Gralstempel steht, ohne ihn finden zu können."
Auch sonst bietet die kleine Schrift gute Beobachtungen, z. B. über Wagners viel-
besprochenes Mfinchener Heim: »alles, was ich sah, überstieg nicht im geringsten das,
was ein wohlhabendes Bürgerhaus sich ohne Bedenken gestattet. Das einzig Hervor-
stechende war der Eindruck, dass in Einrichtung und Ausstattung jedes einzelnen Raumes
eine zweckbewusste Wahl müsse massgebend gewesen sein. Gedämpfte Ruhe, vornehme
Einftchheit, solide Grundlage, Fehlen jedes Scheines und Flitters."
Der geistliche Verfasser weicht nirgends von dem ihm pflichtmässigen Standpunkte
ab, er beugt sich aber in Ehrfurcht vor der ernsten Grösse des Meisters. Und darum
ist uns sein Zeugnis besonders wertvoll.
ERNST MEINCK: Friedrich Hebbels und Richard Wagners Nibelungen-
Trilogieen. Ein kritischer Beitrag zur Geschichte der neueren Nibelungen-
dichtung (Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte, herausgegeben von Max
Koch und Gregor Sarrazin.' V. Band). Max Hesses Verlag, Leipzig 1005.
Ich habe Meincks Buch bereits in den »Studien zur vergleichenden Literatur-
geschichte" von M. Koch (Band VI S. 130if.) ausftihrlich angezeigt und kann hier nur
wiederholen, dass ich den Ansichten des Verfassers in der Hauptsache beistimme, aber
Hebbels Nibelungen viel schärfer verurteile. Ich halte Hebbels Drama für ein völlig
verfehltes Literaturprodukt, weil dem Autor jedes Verständnis für die Sagenüberlieferung
im Ganzen und im Nibelungenlied mangelt, weil seine Gestaltungskraft für diesen Stoff
gänzlich versagt und auch die Sprachform äusserst platt und roh, jedenfalls ganz und
gar stillos ist. Somit würde ich nimmermehr Wagner und Hebbel mit einander ver-
gleichen. Sie haben nichts miteinander gemein. Man suche andre Masstäbe für Hebbel,
am besten Ibsens «nordische Heerfahrt". Unsere Literarhistoriker gefallen sich ja immer
in Vergleichen zwischen Hebbel und Ibsen. Freilich besteht Hebbel dabei geradeso
schlecht, denn Ibsens Dramatisierung der Sigurdsage ist den unglücklichen Nibelungen
unendlich überlegen. Ibsen kennt die Sage sehr gründlich, gewinnt inneres Verhältnis
44
DIE MUSIK V. 19.
zu ihr und ist ein tiefBinniger, gestaltungsmichtiger und wirldlch schöpferischer Dichter,
der bei seiner Erneuerung keine widerwärtigen Geschmacldosigkeiten begeht.
RICHARD WAGNER TO MATHILDE WESENDONK. Translated, prefiiced etc. by
William Ashton Ellis. Verlag: H. Grevel, London 1905.
Die englische Bearbeitung der Wesendonkbriefe verdient auch bei uns ernstliche
Beachtung durch die ausgezeichnete Einleitung und die sehr vermehrten zum Teil vor-
trefflichen Anmerkungen. Die Einleitung gibt eine sehr gute Charakterschilderung von
Frau Minna, von Otto und Mathilde Wesendonk. Gerade die Schilderung von Frau
Minna, die auf Briefe und andere Urkunden sich gründet, ist zum Verstindnis vieler
Einzelheiten hochwichtig und durchaus wahrheitsgetreu. Aus sorgsam gesammelten
Briefstellen sucht Ellis femer so genau als nur irgend möglich den Verkehr Wagners
mit Wesendonks vom Januar 1852 bis zum Abschied aus Zürich festzustellen. Die kleinen
Zettel und Briefe 1—55 sind alle zeitlich geordnet und demnach anders gezihlt als in
der deutschen Ausgabe. Ellis erkannte, dass im Brief 61, der nicht in Urschrift, sondern
nur in Frau Wesendonks Abschrift erhalten war, Bruchstücke von zwei Briefen, einem
aus dem Dezember 1858 und vom 2. März 1859 vorliegen. Brief 111 und 112 wurden
mit Recht umgestellt. Die künftigen deutschen Ausgaben werden von den sicheren Er-
gebnissen der überaus gründlichen englischen Bearbeitung manchen Gewinn ziehen.
Einige Male schiesst freilich Ellis' Scharfsinn übers Ziel, z. B. wenn er (S. 9. Anmerkung^
die Tatsache bezweifelt, dass der Parzival im April 1857 aufgezeichnet wurde und dafür
einfach April 1858 ansetzt! Zur «Vorbemerkung der deutschen Ausgabe* trigt die eng-
lische Bearbeitung S. 373 nach: »So Mathilde's legacy has been fulflUed; the wish of
Richard Wagner also, — for the Originals exist no longer.*
ALICE LEIGHTON CLEATHER AND BASIL GRUMP: Tristan and Isolde, an Inter-
pretation embodying Wagner's own explanation. Verlag: Methuen, London 1905.
Das Buch sucht in ansprechender Weise zu einem tieferen Verstindnis des Tristan
anzuleiten, indem poetische und musikalische Erliuterung mit einander vereinigt sind.
Eine kurze allgemeine Einleitung bestimmt den Grundgedanken des Dramas als die Ver-
schmelzung des Liebes- und Todesverlangens, wodurch das Drama gänzlich von der
Weltanschauung der übrigen Tristangedichte sich absondert und vielmehr auf den Boden
der östlichen, indischen und persischen Philosophie und Dichtung tritt. Dann folgt eine
ausführliche Darstellung des motivischen Aufbaus, wobei soweit als nötig auch die
Partitur, nicht bloss der Auszug herangezogen wird. Sehr gut werden Wagners eigne
Aussprüche zur Erklärung herangezogen, um willkürliche Auslegung zu meiden (vgl. z. B»
S. 30 und S. 140 ff. über das Blickmotiv, dessen Bedeutung sich darnach bemisst, dass
Wagner aus dem Auge den Charakter herauslas). Die Anordnung des Buches dürfte
etwas besser sein. In Preface, Introduction und Appendix ist manches verzettelt, was zu
einer Geschichte des Tristandramas übersichtlich zusammengefasst werden konnte. Man
hat den Eindruck, dass zu dem Hauptstück der Erläuterung des Dramas einige Anmerkungen
flüchtig zusammengerafft wurden. Sehr irreführend ist auf S. 31 die Bezeichnung Markes
als vgood old king*.
E. MICHOTTE: Souvenirs personnels. La visite de R. Wagner ä Rossini
(Paris 1860). Details in^dits et commentaires. Verlag: Fischbacher, Paris 1906.
Nach den Konzerten im Januar und Februar 1860 besuchte Wagner den hoch-
betagten Rossini, der damals allverehrt in Paris weilte. Von der Presse waren angebliche
sarkastische Urteile Rossini's verbreitet worden. Die freundschaftliche Aussprache klärte
45
NEUE WAGNER-LITERATUR
darfiber auf, dass hier nur böswillige Erfindungen in Umlauf gesetzt worden waren.
Wagner gewann von Rossini den Eindruck des ersten wahrhaft grossen und verehrungs-
wfirdigen Menschen, der ihm bisher in der Pariser Kunstwelt begegnet war. Von diesem
Besuche wussten wir bisher aus Wagners Erinnerung an Rossini, die 1868 nieder-
geschrieben wurde und im 8. Band der Gesammelten Schriften abgedruckt ist (vgl. dazu
Glasenapp II, 2 S. 245/7). Michotte wohnte dieser Unterredung bei und machte sich aus-
f&hrliche Notizen, die er nun veröffentlicht. Der Gedankengang, ja der Wortlaut des
Gespriches ist genau aufgezeichnet Zuerst führt Rossini das Wort und erzählt von
seinem VerhUtnis zur deutschen Musik, insbesondere von einem Besuch t>ei Beethoven.
Hernach sucht Wagner in kurzen Sitzen die Grundzfige des musikalischen Dramas zu-
sammenzudringen. Geschickt und taktvoll passt er sich dem Verstindnis seines Zu-
hörers an und setzt ihm auseinander, worin seine kfinstlerischen Absichten von den
Gewohnheiten der Oper abwichen.
Wir sind Michotte dankbar, dass er diese Aufzeichnungen von 1860 jetzt allgemein
zuginglich machte. Wenn sie auch inhaltlich nichts neues bringen, so bieten sie doch
das an und f&r sich sehr wertvolle Zeugnis der unmittelbaren Wiedergabe eines Ge-
spriches Richard Wagners. Neben den Briefen sind die Gespriche die ursprünglichste
und lebendigste Quelle zur Kenntnis eines grossen Mannes. Aber die Aufzeichnung
mnss sofort unter frischem Eindruck und streng sachlich erfolgt sein. Das trifft hier zu.
Prof. Dr. W. Golther
RICHARD FRICKE: Bayreuth vor dreissig Jahren. Erinnerungen an Wahnfried
und aus dem Festspielhause. Verlag: Richard Bertling, Dresden 1906.
Wohl nur einem kleinen Teil derer, die Richard Wagners gigantisches Nibe-
lungenwerk 1876 in Bayreuth bei seiner Erstaufführung selbst miterlebten, wird es
noch vergönnt sein, jetzt nach Verlauf von drei Dezennien zu den diesjihrigen Fest-
spielen wieder seinen Weg zu lenken, und so mancher der damals an der Ausführung
des Werkes Mitschaffenden ist inzwischen auch in das Jenseits hinübergegangen. Viele
aber gibt es, die auf die bedeutsamen Tage jener Zeit noch zurückdenken können, und
diesen sowohl wie der ganzen grossen Wagoergemeiode von heute wird es von Interesse
sein, Aufzeichnungen kennen zu lernen, die damals frisch und warm unter dem Eindruck
des soeben Erlebten tiglich zu Papier gebracht wurden. Diese Aufzeichnungen erschienen
soeben im Druck in Buchform unter dem Titel: „Bayreuth vor 30 Jahren", herausgegeben
aus dem Nachlasse des herzoglichen Balletmeisters Richard Fricke in Dessau. Fricke,
der vor wenigen Jahren verstorbene 85jihrige, eine der populiren Figuren innerhalb der
deutschen Künstlerwelt wihrend einer Reihe von Jahrzehnten, war einer der treuesten
Helfer Richard Wagners bei der Inszenierung und Erstaufführung des »Ring des Nibelungen*.
Seine Bayreuther Eindrücke und Erlebnisse, die er in einem Tagebuche hinterliess, werden
hier nach dem Manuskript der Öffentlichkeit übergeben. Die originelle und humorvolle
Art Frickes lisst ihn seine Erinnerungen ebenso packend lebhaft, als getreu in allen
Einzelheiten wiedergeben, und plastisch tritt dem Leser vor Augen, wie sich um den
Meister mit seinem Stabe 1876 in Bayreuth die Hochflut der Arbeit einerseits, anderer-
seits aber auch die Künstlergeselligkeit dort abspielte, bis der Augenblick kam, wo das
mit Spannung erwartete Ereignis eine Tatsache geworden. Alle Zeitgenossen und Mit-
arbeiter am Werke werden an diesen Erinnerungen Frickes ihre helle Freude haben, und
für die Charakteristik und Person Wagners bilden sie einen neuen interessanten und
wertvollen Beitrag. Ausser einem Bilde Frickes und vier faksimilierten Widmungen von
Wagners Hand sind dem Buche zehn an Fricke gerichtete und bisher noch ungedruckte
Briefe Wagners beigefügt. Richard Wanderer
HANS VON WOLZOGEN: Richard Tagoer. — 27. Blndcbea der von Paul Reraer
herauBfegebcDen MonograpbJeensitntnlDnc Die Dichtung. Verlag: Schnater
& Loeirier, Berlin nnd Leipzig 1905.
Der Name dei Amors bfirgt fQr die GGte der kleinen Monographie. Hana Ton
Tolzogen stellt als Schrihsteller eine ao eigenartige Mischnng von obfektlver Tahr>
haftlgkeit und aubjektlver Begeisterung vor, daas, wer Ihn kennt, aelne Schriften auch
ungenannt als die aeinigen bestimmt herausfinden oder vielmehr heranafGhlen kSnnie.
Woliogen Ist ein feat In sich abgeachlossner Charakter mit ausgetprocfaener (Bapreulher)
Weltanschauiing und klarem Zlelbewnsatseln, ein Kimpfbr mit unerschrockenem Male,
aber versShnllchem Henen, ein deutscher Mann, der mit blankem Schilde und edlen
TalFen frei und kühn für den Idealismus und fQr die aua diesem geborene Kunst streitet
Fflgt man noch hinzu, daia er schon In jungen Jahren von Wagner aelbat nach Barrenth
berufen wurde und faat ao lange es Bayrenther Festspiele gibt, au den Intimen des
Hanaes Tahnfried gehOrt, so wird wohl ein Jeder davon Oberzeugt sein, daaa man kaum
einem Besseren die An^be, Richard Tagner als Dichter zu behandeln, anvertrauen
konnte als gerade Ihm. Die Oberzeugnng, dass der Bayreuther Melater ein dramallscber
Dichter allerersten Ranges war, bat sich noch viel zu wenig Bahn gebrochen — dank
onsem tintekiesenden saecallsl — und es ist daher sehr verdlenatllcb, dleae Tatsache
BDch einmal der groaseo Menge, so weit sie sich gebildet nennt, zu beweisen. Spitere
Generationen werden allerdings nicht mehr bezweifeln, dass Richard Tagner für die
germaniache Kultur eine ebenso grosie geistige Macht bedeutet wie Homer einst für die
griechische, dais er als Dramatiker Shakespeare ebenbürtig Ist und das von Goethe und
Schiller ersehnte und versuchte deutsche Idealdrama mit Vollendung krOnte: für die
grosse Masse Ist er aber heute noch Immer nichts als ein bedeutender Opern komponlstl
Dass derartige achiefe Analcbieo nicht ewig beatehen bleiben, dafür aorgen solche aua-
geieichneten B&cher wie da« vorliegende In vorzfigllcber Telae. Tir raten daher allen
Leaem dringend, die kleine Ausgabe nicht zu scheuen und das Buch sich xu kaufen,
und wollen hier nur noch die Oberachriften der einzelnen Kapitel anfOhrea. Sie Unten;
^Der Dichter dea mualkallachen Dramas", .Der ,Verdichler' des Stoffes', .Der Dichter
der Sphiren', .Der Dichter des Geheimnisvollen*, .Der Dichter der Gestalten", .Der
Dichter der Bilder*, .Der Dichter der Charaktere", .Der Dichter der Form".
Kart Mey
^ "' ' R'i» dritten Male — aictast Buel tmd Frankrurt -- hatte Icta Gelefenbell,
A der jlbrlichea Heerachau dea LIazi aeine Gr&adunf Terdankeaden
"1 I Zentral Organa der leltgenAaalacben deutachen Tonknnat anzuwohnen. Ich
2J velas nicht, ob Ich der einzige geweaes bin, der etwaa herabgeailmmt
V die dleallhrlge FeatatadI Eiaeo verluien hat; mochte, wai dai Auaier-
llcbe bctrilfi, der etwas politelrerleroiiailge PrlludiumatoD des Geschlfiibureaui auch
durch die sonatige LlebenawGrdlgkelt des gaatgebenden Ortea weit gemacht worden
■ein, BO war doch die Istbetlache Anaheute der Tage keine solche, «n der das Heu
— und dieses, nicht der kühle Verstand soll doch wohl das Hauptorgan des Kana^
empSodens sein — sich bitte laben kSnnen, von der eine frohe Erioncning dem
Heimkehrenden nachklingen mochte. ,Du holde Kunsf — was lat aus dir ge-
wordenl „Heiter", so verlangte dich ein Scblller, der groaae Tragfide; dies
Tort, das dem ,ErBat" and der aSireoge" des Kunitbakulus von heute ein solcher
Greuel Ist, mSchte Ich efomsl, wie ich glaube, nicht wider den Sinn aelnes Urhebers,
mit .erhellend', .aurklirend" Interpretieren. Eine Leuchte aoll der Kflnatler sein,
deren Strahlen uns sein und unser eigenes Innere mit seinen HBben und Tiefen,
seinen Blumentrirten und nsckten Gesteinen durchglfitaen und erscfaliessen. Tamm
aber wirkt das Licht der Heutigen Dur lu oft wie ein flackerndes Irrlicht, das für den
Augenblick blenden kann, lulettt aber doch nur den Sumpf beleuchtet, dem es ent-
quollen? Vor allem, meinem Gefühle nach, deshalb, well der Kunst und Ihren Jflogem
gar zu sehr der Zusammenbang mit dem wahren Fühlen und Sinnen, dem Suchen
und Sebnen dea beaseren, nicht nur des paranoiachen Teiles der Mitwelt verloren
gegangen Ist, und sie sich statt dessen der Spielerei mit technischen Problemen,
Künsten und Reizen überantwortet bat, die beatenrails die Sinne kitzeln, nie aber die
Seele mit jenem .urkrlAigen BetaBgen' erfüllen kSnnen, daa als atlrkendea und er-
hebendes Elixier Ibr, die müden Schwingen belebend, eininflSsaen der Kunst eigenstes
und hehrstes Ziel ist. Es ist ja derselbe Zug, der such die ScbweaierkGnste nieder-
drückt, der die Trostlosigkeiten eines Hauptmann, Strlndberg, Heyermans erieugtf
der nnaere Bildhauer Impotent macht, einen jungen Goethe darzuaiellen, der einen
Liebermann mit seinem bifiden Wahlspruch .l'srt pour l'art" lu dem ebenso freveln
wie anmessenden Tort begelstlosen konnte: .in der Kunst lat die Form allea, der
Inhalt nichtsi' Tebe der Nation, deren geistige Nahrung nach diesem Rezept lu-
bereltet wird! Und Fluch denen, die ea zulassen, dass aolche Grundsitie, gleich den
■) Obwohl vir dem Verfsaser nicht in alten Punkten beipBIchten kSnnen, so
hallen vir es doch für angemeaaen, getreu unaerer Devlae: Frelea Tort jeder Partei^
die Beaprecbung elnea modernen Musikfestes auch einmal von diesem subjektiven
Geeichtspankt aus erSrtert in sehen. Redaktion der BMusIk"
48
DIE MUSIK V. 10.
Gewohnheiten der Nahrungsmittelfilschery durch stete, unwidersprochene Wieder-
holung vor der Öffentlichkeit, sUmlblich das Odium ihrer Verlogenheit einbfissen
und jene unglaubliche Verwirrung im allgemeinen Kunsturteil anrichten können, wie
wir sie heute beobachten. Ich kann der sogenannten ,pFachkritik" den Vorwurf nicht
ersparen, dass ihre Vertreter, vielleicht ohne es zu wissen, viel zu sehr nach der
Tabulatur einer gewissen Richtung beckmessern und in ganz einseitiger Berfick-
sichtigung und Würdigung rein technischer Gesichtspunkte im Begriff sind, selbst
gerade in das Zunftregeltum zu versinken, das sie theoretisch zu perhorreszieren sich
den Anschein geben. Lesen Sie einmal Wagners Meistersingertext im Hinblick auf
solche Gedanken, meine Herren, beachten Sie die köstlichen Worte, die Meister Sachs
über Kunst und Volk zum besten gibt, und prüfen Sie dann, inwieweit Sie der Grösse
gerade dieser AufAMsung stets gerecht geworden sind, und nicht vielmehr bald den
Stolzingschen Oberschwang, bald die in Mode befindlichen Regeln (welche das sind,
ist ja wohl gleichgültig) als das einzig wahre gepriesen heben. Man möge es mir
nicht verübeln, wenn ich als Kunstfreund es als einen Vorzug betrachte, ausser einer
leidlichen musikalischen Bildung noch einen anderen Beruf zu pflegen, der wie
vielleicht kein zweiter dazu helfen kann, die Elemente der Musik sowohl wie ihre
physiologischen und geistigen Wirkungen auf den Einzelnen wie auf die Masse zu
studieren und abzuwigen. Die Kunstkritik wird nur dann ihre eminent kulturwichtige
Aufgabe ganz erfüllen können, wenn sie neben denen, die als reine Fachleute das
Technische in seinen Feinheiten verfolgen mögen, auch über recht viele solcher Krifte
verfügt, denen die Stellung im Leben den vielleicht weniger tiefgehenden, aber dafür
mit weiterem Horizont begabten Blick für die grossen allgemeinen Ziele der Kunst
geschärft hat, einer Kunst, die als vornehmstes Erziehungsmittel, als Schönheits-
religion mehr sein soll als Artistik, als Problemspielerei, als Ateliervergnügen. Wer
etwa solche MusikverstSndige aus der Kunstkritik als »Dilettanten* verbannen will,
da sie weder Klavierstunden geben noch Takt schlagen und die Kunst nicht als
die milchende Kuh, sondern als die hohe heilige Göttin betrachten, den brauche ich
wohl nur an das Institut der Schwurgerichte zu erinnern, wo sogar rechtsunkundige
Laien an der Schaffung des Urteils mitwirken. Jeder nichts-als-Berufsmensch ver-
engert seinen Horizont, und in der Kunst wie in der Wissenschaft haben recht oft
die Outsider die Welt mit neuen Gedenken bereichert. Drum möge man überall
mehr auf die Stimme der kunstsinnigen Gebildeten achten, die das Verhlltnis
zwischen Kunst und Volk besser wlgen können, als einige vorlaute Jünglioge, denen
der Himmel vielleicht ein Fachtalentchen, aber sonst nichts, bescheert, und die sich
im gegenseitigen Begackern ihrer Eier überbieten: es stinde alsdann wahrlich besser
um die echte Kunst. Man verzeihe die scheinbare Abschweifung dieser Aus-
führungen: aber angesichts des ganzen Tuns und Treibens auf dem Kunstmarkt von
heute erscheint es gerade bei solchen Gelegenheiten wahrlich nicht überflüssig, auch
von etwas höherer Warte die Art des Gebotenen und seiner Aufnahme einmal zu be-
trachten. Nur Toren werden meinen Worten nichts als öden Konservativismus
entnehmen. Im Gegenteil — unsere Zeit, unser Empflnden, das in so bedeutsamen
Wandlungen begriffen ist, bedarf des Neuen, diesem Wandel folgenden, oder auch
ihm voraufgebenden; aber nur der umfassende Geist, der der strebenden Menschheit
dienen und leuchten will und nicht den Scbrullen eines artistischen Krimskrams und
eines dekadenten Snobismus, nicht der blosse Kult der Form oder auch der
Formlosigkeit, des iusserlichen Raffinements und der Sinnenreizuog oder -bedubung
wird bleibende Werte schaffen, die als Marksteine der Entwickelung, die Formen
durch den Inhalt adelnd, Kulturaufgaben erfüllen und in Ewigkeiten dauern werden.
40
ALTMANN: TONKONSTLERFEST IN ESSEN
Wer von diesen Gesichtspunkten beseelt die Orchesterdarbietungen der Essener
Tage aufnahm, der vermochte in ihnen die Elemente solcher Grösse nicht zu ent-
decken. Einen recht Qbeln Eindruck musste schon das Süssere Arrangement der beiden
Abende machen: im ersten bis zu fast 6 stundiger Dauer alle sonstigen Werke stillos
hineingeschachtelt — um den zweiten, 1 Vt stundigen, frei zu haben ffir den «Heroen*
der modernen Symphonik, Gustav Mab 1er und seine VI. Symphonie. Wenn
das kein Personenkultus ist, so weiss ich wahrlich nicht, was man so nennen soll.
Dass der Direktor der Wiener Hofoper, dem so ziemlich alle Konzertsäle der Welt
heute zu jedem neuen Werke offen stehen, der besonderen Förderung durch den
Verein nach Sinn und Wortlaut der Satzungen bedarf, das werden ausser dem Vor-
stand nicht eben sehr viele Mitglieder als Notwendigkeit empfunden haben. Ich habe
jetzt 4 der Mahlerschen Riesenwerke gehört, und meine Bewunderung vor ihnen, die
nach der c-moll recht erheblich war, ist gradatim, gleich dem inneren Wert dieser
Werke, gesunken. Es gibt Menschen, deren mit breiter Eloquenz, mit technischer
Gewandtheit vorgetragenen Ansichten man einen Abend hindurch mit Vergnügen
lauscht; kommen diese Leute aber immer wieder mit derselben Weisheit, nur in immer
auf- und vordringlicherer Form, mit immer grösserem Aplomb und Selbstgefilligkeit,
mit immer lauterem Vortrag ihrer Gemeinplätze, so fühlt man sich schliesslich an-
gewidert und geht ihnen aus dem Wege. In dieser Lage befinde ich mich allmählich
Mahler gegenüber. Was er zu sagen hat, ist im Grunde genommen immer dasselbe,
wie er es aber sagt, das wird immer unausstehlicher. Er kennt nur noch die Blech-
sprache; er redet nicht mit uns — er brüllt und tobt uns an, und verwundert
fragt man: Wozu der Lärm? Es gelingt ihm nicht, uns von der inneren Not-
wendigkeit des von ihm Gesagten zu überzeugen, vor allem wegen der ungeschlachten
Masslosigkeit seiner Gebilde. Goethe sagt: »In der Beschränkung zeigt sich erst der
Meister*, Mahler sagt (oder tut) das Gegenteil, — ich für mein Teil halte es mit Goethe.
Zunächst ergibt wieder die Analyse der Mahlerschen Riesenthemen, dass sie entweder
völlig nichtssagend oder aber aus Elementen fremder Autoren zusammengesetzt sind,
mit Umbiegung einiger Töne, geschickter Verschmelzung und Unkenntlichmachung,
Umrhythmisierung usw. — aber ihr Kern ist das Nachempfundene: Kapellmeistermusik.
Sodann aber hat man die Empfindung: solche prägnanz- und formlose Themen von
40—60 Takten kann man ad libitum fabrizieren, wenn man Lust dazu hat, und ebenso
ist der Aufbau der ganzen Sätze vielmehr ein Nebeneinander-, als ein Ineinander-
arbeiten, ein organisches, logisches Gliedern. Es ist Kilometermusik, und die
ganze Art der Mache, insbesondere den fürchterlichen Aufwand an Mitteln, möchte
ich als Amerikanismus bezeichnen, als die Kunst der «unbegrenzten Möglich-
keiten*. Am originellsten ist Mahler im derbkomischen, grotesken, sowie im
Tanzrhythmus, wie er sich im Scherzo der Symphonie zeigt, das such orchestral
der interessanteste, pikanteste Satz des ganzen Werkes ist. Ich fand darin meine
früheren Eindrücke bestätigt, dass Mahler eigentlich das Herz eines biederen
Wiener Operettenkomponisten hat, und dass er auf diesem Gebiete vielleicht sehr
Hübsches, Eigenes und vor allem Liebenswürdiges hätte schaffen können. So
aber plagte ihn der Grössenteufel, dem seine in der Tat erstaunliche Kombinations-
und Assimilierungsgabe zu Hülfe kam und zwang ihn, pathetisch zu werden, da-
zwischen wohl auch süsslich sentimental, wie in dem bis auf einige Lichtpunkte
recht Übeln Adagio. Dazu hilft dann aber nur die Anleihe, die zu verschleiern der
Autor allerdings gewindt genug ist, die aber, in Ermangelung des inneren Wertes,
mit allen Effektmitteln des Orchesters, vor allem mit den lärmendsten Instrumenten,
unterstrichen werden muss, um zu wirken — gewiss kein Zeichen ihres inneren
V. 19. 4
50
DIE MUSIK V. 19.
Vertes — wie es Menschen gibt, die ihren Ansichten dadurch eine grössere Richtig-
keit zu vindizieren glauben, dass sie sie mit Stentorstimme vortragen. In diesem
Grobschmieds-Stil ist der erste Satz, ein recht gewöhnlich klingender langathmiger
Marsch, und vor allem das gigantenhaft-ungeschlachte Finale geraten, das Irgste
Lflrmstück, das ich noch gehört zu haben mich entsinnen kann, und dessen stellen-
weise vielleicht mit Kunst aufgebaute Organisierung durch das völlig masslose Blech-
werk zur Unkenntlichkeit entstellt wird. Es ist physiologisch unmöglich, aus dieser
Hlufiing anhaltender schreiender Effekte noch etwas wie musikalische Linien oder
Formen herauszuhören, und die Anmaasung, die in dieser Art von Tonsprache steckt,
kann auf jeden feiner Besaiteten nur noch einen abstossenden Eindruck machen.
Dass man in der Stadt der Dampfhämmer nicht so zart konstruiert ist, bewies der
Applaus, in den sich bei der Generalprobe allerdings energisches Zischen mischte.
Die übrigen Orchesterwerke, die der erste Abend brachte, litten zum Teil an
allzu grosser Einförmigkeit bzw. Ähnlichkeit; es sind, wie schon angedeutet, die gleich-
artigen Frfichte des neudeutschen programmatischen Leitmotivstils, die sich im Grunde
genommen — sogar bis auf die unvermeidlichen Violinsoli — gleichen wie ein
Straussenei dem andern. Ein Eingehen auf die Einzelheiten des Aufbaus dieser Werke
erübrigt sich nach den in Heft V, 16 der «Musik* gegebenen Erliuterungen. So seien hier
nur einige flüchtige Eindrücke, wie sie ein einmaliges Hören gestattet, kurz skizziert.
Rudolf Siegels i»Heroische Tondichtung**, mit ihren drei ,»Zusammenbrüchen*, steht
stark unter dem Götterdimmerungseinfluss, enthftlt manche wohlklingenden Momente, aber
wenig Eigenes. Zu Otto Neitzels stellenweise merkwürdig »leer* anmutendem »Das
Leben ein Traum* mit seinen absonderlichen Violinfiguren über ebenso absonderlichen
Orchesterakzenten habe ich keine rechte Stellung finden können, zumal da ich mir
nicht klar bin, ob der geistvolle Kritiker der »Kölnischen* sich damit nicht vielleicht
einen kleinen Scherz auf die Programmusik hat machen wollen, wie auch die »Er-
liuterungen* dazu beinahe vermuten lassen. »Dem Schmerze sein Recht* besingt
Richard Mors, in einer Weise jedoch, die mir den Eindruck erweckte, als ob eigentlich
dem sympathischen jungen Komponisten das Gebiet des Freundlichen näher läge.
Aber wer »Der Freude ihr Recht* gäbe, der würde ja wohl von dem Pamass der
»Neuesten* auch den »Niedersturz* oder »Zusammenbruch* erleben. Das bewies in-
direkt die Aufnahme des Frederik Delius'schen »Meeresireibens* ins Programm, eines
Werkes von einer so niederziehenden Trostlosigkeit, wie ich noch Weniges gehört.
Man hat fortgesetzt das Gefühl, als habe der Tonsetzer neben die natürliche Harmonik
komponiert; gewisse stets wiederkehrende disharmonische Fortschreitungen (Sekunden,
Septimen usw.) bringen geradezu qualvolle Eindrücke hervor, die der stark rhap-
sodische Text durchaus nicht rechtfertigt. Was frommt denn alle Kunst, die auf
solch ein Stück verwandt ist, wenn ihre Wirkung eine solche Verelendung ist?
Nichtsdestoweniger bin ich überzeugt, dass eine Reihe prinzipientreuer Dirigenten
diese Seeschlange im nächsten Winter sich nicht werden entgehen lassen, und dass
ein »wohlerzogenes* Publikum seiner Genugtuung, dass sogar so ein Stück ein Ende
hat, alsdann den entsprechenden »handgreiflichen* Ausdruck geben wird. Züge,
die ein entwicklungsfähiges Talent verraten, wies eine E-Dur Symphonie von Hermann
Bischoff in nicht geringem Grade auf. Ihr Programm und zum Teil auch seine
Durchführung lehnt sich stark an Berlioz' phantastische Symphonie, sowie an gewisse
moderne Vorbilder an; die Musik enthält noch, ich möchte sagen, zuviel Zuniliges,
Nebensächliches, Ungereiftes, um gross und klar wirken zu können. Oberhaupt wird
mit den kontrapunktischen Finessen zuviel als Selbstzweck gearbeitet. Man werde
sich doch einmal klar darüber, dass das Verfolgen von mehr als 2 selbständigen
51
ALTMANN: TONKÜNSTLERFEST IN ESSEN
Motivlinien bereits f&r den exquisit Musilcslischen fsst so ziemlich unmöglich ist;
msn beschneide solch sllzu üppig wucherndes Rankenwerk, und msn wird einheit-
lichere und packendere Wirkungen erzielen. Dasselbe gilt auch von der Szene aus dem
Mlrchenspiel «Faladt*' von Walter Braun fei s, über die nlher zu berichten bei ein-
maligem Hören des aus dem Zusammenhang gerissenen Stückes kaum möglich ist
Wie endlich Engelbert Humperdincks freundliche, wenn auch nicht vielsagende
Gelegenheitskomposition zur silbernen Kaiserhochzeit in das Programm geraten war,
ist nicht ganz verstindlich.
Die Ausführung der Werke, teils unter dem vortrefflichen Essener Dirigenten
Professor Witte, teils unter den Komponisten selbst, Hess kaum etwas zu wünschen
übrig. Dank der guten Leistungen des Orchesters und der Solisten: Kosm an -Essen
(Violine), Loritz-München (ein musikalisch wie stimmlich gleich trefflicher, umfang-
reicher Bariton), Frau Drill-Orridge (Wien), Reinhold Batz und Eva Lessmann.
Etwas ergiebiger war die Ausbeute der beiden Kammermusikabende. Am
ersten war das Klavier-Quintett des begabten Deutschrussen Paul Juon wohl die ge-
filligste Gabe; dss Heinrich Zolin er'sche halb Programm-, halb nicht-Programmusik
darstellende Streichquartett weckte gemischtere Gefühle. Henri M arte au ist ent-
schieden ein besserer Geiger als Komponist; in seinen 8 Liebesliedem für Sopran mit
Streichquartett kommt er über gewisse lusserliche Effekte nicht hinaus. Der Glanzpunkt
des zweiten Abends, vielleicht des ganzen Festes, war das Hans Pfi tzner'sche Klaviertrio
op. 8, vom Komponisten mit den Münchnern Kilian und Kiefer prlchtig vorgetragen;
namentlich das herrliche, nur etwas zu lang geratene, Adagio zeigte die Begabung
des hoffentlich aus dem Vaterland der Schrullen immer mehr dem Wege edler
Kunst folgenden Komponisten. Gerade darin liegt meines ' Erachtens die Haupt-
gefahr der von mir eingangs geschilderten Richtung in den »massgebenden* Künstler-
und Kritikerkreisen, dass die Talente, die im Grunde das Bestreben bitten, in die
Atmosphire keuscher, reiner und klarer Kunst hineinzuwachsen, durch den Hohn und
die Hetze, die auf alles, nicht der Moderichtung Folgende eröffnet wird, abgeschreckt,
und mit Gewalt auf die Bahn des Perversen und Abstossenden, das ja nach der
Meinung mancher Leute das einzig «würdige* Gebiet der »modernen* Kunst ist, ge-
stossen werden. Recht beweisend für diese Anschauungen, die von allen wahren
Kunstfreunden nicht scharf genug bekämpft werden können, war die Art, wie einige
solcher Ultras sofort bereit waren, ein wahrhaft vornehmes und gediegenes Quartett
von Hugo Kann als »Nachtwichtermusik* zu verdammen. Das Publikum hatte aber
in diesem Falle den besseren Instinkt und zeichnete das klangschöne Werk mit
ostentativem Beifall aus, dessen von Herzen-Kommen so recht gegen den zaudernden
Achtungserfolg anderer Stücke abstiess. Zu diesen gehörte z. B. ein Klavierquintett
von Bruno Walter, ein geradezu kllgliches Werk, in dem nicht einmal die klang-
lichen Wirkungen der Instrumente ausgenutzt werden und das mit seinen dürren,
klapprigen Motiven den Eindruck eines musikalischen Skelets machte. Freundlich,
wenn auch nicht tief, mutete ein Liedercyklus »Letztes Blühen*^ von Hans Sommer
an: auch hier aber sofort die Neigung der Unentwegten, den sympathischen Tonsetzer
ob seines Mangels an Kakophonie zu verdammen.
So war das Gesamtbild des Festes kein durchweg befriedigendes. Sehr zu
wünschen wire es, wenn namentlich die Orchesterkonzerte ein nicht gar so einseitig
gefärbtes Bild von dem musikalischen Wirken der Gegenwart bieten würden. Noch
wird es wohl neben Program msymphonikem und den Clich^künstlern der Ton-
malerei mit ihrem Wechsel zwischen ungestümem Toben und hoffnungsloser Lang-
weiligkeit (zu deutsch »Stimmung*), neben Realisten musikalischen Schaffens auch
4»
■ DIE MUSIK V. 19. 2
Gflliter ublicbierea, voraebman Cbar>ktera (eben, die, obne deibalb unmodern tu
sein, dat Hell der Kumt In der EntwlcklunK, alcbt im Umstun seben. Solche Talente
Kleicbfalla in Rirdem vire schllessllcb ein edieret Ziel für den Allgemeinen Dentichen
Mailkverein I
Von der Hauptreraammlung ist nicht viel beaonderea zu bericbten. Ala
nicbater Featort vurde Dreaden In Ausalcbt (enommen. Paul Maraop ritt eine
kfibne Attacke gegen dat Mnalkagententum, die zvar nocb keine poaltire TIrknog zeitigte,
ale aber in dleaem Milieu aucb wohl nicht haben wird. Ob ea den Bemühungen selbst-
loaer Hethr gelingen wird, den Kfinstlerstsad aus seiner freigewihlten Sklaverei tu
befreien und zum eigenen Herrn aeinea materiellen Tohla zu machen, d>a scheint mir
noch sehr iwelfelhaft, namentlicb Im Hinblick auf daa Verhalten der .Sterne", die als
hors concoura aich feder Klaaaiflzierang wohl widersetzen, und ebenso wie die u^er-
kannten Genies" oder die der .krummen Wege" Bedürftigen der allgemeinen, not-
wendigen Rangordnung sich nicht unterwerften werden. Denn wie iwi den Kompanlalen,
so gilt auch bei den Auaübenden daa Gesetz, dasi, wer am Reklame-Amerikanismus
geleckt hat, für die Regungen des deutschen Gemütes, für daa poetische, Intime
EmpBaden In der Kunst abgestorben ist, sn dessen System atiacher ErtStung wir ja
konientrlscta alle diejenigen arbeiten sehen, denen der deutsche Idealismus ein Greuel
Ist. Darum krilchien auch in der Mnalk die Raben lauter, denn die Nachtigallen
achlagen, und der blaue Lappen, nicht die blaue Blume ist so vielfach das Symbol des
Kunatstrebena von beute.
BAYREUTHER BLÄTTER 19O6, 4.-6. Stück. — George Wrassiwtnopulos-
Brasctaowanoff bringt den Scbluss seiner Arbeit über »Richard Wagner und die
Antike*. Verfasser hat sich bemüht, seine Aufgabe möglichst objektiv zu lösen
und im Spiegel der eigenen schriftstellerischen Äusserungen Wagners auf Grund
seiner Natur-, Welt- und Kunstanschauung dem Leser Wagner durch Wagner zu
erküren. Aus seinen Betrachtungen geht klar die Tatsache hervor, dass 1, Wagner
in seinem inneren Leben und künstlerischen Schaffen von zwei Grundprinzipien
geleitet wird: das eine ist das Natürliche, das andere das Ethische". — Einen
hübschen Artikel veröffentlicht Bernhard Hoff mann: „Die Waldvögel-Motive in
Wagners ,Siegfried^* Da Wagner die grössten Künstler des Vogelgesanges oft be-
lauscht hat, erscheint es ausgeschlossen, dass er im «Waldweben* den Gesang der
Vögel, die seinem Herzen so nahe standen, missachtet und «die musikalische Dar-
stellung des Waldwebens gleichsam über ihre stimmbegabten und liederfrohen
Kehlchen hinwegkomponiert hat.* Allerdings war er genötigt, die Vogelstimmen
zu »idealisieren*. Der vierte Waldvogel — der »selt'ne Naturvogel* — ist den
Stimmen zweier verschiedener Vögel nachgeahmt und zwar wohl besonders der
der Amsel und daneben derjenigen der Nachtigall. Interessant ist die Tatsache,
dass alle die in Betracht kommenden Vogelarten »in der Nihe von Dresden,
Wagners langjlhrigem Aufenthalt, zu den hiuflgsten Vertretern der Waldsinger
gehören.*
NEUE MUSIKALISCHE PRESSE (Wien) 1906, No. 7—10. — Max Arend be-
leuchtet die »Aufgabe der musikalischen Kritik unserer Zeit Gluck gegenüber*. —
Franz Dubitzky würdigt eingehend das Lebenswerk Wilhelm Tapperts: seine
tausendjährige Entwicklungsgeschichte der musikalischen Zeichenschrift (000 bis
1000). — Anton Krtsmäry widmet .Gustav Schoenaich* ein pietitvolles Gedenk-
blatt. — Ober i»Max Reger* schreibt Ferd. Seh erb er. Verfasser hilt das Publikum
für den hohen technischen Stand der gegenwärtigen Tonkunst viel zu wenig
musikalisch gebildet, findet aber doch den oft verwirrenden Eindruck, den Regers
Kompositionen auf Fremde machen, begreiflich.
MONATSSCHRIFT FÜR SCHULGESANG (Essen a/R.) 1006, Heft 1 u.2.— Eine
neue Zeitschrift, die den Interessen des Schulgesanges an höheren und niederen
Schulen dienen soll. Sie macht es sich in erster Linie zur Aufgabe, den Vernach-
lässigungen der Jetztzeit in der musikalischen Einwirkung auf das Gemüt des Kindes
entgegenzuwirken und dem verhängnisvollen Vordringen der materialistischen Zeit-
strömung mit ihren Utilitätsprinzipien entgegenzutreten. Aus dem Aufsatzteil seien
erwähnt: Ernst Paul: »Ästhetische Erziehung durch Schulgesang.* — Alexis
Holländer: „Ober den Gesangsunterricht an höheren Mädchenschulen.*
GIESSENER ANZEIGER 19O6, No. 60. — .Heinrich Heine, der Lieblingsdichter der
deutschen Komponisten* betitelt sich eine statistische Plauderei von Ernst
C ballier sen. Heine ist nicht nur der vielgesungenste, sondern auch der am
meisten vertonte Dichter. 246 Dichtungen Heines sind 4069 mal vertont worden,
davon allein »Du bist wie eine Blume* 217 mal einstimmig.
54
DIE MUSIK V. 19.
VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin), 5. Mai 1906. — Georg Richard Kruse berichtet
«Aus Otto Nicolais letztem Tagebuche*.
MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN 15. April 1906.- Wilhelm Kleefeld
schreibt über die «Mfinchner Voriluferin der Bayreuther Stilbildungsschule* und
teilt einige ungedruclcte Briefe Richard Wagners mit, die darauf Bezug haben. Der
Begrfinder dieser Stilbildungsschule ist Friedrich Schmitt, ein Freund Wagners,
gewesen, dessen Theorie als Gesangspidagoge seinen unbedingten Beifall fand.
BRAUNSCHWEIGISCHE LANDESZEITUNG 8. April 1906. - J. Haydn be-
richtet in seinem Artikel »Mozarts erste Liebe* allgemein Bekanntes Ober Aloysia
Weber.
DIE WOCHE (Berlin) 1906, No. 18. — In einem Artikel .Deutscher Buhnen- und
Konzertgesang* beschlftigt sich Karl Scheidemantel mit Julius Stockhausen,
der als erster deutscher Gesangskünstler gegen die Alleinherrschaft des bei canto
angekämpft und den der deutschen Gesangskunst innewohnenden Zauber zu ent-
hüllen vermocht hat.
STETTINER ZEITUNG 3. Mai 1906. — Die Erinnerung an den Komponisten des
Postillon von Lonjumeau »Charles Adolphe Adam* ruft Erich Müller zu seinem
Todestage (gest. 3. Mai 1856) durch einen hübschen Artikel zurück.
DAS DEUTSCHE VOLKSLIED (Wien) 1906, Heft 4/5. — Ober die Entstehung und
Geschichte eines Böhmerwald-Volksliedes ,»Das Bauernsepp'n-Liad* berichtet Gustav
Jungbauer.
NEUE ZEITSCHRIFT FÜR MUSIK (Leipzig) 1906, No. 13 u. 14. - Unter dem
Titel „Schuberts Totenehren* (Unveröffentliche Dokumente) veröffentlicht Otto Erich
Deutsch ein Verzeichnis der in österreichischen Zeitschriften nach Schuberts
Tode erschienenen Nekrologe, die von bedeutenden Schriftstellern der Zeit in
Poesie und Prosa verftisst worden waren. Er berichtet femer über Totenfeiern,
die zu Ehren Schuberts veranstaltet wurden und über Sammlungen für ein würdiges
Grabmal des Meisters.
SIGNALE FÜR DIE MUSIKALISCHE WELT (Leipzig) 1906, No. 31-39. -
„Musikalische Popularisierungsbestreben" von Eugen Schmitz. Verfasser be-
spricht in erster Linie die Volksausgaben der Jetztzeit, die ihren Zweck, d. h.
ihre bedeutsame künstlerische Mission nur dann erfüllen können, wenn »die Ver-
leger mit Ausmerzung aller Salonmusik reinen Tisch machen.* Sehr wichtig im
Rahmen dieser Popularisierungsbestrebungen ist auch die Betrachtung der popullren
Musiktheorie und Musikwissenschaft, die ein wichtiges Glied nicht nur der
musikalischen, sondern der geistigen Bildung überhaupt darstellen. Eine der
wichtigsten Aufgaben der modernen Musikwissenschaft ist, »eine populir-zusammen-
fassende, dabei doch streng wissenschaftliche Musikliteratur zu schaffen.*
MUSIKALISCHES WOCHENBLATT (Leipzig) 1906, No. 15-23. - Nana Weber-
Bell schreibt über ^physische und psychische Klangfarbe*. — Susanne Amsinck
behandelt die »Fortschritte auf dem Gebiete des Musikdiktats.* — Franz Dubitzky
betrachtet in einem längeren Artikel Sonderbarkeiten unserer Notenschrift unter
dem Titel: »Wie erhalten wir ein lichteres Notenbild?* — Erich Kloss berichtet
über »Briefe an Richard Wagner* und behandelt eingehender Louis Spohr, Hector
Berlioz, Felix Draeseke. Aus dem Briefwechsel der genannten Künstler mit Wagner
55
REVUE DER REVUEEN
betrachtet Verfasser das, was in Hinsicht auf die ursprfingliche und früheste Be-
urteilung des jQngeren Wagner und seines Kunstwerks von weiterem Interesse ist.
— Eugen Segnitz veröffentlicht einen Aufsatz: «Carl Maria von Weber und
Richard Wagner* (Zu Webers 80. Geburtstag [?!]).
KUNSTWART (München) 1906, Heft 16 u. 17. — Richard Batka wendet sich in
einem Artikel «Wagnerianer einst und jetzt* gegen die heutige Unsitte, auf die
Wagnerianer zu schelten, da es nichts gibt, worin sich »der Wagnerianer von der
sonstigen Gefolgschaft grosser Männer besonders zum Nachteil unterscheidet*
Er führt Minner von den manigfaltigsten künstlerischen und überhaupt geistigen
Interessen als Typen des eigentlichen Wagnerianismus an und bezeichnet die ganze
Wagnerei mit einem Paradoxon als «vielseitigste Einseitigkeit der Kunstgeschichte*.
. . . «Die Zeit des Wagnerianertiims ist aus, die Zeit des WagnerverstSndnisses ist
gekommen.* Als erfreuliches Zeugnis des kritischen Wagnerverständnisses unserer
Zeit führt Verfasser das Buch von Paul Moos «Wagner als Ästhetiker* an, «ein Mann,
der dem Meister frei ins Auge schaut.* — Einen interessanten Aufsatz «Ober das
Malerische im musikalischen Drama* bringt Wilhelm Kienzl. Nach einer all-
gemeinen Betrachtung über das Wesen des Gesamtkunstwerkes betrachtet Verfasser
die Dramen Wagners, die eine «neue Ära in der naturgetreuen und stimmungs-
vollen Gestaltung des Bühnenbildes* hervorgerufen haben . . . Den Wandlungen der
Kunst ist freier Lauf zu lassen. «Entwickelt sich das Bedürfnis nach einem neuen
reproduktiven Stil, so muss auch das Kunstwerk sich finden, das uns Gelegenheit
bietet, ihn rein darzustellen.*
PRAGER TAGBLATT, n. Mai 1906. — Einen originellen Artikel bringt Richard
Batka: «Insekten als Musiker*. Es ist ein anregender naturwissenschaftlicher
Streifzug, auf dem wir den Autor begleiten. Aber nicht nur das Surren, Brummen,
Schwirren und Lispeln untersuchen wir auf die verschiedenen Tonhöhen und Klang-
farben, wir betrachten auch die Instrumente der kleinen Kammermuslci, ein Riesen-
orchester kleiner Instrumente.
FRANKFURTER ZEITUNG, 3. Juni 1906. - Bemerkenswerte Erinnerungen an
Richard Wagner teilt Sigismund Bachrich in den «Erinnerungen eines Musikers*
mit. «Um Bruchstücke aus dem ,Nibelungenring< zu dirigieren, kam Wagner
nach Wien. Eines dieser Konzerte brachte u. a. den «Feuerzauber*, nach dem der
Beifall nicht enden wollte. Wagner war recht ermüdet, sass auf meinem Stuhl
und war lange nicht zu bewegen, sich zu erheben, um den Dank des Publikums
entgegenzunehmen. Er blickte unverwandt auf die Direktionsloge, in welcher
Frau Cosima sass, und halblaut sagte er schmunzelnd zu mir: ,Ach nee! — was
wird Muttern dazu sagenl'*
NORDDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG (Berlin), 4. Mai 1906. - Ein mit
J. L. unterzeichneter Artikel «Die bürgerliche Oper* sieht eine notwendige Reform
des Musikdramas in der bürgerlichen Oper. Die Aufgabe unserer Zeit sei, den
Unsinn auf der dramatischen Bühne zu verdrängen. «An Kräften, die hohe Auf-
gabe zu lösen, fehlt es gewiss nicht.*
KORRESPONDENZBLATT DES EVANGELISCHEN KIRCHENGESANG-
VEREINS FÜR DEUTSCHLAND (Leipzig). — Eine Plauderei aus der Praxis
eines Kirchenchordirlgenten «Das Chorbuch* veröffentlicht Pfarrer Beutter. •—
Superintendent D. Nelle berichtet über «Klippen im Fahrwasser des Gemeinde-
gesanges*, Sätze, die auf der XI. Jahresversammlung des evangelischen Kirchep-
gesangvereins für Westfalen zur Verhandlung gestellt wurden.
NEUE OPERN
Felix Gotthelf: «Mahadeva* ist der Titel eines dreiaktigen Musikdramas, dessen
Stoff der indischen Mythologie entnommen ist.
Ferdinand GradI: »Der glfickliche Jack^ Oper in drei Akten, Text von
Arthur Lipschitz und Georg Okonkowsky.
Alfred Kaiser: «Dame, roi et valet" lautet der Titel einer komischen Oper,
die der Komponist soeben vollendet hat.
Marius Lambert: »Der Kadett von Navarra*, komische Oper von Auguste
Germain, wurde an der Volksoper in Brüssel mit Erfolg aufgeführt.
Alfred Lorentz: »Der Mönch von Sendomir*, Dichtung von Franz Kaibel
nach der Novelle Franz Grillparzers.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Bayreuth: Buhnenfestspiele 1906. Es finden zwei Aufführungen des »Ring
des Nibelungen* statt (25.— 28. Juli; 14.— 17. August), sieben Aufführungen
von „Parsifal* (23. Juli, 1., 4,7., 8., 11., 20. August) und fünf Aufführungen
von ^»Tristan und Isolde" (22., 31. Juli, 5., 12., 19. August). Orchester-
leitung: Dr. Hans Richter, Dr. Carl Muck, Felix M Ott 1, Siegfried Wagner,
Michael Balling, Franz Beidler. Konzertmeister: Carl Wendling. Ober-
leitung der musikalischen Assistenz: Carl Müller. Chöre: Hugo Rudel.
Bühnenmusik: Julius Prüwer. Regie: Ernst Braunschweig. Inspizient:
A. Schertel« Bühnenleitung: Siegfried Wagner. Technisches Personal:
Friedrich Kranich. Solorepetitoren und musikalische Assistenz auf der
Bühne: Dr. Carl Besl, Hugo Kirchner, Carl Kittel, Ernst Knoch, Eduard
Möricke, Leopold Reich wein, Antonio Ribera. Darstellendes Personal:
Das Rheingold. Luise Reuss-Belce, Emilie Feuge-Gleiss, Emestine
Schumann-Heink, Frieda Hempel, Marie Knüpfer, Adrienne v. Kraus-
Osborne, Theodor Bertram, Rudolf Berger, Alois Hadwiger, Dr. Otto
Briesemeister, Max Dawison, Hans Breuer, Lorenz Corvinus, Jo-
hannes Elmblad. — Die Walküre. Katharina Fleischer-Edel, Ellen
Gulbranson, Luise Reuss-Belce, Joseflne v. Artner, Marie Knüpfer,
Ida Salden, Emestine Schumann-Heink, Cäcilie Rüsche -Endorf,
Agnes Herrmann, Adrienne v. Kraus -Osborne, Rosa Ethofer. —
Siegfried: Emestine Schumann-Heink, Ellen Gulbranson, Emilie
Feuge-Gleiss, Ernst Kraus, Hans Breuer, Theodor Bertram, Max
Dawison, Johannes Elmblad. — GOtterdftmmerung. Ellen Gulbranson,
Cäcilie Rüsche-Endorf, Emestine Schumann-Heink, Adrienne v.Kraus-
Osborne, Katharina Fleischer-Edel, Frieda Hempel, Marie Knüpfer.
Ernst Kraus, Rudolf B e r g e r, A. C. H i n c k 1 e y, Max Dawison.
— Tristan und Isolde. Marie Wittich, Katharina Fleischer- Edel,
Dr. Alfred v. Bary, Ernst Kraus, Paul Knüpfer, Dr. Felix v. Kraus,
Walther Soomer, Dr. Otto Briesemeister, Hans Breuer, Erik Wirl,
57
UMSCHAU
Franz Adam. — Parsifal. Ellen Gulbranson, Martha Leffler-Burckard,
Josefine ▼. Artner, Rosa Ethofer, Emilie Feuge - Gleiss, Gertnid
Foerstely Frieda Hempef, Marie Knüpfer, Ida Salden, Dr. Alfred
▼• Bary, Erik Schmedes, Alois Hadwiger, Paul Knüpfer, Dr. Felix
V. Kraus, Theodor Bertram, Rudolf Berger, Franz Adam, Carl Lejd-
ström, Erik Wirl, Hans Breuer, Dr. Otto Briesemeister.
Berlin: Das Kgl. Opernhaus führte in der verflossenen Saison zum erstenmal
auf: »Das Fest auf Solhaug* von W. Stenhammar, »Leonore* von
Beethoven, »Der lange Kerl** von Woikowsky-Biedau. Neu einstudiert
gingen zehn Werke in Szene: «Orpheus und Eurydike*, »Figaros Hochzeit*,
»Tannhiuser*, die Tetralogie .Der Ring des Nibelungen*, »Der Waffen-
schmied*, »Der Pfeifertag* und »Der schwarze Domino*. In der Gesamt-
zahl der zur Aufführung gelangten 54 einzelnen Opern sind deutsche
Komponisten mit 33 verschiedenen Werken, Franzosen mit 13, Italiener mit 7,
Schweden mit 1 Werk vertreten. Von der Gesamtzahl der im Laufe des
Spieljahres gegebenen Vorstellungen entfallen 178 Abende auf deutsche,
88 Abende auf französische, 37 Abende auf italienische Komponisten.
Die Komische Oper (Direktion Gregor) will in der nichsten Saison
folgende Neuheiten bringen: »Der Dämon* von Anton Rubinstein,
„Lakm6* von L£o Delibes, »Romeo und Julia auf dem Dorfe* von
Frederik Delius.
KONZERTE
Bautzen: Im Juni 1907 flndet hier das II. Lausitzer Musikfest statt.
Cincinnati (U.S.A.): Vom 1.— 5. Mai fand das alle zwei Jahre gefeierte 17. »May
Music Festival* unter der Leitung von Frank van der Stucken statt. Der
Chor bestand aus 400 und das Orchester aus 110 Mitwirkenden, und die
Damen Gadski, Rider-Kelsey, Jeanet Spencer und die Herren John
Coates, Ffrangcon-Davies, Charles Clark und Witherspoon waren
die Solisten. Als Ehrengast leitete Sir Edward El gar seine Oratorien »The
Apostles' und »The Dream of Gerontius*, sowie zwei seiner Orchester-
kompositionen. Ferner kamen das Brahmssche Requiem, Bachs Actus
tragicus »Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit* und Beethovens Neunte
Symphonie nebst Orchesterwerken von Bach, Beethoven, Weber, Schumann,
Dvofäk, Wagnei, Strauss, Loeffler und van der Stucken zur Auffuhrung.
Das Fest war ein grosser Erfolg, Besonders gerühmt wurden die Leistungen
des Festchores.
TAGESCHRONIK
Auf ein neunzigjähriges Bestehen konnte am 12. Juni die Philharmonische
Gesellschaft in Potsdam zurückblicken. Diese Gesellschaft, die zu den ältesten
musikalischen Vereinigungen Deutschlands zählt, wurde am 12. Juni 1816 von den
Herren Bliesener, Wessely, Glaso, v. Bismarck, Siecke, Brunner, Seiifart und Klincke
begründet und hielt ihre Zusammenkünfte zuerst in dem Morinoschen Hause in der
Schützenstrasse ab. Erst 1834 gelang es, dank der Muniflzenz Friedrich Wilhelms III.,
eine bleibendere Stätte im Konzertsaale des Königlichen Schauspielhauses zu er-
langen. Die Übungen und Aufführungen leitete seit 1827 der joviale Kammer-
musikus Töpfer, dem im Oktober 1838 der auch als Komponist in Ansehen stehende
Musikdirektor Berthold Dam cke folgte. Nach Damckes Abgange übernahm Neu-
jahr 1842 der Königliche Musikdirektor Gäh rieh die musikalische Leitung. Während
58
DIE MUSIK V. 19.
der Jahre 1848 und 1849 dirigierten abwechselnd die Herren Lange, Häuser und
Böttcher. Am 6. Dezember 1849 übernahm der Königliche Musilcdirektor Wendel
die Leitung. Im Jahre 1851 vollzog sich der Umzug der Gesellschaft aus dem
Schauspielbause in das jetzige Heim, in den Palast Barberini, wo Friedrich Wil-
helm IV. den Potsdamer Vereinigungen fOr Kunst und Wissenschaften für alle
Zeiten eine feste Stltte bereitet hat. 1891 trat Wendel zurück; er hat wlhrend der
42 Jahre seiner segensreichen Tätigkeit der Gesellschaft einen vorzüglichen Ruf
in der musikalischen Welt erobert. Wendeis Nachfolger wurde der Königliche
Musikdirektor Professor Martin Gebhardt, der bis 1894 als Dirigent fungierte. Von
1894 bis 1898 leitete Hermann Geess die musikalischen Aufführungen, die dann
dem Komponisten Gustav Knien kam pff übertragen wurden.
Die erst vor kurzem gegründete Gesellschaft der Musikfreunde von
Treviso, die bereits 480 Mitglieder zihlt, hat am Sonntag, den 29. April im Teatro
Sociale die Reihe ihrer Konzerte eröffnet. Das Kaim-Orchester aus München
trug unter der Leitung von Georg Schn6evoigt mit grossem Erfolg Werke von
Beethoven, Haydn, Händel und Wagner vor.
Folgende interessierende Statistik über Wagner-Aufführungen im Innern
Russlands ist uns eingesandt worden: in Saratow gelangte «Tannhiuser* im
Jahre 1895 zum erstenmal zur Aufführung und wurde im Laufe von zwei Monaten
sechsmal gegeben. „Lohengrin* erschien im Januar 1905 zum erstenmal und wurde
bis Mitte Februar fünfmal aufgeführt. — In Kasan wurden yTannhiuser* im
Februar 1898 und »Lohengrin* Ende November 1905 zur ersten Aufführung gebracht.
Der Musiklehrer B. Sanoschkar in Graz hat einen Metronom konstruiert,
der insofern eine Neuerung auf diesem Gebiete bedeutet, als er wlhrend seines
Ganges mittelst eines Knopfes (Regulators) auf jedes beliebige Tempo eingestellt
werden kann, und ausserdem an der Tempo-Skala ersichtlich gemacht ist, wieviel
Schläge in der Minute das Werk im vorgeschriebenen Zeitmass bei den ver-
schiedenen Notenwerten gibt. Da der an der linken Seite der Klaviatur angebrachte
Metronom von der rechten Seite durch einen Mechanismus reguliert werden kann,
und endlich auch mit einem beweglichen Tritt-Podium für eine beliebige Anzahl
von mitwirkenden Orchester-Musikern in Verbindung zu bringen ist, so darf er
unbedenklich als das vollkommenste Werk seiner Gattung bezeichnet werden.
Die königl. PhilharmonischeAkademie zuBologna hat einen Wett-
bewerb für ein Streichquartett beschlossen und setzt 1000 Lire aus; am Wett-
bewerbe können alle Komponisten Italiens wie des Auslandes teilnehmen. Der
Einlieferungstag ist der 31. Oktober 1906.
Als Ort der nächsten Tonkünstlerversammlung des »Allgemeinen deutschen
Musikvereins* ist Dresden in Aussicht genommen.
Auf Anregung des Bischofs Benzler wird in Metz zu Ostern nächsten Jahres
in Verbindung mit dem Priesterseminar eine Organistenschule errichtet zur
Heranbildung junger Leute, besonders vom Lande, zum Organisten- und Kirchen-
dienst, da die Lehrer auf den Dörfern häufig nicht in der Lage sind, diesen Dienst
zu versehen.
Am 11. Juni wurde auf dem Zentralfriedhof in Wien die Leiche des Ton-
dichters Max V. Weinzierl in dem ihm gewidmeten Ehrengrabe in den Ruhestätten
für historisch denkwürdige Personen in der Kapellenstrasse wieder bestattet.
Mozart-Saal wird der mit dem Neuen Schauspielhause am Nollendorfplatz
in Berlin verbundene Konzertsaal heissen. Er wird im Oktober d. J. seiner Be-
stimmung übergeben und von der Theater- und Saalbau-Akt.-Ges. in eigener Regie
59
UMSCHAU
betrieben. Ffir die Symphonie- und populären Konzerte ist man bemüht, ein
Orchester ersten Ranges zusammenzustellen, das auch dem Neuen Schauspielhause
für seine Aufführungen zur Verfügung stehen wird. Der Saal steht in direkter
Verbindung mit dem Restaurant des Neuen Schauspielhauses in der Motzstrasse
und wird auch über eine kleine Bühne verfügen. Die Konzertdirektion Eugen
Stern ist mit dem Arrangement der Konzerte des Mozart-Saales betraut worden.
Hofkapellmeister Paul Prill aus Schwerin ist als erster Kapellmeister für
das Orchester des Mozart -Saales und des Neuen Schauspielhauses durch die
Konzertdirektion Eugen Stern verpflichtet worden.
Zu Festdirigenten für das VII. Deutsche Singerfest 1907 in Breslau
wurden gewählt: Prof. Ed. Kremser-Wien, Chormeister Gustav Wohlgemuth-
Leipzig und Kgl. Musikdirektor Paul Hielscher-Brieg.
Regisseur Elmblad vom Wiesbadener Hoftheater ist als Oberregisseur für
die Oper an das Leipziger Stadttheater berufen worden.
In Köln ist der langjährige Opemkapellmeister Wilhelm Mühld orfer, der im
vorigen Jahre sein SOjihriges Künstlerjubilium feierte, in den Ruhestand getreten.
Aus Paris wird berichtet, dass der erste Kapellmeister der Grossen Oper,
Mr. Taffanel, krankheitshalber seine Entlassung genommen hat und durch Paul
Vidal ersetzt werden wird. Zweiter und dritter Kapellmeister sind Mr. Mangin
bzw. Henri Busser.
Die in den Heften 14, 16 und 18 des IV. Jahrgangs der »Musik* stattgehabte
Kontroverse zwischen den Herren Heinrich Chevalley und Max Loewengard
in Hamburg hat zu einer Privatklage des Herrn Loewengard gegen Herrn Chevalley
wegen Beleidigung geführt. Der Angeklagte Chevalley wurde wegen Beleidigung
zu Mk. 25 event. 5 Tagen Haft und in die Kosten des Verfahrens verurteilt Der
Widerbeklagte Loewengard wurde freigesprochen.
Druckfehler-Berichtigung. Auf S. 374 des 18. Heftes muss es auf der
2. Zeile v. u. «am frühesten* heissen statt am frischesten.
TOTENSCHAU
Am 2. Juni f im 56. Lebensjahre zu Budapest Heinrich J. Hiekisch, der
frühere erste Klarinettist des Opemorchesters, dem er 24 Jahre lang angehörte,
und Professor am Nationalkonservatorium. Hiekisch war ein Meister seines In-
struments, der sich besonders auch um die Modernisierung und technische Ver-
besserung des Tärogatö verdient machte und es mit guter Klangwirkung an Stelle
des Englisch-Homs im letzten Akte von «Tristan* einführte.
In Stuttgart f am 9. Juni im 74. Lebensjahre Geh. Hofrat Friedrich
Kiedaisch, 1891 Intendant des Kgl. Hoftheaters in Stuttgart.
Am 9. Juni f in Kopenhagen einer der ältesten und begabtesten dinischen
Komponisten: Emil Hornemann (geb. 1840). Mit ausgeprägtem und ursprüng-
lichem Talent hat er namentlich Opern (Aladdin), verschiedene Theatermusik,
Orchesterwerke (Ouvertüren), Kantaten und Lieder komponiert. Obschon im
nordischen Tone gestimmt, ist seine Musik deutlich von der deutschen Romantik
(Schumann) beeinflusst. Hornemann, eine eigentümliche, in den letzten Jahren
leider leidende und deprimierte Persönlichkeit, war auch der Leiter einer viel-
besuchten Musikschule.
Am 11. Juni f in Königswinter Oskar Fiedler, Oberregisseur am Düssel-
dorfer Stadttheater, im 58. Lebensjahre. In den Jahren 1899—1902 war er als
Oberregisseur am Hof- und Nationaltheater in Mannheim titig.
OPER
KÖLN: Im neuen Stadtthetter bildete Mtsctgni's ziemlich schwache Oper «Ami et*
die letzte der spärlichen Novititen der Saison. Ein starker, rein äusserer Erfolg
wurde dadurch herbeigeführt, dass die Theaterleitung einem billig zu enthusiasmierenden
Publikum das Vergnügen bereitet hatte, Herrn IMascagni in eigener, vielgenannter Person
die «Amica*' und nachher auch die unfehlbare .Cayalleria* dirigieren zu sehen und den
»interessanten'* Gast nach Programm und durch hohe Opern preise erstandenem Rechte
feiern zu können. Etwas weniger Aufhebens wurde von einer sogenannten «Fest-
Vorstellung** zu Ehren einer Anzahl der von der Tagung in Essen zurfickkehrenden
Tonkünstler gemacht. Die Festvorstellung bestand schlicht und recht aus der so und
sovielten Wiederholung von Jaques-Dalcroze's anspruchsloser Kleinigkeit .Onkel Da-
zumal* und Eugen d'Alberts einaktiger Oper «Flaute solo*. Kündigte man schon
eine Festvorstellung an, so bitte man — die beiden genannten Komponisten in allen
Ehren — doch wohl etwas Interessanteres, vielleicht gar so etwas wie eine kleine
künstlerische Tat für die massgebende Korona der Tonkünstler vorbereiten können.
Aber man ist hier neuerdings recht bescheiden geworden, und künstlerische Taten stehen
bei unserer derzeitigen Opernleitung schwach im Kurse. Paul Hill er
KONZERT
AACHEN: 83. Niederrheinisches Musikfest. — In Glanz und Wonnen ging das
diesjährige Musikfest zu Ende, drei Tage voll ernster Musik und einheitlicher
Harmonie. Es war rechte Feststimmung, vom Herzen kommende Freude. Der erste
Tag, der dem Ganzen die Weihe gab, gehörte Bachs h-moll Messe, die in geradezu
idealer Weise von Prof. Schwickerath zu Gehör gebracht wurde. Trotz der geteilten
Soprane ein wunderbarer Ausgleich der Stimmen, aufmerksamste Sangesfreude ringsum I
Heben wir den köstlichen Schluss des Gloria, den mystischen Klang des Incarnatus,
den wuchtigen letzten Teil des Credo und den schneidigen Einsatz des Sanktus nach
der Pause hervor, so geschieht es nicht, um andere Partieen in den Schatten zu stellen.
Prof. Schwickerath darf auf diese Prachtleistung stolz sein; sein Ruhm wichst immer
mehr hinaus über die rheinisch-westfilischen Grenzen. Das gestehen auch fremd her-
gereiste Beurteiler ihm gerne zu. Weingartner eröffnete den ersten Tag mit dem in
nicht übermissig gelungener Form wiedergegebenen Brandenburgischen Konzert in G-dur.
Von den Solisten gewann Frl. Philippi die Meinung des Publikums. Ihr herrliches,
klangreiches Organ, das leicht anspricht und biegsam ist, passt recht hinein in die tief-
gründige Stimmung des Werkes. Bassist de la Cruz-Fröhlich erwies sich als ge-
schickter Singer von guter Schule, in der Tiefe aber nicht mehr als ausreichend. Der
zweite Tag gehörte Weingartner, der das einheitliche, höchst fesselnde Programm in
genialer Weise ausdeutete. Mochte auch der Vortrag der Manfred-Ouvertüre Schumanns
mit fortreissen, sein eigenstes Werk war die Faustsymphonie Liszts, besonders der dritte
Teil. Wie er uns den stets verneinenden Geist schildert, den himischen Gesellen, der
die heiligsten Gefühle in den Kot seiner gemeinen Gesinnung hinabzieht, wie er dann
gegen ihn kimpft und ihn niederringt, das muss man erleben, mit hören und mit sehen.
Das heisst kongeniales MitschaflTen! Brahma' Rhapsodie und Liszts 13. Psalm war dem
61
KRITIK: KONZERT
A^
Chor als dtnkbare Aufgabe zugefallen; die Soli vertraten Frl. Philipp! mit grossem
Erfolg und Kammersinger Burrian aus Dresden. Was er an Bach gesündigt hatte,
renkte er an diesem Tage wieder ein. Henri Marteau spielte Brahma' Violinkonzert
mit wundervollen Klangfarben und ausgeprigter Persönlichkeitsmarke. Auch am dritten
Tage errang er mit Schumanns Phantasie mit Orchester, die durchaus nicht leicht und
leichtverstindlich ist, grossen Beifall. Katherine Goodson stand im Mittelpunkte des
Interesses am dritten Tage. Liszts Klavierkonzert in Es-dur brachte sie mit markigem
Anschlage und prignantem Ausdruck zustande. Als Komponist stellte sich Weingartner
mit zwei Gesingen ffir achtstimmigen Chor mit Orchester vor. Die sehr schwierige,
vom Chor unter Schwickeraths Leitung aber sehr sorgsam eingeübte und tonrein zum
Vortrag gebrachte »Traumnacht* bringt uns unleugbar in die vom Dichter geforderte
Stimmung hinein und hinterlisst einen recht befriedigenden Eindruck. j^Sturmhymnus"
leidet in erster Linie durch den effiektsuchenden Text der Dichterin Helene von Engel-
hardt. Das wühlt ja geradezu wie der selige Schubart der Sturm- und Drangjahre in
Ungeheuerlichkeiten. Weingartner entfesselt am Schluss einen Orchesterlirm, der nicht
das Herz, aber die Gehörnerven angreift. Burrian sang auch einige Lieder des Fest-
dirigenten, von denen „Schifers Sonntagslied" am wenigsten, »Ich denke oft ans blaue
Meer" am besten gefielen. Bachs Messq gab Hermine Bosetti-München keine Ge-
legenheit, in den Vordergrund zu treten, dafür aber erregte sie massloses Staunen durch
den stilvollen Vortrag und die ungewöhnlich hohen Töne in der selten gehörten Arie
Mozarts »Vorrei spiegaroi oh Diol*, die als Einlage zu Anfossi's Oper »11 curioso indis-
creto" 1783 in Wien komponiert wurde. Dem Publikum lagen Hugo Wolfs Lieder niher,
die Schwickerath feinsinnig am Flügel begleitete. Frau Bosetti trug mit erlesenem Ge-
schmack vor und musste «Das Elfenlied" wiederholen. Weingartner dirigierte am dritten
Tage Beethovens Leonorenouvertüre No. 3, Benvenuto Cellini von Berlioz und das
Meistersingervorspiel, unter dessen rauschenden Klingen das 83. Musikfest sein Ende
nahm. — So hat Weingartner, der von Berlin, Paris, Mannheim und Amsterdam be-
reits Abschied genommen hatte, auch Aachen Lebewohl gesagt. Nicht als ein Müder
erschien er uns, eher als ein Künstler in der Vollkraft der Jahre und des Schaffens.
Prof. Schwickerath sieht mit Genugtuung auf die Musikfeste zurück, an denen er seit
1888 als Chordirigent teilnimmt. Unter seiner Leitung erklangen hier Hindels «Messias",
Beethovens »Missa solemnis" mehrere Male, Tinels «Franziskus", der von hier aus seine
Runde um die Welt machte, Berlioz' «Damnation de Faust", Liszts «Christus", Francks
«B6atitudes", Brahms' achtstimmige Fest- und Gedenksprüche und in diesem Jahre
Bachs Messe. Der Festchor bestand aus 331, das Orchester aus 119 Mitwirkenden.
Generalproben und Konzerte waren iusserst stark besucht, besonders am dritten Tage.
Das Publikum war international, nicht in dem Sinne, dass recht viel sensationslüsterne
globetrotters sich bemerkbar machten; Musiker aus Belgien, Holland und Frankreich waren
zahlreich erschienen. Joseph Liese
AGRAM: Den Abschluss der heurigen Konzertsaison und gleichzeitig die Vollendung
des zehnten Jahrganges des Komitees zur Pflege der Kammermusik bildeten die
drei letzten Kammermusiksoireen, deren Programme Maikki Jirnefelt, das Brüsseler
Streichquartett und das Böhmische Streichquartett bestritten. Einen schöneren, reinsten
Kunstgenuss bietenden Abgesang konnten wir uns nicht wünschen. Frau Jirnefelt brachte
es zuwege, unser im Anfange stets etwas reserviert kühles Publikum im Verlaufe ihres
Liederabends für ihre Kunst zu erwirmen. Es ist feine, intime Kunst, deren Hauptreiz
in der Wiedergabe kleiner Stimmungsbilder liegt, die mit lebhaftem Mienenspiel und oft
packendem Realismus vorgetragen, die beabsichtigte Wirkung nie versagen. Ober die
oft gerühmte Kunst der Brüsseler und der Böhmen an dieser Stelle zu sprechen ist
62
DIE MUSIK V. 19.
wohl überflüssig. Bei einer, seitens eines Damenkomitees veranstalteten Akademie
wurden letzthin eine Anzahl kroatischer Volkslieder in der Harmonisierung Jvan
▼. Zajic's vorgetragen; es zeigte sich wieder, welch eminente unverbrauchte Kraft in diesen
Melodieen liegt Wann wird der „Wecker* kommen, der diese Schitze zu einer höheren
Kunstform erheben wird? Ernst Schulz
BRAUNSCHWEIG: Die Konzertsaison liegt abgeschlossen hinter uns, alle Ver-
anstalter suchten möglichst günstig abzuschneiden. Dies gelang Direktor Weg-
mann mit d'Alberts Klavierabend, dem Verein für Kammermusik, der Hof-
kapelle mit Frl. Staegemann und Man6n; Direktor Settekorn bot mit seiner Aka-
demie für Kunstgesang eine tüchtige Wiedergabe des «Kinderkreuzzugs** von Piern6
mit Frl. E. Mohr, H. Gottlieb und Herrn Jungbluth als Solisten. Elise Breuer-
München wurde freudig begrüsst, der neue stellvertretende Konzertmeister Mühlfeld
aus Meiningen erwies sich als ein gediegener Geiger mit glatter Technik und warm-
blütigem Vortrag. Der Schradersche a cappella-Chor und der Chorgesang-
verein (Matthluspassion) schliessen den musikalischen Reigen in der Karwoche mit
Passionskonzerten. Ernst Stier
BREMEN: Erhebliche Neuheiten haben die letzten Wochen hier nicht gebracht. Grosses
Gefallen fand die von Mottl aus Gluckschen Opernsätzen zusammengestellte
Orchestersuite. Von Solisten entzückten an je einem Philharmonischen Abend: d'Albert
mit dem Brahmsschen B-dur-Konzert, Ysaye mit Bachs E-dur und Bruchs g-moll. Recht
freundlich aufgenommen wurde auch Maikki Jirnefelt, obwohl die Stimme für die
Wagnerschen Bruchstücke mit Orchesterbegleitung nicht ganz ausreichte. Den Schluss
der Saison machte, wie stets seit Panzners Hiersein, die »Neunte* in vorzüglicher
Chor- und Orchesterleistung. Die Soli sang wieder das Berliner Quartett (Grumbacher-
de Jong, Schnabel-Behr, Reimers, van Eweyk), wobei der neu eingetretene Tenor
sich seiner Aufgabe stimmlich nicht recht gewachsen zeigte. — Von auswirtigen Künstlern
gab Wüllner (Begleitung van Bos) vor ausverkauftem Saale und unter grösster Be-
geisterung seinen dritten Liederabend, und Burmester mit dem Pianisten Rot her ein
missig besuchtes, aber von Hörern und Kritik glänzend aufgenommenes, klassisch gefärbtes
Konzert. Gustav Kissling
DARMSTADT: Die vergangenen Wochen brachten uns auf dem Gebiete der Instru-
mentalmusik eine ganze Reihe von Novitäten: Karl Goldmarks farbensprühendes
Klavierquintett op. 30 (B-dur), Miroslaw Webers nachgelassenes Streicbquintett in F-dur,
ein vornehm empfundenes und elegant geschriebenes Werk, das durch das rührige Darm-
städter Streichquartett seine Uraufführung erfuhr; ferner Anton Brückners herrlichen
Schwanengesang, seine IX. Symphonie in d-moll, und unseres einheimischen Tonsetzers
Arnold Mendelssohn »Bärenhäuter^'-Vorspiele zum zweiten und dritten Akt der einst
viel besprochenen Oper. Eine weitere Neuheit von Mendelssohn war sein einaktiges «Lied
vom treuen Kanzle r**; der Männerchor Humanitas, der es unter des Komponisten
Leitung zur Uraufführung brachte, bot ausserdem erstmalig die Männerchor- Balladen
«König Sigurds Brautfahrt** von Heinrich Zöllner und «Der Pilot* von M.Spicker.
Der Musikverein machte sich durch treffliche Vorführungen von Haydns «Schöpfung*
und Bachs «Matthäuspassion* verdient, in welch letzterer als Vertreter der «Cbristus*-
Partie Tomas Denys von Rotterdam sich hier sehr vorteilhaft einführte. Ausserdem
traten als Gesangssolisten auf: Richard Breiten feld, Johanna Dietz, Hedwig Mater na,
Helene Staegemann und Frau Werner-Jensen. Die Pianisten waren durch Adele
Ries von Trzaska, die mit schönem Erfolg einen Chopinabend gab, und Wilibald
Nagel, die Geiger durch Fritz Kreis 1er und Willy Burmester, die Orgel virtuosen
durch Richard Oppel, Hugo Römer und Wilhelm Borngässer vertreten. Den Höhe-
63
KRITIK: KONZERT
punkt der ganzen Saison jedoch bildete das Jubilium des 100. Vereinsabends des Richard
Wagner- Vereins, der sich in 17]ibriger zielbewusster Titigkeit zu einer führenden
Stellung im Musikleben Darmstadts aufgeschwungen und es jetzt auf eine Mitglieder-
zahl von 582 Personen gebracht hat. Das Programm brachte das »Meistersinger*- und
»Tristanl'-Vorspie], Liszts «Mazeppa^ Strauss' »Tod und Verklirung* und die beiden oben
genannten »Birenhiuter''- Fragmente und erfuhr durch das Münchner Kaim-Orchester
unter Georg Schn6evoigts grosszugiger Leitung eine imposante Wiedergabe.
H. Sonne
DESSAU: Das diesjährige Palmsonntagskonzert (No. IX) der Hofkapelle vermittelte
zunftchst Wagners »Faust'-Ouvertüre, Liszts «Tasso** und Wagners «Siegfried-Idyll«.
Danach gelangten vor geschlossenem Bühnenvorhang und bei verdunkeltem Hause im
vertieftem Orchesterraum das Vorspiel und der Karfreitagszauber aus »Parsifal'' zu er-
greifender Wirkung. An den Anfang des X. und letzten Hofkapellkonzertes stellte sich
als Novität Liszts »Dante-Symphonie*, deren Wiedergabe unter Franz Mikorey vorzüg-
lich war. Mary Wurm (Hannover) spielte Tschaikowsky's Klavierkonzert op. 23 und
Alla Steingräber (München) sang einige Lieder, ohne dass beide Künstlerinnen be-
deutendere Erfolge zu verzeichnen gehabt hätten. Am 5. April vereinigten sich die Sing-
akademie, die Liedertafel, dazu ein Chor von 50 Knaben mit der Hofkapelle zur Erst-
aufführung von Wolf-Ferrari's .La Vita Nuova«, die in allen Teilen von Franz Mikorey
trefflich vorbereitet war und gut vonstatten ging. Zu einer Kunstdarbietung von hervor-
ragender Bedeutung gestaltete sich das Konzert des Berliner Lehrergesangvereins, das,
von Felix Schmidt geleitet, unter dem Protektorate des Herzogs Friedrich von Anhalt
am 13. Mai im hiesigen Hoftheater stattfand. Das trefflich gewählte Programm erfuhr
eine geradezu ideale Ausführung. Den Schluss bildete unter Mitwirkung der Hofkapelle
Richard Wagners »Das Liebesmahl der Apostel*. Ernst Hamann
DORTMUND: Eine in allen Teilen auf künstlerischer Höhe stehende Aufführung des
Spohrschen Oratoriums »Die letzten Dinge* veranstaltete der Konservatoriumschor
unter Direktor Holtschneider. Solistisch wirkten mit die Damen Ohse und Huber,
die Herren Stein und Göpel. — Der Musik- Verein bot als letztes Konzert eine Beethoven-
feier, in der Janssen den klassischen Humor der achten Symphonie in herzerquickender
Frische hervorzauberte, und vonDohnänyi neben kleineren Stücken in der Chorphantasie
und dem G-dur Konzert als ein technisch ebenso gewandter wie poetischer Pianist sich
erwies. Der Chor sang stilgemäss »Meeresstille und glückliche Fahrt*, »Elegischer Gesang*
und den Schlusschor der Phantasie. — Ein Versuch, unser Stadttheater durch die Auf-
führung des »Elias* auf dessen Qualifikation als Konzertlokal zu prüfen, fiel negativ aus.
H. Bulle
ERFURT: Die soeben zur Rüste gegangene Saison hat uns neben vielen minderwertigen
künstlerischen Leistungen doch auch manchen hohen Kunstgenuss geboten. Das
erste Konzert des Musikvereins wurde von den Meiningern unter Leitung Professor
Bergers bestritten; das Programm enthielt die c-moll Symphonie von Beethoven, die
tragische Ouvertüre von Brahms, die D-dur Serenade von Volkmann und die kleine
Symphonie für Flöte, Oboen, Klarinetten, Fagotts und Hörner von Gounod, die sämtlich
eine gute Wiedergabe erfuhren. Im zweiten Konzert desselben Vereins wurde die Sym-
phonie op. d5 von DvoHk unter der Leitung Rosenmeyers in einer wenig befriedigenden
Weise zu Gehör gebracht. Der Violinvirtuose Karl Flesch spielte das Brahms-Konzert
und fesselte sowohl durch eine solide Technik, als auch namentlich durch einen empfln-
dungsvollen Vortrag. Beides ist auch Frl. Kirsch nachzurühmen, die im Verein mit
Herrn Eweyk das Programm des dritten Konzerts bestritt. Das Programm des vierten
Konzerts enthielt u. a. die »Egmont*-Musik von Beethoven, die eine annehmbare Wieder-
64
DIE MUSIK V. 19.
gäbe fand. Wihrend Frau Grumbacher-dejong, die Solistin des Abends, die Klirchen-
Lieder in wenig befriedigender Weise sang, bot sie mit einigen Volksliedern und den
reizenden holländischen Kinderliedem von Rennes einen durch nichts getrübten Icünst-
lerischen Genuss. Den Manen Mozarts galt ein Kammermusikabend, an dem von dem
Weimarer Quartett der Herren Krasselt, Branco, Uhlig und Friedrichs das d-moU
Quartett und das Es-dur Divertimento für Violine, Viola und Violoncello, und im Verein
mit Herrn Muhlfeld (Meiningen) das Klarinettenquintett zu Gehör gelangten. Des
weiteren huldigte man dem Meister durch die Aufführung der c-moll Messe, deren
Wiedergabe unter der Leitung Rosenmeyers rühmende Anerkennung yerdient. Von
den Solisten, Frau Buff-Hedinger, Friulein Leydhecker und den Herren Walter
und Rudolph, zeichnete sich Friulein Leydhecker besonders aus, während Herr
Walter total indisponiert war. — Gleich dem Erfurter Musikverein gab auch die
Konzertvereinigung «Sollerscher Musikverein-Erfurter Männergesangverein"
(Dirigent: Musikdirektor Zuschneid) fünf Abonnementskonzerte. In einem Volkslieder-
abend bot der Männerchor nichts besonders Rühmenswertes; Frau Kraus-Osborne,
die Solistin des Abends, entzückte die Zuhörer durch den Wohlklang ihrer Stimme und
ihren seelenvollen Vortrag in Liedern von Reger, Chopin, Loewe und in einigen Volks-
liedern. Die Herren Pinks und Hinze-Reinhold bestritten das Programm des dritten
Konzerts, während in dem vierten Richard Sahla und Emmy Mohr als Solisten
mitwirkten. Herr Sahla fesselte weniger durch blendende Technik, als durch Wärme
des Vortrags. Er spielte das Konzert No. 4 von Mozart und einige kleinere Sachen,
unter denen die »Ciacona'' von Vitali hervorgehoben sei. Fräulein Mohr, ausgestattet
mit einem hohen Sopran von angenehmer Klangfarbe, hatte u. a. die Zigeunerlieder von
Brahma gewählt, die ihrem Naturell nicht ganz entsprechen; recht Gutes bot die Dame
mit Rezitativ und Arie der Elektra aus i^Idomeneo''. Das Programm enthielt des weiteren
einige Werke für Männerchor, die eine befriedigende Wiedergabe fanden. Eine solche
wurde auch den „ Kreuzfahrern" von Gade zuteil, die neben der »Rose Pilgerfahrt* von
Schumann in dem folgenden Konzert zur Aufführung kamen, dagegen Hess die des
letztgenannten Werkes leider vieles zu wünschen übrig. Unter den Solisten verdient
nur Kammersänger Strathmann (Weimar) mit Auszeichnung genannt zu werden.
Ausserhalb des Rahmens dieser Konzerte gab die genannte Vereinigung noch ein Kirchen-
konzert, in dem die »Geburt Christi" von Herzogenberg zur Aufführung kam. — Im
übrigen sei noch einer Aufführung der »Soci6t6 de concerts des instrumenta anciens"
gedacht, die uns u. a. mit einer wundervollen Symphonie in A-dur vom A. B. Bruni be-
kannt machte, und femer eines Richard Wagner-Abends, den Dr. Briesemeister und
Dr. Dillmann veranstalteten. M. Puttmann
GRAZ: Fritz Feinhals hat über die zarte Seele Schumanns und Wolfs nicht volle
Macht; er siegt mit Richard Strauss, den er mit aufflammendem Temperament und
dramatischer Kraft darstellt. Von den Solisten-Konzerten der Saison war übrigens nur
ein Fünftel wirklich gut besucht, darunter die Abende der Tenor-Favorits Jörn und
Slezak; fast könnte man von einem Konzertkrach sprechen, wenn nicht heimische Ge-
sellschaften (Haydns ijahreszetten* im Singverein, einige Orchesterabende des Musik-
vereines u. a.) besser abgeschnitten hätten. Anton Dressler und Schmid-Lindner
hatten »halben Saal", Godowsky, Lamond, Busoni spielten vor leeren Sesseln;
Eugen d'Albert sagte seinen Abend lieber ab. Dr. Ernst Decsey
HALLE a. S.: Als wichtige Erscheinungen sind nur das fünfte Wind erstein- Konzert
mit Edouard Risler, der das Es-dur Konzert Beethovens hinreissend nachschuf,
das sechste mit Leopold von Auer, der mit Tschaikowsky's D-dur Konzert brillierte,
zu nennen. Die Orchesterwerke waren sehr wähl- und skrupellos zusammengestellt und
65
KRITIK: KONZERT
fanden ihren einzigen Höhepunkt in Strauss' »Tod und VerUirong*'. -r- Die AuffQhrung
der Matthins-Passion durch die Sing- Akademie (Prof. Reuhke) soll nicht auf der
wfinschenswerten Höhe gestanden haben. Etwas matt fiel auch die Saulus-Aufführung
Ton Hindel-Chrysander aus, um die sich die neue Sing- Akademie unter W. Wurf-
schmidt bemfihte. Im 4. Kammermusikabende des Hilf- Quartettes aus Leipzig kam
in Halle zum ersten Male Max Reger mit dem Streichtrio op. 77 zu Wort und fand hier
ein sehr reserviertes Publikum. Martin Frey
HANNOVER: Das letzte Abonnementskonzert der Kgl. Kapelle brachte unter
Doebbers Leitung eine Wiederholung der im Vorjahre erstmalig aufgef&hrten
^Domestica* von Strauss in einer den Verhiltnissen nach wohlgelungenen Wiedergabe.
Ausserdem gab es eine kleine, feine Serenade von Mozart für vier Orchester und
Schuberts von Liszt instrumentierte Märsche. Solistin war Lula Mysz-Gmeiner. —
Ein weiteres bedeutsames Ereignis spielte sich in Gestalt eines Reger-Abends ab, der,
Tom Komponisten unter Mitwirkung der vorztiglichen Altistin Clara Rahn und der
Pianistin Frau Schell veranstaltet, eine Anzahl Regerscher Tondichtungen, u. a. seine
herrlichen »Schlichte Weisen* und seine Variationen über ein Thema von Beethoven,
mithielt. Der Eindruck, den das Konzert hinterliess, war hochbedeutsam.
L. Wuthmann
KASSEL: Mit Teilen aus Wagners »Parsifal« und unter Mitwirkung von Ludwig Hess
schloss das mit Beethovens Pastoralsymphonie eingeleitete letzte Abonnements-
J^onzert unter Dr. Bei er s Leitung. Die Kammermusiken der Herren Hoppen, Gihlert,
Keller und Monhaupt verabschiedeten sich mit Beethovens op. 18 No. 3, dem d-moll
.Quartett von Schubert und dem Klavierquartett op. 81 von DvoHk, in dem Dr. Zulauf
einen neuen Beweis seiner gediegenen pianistischen Fertigkeit gab. In einem Konzerte
4es Meininger Trios interessierte besonders ein höchst gehaltvolles und an Schönheiten
reiches Klarinettentrio op. 94 von W. Berger, das, vom Komponisten und den Herren
.Mfihlfeld und Piening meisterhaft vorgetragen, sich der wirmsten Aufnahme erfreute.
Am Karfreitag gelangte durch einen von Dr. Beier gebildeten Chor, die Königl. Kapelle
und tüchtige Solisten Mozarts Requiem zur Aufführung, nachdem kurz zuvor durch
Herrn Hall wachs mit dem Oratorien verein Bachs Matthiuspassion zum Inhalt eines
Volkskonzertes gemacht worden war. Dr. Brede
MAINZ: Die Hindel-Aufführungen der Kaiserin Friedrich-Stiftung.— Am
30. Oktober 1004 wurde von dem Vorstand des Vereins j^Mainzer Liedertafel
und Damengesangverein", der nun auf 75 Jahre seines Bestehens zurückblicken
kann, ein Unternehmen ins Leben gerufen, das unter dem Namen der »Kai serin
Friedrich Stiftung* den Zweck verfolgt, mustergemSsse AufTührungen von Hindelschen
Werken in der Chrysanderschen Bearbeitung, sowie von anderen hervorragenden Werken
zu veranstalten und für ihre Verbreitung zu sorgen. Diese Stiftung knüpft an die
Hindel-Aufführungen der Jahre 1885 und 1807 und soll ein 2^ichen dankbarer Erinnerung
sein an die hohe Schirmherria jener Feste, die verstorbene Kaiserin Friedrich. Die
Stiftung und die stattfindenden Aufführungen stehen unter dem Protektorat Sr. Kgl. Hoheit
des Grossherzogs Ernst Ludwig von Hessen. — Die beiden Werke, die zur Auf-
führung gelangten, waren Judas Makkabius und Saul. Als Solisten waren gewonnen
Prau Grumbacher de Jong, Frau Rückbeil-Hiller, Frau de Haan-Manifarges,
Frsu von Kraus-Osborne, die Herren Ph. Broz61, L. Hess, Prof. Messchaert,
Prof. Franke und A. Klein pauL Der Chor bestand aus 206 Stimmen einschliess-
lich eines Knabenchors, das Orchester — 83 Musiker — aus der durch Mitglieder
AtT Hoffüusik au9 Darmstadt verstirkten stidtischen Kapelle; Leiter der Aufführungen
war Prof. Dn Fritz Volbach. — Der. 17. Mai brachte zuerst «Judas Makkabius*, der
V. 19. 5
66
DIE MUSIK V. 19.
von früheren Aufführungen der Liedertafel her bereits beluinnt war. Nehmen wir die
Solisten vorweg, so muss gestanden werden, dass man eine Tollendetere, künstlerisch
▼omehmere Vertretung der Soli sich luium denlcen Icann. Auch die Leistungen des
Chores waren yortreiflich. Trotz der anstrengenden Proben Iclangen die Stimmen frisch,
die Einsitze kamen mit der grOssten Sicherheit, die Aussprache war so deutlich wie nur
möglich und die monumentale Grösse der Chöre von vollendetster Plastik neben
minutiösester Ausarbeitung des Details. Den Schluss bildete das Hallelujah aus dem
»Messias*, in dessen Herübemahme ich keine Versündigung gegen den Geist dea
Meisters erblicken kann, der eine solche Praxis oft genug selbst geübt und damit auch
sanktioniert hat — Fast noch bedeutender war der Erfolg am zweiten Tag bei der Auf*
führung des j^Saul*. In der Geschlossenheit der Komposition wirkt er noch dramatischer
als der «Judas Makkabius*. Oberhaupt scheint mir das mit einer der wichtigsten Faktoren
bei dem Erfolg dieser Hindel-Aufführungen zu sein, dass sie dem, der etwa noch
zweifelte, mit unumstösslicher Gewissheit sagen konnten, dass Händel einzig und allein
als Dramatiker zu erftissen und zu verstehen ist. Dieselben Vorzüge, die Solisten,
Chor und Orchester -— ganz hervorragend waren die Bläser — bereits am ersten Tag
ausgezeichnet hatten, traten auch hier in fast erhöhtem Masse hervor. Prof. Volbach
leitete die Aufführungen mit dem ganzen Aufgebot seiner starken Individualität und aus*
gezeichneten Könnens und gab den Leistungen des Chors und Orchesters jene bezwingende
Grösse, die für Händel unerlässlich ist — Neben dem künstlerischen Zweck der Auf-
führungen suchten Vorträge über den Stand der Händelforschung zu belehren. Prof»
Weber (Augsburg) sprach über «Die Grundsätze und Ziele Chrysanders bei der Neu-
gestaltung der Händelwerke* und regte die Gründung einer j^Händelgesellschaft* an*
Dr. E. Bernoulli (Zürich) Hess in seinem Vortrag über »Die Quellen zum Studium
Händelscher Chorwerke* einen Blick tun in die philologische Werkstatt des Händel-
förschers, und Dr. Hugo Goldschmidt (Berlin) behandelte in geistvoller Weise »Die
Grundsätze für die Ausgestaltung und Vervollkommnung des Händeischen Einzelgesaoges*.
Im Anschluss daran führte Prof. Volbach Instrumente vor, die für die Aufführung
Händelscher Werke von praktischer Bedeutung sind: Flügel und Cembalo (Fabrikant:
Rud. Ibach Sohn), sowie hohe Trompeten und Homer. — Alles in allem genommen^
wirkten bei diesen Händel-Aufführungen sämtliche Glieder des komplizierten Organismus
auf das harmonischste zusammen, um die Feier zu dem zu gestalten, was sie geworden
ist: ein Erlebnis edelsten Genusses, eine Quelle reinster Freude, eine Offenbarung höchster
Schönheit Dr. Heinrich Willenbücher
MANCHESTER: Der Rest der Hai 16 'sehen Winterkonzerte unter Dr. Hans Richter
brachte una einen Berlioz- Abend: »Romeo und Julie'-Symphonie, die aber sehr
matt wirkte. Femer hatten wir zweimal die Sinfonia Domestica, unter starker Reklame
als Glanzpunkt und Hauptneuheit hingestellt, aber auch grosszügig gespielt, Dante»
Symphonie von Liszt, die »Neunte* von Beethoven. Gut durchgeführt war Wagners
»Liebesmahl der Apostel*. Als Solisten traten auf: Dr. Adolf Br od sky Bach-Konzert in
A für Geige und W. Backhaus Bach-Konzert in d-moU für Klavier; der letztere spielte
dies gerade so schön als er Schubert Impromptu op. 142 No. 3 und Chopin Scherzo in
cis-moll nicht schön spielte. Zum Orchesterpensionsfonds-Konzert spielte Fritz Kreisler
prachtvoll das Brahmssche Geigen -Konzert. Ziemliche Unzufriedenheit herrscht hier»
dass Richter die Konzerte zu schwer und unverdaulich mache; denn 20 Konzerte hinter-
einander mit vielen Symphonieen und Chor- Werken ohne Solisten-Abwechslung ist für
die hiesigen Verhältnisse etwas zu schwere Kost Ed. Sachs
NEUENBURG: VIL schweizerisches Tonkünstlerfest am 26. und 27. Mai 1906.
Der Temple du Bas, eine alte Kirche des 17. Jahrhunderts, die die Oberreste des
67
KRITIK: KONZERT
onsterblichen Predigers Osterwald in sich birgt, vermochte die Musikfreunde/ die aus
sllen Gauen der Schweiz herbeigeeilt waren, luum zu fessen. Die Chorpartleen hatte
die Neuenburger Soci6t6 Choräle (200 Mitglieder) unter der kundigen Hand von
Edm. ROthlisberger fibemommen, den Orchesterpart hatte das Kaimorchester aus
Mfinchen inne. Der Sonntag Nachmittag war ausschliesslich der Kammermusik
gewidmet. Durch ein Streichquartett op. 59, vorzQglich interpretiert durch das Basler
Quartett (KAtscher, Wittmer, Schiffer und Treichler) fQhrte sich Emanuel Moor
sehr ▼ortellhafi In die Konzerte des schweizerischen Tonkünstler-Vereins ein. Eine
wirklich klangschöne, einheitliche Durchführung der leitenden Grundidee ist das Haupt-
merkmal der sehr gefllligen Komposition. Der bekannte Konzertsinger Paul Böpple
aus Basel trug zwei ansprechende Lieder von Emile La üb er vor. «Essais de psychologie
musicale* nennt sie der Verfasser, in der Tat sind es zwei hübsche Tongemilde, die
rasch den BeiCill des Publikums fanden. Die Idee Marteau's, das Streichquartett mit dem
Gesang zu kombinieren, war sehr glücklich. In feinfühlender Weise hatte der gefeierte
Genfer Geiger sieben innige Gedichte, über denen der Name seiner Gemahlin Agn6s Henri
Marteau steht, vertont. Hier hatte man den Eindruck, die poesievolle Sprache eines
tief empfindenden Herzens zu hören, und Stücke wie »In dem Garten meiner Seele' und
«Liebeslied* verglast man so leicht nicht wieder. Grossen Erfolg errang Georg Haeser
mit drei reizenden Liedern, die Frida He gar, die Tochter des gefeierten Zürcher
Dirigenten in prachtvoller Welse vortrug. Von Joseph Lauber kamen zehn stimmungsvolle
Vokalquartette auf altdeutsche Volksliedertexte zur Aufführung. Viel fHscher Humor
und musikalische Feinarbelt steckt in diesen Gesingen. In der geradezu idealen Wiedergabe
durch das Basler Vokalquartett (Ida Huber-Petzold, Maria Philippi, Herr Sand-
reuter und Paul Böpple) errangen diese Quartette den Haupterfölg des ersten Konzertes.
A.D6n6r6siz trat mit dem ersten Satze aus seiner tragischen Sonate für Orgel an die Öffent-
lichkeit, leider nur ein Fragment eines gross angelegten Werkes, aus dem man keinen
Schluss auf das Ganze ziehen konnte. M. W. Montillet spielte drei kurze Orgel-
Kompositionen seines Lehrers Otto Barblan, drei kleine Meisterwerke, denen ein tiefcdr
seelischer Gehalt innewohnt. Als ein Störenfried des ersten Konzertes trat Woldemar
Pahnke mit einer sogenannten Sonate in D-dur für Violine und Klavier vor die Öffentlich-
keit. Eine Hiufting von nichtasagenden Kakophonieen, ohne leitende musikalische Idee und
ohne Sinn für die intimen Wirkungen einer feinen Rhythmik. Am Klavier sass jedoch,
und das versöhnte einigermassen, eine Meisterin, Frau Chöridjian-Charrey, die die
schwierige Partie mit bewunderungswürdiger Vollendung spielte. Das Programm des
ersten Orchesterkonzerts vom Samstag abend brachte wiederum viel des Interessanten
und Schönen. Ein Konzertstück für gemischten Chor und Orchester von Carl Vogler
betitelt «Das letzte Lied' bildete die würdige Einleitung. Prachtvolle Klangschönheit zeichnet
in erster Linie die Komposition, an der man seine Freude haben konnte, aus; es war eine
würdige Verherrlichung der beseligenden Macht des Liedes. Zwei melodiöse, recht
stimmungsvolle Weihnachtslieder für Frauenchor bot Jacques Ehrhart. Gustave Doret,
der geistvolle Komponist des letztjihrigen Winzerfestes in Vevey, erweckte durch sein
ipRecueillement* für Sopransolo und Orchester mit Recht ungeheuren BeifeU. Der poetische
Gehalt des Beaudelaire'schen Gedichts ist durch die Musik Dorets noch vertieft worden,
Orchester- wie Sopranpart ein wunderbares Ganzes, das aus dem Herzen kommend
auch imstande wsr, zum Herzen zu sprechen. Von den Orchesterwerken sei besonders
der grossangelegte symphonische Prolog zu Spittelers i,01ympischer Frühling* von
Walter Courvolsier erwihnt, rauschende breite Melodieen, die Sprache der Begeisterung
eines tiefernsten Künstlers. Fritz Brun schuf durch seine symphonische Dichtung
«Aus dem Buche Hieb" für Orchester ein Werk, das, reich an starken Affekten und
5»
68
DIE MUSIK V. 19.
wirkungsvollen Steigerungen» zu schönen Hoffnungen berechtigt Wahre Kunst bot auch
der Genfer Emest Bloch in seinen swei Konzertstficken fGr Orchester ,»Frühling*' und
»Winter*. Der tiefe Ernst des starren Eises, das Heitere des Frühlings in seiner ganzen
Farbenpracht, alles spricht in herrlichen Melodieen zu uns. Wenig konnte der ZQrcher
Ernst Isler mit seiner ,»Quelle* für Tenorsolo, gemischten Chor und Orchester be^
geistern. Zwischen dem sanften Plitschem und Dahingleiten einer Quelle .und dem
ungeberdigen Bergbachgebrause Islers ist doch ein himmelweiter Unterschied. Eine
Symphonie in F-dur von Peter FassbSnder in Luzem schloss das Konzert würdig
ab. Eine phantasiereiche, sehr saubere Ausarbeitung, prachtvolle Klangwirkungen und
eigenartige, kunstvoll durchgeführte Themen sind das Hauptmerkmal dieser stimmmungs*
vollen Komposition. Am Sonntagskonzert trat zum erstenmal ein junger Neuenburgeri
Paul Benner» mit einem religiösen Chorwerke mit Sopransolo und Orchesterbegleitung
vor die schweizerischen Tonkünstler. Sein »Mortuus pro nobis" macht durchaus den
Eindruck von schöner, ruhiger Einheit Eduard Combe hatte das Erntelied von Verlaine
in Töne umgesetzt Die Komposition, ein Konzertstück für Chor und Orchester, zeichnet
sich durch iusserst klangvolle Chorpartieen und eine glänzende Instrumentierung aus*
E. Jaques-Dalcroze's »Tragödie d'amour*, ein Zyklus von sieben lyrischen Stimmungs*
bildem für Sopran und Orchester, erregte trotz eines geteilten Urteils ungeheuren BeifklL
Der Vorwurf einer raffinierten Effektmusik ist meines Erachtens nicht ganz gerechtfertigt;
in diesem Werke liegt das ganze flammende Temperament eines Welschen, das ein
ruhiger Deutschschweizer nie ganz verstehen kann. Joseph Lau her hatte für Henri
Marteau ein Violinkonzert geschrieben, das dieser in ganz vollkommener Weise zu
Gehör brachte. Entgegen dem modernen sogenannten Violinkonzert hat Lauber der Violine
eine ganz selbständige Rolle zugedacht. Das Hauptstück dieses dritten Konzerts war
die fünfte Symphonie von Hans Huber in Basel, betitelt »Der Geiger von Gmünd*.
Im Mittelpunkt des Ganzen steht eine wundervolle Geigenmelodie, schon an und für
sich ein Kunstwerk ersten Ranges. Karl Reinecke hat bekanntlich in letzter Zeit die-
selbe Legende bearbeitet; was ihm aber fehlte, das Dramatische, das ist Hubers Symphonie
im schönsten Sinne zu eigen. Die ganze Romantik des katholischen Kultus gelangt hier
in ihrer schönsten Farbenpracht zur Darstellung. Die Ausführung aller dieser Werke
durch die Soci6t6 Choräle und das Kaimorchester war in allen Teilen eine vorzügliche.
— Soviel vom eidgenössischen Tonkünstlerfest im gastlichen Neuenburg, das mir in den
sonnigen Maitagen einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hat Man hat schon oft
von einer spezifisch schweizerischen „Schule* gesprochen, und in der Tat, wenn ich
auch diese Bezeichnung nicht ganz anerkennen mag, etwas Wahres ist doch daran. Ein
einheitlicher Zug ist den Komponisten, so verschieden sie auch sonst sein mögen,
eigen, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ist auch an diesem Feste sehr prägnant zum
Ausdruck gelangt. Manchem Musiker, dem die Türen des Konzertsaals bisher verschlossen
bleiben mussten, ist durch den schweizerischen Tonkünstlerverein Gelegenheit geboten,
zu Worte zu kommen, und eine einzige mustergültige Aufführung wird ihm zum Ansporn
fürs ganze Leben. So vermögen diese Konzerte einen segensreichen Einfluss auszuüben
nicht nur auf die Komponisten selbst, sondern auf das ganze schweizerische Musikschaffen.
Nicht jedem der jungen Komponisten ist der Stempel der Unsterblichkeit an die Stime
geschrieben, doch dessen kann sich jeder rühmen, dass auch er in ernstem Streben ein
Scherflein beigetragen zu einem würdigen Gesamtbild echt schweizerischer Musik.
Fr. Zollinger
PRAG: Aus dem konventionellen Reigen ragte das Grieg-Konzert hervor, in dem
sich der Meister als Dirigent und Pianist sehen und hören Hess. Beides ist eigent*
lieh ein massiger Genuss. Aber der bedeutende Komponist deckt es mit seiner Flagge.
69
KRITIK: KONZERT
Das genfigt — dem Publikttin. Der Minnergesangverein hat einen neueii Dirigenten^
Dr. V. Keussler, der sich in Mozaru ^Requiem" gfinstig einführte« Frau Bricht-
Pyllemann liess in ihrem Liederabend den alten Hngo Wolfenthusiasmus der Prager
wieder auflodern und trat mit Erfblg für Pfltzner und Streicher ein. Die tschechische
Philharmonie schloss die Saison mit der • ^Nöunten" ab. Ihr Hauptverdienst liegt in
ihren von Dr. Zemanelc geleiteten 20 populiren Konzerten, in denen sie mehrere wertvolle
Manuskriptsymphonieen aus Dvof Aks Frühzeit brachte, nimlich op. 4 in B, op. 10 in Es,
op. 18 in d-moll. Der moderne Einfluss, dem sich DvoHk später wieder entriss, ist hier
unverkennbar« Ein sehr interessantes Werk sind die Tonsitze, die Mussorgsky nach
Bildern eines befreundeten Malers komponiert und zu einer Suite vereinigt hat*
V* Novaks j»Slovakische Suite* (ursprünglich für Klavier) hat auch im instrumentalen
Gewände gelkllen. In Smetana's selten gehörter »Triumphsymphonie* ist das Scherzo
ein geniales Dacapostück. Dr. Richard Batka
SCHWERIN LM.: In der letzten Kammermusik wurde Schuberts Trio in Es-dur
op. 100 in «vortrefflicher Ausführung gebracht Paul Prill meisterte die. anspruchs-
volle Klavierpartie mit grossem Erfolg; mit ihm vereinten sich Alfred Meyer (Violine)
und Kammervirtuos Lang (Cello) zu dem gelungenen Vortrage des Werkes. Auch
Beethovens Sextett bot einen ungetrübten Genuss. An vier weltlichen Gesingen ffif
gemischte Stimmen, die der Hoftheaterchor klangvoll, rein, dynamisch fein schattiert und
deutlich sang, konnte man seine Freude haben. ^ Elsa Laura von Wolzogen erzielte
mit ihrer eigenartigen Kunst vielen Beifall; bei Ludwig Hess liess diesmal der Besuch
zu wünschen übrig; dagegen hatte Wüllner einen vollen Saal, und seine Vortragskunst fuid
grossen Anklang; van Boa* Klavierbegleitung war ausgezeichnet. Fr. So t hm an n
TEPLITZ-SCHÖNAU: Im IV. Philharmoniachen Konzert kam Regers «Sin-
fonietta* zur Aufführung; trotz guter Wiedergabe durch das Kurorchester unte^
Zeischka erfuhr das Werk nur eine geteilte Aufnahme. Um so beifilliger wurde Strauss'
»Till Eulenspiegei* entgegengenommen, und ebenso ein Cello-Konzert von Prof. KlengeL
— Das V« Konzert stand unter dem Einfluss d'Albert's; es gelangten nur Kompositionen
(bis auf Brahma' Klavierkonzert in B-dur) des berühmten Klavieristen zum Vortrag.
Der hinreissende Schwung der Improvisator-Ouvertüre, wie der echte Lustspielton der
Ouvertüre zu »Die Abreise* kamen vorzüglich zur Geltung. D' Albert spielte ausserdem
noch sein eigenes Klavierkonzert No. 2. — Das Programm des VI. Konzertes brachte nur
Weingartner'sche Kompositionen unter seiner Leitung. Das Publikum nahm die G-dur
Symphonie, die symphonischen Dichtungen »König Lear** und »Die Gefilde der Seligen''
mit der lebhaftesten Anerkennung auf. Die Liedkompositionen wurden unter grossem
Beifall von Helene Staegemann gesucgen. — Mitten in diese grossen Orchesterkonzerte
trug das Ros^quartett (Wien) den anziehenden Ton des Intimen. — In den Volks*
konzerten brachte Kapellmeister Zeischka u. a. noch zwei Manuskriptwerke zur Auf«
ffihrung: eine symphonische Dichtung von Kitzler und vom hiesigen Opernkapell-
meister Klausner ein Violinkonzert mit Orchesterbegleitung. Letzterem Werk ist der
Vorzug einzuriumen. Anton Klinla
WIESBADEN: Zum Besten der Deutschen Musiker-Pensionskasse hatten sich die
königl. Theaterkapelle und das stidtische Kurorchester zu einem »Fest-Konzert*
unter Ugo Afferni's Leitung vereinigt. Wagners Meistersingervorspiel, Liszts »Tasso",
Beethovens 3. Leonoren-Ouvertüre in schwunghafter und tongewaltiger Ausführung bildeten
die Haupttreffbr des Programms. Als Solist liess uns namentlich Cellovirtuos Brückner
seinen schön gesponnenen, von Wohllaut gesSttigten Ton und seine glänzende technische
Bravour aufs neue bewundem. Ende März bescbloss auch das Theater-Orchester den
Reigen seiner dieswinterlichen Konzerte. Hauptstück des Abends war hier Berlioz'
70
DIE MUSIK V. 19.
dramatische Symphonie i^Romeo und Julie*, die in den berfihmten 3 Orcbeatersltzen
nach wie vor ihre zwingende Gewalt offenbarte , während in den Chor- und Solo-Nummern
sich neben eminent Wirksamem doch auch schon manch Verblasstes und opemhaft
Wirkendes vordrängte. Die Wiedergabe des schwierigen Werkes war überall von Schwung
und Sorgfalt getragen, und der Dirigent Prof. Mannstidt wurde lebhaft gefeiert Das
letzte Konaert des »Cicilien-Vereins* brachte uns dann noch eine im grossen und
ganzen recht annehmbare Aufführung der «Matthius-Passion* unter G. Kegels Leitung.
Er kämpft hier vielfach vergeblichen Kampf: die Chor-Verhältnisse unserer Stadt sind
— schon durch Zersplitterung der Kräfte ^ nicht die besten, und der Besuch der Proben
muss wohl manchmal viel zu wünschen übrig lassen. Leider haperte es diesmal auch
mit den Solisten: Messchaert hatte abgesagt; Müller aus Frankfurt vertrat ihn, ohne
ihn ganz zu ersetzen; die übrigen Herrschaften taten was sie konnten, ohne grade alles
zu können, was sie taten. Otto Dorn
WORMS: Fem von den Wogen des grosstädtischen Musiklebens verlief unsre Saison
ruhig und ohne Auftvgung; ich glaube nicht, dass wir im ganzen Winter so viele
Konzerte hatten, wie Berlin in zwei Wochen. Nur selten verirrt sich fine »Grösse* zu
uns, obwohl in Worms nicht nur ein kunstftvudiges, sondern auch ein kapitalkräftiges
Publikum existiert Ich möchte dies gerade an dieser Stelle betonen, um allen Meistern
und Meisterinnen des Gesanges, der Geige und des Klaviers, die diese Zeilen lesen,
unsre alte Nibelungenstadt für den nächsten Winter in »empfehlende Erinnerung* zu
bringen. — Die Liedertafel stand im Mozartjahr im Zeichen der Romantiker, allerdings
gab es in einem der kleineren Konzerte auch einmal 10 Minuten Mozart; in ihren beiden
grossen Konzerten brachte sie Mendelssohns Elias und die Faustszenen von Schumann.
In beiden Aufführungen unter Direktor Kiebitz' treflPlicher Leitung hielten sich die
Chöre recht wacker, namentiich im Faust fiel die Sicherheit der Einsätze angenehm auf.
Von den Solisten ist neben Müller-Frankfurt besonders Guggenheim-Worms (bari-
tonaler Bass) zu erwähnen, der ein prächtiges Material mit guter Schulung verbindet
Der rührige Philharmonische Verein, der unter Grieser hauptsächlich klassische
Musik pflegt, spielte in einer würdigen Mozartfeier die D-dur Symphonie (Br. u. H. No. 38)
mit klarer und stilgemässer Interpretation und mit rhythmischer Straffheit In dem
gleichen Konzert imponierte Martha Schauer-Bergmann-Breslau durch die dramatische
Wucht ihrer Stimme und durch wohltuende Tonsicherheit Im zweiten Konzert, dss die
Paukensymphonie brachte, spielte Walter Kaspar -Worms korrekt und mit guter
Phrasierung. Eine freudige Oberraschung brachte das letzte Konzert des Vereins: Paula
Stebel ist nicht nur ein viel versprechendes, sondern ein bereits recht viel gewähren-
des Talent — Der einzige (!) Kammermusikabend des Winters, den gleichfalls
der Philharmonische Verein veranstaltete, brachte zwei von der Mainzer Bläser-Ver-
einigung aufgeführte Neuheiten, das Bläserquintett op. 79 von Klughardt, das trotz seines
melodischen Flusses nicht zu erwärmen vermochte, und das preisgekrönte Quintett op. 20
von Verhey, dessen mit besonderer Liebe behandelten Klavierpart Voss-Mainz mit
scharfer Charakteristik durchführte. — In einem eigenen Konzert spielte Pete chnikoff
vor überfülltem Saal und mit aussergewöhnlichem Beifall; beides war auch bei Ottilie
Metzger-Froitzheim der Fall, die in einem Konzert des Männergesangvereins sang.
— Dass wir ds auch im verflossenen Winter noch nicht zu Volksaufführungen mit
ermässigten Preisen gebracht haben, ist höchst bedauerlich. Dr. Max Strauss
W«t6a Ranmnuuigelt mutstea fflr du nlchite Heft surfickgettellt werden die Berichte: BrQnn, CobaiiB, Fnnk-
ftirt, Leipzig, MQaehen, NQrnberf, Ptris, Rio Gmnde, StniMbarg, Weimar (Oper); Amsterdam, Antwerpen,
Baden«Baden, Baltimore, Bromberf, Brfinn, BrOaael, Clnclnnatl, Coburg, Flenabuiig, Frelbuff , Glesaen, Jena, Kiel,
KOln, Könlgsbeiig, Leipzig, London, L&beck, Luzem, Mainz, Paria, Rio Grande, Tslnguu, Zwickau (Konzert).
Unter den Portrits Richard Wagners ist uns das feine Gouache-Bild von
Hubert Herkomer immer besonders lieb gewesen. Wir stellen darum eine Wieder-
gabe dieser ausgezeichneten Arbeit, deren Original das Haus Wahnfiried beherbergt,
unseren heutigen Bildern voran. Das Bild stammt aus dem Jahre 1877.
Das kleine, intime Familienbild veranschaulicht treffend die viterliche Lieb^
mit der Richard Wagner seinen Sohn umgab. Heute ist aus Jung-Siegfrled ein^voU
erblfihter KQnstler geworden: ein vorbildlicher Regisseur und ein prichtiger Dirigent,
und seine Titigkeit wird bei den diesjährigen Festspielen wieder eine bevorzugte Be-
achtung finden.
Dem Tristan, der unter den diesjihrigen Darstellungen in Bayreuth wohl den
Hauptanziehungspunkt bilden wird, gehören die nichsten sechs Blatt. Wir sehen den Helden
am Steuer des Schiffes, versonnen lenkt der Recke den Kiel. Franz Stassen ist der
Zeichner dieses ungemein feinen Blattes, das aus einer Tristan- und Isolde-Mappe stammt;
die der DQsseldorfer Verlag Fischer & Franke in einer ausgezeichneten Ausstattung heraus-
gegeben hat. Die feinsinnigen Umrahmungen, die jedem dieser Stassenschen Butter ein
eigenes und vornehm gewihltes Symbol geben, hat auch Hugo L. Braune bei seinen
Tristanblittem in Anwendung gebracht. Aus der Mappe dieses Kfinstlers wihlten wir
eines der schönsten Blätter, auf deren Wert in diesem Heft Wolfgang Golther auf Seite 42
verweist Es sei noch bemerkt, dass die Originale fisrbig ausgestattet und in sehr ge-
schmackvoller Ausführung vom Verlag der Wagnerschen Schriften C. F. W. Siegel in
Leipzig herausgebracht worden sind. Drei iltere bildliche Darstellungen zeigen uns das
ehrwürdige Alter der Tristansage: es sind dies zwei Fresken auf der Burg Runkel-
stein bei Bozen, deren photographische Wiedergabe zum erstenmal vor kurzem vor-
genommen worden ist. Auf ddm ziemlich stark bewegten und handlungsreichen ersten
Fresko werden uns sogar zwei Darstellungen aus dem Leben der Isolde vorgeführt; das
andere Blatt, dessen Original im Frauengemach der genannten Burg vorflndbar ist, zeigt
den Tod des Helden. Wir verdanken die beiden Vorlagen der Liebenswürdigkeit unseres
geschätzten Mitarbeiters Dr. Paul Marsop. In der Nationalbibliothek zu Paris befindet
sich eine Tristanhandschrift aus dem 15. Jahrhundert, aus ihr entnehmen wir eine
wesentlich anders dargestellte Sterbeszefte Tristans: sie zeigt uns, wie der Singer
idlhrend des Harfenspiels vor Isolde durch König Marke getötet wird.
Anlisslich der Veröffentlichung einer Reihe von Briefen des ersten Darstellers
von Wagners Tristan haben wir Ludwig Schnorr von Carolsfeld in mehreren Aufhahmen
als Tristan wiedergegeben. Siehe .Die Musik« IV. Jahrgang, Heft 20. (Bin Bild seiner
Gattin im Kostüm der Isolde war nicht erlangbar.) Heute wollen wir das schon historisch
gewordene zweite Tristanpaar im Bilde vorführen: Heinrich und Therese VogL
Der Güte von Frau Vogl haben wir die Neuaufnahmen der beiden selten gewordenen
Bilder zu danken.
Zum Ring des Nibelungen, der in diesem Jahr in Bayreuth abermals erklingen
wird, und zu dessen Verlebendigung mehrere Künstler berufen werden, die an dieser
Stelle noch nicht gewirkt haben, bringen wir als köstliches Erinnerungsblatt eine
Korrekturbogenseite des Handexemplars unseres Meisters aus dem ersten
= DIE MUSIK V. 19. ;
Druck dea RingcB ffir FreuDde ■!!■ dem Jabre 18S3; et zeigt die Änderungen für
die apiiere Faasang. (Vir enlnabmea dieses Blatt der anageieldiDeten Monographie
Hans von Toliogens : Richard Tagner als Dichter, Qber deren Tfirdlpiag unsere Leser
auf Seite 46 dieses Heftes das NBtlge nachlesea mSgan.)
Durch die BereitwIUlgicelt der Verlagsana talt Breitkopf & Hlrtel wurde es uns
mAgltcb, den Totaakopf und die Gestalt Siegfriede vor dem erlegten Drachen —
beide von der Meisterhand Hans Thoma'a — wiedergeben zn dürfen. (Beide Blitter
stammen aga, der Serie «ZeitgenOasiscbe Kunslblitter', die der genannte Verlag tu dem
ausaerordenillch billigen Preise von 2 Mk. In den Handel gebracht hat] Natürlich alad
unsere beiden Reproduktionen stark verkieinen. Das tiefernste Deutschtum dea jetit In
Karlsruhe lebenden Meisters ist leider erst apit erkannt worden; Hans Thoma musste
60 Jahre alt werden, ebe der Deutsche snBng Ihn su Teratehen. Zn dem Bayrenther
Feataplel steht er Im engen VerhUtnla, stammen doch von ihm die Kostüme zum Ring
des Nibelungen, denen wir In diesem Jahre wieder begegnen werden.
Dem Mfinzeracben Aufaatz über Hans Sachs kSnnen wir eine Nachbildung des
Titelblattes der .Tlttenberglscben Nachtigall" beifügen. Die Daratellnngen
auf dem Holzschnitt sind im Geiste der damaligen Zelt allegeriach. Das Blatt eniatammt
dem Nürnberger Druck, der für den ersten gehallen wird, obwohl er ohne Angabe des
Jahres und dea Ortea geblieben Ist Besonders interessant dürfte auch eine Nachbildung
.der clgenbindlgen Notenschrift des Dichters, Musikers und Scbuhmacbera sein. Es
Ist dies der pKune Ton", zu Landabut aua dem Jahre 1519.
Mit einer lusserat seltenen Karikatur aus der Sammlung dea Kapellmeisters
Ottenbeimer in Nürnberg wollen wir die diesmalige Reihe unserer Beigaben beachllessen.
Tlr sehen Rlcbard Tagner In der KOnlgsloge dea Hof- und Nationalthesters In München.
Das lustige Blatt wurde anlisslich der ersten Melatersinger- Aufführung in München
.421. Juni 1868) von einem unbekannt gebliebenen Satiriker ausgeführt Man vergesae
nicht die Torte zu beachten, die oberhalb der Loge angebracht aind und die lauten:
«Werden wir Ihn da wiederaehenP" Ala Erinnerungazeichen an die damals ^reode
Münchener Zelt, als Gedenkblatt an die Uraufführung eines der genialsten Terke der
■gesamten deutsdien Kunst wie sls launiges Impromptu eines namenloaen Karlkatarlaten
dürfte dieses Bildchen unseren Lesern wohl genehm sein.
Niebdrnek aar mll aiiidrilckllcber Eriiutml* du Verlif» (■■iit
Atle SechM, Intboonden du der OberMBunt. Torbchalnn.
Verantwortlicher Scbriftleitei: Kapellmeister Benihard Schuster
Berlin V. 57, Bfilowstrasse 107 '•
RICHARD WAGNER
Nach einer Gouache von Hubert Herkomer. 1877
RICHARD WAGNER
nit dem kleinen Siegfried
••• •••
AUS DEM TRISTAN-MAPPENWERK
VON FRANZ STASSEN o o O O
(VcrliE Fiachcr & Fnoke, DEiKldorl)
AUS DER TRISTAN-MAPPB
VON HUGO L. BRAUNE
(Verlag C. F. W. SIecel, Ltipiii)
r m
• • • ■•
• • I
• •
• ••
TRISTANS TOD
Fresko im Frauengemach
der Burg Runkelsiein o
KÖNIG MARKE TÖTET TRISTAN
Nach einer Handschrift des 15. Jahr-
hunderts in derNationalbibÜothek zu Paris
:••:
r- • ,'
r •
HEINRICH UND THERESE VOGL
als Tristan und Isolde
• •
i1
\i
^Mmi}
■}i)i}} !
^?11P^
OS
VOTAN
von Hans Thoma
t f •
SIEGFRIED
on Hins Thoma
• ? • • • »
* • • •
Sie mtittmbrrgtfrti l@acl}ttgaU
Vit man ytt^ ^oue rbtratU
TITELBLATT ZU HANS SACHSENS
WITTENBERCISCHER NACHTIGALL
• •,
•
«
^/^O» 0^/ ^/ ^-
J^
1^-
'^T^ /^ ^
Oo^ ^
ß
^i/<»> <
Ä
.^/ ^
tflw -b ^ flj„^^/ Vii* » «»^/ *-^ -«^ itJ«
e
=^
^^^
>fi
f^
O » ^O"^
Vww ffeUAT rC4Cn «wi^ •>»« (fi*f*rv*/ yw» ffinffm» IllSSttK
h^ ^ä
o<?/»
^»'^ '~*~Sr^Wn^^.«pWf-^*«^>tJf^V
0 bf«« Ve ^a»^ Jn»>
-n»«^ ««.• 4* -«ft«
V» '»»»-hS*» Ah. ly:|kn. ^^-j ,
DER »KURZE TON«. Facsimlle
der Notenschrift des Hans Sachs.
V. 19
EINE WAGNER - KARIKATUR
ZUR URAUFFÜHRUNG DER
MEISTERSINGER IN MÜNCHEN
DIE MUSIK
SCHUMANN-HEFT
Joseph Joachim gewidmet
Licht senden in die Tiefe des menschlichen Herzens — des
Künstlers Beruf! —
Die Gesetze der Moral sind auch die der Kunst —
Ohne Enthusiasmus wird nichts rechtes in der Kunst zu Wege
gebracht. —
Es ist des Lernens kein Ende« —
Robert Schumann
V.JAHR 1905/1906 HEFT 20
Zweites Juliheft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
INHALT
Leopold Schmidt
Robert Schumann
F. Gustav Jansen
Aus Robert Schumtans Sctaulielt
G. Noren-Herzbet^
Robert Schumann «Is MnsikschriRsteller
Hermann Erler
Ein ungednickter Canon für vier Minnerstimmen und
sechs angedruckte musikalische Hans- und Lebena-
regelo Robert Schumanns
F. Gustav Jansen
Kn nnbekannter Brief von Robert Schumann
Dr. Richard Hohenemser
Clara Wleck-Schumann als Komponistin. L
Conrad Ramrath
Das Schumann-Fest in Bonn
Dr. Gustav Altmann
Ober Robert Schumanns Krankheit
Neue Schumann-Literatur
Anmerkungen zn unseren Bellagen
Kunstbeilagen
Mnslkbellage
Anzeigen
DIE MUSIK enckdlit moaatllcb zwdmtl. AbonDcmentaprdt fllr du
Quiftal 4 Mut. AboDDcmenoprela fQr den Jafaifiiit 19 Mark. PreU
de« elnzelnea Hefte* I Mark. Viertel Jahnein band deokeo 1 1 Mark.
SunmelkaMen tOr die KunilbeMagen de* sanzen JabrgtDKi 2^ Mark.
Abanaementi durch |ede Buch- und MuaEkalieDhaDdluni, Kr kleine
Piltz* ohne Buchhlodler Becut durch die Pml
rt ScbiimnnB bekanntestes Bild, d«s seine Liederalbums zn
imückeo pflegt, zeigt uns des Meisters sinaendes Haupt, leicbt
r Seite geneigt, auf die Hand gestützt. Ob porirStahnlicb
er nicbt, dies Bild ist in bdherem Sinne wabr: es entspricbt
der Vorstellung, die wir aus Scbumanns Terken gewinnen. So blickt ein
Mensch, der sein Leben mebr triurot als lebt, der der Wirklichkeit gegeo-
überstehl mit dem Kindergemüt des Dichters. Da» Wort .Tondichter', es
passt auf keinen Komponisten so wie auf Schumann, dem die Musik im
eigentlichsten Sinne eine Sprache war, ein Mittel, alles, was ibn innerlich
oder iusserlicb bewegte, gestaltend wiederzugeben. Wer des edlen Mannes
Bildnis literarisch nachzeichnen will — und dies hier zn versuchen gibt
uns die fündigste Wiederkehr seines Todestages die ernste Veranlassung — ,
der wird gut tun, nicht nach neuen geistreichen Wendungen zu suchen,
nicht Nebenslcblichea über Gebühr hervorzuheben, um dem, was über
Schumann Gutes und Richtiges schon gesagt ist, aus dem Wege zu gehen.
Wie in allem Grossen liegt auch in Schumanns Wesen eine rührende,
schlichte Einfachheit; ihr werden auch in der Darstellung wohl schlichte
Worte am nXchsten kommen.
Es -gibt eine Grenzlinie, auf der sich Mensch und Künstler am
innigsten berühren: sie geht durchs Herz. Kunstverstand und Begabung
kSnnen von Geist und Gemüt getrennt ein selbständiges Dasein führen;
wo aber Herzensreinbeit and Güte sind, da spiegeln sie sich getrealicb in
den Quellen künstlerischen Schaffens. Aus meiner Studienzeit ist mir eine
Stunde nnvergesslich, in der ich eine Probe zu Schumanns .Paradies und
Peri' unter Joachims Leitung mitmachen durfte. Wir waren zu der Stelle ge-
kommen: .Denn in der Trln' ist Zaubermacbt, die solch ein Geist für
Menschen weint' — da unterbrach Joachim und sagte zu sich selber und
den Musizierenden voll ErgriiTeoheit : .Welch guter Mensch war doch
Schumann!' Es wlre verkehrt, in solcher Auffassung eine allgemeine
moralisierende Tendenz der Kunst gegenüber zu sehen, denn es handelt
76
DIE MUSIK V. 20.
sich hier nicht um den sittlichen Wert des Guten, sondern um seine be-
fruchtende und läuternde Macht über den Schaffenden. Joachim hatte ganz
gewiss nicht nötig, zu sentimentalen Betrachtungen zu greifen, um die
musikalische Potenz Schumanns zu erhärten. Er hatte eben das Wesen
des verewigten Freundes tiefer als andere erfasst. So konnte er es noch
unlängst bei der Gedächtnisfeier am Grabe Schumanns mit den Worten
charakterisieren: »eine äussere Würde war ihm eigen, der sich nichts Un-
lauteres zu nahen wagte". Diese Reinheit des Menschen ist zugleich die Rein-
heit des Künstlers. Sie lässt sich in seiner Gesinnung als künstlerische
Ehrlichkeit und Vornehmheit, sie lässt sich bis in die Handhabung des
Technischen hinein verfolgen. Sie ist zugleich von eminent kultureller
Bedeutung. Wie käme es anders, dass wir durch die Berührung mit
Schumann uns immer so hochgestimmt fühlen, so sicher vor allen un-
lauteren Empfindungen? Dass er uns zu einer Hochburg geworden vor
den Gefahren unredlicher oder auf den sinnlichen Effekt berechneter
Kunstbestrebungen? Die Beschäftigung mit seiner Musik stärkt und be-
flügelt ideale Regungen, sie ist wie ein Bad, das allen materialistischen
Schlamm von der Seele spült. An Schumann scheiden sich denn auch in
gewisser Beziehung die Geister; auf ihn passt das Wort Gottfried Kellers,
dass ,alle Unkräuter sich von ihm abwenden, wie Hunde von einem
Glase Wein«.
Beruht nun Schumanns Grösse in dieser Integrität? Gewiss nicht in
ihr allein, soviel Macht sie ihm auch gegeben. Was den Stempel auf-
drückt, ist noch nicht die treibende Kraft. Die ist vielmehr der bild-
nerische Trieb, das ursprünglich eingeborene, spontane Gestaltungsvermögen,
die Natürlichkeit der künstlerischen Schaffensbedingungen. Dem Wollen
und Erkennen bleibt nun einmal das Geheimnis verschlossen, das unter
allen Hohes erstrebenden Geistern immer einige Wenige heraushebt, sie
zu schöpferischen Genies macht. Dieses Etwas hat Schumann mit allen
Grossen gemein, das stellt ihn in die Reihe der Auserwählten. Es ist
dabei ganz gleichgültig, ob man ihm, gegen andere gehalten, Ungleichheit,
ja selbst mangelnde Meisterschaft im einzelnen vorwerfen kann. Ob
Schumann Miniaturen schafft, ob er in grossen Formen dichtet, immer, oder
fast immer zeigt das Gedankenmaterial eine Prägung, die unverkennbar
nur ihm angehört. Die Phantasie eines solchen Originalen ist wie ein
Gefäss, das den allgemeinen Inhalt anders fasst, als es vor ihm ge-
schehen. Und diese Originalität ist etwas völlig Ungesuchtes und Un-
bewusstes: unter der Hand gestaltet sich ihm alles so, er kann gar
nicht anders. Wir nennen das den eigenen Ton, die persönliche
Note. In diesem Sinne bildnerisch haben wir nach ihm nur noch
zwei Männer wirken sehen: Wagner und Brahms. Oft ist die Eigenart
77
SCHMIDT: ROBERT SCHUMANN
formell nicht einmal nachweisbar; bei Schumann namentlich liegt sie dann in
der Stimmung. Denn auch ein Stimmungsgebiet gibt es, das wir erst seiner
Art zu empfinden verdanken, das niemand vor ihm gekannt oder zum Aus-
druck gebracht hat. Man liebt es, Schumann aus dem Geiste der Romantik
zu erklären, in deren Bann er stand, und die in der Tonkunst mit herauf-
zufuhren er ja berufen war. Aber wenn auch Schumann im Romantischen
wurzelte, wenn er auch in gewisser Beziehung der Romantiker par excel-
lence zu nennen ist, so wäre damit sein Wesen nicht restlos erklärt. Nach
Abzug all dessen, was er seiner Zeit als Tribut gezahlt, was er von ihr
empfangen hat, bliebe ein Persönliches, das mit gleicher Wirkungsßhigkeit
in ganz anders geartete Epochen hineinragt. Wenn alle Werke Schumanns
der Vergessenheit anheimgefallen wären, so würde der Schumannsche Geist
noch weiterleben, würde der Ton, den er zum erklingen gebracht hat,
dennoch forttönen. Nur so erklärt sich auch die Tatsache, diass Schumann
nachgeahmt und nachempfunden werden konnte, wobei uns freilich das
Charakteristische des Originals als Manier erscheint.
In der Fähigkeit also, die Dinge auf durchaus eigene Art zu sehen,
seinem Empfinden ungezwungen allzeit einen persönlich gearteten Ausdruck
zu geben: darin haben wir das Merkmal der Bedeutung Schumanns, das,
was ihn auf eine Stufe mit den grossesten Meistern stellt, den wenigen,
die, von höherem Gesichtspunkt betrachtet, die Träger der gesamten Be-
wegung sind. Wir können etwas als spezifisch .Schumannisch" ansprechen,
wie wir andres Bachisch, Beethovenisch oder Wagnerisch nennen« Dies
Phänomen muss man zunächst im Auge behalten, wenn man die Stellung
Schumanns in der Musikgeschichte verstehen, den Wert seines Schaffens
und seines Einflusses gerechterweise abschätzen will.
Es ist immer bezeichnend für die ästhetischen Ideale einer Zeit, wie
sie sich zu den Meistern der Vergangenheit verhält. Wie verschieden
stand beispielsweise das 18. und das 19. Jahrhundert einem Bach gegen-
über, wie anders wiederum versucht ihn die lebende Generation zu
würdigen! So ist auch das Verhältnis zu Schumann symptomatisch
für den Geist unserer Tage. Freilich kein Symptom, das uns zu be-
ruhigen sonderlich geeignet wäre. Die offene und versteckte Abkehr
von einem so edlen Meister (die wir uns leider als eine nicht mehr
zu leugnende Tatsache eingestehen müssen), spricht nicht gerade für
eine Verinnerlichung auf künstlerischem Gebiete. Die Gemeinde der
unbedingten "Anhänger ist stark zusammengeschmolzen. Wohl hindert
ein Anstandsgefühl, an der offiziellen Verehrung zu rütteln, die
dem Namen und Andenken Schumanns gezollt wird, wohl hängt das Volk
noch an seinem Tondichter, wo er in seinen vollendetsten Schöpfungen zu
ihm spricht. Aber gerade die massgebenden Kreise, die modernen Musiker
78
DIE MUSIK V. 20.
und ihre Anhänger ffihlen oder affektleren eine Geringschätzung, die jenen
Wunderwerken wie der gesamten Persönlichkeit gegenQber übel angebracht
ist. Man sucht diese Geringschätzung einigermassen wettzumachen durch
das gesteigerte Interesse, das man einzelnen Seiten dieser Persönlichkeit,
und zwar auf aussermusikalischem Gebiet, entgegenbringt. Da preist man
Schumann gern als den Vorkämpfer der Modernen, als den Brecher neuer
Bahnen, der in jüngeren Jahren im Streite wider die Philister, wider allen
Zopf und Schlendrian in der Kunst, dem Neuen und Revolutionären voll
Begeisterung zum Siege verhelfen hat. Oder man hebt mit Vorliebe den
Schriftsteller hervor, der sich mit so viel Geist und Erfolg für die Ideale
einer anbrechenden neuen Epoche eingesetzt hat. Niemand wird diese
Verdienste Schumanns bestreiten oder gering achten dürfen; wer sie aber
gar zu laut rühmt, gerät in Verdacht, Wichtigeres nicht gelten lassen zu
wollen. Selbst die Krankheitsgeschichte Schumanns tritt jetzt beängstigend
in den Vordergrund. Man weist uns dokumentarisch den erblich Belasteten,
Geistesgestörten nach, dessen Kunstübung schliesslich nur noch als eine
interessante Anomalie erscheint. Über all dem wird der wundervolle
Musiker vergessen, oder tritt doch in den Hintergrund, der Musiker, der
uns so unvergänglich Herrliches geschenkt hat, der im Verein mit den
Grössten der Nation deutsches Wesen, deutsche Kunst liebenswert und
verehrungs würdig gemacht hat. Dieses Musikers aber, der als schöpferische
Potenz ein von dem reflektierenden und leidenden Menschen unabhängiges
Sonderdasein geführt, haben wir alle Ursache, uns immer und immer
wieder dankbar bewusst zu werden.
Man kann nicht gerade sagen, dass Schumanns musikalische Be-
deutung, sobald sie sich offenbart hatte, unterschätzt worden wäre. Auch
jetzt, wo die Ereignisse der letzten drei Jahrzehnte den Geschmack stark
verändert haben, wird niemand, er sei denn fanatischer Parteigänger eines
andern Meisters, sie gänzlich leugnen wollen. Aber auch hier besteht
eine Neigung, das Akzidentielle dem Essentiellen gegenüber hervorzuheben.
Am stärksten vielleicht empfindet man noch das Individualistische in seiner
Musik. Schumann knüpfte in dieser Beziehung an den späten Beethoven
an; nichts aber ist für den modernen Geist charakteristischer, als der
Wunsch, das Ich des Künstlers möglichst unverhüllt hervortreten zu sehen,
der Hang, Schaffen und Leben sich durchdringen zu lassen, sie in ihren
Wechselwirkungen zu beobachten. Schumann war in diesem Sinne ein
Modemer und wird daher als solcher heutzutage am besten begriffen. Hat
er doch selbst nicht wenig dazu beigetragen, die Tonkunst nach der Seite
79
SCHMIDT: ROBERT SCHUMANN
des konkreten Ausdruckes gefügiger, beredter zu machen. Wo Schumann,
in dem durch Erziehung und Beanlagung der Dichter oft dem Musiker
fast die Wage hält, auch äusserlich auf die Beziehungen zwischen Wort
und Ton weist, wo er am deutlichsten poetische Vorstellungen wachruft,
da fühlt man die engste Verwandtschaft mit ihm.
Nächst dem Individualismus ist es das Deutschtum Schumanns,
dessen man sich gern und oft bewusst wird. Schumann ist ein wahrhaft
nationaler Meister, denn eigentlich muss man Deutscher sein, um ihn
ganz zu verstehen. So viel Sympathieen ihm das Ausland geschenkt
hat, nur selten, das beweisen die Interpretationen fremder Künstler, er-
schliesst er ihm restlos sein eigenstes Wesen. Es gibt da Stimmungen
in seiner Musik, die nur ein deutsches Gemüt empfinden kann, in
seinem tiefsten Innern rauschen Quellen, die nur ein deutsches Ohr
vernimmt. Im Grunde ist es ja mit aller Höhenkunst nicht viel anders
— wie begrenzt ist oft unser Verständnis und unsere Aufnahmefähigkeit
den Meisterwerken der Franzosen und Italiener gegenüber! Aber bei
Schumann ist diese Seite ganz besonders entwickelt, und es kann
nicht Wunder nehmen, dass unsere Zeit, in der das Nationalgefühl
auch in der Kunst wieder erstarkt ist, den Deutschen in Schumann zu
würdigen liebt.
Mit dem nationalen Wesen Schumanns hängt u. a. ein gewisser
burschikoser Humor zusammen, der namentlich aus seinen Jugendwerken
so hell hervorbricht. Es ist die eine der zwei Seelen, die in Schumann
lebten; die andere, zarte, schwärmerische, war ganz dem Übersinnlichen
zugewandt. In der Fiktion der Davidsbündler, die sein musikalisches wie
sein literarisches Schaffen durchzieht, hat er diese Gegensätze in den
Gestalten „Florestan* und «Eusebius* personifiziert. Die Figur des ver-
mittelnden Meisters Raro hat in seinen Werken eigentlich nie die rechte
Verkörperung gefunden. Aber wo sie es tat, wo Schumann in reiferem
Alter, dem Vorbilde Mendelssohns nacheifernd, der Phantastik entsagte und
sich klassischer Abgeklärtheit befleissigen wollte, musste er zugleich einen
wichtigen Teil seines musikalischen Selbst zum Opfer bringen. Jener
frauenhaft zarte, träumerische Schumann nun, der in seinen Stimmungen
das Zwielicht der Dämmerung, das Ahnungsvolle, Undefinierbare liebt, der
geheimnisvoll, wie mit zauberhaften Fäden seine Musik über das Medium
des materiellen Klanges hinweg mit der Seele des Hörers verknüpft, der
ganz nach innen Gekehrte, der das tiefste Wesen der Romantik mit seinen
Tönen erschlossen hat — er gleichfalls steht unsrer Zeit sehr nahe und
findet ihr volles Verständnis. Alle .stillen, nachdenklichen Seelen", alle
Gemüter, die einer schwärmerischen Empfindung fähig sind, fühlen sich
zu ihm hingezogen. Ein gewisser sinnender, träumerischer Zug unsrer
80
DIE MUSIK V. 20.
Musik, ihr oft bis zum Grüblerischen gesteigerter Ernst, sie ruhen nicht
selten auf Schumannschem Grunde.
So bezeichnend nun die oberwähnten Eigenschaften für unseren Meister
sind — der literarisch-poetische Einschlag seiner Musik, das Individualistische,
die in echt nationalen Besonderheiten wurzelnde Art, sein tiefsinniges, von
zarter Innigkeit getränktes Wesen — das letzte Wort über den Musiker ist
damit noch nicht gesprochen. Das alles hätte Schumann im gleichen und in
noch höherem Masse besitzen können, ohne darum Anspruch auf die Be-
deutung zu haben, die wir ihm zuerkennen müssen. Etwas anderes musste
sich ihm gesellen, damit es zu erschöpfendem und überzeugendem Ausdruck
gelangen konnte: die spezifisch musikalische Erfindungs- und Ge-
staltungsgabe. Durch sie trat Schumann der Gruppe derer bei, die man,
mögen sie im einzelnen durch die ewige Wandlung der Anschauungen Ein-
busse erleiden, in ihrer geschichtlichen Stellung und ihrem bleibenden
Werte zu respektieren hat; durch sie unterscheidet er sich von denen,
deren Reflexionen gewiss sehr geistreich und zutreffend sind, die oft
auch grossen und fördernden Einfluss auf die Entwicklung haben, bei denen
wir aber zumeist nur technische Fähigkeiten bewundern. Es wird gut sein,
sich stets vor Augen zu halten, dass das Primäre wie bei allen bedeutenden
Komponisten, so auch bei Schumann, etwas rein Musikalisches — eben
jene Erfindungsgabe — ist, und gerade heutzutage, wo die Meinungen nur zu
oft davon abirren, kann das nicht nachdrücklich genug betont werden.
Es kommt im letzten Grunde nicht darauf an, was ma^ ausdrücken will,
wie man zu instrumentieren und kontrapunktieren versteht, sondern ob
man einen Einfall nicht nur so persönlich, sondern auch so plastisch zu
gestalten vermag, wie eben beispielsweise Schumann es vermochte.
Ein Überblick über das gesamte Schaffen des Meisters würde der auf-
gestellten Formel von seiner Bedeutung den rechten Inhalt geben. Er ist
aber hier nicht am Platze und bei den Lesern, an die sich diese Blätter
wenden, wohl auch nicht nötig. Nur in Kürze sei darauf hingewiesen,
dass in der Bewertung seiner Musik eine Wandlung zugunsten der Jugend-
werke und der kleineren Gebilde gegenüber den späteren und grossangelegten
Arbeiten stattgefunden hat.
Man wird Schumann am besten erfassen, wenn man von seiner Klavier-
musik ausgeht. Da hat er das Schönste und Eigenartigste gegeben. Schumann
war ja selber als Komponist vom Klaviere ausgegangen und hat von op. 1
bis 23 nichts als Klavierwerke geschrieben. In Stücken wie dem «Karneval",
den vKreisleriana" oder » Kinderszenen", in den «Novelletten" und „Phan-
tasiestücken'' zeigt sich seine Individualität so scharf ausgeprägt wie sonst
nur in seinen Liedern und einigen der reifsten Instrumentalwerken. Mit
ihnen schuf er einen neuen Klavierstil; ihre eigenartig polyphone Schreib-
81 ^
SCHMIDT: ROBERT SCHUMANN
weise gestaltete wesentlich den modernen Klaviersatz, auf den nur noch
Chopin und Liszt einen gleich starken Einfluss fibten. Auch das phan-
tastische Charakterstück für Klavier mit mehr oder weniger ausgesproche-
nem Programm verdankt eigentlich erst ihm seine Entstehung. Nächst der
Klaviermusik, bei der das herrliche a-moll Konzert nicht vergessen werden
darf, das in der freien Gestaltung der Form so vielfach anregend gewirkt,
sind es die Lieder Schumanns, die ihn uns liebenswert machen. Der
«Liederkreis", die «Myrten*, «Dichterliebe", .Frauenliebe und -leben'
sind Perlen der musikalischen Lyrik und stellen allein schon Schumann
in die erste Reihe der Meister. Ganz anders als Mendelssohn ist er für
die Weiterbildung des Liedes wichtig gewesen. Das Verhältnis der Melodie
zur Begleitung hat sich völlig verändert; das Klavier spielt eine be-
deutendere oft ganz selbständige Rolle und führt die Dichtung in langen
Nachspielen weiter. Nimmt man noch hinzu, dass Schumann auch auf
dem Gebiete der Kammermusik uns Unvergängliches, wie das unbe-
schreiblich schöne Klavierquintett, geschenkt hat, dass die zarten Reize
seiner »Peri' ewig blühen werden, dass alle Frühlingslust und Schwärmerei,
zu der seine Seele sich aufschwingen mochte, zum mindesten in der
B-dur Symphonie auch in instrumentale Formen gebannt, dass einzelne
seiner „Faust* -Szenen als die bisher würdigste Illustration der Goetheschen
Dichtung gelten müssen, und dass er im „Manfred* noch einmal die ganze
Tiefe seines Geistes offenbart hat — dann erscheint es wirklich gleich-
gültig, ob man manchen andern Arbeiten technische Mängel vorwerfen und
in der späteren Zeit, in die die Schatten des traurigen Endes vorausfielen,
von einem Ermatten der Phantasie reden kann. Es hiesse sogar der Grösse
Schumanns Unrecht tun, wollte man leugnen, dass sie sich im kleinen
Rahmen meist am glücklichsten bewährt (schon seine kurzen, oft eigensinnig
festgehaltenen Rhythmen sind dafür charakteristisch), und dass das Ringen
mit dem StoflF, das Streben nach der nicht in jungen Jahren erworbenen
Herrschaft über die Mittel sich oft schmerzlich bemerkbar machten. Wer
seinem Volke so Wundervolles zu geben hatte, bedarf einer schonenden
Beurteilung nicht.
Schumanns Einfluss war gross und wirkt noch heute fast ungeschwächt
fort. Ihn im einzelnen nachzuweisen wäre eine interessante Studie.
Schumannschen Melismen, harmonischen Wendungen und Tonfarben wie
den von ihm geprägten Rhythmen begegnen wir überall, selbst da, wo sie,
wie in Wagners Spätwerken, nach der herrschenden Auffassung nicht ge-
sucht werden. Auch auf das Ausland, namentlich auf Franzosen und
Russen, hat Schumanns Eigenart stark gewirkt. Am höchsten aber werden
wir diesen Einfluss schätzen müssen, wo er zu einer dauernden Verinner-
lichung des musikalischen Empfindens, wie des musikalischen Ausdrucks
82
m
DIE MUSIK V. 20.
gefuhrt hat, wo Schumann in dem Betonen des Poetischen, des Lossagens
von allem Philistertum, in dem mutigen Eintreten Für neue Bahnen be-
geisterte Jünger und Nachfolger gefunden hat.
50 Jahre bereits ruht nun der Meister von allen Kämpfen. Wir,
die wir aus Anlass des Todestages (29. Juli 1856) sein Andenken erneuem
wollen, können dies nicht besser tun, als indem wir vor allem dessen ge-
denken, was in ihm am lebendigsten war: seiner schöpferischen
Phantasie. So wird das Erinnerungsbild sich am reinsten gestalten.
voD F. Gustsv Jansen-Hannover
rai
718 Schumann Bich 1840 um die akademische Doktorwürde bewarb,
bemerkte er tn seinem Lebensabriss, er habe .eine gewöhnliche
I Gymnasialbildung erhalten'. Wie wenig diese bescheidene
\ Selbsteinschätzung den Leistungen des ungewöhnlich begabten,
frühreifen, mit dem Pridikat eximie dignus entlassenen Abiturienten ent-
spricht, ist schon an anderen Orten*) Gegenstand eingehender Darstellung
gewesen, die sich auf allerlei Aufzeichnungen Schumanns — Tagebuch-
blätter, Gedichte, novellistische und dramatische Versuche, Berichte über
einen von dem Sekundaner gegründeten literarischen Verein — stützte.
Diese biographischen Materialien haben kürzlich einen wertvollen
Zuwachs erhalten durch einige bisher unbekannt gebliebene nachgelassene
Handschriften Schumanns, deren Benutzung mir Fräulein Marie Schumann
freundlichst gestattet hat.
Unter den MInnem, die sich um Schumanns geistige Entwicklung
während seiner Schulzeit verdient gemacht haben, ist namentlich Gottfried
Hertel zu nennen. Er war 1795 zu Weimar geboren und wurde, nachdem
er Privatlehrer in der Schweiz, dann Hauslehrer bei Frau v. Heygendorf
in Veimar gewesen, zum Rektor des Zwickauer Lyceums berufen. Als
Ordinarius der Prima liess er sich die Pflege der deutschen Muttersprache
besonders angelegen sein und fand dafür an Schumann einen verstSndnis-
fihlgen Schüler. An Hertels deutschen Unterricht hat Schumann wohl
auch besonders gedacht, als er in seinem autobiographischen Abriss vom
19. April 1843*) die beiden Primanerjahre als .bedeutende Zeit' bezeichnete.
■) R. Schumanna Ge*. ScbriftCD, *. Aufl^ Leipilg 1801, Vorbericht S. VI u. t.
~ .Aus R. Scbuminaa Jugendieii* von M. Kalbeck, Edliatera österrelcb. Rundscbau,
1883, S. 22 n. f.
*) Dieser autobiograpblicb« Abrlii i>I keine zuHmineataiagende Darstellnnc
■ondem entbUt nur Stichwone, einzelne Namen usw., die lediglich inr UnlerttütiuDg
dea eigenen Gedichtnieies dienen solliea. Der Abritt amhttt 7 blt 8 OcUvteiien und
reicht blt In den September 1834, von wo ab, wie eine Scblattbemerkung tagt, tlch
.ziemllcta ordeatllcb' durchgefilhrte TagebQcber vorfinden.
84
DIE MUSIK V. 20.
Ein anderer Lehrer Schumanns — Siebeck — scheint mehr auf die
musikalische Entwicklung Schumanns eingewirkt zu haben. K. Chr.
H. Sieb eck aus Leipzig (1784—1846) wirkte von 1818 bis 1833 als
Kantor an St. Marien, womit die Stellung als ordentlicher Lehrer der Quarta
des Lyceums verbunden war. Er galt für einen ebenso tüchtigen Lehrer
wie Kantor. An einem vom Kaufmann Carus gegründeten Streichquartett
nahm er als Bratschist teil. Der junge Schumann genoss den nicht hoch
genug anzuschlagenden Vorzug, in dem kunstsinnigen Carusschen Hause
seinen musikalischen Sinn an klassischer Kammermusik bilden zu können.
Noch nach Jahren gedachte er dankbar seines «väterlichen Freundes" Carus,
an dessen Namen sich für ihn »die teuersten Jugenderinnerungen knüpfen ''.^)
Dass er aber bei den Quartetten nicht nur zuhören, sondern „oft selbst am
Klavier mitwirken durfte**, deutet er 1838 in einem dem Carusschen Silber-
paar gewidmeten Glückwunschgedicht an:
«Der einst in Eurem Kreise
Wie Kind vom Hause war,
Bringt heut* so innig wie leise
Euch seine Wunsche dar.
Ihr habt ihn gern geliuen,
Wenn er im kindischen Flug
Nach oben, unten und mitten
Euch das Ciavier zerschlug ...**)
Es ist hier noch eines anderen Mannes zu gedenken, der zwar nicht
Schumanns Lehrer auf der Schule war, aber ein reges Interesse an ihm
und seiner Fortbildung nahm — schon als langjähriger Freund seines
elterlichen Hauses. Mag. Karl Ernst Richter, 1795 in Zwickau geboren,
war 1819 bis 1822 Konrektor am Lyceum, dann bis 1829 Diakonus zu
St. Marien. 1827 begründete er die für die konstitutionelle Neugestaltung
Sachsens wichtig gewordene Zeitschrift »Die Biene, wöchentliche Mit-
teilungen für Sachsen und angrenzende Länder*, eine Fortsetzung von
August Schumanns »Erinnerungsblättem für gebildete Leser". Gleichzeitig
errichtete er eine eigene Buchhandlung. 1826 erschien seine Biographie
Aug. Schumanns, vorher und nachher verschiedene philologische, natur-
wissenschaftliche und politische Schriften. 1830 wurde er zum Vertreter
der Bürgerschaft, 1832 zum besoldeten Stadtrat, 1833 zum Abgeordneten
für den ersten konstitutionellen Landtag gewählt. 1835 wanderte er nach
Nordamerika aus, lebte später einige Jahre in Zürich, dann wieder in
Zwickau, bis der »merkwürdige Mann"*) 1868 in Kötzschenbroda sein viel-
^) Nachruf an Carl Erdmann Carus, N. Zeitschr. f. M. 1843, Jan. 23.
*| Vollständig in Janseos Davidsböndlem, 1883, S. 215.
') VergL E. Herzogs Gesch. d. Zwickauer Gymnasiums.
85
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
bewegtes Leben beschloss. — Schumann traf. ihn 1833 wieder in Leipzig,
wo der Verkehr mit ihm ihn angezogen haben muss, denn er erwähnt
seiner in Erinnerungsblättem aus jener Zeit, die unter der Aufschrift
,, Menschen* einige bemerkenswerte Personen seiner Bekanntschaft kurz
charakterisieren. Darin heisst es:
.»Richter, yulgo Bienenrichter. Nicht ohne Einfluss auf meine frQhere Bildung.
Erkannte frühzeitig in mir den Musiker. Wollte mich einmal auf die Fürstenschule
nach Grimma schicken, was ich ihm nie verziehen haben würde, bitte ich damals
nicht Kraft mich entgegenzustemmen gezeigt. — In der öffentlichen Meinung herab-
gekommen. Ein ordentlicher Talleyrand im Umgang, versetzt so scharfe Hiebe, dsss
erst spiter die Wunde sich zeigt und blutet. — Vor ihm kam ich mir immer wie ein
Schüler vor. Ein Mensch, dem alles, was er ergriff, wunderbar gelsng. Zeichner,
Musiker, Kaufmann, Prediger, Philolog, Politiker, Buchblodler, Advokst. Da er nach
Amerika geht, so kann ich getrost den Bericht schliessen mit dem Gestftndniss der
Bewunderung seines poetischen Genies.**
Von den erwähnten aus Schumanns Schulzeit stammenden Heften ist
das erste ein massiger Oktavband mit dem Titel: «Blätter und Blümchen
aus der goldenen Aue. Gesammelt und zusammengebunden von Robert
Schumann, genannt Skülander. 1823" (November und Dezember).
Der Band enthält in bunter Folge Eigenes und Fremdes: kleine Ge-
dichte, Anekdoten, biographische Notizen über Tonkünstler, Auszüge aus
Schubarts »Ideen einer Ästhetik der Tonkunst"; griechische und lateinische
Zitate; eine Zusammenstellung aller Versarten; einen Auszug aus dem
«Freimütigen" über Mendelssohns [c-moll-] Symphonie; auch schon eine
Szene aus einem auf fünf Akte angelegten Trauerspiel «Der Geist";
Stammbuchverse («In einen Otto Ertteln^) geschenkten Horaz einge-
schrieben", — «In einen meinem Freund G. Würker*) geschenkten
Terentius eingeschrieben"). Bei einem kleinen Gedicht «Der Knabe und
der Hund" klingt die Bemerkung rührend: «Dieses so hübsche Gedicht
und so einfache Gedicht hat meine gute Mutter, Christiane, gedichtet."
Auch ein Gedicht «An Napoleon Bonaparte" ist von ihr.
Bei mehreren seiner poetischen Versuche hat Schumann nach Jahren
(was die Handschrift erweist) berichtigende Zusätze gemacht — : «Obiges
Gedicht ist zum grössten Teil von meinem Vater" — »Von meinem Vater"
— «Nicht von mir."
Von Interesse sind die Eintragungen über zwei Quartettabende bei
dem Postmeister v. Schlegel:
«Am 11. November 1. Quartett bey Hr. von Schlegel.
') Otto Constans Erttel aus Mügeln, ksm 1823 aufs Lyceum.
*) Adam Gotthilf Würker aus Bockwa b. Zwickau, 1820—27 auf d. Lyceum,
spiter Pastor in Pausitz.
86
DIB MUSIK V. 20.
1. Quartett [G moll] y. Mozart ffir Pitnof. (Hr. ▼. SchlegeP)), Violoo
(Hr. Carns)y Bratsche (Hr. Meissner*)), Violoncello (Hr. Schröder*)).
2. Quartett v. Bothe. Viel. 1 (Hr. Meissner), Viol. 2 (Hr. Carus), Viola
(Hr. Siebeck), Violoncello (Hr. Schröder).
3. Quintett v. Prinsen Louis Ferdinand. Pianof. (t. Schlegel), Viol. 1
(Hr. Carus), Viol. 2 (Hr. Meissner), Viola (Hr. Siebeck), Violoncello
(Hr. Schröder).
4. Quartett ▼. Mozart. Viol. 1 (Hr. Carus), Viol. 2 (Hr. Meissner), Viola
(Hr. Siebeck), Violoncello (Hr. Schröder).«
Am 27. November war zweifes Quartett bei Schlegel:
1 . Klavierquartett [Es-dur] v. Mozart. Schumann spielte das Klavier.
2. Quartett No. 3.
3. Quartett v. Mozart. (Besetzung wie vorhin unter 4.)
Eine grössere Unternehmung war ein Musikabend im Schumannschen
Hause :
„Am 7ten Decemb. wurde bey mir die erete musikalische Abendunterhaltung
unter Leitung der Directoren Robert Schumann und Carl Praetorius*) gehalten.
Folgende Stficke wurden gespielt:
1. Synfonie f&r Streichinstrumente, Homer u. Flöten v. Ei ebner. [Unter
Schumanns Leitung.]
Viol. 1 [A.] Piltzing,«) Hoffmann.*)
Viol. 2 Praetorius.
Viola Pöhland.»)
Bass Gast.*)
Flöten: Fugmann ^) und Hinüber.*)
Homer: Schröder der U u. 2.
2. Chor u. Fuge (Die Himmel erzählen pp) aus der Schöpfung von Haydn.
[Unter Praetorius' Leitung.]
3. Variationen ffir Pianof. u. Clarinette v. M. v. Weber, gespielt von
R. Schumann u. A. Piltzing.
^) Das treffliche Klavierspiel des Postmeistera v. Schlegel hat Schumann, der
auch manchmal mit ihm allein musicierte, in lebhafter Erinnerang behalten. Seine
in Heidelberg (Mai 1830) angefangene, in Leipzig (Juli 1832) ausgearbeitete »Etüde
( t s tique en doubles sons* hstte er mit einer Widmung an seinen ehemaligen Gönner
eben. Das wurde freilich nachtriglich geindert, die Etfide 1834 in eine „Toccata*^
umgewandelt und Ludwig Schunke gewidmet. Die freundlichen Beziehungen zwischen
Schlegel und Schumsnn blieben auch spiter bestehen. Schlegel erfreute Schumann
in den Jahren 1837—1842 einigemal durch Briefe, denen er Kompositionen von sich oder
kurze Berichte aus dem Zwickauer Musikleben ffir die Neue Zeitschrift beigelegt hatte.
*) Meissner, Schröder, Hoffmann und Hinfiber waren vermutlich Militirmusiker.
*) Karl Friedr. Praetorius aus Zwickau, f als Advocat daselbst.
*) A. Piltzing war vermutlich Militir-Musikmeister.
^) Chr. Fr. Pöhland aus Zwickau, 1827 Abiturient, f als Pastor in Bielau.
*) Fr. Mor. Gast aus Altbeigem, 1823 bis 1830 auf dem Lyceum, spiter Advocat
in Kirchberg.
^) Job. Chr. Fugmann aus Sosa b. Zwickau, war 1822 aub Lyceum gekommen.
87
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
4. Terzett y. Kreutzer, aus den Liedern des Frühlings fSr
Sopr.: Solbrig.^)
Alt: Gast
Tenor: Pötaland.
5. Conzert fQr das Clavier mit Orchester ▼. Böhner.
6. Chor ans Preciosa von M. y. Weber. (Die Sommernacht)
7. Variat f. Pianof. u. Flöte v. Wilma (Hoflhnann auf der Flöte.)
8. Terzett von Mfihling ffir
Sopr. 1 Solbrig.
Sopr. 2 Meissner.*)
Alt Gast
0. Sonate fQr Violine u. Pfte. von Dussek. Gespielt von R. Schumann
(Clavier), Praetorius.
10. Ouvert. aus Domenico von Dells Maria fQr's Orchester." [Die kritischen
Bemerkungen fiber die Ausführung der Stücke sind hier weggelassen.]
Das zweite der Bandchen, vAllerley aus der Feder Roberts an der
Mulde*, enthält Gedichte aus dem Jahre 1825, denen hernach noch die
aus 1826 bis 1828 hinzugefugt worden sind. Inhaltlich sind diese recht
verschieden. Während z. B. einige im August 1826 entstandene, bekannten
Melodieen untergelegte Burschen- und Kommerslieder von jugendlichem
Frohsinn eingegeben sind, vermutet man in anderen, ernsten Dichtungen
kaum denselben Verfasser. Überall aber offenbart sich ein merklicher
Fortschritt in bezug auf Gedankengehalt, Formgewandtheit und schwung-
volle Sprache. So wird, um nur ein Beispiel herauszuheben, schwerlich
jemand den Verfasser der folgenden, in den ersten Wochen von 1827
niedergeschriebenen Verse für einen Sechzehnjährigen halten:
Kunst und Wissen •
Kalt ist die Bahn und steil zur Wissenschaft; aber die Kunst streut
Göttliche Rosen 'uns schon auf der ermfidenden Bahn.
Homer
Vater Homeros, dich schuf die Natur zu ihrem Geliebten,
Und von der freundlichen Stirn zogst du den Schleier der Lust.
Siehe! Da steht vor dem sterblichen Blick die entrithselte Schönheit,
Die der Natur du gabst, die die Natur dir verlieh.
Mit folgendem, am 27. August 1826 entstandenen Gedicht: «Die
Dichtkunst und die Tonkunst* schloss Schumann seine am 12. September
gehaltene Schulrede:
Ja! wahrlich schön ist's, mit den Banden der Camönen
Zu ketten das empfindungslose Wort,
^) Gust. Herm. Solbrig aus Mfilsen b. Zwickau, f als Justizamtmaon in Lössnitz.
^ Karl Friedr. Meissner aua Zwickau, von 1822 bis 1829 Schüler des Lyceums.
Lebte ala Candidat in Glauchau, von wo er 1839—1842 mit seinem Schul- und Uni-
versititsfreunde Schumann brieflichen Verkehr unterhielt, auch ah und an Notizen
für die Neue Zeitschrift einsandte. Er starb 1884 als Institutsdirector in Bad. Elster.
88
DIE MUSIK V. 20.
Der Dichter trägt den Menschen zu dem höchsten Schönen,
Kuhn schwingt er sich durch alle Zonen fort.
Den Himmlischen kann nur der Himmel krönen,
Den Göttern ist die Erde ja kein Ort:
Nichts hat die Welt, den Dichter zu belohnen,
Der Himmel giebt ihm seine schönsten Kronen.
Doch schöner ist's, wenn das Geliut' der Saite
Verherrlichend des Dichters Lied erhebt.
Wenn zart des Verses rh^rthmisches Gebinde
Des Taktes Zephyrwoge überschwebt,
Ton kimpft mit Ton, Wort ringt mit Wort im Streite,
Der Ton empfindet und die Sylbe lebt:
Bis endlich in der Harmonien zarten Massen
Sich beide Künste treu und liebevoll umfassen.
Das Bändchen enthält auch einen von Schumann vorgetragenen
Prolog zur Abendunterhaltung der Lyceisten am 13. Oktober 1826. Da
diese sehr beliebten, gegen Eintrittsgeld zu besuchenden musikalisch-dekla-
matorischen Abendunterhaltungen von der Schule eingerichtet wurden, so
unterstand auch Schumanns Prolog der vorherigen Zensur des Rektors.
Zwei Lieder des Bändchens sind mit der Vorbemerkung versehen: «Ged.
u. comp, am 20sten Febr. 27'' und: »Ged. u. comp, am 28sten Febr. 27*,
— ein Beweis, wie rasch Schumann produzierte.
Die Vorbilder des jugendlichen Dichters sind meistens unschwer er-
kennbar. Darüber täuschte sich am wenigsten Schumann selbst, als er bei
spaterem Durchblättern dieser Gedichte an den Rand schrieb: „Kose-
gartenisch", oder »Stolbergisch'', „Sonnenbergisch*, „Herderisch*, «Schulze*,
«Schillerisch* (zehnmal).
Wie das zweite Heft einen Fortschritt gegenüber dem ersten aufweist,
so ist das in erhöhtem Masse mit dem dritten der Fall, das die deutschen
Aufsätze Schumanns aus seiner Primanerzeit, also aus seinem 17. und
18. Lebensjahre, enthält. Ursprünglich in losen Quartblättern eingereicht,
sind sie hernach in einen starken Pappband vereinigt worden, wobei der
Buchbinder die mit roter (inzwischen abgeblasster) Tinte geschriebenen
Korrekturen teilweise beschädigt hat.
Es folge hier zunächst ein Verzeichnis der Aufsätze nach Schumanns
Handschrift, alsdann eine Auswahl von diesen selbst.
Dentsehe Anfsätie nnd poetische Tersnehe
Schuljahr 1826
I. Betrachtung von einer schönen Gegend um Zwickau.
II. Wie kann man aus den Spielen, die jemand liebt, auf seinen Charakter
schliessen?
III. Phrixus und Helle. [Gedicht.]
8Ö
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
IV. Ober die Zuniligkeit und Nichtigkeit des Nachrubrns.
V. Welches sind die Grfinde, warum selbst grosse Verdienste das Andenken an
ein frfiher begangenes Verbrechen nicht auslöschen?
VI. Resignation der Ariadne auf Naxos. [Gedicht]
VII. Ober die innige Verwandtschaft der Poesie und der Tonkunst. Rede.
VIII. Goethes Paradoxon: Es darf sich Einer nur für frey erklären, so fühlt er
sich den Augenblick als bedingt; wagt er es aber, sich für bedingt zu halten,
so fühlt er sich frey.
IX. Collins Spruch: Jede Gefahr kennt nur einen königlichen Gebieter an: es
ist der Muth.
X. Bilder der Natur. [Gedicht.]
XI. Empfindungen bey der Ruckkehr eines siegenden Heeres.
XII. Der Kleinstidter in der Residenz.
XIII. Abendwebmuth. [Gedicht.]
XIV. Ober die Kunst zu entbehren.
XV. Warum konnte bey den Römern die Tragödie nicht gedeihen? 1. Theil.
Schuljahr 1827
I. Einfluss der Einsamkeit auf die Bildung des Geistes und die Veredlung des
Herzens.
II. u. IV. Warum sind die roheren Zeitalter die eigentlichen Zeiten der Poesie?
[1. u. 2. Theil.]
III. Die Gespielen des Jfingliogs. [Gedicht.]
V. Die Stitte, die ein guter Mensch betrat,
Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt
Sein Wort und seine That dem Enkel wieder.
Goethe's Tasso.
VI. Das Leben des Dichters. Rede.
VII. Der Sturz des Hypogryphen. [Gedicht.] Philomele. [Desgl.]
VIIL Polyrhythmen.
IX. Leiden sind wie Gewitterwolken, in der Ferne sehen sie schwarz, in der
Nihe kaum grau. Jean Paul.
X. Warum erbittert uns Tadel in Sachen des Geschmacks mehr, als in andern
Dingen?
XI. Tasso. [Gedicht.]
Über die Zanuilgkeit und Nlohtigkeit des Naehrnhms
[Die Einleitung Ist hier weggelassen]
Es giebt zwei verschiedene Arten von Nachruhm: die eine ist der
Glaube einzelner Individuen, der ihnen im Bewusstsein ihrer Thaten, ihrer Hand-
lungen sagt, dass er einstens noch Ruhm, Nachruhm haben werde: und diese würde
man besser die Vorstellung, Gedanke, Glauben eines einzelnen Individuums an Nach-
ruhm nennen; die andre Art aber ist der Ruhm, den die Nachwelt in der Anerkennung
der Thaten und Handlungen einzelnen Individuen ertheilt hat, den letztere folglich
selbst nicht geniessen können. Ersterer also besteht in der Vorstellung allein, letzterer
in der ungeniessbaren Wirklichkeit Beide nun, von welcher Seite man sie auch be-
trachtet, sind meistens nichtig und zufiilig, und vom ersteren, oder von dem, der in
der Vorstellung allein besteht, glaube ich es mit diesen Gründen behaupten zu können:
V. 20. 7
90
DIE MUSIK V. 20.
I. weil er einzig und allein in der Vorstellung besteht.
Beym Nachruhm kommt Alles auf die Ansichten und Vorstellungsweisen der
Menschen an: ob diese eine Handlung, eine ausgezeichnete That des Nachruhms wert
halten, ob es mit dem Kreise ihrer Ideen sich vereinbart, das Andenken an dieses
oder jenes grosse Werk auf die Nachwelt fortzupflanzen. Die Vorstellungsweise der
Menschen ist gleichsam der grösste Gerichtshof, vor dem das Urtheil fiber die Grösse
und Kleinheit der Thaten, ob sie des Nachruhms werth sind oder nicht, ausgesprochen
wird. Auf immer ist alle Hoffnung des Nachruhms dahin, wenn man die Neigung
dieses ausserordentlichen Richters nicht gewinnen kann, und ein ewiges Dunkel ver-
breitet sein Missfallen oft fiber die lichtvollsten Erscheinungen im Kreise menschlicher
Thaten. Betrachtet man nun die Beschaffenheit der menschlichen Vorstellung, wie
sie oft so verkehrt, oft so mangelhaft, nicht in zwey Individuen ganz dieselbe ist, wie
sie tausend Verinderungen, tausend Abwegen und Verirrungen ausgesetzt ist, so kann
es nicht fehlen, dass der Nachruhm, der in den Sinnen einzelner Individuen vor-
gestellte Nachruhm nichtig sein muss. Und wenn man das ganze Feld der Geschichte
sorgsamen Blickes durchwandert: wenn man vorz&glich die Art und Weise betrachtet,
nach welcher Nachruhm und Vergessenheit, oft giozliche Vergessenheit ausgetheilt
wurde, so erhilt der Satz seine vollste Bestitigung. Es hat vielleicht keine grosse
Handlung gegeben, die nicht auch von vielen als klein, ja als schlecht und des Nach-
ruhms unwerth genannt wurde, jenachdem die Ansichten und Meinungen der Menschen
beschaffen waren. Die grössten Männer der Vorzeit und der Gegenwart, ob sie nun
auf dem Felde des Krieges ihre Thaten verrichteten oder in den Künsten des Friedens
sich auszeichneten, waren dem Schicksale unterworfen, keines Nachruhms gewürdigt
zu werden, weil sie nicht glQcklich genug waren, mit dem Gewinnen der Schlachten,
mit dem Vollenden grosser Werke in der Zeit des Friedens auch den Beifall der
menschlichen Vorstellungsweise zu gewinnen, es dahin zu bringen, der menschlichen
Vorstellung ihre Irrthumer, ihre Verinderlichkeit, ihre Schwiche zu nehmen. Der in
den Sinnen einzelner Individuen vorgestellte Nachruhm also ist nichtig, weil er allein
in der Vorstellung besteht, die nichts festes, nichts bleibendes in sich enthilt:
II. aber, weil weniger guten Handlungen öfters Nachruhm, lindern weit
bessern hingegen geringer zu Theil wird.
Wie viel schöne und grosse Handlungen der Vorwelt mögen auf uns nicht ge-
kommen sein, indem wir anderen, weit geringeren den Lorbeer aufsetzten. Die Ge-
schichte zeigt uns die msonigfachsten Beyspiele: in ihr stehen aufgezeichnet Könige,
die mit Feuer und Schwerdt Linder verwüsteten, Menschen hinmordeten und, sind
sie anders auch tapfer und kühn gewesen, ihr Leben in Schlachten gelebt haben,
indess von anderen Ffirsten, die ihren Staat friedlich regirten, deren höchster Wunsch
war, ihr Land auszubilden, nicht einmal ffir gut erachtet worden ist, ihre blossen
Namen der Nachwelt zu fiberliefern: Themistodes steht glänzend da, als Sieger von
Salamis, während der unterdrfickte, gerechtere Aristides, der, auf die Rathschläge jenes
aus seinem Vaterlande verbannt, noch die Götter um Glfick ffir die Athenienser an-
fleht, ihm kaum an die Seite gestellt wird; Columbus muss sein Leben im Kerker
enden, indess man seine entdeckten Länder nach dem Namen eines Abenteurers
„Amerika" nennt: — aufgezeichnet sind in der Geschichte Dichter, die kaum der Er-
wähnung werth sind, während andere, die jenen Vorbilder und Ideale waren, in dem
Dunkel der Unbekanntheit und Vergessenheit verborgen liegen. — Hierzu ist auch
noch zu ffigen: dass manche gar keinen Nachruhm erhalten haben, die ihn wohl
verdient hätten; so kennen gewiss wenige nur die zwey Gefährten jenes Horatius
91
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
Codes, den Sp. Curtius und Dec. Herennius, welchen letzteren, obgleieh sie eben
den Heldenmath bewiesen hstten, die Laune der Menschen doch nicht den Preis er-
theilte, den sie dem Codes gegeben hst: und von jenen dreyhundert Spartanern, die
mit Leonidas bey den Thermopylen fielen, Icennt man Ton diesen einen noch, als
ihren Anf&hrer? Wohl bitten sie ebenso gut, wie jener, den Nachruhm der ganzen
Veit verdient
III. aber auch deswegen, weil er öfters von äusseren Umstlnden abhingt.
Nehmen wir hier nur das Schidcsal Alexanders des Grossen. Weltbekannt und
weltberGhmt ist zwar sein Name: Jahrtausende haben sein Andenken nicht auslöschen
können. Aber wie viele giebt es auch, die ihn dieses hohen Ruhmes nicht werth
achten, welche harten Urtheile ergehen von Vielen Ober seine Handlungen. Ein
iusserer Umstand war die Ursache, dass in seiner Zeit kein Mann lebte, der mit dem
Geschenk der Musen seine Thaten auch geschmfickt bitte. Er, der die göttlichen
Gesinge Homers in goldenem Kasten mit sich herumtrug, er der Held hatte keinen
Hom.er, seine unsterblichen Thaten zu besingen« Wie ganz anders ist es dagegen
mit den Helden, die Homer in seinen Gedichten feyert: Unsterblicher Ruhm wird
allen zu Theil, das Kleinste selbst und Unbedeutendste wird als herrlich gepriesen.
Ungetheilt stimmt die Welt ein in die RuhmwGrdigkeit der Helden des Homer, oft
nicht ihrer Thaten wegen, nein — zu Ehren des herrlichen Liedes, das sie zum
Himmel erhebt und den unsterblichen Göttern gleichmacht. Wer weiss, ob je, wenn
kein Homer gelebt, die Helden des Troerkrieges so erhaben uns dargestellt worden
wiren, als es nun der Fall ist, da Homer seine göttliche Leyer zu ihrem Lobe gerfihrt.
Ja! die Oberzeugung der Ruhm Würdigkeit der Helden des Homer geht so weit, dass
selbst die wahrheitsvollen Forschungen der ersten Geschichtachreiber, dass ihre
einsichtavoUen Aussprüche, die Dürftigkeit des ganzen Unternehmens gegen Troja
darstellend, dass dies alles ihr auch nicht das Geringste entzieht. Obgleich zwar
wahrhaft schöne und grosse Thaten nie völlig untergehen können, so liegt es doch
in der Macht iusserer Umstinde, dass sie von der Nachwelt gefeyert werden, dass sie
einen Ehrenplatz in dem Tempel des Nachruhms finden. Viel aber auch kommt auf
den Standpunkt an, den einer hat, ob er vielleicht auf goldenem Throne sitae oder in
der Hütte des Bettlers wohne, ob er Herren gebiethe oder selbst dem Gebote eines
Führers gehorche. Jene stehen auf einem Berge, der bis in die Wolken reicht und
alle Welt sieht ihre Handlungen, alle Welt stimmt ein in das Lob derselben: diese
sind im dunklen Thale der Niedrigkeit verborgen, selten nur schweift ein Blick an
ihnen vorüber, niemand achtet auf ihre Thaten, und nur Zufall ist es, seltener Zuftill,
wenn aus dieser Klasse Einem Nachruhm zu Theil wird. So ist endlich die Wahrheit,
dass der in den Sinnen einzelner Individuen vorgestellte Nachruhm nichtig und zu-
nUig sey, auch dadurch bestitigt, dass er öfters von iussem Umstinden abhingt.
Die Folgen nun, die hieraus springen, sind, dass wir unsern Nachruhm niemals
auf solche Dinge zu begründen suchen, die verginglich sind und nicht fortdauern
können: streben wir aber, ihn in solchen Sachen, ihn in solchen Werken zu erlangen,
die das Interesse aller Menschen auf sich ziehen, der ganzen Menschheit nützen und
sie zieren, wahrlich dann wird er nicht untergehen. Das Andenken an solche Minner,
wie sie Teutachland in Luther, Melanchthon, Reinhard, Schiller, Göthe, Wieland,
Klopstock, Leibniz, Euler, Kant, Friedrich dem Grossen, Mozart, wie sie Frankreich
in Fenelon, Voltaire, Racine, Corneille, Molidre, Rousseau, Bayard, Türenne, Napoleon,
Saussure, Lavoisier, Colbert, Sully, wie sie Italien in Raphael, Correggio, Ariosto,
92
DIE MUSIK V. 20.
Petrarca, Tasso, Dante, wie sie England in Shakespeare, Chaucer, Byron, Scott, Pitt,
Castlereagb, Franklin, Drake, Newton, wie sie Spanien in Cervantes, Portugal in
CamoSns, Schweiz in Teil, wie mit einem Worte jedes Land unzählige HeroSn der
Menschheit in neuerer Zeit besass und noch besitzt — das Andenken an solche
Männer, frage ich, das könnte verwischt werden? —
[Censur des Rectors: „Ist fleissig u. umsichtig behandelt**]
Das Leben des Dlehters
Rede
Matter und matter welken die Rosen im Westen dahin — die Fluren schlummern
ihren Blumenschlaf — wie zürnende TitanenhSupter steigen die Schatten der Berge
aus dem verhüllten Horizonte, und ernst wandeln die Sterne herauf an dem blauen
Aether, und die Frühlingswolke zieht über das erhabene Blau und wiegt die schlummernde
Welt in Träume — nur die Nachtphaläne hängt an den Rosenknospen, und die
Nachtigallen schlagen in den Bäumen schwellende Accorde, sanft wie die sterbenden
Hauche der Aeolsharfe . . . Aber klar und heiter schwelgt das Auge des Dichters in
der Stemennacht der Natur und blickt zu den Sternen hinauf und blickt zu den
Blumen herunter, und die Züge verklären sich, und das Auge lächelt, und es lebt in
ihm der grosse Gedanke: Gott und Natur, und der Gedanke wird Gebet und das
Gefühl Sprache:
ip Wandeln möcht* ich mit euch, ihr Sterne, die ihr oben im ewigen Laufe geht,
ziehen möcht' ich mit dir, o Frühlingswolke, die du über dem Schlummer der Welt
daherziehst: aber mein Auge hängt an den Blumen der Natur und trinkt Wonne aus
ihrem Blüthenkelch. Wandelt und zieht nur fort — wandelt' ich mit euch, ohne Duft
und Blüthen gingen mir diese Blumen vorüber, zog' ich mit dir, mein Auge sähe hier
die Natur nicht mit ihren Rosen und Frühlingen: auch mein Leben ist schön und
ewig."
So spricht er, und die Hände falten sich zum Gebete, und er dankt der Gottheit,
dass er ein Mensch ist. Aber dunkler wird's und schweigender um ihn: die Phaläne
faltet die Flügel zusammen, und die Nachtigall verstummt. Selig und entzückt legt
sich der Dichter in den Blumenozean, und die Rosen duften über ihm, und die Natur
hüllt den schlummernden Liebling in ihre Blüthen.
So lebt der Dichter ein glückliches Leben: dunkel und blöde wird sein Auge
im Geräusche des Tages, aber klar und heiter wacht es auf in der Einsamkeit det
Natur. Das Leben des Dichters scheint noch das letzte Überbleibsel aus jenen
glücklichen, arcadischen Zeiten zu seyn, wo das Kindheitsalter der Menschheit noch
an dem Gängelbande der Natur ging. Der trete von den Blumenhöhen des Parnasses
herab, den diese Mutter nicht in die schaffende Welt einführte; er trete von seinen
Höhen ab, welcher nicht durch diesen Vorhof in den Tempel der Poesie eindrang.
Die Poesie ist die Sonnenblume, die allein an dem Sonnenstrahle der Natur hängt
und verwelkt, wenn dieser Strahl verlöscht. Nicht im betäubenden Lärme der Welt,
nicht im tobenden Gewühle des regellosen Alltagslebens kann die Blume der Poesie
sich schön und frey entfalten: still im Verborgenen keimt und duftet sie. So lebt der
Dichter das Leben mit der Natur.
Wer Je das heilige Leben gefühlt hat, das aus der Natur niederfliesst in die
Brust des Sterblichen, wer je die frommen Muttertöne hörte, die wie Balsamstropfen
93
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
auf die Seele des Menschen fallen ~ er ruft mit mir aus: es schllgt ein grosses Herz
im Busen der Natur. Um wie viel mehr muss der Dichter in ihr empfinden, den sie
von seinem ersten Erwachen, wie eine zweite Mutter, anlächelte, die mit ihm aufwuchs
und seine flammenden GefQhle mit ihm theilte? Die Lieder des Dichters sind nur
das Echo der Blumensprache der Natur: sie ist die Harmonilca, deren Tasten, benetzt
von dem Thau der Gef&hle, Töne und Lieder in die verlangende Brust strömte.
Muss der Dichter nicht, wenn er durch ihre Blumen fliegt, sein Leben ein
glfickliches nennen? muss er nicht, wenn am heiteren Abend die Sonne hinter die
Berge sinkt, und, wie ein heiiger Schauer der Gottheit, die Abendsterne heraufziehen, be-
geistert und entzfickt hinstürzen in ihre Blumen, und der Natur und der Gottheit danken,
dass sie ein höheres Leben in ihn senkten? Und ist nicht das ganze Leben des
Dichters ein glQcklicheres, ein reineres, ein geistigeres, ein höheres? So lebt denn
der Dichter in dem Schoosse der Natur ein glfickliches Leben: aber er lebt auch
in ihr jenes reinere.
Auf der Blumenleiter der Natur nihert sich die Seele des Dichters immer leiser
und leiser dem Bilde der Gottheit. Aus ihrem Auge llchelt ihn das grosse Vaterauge
an, auf dessen Winke einst die Sonnenmassen zusammenrollten und Weltenbftlle aus
dem Nichts sprangen: in ihrem Tempel, der, ein feyerHcher Zeuge der Gottheit, da-
steht, fühlt er zuerst den schaffenden Urgeist, der im Stundenleben der Ephemere,
wie in der Seele des Menschen wirkt und lebt: in ihrem Blühen und Welken ahnet
sein Geist den grossen Gedanken der Schöpfung, mag sie blühend, wie ein erwachender
Siugling, im Blumengewande des jungen Lenzes oder wie ein betender Silbergreis im
Sterbekleide des Winters vor ihm liegen. Steht denn der Dichter so da, wie in jener
Stemennacht, oder steht er da im Brausen des Gewitters, wo die Krifte der Natur
sich feindlich bekimpfen, mfissen da nicht in der Seele des Dichters die erhabensten
Gedanken fiber das Erhabenste erwachen? da nicht in ihm der Gedanke an die
Unendlichkeit, nicht in ihm der Gedanke erwachen an jene Minute, die zu fassen die
irdische Brust bebt, die auszusprechen die sterbliche Lippe schaudert — jene Minute,
wo die Gottheit den ersten Gedanken zur Schöpfung fasste, wo noch chaotische
Finstemiss fiber das ErschaflPene lag, jene Minute, wo Sonnen in dem dunklen Aether
zu wandeln anfingen, Welten, unzihlige Welten zusammenzurollen und fiammende
Gestirne zusammenzuströmen begannen? Und welche Seele ahnet diese Gedanken
reiner und heiliger, als die des Dichters? Welcher Busen fühlt inniger und wärmer
die Unendlichkeit des Höchsten? Wer fasst aber auch den Sinn unsrer schönen
Sterblichkeit schöner und tiefer, als er? ... Das Herz des Dichters ist die heilige
Opferflamme, die die Natur und die Gottheit schfirten: aber sie glfiht der Natur und
der Gottheit und beseeligt die Brust des Menschen.
So verbindet sich in der Seele des Dichters das gificklichste mit dem reinsten
Leben: aber mit diesem verbindet er auch das höchste Leben. Der Dichter lebt
in der idealischen Welt und arbeitet ffir die wirkliche.
Heiter, wie der flatternde Schmetterling, fliegt der Knabe durch die Gefilde:
alles um ihn athmet Freundschaft und Liebe; lächelnd erwacht er am Morgen, wenn
die Sonne steigt, lächelnd schlummert er am Abend ein, wenn die Sonne sinkt: aber
siehe! schon windet sich mit leisem Flfigelschlage der Genius der Dichtkunst aus
der Hülle hervor — und das erste Bewusstseyn wird wach. Was sonst in seelenlosen,
schleierhaften Umrissen vor den kindlichen Augen lag, wird jetzt ein tieferes Sinnbild
des Lebens: wo er sonst nur todte Farben und stumme Formen schaute, fühlt er jetzt
alles inniger mit seinem Geffihle, mit seiner Seele verwebt — und das Geffihl wird
Sprache und die Seele wird Gedicht. — Aber wie steht jetzt die Welt vor ihm da,
94
DIE MUSIK V. 20.
wie steht sie da mit ihrer kalten Conrenienzy mit ihren kleinlichen Rinken, mit ihren
niedrigen Kabalen. Da sieht er keinen von seinen ersehnten Triumen erfüllt: da
erblickt er nichts Höheres, nicht Geistigeres: da sieht er, wie sie im Schlamme des
niederen Lebens herumwühlt: aber ob sie tiefer und tiefer am Boden krieche, erhaben
über sie schwingt er sich von ihr hinweg:
Zur Sonne muss der Adler dringen.
Und an dem Boden kriecht die Schlange nur,
und ferne von dem Lirme der zankenden Welt baut er sich in froher Einsamkeit
seine idealische Schöpfung und schmückt sie mit allen Blumen der Phantasie. Alle
Heroön einer seligen, hingeschiedenen Vorwelt stehen bewundert, vergöttert vor ihm:
die erste Ahnung vom eigenen Ideal blitzt in ihm auf — das Drama des Lebens
selbst nimmt er in sein Gemilde auf, dass das Ideal nur noch schöner und herrlicher
strahle, und entzückt wie ein glühender Prometheus, da er den todten Thon be-
seelte, steht er vor dem (eignen) Götterbilde des selbst geschaffenen Ideals. Auf den
Flügeln der Begeisterung schwingt er sich durch die Riume und schaut wie ein
zürnender Göttersohn in das Treiben der Menschen in dem Lirm der Welt, und es
llchelt sein Auge bey dem Gedanken: dass sein Leben ein glücklicheres, reineres
und höheres sey.
So lebt denn der Dichter in der idealischen Welt, aber er wirkt und
arbeitet auch für die wirkliche. — Der schönste Schmuck eines Volkes sind seine
Gesinge I wie ewige Sonnen strahlen sie über das Leben hin und strömen das
geistige Rosenlicht über die Trümmer des untergegangenen Staates: dess ist uns
das grosse Hellas Zeuge: seine Staaten gingen unter — die Lieder starben nicht:
seine Völker gingen unter — und die Lieder starben nicht. Die Poösie ist der
helle Krystall, in dem sich das geistige Leben der Geschlechter rein und klar
abspiegelt, das glinzende Prisma, das alle Farben in einem schöneren, reineren Lichte
vergeistigt wiedergiebt. Zürnen wir nicht, wenn vielleicht dem Dichter die Mitwelt,
für die er wirkte und arbeitete, nicht den Dank zollte, aber ihm die Nachwelt ver-
götternd darbringt: zürnen wir nicht, wenn jene ihm nicht mehr die Kränze auf sein
Haupt setzt, die einst Sophocles von einem fühlenden Geschlechte empfing. Der
Dichter bedarf keines Lohnes, kommt er auch öfters mit der Welt nicht so leicht aus,
wie sie mit ihm. — Die Poösie ist ihr eigner Lohn, und darum ja ist das ganze Wesen
des Dichters ein Erhöhtes, weil sie sich selbst am schönsten lohnt. Wer diesen Lohn
nicht fühlt, der wag' es nicht, den liebelnden Musen die Hand zur Freundschaft an-
zubieten. Alle Wesen der Natur scheinen ihren Fluch zu tragen, im Liebeln ihrer
Geburt, wie im letzten Seufzer ihres scheinbaren Todes: nur die Poesie gebihrt ihre
Kinder ohne Wehen; sie gebihrt in Entzückungen: ja! Entzückungen sind ihre
Wehen . . •
Nein, wie der Frühlingsthau des Himmels ist aber auch die Tb r ine des
Dichters: elegische Wehmuth ruht auf seiner bethrinten Wimper, und die Thrine
und die Wehmuth löst sich lieblich in dem Mollaccorde seiner Lieder auf, und die
Camöne küsst mit ihren Worten, mit ihren Tönen ihm von den Wangen die Zihren
hinweg, und wie ein kühler Frühlingsregen auf die dürstenden Fluren fallen die Küsse
und die Worte und die Töne auf die matterschlagenden Pulse seines Lebens. Siehe!
da steigt still und heiter, wie die hingewelkte Rose aus dem Horizonte der unter-
gesunkenen Sonne, die Blume der Erinnerung aus dem Grabe der Sorgenzeit auf, und
ihr Flötenecho hallt noch einmal mit seinen Silbertönen, mit seinen Silberaccorden
in die Nacht seiner weinenden Seele wieder. Fühlend und liebelnd, wie ein Engel
95
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
des Himmels, steht die CamOoe vor einer seligen Vergangenheit, vor einer triiben
Gegenwart und vor einer nichtlichen Zukunft: aber der Dichter stürzt in ihre Arme,
und die Vergangenheit und die Erinnerung keimt blühend wieder und die Gegenwart
liebelt und die Zukunft wird heiter. So giesst die Muse ewig in die Wunden ihres
Lieblings ihren lindernden Balsam und steht beschützend, wie ein Engel mit dem
Flammenschwerdte, vor dem Paradiese des jungen Göttersohnes. Sie ist sein Trost,
wenn trüb und finster die Thrinen des Lebens durch seine flammenden Pulse
schleichen; sie richtet das erstorbene Leben empor, wenn seine Sonne immer matter
und matter glüht, wenn die Sterne des Lebens erblassen und verlöschen und es
dunkel wird um die Gegenwart und um die Zukunft.
Denn düster und ernst steht hinter der trügerischen Larve des Glücks das ver-
hüllte Schicksal — und die Maske fillt und die Gebilde enthüllen sich und die Lose
liegen. Da steht der Mensch schwankend vor der kalten Wirklichkeit, vor seinen
unerfüllten Triumen. Aber, ob alle Seufzer, die sich aus dem Schoosse des Schicksals
loswinden, ob alle Thrinen in sein Leben niedersinken: ob da, wenn die menschliche
Seele zitternd vor dem Winke des Schicksals steht, ob da, wenn es hereinbricht mit
seinen Schmerzen und seinen Seufzern, da wenn das irre Fahrzeug gescheitert und
zertK>rsten auf den Wogen des Lebens hierhin und dahin geschleudert wird — ob da
auch Alles stürzte. Alles in den Stürmen unterginge das Auge des Dichters
weint Thrinen des Schmerzes, aber seine Seele zürnt nicht. Sie, die freundlich die
rinnende Thrine auf der Wimper trocknet, die, wenn das Leben weint und das Schicksal
zürnt, liebelnd hinter den Seufzer des Menschen tritt und in ihre Blüthen und
Blumen die Seufzer und die Thrinen einhüllt, sie, die dem Sterblichen, daherfliegend
auf Rosenbaldachinen von blühenden Frühlingen, ihren Himmel von Blumen auf-
schliesst, soll ich sie nennen? — die Natur, die hohe Trösterin der Menschheit, nimmt
liebend den Sohn In ihre Mutterarme auf und söhnt Ihn aus mit den Menschen, mit
der Welt und mit dem Schicksal.
Der Dichter steht höher als sein Ort: er schaut sehnsuchtsvoll nach der fernen
Leuchte der Sterne und schiigt die Flügel seiner Seele auf; und wenn die siebenzig
Minuten, die wir Jahre nennen, ausgeschlagen haben: so erhebt er sich und entzündet
sich steigend, wie ein Phönix, und die Asche seines Gefleders fillt zurück, und die
enthüllte Seele kommt allein, ohne Erde und rein wie ein Ton in der Höhe an. Hier
aber sieht er mitten im verdunkelten Leben die Gebürge der künftigen Welt im
Morgenrothe einer Sonne stehen, die hinieden nicht aufgeht. So erblickt der Ein-
wohner am Nordpole in der langen Nacht, wo keine Sonne mehr aufsteigt, um Mitter-
nacht ein vergüldendes Morgenroth an den höchsten Bergen, und er denkt an seinen
langen Sommer, wo sie niemals untergeht.
(geh. am 12. September 27)
Pol/rhythmen
Der sterbende Schwan
a
Siehe — ermattet liegt er am Ufer und ahnet den kommenden Tod: aber er
schiigt seine Flügel empor, und Töne senken, wie Seufzer von Jenseits, sich hernieder
^ und ernst und erhaben singt er — und stirbt.
Ach! — wenn wir den Tod ahnen, so schlagen auch wir die Flügel unserer
Seele auf — die Lieder zittern von Thrinen nach Oben — aber die Seele vergeht
unter den Tönen.
96
= DIE MUSIK V. 20.
Die Harmonika [d. i. Glashartnonika]
Sfisse Töne, himmlische Klänge aus den Gräbern einer entschlafenen Seligkeit,
saget, o sagt mir, warum wein' ich, wenn ich euch höre? — Die Töne antworteten:
wir sind Vorboten einer Welt, nach der du dich sehnst, der du entgegenweinst, die
du hier nimmer findest wir kommen von Jenseits.
Der schlummernde Säugling
Lächle, schlafender Engel, lächle in deinen süssen Träumen fort — aber ach!
schon wachst du auf und — weinst: o drucke die Augen wieder zu, träume wieder
und lächle in deinen Träumen.
Wie du, so lächeln auch wir in den Träumen nur ^ aber wir wachen auf und
— weinen, wie du. [Zensur des Rektors: »Gut*]
Dass diese Aufsätze Schumanns ausserordentliche Fähigkeiten und
Fertigkeiten, sein innerstes Denken und Empfinden, kurz: seine er-
staunliche Frühreife im hellsten Lichte zeigen, bedarf wohl keiner Dar-
legung. Ich beschränke mich daher auf einige Nachweisungen über das
personliche Verhältnis des Rektors zu seinem ihm so sympathischen
Schüler.
Schumanns deutsche Arbeiten behandeln öfter selbstgewählte Themen
und enthalten auffallend wenig Korrekturen. Man gewinnt überall den
Eindruck, dass der Rektor die Bedeutung seines so vorzüglich vorbereiteten,
lerneifrigen Schülers bald erkannte und anregend und begeisternd auf die
Weiterentwicklung seiner Bildung einzuwirken verstand. Die Art, wie er
dabei auf die individuelle Geistesrichtung Schumanns einging, wie er seine
dichterischen Anlagen, sein sprachliches Feingefühl herauszubilden suchte,
ihn auf Fehler der Darstellung, des Stils, des Geschmackes aufmerksam
machte, ist unzweifelhaft von grossem Nutzen für Schumann gewesen.
Das dichterische Talent Schumanns war auch schon (1825) dem
Ordinarius der Sekunda, Lindemann, beachtenswert erschienen, was aus
seiner Recension eines Gedichtes »An meinen Freund, einen jungen Dichter,
der nach Griechenland ziehen will", das Schumann vermutlich als deutsche
Arbeit eingereicht hatte, hervorgeht:
«Auch Sie hat das Feuer zu oft fortgerissen, jedoch giebt dieses Gedicht einen
Beweis von poetischem Talente u. von d. Streben, diese edle Naturgabe auszubilden.* >)
Auch die Musik hat ohne Zweifel dem Rektor und seinem Schüler
mancherlei Berührungspunkte dargeboten. Dass Hertel Interesse für Musik
hatte, geht schon daraus hervor, dass er als Jenenser Student dem Chor-
verein des Ästhetikers F. Hand angehörte. Schumann gab sich nach dem
^) Heinr. Lindemann, geb. 1800 zu Jdhstadt, war von 1823 bis 1835 Konrektor
in Zwickau, dann in Annaberg und in Plauen. Infolge seiner Beteiligung am
Dresdener Maiaufstande von 1849 wurde er seines Amtes entsetzt. Er hat einige
Grammatikalia herausgegeben.
97
JANSEN: AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT
Eintritt in die Prima mit erhöhtem Eifer musikalischen Studien hin; in
dem autobiographischen Abriss erwähnt er „musikalische [d. h. komposi-
torische] Versuche" und »öffentliches Auftreten als Klavierspieler'. Auch
hebt er die Namen des alten Carus und v. Schlegels besonders heraus,
in deren Häusern er Gelegenheit fand, auch fremde Künstler zu hören.
Ferner nennt er eine Frau Obristin v. Lindenau, mit der er zusammen
musizierte.
In den Korrekturen der Aufsätze verleugnet sich nicht das Wohl-
wollen des Rektors für seinen Lieblingsschüler. Der Lehrer tritt hier bis-
weilen ganz zurück, es ist, als spräche er nicht zu einem Schüler, sondern
zu seinesgleichen. In dem gedankenreichen Aufsatz über den «Einfluss der
Einsamkeit auf die Bildung des Geistes" fand der Rektor keine einzige Ver-
besserung nötig, gab aber durch die Zensur zu erkennen, wie sehr er an Schu-
manns Entwicklung teilnahm, denn er schrieb darunter: «Auch einen festen
Lebensplan entwirft man am besten in der Einsamkeit. Wissen Sie,
worauf ich hiermit hindeuten will?" In seinem Wohlwollen war er sogar
allzu nachsichtig gegen die kleine, oft kaum zu entziffernde Handschrift
seines Schülers, dem das unheimlich schnelle Schreiben schon zur anderen
Natur geworden war. Seinen Tadel kleidete er in sehr milde Form:
«Manches kann ich durchaus nicht lesen", und «Hieroglyphen". Der
Rektor hat augenscheinlich Äusserliches nicht tadeln wollen, wo er mit
dem Innerlichen wohl zufrieden sein konnte.
In den letzten Wochen seiner Zwickauer Zeit trat Schumann dem
Rektor dadurch noch näher, dass er ihm bei den Vorarbeiten zu einer
neuen Ausgabe von Forcellini's «Totius latinitatis Lexicon" behilflich sein
konnte.
«Ich mu88 t&cfatig mit corrigiren", schrieb er am 17. März 1828 an, Flechsig,
«excerpiren, aufschlagen, die Grüterischen Inscriptionen durchlesen; die Arbeit ist
interessant: man lernt viel daraus, und mancher Pfennig fliesst mehr in die Tasche.
Ich bekomme einen Thaler von jedem Correcturbogen ; übrigens arbeiten alle aus-
gezeichneten Philologen daran . . . Unser Rector schwitzt Tag und Nacht darüber und
ist der Arbeit kaum gewachsen. Ich habe jetzt die ganze Bibliothek durchstöbern
müssen und viele ungedruckte Collectaneen . . . gefunden."
Anfang März 1828 wurde auf Anordnung des Konsistoriums eine
Revision des Lyceums durch den Domherrn Prof. Dr. Tittmann^) vor-
genommen.
«Er war", berichtet Schumann an Flechsig, «äusserst höflich und zeichnete
mich sehr aus; von dem Fackelau fzoge, der ihm gebracht wurde, und wo ich Chapeau
d'honneur und Redner war, wirst Du gehört haben."
*) Job. Aug. Heinr. Tittmann, Prof. der Theologie in Leipzig, Prälat des Hoch^
Stifts Meissen, namhafter theolog. Schriftsteller (1773—1831).
98
DIE MUSIK V. 20.
Wenige Tage nachher fand die (öffentliche) Abgangsprüfung und der
mit Ball verbundene »Valediktions-Aktus* (wie man's damals nannte) statt,
bei welchem Anlasse Schumann sein Gedicht »Tasso* vortrug.')
Am 29. März traf Schumann in Leipzig ein, wohin der Rektor Hertel
ihm Empfehlungsbriefe an den berühmten Philologen Gottfried Hermann
und an Amadeus Wendt, Professor der Philosophie, mitgegeben hatte.
Auch fernerhin blieb der Rektor seinem ehemaligen Zögling freundlich
zugetan. Als Schumann im Mai 1829 nach Heidelberg abreiste, gab er
ihm Empfehlungsbrie|e mit nach Frankfurt, Darmstadt und Karlsruhe.
Die vorstehenden Notizen über Schumanns Lehrer stützen sich
namentlich auf Dr. Herzogs «Geschichte des Zwickauer Gymnasiums", auch
auf mündliche Mitteilungen des Verfassers, den ich im Sommer 1882 in
Zwickau aufsuchte. Es war mir besonders darum zu tun, von dem ehe-
maligen Mitschüler Schumanns etwas Zuverlässiges über dessen Schulzeit zu
vernehmen. Meine Frage, ob Schumann sich nicht auch schon als
Gymnasiast hervorgetan habe, wurde unbedingt bejaht; er wäre seinen
meisten Schulkameraden , überlegen" gewesen, vorzüglich im deutschen
Aufsatz und im Latein; ganz erstaunlich wäre seine Belesenheit gewesen.
Dem Rektor Hertel, dessen Achtung und Zuneigung er sich bald erworben,
habe Schumann doch wohl das meiste zu danken gehabt.
Auf meine Frage an Herzog, ob er Wasielewski's Schilderung von
Schumanns Persönlichkeit und Charakter für zutreffend hielte, bekannte
er, die Wasielewskische Biographie nicht gelesen zu haben. Was ich als-
dann daraus zitierte: dass Schumann bis zu seinem 10. Lebensjahre »nur
ein Schüler wie hundert andere" gewesen, — dass er während seiner
Gymnasialzeit „alle solche Einflüsse von sich wies, die ihm eine mannig-
faltige Berührung und Entwicklung hätten gewähren können", — dass er
') Die anderen Abiturienten von 1828 waren: K. Fr. Praetorius; Hein. Ferd.
Pöpel aus Hartmannsdorf, später Advokat in Kirchberg; G. H. Solbrig; O. Hermann
Walter aus Langenchursdorf, gestorben als Prediger in Amerika, gehörte zu Schumanns
nichsten Freunden; Job. Im. Brückner aus Kirchberg, f als Cand. d. Theol.; Chr.
Fr. Hayn aus Irfersgrun, später Pastor in Oederan b. Zwickau; Victor Veiske aus
Erlbacb, spiter Advokat in Schwarzenberg; Franz O. Stichart aus Werdau, spiter
Pastor in Reinhardsgrimma; Ed. Ad. Klinkbardt aus Unter-Heinsdorf, später Dr. med.
in Canada; Heinr. Rothe aus Fraureuth (Greiz), spiter Pastor in Grosspötzschau;
Emil Conr. Eltz aus Schneeberg, spiter Bez.-Arzt in Mittweida; Emil Wilh. Herzog,
geb. 1809 in Zwickau, Dr. med. daselbst, 1839 in den Stadtrat gewihlt, legte 1865 seine
irztliche Praxis nieder und lebte nur historisch-arcbiologischen Studien. Verf. der
Zwickauer Chronik (1839 u. 1845), der Geschiebte des Zwickauer Gymnasiums (1869) usw.,
t 1883.
^^^~ JANSEN:' AUS ROBERT SCHUMANNS SCHULZEIT ^^^^
als verbitscbeltes Muttersfihncbea aurgewachsen, was denn .auch die in
seinem spXteren Leben bervorgetrelene Reizbarlieit und EmpflndlichlLeit,
ja, den Maagel aller Nacbgiebigkeit beim Begegnen widerstrebender und
seinem Willen sich nicht fügender Elemente erzeugt' habe — das hörte
der alte Herr liebelnd und kopfschüttelnd an und bezeichnete es als ^un-
haltbare Behauptungen*. Auch von .Eitelkeit', die der genannte Biograph
wiederholt hervorhebt, hielt er Schumann vollkommen frei.
Dr. Herzog zeigte mir ein Stammbuchblatt vom 30. Januar 1823,
das Schumann ihm als Tertianer, eben 12'/t J^^'' *!'> geschrieben halte:
aSolem fl muado tollere videnlur, qui imlcitlim e vi» tollani, qna a Dila
ImmonalfbuB nfbit amablllui nibil jucundius. CIc. LicIIub.'
Auch ein Bildnis von Schumanns Vater sah ich und wurde darüber
belehrt, dass Robert nicht von diesem, sondern von der Mutter die Ge-
sichtszüge geerbt habe. Ebenso wurde mir mitgeteilt, dass August Schumann
seinem jüngsten Sohne, der am Tage des heil. JHedardus <8. Juni) geboren
war, ursprünglich den Namen Medardus hatte beilegen wollen.
ROBERT SCHUMANN
ALS MUSIKSCHRIFTSTELLER
von G. Noren-Herzberg^-Bonn
le Gegenwart wird durch ibre Pirtelen ctaarakterisfert. Tic die polfiiicbe
kann min die muaikaliscbe In Liberale, Mlttelmlaner und Reaktionlre,
oder in Romantiker, Moderne und Klassiker teilen. Auf der Rechten
(Itzen die Allen, die Cootrapunktler, die Antlchromailker, auf der Unken die
Jünglinge, die pbryglsctaen MüIien, die Pormenvetlchier, die Genialiilts-
frechen, unter denen die Beelbovener als Clstse bervorstecben. Im Juate-Milieu
acbwankt Jung wie Alt vermlscbt, ia ibm sind die meiBien Eneugniase des Taget
begrilfeii . . ."
so schreibt Schumann im Jahre 1834, selbst der Jüngsten einer unter den
Jünglingen, den Pormverächtern, den Genialitätsri^chen.
In diesem Jahre hatte er sich mit der Gründung der .Neuen Zeit-
schrift für Musik' an die Spitze der neuen Bewegung gestellt, die in be-
wusster Polemik gegen angesehene MittelmSssigIceit kritisch wie künstlerisch
zu Felde zog, und die wie jeder Kampf der , Davidsbfindler gegen die Philister"
mit einem scbltesslichen Sieg der Jugend endete, d. h. wie jeder Kampf,
bei dem die Jugend die Talente in ihrem Lager führt.
Zu Beginn jener Bewegung aber waren es nicht die musikalisch-
künstlerischen Werke, die der aufstrebenden Jugend (den Chopin, Schu-
mann und Berlioz) den Platz neben den Tagesgrössen, Hummel, Herz und
Hunten, errangen, sondern die musikkritischen Taten eben jenes Kreises,
dessen geistiger Führer Robert Schumann war, und dessen Organ, die Neue
Zeitschrift für Musik, sich in kürzester Zeit als ernstzunehmendes Sprach-
rohr neuester Kunstbestrebungen seinen Platz neben den älteren konserva-
tiveren Musikzeitungen errang, der von Rochlitz begründeten und um diese
Zeit von Fink geleiteten «Allgemeinen Musikalischen Zeitung" in Leipzig
und der in Berlin erscheinenden .Iris' von Rellstab.
Man ist — zweifellos meistens mit Recht — geneigt, ein derartiges
schnelles zu Wort und Ansehn Kommen neuer Richtungen und neuer diese
Richtungen vertretender Organe auf die persönliche Begabung des geistigen
Urhebers oder Führers zurückzuführen, und in gewissem Sinne ist dies
auch bei Schumanns schnellem Erfolg auf musikkritischem Gebiet der Fall.
101
NOREN-HERZBERG: SCHUMANN ALS SCHRIFTSTELLER
Trotzdem aber ist nicht eine glänzende kritische Begabung , d. h. ein
schnelles sicheres Erfassen des Charakteristischen und Typischen im
Kunstwerk und scharfe logische Schlussfolgerung der Ausgangspunkt jenes
Erfolgs. Die Bedeutung Schumanns als Musikschriftsteiler beruht vielmehr
darauf, dass er als hochbegabter produktiver Musiker in einem Zeitpunkt
sich der musikalischen Kritik als Beruf zuwandte, wo eine einseitig fort-
geschrittene ästhetische Bildung eine musikalisch - ästhetische Erziehung
dringend notwendig machte. Um diesen Zustand und die Gründe dafür zu
erkennen, muss man sich den Gang ästhetischer Erkenntnis und Bildung,
besonders der musikalischen, vergegenwärtigen.
Ungefähr 100 Jahre vor Schumanns Eingreifen in den Entwicklungs-
gang der musikalischen Ästhetik fällt die Geburtsstunde der Ästhetik über-
haupt. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts schrieb Baumgarten seine Lehre
von der sinnlichen Erkenntnis und von der Schönheit als der vollkommenen
sinnlichen Erkenntnis, und die Kämpfe der Schweizer und Gottscheds um
das Wunderbare, d. i. die Phantasietätigkeit in der Kunst, führten unter
steter sprachlicher Vervollkommnung über Elias Schlegel und Lessing end-
lich zu Herder, dem Schüler Hamanns und Winckelmanns, d. i. zu einem
bewussten Proklamieren der Phantasietätigkeit des Genius als Wesens-
eigentümlichkeit aller Kunst und Kunstübung. Ziemlich unberührt von
all diesem Kämpfen und Ringen um ästhetische Systeme und Formulierungs-
methoden fristet die musikalische Kritik ein unproduktives Dasein. Zwar
blühte die musiktheoretische Polemik in ungezählten Programm- und Zeit-
schriften, die (entsprechend der Entwicklung der Musik aus kontrapunktischer
Kunstfertigkeit zu vergeistigter Kunst) aus theoretischen Abhandlungen über
die Kompositionstätigkeit entstanden und nur sehr langsam zu vergeistigterer
Behandlung der musikalischen Kunstwissenschaft fortschritten. So zeigen
Schriften, wie die des berühmten hamburgischen Kapellmeisters und Ge-
sandtschafts-Sekretärs Mattheson klare, verständliche Erörterungen über
musikalische Theorie und Praxis und werden unklar, geschraubt, unver-
ständlich, sowie von diesem festen Boden der Erfahrung auf den ästhetischer
Betrachtungen übergegangen wird; so verliert sich der Herausgeber der
musikalischen Bibliothek (seit 1738) Mitzier in gewagteste philosophisch-
mathematische Spekulationen und will die Musik überhaupt nicht als Kunst,
sondern nur als eine Disziplin der Philosophie gelten lassen. Und so
polemisiert ebenso gründlich wie deutlich, aber ohne Fortschritt nach
ästhetischer Seite der Königlich Dänische Kapellmeister Johann Rudolph
Scheibe in seiner Wochenschrift »Critischer Musikus^ (0. Stück Anmerkung):
.Es gibt Leute, die, wenn sie auch blos von praktischen Dingen reden, es sey
auch wovon ei wolle, doch allemal am Ende ihrer Rede auf ihre Zahlen, auf ihr
Monochord, auf ihre Temperatur und ihre liebe Harmonik kommen. Alles dies sind
102
DIB MUSIK V. 20.
zwar nützlicbe und der Musik unentbebrlicbe Sacheo, aber man muaa nur keinen
Abgott daraus macben und sie in alle musikaliscben Demonstrationen einmiscben, es
mag nun die Materie leiden oder nicbt.
Ein tbeoretiscber Musikant kann der Matbematik unmdglicb entraten, ein prak-
tiscber Musikant aber und wenn er aucb ein Komponist wäre Icann obne die Matbe-
matik ein grosser Mann sein" (S. 90).
Auf dieser Basis mehr oder weniger eng begrenzten Regelzwanges,
der das Kunstwerk nicht nach dem geistigen Gehalt, sondern nach der
Obereinstimmung mit den ein für alle mal gültigen technischen Gesetzen
beurteilt, bleibt die musikalische Kritik bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts,
während sich auf allen fibrigen Gebieten der Ästhetik in Deutschland um
diese Zeit bereits ein völliger Umschwung geltend gemacht hatte.
Auf Kants Erkenntnis, dass das Geschmacksurteil nicht objektiver
logischer Erkenntnis, sondern subjektiver Empfindung sein Entstehen dankt,
folgte Fichtes Lehre von der Entstehung des All aus der Schöpferkraft
des denkenden Ich, in der die Basis ffir eine neue Weltanschauung ge-
geben wurde, eine Weltanschauung, nach der das denkende Ich der
Mittel- und Ausgangspunkt des gesamten Weltalls ist. Den fahrenden
Kfinstlem jener Tage, den Dichtem, kreuzt sich diese philosophisch kalte
Lehre von der Herrschaft des denkenden Ich fiber die lebendig wirkende
Natur mit dem dichterisch verklärten Pantheismus, wie ihn Goethe in
.Wilhelm Meister' ihnen nahe bringt, und sie versuchen eine Vereinigung
von Fichteschem Subjektivismus und Goetheschem Pantheismus zu philo-
sophisch-dichterischer Weltanschauung zu erheben. Natur und Geist ist
eine Einheit, aber nicht wie bei Goethe die Einheit, die durch das Zu-
sammenwirken beider entsteht, sondern Natur und Geist ist dasselbe.
Natur ist der sichtbare Geist, und Geist ist die unsichtbare Natur. Der
schöpferische Geist des Menschen, also die Phantasie, die geistige Gebilde
schafft, ist nur eine andere Äusserungsform des Willens, der die Natur
schaflrt und bildet, und es ist nicht nur derselbe Vorgang, ob die schöpfer-
ische Phantasie oder ob die Natur schafft, sondern das was die Phantasie
frei und nur ihrem eignen Drang gehorchend hervorbringt, ist dasselbe, was
die Natur erschafft, ist die geistige Form dessen, was die Natur als sicht-
bare hervorbringt. Einengung der Phantasie also durch Gesetze oder Vor-
bilder ist Einengung schöpferischer Kraft, die auch die Natur schuf, und das
idealistische Kunstprinzip, das dieser Weltanschauung ihr Entstehen dankt,
heisst naturgemäss: die weltschaffende subjektive Phantasie des Künstlers,
gleichgiltig ob sie hohes oder niederes, hässliches oder schönes zu Tage
fördert, ist einziges Gesetz. Willkur des geistigen Schöpfers dem Ideen-
gehalt und der Form nach ist die einzige Form aller Kunstbetätigung, ge-
schlossene Form ist Einengung der freischaffenden, zu ürillkürlichster
103
NOREN-HERZBERG: SCHUMANN ALS SCHRIFTSTELLER
Äusserungsform sich verdichtenden Phantasie. Unter dem Einfluss dieser
Welt- und Kunstanschauung bildet sich die Kritik der romantischen Schule,
die, weil von schöpferischen, den Dichtern durchaus ebenbfirtigen Geistern
ausgeübt, veniger die Beurteilerin als die Verkünderin der neuen künst-
lerischen Richtung wurde. Die Einwirkung dieser völlig umgewandelten
allgemeinen Anschauung von den Rechten des Künstlers und den Pflichten
des Kritikers zeigt sich auf musikalischem Gebiet dann zuerst in den Be-
strebungen des literarisch und musikalisch durchgebildeten Fr. Rochlitz,
des Begründers der «Allgemeinen Musikalischen Zeitung* um 1800. Der
Wert der von ihm eingeführten durchaus subjektiven musikalischen Kritik
gegenüber der nach festen technischen Dogmen abschätzenden lag darin,
dass die Wirkung zum Wertmesser genommen und damit zuerst eine un-
befangene Wertung neuer anscheinend ausserhalb von Regeln geschaffener
Kunstwerke (Beethoven) möglich wurde. Ob diese Wiedergabe des Ein-
drucks als charakterisierende Kritik für das Kunstwerk ihren Zweck er-
füllte, hing aber, abgesehen von der Aufnahmeßhigkeit des Kritisierenden,
ausserdem noch von der Begabung des Kritikers, seine Eindrücke in Worten
wiederzugeben, ab, und die natürliche Folge dieser Vorbedingung romantisch
subjektiver Kritik war also, dass auch auf musikalischem Gebiet diejenigen
das Wirkungsvollste leisteten, deren Empßnglichkeit für musikalische Ein-
drücke Hand in Hand ging mit der Fähigkeit, diese Eindrücke in Worten
virtuos wiederzugeben: also die Dichter-Musiker oder die Musiker-Dichter.
Bahnbrechend auf diesem Gebiet ist E. T. A. Ho ff mann gewesen,
»in dessen Krelsleriant ein Glhrstoff von erstaunlicher Krafc steckt, der die
ganze Muaikschriftatellerei unares Jahrhunderts durchdrungen hat.*^)
Aber während E. T. A. Hoffmann die Musikschriftstellerei nur ge-
legentlich um des Broterwerbs willen betrieb und dann aus der Not eine
Tugend machte, d. h. seine dichterische Gestaltungskraft auf die musikalischen
Persönlichkeiten oder Werke anwendete, die er zu besprechen hatte (vgl.
in seinem Tagebuch vom 17. Mai 1809 bei der Besprechung der beiden
Symphonieen von Friedrich Witt in der »Allgemeinen Musikalischen Zeitung* :
«Opus 1 dieser ArtI es ging besser als ich gedacht hatte"), geht sein grösster
Erbe und Nachfolger, Schumann, bewusst den Weg, den auch er infolge
seiner doppelten Begabung gehen durfte.
Robert Schumanns geistige Persönlichkeit in der Zeit, als er musik-
krittsch sich zu betätigen begann, entspricht durchaus dem Typus der
Jugend um 1830, deren unbewusst eingesogene Weltanschauung (nach
Temperament und Lebenskreis natürlich modifiziert) im allgemeinen aber
doch durchaus romantischer Philosophie ihren Ursprung dankt. Subjektivstes
^) Vergl. Spiua, Deuttcbe Rundschau 1894: .Schumanns Schriften*.
104
DIE MUSIK V. 20.
in den Mittelpunkt Stellen der eigenen Gefühle und Vorstellungen, aristo-
kratische Abkehr vom praktischen Leben und den praktischen Zielen der
»Philister'*, bewusstes sich Einfühlen in die Natur und Naturstimmung, liebe-
volles sich Vertiefen in die Gedankengänge deutscher Märchenwelt und da-
mit deutscher Gefühlswelt ist der Inhalt des Jünglingslebens um 1825 — 1830,
und dazu der Drang, in eigener schöpferischer Betätigung sich als Teil
jener Kraft zu wissen, die das lebendige All erschafft. Schumann fühlt
diesen schöpferischen Trieb in sich schon als Knabe, ehe er im klaren
darüber war, ob seine spezielle Begabung ihn auf die Musik oder Poesie
verwiese, und seine gesamte musikkritische Tätigkeit ist daher auch durch-
aus aufzufassen als die Betätigung eines schöpferischen Geistes: gegebene
Anregung in subjektivster innerer Verarbeitung umzuschaffen und daraus
ein neues Kunstwerk hervorzubringen. Und der Zusammenhang zwischen
dem anregenden Werke (hier also dem Musikstück) und dem neugeschaffenen
Kunstwerk (bei Schumann also der Kritik) besteht nur darin, dass beide
dieselben Wirkungen auslösen, wenn auch mit verschiedenen Mitteln.^)
Robert Schumanns Kritiken sind grösstenteils Phantasieen des Dichters
Schumann über die Eindrücke, die der Musiker Schumann empfangen hat,
aber nicht Phantasieen, wie die Rochlitz, die Reichardt, die Marx sie ge-
schrieben hatten, in denen sie die Wirkung des Musikstückes beschrieben,
sondern Phantasieen, aus denen diese Wirkung von neuem hervorspringt,
also Kunstwerke, nicht ästhetische Analysen. Das Publikum jener Tage
aber war durch die vorangegangenen Jahrzehnte höchster Blütezeit deutscher
Dichtung in der Aufnahme allgemein künstlerischer Wirkungen auf dem
Gebiet der Poesie ungleich geschulter, als auf dem Gebiet der Musik.
Krassester auf die Spitze getriebener Subjektivismus in der Dichtung war
ihm eine geläuflge Erscheinung, und die ästhetische Bildung war in Be-
ziehung auf die Dichtkunst durchaus fortgeschritten genug, den künstlerischen
Wert der von jeder Fessel konventioneller Gewohnheit oder objektiver ästhe-
tischer Normen losgelösten Romane eines Jean Paul oder später der Ge-
dichte und Reisebilder eines Heine verständnisvoll zu würdigen, und zwar
nicht zum wenigsten infolge der bahnbrechenden kritischen Erziehung, die
zwei Jahrzehnte früher die Gebrüder Schlegel geleistet hatten. Auf
musikalischem Gebiet aber lagen die Dinge völlig anders; dort war man
zu einem Verständnis Beethovenschen und Schubertschen Subjektivismus
noch nicht durchgedrungen, trotz der (eben nur gelegentlichen) schöpferisch-
kritischen Feldzüge E. T. A. Hoffmanns und der didaktischen Bemühungen
Fr. Rochlitz'. Um das ästhetische Urteil der Geniessenden frei zu machen
^) »Wir halten die für die hdctatte Kritik, die durch sich selbst einen Eindruck
hinterlisst, dem gleich, den das anregende Original hervorbringt.* Schumann, Ge-
sammelte Schriften.
105
NOREN-HERZBERG: SCHUMANN ALS SCHRIFTSTELLER
von den Vorstellungen» dass auf musikalischem Gebiet die von frfiheren
Zeiten fibernommenen Formen einzuhalten seien, bedurfte es einer ähn-
lichen Erziehung auf musikalischem Gebiet, wie früher auf literarischem.
Diese Erziehung hat Robert Schumann geleistet und damit vorgearbeitet
für den Aufschwung subjektivster Musikrichtung, in dem wir uns heute
noch befinden. Robert Schumann, als Musiker zwar durchaus auf der
Linie Beethoven-Schubert-Brahms stehend, hat als Musikschriftsteller, viel«
leicht unbewusst, aber trotzdem völlig sicher, darauf hingewirkt, das Publikum
vorbereitend zu erziehen fü^ Wagners Musikdrama und Liszts Instrumental-
musik. Und weil er selbst ein Kind jener in literarischer Beziehung hoch-
gebildeten Zeit war, so ergriff er mit genialer Sicherheit das einfachste
Mittel, er dichtete die Musikwerke, denen Musiker und Laien verständnis-
los gegenüberstanden, zu kleinen poetischen Phantasieen um, deren
künstlerische Wirkungen das Publikum eben infolge seiner Schulung in
literarisch-ästhetischen Dingen nachfühlen konnte, und gewöhnte sie daran,
die gleiche Erhöhung des Lebensgefühls, die sie zu empfinden gei^öhnt
waren bei den Dichtungen romantisch subjektiver Färbung, nun auch zu
fühlen angesichts solcher von landläufigen Regeln befreiten subjektiven
Musik, und wurde daher für die musikalische Kritik, wenn auch durch in-
direkte Mittel dasselbe, was die romantische Kritik für die Literatur auf
direktem Wege gewesen war. Diese allgemeine Lage der ästhetischen
Bildung zu Schumanns Zeit muss man sich vergegenwärtigen, wenn man
heute seine musikkritischen Aufsätze liest, um zu verstehen, dass es nicht
subjektive Liebhaberei Schumanns, vielleicht hervorgerufen durch seine
doppelte Begabung, war, die ihn diese merkwürdige Art des poetischen
Phantasierens an Stelle technischer Analyse anwenden Hess.
Bei unsrer heutigen musikalischen Bildung, bei der das Nachempfindungs-
vermögen im Publikum in viel höherem Masse ausgebildet ist, als das
technische Verständnis des Aufbaus und der thematischen Arbeit, erscheint
es uns fast unverständlich, dass der Gefühlsinhalt Chopinscher Variationen
durch die poetische Phantasie Schumanns eindringlicher übermittelt werden
könnte als durch das' Tonstfick selber, auch wenn wir, den veränderten
Zeitverhältnissen entsprechend, anstatt Chopin vielleicht Strauss oder Reger
gesetzt dächten. Das Publikum von heute ist so durchaus entgegengesetzt
gebildet, dass es viel eher den Gefühlsinhalt der Musik, als der Dichtung
erfasst und daher auf poetisch gehaltene Programme zu Musikwerken nicht
mehr reagiert. Damals aber lag der Fall gerade umgekehrt, und wie
lange, trotz Schumann, es gedauert hat, bis die ästhetische Aufnahmefähig-
keit für die Musik den Grad der literarischen erreicht hat, geht meines
Erachtens am schärfsten daraus hervor, dass das reine Verständnis für
Richard Wagner, den Musiker, erst den Umweg über Richard Wagner, den
V. 20. 8
106
DIE MUSIK V. 20.
Dichter, hat machen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt gesehen, ergibt
sich, dass Robert Schumanns musikkritische Tätigkeit also nicht so sehr
ein Fortbauen der musikalischen Ästhetik oder der musikalischen Kritik
als solcher bedeutet, sondern eine Erziehung zum Verständnis, d. h. ästhe-
tischen nicht technischen Verständnis, der Musik. Er hat weder philo-
sophisch die Ursache der Wirkungen musikalischer Kunstwerke untersucht,
noch verstandesgemäss die geistige Arbeit des Musikers analysiert und zur
Kenntnis weiter Kreise gebracht; er hat einfach das Gefühl der Geniessenden
erzogen zur Aufnahme des in der Musik niedergelegten geistigen (dem
Denken und dem Fühlen entsprungenen) Gehalts, und er steht mit dieser
Tat, die er fast als einzelner geleistet, auf dem Boden modernster Be-
strebungen, die darauf abzielen, die ästhetische Empfinglichkeit, die für die
Musik bei den Geniessenden in hohem Masse vorhanden ist, für bildende
und redende Künste zurückzuerobern. Robert Schumanns Umdichtungen
musikalischer Kunstwerke sind im Grunde nichts anderes, als unsre
heutigen in umgekehrter Richtung gehenden Versuche, durch musikalische
Darbietungen die Stimmung für rein poetische Kunstwerke zu erwecken;
und beim Oberschauen weiter Zeiträume und historischer Entwicklungen
ist die Vermutung nicht abzuweisen, dass, wenn es den allerorts sich
mehrenden Bestrebungen zur ästhetischen Erziehung einmal gelungen sein
wird, für die anderen Kunstgebiete das Nacherleben zu erziehen, die
musikalische Empfänglichkeit wieder ins Hintertreffen geraten sein könnte,
wie dies um 1840 der Fall war, und man sich dann wieder auf Robert
Schumanns Mittel und Wege besinnen wird. Der Zeitpunkt also, seine
Bedeutung als Musikkritiker zu würdigen, an Einzelbeispielen und in
grundsätzlicher Stellungnahme zu seiner Methode, wird wohl erst an seinem
100 jährigen Todestage gekommen sein, denn die Zeitepoche, die die Früchte
der Arbeit eines Kämpfers geniesst, ist am wenigsten geeignet, jene Arbeit
voll zu bewerten, weil ihr das dadurch Erreichte selbstverständlich er-
scheint; erst wenn die Früchte wieder bis zu einem gewissen Grade ver-
loren sind, greift man zurück, um in Form historischer Betrachtung das
sich zu eigen zu machen, was vom Alten allgemeingültig und daher auch
auf die neue Zeit noch anzuwenden ist. So hat man es in diesen Jahren
in bezug auf literarische Bildung mit Herder gemacht, so wird man um
1050 wohl hinsichtlich musikalischer Kritik und Erziehung auf Schumann
zurückgreifen.
5r«»v
EIN ANGEDRUCKTER CANON FÜR VIER
MANNERSTIMMEN UND SECHS UNGEDRUCKTE
MUSIKALISCHE HAUS- UND LEBENSREGELN
ROBERT SCHUMANNS
Mitgeteilt von Hermann Erl er- Berlin
[in freundlicher Geselle im Dienste des Zufalls hat mir die Robert
Schumannschen Originalhandschriften der vRitomelle von Fr.
Rfickert In canonischen Weisen für mehrstimmigen Männerge-
sang op. 65* in die Hand gespielt. Im Druck enthält dieses
Werk folgende sieben Nummern: No. 1. Die Rose stand im Thau, für
5 Solostimmen (2 Tenöre und 3 Bässe). No 2. Lasst Lautenspiel und
Becherklang nicht rasten, für Chor (3 Bässe). No. 3. Blfith' oder Schnee I
ffir Solostimmen und Chor (3 Tenor-Solo und 2 Tenor- und Bass-Chor-
stimmen). No. 4. Gebt mir zu trinken, für Chor (3 Bässe). No. 5.
Zürne nicht des Herbstes Wind, für 4 Solostimmen (2 Tenöre und 2 Bässe).
No. 6. In Sommertagen, für Chor (2 Tenöre und 2 Bässe). No. 7. In
Meeres Mitten ist ein offner Laden, Canon infinitus (2 Tenöre und 2 Bässe).
Die Originalhandschrift enthält noch eine Nummer mehr, also deren acht,
in folgender abweichender Gruppierung, auch der Titel ist ursprünglich anders
gefasst. Ich lasse hier genau die Einteilung nach der Handschrift folgen.
Ritornelle und Vierzeiler von F. Rückert
als Canons für mehrstimmigen Männergesang
Zum Anfangt)
I. Zürne nicht. (1 oder 2 fach zu besetzen)
II. Gebt mir zu trinken. (Chor)
III. Lasst Lautenspiel und Becherklang. (Chor)
IV. Die Rose stand im Thau. (1 oder 2 fach zu besetzen)
V. In Sommertagen. (Chor)
VI. In Meeres Mitten. (Chor)
VII. Hätte zu einem Traubenkemel (Chor)
VIII. Blüth' oder Schnee! (Solis mit Chor)
Trotz der von Schumann angegebenen Reihenfolge stehen aber die
acht Nummern durcheinander geschüttelt. Den Anfang auf 3 Seiten bildet
,Blüth' oder Schnee' mit dem Entstehungsdatum d. 28. November 1847.
0 Diese Worte vermag ich nicht zu deuten.
8*
108
= DIE MUSIK V. 20.
Dann folgt »Die Rose stand im Thau", ursprünglich in g-moU geschrieben
und mit dem Zusatz gezeichnet .nach A-mo!l zu transponiren*. 1. Seite,
Entstehungsdatum d. 5. November 1847. Es schliesst sich der bis jetzt
unbekannt gebliebene Canon (2 Seiten Umfang) «Hätte zu einem
Traubenkern* an. Die zwei Oberstimmen stehen im Basschlfissel, es
waren also 4 Bässe gedacht. Schumann schreibt jedoch vor, Bass 1 und
2 sind für Tenor 1 und 2 umzuändern. Bass 3 und 4 werden zu Bass
1 und 2. «In Sommertagen* (2 Seiten) wird No. 4, «In Meeres Mitten"
(2 Seiten) giebt No. 5. Am Schiusa derselben ist eine halbe Seite durch-
strichen und mit der Bemerkung «noch nicht ganz fertig* versehen.
No. 6. «Gebt mir zu trinken* (2 Seiten) steht in G-dur, soll indes nach
F-dur transponirt werden. No. 7. «Lasst Lautenklang* (3 Seiten), enthält
die durchstrichene Notiz «Nicht zu drucken*. Den Beschluss bildet als No. 8
(1 Seite), «Zfime nicht des Herbstes Wind*. Warum Schumann den Canon
«Hätte zu einem Traubenkerne* von der Veröffentlichung fem gehalten hat?
Vielleicht weil ihm die ursprünglich für 4 Bässe gedachte Komposition im
Stimmenumfang nicht glücklich gewählt schien? Der Schluss mit dem hohen
gis liegt für Bariton bedenklich hoch, die Composition für den Tenor I in
der gesamten Lage zu tief. An sich ist der Canon vortrefflich in der
Komposition und steht durchaus auf der Höhe der gedruckten Nummern.^)
Derselbe liebenswürdige Bote des Zufalls wehte mir das auf zwölf
Oktavseiten geschriebene Original der so berühmt gewordenen «Musi-
kalischen Haus- und Lebensregeln* auf den Schreibtisch. Über-
schrieben ist dieser Titel noch mit «Lehrreicher Anhang zum Album
für die Jugend* (1848). Als Beigabe zu diesem Werke, op. 68, er-
schienen die Haus- und Lebensregeln, die von Franz Liszt ins Französische,
von Henry Hug Pierson ins Englische übertragen wurden. Bei einem
Vergleich der in Kleinigkeiten vom Druck abweichenden Handschrift ent-
deckte ich 6 ungedruckte Nummern, die ich hiermit aus ihrem
Manuskriptgefängnis erlöse und in die Freiheit zu Nutzen und Frommen
der musikalischen Welt flattern lasse.
I.
Jeder Zeit gerechte Würdigungl Auch die neuere hat Glänzendes
errungen. —
IL
Schärfe deine Einbildungskraft so, dass du nicht allein die Melodie
«
und Composition, sondern auch die dazu gehörige Harmonie im Gedächt-
niss festzuhalten vermagst. —
^) Siehe die Musikbeilage dieses Heftes.
109 ^
ERLER: UNBEKANNTES VON SCHUMANN
III.
Es hat zu allen Zeiten schlechte Componisten gegeben, und Narren,
die sie gepriesen haben.
IV.
Sollst du Jemandem vorspielen, so ziere dich nicht; sondern thu's gleich
oder gar nicht! —
V.
Du musst aber nicht nur einen Meister lieb haben. Es hat deren
viel gegeben.
VI.
Glaube nicht, dass die alte Musik veraltet sei. Wie ein schönes
wahres Wort nie veralten kann, ebenso wenig eine schöne wahre Musik!
Der auch im Original gleiche Abschluss der «Haus- und Lebens-
regeln" lautet: .es ist des Lernens kein Ende", eine Mahnung, der gerecht
zu werden Schumanns unablässiges Trachten gewesen. Es ist jetzt bei
einer gewissen musikalischen Partei zum Sport geworden, zu versuchen,
die edle Gestalt des Meisters von dem ihr gebührenden Postament im
Heiligtum der Musik herunterzureissen. Aber der Versuch bleibt Versuch ;
den Spöttern zum Trotz werden von den vornehmsten Künstlern die
Hauptwerke: die Streichquartette, die Symphonieen, das Klavierquintett, die
C-dur Phantasie, der Karneval, Frauenliebe und -leben, Dichterliebe u. a.
mehr denn je vorgeführt, und «Paradies und Peri" erscheint unablässig
auf den Programmen der Gesangvereine.
Es muss doch ein unverwüstlicher Kern in diesen Schöpfungen
stecken, wenn sie sich trotz der feindlichen Behauptungen von »Gedanken-
blässe und schlechter Orchesterbehandlung" so lebenskräftig erhalten. Mir
trat bei meiner Betrachtung ein Brief meines hochverehrten Freundes Paul
Heyse in Erinnerung, dessen goldene Worte den Schluss meiner kleinen
Abhandlung bilden mögen:
„Sie haben mich sehr erfreut durch das freundliche Geschenk Ihres Schumann-
Buches, das ich während meiner Herbstfrische so recht in beschaulicher Müsse ge-
niessen konnte. Von früh an war ich diesem Meister mit besonderer yebe und Be-
wunderung zugethan, habe mich seinerzeit in die Jugendbriefe mit wärmster Sympathie
vertiefe und nun das ganze an Wonne und Web so reiche Leben an mir vorüberziehen
lassen. Welch ein erquickender Anblick, das so starkmutbige, heitere und bescheiden
stolze Voranscb reiten dieses ,frommen Musikanten^ der Im Dienste seiner hohen
Kunst nicht nach äusserer Ehre und Erfolg trachtet, gegenüber dem Urmenden,
grössenwahnslnnlgen Treiben des . . . . ! Die Umnachtung der letzten Jahre erscheint
als ein aus rein physischen Ursachen entsprungenes Unheil, das weder von sittlicher
noch geistiger Quelle genährt wurde, und so bebilt das ganze Lebensbild einen reinen
vorbildlichen Wertb."
ile la der «DeutscheD Rerve* von 1878 verSffentlicbtea «Erinnerungen an
R. Scbumann' von Riebard Pobl enibalten am Scblu» eine ungenaue
DanielluDg dei Erkalieni seiner Bezlebung zu Schumann, die einer Be*
rictatlgnng bedarf.
Nachdem Pobl Schumanna letzten Brief (vom 18. Min 1853) mit-
geteilt und die Gründe angegeben bat, warum dieser ihn »verstimmt' und Ibm die
Lust für temere Textbearbeituagen benommen habe, flhrt er fort: .Ich legte alao
meine Texte vorliuBg ad acta und nahm aodere dringende Arbeiten vor. So verging
das Jabr 1853. leb hürte von Schumann Nlcbta mehr, bis plStzlicb durch die Zeitungen
die erschünemde Nacbrlcbi lu uns kam, dass Schumann am 27. Februar 1854 alch
in den Rhein gestürzt habe . . . Mich erregte es betooders tief und nachhaltig, leb
machte mir Vorwürfe, den verehrten Meiater gerade in den letzten Monaten vor seiner
Krankheit mehr ala ich sollte, vemacbllssigt zu haben. Nun war es freilich lu
•piti . . ."
Mit den .driogeoden*' Arbellen Pohls ist offenbar seine intensivere Titigkeit
für die »Neue Zeitschrift für Muaik" gemeint, die Propaganda für Vagner, die er 1852
begann, vom Jahre 1853 an aber in gesteigertem Masse auf die ginie »Teimarsche
Scfaule' auadebnte. Unter dem Pseudonym Hoplit war er der Iltigsie Mitarbeiter
der Zeitschrift, und man feierte Ihn deshalb In seinen letzten Lebensjahren gern als
den »iltesten Vagnerianer." ')
Pohl gibt in aeinen . Erinnerungen* einen genauen Bericht über den vom
16. Oktober 1850 bis zum 18. Mirz 1853 gefSbrten Briefwechsel; dann aber will er
bis zum 27. Februar 1854 anlcbts mehr" von Schumann gebSrt haben. Allein er bat
nach dem MIrz 1853 noch zweimal an Schumann geschrieben (die Briefe beflndeo
>) Das erste Öffentlich abgegebene Urteil Pobls über Tagner, unter dessen
Leitung er am Palmsonntag 1848 Beethovens F dur-Symphonie (Nr.8)lD Dresden geh Ort
hatte, verbrehet sich nur über den Dirigenten Tagner. Nach der Erwihnung des
zu langsamen Tempos der Menuett sagt er: ,Ea lai die Coqueiterle lu rügen, mit der
er stereotyp die Beethovenschen Meisterwerke dirigiert, ohne einen Blick in die Par-
titur tu thun. Das soll etwas Besonderes sein, beisst aber Nichts, als dass Herr
Tagner von sich sehr eingenommen ist. Obrlgeos lat der Zuschauer Im Zweifel, ob
Herr Tagoer nicht den Concenmelater Llploskl als seine lebendige Partitur betrachtet,
da er eigentlich nur das Tempo nacbschligi, was jener vorgelgt, und da Herr Tagner,
wie in der Generalprobe, es durchaus nicht unter seiner Türde hilt, sich aua seinem
vergriiTenen Tempo im letzten Satz durch das Orchester heraus, und in ein gemlsslg-
teres hinüber führen zu laiten.' Siebe Signale ISIS, S. 138.
111
JANSEN: UNBEKANNTER BRIEF SCHUMANNS
sieb In der K5nisl. Bibliothek zu Berlin) und im Januar 1854 ibm seine Bröscbüre
»Das Karlsruber Musikfest im Oktober 1S53 von Hoplit* (mit der bandsctarilltlicben
Widmung darauf: alierm Dr. Robert Schumann verehrungsvoll der Verfuser. Dresden,
Januar 1854*) zugesandt Darauf hat Schumann ihm mit folgendem Briefe*) geant-
wortet:
Düsseldorf, den 6ten Febr. 1854.
Geehrter Herr,
Ihr Brief hat sich gefunden. Da er in meine Korrespondenzbucher
eingeheftet war, musste er in Blätter zerschnitten werden. Was Sie mir
sonst von Ihren literarischen Arbeiten mittheilen, dafür dank' ich Ihnen,
namentlich für die Akustischen Briefe,^ weniger für die Carlsruher Brochure.
Ich gehe immer gern gerade aus und sage denen, die mir durch lang-
jährige Bekanntschaft näher stehen, nach Gewissenspflicht die Wahrheit.
Dass Sie der Hoplit waren, das wusst' ich gar nicht. Denn ich harmonire
nicht sonderlich mit seinem und seiner Partei Liszt-Wagner'schen En-
thusiasmus. Was Sie für Zukunftsmusiker halten, das halt' ich für Gegen<-
wartsmnsiker, und was Sie für Vergangenheitsmusiker (Bach, Händel, Beet-
hoven), das scheinen mir die besten Zukunftsmusiker. Geistige Schönheit
in schönster Form kann ich nie für .einen überwundenen Standpunkt'
halten. Hat diese etwa R. Wagner? Und wo sind denn die genialen
Leistungen Liszts — wo stecken siel Vielleicht in seinem Pulte? will er
vielleicht die Zukunft abwarten, weil er fürchtet, man versteh' ihn jetzt
nicht? D%nim — ich kann nicht mit diesem Hoplitschen Enthusiasmus
harmoniren.
Sie haben auch mich in Ihrer Brochure genannt und die Ouvertüre
zu Hamlet [von Joachim] mit grosser Theilnahme besprochen. Aber Sie
haben auch an anderer Stelle über mich sich ausgelassen, dass ich glaube,
Sie verstehen mich nicht. Sie sprechen von einem Fehlen von Liebe, die
keine Reflexion ersetzen könne. Haben Sie sich wohl überlegt, was Sie
da geschrieben haben? Sie sprechen von Mangel an Objectivität — haben
Sie sich auch das überlegt? Meine vier Symphonien, sind sie eine wie
die andere? oder meine Trios? oder meine Lieder? Überhaupt, gibt es
zweierlei Arten Schaffen? Ein ob- und subjektives? War Beethoven ein
objectiver?^ Ich will Ihnen sagen: das sind Geheimnisse, denen man
nicht mit so elenden Worten beikommen kann. Dann sprechen Sie von
Zwittergattungen ! Meinen Sie etwa das Requiem der Mignon, — das Nacht-
') Schumann hat ihn in dem Verzeichnis seiner abgesandten Briefe mit «derbe,
aber wohlwollend* bezeichnet. — Autograph im Besitz von Dr. Erich Prieger in Bonn.
Der Brief liegt diesem Heft im Faksimile bei.
*) Der grössere Teil der »Akustischen Briefe" Pohls erschien zuerst anonym
in der N. Zeitschr. von 1851.
*) Dieser letzte Satz ist noch eingeschoben.
: DIB MUSIK V. 20. ~
lied, die Pilgerfahrt der Rose, den Kfinigssohn und des Singen Flach,
und die MannscriptbalUden, die ich noch habe. Vom Pagen und der K&nigs-
tocbter, das Glück von Edeoball — el, das könnte mich ja bestimmen, die
Sachen zurückzulegen und mein Requiem anzustimmen, das auch noch im
Pulte liegt!
Lieber Hr. Hoplitl Der Humor ist die Hauptsache und dann, vas
Sie an meinen Compositionen vermissen und was namentlich dem Lied
.Du meine Seele* fehlt, die Liebe. Diese beiden Hauptsachen will ich
anwenden, um über das, was Sie mir angethan, hinwegzukommen. Noch
Eins: ich habe, so lang ich öffentlich schrieb, es für meine heilige PRicht
gehalten, jedes Wort, das ich aussprach, auF das Strengste zu prüfen.
Ich habe jetzt auch die freudige Genugthuuug, bei der neuen Ausgabe
meiner Schriften hst alles unverSndert stehen lassen zu können! leb bin
Xlter als Sie, Ich blicke durch mein langjähriges Schaffen und Arbeiten
tiefer und klarer in die Geheimnisse. Suchen Sie's nicht in philosophischen
Ausdrücken, nicht In spltzGndigen Unterscheidungen. Jean Paul mit seinem
innigen Gemüth hat die Musik tiefer begriffen als der scbarfdenkeode Kant.
Nnn mit einem Sprung über die Kluft, die uns getrennt, wegl
Richard Pohl ist mir lieber als der Hoplit. An den Ersteren ist auch
dieser Brief gerichtet mit alten Grüssen. R. Seh.
Tenn Pohl Hgt, Scbumanni trigiicb« Geicbick am 27. Februar 1854 habe
Ibn sbesoiKlera tief und nactabaltiK'' ergriffen, lo iat daa TollkemmeD glaublicb. Vena
er lieh aber anklagte, Scbumano .gerade in den (etiten Monaleo vor Man Krank-
belt" mebr als er aollte, aVerDactallMlgt' lu haben, ao waren dleie SelbatTonrürfe
nnbegründei.
|e tiefer wir uns von den Werken oder den Leistungen eines
hervorragenden Menschen ergrifTen fühlen, um so mehr wird in
uns der Wunsch rege, nun auch seine gesamte Persönlichkeit,
d. h. sein Verhältnis auch zu denjenigen Gebieten, auf denen
nicht seine Haupttätigkeit liegt, kennen zu lernen. Wir möchten wissen,
wie der Mann, der uns die Eroica und die Neunte Symphonie schenkte. Ober
seine Kunst und über die anderen Künste dachte, wie er der Religion und
Philosophie, den Forderungen der Sittlichkeit und dem Wissen gegenüber-
stand; ja, wir gehen noch weiter und fragen nach seiner äusseren Er-
scheinung, seinem Verhalten zu Angehörigen und Freunden, seinen Eigen-
heiten, seinem Alltagsleben und nach der Art, wie er sich mit der
Alltäglichkeit abfand. In diesem tief begründeten Bedürfnis unseres Ge-
mütes, dessen Befriedigung aber, wie ausdrücklich betont sei, niemals dazu
dienen kann, unser Verständnis für ein Kunstwerk, das ja ausschliesslich
aus sich selbst heraus wirken muss, zu erhöhen, liegt die Berechtigung der-
jenigen Teile der Beethoven- oder beispielsweise auch der Goetheforschung,
die sich nicht unmittelbar auf die Schöpfungen dieser Meister beziehen.
Damit sollen aber die Auswüchse solcher Forschungen, die sich nur den
Schein der Wissenschaftlichkeit anmassen und heute einer völlig un-
verdienten Duldung, wenn nicht gar Wertschätzung begegnen, durchaus
nicht in Schutz genommen werden.
Es liegt in der Natur der Sache, dass ein ausübender Künstler, sei
er Schauspieler oder Musiker, nur selten in uns den Drang nach Erfassung
seiner vollen Persönlichkeit wachruft. Aber um so bedeutsamer sind die
wenigen Fälle, in denen er dies vermag. Noch auf die heutige Generation
der Musiker und Musikfk'eunde strömt der Name Jenny Lind einen eigen-
artigen Zauber aus, obgleich es unsere Grossväter waren, die ihr Ge-
sang beglückte. Aber sie fühlten mit unmittelbarer Gewissheit, dass ihnen
nicht eine gewöhnliche Sängerin gegenüberstand, dass vielmehr aus ihrem
Gesang eine tiefe, reine Menschenseele zu ihnen sprach, und dieses Gefühl
lebt in uns fort. Dass sie es wert war, als ein Ganzes erfasst zu werden.
114
DIE MUSIK V. 20
beweisen ihre Briefe.^) Vielleicht in noch höherem Masse gab eine andere
Künstlerin, die vor nunmehr 10 Jahren von uns schied, also der Gegen-
wart noch viel näher steht, durch die Art ihres Wirkens Veranlassung, Jhr
Wesen in seiner Gesamtheit zu empfinden und zu betrachten. Wir meinen
Clara Schumann. Man darf wohl sagen, dass schon seit der Zeit, da
sie als Kind zuerst an die Öffentlichkeit trat, niemand in ihr bloss eine
bedeutende Klavierspielerin sah, dass man sie vielmehr stets als eine be-
stimmt ausgeprägte Persönlichkeit bewunderte und verehrte. Dieser Stand-
punkt tritt bei fast allen Menschen hervor, mit denen sie während ihres
langen Lebens in Berührung kam, oder die über sie schrieben, ja, er
teilte sich selbst dem grossen Publikum mit. Sie lebt in unserem Bewusst-
sein fort als der Typus des reinsten Künstlertumes, verbunden mit edelster,
charaktervoller Weiblichkeit. Sie war, wie sie Liszt einmal nannte, eine
Priesterin ihrer Kunst. Wie es beim Priester sein soll, bildeten bei ihr
Beruf und Leben eine untrennbare Einheit. Solche Persönlichkeiten sind
es, die wir möglichst nach allen Seiten ihrer Lebensbetätigung beobachtend
und am liebsten bewundernd verfolgen möchten.
Es ist bekannt, dass Clara Schumann sowohl vor als auch nach ihrer
Verheiratung eine Reihe von Kompositionen veröffentlichte, und so könnte
es auffallen, dass dieser Zweig ihrer Tätigkeit, der ihrem eigentlichen Be-
rufe doch so nahe stand und dessen Betrachtung uns einen Einblick in ihr
musikalisches Denken und Empfinden gewähren müsste, noch nie im Zu-
sammenhang gewürdigt worden ist. Aber die Historiker halten sich
begreiflicherweise in der Regel entweder an das Vollendete in der Kunst
oder an solche Werke, die Glieder einer Entwicklungskette bilden, und
die anspruchslosen Kompositionen Clara Schumanns gehören zu keiner
dieser beiden Kategorieen. Wenn ihre Behandlung auch nichts weiter
leistete, als das Wesen der Künstlerin von einer bis jetzt wenig beachteten
Seite her bis zu einem gewissen Grade zu erschliessen, so wäre sie bereits
hinlänglich gerechtfertigt. Dazu kommen aber noch zwei Umstände, die das
Interesse an diesen Werken wesentlich erhöhen müssen. Der eine ist, dass
sie von einem weiblichen Komponisten und zum Teil sogar von einem Kinde
herrühren, der andere, dass sie unter den Augen Robert Schumanns
entstanden, und er es weder an lebhafter Teilnahme noch an anspornender
Ermunterung fehlen Hess. Übrigens stellt sich vielleicht doch heraus, dass
die geringe Beachtung dieser Kompositionen auch vom rein künstlerischen
Standpunkte aus nicht in allen Fällen berechtigt ist, dass das eine oder das
andere Werk doch auch um seiner selbst willen Wert besitzt. In der
^) Jenny Lind, ihre Laufbahn als Künstlerin, von H. S. Holland und W. S.
Rockstro, übersetzt von Hedwig Schoell, 1891.
115
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
Clara Schumannbiographie von B. Litzmann ^) sind bis auf eine Ausnahme,
auf die wir später zurfickkommen werden, über die Kompositionen nur
die äusseren Daten gegeben, leider nicht immer mit der wünschenswerten
Genauigkeit.
Friedrich Wieck war in musikalischen Dingen bekanntlich ein
einsichtsvoller und ausgezeichneter Pädagoge und verlangte daher vom
Klavierspieler, dass er nicht nur sein Instrument beherrsche, sondern ein
wirklicher Musiker sei. Diesem Grundsatze gemäss führte er seine Tochter
schon sehr früh in die Theorie der Musik ein. Bereits bevor der eigent-
liche Klavierunterricht begann, wusste sie, was ein Dreiklang sei usw. Wie
weit sind unsere heutigen Durchschnittslehrer und die meisten Eltern noch
davon entfernt, diesen einzig richtigen Weg einzuschlagen!') Es dauerte
nicht lange, so verstand sie schon in jede beliebige Tonart zu modulieren,
ein Umstand, der für ihre Kompositionen von Wichtigkeit wurde, und ihr
freies Phantasieren erregte früh Bewunderung. Für die weitere theoretische
Ausbildung scheint Wieck seine eigenen Kräfte bald nicht mehr für aus-
reichend gehalten zu haben ; denn er Hess seine Tochter vom Thomaskantor
Weinlig und später von Heinrich Dorn unterrichten, und 1834
während eines mehrmonatigen Aufenthaltes in Dresden war sie noch
Schülerin von Reissiger. Unter solchen Umständen waren kleine Kompo-
sitionsversuche geradezu etwas Selbstverständliches. 1831 gab der Vater
als Opus 1 »4 Polonaises" für Klavier heraus. Bevor wir aber auf diese
und die folgenden Werke eingehen, müssen wir einen flüchtigen Blick auf
die damalige Musikpflege werfen, um zu erkennen, aus welchem Boden
Clara Wieck als Komponistin hervorwuchs.
Zwar eroberten sich in den Zwanziger- und Dreissigerjahren des 1 O.Jahr-
hunderts die Symphonieen Beethovens allmählich die führende Stellung,
die sie heute im Konzertsaal einnehmen, und auch die Symphonie
Haydns und Mozarts wurde gepflegt. Daneben standen Werke von mehr
oder weniger bedeutenden Epigonen der Klassiker, wie F. Riess und
Kalliwoda, aber auch solche des Romantikers Spohr, der seine eigenen
Wege ging. Viel schlimmer dagegen sah es mit der Solomusik aus, die
für uns hier in erster Linie in Betracht kommt. Wie in der politisch
stillen Zeit nach den Stürmen der Napoleonischen Herrschaft und der Be-
freiungskriege durch ganz Europa das Streben nach mühelosem, nicht in
die Tiefe dringendem Lebens- und Kunstgenuss ging, wie demzufolge die
gesamte Opernbühne von der Melodik Rossini's und dem italienischen Ge-
*) Clara Schumann, ein Künstlerleben, von B. Litzmann, 1. Bd. 1002, 2. 1905;
der Schluttband steht noch aus.
*) Vergl. Jaques-Dalcroze, «Klavierunterricht und musikalische Erziehung*,
«Die Mu8ik% Jahrg. 5, Heft 1 1 und 12.
116
DIE MUSIK V. 20.
sänge beherrscht wurde, so machte sich auch im Konzertsaal in Komposition
und Wiedergabe ein glänzendes, aber oberflächliches Virtuosentum breit.
Von einem Konzert ffir Klavier, Violine oder eines der anderen zahl-
reichen Instrumente, die damals solistisch hervortraten, schien man nichts
anderes zu verlangen als erstaunliche Technik und geßlllige, nichtssagende
Melodik. Von dieser Schreibweise unterscheidet sich die der häuslichen
Musik, also namentlich der Klaviermusik, da diese von den gleichen
Komponisten herrfihrt, nur durch ein geringeres Mass technischer Schwierig-
keiten. Man betrachte die Konzerte, Variationen, Phantasieen und Tänze
von I. N. Hummel, der doch, freilich nur als Knabe, noch ein Schuler
Mozarts war und zweifellos zu den besten, man möchte sagen musikalischsten
Vertretern der virtuosenhaften Richtung gehört, und man wird über die fast
durchgängige Leerheit dieser Stücke staunen. Es ist eigentümlich, dass die
Klavierwerke von Weber, die doch gewiss dem Virtuosen glänzende Auf-
gaben stellen, dabei aber einen weit höheren Flug nehmen, damals nur
sehr wenig gespielt worden zu sein scheinen. Aus der jüngeren Generation
der Klaviervirtuosen und -Komponisten ragt I. Moscheies merklich hervor,
dessen a-moll Konzert beispielsweise sich über die damalige Schablone er-
hebt, wenn es auch heute nicht mehr aufführbar wäre. Dazwischen aber
stehen Männer wie H. Herz, Hunten, Kalkbrenner, Thalberg usw., die
mit geringen Abweichungen voneinander die höchste Blüte der Richtung
oder, was dasselbe ist, den tiefsten Verfall der Klaviermusik repräsentieren.
Lange Zeit bildeten derartige Kompositionen den Grundstock der
Programme Clara Wiecks. Solche Werke hatte sie sich von früher Jugend
an einzuprägen, an ihnen hauptsächlich hatte sie ihre Technik, ja ihren
musikalischen Geschmack zu vervollkommnen. So ist es denn, obgleich sie
schon früh einiges von Mozart und wenige Jahre später auch von Bach
spielte, nicht zu verwundem, dass sie in der ersten Periode ihrer kompo-
sitorischen Tätigkeit sehr stark unter dem Einfluss der virtuosenhaften
Richtung steht. Merkwürdiger ist es vielleicht, dass sie später die Kraft
besass, sich, wie in der Wahl der zu spielenden Werke, so auch in ihrem
eigenen Schaffen völlig von diesem Einfluss zu befreien. In ihrer zweiten
Periode, die etwa mit ihrer Verheiratung, 1840, beginnt, gehört sie ent-
schieden der romantischen Richtung an. Aber wir werden bald sehen, dasS;
sie sich auch schon vorher der Einwirkung des Neuen und Besseren
keineswegs verschloss.
Vor ihrer Verheiratung scheint sie nur Kompositionen für Klavier
und zwar mit Ausnahme eines Konzertes, Op. 7, für Klavier allein ver-
öffentlicht zu haben. ^) Die Polonaisen, Op. 1, sind in der einfachsten
^) Die Werke mit den Opotzthlen 8, 9, 14, 18, 19 sind im Handel nicht er-
hältlich und mir auch sonst nicht zu Gesicht gekommen, sodass Ich, da ich sie
117
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
2ttli8sigeii Form gehalten, indem sie nur aus Hauptteil und Trio bestehen.
Der Polonaisenrhythmus ist überall gut durchgeführt. Aber in der Melodie-
bildung herrscht, wie zu erwarten, keine Neuheit und Selbständigkeit. Der
Klaviersatz ist noch kindlich, indem meist nur die einfachsten Begleitungs-
formen zur Anwendung kommen, jedoch durchaus fehlerfrei. Dass die
Komponistin bereits eine vorgeschrittene Spielerin ist, zeigt sich an ver-
schiedenen Oktavverdoppelungen und Terzenläufen. Einen gewissen An-
spruch auf Originalität kann nur das Trio aus No. 3 erheben. Es ist weiter
ausgeführt als die übrigen und bringt eine Reihe guter Modulationen.
Auch ist der Ton, der darin angeschlagen wird, für ein Kind auffallend
ernst. Nach Litzmann lobte der bekannte Berliner Kritiker Rellstab die
Polonaisen in Anbetracht der Jugend ihrer Verfasserin, tadelte aber Wieck
heftig wegen ihrer Veröffentlichung.^) Wir müssen ihm hierin recht geben;
denn so viel frilh erworbene Gewandtheit sie auch zeigen, so liefern sie
doch nicht den Beweis eines hervorragenden Kompositionstalentes.
Etwa auf gleicher Stufe stehen die »Caprices en forme de valses',
Op. 2. Von denjenigen, die ich kenne, scheint mir No. 2 bei weitem am
besten gelungen zu sein. Mit seinem lai^samen Ländlerrhythmus, der
Schlichtheit seiner Melodie und sogar mit den Schlusswendungen erinnert
es an gewisse Tänze von Schubert. Dass Schumann seine Begeisterung
für dessen Werke auf seine junge Freundin übertrug, ist sehr wahrscheinlich.
In Op. 1 und 2 fällt der verhältnismässig häufige Gebrauch eines
Kunstgriffes auf, der einen gewissen virtuosen Anstrich hat, ohne gerade
schwer ausführbar zu sein. Er besteht darin, dass zu einem in der Ober-
stimme mehrmals nacheinander wiederholten Ton die Unterstimme der
gleichen, hier stets der rechten Hand, in denselben Notenwerten eine
Seitenbewegung macht. In solchen Dingen darf man wohl die Erinnerung
an technische Übungen erblicken, mit denen die Klavierspielerin eben
beschäftigt war oder die sie vor kurzem überwunden hatte.
Die Capricen zeigte Schumann in seiner Zeitschrift an, umging es
aber mit feinem Takt und in seiner romantisch spielenden Weise, ein Ur-
teil über sie abzugeben. Nur eine Prophezeiung auf die Zukunft der
nirgends, auch bei Litzmann nicht, erwähnt finde, nicht einmal sagen kann, ob sie
überhaupt erschienen sind oder ob ihre Veröffentlichung nur geplant war. Op. 1—7
erschien bei Hofmeister in Leipzig. Davon sind das 2. Heft Von op. 2, femer op. 3,
Romance varl6e, und op. 6, Soir6es musicales, vergriffen und waren mir leider auch
sonst nicht zugänglich. Ober letzteres liegt eine ausführliche Besprechung von
Schumann vor, auf die wir noch zurückkommen werdeii. Op. 3 war die erste
Komposition, die Clara Wieck Schumann widmete, und dieser benfitzte ein schönes,
einfaches Thema daraus zu seinen Impromptus, op. 5.
*) »Iris« von 1831, 24. Stück. Leider war mir diese Zeitschrift nicht zuginglich.
Vergl. Litzmann, 1. Band, Seite 26.
118
DIE MUSIK V. 20.
Komponistin knüpft er an, die sich freilich, soweit man sie nur auf diese
und nicht auf die Spielerin bezieht, nicht erffiUt hat.^)
In ähnlich unbestimmter Art spricht er von den »Valses romantiques*,
Op. 4.^ In diesem Werke ist deutlich eine Weiterentwicklung zu be-
merken. Der einfache Klaviersatz ist einer grösseren VolIgrifBgkeit und
überhaupt einer virtuosenhafteren Schreibweise gewichen. Zugleich aber
zeigen sich hier in Form und Inhalt zum erstenmal Elemente der
Romantik, die ja in jener Zeit immer mehr zur herrschenden Richtung
in der Tonkunst wurde und ihrer höchsten Blüte unter Mendelssohn und
Schumann entgegenging. Romantisch ist schon die lockere Zusammenfügung
einzelner, selbständiger Teile zu einem Ganzen (als ein solches stellen
sich die Walzer dar). Zwar gab es in Wien schon zur Zeit der Klassiker
Walzerreihen, die dann durch Schubert in eine höhere Sphäre erhoben
wurden. Während aber hier wirklich eine Menge selbständiger, kleiner
Stücke nebeneinanderstehen, die nur durch gleichen Grundcharakter und
geeigneten Tonarten Wechsel verbunden sind, kehrt bei Clara Wieck der
Anfangsteil nicht nur später wieder, sondern wird auch gelegentlich
motivisch verwertet. Dadurch werden in uns Ansprüche auf eine Ge-
schlossenheit der Form erweckt, die dann doch nicht anzutreffen ist, so dass
uns die Formlosigkeit, d. h. die willkürliche Aneinanderreihung der Teile
nur um so mehr beunruhigt. Mangel an fester Form im Grossen aber ist
eine in der Zeit der Romantik nicht seltene Erscheinung. Als Beispiele
hierfür können die Sonaten von Weber, die h-moll Sonate von Chopin,
die fis-moll Sonate von Schumann und auch einige seiner Novelletten
dienen.
Inhaltlich deuten die vielen Modulationen, die aber hier, auch
wenn sie nicht in weit entfernte Tonarten führen, häufig an einer gewissen
Plötzlichkeit und Härte leiden, auf die Romantik hin, noch mehr vielleicht
die Einwirkungen, die unverkennbar Chopin auf dieses Werk ausgeübt
hat. Sie zeigen sich einerseits in der schwer zu definierenden Haltung des
Ganzen und namentlich in der Melodiebildung, wenn auch weder der Duft
noch die Tiefe eines Chopinschen Klavierstückes annähernd erreicht ist,
andererseits in der Verwendung gewisser Melodieverzierungen, wie Sexten-
vorschläge und kleine chromatische Läufe. Wieck hatte ebenso wie
Schumann die Bedeutung Chopin's früh erkannt und seine Tochter namentlich
die Variationen Op. 2 studieren lassen, die eine Zeitlang einen Glanzpunkt
ihres Programmes bildeten.
Bezeichnend für die Unreife und das Schwanken der Komponistin
'} Vergl. Gesammelte Schriften von R. Schumann, 3. Auflage, 1875, 1. Band,
Seite 334.
') Schumann, e. a. O., Seite 199.
119
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
zwischen verschiedenen Stilarten ist es, dass sie den Walzern einen glänzend
Virtuosenhaften Schluss anhängte, der mit seinen verbrauchten Modulationen
an die italienischen Opemfinales der damaligen Zeit anklingt. Als Ganzes
betrachtet wird man die Komposition, die fibrigens auch in ihren Gedanken
nicht mehr das Gepräge der Kindlichkeit trägt, nicht gelten lassen ; aber an
einzelnen hübschen, anmutigen Teilen wird man sich doch erfreuen.
Eine wirkliche Verschmelzung von Technik und romantischem Gehalt
ist in den ,4 Piöces caracteristiques'', Op. 5, vollzogen. Die Romantik
zeigt sich hier von einer anderen Seite, nämlich in ihrer Neigung für das
Unheimliche und Spukhafte. Hauptsächlich der Erzeugung solcher Stim-
mungen dienen die weiten Griffe und grossen Sprfinge, die hier auf-
fallen. 1835 schreibt Clara Wieck an Schumann, sie bereite die «Danse
des Phantömes* und .Une Nuit de Sabbat" zum Drucke vor.^) Mit
letzterem ist zweifellos die Anfangsnummer unserer Sammlung: Le Sabbat,
Impromptus, gemeint, mit ersterem wahrscheinlich die Schlussnummer:
Ballet des Revenants. Diese beiden Stficke waren also jedenfalls schon
früher entstanden, ob auch die beiden anderen, oder ob sie damals erst
hinzukomponiert wurden, lässt sich nicht sagen. Dass in dem Briefe den
Oberschriften beigefugt ist: Doppelgänger- und Hexenchor, deutet darauf
hin, dass Clara Wieck bei der Komposition an Märchen dachte, die sie als
Kind von Schumann so gern hatte erzählen hören und in denen der
Doppelgänger eine grosse Rolle spielte. Übrigens spricht sie schon 1833
von geplanten Doppelgänger-Kompositionen und von einem vollendeten
Doppelgänger-Chor. ^
Alle vier Stücke sind durchaus gelungen. Das Dämonische ist
namentlich in No. 1 und 4 ausgeprägt. Sehr gut beginnt die Einleitung
des letzteren mit dem verminderten Quintensprunge des Basses. Der
Hauptteil ist reich an scharfen Dissonanzen, wie sich überhaupt in denl
ganzen Heft eine bemerkenswerte Beherrschung auch entlegenerer har-
monischer Möglichkeiten zeigt. Wo er zum Schluss wiederkehren sollte,
wird er nur noch angedeutet, und die letzten Akkorde wenden sich, leise
verklingend, nach Dur. Dieser Schluss, sogar mit der Terzlage des letzten
Dreiklanges, erinnert unverkennbar an den Anfang und das Ende der
Ouvertüre zum vSommemachtstraum". Auch auf die Rhythmik des ganzen
Stückes scheint dieses Werk, namentlich der Rüpeltanz, eingewirkt zu
haben. Noch stärker sind die Anklänge an Mendelssohn in dem ruhigen
Mittelsatz von No. 2, einem Caprice alla Bolero. Hier ist seine Melodie-
') Litzmann, a. a. O., Seite 87. Ober die Variationen in F, die sie, wie sie in
demselben Briefe schreibt, gleichfalls druckfertig gemacht hatte, ist mir nichts weiteres
bekannt.
*) Litzmann, a. a. O., S. 64.
120
DIE MUSIK V. 20.
bildung 80 genau michgeahmt, dass eine Stelle geradezu wie ein Zitat aus
dem »Frfihlingslied* in den »Liedern ohne Worte" erscheint. Der Satz
ist dem erregten und sehr guten Bolero gegenfiber vielleicht etwas zu
sentimental. In beiden Teilen findet sich die rhythmische Eigentümlichkeit,
dass der Dreivierteltakt in der rechten Hand in den zweiteiligen Sechs-
achteltakt umschlägt, während er in der linken beibehalten wird. In dem
Bolero und ebenso in No. 3, einer Romanze, kommt auch die Zusammen-
ziehung von Dreivierteltakten in Zweivierteltakte vor, ohne dass die Takt-
vorzeichnung wechselt. Solche Kombinationen und Verschiebungen sind
in der älteren Tonkunst, vom 15. und 16. Jahrhundert bis Bach, häufig
anzutreffen und gingen von da zum Teil in die Musik des 19. Jahrhunderts
über. Am ausgiebigsten und schönsten wurden sie von Brahms verwertet.
Ob aber schon in den hier in Rede stehenden Kompositionen etwa eine
Einwirkung Bachs anzunehmen ist, dürfte sich kaum entscheiden lassen.
Die eben erwähnte Romanze bildet wohl den Höhepunkt der Sammlung.
Sie steht, wenn man diese als ein Ganzes betrachtet, an Stelle des lang-
samen Satzes und kontrastiert wirksam ^ zu den übrigen Stucken. Sie be-
ginnt in H-dur und schliesst in h-moU, wodurch ihre ernste, durch aus-
gesuchte Harmoniewendungen noch verstärkte Stimmung am Schluss eine
eigenartige Vertiefung erfährt. Leider ist der Mittelteil trotz seiner
Mendelssohnschen Färbung etwas gewöhnlich ausgefallen. Der Einwirkung
Mendelssohns werden wir von nun an häufig begegnen; wurden doch seine
Werke sehr rasch Gemeingut der musikalischen Welt, und stand er doch
seit seiner Übersiedelung nach Leipzig, 1836, zu Clara Wieck und zu
Schumann, der ihn aufs höchste verehrte, in freundschaftlichen Beziehungen.
Der Opuszahl nach folgen nun die »Soir6es musicales* (Tocca-
tina, Ballade, Nocturne, Polonaise und 2 Mazourkas), die Schumann am
12. September 1837 in seiner Zeitschrift besprach, die also wohl erst
in diesem Jahre erschienen waren. Zur Begründung dafür, dass es nötig
sei, »sich mit einigem Anteil in sie zu vertiefen*, schreibt er:
»Sind sie doch einer so ausländischen Phantasie entsprungen, alt dass hier die
blosse Obung ausreichte, diese leltsam verschlungenen Arabesken verfolgen zu können
— einem zu tief gegründeten Gemüt, als dass man, wo das Bildliche, Gestaltenäbn-
liehe In ihren Kompositionen mehr in den Hintergrund tritt, das triumeriscbe, in sich
▼ertiefte Wesen auf einmal zu fassen vermöchte.*
Spiter heisst es:
ipEinesteils verraten die Soireen doch gewiss jedem ein so zartes, fiberwallen-
des Leben, das vom leisesten Hauch bewegt zu werden scheint, und doch auch wieder
einen Reichtum an ungewöhnlichen Mitteln, eine Macht, die heimlicheren, tiefer
spinnenden Fiden der Harmonie zu verwirren und auseinanderzulegen, wie man es
nur an erfahrenen Künstlern, an Minnem gewöhnt ist.*
121
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
Und endlich lautet das zusammenfassende Urteil:
«Sind sie ein Resultat? Wie die Knospen sind sie's, ehe sie die Farbenflugel
in offener Pracht auseinandertreiben, zur Betrachtung fesselnd und bedeutend, wie
Alles, was eine Zukunft in sich birgt* ^)
Das „träumerische, in sich vertiefte Wesen' würde Schumann viel-
leicht schon der Romanze aus Opus 5 zuschreiben. Aus ihr und aus den
übrigen Stücken dieser Sammlung ist uns auch schon die Fähigkeit der
Komponistin entgegengetreten, „die heimlicheren, tiefer spinnenden Fäden
der Harmonie zu verwirren und auseinanderzulegen.**
Von den Werken für Klavier allein, die mir zugänglich waren, ge-
hören in die erste Periode noch zwei Hefte, Op. 10 und 11. Ersteres ent-
hält zwei Scherzi, letzteres drei Romanzen. Gleich die Einleitung zum
ersten Scherzo ist wieder harmonisch sehr interessant, ohne gesucht zu
sein. Zu einem Orgelpunkt in der Oberstimme erklingen chromatisch
abwärtsschreitende Akkordfolgen. Das Scherzo selbst ist sehr kräftig
und hübsch. Dagegen sind die beiden Kantilenen, die als zwei Trios zu
betrachten sind, nicht bedeutend. Bei oberflächlichem Nachdenken konnte
man von einem weiblichen Komponisten gerade das Umgekehrte erwarten.
Aber es ist bekannt, dass man die wahrhaft schöpferische Begabung eines
Tonsetzers an nichts leichter erkennt als an seinen Adagios und überhaupt
an seinen getragenen Sätzen, weil nichts schwerer zu schreiben ist als
diese. Hier, wo der Reiz des raschen Tempos wegfällt, wo das langsame
Tempo den Hörer sogar leicht ermüdet, wo auch die Rhythmen in der
Regel einfacher sind, fällt der Tonfolge selbst die Aufgabe zu, den ent-
scheidenden Eindruck auf uns auszuüben, und hierin liegt eben die
Schwierigkeit für den Komponisten. Darum gelingt selbst solchen, die in
anderem Meister sind, denen es aber an der höchsten schöpferischen
Kraft fehlt, so selten ein wirklich guter langsamer Satz, und Clara Wieck
macht hierin keine Ausnahme. Das zweite Trio beginnt, obgleich die
Haupttonart des ganzen Stückes d-moll ist, in Es-dur, wieder ein Beweis
für die Vorliebe der Komponistin für Modulationen. Einmal liegt die
Melodie im Tenor, wenn die Anwendung dieses Ausdruckes auch beim
freien Klaviersatze erlaubt ist. Der erste, der innerhalb desselben
den Tenor zeitweise zur Hauptstimme erhob, war Weber, und von ihm
ging dieser Kunstgriff, der dem Instrumente schöne, bis dahin un-
bekannte Klangeffekte entlockte, auf die jüngeren Romantiker über. Auch
im zweiten Scherzo steht die das Trio bildende Kantilene gegen den Haupt-
teil weit zurück. In diesem findet sich ein starker Anklang an Mendels-
sohn, und hier sind wohl auch die im Dreivierteltakt durch Synkopierung
^) Schumann, a. a: O., Seite 249.
V. 20 9
122
DIE MUSIK V. 20.
entstehenden Zweivierteltakte auf den Einfluss dieses Meisters zurück-
zuführen.
Die drei Romanzen erschienen bei Mechetti in Wien und wurden
jedenfalls, als Clara Wieck 1839 dort konzertierte, in Druck gegeben.^)
Sie sind Schumann gewidmet und entstanden sicher in der Zeit des
schwersten Kampfes, den die beiden um ihre Vereinigung zu führen hatten.
In der Tat herrscht in den beiden ersten Stücken eine düstere Grund-
stimmung. No. 1 ist nicht besonders gelungen, da die ErBndung des Haupt-
themas kein glücklicher Wurf war. Der Mittelsatz gemahnt uns zum
erstenmal, wenn auch nur von fern, an Schumannsche Klaviermusik, ver-
läuft aber im ganzen doch konventionell. Wieder ist die eigenartige
Modulationsordnung zu beachten: das Ganze steht in es-moll, der Mittel-
satz erscheint das einemal in Ges-dur, das anderemal aber in A-dur.
Bedeutend besser ist die zweite Romanze, deren gutes Hauptthema
zuerst im Tenor auftritt. Den Übergang zum .Mittelsatz bildet eine leiden-
schaftlich erregte Stelle über einem Orgelpunkt des Basses. Der Mittel-
satz selbst, Allegro appassionato, hält sich nicht auf der Höhe des Hauptteiles.
In diesen leitet ein langsamerer Satz mit sehr schöner Vorbereitung des
Themas zurück. Man sieht, wie sehr gegen früher die Herrschaft über
die Form gewachsen ist und wird sich danach nicht wundem, dass die
Werke der zweiten Periode gerade eine auffallende Formgewandtheit auf-
weisen. Die letzte Romanze bringt gleichsam die Versöhnung, ist aber
unbedeutend.
Am 9. November 1835 trat Clara Wieck zum erstenmal mit ihrem
Klavierkonzert an die Öffentlichkeit, war aber schon zwei Jahre vorher
mit seiner Ausarbeitung beschäftigt. Schumann besprach es im 4. Schwärm-
brief an Chiara. Da es mir aber unmöglich erscheint, genau zu erkennen,
welche Teile des Werkes er mit seinen verschiedenen poetischen Um-
schreibungen meinte, fiUire ich nur diejenigen Worte an, die eine positive
Kritik enthalten:
«Ich sah oft Kähne kühn über den Wellen schweben, und nur ein Meistergrilf
am Steuer, ein straff gezogenes Segel fehlte, dass sie so siegend und schnell als
sicher die Wogen durchschnitten: So hört ich hier Gedanken, die oft nicht die rechten
Dolmetscher gewählt hatten, um in ihrer ganzen Schöne zu glänzen, aber der feurige
Geist, der sie trieb, und die Sehnsucht, die sie steuerte, strömte sie endlich sicher
zum Ziel.«**)
^) op. 10 und alle in der Folge noch zu erwähnenden Werke erschienen bei
Brehkopf und Härtel, Leipzig.
*) Vollständig ist die Stelle bei Litzmann, a. a. O., Seite 91, zitiert. Übrigens
nahm Schumann diesen Schwärmbrief, wie auch manches andere, nicht in seine
gesammelten Schriften, 1853 erschienen, auf. Erst in ihrer 4. Auflage, 1891, in der
nach Möglichkeit alle seine schriftstellerischen Erzeugnisse zusammengetragen sind
ist er wieder abgedruckt.
ii^
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
Der erste Satz des Konzertes, a-moll, beginnt im Tutti gleich mit
dem kräftig gehaltenen Hauptthema. Sehr gut ist der Einsatz des Klavieres
mit einigen energischen Gängen in Oktaven. Dann folgt statt des Seiten-
themas nur ein kleiner, neuer Tuttigedanke in der Dominanttonart, und
hierauf leitet das Klavier rezitativartig, nur von eingestreuten Akkorden
des Tutti unterbrochen, in das eigentliche Solo über. Dieses umspielt
naturgemäss zunächst das Hauptthema, verliert sich aber bald, namentlich
nach dem Übergang nach F-dur, in weit ausgesponnenes Figurenwerk, das
zwar nicht unmelodisch ist und manche hübsche Einzelheiten enthält, aber
keinen thematischen Zusammenhang mit dem Vorangegangenen erkennen
lässt und den Hörer ermüdet. Diese Episode wird es hauptsächlich ge-
wesen sein, in der Schumann »einen Meistergriff am Steuer" und »ein
straflfgezogenes Segel" vermisste. Erst vom As-durteil an wird der Anfang
des Hauptthemas motivisch verwertet, bis auf der Dominante der Haupt-
tonart das Tutti einfällt, um seinen zweiten, dann seinen ersten Gedanken
zu bringen und in den zweiten Satz, eine Romanze in As-dur, überzuleiten.
Diese leidet an allzu schmachtender Sentimentalität, die noch dadurch ver-^
stärkt wird, dass bei der Wiederkehr des Hauptteiles nach einem Mittel-
satz in E-dur die Melodie dem Violoncell übertragen ist und nur vom
Klavier umspielt wird. Wieder folgt eine Überleitung, die zum Finale
führt, das ein Rondo mit zwei Seitensätzen und den üblichen ausgeschmückten
Wiederholungen bildet. Wie der letzte Konzertsatz stets leicht gehalten
ist und besonderen Glanz entfaltet, so lässt sich auch an diesem Finale
die virtuosenhafte Richtung, der das ganze Konzert angehört, am deut-
lichsten erkennen. Es erfordert einen nicht geringen Grad von Technik,
namentlich in weiten Sprüngen, und hat bei nicht gerade gewählter Melodik
einen frischen Zug, wie er einem solchen Satze angemessen ist. Die In-
strumentierung scheint, soweit sich das nach den Angaben des Klavier-
auszuges beurteilen lässt, einfach, aber geschmackvoll zu sein. Nament-
lich tritt die Gruppe der Holzbläser öfters in hübschen Gegensatz zum
Streichkörper. Im ganzen konnte sich das Konzert, wenn es auch auf
die Dauer nicht lebensfähig war und von der Komponistin nach ihrer
Verheiratung wohl nie wieder öffentlich gespielt^wurde, neben den damaligen
Virtuosenhaften Kompositionen gleicher Gattung wohl sehen lassen, und
als das Werk eines vierzehn- bis fünfzehnjährigen Mädchens ist es eine
ganz erstaunliche Leistung.
Mit den Jahren und mit der zunehmenden Veredelung des Musik-
lebens, die namentlich dem Schaffen Mendelssohns und Schumanns zu
verdanken ist, aber auch der reformierenden Tätigkeit, die der eine als
Dirigent und Klavierspieler, der andere als Schriftsteller ausübte, reinigte,
vertiefte und befestigte sich auch der Geschmack Clara Wiecks. Schon
9*
124
DIE MUSIK V. 20.
etwa mit 18 Jahren war sie die bedeutendste Beetbovenspielerin ihrer Zeit,
ja sie stand in der Erfassung der Beethovenschen Werke in einer Reihe
mit Mendelssohn und Liszt, und ebenso war sie, wie Schumann bei Ge-
legenheit der Besprechung der «Soireen*" bezeugt, in alle Geheimnisse der
Bachschen Klaviermusik eingedrungen. Unter den Tonsetzern ihrer Zeit
fand sie das, was sie suchte, bei Chopin und Mendelssohn, vor allem aber
bei Schumann. Nicht lange nach ihrer Verheiratung schrieb sie in ihr
Tagebuch :
„Die Konzertkomposidonen als: Etüden von Henselt, Pbaotasieen von Tbalberg,
Liszt usw. sind mir ganz zuwider geworden. Alles das kann keinen dauernden Genuss
schaffen.* »)
Damit ist ihre endgültige Abkehr von der virtuosenhaften Richtung
scharf bezeichnet, und auch in ihren Kompositionen findet sich von ihr
von nun an keine Spur mehr.
Für diese Wendung ist es wohl auch charakteristisch, dass sie zu-
nächst nicht fortfuhr, Klaviersachen zu schreiben, sondern sich in der
Komposition von Liedern versuchte. Zum ersten Weihnachtsfest nach
ihrer Verheiratung überraschte sie ihren Mann mit drei Liedern. Obgleich
Beide nur eines von ihnen, „Ihr Bildnis** von Heine, der Veröffentlichung
wert hielten (es erschien als No. 1 in op. 13), übergab ihr Schumann
doch einige Gedichte aus Rückerts „Liebesfrühling** zur Komposition,
welchem Werke er selbst um die gleiche Zeit eine Reihe von Liedertexten
entnahm. Es muss ihr aber anfangs sehr schwer geworden sein, denn im
Januar 1841 schreibt sie resigniert:
.Ich habe mich schon einige Male an die mir von Robert aufgezeichneten Ge-
dichte von Rückert gemacht, doch will es gar nicht gehen. — Ich habe gar kein Talent
zur Komposition.*
Diese Stimmung war jedoch vorübergehend, denn im Juni waren
vier Lieder vollendet, von denen drei, mit denjenigen Schumanns in einem
Hefte vereinigt, veröffentlicht wurden.*)
Gleich das erste Lied, „Er ist gekommen in Sturm und Regen",
zeigt die Schreibweise Schumanns in ausgeprägter Form. Namentlich tritt
sie in der selbständigen, unruhig bewegten Begleitung und im Nachspiel
hervor, das ganz in der ^ton Schumann gefundenen Art die Stimmung
des Liedes fortspinnt und ausklingen lässt. Sehr schön wirkt die Ruhe
am Schluss der letzten Strophe im Gegensatz zu der vorangegangenen Er-
regtheit. . Als eine gewisse romantische Willkür ist es wohl zu bezeichnen,
dass das Lied in f-moll beginnt, aber in As-dur schliesst.
^) Litzmann, 2. Band, Seite 18.
^ Als op. 12 von Clara Schumann, als op. 37 von Robert Schumann. Von Clara
ist Nr. 2, 4 und U.
125
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
Um so einheitlicher ist das folgende Lied, »Liebst Du um Schönheif*,
gehalten, eines der schönsten, die sie geschrieben hat. Die Begleitung
ist noch selbständiger als im vorigen Lied, indem sie mehr kontrapunktiert
als figuriert. In ihrer massig gehenden Bewegung gibt sie der einfachen
Melodie einen festen und doch zugleich reich gegliederten Untergrund.
Eine sehr schöne Sequenz aus Septimenakkorden mutet entschieden alter-
tümlich an und wäre ohne die Einwirkung Bachs sicher nicht entstanden.
Sie fällt aber nicht etwa aus dem Stil des Ganzen heraus, sondern fügt
sich im Gegenteil dem Stimmengewebe auf die natürlichste Weise ein.
Das Lied, in F-dur stehend, enthält keine eigentliche Modulation, sondern
berührt als Ruhepunkt nur die Dominante der verwandten Molltonart.
Trotz dieser Einschränkung ist es durch begeisterten Schwung ausgezeichnet,
der zu Beginn der Schlusstrophe noch dadurch gesteigert wird, dass zu
der ersten Melodiephrase des Alt (die Singstimme als Sopran gerechnet)
die höhere Oktave tritt, sodass sie nun auch höher als die Singstimme zu
liegen kommt. Es ist vielleicht kein Zufall, dass gerade in dieser Kompo-
sition der Schumannsche Einfluss stark zurücktritt, scheint es doch, als
habe die Begeisterung für das Gedicht, das zweifellos das innerste Fühlen
der Komponistin aussprach, sie eigene Pfade finden lassen.
Das letzte Lied, „Warum willst Du Andre fragen**, erinnert im
Ganzen und in Einzelheiten, so im Nachspiel und in einem Septimensprung
der Melodie nach abwärts, wieder an Schumann. Der Anfang ist sehr
hübsch, dann aber verflacht die Melodie etwas.
Wahrscheinlich bis Sommer 1843 entstanden die fünf Lieder, die
mit dem bereits erwähnten als op. 13 erschienen. Bei weitem das be-
deutendste in dieser Sammlung ist Nr. 2, .Sie liebten sich Beide** von
Heine. Einen so herben Ton tiefsten Schmerzes wie hier hat Clara Schu-
mann niemals sonst angeschlagen. Die Deklamation mit den charakteristischen
Pausen ist ausgezeichnet, die Begleitung nicht sehr selbständig, aber har-
monisch sehr ausdrucksvoll, namentlich durch den Orgelpunkt im Anfang.
Auch hier kann höchstens von einer ganz allgemeinen Beeinflussung durch
Schumann gesprochen werden. Er selbst machte über dieses Lied die
Notiz: „Das Gelungenste, was sie bis jetzt überhaupt geschrieben hat."
Das war im Sommer 1842. Wir müssen ihm vollkommen recht geben,
aber „Liebst Du um Schönheit* ebenso hoch stellen. Aus op. 13 kommt
diesen beiden wohl No. 3, „Liebeszauber'' von Geibel, an Wert am nächsten.
Es enthält eine echt Schumannsche Steigerung und bringt später eine sehr
schöne, unerwartete Ausweichung auf die erniedrigte 7. Stufe der Dur-
tonart und von da auf die Unterdominante. Der anmutig aufstrebende An-
fang und der sinnende, halb nach Moll gewandte Schluss entsprechen durch-
aus dem Gang des Gedichtes.
Die übrigen Lieder ralten merklich ab. So wird in No. 5, . Lorelei*
von Rückert, nicht gehalten, was der schdne Anfang mit den gehenden
Mittelstimmen der Begleitung verspricht, denn alle Schlusswendungen sind
schwächlich geraten. In No. 1, «Ihr Bildnis', das übrigens, wie wir sahen,
das älteste dieser Lieder ist, bringt es die Melodie, die sich über einer
in Schumanns Weise gehaltenen Akkordbegleitung bewegt, zu keinem
rechten Höhepunkt. No. 4, .Der Mond kommt still gegangen* von Geibel,
klingt allzu stark an Schumanns , Mondnacht* an und ist auch im übrigen
in der Erfindung nicht bedeutend. In No. 6 endlich, .Die stille Lotos-
blume* von Geibel, wirkt die immer wiederkehrende Trlole der Begleitung
sehr monoton. Das Lied schliesst nicht nur im Gesang, sondern auch im
Nachspiel mit dem Dominaotseptimenakkord, weil das Gedicht mit einer
Frage endigt; wieder ein echt romantisches Wagnis, das aber, wie mir
scheint, obgleich es in neuester Zeit sogar theoretisch gutgeheissen und
empfohlen wurde,') stets missliogen muss, da wir die Dissonanz nun ein-
mal nicht als End-, sondern nur als Durchgangspunkt empBnden. Daraus,
dass ein Gedicht mit einer Frage schliessen kann, folgt noch lange nicht,
dass ein Musikstück mit einer Dissonanz schliessen könne.
') Verfl. A. I. Polak, Otter Ztitefnhelt In hnag auf KooioDtni, Harmoule uod
ToDallllt, 1900, Seite 50 und anders Stellen, ferner: E. Mirkhim Lee, The Putare of
tbe Cadeuce, ZeitachrlfE der Internationalen MuBlkgeaellichirt, JahrgiDi 7, Seite 3159.
■r ein pletiltvoller Gedanke, lo Bonn, In der Sudt, In der Robert und
ira Schninuia ihre lettle RuheeUtte hnden, eine Gedenkfeier für den
29. Juli 1856 verblichenen Meliter der TSne zu veranttalten. Welch
udfgen TIderhilI diese ichSne Idee hnd, (eht aus der Tätliche her-
• ~^, dm die groiie Bonner BeettaoTenhalle ichon Tocben vor Beginn
dei Feitei auiverkiuh war, und viele Verehrer dei grSisien dentichen Romantikers
keinen Platz mehr hnden. Ei itellte lich jedoch heraui, da» dai rouitkillKhe
Progrimm dieses Feitei kein beionden glückliche! war. Man ichien die Abilchl
gebebt zu haben, ein von den früheren Bonner Schuminnresten Im Augnsi 1873 und
Im Mii 1880 sbwelchendes Programm auf in stellen. Da man aber damals schon das
Bedeutendste bervorgeaucbt halte, und die fQr ein Muslkfeit groiaeo Still geeigneten
Terke gersde infolge der Nitar Schumanns nicht allzn zahlreich sind, war man dlei>
mal auf iwir weniger gehSrte, aber auch mehrfach unbedeutendere Terke angewiesen.
Das KoniertitQck f&r 4 HSroer mit groisem Orchester op. 86 geh8rt eigentlich in
einen Prüfungaabend eines Koniervaloriums; Schumann lelbit hat ea einmal ala ein
.kurloies Stfick' bezeichnet; luiierdem konnten lelbit so anagezeichnete K&niiler wie
Jean Penible, Emile Vulllermoz, Jein Copdevlelle und Alexandre Delgrange
IUI Parle die fiberans schwierige Komposition nicht lechnlich vollkommen lauber wieder-
geben. Man hOrle gar viele FehltOne, und mancher, der der Generalprobe ichon bei-
gewohnt, aih, aozuaagen auf beltsen Kohlen sitzend, mit itelgendem Unbehagen die
nicht in umgebenden Fehler wieder herannahen. Jedenhllk war das Komilee Qbei
beraten, als es dieses Terk auf das Programm letzie. Eine ,künitle rieche Noi-
wendigkeif — wie in Bonn behauptet wurde — war die Aufführung der vollaündlgen
Fauiimuilk wohl kium. Schumann bat den dritten Teil (Fauili Verkllrung) 1844
zuerst allein komponiert, die andern Teile 4—5 Jahre iplter, die Ouvertflre wurde
sogar erat im Jahre 1853 geichrieben. Dleier Abiund Ist fSr jeden muilkalisch
Empflndenden zu auffallend, um iiberhOrt zu werden. Tollte man ein grBsieres Terk
dem Programm elnfSgen, so bitte unbedingt .Pindiei und Perl' gewihlt werden
mfiiien, da weder die BMeiic' noch dis .Requiem' geeignet erscheinen konnten.
Ebensowenig wird du .NeujabrsUed" von RGckert für Chor, Soll und Orchester
op. 144, das allgemein als eine bedeutungiloie Gelegen beitikompoiiiion empfunden
wurde, dazu gedient haben, die Andenken an den edlen Meiner In gebfibrender Teiae
neu zu erwecken. Auch die Tabl der Lieder — aus dem urelgeniten Gebiete
Schumann! — kDnnen wir von nnaerm Standpunkt lui nicht gIBckllch heliaen. Mag
die H Dichtern ehe" noch lo vortrefflich, wie in diesem Felle von Meischaert, vor-
|etr«gen ^^Tito, lo scbSptt doch 4er ZyUns weder In der Erilndung wie In der Form
128
DIE MUSIK V. 20.
$0 aus dem Vollen, wie so viele der andern herrlichen Gesänge. — * Im Mittelpunkt
des Festes stand unter den Mitwirkenden Altmeister Joseph Joachim, der mit der ihm
eigenen Schlichtheit die sog. »Rheinische Symphonie* Es-dur, die Ouvertüren zu
Genoveva und Manfred und das Stück für 4 Hörner dirigierte und im Verein mit
Halir, Hausmann und D o h n ä n y i (an Stelle des im letzten Moment absagenden Saint-
SaSns) am dritten Tage das Es-dur Klavierquartett zu herrlicher Wiedergabe brachte.
Die Direktion der übrigen Werke sowie die Klavierbegleitungen lagen in Händen des
städtischen Musikdirektors Prof. Grüters. Was bei der Aufführung der grossen Werke
für Orchester wie für Chor allgemein auffiel, war die etwas akademische Ruhe, mit der
sie geleitet wurden; gar manchem erschien einzelnes geradezu verschleppt, so be-
sonders der wundervolle Eingangschor des dritten Teils der Faustmusik. Ausnahmen
hiervon machten nur die B-dur Symphonie und das »Requiem für Mignon", deren
Ausführung eine wohltuende Frische zugute kam. Die »Dichterliebe* litt sehr durch
die Transposition in tiefere Lagen. Einzelnes erschien uns hier ganz unmöglich. Auch
stand hier die Begleitung nicht auf der poetischen Höhe, während Prof. Grüters den
Klavierpart im »Spanischen Liederspiel** mit entzückender Grazie ausführte. Selten ab-
geklärte Leistungen waren die Klavierspenden Emsts vonDohnänyi, der mit feinem
Anschlag und vollendeter Phrasierung das a-moll Konzert und die Kreisleriana spielte.
Ausser Prof. Messchaert machten sich um die Soli in den Gesangwerken mit Orchester
Adele Münz, Anna Kappel, Adrienne von Kraus-Osborne, Felix Senius und
Dr. Felix vonKrausin hervorragender Weise verdient. Die vier letztgenannten Künstler
vereinten ihre Stimmen schliesslich zu dem köstlichen, den musikalischen Teil des
Schumannfestes beschliessenden »Spanischen Liederspiel*. Der wohlgeschulte Chor
und das vorzügliche Berliner Philharmonische Orchester vervollständigten das
Verzeichnis der 385 Mitwirkenden. — Das geschmackvoll ausgeführte Festbuch wird
wohl auch über diese Tage hinaus sich für viele als ein liebes und bleibendes Er-
innerungszeichen bewähren, da es ausser den notwendigen Mitteilungen eine warm
geschriebene Skizze des Lebensganges Schumanns, die Bildnisse von Robert und
Clara Schumann, eine Ansicht des Grabdenkmals, ein Faksimile des zweiten Liedes
der »Dichterliehe* und genaue Daten über die Fertigstellung der einzelnen Werke,
insbesondere der Faustmusik, wie sie in dieser Vollständigkeit bisher noch nicht
veröffentlicht worden sind, enthält. Als Nachtrag erschienen in der »Bonner Zeitung*
vom 24. Mai zwei bisher ungedruckte Briefe Schumanns aus den Jahren 1847 und
1852. Grosses Interesse erregten auch die Manuskripte, welche die Familie Schumann
(von deren Angehörigen zwei Töchter und zwei Enkel des Komponisten zum Fest
erschienen waren) im Beethovenhaus ausgestellt hatte. Ein gemeinschaftliches Fest-
essen und eine Rheinfahrt bis Andernach vereinigten die zahlreichen Teilnehmer zu
einer fröhlichen Gesellschaft. — Der eigentlichen Feier voraus ging am Sonntag den
20. Mai ein erhebender Gedächtnisakt am Grabe Schumanns, den Joseph Joachim
mit folgenden ergreifenden Worten einleitete:
»Ehrfurchtsvoll nahen wir huldigend der geheiligten Stätte, in der Robert
und Clara Schumann ruhen. Fünfzig Jahre sind hingegangen seit dem Tode
des Meisters, vor gerade zehn Jahren ward uns Clara Schumann entrissen.
Beide bleiben leuchtende Sterne am Kunsthimmel für Schaffende und Ausübende.
Generationen wird die Muse des Tondichters erquicken, seine Lieder, seine
instrumentalen Tongebilde sind Eigentum aller Weltteile, und auch wir wollen
uns in diesen Tagen erheben an dem, was er geschaffen. Es wird beredter
von seiner Grösse zu uns sprechen, als alle Worte es vermöchten. Aber hier
wollen wir besonders des edlen Menschen gedenken, des hohen Menschen,
129 _
RAMRATH: DAS SCHUMANN-FEST IN BONN
wie sein Lieblingsdichter Jean Paul diejenigen seltenen Sterblichen beieichnet,
die immer hinieden unentwegt ein Geistesleben fGbren, den göttlichen Funken
in sich fördernd; deren Gedanken dem Weltgetriebe fern bleiben, das weitab
in wesenlosem Scheine hinter ihnen liegt. Und doch wie gütig, wie liebevoll
wandelte dieser hohe Mensch unter seinen Mitmenschen, wie suchte er fördernd
jedes Fiinkchen echten, wahren Strebens zu reiner Flamme zu entfachen. Wie
rein und neidlos war er in seiner Bewunderung anderer Meister, wie liebte er
Mendelssohn, Brahms, wie willig erkannte er andere, auch Geringere, an! Seine
Schriften geben dafür ein bleibendes Zeugnis. Aber auch für seine Gerecbtigkeits-
liebe! Er durfte im Bewusstsein seines reinen Wollens bei Gelegenheit streng
sein und verschwieg seinen Unmut nicht. Eine äussere Würde war ihm eigen,
der sich nichts Unlauteres zu nahen wagte; und doch dabei eine rührende
Bescheidenheit, für die ein eigenes Erlebnis aus seinen letzten Lebensjahren
mitzuteilen mir gestattet sei. Schumann und Clara besuchten Hannover, und
ich hoffte, ihnen durch VorfGhrung von Musik eine Freude zu bereiten. Wir
spielten dem Meister Quartette vor, wobei es natürlich war, dass ich u. a. ein
Lieblingsstück von mir wählte, das f-moll Quartett von Beethoven. Als ich nun
darauf eines seiner eigenen herrlichen Quartette auf das Pult legte und er dies
sah, gab er mir in seiner treuherzigen Weise die Hand und mit einem eigen-
tümlich schönen Ausdruck der wunderbar milden Augen sagte er: ,^Nein, dies
nicht, nach dem, was wir soeben gehört!" Ich werde die Herzlichkeit im Ton,
die Wahrheit, die daraus sprach, nie vergessen. Es ist wohltuend, gerade hier
in der Geburtsstadt Beethovens an diese Huldigung zu denken. Beide grosse
Meister hat Bonn durch Monumente geehrt, den hier in die Welt eintretenden,
den hier zur Ruhe eingegangenen. Möge dies der Gemeinde ein Wahrzeichen
bleiben, Frau Musika in Ehren zu halten, für ihre Pflege rastlos tätig zu bleiben.
Die kommenden Tage werden, wie wir alle wünschen und hoffen, Zeugnis für
das Streben der Stadt geben. Bevor wir aber diese geweihte Stätte verlassen,
wollen wir in inniger Verehrung auch derjenigen gedenken, die an des Gatten
Seite hier ruht, seiner Clara, die ihn so ganz verstanden, die sein Schmuck
und sein Trost durchs ganze Erdenwallen blieb. Erhebend ist es auch, das
Leben dieser einzigen Frau zu betrachten, die im Kämpfen gegen ein herbes
Geschick stark, nie verbittert, die Güte selbst blieb. Immer werden Robert
und Clara ein Symbol reinster Liebe, echten deutschen Seelenlebens bleibeli.
Mit Sehnsucht denken alle an die beiden zurück, welchen das Glück ward, in
ihrer Nähe sich zu erbauen. Die Schönheit dieser Menschen bleibt läuternd
für uns, auch nach ihrem Heimgang ,viel zu heilig für ihren Schmerzt Wir
wollen ihnen huldigen, indem wir rheinische Blüten, Kinder des Frühlings,
darbringen.*
Für die grossen Verdienste, die sich Meister Joachim im Laufe der Jahre um
das künstlerische Gelingen der Beethovenfeste in Bonn erworben, waren ihm die
Rechte eines Ehrenbürgers der Stadt Bonn verliehen worden, wofür der greise
Künstler in bewegten, ungemein bescheidenen Worten dankte.
ÜBER ROBERT SCHUMANNS
KRANKHEIT
voa Dr. Gustav AltnianD-Strassburg
eber Robert Schumanns Krankbeit" betitelt sich eine 52 SdUn
lange BroschGre') von Dr. P. J. MAblus, einem Leipziger Ncirenairte,
der auch auf andern Grenzgebieten leinea Fachet durch achriftatelleriscbe
Arbeiten von unerschrockener Origlnillllt sich hervorgetaa, u. a. mit der
bekannten Abhandlung .Ober den physiologischen Schwactaslan des
Telbes' der modernen Frauenbewegung k&bn den Febdehindscbuh hingeworfen hat.
Tle et dabei dem Verfisaer nicht darauf ankam, ZeltstrOmungen und Modeanalchten
sich mutig enigegenzustemmen, so achelnt ihm auch In seiner ScbumannbroichQre
die Neigung zur selbstindlgen Umdeutuog anscheinend festitebender Tatsachen die
Feder geffihrt zu haben. Die bisherige Anschauung war die, diss Robert Schumann
der progreaslven Paralyse (vulgo „Geh Im erweich ung' genannt) erlegen ael, jener
gefürcbteten, gerade das reifere Mannesalter mit Vorliebe beimsuchenden Gehlm-
affeklion, die der Hauptsache nach in einem Schwund hetw. einer Entartung der die
Denkfunktlonen beherbergenden »grauen Substanz' des Grosablms und der leitenden
.weissen' Pasersyateme sich dokumentiert. MSblus hill sich auf Grund einer Reihe
von Daten tQr berechtigt, diese Annabme, die den Eintritt der eigentlichen Krankheit
in dem offenkundigen Tatanslnnsan falle des Jahres 1854 sieht, anzuzweifeln oder
dabin zu modifizieren, dass das Seelenleiden Schumanns, teilweise auf erblicher Be-
lastung beruhend, wie ein roter Faden eigentlich seinen ganzen Lebensweg durch-
ziehe, data eine vorzeitige Verblödung {Dementia pilcoz) schon geraume Zeit vor
dem Eintritt der ausgesprochenen Geistesstörung bestanden habe und dass Schumann
soltoit ein typisches Beispiel für die korrelativen Beziehungen zwischen Genie und
Tahnsinn sei, Beziehungen, die ja in einer Reibe anderweitiger Beobachtungen und
Abbandlungen schon wiederholt niedergelegt worden sind. — Vir erfahren aus der
BroachQre zunicbst über Schumanns Familie eine Anzahl Nachrichten, aus denen
hervorgeht, dass der Vater frfib starb, nacb einem an Sorgen und Leiden aller Art
reichen DibcId, seine Mutter ebenfalls ein Alter von kaum 40 Jabren erreichte und
einen «Hang zum Absonderlichen" beaessen habe, dass auch die Geschwister, wiewohl
simillch ilter als Robert, vor ihm gestorben seien — alles Angaben, aus denen aller-
dings das Vorhandensein einer geringen körperlichen TlderstandsRhlgkelt der Familie
Schumann hervorgebt, die aber doch keine zwingenden Rfickscblflsse auf eine ganz
besonders schwichliche Naturbeanlagung des Komponisten zulassen, mit der seine
actatfacbe Vaterschaft wohl auch nicht ao ganz im Einklang stehen dürfiel
Sodann wird eine Reihe kleiner Züge und Einzelheiten iiber die iussere Erscheinung
Schumanns, sein Teaen und Auftreten berichtet Meines Eracbiens neigt der Nerven-
■) Im Verlag von Carl Marbold, Hallp a. S., Iflpe.
131
ALTMANN: ÜBER SCHUMANNS KRANKHEIT
^ <«
Spezialist, dessen tigliches Brot gewissermsssen die subtile Beobachtung solcher
manchmal recht minutiösen Apartheiten bildet, leicht zu einer relativen Oberschitzung
ihrer Bedeutung. Im Auftreten eines jeden, besonders künstlerisch-genial und daher
«nervös** beanlagten Menschen wird sich eine Summe von Einzelheiten ausfindig
machen lassen, die man als nicht ganz der Norm entsprechend anzusehen das Recht
hätte. Wer mit den Musen Zwiesprache ffihrt, achtet nicht immer auf Europens
ubertGnchte Höflichkeit, und so haben bekanntlich ein Berlioz, Beethoven, Wagner usw.
genug Momente in ihrem Leben gehabt, die, unter die Lupe des Psychiaters genommen,
zu bedenklichen Konsequenzen fOr die Freiheit dieser Genies hätten führen können.
Wohin käme man wohl mit solchen Auslegungen? Namentlich soll man aber in der
Deutung a posteriori recht vorsichtig sein: weiss man, dass der «Inkulpat* später
geisteskrank geworden, so ist es ja sehr leicht, bei jeder Absonderlichkeit, auf- die
man unter andern Umständen gar nicht geachtet hätte, »Aha* auszurufen, «da haben
wir bereits die Krankheit!'' Auch die graphologischen Deutungen, die Folgerungen
aus den Handschriftseigentumlichkeiten, sind nach allen mit ihnen gemachten Er-
fahrungen doch ebenfalls nur cum grano salis aufzunehmen. Was dann weiterhin
der Verfasser vom Jahre 1830 an als bereits «krankhafte* Zfige anführt, hält vor der
kühleren Kritik auch nicht durchgehends stand. Vieles lässt sich ganz ungezwungen
als Begleiterscheinung einer reinen Neurasthenie erklären, die ja bei Künstlern,
namentlich in Perioden angestrengten Schaffens, ein ganz gewöhnlicher Zustand ist
— und wie bekannt, füllte gerade das Produzieren, diese, noch dazu bei den hohen
Selbstanforderungen des Meisters, am meisten nervenverzehrende Tätigkeit, den Haupt-
teil seiner Arbeitszeit aus. Welchem Künstler wäre es da in Augenblicken, wo nach
intensivster Konzentration die geistige Resktion erfolgt, noch nicht passiert, dass
Melancholie, Selbstmordideen, dass der Gedanke an ein «Wahnsinnig werden" in ihm
aufgetaucht wäre? Dahin gehört auch die Höben- und Platzangst, von der berichtet
wird; nicht. minder gewisse subjektive Gehörempflndungen, die bei dem soviel mit
dem «inneren Gehör" arbeitenden Tonsetzer wahrlich nichts auffallendes sind. Man
weiss, wie sehr auch Wagner jahrelang an nervösen Kopfbeschwerden gelitten hat.
So scheint mir die Summe der Züge, die der Verfasser bis zum Jahre 1850, der Ober-
siedelung nach Düsseldorf, anführt, für das Vorhandensein eines als «Dementia* zu
bezeichnenden Leidens keineswegs beweisend zu sein, um so weniger, als bis zu
diesem Jahre, ja sogar noch darüber hinaus, Schumann, ganz abgesehen von seinen
scharfsinnigen und bahnbrechenden Kunstkritiken, eine Reihe so genialer und be-
zaubernder Werke geschrieben hat, wie sie ein bereits, wenn auch nur teilweise,
«dementes* Gehirn sicher nicht hätte konzipieren und ausbauen können. Schwache
Stellen in diesem oder jenem, oder überhaupt misslungene und minderwertige Produkte
lassen sich unschwer aus zeitweiser Übermüdung und körperlichen Leiden erklären.
Das war bei Mozart, Beethoven usw. nicht anders. Der wirkliche Zusammen-
bruch erfolgte doch erst im Jahre 1854 unter den heftigsten Sinnestäuschungen
(Halluzinationen), Exaltatlonszuständen usw., bis zu der Katastrophe, dem Selbstmord-
versuch durch Springen in den Rhein (am 27. Februar 1854), der die Oberführung in
die Bonner Anstalt zur Folge hatte. Die geistige Umnachtung, die hiermit einsetzte,
sollte von dem Unglücklichen — vereinzelte hellere Momente abgerechnet — nun
nicht mehr weichen, bis am 9. Juli 1856 der Tod seinem sonnenlos gewordenen
Dasein ein Ende machte. Wenn Möbius nun trotz dieser hinlänglich charakteristischen
Ausgangserscheinungen der Krankheit und des ebenfalls mit der Annahme der Paralyse
sehr wohl übereinstimmenden Sektionsbefundes diese Diagnose ablehnt, so scheint
einer seiner Hauptgründe dafür ^eine Ansicht zu seiq, dass jeder Paralyse als ur?
132
DIE MUSIK V. 20.
sächliches Moment eine syphilitische Erkrankung zugrunde liege, eine Voraus-
setzung, fOr die Schumann — abgesehen von den acht lebenden Kindern ! — allerdings
keinerlei Anlass bietet. So häufig nun wohl auch der Zusammenhang dieser beiden
Affektionen ist, so ist nach neueren Anschauungen (Binswanger usw.) die Unfehlbarkeit
desselben doch keineswegs erwiesen. Hingegen wird gerade jene Nervenerkrankung,
von der Schumann schon iahrelang unzweideutige Symptome aufwies, eben die
Neurasthenie, mit Recht heutzutage als ein für die Paralyse ganz wesentlich prä-
disponierendes Moment angesehen. — Prüfen wir nun das Gutachten, das Möbius
als Endprodukt seiner Ausfuhrungen abgibt, auf Grund der von uns gemachten Ein-
wände, so erscheint zunächst die erbliche Belastung keineswegs als unumstössliche
Wahrheit. Ausgesprochene Geisteskrankheit ist bei keinem der Familienmitglieder
mit Sicherheit nachzuweisen, selbst nicht bei der angeblich im Anschluss an eine
«Hautkrankheit*' früh verstorbenen Schwester, und die sonstige Kurzlebigkeit der
Familie erscheint noch nicht als ausreichender Grund, um gerade eine psychische
Belastung des einen Sohnes einwandsfrei plausibel zu machen. Gelegentlich abnorme
geistige Sensationen brauchen durchaus nicht als Vorboten oder Zeichen einer
20 Jahre später ausbrechenden Erkrankung zu gelten: man denke an die ganz
ähnlichen Erscheinungen im Leben des jungen Goethe I Auch ein Merkmal: wie die
»Pfeifstellung des Mundes* bereits Jahrzehnte vorher als pathologisch zu deuten,
erscheint nicht zulässig. Von grösserer Bedeutung halte ich den Malariaanfall des
Jahres 1833: diese Krankheit in schwererer Form wird allerdings von verschiedenen
Autoren als eine der Grundlagen angesehen, auf denen sich eine spätere Paralyse
entwickeln kann. All die Symptome, die Möbius nun weiterhin zur Stütze seiner
Dementia-Theorie anführt, besonders auch die Melancholie, scheinen mir viel natürlicher
als neurasthenische Merkmale deutbar zu sein, die bei der erwähnten, das Gehirn
so ungemein in Anspruch nehmenden Tätigkeit des vielseitigen Mannes fast als etwas
Unausbleibliches betrachtet werden darf. Eine Dementia präcox, eine bereits ein-
getretene, auf anatomischen Veränderungen beruhende Veränderung des Gehirns
kann unmöglich mit demjenigen geistigen Hochstand einhergehen, wie er bei Schumann,
wenn auch mit zeitweiligen Unterbrechungen, bis wenige Jahre vor seinem Tode
nachweisbar war und aus der Mehrzahl seiner Werke so überzeugend spricht. Ich
vermag somit die Ausführungen des Verfassers auf Seite 44 und 45 nicht als richtig
anzuerkennen. Ein zerstörendes Jugendirresein, wie er den Zustand bezeichnet,
kann nicht die Quelle eines Liederborns sein, der zu den krystallensten Offenbarungen
der Musik gehört, nicht der Boden einer „Paradies*-, „Faust*- und „Manfred'poesiel
Es wird Möbius nicht gelingen, die Entstehung solcher Werke auf einem bereits
teilweise zerstörten Boden glaubhaft zu machen, und wir vermögen die nervösen
Störungen, i^nter denen Schumann zeitweise, wie fast alle, denen der Himmel die
schmerzvolle Gabe des Genies verliehen, gelitten hat, nicht anders, wie als funktionelle
anzusehen. Daran wird durch das Unterstreichen kleiner unwesentlicher, mit der
Intelligenz völlig ausser Beziehung stehender Besonderheiten nichts geändert — wie-
viel mfissten sonst wohl mit dem Stigma der Dementia präcox gezeichnet herum-
laufen! Ebensowenig kann ich Äusserungen weiblicher Schreibsachverständiger
(pag. 40) als wissenschaftliche Unterlagen eines psychiatrischen Gutachtens anerkennen.
Der Hervorhebung solcher zweifelhaften Momente gegenüber wirkt es um so be-
fremdlicher, wenn der Verfasser seinerseits wesentliche Gegengründe gegen seine
Annahme als unerheblich bei Seite schiebt — so die Grössenvorstellungen, die
Pupillenerweiterung, vor allem zum Schluss das Moment der geistigen Oberanstrengung.
Sätze wie „Von besonderer Anstrengung war eigentlich keine Rede*, „Schumann
133
ALTMANN: ÜBER SCHUMANNS KRANKHEIT
arbeitete freiwillig und zu seiner Freude; solche Arbeit bekommt eigentlich gut, und
wir sehen ja auch, dass sie anderen Komponisten gut bekommen ist*, sind derart
seicht, dass sie auf wissenschaftliche Oberzeugungskraft keinen Anspruch erheben
können, — und zudem sind sie nicht richtig: denn dass die Musik die Nerven ihrer
Junger verzehrt, das beweist doch u. a. Mozarts, Schuberts, Mendelssohns frfihes
Ende, und dass die geistigen Erkrankungen z. B. von Nietzsche und Hugo Volf auf
Obersnstrengungen mit zurfickzufuhren sind, scheint Jedem Unbefangenen doch wohl
sonnenklar.') — Ich komme somit zu dem Resultat, dass die Möbiussche Arbeit
immerhin für den Musiker wie für den Mediziner interessant und lesenswert ist, auch
auf manche Punkte des Schumannschen Seelenlebens bedeutsame Streiflichter wirft,
— dass sie sber wissenschaftlich keineswegs einwandsfrei ist, dass ihre Schlüsse
sehr subjektiv, zum Teil nicht ohne WillkQr geflrbt sind, und dass sie die bisherige
Anschauung, Schumann sei zwar schon jahrelang neuropathisch gewesen, aber erst
in den letzten Jahren seines Lebens einer richtigen Geisteskrankheit, nimlich
der Paralyse (Gehirnerweichung), anheimgefallen, umzust&rzen nicht beweiskräftig
genug sind. Zum Schluss — wozu der ganze unerquickliche Streit, der sich doch
nicht lösen lässt? Für den Musiker, der in Schumann einen der liebenswürdigsten
Charaktere der Musikwelt fiberhaupt verehrt, wire es wenig erfreulich, wenn er dessen
reifste Musikwerke als Gebilde eines bereits mit „beginnendem Hirnschwund", mit
„Dementia pricox" behafteten Individuums anzusehen genötigt sein sollte, und nicht
vielmehr als die eines Genius, dessen sterbliche Hülle zwar der Unvollkommenheiten
und Flecken nicht ermangelte, dessen Licht aber doch ungetrübt erstrahlte, bis —
nicht ein jahrzehntelanges Schwilen, sondern ein jlher Schicksalsschlag es zum
Erlöschen brachte.
') Das Fehlen oder Vorhandensein eines subjektiven Krankheits- oder
Mudigkeitsempfindens spielt dabei hiuflg eine ebensowenig ausschlaggebende
Rolle, wie bei der Entstehung gewisser Herzkrankheiten: die schidigenden Folgen
der Oberanstrengung treten ein, ohne dass der Patient vorher sich einer solchen
bewusst geworden ist.
FRIEDRICH KERST: Scbumaan-Brevier. Verlig: Scbuaier & LoelTler, Berlin und
Leipzig 1905.
Das ScbumaiiD-Brevier schUetsI sich dem Beethorea- und dem Mouribrevler
desselben Henuigebers aicb Anlage und Form an und «ird vorausslcbtllcb auch
dieselbe gQnaiige Aufnahme Boden wie diese. Es weodet sieb an die gebildeten Kunsi-
frenode, denen ea eine anregende und belehrende Lektüre bietet. Der Inhalt lat (mit
wenigen Ausnahmen) den Briefen Schumanns entnommen, ein zweiter Teil mit Auaiflgen
aus den Gesammellen Schriften soll spiter nachfolgen. Das bandliche Bficblein in
Tascbenformai enthilt eine mit Geschmack und Pleilt und ohne engherzige Tendenz
ausgewihlte Sammlung von Charakter isilschen AussptOcbeo Scbumanai, In sieben Gruppen
geordnet — .Schumann als Mensch", .Schumann als KGnsiler'', .Ober eigene Terke',
.Urteile über andere", .Lehren des Lebens*, .Der Meister', .Der Dichter'. Das warm
lu empfehlende Scbaizklaileln «ird seinen Zweck, das Verstindnis Schumanna In immer
weitere Kreise tragen zu helfen, nicht verfehlen.
Einige notwendige Berichtigungen sind hier noch anzumerken.
Zunlchst sej darauf hingewiesen, dsis zwei der ausgewihlien Aphorismen nicht
aus Schumanns Feder alammen. Der Herausgeber ist offenbar Erler gefolgt. In dessen
Sammlung der nicht In Schumanns Ges. Schriften enthaltenen Aufsitze auch die tng-
lieben beiden Artikel IrrtQmllcb als Erzeugnlsie Schumanna eine Stelle gefunden haben.
No. 250 Ist nimllch C, Bancks Davldsbündlerbrle Fe .Aus dem Norden' entnommen, der
am 19. MIrz 1836 von Potidam aus eingesandt war und In der Neuen Zeitschrift Bancks
Bündlernamen .Serpentin" als Unlerscbrifi trigt. No. 250 Ist von Friedrich VIeck
und zwar aus deaseo Rezension der Czeiayscben Toccata op. 92, mit .14' unterzelchneL
(Auch aus einem mir vorliegenden Briefe TIecka v. 28. Mal 1835 an RlefTel zu erweisen.)
Dass der Abdruck der Aphorismen nicht Immer nach zuverlissigen Quellen erfolgt
Ist, zeigen auch Nr. 9 und 10. Hier hat der Herausgeber nur das Datum des Briefes
von mir, allea übrige von Vaalelewskl, der aber die Originale der Briefe an Rosen
(vgl .Schumannbriefe', 2. Aufl. 1904) gar nicht in HInden gehabt bat.
Bei No. 121 hebt der Herausgeber hervor, dass er diese Briefslelie nach den
.Berl. N. Nachr.*, nicht nach meinen Schumannbriefen mitteile, und berichtet zugleich,
dais die Freundschaft zwischen Scbumannund Miss Laidlaw .von seilen des Komponisten
etwas der Liebe Ibnllchea wurde'. Darauf Ist einiges zu erwidern.
Ich kam zu AnAing 1895 In lebhaften Briefwechsel mit Mrs. Thomson, der ehe-
maligen Miss Laidlaw, und wurde dadurch zu einem biographischen Aufsalz .R. Schumann
und Robcna Laidlaw' (Grenzboten 1895, IV S. 320) angeregt. In dem Ich auch zwei
Briefb Schumanns an die Künstlerin zum erstenmal verfilfentl lebte. Mrs. Thomson batte
135
NEUE SCHUMANN-LITERATUR
Schumtnns Handschrift nicht zu entritseln vermocht und mir ihr kostbares, mit Briefen,
poetischen und musikalischen Erinnerungen geschmücktes Album zugeschickt. Aus
diesem habe ich, also nach den Originalen, meine Abschriften genommen, fQr deren
buchsilbliche Genauigkeit ich einstehe.
Nach Mrs. Thomson's Ableben (1901) brachten die Tagesblitter nekrologische
Notizen mit allerlei Hindeutungen auf die persönlichen Beziehungen Schumsnns zu der
schönen und lebhaften Englinderin, die in Schumanns JQnglingsjahren ,,eine bedeutende
Rolle gespielt", ihm .sehr nahe gestanden" habe. Als das auch in Musikzeitungen
wissenschaftlicher Richtung überging, schrieb ich eine kurze Entgegnung (Zeitscfar. d.
Internat. Mus. Gesellsch., 1902), worin die beiden Briefe Schumanns zum nochmaligen
Abdruck kamen.
Davon, dass bei Schumann die Freundschaft für die Künstlerin in eine Herzens-
neigung umgeschlagen sei, wusste Schumanns Freund Wenzel in Leipzig nichts. Miss
Laidlaw selbst bezeichnete mir gegenüber die Stellung Schumanns zu ihr als höchst
taktvoll und zurückhaltend. Dass die intensivere Neigung auf Seiten der Dame war,
lisst auch der von ihnen geführte Briefwechsel vermuten. Nach Schumanns erst vor
kurzem aufgefundenem Tagebuch über die von ihm empfangenen und abgesandten Briefe
(letztere mit hinzugefügter kurzer Inhaltsangabe) hat die Laidlaw dreizehnmal geschrieben,
Schumann nur viermaL Hier eine Zusammenstellung der Briefe:
Miss Laidlaw:
Königsberg, d. 7. Juli
Brief des Vaters,
mit Zigarrensendung) d. 20. Aug.
Schumann:
1837 d. 19. Aug., nach Königsberg.
1837 d. 8. Sept., » »
1837
1837
1837
1838 d. 8. Febr. Die gedruckten Phantasie-
stücke durch Buchhindler- Gelegenheit
nach Petersburg gesandt. Ohne Brief.
1838
1838 d. 12. Juni, nach Königsberg.
1838
1838
1838
1839 d. 14. Jan., » »
1839
1839
1839
Wäre Schumann von zärtlichen Empfindungen für die Dsme beseelt gewesen, so
bitte er schwerlich sechs Wochen mit der Beantwortung ihres ersten Briefes gewartet.
Nach Empfang ihres vierten Briefes berichtete er (29. Nov. 1837) seiner Braut Clara:
«Die Laidlaw schrieb mir aus Posen vor acht Tagen; sie hat mich im Herzen, glaub' ich.
Zum Abschied gab sie mir eine Locke, dass Du's nur weisst. Eifersüchtig kannst Du
wohl gar nicht sein; ich möchte Dich doch genauer kennen*. »Die arme Laidlaw dauert
mich*, erwiderte Clara; »sie trigt Dich im Herzen? Das wundert mich nicht". Und aus
Paris (d. 28. Febr. 1839): «... Die Laidlaw muss aber viel Fortschritte gemacht haben
— am Ende hast Du sie noch lieber als mich? Ei, das möchte ich mir doch verbitten,
Herr Robert Schumann*. (Litzmanns Clara Schumann I S. 154, 161 und 293.) Von
Schumanns Briefen an die Laidlaw sind die letzten beiden nicht mehr vorhanden, sie
Königsberg,
d. 10. Sept.
»
d. 13. .
Posen,
d. 8. Nov.
Dorpat,
d. 30. Jan.
Königsberg,
d. 11. Febr.
»
d. 5. Mai
*
d. 1. Aug.
Berlin,
d. 25. Nov.
»
d. 28. Nov.
Hannover,
d. 17. April
Frankfurt a. M., >
d. 9. Juli
Köln,
d. 4. Aug.
136
DIE MUSIK V. 20.
enthielten aber ebensowenig Intimes wie die ersten. Miss Laidlaw's Briefe an Schumann
sind auf der Kgl. Bibliothek in Beriin.
Ein paar kleine Versehen in Notizen, Namen und Daten werden für eine bald zu
erhoffende zweite Auflage des Schumann-Breviers leicht zu verbessern sein. Aus dem
Bilderschmuck des Buchleins ist das Titelbildnis »Schumann im 40. Lebensjahr* rühmend
hervorzuheben; es ist das beste, das man von Schumann hat. Vortrefflich ist auch die
Nachbildung der Büste Clara Schumanns von Fr. Hausmann. F. Gustav Jansen
MARGUERITE D'ALBERT: „Robert Schumann, son (suvre pour piano."* Verlag:
Fischbacher, Paris 1904.
Diese kleine Schrift gehört zu den »liebenswürdigen* Erscheinungen, die uns mehr
durch die Schwärmerei fesseln, die aus ihnen hervorleuchtet, als durch einen originellen
oder gediegenen Inhalt. Die Verfasserin gehört zu den Bewunderern der Schumannschen
Kunst. Der Gedanke: ^Je me propose d' Studier, au moyen de cette oeuvre, l'ftme qui
inspirait ä Tartiste ses id6es, le coeur oü il puisait ses sentiments, et le temp6rament
k travers lequel lui parvenaient ses sensations. Je rechercherai ensuite, dans le caractdre
m6me de ses compositions, le rdle que jouent tour ä tour, et parfois simultan6ment, ses
trois foyers d'inspiration, et je terminerai en indiquant, ä l'aide de docunients fournis par
sa correspondance, et sa biographie, rinfluence que les 6v6nements ext6rieurs eurent sur
certaines d'entre elles . . .* (S. 52/53) — also das psychologische Moment in's Auge zu
fassen, war an sich ein glücklicher Griff, wäre er nur in seiner vollen Bedeutung er-
kannt und vertieft und des weiteren nicht im Konversationstone behandelt und vielfach
mit Gemeinplätzen belegt worden. Selbst als »Studie* betrachtet lässt die Schrift nur
eine geringe Benutzung des Materiales erkennen und besonders die Verwendung und
Durcharbeitung der deutschen Quellen aus der neueren Zeit vermissen. »Wasielewski*
ist in vielem überholt, in Einzelheiten sogar gar nicht mehr massgebend. Berthold
Litzmann-Bonn fehlt vollständig. Die Zitate aus den Briefen an seine Mutter wie an
Clara und an Studienfreunde überwiegen zu sehr das eigene Urteil. So macht das
Ganze eher den Eindruck einer Obersetzung einiger deutscher Quellen zu dem Zwecke,
die Franzosen mit ihnen bekannt zu machen. Dies ist ein Verdienst, wofür wir der
Verfasserin Dank wissen. Im übrigen ist die Studie anregend geschrieben und verrät
in der Einteilung Geist und Geschmack. Den Satz: »Chez aucun musicien, Tinfluence
des goüts po^tiques sur ses oeuvres n' a M plus profonde que chez Schumann* (S. 12)
möchte ich nicht unbedingt gut heissen. Die »tardive 6ducation classique* als Ur-
sprung für den Mangel an melodischer Proportion und Entwicklung anzusehen, geht wohl
nicht an. Die Urteile von Hummel und Gottfried Weber (S. 48) sprechen uns eben-
falls nicht sehr an. Wenn Verfasserin (S. 55) sagt: »S' il se servit de formules in-
g^nieuses, bizarres, outrancidres, ce fut pour 6voquer ä la vie de nouvelles Images,* — so
zeugt das von wenig kritischem Verstand. Unlogische Aussprüche finden sich auch auf der
folgenden Seite. Die »neuen* Modulationsmittel sind einmal nicht so sehr neu und zum
andern eine geschichtliche Notwendigkeit. Die Krankheit Schumanns als: »maladie du
sidcle* zu bezeichnen, ist eine jener geistreichen Phrasen, denen man häufig in franzö-
sischen Musikbüchem begegnet. Sehr schön ist Schumanns Ernst und die Erhabenheit
der Gesinnung geschildert. Besonders über seinen inneren Schwächezustand und das
Gefühl der Einsamkeit findet sich auf S. 76 ein glänzendes Urteil. Trefflich ist das
Kapitel: »Der Einfluss der Liebe auf sein Werk.* Der zweite Teil enthält in kleiner Essay-
form treffende, mehr in's allgemeine gehende Inhaltsangaben der hauptsächlichsten
Klavierwerke. Hier hätte man eingehendere und »musikalischere* Studien erwartet.
Die etwas übertriebene Bewunderung für die »Manfred*-Musik soll nicht weiter getadelt
137
NEUE SCHUMANN-LITERATUR
werdeo, wie Gberhaupt der Eindruck herzlicher Wirme das Büchlein auch den Franzosen
empfehlenswert machen dfirfte. R. M« Breithaupt |
BERTHOLD LITZMANN: Clara Schumann. Ein KQnstlerleben» nach Tage-
büchern und Briefen. Zweiter Band: Ehejahre 1840—1856. Verlag:
Breitkopf & Hirtel, Leipzig 1Q05.
Fast möchte man fragen, ob eine Biographie von drei dickleibigen Binden not-
wendig gewesen sei| um das Leben und Leiden einer Clara Schumannn zu würdigen,
wihrend sich doch z. B. ihr berühmterer Gatte zwar zahlreicher, aber keineswegs so
umfangreicher Lebensbeschreibungen bisher zu erfreuen hat. Indessen ist ja gerade sein
Virken in vorliegendem Werke vOlllg mit eingeschlossen; denn wohl niemals hat es ein
Künstlerpatr gegeben, das bis zur Trennung durch den unerbittlichen Tod so eng
und innig zusammengehört hat wie Robert und Clara Schumann. Sahen wir im ersten
Bande die Jugend- und Lehrjahre beider in lebendigen Bildern an uns vorüberziehen
und waren wir Zeugen der zwischen ihnen aufkeimenden Seelen- und Herzensgemein-
schaft, die leider zu so schweren Kämpfen mit ihrem hartköpfigen Vater führten: so
ziehen wir nun mit in ihr eheliches Heim ein, das sie zunächst in Leipzig aufgeschlagen
haben. Vir gehen 1844 mit ihnen nach Dresden und 1850 nach Düsseldorf, wo vier
Jahre später Roberts Geisteskrankheit zu einer Trennung des Paares führt; wir sehen
endlich den kranken Romantiker in der Irrenanstalt zu Endenich bei Bonn dahinsiechen
Und sterben, Clara dagegen ihren und ihrer Familie Unterhalt durch Konzertreisen er-
werben. In die Geschichte der furchtbaren Krankheit Schumanns führen uns die von
beiden geführten Tagebücher nebst einigen charakteristischen Briefen zweifellos besser
ein als alles bisher Veröffentlichte. Die Leipziger Jahre und in der Hauptsache auch
die Dresdner können glückliche genannt werden. Allerdings gelang es Schumann nicht,
eine seiner Bedeutung entsprechende öffentliche Position zu erlangen. Aber er drang
doch als Komponist rasch und entschieden durch und entwickelte — umgeben von Ehe-
und Vaterglück — eine ausserordentlich grosse Fruchtbarkeit im Schaffen bedeutender
Tonwerke, bis die tückische Krankheit allmählich seine Hand erlahmen machte. Hatte
er Clara, die seine Kompositionen zuerst In Ihren Konzerten bekannt und populär
machte, gewiss viel zu verdanken, so sie Ihm noch mehr. Denn er machte aus der
Virtuosin und einstigen Konkurrentin Thalbergs und anderer eine Künstlerin, die
Bach und Beethoven lieben und verstehen lernte. Es war dies dadurch In so hohem
Grade möglich, dass Clara Ihm nicht nur ein liebendes und hingebendes Weib war,
sondern dass sie ihn wie ein höheres Wesen verehrte, sich völlig in seine Anschauungen
hineinlebte und gleichsam mit seinen Augen sah und mit seinen Ohren hörte. Clara
erscheint uns hierbei um so bewundernswerter, als Schumann auch ihr gegenüber sehr
schweigsam und verschlossen war, und sie manchmal nicht einmal wusste, was er gerade
komponierte. War Schumann schon von seiner Dresdner äusseren Tätigkeit nicht be-
friedigt, so dass Clara sehr scharf aber nicht unrichtig über die Dresdner urteilt, so
wurde ihm Düsseldorf durch allerhand Zänkereien, Kleinlichkeiten und Ungezogenheiten,
die er allerdings durch seine Unentschlossenheit uhd geringe Festigkeit teilweise 'selbst
verschuldet hatte, geradezu verekelt. Das Paar fühlt sich schliesslich auf Konzertreisen
am wohlsten, obwohl dabei öfters Clara ihm gegenüber zu sehr in den Vordergrund
tritt, iHihrend Ihm nicht Immer die Verehrung zuteil wird, die sein Genius fördern durfte
und musste. Schumanns Genius war so selbständig und eigenartig, dass er keiner
Stütze bedurfte. Es Ist Infolgedessen nicht nur bedauerlich, sondern für Ihn von schäd-
lichen Folgen begleitet gewesen, dass er glaubte — und natürlich Clara auch — sich
auf Mendelssohn stützen zu müssen; dass beide diesen Komponisten nicht nur für Schu-
V. 20. 10
■ DIE MUSIK V. 20. =
manni-ilelcben, tondeni nocb fr^Mcr bielten, ihn neben Moiart nnd |ar neben Bach
■(elllea: daa war wohl efa von Scbumannns wefcblictaer Natur veranlaaaier, icbwerer
Irrtum. Es bitte zur Folge, dass Scbumana uod Clara KfiDttlem vie Berlfoz, Llait und
Vagner immer fremder wurden, ji ihnen mit einer gereizten Feindseligkeit und mit
krankhaftem Überlegen heltsdünkel ichlleaallcb gegen Gberstan den. Sowohl Ibre uoerbOrte
Oberscbitiung MeodelaBohni wie Ihre vatanvolle Untertcbliiung der genannten kann
zwar beule nur ein Liebeln berrorrufen: aber es berGbrt unangenehm, die unveratindlge
Art lu bemerken, mit der Robert über einen Richard Tagnett oder gar die Schroffheit,
mit der Clara gelegenllicb fibef Frant Listt und iwar nicht nur als Komponisten, sondern
auch als Klavierspieler spricht Von Meyerbeer mochte Schnmann nichts irissen, aber
Richard Tagner schien Ibm wohl zu derselben Kategorie zu gehSren. Eine aatGrllche
Folge des übertriebenen Mendel ssohnkultus war splter eine Brafams-Oberschitzung.
Solche IrrtOmer nehmen aber dem Charakterbilde dea Schumannschen Ehepaares nichts
von seinem hoben Terte; vielmehr umgrenzen sie es gerade. Im ganten enthilt die
Biographie Claras zweifellos nicht nur eine vorzügliche uod wertvolle Darstellung ihres
und Ihres Gstlen Schickssls, sondern gleichzeitig ein fesselndes Kunst- und Kulturbild
jener Zelt, so dass sie In keiner Bibliothek fehlen sollte, jedenfalls in keiner musikalischen.
Kurt Mey
• ^••••4
Wieder ist es eine Reibe von Porträts, mit denen wir die Beigaben dieses Heftes
einleiten. Es lag uns daran, diesmal einige Bildnisse vorzulegen, die in Auffassung und
Haltung von den sonst Qblicben Wiedergaben des träumenden Kunstlers mit dem stereotyp
bangenden Haupt abweicben. Unter diesen scbeint uns die Lithograpbie von Eduard
Kaiser am besten gelungen. Bilder im vollen Profil und vom stehenden Schumann
sind ziemlich rar. Die Zeichnung von J. N. Heinemann, obwohl mit der Bezeichnung
1851, scheint uns fraglos den Meister in jüngeren Jahren zu geben. Die Arbeit ist weich
und flüssig und nicht ohne künstlerischen Reiz. Neben dem wohlgetroffenen kleinen
Bildnis Schumanns im 21. Lebensjahre bleibt uns als das wertvollste dasjenige, das
den Künstler im 40. Lebensjahre darstellt. Der zarte Ton, in dem dieser Kopf ge-
halten ist, ist bemerkenswert. Die Berliner Photographische Gesellschaft hat durch John
Philipp eine Neuzeichnung dieser schönen alten Daguerrotypie gebracht, die uns für
unsere Reproduktion als Vorlage diente.
Ein sehr seltenes Blatt ist das folgende, dessen Original sich in der Bibliothek zu
Carpentras (Südfrankreich) befindet; Jean Joseph Bonaventure Laurens, der Im Oktober
1853 Schumann viermal gezeichnet hat, sagt in einer Schrift über den Meister: «Während
ich ihn zeichnete, war ich betroffen und erschrocken über die abnorme Weite seiner
Pupillen." Als eines der letzten Bilder Schumanns aus der Zeit der beginnenden Krank-
heit darf es in unserer Sammlung nicht fehlen.
Clara Schumann wollen wir dreimal vorführen, einmal in einer Nachbildung
nach dem schönen Gemälde des Düsseldorfer Malers Sohn, mit welcher Gabe Clara
ihren Gatten zum Weihnachtsfest 1853 überraschte. Das nächste und das übernächste
Bild zeigt das seltene Künstlerpaar vereint: einmal am Klavier nach einem alten,
nicht üblen Kupferstich, das zweitemal nach einer ausgezeichneten Lithographie, die
gleichfalls von Eduard Kaiser aus dem Jahre 1847 stammt. Dies letzte Blatt scheint
uns eines der bemerkenswertesten Porträts und eine besonders wertvolle künstlerische
Zeichnung.
Über die Bildnisse der Söhne Robert und Clara Schumanns: Ludwig, Ferdinand
und Felix lässt sich Hermann Erler folgendermassen vernehmen:
Der Ehe des Künstlerpaares entsprossen acht Kinder, vier Töchter: Marie,
Elise, Julie und Eugenie (von diesen ist Julie, verehelichte Gräfin Marmorito, 1872
aus dem Leben geschieden) und vier Söhne Emil, Ludwig, Ferdinand und Felix,
sämtlich verstorben. Ober den Erstgeborenen, Emil, schreibt Schumann unterm
22. 6. 1847 an E. Klitzsch: .die Trauer ist in unser Haus gezogen — diesen Morgen
starb uns unser jüngstes Kind, ein Knabe von ein und ein halb Jahr." -- Ludwig er-
blickte in Dresden am 20. Januar 1848 das Licht der Welt. Der Brief an Verhulst in
Rotterdam vom 4. 11. 1848 meldet über ihn: »einen Knaben haben wir jetzt auch;
Ludwig heisst er und ist das ganze Glück der Mutter." Des ferneren gedenkt Schumann
der Söhne Ludwig und Ferdinand im Endenicher Briefe an Clara vom 12. 10. 1854
mit den Worten: „Schreibe mir noch mehr, theure Clara, von den Kindern. Ludwig
wurde das Sprechen immer sehr schwer, aber von Ferdinand wüsste ich es nicht." —
10*
140
DIE MUSIK V. 20.
Ludwig kannte ich persönlich, er erlernte Ende der 1860er Jahre in der Schleaingerschen
Musikalienhandlung in Berlin den Musikalienhandel. Eine ausbrechende Geisteskrank-
heit veranlasste seine dauernde Unterbringung in der Heilanstalt zu Colditz. Erst in
den ersten Januartagen 1889 erlöste ihn der Tod von seinem unheilbaren Leiden. —
Ferdinand wurde am 16. Juli 1849 zu Dresden geboren. Indirekt erwähnt der Vater
des Sohnes, indem er an Dr. H. Hirtel-Leipzig am 28. 7. 1849 schreibt: ,,Heute habe
ich mit meiner lieben Frau den ersten Ausflug im Wagen gemacht — allemal ein Fest-
tag — .* Ferdinand ergriff den kaufmlnnischen Beruf und nahm im Bankhause Mendelssohn
& Co. in Berlin eine geachtete Stellung ein. Ein schwerer Gelenkrheumatismus fesselte
ihn in seinen besten Jahren ans Krankenlager und zwang ihn, schliesslich seine kauf-
männische Tätigkeit ganz einzustellen. Seine letzte Lebenszeit verbrachte er in Gera,
Klavierunterricht erteilend. Auch ihm war nur ein kürzeres Erdenwallen gegönnt: bereits
am 6. Juni 1891 wurde er von der Erde abberufen. Ich war mit ihm befreundet und habe
ihn als einen sehr fein empfindenden, liebenswfirdigen Menschen schätzen und lieben
gelernt. — Des Sohnes Felix, bei dessen Geburt der Vater bereits in Endenich weilte,
wird im Briefe an Clara vom 18. 9. 1854 gedacht: „welche Freudenbotschaften hast Du
mir wieder gesandt, dass der Himmel Dir einen prächtigen Knaben und im Juni ge-
schenkt.* Eine herzliche Freude hatte es Schumann bereitet, dass der jüngste Sohn den
ihm von Mendelssohn her so geliebten Namen Felix in der Taufe empfangen, und dass
Johannes Brahms das Kind unter die Taufe gehalten hatte. Wahrlich, gute Genien um-
standen die Wiege des Neugeborenen, dem aber beschieden war, in der Jugendblute 1879
in Frankfurt a. M. heimzugehen. Felix besuchte die Universität in Heidelberg. Seine
unleugbar vorhandene poetische Beanlagung drückte sich in einer grösseren Anzahl von
lyrischen Gedichten, sowie auch dramatischen Versuchen aus. Brahms lieh verschiedenen
seiner Dichtungen die Flügel der Musik. Die grösste Verbreitung unter ihnen fand das
Lied „Meine Liebe ist grün".
Zu den sechs Bildern, die den Freundeskreis Schumanns illustrieren, und die
uns F, Gustav Jansen freundlichst überliess (teils erhielt er sie von den Persönlichkeiten
selbst, teils von deren nächsten Angehörigen), sei zur näheren Orientierung auf Jansens
„Davidsbfindler« (1883) und auf „R. Schumanns Briefe* N. F., 2. Aufl., Leipzig 1904, ver-
wiesen. Zu ihrer Erklärung gab uns Prof. Jansen folgende Anmerkungen:
Gottlob Wiedebein, geb. den 21. Juli 1779 in Eilenstedt bei Halberstadt,
Kapellmeister in Braunschweig, hatte sich hauptsächlich durch ein Liederhefc einen in
weiteren Kreisen hochgeachteten Namen erworben. Der achtzehnjährige Schumann
sandte ihm in dem Verlangen, ein entscheidendes Wort über seine eigene Kunstanlage
zu vernehmen, eine Anzahl Liederkompositionen zu. Wiedebein erkannte in ihnen die
Begabung des Autodidakten, fand sie aber später noch bedeutungsvoller in seinen ersten
Klavierstücken, die er Anfang 1835 von Clara Wieck spielen hörte, ausgeprägt. Der
alte Wieck — damals Schumann noch günstig gesinnt — schrieb darüber am 13. Januar
an Fr. Hofmeister: „Der Wiedebein ist über die Schumannschen Kompositionen entzückt,
und wir werden viel zur Verbreitung derselben thun.* Seitdem verfolgte Wiedebein Schu-
manns Publikationen mit der wärmsten Teilnahme, die auch zu schriftlichen Aussprachen
führte. Von Schumanns Briefen an Wiedebein sind nur die beiden ersten (aus 1828)
erhalten geblieben, die späteren haben sich nicht in Wiedebeins Nachlass vorgefunden,
nur die Davidsbündlertänze mit handschriftlicher Widmung vom 13. Sept. 1838.
Eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht erfolgte im Sommer 1845, als Wiede-
bein auf einer Reise in die sächsische Schweiz Schumann in Dresden aufsuchte. Als
beim Verlassen des Hauses seine ihn begleitende Tochter sich etwas enttäuscht über
Schumann — ypn dessen Persönlichkeit sie sich ein ganz anderes Bild gemacht — aus«
141
ANMERKUNGEN
spracb» erwiderte er: ,,Aber Kind, sahst Du's denn nicht, der Mann ist ja krank!* —
Die Tochter wurde im Jahre 1852 Clara Schumanns Schülerin. Bei der Obersendung
der Davidsbundlertinze schrieb ihr der Vater: «Die Tinze sind gar herrlich, und Du be-
kommst bei ihnen und durch sie erst die Einsicht zu dem Folgenden • • . Genug, die
Sachen sind reizend, und wenn Du sie so vorzutragen lernst, wie ich sie mir denke und
Frau Schumann sie gewiss ausfährt, so kannst Du damit Köpfe verrücken — versteht
sich, bei Leuten, die Köpfe haben.* Ein anderesmal : „Dass Dir die Sachen Schumanns
immer mehr und mehr gefallen, freut mich ungemein, denn er ist und bleibt ein hoch-
begabter Mensch, der die grösste Ähnlichkeit mit Beethoven hat.* — Wiedebein starb
den 17. April 1854.
Theodor Töpken, geb. 1807 in Bremen, Schumanns Studiengenosse in Heidel*
borg, dann Dr. Jur. und Rechtsanwalt in Bremen, wo er zu den ersten Propagandisten
für Schumann gehörte, f den 29. Juni 1880.
Aus seinem musikalischen Nachlass, der in Liedern und Klavierstücken, teilweise
mit Violine und Cello, bestand, sind einige Liederhefte veröffentlicht worden, die von des
Verfassers tonsetzerischer Gewandtheit zeugen.
Henriette Voigt geb. Kuntze, geb. den 24. Nov. 1808 in Leipzig, Gattin des kunst*
sinnigen Handelsherrn Carl Voigt daselbst, war eine edle, feinsinnige Natur, eine ausgezeich-
nete Klavierspielerin, Schülerin von Ludwig Berger. Zu ihrem näheren Umgange gehörte vor
allem ihr viterlicher Freund Rochlitz. Die bedeutendsten Künstler Leipzigs — Mendels-
sohn, Schumann, L. Schunke, Clara Wieck, Bennett, Verhulst u. a* — verkehrten freund-
schaftlich im Voigtschen Hause, das auch von den auswirtigen, im Gewandhause auf-
tretenden Künstlern gern aufgesucht wurde. Schumann widmete ihr seine g-moU Sonate.
Sie starb am 15. Okt. 1830. — Ihr Bildnis stammt aus der Zeit ihres Berliner Aufent-
halts, 1828. Seine hier vorgeführte photographische Nachbildung hat das Lebensvolle,
Charakteristische des Originals, das das zarte Rot der Lippen, das feine dunkle Asch-
blond der Haare ausprägt, nicht wiederzugeben vermocht. — Vergl. J. Gensei „Schu-
manns Briefwechsel mit Henriette Voigt*, 1882. — „8 Briefe [an H. Voigt] und ein
Faksimile von F. Mendelssohn-Bartholdy*, 1871.
Anna Robena (richtiger Robena Anne) Laidlaw, geb. den 30. April 1819 zu
Bretten, lebte zuerst in Edinburgh, seit 1830 in Königsberg in Pr. Ihre Klavierstudien
vollendete sie bei H. Herz in London und bei L. Berger in Berlin. Auf ihren Kunst-
reisen kam sie Mitte Juni 1837 nach Leipzig, wo sie am 2. Juli ein Konzert gab. Schumann
war in Jenen beiden Wochen viel mit der liebenswürdigen, bildschönen Eoglinderin zu-
sammen und widmete ihr einige Zeit nachher seine Pbantasiestücke op. 12. — Miss
Laidlaw stellte ihre Konzertreisen nach etwa sechs bis sieben Jahren ein, um sich in
London ausschliesslich dem Unterricht zu widmen. 1852 verheiratete sie sich mit dem
Rechtsanwalt Thomson .in Essez, zog aber als Witwe wieder nach London zurück, wo sie
am 29. Mai 1001, 82 Jahre alt, gestorben ist. — In meinem Briefwechsel mit der hoch-
betagten, aber körperlich und geistig sehr rüstigen Dame (1895) teilte sie mir allerlei
Denkwürdiges aus ihrem Künstlerleben, insbesondere über ihre Begegnung mit Schumann
in Leipzig mit. »Schumann war ein echter Mann,* so schliesst einer ihrer letzten Briefe
an mich, „wie selten begegnet man einem solchen Manne! An Herolden seines Ruhmes
wird es nicht fehlen, solange Sie und ich leben.* Die hier mitgeteilte Photographie ist
aus ihrem 70. Lebensjahre. (Vergl. meinen Aufsatz: „R. Schumann und Robena Laidlaw",
Grenzboten 1895, IV, S. 320.)
Ich nehme hier Veranlassung, eine in dem genannten Auhatz enthaltene Angabe
über die Entstehungszeit der Schumannschen Phantasiestücke richtig zu stellen. Diese
sind dem Verleger schon am 22. Mai 1837 angetragen (am 7. August übergeben) worden,
142
DIE MUSIK V. 20.
wonach ■ngenommen werden durfte, dass sie alle bereits vor Miss Laidlaw's Ankunft in
Leipzig entstanden waren. Das trifft aber in bezug auf No. 1 »Des Abends* nicht zu,
wie ich mich aus ihrer ersten Niederschrift, die ihr Eigentfimer, Herr C. F. Sper-
ling in Wilhelmshaven, mir vor einiger Zeit zuzusenden die Gute hatte, fiberzeugt
habe. Auf diesem Blatte steht oben links das Kompositionsdatum: .Am 4ten Juli
37*, oben rechts: .Herrn Streben aus Stralsund zu freundlichem Andenken an
Robert Schumann. Lpz. 29 Juli 1837.* Dies Phantasiestuck (zuerst .Am Abend* Gber-
schrieben) muss also entweder kurz vor oder kurz nach Miss Laidlaw's Abreise von
Leipzig komponiert sein. Letzteres ist das Wahrscheinlichere, denn die Kfinstlerin wird
bald nach ihrem Konzert Leipzig verlassen haben, weil sie schon am 7. Juli in Königs-
berg einen Brief an Schumann schrieb.
Der Musiklehrer E. Sperling (1809—1871) in Stralsund, als Chordirigent, Komponist
und schSnwissenschaftlicher Schriftsteller titig, bediente sich des Pseudonyms .Ernst
Streben*. Die persönliche Bekanntschaft Schumanns machte er in Leipzig, wo er zu-
gleich mit dem obigen Gedenkblatt auch einen Empfehlungsbrief an Rellstab empfing,
der mit den Worten schliesst: .Schenken Sie dem bescheidenen, wohlunterrichteten
Jungen Manne einige Augenblicke Gehör und erinnern sich dabei Ihres ergebenen Robert
Schumann.*
Ernst A. Becker, geb. den 6. Aug. 1798 in Dresden, von 1830—1834 Unter-
suchungsrichter am Bergamt in Schneeberg, bis 1836 Sekretir im Finanzministerium in
Dresden, dann, ans Bergamt zurückversetzt, in Freiberg. Er war ein vortrefflicher Klavier-
spieler und gehörte zu den vertrautesten Freunden Schumanns, der ihm seine Nacht-
stöcke op. 23 widmete. Als pensionierter Bergmeister zog Becker wieder nach seiner
Vaterstadt Dresden, f den 31. Juli 1874. Die Photographie ist aus seinen letzten
Lebensjahren. ^
Amalie Rief fei, vorzugliche Pianistin, wurde 1822 in Flensburg geboren.
Zuerst Schfilerin ihres Vaters W. H. Rieffei, setzte sie ihre Klavierstudien bei Wilhelm
Grund und bei Jacob Schmitt in Hamburg fort. Nach der Verleihung eines Königl.
dänischen Reisestipendiums (1839) lebte sie etwa anderthalb Jahre (1840-^1842) in Leipzig,
wo Schumann sich ihrer freundlich annahm und sie durch die Widmung seiner Klavier-
stficke op. 32 auszeichnete. Als Klavierspielerin machte sich Frl. Rieffei hauptsichlich in
Dänemark, Schweden und Norwegen bekannt. Seit 1850 mit dem Kaufmann L. Wage in
Hamburg verheiratet, starb sie am 10. August 1877.
Ober den höchst bemerkenswerten Brief Schumanns an Richard Pohl vom
6. Februar 1854 ist Genaueres im Text eingehend gesagt.
Das Skizzenblatt zu den Haus- und Lebensregeln und der unbekannte
Canon für Männerstimmen, zu op. 65 gehörig, über den das Nähere im Artikel von
Hermann Erler nachzulesen ist, vervollständigen und beschliessen die Zahl unserer Bei-
gaben.
Nachdruck aar mll ausdrBcklichcr Erlaubnis des Verlages gesialieL
Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung, vorbehalten.
Für die ZurUcksendung HB verlangter oder nicht angemeldeter Manuakripte, falle Ihnen nlebt geaBgeod
Porto beiliegt, Qbcmimmt die Redaktion keine Garantie. Schwer leserliche iHaouskripie werden nngeprSII
zurQckgessndt
Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
Berlin W. 57, Bfilowstrasse 107 >-
AUFRUF!
Die unterzeichnete Verlagsanstalt plant die erste kritische Gesamt-
ausgabe der Briefe Ludwigs van Beethoven, für deren Herausgabe sie den
berufensten Beethoven-Forscher unserer Zeit, Herrn Dr. Alfr. Chr. Kalischer»
bestellt hat.
Die Notwendigkeit und die Bedeutung einer monumentalen Ausgabe
der Briefe Beethovens bedarf an dieser Stelle keiner Hervorhebung.
Alle in früheren Sammlungen enthaltenen, in den mannigfachen
Beethoven-Schriften verstreuten und in Zeitungen gelegentlich veröffentlichten
Briefe werden hier in chronologischer Ordnung und mit eingehenden
Erläuterungen versehen veröffentlicht werden. Nicht zuletzt die noch
ungedruckten Briefe des Meisters, an deren Besitzer hierdurch die Bitte
ergeht, durch ihre Beihilfe diese Gesamtausgabe zu einer lückenlosen zu
machen.
Durch die Forschungsresultate unserer Zeit unterstützt, wird die Aus-
gabe wissenschaftlichen Charakter tragen; sie soll die seltsame Ortographie
und die eigenwillige Interpunktion des Meisters festhalten. Ihr Wert beruht
auf einer zuverlässigen Textkritik. Der Herausgeber wird zu diesem Zweck
die Originalbriefe Beethovens persönlich prüfen, um die Ausgabe hinsichtlich
der richtigen Lesart so korrekt wie nur irgend möglich zu gestalten; leiden
doch die veralteten unvollständigen Ausgaben der Briefe von 1865 und 1867,
die heute nur für schweres Geld noch aufzutreiben sind, an dem Mangel
einer genügenden Kenntnis von Beethovens Handschrift.
Da der Herausgeber nicht jeden Brief an Ort und Stelle einsehen kann,
so wenden wir uns hiermit an alle Besitzer von Originalen oder Faksimiles
144
DIB MUSIK V. 20.
Beethovenscher Briefe mit der Bitte, die umfassende Arbeit dadurch fördern
zu wollen, dass sie ihre Originale vertrauensvoll auf kurze Zeit an die
Königliche Bibliothek in Berlin zu Händen des Leiters der Musik-
abteilung Herrn Dr. A. Kopfermann zur Benutzung für den Herausgeber
übersenden, wie dies schon mehrfach geschehen ist. Herr Dr. Kopfermann
wird mit Genehmigung der Generaldirektion der Königlichen Bibliothek diese
Zusendung unter seine besondere Obhut nehmen, und der Herausgeber
wird den Einsendern in seiner Einleitung zum ersten Bande seinen Dank
abstatten.
Diese Gesamtausgabe, die eine klassische Biographie des grossen
Meisters in Briefen darstellen wird, soll in einer dem Genius und dem
unschätzbaren Werte seiner Briefe würdigen Ausstattung erscheinen. Um
jedem, auch dem Unbemittelten die Anschaffung zu erleichtern, wird das
Werk in etwa 25 Lieferungen zum Einzelpreis von 0,60 M. erscheinen. Die
Leser der lyBIusik^^ sollen bei dem Bezug noch eine besondere Subskriptions-
Vergünstigung geniessen, über die wir später noch näheres bekannt geben
werden.
Die erste Lieferung erscheint bereits Ende August; der erste Band
wird Ende November 1906 vorliegen.
SCHUSTER & LOEFFLER, BERLIN W.
ROBERT SCHUHANN
er Lithographie von Eduard Kaiser
:\
*• «
ROBERT SCHUMANN
nach J. N. Heinemann
r
ROBERT SCHUMANN
nacb J.J. B. Laurens o
(1853
' • *
nach dem Gemaide von Sohn (1853)
• •
I »
ROBERT UND CLARA SCHUHANN AM KLAVIER
• ■ •
«
ROBERT UND CLARA SCHUMANN
nach Eduard Kaiser (1847)
I •,
LUDWIG SCHUMANN
FERDINAND SCHUMANN FELIX SCHUMANN
DIE SÖHNE VON ROBERT SCHUMANN
• V •• ,«
GOTTLOB WIEDEBEIN
THEODOR TÖPKEN
ERNST ADOLF BECKER
ZU ROBERT SCHUMANNS FREUNDESKREIS
HENRIETTE VOIGT
AMALIE RIEFFEL
ANNA ROBENA LAIDLAW
ZU ROBERT SCHUMANNS FREUNDESKREIS
I •
< »
• ••
od)^^/, .C Cu^ (ü^. ß^^.
-/-
/\;^
1<^
n*
J./^ "
.J.X.
'fr
/
EIN BRIEF ROBERT SCHUMANNS AN RICHARD POHL
V. 20
< I
I
/.l / f^^ .Ä. .4/ /. ^ /t^ ^<
^/|fi/*-%.^«r •^—
A,*>« Sc-*^e^
Vt^A
«»«-«.
1/W*x
A
/7.
'f^.
,C7/ Cjd i:C4i^
7d:t
^
o,,VL i/M~ f'^y^ ' '4-^/?'/^^-=^=^ /-—. -i
£>^'
1
/
I
J /L-
i2t^^^7MltZ
Z^;i;*'Ä/
rMJt^-
^.
ROBERT
Zu Op. 65 RKornelie geMrig
Mitgeteilt von Hermann Erler
Lebhaft.
Ttaior L
Tenor H.
Bass I.
m
i
Bass
n.^&
mich nur doch dv
1
E
1
i
1
^
t
^
mm - md be - sttamstl
Nie - mandy
Mc - maady
>
8
gans , Im Oe - mu - se schv
HOB . 8e Bchwimmtl
m
Nie - mand
rae-mand, Nle^nandi Nie-mand
ich nan und
fer - ne, der so
Hftt - te EU ei - nem
Tnai - ben-ker - ne mioh nur
Hlm-mel be - stlmiiitl.
Hat - te lu ei - nem
Nie • mand
iinjt<i f I? *r p
Tnsa - ben-ker - ne I ndoh nar
y p .h ^^
der so gana Im Oe-
• r "r ^^ g t
i
fer - ne, der so
«an«,
80
gans
im Oe-
i
^
^^
^^
^
Nie - mand,
Nie - mand,
4
nuB • sesclnvlnimt!
ä
Hät-te za ei-nem
i^tfiir $j-r
Traa-ben-ker-ne
^
^
EE
^^
mich mir dodi der
*> M r ^^
nus - 86 achwiiniiitl
Nie - mand
kenn' ich)
der so ganz tan Ge*
keni^ ich natf und fcr - ne^der so gatis, so gans
im Oe-
Mle • mand. Nie - mandy
CODA
^m
nna - se schwlnint,
kern/ Ich) Nle-mand)
nus • te sdiwluuty
^Ä
Nie -mand
^^
^rflj ^ m
Nie -mand
IQe-mand
kenn' ieh
kenn' ich
kennL- ich
nah'_ nnd
natf. nnd
natf. nnd
ter
^
ter -
«r
fiÄ
P
g
nel
^
nel
t) Nto-nand
aUdi «. Dnuki BarUanr MwtkaUM DrMkar«! 0.a.b. H. OkartallMkn«.
C Fr. Glasenapp
Richird Wigners Briefe an Freiberni von Lfitllcliau.
Prof. Otto Schmid
JobuiQ Michsel Haydn
t tu Skliburc am lO. August 1806
Paul Hirsch
Ein unbekanntes Lied von W. A. Mozart
Dr. Richard Hohenemser
Clara Wieck-Schumann als Komponistin (Scbtuss)
Namen- und Sachregister zum 19. Band
der MUSIK
Besprechungen (Bücher und Musikalien)
Revue der Revueen
Umschau (Neue Opern, Aus dem Operarepertoire,
Konzerte, Tageschronik, Totenschau)
Kritik (Oper und Konzert)
Anmerkungen zu unseren Beilagen
Knnstbeilagen
Mnsikbeilage
Anzeigen
DIE MUSIK encbdnt moDstlicb zweimal. AboDDuneiitipreU Hr du
QuHial 4 Mark. AboDDemeanprel« fOr Jen Jihrguc 15 Mark. Prdi
det duduca Heftel I Mark. Viertel] ■hrwlDbiaddeckeD I 1 Mirk.
SanmeUunon fOr die KuaMbellagen det ganzea JihrgaD|i 2,50 Mark.
AtMunementa durch jede Buch- uad MusikalienbaadluDc tat kleine
PlltM ohne Buchhlndler Beiue durch die Poit.
RICHARD WAGNERS BRIEFE AN
FREIHERRN VON LÜTTICHAU
von C. Fr. Glasenapp-Riga
|fir die Fortsetzung der jüngst^) von uns unternommenen' Mit-
teilungen aus dem brieflichen Verkehr zwischen Richard Wagner
und seinem Dresdener Vorgesetzten Geheimrat v. Lfittichau
hatten wir uns zuletzt noch ein schriftliches Dokument aus dem
Frfihjahr 1844 vorbehalten, als den eigentlichen Abschluss seines ersten
Dresdener Dienstjahres. Reibungen und Gegensitze hatte es sogleich zu
Beginn seiner neuen Tätigkeit genug gegeben ; indes hatte er es sich vor-
gesetzt, dergleichen Konflikte- inskünftig zu vermeiden und diesen Vorsatz
in einer Weise durchgeführt, dass selbst ein Charakter, wie Lipinski,
während seiner ganzen sechsjährigen Kapellmeisterperiode nie wieder in
einen offenen Widerspruch zu ihm geraten ist. Dagegen wissen wir aus
der näheren Schilderung von Wagners Leben, wie die an der Oberfläche
ausgeglichenen Gegensätze heimlich nachwirkten, indem seine heftigsten
literarisch-kritischen Gegner das reichhaltigste Arsenal für ihre öffentlichen
Angriffe nach wie vor bei Reissiger und Lipinski fanden. Hauptsächlich
war es ein gewisser, Reissiger nahebef^eundeter, Dr. Schladebach, der unter
wechselnder Chifhre ziemlich die gesamte auswärtige Berichterstattung
auf seinen Schultern trug und hierbei einen völlig planmässigen Feldzug
gegen den jungen Meister durchführte, mit dem Endziel, diesen in seiner
Autorität zu schädigen und einen gewissen Herrn Otto (?) Bach an
Röckeis Stelle einzuschieben. In erster Linie waren es Aufführungen
Mozartscher Werke (des .Don Juan* am 26. April 1843, und des ,Titus"
am 3. Mai 1844), welche diese Antagonismen in einheimischen und aus-
wärtigen Blättern entfesselten. Betrübend blieb bei alledem die Vorliebe
des Hofes für die Meisterwerke der neuesten (Donizettischen) italienischen
Oper, an deren Wiedergabe sowohl die Kapelle, wie ihr feuriger Leiter
ihre Kräfte sinnlos zu verschwenden hatten. Bald vernahm man nun bei
solchen Anlässen einer Aufführung der „Lukrezia Borgia*, ein beliebiges Duett
darin sei durch unsichere Sänger ins Schwanken geraten und — »da der Dirigent,
Herr Kapellmeister Wagner, das Einhelfen unterliess — vollkommene
Störung in die Szene gebracht worden'. Bald wiederum hiess es, bei
^) Vgl. .Die Musik« V, 19 S. 17 ff.
!!•
148
DIE MUSIK V. 21.
einer Darstellung der .Norma" seien die Chöre unsicher, die Kapelle er-
mattet und unlustig gewesen, Herr Wagner habe die mannigfachen Unsicher-
heiten auf der Bfihne und im Orchester nur eben zu verdecken gewusst;
bald wiederum ward die Leitung der « Regimentstochter' (durch Röckel) als
unsicher getadelt usw. Es mag sein, dass öfFentliche kritische Beurteilungen
dieser Art irgendwie auch bei Hofe nachgesprochen worden wären; ins-
besondere aber wurde Lüttichau seitens der, für jenen Herrn Bach ein-
tretenden, Clique so sehr zu dessen Gunsten bearbeitet, dass sich hieraus
Folgendes entwickelte:
Am Sonnabend, den 9. März 1844, als Wagner gerade im Begriff
stand, einen vierzehntägigen Urlaub zu einer Reise nach Hamburg an-
zutreten, wo sein «Rienzi* zur ersten Auffuhrung gelangen sollte, berief
ihn Lüttichau zu einer Besprechung in das Bureau der Expedition. Es
handelte sich um die bevorstehende definitive Bestätigung des bis dahin
nur provisorisch angestellten August Röckel in seinem Amt als Musik-
direktor. Zu dieser Bestätigung Röckeis zeigte sich nun Lüttichau wenig
geneigt, er wollte ihn durch einen tüchtigeren Musiker ersetzen, und der
soeben erwähnte Herr Bach wurde dabei offen genannt. Immer darauf
bedacht, seine Superiorität als Hofbeamter und Vorgesetzter zur Geltung
zu bringen, war er dabei so unvorsichtig, inbetreff Wagners einige
Wendungen einfliessen zu lassen, als wenn der «allerhöchste Hof* auch
mit seinen Leistungen als Dirigent sich nicht unbedingt zufrieden erklärt
hätte; so dass es ihm selbst erwünscht erscheinen müsste, ihm, anstatt
des unfähigen Röckel in seiner untergeordneten Musikdirektorstellung, einen
mit voller Autorität ihm beizuordnenden gediegenen Musiker — offenbar
aus Reisslgers Schule ? — an die Seite zu stellen. Auf diese Unterredung
bezieht sich nun der achte, uns bekannt gewordene Brief Wagners an
Lüttichau, in jeder Beziehung ein wahres Muster feinfühliger Vornehmheit
und Selbstlosigkeit, dem es nur auf die Sache, nicht aber auf die Person
und den eigenen Nutzen ankommt, während sich der Schreiber desselben
doch zugleich mit der vollen Breite seiner Brust schützend vor den,
in seiner künstlerischen wie bürgerlichen Existenz plötzlich bedrohten
Röckel stellt. «Die ausführliche Unterredung', heisst es in der Einleitung
dieses Schreibens, «deren mich Ew. Excellenz am vergangenen Sonnabend
würdigten, hat auf mich einen Eindruck hinterlassen, dessen Peinlichkeit
mich seit dem Augenblick, wo ich die Schwelle der Expedition verliess,
bis jetzt, wo ich mir die Freiheit nehme, mich schriftlich an Ew. Excellenz
zu wenden, so unablässlich eingenommen und bewältigt hat, dass ich, ohne
mich gegen irgend Jemand, selbst nicht gegen meine Frau, darüber aus-
gelassen zu haben, durch genaues Zurategehen mit meinem Innern endlich
zu dem vollsten Bewusstsein dessen gelangt bin, was mir als unverbrüch-
149
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
liehe Pflicht erscheint." Aus diesem, von Lüttichau in seinem Privatbesitz
zurfickbehaltenen, daher im Archiv der Dresdener Hofoper unvorhandenen,
bisher gänzlich unbekannten Schriftstücke, teilen wir nun im folgenden
die wesentlichen Hauptabschnitte mit, indem wir die Verkürzungen durch
Punkte (...»••) andeuten.
Richard Wagner an Generaldirektor Frelherm r. Lflttlohan (VIII), U. Mai 1844.
^Ew. Excellenz haben mir vorigen Sonnabend mit deutlichen Worten gesagt,
das! ich das Vertrauen des allerhöchsten Hofes und somit notwendig auch das
Ew. Excellenz nicht in dem Grade besJUse, als es zu wünschen wire; dass dieses noch
fehlende Vertrauen zunichst meine Fihigkeiten als Dirigent betrife, und dass
Ew. Excellenz es demnach für nötig hielten, zur Direktion der Kapelle noch einen
Mann zu berufen, von dem Ew. Excellenz gewiss sein könnten, dass er das mir noch
fehlende Vertrauen für sein Teil sicher erwerben werde. Ew. Excellenz haben mir
wiederholt versichert, dass, besisse ich das mir nötige Vertrauen des allerhöchsten
Hofes in dem Masse, als es zu erwünscben wire, Sie sich keineswegs versucht finden
würden, sich nach einem noch talentvolleren Dirigenten umzusehen, als Röckel es
ist (.....)
Besteht nun der Tadel, der gegen mein Dirigenten-Talent ausgesprochen wird,
nur in den hie und da gegen mich zu Xussernden Wünschen in Bezug auf gewisse
Tempi in den Opern der neueren italienischen Maestri, so könnte sich ein deutscher
Musiker, der sonst Tüchtiges zu leisten imstande ist, dadurch im Ganzen nur wenig
betroffen fühlen, ebensowenig, als dies bei Weber und Mendel [s]sohn, bitten diese [sich]
mit ihnlichen Aufgaben zu befassen gehabt, von grossem Belang gewesen sein würde,
und zwar aus Gründen, die ich einem Teile des musikalischen Publikums gegenüber,
der jene Opern vorzugsweise liebt, gern verschweige. Man kann nur einem Gott
dienen, und das ist der wahre, den man erkennt und verehrt! — Geht jener Tadel
aber weiter, und erstreckt er sich auf die -- leider nur wenigen — Leistungen, bei
denen mir und der Kapelle Aufgaben gestellt werden, wie sie z. B. Mendel[s]sohn
ausschliesslich sich nur stellt, und bei denen einzig die wahren Krifte eines Künstlers
in Anspruch genommen werden, so ist er allerdings von mir in ernsten Betracht zu
ziehen« und ich kann nicht anders glauben, als dass es sich um einen solchen Tadel
handle, da sich Ew. Excellenz gedrungen fühlten mir die Erklirung zu machen, ich
besisse das Vertrauen des illerhöchsten Hofes nicht in dem Masse, als dass Ew. Excellenz
es nicht nötig halten, noch einen ganz besonders befihigten Dirigenten zur Leitung
der Kapelle zu herufen.
Fühlen sich nun Ew. Excellenz bewogen diese Ansicht von der Sache zu be-
stitigen, so halte ich es für meine Pflicht, Sie darauf aufmerksam zu machen, dass
dann auch die Anstellung eines zwar wackeren, aber ziemlich gewöhnlichen Musikers,
wie Herr Bach es ist, der Sache und dem Institute nicht entsprechen würde; viel-
mehr könnten Ew. Excellenz dann Ihr Augenmerk auf einen bedeutenderen und
renommierteren Dirigenten richten, da Ihnen durch meinen notwendigen Zurücktritt
dann leicht die Mittel an die Hand gegeben würden, den Gehalt für die zu besetzende
Stelle reichlicher auszustatten, als er jetzt ist, und für welchen Ew. Ezcellenz es
immer als einen glücklichen Zufkll ansehen müssten, einen bedeutenden Künstler
für die Dauer zu gewinnen. Ich für mein Teil würde nimlich mein alleruntertinigstes
Gesuch an Se. Majestit dahin stellen, dass Allerhöchstdieselben die Gnade hitten,
mich meiner Funktionen so weit zu entbinden, als es mir gestattet sein
150
DIB MUSIK V. ZU
sollte, nur meine Opern einzustudieren und zu dirigieren, sowie viel-
leicht in besonderen Pillen nsch dem Wunsche Sr. Msjestit diese oder
jene Aufffihrung zu leiten, sobtld sie der Spezislitit meines- geringen Talentes
angemessen erscheinen sollte, wofür mir dann natürlich nur ein beliebiger kleiner
Gehalt zuzugestehen sein würde. ^)
Der von mir unter den bezeichneten Bedingungen gewünschte Zurüdctritt yom
eigentlichen aktiven Dienste als Vorstand der Kapelle, wird mir aber noch aus anderen
Rücksichten unter den mir von Ew. Excellenz vorgestern dargetanen Umstinden zu
einer Gewissenspflicht. Die Kapelle bedarf jetzt eines Vertreters, der das Vertrauen
Sr. Majestät und Ew. Excellenz im vollsten und höchsten Masse besitzt, weil es
die höchste Zeit ist, dass ein solcher endlich, und zwar nur unter dem Ausspruche
des vollsten Vertrauens, beauftragt werde, einen gründlichen Bericht über den Zu-
atand dieses Institutes und über die unumginglich notwendige, unserer Zeit und ihren
Ansprüchen gemisse Abhülfe der in demselben wurzelnden Obelstinde abzugeben.
Es liegt am Tage, dass mit einem solchen Auftrage, wenn er Erfolg haben soll, nur
ein Mann beehrt werden kann, der, wie erwihnt, das vollste und unbedingteste Ver-
trauen seiner hohen Vorgesetzten innehat, ein Mann, von dem man auf Treue und
Glauben annimmt, dass er der Sache vollkommen gewachsen ist und ohne Ober-
treibung nur das wahrhaft Nötige beansprucht. Nsch meinen neuesten Erfahrungen
gestehe ich zu, dass ich sehr eitel war, als ich mir schmeichelte, nicht weit mehr
von dem Ziele entfernt zu sein, an welchem ich die unschitzbare Ehre eines solchen
Auftrages beanspruchen dürfte. ( ) Durch stetes und aufmerksames Bestreben
habe ich die anfangs zwischen mir und der Kspelle bestehenden Differenzen so weit
zu beseitigen gewusst, dass ich mir jetzt schmeicheln darf, von ihr als Derjenige an-
gesehen zu werden, von dem sie sich mit vollstem Vertrauen die Abhülfe ihrer Leiden
verspricht. Dennoch muss ich nun einsehen, daas mir das Wichtigste noch fehlt,
und Ew. Excellenz könnten zwar in Ihrer mir stets bewiesenen grossen Güte mir die
Hoffnung machen, das mir fehlende volle Vertrauen des allerhöchsten Hofes noch
erwerben zu können, ja Ew. Excellenz haben mir bei der letzten Unterredung sogar
diese Hoffnung für spitere Zeiten schon übrig gelassen: — ich aber teile diese Hoff-
nung nicht, da ich mir bewusst bin, unter den gegebenen Umstinden (— und andere
Umstinde herbeizuführen steht nicht in meiner Macht, —) nicht mehr leisten zu
können, als ich bisher geleistet habe; und sollte ich den Glauben haben, mir spiter
noch das fehlende Vertrauen erwecken zu können, so würde dies doch jedenfalls zu
spit für den wichtigen Dienst sein, welcher der Kapelle aehr bald geleistet werden
muss. Da mir ausserdem Ew. Excellenz auch oft den Vorwurf meiner Neuheit in
den hiesigen Verhiltnissen machen, so muss ich bekennen, wie ich selbst nicht
hoffe, durch Älterwerden in denselben zu gewinnen: das Auge, welches sich gewöhnt,
eine lingere Zeit hindurch tiglich dieselben Obelstinde zu sehen, wird wohl endlich
matt und stumpf, und gewahrt sie nicht mehr so, als damals, wo es frisch und
scharf war.
Es könnte auffsllend erscheinen, dass die Sache des Musikdirektors Röckel
somit zu der meinigen geworden ist, und um nicht den Schein einer blinden Partei-
lichkeit für irgend jemand auf mich zu laden, musste ich mich offen nach allen
Richtungen hin aussprechen; Ew. Excellenz haben mir durch die Erklirung, dass die
fragliche Anstellung Röckeis mit meiner eigenen Stellung in unmittelbarem Zu-
sammenhange stehe, dazu die vollste Veranlassung gegeben* ......••.
>) Die Hervorhebungen im Druck innerhalb dieses Absatzes rühren nicht von
Wagner selbst her.
151
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
Das Vergangene bleibt vergangen, und wenn wir in bezug auf noch
ganz andere geschichtliche Momente ein Für allemal darauf verzichten müssen,
sie uns zurückzurufen, um nachtrigliche Augenzeugen derselben zu werden,
so wird sich die Notwendigkeit dieses Verzichtes jedenfalls auch auf den
kostbaren Moment beziehen, in welchem der Exzellenz mit den schwarzen
Augenbrauen bei Durchlesung dieses Schreibens das Gesicht merklich sich
verlängerte, und ihre Mienen die verlegene Verwunderung wiederspiegelten,
die sich dabei ihres Inneren bemächtigte. Wieder einmal hatte sich dieser
noch so junge «Kapellmeister" ihm gegenüber als etwas durchaus Inkommen-
surables bewiesen, zu dessen Beurteilung ihm der Masstab fehlte. Der
Vorschlag eines freiwilligen Zurücktrittes aus einem lebenslänglich ver-
liehenen Amte, und noch dazu nicht in der gewohnten Form eines komö-
diantisch selbstüberhebungsvollen Trotzes, sondern mit der verbindlichsten
Anerkennung seiner «grossen Gute', dürfte ihm wohl in den hergebrachten
Verhältnissen des Dresdener Hoftheaters etwas so Neues, Unerhörtes gewesen
sein, dass er fürchten musste, der König würde, auf einer näheren Mitteilung
der motivierenden Umstände bestehend, einen tieferen Einblick in dieselben
verlangen, als ihm lieb war. Um so mehr, als es mit dem in dem Schrift-
stück wiederholt erwähnten Mangel an Vertrauen seitens des «allerhöchsten
Hofes" vielleicht gar nicht so arg bestellt war, als es der Herr Geheim-
rat bei seiner Unterredung in wohlberechneter Klugheit hatte einfliessen
lassen. Vielleicht war dies am Ende gar nicht so «klug* gewesen, als er
es sich gedacht? Jedenfalls drückt sich viel in dem Umstände aus,
dass er diesen Brief nicht zu den Akten gab, sondern ihn privatim als
Erinnerung aufbewahrte.
Der Erfolg der Unterredung vom Sonnabend den 9. März 1844 und
dieses Schreibens vom Montag den 11. war jedenfalls, dass einstweilen
alles beim alten blieb. Röckel erhielt seine Bestätigung, zu der Anstellung
des Herrn Bach an seiner Statt kam es nicht, und der feurig uneigennützige
Künstler wurde nach seiner Rückkehr aus Hamburg vorläufig mit seinen
allzuweitgehenden idealen Forderungen beschwichtigt. Für wie lange Zeit?
Es liegen zwei ernste, ereignisreiche Jahre zwischen diesem und dem
nächsten (uns vorliegenden) Briefe Wagners an Lüttichau. «Tannhäuser*
wurde vollendet und aufgeführt, und es zeigte sich zwischen dem «Rienzi'
und seinem Nachfolger — der «fliegende Holländer* war, da Wagner selbst
zu seiner Wiederaufnahme nicht drängte, für Dresden tot und begraben! —
eine ganz gewaltige Kluft, eine Kluft, die nicht allein beide Werke von-
einander, sondern auch den schaffenden Künstler von seinen Zeitgenossen
trennte. Dieser selbst aber blieb, der er war, und bei aller vorschrifts-
mässigen Devotion im Verkehr zwischen dem Kapellmeister und der Ex-
zellenz war ihm doch auf die gewohnte Weise nicht beizukommen. Viel-
152
DIE MUSIK V. 21.
mehr knüpft sein nächstes an Lüttichau gerichtetes Schreiben vom 2. März
1846 genau an das ihm vorangegangene an. Hatte es sich in jenem darum
gehandelt, denjenigen Mann zu finden, der «unter dem Ausspruch des
vollsten in ihn gesetzten Vertrauens beauftragt werde, einen gründlichen
Bericht über den Zustand des Instituts der Kapelle und über die unum-
gänglich notwendige, unserer Zeit und ihren Ansprüchen gemässe Abhülfe
der in demselben wurzelnden Übelstände abzugeben", — so erschien nun
dieser «Bericht" selbst, in Gestalt eines vom 1. März datierten Memorials
mit der Aufschrift »Die Königliche Kapelle betreffend*, der sich
noch heute — unverötTentlicht — in den Akten des Königl. Sachs. Hof-
theaters befinden muss, und zwar in Begleitung des folgenden Briefes:
Richard Wagner an Generaldirektor Freiherrn yon Lilttichan (IX), 2. März 1846.
«Ew. Excellenz
gebe ich mir die Ehre, hiermit eine grössere und ziemlich ausfuhrliche Arbeit
zu überreichen, zu deren Abfassung ich mich durch Stellung und Verpflichtung ge-
dringt fühlte. Es ist nunmehr das driue Jahr verflossen, seitdem ich auf die geneigte
Empfehlung Ew. Excellenz durch die besondere Gnade Sr. Majestlt als Kapellmeister
der Kgl. Kapeile angestellt wurde: der Ablauf eines solchen Zeitraums ist wohl ge-
eignet die Frage zu veranlassen, wodurch sich das neue Mitglied dem Ganzen nützlich
erwiesen? Mit Trauer muss ich gesteben, dass der Nutzen, von dem ich in meiner
Stellung werden konnte, sich nur noch auf einzelne wenige Leistungen zu erstrecken
vermochte: dass ich der Kapelle von einer auch für die Zukunft erspriesslichen
Wichtigkeit bitte werden können, habe ich leider als nicht in meiner Macht stehend
befinden mfissen. Ich habe erkennen lernen mfiseen, dass die Kapelle in ihrer be-
stindigen Kollision mit dem Theater und dessen wirrseligen Bedürfnissen zurück-
treten musste, Ja dass selbst ihren Leistungen nicht das Gewicht und die Berück-
sichtigung beigelegt werden durfte, die vor allem nur die Theater- Interessen für sich
in Anspruch nahmen. Wenn ich nun wiederholt und in gesuchter Vereinigung mit
meinen Kollegen die iii Anregung gebrachten Interessen der Kapelle zu wahren suchte,
durften diese Bemühungen immer nur einen sehr teilweisen Erfolg haben, und mit
grosser Betrübnis habe ich den Grund dafür darin erkennen müssen, dass die Aus-
sagen und Beteuerungen der technischen Vorstinde der Kapelle in den Augen ihres
hochzuverebrenden Chefs, wahrscheinlich schon von lingerer Zeit her, sich nicht der
Glaubwürdigkeit zu erfreuen hatten, die ihnen allein das nötige Gewicht zu geben
vermag.
In dem festen Bewusstsein der Notwendigkeit derselben habe ich es daher
unternommen, noch einmal alle meine in den drei Jahren meiner Anstellung ge-
wonnenen Erfahrungen und Einsichten zu einer klaren und beweiskriftigen Darlegung
auszuarbeiten. Ich habe die verflossenen drei Monate dazu verwendet, mit grösster
Umsicht alles mir notwendig Erschienene der strengsten und genauesten Prüfung zu
unterwerfen, jeden Punkt sorgfiltig zu erwigen, weshalb ich einzelne Artikel zwei-,
drei- und viermal umarbeitete und neu verfasste, und bin somit schliesslich zur Be-
endigung beiliegender Arbeit gelangt, von der ich Ew. Excellenz ersuche, versichert
sein zu wollen, dass ich zu ihr durch keinen iusseren Antrieb veranlasst worden bin,
indem siCi sowie sie hier vorliegt, ginzlich mein Geheimnis ist, und ich zu keinem
153
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LÜTTICHAU
der darin enthaltenen Punkte durch Betprechuns oder Übereinkommen mit den sie
betreffenden Individuen veranlasst worden bin. Ich fühlte mich einzig durch die
Verpflichtung dazu gedrungen, die, meinem Gewissen nach, mein Sr. Majestit dem
Könige geleisteter Eid mir auferlegt.
Welches das Schicksal dieser Arbeit sein möge, ob sie zu einem vollstindigen
oder nur teilweisen Erfolg berechtigt sei, vermag ich nicht genau vorauszusehen, jeden-
falls aber hege ich die gerechte HoiEoung, dass sie, trotz ihrer Ausdehnung, einer
genauen Betrachtung für würdig befunden werde, indem sie die besonderen Interessen
eines Institutes behaoidelt, welches auf der Civilliste Sr. Majestit mit einer ansehn-
lichen Summe dotiert ist, wofür notwendig verlangt werden kann, dass dieses Institut
ein voUstindiges und heilsam organisiertes Ganze bilde. Sollte es mir gelingen, auf
diese Weise die vollstindige Achtung Ew. Excellenz und das günstige Urteil derselben
zu erwerben,, dass ich nicht unAhig sei, bei der Organisation künstlerischer Institute
um Rat befragt zu werden, so würde ich mich wahrhaft glücklich schätzen, in Zukunft
Veranlassung zu andern Arbeiten erhalten zu dürfen, welche für das Gedeihen der
zweiten, Ew. Excellenz untergebenen Anstalt, soweit dies die Oper betrifft, in ihn-
lichem Masse ratschligliche Sorge trügen; indem ich die bei weitem grössere Schwierig-
keit eingestehe, die der Organisation eines Opernpersonales entgegensteht, würde
ich mir hier im voraus doch eine Andeutung erlauben, nimlich, dass ich bei einer solchen
Arbeit mein grösstes Augenmerk mit darauf richten würde, die mit der Zeit nötig
gewordenen enormen Ausgaben für die Gehalte des Singerpersonals nach Kräften
und iusserster Möglichkeit zu ermftssigen, indem jeder Einsichtsvolle in diesem un-
verhlltnismässigen Aufwände wohl den zukünftigen Ruin simtlicher Theater zu er-
kennen gezwungen ist, der schon jetzt alle Berücksichtigungen der Billigkeit gegen
andere, nicht minder wichtige Körperschaften des ganzen vereinigten Kunstinstitutes
ausserordentlich erschwert, indem er die nötigen Mittel dazu allein zu verschlingen droht
Mögen Ew. Excellenz somit das Resultat meiner Bemühungen mit gewohnter
Güte aufnehmen, und vor allen Dingen mir, der sich Ihnen persönlich für so sehr
verpflichtet halten muss, eine geneigte Gesinnung bewahren.*
So hatte denn der rastlos organisierende Geist des jungen Reformators
den ihm so erwünschten .Auftrag*" nicht erst abgewartet, sondern, da dieser
nicht von selbst sich einstellte, unaufgefordert den notwendigen Bericht
über den gegenwärtigen Zustand der Kapelle eingereicht. Die Eingabe
betraf Übelstände von drängender Natur. Nur das Phlegma Reissigers hatte
so lange ruhig zusehen können, wie sich die künstlerischen Kräfte der
Kgl. Kapelle infolge mangelhafter Arbeitsteilung Jahr um Jahr ausschliesslich
in den Dienstleistungen des Theaters bei minderwertigen Aufführungen
Donizettischer Meisterwerke verzehrten, ohne je zur befriedigenden Lösung
würdiger und wahrhaft lohnender Aufgabe zu gelangen. Die wenigen Ge-
legenheiten dazu boten sich immer nur in gedrängter Zeit und eingeengt
zwischen den trivialsten Tagesbedürfnissen des Theaters dar. «Ich hatte
mir*, sagt Wagner selbst, „rastlose Mühe gegeben, den künstlerischen Sinn
der Kapelle, der unter der Last ordinärster Tagesarbeit zu erliegen drohte,
zu beleben und guten Mutes zu erhalten, so dass wir zu unserem eigenen
154
DIE MUSIK V. 21.
Verwundern oft von unsrer Leistung^ selbst/mehrr fiberrascht .wu^ep, als
wir der Abspannung nach von uns erwarteten.* Da der ideelle und
praktische Gewjnn aus der Annahme seiner ^Voiischllge. vom .sachlich-
künstlerischen Gesichtspunkte aus unmöglich zu bestreiten war, durfte der
Urheber des sorgfiltig ausgearbeiteten Reorganisationsentwurfes wohl mit
. Fug und Recht darauf bauen, das Ergebnis seiner reiflichen Überlegungen
ohne wesentliche Einschränkungen akzeptiert zu sehen. Dass dies nicht
geschah, dass rein gar nichts zu seiner Verwirklichung vor sich ging,
war eine seiner bittersten und entscheidendsten Erfahrungen und löste ihn
innerlich vorzeitig von dem ihm anvertrauten Amte los. — Der Zeit nach
schliesst sich an das soeben mifgeteilte Schriftstfick noch eine kürzere
Mitteilung vom 4. März 1846, auf die bevorstehende Palmsonntagsauf-
führung der neunten Symphonie bezüglich.^)
Blehard Wagner an Generaldirektor Frelherm von Liltllehan (X), 4. März 1846.
«Ew. Excellenz
erlaube ich mir eine untertänigste Bitte vorzutragen.
Die Sache betriflPt das Orchester des alten Opernhauses, welches auf eine Weise
konstruiert ist, die allen Regeln f&r die Aufstellung eines Oratorien- und Symphonieen-
orchesters geradezu widerspricht und wahrscheinlich auch an keinem Orte der Welt
ihresgleichen findet. Die Mängel derselben bedQrfen fkst keiner Erörterung, da es
jedem in die Augen springen muss, dass ein Instrumental-Orchester, welches nur
zwei Reihen tief, in einem weiten Halbkreis von 56 Fuss im Durchmesser aufgestellt
ist, nur mit höchster Mühe und unter dem peinlichsten Einflüsse der Ängstlichkeit
präzis zusammenspielen, eine seinen zshlrelchen Mitteln angemessene, schöne und
kräftige Wirkung aber gar nicht hervorbringen kann.
Soweit mir in einer flüchtigen Berührung dieses Gegenstandes in einem Ge-
spräche mit Ew. Excellenz Dero Meinung bekannt werden konnte, würden Sie gegen
den Plan einer Umänderung selbst nichts einzuwenden haben. Insofern aber dieser
Orchesterbau bloss als eine Vorbereitung für das nächste und die folgenden Konzerte
zum besten des Kapell-Wittwenpensionsfonds angesehen werden müssten, würden
auch die Ausgaben dsfür diesem Fond zur Last fallen. Dass nun aber bei dem gegen-
wärtigen Bestände dieses Fonds, über den uns jetzt so viele Klsgen zukommen, gar
keine Aussicht vorhsnden wäre, ihm auch noch diese Ausgaben zumuten zu dürfoir,
erhellt deutlich, und die Sache würde somit für jetzt und vielleicht noch für längere
Zeit unmöglich sein, wenn diese Kosten nicht von einer andren Seite her bestritten
werden dürften. Ich muss nun aber die Erledigung der angeregten Frage, nicht nur
weil sie an und für sich richtig und nothwendig ist, sondern weil wir gerade jetzt
auch einer zshlreicheren und schärferen Kritik ausgesetzt sind, als eine Ehrensache
ansehen, für die ich selbst, wenn ich nur etwas reicher wäre, als ich leider bin, mit
Freudigkeit ein Opfer bringen möchte; wohin ich mich umsehe, komme ich aber
immer wieder nur auf den nächsten, weil ehrenvollsten Weg zurück, der ist: die
Gnade Sr. Majestät des Königs anzugehen.
^) Dieselbe ist, gerade wie das vorhergehende Begleitschreiben zu dem Memorial
.Die Königliche Kapelle betreffend', zum erstenmsl von R. Prölss in den „Drama-
turgischen Blättern* 1878 verölTentllcht.
155
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
Weil alles, wofür man Unterktützung erbittet, bis auf einen gewissen Grad
fertig zur Einsicht Torliegen muss, habe ich meinen Plan zur Aufstellong eines
Oratorium- und Sympbonieenorjchesters ^er Loki^litlt des .alten Opernhauses an-
gemessen durch die Gefllligkeit des Herrn Maschinenmeisters Hinel derart regeln
lassen, dass ich denselben Ew. Excellenz hierbei zur geneigten Ansicht vorlegen
kann. [Folgt die nihere Ausführung mit terrassierten amphitheatralischen Erhöhungen
für Orchester und Gesangschor.] Auch Lipinski ist ganz mit mir einverstsnden, und
ich zweifle gewiss nicht, dass mein Kollege Reissiger, welchem Ew. Excellenz meiner
Bitte gemäss diesen Plan vorlegen würden, etwas Erhebliches dagegen nicht ein-
zuwenden haben wird, da er ganz mit der Ansicht übereinstimmt, welche wir früher
ül>er diesen Gegenstand gesprichsweise susgetauscht haben.
Dieser Bau würde nun nach einem Votanschlage des Hrn. Hinel bis an
200 Rth. kosten, sobald er vollstindig mit neuem Material ausgeführt werden sollte.
Es fhigt sich nun: ist ein solches Orchester für alle Zukunft nicht noch zu andern
Aufführungen als nur den sog. Palmsonntagkonzerten zu benutzen? Wenn ich mit
aller Bescheidenheit wieder sagen dürfte, was mich ein Blick in die Zukunft ersehen
llsst, so würde ich die Holfnung aussprechen, dass die Kspelle öfters Gelegenheit
erhslten dürfte, sich in derartigen Aufführungen, um den Beifall Sr. Msjestit zu be-
werben, so würde dieses Orchester entweder ganz so wie es ist oder doch nur mit
geringen Restaurationen für alle Zeiten und Lokale verwendbar sein; denn unter allen
Umstlnden enthllt dieser Bau den Kern für eine geeignetste Orchester-Aufstellung.
Wie glücklich würden mich Ew. Excellenz machen, wenn Sie meine Bitte und
die dafür angegebenen Gründe durch gütige Berücksichtigung beehren wollten. Vor
allen Dingen seien E. E. aber versichert, dsss mich zum Ausspruch dieses Gesuches
durchaus kein Beweggrund persönlicher Eitelkeit antreibt, sondern lediglich die eifer-
süchtigste Sympathie für den Ruhm der Kapelle, deren Leistungen durch das Fort-
bestehen einer iusseren grossen Msngelhaftigkeit jedenfalls beeintrichtigt werden.
Wenn ich daher diesen Antrag vorllofig allein stelle, und nicht zuvor die Unter-
stützung meines Kollegen dafür nachgesucht habe, so geschieht dies, weil ich die
Angelegenheit für eilig halte und dagegen die Erfehrung gemacht habe, dass unsere
gemein schsftlichen Schritte gewöhnlich an einer gewissen Langsamkeit leiden.*
Dem Jahre 1847 gehören unter den uns vorliegenden Schriftstücken
zwei an, welche den deutlichsten Beweis dafür erbringen, wie sehr der-
selbe Mann, der gegenüber den wirklich produktiven Reform- und Ver-
besseningsvorschlägen Wagners seine amtliche Würde immer nur mehr im
blossen Hinhalten und Erschweren jeder tiefer eingreifenden Massregel
bekundete, wie um durch solche rein passive Beweise seiner administrativen
Selbständigkeit zu einem verstärkten Bewusstsein seiner Oberhoheit zu
gelangen, — sich andererseits durch die oberflächliche Süffisance eines
Gutzkow dirigieren liess, dessen Eintritt in das Dresdener Hoftheater-
personal (als .Dramaturg', seit Beginn des genannten Jahres) alsbald zu
neuen Reibungen und Gegensätzen Anlass gab. So hat denn der nächste
in der Reihe Wagnerscher Briefe an Lüttichau von Anfang bis zu Ende
eigentlich nur die Übergriffe dieses Mannes zum Gegenstand, gegen dessen
Willkür sich die GeQeraldirektion in ihrer Schwäche und Nachgiebigkeit
die ärgsten Blossen gab. Eine Reihe von Artikeln Gutzkows in der Brock-
156
DIE MUSIK V. 21.
hausschen «Deutschen Allgemeinen Zeitung', in welcher dieser als sein
eigener Advokat, nämlich als öffentlicher Beurteiler eben desselben In-
stitutes auftrat, an dem er als Angestellter funktionierte, gab zu diesem
Schreiben die nächste Veranlassung. Es ist vom 0. Juli 1847 datiert, und
bisher ebenfalls unveröffentlicht.
Rlehard Wagner an Generaldirektor Frelkerrn Ton Lflttiehan (Xi), 9. Joli 1847.
«Ew. Excellenz
muM ich leider, so listig meine Briefe fallen mögen, nochmals mit einer schriftlichen
Mitteilung heimsuchen.
Meine Stellung zur Oper des Königl. Hoftheaters hat mich zu verschiedenen
Malen mit erneutem Kummer erf&llen müssen; die wiederholt von mir erkannte
Unmöglichkeit, unter den bestandenen Verhältnissen und bei der Konkurrenz gleich
berechtigter Mitsprecher das mir zweckmässig Erscheinende zur Ausf&hrung gebracht
zu sehen, hat mich oft entmutigt und meinen angeborenen Eifer geschwächt: — ich
habe in solchen Stimmungen oft schon erwogen, auf welche Weise es möglich sein
durfte, mich auch meiner Stellung nach aller Verantwortlichkeit für einen Geschäfts-
gang zu entziehen, in welchem ich von verschiedenen Seiten als lebhaft mitwirkend
gedacht werde, und deshalb Meinungen und Ansichten ausgesetzt bin, die mich um
so peinlicher berühren, je höher irrigerweise mein Einfluss angeschlagen wird.
Wie wenig entscheidend ]edoch meine Stimme ist, weiss unter Anderen gewiss
auch Herr Dr. Gutzkow sehr genau: — desto unverschämter ist das Benehmen,
welches dieser jetzt eingeschlagen hat. Ew. Excellenz mache ich daher zunächst auf
die seit kurzem in der Deutschen Allgemeinen Zeitung erschienenen theatralischen
Berichte aus Dresden aufmerksam. — Wenn an und für sich der Gedanke demütigend
war, dass ein Mann, der vor nicht sehr lange eben nur Journalist gewesen, sich seit
dem flüchtig mit dem Theater (...) bekannt gemacht, noch nirgends aber betätigt hat,
dass er von der Sache in Wahrheit etwas verstehe, — plötzlich die höchste technische,
und fast selbst administrative Gewalt über eine Anstalt erhielt, die vorher bereits
schöne Blüten getrieben hatte, so blieb ich doch ohne Grund mich im Interesse der
Oper persönlich zu beklagen, solange ich annehmen durfte, seine Instruktionen er-
streckten sich zunächst nur auf das Schauspiel. Nahm ich aber nun wahr, wie dieser
Mann in der kürzesten Zeit es dabin brachte, dass er seiner abgeschmackten und
die höchste Unkenntnis verratenden Anordnungen und Prätensionen wegen von dem
sämtlichen Schauspielerpersonal bereits verlacht und verachtet wird, so konnte es
mir nicht gleichgültig bleiben, zugleich zu erfahren, dass derselbe auch der Opern-
verwaltung vorstehen sollte. Diese Erfahrung war es, die mich im Anfange dieses
Jahres zunächst von Ew. Excellenz entfernt hielt: ich leugnete bereits nicht, dass
dies aus Verdniss geschah. Was übrigens in dieser Zeit zutage kam, wissen
Ew. Exoellenz: Hm. Gutzkows Leistung war gewissermassen Die Musketiere der
Königin, — die meinige: Iphigenia in Aulis. — Diese Beteiligungen des Drama-
turgen an den Opemangelegenheiten erreichen endlich aber den höchsten Grad —
ich kann nicht anders sagen — unverschämter Lästigkeit seit dessen Berichten in
der genannten Zeitung; denn dass diese Berichte von ihm direkt herrühren, wird
ihm hoffentlich nicht einfallen zu leugnen, widrigenfalls es ihm bewiesen werden
könnte. Ew. Excellenz erkennen daraus den Mann, wie er ist, und wie er Leuten,
die ihn früher kannten, bereits zur Genüge erschienen war: ein Zeitungsehreiber,
157
GLASENAPP: VAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
ein Ctiquenmacher, dem et im vorliegenden Falle nachznkonttruieren iat, data ea
ihm Iceineawega an dem Gedeihen unaerer Oper, aondem nur an der Begründung
aeiner Macht über Allea liegt, indem er auch die Oper mit Peraonen zu beaetzen
wünacht, die zu aeiner Clique gehören. — Die Art und Weiae, wie er ea veraucht
Ew. Ezcellenz durch Zeitungachreibereien und allerhand aonatige Machinationen zum
Engagement der Mad. Kücbenmeiater zu zwingen, iat meinea Erachtena dem Inatitute
und zumal Ew. Ezcellenz gegenüber ao kompromittierend, daaa ea mir — aufrichtig
geaagt — unbegreiflich eracheinen würde, wenn dieaer Mann nicht zur atrengaten
Rechtfertigung gezogen werden aollte, da ich mich nicht erwehren kann zu glauben,
aie müaae ihm eigentlich aeine Stellung koaten, — zum mindeaten weiaa ich, daaa
ein Miniater einen Beamten entlaaaen würde, der aich ein gleichea Vergehen zu
Schulden kommen lieaae.* . . .
Angesichts der völligen Haltlosigkeit Lüttichaus gegen Gutzkow, der
ihm durch seine Dreistigkeit imponierte, war es wahrlich kein geringes
Verdienst, dass sich der junge Meister zu diesem orientierenden Nachweis
herbeiliess. «Unsere Oper ist nur der Spielball einer Partei", Hessen sich
auch die Leipziger Signale (21. Juli) bereits vernehmen, «und wer eigent-
lich Intendant ist, scheint bald unklar zu werden . • . Eben gastiert
Mme. Küchenmeister, von Gutzkow (in der AUg. Zeitung) als Sängerin
ersten Ranges empfohlen. Möge Apollo Herrn Gutzkow nicht strafen I
Die Stimme der Fr. Küchenmeister ist zwar dramatisch belebt, aber" etc.
Wohlerfahren in der Benützung aller sich ihm darbietenden Konjunkturen
und nichts verschmähend, um zu seinem Ziele zu gelangen, hatte sich in-
dessen Gutzkow durch seinen Freund, den Journalisten Küchenmeister und
Gemahl der genannten Sängerin, nun auch noch mit dem Dresdener Kritiker
und Journalisten Karl Banck ins Einvernehmen zu setzen gewusst, um in
bald feinerer, bald gröberer Tonart, übereinstimmend und unverhohlen es
auszusprengen: wenn die Sängerin in Dresden nicht angesprochen habe, so
sei dies die Schuld der musikalischen Direktion gewesen, weil Kapellmeister
Wagner seiner Nichte Johanna Wagner zuliebe die gastierende Sängerin
.schikaniert* habel .Gegen Niederträchtigkeiten dieser Art*, flbrt daher
Wagner in seinem Schreiben an Lüttichau fort, „kann mich mein Gewissen
allein nicht schützen, sondern ich muss meiner Ehre zulieb auf einer
dezidierten Genugtuung bestehen.*
«Dieaer böae Geiat, der durch Cliquenwesen und Verdichtigungaumtriebe alles
ndtige gegenaeitige Vertrauen vernichtet und unaer Inatitut einer aicheren moraliachen
Auflöaung zuführt, kann niemand mehr bekümmern ala mich, der lieb] offen, warm
und begeiatert einem höchaten Ziele zuatrebe, und der ich ohnedem achon ao oft zu
bedauern habe, miaaveratanden und mit üblem Vertrauen belohnt zu werden. Mein
Schmerz, unter aolchen Umatlnden zu immer grOaaerer Unluat und daraua erfolgen-
der Untätigkeit mich verwieaen zu aehen . . ., iat ao groaa und aufrichtig, daaa ich
bei glücklicheren iuaaeren Verhältoiaaen ohne Zweifel achon Se. Majeatät um meine
gänzliche Entlaaaung eraucht haben würde. Gegenwärtig, wo von allen Seiten auf
mich und meine aehr unrichtig gedeutete Einwirkung hergezogen wird, und nun auch
158
DIE MUSIK V. 21.
noch inmitten der Administration Leute sitzen, wie dieser traurige Dramaturg, dessen
ganze Gesinnung und Verfahrungsweise mir als der vollkommene Gegensatz zu der
Richtung eracheint, in welcher einzig die Gewogenheit des Königs und die höhere
Aufmerksamkeit des Publikums dem Institute neu zu gewinnen oder zu erhalten is^
— gegenwtrtigy sage ich, ersShe ich gar kein anderes Mittel innerer und äusserer
Genugtuung als das meiner Entlassung ... und würden es Ew. Excellenz nicht für
gut und zweckmissig halten, Hrn. Gutzkow offiziell von aller Einmischung in die
Angelegenheiten der Oper, und zumsl auch von unseren Opern-Konferenzen zu ent-
fernen, und könnten sich endlich Ew. Excellenz nicht entschliessen, mir die Leitung
der Oper . . . rückhaltsloser zu übertragen, als dies bisher der Fall war, wo ich fast
bei jeder meiner Ansichten und jedem meiner Anträge auf mehr oder minder lihmende
und enchlaffende Entgegnung und Abweisung stossen musste, — so bin ich fest ent-
schlossen, der Weisheit Sr. Majestit des Königs das Ermessen zu übergeben, inwiefern
und auf welche Weise meine an den Tag gelegten Ffthigkeiten als dramatischer Kom-
ponist und Dirigent guter Musiken im Dienste Sr. Majestit so zu verwenden wiren,
dass mir dafür ein Honorar zugestanden werden könnte, welches hinreiche meine
eingegangenen Verbindlichkeiten gegen den Pensionsfonds zunichst zu sichern, mir
aber keine amtlichen Beziehungen und Pflichten in betreff der Opern-
angelegenheiten aufbürde" etc.
Ew. Excellenz wiederholten Beweise grösster, fast unverdienter penönlicher
Geneigtheit und wahrhaft freundlicher Gesinnung sind jederzeit von mir mit so ge-
rührter und dankbarer Einsicht aufgenommen i^orden, dass ich kaum nötig zu haben
glaube, mich gegen den Verdacht zu wehren, als wolle ich mir einfkllen lassen, hier^
mit die abgeschmackte Rolle eines. Drohenden zu spielen; — alle meine Empfindungen
sind so wahrhaft und stark, die Triebfedern meines Handelns so weit entfernt von
allem kleinlichen Eigennutz, dass ich gegen einen solchen Vorwurf mich sicher fühle.
— Lieber überlasse Ich mich aber nackt und schutzlos der Fürsorge
Gottes allein, als dass ich linger in einem Verhiltnisse Schutz suche,
in dem mein Gewissen und meine Ehre zugleich ferner beunruhigt
werden sollten.*^)
Es war weit gekommen in dem anfangs so vielversprechenden Ver-
hältnis, wenn nicht allein sämtliche positiven Reformvorschläge Wagners
im Lauf dieser fünf Jahre seines Dresdener Amtsverhältnisses konsequent
vertagt und dann stillschweigend beiseite gesetzt, sondern ihm schliesslich
noch ein Intrigant wie Gutzkow ungestraft in den offiziellen Kreis seiner
Tätigkeit hineinpfuschen durfte, ohne dass er imstande gewesen wäre, sich
seiner zu erwehren. Als nun Lüttichau auch auf den vorstehenden Brief
hin nicht Miene machte, seinen zudringlichen Ratgeber abzuschütteln, blieb
nichts übrig als der völlige Bruch.
^) Die Hervorhebung im Druck rührt nicht von Wagner her.
Schluss folgt
b man in Salzburg auch seines schlichten einbeimischen Meisters
gedenken wird, wenn man sieb anschickt, im August des Grossen
Andenken zu feiern, der wohl in den Mauern der Salzachstadt
geboren wurde, im übrigen aber sieb erst auswacbsen konnte,
nachdem er sich davon überzeugt hatte, doss unterm Krummstab nicht
immer gut zu wohnen sei, und dass die Atmosphäre daselbst für ihn etwas
Bedrückendes haben musste? Ob man einen Kantus zu Ehren Michael
Haydns steigen lassen, seinem Gedächtnis einen Schoppen im Haydn-
Stübchen des kühlen Peterskellers weihen wird? Verdient hatte es der
brave Mann schon um der Anhänglichkeit willen, die er der freundlichen
Stadt und dem Freundeskreise, den - er dort gefunden, bewies und zwar
nicht immer ganz leichten Herzens bewies. Bisweilen nimllch mag es
auch in dem .ruhigen, klaren Geist", den Schubert dem .guten Haydn"
nachrühmt, rebelliert haben darob, dass er doch eigentlich künstlerisch
kalt gestellt war in seinem Salzburg. .Gebt mir Texte,* heisst es, habe
er oft gesagt, .und verschafft mir die ermunternde ßrstliche Hand, wie
sie über meinem Bruder waltet, und ich will nicht hinter ihm bleiben."
Er würde richtiger noch gesprochen haben, wenn er den Stosseufzer ein-
fach dahin modifiziert hätte: .lasst mich nur nicht hier in Salzburg geistig
verkümmern, das andere wird sich finden I* Führen wir den Gedanken
weiter aus. Hätte sich der Lebensweg Michaels vielleicht auch nicht so
geglittet wie der seines genialen Bruders, der einen Bnanziellen Notstand
nur In den Jahren kannte, die zwischen dem Verlassen des Kapellhauses
bei St. Stephan und seiner Aufnahme in die Kapelle des Grafen Morzin
liegen, .durchgesetzt" hätte ersieh schon; denn er war von echtem Schrot
und Korn und — er konnte etwasi Wie dann der Fall eintrat, dass man
an Michael Haydn von Wien aus sich wandte, Salzburg zu verlassen, da
war es jedenfalls zu spät. Der Meister war ein alternder Mann. Und
wenn er gar meinte, eine würdige Forlsetzung der .Schöpfung* seines
Bruders — noch dazu auf den Text eines Lobbauerl — haben schreiben
zu können, so ersieht man nur, dass er sich doch über sich selber täuschte.
Auch bei Joseph wäre, wie man zu sagen pflegt, der Knoten nicht in dem
160
- DIE MUSIK V. 21.
Masse gerissen, wenn er nicht den Lockungen Salomons nach London ge-
folgt wäre. Mit seinem „etwas vom Philister* hatte er sich jedenfalls in
Esterhaz ähnlich eingesponnen wie Michael in Salzburg. Doch wozu sich
schliesslich mit „ Wenns* und »Abers' herumschlagen. Nehmen wir unsem
Michael Haydn aufs Korn, wie er ist, sehen wir, was dann an ihm bleibt.
Ohne Zweifel, er hat den Besten seiner Zeit genug getan, sein Bruder
und Meister Wolfgang Amadeus waren seine besonderen Schätzer. So hat
er schon gelebt für alle Zeiten, nach dem bekannten Dichterworte. Ja,
Mozart, das lässt sich nachweisen, dankt ihm sogar sehr viel. Wir wissen
ja doch, dass auch die Grössten nicht alles aus sich selbst haben, dass
sie der Anregungen von aussen, auch gleichsam der Stimulantia bedurften,
und erinnern nur einmal daran, wie z. B. ein Beethoven es sich nicht
selten direkt vornahm, mit Mozart zu wetteifern, ihn zu fibertreifen. Wir
machen dabei u. a. nur auf die Entstehung des Es-dur Quintetts op. 16 für
Klavier, Oboe, Klarinette, Hom und Fagott (vom Jahre 1797) aufmerksam
und auf einen Vergleich dieses Werkes mit dem gleichartigen Mozarts vom
Jahre 1784. In ähnlicher Weise wirkte ganz offenbar auch im vorliegenden
Falle der ältere auf den jüngeren Meister ein. Um einige leicht kontrollier-
bare Proben anzufahren, verweist der Schreiber dieser Zeilen den Leser
auf sein im Verlag von Breitkopf & Härtel erschienenes Michael Haydn-
Album (V. A. 1498) für Klavier. Er schaue sich die dort bekannt ge-
gebenen Bruchstücke aus jenem Requiem (c-moll) an, das Michael Haydn
im Jahre 1771 »pro celsissimo principe di Schrattenbach' schrieb, d. h.
zum Gedächtnis des am 16. Dezember gedachten Jahres verstorbenen Erz-
bischofs Sigismund. Wie Mozartisch klingt uns das an! Dann betrachte
er das Fugato-Finale der dreisätzigen C-dur Symphonie vom Jahre 1784
und stelle es in Vergleich mit dem »Jupiter "-Finale. Wie »Verheissung
zu Erfüllung" verhalten sich die beiden Sätze zueinander, gewiss, aber
unverkennbar ist es doch, dass hier der jüngere Meister von dem älteren
Anregungen empBng. Und dass solche von Michael Haydn auf Mozart
stattfanden und stattfinden mussten, wird ja übrigens auch selbst von
Skeptikern kaum in Abrede zu stellen sein, wenn man sie auf Mozarts
Briefwechsel mit seinem Vater verweist. Was schrieb sich nur der jüngere
Meister alles zu Studienzwecken an Werken des Salzburger Kollegen ab!
Kleinere Reminiszenzen, wie sie uns da und dort in einzelnen melodiösen
Phrasen und Wendungen aufstossen — man vergleiche die Anfangstakte
des im obengedachten Klavier-Album mitgeteilten Menuetts aus einem C-dur
Streichquintett mit denen des Terzetts .0 selige Wonne* (Köchel-Verz. 344)
aus Mozarts .Zaide* — könnte man dabei auch leicht in grösserer Zahl
monieren, womit selbstverständlich nicht gesagt sein soll, dass ein Mozart
»Anleihen* zu machen nötig gehabt hätte. Nur zugunsten unseres Meisters
164
SCHMID: JOHANN MICHAEL HAYDN
soll es angeführt werden, dass er sein Scherflein redlich beisteuerte, um
seine Zeit als eine beispiellos produktive erscheinen zu lassen, und wenn
es ihm auch nicht beschieden war, ein «leuchtendes Licht' zu werden,
so war er immerhin, als ein Mitstrebender und zugleich ein Pfadebner
der Grossen seiner Kunst, auch ein Lichtbringer.
Wir wollen nun an dieser Stelle weder ein trockenes curriculum vitae
Michael Haydns bringen, noch uns eingehender fiber sein Schaffen ver-
breiten. Es genfigt, wenn wir als kennzeichnendes Moment anfuhren, dass
eben die starke persönliche Note, der «Charakter* dem letzteren abgeht,
jder sich nur im «Strom der Welt' gewinnen lässt. Der Melodik, der
Orchestration usw. gebricht es an jener Intensität und überzeugenden
Kraft des Ausdrucks, die ein kräftig pulsierendes Temperament zutage
fördert. Mit andern Worten: die Werke des Meisters haben gewisser-
massen etwas Unpersönliches an sich. Aber — seltsamer Ausgleich —
gerade dieses Manko der Muse Michael Haydns wurde auf einem Gebiete
als ein Vorzug empfunden: auf dem der Kirchenmusik. Hier gilt noch
heute in den deutsch-österreichischen Landen unser Meister vielfach als
bedeutendster nationaler Kirchenkomponist. Joseph Haydns Frömmigkeit
gab sich schon seinen Zeitgenossen oft zu «lustig" kund, wie vielmehr der
Gegenwart. Mozart zählt überhaupt mit nur wenigen Werken voll, da die
Mehrzahl seiner kirchenmusikalischen Schöpfungen seiner Jugendzeit ent-
stammen. Gerade seine bedeutendste Kundgebung aber, sein Requiem,
atmet ein so subjektives Fühlen, dass es trotz aller «Frömmigkeit* von
jeher als nicht übereinstimmend mit den Satzungen strenger «Kirchlichkeit"
befunden wurde. Noch weniger natürlich war Beethoven, der «Gottsucher",
ein Kirchenkomponist im orthodoxen Sinne. Als solcher konnte schliesslich
einzig Michael Haydn gelten, der sich auch in den Äusserlichkeiten einige
Reserve auferlegte, das Orchester in seinen grösseren Kirchenwerken,
Messen, Litaneien usw. massvoll und stets begleitend, nie konzertierend
verwendete und für die Solostimmen gleichfalls nicht allzu opemhaft brillant
schrieb, dabei doch immer aber in seinen Hauptwerken eine gewisse Potenz
verriet, die sie weit über die gewöhnlichen «Landmessen" erhob. Was
das geistige Moment anlangt, so war selbstverständlich auch Michael Haydn
vollständig ein Kind seiner Zeit. Sein Glaube war ein durchaus rationa-
listischer, und zwar etwa im Sinne desjenigen, den ein Graun in seinem
«Tod Jesu" bekennt. Ebensowenig wie bei diesem wird in Michael Haydns
Kirchen werken, mit Brendel zu sprechen, «der Hörer über sich selbst
hinausgeführt, im Gegenteil findet er sich selbst und sein alltägliches
Empfinden wieder". Kurz, Michael Haydn ist so recht ein Komponist des
Aufklärungszeitalters in seinen kirchlichen Schöpfungen, aber sein liebe-
und verständnisvolles Eingehen auf die Texte, die ihm vorlagen — es wird
V. 21. 12
162
DIE MUSIK V. ZU
erzählt, er habe sich stets erst mit einem geistlichen Freund über deren
Auslegung beraten, bevor er sich an die Komposition machte — zeitigte
doch manche ganz köstliche .Frucht, und zwar vornehmlich dort, wo es
sich um die kleineren Formen der Gradualien, Otfertorien, Responsorien usw.
handelt. Aus der Zahl der letzteren, speziell der für die Karwoche be-
stimmten, kennt man ja allgemein noch das schöne «Tenebrae factae' für
vierstimmigen gemischten Chor« Kirchenchorleiter seien aber darauf hin^
gewiesen, dass ihm durchaus gleichwertig die Passionsgesänge sind, die
Schreiber dieser Zeilen aus Michael Haydns Responsorien auswählte und
im Verlag von Hermann Beyer & Söhne in Langensalza veröffentlichte.
Das »Caligaverunt oculi mei" beispielsweise ist ein Gesang von unleugbar
grosser und schöner Wirkung. Und so gibt es auch unter den Gradualien
und Offertorien noch manche Nummer, die wohl einer Reaktivierung wert
sein würde, sonderlich auch für die evangelische Kirche, die in Stadt und
Land Motetten gebrauchen kann, die auch bei beschränkteren Chorverhält-*^
nissen ausführbar sind. Dem Geiste seiner Zeit trug nun Michael Haydn
auch insofern Rechnung, als er eine ziemliche Anzahl von Kirchengesängen
in deutscher Sprache schrieb.
Es waren ja die Tage, in denen sich auch der katholische Klerus
in den österreichischen Landen ehrlich zum Deutschtum bekannte und in
denen daselbst sogar deutsche Gesangbücher erschienen. Was Michael
nun da komponierte — er gab selber Melodieen für solche Salzburg-Gesang-«
bücher heraus — das will uns jetzt zumeist nur noch wenig behagen..
Selbst das ihm zugeschriebene, in ganz Österreich als .Militär- oder Feld-
messe* gesungene «Hier liegt vor deiner Majestät" u. a. klingt uns in
seiner Melodik etwas „leierig*. Aber als mildernden Umstand für ihn
wird man da gelten lassen müssen, dass auch die Texte zumeist wenig
dazu angetan waren, seiner Phantasie höheren Schwung zu verleihen. Also
der Ausspruch Michaels: »Gebt mir Texte* hat schon auch wörtlich ge^
nommen seine Berechtigung. Und das erkennt man übrigens zugleich^
wenn man die Lieder und Quartettgesänge des Meisters ansieht. Von den
ersteren findet man zwei im Deutschen Lieder- Verlag von Breitkopf & Härtel
erschienen, typischer Rokoko. Von den anderen veröffentlichte der Schreiber
dieser Zeilen im gleichen Verlag eine Auswahl. Auf diese Gesänge
aber möchte man angesichts des Gedenktags, der die Veranlassung zu
diesem Artikel wurde, doch gerade besonders das Augenmerk lenken.
Einmal legen sie, was man auch an den Poesieen auszusetzen haben mag,.
Zeugnis davon ab, wie gut deutsch man im stillen Salzburg dachte und
fühlte, und das in der Zeit, in der das Deutschtum politisch seinen tiefsten
Stand erlebte. Dann sind sie aber auch noch um deswillen nicht gering
zu bewerten, weil man in ihnen die ersten unbegleiteten Männer«^
163
SCHMID: JOHANN MICHAEL HAYDN
quartette vor sich hau Im .Haydn'-Stfibchen des Salzburger Peters-
kellers oder draussen im Garten zu Armsdorf beim Pfarrer Rettensteiner,
dem Intimus Michael Haydns, stand im Rahmen einer feuchtfröhlichen
Geselligkeit die Wiege dieser echt deutschen vierstimmiggesetzten Lieder»
wie wir sie einmal nennen wollen — der erste Tenor ist zumeist allein
der Melodieführer, die andern Stimmen vervollständigen nur die Harmonie —
und sie singen uns, wenn auch auf mangelhafte Worte, doch von allem,
was immer nur eine deutsche Brust erfüllen mag. Da wird auf immer
neue Weisen das Lob des Weins, auch das des Bieres übrigens, verkündet,
da wird die Schönheit der Natur, die Freude am Landleben u. a« m, in
Tönen gefeiert. Aber auch des bedrohten Vaterlandes und der Freiheit
wird gedacht. Ein Kantus steigt auf «Erzherzog Karl", ein andrer beklagt
das «Fällen der Freiheitsbäume in der Schweiz* , d, h. die Begründung der
sogenannten «Helvetischen Republik" seitens der französischen Machthaber.
An die kriegerischen Zeiten mahnen ferner allerhand «Invaliden'-Gesänge^)
u. a. m. Kurz, es spiegelt sich auch ein Stücklein Zeitgeschichte in ihnen
wider, nur eben, wie es nicht anders sein konnte, von einem etwas klein-
bürgerlichen Standpunkt aus angesehen, und das schliesslich textlich wie
musikalisch; denn Michael Haydn hatte sich eben den Verhältnissen an-
gepasst, in denen er alt geworden. Aber rechten wir mit dem Geschick
nicht darob, dass es diesem «zweiten Haydn" einen Lebensweg versagte,
der das «'was vom Philister", das ihm wie seinem erfolgreicheren Bruder
anhaftete, etwas mehr zurückgedrängt hätte. Es kann eben nicht lauter
«führende Geister" geben. Zählen wir Michael Haydn zu denen, die erst
der künstlerischen Betätigung, dann dem Verständnis unsrer klassischen
Meister, vornehmlich in süddeutschen Landen, vorarbeiteten, dann dünkt
uns das schon genug, ihm einen Ehrenplatz im Tempel deutscher Kunst
zu sichern.
^) Siehe die Beilagen dieses Heftes.
wVÜHklw.
12'
[hrend es fär den Muslkliebhaber oder Forscher bei vielen
Komponisten oft recht schwierig, ja sogar mitunter unmögllcb
ist, sieb über einzelne, weniger bekannte Kompositionen zu
orientleren, ist dies bei Mozart, dank der unvergleichlich gründ-
lichen und ausführlichen Werke von Jahn und Köchel, ein leichtes.
Wer sich für ein spezielles Opus von Mozart interessiert, hat sich
nur der Mühe zu unterziehen, Kdchels thematisches Verzeichnis aufzu-
schlagen und wird hier in wohltuender Klarheit und Knappheit alles
Wissenswerte sowie die nStigen Hinweise auf die ausführlichere Biographie
Jahns finden.
Leider enthält das Verzeichnis KScbels auch gar manche Nummer,
zu der nur ein .Unbekannt" gesetzt werden konnte, und unerseizliche Ver-
luste mögen es manchmal sein, die die Musikliteratur betroffen haben.
Von vielen der febleoden Werke kennen wir indessen die ersten Takte
oder Anhngsworte aus dem bekannten thematischen Verzeichnis, in das
Mozart vom Jahre 1784 ab bis kurz vor seinem Tode die Anfangstakte
eines jeden Opus chronologisch und jeweils mit genauem Datum eigen-
händig eintrug. Bekanntlich besitzt die Familie ARdr£ in Offenbach-Frank-
furt noch beute dies kostbare Autograph, das zweimal (1805 und 1828)
im Druck veröffentlicht wurde.
In diesem authentischen Verzeichnis beßndet sich unter No. 04
folgende Eintragung:
1788, den II. AuEust,
Ein Lied .Beym Auszug in das Feld'
Köchel hat das Lied anter No. 552 in sein Verzeichnis aufgenommen
HIRSCH: UNBEKANNTES LIED VON MOZART
and dazu bemerkt: »Autograpli, Ausgaben, Abschriften unbekannt.' In
der neuesten Ausgabe des Köchelscben Verzeichnisses, die 1905 erscblenen
ist, hat sich hieran nichts geändert.
Otto Jabn schreibt über das Lied (I. Ausgabe III, S. 288 Anm. 28),
dass es vermutlich ebenso wie das Lied .Ich mSchte wohl der Kaiser sein"
(KÖchel 530) mit Bezug auf den eben begonnenen Türkenkrieg geschrieben
sei; auch Jahn halte nichts Näheres darüber ausfindig machen können.
In einem Konvolut alter Noten und Handschriften aus dem Besitze
des vor etwa 45 Jahren verstorbenen Prager Bürgermeisters Wenzel Vanka
fand sich nun vor kurzem das hier mitgeteilte*) Blatt, das ich von der
Prager Antiquariatsfirma Taussig erworben habe. Die Verfassung des Blattes
scheint darauf hinzuweisen, dass es aus einem Almanach oder einer Zeit-
schrift herausgerissen ist und etwa zu Ende des 18. Jahrhunderts gestochen
wurde.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sieb um einen echten
Abdruck des bisher verschollenen Mozartschen Liedes .Beim Auszug in
dos Feld- handelt.
Das Lied ist augenscheinlich, wie Jahn schon annahm, eine Ce-
legenheits-Komposition ; es ist gewiss kein hervorragendes Verk des
Meisters, aber nichtsdestoweniger muss es für jeden Freund Mozarts von
Interesse sein, nicht vum Wenigsten darum, weil es am Tage nach Voll-
endung der grossen C-dur<Jupiter)-Symphonle geschrieben wurde. Frisch
und volkstümlich ist Komposition und Text, und leicht prägt sich die Me-
lodie dem Gedächtnis ein; dabei sind einige Wendungen unverkennbar echt
mozartisch, so besonders das kurze Nachspiel.
Leider ist es mir nicht gelungen festzustellen, wo das Lied publiziert
wurde, auch konnte ich zu der ersten Strophe des Textes nirgends die
Fortsetzung finden; vielleicht trägt diese Veröffentlichung dazu bei, hier
Klarheit zu schaffen.
■) Siehe die Mmikbellage iliei^> Heftes.
Is dauerte etva zehn Jthre, bevor sich Clara Schumann wieder
' dem Liede zuwaodte. Vom 10. bis 22. Juni 1853 komponierte
\ sie secbs Gedichte von H. Rollett, die als op. 23 erschienen.
I Da sich diese Lieder in ihrem Stil von den früheren nicht
wesentlich unterscheiden, können wir sie gleich hier besprechen. Vihrend
der Arbeit daran schrieb die Komponistin die schönen Worte In ihr Tagebuch:
„El geht doch nlcbti iiber dis seibat Produijeren, und w^re et nur um dieie
Stunden des SelbitverceHeni, wo man nur noch in TSnea atmeL"
In den ersten vier Liedern ist gegen früher wohl eine sicherere, ge-
übtere Hand zu erkennen ; denn wenn sie anch nicht alle auf gleicher Höhe
stehen, so herrscht in ihnen doch eine gewisse Gldchmasslgkeit des Ge-
lingens. Sehr hübsch und anmutig ist No. 1. Man könnte es für eine
Komposition von Schumann halten, und trotz dieser engen Anlehnung ist
es nicht matt oder nnorlginelt. Die zweite Melodiezeile wird zuerst vom
Klavier allein gebracht, wie ja Schumann derartige kleine, vorbereitende
Zwischensitze besonders Hebt und wie sie übrigens schon in No, I und 3
aus op. 13 vorkommen. Sehr schön sind die in der 2. und 3. Strophe
vorgenommenen Veränderungen. Das zweite Lied bleibt trotz seiner guten
Begleitung In gebrochenen Akkorden und trotz des harmonisch interessanten
Vorspieles, das freilich am Schluss eine Härte enthält, zu sehr in Schu-
mannschen Formen behngen. Dagegen zeigt das dritte Lied mehr nur im
allgemeinen den Stil des Meisters. Vorgezeichnet ist Dreiachteltakt, der
aber in der Singsdmme als dreiteiliger, in der Begleitung als zweiteiliger
Sechssechszehnteltakt behandelt wird. Die so entstehende rhythmische
Verworrenheit dient hier dazu, eine Stimmung in uns zu erzeugen, die
derjenigen Ibnllcb ist, die das geheimnisvolle Rauschen und Flüstern im
Talde, von dem im Texte gesprochen wird, in uns hervorrufen würde.
Dies ist vollkommen gelungen, und überhaupt Hegt über dem Liede etwas
eigenartig Dämmeriges. No. 4 nähert sich im Anschluss an das volks-
tümlich geßrbte Gedicht dem Ton des älteren Volksliedes, wie er zuweilen
von Mendelssohn und Schumann, sehr häufig aber von Robert Franz an-
167
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
geschlagen wurde. Wie bei diesem so oft, ist die Begleitung annähernd
zum vierstimmigen Chorsatz verdichtet. In der letzten der im übrigen
gleichen Strophen erRlhrt der Schluss eine Erweiterung unter sehr wirk-
samer Verwendung des Durdreiklanges auf der erniedrigten 2. Stufe der
Molltonart. Auch diese Erniedrigung gehört zu den Ausdrucksmitteln,
die die Romantiker von den Alten entlehnten und der modernen Tonkunst
als Bereicherung zuführten.
Die beiden letzten Lieder weichen von dem Stil der vorangegangenen
und überhaupt von der bisherigen Schreibweise Clara Schumanns etwas
ab. Sie sind, möchte man sagen, in einem auf das begleitete einstimmige
Lied übertragenen und zugleich veredelten Liedertafelstil gehalten. Dieser
Stil mag unter Umständen seine Berechtigung haben, aber einer Clara
Schumann liegt er nicht. Vielleicht wurde sie durch die schwächliche
Poesie der Texte unwillkürlich zu seiner Anwendung verleitet, vielleicht
auch durch die rheinische Sangeslust, die ihr in Düsseldorf entgegentrat.
In dem ersten der beiden Lieder finden sich, dem Text entsprechend,
Andeutungen des Vogelgesanges und Nachahmungen der Jagdhömen
Über die Lieder Clara Schumanns hat ihr Biograph ganz im all-
gemeinen ein Urteil abgegeben, freilich in erster Linie in bezug auf ihr
Verhältnis zu den Texten. Er schreibt:
i»E8 ist ein wunderbar ioniges sich Einfühlen in den Text und zugleich ein
wunderbar sicheres Herausholen aller in diesem Text noch eingeschlossenen, ge-
wissennassen unter der Oberfliche der Worte liegenden Stimmungs- und Empflndungs-
keime.* >)
Darin können wir ihm nur recht geben. Das Ausschöpfen auch der
unausgesprochenen Stimmungen, das naturgemäss hauptsächlich der Be-
gleitung und hier wieder namentlich den Zwischensätzen und dem Nach-
spiel zußllt, geht .auf Schumann zurück, dessen Hauptverdienst um die
Entwicklung des Liedes gerade darin besteht, ihm dieses Moment zugeführt
zu haben. Wenn aber Litzmann fortfährt:
jyUnd dabei noch etwas Eigenes, das aber eigentlich ungewollt ist: der Wider-
schein, der Widerklang jenes ,hiu8lichen Glückes' im höchsten Sinn*,
60 kann ich darin nur Phantasterei erblicken; denn es wäre z. B. um
das Lied ^Sie liebten sich Beide" schlecht bestellt, wenn darin etwas von
»häuslichem Glücke* zu bemerken wäre. Ein derartiges willkürliches
Hineintragen von Schicksalen, Stimmungen oder Ansichten des Komponisten
in seine Werke kann man nicht entschieden genug zurückweisen.
Die Komposition für Klavier scheint Clara Schumann erst Ende 1842
oder Anfangs 1843 wieder aufgenommen zu haben. Wenigstens notierte
Schumann im Februar dieses Jahres in sein Tagebuch:
^) Litzmann a. a. O., Seite 24.
168
DIE MUSIK V. 21.
»Clara hat eine Reihe von kleineren Stficken geschrieben, in der Empfindunf
80 zart und musikreicb, wie es ihr früher noch nicht gelungen.*
Obgleich es bekannt ist, dass er in der Milde seines Urteils selbst
da, wo ihn keine persönlichen Beziehungen bestechen konnten, manchmal
zu weit ging, fällt es mir doch schwer, zu glauben, dass er mit seiner Be-
merkung die «4 flfichtigen Stücke*, op. 15, gemeint habe, die zwischen
1843 und 1845 erschienen sein müssen; denn drei' davon sind wirklich
unbedeutend. Der Grund für dieses auffallende Misslingen ist vielleicht
darin zu suchen, dass sie sich alle in langsamem Tempo bewegen. Wenig-
stens zeigt das kleine Scherzo, mit dem das Heft schliesst, gleich wieder
ein anderes Gesicht. Es ist ein in seiner Anspruchslosigkeit gefälliges
und hübsches Musikstück. Noch wäre zu bemerken, dass sich in No. 2,
Un poco Agitato, im Mittelteil ein harter Querstand findet, und dass No. 3,
Andante espressivo, sehr entschieden unter Mendelssohnschem Einfluss steht.
Auf ein ganz anderes Gebiet führt uns das folgende Werk. Es ent-
hält die einzigen veröffentlichten Versuche der Komponistin in der poly-
phonen Schreibweise ganzer Stücke. Am 23. Januar 184^ notierte sie:
»Heute begannen wir kontrapunktische Studien, was mir trotz der Mühe viel
Freude machte; denn ich sah, was ich nie möglich geglaubt, bald eine selbstgemachte
Fuge und sah bald mehrere, da wir die Studien regelmässig alle Tage fortsetzten." ^)
Noch im selben Jahre erschienen als op. 16 drei Präludien und
Fugen. Da sie in der erwähnten Notiz weiter sagt, sie habe bis jetzt noch
kein schönes Fugenthema finden können, werden die Themen dieser Fugen
wohl erst etwas später, nach fortgesetzter Übung, entstanden sein. Freilich
entspricht das erste noch nicht allen Anforderungen, die man an ein
gutes Fugenthema stellen muss. Es lautet:
Man sieht, dass hier nicht, wie fast durchgängig in den Bach'schen
und anderen guten Fugenthemen, zwei kontrastierende rhythmische Be-
wegungen vorhanden sind, wodurch das Thema erst Gestalt und Leben er*
hält, dass vielmehr der gehaltene Ton nicht ausreicht, um zu den Sechs-
zehntelfiguren einen deutlichen Gegensatz zu bilden. Wie es kaum anders
sein kann, teilt sich die rhythmische Monotonie des Themas der ganzen
^) Litzmann a. a. O., Seite 131. Man wird die Inkongruenz in den Zeit-
bestimmungen bemerkt haben. Ich weiss nicht, ob hier eine Flüchtigkeit des Tage-
buches oder des Biographen vorliegt.
169
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
Fuge mit. Viel besser ist die zweite Fuge gelungen, der folgendes Thema
zugrundeliegt:
Es ist klar, dass sich hieraus etwas machen Hess, und wirklich hat
sie, obgleich nicht, wie die vorige, drei-, sondern vierstimmig, einen
gewissen frischen Zug. In No. 3 ist die Bearbeitung trotz des guten,
stark von Bach beeinflussten Themas:
r T »J Ijü
ziemlich langweilig ausgefallen. Die Fuge ist wieder vierstimmig und
bringt am Schluss eine kleine Engführung.
Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass sich diese Fugen mit
denjenigen Mendelssohns oder Schumanns nicht vergleichen können. Sicher
war die Komponistin selbst hierfiber niemals im Zweifel; denn in ihrem
Tagebuch heisst es einmal, freilich bevor sie sich selbst in dieser Gattung
versucht und bevor Schumann seine herrlichen Orgel- und Klavierfugeo
geschrieben hatte:
.Die Mendelssobnsctaen Fugen kommen einem doch nach den Bachschen
irmlich vor. Man sieht auch sehr, wie sie gemacht sind und es ihm wohl manchmal
schwer geworden ist. Ich glaube übrigens gewiss, es lebt jetzt keiner, der solche
Fugen schreiben könnte, als Mendelssohn.* ^)
Von den Präludien ist nur das dritte im gebundenen Stil gehalten,
wie ja auch Bach in den Präludien die Polyphonie keineswegs streng
durchführt. Obgleich diese Schreibweise der Komponistin von Hause aus
fernlag, ist doch gerade dieses Präludium, dem sich die Fuge unmittelbar
anschliesst, entschieden das beste. Unter den beiden anderen verdient das
erste mit seiner synkopierten Oberstimme den Vorrang, während das
zweite, in der Art eines Liedes ohne Worte gehalten, nicht eben viel zu
bedeuten hat.
Vom Mai bis September 1846 entstand ein Werk, das Clara Schumann
auf einer Höhe zeigt, deren Ersteigung man ihr nach ihren bisherigen
kompositorischen Leistungen wohl kaum zutrauen konnte. Es ist ein
Trio für Klavier, Violine und Violoncell, op. 17. Hören wir zu-
nächst, wie naiv und bescheiden sich ihre Freude über das Gelungene
äussert und wie sich doch schon zugleich und mit der Zeit immer stärker
die Kritik in ihr regt. Im Oktober 1846 schreibt sie:
»Es geht doch nichts über das Vergnügen, etwas selbst komponiert zu haben
und dann zu hören. Es sind einige hübsche Stellen in dem Trio, und, wie ich glaube,
^) Litzmann a. a. O., Seite 17.
170
DIE MUSIK V. 21
ist et l^uch in der Form ziemlich gelangen. Natürlich bleibt es immer Frauenzimmer'-
arbeit» denen es immer an der Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt*
Am 18. November heisst es:
»Ich spielte heute abend Roberts Klavierquartett und mein Trio, das mir, ]e
öfter ich es spiele, je unschuldiger vorkommt.'
Und nun gar ein Jahr nach der Vollendung, im September 1847:
.Mein Trio erhielt ich heute auch fertig gedruckt; das wollte mir aber nicht
sonderlich auf des Roberts d-moll munden. Es klang gar weibisch sentimental.*
Gegen diese harte Beurteilung von seiten der Komponistin müssen
^ir das Trio entschieden in Schutz nehmen. Freilich, nach Schumanns
Klavierquartett oder gar nach seinem d-moll Trio gespielt , das zum Ge-
iKraltigsten und Männlichsten gehört, was er überhaupt geschrieben hat,
wird es keine Wirkung tun. Aber wir müssen es für sich selbst be«
trachten, und da zeigt sich, dass uls sentimental nur der Hauptteil des
langsamen Satzes bezeichnet werden muss, dass es im übrigen zwar nicht
von Kraft strotzt, was auch durchaus nicht von jedem Werke zu verlangen
ist, dass es aber nicht in Weichlichkeit verßllt, endlich, dass es weit mehr
bietet als einige hübsche Stellen, nämlich ein einheitliches Ganzes, also
auch in der Form durchaus gelungen ist. Letzteres ist um so beachtens-
werter, als die Komponistin hier zum ersten und übrigens auch zum ein-
zigen Mal einen wirklichen ersten Sonatensatz schrieb. Diesem war sie
im ersten Satze ihres Konzertes, das neben dem Trio ihr einziges gross
angelegtes Werk ist, nur bis auf einige Entfernung nahegekommen, wie
unsere kurze Analyse gezeigt haben wird, teils weil die Konzertform
grössere Freiheit erfordert, teils weil es sich die damals noch so junge
Künstlerin verhältnismässig bequem gemacht hatte. Dass sie der Sonaten-
form so lange fernbleiben konnte, erklärt sich wieder aus den musikalischen
Strömungen ihrer Zeit. In der Klavierkomposition, der sie sich ja zunächst
ausschliesslich zuwandte, wurde seit dem Tode Beethovens die Sonate durch
«ine Unzahl neu aufkommender, einsätziger Formen immer mehr zurück-
gedrängt und ist heute so gut wie völlig verschwunden, während sie in der
Kammermusik ihre Herrschaft stets ungeschwächt behauptet hat.
Der erste Satz unseres Trios, Allegro moderato, g-moll, hat ein
schönes Hauptthema mit einem charakteristischen Oktavensprung und ein
in Melodie, Harmonie und Rhythmus stark an Schumann erinnerndes
Seitenthema. Im Übergang zu diesem findet sich eine Sequenz, die,
sicher ohne Absicht, fast notengetreu aus Schumanns Klavierquintett ent-
lehnt ist. Der Durchführungsteil, bekanntlich diejenige Stelle im ersten
Sonatensatze, die das meiste technische Können erfordert, ist sehr gut
gelungen. Er behandelt nacheinander zwei Motive aus dem Hauptthema.
Auch der Schlussatz des Trios, Allegretto, wieder g-moll, nähert
171
HOHENEMSER: CL,ARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
sich, wie dies so häufig geschieht, der Form des ersten Sonätensatzes.
Aber, gerade die Art, wie er von dieser abweicht, ist hier besonders
interessant. Nachdem sich aus einem sehr schönen Hauptthema, das sich
ebenso wie seine gleich darauf folgenden Umspielungen in ausgeprägt
Mendelssohnscher Melodik bewegt, und einem graziösen Seitenthema, das
mit ; seinen Synkopen wieder die Einwirkung Schumanns verrät, ein voll-
ständiger erster Teil des ersten Sonatensatzes aufgebaut hat, wird das Haupt-
thema über einem Orgelpunkt der Dominante und mit sehr eigenartiger
Harmonisierung wieder eingeführt. Nun folgt eine Fugierung über sein erstes
Motiv, dann eine Verarbeitung dieses Motives und des Anfanges des Seiten-
themas, endlich eine neue Fugierung mit sehr gut klingenden Engführungen.
Alles dies steht an Stelle der Durchführung; denn nun kehrt der Satz in
den Anfang zurück und entwickelt sich ganz wie der Schlussteil des ersten
Sonatensatzes. Zuletzt erscheint das Thema kodaartig und wieder in be-
sonders wirksamer Harmonisierung, worauf das Ganze in G-dur leise aus-
klingt. Die Verwendung fugierter Stellen mitten im freien Satze kannte
$chon Beethoven. Aber in unserem Falle war das nächstliegende Vorbild
jedenfalls der letzte Satz in Schumanns Klavierquintett, wo freilich der
Übergang von der Homophonie zur Polyphonie in weit grossiartigerer und
packenderer Weise durchgeführt ist.
Der zweite Satz des Trios, ein Scherzo, Tempo di Minuetto, B-dur,
ist im Haupt- und Mittelteil durch grosse Feinheit und Anmut ausgezeichnet.
Im zweiten Teil des Hauptsatzes erinnert eine Steigerung mit Imitationen
sehr entschieden an die bekannte «Träumerei" von Schumann. Über das
Andante, G-dur, ist nur noch zu bemerken, dass sich der erregte Mittel-
teil in e-moll nicht nur als Kontrast zum Vorangegangenen, sondern auch
durch seinen eigenen Wert hervortut.
Die Instrumente sind in dem ganzen Werk mit autfallender Sicher-
heit behandelt. Das Klavier drängt sich nirgends hervor, sondern ist ver-
hältnismässig einfach, im echten Kammermusikstil gehalten. Der Violine
fallen viele dankbare Aufgaben zu, und auch das Violoncell erscheint, wie
es seit Beethoven üblich wurde, nicht selten als selbstständige, d. h. vom
Klavierbass losgelöste Stimme.
Formgewandtheit, Wohlklang und eine gewisse, nunmehr als persön-
liche Eigenart hervortretende Weichheit sind es, die das Trio charakteri-
sieren und weit über die früheren Instrumentalkompositionen erheben.
Obgleich nach seiner Vollendung in dem Schaffen Clara Schumanns eine
jahrelange Pause eingetreten zu sein scheint, machen sich die gleichen
Eigenschaften doch auch in den späteren Werken geltend. Im Sommer 1853
muss der Drang zur Komposition in ihr mit aller Macht neu erwacht sein;
denn vom 20. Mai bis 3.. Juni dieses Jahres entstanden die Variationen
172
DIB MUSIK V. 21.
Op. 20, hierauf die bereits besprochenen Lieder Op. 23, und schon am
29. Juni waren drei Romanzen ffir Klavier, Op. 21, vollendet. Im
Juli folgten noch drei Violinromanzen, Op. 22.
Während der Arbeit an den Variationen schrieb sie in ihr Tagebuch:
9 Es wird mir aber sehr schwer; ich habe zu lange pausiert." Dagegen
heisst es nach der Fertigstellung: »Wie mir scheint, nicht misslungen."
Das Thema dieser Variationen ist jenes schöne fis-mollstQck von Schumann
aus den »Bunten Blättern* Op. 00, das nicht viel später Brahms
seinem gewaltigen Variationenwerk Op. 0, dem ersten, das er in dieser
Gattung veröffentlichte, zugrunde legte. Gegen dieses, das sich, durch
Beethovens Eroikavariationen und Schumanns symphonische Etüden vor-
bereitet, in der Behandlung des Stoffes an die »Aria mit 30 Veränderungen*
von Bach anschliesst, nehmen sich Clara Schumanns Variationen freilich
sehr bescheiden aus. Sie haben die gewöhnliche Form, d. h. die Melodie
bleibt stets in der Oberstimme und wird im wesentlichen nur verschieden-
fach verziert und figuriert. Aber sie sind reich an gewählten Figuren und
Harmoniewendungen. Ganz besonders gilt dies von der Fis-durvariation.
Es war bekanntlich allgemeiner Brauch, wenn das Thema in Dur stand,
mindestens eine Variation in der gleichnamigen Molltonart zu bringen und
umgekehrt. Hier aber geschieht etwas neues, indem die Durvariation zu-
letzt nochmals erscheint und das Ganze mit einer verklingenden Koda
stimmungsvoll abschliesst. In der ersten Variation begegnen wir wieder
dem Durdreiklang auf der zweiten erniedrigten Stufe der Molltonart.
Die Klavierromanzen sind Brahms, die Violinromanzen Joachim ge-
widmet, also jenen beiden Männern, die Schumann in seinen letzten
Jahren als Menschen und als Kunstler am nächsten standen und auch
seiner Gattin in den furchtbaren Zeiten, die nun fiber sie hereinbrachen^
die treueste Freundschaft bewährten. Von den Romanzen für Klavier ist
No. 3, ein Agitato in der Weise Chopin's, wohl am wenigsten selbständig,
und bedeutend. In No. 1 steht zwar das Thema unter dem Einfluss
Mendelssohns; aber die Harmonik, die kfihner ist als bei ihm in der
Regel, verleiht dem Stücke doch eine gewisse Eigenart. Auch eine rhyth-
mische Kfihnheit findet sich, indem im Mittelteil im Viervierteltakt ein-
mal 5 Noten der einen gegen 4 der anderen Stimme gesetzt sind. No. 2,.
eine Art Scherzando, erinnert nur von fem an Schumann. In allen drei
Stücken fällt die Gewandtheit auf, mit der die Rückkehr in den Anfang:
bewerkstelligt ist.
Die erste der Violinromanzen gehört zu den wenigen getragenen
Kompositionen Clara Schumanns, die gut gelungen sind. Sie besteht
aus nur einem Teil mit Rückkehr in den Anfang und hat eine sehr selb-
ständige, melodisch geführte Begleitung. In No. 2 ist, wie im letzten
173
HOHENEMSER: CLARA SCHUMANN ALS KOMPONISTIN
ßatze des Trios, unter der Einwirkung Mendelssohns ein sehr gutes Moll-
thema zustandegekommen. Auch der in Dur stehende Mittelteil mit kleinen
Imitationen in der Begleitung ist sehr hübsch. Das Hauptthema wird bei
seiner Wiederkehr kanonisch behandelt. Die dritte Romanze, deren Anfang
sehr stark an Schumann anklingt und deren Mittelteil an das Gewohnliche
streift, fällt etwas ab.
Nicht lange nach dieser Zeit reinster Schaffensfreude, im Februar 1854,
kam Schumanns letzte Krankheit zu gewaltsamem Ausbruch, und zwei
Jahre später wurde er von seinen Leiden erlöst. Diese Ereignisse scheinen
in Clara Schumann die Lust am eigenen Produzieren für immer ertötet zu
haben. Zwar existieren von ihr Kadenzen zu Beethovens c-moll Konzert,
die vielleicht erst später entstanden sind; aber derartiges ist doch den
eigentlichen Kompositionen nicht beizuzählen. —
Wenn wir versuchen, uns über das produktive Schaffen Clara Schumanns
ein Gesamturteil zu bilden, so dürfte sich etwa folgendes ergeben: das
Komponieren war nicht ihre Lebensaufgabe, und sie selbst war hierüber
keinen Augenblick im unklaren. Aber es war ihr wie eine einsame Insel,
auf die sie sich von Zeit zu Zeit zurückzog, um ganz sich selbst, ganz
ihrer musikalischen Phantasie zu leben. Dass sie dabei nicht in phan-
tastische Träumerei verfiel, davor bewahrte sie die gründliche Ausbildung,
die sie genossen, und ihr gesunder Geschmack. Wie alle, denen „der
göttliche Funke" versagt, aber ein gewisses Talent gegeben ist, bedurfte
sie der Anlehnung, und sie fand sie, nachdem sie die Jugendeindrücke
überwunden hatte, auf den Höhen der Tonkunst ihrer Zeit. In ihrer Ent-
wicklung spiegelt sich im Kleinen, was diese Zeit im Grossen leistete,
nämlich der -Umschwung von Oberfiächlichkeit und Virtuosität zu der auf
Beethoven fussenden Romantik, und innerhalb der Romantik gelang es ihr
sogar, eine nicht grosse, aber doch anziehende und liebenswürdige Indivi-
dualität zu offenbaren. Wir haben stets darauf hingewiesen, wie sich zum
Teil gerade in ihren besten Werken fremder Einfluss am wenigsten geltend
macht. Mit der Veröffentlichung ihrer Kompositionen wäre sie wahr-
scheinlich vorsichtiger gewesen, wenn nicht erst ihr Vater und dann
Schumann als künstlerische Autoritäten hinter ihr gestanden hätten. Aber
vor allem einige ihrer Lieder und das Trio, dann auch ihre letzten In-
strumentalstücke und vielleicht einzelnes früheres verdienten, im häuslichen
Kreise, wo man gute Musik liebt, aber die Ansprüche nicht jeden Augen-
blick aufs äusserste spannt, gepflegt zu werden. Dort könnten sie manche
Freude bereiten und das Andenken an die edle Künstlerin auch von dieser
Seite her, die aus ihrem Leben und Wesen gar nicht wegzudenken ist,
lebendig erhalten.
BÜCHER
159. E. T. A. HoSmanns almtllcbe Terke in 15 Binden. HerBni|egebea mit
einer blognphlacben Einleitung von Eduard Grlaebicb. Nene, um die
mualliali sehen Schriften vermehrte Ausgabe. Verlag: Max Hesse, Lelpiig.
Eduard Grlaebacb, dem am 22. Min dleaea Jabres verstorbenen Dichter des
.Neuen Tannbiuser*, einem der bedeutendstea deulscben Biblioptallen, verdanken
wir neben einer Reibe ireffllcber Neuausgaben deutscher Dichter die vorliegende,
im Jahre 1899 erstmalig erschienene Gesamtausgabe des grossen Romantikers, der,
ein Johannes der Musik, alles das voraboend welstagte, was spiter von dem ihn
glühend verehrenden Richard XTagner so herrlich erfüllt wurde. In der ersten Auflage
der Griiebach sehen Ausgabe waren merkw&rdlgerweiie die musfka] lachen Schriften
Hoffmanns, die erst das eigentliche Versllndola der dichterischen Persönlichkeit des
skurrilen Kammergerlcblsrates vermittelten, ausgeschlossen geweaen, angeblich .ihres
speziflach musikgelebrten Charakters wegen*. Daas Grisebach damit Hoffmann ein
grosses Unrecht antat, wies Ich auafübrllcb in einem Artikel der .Frankfurter Zeitung*
(24. Mirz 1900) nach, und dieser von Grisebach lu meiner beaonderen Genugtuung Im
Vorwon der neuen Auflage ilHerte Aufsatz, In dem Ich die fehlenden Artikel genau an-
gab, ist nun die Veranlassung zur Anftiahme einer Reibe von pricbdgen muslkaliachen
Aubltien gewesen. Tarum sich jedoch Grisebach darauf bescbrinkte, nur einen Teil
der Aufsltie (nimllcta ausser dem von mir entdeckten Auhatz Qber Kotiebues Opem-
almanacb nur die In der inkorrekten Endeachen Ausgabe enthaltenen, hier korrekt ab-
gedruckten Aufsiue} aufzunehmen, ist mir rltselbaft. Ich vermisse so vor allem den
herrlichen Aufsatz Qber Job. Seh. Bachs englische Suiten [Allg. Mus. Ztg. 1813, Seite 68 f.,
von mir neuverSIfentllcht Im 10. Jahrg. der Zeiiachrlft für Haus- und Kirchen musilc.
.Zur Beurteilung J. S. Bachs*, Heft 3 Seite 37) und ausserdem Besprechungen von PaErs
Sofonisbe, Tebers Deotala und Brauns Symphonie, von denen zum mindesten die Ein-
leitungen den Neudruck reichlich gelohnt hitten. Aber auch die Aufnahme der Aufsitze
über Fioravand und Michael Hayda, deren Auaschlusa leb seinerzeit beantragt halte, mSchte
ich nach neuerlicher Prüfung befürworten. Nun muss leider auch ein Won über die
AchlUesterae der im übrigen so musterhaft korrekten Ausgabe Grlaebacbs gesprochen
werden: die Notenbeispiele. Grisebach scbeintsebr unmusikalisch gewesen zu sein, denn
sonst bitte er die Fülle grober Fehler in den Notenbeispielen bemerken müssen. Aller-
dings bat er die Noieobeiaplele so, wie sie in den Originaldrucken stehen, wiedergegeben,
allein dort schon ist die Zahl der Fehler Legion, da Hoffmann selbst sicher keine
Korrekturabzfige zur Vert&guag hatte. Es wire also an Grisebach die Notwendigkeit
herangetreten, die Musikbelaplele von einem Fachmann revidieren zu lasaen. Dass er
dies nicht tat, hat die Brauchbarkeit des 15. Bandes stark vermindert, und man kann
dem Verlag nur raten, diesen Band oeudrucken zu lasaen. Bei einem solcben Neudruck
kOnnte man mit den Notenbeitpielen, die genau nacb den authentischen Drucken (bei
Beethoven also nacb der Breitkopfscben Geaamtausgabe) zu revidieren wiren, viel freier
verfahren, da man gegenwirtlg, wo Beethovens Terke Gemeingut der mueikaliach Ge-
175
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
bildeten sind, nicht mehr so ausf&hrlicher Zitate bedarf als zu der Zeit, da die betreffendei»
Werke gerade erschienen. Es genfigt, wenn die Notenbeispiele den Text verdeutlichen
und das Nachschlagen in der Partitur erleichtem. Aber dass die Schlüssel, Vorzeichnungen
und Versetzungszeichen korrekt sind, kann man von einer Ausgabe, deren Herausgeber
im Text jedes Komma respektierte, wohl verlangen. Ist diese Forderung erfüllt, so darf
man die vorliegende Ausgabe, die den Vorzug der Handlichkeit mit VoUstindigkeit und
Billigkeit vereinigt, aufs beste empfehlen. Aber auch jetzt schon ist sie zweifellos die
allerbeste aller existierenden Holfmannausgaben, und wer sich in die Werke des grossen
Romantikers vertiefen will — kein Musiker sollte das verabsiumenl — möge zu keiner
anderen Ausgabe greifen. Vorüber sind glficklicherweise die Zeiten, da man einen der
grössten Geister Deutschlands schnöde zu verlistem gewagt, da engherzige Literatur-
geschichtsschreiber sein Bild zur Pratze verzerren durften. Nein, die Lektüre der Hoff-
mannschen Schriften mit ihren tiefen Blicken in Kunst und Natur bedeutet eine Be-
reicherung des Innenlebens für jeden phantasievollen Menschen, der, vom Geiste der
Musik entzündet, plattem Rationalismus abhold ist. Dr. Edgar Istel
160. D. F, Scheurleer: Portretten van Mozart. Met 23 Afbeeldingen. Verlag:
Martinus Nijhoff, 's-Gravenhage 1906.
Der Holunder Dr. F. Scheurleer überreicht uns hier eine interessante Reihe von
23 Mozartportrits aus den verschiedensten Entwicklungsphasen und Aufenthaltsorten des
Wunderknaben und Meisters und alle von verschiedenen deutschen, österreichischen,
hollindischen, französischen und italienischen Künstlern gemalt bezw. gezeichnet. Der
kritisch beleuchtenden Tendenz des Werkes entsprechend, gibt der Autor uns dazu
einen schlicht kurzen, aber ganz klaren und übersichtlichen Kommentar über Herkunft,.
Entstehung, Verbleib der einzelnen Bilder und begründet sowohl deren Echtheit, wie
auch die resp. Zweifelhaftigkeit oder Unechtheit. Einen aparten Reiz bietet der Vergleich
der mehr oder weniger glaubwürdigen Konterfeis und einen grösseren vielleicht noch
der aus diesem Vergleiche drastisch erhellende spekulative Charakter der meist ver»
breiteten Mainzer Bilder besonders des — um mit dem Herausgeber zu sprechen —
«zuckersüssen* Ölgemäldes von G. Jiger. P. Dombrück
MUSIKALIEN
161. Franz Mayerhoff: Lenzfahrt, Dichtung von Emil Walther, Zyklus von Liedern
und Tänzen für gemischten Chor, Soloquartett und Orchester, op. 24^
Verlag: Vieweg» Berlin -Gr.-Lichterfelde.
Wer uns in diesen Zeitläuften schwerkalibrigsten Musikmachens angenehm unter-
hält, aoU uns willkommen sein. So sei denn auch der vorliegende Zyklus freundlichst
begrüsst, nicht als ob er auf dem Gebiete etwas Neues brächte, sondern weil daa Ge-
botene hübsch und anmutig arrangiert ist, mit artigem Humor gewürzt. . Zu wünschen
wäre gewesen, dass sich der Komponist weniger der Melodik der Wiener Walzerfürsten
und dafür mehr der reichen Rhythmik der Schubertschen und Brahmsschen Tanzformen
erinnert hätte. Die rhythmische Anspruchslosigkeit geht zuweilen ein bischen weit.
(Kommt doch sogar ci° J^ J^ J^ J^ | J J | ^o^O Selbst der reizende Schwälmer Tanz,,
den der Komponist in No. 6 als Ritomell einführt, kann ihn nicht verführen, die drei-
taktigen Motive des Nachsatzes im Chorsatze nachzuahmen. Das bischen Paprika hätte
dem Werke gut getan.
162. Carl Reinecke: Der Geiger zu Gmünd, Dichtung nach einer von Heinrich
Seidel und Justinus Kerner mitgeteilten Legende aus dem 12. Jahrhunden
176
DIB MUSIK V. 21.
von Heinrich Karsten. Für dreistimmigen weiblichen Chor, Sopran- und
Alt-Solo, obligate Violine (mit Deklamation), op. 273. Verlag: Jul. H. Zimmer-
mann, Leipzig.
Die hübsche alte Legende vom Geiger zu Gmünd hat Meister Reinecke, den Un-
ermüdlichen, an die Arbeit gerufen, und er hat mit seinem op. 273 ein Werk geschaBfen,
für das ihm die Frauengesangvereine sehr dankbar sein Werden. Reinecke, der alte
Gralswichter der Mozartschen Klangwelt, die wir überwunden glauben, predigt uns
Jungen unermüdlich das Evangelium seines Meisters. Und wahrlich, man muss trotz
Herrn Zschorlich an den Jungbrunnen glauben, der dorten fliesst, wenn man des alten
Herren Frische und Klangfreudigkeit in vorliegendem Werke wieder bewundert. Nichts
ist von geheimnisvoll-mystischer Symbolik in dem Werke zu finden, er sieht es durch
«eine eigenen klaren Augen, hört es mit seinen gesunden Ohren, wie sein Meister das
»Incarnatus* der c-moll Messe. Und so entstand ein Werk, anspruchslos scheinbar, aber
4och zu denken gebend denen, die das musikalische SchafPen der Jetztzeit ausserhalb
einer Partei zu betrachten lieben. Es gibt also doch noch solche Menschen.
Paul Hielscher
163. Denkmäler deutscher Tonkunst« Zweite Folge. Denkmiler der Tonkunst
in Bayern. 5. Jahrg. Doppelband in zwei Lieferungen. Werke Hans Leo
Hasslers. 2. Teil. Verlag: Breitkopf & H&rtel, Leipzig 1904.
Die zweite Lieferung, die Kanzonetten von 1590 u. a. m. enthaltend, habe ich
früher angezeigt. In der vorliegenden ersten Lieferung bietet A. Sandberg er Be-
merkungen zur Biographie H. L. Hasslers und seiner Brüder, ferner zur Musikgeschichte
der Stidte Nürnberg und Augsburg im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts. Sand-
bergers Arbeit ist das Ergebnis eines durch Jahre reichenden mühsamen und überaus
fiorgfiltigen Forschens. Wenn er auch keine abgeschlossene »Musikgeschichte* der ge-
nannten Stidte gegeben und alle angesponnenen Fftden nur in Beziehung auf Hassler
gebracht hat, so ist der Band doch unendlich reich an neuen Mitteilungen, reich auch
in der vortrefflichen Gruppierung des Stoffes und der übersichtlichen, die Kultur des
ganzen Zeitraumes nicht ausser acht lassenden Darstellung. Bei der Fülle des Gebotenen
<die Darlegungen beginnen mit der Erwähnung Conr. Paumanns) verbietet sich ein Ein-
gehen auf Einzelheiten von selbst. Eine einzige Zufügung möchte ich zu S. 15, wo
W. Breitengraser erwähnt wird, machen. Der dort genannte Dr. O. Giemen fusst,
wie er auch selbst angibt (cf. Eitner, Quellenlexikon X, S. 462f.), auf G. Krauses Werk:
Hei. Lob. Hessus. Gotha, F. A. Perthes. 1879. Prof. Dr. Wilibald Nagel
164. Peter Stojanovits: Konzert (d-moll) für Violine op. 1. Verlag: Ludwig Doblinger,
Wien.
In diesem dem Kaiser von Russland gewidmeten Violinkonzert kann ich keine
Bereicherung der Literatur erblicken; die Inspiration des Komponisten ist gering, in
langweiliger Breite ziehen die drei Sätze an uns vorüber, sogar ohne in technischer
Hinsicht besonders interessante Aufgaben zu bieten.
165. C. V. Stanford: Konzert für Violine (D-dur) op. 74. Verlag: Breitkopf & Härtel,
Leipzig.
Ein gediegenes, ansprechendes Werk, das freilich auf keinen neuen Bahnen wandelt.
Besonders gelungen ist der erste Satz. In der Erfindung steht der langsame Satz dagegen
zurück; er ist mit einer wirkungsvollen Kadenz von E. F. Arbos versehen. Das Haupt-
thema des frischen Finale ist eine gaelische Volksmelodie. Der Violinpart enthält eine
Reihe nicht uninteressanter technischer Probleme und ist im allgemeinen dankbar ge-
halten; auch zu Studienzwecken darf dieses Konzert daher empfohlen werden.
177
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
166. Robert Hermann: Sonate cls-moU für Pianoforte und Violine op. 13. Verlag:
Friedrich Hofmeister^ Leipzig.
Auch wer fiber manche harmonische KQhnheit in dieser Sonate den Kopf schuttein
wird, wird ihr das Pridikat „eigenartig* nicht versagen können; ich halte sie sogar ffir
bedeutend und Hermanns genialem Klavierquartett op. 0 gleichwertig; freilich habe ich
mich viel mit Hermanns Werken beschiftigt und bin mit seiner auf Bach beruhenden
musikalischen Sprache vertraut. Diese Sonate, die aus vier knappen Sitzen besteht,
fesselte mich nachhaltig schon beim ersten ZusammenspieL Gleich die Einleitung des
sich im Tempo allmihlich steigernden ersten Satzes gefiel mir ungemein. Der langsame
Satz, der zum Schluss einer gross angelegten, weihevollen Sarabande gleicht, trigt einen
fist transzendentalen Charakter: wie eine Vorahnung des Todes mutet die darin herr-
schende Stimmung an, doch eines Todes, vor dem man kein Grauen empfindet. Erinne-
rungen an das Glfick der Kindheit erweckt das kurze Intermezzo. In dem rhythmisch
interessanten Finale ist das Gesangsthema von glficklichster melodischer Erfindung; etwas
Qberrascht der Schluss in Fis-dur; im viertletzten Takt ist man geneigt, e zu spielen. Für
den Geiger sind in dieser Sonate mitunter Intonationsschwierigkeiten enthalten, doch wird
ein besserer Dilettant sie nicht unfiberwindlich finden; dagegen erfordert der Klavierpart
einen sehr tüchtigen Pianisten. Ich habe diese Sonate mit einem solchen mehrfach ge-
spielt und zwar zu sehr verschiedenen Zeiten, und jedesmal steigerte sich der von vom
herein günstige Eindruck, den wir von dieser Sonate hatten. Es lohnt, sich mit ihr näher
zu befkssen. Hoffentlich findet sie auch im Konzertsaal Eingang, was ich auch von dem
Klavierquartett Hermanns erhoffe. Es wire wirklich Zeit, dass erste Künstler sich der
Werke dieses musikalischen Sonderlings, der offenbar seine eigenen Wege unbeirrt geht,
annehmen. Ob Hermann nicht gut tite, ausser Bachstudien zu treiben, auch einmal sich
mit Brahms, besonders dessen Kammermusikwerken zu befassen?
167. Carl Krflger: Suite in drei Sitzen für Flöte mit Klavierbegleitung. Verlag:
Jul. Heinr. Zimmermann, Leipzig.
Dankbar für das Soloinstrument, stellenweise gar nicht leicht in der Begleitung,
9orgfllltig gearbeitet und fesselnd durch hübsche Gedanken. Im ersten Satz (AUegro
con anima) ist namentlich das zweite Thema geflllig. Die Romanze klingt gut. Das
Rondo cspriccio brillante muss bei guter Ausführung wirken.
Prof. Dr. Wilh. Altmann
168. Man6 Neubauer: Fünf Lieder aus »Des Knaben Wunderhorn* für eine
Singstimme und Klavier. Op. 8. — Aus alten japanischen Frühlings-
liedern für eine Singstimme und Klavier. Op. 9. Verlag: Dr. Heinrich
Lewy, München.
Wenig Reizvolles ist es, was der mir zum ersten Male entgegentretende Tonsetzer
in seinen op. 8 und 9 zu sagen hat. Relativ am besten sind ihm »Bivouak* und »Das
Rautenstriuchelein" gelungen. Die charakteristische Art, wie der Komponist hier den
dichterischen Stoff vertonte, ISsst ein annehmbares Talent für musikalische Kleinmalerei
erhoffen. Im übrigen wird Herr Neubauer sich künftig einer intensiveren Selbstkritik
zu befleissigen haben, um Geschmacklosigkeiten, wie sie die übrigen seiner Gesinge
wiederholt zutage fördern, aus dem Wege zu gehen.
169. Carl Smulders: Lieder für Mezzosopran und Klavier. »Kom niet de verre
wegen*; »II pleure dans mon coeur". Verlag: A. A. Noske, Middelburg.
In beiden Gesängen spricht sich ein starkes Talent aus. Namentlich gelang es
dem Komponisten, der Paul Verlaineschen Dichtung »II pleure dans mon cceur* Töne
von tiefer Empfindung zu verleihen. Eine deutsche Ausgabe des letzteren Liedes wire
sehr erwünscht.
V. 21. 13
178
DIE MUSIK V. 2i.
170. Sem Dresden: Sechs Lieder für eine Singscimme und Klavier. Verlag:
A. A. Noske, Middelburg.
Soweit sich aus den vorliegenden Gesingen ein Schluss auf die Begabung dieses
hollindischen Tonsetzers ziehen Usst, darf man auf die Zukunft Sem Dresdens gespannt
sein. Das Material seiner musikalischen Gedanken und die Art der Ausarbeitung inter-
essiert auf den ersten Blick. Seine in kraftvollem Melos sich gebenden Motive, die
wohlklingende Satztechnik und die natürliche Art der Deklamation vertiefSsn den poetischen
Gehalt der Dichtungen und erweitem sie zu lyrischen Szenen von grossem Reiz. Be-
sonders glücklich sind die drei holländischen ,»Liedjes* gelungen. Es sind warm em-
pfundene Stimmungsbilder. Auch die deutschen Gesinge auf Dichtungen von Rückert
und Bierbaum lassen so gut wie keinen Wunsch unbefriedigt, wenn ich auch eine, wenn
auch noch so vortrefflich gemachte Komposition des Bierbaumschen «Der lustige Ehe-
mann" nicht für geschmackvoll halten kann.
171. Ha Gottlieb-Norent Drei Gesinge nach Texten von Emmy Destinn mit Be-
gleitung des Pianoforte. Op. 24. Verlag: Julius Hainauer, Breslau.
Die drei Dichtungen der bekannten dramatischen Singerin hat Noren durch die
AusdrucksAhigkeit seiner Erfindung zu prichtig abgetönten Stimmungsbildern vertieft
Wie in allen anderen Kompositionen, die ich von Noren kenne, so ist er auch hier
nie um eine eigenartig harmonisierte und rhirthmisierte Melodik verlegen und zeigt sein
mehr nach der Romantik hinneigendes Talent im hellsten Lichte. Zu Verwundem ist
es, dass Gottlieb-Norens Gesinge nicht mehr Anklang bei unserer Singerwelt finden.
Ein so volkstümlich gehaltenes melodiöses Lied wie op. 24 No. 2 ,Es war einmal*
müsste beispielsweise schon lingst in allen Stimmlagen gesungen werden.
172. Adolf Weidig: The Buccaneer. A Song Story. Op. 31. Verlag: Clayton
F. Summy Co., Chicago.
Die Erzihlung in Liedem »Der Pirat" hat Adolf Weidig zu einem Zyklus für Bariton
mit Klavierbegleitung und verbindendem Text gestaltet, ohne damit ein für die Literatur
wertvolles Werk geschaflPen zu haben. Seine Phantasie bewegt sich in bekannten Bahnen,
ohne im geringsten eine eigene Note zu zeitigen. Ein sehr wisseriger Eklektizismus,
über den es nicht lohnt weitere Worte zu verlieren.
173. Ludwig Fanzler: 20 Lieder für eine Singstimme mit Pianofortebegleitung. —
Russische Suite für Pianoforte. Verlag: J. Schuberth & Comp., Leipzig.
Dilettantische Tastenbindiger-Phantasieen, mühsam am Klavier zusammengesucht.
Ärgerliches Zeug, das um so trauriger wirkt, weil tatsichlich ein Fünkchen Talent unter
der schlammigen Masse hohler Phrasendrescherei und banausischem Schwulst glimmt.
174. Carl Grodltz: 8 Lieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung. Verlag:
C. Becher, Breslau.
Auch diese Produkte haben mit der Kunst nichts zu tun. Wenn sie auch weit
weniger anspruchsvoll als die vorigen auftreten, so sind sie doch mit demselben Masse
zu messen.
1^ 175. Christian Sinding: Alte Weisen, Gedichte von Gottfried Keller für eine
Singstimme und Pianoforte. Verlag: Otto Forberg, Leipzig.
Die vorliegenden sechs Gesinge des berühmten nordischen Komponisten sind
fast durchweg schwach. Sie machen den Eindrack bestellter Gelegenheitsware. Von
Sindings charakteristischer Harmonik ist wenig zu bemerken. In den Vertonungen von
»Ich furcht* nit Gespenster", »Wie glinzt der helle Mond* sowie »Alle meine Weisheit*
finden sich zwar einige Anliufe zu einer intensiveren musikalischen Ausdeutung der
Dichtungen Kellers, doch kommt es namentlich bei den beiden letztgenannten schliesslich
auf eine rhythmische Spielerei heraus. Adolf Göttmann
BONNER ZEITUNG, 24. Mai 1906. — Von angenannter Seite werden zwei bisher
ungedruckte Briefe Robert Schumanns veröffentlicht. Der eine dieser Briefe
ist an Dr. Raymund Hirtel, den Chef der Leipziger Firma Breitkopf & Hirtel,
gerichtet Er behandelt den Bindruck des Manfredtextes in die Partitur. Schumann
schreibt u. a.: .Die Musik würde ohne Kenntnis des Zusammenhanges mit dem
Gedicht Jedem ein RItsel bleiben, zumal die dramatische Bearbeitung, wie ich sie
für die bfihnliche Aufführung unternommen, vielfach . vom Original abweicht,
so dass jemandem, der die erste beste der vorhandenen Übersetzungen zur Er-
lluterung der Musik hemihme, der Gang des ganzen doch nicht klar werden
würde.* Diesem Brief hat Clara Schumann einige Zeilen beigefügt, denen wir
folgende Stelle entnehmen: .Mein guter Mann ist leider noch immer nicht ganz
hergestellt — solch Nervenleiden ist gar langwierig, und recht mit Geduld muss
sich mein armer Mann wappnen l doch hoffe ich zu Gott, er soll ihm bald seine
alte Kraft wieder verleihen!' — Der zweite Brief ist an den Verleger Whistling in
Leipzig gerichtet Schumann schreibt darin über den Stich einer Partitur und
über Korrekturen in noch zu stechenden Stimmen.
PRAGER TAGBLATT 1906, No. 152; 176. — Zum 50. Todestage Robert Schumanns
bringt Richard Batka einen hübschen Artikel »Robert Schumann in Böhmen", in
dem er die mannigfachen Beziehungen aufdeclct, die Schumann mit Prag und
Böhmen überhaupt verbunden haben. Zum erstenmal kam Schumann im August
1819 als neunjähriger Knabe in Begleitung seiner Mutter auf einer Reise nach
Karlsbad über die böhmische Grenze. Er empfing hier von Moscheies, der in der
Kurstadt konzertierte, den für sein ganzes ferneres Leben entscheidenden ersten
Kunsteindruck. Zum zweitenmal besuchte Schumann im August 1827 Böhmen
auf einer Ferienreise, worüber ein Brief an seinen Jugendfreund Flechsig niher
unterrichtet. Die beiden Liebestiuschungen seines Lebens musste er auf böh-
mischem Boden erfahren. Knüpfen sich auch für den Menschen Schumann allerlei
schmerzliche Erinnerungen an Böhmen, so hat der Künstler des Landes stets
freundlich gedacht Im Jahre 1838 traf er zu einem dreitigigen Aufenthalt in
Prag ein und schrieb einen ausführlichen Brief an seine Braut Clara Wieck, in
dem es u. a. heisst: »Wo ich in Prag hinhöre, Du kannst nicht glauben, wie lieb
man Dich hat Ober Deinen Vater allein ziehen alle her.** Am 29. Januar 1847
gaben Robert und Clara Schumann ein Konzert in Prag, das lebhaften Beifall fand
und sogar zu persönlichen Ovationen für Robert führte. Sie haben Prag gemeinsam
nicht wieder gesehen. »Aber wie fest der empfangene Eindruck bei ihnen haftete,
davon konnte ich mich vor nunmehr zehn Jahren, als ich Clara Schumann kurz
vor ihrem Tode in Frankfurt a. M. besuchte, noch selbst überzeugen. Mein
Signalement ,von Prag* genügte, um ihre gegen Fremde sonst streng verschlossene
Tür zu öffnen. Und nun wachten alle schönen Erinnerungen im Geiste der Greisin
auf. Der Empfang durch Ambros, Kittl, das Platteis und Landestheater — im
wehmütigen Gedenken verklärten sich Claras Züge. Das lag nun alles so weit,
so weit!*
13»
180
DIE MUSIK V. ZU
HANNOVERSCHER COURIER 1906, 27. Juni. — .Der Meister der Geige«, za
Joseph Joachims 75. Geburtstage, 28. Juni, von Cyriak Fischer. In der geistigen
Erfassung der Musik kann Joachim heute niemand gleichgesetzt werden. .Das
Adligste, Reinste und Tiefste seines Empflndungsgehaltes aus der lauteren Innigkeit
eines echten Künstlerherzens heraus zum Ausdruck zu bringen: in all dem ist
Joseph Joachim heute einzig, wie er es vor einem Menschenalter war . . • Alles
Höchste und Tiefste des Geistes zu begreifen, von dieser Seite aus der Tonkunst
wahrhaft Herr zu werden: das ist Ziel und Inhalt seines Lebens gewesen.**
HAMBURGER FREMDENBLATT 1006, 28. Juni. — Emil Krause widmet Joseph
Joachim .Ein 75jähriger Geburtstag* einen warmherzigen Artikel. .Joachim ist,
wie Brahma, Stockhausen, Reinecke usw., ein Huter dea Vermichtnisses unserer
Klassiker. . . Wir verdanken einem gütigen Geschick in Joachim noch heute den
Besitz des besten Dolmetschers der klassischen Werke.**
GRILLPARZER -JAHRBUCH 1906. .Anselm Hüttenbrenners Erinnerungen an
Schubert*, mitgeteilt von Otto Erich Deutsch. — Diese Erinnerungsblitter ge-
wihren manchen interessanten Einblick in das Seelenleben Schuberts. Hütten-
brenner erzählt u. a. folgendes: .Wihrend eines Spazierganges, den ich mit Schubert
ins Grüne machte, fragte ich ihn, ob er denn nie verliebt gewesen sei. Da er in
Gesellschaften sich so kalt und trocken gegen das zarte Geschlecht benahm, so
war ich schier der Meinung, er sei demselben ganz abgeneigt. ,0 neinl^ sprach
er, ,ich habe Eine recht innig geliebt und sie mich auch. Sie war eine Schul-
lehrerstochter, etwas jünger als ich, und sang in einer Messe, die ich komponierte,
die Sopransoli wunderschön und mit tiefer Empfindung. Sie war eben nicht hübsch,
hatte Blattnarben im Gesicht; aber gut war sie, herzensgut. Drei Jahre lang hoffte
sie, dass ich sie ehelichen werde; ich konnte jedoch keine Anstellung finden,
wodurch wir beide versorgt gewesen wiren. Sie heiratete dann nach dem Wunsche
ihrer Eltern einen andern, was mich sehr schmerzte. Ich liebe sie noch immer,
und mir konnte seither keine andere so gut und besser gefallen wie sie. Sie war
mir halt nicht bestimmt.^* • . . Über seine tiglichen Lebensgewohnheiten berichtet
folgende Notiz: .Nachmittags komponierte Schubert nie; nach dem Mittagessen
ging er in ein Kaffeehaus, trank eine kleine Portion schwarzen Kaffee, rauchte
ein paar Stunden und las nebenher Zeitungen. Abends besuchte er ein oder das
andere Theater. Gute Schauspiele waren ihm ebenso interessant wie gute
Opern." • . . .Bei einem Glase Wein oder Punsch war Schubert am gesprichigsten;
seine musikalischen Urteile waren scharf, kurz und bündig; er traf allezeit den
Nagel auf den Kopf. Er glich hierin Beethoven, der mitunter auch sehr ironisch
war Wenn in Gesellschaften gründlich über Musik gesprochen wurde, hörte
Schubert mit Vergnügen zu und fiel selten in die Rede. Wenn aber irgendein
naseweiser Dilettant Behauptungen aufstellte, die von totaler theoretischer Un-
wissenheit des Redners zeugten, da riss dem guten Schubert der goldene Faden
der Geduld und er sagte einem solchen Schwitzer rasch ins Gesicht: ,Schweigen
Sie lieber, das verstehen Sie nicht und werden's auch nie verstehen!'* . . . .Von
sich und seinen Werken sprach Schubert selten und auch da nur wenige Worte.
.... Sein Lieblingsdiskurs drehte sich um HSndel, Mozart und Beethoven.* . . .
»Schubert hatte ein frommes Gemüt und glaubte feat an Gott und die Unsterblich-
keit der Seele. Sein religiöser Sinn spricht sich auch deutlich in manchen aeiner
Lieder aus. Zur Zeit, als er Mangel litt, verlor er keineswegs den Mut, und hatte
er zuweilen mehr, als er bedurfte, so teilte er auch gern anderen mit, die ihn um
milde Gaben ansprachen.*
181
REVUE DER REVUEEN
WIR. DEUTSCHE BLÄTTER DER KÜNSTE (Prag) 1906, Heft 2. - Hans
Effenberger kritisiert die «Prager Musikverhiltoisse". Er wendet sich besonders
gegen den «hohlen Wagnerschwindel, wie er in Prag gezüchtet wird% der der
Hemmschuh fQr alle Fortbildung zum Neuen sei.
NEUE MUSIK-ZEITUNG (Stuttgart), 1006, No. 15-18. — „Hausmusik von Max
Reger*^ bespricht G. ▼. Lfipke, und verweist dabei auf op. 82. Diese zwölf kleinen
Stücke «Aus meinem Tagebuche" sind berufen, dem musikalischen Lslen, der
«Rogers Riesenwerke mit ingstlichem Staunen hört, den Namen ihres Schöpfers
lieb und vertraut zu machen**. — Einen intereasanten Beitrag liefert Egon von Komor-
zynski: «Der ,Freischütz' und das ältere deutsche Singspiel.* — Gaston Knosp
würdigt hervorragende «Pariser Kapellmeister" wie Edouard Colonne, Paul Taffane),
Alexandre Luigini, Camille Chevillard, Georges Msrty, Paul Vidal, Victor Charpentier,
Henri Busser. — «Johann Sebastian Bachs Sonaten für die Violine" bespricht
C. Witting. In diesen Sonaten ist der Nährboden iür das heutige Violinspiel zu
suchen, denn in ihnen sind die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Violine als
mehrstimmigen Instrumentes gezogen, und der gebildete Geiger, wie auch der
fertigste Virtuose kann seine Meisterschaft daran prüfen. — Ferdinand Scherber
teilt «einen Brief Friedrich Kinds an Peter Joseph Lindpaintner" mit. Lindpaintner
war als ausgezeichneter Dirigent an der Stuttgarter Hofkapelle und als Lieder-
komponist bekannt und geschätzt. — Einen anregenden Beitrag bringt Victor Lederer:
«Maifestspiele im slten Bardenland". Der erste Mai war der Zeitpunkt des alt-
druidischen Sommerfestes. Die keltischen Völker Britanniens haben Reste dieser
alten Maifeier konserviert. In alten flnnianischen Gesängen Irlands findet sich
wiederholt das alte grosse Druidenfest «Baltaine" erwähnt. Der Zeitpunkt dieses
Festes war (nach unserem Kalender) der letzte April. Tags darauf folgte das
eigentliche Sommerfest: die mit Gesang und Tanz begangene «Maifeier". Ein
Festesfeuer wurde enttündet und um dieses Feuer wurde getanzt Beim Tanzen
sang man ein Lied auf den Sommer. Verfasser teilt die folgende Strophe eines
solchen alten erhaltenen Mai- und Sommerliedes mit: «For we were up as soon
SS any day — For to fetch the summer home; — The summer and the May, o —
For the summer now is come." ... «In diesen altheidnischen Tanzliedern ruhen
aowohl die Wurzeln unserer mehrstimmigen Tonkunst wie auch die Wurzeln
unseres Dramas." . . • Diese Art von Maifeier- und Sommernachtspoesie hat in
Shakeapeare's Sommernachtstraum ihren letzten herrlichen Nachhall gefunden. —
M. Koch veröffentlicht die Fortsetzungen seiner Arbeit über die «Tonsatzlehre".
MUSIKALISCHE RUNDSCHAU (München), 1906 No. 9-11. — Karl Storck
bringt die Fortsetzung seines Artikels: «Beethoven als Angelpunkt in der Musik-
entwicklung," in der er darlegt, wie im Erringen der seelischen und sinnlichen
Mächte in der Musik durch Beethoven ein völliger Umschwung eingetreten ist.
— Richard Batka schreibt über «Babel und Bibel in der Musik". Die Aus-
grabungen im Orient haben die Frage nach den Anfängen der Kunstmusik der
Beantwortung näher gebracht. Mesopotamien ist die Wiege der Kirchenmusik, und
.die semitischen Völker Vorderasiens sind ihre Träger, die sie von den Sumerern,
einem uralten, geheimnisvollen Kulturvolke turkmenischen Stammes über-
nommen haben.
NEUE OPERN
Torre Alfina: »Der Traum eines Herbstabends", eine musilcaliscfae Tragödie
von Gabriele d'Annunzio, wird in der nietasten Saison an der Komischen
Oper in Paris itare Erstauffütarung erleben.
August de Boeck: «Reinaert de Vos*, eine die Reineke Foctas-Fabel in
modernem Gewände auf die Buhne bringende Oper, soll im nichsten Vinter
am Filmischen Theater in Antwerpen zur Auff&hrung gelangen.
Gustav Kulenkampff: „Anne-Marei*, ein abendfüllendes Verk, soll im Laufe
des Novembers am Theater des Westens in Berlin zur Uraufführung gelangen.
Max Marschalk: «Aukassin und Nikolette'yCin romantisches Liederspiel in
zwei Aufzügen und sechs Bildern, ist vom Kgl. Hoftheater in Stuttgart zur
Aufführung angenommen worden.
Andr6 Messager: »Chandelier", eine Operette, Libretto von Robert de Flers
und Gaston de Caillavet nach Alfred de Musset, wird als eine der ersten
Novititen an der Komischen Oper in Paris in Szene gehen.
Charles Siiver: »Die Biuerin*, Buch nach depi gleichnamigen Roman von
Am^d6e Achard, erlebte in der Komischen Oper in Paris ihre Uraufführung.
Alexander von Zemlinsky: »Der Traumgorg** betitelt sich eine abendfüllende
Oper, Text von Leo Feld, die von der Wiener Hofoper zur Aufführung er-
worben wurde.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Berlin: «Pique Dame*, Tschaikowsky's Oper, die schon vor llogerer Zeit von
der Generalintendantur zur Aufführung erworben wurde, geht als eine der
ersten Novititen der nSchsten Spielzeit im Königl. Opernhaus in Szene.
B6ziers: Bei den diesjihrigen Festspielen in der Arena wird Spontini's grosse
Oper »Die Vestalin* zur Aufführung kommen. Diese alte, fast der Ver-
gessenheit anheimgefallene Oper eignet sich allerdings infolge ihres Inhaltes
für die Darstellung unter freiem Himmel sehr gut Der Dekorations-
maler der grossen Pariser Oper, Jambon, hat bereits gewaltige Kulissen ent-
worfen, die eine Fliehe von 6000 Quadratmetern aufweisen. Die Oper wird
in B6ziers am 26. und 28. August aufgeführt. Hervorragende Solisten der
Pariser Grossen Oper und des Königl. La Monnaie-Theaters in Brüssel
wirken mit; femer eine grosse Anzahl von Ballettinzerinnen von der Mai-
linder Skala und der Pariser Oper. Als Orchesterleiter ist wieder Jean
NuSsy-Verdie gewonnen worden. Eine besondere Anziehung werden die
diesjihrigen Festspiele in B6ziers noch dadurch ausüben, dass am 2. Sept.
ein zu Ehren Saint-SaSns' arrangiertes Symphoniekonzert stattfinden wird,
in dem der gefeierte Komponist und Louis Diemer zusammen als Solisten
mitwirken, und in dem auch Saint-SaSns' neueste Kantate »La . Gloire de
Corneille" zur Aufführung gelangen wird.
Hirschberg L SehL: Unter der Direktion von C. Schmidek erlebte im Frühjahr
183
UMSCHAU
die Oper „MarielU* Ton P. Niepel Ihre UraufffihniDg und erzielte einen
starken Erfolg.
Monte Carlo: Direktor Raoul Gnnzbourg wird in der nlchsten Saison folgende
NoTititen bringen: Massenet »Tb^rdse*, Leronx »Tbeodora% Saint-
SaSns „L'anc6tre*.
KONZERTE
Alzey: Der Gesangverein »Slngerkranz* veranstaltete am 27. Mai unter Fritz
Erckmann eine Mozart-Scbumann-Feiery in der fast ausscbliesslicb
Werke dieser Meister zum Vortrag kamen.
Essen: Die Musikaliscbe Gesellscbaft veröffentlicbt ibr Winter-
Programm 1906/07. I. Konzert: Vokal-Quartette gesungen von Jeannette
Grumbacber-dejongy Tberese Scbnabel-Bebr, Paul Reimers, Artbur
▼an Eweyky begleitet von Bruno Hinze-Reinbold. Kompositionen von
Haydn, Scbut>ert| Scbumann, Brabms u. a. IL Konzert: Liederabend und
Orcbesterkonzert unter Mitwirkung von Max Reger, Ludwig Hess, Adele
Mfinz, Alexander Kosman. Lieder von Reger, Strauss u. a.; Klavierkonzert
von Mozart (Solist: Max Reger); Suite für Violine und Klavier op. 03^
Serenade fQr Orcbester op. 05 von Reger (Uraufffibrung). III. Konzert:
Brucbstücke aus den Opern Siegfried Wagners, Werke von Riebard Wagner
und Franz Liszt Dirigent: Siegfried Wagner. IV. Konzert: Eroica; Hymnen
an die Nacbt f&r Bariton und Orcbester von Siegmund von Hausegger; «Ein
Heldenleben* von Riebard Strauss, Dirigent: Siegmund von Hausegger.
Frankfurt a*M«: Die Leitung der Museums-Konzerte werden im kommenden
Winter folgende Gastdirigenten fibemebmen: Gustav Mabler, Felix Mottl,
Artbur Nikiscb, Fritz Steinbacb, Riebard Strauss, A. Toscanini,
W. Mengelberg, Henry Wood, Pbilipp Wolfrum, Ludwig Rottenberg,
Volkmar Andreae, Hermann Suter, Georg Scbn^evoigt, J« Scbulz.
M.«Gladbach: In den «Cicilia'-Konzerten und in den secbs Sympbonie-Konzerten
des stidtiscben Orcbesters (beide unter Leitung von Hans Gelbke)
kamen im vergangenen Winter u. a. zur AuffQbrung: Haydn (Jabreszeiten),
Wolf-Ferrari (La vita nuova), Hindel (Estber), Strauss (Aus Italien), Liszt
(Tasso), Brabms (Akademiscbe Festouvertüre)« Scbumann (d-moU Sympbonie),
DvoHk (Kameval-Ouvertfire), Scbubert (C-dur Sympbonie), Guilmant (Sym-
pbonie mit Orgel), Saint-SaSns (Sympbonie c-moll mit Orgel), Glazounow
(7. Sympbonie), Mac Dowell (Indianiscbe Suite), Volbacb (»Ostern*), Beet-
boven (Pastorale), Grieg (Lyriscbe Suite op. 54), Pb. Scbarwenka (Arkadiscbe
Suite), Humperdinck (Mauriscbe Rbapsodie), Borodin (Steppenskizze), Sgambati
(Te Deum fQr Streicborcbester und Orgel), Max Anton (Burleske f&r Klavier
und Orcbester. UrauffQbrung). Solisten: Luise H5velmann-Tomauer, Eva
Lessmann, Clcilie Rüscbe-Endor!^ Angile Vidron, C. Kayser, E. Diergardt,
sowie die Herren Hugo Becker, Emil Pinks, Hans Gelbke, Willy Fenten,
Josef Loritz, Max Anton, Bram-Eldering, Felix Senius, J. M. Orelio, F. W.
Franke u. a.
Jena: Am 10. Juni feierte der Kircbencbor (Kantor Haubold) sein 40]ibriges
Besteben durcb ein woblgelungenes Konzert
Leipzig: In den Gewandbaus-Konzerten des nicbsten Winters werden nur
solcbe Orcbesterwerke zur AufHibrung kommen, die erst selten oder über-
baupt nocb nicbt im Gewandbaus aufgefQbrt sind. Als Solisten werden
184
DIE MUSIK V. 21.
zum ersten Mal im Gewtndhaut auftreten: Marie Buiaaon, Julia Culp,
Hedwig Helwigy Selma Kurz, Margarete Siema (Geaang), Leopold
Godowaky, Max Pauer (Klavier), Fritz Kr ei aler (Violine), Pablo Caaala
(Violoncello). Eine Neuerung bilden zwei Abonnementakonzerte mit rein
orcheatralem Programm, ohne Mitwirkung von Solisten.
Von aoliatischen Neuerscheinungen für die Philharmonischen Konzerte
des Vinderstein-Orchesters sind zu nennen: Mme. Charles Cahier,
Marie Panthös, Ina Vright, August Kiess, Anton Hekking, Pablo
Casals, Serge Liapounow, Riccardo Vines.
Scheveningen: Im Juni brachte August Scharrer mit den Berliner Phil-
harmonikern folgende Neuheiten zur Aufführung: Paul Ertel »Belsazar*,
Max Reger »Sinfonietta*, Siegfried Vagner »Ouvertfire zu Bruder Lustig*.
Stuttgart: Das Programm zu dem vom 4. bia 8. Oktober stattfindenden Hugo
▼olf-Fest ist in seinen einzelnen Teilen nunmehr festgelegt. Es bringt
zwei Liederabende, ein Kirchenkonzert, eine Auffuhrung des „Corregidor*,
und ein Orchesterkonzert. Als Solisten sind gewonnen: Emma Rfickbeil-
Hiller, Hedwig Schweicker, Konzertsinger Richard Fischer (Frankfurt)
und die Hofopernsinger Dr. Kuhn und Veil. Die Klavierbegleitung iiber-
nimmt Carl Friedberg. Das Orchester (Hofkapelle) steht unter der Leitung
von Hofkapellmeister Po hl ig. Die Chöre werden von dem durch ander-
weitige Gesangskrifte verstirkten Hoftheaterchor gesungen.
TAGESCHRONIK
Der Vorstand dea Vereins „Mainzer Liedertafel und Damengesang-
verein* hat mit Genehmigung dea Grossherzogs von Hessen die Erweiterung der
Satzung der Kaiserin Friedrich-Stiftung durch Schaffung des Instituts der
Mitgliedschaft beschlossen. Als Mitglied soll betrachtet werden, wer einen jfthr-
liehen Beitrag von mindestens Mk. 10.— entrichtet. Die Mitglieder haben daa
Recht auf unentgeltliche Oberlassung einer Eintrittskarte und sollen die von der
Stiftung herauszugebenden Veröffentlichungen zu Vorzugspreisen beziehen können.
Nihere Auskunft erteilt der Schriftführer, Landrichter Dr. L. Krug in Mainz.
Verein der Muaiklehrer in den Lehrerbildungaanstalten öater-
reicha. Mit Bewilligung der k. k. n. ö. Statthalterei haben die Musiklehrer an
den Lehrerbildungsanstalten Österreichs nach dem Beiapiele der Zeichen- und
Turnlehrer an Mittelschulen einen Fachverein mit dem Sitze in Wien gegründet.
Der Zweck dea Vereins' ist die Förderung der Musikpflege im Schulwesen
Qberhaupt und dea Muaikunterrichts an den Bildungsanstalten für Lehrer und
Lehrerinnen inabesondere, sowie die gegenseitige Unterstfitzung der Berufskollegen
und -kolleginnen in Berufs- und Standesangelegenheiten. In die Vereinsleitung
wurden gewählt: Prisident: Hana Wagner; Kaasier: Ferd. Habel; Vize-Priaident:
W. Chladek; Sekretär: Karoline Völkl.
Dem Verband für Jugend-Konzerte haben sich bisher 24 Städte an-
geschlossen: Arolsen, Buchsweiler i. Eis., Charlottenburg, Düsseldorf, Gotha,
Hagenau i. Ela., Hannover, Hildesheim, Köln a. Rh. Lübeck, München, Ohrdruf,
Plauen i. V., Posen, Quedlinburg, Rathenow, Rixdorf, Schwedt a. O., Spremberg,
Stettin, Stuttgart und Weimar. Das Berliner Komitee für Jugend-Konzerte hat
ala weitere Neueinrichtung eine Bibliothek ins Leben gerufen, für die zahlreiche
Muaikverleger ihre besten Werke gesandt haben. Die geeigneten Stücke aollen
zur Benutzung für die Beteiligten katalogiaiert und auaserdem soll ein Büchlein
herausgegeben werden, das für alle Werke der Inatrumentalmuaik einige Er-
185
UMSCHAU
liuterungen gibt und auch kurze biographische Notizen über die hervorragendsten
Tondichter entbilt. Femer plant das Berliner Komitee noch eine Sammlung von
geeigneten Liedern mit Klavierbegleitung in einzelnen Heften zu je zehn Liedern;
jedes Heft soll ein in sich geschlossenes Programm bilden.
Internationaler Wettstreit von Militirkapellen. Die badische Leib-
grenadierkapelle mit ihrem Dirigenten Musikdirektor Böttge ist vom deutschen
Konsulat in Gijon in Spanien zur Teilnahme an einem internationalen Wettstreit
von Militirmusiken eingeladen worden. Es nehmen Militirkapellen aus Frankreich,
Österreich, Kussland, Italien und Spanien daran teil. Die Kapelle erhält freie
Reise, Verpflegung und Einquartierung sowie wihrend des achttägigen Aufenthalts
zehn Mark tägliches «Erfrischungsgeld* pro Musiker. Es sind drei Preise von
5000, 3000 und 2000 Pesetas (ä 80 Pf.) ausgesetzt. Die badische Leibgrenadier-
Kapelle reist Mitte August nach Spanien und ist fQr die ManSverzeit beurlaubt
Ein Katalog, der für die Musikgeschichte einen ungewöhnlichen Wert be-
sitzen wird, sieht der Veröffentlichung entgegen. Der Inhalt wird den gesamten
Schatz an Musik-Manuskripten umfassen, der imBritischenMuseumzuLondon
aufgespeichen ist. Das Werk wird in drei Bänden herausgegeben werden, von
denen der erste, der ausschliesslich der kirchlichen Vokalmusik gewidmet ist,
eben seine Vollendung erfahren hat. Der zweite Band, dessen Fertigstellung ver-
mutlich innerhalb eines weiteren Jahres beendet sein wird, ist zur Aufnahme der
weltlichen Vokalmusik bestimmt. Der dritte Band wird sich auf die Instrumental-
musik und auf Abhandlungen über Musik beziehen, ausserdem auch eine genaue
Liste von musikalischen Instrumenten enthalten, soweit sie in Manuskripten des
Museums beschrieben sind, femer noch andere mehr vermischte Gegenstände.
Die Zusammenstellung des ganzen Katalogs besorgt einer der Beamten an der
Manuskriptabteilung des Britischen Museums, Dr. Hughes-Hughes.
An der Universität Göttingen hat sich eine akademische Orchester-
Vereinigung gebildet, die die künstlerische Pflege klassischer und modemer
Musik bezweckt.
Universitätsmusikdirektor Prof. Dr. Emst Naumann in Jena, der seit 1860
dort tätig ist, wird sich am 1. Oktober von seiner öffentlichen Wirksamkeit
zurückziehen.
Der Leiter der Generalintendanz der K. u. K. Hoftheater in Wien, August
Frhr. von Plappart, hat mit Rücksicht auf andauemde Kränklichkeit sein De-
missionsgesuch eingereicht.
Friedrich Klose, der Komponist der Symphonie »Das Leben ein Traum*
und der Oper „Ilsebill*, tritt Oktober dieses Jahres in den Lehrkörper des Basler
Konservatoriums ein und zwar für den Unterricht in Komposition und doppeltem
Kontrapunkt, und für die Leitung der höheren Solfeggienklassen.
Louis Victor Saar, einer der hervorragendsten in Amerika lebenden deutschen
Tonsetzer, hat eine Berufung als erster Professor für Komposition an das „College
of Music* in Cincinnati erhalten. Während des letzten Jahres bekleidete er eine
gleiche Stellung an dem unter Leitung von Frank Damrosch in New York begrün-
deten Konservatorium. Saar hat sich durch viele Werke auf dem Gebiete der
Kammermusik, des Liedes und Chorgesangs sehr vorteilhaft bekannt gemacht.
Dr. Hermann Stephani in Flensburg ist zum Organisten und Kantor an
der St. Andreaskirche in Eisleben gewählt worden.
Zum Direktor des Stadttheaters in Rostock wurde der bisherige Regisseur
des Mannheimer Hoftheaters, Rudolf Seh aper, gewählt.
186
DIE MUSIK V. 21.
Jacques Goldberg , der letzten Winter an der Metropolitan Opera in New
York alt Oberregiaaeur titig war, wurde in gleicher Eigenschaft andaa Stadttheater
in Dfiaaeldorf berufen.
Zum Dirigenten dea philharmoniachen Orcheatera in Berlin wurde nach er-
folgreichem Probedirigieren Kapellmeiater Dr. Emat Kunwald einatimmig gewihlt
Er tritt aein neuea Amt am I.Juni 1007 an.
Ffir daa Dreadener Hoftheater iat Kapellmeiater Alexander ▼. Zemlinaki
vom Kaiaer-Jubiliuma-Theater in Wien von 1007 ab verpflichtet worden.
Muaikverleger Emil Gutmann» der Sohn dea Wiener Hofmuaikverlegera
und Konzertdirektora Albert Gutmann, hat in Mfinchen ein Konzertbureau eröffnet.
Daa Karl Haaae-Stipendium von der akademischen Hochschule für Musik
in Berlin in Höhe von 900 Mark iat der Pianiatin Liaa Jackl verliehen worden.
Daa Stadtverordneten - Kollegium von Keichenberg i. B. beachloaa, dem
Oberregiaaeur am Jubiliuma-Sudttheater in Wien, Karl Krug, und dem Kapell-
meiater Friedrich Sommer, der in der letztverfloaaenen Spielzeit am Reichenbeiier
Stadttheater gewirkt hat, dieaea Theater ala Pichter bzw. Leiter zu fiberlaaaen.
Der Pianiat Walter Bachmann in Dresden ist zum Kgl. Kammervirtuoaen
ernannt worden.
Prof. Engelbert Humperdinck-Berlin erhielt den Kronenorden 3. Kl.,
Prof. Philipp Rfifer-Berlin den Roten Adlerorden 4. Kl.
Kammerainger Franz Litzinger in Dfiaaeldorf ist der Rote Adlerorden
4. Kl. verliehen worden.
Der Geiger Arthur Hartmann in Berlin iat vom König von Serbien durch
Verleihung des Ritterkreuzes des St. Sava Ordena auagezeichnet worden.
TOTENSCHAU
Am 22. Juni f in Magdeburg Kapellmeister Gustav Schaper.
In Paris f im Alter von 43 Jahren der Redakteur dea «Guide muaical*
Jacques Froiasart. Ein verdienter Muaikschriftsteller, trat er ala geachickter
Oberaetzer deutacher Bfihnenwerke für deutache Musik und Bfihnenkunst ein.
Am 1. Juli f in London der berühmte Gesangameister und Erfinder dea
Kehlkopfspiegels Manuel Garcia im 102. Lebenajahr. Im Mirz vorigen Jahres
wurde er an aeinem 100. Geburtstage von der geaamten Kunat- und Gelehrtenwelt
in hervorragendem Masse gefeiert. Die „Musik* veröffentlichte damala aein Bild
und die wichtigaten Daten aua dem Leben dea Kfinstlers (Jahrg. IV, Heft 11, S. 380).
62 Jahre alt f in Zürich der Musikdirektor R. Naumann.
In Wien f 09 Jahre alt der Theatermaler Franz Gaul. Er gehörte über
30 Jahre dem Hoftheater als Kostümzeichner, zuletzt ala techniacher Oberinspektor
und Leiter des Aussuttungswesens in der Hofoper an. Er hat die Ausstattung zu
einer Reihe von bekannten Ballets geschaffen.
In Staraja Russa f Hermann Mayer-Pirko, ein geborener Bayer, der in
den letzten Jahren als stellvertretender Kapellmeister am Michael -Theater in
St. Peteraburg wirkte.
Ober die in der jüngsten Zeit Verstorbenen: Paul Graf von Walderaee
und Karl Lautenachliger siehe das nihere in den Anmerkungen dieses Heftes.
Auf den am 9. Juni in Königsberg i. Pr. aua dem Leben geachiedenen hervor-
ragenden Tonaetzer Konatanz Berneker wird die .Mueik" in einem der nichaten
Hefte auafuhrlich zu sprechen kommen. .
OPER
FRANKFURT «. M.: Eine wunderliche Art von »Zyklas* hatten wir Im Mai. Er begann
mit einer chronologiachen Folge der Schöpfungen Richard Vagnera, von ,»Tann-
hinaer' an aber wechaelte in der Serie Vagner mit Mozart ab. Der leitende Gedanke
einer derartigen Folge iat mir verborgen geblieben. In den einzelnen Werken kamen
daa UnterhaltnngabedGrfnia und vielfach auch der emate künatleriacbe Anapruch durch
Mitwirkung bedeutender oder doch vielveraprechender Giate auf ihre Rechnung. Denk-
wfirdig waren vor allem die Abende, an denen Lucio Veidt von der Wiener Hofoper
ala groas geartete, hinreiaaende Donna Anna auftrat und Fritz Feinhala aua München
den Hana Sache imponierend und tonachön verkörperte. Auch Frau Fleiacher-Edela
Eliaabeth und die laolde von Paula Döngea aua Leipzig boten ein ganz hervorragendea
Intereaae. Weitere Giate kamen aua Berlin, ao Emat Kr aua ata Lohengrin, Frau
Herzog ala Conatanze in der „EntfQhrung" und Theodor Bertram ala hier bereite be-
kannter und wertgeachitzter Fliegender Hollinder und Wotan. Hermine Boaetti aua
Mfinchen gab ala Königin der Nacht eine koatbare Leiatung im Koloraturgeaang zum
beaten, hielt dagegen in der Auftrittaarie die dramatiache Seite der Rolle in ziemlich
flachem Relief. Theo Drill-Orridge, die aich von hier aua ihren Ruf ala tüchtige
Konzertaingerin erwarb, trat dieamal ala Wiener Hofopemgaat in der Rolle dea Adriane
in »Rienzi* auf. Soll aber ihre Kunst auch von der Bühne herab atirkeren Eindruck
hinterlaasen, ao muas daran noch manchea, beaondera im Spiele, wachsen und reifen. An
aufmunternder Anerkennung hat ea ihr nach der groaaen Arie nicht gefehlt.]
Hana Pfeilachmidt
KÖLN: Die Opernfestspiele im Neuen Stadttheater nahmen am 20. Juni ihren
Anfang mit einer ungemein atilvollen «Don Juan* -Aufführung nach Hermann
Levia Bearbeitung. Wihrend Anton Fucha vom Mfinchener Hoftheater eine treffliche
Inazenierung nach dem Vorbilde Poaaarta schuf, erzielte Felix Mottl mit dem Orchester
prachtvolle Wirkungen. Johanna Gadaki-Tauacher (New-York), Marie Burk-Berger
(München), Hermine Bosetti (München), Fritz Feinhala (München), Wilhelm Heach
(Wien), Carl Jörn und Putnam Griswold (Berlin) vereinigten sich als Solisten zu einem
Ensemble von grösster Eindruckskrafr. Am 24. Juni folgte eine ausserordentlich schöne
»Lohengrin*- Aufführung unter Fritz Steinbacha Leitung. Leo Slezak (Wien) ala
Titelheld, Aino Ackt6 (Paris), die allerdings in hiuflgem Unreinsingen eine gewisse In-
disposition erkennen Hess, als Elsa, dann Leopold Demuth (Wien) als Telramund, femer
Thila Plaichinger und Putnam Griawold (Berlin) ala Ortrud und König, denen sich
der hiesige stimmgewaltige Tilmann Liszewsky ala Heerrufer anachloss, wirkten in
glinzender Weise zusammen. Auch die kleinen Partieen der Edlen und Knaben waren
mit eraten Kriften verschiedener Stadttheater beaetzt, dann fanden die Chöre durch
fünfzig Schülerinnen der obersten Chorklasse des Konservatoriuma aowie durch hundert
Mitglieder dea Gesangvereina «Kölner Liederkranz* bedeutsame Erginzung. Unter
Steinbach, dessen frisch anmutende und geistig vertiefte Leitung stets den ganzen
Apparat in den Bann aeiner muaikaliachen Initiative zog, erachöpfte zumal das Orchester
die Charakteriatik und den Schönheitagehalt dea Werka in aeltenem Maaae. Anton Fuchs'
vornehme Regiekunst erhielt in stilechten neuen Dekorationen und reicher koatümieller
188
DIE MUSIK V. 21.
Ausstattung eine schätzbare Unterstützung. Auch der auf den 27. Juni gefallene dritte
Abend bedeutete mit einer ausgezeichneten Wiedergabe des «Fliegenden Holländer*
nach allen Richtungen hin einen grossen Erfolg der Festspielleitung. Otto Lohse als
starlE individuell zeichnender, interessanter Dirigent, Fritz Fein hals als Holländer, Leo
Slezak als Erik, Johanna Gadski als Senta und Wilhelm Hesch als Daland fanden
sehr starken Beifall. Die „Lohengrin'-AuffQhrung wurde am 29. Juni mit Obemahme
des Telramund durch Feinhals und des Königs durch Rudolf Mo est von Hannover
wiederholt. Die ersten beiden Abende fanden das Haus ausverkauft, die beiden folgenden
zum mindesten ein sehr zahlreiches Auditorium. So können der nach allen Richtungen
das Mögliche leistende Vorstand des Festspielvereins und das eine starke Ergänzung von
auswärts aufweisende Publikum miteinander recht zufrieden sein. Die beiden letzten
Abende bringen Richard Strauss' „Salome*, einmal unter des Komponisten, das andere
Mal unter Lohses Leitung. Paul Hill er
LEIPZIG: Am 25. Mai ist auch hier die Wilde-Strausssche »Salome* zur Aufführung
gelangt und zwar in so künstlerischer Bewältigung der abnormen Aufgabe, dass die
Bedeutsamkeit des ungeheuren impressionistischen Allkunstwerkes voll erfasst una allen
an der Wiedergabe des Werkes Beteiligten mit unzähligen Hervorrufen gedankt werden
konnte. Kapellmeister Hagel leitete die von ihm bestens vorbereitete Aufführung mit
stimmungsreicher Energie und Feinfühligkeit, so dass auch in dem einige silebedzig
Mann starken Orchester bei voller Dezenz des Begleitens nichts von den schönen und
unheimlichen Klangfärbungen der Straussschen Partitur verloren ging. Regisseur Marion
hatte für jederzeit sinngemässe Gestaltung der sich vor einer gut-charakteristisch gemalten
Dekoration des Obermaschineninspektors Patzig abspielenden Bühnenbilder Sorge ge-
tragen, und neben Frau Do enges, die bei bedeutender Darstellung die Salome un-
übertrefflich schön sang, Herrn Urlus, der als Herodes stimmlich und schauspielerisch
auf beträchtlicher Höhe stand, und Herrn Soomer, dem die Markigkeit seines Organes
für den Jochanaan sehr zu statten kam, wurden auch alle mit kleineren Partieen be-
trauten Mitglieder, von denen hier noch Herr Schlitzer (Narraboth), Frl. Sengern
(Herodias) und Fri. Studtegger (Page) genannt sein mögen, ihren Aufgaben in vollem
Masse gerecht. Die ungeheure Schwierigkeit des Werkes hatte das ganze Personal zu
rastlosem Aufgebot seines besten Könnens angeeifert, und so hat denn die Aufführung
der ganz nach der Devise »l'art pour Part" geschaffenen „Salome*' wirklich zu einer
hochbedeutenden Kunsttat geraten können. Man bejubelte das schöne Ereignis um so
lebhafter, als zwei Tage zuvor die hiesigen städtischen Theater vom Rate der Stadt
endgültig an Direktor Robert Volkner verpachtet worden waren und man somit die
Salome-Premiere als ein gutes Omen für die nun beginnende neue Opernära auffassen
konnte. Arthur Smolian
MONCHEN: Humperdincks »Heirat wider Willen* haben wir nunmehr, ein Jahr
nach der Berliner Uraufführung, auch hier zu hören bekommen. Die Musik Humper-
dincks zeichnet sich, wie alles, was der Meister schreibt, durch unübertreffliche technische
Vollendung aus, namentlich in der mit subtilster kontrapunktischer Kunst gearbeiteten
und mit einer Fülle von Wohllaut getränkten Instrumentation. Die thematische Erfindung
ist aber nirgends von besonderer Bedeutung; einige hübsche Einfälle, wie z. B. die Melodie
der Brieflektüre im ersten Akt, nähern sich etwas dem Stil der Operette. Auch musikalisch
ist der Lustspielton keineswegs immer getroffen; z. B. die Instrumentaleinleitung zu der
Szene in der Bastille klingt so schaurig und tragisch, dass man zum mindesten an einen
Gang zum Halsgericht denkt; statt dessen handelt es sich um zwei lockere Vögel, die
im Arrest sitzen und ihrer Verheiratung entgegenharren. Ganz hübsch gelungen ist
dagegen im letzten Akt die Einführung eines Schäferlieds und eines Menuetts im alten
189
KRITIK: KONZERT
Stil; auch einige sehr hfibsche Ensembles weist die Partitur auf, wobei insbesondere das
Ges-dur-Quartett am Schluss des zweiten Akts Erwihnung verdient Die ziemlich lange
Ouvertüre, die Humperdinck nachkomponiert hat und die, irre ich nicht, bei uns zur Ur-
aufführung kam, erfreut wieder durch ihre prachtvolle Instrumentation, ist aber in ihrem
thematischen Gehalt wie die ganze Oper zu unbedeutend. Ein prichtiges Stück ist dagegen
die Verwandlungsmusik des zweiten Aktes, die tonmalerisch die Hochzeitsfeier darstellt
und auch in ihrem kontrapunktisch-thematischen Gefüge interessant ist. Die Aufführung
unter der szenischen Leitung von Fuchs und der musikalischen von Mottl war sehr
gut. Von den einheimischen Kriften war Frau Bosetti als Luise am besten; eine
würdige Partnerin fand sie in Frl. Koboth als Hedwig. Herr Buysson als Montford
erfreute durch gewandtes Spiel und musikalische Sicherheit, war aber stimmlich nicht
stets ausreichend. Vorzügliches bot Herr Hoffmann aus Berlin als Duval; die Rollen
des Gouverneurs und des Königs waren mit den Herren Bender und Bauberg er erst-
klassig besetzt. Dr. Eugen Schmitz .
NÜRNBERG: Die bayerische Landesjubillumsausstellung, die in Nürnberg ihre Pforten
geöifnet hat, hat auch unserer Oper einen letzten, kriftigen Impuls gegeben. Man
hat Festspiele veranstaltet und eine Reihe der gerühmtesten Sterne am deutschen
Opemhimmel hat zwei Meistersingeraufführungen besonderen Glanz verliehen. Jung-
Wagners „Bruder Lustig' musste in solcher Umgebung noch mehr zusammen-
schrumpfen. Dagegen konnte die Opernbühne Nürnbergs den Ruhm für sich in Anspruch
nehmen, aus eigenen Kriften Richard Straus^' »Salome* herausgebracht zu haben:
an dritter Stelle in Deutschland! Wer die stupenden Schwierigkeiten der Partitur aus
eigener Anschauung , kennt, kann die Tat unseres Kapellmeisters Paul Ottenheimer
ganz würdigen, und die Art, wie die Musik Strauss' von ihm angefasst und wieder-
geschaffen worden ist, rückt Ottenheimer in die vorderste Reihe unserer Opemdirigenten.
Henny Dima als Salome war gut; besser noch, besonders im Spiel, Costa als Herodes.
Das auf 100 Mann verstärkte Orchester hat wohl alle Intentionen des Meisters und seiner
Partitur zum Erklingen gebracht. Ober das Werk selbst kann mau ein Urteil nicht in
wenige Zeilen komprimieren: für diese Wildesche Dichtung kann eine andere Musik
nicht erdacht werden, und die Art, wie auf dem Boden einer kühnsten Orchestration
eine ganz neue Harmonik geschaffen wird, gegenüber der alle Lehrbücher versagen
müssen, wird vielleicht der Ausgangspunkt einer neuen technisch-musikalischen Ära sein.
Dr. Flatau
KONZERT
AMSTERDAM: In die bereits stark abflauende Saison kam nochmals ein frischer Zug
durch das Eintreffen zweier illustren GIste: Edvard Grieg und Felix Weingartner.
Die Grieg-Periode gipfelte in einem grossen Konzert im Stadttheater, bei dem nur Grieg-
sche Werke zur Aufführung gelangten durch den genialen Komponisten selbst am Klavier,
Julia Culp und Pablo Casals. — Wurde der nordische Meister bereits hoch gefeiert, so
wuchs der Beifall, der Felix Weingartner zuteil wurde, ins Ungemessene. Die Wein-
gartner-Woche bot Gelegenheit, den vielseitigen Künstler zu bewundem als Redner,
Kammermusik-Spieler, Komponisten und Dirigenten. Im Verein .Erasmus" hielt er
einen fesselnden Vortrag über seine „Oresteia*; mit den Herren Flesch, Noach,
Meerlov, -Mossel und Blazer brachte er sein Sextett zu glinzender Geltung und
Alida Lütkemann begleitete er eine Reihe Lieder, unter denen »Ghawaze* und
yPlauderwische" besonders gefielen. Die grüssten Triumphe feierte er in zwei Kon-
zerten, in denen er seinen König Lear, sowie seine neuen achtstimmigen Chüre mit
Orchester «Traumnacht* und «Sturmhymne" zur Aufführung brachte und Beethovens
IQO
DIE MUSIK V. 21.
Neunte dirigierte. Unter Weingartners die letzte Fiber erregender Leitung vereinigte
sich alles zu grandioser Wirkung: der hinreistend singende, eben von seiner Pariser
Kunstreise ruhmreich zurückgelcehrte Chor des Oratorium -Vereins, das auserlesene
Concertgebouw Orchester und das gute Soloquartett, bestehend aus den Damen Lütlce-
mann, Stapelfeldt und den Herren Swolfs und Sol. Von Weingartners Wericen
machte den tiefeten Eindruck die Sturmhymne, die in gewaltigen Klingen und bizarren
Effekten See* und Wüstensturm, sowie die Stürme des menschlichen Henens schildert.
— Zum Schlüsse der Saison bot das Concertgebouw in einem nur Werke niederllndischer
Tonkünstler enthaltenden Programm Gelegenheit zur Würdigung derJung-Niederlindischen
Schule. In Doppers zweiter Symphonie «Rembrandt* finden sich schöne talentvoll be*
arbeitete Motive und vortreffliche Instrumentation, und van Gilses Vorapiel »Eine Lebens-
messe* ist voll edler Stimmung. Hieran schlössen sich Bruchstücke aus Wagenaar* s
geistvollem »Doge von Venedig* und vanAnrooy's gern gehörte pikante Piet-Hein-Rhap-
sodie. Simtliche Werke seien deutschen Orchestervereinen als Programmbereicherung
für die kommende Saison empfohlen. Hans Augustin
ANTWERPEN: Die Konzertsaison geht ihrem Ende entgegen. Sie war, ohne überladen zu
sein, recht erfolgreich. Vornehmlich die Gesellschaft »Nouveaux concerts* bereitete
uns manchen herrlichen Abend, so an letzter Stelle noch eine Quartectsoiree des Brüsseler
Quartetts, denen ich vor allen hier gehörten Vereinigungen — auch den »Böhmen*
— den Vorzug gebe; femer als letztes Abonnementskonzert das Kaimorchester unter
Schnöevoigt. Mit einigen Worten sei auch der Gesellschaft »Cercle Artistique* gedacht,
die uns, wenn auch in kleinem Rahmen, manchen künstlerischen Abend bot und mit ihrem
Schlusskonzert — einer etwas verapiteten MozartfSeier — einen ungetrübten Genuas bereitete.
In letzterem fiel eine junge Brüsseler Singerin, Frl. Bernard, durch ihre prachtvolle, wohl-
geschulte Sopranstimme auf. Das Jahreskonzert des unter Leitung eines Lehrera stehen-
den gemischten Chores der Lehrervereinigung »Diesterweg* brachte im eraten Teil als
Neuheit Hindels »Cicilien-Ode*, die dank der prichtig ausgeführten Chöre und der
vorzüglichen Solisten, Frl. Bernard (Sopran) und Herr Swolfs (Tenor), grossen Beifall
erweckte. Im zweiten Teil kamen Werke modemer Tonsetzer zur Aufführung, von denen
Blockz* »Vlaamsche Kermis aus Milenka*, besondere aber Benoit's »Genius des Vader-
landa* die Zuhörer in helle Begeisterung vereetzte. — Zu einem musikalischen Ereignis
für Antwerpen und Brüssel gestaltete sich die Doppelaufführung dea Oratoriums »Paulus*
durch die gemeinsamen Chöre des dortigen deutschen Gesangvereins und der hiesigen
deutschen Liedertafel. In Antwerpen vereinigten sich über 300 Erwachsene und Kinder
zur Unteratützung der Chorile, um dem Werke zu einer glänzenden Wiedergabe zu ver-
helfen. Seit langen Jahren war hier ein so gut disziplinierter Chor nicht mehr gehört worden.
Da auch das Orchester, aus den besten Elementen der Antwerpener Theatermusiker sich
zusammensetzend, seine volle Schuldigkeit tat, und die Solisten, Frau Rückbeil-Hiller,
Paul Reimers und der Cölner Opemsinger Liszewski ganz Hervorragendes leisteten,
so war der Erfolg ein durchschlagender. Felix Welcker, dem Leiter der Aufführungen,
wurden auasergewöhnliche Ovationen dargebracht. A. Honigsheim
BADEN-BADEN: Erstes Musikfest (9.-- 11. Juni). Mit einem Orchester, das, wenn
es auch durch Zuzug von aussen auf ca. 00 Mann veretirkt wird, gewöhnt ist, tag-
tiglich dreimal zur Kurgartenpromenade und zum Brunnentrinken usw. aufzuspielen, die
»Neunte* aufführen und sogar aehr gut aufführen, ist keine Kleinigkeit. Der städtische
Kapellmeister Paul Hein hat im Verein mit seinem Kollegen, dem als Liederkomponisten
geschitzten Musikdirektor Carl Beines, der die Chöre einstudierte und die zur Auf-
führung gelangenden Chorwerke dirigierte, die schwierige Sache fertig gebracht Auch
die c-moll Symphonie von Brahma» dessen Andenken der erate Fesubend gewidmet
191
KRITIK: KONZERT
war, kam ^berraachend actaön heraua« Deaaelben Meiatera Violinkonzert ftind in Fritz
Kreialer einen hinreiaaenden, berufenen Interpreten, dem der Lorbeer dea eraten Feat-
tafea gehörte, womit nicht geaagt aein aoU, daaa die fibrigen Mitwirkenden leer aua»
gegangen wiren. Am zweiten Abend, attaachlieaalich Beethovenachen Verken zugedacht,
apielte Bnaoni daa Ea-dur mit der von ihm bekannten techniachen Meiaterachaft. An
Stelle der in letzter Stunde den Unternehmern der Veranataltung Schwierigkeiten ver-
uraachenden Hamburger Primadonna Frau Fleiacher-Edel lieaa aich Auguate Bopp-
Glaaer vom Stuttgarter Hoftheater erfolgreich mit der i,Ah perfldo'-Arie hören, ohne
freilich eine ao intenaive Wirkung zu erzielen, wie ea dem Tenoriaten Ludwig Heaa
mit dem achlechterdinga meiaterlichen Vortrag dea Liederzyklua i,An die ferne Geliebte"
beachieden war. Ala Zugabe lieaa er die »Adelaide" folgen« Ich habe dieaea hohe Li^d
der achwirmeriachen Sehnaucht nie empflndungavoller, nie atilreiner aingen hören. Die
Senaatlon, oder aagen wir beaaer Attraktion, dea dritten, auaachlieaalich modernen Meiatem
gewidmeten Konzertea bildete Richard Strauaa, der peraönlich erachienen war, um
»Till Eulenapiegela luatige Streiche*, daa Liebeaduett aua »Feueranot*, den »Camaval
Romain" von Berlioz, .Loa Pr61udea" von Liazt und daa »Meiaterainger^-Vorapiel zu
dirigieren, aimtliche Werke unter ganz auaaergewöhnlichen Ovationen von aeiten dea
enthuaiaamierten Auditoriuma, an deaaen Spitze, unmittelbar vor dem Dirigentenpult, die
aympathiache Greiaengeatalt dea Groaaherzoga Friedrich von Baden zu bemerken war.
Nachdem Eulenapiegela GlQck und Ende in Tönen vorübergerauacht, miachte aich in daa
Toben dea begeiaterten, dem diaboliachen Humor dea geiatreichen Capriccioa aber doch
nicht recht beikommenden Publikuma der von Herzen kommende Tuach dea Orcheatera.
Ungemein duftig, den poetiachen Gehalt voUatlndig auaachöpfend, aang Julia Culp drei
von Erotik umloderte Lieder dea »Salome'-Autora, vom Komponiaten am Flügel begleitet
Auch dieae Glanznummer war ein Höhepunkt und gehört zu den unvergeaalichen Ein-
drücken. Wenig Glück hatten die wenigen Novititen (für Baden): Humperdincka
Kantate »Die Wallfehrt nach Kevlaar" und V. dMndya Bariton-Arie aua deaaen Oper
»L'6tranger", auf die man, nach dieaer Probe zu urteilen, in deutachen Landen nicht
geapannt zu aein braucht. Ala Interpret fungierte ein Mitglied der Kgl. Oper in Brüaael,
Henri Albera, deaaen atimmliche Qualititen — er beteiligte aich auch am Feueranot-
duett — den beaten Eindruck machten. AUea in allem darf aich die Sudt Baden zu
dem achönen und anacheinend ziemlich deflzitloaen Verlauf dea Featea gratulieren. Der
Beauch bitte, beaondera von aeiten der anweaenden Saiaongiate, reger aein dürfen. Aber
man llaat nicht ungeatraft nach Aufführung von Beethovena »Neunter" eine Militlrkapelle
im Freien konzertieren. Man wollte eben auch den »Minderbemittelten" an muaikaliachem
Veratindnia — und die gibt'a ja überall -— etwaa »bieten". So war denn beiden Teilen
geholfen. Alfred Beetachen
BALTIMORE: Wilhelm Gericke hat die Leitung der Boaton Symphony Concerte
niedergelegt und aich auf der letzten Konzerttour von den verachiedenen Stitten
aeiner erfolgreichen Titigkeit verabachiedet. Im letzten Konzert brachte er neben Gold-
marka »Sakuntala"-Ouvertfire, Debuaay'a Pr61ude zu »rAprda Midi d'un Faun" und eine fein
auagearbeitete Wiedergabe der C-dur Symphonie von Schubert. Dazwiachen machte una
Henri Marteau in dankenawerteater, Weiae mit dem Dalcrozeachen Violinkonzert be-
kannt Im Januarkonzert der Kapelle enttiuachte Alfred Reiaenauer mit der achwung-
loaen und aelbat techniach unaauberen Auaführung dea Weberachen Konzenatückea,
wihrend Wilhelm Gericke aich in der C-dur Symphonie von Schubert zu ungewohnter
Höhe erhob. Vincent d'Indy'a »Bergaymphonie", in der Heinrich Gebhard (Boaton) in
vortreflriicher Weiae den Klavierpart übernahm, Tachaikowaky'a »Rimini-Phantaaie*, Strauaa*
Till Eulenapiegel, eine Konzertouvertüre von Elgar und [daa »Adagietto"r^aua}Mahlera
192
DIE MUSIK V. 21.
f&nfter Symphonie bildeten die Programmnummern dieses and des folgenden Konzertes.
Marie Hall, die englische Geigerin, gab im vierten Konzerte mit hübschem Ton eine
im ganzen ziemlich unbedeutende AusfChrung des Mendelssohnschen Violinkonzertes.
— Unter den vier Pianisten, die im Peabody auftraten, nimmt Harold Bauer ohne Zweifel
eine hervorragende Stellung ein. Sein durchaus gesundes, unmanieriertes Spiel, dem es
Jceineswegs an Temperament mangelt, hinterliess einen bedeutenden Eindruck. Ausser ihm
gaben recitals: Emest Hutcheson, ein Techniker par excellence, und Emmanuel V ad,
der mehr Poesie besitzt, aber manchmal geradezu ins Bizarre verflUlt Raoul Pugno,
der f&r die erkrankte Frau Bloom field-Zeisler engagiert worden war, erzielte seinen
grössten Erfolg mit den Werken, in denen er die ihm eigne musikalische Grazie und die
Leichtigkeit seines Anschlags entfalten konnte. Die Slogerin Metcalfe hat einen
sympathischen Sopran, den sie im ganzen gut zu gebrauchen versteht. Sie singt in vier
verschiedenen Sprachen mit anscheinend vollkommener Beherrschung der Idiome. Frau
Kirkby-Lunn's Stimme klingt in ernsten Gesftngen unvergleichlich. Ausser den er-
wihnten recitals sind noch die besonders genussreichen von Jean Gerardy (mit Klara
Ascherfeld als Partnerin am Klavier) und von Henri Marteau zu nennen. — Die
Programme der drei letzten Konzerte des Kneisel-Quartetts unter Harold Randolph's
Mitwirkung wiesen die Streichquartette in Es-dur von Mozart, B-dur von Beethoven, c-moU
von DvoHk und verschiedene Bruchstücke auf. — Unter Harold Randolph's Leitung hat
sich der im vorigen Jahre . gegründete „Bach-Chor* tüchtig weiterentwickelt. Seine
Leistungen in diesem Jahre zeigten einen bedeutenden Fortschritt gegenüber denen im
Vorjahre. Das erste Konzert brachte fast ausschliesslich a cappella Gesinge, beginnend
mit Bach, Palestrina und Arcadelt, und mit drei russischen Chören schliessend. Da-
zwischen spielte die Geigerin Maud Powell mit dem ihr hier stets gewissen Erfolg.
Letzte Woche wiederholte der Bach-Chor die „Matthius'-Passion, die er im vergangenen
Jahr zum erstenmal in Baltimore zur Aufführung gebracht hatte, in durchaus erfreulicher
Weise. Nicht ganz so befriedigend waren die Solisten, denen man den Mangel tieferen Ein-
dringens in den Geist Bachscher Musik sehr anmerkte. — Das Philadelphia-Orchester
kam noch zweimal im Winter und verstärkte den Eindruck, den es unter Fritz Sehe eTs
temperamentvoller Leitung bei seinem ersten Auftreten hinterlassen hatte. — Arthur
Rubinstein (Klavier) gab gemeinsam mit der Singerin Johanna Gadski ein Konzert,
in dem er Proben seines zweifellos starken Talents ablegte, das freilich noch sehr der
Schulung bedarf. Frau Gadski riss das Publikum zur Begeisterung hin. — Den Schluss
der Saison bildete das letzte Konzert des Oratorien vereine. Joseph Fache brachte
mit seiner aus über dreihundert Stimmen bestehenden Singerschar eine sehr anerkennens-
werte Aufführung des 13. Psalm von Liszt und Horatio Parker's „Hora Novissima*, ein
Werk, das viele Schönheiten enthllt. — In Kürze nachzutragen sind noch die. Mozart-
feier des »Germania^'-Männerchores, der unter der Leitung Theodor Hem bergers in
stetem erfolgreichen Aufstreben begriffen ist, und ein Sonatenabend des Ehepaares
Hemberger, an dem Violinsonaten von Viktor Saar (op. 44), Pugnani (E-dur) und
Sinding (E-dur) gespielt wurden. Edg
BrOSSEL: Die Concerts populaires beschlossen ihre Winterkonzerte mit einem
Wagnerkonzert bei enormem Andrang des Publikums, das, mit Novititen überfüttert,
augenscheinlich f^oh war, gesunde Kost vorgesetzt zu bekommen. Aber trotz prächtiger
Orchesterleistung fehlte die rechte Begeisterung. Dem Dirigenten Dupuis geht der
grosse Zug ab, und verschiedene der oft vorzüglich gehörten Werke wie Tristan-
und Parsifal-Vorspiel waren im Tempo arg vergriffen. Frau Fleischer-Edel sang
Isoldens Liebestod und Schlusszene ans der Götterdämmerung, ohne aber einen tiefen
Eindruck zu hinterlassen. Sonst gab es noch die Holländer-Ouvertüre, Waldweben aus
193
KRITIK: KONZERT
Siegfried und Szenen aus dem dritten Alcte der Meistersinger. — Hoch gingen die Wogen
der Begeisterung im fünften Ysay e-Konzert. Der Meister spielte in seiner bewunderungs-
würdigen Weise die Konzerte G-dur von Bach (mit 2 Flöten), G-dur von Mozart und
Beethoven. Sein Bruder Th6o leitete das Orchester, das die Ouvertüren aus der D-dur
Suite von Bach, Titus von Mozart und Fidelio beisteuerte. — Einen sensationellen Erfolg
hatte ein Konzert des Kaimorchesters unter Schn6evoigt. Wenn es sich auch,
was Klangschönheit betrifft, mit den hiesigen Orchestern nicht messen kann, so treten
doch andere Vorzüge, die unseren Orchestern mehr oder weniger abgehen, wie straffer
Rhythmus, genaueste Beobachtung der Nuancen, wundervolles pp, mit einem Wort
einheitliche Disziplin in um so helleres Licht. Schn6evoigt war bewunderungswürdig
und verdient in die allererste Reihe der lebenden Dirigenten gestellt zu werden. Der
Beifall kannte keine Grenzen. Das Programm bestand aus der Oberon-Ouvertüre, G-dur
Symphonie von Haydn, Tristan- Vorspiel und Finale, Tannhiuser-Bacchanale und Beethovens
Fünfter. Felix Welcker
GÖRLITZ: Das 16. Schlesische Musikfest — vom 17. bis 19. Juni — liegt hinter
uns. Mit ihm zugleich ist endgültig Schluss gemacht worden mit der Benutzung
der seit 1878 für den Zweck der Schlesischen Musikfeste zur Verfügung gestellten ehe-
maligen Zirkushalle, eines prunklosen, höchst bescheidenen Baues, der sich aber in-
folge seiner guten Akustik trefflich für einen derartig idealen Zweck eignete. Am Mittwoch
ist in Gegenwart des Stifters und jetzigen Protektors der Musikfeste Grafen Bolko
von Hochberg und des seit 1894 als Festdirigenten tätigen Hofkapellmeisters Dr. Muck
(Berlin), sowie einer grossen Anzahl hiesiger offizieller Persönlichkeiten der Grundstein
zur neuen Musik festhalle gelegt worden, die den Namen Stadthalle führen wird und zum
Erbauer den bekannten Charlottenburger Architekten Seh ring hat. Halten wir nun Rück-
schau über das Programm und den Verlauf des Festes, so ist vor allem die Frage zu
beantworten, ob es, abgesehen von dem iusseren bedeutenden technischen Apparat« den
Zweck eines Musikfestes voll erfüllt hat, d. h. ob Programm und Ausführung künstlerisch
erster Güte waren. In beiden Fillen ist nicht bedingungslos ja zu sagen. Was das
Programm anbelangt, so waren für den ersten Festtag Mozarts Requiem und die Faust-
szenen von Robert Schumann angesetzt; für den zweiten Te deum von Brückner,
Sinfonia domestlca von Richard Strauss, Prometheus von Liszt (symphonische
Dichtung und die Chöre zu Herders »Entfesselter Prometheus" mit verbindender Dichtung
von Richard Pohl) und die Schlusszene der Brünnhilde aus Götterdämmerung
(Edith Walker). Der dritte Tag brachte Beethovens achte Symphonie, c-moll-Klavier-
konzert von Hochberg (Frau Kwast-Hodapp), Sehnsucht von Georg Schumann,
die fünf Gesänge für eine Frauenstimme von Richard Wagner, Liedervorträge und
die Schlusszenen aus den Meistersingern (»Wach auf, Hans Sachsens Schlussgesang
und Schlusschor). Die erstgenannten Werke waren aus Pietätsgefühl für den 150. Geburts-
tag Mozarts, bezw. den 50. Todestag Robert Schumanns bestimmt worden. Konnte man
mit der Wahl des Requiems einverstanden sein, so wäre es vielleicht besser gewesen,
an Stelle der Faustszenen eine Schumannsche Symphonie zu bringen, da die Szenen so
ungleichen musikalischen Wert besitzen, dass ihre Länge ermüden musste, welches Ge-
fühl denn auch wirklich nach dem »Gerettet''-Chor eintrat. Mit der Auswahl der Werke
des zweiten Tages konnte man sich vollkommen einverstanden erklären, da sie alle vier
wirkliche Höhenkunst bieten. Auch die Auswahl der Beethoven-Symphonie, der »Sehn-
sucht*, der »fünf Gesänge* und der Schlussmusik am letzten Tage war gut zu heissen.
Die Aufnahme des Klavierkonzertes, das sich als die solide Arbeit eines begabten Laien
entpuppte, ohne die Vorbilder zu verleugnen und ohne besonderen Anspruch zu erheben
auf die geistige Spannkraft des Zuhörers, in das Programm mag als berechtigt angesehen
V. 21. 14
194
DIE MUSIK V. 21.
werden gegenüber der Muniflzenz des Komponisten den Musikfesten gegenüber. Vanim
man aber jetzt nocb, wo wir in Görlitz, wie in anderen sctalesiscben Stidten, jeden Vinter
Solisten-Konzerte der bedeutendsten Künstler haben, Liedervorträge als Entgegenkommen
gegen das ,,grosse Publikum** für nötig hält, ist uns unerfindlich. Sie passen in den Rahmen
eines Musikfestes absolut nicht hinein, da jeder Tag eines solchen Festes unserer Auffassung
nach nur der Gross-Kunst gewidmet sein soll. Dazu kam noch, dass der Liedervortrige dies-
mal so viel waren, dass die Feststimmung stark darunter litt und erst wieder auflebte, als
die Schlussmusik ertönte und der ganze Klangzauber der Meistersingermusik das tausend-
köpflge Publikum wieder zur Höhe führte. — Wenden wir uns nun der Ausführung zu,
so steht als vollendete Leistung der orchestrale Teil da. Die Kgl. Kapelle aus Berlin
war zum funftenmal bei uns als Fest-Orchester eingekehrt (die Schles. Musikfeste finden
alle drei Jahre statt); diesmal in einer Stirke von 114 Mitgliedern. Durch sie hörten wir
die symphonischen Werke in tadelloser Aufführung. Glänzend war die Wiedergabe der
Domestica, der vielumstrittenen, die auch hier geteilte Aufnahme fand. Unbestritten ist
sie ein hochbedeutsames, in ihren ersten Teilen klangschönes, in dem angefehdeten Fugen-
teil kontrapunktisches und instrumentales Meisterwerk. Jedenfalls war ihre Aufführung
durchaus berechtigt. Nicht so vollkommen, wie die Kapelle war der Chor, bestehend
aus den vier hiesigen grösseren Gesangvereinen und Vereinen aus acht anderen
schlesischen Städten. Mit Hinzunahme des Knabenchors beliefen sich die Stimmen
auf 914. Wenn der Chor auch manches Gute leistete infolge d^r staunenswerten Gewalt
und Disziplin des Dr. Muck, den als Festdirigenten zu verlieren ein grosser Schaden
wäre, so machte sich leider bei den Frauenstimmen eine zu geringe Klangfülle geltend,
hervorgerufen durch zu ungleiches Material. Anstatt, dass zu den Musikfesten nur die
besten Sängerinnen und Sänger der grösseren Gesangvereine Schlesiens« in Betracht
kommen sollten, werden leider alle genommen, die sich melden. Anders würde es
werden, wenn unsere und die anderen grossen Gesangvereine der Provinz von vorn-
herein mehr künstlerisch vorgingen, mit dem dilettantischen Einfiuss endlich aufräumten.
Mehr Ernst hinter das Studium, dann werden die Proben besser gehen, als diesmal.
Ebenso ungleich massig wie der Chor waren die Solisten. Frl. Kaufmann (Berlin) passte
für die Solopartie im Requiem gar nicht, da ihre Stimme zu klein, ihr Vortrag zu seelen-
los ist. Als Liedersängerin dagegen sicherte sie sich in Hugo Wolfschen Liedern einen
guten Abgang. Kühl veranlagt ist auch der Tenorist Senius aus Petersburg. Doch füllte
er seine Aufgaben im Requiem und den Faustszenen besser aus, als seine Partnerin
Frl. Kaufmann. Ein guter Faust war Kammersänger Büttner (Karlsruhe), der sich auch
als Hans Sachs als vornehmer Sänger erwies. Auf ebenso künstlerischer Höhe standen
Frau Metzger-Froitzheim (Hamburg) in den Liedern von Richard Wagner und FrK
Walker als Brünnbilde. In den Chorwerken waren dann noch beschäftigt die Altistin
Frl. Stapel feldt (Berlin) und Herr Orelio- Amsterdam (Bass). Beide gewannen sich
infolge guten Stimmaterials und gediegenen Vortrags allseitige Sympathieen, wie auch
Frau Kwast-Hodapp als grosszügige Pianistin. Ihr Gatte erwies sich am dritten Tag
als äusserst feinfühlender Begleiter. Georg Schumann ftind mit seiner „Sehnsucht*, die
er selbst dirigierte, gute Aufnahme. Ist seine Musik auch nicht durchweg individuell, so
merkt man doch aus dem Werk heraus den ernsten, poesiebegabten Musiker, den treff-
lichen Kenner des modernen Orchesters. Ebenso interessant war die Bekanntschaft des
Tedeums, bei dem nur der Chor nicht voll auf der Höhe stand, um die zwingende
Wirkung dieser markigen Tonsprache ganz zum Ausdruck zu bringen. Viel Schönes hat
das 16. Schles. Musikfest gebracht, aber auch zu mancher Anregung Anlass geboten.
Möge man nun auch nach ihr handeln. Maxjacobi
195
KRITIK: KONZERT
JOHANNESBURG: Die starke Depression, die schon seit Jahr und Tag auf dem ganzen
Geschftftsleben Johannesburgs liegt, hat auch in unserem musilcalischen Leben einen
voUstindigen Stillstand gezeitigt. Das ganze letzte halbe Jahr brachte ausser kleinen
privaten Veranstaltungen, die der Erwihnung kaum bedürfen, nur zwei Solistenkonzerte
und ein Oratorium. Der Pianist Pierre de Beer gab ein Antrittskonzert, in dem er seine
echt musikalische Natur und eine gründliche künstlerische Durchbildung zeigte, so dass
sich ihm als Klavier-Pädagoge bald ein reiches Feld in unserer Stadt eröflTnete. Ferner
gab die hier sehr geschätzte Violinistin Beatrice Stuart (Mrs. de Kok) ein eigenes Konzert
und fand mit ihren Darbietungen wohlverdienten Beifall. Als einziges Oratorium im ganzen
Jahr wurde wieder der j^Messias* aufgeführt und zwar in recht massiger Ausführung.
Bei aller Begeisterung für dies herrliche Werk drängt sich Einem aber doch unwillkürlich
die Frage auf: «warum immer nur der Messias und nicht ein einziges Mal ein anderes
Werk?* — Wie allerorten; so ist auch in Johannesburg W. A. Mozarts in diesem Jahre
gedacht worden, indem der Deutsche Club die erste Hälfte des Jubiläumskonzerte?,
das anlässlich der silbernen Hochzeit unseres Kaiserpaares stattfand, nur mit Kompositionen
Mozarts ausfüllte. Den Löwenanteil des Abends trug Beatrice Stuart davon; ihr war
auch die führende Stimme in dem Mozartschen Klarinettenquintett übertragen, mit dem
das Konzert eröffnet wurde. Schon nach dem ersten Satz brach das beinahe überfüllte
Haus in tosenden Beifall aus, der sich nach jedem Satz immer mehr und mehr steigerte,
dank der sicheren und fein abgetönten Ausführung jedes Beteiligten, wodurch bei trefflichem
Zusammenspiel ein abgerundetes Ganze geboten wurde, wie man derartiges auf dem Gebiete
der Kammermusik seit Jahren hier nicht gehört hat. •— Eine willkommene Abwechslung
im ewigen Einerlei bot das Eintreffen der D'Oyly Carle Company aus London, deren
Repertoire ausschliesslich Sullivan'schen Operetten gewidmet war. Die grösste Zugkraft
besass natürlich wieder der i^Mikado*, der bei jedesmaliger Aufführung ein volles Haus
erzielte. Die einzelnen Kräfte waren recht gut, die Chöre ausgezeichnet und die Truppe
ganz vortrefflich eingespielt. Maly von Trützschler-Sanders
KIEL: Auswärtige Solisten kehren nur ungern bei uns ein, um auf eigenes Risiko zu
konzertieren. Bedeutsam war ein Konzert des »Holländischen Trios''. Höhen-
kunst I Dazu die reine, klare Atmosphäre gereifter, schlackenloser Künstlerschaft.
Elisabeth Müller-Osten (Berlin) gab einen Abend mit japanischen Liedern; die
Künstlerin trat im japanischen Kostüm auf. Japans Liedergaben sind für unsere Ohren
mehr interessant als schön. Scharwenka (Berlin), wenig glücklich assistiert von der
Sängerin Blanck-Peters, gab einen wertvollen Klavierabend. Die hiesige Pianistin
Lulu Andresen bot ebenfalls beachtenswerte Leistungen. — Der Organist Warnke
bewährt sich in Volkskirchenkonzerten (Eintritt 10 Pf.) als tüchtige musikalische Kraft
und konzertierte u. a. einmal mit dem Meistersänger Messchaert. Ein Konzert mit
eigenen Werken (Wanderers Sturmlied, Heldenleben) dirigierte Richard Strauss, dessen
neuer .Königsmarsch** ausserhalb Berlins hier seine Erstaufführung (nach Manuskript
gespielt) erlebte. Das klangvolle Werk trägt für Strauss' Charakterbild nichts aus, ist
einer freundlichen Laune entsprungen und bewegt sich unter Anwendung moderner Mittel
im Frederizianischen Stil. Etwa wie ein modemer Maler einen altgeschichtlichen Stoff
behandelt: unter Respekt vor dem kulturgeschichtlichen Material, aber unter Anwendung
der vorgeschrittenen Technik. — Tüchtige Leistungen bot der Lehrer-Gesangverein
(Dirigent: Herr Johannsen) mit dem Vortrage von Männerchören. Wagners »Liebesmahl
der Apostel" ging aber über seine Kraft. Erwähnt sei noch eine Aufführung von Liszts
»Faust-Symphonie*, Brahma' »Rhapsodie* (die Alt-Partie sang FrL Philippi [Basel] sehr ge-
diegen) und »Hakon Jarl* von Reinecke. Der »Gesangverein* (Dirigent: Mayer-Reinacb)
konzertierte mit dem Hamburger Orchester des Vereins der Musikfreunde: Schubert C-dur,
14»
106
DIE MUSIK V. 21.
Brahms c-moll, Brückner ES'dur Symphonie, Strtuss' «Tod und Verklirung* waren die
Hauptwerke. Die Aufführung der »Matthlus-Passion*' war eine würdige, wenn auch nicht
begeisternde Leistung. Wagners Kaisermarsch mit Schlusschor hatte nicht den erhofften Er-
folg.—Das Hamburger Streichquartett bescherte uns wieder fein abgestimmte Kammer-
musikabende. Die Herren Kopecki und Keller gaben wertvolle Sonatenabende. Kloste^-
organist Voigt bot einen interessanten Abend mit alter Kammermusik. Mit einem «Mozart-
Abend* beschloss die »Phil harmonische Gesellschaft" (Dirigent: Hans Sonderburg)
ihre Saison. Bläser-Serenade c-moll, Quintett für Klavier und Blasinstrumente (Klavier
Herr Gänge) waren eigenartige Gaben. Die Philharmonische Gesellschaft gab drei grosse
Orchesterkonzerte: Beethovens Siebente, Brückners c-moll No. 2, eine erstmalig gespielte
Suite von Heyworth, Wagners Ouvertüre zum »Fliegenden Holländer*, endlich ein Konzert,
benannt »Italien* mit Mendelssohns «Italienische Symphonie*, Berlioz' »Römischer
Karnaval*, Richard Strauss' »Italien* (auf der Campagna), Tschaikowsky's »Capriccio
Italien*. — Der hiesige Verein der Musikfreunde strebt erfolgreich die Gründung eines
eigenen Orchesters an, das für Oper und Konzert Verwendung finden soll.
Hans Sonderburg
KÖNIGSBERG i. Pr.: Das letzte der Künstlerkonzerte brachte das vornehme Vokal-
quartett Grumbacher, Behr, Reimers und Eweyk zu uns; der neue Tenor
fügt sich dem Quartett freundlich ein, erreicht aber meiner Empfindung nach weder
klanglich noch vor allem im Vortrage den musikalisch viel kräftigem Ludwig Hess.
Unter den Gesängen des Quartettes waren vier alte Madrigale und Villanellen besonders
interessant. Das letzte Symphoniekonzert wurde durch die Mitwirkung des prächtigen
Klavierspielers Ossip Gabrilowitsch verschönt, der in Schumanns a-moll-Konzert und
Liszts ungarischer Phantasie zwei stark verschiedene Aufgaben mit gleichem Glücke
löste. Die Geigerin Hedwig Braun und die Pianistin Sophie Arnheim dürfen sich
rühmen. Reger als Kammerkomponisten in Königsberg eingeführt zu haben; sie spielten,
nachdem sie das Werk schon vorher im Anschluss an einen Reger-Vortrag des Unter-
zeichneten im Musiklehrerinnen- Verein vorgetragen hatten, die grosse C*dur-Sonate
op. 72 in einem öffentlichen Konzerte; natürlich erwarben sie sich mit ihrer vortrefflichen
Leistung nicht viel Gegenliebe. Eine fein musizierende Vereinigung, der unter Conrad
Hausburgs Leitung stehende Königsberger Frauenchor, hat sich, nachdem sie
mehrere Jahre pausiert hatte, mit zart ausgestrichelten Gesängen kürzlich zweimal hören
lassen. DasKönigsbergerKonservatorium für Musik (Direktor Emil Kuhns) beging vor
einigen Wochen das Jubiläum des 25 jährigen Bestehens mit einem Festkonzerte, dessen
Programm aussergewöhnlich war: Bachs Konzert in C-dur für drei Klaviere, Beethovens
Oktett für Blasinstrumente (trotz seiner hohen Opuszabl 103 bekanntlich ein Jugendwerk
des Meisters) und eine neue Arbeit von C. Berneker »Die Loisach-Braut*. Bernekers
Werk, das bei diesem Konzerte die Uraufführung erfuhr, ist eine Vertonung des Dahnischen
Gedichtes für Orchester, Frauenchor und Frauensoli; modulatorisch reich und von Gesang
überfiiessend, adelt die Musik den Text; der feiogestimmte Zusammenklang der Stimmen
und der mit ausdruckskräftigem Klangsinne behandelten Instrumente, die zarte Ver-
ästelung der Partitur bieten dem Feinhörigen viel Genuss. Bewundernswert ist, welche
Leuchtkraft Berneker mit sparsamen Farben erzeugt; kein greller Effekt stört die silbrige
Tönung. Schliesslich seien noch die Aufführungen der Matthäus-Passion durch die
Musikalische Akademie und des Requiems von Mozart durch die Singakademie
gebührend erwähnt. Paul Ehlers
LEIPZIG: Zu den Konzertberichten ist noch nachzutragen, dass Ludwig Hess in
einem Kompositionskonzert, das er mit der sympathischen Altistin Else Schüne-
mann und dem trefflich begleitenden Karl Straube veranstaltete, sich mit einigen
197
KRITIK: KONZERT
musikalisch-gescblosseneren Gesangsstücken Freunde gewinnen konnte, — dass der von
Karl Straube geleitete Bachverein in seinem dritten Kirchenkonzert Handels ,pSaul"
(nach der Bearbeitung von Chrysander) mit den Damen E. Götte, E. SchQnemann
und H. van der Harst und den Herren L. Hess, A. van Eweyk, F. Winter und
G. Borchers als Solisten in wirkcam-schöner Weise aufgeführt hat, — dass bei einer
Reinecke-Matinee im kleinen Gewand haussaale des mitwirkenden 82jibrigen Ton-
setsers vom russischen Trio (V6ra Maurins, Michael und Josef Press) trefflich vor-
geführtes c-moll Trio op. 230 und die von Anna Härtung, M. Press und dem Kompo-
nisten sehr anmutvoll wiedergegebenen zwei Lieder ,.Italienische8 Tanzlied" und „Frühlings-
blumen* für Sopran, Violine und Klavier mit Recht wesentlich lebhafter ansprachen, als
die einige hübsche Chorsitze für Sopran und Alt enthaltende, im übrigen aber durch
Trivialitit der Dichtung und Mangel an einheitlich-künstlerischer Formung verstimmende
Ballade „Der Geiger zu Gmünd*, — und dass schliesslich der Riedel -Verein unter
Dr. Georg Göhler in seinem vierten Abonnementskonzert ausser Chören von Scarlatti,
Perez, Jomelli und Zingarelli, die trefflich neueinstudiert waren, einige Tonsitze von Job.
Ad. Hasse und von Mozart (Kyrie für fünf Soprane; Kyrie und Gloria mit Orgel) erst-
malig vorgeführt hat. Arthur Smolian
LONDON : London widerhallt jetzt von Konzerten, und der Musikkritiker sieht mit
Freude der Osterwoche entgegen, die, bis auf die unvermeidlichen Oratorien mit
dem „Messias* an der Spitze, eine Erholungspause verspricht. Im Vordergrunde stehen
namentlich die Symphoniekonzerte des „London-Symphonie-Orchesters", des
„Queens-Hall-Orchesters* und der „Philharmonischen Gesellschaft*. Das
erstgenannte Orchester brachte uns neben dem dritten Brandenburgischen Konzert von
Bach, der Coriolan-Ouvertüre Beethovens und der Akademischen Ouvertüre von Brahma
auch „Also sprach Zarathustra* von Richard Strauss, das vorher in London nur einmal
unter der Leitung des Komponisten gehört worden war. Die Auffassung Dr. Richters
wich von Jener des Urhebers des Werkes ab, namentlich was das Tempo anbelangt, das
langsamer angeschlagen wurde und wie vielfach behauptet wird, das Werk eindrucksvoller
und verstindlicher gestaltete. Die Stimmen über diese Tondichtung sind noch immer
sehr geteilt. Es llsst sich aber nicht bestreiten, dass sie an Boden gewinnt, und in
Manchester insbesondere gehört sie schon zu den „Inventarstücken* des Programms des
dortigen von Dr. Richter geleiteten Hall6-Orchesters. Das Queens-Hall-Orchester,
das seinen ersten Symphoniezyklus abschloss, brachte nur ein sogenanntes „populires
Programm*, auf dem sich auch die „Unvollendete* Schuberts befand, das aber zu keiner
weiteren Bemerkung Veranlassung bietet; es verdient nur erwihnt zu werden, dass die
Leistungen des Orchesters unter Henry Wood ausserordentlich gewachsen sind. Das
Konzert der Philharmonischen Gesellschaft begann mit der Ouvertüre zur Zauber-
flöte, der das Andante und Scherzo aus „Romeo und Julie* von Berlioz folgte. Beson-
deres Interesse erregte aber das Auftreten von Mischa El man, der das erste Tschai-
kowsky'sche Violinkonzert in einer bewunderungswürdigen und für sein Alter geradezu
staunenswerten Weise, sowohl was Technik als Auffassung anbetrifft, zu Gehör brachte.
Die Novitit des Abends war eine „Suite altenglischer Tinze* von Dr. Cowen, die
grossen Anklang ftind und vom Orchester in vorzüglicher Weise unter Leitung des Kom-
ponisten gespielt wurde. Als ein besonderes Ereignis verdient die Erstaufführung von
Sir Hubert Parry's Tondichtung „Der Rattenfinger von Hameln* für Chor und
Orchester erwihnt zu werden. Die Aufführung fand durch die „London-Choral-Society*
statt. Das Werk gehört zum hervorragendsten, was man bisher von Parry kennt. Es
fügt sich dem Text in iusserst charakteristischer Weise an, ist sehr melodiös, nament-
lich in seinem humoristischen Teil, und packend; insbesondere fand die Zaubermelodie
198
DIE MUSIK V. 21.
des Rattenfingers, die der Oboe übertragen ist, grossen Beifall. Auf die l^leineren Kon-
zerte einzagehen verbietet der Raum. Nicht unerwähnt soll aber der ausserordentliche
Erfolg bleiben, den Dr. Lierhammer abermals auf dem Londoner Konzertboden er«
rungen hat r. a.
LÜBECK: Unter unseres jugendlichen und hochbegabten Kapellmeisters Hermann
Abendroth Dirigentenstab nahmen die Symphoniekonzerte einen ausserordentlich
befriedigenden Verlauf. Was für den Dirigenten von vornherein einnehmen musste,
waren die mit erlesenem Geschmack und feinem Stilgefühl zusammengestellten Pro-
gramme, die uns eine grosse Zahl neuer Werke brachten. Wir nennen an dieser Stelle
nur Richard Strauss' »Heldenleben', Schillings' »Hexenlied*, Liszts j^Faustsymphonie*,
Thuilles .^Romantische OuvertQre", Wolfä „Italienische Serenade", Pfitzners ,»HeinzeI-
minnchen', Brückners E-dur Symphonie, Hindels Concerto grosso und Bachs h-moll
Suite fGr Flöte und Streichorchester. Von den Solisten begrfissten wir in Hermine
Bosetti und Henri Marteau alte und liebe Bekannte. Gleich warmer Aufnahme er-
freuten sich Ernst von Possart (Hexenlied), Richard Fischer (sechs Lieder von Wolf mit
Orchester), Valborg S vir dström, Heinrich Kiefer, Paul Knfipfer, und Anna Hirzel«
Langenhan, die uns Brahma' B-dur Klavierkonzert als örtliche Novitit brachte. Die
der frischen Initiative Herrn Abendroths ihr Entstehen verdankenden Volks-Symphonie-
konzerte fCllten eine fühlbare Lücke in unserm Musikleben aus. Ein für den Richard
Wagner-Stipendienfonds veranstaltetes Orchesterkonzert erfreute sich nicht des zahlreichen
Besuches, wie er um des guten Zweckes willen bitte erwünscht sein müssen, immerhin
wurde ein Oberschuss erzielt — Die unter Leitung von Professor Spengel (Hamburg)
stehende Singakademie bescherte uns Mendelssohns „Elias", Hindels „Belsazar" in der
Spengelschen Bearbeitung, ohne mit letzterem, durch seine Linge ermüdenden Werke
einen rechten Erfolg zu erzielen, und Schumanns Szenen aus Goethes Faust Iwan Knorrs
„Marien-Legende* für Soli, Chor und Orchester erwies sich als eine Niete. Die alt-
hergebrachten drei Kammermusikabende von Clara Herrmann erfreuten sich in
diesem Jahre einer ungleich grösseren Unterstützung als im Vor]ahr, wohingegen der
Versuch Professor Spengels, gleiche Abende hier einzurichten, als fehlgeschlagen zu be-
trachten ist Aus den Konzerten des Organisten Lichtwark registrieren wir als be-
deutungsvolle Novitit Teile aus Liszts „Missa choralis"; wenn wir recht unterrichtet
sind, werden wir in diesem Jahre die ganze Messe hören. Unsere vornehme und ausser-
ordentlich leistungsfihige Vereinigung für kirchlichen Chorgesang, eine Schöpfung
Lichtwarks, hatte sich des Werkes mit ernster Hingebung angenommen. Im Lehrer-
Gesangverein hörten wir als Solisten Florian Zajfc, Hermann Gura und Therese
Müller-ReicheL Willy Burmester, der sich hier grosser Popularitit erfreut, fügte
in einem öffentlichen Konzert des Vereins seinen alten Triumphen einen neuen bei. Als
Geiger von sehr starker Qualitit erwies sich in einem Volkskonzert der Hofkonzert-
meister Gustav Havemann aus Darmstadt — Für Solistenkonzerte ist Lübeck nach wie
vor ein schlechtes Feld. Grete Henschel erntete keine Lobsprüche von Auditorium
und Kritik. Interessant war der Duoabend der Geigerinnen Ferchland und Fürst,
ein Ereignis der Lieder- und Duettenabend des Künstlerpaares von Dulong. Herr
Hofmeier (Eutin) spielte in dem Konzert Max Regers „Variationen über ein Thema
von Beethoven" mit grossem Erfolg. J. Hennings
LUZERN: In den Orchester-Abonnementskonzerten, zu denen das hiesige
Stadtorchester durch Zuziehung eines Teils des renommierten Orchesters der Basler
Musikgesellschaft auf etwa 55 Musiker gebracht wird, wurden unter Peter Fassbaenders
geistreicher und energischer Leitung von grossen Orchesterwerken zur Aufführung
gebracht: „Don Juan" von Richard Strauss, die tiefgründige F-dur Symphonie von Peter
199
KRITIK: KONZERT
Fassbtender in der UrauffQhrung, i» Waldweben'' von Wtgner, «Karneval* von DvoHk,
die jpOzean'-Symptaonie von Rubinstein, die »HoUinder'-Ouvertfirey das »Fest bei Capulet"
aus der »Romeo und Julia" -Symphonie von Berlioz, »Mazeppa* von Liszt und die
Symphonie Path6tique von Tschaikowsky. Als Solisten traten in diesem Rahmen auf
Alexandre Petschnikoff, Conrad Ansorge, die Singerin Else Widen-München und,
am Kammermusikabend, das Basler Streichquartett der Herren Koetscher, Wittwer,
Schaefför und Treichler. — Die unter Fassbaenders Direktion stehenden stidtischen
Gesangvereine führten auf: der Stidtische Konzert verein, unter Mithilfe der Lieder-
tafel Luzern, Schumanns «Szenen aus Goethes Faust"; die Liedertafel als Urauf-
führung Peter Fassbaenders wirkungsvolle Ballade »Des Singers Fluch* für Minner*
Chor, Bassolo und Orchester zusammen mit andern orchesterbegleiteten und a cappella-
ChOren; der Minnerchor Attenhofers »Kreuzfahrt" -Kantate ffir Minnerchor und
Orchester und »Eines frummen Landsknecht Lieder" von Podbertsky, sowie in der Urauf-
ffihrung das rhythmisch originelle a cappella-»Reiterlied" von Fassbaender und Atten-
hofers Chorballade »Das Schwedengrab". Die Wintersaison schloss am Palmsonntag
mit einer wohlgelungenen Wiedergabe des Mozartschen »Requiem" durch den Stidtischen
Konzertverein. S c h m i d
MAINZ: Recht interessant Ist unsere Konzertsaison auageklungen. Das letzte Wort
hatte die Liedertafel. Das Konzert brachte nur moderne Werke. Den Anfang
machte Fritz Volbachs symphonisches Gedicht »Ostern", in Mainz zum ersten Male
aufgeführt, vom Orchester und dem Organisten Hartmann aus Frankfurt ganz vortrefflich
gespielt Dann folgten zwei Lieder mit Orchester von Felix Weingartner, »Liebe im
Schnee" und »Tanzlied", zwei ungemein stimmungsvolle Stücke, die R. Fischer mit
schOnem Ton und warmem Ausdruck zur Geltung brachte. Hierauf die beiden grossen
achtstimmigen GhOre mit Orchester desselben Komponisten. Sie sind von hervor-
ragender Behandlung in Technik und Aufbau, sehr stimmungsvoll und von meisterhafter
musikalischer Farbengebung und Malerei. Das eine, »Traumnacht", ein eigenartiges,
phantastisches Stimmungsgemilde von meist zartem Charakter, das andere, grössere,
»Sturmhymmus", ein michtiges, bilderreiches und fesselndes Werk. Dem Chor bieten
beide Werke ganz aussergewöhnliche Schwierigkeiten, wie kaum ein anderes Stück«
Beide Werke gelangen unter Weingartners begeisternder Leitung ganz ausgezeichnet
Der Erfolg war ein ehrlicher, grosser. Den Schluss des Konzertes bildete Brückners
gewaltiges, monumentales Te Deum unter Volbachs Leitung. Dem Chore hatte er,
besonders in den Unisonostellen Knabenstimmen zugefügt, was die Wirkung besonders
nach Seite der kirchlichen Stimmung wesentlich erhöhte. — Aus den beiden letzten
Symphoniekonzerten erwihne ich zwei Novititen: Georg Schumanns Variationen und
Doppelfuge über ein lustiges Thema, ein geistvolles Stück, das gut gefiel zumal bei trefflicher
Durchführung durch den Dirigenten Emil Steinbach; und eine Symphonie von Hermann
Behr, ein Erstlingswerk. Der Komponist, der aus Mainz stammt, erntete damit reichen
Beifall. Das Werk selbst berechtigt zu den besten Hoffnungen. Oberall zeigt es ein
ernstes Wollen und auch ein bereits respektables Können. Harmonisch interessant und
sehr stimmungsvoll ist das Adagiothema, von reizendem Humor das Scherzo. Als
Solisten zeichneten sich besonders aus Fritz Kreis 1er mit dem Beethovenkonzert, und
Frau Kraus-Osborne durch den wunderbaren Vortrag verschiedener Arien und Lieder.
Dr. Fritz Volbach
Wegen RaummaateU mutsten fUr das nichtte Heft zurQckgestellt werden die Berichte: BrQnn, Coburg, Köln,
Parle, Rio Grande, Straaaburg, Weimar (Oper); hromberg, 3rfinn, CIncinnatI, Coburg, Flenaburg, Frelbuif,
Cleaaen, Jena, Kiel, KOln, Paria, Rio Grande, Tainguu, Zwleluiu (Konzert).
ANMERKUNGEN ZU
UNSEREN BEILAGEN
E!^ Den Artikel Prof. Schmids zum Gedichtnis Michael HayVIns illustiieren wir
durch ein Porträt des Meisters nach einem alten Stich von Schröter, sowie durch ein
faksimiliertes »Invaliden-Lied", über das der Leser auf S. 163 näheres findet.
Als Nachklang zu unserem Schumann-Heft bringen wir ein entzuckendes Bild der
Heldin der Hohenemserschen Studie: Clara Wieck im Alter von 14 Jahren. Das seltene
Blatt ist die Wiedergabe einer Lithographie von Lemercier nach dem Gemälde von
E. Fechner vom Jahre 1832.
Dem Andenken an zwei vor 20 Jahren dahingegangene Künstler sind die beiden
nächsten Blätter geweiht: Eduard August Grell (f 10. August 1886), den gediegenen
Kontrapunktiker und Komponisten, von 1851—76 Dirigent der Berliner Singakademie, und
Emil Scaria (f 22. Juli 1886), einen der ausgezeichnetsten Wagner-Sänger aller Zeiten,
den klassischen Vertreter des Gurnemanz bei der ersten Parsifalaufführung 1882. Grells
Porträt ist nach einer Photographie von L. Haase & Co. in Berlin gefertigt, für Scaria's
Bild diente uns eine vorzügliche Lithographie von Jäger zur Vorlage.
Am 14. Juni d. J. starb in Königsberg (Franken) ein gelegentlicher Mitarbeiter
unserer Zeitschrift, Graf Paul von Waldersee, im Alter von 75 Jahren. Ein aus
Privatbesitz stammendes äusserst seltenes Bild des Verewigten hat uns die Firma
Breitkopf & Härtel zur Wiedergabe freundlichst überlassen. Graf Waldersee entsagte
nach dem 70er Kriege der Offizierslaufbahn und widmete sich ganz musikgeschichtlichen
Studien. Bekannt wurde er in weiteren Kreisen durch seine »Sammlung musikalischer
Vorträge*. Er hat an diesem ausgezeichneten Sammelwerk selbst mitgearbeitet und
Monographieen über Mozart und Palestrina geschrieben. Auch als eifriger Mitarbeiter
au den Gesamtausgaben der Werke von Bach, Beethoven und Mozart und an der Heraus-
gabe des Kdchelschen Mozartkataloges, dessen zweite Auflage er besorgte, hat sich der
Verstorbene um unsere deutsche klassische Musik Verdienste erworben.
Der am 30. Juni d. J. im Alter von 63 Jahren verstorbene Maschineriedirektor des
Münchner Hoftheaters, Karl Lautenschläger, dessen Bild wir zum Schluss bieten,
war Deutschlands grösster Bühnentechniker. Mit 17 Jahren trat er bei dem Darmstädter
Theatermeister Brandt in die Lehre. König Ludwig II. berief ihn 1880 nach München,
wo er für seine glänzende Inszenierungskunst das reichste Feld fand. Er führte dort
die sogen. Shakespeare-Bühne ein, die den szenischen Rahmen vereinfachte. Als erster
erkannte er die Wichtigkeit der elektrischen Kraft für die Bühne und schuf eine Menge
Neuerungen, die vielfach Nachahmung gefunden haben. Seine bedeutendste Tat aber
war die Erfindung der Drehbühne, die gleichfalls heute immer mehr Aufnahme findet.
Lautenschläger stand in früheren Jahren zu dem Meister von Bayreuth in engen Be-
ziehungen.
Eine im Hinblick auf die Salzburger Mozarttage doppelt interessante, äusserst wert-
volle Musikbeilage bieten wir diesmal mit dem unbekannten Lied von W. A. Mozart,
über das wir das Nähere in dem Artikel von Paul Hirsch nachzulesen bitten.
Nichdruck nur mit lusdrGckllcher ErUubnt« des Veriates gestattet.
Alle Reebte, Insbesondere des der Obersetzuns, vorbebalten.
Versntwortlfcher ScbrilUeitcr: Ktpellmeister Bernhard Schuster, Berlin W. 57, BQlowstr. 107 I.
JOHANN MICHAEL HAYDN
t 10. August 1806
►:."•
CLARA WIECK
Nach dem Gemilde von E. Fechner
EDUARD AUGUST GRELL
t 10. August 1886
^?»j ' tAS'«/.
PAUL GRAF VON WALDERSEE
f 14. Juni 1906
KARL LAUTENSCHLÄGER
t 30. Juni 1906
s
Mit Würde
W. A.Mozart
Singstimme
Clavicembalo
wor-te tren, rief Jo-aeph sei - nen Hee - ren: Sie eil - ten f lii * gel-
fi^
m
^
^
^
^
i
^
sohneil her- bei > yoII Durst nach Sieg nnd Eh - ren,
^¥ rjjrrj rfj ^J-] I |TJ ^J
f
i
XI
^=i
f
f
?
i
II "« r p
F r r
*t
f r r I r r r r I
gern zieht man Ja dem Va - ter nach, der sei - ne Kin - der
i '"' |i u
f
m
^
^m
i' / i' i'
i r r r
/ |l i' |l I
J i
r r »r I
g|it"i f ^ r r^i ^' t' fTQ ' ^- F F F ^ ^ '
He - bety und sorgt, dass sie kein ün - ge-maeh, selbst niebt 6e -
i
fahr be - trtt - bet.
%
m
Stloli a. Druckt Berliner Moalkallea Druckerei G.m.b. H. dubrlotteabuFg.
DIE MUSIK
Kleinliche Sorgen sind der Tod des künstlerischen Schaffens.
Anselm Feuerba^h
Gross ist überhaupt nur der, welcher bei seinem Werke nicht
seine Sache sucht, sondern allein einen objektiven Zweck verfolgt.
Arthur Schopenhauer
V.JAHR 1905/1906 HEFT 22
Zweites Augustheft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
INHALT
Jodocus Perger
Aas Josef Rhelnbergers Leben und SchalTen
Nach p«rs<Dlicben ErionerusKcn ■owle nach Ma ]eui ubtct-
flffBntlichten Dokumenten. I.
Ernst Otto NodnaKel
Constaoz Berneker
t 9. Jvni 1906. Ein Gedicbnltwort
C. Fr. Glasenapp
Richard Vagners Briefe an Freiherrn von Lüttichau
(SchluBi)
Dr. Carl Hagemann
Bayreuth ieO€
Besprechungen (Bücher und Musilialien)
Revue der Revueen
Umschau (Neue Opern, Aus dem Opemrepertoire,
Konzerte, Tageschronik, Totenschau)
Kritik (Oper und Konzert)
Anmerkungen zu unseren Beilagea
KuBstbeilagen
Mustkbeilage
Anzeigen
DIE MUSIK cnchelDt monatlich tweEmil. AboBneineatipreli fOr da«
Qtuutal 4 Mark. Abonnemeattprela Mr iIcd Jatargutg 15 Mark. Prala
dea elDlelnea Hehei I Mark. Viertel Jabraelnbanddeckeo k 1 Mark.
Sanunelkaatea fflr die Kuaaibeilacea de* samea Jahrganp 2,50 Mark.
AboonenwoB durch jede Buch- und MusIkalieDhandlunc Hr Uebw
Plloe ohne Buchhlodler Bezug durch die Poat.
it dem grossen Kontrapunktisteo Rheinfaerger, einem der grSssten
die je gelebt, wird sich eine Musikgeschichte stets zu bebssen
hiben. SpXtereo Gener«tioaea bleibt es vorbehalten, den Wert
seiner Lebensarbeit entsprechend elnzuschitzen und Belehrung
und Anregung von ihr zu empfangen.
Es ist hier nicht meine Aufgabe, den k&nstlerischen Emingenschaften
Rheinbergers theoretltch atchzaforscben oder deren Wichtigkeit für das
Studium zu beveisen ; ich will vielmehr trachten, diesen bedeutenden Mann
dem Leser menschlich nahe zu bringen. Ans seiner eigensten Zelt heraus
soll des Kontrapunktmeisters sympathische, echt sfiddeutsche Gestalt auf>
tauchen, warmes Leben soll von ihr «usstrSmen, sie soll zur empSndendea
Seele sprechen.
Die kfiastleriscbe wie menschliche Indlvldualitit Rheinbergers war
eine in seltener Weise edle und liebenswürdige, so dass wohl mancher
gewinnen konnte, der seine nähere Bekanntschaft machen durfte; er
bereicherte in vornehmster Art Freunde, Verehrer und Schüler. Letzteren
lehrte er nicht nur den Kontrapunkt; sein ganzes Leben war harmonisch
durchgebildet, und so lehrte er bewusst oder unbewusst die andern jene
innerliche Harmonie erstreben, nach der jeder bessere Mensch sich sehnen
muss — er sei Musikant oder nicht.
Von allem, was bis jetzt über Rheinberger erschien, Ist Adolf
Sand bergers Überschau des künstlerischen Werdens und Wirkens
Rheinbergers unstreitig das Bedeutendste. Sandberger schrieb seine Ab-
handlung,*) als der ahochbegabte Komponist' eben gestorben war und
.München, Deutschland, die ganze musikalische Welt um einen grossen
■] Dieselben becrelfen: Joe. Rheinbergera Briefe an die Seinen, vom 12. Lebens-
jahre bli In aeln relhs Mui&esalMr (von den Hlnterbllebe&en Rb.s d. Verf. freund-
lichst zur Verfügung gestellt), ferner die 20 aGo'chlfu- und Tagebücher Jos. Kurt
Rheinbergers', von seiner Gattin geführt (in der k. Hof- und Staatabibliothek lu MQachen),
*) Joa. Rheinberger von Adolf Sandberger, Beilage zur Allgem. Zeitung, 1001,
Nummer 278.
15«
204
= DIE MUSIK V. 22.
Toten trauerte". Selbst Rheinbergers Schüler, geht er mit feinem Ver*
ständnis auf Rheinbergers Kompositionen (Kirchen-, Orchester-, Klavier-,
Kammer-Musik, Chore usw.) ein, die .unserer Seele neuen Stoff geben
und in ihrer stärksten Ausprägung Anregungen beruhigendster und beglücken-
der Art schenken". Er hebt «als den wichtigsten dieser spezifisch Rhein-
bergerschen Stimmungskomplexe* hervor: Beschaulichkeit, milde Wärme,
schlichte, männlich-innige Empfindungen. Er erkennt Rheinbergers 6r5sse
als in seinem absoluten Musikertum ruhend. Er gibt Rheinberger die höchste
Ehre als Komponisten für die Orgel (20 Orgelsonaten), in welchem Gebiete
der Instrumentalmusik Rheinberger berufen war, .als Neuerer eine ent-
wicklungsgeschichtlich bedeutende Stellung einzunehmen'.
.Bei Bach und dem eigentlich strengen Stil ist aber Rh. hier keineswegs stehen
geblieben. Wie die technischen Anforderungen ist die Erfindung in diesen Stücken
zunehmend eigenartig geworden und eine Fülle seltsamer Gedanken und Gestalten
blüht uns aus den gestrengen drei Systemen dieser Werke entgegen. Dem Künstler,
der selbst ein trefflicher Orgelvirtuos war (ein Schüler des greisen Dr. Herzog), galt
die Orgel keineswegs als ausschliesslich kirchliches Instrument, wie auch daraus her-
vorgeht, däss er weltliche Einzelstücke für sie komponirte ... im übrigen finden sich
mit die schönsten Fugen des grossen Fugenmeisters in diesen Orgelsonaten . . .
In Rheinberger verliert nicht nur die gegenwärtige Musikwelt den hervor-
ragendsten aller Kontrapunktlehrer, die gesamte Musikgeschichte kennt nur
wenige Kräfte von ähnlicher Bedeutung. Was der Meister auf diesem Felde der Kunst
für Dienste leistete, wird erst die Nachwelt voll erkennen • . . Alle, die bei ihm lernten,
machten hier eine Schule des Handwerks durch, wie sie fundamentaler nicht gedacht
werden kann. Humperdinck, Thuille und wie sie alle heissen, deren Namen heute
Klang und Ansehen besitzt, sie können bezeugen, was sie Rheinberger verdanken . . .
Welch eminenter Musiker dieser Mann war, das können in ganzer Fülle doch nur
jene ermessen, die unter ihm an der berühmten, geliebten und gefürchteten Tafel
gearbeitet haben.
Die absolute Lauterkeit und ehrfurchtgebietende Reinheit von Rheinbergers
Charakter hat sich auch beim Unterricht bewährt. Nie habe ich in unsem Stunden
nur ein einziges Wort aus seinem Munde gegen jene hohe Kunst gehört, die ihm so
herzlich unsympathisch war. Und das in den 80 er Jahren, da wir noch um Wagner
kämpften. Später sagte mir Rheinberger gelegentlich einmal: ,Ich hätte manchen gerne
gewarnt, aber ich hielt es für meine Pflicht, euch gehen zu lassen^ . • .*■
So Adolf Stndberger über seines .treuen, hochverehrten, geliebten
Meisters* Wirken und SchaflPen . . .
Die Betrachtung eines Künstlerlebens von solch edler Eigenart kann
hohe erzieherische Werte für die menschlichen Bestrebungen und Lebens-
betätigungen darstellen, um die schlummernden Energieen zu wecken,
die Geister von Kleinmut zu befreien und sie dem hohen Stand-
punkte zuzuführen, dass strenge Arbeit vor allem not tut. Nichts
vermag uns mehr anzuregen als der Oberblick über den Werdegang eines
Meisters, als die liebevolle Betrachtung seiner grossen leuchtenden Vorzüge,
205
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
t!s die ruhige Wahrnehmung tuch der Schattenseiten seines abgeschlossen
vor uns liegenden Kunstschaffens.
Ich meine, die liebevolle Betrachtung. Nur wenn du einen Menschen
liebst, wirst du sein Geheimnis erforschen. Diesen Menschen aber darfst
du lieben, selbst nach der exaktesten Befolgung des manchmal grausamen
Satzes: de mortuis nil nisi verum.
Vergilbte alte Briefe haben eine seltsame Kraft. Keine, noch so
meisterliche, Erzählung kann dieses warm pulsierende Leben hervorrufen,
diese Gluten, diese Flammen, die uns aus den zarten Blättern entgegen-
wehen, diese köstlichen Frühlingslüfte und Düfte, die ihnen entschweben,
diese starken Wogen der Leidenschaften, die ihnen entströmen . . .
Rheinberger soll hier zu uns aus handschriftlichen Auf-
zeichnungen sprechen; nicht nur in seinen eigenen Briefen werden wir
ihn suchen und finden, sondern wir fühlen sein Wesen auch in den Zeilen der
andern, die sich an ihn wenden oder die einem Dritten von ihm erzählen.
So viele, die ihm irgendwie nahe standen, alles was er liebte und nie ver-
gass, lernen wir kennen: die Teuern, die Kleinen, die Grossen, den treu-
besorgten Vater, die Geschwister in seiner Heimat, dem wundervollen
Berglande Vaduz im unabhängigen winzigen Fürstentum Lichtenstein, den
spätbiedermeierschen »Repartitor beym Magistrate München", der den
zwölfjährigen Komponisten als Zimmerherrn aufnahm, den ersten bedeuten-
den Gönner, den vortrefflichen Geologen und Akustiker Prof. Dr. Schafhäutl
(einen seltenen Originaltypus von einem damaligen Universitätsgelehrten),
seine Lehrer und die meisten Musikgrössen seiner Zeit. Und vor allen
andern die treue Gattin Rheinbergers, die so viel Anschaulichkeit in die
9 Geschäfts- und Tagebücher' Josef Kurt Rheinbergers zu bringen vermochte;
die Stimmungen von seinem Leben geben ihre charakteristischen Federzüge
wieder, die Umgebung, in der er wirkt, die Aufregungen, Leiden, die
berauschenden Erfolge, die seelischen Freuden und Depressionen, die sie
wie ein idealer Kamerad seines täglichen Schaffens mit ihm trägt, ja sogar
•seine künstlerischen Meinungen, die sie ihm ablauscht und die sie wohl
gelegentlich beeinflusst. Seinen Namen »Josef' ändert sie in den roman-
tischeren „Kurt", und schliesslich zeichnet er selbst mit „Kurt" in manchen
Familienbriefen. (Ich fand von ihrer Hand: „In der Öffentlichkeit heisst er
Josef Rheinberger, aber zu Hause „Kurri Rheinsputz". Wer kindisch liebt,
versteht übrigens solche Tändeleien ; wer nie recht geliebt hat, wird solches
läppisch finden.)
Als Eingang zum ersten Band der „Geschäfts- und Tagebücher"
findet sich eine kleine guterhaltene Photographie des Paares eingeklebt,
zwei interessante Köpfe. Ich sah die beiden zum ersten Male, als Ich
noch ein Kind war. Meine späteren Erinnerungen zeigen mir Franziska
206
= DIE MUSIK V. 22.
Rheinberger (verwitwete von Hoffkiaass) tls eine grosse imponierende Er-
scheinung, weder schltnk noch mager, das halbergraute Haar gescheitelt,
mit einigen Stlmlöckchen, mit einem Knoten im Nacken; ihr Gesicht,
geistig, scharf geschnitten, a keen face, in ihren lichten grauen Augen, in
ihren Zfigen ein eigentfimlicher Ausdruck von hoheitsvoller Bestimmtheit.
Sie war mehrere Jahre ilter als ihr Gatte.
Rheinberger war gut mittelgross, trug einen braunen Vollbart, der
nach unten spitz endete. Seine Züge waren von edler Bildung, Stime und
Schädel von ausgesprochen interessanten Formen, die Nase kfihn gebogen.
Seine klugen, forschenden, lichten Augen konnten manchmal sehr liebens-
würdig und heiter durch die scharfe Brille blicken. Sein typischer Aus-
druck war jedoch der eines strengen, ernsten Mannes, dessen mutiger Geist
mit eiserner Energie dem schwachen Körper stets neue Arbeitsstunden ab-
zuringen weiss, der mit seinen Gedanken bei seiner Arbeit weilt und der
nur momentan von seinem Schreibtisch abgerufen ist . . .
Doch kehren wir zu seiner Gefilhrtin zurück. Diese merkwürdige
Frau dichtet, zeichnet, singt, spielt Klavier, komponiert auch gelegentlich.
Sie sucht nach alten Volksmelodieen in der Staatsbibliothek, sie hat Latein,
Spanisch, Italienisch, Französisch und Englisch studiert, schreibt Texte für
Oratorien, Chöre, Opern, Lieder, stickt Paramente nach alten Kirchen-
mustem. Dabei lebt sie nur für den geliebten Gatten, den sie erhöht,
verehrt, dem sie ein möglichst behagliches Heim schafft, dem sie schrift-
liche Arbeiten abnimmt, für dessen schwache Gesundheit sie Tag und Nacht
besorgt ist. Die feinfühlige Individualität dieser hochbegabten Frau ist ein
Motiv, das stets durch Rheinbergers Leben leise klingt; vielleicht fühlt
er selbst kaum eine gewisse Einengung, die ihm durch ihre stets für ihn
neu gefertigten, manchmal sehr reizvollen Teztdichtungen geworden sein
mag und durch so manche ihrer Vorurteile, die er unbewusst angenommen
haben mag und die er früher nie besessen. Sicherlich trugen sie ein gut
Teil dazu bei, ihn vom Flügelschlage einer neuen grossen Zeit mehr und
mehr abzuschliessen.
Es ist eben im jahrelangen glücklichen Zusammenleben fast unmöglich,
sich stets gleichen Einwirkungen vollkommen zu entziehen, es ist ausser-
dem schwer, einige Sonderbarkeiten des Kameraden richtig zu deuten.
Man nimmt sie hin.
Ein Nervenleiden fiberschattete und umdüsterte Frau Franziska Rhein-
bergers spätere Lebenstage — vielleicht eine nachträgliche Folge jener
Überstrenge der Erziehung, die ihre frühe Jugendzeit ziemlich freudlos
gestaltet hatte.
Aus manchem Band der von ihr so liebenswürdig und talentvoll
207
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
geschriebenen «Geschäfts- und Ttgebficher Jos. Kurt Rheinbergers" werden
wir sie näher kennen und lieben lernen.
In der Folge eine Aufzeichnung über den Geburtsort ihres Gatten,
die ich in einem Heft mit vergilbtem grünen Umschlag fand; aussen
die Aufschrift: Aus der Heimat, begonnen 1876.
.Die teure Heimat Josef Rheinbergers ist landschaftlich ein wahres Paradies
und wenn Brentano Vaduz zum Schauplatz seines Märchens ,Gockel, Hinkel und
Gackeleya* erwählte, so mag dies geschehen sein, weil es so ein halb vergessenes
Wunderland ist . • . Hoch oben, kfihn auf vorspringenden Felsen gebaut, schaut das
stattliche Schloss, dem der gewaltige RSmerturm und der ruinenhafte halbrunde
Rittersaal im Rücken anhängt, in das breite prachtvolle Rheintal hinab. Kurt und ich
bewohnten einst ein Zimmer dieses alten Gebäudes; O das war schön, wenn am
frühesten Sommermorgen die stolzen Berge gegen Balzers zu im Morgenrot glühten,
während der Mond erbleichend im blauen Äther schwamm und der Rhein sich im
Tale geisterhaft der Ebene zuwand — oder, wenn wir abends am Fenster lagen, über
uns die unabsehbaren Sterne und unter uns jenseits des Rheines aus allen Häusern
die Licbtlein in die Nacht schimmerten, dass man wie eingetaucht in ein Stemen-
meer war. Dazu die balsamischen Düfte, die von den Blumen heraufkamen, die in
der Mauerecke des Schlosseingangs wuchsen und auch das Tal hinabschwebten . . .
Ist man durch einen breiten gewölbten Torbogen, dem jetzt die Pforte fehlt, gegangen,
so kommt man zu jenem Mäuerchen, wo es sich die erwähnten duftenden Blüten so
wohl sein lassen. Von hier ist der Blick in die Tiefe erschreckend und wüchsen
nicht am untern Abhang schlanke Buchen und Tannen, deren Gipfel die Schauer des
Abgrunds decken, so müsste einen Schwindel erfkssen beim Hinabsehen. Nahe an
dieser Stelle stand früher ein Pförtnerhäuschen und noch sieht man die Konturen
dessen Abbruchs an der steilen Burgwand. In diesem Häuschen war Kurts Vater
geboren . . .
Unter dem altersmüden Baume mit der prächtigen, unsäglich schönen Femsicht
gegen Balzers nach Ragatz zu, mit dem Blick auf den linken Alpenhügel mit seinen
dreissig dicht an einander geschmiegten Hütten auf grüner Matte — da war ja schon
von jeher Kurts Lieblingsplätzchen und da konnte er Stunden verträumen, während
die Seele in ihm wuchs. Das war einst der Lustgarten der stolzen Ritter von Vaduz.
Nun geht es hinab ins grüne geheimnisvolle Dunkel des Buchenwaldes. Eine
steile Holztreppe (Stieg genannt) windet sich hinunter an den merkwürdigsten Stämmen
vorüber und da ihre Kronen gebrochen, schienen sich die gekränkten Stämme zornvoll
zu ballen und durch die gedrückten Windungen wurden sie in grause Untiere ver-
wandelt. Hier ein brüllendes Nasborn, dessen Augenhöhlen durchbohrt sind, dort
ein Stierkopf, dessen moosbewachsene Homer sich gegen das breite Hirschgeweih
stemmen, das ihn von unten bedroht. Aber aus diesen Ungeheuern spriessen neue
Bäume mit jungen schlanken Stämmen empor und die Eichhörnchen huschen über
die Gezweige . . . Jetzt geht es eine Weile am Bergabbang hin, unten schimmern
schon die Dächer des Dorfes, jetzt auch sind wir beim Rentmeisterhause, wo Kurt
geboren wurde. Dies einstöckige Giebelhaus, so traulich von Garten und Obstbäumen
umgeben und im Rücken von der waldigen Bergwand geschützt, sieht mit der Front
nach Westen gegen den Rhein zu und seine dicken Mauern zeigen, dass es in ver-
gangenem Jahrhundert gebaut wurde. Es war als Witwensitz der einst auf Schloss
Vaduz regierenden Grafen von Werdenberg bestimmt Nunmehr hatte es der Rent-
meister zur Nutzniessung und mit ihm seine Frau und seine grosse Familie . . .
208
DIE MUSIK V. 22.
O Heimat, Heimat, warum müssen wir mit solcher Liebe und mit solchen
Schmerzen an dich denken? Sie sind ja alle tot — aber Kurt lebt — er^ den deine
Stille erwärmt, belebt, zum Sänger gebildet! . . .
Seit ich Obiges geschrieben — ist eine lange, lange Reihe von Jahren ver-
gangen! Ich stehe am Abend des Lebens und zwar sehe ich nicht die Sonne in
goldenem klaren Glänze über mein Leben versinken, sondern geheimnisvolle Leidens-
scbatten haben sich über dasselbe gelagert und weiss ich nicht, ob mir noch so viel
Licht bleiben wird, dass ich wenigstens die Jugendjahre Jos. Rheinbergers beleuchten
kann. In letzter Zeit kamen so viele Anfragen, teils aus Deutschland« teils aus Amerika,
ob es nicht möglich sei, sein Lebensbild von Kindheit an aufzuzeichnen, dass mein
eigener Wunsch durch diese Bitten noch mehr bekräftigt wird; auch war ich schon
nahe daran den Versuch in Ausführung zu bringen, da scheiterte das Vorhaben an
verschiedenen Gründen. — Ich aber möchte nicht zu Grabe steigen, sei es körperlich
oder geistig, ohne meine letzten Kräfte angespannt zu haben, das liebe reine Bild
der Jugend Rheinbergers der Vergessenheit zu entreissen . . ."
[Dieser tief ergreifenden Nachschrift ist das Datum »am 24. Oktober 1891* bei-
gefügt. Frau F. Rheinberger starb am Silvestertag desselben Jahres.]
Brief des Hofkaplans (Franz Fetz) von Vaduz über Rheinbergers
Kindheit (vom 29. August 1867);
Jos. Rheinberger ist geboren den 17. März 1839 zu Vaduz, Fürstentum Lichten-
stein. Sein Vater Joh. Peter Rheinberger war damals fürstl. Rentmeister, seine Mutter
Elisabet Carigiet von Disentis im Kanton Graubünden. Nicht lange vor seiner Geburt
hatte Rheinbergers Mutter das Unglück, über eine lange alte Hausstiege hinunter zu
stürzen, so dass man für die Geburt des Kindes schwere Folgen fürchten musste.
Der ängstlich besorgte Vater machte in dieser bedenklichen Lage das Versprechen,
der Kirche zu Vaduz eine neue Orgel zu widmen, um eine glückliche Entbindung zu
erflehen. Gegen alle Erwartung hatte jener Fall der Mutter gar keine schlimmen
Folgen.
Mit dem Bau der Orgel wurde begonnen. Inzwischen wuchs der kleine Poppe
gesund und blühend auf. Seine ältere Schwester wollte Musik erlernen, der Orts-
pfarrer verschaifce ihr ein altes Klavier, der Schullehrer, von Scham herüberkommend,
erteilte Unterricht. Der Vater war anfangs nicht einverstanden, er sagte: meine
Kinder sind nicht musikalisch, das haben sie nicht erben können. Er hatte jedoch
Unrecht. Wie der vierjährige Poppe das Geklimper des Klaviers hörte, probierte er
mit seinen kleinen Fingern die Tasten zu drucken und war bald nicht mehr davon
abzubringen. Der Lehrer merkte dies und Hess die Schwester Johanna beiseite und
nahm den kleinen Poppe in den Unterricht. Die Fortschritte waren merkwürdig.
Nun kam er zu der neuen Orgel, da waren aber die Füsse des Kindes für das Pedal
zu kurz und musste ein zweites erhöhtes Pedal als Sattel daraufkonstruiert werden
und Peppe wurde mit sieben Jahren Organist. So war Poppe, dessen Geburt den
Bau der Orgel veranlasst hatte, der erste Organist an dieser neuen Orgel. In der
Tat merkwürdig.
Sein Studier- und Lesezimmer war oft sehr originaL Er machte sich auf irgend-
einem Baume einen Sitz zurecht und setzte sich .unter die Vögel hinein" mit einem
Buche in der Hand.
Jener Schullehrer, ein Tiroler namens Poehly, der mit dem vierjährigen Kind
das Klavierspiel begonnen hatte, erklärte nach einigen Jahren dem kleinen Sehüler
209
PERGER: RHEIN6ERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
die Musiktheorie in einer leichtfasslichen Methode, welche er sich eigens zurechf-
gelegt hatte und der Jugendliche Organist, auf dessen Besitz die Gemeinde Vaduz
nicht wenig stolz war, versuchte sich bald auf dem Gebiete der Komposition. Er
schrieb Versetten, kleine Lieder, ja sogar eine dreistimmige Vokalmesse mit Orgel-
begleitung, was Aufsehen in der ganzen Umgebung erregte, wie Zeitgenossen erzählten.
Der Bischof von Chur sprach dem Rentmeister seinen Wunsch aus, den kleinen
Organisten zu sehen und zu hören und Joseph kam mit seinem Vater nach Chur in
den Dom. Man führte ihn zur Orgel, der Bischof hatte ein Salve regina für
vier Minnerstimmen und Orgelbegleitung auf das Pult legen lassen. Der junge
Organist begann das Vorspiel und bald stimmte der musikliebende PrSlat den Gesang
mit seinen drei Klerikern an. Aber die Wahrheitsliebe und das feine Gehör des
kleinen Musikers überwältigten den Respekt vor dem Kirchen fürsten. Entrüstet
sprang er plötzlich von seinem Sitz auf und rief: Aber Herr Bischof, Sie singen ja
fälscht Der Bischof schenkte nach jener Produktion dem freimütigen Kritiker einen
Dukaten.
Poehly hielt viel auf sehr genaues Oben auf dem Klavier und nach seinem
Rat legte der Rentmeister seinem Josef für 100 und mehrmaliges Spielen der Skalen
einen kleinen Geldbetrag auf das Piano (erst ein Harpsichord, dann ein kleiner auf-
rechtstehender Flügel aus Wien). Das so verdiente Geld sparte unser Pianist zur
Erwerbung neuer Musikalien zusammen. Meistens währte deren Ankunft lange, aber
endlich erklangen doch die Halsschellen des Vaduzer Postschimmels, der die heiss-
ersehnten TonschStze brachte. Da lief der Kleine manchmal weit dem Gefährte
entgegen und wartete auf der Landstrasse, bis der Schimmel auftauchte. Dann sprang
er auf den Bock zum Kutscher in freudiger Stimmung über die bald zu enthüllenden
Schätze.
Doch die Mehrzahl seines bescheidenen Notenbesitzes musste er sich durch
Abschreiben sauer genug erwerben, wodurch er freilich den Bau eines Werkes
besser kennen lernte, als durch noch so oftmaliges Spielen. Viele Schöpfungen
Bachs, Händeis, Webers studierte der Strebsame gründlichst auf diese Weise.
Dem kleinen Musiker war übrigens jedes Lob aus unverständigem oder
schmeichelndem Munde eine Pein; niemals ging er dem Lobe auch nur einen Schritt
entgegen und vermied es, von sich und seinem Tun zu reden. Man konnte ihn
schwer dazu bewegen, neugierigen Leuten vorzuspielen, welche gekommen waren,
um ,des Rentmeisters Pepi^ zu sehen und zu hören; da war er eben nicht auf-
zufinden, sondern versteckte sich im hohen Gezweig einer schattigen Buche so lange,
bis er die lästigen Besucher das Haus wieder verlassen sah.*
(Nach den Aubeichnungen des Lehrers Poehly)
9 jährig hörte Rheinberger zum erstenmal ein^gut ausgeführtes Quartett
(von Mozart) von künstlerischen Dilettanten, die von Feldkirch herüber-
gekommen waren. Es war für ihn ein Freudenfest. Der erste Geiger,
ein Kameralbeamter, interessierte sich von da ab warm für den Kleinen,
der ihm auf dem Flügel mit ungewöhnlicher Fertigkeit und musikalischer
Empfindung vorgespielt hatte. Er und andere Gönner vermochten, nach
einigen Jahren des ernstesten Weiterstrebens Josefs, den strengen Vater
zu überreden : endlich konnte sich der Rentmeister Peter Rheinberger ent-
schliessen, seinen nunmehr 12 jährigen Sohn nach München in die königl.
210
DIB MUSIK V. 22.
Musikschttle ztt schicken.^) Seine Wohnung war zuvor mit ruhigen .respek-
tablen Leuten" (beim Magistratsfunktionär Perstenfeld) vereinbart worden.
Der sehr jugendliche „Zimmerherr" berichtete die hauptsächlichsten Ein-
drücke seines Lebens in der Stadt den Seinen in einer Reihe von schlichten
Briefen :
München, den 27. des 8. 1851.
Theuerste Eltern I
Ich halte es für meine kindliche Pflicht, Euch bald Nachricht von mir zu geben.
Ich ergriff demnach freudig die Feder, weil ich nur Gutes schreiben kann. Am
16. ds. M. verliess mich der Peter, wenige Stunden hierauf H. Pfarrer Wolflnger.
Dies fiel mir ein wenig schwer. Denn ich stand nun ohne Bekannte in einer fremden,
grossen Stadt. Aber die Freundlichkeit und herzliche Aufnahme meiner Quartierleute
stimmte mich bald wieder heiter, so dass ich ganz ohne Heimweh davon gekommen
bin. Mir ging es bisher, Qottlob, immer nach Wunsch. Herr Perstenfeld sorgt für
mich wie für sein eigenes Kind an Leib und Seele, so kann ich Euch gewiss ver-
sichern ... Ich habe nur 2 Fächer der Musik: Klavier und Harmonie und Kontra-
punktslehre. In beiden Fächern sind tüchtige Meister meine Lehrer. Die Klavier-
stunden habe ich mit 2 Erwachsenen, mit einem 16 jährigen, welcher sehr gut spielt
und einem 14 jährigen. — Harmoniestunden ebenfalls mit 2 Erwachsenen. Die 4 Er-
wachsenen können so ziemlich nicht viel für ihr Alter, denn ich will allen gleich-
kommen. — Im Ganzen gefällt es mir in München. Grüsst mir Alle, besonders die
Mutter, den David, den Peter, die Josephs, das Hanni, den Toni, das Lise, das Male
und Alle Verwandte und Freunde.
Ich verbleibe Euer dankbarster Sohn Jos. Rh.
Meine Adresse ist: An Josef Rheinberger, Zögling des Conservat der Musik
zu München, Maximilians-Vorstadt, Findiingsstrasse Nr. 1/1 links, nächst der pro-
testantischen Kirche.
München, d. 30. 12. 1852.
Theuerster Vater!
. . . Nach den Worten des H. Prof. Herzog habe ich im Orgelspiel alle die-
jenigen eingeholt, welche ein Jahr länger lernen. Durch seine Empfehlung bin ich
nun zum Vice-Organist von St. Ludwig avancirt und werde den Dienst dort am Neu-
jahrstag antreten, welches mir von Nutzen sein wird. Auch in der Michaels-Hofkirche
und in der Kirche in der Herzog-Max-Burg. Die andern Professoren Leonbard und
Maier sind gleichfalls sehr zufrieden mit mir — auch das Französische geht sehr
gut, obschon ich keine schöne Aussprache habe. — Hat der Nikolaus viel gebracht?
mich hat er scheint's vergessen .. .
Herr Direktor Hauser veranstaltete letzten Montag ein Concert (wo jedoch nur
Gesang, Violine und Violoncello) — unter andern erschien auch dabei König Ludwig
*) Die Schüler des «k. Konservatoriums der Musik* zu München von damals
waren viel einfacher bei den Konzerten der Schule gehalten als die „Akademiker* an
der gleichen Anstalt von heute. Auf den Konzertprogrammen war nie der Name des
Ausführenden verzeichnet: z. B. es stand auf dem Zettel: c-moll Konzert für Klavier
und Orchester von Beethoven. An den Säulen des Odeonssaales waren ferner Plakate
befestigt, die jegliche Beifallsäusserung strenge verbaten.
2n
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
und KÖBigin Therete, Prinx und Prinzessin Luitpold. — Alles wsr mit der Leistung
▼oUkommen zufrieden, besonders aber KSnig Ludwig — durch dieses Concert bst das
Conseryatorium viel gewonnen. Was macht der Toni? Treibt er noch wacicer die
Buchbinderei? Das Heft| das er mir gemacht hat, ist schon mehr als halb voll Orgel-
stücke I Grfisst mir vorzfiglich die Hebe Mutter!
Mfinctaen, den 28. 6. 1852.
• • . Vor 14 Tagen hörte ich zum ersten Male eine Oper »Die Zauberflöte*!
Dieser herrliche Kunstgenuss llsst sich nicht beschreiben (besonders da nur 15 Kreuzer
unter ihm litten.) Im Consenratorium wird schon tfichtig zu einer guten Prüfung
vorgearbeitet ... In den Studienfichem geht es mir ganz gut. Nur in der Harmonie-
lehre krinkt es mich sehr, dass ich immer auf die Andern warten muss — so z. B.
blieb Einer 14 Tage lang aus — ich lernte immer vorwirts, nun muss ich aber die
nämlichen Aufgaben machen, bis er auch so weit gekommen ist als ich — dessen
ungeachtet sagte mir der H. Professor der Compositionslehre Maier, dass ich die
besten Aufgaben eingeliefert bitte. In den Klayierstunden lernt jeder unabhängig
vom Andern und so kommen alle schneller zum Ziele, was von Herrn Professor
Wanner sehr zu loben ist. Hier herrscht grosse Theuerung, so z. B. kostet das Pfd.
Schweinefleisch 15 Kreuzer, das Kalbfleisch 11 -f-r> das Rindfleisch 12 -^r, das Klafter
Holz 13 fl., das Pfund Mehl 10 +r, das Pfd. Schmalz 28 -fr, das Pfd. Kaffb 40 +r,
das Pfd. Zucker 24 +r, eine Wohnung von 3 Zimmern jährlich 130—50 Gulden. —
Wie geht es dem Toni? Wenn er hier wäre, hätte er viel Gelegenheit sich für's
Zeichnen und Malen auszubilden. Wenn ich einmal Zeit habe, werde ich ihm recht
viel schreiben, das ihn interessieren würde. Wie geht es den anderen Brüdern und
Schwestern? Und Ihr, theuerste Eltern, seid Ihr gesund? Für's Schuhflicken bezahlte
ich bis jetzt dem Schuster über 3 fl., der Schneider aber profltirte von mir noch
keinen -fr, denn an den Kleidern ist noch nichts zerrissen; aber der alte braune
Rock ist mir ein wenig zu klein und die graue Hose ein wenig zu kurz. — Am 15.
musste ich das Lehrgeld für's 3. Quartal (10 fl) bezahlen.
Grüsst mir alle lieben Geschwister und Bekannte, indem ich in Erwartung eines
baldigen Briefes von Euch verbleibe Euer dankschuldigster
Sohn J. Rh.
München, d. 26. Februar 1853.
Theuerste Eltern!
. . . Ich hörte zu meiner grössten Freude Ihr Wohlbeflnden und zu meiner Ver-
wunderung die Vermehrung der Grenziollwacht und dass Lichtenstein auf den Herbst
Österreich einverleibt werde. Ich bitte Sie, mir darüber im nächsten Briefe Aufschluss
zu ertheilen, indem ich darauf sehr neugierig bin. — Im Consenratorium sind jetzt
wöchentlich 2 mal Ensemble Obungen, wobei ich immer auf der Orgel accompagnire.
Auch habe ich gestern bei solcher Gelegenheit ein schönes, sehr schweres Stück von
Job. Seb. Bach gespielt ...
Nun habe ich eine Ouvertüre für's ganze Orchester in Arbeit, welche bis in
2 Monaten fertig werden muss. Ich hörte in diesem Monate den „Prophet* von
Meyerbeer. Diese Musik ist pompös, aber entbehrt grösstenteils einer harmonischen
Grundlage und hascbt zu sehr nach Effekt.
München, den 31. 5. 1853.
. • . Die Prüfüngscommission bestand aus einem Ministerialratb, einem Professor
der Universität, welcher ein sehr strenger Musiker ist, femer einem Schulinspektor,
212
DIE MUSIK V. 22.
einem Oberconsistorialrath und Hofsinser Hirtioger . • . Contrtpunkt: Es wurde mein
«Qaartett* aufgeführt, Herr Direktor spielte Viola und ich musste dirigiren. Und die
Herren hatten die Geduld, es ganz zu hören und fragten mich noch hernach, ob ich
es gewiss selbst gemacht hätte. Die Orgelprufung dauerte nur 2 Stunden, weil nur
4 Schüler waren; mich traf davon eine volle Stunde, welche mir ziemlich heiss machte.
Da musste ich registriren, prflludiren, die Passacaglia von Bach producireo, ferner
musste ich in den 6 griechischen Tonarten Obergänge machen und als ich glaubte
fertig zu sein, schrieb der Professor der Universität ein Fugenthema auf, welches ich
im Stegreif zur Fuge machen sollte (das allerschwerste einer Prüfung), ich spielte und
sie sagten, es sei sehr gut gegangen. Weil ich erst seit dem Oktober spielte, war ich
der erste, und gleich nach, mir fiel Einer total durch, welcher 4 Jahre lernte. Dar-
nach sagten sie, ich hätte die schwerste und beste Prüfung gemacht . . . Der Professor
der Universität hatte mich eingeladen, zu ihm zu kommen. Ich ging auch hin und
blieb 3 volle Stunden bei ihm. Da musste ich nun Partituren lesen, nämlich «Iphigenia
in Tauris", ,»Alceste* von Gluck und mehrere Ouvertüren von Mozart, alle aus
16 Zeilen. Da sagte er, diese Ouvertüren hätte ich gewiss schon gefibt und brachte
nun Partituren von Ahb6 Vogler, welche nur er allein und zwar die Handschrift be-
sitzt und es freute ihn sehr, dass ich sie eben so gut spielte wie die andern. Nun
sind die Prüfungen vorbei und ich danke Gott, dass Alles so gut ging . . .
München, d. 1./7. 1853.
Heute früh sagte Herr Direktor zu mir, es würde ihn sehr freuen, wenn ich
das nächste Jahr wiederkäme. Er hätte mir schon lange eine Freistelle in Anbetracht
meines Fleisses und guten Betragens verschafft, wenn ich kein Ausländer wäre . . .
Jener Professor der Universität (Dr. Schafhäutl) hat mich öfters eingeladen, bei ihm
zu essen, mit ihm an Feiertagen auf das Land zu fahren, dann nimmt er öfter
Partituren, Messen etc. mit mir durch und nachdem er mich nach seinem Ausspruche
genug gepeinigt hat, nimmt er mich immer in die Oper mit. Er ist schon 3 mal in
Vaduz gewesen, benannte alle Dörfer und Alpen. Bei Tisch war auch ein General
Salis-Solio (gewesener Anführer der Sonderbündler). Dieser lobte die Lichtenstein'sche
Armee ungemein und habe deren 2. Befehlshaber Rheinberger in Bregenz beim Fürsten
Schwarzenberg gesehen. Herr Schafhäutl will mir aufs nächste Jahr den Unterricht
des Generalmusikdirektors Lachner (!!!) verschaffen. Er zeigte mir die Hof- und
Univers. Bibliothek und gab mir daraus theoretische Werke mit zum Durchstudieren . . •
Ich weiss wohl, dass es für meine Ausbildung gut wäre, wenn ich noch ein Jahr
hieher käme — weiss aber auch, was es kostet. Ich habe schon so viel nachgedacht
und studiert, weiss aber nichts zu finden, denn hiesige Studenten geben Unterricht
zu 6 -{-r per Stunde! Gott jedoch wird weiter helfen, hat er ja bis jetzt auch ge-
holfen. Ich meinestheils werde trachten, fieissig und brav zu bleiben, denn nur
dadurch ist es mir möglich, meine Dankbarkeit für Ihre väterliche Liebe einigermassen
an den Tag zu legen. Ich denke, die Heimreise werde 15—16 fi. kosten, ohne die
verschiedenen kleinen Ausgaben, welche ich bis dahin haben werde.
Ihr dankbarster Sohn
Jos. Rh.
Mündlich mehr.
1. November 1853.
Soeben, wie ich die Feder ergreife, wird an der Thüre geläutet, der Briefträger
ft'agt, ob hier nicht ein .Joseph Rheinberger* wohne, ich gehe hinaus und sehe eine
213
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Schachtel Traubcii, wovon mir eine während dem Schreiben fehr gut mundet Ich
danke daher der lieben Mutter und dem Lise diesen mir so raren Genuas. Nach-
mittags werde ich einige der schönsten Herrn Prof. Schafhlutl bringen, welcher mich
eben so freundlich behandelt wie früher. Die Messe op. 2 von mir werde ich ihm
FreitsgSy als an seinem Namenstage überreichen. -^ Diesen Monat stifteten einige der
besseren Schüler des Conservatoriums einen Icleinen Mozart^Vereiny dessen Direictor
Jos. Rheinberger heisst. Es wurde letzten Sonntag, als am Vorabend Mozarts
Namenstag, von uns ein Conzert gegeben, wobei ich dirigierte und mehrere Personen
eingeladen waren. — Die nichste Woche werde ich meine Sonate opus 111 endigen . . .
Ich bin immer gesund und, theuerste Eltern, Ihr stets dankbarster Sohn Jos. Rhein-
berger, Direktor des Mozart-Vereins.
30. Nov. 1853.
Nlchsten Montag werden die Eleven des Conservatoriums ein kleines Concert
veranstalten, bei welchem ich mit meinem Verein auch mitwirken werde. Nächsten
Samstag 8 Tage soll meine Cantate im Conservatorium aufzuführen probirt werden,
wenn ich mit Stimmenabschreiben bis dahin fertig werde; dieses ist sehr langweilig
und zeitraubend, indem ich nebenbei drei Ouvertüren von Mozart für Streichquartett
arrangiren und mit dem Verein einstudiren muss, nebenbei die Aufgaben nicht
versäumen darf, in allen Conserv*Ensembles mitwirken muss, dann soll ich noch
mein Quartett und meine Klaviersonate endigen und im Auftrag von H. Prof.
Leonhard ein Offertorium componiren. Dieses Alles gibt Arbeit bis Weihnachten
•— wer spielt und singt die Rorate in Vaduz? — Am Namenstag der lieben Mutter
hatten wir zum ersten Male Schnee! . . .
30. Dezember 1853.
... Ja, theuerste Eltern, ich weiss es, welche Opfer ich koste, weiss es, dass
dieses nur die aufopfernde väterliche und mütterliche Liebe thun kann, aber desswegen
bestrebe ich mich immer mehr, mich dieser Ihrer Opfer würdig zu bezeigen. Nicht
durch Worte ksnn ich all' dieses ausdrücken, nein, nur durch die That kann ich's —
Sie werden sehen, es soll Ihnen, sobald es in meiner Macht liegt, ao viel es möglich
ist, vergolten werden • . . Der Himmel weiss es, es sind diess nicht leere Ver-
sprechungen; nein, es sind die Worte des festesten Vorsatzes. — Ober die Weih-
nachtsferien (8 Tsge) habe ich ein grosses Offertorium (op. 5) componirt und den
Professoren vorgelegt. Herrn Prof. Schafhäutl, welcher Euch alle f^undlichst grüssen
lässt, habe ich auch ein Exemplar geschenkt und seinen Beifall erhalten. Meine
Cantate hat Samstag die Freude erlebt, aufgeführt zu werden. Sie hat sehr gefeilen
— die Professoren drückten mir die Hand — einer hat mir gar gratulirt etc. aber am
Meisten freuten mich einige süssauere Gesichter unter den Kollegen.
Die 28 fl habe ich erhalten — den Christkindlgulden der Mutter habe ich dem
Conservatoriumdiener als Trinkgeld gegeben (Für's Orgelzieh'n). Das Geld vom Peter
habe ich zu Handschuhen verwendet Ich befinde mich immer munter und wohl und
lass Alle, besonders die liebe Mutter grüssen.
Professor Herzog an Rheinbergers Vater:
München, 27. Juni 1853.
... Ihr Sohn, welcher bei mir Unterricht im Orgelspiel erhält, sagte mir, dass
sein Vater wahrscheinlich die Absicht habe, ihn im nächsten Jahre zu Hause zu
behalten. Da mir an diesem höchst talentvollen und bescheidenen kleinen Burschen
unendlich viel gelegen ist, so wollte ich hiemit bei Ihnen anfragen, ob es denn gar
214
DIE MUSIK V. 22.
nicht möglich wlre, dass er noch ein Jahr hier sein könnte? Ich an Ihrer Stelle
wfirde Allea aufbieten, denn der kleine Patron verspricht einer der glinzendaten
Orgelspieler zu werden, die je gelebt haben. Um aber so weit zu kommen, dass er
auf seiner Laufbahn selbstindig wird und sich mit Glück und zweifelsloser Festigkeit
durch alle Irreal des musikalischen Lebens hindurch zu winden yersteht, braucht er
gewiss noch ein volles Jahr tüchtige Leitung. Sehen Sie darum die paar Hundert
Gulden nicht an, Sie werden es zu keiner Zeit zu bereuen haben. Bei einer Prüfung
in Gegenwart einer Ministerialkommission hat er allgemeines AufSiehen gemacht und
sich die persönliche Freundschaft eines der Herren, Prof. Dr. Schafhintl erwoihen,
die ihm nur förderlich sein kann. Auch habe ich vor, wenn er im nichsten Jahre
fix und fertig ist, mit ihm eine kleine Reise zu machen und ihn ala Orgelspieler
einzuführen in die musikalische Welt . . .
Julius Maier, Professor für Kontrapunkt am Konservat. München,
an Rheinbergers Vater:
München, 21. April 54.
. . . Joseph ist 15 Jahre alt und (ich sage Ihnen dies offen und mit herzlichster
Theilnahme) mit seinem so ausgesprochenen Talente und einer für seine Jugend so
überraschenden Festigkeit, Sicherheit, ja fast minnlichen Besonnenheit ausgestattet,
dass von ihm Glinzendes zu erwarten ist, wenn seine Studien und Fortschritte nicht
unterbrochen werden, wenn er nicht, bis er mindestens das 18. Jahr erreicht hat, bloss
der Kunst leben kann • . . Diese Erwigungen veranlassten mir manches Nachdenken
darüber, wie man an Ihren Landeaherm gelangen könnte, um für Joseph eine Unter-
stützung zu erzielen. So Gott will, habe ich den Weg gefunden. Herr vonSchwind
(Professor an der Malerakademie hier) ist ein Jugendfreund eines Herrn Alexander
Baumann in Wien und dieser steht in sehr vertrauten Verhältnissen zu dem
künftigen Fürsten von Lichtenstein, Fürst August. Herr von Schwind hat an Baumann
geachr leben, welcher erwiederte: er werde mit Vergnügen thua, was in seinen Kriften
stehe und hoffe zum Ziele zu gelangen. Damit aber der (unmusikaliache) Fürst von
der Zweckmässigkeit der Verwendung überzeugt würde, bedürfe es glinzeader Zeug-
nisse, namentlich auch eines von dem hiesigen weithin berühmten General-Musik-
direktor Lachner. Ich brachte den Joseph zu Lachner, dieser sah Compositionen
desselben durch und äusserte sich mir sehr erfreut und erstaunt über Talent und
Kenntnisse des jungen Menschen — er wird Joseph ein glinzendes Zeugniss aus-
stellen • . .
Dr. ScbafhSutl (Universitätsprofessor) an Rheinbergers Vater:
München, d. 22. Juli 1853.
Wohlgeborener, verehrter Herr Rentmeister I Ich hörte öfters viel des Lobes
über das so sehr musikalische Talent Ihres mir splter liebgewordenen Sohnes, aber
erst durch eine Inspektion und Prüfung ex officio an unserm Conservatorium lernte
ich ihn näher kennen. Er ragte durch Physiognomie und Haltung so weit über seine
Mitschüler hervor, dass ich beim ersten Anblicke zu meinem Nachbar sagte: Der
muss unser Rheinberger seyn. Ich schrieb ihm bei der Prüfung ein Thema auf, das
er auf der Orgel auszuführen hatte und er that dies mit so viel Gewandtheit^ dass
alle Commlssionsmifglieder in Erstaunen geriethen ... Ich wollte ihm ein Zwei
Guldenstück als Andenken geben (ein Experiment, das mir gewiss bei keinem seiner
Mitschüler missglückt wire) allein er war nicht zu bewegen daaselbe anzunehmen und
dieser Zug machte mir den Knaben noch von einer anderen Seite her interessant.
215
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Bald nach der Prfiftiiic kam er mit einem aeiner Mitachfiler, der mich acboft
früher kannte, in meine Wohnung um mir zu zeigen, daaa er mehr in muaikaliacher
Hinaicht zu leiaten yeratinde ala er wihrend der Prüfung zu zeigen Fermochte. Ich
aetzte ihn nun an*a Klavier und beachifHgte ihn da zwei Stunden lang. Ich bemericte
da noch mehr, daaa mein junger Freund in Hinaicht auf muaikaliache Begabung eine
auaaerordentliche Eracbeinung aey.
• . . Wir fhbren in der Münchner Umgebung apazieren — und damit lernte ich
ihn auch noch von der Seite aeinea Herzena kennen, die für mich nicht minder an«
ziehend war ala die aeinea Geiatea. Der Knabe hat wirklich in aeinem ao zarten
Alter in muaikaliacher Hinaicht Schwierigkeiten überwunden, die mancher aonat gute
Muaiker wihrend aeinea. ganzen Lebena nicht zu beaiegen lernt, dabei bat er ein
geaundea muaikaliachea.Gedlchtniaa und daa feinate Gefühl für muaikaliache Sdi5nheit,
ao daaa ea gar keine Schwierigkeiten macht, ihn in die Tiefen muaikaliaclier
Schöpfungen einzuführen, ja ich kann dabei eine Sprache führen, deren ich mich
gewöhnlich nur im Umgange mit gereiften muaikaliachen Minnem bedienen kann.
Er iat für aeine Jahre auaaerordentlich gebildet, richtig denkend und achlieaaend, lieat
gerne, hat achon aehr viel geleaen — kurz er würde, wenn er atudirt bitte, ein eben
ao vorzüglicher Student geworden aeyn. Dabei iat er ao gut von Herzen, ao beacheiden
im Umgange, daaa ich ihn mit der voUaten Wahrheit daa begabteate liebenawürdigate
Kind nennen Icann, daa mir wihrend meinea langen Lebena vorgekommen iat.
Bei all dieaer hervorragenden geiatigen Entwicklung iat er doch immer noch
ein fWthlicher vierzehnjibriger Knabe; er lacht und rollt mit aeinen Kameraden im
Graae herum und unteracheidet aich von ihnen nur dadurch, daaa er auch da tüchtiger
und gewandter iat ala aie. Dabei iat er noch ao unverdorben, daaa ich bei aeinen
naiven Fragen im i»Don Juan* acht haben muaate, einer paaaenden Antwort halber
nicht In Verlegenheit zu gerathen • • .
... So wollen wir in der frohen Oberzeugung leben, daaa er nicht nur ein
groaaer Muaiker, aondem auch, worauf denn doch zuletzt allea ankommt, ein guter
Menach werde und bleibe. Und aomit empfehle ich mich Ihnen, indem ich Sie noch
bitte, unaem lieben Jungen in meinem Namen zu küaaen und bleibe
Ihr ergebener Freund
Schafhiutl
Professor Schafhiutl an Josef Rheinberger:
(Der Brief beginnt mit einer geschriebenen Notenzeile, dem Anfang
der Arie Jakobs im «Josef in Ägypten* von M6hul ; unter den Noten der
Text: O mon Joseph, eher enfant de mon coeurt)
München den 16. Auguat 1853.
Die Hilfte dea Zeitraumea, der Dich von mir trennte, iat nun vorüber und Du
glaubet nicht wie aehr ich wünache, daaa auch die zweite Hilfte vorüber aeyn möchte,
um wieder einmal in Dein liebea freundlichea Auge achauen zu können. Natürlich
achreibat Du mir noch öfter und zuletzt genau den Tag, an welchem Du in München
eintreffen willat oder muaat. Wenn nicht unüberateigliche Hindemiaae in den Weg
treten, nehme ich dann meinen Weg aua unaerem bayeriachen Gebirge über Bregenz
oder Feldkirch nach Vaduz und nehme Dich da eigenhindig in Empfang.
Man hat mich nimlich zum Commiaaionamitgliede der grosaen Induatrie-Aua-
atellung gemacht, die hier atattflnden wird, und da blühen mir denn Plagen, Arbeit,
Verdruaa und dergleichen angenehme Dinge im Vollauf. Ich bin bereite 14 Tage von
216
DIE MUSIK V. 22.
Morgens 7 Uhr bis Abends 6 Uhr In meiner Uniform einsezwingt (eseasen und hsbe
die Endprfifüngen unserer polytechnischen Schule geleitet; jetzt nsch Beendigung
dieser listigen Arbeit drohen mir wieder neue Commissionssitzungen, der kfinftigen
Industrie-Ausstellung hsiber. Durch 2 bin ich bereits glücklich gekommen, heute
Abend ist die Dritte. Wenn ich mich jedoch ein Bischen los machen kann, gehe ich
ins Gebirge und gegen den 15. September nach Vaduz, d. h. zu Dir, lieber Junge!
Musikalisch Neues gab ea wihrend Deiner Abweaenheit nichta; Du haat also noch
nichts yersiumt. Wir hatten hier unaem gewöhnlichen Jahrmarkt, der viel SpelEtakel
machte. Auch er ist vorüber und nur noch einige Buden, ein Wachsflgurenkabinet
und der Seiltinzer von Wien sind zurückgeblieben.
Deprosse habe ich wenig geaehen. So viel ich erführ, atudirt er Contrapunkt
bei Pentenrieder namentlich die fünf Gattungen dea zweiatimmigen strengen Satzes . . .
zu welchen ihr im Conservatorium noch nicht gekommen seid, da Meyer in um-
gekehrter Ordnung anflog, nämlich mit dem 4 stimmigen atrengen Satze, wihrend die
alten Contrapunktiaten mit dem 2atimmigen anfangen Daaa Du zu Hauae
allmihlig etwaa Langeweile empfindeat, iat mir aehr begreiflich, da Du aus Deinem
gewohnten Leben und Treiben in musikalischer Hinaicht herauageriaaen biet...
Dennoch haat Du Etwaa in Deinem heimischen Vaduz, waa Du aonst nirgends so
wiederflnden wirst — Du bist am Herzen und in den Armen Deiner Eltern — sie
halten Dich mit einer Liebe, die aich unter allen Wechaelfillen dea Lebena nie indert,
und die auf Erden höchatena nur mit dem Tode aufhört. Darum freue Dich dea
GIfickea, Deine Liebsten noch so wohl und frisch zu geniessen und ihnen so nahe zu
aeyn, ao recht von ganzem Herzen und kehre dann wieder froh, loüftig und zur Arbeit
gerfiatet zu uns nach München zurück . . .
Bisher bin ich jeden Feiertag in der Menterachwaige geweaen und hat mir da-
bei nur der bekannte Rheinberger gefehlt. Du hast mir kein Wörtchen geschrieben,
wie Du mit meiner Handachrift zurecht gekommen biat — hast Du meinen Brief voll-
stindig entziflPert oder hast Du vieles dabei ala unentrithaelbar überhüpfen müaaen?
Grüase mir recht freundlich Deine lieben Eltern und lass bald wieder etwaa von Dir
hören — indem ich mich auf den Augenblick freue, in dem ich Dich wieder in meine
Arme schliessen werde, küsse ich Dich im Geiste und bin
Dein alter Freund Schafhiutl
Rheinberger an die Seinen:
d. 20. Februar 1854.
... Ich wundere mich, daaa, wie Peter mir achrieb, alle ao beaorgt um meine
Geaundheit seien, ds ich in meinem letzten Briefe versicherte, daas ich wieder her-
geatellt sei. (Der Doktor hat mir 12 Beauche gemacht) Ich kann nun, Gott aei
Dank, schon seit Anfang Februar die Unterrichta-Stunden wieder besuchen. Bei
meinem ersten Ausgehen aber meinte ich mehrere Male, ich könne nicht mehr nach
Hause kommen, ao matt und krank fühlte ich mich. Sobald ich wieder Bier trinken
durfte, gewann ich wieder neue Kräfte und bin jetzt wieder atlrker ala zuvor I
Damit Sie sehen, theuerste Eltern, dass ich nicht faul war, ao will ich Ihnen
meine Kompoaitionen herzlhlen: Sonate aua F moll f. Pianof., Miaaa zu 4 Singatimmen
und Orcheater op. II, OflPertorium aua Eadur, Sonate f. Pianof. aua cmoll op. IV,
Grand Quatuor f. II Violinen, Viola u. Cello aua F dur op. V, Capriccioso aua E dur
f. Pianof. op. VI. Ausserdem noch: Grosse Fuge für die Orgel in FmoU (Herzog
gewidmet), Cantate für Orgel und Chor, Praeludium und Fuge in D dur f. d. Orgel
(Herzog gewidmet), ein Kyrie zu 5 — und ein 2ehörige8 Sanctua zu 6 Singatimmen^
217
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
eine Motette zu 4 Stimmen, eine Menge Fugen, Verietten. •— Endlich habe ich ein
Concert fQr 2 Klaviere angefangen — kostet aber viele Mfihen und Geduld — alles
dieses war nur Nebensache, keine Aufgaben . . . Morgen trage ich den Brief auf die
Post, welcher Ihnen, theuerste Eltern, die Nachricht bringt, dass ich bin
Ihr dankbarster gesunder Sohn J. Rh.
MQnchen, den 9. Mirz 1854.
. • . Herr Prof. Leonhard gibt sich viele MQhe mit mir; letzthin verbesserte er
die Parthieen der Blasinstrumente an meinem Offertorium («Universi, qui te expectant")
und sagte, diese Arbeit sei mir vorzQglich gelungen. Bis jetzt habe ich wieder ein
Miserere zu 8 Stimmen od. 2 Chören, ein Stabat mater, ein Vater unser in Esdur
und wieder ein grosses praeludium und Fuge fQr Herrn Herzog componirt — alle
diese Arbeiten zeige ich zuvor Herrn Professor Schafhiutl, welcher vorzuglich Sie,
beste Eltern, grüssen lisst. Letzten Sonntag waren wir wieder in der Menterschweige
und besichtigten bei Grosshesselohe den Riesenbau der Eisenbahnbrficke über die
Isar . . • Jetzt wimmelt die ganze Stadt von Rekruten. Die alten Stiefel sind mir jetzt
zu klein geworden, gestern im I. Abonnement-Concert drückten sie mich so, dass ich
bald ein Mozart*8Ches Lied überhört bitte — ich muss sie desshalb in einen Antiquitits«
kästen schicken und ein paar andere machen lassen. Die Semmeln sind Jetzt so
klein, dass ich beim Frühstück oft nicht weiss, ob ich sie schon verzehrt oder nicht.
Der Toni soll mir schreiben, wen bei uns das Loos getroffen, Soldat zu werden und
das Mali soll die KramePschen Etüden spielen. Nachschrift: Ich bin begierig, ob die
liebe Mutter nicht auf das Osterei vergisst?! . • .
29. 5. 1854.
... Es freute mich, aus Ihrem letzten Briefe zu erfahren, dass wir keine Kuh«
schellen von Glocken mehr haben. H. Wolflnger dichte ich, hat sich wegen dem
Fiston, wenn nicht ganz unrichtig, doch etwas stark ausgedrückt — allerdings hat
Fis-dur nicht das Erhabene des C — das feierliche des Es, das Freudige des
D oder das Fromme des A dur-Accordes, sondern etwas Düsteres, Angstliches
in der Klangfarbe — das Verzweiflungsvolle lisst sich in Fis dur leichter ausdrücken
als in mancher andern Tonart. Seien wir indessen froh, dass wir nun doch (gegen
früher) eine Tonart haben. (Dies ist schon ein Zeichen des Fortschrittes, es wire
gut, wenn Manches in Lichtenstein nur eine Tonart bitte, wenn's für jetzt auch
PIs-dur wire.) ...
Liebes Matscherle! [Rh.8 Schwester Maly]
Gelt, der Münchner Saniklos [Sankt Nikolaus] stellt sich besser ein, als bei
mir der Vaduzer. — Hier hast Du zwei Stücke, die Du zu Deiner Freude spielen
darfst, Du wirst sie bald können. Das andere Heft enthilt nur Etüden, die Du auch
allein einstudieren kannst, weil der Fingersatz dabei ist — alle drei kosten 2 fl. 42 -\-t.
Dein Briefchen hat mich sehr gefreut; Du musst mir schreiben, was Dir der Vater
für Dein Orgeln geschenkt hat? »Wenn i an Stoza Geld hitt*, Du müsstest so
schöne Sachen bekommen, ja — Ich weiss nichts, was für Dich passt, als dass
ich immer wohl und gesund und das Bier süss und gut und Du fleissig und 's Lisi
stolz. ist mit seinem HutI aber erst mein Hut! und mein Oberrock und die Brillen,
ich wette, dass mich keine von Euch mehr kennen würde. Mir schiigt das Klima
gut an, ich bin ganz breit und dick. Die Cholera kann mich gern haben, wenn's will.
Was soll ich schreiben? Dass ich fleissig componire — dass ich oft an's Matscherle
V. 22. 16
218
DIE MUSIK V. 22.
denke, sogar oft davon rede, obacbon ich's zn Hause recht von Herzen gern geprügelt
hab' — nicht wahr? wegen dem bleiben wir doch gute Freunde! Schreibe Du nur Tiel
und wenn Du nichts weisst, so schreib' vom Schnutz und vom Rolli> gelt alter Matsch!
Was sagen die Leut In Vaduz, daas Du Orgel gespielt hast? Lass Du die Kloster-
frauen nur schwätzen« so was verstehen sie so wenig wie — der Rolli oder (bitt* um
Verzeihung!) der Peter,^) dem ich meine tiefeten Komplimente mache!
Dein Bruder Joseph Rh.
29. Nov. 1854.
. . . Beim Oratorien-Verein bin ich nun angestellt als »Chor-Repetitor*, mit wie-
viel Douceur weiss ich noch nicht. (Nota bene ich trage jetzt einen Hut !!!) Mein
Überrock ist sehr warm und kostete 10 fl. Mit der Cholera ist's noch nicht rein,
vom 15. bis 20. November starben noch 31 Personen; fibrigens schone ich mich gut.
— Die Mfinchner thun, wie wenn nichts gewesen wire, reden nie davon . • .
Den 10. Dezember 1854.
. . . Hier fuge ich noch in Kürze meine Ausgaben bis Neujahr!
fl.
+ r
fl.
+r
Dem Doctor
8
—
für Bleistifte, Federn
24
Perstenfeld
44
—
- Mali's Musikalien
2
42
für's Holz
8
—
- Aufenthaltskarte
2
24
einen Hut
3
—
- Krankenhauskarte
1
30
Oberrock
10
^-
- Handschuhe
—
48
in 2 Concerte
2
- Hosenträger
—
42
Noten-, Schreib- u. Pack-
- einen Kalender
—
15
Papier
1
12
- Briefmarken
—
36
eine Zahnbürste
15
Lisi's Hut, mir nachzube-
ein Kamm
18
zahlen
1
30
für Siegellack
"^~
12
12
Auf der Reise
11
25
• Kerzen
Summarum
99
59
Vom 15. November bis Neujahr 1855.
Ich dachte mir zuvor, mir auf das Kristkindl etwas zu kaufen aus dem Geld,
welches ich vom Herrn Vetter in Schaan hatte, nachdem ich aber die Ausgaben be-
rechnet, dachte ich, jetzt lässt Du es bleiben ! Was macht die liebe Mutter? Ist sie
gesund? Lisi und Mali sollen mir schreiben, was der Saniklos gebracht. Ich gebe
jetzt eine Harmoniestunde, welche mir — 2 wöchentliche Vergelts Gott! bringt. Ich
freue mich recht auf Vaduzer Briefe . • .
29. Januar 1855.
. . . Nachdem meine Oper eingebunden war, trug ich sie zu Herrn General-
musikdirektor Lachner. Er war ausgezeichnet zufrieden und bedauerte, dass meine
Wahl auf einen so unbedeutenden Text gefallen, sonst hätte er sie aufführen lassen.
Letzten Sonntag war ich bei ihm zu Tisch geladen, er stellte mich seiner Mutter,
Frau, Tochter und Sohn vor ... Bei Jener Gelegenheit hätte ich, wenn ich ein paar
Jährchen älter gewesen wäre, eine Direktorsstelle mit 1000 fl. bekommen, welche
es nicht alle Tage schneit, es konnte mich dieses ungeheuer ärgern . . . Gegenwärtig
1) Rh.s Bruder
219
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
macht hier eine epaniicbe Tinzerln Pepita de Olira, Furore. Man dichte, man
hitte hier der apanischen Tinzerinnen genug gehabt . . .
Ihr dankschuldigster Sohn,
' Chor-Repetitor des Oratorien-Vereins
27. Februar 1855.
. . . Geatem gab unser Oratorien- Verein sein erstes Concert mit sehr grossem
▼erdienten Beifalle. Dieser Verein macht mir viel zu thun, denn oft haben die Damen,
dann wieder die Herrn allein Probe; jedoch lerne ich vieles dabei und bin auf
meinem bescheidenen Posten nicht ohne Neider. Dieser lochen treten die letzten
Industrie-Ausstellungsgiste ihre Heimreise an: nimlich die der Cholera zum Opfer
gefallenen, welche ausgegraben und in ihre Heimat geeisenbahnt werden. Letzten
Sonntag fiel hier ao viel Schnee, dass man in der Stadt die Communication nur mit
Mühe erhalten konnte, an manchen Stellen 4 bis 5' tief. Es folgt das Verzeichnis
der Ausgaben des Februar. Für Fastnachtsbelustigungen ist, glaube ich, wenig dar-
unter! . . .
30. April 1855.
Theuerste Eltern!
Oft denke ich: werde ich dieses ganze Jahr hier in München bleiben können
oder wohin sonst? Prof. Schafhiutl apricht freilich davon, wie von einer ausgemachten
Sache, aber ich will ihn auch nicht geradezu fragen. Venu ich hier nur eine kleine
Stelle hitte, daa Obrige wire meine Sorge — wenn ich nur um 3—4 Jahre ilter
wire — hörte ich achon oft Letzthin wurde im Saale des Conservatoriuma
mein Quintett (op. 19) von mir aufgeführt, das sehr gefiel. Ich bekam darüber ver-
schiedene Komplimente • . •
8. Mai 1855.
. .. Mein Rock hat 16 fl. gekoatet, jedoch ist es durchaus nicht nöthig, daas
Sie mir jene 10 fl. schicken, denn so viel ich ausserordentliche Ausgaben habe, ver-
diene ich schon. Einen Opemtext habe ich nun glücklicherweise gefunden und zwar
bei einem jungen, beinahe blinden Dichter . . • Gegenwirtig componire ich eine
Symphonie op. 22, welche sehr den Beifdl des H. Generalmusikdirektors hat • • •
19. Juni 1856.
. . . Das Mali schreibt mir nur immer, bevor ich nach Hause komm, es weiss
schon warum, aber ao pfiffig bin ich auch. Ich werde ihm einen ganzen Pack
Musikalien mitbringen ... Der Mutter viele, viele Grüsselü
Rheinberger (ISjihrig, Student an der königl. Musikschule zu München)
an seinen Vater:
München, 7. August 1855.
Theuerster Vater! Soeben wie ich nach Hauae komme, liegt Iht theueres
Schreiben auf dem Tische. — In Betreff der Symphonie habe ich nur zu berichten,
dass die Aufführung nicht stattfinden konnte, weil grosse Besetzung noch nicht zu
haben war und ich dem Direktor geradezu sagte, dass ich sie mit kleiner Besetzung
nicht geben laase. Der Direktor sagte, es sei ihm sehr viel daran gelegen, dass sie
gut gegeben werde; er versprach, sie mir mit grosser Feierlichkeit am Namenstage
der Königin Marie gewiss aufzuführen. Schafhiutl freut aich ungemein darauf und
sagt Beifall voraus, was mich mehr f^ut als 100 bestellte Bravoachreier; jedenfklla
miethe ich mir auf jenen Tag einen schönen Frack und studiere »Verbeugungen* ein.
Lachner gibt sich viele Mühe mit mir und hat mich gerne, sowie auoh aeine Familie.
16*
220
DIE MUSIK V. 22.
Mit Tscbavoll habe ich toujoura correspondance frao9ai8e; er schrieb mir vor
3 Tagen. Er hat eine Violine um 3000 fr. gekauft. Ich muss mich wieder photo-
grapbieren lassen, ihm mein Bild und ein Violinconcert (von mir noch zu komponiren)
schicken. Stunden zu geben habe ich wöchentlich 5 (3 dem Schweizer und 2 einem
würtemberg. Schullehrer, auch Schfiler von J. Maier) und soll dafür monatlich (von
beiden) 8 fl. einnehmen; jedoch bin ich auf diesem Punkt (der Schweizer ein Geld- und
Talent-armer Tropf) sehr vergesslich, dass ich oft sage, die oder jene Stunde gelte
nichts, weil ich nur Vt Stunde ihm gegeben habe, wobei er oft froh ist (Solche
Leute meinen immer, wenn sie zu einem Schuster nichts taugen, so werden sie
Komponisten, gehen Vi J*^^ ^Q ^^^ Lehr und sind ,,fertig*; Pfui!) (Der WQrtemberger
ist flehsig und brav, obschon erst 45 Jahre alt.) Dann nehme ich seit einem Monat
beinahe tiglich englischen Sprachunterricht; nimlich ein Freund von mir lernt es
bei seiner Schwester, welche 6 Jahre in England war und dem es allein zu langweilig,
sagte ich solle mit ihm lernen, was ich auch that; oft lachte Schafhftutl, wenn wir
Sonntags fortfuhren und ich englisch sprach.
Meine Garderobe ist en hon 6tat. — Aufs Oktoberfest wird im Glaspalaste ein
Riesen-Concert veranstaltet. Von meinem Verleger in Leipzig habe ich bis dato noch
nicht Antwort. Die liebe Mutter lasse ich vielmahls herzlich grossen sowie die
Obrigen. Ihnen, verehrtester Vater! danke ich vielmahls für das uberschickte Geld
und bitte Gott! Ihnen stets Gesundheit und Zufriedenheit zu erhalten! Nochmals
Allen meinen Gruss. Jos. Rheinberger
Theuerster Vater!
Ihrem Wunsche gemäss beeile ich mich, sogleich nach der Auffuhrung meiner
Symphonie zu schreiben. Als die Probe (letzten Freitag) war, bekam ich wohl etwas
Angst: nicht wegen der Symphonie, sondern wegen den Musikern, welche gewöhnlich
die Werke jfingerer Compositeurs nicht gerne und auch schlecht spielen; als sie aber
das Werk in der Probe kennen gelernt, spielten sie mit Eifer und Liebe; schon in
der Probe klatschten mir die Musiker zu, als ich dirigirte. Gestern holte ich mir
vom Kleiderverleiher einen passenden Ballanzug, der mir ausgezeichnet gut stand
und begab mich in den Concertsaal ,,zur Tonhalle*. Als es nun halb 8 Uhr war und
der ganze Saal voll Leute, sprang ich voll Freude auf die Erhöhung, wo das Dirigenten-
pult steht, machte dem Publice eine Verbeugung und flog an. Es ist ein erhebender
Gedanke, so an der Spitze von 80 Musikern zu sein, wenn sie alle auf das Zeichen zum
Anfangen warten. Nun, alles ging gut, nach jedem der 4 Sitze stieg der Beifall und
zuletzt wurde ich, weiss Gott wie ofr, gerufen; mit dem Orchestre bin ich sehr zufrieden.
Ich versichere Sie aber, Theuerster Vater! dass ich bei der Auffuhrung nicht
eine Spur von Angst hatte, denn ich war meiner Sache gewiss, was ich H. Schafhiutl
sagte, welcher die grötste Freude hatte, mich als Dirigent und Komponist zugleich
auftreten zu sehen. Als ich nun nach der Symphonie, welche '/i Stunden dauerte,
zu den Zuhörern herabkam, driogte sich alles zu mir, um mir zu gratulieren, Bekannte
und Unbekannte; besonders das Adagio entzuckte Alles; es hitte mich aber noch
mehr erfreut, wenn Sie, theuerster, bester Vater! anwesend gewesen wiren. ' Herrn
Schafhiutl hörte ich hernach zu einem andern Professor sagen, es sei dies ein
Werk, wie es nicht ein Knabe, sondern ein Mann von 30 Jahren mache. Dieses
Urtheil freute mich am Meisten. Auch H. Herzog war anwesend. Ich danke Gott,
dass Alles so gut gegangen. — Und nun, theuerste Eltern! leben Sie wohl, grQssen
Sie mir die lieben Geschwister, ich verbleibe Ihr dankschuldiger Sohn
München, d. 16. 9. 1855. Jos. Rheinberger
::• ...
221
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Magistrats-RepartitorJ. Ev. Perstenfeld an Rentmeister Peter Rbein-
berger:
Euer Hocbwoblgeboren ... So viel icb wabrnebme wird Pepi's Aufenthalt in
Mfineben nicht mehr von sehr langer Daner seyn — ich denke daher jetzt schon
mit bangem Herzen an die Scbeidestunde, wo ich diesen mir so lieb gewordenen
Sohn — denn als solcher galt er in unserer Familie — verlieren soll. Uns wird sein
vierjihriger Aufenthalt in unserer Mitte unvergesslicb bleiben und ich habe den
sehnlichsten Wunsch — nach seiner dereinstigen Abreise — einen jungen Menschen
zu bekommen, der ihm doch nur einigermassen gleicht.
Haben Sie vielleicht in der Folge einmal Gelegenheit, mir einen Knsben oder
Jüngling rekommandiren zu können, so wird es mich recht freuen; ich habe gerne
junge Leute um mich, die Kopf und Herz auf dem rechten Fleck haben. Freilich
mfisste es ein ganz gut erzogener Junge seyn, denn ein Schwindler würde es bei uns
nicht aushalten können, dem wire es bei uns zu langweilig. In den langen Winter-
abenden z. B. wird zur Erholung aus irgend einem guten Buche vorgelesen; an Sonn*
und Feyertagen Nachmittags begnügt man sich mit einem Spaziergange auf ein nahe-
gelegenes Dorf. Kameradschaften werden in der Regel nicht, sondern nur ausnahms-
weise geduldet, wenn nämlich unzweideutige Beweise von Rechtschalfenheit vorhanden
sind. Das Honorar richtet sich nach den Zeitverhlltnissen . . .
Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht unberührt lassen, was sich am ver-
gsngenen Samstag, den 15. ds. Mts. Abends ereignet hat. Es wurde nimlich zur
Nachfeyer des hohen Namensfestes unserer Königin in einem grossen Saale eine
grosse musikalische Produktion veranstaltet, wo die von Joseph componierte grosse
Simphonie gleich anfangs aufgeführt wurde.
O bitte ich Sie herwünschen können, um Augen- und Ohrenzeuge gewesen
zu seyn, welch herrlichen Triumph Ihr Sohn an diesem Abend gefeyret hat. Um
'/s8 Uhr bestieg dieser junge Mozart bei glinzend beleuchtetem und überfülltem Hause
die Tribüne und mit krftftigem Arme den Taktstock führend, dirigierte er das erste
grosse Produkt seines schönen Geistes und nach jeder der 4 Abtheilungen wurde er
stürmisch gerufen und applaudirt. Herr — ich kann diese rührende Scene nicht
weiter beschreiben, denn mein Herz ist noch zu voll von dieser Freude. Mir sind
die Thrlnen gleich einem Bache den Augen entstürzt, ich bitte ihn gerne vor der
ganzen Versammlung in meine Arme schliessen und ausrufen mögen: Heil dem
Vater, der einen so hoffnungsvollen Sohn besitzt.
Seine Freunde und Gönner z. B. H. Prof. Schafhautl und Herzog u. A. hatten
ganz von Freude strahlende Gesichter und wer ihn auch früher nicht kannte, dem
ist jetzt seine Person und sein Name ehrenvoll.
Ich glaube, dass Ihr Vaterherz in einem Freuden-Meer geschwommen wIre,
und erst das noch viel zartere Mutterherz, das bitte gar zerplatzen müssen! Mehr
über Ihren Sohn zu schreiben vermag ich nicht, die Feder versagt mir den Dienst,
weil wie gesagt mein Herz noch zu voll ist. —
Somit schliesse ich meine Zeilen und überlasse sie Ihrer freudenvollen Herzens-
erwigung — überzeugt, dass eine gewichtige Freudenthrane dieselben benetzen wird.
Ihrer freundlichen Erinnerung mich empfehlend verbleibe ich mit aller Ver-
ehrung Euer Hochwohlgeboren
ergebenster Diener und Freund J. Ev. Perstenfeld
17. September 18&5. Repartitor beym Magiatrate München.
Fortsetzung folgt
Tis Hugo Wolfs tötlictae Krankheit ausbrach, war der geniale
Meister erst 37 Jahre alt, nnd als seine grauenhafte TragSdie
, sich erfüllte, der Tod, schneller fast, als man za hoffen ge-
i wagt, ihn erlöste, stand er im 43. Lebensjahre. Seinen Be-
wunderem und Freunden konnte es schwachen Trost gewähren, sich zu
sagen: nach menschlichem Ermessen hatte er den Triampb seiner Kunst
erleben müssen. Erlebt hat er ja auch streng genommen noch den Anfang
des Siegeszuges, der seine Lieder gegenwärtig durch die Kulturwelt führt;
nur konnte er sich nicht mehr daran Freuen. Und wenn seine Anhänger
auch erkannten, dass die Quellen des plStzlicfaen Erfolges nicht alle rein
und ungetrübt waren, erkannten, dass einen Teil der Singer, die sich, vielbch
erst nach jahrelangem Sträuben, auf Wolfs Liederschätze stürzten, Sensation-
bedürfnis, einen Teil der jubelnden Hörer Snobismus trieb, so durften wir
doch hoffen, dass dieser krasse Fall von Verkennung auch als lauter Mahn-
ruf an das .Volk der Dichter und Denker' wirken werde.
Wirklich wachten jetzt auch die .thörichten Jungfrauen' auf, um den
.Bräutigam* nicht wieder zu verpassen. So wurde uns in den letzten
Jahren schon mehrere Male ein neuer Heiland aufgeschwatzt. Ober
eines dieser kurzlebigen Genies ward sogar an hervorragender Stelle von
einem der Frühwolfianer gesagt, es gebe zwar wichtige stilistische Er-
rungenschaften Wolfo wieder auf, sei sogar noch unreif und ein Ver-
sprechen für die Zukunft, aber es sei doch .das Genie* oder dergleichen.
Dann wurde es wieder stille davon.
Während man dies Satyrspiel zur Tragödie Wolf aufführte, liess man
zwei wirklich Grosse und wirklich Reife, zwei Meister, abseits liegen und
kümmerte sich nicht um sie. Der Jüngere von ihnen, Friedrich Klose,
stand glücklicherweise in einiger Fühlung mit dem zentralen Musikleben,
und so konnte man ihn auf die Daner nicht übersehen.
Der Ältere aber, ein Meister nicht minder edler Art als Hugo Wolf,
starb jetzt an der Schwelle des Greisenallers, beinahe 62 Jahre alt, und
ausserhalb seiner engeren Heimat ist sein Name fast unbekannt. Ja von
223
NOONAGEL: CONSTANZ BERNEKER
der reichen Ausbeute dieses langen Künstlerlebens ist nur ein verschwin-
dender Bruchteil gedruckt.
Ich konstatiere die tief beschämende Tatsache, dass von Constanz
Berneker, geboren am 31. Oktober 1844 (in Darkehmen i. Ostpr.), als
er am 9. Juni 1906 in Königsberg die Augen schloss, nichts weiter ge-
druckt war als zwei Kantaten, 13 Lieder, 2 Balladen und 1 Duett. Zwölf
dieser Lieder, die »Tannhäuser" - Lieder (nach Felix Dahn), sind nicht
einmal im Musikalienhandel zu haben, da die Verlagsfirma nicht mehr
existiert. Drei »Sonnenlieder" aus Bernekers letzten Jahren erscheinen
dieser Tage im Verlage von Ries & Erler (Berlin).
Ehe ich auf das SchatTen des Meisters, soweit es mir durch Druck
oder Auffuhrungen zugänglich geworden, kurz eingehe, möchte ich unter-
suchen, wie es möglich war, dass dieser Mann, den alle sachverständigen
Kenner seiner Werke als Meister preisen, wie es schon Louis Köhler als
Kritiker der Hartungschen Zeitung Jahre hindurch getan, so unerkannt und
ungewürdigt durchs Leben gehen konnte.
Der Ursachen für diese ebenso betrfibende wie beschämende Er-
scheinung sind verschiedene zu erkennen.
Die wirksamste lag zweifellos in ihm selbst, in einer gewissen
Keuschheit seiner künstlerischen Natur. Alles Sich-an-den-Laden-legen,
das Hinuntersteigen auf den Markt mit seiner Kunst wäre ihm als Herab-
würdigung, als Prostitution seines Schaffens erschienen. Seiner stolz-
bescheidenen Art fehlte es an dem Impetus kräftiger Initiative, wenn es
sich um ihn selbst handelte, so vollständig, dass ihm auch ein erlaubter,
vielleicht gar gebotener Schritt in das Getriebe musikalischen Geschäfts-
lebens widerstrebte.
Ein zweites Moment sei hier nur angedeutet, da ich am kaum ge-
schlossenen Grabe nicht bitter werden möchte. Konstanz Bemeker stand
Jahre lang in enger Fühlung mit der Öffentlichkeit als Nachfolger Louis
Köhlers im Amte des Musikkritikers der » Königsberger Hartungschen
Zeitung.' Diese Stellung, in der er zum Segen des Königsberger Musik-
lebens eine gediegene, höchst verdienstvolle Wirksamkeit entfaltet hat, gab
er unter hier nicht näher zu erörternden Umständen auf, und sein Nach-
folger im Recensentenamt, Gustav Dömpke, vertrat eine völlig entgegen-
gesetzte, einseitige musikalische Richtung, die kaum einen andern modernen
Komponisten gelten lassen wollte als Brahms, allem .Wagnerianisieren*
geflissentlich feindlich war und so natürlich auch Bernekers Kunst mit
Antipathie und selbst in den letzten Jahren nur mit einer erzwungenen,
lauen Anerkennung begleitete.
In anderer Beziehung freilich war dies plötzliche unmotivierte Ende
seiner Kritikertätigkeit wohl doch ein Glück für Bemeker. Gewiss, er
224
DIE MUSIK V. 22.
war eine ungemein feinfühlige, rezeptive Natur, und da er in durchaus
individueller, eigenartiger Weise seinem künstlerischen Empfinden Ausdruck
zu finden wusste, so war er ein echter und berufener Kritiker, berufener
als so manche der zünftigen Recensenten. Namentlich ermöglichten ihm
' sein feines spürsinniges Verständnis und sein berufliches Pflichtgefühl, mit
warmherziger Begeisterung auch für neue Erscheinungen einzutreten. An-
lässlich eines von mir in Königsberg veranstalteten Hugo Wolf-Mörike-
Abends schrieb er über den jüngeren Meister — der damals noch lebte —
einen Aufsatz, der mir bis heute in der Wolfliteratur an Feinheit kon-
genialen Verstehens und Nuanciertheit des literarischen Ausdrucks unüber-
troffen scheint. Aber wenn ihn auch seine kritische Tätigkeit als in seltenem
Masse hierfür berufen zeigt, sein ureigenes Gebiet war doch das Schaffen
neuer Werte. Und insofern meine ich: es war ein Glück für ihn,
dass seine Kritikertätigkeit endete; denn sie nahm ihm Zeit und
Kraft weg, die seinem tondichterischen Schaffen zu Gute kommen mussten.
Zu den Ursachen für die Unbekanntheit der Bernekerschen Schöpfungen
gehört zweifellos auch die Weltabgeschiedenheit seiner Heimatprovinz und
der Stätte seines Wirkens, sowie, im engsten Zusammenhang damit, der
Charakter der ostpreussischen Bevölkerung. Ein bezeichnendes Beispiel
habe ich selbst erlebt, als in Gumbinnen gelegentlich des III. litthauischen
Musikfestes die herrliche »Krönungskantate" aus der Taufe gehoben
wurde. Ein Gumbinner Blatt benutzte damals meine Anwesenheit, um
mich zu einer .Gastkritik* einzuladen, erlaubte sich dann aber eine kleine
redaktionelle Korrektur. In der Meinung, Berneker sei in Gumbinnen, wo
er nur das Gymnasium besucht hatte, geboren, nannte ihn meine Festkritik
«Gumbinnens bedeutendsten Sohn*. Die biographische Un-
genauigkeit blieb unberührt, aber den Superlativ .bedeutendsten* milderte
man zum Positiv ab und entschuldigte das bei mir mit «lokalen Rück-
sichten*, da sonst »andere bedeutende Söhne Gumbinnens* sich
zurückgesetzt fühlen könnten!
Auch dieser Prophet galt nichts im Vaterland, obwohl man ihn als
»Lokalgrösse* gern und willig anerkannte. Oft genug kam es vor, dass
Vorstandsmitglieder seiner Köntgsberger Singakademie, wenn er mit dem
Studium eines eigenen Werkes begann, ihm mit ostpreussisch derben
Worten von weiteren Proben und der Aufführung abrieten. Einer seiner
Grabredner, Prof. Dr. Konrad Burdach aus Berlin, spielte darauf an
in einem schönen Passus seiner warmen, tief empfundenen Gedächtnis-
rede: .Seiner Kunst Eigenart und das Geheimnis ihrer Wirkung ist,
dass sie überall die Seele des dichterischen Wortes in Musik verwandelt.
Oft haben wir diesen Zauber erfahren, waren wir Zeugen, wie er Sänger
und Hörer, die anfangs zweifelten an der Wirkung dieser
225
NODNAGEL: CONSTANZ BERNEKER
neuen Art Musik, durch die Auffuhrung fortriss zu Bewunderung und
tiefer Ergriffenheit*.
Als ich vor fast sieben Jahren nach Königsberg kam, war mir Bemekers
Name wohlbekannt, doch nur als Kritiker mit dem Glorienschein der Lokal-
grosse umwoben, und als ich ein Jahr später das Baritonsolo in seinem
„Hohen Lied" übernahm, war es eigentlich nur eine Geßlligkeit gegen den
älteren Kollegen am Konservatorium. Aber dann, in der ersten Probe,
erlebte ich eine der grössten künstlerischen Überraschungen, ja Offen-
barungen meines Lebens. Das war keine geistliche, keine Kantorenmusik,
das war nicht das «allegorische* hohe Lied, das Christus und seine Kirche
als Liebespaar symbolisiert. Nein, diese Musik atmete die ganze schwüle
Glut und brennende Süsse orientalischer Sinnlichkeit und wirkte durch
ihr hinreissendes Feuer, ihren melodischen und harmonischen Reichtum
geradezu aufregend. Und ein solches Juwel der Frauenchorliteratur ist
jetzt seit drei Jahrzehnten Manuskript geblieben! Dabei hatte es seine
Uraufführung in Königsberg unter Mitwirkung der Marianne Brandt er-
lebt, und nachdem Zopffes 1878 mit grossem Erfolg in Leipzig aufgeführt,
fand sich sogar ein Verleger dafür, der idealgesinnte £. W. Fritzsch, der
auch Wagners und Nietzsches Schriften, verlegte. Da man aber mit Idea-
lismus kein Geschäft machen kann, so brach damals sein Unternehmen
zum ersten Mal zusammen und — das «Hohe Lied" blieb ungedruckt.
Eine Reihe weiterer Hauptwerke teilte das gleiche Geschick: das
Oratorium .Judith" wollte etwa gleichzeitig eine bedeutende Verlagsanstalt
edieren, und Berneker hätte nur die Hälfte der Herstellungskosten
zu erlegen brauchen, so wäre das Geschäft perfekt geworden. Schillers
«Siegesfest" für Männerchor und Orchester erlebte 1872 in Berlin seine
Uraufführung. Einer letztes Frühjahr vom Königsberger Friedrichskollegium
veranstalteten Aufführung des (für gemischten Schülerchor eingerichteten)
Werkes war im Laufe der Jahre eine beträchtliche Reihe Aufführungen
vorangegangen. Die Chöre zu «Antigone* und zum «Kyklops" des
Euripides hätte ich in Königsberg s. Z. hören können, wenn mich nicht
die Berufspflicht als Kritiker gezwungen hätte, am selben Abend irgend
einen auf Engagement gastierenden Phonastheniker zu würdigen. Von den
Chören zur «Braut von Messina" habe ich leider nur die erschütternde
Totenklage einmal gehört, ein in seinem schlichten Pathos den Eindruck
der edlen Verse mächtig steigerndes, tief ergreifendes Tongebilde. Das
letzte Jahr brachte einige neue Schöpfungen: eine .Märchenouvertüre"
und eine Chorballade mit Orchester und Soli «Die Loisach-Braut", deren
Königsberger Uraufführungen ich leider fernbleiben musste.
Die «Reformationskantate" (1883) ist mir leider gleichfalls unbe-
kannt, wohl aber sind zwei grössere Kantaten gedruckt und zwar in
226
DIE MUSIK V. 22.
der bei Breitkopf & Härtet erschienenen Sammlung «Kirchen-Oratorien und
-Kantaten', herausgegeben von Professor Dr. Friedrich Zimmer, in der
auch zwei Werke von Albert Becker und Arnold Mendelssohns Bear-
beitungen zweier Passionen von Schütz erschienen sind. Das kurze
Kirchenoratorium »Christi Himmelfahrt" (1887) soll, wie der .Tag*"
weiss, in Holland und Österreich Verbreitung gefunden haben, vermutlich
aber doch nur im Gottesdienst, also als kirchliches Gebrauchsobjekt, nicht
als Kunstwerk, obwohl es gerade als solches ernste Beachtung verdient und
nur von einem grösseren, künstlerisch auf der Höhe stehenden Chor und
einem tüchtigen Orchester zu voller Geltung gebracht werden kann. Die
Ouvertüre besteht im Hauptsatz aus einer feurigen Orgel-Fuge, die sich
stellenweise die Freiheit einer fünften Stimme gestattet. Von grosser
Schönheit ist die Baritonarie Jesu: „Ich will euch nicht Waisen lassen'.
Den ersten Teil schliesst eine lebendige, charaktervolle Chorfuge. Aus
dem zweiten Teil sind die schöne lyrische Instrumentaleinleitung und die
innige Tenorarie des Jakobus .So seid nun geduldig* bemerkenswert.
Diese Arie kann auch den entzücken, der den Gesdur-Satz im , Deutschen
Requiem' mit den gleichen Textworten begeistert liebt.
Weit bedeutender und reicher ist die Kantate »Christus der ist mein
Leben" (1889/90), in der schon die Choralsätze in Harmonik und Stimm-
führung freier und eigenartiger blühen, so dass man bei dieser reichen
Selbständigkeit eigentlich nur an Bachsche Choralsätze denken kann. Das
Werk als Ganzes fordert durch die häufige Übereinstimmung der Textworte
— die für den Totensonntag oder Karfreitag gewählt sind — den Vergleich
mit dem » Deutschen Requiem" geradezu heraus, braucht ihn aber auch in
keiner Weise zu scheuen. Nach einem einleitenden Choral beginnt die
Kantate mit einem machtvollen Chor „Der Tod ist der Sünde Sold", in
dem die Stimmungen der Erhabenheit und Unerbittlichkeit sich zu er-
schütternder Wirkung verschmelzen; mit den Worten »aber die Gabe
Gottes ist das ewige Leben" krönt eine kurze Fuge von zuversichtlicher
Stimmung den charaktervollen Satz, und eine Alt-Arie von eindringlicher
Melodik schliesst sich tröstend an, deren Begleitung von einem leidvollen
auf Christi Opfertod hinweisenden Motiv beherrscht wird. Von männlich-
kraftvoller Schönheit ist die Bariton- Arie «Sehet welch eine Liebe" mit
einer packenden harmonischen Steigerung im Mtttelsatz und einer entzückend
zarten lyrischen Koda. Der folgende Chor «Unser keiner lebt ihm selber"
bietet durch den Trauermarschcharakter bei dreiteiligem Takt einen äusser-
lichen Vergleichspunkt mit dem düsterprächtigen zweiten Satz des Brahms-
schen Meisterwerkes, ist aber durchaus eigenartig und selbständig. Das
unisono der tiefen Stimmen im Wechsel mit dem des ganzen Chores ist
von unfehlbarer Wirkung. Scharf kontrastiert dann der zweite Abschnitt
227
NODNAGEL: CONSTANZ BERNEKER
»Leben wir", der in eine Fuge ausmündet. Den zweiten Teil beginnt die
zarte und liebliche Seligpreisung der Toten. Die melodisch und harmonisch
reizvolle und dankbare Sopran- Arie »Herr, meine Tage sind einer Hand
breit" führt zu dem an Umfang und innerer Bedeutung reichsten Abschnitt
der ganzen Partitur, dem riesigen Chor »Sterben wir mit, so werden wir
mit leben*. Die weit dimensionierte gewaltige Doppel fuge, die den
Satz krönt, bringt in ihrer Engführung eine modulatorische Steigerung von
kolossaler Wucht. Chromatisch steigert Berneker in je vier Takten von
B nach H, dann nach C und nach Des, von wo aus sich dann auf C,
als der Dominante, ein majestätischer Orgelpunkt von 28 Takten Ausdehnung
erschliesst. Nach einer wundervollen Bariton-Arie mit Terzett dreier
Soprane »Sei getreu" malt der Schlusschor die transzendentalen Wunder
der Erlösung mit den lichtesten Farben der modernen Palette.
Kenne ich diese beiden Werke nur vom Papier, so verdanke ich der
»Krönungskantate* (»Herr, der König freuet sich in Deiner Kraft*),
die, 1901 zur Feier des zweihundert jährigen Jubiläums der preussischen
Königskrönung entstanden, nicht den Charakter einer Gelegenheitsschöpfung
trägt, sondern nach Inhalt und Stil allgemein künstlerische Bedeutung und
Wirkung besitzt, von ihrer Uraufführung nebst Generalprobe einen der nach-
haltigsten künstlerischen Eindrücke moderner Chormusik; vergleichbar etwa
der Wirkung, wie ich sie von Brückners Te deum, Kloses d-moll Messe
oder von dem »Christus* von Liszt erfahren habe.
Ein archaisierender a cappella-Chor eröffnet als Introitus das Werk.
Den ersten, »Berufung* betitelten Teil leitet ein längeres Orchestervorspiel
und ein Chor ein, bereits ein vollständiges Bild von Bemekers künstleri-
scher Physiognomie gewährend in der kraftvollen, edlen, chormässigen
Melodik, den blühenden Stimmführungen, dem plastischen Aufbau, der bei
allem harmonischen und modulatorischen Reichtum streng an der Tonalität
festhält. Kennzeichnend für die Modernität dieser Tonsprache ist die
Farbenpracht der Orchestrierung und der vornehm erlesene Geschmack,
mit dem sie verwendet wird, namentlich in der schönen, melodischen und
kernigen, sich mächtig steigernden Fuge. Die reichblühende Orchester-
behandlung belebt auch in dem anschliessenden Baritonsolo die stark ent-
wickelte, aber gleichwohl nicht überladene Polyphonie. Der durch eine
gewaltige Steigerung vorbereitete Choralsatz ist von prächtigen, kraftvollen
Fanfaren gegliedert. Eine glänzende Bereicherung des Konzertrepertoires,
auch aus dem Rahmen des Ganzen losgelöst, verspricht die grossangelegte,
bedeutende Baritonarie »Wohl dem, des Hilfe der Herr ist* zu werden;
sie ergreift durch die innige Wärme des Empfindungausdrucks. Zu den
modernen stilistischen Vorzügen des Abschnittes — wie überhaupt des
Bemekerschen Oratorienstiles — gehört die meisterhafte Handhabung der
228
DIE MUSIK V. 22.
Prosodie. Im Orchester singt jede einzelne Stimme, und daraus ergibt sich
der überschwängliche Reichtum der fesselnden, eigenartigen und in ihrer
logischen Entstehung stets natürlichen Harmonik. Auch in dem bewegten
reichen Mittelsatz ist die Melodie durch die deklamatorische Feinheit von
inbrünstigem Ausdruck. Eine wunderschöne Violoncello -Kantilene auf
einem Orgelpunkt und bei gesangvollen Mittelstimmen ist aus der herr-
lichen Arie noch hervorzuheben.
Der erste Teil gipfelt in seinem Schlusschor, einem mit souveräner
technischer Meisterschaft kolossal getürmten Doppelchor, ohne jedes Schielen
nach Beifall und Effekt aus Geist und Charakter der Ausdrucksmittel empfunden
und erfunden. Von den entzückend harmonisierten Innigkeiten des Frauen-
chors klingt besonders köstlich eine Folge von Sextakkorden, auf liegender
Stimme in der Quart auf und niedersteigend, und von ungeheurer Grösse
— ohne viel Spektakel — ist der kühne, scheinbar harmoniefremde
Posauneneintritt am Höhepunkt des gewaltigen Satzes.
Die Altarie^) zu Beginn des »Kampf und Sieg" betitelten zweiten
Teiles ergreift durch die warme, grosslinige Melodik ihrer wehmütigen
Klage stellenweise bis zu Tränen. Die edle Ausdrucksweise wirkt durch
ihre Natürlichkeit und Ehrlichkeit unmittelbar verständlich. Von Einzel-
heiten dieser wohl gleichfalls als selbständige Konzertnummer bedeutend
wirkenden Arie möchte ich nur die schöne Verwendung der verschleiert
klingenden, tieferen Oboetöne und einige köstliche Wendungen in chromati-
scher Gegenbewegung hervorheben. Womöglich noch schöner ist das
anschliessende Baritonsolo.
Der prachtvoll harmonisierte Choral »Der Herr ist noch und nimmer
nicht" zeigt wieder unverkennbar Bach verwandte Züge. Aber es ist
kein Abklatsch, sondern eine Umgestaltung Bachschen Choralstiles. Mit
frappanter Kraft hat Bemeker sich den Altmeister zu eigen gemacht, ihn
digeriert und so sich seine eigene Physiognomie bewahrt. Grosse Schön-
heiten weist die Stimmführung in Orchester- und Singstimmen des Duetts
von Alt und Bariton auf. Im nächsten Chor ist mit harmonischer Pracht
und machtvoller Grösse eine freie Umgestaltung des Lutherchorales ein-
gewirkt. Die Art, wie hier die Trompeten verwendet sind, lässt, obwohl
sie vollkommen selbständig ist, an die Glanznummer in Bachs Kantate
über jenen Choral denken. Im Finale folgt auf einen Chor von kolossalem
Jubel und herrlicher Steigerung ein wohlklanggesättigtes, bezaubernd schönes
Sätzchen für Soloquartett mit obligater Geige. Nach der Uraufführung
haben Kollege Paul Ehlers und ich unabhängig von einander dies Juwel an
melodischer Schönheit und reizvoller Polyphonie dem »Meistersinger"-
^) Siehe die Musikbeilage dieses Heftes
229
NODNAGEL: CONSTANZ BERNEKER
Quintett ebenbürtig zur Seite gestellt, und ich finde, wir haben daran
wohl getan.
Eine jubelnde Fuge von unmittelbarer Durchschlagskraft in Stimmung,
musikalischer Erfindung und klarer, kraftvoller Gestaltung schliesst sich an,
eine der schönsten Vokalfugen, die ich kenne; ihr hinreissender Stim-
mungsausdruck ist so überwältigend, dass nicht bloss mir damals in
Gumbinnen die Augen nass wurden. Besonders stark wirken in diesem
Glanzstück zwei kunstvolle Engffihrungen des Themas und der Orgelpunkt.
Mit dem figurierten Choral »Lob, Ehr' und Preis sei Gott' schliesst das
Werk, das mir in der modernen Ausdrucksfähigkeit seiner Mittel, in
der unbedingten und sicheren Meisterung der Massen, in der blühenden
Schönheit und dem Reichtum der Erfindung, in der ausserordentlichen
künstlerischen Technik zu den hervorragendsten Kunstschöpfungen
des letzten halben Jahrhunderts zu gehören scheint. Auch darin
stimmte ich damals mit Paul Ehlers überein, dass wir die ganze .Krönungs-
kantate** an Reichtum und Unmittelbarkeit dem «Deutschen Requiem**,
diesem Kleinod der modernen Chorliteratur, ebenbürtig fanden.
Als \ilter Bayreuthveteran, der die glorreichen Tage von 1872 und
1876 mitgemacht, hat Bemeker sich dem Einfiuss Wagners gegenüber doch
seine Selbständigkeit gewahrt, hat die stilistischen Errungenschaften des
grossen Bahnbrechers für den musikalischen Individualismus selbständig
verarbeitet und sich amalgamiert^ so dass sein Schaffen auf . kirchlichem "^
Gebiet einen neuen individuellen Stil aufweist. In der Eigenart und wurzel-
haften Echtheit seines Schaffens beruht die Bedeutung dieses künstlerischen
Charakterkopfes.
Es gebricht mir an Raum, noch auf die verschwindend wenigen
lyrischen Schöpfungen einzugehen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind.
Die »Tannhäuserlieder" mit ihrem harmonischen Liebreiz und ihrer blühen-
den Erfindung, die beiden kernigen, wirksamen Balladen op. 9, das liebens-
würdige, stimmungsvolle Heinelied «Es ßillt ein Stern herunter*, dann ein
graziöses, eigenartiges Duett für Frauenstimmen »An den Schmetterling''
ist alles, was gedruckt vorliegt. Zufällig kenne ich noch ein über
30 Jahre altes ungedrucktes Liederheft von ihm, aus dem mir nament-
lich »Mädchens Abendlied'', » Abendstimmung ", »Liebesstimmung* und
»Das weinende Mädchen* durch feine individuelle Züge lieb geworden sind.
Die bedeutendsten Lieder, die ich von ihm kenne, sind die in dem Zyklus
»Weltuntergangs Erwartung* von Ludwig Wüllner ans Licht gezogenen
genialen Genrebilder, vor denen die Berliner Tageskritik leider durch-
gefallen ist. Eine der rührigsten modernen Verlagsfirmen hatte s. Z. den
Zyklus vom Komponisten erbeten. Auf die Berliner Abschlachtung hin
sandte sie das Manuskript zurück mit dem Bemerken »Angabe der Gründe
erlassen Sie uns vobl'I Ich habe damals in No. 0 <1005) der «AUg. Mus.
Ztg.* die genial erFuodenen und meislerbaft gestalteten Lieder eingebend
gewürdigt. Nocb ehe Benieker meine Besprechung gelesen, entschuldigte
er sich brieflich, mich nicht besucht zu haben und sagte u. a.: .Wie gern
bitte ich insbesondere von Ihnen — wenns möglich war — die Beruhi-
gung darüber erhalten, dass mein ZyMus vielleicht doch nicht ganz die
vergebliche Arbeit Ist, als welche die Berliner Kritik Ihn im allgemeinea
erscheinen lisst." Eine ungemein feine und nur allzu treffende Bemer-
kung enthält derselbe Brief: ,Über musikgebildete Männer verfügt Berlin
ja wohl ohne Frage; aber das empfängliche Herz, das intime Verständnis
und der Wille, der Gedankenwelt anderer nahe zu treten, das ist's,- was
wobl den meisten von ihnen fehlt.' — Ach ja, und gerade solcher Naturen
bedarf der Schaffende als Resonanzboden, und sie nicht gefunden zu haben
in seinem langen Leben, das war die Tragik dieses Meisters. Er trug sie
mit Sachs'scher Resignation, sagte sogar einmal: .Wenn ich mehr An-
erkennung gefunden hätte, würde ich vielleicht weniger ernst und tief und
streng in meinem musikalischen Streben geworden sein." .Ist das nicht
rührend?' fragte der Freund Bemekers, dem Ich diese Mitteilung danke,
amSchte man nicht weinen über solche Grösse der Gesinnung? Aber ist
nicht doch auch ein Körnchen Wahrheit in dieser überbescheidenen Äusse-
rung? Andererseits freilich bleibe ich dabei: er hätte mehr, er bitte reicher,
glänzender geschaffen, wenn ihm die volle Sonne des Erfolges gelächelt
hätte.'
Nur ein unvollständiges Bild konnte ich hier entwerfen, doch das
eine glaube ich deutlich gezeigt zu haben, dass hier wieder einmal ein
echter Meisler unerkannt durch die Welt geschritten ist. Hier gilfs
also »uts neue eine kulturelle Schuld zu sühnen. Darum auf ans Werk:
ihr Sänger und ihr Dirigenten I
|ir waren in unserer Darstellung der Verhältnisse bis auf den
Punkt gelangt, auf welchem der junge Meister sich nur noch
1 auf ein völliges Zerwürfnis mit seinem Chef, als einziges Mittel
I zur Vahrung seiner künstlerischen Ehre, angewiesen erkannte.
.Vielleicht hast Du bereits davon gehört*, schreibt er daher, unterm
6. August 1847 an den, einer Kur wegen eben von Dresden entfernten
Ferdinand Heine, .dass ich seit ungeiHbr drei Wochen auf das Bestimm-
teste mit Lüttichau gebrochen habe, so dass zumal von meiner Seite aus
an eine Wiederversöhnung gar nicht mehr zu denken ist. Gutzkow wurde
mir zur Veranlassung. Die Umstände sind eigentlich votlstindig gleich-
gültig; es ist der uralte Kampf der Kenntnis und Oberzeugung gegen den
Unverstand. An ein Obereinkommen Ist da gar nicht zu denken; ist aber
ein Konflikt einmal so weit geraten, wie dieser letzte, so wird endlich
auch ein Nebenetnander-Bestehen undenklich, und so verharre ich jetzt in
dem festen Entschlüsse, der Sache ein Ende zu machen." Ähnlich spricht
er sich in einem vom 11. August an Klttl in Prag gerichteten Briefe aus.
Dass es sich trotz allem zunächst um rein persönliche Beziehungen bandelte,
mit der gegebenen Möglichkeit eines Ausgleichs, sobald Lüttichau ein Ent-
gegenkommen zeigte, keineswegs aber um eine unvermittelte offizielle Amts-
kündigung mitten im begonnenen neuen Tbeaterjahr, — darauf haben wir
bereits an geeignetem Orte in Wagners Leben (II, S. 193) hingewiesen,
noch vor erfolgter Kenntnis des zuletzt mitgeteilten ausführlichen Briefes,
der damals noch völlig unzugänglich im Privatbesitz ruhte. Noch deutlicher
bringt ein — ebenfalls bisher unbekanntes — Schreiben an Lüttichau vom
10. August dies zum Ausdruck:
Blebard Vagner an Qeneraldirektor Freiherr voir LfltUcbaa (XII), 10. Augn» 18474
Ew. Excellenz
ersuche Ich In geneigte Erwlgung lu liehen, dasi unter den bestehenden Verhilt-
ni«>en und nicb den mir lugestoaieaen Errahrungeo, meia Tunacta, aui meiner
jetilcen Stellung als Kapellmelater ausiuicheiden, ein aufrichilKer aeln muaa. Wenn
Ich nun meiner bis jetit noch nicht geordneten Lage einenelu»^ anderertelts aber
232
DIE MUSIK V. 22.
zamal einem Wohltiter gegenfiber, dessen grösste Verdienste am meine Person mir
eine anvergessliche Verpflichtung auferlegeo,*) die vollste Rucicsicht darsaf zu nehmen
habe, dass ich in meinem Vorhaben mit fiberlegtester Besonnenheit und ohne alle
Obereilung zu Werke gehe, so hoffe ich der Billigung dieser Rücksicht von Seiten
Ew. Excellenz gewiss sein zu dürfen. Richte ich zugleich die gehorsamste Bitte an
Ew. Excellenz, bis zur Lösung der obschwebenden Frage mir amtliche Citationen
zu ersparen,^ so fürchte ich nicht dies als grobe Dienstpflicht- Verletzung gedeutet zu
sehen, da ich die wesentlichen Obliegenheiten eines Kapellmeisters auch jetzt nicht
im geringsten zu vemachlSssigen mir bewusst bin. — Ich bin so sehr von der allem
Kleinlichen weit entfernten Gesinnung Ew. Excellenz überzeugt, dass ich mir sogar
gestatte, bei dieser Gelegenheit meinen Wunsch, im Laufe dieses Monates auf 8 Tage
verreisen zu dürfen, mit der Bitte um geneigte Erfüllung desselben auszusprechen,
wobei ich dem Königl. Dienste keine Störung zu bereiten hoffe, da der Kapellmeister
Reissiger, so viel ich von diesem weiss, seinen Urlaub erst im Monat September an-
zutreten gedenkt, in welchem ich denn jedenfalls noch fungieren werde, sobald Ev.
Excellenz meine beschleunigte Entfernung aus dem Königl. Dienste nicht
zuvor etwa selbst beantragen sollten.*)
Schliesslich erlaube ich mir noch die Erkllrung, dass, sollte es im unverinderten
Willen Ew. Excellenz liegen, die Aufführung des ,Rienzi* jetzt noch zustande gebracht
zu sehen, ich, nach genauerer Überlegung der Umstände und nachdem ein gütliches
Verfahren in diesem Bezug Missstimmung erzeugt hat, es für das Ratsamste halte,
mit der Besetzung der Frauenpartieen in dieser Oper es beim Alten zu lassen.*
Mit der Wiederaufnahme des .Rienzi" hatte es die Bewandtnis, dass
sie, wie es scheint, durch König Friedrich Wilhelm IV. von Preussen ver-
anlasst war: derselbe weilte nämlich damals eine Woche in Pillnitz bei
König Friedrich August zum Besuch. »Jener muss aber mit fiesem, und
wahrscheinlich der ganze Hof, manches über mich gesprochen haben*,
meldet Wagner brieflich an Heine; «denn am Tage nach einer grossen
Tafel kam Lüttichau in die Stadt gesprengt und bestellte, alles Übrige solle
beiseite gesetzt werden und zunächst «Rienzi* wieder in Szene gehen.
Wohlverstanden, alles nach meiner Katastrophe* — d. h. nach dem soeben
dargestellten Zerwürfnis mit der Generaldirektion. Immerhin konnte der
Vorgang dem einsam in seiner Wohnung im Marcolini'schen Palais an
seinem «Lohengrin* schaffenden Künstler nur eine Genugtuung sein. Um
so mehr, als im Oktober desselben Jahres eben derselbe »Rienzi* nun
auch seinen — durch Meyerbeer um vier Jahre verzögerten! — Einzug
^) Es kann wohl niemand entgehen, dass die Verdienste, die sich Lüttichau
um ihn erworben, mit der von Wagner ein für allemal unzertrennlichen Noblesse und
seinem Dankbarkeitsbedürfnis in der obigen Wendung eine allzuhohe Bewertung er-
halten haben I
') Die Hervorhebung im Druck rührt nicht von Wagner her, und bezieht sich
in erster Linie auf jene dem Meister verhassten .Konferenzen*, in welchen Gutzkow
ungestraft das grosse Wort führen durfte! (Vgl. Leben Wagners II, S. 211).
*) Die Hervorhebung im Druck rührt wiederum nicht von Wagner her.
233 '
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LÜTTICHAU
in die Berliner Hofoper halten sollte. Leider war der Gegendruck da-
mals in der preussischen Hauptstadt noch ein allgewaltiger: dieselbe Macht,
der es gelungen war, die erste Aufführung des Werkes von Jahr zu Jahr
hinauszuschieben, wusste es mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln auch
weiterhin — nach den ersten acht Auffuhrungen — dauernd von der
dortigen Buhne zu verbannen. Bekanntlich gelangte «Rienzi* (ganz wie
der »Fliegende Holländer*") erst nach Meyerbeers Tode — 1864 —
wieder zur Aufführung, um von da ab unangefochten das Feld zu behaupten,
und .Tannhäuser" und „Lohengrin" hatten inzwischen in Berlin einen
äusserst schwierigen Kampf zu bestehen gehabt.
Aus sämtlichen bisher erwähnten Schriftstücken geht hervor, wie
wenig der Meister jemals dazu gelangt ist, sich in seinem Dresdener Amte
wohl und heimisch zu fühlen. Mit Widerstreben hatte er es angenommen
(VI, 5. Jan. 1843); bereits nach Ablauf des ersten Jahres war er seiner-*
seits schon wieder im Begriff gewesen es für allezeit niederzulegen (VIII,
11. Mai 1844), und nachdem alle Hoffnungen auf die Möglichkeit eines
gründlicheren Eingreifens (IX, 2. März 1846) an der Zähigkeit des bestehen^
den Theaterschlendrians gescheitert waren, dienen die beiden letzten in der
Reihe (XI, XII) nur zum Ausdruck des »aufrichtigen Wunsches'', aus dieser
qualvollen Stellung je eher, je lieber auszuscheiden, und der Aussicht darauf,
dass Lüttichau etwa gar selbst, von sich aus, eine Beschleunigung seiner
Entfernung aus dem Königlichen Dienste veranlassen könnte. .Vergeb'ne
Hoftaung!" Wir kennen Lüttichaus Erwiderungen auf die einzelnen Briefe
nicht, nur die Tatsache steht ausser allem Zweifel, dass er auch in diesem
Punkte die gewohnte Zähigkeit bewies. Er entliess Wagner nicht, so wenig er
andererseits darauf bedacht war, auf seine Wünsche und Forderungen Rück-
sicht zu nehmen. Das schliesst nicht aus, dass er Momente der Einsicht
in die geistige Überlegenheit seines , Kapellmeisters*, des Bewusstseins
auch von seiner moralischen Würde, insbesondere der Vornehmheit, des
feinen Zartgefühls hatte, die aus sämtlichen an ihn gerichteten Schriftstücken
Wagners hervorleuchten und im persönlichen Verkehr wohl noch ent-
schiedener, ausgeprägter hervorgetreten sind. Zeitweilig wurde dann dieses
Wohlwollen, diese ihm abgerungene Hochachtung des Künstlers, wie des
freien Mannes in ihm auch zur Tat. In der „Mitteilung an meine Freunde"
spricht Wagner in diesem Sinne mit ausdrücklicher Anerkennung von dem
«ihm geneigten Willen der Direktion*, welche das Werk gegen alle An-
fechtungen der damaligen Öffentlichkeit aufrecht erhielt, so dass es während
der Dresdener Periode des Meisters zwanzig Mal zur Aufführung gelangte.
Leider wissen wir aus der ferneren Entwicklung des beiderseitigen Ver-
hältnisses, dass es ihm nicht gelang, einen andauernden und entscheiden-
den Einfluss auf den büreaukratischen Sinn seines Intendanten zu gewinnen,
V. 22. 17
234
DIE MUSIK V. 22.
und sich demgemlss dieses Verhältnis mit der Zeit immer holhiangsloser
und unerfreulicher gestaltete.
Im Frühjahr 1846 hatte Wagner mit dem, von uns mitgeteilten, ernsten
Begleitschreiben (IX) seinen Reorganisationsplan für das Institut der Kgl.
Kapelle der Generaldirektion eingereicht; es war nichts zu dessen Ver-
wirklichung geschehen. Einen entsprechenden Reorganisations-Entwurf für
das gesamte Institut der Kgl. Hofoper hatte er darin ebenfalls in Aussicht
gestellt und bloss den Auftrag zu seiner Abfassung erwartet. Dieser Auf-
trag wurde nicht erteilt; Kein Wunder also, wenn die hoffnungsvoll sich
anlassende Bewegung der Geister i. J. 1848, die Anerkennung bestehender
Schäden, die scheinbare Bereitwilligkeit zu ihrer Verbesserung, ihn dazu
veranlasste, den damals unausgeführten Entwurf nun, in dem Sinne eines
« National theaters für das Königreich Sachsen" zur eingehenden Ausfuhrung
zu bringen, — nicht mehr aber zur Überreichung an die Generalintendanz, sondern
zur unmittelbaren Einhändigung an den Minister des Innern, den liberal ge-
sinnten Martin Oberländer (Leben Wagners II, S. 223). Wie empfindlich
und eifersüchtig Lfittichau auf diese, durch die bisher gemachten Erfahrungen
gebotene, Übergebung der zunächst liegenden Instanz blickte, wie sehr er
sich dadurch getroffen fühlte, ist bekannt. Er Hess sich dadurch zu der
handgreiflichen Ungerechtigkeit der Behauptung hinreissen, Wagner habe
«überhaupt, so lange er hier wäre, nichts genfitzt" (Ebendaselbst S. 273).
Hatte die Direktion ihn denn zu dieser, von ihm selbst ersehnten, gemein-
nützlichen Betätigung jemals kommen lassen? hatte sie ihm dazu nur im
entferntesten den Weg geebnet und nur eine seiner Forderungen erfüllt?
Hatten nicht innerhalb der bestehenden Verhältnisse, auf der gegebenen
unvollkommenen Grundlage, die Aufführungen seiner eigenen Werke der
Dresdener Bühne zu höchstem Glänze gereicht? Waren nicht die von
Grund aus neustudierten Vorführungen Gluckscher Opern, wie der «Armida",
und vor allem der in Dresden noch gar nicht aufgeführten »Iphigenia in
Aulis", weiterhin der neunten Symphonie, ein Ehrenschmuck für Dresden
gewesen, Vorgänge von einer Bedeutung, wie man sie bis dahin nicht
gekannt? — Die beiden ersten Briefe aus dem stürmischen Jahr 1848
drucken wir hier nicht abermals ab, da sie durch mehrfachen Abdruck
jedermann zugänglich sind.
■
Richard Wagner an Generaldirektor Freiherrn Ton Lflttiehaa (XIII), Dresden
18. Juni 1848.
(Et ist dies der grosse i^politische* Brief, mit Bezug auf Wagners Rede im Vater-
landsverein, wörtlich mitgeteilt in den «Bayreuther Blittern*, Jahrg. 1883, V./VI. Stück,
ausserdem faksimiliert in Chamberlains grossem illustriertem Wagoerbuch).
Riehard Wagner an Generaldirektor Frelherm r. Lttttlehan (XIV), Dresden
20. (?) Juni 1848.
235
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LÜTTICHAlF
(Wörtlich abgedruckt in Gltseoapp, Leben Wagners II, S. 240. Das Schreiben
beginnt mit der Anrede: »Vortrefflichster Mann!* und schliesst mit der Nachschrift:
),Diesmal habe ich ,Exzellenz< und Alles vergessen! Verzeihung! Es ging nicht anders!*)
Zu dem ersten dieser beiden Briefe hatte es sich Eingangs um die
erbetene Gewährung eines Stadturlaubes gehandelt ; an diesen Eingang knüpft
sodann der ihm folgende mit der Bitte um eine Verlängerung dieses, bereits
erteilten Urlaubes zum Zweck einer zu unternehmenden Reise (vgl. Leben
Wagners II, S. 242/44).
Riehard Wagner an Generaldirektor Freiherrn von Lflttlchan (XV),
.Excellenz, Dresden 2. Juli 1848.
von Ihrer grossen Gfite bin ich so fest überzeugt, dass ich keine Fehlbitte zu
tun hoffe, wenn ich Sie herzlichst ersuche, den mir gewährten Urlaub noch verlängern
zu wollen, vielleicht um 3 bis 4 Wochen: ich fühle das grösste Bedürfnis eine kleine
Reise zu unternehmen, um Leib und Seele zu stärken und sie an neuen Eindrücken
zu erfrischen. Unsereines ist nun einmal ein schwer zu erziehender Mensch! —
Bis dahin werden ja wohl auch Sie, Excellenz, sowie ich, darin klarer sehen, ob mir
überhaupt in Dresden noch eine Zukunft blühen kann, — und ich werde mir dann
in Ruhe Ihren gütigen Rat erholen, und Ihrem Ermessen des Notwendigen und
Schicklichen werde ich mit meiner Oberzeugung gern und willig mich anschliessen.*
An dieses Schreiben schliesst sich dann unmittelbar noch das fol-
gende, als das letzte, uns bekannt gewordene aus der Dresdener Zeit:
Richard Wagner an Generaldirektor Frelherm von Lfittichan (XVI),
.Ew. Excellenz ^"^«^^° 3. Juli 1848.
gütiges Schreiben mit grösstem Danke für die darin ausgesprochene freundliche
Gesinnung erwidernd, erlaube ich mir zunächst Ihnen anzuzeigen, dass ich sogleich
nach Empfang desselben mich mit der herzlichsten und dringendsten Bitte an Kapell-
meister Reissiger gewandt habe, für mich das unter Umständen vielleicht grosse Opfer
bringen zu wollen, das eine Verlängerung meines Urlaubs allein möglich macht. Ich
erkenne seine iMehrbeschäftigung an, glaube ihm auch herzlich gern, dass es ihm
gerade schwer wird, ihr zu genügen, weshalb ich mich ihm dann auch jedenfalls
unbedingt bereit erkläre, nach meinem Rücktritt in den Dienst — wenn dieser mir
wieder möglich geworden sein wird — zu einer neuen Geschäftsteilung die Hand zu
bieten, nach welcher Ihm grundsätzlich der Dienst erleichtert werden soll, ausserdem
aber dann so lange für ihn gänzlich einzutreten, als er es irgend verlangen mag: nur
möge ei dagegen anerkennen, dass es sich jetzt bei mir um eine moralische Lebens-
frage handle, dass meine Bitte um Verlängerung meiner vorläufigen Dienstdispensa-
tion nicht auf Eigensinn, sondern auf einem tiefmenschlichen Gefühle der peinlichsten
Natur begründet sei, welches mir gebieterisch hierin das Schickliche vorschreibt.
Gewiss habe ich nicht nötig, Ew. Excellenz meine Stimmung näher zu bezeichnen;
liegt nur meine Schuld zu Grunde, so bin ich auf jede Sühnung^) gefasst Die Zeit
vermag jedoch viel; gönnen wir ihr Raum, ihre heilende Macht auszuüben !**
^) So liest R. Pröiss in seiner »Gesch. des Dresdner Hoftheaters*; in dem Ab-
druck in La Mara's .Musikerbriefen« II, S. 260 wird das fragliche Wort nicht »Sühnung«,
sondern »Büssung* gelesen; uns selbst hat das Original nicht vorgelegen.
17*
236
DIB MUSIK V. 22.
Bei allem Bestreben, gegen Lfittichau gerecht zu sein, ist es doch
nicht möglich, sein Auge gegen den hässlichen Flecken auf seinem Bilde
zu verschliessen, wie er sich aus seinem hinterhaltig perfiden Bericht an
den König vom 8. Februar 1848 ergibt (Leben Wagners II, S. 217/18), oder
aus den durchaus unvornehmen, kleinlich erbitterten Schmähungen gegen
Wagner auf der Konferenz am 14. Februar 1849 (ebendaselbst S. 272/74).
Dazwischen liegt, als eine nicht minder unedle Handlungsweise jene rück-
sichtslose Ablehnung der .Lohengrin'-Partitur (ebendaselbst S. 258/59).
«Wie stand es damals,* schreibt Wagner darüber drei Jahre später an den
alten Fischer, «als ich noch da war, der ich diese Oper eigens für Dresden
und den damaligen Bestand des Personals geschrieben hatte? Damals hielt
man es für gut, mich etwas zu schikanieren: schon waren dem jungen
Heine die Bestellungen für die Dekorationen zugegangen, als es plötzlich
Lüttichau einfiel, alles wieder abzubestellen. Ich habe damals geschwiegen :
aber Ihr wusstet nicht, wie schmählich es mich niederdrückte, mich in
meinen Kunstbestrebungen so abhängig zu wissen, dass ich nur als Heuch-
ler und Speichellecker Fortkommen für meine Kunst hätte ersehen können.
Pfui! wer Ehre im Leibe hat, macht sich da fort!'
Nach einer späteren Darstellung des Verhältnisses, von deren Gültig-
keit man den Meister selbst zu überzeugen suchte, habe nun zwar Lütti-
chau damals den .Lohengrin' nicht aus eigenem Antriebe fallen lassen,
sondern — infolge der Wühlereien einer Hofkamarilla — «auf einen Wink
von oben her". Wer aber trug die Schuld, wenn der 'König selbst über
Wagners Verdienste und berechtigte Ansprüche so mangelhaft unterrichtet
war, wenn nicht der Intendant selbst, für den es Ehrensache gewesen
wäre, unter seiner Verwaltung ein derartiges Vorgehen nicht zu dulden?
Die Verblendung Lüttichaus über die dem schaffenden Genius gegenüber
mindestens einzuhaltenden Grenzen der Schicklichkeit erreichte ihren Höhe-
punkt anlässlich jener bereits erwähnten Konferenz vom 14. Februar 1849,
bei welcher der theatralische Bureaukratismus wahre Orgien feierte. Mit
Recht musste der Künstler die ihm so unerwartet zuteil gewordene Ober-
häufung mit ebenso heftigen, als grundlosen Vorwürfen als eine unver-
diente Kränkung empfinden. Fast um die gleiche Zeit (16. Februar) fand
in Weimar unter Liszts Ägide die erste Aufführung des »Tannhäuser"
statt. Wagner war nicht dazu anwesend. .Es war mir unmöglich, meinen
Peiniger mit irgendeiner Bitte, wie der um einen Urlaub, anzugehen.* Viel-
mehr hatte er, nach seinen eigenen Worten, mehrere Tage mit sich zu
kämpfen, ob er es wirklich länger ertragen sollte, um des Bissen Brotes
willen, den ihm sein Dienstverhältnis zu essen gebe, sich femer noch
»dem Despotismus der boshaftesten Ignoranz auszusetzen*.
Es kamen die Maitage des Jahres 1849 und mit ihnen verwirklichte
237
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
sich für den ringenden und leidenden Künstler das, was er längst voraus-
empfunden: »es lebte in mir der Gedanke, dass ich wahrscheinlich nicht
in Dresden als Kapellmeister sterben wfirde.* Es war doch aller Zähig-
keit Lüttichaus in jenen Zeitläufen nicht möglich, den von ihm ausgeübten
eigentümlichen Zwang des blossen Hinhaltens auf die Dauer auszuüben,
mit welchem er den jungen Meister trotz aller wiederholten Abschieds-
gesuche immer wieder in der Fessel eines «Amtes* zurückzuhalten bestrebt
war, mit welchem dieser innerlich nichts gemein hatte. »Wie mir die
Dresdener Katastrophe längst in den Gliedern lag, wissen Sie," schreibt
er bald darauf an seinen jungen Freund Uhlig, , — nur hatte ich keine
Ahnung davon, welcher Sturmwind mich eigentlich von dort hinwegführen
sollte. Versichert sind Sie auch wohl, dass alle Amnestie und Restitution
der Welt mich nicht wieder vermögen könnten, irgendwo wieder Das zu
werden, was ich in Dresden zu meinem grössten Leiden war."
Mit Herrn von Lüttichau gab es nun auch keine Verhandlungen mehr,
weder mündliche noch schriftliche. Nui* von einem Schreiben an die»
unter allen Umständen ihm wohlgeneigte und von ihm hochverehrte, durch
feinsinnige Bildung ausgezeichnete Gemahlin seines gewesenen Chefs,
Frau Ida von Lüttichau (geb. v. Knobeisdorf), wissen wir: es galt die ent-
schlossene Verhinderung des angeblich bereits gefällten Todesurteils über
Heubner, eines der Häupter der ^provisorischen Regierung' während der
stürmischen Maitage, der sein schwieriges Amt mit rühmlicher Selbstauf-
opferung bis zur Erschöpfung durch Schlaflosigkeit durchgeführt hatte, und
in diesem Zustande der Erschöpfung, in tiefem Schlaf, wehrlos gefangen
genommen war. Welch' unmittelbare Wirkung jenes Schreiben ausgeübt,
entzieht sich unserer Kenntnis: er pries darin die Verdienste Heubners
und erklärte, wie der König nicht nur besser gefahren sein würde, wenn
er ihn, nach seiner ursprünglichen Absicht, zum Ministerium berufen hätte,
sondern, wie er jetzt noch nicht besser tun könnte, als wenn er Heubner
kennen lernen und sich zum Freunde machen wollte. Tatsächlich wurde
das im Januar 1850 gefällte und einige Monate später durch das Ober-
Appellationsgericht bestätigte Todesurteil über Heubner von dem Monarchen
',im Wege der Gnade" zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe »gemildert* und
auch diese blieb, wie die Folgezeit lehrte, ebensowenig «lebenslänglich*,
wie Wagners Anstellung zu Dresden! — Erst aus einem Briefe an Liszt
vom 13. Januar 1853 erfahren wir, dass er sich auch wiederum an seinen
einstigen Dresdener Intendanten gewandt: »An Lüttichau habe ich ge-
schrieben und mir den ,Lohengrin* jetzt dort verbeten, weil ich zu keinem
seiner Kapellmeister das nötige Zutrauen habe.* Mit Bezugnahme auf
diese Erwähnung hat Prof. Altmann in seinem katalogischen Verzeichnis
Wagnerscher Briefe das hier erwähnte Schreiben an Lüttichau, unter dem
238
DIE MUSIK V. 22.
hypothetischen Datum des 10. Januar 1853 mit registriert und es mithin
drei Tage früher, als den Brief an Liszt, angesetzt. Er hat den Wortlaut
des soeben zitierten Passus offenbar so aufgefasst, dass Wagner kürzlich
(oder «soeben") an Lüttichau geschrieben habe. Diese Annahme ist, wie
auch der Zusammenhang ergibt, nicht zutreffend; die Worte an Liszt refe-
rieren vielmehr bloss über etwas Vergangenes, vor fast einem Vierteljahr
Geschehenes. Der dort gemeinte Brief an Lüttichau trägt vielmehr im
Original das Datum des 29. November 1852 und entspricht, als Ausfuhrung
eines Vorsatzes, der kurz zuvor an Uhlig gerichteten Ankündigung: , Wegen
des Lohengrin muss ich an Lüttichau schreiben, sobald ich nur erst etwas
Bestimmtes weiss.* Und weiterhin (27. November): „Weisst Du, dass die
Dresdener Tannhäuser-Wiederaufführung durchaus nur unheimlich auf mich
gewirkt hat? Allen Anzeichen nach darf ich mich für überzeugt halten,
dass auch jetzt noch der Tannhäuser in Dresden keinen rechten und echten
Erfolg gewonnen hat: dies Dresden wäre, wenn ich dort geblieben, das
Grab meiner Kunst geworden. In Weimar, Schwerin, Breslau und Wies-
baden, überall übte sogleich die erste Vorstellung den Schlag aus, zu dem
es in Dresden eigentlich gar nicht gekommen ist. Ich ahne, dass Dresden
jetzt meinem ,Lohengrin^ schaden könnte, wenn er dort herauskäme." Aus
dieser Stimmung heraus, und in dieser Befürchtung ist der Brief an
Lüttichau sogleich auf der Stelle, und nicht erst nach zweieinhalb Monaten,
geschrieben worden.
Blehard Wagner an Generaldirektor von Lftttiehan (XVII), Zürich 29. No-
vember 1852.
Auch aus diesem eingehenden, manches Persönliche berührenden
Schreiben, ganz wie aus dessen Vorgängern, ausführlichere Mitteilungen
zu machen, wären wir hier gern geneigt, wenn nicht der Zufall uns daran
hinderte, dass die in unserem Besitz befindliche wortgetreue Kopie uns
durch augenblicklichen Wechsel des Wohnortes unerreichbar ist. Aus der
Erinnerung heben wir hier nur den einen Zug derselben hervor, dass es
nicht allein das altgewohnte Zeremoniell der Anrede, sondern in seiner
ganzen Abfassung genau dieselbe vertrauensvolle Sprache aufweist, wie nur
irgend einer der Dresdener Briefe. Von einem Nachtragen der Verirrungen,
in welche die »Exzellenz" ihm gegenüber, namentlich in der letzten Zeit
ihres Verkehrs, zunehmend geraten war, zeigt sich keine Spur; es setzt
überall nur das ungetrübte Wohlwollen voraus, welches ihm Lüttichau doch
im persönlichen Verkehr, unter dem unmittelbaren Eindruck der bezau-
bernden Persönlichkeit Wagners, häufiger bewiesen haben muss, als es aus
den Akten und Dokumenten hervorgeht. Den gleichen Ton finden wir
auch in dem letzten Briefe Wagners an Lüttichau, aus Venedig, vom
9. Februar 1859 angeschlagen. Hierin handelt es sich um einen Versuch,
239
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
■^*-
die Vermittelung seines alten Gönners zugunsten eines milderen Ver-
fahrens für seine Ruckkehr in das Königreich Sachsen anzurufen, als es
ihm von dort aus einzig angetragen war: der König würde, so hiess es,
n i e von der einmal getroffenen Bestimmung abgehen, die Begnadigung nur
für solche sich vorzubehalten, die der Untersuchung und Beurteilung seiner
Gerichte sich gestellt haben würden. Unmöglich konnte er sich, der in
den zehn Jahren ein ganz anderer geworden, der längst über die kurze
Revolutionsepisode in seinem Leben hinaus war, nachträglich den Chancen
einer richterlichen Untersuchung aussetzen, sich ein paar Monate lang
verhören oder gar als politischen Märtyrer einstecken lassen! Wir lassen
die hierauf bezüglichen ausführlichen und beredten brieflichen Ausführungen
wenigstens teilweise folgen, durch eine verkürzte Wiedergabe des letzten
an Lüttichau gerichteten Briefes.
Riehard Wagner an Generaldirektor Frelhem Ton Lfittleliaa (XVIIl),
Venedig 9. Februar 1850.
Excellenz
Alle meine Lebentintereiten dringen tich gegenwärtig bei mir auf dem Punkte
zutammen, wo ich für meine fernere Zukunft bettimmt Witten mutt, woran ich mit
meinem Schickttle bin: ob ich )e wieder Deuttchland werde betreten dürfen, oder ob
ich ein für allemal darauf verzichten mutt, und demgemätt, towohl für meine baut-
liehe Exittenz, alt für meine weiteren kfinttleritchen Unternehmungen auf dat Aut«
land angewieten bleibe.
Et dürfte Eurer Excellenz vielleicht nicht ganz unbekannt geblieben tein, datt
seit länger tchon der Grottherzog von Stchten-Weimar, tpäter auch der Grottherzog
von Baden angelegentlich bei Sr. Majettät det Königt von Sachten tich für meine
ttraffk'eie Rückkehr nach Deuttchland verwendet haben. Vor drei Jahren bereite habe
auch ich telbtt mich unmittelbar an Seine Majettät wegen meiner Begnadigung ge-
wandt, und vor einem Jahre in einem Schreiben an Seine Königl. Hoheit det Prinzen
Albert mein herzlichet Getuch um gnädige Verwendung für mich gerichtet. Ich bin
auf allet dietet gänzlich ohne Betcheid geblieben. Datt aber nicht die mindette
Milde gegen mich eingetreten tei, habe ich toeben wieder zu meiner trturigtten Ver-
wunderung tut den Schritten der Königl. Regierung, die Kaiterl. ötterreichitche
Regierung zu meiner Autweitung tut Venedig zu bettlmmen, ertehen mütten. Da
ich in Venedig mich nur um der Herttellung meiner jetzt tehr leidenden Getundheit
willen aufhalte, to helfe ich für dietmal, et werde der dringenden Verwendung meinet
hietigen Arztet gelingen, Seine K. K. Hoheit den Generalgouvemeur Erzherzog
Ferdinand Maximilian zur Verzögerung meiner Autweitung bit zur wärmeren Jahret-
zeit zu vermögen. Dennoch fühle ich auch durch diete Erlkhrung letzt mich auf-
gefordert, einen letzten Schritt zur Bettimmung meiner Lage zu tun. Ich hatte
detbalb im Sinne, mich an den neu ernannten Königl. Minitter der Juttiz in Dretden
zu wenden. Doch mutt ich fürchten, von ihm doch nur einen amtlich tutgedrückteo,
unbefriedigenden Betcheid zu erhalten, und mehr wie je hatte ich, diet fiberlegend,
inne zu werden, wie kläglich im Ganzen meine frühere Stellung in Dretden von mir
benutzt worden war, datt ich jetzt vergebene nach einer ein fluttreichen Perton [mich]
UBtehen mutt, die dort mein to tchwer leidendet* Interette vertrete. Da kann Ith
240
DIE MUSIK V. 22.
denn nun nicht umhin einzusehen, dast, wie grosse Misstimmungen (ich wage zu
behaupten: Missverstindnisse) auch einst zwischen meinem verehrten Chef und mir
eintraten, dennoch Eure Excellenz gewiss nicht ganz aufgehört haben, diejenige Teil-
nahme mir zu bewahren, die mich einst zu meiner Dresdener Stellung berief, und
trotz grosser Sorgen, die ich Ihnen bereitete, mich meist doch immer schützend und
freundlich aufrecht erhielt Ich ersehe zu meiner grossen Freude auch aus Ihrem
gfitigen und rücksichtsvollen Benehmen gegen meine Frau, dass Sie mir ebenMls
wohl eine Erinnerung bewahren, in der manche bittere Rückempflndung sich wohl-
wollend aufgelöst hat; so dass ich nicht anders kann, als einsehen, wie Eure Excellenz
eigentlich gewiss und bestimmt der durch mein Schicksal mir angezeigte letzte Ver-
mittler am Dresdner Hofe sei, den ich jetzt nur mit grossem Unrecht umgehen würde (. . .}•
So viel ich nun in Erfahrung gebracht, und aus Privatmitteilungen entnehmen
konnte, sind Seine Majestit entschlossen, für die 1849 flüchtig gewordenen Teilnehmer
am Dresdner Aufstande keine Amnestie eintreten zu lassen, sondern die Begnadigung
sich nur für den Fall vorzubehalten, dass der BetreflTende sich der Untersuchung und
Beurteilung der Gerichte gestellt haben werde. Auch mir ist angedeutet worden, dass
ich nur auf diesem Wege zu meiner Begnadigung würde gelangen können. Ich habe
daher reiflich erwogen, ob es mir ritlich dünken dürfte, diesem Verfahren mich zu
unterwerfen. Einesteils konnte ich mir sagen, dass unmöglich schwere und besonders
gravierende Anklagen gegen mich erhoben werden könnten; einige, im Vertrauen mir
mitgeteilte Hauptpunkte, erkannte ich sofort als durchaus unbegründet und deshalb
unnachweisbar, so dass ich vielleicht nicht ohne Hoffnung einer ginzlichen Frei-
sprechung mich der Untersuchung stellen könnte. HItte ich nun dabei einen Zweck
von entscheidender Lebenswichtigkeit; gilte es, zu einer Familie wieder zurückzu-
kehren, in eine Anstellung, oder sonst einen bürgerlichen Beruf wieder einzutreten,
die mir nur durch die Rückkehr in meine spezielle Heimat möglich sein könnten,
— so würde ich wahrscheinlich zu jenem Schritte mich anlassen, selbst auf die Ge-
fahr hin, eine kürzere Freiheitsstrafe noch überstehen zu müssen. Diese hierfür
einzig entscheidende Rücksicht kann aber bei mir nicht stattfinden. Nach einer
zehnjihrigen Verbannung und ^nzlichen Entfernung aus meinem künstlerisch-prakti-
schen Wirkungskreise kann mir die Rückkehr in einen solchen, selbst wenn er mir
geboten wire, nicht mehr wünschenswert erscheinen. War von jeher meine Gesund-
heit sehr reizbar und zu höchst scbidlichen Oberanstrengungen geneigt, so ist dies
jetzt in einem sehr erhöhten Grade der Fall. Durch eine feste Anstellung mit stindiger
Funktion meine bürgerliche Lage zu verbessern, kann mir nicht mehr in den Sinn
kommen; sie würde in Kurzem mein Tod sein. Alles, was ich mir bei der Rückkehr
nach. Deutschland als wünschenswert vorstellen kann, wire lediglich die Möglichkeit,
an einzelnen bedeutenden Theatern, in sehr seltenen FiUen, erste Aufführungen meiner
Opern selbst zu überwachen. Ich gestehe, dass diese Möglichkeit, wenn sie mir ge-
boten würde, sehr wohltitig auf mich und meine fernere Arbeitslust wirken müsste.
— Doch rit mir meine Erfahrung, auch hierin behutaam zu sein, und, in Betracht
der meist sehr ungenügenden Beschaffenheit der deutschen Opempersonale, mir beim
periodischen Befassen mit dem Einstudieren meiner Opern genau nicht mehr Er^
frischung und Genugtuung zu versprechen, als andererseits durch Ärger, Kummer
und Oberanstrengung Verschlimmerung meiner Leiden entstehen könnte. Ja, meine
Empfindlichkeit in der Berührung mit der Theaterwelt hat sich, wie ich aus einzelnen
Wahrnehmungen entnehmen konnte, durch meine zehnjihrige ginzliche Zurück«
gezogenheit ganz in dem Masse gesteigert als meine Anforderungen immer feiner,
geistiger und idealer geworden sind.
241
GLASENAPP: WAGNERS BRIEFE AN LOTTICHAU
Ebea diese Geistetstimmnnt, die andrerseits sieb auf eine uogemein sensibel
gewordene nervöse BeschsUbntaeit meiner Gesundheit grfindet, liest mich nun sucb
ernstlich erwlgen, ob ich nicht eine höchst nachteilige RQcksichtslosigkeit gegen
meinen leidenden Zustand begehen würde, wenn ich mich den jedenfalls sehr auf-
regenden und mehr als peinigenden Chancen einer gerichtlichen Untersuchung, mit
irgend welchem (f&r mich unmittelbar schidlichem) Freiiieitsentzug aussetzen wollte.
Venn ich mir sage, letzt, nach zehn Jahren, in denen ich meine Ansichten so ginzlich
gelndert habe, dass ich in politischem Bezug gar nicht mehr als derselbe Mensch an-
zusehen bin; jetzt, wo Jene unglfickselig aufgeregte Zeit wie ein verwirrtes, durchaus
unkenntlich gewordenes Traumbild mir vorschwebt, zu dem ich nur verwunderungsvoll
den Kopf schfitteln kann; jetzt also — sollte ich mich einer monatelangen Untersuchung
aussetzen, langen, peinlichen Verhören über Dinge, die mir nur noch wie Schatten gegen-
wirtig sind, und in denen ich doch mit juristischer Genauigkeit mich zu verhalten bitte,
endlich noch Konfrontationen mit jedem Beliebigen, der in jener Zeit etwas Ver-
fingliches habe an mir beobachten wollen, unterziehen, — immerhin noch in der
Sorge, für irgend eine damals begangene, lingst bereute Torheit, in Strafe und Haft
zu verfallen: — so kann ich nicht anders, als diesen Weg zu meiner Begnadigung,
aus der Natur der Dinge und ihrer Rückwirkung auf meine leidende Gesundheit, für
nicht existierend zu erkennen.
Von meiner geistigen und physischen Schonung hingt es ab, ob ich noch eine
Reihe von Kunstwerken, zu denen die Entwürfe in mir leben, vollenden und der
Welt zum Eigentum werde fibergeben können; diese Rücksicht, die ich mit einigem
Selbstgefühle nach meinen künstlerischen Erfolgen jetzt zu nehmen habe, gebietet
mir, bestimmt und entschieden — ich erklire Eurer Excellenz dies hiermit — von
dem Versuche, auf dem angedeuteten Wege meine Begnadigung zu erwerben, abzu-
sehen. — - Ich bitte demnach herzlich zu beklagen, wenn ich denn nun einmal solch
eine Unbesonnenheit, wie 1849, begehen musste, dies nicht als badischer, öster-
reichischer, wohl selbst russischer Untertan« in Baden, Österreich oder Russland
begangen zu haben, weil ich dann derselben Milde teilhaftig geworden sein würde,
welche dort allen denen, die mit mir im ganz gleichen Falle waren, auf dem Wege
gnidiger Niederschlagung der gegen sie eingeleiteten Untersuchungen, bereits lingst
straffireie Rückkehr in ihr Vaterland gewihrt hat.
Sehe ich durch diese mir notwendige Erklirung den für jetzt einzig mir offen
stehenden Weg zur Rückkehr nach Deutschland mir verschlossen, so will ich doch
den Gedanken, ein für allemal aus meinem Vaterlande, dem ich durch meine Kunst
bestimmter als je ein anderer Künstler angehöre, verbannt, und für Leben und Kunst
femer einzig suf das Ausland angewiesen zu sein, nicht eher als für meine definitiven
Entschlüsse massgebend ansehen, als bis ich mich aus der Mitteilung Eurer Excellenz,
um die ich Sie hiermit herzlichst angehe, die Notwendigkeit eines solchen Entschlusses
als unabweisbar erkannt habe (. . . .). Fillt daher von jener Seite gar nichts in meine
Wagsetaale, so müsste ich, wenn auch mit Kummer, mich doch zu resignieren wissen.
Dann bitte ich ganz und entschieden dem Auslande allein nur noch anzugehören;
es wfirde mir wehmütig sein, die Schwierigkeiten der Sprache für meine dramatischen
Werke überwinden zu sollen, doch müsste mir hierbei eine wohl nicht ganz ungerecht-
fertigte Bitterkeit nach Möglichkeit helfen. Zur besonderen Genugtuung würde es
mir aber gereichen, dass ich nicht selbst die Klage über die mir widerfahrene harte
Behandlung zu führen bitte; — stumm, aber doch laut genug würde meine Grab-
schrift sie der Welt melden.
242
DIE MUSIK V. 22.
Wie dem nun sein werde, so fable ich mich jetzt herzlich erleichtert, nachdem
ich meinem ersten, einst so freundlichen, und jetzt gewiss mir nicht plötzlich ent-
fremdeten Wohltäter mich mitgeteilt, und Eurer Excellenz es anheimgegeben habe,
in welcher Weise es Ihnen gut dünlst, einen letzten entscheidenden Versuch für eine
Bestimmung meines Schicksales zu unternehmen. Ich erwarte Ihre geneigte Antwort
in dem Sinne, dass ich davon ein für allemal es abhingen lasse, ob ich je wieder
nach Deutschland zurückkehre, oder nicht. Möge Gott Ihr Herz und Ihre Schritte
lenken, da ich an Ihrer Weisheit nicht zu zweifeln habel
Auf dieses, die Situation des verbannten Meisters in erschöpfender
Weise darlegende Dokument mit seiner hinreissend warmen Herzens- und
Geistesberedsamkeit ist uns — ausnahmsweise — auch die Antwort
Lüttichaus erhalten. Er hat sie eigenhändig an die Spitze des Briefes
gesetzt; sie trägt in ziemlich umgehender Erledigung das Datum: «Dresden,
d. 16. Februar 1859".
Ihre Zuschrift vom 9. d. M. habe ich am 14. erhalten und verfehle nicht, Ihnen
darauf zu erwidern, dass es nicht in meiner Stellung liegt, auf Ihre Begnadigung hin
mit Erfolg einwirken zu können, indem das einmal festgestellte Prinzip, dass der
Betreffende sich der Untersuchung und Beurteilung der Gerichte vorerst zu stellen
habe, was Sie entschieden ablehnen, der Konsequenz wegen wohl nicht umgangen
werden kann und wird, daher Ihnen überlassen bleibt, sich selbst unmittelbar an
S. Maj. d. König zu wenden. Carl v. Lüttichau
Das war Alles. Kein Ton persönlicher Anhänglichkeit spricht aus
diesen Zeilen. Auch hier war Wagner, wie überall und immer, aus der
Fülle seiner menschlichen Natur heraus der reicher und grossmfitiger
Spendende gewesen. Man würde sich auch vergeblich bemühen, zwischen
diesen Zeilen, kurz und offiziell, wie sie gehalten sind, etwas von Lüttichaus
wahren und tieferen Empfindungen für den ihm einst unterstellten schöpfe-
rischen Genius herauslesen zu wollen. Sie sind darin nicht enthalten.
Doch dürfte man ihm vielleicht unrecht tun, sie auch in seinem Inneren,
seiner Erinnerung, als nicht vorhanden zu betrachten. Aus den eigenen
Erinnerungen Wagners spricht manches dagegen. Wir können hierfür nur
abermals auf die ausführlichere Charakterschilderung Lüttichaus in unserer
Biographie des Meisters (Leben Wagners II, S. 9/10) verweisen. Die Un^
zulänglichkeit seiner Bildung, der Mangel jedes spezifischen Kunst-
verständnisses gaben ihm der überlegenen Künstlerpersönlichkeit gegenüber
wiederholt jene äusserlich schroffe ablehnende Haltung, der seine wahre
Empfindung offenbar nicht immer entsprach. Es scheint, er habe diese im
Verkehr mit Wagner immer zurückgehalten, bis auf die wenigen Fälle,
wo sie — selten, aber von dem jungen Meister wohl verstanden — von
Person zu Person sich äusserte. Vielleicht hätte sich dies auch an einem
anderen als gerade dem sächsischen Hofe etwas anders gestaltet? Von der
Feindseligkeit, welche sich nach den Maiereignissen und nach Wagners
^3^=^ GLASENAPP: VAGNERS BRIEFE AN LOtTICHAU TT^p^^
Entfernuag «us Dresden der Hofkreise, namentlich in einigen Familien des
höheren sächsischen Adels gegen ihn bemächtigt hatte, macht man sich
schwer einen BegrifF, wenn man dies nicht — direkt oder Indirekt — mit
erlebt bat, wie es dem Verfasser noch in der Mitte der sechziger Jahre zu
seinem Erstaunen sich aufdrängte. Hier hätte Lüttichau mit einer welter-
gebenden Sympathiebezeigung für den verbannten Künstler einen ganz
ausserordentlich schwierigen Stand gehabt. Vielleicht ist demnach, nächst
seiner büreaukratiscben Kargheit in schriftlichen Mitteilungen, das Einzige,
was man zwischen den Zeilen seines Antwortschreibens vom 16. Februar
1859 herauszulesen sich berechtigt halten darf, etwas von dieser, ihm durch
seine Umgebung aufgenötigten Zurückhaltung??
Mit diesem Schreiben schliessen die brieflichen Beziehungen zwischen
Richard Wagner und seinem Dresdener Intendanten. Es sind im ganzen
18 Briefe, die uns teils vorliegen, teils in ihrer Existenz nachweisbar sind.
Vielleicht, dass sie sich mit der Zeit, wenigstens Für einige Jahre der
Dresdener Periode, noch durch bisher unaufgefundene Schriftstücke er-
gänzen werden.
Wagners Rückkehr nach Sachsen Im Jahre 1862 hat Lüttichau nicht
mehr erlebt.
BAYREUTH 1906
von Dr. Carl Hsgemann-Essen
Ib itehl Im Zeichen der Jublllen. Heuer erklingen die Fanhren aaf
gllcbllcben HGgel" im drei»ic>ten Jalire, wobei gleicbieiilK der »RIok"
Utesier Bayreutber unter des Meillers Dramen aelnen dreiulgitea
enlber Geburtstaf und damit aeinen drei>sic>ten Geburtatag fiberhanpt
-.^.ben darf. Und im nicbaten Sommer, wo wieder gespielt werden aotl,
trinder.Psrsirtl' ■— Bayrentbs Lieblings- und Scbmerzenakind: aeln letitgeborener,'Ton
treuen PDegem iogatlich beb Steter Sproas — In das iweltejabrbundertvlertel eines knnst*
froben Daaelns ein. Von Freunden Tagnerseber Kunst Ist nun angeregt worden (mit
grossem Recht, wie mir scbetnt), des Melstera elnilgartlges, so gani abseits von allem
übrigen Opemscbalfeo siebendes dramatisches Mysterium zu diesen Feiertsgen in einem
neuen, durchaus stilvollen und In einem die bedeuliamen Errungenschaften modemer
B&hnenkunat mit vollem Bewusstseln susnQtzenden dekorativen Gewände zu selgen
— Ibm alle die achlagkriftigen, bfibnen künstlerischen Terte sngedelben zu lassen, die snr
Freude der Kulturmenschbelt in fünfundzwanzig regsamen Jahren eines gesteigerten
Portscbritta erprobt und anderorten auf deutschen Schsubrettem lingst als stindige
Einriebtangen zu genleisen sind, die man iafolgedessen nun aber auch im Brennpunkt
des europliicben Operntheatera, in Bayreuth, nicht mehr missen mOchte. Man erwartet,
dass die Torte, die der SchOpfer des „Parslfsl' einstens Im Schosse Tahnfrieds zn
adnen ausübenden Künstlern sprach, vor allen anderen gerade hier und nicht luleU
für die Darstellung seines Schwsnengesangea beherzigt werden: aKinder! macht NenesI
Neues und abermal Neuesl Hingt Ihr euch ans Alte, so hat euch der Teufel der
UaproduktlTlIit ond ihr aeld die traurigsten Künstler . . .'
Im ganzen wire eine vollstindlge Neubeschaffung der Dekorationen und der
Kostüme dringend notwendig. Dass die Biyreother In dieser Hinsicht sehr wohl
wissen, worauf es snkommr, zeigen einige neue Szenenbilder des .Ringes', die Im
Lautto der lettten Jahre neu gestellt wurden und das Entzücken Jedes Kenners erregen:
I. B. die durchaus plastisch durchgebildete Sde FelshShe des zweiten TalkÜrenalclea
und Jetzt vor allem auch die alimmungsatarke, maleriscb wnnderbar fein empfundene
Taldazenerie im „Siegfried*, in die hinein sich dann der ganze Nuancenreicbinm des
ausgezeichneten und susgezeichnet gehsndbabten Bayreutber Beleuch tu ngaap parates
ergiesst. Im elnielnen taiite sieb die Phantasie Irgend eines grossen Künstlen als-
dann mit dem dekorailons malerischen Problem des Blumengartens zu bescbifUgen,
der mitssmt seinen lebenden Blumen fürderhln nicht mehr wie bisher gezeigt werden
kann. Hat man alsdann die gleissenden Verführerinnen einmal anders angezogen nnd
ihrem teuflischen Getue einen wollüstigeren Rshmen gegeben, so wird es der aus-
gezeichneten Bayreutber Massenregie, der wir Js den berühmten zweiten Tannhluser-
Akt, daa erste Loben grin -Fi aale und die Meiatersinger- Festwiese denken, nicht schwer
werden, dss entzückende lyrische Tsnzintermezto der Parslhlparlliar In die ausglebiga
azenlscbe Erscbelnungsfünn umzusetzen.
245
HAGEMANN: BAYREUTH 1006
Wie weit mmn in WahnfHed diesen beute ganz allgemeinen Wfinachen nach-
kommen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls dfirfte es das beste Mittel sein, um den
.Parsilkl' als Bayreutber Vermicbtnis zu erhalten, wenn man ihn jetzt zum Jubilium
in insserer und innerer Vollendung neu erstehen Hesse.
Sehr sinnig mutet es an, dass man zum Geleit des JubUlums*j,Parsilal' den
»Lobengrin* erkoren hat. Vielleicht Hast man die Reihe der Aufführungen im nJtohsten
Sommer einmal mit dem »Parsifal* beginnen, um alsdann den »Lohengrin* unmittelbar
daran anschliessen zu können. Es wfirde ungemein reizvoll sein, die beiden Grals«*
dramen einmal unmittelbar hintereinander geniessen zu können.
Die »Parsifal'-AuffQhrung stand unter dem Stern einer neuen Bayreuther Jugend.
Alois Hadwiger, ein junger Singer aus Graz, der vor Jahren von Siegfried Wagner
entdeckt und der Bayreuther Singschule übergeben worden war, versuchte sich in
der Titelrolle und betrat damit überhaupt zum ersten Male mit einer grösseren Auf-
gabe die Bühne, denn sein Froh des Jahres 1004 hatte zu irgend einem abschliessenden
Urteil noch keine Gelegenheit gegeben. Inzwischen war man fleissig um ihn bemüht
gewesen, so dass man es wagen durfte, den Neuling für den indisponierten Schmedes
als Parsifkl hinauszustellen. Einen in Wuchs, Aussehen und Haltung prächtigeren
Heldenknaben als diesen sahen die Festspielgäste bisher wohl kaum. Hadwiger bringt
in seinem Äusseren schlechterdings alles für die Partie mit und weiss so mit dem
ersten Auftreten gleich die volle Illusion zu schaffen, was man bekanntlich nicht von
allen Parsifalvertretem der nun ablaufenden fünfundzwanzig Jahre behaupten kann.
Gesanglich zwar ist er noch nicht fertig. Die Stimme sitzt noch nicht einwandfrei
und der Ton wird vielfach noch zu gaumig gebildet Auch fehlt dem Organ noch
die rechte Durchschlagskraft, um beispielsweise daa berühmte »Amfortas' im zweiten
Akt mit der nötigen Erschütterung hinausbringen zu können. Auch worden die Stellen
des geläuterten Parsifal noch einer ausgiebigen Durchfeilung bedürfen. Der dritte Akt
wurde in Bayreuth schon würdiger, hoheitsvoller gezeigt. Interessant war die Kundry
der Frau Leffler-Burckard aus Wiesbaden, die alle Phasen dieser eminent
schwierigen Aufgabe mit grosser Deutlichkeit des Ausdrucks zu nehmen wusste. Ihre
umfangreiche, gut gebildete und auch hinreichend machtvolle Stimme gibt leicht und
willig alles her, was diese anspruchsvolle, rätselreiche Partie fordert. Vielleicht gab
die Künstlerin in den Verführungsszenen des zweiten Aufzuges ein wenig zu viel an
psychologischer Ausdeutung im Mimisch-Gestischen. Der Parsifalstii, wie er auf dem
Hügel festgel^alten wird, scheint mir vor allem ein Betonen der durchgehenden grossen
Linie zu bedingen und auf eine Vereinfachung des darstellerischen Apparates hin-
zuweisen. Auch Herr Berger (Berlin) als Amfortas konnte im ganzen wohl gefallen,
wenn die ganze Leistung immerhin auch noch entwicklungsfähig ist. Er hatte eine
sehr gute Maske gemacht und verstand zu singen. Vom Stamme der Alten war dazu
Paul Knüpfe r-Gurnemanz zur Freude aller ständigen Festspielbesucher geblieben,
der in dieser Partie mit Felix von Kraus, dem erklärten- Liebling des Hauses
Wahnfried, abzuwechseln hat. Für diese seine wahrhaft grosszügig-erhabene, meistert
liehe Stilleistung ist kein Lob gross genug. Er führte uns an diesem Abend mehrfach
auf die höchsten Höhen modemer Kunstübung, wozu aber immer noch allein Bayreuth
mit seinen einzigartigen Spielbedingungen die Möglichkeit bietet. So war denn die
Parsifalaufführung, die Muck mit gewohnter Präzision dirigierte, von edler Weihe
getragen. Und da auch die Chöre unter dem Berliner Chormeister Rudel von ihrer
Klangachönheit und Sicherheit nichts verloren hatten, so konnte der diesjährige erste
Parsifalabend den Vergleich mit früheren wohl aushalten. Hoffientlich weias man das
Erbe, das Kniesoi jahrzehntelang mit zäher Aufopferung zu wahren verstand, in Bayreuth
246
DIE MUSIK V. 22.
auch feraer zu hüten und zu hegen. War dieser echte deutsche Mann auch kein
Höhenffihrer im Reiche der neueren tragischen Bühne für das musikalische Drmma,
so darf ihm doch seine unermüdliche Pionierarbeit, die Unerbittlichkeit seines Willens
im Dienste notwendiger und wichtiger Einzelheiten jetzt nach seinem Tode nicht gp"
schmilert werden. Es bedarf bei einem so riesenhaften Ganzen, wie es die stilirolle
Aufführung eines Wagnerschen Dramas doch darstellt, auch Grosser im KleindiensC
Und wohl uns, dass es solche Menschen und Künstler gibt -^ dass es sie in Bayreutb
gab und hoffentlich auch fürder geben wird. JedenMls sollte Knieses Name bier
nicht fehlen, wenn ihn das offizielle Verzeichnis der Festspiele auch nicht mehr als
Chef der Bühnenleitung aufweist.
Zusammen mit dem »Parsifal* und dem »Ring* gab es auch diesmal wieder,
wie in den letzten Jahren üblich, eine Neuinszenierung — besser eine Neuein-
studierung. Es lag nahe, dazu den »Tristan* zu wlhlen. Nicht nur, dass dieses fQr
viele Kunstfreunde bedeutsamste Werk des Meisters llngere Zeit in Bayreuth nicht
zu sehen und zu hören war — das wundervolle Wesendonk-Buch, dem wir nun-
mehr die tiefsten Einblicke in die seelischen Vorbedingungen des Liebesdramas, in
sein Wachsen, Werden und Vollenden danken, hatte wohl in vielen den glühenden
Wunsch geweckt, dass Wagners Hohelied vom Manne und Weibe einmal wieder an
geweihter Stitte in denkbarster Vollendung erstehen und damit nicht nur allen Lieb-
habern höchster Kunst ein weit nachhallender Genuas, sondern der Muse dieses
Dramas, jener holden Frau der Züricher Monde, ein würdiges Denkmal gesetzt
werden möchte. Und so sah man denn diesem Ereignis allseitig mit grösster
Spannung und auch naturgemiss mit den gesteigertsten Ansprüchen entgegen. Bay-
reuth musste hier nun doch — so meinte man — zu einer unerhört grossen Tat
ausholen. Verlangt doch gerade der »Tristan* neben dem »Parsifal* am dringendsten,
unerbittlichsten nach der Festspielbühne, nach Festspielstimmung. Und so kann es
denn immerhin nicht wunder nehmen, dass es für viele besonders Anspruchsvolle
eine kleine Enttiuschung gab, als die alten Dekorationen des 1802er »Tristan* ohne
die geringste 'Änderung und Auffrischung wieder zum Vorschein kamen. Dieser
Rahmen der letzten Tristan-Periode ist ja ohne Zweifel in der Hauptsache recht
schön und vermag den Verlauf des Stückes in keinem Falle zu stören. Wie fein
abgestimmt sind z. B. die tiefblauen und tiefroten Töne des zeltartigen Gemaches im
ersten Aufzuge und wie echt und günstig nehmen sich ' durchweg die dabei sehr
geschmackvoll durchgebildeten Kostüme aus. Ob man aber nicht doch erwarten
durfte, dass bei dieser Gelegenheit in Bayreuth die Lösung des dekorativen Problems
im ersten Akt hStte versucht werden müssen, das doch heute mit dem riesenhaften,
die ganze Bühne einnehmenden Zeltzimmer noch keineswegs gelöst ist — dass femer
der Schlussaufzug einmal auch im Dekorativen schon in der ganzen trostlosen Öde,
wie sie die traurige Hirtenweise so unnachahmlich zu malen weiss, gezeigt würdet
Dies muss also vorläufig noch ein frommer Wunsch bleiben, dem hoffentlich einer
der nlchsten Festspielsommer die Erfüllung bringt. Sonst kann man beim »Tristan*
eigentlich nur loben. Die Leistung des Orchesters unter Mottl war so, wie man
sie erwarten durfte: gross, glänzend und stellenweise sphärenhaft-schön. Dass dieser
prachtvolle Künstler wieder an der Wagnerstitte zur Mitarbeit berufen wurde, soll
den Bayreuthem ganz besonders gedankt werden. Marie Wittich gibt sich als
Isolde im rein Darstellerischen noch nicht frei genug. Sie klebt noch ein wenig an
all den vielen, für sich ja trefflichen Einzelheiten, die man ihr in Wahnfried zur
247
HAGEMANN: BAYREUTH 1906
Beobachtung empfohlen hat. Es fehlt noch in etwas die grosse Linie und die Selbst-
verstindlichkeit im künstlerischen Wollen, wie sie z. B. die darstellerisch einzige
Brünnhilde der Gulbranson aufweist. Gesanglich aber war die Leistung von aus-
gereifter Schönheit und in ihrer Gesamtwirkung kaum zu überbieten. Dasselbe gilt
auch für die Brangine der Fleischer-Edel, die mit dieser Aufgabe künstlerisch wohl
nicht ganz so hoch stieg, wie beim vorigen Male mit der verblüffenden Darstellung
der Elisabeth im »Tannhtuser* — die aber dennoch grosse Erwartungen einzulösen
verstand. Die geschlossenste, fiberwiltigendste Leistung des Tristanabends, vielleicht
des ganzen ersten Cyklus überhaupt, bot aber Dr. Alfred von Bary als Tristan.
In ihm hat Bayreuth offenbar eine ganz grosse Künstlernatur entdeckt und, wie es
jetzt deutlich wurde, bereits zu einer weit fortgeschrittenen Künstlerschaft heran-
gebildet. In ihm scheinen sich zwingende intuitive Schöpferkraft und grosse, das
Kunstwerk im ganzen und einzelnen bis ins letzte und kleinste durchdringende
Intelligenz zu paaren. Dazu verfügt der Künstler über ein sinnlich schönes, aus-
drucksvolles Organ, das in der Tiefe und Mittellage schon nahezu ganz wunschlos
llsst und nur in der Höhe noch der letzten klanglichen Vollendung bedarf. So
wurden die Szenen auf dem Schmerzenslager im dritten Akt zu einer ergreifenden
Offenbarung. Man darf es nunmehr sagen: von Alfred von Bary kann uns noch einmal
des Grossen Grösstes gewiesen werden. Walter Soomer als Kurwenal hatte mit
einer leichten Indisposition zu klmpfen, so dass die allem Anschein nach mächtige
Stimme nicht zu voller Entfaltung kommen konnte. Herrlich dagegen sang Felix
von Kraus den Marke - Monolog. Er ist doch der Meistersinger der modernen
deutschen Gesangschule.
Die erste »Ring'-Aufführung wurde wesentlich von den llngst bekannten Leistungen
der alten Bayreuth-Garde getragen. Hans Richter sass am Pult: wie immer als ein
Klangzauberer grossen Stils, geliutertsten Geschmacks — als Wahrer und Förderer
der guten alten Tradition, die nun doch einmal kein leerer Wahn ist — als nach-
schaifender Baumeister des gewaltigen Tragödiengebftudes. Als Erda und Waltraute
war uns Ernestine Schumann-Heink zurückgekehrt, die sich mit ihrer pompösen
Künstlerschaft schnell wieder in die grossen gesanglich-darstellerischen Stilaufgaben
hineinfand. Den Wotan gab auch diesmal Bertram, der ebenso wie Ernst Kraus
(SiegfHed) die Bayreuther Gelegenheit nicht vorübergehen Hast, um verschiedene
Scharten der voraufgegangenen Winter auszuwetzen. Beide Künstler boten ihr bestes
auf: und da gab es eben etwas ganz grosses. Zur Seite stellten sich ihnen auch in
diesem Jahre wieder Hans Breuer, der prichtige Mime, Ellen Gulbranson als
grosszügige Walküre, Frau Reuss-Belce als hoheitsvoll zürnende Göttermutter und
nicht zuletzt Dr. Briesemeister, der unübertreffliche Loge. Die jüngeren Krifke:
u. a. die Herren Soomer (Donner), Hadwiger (Froh), Corvinus und Braun
(Riesen), Berger (Günther), Hinckley (Hagen), Peter Cornelius (Siegmund) und
die Damen Feuge-Gleiss (Preis), Rüsche-Endorf(Gtttrune),von Kraus-Osborne,
Hempel, sorgten für ein abgerundetes Ensemble. Nicht so recht am Platze war
der Hamburger Dawison als Alberich. Ihm fehlte im Spiel und Gesang die un-
geheure Dimonik, die diesen stets verneinenden Zwergengeist auszeichnet. Die
Abfolge der teilweise herrlichen Szenenbilder mit ihren Wolkengefügen und Be-
leuchtungsphinomenen Hess unter Meister Kranichs Leitung auch diesmal wieder
nichts zu wünschen.
BÜCHER
170. Karl Kflffiier: Die Musik In ihrer Bedeutung und Siellunc an den
MitlelschuleD. Verlag: Chr. Fr. Vleweg, Berlin-Gr. LichterMde.
Gewisse Fragen liegen In der Luft und heischen baldige Lfiaung. Auf dem Unter
rlchtsgeblete bescfaiftlgt die Pflege des Gesangunterrichts an den bSheren Knalienschuiea
gegenwlnig die weitesten Kreise; der letite Künsten lebungstag zu Hamburg, der musik-
pidagogiscbe Kongress in Berlin und der 18. deutsche evsngel. Kirchen geaangverelnatag
au Rothenburg o/T. (Leipilg, Breitkopf & Hlrtcl) beacblFtlgten aich mit dem Gegenstsnd;
vor Jahresfrist ersuchte mich Professor L. Freytag-Berlln um eine dlestwtDgliche Ab-
handlung rCr seine Zeitschrift. KQtfner bestliigt In seinem Verk fast In allen Teilen
meine Ansichten (Pidagogiscbes Archiv Mal-Heft 1005) und sichert ihnen durch die Buch-
fttrm weitere Verbreitung, grosseren Erfolg. Im allgemeinen Teil spricht er etwas weit-
schweifig über die Musik im Urteil der Zeiten und Vftiker, Qber die Möglichkeit allgemehi
bildender Tlrkung der Mnalk, iuasere und innere Lage des Musikunterrichts an den
Mlnelschulen und die prinzipiellen Forderungen bezüglich Gestallung dea Mnaikunterrichts,
rennt also offne Türen ein. Die Ansichten über Musik finden sich noch auaführlicher in
Jeder guten Geschichte der Pidagogik oder der Musik, auch in Anibologfeen i. B. im „Buch
der Bücher* (I. Bd.) v. Egon Berg (Teschen, Procbaika). Im zweiten, dem beaondem
Teil, legt er den Finger in eine olfne Wunde, beklagt mit Recht die wenig günatige Lage
des Gesangunterrichts und die Vemscbllsslgung der Strelcb Instrumente, stellt die Gründe
dieser auffallenden Erscheinung fest und gibt die Mittel lur Besserung an. T. Mfinch
(„Geist dea Lehramts", Berlin, G. Reimer 1903) behauptet, dasa glückllcherwelae eine
Hebung des Gessogunterrlchls an den hfiberen Knabenschulen im letzten Jahrzehnt
bemerkbar sei; Kfiffaer beweist das Gegenteil, seine Forderungen lassen sich bei gutem
Tillen grösstenteils erfüllen: ein tüchtiger Lehrer erreicht zweifellos das richtige und
reine Vomblaitsingen, sowie guten Cborklsng. In den methodischen Bemerkungen zu
den neuen preusslschen Lehrpllnen 1891 helssi es für den Geschichtsunterricht: .Der
Erfolg hingt In erster Linie von der LehrerpersSnllcbkett ab". Das gilt auch vom Geaang.
Der auafübrllche Lehrgang lehnt sich im allgemeinen an Alb. Becker und Kriegeskotten
(Schulchorbucb für Gymnasien und Realschulen, Quedlinburg, Vieweg), E. Rünzier (Gesang-
Bctaule für hSbere Knabenschulen, Berlin, Teldmsnnscher Verisg) sn und irird aachlich
begründet. Ober dss Singen wibrend der Mutsilon sind die Meinungen geteilt; ebenso
viele und ebenso bedeutende Aulorltiien verlangen vSlIlge Schonung der Stimme wibrend
der wichtigen Zeit; die Kenntnis des Soprsn-, Alt- und Tenorschifissels kann der Schüler
entbehren, sie wird nicht einmal In den Konservatorien von allen geforden; auch In
lieing auf Harmonie- und Formenlehre, die Stoffe aus der Musikgeschichte luw. scblesst
der Verfssser stellenweise Ober das Ziel hinaus. Im fibrigen wird ihm aber Jeder Fach-
mann freudig beistimmen und die am Schiusa dea verdlenatvollen Buches formulierten
Tflnache teilen. Druckfehler finden sich auf Seite 34, 72, 150 und 158.
Ernst Stier
249
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
177. Hugues Imhert: Johannas Brahmt. Sa vie et son oeuvre. Verlag: Paris,
Fiachbacher.
Diese mit einer auaffibrlichen Vorrede von Edouard Schur6 versehene Arbeit setzt
mit den Worten Schümanns ein: Brahma sei der Mozart dea 19. Jahrhunderts. Ihre
Grundlage iat die Begeisterung. Es war für den Verfasser begeisternd, die „belle et
noble figure** des »plus merveilleux symphoniste qui ait paru depuis la mort de Beet-
hoven" wieder aufleben zu lassen — sie, ,»une des plus signiflcatives parmi les maitrea
de Part musical au 19e siöcle*! So ist denn zunächst die eigentliche Lebensbeschreibung
durchaus enthusiastisch gehalten; die Lebensabschnitte ergeben sich durch Höhepunkte
des Triumphs; er erscheint als der Fortsetzer und Nachfolger Beethovens, sein Leben
wird mit Schumann, Nietzsche und andern Grossen und Bedeutenden verwoben, der
Vergleich zwischen Brahma und Wagner angestellt. Ober seine Siege in Frankreich be-
sonders gehandelt, aelbst Anekdotisches aller Art, das in PQlle verarbeitet worden iat,
eigentlich immer mit einer gewiaaen Begeiaterung vorgebracht. Massvoller ist die Analyse
der Kompositionen von Brahma, die den zweiten Teil dea Buches ausmacht; hier zeigt
sich ganz beaonders in der Besprechung der Symphonieen und der Ouvertfiren eine
sympathiache Knappheit und Treifaicherheit in der Charakteristik, wlhrend bei der Be-
handlung der Lieder wieder der Enthusiaamus emporflammt, wenngleich hier gar oft zu
geiatvollen Vergleichen führend (z. B. S. 131: «Teiles les 6toiles que la flction dea anciens
repr6sentait comme des clous d'or forg6s par les dieux pour attacher le volle de la nuit,
lea m61odiea de Brahma apparaissent dana le flrmament de Tart mualcall*). Im einzelnen
iat das Buch reich an Schönheiten (S. 147 ein guter Vergleich zwiachen Brahma und
Schumann [Eichendorifs j^Mondnacht*], S. 90 Zigeunermusik u. v. a. m.), und irgendwelche
Fehler aind bloss formal — wie etwa z. B. der Ort Gmunden in Oberösterreich mehr-
mala i^Gmünden* genannt erscheint. Dr. E. v. Komorzynski
178. Meyers Grosses KonTersationslexikon, Ein Nachschlagwerk dea allgemeinen
Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und verbesserte Auflage. Bd. XII
(L — Lyra). Verlag: Bibliographiaches Institut, Leipzig und Wien.
Wieder ist ein Band von Meyers Grossem Konversationslexikon fertig und so die
stattliche Serie bereita auf 12 Binde angewachaen. Band XII von L bis Lyra bringt una
aua allen Gebieten eine solche Wissensfülle, dass die Wahl achwer wird, daa Beste
herauszugreifen. Aus dem Gebiete der Naturwissenschaften sind der Luft und dem Licht
eine Reihe Artikel gewidmet, die uns hochinteressante Aufschlüsse über diese beiden
dem Menschen unentbehrlichsten Naturkrifte und Materien geben. Namentlich über
»Luftdruck^ „Lufttemperatur" werden wir durch sehr instruktive Karten aufgeklärt. Die
80 rätselhaft erscheinende Fata Morgana wird durch ein atimmungavollea Farbenbild einer
I.Luftspiegelung'' in der Wüste gegenwärtig. Ein reicher Sonderartikel von Ländern, wie
«Litauen*, «Livland*, die uns gerade jetzt durch ihre politischen Unruhen interessieren,
»Lothringen**, .Luxemburg*, und Städteartikel, von denen »Leipzig*, »London* und »Lübeck*
mit gründlich erneuerten Plänen hervorzuheben sind, sind sowohl ihres geographischen
wie geschichtlichen und wirtschaftlichen Gehalts wegen zu betonen. Wie eine Landkarte
entateht, zeigt uns die von einem eingehenden Artikel begleitete Tafel »Landkarten-
darstellung*, wie ein lithographischer Farbendruck zustande kommt, eint aehr klare
Chromotafel. Einen breiten Raum nimmt die »Landwirtschaft* mit einer Reihe ein-
schlägiger Artikel (Landwirtschaftliche Betriebaerfordemisse, Betriebssysteme, Maschinen,
Wirtschaftaerträge usw. usw.) ein, durch die wir einen gründlichen Oberblick über diesen
für unser Land wichtigsten Beruf^zweig bekommen können, dessen politische Bestrebungen
aus dem Artikel »Landwirtachaftspolitik* eingehend beleuchtet werden. Sehr hübsch aus-
geführt aind die Chromotafeln »Landwirtschaftliche Schädlinge*. AUgemeinea Interease
V. 22. 18
250
DIB MUSIK V. 22.
haben die Artikel i^Lebensversicheniiig", ,»Llquidttion*, ,»Lotterie'. Einen ganz prichtigen
Schmuck hat die ,,Literatur* durch Beigabe von vier Holzschnittafeln mit Portrita der
»Klaasiker der Weltliteratur* erhalten. Aus dem Reich der Technik, deren meisterhafte
Holzschnittwiedergaben zu den Hauptschitzen des «»Grossen Meyer* gehören, sind die
fast neuen Tafeln »Lampen*, «»Leuchtturm*, «Lokomobilen*, .Lokomotiven* und »Luft-
schiffahrt* hervorzuheben« Luthers Lebensbild und die Darlegung seines Lebens gibt
dem Buch unter den grossem Artikeln einen guten Abschluss. Richard Wanderer
MUSIKALIEN
179. Ludwig van Beethoven: Leonore. Oper in drei Akten. Klavierauszug. Verlag:
Breitkopf & Hlrtel, 1905.
Zur Jahrhundertfeier der Erstaufführung von Beethovens einziger Oper wurde der
Musikwelt ein neuer Klavierauszug der Leonore beschert In bescheidener Zurückhaltung
nennt sich sein Herausgeber nur am Schlüsse der inhaltreichen Einleitung: es ist der
ausgezeichnete Beethovenforscher Dr. Erich Prieger in Bonn. Auch um welche
Fassung der Leonore sichs handelt, die erste oder die zweite, wird auf dem Titel nicht
ausdrücklich bemerkt, doch ersieht der mit der Entstehungsgeschichte des Fidelio Ver-
traute sogleich aus der Angabe der Aktzahl, dass hier die frtiheste Fassung der Oper
vorliegt, wie sie am 20. November 1805 in Wien zum ersten Male in Szene ging. Wir
kannten diese Fassung bisher aus dem um 1852 von Otto Jahn herausgegebenen Klavier-
auszuge der zweiten Bearbeitung, dem die Abweichungen der ersten teils in Fussnoten,
teils im Anhang beigefügt sind. Um sich ein Bild der ersten Fassung zu verschafPen,
war man gezwungen, die betreifenden Steilen zusammenzusuchen und in die Lücken
einzufügen. In Priegers Auszug besitzen wir nun die erste Leonore in ihrer Gesamt-
heit und können aufe bequemste im Zusammenhang mit dem Ganzen die mancherlei
musikalischen Schönheiten geniessen, die Beethoven aus dramatischen Gründen bei der
zweiten Bearbeitung beseitigte und in die dritte, den Fidelio, nur teilweise wieder aufnahm.
Dass die Priegersche Ausgabe nun nicht etwa bloss aus einer Zusammenstellung der in
Betracht kommenden Partieen des Jahnschen Auszuges besteht, ist bei der wissenschaftlich
exakten Arbeitsweise des allgemein geschätzten Gelehrten selbstverständlich. Seit
25 Jahren ist Prieger an der Wiederherstellung der Leonorenpartitur tätig, von der
bekanntlich nur verstreute Bruchstücke auf uns gekommen sind. Mit rastlosem Fleisse
und grossen pekuniären Opfern hat er alles zusammengetragen, was im Laufe der Zeit
an einschlägigem Material zutage gekommen ist. Mit scharfem Urteil, unter stetiger
Berücksichtigung der neuesten Forschungsergebnisse, hat er den Stoff gesichtet, mit
grösster Vorsicht zusammengestellt und mit peinlichster Genauigkeit die Partitur wieder-
aufgebaut, die als Unterlage für den vorliegenden Klavierauszug gedient hat. Dieser
zeigt wohl ein Bild, das sich im wesentlichen mit den betreifenden Teilen des Jahnschen
Auszuges deckt, ~ in den Einzelheiten aber eine Fülle von Varianten und Abweichungen
aufweist. Wenn man die beiden Ausgaben Takt für Takt vergleicht, so findet man nicht
nur oifenkundige Versehen Jahns verbessert, nein, auch von jenem nicht verzeichnete
Wiederholungen eingefügt, Textworte nebst der musikalischen Deklamation geändert,
einzelne Taktmotive und selbst ganze Perioden durch andere ersetzt. Bedeutenden Ab-
weichungen begegnen wir im Schlussakte. Hier erscheinen in der Instrumentaleinleitung
(Nr. 13) Stellen, die bei Jahn nirgends verzeichnet sind, kleine ausdrucksvolle Sätze, die
in der letzten Bearbeitung der Oper zum Teil wieder Verwertung fanden. Auch von den
beträchtlichen Varianten im darauf folgenden Rezitativ des Florestan gibt Jahn keine
Notiz. Prieger fügt das von jenem fortgelassene Melodram vor dem Grabduett (Nr. 14)
251
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
ein, da es nach neueren Forschungen sicher — wenn auch vielleicht in etwas anderer
Gestalt, als wir es aus dem Fidelio kennen — bereits in der ersten Leonore vorkam.
In Ermangelung anderer Vorlagen entnahm es Prieger dem Fidelio. Die grösste Ab-
weichung der Ausgaben findet sich in den OuvertQren. Denn Jahn teilt nur die so-
genannte ipgrosse* Leonorenouvertüre (Nr. 3) mit, die für die zweite Bearbeitung der
Oper geschrieben wurde, während Prieger die Ouvertüre «Nr. 2* gibt, die bei den Auf-
fuhrungen der ersten Fassung gespielt wurde. Diese Ouvertüre hat Konrad Ramrath in
Köln für Priegers Ausgabe in Klavierauszug gebracht. Alles Übrige hat der Herausgeber
nach seiner Partitur selbstindig für Klavier eingerichtet. Sein Auszug trigt im Klavier-
satz ein von dem Jahnschen stark abweichendes Gepräge. Denn die beiden Gelehrten
befolgten bei der Bearbeitung verschiedene Grundsitze. Jahn erstrebte vor allen Dingen
bequeme Spielbarkeit und verzeichnete nicht, was sich den Hinden nicht fügen wollte.
Prieger beabsichtigte dagegen ein möglichst treues Bild der Partitur zu bieten und nahm
daher an Stimmen, soviel irgend ging, in den Satz herüber, wenn auch hie und da der
Rahmen des KlaviermSssigen überschritten wurde. Er huldigte dabei der richtigen
Ansicht, «es sei besser, dass der Spieler am Instrument den einen oder anderen Ton
weglasse, als dass irgend ein wesentlicher Zug im Gesamtbilde fehle." Die Angabe
der führenden Instrumente ist besonders dankenswert, weil sie eine Vorstellung der
jeweiligen Orchesterfarben ermöglicht Durch Priegers Klavierauszug erhalten wir eine
klare Anschauung von der Leonorenmusik in ihrer ersten Form. Um uns den Verlauf
der ersten Aufführung zu vergegenwärtigen, fehlt es nur noch an dem die Musiknummem
verbindenden Dialog, der sich ja auch von dem des Fidelio unterschied. Dieser Mangel
fällt um so mehr auf, als Im übrigen in der Ausgabe möglichste Vollständigkeit erstrebt
und erreicht ist. In den Opern, die überhaupt gesprochenen Dialog besitzen, ist dieser
auch ein integrierender Bestandteil und nicht ohne Schaden für das Verständnis des
gsnzen Werkes zu entbehren. Enthält der Dialog doch zumeist wichtige Momente der
Handlung, ja bisweilen sogar die Motivierung einzelner Züge der Musik. Daher hat sich
auch die Einfügung des Dialogs in die Klavierauszüge fast allgemein eingebürgert Dass
er in dem vorliegenden fehlt, scheint mir dafür zu sprechen, dass es Prieger trotz aller
Bemühungen nicht geglückt ist, den ursprünglichen Dialog aubuflnden. Aber auch ohne
Dialog bleibt seine Leonorenausgabe wertvoll genug. Besonders sei noch der aus-
gezeichneten historisch-kritischen Einleitung gedacht, die ihr Prieger beigegeben hat
Kurz wird darin die Entstehungsgeschichte der Oper erzählt, ausführlicher werden die
Hauptphasen der Rekonstruktion ihrer ersten Form geschildert Auch interessante
Pressstimmen über die ersten Aufführungen der Leonore sind beigefügt, die bekunden,
wie kühl die Zeitgenossen Beethovens das Werk begrüssten, in dem wir heute eine der
herrlichsten Gaben des unsterblichen Meisters lieben und bewundem. Durch die
detaillierte Angabe der Quelle des Fideliostolfes hat sich Prieger ein Verdienst erworben.
Zur Erwähnung des Aufeatzes «Fidelio und der Wasserträger" von Ernst Pasqu^
(Anm. 36) möchte ich, da ich in der Beethovenliteratur noch nirgends einen Hinweis
darauf ftnd, bemerken, dass Pasqu^ jenen StoflP in der spannenden Novelle «Das Urbild
des Fidelio" in anderer Gruppierung breiter ausgeführt hat (Meyers Volksbücher
Nr. 1093). — Möge Priegers Leonorenauszug, der schlicht und vornehm ausgestattet und
nicht zu teuer ist (7,50 M., der Jahnsche kostet 10 M.), zahlreiche Käufer finden. An
Lesern und Spielern wird es ihm nicht fehlen. Dr. Hans Volkmann
180. Georg Vollerthun: Gesänge nach Gedichten von Detlev von Liliencron.
Verlag: C. F. Kahnt Nacht, Leipzig.
Fünf Gesänge ohne Opuszahl, doch wohl nicht den Erstlingen des Komponisten
beizuzählen. Das Wollen und SchafPen VoUerthuns basiert unverkennbar auf achtungs-
18*
252
DIE MtrSIK V. 22.
wertem Grunde. Nirgends finden sich Mätzchen oder Pltttheiten, alles ist ernst angefssst.
Aber gerade hier scheint mir des Komponisten Achillesferse hervorzuschauen: es ist ein
Musizieren, nach Herbst, nach trockener Überlegung immer wieder anschmeckend. Vom
Hauche lebendiger Begeisterung, fibe^quellenden Dranges nach Auslösung innerer
Spannungen ist nicht viel zu spüren. Ein wenig Brahmsische Art liuft mit unter, so in
„Sehnsucht^ Oft ist auch eine vollkommen adiquate Wiedergabe der im Texte liegenden
Werte zu vermissen. MQsste z. B. nicht das trotzende »Ich liebe dich* in sieghaftestem
Dur ertönen, das Nachspiel von »Alt geworden* unbedingt in Moll stehen? Dies sind
nur beispielsweise herausgegriffene Stichproben. Der Wurf ars dem Vollen, dem Ganzen
gelang Vollerthun in diesen Liedern noch nicht. Die hier und da vorhandenen guten
Gedanken werden im allgemeinen noch allzu sehr im schweren Gefuge oft harter, un-
nötig spröder und herber, manchmal anscheinend nur um ihrer selbst willen geschaffener
Begleitung erdrückt. Den musikalischen Gehalt, Form und Linie und die ganze Auf-
machung in ,»T6m6raire" halte ich für unzulänglich. In den anderen Gesingen liest sich
jedoch ein Fortschritt gegen früher, das Bestreben nach Rundung deutlich erkennen.
»Sehnsucht', »Glückes genug* — trotz des (wohl unbewussten) Seitenblickes auf Wagners
»Triume* ^ und »Heimgang in der Frühe*, das nur zum Schlüsse recht alltiglich
wird, können wohl immerhin als unter günstigeren Auspizien entstanden gelten, und
die Hoffnung erscheint nicht unberechtigt, von dem Komponisten noch ganze, ausgereifte
und auch erkennbar persönlich gefirbte Sachen in Zukunft einmal erwarten zu können.
181. Julius Weisniann: Drei Gedichte, op. 15. Verlag: C. F. Kahnt Nachf., Leipzig.
Was Anlage, Durchführung, Form, prizise Gedanken, kurz das gesamte technische
und sachliche Rüstzeug beachtenswerten Schaffens anbetrifft, so scheint mir Julius Weis-
mann — seine Fingerhütchenballade kenne ich noch nicht — nach diesen drei Gesingen
auf C. F. Meyersche Texte entschieden zu den aus der Masse hervorragenden Begabten
zu gehören. Das köstliche, die Palastrevolte der pipstlichen Schweizergsrde unter
Leo XIII. humorvoll und satirisch schildernde Gedicht »Alte Schweizer* dünkt mich ein
guter Wurf in dieser Vertonung. Den »Siersprnch* dichte ich mir aber in ganz anderen,
wuchtigeren, aus lebendiger Anschauung geborenen Rhythmen weit schöner. Ein Treffer
ist er nicht. Ober das »Hugenottenlied* als Dichtung kann man verschiedener Ansicht
sein. Ich selbst halte es für nicht sehr geschmackvoll — trotz höchster Wertschitzung
und Vorliebe für den Dichter. Wer anderer Meinung ist, wird in Weismanns Komposition
die rechte musikalische Wiedergabe dieses brutalen Fatalistengesanges vollauf erblicken
dürfen. Achten wir auf das, was der Tonsetzer fernerhin bringen wird!
182. Christian Sinding: Gesinge auf Texte nach V. Krag. — Vier alte dinische
Lieder. Verlag: Rob. Forberg, Leipzig.
Es sind dies neue Ausgaben der vorliegenden Gesinge. Christian Sinding bleibt
sich in all seinen Liedern gleich. Ihre Vorzüge und Schwichen wurden bereits in
Jahrg. III, Heft 22 dieser Zeitschrift erwihnt. Die Lyrik, die Sinding vertont, ist aber, zumal
in solcher Obersetzung, für deutschen Geschmack oft kaum geniessbar. Ein paar
Nummern solcher Art mögen auch dem ernsteren Musikfreunde ja zuzeiten nicht un-
willkommen sein, aber die gleichförmige Masse wirkt ermüdend. Man überhiuft eine
Tafel ]a doch nicht mit Süssigkeiten, Puddings und Limonaden! Nichtigkeiten wie »Abends
nur fliegt der Rabe* oder »Es schrie ein Vogel* drucken zu lassen, widerstreitet der bei
einem so begabten Komponisten berechtigten Forderung nach wihlerischerer Selbstkritik,
selbst wenn diese »Takte* (kann man fast nur sagen) und diese Stimmungsstammelei
etwa als »Volkslied* zu gelten haben sollten. Wer sich an »nordisch* gefllrbten Liedern
als solchen erfreuen msg, dem können die anderen Gesinge Sindings als Hausmusik ja
wohl uugen. Alfred Schattmann
Aus fremden Zungen
THE MUSICIAN (Boston), 1906, No. 4—6. — Lawrence Gilman veröffentlicht
eine interressante Plauderei mit Vincent d'Indy: ^A discusaion with Vincent
d'Indy**. Er schildert ihn als eine ganz aussergewöhnliche Persönlichkeit: «for he
is both a musician and unassuming, a man of extraordinary gifts". Sein ton-
setzerisches Schaffen ruht auf klassischer Grundlage: »he has, one is to infer from
him, adhered faithfully to the old and, as he calls them 'fundamental' forma, —
allowing himself, he admits occasional diversions, harmonic and rhythmic, but
holding constantly in view the traditional requirements of the classic molds".
Interessant ist ein Ausspruch über die musikalische Form: «Form [he means
traditional, not elemental form] is a thing of the grammarians, to be discussed
behind closed doors by persons who believe in musty counterpoint and the rules
of the gaoäe" .... Vincent d'Indy selber ist »anything eise but a grammarian*.
— »Halfdan Kjerulf, *the pioneer of Norwegian music* von Carl Hansen. Ver-
fasser schildert den Lebensgang Kjerulfs, der als erster die Schönheit des
norwegischen Volksliedes erkannte und die deutsche romantische Schule auf
norwegischen Boden verpflanzte. Die Anzahl seiner Liederkompositionen, die in
Amerika bekannter sind als in Norwegen, belauft sich auf ca. 100. — ^ In der
Kollektion »Club programs for all nations* veröffentlicht Arthur Elsen einen
lesenswerten Artikel »The Netherlands*. — A. Rommel erörtert »the value of
Bach to the piano Student*. Erwähnenswert sind femer: William Shakespeare:
»Tone in its relationship to pronunciation*. — Fred. R. Comee: »The Mission of
Music*. — A. D. Jewett: »The fundamental principles of piano technique". —
Einen lesenswerten Aufsatz Ober »Edward Elgar* schreibt Emest Newman. Elgar
habe seinem Volke und der Welt bewiesen, dass der Engländer auch musikalisch
produktiv sein könne und sein Schaffen, vom »Traum des Gerontius* an, bedeute
einen Markstein in der Entwicklung der neuen englischen . Musikgeschichte. —
Arthur Elsen berichtet über Musik in »Denmark and Switzerland". Als bedeu-
tendsten dänischen Komponisten feiert Verfasser Niels Wilhelm Gade. Er stellt
ihn zwischen die klassische und die neuere romantische Schule. Als Schüler
Mendelssohns hat man ihn oft mit Unrecht »Mrs. Mendelssohn" genannt, doch
Gade zeigt genug Originalität, um auf eigenen Füssen zu stehen: .His cantata,
'the Erl-King's Daughter', is almost entirely founded upon the melodiös of his
native Und." Neben Gade werden als bedeutendere dänische Tonsetzer folgende
aufgeführt: Eduard Lassen, als Liederkomponist bekannt; August Enna; Victor
Bendix, ein Schüler Gades; August Winding; Karl Attrup; August Hyllested;
Asgar Hamerik; Ludwig Schytt6. — Als hervorragendere Schweizer Tonsetzer
werden Hans Huber, Emile Jaques-Dalcroze, Gustave Doret, Rudolf Ganz, Otto
Barblan, Volkmar Andrae, Friedrich Klose, Georg Haeser, Lothar Kempter, Combe,
Denereaz, Niggli, Suter, Franck, Lauber, Hegar und Reymond gewürdigt. — Ober
das Musikleben San Franciscos berichtet Francis Gates manches Interessante in
seinem Artikel: »San Francisco and Its Music." The musical interests of the city
254
DIE MUSIK V. 22.
temporarily destroyed. — Ein warmer Nachruf ist dem kürzlich verstorbenen,
berühmten Komponisten Ameril^as «John Knowles Paine** gewidmet.
THE MUSICAL STANDARD (Chicago), 1006, No.8. — Einen Beitrag zur Musik-
pädagogik liefert E. H. Scolt durch seine Abhandlung »Musical energy**. Er be-
spricht die eigentümliche Erscheinung, dass »one great need among music pupils
everywhere and of e?ery grade is more musical energy. Not ambition, not talent,
not love for music". — In einer Studie „Mendelssohn* betrachtet A. E. Keeton
die vielseitige Begabung des Künstlers: wenn er ein Maler geworden wäre, so
bitte er Landschaften im Charakter von John Everett Millais geschaffen «peaceful
landscapes, portraits of high bom women, or of brighteyed, tenderly-nurtured
children*. Hätte er sich der Dichtkunst gewidmet, so wäre er wahrscheinlich ein
zweiter Tennyson geworden. In Prosa bitte er „delightful novels* geschrieben,
«secure of a monopoly of appreciative and well-educated readers.* — Ferner: Ed-
ward J. Dent: „The earliest string quartets.*
ACADEMY (London), 1006, No. 1776/1783. — H. C. Celles bespricht »Grieg's piano
music". Mit den modernen Schulen hat seine Musik keine tiefergehende Berührung
gewonnen, «he takes a place with the old writers". Er ist ein Demokrat unter
den Tonsetzem der Jetztzeit, in dem Sinne, dass seine Musik von jedem Durcb-
schnittsmusiker mit Vergnügen gespielt werden kann. „Unlike the great classics
he has no thought too high for average comprehension, while like them he
expresses himself instead of deputing the task to bis Interpreters*. — Derselbe
Autor wendet sich in einem Artikel »A sideiight upon Wagner* gegen falsche
Wagnerkritik anlisslich der Ringaufführungen in London, die dadurch mit hervor-
gerufen werde, dass Wagner in England „the lapdog of the fashion and the Idol
of the musical dilettante* geworden sei; ^^by such he has been invested with 'the
divinity that doth hedge a king*, and any one who calls that in question is a
traitor**. — In einer Besprechung von „Brahms' op. l*' beklagt Verfasser die
seltene Aufführung des Werkes, dessen Schöpfer Schumann in seinem bekannten
Aufsatz „Neue Bahnen' freudig begrüsste. — Femer ein Artikel über die „Vienna
Philharmonie Society*.
MONTHLY MUSICAL RECORD (London), 1006, June, July.-, The Spanish music«
betitelt sich eine mit J. S. S. unterzeichnete Abhandlung. Trotz hervorragender
Namen auf den Gebieten der Malerei und der Dichtkunst gibt es keinen eigent-
lichen .national composer whose music is constantly being performed«. Wihrend
die Opernkomponisten nur sehr unbedeutend sind, haben Dramatiker und Novellisten
viel Material zu Opemlibretti geliefert; es sei nur an „die Hochzeit des Figaro*,
„Don Juan«, „Die drei Pintos* u. a. m. erinnert. Eine hervorragende Rolle in der
spanischen Musik spielt die Guitarre zur Begleitung der «national music: the Basque
songs, the boleros and seguidillas of Old Castille, the beautiful melodiös of
Andalusia, and the North Spanish national dance, the ,Jota*.* — M. D. Calvocoressi
bringt „A few remarks, on modern French pianoforte music*. — Lesenswert ist
der Artikel „Norwegian Music«. Bedeutende Verdienste um das Musikleben Nor-
wegens hat sich Rikard Nordraak, der Komponist der Nationalhymne erworben.
Bekannt ist seine Musik zu den Bjömsenschen Dramen „Maria Stuart in Schott-
land« und „Sigurd Slembe«. Bekannter ist auch Severin Svendsen, dessen vier
norwegische Rhapsodieen sich grosser Popolaritit erfreuen. — Ober die Kammer-
musik von Johannes Brahma schreibt Herbert Antcliffe. — Ellen von TidebShl
bespricht zwei Opern von „Sergez Rachmaninoff«: „The Covetous Knight« und
„Francesca da Rimini«.
255
REVUE DER REVUEEN
THE MUSICAL TIMES (London), ig06, May, June. — Bertha Harrison erzlhlt
von den ersten «Musical prodigies" in England. Im 15. und 16. Jahrhundert war
die Musik Gemeingut des ganzen Volkes ohne Rangunterschiede und bildete einen
wesentlichen Bestandteil des tiglichen Lebens. Erst im 18. Jahrhundert fingen die
»Upper classes* an, mehr Sorgfalt auf die musikalische Erziehung zu verwenden,
und im Jahre 1711 finden wir das erste Wunderkind, einen achtjährigen Knaben,
der »with the mastery of a füll grown and mature artiste" kleine Stücke von
Rameau und Couperin spielte. Unter den bewundernden Zuhörern befand sich
auch Hindel, der zu dieser Zeit England zum ersten Male besuchte. Das grösste
Wunderkind dieser Zeit ist ein elQihriger Knabe namens Dubourg, dessen Ruhm
viele ausllndische Musiker nach London zog, unter ihnen auch Geminiani, einen
Schüler Corelli's. — In der Artikelserie .Private Musical Collections" erscheint
die Portsetzung der Besprechung der Mr. Edward Speyer gehörenden reichhaltigen
Sammlung. Von den an dieser Stelle bereits angeführten Schitzen sei noch ein
englischer Brief Carl Maria von Webers vom 6. Pebruar 1826 erwihnt. Der Brief
enthilt Einzelheiten über seine Reise nach London und ist in einem auffallend guten
Englisch geschrieben, wenn man bedenkt, dass Weber sich seine Sprachkenntnisse
nur durch Privatstudien angeeignet hatte. Es heisst da u. a.: »I leave Dresden
the 16. Pebruary. I shall sleep every night, because I am forbidden to travel by
night, — remain one day at Frankfort, and hope to arrive at Paris the 25th Pebruary.
There I must remain some days, and therefore I can not be in London — embarking
at Calais — before the 6th or 7th of March." — Sehr lesenswert sind die Artikel
von Dotted Crotched über «St. John's College in Oxford** und die „Canterbury
Cathedral".
LE JOURNAL MUSICAL (Paris) 1006, No. 10—13. — Ober Berlioz' Besuch in
England — ,»Berlioz en Angleterre* — teilt Pierre Desclaux einiges Interessante
mit. Entzückt von der Gastfreiheit des Landes und der bewundernden Aufnahme
seitens der Kritik schreibt er u. a. an seinen Freund Morel: „Ma musique a pris
sur le public anglais, comme le feu sur une train6e de poudre ... Le vieil Hogarth
du Daily News 6tait dans une agitation des plus comiques: J'ai tont mon sang en
feu, m'a-t-il dit; Jamals la vie je n'ai €t€ ,ex6cut6' de la sorte pour la musique!"
— Femer sind zu erwähnen: Robert Montfort: „La M61odie". Definition —
Historique — fitat actuel de la m^lodie. — Fran^ois Aussaresses: ,,Critique et
Methode" IIL — F.Wilson: „L'oratorio". — Raymond Bonyer feiert Felix Wein-
gartner mit begeisterten Worten. Nachdem ^eingartners Stellung zur französischen
Musik erörtert worden ist, sagt Autor u. a.: „Ainsi r6ve et pense le Kapellmeister,
en conduisant par ccnur, avec une memoire sans ombres, les drames sonores les
plus ardus en se grisant d'harmonie savante et vibrante, en s'identifiant, les bras
tendus, avec Berlioz, le romantique par excellence qui rcfl6ta sa vie dans son art
avec ,notre grand h6ros Beethoven, ä qui nous devons toujours et toujours revenir si
nous voulons vraiment nous entendre sur la musiqueS"
LE COURRIER MUSICAL (Paria) 1006, No. 10—13. — Emil Jaques-Dalcroze
bringt die Obersetzung seines in der „Musik** publizierten aktuellen Aufsatzes : «Le
piano et l'öducation musicale". — Victor Debay bespricht »Le songe de G6rontius
d'Edward Elgar*. — Ober „Corneille et la Musique* schreibt Jules £corcheville
einen lesenswerten Artikel. Corneille hat eine grössere Sammlung von „po^sies
l^göres" hinterlassen, die sich vorzüglich dazu eignen, in Musik gesetzt zu werden.
Mehrere von ihnen tragen die Bezeichnung »chanson"; am bekanntesten sind
zwei nach den Komponisten benannte: „rair de Blondel et l'air de Lambert*. —
256
DIE MUSIK V. 22.
Camille MaucUir ver5ffeDtlicht zwei interessante Essays: La musique de piano
de ,»Maurice Ravel** und „rApplaudissement* au concert. Er sagt fiber die Musik
Ravel's: „II ne transpose pas en langage sentimental des impressions de natnre;
r^ellement, son piano imite les oiseaux du soir, ou l'eau courante, ou les bonds
et les gestes Mbriles du gracioso espagnol, et nous les voyons, et nous les touchons,
et cependant ce n'est jamais ä force de virtuosit6.*
LE FIGARO (Paris) 1906, 2. Juni. — »Les lithographies musicales de Fantin-Latour*
würdigt Joanne de Flandreysy, im besonderen die Lithographieen Wagners und
Berlioz'. Verfasser nennt ihn ,»un grand poite, un grand psychologue et un grand
peintre** . . . „Dans certaines de ses compositions lithographiques, il y a, poor ainsi
dire, un excds de r6ve traduit par un excfts de besut^* . • • Fantin-Latour wurde
im Jahre 1836 zu Grenoble geboren; sein Vater, selbst Maler, brachte ihn früh-
zeitig nach Paris.
WEEKBLAD FOR MUZIEK (Amsterdam) 1906, Nr. 15-27. - J. P. J. Vierte
beklagt in einem Artikel „Het Nederlandsche Volkslied* den Niedergang des einst
in so hoher Blüte stehenden Volksliedes. Seine Neubelebung stellt sich im be-
sonderen der i^Algemeen Nederlandsch Verbond* zur Aufgabe. — Die Aufführungs-
ft'age des i^Parsifal* behandelt in einem längeren Aufsatz W. J. Corver. —
Sidney Vantyn bespricht «La sonate en si bemol mineur op. 35, de Chopin*. —
Hugo Nolthenius analysiert ein Tongedicht für Orchester mit Baritonsolo „Im
grossen Schweigen* ?on A. Diepenbrock. — Femer: J. P. Fockema Andreae:
»De herziening der wet Van de maatschappij tot bevordering der toonkunst*. —
W. J. de Wilde: »Divagaties over Kunst*. Motto: i,Kunst is nabootsing.* —
»lets over Mozart.*
LUCIFER (Antwerpen) 1906, No. 20. — D. C. Frans: »Aanmoediging der Tooneel-
maatschappijen*. — Van Zehden: «Konink. Vereeniging het Nederlandsch
Tooneel*. — Ein mit S. S. unterzeichneter Artikel beschlfcigt sich mit: .De Ned.
Opera Tijdelijk in eere hersteld*.
MEDLEMSBLAD FOR »DANSK ORGANISTFORENING* (Kopenhagen) 1906,
No. 26—30. — Es sind zu erwähnen die Artikel: A. C. Andersen: „Kobenhavns
Organistkole*. — H. D. Hansen: „Revision af Lovene*. — Kr. Pedersen:
Kirkesangens Ledere og Kirkesangen*.
ARS ET LABOR, MUSICA ET MUSICISTI (Milane) 1906, No. 5 u. 6. -
Melchiorre Delfico bringt die Fortsetzung seiner interessanten Verdi-Karikaturen.
Das Schlusskapitel behandelt „il caricaturista degli artisti suoi contemporanei*.
— Femer: Giorgio Bolza: .11 primo pianoforte die Giuditta Pasta.* — Mar...:
.Giuseppe Verdi.*
MUSICA (Buenos-Aires) 1906, No. 6—9. — Francisco Lopez Afiön veröffentlicht
den Schluss seiner interessanten Abhandlung über .La müsica ärabe y su influencia
en la müsica espanola.* — Salvador Barrada verbreitet sich über .La Inspiration
musical.* — Einen lesenswerten Artikel bringt Vincent d'Indy: .El oratorio
moderne.* — Jules Combarieu schreibt über Saint-SaSos und würdigt ihn als
Mensch und als Künstler. — Erwähnenswert sind noch folgende Aufsitze: .Camille
Mauclair: .La Religion de la Orquests.* — Antonio Rubinstein: .La müsica
y sus representantes.* — In der Artikelserie .Müsicos contemporineos* würdigt
H. Hantich das künstlerische Schaffen Anton Dvoräk's.
NEUE OPERN
FraneesGo Cilea: »Gloria*» Textbuch von Aituro Colantti.
Spiro Samara: «Rhea' betitelt sich eioe neue Oper, Libretto von Paul Milliet,
die der Komponist soeben vollendet bat.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Lfibeek: Das Ergebnis des beschränkten Wettbewerbs zur Erlangung von Plinen
für den Bau eines Stadttheaters nebst Saalbau ist, dass das Preis-
gericht, dem von auswärtigen Herren Geh. Baurat Prof. Dr. Wallot-Dresden,
Geh. Baurat von Grossheim-Berlin, Geh. Oberbaurat Launer-Berlin, Ober-
regisseur Max Grube-Berlin und Stadtbaurat KuUrich-Dortmund angehörten,
sich einstimmig für den Entwurf von Prof. Duifer-Dresden ausgesprochen
hat. Die Theaterbaukommission hat sich in ihrer Sitzung vom 18. Juli
diesem Beschluss gleichfalls einstimmig angeschlossen. Ausser Prof. Dfilfer
waren zum Wettbewerb aufgefordert die Architekten Heilmann und Littmann
in München, C. Moritz in Köln und H. Seeling in Berlin. Mit dem Ab-
bruch des alten Theaters ist bereits begonnen.
London: Londoner Musikfreunde haben das erforderliche Kapital für eine vier
wöchentliche deutsche Opernsaison im Januar n. J. aufgebracht, deren
Preise nicht so unerschwinglich hoch wie die von Covent Garden sein sollen.
In Aussicht genommen ist, ausser der „Walküre", die Wiederaufführung des
lange nicht gehörten «Freischütz", dann i,Fidelio* und Smetana's „Verkaufte
Braut*. Der Tenor Van Dyck hat die Direktion übernommen. Von britischen
Sängern und Sängerinnen sind John Coates, Agnes Nicholls, Corinne
Kirkby-Lunn und David Bispham in Aussicht genommen. Auch soll
das Orchester ausschliesslich englisch sein.
Paris: Die Grosse Oper wird die neue Saison mit der Oper „Ariane** von
Massenet eröffnen. Femer sind zur Aufführung angenommen eine zwei-
aktige Oper „Midas", Text von Henry Vuagneux, Musik von Paul Vidal,
„Die Tochter des Ramses* von demselben Komponisten und ein ein-
aktiges Gesangspiel „Das Mysterium".
KONZERTE
Berlin: Für das „Händelfest*, das in Berlin vom 25.-28. Oktober unter dem
Protektorat des Kronprinzen gefeiert werden soll, ist nunmehr das Programm
entworfen. Es gelangen zur Aufführung: „Israel in Egypten* unter Leitung
von Siegfried Ochs. Instrumentalwerke und die „Cäcilienode* unter
Leitung von Joseph Joachim. „Belsazar** unter Leitung von Georg
Schumann. Die ganze Veranstaltung wird durch ein Vormittagskonzert
beschlossen, in dem ausschliesslich Kammermusikwerke zu Gehör kommen.
Als Solisten sind gewonnen: Emilie Herzog, Agnes Hermann (Strassburg),
Pauline de Haan-Manifarges, Bella Alten, Johannes Messchaert, Felix
258
DIE MUSIK V. 22.
SeniuSy Paul Knfipfer und Putnam Griawold. Den choriactaen und in-
strumentalen Teil fil>ernehnien Chor und Orchester der Königl. Hochschule,
der Philharmonische Chor, die Sing-Akademie und das Philharmonische
Orchester.
Paris: Die Philharmonie, die unter dem Namen Palais Philharmonique auf
einem Terrain der Champs-Elys6es erstehen wird, wird einen grossen Saal
erhalten, dessen Bfihne mit allen modernen maschinellen Einrichtungen vei^
sehen werden soll, um auch Opern auffOhren zu können. Der Saal erhilt
2200 Plätze. Zwei weitere SUe, zu je 1200 und 700 Pützen mit amphi-
theatralischem Aufbau der Pütze, sind fQr Konzerte und Kammermusik-
Abende bestimmt. Gleichzeitig sollen diese Riume aber auch f&r musi-
kalische Fachausstellungen dienen. An allen Sonntagen werden Lamoureux-
Konzerte veranstaltet werden.
TAGESCHRONIK
Am 10. August feierte einer unserer begabtesten Tonsetzer, dem es — wie
so manchem anderen Deutschen — leider nicht vergönnt war, sich nach Verdienst
durchzusetzen, seinen 50. Geburtstag: Paul Geisler in Posen. Geboren 1856 zu
Stolp in Pommern, zeigte er schon frfih beachtenswerte musikalische Anlagen.
Er wurde der Schfiler des Stolper Pianisten und Komponisten Constantin Decker
(eines Schülers Siegfried Wilh. Dehns) und genoss spiter die Unterweisung des
Kantors Grabowsky in Marienburg. In Leipzig förderte den jungen Musiker be-
sonders Professor Dr. Oskar Paul und der bekannte Wagnerdirigent Anton Seidl,
der damals unter Angelo Neumanns Direktion am dortigen Stadttheater als Opern-
kapellmeister wirkte. Neumann engagierte Geisler als Musikdirektor und Kor-
repetitor an die Leipziger Oper und als zweiten Kapellmeister f&r seine grosse,
durch ganz Mittel-Europa unternommene Wagner-Tournee, spiter auch an die Oper
in Bremen, allwo er die Direktion des Stadttheaters fibemommen hatte. Durch
Krinklichkeit gezwungen, zog sich Geisler von der Dirigententitigkeit zurück und
widmete sich nun ganz der Komposition und dem l/nterrichte, erst in Hamburg,
dann in Berlin und seit einigen Jahren in Posen. Seine hervorragendste Schülerin
war die leider früh verstorbene bedeutende dramatische Singerin Katharina Klafsky.
Geisler hat sich als Komponist auf verschiedenen Gebieten mit Glück ver-
sucht Er schrieb Lieder und interessante Klavierstücke, vielfach angeregt durch
bedeutende Dichtungen, u. a. von Kleist und Hamerling (z. B. „Monologe*, Berlin,
Bote & Bock), femer Orchesterwerke und Opern. Aufsehen erregte vor etwa
25 Jahren auf einem Tonkünstlerfeste des »Allg. Deutschen Musikvereins* seine
symphonische Dichtung «Till Eulenspiegel", ein Stück voll Erfindung, Geist
und Klangpracht Eine Oper ,» Fritjof" erlebte ihre erfolgreiche Uraufführung in
Bremen. Es folgten die durch eindringliche und breite Melodik sich auszeichnenden
Opern »Die Ritter von Marien bürg* (Uraufführung in Hamburg) und „Schiff-
brüchig*. Neuerdings hat Geisler den vierteiligen Einakterzyklus „Hertha*,
„Der Marianer*, „Warum?" und „Prinzessin Ilse* vollendet, zu dem er
sich — wie zu seinen früheren Opern — die Texte selbst verfasste; dieser harrt
noch der Bühnenaufführung. Auch vierSymphonieen liegen in des Komponisten
Pult Die Partitur der vierten stammt erst aus diesem Jahre. Es wire nicht mehr
als billig, wenn unsere Konzert- und Theaterdirektionen sich am 50. Geburtstage
dieses hochbegabten und in echt deutscher Bescheidenheit sich in die Stille seiner
Arbeitsstube zurückziehenden Tondichters daran erinnerten, dass er noch — lebt
259
UMSCHAU
nnd dies oder jenes seiner grosseren Werke zum tönenden Leben erweckten. Die
Werke verdienten es wahrlich. W. K.
Von wohlunterrichteter Seite wird uns mitgeteilt: «Es ist anzunehmen, dass auf
der in Berlin seinerzeit zusammentretenden Konferenz zur Revision der Berner
Obereinkunft betr. die Bildung eines internationalen Verbands zum Schutze von
Werken der Literatur und Kunst vom 9. September 1886 (Reichsgesetzblatt 1887
Seite 493 ff.) der Antrag zur Beratung gestellt werden wird, die Dauer des im
Unionsgebiet zu gewährenden Urheberrechtsschutzes durch Festsetzung einer
einheitlichen Schutzfrist zu regeln. Soweit sich bisher Bestrebungen in dieser
Richtung geltend gemacht haben, hatten sie insgesamt die Tendenz, die international
zu vereinbarende einheitliche Schutzfrist weiter zu bemessen, als dies zurzeit im
deutschen Urheberrechte der Fall ist; meistens wird eine Schutzdauer von 50 Jahren
verlangt Massgebend fQr die Stellung der deutschen Delegierten zu einem solchen
Vorschlag, dessen Annahme eine Abinderung der deutschen Urheberrechtsgesetz-
gebung in einem sehr wesentlichen Punkte zur Folge haben mfisste, wird vor
allem der Gesichtspunkt sein, ob und in welchem Masse eine Ausdehnung der
zurzeit reichsrechtlich geltenden Schutzfrist den Interessen der beteiligten Kreise
entspricht*
Am Hause Hauptstrasse 160 in Heidelberg, in dem Robert Schumann von
1829—1830 als Student wohnte, ist eine Schumann-Gedenktafel angebracht
worden.
Der auch als Komponist bekannte Kapellmeister Leo Blech vom Deutschen
Landestheater in Prag ist an das Kgl. Opernhaus in Berlin berufen worden.
Julius Stockhausen, der greise Sangesmeister, feierte am 22. Juli in
Frankfurt a. M. in vollkommener geistiger Frische und Rfistigkeit seinen
80. Geburtstag.
Zum Direktor des Bemer Stadttheaters wurde Kammersinger Alf^d Stend er-
ste f an i in Altenburg gewihlt
In der philosophischen Fakultit der Universitit Marburg habilitierte sich
Dr. Ludwig Schiedermair mit einer Antrittsvorlesung fiber «Die Bedeutung der
neapolitanischen Oper des 1^ Jahrhunderts" als Privatdozent ffir Musikwissen-
schaft Seine Habilitationsschrift ist betitelt: „Beiträge zur Geschichte der Oper
um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts. 1. Band: Simon Mayr".
In den Tagen vom 25.-27. September wird in Basel der zweite Kongress
der internationalen Musikgesellschaft stattfinden, der u. a. die Vertreter
der Musikwissenschaft an sämtlichen Universitäten angehOren. Neben den wissen-
schaftlichen Erörterungen, die der Kongress bringen wird, sind auch zwei Konzerte,
ein geistliches Konzert im Münster und ein anderes im Musiksaale der Stadt Basel
unter der Leitung des Baseler Kapellmeisters Hermann Suter, vorgesehen.
Die Genfer Anstalt fOr rhythmische Gymnastik (Dir.: Prof. E. Jaques-
Dalcroze, 7 Avenue des Vollandes, Genf) eröffnet einen 14tägigen Normalkursus,
fQr ausländische Lehrer bestimmt, in dem die rhythmische Gymnastik-
methode klargelegt und praktisch vorgeführt werden wird. Der Zweck dieser
Methode ist: die Entwicklung des Sinnes für musikalische Metrik und musikalischen
Rhythmus, des Sinnes für die plastische Harmonie und das Gleichgewicht der
Bewegungen und die Regelung der Bewegungsgewohnheiten. Der Kursus wird
vom 23. August bis zum 8. September stattfinden.
Wie aus New York berichtet wird, bereitet ein gelehrter amerikanischer
Musikkenner John Tower die Veröffbntlichung eines gross angelegten Lexikons
260
DIE MUSIK V. 22.
vor, in dessen erstem Teil man die Titel aller bekannten Opern, alphabetisch c^
ordnet, finden soll; der zweite Teil dieses Lexikons wird ein Verzeichnis simt-
licher Opernkomponisten mit der Angabe ihrer Werke enthalten, und in einem
dritten Abschnitt soll eine genaue Statistik darfiber veröffentlicht werden, wie viel
mal die einzelnen Stoffe in Musik gesetzt worden sind. Der Autor hat dreizehn
Jahre angestrengter Arbeit gebraucht, bevor er den gewaltigen Stoff gesammelt
hatte.
Die geistige Bewegung, die durch die Revolution in Russland herauf-
beschworen ist, hat sich auch auf dem Gebiete der Musik kund getan : im Oktober
werden „Musik-Kurse für Volk und Arbeiter* eröffnet zur Förderung des
Chorgesangs (geistliche und moderne Lieder) mit Spezialkltssen für Klavier, Violine,
Cello und andere Instrumente, Theorie, Musikgeschichte bei einer Mindestzahlung
von 3 Rubel im Jahr. Die Räume der Stadt- und Dorfschulen werden dazu in
den freien Stunden benutzt. Die neuen «Musik-Kurse fürs Volk* sind nur eine
Filiale der Union zur Errichtung einer Hochschule für das Volk, für die der
General Scheniawsky (gestorben im Herbst 1905) ein Kapital von beinahe einer
Million Rubel vermacht hat. Das Komitee der Musik-Sektion ist eifrig mit dem
Ausarbeiten der Semesterprogramme und der Feststellung der Statuten des Vereins
beschiftigt und zlhlt unter seinen Mitgliedern wohlbekannte Namen auf: S. Taneieff,
Gretschaninoff, Tr. Linewa, Pf. Sibor, Kaschkin, J. Engel u. v. a.
Die Philharmonische Gesellschaft in Moskau, die im letzten Früh-
jahre so jäh aufgelöst wurde, ist zu neuem Leben berufen worden. Am8./21.Jttni
hat eine von der Regierung gestattete Sitzung der Verwaltungsmitglieder der
Institution stattgefunden, in der über das weitere Fortschreiten der Musik-
gesellschaft debattiert wurde. Für die kommende Saison sind zehn Abonnements-
konzerte angemeldet, sowie die Erwählung eines neuen Direktors der Musikschule
vorgenommen worden. Der wohlbekannte Cellist Brandukoff, dem dieser Posten
angeboten wurde, soll seine Zustimmung dazu gegeben haben, ein überaus er-
freuliches Ereignis im Musikwesen der Stadt, da sein künstlerisches Vermögen
wohlbekannt ist. Brandukoff hat seine Studien im Konservatorium zu Moskau
im Jahre 1877 zur Zeit Nicolai Rubinsteins absolviert, bei welcher Gelegenheit
ihm die grosse goldene Medaille als höchste Auszeichnung zugeteilt wurde.
Später hat er in Paris grosse Triumphe gefeiert, indem er in den Konzerten
von Padeloup, Colonne, Saint-Saöns auftrat, mit Anton Rubinstein und Liszt spielte
und an den Quartetten von Prof. Marseens teilnahm. Brandukoff erfreute sich
einer warmen Freundschaft von selten Tscbaikowsky's.
Eine Million Rubel ist der Warschauer Philharmonie durch Erbschaft
zugefallen, die der verstorbene Herr v. Wessel der genannten Gesellschaft in Form
eines Rittergutes vermacht hat. Der Ministerrat hat nunmehr dahin entschieden,
dass die Warschauer Philharmonie zur Annahme der Erbschaft ermächtigt ist
TOTENSCHAU
Am 17. Juli f in Elberfeld der Komponist Georg Rauchenecker, einer
aus dem schweizerischen Wagnerkreise. In den letzten Jahren bekleidete er die
Stellung eines städtischen Kapellmeisters in Elberfeld und machte sich sehr um
die Hebung der volkstümlichen Konzerte verdient. Als Komponist haben ihn sehr be-
achtenswerte Kammermusikwerke, mehrere Symphonieen (unter denen die vor zwei
Jahren entstandene und mit grossem Erfolge in Elberfeld aufgeführte „Elegische**
die hervorragendste), mehrere Violinkonzerte, zahlreiche Chorwerke (.Nikolaus
261
UMSCHAU
von der Flfie* 1874 in Zfirlch preisgekrönt) und Lieder bektnnt gemacht. Seinem
bescheidenen ruhigen Wesen entsprach nicht ein Vordringen und Geltendmachen,
so dass er selbst wohl die Schuld hat, dass sein Name nicht mehr bekannt und
yon seinen Kompositionen ausserhalb wenig gehört wurde. Schmerzlich war ihm,
dass seine Opern «Florentin*, «Sanna*, ,»Don Quixote" und «Zlatorog* trotz guten
Erfolges bei den Erstaufführungen sich nicht durchzusetzen vermochten; aber wie
so oft waren auch hier die wenig geeigneten Libretti ein Hindernis. Allerdings
instrumentierte Rauchenecker in der Regel an Stellen, die leichtere Instrumen-
tation verlangten, zu schwer. Er war geboren am 8. März 1844 in München als
Sohn eines Musikers. Früh begann seine musikalische Ausbildung. Seine Lehrer
waren Lachner (Klavier, Orgel), Baumgartner (Komposition), Walter (Violine).
1868 wurde er Direktor des stidtischen Konservatoriums in Avignon und später
Theaterkapellmeister in Aix und Carpentras. Als der Krieg ausbrach, musste Rauchen-
ecker Frankreich verlassen. In Zürich und in Winterthur finden wir ihn spiter als
Musikdirektor. Dann ging er nach Berlin und dirigierte eine Zeitlang das Phil-
harmonische Orchester und war am Stemschen Konservatorium titig. Von Berlin
aus siedelte er nach Barmen über, wo er eine Musikschule gründete. Nach drei
Jahren schlug er dann seinen bleibenden Wohnsitz in Elberfeld auf, wo er den
Instrumentalverein, verschiedene Gesangvereine und schliesslich das Stidtische
Orchester leitete. Anlisslich seiner häufigen Berufung als Preisrichter wurde er
vielerorts eine bekannte Persönlichkeit. 1902 bereitete ihm Stadt und Bürger-
schaft am 60. Geburtstage eine grossartige Ehrung in einem „Rauchenecker-
Abend*, an dem auch neue Kompositionen aus seiner Feder ihre Erstaufführung
erlebten, und er so erkennen konnte, wie beliebt er war. Dass er nicht eine her-
vorragendere Stellung einnahm, lag z. T. auch darin begründet, dass Rauchenecker
nach echter Musikantenart einen guten Tropfen sehr liebte. In seiner Komposition
ist ihm Wagner, ohne dass er dessen Nachtreter genannt werden dürfte, gefährlich
gewesen. Dennoch ist seine Kammermusik dem Besten ihrer Art zuzurechnen
und wird auch sicher, wenn sich der rechte Mann ihrer annimmt, eine Zukunft
haben. — Raucbenecker erzählte gern und begeistert von den Quartettabenden
bei Wagner in Zürich, wo er ein gern gesehener Mitspieler war. Noch in letzter
Zeit beschäftigte ihn der Gedanke, das Buch »Philosophie und Musik* von La-
combe aus dem Französischen zu übersetzen. Sein biederes Münchnerisch hatte
durch den französischen Akzent, eine Folge des langen Aufenthalts in Frankreich,
einen fremdartigen Klang. Aber sonst war Rauchenecker ein Deutscher bester Art.
Sein Tod ist für das Elberfelder Musikleben ein fühlbarer Verlust.
Friedrich Kerst
Am 25. Juli f in Dresden die Pianistin und Kammervirtuosin Doris Böhme,
die vor 50—60 Jahren in Konzerten der Schröder- Devrient als musikalisches
Wunderkind Aufsehen erregte.
In Wien f im 60. Lebensjahre die königlich sächsische Kammersängerin im
Ruhestande Marie Ehrhardt.
Am 20. Juli t in Stuttgart der ausgezeichnete Kammersänger Dr. Hans Pockh,
der jahrzehntelang als erster Bassist und als Opernregisseur der Hofbühne vor-
zügliche Dienste leistete.
In Dresden f der Pianist Prof. Georg Schmole im 66. Lebensjahre.
Josefine Lohse, die jugendlich-dramatische Sängerin der Kölner Oper, f
daselbst.
KRITIK
Ma^^,^^^s^^ta^^^^&.^^db^MBi^&
OPER
BROnN: Knapp vor SalsonBChluas gab ca noch eine Novial: Face Jn l'a .Toaca" und
eine Uraufführung: .Edelrot", eine einaictlge Bauernoper, Text von Mahler und
NiederfGbr, Mnallc von Juliua Gottlfeb, die neben hiibachen Analtzen oft den An-
tlnter verrit. Auch hat uns der Mal eine Aufführung dea .Rioga" und der aMeliler-
■Incet" gebracht. S. Ehrenttein
COBURG: Der neue Intendant Herr von Ebart hat ea veratanden, den jungen Herzog
für die Oper, deren Fonbeiteben anftinga ataric In Frage gezogen war, lebhaft lu
intereaaieren, ao da» an einem Tied ererblühen der unter dem kunatalnnigen Henog
Ernai II. so berühmten Coburger Oper wenigatena an dem guten Tillen hierzu nicht zu
zveifein lat Hierfür apracben vor allem die gewlaaenhaften zeitgemlaien Neueinatudle*
rangen ilterer Melaterwerke und neuerer Komponiaten, die aimtllch neu mit prlchtigen
atlmmungavollen Dekorationen aua dem Atelier dea Aitmeiatera der Bühnendekoradona-
kunst Prof. Brückner sowie teilweise auch mit neuen Koatüroen ausgerQatei wurden, wie
z. B. der B^ton Juan* nach Vleabadener Muater, die .Telsse Dame' und Goethes
aFauBl" 1. und 11. Teil mit der Musik von Lassen. Femer wurde der aFliogsnde
Hollinder* nach Bayreuther Mnater in einem Aufzug eingerichtet und durchaus mit
neuen Dekorationen und neuen Maachlnen versehen. Im Canien war der Drang nach
hSberer künatleri acher Arbelt durctaans erkennbar und wurde durch einen überaus regen
Besuch gewürdigt. Von den zahlreichen GrSasen der Salaon mOchte Ich nur erwlhnen:
Ejnar Forchhammer (Frankfun), Mme. Gabler <Nev York), die Herren Philipp und
Naval, die Damen GOtze und Herzog (Berlin), Frau Reuss-Belce, Frau Letfler-
Burckard (Wlesbsden), Frau Doenges und Herr Moers (Leipzig), Herr Büttner
(Karlsrahe), Freu Sondrs (Nürnberg) und Dr. Bannaach (Halle), die Hmi sämtlich
mehlfach an unaerer und der Gothaer Bühne aufgetreten aiod. Aucb eine Uraufführung
für Deutschland hat unser Hoftheater in dleaer Salaon zu verzeicbnen und zwar von
Spiro Samara'a drelaktiger Oper .La Blondlnetta" (L'histoire d'amour), Text von
Panl Mllliet In einer durchaus geschickten und deklamstorisch gut stilisierten Obei^
Setzung von L. Hartmann. Der Komponlat lat von Gebnrt Grieche, der aelne Studien
am Pariser Konservatorium unter Lto Dellbes vollendet and bereita sieben Opera
geecbrieben hat, deren letzte kfirzUcb in Monte Carlo Ihre erfolgreiche Premiere zu
verzeichnen hatte. Die Handlung, die alch teilwelae suf der Inael Elena vor Venedig,
lellweiae auf dem Schlachtfeld vor Verona zur Zeil des Napoleooiachen Erobern ngszugea
um 1797 abapielt, ist kurz folgende: Blondinetta Ist mit einem Gondoller Andrea ver-
aprochen, wird aber auch von Glannl, dem Führer der Gondoliers, umworben. Der Kurat
fordert zum Kampf gegen Napoleon auf und wihrend Glannl zum Schutz der Inael aus-
eraeben ist, zieht Andrea In den Feldzug, wo er schwer verwundef wird. Nsch Isnger
Gefsngenachaft kehrt der Todtgeglaubte wieder in aetne Heimat zurück, wo aoeben
Biondlnetu nach langem vergeblichen Harren alch aelnem Nebenbuhler Glannl vermihlt
haL An seinem Glück verzweifelnd, ersticht sich schlleasUch Andrea. Tenn nun aucb
dieser Vorwurf In mancherlei Variationen bereita auf die Bühne gebracht worden lat, so
hat ea doch der Librettlat veratanden, diesem Stoff durch seinen zweiten Akt eine
ori^nelle Faaanng zn geben. Indem er bei dem auf dem Schlachtfeld acbwer Verwnn-
263
KRITIK: OPER
deten FiebenrisioDen eintreten liest, deren Inhalt die in einem Nebelschleier gehaltene
Bfihne wiedergibt Andrea sieht hierin das Bild seiner Heimat, sieht, wie sein Neben-
buhler Gianni um seine Braut wirbt, sie zum Tanze führt und im dritten Bild ihr
schliesslich in der Kirche angetraut wird. Weit über dem Textbuch steht die Musilc
Samara's, Hier ist yor allem prignant der unerschöpfliche, mit sfidlicher Glut dahin-
fliessende Melodieenstrom, dem sich originelle Erfindung und tiefgehende Empfindung
nicht abstreiten lassen. Freilich legt der Komponist den schönsten Teil seiner schwung-
vollen Melodik in das Orchester, das fast immer gegenfiber dem vokalen Part eine völlig
selbständige Führung erhilt. Samara beherrscht die Technik der Instrumentierungskunst
in der den Franzosen eigenen souverinen Art und Weise. Von den rein instrumentalen
Nummern möchte ich hier auf die in den Visionen enthaltene Kirchenszene, die in
idealisierter Walzerform gehaltene Aufforderung zum Tanz, die allerdings den Vater
Delibes nicht verleugnen kann, sowie auf den Hochzeitsreigen verweise^, in welch letzterem
sich der Komponist ebenso wie in einem fugierten Satz des Orchesters, auf dessen
Grundlage sich zwei Gondoliere necken, als vortrefflicher Symphoniker zeigt. Der
schwächste Punkt der Oper sind die Chorsitze, die der Komponist offenbar etwas ver-
nachllssigt hat. Im ganzen haben wir es iedoch mit einem geistreichen interessanten
Werk zu tun, das sicher die Beachtung aller Bühnen verdient Die Oper erzielte in
einer vortrefflichen Aufführung mit Kammersinger Wolff als Andrea sowohl hier wie
auch in Gotha einen durchschlagenden Erfolg. Otto Baldamus
KÖLN: Die beiden letzten Abende der Opern festspiele im Neuen Stadttheater
brachten Richard Strauss' Musikdrama »Salome", die erste Aufführung am 2. Juli
unter des Komponisten, die andere am 4. Juli unter Otto Lohses Leitung. Erfreuten
sich die Festspiele überhaupt schon sehr starken Besuchs, so Hess die mit «Salome*
nun einmal gewaltsam verknüpfte »Sensation* an diesen Abenden kein Plitzchen unver-
kauft. Interessiert hat das Werk zweifellos alle Theaterbesucher, ich konnte aber keinen
einzigen finden, den es erfreut bitte, und das Ist, vom Standpunkte des musikalischen
Schönheitsbegriffes betrachtet, nur zu begreiflich. Der Beifall war zunichst kein sehr
lebhafter, natürlich aber wurden dem berühmten Dirigenten und Komponisten, als ihn
die Singer auf die Bühne hinauszogen, gewisse Ovationen dargebracht; der Erlbig des
Werkes selbst war kein echter. Die Aufführung bot ihm alle möglichen Chancen. Alice
Guszalewicz (Köln) als Vertreterin der Titelrolle, Carl Burrian (Dresden) als Herodes
dann Leopold Demuth (Wien) und Fritz Fein hals (München) als Darsteller des
Jochanaan abwechselnd, und eine treffliche Besetzung der kleinen Rollen ergaben ein
glinzendes Ensemble. Das Bühnenbild hatte Wilhelm von Wym6tal (Köln) sehr charak-
teristisch behandelt. Bewundernswert hielt sich das Orchester. Besonders herzlicher
Dank wurde unter gerechter Würdigung seiner Festspielverdienste überhaupt und seiner
diesmaligen so enorm schwierigen Leistung im speziellen am letzten Abend an die
Adresse des immer wieder stürmisch auf die Bühne berufenen Otto Lohse gerichtet
Der Vorstand des Festspielvereins darf mit stolzer Genugtuung auf den sehr bedeutenden
künstlerischen Erfolg dieser zweiten Serie zurückschauen, der mit der Zukunft der
hiesigen Festspiele auch ihre volle Berechtigung sicherstellt Paul Hill er
PARIS: Die Komische Oper gab das dramatische Erstlingswerk von Henri F^vrier
.Le Roi Aveugle* mit gutem Erfolg. Der Komponist, dem wir bereits eine tüchtige
Geigensonate verdanken, hatte seinen Stoff selbst in einer Novelle des bekannten Roman-
dichters Hugues Le Roux gefunden, und dieser unterzog sich selbst der Mühe, ein Opem-
buch in zwei Akten, die durch ein Zwischenspiel verbunden sind, daraus zu machen«
Der in der norwegischen Legendenzeit lebende blinde König wird von seiner Tochter in
schnödester Weise verlassen. Der fremde Wikinger brauchte sie eigentlich gar nicht zu
264
DIE MUSIK V. 22.
rauben, denn schon sein erster Anblick versezt sie in onpstriotische Verzückung. Sie
besingt seine Erscheinung und der bHnde Vater bildet sich ein, das Lied gelte seinen
eigenen jugendlichen Heldentaten. Ungeschickterweise hat sich der Tonsetzer nicht ein-
mal hier zu einer geschlossenen melodischen Form bequemen wollen, und so bleibt die
dramatische Wirkung unsicher. Sehr gut hat er dagegen die Szene behandelt, wo die
Untertanen den vom Wikinger zu Boden geworfenen König auffinden und von ihm den
Raub der Tochter erfahren. Der Chorsatz ist hier namentlich sehr erfreulich und auch
das Orchester ist, von einigen allzu direkten Wagnerismen abgesehen, gut behandele
Der Bassist Vienille fand Gelegenheit, sich in der Titelrolle auszuzeichnen, und ein
neuer Tenorist Fern et konnte als Wikinger wenigstens den Besitz eines guten stimmlichen
Materials nachweisen. Felix Vogt
STRASSBURG: Einige wertvollere Neueinstudierungen waren — nicht sehr ökonomisch
— dem Saisons9hluss vorbehalten. d'Alberts „Flaute solo*, trotz seiner „Meister-
singerei*, den unvermeidlichen Längen und dem operettenhaften Einschlag ein prächtiges,
echtes Musikantenstücklein, das eine dauernde Bereicherung unseres Opemschatzes be-
deutet, gleich der »Abreise*, fand mit Pokorny, Corvinus und Frau Knappe in den
Hauptrollen unter Frieds gewissenhafter Leitung gute Wiedergabe und warme Aufnahme;
Lussmann ein zu farblos-weicher Prinz. Der Eindruck von Cornelius' klassischem
„Barbier* litt unter Kapellmeister Gorters Stil- und Tempomissgriffen und dem Mangel
an peinlicher Sorgfalt und Sauberkeit, durch den dieser Dirigent leider nicht selten
die empfindlicheren Hörer verletzt. Heisst das etwa „den Lustspielton wahren*, wenn
man aus dem würdevoll-gravitätischen Museigreis einen polternden Zappelphilipp macht
(wo sonst Corvinus ein idealer Vertreter der Rolle hätte sein können), eine ganze Reihe
von Sätzen (besonders Ensembles) ins Unverständliche übersetzt und so und soviele der
feinen Pointen dieser köstlichen Partitur nicht unterstreicht sondern verwischt? — Besser
gelang dem letztgenannten Dirigenten Humperdincks „Heirat wider Willen* ^ bis
auf einige Flüchtigkeiten in den heiklen Ensembles — , das auch stilistisch eine wesent-
lich leichtere Aufgabe darstellt; die Solisten, die Damen Mahlendorf und Croissant,
Herren Würthele, Knappe und Corvinus trafen den heiteren Rokokocharakter des
nur im dritten Akt zu ernst einherschreitenden und im Ganzen etwas einförmig ge-
haltenen Werkes recht gut Ob die Musik mit ihrer unentwegt wie ein Ameisenhaufen
kribbelnden Polyphonie upd mehr reflektiert-künstlicher als natürlich-charakteristischer
Struktur sich bleibend halten wird, möchte ich fast bezweifeln. Im Grunde ist Humper-
dinck ein besserer Vorarbeiter als Erfinder — wo nicht, wie in Hansel und Gretel, die
Volksweisen seinen Erfolg bewirkten. — Eine echte Carmen war die Spanierin Maria
Gay. Eine „Ring*aufführung unter Gorter beschloss die Saison. Ob's auch „der echte
Ring* war, will ich für diesmal nicht untersuchen und nur hoffen, dass ich in der nächsten
Saison nicht über Grobschmiedsarbeit werde klagen müssen. Sonst wären hier manche
Voraussetzungen zu einer erstklassigen Oper vorhanden: das Interesse der Stadtverwaltung,
der Eifer der Direktion, die Tüchtigkeit des Orchesters und der meisten Solisten. Möge
die künstlerische Leitung sich such stets auf dieser Höhe bewegen und besonders dem
nahezu beispiellosen Schlendrian so mancher Inszenierungen ein wohlverdientes Ende
bereiten I Dr. G. Altmann
WEIMAR : Das verhältnismässig einförmige grösstenteils aus Wiederholungen bestehende
Repertoire unseres Hoftheaters wurde in den letzten Wochen in interessanter
Weise durch eine örtliche Erstaufführung von Weingartners „Orestes*, Trilogie nach
der Oresteia des Aischylos unterbrochen. Das ernste, schöne Momente enthaltende Werk,
dessen technische Behandlung die Erfindung leider überragt, wurde in den beiden Erst-
aufführungen unter der Leitung Krzyzanowski's warm aufgenommen, während die
265
KRITIK: KONZERT
dritte und letzte Wiederholung unter des Komponisten eigener Leitung den nachhaltigsten
Beifall des nicht sehr zahlreich erschienenen Publikums entfachte, der in erster Linie
dem genialen Dirigenten galt. Von besonders schöner Virlcung sind die Chöre, während
das Orestmoiiv nicht ganz glücklich erfunden erscheint. — Mara Fried fei dt vom Stadt-
tbeater in Metz hinterliess als Violetta in Verdi's »Traviata* von den vielen im Koloratur-
fach stattgefundenen Gastspielen den unbedingt besten Eindruck, da sich eine edle Ton-
gebung mit nobler Gestaltungsweise paart. Carl Rorich
KONZERT
BRONN: Im letzten Musikvereinskonzert bekamen wir eine recht gerundete Auf-
führung der Matthäuspassion zu hören. Die Soli sangen die Damen Brfill-
Kienemund und Kusmitsch und Herr Sistermans, der gleichzeitig die Partie des
Evangelisten markierte, da Herr Senius nach der Generalprobe heiser wurde. Das
Quartett Mraczek brachte u. a. Dohnanyis Klavierquintett zum Vortrag. Otto Burkert,
der Organist des ,,deut8chen Hauses*, veranstaltete auch heuer eine Bachfeier und
zahlreiche Orgelvorträge, von denen eine Msx Reger- Matinee besonders interessierte.
S. Ehrenstein
CINCINNATI: Seit meinem ersten Bericht über die Konzertsaison wurden folgende
Konzerte veranstaltet: Jan Kubelik gab Ende Januar eine Matinee. Eine Sonate
von Händel, das Praeludium aus Bachs E-dur Sonate (für Violine allein) sowie Ernsts
fls-moll Konzert bildeten die Hauptnummern des Programmes. — Am Tage nach diesem
Konzert erschien das New Yorker Symphonieorchester mit Felix Weingartner
als Gast. Der geniale Dirigent erzielte einen grossartigen Erfolg, der in einer herrlichen,
grossangelegten Wiedergabe von Beethovens c-moll Symphonie gipfelte. Man bereitete
dem grossen Künstler stürmische Ovationen und erkannte in ihm einen der berufensten
Vertreter der Direktionskunst unsrer Zeit. — Das wenige Tage später stattfindende
Symphoniekonzert unsres hiesigen Orchesters brachte als Hauptnummern Cesar Francks
hochinteressante d-moll Symphonie, Berlioz' Benvenuto Cellini-Ouveitüre und Bizeta
melodiöse Suite .Roma". Das Orchester erledigte sich seiner Aufgabe mit grossem
Geschick und bekundete durchweg ein klares Verständnis für die Meisterwerke der
französischen Schule. Raoul Pugno vervollkommnete das Bild gallischen Geistes durch
eine brillante Wiedergabe des glänzenden c-moll Konzertes von Saint-Saöns; es ist übrigens
lebhaft zu bedauern, dass dieser bedeutende Pianist sich leider häufig zu einem förm-
lichen Wettspielen mit einem automatischen Klavier hinreissen lässt; sein Vortrag ver-
liert dadurch an Klarheit und Tiefe, das seelenvolle Spielen verbietet sich dann von selbst
Ein anderes Bild brachte das nächste Symphoniekonzert, in dem Brahms' D-dur Symphonie,
d'lndy's ,»Le Champ de Wallenstein* und ein symphonisches Gedicht „Tragi-Commedia*
eines hiesigen Komponisten P. Tirindelli das orchestrale Kontingent bildeten. Leider
vermag sich der letztere nicht von den Ungezogenheiten der neuitalienischen Schule
loszureissen, sonst vermöchte er Gutes zu leisten. Die Orchestrierung ist sehr
wirkungsvoll und verhalf dem Werke zu einem Achtungserfolg. Corinne Kirkby-Lunn
sang die Arie „Gerechter Gott* (Rienzi) und R. Strauss' Hymnus, op. 33. Leider blieben
die Leistungen der Künstlerin hinter den Erwartungen zurück, zu denen man gemäss
ihrer i^Kundry* in der englischen Aufführung des »Parsifal* berechtigt war. Um so
erfreulicher gestaltete sich das Auftreten Gerardy's im folgenden Konzert, der durch
seine herrliche, technisch wie geistig hochstehende Wiedergabe des Lalo'achen d-moll
Konzertes die Zuhörer enthusiasmierte. Vervollständigt wurde das Programm durch
Bachs D-dur Suite, Berlioz' Harold-Symphonie und Massenet's „Phödre^-Ouverture. Im
folgenden Konzert trat Marie Hall, die bekannte englische Geigenvirtuosin auf. Sie
V. 22. 19
266
DIE MUSIK V. 22.
spielte Bruchs g*inoll Konzert mit feinem VerstSndnis, wenngleich auch ihr Ton nicht
besonders gross noch modulations fähig ist. Mozarts 9Zauberflöte*-Ouvertttre, Beethoyent
siebente Symphonie und Converse's »The mystic Tnimpeter* waren die Nummern des
Orchesters. Das folgende Konzert gestaltete sich zu einem interessanten Lokalereignis,
insofern Hans Richard, Lehrer am hiesigen Conservatory of Music, als Pianist mit
der Wiedergabe des Schytteschen cis-moU Konzertes debütierte. Der Solist besitzt
einen kraftvollen, abgerundeten Ton und eine glänzende Technik. Brückners vierte
Symphonie, Humperdincks „Hansel und Gretel**- Vorspiel, Sibelius' „Schwan von
Tuonela" und Liszts „Pr61udes* bildeten die Orchesterkompositionen des Programmes.
Das zweitletzte Symphoniekonzert brachte Henri M arte au, der mit einer herrlichen
Wiedergabe des Brahmsschen Konzertes die Zuhörer erfreute. Strauss' farbenprächtige
symphonische Phantasie „Aus Italien*, Webers „Oberon*-Ouverture, und zwei kleinere
Kompositionen van der Stuckens „Idylle* und „Calibans Pursuit* bildeten die weiteren
Nummern des Programms. Das letzte Konzert bestand in einer Auslese Wagnerscher
Kompositionen, wie der Ouvertüren zu den älteren Werken des Meisters, sowie des
„Siegfried- Idyll* und der „Rheinfahrt* aus der Götterdämmerung. Als Solist trat Ben
Davies auf. Das Symphonie-Orchester spielte mit anerkennenswerter Brillianz und
erntete nebst seinem energischen Leiter reichen Beifall. — Ein von dem englischen
Männerchor „Orpheus* veranstaltetes Konzert verdient besondere Erwähnung, da der
Verein über vorzugliches Material verfügt und eine treffliche Schulung unter seinem
Dirigenten Edwin Glover aufweist. — Erwähnt sei noch, dass zwei hiesige Pianisten,
B. van dem Berg und der Unterzeichnete für die Konzerttour des berühmten Thomas-
Orchesters gewonnen wurden und Schubert- Liszts Wandererphantasie, das a-moll
Konzert von Grieg und Mozarts d-moU Konzert vortrugen. Friedrich Stock, der infolge
seiner glänzenden Verdienste um die Leitung der Chicagoer Symphoniekonzerte für
weitere drei Jahre als Dirigent verpflichtet wurde, leitete sämtliche Konzerte.
Dr. N. J. Elsenheimer
COBURG: Die verflossene Saison war an künstlerischen Ereignissen recht arm, wss
wohl die notwendige Folge des geringen Besuches der öffentlichen Konzerte selbst
der ausgewähltesten Künstler sein dürfte. Auch die Symphonie-Konzerte der Hofkapelle,
von denen drei geplant aber nur zwei wegen des hierfür mangelnden Interesses zur Aus-
führung kamen, konnten in Hinblick auf den finanziellen Erfolg die Hoftheaterintendanz
nicht befriedigen, trotzdem di6 Leistungen des Orchesters unter Alfred Lorenz mit
einem zwar nicht modernen aber interessanten Programm völlig auf der Höhe standen
und im zweiten Konzert Jos6 Vianna da Motta in dem fünften Beethovenschen Konzert
und einigen Klavlerpiecen seine technische und musikalische Meisterschaft in hervor-
ragender Weise darlegte. Von den ferneren Konzerten kommen hier noch drei Kammer-
musikabende der künstlerisch hervorragenden Frankfurter Trio-Vereinigung FrL
von Bassewitz (Klavier), Josef Natterer (Violine) und Hugo Schlemüller (Cello) in
Betracht, die in allen ihren Abenden dem leider nur spärlich vertretenen Publikum einen
ungetrübten Genuss mit Brahms, Beethoven, Schubert und Schumann boten und auch
eine Uraufführung eines neuen Klavierquartetts von Alfred Lorenz brachten, das als
interessante, wenn auch nicht immer klangschöne Novität gut ansprach. Dagegen konnte
ein Konzert zweier amerikanischer Künstlerinnen Anna Balser-Fyshe (Klavier) und
Aube Pearle (Sopran) nur wenig befriedigen. Ausser diesen öffentlichen Konzerten, zu
denen noch einige Veranstaltungen lokaler Musiker treten, können nur noch die Konzerte
der Gesellschaft „Verein* Anspruch auf künstlerisches Interesse beanspruchen. Hier
hörten wir Ejnar Forchhammer und Frau Ulsaker-Forchhammer (Frankfurt), die
mit einem fesselnden Programm von Liedern mit Goetheschem Text im ersten Teil und
267
KRITIK: KONZERT
Im zweiten nur neuere Gesinge und Duette nordUeber Komponisten grosse Triumphe
feierten und zwar unter Mitwirkung des Karlsruher Pianisten und Komponisten Walter
Petzet. Femer traten in diesen Konzerten der Violinist Arthur Hartmann, der
namentlich durch seinen formyollendeten Vortrag der Chiaconna entzückte, sowie Myrtle
Elyyn auf, eine Pianistin, deren Spiel sich seit ihrem letzten Auftreten bedeutend ver-
feinert hat. Sodann folgten der Cellist Josef Malkin und Maria Seret, sowie zum
Todestage Beethovens Frederic Lamond mit einem der Bedeutung des Tages ent-
sprechenden Programm aus den Werken des Meisters, während Frl. Altena ausser den
schottischen Liedern noch die Arie: «Ab perfldo'* mit klangschönem Organ und dramatisch
empflndungswarmem Vortrag beisteuerte. Otto Baldamus
FLENSBURG: Das hiesige Musikleben steht unter keinem günstigen Stern. Die Stadt,
die 60000 Einwohner ziblt und den Mittelpunkt der ganzen nördlichen Provinzhilfte
von Schleswig-Holstein bildet, besitzt die grösste Schiffsreederei von ganz Preussen und
damit eine sehr bedeutende Wohlhabenheit, allein die geistigen Interessen treten allzu-
weit zurück hinter Geselligkeit und Vergnügungen leichtwiegendster Art, unter deren
Vormundschaft sich zumeist die Kunst begeben muss, will sie überhaupt gehört werden.
Der Gang der Entwicklung im letzten Jahrzehnt ist betrübend, aber für viele Städte
kennzeichnend. An der Spitze der musikalischen Faktoren steht der „Gesangverein**,
in dem — cantare a non cantando — 40 singende Mitglieder 1720 nichtsingenden gegen-
überstehen. Seinem äusseren Wachstum läuft, nicht ohne innere Wechselbeziehung, das
Absterben eines früher grossen Dilettanten-Orchestervereins und das Zurückgehen der
schwer um ihre Existenz kämpfenden wirklichen Chorvereinigungen parallel — des
kunsterzieherisch Wichtigsten, was die Provinz vielleicht, was das Musikleben überhaupt
kennt. Musikleben aber ist kein träger, passiver Musikkonsum, zu dem man sich alle
8 Tage einmal in weiteren Zirkeln trifft, und wenn es «Namen* von internationalster Ab-
stempelung gilt kennen zu lernen — es ist aktives, begeisterungsfreudiges Einsetzen der
eignen Persönlichkeit zur Ermöglich ung grosser, gemeinsamer Aufgaben oder aber intimer,
herzenswarmer Pflege von Hausmusik. Flensburg ermangelt beider. — Bemerkenswertere
Aufführungstatsachen sind ausser E. Magnus' populären Kirchenkonzerten drei zu ver-
zeichnen: Mozarts Requiem (E. Fromm), Heinrich Schütz' Historia vom Leiden und
Sterben Jesu Christi in Riedelscher Zusammenfassung der 4 Passionsmusiken des Meisters
(E. Magnus) und Felix Draesekes »Columbus* (Lehrergesangverein, der Unterzeichnete).
Von auswärtigen Gästen verdienen an erster Stelle Erwähnung das Brüsseler Streich-
quartett, das Vokalquartett Grumbacher de Jong - Behr - Reimers - Eweyk,
O. Metzger, Scharwenka, Loritz; als einzige hervorragendere Orchesterdarbietung
in Flensburg soll auch des Beethoven- Wagnerabends der Hamburger Gesellschaft der
Musikfreunde unter Dr. Mayer-Reinach gedacht werden. Dr. Hermann Stephani
FREIBURG i. Br.: Das Hauptereignis der Saison war das am 5. Mai stattgehabte
VII. Städtische Symphonie-Konzert unter Felix Mottl, dessen Programm «Euryanthe*-
Ouvertüre von Weber, 8. Symphonie von Beethoven, Vorspiel und Liebestod aus »Tristan
und Isolde*, „Siegfried-Idyll** und »Meistersinger-Vorspiel* der eminenten Leistungs-
fähigkeit des genialen Dirigenten ein reiches Feld bot. — Wenige Tage später erschien
im Kolosseumssaale das Münchener Kaim-Orchester mit Georg Schn6evoigt an
der Spitze. Das Programm enthielt die Beethovenschen Symphonieen in B-dur und
c-moU nebst der III. Leonore-Ouvertüre; Herr Schn6evoigt, der auswendig dirigierte,
rechtfertigte den guten Ruf des Orchesters auf das vollständigste und erzielte reichen
Applaus. Victor August Loser
GIESSEN: In dem abgelaufenen Konzertjahr hat der Giessener Konzert-Verein
sein Programm in zehn Konzerten zur Ausführung gebracht. Von den zwei Orchester-
19^
268
DIE MUSIK V. 22.
konzerten brachte ans das erste klassische Masik mit Teresa Carre&o am Klavier
(Beethovens c-moll Konzert), das zweite moderne Werke (Liszt ^Pröludes*, R. Stranss
«Don Juan*, R. Wagner »Meistersinger^vorspiel) mit Katie v. Roerdanz, in der wir
eine sehr intime Interpretin stimmungsvoller Gesinge kennen lernten. — Von den drei
Solistenabenden erfreute uns der erste mit Liedern und Duetten, die Hans B uff- dessen
mit Erika Wedekind unter der vorzuglichen Begleitung von Hermann Kutzschbach
aus Dresden zu Gehör brachte. In einem eigenen Klavierabend hörten wir dann
Wilhelm Backhaus mit dem Rubinsteinpreis-Programm. Dem Künstler war ein ganz
aussergewöhnllch grosser Erfolg beschieden, den er wohl in erster Linie seiner nr^
wüchsigen, durch keinerlei Künsteleien beeinflussten Spielweise zu verdanken hat« Am
dritten Abend lernten wir in Hermann Zilcher, als Begleiter von Alezander Petschni*
koff, nicht nur einen feinsinnigen Begleiter, sondern auch einen vorzüglichen Pianisten
kennen. An drei Kammermusikabenden hörten wir das „Giessener Trio*: G. Traut-
mann, A. Rebner und Johannes Hegar, von deren Darbietungen wir in erster Linie
ein Trio von Enrico Bossi, sowie das Doppelkonzert für Violine und Violoncell von
Brahma mit Klavierbegleitung hervorheben wollen. Diese Kammermusikvereinigung,
die in Giessen seit Jahren regelmlssig der Kammermusik neue Freunde gewinnt, gewfthrt
an ihren Abenden jungen Sängern oder Sängerinnen Gelegenheit, bekannt zu werden:
als solche hörten wir diesmal Louise Schmidt (Berlin-Halensee), Ida Kuhl-Dahlmann
(Köln) und Käte Hauffe (Frankfurt). An den beiden Chorabenden brachte der Verein,
in Verbindung mit dem akademischen Gesangverein, Mozarts Requiem (Solisten
das Frankfurter Vokalquartett) mit der Maurerischen Trauermusik, sowie Bachs h-moll
Messe zur Ausführung. In letzterer wirkten als Solisten mit H. Brüggelmann,
Agnes Leydhecker, Anton Kohmann, Emil Liepe, sowie A. Hempel, der Organist
des Kaimsaals in München. Das Orchester des Konzertvereins wird nach wie vor
gebildet aus der durch auswärtige Künstler verstärkten trefflichen Kapelle des Infanterie-
Regiments Kaiser Wilhelm zu Giessen. Spohr
KIEL: 7. Schleswig-Holsteinisches Musikfest. Am 17. und 18. Juni waren
hier insgesamt 10 Chorvereinigungen der Provinz versammelt, vertreten durch
ca. 550 Singende, dazu ein Orchester von ca. 00 Mitgliedern, für das das hannoversche
Hoforchester den Stamm stellte, um unter der zielsicheren, vornehmen Leitung von
Bernhard Stavenhagen aus München das Musikfest zu begehen. Das erste Konzert
wurde durch Wolf-Ferrari's »La vita nuova* eröffnet. Der Tezt (nach Dante) t)e-
handelt des Dichters Beatrice-Liebe, die in dem Neunjährigen zu der um ein Jahr
jüngeren Tochter eines florentinischen Bürgers aufspross, die später dem Dichter ein
schwärmerisch angebetetes Symbol ward, dem er seinen ganzen Herzensdienst widmete,
etwa in der Art ritterlichen Minnedienstes. In Kanzonen und Sonetten, von poetischer
Prosa unterbrochen, preist er diese Liebe. So entstand ein Werk von verschwiegener Schön-
heit, das sich ganz von der realen Welt abwendet. Es führt sein Leben im symbolistischen
Schwelgen, in blutleeren, schemenhaften Gestalten, die sich phantastisch bilden und
wieder zerrinnen, im Nebel einer ätherfeinen Empfindungswelt. Diese ätherische, stoff-
lose Welt überschwenglicher Empfindungen hat Wolf-Ferrari in Töne gekleidet. Seine
Musik steht kongenial unter dem Zwange des poetischen Vorwurfs und bewegt sich In
unreal anmutenden Klängen. Wie die Dichtung nur eine Stimmung kennt, so musste
auch die Musik auf eine Stimmungsgleichmässigkeit gestellt werden, die dem Kunst-
werke Gefahr bringen kann, insofern von der Gleich mässigkeit zur Einförmigkeit kein
grosser Schritt ist. In der Tat wirkt schliesslich ermattend, was zuerst bunt und viel-
gestaltig anmutete. So ergeht es auch diesem Werke wegen seiner ätherischen Gleich-
stiromigkeit und um seiner zarten, blassen Farben willen, um die der Komponist nicht
^269
KRITIK: KONZERT
herumkommen konnte. Dieser Gefahr sucht Wolf-Ferrari durch verblüffende Klang-
kombinationen zu begegnen, die verschiedentlich zu wirklichen Neuklingen (z. B. im
Engelreigen, wo Streichinstrumente, Klavier, Harfen und Pauken sich zusammenfinden,
om ein Stficklein von höchster Originalitit zu schaffen) gefuhrt haben. Der Komponist
beweist nicht nur iusserlich durch Einigung eines Prologs und eines «Intermezzo*
seine Bekanntschaft mit den modernen Meistern seines Landes. Als Ferrari bewegt er
sich in musikalischen Latinismen; als Wolf, als Sohn des deutschen Malers Wilhelm
Wolf, zeigt er deutsches Tonempflnden. So kommt ein Italiener heraus mit deutschem
Einschlag, aber doch mehr Italiener als Deutscher. La vita nuova ist ein hoch inter-
essantes, klangvolles Werk, neu und eigenartig, die willkommene Gabe eines illustren
Künstlers, ein wirkliches, von deutschen Gemütern zwar als Spezialitit zu geniessendes
Kunstwerk, aber die Tat eines wirklichen musikalischen Schöpfers. Joseph Loritz sang
die schwierige Bariton-Partie mit souveriner Sicherheit und in gewlbltem Vortrag, der
die visionire Exaltation, die selige Verschlossenheit der Töne eindrucksvoll darstellte.
Insgesamt fand das Werk durch Chor und Orchester eine würdige, gehaltvolle Wieder^
gäbe, ohne überall die sublimsten Feinheiten zu erschöpfen. — Es folgte von Job. Seb.
Bach die Kantate für Doppelchor und Orchester „Nun ist das Heil". Das Werk ist
ein Torso, den wir nicht missen möchten, dessen Ergänzung niemandem leicht gelingen
würde. Ein gewaltiges Stück Musik, voll Heil und Kraft und Macht, ein Denkmal
deutscher Kunst, gegossen aus Tönen von Erz, erbaut aus Quadern wuchtiger Harmonieen.
Das Werk hinterliess, von Stavenhagen zwar In einem überschwer akzentuierten Tempo
dargeboten, einen tiefen Eindruck. Das Vorspiel zum dritten Akt und die Festwiesen-
szene aus den Meistersingern beschloss das Konzert Man hatte den Beckmesser sans
ftQon gestrichen, hatte aber die auf Beckmesser bezugnehmenden Reden des Volkes
ruhig stehen lassen, hatte auch sonst allerlei amputiert und wieder zusammen-
geflickt, so dass ein sehr merkwürdiges Wagner-Fragment herauskam. Aber auch so
erlag das Publikum der sieghaften Kraft und der Selbstherrlichkeit Wagnerscher Musik.
Auch soll nicht verschwiegen werden, dass in dem »Wach auf* -Chor und etlichen
anderen Episoden hervorragende Wirkung erzielt wurde. Genannt sei von den Solisten
Ludwig Hess, der klangkriftig und belebt Walter Stolzings Preislied sang. — Das
zweite Konzert brachte eine Weihnachtsmusik von dem Altonaer Komponisten Felix
Woyrsch, »Die Geburt Christi*. Woyrsch behandelt den Bibeltext als rechter
Musiker-Poet, dem die kleinen rhythmischen Feinheiten der Sprache nicht entgehen und
der sich in der Bildung seines Melos von dem natürlichen melodischen Tonfall eines
pointiert-musikalischen Sprechens leiten Iftsst Er geht dem Worte nach, ohne sich
sklavisch an das Wort zu ketten. Er bleibt immer in der jeweilig angeschlagenen Grund-
stimmung, doch lisst er oft das einzelne Wort zu einem poetischen Programm für seine
Musik werden. In seiner Weihnachtsmusik findet sich (wie in seinem Passions-
Oratorium) eine glückliche Verbindung des klassischen Charakters mit modernem Geiste.
Diesem Zusammenklange beider Elemente fehlt glücklicherweise die Lauheit des
Eklektizismus, das Hinken auf beiden Seiten. Ungesucht und doch gewählt vornehm
sind seine Mittel, mit denen er schaltet. Ruhig, edel, von Innerlichkeit getragen, schlicht,
begabt mit einem volkstümlich anmutenden Charakterzuge, so tritt seine Musik über-
zeugend vor den Hörer. Das Werk fand unter der schwungvollen Leitung des Kom-
ponisten eine sehr warme Aufnahme und hinterliess einen nachhaltigen Eindruck. Es
war ein Höhepunkt des Musikfestes. Ausser den bereits genannten Solisten wirkten
noch mit Frau Grumbacher de Jong, Frau Schnabel-Behr, Herr Hess van der
Wyk und Artur Schnabel, der mit dem Vortrag von Beethovens G-dur Konzert eine
höchsten Lobes würdige Leistung bot. Die GesangsspUsten vereinigten sich noch zu
270
DIE MUSIK V. 22.
der Btimmungsvollen Wiedergabe der j^Neuen Liebealieder" (zweite Serie der Liebes-
walzer) von Brahma. Den Scbluaa dea Musikfeatea machte Brucknera neunte
Symphonie mit Te Deum. Der erate Satz dieaer Symphonie ateht unter dem Zeichen
einer abrupten Thematik. Aber ea handelt aich um ein mächtigea Klanggebilde. Ein
groaaea, feierlichea Wachaen und Werden, ein feinea Bilden und Geatalten, dann wieder
in heftigem Aufeinanderdringen türmen aich Klangmaaaen auf, in zackig aprunghaften
Intervallen zur Höhe greifend. Ein wirklichea Chaoa, ohne SchSpfungamorgen. Ein
tollea Scherzo folgt, dann ein myatiachea Adagio mit angehingtem Te Deum. Ea iat
eine reiche, kühne Muaik. Der Featdirigent Stavenhagen leitete die Symphonie achwung-
▼oll; daa Orcheater apielte mit Hingebung. Daa Te Deum zwar klang choriach atarr.
Daa Werk fand, wie zu erwarten war, geteilte Aufnahme beim Publikum, daa aber doch
die Grösae Bruckneracher Kunat empfand und alle Mitwirkenden durch reichen BeifiU
auazeichnete. Daa 7. Schleawig-Holateinische Muaikfeat brachte vielea,* worüber man
aich freuen konnte. Aber ea begeiaterte nicht. Hana Sonderburg
KÖLN: Die deutache Kunatauaatellung 1006 beaitzt in dem von Peter Behrena ge-
achaffenen «Tonhauae* einen für aeine Zwecke ganz vorzüglich geeigneten, alao
zunächat akuatiach tadelloaen, dann aber auch hinaichtlich der Auaatattung aehr atil- und
atimmungavollen Kammermuaikaaal, der nur 140 Peraonen Raum gewihrt. Die Serie
der aich über den ganzen Auaatellungaaommer eratreckenden Aufführungen wurde am
19. und 20. Mai in einem Abend- und einem Vormittagkonzerte durch daa Joachim-
Quartett in vornehmater Weiae inauguriert. Die Künatler brachten zunichat Mozarta
Streichquartett Ea-dur, Beethovena f-moll und Haydna G-dur Quartett zu Gehör, um dann
Schumanna Streichquartett F-dur und, zuaammen mit Robert v. Mendelaaohn ala
zweiten Celliaten, Schuberta Quintett C-dur folgen zu laaaen. Bei der dritten Ver-
anataltung am 27. Mai errangen Karl Friedberg und Johannea Meaachaert vor über-
fülltem Saal einen auaaerordentlichen , fast ala sensationell zu bezeichnenden Erfolg.
Friedberg apielte Schuberta Impromptu, Werk 142, Schumanna Traumeawirren und Brahma'
Capriccio d-moll, Werk 116, spiter von Chopin daa Fis-dur Impromptu und die Aa-dur
Polonaise, Werk 53, mit auserlesener Feinheit der geistigen Interpretierung und meister-
lich in allem Techniachen. Mit einer achönen Auawahl von Liedern von Schubert,
Brahma und Richard Strauaa zeigte aich Messchaert wie gewöhnlich ala ein Triumphator
dea Kunatgeaanga. Dritter im vielvermögenden Dreibunde war Fritz Steinbach, der ea
nicht verachmihte, aeine Künatlerachaft als Begleiter in den Dienat der achönen Sache
zu atellen. — In einem „Volkakonzert" brachte Fritz Steinbach am 11. Juni in
Gürzenich bei kleinen Eintrittspreisen eine vortreffliche Aufführung von Mendelssohns
^yEliaa", die indea lediglich aus Gründen nicht genügender Vorsorge von selten dea be-
treffenden Verwaltungsbureaua leider ziemlich schwach besucht war. Als Solisten wirkten
Jeannette Grumbacher-de Jong, Therese Behr, Paul Reimera und Arthur van
Eweyk; weiter atanden daa atidtiache Orcheater und der Gürzenich-Konzertchor im
Dienate der von Steinbach ao gut gemeinten populSren Veranataltung. — Auch die am
12. Juni atattgehabte vierte Aufführung im Tonhauae der Kunstauastellung war von
groaaem künatleriachen Erfolge begleitet. Das von Jeannette Grumbacher-de Jong
geführte Vokalquartett bewShrte in dem kleinen Kammermuaikaaale die bekannten
Vorzüge dieaer Vereinigung im vollaten Masse mit einer trefflichen Auswahl von Ge-
aingen von Schubert, Haydn und Brahma. Bei Fritz Steinbacha feinainniger Flügel-
begleitung, die wiederum einen äuaaerst willkommenen Faktor zum Gelingen auamachte,
kam der Gehalt der verachiedenen Gesänge zu überaua gewinnender und charakteriatiacher
Wirkung. — Zur fünften Kammermuaik- Aufführung im Tonhauae der Kunat-
auaatellung hatte aich der auagezeichnete Klarinettiat Richard Mühlfeld von Meiningen
271
KRITIK: KONZERT
mit dem Gurzenich-Quartett der Herren Bram Eidering, Karl Körner, Josef Seh wartz
und Friedrich Grützmacher verbunden, um das Mozartsche Klarinettenquintett A-dur
und dasjenige von Johannes Brahms in h-moll zu reinstem Genüsse zu vermitteln.
Femer spielten die Kölner noch Dvofüks F-dur Quartett. Dass sie auch dieses Tonwerks
Eigenart voll erschöpften, bedarf nicht sonderlicher Versicherung. Paul Hill er
RIO GRANDE DO SUL: Musikalische Ereignisse ersten Ranges sind nicht zu ver-
zeichnen. Die besten Darbietungen bot eine 13 jihrige Pianistin, Magdalena Taglia-
ferro aus Sao Paulo, die in Stücken von Bach, Chopin, Grieg, Saint-SaSns usw. nicht
nur eine aussergewöhnliche Technik, sondern auch ein weitgehendes Verständnis
dokumentierte; ein Repertoire von 80 Nummern bekundet daneben ein glSnzendes Ge-
dächtnis. — Der Klub Haydn in Porto Alegre förderte in seinen drei letzten Konzerten
(3&-— 40.) wieder das VerstSndnis guter, meist klassischer Musik, der man sonst in ein-
heimischen Kreisen ziemlich abhold war. Die Konzerte werden jetzt fast ebensosehr
von Brasilianern als von Deutschen besucht. Beethoven, Haydn und Mozart fehlen in
keinem Programm, daneben figurieren zuweilen auch Vagner und von Nationalkomponisten
Carlos Gomes. Fr. Köhling
T SINGTAU (Kiautschou): Im Winter 1905—1906 sind zwei für das musikalische Leben
unserer Kolonie erfreuliche Ereignisse zu verzeichnen. Zunächst die kurz nach
Neujahr erfolgte Fertigstellung eines zum «Hotel Prinz Heinrich" gehörigen Konzert-
saales. Er ist in einfachen, aber geschmackvollen Formen gehalten, fasst etwa 600 Personen
und hat eine gute, bei nicht völlig gefülltem Räume sogar einstweilen zu gute Akustik.
Damit ist die frühere Misere der Konzerte in den unzulänglichen Räumen des Seemanns-
hauses endgültig beseitigt. Das zweite Ereignis ist die nach allerlei Schwierigkeiten zu-
, Stande gekommene Gründung eines Vereins für Kunst und Wissenschaft. Er hat
unter anderem die Pflege guter Musik auf sein Programm gesetzt und will namentlich
für auswärtige Künstler das Arrangement von Konzerten besorgen. ^ Die Grundlage der
musikalischen Darbietungen bilden die jähriichen 4 — 5 Symphonie-Abende der aus
42 Musikern bestehenden Kapelle des III. Seebataillons unter Leitung ihres begabten
und strebsamen Dirigenten O. K. Wille. Vornehme Programme und sorgfältige Vor-
bereitung sind ihnen nachzurühmen; unter anderm gelangten zur Aufführung: Beethovens
Pastorale, Ouvertüre «Weihe des Hauses" und Oktett für Blasinstrumente, Symphonleen
von Haydn (D-dur), Schumann (B-dur), Goldmark (Ländliche Hochzeit) und Mendelssohn
(Schottische), symphonische Dichtungen von Berlioz (Bruchstücke aus „Romeo und Julie*)
und Liszt (Tasso), Serenade von Weingartner, Berlioz' Ouvertüre zu «Benvenuto Cellini"
und sogar das Tristan- VorspieL Auch die im allgemeinen der leichten Musik gewidmeten
sieben oder acht populären Konzerte weisen stets einen höheren Ansprüchen genügenden
Teil auf. — Auswärtige Künstler haben im vergangenen Winter Tsingtau nur wenig besucht.
Prof. August Junker aus Tokio, Marie Kayser (jetzt Frau Generalkonsul von Syburg) aus
Yokohama und der vielgereiste Albert Friedenthal aus Berlin, die in der Zeit von 1903
bis Anfang 1905 hier Lorbeeren ernteten, sind leider nicht wieder gekommen. Erst gegen
Schluss der Saison erschien als freudig begrüsster Ersatz eine junge Frankfurter Geigerin,
Anna Schäfer, und spielte mit schönem Ton und hervorragender Technik Bruchs
g-moll-Konzert, Beethovens Sonate F-dur, op. 24, Bachs Chaconne und Wagners Träume.
Von den hiesigen Dilettanten unterstützten sie Dr. Frey er (in Bachs Doppelkonzert für
Violine), Schümann und der Unterzeichnete (am Klavier), am wirksamsten aber ein
hiesiger Musikfreund durch Zurverfügungstellung eines prachtvollen Steinweg-Flügels.
Dr. Georg Crusen
Wesen Raummangels mussten ffir das nichste Heft zurQckgestellt werden die Berichte : Gotha, Rio Grande (Oper) ;
BrombeiSi Cincinnati, Gotha, Jena Paris, Speyer, Stoclsholm, ZwlcJcan (Konsert).
Den tnwa Teil der Perger'schea VerOffenrlfcbuac illuitrieren wir durch eine Abbildonc
dei Geburisbausei von Joief Rbeinberger nach efaem Aquarell. In dem dicht
dineben gelegenen Klrchleln veraib der Sieben]ihrlge dai OrtaDlstenamt. Du
ivelte Bild lelgt uns dea vlenehnj Ihrigen Rbeinberger nach einer Pbotogripble
Tom 30. Juni 1853.
CDnalinz Bernekers Bild lei die Beigabe lu dem Antkel, den Ernst Olto Nodaa|el
dem Entachlafenen In dleaem Hefte widmet.
Die folgenden drei Blitter bringen Portrl» solcher bei den dlesllhrlgen Bayreuiher Fest-
spielen mitwirkenden KQnstler, deren Bilder die .Musik" blaber noch nicht ver-
Sffenilicbt hat: Martha Leffler-Burckard (Kundry), Alois Hadwlger (ParslM);
Marie Tltllch (Isolde), Dr. Alfred von Barr (Tristan); Kstbarlna Flelacher
Edel (Slegllnde^ Peter Cornelius (Siegmund), Allan Hlnckley (Hagen). Heb
20/21 des I. Jahrgangs enthielt die Portrita von: Peliic Moni, Hana Richter,
Carl Muck, Siegrrled Tagner, Julius Knlese, Frltt Friedrichs, Hans Breuer,
Alois Burgstaller, Anton van Rooy, Theodor Bertram, Emat Kraua, Erik
Scbmedes, Erneatine Scbumann-Kelnk, Emmy Destlnn, Ellen Gulbranson,
Carl Perron, Paul KnQpter, Dr. Felix von Kraua, Hans SchGti.
Ober die MuBlkbeilage bitten wir den Leser daa nihere in dem Nodnagelschen Artikel
S 228 nachlesen tu wollen.
«rUatler oder Blchi iufcaKldeiar Manutkripte, Mli Ibnn
II dit RcdikiroD kt[B* Girut[e. S<!hnr leKrlJcki MinuikrlpM «c
lorOekEHindL
Vercutwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
Berlin W. 57, BOlovstrasse 107 ■■
JOSEF RHEINBERGERS GEBURTSHAUS IN VADUZ
JOSEF RHEINBERGER
im Alter von 14 Jahren
CONSTANZ BERNEKER
t 9. Juni 1906
MARTHA LEFFLER-BURCKARD
ALS KUNDRY
ALOIS HADWIGER
ALS PARSIFAL
BAYREUTHER BÜHNEN FESTSPIELE 1906
MARIE WETTICH
ALS ISOLDE
DR. ALFRED VON BARY
ALS TRISTAN
BAYREUTHER BÜHNENFESTSPIELE 1906
KATHARINA FLEISCHER-EDEL
ALS SIEGLINDE
PETER CORNELIUS
ALS SIEGMUND
ALLAN HINCKLEY
ALS HAGEN
BAYREUTHER BÜHNENFESTSPIELE 1906
,- •• ' l"» •
^« '
• ♦
KATHARISH msOB-iy
ALSSKLU-
~J
8
ll'^J I ^ iJ I
J = 60
d z^eo
l^tv j MI ha^
nug hat - te in meinem Haupt, ondmei-ne Au - gen Thrä - - nenquellen
P^ \\ ' Irr r ir Kl''
wa-ren,
Ach^Bsich Was - ser ge - nug hat - te in meinem Haupt ,
^
i
d4m.
i
^' \^—r
^
r^Tf
M
evesc.
5
und mei-ne Aa - gen Thrä -
- nen - qnel -
• len
eUm.
fe
* J J i-J
l^i i
dass ich Tag und
oresc.
rfr^^-+r
Nacht be - wei* - nen möclhte die Br-Bohla-ge-nen Inmei-nem Volk!
6
^^
CTBSCm
JBEL
^
|J I If ^-1 I
das8 ich Tag nnd Naolit be - wei - nen
tf"''\'^"'VV'kM'^-t::^^
?
^ap
'i JiJ J ' k t
Ot^SCm
^
^
l
i
^
möelKte die Et - sehla - ge-nan
inmei - nem Volk, be - wei - nen
nng h&t
te In mel4ieiD Haupt)
und mel - ne An - gen
OTBSe,
Ttarä -
- nenquel -len wä - ren ,
F^ r I f p^
aeli, dass Ich Was * ser ge -
r J J ij
i
nng liitt - - te in meinem Haapt,
und mei - ne An - - gen
8
Ij ,1 II
ver - sto-sse nicht
j. yj I
f
^^
r
^
J nJ '
cr0«e.
r -I ir'^
e - wig - lioh,
rieh - te wie- der auf
die
läa * 8i-|f6ii
P^
i
dvn.
i J J
J |J J I 1^
■^^"^^ ■ ■ — <^li^W 11 11 »■ ■■■l| W»! ^1— ^^«
pdim.
H&n - de
und die
^
Ig :,
mü
den Knie - e,
die
stich n. Omeki B«rlliier Musikalien Druckerei O.ra.b. H. Charlottonlrarg.
DIE MUSIK
»Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst.* Und sie strahlt ihre
Heiterkeit in den Ernst des Lebens hinein. Wenn wir auch nur
durch ein Bild, eine Melodie, ein Gedicht inne geworden sind,
dass das Ideale kein Traum, sondern Tatsache, dass die Einigung
des Geistes und der Natur, des Unendlichen und Endlichen nicht
bloss möglich, sondern vollzogen ist, so glauben wir an die Lösung
der Rätsel und Widerspräche auch auf anderen Gebieten, so haben
wir einen Hafen des Friedens im Sturme des Krieges, ein Paradies
in der Wildnis gefunden, so halten wir fest an dem Vollendeten
und dem wahrhaft Wirklichen und nehmen alles andere als Trübung,
die sich lichten, als Halbheit, die sich ergänzen, als Sehnsucht,
die sich erfüllen wird.
Moritz Carridre
V.JAHR 1905/1906 HEFT 23
Erstes Septemberheft
Herausgegeben von Kapellmeister Bernhard Schuster
Verlegt bei Schuster & Loeffler
Berlin und Leipzig
J. G. Prod'homme
Filiden Divids Reise nach Oeutscbland (1845)
Ungsdnickt« Briete
Dr. Haxlmilian Kunze
Carl Loeve nnd die Vogelwelt. I.
Jodocus Perger
Ans Josef Rbelnbergers Leben nnd Scbafffen
NKb penSolicheo Erianeraiicen sowie nach bis jetzt iiD*er-
StfeatllGtaten Doknmaaien. IL
Besprectanngen (BQcher nnd Musikalien)
Revue der Revueen
Umschau (Neue Opern, Aus dem Openirepertoire,
Konzerte, Tagescbronik, Totenschau)
Kritik (Oper nnd Konzert)
Anmerkungen zu unaeren Beilagen
Knnstbeilagen
Anzeigen
DIE MUSIK enehdoi nonatUch ivdfli«L AbaaneaicQiiprdi fDr du
Quarttl 4 Mark. AboPDcmeiitaprala flir den Jaliriant 15 Mark. Preii
de« eiDidncn Hefte« 1 Mark. Viertel Jabraelnbaaddecken 1 I Mark.
Saininelk««(eD ror dl« KunaibetlageD dea (aiuea Jahr(aiicB 2,90 Mark.
Abonnemean durch iede Buch- und MnaikalJenhandluob Mr kleine
Plltze ohne Bnchklndler Bezni durch die Pon.
FfiLICIEN DAVIDS REISE NACH
DEUTSCHLAND (1845)
UNGEDRUCKTE BRIEFE
mitgeteilt von J. G. Prod'homme- Paris ')
|61icieii David*) war za jener Zeit 35 Jahre alt. Seine Symphonie-
Ode «Die Wfiste* hatte soeben am 8. Dezember 1844 in Paris*)
einen allerersten Erfolg davongetragen. Am Abend zuvor war
der junge Tonsetzer für das grosse Pariser Publikum eine noch
völlig unbekannte Persönlichkeit, am andern Morgen befsnd sich sein Name
in aller Leute Munde, und Monate hindurch setzte das Werk seinen Sieges«
zug in der Provinz und ebenso im Ausland fort. Im FrQhjahr 1845 unter-
nahm David selbst eine Reise nach Sudfrankreich, nach Lyon, Marseille
und Aiz-en-Provence, wo er seine Erziehung erhalten hatte, und brachte
überall sein Werk erfolgreich zur Aufführung.
Nachdem er sich darauf ein paar Tage wieder in Paris aufgehalten
^) Ans dem Franiöslscben von Willy Renz.
') Der hervorragende französische Tonsetzer, dessen Todestag sich am 29. August
d. J. zum 30. Male Jihrte, ist der heutigen Genention in Deutschland Hut nur mehr
dem Namen nach bekannt Im zweiten Drittel des vorigen Jahrhunderts Händen nicht
nur seine .Orientalischen Gesinge* und sein symphonisches Tongemllde »Die Wfiste*
auf deutschen Konzertprogrammen hinflg ihren Platz, auch seine Oper »Lalla Ronkh*
erachien mit Erfolg auf manchen Bfihnen unseres Vaterlandes. Davids abenteuerliche
Reise nach dem Orient, die er nach der Aufhebung der Salnt-Simonisten-Gemeinde
als einer ihrer eifrigsten, fiberzeugtesten Antalnger unternahm, und die dabei ge-
wonnenen Eindrücke waren von nachhaltigstem Einflnss auf sein gesamtes spiteres
kfinstlerisches Schaffen. Er ist der musikalische Orientalist par ezeellence und er-
weist sich auf diesem eng umgrenzten Spezialgebiet als ein Kfinstler von originaler
Erfindung und Gestaltungskraft, als ein Meister zart ezotiicher Lyrik, stimmungsvoller
Situationsmalerei mit starker Betonung der Lokalfirbe. Diese Einseitigkeit, so souveriln
er sie handhabte, war der Vorzug, aber auch die Schwiche von Davids tonsetzerischem
Schaffen; er hat im Grunde genommen ans seiner «Wfiste* nie mehr heransgefanden.
Den ungeheuren Erfolg dieser Symphonie-Ode, die mit Ihrer Verachmelzung von In-
strumentalsitzen und Gesangsnummem lange Zelt die einzige Nachfolgerin von Berlioz*
»Romeo- und Julle-Symphonle* blieb, hat keines seiner spiteren Werke wieder er-
reicht Kflnstlerisch auf gleicher Höhe stehen einzelne Teile der »Lalla Roukh", vor
allem der erste Akt, eine Anzahl seiner »Orientalischen Gesinge*, sowie manche
Partleen des »Moses*. [R.]
*) Im Konservatorium.
20^
276
DIB MUSIK V. 23.
hatte, trat er zu Beginn des Mai 1845 seine erste Reise nach Deutschland
an. Mit Hilfe seiner Saint-Simonistischen') Freunde stand David in fort-
währendem Briefwechsel mit dem «Vater* Enfantin,*) dem Oberhaupt
der religiösen Gemeinschaft, deren Händel mit der Juli-Regierung im Jahre
1832 grosses Aufsehen erregt hatten. Im .Fonds Enfantin", der gegen-
^) Sftint-Slmonismus heitst die sozialistische Schule, die in Frankreich nach
des Grafen Claude Saint-Simon (1760— 1S25) Tode dessen Anhinger grQndeten. Der
Saint-Simonismus ist keineswegs identisch mit der Lehre Saint-Slmon's; seine Junger
haben auch neue und teilweise von den seinigen abweichende Dogmen aullgestellt.
Als sein Ideal betrachtete der Salnt-Simonlsmus eine allgemeine Verbrfiderung aller
Menschen zum Zweck der friedlichen Arbeit. Die neue polltisch-sozlale Lehre gipfelte
darin, dass durch eine gerechtere Ausgleichung des Eigentums dem Zuftül, der jetzt
das Los der Menschen lenke, abgeholfen werden, dass zu dem Zweck das Erbrecht
der Familie aufgehoben, das hlnterlassene Vermögen in die Hand des Staates gelegt
und mittels eines verzweigten Banksystems nach dem Grundsatz verteilt werden sollte:
Jedem nach seiner Fähigkeit; jeder Fähigkeit nach ihrer Arbelt* Die Schule hatte
Verzweigungen in zahlreichen Städten Frankreichs. [R.]
*) Barth61emy Prosper Enfantin (1796—1864), Sohn eines Banklers, trat 1812 in
die polytechnische Schule, die er 1814 wegen Teilnahme am Kampf gegen die Ver-
bfindeten auf den Höben von Montmartre verlassen mnsste. Er wurde Handlungs-
reisender und war in Petersburger und Pariser Bankhäusern tldg. Nach des Grafen
Salnt-Slmon Tode wurde er ein Hauptvertreter seiner Schule und trat, als die Salnt-
Slmonisten eine gesellschaftliche Organisation annahmen, als »P6re*, als geistliches
OI>erhaupt und Papst der Salnt-Slmonlstischen Zukunftskirche an ihre Spitze. Seine
Lehre von der Velbergemeinschaft f&hrte 1831 zu einer allgemeinen Spaltung. 1832
zog sich E. mit 42 Getreuen (darunter auch F611clen David) auf sein Landgut In der
Vorstadt M6nllmontant zurfick, wo sie eine salnt-slmonistische »Familie* bildeten. In
demselben Jahre wurde die Gesellschaft von der Regierung aufgelöst und E. zu zwei
Jahren GeAngnls verurteilt. Den nach einigen Monaten aus der Haft Entlassenen
finden wir kurz darauf In Egypten als Ingenieur des Pascha mit Arbeiten am NU und
dem Plan einer Kanalisierung der Landenge von Suez beschäftigt. Nach seiner RQck-
kehr in die Heimat wurde er Postmeister in der Gegend von Lyon, spiter Mitglied
der wissenschaftlichen Kommission von Algler, die Im Auftrage der Regierung die
Kolonisationsfrage dieses Landes untersuchen sollte. Nach der Februarrevolution gab
er kurze Zelt das Blatt »Le Cr6dit public* heraus. Seine Hauptschriften sind: »Traitö
d'fconomie politique* (1830), «La religlon Salnt-Simonienne* (1831), .Colonlsation de
l'Algirle* (1843). — Dieser merkwfirdige Mann bat, wie auf seine andern Jfinger, so
auch auf F611clen David einen nicbt geringen Einfluss ausgefibt. Es bleibe dahin-
gestellt, ob dieser Eiofluss In allen Punkten ein segensreicher gewesen ist, jedenfalls
mutet die röhrende FGrsorge des »Vaters* für Davids geistiges und leibliches Wohl-
ergehen, för seine k&nstlerlsche Entwicklung und Weiterbildung, wie sie sich in den
hier veröffentlichten Briefen erweist, ungemein sympathisch an. Auch sein nicht ge-
ringes Verstindnis ffir Fragen merkantiler Natur geht daraus zur Evidenz hervor.
Desgleichen liest der Briefwechsel die bestechende Suada und die fascinierenden
persönlichen Eigenschaften ahnen, über die Vater Enfantin nach allgemeinem Urteil
in reichem Masse verfQgt haben giuss. [R.]
277
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
wältig in der Arsenals-Bibliothek^) aufbewahrt wird, haben sich die Briefe
gefunden, die wir nachstehend veröffentlichen. Eigenhändige Briefe von
David sind ausserordentlich selten; der Tonsetzer schrieb wenig, so
wenig sogar, dass ihm Vater Enfantin einen Sekretär nachschicken musste.
Er wählte für diesen Posten einen Landsmann Davids: Sylvain Saint-
Etienne, der sich übrigens hartnäckig darum beworben hatte; er war
Musikalienhändler in Aix und wurde später Musikverleger*) in Paris. Die
hier nach den Originalen des «Fonds Enfantin" zum erstenmal wortgetreu
mitgeteilten Briefe besitzen u. E. einen um so höheren Wert. Wir be-
schränken uns auf die erste Reise nach Deutschland, in deren Verlauf
David «Die Wüste*, seine beiden Symphonieen, die Quintette und eine Anzahl
seiner ^Orientalischen Gesänge* unter Beifall zu Gehör brachte und seinen
.Moses auf dem Sinai* schrieb, der im Winter darauf in Paris zur Auf-
führung kam, freilich ohne den glänzenden Erfolg der „Wüste* zu finden.*)
F^liclen David an Vater Eufantin
Lieber Vater,
soeben erbalte ich Ihren Brief vom 25. MaL Ihre Neuigkeiten haben mich zu
gleicher Zeit betrübt und erfreut. Letzteres, soweit es das Konzert und das Ge-
schäftliche anbelangt, ertterea, weil ich merke, dass ich noch auf lange Ihre Gegen-
wart werde entbehren müssen. Aber schliesslich — Gottes und Ihr Wille geschehe.
Ich zögerte so lange mit dem Schreiben, weil ich Ihnen gern Bestimmtes mitteilen
wollte. Gott sei Dank sind es gute Nachrichten, wie Sie gleich aehen werden.
1) Ms8. 7Ö0O— 7761. Diese Papiere, die 1804, dreissig Jahre nach Enfantin's
Tode, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in den letzten Jahren von Henry
d'Allemagne katalogisiert wurden (Allgem. Katalog der in den öffentlichen Bibliotheken
Frankreichs befindlichen Handschriften, Bd. 53, 1904), enthalten die Korrespondenz
und die Archive der Saint-Simonisten. Vgl. über die saint-simonistiache Bewegung
das ausgezeichnete Werk von Georges Weill «L'6cole saint-aimonienne*, ebenao das
neue Werk von Henri Lichtenberger „Henri Heine penseur*.
*) Bei ihm erschien Davids Oratorium .Moses auf dem Sinai*. Wir werden
im Verlauf des Briefwechsels sehen, dass Vater Enfantin mit seinen Leistungen nicht
immer zufrieden war und insbesondere seinen Plan, Davids Verleger zu werden,
eine Zeit lang leidenschaftlich belcämpfte. [R.]
') David schrieb nach der »Wüste* folgende Werke: «Moses auf dem Sinai*
(28. März 1846), »Christoph Columbus* (12. Dezember 1847), »Eden* (25. August 1848;
erlebte nur ein paar AuffQbrungen in der Grossen Oper), »Die Perle von Brasilien*
(22. November 1851 im Th^ätre-Lyrique), »Herculanum* (4. Mirz 1850 in der Grossen
Oper), »Lalla Roukh* (12. Mai 1862). Der »Saphir* und die »Gefangene* hatten nur
geringen Erfolg. Ausser seinen »Orientalischen Gesingen* schrieb David noch zwei
Symphonieen, 24 Streicbquintette (betitelt »Die vier Jahreszeiten*) und zwei Nonette
f&r Blasinstrumente. Die beste Biographie Davids verfasste Azevedo (1863), die
groaaenteils auf den von Sylvain Saint-Etienne in einer Broschüre (Marseille 1845)
niedergelegten Angaben fusst.
278
DIB MUSIK y. 23.
Zuolchtt einmftl habe ich Mendelssohn in Fnnkftirt getroffen, der mich wie einen
Freund, wie einen Bruder aufnahm. Vir sprachen viel von Ihnen; er möchte Sie
gern sehen. In Leipzig fuid ich denselben Empfing von selten des trefflichen Dufonr,')
der mich mit den massgebenden literarischen und musilsalischen Persönlichkeiten
bekannt machte. Ich bitte gern meine Konzerte mit Leipzig eröfftaet, aber leider
fehlte Ferdinand David, der musikalische spiritus rector dieser Stadt. So musste
ich mich, um keine Zeit zu verlieren, nach Berlin wenden, und ich habe gut daran
getan. Ich ging zuerst zu Meyerbeer, der mich mit offenen Armen aufnahm.' Sie
können sich keinen Begriff davon machen, wie liebenswfirdig und zuvorkommend er
gegen mich war. Er teilte gleich dem König*) meine Ankunft mit, u«d dieser befahl
sofort ein Konzert in Potsdam, um sich meine Musik anzuhören.
Meyerbeer regelte alles und leistete mir Dolmetscherdienste bei den Proben.
Letzten Montag fand das Konzert statt. Der ganze Hof war zugegen. Kolossaler
Erfolg. Der König gab das Zeichen zum Beifall. Die Auff&hrung war aber auch
prachtvoll. Diese Chöre I Sie mfissten sich das einmal anhören. Die Symphonie in
Es erzielte weniger Eindruck als das übrige, doch fand auch sie Beifall. Nach dem
Konzert befahl mich der König zu sich. Er beglQckwQnschte mich in der schmeichel-
haftesten Weise, nach ihm die Königin") und die Prinzessin von Preussen.*) Tags
darauf übersandte er mir 60 Dukaten. Die Prinzessin von Preussen wünschte mich
bei sich zu sehen. Meyerbeer ffihrte mich ein; sie war iusserst liebenswürdig zu
mir. Das erste Konzert in Berlin ist auf nlchsten Montag festgesetzt. Soeben
kommen wir von der Probe im Saale des Opernhauses. Die Prinzessin von Preussen
hat ihr beigewohnt und mich abermals herzlich beglückwünscht. Das Programm wird
aus zwei Symphonieen und drei [Orientalischen] Gesingen bestehen: »Der Tag der
Toten", »Die Schwalben" und »Der Tschibouk" — alles ins Deutsche übertragen.
Man erzlhlte mir, die Berliner Presse habe sich sehr lobend über das Hofkonzert
ausgesprochen. Das ist famos, denn sie ist tonangebend für Deutschland. Wie Sie
sehen, geht alles gut, und ich bin zufrieden, soweit ich es fem von Ihnen sein kann,
und trotz der so traurigen Erinnerungen an Paris. Ich habe diesen Kummer noch
nicht verwinden können, wie Sie es wünschen. Er verfolgt mich überall. Wenn sie
es nur wüssten, was mich diese Trennung kostet, sie, die mich für herzlos halten!') . . .
Leben Sie wohl, Vater, ich küsse Sie von ganzem Herzen. Einen Händedruck
den lieben Freunden und Freundinnen Jourdan, Suquet, Morin, Duveyrier*) usw.
Sagen Sie ihnen, dass ich sie nicht vergesse.
Berlin, den 30. Mai 1845
F61icien David
Über Davids Berliner Erfolg und das bevorstehende Konzert in Leipzig
erfahren wir auch aus einem anscheinend von dem Saint- Simonisten
Gustave Arl6s, der sich damals studiumshalber in Deutschland aufhielt,
an seine Eltern in Lyon gerichteten Schreiben:
>) Saint-Simonist.
') Friedrich Wilhelm IV. [R.]
*) Elisabeth, Tochter König Max I. von Bayern. [R.]
^) Die nachmalige Kaiserin Augusts. [R.]
^) Diese Äusserungen beziehen sich auf unbekannte Vorginge interner Natur,
die sich unmittelbar vor Davids Abreise abgespielt haben müssen. [R.]
^ Saint-Simonisten.
279
PROiyHOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
Leipzig, den 16. Juni 1845
... Ich habe immer mehr zu tun, bin mit Arbeit überhiuft und finde infolge-
dessen wenig Zeit f&r mich, noch dazu seit David von Berlin zUrfick ist. Denn da
er nicht eine Silbe Deutsch spricht, gehe ich ihm ein bischen an die Hand. Dann
ist er etwas schwerftllig (eine Eigenschaft, die Du mir immer vorgeworfen hast!), und
siehst Du: trotzdem bin ich imstande, ihm jetzt behilflich zu sein, dass er das Ge-
schiftliche nicht ausser acht lisst, was mir zuweilen öfters noch passiert. Gestern
geleitete ich ihn zur ersten Probe f&r sein am nichsten Donnerstag stattfindendes
Konzert, und dann speisten wir bei P.s, die wir gegenwirtig ziemlich oft sehen, und
die unsem Komponisten, der auch in Berlin einen grossen Erfolg errungen, aus-
gezeichnet aufnahmen. Die Prinzessin von Preussen liess ihm durch Meyerbeer
sagen, Berlin habe ihm hoffentlich derart gefallen, dass er so schnell als möglich
dahin zurückkehre. Der König und die Königin beglfickwQnschten ihn gleichfalls;
mit einem Wort: er kam höchst befriedigt von Berlin zurück. Ober seine Musik
habe ich mir noch kein Urteil bilden können, aber wenn ich nach seinem Charakter
scbliessen darf, in dem Güte und Oifenherzigkeit vorherrschen, so möchte ich auf
Deutsch sagen, dass er etwas Kindliches, nicht aber Kindisches hat. Ich glaube, er
wird hier einen vollen Erfolg erzielen. Man spricht schon viel von seinem Konzert,
und dann wird die Ausführung glänzend sein, denn es herrscht eine Art musikalischer
Rivalitit zwischen Leipzig und Berlin, die die Singer in Schwung bringen wird. Im
übrigen soll es mir ein unbeschreibliches Vergnügen bereiten, den französischen
Komponisten vom Beifall eines Publikums empfangen zu sehen, das sich auf sein
Musikverstindnis etwas einbildet und im allgemeinen unsere Musik nach einigen
Vaudevillestrophen beurteilt, von miserablen Singem vorgetragen, die, weil sie in
Frankreich nichts zu verlieren und zu gewinnen haben, sich hierher fiüchten und von
Zeit zu Zeit Deutschland durchziehen • . .
Vater Enfantin an F61icien David
Paris, den 24. Juni 1845
Lieber Freund, durch Dufour's Brief vom 18. erhalte ich endlich gute Nach-
richten von Dir, aber sehr wenig Einzelheiten. Nach Deinem erfreulichen Potsdamer
Bericht erwartete ich sehnsüchtig einen solchen über das Berliner Konzert. Ich be-
durfte auch wirklich eines freundlichen Wortes als Antwort auf meinen Brief. Dufour
schreibt nicht einmal, ob Du in Berlin ein Konzert gegeben, was für einen Erfolg Du
gehabt hast, noch wieviel Konzerte Du in Leipzig zu veranstalten gedenkst. Du weisst,
ich habe Dir, abgesehen von den beiden Symphonieen, stark empfohlen, in Leipzig
ein paar Quintette, das Nonett und Dein Stück für Cello und Klavier zur Aufführung
zu bringen. Du musst diesen musikalischen Brennpunkt Deutschlands von den in
Deiner Seele lodernden Gluten bis in die lussersten Winkel erhitzt zurücklassen.
Ich lege Dir auch die Förderung des aMoses" ans Herz. Mit der Suez-Angelegenheit
geht es hier immer besser voran.^) Es ist möglich, dass ich deswegen in der nichsten
Zeit nach Deutschland gehe. Die Vorbereitungen dafür sind im vollen Gang und der
»Moses* muss uns dabei begleiten. Duföur und Du müsst Eoch mit einem Deutschen
in Verbindung setzen wegen des deutschen Textes für Deine Musik; er muss ent-
weder den meinen übersetzen oder aber Dich zu dem seinen begeistern*
^) Vater Enfantin trug sich, seit seiner egyptischen Reise im Jahre 1835^ als
einer der ersten mit dem Gedanken eines Durchstichs der Landenge von Suez.
280
DIE MUSIK V. 23.
Dttfonr ersucht mich um meine Ansicht über den Besuch, den Du' den
nordischen Stidten zugedscht hsst; es tut mir leid, aber das mfisst Ihr mit Euch
selber ausmachen. Vas mich betrifft^ so kann ich nur sagen, dass mir die Sache
nicht sonderlich sympathisch ist; das mag f&r einen ausübenden Künstler gut sein,
aber es will mir nach Berlin, Leipzig und Wien Deiner nicht recht würdig erscheinen.
An andere Städte denke ich nur in dem Fall, dass eine dringende Berufung Ton seifen
eines grossen Künstlers oder eines fürstlichen Micens vorliegt. Ich ziehe für Dich
jenes Aufsehen vor, das eine intimere Kenntnis Deiner Persönlichkeit und Deiner
Kunst in Deutschland erregen muss, wenn Dich Mendelssohn nach Leipzig oder
Frankfurt einlidt Ich las, dass man Dich in Baden-Baden ankündigte, wie man Liszt
oder die RacheP) ankündigt, obwohl ich mit einer Anzeige nicht einverstanden war
und sie gerade in bezug auf das geringe Honorar Benazet's*) sogar für direkt on*
passend, hielt. Sprich darüber mit Dufour und wirf Deine Perlen nicht vor die Sine.
Ich lege Dufour ans Herz, Deine Sache immer von diesem wichtigsten Gesichts-
punkt aus betrachten zu wollen: dass Du in diesem Augenblick die Suez-Angelegenheit
in Deutschland betreibst, ebenso wie er selbst; dass infolgedessen Deine Reisen, Deine
Anwesenheit, Deine Musik, alle Deine Handlungen sich in diesem Kernpunkt Deines
religiösen Lebens vereinigen müssen. Jedermann soll Dich für einen grossen Kompo-
nisten halten, gut; aber Dufour soll Dich nicht dazu verführen — sintemalen Du
nicht der König David bist — vor der Bundeslade zu singen. Das wire schlecht ge-
handelt, und Ihr würdet Unnützes und vielleicht gar Obles tun. Ja, lieber Freund,
denke recht an David, der den „Moses* in sich trigt, welcher Moses Israel in das
gelobte Land führt Zeige diesen Brief Dufour und marschiert festen Fusses auf dem
Pfad, der die Welt nach Suez führt. Ich erhielt einen Brief von Sylvain, der mir
seine baldige Ankunft hier meldet und mir mitteilt, dass er von Dir einen Brief er-
halten habe. Berlioz scheint in Marseille Fiasko gemacht zu haben. Freund Sylvain
habe ich derart eingeheizt, dass er, wie ich glaube, seine Sache jetzt besser verstehen
und mehr imstande sein wird, sich nützlich zu erweisen.')
Lebewohl, mein Freund.
F^licien David an Vater Enfantin
[Leipzig,] den 26. Juni 1845
Lieber Vater,
Ihr letztes Schreiben hat mir sehr wohl getan; es hat mich in meinem Kummer
getröstet und mir Krsft gegeben gegen die Verleumdung, die mir Undankbarkeit vor-
wirft. Venu ich all das Leid auch noch nicht überwunden habe, so hat es sich doch
wenigstens verringert, und ich hoffe, dass Ihre viterliche Zuneigung mir vollends die
Ruhe geben wird. Es ist mir so schrecklich, mit irgend jemand im Unfrieden zu
leben und noch dazu mit Freunden, die ich lieb gehabt habe. Ihre hoffnungsreichen
Worte, sie dereinst wieder zu uns zurückzuführen, haben mich recht getröstet Gebe
Gott, dass dieser Tag nicht mehr fem ist.
Gestern Abend gab ich im Theater mein zweites Konzert. Der Erfolg war ein
vollstindiger. Der Saal gefüllt Ich betrachte diesen Erfolg als einen wirklichen
') Die grosse französische Tragödin (1820-1858). [R.]
^ Der bekannte Spielpichter von Baden-Baden.
^ Es handelt sich um das Textbuch zum »Moses*, das Sylvain Saint-Etienne
nach den Ideen Vater Enfantin's versiflzierte.
281
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
Sieg, denn die Leipziger mit ilirer ausschliesslichen Mendelssohn-Schwirmerei sind
Dicht leicht zu packen. Vielleicht werde ich noch ein Konzert veranstalten; dann
fahre ich nach Dresden, wo ich angemeldet bin.
Ich habe in meinem letzten Berliner Brief Ihnen mitzuteilen vergessen, dass
ich den Rest des Textes zum „Moses* erwarte, um ihn fertig zu stellen.^) Nach dem
Vers »fais moi plutdt mourir* wollten Sie einige Verse anbringen, in denen Moses,
nach der Offenbarung des allmichtigen Gottes (Trompeten und Donner), sich wieder
gestirkt fühlt; dann beginnt er aeine Arie, die ich bereits angefangen habe:
,Au sein des nations tu voulus nous b6nir
pour reprendre sur terre
le nom de r6temel, la divine Lumi&re
des temps pass6s, de l'sTenir.*
Dieae Arie muss noch eine Zeitlang im selben Rhythmus weitergehen; dann folgt
das Gebet:
„Etemel, Etemel
tu nous a promis en partage . . .*
Der Marsch ist fertig, und Sie brauchen im Versmass nichts zu indem. Ich habe
mich entschieden, Frauenstimmen in die Chöre einzuführen, was m. E. von grosser
Wirkung sein wird. Gerade der Schlusschor »sslut* geflllt mir nicht zur Beendigung
der Szene, noch dazu mit der Verwendung der Frauenstimmen. Ich will den Anfing
»salut, terre, salut* beibehalten bis zum Moll: »ton peuple a faim*. Ich bin nicht
der Ansicht, dass das Volk Israel jammern soll beim Anblick des gelobten Landes:
es ist vielmehr ein Sang voll von Begeisterung, erfüllt von Dankbarkeit gegen Gott
und von Hoffhungsfreudigkeit für die Zukunft — etwas Mlchtiges, Grandioses. Ich
denke, Sie stimmen mir bei. Ich will auf all das warten, um die letzte Hand an-
zulegen, und dann an das Schreiben der Partitur gehen. Mit Gottes Hilfe, hoffe ich,
wird sie nicht schlecht ausfallen. Das ist alles, was ich Ihnen wegen des »Moses*
sagen wollte. Ich bitte auch gern das Opernbuch von Scribe,*) um es mir wihrend
meiner Reisen durch den Kopf gehen zu lassen. Ich möchte gleichzeitig ein paar
Werke auf Stapel liegen haben. An Scribe werde ich wegen dieses Textes schreiben.
Duveyrier könnte ihm einstweilen die Sache erzihlen.
Leben Sie wobi, Vater; Ihr Sohn, für den Sie so Hebe und tröstliche Worte
finden, küsst Sie von ganzem Herzen.
F61icien David
Ich vergase ganz, Ihnen mitzuteilen, wie reizend Dufour gegen mich ist; ich
wollte, wir wiren eines Tags für immer beisammen. Auch bei meinem Namensvetter
Ferdinand David habe ich viel Freundschaft und Entgegenkommen gefunden . . .
Vater Enfantin an F^licien David
Paris, den 3. Juli 1845
Lieber Freund, Dein Brief vom 26. zeigt mir, dass Du, ohne es zu ahnen, mir
zu meinem Namensfest am St. Prosper-Tsge einen herrlichen deutschen Strauss über-
^) Der »Moses* war ursprünglich für Wien bestimmt.
*) Vielleicht handelt es sich um das Buch zu »La nenne sanglante", das
schliesslich an Gounod fiel, nachdem es Meyerbeer und Berlioz abgelehnt hatten.
282
DIE MUSIK V: 23.
reicht hast Aber Dein Leipziger Erfolg, to ausserordentlichen Vert ich ihm anch
beimesse, gilt mir doch nicht so viel als Deine lieben Worte yoU Ruhe, Vertrauen
und Hoffoung, die Du an mich richtest; auch nicht so viel als der Eifer, mit dem ich
Dich bei Deinem Sinai-Verke beschäftigt sehe, diesem heiligen Vorspiel zu unserer
Suez-Messe, dem ich so hohen Vert beilege. Darüber sollst Du aber nicht die in
meinem letzten Schreiben an Dufour erwähnten Dinge Ycrgessen: die Gesinge, die
wir Ende des Monats Juli liefern mfissen.^) Wir haben schon 1500 Fr. mit den
Quintetten yerbummelr, und Escudier bitte eine Gelegenheit mehr zum Schikanieren.
Hfiten wir uns, ihnen am Ende des Monats einen ihnlichen Grund zu geben. Viel-
leicht trifft Dich mein Brief im Augenblick der Abreise mit Dufour hierher, um einen
Monat mit uns zu verbringen. Du könntest dann Scribe persönlich sprechen, und
wir könnten uns auch weit besser über das Textbuch zum .Moses* unterhalten. Ich
bin vollkommen Deiner Ansicht, dass das „salut* kein guter Abschluss ist. Deshalb
hattest Du an einen heiter bewegten orchestralen Schluss gedacht. Da Du aber
Frauenstimmen hinzunimmst (und ich bitte gern auch noch einen Kinderchor, wenn
es sich machen liest), so stimme ich nunmehr dafür, mit dem Orchester- und Chortuttl
abzuschliessen. Meiner Ansicht nach könnte dann das »salut, terre* im Ganzen bleiben.
Aber vielleicht mfisste man auf das letzte «Gloire i Dieu* nach einem fröhlichen
Zwischensatz einen Chor folgen lassen, der, von ausgelassen lustigen und vor Jubel
hüpfenden Kinderstimmen intoniert (das Gegenteil eines christlichen Kinderchores),
zum allgemeinen Tanz hinüberleitete, und den dann die I. und II. Tenöre, dann die
Frauen, dann das Ganze aufnehmen würden • . . Vielleicht müsste Moses sogar, wie
der Musiker, Dichter und Tinzer David, nach und nach alles in Schwung bringen.
Aber dazu, lieber Freund, müssten wir beieinander sein: Du an Deinem Klavier, ich
die Feder in der Hand. Bis dahin feile an Deinem Werke, vollende alle angefengenen
Stücke, und sei überzeugt, dass wir beim Anhören uns alle beide an dem prachtvollen
Schweif Deines erhabenen morgenlindischen Kometen begeistern werden . . .
Schiebe vier Verse Rezitativ vor dem Gesang: «au aein des nations" ein. Nimm
femer an, dieser Gesang werde durch eine oder zwei Strophen von genau demselben
Rhythmus vermehrt dem Chor: vMaitre des peuples et des Rois" vorangehen. Das
darf Dich nicht aufhalten; nichts wird leichter sein, als Deiner Musik Worte zu unter-
legen. Schreibe vorliuflg la-la-la oder die Namen der Noten hin. Du rhythmisierst
so gut, dass sich auf Deine musikalische Andeutung das Wort von selber einstellt.
Im übrigen erinnerst Du Dich, dass ich Dir den Rat gab. Dich mit Dufour's Hilfe mit
einem deutschen Dichter in Verbindung zu setzen, der das Vollendete übertragen und
das nicht Fertige nach Deinen eigenen Angaben erginzen könnte. Bedenke, dass es
eine apostolische Eroberung von höchster Wichtigkeit bedeutete, wenn Dir dieser Fund
gelinge: ein Deutscher, der den poetischen Sinn Deiner Musik verstinde! Mir scheint,
Du müsstest diesen Fund tun; in Deutschland herrschen Ja solch enge Wechsel-
beziehungen zwischen Dichtkunst und Musik. Ausserdem: Deutschland adoptiert
Deine Musik, infolgedessen muss der deutsche Dichter sich bereits in Deiner Nihe
befinden. Aufgepasst also . . .
Ich küsse Dich, mein Kind, das ich fest zu sehr liebe, denn ich leide unter der
Trennung, obwohl ich es deutlich fühle, dass Gott es so haben wollte.
0 Den Pariser Verlegern Escudier (zwei Brüder: Marie E., 1819—1880, und
Uon E., 1821—1881).
283
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
F6IiGien David an Vater Enfantin
Leipzig, den 25. Juli 1845
Lieber Vater,
soeben bin ich wieder in Leipzig angelangt, nach einem dreiwöchentlichen Aufenthalt
in Dresden. Meine Kompositionen haben dort eine ebenso gnte Aufnahme gefunden
wie in Leipzig. Die Einwohner versicherten mir, einen ihnlichen Enthusiasmus seit
langem nicht gesehen zu haben. Die Dresdener gelten für sehr kühl. Ich für meine
Person bin überzeugt, dass sie von einer für meine Musik begeisterten Schar Polen
und Polinnen angefeuert wurden. Daher hat es mir auch nicht an Einladungen bei
polnischen Fürstinnen, Griflnnen usw. gefehlt. Man veranstaltete mir zu Ehren eine
Menge Feste, für die ich mich mit Liebenswürdigkeit revanchieren musste. Ich habe
Ansprachen gehalten und bin als Singer aufgetreten. Zufillig war ich disponiert, und
ich reiste ab mit dem Renomm6e eines grossen Komponisten und entzückenden
Singers! Das alles ist vielleicht ein bischen übertrieben, aber ich kann ruhig be-
haupten, dass es nicht von unlautem Machenschaften herrührt Ich habe zwei Kon*
zerte in Dresden gegeben. Man verlangte noch ein drittes, aber ich wollte lieber
Ausdrücke des Bedauerns über mich ergehen lassen, als die Langmut der Dresdener
auf die Probe stellen. Der König ^) und die königliche Familie wohnten dem zweiten
Konzert bei und applaudierten. Kurz: ich bin befriedigt von meinem Dresdener
Aufenthalt. Mehrere Tage verbrachte ich bei Ferdinand Hiller in Pillnitz bei
Dresden. Er war reizend zu mir und hat viel von Ihnen gesprochen und von den
Alten in der rue Monsigny.*) Wir machten zusammen verschiedene Ausflüge in die
Sächsische Schweiz, eine wilde, ungemein malerische Landschaft. Ihren Brief, in dem
Sie mir eine Reise mit Dufour nach Paris vorschlagen, habe ich erhalten. Ich glaube
nicht, dass dieser Plan sich im Augenblick verwirklichen kann. Wie Sie wissen, ist
Gustave Arlös nach Lyon gereist. Die Absichten Dufour's sind mir einstweilen nicht
bekannt; er ist nämlich zurzeit mit seiner Familie auf dem Lande, 15 Meilen von
Leipzig entfernt. Was mich betrifft, so denke ich, ist es am besten, wenn ich mich nun-
mehr an den Rhein begebe, um dann Karlsruhe, Frankfurt, Baden-Baden zu besuchen
und von dort über München nach Wien zu gehen. Soeben habe ich an Benazet ge-
schrieben, um ihm meine Anwesenheit in Leipzig anzuzeigen und ihn nach seinen
Plänen und Bedingungen zu fragen. Ich teilte ihm mit, ich wolle nichts mit Konzert-
details zu tun haben und würde mich nur unter der Bedingung zu einem Abkommen
verstehen, dass er die Vorbereitungen in die Hand nimmt. Ich sehe nicht ein, warum
wir diese Einnahmen verabsäumen und sie den Escudier's zugute kommen lassen
sollten, denn ich glaube, unser Vertrag läuft Ende August ab. Obrigens die Escudier*s
— sagen Sie mir doch einmal, was Sie von ihrem russischen Projekt halten. Sie
schrieben mir, sie wollten die ,» Wüste" bis zum nächsten Frühjahr nicht veröffent-
lichen. Ich denke, man sollte darauf nur unter günstigen Bedingungen eingehen.
Wie man mir mitteilt, wäre ein Aufenthalt im September in Wien von Vorteil,
da die Stadt in diesem Monat sehr besucht sei. Es wäre gut, diesen Wink zu berück-
sichtigen. Ober all das erwarte ich Ihre Ratschläge.
Dufour hat die dritte Soir6e') und drei Romanzen nach Paris geschickt, die
^) Friedrich August II. [R.]
') Vor ihrer Versprengung im Jahre 1832 hatten die Saint-Simonisten ihren Sitz
in Paris, 6 Rue Monsigny.
*) ,»Die vier Jahreszeiten" bestehen aus den Abteilungen: Les soir6es de Prin-
temps, d'£t6, d'Automne, d'Hiver. Jede Abteilung zählt sechs Stücke. [R.]
284
DIE MUSIK V. 2a.
am Ende des Monats zu liefern sind. Eine vierte wird folgen. Ffir die Abrechnung
fehlen nur noch zwei. Jourdan soll in meinem Schreibtisch nachstehende Gesinge
heraussuchen: «Marine", mit den Anfangsworten Jt suis de quart* und «Uabsence*,
von T. Gautier, der mit den Worten beginnt: »Reviens, reviens» ma bien-aim6e".
Ich würde ganz gern die Musilc zum ^^Moses" ohne den Text schreiben, aber
ich habe schon einen erfolglosen Versuch gemacht. Ich muss unbedingt das Buch
haben. Venu Sie inmitten ihrer Arbeiten einen Augenblick daran denken könnten,
so würden Sie Ihrem Sohn und Mitarbeiter einen grossen Gefallen erweisen.
Das ist ein — für meine Verhlltnisse ?- langer Brief geworden, für Sie
allerdings nicht, der Sie mich so sehr zum Schreiben auffordern. Die Zeit fem von
Ihnen und den lieben Pariser Freunden wird mir ziemlich lang. Das Wiedersehen
wird um so freudiger werden. Man muss sich drein finden und das begonnene Werk
wohl zu Ende führen.
Leben Sie wohl, lieber Vater, ich küsse Sie als Ihr Sie zirtlich liebender Sohn,
der seinerseits an Ihre ganze Liebe glaubt.
Meine Grüsse an den wackem Jourdan, der mir ein so reizendes Briefchen
geschrieben, an Suquet, Hadot, Barrault') und an alle andern.
F61icien David
Vater Enfantin an F6Iicien David
2. August [1845]
Mein lieber Freund, ich bin im Besitz des Schreibens von Sylvain vom 27. Sein
Inhalt ist gleich erfreulich, was Deinen neuen Erfolg und seine eigene Person an-
belangt. Dufour wird Euch darüber instruieren, was Ihr nach Lyon senden sollt.
Was Davids Brief an Bscudier betrifft, so hat er doppelt unrecht: einmal ist es
Sylvain's Sache, sich um das Geschiftliche zu bekümmern, und zweitens bitte das
ganz gut durch meine Hinde gehen können. Mit den Escudier's ist noch nichts
geregelt; ich habe bloss einen Brief von ihnen, in dem es heisst: «Wir werden die
Publikation für Januar anzeigen. Unterdessen wollen wir zum Wortlaut unserer früheren
Verträge zurückkehren; unsere gegenseitige Stellung wird dann dieselbe sein wie vor
dem Vertrag vom 23. Februar*. Das ist nicht ganz verständlich, da der Vertrag vom
23. Februar') zur Klärung einer etwas zweideutigen Sachlage abgeschlossen wurde;
aber es ist keine Gefahr dabei, noch dazu in Berücksichtigung dessen, was ich Euch
beiden sagen will: Arifts, Dufour und viele andere bekämpften meine auf den »Moses*
und Wien bezügliche Idee. Alle sind der Ansicht, Wien dürfe nicht, aber Paris müsse
den ersten Genuss dieses Werkes haben. Ich hatte im Stillen gehofft, mit Dir, lieber
Freund, in Wien zusammen sein zu können, und das war wohl der Grund, der bei
meiner Erwägung den Ausschlag gab. Heute teile ich die Ansicht unserer Freunde,
dass Paris und mir diese Erstlinge gehören . . .
Um Dir mit einem Deinem Frankfurter entsprechenden Erfolg aufzuwarten,
möchte ich Dir mitteilen, dass in dem Augenblick, wo ich Sylvain's Brief erhielt,
ein Schreiben vom Vorstand der Lyoner Eisenbahngesellschaft eintraf, das mir die
einstimmig erfolgte Ernennung zum Administrator dieser Gesellschaft meldet. Das
zwingt mich natürlich zum Hierbleiben. Beeile Dich also, mein Kind, wenn Du in
Karlsruhe zu Ende bist, die Partitur des »Moses* vollkommen fertig zu stellen, und
>) Saint-Simonisten.
*) Es ist die Rede von dem Vertrag Davids mit seinen Verlegern Escudier.
285
PROD'HOMME: DAVIDS' REISE NACH DEUTSCHLAND
zeige dann den Parisern und Deinem Vater den Weg in das gelobte Land. Ich will
dann alle meine groben Erörterungen mit Sylvain mittels eines derben Händedrucks
ins Reine bringen, und Dich werde ich mit einem herzlichen Kuss begrüssen, was
schon verzweifelt lange nicht mehr der Fall gewesen.
Also auf baldiges Wiedersehen.
Vater Entantin an F61leien David
[Paris,] den 8. August 1845
Lieber Freund, Rodrigues^) hat, wie er mir mitteilt, gestern von Hal6vy erfkhren,
das Institut sei übereingekommen, Dir den ersten in der Abteilung der Schönen
Kfinste freiwerdenden Platz zu verleihen. Ich freue mich, meinen Brief mit dieser
guten Nachricht beginnen zu können, denn um es nochmals zu wiederholen: ich kann
nicht zu Dir reisen.
Freund Sylvain, bei dem ich trotz allen Suchens keine kaufininnische Ader
zu entdecken vermag, empfindet so viel herzliche Zuneigung und Ergebenheit fQr
Dich, dass ich mich über Deine Einladung sehr gefreut habe. Obwohl er kein Deutsch
spricht und sus Aix stammt, hat doch seine untadelige, biedere Person etwas Deutsches;
er wird Dir also in Deutschland von Nutzen sein können, und ausserdem werde ich
an ihm einen etwas prompteren Korrespondenten haben als an Dir, der Du mir
indessen doch am 25. Juli einen prichtigen Brief geschrieben hast. Es wire mir also
lieb, wenn er mit Dir von Baden-Baden aus nach Vien und Prag gehen könnte, um
von dort auf meine seinerzeitige Mitteilung hin die Escudier's nach Russland zu be-
gleiten; es müsste Ja mit dem Teufel zugehen, wenn ich bis dahin nicht selbst mit
Dir zusammentreffen könnte. Vas Baden-Baden anbelangt, so lege ich Dir die Ver-
pflichtung auf, Dich Benazet gegenüber nicht zu verpflichten! Du sollst dort als
Reisender, als Tourist auftreten. Venu Dir die Stadt gefillt und die dortige Gesell-
schaft zussgt, so bedarf es zweifellos nur einer Handbewegung, um die von Benazet
angebotenen 1000 Fr. zu erhalten. Wenn Du dagegen eine Verpflichtung eingehst,
so wird dieser Hanswurst von Benazet gehörig mit Reklametrompete und Annonzen-
tafel arbeiten; das würde nach Humbug schmecken, und so etwas mnsst Du gerade
in Deutschland unbedingt vermeiden.
Ich weiss noch nicht, welches Arrangement ich mit Escudier wegen Russland
treffen werde; geschiftliche Verhandlungen mit diesen Kerls') sind schwieriger als
mit den Fürsten der Hochfinanz. Mit diesen letzteren, lieber Freund, hat Dein Vater
in diesem Jahre einen Vertrag über die Summe von 200 Millionen unterzeichnet; seine
Unterschrift befindet sich neben der von Rothschild und Laffitte. Das ist meine
Wüsten-Symphonie! Du wirst verstehen, weshalb ich, trotz des lebhaften Verlangens
Dich wieder zu sehen, unbedingt auf meinem Posten bleiben muss, den mir Gott
so wunderbarer Weise dieses Jahr beschert hat
') Olinde Rodrigues. Als das Vertrauen des Publikums zur saint-simonistischen
Sache erschüttert war (1831) und die freiwilligen Beiträge abnahmen, suchte R. dem
Defizit durch eine Anleihe auf Aktien aufzuhelfen. Er verliess 1832 die «Familie*
und legte Beschlag auf ihr Vermögen, um die kontrahierte Anleihe zu decken. [R.]
*) Vater Enfantin schrieb am 23. August aus Paris an Arifts-Dufour: .Die
Escudier's mschen mir noch immer gehörig zu schaffen; sie reden von einer Reise
nach Ruasland, wohin ich David nicht schicken möchte. Ich überlege hin und her,
wie wir am besten von diesen Kerls loskommen könnten; leider vermag uns Sylvain
hierbei gar nichts zu nützen."
!■
II
II
286
DIE MUSIK V. 23.
Bei Mme. Kiend^) habe ich Lieder von Dir von den beiden T9chtem Duporfs
mit vortrefflicher Empfindung yortragen hören, nnd gestern sang Nathalie in einem
Stfick in den Vari6t68 Conpleta fiber Deine «Schwalben" . . •
Ich erfahre, dasa man am 26. Juli die Eiaenbahn von Prag nach Wien eröffhel
hat; daa wird Deine Unbequemlichkeiten etwaa erleichtem. Ea verlangt mich zu
wiaaen, wie Dir Dein Abatecher nach Bonn bekommen ist und wie Du Dich bei
diesem Muaikfest verhalten hast. Ich hatte ao unendlich viel zu tun, dass ich mich
mit unserem »Moses* gar nicht beschiftigen konnte, aber ich zeigte Jourdan, um was
es sich handelte, und Du wirst die Ergänzung demnichst bekommen. Ich bleibe
immer noch beim »salut* unter dem Vorbehalt, mit etwas anderem zu schliessen; und
daf&r bitte ich gern eine orchestrale und hernach apokalyptiache Steigerung; aber ea
müaate eine Freuden-Apokalypae sein. Die Einleitung zu Deiner »Vüste*, nur um-
gekehrt^ d. h. daa Gegenteil dea Unermeaslichen und Ewigen: daa Augenblickliche, Ge-
gebene, Gegenwirtige, Gegenstindliche. Religiöser Verzfickungstaumel. Tanz Davids
vor der Bundealade, am Altar, angeaichta dea gnidigen und atarken Gottes — wihrend
die Maurer den Tempel bauen, die Ingenieure den Kanal graben, die Schmiede
daa Eiaen himmem« Lautea Gelichter der Kinder. Geaang der Frauen. Die ganze
Natur, Sonne, Himmel und Erde, daa ganze All in Freude getaucht Bedenke, liebes
Kind, daaa 1845 mein erstes Freudenjahr iat, und dass ich mich mit Dir und f&r Dich
freuto will. Ich umarme Dich.
8. Auguat, Arthurs*) Geburtstag.
II. Auguat. Lieber Freund,, anbei einige Uminderungen von Jourdan'a
Hand. Der Anfimg ist meines Erachtena unnötig, weil Du Deine Beschwörung bereits
geschrieben; der mittlere Teil könnte allenfslla gehen; was den Schluss betrifft, so
ist es eigentlich bloss ein Anfing. Nach dem Mldchenchor wird Moaea den Frauen-,
dann den Minnerchor herausfordern; dieaer wird aich mit den Frauen und Kindern
zu einem ftmoaen Tutti vereinigen . . .
Die Freunde lassen grfissen, auch Adele.*) Sie achmoUt ein bischen mit Dir,
well Du sie in Deinen Briefen Immer vergessen habest Ich sagte ihr. Du könnest
nichts dafür, aber Du werdest bei Deiner Rückkehr gleich mit ihr dinieren!
Inzwischen war der von dem rfirsorglichen Vater Enfantin für den
etwas unpraktischen David als Reisemarschall und Sekretär bestellte Syl-
vain Saint-Etienne in Deutschland angekommen, wovon uns folgender
ergötzliche Brief unterrichtet:
SylTain Saint-Etienne an Vater Enfantin
Frankfurt, den 17. August 1845
Mein Herr,
ich bin gestern um Vsl Uhr in Frankfurt angekommen, aber von F61icien keine
Spur. Man erzählte mir, er sei schon vorgestern ausgerfickt, aber in welcher Richtung,
konnte mir kein Menach sagen. Ea scheint mir unmöglich, dass er unser Rendez-
vous hier vergessen und nicht einmal Anstalten für ein Konzert in einer Stadt wie
^) Die Mutter von Frau Bigot, der berfihmten Pianistin und Freundin Beethovena.
') Arthur Enfitntin, der natfirliche Sohn Vater Enfantin'a.
*) Adele Nuguea, eine Kouaine Vater Enfentin's.
287
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
Fnokfäit betroffen haben tollte, wo man f8r gute Musik etwas fiferig xu haben
scheint, denn festem abend konnte ich fQr eine MozartauffOhning keinen Platz mehr
bekommen.
Ich warte nun ab und ziehe Erkundigungen ein; ich will nach benachbarten
Stidten wie Mainz und Wiesbaden schreiben und hoffe, durch irgendeine deutsche
Zeitung zu erfahren, wo er eigentlich steckt. Wie dem auch aei, ich hielt es ffir an-
gemessen, mich von hier nicht zu entfernen, denn wenn man hintereinander herrennt,
Hüft man Gefehr, sich fiberhaupt nicht zu treffen. Gar zu lange sollte er fibrigens
nicht auf sich warten lassen, denn ich weiss nicht, ob mein Geldbeutel, der infolge
der Reise schon bedenklich zusammengeschrumpft ist, solange aushilt; unglQcklicher-
weise kann ich mich hier nicht so verstindlich und bekannt machen, wie ich gern
möchte. Wenn Sie durch Zufeil in Paris eher etwas erfehren ala ich, dann schreiben
Sie mir bitte. Ich wohne hier im «Hotel du Rhin* Zimmer 2S . . .
Genehmigen Sie . . • usw.
Sylvain Saint-Etienne
F^llelen David an Vater Enfantin
Baden-Baden, den 20. August 1S45
Lieber Vater,
seit zwei Tagen bin ich in Baden-Baden, nachdem ich den Festlichkeiten in
Bonn^) beigewohnt hatte. Ich will Ihnen keine Beschreibung davon geben, da Sie In
den Zeitungen mehr oder weniger genaue Berichte darfiber gelesen haben werden.
Ich f&r meine Person fend sie sehr wenig würdig. Aber wenn Ich mit Bonn nicht
sonderlich zuftieden war, ao bin Ich entzückt von den Ufern des Rheins. Welch'
herrliches Land! Und Baden-Baden erst! Ich würde mich glücklich schitzen, einige
Zelt hier verweilen zu können, wenn das Wetter nur nicht so abscheulich wire. Ich
warte tagtäglich auf ein paar Sonnenstrahlen«
Benazet will zwei Konzerte yeranstalten« Das erste soll am 30. da. stattfinden.
Nach den Vorbereitungen zu schllessen, wird es eine Torzügllche Aufführung geben.
Ich erhalte 1000 fir. pro Konzert; wenig zwar, aber Ich habe mich um nichts zu
kümmern. Dirigieren wollte Ich bei dieser Gelegenheit nicht, worin Sie mir wohl
beistimmen werden.
An Sylvain schrieb ich nach Empfeng seines ersten Briefes und Terabredete ein
Zusammentreffen in Frankfort Ich werde ihm nochmals schreiben, damit er nach
Baden-Baden kommt.
Mit dem «Moses* geht's voran. Den grossen Schlusschor habe ich ohne Text-
worte fertig gemacht und bin sehr zufHeden damit Ich glaube, es wird keine
Schwierigkeiten haben, den Text unterzulegen. Den Chor der aufrührerischen Juden
habe ich gleichfalla Torlingert, ebenso den Marsch in der Wüste. Das alles ist femos
gegangen; ich muss jetzt bloss noch die grosse Arie Tollenden, aber dazu brauche
ich unbedingt den Text Sylvain hilft mir dabei.
Von den Escudler's erhielt ich einen Brief mit der Bitte um 2 Gesinge zur
VervoUstindigung eines Albums, gegen ein Honorar von 1000 fr. Wenn Sie es für
richtig halten, dieses Angebot anzunehmen, so soll Jourdan in meiner Schublade, in
der sich die Gesinge befinden, folgende heraussuchen: »Le souvenir d'amour^,
.Amour, amour, ah! tu n'es qu'un beau r6ve* und dann noch einen anderen: aJoie
et tristesse*, der mit den Worten anfllngt: .comme aujourd'hui je suis joyeuse*.
^) Es handelt sich um die Einweihung des Beethoven-Denkmals In Bonn. [R.]
288
DIE MUSIK V. 23.
Soviel fiber das Geschifttiche. Nunmehr mdctate ich meinem guten Vater etwas
Liebes sagen. Ich bedaure aufrichtig, Ihnen durch mein langes Schweigen Sorgen
bereitet zu haben. Es ist ganz einftich Trägheit. Aber keine Trigheit des Herzens!
Das Herz hört nicht auf, f&r Sie zu schlagen. Das wissen Sie ja selbst Darum
möchte Ihr Sohn auch gar zu gern eine Zeile von Ihnen erhalten. Das w&rde ihm
wohl tun und ihn geduldig den Tag der Heimkehr erwarten lassen.
Leben Sie wohl, lieber Vater. Wenn Sie mir trotz Ihrer Arbeiten ein kleines
LelMnszeichen zukommen lassen wollen, dann schreiben Sie mir bitte nsch Baden-
Baden, poste restante.
Ihr Sie zirtlich liebender Sohn ^ F61icien David
Tausend Grusse an Freund Jourdan, Suquet . • .
Sylvain Saint-Etienne an Vater Eiiftmtin
Baden-Baden, den 25. August 1845
Mein Herr,
nachdem ich acht Tage in Franlrfürt gewartet, hörte ich endlich, F61icien sei in
Baden-Baden, und ich beeilte mich, ihn einzuholen. Was die Benazet-Angelegenheit
betriiflt, so war es zu spät, um ein Arrangement zu treffen. David war seit acht Tagen
dort und hatte mit ihm um das Honorar von 1000 fr. abgeschlossen, was nicht gerade
übermässig ist in Anbetracht der Menge Personen, die in den Saal gehen, und des
Geldbeutels der Badegäste. Ein Kerl, der, wie man sagt, Jährlich 600 000 fr. verdient,
hätte schon etwas nobler zahlen können — aber, wie ich Ihnen sagte: die Sache ist
erledigt Nur, glaube ich, wird man zwei Konzerte geben können.
[Folgen lange Ausführungen Qber Verlagsangelegenheiten, in denen Sylvain stark
und anscheinend nicht ganz uneigennfitzig gegen die seitherigen Verleger David's,
namentlich die Escudier's, polemisiert.]
. . Bedenken Sie, dass man hier den »Moses* zur Aufführung bringen könnte
oder wenigstens Bruchstficke, denn David rechnet damit, ihn in Leipzig zum ersten-
mal aufführen zu lassen, ein Gedanke, der mir fibrigens nicht übel geflUlt Ich
werde anscheinend verschiedene Strophen zum «Moses* machen müssen. Da Ihr
Text nicht eintraf, komponierte David auf ein ganz anderes Versmass. Ich will mein
Bestes tun, um mich von Ihren und seinen Ideen inspirieren zu lassen und nichts zu
verderben ...
Das erste Konzert findet Samstag, den 30., statt Gestern gab es eine private
musikalische Veranstaltung bei Benaze^ in der Armingaud, Pixis, Cossmann^) und
zwei andere Künstler, deren Namen ich nicht weiss, die Quintette von F61icien unter
dem bewundernden Beifall einer gewählten Zuhörerschaft zur Aufführung brachten.
Ich kann Ihnen nicht beschreiben, mit welchen Beifallsbezeugungen unser Freund
überschüttet worden ist . . .
Vater Enfantiii an F61icien David
Paris, den 27. August, am Tage des Prozesses*)
... Ich höre mit Vergnügen, dass Dein »Moses* voran schreitet, denn ich hege
immer noch den Wunsch, Du möchtest ihn diesen Herbst in Wien zur Aufführung
^) Jules Armingaud (geb. 3. Mai 1820 zu Bayonne), ausgezeichneter Geiger. —
Jbh. Peter Pixis (1788—1874), vorzüglicher Klavierspieler, hatte von 1845 an seinen
Wohnsitz in Baden-Baden. — Bernhard Cossmann (geb. 17. Mai 1822), der berühmte
Cellist [R.]
') Jahrestag der Gerichtsverhandlung gegen die Saint-Simonisten (27. August 1832).
289
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
bringen, um dann in Paris den Winter attszunutzen. Es ist also ganz natüriich, dass
Dir Sylvain bei Deinen Wiener Konzerten an die Hand gebt und Dir dann beim Ver-
trieb des Werkes in Frankreicb behilflich ist und es spiter in Verlag nimmt Schreibt
also schleunigst die Stimmen aus und sorgt f&r einen guten deutschen Text, denn es
naht der September, und im Oktober, glaube ich, müsst Ihr in Wien sein. Bis dahin
ist Baden-Baden ein angenehmer Aufenthaltsort. Ich denke, man stellt Dir dort Fuhr-
werk und freien Mittagstisch zur Verfügung. Benazet schien mir dafflr Sorge tragen
zu wollen, aber Du erwähnst nur die 1000 fr., die, ohne Wagen und Freitisch, am
Ende des Monats flöten wiren. Ich bitte gern erfahren, ob Du mit Meyerbeer in
Bonn ebenso zufrieden gewesen wie in Berlin, ob Liszt nett zu Dir war, ob im all-
gemeinen die Menge Musiker, die Du dort träfet, etwas heiliges Feuer in ihrer Seele
zu besitzen schienen. Erzähle Sylvain davon, er soll mir dann Einzelheiten mitteilen.
Ich ersuche ihn, mir ausführlich intime Details in betreif Deiner zu berichten, die
mir sehr wichtig sind, fiber die Du Dich aber aus Besorgnis, Deine Briefe könnten
zu lang werden, immer ausschweigst. . . .
Diese verflixten Eisenbahnen haben mich mehr in Anspruch genommen, als
ich dachte, und werden es noch geraume Zeit tun. Die im Norden ist in Ordnung,
aber letzt kommt die Lyoner an die Reihe und dann die von Avignon. Ich bin schon
jetzt überzeugt, dass meine Symphonie mir dieses Jahr mehr einbringen wird, als
die Deinige! • . .
Grüsse mir Sylvain. Ich nehme mir ihn des öfteren etwas vor, was nicht ver-
hindert, dass ich sehr froh bin, ihn um Dich zu wissen . . . Dich umarme ich, ihm
gebe ich einen kleinen Puff: jedem nach seiner Kapazität! Ihr braucht verschiedene
Behandlung; auch schreibt er mir häuflg, während ich Deine Briefe als Raritäten ein-
rahmen lassen werde . . •
28. August 1845
Lieber Freund, obwohl ich Dir gestern geschrieben, will ich gleich fortfahren,
um die Zeit zu sparen, die wir mit der Schreiberei Sylvain's, wenn sie so weiterginge,
wie sie angefangen hat, verlieren würden. Er schickt mir so eine Art Vertrags-
verlängerung für die Veröffentlichung, und die von ihm ins Feld geführte Begründung ist
so kindlich, dass ich ganz starr vor Staunen bin. Wie? — im Augenblick, wo Du
Ihm mitteilst, dass die fürstlichen Geschenke für Deine Person bestimmt sind, im
Augenblick, wo er bereits merkt, dass die Konzerte In Deutschland sehr wenig ein-
tragen. Im Augenblick, wo er selbst sich dem Vertrieb Deiner .Wüste* in Russland
widersetzt, Im Augenblick endlich, wo er mit seinen eigenen Ohren hört, dass Dein
„Moses* nahezu vollendet ist — just in diesem Augenblick geht er mit dem Gedanken
einer Vertragsverlängerung um, aus Angst, die Partitur der „Wüste* komme nicht
nach München und Wien! Seltsam. Ich habe heillose Angst, er oder Du könntet
Escudler's Brief beantworten. Tu' mir die Liebe und falle nicht darauf herein und ver-
hindere Sylvain, der Versuchung zu unterliegen. Ihr habt den Escudler's überhaupt
nichts mitzuteilen, sintemalen sie in Paris sind, und Ich desgleichen.
Wäre Freund Sylvain der Mann, aus Deiner Musik Kapital zu schlagen, so
würde er nicht einen Tag in Deutschland bleiben, denn Deutschland ist dafür kein
Boden, und aus diesem Grunde haben die Escudler's, diese gewiegten Geschäftsleute,
ohne Zweifel darauf verzichtet. In Deutschland handelt es sich nicht um geschäftliche
Ausbeutung; Du sollst Dir dort einen guten Namen mtchen und in erster Linie
Propaganda treiben . . • Beschwöre Sylvain: er soll Dein Sekretär sein und Deine
Korrespondenz nsch Deinen Angaben führen; er soll mich über Deine Gesundheit,
V. 23 21
290
DIE MUSIK V. 23.
Deinen Reiseweg, Deine Arbeiten und ebenso fiber Deine grossen und kleinen Leiden
auf dem LAufenden erhalten, mein liebes Kind, fiber Deine kleinen und grossen
Freuden, fiber Dein mir so teures Leben; er soll die ermfidenden und langweiligen
Verhandlungen in Deinem Verkehr mit Theatern, Musikern, Kopisten, ausfibenden
Kfinstlem, Librettisten, mit Zudringlichen jeder Art von Dir fernhalten; er soll mit
seiner brfiderlichen Liebe fiber alles wachen, was schldlich, unbequem und krinkend
ffir Dich sein, was Deine Reise stören könnte; er soll meinetwegen einen Vers, der
sich in Deinen Rhythmus nicht einffigen will, beschneiden, verindem, ummodeln; er
soll fix zur Stelle sein, wenn die Inspiration fiber Dich kommt; er soll Dir beim
Kopieren helfen, beim Ausschreiben von Stimmen, wenn es Dich ermfidet; er soll
Deine musikalischen Ideen im Fluge festhalten, die Du aufs Papier wirfst, um sie
dann vielleicht auf immer wieder zu verlieren, wenn Du an ihm nicht eine Art
lebendigen Registers und gewandten Gedankenlesers hättest Aber, bei Gott, weiter
soll er nicht gehen, und vor allem soll er sich nicht ums Geschlfdiche kfimmem;
davon hat er keine Ahnung, nicht die blasseste Ahnung; er wfirde mehr Schaden als
Nutzen stiften. Zum Unglfick glaubt er, als Verleger sich nfitzlich erweisen und sich
einen Platz an Deiner Seite erringen zu können. Ein unheilvoller Wahn: es gibt
keinen einzigen Verleger in Paris, der nicht zehn derartiger Geschiftsieute an die
Wand drfickte. Zum Henker, weshalb begnfigt er sich nicht mit Deiner Liebe? Wie
viele Leute wiren mit seinem Los zufrieden! Wenn er seine Ansprfiche nicht herab-
schraubt, wird er Deine und infolgedessen auch seine eigenen Geschifte schidigen.
Wenn er dagegen, statt Dich auszunutzen, darfiber wachte, dass Du nicht von anderer
Seite ausgeriubert wirst, wenn er seinen Ehrgeiz auf die Ffirsorge beschrinkte, Deinen
Werken gute Verleger, gute Aufffihruogen und anstindiges Honorar zu erwirken, wenn
er Dein Vertrauter im Verkehr mit Verlegern, Musikern und Journalisten wire, wenn
er Dich ausserdem vor dem oft mit Recht gegen Dich erhobenen Vorwurf allzugrosser
Gleichgfiltigkeit schfitzte — dann wfirde Freund Sylvain Dir einen wahrhaften Dienst
erweisen, den einzigen, den er Dir zu erweisen imstande ist . . .
F^Iicien David an Vater Enfantin
[Baden-Baden,] Ende August 1845
Lieber Vater,
Ihren Brief habe ich Sylvain mitgeteilt. Er war sehr betrfibt darfiber, und ich
gleichftills. Warum soll er auf den Plan, Verleger zu werden, verzichten, und das
jetzt, wo er sein Geschift aufgegeben hat, im Vertrauen auf mein Wort, ihm den
»Moses* in Verlag zu geben? Was den Posten anbelangt, den Sie ihm bei mir zu-
dachten, so glaube ich nicht, dass dieser Gedanke ausffihrbar ist. Sylvain hat eine
Familie, von der er sich nicht trennen kann und die er unterhalten muss. Ich glaube,
es wire am besten, wenn er sich mit einem anderen Musikalienhindler assoziieren
wfirde. Es wire mir sehr peinlich, mein Versprechen wieder rfickgiogig machen zu
mfissen, nach den Opfern, die er mir gebracht. Ich will nicht einmal von unserer
alten Freundschaft reden, aber ich möchte ihm einen Beweis meiner Zuneigung in
dieser Angelegenheit geben, und ich hoffe, dass Sie meinen festen Entschluss nicht
missbilligen werden.
Der j,Moses" schreitet voran. Um die Eintönigkeit des so ernsten Stoffes etwas
zu verringern, haben wir eine Klageromsnze ffir eine Frauenstimme eingeschoben,
nach den auft-fihrerischen Schreien der Juden. Das wird sein Gutes haben. Ich
brauche nur noch die Arie des Moses zu vollenden, und das Ganze ist fertig. Ich
werde dann mit dem Schreiben der Partitur beginnen.
291
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
Einzelheiten fiber die Bftden-Badener Veranstaltung haben Sie erhalten; ea ging
alles vortrefflich. Es fknd nur ein Konzert sutt, fQr 2000 f^. Ich erwarte die Ankunft
des Grossherzogs, um in Karlsruhe ein Konzert zu geben. Dann werden wir nach
Frankfurt zurfickkehren, um dort auch einige Konzerte vorzubereiten. Der Erfolg
Ihrer «Symphonie* hat mich aehr beglQckt. Wer empfinde darfiber mehr Freude, als
Ihr Sohn, der Sie verehrt, und den Sie so von Herzen lieben?
Leben Sie wohl, teurer Vater, ich umarme Sie zärtlich und erwarte ungeduldig
den Tag unserer Wiedervereinigung.
F^licien David
P. S. Viele Grüsse an die Freunde und auch an die Freundinnen, die in meinem
letzten Schreiben mit einbegriffen waren, und die ich nicht vergessen habe.
Von den Escudier's erhielt ich einen Brief; sie schlagen mir ein Opembuch
von Lucas vor. Ich kann daa nicht annehmen. Es ist besser, wenn ich mit einer
Oper von Scribe beginne. Und überdies erfuhr ich, Hal6vy habe dieaes Buch
abgelehnt.
Sylvaln Saint-Etlenne an Vater Enfantin
Baden-Baden, den 1. September 1845
. . . Der Erfolg des Konzertes am Samstag war, wie Sie aus dem Bericht er^
sehen haben werden, fkbelhaft, und waa mich besonders trtute und mich in betreff
der andern Werke wieder beruhigt, war der Umstand, dass das Symphonie-Fragment
ebensolchen BeifUl erhielt wie die »Wüste*. Es scheint, daas das zweite Konzert
nicht hier, sondern in Karlsruhe stattfinden wird. Da aber Benazet in seinem Schreiben
zwei Konzerte garantiert hatte, riet ich David, 2000 fr. statt 1000 zu verlangen, weil
doch 1000 für jedes bestimmt waren.
David war hier der Gegenstand sehr schmeichelhafter Ovationen; alle Welt,
Frauen und Minner, zeigte ihn sich im Saale mit Geaten und bewundernden Blicken
und mit Worten, wie: »Das ist erl . . . da kommt F^licien David, der Komponist der
,Wüste'" und so fort. Verschiedene angesehene Persönlichkeiten luden ihn zu Soireen
ein. Gestern abend war er bei der polnischen Grifln von Certoriska zu Gast, die sehr
gut Klavier spielt. Moscel, Strauss,^) Pizis und andere Künstler haben ihn lebhaft
beglückwünscht Er musste sich in 5—6 Albums eintragen, die man ihm entgegen-
streckte . . . Die Dame, die beim Applaudieren beinahe ihren Schirm zerbrach, war
die Tlnzerin Lola Montez,*) die ganz gern mit David angebandelt hätte; aber dieser
winkte ab, weil die Capricen dieser Schönen sich zuweilen in Stockschlige umsetzen
und manchmal noch üblere Folgen nach sich ziehen. Morgen oder übermorgen reisen
wir nach Frankfurt. David kann sich rühmen, Baden-Baden zu kennen. Er wanderte
jeden Tag nach einer andern Gegend, und an Bewegung hat es ihm nicht gefehlt;
aber wenn er noch viel solcher Plätze flinde, würde es mit dem ipMoses* etwas
langsam vorangehen . . .
Genehmigen Sie usw. Sylvain Saint-Etienne
^) Vermutlich der Violinist und Komponist Joseph Strauss (1793—1866), von
1824—1863 Hofkapellmeister in Karlsruhe. [R.]
*) Die bekannte Abenteurerin, die einige Jahre darauf in der bayrischen Ge-
schichte eine Rolle zu spielen berufen war. Eugdne de Mirecourt, der 1854 eine
Monographie über F61icien David herausgab, berichtet, die heissblütige Spanierin habe
David nach Frankfurt, Karlsruhe und München verfolgt und nicht verstehen können
.le peu de Sympathie de Tez-apötre pour la femme libre.* [R.]
21^
292
DIE MUSIK V. 23.
Yj^ter Enfantin an Fölicien David
Paris, den 8. September 1845
Lieber Freund, auch wir haben unsere Konzerte in Paris. Vorgestern wurden
im Saal St. Jean^ zugunsten der Opfer von Monville*) Deine «WQste*, vier neue
Gesinge und zwei Soirten aufgef&hrt Die Ausfuhrung Hess manches zu wünschen
fibrig. Poultier') sang sehr gut «Eveillez-vous", was Furore machte, Wartel*) Je
suis de quart*. Abgesehen von Offenbach*) und dem stindigen Kontrabassisten
wurden Deine Quintette von den beiden Geigern und dem Bratschisten verhunzt Ich
weiss noch nicht, welcher Ertrag für die unglücldichen Opfer erzielt wurde.
Deinen und Sylvain's Brief vom 1. September habe ich erhalten. Sylvain ist
gewiss der beste Kerl von der Welt, aber er hat noch nicht begriffen, dass ich in
dieser Beziehung auch meine nicht geringen Ambitionen habe. Wenn er glaubt, ich
wolle ihm übel, weil ich ihm Ratschlige erteile, wenn er der Meinung ist, ich wolle
ihn schidigen, weil ich ihn verpflichte, das zu leisten, was er zu leisten imstande ist,
so ist das wirklich betrübend. Um uns klar zu werden, und damit Du Dich nicht
selbst tiuschst, will ich folgende Frage stellen: ist es mOglich, dass Sylvain den
„Moses" verlegt, dass er den «Moses* vertreibt, dass er Dir behilflich ist, andere
Werke zu komponieren, dass er Deine Werke in Paris verkauft, sie in London auf-
führen liest und Dich in Deutschland begleitet? Mit einem Wort: er will all das
allein leisten, was in diesem Augenblick zwei Brüder Escudier, Tamisier, Jourdan, ich,
er, Sylvain und Du selber leisten? Er kann es ja behaupten, aber ich glaube es
nicht ganz. Wenn er Verleger ist, so muss er verlegen. Wenn er als Verleger seine
Erzeugnisse absetzen will, so braucht er ein anderes Selbst, nicht etwa seine Tochter,
sondern einen wirklichen Geschiftsmann, der mit Annoncen, Reklame, Zeitungsartikeln
Bescheid weiss; er muss ein Verlagshaus gründen, etwa wie die Hiuser Troupenas,
Schlesinger und Escudier. Wenn er in dieser seiner doppelten Eigenschaft Dir auch
noch Dienste erweisen will ihnlich denen, die er Dir jetzt erweist, wenn er sich ein-
bildet, all das schaffen zu können, so erklire ich ihn für verrückt.
Wenn er sich dagegen darauf beschrinkte, den «Moses* den Verlegern bis auf
weiteres vorzuenthalten (besagte Verleger würden sich dann um dieses Handelsobjekt
reissen), so würde ich diese Haltung weit eher verstehen, aber im übrigen ist es die-
selbe, die ich und Jourdan seither beobachtet haben, wihrend die Rolle, die Escudier
gespielt hat, ganz anderer Art ist Wenn er mit den Verlegern Vertrige abschliesst,
ihnlich dem unsrigen mit Escudier, und Dir garantiert. Dich über Wasser zu halten,
ihnlich wie wir Dir die Hindemisse aus dem Wege zu riumen versuchten — gut;
dann soll er kommen und uns dabei helfen ... Im übrigen glaubt er, ich tiuschte
mich in ihm, ich beurteilte ihn falsch, und er könne sehr wohl alles bewiltigen. Er
soll es versuchen. Ich würde mit Vergnügen meinen Irrtum eingestehen, sibe ich,
dass er der Rothschild dieser Branche ist Aber dann bitte ich Dich, mit ihm darüber
zu reden, welcher von Deinen Freunden bei Dir den unumginglich notwendigen
Posten einnehmen soll, für den mir Sylvain wie geschaffen vorkam. Wer soll dann
^) Im Pariser Stadthaus.
") Das Dorf Monville (Seine-Inf6rieure) war durch einen Cyclon zerstört worden.
') Poultier, ein ehemaliger Böttcher, hatte am 4. Oktober 1841 als Tenor an
der Grossen Oper debütiert
^) Pierre Frangois Wartel <1806— 1882), Tenorist, seit 1831 an der Grossen Oper.
^) Jacques Offenbach war damals Cellist an der Komischen Oper.
203
PROD'HOMME: DAVIDS REISE NACH DEUTSCHLAND
Dein Pylides, Dein Begleiter sein? Du schreibst mir, Du seiest nicht Termögencl
genug, als dass SyWain hierbei eine gesicherte Zukunft habe; gerade weil Sylvain es
nicht versteht, durch Förderung Deiner Geschifte fQr Euch beide gehörig Geld zu
▼erdienen. Aber er glaubt, fQr sich als Verleger und für Dich als Komponisten viel
▼erdienen zu können, er k la Escudier und Du k la Auber, Hal6^y oder Rossini.
Dann empfehle ich Dir, ein weibliches oder minnliches Geschiftsgenie zu engagieren
oder Dich ein bischen zum Juden umzumodeln, wenn Du willst, dass Sylvain sein
Ziel erreicht, denn Du ▼erstehst nichts ▼om Geschiftlichen wie Auber, Hal6^y oder
Rossini, und ich bezweifle nach wie vor, dass SyWain es mit den Escudier's aufhehmen
kann. ... Er behauptet, der .Moses* werde mehr einbringen als die »Wüste*, wenn
er ihn ▼erlege und ▼ertreibe, d. h. er werde dieses Werk mehr ▼erkaufen und mehr
Konzerte mit ihm ▼eranstalten, als etwa die Escudier's. Das bleibe dahingestellt, aber
man darf nicht ▼on Anfang an so denken. Die »Wüste* hat Dir wenig eingebracht
im Verhiltnis zum Gewinn der Escudier's, weil Du ▼om ersten Tag ▼om Verleger, der
Dir das Aufführungsrecht um nichts und den Verlag um ein geringes abgekauft hat,
über den Löffel barbiert worden bist. Wenn nun SyWain das Eigentumsrecht um eine
hohe Summe einem gut gestellten, gut eingeführten Verleger mit guter Kundschaft
abtreten, wenn er gleichzeitig das Aufführungsrecht günstig ▼erkaufen, wenn er end-
lich neben und mit Dir arbeitend Dir beim Schaffen neuer erfolgversprechender Werke
helfen würde, so dünkt mich, Hesse sich das ersehnte Resultat ▼iel eher erreichen,
als wenn er Dich erstens dort hinhilt, zweitens, als Konkurrenz zu allen be-
stehenden, einen ganz neuen Musik^erlag gründet und drittens Deutschland, Frank-
reich usw. bereist. Was SyWain will und was ich will, ist, dass seine Freundschaft
für Dich Euch beiden dazu ▼erhilft, ▼on Deiner Musik den denkbar grössten
Nutzen zu ziehen. Dein Talent und Dein Renom6e möglicht zu steigern. Die Teilung
des ▼on Euch beiden Gewonnenen kommt erst in zweiter Linie . . . aber er hat es
sich in den Kopf gesetzt, in Paris einen Laden aufzumachen! . . . Dieser Teufelskerl
— ich ▼erheisse ihm den Himmel, und er ▼erlangt die Hölle I Meiner Treu, es ist
doch licherlich, sich darüber zu beklagen, weil ein Schwiegenrater einem eine zu
schöne Braut zuführt! Und Du — gute Seele, die Du bist — erhebst dagegen Ein-
spruch und ssgst: »Ach, lieber Vater, machen Sie aus meinem Freund . . .* »Was,
mein Herr?* »Meinen Verleger!" Hol' Euch der Henker alle beide, Ihr seid mir
zwei schöne Kerls! Er soll Verleger und Agenten bluten lassen, er soll gute und
schöne Konzerte ▼eranstalten, die das Genie und nicht minder das Herz meines
Kindes zur Geltung bringen, er soll Deinen Geldbeutel rundlich machen, aber in
erster Linie Deinen Namen und Deinen Charakter geachtet; er soll dafür sorgen, dass
diese beiden stets blank bleiben; er soll Dir die Widerwirtigkeiten fernhalten. Deine
Sorgen beschwichtigen, mit Dir arbeiten, Dich betreuen, er soll dessen eingedenk
sein, dass er mir zu einem grossen Teil für Dein Leben ▼erantwortlich ist, aber Dein
Verleger werden wollen — nochmals: das ist kliglich. Begreift Ihr endlich?! Ich
umarme Euch alle beide, aber Ihr seid zwei entsetzliche Kindsköpfe . . .
Vater Enfantin an F61ieieo David
[Paris,] den 18. Oktober 1845
Ich fürchte, lieber Freund, dieser Brief kommt erst nach Eurer Abreise ▼on
Karlsruhe an, indessen schreibe ich ihn, weil es mir sehr irgerlich wire, wenn meine
durch Mor^ille erteilte Zustimmung zu SyWain's Projekt nicht Euch beiden zu Gesicht
kime. Ich hoffe noch immer, dass Ihr durch Kombination ▼on Mor^ille's Brief mit
l DIE MUSIK V. 23. ]
meinem Torheifeb enden and mJI Rfickiiclil darauf, wm Euch die Klugheit rit, Euch
zur Tiener Reise nur enticbllesien werdet, venu David vollkammen gesund ist.
Tenn nicht, macht Euch eachte auf den RGckweg, ohne OberhetianE, In kleinen
Tagerelaen, verbringt die Nichte nicht In der Poitkuticbe und kommt zu Eurem
lieben Vater, der lieh so sehr luh Wiedersehen freut und unglücklich wir«, sein
Kind fem van sich leidend zu wissen. Die Gesundheit über allei, helsst heute die
Parole. Ruhm und Gold sind erworben, und wir müaten uns alle fDr die grossen
unser harrenden Au^aben schonen; und diiu bedarf ea rfisdger Burachen. Ich bin
sehr glGcklich &ber diesen neuen Erttolg in Karlsruhe und nicht im mindesten über-
rascht fiber die Bewunderung die die Symphonie In Es-dnr hervorgemfbn. Ich hatte
immer so das Gefühl, als bitten die Deutschen den richtigen Merks dafür. Aucb
hitle ich gern gewnsst, ob In Prsnkfurt oder Karlsruhe einige Deiner Quintette an
GehQr kamen. Das wire klug gewesen, denn sie bitten ohne Zweifel Erfolg gehabt.
Teilt mir umgehend das Resultat Eurer Entschllessung mit; hils Ihr nsch VIen geht,
hat mir Rothschild versprochen. Euch elniuRühren, waa von grossem Nutzen für Encfa
wire. Um die Pariser Blltter hebe Ich mich nicht kümmern kCnneu, und selbst
wenn ich es gekonnt bitte, bitte Ich schwerlich etwas unternommen. Tenn wir nacb
Deiner Helmkehr die Aufführung des »Moiea* votbereiten, dann wollen wir auf einige
gute deutsche Kritiken über den Erfolg des fuugen frsniSslschen Meisters zorfick-
greifen ... Im übrigen Ist Jonrdan abwesend, Barrault Ist nicht mehr am BKurier",
Duvejrrier hat ebensoviel zu tun wie ich, und schliesslich llsst sich In Frsnkrelcb
über die Musik Davids nichts Neues mehr ssgen. Das wichtigste Ist Jetzt, zur Jahres-
wende In Paris etwaa Neues zu Gehör zu bringen. Lebt wohl, liehe Freunde, und
nochmals: die Geaundheli über alles.
rl Loewe, der geborene Balladenmeister, bat allein, was das
ganze Dasein aus Natur, Geschichte und Menschentum der
Ballade zureicht, bei seiner musikalischen Gesultung fast aus-
nahmslos den rechten Ton verliehen. Dies sein unbestrittenes
Verdienst wird noch gehoben, wenn wir bedenken, wie umfassend er sich
in der Balladenkomposilion zeigt, wie grosse Mannigfaltigkeit das von ihm
behandelte Balladengebiet im einzelnen aufweist, wie die einzelnen Balladen
und Legenden — die einen nach dieser, die anderen nach anderen Seiten
hin — alle nur denkbaren Beziehungen in Menschentum, Geschichte und
Natur berühren. Loewe war darum ein Meister der Realistik. Man würde
ihn aber unrichtig einschitzen, wenn man ihn nur als feinsinnigen Nacb-
bildner der Natur auRasste. Seine Kunst, in Tönen zu schaffen, ist, wie
ihnlich bei jedem grossen Komponisten, eine Art von NeuschSpfung; d. h.
was auf dem Gebiet der Natur oder Geschichte sich zuträgt, schafft er auf
dem Gebiete der Tdne von neuem. Hierin besteht Loewes echte Genialitlt.
Das schliesst nicht aus, dass er sich der Natur mit seiner Kunst auch
mehr äusserlich wieder annShert und aus ihr erschaut und erhorcht, was
er zu sagen und zu singen hat. War er doch eine Persönlichkeit, die sich
bei ihrem hohen Idealismus auch auf die reale Lebensseite mit praktischem
Geschick verstand.
Loewe liebte unaussprechlich die Tierwelt. Und wenn er auch sonst
jene einfachen, oft geringfügigsten Gegenstände und Eindrücke des Daseins
treffend in Tönen wiederbelebte: bei der Darstellung der Tierwelt gelang
ihm solches auf besondere Weise. Zumal aber war es die Vogelwelt, die
ihn in seiner frühesten Jugend mit Entzücken erfüllte, so dass er schon als
Kind jeden Vogel nach seinem Gesänge und Gezwitscher genau unter-
schied, — die ihn bis in sein höchstes Greisenalter fesselte. Nicht nur als
Komponist hat Loewe die Vogelwelt behandelt, sondern auch schrift-
stelleriscb hat er ihr sein Interesse zugewandt, und zwar in einer bisher
unveröffentlichten Abhandlung über die Vogelstimmen. Wenngleich
sie unvollendet blieb, bietet sie doch eine Fülle feinsinniger Betrach-
tungen und geistvoller Bemerkungen. Die vor uns liegende Loewesche
296
DIE MUSIK V. 23.
Handschrift enthält ausser der eigentlichen, leider zu früh abgebrochenen,
Abhandlung noch „Materialien* zu ihr, sowie bruchstQckweise Ergänzungen,
die zweifellos als „Vorarbeiten" zu betrachten sind. Derartige bruch-
stückweise Ausführungen finden sich auch in der von ihm ausserdem
noch verzeichneten Klassifizierung der bekanntesten Singvogelarten. Ich
veröffentliche das Ganze in folgender Anordnung: A. den eigentlichen,
unabgeschlossenen, Aufsatz; B. die Materialien-Sammlung, die ich nunmehr
lediglich als Ergänzungen des Aufsatzes nehme. Da hier die Vogellaute,
Vogelsprache und Vogelmanieren von Nichtsängern behandelt werden (von
denen der Kuckuck den Übergang zu den Sängern bilde), so lassen sich
ohne Schwierigkeit diejenigen hierhergehSrigen Raub-, Nacht-, Wasser- und
Hausvögel, die Loewe in seinen Balladen und Gesängen behandelt hat,
hinzufügen. C. Selbstverständlich mussten nun aber auch die vielen Stellen
bedacht werden, in denen uns Loewe die Weisen nebst Eigenart zahlreicher
Singvögel in seinen Werken vorführt, womit eine besonders wertvolle Er-
gänzung zu seiner Abhandlung geboten wird. Hierbei wurde zuerst den
Singvögeln in ihrer unbestimmten Allgemeinheit, sodann in ihrer Sonderheit
nach der oben angedeuteten Klassifizierung — von der Lerche Sang (1)
bis zu der Wachtel Schlag (12) — , Rechnung getragen. Ich bemerke da-
bei, dass alles, was wörtlich von Loewe selbst gesagt ist, in , " gesetzt
wird. Die hin und wieder angeführte Gesamt-Ausgabe [Ges.-Ausg.] ist die
von mir bei Breitkopf & Härtel in 17 Bänden herausgegebene Ausgabe.
A.
»Die zweite Klasse der Tierwelt, die Vögel, haben zu allen Zeiten den Natur-
forschern, von Aristoteles an, viel Gelegenheit zum Nachdenken gegeben, und sie
bieten in den zoologischen Museen dem Auge die erfreulichste Unterhaltung dar. Die
Ornithologen haben ihre Eigenschaften, den Bau ihrer Glieder, Federn, ihren Flog,
ihr Schwimmen, auch ihre Seelenfibigkeiten bis in die kleinsten Details beobachtet
und angegeben, aber eine Haupteigensctaaft dieser Tiere: ihre Töne sind fast ganz dem
Versuche, sie durch Zeichen darzustellen, in den Hintergrund getreten. Uns dünkt,
ein Teil dieser Töne, welche sie hervorbringen, könnte allerdings durch Noten, rhyth-
mische Taktzeichen, durch Ausdrucks- oder Espressivzeichen angedeutet werden, und
dfirfte in den Naturalienkabinetten auf einem Tlfelchen dem Vogel als ein unter-
haltendes Attribut beigef> werden, gleichsam als ein Autographon für das Gehör
der Menschen. Die Bezeichnung der kleinen Weisen hat allerdings selbst fQr ein
geübtes Ohr 'seine nicht geringen Schwierigkeiten. Denn einmal halten diese Natnr-
slnger ihre Kunstleistungen in einer ausserordentlich hohen Oktave, so dass sie auch
das feinste Ohr nur mit grosser Muhe ihrer Höhe und Tiefe nach unterscheiden
kann und ihre Melodieen leicht mit dem allgemeinen Namen «Gezwitscher* abfindet;
aber bei genauerer und wiederholter Aufmerksamkeit hört man doch deutlich in der
Wiederholung manchen Tonfall, Tonsteigen, verschiedene Stimmregister, genug, eine
Art Melodie, Rhythmus und Ausdruck heraus, bei einigen leichter, bei anderen
schwieriger. Das Ohr des Vogels ist ungleich kleiner und feiner konstruiert; seine
297
KUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Töne, die haaptsichlich nur für seine Zwecke zunächst bestimmt sind, werden such
mit seiner kleineren Stimme meist in der vier-, fOnf- und sechsgestrichenen Oktave
hervorgebracht. Diese Oktaven sind auch ganz zweckmässig, da sich bekanntlich hohe
und feine Töne im Freien weiter verbreiten, als tiefe und grobe, weil jene weit inten-
siveren, quasi spitzigeren Scballwellchen leichter das Luftmeer durchbohren, sls breitere
und msssenhaftere, welche in der Luftmasse mehr Widerstand finden und eher auf-
hören zu schwingen. Dsher wird der Hilferuf bei aller Kreatur allemal hoch an-
gestimmt, die Pfeifchen gellen bei der Trommel distinkter hindurch, als ein ganzes
Musikchor; ein hoch und pfeifenähnlich einsetzender Donnerschlag ist näher und ge-
fährlicher, als das bassartige Rollen desselben. — So lieblich und angenehm es f&r
den Menschen ist, seinen Melodieen und Tonschöpfungen nachzugehen und zu horchen,
aus ihnen den Gemfitszustand und auch selbst den Charakter eines musizierenden
Individuums mit psychologischem Fühlhorne zu empfinden, ebenso interessant ist es
für den Naturfreund, deren onomatopoSticis oder Naturlauten nachzuhorchen, welche
den Wanderer zur Tag- oder Nachtzeit berühren. Denn sie sind der Grundtypus der
Sprache des Menschen, und diese wieder der seiner Musik. Der Schöpfer gab gewiss
seinem ganzen Weltall einen Ton, und den einzelnen Sonnensystemen, Planeten und
Satelliten Töne, so dass die griechische Lehre der Harmonie der Sphären ebenso
wahrscheinlich eine Art idealer Realität haben dürfte, als der Ton in seinen Grund-
stoffen einem jeden Elemente der Erde fibarhsupt innewohnt. Das Meer hat seine
gewaltigen und lieblichen Töne wie die Luft in sich; das Feuer erzeugt sie wie die
Erde und ihre Stoffe; der Stein selbst vibriert ihr nach, wie der scheinbar tote Ssnd
der Wüste klingt, wenn er zu Bergen aufgetrieben wird. Die lieblichen Töne der
Vögel stellen sich mit ihren süssen Melodieen nahe an den Menschen heran, so dass
selbst schon einer vom andern lernen kann, und es wäre keine unwürdige Aufgabe
des Tonkünstlers, mit seinem ausgebildeteren Ohre dem Naturforscher zu Hilfe zu
kommen, um ihm sagen zu können, dieser oder jener Vogel hat folgende Weise. —
Wir möchten aus den Zeichen doch manchen Vogelsang in natura wieder erkennen,
auch wenn wir ihn bisher überhört hätten. Denn die Variabilität der Melodieen in
den verschiedenen Vögelgattungen verdient schon im allgemeinen unsere Bewunderung.
Welch ein Reichtum von Melodieen ist erforderlich, um einer jeden Gattung eine
bestimmte, ihm allein eigene Modulation und Wendung zu verleihen, abgesehen von
der Klangfarbe, welche gleichfalls zur Unterscheidung der Gattungen beiträgt. Wir
bewundem hier den Reichtum der Natur ebenso, wie in andern Gegenständen.
Um nun in der nötigen Kürze unserer Aufgabe näher zu rücken, so lassen wir
es uns angelegen sein, die Melodieen der Gesangvögel zu fixieren (welche unseren
musikalischen Zeichen am nächsten stehen).
Beethoven hat uns hier in seiner Pastoral-Symphonie eine drollige Probe der
Nachtigall, des Kuckucks und der Wachtel gegeben. Weniger bekannt in der musi-
kalischen Literatur scheint aber desselben Komponisten Nachahmung des »Schlossers*
im ersten Satze dieser Symphonie zu sein.
m
?
in inflnitum, eines Vogels, der besonders an schwülen Sommertagen vor dem Gewitter
unablässig seine Triole hören lässt, weshalb ihn auch die Landleute den Regenpfeifer
nennen. Bekannter ist der Hahn in Haydns Schöpfung suf der Oboe, und seine Grille
in den beiden Flöten auf d und eis, (die nun weniger hierher gehört). Die Weisen
und Rhythmen der Nachtigall hat man vielfach nachgebildet.
298
1 DIE MUSIK V. 23.
Intereasint ist die Weise der Heidelerche (Alaada arborea), welche In un-
gemein engen chromatiachen kleinen Terzen aua der Höbe (bat einen Federbuscb)
zart herabaingt; zart und schmeichelhaft:
Leicht ist auch der Fink zu erkennen, der ausser seinem gewöhnlichen «Fink*
noch einen schmetternden dreisten Schlag in drei verschiedenen Stimmlagen hören
Hast.
8v«
accelerando
Presto ^ m m m m mik U^ « ^ » ^ ^ ^^
Porte I /[ r f I r l*r P-f-fTl 1 r r r mT r fiti»^y F Jtrm ^ m l i r\rm I
Anhang.
1. 2. 3.
Wirtsgebfibr, trinke Bier. In y. Schuberts zehnter Auflage seiner Natur-
geschichte heisst es: An diesem Tiere (Fink) hat man die sonderbare Beobachtung
gemacht, dass auch die Vögel in ihrem Gesänge gewisse Moden (modi) halten. Denn
alte Leute vom Thfiringer Walde erinnern aich noch, gewiase Waldmelodieen und
Weiaen von den Finken in den Wäldern gehört zu haben, die aeitdem verschwunden,
und dagegen andere an ihrer Stelle auflgekommen aind.
Wenn also einmal von Zeit zu Zeit unter den Finken ein rechtea Genie auf-
steht und eine neue Melodie aufbringt, so pfeifen ihm die andern Finken alle nach,
und aeine Weise wird eine Zeitlang Mode. In manchen Thfiringer Walddörfem iat
eine ao grosse Liebhaberei an Finken, dass die Bauern aonst wohl eine gute Kuh ffir
einen Finken hingeben.
Funk sagt: ein Finke achlage den Reitzug, Bräutigam, Hochzeitgebuhr, Musketier,
Malvasier, Ritschebier usw. (Augum; die Mädchen und jungen Burschen prophezeien
sich allerlei Schönes, je nachdem sie dieses in dem Sänge hören.)
Pirol (Oriolua galbula), Pflngatvogel, Golddrossel, Wiedewal, Kirschvogel,
Goldamael.
Sfiss, in tiefbr melancholischer Stimmlage einer Flöte, läast die Golddrossel einen
verminderten Septimenakkord ganz aphoriatiach hören:
I o Pfihlo i o PGhlo
(Pflngatvogel) (Vogel Bulow)
gewöhnlich singt sie:
^f-^'^ '^|LJ
I 0 Pfihlo.«
299
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Hier bricht der eigentliche Aufsatz ab. Stimmen der Lerche, des
Finken, des Pflngstvogels folgen noch einmal unter C.
B.
ipEs kommt darauf tn zu bestimmen: Skala, Rhythmus (oder vielleicht gar Takt)
und Espression. Wenn die Meinung festgehalten wird, dass die Vögel noch aus einer
antedilttVianischen Zeit herüberstammen, so muss es interessant sein, diesen Urboden
des Klanges in ihnen wiederzufinden. Das Reich des Klanges und der Töne kann
aber seiner Natur nach nichts anderes sein, als was es ist. Die Intervalle der meisten
Singvögel sind aber bei weitem mehr noch als chromatisch, sie lassen auch die Wirbel-
töne hören. Ihre Skala ist nicht so einftch und auf grosse Intervalle reduziert, als
die menschliche. Je höher das Geschöpf, desto mehr Weite wollen die Intervalle
haben. Das Diatonische der Musik ist erhabener als das unedlere triviale Chromatische.
(Kirchenmusik. Palestrina.)«
^Material.
Unter den Raubvögeln, die nicht singen, nehmen die Naturforscher einen
Singfalken an (Falco musicus) in Sfidafriks, der statt des wfisten Geschreies dieser
Gattung einige angenehme singende Töne hören lassen soll.
Levirostres. Die Leichtschnibler (Psittaci), Papageien, singen im Natur-
zustande eigentlich gar nicht« sondern lassen ein widriges Geschrei, Gekreisch, auch
zuweilen ein unmelodisches Gegurgel hören, welches mit dem Getön eines Karren-
rades zu vergleichen ist. Sie haben die Fakultit, nachzuahmen, Worte sprechen zu
lernen, und sind in dieser Eigenschaft sehr feintönlg zu nennen. In der menschlichen
Gesellschaft bildet sich nun auch ihr Tonsinn, den sie von Natur empfangen haben,
ungemein aus. Sie lernen ganze Tonleitern auf das richtigste und reinste im Fuss-
tone einer schönen Flöte angenehm nachsingen, flöten Melodieen in Menge und
solfeggieren fQr sich, wenn sie Langeweile haben, auf das lieblichste und über-
raschendste, indem sie ordentlich melodisch zu komponieren scheinen. Auch ahmen
sie Stimmen anderer Vögel nach, miauen wie eine Katze, bellen wie ein Hund,
lachen, seufzen, gihnen und niesen dem Menschen nach. Genug, die Natur hat alle
Keime der Elemente des Hörens und Tonsinns in ihre Seele gelegt, aber im Natur-
zustande bleiben sie völlig unentwickelt, gleichsam als wire bei ihnen in der Ent-
wicklung der Farbenpracht ihres Gefieders die Entwicklung ihrer Tonanlagen über-
sehen worden."
«
Loewe hat dem Papagei im Jahre 1847 ein besonderes Werk ge-
widmet, op. 111, das in doppelter Gestalt, für vier Männerstimmen und
für eine Singstimme mit Klavierbegleitung, erschienen ist. Die Bezeichnung
»humoristische Ballade" trifft eigentlich nicht ganz zu. Wohl enthält sie
echt Loeweschen Humor; doch verläuft sie zu tieftragischem Ende. Loewe
selbst, der einer der ersten, wenn nicht der grösste, Meister der Kunst,
den Humor musikalisch zu behandeln, war, nennt das Stück in einem Briefe,
den er über seine Balladenvorträge beim König Friedrich Wilhelm IV.,
dem gerade diese Nummer besonders gefiel, im Sommer 1853 schrieb,
allerdings ein «drolliges Gewächs" ; doch schwebte ihm in dem Augenblick
sicherlich mehr die politische Seite des Werkes vor als dies, dass das
300
DIB MUSIK V. 23.
Ganze doch so recht eigentlich eine Tier-Tragödie sei. In der Umgegend
von Waterloo wohnte ein Franzose, der tagtäglich mit seinem Papagei
französisch plauderte. Seit dem Schlachttage aber (A-dur geht nach a-moU
über) verfugt sein «Matz** nur über:
: ^
f
Vor Ärger, um Sieger fiber
Bum!
das den Franzosenruhm vernichtende «Bum* zu werden (a-moU geht wieder
nach A-dur zurück), tötet ihn sein Herr. Die ganze Manier des Papagei,
seine stimmliche Ausdrucksweise, sein schriller Aufschrei im Sterben ist
mit köstlicher Treue, wie folgt, gezeichnet:
i^^jH j j'tj' m
der bat auch ei -nen Pa - pt - gel, der hat auch ei -Den Pa- pa - gei» der
**
sprach sa laut zu - vor,
der sprach so laut zu - vor!
Dann jedoch, als die Schlacht so laut nun sprach:
PP
*
5
5=^F^
t=^
da schwieg der Pa - pa - gel
und alsdann:
^P^^^^^
sprach er nur ei - ner - lei.
In der Folge ertönt nur noch sein
fe
=:, wovon auch die Drohung ihn
Bum!
nicht abbringen kann: .Und weisst du weiter nichts als Bum! den Hals
dreh ich dir
**
f~r-rr\-T^^^
uml* Bum! Da dreht er den Hals ihm um, und er sprach sterbend:
m
rit
t
a^
i
^m
f
m
Bum!" Und er sprach ster-bend: Bum!
Frau Lilli Lehmann brachte diese Ballade vor einigen Jahren durch
ihren Meister- Vortrag zu erschütternder Wirkung. Loewe Hhrt fort:
301
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
«Die Spechte (Pici) liefern gar keine Exemplare für Töne (haben eine Art
kurzen Gelichters), sondern sind nur auf Industrie bedacht; ebensowenig auch Dünn-
schnäbler (tennirostres).*
Seinen Klopftönen und seinem Getue nach schildert Loewe den
Specht in der anmutigen Legende «Jungfrau Lorenz*, nachdem er beim
Eintreten des Mägdleins in den heimlich-stillen Wald von E-dur nach C-dur
fibergegangen war, wie folgt:
seiner .Industrie* nach im .Kleinen Haushalt*:
I M \ ' * JP"^ J J' -l'l -1' J^-j. J i'l J' ;■ j 1 ■
der Specht, der Holz mit dem Schnabel haut, hat das Hans mir auf- ge-baut
Mit einer kurzen Erwähnung der Raben, von denen er sagt:
«Sie haben wie die Leichtschnibler viel Talent, nachzuahmen, wollen aber mit
den Tönen nichts zu tun haben, sondern beschrinken sich wie die Philologen auf
Wörter« —
weist er hinüber zur Kategorie der Raubvögel. Unter ihnen sei zuerst
der Krähe gedacht, wie Loewe sie in der «lustigen Hochzeit* darstellt:
«Ich bin ein sehr schwarzer Kerl, kann nicht Brautführer sein*, — wozu
Loewe den Vortrags vermerk macht: «Mit schnarrendem R.* Sodann sei
als Loewes Lieblingsvogel die Eule angeführt. Sie wird mehrfach von
ihm charakterisiert, so in seiner «Walpurgisnacht*, der Oper «Emmy*,
der «lustigen Hochzeit*, in der auf die Frage: «Wer soll Braut sein?*
von der Gesamtheit der Tiere geantwortet wird, und zwar im Allegro
Vivace:
y
P
^^
^
r-r
Eu - le soll
^
S
m
-f-r
Braut sein.
^ä^Ht
?
302
DIE MUSIK V. 23.
wobei die Tiere der Eule den Brautantrag sichtlich in deren eigener Ton-
sprache machen. Sie antwortet mit eulenmässiger Gelassenheit:
Sotto voce
\^
k
mj^\r.T er H'-Hf^-H-t^' r r I ii' r
Ich bin ein sehr griss-Hch Ding, kann nicht die Braut sein.
In erschreckendster Gestalt, als Botin des^Unglücks oder fast als Toten-
vogel, zeigt sie sich in ^Jungfrau Lorenz*. Das Magdlein hat sich im
Walde verirrt; die Mittagszeit streicht vorüber, der Abend, die Nacht
bricht herein,
^-rjiiJ r r p j^-
dem Schrei der
Eu
le lauschet ihr Ohr,
Irrlichter tanzen über dem Moor, — ohnmächtig bricht es zusammen.
Wie Loewe mit besonderer Vorliebe seinem erlauchten Vetter, dem
Könige der Tierwelt, seine musikalischen Grüsse sandte (so im «Landgraf
Ludewig", dem .Mohrenfürsten', «Kaiser Ottos Weihnachtsfeier**), so ver-
nachlässigte er auch den König der Vogelwelt nicht. Bildlich werden
Adler in der unlängst von mir aufgefundenen kraftvollen Ballade von der
«preussischen Kriegerin'' («Die Heldenbraut*, Breitkopf & HärteU Band V)
vorgeführt, indem die im Schlachtgewühl daherstürmenden preussischen
Krieger kreischenden Adlern, die nach Blut lechzen, verglichen werden,
wobei in Singstimme wie Begleitung ihrem Kreischen und Rauschen sinn-
gemässer, packender Ausdruck verliehen wird. Schon hier treten ähnlich
charakteristische Intervalle hervor, wie sie Loewe später bei jener genialen
Zeichnung der Adler in .Odins Meeresritt* anwendet, wo von der schwarzen
nachtumwobenen, dann später lichtumglühten Erscheinung des Odin schliess-
lich nichts realistisch Greifbares übrig bleibt, als das Rauschen seiner trotz
schnellsten Fluges ihn nimmer erreichenden zwölf Adler. Dies Adler-
Rauschen hinter dem Gotte her, ein Meisterstück genialer Erfindung, hat
Loewe naturgemäss lediglich dem instrumentalen Teile überlassen.
Loewe hat für bestimmte Empfindungen und bestimmte Situationen
meist ähnliche musikalische Motive. So wandte er schon in seiner ersten
303
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Ballade 1817 für die handelnden («redend-handelnden", wie er zu sagen
pflegte) Personen klar erkennbare, entwicklungsfähige Leitmotive an. Ja,
er überträgt solche selbst auf Tiere. Solches hat er besonders genial in
seiner Tierballade «Der Feind' zum Ausdruck gebracht (vgl. Ges.- Ausg.
Band IX, No. 18). Es ist dies eines seiner allerwert vollsten Werke, eine
wahre Perle der gesamten Gesangsliteratur. Das Stilleben der Tiere wird
uns gezeichnet. Nacheinander erscheinen Adler, Wildschwein, Eichkatz,
Wolf, Damwild, Fuchs, Reh, Hase, Ente, Fischlein im waldigen Bereich
vom hohen Horst bis zur Tiefe des Sees, — und endlich .der Mensch
sich zeigt, — geht durch den Wald". Das Ganze in D-dur gehalten, weist
im Einzelverlauf wechselnd die Tonarten C-dur, h-moll, fis-moll auf. Jedes
Tier wird durch ein besonderes musikalisches Motiv charakterisiert. Der
Adler, als König der Lfifte, beginnt den Reigen. Das von Loewe ffir ihn
bereitete Motiv weist wieder das schon früher für den Adler bezeichnete
Intervall auf:
Andante maesttno e ben wmtenuto
P ff c»>
it. i: . TFfE
T-i:rl I r- -j^B
Der Ad - 1er lauscht aaf sei - nem Horst;
^
^
t
^
*
^
*
^^T"
S^
r
Besondere Liebe hat Loewe dem Falken entgegengebracht. Er schildert
ihn in seiner tierlichen Eigenart und Manier, in seiner Erziehungsfähigkeit
und Abrichtung. An zwei damals moderne Dichter, deren Spuren er auch
sonst mit Vorliebe nachgeht, schliesst er sich dabei vornehmlich an, Ferd.
Freiligrath und Anastasius Grün. Ersterem folgt er ins Märchenland der
Tierromantik, letzterem in das Gebiet geschichtlicher Darstellung. Beide-
mal gestaltet er die Falken in ihrer Gewöhnung an den Menschen. Dass
jedesmal dem Falken ein, wenn auch verwandtes, doch immerhin gesondertes
Motiv vom Komponisten zugedacht wurde, ist auf die wesentlich anderen
Situationen zurückzuführen: hier ist das Falkenmotiv mit mehr natürlicher
Treue dem geschichtlichen Vorgang angepasst, dort entspricht es mehr der
romantischen Märchenstimmung. Beidemal aber wird das ursprüngliche
Leitmotiv mehr und mehr entwickelt. Solche Entwicklung geschieht im
Zusammenhange des balladischen Vorganges und, was besonders wichtig
304
DIE MUSIK V. 23.
erscheint, in der immer mehr sich entfaltenden Anpassung des Falken an
Menschenweise und Menschensinn.
Der vielgesungene «Edelfalk* (Ges.- Ausg. Bd. IX, No. 15), der be-
sondere Berühmtheit durch die Meistervorträge von Eugen Gura, Lilli Leh-
mann, Paul Bulss, Hermann Gura empfing, und von dessen Musik schon
sein Dichter mit Bewunderung gesprochen, zeigt uns nach der in mannig-
fachen Variationen wiederkehrenden erzählenden Eingangsphrase das erste
Falkenmotiv, darauf sich gründend, wie die Fürstin vom Falken erschaut
wird, in dessen Seele sich heisse Begier erzeugt, ihr zu dienen:
i
ö^
A
mf
^^
Tiefste Sehnsuchtsregung fügt dem zunächst einfachen zweiten Motiv:
i
Ffff
das etwa den krummen Schnabel oder die Kralle zeichnen soll, zunächst
die Schlussphrase der auf die Fürstin bezüglichen Erzählungsmelodie hinzu:
Wie der Falk nun die „Prinzess" in ihrer ganzen Holdseligkeit erschaut,
erweitert sich jenes einfache Falkenmotiv durch seine zweimalige Wieder-
holung und durch Hineinverwebung des erzählenden Themas (linke Hand).
Eine nach der letzten Wiederholung erfolgende Kadenz verläuft in jenem
selben erzählenden Ton, so dass sich das neue Falkenmotiv so gestaltet:
Wo das heisse Verlangen des Falken seinen Gipfelpunkt erreicht, steigert
305
Mtte«
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
sich der Aufschwung in der zweiten Wiederholung jener d2 8tel-Figur zii
der Form:
tttff
t=t
Als ihm aber sein sehnlichster Wunsch erfüllt ist, finden wir das neue
Falkenmotiv zunächst dem ersten Falkenthema, wohl zum Zeichen, dass
dasselbe als überwunden erscheinen soll, unmittelbar angefügt — dann
aber das ganze Thema folgendermassen variiert:
usw.
wodurch kenntlich gemacht wird, wie er beglückt von neuem die Schwingen
rührt und sich nun in dem stolzen Bewusstsein wiegt, der geliebten Prin-
zessin Diener zu sein.
Köstlich ist auch gezeichnet, wie sehr der Edelfalk sich menschlichen
Manieren anzupassen vermag, besonders mit der Stelle:
Die zweite, historische, Falkenballade Loewes ist die fünf Jahre später
(1844) von ihm komponierte .Reigerbaize* (vgl. Ges.-Ausg. Bd. IV, No. 0).
Auch hier steht der Falk in Diensten einer Fürstin, der Herzogin
Maria von Burgund, Gemahlin des nachmaligen Kaisers Maximilian. Beim
Ritt zur Reigerbaize sass er ihr auf dem Arm. Wegen seines »weissen
Gewandes" ward er bei Hofe scherzweis:
t|rrrTT=;:^) ry j^'ji^
der Do - mi - ni - kt - ner ge • nannt.
V. 23
22
506
DIE MUSIK V. 23.
Hierauf baut sich das eigentliche Falkenmotiv auf, dem dann ein zweites,
mehr die Annäherung an menschliches Wesen ausdrfickendes Motiv folgt:
t X 1 r\
USW.
ein schwar-zes Kipp-chen be - deckt ihn
Am Schluss der Ballade, nachdem das tragische Ende der Herrin infolge
Sturzes mit dem Pferde erfolgt war, treffen wir zunächst wieder das zweite
Motiv mit dem Ausdruck rührenden Mitgefühls ausgestattet an:
innocentamente
P
Mit
& g p- jj.Z^J'1 p j^T.jlT-p i j'
trau - rig ge - senk - tem Köpf-chen, im blut - ge • tüncb-ten
^ j^j'i ^-p j- j' J.I f j^j.
Gras, als Tr5 • ster ihr zur Sei - te der Dominikaner tass;
Die letztere Ballade bietet uns nun auch eine auf sorgfältigem Studium
begründete Schilderung der «Reiger*, oder wie man sie für gewöhnlich
nennt: Reiher, dar. Wir werden auf die weit sich dehnende, baumlose,
von Dorn bewucherte Heide geführt, wo zur Linken ein Weiher, «des
Reigervolkes Bad". Man sieht, man belauscht das gefiederte Völkchen:
usw.
Die Reiher werden aufgeschreckt; es
^g g M— g=^^
U
t
£
f
kreitcht aus dem Schilf her - - vor, und rechts und links hia
307
KUNZE: LOBWB UND DIB VOGEL VBLT
scheuchte
Reiger empor'. Wir hören das Gekreisch und vernehmen das Rauschen
in Wasser und Lüften. —
Wie bei den letzt vorgeführten Raubtiermotiven die Tiere als solche,
ihre Manieren, ihre Lock- und KreischtSne, ihre Weise der Anpassung an
den Menschen gezeichnet werden, so finden wir ähnlich auch den Storch
von Loewe charakterisiert. Die Störche zeigen sich uns als Zugvögel, so
(Ges.-Ausg. Bd. XVI):
w
A
B
3 Jl J t
Die Stör -che ziehn;
ihre musikalische Seite wird kenntlich gemacht:
ip-pem die Stör • che.
E
Schon kltp-pem
Drollig wird uns des Storches ganzes Wesen von Loewe in einem Kinder-
liedchen vorgeführt, zu dem leider der Text bisher nicht aufgefunden ist;
die Melodie findet sich in dem Vorwort zu Bd. II der Ges.-Ausg. Bekannt
dagegen ist die Stelle aus dem «kleinen Haushalt*:
I
m
I
^^
^ j .r J ja
Storch im Haus t»t Kin - der - wir - ter.
Als eigentlicher Sangesvogel betrachtet, versagt der Storch natürlich; launig
wird uns dies in der »lustigen Hochzeit' veranschaulicht:
Der Storch der sprach zu ih-nen hinwieder den Bei - den: Ich bab' ei-nen
E
*
gro - ssen Schnabel, kann nicht wohl der Spielmann sein.
Scbluss folgt
22*
Rheinberger (an die Seinen):
10. II. isse.
In Sevelcn lit nach Davld'a und des Herrn ObertBriter's H«imrel>e gldcb der
Commandant ciDgeichlafaD) und ich lancwellte mich bla lO'/t Uhr, wo mich der Pott-
walen erlSale und mich bla 4 Uhr nach Rorachacb brachte; erat am 10 Ubr fuhr dai
DampFboot, welcbei Jelit prachtvoll auaijeht, nach Lindau. Vegen der erosaen Kilte
nahm Ich Eiaenbahn 2. Klaiae, und von Augsburg brachte mich der Ellzug In '/i Stunden
nach MGnchen. Die Herrn Maler, Perfall, Scbafblutl empflngen mich luaserat freund-
scbaMkh und — nun altie ich in meiner alten Tohnung bei Peralenteld'a und habe
achon Mebreres componirL leb beBnde mich ganz wohl und hoffe roicb mit Gottea
Hilft durchbringen zu kSnnen. Ich habe l*/t Klafter Holz zu 9 D. gekauft . . .
Davld'a Tag 1S56.
... Mit Schrecken sah Ich an dem ausgebliebenen .Cbrlslkindl', dais durch dea
Schwelzerkrieg schon die Posten unterbrochen sind. Hat Toni mein Packet mit Brief
erhalten oder hat es etwa ein krlegeamuthlger Schvitzarhoppna aufgefangen?
Von hiealger Hochachule sind alle Schweizer- Studenten abgezogen, um In Ihrer
Helmatb den Morgenatem zu handhaben. (Telcgr. Depesche von heute morgen! «Die
hohle Gasse ist mit Pulver geladen worden, well man Heber die ganze Schweiz in die
Luft sprengen will, als dasi ein fremder TprannensSldling diesen tpartaniachen Boden
betreten darf. Dufour bat auf allgemeinen Wunsch den Namen ,Leonida>' ange-
nommen.')
Vorgestern sah man hier einige preuisiscbe OfSzIere. — Muis Llcbtentteln
auch den Rhein besetzen? Vas schreibt unser Ex-Lleutenaoi [Rb.s Bruder] aus
Anr darüber? Hier freut man licb, bta die Geschichte losgeht, damit es wieder zu
lesen gibt ... In Erwartung eines ungeheuer langen Briefes verbleibe ich
Ihr dankbarster Sohn Jos. Rh.
München am David's Tag 1857.
Neujahr! — Nie veiflosa noch diese Zelt, ohne das> >le mir Ihr viierllches
Valien so recht vor die Augen getfihrt . . . Das Cbristklndl Ist zu mir nun doch
gekommen; es brachte in einer grosaen Schachtel einen kleinen Cbrlsibium und viele
Geacbenke. Ich erinnerte mich mit Tebmuth an die langen Jahre, welche verflossen,
aeit Ich den Telbnachts-Abend Im Kreise meiner tbeueraten AngehSrlgen verlebt und
zum letzten Male in Vaduz die Mette gespielt. Solcbe Zelten kommen nicht wiederl
Die Erfüllung meiner kühnsten Tünsche kOnate mir diese Freude, die ich damals als
Kind gennas, nicht mebr vertchaifen.
Gestern Abend wurde im Oratorien verein mein Oratorium aufgeführt. Ich
309
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
accompagnirte selbst am Klavier. Der Beifall war enttaasiastiscta, ich wurde ordentlich
mit Gratulationen Qberschfittet — auch von Lachner und Schafhiutl. Vielleicht kommt
Niheres gedruckt. Sonst waren die Feiertage f&r mich schlimm; denn trotz der
heftigsten Grippe musste ich den Organistendienst an der Theatinerkirche versehen
und Nachmittags lag ich vom heftigsten Fieber geschüttelt im Bett. Gestern war es
weit besser. Der Oratorienverein schickte mir zum Concert einen Wagen und nun
bin ich heute so wohl als wie immer, nur noch mit Catarrh behaftet . . . Gezeichnet:
Jos. Rh. k. Hoforganist (mit 60 fl. Gehalt).
1. 3. 1857.
... In dem dritten Seiderschen Conzerte Hess ich ein neues Streich-Quartett
auff&hren, welches so gefiel, dass ich nach dem letzten Satze gerufen wurde. Ich
bekam weit mehr Applaus als alle übrigen Pidcen. Die Herren Lachner, Perfkll,
Schafhiutl, Maier, Leonhard sagten mir viel Schmeichelhaftes und des anderen Tages
kam sogar ein Hofmusiker in meine Wohnung, um mir zu gratulieren. Eine Recension
lege ich bei . . .
22. 3. 57.
Meinen 18. Namenstag habe ich fröhlich bei H. Prof. Schafhiutl mit Champagner
gefeiert. —
1. 7. 57.
Obwohl es mich sehr gelreut bitte, Sie heuer wieder in Vaduz zu sehen, so
thut es mir leid, nicht kommen zu können. Erstens würde ich alle meine Stunden
verlieren, zweitens würde es so viel kosten, hin und her zu reisen als ein Monat
Aufenthalt dahier ... Ich hoffe aber, theuerste Eitern, dass Sie nichts desto weniger
oft in Gedanken bei mir sind, als wie ich bei Ihnen. Schüler habe ich gegenwirtig
drei. Diesen zusammen habe ich 7 Stunden wöchentlich zu geben. Diese sind ver-
schieden bezahlt: 5 i zu 24 -f~r u. 2 ft zu 40 -|-r. Von nichster Woche ab bekomme
ich wieder 2 Schüler. Letzten Monat (Juni) habe ich mir Geld zusammengespart zu
Kleidern und kaufte mir:
1 graue Hose zu 7 fl 48 -fr
1 Gilet zu 3 , 30 «
einen Seidenhut (Cylinder) zu 3 » — i,
und ein Halstuch zu . . . . — » 48 ,
Summa 15 fl 6 +r.
Zu einem neuen schwarzen Rock, den ich brauchte, hat's nicht mehr gereicht . • .
Die liebe Mutter soll desswegen mir nicht zürnen, dass es mir heuer mein Beruf er-
schwert, in ihre Arme zu eilen; dass ich sie immer kindlich liebe, weiss sie ja auch . . .
Und nun, theuerster Vater, indem ich darüber Ihre Entscheidung erwarte, verbleibe
ich Ihr dankbarer und dankschuldiger Sohn Jos. Rh.
3. 12. 1857.
. . • Schüler habe ich genug, so muss ich z. B. an den Dienstagen und Freitagen
Nachmittags allein 4 Stunden geben und diese Stunden nehmen mir die Zeit von
1—7 Uhr weg, wo ich müde heimkomme und dann das Glück habe, bis 12 IJhr Nachts
an einer Arbeit zu sit<en, wenn ich ein opus fördern will ... So bin ich seit 3 Wochen
keine Nacht vor 12 Uhr ins Bett gekommen und musste schon einigemal um 6 Uhr
früh Rorate spielen. Doch befinde ich mich immer gesund . . . Letzthin war ich zu
einer Soir6e bei Maler v. Dürk eingeladen. Dort wurde eine Arie aus Jephta von
310
DIE MUSIK V. 23.
einer Frau von Hofftaaass^) (sie lernt auch Harmonielehre bei mir) vorgetragen und
da capo verlangt . • •
17. 7. 1857.
. . . Meine 2 Schuler bei Grosshindler L. sind prichtige Kerls. Bei der ersten
Lektion war ich iiach 5 Minuten schon auf dem Punkte, den Hut zu nehmen und zu
gehen. Bei dem einen geht es jetzt ein wenig besser, wihrend der Andere zum ver-
zweifeln starrköpfig ist und nicht lernen will. Seine Mama sagt, er mfisse aber
Klavier lernen, weil Musik das menschliche Gemfith veredle und zur Erziehung noth-
wendig gehOre. Ich dachte, dass hier ein Haselstecken mehr veredeln würde als die
arme gute Musica; ich sagte es aber nicht . • . Meine übrigen Schüler sind viel
talentvoller und folgsamer, besonders die kleine Tochter des bekannten Schriftstellers
Prof. Dr. Riehl
• .
21. 3. 1858.
Heute, als am Palmsonntag soeben aus dem Hochamte kommend, ergreife ich
meine stihleme Notenfeder, um an Dich, geliebteste Schwester, zwar keine Noten,
sondern Worte zu richten . . . Der Geist, der in unserem ehemaligen Hause seinen
Hokus-Pokus treibt, ist wahrscheinlich von mir dazu beauftragt, denn ich kann es
nicht verdauen, dass andere Leute diese alten gemüthlichen Riume bewohnen. Dass
das Mali (gib am a Kdssle för mil) fleissig Orgel spielt, hör" ich gerne, ebenso, dass
mein Predigtgesang noch hie und da daran kommt. Wenn ich so ein halbes Jahr zu
Hause wire, wollte ich unsere Kirchenmusikalien schon ausmisten.
Dass unser Hans noch heirathet, hat mich sehr amüsirt; ich möchte doch auch
etwas von seiner zirtlichen Liebe zu der schönen Bergerin sehen . . .
. . . Das Schachspielen ist meine liebste Unterhaltung, auch wohl die billigste,
weil es hier nie um Geld gespielt wird. — Um vier Uhr ging ich in dem englischen
Garten spazieren, dort war aber fast die ganze Münchner Noblesse, so dass man vor
lauter Krinolinen kaum durchkam I Dann trugen mich meine Füsse nach Hause und
nun (halb 7 Uhr) Abends sitze ich hier und schreibe Dir bei oflPenem Fenster . . .
Gestern Abend war Soir6e bei Gräfin Luxburg, wobei mehrere Gräfinnen und
Grafen (auch eine Fürstin Taxis) das Stabat mater von Rossini, welches ich mit den-
selben einstudirt hatte, aufführten. Unter den Zuhörern war auch Fürst Chigi, der
päbstl. Nuntius.
Ich freue mich sehr, heuer nach Hause zu kommen. Grüss mir die liebe
gute Mutter recht herzlich, deren treuer Sohn sich zugleich auch als Dein Bruder
Pepi, Orgelist in Münka unterzeichnet
Letzten Freitag war ich bei Hofmaler von Dürk eingeladen, spielte mehrere
Compositionen von mir mit grösstem Beifalle und hatte für diese Soir6e zwei Gesangs-
Quartette componirt, welche ungemein gefielen. Es waren einige noble Herrschaften
anwesend. Freitag ging ich mit Frau von Dürk zum Akademiedirektor v. Kaulbach,
dem berühmten Maler. Es war noch ein bekannter Klaviervirtuose dort, was mich
nicht abhielt, meine Compositionen zu spielen. Herr von Kaulbach verlangte immer
noch etwas zu hören und ich fand immer Beifall. Ich bin dort wieder eingeladen • . .
... Ich bin immer gesund und ein fieissiger Tintenverbraucber ...
30. Mai 1858.
• . . Heuer hatte ich eine bunte Musterkarte von Schülern: 1 Regierungs-
kommissär, 1 Lieutenant, 1 Offlziersfrau, 1 schles. Rittergutsbesitzerstochter, 1 Coope-
^) Später seine Gattin.
311
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
rator, 1 Grifln (L.). — Und wenn ich nun so viel zu laufen habe, können Sie doch
nnmöglich Terlangen, daat ich noch wachsen sollt • . •
, . . . Mein Christkind], von dem ich geschrieben, erhielt ich von einer Frau
von Hoffnaass, welche die Haupt-Solo-Parthie in meiner Cantate gesungen hat . . .
2. 5. 1859.
Theuerste Eltern! Ich habe Ihnen diesmal nur wenig mitzutheilen, jedoch ist
dies wenige etwas werth. Es macht mir Freude, Ihnen mittheilen zu können, dass
ich Sonntag d. 1. Mai zum Professor am Conservatorlum ernannt wurde. Ich
wurde zu meiner grossen Genugthuung von Direktor Hauser beim k. Ministerium
vorgeschlagen. Heute frfih wurde ich zur Eidesleistung gerufen, erhielt das Dekret
als Professor mit 300 Gulden Gehalt und begann schon die Unterrichtsstunden zu
geben (tiglich 2*/« Stunden von ^lill^l Uhr grösstentheils Frauenzimmern). Dieses
In höchster Eile . . . Gez. J . . . Rh . . . Professor am k. Conservatorium.
7. 5. 1859.
. . . Hier wird so viel politisirt, geschimpft und gelärmt den ganzen Tag in
allen Classen, in Wirtshaus und Privathaus, von Kammern, König, Minister, Napoleon
und Garibaldi, dass ich so was nicht einem Brief anvertrauen würde . . . Was sagt
man in Lichtenstein vom Krieg und der bevorstehenden Ausrückung? Wird von Seite
der Bauern recht geschimpft? Hier herrscht ungemeiner Patriotismus — wenn Napo-
leon auf bayrisch-rheinbündlerische sentiments reflektirte, so hat er sich gewaltig ver-
rechnet. Du solltest nur so eine patriotische Demonstration, etwa im Theater, sehen;
wie auch geringe deutsch-patriotische Stellen eine zündende Wirkung wachrufen. —
Unter meinen hiesigen Bekannten hat die Conscription wie eine zweite Cholera ge-
haust, indem fast Alles zum Militaer muss. Einstands-Minner für Kürassiere kosten
schon 3000, 3500 fl. . . .
„O welches Glück, ein Lichtensteiner zu sein!" Wie viele haben mich hief
heuer darum beneidet. Das nimmt sich sonderbar aus. Die hiesigen Besitzer von
österreichischen Papieren kennt man jetzt alle sogleich auf der Strasse, weil sie so
aussehen: [folgt ein Kopf mit zu Berg stehendem Haar].
13. 5. 1860.
. . . Das einzige Etwihnenswerthe ist, dass ich seit ersten Mai, dem Jahrestag
meiner Anstellung, nicht mehr Klavier-, sondern Compositionslehrer bin (mit 100 fl.
Gehaltserhöhung) . . . Mein jetziges Fach ist weit schwieriger, aber auch rühmlicher
und interessanter; es kann in jeder Beziehung als Avancement gelten.
... Da nun heute ein ruhiger Sonntag Abend ist und das Feuer lustig im Ofen
prasselt, wird der Tisch niher zu diesem Wirmespender gerückt und ein Briefbogen
geholt ... Im nichsten Abonnement-concert will Lachner das grosse Octett, welches
ich in den Ferien geschrieben, aufführen — nichstdem war mir von Dresden die
Aufführ, desselben zugesagt . . . Meine 50 Variationen (auch aus den Ferien) spielte
ich dem berühmten Pianisten Mortier de Fontaine vor; er beurtheilte sie so günstig,
über alle Erwartung schmeichelhaft, dass ich Anstand nehme, sein Urtheil sogar in
diesem Briefe zu schreiben. Auch Lachner, Maier und Schafhiutl sprachen sich
lusserst lobend darüber aus • . .
7. 11. 186K
Theuerste Eltern . . •
Bei mir verfliesst ein Tag wie der andere. — »Keine Ruh bei Tag und Nacht*
vor lauter Musik, Kopf- und Bauchweh vor lauter Musik — und wenn einmal ein
312
DIE MUSIK V. 23«
Sonn- oder Feiertag kommt, ^rtt recbt Masik; komme ich von meinem Tagwerk nach
HaasOy wartet schon ein Schüler zur Musik; und wartet keiner, so gibt's erst recht
Musik • • .
6. 2. 1861.
• . • Müsste ich nur nicht immer meine beste Zeit an Dummköpfe vergeaden,
so wollte ich was Rechtschaffenes zu Tage fördern; das Schulmeistern wird mir immer
zuwiderer. Wenn ich mein bescheidenes Auskommen bitte, ohne mich erst mit
Schülern herumzubalgen, wollte ich gern von früh bis spät an meinem Notenpulte
sitzen und noch Te Djum singen dazu • . .
25. 11. 62.
. . • Ober Kaulbach's wundervolles Reformationsbild hätte ich Dir gerne ge-
schrieben, aber ich kam nicht dazu, denn so ein Brief würde Stunden brauchen . . .
15. 10. 1863.
... Das lumpige, elende, erbirmliche Geld! Da fragt Dieser oder Jener: Ja,
warum thun Sie nicht das? — warum gehen Sie nicht dorthin? Bescheiden ant-
wortet man: O, ich habe nicht Lust, nicht Zeit! . . . Lüge! kein Geld habe ich! Und
dann sollte man sich dessen noch schämen — ist das nicht eine erbärmliche Veit?
Verlassen wir dieses unharmonische Thema. [Rh. an seinen Bruder.]
29. 12. 63.
. • . Wenn ich auch schon seit Jahren dem väterlichen Hause ferne war, so
bleiben mir doch die elterlichen Herzen die wahre Heimath — und wenn es mir auch
von jeher nicht gegeben war, darüber viele Worte zu machen, so fühlte ich es, seien
Sie dessen versichert, nur desto lebhafter ... — Mein Leben in München ist ziemlich
einförmig; wenn ich auch Viel zu thun habe, so ist mir doch die rastlose Thätigkeit
zur andern Natur geworden — so dass ich jede Unterbrechung hasse . . .
3. 1. 65.
Theuerste Eltern!
. . . Bisher war meine Stellung am Theater sehr angenehm und — was viel
werth ist — sind sämmtliche Leute, mit denen ich dort zu thun habe, sehr für mich
eingenommen. Maly hat durch Lisi [Rh.s Schwestern] erfahren, dass es Ihnen gerade
nicht besonders lieb sei, dass ich zur Bühne gegangen. Ich kann mir keinen stich-
haltigen Grund dafür denken. Sollten Sie vielleicht aus Gründen der Moral dagegen
sein, so kann ich Sie versichern, dass nirgends ein anständigerer Ton herrscht, als
gerade bei der Bühne und sich die Sache vom Parterre aus weit schlimmer ausnimmt
als sie ist — und was die decolletirten Frauentoiletten anbetriffc, ist es doch besser
und ungefährlicher, wenn man an sie gewöhnt ist, als wenn nicht Doch glaube ich,
Sie apfui** sagen zu hören und damit genug. Dis Schauspiel von Calderon, zu dem
ich die Musik geschrieben, wird bis Mitte der Fastenzeit das Licht der Lampen er-
blicken . . •
19. 5. 1865.
... Ich habe mit Vergnügen gesehen, dass Ihr anfängt auch an musikalischen
Fragen theilzunehmen, sobald dieselben zu »brennenden* werden. Ja, an einer solchen
laboriren wir in München gegenwärtig gehörig, und das um so mehr, da der König
so entschieden Partei darin genommen — er allein ist's, der die «Zukunft* festhält
j
313
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
gegen den Willen seiner näheren und ferneren Umgebung und daraus erküren sich
alle weiteren Konsequenzen.
Wagner ist unstreitig eine geniale, aber ebenso egoistische Persönlichkeit —
er lebt und denkt, als wenn das ganze Jahrhundert nur seinetwegen da wäre; wenn
nun der Zufall oder das Geschick will, dass einem solchen Künstler ein König zum
Freunde wird, so kann man sich leicht erküren, data es Feuer und Flammen setzen
muss und das um so mehr, als Wagner bisher gerade in Folge seines unglficklichen
Temperaments viele Kränkungen, Verläumdungen und Verfolgungen erleiden mussto
und Misstrauen und Verbitterung sich seiner bemächtigten. Und nun plötzlich
sieht er sich auf dem Gipfel seiner kfihnsten Träume, erhält die Mittel in Fülle, seinen
musikalisch-reformatorischen Ideen nachhängen zu können — und das steigt ihm
zu Kopfe.
Sein Freund Bfilow (der ausgezeichnetste Klavierspieler, den ich noch gehört),
dessen persönliche Bekanntschaft ich natürlich auch gemacht, ist wagnerischer als
Wagner selbst, wie es ja auch Katholiken gibt, die katholischer sind als der Pabst
selbst. Bulow ist zwar Berliner, aber seiner Richtung nach mecklenburgischer Junker,
der in einem jeden Publikum nur «Canaille* sieht — daher die famosen „Schweine-
hunde*, welche ihm schon bittere Stunden genug eingetragen haben.
Tristan und Isolde sind noch nicht gegeben worden d. h. öffentlich — denn
die Hauptprobe war, auf Befehl des Königs in Kostüm und Beleuchtung vor einem
geladenen Publikum — und doppelt interessant durch eine längere Ansprache Wagner's
und die Masse Fremder, welche selbst aus den fernsten Gegenden Europa's kam, das
Wunderwerk zu sehen, war bitter enttäuscht, die Oper nicht zu Gehör zu be-
kommen . . . Wir hatten überhaupt einen musikalisch höchst belebten Winter; jeden-
falls ist München jetzt der Centralpunkt der deutschen Musik; wie es aber weiter
gehen soll, das wissen die Götter . . . Ausserdem habe ich Dir nicht viel zu berichten.
Maljr ist die meiste Zeit bei Frau von Hoffnaass, wo ich auch jeden Sonntag Nach-
mittag und etwa noch einen Werktagabend zubringe . . .
Da Peter gern schlechte Witze über mein Juoggesellenthum macht, so kannst
Du ihm sagen, dass stille Wasser tief seien und man nicht wissen könne, was sich
noch im Laufe eines Jahres alles ereignen könnte. Sapienti sat. Und Du, ehrwürdiges
Wrack eines hämorrhoidenreichen Junggesellenthum's, Du, o David der Gerechte, sollst
seiner Zeit der Erste sein, dem ich die entsprechenden Mittheilungen machen werde . . .
[Rh. an s. Bruder David.]
31. 12. 1865.
. . . Meine Gesundheit, seit 2 Jahren ziemlich wankend (ich wollte Ihnen,
theuerste Eltern, nur nicht schreiben), hat sich wieder neu gefestigt und ist die Gefahr
einer Lungenkrankheit verschwunden, wie eine neuliche genaue ärztliche Untersuchung
von Prf. Buhl darthat . . . und so ist nun auch die gedrückte und melancholische
Stimmung, an welcher ich seit dritthalb Jahren laborirte, von mir gewichen.
21. 1. 66.
. . . Das Theater gibt mir, für die 600 fl., die ich von dort beziehe, verhältniss-
mässig nicht sehr viel zu thun und ist mein Leben im Ganzen ein Behagliches; es
mag überhaupt viele melancholischere Junggesellen geben als ich bin, ja, wenn ich
oft Abends im warmen Zimmer sitze und meine Theeroaschine vor mir auf dem
Tische brodelt, so fühle ich fast eine Art irdischer Glückseligkeit und bin mild ge-
stimmt gegen die Hinfälligkeiten dieses Jammerthaies ... [an s. Bruder David.]
314
DIE MUSIK V. 23.
Bad Kreuth 10. 8. 66.
. . . Hiuflg gehe ich mit Prf. Frohschamer, dem berühmten Philosophen spazieren;
er ist Icath. Geistlicher, steht aber auf dem römischen Index; ohne zu wiedermfen,
Hess er alles Ober sich ergehen ... Es sind noch andere interessante Giste da, unter
andern auch Cousa's mangelhaft bekleidete Maltresse Obreno?itch; da sie aber «ver-
achtet* wurde, fuhr sie mit grossem Pomp von hinnen • . . Eine 4w5chentl. Kur
kommt sehr hoch: unter 100 fl. komme ich nicht durch; doch bekommt sie mir vor-
trefflich . . . Kreuth ist reizend gelegen, 3000' fiber Meer . . •
[an s. Bruder David.]
1. 12. 1866.
. . . Herzlichen Dank für Deinen Brief: ich erhielt ihn unmittelbar vor der
II. Vorstellung des «Magus* so dass ich ihn im Theater-Orchestre las, angethan mit
meinem neuen unwiderstehlichen Frack. Auch diese Vorstellung, welche ich wieder
selbst dirigirte, ftmd ein volles Haus und grossen Beifall. — Und nun gar meine
Wallenstein-Sinfonie — die hat gehörig durchgeschlagen, wie seit Jahren kein neues
Sinfonie-Werk. Man war sehr darauf gespannt schon des interessanten Titels wegen
und der ganze enorme Odeons-Saal zum Erdrücken voll. Es war mir doch ein bischen
sonderbar zu Muth als ich ein so herrliches Orchestre von 100 Mann unter meinem
Kommando hatte und eine Legion von Opernguckern auf mich gerichtet war, als ich
das Dirigentenpult bestieg; aber mit dem ersten Ton war meine Beftingenheit weg und
der Beiftdl stieg gradatim von Nummer zu Nummer — am Schluss war ein endloser
Beifall, in den auch das ganze Orchestre einstimmte; so was hat denn doch etwas er-
greifendes und ich sagte heimlich ein herzliches »Gott sei Dank*.
Lachner zeigte sich in der ganzen Angelegenheit sehr freundlich und iusserte
sich überall über mein Werk so lobend, dass ich es gar nicht zu schreiben getraue;
er hat sich darin seit der für ihn trüben Wagner-Periode etwas geindert. Ja, wenn
Complimente Dukaten wiren, könnte ich jetzt einige Jahre sorgenlos leben ... [an
s. Bruder David.]
17. 2. 1867.
Mein 1. Bruder David!
. . . Letzte Woche erhielt ich von der Gewandbaus-Concertdirektion die Ein-
ladung, meinen Wallenstein am 28. II. dort selbst zu dirigieren, natürlich sagte ich zu,
muss aber der Proben wegen und um das Orchestre und die dortigen Musikgrössen
kennen zu lernen, doch einige Tage eher hingehen. Da Leipzig die musikalisch ton-
angebende Hauptstadt Norddeutschlands ist, so ist das für mich von grosser Wichtig-
keit; sollte ich dort eine Schlappe erleiden, wie seiner Zeit der sei. Napol6on, so habe
ich doch nicht so viel zu verlieren wie jener. Meinen Rückzug (hoffentlich ohne ver-
folgt zu werden), nehme ich über Berlin, Dresden, Prag und Regensburg, so dass ich
bei dieser Gelegenheit ein gut Stück deutschen Landes sehen werde. Das Künstler-
leben hat etwas Aufregendes und Aufreibendes — ich will froh sein, w«nn ich einmal
in Ruhe und Müsse wieder eine grössere Arbeit vornehmen kann . . .
Leipzig, d. 28. Februar 1867 Nachts Vtl2 Uhr.
Theuerster Vater!
Es freut mich, Ihnen mittheilen zu können, dass meine Sinfonie in dem heutigen
Concerte ganz ausserordentlich gefallen hat; es ist hier ein sehr heikler Boden,
darum ein Erfolg in Leipzig als massgebend für die musikalische Welt angesehen
wird; auch ist es mir wirklich merkwürdig, mit welcher Achtung ich hier überhiuft
315
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
werde. In den 8 Tagen meinet Hierseins bin ich tiglich in den vomebmsten Hiusem
zu Mittag und Abend geladen. — Morgen reise icb noch nach Berlin^ dann über
Dresden und Prag nach Hause . . .
3.4. 1867.
Mein lieber Bruder!
... Du wirst durch den 1. Vater von meinem Entschluss, mich zu verheirathen,
gehört haben und wirst Dich mit den andern Geschwistern darüber freuen, denn Fanny^)
ist eine in jeder Beziehung ausgezeichnete Frau, die ich eben so hoch achte, als
ich sie liebe . . . Hoffentlich werden wir glücklich . • . Schreibe doch Deiner künftigen
Schwigerin, die, wie ich Dich versichern kann, eine höchst liebenswürdige Dame ist,
ein kleines Briefchen — es braucht eben nicht graziös oder elegant zu sein « . .
16. 4. 1867.
. • . Vir lassen uns in Harlaching trauen (eine Stunde von München), besteigen
dann dort die Eisenbahn und fahren nach Salzburg, wo wir 4—5 Tage bleiben und
dann zurückkehren werden. Mein lieber David, die letzten Tage des Junggesellen-
thum's sind sehr aufiregend — man ist zu gar keiner Thitigkeit mehr aufgelegt. Nun
lebe wohl, alter Knabe, grüsse mir Peter herzlich, es bitte uns sehr gefreut, wenn
er hätte zur Trauung kommen können . . .
29. 7. 1870.
Lieber Bruder!
Dass ich so lange nicht zum Schreiben komme, daran ist wohl hauptsichlich
die allgemeine Kriegsaufregung schuld, die natürlich alles Andere in den Hintergrund
dringt. Aus Deinem Briefe ersahen wir den Vorschlag, uns nach Vaduz zu flüchten.
Du scheinst also zu glauben, man befürchte hier eine Invasion der Franzosen; man
fürchtet zwar den Krieg (nicht die Franzosen), wenn er droht; nun er aber da ist,
zeigt sich eine gehobene Stimmung überall, in allen Schichten, die verbohrtesten
Ultramontanen vielleicht ausgenommen, die überhaupt kein Herz für ein geeintes
Deutschland haben.
Heute schliesst die k. Musikschule. Montag, d. 1. August, gehen wir nach
Kreuth, da eine weitere Entfernung von der Heimath in dieser Zeit nicht angezeigt
ist und die Pflicht gebietet, auch die allgemeinen Lasten mit zu tragen . . .
19. Dez. 1870.
Mein lieber Bruder David!
... Vergangene Woche kamen zwei meiner grösseren Werke vors Publikum:
Sonntags die 7 Raben (mit vielem Beifall) und Montags mein grosses Requiem zum
GedAchtniss der im deutsch-frzs. Kriege gefallenen Helden. Die Wirkung war eine
grosse und michtige. Dass die Stimmung dahier in Folge des lang andauernden und
so opferreichen Krieges eine ernste ist, kannst Du Dir vorstellen. Fast alle meine
Bekannten bei der Armee sind todt oder verwundet . . . Doch muss dieser schreck-
liche Krieg ausgeklmpft werden, bis die Franzosen genug haben, das ist das allgemeine
Gefühl; ist es doch für die Deutschen eine Abrechnung für Jahrhunderte. Die
Kreirung des Kaiserthums hat hier allgemein befriedigt, doch keine Spur von
Enthusiasmus hervorgerufen — man ist zu ernst dazu! Die benachbarten Österreicher
sind aber sehr bös über das neue Kaiserthum — nun, früher oder spiter müssen sie
auch herüber und wir Vaduzer ebenfalls — die Lawine ist im Rollen und wird alles
Deutsche in sich aufnehmen . . .
') Frau von Hoffnaass.
316
DIE MUSIK V. 23.
8. 6. 1871.
Mein lieber David I
Da mir's nach und nacb der Zustand meiner rechten Hand gestattet^ Briefe,
wenn auch nur Icurze, zu schreiben, so erachte ich es für eine an(enehme Pflicht,
Dir zu schreiben und zwar an einem „lieblichen Frohnleichnamsmorgen', an welchem
eingeheizt werden muss. Fanny war so freundlich, mir seit Dezember alle Correspon-
denz abzunehmen und so im wahren Sinne des Vortes meine rechte Hand zu sein.
Merkwürdigerweise war ich immer im Stande, meinen Geschäften in der Musilcschule
nachzukommen . . . Nussbaum [berühmter Chirurg] sagt, dass bis zur völligen Her-
stellung der Hand noch ein gutes Halbjahr vergehen werde, doch würde ich ohne
bleibenden Schaden davonkommen. Diese schöne Krankheit heisst Knochen-Fontanelle
und bildete sich zwischen Mittel- und Zeigefinger . . . Vielleicht kann ich nun auch
bald wieder ein wenig Klavier spielen, eine Freude, die mir bei meinem neuen Flügel
wohl zu gönnen wire . . .
Wie geht es den lieben Eltern? Und Peter mit Familie? Ich bitte. Alle herzlichst
zu grüssen. Da ich meine Hand nicht sehr ermüden darf, muss ich schliessen • . .
19. 6. 1877.
Mein lieber David! . . . Dass ich nahe daran war, nach Frankfurt als Direktor
eines dort von der Stadt neu zu gründenden Conservatoriums überzusiedeln, weisst
Du wohl; doch glaube ich, wenigstens als Komponist, besser gethan zu haben, hier
zu bleiben, obschon die Frankfurter bis zu zehntausend Mark Gehalt geboten bitten.
Dafür ist Frankfurt viel theuerer als München und das Leben für einen Künstler dort
unter den tonangebenden Geldmenschen eben social nicht angenehm. Und schliesslich
ist mir die freie Zeit, die ich für künstlerische Produktion verwende, überhaupt für
Geld nicht feil — und so bin ich geblieben . . .
8. 12. 1877.
Mein lieber David! Es ist heute so melancholisch — dunkel — nebliges Wetter,
— Feiertagsruhe, die darin besteht, dass ich über, unter und neben mir Klavierspielen
höre, so dass ich nichts Besseres thun kann, als ein Stündchen bei Dir einzukehren,
um so mehr, als es nach dem bekannten Volkslied »schon lange her" ist.
Der nasse neblige Winter ohne Schnee und Eis hat meiner Frau leider nicht
gut gethan, indem sie seit 8 Tagen bettlägerig ist an einem Gelenkrheumatismus, der
aber nicht recht zum Durchbruche kam, so dass doch Hoffnung ist, in einigen Tagen
wieder zum normalen Befinden zurückzukehren. Sonst leben wir vergnügt und in
vielerlei Arbeit thitig. Heute traf es mich, zum ersten male in Galauniform zu
amtiren. Damit Du weisst, wie schön ich dabei war, so will ich Dir ein getreulich
Bild derselben mit Worten abconterfeyen. Es war nimlich heute in der alten Hof-
kapelle der Residenz der »St. Georgiritterordensfestgottesdiensf, und da dirigirte ich
das Hochamt im grünen Frack mit reichgoldgestickten Kragen und Schössen, weissen
langen Gilet mit grossen Goldknöpfen, den Degen an der Seite und Schiffhut mit
Goldquaste und Kokarde — kurz und gut, so wie man es eben im vorigen Jahrhundert
trug — da war ich »gar arg schön", so dass es schier nicht zu sagen. Alles bis zum
letzten Knopf vorgeschrieben — dass da die Musik schön klingen muss, ist selbst-
verstindlich . . •
Wie geht es Dir in Deinem einsamen Malepartus? Lasse doch von Dir
hören ! . . .
Dein alter Bruder
Jos. Rh.
317
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
10. 11. 1882.
Mein lieber Bruder David!
Wir haben uns heute sehr an Deinem lieben Brief erfreut
Gegen Abend war unser alter Freund, Dr. Franz Trautmann, da; Fanny las ihm
Dein Rencontre mit der Prinzessin vor, er fand Deine Schilderung ganz köstlich —
ich möchte das auch Alles mit angesehen haben. Femers erfreuten wir uns auch
daran, dass Du nun der Vice-Regent von Lichtenstein geworden bist; hoffen wir, dass
die Geschichte Dich einst als den Besten von Allen verzeichnen wird . . .
An eben demselben heutigen Abend las Fanny auch dem Dr. Trautmann den
ersten Theil Deiner Notizen über unsem unvergesslichen Vater vor; Trautmann war
ganz entzQckt über Deinen Styl und finde es sehr verdienstlich, wenn Du das und
Jenes fiber Land und Leute in Lichtenstein aufnotiren würdest. Ich selbst bin auch
dieser Ansicht . . . Mit herzlichem Grusse
Dein alter Bruder und Freund
Josef Rh.
29. 12. 83.
Lieber Bruder und Senior des Hauses derer vom Rheinberg!
Vor Allem meine besten Wünsche zu dem beginnenden Jahre, das Du in steter
Gemüthsruhe ohne alle Gebresten verbringen mögest! Der Winter will sich nicht
schön anlassen: er hilt so die Mitte zwischen einem nebligen November und kothigen
April und manchmal, wenn es nicht gerade regnet, schneit es auch. Ich glaube, dass
heuer alle Schlittschuhverkiufer verhungert sind; nun, die haben's dann eben über-
standen! Das irdische Jammerthal wird ohnedem auf die Lioge der Zeit nicht
schöner und es ist verwunderlich, dass sich ftist ein Jeder daran anklammert! Das
kommt wohl daher, dass man nicht ganz genau weiss, wie -man's drüben trifft.
Zum Glück aber hat man die Doctores medicinse; die räumen doch ordentlich
auf, wenn Niemand freiwillig in das jenseitige Eden hinüberfahren will und Über-
völkerung droht — sodann die Doctores politicae, die mit dem Generaladerlass eines
,»gerechten nothwendigen Krieges" einschreiten. Nun wollen wir hoffen, mein lieber
Bruder Davide, dass wir uns am Sylvester des kommenden Jahres wieder in gutem
Humor treffen mögen. Amen! Dein alter Bruder
Jos. Rh.
13. 12. 1884.
Mein lieber David! Dein letzter Brief erinnert mich daran, dass ich Dir schon
ewig lang nicht mehr geschrieben; erst war ich fast ein halbes Jahr gar nicht im
Stande zu schreiben, und nun, wo es wieder so ziemlich geht, habe ich eben mehr
Noten als Buchstaben geschrieben. Zum Schreiben brauche ich eine eigene Haltung
der Hand (die mit vier Narben gezeichnet ist) und natürlich in Folge der vieljihrigen
Krankheit sehr kraftlos ist. Besonders der Zeigefinger muss noch beim Klavierspielen
pausiren. Aber ich muss selbst mit solchen Halbheiten zufrieden sein . . .
Der Antheil, den Peter [Rh.s Bruder] an der Bülow-Feier hier nahm, hat mich
recht gefreut, und war es in der That eine festliche Zeit. Bülows Klavier- und
Orchesterleistungen sind in der That unübertrefflich . . . Prof. v. Schafhiutl hilt trotz
seiner 82 Jahre gesund und ftlsch seine Vorlesungen.
Sein Zimmer ist bestindig auf 20—22 Grad R6aumur geheizt, weil er behauptet,
in München sei noch Niemand f^tn der Hitz" gestorben . . .
318
DIE MUSIK V. 23.
31. d. 8. 1887.
. . . Prof. y. Schafbiutl ist trotz seiner 84 Jahre recht wacker nnd hat erat dieser
Tage ein neues Bach über den Komponisten Abb6 Vogler veröffentlicht
3. 5. 1889.
Mein lieber David I ... Mein lieber alter Poehli ist gestorben I [Rh.s erster
Klavierlehrer.] Es that mir wohl, ihm von Zeit zu Zeit Unterstfitzung zukommen zu
lassen. So geht Eins um's Andere. Nur Prof. v. Schafhäutl ist trotz seiner 86 Jahre
dauerhaft, fröhlich und geistesfrisch — möge er noch recht lange so fortmachen.
Die Osterzeit war fQr mich wieder recht anstrengend — es gibt unter dem
neuen regime auch mehr Uniformsdienste als f^her, und meiner friedfertigen Natur
wiedersteht es immer, den Degen umzugürten. Komisch ist es auch, dass mir, seit
ich durch den Maximiliansorden »hofflhig' bin, jede Hoftrauer angesagt wird, was
aber nicht weh thut . • . Nun lebe wohl, und wenn Dir das viele Regieren noch
etwas Müsse llsst, so erfreue bald mit einem Briefe
Deinen alten Bruder Josef Rh.
Von hier ab beginnen Excerpte aus den „Geschäfts- und Tagebüchern
Jos. Kurt Rheinbergers*, gefuhrt von seiner Gattin.^) Neben ihren persön-
lichen Aufzeichnungen finden sich die Briefe resp. geschäftlichen Anträge
der Verleger Rheinbergers, sowie die Briefe bekannter 'oder befreundeter
Kunstler an Rheinberger, eingeordnet. Diese begleiten alle Bücher. Die
hervorragendsten sind hier aufgenommen, da sie Rheinberger im Urteile
seiner Zeitgenossen zeigen.
Ignaa Moscheies an Rheinberger
Leipzig, d. 20. Sept. 1868.
Geschätzter Herr!
Seit langer Zeit hat keine Erscheinung in der musikalischen Literatur so sehr
meine Sympathie erregt als Ihr ,»Dtto für 2 Klaviere op. 15*. Dass dieses schwung-
volle kunstreiche Werk mir gewidmet ist, nehme ich dankend von Ihnen an und
werde es meiner Bibliothek einverleiben, wie es jeder ächte Kunstliebhaber tun sollte.
Mit ausgezeichneter Hochachtung der Ihrige Moscheies
Hans von Bttlow an Rheinberger
München, 3. Juli 1865.
Kurz vor der letzten Tristan-Aufführung von einem kleinen Erholungsausfluge
zurückgekehrt, habe ich erst heute Vormittags die nähere Bekanntschaft mit Ihrem
^) Im ersten Teil dieser biographischen Skizze sind drei Worte durch ein Ver-
sehen des Verfassers bei der Korrektur ausgeblieben. Es sind dies die Worte: ,»in
der Intention''; sie fehlen (vgl. .Musik** V, 22 S. 206) in dem Satze, der von Frau Rhein-
bergers Textdichtungen handelt. Der Satz muss also heissen: »Vielleicht fühlt er
selbst kaum eine gewisse Einengung, die ihm durch ihre stets für ihn neu gefertigten,
manchmal in der Intention sehr reizvollen Textdichtungen geworden sein mag* . . .
(Die Textdichtungen Frau F. Rheinbergers bleiben in Form und Gehalt meistens weit
hinter der Intention der Dichterin zurück; sie zeigen merkwürdigerweise wohl die
schwächste* Seite der künstlerischen Betätigung dieser talentvollen Frau.)
319
PERGERrRHBINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
interessanten Kitvierwerke eingehen können. Da ich nicht weiss, wann ich die Ehre
haben würde, Sie zu Hause ohne Störung Ihrer kostbaren Müsse anzutreffen, so be-
schrinke ich mich heute darauf, Ihnen schriftlich den Zuwachs der Bewunderung
auszudrücken, mit welchem mich Ihre meisterhaften, künstlerischen Produktionen er-
füllen. Sobald ich meine vom Taktstab versteiften Finger wieder ein wenig disziplinirt
haben werde, will ich mir gestatten, Ihnen die 50 Variationen, die mir sehr sympathisch
sind, wenigstens zum grössten Teile mit der Anfrage vorzuspielen, ob ich dieselben
dem Münchener Publikum im künftigen Winter den Absichten des Komponisten ent-
sprechend vorführen kann. Mit vorzüglichster Hochachtung ganz ergebenst
Hans von Bülow
(Tagebveh der Fran F. Rhelnberger):
Dienstag, 4. April 1869.
Eben sagt Kurt: Gestern wandelte ich noch »im Tal des Espingo' (schöne
Preisballade von Paul Heyse gedichtet), heute weiss ich schon nichts mehr davon.
Wenn ich komponire und es kommen mir gute Gedanken, dann tausche ich nicht
mit dem König und all seiner Regiererei • . . aber das Musikantenvolk . • . pfui
Teufel . . .
Hauptprobe der Oper »Die 7 Raben". Alles ging vorzüglich. Die Direktion
war eben so nobel wie die Komposition. Nur wenige Auserlesene hörten zu, waren
aber ganz begeistert. Ein poetischer Duft schwebt über dem Ganzen. Die Stehle
wird herrlich. Ich getraue mich noch nicht, mich zu freuen - aber wir kamen
doch Beide ganz begeistert nach Hause. Ich empfand, wie auf der Welt kein
Mann seiner Frau ein reineres und innigeres Glück bereiten kann, als es mir durch
Kurt zu Teil wird. Nichts in seinem Charakter — auch nichts in seinen Gewohn-
heiten — keine Laune, kein Eigendünkel und kein Neid stören und verdunkeln sein
Talent. Das empfanden auch Alle durch, dass die Komposition von seltener Noblesse
spriche. Prof. Riehl besonders war ganz entzückt. Die Erscheinung der tröstenden
Fee im Kerker macht sich wunderschön. Und morgen . . . morgen II Beim
Herausgehen sagte Hedwig Fächer sehr treffend: Diese Musik regt wirklich alle
besseren Gefühle des Menschen an. So ist es auch. Die Luft wird wie abgeklSrt,
und das geistig reine Element der wahren Kunst wirkt auf die unschuldigen Empfindungen.
Die reine Treue Elsbef s hat einen rührenden Zauber. Nur ein unverdorbener Mensch
kann auch so unschuldig komponieren. In Gounod's Faust regt das sinnliche Element
auf, hier bei Elsbeth ist man in besseren Regionen. — Wir konnten Beide kaum zu
Mittag essen, der Körper war ganz in den Hintergrund gedringt von unserer glück-
lichen Begeisterung. Ich ging Nachmittags aus, um Kurt für morgen Abend eine
goldene Uhrkette zu kaufen nebst einem Medaillon, worauf in hohen Buchstaben das
Wort .love" steht. Das wird ihn an Mozarts Ring in Salzburg erinnern.
Sonntag, den 23. Mai 1809.
Erste Aufführung der 7 Raben.
Wie mir war, durch die vergitterte Loge des Intendanten auf die liebe Gestalt
des dirigirenden Componisten zu sehen?! Er wurde stürmisch gerufen, die Oper
hatte vollstindigen Erfolg. Man fühlte, dass es kein gemachter Lokal- oder Partei-
Erfolg war, sondern der Ausdruck der ins Herz getroffenen Menge. Mich beglückte
bei Allem die gewonnene Oberzeugung, dass die Freude des Publikums am wahrhaft
Einfachen und Edlen nicht verloren gegangen ist Kurt war sehr glücklich,
der liebe gute Mensch!
320
DIB MUSIK V. 23.
Hans Yon Bfilow an Rhelnber^r
München, d. 24. Mai 1860.
Hochgeehrter HerrI
Unter den Ihnen heute von allen Seiten znetrdmenden Gratulationen bitte ich
auch neinen, gewiss nicht den am wenigsten herzlichen Glückwunsch zu dem Erfolge
Ihres schönen, edlen und styWollen Werkes zu genehmigen. Ich hege die feste Ober-
zeugung, dass jede Wiederholung Ihrer Oper die Erkenntnis des Wertes Ihres ausser-
ordentlichen musikalischen Vermögens fördern und steigern wird. Unendlich bedauere
ich, dass meine dienstlichen Geschifte mich gegenwirtig so ausschliesslich in An-
spruch nehmen, dass keine Zeit übrig bleibt, Ihnen meine lebhafte Bewunderung
Ihrer lebten Tondichtung im Einzelnen auszusprechen. Seien Sie aber versichert
meiner aufrichtigsten Antheilnahme und Mitfreude wie an dem Gelingen der gestrigen
Aufführung, so an jeder Steigerung des Erfolges, die nicht ausbleiben kann.
Ihr in vorzüglichster . Hochachtung und Bewunderung ergebenster
Hans von Bfilow
(Tagebuch der Fran F« Rheinberger):
Donnerstag, den 10. Juni 1860.
12 Jahre seit Kurt und ich uns kennen. Wir spielten zur feierlichen Er-
innerung das vierhindig arrangirte Te Deum von Hasse, das erste Stück, das wir
damals zusammen spielten.
Samstsg, den 12.
Leider scheint es sich zu bestätigen, dass Bülow von hier fort will! (Be-
geisterte Briefe von V. Lach n er, Mannheim über «Die 7 Raben* sowie von Holstein,
dem Komponisten des „Haideschacht''.)
Hans TOB Bfilow an Rheinberger
München, den 12. Juni 1860.
Aus vollem Herzen danke ich Ihnen für die freundlichen Zeilen, die Sie die
Güte gehabt haben mir aus Anlass der Nachricht von meinem Entlassungsgesuche zu
schreiben. Wenn irgend etwas beitragen könnte, mich in meinem — seit lange reiflich
erwogenen — Entschlüsse wankend zu machen, so wäre es die Äusserung der Sym-
pathie eines Mannes, den ich als Künstler wie als Charakter so sehr hoch stelle, wie
Sie. Allein auch die Rücksicht auf meine wirklich angegriffene Gesundheit, die sich
ja durch einen entsprechenden Urlaub wieder herstellen Hesse, nimmt in den Motiven
meines Versatzes, München zu verlassen, nur die 2. Stelle ein.
In erster Linie steht die leider fortdauernd befestigte Oberzeugung mieh nutzlos
für die Sache aufzureiben, weil die Hindernisse, die einer. Höheres (in den Resultaten)
anstrebenden Tbätigkeit meinerseits entgegenstehen, sich aufs Ersichtlichste als un-
wegräumbar gezeigt heben. Zum Theil mag ich dieselben wohl auch in meiner
„persona ingrata* zu suchen haben.
Nochmals herzlichsten Dank und die Versicherung unwandelbarer Hochtchtung
und Ergebenheit Ihses aufrichtigen Bewunderers Hans von Bülow
Hans von Bfilow au Rheinberger
München, d. 25. Juni 1872.
Ihre gütige Einladung — darf ich ohne Insolenz Sie ergebenst ersuchen mir
eine Verugung von deren Annahme zu gestatten? Vielleicht sogar bis Mitte nächster
Woche? Wie werthvoll es mir in jeder Hinsicht sein würde, mit Ihnen und Ihrer
321
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFPEN
verehrten Gemahlin einige freie Augenbliclce ruhig zu verplaudern, darüber sind Sie
ja doch bei meiner Ihnen bekannten herzlichen Bewunderung fQr Sie ausser Zweifel.
Gegenwirtig komme ich aber kaum zu mir selbst und kann Ihnen aufrichtigst von
meiner Gesellschaft abrathen.
Bei dieser Gelegenheit muss ich mein Gewissen noch beschwichtigen, indem
ich Sie tausendmal um Entschuldigung bitte, dass die Tristanprobe einige Ihrer
devotesten Jünger zu einer akuten Untreue verleitete. Wenn ich auch keine Ver-
f&hrerrolle hiert>ei gespielt habe — danke ich Ihnen doch die von Ihnen geübte
Condescendenz. Ihr alter Verehrer Hans von Bülow
(Tagebuch der Frau F. Rhelnberger):
Kurt war sehr zufrieden mit der Aufführung des »Thal des Espingo'. ^) Ich
musste immer seine Augen ansehen, während sie sangen. Ich erkannte, was ihm die
Seele ergriff, obgleich er sich beherrschte: O Heimatwonne . . . Wie achtungsvoll
waren doch alle die Herren gegen Kurt. Wie einen Meister behandeln sie ihn.
Mittwoch, den 4. August 1860.
Schluss des Schuljahres mit dem höchst brillanten 5. Concerte. Buonamici
spielte die letzte Note und Bülow dirigirte den letzten Takt. Er verschwand dann, um
sich das Abschiednehmen zu ersparen. Ich kann es nicht fsssen, dass nun Bülow
für immer fortgeht. Er hat doch in diesen 2 Jahren die Schule auf eine eminente
Höhe gebracht.
Abb6 Liszt besuchte Gurt. Er sprach davon, dass er die 7 Raben in Weimar
empfohlen. Was hast du darauf geantworter, frug ich Kurt: Nichts, ich habe ihn mir
angeschaut und als er von Bülow sprach, dass er das »malheur* bedauere, habe ich
wieder geschwiegen und ihn angeschaut. Kurt kann ungemein ausdrucksvoll schweigen.
[Sehr richtig, daran erinnere ich mich. Rbeinberger beherrschte eigentümlich den
vor ihm Sitzenden, wenn er, nach einem leidenschaftlichen Satz — oft aus Gründen
sehr feinen Taktes — schwieg.]
25. Sept. 1860.
Kurt ist verstimmt über die abscheulichen musikalischen Vethiltnisse. Seit
Bülow fort ist, hat er keinen Preund mehr unter den Künstlern hier ... In den
Zeitungen immer noch die heftigsten Schlachten zwischen Richard Wagner und der
Intendanz. Sie sagen sich schmähliche Dinge. Wie gut ist es ferne zu stehen.
5. Dezember.
Soeben wurde Kurt mit seinem Requiem fertig. Er lud mich ein, die letzte
Note daran zu schreiben, das b im Bass. Es ist Abends halb 8 Uhr und während
wir still und ernst bei der Lampe sitzen, ist in Mannheim die erste Aufführung der
7 Raben. Wie es wohl geht? Niemand, Niemand weiss, der es nicht erlebt hat, was
das für ein eigenthümliches Gefühl ist Heute ist auch Mozarts Sterbetag. Man
fühlt sich wie verflochten mit den Menschen, deren Werke uns ein so iheures Ver-
mächtniss sind . . .
Bei dem c-dur Schlüsse der Passionsmusik musste ich schluchzen. leb glaube,
es griff ihn selbst an. Ich begrüsse sein religiöses Gefühl, wie eine zarte Pflanze . . .
23. Nov. 1860.
Kurt nennt Carl Tausig einen eminenten Künstler, doch stellt er Rubinstein
und Bülow geistig unvergleichlich höher.
1) Im akademischen Gesangverein zu München.
V. 23. 23
322
DIE MUSIK V. 23.
27. April 1870.
Cornelius war da und wollte Kurt erzählen, wie es sich mit der Scheidung
Bülows von seiner Frau und deren Heirat mit Wagner zutrüge. Kurt brach kurz ab
und frug Cornelius: Wie geht es Ihrer Familie? ... Gewiss hat B&low unter allen
Freunden keinen so zarten Bekannten wie Kurt.
Sonntag, d. 10. Juli 1870.
Kurt erhielt ein hübsches Briefchen von Holstein aus Leipzig mit den ge-
druckten Musikbriefen Moritz Hauptmanns, in denen er vor und nach Tisch schwelgte.
Seine eigenen Ansichten klar von Andern dargelegt zu sehen, thut fast physisch wohl,
besonders jetzt in dieser unerquicklichen WalkQrenzeit.
Franz von Holstein^) an Bheinberger
10. Juli 1870.
Kürzlich war Liszt hier, wir trafen ihn bei Zapf; er war gehalten, fein, liebens-
würdig und ohne die früher so sehr an ihm fühlbare Pretention. Sein Benehmen
gegen Damen hat jetzt etwas «Väterliches*, und das „Ungefährliche" dieser Beziehungen
scheint auf das schöne Geschlecht eben so fascinirend zu wirken wie die früheren
»gefährlichen* Eigenschaften, die man ihm nachrühmte. Er spielte Abends bei Riedel
mit Jaell seinen »Mazeppa* auf 2 Klavieren. Es ist bewundemswerth, wie man etwas
Hässliches so schön spielen kann. Frau Merian-Genast sang Lieder von ihm mit
jenem krankhaft hysterischen Anflug, mit jener Hingebung, welche diese Sachen er-
fordern. Jeder Ton schien zu sagen: „Nimm mich hin wie ich bini* Ihr Trio hat,
wie ich höre, sehr gefallen, Ihre vierhändige Magus u. Kronen-Musik wird zur Sommer-
übung mit nach Karlsbad genommen . . .
(Tagebuch der Frau F. Bhelnberger):
15. Juli, Freitags. Kriegserklärung Frankreichs an Preussen.
17., Sonntag. Zwei Schüler Kurts aus Sachsen sind bereits einberufen wegen
des Krieges. Es ist keine gute Zeit zum Arbeiten jetzt.
10. Juli, Dienstag. Kurt hat nicht viel innere Ruhe. Wir waren viel im Freien.
Abends spielte er wunderschön seine melancholischen 4 stimmigen Lieder des Ge-
dächtnisses. Ein Exemplar davon schenkte er Peter Cornelius, der zufällig auch
das Media vita komponirt hatte.
Samstag, den 23. JuH. Heute speiste Johannes Brahma bei uns. Er
kam zum ersten Male in unser Haus. Vor Tisch spielte er mit Kurt seine ungarischen
Tänze. Dann spielte ihm Kurt aus der Partitur sein Requiem vor. Recht munter
waren wir bei Tisch, und Brahma erzählte manches Interessante. Er findet Kurt so
geistesverwandt mit Franz Schubert. Ich glaube, es liegt in den plötzlich sehn-
süchtigen Zügen, in dem tiefen Aufathmen, die Kurt fast in jeder Komposition hat . . .
27. Juli. Kurt sitzt Vor- und Nachmittags in den Prüfungen. Seine Schüler
haben sie vorzüglich bestanden und er wurde vielfach darüber beglückwünscht Im
Dbrigen interessirt ihn natürlich die Politik am Meisten.
Lange Pause. Sieg der Deutschen. Napoleon gefangen. In Frankreich Republik.
Heute erst am
9. September (1870) hat Kurt wieder etwas komponirt, nämlich in einem Athem-
zug ein Scherzoso.
^) Der Komponist der Oper «Der Haideschacht*.
323
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
11. September. In Leipzig wurde HWillensteins Lager* in einem Volkslsonzerte
zu Ehren der Verwundeten aufgeführt. Es freute mich. Kurt, durch die frische und
liebenswürdige Art der Gessngsakademiker angeregt, komponirt sogleich «Heerbann-
lied der Deutschen", Text von Lingg. Es wird eine heilige Freude sein, diese Lieder
von den jungen Leuten singen zu hören, die noch aus der Schlacht zurückkommen.
13. Oktober 1870. Kurt hat heute einen neuen Flügel bekommen. Einen
Stutzflügel von Blüthner aus Leipzig. Möge er lange und glücklich darauf spielen
und schöne Einfllle bei ihm haben. Er triumphirte, dass ich in die Meistersinger
ging und er mittlerweile zu Hause spielen konnte.
24. November, Donnerstag. Gestern Abend war Riehl da, und Kurt spielte
ihm zu dessen Entzücken seine beiden Hefte Kindermusik vor (Riehl sagte zu Rhein-
ber^er: «Die Komponisten geben ihr Bestes, wenn sie sich auf den Standpunkt der
Kinder stellen*).
Donnerstag, den 8. Dezember war die erste Orchesterprobe des Requiems
(zum Gedichtnis der im deutsch-französischen Kriege gefallenen Helden; erstes Concert
des Oratorienvereins pro 1870, 71). Als die Probe beendet war, brachen die Hof-
musiker in lautes Bravo aus, was für diese bequemen musikverhirteten Minner
staunenswerth ist.
Reiche Tage vom Sonntag Morgen bis Montag Abend.
Sonntag, den 11., Vormittags, Hauptprobe des grossen Requiems. Der Gesammt-
eindruck war überwältigend. Orchester, Singer und Zuhörer brachen nach dem
Schlüsse in begeistertes Bravo aus. Ich sah nichst den Noten nur auf Kurt, der
ganz durchgeistigt und blass an seinem Dirigentenpulte stand. Beim Benedictus zuckte
es durch ihn wie ein elektrischer Strom. Er sagte mir, es habe ihn plötzlich gepackt
Die Chöre gingen vorzüglich. Alle Musiker und Schriftsteller waren im Saal
vertreten . . .
Sonntag, den 11. Dezember 1870. 5. Vorstellung der 7 Raben. Wir gingen
zusammen auf die Galerie noble und hatten unsere Plitze neben Franz Lachner und
Moritz von Schwind.
Erste Aufführung des Requiems. Es ging vorzüglich und zündete. Alle geistigen
Notabilitlten waren im Concerte vertreten: Riehl, Karl Stieler, Kaulbach, Heyse,
Lachner, Schwind, Windscbeid u. viele Andere. Die Hofmusiker boten sich an, das
Werk, ohne Honorar zu beanspruchen, zu wiederholen.
Das Jahr 1870 in Freundeskreis beschlossen. Kurt hat in diesem Jahre zahl-
reiche Werke komponirt und sein Requiem zur Aufführung gebracht. Durch sei
langes Leiden (Ausmeisselung einiger Knochen der Hand und Drüsen-Aufschneiden
durch den ,,herrlichen* Chirurgen Nussbaum) also künstlerisch nichts verloren —
seelisch desto mehr gewonnen. Zum Schlüsse wurde er zum Inspektor des theo
retischen Orgel- und Klavier- Faches an d. k. Musikschule ernannt.
[Am 24. Jan. 71 sendet Martin Greif aus Wien an Rheinberger den Entwurf zu
einer deutschen Nationalhymne, die Rh. sogleich komponirt.) Darüber das Buch]:
Drei Hymnen hat Kurt nun für verschiedene Gelegenheiten gehabt; die erste wurde
zur Goethe-Enthüllungsfeier vom König bestellt, die zweite zur Enthüllung der Madonna
vom Magistrate und von der Geistlichkeit bestellt und mit Grobheit belohnt — und
diese, von Künstlerhand erregt — was wird sie für Früchte tragen? Die schönsten
wiren es, wenn das deutsche Volk sie sänge . . . Man erwartet täglich die Kapitulation
von Paris. Wäre es also!
Schluss folgt
23^
bOcher
183. Max Buko&er: Vas Ist Tonaniati? Verlag: Aaguai Hlrtcliwald, B«r)ln.
AU Eri^nzunt zu seiner fQr Larrngologen und GcBaoglehrer gleich wertrallea
Schrift .Zar Hygiene dea Tonansattes*, die Ich i. Z. hier empfohlen habe, hat Dr. med.
Max Balcoher in KSnigsberg t/Pr. eingehend die Frage .Tai ist Tonaasatz?" behandelt.
Die Ergebnisse dieser vornehmlich termlnologlachen Untcraucbung hat er wieder in einer
mediziniachen Zeltscbrlft, dem Arctalr f&r Laryngologie (17. Bd. 3. Heft), TerOfrenillchi;
ein Sonderdruck macht sie auch dem Laien zagiagllch. Tas ist Tonansstz? Die Frag«
kommt einem im Anfange Tlelleicht etwas simpel und — soweit es sich um die aprach-
liche Umgrenzung des Begriffes handelt — kaum der Unterauchung wert vor. Ein wenig
Nachdenken und das Blltiem in der einachligigen mnaikalischen Literatur, die in Ihren
Haupivertretem von Bnkofzer fibrigens wSrtlich zitiert wird, zeigen aber bald eine Wirrais
von Aorfasaungen dieees Begriffes auf, die die entschiedenen, bis zur Wurzel gehenden
Forschungen Bukohera nur allzusehr rechtfertigt. Seine Meinung, dass der Begriff durch
masilose Erweiterungen aelner Pilgnanz beraubt sei, wird von den Tataachen geatützL
Tas alles unter .Toaanaaiz'' verstanden wird, wie aehr die verachledenen Mualker und
Kritiker, Gesangiebrer und Singer in ihren Analegungen dea Begriffes auaeinand ergehen,
wieviel Verwirrung mit dieaem einen Torte angerichtet wird, Ist erstaunlich. Bukober
kommt ea hauptslchllch auf eine Vetatindigung zwischen den Laryngologen und den
Gesanglehrem (und Singem) an; aus dieser Bemühung iat die kleine, viel Material ent-
hallende Schrift entatanden. Indessen geht sie Im Grunde Jeden an, der mit dem Gesänge
praktisch und theoretisch zu tun hst. Ohne hier auf die Einzelheiten der Interessanten
sprachlichen Untersuchung, die leb vielmehr dem persSnIlchen Studium empfeble, ein-
zugehen, mOchte ich an dieser Stelle nur die Scblussforderung Bukofiera unterstützen
und alle, vornehmlich such die In die Telce und Breite wirkenden Tages kritlker, zn
ihrer Erfüllung authrdern. Diese Forderung lautet; den Begriff .Tonanaatz* (= aitsqne)
ganz allein für den Vorgang an der Glottis im Momente der Tonerzeugung zu benfitien,
hingegen für die Vorginge luden Reannanzriumen die bereita elngefühne und aehr
klare Bezeichnung aTonanscblag" (— Emission du son) anzuwenden. Durch die priilse
Untersctaeidung dieser beiden Begriffe dfirfte manche Unbestimmtheit In der Gesanga-
terminologle bald verachwinden. Bnkofzer macbl einen wohlbegrQndeten vemQnfiigea
Vorschlag; warum aoUte man ihn nicht obne Elnscbrinkung annehmen?
Paul Ehler«
1S4. Elisabeth Caland: Die Auanutiung der Kraftquellen heim Klavier-
spiel, pbysiologiscb-snalomlache Betrachtungen. Verlag: Ebnersche Musi-
kalien band lung, Stuttgart.
Mit diesem Terke, das zum Teil bereits im Sommer 1004 im .Klavieriebrer*
publiziert wurde und achon damals das bScbsie fachliche Intereaae wacbrief, dfirfte der
Ring der planlaiiacben Forschung geschlossen sein; denn ea iat der bekannten Ver-
haaerio der .Deppeachen Lebrsitze* auf empiriscbem Tege geglückt, der Natur ein neues
Gesetz abzugewinnen und in exakter Velae lu begrfinden. Die Paysloiogle nahm bisher
325
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
den Standpunkt ein, dass die musknllren Funktionen des Armes mit den Bewegungen
des Schultergelenks im grossen ganzen abschlössen. E. Caland hat jedoch nachgewiesen,
dass wir bei der Armhebung flhig sind, das Schulterblatt abwirts zu ziehen, und so die-
jenige Kraftquelle zu erschliessen, die vermöge ihrer Stirke und Ergiebigkeit (M. latissi-
mus dorsi) für das Klavierspiel der Zukunft von wesentlicher und entscheidender Be-
deutung werden kann. Diese Schulterblattsenkung, die »eine ganz ungewöhnliche Herr-
schaft Ober die Koordination der titigen Muskelgruppen erfordert*, ist, wie R. du Bois
Reymond ausdrQcklich bestitigt, »der Form und dem Grade nach für den Physiologen
neu und überraschend". Der Wert dieser Bewegung ist praktisch der, dass wir erstens
in den Besitz der stärksten Muskelquelle gelangen, zweitens den vollkommensten Zu-
sammenschluss aller beteiligten Muskelgruppen erreichen und infolgedessen schliesslich
drittens jene Einheit bewusster Bewegungen ermöglichen, die als höchster und letzter
Zweck des Kunstspiels überhaupt zu gelten hat; denn »es kommt nicht darauf an, stets
die ganze Kraft, welche die Muskeln hergeben können, zur Entfaltung zu bringen, sondern
vielmehr auf die richtige Art ihrer Vermittlung der auszuführenden Bewegungen." Das
der Kern der für die künftige Technik massgebenden Schrift I Der weitere Vorzug der-
selben liegt in der höchst einfachen und klaren Darstellung der anatomischen Grund-
lagen, sowie in der praktischen Erliuterung der hauptsichlichen Muskelfunktionen, d. h.
in der angewandten Muskelphysiologie. Der moderne Klavierpldagoge hat damit endlich
das, was ihm bislang fehlte: einen ausgezeichneten und sicheren Führer durch das
immerhin schwierige und den meisten noch fremde Gebiet aller auf das Klavierspiel
bezüglichen physiologischen Probleme. Es ist nunmehr Sache der pädagogischen Ver-
binde und leitenden Kreise (Akademieen und Institute), vor allem aber Sache des Staates,
auf dieser gewonnenen Grundlage aufzubauen und ein einheitliches System zu schaffen,
das dem lemiischen Methodenungeheuer endgültig den Garaus macht, indem es unter
Anlehnung an die Natur die Gesetze und Ergebnisse der modernen physiologischen
Forschung ins Praktische übertrigt und sie jedem Lehrer, der als Bildner doch auch in
diesen Dingen ein objektives Wissen sein eigen nennen muss, zur unabweislichen
Pflicht macht. Was E. Caland schliesslich über .Pro- und Supination" (cf. das vorzüg-
liche photographische Material der Adduktions- und Abduktionsstellung [Röntgenbilder]),
über die .aktive Fixation", »isolierte Kontraktion", sowie über den »freien Fall" und die
Bedeutung der Innendrehung der Hand (Pronation) sagt, darf als wichtige positive Er-
ginzung der genialen »Deppeschen Lehre" gelten. Das Buch, dessen Tafeln und Bilder-
beilagen ebenso vorzüglich wie interessant, sollte demnach als physiologischer »Leitfaden"
jedem Pidagogen von Bildung und Geschmack zur Hand sein. R. M. Breithaupt
MUSIKALIEN
185. DenkmAler deutscher Tonkunst: Erste Folge. 10. Bd. Arien von Adam
Krieger. Herausgegeben von Alfred Heuss. Verlag: Breitkopf & Hirtel,
Leipzig 1905.
Kriegers Name ist heute nicht vielen mehr bekannt; die Musikschrifrsteller sprechen
über ihn im wesentlichen nur auf Grund dessen, was Becker seinerzeit in der »Neuen
Zeitschrift für Musik" veröffentlichte. Neues biographisches Material haben Fürstenau u. a.
beigebracht; ihnen reiht sich jetzt Heuss an, dem es gelungen ist, einige weitere Quellen
zu erschliessen. Krieger ist 1634 in Driesen geboren, war Schüler des Hallenser
Scheidt und lebte etwa von 1650 ab in Leipzig, wo er neben der Musik auch humanistische
Studien an der Universitit getrieben zu haben scheint. Mit hervorragenden Musikern
wie Rosenmüller hat er sicherlich in Verkehr gestanden; auch mag er ein Kollegium
326
DIE MUSIK V. 23.
musicum geleitet haben. 1655 wurde er Organist an der Nikolai-Kirche. Spiter siedelte
Krieger nach Dresden Ober; um die Nachfolge des 1657 gestorbenen Thomaskantors
Tob. Michael bemfihte er sich von dort aus vergeblich, trotzdem der Kurfürst und seine
Gemahlin sich für ihn beim Rate der Stadt verwandten. Nicht viel spiter ist Krieger
wohl Nachfolger Klemms als Hoforganist in Dresden geworden. Dass er mit H. Schütz
in Verbindung gestanden, ist anzunehmen, aber nicht zu beweisen. Er starb am 30. Juni 1666.
Kirchenkompositionen von ihm sind ausser einem kleinen Reste nicht auf uns ge-
kommen; einen Teil der V Arien" hat er selbst herausgegeben. Freunde sammelten seine
in weiten Kreisen bekannten Lieder, deren manches seine Entstehung in studentischen
Kreisen gefunden zu haben scheint, und gaben sie in Druck. Diese Sorglosigkeit Kriegers
in bezug auf Bekanntgabe seiner Schöpfungen mag wenigstens zum Teil darin begründet
liegen, dass er allem Anscheine nach eine überaus heitere und gesellige Natur war, die
die Gegenwart, guten Wein und schöne Frauen liebte und der Zukunft nicht sonderlich
achtete. Viele seiner Liederdichtungen (er war ein über den Durchschnitt hervorragender
Dichter) scheinen Erlebtes widerzuspiegeln. In seiner Einleitung zu den Arien Kriegers
hat Heuss dessen Stellung in der Geschichte des deutschen Liedes vortrefflich angegeben;
Krieger steht mitten in der Bewegung, die dem Liede Einflüsse des Volksliedes in bezug
auf Symmetriegesetze, Einflüsse der Tanzmusik in bezug auf prignante Rhythmik und Ver-
wendung kurzer Motive zuführte. Er hat diese Gesetze musikalischen Gestaltens in
künstlerisch fein empfundener Weise verwendet, ist Trivialitäten aus dem Wege gegangen
und hat so seine geschlossenen Liedformen mit ursprünglichem Inhalte zu füllen ver-
standen, dass man die Arien noch heute gern hören wird. Die Liedform ist für Krieger
so bezeichnend, dass er sie auch grösseren, ihrer Natur nach darüber hinausgreifenden
Schöpfungen zugrunde legte. Seine starke Empflndungskraft Hess ihn aber nicht in
formalistischer Engherzigkeit aufgehen; wo es die Natur seiner den Kompositionen unter-
legten Dichtungen verlangt, durchbricht er die Gesetze strenger Symmetrie und weiss
überaus wirkungsvolle Steigerungen zu erzielen. Die Sammlung bietet Liebeslieder,
Trinklieder u. a. m. Es steckt eine Fülle von Stimmung in den Gesängen ; hervorragend
sind einige humoristische Lieder. Alles in allem ist Krieger als Musiker eine durchaus
originale Erscheinung, die wert ist, dass man ihr eine gebührende Aufmerksamkeit er-
zeigt. Prof. Dr. Wilibald Nagel
186. Emil Sjögren: Senat (A-dur) för Piano, op. 44. Verlag: Musikaliska Konst-
förningen, Stockholm.
Für Haus und Unterricht wird diese nicht zu schwer geschriebene Sonate als an-
genehme Bereicherung der Klavierliteratur gelten können. Sie bewegt sich auf mittlerer
Linie, von Seichtheit wie Tiefe gleich fem, ist mit gutem Können klavieristisch gearbeitet
und weist, zwar nicht in der Form, aber in der Erfindung neben Gewohntem, landläufig
Glattem doch manchen Zug eigenartigeren Charakters auf, der, wenn er auch keine
markante Physiognomie an dem Tonsetzer selbst erkennen lässt, doch Liebhaber nörd-
licher Kunst erfreuen wird. Nur Anfang und Schluss des Adagios sind in der Erfindung
etwas wohlfeil.
187. Leopold Wallner: Sonate Romantique. Verlag: Schott frdres, Brüssel.
Die auf den Stimmungswert dieser Sonate zielende Bezeichnung »romantisch* kann
als Freibrief für ihren geringen musikalischen Gehalt nicht genügen. Es stehen da auf
26 Seiten Folgen von Tönen und Akkorden in solchen verschwimmenden Farben und
weichlichen, blassen Konturen — abgesehen von den allzu häufigen chromatischen
Wagnerismen — , dass irgendwelche rechte Freude daran nicht aufkommen kann. Die
Sonate erweckt auch trotz der offenbaren auf Form gerichteten Absicht doch nicht den
Eindruck organischen Wachstumes, befriedigender baulicher Meisterung. Ohne erfindungs-
327
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
kriftigere, einigermassen originelle Gedanken und eine klavierteclinisch wenigstens
interessante Verarbeitung werden solche Niederschriften von eigentlich nur Aneinander-
stückelungen wenig charakteristischer EinfiUe, so gut sie gemeint sein mögen, eben
niemals den Anspruch auf ernstere Beachtung erheben können. Die seinerzeit be-
sprochenen — ebenfalls «romantischen'* I — Oboestfickchen aus derselben Feder waren
da eine weit bessere Talentprobe und scheinen für den Umfang dieser Begabung Richt-
linien zu enthalten.
188. Henryk Melcer: I. Concerto pour Piano et Orchestre. Verlag: Ludwig Dob-
linger, Wien.
Klavierkonzerte sind oft hauptsichlich Aufstapelungen der individuellen technischen
Fertigkeiten ihrer Schöpfer, die sich ja auf unendlich verschiedene Gebiete der Spiel-
weise dieses Instrumentes erstrecken können. Nur selten — und das sind dann eben
die hiuflger gespielten, von den Meisterwerken nicht erst zu reden — ist ihr Inhaltswert
und ihre Formensprache von besonderer Bedeutung. Dies muss auch von dem vor-
liegenden, in c-moll stehenden Konzerte gesagt werden. Soviel aus der Bearbeitung für
zwei Klaviere zu ersehen ist, kann der Verfasser flüssig und wirkungsvoll schreiben.
Die Ansprüche auf technisches Reproduktionsvermögen, besonders höchste GelSuflgkeit,
Übereinandergreifen der Hände u. a. m. sind nicht gering. Aber es dürfte wahrschein-
lich sein, dass Inhalt und Form verwöhnten, um nicht zu sagen höchsten, Ansprüchen
nicht genügen werden. Das in keinem Falle unvornehme Stück enthält ja manches
Hübsche, so im gesangsvollen Adagiosatze. Der pathetisch gehaltene erste Satz über-
trifft auch, relativ gesprochen, den scherzoartigen Schlussteil an gedanklichem Werte.
Das Gesamtbild ist aber doch vorwiegend das eines mehr »ad usum proprium** ge-
schriebenen, über den anständigen Durchschnitt nur wenig emporragenden Werkes.
189. Franz Mikorey: Klavierkonzert in A-dur mit Orchester. Verlag: C. F. Kahnt
Nachf., Leipzig.
In diesem Werke werden Pfade gewandelt, die diejenigen des im vorgehenden
besprochenen an aristokratischem Wesen um ein Erkennbares übertreffen. Es ist dies
ganz offenbar kein für in erster Linie virtuose Zwecke geschriebenes Werk, sondern Solo-
instrument und Orchester — auch in diesem Falle liegt mir nur die Bearbeitung für 2 Klaviere
vor — treten hier mehr in den Dienst eines Höheren, Obergeordneten, des Kunstwerkes
an sich. Die formale Technik ist sicher und im allgemeinen gut gerundet. Mit Aus-
nahme des etwas gewaltsam anmutenden Dberganges vom Largo zum Schlussteile gibt
es da nirgends eine Lücke, eine allzu bequeme oder eine harte Fortführung der Linie,
und das bedeutet schon etwas. Auch die Behandlung des nicht leichten Klavierparts
und seine Ergänzung und Durchsetzung mit dem Orchester zeugen von sicherem Können.
Meines Empfindens hätte sich aus dem auch in den Nebengedanken recht glücklich er-
fundenen Material des ersten Satzes wohl noch mehr herausholen lassen, das Haupt-
thema dominiert ein wenig zu sehr. Das Largo mit der beachtenswert hier angebrachten
Kadenz und der Schlussteil enthalten ebenfalls nicht übles Material. Das Hauptthema
des letzteren ist deutlich erkennbar vom Geiste des Hauptthemas des Eröffnungssatzes
beeinflusst, was zur Einheitlichkeit des Werkes mit beiträgt. Stören könnten den oder
jenen, der da besonders anspruchsvoll ist, die chromatischen Folgen alterierter Akkorde
auf S. 61. Wer gedenkt da nicht der Walküre? Der vorherrschende Eindruck dieses
dem Herzog von Anhalt gewidmeten Konzertes ist jedenfalls ein guter, und mancher
wird Interessantes und Dankbares in dem ernst angelegten Werke finden.
190. Karl Kftmpf: Zwei Melodieenfür Streichorchester, op. 26. ~ Hiawatha, Suite
für grosses Orchester, op. 27. — Verlag: Otto Jonasson-Eckermann & Co.,
Berlin.
328
DIE MUSIK V. 23.
Die Melodieen sind anspruchslose Stücklein, durch keine Besonderheit susgezeichnet
Die Suite ist durch Stimmungen aus dem bekannten Longfellowschen Epos aogeregit.
Ein starkes Talent hätte wohl beträchtlich mehr daraus gemacht. Beispielsweise ent-
halten die den Teilen «Minnehaha' und j^Chibiabos* vorangestellten Verse auch noch
anderes, als die Musik zu schildern sucht. Sie malt nur mit einer Farbe, dort finden
sich aber deren mehr. Ein abrundender fünfter Teil hätte dem Werke gewiss wohlgetan.
So, wie es angeordnet ist, versickert es. Die Erfindung — einmal, im ersten Satze,
läuft das Nibelungenschicksalsmotiv mit unter — und ganze Art der Tonstücke deutet
auf ein mittleres Können und Wollen. Innerhalb seiner engeren Grenzen ist es nicht
unliebenswürdig. Die Instrumentation ist im allgemeinen sicher, sie bewegt sich in
üblichen Bahnen. Einige unnötige Härten — auch kleine Druckfehler — finden sich
hier und da. Für leichtere Unterhaltungskonzerte wäre die Suite nicht übel zu ver-
wenden, das Opus 26 auch für Dilettantenorchester. Alfred Schattmann
191. Corn^lie van Oosterzee: Chansons sentimentales, op. 5i. — Zwei
Lieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung, op. 59. Verlag:
A. A. Noske, Middelburg.
Die bekannte holländische Komponistin bat bereits durch eine grosse Anzahl meist
in dem graziös lyrischen Genre sich bewegenden Kompositionen instrumentaler und
vokaler Natur ihr schönes Talent bewiesen. Ihre als op. 54 erschienenen »Chansons
sentimentales* machen davon keine Ausnahme. Es sind fein rhythmisierte melodische
Liedchen, die Sängerinnen mit guter französischer Aussprache eine willkommene Ab«
wechslung im Liederprogramm bieten. Weniger kann ich mich mit op. 59, No. 1 ,Lenz-
entzücken" befreunden. Es ist ein wohl schwungvoll gemeintes Lied, das aber durch
eine verzogene Rhythmik im Flusse stockt, ferner durch eine geringwertige Behandlung
der Dichtung diese keineswegs erschöpft, op. 59 No. 2 ist in vieler Beziehung darin
besser geraten, wenn ich auch manche auf Kosten der melodischen Phrase gemachte
Silbendehnung nicht gerade für geschmackvoll halten kann.
192. Arnold Nielsen: Kaerlighed. SiebenGesänge. Zwei Hefte, op.3. Nordischer
Musikverlag, Kopenhagen.
Eine eigenartig sprunghafte Komponistennatur tritt uns in diesen Liebesliedem
entgegen. Keiner der sieben Gesänge vermag vollständig zu befriedigen. Hohles Pathos,
trockene Melodik, musikalische Ungeschicklichkeiten wechseln mit Momenten tiefer
Empfindung, starken, fast dramatischen Ausdrucks und interessanter Harmonik. Ein ab-
schliessendes Urteil über die vorliegenden beiden Hefte zu nUen, ist insofern schwierig,
als es auf alle Fälle ein schiefes Bild von dem Talent Nielsens geben würde, auf dessen
Weiterentwicklung man gespannt sein darf. Mir scheint die Herausgabe des op. 3 verfrüht.
193. Karel Mestdagh: Lieder und Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung
des Pianoforte. Verlag: Breitkopf & Härtel, Leipzig.
Lieder von glatter, sauberer Arbeit — nichts weiter. Ihre Drucklegung war ebenso-
wenig eine zwingende Notwendigkeit, als ihr Verbleib in dem Manuskriptenschubfach
ihres Schöpfers ein Verlust für die Literatur gewesen wäre.
194. Rudolf Horwitz: Sechs Lieder für eine Singstimme mit Begleitung des Piano-
forte. op. 1. Verlag: Breitkopf & Härtel, Leipzig.
Auch dieser Komponist versteht seinen Gesängen eine glatte, für ein op. 1 fiast allzu
glatte Faktur zu geben. Seine Erfindung ist nicht gerade bedeutend, doch gegenüber der
des Holländers Mestdagh eigenartiger und tiefer. Ihm ist der poetische Stoif nicht nur
das Mittel zum Zweck, ein hübsch abgerundetes Lied zu schreiben, er sucht verschiedent-
lich, wenn auch noch nicht überzeugend, die Dichtung musikalisch charakterisierend aus-
zudeuten. Adolf Göttmann
SCHWEIZERISCHE MUSIKZEITUNG (Zürich) 1906, No. 15-19. - Hermann
Schollenberger: »AndreaB Späth.** Ein Verschollener. Zum Gedichtnis seines
dreissigiihrigen Todestages: 26. April 1876. Splth wurde 1792 im coburgischen
Dorfe Rossach geboren und bewies schon in früher Jugend grosses musikalisches
Talent, das ihn zur Komposition von Kantaten, Motetten und Chören befihigte.
Er wirkte 11 Jahre lang als Organist und Kapellmeister in Morges am Genfersee,
folgte 1833 einem ehrenvollen Rufe nach Neuchfttel als Musikdirektor und Ge-
sangslehrer am dortigen College. Im Jahre 1841 wurde er als Konzertmeister an
der Herzogl. S. Coburg-Gotha'schen Hofkapelle nach Coburg berufen. Durch
seine Freundschaft mit Leonhard Widmer, dem schweizerischen Volksdichter,
wurde der Volksgesang wieder mit bedeutendem Erfolge gepflegt. Auf dem Ge-
biete der Kirchenmusik, vor allem aber als Opemkomponist hat Späth Hervor-
ragendes geleistet. Den Gipfelpunkt seines künstlerischen Schaffens erreichte er
mit der Oper «Omar und Suitana.* Seine Opemkompositionen bewegen sich alle
nach der romantischen Seite hin, speziell in romantisch-komischer Richtung; die
Libretti hat sämtlich Widmer geschrieben. — G. Bundi behandelt ,Liszt*s Tell-
kapelle" und beklagt, dass dieses Werk, «in dem ein Meister die Herrlichkeit
unserer Heimat besungen hat," nur so wenigen bekannt sei. Friedrich Klose hat
das Werk für Orchester bearbeitet.
FINSK MUSIKREVY (Helsingfors) 1906, No. 6-12. — K. Fl od in widmet »Martin
Wegelius* einen warmen Nachruf und würdigt eingehend seine grossen Verdienste
um die Musik in Finland. — Ander Cserna beschäftigt sich in einer Skizze mit
dem künstlerischen Schaffen »Carl Geldmarkts.* — Die Hefte enthalten femer:
Otto Andersson: »Inhemska musiks träfvanden i äldre tider" (Fortsättning) —
Herbert Spencer: «Musikens härkomst och upp gift" (Slut). — E. Nervander:
»Finska teatems grundläggare Kaarlo Bergbom.* — Otto Andersson: »S&ngen i
skolan.* — Heinrich Pudor: »Till kammarmusikens historia.* — Knud Härder:
^Musiklif i Kdpenhamn."
ZEITSCHRIFT DER INTERNATIONALEN MUSIKGESELLSCHAFT (Leipzig)
1906, Heft 9 u. 10. — Adolf Koczirz: »Bemerkungen zur Gitarristik*. Verfasser
gibt einen kurzen Dberblick über die historische Entwicklung des Gitarrespiels und
seine Verbreitung in Deutschland. — Donald Prancis Tovey: »The vitality of
artistic counterpoint". — H. Leichtentritt beklagt in einem Artikel »Aufführungen
älterer Musik in Berlin", wie wenig zielbewusst die Pflege älterer Musik gehandhabt
werde. — J. G. Prod'homme: »Pierre Corneille et rOp6ra fran^ais". — Herbert
Antcliffe: .Whistler and modern Music*. — Heinrich Hammer: .Das 42. Ton-
künstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musik-Vereins".
DAS DEUTSCHE VOLKSLIED (Wien) 1906, No. 6 u. 7. - »Das Volkslied in
Österreich*, ein Aufruf zur Sammlung und Aufzeichnung aller Volksdichtung und
Volksmusik, zwecks Herausgabe der gesamten Volksdichtung und Volksmusik der
einzelnen Völker und Stämme Österreichs seitens des Unterrichtsministeriums. —
330
DIE MUSIK V. 23.
Franz Scheirl: »Der Phonograph im Dienste des Volksliedes*. — »Hirtenlieder
zur Zeit der Geburt Christi*, wie sie in Ebensee heute noch gesungen werden.
DAS HARMONIUM (Leipzig) 1906, No.5-7. - Hans Freimark: »Hausmusik vor
300 Jahren*. — »Das Harmonium auf der Berliner Musik-Fachausstellung 1906.*
CORRESPONDENZBLATT DES EVANGELISCHEN KIRCHENGESANG-
VEREINS FÜR DEUTSCHLAND, 1900, No.8. — Chr. Drömann: »Was kann
von Seiten des Kantors (Gesanglehrers) und Organisten geschehen zur Hebung
unseres kirchlichen Gemeindegesanges?*
MUSIKALISCHES WOCHENBLATT (Leipzig) 1906, No. 24—32. — Franz Du-
bitzky: »Wie erhalten wir ein lichteres Notenbild?* (Fortsetzungen). — Erich
Kloss: «Bayreuth 1906*. — Eduard Reuss: «Die Nacht der Liebe in »Tristan
und Isolde^*.
SIGNALE FÜR DIE MUSIKALISCHE WELT (Leipzig) 1906, No. 38-46. —
Siegmund von Hausegger: j^Gedanken zur Besetzung klassischer Orchesterwerke*.
— ylnstrumentierungskunst und Partiturspiel* mit F. Pr. unterzeichnet. — Otto
Neitzel: ^Das 42. Tonkünstlerfest des Allgemeinen Deutschen Musikvereins in
Essen*. — Charles Karlyle bespricht „die Saison in Covent Garden*, und widmet
»Manuel Garcia* einen warmen Nachruf. — Karl Thiessen: „Alte Klaviermusik
im Hause*.
NEUE MUSIKALISCHE PRESSE (Wien) 1906, No. 14 u. 15. - Emil Sutro: „Das
Doppelwesen des Denkens und der Sprache*. — Eduard Reuss: „Die sechste
Symphonie von Gustav Mahler und ihre erste Auffuhrung*. — Fritz Lange: „Der
Bruder Joseph Haydns". — Victor Lederer: „Flamin, der letzte Davidsbündler*.
RHEINISCH-WESTFÄLISCHE SÄNGER-ZEITUNG (Iserlohn) 1906, No. 5. —
Max Arend: „Der Kölner Männer-Gesang- Verein in Leipzig*. — Ludwig Riemann:
„Das Volkslied im niederrheinischen Industriegebiet*.
MUSIKALISCHE RUNDSCHAU (München) 1906, No. 12 u. 13: Hermann Ritter:
„Das Virtuosentum in der Musik*. — P. S. Alexejew: „Mozarts Flötencompo-
sitionen*. — Paul Stauber: „Die Wiener Volksoper*. — Franz Griflinger:
«42. Tonkünstlerfest in Essen*.
NEUE MUSIK-ZEITUNG (Stuttgart) 1906, No. 20. — Siegmund Benedict: „Das
Geheimnis von Bayreuth*. — Erich Kloss: »Drei Jahrzehnte Bayreuther Fest-
spiele*. — Hans vonWolzogen: „Alt- und Neu-Bayreuth*. — C. Fr. Glasenapp:
„Bayreuth im Jahre 1875*.
MONATSSCHRIFT FÜR SCHULGESANG (Essen a/R.) 1906, Heft 3 u. 4. -
Dr. Küffner: „Zur Lage des Gesangunterrichts in Bayern*. — Arthur Liebscher:
„Hausmusik für die Volksschule*. — E. Prinz: „Geistige Beherrschung der Ton-
vorstellungen*.
NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1906, 15. Juli. — A. Streit: „Das MQnchener Fest-
spielhaus*.
BRESLAUER ZEITUNG 1906, 28. Juni. — Cyriak Fischer: „Ein Meister der Geige*;
zu Josef Joachims 75. Geburtstage.
PRAGER TAGBLATT 1006, 15., 24. u. 29. Juli. — Richard Batka: „Richard Wagner
in Teplitz*. — „Dreissig Jahre Bayreuth*. — Rudolph Prochiszka: „Charakter-
bilder aus dem älteren Musik-Prag: Hans Seeling, der Komponist der ,Schilflieder'
und ,Lorcley**.
Wegen Rtummangels musste diesmal von einer eingelienderen Behandlung der aufgefQhrten Artikel Abstand
genommen werden.
NEUE OPERN
Alexandre Georges: »Kleopatra'', nach einem Textbuch von Jean Richepin.
Vincent d'Indy: »Phaedra und Hippolyt**, Buch von Jules Bois, soll an der
Komischen Oper in Paris zur Erstaufführung gelangen.
M. de Lunghi: „Rftf^Ael^ eine dreiaktige Oper, wurde im Teatro Feiice in
Sinigaglia zum ersten Male aufgeführt.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Berlin: Das Theater des Westens kfindigt folgende Novitäten an: Eugen
d'Albert («Tiefland*), Gustav Kulenkampff (»Anne-Marei*), Claude
Terrasse («Der Kongress von Sevilla*; »Der Herr von Vergy*), Josef Man as
(«Unser Theodor*), Bertrand Sänger («Bonbonnidre*), Franz L6har (»Der
Göttergatte*).
Lortzing-Theater. Aus dem Spielplan der ersten Saison sind an
Neuerwerbungen von Opern und Operetten zu nennen: «Die Arlesierin* von
Bizet, „Zwei Witwen* von Smetana, «Der König der Berge* von Schu-
macher und Schön au, «Der verlorene Sohn* von Wormser. Als Neu-
einstudierungen werden «Doktor und Apotheker* von Dittersdorf, «Die
Grossherzogin von Gerolstein* von Offenbach, «Das Spitzentuch der
Königin* von Strauss in Szene gehen, denen sich Aufführungen von
«Zauberflöte*, «Freischütz*, «Undine*, «Zar und Zimmermann* u. a. an-
reihen.
Brüssel: Das Monnaie-Theater wird in der kommenden Spielzeit Strauss'
«Salome* zur Aufführung bringen.
KONZERTE
Berlin: Die Programme für das zweite Konzert (26. Oktober) und die Kammer-
musik-Matinee (28. Oktober) des Händel festes sind nun auch festgestellt
worden. Das zweite Konzert unter Leitung von Joseph Joachim bringt
das Orgelkonzert in g-moU, Arien aus der Oper «Rinaldo* und aus dem
«Herakles*, die Ouvertüre zur Oper «Agrippina", das Concerto grosso in
h-moll und zum Schluss die Cäcilien-Ode. Solistisch sind an der Ausführung
des Programms Emilie Herzog, Pauline de Haan-Manifarges und
Felix Senius beteiligt In der Matinee am 28. Oktober gelangen Sonaten
für zwei Oboen, für Gambe, für Violine, eine Sonate für Flöte, Violine und
Cembalo, Kammerduette für Sopran und Alt und für Sopran und Bass und
einige Klavierstücke zur Aufführung, an der u. a. die Damen Herzog,
de Haan-Manifarges, Marie Bender, Joseph Joachim,. Robert Haus-
mann, Johannes Messchaert, Paul Prill beteiligt sein werden.
Essen: Die Musikalische Gesellschaft plant für \9Qd ein mehrtägiges Bach -
fest unter Mitwirkung des Leipziger Thomanerchors, Bachvereins und
Gewandhausorchesters.
332
DIE MUSIK V. 23.
TAGESCHRONIK
Der XIX. deutsche evangelische Kirchengesangyereinsttgy der,
wie bereits mitgeteilt, unter dem Vorsitz des Oberkonsistoritlrtts D. Flöring-
Darmstadt in Schleswig stattfinden soll, wird nach neueren Bestimmungen vom
2. bis 4. September abgehalten werden, da der frfiher angekündigte Termin (18. und
19. September) aus örtlichen Gründen nicht beibehalten werden konnte.
Preisausschreiben für Musiker. Ein französisches Konsortium, be-
stehend aus der Pariser Musikverlagsanstalt A. Astruc et Cie., dem französischen
Grossindustriellen Henri Deutsch de la Meurthe und dem Fürsten Albert von
Monaco, hat die Ausschreibung eines internationalen Concours Gdnöral de Musique
angekündigt. Nach den Bedingungen (zu haben bei der Soci6t6 Musicale, Paris,
32 Rue Louis le Grand) bestehen folgende Abteilungen und Preise: 1. Oper oder
lyrisches Drama (30000 fr.), 2. Komische Opbr (12000 fr.), 3. Ballet oder Ballet*
Pantomime (8000 fr.), 4. Trio für Klavier, Violine und Cello (3000 fr.), 5. Sonate für
Klavier und Violine (2000 fr.). Die dramatischen Kompositionen, die den ersten
Preis der Jury erhalten, werden im Theater in Monaco (Direktor: Raoul Günzbnrg)
oder auf einer grösseren Pariser Bühne zur Darstellung gebracht Die Text-
bücher zu den dramatischen Kompositionen können vom Komponisten selbst oder
von einem anderen Autor geschrieben sein. Vorschriften über Anzahl der Akte
und Szenen werden nicht gemacht; nur muss die Aufführungszeit eine normale
sein. Das Ballet muss so sein, dass es den künstlerischen und choreographischen
Anforderungen einer grossen Bühne entspricht, und das Trio wie die Sonate müssen
den Charakter von Kammermusikwerken tragen. Die Frist läuft am 31. Okt. 1006
ab. Der Jury gehören u. a. Saint-SaSns, Jules Massenet, Pedro Gailhard (Direktor
der Grossen Oper), Albert Carr6 (Direktor der Op6ra comique), Victor Capoul,
Vincent d'Indy, Charles Lecocq, Andr6 Wormser, Chevillard, Taffanel, Catulle Mendfta
und Raoul Günzburg an.
Es wird unsere Leser interessieren, zu erfahren, dass auf der diesjährigen
«Musik-Fachausstellung* in Berlin der Zeitschrift »Die Musik* für hervorragende
Leistungen Diplom und Ausstellungsmedaille zuerkannt worden sind.
Ein Denkmal Chopin's in Paris. Der an Denkmälern so reiche Park
Monceau wird ein neues Monument erhalten. Es ist das Denkmal Chopin's, dsa
der Künstler Jacques Froment-Meurice ausgeführt hat, und besteht in einem herr-
lichen Marmorstein, dessen weisser Glanz aus dem Grün der Gebüsche reich
hervorglänzt und aus einem von Geissblatt und Efeu umrankten Relief, das den
Tondichter am Klavier, von der Muse zu seinen unsterblichen Melodieen begeistert,
darstellt.
Eine Rundreise durch den Westen der Vereinigten Staaten, nach Kanada,
Kolorado, Kalifornien, Texas usw. unternimmt in der kommenden Saison das
Chicagoer Symphonie-Orchester unter Leitung von Alexander von Fielitz.
Das Lamoureux-Orchester aus Paris (Dirigent: Camille Chevillard)
wird im Oktober eine Rundreise durch Deutschland unternehmen. Nach einigen
Konzerten in Nord-Frankreich wird es sich in Köln, Hamburg, Hannover, Berlin,
Leipzig, Dresden, Frankfurt a. M., Mannheim, Stuttgart, Strassburg i. E. hören lassen,
um dann, die Hauptstädte der Schweiz zu besuchen.
Die Philharmonische Gesellschaft in New York verpflichtete W. J. Safonoff
auf drei Jahre als ständigen Leiter ihrer philharmonischen Konzerte.
Friedrich Klose wurde als Lehrer für Kontrapunkt und Kompositionslehre
an die Akademie der Tonkunst in München berufen.
333
UMSCHAU
Kapellmeister Paul Ottentaeimer vom Nfirnberger Stadttbeater wurde alt
Nachfolger von Leo Blech zum ersten Kapellmeister am Landestheater in Prag
gewihlt.
Kapellmeister Karl Gille vom Hamburger Stadttheater ist f&r das Kaiser-
Jubiläums-Theater in Wien verpflichtet worden.
Organist Gustav Beckmann in Essen erhielt den Titel Kgl. Musikdirektor.
Herzog Friedrich II. von Anhalt verlieh an seinem 50. Geburtstage dem
Hofkapellmeister Franz Mikorey sowie dem Musikdirektor Franz Preitz (Zerbst)
den Orden ffir Kunst und Wissenschaft Gleichzeitig wurde der Tenorist Oskar
Feuge von der Dessauer Hofoper zum Kammersänger ernannt.
TOTENSCHAU
Am 28. Juli f in Lemberg der Direktor der Philharmonie Leopold Litydski.
Am 29. Juli f Alexandre Luigini, Kapellmeister an der Komischen Oper
in Paris. Die musikalische Welt Frankreichs verliert in ihm ihren besten Kapell-
meister, man kann sagen den einzigen tfichtigen Kapellmeister, der seit Jahren
an der Spitze eines Opern-Institutes gestanden hat. Luigini war, wie jedes Jahr,
während der Opemferien nach Mont-Dore gegangen, als eine akute Erkrankung
der Leber sich bei ihm einstellte, der er nach kurzer Zeit erlegen ist. In seiner
Wohnung, 32 Boulevard Haussmann in Paris, wo vor ihm lange sein Direktor
Albert Carr6 gewohnt hat, ist er dahingegangen, betrauert von der musikalischen
Welt Frankreichs und seinen zahlreichen Freunden und Verehrern. — Luigini
wurde am 9. März 1850 in Lyon geboren als Spross einer Musikerfamilie aus
Modena. Er besuchte das Konservatorium in Paris und erhielt in der Violinklasse
von Dancia im Jahre 1809 einen zweiten Preis. Im Jahre 1870 zu den Waflfbn
gerufen, machte er den Krieg in der Rhöne-Armee mit. Im Jahre 1872 wurde er
Konzertmeister der Grossen Oper in Lyon unter der Leitung seines Vaters, um
im Jahre 1877 die Orchesterleitung selbst zu übernehmen. Als 1807 Albert
Can6 Direktor der Komischen Oper in Paris wurde, war eine seiner ersten Taten,
Luigini zu sich nach Paris zu berufen. Nur kurze Zeit stand er der Komischen
Oper fem, während er die Opern-Saison der Gebruder Isola in der Gait6 diri-
gierte. Seit 1004, nach dem Abgang Andr6 Messager's, fungierte Luigini als Kapell-
meister der Komischen Oper und brachte fast alle Neuheiten und Neueinstudie-
rungen wie: „Louise* von Charpentier, „Pelleas und Melisande* von Debussy,
„Titania* von Georges Hue, .Alceste*, »Iphigenie* und »Orpheus* von Gluck,
»Muguette* von Missa, ,,Les p6cheurs de St. Jean" von Widor, »La Cabrera* von
Gabriel Dupont, »Helena' von Saint-SaSns, »Miarka* von Alexander Georges und
»Aphrodite* von Camille Erlanger mit durchschlagendem Erfolg heraus. Sehr verehrt
von seinen Musikern und Sängern bewahrte er doch immer seine Autorität. Man er-
kannte in ihm den bedeutenden zielbewussten Meister, aber auch den wohlwollenden
Freund, der für jeden ein liebenswürdiges Wort stets bereit hatte. Von seinen
Kompositionen gehören sein Ballet 6gyptien und La voix des cloches zu dem
eisernen Bestand aller französischen Orchester. Sein Verschwinden bedeutet
einen unersetzlichen Verlust ffir die Komische Oper. Max Rikoff
Am 29. Juli f in Darmstadt, 70 Jahre alt, der Hofmusikmeister Karl Anton.
Am 1. August f in Berlin im Alter von 45 Jahren der Pianist Felix Drey-
schock, ein vortrefflicher Klavierspieler und ausgezeichneter Pädagoge.
Der ehemalige langjährige Bassist des Prager Deutechen Landestheaters,
Josef Eichberger, f am 2. August in Wien.
OPER
GOTHA: In seiner Tätigkeit als Operndirigent sind Alfred Lorenz ziemlich enge
Grenzen gesteckt, da die Leitung unserer Bühne mit nur beschränkten Mitteln zu
rechnen hat. Immerhin konnte er mit Hilfe auswärtiger Kräfte (Andreas Moers, Paula
Do enges) eine Reihe Wagnerscher Werke in anerkennenswerter Weise zur Aufführung
bringen (Walküre, Tannhäuser, Tristan, Fliegender Holländer — letzteren nach Bayreuther
Muster ohne Pause). Der Vollständigkeit wegen sei erwähnt die Erstaufführung der
Oper „La Biondlnetta* von Spiro Samara, die im Stile der Jungitaliener manche
sch5ne musikalische Momente und dramatische Effekte aufweist, ohne doch nachhaltig
wirken und fesseln zu können. O. Weigel
RIO GRANDE DO SUL: Elend steht es um die italienischen Opemtruppen, die hier
alljährlich auftauchen. Ein kümmerliches Orchester, unmögliche Dekorationen, hohe
Preise, schlechte Kräfte sind stereotyp; trotzdem lässt man sich bei der sonstigen musi-
kalischen Dürre immer wieder verleiten, die Vorstellungen zu besuchen. Ich hörte mir
Cavalleria und Bajazzi an; doch dieses Abends Qual war so gross, dass ich auf weitere
Genüsse gern verzichtete. Übrigens gibt es alljährlich dasselbe Menü, obgleich als Lock-
vögel immer einige neue Opern verheissen werden. Fr. Köhling
KONZERT
BOSTON: Die verflossene Musiksaison war nicht besonders interessant. Es sah aus,
als ob Wilhelm Gericke, der uns mit Schluss derselben verliess, gleichgültig ge-
worden wäre. Die Programme waren eintönig und die neuen Werke recht selten. Eine
Neuerung, die Unikum in der Geschichte des Boston-Symphonie-Orchesters ist, war das
Engagement Vincent d'Indy's für die Leitung eines der regelmässigen Konzerte. Es
war kein Erfolg: d'Indy ist der geborene Nichtdirigent. Seine Art ist geradezu ein-
schläfernd. Ein weniger gutes Orchester hätte zweifellos umgeworfen. Dazu brachte er
seine zweite Symphonie (in B-dur), die uns in der vorigen Saison schon auf die Folter
gespannt hatte. Erfreulicher waren seine Istar -Variationen und seine Bergsymphonie
(op. 25) mit Piano. Das grosse Ereignis der Saison war Mahlers Fünfte Symphonie
(cis-moll). Für mich war sie die erfreulichste Bekanntschaft, die ich seit Jahren gemacht
habe. Wie da alles singt und leuchtet und blüht! Das ist Schubert redivivus. Es war
das erstemal, dass ein Mahlersches Werk in Boston gespielt wurde, und die Aufführung
war über alles Lob erhaben. Die Solotrompete (Herr Kloepfel) und das Solohorn
(Max Hess) waren wundervolL Die Symphonie musste auf Verlangen im nächsten
Konzert wiederholt werden. Die anderen Nova waren: Chausson's Symphonie in B-dur
(op. 20), ein ernstes, schönes Werk, und eine saftlose c-moll Symphonie von Webber,
einem Amerikaner. Dann Boehe's .Odysseus' Ausfahrt und Schiffbruch*, Dvofäk's
ipWaldtaube* und Glazounoff's „Kremlin*, ein fürchterliches Spektakelstück. Von
Ouvertüren waren neu: Busoni: Lustspiel - Ouvertüre op. 38, Smetana: Libussa,
Schillings: Pfeifertag (III. Akt), Elgar: In the South und Harcourt: Tasso. Von
Konzerten waren neu: Jaques-Dalcroze: c-moll Violinkonzert (Henri Marteau),
Sinding: A-dur Violinkonzert (Felix Winternitz) und Strube's fls-moU Violinkonzert
(Tim Adamowski). Dieses letzte Konzert — es verdiente eher den Namen einer Suite
335
KRITIK: KONZBRT
— ist das Werk eines ernsten und hochbegabten Musikers, der seine eigenen Wege
wandelt und Grosses zu sagen hat. Das Konzert ist schwierig, aber dankbar und sollte
die weiteste Verbreitung finden. — Im übrigen hörten wir nur die alte Leier. Für eine
Saison, die 24 Konzerte umfasst, wahrlich ein trostloses Resultat. Solisten waren ausser
den oben erwihnten Geigern: Willy Hess, der Beethovens Violinkonzert unvergleichlich
schön spielte, Jacques Hoffmann mit Goldmarks a-moll Konzert op. 28, Hugo Heer*
mann mit Brahms' op. 77 und Marie Hall mit Mendelssohns e-moll Konzert. Besondere
Erwähnung verdient Adolf Bak, der Vieuxtemps' einsitziges a-moll Konzert in herrlichster
Vollendung spielte. Es ist unverstindlich, dass dieser junge Geiger nicht versucht, sich den
internationalen Namen zu machen, den er verdient. Er könnte in seiner Sphire — der
klassischen Violinliteratur — das Höchste leisten. Ich denke, man tut gut, sich den
Namen zu merken. Von Cellisten hörten wir Elsa Ru egger (Saint - Saöns' a-moll-
Konzert) und Heinrich Warnke (DvoHk's h-moll Konzert). Von Pianisten: Reisenauer
(Webers Konzertstück f-moU), Waldemar Luetschg (Liszt: a-moll), Rudolph Ganz(Li8zt
Es-dur), Emest Hutcheson (Rubinsteins viertes Konzert d-moll), Harold Bauer (Schu-
manns a-moll Konzert), Adele aus der Che (Beethovens fünftes Konzert) und Olga
Samaroff (Griegs a-moll Konzert), eine neue Erscheinung im Konzertsaal, deren Spiel
in jeder Beziehung geradezu verblüffend an das Clotilde Kleebergs erinnert. Von den
Vokalsolisten erwähne ich nur Frau Gadski und Louise Homer. Neben vielen der
hier genannten Solisten gaben eigene Konzerte: Raoul Pugno und Marcella Sem brich,
die mit ihrer nie versagenden Kunst die riesige Symphoniehalle bis auf den letzten
Platz füllte. Unsere Kammermusikvereinigungen haben auch in dieser Saison Vor-
zügliches geleistet, allen voran wieder die Kn eiseis; mit Harold Bauer spielten sie
Schuberts B-dur Trio und mit Rudolf Ganz Cbausson's Klavierquartett A-dur; ferner
hatten sie eine interessante Konzertetfide von Sinigaglia. Ihre herrlichste Leistung aber
war Beethovens op. 127. Das Hess-Quartett machte sich dadurch verdient, dass es
Regers Trio für Flöte (Andr6 Macquarre), Violine und Viola, die erste Regersche
Komposition, die wir hier in Boston zu hören bekamen, aufführte. Ein neues Quartett
von Taneieff in b-moll und Glazounoff' s Novelletten für Streichquartett waren andre will-
kommene Neuigkeiten. Das Hoffmannquartett brachte das selten gehörte Homquintett
in Es-dur von Mozart und das zweite Klaviertrio (op. 73) von Arensky heraus. — Dass
Carl Muck die nächste Konzertsaison hier dirigiert, ist schon bekannt.
Dr. Georg S. Schwarz
BROMBERG: Die hiesige Orchestervereinigung brachte unter der wechselnden
Leitung von Bils, Nolte, Schattschneider u. a. die sechs ersten Symphonieen
von Beethoven. Femer machte uns Arthur Bils in dankenswerter Weise mit einer Sym-
phonie von Lassen bekannt, temperamentvoller, wohlklingender, gesunder Musik. An
Neuheiten gab es ausserdem .Wanderers Sturmlied* und .Tod und Verklärung* von
R. Strauss, sowie «Feuerreiter* von H. Wolf, in gelungener, teilweise trefPlicher Wieder-
gabe durch die Singakademie unter Schattschneider. Neue Erscheinungen waren: die
Kammermusikvereinigung des Konservatoriums, die in mehreren erfolgreichen
Konzerten u. a. Bach, Haydn, Beethoven, Schumann, Brahms, Tschaikowsky, Saint-SaSns
spielte; ferner der Pianist Willi Wellmann (Beethoven, Chopin, Brahms u.a.). In ver-
schiedenen Mozartfeiem wurden die c-moll Messe (Singakademie, Schattschneider), die
Symphonieen Es-dur und C-dur, die bekanntesten Ouvertüren und die Klavierkonzerte
D-dur und d-moll (Willi Wellmann) zu Gehör gebracht. Der Männergesang fand eine
sehr würdige Pflege durch die «Eintracht* unter Stein. Letzterer steuerte auch mit
einigen sehr ernst zu nehmenden Chorwerken eigener Komposition bei. Sehr Erfreuliches
bot auch der Schleusenauer Gesangverein mit Beethovens »Chorphantasie*, Gades
336
DIB MUSIK V. 23.
jyFruhlingslied" u. a. unter Löwenstern. Von auswirtigen Künstlern besuchte ans
Hermann Brause (Lieder- und Balladenabend), die vHolllnder'y die uns mit Tscbai-
kowsky's a-moll Trio bekannt machten, Eweyk und Gisella Gross, Ondricek, der
etwas enttäuschte, mit Sergei von Bortkiewicz, der auf allen Gebietea der Technik
zu Hause ist, jedoch mit seinem Spiel kalt Hess, Wanda von Trzaska, die durch ihre
Bravour grossen Eindruck machte. Endlich ein anregender Vortragsabend von Dr. Otto
Neitzel. Die Höbepunkte der Saison waren für uns das Schumann -Trio, dessen at>-
geklärte Höhenkunst ich mit unvergleichlich bezeichnen möchte, und Fr6d6ric Lamond,
dessen wunderbares Beethovenspiel zur Andacht zwang. W. Well mann
CINCINNATI: Das 17. Maifest der Stadt Cincinnati fand in den Anfangstagen
des Monats Mai (vom 1.— 5.) statt und verdient aus verschiedenen Gründen be-
sondere Beachtung. Abgesehen davon, dass das alle zwei Jahre abgehaltene Fest un-
streitig die bedeutendste Rolle in der Geschichte grossangelegter Musikfeste in den Ver-
einigten Staaten bildet, brachte man gerade der diesjährigen Veranstaltung ganz besonderes
Interesse entgegen, zumal die künstlerische Leitung Frank van der Stucken, dem
bewährten Leiter der hiesigen Symphoniekonzerte, fibertragen war. Der Gründer und
ständige Leiter der Maifeste, Theodor Thomas, ist im Januar des Jahres 1005 aus dem
Leben geschieden. Nach reiflicher Überlegung gelangte man zu der Oberzeugung, dass
der Dirigent des hiesigen Symphonieorchesters wobl die geeignetste Persönlichkeit sei,
das schwierige Amt des Nachfolgers zu übernehmen, zumal er als Cbordirigent zu den
Besten unsrer Zeit gerecbnet werden muss; zudem war die Aufgabe eines einheitlichen
Wirkens zwischen dem Chor wie dem Orchester am leichtesten zu lösen, wenn man die
Oberleitung des Ganzen sowie die Spezial Vorbereitung der beiden konzertierenden Haupt-
faktoren derselben bewährten Kraft anvertraute. Dass man sich bei dieser Berechnung
nicht getäuscht hatte, bewies der Erfolg. Van der Stücken organisierte einen neuen Chor,
zu dem er die besten Sänger der Stadt heranzog und mit dem er unermüdlich probte.
Das Endresultat war ein glänzendes. Bedenkt man, dass derselbe Künstler auch die
20 regulären Symphoniekonzerte nebst den dazugehörigen Proben leitete, femer noch
verschiedene Orchesterarrangements für das Fest vorbereitete und ausserdem einen
lOOOstimmigen Kinderchor heranbildete, so muss man die ausserordentliche Arbeitskraft
des Mannes rückhaltslos bewundern. Der erste Abend des Festes war pietätvollerweise
dem Andenken des unvergesslichen Theodor Thomas geweiht. Bachs herrliche Kantate
jyGottes Zeit die beste Zeit* in stilvoller, feingearbeiteter Orchestrierung des Festdirigenten
eröffnete das Konzert. Der gemischte Cbor, die Solisten, der Knabenchor und das
Orchester leisteten Vorzügliches; dasselbe lässt sich über das Deutsche Requiem von
Brahma aagen. Frau Gadski sang zwischen den beiden Weiken die Scblusszene aus
der „Götterdämmerung* und riss durch ihren wundervollen Vortrag die gewaltige Zu-
hörerschar zu enthusiastischem Beifall hin, der natürlich auch dem aus 100 Mann be-
stehenden Festorchester und dem Dirigenten galt. Es war das Ganze eine würdige Feier
des Andenkens an denjenigen Künstler, der den Amerikanern als Apostel der himm-
lischen Tonkunst erschien und das Evangelium der überirdischen Schönheiten der Musik
während seines ganzen Lebens predigte; das herrliche Theodor Thomassche Symphonie-
orchester von Chicago sowie die glanzvollen Matmusikfeste von Cincinnati bilden das
kostbarste Vermächtnis von Theodor Thomas, der mit Fug und Recht zu den hervor-
ragendsten Deutschamerikanern gerechnet wird. Galt das erste Konzert dem Andenken
eines grossen Toten, so gestaltete sich der folgende Abend zu einer Ehrung für einen
lebenden Meister: Sir Edward Elgar war auf Einladung des Direktoriums herüber-
gekommen, um sein Oratorium: i,Die Apostel" persönlich zu leiten. Das Werk er-
zeugte vermöge seines tiefen Inhaltes eine ernste, weihevolle, religiöse Stimmung und
337
KRITIK: KONZERT
* * -
fibte auf das Publikum eine mächtige Wirkung aus. Es ist dem Künstler gelungen, den
richtigen Ausdruck zu finden far seine Ideen in Anlehnung an R. Wagners Darstellungs-
weise; wahrhaft überwältigend wirken die beiden ersten Teile des Werkes, ferner die
berühmte Bibelstelle: «Du bist Petrus" sowie der geradezu wunderbare Schlusschor mit
seinem gewaltigen, architektonisch an die himmelanstrebende Gotik erinnernden Aufbau.
Das Oratorium erscheint im Glänze berückend schöner Orchestration. Die Solisten:
Corinne Rider-Kelsey (Sopran), Janet Spencer (Alt), John Coates (Tenor), Franggeon
Davis (Bariton) sowie Gh. Clark (Bariton) erledigten sich ihrer Aufgabe mit Geschick,
der Chor war seiner Aufgabe vollständig gewachsen. In den beiden Matineen, die am
Donnerstag und Samstag mittag stattfanden, ' war den Solisten und dem Orchester Ge-
legenheit geboten, sich auszuzeichnen. Besonderen Anklang fanden Herr Clark mit
dem Vortrag der Heiling-Arie: j,An jenem Tag*, sowie Herbert Witherspoon mit der
Wiedergabe der Weberschen Arie aus der Euryanthe: „Wo borg* ich mich". Das Orchester
erntete reichen Beifall mit Beethovens „Leonoren-Ouvertüre", Schumanns «B-dur Sym-
phonie", »La mort de Tintagiles", dem dramatischen Tongemälde von Loeffler, dem Vor-
spiel und Liebestod aus Wagners „Tristan und Isolde", der letzten Tschaikowsky-
Symphonie, der Liebesszene aus R. Strauss' „Feuersnot" und dem Vorspiel aus den
„Meistersingern". Zwei Kompositionen von Elgar: eine brillante Konzertouvertüre „Im
Süden" op. 50, sowie „Introduktion" und „Allegro" op. 47 für Streichorchester vervoll-
ständigten das Orchesterprogramm. Eine weitere Glanznummer bildete Frau Gadski's
Wiedergabe: „Dich, teure Halle" aus Wagners Tannhäuser. Besondere Anziehungskraft
übte das Abendkonzert am Donnerstag aus durch einen Kinderchor von 1000 Stimmen;
die Knabenstimmen zeichneten sich besonders aus durch ihre wohltuende Frische und
die Sicherheit der Einsätze. Sämtliche Kinder sangen die Benoitsche Kantate: „In die
Welt hinein" auswendig und begeisterten die Zuhörer zu jubelndem Beifall. Auch Frank
van der Stuckens brillantes Tongemälde: „Pax triumphans", in dem die Kinder den
Schlusschoral sangen, wurde enthusiastisch aufgenommen. Das letzte Konzert bot einen
starken Kontrast durch die Zusammenstellung der beiden Werke: „Der Traum des
Gerontius" von Elgar sowie Beethovens Neunter Symphonie. Der Chor sang vorzüg-
lich trotz der Anstrengung der vorausgehenden Konzerte, während das Orchester Er-
müdung zeigte. Elgar dirigierte seine eigne Komposition, die in bezug auf musikalische
Erfindung den Aposteln ziemlich nachsteht. Mit der Aufführung der Neunten Symphonie
gelangte das Fest zum Abschluss. Das Ganze war ein grosser Erfolg, dank der unermüd-
lichen Energie und der umsichtigen Leitung van der Stuckens sowie der reichen finan-
ziellen Unterstützung, die die einfiussreichsten Kreise dem Musikfest in vollem Masse
gewährten. Es schliesst sich also das 17. Maifest seinen Vorgängern würdig an. Es sei
noch bemerkt, dass binnen kurzem eine schöne Statue des ersten Festdirigenten: Theodor
Thomas in der Musikhalle aufgestellt wird, um die Besucher der Halle stets an die
Bedeutung des grossen Kapellmeisters zu erinnern. Dr. N. J. Elsenheim er
GOTHA: Der verdienstvolle Leiter unserer Hofoper, Hofkapellmeister Alfred Lorenz,
hat in unser Musikleben, das bereits begann, in seinen Leistungen unter das Mittel-
mass zu sinken, einen frischen, freieren Ton gebracht. Von seinen Aufführungen im
hiesigen Musikverein sind besonders erwähnenswert „Das verlorene Paradies" von
Bossi und das „Weihnachtsoratorium" von Bach, „Taillefer" von Richard Strauss und
die zweite Symphonie von Mahler. Die Solistenabende zeichneten sich durch einen be-
sonderen Charakter aus, so der Lisztabend mit Johanna Dietz und Vianna da Motta
und der Mozartabend (Requiem, Jupitersymphonie, Eva Lessmann). An bedeutenderen
Künstlern waren im übrigen herangezogen: das Meininger Trio (Berger, Mühlfeld,
Piening), Tilly Koenen, Susanne Dessoir und Fritz Kreisler. Als Komponist konnte
V. 23. 24
338
DIE MUSIK V. 23.
Lorenz sich dem Publikum mit einem Klavierquartett vorstellen, das die Künstiei^
Vereinigung von Bassewitz-Natterer-Schlemfiller an einem Kammermusikabend
vorführte. Es fand viel Beifall; es ist recht originell, aber nicht einfsch in der Durch-
fuhrung. O. Weigel
JENA: Die Schwierigkeiten, die wir vor Jahresfrist mit einem würdigen musikalischen
Programm zur Schillerfeier hatten, gaben den Anstoss zu einer Bewegung fOr die
Verbesserung unserer Orchesterverhältnisse. Die unternommenen Schritte hatten den
Erfolg, dass die Subvention der Stadtkapelle von 1600 auf 2500 Mk. erhöht wurde. Mehr
war zurzeit nicht möglich. Jena gehört eben zu den Mittelstidten, die trotz des dringenden
Bedürfnisses nicht in der Lage sind, ein "eigenes leistungsnhiges Orchester halten zu
können. Wir waren also auch in der verflossenen Saison auf auswirtige Kapellen an-
gewiesen oder mussten unsere Stadtkapelle durch Weimarer oder Rudolstldter Hofmusiker
ergänzen. Von den akademischen Konzerten waren deshalb die Hälfte wieder Solisten-
abende. Den ersten bestritt das Berliner Vokalquartett mit Artur Schnabel am
Klavier. Etwas mehr Abwechslung im Repertoire wäre bei wiederholtem Auftreten dem
Quartett zu wünschen. Mit Vergnügen hörten wir Lula Mysz-Gmeiner wieder, die
von Eduard Behm begleitet wurde. Ihr Programm würde ergänzt durch den hiesigen
Violoncellisten Hugo Fischer. Zu grossem Dank sind wir der Konzertkommission für
die Veranstaltung des höchst interessanten Reger- Abends verpflichtet, an dem sich
freilich die Geister schieden. 2*/« Stunden Regersche Musik waren aber auch für starke
Nerven eine Anstrengung bei aller Feinheit der Vortragskunst Wie anderwärts, wurde
Max Reger unterstützt von Henri Marteau, OttiHey und Richard Buhl ig. Das erste
Orchesterkonzert gaben die Meininger unter Wilhelm Berger. Leider war ihr Pro-
gramm viel zu lang. Bei dem am 29. Januar als Mozartfeier gestalteten Konzert sang
Felix Kraus neben anderem die beiden Sarastro-Arien. Fr6deric Lamond spielte in
herrlicher Weise Beethovens G-dur Konzert. Das kombinierte Orchester hatte unter
Naumanns Leitung einen schönen Erfolg mit der Zauberflöten-Ouvertüre. Im letzten
Konzert wurde Hugo Becker wie immer mit Jubel begrüsst. — Die beiden grösseren
Chorvereine, der bürgerliche Gesangverein und der M ach ts sehe Musikverein hatten
für ihre Aufführungen die Geraische Hofkapelle gewonnen; ersterer veranstaltete einen
gut gelungenen Brahms-Schubert-Abend, letzterer (H. Schmid) bot uns Brahma' deutsches
Requiem in vortrefflicher Aufführung. Unser Kirchenchor brachte in seinem ge-
wohnten Totensonntag8k<^nzert ein Bach-Programm, in dem die achtstimmige Motette
»Fürchte Dich nicht" den Höhepunkt bildete. Ausserdem gab er noch die Konzerte zum
Besten des Orgelbaufonds der Stadtkirche. Bevor aber noch in dieser der dringend
wünschenswerte Neubau vorgenommen wird, werden wir uns im grossen Volkshaussaale
an einem modernen Werk erfreuen können, dessen Aufstellung bereits der Firma
H. Voit & Söhne in Durlach-Karlsruhe übertragen ist. Hoffentlich gelingt es, die Orgel
so einzubauen, dass weder die Architektonik noch die Akustik unseres schönen Saales
leidet. Alle Künstler sind ja immer wieder entzückt von dem Räume: so Karl Scheide-
mantel, der für einen Liederabend gewonnen war. Luise Otter mann -Dresden, die im
Auftrage des Komitees für Volksunterhaltungsabende einen internationalen Volkslieder-
abend veranstaltete, versetzte ihr Publikum in wahres Entzücken. Emily Kagel- Berlin
offenbarte in einem Liederabend ein liebenswürdiges Vortragstalent Bruno Hinze-
Rein hold hatte mit seinem Klavierabend einen schönen Erfolg. — Die Kammermusik
war im letzten Winter infolge der Gründung eines Jenaischen Streichquartettes
reichlicher vertreten wie früher. In den drei von der akademischen Konzertkommission
veranstalteten Abenden brachte das Trio Schumann-Halir-Dechert mit seinem at>-
geklärten Spiel entschieden den Höhepunkt Es konzertierten femer das Petersburger
339
KRITIK: KONZERT
und das Böhmische Streichquartett. Das Jenaische Streichquartett, bestehend aus den
Herren deCroote, Ffichsel, Fischer und dem Unterzeichneten, richtete sechs volks-
tümliche Kammermusik-Abende ein, in deren Programm nur die vier Wiener Gross-
meister des Quartetts vertreten waren, in erster Linie Mozart. Mit dem Besuche und
künstlerischen Erfolge konnte die junge Künstlervereinigung durchaus zufrieden sein. —
Das MozartjubiUum haben wir für unsere Verhältnisse recht grundlich gefeiert. Zur
Vorbereitung sprach der Unterzeichnete in den Volkshochschulkursen fiber »Hajrdn,
Mozart und Beethoven, ihr Leben und ihre Werke*. Ausser von den akademischen
Konzerten wurden würdige Mozartfeiem veranstaltet vom Verein der Musikfreunde,
der in letzter Zeit eine ganze Reihe der Divertimenti des Meisters zur Auffuhrung
brachte, und vom Komitee fOr Volksunterhaltungsabende. Das Konzert des letzteren
wurde in erster Linie erwihnenswert durch die Mitwirkung von Marie Wieck, der
Schwester Clara Schumanns, wenn auch ihr Vortrag des Mozartschen Es-dur Konzertes
durch ein heftiges Unwohlsein litt. — Von dem neugegrfindeten Orchesterverein
unter der Leitung von de Groote muss die Zukunft erst lehren, ob er für unser Musik-
leben von Bedeutung sein wird, ebenso von dem Frauenchor, um dessen Bildung sich
Eugen Walter, der Leiter des Gamisonkirchenchores, augenblicklich bemüht
Meier-Wöhrden
PARIS: Die Oratorienkonzerte bilden immer noch den wundesten Punkt im Pariser
Musikleben. Colonne und Chevillard haben es zwar endlich dazu gebracht, »Fausts
Verdammung* von Berlioz mit genügender Chorleistung auszustatten, aber da sie ihre
Chöre teuer zahlen müssen, so wagen sie nur selten das Experiment mit anderen grossen
Chorwerken und begnügen sich selbst für die Chöre der Neunten mit einem Ungeflihr.
Die Soci6t6 des Grandes Auditions der Grifln Elisabeth Greffulhe hat schon die
verschiedensten Versuche gemacht, in die Lücke zu treten, aber das einzige wahre
Rettungsmittel, die Gründung eines grossen, regelmässig übenden Dilettantenvereins, ist
von ihr noch immer nicht in Angriff genommen worden. Für den Schluss des von jener
Gesellschaft angeordneten Beethoven-Berlioz-Zyklus wurde auf den Wunsch des
Dirigenten Weingartner der Oratorienverein von Amsterdam nach Paris geladen,
weil er ausser seinen musikalischen Eigenschaften die der Dreisprachigkeit besitzt So
konnte sowohl die Damnation, als die Neunte von einer starken Chormasse im Original-
text gesungen werden. Den Amsterdamer Singem verdankten wir auch den Genuas
der selbst in Deutschland fast vergessenen Chorphantasie mit Klaviersolo von Beet-
hoven. Sie ist eine Art Brücke vom Fidelio-Finale zur Neunten. Das Klavier hat fast
nur Arabesken auszuführen. Das Programm brachte, wie üblich, eine Menge unnötiger
Notizen, verschwieg aber die Hauptsache, dass die Chorphantasie das Erwachen des
Frühlings schildert, und gab nicht einmal eine Andeutung über den Sinn der deutsch
gesungenen Chöre. In der Neunten scheiterte die Regel der Originalsprache leider an
den Solisten. Die deutsch singenden Krifte blieben aus und wurden in der letzten Stunde
durch vier Sänger der Grossen Oper ersetzt, die sich wenig für diese Aufgabe eigneten.
Der Chor begann wie eine Unterrichtsstunde. »Joie*, sang der Bassist, und der Chor
übersetzte sehr richtig: »Freudel* Nichts ist übrigens hisslicher, als das zweisilbig ge-
sungene französische Wort Joie*. Als Lokal diente für diese Konzerte die Grosse Oper,
aber es zeigte sich, dass ihre Bühne noch weniger als die des Chfttelet dazu geeignet
ist, grosse Chormassen mit einem Orchester zu vereinigen. Der grosse Konzertsaal für
Oratorienmusik fehlt eben in Paris gerade so gut wie der grosse Oratorienverein. Gegen
Ende Mal versuchte die gleiche .Socidt6 des Grandes Auditions* ihr Heil wieder einmal
in dem nur zur Sommerzeit möglichen Trocadero, um mit dem Orchester und dem
üblichen Berufschor Chevillards ein modernes englisches Oratorium, den überaus
24*
340
DIE MUSIK V. 23.
katholischen ^Traum des Gerontius" von Elgar in Paris heimisch zu machen. Die
sanftselige Nuance gelingt diesem Tonsetzer sehr gut, und das Orchester und der Tenorist
Plamondon wurden ihr durchaus gerecht Der Chor war dagegen weder rein noch
taktfest und hob einige vulgärere Stellen grausam hervor. — Die Konzerte in der Kunst-
ausstellung der Sociötö Nationale finden noch immer nicht den Besuch, den sie eigentlich
verdienten, mag auch viel Unbedeutendes in unfertiger Ausfuhrung geboten werden. Man
hört da doch immer irgend etwas Neues. Erwähnen wir ein tüchtiges Klavierquartett
von Luzzatto, ein fast zu gefälliges Streichquartett von Luigini, dem Dirigenten der
Komischen Oper, das vom Quartett Soudant sehr gut vorgetragen wurde, eine etwas
bizarre, aber interessante Geigensonate von Samazeuilh, um die sich Cortot und
Enesco verdient machten, eine von Blanquart reizend vorgetragene Flötensuite von
Marcel Noel, ein Streichquintett von Svendsen mit einem bemerkenswerten Variationen-
satz, einen Liederkreis von Alexandre Georges, mit dem Frau Mellot-Joubert Ehre
einlegte. — Eine neue Sitte scheint es zu sein, dass sich einige Komponisten zusammen-
tun, um ihre Werke gemeinsam vorzuführen. So hörten wir im Saale Berlioz, einem
kleinen und sehr praktisch eingerichteten neuen Konzertsaal in der Rue de Clichy,
fünf Klavierstficke „Miroirs* von Maurice Ravel, den man als potenzierten Liszt be-
zeichnen könnte, und ein eher rückschrittliches Klavierquartett der Frau Mel. Bonis.
Im Saale des christlichen Junglingsvereins Hess A. de Montrichard eine ansprechende
Geigensonate hören, die der berühmte Hollman mit William Bastard vortrug, der
gleichzeitig als Liederkomponist von seiner eigenen Mutter zur Geltung gebracht wurde.
— Zu sechs Geigensonaten vereinigten sich Enesco und Auguste Pierret. Bach, Beet-
hoven und Schumann bestritten den ersten Abend das Programm. Der zweite war den
Modernen: d'Indy, Faur6 und Piernö gewidmet. — David Blitz brachte mit dem Cellisten
Hollman Saint-SaSns und Grieg zu Gehör. — Risler hatte mit dem Vortrag sämt-
licher Klaviersonaten Beethovens so viel Erfolg, dass er das Experiment im grösseren
Lokal des Nouveau-Th6ätre wiederholte. Er weiss auch den weniger t>ekannten Werken
überraschende Effekte zu entlocken, bleibt aber den berühmtesten oft etwas schuldig.
So litt z. B. das Allegro der Path6tique an Überstürzung und das Adagio an
Verschleppung. Nur das Finale hielt die richtige Mitte. — Drei Konzerte bei Erard
veranstaltete August von Radwan, der namentlich mit sehr viel Gefühl spielt und dem
Schubert und Chopin am besten liegen. Mit Recht zog er die zweite Phantasie Schuberts
der brillanteren und viel bekannteren ersten vor. -— Cortot stellte drei romantische
Programme auf, das erste mit Chopin, das zweite mit Schumann, das dritte mit Liszt.
Er spielte alle 24 Präludien Chopin's der Reihe nach, ohne das Publikum zu ermüden.
— Die bekannte Bach-Spezialistin Frau Lande wska hat in Mela Lapidus eine gute
Schülerin herangebildet. Sie spielte mit ihr eine Sonate des vorbachschen Italieners
Pasquini für zwei Klaviere. Allein Hess die Anfängerin eine der kleinen französischen
Suiten von Bach hören. — In zwei Konzerten erntete der Geiger Kreis 1er neue Lorbeeren.
Ich glaube fast, dass er gegenwärtig Bachs Chaconne besser spielt als irgendwer.
Felix Vogt
SPEYER: Das pfälzische Musikleben erhob sich in der letzten Saison quantitativ
und qualitativ wesentlich über das der vorigen. Gute Konzerte bot namentlich wieder
Neustadt a. H. unter Philipp Bades Leitung. Cäcilienverein und Liedertafel brachten
u. a« Haydns «Schöpfung*, Nicod6s »Meer*, Bruchs »Odysseus* zur Aufführung, dazu
kamen mehrere Symphoniekonzerte mit durchweg vorzüglichen Programmen. Von den
Solisten seien Jeannette Grumbacher de Jong, Tilly Hinken-Cahnbley, Richard
Fischer, A. Müller, Schützendorf, Stuart-Willfort, M. Rode, W. Fenten,
K. Schmidt, K. Gentner, O. Voss genannt. — Eine vorzügliche Wiedergabe von
341
KRITIK: KONZERT
Hindels „Samson* verzeichnet der Cicilienverein in Frtnkenthtl unter der Führung
von Arthur Berg; hieran reihen sich eine Mozart- und eine Schumannfeier durch den
Liederkranz (Dir. J. Schmitt). — Der Musikverein Landau (Dir. E. Walter) erwarb
sich neben andern Veranstaltungen insbesondere durch seine Aufführung der «Matthäus-
Passion* von J. S. Bach verdientes Lob. — Reges Musikleben zeigten in Kaiserslautern
wieder der Cicilien- und der Musikverein, als deren Dirigent Aug. Pfeiffer erfolgreich
wirkt Der Musikverein besitzt zurzeit den stärksten Chor der Pfalz, und er ist bestrebt,
diesem Aufgaben zu stellen, die seiner Kraft würdig sind. Eine Mozart- und eine
Schumannfeier sind besonders zu nennen. — Unermüdlich titig sind die unter Ott und
Sch5rry stehenden Vereine in Zweibrücken und Pirmasens, die sich nicht bloss
einer tüchtigen musikalischen Mitgliedschaft erfreuen, sondern sich auch — weil finanziell
vortrefflich fundiert — in bezug auf Engagement von Solisten etwas Besonderes leisten
dürfen. Hermann Hutters »Coriolan* war ein Glanzpunkt in ihrer Konzertreihe. Von den
erschienenen Künstlern nenne ich nur: Susanne Dessoir, Johanna Dietz, Tilly Koenen,
Lttla Mysz-Gmeiner, Karl Friedberg, Josef Loritz, Willy Burmester, Johannes
Hegar. — Speyer darf fünf Konzerte des Cicilienvereins (Dir. Schefter) anführen, in
denen neben Kammermusikwerken und kleineren Stücken u. a. auch solche grösseren
Umfangs, wie Hofmanns «Jungfrau von Orleans*, Mozarts «Requiem", Schumanns «Faust-
Szenen* usw. zur Aufführung gelangten. Der Vollständigkeit halber darf ich hier auch
einen Vortragszyklus verzeichnen, den ich zum Besten der Wagner-Stipendien-Stiftung
über das Generalthema «Von Bach bis Wagner* hielt, und dier stets sehr gut besucht
war. — Nach wie vor wird in der Pfalz der Pflege des Männergesangs grosse Aufmerk-
samkeit zugewendet. Schade nur, dass man nur selten aus dem landläufigen Geleise
des süsslichen Singsangs herauskommt, ein wie auch anderwärts unrühmliches Verfahren,
sintemal der weitaus grosste Teil des Publikums auf diesem Gebiete musikalischer Be-
tätigung seine Nahrung sucht. Karl Aug. Krauss
STOCKHOLM: Erstes schwedisches Musikfest. — In den Tagen vom 31. Mai
bis 1. Juni wurde das erste schwedische Musikfest unter lebhaftester Teilnahme des
Publikums gefeiert. Es war dies ein Niederschlag der stark hervorbrechenden national-
schwedischen Gefühle, die sich auf allen Gebieten im letzten Jahre als Rückschlag der
Unionskrise mit Norwegen gezeigt haben. Die Festlichkeiten dauerten zwei Tage, in denen
man förmlich in Musik schwamm. Der letzte Konzerttag währte von 12 Uhr mittags bis
12 Uhr nachts; es gab nämlich zwei Konzerte, und inzwischen war eben Zeit zum Um-
kleiden und Mittagessen! Es will unter solchen Umständen schon etwas heissen, dass
die Teilnahme des Publikums sich eher steigert als vermindert; und dies war wirklich
der Fall, sogar am letzten Tage. Der Beifall war spontan, der fiammende Ausdruck einer
zuzeiten geradezu vulkanischen Begeisterung: so namentlich bei Wilhelm Stenhammar's
monumentaler Komposition von v. Heidenstam's nationalem Gedicht Ett Folk (Ein Volk),
wundervoll vorgetragen von dem trefflichen Sänger John Fessel und gestützt von einem
gewaltigen Chor. «Sverige* (Schweden), Medborgars&ng (Mitbürgergesang) und
Soldatersang — alles echte und gerechte «Vaterlandslieder* — riefen beispiellosen
Beifall hervor. Viel bedeutete dabei der radikal-politische Inhalt der Lieder — aber
Stenhammar hatte wirklich auch den Nagel auf den Kopf getroffen. Ähnliches Beifalls-
gewitter grüsste am Schluss des Festes die poesieverklärten, prachtvoll orchestrierten
Arbeiten Hugo Alfv6n's:«Skärgärdssägen*und«Midsommervaka*. Von den «Alten*
waren alle bedeutenderen vertreten : an der Spitze der originelle, eigenartige Symphoniker
Franz Berwald (1796—1868), der, in klassischen Bahnen wandelnd, seiner Zeit eine
Generation voraus war. Seine Symphonieen, Quartette, Trios usw. sollten in der ganzen
Welt gespielt werden. Hans v. Bülow nannte ihn einen «wirklichen musikalischen Selbst-
342
DIE MUSIK V. 23.
denker". Dann SSdermann, der ,»8chwedi8chate" von allen, der Grieg Schwedens,
Norman, A. F. Lindblad, Joaephson und endli^ Johan Lindgren, ein schwedischer
C68ar Franck, der Lehrer der Jungen. Von den jGngeren waren die Vertreter der roman-
tischen Schule zahlreich vertreten. Viel Glück hatte ein frisches und echt «nordisches*
Chorstück: Islandsf&rd (Fahrt nach laland) des hervorragenden Emil Sjögren. Eng
an die Gadesche Richtung sich anschliessend steht J. A. Higg mit seiner „Nordischen
Symphonie". Eigentümlich und von symphonischem Leben getragen war ein Konzert-
stück für — fünf Celli und drei Kontrabisse von dem in Norwegen geborenen Anton
Andersen. Zu dieser Gruppe gehören noch Erik Ikerberg (mit einer Kantate zum
Gedichtnis Thycho Brahes), Karl Valentin (Ouvertüre), Valborg Aulin (Chorstfick:
Procul est), Ruhen Lilljefors und Knut Bick (Gesangsstücke), der debütierende
Adolf Viklund (Piano-Konzertstück), sowie August Körung und J. Jacobson (Ge-
singe). Mehr modern gefirbt waren wirkungsvolle Arbeiten von Gustaf Higg (Klavier-
Trio) und Tor Aul in (Violin-Konzert), femer eine Ouvertüre von Ernst Ellberg, Ge-
sangstück (mit Orchester) von Petersen- Berger, und Lieder von Olallo Morales.
Von Wagners Richtung angehaucht sind Komponisten wie Hall6n und Stenhammar,
von dessen Werk »Ein Volk" schon die Rede war. Hall6n's grosses Jule-Oratorium
(Weihnachts-Oratorium) zeichnete sich durch prachtvollen Chorsatz und ostlindisches
Kolorit aus, würde aber durch Kürzungen gewinnen. Zu den ganz Modernen zihlen
noch Hugo Alfv6n und Bror Bookman (u. a. eine prichtige Ballade), sowie der deutsch-
geborene Henneberg (Vorspiel zu Ibsens «Brand*). Die Konzerte wurden im grossen
und schönen neuen Hofopemhaus abgehalten, was allerdings mehr ein isthetisches als
volkstümlich günstiges Resultat hervorbrachte: bei den begrenzten Raumverhiltnissen
mussten die Preise hoch gehalten werden, und das »Volk* konnte auf diese Weise nicht
mit dabei sein. Der Chor (600 Mitglieder aus allen Gegenden Schwedens) und das
Orchester (80 Künstler) machten ihre Sache vortrefflich. Dirigenten waren ausser
den Komponisten selbst die Hofkapellmeister Nor dquist, Henneberg und Tor Aulin.
A. H.
ZWICKAU: Die Pflege von Zwickaus weltlichem Musikleben liegt in der Hauptsache
den Veranstaltungen ob, mit denen Zwickau durch den Musikverein, die stidtische
Kapelle und das Konzertetablissement Schwanenschloss als Schumanns Vaterstadt sich
würdig zu erweisen sucht Der Musikverein unter der umsichtigen Leitung des Kgl.
Musikdirektors Voll bar dt bietet vor allem gute Solisten vortrige; so erfreute uns die
reife Künstlerschaft Dr. von Barys und Scheidemantels; Rosa Kleinert (Dresden)
verriet zur Mozartfeier trotz Indisposition gute Ausbildung. Als trefflichen Mozartspieler
bewihrte sich Fritz v. Böse. Walter Bachmann (Dresden) zeigte in Schumanns op. 17
und Liszts Faustparaphrase neben tiefer Empfindung hochentwickelte Technik. Einen
herrlichen Genuss bereitete zur Feier des fünfzigjihrigen Bestehens des Musikvereins
das poesievolle Spiel Wilhelm Backhaus', und beste Erinnerungen frischte die tempera-
mentvolle Geigerin Carlotta Stubenrauch auf. Die Leipziger Gewandhauskammer-
musikvereinigung bot edelsten Genuss mit Schumanns Quartett A, Mozarts Diverti-
mento Es, Beethovens Quintett C. Dass sich neben solchen Leistungen das Orchester
würdig zu behaupten vermag, bewies die wohlgelungene Wiedergabe von Brückners
vierter Symphonie und Liszts Idealen; als Neuheiten interessierten alte Stücke für
Streichorchester von Purcell und Stanfords irische Rhapsodie. — Die stidtische Kapelle
hat durch erhöhte Subvention und durch die Berufung des zielbewussten Kapellmeisters
Schmidt einen hohen Aufschwung genommen. Unter ihren Darbietungen ragten hervor
die Symphonieen e von Brahms und A von Beethoven, Goldmarks »lindliche Hochzeit*,
Saint-Saöns' ^eunesse d'Hercule*, Liszts „Tasso* und Schillings* ,,Hexenlied* und
|^^= KRITIK. KONZEKT ^^»
aelenalachei Fesf <t. Posiart). In Salnt-SaiaB' Sjmiphonfe e mit obligatem Klavier
und Orgel verhinderte die Eraetzun{ der Orgel durch Hannonium einen ungetrübten
Genuas, und Sfbellui' »Scbwtn Ton Tuonela" wurde durcb daa vorher geiplelte, aua
ander« gearteter Stlmmungsveli geborene Violinkonzert Beethovena <Pror. Sabla) um
einen Teil aelner Virkung gebracht. Einen wSrdlgen Abachluaa bildete Beethoveoa
Neunte, Im Soloquarteit irelflicbMano (Dreaden) und Sem per (Leipzig). Von Instrum ental-
soliiten hOrten wir In dieien Konzerten Altmeister Klengel, Prof. Sltt und dessen
Tochter, sowie Mon ich (Berlin) mit gut entwickelter Technik. — In den Schwanenscbloss-
konzerten wechselt die Chemnitzer Sladtkipelle unter Pöble mit der hiesigen MUltir-
kapelle (Lanterbach) ab. Jene, entsprechend ihrem iltbewihrteo Rufe, gab Glanz-
leistungen In der Eroica, Tscbalkowiky's Paihfiiique, Volkminns Ouvertüre zu Richard III.,
Ustta .Tasso'; Cowen's skandinavische Srmphonle wollte trotz cfTektvoller Stellen nicht
mehr recht packen, und mehr der Lust an instrumentellen Überraschungen als reinem
Kunstempfinden Ist wohl auch Rimskl-Korssakow's .Capriccio eipignol* entflossen. Die
Milltlrkapelle legte In Tagners Faustouvertüre, Smetana's Vysehtad, In der Eroica, Im
Meistersingervorspiel Zeugnis davon ab, dass Ihr erneutes Auhtreben von Erfolg be-
gleitet ist Mit Lalo's Symphonie espagnole machte uns H. Meyer, mit Salnt-Ssens'
Violinkonzert b Bauerkeller bekannt; Hallr zeichnete alch In Spohra Gesangsszene
aus. Hilf in Bruchs Konzert g und Bachs Air. Beachtenswene Choranffah rangen boten
der Lehrergesangavereln und der a cappella-Verein, beide Vollbardta schwung-
voller Leitung unterstehend. Ala Solisten wirkten bei diesen Konzerten mit Teresa
Carreüo, Hugo Hamann (Violine), Margarete Schuater- Kassel (Gesang). Vollatea'
Lob verdient die Aulfübrung des Judas Makkibius" durcb Vollhardt; Solisten: Frau
Krempe (Zwickau), FrL Siapelfeldt (Frankfurt), Gleasen und Plaschke, sowie das
Interessante Georg Schumannkonzert In der Marienkirche, dessen schwere Aufgeben
Vollhirdts Kirchenchor vorzüglich iOste. Auf den hScbst lehr* und gen uasrei eben Cyklus
blstoriscberVortrlge unseres Orgelkünstlers Gerhardt Ist schon an anderer Stelle dleaer
Zellachrifi hingewiesen worden. — Oaai dieser Oberflusa an cykl Ischen Konzerten keinen
Raum fflr selbstindige Konzerte bietet, Hat erktlrllch. Und ao war zu bedauern, dass
der herrliche Volksliederabend von Helene Staegemann nur actawach besucht war.
Dr. Berlbold
Wir beginnen mit einem Porträt von F^licien David nach dem wunderyoUen
Gemilde von Prinzhofer aus dem Jahre 1845, also aus dem Jahre von Davids Deatsch-
landreise, von der die hier mitgeteilten Briefe handeln. Das Sterbehaus Davids in
Saint Germain-en-Laye, in dem der weitgewanderte Tondichter vor 30 Jahren (am
29. August 1876) die Augen schloss, lag damals in der Rue des Monts-Grevets; heute
ist es No. 18 Rue F61icien David.
Das Bild Joseph Rheinbergers ist die Wiedergabe der letzten photographischen
Aufoahme des Meisters. Sprechend ähnlich sind, wie man uns mitteilt, die Porträts des
Ehepaares Joseph und Franziska Rheinberger auf dem Marmor-Relief von ProL
Wad6r£-München.
Der erste Gönner und freundschaftliche Berater des jugendlichen Rheinberfer,
Prof. Dr. Karl Franz Emil Schafhäutl (1803—1890), war ein ebenso ausgezeichneter
Musiker wie Geognost. Er stellte u. a. Untersuchungen über die Ursache der ver-
schiedenen Klangfarben an, deren Ergebnis zu einer starl^n Erschütterung der Helm-
holtzschen Theorie der Klangfarben führte. Von seinen Schriften sind neben einer aus-
/ührlichen Biographie des Abt Vogler und Abhandlungen über akustische Themen zu
nennen: „Ober die Kirchenmusik des katholischen Kultus*, «Der echte Gregorianische
Choral in seiner Entwicklung*, «Ein Spaziergang durch die liturgische Musikgeschichte
der katholischen Kirche*.
Zur Erinnerung an den 70. Todestag (23. September) von Maria FelicitäMalibran,
einer der genialsten Sängerinnen des 19. Jahrhunderts, bringen wir ihr Bild nach einem
seltenen alten Stich, der wie das Porträt F61icien Davids aus der Mendelssohn-Sammlung
in Berlin stammt. Maria Malibran war die Schwester von Pauline Viardot-Garcia und
dem kürzlich verstorbenen Manuel Garcia. Ende der zwanziger Jahre trat sie, die be-
deutendste Rivalin der Sontag, mit ungeheurem Erfolg in London, Paris, Deutschland
und Italien auf. Sie war in zweiter Ehe mit dem Violinvirtuosen Charles de B6riot ver-
mählt und starb schon im Alter von 28 Jahren. Auch als Komponistin hat sie sich
hervorgetan und schrieb Chansonetten, Noktumen und Romanzen, die zum Teil er-
schienen sind.
rg**S
Nach druck nnr mit au tdrfickl icher Erlaubnis des Verlacea ceatatiel.
Alle Rechte, inabeaondere daa der Obersetzung, vorbehalten.
Pflr die Zurflcksendunt unverlangter oder nicht angemeldeter Mannskripte, falls Ihnen nicht genSgand
Porto belllegt, Qbemlmmt die Redaktion keine Garantie. Schwer leaerllche Manuakrlpte werden ungeprQft
surflckgeaandt
Verantwortlicher Schriftleiter: Kapellmeister Bernhard Schuster
Berlin W. 57, Baiowstrasse 107 >-
• • •
FßLECEEN DAVIDS STERBEHAUS
IN SAINT GEBMAIN -EN-LAYE
k %
»•
r
JOSEPH RHEINBERCER
MARMOR-RELIEF DES EHEPAARES RHEINBERGER
von Prof. WaderS
X
KARL FRANZ EMIL SCHAFHAUTL
X
f •
MARIA MALIBRAN
t 23. September 1836
« • •
Dr. Victor Lederer
Iftusikdromatische Festspiele bei den alten Barden
Eine hl>torl>che Skliie
Dr. Maximilian Runze
Carl Loewe und die Vogelwelt (Schluss)
A. von Ende
Die Musik der amerikanischen Neger
Jodocus Perger
Aus Josef Rheinbergers Leben und Schaffen
Nach peraSnllctaen Erianeruiiien >ovle aacb bts jeiti uanr-
fiffentlicliten Dokameaten (Schluss)
Eugen Gura
Erlnnernngen aus meinem Leben
Bemard Scharlitt
Das Musikfest in Salzburg (14.— 20. August)
Register der Kunstbeilagen des 5. Jahrgangs
Titel zum 20. Band der MUSIK
Besprechungen (Bücher und Musikalien)
Revue der Revueen
Umschau (Neue Opern, Aus dem Opemrepertoire,
Konzerte, Tageschronik, Totenschau)
Anmerkungen zu unseren Beilagen
Kunstbeilagen
Anzeigen
DIB MUSIK erscheint moDiillch zweimal. AboDnementtprds fOr dH
QiumI 4 Mirk. Abonnemennpreit FDr den Jabrguig 15 Mark. Preis
des elazelDea Hefiei 1 Mark. Vleneljsbrselabanddeckea 1 1 Mark.
SainnieUacten fOr die KuMtbellsBen dei gnazea Jahreanci 2,50 Mark.
Abonnements durch Jede Bucli- und Musikalienhandlung^ fOr kleine
Plloe ohne Bucbhiadler Beiug durch die Posl
B
ig auf, Schatten Ben Akiba's, and sage dein Sprüchlein herl
>u sollst wieder einmal recht behalten I Lehre uns bescheidener
rerden und einsehen, dass es nichts wirklich Neues unter der
lonne gibt. Am allerwenigsten — auf dem Gebiete der KunstI
Ein Kreislauf ist alles, das Leben nnd die Welt, ein Kreislauf! . . .
Maifestspiele I , , . Ver denkt nicht sogleich an Angelo Neumann, den
genialen Prager Theaterdirektor, der ebenso Tort wie Wesen dieser Institution
in den modernen Theaterbetrieb eingeführt und mit der Veranstaltung von
theatralischen Festauffühmngen im Monat Mal daa kflnsilerische Renommö
seiner Bühne so ausserordentlich gehoben halt . . . Ich erinnere mich oocta,
wie man zunichst über den Namen spSttelle. .Maifestspielel' . . . Und
heute? — Ahmen so nnd so viele Theaterdirektoren das Prager Beispiel
nach ...
Ob wohl schon jemand daran dacht«, dass die Maifestspiele Angelo
Neumanns (dessen Verdienst dadurch natürlich nicht gescbmilert wird) nur
die Renaissance viel Uterer Gedanken und einer bis in graue Vorzelt
zurückreichenden Institution darstellen?
Vielleicht doch. Denn gewiss wird mancher an Wagners Sängerkrieg
auf der Wartburg gedacht haben. Singt nicht der Hirte: Der Mai Ist da?
Unmittelbar nachher der SXngerkrleg — folglich kann dieser nichts anderes
sein als eine Art Malfesispiele . . .
Es ist das kein Zufall. Die holde Maienzeit war stets das Ideal der
Dichter, nicht nur der Lyriker. Und wenn vir die Geschichte unserer
dramatischen Kunst zurückverfalgen, so finden wir, dass sie den Monat
Mai zunKchst schon deshalb als den geeignetsten Zeitpunkt ihrer BetStigung
Iwgrüssen musste, weil sie ursprünglich — wenn wir so sagen dürfen —
Freiluftkunst gewesen Ist. Das Sommertheaier Ist Xlter als das Wintertheater.
Aber auch ein zweites Moment kommt hinzu: alle Kunst ist Nach-
ahmung der Natur. Wie nun Im Monat Mai auf der Bühne der Natur sich
nach langer Pause wieder neues dramatisches Leben regt, so erwacht auch
im Herzen der Menschen das Streben nach dramatischer Betitiguog. Ea
findet seinen einfachsten Ausdruck darin, dass man .im Maien — zu
zweien' wandelt. Es weckt aber auch Im trü schSpfferischen Magier-
346
DIB MUSIK V. 24.
geiste einen mächtigen Widerhall: die alten orientalischen und griechischen
Mysterien waren nichts weiter als Symbolisierungen der wiedererwachenden
Natur, des früchtereifenden Sommers . . . Auf ähnliche altheidnische Feiern
geht auch der Ursprung unseres Theaters zurück«
Diese ältesten Maifestspiele, von denen hier die Rede sein soll, waren
in erster Reihe dramatische Ausgestaltungen der altheidnischen Maifeier.
Maifeier? — höre ich erstaunt rufen . . .
Ja — lieber Leser: Ben Akiba breitet segnend seine Arme drüber
und sagt Amen. Die Feier des ersten Mai ist um mehr wie 2000 Jahre
älter als die moderne Sozialdemokratie. Der erste Mai war nämlich der
Zeitpunkt des altdruidischen Sommerfestes.
Die keltischen Völker Britanniens, der Bretagne und Irlands haben
— zum Teil bis auf den heutigen Tag — Reste dieser alten Maifeier
konserviert. Ihre Literaturquellen geben zugleich Aufschlüsse über die
frühere Gestaltung des Festes und seiner Festspiele.
So finden wir schon in den alten finnianischen Gesängen Irlands,
die bis in das dritte Jahrhundert, vielleicht noch weiter zurückreichen
(manche Dichtungen in der eben erscheinenden neuesten Publikation Prof.
Windischs sollen sogar aus der Zeit Christi stammen), wiederholt das alte
grosse Druidenfest «Baltaine' erwähnt.
Der Zeitpunkt dieses Festes war (nach unserem Kalender) der letzte
April. Tags darauf folgte das eigentliche Sommerfest, die mit Gesang und
Tanz begangene «Maifeier*.
Ein Festesfeuer wurde entzündet (ein Symbol des alten Sonnenkultus^
dessen Bestand bei den Germanen ja auch Tacitus verbürgt), und um
dieses Feuer wurde getanzt . • • Beim Tanzen aber sang man ein Lied auf
den Sommer.
Solcher «Sommer'-lieder haben die britannischen Kelten eine unglaub-
liche Zahl. Von Mund zu Mund vererbt, leben sie zum Teil noch heute
unter der Hirtenbevölkerung von Wales und der stammesverwandten Bre-
tagne (die Bretonen sind aus Wales ausgewanderte Kelten, zwischen den
beiden Sprachen besteht nur ein Dialektunterschied). Sommerlieder —
Mailieder . . ., erfüllt von Resten aller Mysterien . . • Fahrende Sänger ver-
breiteten sie über ganz Europa . . • Man denke an das Lied des Hirten in
Tannhäuser und vergleiche die Weise mit dem Lied des Bretagner Hirten
bei Berliozl . . . Vielleicht wird auch manchem Leser Thomas Moore's
entzückendes Gedicht «rieh and rare were the gems" bekannt sein. Moore
hat es zu der populärsten »Sommer'-melodie Irlands gedichtet. Die ver-
breitetste Sommermelodie von Wales: „Heiston Forey' hat Gilbert im
Jahre 1823 aufgezeichnet, Wort und Text eines in Comwales erhaltenen
Mal- und Sommerliedes teilt Ellis in Brandts Antiquities L 224 und teil-
349
LEDERER: FESTSPIELE BEI DEN BARDEN
weise auch Rodenberg in seiner prächtigen i, Harfe von Erin'' (S* 46) mit.
Ich will eine Strophe hierhersetzen:
»For we were up as soon ts tny dty
For to fetch tbe summer home;
The summer and the May, O
For the summer now is cöme.*
In diesen altheidnischen Tanzliedern ruhen sowohl die Wurzeln unserer
mehrstimmigen Tonkunst als auch die Wurzeln unseres Dramas. Ein schon
im Jahre 1226 niedergeschriebener «summer'-Kanon (bisher ein Rätsel
der Musikgeschichte) beweist, dass diese Lieder mehrstimmig in einer
gewissen improvisierten, kanonisch imitierenden Polyphonie ausgeführt
wurden. Der refrainartige Bau anderer Sommerlieder (oft stehen einander
sogar Ansprache und Antwort gegenfiber) zeigt, dass Chorführer und Chor
einander gegenfibertraten und (ebenso wie in den Anfängen des griechischen
Dramas) dramatische Lebhaftigkeit in den Gesang brachten. Natumach-
ahmung — insbesondere Kuckucksstimmen- und Tierstimmenimitation (ver-
gleiche »Sommemachtstraum)' — vervollständigte den Stimmungszauber, und
die in der Mitte flammende Waberlohe (ich meine das Maifeuer, um das
getanzt wurde) gab dazu auch den szenischen Effekt . • .
Aus den Schatten der Dämmerung, die sich Ruhe spendend hernieder-
senkten, machte nun die Phantasie, von alter DruideiUradition genährt, gütige
Feen . . . Sonne und Erde — Oberen und Titania . . . nach langem winterlichen
Zwist haben sie sich wieder gefunden und versöhnt . . . Der Mai hat den
Frieden wiederhergestellt . . . Der holde Wonnespender Mai . . • Kann man
das Glück der Elfen nicht belauschen? . . . Vielleicht durch Zaubermacht? . . .
Und in Kolonnen löst sich der Reihen . • . Man zieht hinaus in
langem Zuge, mit dem Zauberstab, dem Maibaum, an der Spitze . . . Hinaus
zum alten romantischen Felsen . . . Ein Mann mit einem Schlüssel geht
voran, die alte Feenfestung zu öffnen ... Er nimmt den Hut ab, die andern
folgen seinem Beispiel . . . Und dreimal ruft er laut die Erde aus dem
Schlummer. (Wie der Wanderer in «Siegfried".) Und dreimal klopft er mit
dem Schlüssel ... Er setzt ihn an ... Da schallt des Waldvögleins Stimme:
Kuckuck, Kuckuck . . . Und »es ist der rechte Schlüssel nicht*, sagt der
Mann ... Ja, wann findet der Mensch den rechten Schlüssel zu seinem
Glück? . . • Und »es ist nicht der rechte alte Mai', ruft der Barde, der
dem »Schlüsselmann" zur Seite geht . . . »der rechte alte Mai wie einst
»Ja wie einst" schallt es im Chore » »wie einst zur Zeit Arthurs
... Da schwingt sich ein Barde auf den Felsen zur Linken . . . Aller
Blicke sind auf ihn gerichtet ... Er verschwindet . . . Aber gleich ist er
wieder zur Stelle . . • Doch nein — ein Königssohn steht dort, mit der
Harfe in der Hand in vornehmer Rittertracht . . •
...
...
350
DIE MUSIK V. 24.
Und dort auf der andern Seite — auf jenem Felsen drüben — ein
zweiter Barde ... ein Bardenschfiler noch . • • midchenhaft zart ... im
Frauengewand • . • Hero und Leander? • • . Ach nein! — Arthur und
Gwenhwyvarl*)
Das Theater beginnt • . • Die Zuhörer lagern sich . • •
Arthur: Schwan ist mein Rosa und tilgt mich gut;
Nicht scheut es vor der Vssserflut —
Hindurch — kein Zaudern kennt mein Mut . . .
GwenhwyTsr: Grfin ist mein Thron wie die Natur
Und wer mich liebt ^ der prahlt nicht nur!
▼ort halten heisst es, Held Arthur!
Wer reitet mein Ross? Wer ist so kühn?
Wer wird fQr mich auf das Kampffeld ziehn,
Cai zu besteh'Oy den Sohn von Sevin?
Arthur: Ich will reiten! Ich will den Kampf bestehnl
Durch tosende Flut soll mein tapferes Ross mir gehn!
Ich bin der Mann, Cai kfihn ins Antlitz zu sehn!
Gwenhwyvar: Halt» JQnglingy halt! Noch bist du frei;
Hundert wie du sind zu schwach gegen Cai!
Bleib, ach bleibe, zu spit kam die Reu!
Arthur: Gwenhwyvar, reizendes herrliches Veib,
Hilst mich fQr Spielzeug zum Zeitvertreib?
Nein! — Hundert Cais hilt stsnd mein Leib!
Gwenhwyvar: Ha, Jfingling im schwarzen und gelben Gewand
Seh ich dich • • •
Und so geht es weiter. Statt des Vorhangs sinkt die Nacht hernieder . • .
Ich habe nichts selbst hinzugedichtet. Ich habe nur verbunden, was
verschiedene Quellen älteren und neueren Datums zu berichten wissen.
Muss ich den Leser erst noch darauf aufmerksam machen, wie diese Art
von Maifeier- und Sommemachtspoesie in Shakespeare's «Sommemachts-
traum' ihren letzten herrlichen Nachhall fand? • . .
Ich habe bereits in meinem jfingst erschienenen Werke «Über Heimat
und Ursprung der mehrstimmigen Tonkunst"*) darauf aufmerksam gemacht,
dass die Wurzeln unserer dramatischen Kunst im alten Wales zu suchen
und aus den »Hud a Lledrith" genannten Volks- und Bardenspielen her-
vorgewachsen sind. In meiner «Keltischen Renaissance'^ habe ich auch
die Beeinflussung der Shakespeare'schen Feenpoesie durch altbardische
(kymrische) Quellen aus Wales — Shakespeare ist ja an der Grenze von
Wales geboren — an einigen Beispielen zu zeigen versucht. Was ist
^) Gwenhwyvar, die spitere zweite Gemahlin Arthurs, als Ginevra der
Romane dem Leser wohl nicht unbekannt. *) Leipzig, 1006^ C. F. W. Siegel (R. Linne-
mann). *) Ebendaselbst
351
LEDERER: FESTSPIELE BEI DEN BARDEN
z. B. die Fee Mab anderes als die walisischen Mabinogien? (Altkeltische
Feengeschichten). Obigen dramatischen Dialog habe ich aus einer kymrischen
Dichtung, die spätestens dem 12. Jahrhundert entstammt, frei fibertragen.
Erhalten sind ähnliche Dialoge resp. dramatische Szenen zwischen Myrddln
(vulgo Merlin) und Ysgolan, zwischen Myrddin und seiner Schwester, zwischen
Arthur und Trystan u. a. Diese keltischen Kunstdenkmäler sind die ältesten
Dokumente dramatischer Poesie in Nordeuropa.
Es steht aber auch ausser Zweifel, dass die Kunst des «Theaters'
aus Wales, dem Lande Konig Arthurs, nach England und Frankreich und
späterhin auch nach Deutschland kam. So wissen wir z. B., dass theatra-
lische Darstellungen von Abenteuern aus dem Arthurkreise auch in Frank-
reich die älteste Form dramatischer Kunst im Mittelalter sind. Gegen
Ende des 12. Jahrhunderts wurden sie nach Frankreich gebracht. Petrus
Blesensis (gest. 1200) und die Annales BurtonenSes erzählen von solchen
Schauspielen und Schauspielern als etwas ganz Gewohnlichem. Kurz vorher
tauchen solche «Maskenspiele' auch in London auf, nämlich im Jahre 1180.
Erzbischof Becket fand, wie unser Gewährsmann berichtet, solchen Ge-
fallen an den Spielen, dass er ähnliche Spiele unter den Mönchen zu
fördern strebte. Wie diese lediglich Kopieen der alten Bardenspiele und
der Theaterstucke herumziehender «bourdeurs' waren (dies der gewöhn-
liche Name der dramatischen Jongleure des Mittelalters), so behielten sie
auch den Namen : Burdana (worin der Stamm bard deutlich zu erkennen ist).
Eine der ältesten Nachrichten fiber dramatische Kunst in Wales selbst
gibt ein walisischer Bericht über grosse Maifestspiele, die der Fürst
Gruffydd ab Rhys im Jahre 1135 veranstaltete. Es heisst da u.a.: «A
chynnal phob chwareuon Hud a Lledrith, a phob arddangos*, d. h. : und es
wurden dort alle Arten von Spielen der Phantasie und des Scheins aus-
geführt und jede Art von Darstellungen. Eine ausfuhrliche Erklärung dessen
aber, was unter „Hud a Lledrith* verstanden wurde, gibt eine aus dem
Jahre 1180 stammende Abhandlung des Jeuan Vawr ap y Diwlith. Sie ist
in den im Jahre 1848 herausgegebenen »Jolo-Manuscripts* enthalten und
besagt folgendes:
»Hud a Lledrith (wörtlich: Tiuschung und Schein) nennt man ein dichterisches
Werk, in dem eine Anzahl von Personen, die in bezug auf Eigenschaften, Stand und
Gemfitsart einen andern, als den ihnen wirklich angehörigen Charakter annehmen,
Wechseireden und Beratungen halten. In solchen Darstellungen führen verkleidete [1]
Personen Gespräche miteinander, jede f&r oder wider den Gegenstand, den sie ihrer
Betrachtung unterwerfen, um gleichsam die richtige oder falsche, die heitere oder
traurige Seite desselben in Hinsicht entweder auf Erfolg, Zusammenhang und Not-
wendigkeit, oder des Gegenteils zur Anschauung zu bringen; oder, um bei der Ge-
legenheit der Tugend Ehre und Belohnung zu spenden, hingegen auf das Laster
352
DIE MUSIK V. 24.
Schmach, Verderben und Strafe zu werfen, und auf diese Weise das GIfick und Ge*
deihen der Guten deutlich zu machen, und nicht minder durch das Eiend, welches
Ober den Menschen von bösen Gesinnungen, Handlungen und Gewohnheiten herein-
bricht. Ein Gedicht dieser Art wird durch Frage und Antwort in Szene gesetzt: für
und gegen, oder für und f&r, durch Widerrede und Entgegnung, damit der in Rede
stehende Gegenstand oder die Begebenheit in ihrem rechten Lichte und ihrer wahren
Gestalt erscheinen und die dadurch angezogenen Personen yon Anfang bis Ende die
Dinge in ihrem wirlcHchen Charakter erkennen mögen und zu der Erkenntnis geffihrt
werden, dass die ganze in ein solches Gewand gekleidete Darstellung dazu diene,
die Wahrheit zu enthüllen.*) [I I !] Aus diesem Grunde wurden in alter Zeit [!] Werke
dieser Art Terschiedentlich benannt: Gedichte, Schauspiele, Unterhaltungen der
Täuschung und des Scheins (der Illusion und Phantasie); jetzt aber nennt man den
Ort der Darstellung mit Einschluss der Schauspieler Hillock (d. h. eigentlich: kleiner
Hügel, Bühne) der Illusion und Phantasie und die Vorstellung selbst — ein Mirakel-
spiel.«
Eine interessante Dramaturgie aus dem Jahre 1180! Sagt sie nicht
dasselbe wie der latinisierte Name Burdana? Dass nämlich die kirchlichen
Mirakelspiele lediglich Kopieen weltlicher Bardenkunst sind, ebenso wie auf
dem Gebiete der Literatur und Poesie die kirchlichen Nachdichtungen und
Farcituren und wie auf musikalischem Gebiet — die gesamte mittelalter-
liche Kirchenmusik ? . . • Bardenkunst, keltische Bardenkunst ist die Grund-
lage aller unserer schönen Künste ! Was im Altertum das Volk der Griechen
— das waren im Mittelalter die britannischen Kelten. Und ich möchte
diese Zeilen nicht schliessen ohne denselben Ruf, in den meine «Keltische
Renaissance« mündet : Gedenket der Barden ! Denn noch liegen sie leider
in Vergessenheit da, gleichwie die Griechen vor der griechischen Re-
naissance • • •
■ ■ ■
■ — -r ~ 1
Blicken wir zurück: dass der Ursprung des deutschen Theaters auf
umherziehende englische Komödiantentruppen zurückgeht, ist notorische
Tatsache. Dass die gesamte deutsche Bühnenkunst ohne den Einfluss
Shakespeare's nicht denkbar wäre, ist Faktum. Dass Shakespeare auf
mittelalterlicher walisischer Bardenkunst fusst, hoffe ich an den zitierten
Stellen glaubhaft gemacht zu haben. (Im übrigen soll davon in einem
eigenen Werke die Rede sein.) Von den Barden führt der Weg weiter
zurück zu den Druiden und der Ursprung unserer dramatischen Kunst auf
das Baltaine und das Maifeuer.
Maifestspiele der Ausgangspunkt — Maifestspiele der Endpunkt der
Entwicklung: ein Kreislauf ist alles, das Leben, die Welt und die Kunst!
. . . Steig auf, Schatten Ben Akiba's, und sage dein Sprüchlein her!
. •
^) Hier schimmert die alte Bardenparole: »Y gwir yn erbyn y byd" (Wahrheit
der ganzen Welt zum Trotz) unverkennbar durch. VergU Lederer ^Keltische Re-
naissance".
jnter den Vasservdgeln ist auch die M6we zu erwähnen. Loewe
I schildert vorübergehend der ,M8we Geschrill' im .gefangenen
Admiral* und mit besonderer Charakterisierung (er zeichnet
I zumal den Flug der Möwen unter Anwendung von Oktaven und
Quarten) im «alten SchifTsherm' (beide in Bd. X der Ges.-Ausg.).
Auch dem Schwan wendet er mehrfach sein Interesse zu, z. B. in
der Ballade vom .kleinen Schiffer*. Ja, eine eigene grössere Ballade, .Die
Schwanen Jungfrau*, ist der Veranschaulichung des Schwanenlebens ge-
widmet. Gleich nach dem Eingangstakt (Thema des .Ritter Weither') er-
scheint der SchwXoe Kreischmotiv:
^i^#
Von Ihm unterscheidet sich das Flugmotiv, charakteristisch durch die Be-
gleltang gehoben:
Schvi • ne
Unter den WasservSgeln ist auch die Ente von Loewe nicht ver-
gessen. Sie wird tonmalerisch gezeichnet in der Frühlingssonate und be-
hauptet als Wildente eine Stelle in der oben angeführten klassischen Ballade
.Der Feind*. Dass das Motiv der Ente dem des Königs der Lüfte an-
gepasst and somit untergeordnet erscheint, entspricht ganz Loewes Kom-
positionsweise. Es lautet:
354
DIE MUSIK V. 24.
S
£ •_, m±£ n •.
• •
} J ^T
Die En - te duckt im düs • fern Rohr
:«;
\m
pp
^u-4>_==|=^
w
j=t=?
'n
ö
¥
*
PSd.
Die Schnepfe hat Loewe launig in einem bisher unveröffentlichten
achtstimmigen Männergesang .Die Schnepfensonntage* behandelt. Nur
vorübergehend findet das Huhn Erwähnung, wie in der »Einladung', und
die Kfichlein, wie in dem Fabelliede .Wer ist Bär?*; — dagegen ist der
Hahn als ein echt balladenhaftes Tier reichlicher von ihm bedacht. So
finden wir ihn in »ElvershSh* und im .Geisterleben" (Bd. III und Bd. VIII).
Vermerkt sei das Hahnmotiv aus dem Liede .Wach auf (Bd. XVI):
a. ji I } j-^-i^j I ; -f~r^-^r^=^='F^
Der Hahn hat ge-kriht: Wach auf, wach auf, wach aufl
Hier wfirde sich der Kuckuck anreihen. Loewe schreibt fiber ihn in
seinen Vorarbeiten:
„Nur der Kuckuck (cuculus canorus) gibt im Frühlinge zwei schöne Töne von
sich, die einem B-Klarinett ähnlich sihd. Gewöhnlich ist es die Dur-Terz e c in der
zwei gestrichenen Oktave, die den Ausdruck des Heiteren, Persönlichen und Sorgen-
freien hat Ebensowohl hört man die Moll-Terz es c, welche aber keineswegs als
solche klingt, sondern Qian hört sie alsdann im Gefühl als 5, 3^ über dem Gnindton
as, in welchem Falle sie womöglich einen noch schalkhafteren Ausdruck hat. Zu-
weilen hörst du auch die Sekunde d c, aber selten; niemals indes die Quarte f c*
Im Zusammenhang mit dieser wissenschaftlichen Zugrundlegung hat
Loewe die Kuckucksstimme sowie sein possierlich Gebaren ausführlich
dargestellt in seinem launigen Fabelliede «Der Kuckuck* (Bd. IX, No. 10),
wobei indes in der Hauptstelle die kleine Terz a fis figuriert:
|ZtZL-^r?T^^^[=4:^3
^
5
Kuk • kuk, Kuk - kuk, lacht fein da - rein
Loewe ßhrt fort: .Der Kuckuck macht den Übergang zu den Singvögeln.'
C.
.Die Sincvfigel", so setzt Loewe seine Vorbemerkungen fort, .sind meist klein,
haben kurze, schlanke FQsse, scharfzugespitzte Scbnibel und leben von Insekten nnd
355
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Pflanzensamen. Ihr Fleisch ist meist wohlschmeckend. Unter den Singvögeln er-
heben sich durch Unterricht zum Gesänge von Menschenmelodieen: Kanarienvogel,
Dompfaff — singt nicht frei — (Kreuzschnabel), Staar (Drossel, Amsel). Die anderen
haben kein Gehör. Auch ist das Gehör individuell. Manche gar nicht, etwelche viel.*
Dann finden sich noch folgende aphoristische Notizen:
.Unterscheide junge und alte Vögel. Ihre Edukation. In den Provinzen ver*
schieden. Harzflnken z. B. singen, schlagen, pfeifen.*
Die Singvogel im allgemeinen
Loewe, mit seinem unendlich feinen Gehörsvermögen, seinem wonnigen
Wohlbehagen an der ton- und sangesreichen Vogelwelt, macht mit vielen
seiner Werke auch uns in ihr heimisch. Mit all ihren Zaubertönen
verflicht er sie in die ernsten wie fröhlichen Lebensepisoden und breitet
durch solches Hineinverweben derselben in die Geschicke der Menschheit
einen verklärenden Glanz fiber das oft öde Dasein oder unglückliche Be-
wusstsein.
So haben Singvögel die Bestimmung, dem Heiligen zu dienen und
ihm die Wfiste zu beleben und zu verschönen (vgl. «Das Paradies in der
Wfiste«, Bd. XIII):
\^^
t
t
^=^
^
^
f-M^¥-i^
Ihm san-gen die Vö - gel, die einst mit An - to - ni - us
m' i i r { m
Lob • lie • der an • ge - stimmt.
Dem verschmachtenden Pilger in der Wfiste werden sie zum Retter, ihn
zum erfrischenden Labequell der Oasis lockend (vgl. das »Lied eines Vög-
leins in der Wüste", aus dem »Arabischen Liederkranz*, Bd. VI):
aoito voce
i0-f*-^ II' P^ P
^^~*r .
Ich schau -ke - le leicht mich im grfi - - nen Laub und
sing ich sin - ge von Fried und Ruh von
sing ich sin - ge von Lieb und Treu, den
drau
drau
Wan
ssen wir
ssen kür
drer lock-
belt der hei - - sse Staub. Ich
ren die Waf - fen da - zu. Ich
ich vom Pfad her - bei.
Dem nach Tröstung schmachtenden Sünder bieten sie (vgl. den »Mönch
zu Pisa«, Bd. IV):
356
DIB MUSIK V. 24.
i
fc^^^
ft
f=^^s-f
*
8Ü - ssen Klang
Dem vor Grauen ohninächtig zur
Erde gesunkenen, im Waldes-
dickicbt verirrten Mägdlein singen
sie beim ersten Morgenwind die
Schrecken von der Seele (vergl.
»Jungfrau Lorenz*, Bd. XIII), wo-
bei zumal des Finken Sang kennt-
lich hervortritt. Zur Erhöhung
reiner Menschen freude jubeln sie dem beglfickten Menschenherzen ihren
frohesten Schall entgegen (vgl. das Lied «Niemand hat's geseh'n*, Bd. XVI):
j^^
da sangen die Vög-lein mit lau - tem
Schall,
An der ganzen Bewegung der Natur nehmen sie teil, nächtens den Reiz
des Elfenzaubers mit ihrem Gesang erhöhend (vgl. „Elvershöh", Bd. III;
fibrigens hat diese Loewesche Ballade und besonders die hier folgende
Stelle das höchste Entzücken Richard Wagners hervorgerufen, wie mir
seinerzeit Heinrich von Stein, der langjährige Hausfreund R. Wagners,
persönlich mitteilte):
0
\
i=^=t
Die Vöa-lein all' ii
^
i
g r g
grü - nen Hain, sie
8v>-
ni»tt.
357
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
t
hupf-ten und zirp - ten Lie
der
Die Singvögel sind vom Schöpfer gesandt, um der ffihlend'en Brust
des Menschen die Ffille ewiger göttlicher Schönheit nahe zu bringen. Eine
vollständige Vogelballade (oder besser -Legende) gibt diesem Gedanken
Ausdruck, nämlich »Der Gesang" <B. IX No. 13). Loewe selbst schreibt
zu dem Vorwurf dieses Werkes in obiger Abhandlung:
«Lieblich versinnlich t der Dichter N. Vogl in einer artigen Legende: ,Der Ge-
sang* die Art und Veise, wie der Herr den Vögeln am fQnften Schöpfungstage durch
einen Engel, den er sendet, den Gesang beibringt, indem dieser auf einem Rohre
(gracili avena) allerlei Weisen vorbläst, die sie sich dann sofort aneignen.*
Nicht weniger als siet>en verschiedene Singvögel ffihrt uns hier Loewe,
jeden nach seinem eigentümlichen Gesänge, und doch sämtlich durch das
einheitliche Band des Balladenstiles zu einer Gesamtwirkung verbunden,
vor: den Zeisig, Stieglitz, Finken, die Lerche, das Rotkehlchen, die Meise
und Nachtigall.
Mit noch vielen anderen Gesängen ist er uns ein Ffihrer in die
Sangeswelt der Vögel (hier sei nur hingewiesen auf das Duett «Noch ahnt
man kaum der Sonne Licht", «Die Zugvögel", «Das Vöglein", «Vogelsang",
nach einer Dichtung von L. Tieck, und den Gesang von der Waldkapelle!);
— fühlte er sich doch mit seiner göttlichen Gabe selber zu singen und
mit seiner echten Schaffenskunst dem Vogel in den Zweigen so nahe ver-
wandt! Schuf er doch aus Innerstem Empfinden und gab immerdar nur
das, was in ihm lebte und webte, — sein innerstes Selbst! Darum berief
358
DIE MUSIK V. 24.
er sich auch einst — im Gegensatze zu so vielen anderen Komponisten
konnte er es tun — auf das Sängerwort seines geliebtesten Meisters der
Dichtkunst (wir geben es mit Loewes eigenem Sang, vgl. Bd. XI):
Ich sin
ge
wie der Vo
gel singt der in den
^
a^
^
i^i
Zwei - gen
woh
net
Die Singvögel im besonderen
Wir folgen dem Loeweschen Verzeichnis.
1. Lerchen. Loewe unterscheidet «Feldlerchen, Heidelerchen, Schopf-
lerchen'. Leider hat er in dieser Übersicht den Naturgesang so wenig
bei der Lerche wie bei den nachfolgenden Singvogel-Arten wissenschaftlich
analysiert. Dagegen hat er den Lerchensang in der unter A. veröffent-
lichten Abhandlung wissenschaftlich zu bestimmen versucht. Wir müssen
uns hier ausserdem mit dem begnügen, wie er den Lerchensang kunst-
mässig seinen Balladen und Liedern eingewoben hat. Mehrere Lieder sind
ganz der Lerche gewidmet wie das nach dem Luaschen Text komponierte
(B. XVI), wo die Lerchenstimme hauptsächlich von der Begleitung charak-
terisiert wird. Interessant ist der entsprechende Abschnitt aus dem »Gesang*
(r. Hand), der zu einem Vergleich der unter A. mitgeteilten Probe auf-
fordert. Auch das Krummachersche (B. XVI) ist hier zu erwähnen:
^"Ü J J' J ." ^ C M I H C F p-^
Hört die Ler-che, sie singtt
hoch in den bliu - li • eben
^=r^
^
&=^
^E
^
t
i
Lfif - ten; ih - re me • lo - di - sehe Brust -
Bekannt ist der Lerche Sang in der i^Heinrichs'-Ballade; besonders reiz-
voll die süsse Romantik des bei alledem so naturgetreu wiedergegebenen
Lerchenzaubers in der Ballade vom Tajostrand, an der Stelle: »Und musst
du mich verlassen, wenn früh die Lerche singt I* (B. VI). Endlich ist un-
verkennbar der Lerche abgelauscht jener Zwischensatz in der Ballade vom
359
KUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Schneeglöckchen (B. IX, No. 17): Der Frfihling zieht ein; mit luft'gen
Schwingen kommt ein West daher, dem folgt mit freudigem Singen ein
Vöglein übers Meer; dem ein zweites; und fröhlichen Geleites
11=
s
f
E
t
t
533
E
?
zieht Früh - ling hin - ter - drein, zieht Früh - ÜDg hin - ter-
M:
P
zt
F=l=?=
^^
drein, zieht Früh
ÜDg hin - ter - drein I
Ober 2. den St aar zu 3. den Drosseln fibergehend, bei denen Loewe
»Sangdrossel* und »Amsel* unterscheidet, finden wir erstere in der be-
kannten Ballade »Thomas der Reimer* gezeichnet. Wenigstens hat nach
Überlieferung in der Loeweschen Familie der Meister hier die Sangdrossel
im Sinne gehabt:
ein Vogel
sang im E - - sehen - baiim
Der »Amsel* Flöteton ist einem allerliebsten — leider recht unbekannt
gebliebenen — Liedchen von Loewe zugrunde gelegt (»Abendstunde*; auch
unter der Überschrift »Die Amsel flötet*; B. XVII, No. 55):
360
DIE MUSIK V. 24.
Un poco adagio
Auch unter 4. den Kernbeissern hat Loewe seine Lieblinge. Zunächst
trifft er folgende Einteilung:
j^a) Loxia curvirostris, KreuzscbDabel (singen?) (wie Dompfaff), b) Der Dom-
pfaffy L. pyrrhula, knarrt wie eine TQr. c) Der GrGnling, L. ctalorts. d) Kembeisser
oder Dickscfanabel, L. coccotbraustea. e) Pirol, Orlolus, frisat Kirschfleisch.*
Sehr zu beklagen ist, dass er anscheinend die Kreuzschnäbel nicht
näher zu beobachten Gelegenheit hatte. Er hätte an ihnen besonders lehr-
reiche Studien anstellen können, da sie trotz aller Anlage zur Zahmheit
ihre Natur als Waldvögel nie verleugnen und über eine herrliche Singe-
weise verfügen, die, stets sanft und melodisch bleibend, ein Durchschnitt-
mittleres von Lerche, Nachtigall und Drossel darbietet. Kaum ein Sing-
vogel spinnt die Melodie, mit allen möglichen Variationen ausgestattet, mit
Flötentönen und Trillern geziert, so weit aus als der Kreuzschnabel. Kein
Vogelsang auch kommt menschlicher Intelligenzkraft im Gesänge so nahe
wie die Kreuzschnabelweise.
Den Pirol dagegen hat Loewe mit viel Liebe behandelt. Nach jener
wissenschaftlichen Begründung, die oben in Loewes Abhandlung mitgeteilt
ist, hat er die Pirolstimme in einer reizenden kleinen Tier-Humoreske
.Ich und mein Gevatter" kunstgerecht angewendet und entwickelt. »Zwei
wunderliche Gevattern, die immer miteinander flattern, bei den Kirsch-
bäumen wohlbekannt.* Der geschwätzige Pirol führt das Wort:
Begleitung r. H.
i
p^üZEsirt
S
»Kirschvogel bin ich geheissen.
^JJ-^^ j-J'-J
und von dem Kerne beissen Kembeisser ist mein Ge-vat-ter genannt.*
Über 5. den Ammer bemerkt Loewe: er .singt nicht sonderlich*, — und
unterscheidet «Goldammer, Gartenammer, Rohrsperling". Mehr am Herzen
liegt ihm 6. das Geschlecht der Finken (Fringilla):
361
RUNZE: LOEVE UND DIE VOGELWELT
»a) Fink (Fr. caelebs),^ b) Sperling (NB. Fr. domestic« et montant), c) Stieglitz
(Fr. carduelis)^ Distelfink; lernt Wasser ziehen, d) Kanarienvogel (Fr. canaria), e) Zeisig
,(Pr. sp)nus)y gleicht dem Knarren eines Stnimpfwirkerstuhles."
Auch den Finkensang ffibrte uns Loewe mit wissenschaftlicher Be-
gründung vor. Gerade ihn treffen wir in mannigfachen Balladen und
Legenden an, z. B. in «Jungfrau Lorenz":
m
^^
^
^
*
iUnd unmittelbar zusammen mit dem Stieglitz, im obenerwähnten .Gesang*.
Ebenda wird uns auch der Zeisig, wie er flink hervorspringt und lieblich
«ingt, vorgeführt. Besonders feinsinnig zeichnet uns Loewe dies anmutige
Vöglein in einem ihm besonders gewidmeten Liede (Bd. XVII, No. 23):
AUegntto gracioso
P
ll' ü J j f 71r- f. * J'lr J' ^
Zeis-lein, Zeis-lein, Zeis-lein, wo ist, wo ist dein Hius
lein?
m
^
g^ rPü^-flTf^
hoch, hoch im Baum-
aus usw.
iLieblich tönt der Abgesang:
aus z^r .- ,t^n ^IQ - (en • reis - - lein da ist, da ist mein Hluslein
y. 2,^. 26
362
DIB MUSIK V. 24.
7. Die Grasmficke (Sylvia). Hier kommt a) die Nachtigall in
Betracht, der Loewe natfirlich stets sein grösstes Interesse gewidmet hat.
Noch in seinen letzten Lebensjahren in Kiel stellt er eingehende Be-
trachtungen über Nachtigallengesang an» unterscheidet genau die in Dfistem-
brook heimischen Arten und gibt Mitteilung Qber deren von der Pommer-
schen Nachtigall abweichende Weisen. In seiner Abhandlung fuhrt er noch
folgendes über diesen seinen Liebling unter den Singvögeln aus:
«Die Nachtigall (S. luscinla) singt nur in der Nistzeit, Ausdruck der Liebe.
Die Motarcillen sind die besten Singer, welches zum Teil im Kehlbau und Schnabel-
bau liegt. Der Schnabel ist lang, dünn, gerade, pfriemenfSnnigi mit fast gleich langen
Kinnladen und am oberen Teil einem Einschnitt v. Schubert sagt: Im Frfihling
kommen zuerst die Minnchen, etliche Tage früher als die Veibchen, von ihrer Reise
an, setzen sich dann abends auf die Zweige und wetteifern im Schönsingen. Dazu
haben sie aber auch ihren guten Grund. Denn, wenn die Weibchen von der Reise
zurückkommen, bemerkten sie immer, dass sich diese zuerst diejenigen Minnchen
auswählen, die am schönsten singen, und da es bei ihnen Immer mehr Minnchen
gibt als Weibchen (wie auf den Privatbillen), bleiben die Minnchen, die am schlechtesten
singen, zuletzt allein übrig und bekommen kein Weibchen. Die höhere Gattung ist
der Sprosser, mit dem Beinamen Phllomela; er Ist etwas grösser und singt lauter
und schmetternder."
Zahlreich sind die Beispiele der Nachtigallstimme in Loewes Ge-
sängen, unter denen das bekannteste sein dürfte:
Gegenüber diesem Jubelschall erklingt im zweiten Teil der Gregor-Legende
der schwermutsvolle Fldtenton:
yr» T c i? h.a^3P?^y?^g^
t=H:
^1=1=
Mein Freund das Ist die Nach - ti
Fast eine kleine Nachtigall -Tragödie könnte man die an sich in
launigem Ton gehaltene Fabelballade vom Kuckuck und der Nachtigall
nennen. Tragisch, — weil hier, wie so oft im Leben, der anmassliche
363
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Unverstand Urteilsgewalt fiber die höchsten Ideale fibt. Der Esel erteilt
dem einfältigen aber fromm klingenden Kuckucksgesang den Preis. Die
Nachtigall, im Bewusstsein ihrer himmelhohen Überlegenheit, singt erst
gemässigt in schönen Tönen; dann, als sie des Esels Unvemehmlichkeit
erkennt, ergeht sie sich in schmetterndsten Akkorden, um ihr Können ihm
deutlich zu machen; als jener aber in seiner ganzen Blödigkeit verharrt,
erscheint sie verängstigt; die Töne versagen nach und nach, und sie ver-
stummt zuletzt:
^^¥N^
diminuendo
Diese Zeichnung und Entwicklung der Nachtigallstimme ist ein grosses
Meisterwerk des Komponisten.
Die dem bezaubernden Nöckgesang horchende Nachtigall lässt, hier-
durch in ihrem Können beschwingt, ihr Atmen anschwellen zu mächtigem
Sang:
$
i=i=^t
:&
^
^
:Ö
ti=^
^;7 ; ; 2 / j
und at - mend horcht die Nach - ti - gall,
und at - mend
ho
rcht die
^
i:lJIIi~3~rn:
i^=^t=^
Nach
- ti - gall.
Loewe fährt fort:
,b) Der Mönch (S. atrlca capilla), so gross wie der Sperling, mit schwarzer
Platte auf dem Kopf, mehr Im Walde, in hohen Blumen.
e) Die graue Grasmücke (S. cineraria, cumica, garmla) im Gestriuch und Grat.
Kleiner und gewandt; ihr Liedchen ertönt erst ganz leise, auf einmal aber endigt es
mit einigen lauten, schnell aufeinanderfolgenden Tönen, während deren der kleine
Vogel sich tanzend In die Luft hebt, zuletzt eine Schwenkung im Kreis herum macht
und dann sich auf sein Gesträuch setzt. Er loctct: Tzä, Tzl; wenn er fürchtet oder
zürnt bei Annäherung an sein Nest: Gä, Gi, Gä; auch Giäk, Glik. Von Zeit zu
Zeit: Klapp, Klapp, Müllerchen.
d) Die gelbbäuchige (S. Hippolaia) .Dak, Dak, Fidhoi, Fidhoi,' (8 Fuss hoch
in Gabelzweigen), singt sehr schön, ist schwer fortzubringen. Lischen allerlei. Graziös,
klein, geschwätzig.
26*
364
DIE MUSIK V. 24.
e) Rotschwinichen (S. Phoenicunis), in Mauern, Gebinden, sonderbar
krichzende Stimme.
f) Rotlcehlchen (S. Rubecula) (in der Erde) melancholischer Gesang.'
Loewe schildert das Rotkehlchen nach Beweglichkeit und Stimme
in der erwähnten Legende .der Gesang":
kehl - chen schlupft
^^
2 i i
aus Laub und Duft
I
t
t
Über g) den «Zaunkönig (S. troglodytes), singt artig, stark schnarren-
der Laut' bringt Loewe ein Beispiel in seiner »Lustigen Hochzeit". Ihn
trilTt die Wahl, Bräutigam zu sein; er sprach hinwieder:
tenore primo
^fe
^ i J^ f^
tdL^ ^'i> ;" f=py=^
m
Ich bio eio sehr idei-ner Kerl, kann nicht derBrlu-ti - gam leln,
:» J j^ j»— ^-1^ — r
^^
ich kann nicht Brlu • tt - gam sein.
Loewe registriert weiter:
„h) Goldhähnchen (S. regulus), der kleinste Sänger. Haubenköoig."
Über den Hänfling <den er leider nicht wie Fr. Schubert musikalisch
bedacht hat) schreibt er:
»Lieblingsvogel der westniischen Spinnstuben: Spinn dike, spinn dike; spinn
fin, spinn fin, spinn ilnl"
8. Bachstelzen <Mx>tacilla):
a) Die weisse Bachstelze (M. alba) Langschwanz; einfache, helldurcbdringende
Stimme« Im Winter vor Sonnenaufgang und -Untergang.
b) Die gelbe, Ackermännchen (M. flavia).
c) Die graue <A1 boarula).
9. Meise (Parus).
Über sie bringt er im »Gesang* ein kurzes Beispiel.
365
RUNZE: LOEWE UND DIB VOGELWELT
10. Schwalbe (hinindo);
»Die braonkehlige Rtttchschwalbe (h. ruatica), die weisskehlige Haus*
•chwalbe (h. arbica), die graue Uferschwalbe (b. riparia), der Ziegenmelker
oder die Nachtschwalbe (h. caprimulgus) (AmselgrSsse); die Stimme schnarrt wie
ein Spinnrad."
Wie wäre es denkbar, dass Loewe seine «treuen Schwalben" nicht
geliebt hätte I Schon als Kind komponierte er ein Liedlein über sie. Auch
später hat er sie mehrfach mit Tönen bedacht. Dass er am Anfang seiner
volkstfimlichen, wehmutsvollen Ballade «Die verlorene Tochter" (Bd. IX,
No. 1):
Es flo - gen drei Schwil-be-lein fi • ber den Rhein
die Stielung der Noten, wie seine Handschrift sie aufweist, nach oben ge-
zogen hat, entspricht seiner Eigenart, hin und wieder schon mit Noten-
zeichen ein wenig zu malen.
Im ^kleinen Haushalt" reiht sich das Schwalbenmotiv dem thema-
tischen Zusammenhange des Ganzen ein:
i
h
I g c rH'=^^
•4 g c r-
f
ä
dass das Haus be - wer - fen sei, trug die Schwalbe Mör-tel bei
Mit seinem «Schwalbenmärchen" (Bd. IX, No. 14) hat er seiner besonderen
Vorliebe gerade für das reizende Tierlein klassischen Ausdruck verliehen.
Sehnlich sind sie erwartet von der Unkenkönigin und den Ihren, da
Frühling die Natur belebt:
AUegretto leggiero
erue.
fütte corde
306
DIB MUSIK V. 24.
y
P
drü ber hin mii
»Uli« llt
u
Es folgt ihre Erzählung in der Schwalbensprache:
^
^
g C p ^
^
^^
tönt Ge - zwit-Bcher in die Wel • Itn: Vie - le GrQs-se nsw.
Und so fliesst die ganze Märchenerzählung der Schwalben und das Schwalben-
märchen selbst in streng gebundener Darstellungsform dahin, in lauter
Achteln, zu Anfang und gegen den Schluss in der rechten Hand mit
Sechzehnteln. Wo die Singstimme die Achtel verliert, nimmt sie die rechte
oder linke Hand auf. Nur bei der Oberbringung der Grüsse an die Königin
treten Viertel ein.
11. «Die Tauben. Lachtaube*. Von Loewe mehrfach behandelt, z.B.
in den Oratorien .Die sieben Schläfer" und »D^s hohe Lied*; sodann in
der Legende »Das Wunder auf der Flucht", in der zum »persischen Lieder-
kreise* (Bd. VI) gehörenden »Taubenpost* und in besonders gelungener
Weise (»die wilden Tauben sind hier eingezogen*) in der grossen Ballade
»Die Gruft der Liebenden*.
12. »Die Wachtel*.
Wer kennt ihn nicht, den Weckruf aus dem »Kleinen Haushalt*:
IJ JJl-C^^-ri
die Wachtel wacht ruft sie: Kindl Kind!
• • . «
A £ £ und wenn ä± 4t
der Tag
beginnt.
y-Fg|
^t ^ ^ -^s
367
RUNZE: LOEWE UND DIE VOGELWELT
Und nun mit diesem von Loewe zuletzt aufgeführten Singvogel und dessen :
zurück zu seiner bekanntesten Ballade, der vom »Vogelherd", und somit
zu dem zuerst und zu dem am liebsten von ihm behandelten Singvogel:
.Der Lerche Sang, der Wachtel Schlag, die süsse Nachtigall!*
i| SebKnhelt bat Amerika der Telt geichenkl, mit AnanahmB der rauben
rbabenhelt, die Gott dem Bnieo dea Landea aittltepil(t hat Der menaeb-
cbe Gelat dleaer neueD Welt zeugt mebr von Kraft nod ErfladunKafabe«
la Ton ScbSnbeit Und ao rScte ea der Zahlt, data daa Volkalied der
_[flter — der rbytbmlacbe Ruf dea SUaves — beute nlcbt nur ala die
einilge amerikanlacbe Muafk daatebt, aondem auch ila der acbSoate klancUctae Aua^
druck menacbUcber Erhhrung auf dieiem KoatlDcnt Vera acbliaa Igt, balb veracbtet
und vor allem bebarrlicb Terkanal und mistveraianden, bleibt ea trotz alledem ein
eigentOmllcbea gdatigea Erbe der Nation und die grSiate Gabe, die die Neger dleaem
Lande dargebracht'
Wenn man Amerika durchaus eine typische ■merlkaoische Musik
geben will, so hätte die- Musik der nordameriksnlscben Indianer vielleicht
mehr Anspruch darauf, als solche zu gelten, well diese Autocbthonen sind.
Die Heimat der Neger hingegen ist Afrika, und die Wurzeln ihres Volks-
tums sind am Congo und nicht am Mississippi zu suchen. Nichtsdesto-
weniger ist obige Äusserung eines begabten Literaten und Professors der
Soziologie an der Universltit von Pennsylvanien bemerkenswert, well er
selber schwarzer Abstammung ist. Prof. William Edward Burghardt Du Bois
mag die Bedeutung der Negermusik für Amerika überschätzen, aber als
eine Autorität für das, was an Ihr echt oder unecht ist, kann man Ihn
wohl anerkennen. Auch ist gegen seine Einteilung derselben in afrika-
nische, afro -amerikanische und Negermusik von heute schlechterdings
nichts einzuwenden.
Die Musik der amerikanischen Schwarzen weist vielfach auf ihren
afrikanischen Ursprung zurück. Sie hat mit der Musik afrikanischer
VolksstSmme das ausserordentlich entwickelte rhythmische Gefühl gemein.
Dieses zeigt sieb sogar in dem Wiegenlied, mit dem schwarze Mütter In
Amerika seit mehr als zweihundert Jahren Ihre Kinder einschläfern:
Bend* nn - li, nu - 11,
369
VON ENDE: AMERIKANISCHE NEGERMUSIK
Schon die Urahne wusste nicht mehr, was diese Worte bedeuteten; aber
unermfidlich sang sie die Weise ihren Kindern und ihren Kindeskindem,
und sie verfehlte ihre Wirkung niemals. Das Lied hat sich durch münd-
liche Überlieferung bis auf den heutigen Tag vererbt. Etwas jüngeren
Ursprungs mag das folgende geistliche Lied sein, dessen Text bereits auf
die Heimatslosigkeit hinweist:
^
^=^
ft==*r
S
Ä
^
Yen may bu - ry
^—^ J j. j4=jj^-i^-iN
me in the East, yon may bury me In the
— H 1-
i
^^
^
t
t
West, But I - 11 bear tbe trumpet in the mor - ntng.
Man darf nicht vergessen, dass die Schwarzen diese und andere Liedef
niemals singen, ohne dabei den Oberkörper vor- und zurückzubeugen oder
den Rhythmus mit dem Fusse zu markieren. Denn ursprünglich war ihrä
Musik kaum mehr als rhythmischer Schall.
Die Schwarzen in den Wäldern Afrikas pflegten einen Baumstamd
auszuhöhlen und die Öffnung mit frischer Tierhaut zu bespannen; dand
setzte sich einer rittlings auf das Instrument und bearbeitete es mit deif
Handflächen oder mit Keulen. Die westindischen Nachkommen diesem
Trommlerurahns taten einen Schritt vorwärts, indem sie statt des Baum"^
Stamms ein Fass nahmen; gespielt wurde auf diesem Instrument genau in
derselben Weise. Lafcadio Heam schreibt darüber in »Two Years in the
French West Indies":
»Der geschickte Trommler (bei tamboure) setzt sich mit entblösstem Ober^
körper rittlings auf sein ka und bearbeitet es gleichzeitig mit den Fingerspitzen beider
Hinde^ Hin und wieder druckt er die nackte Ferse mehr oder weniger fest gegen
das Fell, um den Ton zu variieren. Das nennt man: der Trommel die Ferse geben
— bailly talon. MittlerweUe schiigt ein Knabe mit einem Stock auf das unbedeckte
Ende der Trommel, wodurch eine klappernde Begleitung entsteht. Der Klang dieser
Trommel, wenn sie gut gespielt wird, hat eine wild hinreissende Kraft, die zum Tanze
anreizt und ihn beherrscht — ein eigentumlich wogendes Steigen und Fallen.*
Diese Trommel spielte bei den Festen der Schwarzen auf Martinique
und in ganz Westindien eine grosse Rolle. Von den Antillen, wo die Musik
des afrikanischen Negers durch französische und spanische Einflüsse modi-*
fiziert wurde, kam sie nach Louisiana. Die Calinda, die an Sonntagen auf
jeder Plantage in Martinique getanzt worden, bürgerte sich auf dem Place
Congo in New Orleans ein und bot den Weissen lange Jahre ein Schau-
spiel, dem sie ebenso gebannt wie angewidert zuschauten. Denn der Tanz
war eine ziemlich anstössige Pantomime, die von zwei einander gegenüber«
stehenden Tänzerreihen ausgeführt wurde. Die Tänzer näherten und tnu
femten sich unter Gliederverrenkungen und lasciven Gesten. Solche Mimik
370
DIE MUSIK V. 24.
charakterisiert auch die immer seltener vorkommende Voodoofeier, einen
unheimlichen Götzendienst.
An die scharfzüngigen «griots* von Senegambien erinnern die
»pillards'', Spott- und Schmählieder, die heute noch von den Schwarzen
in Louisiana jedermann nachgeheult werden, der während des Karnevals
ihr Missfallen erregt. Charakteristisch für diese Lieder ist gleichfalls der
scharf markierte Rhythmus. Lafcadio Heam schreibt in dem vorerwähnten
Buche:
.Vor mehr als hundert Jahren druckte Thibeau de Cbanvallon sein Staunen
aus über den Zauber des Rhythmus, welcher die Lieder und Tinze der Sklaven von
Martinique auszeichne. Der rhythmische Sinn derselben machte einen tiefen Ein-
druck auf Ihn. Ich sah, schrieb er, wie sieben- bis achthundert Neger eine Hochzeits-
gesellschaft mit Gesang begleiteten; dabei sprangen sie zuweilen alle zusammen in
die Luft und kamen gleichzeitig herunter; das wurde so exakt ausgeführt, dass der
Absprung nur einen einzigen Laut verursachte. Ahnliches kann man während jedes
Karnevals in St. Pierre beobachten, wenn der Teufel seine nächtliche Runde macht,
von hunderten von Knaben gefolgt, die in die Hände klatschen und zusammen hüpfen.
Aber auch in der boshaften Sitte des pillard, creolisch piya, kann man dasselbe
beobachten. Irgend jemand, den zu belästigen dem Volke erlaubt dünkt, findet sich
plötzlich auf der Strasse von einem mehrere hundert Köpfe zählenden Chor verfolgt,
der sein Lied mit Händeklatschen, Tanzen und Laufen begleitet und zwar so takt-
mässlg, dass alle die nackten Füsse den Boden in demselben Moment berühren . . .
Ein Beispiel solchen Spottchors Ist Loema tombi, das von einem Mädchen handelt,
welches Tugend heuchelte und zu Falle kam. Das von den Klatschbasen gesungene
und von händeklatschen begleitete Lied ist in seinem Wechsel von Chor und Soli
und den Wiederholungen des Refrains ad Infinitum charakteristisch für das Negerlied
überhaupt. Die Frage der Einzelstimme ,SAgt an, lst*8 wahr?' und die Antwort des
Chors ,Loema Ist gefallen* folgen einander rascher und rascher, bis die Sänger vor
Ermüdung aufhören müssen.*
AUegro moderato
i
C6 ti man-mallle - lä, Zautt te bo - la - rl- vi6, Ou'a dl moln comm' ga:
Refrain ad Üb. sempre acceUrando
t
t
s^
t
l
±
^.
^
M-^ j j j -ri
Si oue Lo - e - ma tom-b6? Ou'a dl molo comm'ga, Lo - e - ma tom-
$
b6? Ou'a dl moln comm' ca, Lo - e - ma tom - - b6? Ou'a dl moln comm'
3
h I -4-
t
t
^A, Lo - e - ma tom - - b€?
In vielen Liedern lässt der Text die Tragödie des Rassevorurteils
ahnen, die in der Literatur der Südstaaten Nordamerikas eine so hervor-
ragende Rolle spielt und dem Leben in New Orleans, als es noch das
371
VON ENDE: AMERIKANISCHE NEGERMUSIK
Paris des westlichen Kontinents war, eine romantische Färbung gab. Aus
jener Zeit, da die Schwester als gefeierte Schönheit auf dem Quadronen-
balle die Huldigungen der weissen Männer entgegennahm, während der
ebenso freigeborei^e Bruder nur als Musikant Zutritt erlangen konnte,
stammt das Lied vom Troloulou-Fiedler. (Milatraisse heisst im creolischen
Dialekt die freie Quadronin oder Alle de couleur, cocodrie ist der Spott-
name für einen unvermischten Schwarzen.) Das Lied lautet in der Über-
setzung:
«Gelbes Midchen a^bt zum Ball,
Neger leuchtet ihr zum Saal,
Fiedelmann!
Na, was geht es dich denn an.
Sag, was geht es dich denn an,
Fiedelmann?
Mi - la-traisse cour- ri dans bal, Co - co - drie po' - t6 ft - nal, Trou-lou-
^■g,j C fi g m^i g C-^
loulC'estpas zaf- faire k tou, C'est pas zaf- faire h tou, Trou-lou -lou!
In das innere Gefühlsleben der Sklaven lassen nur wenige Lieder blicken.
Von Mutter und Kind singt manches Lied; selten wird der Vater erwähnt;
noch seltener Heim und Heimat. Die Klage des flüchtigen oder müden
Wanderers hingegen hallt in vielen wieder. Auch der Liebeslieder gibt es
nicht allzuviele; von echtem tiefen Liebesglück gibt keines Kunde, wohl
aber manches von Liebesleid. Eine Liebestragödie lässt uns dunkel das
folgende Lied ahnen, das eines der ältesten seiner Art. Eine alte Negerin
sagte davon, es könne nur mit einem vollen Herzen und einem sorgen-
schweren Geiste gesungen werden:
i
1
^
^^
ft
irt
t
^^
t
:tJ=tt
iE
*
ä
Poor Ro - sy, poor gal; Poor Rosy poor gal; Ro - sy break niy
1
i^
5
*
^ ' ä
poor heart, Heav'n sball • a • be my bome.
Eigentämlich und für das Ohr der Weissen ermüdend sind die Wieder-
holungen. Um nur ein Beispiel anzuführen, sei hier eines der uralten
Familienlieder erwähnt, eine Art Willkommen: «Howdy, howdyl*:
bowdy, bowdy, brotber.an' a bowdy, howdy do? M • m • m-in-m
372
DIE MUSIK V. 24.
An' I do migtaty well, an' I thtnk God too! M-m-m-m-m
In diesem Liede werden Bruder, Schwester, Onkel, Tante, Vettern, Basen,,
kurz alle Verwandte der Reihe nach einzeln angesungen. Eine ganz^
eigene Wirkung macht das von dem Chor mit geschlossenen Lippen ge-
summte «M-m-m-m', das als ein unartikulierter Ausdruck innigen Be*
hagens aufgefasst werden kann.
Die ursprüngliche Tanzform ist in vielen Liedern deutlich erkennbar..
Es gab aber auch der Tänze viele, in Westindien noch mehr als in Loui*
siana. Cosaque, beguine und belair, auch bele oder bela genannt, wurden
in letzterem Staate wenig getanzt ; hingegen mag die giouba identisch sein
mit der juba von Georgia und Nord- und Sfid-Carolina. Die einfachen
Tanzrbythmen wurden häufig durch Synkopierung variiert und kompliziert,
wodurch jene in der heutigen Negermusik beliebte Taktart entstand, die
der klassischen Musik nichts weniger als fremd ist, in Amerika aber seit
einigen Jahren als «rag time*, hin und wieder auch .Scotch snap* ge«
nannt, die leichtere Operette und das Vari6t6 beherrscht. Westindischen
Ursprungs ist das folgende Beispiel:
f^ffJ rj||'Tf,_4af4|! .ff^r^^^44s?f^?3g
^Ffhl'Tf^ L' I rTc fJ .1; I f^ I JiT-H^
l^mifj Itlfr^C^ I J^ I ^J ^^l^Ö^iP
Während die meisten weltlichen Lieder der Neger, sofern sie älteren
Ursprungs, aus dem französischen Westindien stammen und dem Text nach
eine Verquickung afrikanisch-heidnischer und französisch-katholischer An*
schauungen darstellen, in der Musik den Einfluss französischer und italie-
nischer Melodiefuhrung verraten, finden sich in den geistlichen Liedern
die afrikanisch-heidnischen Elemente mit dem Protestantismus vermischt,
dessen Macht sich die Schwarzen auf den Bahama- und anderen Inseln
gebeugt. Die Erweckungsversammlungen der Methodisten und Baptisten
machten auf die Neger einen tiefen Eindruck. Die religiöse Begeisterung
steigerte sich bei ihnen zu einer Aufregung, die an Hysterie grenzte. Die
lebhafte Einbildungskraft Hess sie den Text der Gesänge wörtlich nehmen;
jedes Gleichnis war für sie ein Faktum. Dass es dem religiösen Gefühl der
Rasse keineswegs widersteht, einen Bibeltext einer beliebigen einigermassen
passenden Melodie aufzupfropfen, ist eine Kleinigkeit gegenüber den grotesken
373
VON ENDE: AMERIKANISCHE NEGERMUSIK
Paraphrasen bekannter Hymnentexte, die man unter den geistlichen Liedern
4er Neger findet. Die für diese geltende Bezeichnung, negro Spirituals,
'hat daher einen etwas humoristischen Beigeschmack.
In der Regel werden diese Hymnen in bedeutend rascherem Tempo
.gesungen als die Kirchenlieder der Weissen. Unterbrochen wird der rhyth-
mische Fluss der Melodie häufig durch rezitativische Rufe, shouts, die an
•den Juchzer unseres Volksgesangs erinnern. Häufig beginnt ein Lied mit
einem solchen Ruf, wie das bekannte .Goin' over on de udder side of Jordan '^ :
Oh— l'm jes' «•go-in' o-ver on de ud- der side of Jordan, An' Tm
JVfM
1^ ^ ^-^=^,g ;if^ g1^ II J
t
f I f ^ I r ■
jea a - go - In' o - ver, o - ver home Vm gwin a • way to see my
Da capo
t
t
t
s
iÖ
m
Je • SU8 gwin a - way to «ee my Lord
Ausser diesen Fermaten variiert auch die Neigung zum Synkopieren die
Taktart geistlicher Lieder, die man sich sonst nur in getragenem Tempo
denkt. So lautet eines der ernstesten Lieder:
\^iri\i jj.^y#i>^j I J P-' a J^f^
Thit World is not my home, thit world is not my home, tbis
1^ i ii^r^^^tr-'J r C;Kr fj if .j
World is a bortany wil - der - ness, this world is not my home
Did Christ s'er Sin • ners weep? And shall our cbeeks be dry? Let
fj-i3. /;■ PfT fJ r iV I f j f! ^
m
flood of pen - i - ten - tial grief burst forth from ev' ry eye.
Gesungen werden die Lieder in parallel untereinander zu denkenden
^Stimmen, die einander ablösen, sekundieren, alles regellos, willkürlich, aber
dank dem Gehör und der Treffsicherheit der Sänger mit bewundernswerter
Exaktheit. Die Begleitung spielen Geigen, Banjo, oder auch eine Harmonika;
ja sogar ein mit einem Papier umwickelter KanHB genfigt dem sangeslustigen
Schwarzen, seiner Stimme den nötigen harmonischen Halt zu geben. Besitzt
«r keine Singstimme, so .bringt er jes fertig, «o kunstvoll zu pfeifen, dass
374
DIE MUSIK V. 24. =
er ein Publikum anzuziehen imstande ist. Denn vor einem Publikum sich
hören zu lassen, ist ihm ein Genuss. Nichtsdestoweniger gelangte die
eigenste Musik der amerikanischen Neger nur spät und vereinzelte zur
Kenntnis der Weissen, die ausserhalb des schwarzen Gärtels wohnten.
Der im Norden zuerst auf dieselbe aufmerksam machte, war Thomas
Wentworth Higginson. Aber erst die Konzerttour der Fisk Jubilee Singers
offenbarte weiteren Kreisen den Sangesreichtum der eben erst freigewordenen
Schwarzen. Es war im Jahre 1871, als George L. White, Lehrer einer
Sonntagsschule für Negerkinder, denen er Gesangunterricht erteilte und von
denen ihm der Liederschatz der Plantagenneger fibermittelt worden, mit
neun seiner Schüler, vier Knaben und fünf Mädchen, von Nashville nach
Cincinnati reiste, um durch Konzerte das nötige Kapital für eine höhere
Lehranstalt für Schwarze, die Fisk Universität, zu beschaffen. Auf dem
Wege dahin machten sie in Wilberforce Halt, wo sich die älteste Schule
für Schwarze befand, und empfingen den Segen eines Bischofs ihrer Rasse.
Aus Gasthäusern gewiesen, in Eisenbahnwaggons nur geduldet, kämpften
sie sich tapfer bis Oberlin durch. Dort tagte eine Konferenz der Kon-
gregationalisten und spendete ihnen begeisterten Beifall. Die Kunde von
ihrem Singen drang nach New York. Henry Ward Beecher hatte den Mut,
sich ihrer anzunehmen. Einer besseren Empfehlung, als des Erfolges in
New York, bedurften sie nicht. Von da au war ihre Reise ein Triumph-
zug, den sie auf Europa ausdehnten. Sieben Jahre sangen sie in aller
Herren Ländern vor den gekrönten Häuptern Europas. Als sie nach der
Heimat zurückkamen, hatten sie zum Besten der Schule hundertundfünfzig-
tausend Dollars ersungen.
Die Lieder, die sich auf dieser Konzertreise am eindrucksvollsten
erwiesen, waren die schwermütigen Weisen der Plantagenneger, die Sklaven-
lieder. In ihnen hat sich die Eigenart der Musik ihrer Rasse am besten
erhalten. Prof. Burghardt Du Bois teilt sie in Lieder, die das afrikanische
Element am unverfälschtesten zum Ausdruck bringen, wie die beiden ersten
Beispiele. Ihnen schliessen sich diejenigen an, die er afro-amerikanische
Negerlieder nennt. Von ihnen folgt als Beispiel der Anfang des bekannten
«Steal away" mit den langausgehaltenen Fermaten:
^i^.^^^^^^^^^^
Die Elemente, die gestaltend auf die Negermusik gewirkt, sind also ein
starker Kern afrikanischen Ursprungs, französisch-spanisch-katholische Ein-
flüsse in den Antillen, englisch-protestantische auf den Bahamainseln«
später auf den Mississippidampfern irische und schottische Lied- und Tanz-
weisen und in New Orleans und Umgegend die von den französischen
375
VON ENDE: AMERIKANISCHE NEGERMUSIK
Kreolen eifrig gepflegte französische und italienische Musik. Das Gesamt-
produkt ist von äusserster Einfachheit. Von ffinfundsechzig authentischen
Beispielen stehen nur dreizehn in Moll; auf ihre Taktart hin betrachtet
finden sich darunter je vier Beispiele im Zwei-Viertel-, acht im Drei-Vlertel-
und zwei im Sechs-Achtel-Takt. Der Schluss ist fast ohne Ausnahme in
der Tonika.
Seit der Süden nicht mehr wie in den Zeiten der Sklaverei eine Welt
für sich bildet, hat sich der Charakter der Negermusik erheblich verändert.
Schon die in den fünfziger und sechziger Jahren auftauchenden .Minstrels*,
die ursprünglich von echten Plantagenliedem und -tanzen ausgingen, er-
setzten diese bald durch solche, die in Anlehnung an echte Vorbilder die
Melodieen geschickt nachahmten und sogar etwas von dem rhythmischen
Schwung der Originale ahnen Hessen. Die Minstrels waren meistens weisse
Gesangskomiker, häufig auch musikalisch gebildete Sänger, die die schwarze
Maske gewinnbringend fanden. Gesungen wurde mit Begleitung von Banjos,
Ziehharmonika, Schellentrommel, Klappern und Triangel, und es sollen in
jener für den Musiker von Beruf sehr ungünstigen Periode nicht wenige
deutsche Musiker die Verkleidung nicht gescheut haben, um sich als Mit-
glied eines Minstrelorchesters ihr Brot zu erwerben. StephenCollins
Foster, geboren in Pittsburg im Jahre 1826, war der hervorragendste
Komponist von Minstrelmusik. Sein Vater war Nordirländer, seine Mutter
stammte von einer aristokratischen Familie Marylands, und er selbst hatte
eine gute Erziehung genossen. Er war der deutschen und französischen
Sprache mächtig, hatte eifrig die klassischen Meister der Tonkunst studiert
und schwärmte besonders für Mozart. Den Text zu seinen Liedern dichtete
er selbst in echtem Negeridiom. Lieder wie «Come to de lattice, love*
wurden im ganzen Lande populär und gehören auch zu dem Besten, was
auf dem Gebiete in Amerika geleistet worden.^)
Aus der Minstrelmusik entwickelte sich jene fälschlich als Neger-
musik geltende Liedergattung, die heute als «coon song'^ weltbekannt ist.
Sie hat mit der echten Negermusik, den Plantagenliedem, noch weniger
gemein, als die Minstrelweisen. Denn während diese doch manchmal
einzelne Bruchstücke einer Negermelodie enthielten, wie «Down the Swanee
River" und «Old Black Joe**, sind die «coon songs* Eintagsfliegen, die in
irgend einem Wolkenschaber am ,Rialto" entstanden sind, wie der Broadway
von New York in der Sprache des amerikanischen Bühnenvolkes heisst,
und erst von der Bühne, wo weisse Sänger und Sängerinnen sie als Ein-
lage in einem beliebigen Stück singen, unter die Schwarzen des Landes
gelangen.
*) Vgl. über ihn den Aufsatz von Dr. Martin Darkow »Stephen C. Foster und
das amerikanische Volkslied* im Amerika-Heft der »Musik* (Jahrg. IV, Hefe 16).
5. April 1871. Kurt iit {elit in der rechtea Hand labm und sein ScbGIer
Buon'amlcl (ausgeieicbneler Pianist, Bülowichüler) aa der linken; so aplelten sie mit
den guten Armen zusammen iwelblndlf. Ei war iusiif und traurig ingleicb . . .
7ie freut es mlcb, dait Kurt >o kollcgiti gegen andere isL Das wird ibm
Segen bringen. Nur kein neldlacber, engheriiger Künstler.
15. Mal 71 (dirigierte Rbeinberger Hlndela .Sani" Im Oratorien vereintkonzert).
Hindel glaubte nocb an Hlmmet und H911e — es webt deshalb der grosse Geist der
Bibel In seinen ulisterblicben Terkenl —
JudI 71.' Leider bat Kurt in diesem Monate wieder sehr starken Husten
gehabt. DM HSnd'bekommt immer grOisere LScber, doch spielt er etwas Klavier.
1. Oktober 71. Geliebelt; well letzt Fritiscb [Verleger] in seiner Zeitung durch-
aus aus Peter Comehus elden berfibmten Mann machen will — bitte Kurt elaiges
Talent gezeigt im Tagnerscblepptragen, so wire ihm wabracbelnllch ein Ibniictaes
GlQck wieiterttbren.
H*H TOI Blllew *D Bkelnbeiyer
Florenz, d. 4. Oktober 1871,
Hochgeehrter Meister und Freund,
Sie haben mir durch das' Geschenk Ihrer neuen Klavierkompoaiiloneo, durcb
diesen beredten Gruds eine {rokse FVeude, einen wahren Genuas gewihtt; ich benutze
377
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
die Gelegenheit der Rückreise «unseres" Heben Buonamici, Ihnen hiefür meinen
herzlichsten Dank auszusprechen, dem ich die Bitte beifügei der photographirten
.Südfrucht*, welche er Ihnen in meinem Namen für Ihr Arbeitszimmer überbringt,
eine freundliche Aufnahme zu gönnen, meinem Wagniss keine andere als, wenn das
Wort nicht unbescheiden ist, die kollegialste Deutung beilegend.
Wie sehr gönnte ich Ihrer, wie ich mit wahrem Kummer vernommen, stets
leidenden Gesundheit den wiederbelebenden und kriftigen Einfluss des Himmels dieses
Landes und seiner trotz aller Verwilderung gottbegnadet gebliebenen Bewohner!
Diesem Einflüsse verdanke ich es allein, wenn ich meine praktische Musikerkarridre
mit Beginn des künftigen Jahres wieder aufnehmen kann, wenn ich der Hoffnung
entgegensehen darf, im Laufe desselben der Freude eines persönlichen Wiedersehens
mit Ihnen teilhaft zu werden.
Fra di noi — ich habe mich S. M. dem Könige von Baiem zu ausserordentlichen
Dienstleistungen in München zur Verfügung gestellt und dieses Erbieten, zu dem ich
speziell durch die Kunde von dem Wunsche S. Maj. nach einer Wiederaufführung
des Wagnerischen ,»Tristan* — mein Dirigentenprivileg — bestimmt wurde, ist an
allerhöchster Stelle mit gnidigster Annahme beehrt worden.
In der frohen Erwartung, Ihnen somit in nicht allzulanger Frist meinen Glück-
wunsch zu vollständiger Herstellung Ihrer für die Kunstwelt zu so segensreicher
Wirksamkeit berufenen irdischen Existenz und ihren materiellen Bedingungen in
eigener Person darbringen zu können, mit der Bitte, mich Ihrer Frau Gemahlin ver-
ehrungsvoll zu empfehlen und mir Ihr ferneres freundschaftliches Wohlwollen zu
bewahren, grüsse ich Sie herzlichst durch „Ihren" Buonamici als Ihr in vollster und
aufrichtigster Hochschätzung treu ergebener Bewunderer Hans von Bülow
(Ans dem Tagebnoh tob Fraa F. Bheinberger):
Wir haben das prachtvolle Colosseumsbild aufgehängt, welches Kurt von Bülow
aus Florenz geschickt bekam.
12. November 71. [Sie rät ihm, in ,»Thürmers Töchterlein" eine Volksmelodie,
deren sie sich erinnert, zu verwenden]: Diese Melodie stammt aus alter Zeit und ich
habe sie einst die Donau hinunter für mich gesungen zwischen Linz und Wien. Kurt
fand den Einfall gut und ich schrieb auch gleich die passenden Worte dazu. Draussen
fiel der erste Schnee, Kurt und ich arbeiteten in höchster Zufriedenheit und Einigkeit,
in herzlichstem Glücke daheim.
19. November. Es versteht sich dies zwar von selbst, aber ich meine, ich
müsste es nochmal niederschreiben, wie beseligend das Gefühl ist, dass Kurt und ich
so ganz und gar verstehen, genügen, erfreuen, leben und weben in seiner Kunst. Es
überkommt mich so oft eine Fluth von Dankbarkeit, dass ich ihm Freund und Alles
sein kann. Fest bis zum Tode und auch nachher vereint! —
^ Bheinberger an Franz tob Holstein
München, den 3. iL 72
Heute beginne ich das Finale des dritten Aktes von «Thürmers Töchterlein*.
Mein Librettodichter ^) ärgert mich von Zeit zu Zeit, in der besten Meinung allerdings;
er scheint manchmal Angst für „seinen Teil" unseres Töchterleins zu haben. Ich
') Rheinbergers Frau.
V. 24. 27
378
DIE MUSIK V. 24.
dachte schon an König Salomon, der, den Streit zo schlichten, eine radikale Theiinng
vorschlug. Wie würde man bei einer Oper eine solche Theilung anstellen? Ich wire
in der grössten Verlegenheit — ich müsste Nohl oder Mascewski oder einen andern
»Musikdeuter* (früher hörte man Musik, heut zu Tag muss man sie deuten können)
fragen — denen würde — da nur Wagner eine wirkliche Vermihlung von Wort und
Ton gelingt — es gewiss nicht schwer werden, Text und Musik chemisch zu sondern.
Nun, am wenigsten Verdruss haben Sie gewiss mit Ihrem Librettisten gehabt;
schliesslich soll man sich die Texte eben selbst machen . . .
(Ans dem Tagebneh Ton Frau F. Rheinberger)t
Sonntag, den 4. Februar 72 ... da brachte der Postbote ein grosses Packet:
das grosse Requiem kam. Ein ergreifender Augenblick, dieses Werk, an dem wir
Beide so lange gearbeitet, das an all die herben Verluste des grossen Krieges
schmerzlich erinnert — gedruckt vor uns liegen sehen. Gedruckt mit schönem Titelblatte
und nun reisefertig, um in die Welt zu ziehen und an die Herzen der Menschen zu
pochen . . . Wie nahe stand es, dass Kurt die Ankunft dieses Werkes nicht erlebt
bitte. Und wie wire mir dann?! . . . Herr, ich danke Dir!
München, den 22. Februar 72. Kurt schickte die Partitur der Oper »Thfirmers
Töchterlein" an die Hoftheater- Intendanz: «Jetzt heisst es moralische Wasserstiefel
anziehen", sagte er.
27. Dez. 71. Heute war Lachner da, um den ersten Akt von Kurt's komischer
Oper zu hören; er trank vorher behsglich mit uns Caf6. Dann spielte Kurt und es
war interessant, die Theilnahme und das Falkenauge des Altmeisters zu beobachten,
der mit solchem Verstindnisse die Partitur überflog. Sein Unheil war höchst be-
friedigend . • .
AntOB Bobinsteln an Bheinberger
Wien, d. 31. Dez. 1871
... Ich habe Ihre Zusendung des praeludium und Fuge für den Concertvortrag
erhalten — besten Dank für die Widmung ~ ich werde sie studieren — sie muss
von grosser Wirkung sein.
Ich verfolge mit grosser Aufmerksamkeit Ihre Komponistenkarri&re und freue
mich über deren Erfolg — es würde mich freuen, die Gelegenheit einer persönlichen
Anniherung mit Ihnen zu haben — bis dahin mit besten Glückwünschen Ihr
Anton Rubinstein
Carl Belneeke an Bhelnberger
Leipzig, 8. Jan. 72
Verehrter Freund!
Nehmen Sie das kleine Stückchen, welches ich mit Ihrem Namen geziert und
wodurch ich zugleich eine alte Schuld abzutragen suchte, freundlich auf! Sollte es
Ihnen auch als Musikstück an sich ein klein wenig Freude machen können, so
würde's mich ganz besonders freuen. Spiter werde ich Ihnen das Stückchen noch
einmal in separater Ausgabe zuzusenden mir erlauben, da ich mir das Eigentumsrecht
für die Einzelausgabe vorbehalten; doch müssen Sie einstweilen noch mit dem Stücke
in dieser etwas unvortheilhaften iusseren Erscheinung fürlieb nehmen.
Mit der Versicherung aufrichtigster Hochachtung verbleibe
Ihr ganz ergebener
Carl Reinecke
379
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
(Aus dem Tagrebneh fon Fran F« Bheinber^er):
[Der Direktor des Präger KonserTstoriums, Krejcy, ladet Rh. ein, zur Auf-
führung seiner «herrlichen** symphonischen Dichtung .Wallensteins Läget* im Mirz
nach Prag zu kommen, was Rh. dankend annimmt: »Ich freue mich sehr, Ihr be-
rfihmtes junges Orchester kennen zu lernen, von dessen Vortrefflichkeit mir Franz
Lachner erst vor kurzer Zeit sprach.*]
21. Mirz 72. Der Vorabend des Reisetags war uns sehr unbehaglich. Wir
nahmen's innerlich tragisch und schwiegen drum. Wenn man's zu Hause so gut hat,
geht man nicht gern auf die Wanderung. Als wir am 22. Mirz (Freitag) Morgens auf
den Bahnhof kamen, standen Kurt's Schfiler da, um ihm glückliche Reise zu wünschen.
Ein reizender Gedanke von den Kerls. In Schwandorf Possart und Frau gesehen, die
eben zu einem Gastspiel nach Berlin reisten. Also Andere wagen es auchl ...
In Prag müde angekommen, Kurt hat Kopfweh. Er besuchte sogleich Krejcy,
der ihn aufforderte, Nachmittags seine Sinfonie zur Probe zu dirigieren . . .
Er kam sehr zufrieden von der Probe heim: diese jungen Geiger haben einen
merkwürdigen Schwung, sie spielen mit Leib und Seele . . .
Kurt machte Besuch bei Graf Waldstein, dem indirekten Nachkommen des alten
Wallenstein, dessen altes Palais er noch bewohnt.
Er lud Kurt zu Tische ein. Kurt schlug es aus, weil ich bei ihm war. »Ich
bin kein reisender Virtuos, der sich einladen liest, indessen die Frau im Hotel sitzt,"
sagte er zu mir ganz stolz; »meine Frau gehört zu mir." Waldsteio sei etwas
frappirt gewesen und Krejcy habe sich in böhmischen Bücklingen gewunden . • .
Aufführung des Wallenstein in Prag. Kurt wurde mit Applaus empfangen, als
er erschien. An seinem Pulte hing ein Lorbeerkranz, den ihm seine Schüler an das
Pult gelegt hatten (von München aus geschickt). Das Werk fand eine vortreffliche
Aufnahme. Mir war es eine ernste Feier, es wieder zu hören, spielte es doch in
meiner Leidensgeschichte eine so grosse Rolle: »Im letzten Satze," sagte mir einmal
Kurt, »ist Deinethalben jede Note mit meinem Herzblute geschrieben." (Krankheitszeit I)
21. April Sonntag. In der Dimmerung lag Kurt auf dem Sofa beim Fenster in
seinem Zimmer und ich spielte einiges aus den 7 Raben, was mich fast traurig machte.
Kurt ist so strenge in der Kritik gegen sich, spricht niemals renommirend oder
klagend — schweigt also auch darüber, dass diese Oper so eingeschlafen ist • . .
Mai 72. Das Klavier-Quartett scheint sich raschen Weg durch Deutschland zu
bahnen.
Juli 1872. Seit ich zuletzt geschrieben, ist die Tristan-Sündfluth eingebrochen,
die eine Menge von langhaarigen, abgebleichten Enthusiasten nach München schwemmte,
die, wenn sie nicht in Liebestrank oder Bier oder brünstiger Sehnsucht ersiuften und
verglühten, wohl wieder weiter gewandert sind. Auch Holstein's waren gekommen,
um die tragische Geschichte zu hören und zu sehen, waren aber so angegriffen davon,
dass sie andern Tages wie Mücken im Winterschlaf mit gebeugten Köpfen auf der
Bank im königlichen Garten sassen. Wir lernten auch den neuen Münchener Kapell-
meister Levy aus Karlsruhe kennen. Levy scheint kühl und für sich umsichtig. Er
tritt mit Bewusstsein auf und wird sich seine Stellung möglichst angenehm zu machen
wissen. Bisher ist er nicht berühmt. Wir gingen mit ihm und Holstein's in die
Schack'sche Galerie, wo man bei Betrachtung der Schwind'schen Kompositionen
Heimweh nach Wald und Minne bekam . . .
[Diese Zeilen sind ein interessanter Beitrag zu einer psychologischen Studie
über das damalige Publikum. Es war die Zeit der Kimpfe aller musikalischen
27*
380
DIE MUSIK V. 24.
Richtungen; wir gestatten uns jetzt, die damals Lebenden, in ihren eigensten Vor-
urteilen Befangenen, die sich selber auch noch behaupten wollten, durchweg als
kleinliche Philister zu verurteilen. Die i,kolossale* körperliche Anstrengung, welche
die Aufführung der »neuen* Musik den Sängern, dem Orchester und nicht zum
wenigsten dem Zuhörer f&r »endlose Stunden* verursachte, muss mit in Betracht ge-
zogen werden. Die Anerkennung der Schönheit und Grösse der »neuen* Musik war
daher offenbar den meisten nicht leicht, man war eben kurze, traurige Arien ab-
wechselnd mit fröhlichen Genres gewohnt und liebliche, leichtverstlndliche Melodieen
zu mehr als harmlosen Texten.]
Ende Oktober 72. Levy brachte einen herrlichen Abend bei uns zu, indem Kurt
ihm sein Requiem vorspielte und Levy es recensirte. Prächtig ... Es war ein förm-
licher Dichter-Congress bei uns: Paul Heyse, Hermann Lingg und Veitheim. Kurt
musste aus seiner Oper vorspielen und that es mit der grössten Leidenschaft, so dass
die Dichter jubelten . . .
25. November 72. Ein reineres Glück als Kun's Kompositionen mit ihm am
Klavier in seinem Arbeitszimmer durchzunehmen, kann es auf Erden nicht geben.
Letzten Dezember 72. Es ist ein trauriger Abschluss dieses Jahres. Kurt liegt
mit Morphium-Injektion (wegen rasender Kopf- und Genickschmerzen) zu Bette und
schlummert in Betäubung hinüber in das neue Jahr . . . Dies Buch zeigt, wie Kurt^s
Schöpfungen nach allen Weltgegenden geflogen sind und vielfach die Herzen eroberten ...
Leider ist sein Körper nicht kräftiger geworden, wenn auch die Hand heilte.
1873. Aufführung der Oper »Des Thurmers Töchterlein*. Franz Lachner be-
zeugt seine wärmste Theilnahme an dem glänzenden Erfolg des neuesten Werkes.
Kurt hat das wundervolle »Laudate* von Mozart, das bisher ungedruckt blieb,
herausgegeben. Wie Kurt an Mozart hängt, weiss Niemand. Er sagte mir heute, er
freue sich dreimal so stark auf das Erscheinen dieses »Laudate*, als je auf ein
eigenes Werk.
Heute, den 4. November 73, sandte Kurt seine »Bezähmung der Wider-
spänstigen* an Kapellmeister ErdmannsdörflTer in Sondershausen. In Petersburg wurde
das Klavierquartett aufgeführt (in London von Bülow). Es ist schön, dass sich die
Sachen so ganz von selbst Bahn brechen.
November 73. Kurt hat ein Geschwür am Halse und auch die Hand eitert stark.
[Folgen Nachrichten von Aufführungen Rh/scber Kompositionen in mehreren
Städten.]
Dez. 73. Die Cholera greife scharf um sich: heute 25 Todte. Viele ergreifen
die Flucht.
Joachim Raff an Bheinberger
Wiesbaden, 14. Dezember 73.
[Wallensteins Lager] . . . Die Aufführung fand gestern statt, das Werk war
fleissig cinstudirt, wurde recht schön vorgetragen und fand viel Beifall . . . Gott
schenke Ihnen Lust und Müsse, uns noch mit recht vielen so schönen Werken zu
erfreuen, an deren Verbreitung den regsten Antheil nimmt
Ihr aufrichtig ergebener Joachim Raff
(Aus dem Tagebuch von Frao F* Bheinberger):
I.Jan. 1874. Enthusiastische Aufnahme der 7 Raben. Kurt hatte grosse Freude,
dass sein alter Gönner Prof. v. Schafhäutl ausnahmsweise auch im Theater war.
381
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Schtfhiud wtr sehr entzückt von den 7 Raben und wiederholte, dass es ein gross-
artiges Werk sei.
7. Februar 1874. Schöner musikalischer Abend bei uns. Kurt schwelgte mit
Brückner in Mozartschen Violinsonaten und war dabei ganz selig. Ja, mein Herzens-
Mozart, Du hast doch das tiefste Gemfith. Kurt rief ganz begeistert aus: O Wonne
in dieser Musik! Zum Teufel mit aller Schopenhauer'schen Musik. Es war ein
reizender Abend, der erst gegen ein Uhr endete.
Dienstag, den 6. Januar 74, wird auf Verlangen von Johannes Brahma (durch
Levy) die Partitur der 7 Raben nach Wien geschickt.
31. Januar. Es ist wirklich ein eigenthümlicher Zug von Kurt, dass er keine
an ihn gestellte Bitte länger als zwei Nichte unerfOllt oder unbeantwortet ISsst So
fleissig er ist, so hat er doch immer Zeit, Andere zu hören. Andern zu antworten, zu
helfen. Wird er um eine Komposition gebeten, so ist sie meist nach 3 Tagen schon
fertig in den HInden der Bestellenden. Er hat gar keine Untugend der sogenannten
Genies. Dies zur Ehre der Wahrheit.
Die neue dreimanualige Orgel (in Vaduz) spielt Kurt zum ersten Male ffir das
Requiem seines Vaters (Mirz 74). Es sei das herrlichste Orgelwerk, das er kenne.
Kurt spielte über eine Stunde sich selbst in tiefes Entzücken hinein.
28. April. Äussere Zeichen der Verehrung seiner Musik dringen sich in diesen
Tsgen: er findet in seinem festlich beleuchteten Arbeitszimmer einen silbernen Wein-
pokal inmitten eines herrlichen Blumenkranzes auf einer kostbaren Kristallplatte vom
Oratorienverein geschenkt zum lOjihrigen Dirigenten-Jubilium; aus Nürnberg eine
reizende silberne Filigrankapsel mit einem goldenen Ehrensold. Bei All dem bleibt
er so urkomisch gleichgültig.
25. Juni. Gestern besuchte uns Bülow, der mit ungeheuerer Achtung von
Kurt sprach. Er nennt ihn den ersten Kontrapunktisten und Lehrer Deutschlands.
. . . Wir wiren bald ein Bischen in Streit geraten wegen Wagner, aber Kurts Ruhe
brachte es ins Gleichgewicht. Bülow erzihlte viel Interessantes von Russland und
England.
13. Herrliches Zusammensein mit Ambros aus Wien. Beseligend, wenn die
eigenen Kunstanschauungen, mit denen man einsam im modernen Strome steht, von
einem gelehrten braven Manne vollstindig bestitigt werden. Ambros brauchte sogar
Kurts eigene Worte: »Der Teufel hole die ,geistreiche* Musik, wenn sie nicht zugleich
schön ist." Ober Wagners Walküre ist er eben so empört wie wir, vom sittlichen
Standpunkte.
Bheinberg er an Anglist Wilhelm Ambros
München, 10. 10. 74
Gegenwirtig schreibe ich an einer Sinfonie, welche zu meiner Überraschung
die sSocieti orchestrale di Firenze" bei mir bestellte; hat doch noch keine deutsche
Gesellschaft je etwas bei mir bestellt . . •
[Ober Delibes' Oper »Le roi Ta dit*] • . • Schade, dass nicht zur Abwechselung
hie und da eine wirmere tiefere Melodie auftaucht. Leidenschaft ist eben doch
die Seele der Musik ...
(los dem Tagebuch von Frau F. Bhelnberger):
1. November 74. Kurt war neulich selig, Don Juan wieder zu hören . • . Nur
die Angst, wenn er hustet, stört mein Glück. Nun hat er die Hand im vierten Jahre
382
DIE MUSIK V. 24.
krank, kann sie^aber nur unter Tags ohne Binde tragen. Eine lange, lange Prüfung.
Sonst ist er wohl und heiter.
Robert Frani an Bheinberger
Halle, d. 27. Dez. 74
Mein theuerer hochverehrter Herr!
Nicht beschreiben liest sich's, welche Weihnachtsfreude Sie mir mit Ihrem
lieben Briefe gemacht haben! Wenn ich Ihnen die Versicherung gebe, dass Sie der
Erste unter den vielen Künstlern Deutschlands sind, welcher aus freien Stücken eine
meiner Bearbeitungen nicht nur der Beachtung gewürdigt, sondern ihr auch ein offen-
bares Interesse entgegengebracht hat, so werden Sie obigen Ausruf begreifen! [Er
bespricht eine demnftchst erscheinende Brochure v. A. Sarau, Leipzig: Robert Franz
und das deutsche Volks- und Kirchen-Lied.] Der Autor weist meine engen Be-
ziehungen zum deutschen Volks- und Kirchen-Liede nach und werden im zweiten
Abschnitte meine Bearbeitungen besprochen. Dem Texte sind altdeutsche Lieder und
6 Chorile in einer Bearbeitung von mir beigegeben, die ein merkwürdiges Licht auf
die Vergangenheit wie auf die Gegenwart werfen. Wenn ich hier Ihre Aufmerksam-
keit auf das Buch zu lenken suche, geschieht es nicht aus eitlen Absichten, sondern
nur des höchst interessanten Gegenstandes wegen.
Ihrem Wunsche, Hindels »Acis und Galathea* zu bearbeiten, werde ich leider
nicht mehr nachkommen können. Es wird Ihnen wohl nicht unbekannt geblieben
sein, dass ich vom Schicksal schwer heimgesucht bin. Der Zustand meines Gehörs
macht es mir ganz unmöglich, dergleichen Aufgaben jetzt noch mit Aussicht auf Er-
folg zu lösen . . . Das für Bachs und Hindels Vokalwerke herzustellende Accompag-
nement fordert eine materielle Kontrolle des Tonsatzes — eine solche ist für mich
nicht mehr vorhanden! ... Die hier gebotenen Stoffe sind ja so wundervoller Art,
dass man sich selbst der höchsten Ehren durch deren Verbreitung werth macht. Mit
den herzlichsten Grüssen Ihr ergebenster Robert Franz
(Ans dem Tagebncb von Frau F. Bhelnben^er):
Nachtrag: Nun sind schon so ziemlich alle deutschen Komponisten zu Kurt
gekommen. Kurt ist von Allen weitaus der Jüngste.
22. Mai 1874. Heute hat Kurt sein 81. Werk fertig gemacht. Das ist für einen
Mann von 35 Jahren genug!
5. Dez. 1874. Es war ein fleissiges Jahr; er hat viel geschaffen, aber auch viel
verloren — den theuren Vater! ... Wohl auch viele glückliche Stunden gehabt im
Hause und in Italien.
Jean Beoker an Rheinberg er
2. Februar 76
[schreibt aus Amsterdam über den warmen Erfolg des Quartettes op. 88. Derselt>e
aus Berlin 9. Mirz 76:] .Ihr Werk gefillt sehr und erwirbt sich überall Freunde. Es
ist nun, wie Sie sehen, meinem Repertoire einverleibt und sehne ich mich darnach
es Ihnen auch in München vorzuspielen."
Salomon JmUssoIui an Bbeinberger
Leipzig, Palmsonntag 76
Soeben habe ich in der Thomaskirche Ihr herrliches Requiem (ganz vortrefflich
unter Richter's Leitung) ausgeführt gehört. Ganz erfüllt von dem empfangenen tiefen
383
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Eindrucke kann ich ea mir nicht veraagen, Ihnen meine aufrichtige Freude über Ihr
ach^nea, wahrhaft edlea Werk auazuaprechen. Ich begrüaae Sie verehrungayoll und
ergebenat. Jadaaaohn
Hennann Leit an Rheinbergor
Alexanderbad, 20. 9. 1877
Verehrter Herr Kollegel
Soeben leae ich in der Allgemeinen, waa ich llngat erwartet und — gehofft
hatte« Nehmen Sie meinen aufrichtigen und herzlichen Glfickwunach [zur Ernennung
zum k. Hofkapellmeiater]. Laaaen Sie una gute Kollegen aein und gute Freunde I
Von ganzem Herzen reiche ich Ihnen die Hand zu eintrichtigem Zuaammenwirken
und hoffe, daaa Sie einachlagen und dasa aua unaerem Bunde nicht nur ffir una aelbat
aondem auch f&r die muaikaliachen Verhiltniaae Münchena Gutea erblühen mögel
. • . Alao nochmala meinen Glückwunsch und — auf gute Kameradachaft. Ich habe
achwere troatloae Zeiten durchgemacht, eine nicht unbedenkliche Krankheit, von der
ich immer noch nicht ganz erholt bin. Ich will nun nichsten Sonntag im Nürnberger
oder Regenaburger Theater probiren, wie ich Muaik und Hitze und Menachengewühl
ertrage, und hoffe mich dann Ende dea Monats zum Dienat melden zu können.
Groaae Freude hatte ich durch daa Zusammensein mit Holsteins, die 14 Tage
hier waren ... Ihr ganz ergebener
Hermann Levi
(Ans dem Tagebveh Ton Frau F. Bheinberger):
[Januar 1878 erhllt Rheinberger daa Ritterkreuz des k. bayr. Michaelsordens
I. Klaaae.
In der Folge viele begeiaterte Anerkennungabriefe (und Ernennungen zum
Ehren-Mitgliede von muaikaliachen Vereinen aua Deutschland, Frankreich, England
und Amerika. In England wurden Rheinberger'sche Kompositionen zuerst durch
Bülow eingeführt, gespielt oder persönlich dirigirt. Dort wurde seine kontrapunktiatische
Begabung direkt «maaterly* (meiaterlich) gefunden].
Niela Gade an Rheinberger
Kopenhagen, 20. Oktober 79
. . . Mit Interesse und Freude habe ich Ihre Ouvertüre durchgelesen und werde
sie in unserm Winterconcerte zur Aufführung bringen. Die Komposition ist klar und
schöngefasst und muss sehr schön klingen ~ Eigenschaften, auf die ich aehr viel
halte . . . Dbrigens haben wir hier in Kopenhagen öftere Kompositionen von Ihnen
gehört, sowohl Orchester- als Kammermusik.
Ihr freundlich ergebener
Niela Gade
Engelbert Hnmperdlnek an Rheinberger
Xanten, 15. 10. 79
Hochgeehrter Herr Hofkapellmeister! Laut soeben eingetroffener Benach-
richtigung aeitena des Herrn Prof. Joachim in Berlin wurde mir von der dortigen
Mendelssohn-Stiftung für die unter Ihrer Anleitung gefertigten Arbeiten «Humoreske*
und «Wallfahrt nach Kevlaar* der Preis verliehen, bestehend in einem Reisestipendium
von 1500 Mark« Dieae Ihnen gewias erfreuliche Mittheilung nebst achtungavollen
Grüaaen von Ihrem dankbar ergebenen Schüler E. Humperdinck
Telt setzt, um deren Fortkommen man 8lcb gir keine weiteren Sorgen zu macbea
braucbl. Setzen Sie diese schSne Bescblfilgung mit gleichem Pieisse fort und seien
Sie Überzeugt, dass mit andauernder Tbellnabme dieselbe verfolgen wird
Ibr Bitergebener Ferdinand Hiller
ifoldemar Barglel m Bkeloberger
Berlin, 25. 2. 82
. . . Nur zu eigener Genugihuung würde es mir gerelcben, Gelegenheit zu
finden, von Ihren wertvollen Terken zur AuRühruog zu bringen . . .
Carl Belneobe an Bhelnber^r
Leipzig, 1. 12. 82
KSnnen Sie es nicht möglich machen zu kommen und Ibr Verk zu dlrlgireti . . .
ea würde mich so sehr freuen. Schreiben Sie mir gleich mit einem Torte Ja", damit
Ich noch ankündigen kann: Unter Leitung des Komponisten.
Ihr ergebenster Carl Reinecke
(Telegramm: Leipilc, d. 8. 12. 82, an Rh ein berger-München. Chrlstopborus-
Aufführung vortrefflich, grosser Beifall, nur anerkennende Gespriche auf dem Heim-
wege. Brief, Kritiken folgen.)
') Doktor der Phlloaophie.
385
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Robert Frani an Bhelnbergrer
Halle, 22. Jan. 84
Besten Dank für die Obersendung Ihrer Photographie, die mir ein ernstes liebes
Gesicht zeigt. Auf Ihren Wnnsch schicke ich die meinige, kann aber dabei nicht
verhehlen, dass sie sich etwas ledern ausnimmt. Lassen Sie sich nochmals meine
aufrichtige Freude darüber sagen, dass Sie Ihre herrlichen Gaben in den Dienst des
grossen Sebastian Bach stellten: angesichts des wQsten Treibens der Gegenwart kann
man gar nichts Besseres thun, als die Aufmerksamkeit der Menschen auf Werke
hinzuleiten, in denen der reine Athem der Kunst weht . . .
Am Schlüsse Ihres Briefes heisst es: »in München werde ich durch ein wohl-
wollendes Entgegenkommen nicht yerwöhnt*. Da sollten Sie erst das Verhalten
meiner lieben Landsleute in Halle kennen lernen! Seitdem ich vollends auf jede
praktische Tätigkeit Verzicht leisten muss, stehe ich in deren Augen noch tief unter
NulL Die Menschen können eben nicht vertragen, dass man ein bischen anders ist,
wie sie; — auch fühlt sich der grosse Haufen in seiner grollenden Abneigung voll-
kommen sicher, weil er die ungeheuere MajoritXt bildet. In Deutschland namentlich
ist das von jeher so gewesen! . . .
Hans von Blllow an Bhelnberger
Ihre freundlichen Zeilen, gleichzeitig mit dem schuldigen Danke für Ihr Bild
nicht allzu unlinglich zu beantworten, fehlt es mir gegenwirtig an Müsse. Zudem
sehe ich immer noch der versprochenen Dipteralisirung von Bach's 142jihrigen XXX
entgegen, um so ungeduldiger, als mich Herr Winding (Copenhagen) mit einer Reduction
In usum delphin — ae ennuyirt hat.
Sie wissen, oder wissen es vielleicht nicht, dass ich Ihres Thürmers Töchterlein
für ein sehr lebensfähiges Bühnenwerk halte. In einer Matin6e in Hamburg möchte
ich den Wallenstein so »dramatisch* (Theaterconcert) aufführen, dass eine Empfehlung
gen. Oper an Pollini und Sucher nicht ginzlich pour l'empereur d' Allem agne expek-
torirt würde. Hitten Sie die Güte, meine vielleicht infernolostricante Absicht durch
sofortige Zusendung einiger Textbücher (auch in Bremen — vide Beilage) zu fördern?
Noch Eines! Sie haben vor bald vier Lustren eine grosse Klavierfuge (H dur?
— eine Art Pendant zu op. 106 Finale) geschrieben, die mir abhanden gekommen ist,
deren Titel mir nicht einmal mehr erinnerlich ist, die mir aber damals so fabelhaft
imponiert hat, dass ich jetzt, wo ich bei »Klaue* bin, deren Einübung riskiren möchte.
Nehmen Sie mir diese Express-Betteleien nicht übel, haben Sie die Güte, mich Ihrer
Gemahlin verehrungsvoll zu empfehlen und bleiben Sie versichert der unwandelbaren
vorzüglichen Hochachtung Ihres ganz ergebenen Bewunderers
Hans V. Bülow,
Meiningen, 12. Februar 84 Intendant der herzogl. Hofkapelle
Berlin, 26. Febr. 84
Hochgeehrter Herr und Freund!
Besten Dank für Ihren molto a proposito gekommenen Brief, der in Bremen
und Hamburg meine Thürmertöchterlichen Bestrebungen wirksam gefördert hat.
Pollini ist sehr geneigt, detto Sucher — Beide sind mir persönlich verpflichtet.
Aber nun — um aller Heiligen willen — Textbücher, womöglich eines mit Dialog
und Klavierauszüge! habe in Bremen auf letztere umsonst gefahndet. C . . . ist ja
nach Californien ver— pleitet
386
DIE MUSIK V. 24.
Senden Sie KlavierauszGge an . . . Bremen.
... Dr. G • • •
Letzterer ist ein so schneidiger Kritiker, dass er T. stürzen wird und dass
Angelo Neumann Alles thut, was er — befiehlt.
II faut battre son fröre pendant qu'il est chauve.
Der Ihrigste in skandalöser Hatz
Bülow
Joh« Nep. Nnssbaam V ab Frau Fanny Rheinberger
d. 12. IV. 83
Grfissen Sie mir den guten Herrn Hofkapellmeister vielmals und sagen Sie ihm,
dass seine Hand nicht ganz gesund, aber wieder recht ordentlich brauchbar werden
wird . . .
Hans yon Baiow an Frau Fanny Rheinberger
Frankfurt am Main, 11. Juni 84
Gnidigste Frau!
Genehmigen Sie meinen freudigst verbindlichsten Dank f&r die gütige Mit-
theilung der neuen Klaviersonate Ihres hochverehrten Gemahls. Das ist ja der
.reine Frühling*. Ich bitte nicht geglaubt, dass ausser einem neuen opus von
Brahma noch etwas anderes Zeitgenössisches — wenn auch (nicht obgleich) in an-
derer Weise — mich so fesselnd anmuthen würde. Habe ich es nöthig, zu sagen,
dass ich es mir zur Ehre und Freude rechnen werde, das hochliebenswürdige und
dabei ao ideal-klaviermlssige Werk in nichster Saison nach Kräften würdig zu repro-
duciren? Den Autor in diesem Betreff persönlich zu konsultiren, hoffentlich gibt sich
hierfür Mitte nächsten Novembers Gelegenheit. — Eine längere Tournee der Meininger
Hofkapelle, welche uns sogar nach Wien uaw. führen wird, würde ein ängstliches
Umgehen der Residenz Hermann Levi's doch gar zu missdeutbar auffällig machen.
Es sollen somit auch drei Concerte im Odeon von mir in München veranstaltet
werden, in deren Programmen der mir zwanzig Jahre lang lieb und wert gebliebene
Wallenstein nicht fehlen wird. Nicht unwahrscheinlich dürfte es Ihnen von Interesse
sein, einmal ein Rheinberger'sches Werk in wirklich sorgRltiger Weise einstudiert —
nach mindestens dreimal so vielen Proben als landesüblich, zu hören. Da dem
Cbristophorus in Düsseldorf solch gebührende Gunst nicht hat zu Theil werden
können, so erlaube ich mir, die Abwesenheit seines Autors vom genannten Feste —
wie erbärmlich dilettantenhaft es bei diesen Routs zugeht, habe ich vor 2 Jahren in
Aachen unter Wüllner erlebt; übrigens soll die heilige Pflngsttaube auch diesmal nur
über der Brahms'schen Sinfonie geflattert haben — aus keinem andern Grunde zu
beklagen, ala dass wiederum «ein Nussbaum vor Ihrem Hause steht*, Ausgang
wehrend. Möge derselbe diesmal nur auf Nimmerwiederkehrenmüssen seine Schuldig-
keit thuni Meine innigsten Wünsche für baldigste Genesung des verehrten Meisters,
dessen von Ihnen, gnädige Frsu, als von einem hierin so unvergleichlichen Rivalen
geschilderter Heroismus im Ertrsgen der von Mstrigna natura verhängten Leiden,
die respektvollste Bewunderung hervorrufen muss.
In vorzüglichster Hochschtung habe ich die Ehre, gnädigste Frau, mich zu
nennen Ihren ganz ergebenen Diener
H. V. Bülow
^) Professor der Chirurgie an der Universität München.
387
PERGER: RHEINBERGERS LEBEN UND SCHAFFEN
Frani Wfillner an Bbelnberger
Köln, 20./2. 85
In Berlin habe ich am 30. Januar die Ouvertüre zur »Bezähmten Wider-
apänttigen" mit sehr gutem Erfolg zur Aufführung gebracht Dieselbe ist seitdem ein
Repertoirestück des philharmonischen Orchesters geworden . . .
Ihr treulichst ergebener
F. Wfillner
(Aas dem Tagebuch tob Frau F. Rheinberger):
[Auf einer leeren Seite ein Lorbeer-Blatt, darauf mit Tinte, von Frau Rh.s Hand,
geschrieben:] 50 Jahre. 17./III. 89.
Mirz 1880. Prof. Schafhlutl, 86 Jahre alt, gratulirt in einem langen Schreiben
zum 50. Geburtstage jenem Josef Rheinberger, dessen er sich noch so liebevoll als
»kleinen Rheinberger" erinnert«
Karl Goldmark an Rheinberger
Wien, 18. März 1889
Herzlichst danke ich Ihnen für Ihre lieben Zeilen, die mich hoch erfreuten.
Wenn die Stimmen nicht gezihlt, sondern gewogen werden, dann wiegt die Stimme
eines Joseph Rheinberger ein ganzes Publikum auf . . •
Theodor Gonrj an Rheinberger
schreibt am 27. Juni 89 aus Oberhomburg,
dass «die Aufführung des ,Christophorus^ in Görlitz ein glänzender Triumph* war . . .
Unter den anliegenden Papieren finden vir einen Brief von dem
jungen Komponisten
Max Boger an Rheinberger
Weiden, bayr. Oberpfalz, 30. Sept. 1900
[Er dedicirt Rheinberger] „als kleines Zeichen seiner aufrichtigsten und be-
sonderen Verehrung" eine [Orgel-]Phantasie und Fuge . . .
Beginn des Bandes 15 der „Geschäfts- und Tagebücher* von Kurt
Jos. Rheinberger geführt von Frau Franziska. Von hier ab ist ein selt-
samer Übergang bemerkbar; — nichts mehr von Musik — es folgen lange
religiöse Abhandlungen über die Verse des Ecclesiasten . . . wie ein düsterer
Hinweis auf kommendes Unheil steht die Überschrift:
O mors quam amara est memoria tua, homini pacem habenti in substantiis
suis! Eccles. 41, 1. Darunter, deutsch: O Tod wie bitter ist Deine Erinnerung fQr
den Menschen, der in Frieden seinen Reichtum geniesst • . .
Hierauf finden wir das Verzeichnis der Werke Rheinbergers von
seiner eigenen zitternden Hand geschrieben; die Briefe und Anträge der
Verleger laufen fort, ebenso die Briefe der Freunde und Verehrer, die
Berichte und Telegramme von In- und Ausland über schöne Erfolge —
doch keine intime Aufzeichnung mehr; die Nacht de$ Wahns hat ihre er-
388
DIE MUSIK V. 24.
barmungslosen schweren dunklen Fittiche über die Seele der treuen Ge-
fährtin gebreitet. Wohl kehrt die unglückliche Frau nach Wochen in das
früher so freudvolle Heim zurück — sie ist wieder klar, nur traurig,
melancholisch; doch die seelischen Stürme haben auch ihren Körper ge-
schwächt, sie leidet, sie legt sich, sie steht nimmer auf: mors optima rerum.
Was Rheinbergers feinfühlige Natur bei all dem gelitten, ist kaum zu
ermessen. Arbeit tröstete ihn. Der echte Künstler begräbt sein Leid in
den Tiefen seiner Kunst, und seltene Blumen entspriessen dem dunklen
Grunde.
Eine Nichte, Olga (aus Vaduz), weilte 10 Jahre bei dem Einsamen.
Äussere Ehren und hohe Auszeichnungen wurden ihm zuteil: der Adel
wird ihm verliehen, er wird Geheimrat, wird Ehrendoktor der philosophi-
schen Fakultät der Universität München. Der »Doktor" erfreute ihn am
meisten. Sein letztes veröffentlichtes Werk (vor seinem Tode, am 25. No-
vember 1001) war eine Orchesterfuge zu sechs Themen — sein Dank an
die philosophische Fakultät.
Am 27. November 1001, zwei Tage nach Rheinbergers Tod, betrat
ich noch einmal die mir seit meiner Kindheit wohlbekannten Räume, in
denen er 34 Jahre gelebt hatte.
Ja, es gibt Laren und Penaten wie die Alten glaubten — doch nur
wer sie verehrt, nur wer ihnen opfert, fühlt sie: ihm offenbaren sie ihre
geheimnisvoll beglückende Gegenwart. Das wussten schon die alten Mönche.
Sagt da Thomas a Kempis: «So Du Deine Zelle liebst und treulich hütest,
wird sie Dir eine liebe Freundin, so Du sie viel verlässt, wird sie Dir
düster und verhasst; unfreundlich wird sie Dich empfangen . . ."
Wenn je einer die Wechselwirkung der Freundschaft mit unbelebten
Dingen empfand, so war dies Rheinberger, der sein stilles Heim so sehr
liebte. Er konnte, unglücklich, tagelang herumirren, wenn Tapeten erneuert
oder Änderungen in der Wohnung, namentlich in seinem grossen, drei-
fenstrigen Arbeitszimmer gemacht wurden.
Ich ging, unwillkürlich mit leisen Schritten, durch den Raum. Die
Bäume grüssten zum Fenster herein, die alte Uhr tickte gleichmütig wie
ein strenger Metronom. Und nun sagte ich mir vor, dass ich den Freund
gestern tot gesehen hatte; da lag er doch in der Leichenhalle, das bleiche
Gesicht kontrastierte eigentümlich mit dem lustig bunten Band des hohen
Ordens am Halse. Ich sah, wie das Band das spitze Ende des Vollbartes
bedeckte, was das Gesicht viel kürzer erscheinen Hess, und ich hatte den
Leichenwärter geholt, der in die grosse traurige Glaskammer trat, das
Band etwas nach abwärts rückte und die Bartspitze befreite, so dass die
Schüler und Freunde die lieben charakteristischen Züge zum letzten Male
gut erkennen sollten.
d^^^ PERGER: RHEINBERGBRS LEBEN UND SCHAFFEN ~^S
Sonderbar — und hier konnte ich nicht glauben, dass er gestorben
sei, hier in diesen Räumen, in denen er so viel Innerliches erlebt und
gestaltet hatte. Die alt-italienische Madonna lächelte herunter (über dem
Schreibtisch mit den unvollendet aufliegenden Blättern), da hing an der
grossen Rückwand des Zimmers das nette altdeutsche Bild aus der Dürer-
zeit und über den vielen Büchern das schöne forum romanum des alten
Niederländers van Roos. Da stand das kleine Harmonium <das jetzt zu
mir gewandert ist), die Mozartstatuette, doch beute ohne jeden Blumen-
schmuck davor: alle Blumen .bekam sonst der Mozart* — . Hatten sie
ihn wirklich aus dieser seiner kleinen Welt forlgetragen für immer? . .
Wird er nie wieder aus jener dunklen Türe zu mir bereintreten P . . Es
redete der schweigende schwarze Blüthner-FIügel eine seltsame Sprache,
als wollte er bedeuten: in der Pause erst wirkt der Rhythmus. Die grosse
Pause war gekommen.
Und ich dachte den Gedanken Maurice Maeterlincks neu, als ob er
mein eigener wäre, den schönsten Gedanken über die unbewusst Dahin-
lebenden und die neben ihnen geheimnisvoll Scheidenden, in seinem kleinen
Buch ,Zu Hause': . . .Jeder trägt in seiner Brust mehr als einen Grund,
nicht mehr zu leben. Man siebt in die Seelen nicht ao hinein, wie In
dieses Zimmer . . . Man lebt Monate lang an der Seite eines Menschen,
der nicht mehr zu dieser Welt gehört und für dessen Seele es keine
Umkehr gibt; man antwortet ihm gedankenlos . . .
Sie leben an Euerer Seite Tag und Nacht, aber Ihr seht sie nicht früher
als bis sie für immer gehen . . ,.
Rbelnberger hatte sie» gewünscht, auf dem acbSnen Friedbot In Vadui einai
«uizurataeii, in deiaen unmittelbirer NUe die Bergwasier Im Schatten alter Biume
ins Tal biannlemuicheii ; doch erfüllte er Tunscb uad Testament lelner Gemahlin
und erwarb Im Mflnctaner Büdl. Friedhofe eine .Hallengrabatltte*. Der talentvolle
junce Bildbauer Egon Rbeinberger icbuf du Grabmal des Onkeli In grauem Sand-
stein. — Joaef Rhelsbergeii Testament spendete 250,000 Mk. für wohllitige Zwecke
(ohne Untenchied der Konfeaifon fQr die Münchner Armen allein 100,000 Mk.)
Laufe des Winters 1874, am 20. Dezember, erschien in
!.eipzig Meister Richard Wagner.
Friedrich Haase, der Direktor und Pächter des Leipziger
Theaters, war mit dem Meister in einem Tantiemenstreit be-
griifen und wollte sich gerade deshalb nicht verstehen, diesem den Gerallen
zu tun, eines der Wagnerschen Werke auf der Bühne des Stadttheaters in
des Meisters Gegenwart zu Ehren desselben aubuführen. Ich, der ich
seit 1870 in allen hervorragenden Wagnerschen Baritonrollen beschäftigt
war, hllte mir es zur höchsten Ehre angerechnet, als Wolfram, Telramund,
Holländer oder gar als Hans Sachs vor den Augen des Meisters aufzu-
treten. Freilich wäre diesem durch Aufführung eines seiner Werke mit
den allerorts (und auch in Leipzig) üblichen Strichen kein besonderer Ge-
fallen getan worden, und ich habe es sogar für ein Glück gehalten, dass
der Meister mit derartigen fragmentarischen Darbietungen damals verschont
wurde.
Da aber Kapellmeister Gustav Schmidt nicht imstande war, Haases
unfreundliche Gesinnung gegen Wagner zu besiegen, so glaubte Schmidt
diesen mit der Vorführung eines der Werke der von ihm besonders ver-
ehrten deutschen Meister zu erfreuen. Anfangs dachte er an Beethovens
Fidelio, an Msrscbners Templer, an Webers Euryanthe, erst zuletzt an
') AU im FrGbJibr 1902 Eugen Gura lich von aelner weitrerzve)|ten Ver-
ehrergemelnde durch eine Reihe von Konienen verabschiedete, brachte iinaere Zeli-
schrifi au« der Feder von Paul Müller (.Die Musik', Bd. 2, S. 1673 ff.) tine fein-
sinnige Studie aber den un vergleich liehen KQnsüer, die besonders den unerreichten
Vortrags melsier auf dem Gebiete der Ballade und des Liedes In den Kreis Ibier Be-
trachtung zog. Am 26. August d. J. hat nun der MelstersISger seine Augen fGr immer
geschlossen. Tlr glauben unseren Lesern einen Gefallen lu erweteen, wenn wir Im
Folgenden anziehende Einzelheiten auch über seine nicht minder bedeutungsvolle
TItigkelt als Bühnensinger sowie über seine Beziehungen zum Bayreuther Meister
mitteilen, und zwar entnehmen wir die fesselnden AusfQbrungen mit Genebmignng
des Verlages den Interessanten .Erinnerungen aus meinem Leben", die der Ent-
acblafene im vorigen Jahre bei Breitkopf & Hirtel erscheinen Hess (geh. Mk. 4,
geb. Mk. 5). Anmerkung der Redaktion
391
GURA: AUS MEINEM LEBEN
Spohrs Jessonda, worin ich schon öfters (seit 17. Oktober 1870) den
Portugiesenführer Tristan d'Acunha dargestellt hatte. Am 20. Dez. 1874
kam also im Stadttheater eine Aufführung dieses vornehmen Werkes zu-
stande, die im ganzen zu höchster Zufriedenheit Wagners sich gestaltete.
Er hatte seinen Sitz im ersten Rang in der Mitte des Balkons. Ein freund-
licher Zufall fugte es, dass neben ihm meine Frau sass, um welches Glück
sie schon von vielen im versammelten Publikum beneidet wurde. Wagners
frappanter charakteristischer Kopf war natürlich sofort Gegenstand des all-
seitigsten Interesses (und auch der Neugierde) der guten Leipziger. Alle
Welt wandte sich nach dem auf dem Mittelbalkon sitzenden Meister, den
die Darstellung meines Tristan d'Acunha derart anregte, dass er mit lauten
freudigen' Äusserungen nicht zurückhielt. Am Schluss der Oper verab-
schiedete er sich von meiner Frau mit herzlichen Worten und schloss:
»Grüssen Sie mir vielmals Ihren Mann, er hat mir aufrichtige Freude ge-
macht! Sagen Sie ihm: Er ist ein Mann, ein MannI''
Ende Dezember schrieb Wagner in seinem Aufsatz im musikalischen
Wochenblatt ^) «Über eine Opernaufführung in Leipzig" :
»Wer so selten eine Theatervorstellung, und namentlich die Aufführung einer
Oper besucht, wie leb, der verspürt in schwächerem oder stärkerem Grade gewiss
auch die Empfindung einer dem Vorgange sehr günstigen Überraschung. Namentlich
das Erklingen des Orchesters übt, in solchen Fällen, stets einen wahrhaft magischen
Eindruck auf den sonst in so grosser Zurückgezogenheit Dahinlebenden. Nicht anders
erging es mir auch diesmal beim Erklingen der Ouvertüre zu ajessonda".
Eine einzige Gestalt, wie diejenige des vom Komponisten wohl etwas zu weich-
lich gehaltenen portugiesischen Generals Tristan d'Acunha, sobald sie uns ein Künstler
von der Begabung des Herrn Gura vorführt, kann uns als eine wahrhaft interessante
Erscheinung einnehmen. Dieser gegenüber durfte diesmal iedes Bedenken ver-
schwinden: Alles war rein und edeL Allerdings fesselte schon des Darstellers ein-
faches Auftreten: Als er, von Nadori gerufen, mit der Frage: ,Wer soll jenen Tod
erleiden?* vom Hügel zu den Frauen herabschritt, stellte sich mir in ihm eine tragische
Erscheinung von rührendster und ergreifendster Einfachheit dar. Wie schwer, ja wie
unmöglich die Vorzüge eines solchen männlich -künstlerischen Naturells durch die
selbst sorgAltigste Verwendung vereinzelter glücklicher Begabungen, wie angenehmes
Äussere, gutes Stimmaterial usw. zu ersetzen sind, dies erkennt man sofort an der
Umgebung eines jener ,aus dem Ganzen Geschnittenen!' Hier gelingt alles, selbst
die unsingbarste Spobrsche Violinpassage beeinträchtigt den Vortrag des Sängers nicht
mehr, weil dieser uns jeden Augenblick fesselt, und somit unsre Aufmerksamkeit auf
das verfehlte Aussenwerk seiner ihm aufgedrungenen Leistung gleichsam entkräftet
wird.« —
Nach der Oper wurde mir die Auszeichnung, vom Meister gebeten
zu werden, einer geselligen Zusammenkunft im Kreise einiger Leipziger
Freunde beizuwohnen. Darunter waren auch Hofrat Marbach und dessen
^) Später in den ersten Band der gesammelten Schriften und Dichtungen
R. Wagners aufgenommen.
392
DIE MUSIK V. 24.
Sohn, der Buchhändler und Musikverleger E. W. Fritzsch, der Dirigent
Riedel, der im Jahre 1872 mit seiner Sängerschar, dem Riedeischen Verein,
unter Wagners Dirigentenstab in Bayreuth bei der Grundsteinlegung des
Festspielhauses die Chore der Neunten Symphonie leitete. Als Zusammen-
kunfcsort diente das Hotel Hauffe, das zum Zeugen der anregendsten Ge-
spräche wurde. Des andern Tages hatte ich sogar die Ehre, des Meisters
persönlichen Besuch in meiner Wohnung, an der Ecke der Schfitzenstrasse
(im Hause des Baron Speck von Stemburg), am Schwanenteiche, zu
empfangen.
Sein Wunsch war vor allem: In seinem in Bayreuth darzustellenden
Ring des Nibelungen mich in den Reihen der Darsteller zu sehen.
Da einer alten Abmachung gemäss der Meister den trefflichen, im
Jahre 1868 bewährten Hans Sachs-Darsteller Franz Betz als dereinstigen
Wotan im Auge hatte, so war es begreiflich, wenn er auf diesen stimm-
gewaltigen und reckenhaften Bariton immer wieder zurückkam, denn Betz
war ohne Frage in dieser Zeit unter allen Baritonsängem der berufenste.
Wagner übersandte mir zwar durch Seidl die Partieen des Wotan im
Rheingöld und in der Walküre und des Wanderers im Siegfried zu an-
gelegentlichstem Studium, aber als meine eigentlichste Aufgabe sandte er
mir später durch Zumpe den Günther in der Götterdämmerung. Diese
Aufgabe ergriff ich auch gleich mit Feuereifer, so dass ich vollkommen
mit der Rolle vertraut bei den ersten Proben erscheinen konnte . . .
Es waren Tage der gewaltigsten Erhebung, diese Proben in den
Räumen des Festspielhauses. Auf der Bühne sitzend, vor sich die Partitur
des Nibelungenwerkes, von dessen musikalischer Herrlichkeit wir zwar in
steigender Weise ergriffen wurden, von dessen hoher Bedeutung und kultur-
geschichtlicher Wichtigkeit, von dessen vorbildlicher Sendung wir nur zum
geringen Teil eine Ahnung hatten, feuerte der Meister alle Mitwirkenden
durch seine geistsprühende Persönlichkeit an; nicht nur eingreifend in den
Vortrag der Darsteller und die Entwicklung der szenischen Bilder, auch
belebend und anfeuernd auf den Vortrag des Orchesters, das Hans Richter
in der Tiefe des unsichtbaren Raumes leitete.
Als nach dem Rheingold die alles berückende Walküre folgte, worin
Albert Niemann zuerst seinen gewaltigen Siegmund sang, erinnere ich mich
deutlich eines Vorfalles, der mir als Beispiel von der Ursprünglichkeit
eines warm und heftig empfindenden Künstlergemütes im Gedächtnis haftet.
Beim dritten Aufzuge war Niemann noch als Zuhörer anwesend; als nun
gegen das Ende des Aktes zum erstenmal das Motiv von Wotans Abschied
(bei der stürmischen Umarmung Brünnhildens) in gewaltigem Glanz mit
vollem Orchester in seiner überwältigenden Tonpracht ertönte, wirkte das
ungeheure Motiv auf Niemann mit solcher Übergewalt, dass der alte Recke,
393
GURA: AUS MEINEM LEBEN
von stärkster Ergriffenheit gepackt, in heftiges Schluchzen ausbrach und
erst lange nach Beendigung der Probe zu endlicher Beruhigung gelangen
konnte.
Ebenso unvergesslich ist mir der momentane Eindruck, den Heinrich
Vogl als Loge im Rheingold im Jahre 1876 auf das versammelte Publikum
machte, als er das sangreiche Motiv von „Weibes Wonne und Wert* mit
seiner pastosen Stimme erklingen Hess. Alles brach in freudigen Jubel
aus in Gegenwart des alten Heldenkaisers Wilhelm L
Unter den mitwirkenden Damen war auch eine Frau S. Grün, einstens
dem Verbände des Berliner Hofopemtheaters angehörig, die in erster Linie
dazu bestimmt war, eine Göttin (die Fricka) im Rheingold darzustellen. An
einem freien Nachmittage, an dem eine Pause im Ringstudium gemacht
wurde, hatten schon verschiedene der mitwirkenden Herren und Damen
auf des Meisters aufmunterndes Geheiss Fragmente aus dessen früheren
Werken am Klavier vorgetragen. Da von andern schon manches aus dem
Tannhäuser gewählt war, wurde auch Frau Grün vom Meister gebeten,
das Gebet der Elisabeth aus dem dritten Akte des Tannhäuser vorzusingen.
Ehe sie aber begann, sprach diese mit heiterer Naivität folgende Worte zu
Richard Wagner: „Aber lieber Meister, ich mache Sie aufmerksam, ich
pflege dieses Stück, wie Sie es selber gebilligt haben sollen, mit den all-
gemein üblichen Kürzungen und Strichen vorzutragen." Kaum hatte Frau G.
dieses Ansinnen ausgesprochen, als der erregte Meister sich ihr zornig zu-
wandte mit den Worten: „Was sagen Sie da? ich hätte jemals solche
Striche gebilligt und noch dazu im Gebet der Elisabeth?" Geradezu bebend
herrschte er sie an: ,Jetzt hören Sie mich vor allen Dingen einmal ge-
fälligst an !" Und mit besonderem Ausdrucke deklamierte er ihr die in Frage
kommende Stelle aus dem Gebet der Elisabeth:
„Wenn je, in tör'gem Wabn befangen, mein Herz sich abgewandt von dir, —
Wenn je ein sundigei Verlangen, ein weltlich Sehnen keimt in mir: —
So rang ich unter tausend Schmerzen, dass ich es tot in meinem Herzen!"
mit einer grossartigen Erhebung, mit einem faszinierenden erhabenen
Schwung, der uns Zuhörer alle mächtig ergriflP. Als er hocherregt geendet,
donnerte er ihr nochmals ins Gesicht: «Und Sie wagen zu behaupten, ich
selber hätte jemals diesen Strich gebilligt? Haben Sie jemals über den
Sinn dieser Worte nachgedacht? Hatten Sie eine Ahnung, was ich der
Elisabeth mit diesen Worten in den Mund gelegt haben wollte? Hatten
Sie jemals eine Ahnung von dem Seelenschmerz der landgräflichen Jungfrau?''
Erst als nach und nach, wie von selber, ein Gespräch über die Be-
deutung der musikalischen Deklamation und über die Bedeutung der Meister
Weber und Marschner in Gang kam, wurde er wieder heiter und gemässigter.
Man sah ihn allmählich aus seiner zornigen Erregung sich loslösen beim
V. 24. 28
■ DIE MUSIK V. 24. ;
Nennen dieser Romantiker, und gar zuletzt beim Nennen des ihm ver-
wandten Zeitgenossen Karl Loewe, des BaUadenliomponisten.
.Ha, rief der Meister, das ist ein ernster, mit Bedeutung die
schöne deutsche Sprache behandelnder, nicht hoch genug zu
ehrender deutscher Meister, echt und wahrt* — Sofort trat er ao
seine musikalische Bibliothek und schlug Loewes Kompositionen der
nordischen Balladen Herders auf: Edward, Herr OluF, Uhlands Drei Lieder,
Goethes Erlkönig.
Augenblicklich musste Joseph Rubinstein, der Begleiter bei den
Nibelungen-Proben, an das Klavier. Ich sang ihm den düsteren Edward,
Herr Oluf und Goethes Erlkönig. Da ich beim Edward einige der manig-
fachen Ausrufe ,0h' zu vereinfachen wähnte, indem ich zwei Ausrufe
musikalisch in einen zusammenzog, also mit einem komplizierten Empßndungs-
laut eine Vereinfachung zu bringen glaubte, rief Wagner sogleich: , Haiti
das dürfen Sie nicht I Jeder dieser Ausrufe in seinen mannigfachen Ab-
stufungen bat seine volle Berechtigung. Diese elementaren Rufe müssen
in der hier fixierten Form gebracht werden!* Und ich Hess mir es nicht
umsonst gesagt sein 1 Gewissenhaft saug ich seit diesem Tage jeden dieser
Ausrufe : Oh I Je nach der Person (Mutter oder Sohn) mich einer ver-
schiedenartigen Färbung befleissend.
ich durfte am Schlüsse dieses Abends wahrnehmen : Es war mir ge-
lungen, den Meister aus zorniger Aufgeregtheit durch seine geliebten Romantiker
Weber und Marschner und namentlich durch das Singen Loewescher
Balladen wieder in eine behagliche Stimmung versetzt zu haben. ~
tal selten Ut ein MuilkfCit in lo unbebolfener Art und Tefte amDgien
«ordea, wie das dicEjibrige in Saliburg, mit dem die Impaunie
Selbe von Huldigungen ihren AbichluM hnd, die In deutichen Landen
■UB Ania» der isa Tiederkehr von Moiarti Geburtstage dem GcDiua
dieses Meisters dargebracbt wurden. Gleicb der ErSffaungsabend am
14. August brachte eine arge Enttiuscbung. Denn die von Ulli Lebmann im Verein
mit dem In der musikailacben Telt fast unbekannten Pariser Komponisten Raynaldo
Hahn In einer einzigen Probe einstudierte .Don Giovannl'-Tledergabe war nichts
weniger als eines Mozirtfestes würdig. Alle Achtung vor der gewiss von den besten
Absichten geleitet gewesenen grossen Künstlerin! Aber wlre es des UrschSpfers
der deutschen Oper nicht würdiger gewesen, wenn man zu Ehren seiaea ISO. Geburts-
tages sein herrlichstes Bühnenwerk in einer deutschen Tiedergabe dargeboten
bitte, anstatt mit einem Htt durchweg aus nlchtitaltenlscben KGnatlem lu-
sammen gesetzten Ensemble einen Italienischen .Don Giovanni* zu bringen, der schon
infolge der Mannlgtalilgkelt In der Uehandlung des Italienischen Idioms durch die
Mitwirkenden von vomtaerein daa Geprlge der Uneloheitlicbkell tragen mussie? An
guten deutschen Obersetzungen Ist doch kein Mangel. Erst in Jüngster Zeit Itt zu den
bisherigen von Kalbeck, Levi u. a. eine susgezeichnete von Heinemann hinzugekommen.
Und was die Rezltstivrenigkeii deutscher Singer betrflTi, so haben die Toliendeten
aFigaro'-Aarrührungen des Tlener Hofopemtheatera unter Gustav Mahler, die den
Glanzpunkt des ganzen Festes bildeten, wohl zur Genüge bewiesen, wieviel sieb in
dieser Hinsicht such in deutscher Sprache erreichen lissi — allerdings durch mehr
als eine Probe. Oder bitten wir in der Tat diesen Italienischen ,Don Ciovsnni*
beim Mozarifeite in Salzburg dem Umstände zu verdanken gehabt, dass die Herren
d'Andrade und Hahn zur Mitwirkung herangezogen werden sollten? Dss waren —
unumwunden gesagt — beide Herren denn doch nicht wert. d'Andrade'a bezeich-
nenderweise in Deutschland mebr denn in seiner Heimat bewunderter Don Giovanni
mag ja In früheren Jahren seine Vlrkung nicht verfehlt haben; gegenwlrtig vermag
aeln zwar ausgezeichnetes, jedoch nicht immer einwandfreies Spiel und seihst
seine unleugbar musteibafte Behandlung des Rezitativs doch keineswegs darüber
hinwegzutiutchen, dass sein Organ eine senischwuodene Pracht' iat. Und die
DirlgierRhlgkeiten des Herrn Hahn reichen ja nicht einmal an die eines duich-
Bchnlttlichen deutschen Stsdttheaterkapel Im eiste rs heran. Der Unstern, der ßber dem
ersten Theatetfestabend gewaltet, bebernchie zum Teil auch die Festkonzerte. So
war vor allem die Zusammensetzung der Programme eine von Grund aus verfehlte.
Ein Mozartfest mit Beethovens c-moll Symphonie -und der Neunten Brückners, das ist
ein Monstrum, wie es von mit der Musikgeschichte auf Kriegsfuss Sichenden nicht
schlimmer hitte zustandegebracbt werden kOnnen. Gar arg war es weiter um die bei
396
DIE MUSIK V. 24.
diesen Festkonzerten mitwirkenden Solisten bestellt Zum grossen Teile als Ersatz
fQr die ursprfinglich in Aussicht genommenen und in letzter Stunde absagenden
eingetreten, vermochten sie den an ein Musikfest geknöpften Erwartungen durchweg
nicht zu entsprechen. Das erste der vier in der altertümlichen Aula academica statt-
gefundenen Festkonzerte ging am 15. August unter Mottls Leitung vor sich und
brachte die von den Wiener Philharmonikern meisterhaft wiedergegebene C-dur
Symphonie (K6chel No. 504), das Andante mit 6 Variationen für Streichorchester und
zwei H5mer aus dem Divertimento No. 17 (Kdchel No. 334) sowie die hier allerdings
unangebrachte Beethovensche FQnfte. Die piftce de resistance dieses Konzertes bildete
das von Saint-SaCns, dem ein begeisterter Empfang bereitet wurde, nicht in einer
den Erwartungen ganz gerecht werdenden Weise gespielte Klavierkonzert in Es
(Köchel 482). In dem am 17. August stattgefundenen zweiten Festkonzerte gab es
zunichst eine Sensation: das Erscheinen Richard Strauss', der für den absagenden
Dr. Muck eingetreten war, am Dirigenteopulte. Die von ihm herrlich zu Gehör ge-
brachte Ouvertüre zur «Zauberflöte" weckte eine begeisterte Stimmung im Festsaale,
die aber leider schon mit der nichsten Nummer des Programms, der konzertanten
Symphonie für Violine und Viola (Köchel No. 364), schwand, da das Solistenehepaar
Petschnikoff seiner Aufgabe sich nicht gewachsen zeigte. Wohl erwärmte die darauf-
folgende, von Strauss nach einer einzigen Probe meisterhaft geleitete Brucknersche
Neunte die Festgiste wieder, doch konnte man allgemein der Meinung Ausdruck
geben hören, dass dieses Werk hier nicht am Platze gewesen. Hatte dieses zweite
Konzert schon nicht zur Genüge zu befriedigen vermocht, so war das dritte (am
18. August) an Enttluschungen nur zu reich. Hier trat nämlich die ganze Kopf-
losigkeit, mit der das Fest veranstaltet worden war, am erschreckendsten zutage.
Denn fast alle in diesem Konzert Mitwirkenden erwiesen sich als minorum gentium.
Voran Guido Peters, der es beinahe zuwege gebracht hätte, die Festgäste aus
dem Saale zu treiben, wenn er nicht so vorsichtig gewesen wäre, sein Programm
ohne Pause herunterzuleiern. Auch das Wiener Fitzner-Quartett, das das Es-dur
Quartett (Köchel 493) und mit Herrn Bartholomey das A-dur Quintett (Köchel
581) wohl ganz einwandft'ei zu Gehör brachte, ja mit dem glänzend wiedergegebenen
Larghetto des letztgenannten Werkes die durch das Vorhergegangene arg ver-
dorbene Stimmung des Saales ein wenig gebessert hatte, konnte bei all seiner nicht
zu unterschitzenden Tüchtigkeit doch nicht darüber im unklaren lassen, dass es keines-
wegs musikfestreif sei. Und selbst Geraldine Farrar, die prachtvolle Zerline der
verunglückten »Don Giovanni'-Aufführung, enttäuschte mit dem Vortrage der Arie mit
obligater Vieline »Non temer amato bene" (Köchel 400), durch den sie wieder einmal
den Beweis dafür erbrachte, dass eine ausgezeichnete Bühnensängerin nicht immer
auch eine gute Liedersängerin ist. Das vierte und letzte Festkonzert (am 19. August)
war der Kirchenmusik gewidmet und entschädigte teilweise für den schlechten Ein-
druck, den dts ihm vorausgegangene hervorgerufen hatte. Von einheimischen
Kräften, die der Mozarteumsdirektor Hummel leitete, bestritten, brachte es als erste
Nummer die dem Programm zur Erinnerung an den 100. Todestag Michtel Haydns
(10. August) eingefügte Motette .Tenebrae factae sunt* dieses Meisters, ein tiefernstes
Werk, dss allgemeines Interesse erregte. Den Höhepunkt dieses Konzertes bezeich-
nete die nach dem göttlichen »Ave verum* vollendet wiedergegebene Krönungsmesse.
BÜCHER
195. Johann«« Schreyer: Harmonielehre. (VBlIlg umcearbeJtete Ausgabe der
Schrift >Voa Bach bla Tagner".'^ Veriag: Holie & Pahl, Dresden.
Ei lit unmSgllch, alch in venigen Zeilen Dber dieaei Terk xa iuiaern, für das
die BezelcbnuBg BersiUauig" einmal unbedingt zntrjffc; et rfihrt Indirekt an einige Grund-
fragen unseres Musiklebens. Schreyer ist durch den Llctatbrlnger unserer Tlssenscbaft,
durch RIemann angeregt, nach der poalilven vie nach der negativen Seile. Der reiche,
scharhlnnlge und gllniende Geist, der ans dem Bucbe spricht, Ist so recht berufen, im
Kampfe des Ucbtes gegen die Finsternis einer unserer Ffihrer zu aeln. Unter Finsternis
verstehe ich hier die noch vielhch ungestSrt herrschende Art des muslklbeoretiachen
Unterrichts nach Lehrbüchern literer Art, die es mOgllch macht, dass der SchQIer Jahre
laug lernt und achreibt, von der einfachen Harmonielehre bis zum vierfachen Kontra-
punkt eine Unzahl von Au^aben anfertigt, nm alch hernach in der Knnat noch veniger
auszukennen als vorher. Das Licht bringt die auf Riemann fussende hier klasalach auf-
tretende Art dea Verfasser*, uuaere Kunstwerke zu analysieren, mit Vermeldung jeder
Gedankenloalgkell eineraelts und jeder philologischen oder laiheüschen GrSbelel ander-
seits. Jeder, der sich ernster mit Musik befssst, müsste das Buch lesen. Vor allem die,
velche Kompositionen mQndlich oder im Druck beurteilen. Ich meine nicht nur jene
bloss negativen unter den Kritikern, jene Elementar- und Oberlehrer, Bankkommls,
Rech taanvslta-Bureau vorsieh er, Postaasistenten, Agenten, Buchhalter usw., die in Ihrem
Berufta alle Ehren einer bGrgerllchen Ezlsteni geniessen und nebenbei In dem unseren
als fahrendes Volk marodleren, nur mikelnd, ohne Grfinde dafür angeben zu kSnnen.
Ich meine aogar Musiker, die allzu leicht und rasch über neue und alle Terke unserer
Kunst lu urteilen pflegen. Nicht eine einzige von Schreyera Analysen brauchten sie zu
verstehen, um den richtigen Nutzen zu haben; sie kConten aber seine Methode sehen,
kSnnten merken, welcher Aufwand an Kenntnis, Scharfsinn und Geistesarbeit nOtIg Ist,
um Terke der Tonsetzkunst ohne Sden blöden Parteistandpunkt aachlicb zu prüfen.
Aber auch die negative Seile des Anschlusses an Riemann darf Ich nicht unerwihnt
laasen: auch Schreyer gebraucht Riemsnnsche Phrsa lern ngszei eben, selbst schlimme, wie
z. B. die VIedergabe von Mendelssohns .Frühlings 11 cd' in der Notenbeilsge beweist.
Tenn der Phras lern n gebogen die letzte Note vor dem Taktstrich In die folgende Phrase
mit hereinzieht, so kann er noch gutes stiften; ein grosser Teil jener Bogen aber, die
nach der ersten Note des Taktes beginnen und diese slso von der Phrase abschneiden,
scheint mir musikalisch überhaupt nicht mehr diskutabel. Sie haben den Charakter
einer .Zwangsvorstellung', wie ile ja bei geistig ootmilen, ja besonders bei sehr hoch
organisierten Menschen vorkommen und leider, obiwar selten, auch ansteckend sind.
Es Ist als ob man druckte: ,derf reundl ichel esei" anstatt .der freundliche Leser". Da
nun nie ein Klavierspieler versuch! sein wird, am Ende eines solchen Bogens mit dem
Finger von der Taste zu geben, noch ein Viel In spiel er, den Strich da lu wechseln, noch
ein Bllser oder Solfegglenalnger, den Luftstrom da zu unterbrechen, so kfinnte einer
aus dem grossen Publikum sagen: wenn die Pbrasierungszeicben bloss dazu da sind.
308
DIE MUSIK V. 24.
dass, wie Riemann will, Anfing und Ende der Phrase hier gedacht wird, — ei, so deolct
euch doch an euren grünen Tischen was ihr wollt, meinetwegen lest die Noten von rechts
nach links. So liegt aber die Sache nicht, vielmehr greift der methodische Wahnsinn
lingst in die Ausgaben über; schon Riemann selbst zieht die Konsequenz, z. B. von
einem Doppelbalken, der vier Sechzehntelnoten verbindet, die erste oder die ersten beiden
einzeln abzuschneiden und jede hilflos mit ihrem Doppelschwänzchen flattern zu lassen.
Herausgeber und Verleger denken gar nicht daran, dass sie es dem Publikum schuldig
wären, »phrasierte* Ausgaben nur so herzustellen, dass auf der einen Seite der Original-
text, auf der anderen der bearbeitete stände. So kommt täglich der Fall vor, dass sich
Jemand z. B. Bachs d-moll Konzert in Rtemanns gewiss vortrefflich bearbeiteter Be-
gleitung eines zweiten Klavieres kauft und es einfach nicht lesen kann. Durch die
blossen Phrasierungsausgaben wird Begriff und Achtung des geistigen Eigentums in der
heillosesten Weise untergraben. Was den zweiten trüben Stein in Riemanns Krone be-
trifft, die Bezifferung des Mollakkords von oben statt von unten, so hat Schreyer diese
nicht angenommen, trotz der erschöpfenden und überzeugenden Theoreme des Meisters.
Und das mit Recht, denn es gibt Punkte, wo die Theorie schlechterdings mit einer Um-
setzung in die Praxis nichts zu tun hat, so wenig, als jemand im Restaurant anstatt Salz
»Chlornatrium* oder statt Wasser «HaO* bestellen wird, weil diese Bezeichnungen die
chemische Konstitution dieser beiden Dinge ausdrücken. Aber was wollen Irrtümer in
einzelnen Feststellungen gegen die Schöpfung einer neuen Methode bedeuten? Diese
Grosstat muss Riemann unbestritten bleiben, und ohne Zweifel ist Schreyer sein be-
deutendster Mitkämpfer. Beide sind erleuchtete Gegner der Geistesträgheit und Dumm-
heit in allen Gestalten, sei es ȟberlebter**, d. h. niemals lebendig gewesener Schulzopf
der Konservatorien, sei es die sublime Kritikerweisheit eines mehrerer Ländler und
Walzer kundigen Zitherlehrers oder die Exklusivität und zusammenhangslose Produk-
tivität eines modernen Antimelodikers. Allen ruft Schreyers Buch zu: lernt erst, musi-
kalisch zu denken! Wenn die Kunst der Analyse, wie er sie lehrt, sich mehr
verbreitet, dann wird es auch immer weniger möglich sein, dass die Werke eines
Genius, der die dem echten Philister nun einmal höchst unsymphathische Eigenschaft
hat, unter den Lebenden zu weilen, ich meine natürlich Strauss, überhaupt noch in der
Öffentlichkeit abträglich beurteilt werden können. Dem Leser aber bin ich noch eine
Begründung des oben angewandten Begriffes „Zwangsvorstellung* schuldig. Die einfachsten
Bedingungen zu dem betreffenden Versuche, den jeder am Klavier nachmachen kann,
fand ich in Oberitalien, wo an manchen Kirchen die diatonisch gestimmten Glocken mit
Hämmern rhythmisch geschlagen werden, wahrscheinlich um das Durcheinanderschütteln
der Töne, wie das Glockenziehen sie hervorbringt, zu vermeiden. Minutenlang hört man
dort dieselbe Tonfolge ohne jedes Gefühl der Monotonie an, weil das Gehör die Töne
nicht in einer ganz bestimmten Weise ordnet („phrasiert*), sondern sich verschiedenen
Gruppierungen abwechselnd und selbst gleichzeitig zuneigt. Es fasst z. B. die einhche
Wiederholung von c und d verschieden zusammen, z. B. im 4/8-Takt cdcd, cdcd usw.
oder dcd|c, dcd|c usw. Durch nichts wird der Grundirrtum in der vielbesprochenen
Phrasierungslehre klarer: das Obersehen, dass der Reiz fast jeder Melodie eben in der
Unbestimmtheit, in der Abwesenheit des Zwanges zu einer bestimmten Deutung beruht.
Der Anspruch der Theorie, das melodische Vorstellen erschöpfend und eindeutig fest-
legen zu wollen, ist eben unberechtigt. Ebensowenig wie z. B. ein Landschaftsbild nur
auf einen Punkt hin fixiert werden darf, je nach dessen Wahl dann die andern Partien
in Abstufungen undeutlicher gesehen werden, ebensowenig lässt sich für jede Melodie
eine einzige Art der Zusammenfassung der Töne dem Hörer vorschreiben. Die Wahl
und der Deutlichkeitsgrad des „Blickpunktes*, der hier eine bestimmte Stelle, dort eine
399
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)
bestinimte Beziehung von Tönen erftsst, ist vielfach rein subjektiv, teils willkürlich, teils
unwillkürlich. Bleiben wir bei dem lehrreichen Glockenbeispiel. Bei drei Glocken c d e
wird das Gehör erst ganz befriedigt sein, wenn es die Töne so auffasst: d e | c oder
rhythmisch verschoben: d | e c. Werden die Glocken dagegen, wie man es wohl hören
kann, des längeren Nachklingens der grössten wegen so geschlagen: c e d e, so ergibt
sich sofort eine grössere Anzahl von Gruppierungen, die wechselnd oder auch gleich-
zeitig zum Bewusstsein kommen können, was die Ursache ist, dass man niemals müde
wird, gerade diese Ton folge zu hören. Es mengen sich reizvoll im Bewusstsein die
Figuren: c e d e, e d e|c, de|ce, e|ced. Die innere Nötigung nun, einen
4/8-Takt immer als 2 3 4 | 1 zu hören oder gar bei 8/8 oder 8/16 das erste immer als
zum vorhergehenden Takt gehörig und die Phrase als mit dem zweiten beginnend zu
hören, sehe ich für eine »Zwangsvorstellung** an. Und zwar von ähnlicher Art, wie sie
beim Mikroskopieren und Teleskopieren manchen Naturwissenschaftlern vorkommen und
die Allgemeingültigkeit ihrer Beobachtungen beeinträchtigen, oder wie gewisse philo*
sophische Theoreme, die ausser dem ursprünglich damit Behafteten und einigen
Schülern, durch psychisches Kontagion, keinem Menschen einleuchten können.
Dr. Max Steinitzer
106. C. Fn Glasenapp: Siegfried Wagner. Bd. 16 der von Carl Hagemann
herausgegebenen Monograpbieensammlung »Das Theater". Verlag: Schuster
& Loeflrier, Berlin und Leipzig 1906.
Glasenapp will Siegfried Wagner aus dem Streit der Meinungen ins helle Licht
der klaren Tatsachen rücken. Darum sucht er das wahre Wesen seiner Künstlerschaft
auf und verfolgt die bisherigen Schicksale seiner Werke. Siegfried wiederholt nicht die
Aufgabe seines Vaters und darf daher in seinem SchaflTen nicht äusserlich mit den Meister-
werken verglichen werden. Sein Ziel ist die deutsche Volksoper, wie ein Wiener Kritiker
meinte »die Erfüllung Webers". Diesen Weg beschritt er von Anfang an, im »Bärenhäuter*
mit fast ungeteiltem Beifall, sicher und fest. Aber eins hat Siegfried vom Vater ererbt:
die dramatische Begabung im Sinne des Worttondramas. Und diese Gabe befähigt ihn
auch zu seinen wundervollen Bayreuther Inszenierungen. Siegfried Wagner hat den
Blick für die Bühne; auch als Musiker ist er durchaus nur Dramatiker. Damit ist Ver-
schiedenheit und Verwandtschaft zweifellos sicher bestimmt. In den einzelnen Werken
gibt der Verfasser treffliche Bemerkungen, die wohl zu erneuter, eingehender Beschäf-
tigung anzuregen vermögen. Das reine Bild von Siegfrieds Schaffen erfuhr bisher im
Theaterwesen unserer Zeit nur trübe und unvollkommene Spiegelung. Der »Bärenhäuter"
erschien zuerst im Münchener Hoftheater und trat von dort einen raschen, aber kurzen
Siegeslauf über* die meisten Hof- und Stadttheater an. Unbegreiflicherweise wurde das
entzückende Werk nicht auf dem Spielplan gehalten, sondern verschwand nach und nach
ganz. Der »Bärenhäuter" ging am Schicksal des »Wildfaog" zugrundet Merkwürdiger Fall
Die Musiker gestanden den späteren Partituren wachsende Vervollkommnung zu, trotz-
dem wollte man sie nicht aufführen. Waren sie in der poetischen Anlage schwerer und
dunkler, so konnte und musste man doch umsomehr vorläufig wenigstens am »Bären-
häuter" festhalten. Es ist bekannt, wie der »Wildfang" in München aufgenommen wurde,
ähnlich wie dereinst der »Tannhäuser" in Paris. Glasenapp ist fest überzeugt, dass hier
Ränke mitspielten, die mit dem »Wildfang" selbst gar nichts zu tun hatten. In seiner
grossen Biographie (IV, Einleitung) verlieh er dieser Meinung bereits unverholenen Aus-
druck. Ausserhalb Münchens glückte es dem »Wildfang" besser, aber er fand nicht mehr
die Verbreitung, wie der »Bärenhäuter". Zumal die Hofbühnen begannen spröde zu werden.
Siegfried Wagners Ansehn war durch diese leidigen Vorgänge erschüttert; man wurde
vorsichtig. Der »Bärenhäuter" hatte ja zudem die erste Neugier befriedigt. Da trat das
400
DIB MUSIK V. 24.
Hamburger Stadttheater ein und brachte den .Kobold" und ,»Bruder Lustig* zur ersten
AuffQhrung. Hamburg besitzt vorzfigliche Singer und ebensogute Musiker. Aber diese
Kräfte werden nicht im künstlerischen Sinn ausgenQut Die Hamburger Wagner-
auff&brungen sind vollkommen stillos und heillos zusammengestrichen. ,Die Werke
Siegfried Wagners werden zweifellos gut gesungen; dass aber ihre dramatische Eigenart
stilgerecht in schöne BQhnenerscheinung getreten wire, davon konnte ich mich nicht
überzeugen« Ich glaube im Gegenteil, dass ihre dramatische Wirkung erheblich ab-
geschwächt war und dass die etwa von auswärts zugereisten Fachleute, d. h. die Theater-
direktoren, Kapellmeister und Regisseure nur eine unvollkommene Vorstellung bekommen
mussten« Ich kann daher Glasenapp auch nicht unbedingt beipflichten, dass mit Sieg-
fHeds Werken der Bayreuther Darstellungsstil zu den Theatern komme und seine Spuren
hinterlasse. Sonst müsste am Hamburger Stadttheater eine wahre Hochkultnr der
Wagnerschen Kunst bestehen I Einer Hamburger Aufführung fehlt die werbende Kraft,
die echt künstlerische Wärme, die dramatische Beseelung. Als blosse Opemvorstellunc
mag sie gut sein. Was sagt auch Siegfrieds fränkische Märchen- und Sagenwelt dem
Hamburger, überhaupt dem Norddeutschen?
So sind die Bühnenschicksale der Werke Siegfrieds bisher immer noch trübe und
verworren, und darunter leidet das Gesamturteil. Glasenapp hat im starken und reinen
Glauben an die Zukunft der Werke, die wohl aufgehalten, aber nicht unterdrückt werden
können, in diese Wirren ein offenes, mutiges und klares Wort hineingesprochen. Dass
er es mit Liebe und herzlicher Begeisterung tat, ist nur recht und natürlich.
Das Büchlein enthält Bilder Siegfried Wagners in verschiedenen Lebensaltem,
Siegfried an der Spitze des Bayreuther Orchesters und ein Szenenbild aus dem «Bärenhäuter*.
Prof. W. Golther
197. O. G. Sonneck: Francis Hopkinson and James Lyon. Two studies in
early American music Printed for the author by H. L. Mc Queen,
Washington 1905.
Ober die erste Periode der amerikanischen Musik, d. h. die Zeit nach den Un-
abhängigkeitskriegen, besitzen wir trotz einzelner Arbeiten von Mathew, Ritter und Elsen
und mehrerer Spezialthemen behandelnden Abhandlungen noch nichts zusammenhängendes,
das auf wissenschaftlich-strenger Basis ruht. Eine grosse Zahl kritischer Untersuchungen
muss noch gemacht werden, ehe von einer systematischen Geschichtsschreibung der
Musik in Amerika wird die Rede sein können. Unter diesen Umständen ist das Buch
Sonnecks mit besonderer Freude zu begrüssen; der vielseitig gebildete und vortrefflich
methodisch arbeitende Verfasser hat mit ihm eine hervorragende Arbeit geleistet, für die
wir ihm zu aufrichtigem Danke verpflichtet sein müssen. Nach einer allgemeine Ge-
sichtspunkte betonenden Einleitung gibt Sonneck eine biographische Skizze des Dichter-
Komponisten F. Hopkinson, der 1737 geboren wurde und 1791 in seiner Vaterstadt
Philadelphia starb. Das erste Kapitel behandelt in der Form eines Kalendariums das
allmähliche Erwachen des musikalischen Lebens der Stadt Die Quellen flössen nicht
eben reichlich, was der Verfasser aber beigebracht hat, ist musik- wie kulturgeschichtlich
ebenso belehrend wie interessant und zum Teil unterhaltend. Der persönliche Ton, den
die Darstellung zuweilen annimmt, passt ausgezeichnet zur gewählten Form der Dar^
Stellung. Ins einzelne zu gehen, würde zu weit führen. Man erlebt die langsame
Steigerung künstlerischen Verlangens und künstlerischer Darbietungen und freut sich,
unter den wenigen ernsten Musikern der Frühzeit Philadelphias auch einem deutschen
Namen, Chr. Säur, zu begegnen, der bislang in den bibliographischen und lexiko-
graphischen Handbüchern gefehlt hat. Die musikalische Entwicklung der Stadt geht vom
ersten Tanzmeister im Jahre 1729 bis zu den theatralischen Aufführungen der 50er Jahre;
401
BESPRECHUNGEN (BÜCHER)^
es sind Jsbre, in denen sich nsch und nsch in kleinen Verhiltnissen IcGnstlerische Fiden
snspinnen, eine Zeit, die manche Erscheinung henroirief, die sich auch in Europa ein-
gestellt hatte: Widerstand der Geistlich Iseit gegen das Theaterwesen, eine Zeit endlich,
die als ganzes genommen, trotz eines gewissen — in Anbetracht der Höhe der all-
gemeinen Kultur Philadelphias um 1750 fiberraschenden — hinterwildlerlschen Milieus
des tiefsten Interesses nicht entbehrt. In diesem Milieu wuchs Hopkinson heran.
Das zweite Kapitel bespricht seine musikalische Erziehung, das dritte seine Konzerte.
Oberall finden sich interessante EinzelzGge, die dem Leser namentlich auch den Menschen
nahe bringen. Schade, dass Sonneck die Umgebung, in der Hopkinson nach dem Un-
abhlngigkeitskriege lebte, nicht genauer schildert und uns Daten fiber die Verhiltnisse
der S. 57 genannten Musiker vorenthilt. Es wire interessant zu wissen, woher und wann
z. B. J. G. C. Schetky gekommen ist. Es mag derselbe sein, den ich als im Dienste
des Darmstidter Hofes stehend («Zur Geschichte der Musik am Hofe von Darmstadt*
Leipzig, Breitkopf & HIrtel) nachgewiesen und als landfahrenden Gesellen geschildert
habe. Vom weiteren Inhalte des ersten Abschnittes erwihne ich kurz Kapitel f&nf, das
Hopkinsens Verbesserungen an der Mechanik des Harpsichords (Clavicembals usw.) be-
handelt. Kapitel sechs (die Oberschrift enthilt den Druckfehler: IV) spricht Ober
Hopkinson, als Dichter- Komponisten. Sonneck weist nach, dass nicht W. Billings von
Boston (1747—1800), sondern wahrscheinlich Hopkinson oder J. Lyon, von dem er im
zweiten Abschnitte seines Werkes spricht, der erste amerikanische Komponist von Ge-
burt war: beider früheste Werke gehören demselben Jahre, 1750, an; von ihnen war H.
der, welcher das erste weltliche amerikanische Lied: .My days have been so wondrous
free* schrieb, eine hübsche, harmlose Komposition. Hopkinson war keineswegs ein
Genie, aber er hat, das ist nach der Lektüre von Sonnecks Buch klar, mit ehrlichem
Enthusiasmus Grundsteine gelegt, auf denen spätere Zeiten weiter bauen konnten.
Konnte er für die Geschichte der Musik ausserhalb seiner Heimat keine Bedeutung ge-
winnen, so leistete er für die Anfinge der Musik in den Vereinigten Staaten erhebliches.
Ausführlich auf die anderen Arbeiten Hopkinson's, von denen Sonneck zum Teil fak-
similierte Proben gibt, einzugehen, verbietet der beschrinkte Raum. Der zweite, James
Lyon gewidmete Abschnitt des Buches, ist mit derselben philologischen Genauigkeit ge-
arbeitet. Lyon wurde 1735 in Newark N. Y. geboren und machte sich einen Namen als
Patriot im Unabhingigkeitskriege. Der erste Abschnitt behandelt Lyon's frühes Leben
und Wirken, der zweite bis vierte seine «Urania, a choice collection of Psalm-Tunes,
Anthems and Hymns,* die 1761 erschien. Des historisch eminent wichtigen Werkes,
über das von Ritter ein wenig begründetes und durchaus nicht zu rechtfertigendes Ver-
dammungsurteil geflllt worden ist, nimmt sich Sonneck mit grosser Sorgfalt an, es von
der Warte vorurteilsfreier Forschung aus historisch einscbitzend. Kapitel fünf unter-
sucht, nachdem im vorhergehenden Abschnitte sein Stammbaum aufwirts bis zur ,»Urania*'
hin möglichst aufgedeckt ^worden ist, die Einwirkung des Werkes auf die Folgezeit und
bespricht weiterhin die anderen Kompositionen Lyon's. Auch ihm wird, wie keinem Künstler
der Vergangenheit, gerecht werden, wer ihn vom modernen Standpunkte aus beurteilt. Er
war ein Pionier seiner Kunst und will als solcher gewürdigt werden. — Ich habe ver-
sucht, mit wenigen andeutenden Strichen einen Begriff von dem Reichtum des Bandes
zu geben, den wir Sonneck verdanken. Gewiss liegt uns vieles oder das meiste darin
fem, weil es für unsere eigenen Verhältnisse keine Bedeutung gewonnen hat; aber das
Buch ist deshalb so interessant, weil es einen relativ schnellen Aufschwung künstlerischer
Verhältnisse in einem Lande zeigt, von dem man im allgemeinen annimmt, dass seine
künstlerischen Interessen zum mindesten in früherer Zeit sehr niedrige gewesen seien.
Man kann — und das täte uns oft recht not — aus Sonnecks Buch wieder einmal
402
DIE MUSIK V. 24.
lerneHy dass die Begriffe Idealismus und Arbeitsfreudigkeit für eine Sache um der Sache
willen nicht an unser Volk gebunden sind.
. 198. Karl Storck: Geschichte der Musik. IV. Abteilung. Muthsche Verlagshand-
lung, Stuttgart 1905.
Mit der vorliegenden vierten Abteilung ist Storcks Buch zum Abschlüsse gelangt.
Manchem Abschnitte darin gebe ich gern die den früheren Teilen gewordene Empfehlung
mit auf den Weg; manch anderer Teil aber hat mich recht enttäuscht: je mehr das Buch
dem Ende naht« um so flüchtiger ist es gearbeitet. Nehmen wir z. B. 673 ff.: Klassizismus
und Romantik. Die einleitenden Bemerkungen enthalten einzelnes Treffende, aber erschöpfend
das Wesen der Romantik darzulegen, ihren musikalischen Eigenton zu bestimmen, das
Verhältnis von romantischer Dichtkunst und Musik — beide gehören zueinander und
beeinflussen und durchdringen sich oft in ganz erheblichem Masse — zu bestimmen,
hat Storck nicht vermocht. Er geht weder auf die Harmonik der Romantiker näher ein,
erläutert ihre Stellung zu den tonalen Anschauungen der Klassiker nicht, noch findet er
andere als allgemeine Bemerkungen zur sogen. Formlosigkeit der Romantik. Unter
diesem Mangel hat auch seine Darstellung Wagners, die ich im ganzen direkt dürftig
nennen muss, zu leiden. Und was sollen die Fantastereien bei der Besprechung Brückners
bedeuten I Den Vorwurf, den man vielen modernen »Musikgeschichten* gemacht hat,
wird man hier wiederholen müssen: einzelne der führenden Meister werden mit einer
kurzen schlagwortartigen Erwähnung abgetan, wo ausführliche Würdigung am Platze
gewesen wäre. Von Arnold Mendelssohn z. B. heisst es pag. 817 nur: er weise (mehr
nach Brahms. Wenn Mendelssohn, der bis heute noch kein warmes Verhältnis zu
Brahms gefunden hat, halb vergnügt und halb ärgerlich über diese Wertung seines
Wirkens, das als ganzes weit, weit ab von Brahms führt, lächeln wird, kann ich das sehr
wohl verstehen. Der Literaturnachweis S. 835 ff. ist erschreckend geringfügig aus-
gefallen. Ich habe es als einen Hauptvorzug von Storcks Buch angesehen, dass es, für
gebildete Laien von einem gebildeten Manne geschrieben, manchem Leser Lust zu weiteren
Studien machen könne. Storck hätte daraufhin seinen Literaturnachweis übersichtlich
und erschöpfend anlegen müssen. Indem er kritiklos alle möglichen Erzeugnisse neben-
einander nennt, wirkt er bei denen, die Führer für weitere Studien suchen, verwirrend.
Mancherlei wäre zu sagen über das, was dem Buche noch ausserdem fehlt: allzu wenig
ist über die Lautenmusik gesagt worden; Graupner, der seinerzeit Darmstadt zum
Mittelpunkt der deutschen Instrumentalmusik machte, wird gar nicht erwähnt usw. Das
sind Mängel, die die Vorzüge des Buches, die ich früher erwähnte, doch nicht ganz wett-
machen können. Eine zweite Auflage wird trachten müssen, sie auszumerzen. Ich
empfehle dem Verfasser ein ruhigeres Tempo bei der Arbeit und spreche mein Bedauern
aus, das gern gezollte Lob nach Durchsicht des vierten Teiles etwas einschränken zu
müssen. Prof. Dr. Wilibald Nagel
MUSIKALIEN
199. Solobuch für Flöte. — Solobuch für Klarinette. Verlag: Breitkopf & Härte],
Leipzig.
Zwei sehr reichhaltige Sammlungen, die sehr willkommen sein und gute Dienste
leisten werden. Das Solobuch für Flöte enthält 17 meist grössere und schwierigere
Konzertstücke, z. B. Blumenthals Quelle, Fürstenaus Reminiszenzen aus Meyerbeers
Prophet, Heinrich Hofmanns Serenade op. 65 und Konzertstück op. 98, Jadassohns
Capriccio op. 137, das G-dur Konzert von Quantz, zwei Phantasieen von Terschak, Popps
Lohengrin-Phantasie. — Die wichtigsten Werke im Solobuch für Klarinette sind Davids
403
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
bekannte Variationen op. 8, Mozarts Konzert, das 3. und 4. Konzert von Spohr und
Stolzenbergs Serenade op. 6.
200. Hermann Pletzsch : Neue grosse theoretiscb-praktiscbe Schule für Cornet
k Pistons vom ersten Anfang bis zur künstlerischen Ausbildung. Eng-
lischer Text von John Bernhoff. 2 Teile. Verlag: C. F. Schmidt, Heil-
bronn a. N.
Der durch sein Werk „Die Trompete als Orchesterinstrument* rühmlichst bekannte
Verfasser bat es verstanden, mit dieser Cornet i Pistons-Schule wieder ein ungemein
brauchbares Werk zu schaffen. Auf mehr als 200 Seiten grossen Formats ist ein geradezu
erschöpfendes Obungsmaterial zusammengetragen; neben blossen Etüden ist eine Fülle
von Volksliedern, Chorälen, Opernmelodieen aufgenommen. Das Werk dürfte sehr will-
kommen sein.
201. Pietro Locatelli: L'art du Violon. 25 Caprices pour Violon seul. Nouvelle
Edition revue, doigtöe et developp6e par Edouard N a d a u d. Verlag :
Costallat & Cie, Paris.
Locatelli's bedeutsames Unterrichtswerk ist heute fast vergessen, da es an brauch-
baren, die Auflösung der zahlreichen Abkürzungen des Originals enthaltenden Ausgaben
fehlte. Aus Davids „Hoher Schule* kennt man freilich seine Bearbeitung der „Labyrinth*
genannten Etüde Locatelli's. Vorliegende Ausgabe ist für den praktischen Gebrauch vor-
treifüch hergerichtet, indem alle Abkürzungen ausgearbeitet sind. Der angehende Virtuose
wird grossen Nutzen daraus ziehen.
202. Hermann Ritter: Viola-Schule für den Schul- und Selbstunterricht. — Mts-
zellen von Vortragsstücken verschiedener Tondichter für Altviola und Piano-
forte. Verlag: Chr. Friedrich Vieweg, Berlin-Grosslichterfelde.
Die Schule ist entschieden sehr brauchbar; ausser Volksliedern sind zur Ergänzung
des Obungsmaterials auch Etüden von Kreutzer (übertragen) und Bruni, sowie Duette
von Leopold Mozart aufgenommen. Auf zwei Seiten sind sehr hoch liegende, unbequeme
Stellen aus Werken von Wagner, R. Strauss usw. abgedruckt, um die Nützlichkeit der
füofsaitigen d. h. noch mit einer E-Saite versehenen Viola zu erhXrten. — Die Misz eilen
enthalten Stücke von Bach, Gluck, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann (Die Duette
op. 78 für Sopran und Tenor!) und Weber in leicht spielbarer Form. Bei den Mozartschen
Stücken fehlt jeder Nachweis, wober sie stammen.
203. Gustav Laska: Kontrabass-Scbule. 2 Bände. Verlag: Breitkopf & Härtel,
Leipzig.
Ein Werk wie das vorliegende gab es bisher nicht; mit grosser Ausführlichkeit
sind darin die einzelnen Lagen behandelt, wird der Schüler ganz allmählich zur Meister-
schaft geführt. Dafür, dass er bei den zahlreichen Übungen doch nicht die Lust am
Musizieren verliert, sorgen eingestreute kleine Vortragsstücke, namentlich auch Volks-
lieder, denen eine Klavierbegleitung beigefügt ist. Die Schule ist für den in reinen
Quarten gestimmten viersaitigen Bass bestimmt und zum Selbstunterricht vorzüglich
geeignet; sie sollte in den Händen jedes Kontrabassisten sein, der nicht bloss zum
Tanze aufspielt.
204. €• Markees: Beiträge zu täglichen technischen Studien für Violine.
Veriag: Albert Stahl, Berlin.
Wertvoll für angehende Virtuosen, namentlich zur Erlangung einer reinen
Intonation. Sehr beherzigenswert ist folgende Regel des Verfassers über den Lagen-
wechsel: «Lagenwechsel führe man immer so aus, dass derselbe von dem zuletzt be-
schäftigten Finger begonnen wird, also von demjenigen Finger, der aufgesetzt ist und
nicht von demjenigen, der aufgesetzt wird.** Sehr wichtig sind auch des Verfassers
404
DIE MUSIK V. 24.
Trillerübangen, bemerkenswert auch seine Fingersätze bei Obungen, die Dreikiinge und
Septimenakkorde auf einer Saite bringen.
205. Feiice Togni: Die Ausbildung der linken Hand. Systematische Obungen
für Violine. Vorbereitende Tonleiter- und Akkordübungen. Verlag: Breit-
kopf & Hirtel, Leipzig.
In drei Heften, von denen das erste die beiden ersten, das zweite die übrigen
Lagen, das dritte die Verbindung der Lagen behandelt, liegt ein mit bewunderungswertem
pädagogischen Scharfblick zusammengestelltes, äusserst reichhaltiges und sehr em-
pfehlenswertes Obungsmaterial vor. Es betrifft hauptsächlich das Aufsetzen der Finger,
die Reihenfolge der Tonleitern und die Einteilung der Lagen. In allen diesen Punkten
ist Togni ein überzeugter Anhänger von Wassmann, dem Erfinder des sogen. Quinten-*
doppelgriifsystems. Er lässt übrigens die Obungen in der zweiten (der alten ersten)
seiner 12 Lagen beginnen, da die Haltung in seiner ersten (der früheren sogen« halben)
Lage wegen des Drucks des ersten Fingers gegen den Hals für den Anfänger zu
schwierig ist.
206. Richard Scliolz: Dynamische Studien für Violine, op. 18. Verlag: Breit-
kopf & Härte], Leipzig.
Wie alle R. Scholzschen Obungswerke ist auch dieses für das Studium recht
wertvoll. In 76 Stücken, von denen die grösseren auch in rein musikalischer Hinsicht
manches bieten, wird dem Schüler reichlich Gelegenheit geboten, alle Feinheiten der
Dynamik sich anzueignen.
207. Enrico Polo: Esercizi per Violine applicati alle Scale maggiori e minori.
Verlag: Marcello Capra, Torino.
Nur für angehende Virtuosen nützlich ; besonders hervorzuheben sind die Doppel-
griffstudien.
206. Amadeo von der Hoya: Die Grundlagen der Technik des Violinspiels.
2. Teil, II. Abteilung. Praktisch-technische Elementarlehre. — Anhang: Ton-
leiter-, Akkord- und Intervallstudien. Verlag: Max Hesse, Leipzig.
Das gross angelegte Studienwerk (vgl. ,,Die Musik* Bd. 16,47) ist nun vollendet.
Wer die Lust nicht verliert, diese mit wahrhaft bewunderungswürdigem pädagogischen
Geschick verfassten Obungen durchzumachen, der muss unstreitig die denkbar solideste
Grundlage für sein Violinspiel gelegt haben. Ich möchte ganz besonders den auch einzeln
käuflichen, sehr billigen Anhang (2 Mk. für 72 Seiten) empfehlen, der entschieden zu
dem besten derartigen Obungsmaterial gehört.
200. Breitkopf & Härteis Hausmusik. Orchesterwerke, bearbeitet für Klavier
oder Klavier und Harmonium, Streichquintett und Flöte: Beethoven,
Symphonie No. 1, bearbeitet von A. Faerber; Enna, Ouvertüre .Das Streich-
holzmädel*, bearbeitet von Fr. H. Schneider; Maillart, Ouvertüre »Das
Glöckchen des Eremiten*, bearbeitet von demselben; Weber, Ouvertüre
„Preciosa*, bearbeitet von A. Faerber. Verlag: Breitkopf & Härtel, Leipzig.
Sehr brauchbare Bearbeitungen, die namentlich den bestehenden Dilettanten-
Orchestern sehr erwünscht sein werden, zumal jede Blasstimme ohne weiteres mit-
gespielt werden kann. Sehr erwünscht wäre, um diese Bearbeitungen auch dem Hause
wirklich zugänglich zu machen, wenn die Kontrabasstimme noch ins Klavier ein-
gezogen wäre.
210. Orchesterstudieu für 1. Violine. Eine Sammlung schwieriger Stellen aus Ton-
werken für Kirche, Theater und Konzertsaal. Mit Fingersatz- und Bogen-
strichbezeichnungen von Friedrich Hermann. 2 Bände. Orchesterstudien
für Viola von Friedrich Hermann. 1 Bd. Verlag: Breitkopf & Härtel,
405
BESPRECHUNGEN (MUSIKALIEN)
Leipzig. — Orctaesteretudien aus den Werlsen »Die Meistereinger von Nürn-
bcfS*f 9^^^ R^nS ^^^ Nibelungen*, »Paraiftl*' von RIcbtrd Wagner f&r
Flöte von Emil Prill, fQr Violoncell von Hugo Becker, für Kontra-
bas s von Jota. GeissL Verlag: B. Schott's Söhne, Mainz.
In seinen ergreifenden und erschfittemden Auhitzen fiber die soziale Lage der
deutschen Orchesterniusiker hat Paul Marsop auf die enorm gesteigerten Ansprüche an
die Leistungsfihigkeit der Orchestermusiker hingewiesen. Wer sich davon fiberzeugen
will, der braucht nur einen Blick in die oben aufgeführten Orchesteretudien zu werfen
und er wird fiberall auf Stellen stossen, zu deren Ausfuhrung nur wirkliche Kfinstler
imstande sein werden. Ja, ich behaupte sogar, ein Geiger, der Beethovens Konzert in
technischer Hinsicht mfihelos bewiltigt, wird an zahlreichen Stellen in Hermanns sehr
brauchbarer und instruktiver Sammlung geradezu verzweifeln, ebenso wird es sehr
tfichtigen Bratschisten, Flötisten, Violoncellisten und Kontrabassisten gehen, wenn sie die
andern oben aufgeffihrten Orchesterstudien zur Hand nehmen. Ihre Herausgeber haben
es sich angelegen sein lassen, durch Hinzuffigung von Fingeraatz das Studium wesent-
lich zu erleichtem. Auch Dilettanten seien diese Studien warm empfohlen, schon damit
sie eine Ahnung bekommen, wie ungemein schwer heutzutage der Musikerberuf ist; aber
auch sonst enthalten diese Studien eine solche FQlle von Anregung, nicht bloss in tech-
nischer Hinsicht, dass ihre Anschaffung nur empfohlen werden kann.
Prof. Dr. Wilh. Altmann
211. Otto Schmid: Musik am Sächsischen Hofe. Band 7 und 8. J. A. Hasse;
ausgewlhlte geistliche Gesinge ffir Sopran und Alt mit Orgel- oder Klavier-
begleitung. Bearbeitet und herausgegeben von Otto Schmid, Dresden. Ver-
lag: Breitkopf & Hirtel, Leipzig.
Die Königl. Hofbibliothek in Dresden, die sozusagen der Niederachlag einer Jahr-
hunderte langen Pflege der schönen Kfinste, insbesondere der Musik am dortigen Hofe
ist, bietet mit ihren reichen Schitzen ffir den Musikhistoriker und den praktischen
Musiker eine weite Fundgrube. Manch lyervorragendes oder mindestens historisch wert-
volles Werk ist aus ihren Schrinken durch den glficklichen Spfirsinn unserer Musik-
wissenschaftler der breiteren Öffentlichkeit fibermittelt worden. Das interessante Sammel-
werk von Kompositionen älterer Meister und ffiretlicher Dilettanten, die dem Sächsischen
Hofe angehörten oder ihm nahe standen, welches Otto Schmid-Dresden unter dem Titel
»Musik am Sächsischen Hofe* herausgibt, lässt uns einen besondere weiten Blick in das
Musikleben des 18. Jahrhunderts tun. Es liegen bis jetzt 9 Hefte vor, die in ihrer Viel-
seitigkeit und, soweit ich sie kenne, geschickten Zusammenstellung dem Sammelfleiss
des Herausgebers alle Ehre machen. Mit den hier vorliegenden Heften 7 und 8 ist
Otto Schmid besonders glficklich gewesen. Aus den vielen Oratorien und Messen des
ruchtbaren Johann Adolf Hasse, an dessen .Liedlein* der grosse Thomaskantor sich
gern zu erfreuen pflegte, hat der Herausgeber eine Auslese von Arien für Sopran und
Alt, sowie ein Duett ffir beide Stimmgattungen zusammengestellt, die ihrem wertvollen
musikalischen Inhalte nach es verdienen der Vergessenheit entrissen zu werden. Be-
sondere erfreut dfirfen unsere Kirchensäogerinnen fiber diesen wertvollen Zuwachs der
Kirchenarienliteratur sein, umsomehr als die Hasse'schen Arien nicht allein dankbare
Aufgaben bieten, sondern fiberhaupt die Kirchenmusik dieses tfichtigen Meistere durch
den damals immer mehr sich geltend machenden Einfluss der italienischen Opemmusik,
eine gewisse Sonderstellung in der Spezialliteratur einnimmt.
Adolf Göttmann
Zu Robert Schumanns Gedächtnis
KUNSTWART 1906, Hefe 20. — Dem 50. TodesUge Robert Schumanns widmet der
Kunstwart ein besonderes Heft. Richard Batka bespricht ^Schumanns Wirken und
Wesen*. An Schumanns Worte anknüpfend: .Es afflziert mich alles, was in der
Welt vorgeht, Politik, Literatur, Menschen; über alles denke ich nach meiner Weise
nach, was sich dann durch die Musik Luft machen, einen Ausweg suchen will.
Deshalb sind viele meiner Kompositionen so schwer zu verstehen, weil sie an ent-
fernte Interessen anknüpfen, oft auch bedeutend, weil mich alles Merkwürdige der
Zeit ergreift und ich es dann musikalisch aussprechen muss,** bezeichnet ihn Autor
als den ersten modernen Musiker, den Deutschland hervorgebracht hat. Der alten
absoluten Musikästhetik brach Schumann die Spitze ab und erkürte: »Die Ästhetik
der einen Kunst ist die der andern, nur das Material ist verschieden.* In noch
stärkerem Masse hat Schumann auf seine Zeit als Kritiker gewirkt. Mit der Be-
gründung der »Neuen Zeitschrift für Musik* begann eine neue Ära, indem er
darin sein Ideal verwirklichte, demzufolge eine Kritik »durch sich selbst einen
Eindruck hinterlassen sollte, dem ähnlich, den das anregende Original hervor-
bringt*. »Schumann der Komponist wird Schumann den Musikschriftsteller weit
überleben.* Draeseke sagt von ihm: »Er hat als Genie begonnen und als Talent
aufgehört.* Eine natürliche Erscheinung ist die Abnahme der Pflege Schu-
mannscher Werke im Konzertsaal, die der grossen Erweiterung des modernen
Konzertrepertoires zuzuschreiben ist. In einer kommenden neuen Periode, die
»als heilsamer Rückschlag eine neue Verinnerlich ung und Einkehr bringen wird,
wird für uns gerade Schumann als führender Geist und Patron -unserer Hausmusik
neuerdings an Bedeutung gewinnen*. — Aus Robert Schumanns Schriften und
Briefen wird in Auszügen mancherlei Lesenswertes mitgeteilt.
NEUE MUSIK-ZEITUNG (Stuttgart) 1906, No. 10. — Ober »Schumann und die Pro-
grammusik* verbreitet sich G. v. Lüpke. Neben seinen Schriften geben seine
Kompositionen Belehrung über sein Verhältnis zur Programmusik. Hat Schumann
auch nicht im strengen Sinne des Wortes Programmusik geschaffen, so sind doch
seine Instrumentalkompositionen selten ganz voraussetzungslos. — »Robert Schu-
mann und die Romantik* behandelt Egon v. Komorzynski. Schumann ist auf
musikalischem Gebiet der ausgesprochene Romantiker der Persönlichkeit. Er ist
ein echter, ein wahrer Romantiker gewesen. Schon sein Wesen ist romantisch,
denn »als ein echter Romantiker verknüpft er das Leben und die Kunst mit-
einander, keines von beiden ist ihm ohne die gleichzeitige Gemeinschaft mit dem
andern denkbar*. Auch in bezug auf sein Naturgefühl ist Schumann ein durch
und durch romantischer Musiker. Er hat die Natur immer beseelt. »Er schildert
sie nicht, sondern belebt sie mit eigener Empfindung.* — Ferner sind zu erwähnen:
Colma V. d. Hey de: »Eine Jugendfreundschaft Clara Schumanns.* — Friu
Stein: »Schumann als Student in Heidelberg.*
RHEINISCHE MUSIK- UND THEATERZEITUNG (Köln) 1906, No. 20/21. -
407
REVUE DER REVUEEN
Ludwig Scb eibler behandelt ,,Schuinann als Liederkomponist*. Verfasser be-
trachtet das Verhältnis der Schumannschen Liederkompositionen zu den wichtigsten
Vorgingen! Schumanns im Lied, die, ausser Schubert, seine Zeitgenossen waren:
Löwe, Marschner, Spohr und Mendelssohn. Er untersucht auch das Wert^erhiltnis
von Schumanns Liedern und Gesingen, sowie von seinen Balladen, zu den Ilteren
Hauptmeistern auf beiden Gebieten: Schubert und Löwe. — Friedrich Kerst er-
örtert »Schumanns Verhlltnls zu Mozart*. Beethovens mehr mystische Musik
stand Schumann näher, als Mozarts »helle Art zu denken und zu dichten", die ihm
nur ein unerreichtes Ideal bleiben konnte. Der Jüngling Schumann blickte zu
Mozart auf wie zu einem hellen, glänzenden Schneegipfel; im Mannesalter tritt
Mozart zurück und »die erhabene Vorstellung von einst wird zur liebenswürdigen
Erinnerung*. — Das Heft enthält ferner »Zwei ungedruckte Briefe von Clara
Schumann* aus dem Nachlass des verstorbenen Musikdirektors Dr. Julius Otto
Grimm. Die beiden Briefe zeigen die grosse Künstlerin als sorgsame Mutter, die
mit rührender Hingebung um das geistige und leibliche Wohl ihrer Kinder
besorgt ist.
SCHWEIZERISCHE MUSIKZEITUNG (Zürich) 1906, No. 22. — »Robert Schumann
und das Chorlied*, zur 50. Wiederkehr seines Todestages, 29. Juli 1856, betitelt
sich ein Aufsatz von Karl Nef. — Wenn die Jetztzeit auch von Schumannschen
Kompositionen vielleicht etwas übersättigt ist, so trifft das »einzig nicht zu für seine
Chorlieder*, weil diese nie so recht zur Tagesordnung gekommen sind. Verfasser
bespricht die unbegleiteten Chorlieder Schumanns und sagt u. a.: »Schumanns
Chorlieder können nie populär werden wie ihre Gegenstücke von Mendelssohn;
abei wo wirklich kunstsinnige Sänger zusammenkommen, da greife man herzhaft zu
ihnen, da werden sie leisten, was Schumann als seine Künstlermission betrachtete
und ihm sein höchstes Glück war, dass er es mit seinen Tönen konnte, nämlich
Freude bringen*. — Die Nummer enthält femer Auszüge aus Jugendbriefen Robert
Schumanns.
LE COURRIER MUSICAL (Paris) 1906, No. 14. - Camille Chevillard feiert das
Andenken Robert Schumanns mit begeisterten Worten: »Nom magique et douloureux,
6voquant une gloire et un martyre! Nous nous rappellerons toujours Tenthousiasme
de nos vingt ans quand nous d6vorämes Toeuvre de celui k qui nous aurions tant
voulu dire: Ale conflance en ton 6toile, tu seras parmi les plus grands.* —
Henry Gauthier-Villars schreibt »Sur les Lieder de Schumann*.
LEIPZIGER NEUESTE NACHRICHTEN 1906, 29. Juli. - Von ungenannter Seite
werden einige hübsche Erinnerungen an Clara Schumann unter dem Titel »Seine
Clara* veröffentlicht. »Im Salon, im Familien- und Freundschaftskreise kam ihre
Kunst erst recht zur Geltung. Wer einmal in die vornehm-schlichten, von weissem
Haare umrahmten, gewinnenden Gesichtszüge, auf dem Kopfe ein schwarzes Spitzen-
häubchen, geschaut hatte, dem blieben diese Züge unvergesslich.*
ÖSTERREICHISCHE RUNDSCHAU (Wien), Bd. VIII, Heft 92, 93. - »Ein un-
veröffentlichtes Manfred-Gedicht zu Robert Schumanns Musik* von Ferdinand
Kürnberger, mitgeteilt und eingeleitet von Otto Erich Deutsch. Die Publikation,
mit deren VeröfFentlichung zum 50. Todestage Robert Schumanns zugleich auch
den Manen des phantasiereichen Dichters gehuldigt werden soll, erfolgt nach einer
Abschrift im Wiener Archiv der »Gesellschaft der Musikfreunde*. Erich Deutsch
teilt darüber u. a. mit, dass er das „schöne Poem* nicht auf dem Wege zu Kürn-
berger, sondern bei musikhistorischen Studien gefunden habe. Es ist unbekannt.
408
DIE MUSIK V. 24.
wer den Dichter, der der Musik als geoiessender Laie gegenfiberstand, veranlasste,
für die geplante Wiener Erstaufführung des Schumannschen „Manfred* einen fkst
ginzlich neuen Text zu schreiben. Sicher aber ist Kumberger bei seiner Arbeit
von einem musikkundigen Manne beraten worden. Das Gedicht zeigt ihn als einen
Meister der gebundenen Sprache.
DER TAG (Berlin) 1906, 27. Juli. — Hermann Abert: »Robert Schumann und die
Gegenwart*. Den Grund, dass Schumanns Ruhm „da und dort kleine Flecken
aufzuweisen beginnt, mfissen wir nicht in den Zeitverhiltnissen, sondern in seiner
eigenen künstlerischen Persönlichkeit suchen» Denn sie ist es, welche, nach
Schumanns eigenem Bekenntnis, auch seinen Werken ihren eigentümlichen Stempel
aufprägt." . . . Nur wenige haben sich in so idealer Weise über den moralischen
Beruf der Kunst ausgesprochen wie Schumann. Wie als Mensch, giebt er sich
auch in seiner Kunst als echten Aristokraten, dem Jede Reminiszenz an das
Hergebrachte, Alltägliche verhasst ist*.
VOSSISCHE ZEITUNG (Berlin) 1006, 26. und 29. Juli. — »Zu Robert Schumanns
SOjährigem Todestag*. Schumann war eine hochpoetische, tiefsinnige Natur, ein
Mensch von komplizierter Geistesveranlagung, der von einer mächtig in die Weite
drängenden Leidenschaft erfüllt war. Aus der Enge wollte er einer neuen Zeit ent-
gegen. »Mit Kleinem ist schwer durchdringen**, äusserte er selbst. Richard Wagner
sagte von ihm: „Schumann war eigentlich ein lieber, guter deutscher Kerl mit
einer gewissen Anlage zur Grösse; aber sie haben ihn elend verdorben!* —
«Robert Schumann als Dichter.* Schumanns einziges und nur wenig bekanntes
Wortgedicht, das auf die Nachwelt gekommen ist, sei hier wiedergegeben. Es ist
im Jahre 1838 in der von ihm gegründeten „Neuen Zeitschrift für Musik* er-
schienen und Clara Wieck gewidmet. Der Dichter überschreibt es: Traumbild am
9. September abends. Konzert von C. W.
Von oben gekommen ein Engelskind,
Am Flügel sitzt und auf Lieder sinnt.
Und wie es in die Tasten greift,
Im Zauberringe vorüberschweifc
Gestalt an Gestalt
Und Bild nach Bild,
Erlkönig alt
Und Mignon mild.
Und trotziger Ritter
Im WalTenflitter,
Und knieende Nonne
In Adachtswonne.
Die Menschen, die's hörten, die haben getobt.
Als war's eine Sängerin hochbelobt;
Das Engelskind aber unverweilt
In seine Heimat eilt.
BERLINER BÖRSEN-COURIER 1906, 29. Juli. - »Robert Schumann als Kritiker*
von Alexander Birnbaum. Schumanns kritische Schriften sind deshalb bis auf
den heutigen Tag frisch und lebendig geblieben, weil sie von einer Begeisterung
durchtränkt sind, die, wie Grimm sagt, ,,nie Unrecht haben kann — selbst da
nicht, wo sie sich irrt.*
409
REVUE DER RBVUEEN
DEUTSCHE TAGESZEITUNG (Berlin) 1906, 23. Juli. — Ein Gedenkblatt .Robert
Schumtnn* mit D. K. B. unterzeichnet Soll Schumann aeiner wahren Beachalfen-
heft nach gewürdigt werden, ao darf man aich nicht »auf die Unterauchung aeiner
iuaaeren Schickaale und aeiner auaachlieaalichen Bedeutung ala achaffender Muaiker
beachrinken. Man muaa vielmehr der paychologiachen Peraönlichkeit dea Kfinatlera
nachforachen, aich in die Tiefen einer Seele veraenken, die ao fein und empflndaam
beachaifen war, daaa ihre Lebenaiuaaerungen ftiat den rauhen Hauch dea Tagea
nicht ertragen konnten und die in zarter, rührend ursprünglicher Weise allea
wiedergab, waa im Getriebe dea wirklichen Lebena oft unvermittelt und grauaam
auf aie einwirkte.* Schumann sagt von aich aelbat: «Menach und Muaiker auchten
aich immer gleichzeitig bei mir auazuaprechen."
BERLINER TAGEBLATT 1906, 23. und 29. Juli. — Egon von Komorzynski:
»Schumann und E. Th. A. HoflPmann*. Schumann iat häufig mit Jean Paul ver-
glichen worden; weit gröaaer aber iat die Ähnlichkeit zwiachen ihm und dem von
ihm verehrten Hoifmann. Schon rein luaaerlich laaaen aich beide vergleichen:
ea war ihnen beiden nur eine Lebenazeit von 46 Jahren zugemeaaen, die bei beiden
einen düateren Abachluaa fand. Verfaaaer führt in weiterem aua» dass ,,Hoffmann
ebenao eine von der Literaturgeachichte notwendig geforderte Eracheinung war wie
Schumann eine von der Muaikentwicklung, und daaa dieae Tataache aich in einer
tiefen inneren Verwandtachaft dea Wesens beider Romantiker apiegelt* — Hermann
Er 1er berichtet intereaaantea über .Schumann und die Gründung der ,Neuen
Zeitachrift für Muaik** und teilt einige eigenhindige, ungedruckt gebliebene
Niederachriften Schumanna mit, die die geachiftlichen Verhandlungen über die
Gründung der .Neuen Zeitschrift für Musik" wiedergeben.
NEW YORKER STAATS-ZEITUNG 1906, 29. Juli. - Ein hübsches Erinnerungs-
blatt zum 29. Juli 1906 — .Robert Schumann* — bringt Auguat Spanuth. Wer
Schumanna Werk richtig abachitzen will, .muaa zunächst in Betracht ziehen, daaa
Schumanna künatleriaches Schaffen begann, ehe er aich die techniache Be-
herrachung aeiner Kunat hinreichend zu eigen gemacht hatte und daaa gerade aua
dieaer ersten Schaffenaperiode einige Werke herausragen, die dem Zahn der Zeit
beaaer trotzen zu können acheinen, ala manche Produkte der Periode aeiner ao-
genannten Abklirung.*
DIE GARTENLAUBE (Leipzig) 1906, No. 30. — Carl Kreba: .Robert Schumann«.
Zum Gedichtnia aeines 50. Todeatagea. Ea ist interessant, den Klavieratil Chopina
und Schumanna zu vergleichen, die zu gleicher Zeit aufwuchsen. .Chopin ging
von Mozart und Hummel aus, eine virtuosische Ader ist in ihm, aber er aublimiert
die Virtuositit zu hdchater Feinheit, und er schaffe in aeinen beaten Schüpfungen
Werke von intimater Poeale, öfter nur musikalische Aphorismen. Schumann baaiert
auf Beethoven. Er iat von vornherein mehr Ausdruckskünstler, Süsseren Glanz
verscbmiht er, aber aua der breiten Wucht aeinea Klaviersatzea bricht oft ein
aeltsames Leuchten hervor: weite Lagen, Vollatimmigkeit, ein gedankenachwerea,
tiefsinniges Wesen.*
BÜHNE UND SPORT (Berlin) 1906, No. 12. — Der mit A. Z. unterzeichnete Artikel
.Robert Schumann und das Theater*', eine unglückliche Liebe, beschiftigt sich
mit des Künstlers Opernplänen, die durch Richard Wagner, der zur aelben Zeit
die Zügel der Herrschaft auf dem Gebiete dea musikalischen Dramas an aich
riss, sich nicht zu verwirklichen vermochten.
V. 24. 29
410
DIB MUSIK V. 24.
DEUTSCHE WARTE (Berlin) 1906, 29. Juli. — Cyritk Fischer feiert den »Meister
der deutschen Romantik*. Schumann war der erste Meister, in dessen Tönen die
Romantik allein herrscht. Doch wie der romantische Triumer nicht zugleich der
Mann der Tat ist, so hat auch Schumann die eigentlich dramatische Kraft gefehlt
„Sein Eigenstes, seinen wahren Genius hat Schumann nur in seinen Liedern und
in seiner Klaviermusik gegeben."
ILLUSTRIERTE ZEITUNG (Leipzig) 1906, No. 3291. - Carlos Droste: »Robert
Schumann'. Ein mit warmer Begeisterung geschriebener Artikel, der mit den
Worten des Goetheschen »Faust** ausklingt, die Schumann tief ergreifend vertont
hat: »Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Aeonen untergeh'n!*
DAHEIM (Leipzig) 1906, No. 43. — »Die Davidsbfindler". Zu Robert Schumanns
SOjIhrigem Todestage. Von Gustav Thormilius. Verftisser schildert in an-
schaulicher Weise die Zusammenkünfte der Bierrunde in dem Leipziger Restaurant
»Zum Kaffeebaum*, die unter Schumanns reger Beteiligung Anlass zur Gründung
des »Davidsbundes** gab.
FRANKFURTER ZEITUNG 1906, 27. und 28. Juli. — Ein lebensvolles Bild des
Menschen und Künstlers entrollt Hermann Gehrmann in einem Gedenkartikel
»Robert Schumann*. Wenn das Wirken Schumanns von der Mehrzahl seiner
Beurteiler an dem Mendelssohns gemessen wird, so genfigt, um der bis in unsere
Zeit hineinragenden Grösse des Tondichters vollkommen gerecht zu werden, »ein
durch Mendelssohn gewonnener Masstab nicht mehr allein, weil Mendelssohn im
Kern seines Wesens Klassizist blieb, während Schumann den geborenen Roman-
tiker niemals ganz verleugnete.* ... Im Bereiche der absoluten Kunstmusik wies
Schumann u. a. Volkmann und Grieg den Weg. Brahma nahm von ihm seinen
Ausgangspunkt und ihm sollte es auch vorbehalten bleiben, »das Ziel zu erreichen,
das Schumann mit zunehmenden Jahren offensichtlich vorschwebte: eine durch
die Romantik hindurchgegangene neue klassische Ausdrucksweise".
NEUE FREIE PRESSE (Wien) 1906, 28., 29., 30. Juli. — Ein Gedenkblatt — »Robert
Schumann* — zu seinem 50. Todestage veröffentlicht Felix Wein gartn er. Verfksser
behandelt mit Liebe einige Momente aus des Meisters Schaffensperiode. Der
Grund einer Herabminderung der WertschXtzung Schumanns ist vielfkch »nur
durch die momentane Entwicklung der Musik herbeigeführt*. Da Wagner sich
ihm feindselig gegenüberstellte, so genfigte dies den Anhingem seiner Schule,
»um ffir Schumann nicht viel mehr als ein vornehmes Achselzucken fibrig zu
haben". Autor spricht sich dabei selbst nicht vom Vorwurf frei, »in höheren
Jahren zum mindesten sehr nachlässig über Schumann geurteilt zu haben*. —
Adolf Ktthut schildert »Robert Schumann und die Frauen". Verfasser beschreibt
sein zärtliches Verhiltnis zur Mutter, seine erste Schwärmerei für zwei Eng-
länderinnen Nanni und Liddy, seine Liebe zu Emestine von Fricken und die
endliche Erfüllung aller heissen Wünsche in Clara Wieck. — »Robert Schumann*
von Julius Korngold. »Schumann gehört nicht zu den gewaltigsten, erhabensten
Sängern, aber zu den edelsten, reinsten, gemütvollsten, und er hatte seine eigene
Weise*.
DIE ZEIT (Wien) 1906, 28. Juli. — Richard Specht beschäftigt sich mit dem
Dichter »Schumann*. Das latent Poetische ist vielleicht gerade das Wesentliche
in Schumanns Musik. Er selbst meint darüber: »Wäre mein Talent zur Dichtkunst
und Musik nur in einem Punkte konzentriert, so wäre das Licht nicht so gebrochen
und ich getraute mir viel.*
411
REVUE DER REVUEEN
NEUES WIENER JOURNAL 1906, 28. Juli. — Fritz Ltngc teilt einige Erinneruagen
mit über „Robert Schumann in Wien*. Das «Wiener Schumann-Haus" — Schön-
latemgasse No. 7A — existiert heute noch fast in derselben Gestalt wie vor bei-
nahe siebzig Jahren, nur ist es schwer aufzufinden, denn ihm fehlt heute das
Eingangstor. Vom Hofe des Nachbarhauses gelangt man durch eine hölzerne
Gittertür zur Treppe, die in den ersten Stock der Gassenfront führt.
NEUES WIENER TAGBLATT 1906, 28. Juli. - »Robert Schumann und Wien«
von Max Kalbeck. «Geradezu unglaublich klingt es,* schreibt Verfasser u. a.,
«dass die 1836 erschienene C-Dur-Phantasie am 29. November 1862 zum ersten
Male öffentlich in Wien gehört worden ist. Johannes Brahms spielte sie in seinem
denkwürdigen ersten Wiener Konzert!*
KÖLNISCHE VOLKSZEITUNG 1906, 29. Juli. - .Robert Schumanns Krankheit
und Tod* und «Robert Schumann als Musiker* behandelt Hermann Kipper.
KÖLNISCHE ZEITUNG 1906, 29. Juli. — .Robert Schumann*. Zu seinem fünfzigsten
Todestage. In jeder der Schumannschen Kompositionen erkennen wir ein scharf
umrissenes, aus innerstem Gemüt erwachsenes musikalisches Miniaturbildchen.
«Und wenn wir von der Entstehungsquelle mehr nach aussen gehen und die
Ausprägung des musikalischen Stimmungs- oder Charakterbildes betrachten, so
zeigt sich daran gerade, wie unrecht Schumanns Verkleinerer haben, ihm den
echten Musikanten abzustreiten, der er höchstens im äussern Formenschema
nicht ist.*
HAMBURGISCHER CORRESPONDENT 1906, 29. Juli. — .Robert Schumann«
von Robert Müller-Hartmann. Hat Schumann zwar die Tonmalerei in den
Dienst seiner Kunst gestellt, so ist ihm doch niemals die stilisierte Nachahmung
des sinnlich Wahrnehmbaren zur Hauptsache geworden. Charakteristisch für ihn
ist, wie er bei seiner Kritik der Berlioz'schen Symphonie fantastique «die ästhetische
Berechtigung eines zu scharf profilierten Programms bestreitet*.
HAMBURGER FREMDENBLATT 1906, 29. Juli. — .Zu Robert Schumanns fünfzig-
jährigem Todestage* bringt Emil Krause ein hübsches Gedenkblatt.
MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN 1906, 29. Juli. - Einen lesenswerten
Aufsatz veröffentlicht Rudolf Louis: »Robert Schumann*. .Wie kaum irgend
einem andern unserer deutschen Meister wird gerade Schumann der Reiz des un-
gelösten Rätsels jederzeit verbleiben. Ist er doch im eminenten Sinne des Wortes
eine »problematische Natura*
STRASSBURGER POST 1906, 29. Juli. — ,Zum Gedächtnis Schumsnns* von
Gustav Altmann. »Die ganz grosse Form war nicht seine eigentliche Domäne;
hier versagte nicht selten die Gestaltungskraft, nicht immer fähig, das Werk mit
der gleichen Erhabenheit zu durchdringen, ein typisches Zeichen für denjenigen
Nervenzttstand, den ich als Neurasthenie ansehen möchte, die bei Schumann lange
vorhanden war und zur Endkatastrophe, der Paralyse, führte.*
STETTINER TAGEBLATT 1906, 29. Juli. — Ein sinniges Gedenkblatt »Am Grabe
Robert Schumanns* widmet Erich Müller dem fünfzigsten Todestage Schumanns.
GRAZER TAGBLATT 1906, 29. Juli. — Heinrich Bachmann feiert Robert Schumann
als »Meister des Volksliedes*.
LEIPZIGER TAGEBLATT 1906, 29. Juli. — »Schumanniana* teilt Eugen Segnitz mit.
29»
NEUE OPERN
Enrico Bossh «Der Prophet*, ein einaktiges Werk, soll noch in diesem Jahre
an der Dresdener Hofoper zur Urauffühning gelangen.
Paul WeisBleder: »Der Weg durchs Fenster", ein Einakter, erlebte in Köln
seine Urauff&hrung.
AUS DEM OPERNREPERTOIRE
Lemberg: Das Opemrepertoire verheisst bis zum 31. Dezember folgende Neu-
aufführungen: Giordano (Andrea Chenier), Mascagni (L'amico Friu),
Donizetti (Don Pasquale), Tschai kowsky (Eugen On6gin), Kienzl (Evan-
gelimann), Gounod (Romeo und Julia), Boito (Mefistofele), Weis (Der
polnische Jude), Zelenski (Die alte Mir), Mfinchheimer (Mazeppa), femer
.Tannhftuser', „Siegfried" und »Meistersinger". — Direktor: Ludwig
Heller, Kapellmeister: Antonio Ribera, Konzertmeister: Deman.
Paris: Die Grosse Oper stellt folgende Neuheiten in Aussicht: Saint-Sa6ns
(Ariane), Vi dal (La Alle de Ramsds), Savard (La For6t).
Die Komische Oper kündigt von Novitäten an: Hillemacher
(Circo), Messager (Le chandelier), Lazzarri (La L6preux), Ducas (Ariane
et Barbe-Bleu), Leroux (Le chemineau), d'Indy (Ph6dre et Hippolyte), Doret
(Les Armaillis).
Zürich: Carl Maria's von Weber komische Oper .Die drei Pintos" ist vom
Stadttheater zur Aufführung angenommen worden.
KONZERTE
Berlin: Für die zehn philharmonischen Konzerte unter Arthur Nikisch in
kommender Saison hat die Konzertdirektion Hermann WolflT bis jetzt folgende
Künstler fest verpflichtet: Willy Burmester, Femiccio Busoni, Mischa
Elman, Carl Flesch, Camille Saint-Sa£ns,Artur Schnabel und Johanna
Tauscher-Gadsky.
Der Friedrich Kiel-Bund veranstaltet in der ersten Hilfte des
Oktobers seinen zweiten Vortragsabend.
Frankfurt a«JIL: Für die unter Leitung von Hugo Reichenberg er und Ludwig
Rottenberg stehenden sechs Opernhaus- Abonnementskonzerte wurden
bisher folgende Solisten verpflichtet: Margarethe Preuse-Matzenauer,
Corinne Kirkby-Lunn, Joanne Diot, Lucio Weidt, Paul Goldschmidt,
Fritz Kreisler, Alfred Reisenauer, Hans Lange. Es kommen u. a. zur
Aufführung: Beethoven (8. Symphonie; Kantate auf den Tod Josef IL),
Strauss (Symphonie f-moll; Sinfonia domestica), Schumann (B-dur
Symphonie), Berlioz (Harold in Italien), Raff (Symphonie »Im Walde"),
Tschaikowsky (5. Symphonie).
Kopenhagen: Prof. Hermann Ritter- Wfirzburg (Viola alta) absolvierte Ende Juli
ein dreimaliges Gastspiel mit grossem Erfolg.
413
UMSCHAU
Mannheim: Im Mai 1907 findet ein f&nftägiges Musikfest statt. Der erste
Abend soll alten Mannheimer Meistern gewidmet sein, wihrend die übrigen
Festtage einen geschichtlichen Oberblick Qber die Entwicklung der Musik
bis auf den heutigen Tag ermöglichen sollen. Hofkapellmeister Hermann
Kutzschbach wird die Leitung übernehmen.
Scheveningen: In den Konzerten des Berliner Philharmonischen
Orchesters unter August Scharrer kamen ausser den kürzlich hier er-
wähnten Werken u. a. noch folgende zur ersten Aufführung: Dvoi^ik (Suite
op. 39), Volk mann (Symphonie B-dur), Widor (Violoncello-Konzert e-moll),
Berlioz (Sinfonie phantastique), Liszt (Faustsymphonie). Gelegentlich der
Rembrandt-Feier fknd am 21. Juli ein Konzert im Kursaal statt, das
lediglich Werke niederllndischer Tonsetzer aufwies; Tortreten waren:
E. de Hartog, J. H. Verhulst, F. E. A. Koeberg, Carl Smulders, Gottfried
Mann, J. van Loorij, P. C. van Anrooy. Von Solisten traten auf: A. van Rooy,
Marianne Schryver, Richard Fischer, Melanie Michaelis, Matje Lammen,
Agnes Landenberger, J. van Rijsselberg, G. Lauweryns, Fanny Carlhant,
Hornquartett der Wiener Hofoper, Clara van Yzer, B. van Hasselt, S. Einthoven,
A. Müller, Elsa Hensel-Schweitzer, Heinrich Hensel, Alba Cufilhs, Nora
Boas, Maria Seret, J. van der Wissel, Johanna Klippink, Pablo Cassls.
Wien: Die Konzerte der Philharmoniker werden in dieser Saison abwechselnd
Felix Mottl und Richard Strauss dirigieren. Dr. Muck ist bekanntlich bis
Mai 1907 nach Boston verpflichtet.
TAGESCHRONIK
Mit diesem Heft schliesst der V.Jahrgang der MUSIK. Das lang
erwartete Bruckner-Heft wird den VI. Jahrgang verheissungsvoll
eröffnen.
Die Königl. Sammlung alter Musikinstrumente in Berlin (Vorstand:
Prof. Dr. Oskar Fleischer) hat im letzten Jahre wieder wertvolle Bereicherungen
erfahren. Von den neu angekauften Instrumenten sind ein paar byzantinische
Holzkastagnetten aus dem Griberfelde bei Achmim in Oberigypten und ein soge-
nanntes Clavecin royal als wichtigste hervorzuheben. Letzteres ist von Johann
Gottlob Wagner in Dresden 1788 erbaut worden, der es 1774 erfand, und stammt
aus der Hinterlassenschaft des verstorbenen Thomaskantors Prof. Dr. Rust in
Leipzig. Es hat, obgleich nicht mehr durch Federkiele angerissen, sondern mit
Himmem angeschlagen, doch noch ganz den Klang der alten Clavicymbel, da-
neben aber Hast sich durch einen Kniehebelzug auch die moderne Klangfarbe der
Hammerklaviere herstellen. Ausserdem zeichnet es sich durch den sogenannten
Crescendozug aus. Die Erhaltung des Klaviers ist so gut, dass es von seinem
ursprünglichen Klange kaum wesentlich verloren haben kann. Femer sind drei
aufrechtstebende Klaviere aus der Obergangsepoche der Giraffenform in die des
Piaoinos als für die Geschichte des Klaviers interessant angekauft worden. Unter
den weiteren Neuankiufen ist die Gruppe der automatischen Klaviere durch ein
Pianopbon venreten, ein Drehklavier mit buch förmigen durchlochten Notenbändem.
Die Gruppe der Zungenpfeifenwerke vervollständigen die Harmonieflöte von Maier
Mari, d. L eine Ziebbarmonika, die fast schon ein Harmonium darstellt, sowie
mehrere zum Teil sehr kunstvolle Zugbarmoniken ffir Konzertspiel, mit Flöten,
mit Faltenbalg usw., wihrend drei rumänische Tsmburizen, eine hfibsch bemalte
Viola d'amore, zwei Banjos alter Form, eine Akkordzither und eine Violoncell-
414
DIE MUSIK V. 24.
Streichzither die Gattung der Saiteninstmmente erginzen helfen. Schliesslich
seien noch eine kleine und eine sehr grosse Trommel mit bayrischem Wappen und
Bemalung, sowie ein hübsches Flötenuhrwerk genannt
Am 16. August wurde am Geburtshause der Mutter Mozarts in St. Gilgen
am Wolfgangsee eine Denktafel enthüllt, auf der auch seine Schwester Nannerl
verewigt ist. Die Tafel ist ein Werk des Bildhauers J. Gruber.
Das Münchener Kaim-Orchester unternimmt im Frühjahre 1907
eine Rundreise nach Oesterreich, die es durch die bedeutendsten Stidte der
Monarchie führt.
Auf Anregung des Herrn Victor MatyasoTich ist in Budapest eine
Musiksammlung im Entstehen begrifPen, für die bereits simtliche ungarischen
Verleger ihre Verlagserzeugnisse zur Verfügung gestellt haben.
An Stelle Prof. Naumanns wurde Fritz Stein- Heidelberg zum akademischen
Musikdirektor in Jena erwählt.
Albert Coates, Korrepetitor am Leipziger Stadttheater, ist als erster Kapell-
meister für das Stadttheater in Elberfeld verpflichtet worden.
Kapellmeister Alfred Hirte wurde zum Dirigenten der Görlitzer Phil-
harmonie gewählt.
Hermann Kipper in Köln, seit 1872 Theaterreferent der »Kölnischen Volks-
zeitung*, dem Nestor der Musikkritiker Deutschlands, wurde aus Anlass seines
80. Geburtstages (27. August) der Professortitel verliehen.
Unser geschätzter Mitarbeiter Dr. Edgar Istel- München wurde vom fran-
zösischen Ministerium der schönen Künste zum Offizier der Akademie in Paris
ernannt.
TOTENSCHAU
Am 25. Juli f in Egem am Tegernsee der Komponist Eduard Ritter v. Welz,
1879—82 Dirigent der Liegnitzer Singakademie und Liedermeister des Niederschle-
sischen Sängerbundes.
Am 26. August f nach achtmonatlichem schweren Leiden in seiner Villa bei
Leoni am Stambergersee der Meistersänger Eugen Gura im 65. Lebensjahre.
Gura war am 8. November 1842 in Pressern bei Saaz (Böhmen) als Sohn eines
Volksschullehrers geboren. Musikalische und zeichnerische Talente zeigten sich
früh bei dem Knaben; indessen musste er auf Wunsch seines Vaters die poly-
technische Schule in Wien beziehen. Hier empfing er jedoch starke künstlerische
Eindrücke, die schliesslich eine Entscheidung herbeiführten. Er übersiedelte 1861
nach München, um sich dort für die Malerei auszubilden. Nach der Aufführung
einer Ritterkomödie durch Kunstakademiker, wobei Gura die Hauptrolle sang,
fasste er den Entschluss, sich der Gesangskunst zu widmen. Nach zweijährigem
Studium wurde er an die Münchner Oper engagiert, ging aber 1867 an das Stadt-
theater in Breslau, um 1870 einem Rufe nach Leipzig Folge zu leisten. Hier
wirkte er sechs Jahre. 1876 erschien er bei den Bayreuther Festspielen als
Günther. Bis 1882 gehörte er der Hamburger Oper an und war von da bis 1896
eine Zierde des Münchner Hofkheaters. Auf der Bühne zeichnete er sich vor-
nehmlich in den Gestalten Wagners aus. Sein Günther, Amfortas, König Marke
und Hans Sachs zählten zu den klassischen Leistungen der deutschen Bühnenkunst.
Auch als Don Juan, Graf Almaviva, Hans Helling und Rigoletto wurde der Künstler
von aller Welt anerkannt. Als Loewe- und Schubertinterpret hatte er bekanntlich
nicht seinesgleichen. (Vgl. den Artikel S. 300 fr.)
Als die gebildete Welt am 15. Juli ds. Js. den 300. Geburtstag Rembrandts feierte,
hatten wir die Absicht, auch unsererseits des grossen Meisters zu gedenken, so-
weit das Bereich des Musikalischen in Frage kommt; doch verbot die Disposition
unserer Juli-Hefte dieses Vorhaben. Jene Feier hat die Blicke stärker als durch
andere Hinweise auf die holländische Malerei gelenkt. Es möge uns darum ge-
stattet sein, eine Reihe derjenigen Werke von holländischen Künstlern zu ver-
vielfältigen, denen Motive musikalischer Natur zugrunde liegen.
Indem wir Rembrandt natürlich den Vortritt lassen, müssen wir ersehen, dass in dem
Riesenwerk dieses Meisters musikalische Vorwürfe fast gar nicht vorkommen; das
einzige Gemälde, das wir wählen konnten, ist sein David vor Saul spielend.
So gering also für uns die Ausbeute, so herrlich ist das Bildwerk selbst. Das
Moritzhaus im Haag beherbergt dieses Meisterstück, das aus den Jahren 1664 — 1665
stammt und hinsichtlich des Formats eines der grSssten aus der Spätzeit ist.
Vermag unsere einfiirbige Nachbildung auch nicht viel mehr als den Kontur zu
geben, fällt die überraschende Farbenwirkung und das berauschende Bad von Licht
und Luft so ziemlich weg, so kann doch jeder Beschauer, der das Original nicht
gesehen hat, wohl mitfühlen, welche starke ErgriflPenheit den alternden König durch
das Saitenspiel des jungen David gepackt hält. Wie er mit dem Vorhang die Tilne
abwischt und David, selbst ergriffen, nicht zu dem Weinenden aufzuschauen wagt,
das ist eines jener Dokumente dieses ^Meisters der Seele", das zu seinen mächtig-
sten Offenbarungen gehört.
Ist uns unter den Gemälden Rembrandts nur noch eine Darstellung desselben Motivs
aus früheren Jahren, etwa 1613, bekannt, so ist die Zahl der Bilderwerke von
Frans Hals mit Darstellungen musizierender Menschen höchst ergiebig. Das
bekannteste ist Der Narr, auch »Der Mann mit der Laute* genannt (im Reichs-
museum zu Amsterdam). In der breiten Pinselführung und dem leuchtenden
Goldbraun eines der genialsten Bilder dieses grossen Charakteristikers gehört es
zur Klasse der Genrebilder, der eigentlichen Domäne der holländischen Maler.
Diesem Charakter entsprechen noch mehr die Singenden Knaben, in der
Kasseler Gemäldegalerie. Prachtvoll anschaulich ist das Bemühen der beiden
Buben, ihren Singsang in den richtigen Takt zu bringen.
In Gerard Terborch haben wir den Aristokraten der nordischen Renaissance vor uns;
seine Szenen spielen sich im Salon ab. Die Laute ist das Lieblingsinstrument
seiner Kavaliere und seiner in Atlas gekleideten Damen. Eine dieser eifrig
übenden distinguierten Erscheinungen ist die Lautenspielerin, ebenfalls in
Kassel. Wundervoll ist der Silberton auf dieser preziösen Tafel, kühl zwar, aber
so leuchtend, dass man die Bilder dieses Künstlers so leicht nicht verglast.
Übrigens haben wir sein excellentes «Konzert* (in Berlin) unseren Lesern früher
einmal vermittelt.
Einen Schritt tiefer ins Bürgerliche geht Jan Vermeer van Delft, dessen geniale Art
erst seit einigen Jahrzehnten das Entzücken der Kunstfreunde geworden ist. Im
: DIB MUSIK V. 24. '■
Geieatatz su dem Helldunkel Rembrandia lai er der Maler dea flirrenden Sonnen-
Ifcbtei. Auch er bevonuct Interieur-Sienen, von denen der bfer voriiecende
MuBlknnterrlcht (im Wlndsor Castle) ein prachtvollea Beiipiel IiL Die kSat-
llcben Farben des Orlglnala kann nniere Repradukdon siebt vortluacben, aber
wer einmal einen Verroeer, deesen Oeuvre nur etvi 40 Gemilde umftaat, (eaebea
hat, velaa, welche klangvollen Akkorde aeln mondacbelnzartei Blau, aeln reines
Gelb und aein fefnes Perlgrau ergeben.
Jan Sieen iat neben Hala der Humoriil der Holllader; davon verilt seine ematbafte
Masikatunde allerdtnga nlcbls, aber aie zeifti data aucb dieser K&natler der
Mualk aebr nabe stebt; ja, er war ein begeisterter Musikfreund, der aucb aelbat
einige Instrumente beberrachte, und die Zabl aeiner fiedelnden, blasenden und
grOblenden Gestalten Ist hat unQberaehbar. Steena Eigenart kommt In dem vor-
liegenden Blatte, desaen kleines und leider nicht gut erbaltenea Original in der
Nation algalerie in London aufbewahrt wird, nicht lur Geltung. Der llrmende
Kirmeston fehlt. Aber auch aus dleaem Bildchen wird der Muaikfrennd nicht
ohne Notiznahme vorübergeben kSnneo, lumal ihn der Bau dea Talblklaviers
und auch hier wieder die Vorliebe des 17. Jshrbunderla für die Laute intern
essleren muas.
Unser Exlibris scbüesst am Qnartalsende, das dleamal das Ende des V. Jahrganges
ist, wie üblich den Rel|en.
HBCliilruck Dm' mit ■ludrilckElebar BiUnbnl« da* V«rl*aci («iiiiKL
Alle Recbts, iDabeHDden du d«r DbWMtmot, mkhiütca.
iticr oder nlcbi ungtineldaKr Muatkrlpie, lUli Ihan nloht (■Bflgead
Rediklloa keine GanoUft Sclivir leHtiletae Miniukrfpte «ndaa uifaprOft
nrflcktcauidL
Verantvortlicber Schriftleiter: Kcpellmeister Bertihard Schuster
Beriin W. 57, BQIowstrtsse 107 '-
• • •
• •• •
FRANS HALS, DER NARR
FRANS HALS, DIE SINGENDEN KNABEN
• *
f
GERARD TERBORCH, DIE LAUTENSPIELERIN
•"•
; '.• ',
JAN VERMEER VAN DELFT, DER MUSIKUNTERRICHT
JAN STEEN, DIE MUSIKSTUNDE
Für den 20. Band der .MUSIK" (Heft 19-24 des V.J«hrg«ng«)
>o.
5. JAHR HEFT M
Zweites Septemberheft
Mit faksjm. Brief von Prof. Joachim
Beiträge zu täglichen
Technischen Studien
für Violine Mk. 3 —
VERLAG ALBERT STAHL, BERLIN
Berlin 0»| ^arschauerstr. 58 ^
nahe den Stadt- u. Hochbahnstationen
Wari^iaaritruis re>p. War«h>i<rhrlaha
ilncD eigenen, oeuerbiutcD
u. bedcDtend erwel.^
Gcrflode* I8W. " «^ W'W%UyaM p/.,^>^^ GeichltortMnwQ
Erstklualgi Plu*i
■ ca. 50 TenctaiedcDea Mairarn.
Spetlilltlt: Pluu lad FIB|«I
sack Zdchnaai In )edar Holian la MDbeleiDrlcbiancea
raap. SalanaautattufeD paiieori la kBaKlerlacher AaafllbraDg-
Juka'''PUu«a o«ck elceaen Pataal. * Jahreaprodaktfon «a. 2000 Haaoa
Berliner musikalieti-Drudcerei
« « 6. n. K ß. . « • Bcriin-ebarlottenburfl.
Oharlottenburg, Wallstr. 22. * Fernsprecher: Ch. 2078.
Notenstich. Notendruck. Lithographie.
Autographie. Künstlerische Titelblätter,
Vollständige Herstellung von Musikalien.
. Aussiellungsmedaille der Musikfachausstellung 1906
Noten -Schreibpapier in allen Liniaturen.
Erstklassige Meister-Schulen.
Violine. "«"<> ^ ^
WassDuniiy K«, Yolbtändlg neu^Tiolln-
Metliode. Quinten - Doppelgriff-
System. Band I, II k 3.—
Kontrabasa.
Simandl, Fr«, Neueste Methode d. Kontra-
bass-Spiele« Teil I. Vorbereitung z.
Orchesterspiel (deutscher u. engl. Text) 8.—
— db. Teil II. Vorbereitung z. Konzertspiel 10.—
Flöte.
SekwedieryM», DcsFIdtenspielers erster
Lehrmeister (deutscher u. engl. Text) 3. —
Sonssmann« H«, Grosse 9ehnle des
Flöteosplels; fQr die Flöte alten
Systems sowie f. d. BöhmflOte heraus-
gegeben V. R. Tillmetz in einem Bande 4.50
Slarinette.
Stark, Bob., Grosse theoretisdk-prak«
tiscbe Klarlnettsehnle. Band I . 6.—
— do. Band |I (deutscher und engl. Text) 7.—
— do. Band III. Die hohe Schule des
Hom. netto ^ 4
Scbantly Josef« Grosse tbeoret.«prakt«
Hornscbnle. Band I ..... 2.50
— do. Band II (deutscher und engl. Text) 5. —
— do. in 2 Heften ....«.• A 3. —
— do. Band III. 120 kleine melodi5se
Tonsttleke ohne Begleitung zur Er-
lernung des Vortrags u. Vorseknle
des Soloblasens 3.60
— do. Band IV. Die koke Seknle für
Hörn. 90 aasgei?ftblte Tontlgliebe
Etnden zn kOkerer AasMldnng von
Koprasek u. Gallay u. anderen Orig.-
Etüden f. tiefe u. hohe Transkriptionen,
nebst Vorschule des Transponierens
und Transpositionstabellen .... 5. —
~ do. Band IV in 2 Heften . . . . i 3.—
— do. Band I, II, III, IV, zusammen . . 15. —
Cornet ä Pigtotts.
Plet ssch ,Hemiann,Nene grosse tb eori^l ••
prakt Sckale fElr Cornet h Pistons
(engl, und deutscher Text). Band I . 6. —
Band II 8.—
Klarinettspiels 4.50 j — do.
Bei Voreinsendung den Betrages portofreie Zusendung.
C. F. Schmidt, "tÜt^C" Heilbronn a. N. 1.
Ein neaes noil ans dnrchans selbständigem
and modernem Geiste herausgegebenes Unter-
nehmen. Leipziger TftgebUtt.
Wer ist's?
ObwMIimbh. aiiiaiBalBlIWL
11. wesentl. erweitert, u. verb. Jahrgang 1906.
16000 Biographien der hervorragendsten
Zeitgenossen aller Stände und Länder.
CLVIlI+1352+XXXVI S. Vorn. geb. M. 9.50.
Se. MaJ. der Kaiser liess 1 Exemplar der
Lnxos-Ansgabe Jahrg. I n. folg. bestellen, wenn
möglieh Boeh yor der Silberhoehseit an liefern!
Speziell dem Knnstkistoriker und Koast^elelirten der
Gegenwart wird das Buch gute Dienste leisten, sind doch
gerade hier ttber die lebenden Künstler nicht nur Deutsch-
lands, sondern auch des Auslandes knappe und erschöpfende
Notizen gegeben, wie wir sie besser neeh nirgendwo finde B.
Dafür, dass dieselben durchaus sachgemäss und kritisch
behandelt sind, bürgt die Tatsache, dass eine |ede vorher
der betreifenden Persönlichkeit vorgelegen hat . . . Blne
natlbrincende und den Erfordernissen des modernen
Lebens aurchaus angemessene Arbeit.
Kunstchronik Leipzig.
Ein wirklich flott und Interessant geschriebdnes,
vornehm anscestattetes Buch, wird den vielen
Tausenden willkommen sein, .die London, die
Metropole der Welt, kennen gelernt haben.
Adels- und Satonblatt, Berlin.
Geistreich. [^llfUflS Naturoetreu.
LoniloBer SRlzzenliiicIi
London und die Londoner,
das soziale u. gesellschaftL Leben»
Land und Leute.
Gr. 8^ 320 Seiten auf imit. Büttenpapier.
Vorn. geb. M. 4.—, brosch. M. 3.20.
Mit 1 1 ganzseitigen interessanten Abbildungen.
Ans dem Inhalt:
Die reichste Stadt der Welt. — Gentleraen. —
The Temple. — The House of Commons. — Im
Wirbelwind der Saison. — Londoner Kflnstlerleben.
— Unter Millionären. — A Merry Christmas and
a Happy New Year. — Die Deutschen in London.
Feseelnll. inetrulKtiv«
Eine Reihe kurzer plastischer Bilder, von ge-
schulter Hand aus dem mächtig pulsierenden
Leben gegriffen.
Verlag H. A. LUDWIG DEGENER, LEIPZIG.
II
Unser u. Sünserinnen hohen stets durchschloienden
B ^ Erfois mit Liszts unQheiinffenen Liedeni ^ ^
Heue krltlscte AduiiIk * Jedes Lied einzeln In 3 Stlnunlmien
Umtllehe B7 Usdvr in Albumformati
original in 3 Binden, le I Bind brosch. M. 3.50, geb. M. 4.S0 n
hocl] . . 3 , , I , ■ "
minel . . 3 . . I .
(ief . . 3 . , I ,
3.60, ,
, 4.50 .
3.ao. ,
. 4.50 .
3.ao, .
, 4.50 ,
Llssta LIedsr mit Orch«Bt«P4
No. 1. Sligaoiis Lied, mittel
P«itituf M. 3.--, Stlrameo M. 3.—
„ 2. Es war ein Kfinlg In Thule, mittel
Pirtitur M. 3.—, Stimmen M. 3.—
, 7. Der FlHcherknabe. hoch
. 8. Der Hirt .....
. 9. Der Alpenjftger . . .
komplett Part. M. 4.—, Stimm. Abscbrift
No. 10. DI« Lorelei, hoch
Pirtituf M. 3.—, Stimmen M. 3.—
. 10. Duselbe, mittel
Partitur M. 3.~, Stimmen M. 3.—
, 25. Die Vätergruft, tief
Partitur M. 3.—, Stimmen M. 3.—
, 43. Die drei Zigeuner, mittel
Partitur M, 3.—, Stimmen M. 6.—
l
: In allen flandlungen -voi-r&tigf :
Verlag von C. F. Kahnt NachfolgePy Leipzig
%
Bei dem KöniglJcben HoFtbeater
zu Wiesbaden soll zum 1. Dezbr.
1906 die Stelle eines
mit der Funktion eines »kleine
Trommelschlägers zur Besetzung
gelangen.
Bewerber wollen ihre Gesuche
unter Beifügung ihrer Atteste und
des Lebenslaufes alsbald an die
unterzeichnete Intendantur unter
dem Vermerk .Bewerbutig um
die Orchesterdieoerstelte* ein*
reichen.
Gehalt nach Übereinkunft.
Intendontiu' der
Kfinisilchen Scliousplele.
-...J
Im Oerlage Sdtiufter A loeffler, Berlin, erDöien:
ßiograptüfdtie Itotizeti
Über
ludwig Dan Beett)Oüen
Don
WtgtltX und Ries.
neudruA mit ergänzungen und Erläuterungen
Don
Dr. Hlfr. Qn Kauften
0etie(tet nik. 3-— • Oebunden infe- *•— .
Urteile der Preffe;
nilgemeine leltung, mtin^rti: Der DerUnrr Derlag Siftulter d loeffler
tiat flfb ein mabres Dtrdinin eriDorDtn. tndrm er die beriiliniten BiograpJt^lCfbfn
notizrn über Beetbooen Don roegeler nnd Ries, dte Kaam me^r zu erhalten waren.
In einem (eftr gefibmadiooll und leitgetreu ausgeOatteten nendrndi mit bc^t^D
dankensmerten Crgäniungen und Crlänternngen uon Dr. nitt Cbr. Kaliftber heraus«
gegeben bat. beransgeber nnd Oerleger konnten gar keine glttdill(bere Ider baben,
als dlefes alte Standard mork der Beetbonen^forfdiung mieder ingängliib zu madEien.
leipziger Cageblatt: leb empfeble das mabrbaft klafdfibc inbaltsreidye
Bnib« in freundlidi) neuem, damaliger 2eit angepaltem Bemande, atlen mufikern
nnd munkfteunden aufs märmHe.
Rbeinlfibeinntik^undCbeaterzeitnng: ber ftifdie ron der Sd)ttderung,
die reibt lebbaft iD und M% von eibter BegelDerung und t)erebrung zeugt, wird
iedem fteunde Beetbonens und feiner Runfl eine laterelfante lektiire bilden; für
leden mebr eingemeibten aber ift diefer tleudrudi eine mlUkommene 0elegenbeit, 0d9
das unentbebrUibe lt)erk(btn nunmebr fUr ein paar mark zulegen zu können.
Ourcti )ede Buctiliandlung zu htzit^ml
IV
\
-»E ? _-
^
UlIO wClJCri Rttnst«6eigenbau
Berlii £. IS* Kaiserstr. 39/40
Spfiialität:
ErsikUsside meistergeiden,
Bratrd[)cn und Ccllis
naib den akustifdiiea Prinstpitn
der alten ItaUenKdE^fn meister
« « (Dr. eroiimmi Ckforl«) « «
DletBc critftlasiiifi Mflfttriflgfi sind ^n» der (»croor«
ragndsm ttallcals4icBin(tstrr nl^t onr glrtOnKrtlg, soBtfrrn ttber*
trefren dteselben sosar. eine grosie fluatol KanttUr, tfte wX^t
lutTnmentt von mir ttmotbent Haben mir dies anf arnnd per*
genomiiieiier Konliarreaiproninoen anfi neoe befuitut Oteibeittgl.
Unerkcnanngen können in mein. Iltelter lederiett eingesehen oerden.
DMcnitff Cirntlf.
frH$mt kottnfrci.
lefrn Sie gefl. die Brofr&flre:
,JI«ht%urt Ut JlUtt NNd Vieles Spiele« wirk-
HA de« Co« N«a die Jl«$pr«d)e der flelae?*'
eine ketierlfibe Studie non
$««.-R«t Dr. m« 6ro$$«i««N.
Derlag: Berlii Ol-, Bal^nstrasse 25.
Melier Terltg you Mes d Erler io BertiB,
Soeben erschienen und erscheinen demnächst:
Johannes Doetikr. Der klierlelirllDg.
Ein dramatisches Capriccio nach Goethe von
Hermann Erler und Johann Doebber.
Klavlerauazufl mit Text Mk. 10.— no.
irnoll leodelssok ..Paria".
FQr Chor, Solo und Orchester.
Klavierautzug mit Text Mk. 10 — no.
BansFfilm. Das Chnst-Elfleio.
Weibnachtsmirchen von Ilse von Stach.
Klavlerattszug mit Text Mk. 10.~ no.
Bemlianl toeoliageiL 3 ElaTierstficke.
Op. 10. No. 1. Notturno. No. 2. Mazurka.
No. 3. Gavotte Capriee.
k Mk. 2.50.
Josef Rheinbepgep.
s=s3ss= Vokalwerke. a=
(Fortsetzung von Seite VII der ersten Inserate).
Op. 164. D«r Stern von lletli«
lehem. Eine WcihnachtÄ-KantaU'
für gemischten ('hör. Soll (Soprun
und Bass) und Orchester Ofler Pinno-
forto. Gedicht von F. v< HoffnjuLss.
Text deutsch u. engl. Neue AiLSRube.
Orchesterpartitur nj). Mk. 15.- .
OrcheHterstimmen iio. Mk. 15.- .
Klavlerau8zug no. Mk. 4.60. Die vier
Chorntimmen (ä Mk. 1.—) Mk. 4. -.
Textbuch (10. Aufl.) no. Mk. —.10.
Op. 179. Hymnus, an die Tt»n-
knnat. Gedicht /von H. Lingg- Für
Mftnnerchor mit ^Blasinstrumenten u-
Pauken oder Piarioforte.
Partitur mit ^unterlegtem Klavier-
auszug Mk. 8.' -. Orchesterstimmen
Mk. 5. -, Ohorstimmeu Mk. 1.--.
Op. 185. Siebent eharakterlnAlscbe
Oesl&nir*> ffiT vier Männerstimmen.
No. 1. Die/Waldros«. (Pctierer.) Part,
u. Stirnnv Mk. 1 75. No. 2. Citt
mor« mit./ ((Jeibel.) Part. u. Stimm.
Mk. 1. / NO. 8. Zugvögel. (HosÄus.)
Part, u/ Stimm. Mk. 1.50. No. 4.
Maeresftille. (Hosäus ) Part. u. Stimm.
Mk. V. . No. 5. Singvtfglein ting.
(nosijfus.) Part. u. Stimm. Mk. 1. -.
No. f). Nach der Trauer. (Hosüus.)
Part. u. Stimm. Mk. 1. . No. 7.
Gtttib NaobL ((ieibel.) Part. u. Stimm.
MkJ. 1.- .
Tranen njirfifreiiianir. Text nach P. B.
Für gem- Chor. Part. u. Stimm. Mk.l.- -.
VorwÄrt«! Gedicht von Remy. Für
Kännerchor. Für das 500 jähr. Jubiläum
derUniversität Heidelberg komponiert.
Partitur u. Stimmen Mk. 2.—.
Verlag von Rob. Forkerg in Leipzig.
i
Ulolinscliale
ID Frankfurt a. H., FiRMKrointr. 2li.
Leiter: Hugo Kortschak.
ftglM ies «iiM iüBlen am 1. Septeialiiif.
Vollständige Ausbildung nach Methode Sevcik.
Spezialkurse für Anfänger unter Leitung des
Herrn Rudolf Milewsky.
Nebenfächer: Kammermusik, Theorie, Klavier,
Pädagogik.
Prospekt kostenlos.
Stern"*" Konseri atorinm sr,7Äi*;l*J!lL'**^
Berlin SW. GegrQndet 1850. Bernburcerser. 9Sa.
Hanpttelirar : Mtdame BUneht OorelU, Frau Lydia Holte, Frau Prof. Salsa Nleklata-KeBpotr, Aana Wtllaar,
Eagen Brieger, Dr. Paul Brnni- Molar, Alozandor Hoinenaiin, NleolaBi Bothatthl, köntgl. Kammersänger, Wladytlav
SoMOBana, 8. KUbaufcy.
II. Bortraa, Theodor BoUnaaa. Sovoria BUoBbor|or, «tathor FroadOBborl, BottMod Balotoa, Braao
Bortatovikt, Braot Hoffitmoier, Bnrao Blaio-BoUihold, Professor Harttn Eraaio, Baau Eool^ Pmressor Jaaos
Ewaoi, Frioda Kwait-Hodapp, Grossherzogl. Kammervirtuosin, Dr. Paal Lntionko, Professor B, A. Papeadloki
BOftaT Pohl, Professor Philipp B&for, A. Bohmldt-Badokow. Th. Sohlahorlor, Professor A. Soraaan, Professor
B. B. Tanbort, Otto Toft, königl. Musikdirektor W. Harrioro-WlpporB« Boh. Bioin, llartha laataa, Clara Kraaoo,
Pool Oohliohligor, Brnit Oiiko.
Profiesser Bnota? HoUaoBdor, Alfrod Wittonborg, Konzertmeister Frtti Ardayl, Konzertmeister Haz
Brfiaborgf die kOnigi. Kammermusiker Willy Nieklag und Walter BaBpoimaan, ■aorioo Booon, H. BottBob-lforoB,
W. Krtteh, Blas ■odeni, Clara Sohvarti, Brnvo Siegel usw. (Violine); Jooeph Halkla, Bagea Baadow, kSaigl.
Kammermusiker (Cello); Bernhard Irrgaag, königl. Musikdirektor (Oi;gel); Carl ESapf (Harmonium); Fr. Pooatta,
königl. Kammervirtuose (Harfe); Hr. Oantoloa (clirom. Harfe); Kapellmeister Professor Arno ElofU, Haas PStsaor.
Professor Philipp Bfifbr, Professor B. B. Tanbort, WBhoIm Blatte. F. Beyer, Arthnr Wtllner (Harmonielehre,
Komposition); Dr. Leopold Sohmldt (Musikgeschlclite) ; Sga. Dr. Captnoohl (Italleniscli); Dr. med. B. Llwonborg
(Physiologie der Stimme) usw. usw.
EapoUBOliterfOhnlo: Kapellmeiater Baao PStiner, Professor Amo ElOffbL
Choriehnlo: Professor Amo EleflU, PrÜBaTlita: H. Bottttob-Keroa.
Orohoftonohnlo: Professor BnataY Hellaeader, BottUob-Boren«
Blieoroehnlo: Die königl. Kammermusiker Boeoslor (Fldte), BnadCkM (Oboe), BaBBOh (Klsrinette), KooUor
(Fagott), Ltttmann (Hom), Eooalgiborg (Trompete), »*"ff'«!ig (Kontrabass).
KaauaonnVBik: Professor lamoi Ewaet, Bagea Saadow, kgl. Kammermusiker, BoitaT BoflAo (Bliser-Ensemble).
Bonünar flir die Ausbildung zum Lehrberuf: Leiter: Professor B. A. Fapondtok« Paal Beyer (Klavier);
WUly BleklBg (Violine), W. SoldoinaaB (Gesang).
für Kinder vom 6. Jahre an.
Inspektor: Gustav Pshl.
SehaaiplOlSohnlo; Leiter: Professor Lee Frledrloh; Rezitation: Bagoa Alba. ^
OpenieohBiy:''CgifgP!'Hirft^4y** BothaShli königl. Kammersinger; Psrtieen- und Ensemblestudium ; Professor
Arno Eleffel, Kapellmeister Felix pSiUbJ^^I^^^^'"^'''^^ '' ^toal; Correpetitlon : Kapellmeister MaX Both.
Sonderkano ffir HsrmonieIebre^Kä)Sii£^"°'^'* '^"^^ ^^^ Komposition bei Wilhelm Blatte.
Sosdorkareo Ober Lltoratargee^ehte^cr^^^*^ ^^ MiuXki Musikschriftsteller J. 0. Lniitlg.
Beginn des Schuljahres I. amtAnhAr w.. ^ mmersemesters 1. AprfL Btntrltt Jedonelt. Prospekte und
Jahresberichte kostenfrei direh d J sSRÜ", .V' ^!L,5^^>^1 1 - 1 Uhr.
Elementar-KlaYier- and Yiolinsehale
durch das Sekretariat. Sprechzcl>
\rir g iiwKiavi^rschule
des Stern'schen Konsef^***""'"™*
Technikmethode nach A K it'!-«!«?.
Berlin W., Potsd.merstr. 115«. Direk or^Vr^l«^ «"»*»^ OoUae.der.
Konzert-Direktion Hermanilt,Wolff
Saal ledKieifl: äor;''^ÄTLÄ/v^ii /,V"'"-=a« BekiemüehV? S.ip.M. oS:;
Gertrud Flgcher-Maretrtl /cfs T* ^ nw l"; Sept : fteorg YollerthnA Okt. •" Leonore
W«lliiiir <r.«r ? d ^5. V ' i ^^- °'"" P*nl GoIdschmWt (Kl.) 3^
wallner (Ges.) 4. Okt.: Irene Schnsn (Viol.) u. Rieh. Gloyen (Gm.) V.
PhUh. Fr.ue7:VereiM 2 o"; ^5r H^r»"«^ ^T "*» ^'«*«- "• W.ise„7\ Jbei» (Ges.)
4. Okt.: Theodor BohlL?»' (K^rmT.'o^'hSte'!'" ^°"^ '' °'''-' ^"""^ »*• "
27 Sept.: BUsabet Krau- Bewert (Ges.) 29. Sept.: Dr. Alfrei . HtoB«'
♦
Consematoire de Wuiique de Beneve "
71. Scliillatr — 1400 SchllH — 60 Lahnr
ö
Otto Bublui, Joasph Iiaabe^ RarmoDd, Pabiikf
~ iroldl
MuieP^nth 6i3ourg«i)l5-Font«iD iu,:6ov«t,CherlcIJlBii-CnarTar.
QuUlomot, Thfirlncer, Obiuevaiit, Kuni. IiaTster naw.
UBtorrioMaMabari Thnric der Mmlt, PUmxotTIt, Solfttc Su-
Jh-Ienr, JmpnivlHIlon. HinnDnle, Kooiposliloa u. iDilrumcntdlonilebFC,
olo- u. Charteimg, Pltiio.Orrel. Violine, Vlalancell.ainilfchclmOrcheiler
Dbircbir IntaameaK, Enunible, Quitieil-Orchcitcripicl. Obunpa Im
SIfciilllchcn Voitrit, Ceuhlchit der Muilk u. dnniitlKhcr Untcrrlehl.
ElNtrHtiiT.ScpKDbcr. AMtnahm«prBI*nBiiO'.ii'.iZ- Sepien ber.
Anmclduac lu dlcKT Prurune nüBdllch oder ichrtnilch vom 31. Auguil
hli 7. September Im Koniervilorliimitunau. Proapikle und Lchrtr-
- . . - .. . „,,j Diraktir.
U-.
■M Nmmmtr liigl rm l^mftU Htr nnhigtHiulrltn „MaBlk-
lastMlt ma Charlottoabuig" M. Di* AUrllmif drr
iUhttrkImu» t-rht hrrv-rragiMilr Namia a-/ (Julim LitbaH Jtr Oftr. Cf^g
ii-gil für K„«Mtrlgf.^Hf, Dramalirg Dr. Ken-t /kr Stiauifitl. tV™ MmriHa
für Klfvirr. Piv/istiir Mirliail Prtu Jär VMiH,. Jm/ J'nii /Wr rMoHallf,
l-ro/iiiBr E. Kftnkamfg /mt KümfoiitiiTH u.a.m.) U dtr Atltiliag Jär Haus-
m«,U, iml^raUrl am miUlm dir . lfMfrn./iU,rtHr ärr Har/t al, //<.».-
UtIrmmnI. da in dtr Wrigtitckm chriamalUchiH Ifar/r m/lii^/i ti« tit-u HaugiW^r.
mit tUliga lattrumiHt ditirr CaUoHg gliehaßr- itl. titrr da, Stmlnar. dit
A. Riecher?.
zu verkaufen. A. Flottmann,
Osaabriiok, Canaanderiattr. 47d.
Diesem Heft
liegen bei: a
Titel und Inhalt für das
4. Quartal des V. Jahrgang
(Band 20)
Register der Kunstbeilagen
des V. Jahrgangs der MUSIK
i> und 8aehpagl«1«r folgt in einem
der nlchsten Hefte.
Soeben erschien die
EinMdecke
fOr das 4. Quartal
des V. Jahrangs
s Preis: I Mark. =
lEHIIIllElIIEl
.11 beitrebt, durch »llde,
kuUnn ond Khnelle Be-
dlcDunt Ihren KuBden-
Erlelcbnninc der An-
•cbiffuDi werdes Bfail-
IMn Talluhhirwan Is der
HShe dei 10. Tcllei da
Kiurprelse* elnierlaml.
VoUrtlad. Linar O AIKn
ntwt) tun. o Faaliliitaltg
Koiiervitonmi tlr miulK im
Ittvitadt aiAtrütardt
(Suitllcti konieialoaicne Aniuli)
litiniiH lo Hin Inlitii Ir
lBlt.ilBdil.llinLSdiiii«lil
^= Fr«qu*ni W ScMUir ^=
EInMH jadaruH — 31 Lahrirlll*
llUnlilttRIlBltRsw.
MiminHlfni 1S. w. nii
Praipakt u. Jahraibar, gnt «, Sekratari«!
Anmeld. tlgl, I. Koniarvatorium (Saalbau)
□er Direktor: Ph. Bad«.
Richard Fisctier
Konzert- und Oratorien-Tenor
Frankfurt a. Main
Corneliusstrasse No. 13.
Konzertdir. Herrn. Wolff
Konzertsängerin
Sopran-Mezzosopran
Ale in in gen (Thüringen)
H«l«it«nati«kafl B.
Amelia Thyllfiri
Berlin - Charlottenburg,
Cauerstrasse 31.
Schioeizerisches Concert-Burenu Bosel
Inaiiniinti ni ttmtittD * IhMdi lenominiin Rliulln * Inlttliiigii m EuigiitiitL
Adotf Qöttmann
Lehrer fflr gesangliche und sprachliche Tonfaildung. Stinunkorrekturen
VollstHndige stilistische Ausbildung Für den Opern- und Konzertges«ng.
Berlin W. Bülowstrasse 85 a. Sprechstunde: Wochentags 3 — 5.
Paul Joh. Haase
Konzert- u. Oratorien-
Singer (Basa-Bariton)
Lehrer der Tonbildung
nach MOlter-Brunow
Berlin W.
KurfüralenstraBse 113
Erich Hollaender
Cellist
Berlin W. 35
Potsdamerstr. 115a>i
Cello-Unterricht. Lehreram
Stern sehen Konservatorium.
Bariin, Abonnemenlskouerle
Im Sut der
Singakademie. (8. Salion.)
Waldemar Heyer- Qnartett.
Prof. WKideiDBT H«yer, I. Viol.
Hki Heln«ck«, II. Violine.
Bartholli Helme. Viola.
Albrecbt LOfler, Violoncello.
»Ir htaifildlrflitl» Her
Wnia, Brrlln W. Xrt ,
KCi«<iinikh< Lrltiie d» T
ninrMerer-aiinrlettii,!
W. SO, Kyirhliiaenir. 10.
Kontert, Oratorini
KaMe:
Erikii Besserer,
liDlMrtigtln
Berlin W.,
Steglitzerstr. 28'^-
Karl Götz
Konzertbariton
MANNHEIM
Werderstrasse 3.
Vertretung:
[nDiwslatalii (DitB lanifdu)
BeplinW.,Gentblnerstr.ig.
DelPerugiaSehmidl
Handolinen
MandMen
P Lauten ■
Guilappen ^
aiirkiiit dli ktste Marke
(mir eobC,
imui mit OHglnil-UnlirKOrlfl
f. J)el Perugia).
■ Allein-Debuet ■■
r ror die ganze Veit "Vfl
G. Schmidl i Co., Triest
(Oesterrelcta).
bliioBi uratli. o UsilstB Bidianung,
WltJtrNrkMTtr tttadii.
0. Hlöckel
Geigenbauer
BERLIN SW. CHARLOTTENBURG
Kochatr. 7. Uhlaoilair. I«3.
Gegrandet 1869.
|UtKi||is|tranntc
jH, - -
\ rb OrBh*iUr,SBhiiIa o. Haaa.
11 l
°l I
JdI. Itlm. ikniii, Ulpilg.
ilkiD
C«llo-Virtio;(
Halorenhof
i
AIIa C|MAS^l|in3truniente, vorzüglich repariert
r**»^ ^IIICIWI gro«e AniwaW In allBB PTBlalaiB«, aow1<
ueae IHnBlkliiBtramente Jeder Art
In einfacbiten bia hlnaten Qualltltee empflehlt
Wllbebn Hervlg In HirkneaUreben I. S.
wmiUl^
Steinway & Jons
New-York — London
Hamburg
St. Pauli, Schanzenstrasse 20—24.
Nbubb Pitnino-Moiiell 5
■. 1230.— neHo.
Hof- Pianoforfefabrikanfen
Sr. U^eatat des Deutsohen EeiaerB und EÖDigs von FreusBon,
8r. Uajestat des Eaiaera von Österreich lud Königs von Ungant.
6r. Majestät des EaUers von Bussland.
Sr. Uajestat des EÖDiga Eduard von EngUod.
Ihrer Majestät der Königin Alexandra tod England.
Sr. Uajest&t des Schah von Fersien.
Sr, Majestät des Königs von Ssahsen,
Sr. MajesUt des Königs von Italien.
Ihrer MajesUt der Eöuigin-Begentln von Spanien.
Sr. Majestät des Königs von Schweden und Norwegen.
8r. Majestät des Sultans der Türkei,
eto. eto. eto.
Nach oielner MdnnDt kommi weder in Amerik* noch in Europa ein andere« FabiikRt Ihren vonOsUchen
Enentniuen in irücnd dner der hervomEendeo Eigenschihen nihe, welche sie dem KOnitler und Pablikum gleich weit
michen. Auf alle Fllk iai Ihr Fabrikat jetzt in meinen Augen dH ideale Produkt unseres Zeitaltera. Eugwi Ü'AlberL
Ea macht mir ein gant aaMcrordenillches Vergnagen, Ihnen selbst lu ssnen, daaa meine Verehrang and
Bewunderung tOt die unabertroffene Schönheit dea Tone«, die Vollendung des Mechanlamna und die wirklich wunder-
bare Dauerhaftigkeit unbegrenzt sind.
14. Mal 1001. Tarnt Cu-raBe.
Meine Freude Ober die FOllc, die Macht, die Ideale Schönheit des Tones und die Vollkommenheit der Spiel-
art Ihrer Klaviere lat unbegrenn. I. J. PadSrawlkL
Bei einer tadellosen Klavistur, einer phystkallach denkbarst richtigen Konstruktion, vereinen Ihre FlOgel Im
Klange die Kraft, die Weichheit und die Brillanz, sowie die llngste Tondsuer, und sie ermöglichen die grössie Ver-
schiedenheit der Anschlagsanen. FtrruDcIs BbiürL
Ihre unvergielchlkheD lastrameate elid ao hock Dber alle Kritik erhaben, dass Ihnen sogar Jedes Loh
llchirlleh enchelnen muss Sett ÜMttr.