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Full text of "Alte denkmäler erklärt"

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} 


Alte  Denkmäler 


K  CfWelcker. 


Fünper   Theil. 
SiHtuen  4    Basreliefe  und  Yjisen^einälde. 


G  Ott  in  fren, 

Verlag  der  Dieterichschen  Buchhandlung. 
1864. 


-•■'^  '    — 


Statuen«,  Basreliefe 


und 


Vasengemälde 


erklärt  von 


F.    G.  Weleker. 


Götting^en, 
Verlag  der  Dieterichschen  Bucbhandlung. 


Vorrede. 

Die  diesen  lelzlen  Band  füllenden  Bemerkungen  fiber 
fllte  Denkmäler  waren  sclioii  vor  mehreren  Jatiren  driick- 
ferlig  zusammengelegt,  um  elwa  nach  meinem  Toiie  her- 
ausgßgeben  zu  werden.  Als  davon  mein  vieljahriger  Freund 
Otto  Jahn  zufällig  Kennlniss  erhidl,  erbot  er  sich  so&leich 
diesen  Niichlrag  lieber  jetzt  gleich  selbst  herauszugeben, 
was  ich  meinerseits  eben  so  leicht  und  schnell  zugestand, 
da  ich  nach  so  vielfachen  früheren  Zeichen  und  Beweisün 
seiner  Gesinnungen  gegen  mich  nicht  zweifeln  konnte,  dass 
er  den  so  rasch  gi'Fasslen  Enischluss  nicht  bereuen  werde, 
obgleich  er  einen  nicht  geringen  Aufwand  von  Zeit  und 
Mühe  nach  sich  ziehen  musste.  Denn  indem  er  die  Auf- 
sicht über  den  Druck  statt  meiner  übernahm,  hat  er  die 
letzte  Correclur  selbst  besorgt,  ein  Register  angefertigt 
und  auch  mit  seinem  mir  ebenfalls  schon  seil  Johrt'n  be- 
freundeten NelTen,  Prof.  Hichaeüs  in  Greifswald,  auf  die 
von  mir  beigelegten  in  Format  und  Art  sehr  ungleichen 
Abbildungen  die  auf  den  Tafeln  schicklich  und  sparsam 
untergebracht  werden  sollten,  alle  Sorgfalt  verwendet. 
Die  Haupisorge  für  das  Lithographische  hat  durch  seine 
Vermittlung  Prof.  Conze  zu  Halle,  damals  noch  in  Götlin- 
gen,  mit  freundlichster  Bereitwilligkeit  übernommen.  Dass 
ich  meine  Dankbarkeit  gegen  diese  Männer  nach  dem 
Opfer  an  Zeit  bemesse,  das  sie  bei  eigener  grosser  und 
eifriger  amtlichen  und  litlerSrischen  Thäligkeil,  die  bei  dem 
Lehrer  der  beiden  anderen  eine  so  sehr  in  die  Augen 
fallende  ist,  aus  Freundschaft  gegen  mich  bringen  wollten, 
könnte  nur  von  denen,  welche  mich  nicht  kennen,  bezwei- 
felt werden. 

Dem  glücklichen  Zufull  dass  uns  durch  die  Gräber  eine 
so  grosse  Menge  von  Vasen,  die  Frucht  mancher  Jahrhun- 
derte erhalten  worden  ist,  verdanken  wir  es  grossentheils 
dass  wir  mit  den  unzähligen  in  der  Litteralur  erhaltenen 
unvergleichlich  durchgebildeten  Mythen  eine  Menge  der 
ebenfalls  in  ihrer  Art  gründlich  gefasslen  bildlichen  Dar- 
stellungen in  Parallele  setzen  können,  Diese  Erscheinung  ist 
so  ausserordentlich  und  einzig,  dass  dadurch  Kunstfreunde 
von  tieferem  ästhetischen  und  kunslhistorischen  Sinn  noth- 
wendig  immer  von  neuem  auf  diese  Kunst^rattung  werden 
zurückgezogen  werden,  wenn  auch  das  Studium  dieser  Ver- 


IV  Vorrede.  ^^H 

gleichunp;  zeitweise  durch  die  eine  oder  die  andre  aua— 
schliessliche  Vorliebe,  es  sey  Tür  die  neuere  oder  die  neue- 
ste, die  Italienisch -Spanische  oder  die  den  tcidenscharUich 
heiinatliliuli  Gesinntfn  bestechpndo  vatiTlÖndisrho ,  oder  die 
orietilalische  oder  aller  Well  Kunsl  oder  auch  durch  enge 
und  einseitige  Theorie  unierbrochen  oder  in  ^Snzlichor 
Verkennung  herabgesetzt  werden  sollte.  Rafael  und  Michel- 
Angelo  verehrten  die  «Ite  Kunsl,  Berni  nur  die  Nalur,  wie 
er  sie  verstand. 

Eine  grössere  Bereicherung  wird  Jer  schwer  über- 
sehbare VorruUi  der  Vasen  nie  wieder  erfahren,  als  durch 
die  Nachgrabungen  des  Prinzen  von  C»niuo  in  Vulci  und 
durch  die  sich  anschliessenden  einiger  Römischer  Grund- 
besitzer in  jener  Gegend,  und  es  war  für  das  Studium  der 
Vasen  ein  wahres  Glück,  dass  Prof.  Gerhard  von  der  durch 
Lucian  Bonaparle  zusammengebrachten  Masse  von  Geissen 
an  Ort  und  Stelle,  ehe  sie  zerstreut  wurden,  mit  dem 
rühmlichsten  Eifer  ein  nach  allen  Seiten  hin  prüfendes  Yer- 
zeichniss  entworfen  hat.  Dieser  ßapportoVoIcente  erschien 
bekanntlich  im  dritten  Bande  der  Annali  di  corrispondenza 
archeologica  im  Jahre  1831  und  gelangte  bogenweise  zu 
mir,  der  Cholera  wegen  stark  durchslochen.  Den  bedeu- 
tendsten Inhalt  desselben  zu  ermessen  und  die  Wichtigkeit 
der  neuen  Erscheinung  für  die  Kunstgeschichte  und  nicht 
far  diese  allein  auch  in  Deutschland  sofort  geltend  zu 
machen,  wurde  die  Anzeige  davon  im  Rhein.  Museum  ge- 
schrieben 1h32,  1,  301 — 345.  Geebnelere  Bahnen  in  die- 
sem weiten  GeÄlde  venlanken  wir  0.  Jahn's  vortrefTlicher 
Einleitung  zu  der  Beschreibung  der  Vasensammlung  König 
Ludwigs  in  der  Pinakothek  zu  München,  ib54,  nachdem 
nun  so  viele  Sammhingen  angekauft  und  verzeichnet,  klei- 
nere in  Kupferwerken  herausgegeben  und  unzählige  Vasen 
einzeln  in  alle  Wi-It  sich  zerstreut  und  zum  Theil  Erklärer 
gefunden  hatten.  Unter  denen,  welche  Nekropolen  aufzu- 
finden bemüht  waren,  übertraf  keiner  den  Toskaner  Fran- 
ijois,  dessen  Hamen  auch  die  im  Museum  zu  Florenz  auF- 
gcsleilte,  durch  Grösse,  Aller  und  Fülle  der  wohl  auf  ein- 
ander berechnelen  Gemälde  so  sehr  hervorstechende  Vase 
trägt.  Durch  das  Glück  seiner  Nachgrabungen  in  Gäre  ist 
nachdem  keiner  mehr  belohnt  worden,  als  der  nicht  bloss 
durch  die  ungeheure  Ausdehnung  seiner  vielen  Kunslsamm- 
lungen  allgemein  bekannt  gewordene  Römer  Campnna. 

Bonn,  29.  AprU  lyH  F.  Q.  We.lcker. 


Inhalt. 


Statoen. 

Die  Hestia  Giustiniani  (1855) 3 

Hestia  und  zwei  NebenGguren  Ton  Skopas  (1856.  1860)      •     •  7 

Kleines  Slandbild  der  Pallas  (1852)  Taf.  1 17 

Aphrodite  zu  Salamis  in  Cypern,   geoaunt  Parakjptusa,  Pro- 

spiciens,  auch  die  Mitleidige  (1857) 24 

Bacchus  mit  der  Stierhaut  (1857;  Taf.  II 36 

Aristophanes  und  Menander  (1853.  1860)  Taf.  III 40 

Der  Löwe  too  Chäronea  (l856j  Taf.  IV 62 

Miscellen  (1853):  Der  Ljsippische  Apoxjomenos 78 

Hercules  im  Capitol '79 

Mercur  in  Villa  Ludovisi 82 

Amazone  im  Palast  Korghese 83 

Niobide  im  Museo  Chiaramonti 84 

£lektra  und  Orestes  in   Villa  LudoTisi     ......  84 

Sog.  Hecuba  im  Capitol 88 

Mädchen  mit  Schlange  im  Capitol 90 

Narcissus  im  Capitol 90 

Venus  in  Villa  Borghese 94 

Venus  in  Valican 94 

Milon  im  Palast  Corsini 94 

Kentaur  im  Palast  Doria 95 

Sphinx  im  Palast  Giustiniani 95 

Aeschjlus  im  Capitol 96 

Sophokles  im  Lateran 96 

Euripides  im  Palast  Corsini 97 

Paris  und  Helena  in  Sala  Borgia 98 

Basreliefe. 

Vier  Götter  an  einer  Basis  (1860)  Taf.  V 101 

Demeter,  Köre  und  Jacchos  (1860)  Taf.  VI 104 

Die  zwölf  Gölter  am  östlichen  oder   forderen  Fries   des  Par- 
thenon (1852.  1854) 122 

Ein  Panathenfiensieger  (1857)  Taf.  VH      .     .     .    ' 158 

Dionysischer  Opferstier  (1857)  Tat  VIII 163 

Darbringuns  eines  Kindes   an  DionjiOi  (1852  1853)  Taf.  IX.  172 

Parii  and  Oenone  (1846) 177 


SteiDiguDg  des  t>ali>ne<le*  (IS33) (' 

Sappho  (1858)  Tif.  X ISB 


lelheaa  Meiischenachöpfer   und    i 
Dem  Glasgefäss  [1^60]  Taf.   XI 


')  T.f.  Xl( igft;« 


k  SchifTiTerxierjtig  (l84Si  Tif.  Xl[l 


>  EnKland  (1846) 21 1^ 


i  groBien  Mor 


I  Xanlbos  (1848) 


Tjdeu.  Dod  liroene  (1858)  Taf.  XIV 

IlenkieB  >!■  Ga>I    bei  Eurjlot    von  Oeehilta  (I8S9)  Taf.  XV. 

Daaa«  (1855)  Taf    XVI.   XVll,   1 

Dana«-  wird  \n  de»  R»len  eingetchloiien  (1856)  Ta f.  XVII,  2 
Die  Ermordung  des  ApgiMbo»  und  Klj'lSmneBiraBSchaltoii  mit 

den  Erinnjen    (1853)  Tnf.   XVIII 

Ueauch  uro  Expialion  (18J6)  Taf.  XIX 

Rfilh««lbirtea    ViieDgemälde  (185»)  Taf.  XX 

PaoalhtnäeatSRe  mit  Boreas  uod  OreiLhyl«  (1857)  Taf.  X\l. 
Hcraklea  unil  die  AmazoneDkÖDigia  (1856)  Taf.   XXII     .     .     . 

Odja.eu»  Akaothoplei  (1853) 

Die  groMe  DariuiTase  in   Neapel  (1857)  Taf.  XXIII    .... 

G&tterreiben  im  Olymp  [|6()I)  Taf.  XXIV 

Urlheil  dea  Paria  (1845)  Taf.  A.   B 

Parii   iD  Lübesgedanken 

ApfodiEe  treibt  den  Aleiandroa  zur  Reiae 

Troilo»  (1850) 

Vermiacht:  Jason 

lleburt  der  Alhene 

Ueachenb  eine«  H»hni 

Ipbigenia  uod  Ureelea 

Kegönkaiat 


Statuen. 


V. 


jLmmihh 


I.    Die  Hestia  Giustiniani  ^). 


Diese  bertthmte  Statue,  von  welcher  Emil  Braun  in 
seiner  Vorschule  der  Kunstmythologie  Taf.  33  die  erste  gute 
Abbildung  giebt,  hat  nicht  bloss  als  beinah  ganz  unver- 
letztes Denkmal  so  alten  Kunststyls  eine  grosse  Merkwür- 
digkeit, sondern  noch  eine  andre  durch  eine  eigenthümliche 
Art  von  Symbolik,  die  mir  unverkennbar  zu  seyn  scheint. 
Dass  Hestia  in  ihr  dargestellt  sey,  die  vorher  für  eine  Ye-* 
Stalin  galt,  hat  Hirt  errathen,  und  haben  wohl  seitdem  Alle 
angenommen.  Manche  auch  durch  verschiedene  Bemerkun-^ 
gen  bestätigt.  Den  vollen  Beweis,  aber  geben  die  Anspie- 
lungen auf  die  Sache  selbst  und  das  Elemei^t  her,;  über  die 
ich  nicht  zweifelhaft  bin;  Andeutungen  von  der  Art;  der- 
jenigen, worin  sich  die  Griechische  Kunst  besonders  in  den 
Göttern  der  Erde,  des.  Wassers  und  der  Winde  gefiel.  Das 
Wesen  der  Heslia. besteht  in  dem  Feststellen  und  Begründet 
des  Wohnsitzes,  der  Familie  und  jeder  geschlossenen  Ge- 
nossenschaft ^  was  auch  der  Name  seihst  ausdrückt.  Hier^ 
mit  stimmt  der  untere  Theil  der  Figur  ttberein,  insbesondere 
dadurch,  dass  sie  nicht  bloss  mit  den  Füssen,  die  man  sich 
unter  dem  geradabfallenden,  wie  in  Cannelüren  gefältelten 
Gewände  denken  mag,  sondern  auph  mit  diesem  selbst 
steht,  so  dass  das  Feststehn  auch  in  der  Figur  einen  Haupt- 
theil  ihres  Charakters  und  Wesens   ausmacht  ^).    Vielleicht 


1)  Gerhards   Archäol.  Zeit.   Denkm.  u.  Forschungen   Jahrgang 
XIU,  1855,  S.  155  ff. 

2)  Zoega,  in  einer   sehr  ausführlichen  und  genauen  Beschrei-« 
bung  der  Figur,  die  er  übrigens  Hera  Gamelia  nennt,  unter  seinen 

1* 


4  Die  Hestia  Giustiniani. 

sollte  diese  feste  Stellung  auch  noch  hervorgehoben  werden 
durch  die  mit  dem  äusseren  Theil  auf  die  Hüfte  gestützte 
rechte  Hand,  eine  Bewegung,  wozu  die  der  linken,  die 
ihre  Bedeutung  ebenfalls  für  sich  hat,  in  keiner  natürlichen 
Beziehung  steht.  Der  andre  Theil  der  Hestia  besteht  in 
dem  Feuer,  \*M(?llfetetfdfrfd  ^iöfihfem'YündenHeerd  oder 
auf  ihrem  Altar  wärmt  und  Nahrung  den  Menschen,  den 
Göttern  Opfer  bereitet.  Dies  Element  scheint  mir  schöner 
als  4ttreh  'den  gleich  deo  Flammen  wackelnclen  Hephästos 
angedeutet  durch  deki  erhoibonen  Arm:  uud  de«  sanft,  nioht 
»track  au^erichteteh  Zeigefinger,  ein  Zeiche  wie  gut  der 
Künstler  den  kindlichen  >  >aber  sinnreichen  Geist  frühester 
Zeilen  bey  Ueberiragung  der  Naturgöller  in  Henfiobengestalt 
nachzuempfinden  rerstanden  hat.  Sollte  der  Finger  auf  etwas 
ausser  fder  Hestia  >  selbsl  Bezug  haben,  z.  B.  auf  den  Himmel 
deäten^  !io  >mü5ste  er  hathwendig  anders  geformt  seyn.  So 
wie  die  laicht  »und  'Unmuthig.  erhobene  Hand  ist,  scheint 
sie.  nur  anAnerhiam  idarauf  zu  machlen,  wie  auf  dem  Altar 
die  Flanme  emporslräbt  lind  spielt ').  In  manchen  Tempeln 
der  Heiliay  wie  in  Hermione  nach  Pausanias  (2,  35,  2), 
hatte  >  He^ia  !  statt  Bilde»' nur  den  Altar  worauf  sie  opferten; 
in  den  Prytaneerf  brannte  auf  ihrem  Heerd  bei  Tag  und 
Nacht  Eeiiery  wie  nat)b  demaellien   auf  dem  der  Eleer  im 

tn  6i^  Bibliothek,  tu  jKopenbagea  anfbewvlirteB  Papieren,'  tabreibt; 
,»Sift  ,itt  ii6l|pg  %^%i  ,ß^h}pk  mi^ni  4*e  Fa^9e  nicht  ti^ht,  noch 
irgend  eif  i^^icheq,  ÖMs  dfer.^ünstt^r  je  i.^ifran;  gedacht  habe  sie 
auszudrücken,  noch  sie  als  yerborgen  unter  dem  Gewand  Toraus* 
zusetzen.  Die  ganze  S'fatue  oat' das  Ansehn  einer  dicken  Sfiüle -nind 
besobders' ^Icffcfat  der  TUeif  t^  Nabel  abwSrts/ bedeckt  mit  einer 
gerade  bitfgendta,- in  geraden,  fitiobfaufendein,  abgerundeten  und 
tiefen  FaUen  .geürlMi&ftfai  TmnG«,'/eiqer.  Hesmie;** 

3j  Zoega  a.  a.  0.  „Mit  dem  linken  Arm  macht  sie  eine  Ge— 
berde-  einigermassen  der  der' Nemesis -ihnlieb»  indem  der  Ellbogen 
in  spitzem  Winkel  gebogen  ist,  die  Hand  in  einiger  Entfernung  Tom 
Gesicht  -erhöbe«,  offen,  die  Fiofer  ein  wenig  gegeu  daa  Gesicht 
gebogen/''-'  .:■■  •  "  •  .    .»  -    ■•■  ij  •.»•   •'  .    .:': 


jJL-LlMäLilM-LLJJLJ-aÜMIlll^l     lil  Mliülfr        ^*Tr^r  '         ^- 


Die  Bestia  Giustiuiant  S 

Altis  i(5,  15^  5).  Wenn  ihr üsiii  ßcepter  geg6bea  it»t^  Wie 
bei  Pindar  der  im  Prytanewnaü  Teiiedos,  sokatiidiass  die 
besondere .  Beziehung;  auf  dt^i  idorV  regierend«!!  fPriftahen^ 
die  Eestiai  ßovXaitc,  Die  Ideej' iveäaeh  ^die  unsrigid  sen^ 
werfen  ist:,  schlosi»  diess  aui$.  Der  Gesicbtsausdruck'  »n 
dieser  ist  .der  .des  Ernstes^'  de&  Ehrwürdigen  {(fsfivev),,  und 
ein;  lelsevi  Zug  vo>r  Melancholie,  der  sich  mir  beieiimischeli 
schien,  mag  auf  die  Stille,  Einsamkeit  und  Stetigkeil  des 
hättsltofaen  Lebens  zu  beziekcm  seyn.«  Dass  das  Bild  aufe» 
einem  Oniiecbisöhen  ^Tempel  oder  Prytaneum  hen*ühre:,  i$t 
wohl  n&dit  zu  bez\N}ifeln  (der  H-ahnor'  ist  Griechische),  und 
sehr  wahrscheinlich  ist  ei^  dasselbe  welches  ^»Tiberius  die 
Parier  (die  ein  Prytaneum  hatten)'  zwang /Ihm  zu  verkaufen 
unt  es^'im^  Tempel  der  Concordiaau&iistellen  (Dio!Oa5s.55,9); 
:^  Wiie  einseitig  es  (Sey^  w^higsterii^  gewisse'Wdrke  nur 
nach  :  den  EntwicklUngsstttfen  und':Uebergiii:gen  des  Styls 
zu  würdigen,  mir  iein  |daä  Vermögeli  und  'den  Geschmack 
der  Künstler  zu  denken,  ohnp  ;nach  Absiebten'  bei  ihnen 
und  BediiD^ungen  '  die  im  Gegenstände  liegen^  z«  fragen, 
kann  »mSan  an  dieser  Hestia  leicht  gewahr  ein,  weikn  main  die 
Bemerkilngen  H.  Meyers  zu  WinkelmafAns-  Werkeii)(3,  395. 
5,  548^  und  in  setner  eignen  Kunj^gei^hicJkte'-(};' 33)  veiu« 
gleichen  will.  Doch  sieht  a«eb  eir  ^etw*as  Yier^ckiges^j 
^elwas  Pfefierbaftes  im  Gatisten  herrschend!^;' übrigens  sieht 
er  die  Götirn  jgwüde  und  onbewegfich  stebn>,^o  ifoss  ihan 
ihr  sogat*  Steifigkeit  «vorwierfen  iki^nnte^  h  .  • 

■•'  •  Die  ttesiii'Giustinianinadh  der  hier  nüfehgeV/ieseneii 
Auffassung  bestätigt  gar  sehr  GerHai^ds  'Erklärung 'der 'beiden 
grossen,  als  wejbliphe  so  seltpen  Ij(ermen  deir  Vills^  Lüdo- 
visi,  denen  ein  neuerer  Bildhauer  recht  tölpelhaft  Fuss- 
zehen  angesetzt  hat,  als  Vesta  (Ant.  Bildw.  Taf.  81,  1.  2. 
S.  319). 

Bei  Homer  ist  der  Heerd  eine  heilige  Sache,  erscheint 
aber  nicht  persönlich  dämonisch.  Es  bezeichnet  daher  eine 
grosse  Zunahme   des  Begriffs   und  der  Geltung  der  Einheit 


6  Die  Hestia  Giustinianl. 

und  Selbständigkeit  der  Fanailien  und  besonders  der  Ge- 
nossenschaften, wie  der  Pliratrien  (gleichwie  jede  der  30 
römischen  Cnrien  ihre  Vesta  hatte),  und  der  Gemeinden  in 
ihren  Prytaneen,  dass  in  der  viel  spftteren  Theogonie  Hesiia 
unter  die  sechs  weiblichen  Titanen  oder  Urgötter  gestellt 
18t,  unter  die  auch  eine  andre  Idee  in  der  Hnemosyne  als 
Musenmutter  aufgenommen  ist;  Hestia  voran,  womit  auch 
der  schöne  Hymnus  auf  Aphrodite  übereinstimmt  (22) ,  aus 
dem  Grunde  weil  ihr  zuerst  an  allen  Mahlen,  auch  an  den 
Opfermahlzeiten  gespendet  wurde,  und  schicklich  als  Schwe- 
ster der  Hera  und  der  Demeter,  die  als  Teleia  und  Thes- 
mophoros  die  Weihe  und  das  Recht  der  Ehe  begründeten 
und  schützten.  Noch  viel  später  ward  sie  unter  den  nun- 
mehr angenommenen  allgemeinen  zwölf  Göttern  dem  Hermes 
zugesellt,  wie  der  Athena  Herakles,  und  nicht  ohne  das 
Scepter  schreitet  sie  unier  diesen  Göttern  einher  an  dem 
Borghe^chen  Fussgestell,  dem  Gapitolinischen  Puteal  und 
in  einem  Gemälde  zu  Pompeji  *).  Schon  in  der  Trinkschale 
des  Sosias  nimmt  sie  auch  an  dem  Mahle  der  Grötter  Theil. 
Nachdem  die  Philosophen  auf  Feuer  im  Hittelpunkte  des 
Alls  geschlossen  hatten,  war  es  natürlich  und  fast  unver- 
meidlich es  Hestia  zu  nennen,  da  diese  in  der  Mitte  des 
Hauses  (jki(fm  ohcm)  und  danach  auch  der  Städte  war,  und 
so  fielen  allmälig  Gäa,  Demeter,  Rhea  und  Hestia  einer 
mehr  oder  weniger  bestimmt  ausgedrückten  Theokrasie  an- 
heim,  wozu  in  den  Grundanschauungen  beider  und  im  frü- 
heren Alterthum,  wenn  man  den  historischen  Weg  geht, 
nicht  der  entfernteste  Anlass  gegeben  ist. 


1)  Aooali  d.  lost  arcfaeol.  22.  211  tar.  V,  1. 


2.     Hestia  und  zwei  Nebenfiguren  yon 

Skopas  ^)t 


Unter  den  Werken  des  Skopas  nennt  Plinius  (ä6,5,25) 
,,Vestam  sedentem  lautlatam  in  Servilianis  hortis  dua^que 
chametaeras  circa  eam,  quarum  pares  in  Asini  monimentis 
sunt,  ubi  et  canephoros  ejusdenl'^  Die  chametaeras  die  als 
ein  seltneres  Wort  in  vielen»  Handschriften  verschrieben 
$ind,  hat  Harduin  glücklich  in  den  T^xt  eingeführt,  bis  sie 
in  der  grösseren  Ausgabe  von  Sillig  nach  der  Bamberger 
Handschrift  meiner  Ueberzeugung  nach  schlimmer  als  ja 
vorher  verderbt  worden  sind;  So  ist  es  immer  mit  den 
Lesarten  der  Fall  die  durch  falsche  Emendation  der  keinen 
Sinn  gebenden  Worte  in  die  Texte  gerathen.  Aus.  dem 
sinnlosen  camiterasy  mit  folgendem  quorum^  von  sieben 
Handschriflen  bei  Sillig,  während  zwei,  mit  folgendem  quarum 
wirklich  chametaeras  enthalten,  hat  der  Schreiber  der  Bam- 
berger Handschrift  durch  Aenderung  nur  eines  Buchstabens 
freilich  ein  WoH  gebildet,  aber  nicht  das  rechte.  Ich 
spreche  diese  Vermuthung  so  bestimmt  aus,  da  mich  weder 
Sillig  noch  mein  Freund  L.  Urlichs  in  seiner  sehr  gelehrten 
und  genauen  Untersuchung  über  Skopas  (in  dem  zweiten 
Programm,  Greifswald  1854  S.  9— 13),  denen  auch  H.Brunn 
in  der  Geschichte  der  Griechischen  Künstler  (I,  321)  und 
Preller  in  seiner  Griechischen  Mythologie  (Ij  267.  271  f.) 
gefolgt  sind,  durch  ihre   Gründe   für   die  campteras  oder 


1 )  Gerhards   ArchM;    Zeil.  Deokm.  ttnd  -  Forschungen   Jahr- 
gang XtV/ 1856,  S; '  165.  '    •>*•    "iij-    i'.iiM.-X     ...... 


8  Hestia  und  zwei  Nebenfiguren  von  Skopas. 

Spitzsäulen  gewinnen  konnten.  AufTallend  wftre  es  schoi, 
dass  Plinius  für  einen  so  bekannten  und  gewöhnlichen  Ge- 
genstand nicht  den  Römischen  Namen  metas^  wie  in  anden 
Stellen,  gebraucht  haben  sollte,  wenngleich  auch  der  Grie- 
chische bei  Pacuvius  vorkommt.  Sonderbarer  aber  and 
schwer  zu  glauben  sind  schon  an  sich  zwei  Paare  von 
Wendesäulen  des  Hipp(Tdromä  unter  den  ausgewählten  Hei- 
sterwerken des  Skopas  aufgeführt  und  als  grosse  Selten- 
heiten in  Rom  aufbewahrt.  Die  Albanische  Hefa  circeniis 
bei  Zoega  (Taf.  34),  wenn  die  Säule  wirklich  zu  diesen 
und  keinem  andern  Gebrauch  gedient  hat,  isl  unten  mit 
sechs  Bacchischen  Figuren  in  Relief  umgeben.  Aber  diese 
ganze  Ziererei  der  columnae  caclatae  ist  dem  6eschmad[ 
edler  Einfachheit,  der  in  den  Zeiten  des  Skopas  noch  herr- 
schend war,  nicht  sehr  gemäss  und  wenigstens  sicher  nicht 
so  verbreitet  gewesen,  dass  Skopas  seinen  Namen  durch 
solches  Nebenwerk  mit  mehr  als  einem  Hippodrom  verknApft 
haben  könnte.  Wären  aber  solche  grosse  Massen  mit 
einigen  Figürchen  von  Skopas  in  zwei  Paaren  nach  Rom 
geschleppt  worden,  sollten  sie  dann  nicht  wieder  in  einem 
Circus  zu  wirklichem  Gebrauch  aufgestellt  worden  seinY 
Die  UnStatthaftigkeit  der  Gründe,  welche  Billig  für  die  tob 
ihm  aufgedrungne  Lesart  sich  eraonnen  hat,  ist  von  Urlichs 
gezeigt  worden:  dieKampteren  sollten  nämlich  als  uraprttng- 
lich  zur  Hestia  gehörig  und  als  die  Pole  der  Erde  gedacht 
werden,  als  welche  Hestia  die  Mitte  des  Weltalls  einnehmei 
Urlichs  selbst  setzt  voraus,  dass  der  Hestia,  die  das  Hau 
und  die  Gemeinde  oder  die  Glieder  derselben  als  einheit- 
liche Familien  begründet,  auch  alle  baulieben  Anlagen  ge- 
weiht gewesen  und  durch  sie  als  feste  Wohnsitze  gleichsam 
in  Besitz  genommen  worden  seyen,  und  dass  die  Stätte 
nebst  zweien  mit  Reliefen  geschmückten  Spitzsäulen  dianim 
ihr  als  Beschützerin  der  Spiele  in  irgend  einem  für  solche 
bestimmten  Bau  gehuldigt  hätten.  Zu  dieser  Ansicht  ver- 
führte  ihn  ohne  Zweifel   nur   das  in  Müllers  Arohflologia 


f 


Heslia  und  zwei  Nebenfiguren  von  Skopas.  9 

(S.  382)  aus  fler  Synopsis  nF  the  conlcnls  of  the  Brilish 
Museum  aufgenomiiiene  Basrelief,  worauf  zwei  GOUinnen, 
die  (iorl  Vesla  und  Minerva  genannt  werden,  einen  zwi- 
schen ihnen  siehenden  Jüngling  krönen.  Aber  anf  die  Er- 
klärunnren  dieser  Synopsis  ist  durchaus  kein  Vertass  und 
nach  Allem  was  uns  von  Hestia  bekannt  ist,  liann  iuh  mir 
nicht  denken,  dass  sie  an  der  Bildung  der  Jugend  je  Theil 
genommen,  noch  dass  die  verschiedensten  Bauaniflgen  über- 
haupl  ihr  gehört  haben,  oder  gar  Genossenschaften,  die  so 
wenig  unaudöslich  geschlossen  waren  als  im  Allgemeinen 
die  Theilnehmer  an  einer  Paläslra ,  einem  Gymnasium  oder 
einem  Hippodrom.  Nie  tritt  sie  in  das  ÜlTenlliche  Lelien 
heraus;  selbsl  als  alle  Götter  gi^fithrt  von  Zeus  ausziehen, 
bleibt  sie  allein  im  Hause  zurück  bei  Plalon  im  Phädros. 

Eben  so  verschiedener  Meinung  bin  ich  hinsichllich 
der  Vulgata  chamelaeras,  die  auch  Urlichs  eine  absurde 
nednt.  Vielmehr  gestehe  ich  mich  längst  darüber  gewun- 
dert zu  haben,  dass  man  an  dieser  Lesart  Ansloss  genom- 
men hat.  Schneider  im  WOrlerbuch  meini,  das  Wort  müsse 
bei  Plinius  einen  andern  Sinn  haben  als  den  wirklichen, 
und  Petersen  in  seiner  Einleitung  in  das  Studium  der  Ar- 
chäologie (S.  107)  vermuthet  dann,  diiss  Chametären  Prie- 
slerinnen  der  Vesla  seien  und  dass  in  ihrer  sitzenden  Stel- 
lung (die  er,  so  wie  auch  Schneider,  nur  willkürlich  an- 
nimml)  der  Grund  zu  dem  von  der  gewöhnlichen  Benen- 
nuni;  solcher  Prieslerii...  n  abweichenden  Namen  gelegen 
Büttiger  erklärt  sie  für  gar  unbegreiflich^),    Müller 


2)  Kl.  Schrirtea  1,396,  wo  über  Vesla  und  ihr?  Silder  lo  vie 
rrigea  zaEsrnmengedrüngl  ist  als  auf  eioer  einzigen  Si'ite  moglicF 
Ecbelnl.  Auch  die  Heslia  Giusliniaiii  rerwirfl  er,  übrigi'nH  ohnt 
tsn  bethurken ,  dass  Hirt  (dem  ich  ehsmala  svhDo  eioen  Ziisali  ix 
einem  bedeulenden  Bildwerk  narh  seiijer  Erk1äruDB;alljpDlheae  — 
so  »eher  hielt  er  sich  «einer  M«inuti|ea  —  nacbgeniesen  habe 
dien  in  seiner  ZuirfanuDg  im  BLtderhuch  Taf.  6,  10  mit  Furier 
Tcrsebän,  ibr  auch  in  die  linke  Hand,  ao  der  einige  Finger  nee 
lind,  mil  Veränderung  der  Hand  eiueo  SespUr  gegeben  h«t. 


10  Hestiä  und  zwei  Nebenfiguren  von  Skopas. 

im  Handbuch  (§.  125,  3)  setst  ein  Fragzeicben  neben  das 
Wort.  XafA^TutQa  ist  ein  Kraftausdruck^    von  Plinius  unge- 
schickt entlehnt  aus  einem  Griechen,  bei  dem  er,  wer  weiss 
in  welchem  Zusammenhang,  in  Bezug  auf  diese  Statuen  vor- 
kam,  nach    dessen    buchstäblicher   Bedeutung^)    nicht   der 
Charakter  zu  bemessen  ist,  in  welchem  Skopas  seine  zwei 
Buhlerinnen  gebildet  habe;    es  ist  billig,  dass  unsre  Vor- 
stellung  von   den    andern  Werken   des  Skopas  und  seiner 
besten  Zeitgenossen  in  der  KunM  ausgehe  und  wir  also  an 
die  Phrynen    und  Lais  denken.    Wenn  Skopas   in  Statuen 
von  solchen   die  vollkommenste    weibliche   Schönheit    und 
zugleich  den  Unterschied  zwischen  einer  nackten  Aphrodite, 
wie   eine   vielbewunderte  von   ihm  in  Rom  gesehn  wurde, 
oder  einer  auf  einem  Bock  fitzenden  Aphrodite  Pandemos^ 
die   et   für  ein  Heiligthum  in  Elis,    im   Gegensatz  zu  der 
Urania  des  Phidias   mit  der  Schildkröte,    als  Zeichen   der 
eingezogenen  Häuslichkeit,   in   demselben  in  Erz   gebildet 
hatte,  auszudrücken  unternahm,  so  folgt  daraus  keineswegs, 
dass  er  in  seiner  Kunst  lasciv  gewesen  wäre.    Der  Aphro- 
dite gab  Sappho  ein  Sperlingsgespann,  die  korinthischen  He- 
tären hat  Pindar    besungen.     Wer  in    einer    Uäpade   das 
Aeusserste  kräftiger  Trunkenheit  und  Leidenschaft  zur  An- 
schauung zu  bringen  wusste,  mag  sich  auch  unnachahmlich 
gezeigt  haben  im  Ausdruck  der  Grazie  und  eigenthümlichen, 
gefälligen  und  leicht  beweglichen  Haltung,  dem  Costüm,  der 
ganzen  Art  und  Erscheinung  einer  zur  Zeit  in  vielen  Indi- 
viduen  sehr   verfeinerten   und  ausgebildeten  Klasse.     Dass 
die  beiden,    als  Paar  gewiss  nicht  ohne  künstlerische  Ab- 
sicht yerbundnen  Hetären  dem  Skopas  vorzüglich  gelungen 
waren,   lässt  sich  schon  aus  der  Wiederholung  oder  Nach- 
bildung von  seiner  Hand,  die  ebenfalls  nach  Rom  gebracht 
war,  vermuthen. 

3)  Hesych.  x^f^^^*Q*U  n  nogtnj.  Eben  m  Said,  wo  das  Wort 
aaoh  Tenchrieben  war.  £tym.  M.  Bachm.  Anecd.  Gr.  I,.  413  bei 
dem  latitgenaoBttn  jriir^M»va*|9^.  '    v  • 


Heglia  und  zwei  Nebenfiguren  von  Skopas.  II 

Man  mochte  in  der  Zeit  des  Skopas  gern  drei  Figuren 
zusammen  aufslellen,  wie  Praxileies  die  Demeler  mitPerse- 
phone  und  lacchos,  dieselbe  mit  Triptolemos  und  Chloris, 
Letn  mit  ihren  Zwillingen  zu  den  Seilen.  Skopas  Aphrodite 
mit  Polhos  und  Phaelhon  verband.  Derselbe  zeigte  In  Eros, 
Himeros  und  Pottios  die  Unterschiede  und  Abstufungen  in- 
nerhalb des  einen  und  selben  Wesens,  ähnlich  wie  drei 
Aphroditen  in  demselben  Tempel,  Urania,  Pandemos  und 
Apostrophia  in  Theben  ,  Urania,  Pandemos  und  eine  dritle 
in  Megalopolis.  Je  mehr  in  einem  solchen  Dreiverein  in- 
nerhalb des  Gemeinsamen  sich  auch  Gegensätzliches  dar- 
bietet, um  so  grösserer  Spielraum  isl  dem  Talent  des  Künst- 
lers gegeben  und  Gelegenheil  sich  als  Muisler  in  der  Cha- 
rakteristik zu  zeigen.  Hestia  aber,  vermulhlich  ein  Scepler 
in  der  Linken  haltend,  und  aus  einem  Prytaneum  entfiihrl, 
ein  ausgezeichnetes  Werk  (laudala,  iyxQivofiivij,  wie  Urlichs 
bemerkt],  in  ihrer  jungfräulich  hauslichen  und  ihrer  heiligen 
Würde  auf  einem  Sessel  thronend,  und  Heiären  in  voller 
Jugendblülhe  und  anmuthig  bewegt,  vermuthlich  siebend, 
machten  gleichsam  zwei  Pole  aus,  andrer  Art  als  Spitzsäu- 
ien,  Pole  der  Weiblichkeil,  an  deren  idealer  Ausprägung 
dem  Skopas  auch  hiernach  ein  grosser  Antheil  zuzuschrei- 
ben geyn  würde.  Aber  so  vorthctlhafl  demnach  die  Zusam- 
menstellung der  drei  Figuren  Tür  das  Studium  und  die  Be- 
wunderung des  Bildhauers  seyn  musste,  so  ist  es  doch  un- 
denkbar, dass  Skopas  selbst  sie  als  zusammengehörig  und 
für  einander  bestimmt  ausgeführt  und  zur  Zeil  irgendwo 
aufgestellt  haben  sollte,  sterbliche  Schönheilen  zur  Seite  der 
hehren  Göttin,  Nebenfiguren  ohne  alle  Beziehung  zu  der 
Göttin  in  ihrer  Mitte,  ohne  irgend  eine  andre  Bedeutung 
als  die  des  Conirastes,  der  allein  die  Kunst,  uichl  die  Göt- 
tin angeht.  Erst  in  Rom  hat  man  sich  erlaub!  eine  solche 
Gruppe  zu  bilden. 


.1 


Erwiederung    auf    gegründete    Einwendun- 
gen Ton  •  Prof •   Stark  ^). 


!n  der  vielbesprochenen  Stelle  des  PHhius  bat  L.  von  Jäh 
^zuerst  im  Kunstblatt;  dann  in  einer Recension  hi  d^r  Jen.  Litt: 
Zeit.  1838  S.  32  S.  256'  campteras  emendfrt  lampieras.  Hftttc 
ieb  diese  Coirjectur  gekannt,  die  dem,  der  chamietaerüs  ohne 
weiteres  fallen  gdassen '  faulte,  nahe  genug  lag,  so  wOr4e 
meftie  kleine  Abhandlang  in  der  Archäologischen  Zeittirlg 
1Ö56  gan2^  ahders  ausgefallen  seynf  sie  bat  Hür  Sinn  in  Be-^ 
2ug  auf  die  vorliegenden  Lesarten  und  Erklärungen.  Was 
i^  hattirlicher  und  annehnibarer  als  zwei  Cahdelaber  2ti 
den  Seiten  einer  sitzenden  Hestia?  Aus  dem  Feuerb^^A 
ist  sie  zur  Figur  geworden,  die  Nfetnr  ihres  Wesens  Wii^d 
ausgedrückt  durch  duos  lampterias:  Nur  einen  aK^A  auf 
der  einen  Sdte  der  SHzenden  odör  neben  det  süz'^'i- 
den  Kybde  nur  einen  L^wen  aufzustellen,  konnte  einem KürtBt^ 
1er  nicbt  einfallen.  Hinsichtlich  dieses  Punktes  hätte  ich  viel- 
leicht nicht  einmal  nöthig  gefanden,  wenn  sie<  mir  gegenwäi^lig 
gewesen  wäre^  die  Nachricht  des  Albricus  Philosophos  (17) 
anzuführen,  dass  in  dem  Tempel  derVesta  in  der  Mitte  eii^ 
Ära  stand,  circa  quam  ex  vi^o^e  latere  erat  ighiü  acc&r^ 
sus  und  an  beiden  Seiten  (an  det  Wand)  Veslölinhön  ge- 
malt. Sehr  wahrscheinlich  würde^  mir  dann  auch  'sogleich 
eingefallen  seyn,  das^  Skopas  in  Marmot  Yiilcht  ^cbl^nk  nach 
oben  strebende  Candelaber'  wie  sie  aus'Erts,  bft  seht  Sehöti 
geführt,  gegliedert  und  verziert,  aus  Etrurfeyi>  IbekänM  sind 

1)  Archfiol.  Zeit.   Denkm.  u.  Forschungen  Jahrg.  XVIlf,  1860, 
8-  7  ff. 


■M^-d^ 


finwj^dbn  iaii£|fegründete  EinweAdbogen  yön  PrQfK?  Stark«     13 

uq4  ,w9bl  f^yph  vorher,  f^cbon  zierlich  genug  aus  Aegineti- 
sch^em,  ^ndTa^^JQ^nis.chpII|  JErzgemaql^t  worden  Wfire^i,  son- 
deri^  Yie|fn,9iir  Pigyrpn  J)ildete,  ixe  das  Licht  oder  Feueir 
hieUje^,  q^^  t^fugen,  ^1$  Schaftfi^.wie  aiucl|  Herr  Stark  durcl^^ 
m^lllrere  pngeführt^  Beispiele,  von  dem  jetzt  bekannten  aus 
A^X  Odyssee  an,  ^),  wohl  motivirt.  Nur  kann  i,ch  nicht  an- 
nßhmein  'J(ür\gUnge  pdejr  Jungfrauen'^  sondern  i\ur  weibliche 
Figuren  .  (ol^gl.eicl^  ^ntec  d^^.  Beispielen  weil^liphe  Figuren 
als  Candelaber  ausser  einer  Kanephore  nicht  angeführt 
sind} ,  da  inftnoliche  sich  an  ,  die  Seite  der  Hestia  nicht 
scl^ickeo^  Sjßl^er  ai^^r  würd^  ich  nicht  daran,  gedacht  ha- 
b^n^  lang^  pilatenr^eiphe  Exci]|rse  zwischenzu^qhieben  übet 
XafintSjg^g,,  über  hesondere  Bedeutqngen  von^aft/rTif^^  übei: 
Hestia  und  d|e  Prytfineen,  ,und  jBwar  aus  der  Ueberzeu^ung 
dass,  siQ  wiß  ehemals  die  vielen,. langen  grammatischen  unft 
sachlic^hen^  in^mer  wieder  unterb.recbpnden  und  von  dem, 
wor.pyf  es :  jet^i  ankommt,  iibziehefidqn  Noten  unter  dem 
Tß)^tfE^  der  Autoren  d«s  j^ichte,\ind  klare  Yerständ^iss  der 
Littf  rfiti^r  weht  befördert;  :b{|ben»  .4?^  dagegen  dc^rch  grüf^d- 
lich^,  iQ/jff^mmaUken,  IjVjQrterhücheir ,  und;  sachliche  Handr 
hüpl^er  ju^e^r^tfit^t.  werdejn  ipußs,,;  sp  auch  der  ^rq^äolo- 
gliche  jdqnimQntatof  J^|^^$er ,  thut  das  allgemm  Beftannt^ 
Q(}er  jetzt  ,jn.,  bekanjp?t^Q  Büchern  le^^hj  genug  .^u  &n-r 
(^,de  yon^  di^x  Be^pr^chijing,,  auszuscblje^sen  od^r  was 
49rA)ber  |\in^i)sgeh{tj  für  die, Yerbe^^erung  o.der. Bereiche- 
rung ^iefiqr  Arten  yqn  Bü<;Jb^rn  aufzusparen.  Was  Plinju^ 
hin^ljvsetzt:  qwH^m  pares  itf  i^sjn^i  mon^mentis  sunty  übt  ^ 
(%W6pAoi;qf.e^>^fr^m^   ist   picht  unwichtig:    die  Cfindelaber 


i    <      ritt» 


21  Oj  Mällm  HÄi^.  $.  64.  Auch  in  Doiii' ztt  >Pita  sah  ich 
Liohjt  haltende  Engel«  ,1»  der  Jnschrift  beiOreUi'-^  inmi  6immarr- 
n^orea  ft  c^olarUfHs  ^nei$  hahentiffUß  efßgiem.Cupidinis  UnentU  fß^^ 
lathog  iYrerden  wohl,  picht    'zwei  Leuchter  und  ein  daiwischen  ste- 

»      '•  ■'■..Im         , '   .  ■     .  .  ; '   '  '1  .     1  ■  i "  / 

faender  Gegenstand,  wahrscheinlich  eine  Statue*  zu  rerstehen  seyn, 
sondern  zwei  Candelaber  in  der  Gestalt  eines  Cupido,  welcher  Körb- 
chen hielt.  ■         ■   ■   '     ••   ..ii     !•    !  •       I  -•,■■••..  .        .  j-     .  .  i: 


14    Erwieder.  aufgegiUndete  Einwendungen  von  Profi  Starke 

sind  ihr6r  Schönheit  wegen  wiederholt  worden  und  sie  wer- 
den zusammen  genannt  mit  einer  Hanephore  als  bei  yer- 
schiedener  Bestimmung  gleich  darin,  dass  sie  tu  Trägerin- 
nen dienende  Weiber  vorstellten,  wfihrend  das  andere  Paar 
in  den  Servilischen  Gärten  als  Candelaber  neben  der  sitTOn- 
den  Vesta  aufgestellt  war,  was  unter  dieser  Bedeutung  / 
(nicht  zum  Gegenstück  einer  Hestia)  auch  in  Griechenland 
und  nach  der  Absicht  des  Skopas  selbst  hätte  geschehen 
körinen. 

lieber   einen  Punkt  kann   ich  jedoch  schliesslich  nicht 
umhin'  dem   gelehrten  Erklärer   gegenüber  mich  zu  recht- 
fertigen.   Keineswegs   habe  ich  xafuhatQä  'für  eine  Ttiqv^ 
nun  hier   iti  einem  edleren  Sinn  gefasst  wissen  wollen'  — 
'da  doch   absichtliche  Ahschwächung  und  Umwandlung  des 
Worts   und    der  Begriff  der    edelsten   Hetärenbildung   für 
nibht  zulässig  zu  halteri  sei/  wobei  in  der  Geschwindigkeit 
hoch  jegliche  Begründung  für  ihre  (der  Chametären)  Zwei- 
heit  Vermisst  wird:    Die  Wörter  für  Personen  dieser  Klasse 
sind  zum  Theil  ungewissen  Ursprungs  und  durchlaufen  t\xm 
Theil  in  den  Sprachen  viele  Stufen  der  Bedeutung*  vom^efne- 
ren  zum  Gemeinsten,  so  dass  sie  es  dem  Synonymiker  schwer 
machen   würden   alle    ihre  Unterschiede  und  NüaAcen   im 
Gebrauch  der  Geiäeüschäfl  auseinander  zu  setzen. '  Andi^re 
sind  so  deutlich  dass  ihr  Sinn  an  kleinem  Ohr  uriVerstanden 
vörübergehn  khnn,  und  unter  diesen  ist  %ttikita$qa:    Was 
ich  über  diesen  Ausdruck,   statt  von  einer ' Ahschwächung 
W  Bedeutung,  von  einem  edleren  Sinn  zu  lifprecheri,  wirk- 
lich  gesagt  hbbe,   ist    ivörtlidh  dieses:   ^XafAhaiQu  ist  ein 
Kraftausdruck  von   Plinius   ungeschickt   entlehnt  aus  einem 
Griechen,  bei  dem  er  wer  weiss  in  w^elchem  Zusammenhang 
in  Bezug  auf  diese  Statuen  vorkam,  nach  dessen  buehstäb- 
lieber  Bedeutung  nicht  der  Charakter  zu  bemessen  ist,  in 
welchem   Skopas  seine    zwei   Buhlerinnen    gebildet   habe.* 
Seine  zwei  Schönen  ist  jetzo  zu  sagen,   nachdem  wir  von 
dem  Gegensatz  zwischen  der  Hestia  und  unkeuschen  Schö- 


Er  Wreifer:  ■  aufgegpßündete  Eimvendangen  voa  Prof.  Stark.    19 

nen   zurückgekommen   sind.     iZugleich  »ber   ist  durch  den 
Aufschhiss  dass  diese  Figuren  Candelaber  abgegeben  baben> 
ein   Zusammenhang  gefunden,   worin   von  einem  Griechen 
jener  äcbKmme  Ausdruck  gar  wohl :  gebraucht  worden  SQin 
kann.    Wohl  dürfen  wir  uns- doch  denken   dass  die  reiche 
Litteriatur  über  Künstler  und  Kunstwerke  und  die  unter  den 
Künstlern    lebendig  umlaufende  Tradition   nicht  bloss  Lob 
und  Preis,  wie  wir  in  zahlreichen  Epigrammen,  oft  in  sehr 
kräftigem    und   witzigem    Ausdruck   finden,    sondern   auch 
scharfe  Kritik  und  Ausfälle  über  manche  Werke,  selbst  der 
berühmtesten  Meister,   in  Menge    enthielten.    Dass  aber  so 
schöne  Dienerinnen,  die,    obgleich  nicht  unbekleidet,  doch 
so  reizend   oder  reizender   als   eine  nackte  Aphrodite  wir- 
ken konnten,  an  die  Seite  der  Hestia  auch  als  Candelaber 
gesetzt  worden  waren,  es  sey  nun  von  Skopas  selbst  oder 
erst  von  einem  Kunstliebhaber  in  Rom,  konnte  in  der  That 
leicht  Manchen  unschicklich  erscheinen,  und  dass  der  Tad- 
1er   dann   im  Unwillen   die  schönen  Dirnen  xaiietalqaq  ge- 
nannt hätte,  könnte  doch  Niemand  befremdlich  finden.    Der 
von  Hermolaus  Barbarus  gefundnen  Lesart  duas  chametaer 
ras,  die  sich  so  lang  im  Text  behauptet  hat,  liegt  oiTenbar 
camiteras  im  Voss.  Riccard.  Monac.  und  vier  Pariser  Hand- 
schriften,  als  Corruptel,  nah   genug  und  sie  ist  also  nicht 
'handschriftlich  schwach  bezeugt,'  während  aus  ihr  campte- 
ras   des   einzigen,  Bamberg,   nicht   abzuleiten  ist.     Ob  aber 
Plinius    selbst  den  sathrischen   Schimpfnamen    der  schönen 
Mädchen,  der  vielleicht  in  Rom  mit  ihnen  selbst  besonders 
bekannt   war,   eben   darum   selbst  gebraucht  hat,    oder  ob 
dieser  etwa  am  Rand  in  Erinnerung  gebracht  worden  und 
dann   in   den  Text  übergegangen ,   ob  im   ersten  Fall  von 
einem  sachkundigen  Abschreiber,  der  erklären  und  Missver- 
stand verhüten  wollte,  lampteras  gesetzt  worden  seyn  könne, 
sind   müssige  Fragen.     Klar  wird  auch  durch  diesen  Fall, 
worauf  mich  mehrmals  die  Erfahrung  geführt  hat,   dass  es 
bei  manchen  Lesarten  nicht  genügt,  auf  die  Güte  der  Hand- 


!6     Erwiisder.  auf  gegründete  Einwendungen  von  Prof.  Stark, 

Schriften  im  Allgemeinen  und  auf  die  Zahl  der  in  gewissen 
Stelion  tthereinsttmmenden ,  wie  fast  allgemein  gesQMaht) 
zu  sehen,  sondern  dass  im  Einzelnen  die  mannigfaltigsten 
Umstände  und  Zufälligkeiten  in  Betracht  kommw  inüssen. 
Viel  Abtrag  wird  es  dem  Lobe  des  Bamberg,  nicht  \hun 
dass  er  das  mit  chametaeras  in  der  Sache  gleicbbedeuten^^ 
hmpteras  in  das  sinnlose'  oampierat^  verdorben  hat 


' . 


I .  '•  . 


it 


1 1 


5.  'Kleines  Ständbild  del>Pallasi). 


DiRses  iri  'mehrfaclier  Rrnsicht  ausgezeichnete  Flgttr^ 
eben  ist  im  April  18^1  in'den  alten  Sieinbrttclien  zu  Bläidl, 
anderthalb  Stunden  von  Andernach,  aus  deren' Ealkluff  es 
gebildet  ist,  gefunden  worden^  Der  Kopf,  welcher  einge- 
setzt gewesen,  Wie  aus  der  polirten  ^äche,  worauf  der 
Hals  aufgesetzt  war,  und  einem  tiefen  Loch  darin  klar  ist 
bat  sich  nicht  gefunden  und  auch  der,  rechte  Arm  der  Ober 
dem  Ellbogen  abgebrochen  ist,  fehlt'  mit  der  dazu  gehöri- 
gen Lanze.  Im  Uebrigen  ist  die  Erhaltung  glflcklich  zu 
nerineii,  da  von  den  vorzüglich  künstlich  ausgeführleri  Ge- 
Wandstücken  nur'  auf  der  rechten  Seite  strichweise  einige 
scharfe  t^altenrücken  abgestossen  und  der  hiritei-e  Theil  des 
linken  Arms  und  der  Rücken,  so  weit  sie  sichtbar  sind, 
vom  Wetter  angefressen  sind.  Sonst'  ist  es  fast  eben  so 
wunderbar  wie  in  dieser  Sieinart  so  feine  Arbeit  der  Zeit 
nät  widerstehen,  als  wie  sie  darin  hat  ausgeführt  werden 
können.  Öie  Höhe  der  Figur  ohne  den  fehlenden  Kopf 
und  ohne'die  ungefähr  einen' Zoll  dicke  PJatle  worauf  sie 
steht,  '  betragt'  40'Cenlimeter  (PU  PHlin),'  die  Breite  der 
Platte'  25  Cenlimeier  (etwas  itbef  I  Wim].' 

fiigenlhüiiilich  und  ebenso  zweckmässig  als  geschmack- 
Toll  ist  die  Art  der  Aufstellung.  Die  Figur  ist,'uni  keines 
Fusggestelles'  zu  bed^ürfe'n,  iiiit  der  Platte  worauf  tin'd  der 
Wand,  an  welcher  sie'steht,  au^  demselben  Stein  gmchnilten. 
Von  der  Wand   aber,   mit  der   sie  huf  iii  der  Bille  durch 

■  '      1)  JihTt>äcli«r    der    AllerlhUmirrCuDile   im    RbeinUiide,    Honn 
186218,72-79.  .  ■      ■■ 

V.  2 


18  Kleines   Standbild  der  Pallas. 

einen  nur  von  der  rechten  Seite  sichtbaren,  etwa  einen 
Zoll  dicken,  schmalen  Streifen  nicht  weggenommenen  Stei- 
nes zusammenhängt,  steht  sie  gerade  genug  ab,  um  sich 
wie  eine  mit  dem  Rücken  vor  eine  Wand  aufgestellte  Sta- 
tue von  ßflm  i\T^.ßfi\^n  .^flU^Qnmen.^^fifi^pslellen;- ja  es 
war  vor  der  gewöhnlichen  Aufstellung  noch  der  Vortheil, 
dass  die  hintere  Platte,  die  nach  dem  von  der  Rechten  nach 
der  Linken  ausgebrochenen  Stück  der  Rückwand  zu  urtheilen, 
nicht  höher  als  bi3  zu  den  Schultern  gereicht  zu  haben  scheint, 
von  dem  Haupt  überragt  wurde,  wodurch  sich  die  Täu- 
schung der  ganz  freien  und  vollen  Erscheinung  noch  vermehrte. 
Der  Anzug  besteht  aus  einem  Doppelchiton,  auf  die 
Füsse  reichend  {7tqQ^Qijg)y\xnd  einem  grossen  Qberkleid  oder 
Mantel,  welcher  von  der  rechte^n  Schuller  ab  über  den  Leib 
nach  der  andern  Seite  zieht,  so  dass  er  schräg  abfallend 
die  Mitte  des  linken  Schenkels  erreicht,  die  Hauptmasse 
aber,  oberhalb  desselben  entfallet  und  unter  dem  auf  dem 
Schild  ruhenden  Arm  aufgenommen  im  Herabfallen  des  En- 
des eine  zweite  Faltenreihe  bildet ,  hinter  der,  welche  durch 
das  Herüberreissen  der  weiten  Gewandmasse  natürlich  ent- 
steht.  Die  Falten  sowohl  des  Chiton  als  des  Peplos  oder 
Himntion  sind  besonders  tief  eingeschnitten,  doch  so,  dass 
ein  Unterschied  des  stärkeren  und  starreren,  nur  künstlich 
oder  nach  und  nach  an  solche  Strenge  z|i  gewöhnenden 
Sloffs  an  dem  C^ton  beabsichtigt  scheint.  Bewundernswür- 
dig  ist  die  Geschickliohkejit  womit  bespnders  auf  der  rechten 
Seite  unter  dem  auf^ielehnten  Arm  hindurch  und  hinter  dem 
Schild  ,  die  Gewandfalten  ausgearbeitet  sind.  Man  n^öobte 
zuerst  vermuthen,  der  Schild  sei  erst  nach  vollbrarh(er  Ar- 
beit  angestellt  und  die  Yerkittung  sorgfältig  versteckt  worden. 
Doch  ergiebt  genauere  UiitersuchunLS  dass  diess  nicht  d^r 
Fall  gewesen  ist.  Uebri^ons  ist  die  Fertigkeit,  sotto  s(|uadro 
auszusticheln  auch  in  Reliefen  späterer  Zeil  und  ungleich 
weniger  reinen:  Ge^chniack^  oft  sehr  weit  getrieben  worden. 
Von  der  Aegis  sind  linker  Hand  über  der  Gorgo  die  'Schuppen 


Kleines  Standbild  der  Pallas. 
I  sehr   auc 


19 


mg  deuUich,  und  es  scheint, 
der  Slein  verwittert  ist,  dass  sie  auch  über  den  Rücken 
fainabflel.  Der  ovale  Schild,  auf  welchen  die  Göttin  den  in 
den  Mantel  wohl  eingeschlagnen  Arm  sliitzt,  ist  von  einer 
an  keiner  andern  Pallasstatue  vorkommenden  Höhe  und  h»t 
in  der  Mitte  ein  grosses,  rundes  Medusengesichl.  Der  hürh- 
ste  Schild  bei  einer  der  abgebildeten  Minerven,  der  awar 
zugesetzt,  aber  im  Maasse  nicht  zweifelhaft  isi,  ist  noch  viel 
unler  diesem  (Clarac  pi.  473,b99  B.).  Die  Medusa  auf  dem 
Schild  neben  der  auf  der  Aegis  ist  von  neueren  Bildhanern 
bei  der  Restauration  nirht  selten  angebracht  worden*}  Bei 
einer  Chigischon  in  Dresden  bemerkt  Clarac  (zu  pl.  465,877), 
es  sey  sonderbar  auf  dim  Schild  einen  Mednsenknpf  zu  se- 
hen, da  schon  einer  auf  der  Aegis  sey  (wiewohl  hier  nach 
dem  Verzeichniss  von  H  Hase  N,  214  beide  Armt!,  der 
linke  mit  einem  Schild,  angesetzt  sind),  und  zu  pl.  460,  856 
nennt  er  als  Grund  der  Unächlheil  des  Schildes  (die  Übri- 
gens seiner  Form  n^ich  unzweifelhaft  ist)  das  wioderholle 
Gorgonium,  welcher  ein  „non  sens"sey.  Diess,  was  ohne- 
hin übereilt  behauplel  ist,  wird  durch  unser  kleines  Denkmal 
vollkommen  widerlegl.  Vermulhlich  hallen  die  Reslauraloren 
in  Rom  auch  hierin  Marmorwerke  vor  Augen,  die  nunmehr 
verschwunden  sind.  Pio  Filsse  sind  nicht  ängstlich  ausgear- 
beitet. Doch  scheinen  Zehen  an  dem  rechten  erkennbar  zu 
Seyn,  wodurch  wir  berechtigt  sind  anzunehmen,  dass  die  Fi- 
gur, wie  in  alleren  grossen  Bildwerken,,  den  Fuss  nicht  in, 
sondern  auf  das  Fussweik,  eine  dicke  Sohle  aeizie  (ifißtßavia 

fK(JWö))5). 

I  In  weichem  Charakler  die  Göttin  dargeslellt  si.'y,  kann 
nicht  zweifeihafl'  seyn.  Es  ist  die  hiiPücrische  Allii'na,  aber 
niiJhl   in  kampffcrtiger   Stellung,  vorscbroilend,  als  abweh- 

pl.  4T2,  BB8  A, 


■'21  Clarac  pl.  4H2,  862,   pl.JGÖ,  HS6.  887. 
89S  C.  pl.  47.1,  809  B. 

'    2)Beaondersdeuttichand<-rdesA>>lic>c)>oaMon.lDcJ.  d.i. 
111,  21;  at>cr  auch  an  tit-lcu  andern. 


20  Kleines  Staodhild  der  Pallas. 

rende  oder  als  vorslfeitende  Göttin ,  wie  in  den  alleren  Btt- 
dem,  sondern  in  voUkommner Ruhe titeht  sieda^  die  Lanse 
in  der  Rechten^  deni  Schild  auf  der  andlern  Seit^  niedärge* 
setot,  auf  welchen  sie  den  Vorderarm  ufitef.  dem  Ifanttd  auff« 
legt.  Noch  einfacher  ist  die  Stellung^  \Venn  sie^  die  Lanse 
in  der  Rechten,  die  iinkd  Hand  >  in  die  geite  odet  auf  die 
HöRe  setzt,  wie  in  mehreren  Statuen ')y  oder  deii  ünken 
Arm  ausstreckt  /^;  doch  vorzuziehen  isK  dass  4ie  Hand  h^r-^ 
abhängend  auf  dem  Schild  ruhe,  wie  •  ia  einer  ^es  Vatif- 
can  ^),  und  am  schönsten  in  dem  hier  an  tials  Licht  treten«* 
deh  Figürchen.  Noch  erhöht  wird  diese  gefiiliige  Einrioh- 
|ung  dadurch,  dass  dem'  Schild  ein  Gigaiit,  der  ihn  auf  sei-» 
nen  Schultern  hält,  zur  Stütze  dient.  Diess ;  geschieht  auf 
weit  bessere  Art  als  an  einer  im  Allgemeinen  ähnlicheif 
kleinen  Statue  wo  der  Gigant  auf  dem  Boden  kni/H,  die  Sl^hlan«^ 
genbeine hinter sSchaufgezogenfund  d^r Schild welcbecn Pallas 
mit  der  Hand  des  herabhängenden  linken  Arms  .oben  fasst, 
mit  dem  anderen;  Ende  ihm  auf  der  einen  Schultor  «itzt*^)^ 
In  der  GigAntoroachieterscheint  Pallas  nächst  dem  Heer4 
führer  Zeus  als  Hauptheldin;  sie  hat  daher  auch  densBei-»- 
namen  Giganteniilgerin,  yiyavwJiingj  ytyavTolirsiQa,  Y^yav^ 
%o\p6vog  (nicht  ^'»^'aKrojiMrxo^)/ wiewoiil  auch  Zeus  und  Apol4 
Ion  und  Diot^ysos  äfh>  geeigneten  Orl>»;rai^voA^ttti9>!genannt 
wird.  Daher ;  auch  die  Gigantomachie  nicht»  bloss' hm  Tidm«« 
pel  des   Zeus  selbst,  wie'  in  Agrigent^  oder: der  Himmels^ 

3)  Clarac  pl.  4Ö2'E. '84S  B/^pl.  4ö7;880  (JW.'C!iiärafl{.   I.  ^i4r; 
pL  470,  .894.  pl   472,  89«)  G.  -  ' 

4)  Clarac  pl.  473,  898  B.  "   '      i\ 

5)  M.Piotcl..  I^  9,  beii  CUvac  pl.  i463»,  864)  so  dboh  dordh  Re- 
8t9uratioD  pl*  3i9^j469  aa  j^io^r.  P4lla«.,de8  .I^pyre.  ,,.  .i   ,  '    '     .;  , 

,  6)  Clarac  pl.  462  E,  448  B,  wo  dl§  Statue  ii^  die  alte  Samm- 
Jung  Crawfurd  gesetzt  wird,  die  indessen  als  zum  Pariser  Aluseuin 
gehörig  m  Mus.  ,N|ipol,,  J,  \'^  Mus«  ^Fiap^.  IV,  8,  in.Visconti^s 
Opere  Tarie  T:  IV  lav.  4  p.  15—17  edirt  ift.^  UfltePjdep,  M^n^i'.^ 
Ten  des  Louyre  bei  piarai;^  fin4et  9ie.:8i^h  nicht.  Afigebildet  ist 
iie  auch  in  Müllers  A.  Denkm.  U  t«r..  21  .,231.        ,    /.  .       ;' 


Kleines  Standbild   der   PsIIas. 


köni^in,  wie  an  dem  von  Argos,  sondern  auch  an  dem 
Si;hilde  der  Athena  von  Phidias,  an  ihrem  für  die  Panalhe- 
nöen  slets  neu  gestickten  Peplos ,  an  der  archaislisehen  Drftsd- 
ner  Statue  vorn  auf  ihrem  Kleide  zum  Schmucli  diente.  Ein 
Binzflname  wie  Bnkulados,  Pallas,  Echion  ist  dem  Schildhal- 
ter neben  einer  Slaliie  nicht  zu  geben,  da  mehrere  als  von 
Pallas  Athene  besiegt  genannt  werden.  Noch  weniger  ist 
es  schicklich  diese  Slalue  Pallas  und  Typhoeus,  als  üb  es 
eine  Gruppe  vfire  {mit  Visconti)  zu  bezeichnen,  oder  daran 
zu  denken,  dass  der  Gigant  jetzt  noch  einen  Stein  gefnsst 
halte  oder  den  Schild  von  seiner  Schulter  abzustossen  Be- 
mühungen mache,  welche  die  Göttin  stolz  verachte.  Denn 
der  Gigant  ist  hier  nur  als  ein  Zeichen'  und  eine  Zierrath 
gebraucht,  wie  Drache  und  Rabe  am  Dreifuss  des  Apollon 
und  dergleichen  mehr.  Auch  anf  einer  Münze  von  Magne- 
sia dient  ein  Gigant  der  Pallas  auf  ähnliche  Art  zum  Schild- 
faalter^X  Im  Kampf  aber  mit  Enkelados  (nach b ergeschrie- 
benem Namen)  oder  einem  Giganten  allgemein  ist  sie  zu 
sehen  in  den  allen  VasengemUlden  sehr  liauTig,  auf  geschnitt- 
nen  Steinen,  Münzen,  an  einem  Bronzehclm  ^),  in  einem 
Herculanischen  Gemälde  (3,41)  auf  dem  Schilde  der  Gütlin, 


T)  lUon.IncI  d.  Im 
?l,23?.BiDFr8gmeDlei 


rch.  I.IST.  49  A.  t.  Müller  A.Denbm.  tITaf. 

'  AlhuDi  mit  dem  GigaDtea  aU  äcbildhaller 
im  Museum  Chiiramunli  in  der  5.  Abtbeilung  links  ohae  Nummer 
da«  in  der  Beschreibuoij  Boina  nichl  erwähnt  se;,  Siigl  Orurbbck 
hiniu  In  duQ  Berichten  der  Sache.  Ges.   1SG0  Noromb. 

8|  R.  O.Müller's  Handbuch  §.  371,  3,  Der  tismp  EFKE  U JOS 
bei  dem  Gegner  der  Pallas  auch  an  einer  Vase  im  ßullet.  tä-IU. 
p.  53,  den  auch  Euripirlea  im  Inn  213  a.  nach  einer  Metope  dea 
Delphilohen  Tenipeta  nennt.  An  rinem  in  Albeo  Kefundnen  Cande- 
labec-rui»  ist  mit  Eule  nod.  Helm  als  drillea  Emblem  der  Albene 
ein  BcblaD^eariiBaiger  Gigant  veibuDdi*n,  Gerhard  Vettere  Proserp. 
(St.  2,  2.  (IS26)  und  Annali  del  Insl.  arch.  T.  2  It.  d'a:«^.  P,  5, 
welchenLelronnefürA(laa,nöltiK<'rAbendieit.  1835inder  Rec  von  0, 
Miillert  Hindbach  für  Erich  thonioa  genommen  halte,  all  Giganlerkannl 
TOD   it,   Rochelle  Rieprea,  fig.  du  pcrGonnag«  d'Atlas  1835  p.  37  IT; 


L 


22  Kleines  Standbild  der  ?Mm 

vor  welchem,  anstatl  vor  ihror  S&alUBy .  eia  SjegesFesI 
gefeiert  wird.  Nur  ßeUen  hüben  die  iGiganten  stall  der 
Schlangenbeine  wie  in !^ den  alten  VadengemlildeR«^  ar\  der 
Dresdner  PaHasstatuey  noch  in:,$pttteren  Wierken  natürliche 
Beine:  ^  in  dem.  erwUhnlen  W^ndgemMde  und  in  einem 
Basrelief  (Mon.Matib»  3,  19>  1.)  < 

Dem  Gifsanten  auf!,  4er  linken  Seile  war  ^uf  der  ent^ 
gegeng^setzten ,  zur  völligen  Abrundsug  der  Composition 
noch,  ein  andres  Beivrerk  hinzugefügt,  wovon  die  Spuren 
zu  finden  sind,  in  einem  kleinen  Vprsprung  an  der  Hinter* 
wand  und  in  zwei  auf  der  Gestßllplatte  sict^jUwren  kleioßA 
Fleeken,  welobe  verrathen  da«s  da  etwus  abgebrochen  ist, 
Yermuthlich  ringelte  steh  tüjn  die  Lanze  4er  Qöttin  ih^e  Schlan- 
ge. Dieso  ist  an  derselben  Stelle  iauchbei:  4er  .obeRi(ISot^i6.) 
ecwäbnten  Statue  des  franzüt^iQheqrJHus^^ums  miMtm  Gfigan-^ 
tenaU  Scbildbalter  »ngebrachtj  i;  .  .>  <  . 
■  •;  In  dem  .Figärcheni;lius.  taubem  St^in^iJ^t  d^r  alte  bobo 
Typus  dar  PaUas  in  der  einfacbooHaltaQg' lind  dem-^teic 

gefalteten  Chitoa  gemildert  dorch  den.. 9pAt#reii:Qea^hn[iaokt 
DieAegls  ist  zu  äinem  müsaigen  Brusttueh  gevirerdimy  ^n  di^ 

ioackien  Arme,  die  in  ver^chiedeBartigen Pallfisbilderii  fiiiohl 
selten  sind,  hier  in  Verbindung  mit  der  linken  Brust  und 
dem  linken  Boin^  an  welchen^dev  Chiton  fo  anU^gt^^d^^  sie 
wie  nackt  aussehn,  ist  ein  anmuthiger  Contrast.  mit  der  vol- 
len und  schweren  Gewandung  gelegt.  Die  Hüften  sind  «we- 
niger knapp  gehalten  als  sonstutid  die  weibliche  Fortn  über- 
haupt weniger  in  die  männliche  übergegangen. 

Im  Ganzen  betrachtet  erscheint  die  Figur  als  eine  der 
in  ihrer  Art  jind  Zeit  gelungenste^  und  hamonischesten.unr 
ter  den  erhaltenen  Marmorstatuen,  deren  Clarac .  aus  den 
Museen  Europas  (pl.  457—474)  ein  und  achtzig  und  iam 
^wölf'aus  demLouvre  (pl.  31d-^321)  hat  abbilden  lassen-^). 


>  7     <      ^ ' 


9)  Ansserdem  iit  die  Ludovitifiche  voa  Antieeho«  Moii  d«  f, 
111,  Uly  eiaa   Pallaisitlae  im  Bause  Steppani- Vidoni    editt 


yyi^aiAisAKiMMMSa 


Kleines  Standbild  der  Pallas. 


23 


Wäre  ein  höchst  wünschenswerlhes  Werk  vollbracht  und  aus 
den  zahlreichen  kleinen  ErzGgürchon,  oft  unschätzbaren  Mi- 
niaturen nach  verlornen  Meisterwerken,  die  in  allen  Museen 
und  häufig  im  Privatbesitz  angetrofTen  werden,  mit  guter 
Auswahl  eine  Sammlung  von  Abbildungen  veranstaltet,  so 
würde  die  Abtheilung  derPallaeibildchen  vf^rmuthlidi  noch  zu 
mancher  Vergleicbung  und  Bemerkung  in  Betreff  des  Ithci-- 
nischen  Steines  Anlass  geben:  schwerlich  aber  diesem  den 
Preis  der  Seltenheil  und  Eigenthämlichkeit  entziehen,  wo- 
durch er  an  wahrem  Kunstwerth,  da  er  ein  bedeutendes  uo- 
tergegangnes  Original  ersetzen  muss,  sehr  hoch  steht. 

Auf  die  vielen  kleinen  Götterstatnen  die  in  den  Ifoseen 
besonders  ia  Born,  so  häufig  vorkommen,  ist  niemals  eise 
besondre  Aufmerksamkeit  gerichtet  worden:  und  doch  luüdite 
übor  ihre  Bestimmung  und«  Aufstellung  sieh  Manches  ermiw 
teln  lassen.  *  Von  den  Pallasbildern  gehört  zu  dieser  ElafK- 
die  vorher  verglichene  mit  •  dem  Giganten  als  SohfUimter 
(Not.  7.),  2  Fuss  6^/4.  Zoll  hoch,  und  eine  zu 
170  des  Verzeichnisses  von  H.Hase,  bei  Clarsc  pl. 
2  F.  6  Z.  hoch.   . 

ScbKessHck  ist  zd  bemerken  dass  die  in 
barschaft  gefnndne  Figur  in  den  Besitz 
gliedes    der    Frau    Hertens  «Schaeffhausea 
deren  mit  eben  so  viel  Einsicht  als  Eifer 
täglich  vermehrter  Sammlung  zur  v\ 
gereichen  sie  schön  und  merkwfirdig 
in  jeder  andern   welche   man  neniicm 
unvortheilhaften  örtlichen  Steioari 
det  ist,  sich  sehr  wohl  äusoehmfln 


Drssiflc  **i 


Emil  Braun ,  Ant.  Marmorwerkc  Jl, 
Le  Baa  Voj»  arch^ol.   livr.  23t  fd. 


-^v. 


Aphrodite  zu    Salamis   in   Cypern^   genannt 
Parakyptusa,     Praspiciens,    auch    die   Mtt^ 

leidige*). 


»<  I 


I>er ,  seitwärts  ein  wenig  vorgeneigte  Kopf  der  Haupt- 
figur mit  dem  Anfang  des  Halses  ist  auf  einer  Platte  haf-*, 
tend,  so  vollkommen  rund  gearbeitet,  dass  der.Medufieiv<- 
kopf,  welcher  von  der  Slirne: an; auf  iteem  Kopf  in: rüjBfcr 
wärts  schräg  aufsteigender; Richtung  iliegt,  (Raum,  genug  Imit 
mit  seinem;  Scheitelhaar  die  PlaUie  noch  au  erjneiehenii  <  Keiw 
einzelne  Zeichnung  wird  daher ''eine,  hinläflglich  t richtige 
Vorstellung  :yon  dem.  ganz  elgenihümlicben  Ueiuen/  nar 
8—9  Zoll  hohen  Ganzen  geben  können,  leb  wenigstens 
muss  gestehen  sie  erst  durch,  das u Weile  selbst,  ui^nem 
GypsabgttSS'  erhalten  zu  habend  iwelcbea  mir  mein  weltbe- 
rühmter^ ,seit  guten  Jugendjafareft  immerfort  lieber,  ireueir 
Freund.  Karl  Bauch  zuschickte,  obgleich  mir  dils  Bedeutung 
im  Allgenieinen  durch ^inen  Blick  afof  die >  Emil  Braun'sehe 
Abbildung,  worin  Aphrodite  kenntlich  genug  ist,  fchoQiVor«. 
hier  klar  geworden  wan  «  »     »  !        m*  .     .    ( 

^       IXeri  etwas  räthselhaftia  Marmor  würde,  zuer^  in  dea 

Specimens  of  ancient.  sculpture<  Vol. 'ft»pl.  .44  bekan/iVigOrr/ 
macht  (von  W.  R.  Hamilton)  als  Perseus ;  darauf  von  Abe- 
ken  herausgegeben  in  den  Annalen '  de»  atfchäotogischdn'Io^ 
stiluts  1839  (T.  XI  p.  226  tav^i  d'ag^;  K)  und  zuletzt  vo» 
Emil  Braun  in  seiner  Vorschule  der  Kunstmythologie  Taf. 
59  S.  37.    Die  beiden  Deutschen  Erklärer  nennen  die  Göt- 


*)  Gerhards  Archfiol.  Zeitung  XVDeokm.  u.  Forsch.  1857  S.  1—9. 


Aphrodite  zu  Salamis   in   Cypern. 

tin  Minerva  mit  Gorgobelm ,  indem  sie  sich  »uF  die  Alhena 
Gorgolopha  bei  Arislophsncs  in  denRillprn  (II8I)  beziehen. 
Abeken  führl  auch  eine  „analoge  Büstt:"  in  der  Villa  Bor- 
gheseim  Zimmer  des  lanzonden  Faun  an,  und  wirlich  nennt 
in  demselben  Zimmer  Cantna  in  der  von  ihm  verfasslen 
Indicazione  der  Sculpluruerke  der  neuen  Borghesischpn 
Sammlung  p.  24  no.  6  „Buslo  di  Minerva  Gorgolofa,  cioe 
coperla  di  eimo  formato  dal  capo  di  Medusa".  Auch  ist 
in  den  Annalen  des  Inslituls  im  Inliallsverzeichniss  (p,  224) 
nachträglich  bemerkt,  daes  „andere  Wiederholungen  der- 
selben Darstellung  im  Cnsino  des  Pirro  Ligorio  im  Vhü- 
cangarlen  sich  finden".  Braun  spricht  von  „häufigen  Wie- 
derholungen dieses  originellen  Typus,  welche  die  fiömischen 
Museen  Hurbii'len  (woraus  doch  kaum  auf  mehr  andre  als  die 
erwähnlen  zu  zähU'n  üeyn  möchte]  und  welche  aurein  berühm- 
tes Vorbild  schliessen  lassen  ^  dass  die  Bezeichnung  der  Pallas 
Gorgolopha,  di'r  Gorgobehelmlen,  geführt  zuhaben  scheine." 
Der  nur  einmal  vorkommende  Beiname  der  Pallas  hat 
ein  grosses  Missversländniss  veranlasst,  Denn  sicherlich 
ist  ^en  so  wenig  die  Göllin  Pallas  als  die  Medusa  auf 
ihrem  Haupl  eiti  Helm.  Die  mit  dem  Fell  eines  Löwen- 
kopfs, gleich  ihrem  Herakles,  bedeckte  Pallas  bei  Braun 
Taf.  70  wird  man  nichl  eine  Ltiwenkopfbehelmle  nennen. 
Eine  Gorgolopha  würde  auf  der  Scheilelwölhung  des  Helms 
eine  Gorgo  haben,  wie  die  des  Phidias  und  dieGiustinianischc 
eine  Sphinx.  Denn  der  zweite  Theil  des  Worts  ist  von  dem 
Helmbusch  [Mtpo?)  entlehnt,  an  dessen  Stelle  die  Figur  Irilt, 
und  die  griechischen  Beiwörter  sind  durchaus  bestimmt 
und  unzweideutig.  Bei  der  I{riegsgötlin  ist  die  Gorgu  Zei- 
chen des  Schreckens  den  sie  vei  breitet,  und  es  kommt 
dieses  Zeichen  ansser  an  der  Aegis  auch  an  dem  Heliiilsp- 
pen,  vor,    doch    nur   selten  <j.     Auf  der   Spilzc   des  Htlms 

1)  Ueriliird  und   VaaoiVt  Npnppla   anl.  Blldw.  S.  37  No.  S: 
87.    Eiae   roti  diesen    nird  die  Büale  aus  Herculaneum  bi 

T.r.  S8  .„..  ■*  "  '■    '•  -■"■"  ■■"""  ■" 


2S  Aphrodite  zu  Salamis    in  Cypern. 

würde  die   Gargo   nicht  klein  und   untergieordncii  in^  Relief 
wie  auf  dem  Helmlappen,  sondern  in   verhtltnigsmässiger 
Grösse,  in  voller  Gestalt  gebildet  seyn  un4  der  Pallas  daa 
ius&ersten   Aufdruck,  der   Furchtbarkeit  ;gef>en^    D^ruip  ißi 
bei  Afistophanes  in  den  Aebarnern  (567):i4amachoB  ein  Gor-* 
golophes;  ein  Gorgobebelmter  ^);  und  zugleich  h9X  dieser 
charakteristisch*  genug    das   Schreckenszeiehen  .  dazi^    auch 
auf  denkScb1Ide>  wie  Agamemnon  bei,  Homery  ^,eiiD  gprg^h' 
rtickiges   SiohiidHsrund^^   (11*^4),   und  in  den  Rittern. ist  ea 
auch  gerade  Kleon  dem  der  für  seine  kriegswüthige  Alhena 
erfundne  Name  Gorgolopha   in   den  Mund  gelegt  ist;  yon 
einem   Künstler   ist  er  schwerlich  veranlasst  worden,    da 
diese  Haaiss  zu  halten  wohl  verstanden.    Etwas  Andres  ist 
es  wennineinemChorliededer  Helena  von  Euripides(l316) 
Al^b^a^bst  figürliche  eine  Gergo,  furchtbar  wies  diessei  ge-, 
natini  wird  (a  ä^  Syx^^  Fo^w  .TJfclyoTtlog)^- yr9t$  ebenfalls  zuk 
grossem  Missv^rständniss  Anlast  gegeben  hat?).    Knd  wie 
veitträge  slichnun  mit  diesem  für  den  Charakter  einer  Pal- 
las, entscheidenden  Grauenzeichen   der  Ausdruck  unsefor, 
Göttin,  ja   der  der  Medusa  selb^  ailf  ihrem  Haupt?.  Denit 
darin  bat  Braun  Rechl  imd  es  fühlt*  sioh  ibei  dem'  orstea 
Blick  auf  den  GypsabgusS)  dass  der^Gesiehitsausdruck  ider 
Medusa  eine  ergireifende  Parallele 'bildet  zu«  dem'  ,,wehnriü-^ 
thigeii^  söhmerzenreichen ^Ausdruck ,  der  fast  modernen  Ein--f 
pfindsamkeit'^  der  Göttin«'   Nur  ist  das  tief'  Schmerzliche ia 
dea  Zügen  der  Medusa  hiebt  daraus  .«u  sriddren^  dasß  d9!S) 
Orauenweisen  >sicfa  erst  im  Tod^skaaipfe  veredelt  babe4 

2)^a^«^9(D  ro^y^^ov  Acli.--ii81  tgl  .m.  kLSphr.  1^7.  H^sjfcb.' 

yQ^oX4(jpiis,  4/^0  tov  J^otffovrig  n(Qtxt(pcfhiag.  Sp;^u^k  der  Scho||i)8i. 
(Jngeoauer  Schol.  Equ.  U81  ^ .  ix  tjjc  xeqaXne  jnsro^yovf  ,D}vx<9>a- 
Xaiay  ix^vffa,  wozu  schon  H.  Stephanus  bemerkt:  yel  potius  caput 
Ciörgonis  in  cono.  iBltjm.  M.  yoQyoXötpijso  (fofiegog.  Der  Duo  de  Luyb^s 
Etudet  nnipism.  1835  ^•.  41  bezpg  dai^  j^^jwort  (^orgolppha  ^uf  den 
Kampf  der  Athf na,, gegen  die  Gorgo.  ,  ; 
3)  K.  0.  Müller  Proleg.  S   310  u.  A. 


Aphrodite  zur  Salamis  in  Cypern. 


i.  ,,r  /Die  Pullas  ausgeschlossen,  ist  keine  andere  GüUin  an 
die  hier  gedacht  werden  könnte,  als  Aphrodile.  Sie  ist  es 
an  die  von. Anfang  liätle  giidfleht  werden  sollen,  da  ihr 
Ideal  so  sprechend  ähnlich  austfedrückt  ist;  und  gerade  nur 
sie  ist  es  auch  in  deren  Geschichten  allein  sich  ein  Grund 
zu  dem  Ausdruck  des  Sehmerzliclien,  der  in  dieser  Dar- 
slellung  der  herrschende  isl,  müclile  aüflindeii  lassen. 

Die  Herrschtift  der  Aphrodile  im  Leben  der  Menschen 
ist  in  den  maniglalli^slen  Arten  ihrer  Einwirkungen  in  der 
alten  Liltürnlur  und  Kunst  lausenjrach  geschildert  und  aus- 
gedrückt, oder  angedeutet  uder  bezeugt.  Nur  die  tragi- 
schen Katastrophen,  die  ihre  Gewalt  über  die  Herzen  na- 
li)rli(;h  auch  in  dem  gesündesten,  wenigst  verbildeten  Volk, 
zumal  in  einem  so  lebhaften  wie  die  Griechen,  zuweilen 
herbeiführte,,  sind  verhallnissmässig  in  der  Lilleratur  ver- 
slecUer  und  daher,  weniger  bekannt.  Doch  seitdem  die  Si- 
cUischen  Hirten  davon  sangen: 

wie  um  die  Xenea  einst  hinschmachlele   Daphnis    der 
Kuhhirt, 

sind  gewiss  in  gar  mancher  Griechischen  Landschaft  unter 
dem  Volk  wehmülhige  Lieder  erklungen  von  dem  Schmerz 
blühender  Jugend  über  nicht  erwiederte  oder  aus  Hochmuth 
verschmäj)te  Liebe.  Der  alte  Dichter  Stesichoros  sang  die 
schöne  Ealyke,  die  sich  vom  Leukadischen  Felsen  in  das 
Meer  herabstürzte,  weil  sie  eines  geliebten  Jünglings  recht- 
mässige Gattin  zu  werden  Aphrodilen  vergel)ens  angetlehl 
hatte.  Hermesianax  erinnerte  seine  Lconlion  an  den  wohl 
viel  gesungnen  Menalkes,  der  aus  Liebe  zur  Euippe  (ein 
Name  der  vornehmen  Klasse)  sich  von  einem  KeUen  herab- 
fallen Hess.  Uarpalyke  lödete  sich,  weil  sich  da^  Herz  des 
Iphlklos  nicht  erweichte.  Aber  die  schnüd  und  grausam 
aUB  Stolz  oder  Vorurtheil  zurückgewiesene  Liebe  findet 
auch,  ihre  Rächer  an  den  Göttern,  wie  in  der  Geschichte 
von  Kallirrhoe  und  Kwesos  bei  Peusanias,  oder  in  einem 


2B  Aphrodite   ztir  Sälaiitis   in  Cypern. 

AtitefosV  wie  in  d^T  von  Melilos  and  Ahtagöhis  ih  ^  Athen 
bei  dentiiselben  und  Aelian. 

'  Eine  Antaphrodite  kömmt  nicht  namentlich  yor;  nber 
#ohl  tritt  aoeh  sie'  als  Rächerin  der  Ftihllo^igkeit  «üf  in 
eitler  sehr  beftlhmt  gewordenen  Kypriischen  Geschichte',  wo- 
rin sie  die  stofz^e ,  grausaihe  Schöne  in  Stein  terwandölt, 
deren  Herz  sdioti '  vorher  wie  Stein  gewesen  war.  Diese 
Gesi^hichte '  lirzlihleki  tiach  der  Leontion  des '  Hernic^ianax 
Aritoninnsi  Liberalis  (39),  Ovid  in  den  Metamorphosen  (14, 
g9g_76I),  der  sie  allbekannt  in  ganz  Cypern  nenirt, '  und 
Plat«rch  in  seinem  Liebesbuch  (20);  alle  drbi  übereinstim- 
t[i^i  im  Wesentlichen  und  verschieden  unter  einandei^  nur 
in' d^il  Nameh  'des^'Paats  und  Ovid  u^d  Antonios*  tfnl^^ 
Mch  W  der  ausführlichen  Erzählung  vöfi'  dessen  p^- 
söiiHch^h  Värkltnissen.  Tlutarch  fUhrt  auch  eihe 'gleich« 
Geischiteht^  ritt  von  eirier  in  Stein  verwandelieU'  Rr^tfe^ii, 
der  man  den  Namen  Gorgä  gegebefii  hatt^si^' imi  '|^sst<^ 
yen  Sinn,     ;  ,  /   . 

,     '        ■'.ITT  . .    ,     .      •     -i. ;    ;  i  i.   1,   .  ..J     >.  •.       ■  ■.    •/  i  .  ' 

Die  Erzählung jVjOn  der  Härte,  wodurch  die  kalte  Kyp- 
rische  Schöne  den  Jüngling  dahin  brachte  sich  an  ihrer 
tbüfe  isii' erlil(ngeh',  kann  ich  übergehen.  Die  I]tauptsadhe 
ist  (iass  sie,' als  "^nuii  dessän  I^eichenziig /  iii  welcKepi  seih 
verbliciien6r''LMb"auf  der  fifthre  zum  Scheiterhaufen  getfä- 
geh  Würde  und  Klägetöile  erklaügen,  aus  kalter  NeUgiefdö 
iü  deii  Dachfraüm  ^tiisg  -^  die  rftcliende  Göttin  trieb  sie,  sagt 
ovid  -^  aüs^  dem  V^lcimt  heükUchmii ,  und  bd '  A^xn  Änbffök 
jplötzltch'  iti  Stein  feri^arrte;  ^  Unii  halte  di^ss '  niödt  für  er^- 
dichtet,  so^chliäsäi'(fer  Didhter,  tthier  dem  Bildb  der  Xknä^ 
Ischauendeh)  D^me' bewahrt  jSälani!is'tit)bh  eift  SteinbUd  und 
hat  teiiofi'  einen  Telmfpel  dW  Y^Atis  lihter  dorn  N^tiieA  tf^r 
Ausschauenden  (Pi^ospici^i^^V  mit  der  :  Stitue  'deir^tt»eii 
'däriiK,  wie  isich  Von  selbst  Verst^ftt. 'AiitoniMs  Lfbe^&lis 
b^t'inür;'  Aaä^>  AtrÜrddite'die  Au6tichali^ndej^tiie>1)'ei  Hkii 
iMtpuikc  helsstV  ifif  Stei^<  verv^randelt«.  PMarbh  lit>er<  be^ 
«tätigt ;:  i dvsä  »die » "Vi^melnetie  {  Mm^s  Leukoimanlis ,  ni<K;h 


MM 


Aphrodite  .zur  ,Sfd$unis  in, ,  Clypef'p.  29 

jetzt  ia  QypejrnParakyptußa,  genannt  w^rde  ^).  i.Ohoe  Zwei- 
fel würde  ohne,  die  QOUin,  die  najch  Oyid  diesen iBeinaopLeüj^ 
wirklich  führte  und  i4io  ^^schiphte  imAo^d^en  erhielt  so, 
l^ng  als  ihre.  Statue  unter  diß&e,n  Npmen  und  Jibr  Tiemp^ 
l^e^t^nden  ^  die  flart)ierzige  naph  Jahrhunderten  .S|elb3t  in.  Cy* 
Pfrn  wede^.  unter  ihrem  wirklichen  ^amen..noph  un^^f;  dp}/^ 
Beifiaipan,  4on  üie»  mit  der  .  Qöttii^  g^m^in,. hatte ,., genannt 
worden  seyn.'  Pas  Wort  .na(fax,^nuppbed&^i^i  ganz  eii-i 
geqtlich  auch  ..aus  de^n.  Fenster  od^r.; im  Vorbeigehen  mit 
umg^wandtem.  Kopf  schauen  ,u.,  s.  w. .  Nun.;  kommt  npjoh 
hinzu  I  daas  .Hjssychius.unl^r.f A^ij/fiO))'  angiebt,  in.  Zypern 
hatje  Aphrodite  den, Namen  dep  Miileidigen  gehabt..  Scl|.wer- 
lich  wird  Jemand  anstehen  Gyp^ern  in  dieser  Glosse  mit 
Salamis  in  Cypern  be.i  Oyid,  und  den.Mamen  dieMitleidige 
niit^  jd^m  andern  Farakyptusa,  ProspicienS;  da  die^e  ai|s 
Mitleid  mit  deip  ,Jjifln|;liqg  di^  Grausfime  v^rstei.Qerl  hatte, 
zu  ■  verbinden, .  Hesyclj^us  setzt  eine  mitleidige  Aphrodite 
aifph  nach  Chalkedonia ;  dahin  wird  .sie  mit  der  Sag^,  selbst, 
so  wie  wen|g$^en^,,die$e  na(^  Kreta,  ,vpp  Cyp^n,  mis  ver- 
pflanzt wordcjnseyij^/  ,      ,       ,      ,      .    ,     j 

pie  An^e^dung  dij^ser  Geschichte  .i^uf  df^^  ,ui)$  beschüjT-t 
tig<ende.  Bildwerk  ergiebt  ^ich  ejnfaeh^  ohne  Kun^t  i|ioch 
Idübei  wie  ypa  selbst. ;  Aphrodite  yifird  fI(E}d^rmimn  fijkenr 
nen^  dessen  6,edan|i^en:  nich^  duirph  dje  M^dujsa  aiif  ihrem 
Hi^upt  .  irre  .  gel^itet^ j  sind.  Sie  sieht  )jrai|i;ig  un^ ,( mitleidig 
aus,  weil,  der  durch  Stolz  zi)  Todp  geiquältp.Jüuj&lipg,  aip 
jammert^,  welch^i^'Sie  and^r  Sjchöinen  ifni^  d^m  Ffil^^nhefi^c^^ 
r^cht. ,  Sie  thut,,idi^sjes  so  dass„sie  ^e  ganz. zu ^teiu;  wer- 
den iässt,  was,  die  Mediisa,,  au^drüqkt,  .Son(4erbf)p:  jsch^t 
dsf^f.  die.  Göttin  «i^ibst  ii^  der  üfilfung  des  vQn/ihr;..x,eir^tf)ir 

HaQttxvnrovaay  in    vvy    nQoaayoQfvofiiytiy;    dkXd   i^y   PogyoT'g  t<r(ag 
noty^y    ovx    dxfixoars,   tijg    Kgijoinie,    Tiagankiot^:  rpr.ü^aKvmovap 


30  Aphrodite  zur  Salamis  in  Cypern. 

wussUein  oder  wie  man  das  Fremdartige  nennen  will  das 
sichiin  die  Zeichnung  eingeschlichen  hat;  stimnea  über  gaai 
stt  dem  Ernsten  und  Sinnenden  das  auclT  der  liebücbM» 
Iftahelnden  Aphrodite  im  Augenblicke  des  Mitleids  «xiikoronti 
Abeken^)  bemerkt^  dass  einige  tüchtige  Konstkeiiatr 
„wegen  des  Ausdrucks  dw  Gesichts  und  des  Cbaraktem 
der  Arbeit<<  die  Authenticitftt  der  Pallas  Gorgolopba  bßr 
zweifelten  y  denen  daher  natürlich  auch  die  BorghMiscbe 
Wiederholung  verdächtig  sei;  mehr  andre  nicht  wienigef 
wackere  die  Aechtheit  stark  vertheidigten.  Die  JBrslen  ge- 
hörten zu  der  Klasse  von  Künstlern  und  Kunstgelehrtev 
die  um  so  geneigter  sind,  ein  Werk  das  etwas  AuffaUeii- 
des  ^:  ihnen  Unerklärliches  enthält,  für  modern  zu  erklären^ 
jemebr.  sie  altt^  Bildwerke  gesehen  und  sie  zu  fassen  und 
sich  zu  erkldren  sich  Mühe  gegeben  haben.:  In  diesem 
Fall  rechtfertigt  sie  der  Gesichtsausdnick  der  Göttin ,  der 
einer  Faüas,  wie  verschieden  auch  sonst  der  ihrige  nach 
einer  langen  psychologischen  Farbenleiter  ist,  .duroMlos 
nicht  liukommt;  und  vergeben  kann  man  den  Zusatz,  des 
Cbarakt€«rs  der  Arbeit ,  da  dieses  Anhängsel  als  Stütze  eines 
wirkUchen  Grundes  mit  all  seiner  Unbestimmtheit  und  WiU* 
küriichkeit  bei  den  Zweiflern  herkömmlich  ist,  auch  wo  es 


* : 


7)  Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  nicht  unbemerkt  laspeo, 
Ads^  der  Kopf  aufgebrannter  Erde  (Mon.  cl.  Inst.  111,  8,  2)  über  den 
der  Artiklel  diär  Aboal?  fXT,  223^228), '  wo rlh  Ton  der  ,;Pallii8  Gör- 
folopha'.'  die 'Rede  ifl,  aieh  Terbreitet «"nach' bestimmte»  Grilndea 
Dich.i  einei^ewaffoeteiledufia,  die-Abekw«  sich  in  der  Notb  d^B»« 
kUmiig  f^rfindet,  darstellt«  sondern. ei^e  be<^eulungslose.Pbant^^l9 
istj  dergleichen  in  sjcilischep  und  unt^ritalisc|ien  Terrakotten,  gar 
Tiele  Torltommen^  und  dass  auch  das  im  Text  abgebildete  kleine 
Ertfigurch^ii  ion  MesÜina  nicht  eine  andrd  bewaffnete  Medusa ,  aon« 
der»  eioea  T^ptioo  dai'suTIt/ ihnliche 'd^tn  grosftön  atr^Alarmör  in 
dem  langen  Corriäor  des  Vatikaaische'il  Museuton.  Ein  gunc  Vko« 
llc^ies  iM.ini^  ßrittiacben  Museum  unter  dea  fironsea  aufgesteliliin« 
ter  deo  Satjra.  / 


Sba...MÜHMHiMHHMHBiiMHMMMMHMI 


ApKi^di^e'  ZU   SMtfmtt^  in  '^'pMt.  IS 

äoch  Wschwet^  tseyttinOirMe^'delri'Öilafirict^tdM  AitrW<  mk^ 
Mtn^licb  '2a  unter!rchei(i!eD. '  Höht*  8Äg>eiri  hif^  Mddsse^di^  j^il^ 
dorn  zil,  -Welche-  ftbei^''ahaik>(Md'iModek»hii^^^  ii/y  KMi^ 
gekoitimen  war(^»v  um  vollkommen  •g^Wiä«>  zü-^«lyfl^  dadi^^' 
vn^  aubh  'dei'  WiUerifpräc^  diee^  AMdrtißks  üird'eii^Pdi' 
las  iu  lö^eti  seyh'tndjfe'y  dieses  W'di^'tlim' ein e#tie«eMi 
Bildh^uät '  weder  aüsi^üdaetit  ^oeh  Mi^gefttbrl^^eyii'^^könn^; 
Ein  i^üichef  hWe  es  leidht  g'elmM  di&  M&chiävi '  flicht  Ml 
gesbijlossenen  Angeii  zu  'biMieil.  Auch'ftüsserliche  Grün^^^ 
für  die  Aedbfheit  Ia|en  scho»  -düttiäls'  vor,  zunächst-  die 
rnefarfacheh,  tvehigstefks '  drei'  in' Rdttif  befindlichen  Wiäder^ 
holiingeil  desscflben  Werks  von  d^m  iiier  dreRede  ist)'  dii^ 
hämlich  als  Gescb^k  Camovas  an  den  feinenf 'KermW  dbr 
alten  Kunst  W.R.  Hamilton  in  LondonfgfekOmmen  ist.  Mit 
der  Anführung  dieislär  Schi^nktirig'  verbindet  Abcfkeii  die  Ari-t 
ga1)e  dass  ein  Bauer  den  Martnor,  d^n  er'  in  d^f  Cain'-^ 
piBigna  gefünd^,zü"CanoVa  gebrächt' hafte.  W^  aberGa^^ 
novas  Stellung  irl  Roth  kennt ;  wird  nicht  glauben  dass  doM 
irgend  Jemand,  gar  ein' Campa^nüoie'ehtisri  ündchtim  VM'^ 
mdr,  derf  er  giäranden'=fa^be|  ihih  ssugi^t^ag^ri'  häHer  X}tti^ 
der  Menge  'Vbrl  ähtikeln  Pi^agrhdnten^  die  sfn  seheM'  Hdilis 
uild  derZtigsliigi^ivaWd'efingef^etirt  wW  dltr  tritiHis' äufU 

gefallen  daö "hiebt  WirklÜh  änlik'giiwe^en  4i^irfe.  •«  ''  »'"" 
Da  üiie  UesprotHene  'Aphh)Wi^  ein  AHi^fik'^Hdetvkd 
ist  tu  vefi^tliüik^n  däs^'Un  deih' irchit^ktdni^ch''M 
Werk  wdnEi"tidtes6fesiteh' befand',  elrt  Widi*es  tnit  ififr' in  Bd^ 
Zug  oder  'Cö'tifrak  ^tafifd;  od^r  dbsi^'  nirelhi'ete  Arttefi^e  'l^ri-^ 
liehet  Art  darÄh' zfusiimVn^hlriiferfJ''  ■'       '^      .(    .-1...    .j. 

Aiif  Anläss' öWer' Erklärung  ' bat  sich    (fer   üriermiid- 

sie  im   Januar 

ton   in  London  gewandt  und  von  ihm' vom  ?Yi'Pebr/ fol- 
gende Nachri9nt,  die  er  in  dem  Anzeiger 'lb5*t'S.  66*  niit- 


theiit,  erhalten:  Mön  ämi  Üanova,  qui  me  rägata  ceUe 
V.  3 


I-. 


«  I 


Bacchus  mit  der  Stiarhaut^) 


i;  .         .\        ■    ■    .     ••  .  i 


'■  'Taf.  II.  '     ■ 

'  .  .'  '  '  '  .  '  I  '  '  •  * 

Diese  Jkleine,  gegen  drei  Pjalnijen  hohe  ßiatQe  ist  yor 
kurzer  ^eit  in  Rom  aufgemacht  und  befindet  sich  im.Be^ 
sitz  des  Malers.  Herrn  Wlttmer.  Sie  fällt  auf  durch  d^o 
noch  nich^  vorgekommnen  Anzug  oder  Schyiuck  d^r  über 
d^n  Rücken  hinabfäiil,  ist  jedoch  leicht  zu,  erklären  und 
unter  viele  andre  Bildwerke  an  ihrer  Stelle  eiozur^ilven. 

Bekannt  ist,  dass  in  ^er  alten  Zeit  de^  symbolischeit 
Cultus  der  Stier  die  Gottheit  in  der  zeuguntfskräftigea  F^üb-^ 
lii;igszeit  bedeutete,;  welcher  die  des  Absterhejis-  irn  Bilde 
des  Wolfs  gegeaüber^t^ud;  Diese  beiden  i(n  Kampf  stellte 
ein  altes  Bieliefjn  Argqs,  wo  Apollo.nLykeios  vepebft  wurde, 
dar  ^).  und,  dij^scrGiQgensajl^  liegt  dem  Mythus  in  det  Ilias 
zu  Grunde  dassiPiony^ps  von  l^ykoergqs  in  das  Meer  zu- 
rückgetrieben )yir.d ,'  in  das  ürgewäss.er  ^aua  welßhem. ,  alle 
F^uchU^kejt,  ({Mr<;b  welchp  dißviFrübljngssonne  scbafTt^  «bj. 
gdßitQt  wurde.  Aufib :  na^hd^m;  die  Tempel  d^  mytibischei^ 
menschlichen  Götter  ganz  Griechenianid  i^Qs($t  erfüllt  hatten^ 
erhielt  sich  noch  viel  von  dem  alten  Naturdienst.  So  rief 
man  in  Argos  den  Dionysos  ßovyev^g^  was  von  Stier,  ßoCg 
TavQog.so  wie  tavQoyev^g  in  einem  Orphischen  Bruchstück 
nicht  verschieden  in  der  Bedeutung  ist,  unter  dem  Klang 
von  hinter  Thyrsen  versteckten  Trompeten  aus  dem  Wasser 


1)  Annall  d.  Inst,  archeol.  1857  p.  146—150.  Mit  einem  Zu- 
sati  Ton  G.  firunn  über  die  Arbeit  des  Marmors.  Monun.  9.  6. 
tay.  6,  1.  2. 

2)  Pausan.  2,  19,  5—6.  Plut.  P^rrb.  22. 


Baccbwsf.  mit  der  Stierbaut.  37 

indem  man  in  den  Abgrund  dem  Thorbüter  C^t^^ao^o;)  ein 
Lamm  warf.')  Und  in  Elis  r(efen  die  Waiber  welche  da$ 
Fest  Tbyia  ^cht  Stadien  von  der  Stadt  entfernt  £eierte)nden 
Gott  an  zu,ihn^nj(U  kommen  in  4en  Tempel  mit  dem  Re«- 
frain  des  ki^*zeQ  Gebets  a^i«  u»VQS,äl^i€%a€Qe.^yhBl$ 
dic^  Zeit  gekommen  war  dass  in  den  mythisi>bm  Göttarn 
Phantasie  lind  Qlaube  nicbV  mehr  volle  Befriedigfung:  fan- 
den, da  wandte'  man  sich  iti  diesem,  wie  in  atidem  Culten, 
mit  einem  geinrifiseii  mystischen  Sinn,  :iüm  Alti^n  surück^ 
also  zu  dem  Stierbild.  Bei  Euripldes  netint  in  den'iBa<Doben 
der  Chor  den  Dionysos  wvq6xsq(iop  ^ivy(9Q^imQQ  Vgh 
878r«=9I2)..und  ruft  ihn  an  n erscheine  Stier  ,^  gn^iv^&t  lavQiH 
(QTls^nlOO^),: bei  Sophokles  leseh  wir  in  einem  Bt*uchstOck 
d  ßi^H^QmQ  Ifax^^g,  wo  Dionysos,  verstanden  isft.«  Daher 
ist  von  vielen  Dichteortl  Dionysos  Stier»  genannt  worden,^) 
undjn  mehreren  kleinen  Monumenten  ist  in  dem  Stier  Di« 
onysoszH  «erkennen^  Besonders  «ber  bezeichnetiaBitiur  die 
aus  den  Schlafen:  hervorragenden  Hörner  der  Mienscbenge^ 
stallt  diesen  Dionysos,  wie  Fhilostratos  sagt. ^)  Daher  die 
Beinamen  :  tav^öxie^oig,  Tav^^fiiramogs  tavqtanig^  dfoa^oic^ 
xigaog,  xqvaoKsqtag,  evxigaog,  xfQatoq^ÖQog^  auch  difiogqfog  ^) 
die  auch  von  Römischen  Dichtern  oft  nachgeahmt  wurden.  ^) 
Nach  Plttt^arch  machtenaUch  viele  der  HeUenen  stiergestalte 
Statuen  (taVQ6(ji^Qg>a  aydlf/bam^j^  naehAthenäuswar  so 
Dionysos  in  Kyzikos  Stiergestalt  aufgei^elltr'^^')  diess^ist  abet* 


3)  Plut  de  Ib.  et  0».  35,     .;  /   . 

,.    .  4)  PiuU  1.  ,c.  und.  qa.^Gr.  36%  Pajos.  6,  26,  1^  - 

5)^j4thpB.  U  p.  4761  a.  Ljcepfir.  209  tcigag^ogcg  ray^tii:.  J^\a%, 
de  If.  uf^dO«.  d5v;Quaeftt.  Gr.  36.  l^io^n,  5,'  566.  ..6,  156—164. 
13,  140.  '     -     .  .    .•.,-    ..       ..  ,    /. 

6).  Ima^.,  1»  tö.  .  / 

7)  Diod.  4,  4  Orph.  H.  30.  Nono. 
.     9),Tib.2,,l,36i,.  A, 

0]  di9  la.  et  Oa.  3!3i« 

10)  Athen.    11  p.  476  a  $y  di  KvCixip  xai  Tpf»j^j^^Qfof  JfdQpja^r 


I  ■ 


38  Bacchus  mit  der  Stierhaat. 

mar  auf  die  Börner  des  Dionysos  bei  übrigens  mensch* 
licher  Gestalt^  zu  beziehen.  Der  sinnige  Spencer  wunderte 
tich  in  seiner  Polymetis  darüber  dass  man  die  Hörner  so 
selten  an  den  Statuen  des  Dionysos  erblicke  und  sann  anf 
Ursachen  davon:  eine  andre  erdachte  sich  L^sing^  ttber 
noch  unglücklicher.  ^')  Die  Beispiele  sind  jetzt'  nicht  *m6hr 
selten.  Hit  einem  Stierkopf ^  Tav(}oxSq>aXog ,  *^)  kommt*  der 
Gott  wohl  nicht  oner  vor^  weil  es  hisslich  ii>(t,  aber  We- 
nigstens in  dem  Basrelief  des  Pariser  Museums,  wo  er  dfo 
sieben  PIejaden  führt  ^')*  Kleine  Hörner  entstellen  weniger 
und  deuten  dennoch  das  mystische  Symbol  hinlänglich  an; 
Eine  gehörnte  Herme,  mit  der  Mitra  geschmückt,  findet 
sich  im  Vatiean  '^).  Das  kön.  Museuro  zu  Berlin  bewahrt 
eine  Woblgearbeitete  Büste  von  grünem  Basak  mitHürhern 
2u  beiden  Seiten  der  Stirn,  die  Bildung  des  Gottes  die 
gewöihnliche^  ^^)  Am  schönsten  ist  der  Kopf  im  CapitoUni- 
schen  Museum,  der  so  lange  für  Ariadne  gehalten  worden 
ist, >  weil  das  *Biid  der  Jungfrau  so  lebendig  ist  dass  man 
die  eben  hervorbrechenden  Hörnchen  übersah.'^)  In  einem 
Erzbild  sehen«  wir  den  Dionysos  mit  Hörnern  und  aueb  mit 


Vorhat»  geht  tiiu  vMi^ffor  ^egäroapv^' nkxinii^ak  and  nriMh^ii-'  dieih 
und  dem  AQ4«fB.  ^a»  er  afich  wt;^«  genannt  werde»  stobt  dM 
4p4re«^:£iA  Fettin  Kjzikok  hieBß.tavQoxMa,  Uesj-ch«  ':\,    >, 

11)  Laokoon  Kap.  8  S.  95. 

12)  Luciani  D.  D.  9.  ravQoxQayos  bei  Noonos. 

13)  Miliin  Gal.  mjthol.  pl.  70,  253. 

14)  Hirts  Bilderbuch  Ta/.  10,  3,  welcher  bemerkt  das«  etoe 
dieser  gikiz  £bali<5he  Herme  in  Villa  Albani  jetzt  fdr''Rdriooa 
ausgegeben  wetd^.  6al.  myth.  pl.  71,  249^.  Beschreibung  desVatfcäna 
Ton  Gerhard  S.  282.  Nr.  65. 

15)  Abgebildet  schon  in  fi egers  thes.  Brandenb.  111  p.240|  dann 
bei  Hirt  a.  a.  O.  als  Vignette  S.  76.  ' 

16)  Das  Kunstmus.  zu  Bonn  2.  Ausg.  S.  73.  O.  Möllers  Ar* 
chSol.  $.  388,  1.  Oyid  Metam.  4,  20  tibi  cum  sine  cbrnibttii  adstas. 


Bacchus  mit  <ier  Slierbaut.  39 

Ohren  des  Stiers.  '^  Zwei  Münzen  mit  dem  pehörnlen 
junemllichen  Bacchüskopfführle  schon  Ez.  Spsnheim  suf. 'B) 
Nicht  zu  verwundern  ist  dass  es  manchen  Künsllern  doch 
wiHerslreble  das  jungfräuliche  Gesicht  au  enislellen  und  dass 
sie  sich  dah«r,'bttgn(ist  haben  das  Stiä-fiymbol  auf  andre 
Art  anzubringen,  vielleicht  auch  um  ihre  Erfindsamkeit  in 
der  Art  wie  diess  gescliehen  könnte  zu  üben.  So  liat  denn 
einer  an  einer  wohlgearbeilelen  Büste  von  rolhem  Marmor 
in  Berlin,  zu  dem  Kranze  '  von  Epheu  und  Weinlaub  um 
den  Kopf  einen  Slierkopi;  statt  des  Haarschlupfs  im  Nacken 
angebracht.'^)  Dem  wenigstens  voriuiiehen  müchte  esseyn, 
dass  an  unserer  Statue  eine  Slierhaul  über  den  Nackeit 
hinabhängt.  Denn  auf  dieselbe  Art  die  Figur  mit  einer  Ne- 
bris  zu  behängen,  giebt  eine  gar  nicht  ungefäliitje  Ab-r 
wechslung  ah.  Wir  finden  so  ein  Kind  mit  Trinkschale 
und  Traube,  die  Nebris  über  den  Rücken  herabfallend  und 
auf  den  Leib  zusammen^ela-tst. "")  Da  aber  di»  Slierhaul 
mit  den  grossen  t^örnern  des  Kopfs  etwas  Plumpes  hat,  so 
sciieint  det  Uebereinslimmung  we^en  der  Bildhauer  dem 
Ganzen  und  besonders  dem  Weinstock,  worauf  die  Figu^, 
sich  lehnt,  etwas  Derbes  gegeben  zu  haben.  Das  Attribut 
in  ihrer  Rechten  hielt  Heinrich  Brunn  für  ein  Rebeninesser.; 

17)  Bronzi  di  Ercolano  T.   I   Is'.  I 
.     18)  De   u,    et   pr.   num.   disn,  7    p.  392.   Der  bärtige    Dion;«oi 
B[ilt  {clfornl   nai    auf  AtünitD   TOn  Nbioh  ia    Siciltea   TorkocanieaT 

19;  Herliui  Anl,  Bilüw.  yon  Gerhard  N.  40,  aroh.  Zig.  1851. 
Taf.  n.  Viel  Vorliebe  Pur  Mysterien  TcrrUtlidie  nicht  vieaig  geiwungoe 
Erktfirung  dais  ein  Eiad  als  Sarehu-  vorgestellt  sev  und  der  Stier-' 
köpf  auf  Mjsterien  deute,  för  welche  dasselbe  frühieitig  beslimnlt 
nordeo  se?.  [Auf  dieselbe  Art  iit  in  twei  Vaseabilderii .  die  ich' 
gpGipr  aas  AnuRlI  1858  p  83  kenaeo  lerne  mit  dem  Kopf  der  Ära« 
der  einei  Schafb^cki,  mit  dem  einer  „HeUne  Leonle"  (Ptoleo)^, 
Hephaeit.  ap  Pbo|.  Bibl.  p.  I4ä,  :)3)  der  eiaen  Lötren  verbuDdei|, 
um  auf  die  Bedeuiuag  der  Namen  Arne  und  f.eonte    tiinzudeulen.j 

20]  Clarac  Mii«ee  de  scul|il.  pl.  674.  l'nS'i.  Coslutne  nsaex 
iJDgulier  par  son  ajualemenl. 


I  ' 


Ariätorphafieä  und  Menander^) 


.TT 


T   .' 


lile  Do|>p«Ibtli$te  der  lfe1i^  uAtet»  2ttistiiniiiiirigr  eftlsfehCi- 
YttH^rFfenndö^),  diese  b^idert  Tfamen  beizulegen  nfehi  afi^ 
stelle,  ist  ängeblidi  auf  dem  Baden  ton  Tuscülurti  gefnnlf^ 
Wöfdetf  lind  fiel  mir  im  Decemb<ir  vorigen  Jahres  üntet 
ddtf  Kunsfirchfihsen  dcfs  H^n  Franceseo  CapNnesi  zä  Rom 
in  die  Atrien:  Ich  ttussi^agerrztir  miein er  grossen  und  fri^ii^ 
dij^nUeb^n^aschuftg.  DeAn  da  die  eini»  Seite  das  bekiiniifo 
BiMhls^'^d^^  M^nandef  wiederhol,  so  musste  mir  nöthwen--^ 
dig  gleich  d^  br^^  Aubliielt  dfeVei^iKbuAgf^  eingebdH,  däM 
det  Kopf  gegMiübef  d<$ti  Ai^istd^h^rtlls  torsteüe,  desseM  Bild 
äMs'biMer  ni^cV  Hiibfekdhttt'  waf .  Eine  ^^  und  Mdm^' 
tu^s46IIe  iezlMung  ist  fii<;lil  Auf  in  den  Mytholdgtscfaiiir 
Bt)i^Mi)^iti^ ,  kotidi^rnf  'taeh  in  deii'histotischeif^  so  vlble 
wir  deren  haben  ^  durchgängig  uiter  je  zwei  auf  diese  Art 
unter  Einander  verbuiide'Oefi  Köpfen  als  der  Grund  dieser 
Vett^aarung:  isu  erkennen.  So  sind  Hotner  und  ArcMlocbm 
verbunden  Well  jeder  vöh  beideh  als  der  grösste  Dichtei: 
entgegengesetzter  :Gattung^  aligemein  anerkannt  war^.Hero- 
4pt  und,  Thuky^ideSy  SQphpkles  und  Euripides  ala  je  zvrei 
in  ihrem  Gebiet  gleichsam  um  den  Preis  der  höchsten  Gel» 
ton^  streitende  S<)hriflsteller,  Epikur  undMetrodor  alsLeho. 
rM*  und  Schülef ,  Blas"  tihd,  wife  Vi^eonti  aus  ief  Vetbih-' 
dtin^  selbst   scbloss , '  ThJEÜes ;  ätich'-  Sokrat'es  und  Seti^öii 


1)  Annali  d.  J.  di  corrisp.  arclieol.  1853,  25,  251-265. 

2)  BalletUDO  1853.  p.  84 C 


Aristopiianes   und   Menander. 


41 


als  die  berühmteslen  Philosophen ,  jeder  seiner  Nation  und 
Zeit. ')  Dem  Menander  hat  der  aügomeine  Ruf  unter  den 
vielen  grossen  Dichtern  der  neuen  Komödie  die  erste  Stelle 
angewiesen,  dem  Aristophanes unter  denen  der  alten.  Me- 
nander wurde  nach  einem  Griechischen  Epigramm  neben 
Homer  aufgesielU*),  weil  ihn  der  Grammatiker  Aristopha- 
nes, der  übrigens  auch  den  ihm  selbst  gleichnamigen  Dich- 
ter zu  schätzen  wussle,  für  den  nächsten  nach  Homer  er- 
klärt hatte.  Dass  man  von  Aristophanes  dasselbe  halte 
sagen  können,  unterliegt  nach  unzähligen  Stimmen  des  Al- 
terthums  keinem  Zweifel.  Die  Tänia  um  den  Kopf  des  So- 
phokles, überhaupt  und  in  den  Doppelbüslen  insbesondre, 
isl  frülier  in  den  Schriften  des  Instituts  als  ein  Zeichen 
des  ihm  unter  beiden  gleichzeitigen  Tragikern  zuerkannten 
Vorzugs  gedeutet  worden,  so  wie  Homer  dem  Archilochus 
gegenüber  durch  sie  ausgezeichnet  ist.  Dieses  unschein- 
bare Kennzeichen  muss,  so  lange  nicht  seine  Bedeutung 
durch  neue  Entdeckungen  ins  Schwankende  und  Unsichre 
gezogen  isl,  zureichen  um  jeden  Gedanken  an  einen  andern 
Dichter  als  Aristophanes,  der  dem  Menander  entgegenge- 
setzt seyn  sollte,  auszuschliessen.  Dass  einem  Dichter  der 
neuen  oder  gar  der  mittleren  Komödie  vor  dem  Menander 
die  Tänia  sey  gegeben  worden,  lässt  sich  nach  Allem  was 
uns  von  den  Dichtern  jener  beiden  Arten  und  über  ihn 
selbst  vorliegt,  durchaus  nicht  erwarten.  Aber  einer  der 
berühmten  Zeilgenossen  Menanders  würde  auch  gewiss  nicht 
durch  den  Bart  von  ihm  untersciiieden  worden  seyn,  wel- 
chen namentlich  auch  der  Posidipp  der  Valicanischcn  Statue 
so  wenig  als  er  selbst  trägt.  Dass  auch  der  Gesichlsaus- 
druck  des  Kopfs  mit  der  Tftnia  der  heiteren  Komödie  des 
bürgerlichen  Lebens  widerstreite,  werden  wir  uns  bald 
überzeugen.      Hingegen   mouhlen   nicht   leicht  swei   andere 


3)  ViBconli  icon.  gr.  "i,  5.   10.  25,  3.  27,  i.  7.  i 
E:  Re,  Seoi^ea  a  Socral«,  ßom  tSl6. 

inck.  Anil.   üdioTi.  p,  SG3  (Oi  faikaity. 


.  XVIII  i 


44  Aristophanes  und  Menander. 

fehlte  es  nicht  an  einem  beson dem  Ausdruck,  welchen  Phry- 
nichus  in  seinem  Wortvorrath  anführt^),  und  welchen  La- 
cian  undJul.  Pollox  mehrmals  gebrauchen.  Aber  es  lässt 
sich  nicht  bezweifeln  dass  man  für  gewöhnlich  und  zumal 
wenn  man  über  die  Glatzen  scherzen  oder  sie  Andera  vor<- 
werfen  wollte,  die  Unterscheidung  zu  beobachten  UQterliess 
und  lieber  den  vollen  Ausdruck  nahm ,  der  daher  auch  ge- 
gen den  andern  sehr  häufig  vorkommt.  Wenn  also  Eupo- 
lis  der  auf  Aristophanes  schimpft,  und  dieser  von  sich  selbst 
das  Wort  faXccxQÖg  gebraucht,  so  ist  gar  wohl  möglich 
dass  Aristophanes  nicht  einen  kahlen  Scheitel  hatte,  son- 
dern nur  die  enge  Stirn,  wie  Horaz  sagt,  verloren  baUe| 
welche  sonst  schwarze  Haare  bedeckten.  In  der  Parabase 
der  Wolken  rühmt  er  sich  dass  er  die  gemeinen  Spölte- 
reien  und  Spässe  der  Komödie,  namentlich,  auch  die  auf 
die  Kahlköpfe  verschmäht  habe^),  und  da  er  im  Frieden 
seine  eigne  Kahlköpfigkeit  Preis  gab,  so  bemerkt  Plutarcb 
in.  Beziehung  darauf  und  auf  des  Kratinoa  TrunkliebCi  welche 
dieser  selbst  auf  die  Bühne  gej)racht  hatte ,  dass  die  Komi- 
ker zuweilen  über  sich  selbst  spotteten  um  die  Bitterkeit 


6).|.  Bekkeri  Anecd.  Gr.  I«  p.  16:  ovx  6  ^Xax^o^,  dXX 
6  aQXofisyos  ano(f>aX€tx^ovüd'at,  Auch  äyaff^aXaytog  ^  (f^alaytiae  oad 
aya(jpdXaxQog f  vnoff>äkaxQos ,  j^taotfdkaxQog,  ßioe  andere  Bedeütang 
der  ayatpalatniaing  ist  die,  Welche  Aristoteles  H.A.  II!,  11  a^bieh 
der  Erkliiuiig  tod  (^Xt^gi^  angiebt,  ^  xarä  tag  ^(pQvag  Uidt^i 

7)  Nub.  540.  Schol.  tovio  did  toy  EvnoUv ,  wurde  eine  falsche 
Vermuthung  aeyn ,  wenn  quin  Teratfiode,  daaa  £apolis  ia  die  Klasse 
gehöre,  wo?oa  die  Rede  ist,  da  diese  Spdtterei  gewiss  nicht  ei^ 
nem  einzelnen  Komiker  eigen  gewesen  war.  Zwar  ist  ungeschickt 
auch  zu  542  bemerkt:  tovg  ds  tpakaxgovg  tia^yays  h  ElQ^yrn:  deon 
es  ist  ein  Unterschied  swischen  dem  was  Aristophanes  dcQ  Vor« 
gSngern  Torwirft,  upddem  Scherz  im  Frieden^  Versteht,  ms Qi^ber 
dM  Toy  Evnohy  so  wie  ich  reibst  eben, yermuthet  habe,  weiL.JBii^ 
pplia  ihn  Glatzkopf  genannt  hatte,  so  ist  die  Bemerkung  wenigstens 
gewiss  nicht  unwahrscheinlich«  .    ,  .  , 


■Hi^MMtri 


Aristophanes  \&nd  Hclriahde/.  45 

zu  entfernen^,  oder  um  mit  (tireirti  beissehdenf  Scherz  über 
Andre  zu  versöhnen.  Wess  Motiv  ist  s^'hr  einleüchtenfd, 
und  der  Scherz  des  Aristophanes  über  seiiie  verlornen  Haare 
musste  um  so  bessere  Wirkung  thun,  jemehr  ihhfi  deren 
noch  geblieben  waren,  oder  wenn  er  sich  den  Ka(hlk<)pfi- 
geh  zuzählte,  obgleich  er  nicht  eigentlich  ^äXaxqJg^  son- 
dern nur  (pdlavTog  war.  In  diei^etri  Falle  Verträgt  sich  dii3 
Büste  mit  den  Tektslellen,  die  ihan  ihr  entg'eigenhalten 
musste.  Denn  ein  kleiner  ßüscbel  Haare,  wie  Wir  an  ihr 
sehen,  in  der  Mitte  stehen  geblieben,  während  auf  beiden 
Seiten  breite  glatte  Stellen  sich  hoch  hfhauf  ziehen,  iist 
gerade  die  gewöhnliche  Form  Unter  welcher  der  Halbkahle 
oder  (\\e  äpcc(f>aXaPtia<yig  sich  darstellt.  Diese  Art  derKahU 
heit  hat  freilich  der  Bildhauer,  wie  es  scheint,  mit  künst- 
lerischer Freiheit  behandelt  und  mehr  angedeutet  alä  sehr 
auffallend  gemacht.  Charakteristisch  aber  bleibt  sie  auch 
so  und  dient  also  eher  2^ur  Bestätigung  als  zur  Yerdäeh- 
tigung  der  angenommenen  Benennung  des  Kopfs.  Man 
kann  noch  weiter  gehn  und  finden  dass  Aristophanes  Selbst, 
neben  dem  Spott  über  seine  Person,  zugleich  auch  die  Art 
seiner  Kahlheit  in  einer  feinen  Andeutung  n^her  bestimmt 
habe,  so  dass  sie  darnach  gerade  auf  das  herauskäme  was 
man  ohnehin  als  das  uneigentliche  Kahlköpfige  verstehen 
und  bei  ihm  voraussetzen  darf.  Er  empfiehlt  nemlich  sei- 
nes Siegs  sich  anzunefimen  so  den  Män,nern  wie  den  Jüng- 
lingen und  auch  den  Kahlköpfigen«  S&i  den  Letzten  bleibt 
er  stehn  und  saut:  denn  wenn  ich  siege,  wird  Jeder  sagen 
bei  Tisch  undGelag,  bringe  dem  Kahlkopf ,  gieb  dem  Kahl-» 
köpf  und  entziehe  nichts  dem  edelsten' der  Dicliter,' der 
die   Stirn   eines  Mannes  hat^l.  In  der  Parabase  der  Ritter, 

8)  Sympos.  ILt^Ti.  Aih  diesen  Dichterstellen  jst  der  kahU 
köpfige  Aristophanee  unler  Sophisten  und.  Pedanten  berühmi  ge- 
blieben) wie  man  aua>Suidai  sieht  t.  MfrQo<f>dy^gt   . 

9)  Pao.  765:        ^  . 

IIqos  ittVJa  XQ^^^  tlyat  fi$T  if40V. 


4$  Aristopbanes  und  Menander. 

iin,  vierten  Jahr  seiner  ungewöhnlich  früh  begonnenen  the- 
atralischen Laufl^ahn,  fordert  er  den  lauten  Beifall  der  Zu- 
schauer heraus,  damit  der  Dichter  erfreut  heimgehe,  mit 
dem  gewünschten  Erfolg,  heimgehe  mit  glänzender  Stirne 
(550),  und  auch  hier  erinnert  ein  Scholiast  an  die  Kahl- 
köpfigkeit. Aber  wenn  hier  anders ,  was  nicht  wahrschein- 
lich ist,  wirklich  Doppelsinn  oJer  Anspielung  auf  das  Per- 
sönliche gemeint  war,  so  ist  offenbar  nicht  an  eine  voll- 
ständige Glatze ,  sondern  nur  an  eine  breite  Stirne  zu  den- 
ken: der  Dichter  hätte  sich  wirklich  lächerlich  gemacht» 
wenn  er  eine  glänzend^  Stirne  statt  eines  glänzenden  Schä- 
dels da  genannt  hätte,  wo  er  gewiss  nicht  über  sich  scher- 
zen wollte.  Auch  in  der  Stelle  im  Frieden,  bei.  dessen 
Aufführung,  sieben  Jahre  später,  der  Dichter  wahrschein- 
li<ph  immer  noch  ein  Dreissiger,  vielleicht  ein  angebender 
Dreissiger  war,  wo  die  Stirne  des  Manns,  nach  der  rich- 
tigen Bemerkung  eines  alten  Erklärers,  Freimüthigkeit  be- 
deutet und  mit  dem  Ruhm  des  edelsten,  muthigsten  Dich- 
ters zusammenhängt,  würde  das  Wort  Stirne  nicht  gut  ge- 


xai  loi^s  £ydgag  xtti  tovg  ntü&ag, 

%ai  foig  (faXaxQQiat,  nagatyoufity 

^vcnovdditty  ntol  iijg  vixtig, 

n&g  ydq  -ag  iQtt  Ptxuiirrog  i/40v 

xdnl  jQaniiu  xat  ivfinociotg, 

ff  igt  tf  (f-aXttXQ^,  &6g  t^  tfulaxg^ 

wuitf  TQoyyakio}^ ,  xnl  fiij  difaiQH 

yivratorätow  nSri-n^^mtf, 

dyd^bg  16  fisuonov  ix^^trng. 
In  die.leUteo  Worie  legt  die  ü^berseUuog  too  J.  H.  Vosg  eiaeo 
falschen  Zug:  „dem  die  männliche  jStirne  so  Torragt."  £ben*  so 
die  Yon  Drojsen:  „der  Mann  mit  erhabener  Stirne.'*  Th.  ßergk 
hat  seine  Emendation  in  den  Comon«  de  ant.  com.  p.  203  ddgoy 
für  dtfdghg  aelbat  anfgegeben  in  aeiner  Aaagabedea  Dichters  185i2« 
Ein  Grammatiker  erinnert  an  das  la/jmqoy  in  den  Rittern :  l  te  fi^ 
n  Q  0  y  did  r^y  (falaxQÖitjra»  ^  sinagg^eiaüroy ,  was  das  Richtige 
ist  und  auf  dydgog  geht.  ■ 


Aristophanes   und  Mei 


nder. 


4T 


wählt  seyn  w<mii  diese  Slirne  einen  kahlen  Scheitel  hinler 
sich  gehabt,  wenn  der  Dichter  durch  die  Slirne  des  Man- 
nes an  die  Glatze  des  Kahlkopfs  erinnert  halle.  Wenn  hin- 
gegen die  Mannesslirne  die  Kahlköpligkeil  auf  ihr  rechtes 
Mass  zurückbrachte  und  den  Spott,  der  voreusging  gewis- 
sermassen  in  ein  Lob  verwandelte,  so  lag  darin  eben  so 
gut  Laune  als  in  dem  scherthaflen  Spolle  selbst.  War, 
wie  wohl  zu  glauben  ist,  das  Schellwort  des  Eupolis  An- 
läse zu  diesem  Scherz,  enthielt  dieser  eine  Erwiederung, 
so  konnte  sie  nicht  klü-ier  eingerichlet  werden. 

Um  über  die  Slirne  des  Aristophanes  hinsichtlich  des 
sie  nur  hulb  bedeckenden  Haars  ein  ürtlieit  zu  fallen,  war 
ein  Bufmerksames  und  williges  Eingehn  auf  mancherlei  Ein- 
zelheiten erforderlich.  Desto  leichter  und  enlscliieilener 
giebl  sich  der  Ausdruck  des  ganzen  Gesichts  zu  erkennen. 
Die  Züge  verrathen  nicht  bloss  einen  bedeutenden  und 
liefen  Geist  im  Allgemeinen,  sondern  beslin.mter  einen 
ernsten  Beobachter,  Wenn  man  die  gerunzelle  Stirne, 
die  tielliei.' enden  Augen,  den  Zug  unter  den  Augen  und 
den  um  den  Mund,  der  einige  Verdrossenheit  auszudrucken 
sclieint,  zusammenhält,  so  wird  man  sich  freuen  das  gei- 
stige Bild  das  man  sich  von  diesem  ausserordentlichen 
Athener  entwerfen  konnte,  wie  in  Natur  vor  sich  zu  sehen, 
in  dieser  Gesichtsbiliiung  auf  übereinstimmende  Art  aus- 
gepräut  zu  Gnden.  So  also  sah  der  Mann  aus,  der  von 
früher  Jugend  an  seinen  Blii-k  auf  die  sittlichen  und  poli- 
tischen Gebrechen,  Verirrungen  und  Gefahren  seiner  Zeit 
unablässig  gerichtet  hielt,  und  der,  indem  er  das  Sitten- 
gericht gleichsam  amtlich  übte ,  zugleich  seinen  Geist  so 
bildete,  dass  die  Chariten  ihn,  wie  Flelon  dichtel,  da  sie 
sich  ein  Heiliglhum  suchten  j  zu  ihrem  Sitz  erwählten.  Gleich 
in  seiner  ersten  Komödie  führte  er  den  besonnenen  Jüng- 
ling nach  der  allen  Zucht  und  gegenüber  einen  Taugenichts 
nach  der  neuen  vor  und  schon  in  der  zweiten  zog  er  sich 
die  Feindschaft  Jenes   Kleon  zu,  den    er  dann  zwei  Jahre 


4S  Aristophaneis   and  Menandeir. 

spfiter  mit  Heldenmulh  und  hinsichtlich  der  Poesfe  «uf  ewig 
staunenswerthe*  Weise    in  den'   Rittern   bekflm(<fle.     Keine 
hervorstechende  Erscheinnng  in  dieser  leben-  und  ztfgfleick 
unheilvollen  Periode  Athens  scheint  von  seiner  Salyre  un- 
berührt geblieben  zu  seyn :  wenn  man  Satyre  eine  IHcbiari 
nennen  darf^  die  wir  nur  durch  ihn  näher  kennen  und  '4ie 
fast  zu  hoch  und  zu  fremdartig  innerhalb  der  Gattung  Sa- 
tyre, wie  sie  sonst  vorkommt,   erscheinen   möchte,  um  iie 
ihr  -  einzahlen   zu  dürfen:   denn   wie  ein  Zauberspiegel  hftit 
uns  diese  Komödie  das  reicliste  und  manigfaltigste  Geaohiohts- 
und  Sittengemälde,  lebendig  und  selbst  unter  Carioaluren 
wie   eines    Hohlspiegels   erkennbarlich  treu  und   wahr   zo 
unerschöpflicher  Betrachtung  vor.  ,)Zu  schmähen  dii^^Bdsen 
ist  nichts  Gehässiges,  sondern  Ehre  für  die  TQchtig'en,  die 
zu  urtheilen  verstehn^,  diess  war  des  Dichters  Gründsate^ 
und   die  Vorzüglichen,   wie  den    Sophokles  Und  Aeschylus, 
den  Phormion  u.  A.  zu  erheben  versfand  er  nicht  weniger. 
Das  wahre   Wohl   des  Vaterlands  vor  Augen,  verfolgt 'ler 
die  Demagogen   und  Volksschmeichler  und  ihr  Werkzeug, 
das  leichtsinnige  und  einfältige  Volk,  die  schädliche  Kriega- 
pärthei,   die   Projektm«cherei  und   den   Hang  ze^cHwind-«^ 
lichtem  politischi^m  Abenteuern,  die  Processsucht,  die  'Sy- 
kophanten,  den  Aberglauben,  der  sich  an  einb^irtrisobetnid 
Karisrbe  Mantik,  an  Traümofakel  und   Pfaffen  hiengy  die 
eindringenden  Thrakic^chen  Religionen  6et  Bendiid)  del*  fKo- 
tytto,  die  Aurklärung  die  deh  Heroäki  und  altt^lir^terdlgeiDl 
Brauch  die  Ehrfurcht  Versagte,  die  in  den  Sdhuleii  der^lSo^ 
phisten  die   ganze  bl'stehende  Religion  bedrohte,  die  l^h^ 
kehrtheiten  und  Schwächen  der  Weibei',  und  Inmehrttlslef» 
ner  Komödie>   die  dem  Zeitgeist  na^bgbbehdeti   Iragt^eheM 
Dichter.    Durch  ihn   Vor  allen  Andt^i^h  wa^die^' 'Komödie 
über  das  Feld  carn^valsartiger  Spässe'  und  Ausfälle *=|fegen 
die  Lächerlichkeiten  üud     ScatMale  d^r  Individuen  'attf  4lie 
Höhe  der  politischen  Opposilion  erhoben  worden  |' uMd  hätte 
sie  sich,  in  acht  coiiserrativem'Geiste,  zur  Httteftii  d^ei  gti^ 


Arialophsnes    und    Menander. 


len  Alten  aufgestellt,  voll  Argwohns  und  Unwillens  geilen. 
Neuerungen  und  Aussrtun|ien,  die  in  rascher  AuTeinan- 
derfolge  mit  Macht  einrissen.  Wer  sich  mit  der  inneren^ 
Geschichte  Athens  in  der  Zeit  des  Püloponniisischen  Kriegs 
vertraut  gemacht  hat,  wird  es  nnttirlich  linden  dass  auf  dem 
Standpunkte  welchen  Arislophanes  eingenommen  halte,  dem 
Ernst  einer  scharfen  Beubachtiing  und  Kritik  der  Pulilik' 
und  der  Sitten,  der  erschütternden  Bewegungen  der  Zeit, 
sowohl  im  Aeusseren  eis  im  geistigen  Gebiet  in  einem  kräf- 
tigen und  geistvollen  Patrioten  sieh  sehr  natürlich  eine  ah^ 
nungsvolle  Wehmulh  beimischen  mochle.  Einer  unsrer  gründe- 
lichsten,  verstöniügslen  und  gelehrteslea  Kenner  der  Grie- 
chischen Litteratur  bemerkt  "'j,  dass  von  den  uns  erhalte- 
nen Stücken  des  Aristophanes  die  früheren  „uiil  Heibheit, 
bisweilen  mit  Erbilterung,  die  nur  langsam  sieh  vermindert 
und  zur  müden  Ironie  gestaJIel,  einen  ernsten  Gedanken 
in  strenger  Planniässigkeil— verfolgen",  duss  finden  sechs 
ersten  Komödien,  die  aus  einem  Gusse  gearbeitet  sind,  sich' 
ein  Fortsehrilt  vom  Ernst  zur  harmlosen  Heiti^rheit  darstelle 
und  der  tiefe  sittliche  Schmerz^')  zuletzt  unter  den 
kühnsten  Formen  des  Sclierzes  sieh  zu  verhüllen  lerntt." 
Nuturlich  nnusste  auch  der  Sloif  in  dieser  Hinsicht  eiaen 
Unterschied  machen.  Aber  geht  nicht  von  diesem  sillUchen 
Schmerz,  den  der  Kunsiriehter  aus  den  Werken  heritus- 
fUhlt  und  den  wir  ans  der  ganzen  Ilichlung  und  Natur 
dieser  poeiischen  Wirksamkeit  vermuthen  müssen,  auch  iiIl 
dem  Marmorbild  ein  Zug  durch  die  ganze  Physiognomki 
dieses  hochgesinnten  Mannes?  i 

Wenn  dies»  der  Fall  ist,  so  bietet  uns  die  Büste  zu-; 
gleich  eine  authentische  Widerlegung  einer  fulschen  Theo-i 


10}  GrumlriBB  der  Griechiachen  Lilleralur  »on  ü.  Bernhardj, 
Th.   ISIS  S.  980. 

Ill  Aach  C.  F.  Rinlie  de  Ariatopbanti  Vid  1930  p.  CCf:XV: 
diii  in  infibuB  racetiisqne  fandenitis  ilolore  eum  preuum  i**' 
tumquH  ipsi  «imui  cum  eo  doleates  sai 


S&  Avist^pbMiefr  und  Menandor. 

rie  von  detb  Wesen  ier  AristOphaniscbe»  Poeme,  eine  Wi» 
deriegiuig  der  seltensteil  Art  dar.    Sie  thut  diesssog«r«««h 
dann,  weoD  nan  dem  BiFde  nichts  SchmerzUcbes,  scHftdtcnrtt 
nur  den  tiefen^  nachdenUicheit  Ernst  und  den  Charakter 
des   strengen   Beobachters    zugestehen  will.    Vor   eiaigen 
Jahrzehnten  nemlioh   l>ehauplete.  ein.  sehr  aasgeeeicbneler 
Mann,   det  damak  von   aUgemeieen  Begriffen    dee  HegeK** 
sehen  Schule  erfüllt  war,  dass  AristophaAes,  fern  voa«  alten 
prakHsehen  Bestrebungen  und  Zwecken,   die  Stotfe  8eieer 
Komödien   immer   nur  zum  Spiel  des  Witzes,  der  phanta- 
stischen Erfindung  und  der  ungebuadesten  Geislesheiterkeii 
verwandt  habe,  etwa  so  wie  es  auch  der  eben  angeführte 
Kritiker  und  Litteraturhistoriker  allein  in  den  Vögeln  durch-* 
geführt  sieht.     Er   sagt   von   diesem   wunderbaren  Werk: 
„Hier  ist  ihm  ein  geistiges  Spiel  aus  der  unbedingtoä  Fre^* 
heit   des    Gemüths   gelungen ,   und    er  weiss,  dieses?   voJl-r 
kommne  Bild  der  Attischen  Selbstgenügsamkeit  in  gröaater 
Reinheit,  fern   von   dem  Anschein  des  Zweckes,  odter- der 
kritischen  Stimmung,  zu  halten.^ 

Dass  grosser  Ernst  mit  der  Meisterschaft  im  Koiniacbeffi. 
auch  in  Athen  verträglich  war,  wo  die  Tragödie  und.  die 
Komödie  jede  ihre  besondern  Dichter  hatten,  sehen  wir 
an  dem  Satyrspiel,  das  jeder  Tragiker  seinen  Tragödies' 
zum  Nachspiel  hinzufügen  musste.  Sarin;  wurde,  fttr  den 
Stärksten,  gerade  der  erhabene  Aeschylus  gehaltf»,  nech 
dem  Pratinae.,  der  ee  vo»  Phlius  her  in  AU^n  eipge£tthrl 
hatte.  Und  öbgleieh  im  Saityrspiel  die  Scharzhaftigktit  yqn 
andrer  Art  war  als  in  der  Komödie ,  so  konnte  ^ip  d^Q^ 
gleich  genial  und- witzig,  barock  und  derb  seyn  alain»dfeser 
Uebrigene  haben  wir  selbsk  Beispiele  dass  gr^^sae  komischB^ 
Schauspieler  melancholischer  Gemüthsart  waren.  Demnach 
ist  es  keineswegs  verwunderlich  dass  zwischen  'dem  Bilde 
des  Aristophanes  und  den  komischen  Maskqn ,  unter  denen 
er  in  so  manchen  Scenen  seinjer  Stücj^e  sßin  edles  Angesucht  zu 
verstecken  pflegt,  nicht  die  geringste  Aebniicbkeit  berv^r^rijlt^ 


ArislophEines  und  Menasder.  Si/ 

i  I  Die  Köpfe  der«  kleinun  Doppelherme  sind  vom  Ansäte 
des  HalBes  an  fast  einen  Palm  hoch.  Die  Erhaltung  ist  in 
beiden  dieselbe;  der  Marmor  ist  grau  geworden  und  im 
Monand-er  die  Öbürflüclie  so  sehr  angelressun,  dasS>  die 
Büsle  lange  in  sehr  feuchlüm  Boden  oder  im  Wasser  ge-, 
legen  au  haben  scheint.  An  beiden  Köpfen  Ut  die  Nase 
anyesetzl,  tliesB  aber  äus^ierst  fei«  und  fufit  unbemerkiich. 
Nicht' bloss  die  Form  beider  Nasen ^  die  in  voUlioinmiieiT 
Uebereinslimniung  mil  dem  Uebrigen  sind,  und,  die,  Arbeit,, 
sondern  auch <  die  durchaus  gleiche  Farbe  des  Steins  b^ 
weist  dass  an  moderne  Keälauralion  nicht  zu  denken  i&Ll 
Auch  aus  einigen  Linien  von  Kissen  an  der  Herme  unlei; 
dem  Uals  und  unterwärts  geht  hervor,  dass  sie  einmal  Ge- 
walt oder  einen  Vniail  erfuhren  hat.  Die  ,Unlertippe  de^ 
Aristophanes  hat  einigen  Sciiaden  gi-lillen,  in  der  Mitte  ist; 
vom  Marmor  ein  klein  wenig  abgeslosseu,- eine  kleine  Vei^-; 
liefung'  antslandi'n,'  was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist  al^; 
der  Mund  sonst  vorzüglich  sobün  und  ausdrucksvoll  ist.  .  , 
Wiederholungen  des  Kopfs,  in  welchem  ich  den  ArH, 
stophanes  erkennen  muss,  ist  es  mir  Ir  Kam  niuht  geJuDr' 
gen  auf'iuiinden.  Der  iveleher  im  Capitolmisclien  Museum, 
diesen:  Namen  get^iihrl  hat,  ist  langst  aufgegeben.  lAlail' 
hatte  ihn  so  geniiuni  wegen  Aehnlichkeil  mit  der  glei<;br 
zu  erwäbnenden  Mediccibchen  Herme  und.  schon  Boltarii 
stellt  die'  UilKuverlttssigkeit  dieser  Herini!  entgegen,  indem, 
er  übrigens  die  vollkoitimne  AehniidikeUi  beider  Ki^lfl'e^Ur«. 
giebl,  die  jedoch  durubius  niolü  Kegrüntlat,  ist '').  lu  Villtk 
Albani  ist  im,  d«r. Vorhalle  des  Fatastes, , schräg  gegenube£i 
der  Tundert  Ära  mil  den  drei.  Hureu  und  Bacchisohen  Per^i 
sonen  eine  Herme,  die  eine  allgemeine  Aehiilichkeit  mil. 
dem' Arislophanes!,  auch  eine  Falto  auti  der  Stirn,  aber  nicht« 
viel  Ausdruck  hat.  l^ie  Mediceisciie  Heiiue  aber  bieldl. 
I2V  Mi.eeü    dpiloif.    f. '  I.   tsr.  35.  Die   lndka>,iOne   ?on   1S4Ö;' 


slaiiia  dcgli"uj}n 


öpilof.    T.    I 

iiir  iitu'Riri  b. 


ITdj» 


)  i  ctediiio  tlubbJD, 


52  AristopbaHes  und  Menander. 

einen  ^all   ganz   eigrner  Art   dar.    Sie  hat   iil  dr^i    Zeilen 
die   Inschrift  ^^^nfto^pdvif^  04h7midov  *Ad^vmXo%  «nd  der 
Kopf  gehör!   nicht   zu  jder  Hermey   da  er .  ven  genz«  Ter- 
schiednem  Marmor,  dabei  sehr  übel  und  -roh  an  die   Her^ 
me  angeltet  ist.    Diess  ist  jso  augennilig,  dass  <fie  HeroM 
auch   schon   von   Pabrioius   in  der  Bibliotheca 'Graeca  j- wo 
er  von  Aristophanes  spricht,  und  von  Winckehnann  in  den 
Mon.    inediti  verworfen    worden  ist  (p.  256.).    Ja    srlran 
Fulvio   OrSini  Hess   in  der   zweiten  Ausgabe  der  Imagidei' 
ex   bibJidtheca   Fulvii  Urs^ini   (1570)  nur  die  Bmst  voa  der 
Herme init  dem  Namen  des  Aristophanes,  so  wie  mehrere 
andre  Hermen  hriit  andern  Namen ,  ohne  den  Kopf  abbilden, 
den  sie  in  der  ein  Jahr  früheren ,  von  Achilles  Statins:  be«< 
sorgten  Ausgabe  trugen.    Die  zum  Aristophanes  gemachte 
Herme  Würde   an    den   Cardinal  Marcello  Cervino:  verkauft 
und   in   den  Mediceischen  €ftrten   der  Villa   des  PapatS  Ja^ 
litts  aufgestellt.     Winckelmann  sah  sie  in  Villa   Medioia  in 
der   Stadt,  von  wo  sfiein  cKe   grossherzogliche  Sammlung 
nach  Florena   versetzt    worden   ist.     In   den  Mediceinchen 
Gärten  ausser  der  Stadt   hatten  die  meisten  Hermen <K5pfe 
erhalten   die  ihnen  nicht  zugehörten,  wie  Visconti. in  der 
Ikonographie  (p.  362.  34)  aus  einer  Bemerkung  von  Fulvio 
Orsini  (praef.  p.  6)schliesst,  und  die  meisten  dieseri.kopf^ 
losen  Hermen  mit  Namen  waren  in  VilLi  Adriana  gefunden 
worden.    Von    der  mit  dem  Namen  des  Aristophanes  ;  isl 
die^  kaum   zu   glauben,  da  als  dessen  Vätei^   anstatt  ;fZ>»*- 
AiHTrldi^g  bekannt  ist  <2>M«7moc:  auch  ein   Sohn  desselben 
hatte,  wie  gewöhnlich,  den  Namen  des  Grossvaters,  iPhiK 
lippos     Der  deutsche  Arzt  Paber  inRonit,  der  gegen. drei- 
ssig  Jahre  nach  der  Orsinischen  Sammlung  eine  nenezeich-*' 
nen   liess,   hatte  nicht  Lust  durch  die  Kritik  sich   dan^  Bild 
eines    der  berühmtesten  alten  Dichtet*  entziehen .  zu,  lassen 
und   setzt   in  dem  Text  zu  der  zweiten  Ausgabe  (1606  n. 
34   p.    19)  über  die   Kahlköpfigkejt   des   Aristophanes  sich 
leicht  hinweg  mit  der  schaalen  Bemerkung,,  die  j^uch  Botr, 


Aristo  pli  an  CS  und  Menander 


53 

lari  zu  wüt'digi'D  wusste,  dass  das  Bild  in  einem  rrüheren 
Aller  des  Dirhlers  gemacht  seyti  könne,  Nach  ihm  nah- 
men es  denn  auch  Bellori  fluf,  Boissard  IV ,  4(»  und  Gro- 
nov  im  Thesaurus  (T,  11  lab.  bä),  der  sich  nicht  darin  Qn- 
den  kann  dass  Urstnus  das  Gesicht  nichl  gesehen  habe. 
Zuletzt  wurde  die  Herme  abgebildet  von  Auguslin  Penna 
in  seinem  Viaggio  slorico  di  Villa  Adriana  l'ti'dQ  T.  III  tav. 
44,  als  in  dieser  Villa  geTunden,  doch  mit  dem  Bemerken 
dass  „man  den  Kopf  damals  zur  Herme  gehörig  ;>laubte, 
obwohl  diess  nichi  sicher  sey  bevor  ihn  andre  Funde  be- 
slüiigt  hätten. "  Visconti  suhloss  sie  aus,  mit  Beziehung 
auf  Winckelmann,  wobei  er  zugleich  rügt  dass  dieser  den 
Aristophanes,  besonders  wegen  der  KshikÖpAgkeit ,  in  der 
Silensmaske  eines  geschnillenen  Steins  ernennen  wollte,  '^j 
Di^n  verworfnen  Kopf  nun  d(-s  Aristophanes  mit  der 
wahrscheinlich  geTdlschten  Unterschrift  sah  ich  auf  meiner 
ßtickreise  von  Rom  in  Florenz,  und  fand,  was  ich  schon 
aus  der  Abbildung  von  Penna  vermulhet  halle,  den  wirk- 
lichen Kupf  des  Aristophanes.  DerMarmur  daran  ist  nicht 
gut  und  hat  auf  der  einen  Seite  blaue  Streifen:  aulTallend 
verschieden  und  weisser  ist  der  des  oberen  Theils  einer 
Herme,  von  der  Höhe  einer  gewöhnlichen  Büste,  und  jetzt 
von  da  an  bis  zur  Länge  einer  hohen  Herme  aus  Granit 
ergänzt,  wie  diirl  mehrere  andre  Köpfe  aufgestellt  worden 
sind.  Die  Arbeit  des  Kopfs  steht  weit  hinter  der  vortreif- 
lichen  Doppelbüste  zurück.  Die  Nase  ist  schlecht  ergänzt, 
auf  der  Stirne  ist  eine  breite  tiefe  Falte,  der  Ausdruck 
des  Mundes  ist  nicht  fein.  Im  Ganzen  ist  die  Ueberein- 
stimmung  beider  Köpfe  in  demselben  Porlräl ,  wie  mir  scheint, 
unverkennbar,  namentlich  auch  im  Bart  und  im  Haar,  wel- 
ches über  iter  Stirne  an  demKopl  in  Florenz  zwar  anders 
behandelt  ist  als  an  dem  neu  entdeckten,  aber  doch  eine 
sehr  hohe  Stirne  sehn  Usst  und  schon  beträchtlich  zuruck- 


13)  lronO)[r.  p.   IS«  MailaDilcr  Aung. 


54  Aristophanes  und  Metiander. 

gewichen  ist;    War  es  nun  baarer  Zufall  dass  man  .einen 
wifklichen'Aristophane«  griff  indem  irgend  ein! unbekanfiter 
Kopf  genommen,  einer  ikntiken   Herme  angepassl  -yokni  an 
sie  der  Name  des  Aristophanes  eingehauea  wnrda^  iwem 
di)9ser  nicht   unerachtet  des   beigefügten   falsche»   Namen 
mAinniJOY  anstatt  mAinnOY  antik  seyn  soUte'f  Dieis 
ist  sichwier  zu   glaoben.    Eher  ist  wahrsoheioiichridaM  der 
rappeaino  wusste,  der  Kopf  steile  den  Aristophan^a   vor, 
dai^s   er  diess  durch  den  daran«  befindlichen  Hebte«  .üaoron 
erfahren  hatte.    Er  wird,   da  zur  Zeit  jene  InschrifleiV' in 
drei  Zeilen  und.  grossen  ungesohlaohten  Buchstaben  ,  i das >0 
uiid   0^v9ereckt,  durch   de»  Fund  von  vielen',  diergl^ficben 
in  Yilla   Adriana   Aufsehen   maohten,  von  einer  Bteiä-arit 
dem>iaiten  einfachen  Namen  den  Kopf  abgesohla^eni  habea 
so  weit   dass  er  an  den  alten  Bruch   einer  Herrn«,  die  er 
bereit  hatte,  passte,  um  dann  statt  der  ächten  APiSTO*' 
0ANH£  seine    ansehnlichere  Irtschrift  einaugraben.  ^  Die 
Beischrift  des  blossen  Namens  an  Hermen  uad  Büsten  war 
/ganz   gewöhnlich. ^^),  und  selbst   an  der  herriieheil  Statue 
Äes  Aristoteles  ist  nur  der  Name  an  der  Plinthe  auf  der 
Seite    eingeschrieben,  und  so  an  der  kleinen   von  &*a«n 
edirten  Statue  mit  HAATÜN.    Wohl  konnte  der  Bildhauer 
'glauben   durch   eine  mit  den  vielen  Hermen  aus. der  Villa 
Adriana  lind  dem  Hause  dei  Cassius  in  Tivoli  übereiostira- 
fiiende  breitere  Inschrift  der  seinigen  mehr  Ansehn  zu  ge- 


14)  An  solchen  sehn  wir,  unter  einer  nicht  2a  grokften  Ao- 
sahl  yon  Bildnis|ie»n  in  Viscontis  Ikonographie,  die  blossen  Namea 
HerodotoSy.Thukjdides,  Ljsias ,  Demosthenes^  Aeschines ,  isokriites, 
Leodamas,  Epikuros,.  Hermachos,  Piaton,  Aspasia,  Asklepiades. 
An  den  allein  erhaltenen  Füssen  yon  Hermen  haben  wir  JIINJAPOC, 
4>EIJIACy  BAKXtAUOY,  Mus.  PiocU  VI  tav.  22.  Auch  enthält 
das  Museum  zii  Madrid  drei  kolossale  fifisten,  gefunden  ati  der 
tjrenze'' yon  GeltiberienV'fiHt  den  Naiben  innOKPATHSy  BlAX, 
njATSlN*  I.  M.  Boyer  de  Rossello  Noticias  historico— topograficas 
de  U  isla  de  Maliorca,  Palma  1836  p.  ,d8.  ..  ,  ,     ,i 


Arislophanes  und  Menander. 


ben  und  vielleicht  halte  er  »iidre  Hermen  dieser  Art  im 
Vorrath,  womit  er  die  des  Aristophnnes  in  UebLTeinslitn- 
mung  EU  bringen  für  vortheilh^R  hielt.  Beispielu  von  ge- 
fdlsclilen  dreizeiiigen  Inschiirten  in  dcrsellien  Art  einer  un- 
schönen ,  nffeclirten  Schrin  haben  wir  namenlliih  im  Paläste 
der  Conservaloren,  anch  an  der  des  SophoklL's  in  Florenz, 
an  weicher  2öi.MV  6  voßo&iTi}?  ani^esciirieben  ist.  Sollte 
ich  indessen  iiber  die  Aehnliuhlieit  beider  Köpfe  natfa  dem 
Urlheil  Andrer  mich  entschieden  läuschen,  oder  sie  doch 
nicht  der  Art  befunden  werden  dass  aller  Zweifel  abge- 
schnitten wäre,  £0  hätte  diess  auf  die  Erklärung  der  Dop- 
pelbüste niciit  die  geringste  Rückwirkung,  da  wir  von  so 
manchem  der  grösslen  Männer  des  Allerlhums  nicht  ein- 
mxl  ein  einziges  sichres  Bild  besilzen. 


-      '  Gegen  Prof.  Stark.   ') 

.|.,.  Nicht  nachgeben  kana  ich  aus  verschiedenen  ganz 
bestimmten  Gründen  dem  gelehrten  Verfasser  des  Auf- 
satzes 1859  S.  87  in  dieser  Zeilschrift:  Arlstophanes 
oder  1( r a  li n  0 s.  Er  ist  gerichtet  gegen  meine  Er- 
klärung der  mir  angehürigen  Doppulbiisle  des  Arlsto- 
phanes und  Menander  in  den  Annalen  des  archäulogi- 
schen  Insliluts  1853  XXV  351— ,iG5,  mil  der  von  EmÜ 
Braun  besorgten  Abbildung  Taf.  55  des  5,  Bandes  der  Mo- 
numente (vor  welcher  eine  kleinere  Zeichnung  die  ich  in 


« 


11  Gerhards  Archäal.  Zeit.  l^GO  S.  10- 
erklirl  steh  in  A  .Meioeliea  Ausgabe  Am  Ari 
für  meine  Erklärung  als  nichl  unglaublich,  di 
tvr  der  alten  Komödie  stj ,  an  i-liica  andern  bIb  Arii 
nicht  gedacht  nerdeti  liötine,  doch  mit  Vorbehalt  känfiigi 
llgung  negsD  der  Kflliltißpliglielt.  Manche  Archiologen  «ms 
ich  glaube,  die  archaolngiicbe  Wnhrecb 


i.  C.  Ferd.  Bank«  i 
phauea   läfiO   p.  11   [ 


ophiMk  1 


I 


56  Arislophanes  und  Menander. 

Rom  gleich  nach  der  Entdeckung  des  Honumeotchens  hatte 
machen  lassen,  im  Ausdruck  Vorzüge  hat).  Deutsch  ist 
dieser  Aufsatz  nicht  erschienen,  wie  hier  angegeben  wird, 
im  rheinischen  Museum  1853,  sondern  nur  in  einem  als 
Hanuscript  gedruckten  und  vertheilten  Boii^en.  Herr  Stark 
ist  ausgegangen  von  dem  Hangel  der  Kahlköpfigkeil  an  dem 
angeblichen  Aristophanes.  Von  der  Grändlichkeity  die  in 
diesem  Bedenken  zu  schützen  ist,  stechen  sehr  ab  die  da- 
gegen für  Kratinos  aufgestellten  Beweise,  die  nteines  Br- 
aohtens  in  der  That  ohne  allen  Grund  sind  und  nichte  be- 
weisen. Die>  Tftnia  wird  'entschieden'  als  ein  BacchiBcbes 
Symbol  gefasst  mit  Bezug  auf  die  bekannte  Trunkliebe  des 
Kratinos,  dem  der  <niiq)apog  aus  Epheu  zugeschrieben 
werde.  Dieser  allen  Dionysischen  Künstlern  gemeinseaie 
Kranz  geht  das  Diadem  nicht  an  und  ein  Diadem  ist  nicht 
abgebildet,  sondern  eine  'aus  einem  gewundenen  dicken 
Band  bestehende  Binde ,'  eine  runde,  nicht  eine  'anverhfilt- 
nissmässig  breite'  Binde.  Eine  dicke  runde  Schnur  alsBac- 
chisches  dicrd^/icr  gebraucht ,  müsste  vorher  doch  irgendwo 
nachgewiesen  sein:  so  wie  auch  der  Gebrauch  eines  sol- 
chen Diadems  zur  Charakteristik  eines  Trinkers.  Das  f^air- 
d'cntdv  yvöipctXov  des  Zechers  bei  Alkäos  ist  mehr  als  eine 
Sinde.  Die  Siegstänia  konnte  nach  dem  allgemeinen  Wort- 
begriff auch  d^d&riiia  genannt  werden ,  aber  zwischen  einer 
dicken  runden  Schnur  und  einem  Bacchischen  ökddfuka, 
fiivQa  {Ist  ein  auffallender,  auch  wegen  der  allgemeinen 
Aehnlichkeit  mit  einer  siegbedeutenden  Tänia  nicht  in  den 
Wind  zu  schlagender  Unterschied.  Gegen  diese  BedenHing 
der  Tänia  wird  eingewandt  dass  Menander,  der  in  der 
hellenistischen  Zeit  entschieden  vor  Aristophanes  bevorzugt 
sei,  hier  nicht  auch  eine  Binde  trage.  Wenn  in  Doppel- 
büsten die  Tdnia  den  Vorzug  der  einen  Gattung  oder  der 
einen  Person  vor  der  andern  bedeutet,  des  Homer  vor 
Archilochos,  des  Sophokles  vor  Euripides,  so  würe  es -wi- 
dersinnig gewesen ,  sie  beiden  verbundnen  Dichtern  zugleieh 


Aristnphanos   und    Menander. 


57 

zu  geben.  Eiaenllicii  geslillzl  wenien  soll  flie  neue  Deu- 
tung auf  'ein  wirkliches  Zeugniss  fUr  die  Zusamm<;nstellun^ 
des  Kratinos  mil  Menander.'  Diese  fand  statt  in  dem  Zeu- 
xippos  zu  Konstanlinopel,  dessen  Statuen  uns  Christudüros 
gegen  Ende  des  fünften  Jührliunderls  busclirieben  hat.  Die- 
ses von  Severus  erbaute  prachtvolle  Btiil  war  unter  andern 
mit  Erzslatuen  aller  Zeilen  C*"''  ^^  alävos  dvö^itAv  igyce 
sagt  Cedrenuä)  ausi^esctimückt  worden,  die  man  aus  der 
(iberscbwenghchen  damals  noch  vorhandenen  Menge,  die 
einem  römischen  Imperator  zu  Gebot  stehen  mochte,  ver- 
niuthlich  zum  grössten  Theil  aus  Konstanlinopel  selbst  und 
andern  Siadten  Asiens  zusammengerafft  halte.  Wenn  die 
Ekphrasis  der  Aufstellung  nachgeht,  wie  Heyne  vermtithel, 
so  ist  das  durcheinander  der  7H  theils  mythologischen,  iheils 
ikonographischen  Statuten  so  gross  und  auf  vielen  Punkten 
80  lächerlich,  dass  man  wohl  annehmen  muss,  es  sei  bei 
der  Anordnung  auf  das  Aeussere,  Hübe  und  Stellung  der 
Figuren,  etwa  auch  nachdem  Gegenüber,  wenigstens  eben 
so  sehr  gesehen  worden  als  auf  die  Personen,  die  sie  dar- 
stellten. Berühmte  Bedner,  Philosophen,  Historiker ,  Dichter, 
homerische  und  narhhomerische  Personen,  manche  histo- 
rische Männer  Alhens,  einige  römische,  Appulejus,  Julius 
Cäsar,  Poinpejus,  Götter,  Apollon  und  Aphrodile  dreimal 
und  andere  einzeln,  werden  in  buntester  Mischung  bomba- 
stisch aufgeführt,  allermeisl  ohne  alle  Andeutung  der  Figur. 
Nur  [ol^'en  eine  besonders  grosse  Zahl  aus  dem  troisuhen 
Mythus  in  einer  Reihe  aufeinander,  andre  jedoch  kommen 
davon  auch  gelrennt  vor  und  hier  und  da  (doch  nicht 'über- 
wiegend') ■  stehen  zwei  oder  drei  zu  einander  passende 
Figuren,  sowohl  Götter  und  andere  mythische  Figuren  als 
andre,  wie  Thukydides  und  Herodol,  Pherekydes  der  Phi- 
losoph und  Herakleilos ,  Homer  von  Byzanz  und  Virgil 
zusammen,  während  mehre  andere  solcher  Paare,  wie 
gleich  vorn,  nur  nach  dem  Dciphobos,  Aesnhines  und  De- 
mosthenes   durch    Aristoteles,   auf   welche   Euripides  folgt, 


58  Arislophanes  und  Menandor. 

durch  andre  Personen  ^trennt  sind.    Plan  und  aohickliohe 
Ordnung  sind  im    Ganzen   und   in   einzelnen   Massen    nir- 
gends sichlbar.    Was  kann  es  daher  für  unsre  Doppelbftste 
bedeuten,  dass  die  Slaluen  des  Kralinos  und  des  Meaander 
neben   einander  stehen,  sumal   da  nicht  bloss  nidii  '«Mar 
Grand/  sondern  gar  keiner  ist,  dass  sie  schon  ^an  ibren 
frühere»  Standort  neben  und  für  einander  gebildet  waren.' 
Die  Bemerkung   dass  Kratinos  der  Gründer  der  allen  Ko- 
mödie gewesen    sei   (kw/iov    äe^^aag  g>$Xo7%^iypi9y9g  if/w 
aoidijf$::260),  Menander   der  Stern    der   neueren  sei,  darf 
selbst  einem .  Cbristodoros  zugetraut  werden,  wenn,  audi 
diese  zwei  Dichter:  nur  zufllllig  zusammengekommen  waren. 
Wäre  aber  .dies  auch   der  .  Gesichtspunkt  eines  Bildbauen 
gewesen  y  der  beide  Statuen  gemacht  hätte,  seist  ein  gros- 
ser Unterschied  zwischen  zwei  Statuen,  wie  wir  deren  nack 
den  verschiedensten   Beziehungen  unter  einander  in  allen 
Museen   neben   einander  oder  einander  gegenübergestellt 
sehen,  auch  zwischen  zwei  vereinigten  Köpfen,  unter  :de- 
nen.  die  Bezüge  immer  schon   enger  und  bestimmter  sma 
werden  als  in  Statuen  (wie  in  einem  Heimerakles ,  Herme- 
ros,  Demeter  und  Köre,  Demeter  und  Dionysos)  und  zwi- 
schen solphen  zwei  Autioren  die,  durch  die  Tänia  in    Ver- 
gleichung  gesetzt ,  einem  Urtheilsspruch  unterworfen  worden. 
In  solcher  Weise  verglichen. dürfen  wir  uns  den  Menander 
mit  Kratinos  nicht  denken,  weil  es  die  Art  und   Gewohn- 
heit der  Alten   war  und   überhaupt  natürlich  ist^  dass  der 
Vollender  einer  Kunst  im  Ruf  der  Welt  and  Nachwelt  auqh 
dem  grössten  seiner  Vorgänger  und  dem  eigentlichen .  Be- 
gründer seiner  Gattung  vorgeht,  indem  Homer  allein  steht. 
Kratinos  verhielt  sich  zur  alten  Komödie  ungeCtthr  wie  an 
der  Tragödie;  Aeschylus,   und   ein  alter  Grammatiker  sagt 
von  ihm  dass  er  sie  nach  diesem  gestaltete  (xavatfxnfciStar 
flg  TOP  Aiaxvlov  xaqvt^n^qa,].    Hätte  Lykurgos  auch  drei 
Komikern  Statuen  im  grossi^n  Dionysion  errichtet '  wie  drei 
Trkigikern,  so  könnte  Kratinos  ao  wenig  als' Aescfaylos  feh- 


Aristophwies  und  Htetiondi 


ilen:  aber  eis  der  Sieger  ist  uns  stsluarisch  niciil  Aeschylos, 
sondern  nur  Sophokles  bi^kannt.  Das  Urlheil  der  Wslt 
oder  eines  Zeitallttrs,  das  sicii  reslslelll,  und  das  einzelner 
tiütster  welche  die  Zeilen  und  überhaupt  allseitig  vcrglei- 
>ohen,  Qenie  und  Charakter  nach  UmstSnilen  und  BcJin- 
gunguh  würdigüti,  ist  v*rschi«den.  Nicht  Polygnot,  son- 
dern Apelles  ist  der  berUhjntere.  Wer  freilich  Bedenken 
tragt  den  Arislophanes  als  den  'anerkannten  princeps  der 
allii«  Komüdie'  (im  Allgemeinen  genommen,  ohne  einzelne 
Seiten  und  Urtheile  über  Andre  enlscheitten  zu  lassen]  an- 
zuerkennen und  daher  auch  auf  den  Stri'it  über  den  Vor- 
laug  des  Arislophanes  oder  des  Menander  nach  der  SchTift 
des  Plularch  gar  kein  Gewicht  legt,  dem  niuss  meinerEr- 
klSrung'  ausser  dem  an  der  Büste  vennissten  Mt^rkmal  a)^ 
lerSinn  und  Zusammenhang'  zu  fehlen  scheinen.  Und  dooh 
fürchte  ich  dass  Herr  Stark  selbst,  der,  indem  er  zwar 
auch  kein  Zengniss  dafür  anfühn-n  konnte  dass  Krnlinos 
■nicht  kahlköplig'gewesen  sei,  das  Physiognomische  durch- 
aus unberührt  tfisst,  das  in  der  Büsle  mit  onserm  Begriff 
von  dem  Genie  und  Charakter  des  Arislophanes  unver- 
gleichlich gut  üJbereinznslimmen  scheint,  von  Kialinos  so^ 
gleich  abstehen  würde,  wenn  <ir  nur  auf  dem  kürzesten 
Wege  nach  Meineke's  Schilderung  von  diesem  in  der  fli- 
tloria  critica  Comtcorum  Graecorttm  p.  20  geprüft  hfttte, 
ob  gerade  dessen  Bild  in  dem  Marmor,  von  dem  er  doch 
vermiiihlich  einen  Abguss  vor  sich  halle ,  erkannt  werden 
klinne.  Dann  blieb  ihm  übrig  den  Eopolis,  Pherekrales 
oder  einen  andern  der  grßssteii  der  altiin  Komiker  entge- 
genzustellen. 

Von    der   Dopclbüste ')   befindet  sich    eine  Wiederho- 


2)  Gelcgeutlich  sei  bemerli 
□ander  Herr  Sbarf  jua.  hsadell 
Of  liller.  lf*53  IV,  3  p.  381 
diti  diBJeUlij)  Marburg  Hall 


3S9  i 


aas  ühvt  die  Bildnisse  dti  Me- 
len  Traaiact.  of  thu  R.  aocjel; 
d  faöcbst  waliricheinlich  machl, 
etiite  befindliche  Scbildporlfiit 


60  Aruitophtnes  and^llenander. 

lung  im  Museum  zu  Neapel,  wovon  Emil  BraoB  in  ta 
Honumentiy  Aonali  e  Bulieiüni  für  1854  p.  48  ßinfi  Zeich* 
nun^  bekanot  gemacht  M  und  die  auch  scbon  im  Huaeo 
Borbonico  6,.  43  publicirt  ist«  Die  beiden  Köpfe  sind  vor- 
her einselii  gewesen  und  hinten  abgeschnitten  wordem  u 
zusammengesetzt  zu  werden ,  offenbar  um  siq  dftur  Doppet- 
büste  mit  d^  Tänia  des  einen ,  die  übrigens  hier  Ceblt,  Ika- 
lich  zu  machen^  wenn, nicht  umgekehrt  ein  Kuostfreand, na 
der  Ansicht  wozu  sich  Plutarch  bekannte  und  der  GesclunadL 
des  grossen  Lesepphlicums  ohne  Zweifel  immer  anehr  hin- 
neigte ,  nach  dem  seinigen  entgegenzutreten,  die  Köpfe'  M- 
der  Dichter  bat  copir^n  und  dem  Aristopfaanea  die::Tiaii 
umlegen  lassen^  die. dann  um  soeberi  wenn  kein  alles  da- 
mit versehenes  Werk  vorlag ,  etwas  derber  ausfallen  ko«iite 
als  man  sie  enden  aus  Athen  und  filteren  Zeiten  abata»- 
menden  zu  sehn  gewohnt  ist,  Braun  bemerkt  aacbMiacr 
von  dem  berühmten  Zeichner  Consoni  gemachten  Skiaie, 
dass  der  Scheitel  des  Aristophanes  kahl  sei?^  eben  so  wie 
der  des  Thukydides  in  demselben  Museum,  waa  nur  veo 
Wenigen  bemerkt  worden  sei  (im  Museo  Borbonico  aind 
auf  dem  Scheitel  einige  dünne  Haarstrüppe  zu  sehn,  wie 
auch  über  der  Stirne),  und  so  könne  der  Umstand  auch 
von  dem  Copisten  des  Aristophanes  übersehn  worden  aein. 
Eher  ist  zu  denken  dass  der  Auftrag  dem  Aristophanes  ia 
Verbindung  mit  Menander  die  Tänia  zu  geben  den  Künst- 
ler nöthigte,  um  nicht  ein  gar  sonderbares  Bild  aufzustel- 
len, ihm  mehr  Haar  zugeben.  Dies  scheint  mir  auch  wahr- 
scheinlicher als  was  Braun  annimmt ,  dass  er  von  dem  dem 
Neapler  Kopf  zu  Grund  liegenden  Original  in  diesem  Um- 
stand abgegangen  sei  nach  einer  allgemeinen  Gewohnheit 
der  alten  Künstler  es  nur  mit  dem  physiognomischen  Theil 


^i<i   Jm. 


des  MENANAPOlf  anerachtet  kleiner  Verichiedenheiten  der  Vife- 
contiftchen  Ai)bildong,  doch  dasselbe  Farnesischen  sei,  da«  1786 
nach  Neapel  gebracht  wurde.  Dort  ist  so  Vieles  nntersohlagen  wor4ea. 


i^^m 


MMI^MaÜi 


Aristophanes  und  Menander. 


61 


genau  zu  nehmen  und  die  pbrenologische  Structur  unter- 
zuordnen. Dass  sie  die  Kahlköpfigkeit  auszudrücken  begreif- 
licherweise gern  vermijeden  haben  würdep^  zekt  was  uns 
Plutarch  imTerlklelä  '(3j  erzählt  dasä  si^diesem/ über  des- 
sen zu  langen  Kopf  man  sich  aufhielt,  um  dies  zu  ver- 
stecken, einen  Helm  aufsetzten,  der  ihm  doch  eigentlich 
nicht  besonders  zukam.     '^        »  '' 

Beklagen  müsste  ich  mich  übrigens  über  die  Art  wie 
Hetr  Pröfessöi^  Stark  meine  uhisweideutigen  Worte  über 
ifdXanqdq  und  q>akaviid^  eben  so  wie  ctie  übel*  fdikhmqä 
aufgefassl  hat,  ^v'enV  nicht  bei  der  Yei^gleichuhg  der  erste' 
Bliii^k  Ji^dermann  lehren  könnte^  düss  solche  unverzeihliche 
Missdeutung  klarster  Wörter  uiid  Zeügtiissef  oder  Ueberei- 
lungen  zu  Gnrisleti  einer  hypothetischen  Erklärung  wie  ör 
mii"  vorwirft,  nur  eine  XJebereilung  seiner  Seits  verrathen. 
Di(jse  V^rgleichüng  sei  jedfem  Leser  deir  auf  did  Sache'ein- 
gehn  niag,  überlassen.'"  * 


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I»    1    •:.■  .i':    li"    :■    i-i    ■     M--i;     .  'I  •'•:'«  ^Lvr      ..■•;!     <■.:;■  i     .  il'i  *■:  ,.*■ 

Tai*    !▼•     .'II,;,  .;  •     ■    •ibi'.Oi'-i-     ii.'ju 
•  '    •        ..       ■     ■■     1  »•<,.     /'•;■•■  ^    1  =  ;}'     !i'.    '      ■•i       .•     ::  •!      •  ':.;H:/     M 

Pau$ar>ias  .  erwähjit^  ^iq^n  Löwen  aIf>Deiik^c)^^en  ^ 
^^?V.v?W.mt(jr^fjbeT,dpr  Jn  (Jer  ^Schia^j)!  ^pge,^  P;?^ipR,Jf©Ci||-i 
Ißnpn  T.|i0bflne};.  in  der  Näh^e  der  l^ladl  QlfÄrpne^  <9^.;40, .  ^). 
Wie  von,  dieseip ,  Löwei[i.  die  vorstehende  .^bb^lfjill^gr  ^h^j 
g^gpjjep,  werden  können,  jerforfJerl  einen,  B,erjcb^^.d|eiiic^| 
aifsfübrlich,^und  jgenau,  neben. ihm. niederjlegen^wiji. 

.  Es,:w|ar  aip^a.!.  May  18^42  afsjch  >)ei.  d^/^S^ätt^^  ^i^^ 
se^..  D.tj^kinßl^  vpfüber  reifte  jind,  ip,.meinjBin,;Tjfig^b|^ch^^ 
folgende  Worte  niederschrieb:  „Einjge  hur^fjert  .^S|phritte 
rückwärts  von  Chäronea  (nach  Livadia  zu)  an  der  alten  ge- 
pflasterten Landstrasse  der  Löwe.  Das  schöne  Haupt  un- 
terwärts, noch  vier  grosse  und  drei  bis  vier  kleine  Stücke, 
so  dass  die  Herstellung,  Zusammensetzung  und  Ausflickung 
wahrscheinlich  kein  zu  grosses  Werk  seyn  würde.  Ich  ver- 
stehe nicht  das  Oertliche.  Ausgrabung  hat  einen  Hügel 
kreuzweise  durchschnitten,  in  dessen  kesselartiger  Ver- 
tiefung die  Bruchstücke  liegen.  Staad  der  Löwe  auf  einem 
Hügel,  wovon  jetzt  nur  noch  die  Ränder  stehn?  Hat  sich 
durch  Vegetation  und  Regen  Erde  um  das  Monument  ge- 
häuft? Wie  tief  war  es  versteckt?  Wer  grub?  Die  Her- 
stellung eines  solchen  Denkmals  aus  klassischer  Zeit  z.  B. 
durch  Siegel,  wäre  ernstlich  zu  betreiben.^' 

Ehe  ich  an  die   letzten  Worte   wieder  anknüpfe,    will 
ich  die  Frage:     wer  grub?  beantworten.     Der  Löwe  muss 


1)  Statt  Ms.  gedruckt  als  der  Text  zu  der  in  den  Moaumenti 
ined.  del  Instit.  archeolog.  für  1856  erscheinenden  Abbildung 
(lar.  1  p.  1—5). 


Der  Löwe  von  ChSronea. 


6» 


ganz  verschwunden  gewesen  seyn;  Dodwell  und  Clarke 
haben  ihn  nichl  erbiickl,  jener  niolil,  der  zweimal  in  Cliä- 
rnnea  und  Livadia  war,  *)  noch  Clarke,  der  „hier  wohl 
einen  grossen  Erdschull,  als  Grabhügel,  aber  keine  Spur 
eines  anderen  Denkmals  entileckle"  *).  Nach  ihnen  bttsuchtc 
D.  Holland,  Arzt  des  Pascha  von  Janina,  die  Gegend,  der 
in  seiner  Reiseheschreibung  beklagte,  dass  von  dem  Löwen 
sich  nichlsßnde,  und  sagt,  dass  derselbe  wahrscheinlich  von 
einem  künrUgen  R«isL'nden  werde  aus  dem  Boden  gegruben 
werden.  Er  dachic  dflbei  wohl  an  Lord  Byron,  welcher 
die  Absicht  gehabt  haben  soll  diestn  Löwen  ,, ausgraben, 
reslauriren  und  auf  dem  Punkt  wo  das  neue  Amphiklyo- 
nengericht  der  wiedergcbornen  Panhellenen  seinen  Site 
nehmen  werde,  aufstellen  zu  lassen."  Erst  im  Jabre  iHltj 
veranstaltete  J,  Crawford  eine  Nachgrabung,  aus  dessttn 
unge^ruckler  Rftsebesclireibung  erst  im  Jahr  1824  eine 
Nachricht  d'arüber  in  Englischen  und  in  zwei  Deulschen 
Journalen  erschien  *).  So  wenig  wie  ich  damals  davon  eine 
Erinnerung:  hatfti,  scheinen  auch  die  Reisemien  vor  und 
nach  mir  den  eigentlichen  Entdecker  des  Löwem  gekannt 
zu  hüben.  Crawlnrd  fand,  als  er  am  S.Juni  IHlH  mit  drui 
Landsli'ulen  des  Weges  knm ,  einen  zu  l'Hge  stehenden 
Marmorblock  und  wurde  bald  gewahr,  dass  dieser  zu  einer 
weil  grösseren  Masse  gehörte,  welche  mit  Erde  überschüt- 
tet und  mit  Geslrtlpp  bedeckt  war.  Es  zeigte  sieh,  alsmair 
gruh.  Her  kolussale  Kopf,  ein  Bruchstück  des  Hiiileriwines^ 


'.(..-It 


2)  Vol.  Ii  p.  211.1:302  ■.  1!  p.  142. 
3}  Travels  Vo|.  Vll  di-  5  p.  171)  ».  der  UcUvi 
4J  AuB  der  lilerarj  GaielLe  la  Ihe  uew  inunlllj  Magazine  1824 
JuD.  p.  261  des  lilirarj  Journal.  Zeilung  Tür  dit  tk'ganle  Welt 
i'6Ü  N.  S9  S.  T99.  Bölligeri  Amatihea  III,  390  f.  1&25'.  Eihe  Ab-  ' 
bitdung,  wohl  nur  de»  Hügels  nach  der  Crawrof dachen  Alussrai'''  ' 
bUDg  io  Dupre  Voj.  i  AinäntB  el  CuiitlBallnoplc  ou  Coilcolioii' 
de  portraitB,  vues  el  coslMUeB  greci  eL  oLlbiu.  peiulB  «n  ie^l9,.l 
lidiOKr.   i,  Puta   182^  pl.  17,  U[  mir  nicht  vorgeLoitii 


64  Der  Löwe  von  Chäronea. 

noidi  mdhrera  .welche  die  Stellung  errathen  liessea.'  Die 
weggeschanrelte  Erde  entkieli  Stücke  Stein  und  Möitel,  der 
offenbar  zum  Sockel  gehört  hatte.  Die  Reisenden  bt^ecktea 
Alles  wieder  sorglällig  mit  Erde  und  Schutt.  Doch  ist  diess 
nicht  ^80  geschehen,  dass  nicht  wieder  Stücke  des  Löwen 
bloss  liegend  von  späteren  Reisendi^n  benerjKt.  wordeB 
wären.    Von  solciien  kann  ich  hier  erwähnen: 

Ed.  Gerhard  Annali  d.  Inst.  archeoL  1837  VoL  9  pw 
108.  Si  un  jour  cette  statue  sera  restauriöe  ^  Taide  deii-ses 
fragmens  disperses  et  ensevelis  (et  peut-6tre  en  manq«e-t-il 
moins  qu'il  ne  parait),  on  pourra  mieux  qu'ä  pr6sent  aj^pr^ 
cier  le  m6rite  de  sa  sculpture:  toute  fois  sa  tAte  qui  est 
tres  bien  conserv6e^  est  d'one  ex^cution  assez  esUmable» 

H.  N.  Ulrichs  Reisen  und  Forschungen  in  Griechen- 
land 1840  (die  Reise  selbst  1838)  S.  159:  ,,diesi  kolossale 
Kunstwerk  aus  grauem  Böotischen  Marmor,  ist  bei  seinem 
Umsturz  nicht  nur  in  die  Theile  zerfallen ,  aus  denen  es 
ursprünalich  zusammengesetzt  war ,  sondern  auch  diese  sind 
hie  und  da  zerbrochen.  Doch  ist  die  Zerstörung  flicht 
SO'  bedeutend,  dass  sich  das  Denkmal  nicht  voUstäadig 
wieder  aufrichten  Messe.  Eine  absichtliche  Zerstörung  ist, 
an  keinem  Theile  wahrzunehmen  und  es  scheint,  dass  ;die 
Schwere  der  grossen  Masse  die  Senkung  in  den  weidhea 
Boden  und  in  Folge  derselben  den  Einsturz  bewirkt  habe. 
So  riel  man  aus  den  Tbeilen  ersieht,  hatte  der  Löwe  sich 
auf  die  Hinterfüsse  niedergelassen,  während  er  sich  ..auf 
die  Vorderfüsse  stemmte  und  stolz  und  unverwandt  sein 
Haupt  emporhielt.  Die  Basis  scheint  unbedeutend  und  der 
Grabhügel  flach  und  niedrig  gewesen  zu  seyh.  Der  Ldwe 
mag  vom  Fuss  bis  zur  Scheitel  an  12  Fuss  gemessen  haben/^ 

Brandis  Mittheil,  aus  Grieclienland  I,  249:  „Sechs  Bis 
acht  Minuten  vom  Ort  sind  vor  10r--12  Jahren  dieBruchr- 
stücke  eines  kolossalen  Löwen  aus  graulichem  Marunor,  ^su^ 
Fusse  der-  niedrigen  Bergreihe  zum  Vorschein  gekommeni; 
die   das  Kephissosthal  von  dem  der  Herkynna  bei  Lebadea" 


trennt.  Neu  anfgestelll  und  ergänzt  wQrde  er,  4«r  Erin- 
nerung an  den  Befreiungskrieg  gewidmet,  einen  «einer 
würdigen  Z^eck  erhalten.  Der  suhöne  Kopf  mit  üals  und 
Mähnen,  die  Schenkel,  Jetzt  säuienarlig  auf  dem  Ranite 
des  Tumnlus  anfgestelll,  die  Pfoten  und  übrigen  Hauptlheilc 
des  Ki>rpers  sind  nur  von  einander  abgelöst,  grossentheils 
unbeschädigt  vorhanden  und  bedürfen  fast  nur  der  Zusant- 
menselzung  und  der  Aufstellung  auf  wohl  begründetem 
Poslument.« 

Gültling,  welcher  1840  gereist  war,  spricht  von  dem 
Löwen  in  seinen  Gesammelten  Abhandlungen  1,  147—153 
und  giübl  sieben  Stücke  an,  in  die  or  zerfallen  sey.  „Die 
Trümmer,  sagt  er,  zeigen  keine  heftige  Verletzung  und  es 
ist  kein  Zweifel,  dass  das  Kunstwerk,  als  der  aufgesohüt- 
lete  Tumulus  auf  welchem  «s  stand,  almglig  nachgab,  von 
selbst  zusammengestürzt  ist.  Denn  es  ist  gleich  Anfirngs 
aus  mehreren  Stücken  zusammengesetgl,  wie  schon  das 
Fuelum  einfach  bestätigt,  dasa  der  Leib  des  Löwen  hohl 
gearbeitet  igt,  vielleicht  um  das  Gewiehl  desselben  nioht 
allzuschwer  zu  machen"^). 

Mein  Angesichts  der  Trümmer  des  Löwen,  aiit^enbliek- 
lich  gefassler  Gedanke  der  Wiederaufrichlung  war  veran^ 
lasst  durch  meine  Bekanntschaft  mit  dem  in  Athen  leben- 
den Bildhauer  Siegel  aus  Wandsbeck.  Denn  dass  auch 
Andern  dieser  sehr  nahe  liegende  Gedanke  sich  aufgedrun- 
gen hatte,  war  mir  damals  nicht  bekannt;  ich  balle  meir 
nes  Erinnerns  üb«r  diese  Ueberbleibsel  nichts  gelesen  noch 
gehört.  Herr  Siegel  aber  halte  durch  den  im  lebendigen 
Felsen  samml  der  Grotte,  worin  er  ruht,  ausgehauenen 
kolossalen  Löwen  bei  Nauplia  den  für  das  neu  erstandene 
Griechenland  "gefallenen   Baiern    ein   bedeutentles  Benkmal 


5)    Einiges    w»    fi.    148   in 

der    Noie    liber   den    Lönen 

bemerlil    ist,    kann     ith    nicht   u 

niersch reiben.      Von    Üöttlin 

auch' 1846  td  Jeni  ein    Pfograni 

m  erE<«hicn<.'D  De  Chasronea 

praeierdm  de  leon»  Cbitertmen 
V. 

ig  pugnae  munantonlo.        :i 

66  Der  LOwe  von  Chironiea. 

gegründet  and  dabei  nieht  bloss  seine  Kunst,  eendern  moh 
gegen '4Ke  Ad  griffe.  Bösgesinnter  unter  der  Arbeit  grofsea 
Muth  end   Gewandtheit  bewährt.    Dass   dieser  gaoM    der 
Mann  seyn  würde  den  Löwen  von  Chftronea  hersasteUen^ 
iinterlag  keinem  Zweifel.    Vor  meiner  Abreise  warn  Athen 
im  Anfang  Augusts  yersicherte  ich  mich  daher  .seiilier  Be-^ 
reitwilligkeit  zu  dem  Unternehmen , .  das  ich  durch  Sübeor^ 
tionen  su-  bewerkstelligen  hoffte  und  mit  einem  MitglMe 
der  Regierung  besprach.    Er  machte  gleich  nachher,  doroh 
eine  schriftliche  Eingabe  S.Majestät  dem  König  nieiilen  Plan 
bekannt  und  König  Otto,  dessen  Huld  und  Güte  so  yiete 
wissenschaftliche   Besucher    Athens  preisen  und  der  divon 
auch  mir  so  vielfache ,  einer  dankbaren  Verehrung  an  ver- 
gessliehe Beweist  gegeben  hat,  y^geruhte,  wie  Hr*  Siegel 
mir  aMirieb)  die  Sache  sehr  huldvoll  aufzunehmen,,  sandte 
die:  Eingabe  mit  dem  Befehl  an  das  Ministerium  des  Cuttns 
iUm  die  Höthigen  Mittel  sur  etwaigen  weiteren  Aufgrabung 
iund  zur  Reise   dähm  zu  geben,  welches  denn  endlich  ifi 
May  1843  erfolgte;  denn  man  zögerte  um  zu  sehen. ,  pb 
man  nicht  die   Restauration  aus  eignen  Mittein  bewirken 
könne:  und  es  würde  noch  ruhen,  wenn  S.  Majestät  der 
König  nicht  seU>st  nachgefragt  hätte.^    Mit  dieser  Nachriclit 
sandte  der  Künstler  unter  dem   8.  August  1843  die  jatst 
zuerst  veröffentlichte  Zeichnung  nebst  einem   Kostenüber?- 
sehlag  der  Errichtung  des  Löwen  auf  einem  24  Fuss  hohen 
marmornen  Postament^).    Dieser  Ueberschlag  belauft  sidh 
auf  24000   Drachmen   oder   10000   Gulden   nach  dem  24 
6ulden-*Fuss.    Die  Kosten  sollten   durch  eine  Subscription 
in  Deutschland ,  das  viele  Freunde  der  Griechischen  Studien 


■tr-*- 


6)  Die  Raise  oacb*  Cbironea  benutzte.  Herr  Siegel  auf  meine 
Bitte  um  mir  zugleich  in  der  Nfihe  des  alten  Oropos  das  höchst 
aasgezeiehnete  Relief  des  Amphiaraea  Aufnahme  in  die  Erde 
so  zeiehnen,  das  ich  in  den  Annali  1344  Vol.  XVI  p.  1^6.  be- 
kamt gemaeht  habe.  S.  auch  meine  alten  Denkm.  Th.  2  Taf  IX, 
15  S.  172  und  Oferbeekt  heroische  GaUeri^  Taf.  VI,  6  S.  145. 


Der  Löwe  von  CMronea. 


67^ 


zählt  und  wohl  weiss  was  es,  mit  der  ganzen,  gebildeten 
Welt,  dem  alten  Hellas  verdank!,  eufgebrachL  werden.  Ein 
hochherziger  und  sehr  reicher  Kunstfreund  in  Hamburg  halle 
aus  Rücksicht  auf  die  Heimat  des  Irisillichen  Kunsllers  und 
aus  Gefälligkeit  gegen  den  Unternehmer,  seinen  Bekann- 
ten von  Rom  her,  eine  aussergewöhnliche  Unlerslülzung 
des  Suhscriplionspliines  zugesagt.  Schon  erschien,  durcl), 
das  Gerücht  veranlasst,  eine  verrrühte  Nachricht  in  einem 
gelehrten  Blatte '),  UnglUcklictierweise  aber  war  schon, 
idi  September  in  Athen  eine  Revolution  ausgebrochen,  welchß 
die  Ausführung  des  Planes  untliunlich  machte.  Denn,  um 
von  sllum  Andern  abzusehen ,  so  wafen  die  UnbiJticn  ge- 
gen die  Deutschen  in  Athen,  besonders  auch  in  den  Grie-^ 
chigchen  Blättern  gegen  die  Deutsclien  Überhaupt  doch  Z9 
stark  und  machten  eu  viel  Lärm  als  dass.  eine  AufTorderung. 
dem  so  auftretenden  Völkchen  von  Seiten  unserer  grossen, 
Nation  ,  in  deren  Namen  es  doch  ge»i$sermBssen  gesphehetl! 
seyn  würde,  mit  einer  Ehrenerweisung  enlgegenzukammefi, 
im  Gänsen  halle  gut  angesehen  werden  können,  Einzeln^ 
zwar  wissen  ilen  Unfug  vorlautür  uwd  roher  Pariheien  und, 
ein  Lsndj  das  Augenblickliche  von  dem  Allgemeinen  der 
Vurhdltnisse  hinlänglich  zu  unterscheiden,  poch  wer  dar- 
nach im  öffentliohen  Handeln  sich  richten  wollte,  würde 
grosse  Gefahr  laufen  mis verstanden  zu  werden.  Darum 
stand  ich  nicht  eihen  Augenblick  an  dein  erwähnten  Jo!tr>^' 
nalarlikel  in  demselben  Blatte  zu  widersprechen").  Jetzt 
da  ich  den  Löwen  in  der  Zeichnung,  die  erste  Vorberei- 
t^ng  zu  einem  grosseren  Werke,  bekc^nnt  mache,  kann  ich 
nur  wünschen  und  hnJTen,  dsss  dieses  bald  auf  and(^« 
W«tse   zur   Ausführung   kommen  möge,   nachdem    es    beiii 


7]  JeoaJKi'he 
8;    Jen.  Lilt. 


,  1843  N.  393.  7.   Duo, 

leine    Erklärung   toa  37.  ßec.   1843, 

am   7.   Man    ISH  N.  58  ab|tedrucb( 


68'  Der  LöwIb  von  Chirdnea; 

mir  deiid  Anfeelitob  stim  Opfer  g&^otien  ist , 'Aar  Von  Ab^ 
fah^  wetitgfstens  mir  offenbar  aofgerlrongen  war , -dM-  iber 
einef  geffllifriiclye' Sache  ist  fftr  Alle  die  mit  mancheitoi'^Ge« 
i^hflflen  und  Arbeiten  fiberbftiift  sind  ^).  /l      r 

jfbei  Chäroinea;  sagt  Strabon  (9  p.  414);  maettle  Phi'- 
lippt^;  dös  Ainynias  Sohn,  durch  die  Besiegung  der  AÜie«* 
ner ,  Böoter  und  Korinther  in  grosser  Schlaohl  aioh  'zmi 
Heft'en  tbn Seilas:  auch  ^rd  hier  das  TomVolk  errichtele 
GtiBih  4et^'  iti  der  Schlacht  Gefallenen  geztdgt^  ^%  ZU  den 
drei  von  Strabon  g^annten  Staaten  nennt  Luoian  im  Lob 
des  DämOsthenes  (38]  „die  EuböeryMegarer  und  die  grf>8Ste 
Macht  TOn*' Hellas.^  Das  Grab  war  indessen inicht» da»  dar 
GefaÜeneii  überhaupt.  Die  Asche  der  tausend  gUaflenett 
Athener  wurde  nach  Athen  gebracht  und  dort  'bogfraben, 
WO  Pausahfas  ihr  Grab  sah  (1,  lO,  11)  und  DemoBthcinei 
nach  Raths-^  und  Tolksbeschluss  ihnen  die  Leiohearede 
hielty  woraus  von  Gdttling  und  Niebuhr  mit  Recht  gescMoa-^: 
seh  wird  dass  er  auch  mit  gefochten  hatte.  In  dar 'Rede 
für  den  Krahz  (8B0)  liess  derselbe  die  herrliche  Gnibscbrift 
Torleseti,  die  ihnen  dort  geweiht  worden  war  ^^).    Hlerdoroh^ 

f 

9)  D.  TOD   SteiQ  schrieb  mir  nach  seioer  Reifte  in  Griechieii- 

Und 'im  I.  'A|>lril  1857  dass  ,jetit  dieStäcie  tranrig  umfaer  Kegen«^ 

.    I0>  Die  Sehlacht  im  Jah«  338  ▼.  CJir,  ist  beachriebea  in  Niet-. 

bul^a  ( Alter  Geaeh.  2,  356-362.  346.    Daa  ^l^chlaehtfeld  ist  i^fß^ 

durch  daa  ticab  mjt  .dem.  Löwen  bekannt  geworden.    Die  GboQ^ 

i    '■     '  ■■^•'.»'■1 

Ton  Rephi^OB  ist  } — 1  Meile  breit  und  mehr  als  2  M«  lang. 

11)  Göttling  Termuthete  dasa  Demosthenes  selbst  das  £pigrainni 
auch  VerfAsSt  haben  möge,   wogegen    schon   Tb.  Bergk  iü' bin'eitf ' 
Marburger  ih-o(^amm  1852  Anal,  lyrica  1,  p.  X' bemerkt  b'lif^  das» 
die  gleich  'folgenden  Worte  des  Redners  dieser  Vernittthung;«Qiii/ 
gegen  lu  stehen  scheinen.     Sie  thun  diess  noch  mehr,  wenn  man 
sie  und   die   letzten    Verse   des   Gedichts   in    dem  Sinne  rerateht, 
welchen   erat   Fröhlich  in  einer  besond^n  Abhan<Hviig  de^  |fön- 
chener  Akhd.   philds.  bist  Kl.    1845  S.  -79^98^  mit- ZaaAmmung 
Tön  Spengel    S.  4^2,  erwi^senlhät.    [Prof.  ürltohs  schrieb  0.  f)o^-. 
1856    an   mich:   „Aber  das  Epigramm   ist  so  schlecht  Qri<eeliib«lij' 


Der  Lowe  von  Charonea. 


eg 


und  durch  allifemeiuere  Gründe  erlittlt  die  Nachricht  des 
PaUNanias  den  \orzag  dass  das  Polyandriop  nur  diu  Todlen 
der  Thebaner  uiuschloss '^).  Er  bemerkt  zugleich  sehr  rich- 
tig dass  der  Löwe  als  Aufsalz  auf  dem  Hügel  sich  auf  des 
Muth  der  Männer  beziehe,  und  dass  er  ohne  Epigramm 
gelassen  gey,  weil  ihrem  ßegionen  der  Ausgang,  wülchen 
Gott  ihm  geh,  nicht  entsprochen  halle. 

Die  Bedeutung  des  Muths  und  der  Stärke  isl  unter 
den  verschiedenen  sinnbildlichen  des  Löwen  die  gewöhn- 
lichste und  er  eignete  sich  daher  vor  allen  Andern  zum 
Schmuck  eines  Heldengrabs.  Dabei  konnte  in  den  Gesichts^ 
auädruck  Beziehung  gelegt  werden  auf  besondre  Umstände 
wie  auf  das  enlselzlich  unglückliche,  den  Untnulh  und 
Schmerz  aller  Guten  erweckende  Loos  der  Gefallenen.  Sehr 
richtig  ist  daher  die  Bemerkung  Gölllings  dass  dor  Kopf 
des  Löwen,  der  einen  sehr  edlen  Ausdruck  habe,  indem 
er  die  Lefzen  vorn  zusammenpresse,  an  beiden  Seilen  den 
Rachen  iifFne  und  zwei  runde  OeCTnungen  sehen  lasse,  zum 
Zeichen  eines  halb  unterdrückten  unwilligen  Gebrülls.  So 
bemerkt  ßrandis  von  dem  grossen  Löwen  nicht  gar  weit 
vom  Bynettos  von  Penteliscfaem  Marmor,  welchen  er  genaa 


taäiaanf 

TSchluBH, 

lag  ausHchliesBeD,  daia 
tr  Redner  aelbatBCirnhrl, 


ja   (o    uiJteriliDdlkb  '    x«(   i^fiaias,   der    GeuenB*! 

wo  Dt^inoslh.  eigene  Worte  Göltlings  Erlilin 
ich  mich'  kaum  des  Gedankens  erwehren  kau 
blinde  uneChl  um)  aui  dem  Hexameter,  den  di 
(390)  gemacht  worden.  Bvdeoliea  Sie  dtsa  ei  nicht  inCod.  X  itehl." 
Bunsen  l8.Dec.5S  „ohne  Z».  das  acht  Epigramm.-  Thudichum 
acfareibt  Über  das  Epigr.  Bbein.  Mua.  1857  Bunten  lerlheidigt  die 
Aechlheil  (Gott  in  der  Geacb.  3,567.  3,  446-48]  DünUer  die 
Homeriachüa  Beiwörler  des  Götter- und  MpnacbengeschlechU  1859 
[16,  Od)  S.  47  ff.] 

12]  PluUrch  im  Leben  Aleiand^ra  Kap.  9  erwähnt  das  Pol;- 
andrioD  der  Makedoaier  am  Kephisaos,  neben  einer  alten  Eiche, 
welche  Alcx«ndera  Eicb«  hieaa,  der  darunter  lein  Zelt  gebabi  uoid 
eich  lueral  in  die  Thebiache  heilige  Schaar  goitünt  haben   Bollte. 


70  Der  Löwe  toh  Chftronee. 

beschreibt  tknd  i  gaiiB  besontJers  rttiiMt,>d«sb  dte'<fBadiei 
geöflnet  sey;  das  Aussehn  finster  und  grimmig'^  d«w:«ber 
bei  dem  Geftthl  eigener  Kraft  etwas  ausserordentlich  Sciuiken» 
liches  in  seinem  Ausdruck  liege  ^').  Göttling  fanil  -mudk 
dass  in  der  Spitze  des  Schweifs,  den  der  Löwe  von  CUl*^ 
ronea  um  das  Hintertheil  des  Körpers  so  geschlungen  habe, 
dass  diese  gerade  an  die  Hoden  -zu  liegen  komane,  >4§m 
hornige,  von  Blnmenbach  nachgewiesene  Bndle  dMtlich 
ausgedrückt  sei,  der  Stachel,  von  welchem  diei  Allen  er- 
aählten  dass  der  Löwe  damit  im  Ingrimm  sich  selbst'  sam 
Zorn  aufreize  «nd  blutig  stachele.  Nur  ist  aus  dar  Zeicli^ 
nung  klar  dass  der  Löwe  sich  nicht  im  Grimm  mit  dam 
Schweif  peitschte;  und  wäre  es,  so  würde  ich  dieeg  doch 
auf  die  Tapferkeit  der  heiligen  Schaar  deaten  und  mUAA 
als  j,einen 'Stachel  der  Mannbeit  zu  blutiger  Raebe^  yersteken, 
9)Die  vorderen  Klauen,  so  schrieb  mir  Herr  Siegel, 
der  rechte  •  hintere  Vorderfuss  und  mehrere  Stücke  dee'Hil<-> 
ieltheils  fehlen:  die  Vorderklauen  soll  Fürst  Pflckler  Mxm^ 
kau  abgeschlagen  und  mitgenommen  haben.  In  demnafaf^ 
liegenden  Brunnen  sind  noch  mehrere  Stüdce  des;  «Heu 
Piedestals  vermauert  Ich  habe  daher  denBruaneBÜhüder 
Zeichnung  etwas  näher  herangezogen,  um  Ihnen  denselben, 
falls  Sie  ihn  vergessen  haben  sollte,  ins  Gedftchtnies  s« 
rufeii.^  Er  sagt  ferner  über  das*  Fussgestell:  »Das  pror- 
jeQtirte,  dessen  Profile  ich  nach  den  Anten  des.Tbeseqs- 
tempels  ^z^icbpete,  kajan  nat(u*]ticb,  noch  jeder,  J>eUeJb|ig;ep 
Abänderufigf  unterworfen:  werden.. .  JSs  ward»,  wr  .y(m;jpa|r 

13)  MitfhefldDgen  ans  Griechenland  1;  344  f.  UiiWahMelMa^ 
lieh  ist  dass  man  an  den  Muskeln  n'öth '  Ae  Atrstr^nfj^abg'  Üebe, 
womit  de^  Löwe,  den  Kopf  knr  Litiken  gewendet;  sich  atlfg^üi^iiiet 
habe,  wahrscheinlich  als  er  durch  die  Ankunft  der  Feihde' geweckt 
wurde.  Da  dt^'Beine  jetzt  fehlen ,  ab  glaubt  man  iäertft,''er  müsse 
Hegend  ab!gebildet  seyn,  findet  es  äbÄ;  bald  ahdefs.  V^rnhathlioh 
war  die'  =6telrilng  6info<sh  die  dite  - Gilroildscbeli  LeVr^n^und 'tie^ 
1er  andMti-.   "  '    '■»<■' "^    »:    »i  Hr.^nx  li-.;- 


Der  Löwo  von  Cböronea. 


71 


hingezeichnel,  um  einen  Kostenanschlag  von  einem  Piedet- 
slal  von  solcher  Grösse  macben  zu  können  und  das  Gan- 
ze anschaulich  darzustellen.  Gewiss  stand  der  Lüwe  ur- 
sprünglich hoch.  Denn  die  nach  oben  gekehrten  Theile, 
als  Nacken  und  Bücken ,  sind  sehr  roh  und  fast  nur  mit 
dem  Spilzeisen  gearbeitet,  während  er  unter  dem  Bauch 
und  überhaupt  Alles  was  man  von  unten  sieht,  sauber  ge- 
arbeitet ist,  welches,  wenn  er  für  einen  tieren  Stand  be- 
rechnet wäre,  umgekehrt  seyn  würde.  Daher  nehme  ich 
diesem  und  der  tiefen  Lage  des  Platzes  gemäss  die  Höhe 
des  Piedestuls  auf  sieben  Meter  an.  Die  Höhe  des  Löwen 
beträgt  4  Meier,  oder  genauer  3,  85."  Im  Alterthum 
machte  die  Hohe  des  Grabhügels,  worauf  der  Löwe  stand 
(als  inCdfj^a,  wie  Pausanias  sagt),  eine  grosse  Höhe  der 
Unterlage  unnölhig. 

Beispiele  von  Löwen  auf  dem  Grabe  tapferer  Münner 
kommen  nicht  selten  vor,  wie  auf  denen  des  Leonidas  ^*), 
des  Uermias  in  Cypern'^),  des  Faustulus  auf  dem  Römi- 
schen Forum  '^j.  Der  fürchterlich  anzusehende  kolossale 
schreitende  Löwe  in  Hochrelief,  von  ächter  Griechischer 
Kunst,  über  der  untersten  Treppe  des  Palasts  Barberini  in 
Rom  ist  von  einem  Grabmal  bei  Tivoli  weggenommen  wor- 
den 'O-    Auf  dem    Grabmal  des  Heklor  auf  der  llischen 


14]  Herod.  VIE,  22b.  Die  Grabtcbrill  diriufTOn  Simooidei 
Anlhol.  Pal.  VII,  344:  du  erils  Diiticlmn. 

15)  Muitoxidi  Alytyaia  tqnfttQit  1831   p.   124. 

16)  Diuayi.  A.  ß.  I,  BT.  Varro  ap.  Scti.  Hör.  Epod.  6. 

IT)  Birtoli  Vflt.  Sep.  6g.  49.  WinckelmanDa  Kunitgetch.  V,  6, 
19,  daiD  H.  Meyer  S.  425,  Muiioiidi  I.  c.  p.  129  möclile  ancli 
den  Löwea  bei  Julis  in  Keo*  Tür  ein  Grabmal  hallen.  Aber  firönd- 
ited  ,  der  in  «einer  Keiee  1  Taf.  1 1  ihn  iwiefacb  abbilden  lieu 
wie  er  auf  einem  ungeheuren  Sanilalein  liegend,  den  er  mit  den 
Vorderkrallen  faaat,  an  Orl  jnd  Stelle  au»geh«ueo  iil.  beiiefat 
iha  richtiger  auf  die  einheimiiche  Sage  lott  den  durch  einen  LO- 
wen  geacheucbieD  Nfmpheii,  S.  30  IT.  Von  einem  Grati«  dflrfle 
der  koloiasle  liliende  Looe   aui   weisaem  Marmor  im  Palail  Maa- 


n  Der  Löwef  rwi  CiNIrinei. 

Trifellist  «Hl  Schild 'iv^estelh  niit  einem  ItufendiMi  Löwe« 
dtrah/'^nA:  ein  äbiilicbes  GHib  ist  aaeb  neben  "defln'Kiiii- 
pfe  deeAciriiteaf  mit  der  Penthesilet  auf  einer  Qtmmb^. 
Ein 'Bpigränim*  des  Antipater  Sidonios  deutet  amdroAfidi 
den  liöwien  auf  dem  Grabe  eines  Teleutias  ate  Symbol  der 
Stirkb;  ddnn>  ^ki  Löwb  fey  er  den  Feinden  grew€0en-^^; 
und  das'ieiaeg  Hnbelcannten  sagt^  der  Löwet  wAnde  nicht 
auf  dem 'Grabe  des  Leon'  stehn,  wenn  er  nicht  mU  dem 
Namen  ancfa  ^deh  Hnth  des  Löwen  gehabt  lifttle*^«-  So 
aetito  Keliias  der  beäiia  neben  der  Statue  der 'Aphrodite 
eine '  eherne  'Ldivin  von  Kalamia  zum  Andenken  ibred  LO- 
weiiinuths  bei  der  Folterung^ ^). 

t^<ii  Dasselbe  Symbol  der  Kraft  wurde  natttriidh  Mch' an^ 
»er  den  i  GrabmSlern ,  wo  es  so' häufig  War  duss  )ea^  2^  eio^ 
fältigen  Legenden  Anlass  gab  ^^),  errichtet.  So  deih  Be^ 
räkles  mit' 'Bezug  auf  den  Sieg*  über  den  Erginoa  and  die 
Orchotoienieir  vor  dem*  Tempel  der  Artemis  Eukleia  in  The^ 
ben<^).  '  So  weihte   die   Stadt  Elatea,   nachdem   sie    der 

■■'  ■    -  ■!■  /i      ■  .,"  ■    ■    .     '    ■  •'■■     •'  *         '.1 

8ime  atle  tölbniie  in  Rom  seyn.  An  der  Via  Appia,  einer  Ciri» 
iiersirkkie ,'  fand  i^h  an  eidem  der  Von  Canina  bei*  der  A'ii8gra1>iiag 
dö^tflt^'  Slimsfei^  icrrec^t'gelegMDy'fas't  ertiatiien  TrUtomerhädDhi 
mvciLholesmle  AöweDklidftn.  r   '.<.:.  .'.    ■■  1:  >!. 

18)  Mus.  Florent  II,  32. 

.  19)  AnMifa.».paU  VI4,  429k  ,  .     ..  -I     ii 

20)  Ib.  344,  wo  das.  Disticb^n  noch. irrig;  mit  dem  : d«a  S^|^ 
nides  anf  das  Grab  dea  l«oni4(i^  jexbundep  ist.-  $..  Sc(m0i«lewin 
Simon.  Cif^r^^t  P;  164.  .; ,  .,.,  ,     7. 

,91){Pav|«.,JI,  j^3,  !^  FoJyi^eni  8^  45«  «  Miiftoiiidi ,«.  a.  .0^  fleatet 
«AMI  9$lßm!^^W  i'öveii  an  eirvem  .(Jirabrelief  auf  Athen  im  Mna^uw 
zo.,i(AfiKma/  daf..  ivied^r  mU  Moh>  Athen  veiselit  wordiiq  .U^ 
{Sd/f^hi^m  tj^i  .gr^  III,  .p,  23i  6}  anf  den  Naoifn  Leon.  ,  )    ., 

>  •'.  Z^)t  Pto^eiA.  Heph.  2,,.  Zumr  Grabdenkmal .  ist  der  Löwe,  aocliy 
ivi^i  ^  (nf  i  IßZßK^, . TOD ,  ThorwaldaeB ,  uAd>  Ton  Siegel .  bei, :  l*iawpli« 
d^{ai^.deii\.JP!«JteB  «e|bsi  aofgehaoen«,  «uT  dem  Schlachtfeld,  top 
l^|ar]fliq,,«pg^^iin4t  .wordeqf,  ,.,.,, 

.  .  :)^)  ^iqsfn.  IX,  IT*  «•  ,         . 


Belagerung  des  Kassander  widerslatiden  halte,  einen  elier- 
non  Löwen,  ihrer  muthigen  Kraft  sich  su  rühmen,  nscli 
Dfttphi**),  wie  Krösos  einst  einen  goldnen^^).  Diese  Be*«' 
deutung  möchle  auch  der  Löwenkopf  am  Thor  der  Slfldt 
Pierion  gehabt  haben  ^'^),  und  gewiss  der  einst  im  inner- 
slen  Winke!  des  HaTens  Piräeus  aufgeslelll  gewesene,  ia 
Stellung  dem  Chäroneischen  ungeftthr  ahnliche  vorlrefriicha 
Löwe  zu  Venedig,  von  siterem  sirengerem  Slil  ^^), 

Dann  aber  war  es  auch  sehr  natürlich  ein  Paar  gegen 
einander  über,  gleich  Hunden  zu  den  Seilen  einer  ThüreJ 
wie  im  Palaste  des  Alkinoos,  sitzender  oder  aufgerichteter 
Löwen,  als  wären  sie  Wächter  oder  Aul'wärler  im  Dienst 
eines  Höheren  zu  gebrauchen.  Diess  siebl  man  in  Mexi>- 
canischen,  wie  in  Aegyptischun  und  besonders  in  mittel^ 
allerlichen  Denkmälern,  in  den  Ruinen  von  Persepolis  und 
Ninive.  So  sind  die  Löwen  über  dem  Thor  von  Mykertt 
angebracht,  ihre  Tatzen  als  Haler  auf  ein  altar  ähnlich  es 
HeiUgihum    setzend.     So   sind     die  zwei  neben  den  Nikea 


24)  U:  X.  18,  6. 

26)  Herod.  VII.  50. 

26J  Texier  TAsie  mineura   [  pl.  St. 

21]  S.  Thierach  Beiaen  ia  llalieD  I,  223.  Die  grosi^c  Basis  ist 
aocb  im  MeeT«  erhalten  aacb  Ulfichs  ol  Itfiiyis  "^i  tu  /taxuä 
ntXq  IUI'  'JS^yiSr  p.  20,  <ler  auf  den  Löwea  deu  Namen  ni  xotü  lap 
'Alxtuov  «xpOHije»™  bei  Plul.  Thtm.  32  bezieht.  Guillel  de  St, 
Georges  schrieb  1069:  Tout  ce  qu'on  Toit  »u  Pjr6e,  c'est  un  fort 
beau  lyoo  de  marbre  qui  dooue  le  aom  k  ce  fameux  port  (Porlq 
liooCibei  den  GriechcD  J^bxos.)  Le  Ijoa  preieule  Ia  gueule  ouvcrlo 
du  cotä  de  Ia  mer.  11  est  repreaeutä  comme  rugiaiaDi  et  presi  k 
■'älancer  «ur  les  raliBeaui  qui  ;  mouilleat.  (Cte,  de  Ia  Bofdu 
Athänei  aux  XV.  XVI.  ei  XVli.  aiecleo  I,  215.)  Der  Löwe  iat 
■ucb  Ia  der  Zeichnung  dea  S.  Gallo  vom  Piräeus  toq  1465  in  der 
Barborina  in  Bellen,  Abbildung  desselben  bei  de  Ia  Borde  und  über 
die  loschrilten  II,  242— 2&I,  nobel  ihm  entgangen  iat  AJualoiiili  |, 
c.  p.  124—129,  so  wie  Thierach,  der  das  Gekriliel  fär  GrieohiMh 
hielt  uod  Taf.  B.  eine  unTollkommene  Nanhieichoung  glebL. ..  ,  r) 


T4  Der  Löwe  von  Chäronoa. 

am  Fuftssehemel  deg  .Olyinpischeii  Zeus  zu  denken.  Zwei 
gfotdne  Löwen  hielten  Wache  an  der  Thür  der  Grabkan* 
mer  in  dem  fahrbaren  Tempel  der .  Leiche  AlexaQdors, 
Welche  den  Eintretenden  anzuschauen  schienen'^).  In  die« 
gern  Knn  genommen  sehn  wir  sie  auch  zu  beiden  Seiten 
der  thronenden  Kybele,  zu  der  allerdings  der  Löwe  auch 
sonst  symbolische  Beziehung  hat.  So  erhalt,  also  der  LOwe 
auch  die  Bedeutung  Wächter  und  der  dem  Grab  des  Leonidas 
sagt  in  der  Grabschrift  des  Simonides :  ich  wache,  g>QavQä^^, 
Daher  könnte  man  den  im  Piräeus  aufgestellten  Löwen  mit 
Mustoxidi  auch  ein  Symbol  zugleich  der  Wachsamkeit '^) 
Und  der  Stärke  der  Stadt  in  welche  man  komme ,  oder 
stets t.  bereiter  kräftiger  Vertheidigung  nennen.  A«ch  an 
Brunnen  scheinl*  man  diese  edle  Figur,  die  ohnehin  zur 
bedeirienden  Verzierung  der  verschiedensten  Orte  sich*. em- 
pfiehlt, nicht  ohiie  den  Gedanken  dass  sie  wachen  und 
schützen  möchten,  um  durch  sie  von  aller  Verunr^nigung 
des  Wassers  abzuschrecken,  aufgestellt  zu  haben;  woraitf 
dann  folgte,  dass  man  dem  Wasser  den  Ausfluss  durch 
den   offnen   Rachen    anwies.    Die   Alten   wussten   ofl  die 


28)  Diod.  XVIII,  27. 

29)  G.  Herraliiln  Opusc.  V,  176  gründet  hierauf  die  Erginiung 
de«  Schlnssdistichoii  einer  U itjlenischen  Grabrchrift  auf  die  in 
einer  Schlacht  gefallenen  Täpfern: 

ol  fiiv  ya^  &tfpay .  (f>iQTtctot,  ol  di  ßQo[fthf, 
Dv  aber  lM;^a»c>' iure,  feu  nff^^^Xoimt«  matl  aejn  wurde,  io- ist  in 
di6ier  Hinsicht  Böckhi  AnifüHlung  C.  i.  II  p.  190  n.  2teS  Xiotmt 
fxonf  äfttc  Tofenfff  Torznzi^hen,  die  aber  auch  nicht  genigt,  tl«  die 
Sjrittbbld  nnr  einfach  gesetzt  werden,  und  c&fia  terhindert  an  swei 
Löwen' an  einer  Grabespforte  zu  denken.  . 

80)  f^r  dyQvnt^iag*  Man  sagte  dass  der  Löwe  nicht  TomSehlaf 
abefwiltigt  werife,  Ael.  H.  A.  XII,  7,  oder  dass  sein  Atage' wache 
wenn  er  sish]afe,'lsidor.  Orig.  XII,  2,  was  den  leisen,  w^ehiMnen 
Schlaf 'IrehlMitisdNIckt.  L<k>nis  capnt-tigHantiae  sjmbolum,  Ke|pp' 
Palaeogr.'P.  IV:  $:  T04.  712.716.  .*:?;.: 


Der   Löwe  von  ChSronen. 


75 


Zwecke  der  Polizei  mit  sehr  liberalem  Sinn  und  viel  Ge- 
Ecfamaok  zu  erreichtin.  Diese  wasserspeienden  Löwen  schei- 
nen nicht  selten  gewesen  zu  soyn.  Für  t:inen  solchen  er- 
kannten schon  Spon  und  Wheler  einen  marmornen  Löwen 
auf  (tem  Wege  nach  Elensis,  weil  er  den  Hopf  nach  dem 
olTnen  Rachen  zu  durchbohrt  habe  ^'].  Es  ist  dtess  von 
den  drei  durch  Morosini,  zu  Eliren  des  h.  Marcus,  nach 
Venedig  geschalTtcn  Löwen,  der  zweite  berühmte  im  dor- 
tigen Arsenal ,  die  lange,  auf  ihren  FUGSi;n  ganz  ausge- 
streckte Löwin  3'}.  Der  Conirast  ist  so  anmulhig  zwischen 
dein  grimmig  ofTnen  Rachen  und  der  Spende  des  lieblichen 
-Tranks.  In  Athen  wurde  der  eherne  Löwe,  durch  welchen 
das  Wasser  gefuhrt  wurde  das  man  für  die  Elepsydra  bei 
den  Gerichtsredcn  schöpfte,  BrunnenwSchter,  xQ^voipvXaJS 
genannt,  eben  so  wie  der  Beamte  der  dabei  die  Aufsicht 
luhrte"»),  Dessen  Titel  mag  imnierltin  nur  Übergetragen 
seyu  auf  den  Löwen:  aber  diess  ist  nur  i^eschehn  weil  der 
fiegritF' Wöchter  mit  dem  aufgeslelllAn  Löwen  sich  leicht 


31)'Vöy»je  li  t«.   ' 

}2)   d«  la  Borde  11   p 

241 

Rom  Hell^nih 

II,  82.      Visconti 

Ma» 

PiDcl.    \n,1d,   <T0 

er    ein 

en    gpiheineren 

■ittenden    Löwen 

fdirl 

veTwecbielt  p.    157, 

indem 

er  Ton    .dem  Loweo  des  Pirfeeua,* 

TOD 

deeseo  TMineiotlichen 

Runen 

er  vorher  gesprochen,  iftgt  diu 

er    1 

um    BruDQeii    gedient 

habe. 

Vergl.   Vi»con 

i  iu  den  fiia.  de 

hm 

roj.  T.  :i.Hi8l.  de 

a  clais 

e  p.  :i9,)      Ich 

amahacdiesg  weil 

auch 

der  in  Venedig  sehr 

einhein 

iBche  MuBtoiid 

p.    134  denselben 

Ged. 

nken     logar    durch    d 

ie    Ver 

muthung  rJnes 

nur  wieder  suage- 

fällt 

n  Loch>  im  Kopf  lu 

itütien 

sucht,  den  er 

doch  wieder  auf- 

Sieh 

und   den   Laven   yo 

n   einem   (irab    in  den 

Pirteua  venelien 

tili! 

Der    Tierle    Löwe 

m  Ars 

na!  iit  erat  im 

Jahre   1716  dahin 

geko 

mmen.      Im  Vatikan    iit  in  d 

T    Halle    der   1 

nachriftun  ein  L&^ 

weuhopf  mit  einer  in  den  Rachen  gehenden  Wisaerröhre, 

33)  Pol).  Vlil.  9,  113.  Phbt.  a.  t.  lieber  diese  Zumeesuog 
der  Zeit  an  die  GericbltTedoer  a.  Meiert  und  ijchoinana  Att.  PrO- 
ceiB  8.  713  B.,  wo  S.  716  in  den  Worten  de«  Pollux  e^ne  Emen- 
ilatioD  TOTgenommen  wird,  die  gaox  uiln5thrg  acheint.      '     '"''' 


76  D«r  Low»  voo  Charoimi. 

verband.  Wie«,  gemein  die  Protome  oder  LOweiimtAe  ** 
Brimnen  geworden  eiad , ,  ist  bekantl  >  ^.>  Aich  j  an  ider  fi- 
ma  des  DaohSy  an  den  Röhren  der  Bider  -Uew  «ie  dm 
Waflser  ausfliesean  f 5).  Die  Aegypter  ketten. bei -dar  gki» 
oben  Einrii^tungeo  ihrer  Brunnen  religiös  aymbolischi 
Gedanken^^).  i-  =: 

Löwenatatnen  müssen  in  GrieohenlaDd  Biemliek:  !bftiii| 
gewesen  seyn.  Dodweii  sak  noch  mehrere  :itt  Argoe^  enet 
auch  unier  den  Trümmern  der  AUischen  Stadt  Aizoni',  ^gaai 
im  Siyi  desMykenischen^  *7).  Einen;  bei  PlatAa  gefandenei 
schenkte  der  Admind  Haigan  an  Karl  X.  Ton  Fmakrekk  ^ 

Ganx  eigen  ist  die  Erscheinung  eines  Löwen ,  wie  es 
scheiiA  aucb  als  .Wftehter  oder  wie  nm  denHenmtrelendiB 
Sehen  und  Achtsamkeit  einzuflössen  oder  btaCf  ^immg  im 
(Ußifloii  zazubrfiUen,  !in  einem  archaiscken  Väseobildiaas 
Vulciy  indem  vierten ,  dem  „GfieohisehenAlUiigslebtett  be- 
stimmten Bande,  womit  Gerhard  seine  fitr'  dt^ew 
unentbehriiche  Auswahl  von  Vasenbildern  zu  enreMeM 
das  neue  Verdienst  erwirbt,  Taf.  1.  Zwischen  zwei  Joni- 
schen Sftulen  steht  in  einem  tiefen  engen  Gewand  ^^nber 
die  Arme  den  Mantel  gezogen,  eine  dämonisch^  Cv^stalt 
mit  flchnitzbildartigem  Gesicht  und  zu  beiden  Seiften  diesM 
kleinen  Heiligthums  ist  je  ein  Dreifoss,  ein  Scbwan6n)Nrar 
auf  den  Ringen  des  einen,  Tauben  auf  denen  d^  andetra. 
Auf  dfem  Gebftik  nun  ttber  den  Säulen  ist  derXöwe,  der 
ansprini^  und  AßXk  Racb^n  öffnet,  offenbar  gegen  dSe  jSif^ 

'•     :  ■  '       .  i.t  ■      .'  ■        •         .    ;  Jfll, '    •  I  ■ 

.— ^i— ^—       ■    I    II        I  I  > 

•       I-  •        •      ,fi:  • !  ■        ..,■'■■        \  f    \    ii-»;i'i- 

34).la  Bildfrerken  fliwM  nicki  Mom  iq  BfnoneaMaieni, > 


dern  auqh  ^ei:  FeUanquelleii  datHI^Bier  daripb  dep  l«6wanractMUk 
a;J«|ip  Fijoprfa.  CUU  S,  !^9,N9U  5.     .  ....  ,  , 

35)  Böti^eher  Ijektonik  2.  Sd.,  4er  Tqinpfl  S.  SO..:    .,|o  ;m  ^ 
aif^J  JforapoU.  I,  Id,  21    PJaU  Quaestt.  sjmpoi..  IV^  ft|  l,,.delf. 
0t  0«<t38.^.  ,  if.    ■«    :,.;X  ^  • 

97^  AlcHBi  Bawir.  daU^  ^recin  1812.  m  (sx^  ,1..     .  .     *  p.    , 

38)  Mas^e.dn JU|V^l^,lir  TOdbifp,  :    ..    ..^.   .,»„    ' 


m^ 


Der  Löwe  von  Ciiäronea.  77 

rankommenden  —  eine  bemerkenswerthe  Stellung,  weit  aus- 
drucksvoller als  die  Plastik  sie  erlaubte  —  der  zugleich  aber 
einen  schön  verzierenden  Aufsatz  {inid^iko)  für  das  statt 
einer  Kapelle  dienende  kleine  Bauwerk  abgiebt.  Dass  diess 
ein  Grab  oder  gar  das  Grab  der  Sibylla  vorstellen  solle, 
kann  ich  nicht  glauben..       «r        .«, 


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Miscellen  ^).' 


Der  im  Winter  1849  in  Trastevere  gefundene  Ly'sl 
pische  Apoxyomenos  )iat  eine Aufsleltung  erhalten,  i 
seiner  würdig  ist.  die  ausgezeichnetste  im  ganzen  Vatic 
nischen  Museum.  Denn  er  steht  dem  Eingang  gegentA 
an  der  Hinterwand  des  langen,  prächtigen  und  schOni 
an  KunstschStzen  überreicben  Braccio  nuovo.  Als  ei 
Tortreiniche ,  wenn  gleich  nicht  gan»  tadellose  Nachbildo 
eines  der  berühmtesten  Werke  des  Sibyonischen  Erzbil 
ners  schliesst  sie  sich  an  den  Myronischen  DiskoboloB 
Haus  Hassimi  alle  Colonne  in  manchem  Betracht  als  < 
zweilwichligste  Werk  in  Rom  aus  den  besten  Zeilen  < 
griechischen  Kunst  an;  und  sie  hat  vor  diesem  noch  { 
uns  den  Vorzug,  dass,  wflhrend  wir  den  Hyron  aas  a 
dern,  auch  sehr  preiswttrdigen  Nachbildungen  des  Diskobol 
worden  beurtheilen  können,  sie  zuerst  Gelegenheil  gie 
den  Lysippisehen  Styl  anschaulich  einigermassen  kenn 
zu  lernen.  Wir  sehen  sie  nun  vor  Augen  die  „Schlan 
heil  der  Lysippisehen  Proportionen,  diese  Schlankheit  al 
Glieder,  woraus  Leichtigkeit,  Schnelligkeit,  Geschmeidi 
keil  der  Bewegung  entspringt'',  die  disinvoltura ,  porl 
mento  leggiero ,  ma  ben  regolato ,  spontaneitä  con  cni  o( 
parte   del   corpo   ha   raggiunta  1a  specifica  sua  perfezioi 

t)  Rhein.  Mm.  1853  9,  270-386.  Am  eiDem  WiDterai 
enihilt  in  Rom.  Einige  Baireliete  und  Vasengemllde  itod  ■bg«M 
de»  und  an  ihren  Orten  ringeicbobea  worden. 


Htecellen. 


and  wag  man  sonst  der  Art  stigen  kbnnte.  Das  Wichtigste 
und  worin  sich  auch  liieMeiEterschaft  der  Nuchbildung  aus 
der  Kaiserzeit  erprobt,  ist  das  dem  geübteren  Auge  fühl- 
bare, durch  Worte  nicht  zu  erklärende  Gelieimniss  der 
Eunsl.  Wenn  jenes  Kunstgeheimniss  grosser  Meister  in 
dem  dargestelllen  Moment  einer  bewegten  Handlung  zu- 
gleich den  nächstfolgenden  ,  den  Uebergang  aus  dem  einen 
in  den  endern  gleichsam  vornussehn  zu  lassen,  sich  nicht 
mit  Worten  aulschliessen  und  erlilüren  lässt —  anders  als 
etwa  durch  Allgemeinheilen  wie  höchste  Lebendigkeil,  Wahr- 
heit, Natur  — i  so  ist  es  eben  so  überraschend  und  wun- 
derbar einer  Figur  in  ruhigem  Stande  die  Agilität,  die  in 
ihr  liegl,  anzusehn,  nicht  bloss  den  naiürliuhen  Formen  be- 
obachtend nachzugehen,  sondern  auch  das  Leben,  die  Kraft 
Und  Kunst,  welche  die  Gymnastik  ihnen  verliehen  hat,  aus^ 
gedrückt  zusehen,  die  man  wie  die  Seele  in  diesem schfr* 
nen  Körper  lebendig  regsam  zu  fühlen  glaubt^]. 

Jetzt  lässl  sich  bestimmter  sagen,  was  ich  zu  Müllers 
Arcbäol.  S-  \2Q ,  2  vermulliungsweise  bemerkte,  dass  der 
Hercules  im  Capitol  aas  vergoldetem  Erz  Lysippiachen 
Styl  verralhe^).  Nur  muss  ich  den  dort  eingeflossenen  Ta- 
del zurücknehmen,  in  so  lern  er  hauplsächÜch  aus  det 
Hallung  der  Keule  entsprang.  Aber  die  Arl,  wie  diese 
gleich  einem  Stückchen  in  die  Luft  gehalten  wird,  ent-4 
springt  nicht  aus  AlfectalioR  der  Leichtigkeit  und  Krafly 
Sondern  ist  wohl  molivirt.  Die  Aepfel  in  der  Hand  hal 
Herakles  eben  gepflückt,  denn  der  umgewandte  Hals  zeigt 
on,  dass  er  im  Abgehen  begrilTen  ist  nach  vollendeter 
Thal,  und  es  spricht  sich  also  in  der  leicht  hingeschlenkcr-> 
ten  Keule  Sieiresfreude  aus.  Diess  wird  noch  deutlicher 
durch    die   schöne,   nur   etwa   dritlhalb  Fuss  hohe  ErzfigUF 

3]  E.  Vioet  bcsprichi  die  Stalue  —  stalue  d'Alhlete  —  im  7* 
Bande  der  Revue  archiol.  auf  10  Seiten  -  pl.  130.  E.  BrtuD  Ua- 
leeD  Uomi  S.  239.  ' 

3}  E.  BrauD  Muieeo  Rotci  8.  181;  '-  J;-i-i    i-.n  inili 


80  MisoellfH. 

(ans  Bybios)  jtn  Brittisohen  Museum  (HI  Taf.  2  und  Speei» 
iMns  II,  29),  mit  dem  Hesperidenbaum  hinter  Bicb,  ab  wel- 
chem die  gelödete  Schlange  hängt.  Die  Keule,  wovon  ■■ 
wenig  erhalten .  ist,  war  nach  unten  gebalten,  wie  auch  ontei 
der  .Herausgeber  bemerktr  Ich  musa  vermuthen,  daas  «od 
Platnera  auffallendes  Unheil  über  diess  höchst  bedeutende 
Werk,  dem  er  einen  an  einem  Werke  des  Alterthuma  höohit 
auffallend  roanierirten  Styl  zusehreibt  (Besohr.  der  Stadt 
Rom  Wf  1  S.  •  235),  vorzüglich  durch  die  nicht  in  ihreu 
wahren  Zusammenbang  gefasste  Haltung  der  Keule  veran- 
lasst worden  ist.  Denn  obgleich  die  Statue ,  besoudera  iu 
oberen  Tbeil,  von  Fehlem  nicht  frei  zu  sprechen  ist^  so 
verdient  sie  doch  nicht  bloss  durch  die  überraschende  Leich- 
tigkeit, sondern  auch  durch  die  ganze.  Ausführung  groaaei 
Lob.  Die  durch  die  Schlankheit  erreichte  Leichtigkeit,  nn^ 
Beweglichkeit  thut  der  Kraft  keinen  Abbruch. ,.  weil  diese 
in  den  Theilen,  worin  sie  liegt,  stark  hervorgehpbon  ist: 
der  Kopf  ist  klein  nach  dem.  Lysippischen  Grundsajts.;.  Die 
Componisten  selbst,  wie  ich  jetzt  vermuthen  möchte^  rührt 
wahrscheinlich  von  Lysippus  her,  dessen  Herakleastetnea 
zahlreich  genug  waren  und  in  ihren  Besonderheitea 
uns  nur  wenig  bekannt  sind.  Diese  Vermulhuagi,gr]ündel 
sich  mit  auf  die  grosse  Anzahl  der  noch  vorfindUdien  NiMd^ 
bildungen^  Solche  finden  wir  nicht  bloss  in  Münzen  .voa 
Berytos  u.  a.,  sondern  auch  in  Marmor.  Der  berühmte 
Schw'edische  Bildhauer  Fogelberg  in  Rom  hat  im  Mueemn 
zu  Neapel  einen  Torso  (den  ich  dort  mich  nicht  erinnere 
bemerkt  zu  haben,  auch  in  den  Beschreibungen  des  Mu- 
seums nicht  erwähnt  finde]  entdeckt  und  einen  Abgusa  dar 
von  nehmen  lassen,  den  man  in  seiner  Werkstätiejiiebt; 
einen  Marmortorso  völlig  übereinstimmend,  (die  Wendung 
des  Kopfes  noch  sichtbar)  und  besser  als  derselbe  Theil 
in  der  vergoldeten  Statue.  Als  freiere  Nachbildung  in  Roip 
sind  mir  sodann  erschienen  1)  die  Statue  im  Palast  Qarbe- 
rini  über  der  ersten  Abtbeilung  dor  grossen  .Treppe,  nach 


MitweHäA. 


W 


der  leichten'  Hitllun^  and  jagendlichen  Fnrm  und  nach  den 
Aeprelti  in  der  Linken  nnd  der  Haltung-  der  Keule  in  der 
Rechion,  gleich  <-inem  gesell wungen<?n  Slöckchen,  die  auf 
den  Tronk  schräg  zu  ruhen  kommt  und  als  richtig  gellen 
muss,  selbst  wenn  sie  neu  hinzugeselzl  wäre,  da  denrechte 
Arm,  so  weit  er  all  ist,  ausgeslreckl  ist  S)  ilie  im  Mof 
des  Palnsles  Torloiiia  die  drille  links  vorn  Eingang  (in  ileo 
Marmi  di  -^  ToHonia  III  lav.  32,  Clarac  pl.  790  a.  1970; 
wo  die'  Gspilolinische  Stnlue,  pl.  ä02  £  n.  I9Ij9  B  im 
Charakter  durchaus  verfehli  ist).  In  dieser  beweisen  der 
Styl  und  die  AepTel  die  Einerleiheit  des  Vorbilds,  wenn- 
gleich der  rechte  Arm  ziemlich  gerade  herabhängt,  so  dass 
die  Keule  auf  den  Bodt^n  zu  stehen  kommt.  3]  Bine  im 
Hof  des  Pala«ls  Giusliniani,  -vor  der  Treppe  auf  der  linken 
Seite,  die  Keule  schrfig  geschwungen  wie:  eiti  Slöokchen, 
die  Gestalt  sehlank  und  beweglich,  das  Gesicht  jung  uad 
schön,  die  Schulter  gans  bloss  und  die  Löwiiihaut  als  Chla^ 
mys  tiel  und  leicht  über  den  Arm  gehalten;  die  Aepfel 
fehlen  nicht  (Clarac  pl.  794  n.  litüQ  Aj. '  Gegenüber  steht 
eine  ähnliche  Statue,  aber  ein  robuster,  rauberer  H«rcules, 
die  Löwenhaut  über  dem  Kopf.  4)  Eine  in  Villa  Ludovisi, 
in  der  Vorlralle,  links  vom  Eingang,  die  Keule  leicht  wie 
ein  Slockchen  sdiräg  gehalten,  die  auf  einem  Steine  ruht, 
der  Blick  In  itie  Feme  gerichtet  wie  eines  Wanderers,  die 
Formen  der  Lysippischen  Art.  5)  In  der  Villa  Aibani  sind 
unten  in  dem  Zimmer  mit  dir  grossen  Vase  mit  den  awolf 
Arbeiten  des  Hercules  drei  Sluluen  desselben,  wovon  Aie 
eine,  milllei^er  Grösse,  handwerksmässiger  Arbeit;  durch 
die  Lysippischo  Sciilankheit  und  die  Aepfel  io  der  Linken, 
noch  Hn  das  Lysippische  Vorbild  erinnert,  obgleich  der 
Charakter  des  Homenis  verschwunden  und  die  Keule  aui- 
geselzt  ist,  &er  Lysippische  Charakttr  des  Herakles  fSIII 
ausserdem  auf  in  dem  der  den  kleinen  AJas  im  Arm  hält 
im  runden  Saal  des  Valicaniscii<-n  Museums:  aber  auch  in 
zwei   Staluen    weiten    Abstamles  von  dieser,  in  Villa  Bor- 


8C  MiicelleA. 

ghese,  onter  deneft  des  Herculessatlea.  In^  baiiton  steh 
derHalbgoU  nihig  da,  ziemlich  schlank  undileicht,  mit  da 
Linken  auf  die  Kcnile  gestützt  und  die  Rt*chte  auf  die  Htth 
gesetzt  in  der  einen ,  auf  den  Rücken  gelegt  .in  der>  tttiden. 
Der  von  Chrislodor  erwähnte  Herakles  mit  -  den  Aepfeh 
mag  leiehC  ein  Lysippisrhes  Orii^inal  gewesm-aeya.  AImt 
ük»er  den  iLTakles  hinaus  ivird  man  den  Btnflusa  Lysipfi 
leicht  wahrnehmen  ..oder  wahrsunetmien  glauben,  irnj  V«l)^ 
canischert  Apullü^  Meleager,  in  dem  Hara  Lodofisi  «ls.w. 

'  ■  f'l' 

Die  mit  dem  sogenannten  GermaaioBS,  nlnem  RA- 
mer  ah  Hercur,  übereinkommende  Staluein  'Villa  .Ludiovia 
ist  sehr  vorzüglich  in  ihrer  Art^).  Der  restaurirte  reckti 
Arm  steht  weiter  ab  als  an  jenem  (der  doobi  in  der  TiMft 
den  Ann  und  die  Hand  nicht  so  hlli,  jils  ob  er  rechnete^ 
wie  der  digilis  contputans  desEubulides),  doch  isl  die  Ge- 
berde des  Zuredens  noch  erhallen.  Die  linket.  Hand,  die 
einen  Beutel  hält,  'ist  angesetzt  wo  sie  aus  der  »Itber  dei 
Arm  fallenden  Chlamys  herausreicht;  dass  sie  modern  sej) 
ist  höchstens  zu  vermuthen,  nicht  «u  erkennen.  lAn. einen 
ahnlichen  Merour,  der  vor  einigen  Jahren  voa.idem.  Bild- 
hauer Wolff  für  Berlin  restaurirt  wurde,  sqII  der.  Beutel 
an  der  linken  Hand  erhalten  und  die  Naht  imLedcyr  l^nat- 
lieh  gewesen  seyn.  Dieselbe  Composition  sber^idie  a«ck 
in  kleinen  Bronzen  vorkommt ^  Gndet  sich  aooh  Jm,^ rossfNi 
Saal  des  Palastes  Golonna.  Die  Haltung  der  reobteQ.Hiad 
ist  auch  hier  die  detr  Pliriser  Statue,  die  linke  tSrher  Iflli 
drei  Aepfel,  am  Zweig,  denn  der  vordere  ist  miit  Blatten 
umlegt.  Die  Hand  war  auch  hier  an  der  Chlamys ,  i|nt^ 
der  sie  ganz  wie  in  den  andern  Wiederholunger^  .li^f  ▼.er- 
reicht, abgebrochen,  scheint  aber  acht,  theils  weil  iin,llar<- 


4)   E.   Braan  Museen  Roms   8.   579.'    in   der  Abbild 
Maffei  ioMäUers  D«akm.  II  Taf.  2d,  318  sind  die  Seiien  varUusekt 


.jSitmmämmmimmmmmmmmimhiiiak 


mor  und  in  der  Arbeit  kern  Orund^ifet  "dWan  zh  Bweifelti, 
Iheilsauoh  v^eit  feinem  Brgftnfeei^  dieis  Merkmal«  nieftt  leicht 
eififeüpn  kannte.  Die  StttUe  seK)stV  auri)#etohe  diei  Otilb^ 
mys  über 'den  Arm  her  befrtfnt«H>ftngt;,.1sl  ung'etrerint  mit 
der  Basis  erkalten ^  die  Hand  im  Valien  ak^ebrocheaf  g^-^ 
wesen.  Bei  dieser  S4tit«e  für  sich  •aHein  muss  man  aftiHfi^'^ 
mes  denken  )>  welcher  vor  Paris  stehend  jhm'eiiredt^te',  dte 
Venus  zu  wählen  und  zu  dem  Ende  den  Apfelzweig  (der 
statt  des  Apfels  nur  eine  Verschönerung  seyn  würde),  wie 
er  in  alten  Vasengenffilden-in'  vei^sthfedenerWfeise^' zum 
Theil  plump  drängend,  ihn  iu  b^sIfmmM  sticht;-  Öen  Hopf 
der  Figur  g'enäo  zti -untergehen  föt  nicht' leicht,' da  sfer 
ganz  schlepcht^s  Licht  hat.  <  Jeden(iiHs  Hei'nfres  i'on  do|ypeltär 
Bedeutung  in  devselb^ii  €omposition:  Dazcü'  ikntär  'dieser 
Figur  auch  etn  Römer  dnFgestellt*,  dem' die  verschiedensten 
Namen  gegeben  wöHen  sind.  Ei^t  bi^bt  Mancherlei  Auf-^ 
klärung  zu  wünschen  übrig,  •'         - 


..'■  ) 


;i.'    »■'■<,   ■•.''..•■:    •■■»■       -iUi/    ■■}.:    ;-ii-;,    ,:..'[ 


Eines  der  binsiehtlioh  tdei'  Stij4ii  und  der  Zeit  ^!cbtig*> 
sten  Werke,  welche  Rom  bewahrt,<''mödit^  der  so-gut  Wie 
ganz  übersehene,  durch  die  Art  seiner  Aufstellung  der 
Aufmerksamkeit  entzogene  Torso  einer  Amazone  im 
Hof  des  Palastes  Borghese  seyn.'  Sie  hielt,^  wie  e^  i^cheint, 
in  der'  rechten'  Faust  den  Zügel  ihres  Bosses'  ho^h  f^st, 
dem  sie  verwundet  entsunfketi  wir ,  trnd  rfaraiif  iil  ihr  Blick 
gerichtet;  Diar  linke  Afm  hän^l  herab,  die  üntV-re  Hälfte 
fehlt.  Auf  dieser  Serte  fst  6rcbtMir,  dass  der  Uniersehen* 
kel  horizontale'  Lage  hatte,  si^  -also  schön  halb  gek'hleift 
wurde,  wie  iena  die  Figur,  her  der  feWaltsam  vörgeli»hh- 
ten  Beugung  nach  vorn,  zu  stehet  kaum  f^hig  war.  iV^r 
aufgerichtete  und  etwas  zurückfallende^  Kopf  ist  behelmt, 
die  schöne  hnke  Brust  bloss;  ein  Bahd  das  sich  viön  'deir 
rechten  Schulter  iint(*r  dem  linken  Arm  hinzieht  j' geht  nur 
den  Chiton  an,  -wio  'ein  anderes  um  die  Mitte  des  Leibes; 

6* 


84.  MideeUdur. 

von  WaSTeAisl  k#mei  Spur  erhalten.  Dm  Gelrand  .tat  au(- 
gescbür^:, unter  dem  Band^  sodasi  es  überdieas  wie  e« 
Diploidian  herabfiillt, .  Die  Falten  höchst  einfach,  froaaarlig. 
Eine .  tthniiche  :  Gruppe  wird  sich  in  Relief  oder  .  GemiUe 
wiederfinden.  Das  Wevk  scheint  nach,  dem  hohen  ual 
kräftigen  Styi  und  der  einfach  kühnen  und  doch  hOöhst  auf- 
gesuchten Stellung  Schule  des  Skopas  zu  verratheil» 


:  Die  hfrrliche  Niobide  im  Museum  Chraramoiili,  die 
vom  heftigsten  Sturm  angeweht  ist,  wie  das  Gewencl.QB 
die  Beine I  indem. sie  mit  Gewalt  gegen  den  Wind  aiig^ 
und  die  flatternden  .Theile  des  Peplos  um  die  Brost  bin- 
länglich  zeigen  ^  hat  über  dem  Rücken  ganz  d^ii  bauchigen 
Bogen  des  Gewandes,  wonach  ich  unter  den  Figureii  iai 
vorderßQ,  Gieb^Ifeldo.  des..  Parthenon  Oreithyia  veirmalbet 
habe  (A.  Denkm.  I.  84.).  i: 

Ein  Kopf  derNiobe,  sehr  mittelmässig  und  dabei  ver- 
dorben ,  ist  im  Palast  des  Duca  Massimo  a  Araceli  unter 
mehr  als  .  zwanzig  antiken-  Büstcj»  ^  die  an  den  Treppen 
hinauf  stehen,  die :  unterste. 


.?  ■    ■  -1. 


••  /. 


Uebej^  die  berühmte  Gruppe  von  Elektra  uoyd.Qjre^ 
stes  in,  yiila  Lujdovisi  mschtAHeinrichBri^nn  jn  ,S€\inejr  Ge* 
schichte  der  Griechischen  .Künstletr  I  S.  468-r60Q  Bem^fv 
kungen,. ^wonach  diess  .Werk  des.Menelaos,  in  Verbiip^Biig 
mit  einein  von  dessen  Meister  Siephanos,  eine  .gewinne 
neue  Richtung,  .welche  Pasiteles  aus  Grossgriechenland, 
der  Meister  des  Stephanos,  der  Kunst  in  Rom  vor.  iind 
noch  in  der  Zeit  fiesi  Augustus  gegHben  habe,  .erjkenncin. 
lassen  spll^eine  Richtung,,  unterscheidbar  von  den  gMcbr. 
zeitigen  Attikern  sowohl  al&  Kleinasiaten  un^  mit  keiner 
früheren  in  unqriittelbtirem  Zusammenhange  slehen^^  4ie 
der  .,^(ini$t,  aUo    ein;e.    wesentlich   ueue.Bahn.  gel^roch^n 


habe  *).  Diese  Charaklcrislik  ist  innerlich  zUsammenhgO-i 
gend  und  wird  bei  Prüfung  mancher  einzelnen  Werk«  iiri 
Auge  zu  behallen  seyn.  Die  Zeit  gab  den  verschieden'! 
sIen  Geschmacksbildungen  Raum,  wie  am  meisleii  an  Häras 
und  Properz  in  die  Au^en  fallt,  von  denen  jener  den  altert 
AiidJischen  Dichtern  und  der  Ailischen  Bildung,  dieser  dw 
Alexanitrinisüfaen  vorzugsweise  sich  zuwandle.  In  d^TKunst 
mussten  tthnliche  Verschiedenheilen  innerhalb  einer  alige- 
meinen  grossen  Gleichniässi<ikeil  der  GrundsSUe  und  For- 
derungen um  so  mehr  hervortreten;  als  deren  Meislerwerke 
und  Vorbilder  einen  noch  uninitlelbareren  und  enlschied- 
neren  Bindruck  durch  das  Auge  und  die  leichtere  Total- 
wirkung ZI)  machen  geeignet  sind.  Es  scheint  mir  daher, 
obgleich  ich  die  Erfindung  der  Gruppe  dem  Menelaos  ab- 
zusprechen keinen  Grund  habe,  doch  eben  so  denkbar, 
dass  sie  einem  älteren  Werk  vor  der  Rhodischen  Schule 
nachgebildet  sey  und  nnr  in  der  AusFllhrung  diejenige  Bi- 
genthtimlichkeit  erhallen  habe,  welche  Brunn  fein  eindrin- 
gend hiTRusßndet.  Denn  dem  was  er  über  die  Erfindung 
oder  die  Composition  sagt,  kann  ich  nicht  beistimmen.  Er 
giebt  dem  Künstler,  wenigstens  zum  Theil  die  Schuld,  dass 
verschiedene  Erklärungen  vorgeschlagen  worden  sind,  „in 
80  fern  er  eine  bestimmte  Handlung  nicht  scharf  genug 
charaklerisirt,  sondern  zu  einem  liebevollen  Verhällniss  zwi- 
schen Mutter  und  Sohn  oder  allerer  Schwester  und  Bruder 
im  Altgemeinen  verHachl  habe."  Mir  dagegen  scheint  die 
gewöhnlich  angenommene  Benennung  die  einzig  richlige. 
Jede  andre  unberechtigt,  nach  jeaer  aber  der  Augenblick 
auf  das  ßltlcti liebste  ausgedruckt  zu  seyn.  Mag  die  Bemer- 
kung Winckelman'ns  (XI,  2,  3ö),  „die  Augen  des  Orestes 
seyen  gleichsam  voll  von  Thriinen  und  die  Augenlieder 
scheinen  vom  Weinen  geschwollen,  so  wie  an  der  Elektra, 
in  deron  Zügen  aber  eugleicb  die  Freude  sieb  mit  ThrSnen 


86  Misoellen. 

vermische   und    die  Liebe    mit  dem    Knmmer*^^    auf  bM 
beruhen.    Von  seinem  tiefen  Verstftndniss  aber   der  «Uei 
Kunst  gilt  mir  die  Entdeckung  der  in  dieser  Gruppe  dar* 
gestellten  Scene  als  ein  schöner  Beleg  mehr;     Man  braucht 
nicht   auf  einzelne  Worte  des  Sophokles  und  des  :Aeech]- 
Itti   zurückzugehn ,   obgleich  gewiss  am  meisten  durch  im 
Bühne  Elektra  aligemein  hi^kannt  war,  um  zu  verslehea, 
dass  aur  die  erste  erschütternde  Bewegung  bei:. einer  Wie- 
dererkennung naturgemftss  die  ruhigere  Freude  folg^,  wo- 
rin man  des   Glückes  geniesst,   indem  man  sich  fragt;  biit 
du   es  wirklich  ?  Diesen  schönen  Moment ,  worin  die  Ga- 
schwister    aus  dem  Inneren  heraus  die  Bestfttigiing  eiiei 
Glücks  :¥u  schöpfen  verlangen,  welchem  ftussere  Uamtftnde 
die  höchste   Wahrscheinlichkeit  gegeben   babea^  obgleick 
sie   in   völlig  verscbiedner.  und   kaum   noch  erinoerlidMi 

■ 

Gestalt  einander  verliessen  ,•  drückt  die  Gruppe  reobi  be- 
stimmt aus..  Mit  der  Ehrfurcht  eines  Sohns  blickt  Orestes 
auf  die  welche  erwact^sen  ihm  als  kleinem  Knab.eA  das  lie- 
ben gerettet  hat,  sie  blickt  ihn  wiei  mit  mütteriiplier  Liabe 
an,  die  freudige  Rührung  ist  Beiden  gemein.  Der  jQngars 
scheint  gespannter .  zujt  Schwester  aufzublicken^  eie  anit 
mehr  Ruh^  ihr  Auge  auf  ihn  zu  heften,  damit  auch  durch 
diese  Art  der  Ueberlegenl^eil  der  Unterschied  idea  Alten 
nach  .dem  hier  angenommenen  Verbftltniss^:  sichtbar  -werde. 
Ein  sicheres  Kennzeichen  für  Elektra  ist  das  abgesohnitteaa 
Haar«  Winckelmann  , erklärt  diesen  Umstand  aua  'der  Slefc- 
tra  des  Sophokles ,  wo,  $m  ihre  Schwester  heisst,  sliill,  der 
Gabee  4»t  KlytäBuiestr,ay  zu  dem  Grab  Agamemnoat.lieker 
was  sie  in  ihrer  Armuth  schenken  können ,  ihrer  Locken 
Spitzen  lßQC%(gt^%uiiif  ^n^ccg  g>6ßag  449)  und  ihren/ 'GMUriel 
hinzutragen.  Sine  so  zufällig  herbeigeführte  Aeliasemng 
keniite  der  Künstler ,  wenn  sie  ihm  zufällig  bekaantiwjtry 
nicht  ala  ' allgemein  b^annt  voraussetzen;  auch  ialeiiM» 
solche  Spende  einiger  Locken  und  das  Abscheeren  alles 
Haars  zweierlei.    In  Polygnots  Leschengemälde  war.Aethra 


Miscellon«'  ü/f 

als  Sklavin  iv  xqiS  xexaijiiivTi  (Phus,  X,  25,  3.)  Alli;iB 
es  isl  bekannt,  wie  dieses  Abschecerfn  euch  ein  Gebrauch, 
der  Trauer  war  (Beckers  Charikles  U  S.  300,  Nilzsch  zur 
Odyssee  IV,  195)  und  es  hal  dalier  alle  Wahrscheiiiliclikeil 
für  sich,  diissEltrktra  unter  don  Augen  ihrer  Mutter  durch 
diesen  ihrem  Gefühl  so  sehr  gemässea  Gebrauch  zugleich 
ihrer  wahren  Gesinnung  Ausdruck  gab.  Durch  ihn,  wei-, 
che  der  Dichter  zu  benutzen  nicht  nölhig  halte,  glimmt  sie 
überein  mit  dem  Trauerliede  bei  diesem  »6—250.  Langes 
und  dann  nolhw  endig  schün  aufgeslektes  und  geordnetes 
Haar  halle  ihr,  in  Verbindung  mit  der  voll  und  anmuthig 
gehauenen  Bekleidung,  das  Angehn  einer  Fürstin  gegeben: 
durch  das  kurz  abgeschnillne  Haar  wird  sie  zur  ungluck-> 
liehen  und  im  Druck  der  harten  Muller  selbständigen  und 
enlschiednen  Elekira.  Durch  die  noch  kaum  aus  dem  Kna- 
benalter geschritlne  Jugend  des  Orestes  wird  KUgieich  das 
Tasl  müllcrliciie  Verhüllniss  der  Scbwe)<ter  zu  ihm  und  seine 
schon  im  Knaben  mannhafle  Entschliessung  und  Kühnheit 
hervorgelioben,  und  wenn  solchen  Gedanken  zu  Liebe  die 
historische  Wabrscheinlichkeil  ein  wenig  verlnlzt  scyn  sollte, 
so  scheml  gerade  diese  künstlerische  Freiheit  einer  Idee 
zn  Gefallen  fiir  eine  ältere  Erfindung  zu  eprechen.  Denkt 
man  an  eine  von  Telemachos  Abschied  nehmende  Penelope 
oder  an  Aethra  und  Theseiis,  oder  Hippolyt  und  Phädra 
(Punofka),  so  wüsste  ich  weder  für  die  unausgawachsena 
Fi^ur  des  angeblichen  Sohns  noch  für  diis  abgeschnillene 
Haar  einen  irgend  hallbaren  Grund  zu  finden:  und  wenn 
schon  durch  diese  Aeusserlichkeiten  jene  Personen  ausge- 
schlossen sind ,  so  passt  auf  sie  eben  so  wenig  der  in  der 
Thal  fiusserst  glfii-kliche  Ausdruck  eines  Wiedererkennens: 
Unter  diesem  Gesichtspunkt  eben  so  sehr  als  unter  dein 
der  Modeilirung  und  des  Meiseis,  im  Ganzen  b<'lrachtel, 
erscheint  das  Werk  als  das  Ifedeulen^lste  ^ßi  Augustischea 
Zeit. 

Einem   Urlheil  Heinrich   ßruans  will  ich  nicht   zuläüig. 


88  Miscellen. 

widersprochen  haben,  ohne  recht  absiehtlielr.  dieFirendi 
auseudrücken,  die  miraein  gediegenes  Buoli  itoehl.«  Wen 
man  die  gelehrte  ScbriflaCellerei  aicb  gern  in  swei,  nekr 
oder  weniger  abgestufte  und  in  einander  übergehende  Ai^ 
ten  abtheilt,  Gelehrte  die  vor  Allem  an  die  Stehe  un4 
solche  die  vor  Allem  an  sich  denken,  so  kanni  Niemandea 
zweifelhaft  sein,  auf  welche  Seite  sich  der  VerTeeeer- dieser 
gewissenhaften,  sorgsam  geprüften,  einsichtsvollen  und  fhichi- 
baren  Zusammenstellungen  und  Untersuchungen  gestellt  hat  ^ 


Die  unter  dem  Namen  Hecuba  seit  WinokelaaBa 
noch  jetzt  im'  Capitolinischen  Museum  aufgeführte  Statue 
stellt  nichts  Anders  dar  als  ein  keifendes  Weib:  aus  den 
niedem  Volk  auf  der  Strasse,  das  vielteicht  zu  einer  aa^ 
dern  Figur  in  >  Bezug  stand  oder  nach  einer  Irestinuntei 
anekdotenartigen  Scene  gebildet  ist.  Ich  hatte  diese  kei* 
neswegs  unbedeutende  Werk  in  meinen  A.  Denkm«  1  S» 
251  Not.'  eine  unwillig  klagende  Barbarenfürstin  genano^ 
verführt  durch  eine  ziemlich  ähnliche ,  die  sich  auf  eineai 
Sarkophag  desselben  Museums  findet,  Diess  war  um  einer 
sehr  ungeschickten  AuiTassutig  zu  begegnen,  wonaoii  sie 
all  Amme'  zu  den  Töchtern  der  Niobe  gehören  sollte ,  wie 
sie  auch  in  dem  Cäpit.  Mus,  von  Lorenao  Rö  (oder  Nibby) 
für  eineAmne  genommen  ist    Hehrere  Jahre  vorher  hatte 


■  i 


6)  Die  Namen  Oreftei  oad'  Elektra  mU  denea  der  llev^*|i« 
iioA  ihres  durch  die  Wiedeverkeanang  ton  ihrem  Mordbeii  gehilk* 
tel^i»  S^llae^  «u  Taruuseheiii.ii^cb  dem  Voraclklag  m^ine«  freffp^ 
des  O.  J^hn  lo  dem  schöneR  |Auf8«|tz  über  Merope  ia  Gerjiai^dt 
Arch£ol.  Zeit;  1854  S.  226,  bio  ich  sehr  gern  bereit  Ich  hatte 
selbst  in  der  Abhandlung  des  folgenden  Bandes  i^  Ermordung  ^et 
Aegisthos,'  beilStiflg  darad'  erinta'ert,  dass  in  'ein^m  ViseägemiMe 
statt  der  lum  Morde  des  Sohnes  ausholenden  Kljtimestra  ao  »M'i^ 
rofe  SQ  denken  seyn  möchte*  ■    i.    ..  ' 


MiscellRii. 


89 


ich  mir  in  Rom  anfgezeichnet  (23.  Jan.  1843]:  „Die  sog&- 
nannle  Hecuba  ist  eben  so  wohl  zum  genre  gehflrig  wie 
die  Alle,  silsend  mit  item  grossen  bekränzten  Weingefäss 
auf  dem  Sciioosse,  das  sie  eben  angesetzt  gehabt  hat  und 
noch  Bi'iig  davon  ist,"  So  urlheill  man  olV  richliger  An- 
gesichts eines  Werkes  selbst  als  nach  der  Erinnerung;  denn 
für  richtigmuss  ich  diess,  was-ich  im  Jahr  IH49  vergessen 
helle,  naL'h  dem  wiederholten  gleichen  Eindruck  hallen. 
Dass  das  erwähnte  Seitenslück  der  sogenannten  Hecuba 
in  demBelben  Museum,  in  der  Gallerie  eine  freie  Nachbil- 
dung der  anus  ebria  von  dem  ErzbilUner  Myron  seyn  möge, 
vermuthete  schon  Visconti  M.  Piucl.  VII  tav.  24.  Die  Gat- 
tung, die  man  genre  nennt,  hat  nach  vereinzelten  Vorgän- 
gern in  der  guten  Zeit  der  Kunst  in  der  späteren  sich  nach 
und  nach  auch  im  Marmor  gar  sehr  ausgebreitet,  begon« 
ders  in  Grossgriechenland,  wie  man  zunächst  im  Museum 
von  Neapel  gewahr  wird.  Für  eine  BarbarenTürstin,  nicht 
bloss  fUr  eine  Amme  im  Königshaus,  ist  jenes  Weib  viel 
2U  Jämmerlich,  zu  hässljch  in  Gesicht,  Brüsten,  Stellung. 
Diess  stellt  sich  anders  dar  wenn  man  es  als  cherakterir 
slisch  und  absichtlich  nimmt.  H.  Meyer  urtheill  (zu  Wink- 
kelmanns  Werken  VII  S.  269],  „die  Statue  sey  zwar  nicht 
von  vorzüglicher  Arbeit  ^  aber  ihre  Geberde  sey  gut,  leb- 
haft und  geistreich;  auch  der  Kopf  habe  viel  Ausdruck: 
doch  wäre  es  nicht  unmöglich  dass  derselbe  von  einem 
wackern  Meister  des  sechzehnten  Jahrhunderts  herrührte." 
Dieser  Verdacht  fallt  weg  sobald  man  erwägt,  wie  sehr 
gerade  der  individuelle  und  scharfe  Ausdruck  in  der  Auf- 
gabe lag.  Die  Alle  beugt  den  Kßrpei'  nach  der  einen 
Seite  und  schaut  nach  der  andern  mit  dem  Gesicht  empor, 
schreiend  oder  nach  oben  hinauf  schellend,  wie  der  ge- 
öffnete Mund,  „als  wollte  sie  ein  lautes  Geschrei  erheben", 
anzeigt.  Auch  das  Tuch  das  sie  über  den  Kopf  gelegt 
tr&gt,  hat  etwas  Wüstefi,  Gemeines,  und  Winckelmann  be^ 
greift    mit    Unrecht    diese    Kopfbedeckung    unter    die    Art 


90  Miscelleo. 

Hauben  y  welche  betagten  Weibern  überhaupt ,  wie  •  den  Aa* 
men,  gegeben  zu  werden  pflege  (YI,  3,  3.)u--  Man  ver- 
gleiche z.  B.  die  Amme  an  dem  Niobidenaarkopl^ig  Moa. 
ined.  89 :  eine  Haube  trfigt  diese,  aber  nicht  ein  Kopftuch; 
dieas  hat  die  knieende  Alte  in  Neapels  AnL  Bildw.  Tca 
Gerhard  und  Panofka  S.  132  f.  Ganz  ähnlicli  deriaoge- 
nannten  Hecuba  i^t  ein  kleiner  weiblicher  Kopf  in  VUlaAl- 
bani^  in  dem  Zimmer  worin  jetzt  der  Aeaop  sieht,  aul 
offnem  Mund  und  starken  Falten  des  Halses  und  mit  eiaea 
über  den  Kopf  gelegten  Tuch; 


Das  kleine  Mädchen  in  demselben  Museum,  das  eine 
Taube  in  seinem  Busen  hält,  die  es  vor  einer  von  uttten 
nach  ihr  iBchnappenden  Schlange  schützt,  und  welches 
die  Unschuld  genannt  wird  (Bottari  Mus.  Capit.  I,  63} /stellt 
vielmehr  hiir  eine  der  Belustigungen  von  Kindern  linit  Thie- 
ren  vor,  die  wir  in  verschiedenen  Gruppen,  vön^Atiiea 
her,  so  naiv  und  schön  dargestellt  sehen.  Die  Schlange 
ist  nemlich  als  eine  der  zahmen  Hausschlängen  zu  derikea, 
die  man  hielt,  wie  ich  in  meinen  A.  Denkm.  H  S.  2'64-^66 
nachwies.  Denn  wäre  sie  diess  nicht,  so  würde  dieis  ttäi- 
cheii  erschrocken  seyn  und  seinen  Vogel  nicht  so  behaglich 
an  sich  halten.  So  aber  neckt  es  vielmehr  die  Schlange, 
die  mit  dem  Vogel  zu  spielen  gewohnt  war:  wie  man  es 
zwischen  je  zwei  andern  Thieren  in  ausgesuchter  Weise 
vorgestellt'  sieht. 


Der :  $ogQnannte    Capitolinische  Antinoos  iet  anlier 
denkUph.als  .ein  NarcUsus  9u  ven^tebo^).    UiAUlugtier 


dtmu  Üe  Biidöogeä' b^li«nBter  Idealpersoaen   auf  anddrei  weleMiak 
die  Stellang.  ealaprioht / äbei^eiUr igen  irerden ,  sinA  Üekahot.   . . <    ... 


Micelleit. 


ist  es,  dass  das  Bild,  wenn  die  Neigung  des  Hauptes,  bei 
einer  übrigens  ruhi^'  hinstellenden  Figur,  nicht  irgend  et- 
was BosUmmteB  sagen  sollte,  von  dem  Vorwurf  des  Ge- 
«uchlen  oder  Seltsamen  in  der  Hallung  nicht  l'rei zusprechen 
wäre.  Da  Levezow  den  Anlinous  als  Narcissus  angenom- 
men halte,  diese  Art  aber  von  Erhebung,  Vergöllerung 
oder  H^roisiiung  nicht  denkbar  ist  und  zwischin  jener 
historischen  und  dieser  allegorischen  Person  mehr  als  ein 
Widerspruch  besteht,  so  suchte  ich  ehemals  aus  der  Sage 
von  dem  Tode  des  Antinous  den  Charaltler  der  Statue  zu 
erklären  (in  dem  Verz.  der  Bonner  Gypsabgilsse  Nr.  51 
(15).  Als  ich  unladgst  vor  dem  Original  selbst  stehend 
den  Eindruck  eines  JVarcissus  erhielt,  erinnerte  ich  mich 
l.üvezows  nicht  und  ich  ersehe  Jetzt  erst  aus  der  Beschrei- 
bung der  Stadt  Bora  von  Platner  u.  A.  III,  1  S.  251  f., 
dass  auch  Andre  in  dem  schönen  Gesicht  die  AehnlichkeH 
mit  Antinous  nicht  haben  finden  können.  Auf  diesen  scheint 
man  verfallen  zu  seyn  weil  dus  Werk  in  der  Villa  Hadrians 
gefunden  worden  ist.  Aber  von  dort  gerade  ist  ein  An- 
tinous, der  nicht  entschieden  dem  Antinous  gliche,  am 
wenig»ten  zu  erwarten.  Er  gleicht  ihm  aber  vielmehr  gar 
nicht,  Levezow  bat  sich,  indem  er  in  Zügen  und  Korper- 
formen  Aehnlichkeiten  mit  Antinous  aufzuweisen  suchte, 
vollständig  gelauscht  (Antinous  S.  5H— 60.  132].  Wir  ha- 
ben nicht  ein  idealisirtes  Porträt  vor  uns,  sondern  ein 
Ideal  so  zu  sagen,  «in  Musterbild  des  schönen,  lieblichen 
Jungen  der  aller  Jugend  gefährlich  ist,  den  Kopf  bedeckt 
mit  einer  reizenden  Fülle  der  geschmeidigsten  Löckchen, 
die  eben  so  sehr  von  dem  dichten  krausen  Haar  eines 
Heros,  eines  Hercules,  als  von  den  schlichten  Haaren  des 
Anlinous  verschieden  sind.  Das  schöne  Gesicht  das  so 
viele  Andere  verwirrt  hatte,  drückt  Gefühl  aus;  man  muss 
diess  in  der  ^ähe  sehn  um  den  ganzen  Werlh  einer  Cha-. 
rakteristtk  zu  erkennen ,  die  mehr  als  alles  Andre  das 
Werk  zu  einem  der  wichtigsten  seüier  Zeil  macht. 


02  Misoelleiil. 

Aus  deÄ  schönen  Gemttiden  die  den  Marci98U8  därsteNeii, 
wisse'nwir  wie  die  alten  Künstler  gewetteifert  habet!/  äe/^e 
Liebe  in  AbstnfÜhgen  und  in  gfrosser  Verschiedenheit  6eM 
Ausdracks  diirzasl^tlen;' man  kann  davon  aus  der  zvi  *deB 
Ternitescken  Wandfirenittlden  X  (VII),  25  (Alte  Denkml  IT. 
S.  169)  angestellten  Vergleichungr  sich  leicht  ttberseu^ren. 
Angenehm  ist  es  daher  nun  auch  ih-Marmor  mit  dem  Nar- 
cissus  des  Capitels  den  desVatican,  der  einem  andern  Mo-^ 
ment  oder  eine  ganz  verschiedene  Seelenstimfhung  nüsdrOckl, 
zusammenzustellen.'  Visconti  ist  eifrigsl  bemüht,*  df^scf  Sta- 
tue, die  vorher  imm^  Narcissus  genannt  worden  ivar,  tiU 
einen  Adcinis  zii  erklären;  der  im  Sohrecken' überdie  ihm 
vom-  Eber  beigefbrachte  Wunde  ausser  sich  geratbe*(Mü8. 
Pioeliem;^*II,  31)}'  Was  er  von  einem  dntiken  NaVeisstii 
fordert, ^tiefeufnd^tumme  Beschauung'^  ein  'gewisses  Sich- 
gehenlassen  in  allen  Gliedern,  wie  wenn  'seine  Seele  in 
lüeine  Blicke  dnd  ihre  gefspannte  Aufmerksramkeit  überge- 
gangen wäre,  wie  etwa  in  den  Herctit;  Gem.  Y^  2SJ  JS«, 
das  ungefähr  drüokt  der  Gapitolihtsche  aus,  der  „mit'etltli 
gesenktem.^  rechts  {gfewandtem  Haupt,  fn  einer  in  sich  gti^ 
kehrten  Gemüthsverftissttngt^,  einer  stillefi ,  f eicht  ui^d^tdsfe 
fess^lnd'en  Liebeewortiie  sidh  zti  überlassen  schriiM^.  Wäii 
wir  in  diesem^  TM  im  Gcfmätde  dargestUlt^ehen,  dias"  gi^ 
ziemte -^s  dem  Bildhauer  a^  noch  jg^rösserer  Ruhe'üild  "^- 
rüekhaltung  im  Ausdruck  2U  e^mässigen.  Daraus*'  abiiir 
folgt  nicht,  dlBiss'nicbtf  dh  ändreir, 'eben'  i^o  guter  He^tei^ 
den  i  Narcissus  könne '  dargestelU  haben '  in  ^der  plbtiliöhliii 
Srgriffenbeii;' weitete'  der YatT^anidche,  andrer  tioichiäin^i^ 
sehr  g«ehalten,  ütts^rübkt;  Aber 'Visconti 'war;  wie  Andrt 
durch  deW  Namen  Aiitinous; "getauscht  ^diirch  ^einb' Wtlikdb 
am  rechten  iSi^benktek^  Hätte  er  diie  beideftt  fer^bn^H;  A'd«^ 
mirMünd:*Närdissu8> 'In  d^h  so  Verscblddehen  Sftüiiiioiiett; 
mit  aller  UaftefifAgeiihöit  (tnter  eidander  v6rglicheti;>^ 
wftrde^er  die  Wündft  für' einen  falschäh  Zusatz  niiiifh' ^eSMti* 
irrigen  Vorati^Udiig^  drkUrt  haben:    diess  uttk"Sb  mehr*'*» 


Misceilen. 


nach  seinom  eignen  Tuinen  Gefühl  die  Figur  sIs  eine  der 
ausdruckvollslen  von  allen  auf  uns  gekommenen  ist,  nlsU 
auch  rjchlig  gedarbt  seyn  und  den  Moment  auf  das  un«^ 
zweideultgste  aussprachen  muss.  Sie  Ihul  dieSs  durch  M 
Bfwi'gung  der  Arme  und  den  Ausdruck  des  Gi'sichls  so 
geschickt,  dass  das  Bild  des  staunend  und  enlzuckt  voi' 
dem  Bild  in  der  Quelle  dastehenden  Jünglings  gar  nicht 
2u  verkennen  ist  und  vür  unsern  Blicken  sicli  zu  belebeä 
schient.  Visconti  bemerkl  selbst  „bei  der  Wunde  einigt) 
Spuren  einer  andern  Arbeit" ;  und  Gerhard  mflchte  der  al- 
leren Benennung  den  Vorzug  gehen,  da  die  Bewegung 
für  einen  Verwundeten  nicht  passend  scheine,  aber  auch 
weil  ffdie  Wunde  ^urch  den  Einschnitt  des  Marmors  ohne 
die  sonst  gewöhnliche  Andeutung  von  Biutstrahlen  nicht 
gesichert''  sey  (Beschr.  der  Stadt  Rom  II,  2  S.  173).  Ihm 
slimmt  0.  Jahn  bei  Annali  d.  J.  XVII,  34x).  Uebrigens 
sprarh  auch  Hirl  in  den  Hören  1797  X,  22  von  einem  im 
rechten  Schenkel  verwundeten  Adouis:  „Er  steht  noch, 
aber  in  dem  starren  Blick,  im  Sträuben  des'  Haars  Und  in 
dem  geöffneten  Munde  siebt  man,  dass  die  Sinne  ihm  ent- 
schwinden". Die  Tänia  um  das  Haar  ist  dem  Narcissiid 
sehr  wohl  angemessen,  sie  ist  für  ihn  recht  charakteristisch:' 
Nach  Art  der  iUcdernen  gesteigert  und  übtrtriebeu,  viel-' 
leicht  nicht  ohne  Rücksicht  auf  die  jetzt  Valicanii^che  St'a-' 
tae,  ist  Narcissus  dargestellt  in  einer  in  ihrer  Art  nicht' 
geringzuschätzenden  Erzstatue,  welche  jetxt  in  Villa  Bor- 
ghese  in  dem  oberen  Raum  des  Casino  auTgestellt  ist.  '' 
Im  Musi^um  Chiaramonli  stellt  eine  kleine  Grupfte,  die' 
dort  irrig  für  Perseus  genommen  wird  [Nr.  655),  dell' 
Narcissus  dar,  dessen  Spiegelbild  unien  auf  dem  Mar-' 
mor  erhallen  ist.  Dasselbe  ist  an  einem  Sarhophag  neben 
derThüre  der  Valiranbibliolhek  an  bilden  Enden  vorgeslelll. 
Hieraus  ergiebl  sich,  dass  die  Gruppe  falsch  restaurirl  ist, 
Aus  der  Nymphe  und  dem  Amor,  aus  der  ganzen  Conipo- 
siliun  ist  zu  schliessen,  dasssie  von  der  Maleret  entlehnl  ist. 


d6 


Mlsc^lleri. 


Induflgen  innerhalb  be^tfininttir  tfräftzeti  n^iie  ^M^  Mr 
söhw^i^geinacbt  WäriMi  und  daher  dürftigere  Kbpfeziitai  B»- 
irockeA  und  Gezwungenen  gtdchsam  gc^zwttngeil  würden, 
bietet  ein'  Werk  dar,  das  'sin  einer  der  Treppien  dies  H^ 
lasts  Giuiitiniani  aufgestellt  ist.  Eine  geflflgelib  Sflhinx 
in  Völfeih  Lauf,  fasst  mit  den  VorJerklanen  deil  Keipr  einei 
bärtigen  Alten,  der  das  Maul  maskenartig  aufrbiiuil;  im 
Schreien  der  Verzweiflung« 


^.     ■:    . 


An  der  für  Aeschylus  g^hatienen  Büste  im  'Itaseoai 
des  Capitols  senkt  sieh' die  Stirnhaut  auffallend  Meit  die 
innem  Angehwinkel  herab,  und  die  Furohe  über  der>Ifa- 
senwurzd,  welche'  gespanntes  Denhett  oder  Auftnerken 
aui^drtfckt,  wird >* durch  die  beiden  Wulste  int  di^  sich  a^ 
Stirrrhaut  gefr^dii  in  dieser  Mitte  sondert,  und  dieijste'  eii4 
schliessen/  noch  merklicher  und  bezeichnender  lela  »d«8  Run^^ 
zelii' des  Stirnmu^kels  f(ir  dich  allein.  Dieser  Zug  ist  so 
ungewöhnlich,  dass'^s  iV(]ihI deY  Mühe*  werth  is^-zu  bemer- 
keni,  trie  dasselbe  sich 'Anth  an  dem  «schöni^n  Kopf  dei 
Sokrates  in  Villa  Albani,  dben  in  d^m<  Zimmer  recHtt)Vom 
Saale;  wiederfindiel , ' bei  im  Ganzen  so  venBchiedeiiiam::gei«^ 
stigehi  Ohiarakteri  '  Genttu  so  ist  dieser  ph^iognömijsclMi 
Zu^  schwerlich  der  Natur  entlehnt^  sondern  ein  wirklich 
trörkonimender '-  Zug  ist  zu  einer  technischen  Forn»el  von 
grosser  Wirkung  gesteigert.* 


'  j  ■'.  i 


Die  SiBtue'  des  Sophokles  im  Latwan  ers.ohcant 
herrlicher  bei  jedem  neuen  Wiedersehn, <  gedstiger,  edlßr 
im  Gesichtsausdruck,  bei  der  grössten  Naturwahrheit.  Die 
Höhe  der  Aufstellung  ist  gerade  die  rechte  und  einen  gros- 
seH'Unt^r&ctJ^d  macht  das  gute  und:i das  noch  besser  ein- 
fallende Licht.  Wenn  die  Vermulhung  gegründet  i^t^duss 
Soiihokles  als  der  Sieger  über  die  beiden  andern  grossen 


Mlscelten.  S7 

jpiichleir/ 4eF  ^llen  :Tia|!fö(iJQ  ^  daiigfeatettt)  ^Ironien  asollte ,  so 
entspckhit  xlie^er  Ab$:Mit<i6elir  wohl  der  jiaiiüirlicif  .Irilimtihi^ 
ir^epide  oderidOiCh  fr«ih  bewitsstesAui^uck^  der^^iok  in  ^dfiim 
A|uf;ti*e,ten  und  in^  der.«  HaUluig  lidies»  Unken  EArmaizüi  i^erkiaii- 

. ,,  .Anider.  sotüönen  lEEsbüslci  «id^  Sopbit)kles.  inaSlor«nz, 
apgefüM):  in:  fil^l'^n!i)Ai)I)enkmv  <i  Si:/4r59,  ibti  die  Spi^r 
jc|Qictlicbv>  woi  4i^  Dfoiaf /Qli^>ivionL;and«rnfl  M^taU  geweü^ 
icit^  aMfgß)#g0Q:!  bM*  .(£iR  iKOpf  :d0»iS0pli:QkIasi:Anid€lnsiäb 
auch  in  Villa  Albani^  ini  dferi:  ftusteHn  £|aU0rioi;des  Hitfbritmts, 
gegen  die  Mitte,  nach  Gesicht  und  Bart  unverkennbar,  auch 
nicht  ohne  die  Tänia;  oberflächliche  ausdruckslose  Arbeit. 
Eigen,  dass  dieser  Kopf  hier  Solon  genannt  wird  (Erma 
con  strofio  creduto  di  Solone,  li.  454  der  Indicaz.),  so 
wie  auch  der  als  Solon  von  Visconti  edirte  Sophokles  in 
Florenz,  welcher  die  falsche  Inschrift  trägt  26Xwv  i  voi^O" 
-d-itfjg.  Dagegen  muss  ich  die  auf  derselben  Seite  von  mir 
gebilligte  Vermuthung,  dass  die  Büste  im  Saal  der  Musen 
des  Vaticans  mit  der  Erzbüste  des  Sophokles  im  höchsten 
Alter  im  Brittischen  Museum  übereinstimme,  jetzt  sehr  be- 
zweifeln. Freilich  ist  eben  so  schwer  Homer  anzuerken- 
nen, dessen  Name  dieser  Herme  in  dem  Museo  Pio-Cle- 
mentino,  Roma  1846  (von  Visconti  dem  Neffen)  p.  132 
n.  196  gegeben  wird. 


Hinsichtlich  des  Euripides  im  Palast  Corsini  in  Rom 
ist  zu  berichtigen,  was  in  den  A.  Denkm.  S.  484  Note  3 
bemerkt  ist:  „nicht  von  den  schlechtesten^.  Denn  der 
Ausdruck  ist  nicht  fein,  der  Kopf  gehört  zu  der  Waare» 
woraus  man  schliessen  darf,  wie  gemein  der  Gebrauch 
solcher  Büsten  gewesen  sey.  Der  Kopf  ist  am  Hals  abge- 
brochen, die  Büste  neu;  ausser  der  Nase  ist  über  dem 
rechten  Auge  und  hier  und  da  im  Haar  ausgeflickt. 


V. 


98 


MisoeUoB. 


Bfti  Ba treuer  In  der  Sala  BoPj^ia  VM  tfe^  TMteta- 
bibliothek/  dbs  irgeiidwo  ata  Neoploieifl^s  ^nnä  Chrf^  ge- 
4ehitel  irorden  ist ,  sebeini  vorauseilen  P«  Ir  i  ir  > '  im  Sdrif 
^ur  Abfahrt' und  Helen  a,  die  Miin  bu  ifolj^en  Irereitist, 
indem  sie  auf  das  Schiff  zuschreitet.  Hinter  diesem  ist 
nur  n#cb  ein  Alter,  vielleicht  Aerreas.  So  wie  dto  Com- 
positioil  nur  dtirflig^,  so  sind  aticb  die  Pig«ren-<  in  #eir  Aut- 
führung weder  fein  noch' ausdracksvoU-,  Helena  seJir  lilteN 
thümikhiind  RioM TOi^nd.  Edirt  Annali' del  iMt.  «rcheoL 
-1860  T.  32  lav.  C'p.  131  von  Petersen.     ■  . 


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Vier  totttep  an  einer  B^isM, 

»•■  i;  \     :    .        •     ■    i    .1    li    ..      '•■     i'O/    i.'i- »;  "I  ^.■:-r:  *|    li.r     j;-   ,    1 

Eine  vierteilige'  äüis,  die  häcti  Ilmh  b.  T^ervan^'gTu 
iiifi  Römischen  BüllöiiÄb  "des  JkhrlEis^  l86a  p^  5^  "auf '  cTer  6iU 
Seite  das  PartheklDn  Vbr  'di*e!  JahVeri  gelfündeh' wii^^^  'mit' 
einem  GöU  in 'tlelief  auf  j^W'S^lte;^  M  nft- 

tfirti^*'  besMmml  für  ähe'^We^/  ElHeZeichnü^^ 
SIS  selbst  sollte  nicht  festen.'"  Auf  tf  er 'einen  Selt^  Ist  Hä- 
p'hAstos   voii  ^der  Linken  ha'öh  ^^r 'i{e(^ten   schrräh^^^^^^ 
wcffchem  die  drei  andiei'h  äbtter  in  il^r 'etifge'gengfesetzt4n' 
Richtung  zugetirandt-'älnd','  Wbi'Wi'"i'ü  fofgek  ts«;' dls^' er> 
Idef' die=  HaupttiersiiU'' Vörsibirfünd' U  V«rAiatHeb'-das8''dU 
Easiä'  für'  eihe"lSt6tire "d-ds 'ypbt'öy-^binächt'^ord^tf lät.' 
IMeiS^icHeitlt  auch1^es(ati^l!''Üu  ti^eirden'  düi'cih  di^' vötifien-n' 
D.  Micliaelis   htt  iÜietÜttd  p.  '113  g^tfi^dhte;  ^^a^  M(^t 
hinibnglidt  'diJutoe'  BäiiieVkdiig'flber  drei' LOctiei-  irCdttr 
„ObiäHlaVfie  dd^  ßi^sis,^' ih-aereh  mitti'erei^;  tief^f'bfs  m 
beiden  andtil^,'''er'tin  SiilckWoih'^^fnein  '^xo^^n^i^VM^ 
und 'aöf '  ^*~  ■"^'---'-^-^' 


andeifh 

scheint 

glaubtl«  der  gefnaihitiä''64Ielir¥e'6b«!ii  eiwiii  wte  vdtt  dfAbin 

thy^o«  fibiTg  6eBliiiieiie«^  sn  iirtc^eti.'  -md'^e'kAhiit'^ 

auch  Zeus,  cTer  'äbei^'deta  Wd'ei'h^^OtfcTh^'  liiniyir  'ifginW' 

'  1)  AtHiali  d<yir  lasll  di  C(irtiip.4r«ile«i('R>oriii  IM«  p.'ll<*i-^4a3. 


102  Vier  Götter  an  einer  Basis. 

Tochter  herschreiten?  Wir  dürren  nicht  Hephttstos  und  Atbeni, 
obgleich  diese  beiden  durch  sehr  bedeutende  Mythen  in  Atbei 
in  besondrer  Verbindung  mit  einander  standen ,  als  zusan- 
mengehörig  und  die  beiden  andern  Götter  als  GeFolge  der 
Athena  betrachten,  also  nicht  von  einer  „Hephttstos- Atbeni- 
Basis^  sprechen,  wie  neulich  in  Gerhards  Archttol.  Anzeiger 
S.  66*  geschab.  \fie  in.  den  Temneln.auch  Statuen  vm 
Göttern  näher  vei^andten  Wesens  bU  '  ftageSQQ*,  Beisassea, 
aufgenommen  wurden,  so  scheint  man  solche  auch  an  Al- 
tären und  Fussgestellen  von  Statuen  mit  dem  hier  zanächst 
verehrten  Gott  verbunden  zitfhaÜsn»  Solche  Vereine  musstei 
natürlich  nicht  bloss  nach  den  örtlichen  Culten,  soaden 
auch.  nach,  den  persönlichen  Ansichten,  und  Absichti^ii  der 
Weihenden  sehr  verschieden- ausfallen.  Auch  aus  Inschrif- 
ten sind  solche  Zusauimensteliyngen  bekannt,  genug:  eine 
unendliche  Menge  derselben  ab.er  finden  wir  in  Yi^eogeiDll- 
den.  nur  diese  allern[ieist  nicht  dem  wirklichen  Cult.  goa- 
dem  die  Götterppesie  angehend.  Nun  war  Dipnjsps  tack 
kein^  geringer  Gott .  für ,  viele  Athener,  ausserdem  zu  He- 
phästos  auch  er  in  bedeutendei^  Beziehung;er^i,  ui|d  Hern^ 
scbliesst  sich  leicht  und-  gan;i  jje^vöhnlich  an«  .  An  ..eines 
runden.  Altar  im  Gapitol  sin4  Hermes,  Apollon  und  .Arte- 
mis, und  dieselben  Figuren,  aber  vermehrt  durcl^  ^ikw 
Ztunächst  hinter  Hermes,  enthält  eine  Marmprtafel  ßMN'iS^ 
Albani^  bei  Zoega  Taf.^  lOQ,  Hier  scheint  Hanae,8  i^ebei 
dem  Stäbcbifn  ip  der  Linken,  da$  nur  hier  ol^ne  SoUmiga 
YOrkpn^mt,  al^^ein  zweite}^  Atfri|}ut  den  kleinen  yo^  ika 
stehenden  Altar  zu  haben,  und  in  der  Würde  eines, Tojr- 
Standes,.. des,  Opferdi^pstes  und  andrer  he^Ui2[en.£(a^dIifngei 
verst9,nden  zu  s^yitwovoA  er  auch. den  Tite|[  ]Ag)^tor|.,^ 
führer,  }^^i,  .  ht  dem  Auf^^eten  der  .Götter,,  iu  dfi^ffei^  jf^i 
and^r^^;  ehrwüTidigen  D.Q^koiiälern  altq^  Gottesdienst  yqb^ 
der  Sghrittder.FrQcessionen.nachgieahmt  zja  seyn^f.«,^. 

Leider  sind  an   dem  Athenischen    Monument   beinak 
alle  Köfif^  und-  in.  einigen  Figuren:  der  obere  Xh«i).tiber« 


UM_^da 


Vier  Götter  an  einer  Basis.  103 

haupt  und  andre  so  sehr  beschädigt,  dass  wir  von  der 
Zeichnung  der  Figuren  nur  einen  unvollkommenen  Begriff 
erhalten.  Doch  ist  genug  unversehrt  um  uns  im  Ganzen 
eine  gewisse  Eigenthümlichkeit,  einen  Unterschied  von  al- 
len andern  Monumenten  des  archaisch-hieratischen  Styls 
erkennen  zu  lassen.  Dieser  Unterschied  besteht  in  Fort- 
schritt und  Vorzügen.  Die  Stellung  oder  das  Auftreten 
der  Götte^  i9f '-tmgf^»wii>igMel>;<iwb  fferijötmhl^&e  oder 
Conventionelle  in  Haltung,  Charakter ,  Tracht  gemildert  nach 
der  Seite  der  Natürlichkeit  und  Einfachheit  hin,  der  Sinn 
für  das  Anmuthige  wirkl' 41er':  gewohnten  alterthümlichen 
Steifheit,  die  von  dcjm  Personal  dps  GoUesdi^ns^ec^  auf 
die  Götter  übergetrage.o  war ^  .entgegen.  So. hat  insbeson- 
dere das  Gesicht  des  Hephästos  einen  sinnigen  i|n()  wür- 
digen Ausdruck  und  das  Kopfhaar  ist  vortrefflich  behandelt, 
er  hat  nicht  ein  glattes  Kinn  wie  an  d^m  Puteal  des  Capi— 
tols,  sondern  ist  J^eilbärtig  {p(ptiv^n(iY9^^)y  wie  jälermes 
auf  der  angeführten  Albanischen  Platte,  und  hält  denHam-. 
mer  gefälliger,  schräg,  jals  sonst  gerade?  vor  sich  bin,  Aiw^h 
die  Physiognomie  der  Athepa  war,  wie  es  scheint,  frei 
behandelt  und  von. dem  gewöhnlichen  Typu$., entfernt  sich 
auch  der  schwungt^afte  Helmbusch.  Wenn  wir  dieseo.  Göt-^ 
terstyl  als  vorzugsweise  Athenisch  betrachte^  und  nqqaeiit- 
lieh  an  dem  Altar  der  zwölf  Götter,  aus. def  Pisist^atijden- 
zeit  voraussetzen  flürfen,  so  ist  es  angenehm  ihi^  fiuf  .ei- 
nem Monument  zu  Athen  anzutreffen,  und  da^u  in  dieser 
geschmackvollen  Feinheit  un^  Entwicklung  angewa^i^t  kei^- 
nen  zu  lernen.  '       ,       .  .,    .       ^ 

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Demetciri^  Köre  und  Jacchos  ^)» 


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Taf.  VI. 


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Von  diesem  für  Mythologie  und  KunstgesciMchte  gleicli 
wichtigen' l(elief  gab  im  Römischen  BuIIettirto  vQm  Octbber 
vorigen  Jahres  (p.  200)  Hr.  D.  Pervanoglu  die  ierste  Nach- 
richt, nachdem  es  im  AnlTang  desselben  in  Eleysis  dural 
L^riormant  ausgegraben  worden  war.  Jetzt  wird'  es  m 
Tbeseio'n  auÄewahrt-  Es'  war  in  vier  Stdcke  zerbrochen, 
dib  al)6r  wöhl  zusammengehen,  und  im  Ganzep  ist  die 
gute  Erhaltung  erfreulich  genug.  Mir  steht' ein  Gyp^ab- 
guss  'im  hiesigen  Museum  oder  soll  ich  sägeii  ^fn  nacli 
der'  heü  erfundenen  Methode  gemachter  weit  leicKiera 
G^pi^abdrück,  vor  Augen  ^  der  mir  zeigt  dass  sowohl  deir 
Styl  als  die  kleinen' für  die  Erklärung  wichtigsten  Birizel* 
Keiten  dieses  Monuments  ungleich  weniger  als  bei  den  aj- 
lertfhet'sten  'anderer'  Epochen  durch  Abbildung  oder  auch 
die  j[bnaiiei^te  iBeschfeibun&f  ^icheir  und  verstän^ich  genau 
aus^edrtfckt' werden  können!  '  Der  Marmor  istParisch.  '  Die 

.'..'VI. 

lebensgrossen  Figuren  und  auch  die  Bedeutung  der  Com- 
position  im  Allgemeinen,  als  Vereinigung  oder  mystische 
Einheit  der  zwo  Göttinnen  und  des  Jacchos  sprechen  sich 
klar  und  entschieden  über  allen  Zweifel  aus.    Aber  gerade 


1)   Annali  dell*  Inst,  di  Corrisp.  archeol.  Roma  1860  p. 
470*    mit  einigen  Zusätzen. 


Demeter,  Köre  und  Jacchos.  105 

der  besondre  Act  der  Caremonie  oder  die  Hände  der  Fi> 
guren  sind  zum  Theil  beschädigt  und  auch  manches  An- 
dre erfordert  die  genaueste  Erörterung. 

Jacchos  ist  der  besondre  und  ihm  ausBchliessend  ei- 
genthUmliche  Name  eines  mit  Demeter  und  Köre  in  Eleusts 
und  in  Agrä  am  Ilissos  bei  Athen  mit  Köre  vcrbundnen 
Dionysos.  In  Eleusis  wurde  im  Herbst  die  EnlTührung 
der  Köre  gefeiert,  worauf  die  grossen  Mysterien  gegrün- 
det waren,  in  Agra  oder  Agrü  im  Frühling  der  Aufstieg 
(ttvodog),  die  WiederkunTt  der  Köre,  und  die  kleinen  My- 
sterien. Von  dem  lausendslimmigen,  stationenweise  wie- 
derholten Jubelruf  an  den  Gott,  dessen  Bildsäule  aus  dem 
Tempel  in  Agrä  nach  Eleusis  in  Procession,  vier  Stunden 
Weges,  am  sechsten  oder  Haupttag  des  Pesles  geriitirt' 
wurde,  halte  dieser  Dionysos  den  Namen  Jacchos  erhallen: 
man  rief  Jacchos  I  o  Jacchos  I  Von  dem  allgemein  und  von 
Alters  her  verelirlen  Thrakisch-Böolisclien  Dionysos,  dem 
Sohn  der  Semeie,  neben  dem  er  verehrt  wurde,  unter- 
scheidet ihn  zunächst,  dass  er  von  den  mystischen  Göt- 
tinnen als  Sohn  abgeleitet  wurde,  um  auf  das  Engste  mit 
ihnen,  seinem  ganzen  Wesen  nach,  verbunden  zu  seyn. 
Ein  andres  Beispiel  veränderter  Genealogie  eines  eben  so 
bedeutenden  Gottes  in  Attika  ist  Apollon  Pelroos  als  Sohn 
der  Athene,  wozu  aber  zunächst  ein  politisches,  nicht  ein  r&-' 
ligiöaes  Motiv  Anlass  gegeben  zu  haben  scheint.  Jacchos 
ist  auch  Dionysos  und  wird  nicht  seilen  so  genannt,  aber' 
wenn  der  älteste  und  allgemeine  Name  Dionysos  auch  von' 
ihm  gebraucht  wird,  so  ist  diess  eigentlich  unrichlig  und 
geschieht  nur  aus  einem  gewissen  Hang  die  nach  Orten 
und  Kreisen  verschiedenen  Formen  einer  Gottheit  mystisch 
mit  einander  zu  Verbinden  oder  auch  in  spateren  Zeilen 
aus  Affectalion  und  Gelehrsamkeit  mit  einander  zu  ver- 
wechseln. Ein  gelehrlerer  aller  Grammatiker  zu  den  Frö- 
schen des  Arislophanes  (39H)  sagt,  dass  dieser  dort  das 
den   Jacchos   und  das  den  Dionysos  Angehende  verinisch& 


106  Demeter^  Köre  und  Jaceiuw. 

{fMf»iyiivi(a^'  XijTH»)  Als  HttHer  detf  Jacchos  aber'  wird  «i- 
gef&hr  eben  so  oft  Demeter  ab  Köre  fenauKt^  eue  ¥eii^ 
schiedenbeit  der  Hytboloi;ie  die  darum  weniger  -MriTanii 
kann,  weil  diese  beiden  Göttitraen  auch  ihre  Bekiainw  ge- 
mein haben  oder,  wenn  manehe  derselben  eigentliok  aal 
zunächst  nur  der  Deaieter  eigen  wareii<,  darch'  Uebcrtia» 
gung  auch  auf  die  Tochter  an  ihre  völlige  Gieichhait  ond. 
die  mystische  Einheit  erinnern,  die  ia  gewissaft Zeite»  oid 
Kreisen  eine  eben  so  geläufige  gläubige  Vorstellung  gawe« 
sen  zu  seyn  scheint  ab'  die  Sonderling  der  Paracman' öi 
andern.  Nur  hierdurch  scheint  auch  der  Droal  aal  •Aec^,  im 
nurnoch  von  denDioskureu  im  Ciebrauch  war,  aufgekoamni 
zu  seyn.  Die  Verbindung  aber  des  Dionysos'  mit  dieser 
Doppelgoitheit  scheint  darin  ihren  Grund  gehabt  xu  habeBj 
dass  wie  mit  den  Göttinnen  von  Eleusis,  so  aaoh  mH  ihn 
das  Absterben  und  Wiederaufleben  der  Natur  im*  Wechsel 
des  Jahres  verknüpft  vrar  und  er  dadurch  auch  derGoU  dar 
Abgeschiednen  im  Erdreich  geworden  war.  Als  nte  eine 
ansehnliche,  mächtige  Sekte  aufgekommen  war,  die  dmwb 
den  allgemeiaen  Göttercultus  und  den  immer  mehr  ver> 
weltlichten  oder  xur  Poesie  gewordnen  Götterglauben .  nicht 
befriedigt  oder  abgestossen  wurde  und  daher  auf  dasr  Ur- 
alterthum  der  Religion  zurückgehen  wollte,  auf  Orpheos, 
dft.  würde  der  Thrakiscb  Pierische  Gott,  den  dieser.  Terehrt 
hatte,  zu  ^er  höheren,' in  Attika  vielleicht  ganz  naoiQB 
Bedeutung  und  Autorität  von  ihnen  erhoben..  Dür^li  dea 
Einfluss>  dieser  Jar  Athen  besonders  wichtigen;  Otphiker 
scheinit  es'gesobebn  zu  seyn,  dass  gleichsam  zur «V ersliri- 
kung  •der  Religion;  vtm  Eleusin  und  zugleich  um  Atn  Ckrtt 
des  Orpheus  in  eine  neue  und  eine  heiligere  Wirksamkeit 
zu.  setzen )« beide  Gottheiten  unter  denselben  Begriffen 'm^tf 
thologisch  und  itü  Cult  mit  einaihler  gieeimgl  ^ifnlrden. 
Die  Göttifiaen  vdn  Elensls  rerliehen  den  in  ihre  WeÜMi 
Aufgenemmenen  die  Aussicht  auf  ein  neues  uAd  gutes  :l4h« 
ben  nach' dem  Tode,  was  durch  ded  Homerischen:  Hymnus 


Dcineler,  Kt>re  und  Jacchos.  107 

auf  Demuler,  alsO'  weni^gilens  seil  iler  Zeit  dieses  Hymnus 
uad  VOR  da  an  ilurcb  selir  viele  (ibereiflslimmende  Zeugniasa 
feslslehl.  Dieser  Hymnut,  dessen  ganze  CompositJon 
auf  die  Idee  der  Seligkeit  der  Eit^eweiheLen  hingenctilet 
ist,  weiss  noch  nichts  vo»  Jaccbos.  Die  Orphiker  atier 
haben  Ikoehat  wahrscIjeJKlicIi  hnuplsüchlich  durch  die  grosse 
Idee  der  etvige«  Seligkeit  des  frommen  und  gew^iheleo 
Menschen  sich  bewogen  gesebn,  den  Dionysos  mit  den 
zwo  Gütlinnen  in  eine  Dreieinigkeit  zu  verbinden.  Denn' 
mit  dessen  seit  der  Urz<;il  g^eTeierleni  physischen  Tod  undi 
Wiederauneben  liess  sich  die  Idee  desUebergangs  eucli  des- 
meiischltcben  Geistes  durch  den  Tod  in  ein  neues  Lebenl 
ganz  eben  so  natürlich  verknüpfen,  wenn  diess  auch  bisher  im 
Cullus  desDionysus,  wie  zu  gluuben  ist,  noch  nicht  gesche- 
hen war,  als  mit  dem  Raub  und  der  Wiederkehr  der  Kare, 

Orpbische  Poesieen  unter  dem  berühmt'!»  Namen  ei- 
nes in  Athen  aufgekommenen  Musäos,  so  wie  auch  unter 
dein  alten  des  Orpheus  priesen  das  selige  Lehen  der  My- 
steo  in  einom  Jenseits  worin  die  Sonne  nichl  untergehe. 

Diese  Beziehung  zu  deu  Mysterien  ist  im  Jacchos  die 
Hauptsache.  Aber  eis  innigst  verbunden  mit  den  Gultin- 
nen  von  Eleusis,  von  denen  auch  der  Segen  des  Acktsfs 
abhieng,  durfte  ihm  auch  diuser  Theil  Uires  Wesens  nichl 
abgeben,  musste  er  gleich  ihnen  auch  wegen  Verleihung 
der  Fruchtbarkeit  und  des  Reichthums  der  Saatfelder  ver- 
ehrt werden  wübrend  der  Wein  so  weniji  von  ihm  abhing 
als  von  ihnen.  Und  so  nennt  ihn  denn  Sophokles  mit  Nach- 
druck am  Sehluss  eines  Chorliedes  der  Antigene  den' 
Spender  Jacchos  (1152),  wie  Bock  gllickltch  überse(zt:< 
denn  la/^f«;  isLder  Schallner,  Aufseher  der  Vorrathe,  auoh 
der  Schatzkammer,  dur  Ausgeher,  Versorger.  Das  isis  was. 
Arislides  sagt^),  dass  „die  Keryken  und  Eumolpiden  den 
Dionysos  zum  Beisitzer  der  EleusinJschen  Demeter  setzten, 
zum  Aufseher  der  Früchte  und  derNehrung  der  Menschen." 

'i)  Or.  4  p.  30.  vui  ,<M  tiniUir(«4  Irin«  Mi>«  Mtn/i  ■»'• 


108  Demeter,  Köre  and  Jacchos. 

Daher  der  von  dem  des  gemeinen  Dionyeoe,  dai'Se- 
melesohmr,  venchiedene  Charakter  der  Figur.  Bei  des 
Gerealiachen  and  Mystischen  Jaccboi  ist  an  den  Wein  nick 
zu  denken.  Die  Sprache  bezeichnete  bestfminl-diircli  H»^ 
men  und  Schilderung  die  sa  besondem  Galten  gelmnglH 
Seiten  oder  Aemter  der  Hauplgötter,  die  Kunil  konnte  m 
nur  durch  Verschiedenheit  der  Formen  und  des  GoetflM 
thun.  '  So  wenig  man  in  einem  bogenschiessendeoApoUea^ 
einem  Kitharodos,  oder  dem  sogenannten  Lykiichen  dar 
behaglich  den  Arm  auf  dem  Kopfe  ruht,Uebereinelinmiug 
sucht ^  ist  sie  zu  fodem  zwischen  dem  gewöhnHobei 
Dionysos  und  Jacchos.  Auch  an  dem  Mantuanin^en ,  daaa 
Braunsehweigischen  Onyxgefliss  ist  Jacchos  mit  Dämator 
und  Köre  gebildet.  Auch  an  einer  späten  Römischen  An 
Albani  bei  Zoega  (Taf.  96  p.  227)  sind  sie  nd>en.  einander 
und  haben  in  Gefolge  die  drei  sich  am  Gewand  an  einan- 
der (wie  die  des  Borghesischen  Altar  an  den  Hinden)  bat 
tenden  Hören.  Hier  hftlt  Jacchos ,  obwohl  sehr  ▼rnchiedei 
in  den  Formen  und  der  Gewandung  von  dem  gemeinen  Dio- 
nysos, die  Hand  an  den  Stamm  eines  alten  Wefnatocb^ 
was  aus  der  unter  Griechischen  und  Römischen  toiehleni 
gemeinsamen  -häufigen  Vermischung  des  Dionysos  lAidJae- 
obos  zu  =  erklären  ist.'  *.' •  * 

Eine  genauere  Entwicklung  der  Theologie  Jedeg  €k>t- 
tes  oder  auch  bedeutenden  Mythus  wtirde  die  Brkiirang 
der  einzelnen  Monumente  unförmlich  machen  und  Mfdl^M 
Wiederholungen  mflssten  aus  diesen  Beigaben  entepringe». 
Im  vorliegenden  Fall  habe  ich  deren  um  so  mehr'mtcli  ftf 
einhalten  als  ich  nicht  wiederholen  möchte  was  löh'-  yer 
ganz  kurzer  Zeit  über  Nator  und  Bedeutung  deä'Jecebos 
anderwärts-  aiuseinandergesetzt  habe  ').  *  Genug  ist  ee  -Wen» 


<    '        ■  •  ■       I 


3]  Griechische  GdUerlehre  2,  540  ff.  6?9  ff.  641.  f.;  die  Bild- 
werke  S*  552  f.,  wo  unser  Relief  nach  der  ersten  diTon  gegebe- 
nen Notii  nicht  wohl  beieichnet  ist,  640.  *    ' 


Demeler,  Köre  und  iaechos. 


109 


wir  die  Idee  der  Zusammeni^ehßrigkeil  und  Einheit  des 
Jscchos  mil  seiner  Hulter,  der  Demeter  von  Eleiisis,  und 
deren  Tochter,  die  Andern  als  seine  Muller  gilt,  festhalkn 
und  uns  das  myslische  Element  und  den  Ernst  des  Glau- 
bens in  diesem  Cullus  nach  der  historischen  Wirklichkeit 
vorstellen.  Wie  hoch  darin  Jacchos  slsnd  ist  deutlich  da- 
.raus,  dass  in  den  Mysterien  das  Heiligthum  der  goldenen 
Aehre  ihm  geweiht  war. 

Um  zu  dem  Monument  überzugehn,  so  halten  die 
Göttinnen,  die  eine  ein  Scepter,  die  andre  eine  Fackel,  und 
diese  Attribute  kommen  beide  der  einen  wie  der  andern, 
die  Fackel  auch  dem  Jacchos  zu;  nach  den  Umsländen  al- 
lein kann  beurtheill  werden,  welche  von  beiden  durch  das 
leine  oder  das  andre  Attribut  bezeichnet  werden  sollte,  wenn 
sie  neben  einander  abgebildet  sind.  In  Akakesion,  wo 
die  Götter  der  Unterwelt  als  Hauptperson  unter  den  Namen 
Oespöna,  Herrin,  verehrt  wurde,  halte  sie  diesem  Namen 
gemSss  das  Scepler,  Demeter  eine  Fackel^).  Hier  aber 
ist  nicht  an  das  besondre  Amt  der  Köre  als  Königin  der 
Tudlen  zu  denken,  sondern  sie  ist  Göttin  von  Eleusis,  mil 
Demeter  gleich  und  wie  schwesterlich  verbunden;  das  Ver- 
hältniss  der  Tochter  zur  Mutter,  das  ja  in  den  Mysterien 
eindringlich  genug  dargestellt  wurde,  ist  nicht  überhaupt 
aufgehoben,  aber  doch  in  manchen  Beziehungen,  nach 
mystischen  Ideen  untergeordnet,  unterdrückt  [tti  &em}.  Da 
nun  hier  Beide  einander  gegentlberslehn,  so  gebührt  der 
Mutter  das  Scepler,  und  nach  ihr  wendet  natürlicherweise 
Jacchos  sich  hin.  Warum  sollte  in  Eleusis  der  Tocht«r 
der  Vorzug  vor  der  Mutter  gegeben  werden?  Auch  in 
der   nachher   anzuführenden   Gruppe   des  Phidias    wird  der 

4)  Pbub.  8,  37,  2.  Eine  Visenzeichuung  wie  die  in  Neapels 
Ant.  BildwerlieD  ron  (Gerhard  und  Paiiorka  S.  349:  „noht  Derne- 
l«r   und    PeriephCne",    mil   xyill    Fanbelo  und  eiDem  Scepler ,   bat 


HO  .D«mel6r,  Köre  und  JaeehOf. 

Muttier  liiil  äiisehtiliishere  Stelle  fon  allen  ErUSrem  Xll|^ 
tbeilt«  Die  beiden  Figuren  «rscbefcMH  auf  den  ursIMfilidk 
gleicdartig )  in  Alter,  Charakter  and  Haltung'  kMimnokr 
als  um  -lästige  Binf&rmigfceii  eu  vermeiden  «fenpcllieiiei. 
Auffalltod  ist  die  gftnzlicfae  UebereinstimnMing  deFtPIfa- 
ognömife,  besonders  durch  «d^n  Mund,  mit  der  au€4»-dto  du 
JaocboS' Aehnlichbeit  bat.  Doch  fehlen  nicht  Zeichen  eiM 
feineren  absichtlichen  Unterscheidung  voii  Mutter  •iHld'Tedh 
ter.  I  Siracke  parallele  tief  einschneidende  Palten  und  (was 
in  der  Zeichnung  nicht  sichtbar  genug  ist)  scharf '«bgiteobnillBe 
Falten  geben  dem  unteren  Theil  der  Demeter  -etwas  Har^ 
flten«ftiges,  das  von  einem  alten  Xoanon  beibehMtein  n 
sdyn  scheint:  nur  tritt  das  linke  Bein  mit :  einer  :gteliadsB 
Bewegvng  etwas  hervor.  -  Dagegen-  fftlH  der  Mantel  der 
Köre  (über  die  linke  Schulter  herüber  nach  vorn  tief  herab, 
indem  unter  ihm  ein  fein  gfefalteter  Chiton  eine  Spame 
lang^  liervorragt,  und  umgiebt  den  Leib  und  dies  Beine 
nicht  'Ohne  eine  gewisse  Zierlichkeit.  Auch  ist  ihr  Hab 
nicht  ganz  vom  Gewände  i>edeckt  wie  der  der  Demeter, 
und  auch  das  hinten  in  einem  Knoten  aufgebundene  :Haar 
unterscheidet  eie  von  idieaer^  der  es  länger  und  scbnraek- 
loser  herabfällt.  Wenn  man  nicht  gerade  „jugendliche  fler- 
men  öer:  Brust  ^  nur  von  einem  durchsichtigen' »iSiofF  fee- 
deckt fond  (darin  eineti  auffallenden  Gontrast  mit  «ler  an- 
dern Figur^^  dem  franeösischen  fiericbterstatter,  der>iii  ge- 
ner nicM  die  Köre -erkannt,  zugeben  kann,  bo  isü  4ech 
auffallender  dass  ein  .Deutscher  damals  in  Athen- 1. an widMii- 
der  in  dieser.  Köre,  die  Jbm  Demeter  ist,  der  winklichen 
Demeter  gegenüber  in  schönem  Cl^gensats  eine  gewaltige 
majestätische  Figur  erblickte,  die  unerachtet  ^es  ReicbthnnUs 
der  Gewandung  einen  weit  matronaleren  Eindruck  mache 
als  die  andre,  welcher  er  strengen  Ausdruck,  starre  Ein- 
fachheit der  Gewandung,  gänzliche  Umhüllung  des  «Halses 
,,und  dach  etwas  Jugendliches^  zuschreibt.  Der  .firnn^ 
dieser  Täuschung  liegt  in  dem  mythologischen  jrrthum.daas 


Demeter,  Köre  uhd  JAcchos. 


TU 


e^  eine   « Schallen königin"   vorausselzlo ,  welche  diese  Eore 
^wiss  hier  nicht  zu  repräsetiliren  hat. 

Die  ternere  Erklfirung  ist  schwierig  iturch  die  nicht  gatiB 
-unversehrt  erhallnen  Hände  und  ihre  keineswegs  gewöhnli- 
ohe  Haltung  und  Geberde.  Man  hat  gedacht,  Demeter 
halte  Samenkörner,  der  Knabe  ein  Gefüss,  auch  wohl  Köre 
irgend  etwas.  Meiner  vor  dem  Gypsabguss  geprüften  Mei- 
nung nauli  hiullen  sie  niuhts,  und  ist  überhaupt  kein  Act 
ausgedrückt,  sondern  eine  Idee,  die  der  innigen  Verbin- 
dung der  drei  Personen,  des  mystischen  Bandes  der  sie 
zusammenhielt  und  welches  in  der  Behgion  von  Eleusis 
wesentlich  und  besonders  geheiligt  war.  Köre  legt  dem 
Jncchos  liebevoll  die  Hand  euT  den  Kopf  und  zeigt  dadurch 
an  dass  er  der  Ihre  sey,  za  ihr  gehöre.  Keineswegs  ein 
segnendes  oder  weihendes  Handauflegen  sehen  wir;  denn 
dazu  müssle  nothwendig  die  Hand  flach  aufliegen  die  aber 
nur  von  der  Seile  aufgesmizt  ist.  Die  allgemeinsten  und 
wiohtigslen  Geberden  ein  Naturgesetz  oder  einen  nalürli- 
chen  Grund  ihrer  Bedeutung.  Schon  diese  Handlung  der 
Köre  ISssl  vermuthen  dass  auch  ihre  mystische  Schwesler- 
göllin  dem  Knaben  nur  ein  Zeichen  ihrer  mütterlichen  Ein- 
heit mit  ihm  geben  so'le.  Er  blickt  ruhig,  bescheiden  zu 
ihr  auf  und  das  Cäremoniöse  und  Achtungsvolle  seiner 
Stellung  ist  sinnreich  dadurch  verslarkt,  dass  er  die  von 
der  Schuller  herabgeglittene  Chlamis  anständig  mit  der  Hand 
aufhält.  Seine  andre  Hand,  die  rechte,  welche  von  dem 
emporgehatlnen  Arm  allein  übrig  und  in  der  Zeichnung 
nicht  deutlich  genug  ist,  hält  er  ganz  offen,  der  linken 
Hand  der  Demeter  entgegen  Von  dieser  ist  der  Daurnen 
ahgeslossen,  sie  ist  aber  ganz  so  gebildet,  als  wolle  sie 
sie  sanit  und  ohne  alle  Foierliclikcit  in  die  desjacchos  fal- 
'len  lassen.  Man  wird  sagen,  diese  Art  die  Hand  zu  rei- 
chen und  sie  aufzunehmen  sey  sehr  erkünstelt  und  ge- 
zwungen. Daran  aber  ist  Schuld  die  Enge  des  Baums  in 
dieser  gewiss  nicht  ohne  Grund  beliebten  Zusummenstellung 


11:2  Demeter^  Köre  UDd  Jtcchof. 

der  drei  Götterbilder  in  geschlossner  Reihe,  dass  Denelf 
nichts  reicht,  ist  klar  und  eben  so  dass  die  .hingehahe 
Hand  des  Jacchos  nicht  eingerichtet  ist  etwas  ca  enphi- 
gen  und  zu  halten,  oder  auch  hinzureichen ,  wie  ein  Ge- 
fäss,  wor^n  gedacht  worden  ist.  Ein  grosses  BöhrU 
vor.  dem  Kopf  des  Jacchos  scheint  auf  irgend  einen  Schvad 
aus  Bronze  zu  deuten,  kommt  wenigstens  gewiss  nickt ii 
Betracht  in  Hinsicht  der  dargestellten  Handlung.  Dasi  ia 
Handschlag  nicht  recht  förmlich  und  deutlich  ausgedrflck^ 
isortdern  nach  der  Stellung  der  Personen,  etwas  unbeholbi 
und  oben  hin  ausgedrückt  ist,  darf  vielleicht,  daauil  ffi- 
glichen  werden,  dass  auch  die  dem  Knaben,  auf  den  Kofi 
gesetzte  Hand  eher  versleckt  symbolisch  und  eine-  leise  An- 
deutung ist^  Dass  die  offen  und  flach  emporgehaltne  Htti 
eine  Geberde  von  uns  unbekannter  Bedeutung  Bejy  IM 
sich  nicht  vermuthen  wegen  der  auf  sie  doch  gewiss  bo- 
bezüglichen  Hand  der  Demeter^). 

Auch  in  der  Gruppe  derselben  drei  Götter  im  vorde- 
ren Giebelfelde  des  Parthenon,  die  wir  ans  der.  Carrey- 
sehen  Zeichnung  kennen,  ist  kein  andrer  Sinn  der  Compch 
sition  zu  errathen,  als  der  einer  gleich  nahen  BpzieiluiBg 
des  Jacchos  zu  Demeter  und  zu  Köre.  Nur  ist, hier,  wo 
Phidias  die  Hauptgötter  Atiikas  bei  der  Geburt,  der,. Atheai 


■5J  Bei  der  Vermuthung  das«  die  Dreieiniglieit  der  QötterTM 
Eleusis  dargestellt  sej,  die  an  die  Stelle  der  durch  den  Äsal 
im  Namen  GöttiDoeD  und  durch  Tiele  mjstische  Andeütnoga 
gegebenen  Zweieinheit  getreten  war,  mache  ich  mir''fficht  Btteh- 
nuDg  darauf  die  Zustimmung  mancher  Arohäologeii'  'tu  erhä^ 
ten.  Denn  wie  wenig  von  den  meisten  die  Feinheit  beiohtiat'  uai 
erkannt  wird ,  womit  der  scharfe  Verstand  der  Griecbiscbeo  Kfii|iW 
1er  durch  Stellung  und  Bewegung  Verhältnisse  anzodenten  und 
auf  die  mystischen  in  ausgesuchter  Art  hinzuweisen  gewuait.  habt, 
ist  mir  nicht  unbekannt.  Und  doch  ist  es  gewiss  schickljcli  mm 
das  Tiefe  und  Mystische ,  worüber  nur  die  Geistigeren  naekdi^nKkläy 
in  Uebereinstimmung  mit  seiner  eignen  Natur ,  aoeh  inir-«U''j|A« 
winermassen  yersttckter  Symbolik  ausgedrückt  -werde.  .      '('•^•jib 


Demeter,  Köre  und  Jacchos.  113 

^'-  in  grösster  behaglicher  Ungezwungenheit,  wie  im  alltägli- 
^  chen  Leben  darstellt,  was  am  meisten  in  der  unübertrof- 
'  fenen  Gruppe  der  drei  Thaugöttinnen  sichtbar  ist,  die  Er- 
'  scheinung  des  andern  Dreivereins  in  grossem  Contrast  mit 
'  dem  Tempelstyl  des  Reliefs  steht. 

'  Nächst  den   beiden   Gruppen   der   drei   Götter  ist  das 

I  wichtigste   Monument   für  den  Jacchoscult   die  kleine  Figur 
k  der  Mutter  mit  dem  Knaben  auf  dem  Schoos  von  dem  Fries 
f  des  Tempels  der  Poliäs  in  Athen.     Mir  steht  davon  eben- 
k  falls  ein  Abguss  im  hiesigen  Museum  vor  Augen,  an  einer 
I  Abbildung   fehlt  es  nicht.     ^]So  wenig  der  Zusammenhang 
'  und  die   Bedeutung  dieses  Frieses  sich  aus   den  Fragmen- 
9  ten  errathen  lässt,  so  ist  doch  leicht  einzusehen  dass  De- 
I  meter  oder  Köre  die  in  dem  Orphischen  Hymnus  auf  De- 
I   meter  zugleich  svtsxvog  naidafplXt]  und  xwQOtQÖg>og  xovQfj 
i  genannt  wird  (ä9,  13),  mit  ihrem  Sohn  an  dem  Heiligthum 
der   Athena  und   des   Erechtheus,   mit  dem   auch  der  ur- 
V   sprünglich    agrarische    Kekrops    und  seine  Töchter  Zusam- 
I    menhang  hatten  ^  leicht  Platz   finden   konnte.    Das  Verhält- 
I    niss  der   Grösse   des   Jacchos  zu   der  Mutter  ist  hier  ganz 
i    dasselbe  wie  in   dem  Relief  von   Eleusis,   worin  die  zwo 
Göttinnen  ihn  um   Kopf  und  Hals    überragen ,  und  in  der 
Gruppe  desPhidias,  worin  der  Sohn  wie  in  der  vomErech- 
theum   ganz   nackt,    aber   noch    etwas    grösser  ist.    Nicht 
unwahrscheinlich  ist,   da  sonst  die  Götter   nicht  in  diesem 
Alter  ausser  etwa  Eros  zur  allegorischen  Bezeichnung  eines 
gewissen  Charakters   der  Liebe   vorkommen,  dass  die  Eu- 
molpiden  diese  Unterordnung  des  Jacchos  beliebt  hatten  um 
einen  Vorrang  der  seit  uralter  Zeit  vor  ihm  verehrten  Göt- 
tinnen zu  behaupten,   wie  ihn  im   Allgemeinen  die  Aelte- 


6)  Rangabö  Antiqu.  Hellen.  T.  1  pl.  3.  4  sind  die  Fragmente 
dieses  Frieses  lasammengesteUt,  danach  in  OTerbecka  Gesch.  der 
Griech.  Plastik  1,  281  Fig.  1.  Vgl.  daa  GotUsche  KaDStblatt  1836 
Sl  39  f. 

V.  Ä 


114  Demeter,  Köre  and  Jacchos. 

ren  vor  den  noch  nicht  Erwachsnen  behaupten.  Der  groM 
Knabe  auf  dem  Schoose  gehalten  befremdet,  doch  aar  n 
lange  bis  man  bedenkt  dass  diess  die  sicherste  Art  ist  iv- 
zudrücken  dass  er  ihr  Sohn  sey,  da  es  ohne  besonfa 
Umstände  keiner  Andern  zukommen  würde  ihn  anf  ihns 
Schoose  zu  halten.  Sonst  wird  er  auch  als  Sftugiiog  m 
Busen  der  Mutter,  der  mammosa  Ceres,  dargestellt ^^  ml 
ausserdem  vermuthlich  auch  in  gleicher  Grösse  mit  ihiM 
neben  den  zwo  Göttinnen.  So  vermuthlich  im  Tempel  der 
Demeter  zu  Athen ^  worin  diese  drei,  Jacchos  eine  Fackel 
haltend,  standen  von  der  Hand  des  Praxiteles^  wie  mit  AI* 
tischer  Schrift  an  der  Wand  geschrieben  war^).  Ich  habe 
vermuthet  dass  das  von  Cicero  erwähnte  Kleinod  der  Athe- 
ner ^)  dieser  Jacchos  gewesen  sey.  Auch  der  an  dem  T^ 
der  Mysterien,  welcher  Jacchos  hiess,  aufgefüiirte  Gott  ii 
der  Jugendblüthe  {äqaXog  &€dg  in  den  Fröschen  des  Ari- 
stophanes  397}  war  vermuthlich  in  Jünglingsgestalt.  Ebei 
so  ohne  Zweifel  wo  Antinous  als  ein  viog  *laxxog  darge- 
stellt war. 

Auch  in  der  Kunstgeschichte  oder  in  Ansehung  im 
Composition  und  des  Styls  behaupten  die  Eleusisohen  Drei- 
Götter  des  Reliefs,  deren  Darstellung  im  streng  religiösei 
Sinne  nicht  ihres  Gleichen  hat,  ihre  Eigenthümlichkeit  nai 
ihre  besondre  Stelle.  Den  religiösen  Sinn,  worin  sie  anf- 
gefasst  sind,   wird  Niemand   bezweifeln,  welche  Stelle  dal 

7)  Suid.  "lax^oSf  Jiovvcog  ini  rf  uaar^.  Und  so  soll  ihn  aif 
einer  noch  nicht  herauigekommnen  yorzüglich  schönen  gcndalteo  Vaie 
aas  Kerstsch,  mit  Triptolemos  anf  der  andern  Seite,  Köre  im  Aof- 
steig«n  aus  der  Unterwelt  auf  dem  Arm  halten.  [Vgl.  Gompte— reodi 
de  la  comm.  imp.  arch.  1859  pl.  1.  2.]  In  einer  zu  Athen  gefond- 
nen  kleinen  Figur  in  Slackelbergs  Gräbern  Taf.  59  hält  Demeter 
Kurotrophos  wenigstens  gewiss  nicht,  wie  der  Verfasser  annimmt^ 
den  Oemophoon,  sondern  eher  den  Jacchos  auf  dem  linken  Ani| 
auf  der  rechten  Hand  die  Giste   oder  dergleichen. 

8)  Paasan.  1,  2,  4,  auch  bei  Clemens  Protr.  4,  4  p.  18. 

9)  Verr.  4,  60. 


Dfmeter,   Köre  und  Jacchoa. 

ßelier,  das  sowohl  durch  seine  Flachheil  als  durch  die  Grösse 
der  Figuren  auf  einer  solchen  Plallu  eine  tiberraschen  da 
Erscheinung  isl,  auch  an  einer  Tempelwand,  an  der  Vor- 
derseite eines  grossen  Allars  oder  sonst  irgendwo  einge- 
nommen haben  möge.  Die  Erfindung  und  Anordnung  ist 
so  geistreich  und  fein  als  einfach  und  klar  die  Absicht  die 
drei  Göller  bei  aller  Natürlichkeit  nach  dem  Lebi;n  in  der 
vollen  und  reinen  Würde  ihres  gölllichen  Daseyns  vor  Au- 
gen zu  stellen.  Auf  den  ersten  Blick  erinnern  dabei  die 
Göttinnen,  besonders  durch  Hallung  und  Gewandung  nn  den 
Fries  des  Parthenon,  Von  dem  Princip  des  archaischen 
Styls  isl  auch  im  Nackten  keine  Spur  mehr  zu  erkennen, 
wie  wohl  behaujilet  worden  isl.  Die  Formen  und  die 
Tracht  nach  dem  neuen,  dem  archaisch  religiösen  enlge- 
gengeselzlen  Princip  zeigen  durchgängig  ganz  unbefangnes 
Nalursludium.  Das  Modell  zu  der  schönen  Figur  desjac- 
chos  isl  sehr  kräftig  gewesen,  und  es  ist  mythologisch  be- 
merkenswerlh,  wie  sehr  er  sich  von  Dionysos,  dem  ver- 
mutlilich  auch  um  diese  Zeil  schon  weniger  derbe  Formen 
gegeben  und  niemals  ein  Knabenaller  beigelegt  wurde, 
tinlerscheidet ,  wie  er  musste;  denn  dessen  Wesen  ist  ein 
ganz  andres  und  Jacchos  für  sich,  wenn  man  nicht  den 
Dionysos  mit  ihm  verschmolz,  war  auf  den  Segen  der  Frucht 
und  der  Weihe  beschränkt.  Auch  an  natürlicher  Grazie 
fehlt  es  nicht  in  dem  Anzug  der  Köre,  in  der  anständigen 
Stellung  des  Knaben  und  seiner  Haltung  der  abgeglillenen 
Chlamys  und  überhaupt.  Doch  zeigen  die  Fitsse  und  die 
Vorderarme  der  Göllinnen  einen  Mangel  an  feiner  Ausfüh- 
rung. In  der  erhaltnen  Nymphe  von  einer  Metope  des 
Tempels  zu  Olympia  ist,  bei  aller  Treue  ihrer  bäuerlichen 
Wollentrachl,  mehr  Grazie  zu  erkennen,  wiewohl  auch 
Melopen  keine  tegä  sind.  „Ebenbürtig  den  Sculpluren  des 
Parthenon"  wollen  wir  das  Relief  von  Eleusis  keineswegs 
nennen,  aber  auch  nicht  behaupten  dass  ein  Werk  wie 
dieses  vor  die  Zeit  des  Phidias  zu  setzen  sey.  Denn 
b* 


116  Demeter,  Köre  und  Jacchos. 

dessen  Styl  auch  weit  mehr  vorbereitet  gewesen  seyn  Ml 
als  wir  wissen  und  vermuthlich  zwischen  seinen  frflhstn 
Werken  und  den  spatesten  sehr  viel  Verschiedenheit  w«, 
so  sind  doch  alle  näheren  Bestimmungen  sehr  misslid 
Von  der  sehr  grossen  Menge  der  auch  schon  in  jener  Pe- 
riode in  Attika  für  die  Tempel  erarbeiteten  Bildweite 
kennen  wir  nur  eine  verhältnissmäsig  sehr  geringe  AnuU 
Ausser  den  Fortschritten  nach  Menschenaltern ,  Schulen  uU 
Jahren  kommen  auch  die  möglicherweise  nicht  geringen  Di- 
terschiede  nach  den  Orten,  Hauptstadt  oder  Landstadi| 
nach  den  Talenten  und  innerhalb  der  Schule,  diese  ia 
Allgemeinen  genommen,  in  Betracht. 

Schon  vor  der  gegenwärtigen  Bekanntmachung  ist  ds 
Eleusische  Relief  zweimal  herausgegeben  worden;  in  Parii^ 
wie  ich  aus  der  Revue  archöologique  dieses  Jahres  (p.  401) 
ersehe,  durch  Fr.  Lenormant,  (gaz.  d.  beaux-arts  1860, 
VI  p.  68  ff.)  dessen  Vater  Karl  Lenormant  in  Athen  we- 
nige Tage  vor  seinem  dort  eingetretenen  Tode  den  AbgiS 
veranstaltet  hatte,  und  in  Leipzig  von  Prof.  Overbeck  in  dei 
Berichten  der  k.  Sachs.  Gesellschaft  der  Wissensch.  phiIoL 
bist.  Kl.  S.  163  ff.  Beide  Erklärer  sind  auf  den  unglttcUh 
chen  Gedanken  gefallen  dass  die  Aussendung  des  Triptolemos 
dargestellt  sey,  wodurch  in  der  Deutschen  Abhandlung,  die 
dafür  einen  strengen  Beweis  zu  führen  bestrebt  ist,  eine 
ungewöhnlich  grosse  Anzahl  unbegründeter  Bemerkungen  mi 
gezwungener  Voraussetzungen  entstanden  ist.  Es  würde 
gegen  alle  Analogie  seyn  wenn  ein  Dämon  von  dem  Schlage 
des  Triptolemos  nicht  in  Gestallt  eines  Erwachsnen,  uni 
sehr  seltsam  wenn  als  der  erste  Pflüger  ein  Knabe  gebil-« 
det  wäre.  Wenn  man  schreibt  le  jeune  Triptolemos,  so 
geht  man  sehr  leicht  über  den  Umstand  hinweg  dass  der 
immerhin  junge  Triptolemos  in  allen  unzähligen  Darstellun- 
gen niemals  darum  als  unausgewachsen  vorkommt«  Sagt 
man  aber,  der  des  Reliefs  könne  noch  ein  paar  Jahre  ället 
seyn  als  achtzehn  bis  zwanzig  (S.  183),  so  fühlt  man  weU 


Demeter,  Köre  und  Jacchos.  lli  I 

'  richtig  dass  ein  solches  Aller  Tür  den  Diener  der  Göttin 
'  ungefähr  passend  wäre,  bleibt  aber  die  Erklärung  schuldig 
warum  der  Bildhauer  ihm  nicht  die  natürliche  Grösse  sei- 
nes Allers  gegeben  habe.  Was  darüber  in  der  Abhandlung 
S.  167  f.  gesagt  ist  muss  dem  Verrasser  selbst  doch  allzu 
gezwungen  geschienen  haben,  da  er  durch  Ausreden  nach- 
hilft wie  diese,  dass  das  Massverhällniss  des  Jünglings  für 
sein  Alter  nicht  massgebend  sey  weil  es  nicht  feststehe, 
dass  er  mit  den  Göttinnen  eines  Geschlechls,  dass  auch  er 
ein  Gott  sey,  was  ihm  doch  gewiss  Niemand  absprechen 
wird  der  auf  den  Sprac!:£F  brauch  der  Alten  genau  achtet, 
tind  dagegen  dann  wieder  (S.  184],  dass  die  Kleinheit 
der  Figur  wohl  aus  einer  uns  verlornen  oder  verborg- 
nen Tradition  abzuleiten  sey,  was  zu  jeder  unwahrschein- 
lichen und  unnatürlichen  Erklärung  leicht  eher  passen 
möchte  als  zu  diesem  höchst  einfachen  Mythus^").  Die 
Göttin  soll  dem  Triptolemos  Saatkörner  in  die  weitofTne 
Uand  geben,  statt  ihm,  was  allein  sich  als  künstlerisch 
denken  lässt  und  in  dem  in  meiner  Zeilschrift  für  alle 
Kunst  edirlen  Relief  zu  sehn  ist,  eine  Aehre  zu  reichen. 
Für  diese  ist  kein  Raum  und  passen  nicht  die  Hände  der 
Göttin  und  des  Knaben ,  was  nicht  versteckt  wird  durch 
die  Bemerkung  dass  „der  Gegenstand  welche  sie  dem  Jüng- 


W]  TVirklicti  hal  Gerbard  sn  die,  me  er  iigl  »an  Xenophon 
□  Ds  bekannte  Geltuo^  des  THploleinos  at«  MjslerieDlehrers  ge-  < 
dacbl  unter  VorausHelzung  einer  Rolie  oder  aoiiel  eiaei  Wahrzei— 
cheni  ia  der  Haad  der  Figur,  Archiolog.AiiieigeT,  1860  S.  99  *. 
Aber  was  Xenniibou  berubri,  dasa  TriptolemoB  den  Heraklea  uad 
dieDioskureo  eiageneibl  babe,  dicaa  Ihul  er  «ii  ein  Einbeimiacher, 
ohoe  den  Fremde  nicbl  eingeweiht  werden  konnten;  der  Begriff 
eines  MjElerienlehrera  ist  neu  und  fremd  und  bedürfte  zur  Auf- 
nabme  eines  andern  M^atagogea  als  Xenophon.  Ueberbaupl  haben 
solche  spielende  eiuzela  Torkom inende  Sagen,  wie  i.B.  die  wo- 
nach Triptolemos  ein  Sohn  der  Poljnnia  i^l,  keinen  Anspruch  auf 
Beräckaicbtiguog 


118  Demeter,  Koro  und  Jacebos, 

ling  darreiche,  verloren  gegangen  sey^  und  dass  nan  still 
^Saatkorn^   setzt  „Gabe  der  Halmfrucbt"    und   xoletzt  gv 
,,Aehrenübergabe<^   (S.    194).     Es  kommt  hinxu     dass  du 
augenscheinlich  irrig  angenommene  Handauflegungf  voo  Seitei 
der  andern   Göttin   als   eine   Weihung  und    Seg'nang,  ib 
ein  zweiter  und  der  wichtigste  Act  genommen  wird   (S.  170), 
da   doch  das  Nahrung    und   Reichthum  schaffende   Walt« 
des  Triptolemos  das   Geistige  niciit  berührt  and  nur  in  gar 
weitem   Sinn   heilig  genannt  werden  könnte^  so   dass  mu 
in   diesem  Act  höchstens   den  Wunsch   gesegneten  Erfolgi 
erkennen  müsste,  oder  signe  de  protection,  wie  ich  in  der 
Französischen  Revue  finde.    Doch  diess  ist  sehr  unterge- 
ordnet  gegen   die   sonderbare  Vorstellung    des   Deutschei 
(nicht  des  Französischen)   Erklärers,  dass  nicht  Demeter, 
sondern  Köre  dem  Triptolemos  das  Saatkorn  darbiete,    fai 
Griechischen    Mythus    und    den    Darstellungen     desselbei 
herrscht  das  Einfache,  Natürliche  vor  und  alles  Verxerrte 
und  ein  grundloses  Abspringen  und  Variiren  sind  ihm  fremd. 
Wir  wollen  annehmen  dass   eine  unrichtige  Zeichnung  den 
Erklärer  verleitet  hat,  in  der  Köre  eine  erhabene  Matrone 
und  in  der  Demeter  ein  schönes,  junges  Mädchen ,    gewim 
nicht  älter  als   18—20   Jahre  zu  sehen  (S.   168).      Die« 
aber  hätte  ihm  die  Zeichnung  verdächtig  machen  müssen, 
die  vermuthlich  auch  an  der  sehr  verfehlten  kunstbistori- 
schen  Deduction  S.    188   ff.  mit  Schuld  ist.    Die  Aufgabe 
einen   stehenden  Typus,  ein  Ideal  fest  zu  stellen  war  eine 
andre   bei    der  Hera,  Athena,  Artemis  als   bei  der  ländli- 
chen  Göttin,   die  sich   der  wirklichen   Hallung  und  Tracht 
Attischer  Bürgerinnen  noch  anschliessen  durfte ,  wie  sie  auch 
noch  in   den   Werken  der  jüngeren  Attischen  Schule  thut 
Auch  unser  oben  erwähnter  erster  Berichterstatter,  der  aber 
den  Jacchos  erkannte,  nennt  die  Figur  mit  dem  Scepter 
piü  giovane,  diess   wohl  nur  wegen  seiner  Voraussetzung 
wie  so  oft   aus  falscher  Benennung  in  die  Beschreibung 
Züge  ttbergehn,  welche  nicht  das  Auge,  sondern  die  vor- 


Demeter,  Köre  und  Jacchos.  119 

■I  gefasste  Meinung  eingab.    Was  aber  den  Triptolemos  an- 
i  gebt,  so  darf  ich  mir  erlassen  die  in  der  Deutseben  Ab- 
el bandlung  über  ihn  und  äie  ihn  betreffenden  Bildwerke  auf- 
-R  gestellten   Erklärungen   zu    besprechen.   Nur  gegen   Eines 
p  will  ich  Widerspruch  einlegen.     Wenn  behauptet  wird  dass 
^i  die  Sage   von   Tiiptolemos  erst  später   eine   Episode   des 
|l  Koramythus  geworden  sey  (S.  287),  so  hatte  freilich  Prel- 
jj   1er  in  seiner  Schrift  Demeter  und  Persephone  gesagt,  der 
^   Homerische  Hymnus    an   Demeter  kenne  den   Triptolemos 
,]    noch  gar  nicht  (S.  105).     Aber  diess  ist  bei  unbefangner 
|}    Betrachtung   der    Mythen    im  Zusammenhang    unglaublich. 
I    Der  Name  Triptolemos  ist  offenbar  bedeutsam  und  in  den 
I    epischen  Hymnen   sehn   wir   die   Einheit   beobachtet   oder 
I    einen  Hauptinhalt  behandelt,  die  Geburt  desApollon,  seinen 
j    Drachensieg,   die  Dieberei  des   Hermes,   die  Abkunft  der 
I    Aeneaden   von  Kypris,   den  Sieg   des   Dionysos  über  die 
I    Tyrrhener,    die   Stiftung    der    Geistesunsterblichkeit   durch 
I    Demeter.    Derselben  Göttin  Einführung  des  Ackerbaus  war 
ein   andrer   grosser  Gegenstand  und   gewiss   ein   früherer 
als  der  andre:  darum  war  aus  diesem  Hymnus  der  eigent- 
liche Triptolemos  auszuschliessen.    Da   er  aber  gleich   so 
vielen   andern  allegorischen  Göttern  auch  historisch  umge- 
bildet und  ein  König  geworden  war,  welchen  Panyasis  Sohn 
des  Eleusin  nennt  und  zu  Welchen  bei  ApoUodor  Demeter 
gekommen  ist,  so  fand  er  als  solcher  in  dem  Hymnus  eine 
Stelle ,  zu  dessen  Zeit  diese  Umwandlung  vermuthlich  schon 
alt  und   in   manchen   Genealogieen  verwendet  war,   ohne 
dass  darum  der  schöne  Mythus   von  Triptolemos  vergessen 
oder  zum  Stoff  eines  andern  Hymnus  nicht  ansehnlich  ge-^ 
nug  mehr   gewesen   wäre.     Beiläufig  mag  ich   wohl  auch 
noch  (gegen  S.  190  f»)  bemerken  dass  in  der  andern  Gruppe* 
des  Praxiteles  bei  Plinius   Ceres,  Triptolemus,  Flora  diese 
letzte,  gegen  alle  Handschriften   ausser   einer  in    welcher 
Candoris    aus   Chloris   corrumpirt  ist,  keineswegs  in   Cora 
geändert  werden  darf.    Welche  Behauptung  dass  Flora  mit 


120  Demeter,  Koro  und  Jacchos. 

dem  Mythenkreiss  der  Eleusinischen  Demeter  niehb  a 
thun  habe!  Vielmehr  giebt  die  eine  Gruppe  ein  schöos 
Seitenstück  der  andern  ab:  Segen  der  Fluren  durch  D^ 
meter  mit  und  durch  Triptolemos  und  Chlorig  und  geisti- 
ges Heil,  das  sie  mit  Jacchos  verbindet.  Chloria^  die  Göt- 
tin des  Grünens,  deren  Vorgängerin  die  auch  historiid 
umgebildete  Niobe  war,  schickt  sich  an  die  Seile  desTrif- 
tolemos,  dem  das  Grün  auf  dem  Fusse  nachfolgt.  Der 
Ideenkreis  des  Praxiteles  war  weit  und  fruchtban 

In  Athen  scheint,   etwa   neben   der  Unkenntniss  da 
Jacchos,  zu    der  Beziehung  seiner  unzweifelhaften  Figv 
auf   den   allbekannten   Triptolemos  der  Fundort  des  Reliefi 
Anlass   gegeben  zu   haben.    Dieser  war  in  der  Nfthe  der 
Kapelle   des   h.   Zacharias,   von   welcher   die    FransOsisde 
Notiz   sagt:   qui   provient   du   temple   elevi    ä  TriptoliM 
Wenn   diess   gegründet  wäre,  so  würde  es  gar  nichts  b^ 
deuten,   da   in  einem  Tempel  des    Triptolenros  auch  anist 
als   der  ihn  angehende  Mythus  aus  dem  Kreise  des  Dene» 
tercultus   gefeiert  werden   konnten.     Doch   liegt   auch  eil 
Grund  dafür  nicht  vor.    Ross  hat  zwar  obenhin   und  ohie 
alles   Weitere   gesagt:  ^^)   ^Nahe  vor  dem  heutigen   Dorfe 
gelangt  man  an  eine  Kapelle,  die  auf  den  Resten  des  Tem- 
pels des  Triptolemos  steht, ^  und  Pausanias  sagt  nachdea 
er  von   dem  Erineos  am  Kephissos  gesprochen^  wo  Plutoi 
die  Köre  entraflt  und  an  welchem  Theseus  den  Prokrustes 
getödtet   habe:  „die  Eleusier  haben  einen  Tempel  des  Trip- 
tolemos, einen   der  Artemis  Propyläa   und  (einen)  des  Po- 
seidon Vater ^   (1,  38,  6.)   Reste  eines  Tempels    mögen  in 
jener  Kapelle    enthalten   seyn,   aber  welches    Tempels  ist 
durchaus  ungewiss  und  nur  in  der  Nähe  der  Kapelle  wurde 
*der  Marmor  ausgegraben. 

Erst    nach  Abschluss    dieser  Abhandlung    kommt  mir 
das  mir  vorher  entgangne  erste  diessjährige  Märzstttck  der 


llj  Rönigsreiseo  2,  100. 


Demeter^  Köre  und  Jacchos,  121 

j  Revue  des  deux  mondes  zu  Gesicht,  worin  Hr.  L.  Vitet 
I  über  das  Relief  und  zugleich  über  einen  in  dessen  Nähe 
i  entdekten  Kolossalen  Kopf,  wie  er  annimmt,  des  Poseidon, 
i  sich  verbreitet  (p.  217—226.)  Auch  er  sieht  den  Tripto- 
(lemos,  dem  er  vierzehn  bis  fünfzehn  Jahre  beimisst,  und 
{nimmt  an  dass  Demeter,  die  ältere  Göttin,  ihm  Unterricht 
t  über  den  Ackerbau  ertheile  und  ihn  auf  den  Cult  der  bei- 
b  den  Göttinnen  und  die  Mysterien,  die  aber  den  Triptole- 
mos  eigentlich  gar  nicht  angehn,  vorbereite,  während  sie 
j  y^einen  beinah  unmerkbaren  Gegenstand,'^  der  aber  doch 
ein  Fruchtkorn  seyn  soll,  darreiche,  Köre  aber  durch  die 
auf  seinen  Kopf  gesetzte  Hand  (main  suspendue),  ihn  zu 
beschützen  und  fast  zu  segnen  scheine.  Man  freut  sich  der 
begeisternden  Lobrede  auf  die  Grossarti(;keit  und  Schön- 
heit der  Figuren ,  wenngleich  die  einzelnen  Bemerkungen 
oft  zu  sehr  ins  Unbestimmte  gehen  und  nicht  genug  un- 
terscheiden ^2). 


12)  Zu  vergleichen  aoch  noch  das  Rom.  Bullettino  1860,  S.  177 
September;  and  der  Brief  von  PerTanoglu  October  S.  209,  der 
die  Demeter  dod  richtig  erkennt /wie  aoch  in  der  ReTne  archdol* 
die  Andre  viel  jönger  e  gracile  genannt  werde. 


Die  zwölf  Götter  am  östlichen  oder  Torde- 

ren  Fries  des  Parthenon. 


An  Hrn.  Professor  Gerhard^)« 

Die  mir  eben  zugekomoienen  Schriften  des  archfiolo- 
gischen  Instituts  für  1851,  deren  baldige  Ankunft  Sie  mir 
neulich  meldeten,  werthester  Freund,  haben  mich  durd 
die  neue  Erklärung  der  „Centralgruppe^  des  Parthenon- 
frieses von  unserm  Freund  E.  Braun  so  stark  aufgeregt 
dass  ich  Ihnen  eilig  meine  Gründe  gegen  diese  Erklftrung 
mittheile,  so  ungelegen  mir  sonst  im  Augenblick  Allel 
kommt  was  mich  aufhält  in  nothwendigen  Geschäften.  Sie 
mögen  daraus  abnehmen  wie  wichtig  es  mir  scheint ,  die 
poetische  Gestalt,  die  im  Geiste  des  Phidias  die  vornehm- 
sten Götter  seiner  Stadt  annahmen,  richtig  aufzufassen^  in 
diesem  Fall  vielmehr  seine  Götter  zu  retten.  So  wichtig 
ist  diess  um  den  erfinderischen  Geist  des  Phidias  zu  wür- 
digen, so  wichtig  auch  selbst  in  Hinsicht  der  Athenischen 
Culte  seiner  Zeit ,  so  unabweisbar  dass  ich  darum  die  Ab- 
neigung überwinde  gegen  Freunde  zu  streiten,  zumal  ge- 


1)  ArchSol.  Zeitong  1852  Aogast.  S.  486—496.  Mit  dem 
brieflichen  Zusatz:  „dass  ich  so  frei  war  diesen  Aafsati  ao  Sie 
zu  adressiren,  geschah  ijm  die  frenndscbaftlicbe  Absiebt  desselben 
mir  gleichsam  ron  Ihnen  bezeugen  zu  lassen.*'  Die  sehr  gute  Ab* 
bildung  ist  in  den  mon.  del  Inst.  Vol.  5  tay.  26.  27,  wiederholt  in 
OTerbecks  Gesch.  der  Griech.  Plastik  1 ,  280  f.  fig.   51.  b.  c.  d.  i.  k. 


Die  zwölf  Gölter  am  östlichen  Fries  des  Parthenon.     123 

gen  jenen  der  mit  so  viel  Feuer  und  Eifer  einen  neuen 
Gegenstand  und  so  auch  einen  in  ihm  aufgegangenen  Ge- 
danken ergreift.  Danlten  wir  ihm  für  die  Zusammanstel- 
lung  der  wuhl  bekannten  Gruppen  in  ihren  beiden  Hälften 
auf  einem  einzigen  Blatt  [Taf,  27)  nach  schätzbaren  Zeich- 
nungen, wehren  uns  abur  gegen  die  Irrlehren  die  er  uns 
mit  Ungestüm  aufdringen  will.  In  dem  Bulleltino  zwar 
(p.  17 — 19)  ist  er  von  der  Entschiedenheit,  die  durch  die 
ganze  Abhandlung  in  den  Annali  [p.  187 — 214]  und  in  der 
Rede  p.  89—  102  herrscht,  ein  wenig  zurückgekommen 
und  will  noch  Unterhandlung  zulassen,  schliesst  jedoch 
auch  da  mit  den  Worten:  le  deßnhioni  volgari  «  Irovano 
üt  contradhiotie  aperta  con  lulle  le  osservazioni  delF  arte 
greca.  Dieser  Widerspruch  wird  dort  hergeleitet  aus  der 
vorher  nur  durch  Carrey  bekannten,  in  Athen  aber  In 
neuerer  Zeit  wieder  aufgefundnen  und  durch  Andreoli  ab- 
geformten Gruppe,  wovon  wir  auch  hier  einen Abguss  ha- 
ben. In  diesen  Figuren  erkennt  Braun  die  Absicht  sie  von 
den  Olympischen  Göttern  als  solche,  die  sich  nicht  mit 
Nektar  und  Ambrosia  genährt  haben,  zu  unterscheiden,  und 
durch  die  vollen  Adern  der  Hände  und  Arme  auf  die  He- 
roen anzuspielen,  andere  Wesen  übrigens  auch  als  oht 
vvv  ßqoioi  eIiTiv.  Dtess  der  nachträgliche  Hauptgrund  für 
die  „patriarchalischen  Familien,"  wonach  dieser  uns  wun- 
'derbar  erhaltene  Götlerverein  in  einen  marmo  crottaoale,  in 
eine  Attische  Königs-  und  Culturgeschicbta  sich  zu  ver- 
wandeln hotte  ')■ 

Unser  Freund  hat  freilich  nicht  erlebt,  welch  Erstau- 
nen es  nach  der  Ankunft  der  Giebelstatuen  des  Parthenon 
in   London    erregte,   dass    die  Götter  des  Phidias   nicht  an 


2]  Gegen  BranDs  Palrlsrchen  spricht  auch,  äa^a  die  Figuren 
grösser  eind  als  die  anderen  Figuren,  nie  am  Tfaeseion,  dem 
Nikelempel  und  überhaupt,  und  Heroen  UDtericheidcD  ajcb  ihnen 
gegenüber  aiobt  Toa  Menschen. 


124    Die  zwölf  Götter  am  östlichen  Fries  des  Parthem. 

Homers  Olympische  Speise  und  Trank  erinnem ,  die  alt» 
dings  die  Bildhaaer   einer  späteren  Zeit   mit   in    Anickki 
gebracht  zu  haben  scheinen.    Canova  schrieb  damals :  i» 
nUro  i»  essa  la  eeritä  della  natura  congiunia  aUa  MBib 
deUe  forme  belle ,  tutto  gut  spira  eita^  con  uma  etidem^ 
con  un  artißiio  squisito  cet.    Ein   andrer  beruh mter  Bfli- 
haaer,  Dannecker  in  Stuttgart,  schrieb  etwas  spftter,  nad- 
dem  er  Abgüsse  mehrerer  der  Kolosse  erhalten  hatte,  fibcr 
diese  an  mich  (26.  Juli  1819):   y^Sie   sind   wie    auf  Nato 
geformt  und   doch   habe  ich    noch   nie   das    Glttck   gehiM 
solche  Naturen  zu  sehen. '^     Visconti  sagt  (Leiire  du  Cka 
Canova  et  deux  Mim,  sur  les  Oeuvres  de  Mculpt.  dam  k 
colL   de  Mr.  le  C.  Elgin,  Londres   1816)  p.  21  aber  da 
Poseidon :  Dans  les  parties  les  mieux  conservScM  la  surfst» 
du  marbre  exprime  lasouplesse  des  chairSy  quelques  9eisä 
semblent  s'enfler  au  dessous  de  la  peau,    La  suppresM 
de  ces  vaisseaux  dans  les  ßgures  dun  caractSre  ferwse  if 
musculeux,   lorsqu^elies  reprisentent  des  dhinitSs,  est  dm 
une  Innovation  qui  tient  ä  la  maniire  d'un  age  posUrietr. 
Peut'^tre    doit-on   cette    mithode  ä  PraxiUle.     Auch  p.  Si 
bemerkt  er  l'indication  savante  des  muscles  ei    mäme  du 
veines  tant  dans  les  figures  des  hommes  que  dans  Celles  da 
chevaux. — Ainsi  ces  artistes  incomparables  faisaieni  moh 
eher  de  front  la  vMU  de  Fimitation  ei  le  beau  chaim  da 
modeles.    Diese   grosse  Naturwahrheit  wurde   noch   speci- 
eller  nachgewiesen   in   London  Magaz.   1822  No.    XXYlf. 
Unzählige  Andre  wiederholten  in  jenen  Jahren  eine  That« 
Sache  die  es  uns   geradezu  verwehrt,  wenn  wir  an  dea 
in  den  Friesreliefen  dargestellten  Göttern  dieselbe  Erschei- 
nung wahrnehmen,  nur  darum  sie  nicht  als  Götter  aner- 
kennen zu   wollen.    Dass  die  Ausführung  nicht  durcbgftn- 
gig  von  einer  Hand,  sondern  von  sehr  vielen  Händen    her^ 
rührt,  wird  im  Einzelnen  vielleicht  berücksichtigt  wetibtp. 
müssen.  :, . ; 

Ehe  ich  von  den  an  ihre  Stelle  gesetzten '  Pen 


■i  ■■■«■«»Ai 


A    Die  zwölf  Götter  am  östlichen  Fries  des  Parthenon.    125 

ji  rede,  will  ich  die  Götterpaare  selbst,  wie  ich  sie,  meisten- 
■  tbeils  in  Uebereinstimmung  mit  früheren  Erklärern ,  ver- 
■I  gtehe,  dem  die  neue  Abbildung  und  Erklärung  prüfenden 
^  Leser  vorführen.  Eine  sehr  verdienstliche  Zusammenstel-- 
I  lung  hat  K.  0.  Müller  (übereinstimmend  was  die  Erklärung 
■I  der  Götter  betrifft  mit  seiner  früheren  Abhandlung  in  den 
er  Annali  dell'  Inst.  I  p.  222 — 224)  in  der  deutschen  Ueber- 
A  Setzung  von  Stuarts  Athen  (1831)  II,  673—677  gegeben, 
m  der  man  zwei  von  Braun  widerlegte  Irrthümer  zu  gut 
L  halten  muss.  Denn  in  schwierigen  Dingen  wird  selten  auf 
k  einmal  in  allen  Punkten  das  Richtige  gefunden. 
I  1.  Zeus,   welchen  nach  Müllers  Bemerkung  y,ausser 

I  dem  höchst  mächtigen  Körperbau,  die  von  Phidias  auch 
t  am  Thron  von  Olympia  angebrachten  und  gewissermassen 
I  typisch  gewordnen  Sphinxe  neben  den  Armlehnen  bezeich«- 
nen,'^  und  Hera.  In  der  Zeichnung  von  Stuart  und  der 
im  Britt.  Mus.  YIII  pl.  2  ist  am  Zeus  ein  Ueberrest  des 
Scepters  zu  sehn,  welcher  in  der  Braun'schen  fehlt.  Hin. 
sichtlich  der  Sphinxe  als  seitdem  üblicher  Träger  am  Thron 
des  Zeus  verweist  Hawkins  auf  Bartoli  Admir.  tab.  28,  der 
auch  auf  die  Rücklehne,  wodurch  der  Sitz  des  Zeus  aus- 
gezeichnet ist,  aufmerksam  macht.  Auch  der  Tochter  des 
Zeus  gab  Phidias  die  Sphinx  auf  den  Helm.  ~>  Mit  Recht 
nennt  es  Müller  unbegreiflich  dass'  Visconti  die  weibliche 
Figur  von  matronaler  Fülle  des  Busens  und  Leibes  mit  dem 
grossen  über  den  Kopf  gebreiteten  Schleier  für  Pallas  habe 
nehmen  können.  Juno  nennt  sie  auch  Stuart,  obgleich  er 
den  Zeus  verkannte  ^  und  die  Synopsis  of  the  Brit.  Mus. 
1817  p.  114.  Neben  Hera  steht— nicht  mitzählend,  gleich 
wie  der  Knabe  an  der  äussersten  Gruppe  der  andern 
Hälfte  —  ihre  Tochter  Hebe,  so  wie  im  Heräon  von  Ar- 
gos  aus  Gold  und  Elfenbein  von  Naukydes,  und  in  Man- 
tinea  aus  Ens  von  Praxiteles.  Also  nicht  weder  Iris  noch 
Nike.  ■  ■■  '■  ■''" 

iif  Umißm  ^-^moBf  welcher   hier 


126    Die  xwOlf  Götter  am  östlichen  Fries  des  FMbeMi 

gleichsam  die  Köre  vertritt  und  von  Mttller  fiBr  HepUäM] 
genommen  wurde,  nach  einer  vermeintlichen  Aadeitaii 
der  Fussschwäche ,  welche  Stuart  dagegen  in  dem  Zeus  iiil 
Mir  ist  unbegreiflich  warum  Zoega  Bassir.  tav.  53  noL  1* 
diesen  Stuart'schen  Hephfistos  zum  Pluton  macheo  woflH 
Den  Triptolemoa  erkennt  auch  Braun  an,  so  wie  Viseod| 
und  Hawkins  (Brit.  Mus.  VIII  pl.  1). 

3.  Die  Dioskuren  oder  Anakes,  erkannt  vonSti-l 
art,  Visconti  u.A.     Sie  schauen  nach  derselben  Seite  (nidl 
dem  Zug),  weil  das  Gegentheil Feindschaft  anzeigen  wflrie,! 
wie  zwischen   Prokris   und  Klymene  von   Polygnot  in  der 
Lesche,  sitzen  aber  (sie  allein)  nach  den  entgegengeset^ 
ten  Seiten,  was  so  ganz  ihrem  Auseinandergehn  nach  dei 
ursprünglichen   Mythus  entspricht  und  mit  den  verschiede- 
nen Arten   sie  zusammen  vorzustellen,  die  auf  denselbsi 
hindeuten,  tibereinstimmt.     Dabei  ist  zugleich  ihre  Eiokeit 
und   Brüderlichkeit   sprechend    und   glücklich    ausgedrücU, 
und  diess  setzt  Braun  auseinander  (p.  201),  der  das  Aadn 
verkennt.     Das    Anakeion  fiel   dem  Pausaniaa    durch  sdi 
Alterthum   auf  (I,    18,  1).    Seine  Wichtigkeit  zur  Zeit  dcf 
Phidias  ergiebt  sich  daraus,  dass  darin  Polygnot  und  Ni- 
kon Gemälde    ausgeführt  hatten.     Nach   ihren   Stataen  ii 
diesem  Tempel ,  worin  sie  neben  ihren  Rossen  standen  ad 
dem  Boss  eines  jeden  sein  Sohn ,  wie    in  Arges  (Paus.  II, 
22,  6),  ist  ein  Bezug  dieser  Götter  zu  den   Geschlechten 
der  Ritter  zu  vermuthen,  deren  Klasse  am  Fries  glänsenl 
ausgezeichnet  wird. 

4.  Nach  der  andern  Seite  vorn  Gäa,  Athene  aid 
Brechtheus,  ihrer  beider  Sohn.  Den  Knaben  hatte  Vis- 
conti erkannt,  doch  zu  ihm,  statt  der  Mütter,  seine  Erzie- 
herinnen Aglauros  und  Pandrosos  sich  hinzugedacht,  yai 
denen  aber  Herse  nicht  zu  trennen  war.  Auch  könnlM 
diese  Erzieherinnen  unter  zwölf  Göttern  nicht  milssUeii 
Gäa,  voran  sitzend  als  die  unmittelbare  Mutter,  zeigrt  .des 
Knaben  y  der  ein   Stöckchen  haltend   mit  gespannter  Avf- 


'  I     Die  zwölf  Götter  am  östlichen  Fries  des  Parthenon.    127 

fcil  merksamkeit  schaut,  den  heih'gen  Zug.    Sehr  übereilt  nannte 
i  hier  Müller  Peitho,   Aphrodite  Pandemos   (die  von   dieser 
■i  Gfta   sich   gewiss   nicht   wenig   unterscheiden    würde)   und 
i  EroSj   indem   er   den  Knaben  beflügelt  glaubte;  wie  auch 
h  noch  in   seinen  Allen  Denkm.    1   Taf.  24  No.  115  g,  der 
if=  Knabe,  von  welchem   er   doch   Gypsabgüsse   aus   der  von 
Choiseul   Gouffier   nach   Paris   gebrachten   Form    bei  Dan- 
T   necker  und  in  Darmstadt  und  Berlin  geschn  zu  haben  in 
i    der  früheren  Abhandlung  angiebt,  Eros  heisst.     Nicht  we*- 
I     niger  übereilt  vertauschte   Hüller  später  CGött.  Anz.  1835 
;     S.  2064)  den  Eros  mit   Jacchos  nach   dem  Vorgang  von 
I    Lenormant,  der  übrigens  in  seinem  Tresor  de  Numism.  et 
I    de  Glypt.  VI,    1,    1    (1834)   die  Hüller'sche  Erklärung   des 
ganzen  Frieses  zu  Grunde  legt.    Denn   Demeter  die  nebst 
Kora  alsdann  anzunehmen  wäre,  kommt  schon  in  der  zwei- 
ten Gruppe  vor,  und  nicht  als  Demeter  Chloe. 

5.    Apollon   Patroos   und  Poseidon.    Auf  den 

Apollon  sind  auch  Sie  verfallen,  werther  Freund ,  in  der 

Abhandlung  über   die  zwölf  Götter    1842  S.    16,   wo   Sie 

aber  die  Artemis  ^  doch   wohl  nur  als  Zwillingsschwester, 

neben  Aphrodite  und  Eros,  die  Sie  von  Müller  beibehalten, 

aufführen.    Es  ist  aber  vielmehr  der  Apollon  Pat  roos  zu 

denken,   der   so   wenig  die  Letoide  Artemis,  von  welcher 

der  Pythische  Apollon   nicht  getrennt  seyn  würde,  angeht 

als  die  in  Athen  verehrte  Artemis  Brauronia,  die  in  keiner 

Verbindung  mit  irgend  einem  Apollon  steht.    Der  Patroos 

war   (zur  Vereinbarung  der  Culte  aus  politischen  Gründen) 

Sohn  der  Athena  Polias   und  aller  lonier  Patroos,  auch  in 

den   Kolonien.    Die  jugendliche    Gestalt   und    das    Gesicht 

sind  Apollinisch,    Visconti  nannte  hier  Poseidon  und  The^ 

seus,  Hüller  Poseidon  und  Erechtheus  „oder  Erichthonios;^ 

doch   könne  auch  die  Deutung  auf  Theseus  und   Hippoly- 

tos  vertheidigt  werden. 

6.    Heplifl«t.otiii4:AphjadiU  Urania.    Jener 
konnte  iiBlit  im  m9geiuf$en  werden, 


128    Die  zwölf  Götter  am  ösliichea  Fries  dm  PtorÜMOM. 

nach  welchem  sogar  eine  der  vier  Phylen  benannt  wwkt 
ist.  Aber  Phidias   hat  ihm  auch,  statt  der    Lahmbtttt,  (b 
man  in  zweien  dieser  Figuren  bat  bemerken  wollen,  eil 
neues  Kennzeichen  ausgesonnen,  den  Stock,   ohne  den  kt 
Athenische   Bürger   nicht   in    die  Pnyx   ^ing,  wie  wir  M 
Aristophanes  sehn,  ohne  den  er  wohl  im  Allgemeioen  Dieb 
auszugehn  pflegte.     Etwas    Bürgerliches   aber    steht  dea 
Gotte  des   Handwerks  wohl   an.    Die    Tempel    beider  ge- 
nannten Gölter  standen,  wie  aus  Pausanias  bekannt  ist  (1, 
5,  6),  über  dem  Keramikos  und  der  Königshalle,  nahe  bei 
einander,  und  diess  wohl  nicht  zufällig,  sondern  weil  na 
die  Homerische  Mythologie  im  Sinn  hatte.    Die  Hoiueriscke 
Aphrodite   ist  in   eine  Pandemos  und  eine  Urania,  wekki 
letztere  man  bald  mit  der   Assyrisch-Phönicischen  Stam»* 
göttin   identificirte,  bald   aber  auch   als  die  Hellenisch  sit* 
tige,  erlaubte  Liebe  sowohl  der  „Syrischen  Göttin^  als  dtf 
Pandemos  entgegenstellte,  aus  einander  gegangen.     Phidiis 
hat  die  Urania  gewählt  und  ohne  Zweifel  als  die    Ueileoi- 
sche  gedacht.     Wenn,  wie  Müller  behauptet,  an  der  weib- 
lichen Figur  y,eine  kleine  Schlange  sich  um  den  linken  Am 
und  unter   der  Hand   durchwindet,   die  man  bei  g'enaaerer 
Betrachtung   kaum    verkennen  könne,   die    auch  in    einen 
Gybsabguss   deutlich   bezeichnet  sey,  den  er  unter  Auges 
hatte,^   so  würde  diese   Schlange  als   Armschmuck   gerade 
für   die  Aphrodite  Urania   passend  seyn,  so  dass  wir  audi 
in  sofern  von  Asklepios  und  Hygiea  zurückkommen  mQssten. 
Auf  Müllers  Erklärung  hat  hier  und  da  nachtheiligei 
EinQuss  das  Princip  gehabt  das  er  für  die  Deutung  aufstellte, 
„dass  die  Heiligthümer  der  dargestellten  Gottheiten  an  oder 
auf  der  Akropolis   gelegen  hätten  und  daher  diese  Götter 
vor  allen  von  der  vorbeiziehenden  Panathenaischen  Pomps 
begrüsBt  worden  wären."    Lenurmant  setzte  dafür  die  Uaupt- 
gottheiten  von  Attika,  was  Müller  in  der  Anzeige  ablehnt 
aus  dem  einzigen  Grunde  dass  man  die  Anakes  nicht  werde 
zu  den  Hauptgottheiten  gezählt,  den  Apollon  Patroos  aber 


Die  zwölf  GOtler  am  östlichen  Fries  des  Farlhenon.     129 

I  8asg:esc1iIossen  haben.  Auf  der  Burg  hatten  Heiligthtimer 
\  Poseidon-Erechlheus,  Hephästos,  Artemis Brauronia  (die  am 
Fries  gerade  nicht  zu  finden  ist)»  ZeusPolieus,  Nike;  un- 
mittelbar an  der  Burg  Demeter  Chloe  und  Ge  Kurolrophos, 
Aphrodite  Fandemos  und  Peilho,  Themis,  Asklepios,  die 
Änakes,  Aglauros,  Fan.  Muller  ging  dabei  einzig  davon 
aus  dass  das  Anakeion  in  unmittelbarer  Nähe  der  Burg,  an 
der  Norctseite  derselben  lag;  diess  genügte  ihm  zu  der  An- 
nahme dass  auch  die  andern  zehn  Gullheiten  aus  localen 
Gründen  hier  angebracht  seien.  Dem  ZuTälligen,  was  we- 
nigstens in  der  Lage  der  Heiligthümer  ausser  der  Burg, 
ob  naher  oder  entfernter  bei  ihr,  liegt,  schenkte  wohlPhi- 
dias  niemals  viel  Rücksicht:  er  hielt  sich,  wo  in  Wenigem 
viel  darzustellen  war,  an  das  Wesentliche  und  Bedeutende. 
Als  avv&qovoi  der  Athena  denkt  sich  Letiormant  die  zwölf 
Gütter,  unter  welchen  sie  selbst  ja  für  ihn  wie  rar  Müller 
eich  nicht  befand.  Ist  es  aber  überhaupt  denkbar  dass  diese 
Götter  hier  als  GegenslänJe  der  Verehrung  oder  Begriis- 
sung  dargestellt  seyen?  Würden  sie  nicht  im  Verein  der 
Göttin,  welcher  diess  Fest  geweiht  war,  an  der  ihr  gebüh- 
renden Huldigung  Abirag  gethan  haben?  Sie  sind  es  aber 
auch  augenscheinlich  nicht:  denn  unverkennbar  sind  sie  als 
Zuschauer  dargestellt.  Wenn  aber  diess,  so  sind  sie  un- 
sichtbar für  die  in  Cäremonien  und  Aufzügen  begriffenen 
Menschen  ^).     Darum   sind    diese    gerade    zwischen   beiden 

3)  Lesaing  in  den  Anllc|u.  Ütieiea  1,22  F.  boiweifelt,  dass  lie- 
geoalände  in  Gumiildea  TorkoDimcn  köiinlen,  welche  sin  aicbt  aicht- 
b»rp  lu  tjeaken  se^ea.  Aber  die  alle  Kunst  hatte  ConTenienzen, 
die  iiberiien  reiiien  UegrifT  hinsuigeheii.  Dass  die  Gölter  unsicht- 
bar deo  Menschen  oft  nahe  seyea.  ül  la  KunatilarsLellungen  wie 
in  der  Poesie  hüußg  als  herrschender  (jlaube  angefuhru  Beispiele 
unsichtbar  zu  denkender  Götter  sind  la  eidigen  seit  der  obigen 
Toti  mir  geschriebenen  Erklärungen  nachgcwiL'sen.  Daion  sind  zu 
unterscheiden  die  Reihen  van  Göllein  an  den  gemalten  Vasen  über 
den  Handelnden,  indem  sie  ausser  dem  Gesichtskreis  der  Handeln' 
den,    obgleich    als    die    nber   und   in    ibneu    herrschenden    gedacht, 


130    Die  zwölf  Götter  am  östlichen  Fries  des  PartbeiM 

Abtheilungen  der  Götter  und  in  ihrer  nSchslen  iMhe  ii 
priesterlicher  Function  und  mit  Leitung  der  Cftranoiia 
ganz  so  beschäftigt  als  ob  die  Räume,  die  von  den  Göttm 
erfüllt  sind,  leer  wären.  Der  Hittelpunkt  des  grossen  «66- 
dichts^  des  Phidias  an  diesem  ganzen  Fries  liegt  in  im 
einfachen  Gedanken,  dass  die  Götter  gnädig  diess  Feit  ik- 
rer  Aufmerksamkeit  würdigen,  indem  der  alte  Glaube  dis 
sie  im  Kampf  sich  unsichtbar  unter  die  Sterblichen  mwchei, 
auch  auf  die  friedlichste  der  Handlungen,  auf  das  hen^ 
lichste  Fest  des  herrlichsten  Staats,  angewandt  wird.  DiS 
die  Anwesenden  an  die  Gegenwart  der  Götter  glauben,  dii 
sie  nicht  sehen,  und  darum  sich  so  benehmen  als  ob  km 
Gott  in  ihrer  Nähe  wäre,  wie  sich  Thiersch  gedacht  kit 
(Böttigers  Amalth.  I  S.  144),  will  ich  nicht  behaupten.  T« 
einem  so  stolzen  Bewusstsein  der  festfeiernden  Athener 
finde  ich  keine  Spur,  und  der  allgemeine  Satz,  dass  ge- 
wisse Götter  auf  alles  menschliche  Thun  ihr  Auge  gerich- 
tet haben,  begründet  noch  nicht  einen  so  conereten  Volkf* 
glauben,  wie  wir  ihn  bei  den  Italischen  Lokrem  findei^ 
die  in  der  Schlachtreihe  ihrem  Heros  Ajas  dem  Ollidei 
als  unsichtbarem  Führer  einen  Platz  offen  Hessen.     Pindtf 


in  einer  höheren  Region  leben.  Aebnlichkeit  aber  habea  dii 
Schatten  der  Todten,  itdojkä.  i.  B.  an  der  Ganosischea  Vaaie  dar 
Medea,  die  nur  im  Geiste  derMedea  sind,  für  Andre  nichl  sick^ 
bar.  Freilich  geben  sich  diese  dadurch  dass  sie  blasa  gehaltaa 
sind,  als  Erscheinungen  zu  erkennen.  Für  Gölter  würde  diese 
Abschwäcbung  der  Gestalt,  die  den  Schatten  ausdruckt,  wideraii- 
nig  seyn,  und  man  hat  sich  daher,  da  nach  dem  allgenieiaea 
Glauben  die  Götter  den  Sterblichen  nicht  sichtbar  sind,  da  doek 
für  gewisse  Darstellungen  ihre  Gegenwart  sehr  bedeataam  oder 
sehr  gefällig  ist,  aus  der  Noth  eine  Tugend  gemacht,  sie  hingeseiok* 
net  und  rorausgesetzt  dass  der  Zuschauer  zu  unterscheiden  witiei 
Ton  dem  ja  auch  gefodert  wird  dass  er  fiel  yeraussetze,  binaadeaka 
u.  s.  w.  Ein  paar  Vorstellungen  yon  Traumgesichtern  ans  dea 
Gebiete  der  Griechischen  und  Römischen  Numismatik  erwihlt 
T.  Stcinbüchel  in  den  Wiener  Jahrbüchern  2,  181.  ' 


^     Die  zwölf  Götter  am  östlichen  Fries  des  Parthenon.     131 

I  i  ruft  in  einem  Dithyramb  zu  Athen  die  Götter  an  zum  Chor 
to  zu  kommen:  JBvi  ig  j^qov  ^OXv^mtOi^S^eoi  x.  t.  L    Phi-- 
H  diäs   durfte,   von   der  Athena  in  den  Giebelgruppen  ihres 
K  Tempels  auf  Aegina  und  ähnlichen   Werken  den  Gedanken 
I     entlehnend,  aus  freier  Erfindung  eine  Göttergesellschaft  zu 
}   Zeugen  und  Besuchern  des  Festes  machen ,  wodurch  dessen 
f    Heiligkeit  und  Herrlichkeit  so  sehr   erhöht  wird.    Mit  die* 
I    sem  schönen  Gedanken  hat  er  zugleich  einen  andern  zum 
I    Erstaunen   sinnreichen  Einfall   verbunden,   der  sicher  ori- 
ginal und  nicht  von  Vorstellungen  im   Volk  hergeleitet  ist. 
I     Erechtheus   nemlich,   der,   von   der   Mutter  angeleitet,  so 
aufmerksam   zuschaut,   ist,    da  er  sonst  nur  entweder  als 
Neugeborner   oder   (an   der   grossen  Boreasvase  zu  Mün- 
chen)  als   Greis   vorkommt,    als   Knabe   gebildet,  um  der 
Schuljugend    Athens  in  ihrem   Stammvater,  da  die  Athener 
Erechthiden   sind,   ein   Muster    vorzuhalten   der  Aufmerk- 
samkeit und  Ehrfurcht  womit  sie  diese  heiligen  Cäremonien 
betrachten  und   die  Art  und  Bedeutung  des  Einzelnen  fas- 
sen lernen  soll.    Die  Schönheit   dieses   praktischen  Motivs 
Idsst  uns  den  naiven  Anachronismus  fast  ttbersehn,  wonach 
derselbe   Panathenäenzug   schon    in    der  Urzeit  begangen 
worden  wäre,  als  der  mystische  Sohn  der  Athena  undGäa 
noch  nicht  ins  männliche  Alter  getreten  war. 

Indem  Phidias  die  Gesammtheit  der  Götter  in  der  be- 
liebten Zwölfzahl  vertreten  Hess,  hält  er  sich  von  der 
strengen  Paarung  eines  Gotts  und  einer  Göttin ,  wie  in  der 
Theogonie  der  Titanen,  oder  irgend  einer  andern  Paarung 
der  Götter,  wie  sie  z;-  B.  an  den  sechs  Altären  in  Olym- 
pia iStatt  hatte,  frei  und  richtet  sich  ganz  nach  den  zur 
Zeit  in  Athen  bestehenden  Verhältnissen  der  Culte  unter 
einander:  auch  diess  wahrscheinlich  nicht  nach  irgend  eir- 
nem  staatlichen  oder  priesterlichen  Vorgang,  sondern  nach 
seiner  eigenen  Theologie.  Und  so  wird  auch  Euphranor 
in  der  Halle  des  Keramikos  vermuthlich  nicht  dieselben, 
sondern  die  nach  seinem  GtfiOhl  bedeutendsten  zwölf  Göt-^ 

9* 


132    Die  zwölf  Götter  am  östlichen  Fries  des  Pirthenoi. 

ter  unter  den  Athenischen  gemalt  haben.  PhMias  IW 
weg  Hermes^  Ares,  Dionysos,  Asklepios,  Artemis  Bnv 
ronia,  Nike,  Themis  und  andre,  auch  die  Matter  der  Göt- 
ter, deren  Bildsäule  er  gemacht  hat,  die  aber  eine  Gott> 
heit  neuerer  Stiftung  war,  eben  so  wie  Pan.  Er  stellt  tofb 
auf  der  rechten  Seite  des  Beschauers  mit  Erechtfaeni  ni 
Gäa  die  Athena  selbst,  ihr  eigenes  Festgepränge  sa  pif- 
fen  oder  dessen  sich  zu  erfreuen.  Auf  sie  folgen  Apolioi 
Palroos,  der  auch  ihr  Sohn  ist,  Poseidon  und  Hephistoi^ 
nächst  ihr  die  Athenischesten  der  Götter,  und  dem  letita 
dieser  Reihe  ist  eine  Göttin  zugegeben,  die  aus  allgemei- 
ner Mythologie  sich  mit  ihm  verbinden  liess  nnd  die  ii 
Athen  und  Attika  auch  seit  alter  Zeit  hochverehrt  wir: 
eine  schöne  kräftige  Gestalt,  sehr  abstechend  yon  eioff 
Pandemos.  Poseidon  hat  des  Wetikampfs  vergessen  in  des 
Athena  die  Ehre  Athens  Stadtgottheit  zu  seyn  ihm  abge- 
wonnen hat.  Nur  durch  den  Patroos  von  der  Polias  ge- 
trennt, erscheint  er  vollkommen  ausgesöhnt,  was  hier,  wo 
in  der  grossen  Gruppe  der  Hinterseite  sein  angenblickS- 
eher  Zorn  nach  der  Entscheidung  dargestellt  war^  sich  ga 
wohl  ausnimmt«  Nach  der  andern  Seite  hinten  die  maje- 
stätische Erscheinung  des  höchsten  Zeus,  des  Polieas  uni 
Soter,  mit  Hera  und  ihrer  Tochter ;  dann  Demeter  mit  ih* 
rem  segenreichen  Sendboten  und  die  Anakes. 

In  der  Behandlung  der  göttlichen  Personen  beweifl 
Phidias  auch  hier  seinen  freien  Geist  und  seine  Erfindsanh 
keit.  Hier,  wie  in  den  Kolossen  der  Giebelfelder^  ist  ab 
Princip  die  vollkommenste  Vermenschlichung  der  Gatter  ii 
ihrer  Erscheinung.  Daher  es  ein  übler  Gedanke  war  des 
Mangel  der  Attribute,  deren  nur  wenige  beibehalten  sind, 
daraus  herzuleiten  dass  sie  aus  Metall  gewesen  und  unter- 
gegangen seyen.  Hier  ferner  so  wie  dort  die  ruhige,  be- 
queme Haltung  der  leicht  lebenden  Götter,  wie  in  ihres 
alltäglichen  oder  im  geschäftfreien  Daseyn.  Insbesondiv 
scheinen    die    arbeitsamen   unter   diesen   Göttern  sich  hier 


Die  zwöir  Götler  am  östlictien  Fries  des  Parthenon.    133 

ii  auszuruhen.     Poseidon   lässt   den    durch  den  Dreizacli  an- 

■  gestrengten  rechten  Ann  herabsinken,  Hephästos  stützt  sich 
ri  auf  den  Stab,  übrigens  in  seiner  vollen  Würde;  der  Pflii- 

■  ger  Triptolemos  ruht  sich  aus  in  einer  Stellung  die  Hr. 
i  Hawkins  kaum  nülhig  hatte  durch  die  der  Englischen  Bau- 
k  ern  zu  erläutern.     Nur  Zeus  und  Hera   behaupten  in  ihrer 

■  Hahung  die  Vornehmheil  der  Herrscher.  Athena  hat  in 
I  dieser  Olympischen  Häuslichkeit  statt  des  Helms  wohl  ganz 
p  absichtlich  eine  Haube  auf,  wie  keine  der  andern  Gültin- 
(  nen.  Ob  und  welche  Bezüge  die  Ahlheilungen  der  Götter 
I  zu  den  BestandtheÜen  des  Zugs  auf  beiden  Längeseiten 
f   baben,  darf  ich  hier  nicht  verfolgen*). 

'.  Dieser  Auslegung  sey  nun  die  unseres  Freundes   nach 

I  derselben  Folge  der  Gruppen  gegenübergestellt. 

I.König  Eric/ithonias ,  verschieden  von  Erechtbeus, 
mit  Frau  und  Tochter,  Praxilhea  und  Kreusa. 

2.  Demeter  und  Triplolemos. 

3.  Tkeseus  und  Pirilkoos.  Die  Besorgniss  (p.  203), 
Phtdias  würde  sich  dem  Altischen  Sarkustnus  ausgesetzt 
haben,  halle  er  die  Dioskuren ,  welche  die  Muller  des  The- 
seus  gefangen  geführt  hallen,  aurgenommen,  ist  eitel.  Dis 
Sagen  laufen  in  den  Gülten  und  zumal  in  der  Poesie  so 
oh  durch  und  gegen  einander,  dass  man  durchaus  nicht 
berechtigt  ist  Folgerungen  aus  ihren  Verschiedenheiten  nach 
Belieben  zu  ziehen.  Als  Nationalheroen  unter  Nationalhe- 
roen würden  Theseus  und  Pirilhoos  hier  nur  durch  eine 
petiiio  principn  slehn.     Uebrigens  setzt  sieb  der  Verfasser 


4]  Jedeafalla  würde  ich  diese  Bezüge  aicbl  da  luchea  wo  sie 
in  der  Scbrifl  PaaalheDaica  auctore  Herrn.  Ales  Müller  IH37,  an 
welche  Dr.  OiGrlieck  mich  eriaaert,  gefuudcn  werden,  in  der  „Na- 
tur de«  Festes"  (p.  lOl)  und  den  VerhältniBseo  der  Gölter,  dass 
Albeoa  deo  Oioakureo  den  WalTeDtaDZ  lehne,  der  aucb  an  des 
Panatbeniea  Torkam  (p.  I35j,  dass  der  Galt  neben  der  Demeler 
Hermei  sei,  gleichism  all  iyayiivtof  der  Eampfsplele  dieses  Fe~ 
«te.  (p.  127).  -,.     ..,, 


134    Die  EWÖir  GöUer  am  ösUichen  Fries  des  Pttrlkeiiei. 

in  Widerispruch  mit  sich  selbst,  indem  er  gern  sngeslell 
dass  Phidias  in  jede  Bewegung,  in  die  geringsten  EibmI- 
heiten  Absichtlichkeit  oder  Ausdruck  gelegt  habe ,  and  dei- 
noch  es  hier  ganz  übergeht  dass  die  allgemein  tOr  Dio»- 
karen  gehaltnen  Figuren  abgekehrt  von  einander  ritMi, 
wozu  bei  Theseus  und  Pirithoos  kein  Grund  gegeben  wv. 
Man  darf  nicht  Grundsätze  die  man  aufstellte,  wie  tids 
beutige  Gewalthaber  die  von  ihnen  gegebenen  Gesetic^ 
nach  Willkür  bei  gegebener  Gelegenheit,  selbst  überschrei- 
ten und  missachten.  Diess  kann  nur  dazu  führen  sich  nl 
Andere  zu  falschen  Behauptungen  zu  überreden  oder  siek 
darin  zu  bestärken. 

i.  Atthis^  die  Tochter  des  Kranaos,  Pandra»a$  uü 
Erechtheus.  Dieser  ist  treffend  gleichsam  als  Hauptpenm 
und  als  Repräsentant  der  Attischen  Jugend  gefasst  (p.  180. 
181).  Nur  ist  keineswegs  ersichtlich  dass  der  Mythus  diefl 
mit  sich  bringe,  da  es  nur  eine  Erfindung  des  Phidias  für 
diese  Scene  ist,  einzig  im  Bezug  auf  die  Attische .  Jugen^ 
indem  die  Begriffe  über  y,Erziehung^  des  Erechtheus  dsrd 
die  beiden  Göttinnen  in  nichts  begründet  sind  als  in  des 
Vörurtheil  dass  das  Ganze  die  Königsgeschiohte  angehei 
Nach  einer  vermutblich  alten  Sage  hatte  Erich thonios  dil 
Panathenäen  gestiftet. 

5.  Amphiktyon  und  Kranaos,  wobei  wir  uns  insiMSoiH 
dre  verwahren  woUen  gegen  den  zur  Unterstützung  der 
historischen  Ansicht  allzu  rasch  aufgestellten  Lehrsatz,  ilr 
den  es  schwer .  seyn  möchte  auch  nur  einen  scheinbar«! 
Beweis  vorzubringen ,  dass  Parte  figuratita  suole  disimgmn 
ü  iempo  piü  recente  dal  piä  retnoto  (die  Zeitalter)-  per  b 
degradassione  d'etä  (in  menschlichen  Figuren)  p.  184. 

6.  Kekrops  und  sein  Weib  Agraulos,  Tochter  des  Akttdf. 
In  seiner  griechischen  Mythologie  (1850)   S.  441  spriflk 

Braun  von  ,,sechs  Heroenpaaren ,  in  denen  man  geffa^kapi? 
loserweise  die  oberen  Götter  wiederzuerkennen  .gs^llpM 
hat.    Die   Gruppe  des   Theseus  und  Pirithoos  zar-ii 


Die  zwiilf  Göller  am  öslliolien  Fries  des  Parthenon.     135 

Sien  Linken  des  Beschauers,  so  wie  die  sich  daran  rei- 
hende der  Demeter  und  des  Triptolemos  sind  aar  Jen  er- 
sten Blick  verständlich  und  die  übrigen  lassen  sich  nach 
Masggabe  der  Analogie  leicht  bestimmen. "  Die  Anabgio 
eines  historischen  Paars,  Aas  übrigens  durchaus  unslall- 
balt  ist,  und  zwei<-r  Götter  müsste  wenigstens  zu  einem 
andern  Krgebniss  ftiiiren  als  dass  hier  sechs  Hcruenpaarc 
gemeint  seyen.  Oder  nahmen  wir  fünf  Paare  un,  indem 
der  Verfasser  die  Demeter  samml  Triptolemos  „zu  Füssen 
Königs  Erichlhonios  mit  seiner  Praxilhea"  setzt  (wiederholt 
p.  199.  20<i],  also  eigentlich  ausslreicht  und  su  einem 
blossen  dienenden  Zubehör  jenes  erhabenen  Königspaars 
macht?  Aber  noch  andre  Gottheiten  sind  zu  beseitigen, 
Gäa  und  Atlicna,  Für  jene  wird  gesetzt  Atlhis,  alsMuller 
des  Erichlhonios,  die  nach  einer  Jener  genealogischen  Spie- 
lereien Tochter  des  Kranaos  heisst  und  Weib  seines  Nach- 
folgers Amphiklyon;  so  ist  es  freilich  nicht  schicklich  ihr 
als  untergeordnele  Erzieherin  des  Sohns  die  Athens  selbst 
beizugeben.  Pandrosos  ist  zwar  auch  Gültin,  aber  so  gut 
etwa  wie  Demeter  könnte  auch  sie  einer  Königin  unterge- 
ordnet werden,  und  diess  wird  hier  unler  bedenklichen 
Wendungen  durchgesetzt,  Doch  der  Mythus  von  der  Ge- 
burl des  Erechlheus  ist  zu  organisch,  zu  fest  begründet  im 
Cullus  und  durch  Vasengemälde  die  nicht  gar  viel  jünger 
alsPhidias  sind,  als  dass  man  in  Bezug  auf  ihn  die  Äthena 
und  Gäa  zum  Besten  irgend  einur  Hypothese  aus  einander 
reissen  und  beide  von  ihm  losmachen  konnte.  Wenn  Pan- 
drosos  mit  ihren  Schwertern  das  Kind  aufnährl,  so  ist  diess 
eine  Sache  für  sich,  und  eine  Sache  für  sich  ist  das  Be- 
lieben eines  schlechten  Pragmatikers  dem  £rechtheus  mit 
Verleugnung  der  religiösen  Sage  das  Attische  Land  zur 
Mutter  zu  geben.  Eine  Gemeinschaft  zwischen  dieser  Al- 
this  und  derPandrosos  besteht  schlechthin  nicht:  diese  hat 
Sinn  allein  im  Zusammenhang  der  ganzen  mystischen  Na 
turallegorie  vom  Erechtheus. 


J 


136    Die  zwölf  Gölter  am  östlichen  Fries  des  Parlbeui. 

Nach  Brauns  Meinung  stellte  Phidias  dar  die  Ckradk 
des  Landes  und  zum  besten  Commentar  für  ihn  dient  der 
Parische  Marmor  (p.  205),  nur  dass  Phidias  aus  gawiiiei 
Gründen,  wie  gezeigt  wird,  den  Pandion  und  den  Aegas 
übergangen  hat.  Sein  Poem  hat  zum  einsigen  Zweck  dw 
Landestheile  und  die  storia  aboriginea  des  Landes  lu  ei^ 
läutern,  den  Stammbaum  der  Könige  aufzustellen.  Wakr« 
scheinlich  hatte  er  die  von  den  Athenischen  nHierophai- 
ten^  sanctionirten  Chroniken  selbst  studirt  (p.  184)  und  doi 
verborgenen  Sinn  aller  dieser  heiligen  Traditionen  dardh 
schaut  (p.  191).  Wenn  Braun  an  die  Heiligkeit  der  Atti- 
schen Sagenkönige  für  die  Zeitgenossen  des  Phidias  ^aobt, 
so  hat  diess  seinen  Grund  in  blossen  und  meist  etymolo- 
gischen Vermuthungen,  wie  dass  Agraulos,  die  Tochter 
des  Akläos  und  Gattin  des  Kekrops,  die  rohe^  wilde  Zeit, 
das  ländliche  und  umherirrende  Leben  bedeute  —  formanio 
il  punto  (Pappoggio  ad  ogni  storico  e  miüco  raecanto  (p. 
187.  185}  —  und  ich  gehe  auf  das  ganze  künstliche  Grebftudt 
nicht  ein.  Je»ier  kann  sich  aus  dem  zerstreut  da  liegea- 
den,  unerfreulichen  Material  von,  immerhin  alten,  Perso- 
nificationen  wie  Aktäos,  Kranaos,  Agraulos ^  Atthis,  von 
widerstreitenden  Genealogieen ,  von  bedeutsamen  Namen 
die  in  ethischer  Dichtung  an  die  Sagenkönige  angescldot- 
sen  werden  u.  s.  w.  zusammensetzen  und  er  wird  es  nicht 
schwer  haben  die  alten  Pragmatiker  zu  übertreffen  derei 
widerwärtige  Behandlung  der  Götter-  und  der  Landessagaa 
unserm  Freund  in  einem  ganz  andern  Licht  erscheint.  Die 
Atthis,  Tochter  des  Kekrops,  die  er  so  kühn  an  die  Stelle 
der  Mutter  Gäa  setzt,  und  die  allerdings  schon  vor  Apol- 
lodor  (III,  14,  6)  solche  Verfälscher  der  alten  mystisohea 
Sage,  die  sie  für  verwerflich  erklären  wollten,  mit  dMi 
Hephästos  (den  sie  wenigstens  auch  mit  einer  zar  -Attbli 
besser  passenden  Person  hätten  vertauschen  sollen)  )deii 
Erichthonios  erzeugen  liess,  starb  nach  den  Einen  alsji 
frau   und  gab  dem  Land  ihren  Namen.    Zwölf  Jahre*-! 


Die  zwölf  Göller  am  Aslliclieii  Fries  des  Parthenon.     137 

Amphiklyon  geherrscht,  als  der  Sohn  der  AUhis  der  An- 
dern ihn  vom  Thron  gtiess.  Sollte  nicht  ein  einziger  Zug 
-dieser  Art  ungern  Freund,  wie  abgeneigt  auch  er  einer 
-Bagenkrittlc  seyn  möchte,  die  doch  heule,  so  weit  es  der 
Muhe  werth  ist  sie  anzuwenden,  zur  Klarheit  und  Sicher- 
heit gar  wohl  gebracht  werden  kann,  bedenklich  machen 
über  sein  VorurtheiJ  zu  Gunsten  der  meist  so  unwesentli- 
chen, spülen,  schlechten  Uelierlieferung  dieser  An?  Wie 
dem  auch  sey,  wirunsrerseils  werden  in  unserm  Recht  seyn 
wenn  wir  behaupten;  Personen,  denen  Cult  irgend  einer 
Art,  Denkmäler,  Gellung  in  der  Poesie,  fast  bis  zur  blos- 
sen Erwähnung  in  SchriMslellern  überhaupt,  vor  und  in  den 
Zeilen  des  Pbidias  abgeht,  die  wird  dieser  wahrscheinlich 
auch  nicht,  nichl  in  einer  Reihe  mit  den  ansehnlichsten 
Güllheiten,  wie  Demeter  und  Trtptolemos,  Athen»  und  Gäa 
dargcstelll  haben.  Welch  Gewicht  kann  es  haben  wenn 
Wirklich,  was  jedoch  nicht  einmal  der  Fall  ist,  im  Pausa- 
nias  alle  die  nach  der  neuen  Erklärung  unter  den  Zwölfen 
vereinigten  genealogischen  Personen  und  nur  diese  genannt 
sind  [p.  204  r.  und  ßullett.  p.  20]?  Auch  in  dem  Gemein- 
plelz  altatuischer  Ruhmesgeschichlen  bei  den  Rednern,  so 
wie  bei  Xenophon  [Mem.  III,  5,  10,  welcher  Ann,  p.  191 
sehr  missverstanden  ist)  und  Andern,  werden  jene  Schat- 
tenkönige eines  schwachen  historischen  Dillellantismus  nie- 
mals erwähnt.  Und  hätten  sie  früher  auch  im  Volk  eine 
grössere  Bedeutung  gehabt  als  zu  vermulhen  ist,  so  würde 
sie  die  demokratische  Zeit,  die  auf  den  Theseus  anachr»- 
tiistisch  gern  alles  Demokralische  und  Liberale  zurückführt, 
in  Vergessenheit  gebracht  und  als  Mährchen  bebandelt  ha- 
lten. Theseus  bildet  mit  ihnen  auch  dadurch  einen  Gegen- 
satz dass  er  eine  reicheSage  hat,  sie  gar  keine.  Mil  dem 
Patriarchalischen  lassen  sich  in  Athen  nur  die  vier  Phyten 
in  ihrer  ursprünglichen  Art  vergleichen:  und  damit  steht 
das  in  die  Urzeit  hinaufgerückte  Königlhum  eher  in  einem 
Widerspruch,    der   nur  noch  nicht  erörtert  und  näher  be- 


138    Die  swöir  Götter  am  östlichen  Fries  des  PMIkm 

stimmt  worden  ist  ^).  Auch  den  sehn  Phylen  find  lod 
eponyme  Heroen  gesetzt  worden:  aber  nie  sindHarooik- 
ren  jenen  Schattenkönigen  als  solchen  erwiesen  wtrift 
Erechtheas  und  Kekrops  unterscheiden  sich  von  all«  s- 
dern  Attischen  Königen  wesentlich  dadurch  dsss  A%  m 
Dflmonen  zu  Königen  geworden  sind  und  fortdansmdii 
Cultus  und  in  der  Kunst,  selbst  in  der  Mythograpbie  ifki 
der  umbildenden  Geschichtssage,  ihre  ursprüngliche  Bei» 
tnng  behaupten. 

Wenn  der  erste  Einwand  ist,   dass   die  Vermisdnil 
von  Göttern  und  von  historischen  Personen,  samal  ink 
geschlossenen  Ordnung  nach  der  ZwölCzahl  und  nach  Pi^ 
ren,  das  mythologische  Gefühl  beleidigt;  der  zweite,  du 
die  angenommenen  historischen  Personen  in  dieser  Yfln* 
nigung   durchaus   keine   Wahrscheinlichkeit    haben,  so  'd 
nicht   geringer  das  Bedenken  zu  achten  daas  das.  mPom^ 
des   Phidias,   wie    man   allerdings    eine  jede    ComposHis 
desselben  nennen  darf,  alle  Einheit  verlieren    wflrde  wes 
er  dem  Bilde  der  festlichen  Handlung,  der  lelieiidigsa  Gl* 
genwart,  Urkönige,  geschöpft  mit  tiefsinnigem  Slndiiim  tf 
alten  Chroniken,   einverleibt  hätte.    Der  Aagenbliek,  k 
Alle  hinreisst,  bewegt  und  beschäftigt  in  dem  einen  fe 
danken  ihrer  Athena,  ist  nicht  geeignet  ihnen  das  Ando- 
ken  von  Königen  ans  Herz  zu  legen,  die,  was  man  anck 
sonst  von  ihnen  halten  möge,  wenigstens  mit  der  Athen 
Niemand  je  in  besondre  Verbindung  gesetzt  hat.     Und  dies 
Aboriginer^  abgebildete  ideelle  Personen,  mitten  nnter  de- 
nen, welche  wir  ringsumher  in  Thätigkeit  als  wirkliche  A 
schauen  haben,  nicht  einmal  als  ein  Monument  abgeioi- 
dert,  um  die  Festfeiernden  auch  an  die  Urzeiten  sa  erit- 
nern ,  sondern  in  zwei  Abtheilungen  geschieden  darcli  ein 
Mittelgruppe  von  Priestern,  damit  beide  nach  beiden  8«* 
ten  in  die  Schau  sich  theilen  können.    Als  Zuschen^i  kQair 

i       :iiK.' 

5)  fiöckfa  Festrede  1854  S.  6.  .  i\t 


I 


Dio  zwölf  Götter  am  östliclioii  Fries  des  Parthenon.     130 

ten    doch    die  Attischen  Könige   nicht  überhaupt  abgebildet 

worden   sein,    und    hier   sind   unläugbar   beide   Halbreihen 

mit  Betrachtung   des   Zugs  beschäftigt:  demnach  sollen  wir 

sie   wohl    denken   als   aus   ihren  Gräbern  hervorgegangen. 

Aber   Epiphanien    der  Heroen,  anders  als  gespensterhafte^ 

I    und    etwa   romanhafte   bei  Philostratus  sind  nicht  bekannt; 

I     aiipb  nicht$' IfviashinsiCbtUhh  der^Heroen  an  die  Th^oxemon^ 

I     welche   hier    und    da    Göttern   g^efeiert   wurden,    erinnern 

könnte.     Die   Seltsamkeit   der   ganzen    Vorstellung,  zo  der 

!     unser  Freund   auf  der   falschen  Fährte  des  vermeintlichen 

Theseus  und  Pirithoos  gelangte,  ist  zu  gross  als  dass  man 

sie  von  allen  Seiten  zu  beleuchten  nötbig  hätte.    Dass  ohne 

Theseus  seinem  Ganzen  der  Schluss   fehlen  würde    gesteht 

er  ein  (p.  203] ;  dass  aber  Theseus  wirklich  vorgesteUt  sey, 

wird  er  hoffentlich  nicht  immer  zu  behaupten  fortfahren. 

,  In    einer   Postilla.  (p.    325—327)    gesteht    Braun    die 

\    Sphinxe  am  Thron  des  Zeus  ^  die  er  übrigens  ohne  weite- 

I    res  für,  ein  decoratives  Accessorium   erklärt,  ausdrücklich 

zu,  indem  ihni  nun   erst  der  achte  Band  des  Brittischen 

i    Museums   unter  Aug^n  gekommen  war.    Dass  dieser  auch 

I     in  der  dritten  Ausgabe  von  Müllers  Archäologie  übergangen 

sey,  ist  ein  Irrthum:  er  ist  darin  gleich  S.  22  erwähnt. 


( 


'.  1 


Die   z^ölf  Götter  im  Torderen  Friese  da 

Parthenon  ^). 


Auf  die  Bemerkung  über  diese  Figuren  in  No.  44  der 
Archäologischen  Zeitung  (1852)  zurückzukommen  bin  iek 
veranlasst  durch  die  Einwendungen^  welche  gegen  mehren 
derselben  E.  Braun  gemacht  hat,  indem  er  seine  eigne 
Erklärung  der  Darstellung  von  lieuem  zu  erhärten  sockt 
in  der  Strenna  giubilare  offerta  at  fautori  delt  Insi.  tU  eoh 
rupondema  archeologica  nelt  occorrenza  del  nattUe  di  Roma 
1854,  anniversario  XXV  deüa  fondazione  delF  Instituto^ 
p.  ?6 — 29^).  Bei  sehr  vielen  der  alten  Bildwerke,  worfl- 
ber  die  Ausleger  nicht  einig  sind,  bleibt  kaum  eine  grös- 
sere Spannung  zurück  als  bei  einem  Rflthsel,  einer  Cha- 
rade,  die  noch  nicht  errathen  sind;  man  sieht,  dass  sie 
gleich  diesen,  sobald  sie  errathen  sind,  an  sich  nichts  be- 
deuten und  völlig  allein  stehen,  ohne  nach  irgend  einer 
Seite  hin  Aufschluss  zu  geben  oder  in  den  Zusammenhang 
Wünschenswerther  Kenntnisse  des  Mythischen,  der  Gebrfta- 
che,  des  Styls,  der  Methoden  des  Ausdrucks  oder  der  An- 
deutung einzugreifen.  Das  gerad  Entgegengesetzte  wird 
von  Darstellungen  des  Phidlas  und  seiner  grossen  Zeitge- 
nossen  angenommen  werden  müssen.    Auch  unter  diesen 


1)  Gerhards  Archfiol.  Zeitung  1854  No?.  S.  276—288. 

2)  Jetzt  unter  gleicher  Seitenzahl  auch  in  das  nenertchieaeM 
Folioheft  'Monumcnti  Annali  e  BuUettino  per  1854'  aargeaoi 


Die   zwöir  Götter  am  vorderen  Fries  des   Parthenon     141 

könnten  manche  sein,  die  nicht  so  klar  und  bestimmt  zu 
fassen  wären,  dass  man  nicht  in  mancher  Hinsicht  noch 
Weileren  Aufschluss,  Bestätigung  oder  BBrichligung  durch 
reu  zur  Vergleichung  gebrachte  Denkmäler  oder  neu  ent- 
deckte Angaben  der  Schrittsteller  wünschen  und  die  Ent- 
scheidung sich  vorbehalten  müsste.  Die  künftigen  Tage 
mögen  als  die  weiseren  Zeugen  gelten,  wo  nach  dem  be- 
kannten Geiste  des  Meisters  in  der  Darstellung  eine  voll- 
kommne  Verständlichkeit  und  Berricdigung,  ansprechender 
Sinn,  Uebereinstimmung  und  Zweckmässigkeit  in  allem  Ein- 
zelnen gefordert  werden  muss  und  noch  nicht  erreicht  ist. 
So  lang  aber  die  vorhandenen  Merkmale  noch  nicht  alle 
voUstSngig  tTörlert  sind,  ist  es  noch  nicht  Zeit  die  Zukunft 
auf  die  Entscheidung  anzuweisen  und  ein  zu  grosser  Schatz 
ist  für  uns  ein  aus  iwölf  Personen  gebildeter  Verein  an 
der  Stirnseite  des  Parthenon,  nicht  der  Schlüssel,  aber  doch 
der  Schlussslein  einer  der  bedeutendsten  noch  bekannten 
Composiiion  des  Allerlhuins,  um  nicht  ehe  wir  die  Sache 
aufgeben  unter  uns  der  Verständigung  noch  ferner  nach- 
zustreben. Die  neue,  einer  längeren  Rede  über  den  Fries 
des  Parthenon  anhängte  Abhandlung  ist  so  überlegt  und 
mit  dem  Ausdruck  so  fester  Ueberzeugung  abgefasst,  dass 
sie  einige  neue  Erläuterungen  wie  von  selbst  hervorruft 
oder  nothwendig  macht. 

Meine  erste  Einwendung  gegen  die  Annahme  von 
„Heroen"  war  hergenommen  von  der  Vermischung  von 
Göttern  und  historischen  Personen,  zumal  in  der  geschlos- 
senen Ordnung  nach  der  Zwülfzahl  und  im  Wesentlichen 
nach  Paaren,  wie  auch  sonst  die  zwölf  Glitter  paarweise 
erscheinen.  Denn  Demeter  mit  der  Fackel  und  Triptolemos 
waren  zugegeben  und  sie  sind  zu  unverkennbar  ais  dass 
sie  auch  jetzt  aufgegeben  würden,  aber  Demeter  soll  nicht 
auffallend  sein  neben  Erechlheus,  Praxitbea  und  Kreusa, 
da  sie  durch  ihre  Natur  geeignet  sei  an  dieser  Gesellschaft 
Theil   zu    nehmen.     Doch   Demeter   geht  hier  nicht    näher 


144    Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  des'  PUIImb«, 


nommen  wurden  und,  nachdem  sie  in  die  Eleuimen  arf- 
genommen  waren,  als  Anakes,   omv^QBg  und   WoUtidkr| 
verehrt  worden;  und  in  Inschriften  finden  "wir  beide lb-| 
men  verbunden,  wonach  ihre   Herkunft  Ton    Sparta  aidtj 
zu   bezweifeln    ist.     In   Inschriflen  finden   wir  nameatikk 
„die  zween   iftat^Qsg,   Anakes   und  Dioskuren^    oder  ,ie| 
grossen   Götter,  Dioskuren,    Kabiren.^     Die    VeraiiseiiDi| 
der  samothrakischen    zween   Kabiren    mit   den   Dioskora 
war  schon  erfolgt,  als  der  Cult  in  Athen  eingefOlirt  wurde; 
daher  die  hohen  Namen  dvaxsg,  ffa^Qeg,  und  der  letztoc 
scheint  von  der  Rettung  der  Seefahrer  auf  das  ganze  Le- 
ben vermittelst  der  Mysterien,  in  deren  Gemeinschaft  aad 
sie  gehörten,   ausgedehnt  worden  zu  seyn.     Welche  Vor- 
stellungen sonst  auch  mit  der  Zeit  im  glaubensseligen  Athci 
an  sie  geknüpft  worden  seyn  möchten,  so  blieb  der  Gmni- 
charakter  und   nur  mit    diesem  hängen  die  uns  bekamüei 
Abbildungen  zusammen.     So  waren  sie  in  dem  alten  Ani- 
keion  selbst,  wovon  Pausanias  spricht  (I,  18,.  1),.  abReiler{ 
neben  ihren  Rossen,  ihre  Söhne  auf  diesen,  wie  in  Argoi^ 
wo  sie  auch  äraxug  hiessen ,  und  die  Gemälde   von  Poly- 
gnot  und  Mikon  in  demselben  Tempel  enthielten  den  Riik{ 
der  Leukippiden  und  die  Dioskuren  als  Argonauten.     Waroi' 
sollte  nicht  auch  Phidias  den  Grundzug  ihres  Wesens  aus- 
gedrückt haben?  Sie  sind  wirklich  inseparabilmente  etm/t 
uniif  ma  non  irretrotabilmente  divisi;  das   ist   eben  ihre 
Einheit  in  der  Zweiheit  und  Trennung.    Dass    ^in   Athei 
der  Cult  der  Anakes  eine   wesentlich  verschiedene  Bedea- 
tung  von  dem   der   Söhne  der  Leda  gehabt  habey<<   lisit 
sich  um  so  weniger  behaupten,  als   diese  selbst  unter  gar 
verschiedenen  Beziehungen  sowohl  in  Sparta  als  anderwiili 
verehrt  worden  sind.    Die  Dioskuren  gefielen  einer  neue- 
ren Zeit  unter  den  grossen   Göttern  gar  sehr,  wir  findel 
sie  auch  in  einem  Reliefbild  aus  Vulci  unter  ZwölfgÖ^ttm 
dargestellt,   und  zwar  mit  Lanzen   versehn  und  voy  ij^ 
Pferden  begleitet,  Gerhard  über  die  zwölf  Gölter  Taf..JD 


Die  iwOir  Gölter  am  voideren  Fries  des  Parthenon.     145 

Hinsichtlieh  des  Gedankens,  dass  die  atliachen  ZwOlf- 
gOtter  unsiclitbar  das  Fest  der  Fanathenäen  ihrer  Gegen- 
wart würdigen,  ist  zu  erinnern,  dass  die  Eleer  glautXen 
ZD  ihrem  Feste  der  Thyia  komme  der  Gott  (Paus.  6,  26,  I). 
Bei  den  Cliören  der  Artemis  wurde  sie  selbst  gegenwärtig 
gedacht  (Aristoph.  Lys.  extr.).  Auch  in  den  Vasengemäl- 
den müssen  sehr  oft  die  Götter,  namentlich  die  begleiten- 
den, als  unsichtbar  den  Beschützten  selbst  gedacht  werden- 
Athene  wandelt  bei  Alkäos  intiata  vapiS  n^ona^iw- 
^ar  in  Koronea.  Oft  geht  Poseidon  zum  Dorischen  Is- 
thmos  (Find.  N.  5,  57).  Zur  näheren  Vergleichung  bieten 
sich  dar  in  dem  Kampf  zwischen  Theseus  und  den  Pallan- 
tiden,  nach  0.  Müllers  selir  glücklicher  Erklärung  (Alte 
Denkm.  1,  Taf.  21),  als  Zuschauer  Pallas,  Hera,  „welche 
durch  den  Schleier  charakterisirt  ist"  und  Zeus  auf  der 
einen,  Poseidon,  Demeter  und  Uephästos  auf  der  anderen 
Seite,  alle  auf  Steinen  sitzend. 

Wir  haben  demnach  vier  Götter,  Demeter  und  Tri- 
plolemos  und  die  zween  Anakes.  Dne  nvmi  werden  die  bei- 
den ersten  genannt,  so  dass  auch  Triptolemos  hier  nicht 
als  König  oder  Heros  verstflnilen  ist,  obwohl  vorher  De- 
meter, die  mit  den  Menschen  als  wie  mit  ihres  Gleichen 
lU  verkehren  pflege,  die  einzige  Ausnahme  genannt  wurde. 
Von  diesen  vier  Personen  ausgehend ,  müssen  wir  noth- 
wendig  zunächst  die  Vermuthung  aufstellen,  dass  auch  die 
llbrigen  acht  Figuren  Götter  seyen ;  da  auch  sie  alle  rubn, 
paarweise  geseilt  sind,  von  einer  Handlung  unter  diesen 
acht  Figuren  sich  nichts  verrltth,  und  da  soit  der  Zeil  des 
Pisistratus  eine  Zwblfzahl  von  Göttern  in  der  bunten  Man- 
nigfaltigkeit attischer  Culte  ein  Punkt  von  einer  gewissen 
Wichtigkeit  gewesen  zu  seyn  scheint.  Die  Zwoifgötterballe 
am  .Marktplatz  ist  ein  Zeichen  davon.  Götter  sind  denn 
euch  von  jeher  erkannt  worden  und  die  Merkmale,  woran 
einer  nach  dem  andern  erkannt  worden  ist,  müssen  zu- 
erst Eämmtlich  als  irrig  oder  als  unwahrscheinlich,  auch 
V.  10 


146    Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  des  PaMheM 

die  Anwesenheit  einiger  oder  eines  einzigen  dieser  idl 
Gölter  hier,  neben  den  andern  vier  als  unpassend  em 
sen  seyn,  ehe  von  etwas  Ander m  billigerweise  nnr  k 
Rede  sein  könnte. 

Was   wir  ausser  dem   über  die  Anakes  jetst  b 

finden,   beschränkt   sich   auf  zwei   der  vier    Gruppen, 

neben  diesen  und  Demeter  mit  Triptolemos  vorliegen«  A 

mit  der  Haube  soll  dem   Geschmack  des  Phidias^  der  i 

Charakter  zur  vollkommensten  idealen  Entwicklung  geh 

habe,   entschieden    widersprechen.     Aber    der    Helm 

dem  Charakter  dieser  Scene  widersprochen ,   da    er  an 

Amt  der  Göttin   erinnert  hätte,  wo  sie  massige  Zascb 

rin    ist,    an    Krieg,   wo   das   Fest  Alle  zur  Freude  s 

Die  meisten   Götter  nehmen   nach  den  verschiedenen 

ationen  einen  sehr  verschiedenen   Charakter   an  und  es 

sehr   natürlich,    dass  an  einigen  Trinkschalen    die  0 

sehe   Gesellschaft   am    Mahl   wie  ganz   unter  sich  und 

im  Hauskleid   dargestellt  ist.     Auch  hat  Phidias  selbst  s 

in  den  Kolossen    der  Giebelfelder  gezeigt,   wie  Götter 

natürlich  und  behaglich  gehen  lassen.    Nur  eine  Haube 

Athena   auch  in    einem    oder   dem   andern   VasengemiUel 

Es  ist  eine    richtige  Bemerkung,   dass  über   die  Gramntt 

und   die   Metrik  hinaus   nicht  immer  Uebcreinstimmunff  'i 

der   Auffassung    durch    Gründe   sich   schaffen    lässt.     Abs! 

was  der   Annahme   den  Knaben   Erechtheus  mit  PandroM^ 

und   Atthis,   der  Tochter   des  Kranaos,  zu  verbinden  eA' 

gegensteht,   fällt,   wenn  wir  von  dieser  Vergleichung  loi- 

gehn,  in   das   Gebiet  der  grammatischen  Auslegung.    Dil 

zwei   Göttinnen,   denen    gemeinsam   dieses   Kind   angeMi^ 

sind    Athena  und    Ge,   wir  wissen   nichts  anders     und  H 

das  Gegebne  müssen  wir  uns  halten  oder  an  das ,  was  i 

daraus   als   natürlich   und    nothwendig   folgend    etwa  Did 

irgend   einer  Analogie   sich  voraussetzen  lässt.     Durch  A 

Königstochter  Atthis  die  Ge  zu  ersetzen,  sind  wir  theib« 

sich  nicht  berechtigt,  theils  darum  nicht  weil  sie  und  Fat- 


Di»  nHU  Goiter  im  vorderen  Fries  des  Putheww.     147 

4ramn»,  £e  statt  der  Athena  angeooHmen  wird,  nickt  m- 
j^HBca  gekoren.  Hingegen  sprecken  xwei  weiblicke  Fi- 
gwoB  hti  dem  kleinen  Erecklkens  sick  so  deutlick  ans, 
1mm  Atkeni  aller  Attribute,  die  Phidits  ohnehin  so  viel 
rii  MSglich  beseitigt ,  entralheo  kann  nnd  auch  in  der  Haube 


Anders  verhSIt  es  sich  mit  dem  Widerspruch  gegen 
■Mam  Zeni  mit  &era  und  ihrer  Tochter  Hebe  statt  des 
IBaigs  Eriehlhonios  und  seiner  Gattin  Praxilhea  mit  der 
Tsdter  Ereosa.  Darin  seigt  sich  strategisches  Talent; 
4gmn  et  hSngl  ja  von  diesem  Posten  ab,  dass  Demeter 
■nd  Triplolcmos  sich  unter  Sterblichen  hallen  kännen,  ja 
TSnBBihlich  die  ganze  Frage,  ob  Heroen  oder  Götter, 
klagt  davon  noch  mehr  als  von  Theseus  und  Peirithoos  ab. 
Aatk  itie  Heftigkeit  der  Sprache  scheint  von  dieser  Einsieht 
n  xeogen :  di  Giove  e  Gitmone  non  posso  io  scoprire  trac- 
wlm  wenma,  per  quanlo  tnt  Ha  sfonuxto  di  conciliarmi  con 
faeata  idea;  ognuno  che  si  i  reso  famigliare  col  iinguag- 
fi»  nwUtolico  delV  arte  (Mtica,  sarä  dispoUo  a  prendert 
fflifp  vecchio  di  grate  aspelto  per  un  eroe  e  non  per  und 
■i^  dei  »uperiori ;  se  vi  fosse  necettüä  assoluta  di  ricono~ 
Jnrw  in  Im  uro  de'  dei  maggiori,  tarei  piit  pretto  dispotto 
M  peiuare  a  Nettuno,  amichä  a  Giove,  con  cut  ü»  tutlo 
m  per  tulto  nuUa  ha  che  fare.  Allerdings  genügen  nicht 
An  Sphinxe  unter  den  Armlehnen  des  Throns,  um  de» 
Zma  zn  bezeichnen,  wiewohl  sie  auch  am  Olympischen 
ItroB  gebraucht  waren  und  sonst  bei  Zeus  nachweisbar 
ihd  and,  wie  wir  gelegentlich  bemerken  wollen,  die  Uner- 
imcklicbkeit  des  Höchsten  recht  wohl  anzeigen;  auch  nicht 
4m  fcier{da  er  in  der  Kupfertafel  fehlt)  anerkannte  Scepler. 
Ak«  wohl  wird  in  Verbindung  mit  den  Sphinxen  und  dem 
fcepter  „der  hUchsl  mUchtigu  Körperbau",  der  ja  auch  für 
riMn  Poseidon  mllclitig  genug  wUre,  dann  die  der  Hera 
wrzogsweise  gemaiiNii  üobordung  der  vor  dem  Zeus  Bte- 
taoden  Figur  und  die  Tocliti'r  In  dt-ron  Gefolge,  nach  dem 
10  • 


148    Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  des  PartheBN. 


Tempelbrauch   der  Zeit,  die  majestfttische   Haltang  die 
Paars  vor  allen   andern   und  das  Thronen  des  eitten 
keinem  Unbetheiligten,  welcher  Götterbildungren  onter 
ander  zu   vergleichen   geübt  ist,  einen  Zweifel  flber 
Götter    hier    übrig   lassen.    Erichthonios    übrigens  kt 
nicht  in  derselben  Vorstellung  mit  Erechtheus  zugleick 
kommen;  die  beiden  Formen  derselben   mythischen  Pc 
stehn  nicht   in   einem   irgendwie   festgesetzten    Verh 
zu   einander.     Auch   ist  es   nicht   Erichthonios,    der 
der   Praxithea  und  Vater   der   Kreusa,    von    welchem 
Erechthiden   stammen.    Die  Worte  aber:  Eretteo  can 
sitea    e   Creusüj    mediante    cui   in  seguito    si  rmoveUi 
stirpe  autochtona,   sind  aus  den  Alten  nicht  zu  bei 
Wie  verhält  sich   dieser  Erechtheus  zu  dem  Knaben, 
chen  Athena   und   Gäa   auf  den   Festzug    hinweisen? 
er  derselbe  oder  wirklich  ein  Erechtheus  II  sein? 

Wir  haben   von  jeder  Figur  Rechenschaft  zj\  g( 
an  jeder   etwas    Charakteristisches  nachzuweisen    gesi 
woran   sie   erkannt  werden  konnte.    Nach  der  andern 
klärung  hat  keine  Figur  etwas  Charakteristisches  an 
da  es  denn  für  die  meisten  auch  an  Bildern  aus  dem 
thum   fehlte.    Theseus   und   Peirithoos   kommen    vor 
gar  anders   als  in  der  für  sie  ausgegebenen  Gruppe; 
dafür  dass  Erichthonios-Erechtheus  gerade  allein  als  Hi 
scher,   wie    die  Figur   offenbar   erscheint,   dargestellt, 
genüber  allen  andern  dargestellt  seyu  sollte,  ist  doch  ii 
kein  Grund  aufzufinden.    Vielmehr  ist  umgekehrt  der  Vc 
such  gemacht  worden,   mit   Verzicht  auf  Kennzeichen 
aller  einzelnen  Figuren,  also  auf  allen  Beweis  im  Eh 
nen,  eine  gleiche  Zahl  attischer  Sagenpersonen  als  Fi| 
zusammenzusuchen,    nach    antiquarischen    Gesichtspai 
unter    denen   sie   unter  einander  in   eine  gewisse 
treten  könnten,   eine  völlig  neue  Gesellschaft,  wovon. 
her    noch    nichts    nur   halb    Aehnliches   da  gewesen;; 
Der  scharfsinnige   Erfinder    dieses  Vereins  ist  j^ji 


MKmJ3USiimmm»mmmmi^m^*miimmm$mt 


Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  des  Parthenon.     149 

„auf  jede    der    vorgeschlagenen    Namensbestimmungen   zu 
verzichten,  wenn  nur   das  Princip   zugegeben  werde,  nach 
weichem  Heroen    und    nicht    olympische   Götter  sich    hier 
vorgestellt   finden   in  analogischer  Weise  wie  auf  der  Eo- 
drosschale."  Diess  steht  indessen  in  Widerspruch  mit  dem, 
was    gleich    darauf  festgehalten   wird  und    vorher  vorkam^ 
dass  Erechtheus,   der  daneben   auch  hier  wieder  Erichtho- 
nios  genannt  wird,   als   Sohn  des  Poseidon,   den  Figuren 
auf.  der   einen   Seite  vorstehe,  in   welchen  die  physischen 
Elemente   des   attischen  Mythus    hervortreten   und  der  po- 
seidonische   Charakter   ofiTenbar   durchgängig   herrsche,  im 
Gegensatze  der  andern  Seite,  der  Grundelemente  der  gros- 
sen   Dynastie   die   in  Theseus,   dem   Schützling  der  Pallas 
ihre  Spitze  habe,  so  dass  durch  den  Contrapost  des  posei- 
donischen •  und  des  palladischen  Elements   dieser   doppelte 
Chor  in  Uebereinstimmung  stehe  mit  den  Gruppen  der  Gie- 
belfelder, die  das  eine  die  Pallas,  das  andre  den  Poseidon 
zum    Gegenstand    haben.     Wer   ähnliche,    zwar    raffinirte 
aber   specifische    Definitionen   nicht  respectire,    der  könne 
nicht  belehrt,  viel  weniger  aber  genöthigt  werden  sie  an- 
zuerkennen.    Der  poseidonische  Charakter  der  einen,  und 
der  palladische   der    andern    Seite   könnte   aber  doch  nur 
darin  bestehn,  dass  er  in  jeder  einzelnen  Figur  läge,  dass 
also  einer  jeden  auf  das   Bestimmteste  ihr  Name  und  ihre 
Bedeutung  nachgewiesen  und  gesichert  wäre^  so  dass  sie 
in  Wahrheit  gleichsam    sprechend  (iquasi  parlanii)  genannt 
werden  könnten.     Ueberdem  stammt  auch  Theseus  von  Po- 
seidon   ab,    so    dass   er    nicht    als    palladischer  Heros  die 
Schaar  palladischer  Heroen,  wenn  es  deren  gäbe,  anfüh- 
ren  könnte.     Von    einer    andern    Seite   her  tritt   mit  dem 
zwiefachen   Charakter    der   beiden    Halbchöre  von   Heroen 
der   früher   (p.    18)   ausgesprochene   Satz,  dass   diese,  auf 
edlen  Bänken  sitzend,    in  Erwartung    des  von  beiden  Sei- 
ten dem  Tempel   der  Göttin  sich    nahenden    grossen  Zugs, 
gleichsam  deren  Stelle    vertreten,  in  Widerspruch.     Denn 


150    Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  des  PartheM. 


die  poseidonischen  Heroen,  da  ihr  Gott  von  der  AÜmi 
besiegt  war  und  an  diesem  Fest  keinen  Theil  hatte,  wm 
nicht  berufen  sie  zu  vertreten  und  die  Heroen  solltea  iki 
alle  zusammen  eher  palladisch  seyn ;  denn  wenn  die  Gmi 
der  Künste  den  Zügel  erfunden  hat,  wenn  sie  in  reügiM 
Mystik  selbst  Hippia  heisst,  so  gehört  diess  wo  anders  ta| 
als  an  den  Pallastempel.  Ueberdem  geht  auch  nicht 
eine  Gruppe  der  Giebelfelder  den  Poseidon  ^  sondern 
die  Pallas,  ihre  Geburt  und  ihren  Sieg,  oder  ihren 
als  erste  Göttin  Athens  an.  Durch  die  Verzichtung  aufil 
Namensbestimmung  im  Einzelnen  hat  der  Erfinder 
lehrbarer,  d.  i.  nicht  auf  objective  Beweis-  oder  Wik-{ 
scheinlichkeitsgründe  zurückführbarer  specifischer  D« 
tionen  ihnen  Achtung  und  Rücksicht  selbst  versagt 
sich  in  Widerspruch  mit  sich  selbst  gesetzt,  und  so 
es  immer  sehr  leicht  geschehen  wenn  wir  bei  W< 
ächter  Poesie  und  Kunst  Phantasie  und  Combination  mdl 
anwenden;  aus  dem  Gegebenen  heraus,  nach  erkennbiml 
Zeichen,  nach  natürlich  und  leicht  zu  verknüpfenden  «il 
zu  ergänzenden  Zügen  und  zuletzt  von  allen  Seiten 
Ganzen  sich  wie  von  selbst  verbindenden  Einzelheiten  Mi-| 
dern  über  die  Werke  hinaus,  aus  eigner  BrfindsamU,! 
nach  vorausgesetzten  Beziehungen  und  mythologischen  Doi*| 
men  entwickeln  und  erklären,  als  ob  es  gälte  VariatioMi 
über  ein  Thema  zu  setzen.  Diess  kann  immerhin  eto 
Geistesübung  des  Einzelnen  seyn  und  seine  Gaben  in  kd- 
lem  Lichte  zeigen,  aber  die  Auslegungskunst ^  von  wel- 
cher viel  auch  in  der  Kunstgeschichte  abhängt^  gewiorf 
dadurch  nicht,  sie  strebt  wesentlich  nach  Verstfindniss  uff- 
ter  vielen,  zuletzt  allen  wirklichen  Kennern,  Ober  viehl 
zuletzt  über  alle  Gegenstände,  worauf  es  ankommt  wen 
man  das  Wesentliche  und  Bedeutende  im  Auge  hält. 

Doch  die  Concession  mit  Bezug  auf  die  Kodrossdiab 
hat  noch  eine  andre  und  wichtigere  Bedeutung.  Wir  fltan* 
ben  in  dieser  Schale  den   falschen   Ausgangspunkt  «q  eM^I 


Die  xwOlf  Götter  am  vorderen  Fries  des  Parthenon.     151 

decken,  von  dem  aus  die  neue  Erklfirung Richtung  genom- 
men bat,  und  diesen  Ausgangspunkt  zu  gewahren,  als 
Aafsohluss  gebend,  muss  demjenigen  immer  angenehm 
seyn  der  bei  der  Verlbeidigung  einer  andern  Ansicht  von 
anmasslich  meisterndem  oder  persönlich  polumischem  Sinn 
oad  Ton  so  weit  entfernt  ist  als  wir  in  der  Abhandlung 
waren,  wie  aus  ihr  selbst  ja  jeder  Unbefangne  sich  wohl 
leicht  überzeugen  wird.  Sind  doch  so  viele  unverächlliche 
Untersuchungen  ähnlicher  Art,  bei  aller  Anstrengung  des 
Flelsses  und  Scharfsinns  nur  darum  verunglückt,  weil  der 
AiugangspuRct ,  bei  verfehlter  Hauptansicht,  falsch  genom- 
men war.  Die  Kodrosschale  ist  bekanntlich  von  Braun 
selbst  in  einer  der  vollkommensten  Abbildungen  in  Korn 
1813  im  grössten  Format  und  in  demselben  Jahr  in  Gotha 
herausgegeben  worden  und  stellt  vor,  zu  dem  Kodros  auf 
dem  Boden,  aoT  der  einen  Seile  des  Randes  den  Lykos^ 
Ajas,  Btenestheus  undMelite,  auf  der  andern  Aegeus,  Tlie- 
sens,  Phorbas  und  Aethra,  in  der  Mitle  von  diesen  je 
▼ieren  aof  der  einen  Seite  Athena,  auf  der  andern  Medea. 
Ohne  die  beigeschriebenen  Namen  würden  wir  nach  den 
Rüstungen  im  Allgemeinen  Heroen,  und  da  auch  Kodros 
seinen  Namen  bei  sich  hat,  etwa  lauter  attische  Heroen 
erkannt  haben;  irgend  einen  einzelnen  gewiss  nicht.  Das 
sdiOne  Gemälde  gehurt  also  zu  denen ,  worin  die  Kunst 
sich  mit  der  Schrift  verbinden  musste  um  sich  auszuspre- 
chen. Mit  der  fortschreitenden  Fertigkeit  durch  Charakter 
uad  Zeichen,  und  besonders  durch  die  Handlung  in  der 
Verbindung  mehrerer  Figuren  aus  bekannten  Geschichten, 
durch  sich  selbst  dem  Bilde  Ausdruck  und  VerslSndlichkeit 
zu  geben,  hat  sie  die  Stütze  weggeworfen  und  ist  gleich 
andern  vorher  mit  einer  andern  Kunst  verbondnen  Arten 
obhgat  (gleichsam  y>ii.o%ix>'v)  geworden,  so  dass  sie  die 
Namen  nur  aus  Gewohnheit  oder  zur  Naclihülfe  für  den 
in  Uythen  und  Bildwerken  weniger  erfahrnen  Beschauer 
oder   auch   für   viele   allegorische, 'nicht  leicht   durch  sich 


152    Die  zwölf  Götler  am  vorderen  Fries  des  Parthenon. 

selbst  recht  sprechend  auszudrückende  Personen  beibehielt. 
Das  Relief  steht  in  dieser  Hinsicht  unter  gleichem  Gesetz 
wie  das  GemUlde  und  noch  in  der  Apotheose  des  Homer 
sehn  wir  in  der  untersten  Abtheilung  eine  lange  Reihe  von 
Figuren,  worin  die  Namen  für  die  Darstellung  selbst  eben 
so  unerlasslich  waren  als  für  die  Composition  der  Kodros- 
schale,  an  welcher  der  Maler  übrigens  dem  Beschauer  die 
Gedanken,  unter  denen  er  gerade  die  genannten  Figuren 
zusammenstellte,  eben  so  zu  errathen  überlassen  durfte  wie 
dort  der  Bildhauer.  Hätte  Phidias  auf  ähnliche  Art  einen 
Verein  attischer,  männlicher  und  weiblicher,  einer  noch 
älteren  und  noch  mehr  mythischen  Zeit  angehöriger,  unter 
irgend  einem  Gesichtspunkt  ausgewählter  Heroen  darstellen 
wollen,  so  musste  er,  als  ein  aus  Genie  und  natürlichem 
Sinii  nichts  ungeschickt  unternehmender  Meister,  nothwen- 
dig  die  Namen  hinzusetzen.  Denn  wer  hätte  alle  diese 
Figuren  errathen  können,  die  in  diese  Zusammenstellung 
eben  erst  von  ihm  gebracht  wären?  Dort  dienten  wenig- 
stens die  Rüstungen  zum  Verständniss  und  die  ausdrucks- 
volle Geberde  der  Pallas  in  der  Mitte  leitete  den  Gedan- 
ken nach  einer  bestimmten  Richtung.  Heroische  Figuren 
aber  von  den  verschiedensten  Stellungen,  ohne  alle  Ab- 
zeichen., ohne  irgend  eine  Aehnlichkeit  mit  Heroen  wie 
sie  sonst  vorkommen,  würden  eben  so  viele  Rätbsel  für 
den  Betrachter  gewesen  seyn,  weil  sie  bis  auf  wenige  Aus- 
nahmen zu  eirfer  Klasse  gehörten,  die  weder  durch  Cultus 
noch  durch  Bilder  bekannt  und  unter  bestimmte  Vorstel- 
lungen gebracht  waren,-  und  Räthsel  aufzugeben  ist  nicht 
die  Art  frischer  und  ungeschwächter.Kunst.  Wenn  wenig- 
stens dieser  Kekrops,  Amphiktyon,  Kranaos,  Erichthonios 
als  Könige  durch  Uebereinstimmung  in  Haltung  und  Tracht 
als  Personen  derselben  Klasse  sich  zu  erkennen  gäben,  auf 
deren  Namen  im  Besondern,  so  wie  auf  die  ihrer  Gattin- 
nen, dann  weniger  ankäme!  Wie  ganz  anders,  wenn  diese 
Figuren  denkleinen,  durch  die  Zwölfzahl  bestimmten,  wohl 


Die  zwttlf  Gatter  am  vorderen  Fries  des  Parthenon.     153 

bekanntfln  Kreis  von  Göttern  der  Stadt  ausmachten  I  Dann 
brauchten  nur  einige,  wie  der  thronende  Zeus  mit  Hera, 
Demeter  mit  Triptolemos,  die  Anakes  dem  ersten  Blick 
deallich  zu  seyn  und  es  hedurften  andre  nur  einer  feinen 
Andeutung,  wie  sie  bei  ihnen  nachweisbar  ist,  für  den  feinen 
Athener,  um  ebenfalls  erkannt  zu  werden:  die  leichle  Er- 
innerung an  die  Götter  Athens,  die  in  diesem  Verein  am 
wenigsten  fehlen  konnten,  brachte  dem  wirklichen  Zeichen, 
das  aber  hatte  ühersehn  werden  können,  die  Vermuthung 
oder  Voraussetzung  schon  entgegen.  Hierbei  ist  es  wich- 
tig, die  von  andern  seiner  Gölterbildungen  zu  entnehmende 
Art  zu  vergleichen,  wie  Phidias,  wenn  er  nicht  Tempel- 
statuen  aufsleilte,  die  Gülter  mit  Aufgebung  des  Herkömm- 
lichen meislentheils  durch  selbsterfundene  feine  Merkmale 
und  Andeutungen  in  Stellung  und  Hallung  oder  in  dem 
TerhSltniss  einzelner  unter  einander  und  zu  dem  Ganzen 
des  darzustellenden  Kreises  neu  und  abwechselnd,  aber 
kenntlich  darzustellen  gewohnt  war.  Welchor  Unterschied 
endlich  zwischen  der  Pallas,  in  bestimmter  Handlung  und 
Verhfillniss  dort  zu  den  sie  umstehenden  Heroen  und  der 
Demeter,  wie  sie  hier  in  der  Reihe  der  zwölf,  ohne  Bezug 
weder  auf  alle  noch  auf  einige  dasitztl  Kein  Zweifel  daran, 
dasB  auf  di  Feststeilung  attischer  Heroen  im  Fries  lange 
Studien  gewandt  wunlen  sind,  ci  i  voluto  anni  prima  che 
la  ripeivta  ispetione  degli  originali  e  lo  tludio  minuto 
dlog»i  parlicolaritä  ci  abbia  tpogliata  de'  pregiuditi,  gotto 
ü  dommio  de'  quali  ancor  noi  ci  eracamo  trotati,  wiewohl 
für  die  Bestimmung  der  Namen,  welche  viel  Mühe  erfor- 
derte, eine  gute  Abbildung  zureichte,  und  nur  hinsichtlich 
des  Styla  auch  der  Anblick  des  Originals  in  Uvtrucht  kDinuit. 
DasB  das  Studium  der  Parlicularitäten  und  der  mit 
ihnen  in  Einklang  zu  bringenden  nebliclilen  und  widor- 
fipnichsvollen ,  aus  den  verschiedensten  Zeilen  slaiiimendvn 
attischen  Sage  eines  gewissen  Schlags  durch  die  auf  die 
Kodrosscfaale    gestützte  Hypothese  gefälscht    worden  Huy, 


154    Die  zwölf  Gölter  am  vorderen  Fries  des  Parthenon, 

haben  wir  zu  zeigen  gesucht*  Aber  auch  hinsichtlich  des 
StylS;  dass  er  Götter  und  Heroen  zu  scharf  unterscheide 
um  Götter  im  Fries  annehmen  zu  dürfen,  wiederholt  der 
Anwalt  der  Heroen  seinen  vorigen  Satz,  der  vor  dem 
Herausrücken  der  Kodrosschale  zur  Hauptstütze  seiner 
Annahme  gemacht  worden  war.  Die  vollen  Adern  der 
Hände  und  Arme  konnten  nicht  ferner  als  Kennzeichen  von 
Heroen  im  Gegensatze  zu  den  Göttern  des  Phidias  wie- 
derholt werden,  da  auch  deren  Leib  vollkommen  natur- 
getreu gebildet  ist  und  nicht  auf  Ambrosia  hinweist,  es 
soll  aber  das  Subjective  auch  hier,  es  sollen  statt  aller 
Gründe  die  Worte  genügen :  „Ich  bin  mehr  als  je  über- 
zeugt, dass  man  von  Gottheiten ,  mit  der  einzigen  Aus- 
nahme der  Demeter  —  ganz  und  gar  nicht  reden  kann  in 
diesem  Stadium  des  von  Phidias  gegründeten  Systems.  — 
Die  Vergleichung  mit  den  Bildern  der  Giebel  bietet  sich 
zu  sehr  von  selbst  dar,  um  nicht  fast  unwillkürlich  als 
unabweisbare  Norm  betrachtet  zu  werden,  und  aus  ihr 
ergiebt  sich,  dass  es  sich  von  Wesen  handelt,  die  einer 
Sphäre  von  gänzlich  und  wesentlich  verschiedener  Subsi- 
stenz  angehören.^  Starke  Behauptung,  aber  ohne  alle  Kraft 
zu  überzeugen.  Ist  die  Demeter  und  ist  Triptolemos  (due 
numi)  als  Wesen  einer  andern  Sphäre  als  die  übrigen  Fi- 
guren ;eu  erkennen?  Nein,  Demeter  giebt  sich  nicht  durch 
die  Formen,  sondern  nur  durch  die  Fackel  zu  erkennen, 
das  Zwillingspaar  durch  die  Stellung.  In  den  Giebelfeldern 
sind  neben  den  oberen  Gottheiten  auch  dämonische  Per- 
sonen, derselben  Art  wie  im  Relief  die  vermeintliche  Pan- 
drosos  oder  Aglauros,  wie  jetzt  die  Figur  zu  nennen  an- 
heim  gegeben  wird^  und  Erechtheus  selbst,  der  Sohn  der 
Athena  und  der  Ge.  Aber  so  wenig  wie  diese  hier  einen 
Unterschied  der  Formen  verrathen,  so  wenig  ist  in  den 
Giebelgruppen  ein  Stylunterschied  zu  bemerken.  Wir  wol- 
len den  Stylbegriff  auch  auf  Stellung  und  Haltung,  auf  die 
Gewänder  ausdehnen,  und  wir  werden  auch  in  diesen  kei- 


Die  EwOlf  Götter  am  vorderen  Fries  des  PaUhenon.     155 

nen  durchgreifenden  Unlerschied  feststellen  kOnnen.  Der 
Charakter  und  das  Handeln  eines  Gottes  ist  es  im  ADge- 
meinen  ,  wodurch  er  von  andern  Göltern ,  so  wieaoch  von 
dflinoniachen  und  allegorischen  Wesen  sich  kenntlich  unter- 
scheidet, womit  nicht  gelängnel  wird,  dass  im  Besondern, 
in  grossen  Statuen  und  Gemtllden  die  Idealformen  einer 
Sleigerun^  und  feiner  Abstufung  föhig  sind.  Die  Ver- 
gleichung  von  Reliefen  und  Statuen  hat  ihre  Bedingungen, 
von  denen  zuzugeben  ist,  dass  sie  noch  nicht  so  wie  zu 
wflnschen  w9re  erörtert  sind.  Wäre  es  aber  geschehen, 
BO  würden  dennoch ,  wenn  aus  Formen  geschlossen  wer- 
den soll,  immer  auch  Süssere  Umstände  und  Möglichkeiten 
xn  berücksichtigen  seyn,  wie  z.  B.  der  Unterschied  eines 
■uf  wenige  Figuren  beschrankten  und  eines  höchst  umfang- 
reichen, eines  von  demselben  Meister  und  eines  wahr- 
scheinlich von  seinen  Schülern  ausgeführten  Werkes  u.  s.  w. 
Jedenfalls  scheint  es  ein  vtfceqov  nq4uqoy  zu  seyn  wenn 
man  aus  den  Formen  die  Natnr  der  Personen  bestimmen 
wiQ,  statt  mit  diesen  anzufangen,  und  zu  fragen,  ob  sie 
als  Götter,  Heroen,  allegorische  oder  historische  Figuren 
tD  bestimmten  Zeiclien  kenntlich  sind.  Hfitte  man  nicht 
gewussl,  dass  die  Kolosse  in  den  Giebeln  des  Parlhonon 
Gotter  vorstellten  und  nach  dem  Styl  aller  and  der  Com- 
poiition  eines  Theils  der  Figuren  entschieden,  so  war  man 
▼or  falschen  Erklärungen  nicht  sicher;  min  war  in  Er~ 
itannen,  dass  sie  von  den  bekannten  Göttern  durch  einen 
grandslltzlichen  verschiedenen  Styl  sich  unterschieden,  aber 
■SB  konnte  was  vor  Augen  lag  nicht  läugnen  und  lernte 
bald  die  Göllär  des  Phidias  sich  begreiflic::  zu  machen 
■ad  zu  bewundern. 


156    Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  des  Parthenon. 

Zusatz. 

Den  Inhalt  dieser  und  der  vorhergehenden  Abhandlung 
im  Allgemeinen  gegen  £.  Braun  zu  bestätigen  und  einige 
^Betrachtungen  und  Schlüsse^  daran  zu  Itnüpifen,  schrieb 
W.  Wattkiss  Loyd,  ein  besonders  begeisterter  Liebhaber 
der  älteren  Griechischen  Kunstwerke,  ganz  vorzüglich  des 
Phidias,  die  Abhandlung,  the  central  group  of  the  Pana- 
thenaic  frieze  in  den  Transactions  of  the  R.  Society  of 
litterature ,  new  Series  Vol.  5  p»  1 — 36.  Ueber  die  von 
BeM  FAcropole  d'Athönes  1654  2,  146  ff.  vorgeschlage- 
nen Benennungen  einzelner  Götter  an  Stelle  der  von  0. 
Müller  gesetzten  urtheilt  Bursian  in  den  Jahrbüchern  für 
Philol.  1858  4  77,  95  dass  nur  die  des  Triptolemos  als 
Ares  Berücksichtigung  verdiene,  dass  aber  auch  für  die 
Verbindung  des  Ares  mit  Demeter  die  Attische  Sage  durch- 
aus keine  Analogie  darbiete.  In  der  gewöhnlich  für  Gäa, 
Athena  und  Erechtheus  erklärten  Gruppe  erblickte  H.  Brunn 
die  zwo  Göttinnen  von  Eleusis  und  Jacchos  im  BuUettino 
d.  Inst,  archeol.  1860  p.  68.  Stark  verspricht  im  Philolo- 
gus  1860  16,  113  f.  über  die  einzelnen  Gruppen  der  Göt- 
ter zu  schreiben,  worin  er  mehr. von  mir  als  von  O.Müller 
abzuweichen  sich  veranlasst  sehe«  Andre  Götter  als  ich 
sieht  in  dem  .vorderen  Fries  auch  Prof.  Petersen  in  Ham- 
burg, die  Feste  der  Pallas  Athena  in  Athen^  und  der  Fries 
des  Parthenon  1655  S.  21  f.  Die  Götter  lässt  er  nemlich 
besteben,  indem  er.  nach  realistisch  antiquarischen  Princi- 
pien  den  Festzug  aus  dem  der  Plynterien  und  der  Arre- 
phorien  erklärt,  indem  Itn  dem  Fries,  gar  nichts  nächge- 
wiesen $ey  was  wir  als  den  Panathenäisohen  Festaug  ken- 
nen: die  zwölf  Götter  sind  auch  nicht  nachgewiesen.  Diese 
Erklärung  zu  widerlegen  konnte  nicht  schwer  fallen  für 
0 verbeck  in  der  Zeitschr.  f«  Alterthumswiss.  1857  St.  1.  2 
und  im  Rhein.  Mus.  1859  S.  182.  Nach  der  andern  von 
Bötticher,  die  sich   noch   eigenthümlicher  der  allgemeinen 


^ »fcll»* 


Die  zwölf  Götter  am  vorderen  Fries  dos  Parthenon.     17A 

Aasicht  entgegenstellt  und  Vorübungen,  einen  rtQouyufP  «n 
die  Stelle  des  Festzugs  setzt,  den  die  Athen  beHchutzendisn 
Götter  von  beiden  Seilen  als  einigen  und  ganzen  fuiiphtt" 
gen,  sind  statt  dieser  „absolut  reale  Vorgilnge,^  dargi^- 
stellt.  >) 


1)  Widerlegaog  too  SUrk  im  Pbilologu«   IHO  H,  HT,     l(^,. 


£in  Panathenäensiegfer  ^). 


Taf.  VII. 


Taf.  CV  der  Archäol.  Zeitung  1857  enthält  ein  zum 
erstenmal  bekannt  gemachtes  Relief  unter  der  Ueberschrift 
Panathenäischer  Sieger  im  Parthenon.  Da  dieses  Denkmal 
sich  im  Museum  zu  Berlin  befindet  und  da  Alles  was  aus 
Athen  kommt,  woher  dieses  durch  Prof.  Ross  mitgebracht 
wurde,  eine  besondre  Wichtigkeit  hat,  so  lässt  durch  Beides 
zugleich  der  Unterzeichnete  sich  reizen  der  dort  gegebe- 
nen Erklärung  die  seinige  zur  Seite  zu  stellen. 

Der  Marmor  scheint  ihm  zu  einer  Klasse  zu  gehören, 
die  nach  der  Natur  ihres  Inhalts  sehr  gewöhnlich  gewesen 
seyn  muss,  obgleich  bei  dem  geringen  Umfang  der  Dar- 
stellung und  der  Bestimmung  für  Privatpersonen,  also  Be- 
deutungslosigkeit hinsichtlich  der  Arbeit,  wenige  ähnliche 
bis  jetzt  gefunden  sind  oder  auch  noch  unter  der  Erde  ver- 
borgen liegen  möchten.  Zur  entfernten  Vergleichung  bieten 
sich  manche  dar,  zur  näheren  vielleicht  nur  der  welchen 
Pittakis  in  der  Ephimeris  N.  382  und  Adolph  Scholl  in  den 
Mittheilungen  aus  Griechenland  Taf.  3,  5  S.  60  u.  75  be- 
kannt gemacht  haben.  Auch  hier  sehn  wir  die  Göttin 
Athens  und  eine  andere  Figur  wie  mit  einem  Rahmen  um- 


1)  Geriiards  Arcbfiolog.  Zeitang  1857  S.  99—101.  Vgl.Over- 
beck  die  archäol.  Sammlung  der  Uoi?.  Leipzig  1856  S.  17.  Stark 
tritt  der  oben  angegebeneo  Eritlärung  bei  im  Philologas  1860  S.  113. 


Ein  Panalhen&ensieger.  159 

schlössen.  Der  Raum  ist  nicht  wie  auf  der  eben  bekannt 
gewordenen  Platte  etwas  bOber  als  breit,  was  durch  die 
ttber  dem  Sieger  schwebende  Nike  bestimmt  wurde,  son- 
dern ungefähr  viereckt.  Der  Helmbasch  der  Göttin  ragt 
hier  wie  dort  ein  wenig  über  die  obere  Einfassung  hinweg. 
Mit  dem  unteren  Rande  hangt  eine  Inschrift  zusammen; 
davon  sind  aus  drei  Zeilen  Buchstaben  erhalten,  woraus 
ao  viel  erhellt  dass  unter  dem  und  dem  Archon  ein  Sieg 
war  errungen  worden.  Die  Göttin  reicht  auf  ihrer  Rechten 
die  geflügelte  Nike  einer  ihr  gegenüberstehenden  männ- 
lichen Figur  in  gewöhnlicher  Attischer  Tracht  und  Haltung 
hin.  Diese  Fignr  ist  nicht  kleiner  als  die  Gullin  und  kann 
also  nicht  ein  sterbliches  Individuum  seyn.  Piltakis  nimmt 
sie  für  den  Demos,  waa  den  Vennulbungen  von  ScböU 
vorzoziehen  ist;  nur  kann  es  nicht  der  Demos  der  Athener 
Sberhaupt  seyn,  sondern  ein  einzelner  Attischer,  der  über 
einen  andern  gesiegt  hatte.  Die  Göttin  ist  ganz  ähnlich 
der  des  andern  Reliefs;  dass  ihr  der  Drache  beigegeben 
ist,  macht  durchaus  keinen  wesentlichen  Unterschied.  Auf 
derselben  Tafel  giebt  Scholl  ein  im  Allgemeinen  ahnliches 
Honument,  mit  der  Inschrift  tääe  ol  taiilm  x.  t.  X.  (Fig. 
6  S.  74),  wo  Athena  der  Polis,  wie  ich  sie  mit  0.  Hüller 
nennen  möchte,  die  Hand  reicht. 

Auf  der  Platte  in  Berlin  hat,  was  auf  der  andern  nur 
alfl  Einfassung  eines  Vierecks  erscheint,  die  'Form  einer 
Aedicula  oder  eines  Heroon  im  Relief,  ohne  Aetoma,  wie 
«e  als  Gedächlnisslafel  für  Verstorbene  aller  Orten  in 
ganz  Hellas  vorkommt,  namentlich  aber  in  Athen  häufig 
gefunden  wird.'  Alhena  hält  auf  ihrer  Hand  die  beschwingte 
Mike,  welche  dem  Sieger  den  Olivenkranz  (aus  dem  Pan- 
drosiam]  anf  das  Haupt  setzt.  Nike  ist  in  beiden  Monu- 
menten ohne  Beine,  was  nur  eine  Abbreviatur  seyn  möchte. 
Der  Sieger,  klein  als  Sterblicher,  in  der  Linken  seinen 
ganz  knnsUusen  ziemlieh  krummen  Stab,  nach  atbenischer 
Weiie,   sieht  sehr  demülhig  hin,   was  die   Haltung  des  er- 


160  Ein  Panatheßäerisieger. 

hobenen  rechten  Arms  mit  geöffneter  Hand  andeutet.  Dass 
der  Sieg  von  der  Göttin  verliehen^  ihr  zu  danken  sey, 
ist'  der  fromme  Gedanke  der  Composition.  Dicht  neben 
dem  Mann,  also  unter  der  Hand  der  Göttin  und  der  Nike 
darauf  ist  eine  Ionische  Säule,  deren  bestimmte  Bedeutung 
zu  errathen  bleibt:  sonst  wird  durch  sie  häufig,  in  Attischen 
Vasengemälden  besonders ,  ein  Heiligthum ,  ein  heiliger  Ort 
angezeigt.  Die  Gedenktafel  sowohl  seines.  Siegs,  als  der 
Gnade  der  Göttin  war  bestimmt  zu  einem  Weihgeschenk 
für  diese  und  eine  Unterschrift,  wie  sie  an  dem  beschrie- 
benen Anathema  zum  kleinen  Theii  und  an  so  vielen  ganz 
erhalten  ist,  hat  auch  an  diesem  höchst  wahrscheinlich 
nicht  gefehlt« 

So  einfach  diese  Ansicht  ist,  so  leicht  ergiebt  sich  da- 
raus auch  was  ich  in  der  früheren  Erklärung  als  nicht  be- 
gründet, sondern  als  subjective  Veraussetzung  zu  betrach- 
ten genöthigt  bin.  Diese  nimmt  statt  des  Gedankens  eines 
gottverliehen^n  Siegskranzes  die  Darstellung  eines  Acts, 
worin  ^das  Bild  der  Athena  Parthenos  im  Parthenon  mit 
der  kranztragenden  Nike  auf  der  rechten  ausgestreckten 
Hand,  natürlich  nur  die  Andeutung  des  Kolossalbildes  für 
den  Zweck  des  Kidwerks  als  der  Gedächtnisstafel  eines 
panathenäischen  Siegers,  nicht  etwa  eine  reducirte  Copie 
des  Kolosses  mit  allen  seinen  Beiwerken' — 'vielleicht'  mit 
dem  Brabeuten  zusammenwirkte.  'Vielleicht  trat  der  auf- 
gerufene Sieger  in  seiner  Binde  unter  den  Kranz  der  Nike, 
während  das  ihm  zu  Ehren  gedichtete  Epinikion  gesungen 
ward  und  empfing  hier  den  Oelkranz  vom  Brabeuten ;  auch 
mochte  die  fehlende  linke  Seite  des  Reliefs  den  letzteren 
selbst,  nach  dem  Sieger  gewendet,  enthalten  haben.'  Oel 
und  Wasser  mögen  leichter  sich  mischen,  als  dass  Nike 
oder  irgend  eine  Gottheit  mit  einem  Sterblichen  sich  zu 
einer  Handlung  verbände.  Ob  Raum  für  eine  dritte  Figur, 
oder  nur  sehr  wenig  abgebrochen  seyn  möge,  ist  nach 
der   Wahrscheinlichkeit    hinsichtlich   dieses   und .  nach    der 


Ein  Panathenfiensie^er.  161 

Meage  indrer  Attiscben  Honumente ,  welche  Alhena  mit 
■ar  dner  anderen  Fi^ur  zusammenstellen,  leicht  zu  enl- 
soheiden.  Und  müssen  nicht  diese  Monumente  wenigstens 
■Ds  abhiiteh,  statt  der  Göttin  selbst  uns  ihr  Tempelbild 
handelnd,  iind  demnach  die  Nilie  als  die  wirkliche  goldene 
Nike  Torzuslelien?  Hit  dieser  schwerwiegenden  Nike  wird 
dann  die  erwähnte  Säule,  die  'schlanke  Säule  mit  ionischem 
Kapitell,'  in  Verbindung  gesetzt,  durch  welche  'die  Hand 
des  Athenabildes  nnlerslUtzt  werde,  indem  nicht  einmal 
rtlr  die  kurze  Zeit  des  Festes  das  Nikebild  auf  der  Hand 
des  grossen  Bildes  stehen  konnte,  ohne  dass  dieselbe  nicht 
ganz  gehörig  unterstUlzl  war.'  Kann  aber  eine  SlUlze) 
eem,  in  Form  einer  Ionischen  Säule  gedacht  werden? 
—  Uebrigens  ist  es  fiir  eine  Stütze  wesentlich,  dass  die 
Last  unmittelbar  auf  ihr  ruhe,  zwischen  Arm  und  Hand  der 
Athena  aber  und  dem  Kapitell  ist  ein  merklicher  Zwischen- 
ranm.  *)  Auf  die  Vorstellung,  dass  dem  Sieger  im  Par- 
theDon  ein  Epinikion  gesungen  worden  sey,  ist  der  Erklä- 
rer vermuthlich  ftekommen  durch  das  Skolion : 

xo*  fi*^y  sdoaay  9toi  tfi^vitf 
itaffä  nttfdföaov  wg  fftX^  'Aif^vSf 
du  bei  der  Mahlzeit  zur  Siegesfeier  erklang,  h  louditu, 
irie  such  K.  0.  Mtlller  bemerkt  (Mir.crvae  Pol.  sacra  p.  22.] 
Dem  poetischeD  Kunstgebrauch  die  unsichtbare  Göttin  sicht- 
bar ror  Augen  zu  stellen,  um  ihr  Wirken  und  ihr  Verhält- 
mit  zu  den  Menschen  auszudrücken ,  widerstrebt  der  herr- 
achende  Realismus  der  ganzen  Erklärung  so  sehr,  dass  auch 
die  Athene,  die  im  Mus.  Nani  n.  19  dem  Sieger  selbst 
(alf  Nike)  einen  Kranz  reicht,  ein  kolossiiles  Athenabild 
genannt  wird.  Kolossal  freilich  wird  auch  die  Göttin  selbst 
imner  dargestellt  Sterblichen  gegenüber. 

3)   Deber   dieu   Siule   •.   auch    Pcrraooglu    in  der  Arch,  Zeit. 
I86fl  S.  2S. 

V.  u 


l&i  Ein  Panathenäensieger. 

Darf  ich  auch  eine  nahliegende,  übrigens  nichts  we- 
niger als  tibelgemeinte  persönliche  Bemerkung  äussern,  so 
möchte  ich  vermuthen  dass  der  sehr  gelehrte  und  sehr  er- 
findungsreiche Erklärer  die  gegenwärtige  Erklärung  nicht 
mit  solcher  Sicherheit  hingestellt  haben  würde,  hätte  sie 
ihm  nicht  zur  Bestätigung  und  Ausschmückung  seiner  Theorie 
über  Agonaltempel  dienen  zu  können  geschienen. 


Dionysischer  Opferstier  ^). 


Taf.  VIII. 

Die  vorliegrende  Zeichnung  rührt  aus  dem  reichen  Schatz 
her,  welchen  von  flehen  die  unermüdliche  Thätigkeit  und 
Aufmerksamkeit  des  durch  frühzeitigen  Tod  so  Vielen  höchst 
schmerzlich  dahin  geiiafiTten  Emil  Braun  zusammmengebracht 
hat.  Wo  das  Basrelief  von  dem  sie  genommen  ist,  sich 
befindet,  ist  leider  nicht  dabei  angemerkt  worden.  Die 
Vorstellung  überrascht  durch  ihre  Neuheit  und  Eigenthüm- 
lichkeit,  so  dass  nur  eine  Vermuthung  über  ihre  Bedeutung 
vorgelegt  werden  kann,  die  weder  an  einem  Zeugniss 
noch  an  einem  andern  bis  jetzt  bekannt  gewördnen  Monu- 
ment leicht  einen  Anhalt  finden  wird.  Das  Dionysische 
ist  durch  den  Rebstock  genugsam  angedeutet;  aber  selbst 
dass  der  Stier  überhaupt,  um  zuerst  von  dem  sonderbaren 
Umstände  dass  er  auf  einem  Schiffe  steht ,  abzusehn ,  dem 
Dionysos  geopfert  worden  sey,  ist  wenig  genug  bekannt. 
Noch  K.  F.  Hermann  erwähnt  es  in  seinem  Handbuch  nicht.  ^). 
Eckhel   nennt  als  das   einzige   Beispiel  von  dieser  victima 


1)  Annali    d.   Inst,   arcbeol.    1857  p.  153—160.  358.  Mooum. 
T.  6  tav.  6,  3. 

2)  Gottesdieostliche  Altcrtb.  $.  26  Not.  20.  Mao  hielt  allgemein 
den  Stier  für  einen  Dionysischen  Rampfpreis. 

11* 


164  Dionysischer  Opferstier. 

maxima  als   einer    Bacchischen   eine  Münze  des  Septimius 
Severus,  welche  bei  Mionnet  fehlt  5). 

Doch  wir  haben  einen  grossen  Zeugen  für  diess  Opfer- 
thier  der  Athenischen  Dionysien  an  Sophokles,  der  in  der 
Tyro  den  Dionysos  tavqotpdyog,  Stierspeiser  nannte,  was 
nicht  anders  als  von  den  Opfern  zu  verstehen  ist.  Eben 
so  bei  Herakles  als  Gott.  Gerade  so  ist  wegen  dieser 
atyoydyogj  xQ$og)(fyog  .ein  volksrQässiger  Ehrentitel  andrer 
Götter,  TavQotpdyog  selbst  auch  der  Äiiemis^j  geworden. 
Denselben  Beinamen  gebraucht  Aristophanes  in  den  Fröschen 
indem  er  ihn  auf  den  feurigen  Kratinos  als  einen  andern 
Dionysos  überträgt  (360) :  fi^d^  KQßvivov  tavQoqxxyov  yXoSt- 
%tig  BaxxBt^  ivsXdc&ijj  wie  bei  Persius  (1 ,  76)  der  Tra- 
giker Atlius,  da  auch  dessen  Begeisterung  sehr  Hräftig 
war,  ein  Brysaeus,  d.  i.  Bacchus,  heisst;  tenosus  über 
Aili*  Diese  Opfer  kommen  auch  in  einem  Vers  des  Ko- 
mikers Hermippos  in  den  Kerkopen  vor  und  Pindar  drückt 
sie  aus  durch  ein  vielfach  versuchtes  Beiwort  des  Dithy- 
rambs^  von  dessen  Erfindung  inKorinth  er  spricht  (Ol.  13,  18): 

9cal  Jttopvüov  no&ev  S^i(pav€V 

(fvv  ßoijldtq  XaQiTsg  d^dvQd(Aß(p; 
denn  Stiertreiber  ist  der  Dithyramb  als.  der  welcher,  die 
von  allen  Phylen  zum  Fest  gestellten  Stiere  zum  Opfer  und 
Festmal  herbeizog.  Natürlich  konnte  ßo^Xdtfig  auch  von 
dem  Treiben  von  irgend  woher  und  wohin  gebraucht  werden 
und  es  werden  so  genannt  Hermes  und  Herakles  mit  Be- 
zug auf  die  bekannten  Mythen^).    Auph  ist  in  demRäthsel 

3)  D.  N.  2,  472,  Bacchus  basi  insisteuB  et  popa  taarum  feriebs. 
Bio  altes  Orakel  in  einer  Inschrift  von  Pergamoa  schreibt  tor  der 
Pallaa  ein  zweijähriges  Rind,  einen  dreijährigen  Stier  dem  Zeus 
und  JU  Bdxx^  zu  opfern.  Aus  des  Grafen  Vidua  Inscript.  ant. 
p.  14  in  (neiner  Syll.  Epigramm.  Gr.  n.  183  t.  21  a.  auch  C.  I  Gr. 
H  p.  856  n.  3838. 

4)  Etym.  M.  p.  748,  3. 

5)  Diese  Erklärung  gab  ich  in  L.  Zimpaermanns  Allg^m.  Schul- 
leitung 1830  2.  Abtb.  S.  421. 


Dionysischer  Opferstier.  165 

des  Siroonides  bei  Athenfius  (10  p.  456)  der  stiertödende 
Diener  des  Dionysos  nach  der  wahrscheinlichsten  der  drei 
▼OD  Chamäleon  angeführten  Deutangen  der  Dithyrambe  der 
fnfyxmfkog  J$ovi5<foVj  wie  er  in  einem  Bruchstück  des  Ae- 
ftchylus  genannt  wird. 

Hierbei  darf  ich  indessen  die  falschen  Erklärungen 
ongelehrter  und  urtheilsloser  Grammatiker  nicht  übergehen^ 
die,  wie  in  so  vielen  andern  Fällen ,  weil  man  an  den  Grie- 
chischen Buchstaben  glaubte,  auch  in  diesem  Fall  ganze 
Schaaren  der  achtbarsten  neueren  Gelehrten,  Bentley  an 
der  Spitze  hinter  sich  hergezegen  haben.  So  soll  bei  So- 
phokles Dionysos  tavqoipüyog  heissen  weil  den  Siegern 
im  Dithyramb  ein  Ochse  als  Preis  gegeben  worden  sey> 
oder  als  wgAijCt^g ,  Rohfresser  in  den  uralten  Trieterien  ^). 
Bei  Aristophanes,  der  so  den  Komiker  Eratinos  nennt,  wird 
wieder  der  Stierpreis,  hier  als  nach  der  Meinung  des  Ari- 
stophanes, vorangestellt,  auf  den  Rohfresser  gewiesen  und 
ausserdem  eine  Anzahl  unglaublich  alberner  Deutungen 
hinzugefügt.  Endlich  auch  bei  Pindar  soll  der  Dithyramb 
ßo^Xäv^g  genannt  werden,  weil  der  welcher  ihn  aufführte^ 
den  Stier  als  Siegespreis  davon  trage  ^).  Der  wirkliche 
Preis  bestand  in  einem  Dreifuss,  wie  einer  mit  der  Sieges- 
inschrift der  Akamantischen  Phyle  an  der  bekannten  Vase 
des  Mos^e  Blacas  pl.  1  gezeichnet  ist  und  wie  sonst  be- 
kannt genug  ist^.    Die  Siegspreise   der   chorischen   und 

6)  Pbot.  Said.  Etjm.  M.  t.   TavQog>ttyos, 

7)  In  üosre  Wörterbücher  ist  diess  übergegangen,  in  die  Ton 
Schneider,  Riemer,  Passow,  Pape,  durch  W.  Dindorf  in  denThe- 
•anras  1.  Gr.  Einer  dem  diese  doch  zu  gezwungen  schien ,  setzte 
dem  Scholion  hinzu:  $  dton  ^Xai^pero  n  (aber  was  wenn  nicht  der 
Stier  ?)  xat  inWlro.  Bissen  schrieb  in  seinem  Gommentar  zum  Pin- 
dar an  den  Rand:  sed  yerius  Welckerus  in  Append.  trilog.  p.  241 
8.  sacriflcia  boum  intelligit,  wie  Schneidewin  in  der  zweiten  Aus- 
gabe bemerkt.  Auch  Bernhardy  in  seiner  Griech.  Litter.  Gesch. 
1,  291  (352  der  2.  Ausg.)  urtheilt  wie  Bissen. 

8)  Simonides  Anthol.  Pal.  2,  542  n.  25.   Thcokrit  epigr.  12. 


166  Dionysischer  Opferstier. 

dramatischen  Spiele  sind  ein  Lieblingsgegenstand  der  Gram- 
matiker, über  den  sie  ungemein  viel  MuthmassUches,  Un- 
genaues und  Widersprechendes  vorbringen  ^).  Hinsichtlich 
des  Stiers,  der  gegen  alle  andern  Kampfpreise  sehr  ab- 
stechen würde,  besonders  wenn  man  sich  vorstellt  dass 
der  Sieger  ihn  mit  nach  Hause  genommen  hätte  ^o),  lässt 
sich  das  Missverständniss  einigermassen  aufklären.  Jede 
Phyle  der  Athener  unterhielt  einen  Chormeister  (xvxXiodt- 
ddftxaXog)  für  die  Dionysien  '^)  und  eine  wie  die  andre 
stellte  dazu  einen  Stier,  der  dem  Dionysos  geopfert  wurde 
und  den  Hauptbestandtheil  des  Opfermals  der  fünfzig  Män- 
ner oder  Jünglinge^  die  den  kyklischen  Chor  bildeten, 
abgab  ^^).  Diess  Opferfest  begiengen  ohne  Zweifel  alle  Phylen 
die  aber  die  den  Preis  gewann,  konnte  etwa  sagen,  wenn 


Athen.  5  p.  198  c,  bei  Dithyramben  in  Alexandria,  Flut«  X  oratt. 
Andoc.  p.  835  b.  Dreifüsse  wurden  auch  an  den  Festen  des  Tri- 
opischen  Apollon  gegeben  Herod.  1 ,  44,  und  an  rielen  Agonen, 
Schol.  Find.  I.  1,  26.  Vgl.  fiöckh  Staatshaushaltung  der  Athener 
1,  491  (601),  K.  0.  Müller  über  die  Tripoden  in  Böttigers  Amal- 
theä  1,  127  f. 

9]  Keiner  wohl  leichtsinniger  als  Acron  zu  Hör.  Epist.  1 ,  3, 
36:  lyricipoetae  juTencam  immolabant,  tragoedi  hircum,  poetaautem 
(der  epische  Dichter)  taurum. 

10)  Dagegen  ist  nach  der  Inschrift  der  FanathenSischen  Preise 
in  Rizos  Rangabö  Antiqu.  d'Athdnes  T.  2  p.  667  n.  96  (yon  Her- 
mann Saupe  trefflich  erklärt  in  dem  Göttingischen  Programm  Apr. 
1858),  während  der  Sieger  im  Stadion,  Pentathlon  und  den  yielen 
andern  gymnastischen  Kämpfen  Oel  in  Terschiedenen  Massen,  mit 
freier  Ausfuhr,  wie  die  in  £leusis  Gerste,  andre  an  andern  Orten 
Geld  erhielten,  amSchlnss  den  Pyrrhichisten  und  der  durch  sehöne 
Greise  (evaydQke)  preisgewinnenden  Phyle  ein  Ochs  ausgesetzt  ohne 
Zweifel  auch  als  ein  Werthpreis ,.  wie  das  Oel. 

11)  Sehol.  Aristoph.  At.  1404  ixdaiii  yag  ipiiXti  Moyioftov  rgifpit 
dk^qafJLßonQkly. 

12)  Plutarch  Sympos.  1,  10,  1  iy  dh  toig  SfQonmyos  imytxiots^ 
oTi  r^  Ahovjidi  ff'vXp  toy  ^ogoy  dutm^as  iyixtjaty,  i^uofUyots  hf^y^ 
&m  dl)  Mai  (pvlifa^s  ov4H  d^fAonotiJTot^» 


Dionysischer  Opferstier.  167 

iie  sich  oder  ihifwi  Dichter  und  Chormeister,  obgleich  die 
aodern  Phyien  ohne  Zweifel  doch  auch  opferten  und  sohmau- 
sten,  schmeicheln  wollte,  wenn  sie  am  folgenden  Tag 
in  dem  Opfermal  zugleich  ein  Siegesfest  feierte,  dass 
iie  sieb  oder  dass  er  sich  und  ihr  den  Ochsen  ersiegt 
habe*'}  während  der  eigentliche  Preis  in  einem  Dreifuss 
bestand.  Urnndglich  aber  hat  Simonides  va^QOvg  nai  rgt- 
ttoiag  verbinden  können  sondern  das  Richtige  ist  vlxas  xal 
cpffflnJa;,  wie  wir  bei  Tzetzes  in  den  Chiliaden  lesen  (I, 
24 ,  636]  und  tavQOvg  ist  untergeschoben  worden  von  einem 
welchem  der  falsche  Stierpreis  einfiel  '*].     Ganz  richtig  wenn 


.  13)  Aehalich  wie  nach  Platoni  SjnpoiioD    p.  173  Sn  rp  Ji^tätf 

n  xat  ot  jfDfcvmt.  Demnach  ffare  all  uneigeotlich  zu  Terstebn 
FlnUrch  de  gloria  Alheo.  7  oi  ßovy  InaHoy  iXxoioa;  (vixat)  ^ 
^  ifi^yoy.  So  liaat  Nonnus  19,  64  deo  Dioaj«OB  einen  doppelten 
KampfpreiaansaetieD,  Bock  und  Stier  irür  Tragödie  und  Dilhyramb.J 
14)  Schneidewia  hat  mit  groiier  Uebereiinng  dem  wider- 
■proahen  in  Rciacr  Aaagabe  de*  Simonides  p.  191.  220  ■.  indem 
ihm  diese  Lesart  in  Verbindung  mit  dea  miBveratandeuen  oben 
angeführten  Worten  Pindan  die  Stierpreiae  in  faeweiaen  achien. 
.Gant  Terkehrt  iat  naa  er  aagt;  joniil  poeta  tauroa  tripodibni, 
qnoniam  aliis  locia  tripodea  abatnleral,  nt  Athenia,  aliia  tanros, 
ObiM  Anatand  wörde  ea  aeju  daaa  auf  die  Worte  f£  lai  iuyi^~ 
MOita  —  ^Qao  i/iaat  folgt  Nixae  äylaiv  &gfi'  tniß^c.  ladeaien 
ilt  ei  bdchst  nabracheinlicb  daas  nur  die  achäne  tirabachrift  bei 
TsaUfli  lebt  iat  und  dagegen  deren  Anfangaworle  wegen  der  merk- 
wfirdigen  Zahl  der  Siege  in  ipiter  Znt  zum  tiegenaland  eine« 
bnondera  Epigramma,  das  in  der  Anthot.  Falllina  6,  313  aich 
baSndel  mit  der  Uebericbrift  &yd&>ifia  £ifiairiitov ,  gemacht  worden 
•Ind.  Dlrin  seilt  denn  Simonidei  lelbat  aeinen  lecha  and  fSafiig 
Siegera  eine  Oeakiafel  nnd  zu  der  Zahl  hiningeaetit  iat  nur  da»  Ter- 
branehte  Bild  rom  Wagen  der  NiLe.  Daai  min  bei  der  Wieder- 
boliug  de*  Anfang!  der  Gribachrift:  £f  liti  neyt^xoyta ,  Stfttayidti, 
^faa  vUas  xia  iginoSai  teraalaeat  war  den  Simonidea  aicb  seibat 
anredeD  *a  Isaaen,  wirkt  faal  llcherlich  ;  dag  Prakihifle  dea  auf- 
geslelllen  Denkmala  ragt  gelbst  TzeUea  in  den  Chitiadea  4,  4S?. 
nnd  Wenn  «a  natürlich  iat  daas   eine    Grabicbrifl  die  gewonnenen 


168  Dionysischer  Opferstier. 

attch  im  Auszuge  nicht  ganz  wohl  ausgedrückt  ist,  was 
in  den  Scholien  zu  der  angeführten  Stelle  der  Frösche 
(360)  Apollonios  sagt,  tavqotpdyoq  werde  Dionysos  ^von 
den  den  Dithyramben  gegebenen  Ochsen^  genannt  '^). 

Wie  in  Athen,  dem  Orte  der  grossartigsten  Feier  des 
Dionysos  Dithyrambos  und  auf  welchen  zunächst  wohl  Pin- 
dar ,  der  dort  selbst  Dithyramben  aufgeführt  hatte  ,  mit 
dem  Beiwort  ßofiXdtvig  zielt,  indem  dabin  von  allen  zehn 
Phyien  am  Feste  die  Opferstiere  zusammengetrieben  wurde, 
so  werden  auch  überall  sonst  wo  solche  kyklische  Chöre 
statt  fanden,  Stiere  dargebracht  worden  seyn.  Ja  auch 
auf  andre  Bacchische  Feste  ohne  Dithyramben  ist  ohne 
Zweifel  diess  Opfer  übergegangen  zumal  da  es  auch  eine 
symbolische  Beziehung  auf  den  Stierdionysos  zuliess.  So 
wurden  dem  Apollon  Lykeios    in  Argos   Wölfe  geopfert  ^^). 


Tripoden  zShlt,  so  ist  es  auffallend  dass  ein  Lebender  sie  zasam- 
meu  Eähle  und  durch  den  Zusatz  nqly  t6y&*  otv^ifAtym  niyaxtt  zu 
erkennen  giebt,  wie  viele  Siege  noch  hinzukommen  könnten,  werde 
später  zu  Terewigen  sejn.  Nach  dem  Epigramm  des  Simonides 
auf  den  Sieg  der  Phyle  Antiochis  unter  seiner  Leitung  war  er 
damals  achtzig  Jahre  alt. 

15)  Mit  dem  dtdofiiyuty  stimmt  überein  was  Is.  Tzetzes  zum 
Ljkophron  sagt  Proleg.  p.  231  Müller,  ol  didvQa/ußkxoi  igino&as 
ikdfAßayoy,  o  )^oqos  ian^s  xvxhxos  äydgag  M^^y  ntynjxoyTu,  otntg 
xai  diaQoy  ravgoy  ikdfdßayoy.  So  auch  Job.  Tzetzes  n.  dia^ogas 
nottjmy  im  Rheinischen  Museum  1836  4,  393  (nachher  auch  in 
Gramer.  Anecd.  Ozon.  3,  334),  der  zugleich  was  er  yom  Rratinos 
tapgotpdyos  gelesen  hatte,  nach  seiner  Art  falsch  anwendet  V. 20: 

ilxoy  di  ntyi^xoyia  tovs  x^Qotndtag, 
xai  ßovs  ro  dwgop  xvxhxvSc  iartjxoTOWf 
o9'(yniQ  adrovg  ug  xaXii  Tavgoctpdyovg. 

16)  Schol.  Soph.  El.  6.  —  An  einer  Vase  der  Antich.  di 
Acre  del  Bar.  Giudica  tar.  26,  auch  in  Panofkas  (ohne  allen  Grund 
so  genannten)  Vasi  di  premio  ta?.  4  b,  mit  Dionysos  und  zwei 
flöteblasenden  Satyrn,  ist  auf  der  Ruckseite  ein  Stier  und  ein  Prie« 
ster  mit  sechs  Begleitern  im  Epheuschmuck.  An  einer  Amphora 
ans  Bomarzo  ia  Gerhards  Trinkschalen  und  Geflssen  2,  29  tst  ein 


Dionysischer  Opferstior,  109 

Das  hier  entwickelte  Vertifillniss  des  Stiers  zum  Drei- 
foBi  kann  auch  durch  einige  VasengeroSlde  besUiigt  wer- 
den. Von  einem  fand  ich  eine  Beschreibung  in  den  Zoe- 
gtuiben  Papieren,  die  ich  wOrllich  hier  mittheilen  will. 
Tn  cinquanta  vasi  Elruschi,  sagt  er,  del  Istiluto  di  Bo- 
logna notai  il  seqnente.  Fondo  di  color  die  basalle  verde 
oon  figure  di  rosso  capo.  Sur  un  trono  siede  Bacco  bar- 
bato,  coronato  d'ellera,  veslilo  di  pallio  ampio,  tenendo 
nella  desira  un  tirso  fatio  come  quei  nella  cista  mistica  di 
Londra,  ed  appogiando  il  gomito  sinisiro  sulla  spalliera 
del  trono.  Dietro  lut  resta  una  donna  veslita  con  tirso 
eommane  in  mano.  Avanti  lui  sono  due  ViUorie  alate  e 
▼estil«,  delle  quali  l'iina  scana  un  foro  appi^  d'un  tripode, 
l'nitra  tiene  una  corona  alzata  come  per  attacarla  a  detio 
tripode.  II  loro  viene  a  cadere  colla  lesta  sopra  una  spe- 
de  di  ara  o  base  quadrata.  Dietro  la  Villoria  sagrificanle 
resla  un  giottiae  quasi  nudo  con  un  tirso.  Questo  vago 
aupera  in  belleüza  la  maggior  parte  quanli  esislono  '^). 
Hiennit  stimmt  vollsifindig  überein  ein  von  d'Hancarville 
bekannt  gemachtes  GemBide;  *^)  nur  dass  ich  in  der  zuerst 
genannten  Person,  die  ilbrigens  in  der  Beschreibung  mit  dem 
BOde  fibereinslimmt ,  nicht  den  bärtigen  Bacchus  erkennen 
kinn,  sondern  eher  denArchon'^)  oder  einen  Kampfrichter 

Stierkopf   «bgcbildel   »o  dem  Allar  bipter  (reichern  Dionjto»,   mit 
TbjriDa   und  Kanlhiro*  io  Hindea ,  sIehL 

17}  in  dem  Gnida  del  rorealiere  «1  Muaeo  drile  ■Dlich.  Jella 
B.  üaiT.  di  BologDi  (tod  Schiisii)  ISI4  lind  p.  97  i.  die  Vi- 
ani niebt  einielo  ■ngegeben.  Bei  Piiieri  der  einige  auf  die- 
MT  SamiDlDDR  millheill  [Ttf.  '25.  51.  64.  93.  201)  fiadet  dieae  «iefa 
McfcL  Die  Zoegaaebe  Beacbreibaog  fand  meio  Freund  Scboeide- 
WiB  achon  Tor  iu  meiaer  NuL  5  cilirlen  Abhaadlung. 

18}  Antiqo.  Eir.  Gr.  und  Rom.  T.  9  pl.  37.  Aucb  in  Inghi- 
miii  Vati  fittili  T.  4  pl.  36  [. 

19)  Io  den  Siegginicbrificn  lieht  der  Archon  Toran,  wie  in 
dw  4m  Simonidei  Aathol.  Pal.  2,  TäS  p.  79: 

''Bfx"  Ufiifinimif  fiir  'A9iraioit  ör'   linxtt 
Uma/i;  ^i-Xr,  Jaiialiar  i^itoSa. 


170  Dionysischer  Opferstier. 

oder  etwa  den  siegenden  Eykliodidaskalos  erblicke,  des- 
sen Kranz  nicht  von  Ephen,  sondern  von  Lorber  oder 
Oellaub  ist.  Die  weibliche  Figur  hinter  ihm  geht  nicht 
ihn  an,  sondern-  entspricht  der  männlichen  am  andern 
Ende,  die  einen  ähnlichen  Thyrsos  hält.  Eine  vom  Prin- 
zen von  Canino  gefundne  und  herausgegebene  Vase^^) 
enthält  in  ganz  ähnlicher  Weise  den  Dreifuss  zwischen 
zwei  Yictorien ,  von  denen  die  eine  hier  dem  gerade  vor 
dem  Dreifuss  stehenden  Opferstier  aus  einem  weiten  Was- 
serkrug  in  ein  auf  drei  Füssen  ruhendes  Gefäss  zu  trin- 
ken eingiesst« 

Wenden  wir  uns  nach  dieser  langen  Vorbereitung  zu 
unserm Relief  zurück^  so  scheint  es  dass  der  mächtige  da- 
rin abgebildete  Stier,  indem  er  eben  aus  dem  Kahn  ans 
Land  steigt,  mit  Gras,  Heu  oder  anderm  ihm  bereit  gehalt- 
nen  Futter,  empfangen  wird ,  wie  auf  dem  zuletzt  genann- 
ten Yasenbild  Nike  den  Durst  des  edlen  Opferthiers  stillt. 
Ihn  noch  mehr  zu  ehren  ist  Stroh  oder  Gras  aufgehäuft 
worden,  worin  er  seinen  Fuss  niedersetzt:  das  andre  Vor- 
derbein ist  abgebrochen.  Das  Einschiffen  des  gewaltigen 
wohlgenährten  Thiers  aber  müsste  man  sich  daraus  erklä- 
ren dass  man  ihm  einen  weiten  Landweg  ersparen  woUtCi 
wie  z.B.  in  Attika  von  einem  entlegnen  Demos  zur  Haupt- 
stadt oder  in  Unteritalien  von  einem  kleineren  Ort  nach 
einer  Küstenstadt  wo  das  Fest  begangen  wurde.  Vermuth- 
lich  war  ihm  eine  Volksmenge  entgegengegangen.  Wie- 
wohl die  Griechen  verstanden  jede  Erscheinung  oder  Hand- 
lung, die  in  der  Wirklichkeit  von  vielerlei  Cäremonien  und 


20)  Mageum  Etr.  de  Lucien  Bonaparte  Viterbe  1829  n.  542, 
desselben  Vases  Etr.  1830  pi.  1.  Bullcitt.  d.  lost  archeoi.  1830  p. 
143.  Auch  bei  Inghirami  Vasi  fitt.  4,  359.  Zu  yergleichen  ist  auch 
d'Hancanrille  3,  36.  Inghirami  4,  363,  wo  Nike  einen  springen- 
den Stier  am  Strick  hält,  mit  Fackelträgern  umher;  eine  un- 
bekannte Gäremonie ,  Tielleicht  bezüglich  auf  Fackelspiele  s,  Böckhs 
SUaUhaushaltung  der  Athener  1,1,  497  f.  (613.) 


Dionysischsr  Opferslier. 


171 

Pomp  begleilel,  von  einer  Menschenmenge  umgeben  seyn 
mochte,  in  ihrem  Mittelpunkte  zu  ergreifen  und  ins  Enge 
za  bringen  wussten,  bo  dass  dnsBild  mehr  die  Vorstellung 
des  Ereignisses  erweckte  als  es  in  seiner  lebendigen  Voll- 
slSndigkeit  wiederzugeben  unternahm,  kann  man  auch  an 
diesem  Relier  ersehen,  wenn  dessen  Sinn  hier  getroffen 
seyn  sollte,  besonders  wenn  es  nicht  utwa  Bruchslück  ei- 
ner weit  grJ>Bseren  Darstellung  ist. 


Darbringung  eines   Kindes  an   Dionysos  ^) 


Taf.    IX. 


Im  dritten  Bande  der  Monumente  des  archäologischen 
Instituts  (3,  39)  ist  ein  kleines  Bacchisches  Relief  „von  der 
schlechtesten  Manier^  (der  Ausführung)  abgebildet,  eine  Vor- 
stellung womit  in  den  sonst  bekannten  unzähligen  Bacchi- 
sehen  Monumenten  keines  in  dem  entferntesten  Zusammen- 
hang steht.  Zoega  hatte  das  Relief  1791  bei  dem  Bild- 
hauer Cremaschi  gesehen,  und  durch  seine  in  meiner  Zeit- 
schrift für  alte  Kunst  (S.  521  f.)  mitgetheiite  äusserst  genaue 
Beschreibung  ist  Emil  Braun  veranlasst  worden  die  kleine 
Platte  aufzusuchen  und  an  sich  zu  bringen.  Die  Erklärung 
indessen,  die  er  bei  der  Herausgabe  des  räthselhaften 
Werkchens  in  den  Schriften  des  Instituts  für  1842  .(Bullet, 
p.  53—55.  163.  Annali  21—32)  aufstellte,  hat  er  selbst 
wieder  aufgegeben  (Bullet.  1848  p.  69  f.)  Zoega  vermuthete 
daiss  die  Vorstellung  auf  die  Geburt  des  Jacchos,  Sohns 
des  Dionysos  und  der  Aura,  bei  Nonnos  48,  958  anspie- 
len möchte.  Eine  Vermuthung ,  wonach  sie  sich  nicht  ohne 
Wahrscheinlichkeit  begreifen  lä3St,  gründet  sich  auf  den 
Gebrauch  dem  Dionysos  kleine  Knaben  als  Tempeleigen- 
thum  oder  zu  Hierodulen  zu  weihen,  welcher  in  meiner 
Sylloge  Epigr.   Gr.  p.  97.   no.  66  aus  zwei  Epigrammen 

1)  Gerhards  Arcbäol.  Zeit.  1852  10,  503. 


'*"  • 


Darbringung  eines  Kindes  an  Dionysos.  173 

nachgewiesen  ist.  In  dem  des  Leonidas  (p.  15)  schenkt 
(SmQata»)  eine  Mutter,  statt  eines  Weihgemäldes  hohen 
Styls,  als  ganz  arme  Frau,  dem  Gott  ihr  gemeines  Kind 
lebendig,  mit  dem  Wunsche,  dass  er  es  aus  seiner  Nied- 
rigkeit erheben  möge.  Das  andre,  an  dem  Sarkophag  ei- 
nes Saturninos,  sagt  dass  es  von  Vater  und  Mutter  dem 
Dionysos  verehrt  worden  sey  von  Kind  auf  (ix  naiddg). 
Es  scheint  dass  arme  Leute  sich  von  ihren  Kindern  trenn- 
ten zugleich  um  der  Sorge  für  sie  überhoben  zu  seyn  und 
Qni  ihnen  unter  den  Dienstienten  eines  Tempels  ein  bes- 
seres Loos  zu  bereiten.  Auf  die  Sitte  solcher  Darbrin- 
gungen  nun  scheint  jenes  Relief  sich  zu  beziehen. 

Dei^  jugendliche  oder  Thebische  Dionysos  sitzt  auf  ei^ 
nem  Thron,  den  rechten  Arm  auf  dessen  Lehne  gestützt 
und  das  Haupt  weichlich  an  dessen ,  wie  es  scheint,  hoch- 
gepolsterster  Rückwand  ruhend,  mit  Silen  als  seinem  Diener 
zur  Seite.  Der  Thron  aber  ist  nicht  in  einem  Tempel  er- 
richtet, wie  gewöhnlich,  sondern  auf  Felsen,  indem  dieser 
Gott  wenigstens  abwechselnd  unter  seinen  ländlichen  Dä- 
monen im  Waldrevier  weilend  gedacht  wird ,  ungefähr  wie 
Poseidon  im  Meer  ist  und  nicht  zwischen  dem  Tempel  und 
dem  Olymp  allein  seinen  Aufenthalt  theilt.  Diesem  Diony- 
sos nun  wird  ein  Knäbchen  auf  das  Knie,  worüber  ein 
Tuch  ausgebreitet  ist,  gelegt,  und  er  nimmt  es  so  huldvoll 
auf,  indem  er  ihm  die  Hand  auf  das  Köpfchen  legt  und 
blickt  es  so  liebevoll  an,  ein  Ausdruck  der  durch  die  wie 
einem  alten  Mütterchen  abgelernte  Freude  und  Rührung 
des  Silen  über  die  kleine  Creatur  unterstützt  wird,  dass 
die  Frömmigkeit,  die  einer  solchen  Handlung  zu  Grunde 
liegen  sollte,  sich  hinlänglich  ausspricht.  Sind  nun  die 
beiden  Darbringenden,  ein  jüngerer  als  Träger  des  Kindes 
and  ein  älterer,  der  als  der  Vater  die  Anrede  zu  halten 
scheint.  Sterbliche,  so  tritt  das  Ganze  wie  von  selbst  in 
die  Reihe  der  zahlreichen  Reliefe,  wo  neben  den  Göttern, 
insbesondere  dem  Aesculap  und  seiner  Tochter,  die  ihnen 


174  Darbringung  eines  Kindes  an  Dionysos. 

Gelübde»  ein  Opferthier  oder  andere  Gaben  darbringenden 
Menschen,  ganze  Familien  oder  auch  Einzelne,  dargestellt 
sind.  Und  wirklich  spricht  Zoega  nur  von  einem  Jüngling 
und  einer  andern  F!igur ,  die  zuerst  weiblich  erscheine,  aber 
die  Brust  nicht  weiblich  habe.  Indessen  giebt  die  Zeich- 
nung beiden  Figuren,  die  sonst  nicht  entfernt  an  das  Sa- 
tyrgeschlecht erinnern,  der  einem  etwas  unentschieden,  zu- 
gespitzte Ohren.  Wenn  dieses  an  einem  ahen  Marmor  sol- 
cher Arbeit  zuweilen  schwer  zu  beurtheilende  Kennzeichen 
zuverlässig  vorhanden  ist,  dann  wird  die  Erklärung  etwas 
verwickelter.  Es  würde  alsdann  folgen ,  dass  die  Sitte  dem 
Gott  Knäbchen  darzubringen  in  das  Reich  der  Satyren,  zu 
allen  andern  Menschlichkeiten  aus  der  Wirklichkeit,  über- 
getragen sey,  wie  um  den  Gebrauch  selbst  durch  diesen 
Vorgang  im  idealen  Gebiet  zu  heiligen  oder  zu  heben.  In 
der  älteren  Zeit  dachte  man  bei  Satyrn  und  Mänaden  nicht 
an  Kinder,  indem  sie  nur  als  Bilder  der  an  den  Dionysien 
dem  Taumel  und  der  Lust  hingegebenen  Menge  angesehen 
wurden,  wobei  die  etwaigen  Folgen  des  Augenblicks  wo- 
rauf die  neuere  Komödie  eingegangen  ist  in  der  hochsym- 
bolischen Behandlung  der  Sache  gar  nicht  in  Betracht  ka- 
men. Späterhin,  als  nun  durch  die  überall  verbreiteten 
Bilder  des  Bacchischen  Thiasos  die  Vorstellungen  von  die- 
ser idealen  Race  sich  weiter  und  weiter  entwickelten,  ist 
man  auf  die  eines  häuslichen  Lebens  unter  ihnen  verfal- 
len und  hat  Satyrweiber  (von  denen  der  kolossale  mit  ei- 
nem ähnlichen  männlichen  gepaarte  weibliche  Kopf  im  Mu- 
seum zu  Venedig  das  bekannteste  erhaltene  Denkmal  ab- 
giebt)  und  sehr  häufig  Satyrbuben  dargestellt.  Von  letztern 
will  ich  als  Beispiele  nur  anführen  die  in  dem  Bacchischen 
Zug  mit  der  schlafenden  Ariadne  im  M.  Pioclem.  5, 8,  über 
welche  Visconti  hinweggeht  mit  den  Worten:  „Faune  mit 
Kindern  des  Dionysischen  Gefolges  spielend,^  und  meh- 
rere der  jetzt  bekannteren  kleinen  Marmorrunde  in  meinen 
alten  Denkmälern  2,   130  ff.  Nr.  34  •  35.  42,  vgl.  S.  135. 


Darbringung  eines  Kindes  an  Dionysos.  175 

Gerhard  nennt  auch  an  Vasen  von  Yulci  Bacchus  nebst  einem 
Weibe  das  zwei  Kinder,  oder  auch  eins  hält,  Annali  3,  143. 


Zusatz  (Rhein.  Mus.  1853.  9,  286). 

Das  in  den  Monumenten  des  archäologischen  Instituts. 
3,  39  abgebildete  und  in  Gerhards  Archäologischer  Zeitung 
1852  S*  504 — 6  anders  als  dort  erklärte  kleine  fiasrelief 
befindet  sich  noch  immer  in  Rom/ in  D.  Emil  Brauns  Hän- 
den. Dort  untersuchte  ich  'im  vorigen  Winter  (1852 — 53) 
die  Figur  von  deren  Ohren  es  abhängt,  ob  die  eine 
oder  die  andere  der  von  mir  vorgeschlagenen  Erklärun- 
gen einer  schön  erfundenen  Composition ,  von  sonst  nir- 
gends vorkommendem  Inhalt,  zu  wählen  sey,  gemein- 
schaftlich mit  dem  Besitzer.  Es  bedurfte  keiner  langen 
Untersuchung:  denn  es  ist  klar  und  entschieden,  dass  der 
vollkommen  wohlerhaltene  Kopf  ohne  eine  Spur  noch  Schein 
von  Satyrohren  ist,  so  dass  die  Figur  nur  darum  für  die 
eines  Satyrs  genommen  werden  konnte,  weil  sie  nach  der 
vorgefassten  Meinung  über  die  ganze  Vorstellung  freilich 
ein  Satyr  seyn  musste.  Auch  der  durchaus  wohl  erhaltene 
und  völlig  sichtbare  Rücken  ist  nicht  der  eines  Satyrs.  So 
fällt  also  die  nur  auf  den  Fall,  dass  gegen  meine  Yermu- 
thung  dennoch  ein  Satyr  vorgestellt  wäre,  hinzugefügte 
„etwas  verwickeitere  Erklärung,^  welche  die  Scene  in  das 
ideelle  Gebiet  des  Satyrlebens  versetzt,  einfach  hinweg. 
Wir  erblicken  demnach  zwischen  seinem  Silen  und  einem 
aufwartenden  Satyr  sitzend  Dionysos,  welchem  ein  Land- 
mann sein  neugebornes  Knäbchen  auf  den  Schoos  legt  da- 
mit es  im  Heiligthum  zum  Hierodulen  aufgepflegt  werde.  In 
der  Villa  Borghese  ist  in  der  Sala  del  Fauno  ein  sitzender 
Bacchus  in  grosser  Figur,  neben  welchem  zu  seiner  linken 
Seite  auf  einem  Postament  eine  kleine  weibliche  ganz  be- 


176  Darbringung  eines  Kindes  an  Dionysos. 

kleidete  Figur  steht,  welcher  der  Gott  die  linke  Hand  auf 
die  Schulter  legt,  während  ihre  rechte  auf  seinem  Schoose 
ruht.  In  der  Indicazione  delle  opere  antiche  di  scoltura 
esistenti  nel  primo  piano  del  palazzo  della  Villa  Borghese 
(von  Canina)  ist  diess  Werk  sehr  undeutlich  so  beschrie- 
ben: Gruppo  di  Libero  sedente  e  Libera,  collocato  sopra 
base  che  pare  sia  destinata  a  ricevere  una  iscrizione: 
rappresentanza  assai  singolare  e  considerevole  ^].  Ein  mit 
den  Römischen  Sculpturen  vertrauter  Archäolog  nahm  unter 
besonderer  Erklärung  die  kleine  Figur  für  ein  Kind ,  wozu 
ihn  wohl  nur  deren  ausdruckloses  Gesicht  veranlassen  konnte : 
denn  von  einem  Kind  hat  sie  nichts  und  untergeordnete 
Figuren,  die  nur  eine  besondere  Beziehung  der  Haupt- 
personen anzudeuten  bestimmt  sind,  verkleinert  gebildet, 
gehören  zu  dem  Gewöhnlichsien.  Mir  kam  der  Gedanke, 
dass  eine  Hierodule  gemeint  sey,  gegen  welche  der  Gott 
als  ihr  Patron  sich  gnädig  und  freundlich  bezeige,  wie 
gegen  das  in  dem  Relief  ihm  dargebrachte  Kind.  Der 
Tempel  für  welchen  oder  seine  Umgebung  die  Statue  be- 
stimmt war  würde  durch  eine  Mehrzahl  von  Hierodulen, 
welche  Reichthum  und  Glanz  des  Heiligthums  bezeugen, 
sich  ausgezeichnet  haben,  oder  die  Statue  von  wohlha- 
benden Hierodulen  geweiht  worden  seyn. 


2)  Nibby  mon.  sc.  d.  villa  Borghese  42. 


ki.   «i*.^  ■•AjMiWBMM««» 


h.ail^BMni^MHMBiMHMlMH 


Paris  und  Oenone  ^). 


Emii  Braun  hat  in  seinen  zwölf  Basreliefen  Taf.  8  diess 
auch  schon  von  Winckelmann  und  Guattani  herausgegebe- 
ne Relief  unter  dem  Titel:  Abschied  des  Paris  von  Oe- 
none herausgegeben.  Es  ist  aber  zu  bedauern  dass  er 
nicht  das  Ludovisische  Relief  mit  derselben  Scene^  das 
er  anführt^  als  Vignette  mitgetheilt  hat.  Denn  dieses  scheint 
die  ursprüngliche  und  die  richtigere  Darstellung  zu  ent- 
halten. Da  ist  der  Hafen  bestimmt  angegeben  durch  die 
Felsen,  die  auf  der  rechten  Seite  herab  das  BilJ  abschlies- 
sen.  Paris  sitzt  unter  einer  Pinie  am  Uferfelsen,  also 
zur  Abfahrt  bereit  und  hört,  obgleich  hingelehnt  in  Be- 
haglichkeit, aufmerksam  auf  die  Worte  der  Oenone,  die 
auf  das  Schiff  deutend  ihm  Unheil  prophezeit,  in  ernster 
Würde,  als  Seherin,  und  ohne  sich  auf  ihn  traulich  und 
zudringlich  aufzulehnen^  wie  in  der  Spadaschen  Wiederho- 
lung, was  verwirrend  und  widersprechend  wirkt.  Der  vom 
Haupt  abfallende  Peplos  kleidet  wohl  die  Frau,  ihr  rechter 
Ellbogen  ruht  auf  der  Felswand,  nicht  auf  dem  treulosen, 
sie  verlassenden  Gatten.  Am  Schiffe  stehn  Thyrse,  den 
Rausch  zu  bezeichnen,  worin  Paris  sich  befindet  oder  die 
Lustigkeit,  womit  er  seinem  gewähnten  Glück  zueilt;  auf 
dem  Spadaschen  Relief  sind  sie  in  Lanzen  verwandelt,  die 
zur  Fahrt  in  fremdes  Land  passen.  Auf  diesem,  wo  Oenone 
sich  an  den  Paris  andrückt,  blickt  sie  ihn  eher  freundlich 
an   als   dass   sie  seinem  Willen  zu  widersprechen  schiene. 

1)    Aas    der  im  zweiten   Bande  S.  3t2  ff.  mit  Ausschluss  die- 
ler  Stelle  abgedruckten  Recension. 

V.  12 


178  Paris  und  Oenone. 

Die  Hauptsache  ist,  dass  der  unten  liegende  Fluss,  der 
fast  die  eine  Hälfte  der  Spadaschen  Platte  ausfüllt  und  nach 
der  andern  Seite  hingewandt  liegt  und  deutet,  dort  weg- 
gelassen ist.  Dieser  Fluss  gefällt  mir  nicht  oder  ist  nicht 
klar :  denn  sein  Deuten  in  die  Ferne ,  das  gewiss  nicht 
zufällig  mit  dem  Deuten  der  Oenone  auf  das  Schiff  über- 
eintriifl,  was  soll  es  sagen  ?  Wegweisen  ins  Weite  kann  den 
Paris  der  Kehren  oder  derSkamander  unmöglich.  Es  scheint 
daher,  dass  der  Künstler  des  Spadaschen  Reliefs  den  un- 
teren Theil  dieser  Platte,  wie  die  vorhergehende  mit  der 
herabgesetzten  Kindergruppe,  mit  einem  Flussgott,  aus  einer 
grösseren  Darstellung,  wozu  auch  die  Oenone  gehörte,  der 
so  nicht  in  einer  nothwendigen,  noch  schicklichen  Beziehung 
zu  der  oberen  Scene  steht,  ausgefüllt  hat.  Bei  Bacchylides 
wahrsagte,  wasHoraz  (1,  15)  nachgeahmt  hat,  Nereus  dem 
von  Sparta  mit  der  Helena  schürenden  Paris  auf  der  Reise, 
wie  bei  Apollonius  Glaukos  den  Argonauten.  Aehnlicher 
Orakel  mochten  manche  in  die  Troische  Sage  aufgenommen 
seyn  und  es  konnte  der  Künstler  ein  solches  auch  prolep- 
tisch  mit  der  Wahrsagung  der  Oenone  verbinden.  Die  Ver- 
bindung ist  dann  freilich  lockrer,  die  Einheit  der  Com- 
position  schwach,  der  Fiussgott  bleibt  ein  Zusatz,  aber  sei- 
ner Bedeutung  nach  verstärkt  er,  dass  Paris  seinem  Ver- 
derben entgegeneilt.  Die  Wahrsagung  der  Oenone  atlein, 
welche  weiss,  dass  sie  den  Bethörten  nicht  zurückhalten 
wird,  aber  in  ruhiger  Würde  die  kommenden  Geschicke  ihm 
verkündet,  wie  es  Kassandra  und  Helenes  in  den  Kyprien 
thun,  und  nichts  weiter  drückt  das  Ludovisische  Relief  klar 
und  entschieden  aus.  Wäre  diess  nicht  bekannt ,  so  könnte 
man  bei  dem  andern  an  Medea  und  Jason  denken  nach 
Apollonius  (4,  66  ff.],  wo  Medea  zu  Jason  eilt  und  mit  ihm 
zu  ziehen  verlangt.  Ihr  Deuten  auf  das  Schiff  wäre  dann 
das  Drängen  zur  Abfahrt  und  der  Fluss,  alsdann  der  Pba- 
sis,  würde    durch  sein  Deuten  ihren  Wunsch  unterstützen. 


Steinigung  des    Palamedes^). 


Aaf  dem  Bruchstück  eines  Basreliefs  von  schlechter 
Arbeit  im  Lateranischen  Museum,  wohin  es  vermuthlich 
■08  den  Magazinen  desVaticans,  so  wie  viele  andre  Stücke, 
Tor  einiger  Zeit  zur  Aurstellung  gebracht  wurde,  ist,  in 
Uebereinatimmung  mit  einem  Vasengemälde  in  meinen  Al- 
ten DenkmSIern  III,  27  S.  435,  die  Steinigung  des  Pala- 
mede»  zn  erkennen.  Aus  grossen,  unregelmSssig  viereck- 
ten Steinen  ragt  der  Held  halb  hervor  und  wendet  sich 
wie  in  der  Todesangst  oder  um  zu  sprechen  nach  der 
Seile.  Ein  Behelmter  tritt  von  der  andern  Seite  hinzu,  der 
nach  der  ganzen  Stellung  eben  einen  der  grossen  Steine 
zum  Einmauern  herbeischleppt.  Etwas  höher  als  Palamc- 
des  sieht  neben  ihm  ein  Andrer  in  Unlhätigkeil;  vielleicht 
•Is  ein  ihm  Anhänglicher.  Die  Arbeit  ist  raub.  Eine  Zeich- 
nung wird  man  von  diesem  und  andern  nicht  unbedeuten- 
den Werken  dieses  schon  reichen  neugebildeten  Museums 
■0  bald  nicht  zu  sehen  bekommen,  da  der  Pater  Secclii 
mit  dessen  Herausgabe  (wenigstens  schon  seit  1847)  be- 
■nflragt  ist.  Die  Art,  wie  der  Künstler  die  Sache  behan- 
delt hat,  wird  Manchem  nicht  gefallen,  nicht  erfahrungs- 
missigklar,  leichtfasslich  und  wahrscheinlich  genug  djinken 
und  diesen    kann    vielleicht  geholfen    werden  mit   einem 


1]  Bbein.  Mu«.  1653  9,  288. 


iBO  Steinigung  des  Palamedes. 

mythisch-heroischen  Gegenslnnde  —  denn  ein  solcher  muss 
verlangt  werden  —  der  mir  nicht  bekannt  geworden  ist 
und  bei  dem,  was  mir  als  Darstellung  einer  Steinigung 
gilt,  etwas  ganz  Anderes,  von  mir  nicht  Geahntes  bedeutet. 
Ein  Gegenslüclt  zur  VergJeichung  nach  meiner  Ansicht  der 
Saclie  bietet  indessen  ein  modernes  Gemälde  dar.  In  Sl. 
Stefano  in  Rotondo  in  Rom  sind  bekanntlich  ringsumher 
zu  Ehren  des  Prolomarlyr  Martyrien  gemalt,  nicht  von 
grossen  Malern,  von  Pomarancio  und  einige  von  Tempesta, 
doch  hinreichend  um  bei  Festen  die  Menge  zu  fesseln,  die 
sich  in  diclilcn  Reihen,  wie  bei  Hinrichlungen,  an  sie  her- 
andrängt. Hier  sieht  man  nun  links  vom  Eingange,  jen- 
seits der  Cspelle,  ein  Gemälde  mit  der  Unterschrift:  Nero 
Vitalem  in  foveam  injectum  lapidibus  ac  terra  obruit.  Der 
Märtyrer  ist,  indem  der  untere  Tlieil  des  Körpers  nicht 
sichtbar  ist  (in  fovcRm  injectus),  von  der  Mitte  des  Leibes 
bis  zur  Brust  mit  grossen  Steinen  ummauert,  Schultern  und 
Kupr  noch  frei  und  aufrecht.  So  ist  der  Anfang  gemacht, 
mehr  Steine  können  nachdem  hinzugefügt,  zugeschleudert, 
Erde  darüber  hoch  aufgehäuft  gedacht  werden.  Die  Kunst 
hat  das  Ihrige  gethan:  eine  die  Glieder  zerschmetternde 
Steinigung  ist  am  wenigsten  von  der  allen  Kunst  zu  erwar- 
ten. Was  man  ohne  die  Unterschrift  bei  dem  beschriebe- 
nen Gemälde  sich  wohl  denken  moclile?  was  man  bei  dem 
beschriebenen  Palamedes  wohl  an  der  Stelle  einer  Steini- 
gung sich  wohl  noch  aussinnen  wird? 


Sappho  ^). 


Taf.    X. 

Wie  die  Alten  Homer  den  Dichter  nannten ,  so  kann 
Sappho  die  Dichterin  genannt  werden.  Sohon  aus  diesem 
Grand  wfirde  man  gern  ihren  Namen  der  vorliegenden  Lan- 
tanipielerin  );eben,  die  sich  auf  der  Scherbe  eines  Tiion- 
gefllues  mit  Belief,  im  Besitz  des  Bildhauers,  Herrn  Stein- 
hiDSer  in  Rom,  erhallen  hat.  Aber  noch  bestimmter  weist 
nf  sie  die  leidenschaflliche  Erregung  der  Figur,  da  eine 
Flamme  wie  aus  manchen  Liedern  der  Sappho  lodert,  keine 
andre  der  Griechischen  Dichterinnen ,  so  wie  vielleicht  kein 
andrer  Dichter  Oberhaupt,  zum  Ausdruck  in  Wort  und 
Rhythmus  gebracht  hat.  Wie  so  ganz  anders  erscheint  die 
Sippbo  eines  endern  Vasengcmäldes  und  eines  Tiionreliefs 
gegenflber  dem  AlkäOs,  dessen  bescheidnen  Liebesantrag 
sie  in  ruhiger  Würde  zurückweist ') ;  die  unsrige  giebt  ein 
Gegensiflck  dazu  ab.  Diese  Sappho  hat  ihre  Liebe  in  ei- 
nem IJede  nicht  ausgehaucht,  sondern  durch  den  Gesang 
im  tiefsten  Innern  nur  noch  heiliger  aufgeregt.  Glieder- 
lösende  Sehnsucht  ' —  wie  der  Schlaf  gliederlösend  genannt 
wird  —  hat  sie  ergrilTen,  sie  lässt  das  Barbiton  sinken 
in   der  Rechten ,    und    der  andre   Arm   hSngt  wie  leblos 


I]  Anuli  1868  XXX  p.  42.  f. 

2}  S.  neine  Alten  Denkmiler  3,  »!t-33i  Taf.  13. 


182  Sappho. 

gerade  herab;  das  Plektron  ist  der  Hand  entfallen:  der 
Bildner  hat  entweder  versäumt  oder  nicht  nöthig  gehalten 
es  hinzuzeichnen.  Den  Kopf  aber  wirft  sie  zurück  wie  un- 
fähig ihn  aufrecht  zu  halten,  und  in  ihrem  Mund  verhallen, 
wie  es  scheint ,  da  er  geöffnet  ist,  die  letzten  Töne.  Dass 
sie  einsam  für  sich  gesungen  hat,  dass  ein  Mann  ihr  ge- 
genüber nicht  wohl  zu  denken  ist,  wird  man  zugestehen, 
und  vollkommen  passt  die  ganze  Auffassung  zu  ihrem  auf 
uns  gekommenen  Lied  an  Aphrodite,  welches  demnach  der 
Künstler  vor  Augen  gehabt,  zum  Ausdruck  im  Bilde  sich 
vorgesetzt  zu  haben  scheint.  So  verstand  es  die  Griechi- 
sche Kunst  ausserordentliche  Seelenzustände  zur  Anschau- 
ung zubringen,  wahr  und  sprechend,  wie  die  Natur  selbst 
in  Personen,  die  deren  fähig  sind,  wunderbar  sie  auszu- 
drücken pflegt.  Warum  könnte  die  Zeichnung  nicht  von 
der  Sappho  des  Leon  (bei  Plinius]  oder  eines  andern 
namhaften  Malers  der  guten  Zeit  entlehnt  seyn?  Die  ein- 
fach feine,  und  zugleich  grossartige  Erfindung  und  die 
hohe  Schönheit  des  ganzen  Werks  können  dem,  der  sie 
nicht  selbst  sieht  und  empfindet,  nicht  beschrieben  werden. 


Dieses  kleine  Relief  hat  dem  Besitzer  desselben  wahr- 
scheinlich die  Idee  eingegeben  Mignon  darzustellen  in  dem 
Augenblick  wo  sie  ausgesungen  hat:  Solasst  mich  scheinen 
bis  ich  werde.  Mit  welchem  glücklichen  Ausdruck  diess 
geschehn  sey,  ist  geschildert  in  der  Kölnischen  Zeitung 
1860  20.  Juny. 


Anhang. 


Prometheus  Menschenschöpfer  und  die  yier 
Japetiden  an   einem   Glasgefass '). 


Taf.    XI. 

Der  in  Abbildung  vorgelegle  gläserne  Becher  ist  vor 
wenigen  Jabren  aus  einem  in  C&In  entdecklen  Römischen 
Grab  hervorgegangen,  sowie  früher  aus  zwei  andern  dor^ 
tigen  GrSbern  die  zwei  ebenfalls  kunstreichen  TrinkgefSsse, 
vasa  diatreta,  herrUhrlen ,  die  von  Prof.  Urlichs ,  dem  Haupt- 
begrtlnder  unsers  Rheinischen  Allertbumsvereins,  in  dessen 
Jahrbüchern  im  5.  und  6.  Hefte  Taf.  II.  l'Z  herausge- 
geben und  S.  377 — 382  besprochen  worden  sind.  In  der 
Form  sind  diese  sehr  verschieden  von  dem  unsrigen;  sie 
sind  Ifinglich  find  höber,  nach  unten  zu  so  sehr  abnehmend 
dass  sie  kaum  zum  Niedersetzen  eingerichtet  scheinen ,  wo- 
gegen das  unsrige  unten  recht  platt  ist  zum  Feststehen ,  im 
Ganzen  sehr  ahnlich  dem  Ihönernen  Becher,  den  man  so 
hfinfig  inSicilien,  auch  in  Neapel  sieht,  coppa  dort  genannt. 
Ausser  den  von  K.  0.  Malier  im  Handbuch  S.  316,  4  an- 
gefahrten und  von  Urlicbs  a.  a.  0.  beschriebenen  Bechern 
kunstreicher  Art  ist  einer  mit  der  Inschrift  FAYENTIB  zu 
nennen,  der  in  Slavonien  gefunden  und  von  Arneth  edirt 
wurde*).     Auf  einem   in  Strassburg   gefundnen  Becher  fin- 


1)  Jabrbncber   des   VereioB  fär  A  Iterthuin  irre  und  e  im  Rhein- 
lude  14.  JabrgaDg  tSSO  S.  114-122. 

2]  Die  antilieD  Cameen  in  Wiea  Tif.  2%  3  S.  4t   f. 


186 

det  sich  der  Name  des  Kaisers  Maximianus.  Bis  zum  En- 
de des  dritten  Jahrhunderts  also  ist  die  Kunst  der  vitriarii 
nachweislich,  die  in  Rom  in  grosser  Ausdehnung  geblüht 
zu  haben  scheint,  so  wie  an  andern  Orten  Italiens,  wohin 
sie  sich  von  Alexandria,  ihrem  Hauptort,  mit  so  vielem 
Andern  verpflanzt  hatte. 

Unser  Becher  [jetzt  im  Museum  in  Berliin]  war  im  Be- 
sitz des  Herrn  Aldenkirchen  in  Cöln,  der  das  Suchen  und 
Sammeln  der  einheimischen  Römischen  Kunstalterthümer  seit 
vielen  Jahren  mit  grossem  Fleiss  und  Geschick  betreibt,*  und 
seinem  vorsichtigen  Bemühen  ist  es  zu  verdanken,  dass  er 
aus  Scherben  und  Splittern,  die  man  vorfand,  so  vollständig 
wieder  hergestellt  ist.  Auch  auf  die  Abbildung,  insbesondre 
auch  der  Schrift,  ist  die  äusserste  Sorgfalt  verwandt  wor- 
den. Alles  ist  durch  das  Dreheisen  gearbeitet,  das  Gefäss 
gehört  im  Allgemeinen  unter  die  vasa  sigillata,  die  man 
im  Glas  auf  verschiedne  Weise  herstellte,  bestimmter  unter 
die  toreumata  vitri,  vasa  caelata,  wiewohl  auch  diese  auf 
verschiedne  Art  gearbeitet  wurden '). 

Die  Vorstellungen  an  dem  Gefäss  bieten  des  Neuen, 
Eigenthümlichen,  Auffallenden  so  viel  dass  man  bei  dem 
Betrachten  Anfangs  schwanken  kann,  ob  es  uns  mehr  we- 
gen Unwissenheit  des  Künstlers  oder  wegen  unserm  Man- 
gel an  Kenntnis  etwaiger  Anhaltspunkte  und  Beziehungen, 
wegen  Unkunde  der  Gelehrsamkeit  des  späten  Zeitalters  so 
sehr  seltsam  vorkomme*  So  viel  Wunderliches  und  so  viel 
Spuren  von  Ausartung  der  Kunst  und  Verwirrung  der  Vor- 
stellungen auch  an  späten  Sarkophagen  und  andern  Monu- 
menten vorliegen,  so  möchte  doch  der  Glasbecher  auch 
in  dieser  Hinsicht  merkwürdig  seyn  und  sich  sehr  aus- 
zeichnen. 

Um   mit   den   Beischriflen  zu   beginnen,  so   sind   die 


3)   Plin.  36,   26,    66   alind  flata  figuratur,   aliud  torno  teritur, 
aliud  argenti  modo  caolatur. 


BnehBlaben  im  Ganzen  die  gewöhnlichen  der  Zeit.  Das  « 
uDd  d»8  e  haben  die  runde  Form,  und  es  scheint  nur 
Fehler  des  der  Scbriß  nicht  gewohnten  Meisters  dass  io 
nP0MB®ET2  statt  des  H,  das  im  Namen  seines  Bruders 
moht  feblt,  E  gesetzt  ist,  und  diess  E  zwar  nach  rechter 
Seite  gewandt,  während  es  in  der  Endsylbe  beider  Namen 
richtig  nach  der  linken  steht,  wie  die  Schrift  überhaupt, 
mit  Affeetation  der  Allerlbümlichkeit,  gerichtet  ist.  Im  9 
fehlt  der  Punkt  in  der  Mitte  wohl  nur  weil  er  auch  dem 
VergrOsserungsglas  entgangen  ist.  Das  2  ist  am  Ende 
beider  Namen  nicht  ausgelassen,  wie  es  in  der  Aussprache, 
im  Ven  der  Römer,  auch  in  Inschriften  Griechischer  Vasen 
und  sonst  nicht  selten  ausgefallen  ist,  und  seihst  in  der 
Endsjlbe  svs  in  ©HJEF  in  0.  Jahns  Vasenb.  Taf.  2  fehlt, 
BODdern  es  steht  unter  beideuNamen  in  derFormC.  Mehr 
auffallen  musa  dass  YÜOMIlQEYi  geschrieben  ist  für 
EBlMH&EYg,  auch  diess  vermulhlich  ohne  alle  Bedeu- 
tung für  uns,  nur  durch  Schuld  des  Technikers,  der  doch 
gewiss  nur  co)>irte,  indem  er  auf  nqd  zufällig  oder  aus 
Laune  und  Unkenntniss  des  Gegenstandes  lieber  vnd  als 
hü  bezieben  mochte.  Prometheus,  der  im  alteren  Mythus 
die  Menschen  rettete  als  Zeus  sie  verderben  wollte,  der 
durch  das  Feuer  und  alle  Erfindungen  und  Gebräuche,  die 
damit  zusammenhängen,  ihnen  alle  Bildung  mitlheilte,  ist 
«pBter  in  noch  näheren  Bezug  zu  ihnen  gesetzt  worden. 
Eine  grosse  Erfindung  war  unter  andern  auch  die  Töpfe- 
rei und  Thonbildneroi.  In  Athen  verehrten  die  Kerameu- 
ten  im  Keramikos  den  Prometheus  als  den  Gott  ihrer  Kunst. 
Bei  Hesiodus  hatte  Hephäslos  Pandora,  das  erste  Weib, 
durch  Mischung  von  Erde  und  Wasser  gebildet:  so  knetete 
nachmals  Prometheus,  gegen  die  Alexandrinische  Periode, 
and  zuerst  vielleicht  in  örtlichen,  volksmässigen  Sagen  wie 
in  Panope  und  Ikonion,  den  ersten  Menschen  aus  Thon: 
die  Seele,  der  Geist  musste  von  oben  zu  dem  irdischen 
Stoff  hinzukommen.    So   dachten    die  welche  die  Tochter 


188 

des  Zeus  dem  Thongebilde  die  Psyche  unter  dem  Sinnbilde 
des  Schmetterlings  auf  das  Haupt  setzen  oder  in  der  Hand 
haltend  herbeibringen  oder  sie  als  geflügelte  Person  durch 
Hermes  herbeiführen  lassen,  wie  wir  an  Sarhophagen  und 
Lampen  sehen  *),  Aber  so  hat  der  Erfinder  unsrer  Com- 
posilion  nicht  gedacht.  Prometheus  ist  ihm  nicht  ein  dv- 
9Q(i)7roniatn^g  Qdv&QtarronXaOnxdg  wenigstens  bommt  vor) 
er  würde  sonst  im  Modelliren  selbst  begriffen  seyn  und 
das  Modellirholz  in  der  Hand  halten,  wie  in  den  ange- 
führten Monumenten:  sondern  er  selbst  bringt  den  ganzen 
lebendigen  Menschen  zu  Stande.  Diess  drückt  das  sonst 
nirgends  vorkommende  Wort-Composilun  zwischen  ihm  und 
dem  Menschen  AN&PQIIOrONlA ,  Menschenerzeugung, 
Menschenschöpfung,  aus.  Von  dieser  aus  irreligiösen  An- 
sichten hervorgegangenen  Idee  findet  sich  auch  sonst  noch 
eine  Spur.  Auf  Sappho  wird  zurückgeführt,  dass  Prome- 
theus mit  Hülfe  der  Athene  an  den  Rädern  des  Helios  seine 
Fackel  angezündet  und  so  den  Menschen  das  Feuer  mit- 
getheill  habe  ^).    Hieran  haben  jene  Epikureer  angeknüpft^ 

4)  MillJD  Gil.  m^lhol,  pl.  93,  3S3.  93,  3ä2,  Clsrac  Musäe  da 
Loarre  pl,  315  n.  '29.  30,  Barloli  Lucerne  lav.  I.  Tassis  uod  fiaspe 
Calal.  n.  855S-89T8,  Eine  Nebeasagu.  schon  bei  Meoander,  ist 
dasi  Promelheui  das  erste  Weib  bildete  und  dadurch  den  Men- 
schbo  alles  Uahcil  zuzog  (vrodurcb  achon  allein  er  dem  Laciaa 
■eineStrafe  verdient  zu  haben  schienj,  Tiellcicht  ausgedrückt  Mut. 
Piocl,  4,  34,  Tgl.  ßrönd.ied  Reisen  'i,  220. 

5)  Serv.  ad  Virgil.  Ed.  6,  42.  Tril.  Prom.  S.  71.  In  dem  vai 
auB  HeeioduB  damit  yerbunJen  ist:  ob  quam  causam  Irali  Dii  dno 
mnU  immiserunt  terra?, febrei,  maciem  et  morbos,  vermutbet  Leop. 
Schmidt  über  Calderons  Behandlung  antiker  Mjtben  im  N.KheJD. 
Mus.  10,  328  feminai  für  febres.  In  di-m  ersien  Mjthogr,  Vat.  1, 
1,  wo  die  ZurückrühTung  auf  Sappho  und  llesiodut  weggeUisen 
ist,  sieht  duo  mala.  Tehrea  el  maciem,  id  eat  morbos.  Alan  sliesa, 
scheint  es,  an  duo  mala,  Tebres  el  morbos  an,  setzte  febrea  et 
maciem,  und  wollte  doch  auch  daa  handEchriftliche  morbos  reiten, 
aber   febrei   ia    feminaa   zu    emeudiren  ist  besser.     Dieser  H7Ü10- 


i'  imifc   ""    >"  ._ 


189 

die  rieh  gefielen  diesen  Hythas,  der  ja  gleich  andern  im- 
mer neue  Schossen  trieb,  im  Sinn  ihrer  Philosophie  fort 
und  umzubilden.  So  lesen  wir  denn  bei  Fulgentius  (2,  9 
p.  679)  und  mit  geringen  Verschiedenheiten  in  dem  zweiten 
Vaticanischen Hythographen  (63),  dass  Prometheus,  der  den 
Menschen,  wobei  er  Bestandtheile  aller  Thiere  anwandte, 
unbelebt  und  empfindungslos  aus  Thon  gemacht  hatte,  von 
Athene  emporgetragen,  an  den  Rädern  des  Phöbus  in  eine 
Ferulstaude  Feuer  fieng  und  diese  dem  Menschen  auf  die 
Brust  setzte  und  ihn  dadurch  belebte.  Wie  die  Erzählung 
in  der  Einfalt  der  Mythologie  der  Zeit  zu  diesem  Endpunkt 
hingeleitet  wird,  ist  besser  im  Original  selbst  nachzulesen. 
Den  Gedanken  aber  hat  auch  der  erste  Vaticanische  My- 
thograph  seiner  Erzählung  von  Entstehung  des  Menschen 
aus  den  geworfnen  Steinen  des  Deukalion  und  der  Pyrha 
(höchst  ungeschickt)  angehängt  (189):  Postea  venit  Prome- 
theus et  vivificabat  homines  illos  face  caelesti  adhibita  ^). 
Dieser  Act  nun  der  Belebung  ist  auch  am  Glase,  nur  auf 
ganz  andre,  nicht  schlechtere  Art  ausgedrückt,  durch  Auf- 
legung der  Hand  auf  den  Kopf.  Diess  ist  die  natürlichste 
Art  die  von  einer  Person  mystisch  ausgehende  Kraft,  z.B. 
Segen,  den  Uebergang  der  Weihe  aus  ihr  auf  eine  andre 
sinnlich  zu  machen.  Hier  ist  diese  magische  Kraft  auf  die 
Belebung  ausgedehnt  und   sowohl  die  Kraflanstrengung  in 


gnpb  litst,  so  wie  Seryius,  den  spilen  Zusatz  Ton  der  Belebung 
dei  Menschen  durch  das  Feuer  weg.  Uehrgens  ist  mit  Unrecht 
Trii.  S.  13  auch  das  Bilden  des  Meoscheo  aus  Thon  schon  auf 
Sappho  (und  gar  auf  Erinna  ep.  1)  zurückgeführt.  Die  Belebung 
darch  das  Feuer  ist  daToo  unabhängig.  Auch  Euripides  ist  nicht 
IQ  nennen,  da  das  ihm  in  einigen  Handschriften  des  Stobäus  bei- 
gelegte Fragment  richtiger  den  Namen  des  Philemon  trigt.  Mei- 
nelie  fragm.  Comic.  Gr.  4,  32.  Dann  folgen  Alexandriner  und 
Ortstagen. 

6)  Bröndsted  bezieht  hierauf  einen  geschnittnen  Stein  Reisen 
%  197.  306  Taf.  45. 


190 

der  Figur  des  Prometheus  als  die  gleichsam  fromm  ah- 
nungsvolle Haltung  des  Menschleins  stimmen  damit  wohl 
überein. 

Der  von  der  andern  Seite  wie  in  Eile  hinzutretende 
Epimetheus  hält  in  Händen  ein  grosses  rundes  Geräss, 
worunter  man  sich  nichts  anders  vorstellen  kann  als  die 
Büchse  der  Pandora,  die  er  bei  sich  sammt  ihrer  Büchse 
aufgenommen  hatte.  Er  fasst  diese  oben  mit  der  linken 
Hand^  indem  er  mit  der  andern  sie  an  der  Seite  hält,  und 
scheint  alle  die  in  ihr  verschlossenen  Uebel  herauslassen 
zu  sollen,  die  den  in  das  Leben  tretenden  Menschen  be- 
gleiten werden.  Möglich  ist  es  zu  denken  dass  man  auf 
den  Namen  *  YnoiAti&svg,  der  oben  als  Fehler  aus  Zerstreu- 
ung erklärt  worden  ist,  auf  diese  neu  ersonnene  Handlung 
dass  Epimetheus  die  Uebel  selbst  ausfliegen  lässt,  wie  man 
sagt  unter  demThier,  nicht  bloss  aller  Vorsicht  baar^  son- 
dern der  unverständigsten  Uebereilung  fähig. 

Die  hinter  dem  Epimetheus  stark  und  steif  in  schräger 
Richtung,  was  wohl  nur  durch  die  Rundung  des  Gefässes 
bedingt  ist,  gestellte  Figur  scheint  Atlas  zu  seyn,  der  Tra- 
gende, Ertragende,  der  neben  Prometheus  mehrmals  darge- 
stellt ist^),  indem  diese  beiden  der  vier  Brüder  die  starke 
und  gute  Seite  der  Menschheit  bedeuten.  Ueber  all  diesen 
Figuren  liegt  eine,  die  mit  den  drei  Brüdern,  da  wir  als 
dritten  den  Atlas  angenommen  haben,  von  gleichen  Grös- 
senverhältnissen ,  und  also  dem  Menschen  gegenüber  auch 
Titanischer  Natur  ist.  Sie  ist  nicht  ganz  ausgestreckt  wie 
ein  Todter;  aber  davon  ist  wohl  nur  die  Rundung,  inner- 
halb welcher  die  Composition  eingeengt  ist,  Ursache:  das 
Liegen  auf  dem  Rücken  an  sich^  wohl  auch  die  angedeu- 
tete  Unterlage  ^) ,   sprechen  für    eine  Leiche.     Nun    wurde 


7)  Meine  A.  Denkm.  3,  192.  Hier  ist  auch  S.  286  Taf,  14, 
26  die  Fabel  des  Prometheus  ebenfalls  in  Epikureischem  Geiste 
behandelt. 

8)  Von  Laub  in  der  Alkmäonis.  Ep.  Gycl.  2,  397. 


191 

nach  Hesiodus  der  vierte  Sohn  desjapetos  HenOtios  von 
Zeus  mil  dem  Blilz  getüdlet,  und  in  diesem  Sinn  konnte 
sehr  wobl  auch  der  Name  Mevotaog  imAlterthum  verslan- 
den werden;  so  wie  er  von  neueren  Philologen  von  otto^, 
Tod,  und  nivst»,  in  der  Bedeutung  warten,  harren,  ab- 
geleitet worden  ist-  Ich  habe  in  meiner  Götterlehre  gezeigt 
(1,  '744),  dass  in  der  ursprünglichen  Dichtung  von  den  vier 
S6hnen  des  Japelos  Mevolno^j  eins  mil  Msvolt^i,  einen 
andern  Sinn  hatte,  den  des  Leidenschaftlichen,  der  mit 
nngezähmter  Kraft  frech  und  rüchsichtslos  vorstürmt^]. 

Fasst  man  das  Einzelne  zusammen,  so  gehl  die  nicht 
erhebende  Ansicht  hervor,  dass  der  Mensch  aus  Erde  und 
Ton  physischen  Kräften  belebt^  so  wie  er  in  das  Leben 
tritt,  von  einer  Menge  vonUelieln  empfangen  und  bedroht, 
nachdem  er  mit  allen  Kräften  ertragen  und  ausgehalten 
hat,  dem  sicheren  Tode  bestimmt  sey.  Zu  einer  andern 
allgemeinen  Bemerkung  giebt  der  Sedier  Anlass.  Vox  hy- 
bride wird  ein  aus  zwei  Wörtern  verschiedener  Sprachen 
zusammengesetztes  Wort  genannt.  So  könnten  wir  auch, 
wie  es  ungelenke  oder  verrenkte,  durch  Auswüchse  ent- 
stellte, ttbel  gemischte  oder  schief  construirte  und  andre 
Arten  missrathener  Mythen  aus  späten  Zeilen  giebt,  hy- 
bride Mythen  diejenigen  nennen,  die,  wie  die  an  unserm 
Becher  ausgedruckte  Dichtung,  einen  Bestand tfa eil  hochalter 
Mythologie,  wie  die  Hesiodischen  viiT  Japetiden,  und  einen 
der  letzten  Zeit,  Prometheus  Menschcnschöpfer,  mit  einan- 

9)  Atlas  und  Mendlios  sind  in  dem  sinoigen  Geiste  der  allen 
Hellenen  ein  Vorspiel  des  in  der  epischen  Poesie  so  Truchlbar 
eBlwickelten  Gegeosaties,  auf  den  ich  im  EpitchcD  Cjiclus  aul- 
merkiam  machte,  des  Gegeaaatie«  zwischen  Odjeseui,  dem  Fe- 
iten und  Klaren,  Ausdiuernden,  und  Achilleua,  der  lon  der  Ge- 
walt aeinet  Gemüthes  getrieben  den  strshlendslcn  Ruhm  erwirbt, 
■her  Troja  nicht  nimmt  und  ia  der  Jugeadblutlie  umkommt.  Die 
nensD  Züge  sind  aus  dem  Hcldenleben  geschopfl,  die  ältere  An- 
deotuDg  bleibt  bei  dem  MeDscheoUben  überhaupt   tiehn. 


192 

der  verschmelzen.  Uebrigens  zeigt  sich  hier  von  neuem 
wie  sehr  der  Mythus  von  Prometheus  fortdauernd  die  Gei- 
ster der  Denker,  Dichter  und  Künstler  in  der  verschieden- 
sten Weise  angeregt  und  beschäftigt  hat. 

Dem  Hauptbild  ist  noch  eine  kleinere  Darstellung  hin- 
zugefügt, die  mit  dem  Sinn  übereinstimmt,  den  wir  in  je- 
nem gefunden  haben,  indem  sie  ebenfalls  die  Menschen- 
schöpfung in  andrer  Weise  enthält.  Wir  sehen  vor  uns 
die  m^  die  Mutter  Erde.  Aus  dieser  wuchsen  nach  einer 
weitverbreiteten  Speculation  der  alten  Welt,  die  wohl  aus 
dem  bildlichen  Ausdruck  Sohn  dieses  Bodens,  ureinhei- 
misch, entsprungen  ist,  dass  die  Stammväter  der  Stämme, 
der  Völker  aus  der  Erde  nicht  anders  als  die  Bäume  er- 
wachsen seyen  ^^).  Indem  die  Erde  persönlich  als  eine 
Mutter  gedacht  wurde,  sehn  wir  nun  hier,  in  noch  aben- 
theuerlicherer  Weise,  den  Menschen,  gleich  in  seinem  voll- 
ständigen Wachsthum,  wie  etwa  auch  der  Sprössling  des 
Bodens  zu  denken  ist,  mit  dem  ein  Püppchen,  einen  Men- 
schenkeim zu  verbinden  der  Phantasie  wobl  nicht  leicht 
wurde,  hervorgehn;  und  Mutter  und  Sohn  scheinen,  nach 
den  ausgebreiteten  Armen  zu  schliessen,  des  wohl  gelun- 
genen Processes  sich  zu  freuen. 

Wenn  der  Leser  die  vorstehende  Erklärung  überra- 
schend, sonderbar,  gezwungen  fände,  so  könnte  mich  diess 
keineswegs  wundern.  Nur  möchte  ich  bitten,  noch  einmal 
zurückzusehn  und  zu  fragen ,  ob  nicht  vielmehr  das  Werk 
und  die  Erfindung  selbst  so  zu  nennen  wären.  Wenigstens 
will  ich  offen  gestehn,  dass  wenn  beide  nicht  zusammen- 
treffen. Einzelnes,  das  Wesentliche  nicht  Aufhebendes  ab- 
gerechnet, ich  meines  Theils  durch  andre  Erklärungen  schwer- 
lich befriedigt  werden  könnte.  Jedenfalls  wird  einleuchten 
dass  die  Merkwürdigkeit  und  Seltenheit  des  Cölner  Glas- 
bechers bloss  als  Kunstwerk  unter  verschiedenen  Gesichts- 


10)  Meine  Götterlehre  1,  777  f. 


193 

punkten,  noch  sehr  erhöht  wird  durch  die  originelle,  rela- 
tiv räthselhafte ,  Darstellung  die  er  an  sich  trägt. 

Eines  ist  noch  übrig ,  worüber  ich  völlig  rathlos  bin. 
Es  sind  diess  die  neben  dem  Prometheus  ausgeschütteten 
Iftnglichen  runden  Massen.  Man  könnte  denken ,  sie  seyen 
in  dieser  Art  vorbereitet  um  bei  der  Zusammensetzung  ei- 
ner grösseren  Figur  zu  dienen,  statt  dass  sonst  Prometheus 
an  den  Sarkophagen  einen  Korb  mit  Sinopisciier  Thonerde 
neben  sich  stehn  hat.  Aber  die  Körper  nicht  bloss  des 
tbongebildelen  Menschen,  sondern  auch  alier  andern  höhe- 
ren Wesen  erscheinen  wie  aus  ähnlichen  Klumpen  theil- 
weise  zusammengesetzt.     Hierfür  fehlt  mir  aller  Aufschluss. 

Schliesslich  komme  ich  auf  die  etwa  anzunehmende 
Zeit  dieses  kleinen  Kunstwerks  zurück.  Auf  den  Styl  der 
Figuren  möchte  weniger  zu  sehn  seyn,  da  wir  nicht  an- 
nehmen können  dass  in  den  Kaiserzeiten  die  verschiede- 
nen Kunstarten  und  Kunstgewerbe  gleichen  Schritt  gehal- 
ten haben,  und  nicht  etwa  aus  den  Sculpturen  des  Seve- 
rusbogens  allzuviel  schliessen  dürfen.  Die  Schrift  aber 
verrftth  wohl  eine  viel  frühere  Zeit  als  die  der  beiden  an- 
dern erwähnten  in  Cöln  gefundenen  Gläser.  An  diesen 
sind  zwei  Gesundheiten  eingegraben  nts  ^i^aatg  xaXdog  und 
bibemultis  annis,  in  lang  gestreckten ,  hochbeinigen,  schmal 
gehaltnen,  übrigens  gleichmässig  und  sorgfältig  geschriebe- 
nen Buchstaben,  ausser  dass  im  F  und  i2  Verkünstelung 
sich  zeigt.  Alle  AfTectation  in  der  Schrift  und  Entfernung 
von  der  alten  einfachen  nationalen  und  Allen  gewohnten 
Schrift  ist  kleinlich  und  zwecklos,  ein  Zeichen  von  einreis- 
sendem  Ungeschmack.  Immerhin  aber  ist  der  geringe  An- 
fang der  Spielerei  in  mannigfaltigen  Variationen  der  einfa- 
chen edlen  Griechischen  Schrift,  dieser  leeren  Künstelei, 
die  selbst  in  den  Jahrhunderten  der  Barbarei  nur  wenig 
Beifall  gefunden  zu  haben  scheint,  zu  bemerken. 


V.  13 


194 


Zusatz  (deir  inst.  Bullett.  1860  p.   158—160). 


In  diesem  BuIIettino  ist  p.  67  Bericht  erstattet  über  eine 
sehr  auffallende  Darstellung  an  einem  Glasgefäss  in  Cöln, 
indem  an  die  Stelle  der  von  mir  gegebenen  Erklärung  eine 
andre  gesetzt  wird.  Da  ich  diese  für  gänzlich  verfehlt 
halten  muss,  so  glaube  ich,  um  eine  neue  und  für  ihr 
spätes  Zeitalter  siehr  charakteristische,  durch  ihre  Origina- 
lität hervorstechende  Composition,  von  der  den  Lesern  des 
BuUettino  eine  Abbbildung  nicht  vorliegt,  zu  schützen,  ei- 
nige Gegenbemerkungen  nicht  zurückhalten  zu  dürfen.  Um 
mit  der  Hauptfigur  zu  beginnen,  so  setzt  Prometheus  dem 
neugebildeten  Menschen  ein  paar  Finger  der  rechten  Hand 
cärimoniös  auf  den  Kopf,  indem  er  den  linken  Arm  pathe- 
tisch ausstreckt,  wobei  man  unwillkürlich  den  lauten  Aus- 
ruf einer  Formel  sich  hinzudenkt.  Es  ist  mir  kein  Beispiel 
bekannt  dass  die  alten  Künstler,  bis  zu  den  jüngsten  herab, 
die  darzustellende  Handlung  im  Wesentlichen  nicht  nach 
der  Wirklichkeit  des  Lebens,  sondern  dafür  etwas  durch- 
aus Andres  hingezeichnet  hätten  und  ich  kann  daher  nicht 
zugeben  dass  diese  Figur  das  Bilden  in  Thon  ausdrücke '}. 
Da  ferner  zwischen  Prometheus  und  dem  Thonfigürchen, 
welchem  er  die  Hand  auflegt,  deutlich  geschrieben  steht 
AN&PwHOrONIAj  was  von  Thonbiidnerei  eben  so  ver- 
schieden ist  als  die  beschriebene  Geberde  des  Prometheus, 
so  habe  ich  angenommen,  dass  gerade  diese  ganz  beson- 
dere und  ausdrucksvolle  Geberde  die  Belebung  des  vol- 
lendeten Thongebildes  und  also  die  eigentliche  Erzeugung 
oder  Schöpfung  des  Menschen  ausdrücke,  die  ausgedrückt 
ist  nach  der  Inschrift:  und  ich  habe  dazu  mich  befugt  ge- 
halten durch  den  nachgewiesenen  Vorgang,  dass  nach 
Römischen  Mythographen  in  dieser  spätem  Zeit  Prometheus 


1)    In   Bezug   auf  diesen  Grundsatz    kann  ich  u.  a.  auf  meine 
Alten  Denkm.  1,  374  hinweisen. 


195 

HirUich  den  Menschen  auch  belebt.  Der  Kritiker  g^eht 
über  die  Inschrift  mit  Stillschweigen  hinweg.  Aber  auch 
dafür  wird  er  schwerlich  ein  einziges  Beispiel  aufweisen 
können  y  dass  eine  sachliche  Beischrift  auf  einem  alten  Mo- 
nament  nicht  das  wirklich  aussagte^  was  der  Sinn  des 
Wortes  ist. 

Da  also  die  Belebung  des  Menschen  urkundlich  fest- 
steht^ auch  die  Haltung  und  Geberde  des  Prometheus  als 
Gottes  dazu  vollkommen  zu  passen  scheint^  die  dagegen 
für  den  Thonbildner  Prometheus  ohne  Bossirholz  und  Thon 
im  Korb  daneben  unbegreiflich  seyn  würde,  so  ist,  indem 
diese  vermuthet  wurde,  kein  Gewicht  darauf  gelegt  wor- 
den dass  der  magische  Act  der  Belebung  nach  den  ge- 
dachten Mythographen  nicht  auf  dieselbe  Art^  sondern 
durch  Aufsetzung  der  an  der  Sonne  entzündeten  Fackel 
anf  die  Brust  ausgeführt  wird.  Der  Formen  das  Wunder 
zu  bewirken  hätten  leicht  noch  andre  erfunden  werden 
können,  auf  die  Sache  selbst  kommt  es  zunächst  an.  Epi- 
metheus  (nach  der  Beischrift)  bringt  nach  dem  Kritiker  ei- 
nen sehr  grossen  Klumpen  Thons  herbei.  Aber  auch  wenn 
Thonbildnerei  hier  überhaupt  vorkäme,  wovon  keine  Spur 
sichtbar  ist,  so  ist  es  durchgängig  das  Wesen  des  Epime- 
iheus  einen  Gegensatz  von  Prometheus ,  niemals  seine  Sache 
nichts  anders  als  dessen  Diener  abzugeben.  Wenn  wir 
dagegen  statt  eines  Klumpen  Thons  das  Gef^ss  annehmen, 
aus  welchem,  nachdem  Epimetheus  die  Pandora  mit  dem- 
selben aufgenommen  hatte,  alle  Uebel  der  Menschheit  he- 
rausgeflogen, so  ist  das  was  einzig  den  mythischen  Cha- 
rakter des  Epimetheus  ausmacht,  nur  in  erläuternder  Ent- 
wickelung  oder  Variation  dargestellt:  es  sind  so  der  Mensch, 
welchen  Prometheus  eben  in  das  Daseyn  ruft,  und  die 
menschlichen  Uebel,  welche  der  alte  Mythus  ihm  verheisst, 
als  untrennbar  neben  einander  gerückt,  sie  kommen  ihm 
so  wie  er  in  das  Leben  tritt,  entgegen.  Von  den  zwei 
andern,  für  die   beiden   Brüder  des  Prometheus  und  Epi- 

13* 


196 

metheus  genommenen  Gestalten  von  derselben  Grösse  mit 
ihnen  soll  die  eine  von  mir  als  deren  Bruder  Atlas  er- 
klärte eine  zweite  nicht  belebte  menschliche  Figur,  ein 
anders  Gemachte  des  Prometheus  seyn,  so  wie  man  ein 
bereits  fertiges  modellirtes  Figürchen  ausser  dem  noch  in 
Arbeit  begriffeneu  auf  dem  Capilolinischen  Prometheusre- 
lief sehe;  und  die  andre,  todt  ausgestreckte,  von  mir  als 
der  vierte  Sohn  desJapetos,  Menötios,  welchen  Zeus  nie- 
niederlililzte ,  gedeutete  Figur,  allgemein  und  unbestimmt 
ein  todter  Menschenkörper  seyn,  man  sieht  nicht,  ob  auch 
von  Prometheus  gebildet,  nachher  auf  irgend  eine  Art  be- 
lebt und  dann  gestorben  oder  ein  Leichnam  für  sich,  der 
denn  aus  einer  vorprometheischen  Periode  herrühren  müsste, 
von  der  das  Alterthum  nichts  weiss.  Auch  hierbei  ist  eine 
Hauptsache  übersehn.  Gegen  die  Grösse  des  Titanen  sticht 
das  vor  ihm  stehende  Menschlein,  wie  überhaupt  gewöhn- 
lich die  Sterblichen  durch  die  kleinere  Gestalt  von  den 
Göttern,  sehr  ab.  Wie  kann  also  ein  zweiler  aus  Thon 
gebildeter  Mensch  mit  ihm  selbst  die  gleiche  Grösse  haben? 
wie  ebenso  die  todt  ausgestreckte  Figur  als  ein  Mensch 
gedacht?  lieber  die  Beziehung  die  diesem  Todten  zu  der 
den  Menschen  gebärenden  Ge  unten  von  dem  neuen  Erklärer 
gegeben  wird,  will  ich  nichts  sägen,  muss  aber  bemerken 
dass  die  Auffassung  des  Atlas  und  desMenölios  mit  meinen 
kurzen  Andeutungen  über  deren  Charakter  im  alten  Mythus, 
die  hier  übrigens  Nebensache  sind,  und  die  Frage  ob  hier 
die  vier  Japetiden  zusammengestellt  seyn  sollten,  durchaus 
nichts  angeht,  keineswegs  übereinstimmt.  Dass  den  als 
Atlas  und  Menötios  gedeuteten  Figuren  nicht  auch  die  Na- 
men beigeschrieben  sind,  aus  diesem  Umstand  ist  nichts 
für  noch  wider  zu  schliessen:  da  wir  Aehnliches  hun- 
dertmal, besonders  an  gemalten  Vasen  finden.  Wenn  zwei 
Japetiden  bezeichnet  waren,  so  konnte  es  überflüssig  schei- 
nen ihren  zwei  bekannten  Brüdern,  deren  Charakter  oder 
Geschick  man  auch  durch  die  Figuren  selbst  auszudrücken 


19T 

«ch  sctimeichelte ,  auch  noch  ihre  Namen  beizofagen.  Wenn 
aber  dem  Promelheus,  der  sonst  tür  sich  allein  den  Men- 
schen modellirt,  nur  hier  Epimetheus  zugesellt  wird,  wel- 
chen diess  Bilden  aus  Thon  nichts  angeht,  ist  es  dann  so 
sehr  zu  verwundern  dess  auch  die  andern  beiden  Brüder 
hinzugefügt  sind? 

Dass  der  Erfinder  des  Bildes  sich  durch  Prometbeus 
und  Epimetheus  an  die  vier  Brüder  in  dem  Uesiodischen 
Mythus,  obgleich  dieser  zur  bildnerischen  Darstellung  sich 
gar  wenig  eignet,  hat  erinnern  lassen  und  sie  in  einer 
jedenratls  nicht  eben  sehr  klaren  Weise  mit  der  ohne  Zwei- 
fel sehr  neuen  Dichtung  der  Menschenschöpfung  des  Pro- 
metheuB  verbunden  hat,  wird  denen  weniger  auBTallen  die 
fleissig  darauf  geachtet  haben,  wie  in  den  spatem  Zeiten 
die  mythologische  Wissenschafl  und  der  Geschmack  der 
meisten  Künstler  sich  zu  dem  überreichen,  von  sehr  alter 
Zeit  her  aufgehäuften  Stoff  verhallen,  und  die  steh  unge- 
fähr eine  Vorstellung  davon  machen  können,  dass  eine 
des  Namens  würdige  Kunstmythologie  der  ästhetischen  Kri- 
tik nicht  bloss  znm  Bewundern,  sondern  zuletzt  auch  zum 
Tadel  unerscIiÖpBich  viel  Anlass  bieten  würde.  Um  ein 
einziges  Beispiel  wunderlicher  unmittelbarer  Verbindung 
hochbedeulsamer  Scenen  anzuführen,  so  betrachte  man,  in 
noch  gutem  Styl,  Gerbard  Antike  Bildwerke  Taf.  104,  1, 
bei  Guigniaut  pl.  148  n.  554  c. 

Um  die  hier  beurtheilte  Erklärung  bei  ihrem  Urheber, 
dessen  Gelehrsambeil  zu  rühmen  ich  mich  oftmals  gefreut 
habe,  mir  selbst  zu  erklären,  Gnde  ich  nichts  als  eine  nicht 
gar  selten  wahrzunehmende  ängstliche  und  eigensinnige 
Scheu  vor  dem  Neuen,  die  zu  den  gezwungensten  und 
rücksichtslosesten  Annahmen  treiben  kann ,  um  an  SIcUe 
dieses  Neuen  das  Alte  oftmals  Registrirte  zu  setzen  und 
etwa  noch  zu  erweitern. 


Kapaneus  ^). 


Taf.  Xll. 

Der  schöne  Carneol,  der  sich  im  Besitz  des  Herrn 
Geh.-Rath  v.  Quast  befindet^  stellt  auf  der  Vorderseite  in 
eigenthümlicher  Weise  den  Sturz  des  Kapaneus  dar^  wäh- 
rend er  auf  der  Hinterseite  einen  Scarabäus  bildet.  Dieser 
Sturz  des  Kapaneus  gehört  zu  den  eindrucksvollsten,  un- 
geheuersten Ereignissen  des  ersten  Thebischen  Krieges,  der 
an  solchen  und  an  hochalterthümlichen  Ideen  reicher  war 
als  irgend  ein  anderes  Griechisches  Epos.  Gehörte  doch 
auch  der  Stoff  der  Thebais  einer  weit  älteren  Zeit  an  als 
der  der  Uias  und  der  Dichter  derselben  ist  uns  nur  als 
Homeros,  unter  keinem  andern  Namen,  bekannt  geworden 
so  wie  die  der  Ilias  und  der  Odyssee,  während  fast  alle 
andern  alten  epischen  Gedichte,  indem  sie  auch  unter  die- 


1]  Jahrbücher  des  Vereins  f.  Alter  th  ums  fr.  im  Rheinlande  XXIX 
(1860)  S.  112  ff.  mit  folgender  Bemerkung  Ton  E.  au8*m  Weerth. 
„Gelegentlich  eines  Besurhcs  bei  dem  Hrn.  Geh.-Rath  t.  Quast 
gewährte  mir  derselbe  die  Anschauung  dieses  yoitrefflichen  Inta- 
glioB  sammt  der  Erlaubnis»,  denselben  für  eine  Publication  in  diesen 
Jahrbüchern  zu  benutzen  (Taf.  11»  13).  Der  Stein  zeichnet  sich 
durch  ein  stiholl  flaches  und  scharfes  Relief  aus  und  ist  bezüg- 
lich seiner  Herkunft  zu  sagen,  dass  Hr.  ▼.  Quast  ihn  yod  demyer- 
storbenen  Geh.-Rath  Schulz  in  Dresden  erhielt  und  dieser  ihn 
wahrscheinlich  während  seines  Aufenthaltes  in  Unteritalien  erwarb«** 


Kapanenä.  J99 

sem  rolksQblichen  Namen  und  Ehrenlilel  der  mehren  ein- 
zelnen Heldenliedern  zusammengeselzten  Poesie  giengen, 
doch  auf  ihre  Eigennamen  in  verschiedenen  Gegenden  zu- 
rdckgerührt  wurden.  Diese  Thebais  hatten  die  Attischen 
Tragiker  zur  Quelle  wo  sie  den  Kapaneas  berührten  und 
alle  Andern.  Nur  das  Eine  ist  von  ihm  bekannt,  dass  er 
das  Erkühnen  der  Sieben  von  Argos  die  Kadmeische  Yesle 
ancb  gegen  den  Ralh  des  Sehers  und  die  Zeichen  des 
Zeus  erobern  zu  wollen,  weiter  trieb  als  einer  der  Andern 
und  ganz  nahe  der  Einnahme  der  Stadt,  da  er  dieSturm- 
leiler  angesetzt  und  erstiegen  hatte,  deren  Erfinder  er 
genannt  wird  ') ,  von  Zeus  herabgeblitzt  wurde.  Sophokles 
giebt  ihm  eine  Fackel  in  die  Hand'),  womit  er  die  Stadt 
ansuzünden  dachte.  Zeus  hatte  das  gegen  die  Stimme  des 
Amphiaraos  beschlossne  Unlernehmen  Schritt  vor  Schritt 
mit  üblen  Zeichen  und  Schrecknissen  verfolgt;  aber  die 
Hnthigen  halten  sich  nicht  abschrecken  lassen.  Das  ah- 
nungsvolle Grauen  welches  das  von  einem  missachteten  Se- 
herspruch ausgehende,  die  äusserste  Kriegswulh  nnd  Feind- 
schaft athmende  Gedicht  beherrschte,  nimmt  Aescliylus  in 
den  Sieben  zum  Anlass  den  trotzigen  Muth  des  ganzen 
Heers  im  Kapaneus  auf  die  Spitze  zu  steigern,  indem  er 
ihn  im  vorstürmenden  blinden  Holdenmulh  den  Blitzzeichen 
des  Zeus  vor  dem  Auszug  aus  Argos,  deren  er  sich  in 
diesem  entscheidenden  Augenblick  sehr  natürlich  erinnerte, 
ausdrücklich  Trotz  bieten  ISsst: 

Denn  ob  es  Gott  gefalle,  sprach  er,  oder  nicht, 
Werd'    er    die   Stadt   austilgen   und   ihm  nimmer  Zeus 
Groll  in  den  Grund  einschlagend  hemmen  seine  Bahn: 
Der  Blitze  Leuchtungen  und  der  Donnerkeile  Wurf, 
Was  seyn  sie  mehr?  mittägig  schwühie  Sonncnglul. 
Die   Vermessenheit   des  Sophokieischen   Ajas  ist  sehr  viel 


2}  reget  de  re  milit.  4,  21. 
8]  Anlig.  135  nfff^dpo; 


200  Kapaneus. 

geringer;  er  ist  seines  Muths  und  seiner  Kraft  so  voll,  dass 
er  prahlt  auch  ohne  den  Beistand  der  Athena  siegen  zu 
wollen  j  wofür  er  erfahren  muss,  wie  ohnmächtig  und  nich- 
tig der  Mensch  ohne  Gott  sey.  Kapaneus  spricht  im  Tau- 
mel seiner  Kampflust,  ein  entschieden  Ungläubiger  an  die 
Seher  und  die  Zeichen  in  so  früher  Zeit,  den  Gewitterzei- 
chen des  Zeus  Hohn ,  die  ihn  nicht  abhalten  sollten  seinen 
Willen  durchzusetzen,  nur  Erscheinungen  seyen  und  nichts 
bedeuteten.  Zeus  aber  richtet  auf  seinen  Nacken,  als  er 
schon  auf  der  Höhe  der  Zinne  angelangt  ist,  den  Blitz  und 
er  sinkt  hinab« 

Für  die  Kunst  ist  dieser  Gegenstand  minder  günstig, 
da  sie  an  so  trotzige  Ueberkühnheit  und  verwegene  Frei- 
geisterei nur  erinnern,  sie  nicht  ausdrücken  kann.  Selbst 
nur  als  Giganten  den  Kapaneus  darzustellen,  wie  ihn  Ae- 
schylus  nennt,  vermöchte  sie  nur  in  Verbindung  mit  andern 
Scenen  des  Kriegs,  wie  wir  ihn  auch  aufgenommen  finden 
in  Gemälden  des  Philostratus  (2,  29.  30)  und  wie  er  in 
einem  von  Zoega  erwähnten  Relief  der  Villa  Pamfili  vor- 
kommt: auch  an  einer  Etrurischen  Aschenkiste  ist  er  rie- 
siggross:  aber  diess  bedeutet  nicht  viel.  Es  wird  daher 
auch  kein  altes  Kunstwerk  gerühmt  das  ihn  darstellte,  ob- 
gleich zwei  alte  Gemälde  kurz  erwähnt  werden.  Um  so 
mehr  Aufmerksamkeit  verdient  ein  Albanisches  Basrelief  in 
pentelischem  Marmor  bei  Winckelmann  (Taf.  109)  und  Zoega 
(Taf.  47),  dessen  Meister  verstanden  hat  wenigstens  die 
übergewöhnliche,  die  wunderbare  Natur  und  Kraft  des  Ka- 
paneus anzudeuten.  Der  Riese  nemlich,  indem  er  vom 
Blitz  in  den  Nacken  getrofl'en  zusammenkracht,  greift  noch 
dabin  wie  nach  einer  Wunde;  er  erscheint  mit  grimmigem, 
aber  un verzerrtem,  gefasstem  Gesicht  und  mit  noch  nicht 
ganz  erschöpfter  Kraft  in  dem  zurückgreifenden  wie  in 
dem  noch  den  Schild  haltenden  Arm  und  in  den  dem  Hin- 
stürzen widerstrebenden  Beinen.  Der  Blitz  selbst  hat  nicht 
vermocht  ihn  augenblicklich   zu  tödten.    Die  Figur  gehört 


Kapanens,  201 

ea  den  sinnreichsten  und  gewaltigsten  *).  Unter  den  roa 
Ai^os  nach  Delphi  geweiheten  Statuen  der  sieben  Anftth- 
T9t  gegen  Theben  war  auch  die  desKapaneus  und  ein  Epi- 
gramm auf  eine  ist  erhalten^). 

Für  geschnittene  Steine,  die  oft  an  die  berühmtesten 
Heroenmythen  mehr  erinnern  wollen  um  einen  Ringstein 
zn  kennzeichnen,  als  ihnen  einen  vollständigen  und  den 
Regeln  der  Composition  von  allen  Seiten  genügenden  Aus- 
druck geben,  war  Kapaneus  ein  ziemlich  anlockender  Ge- 
genstand, weil  die  Scene  so  stark  auffällt  und  auf  die  Ka- 
tastrophe des  Helden  allein  beschränkt  ist.  Auch  werden 
deren  neun  Trilher  bekannte  verzeichnet^.  Ob  darunter 
eine  Arbeit  ist,  welche  der  hier  bekannt  gemachten  an 
Verdienst  gleich  kommt,  kann  ich  jetzt  nicht  untersuchen: 
an  Abwechslung  fehlt  es  natürlich  nicht,  dass  der  Held 
jetzt  die  Leiter  ersteigt,  von  ihr  herabgeblitzt  wird,  anf 
Stücken  derselben  zu  Boden  liegt  u.  s.  w.  Ganz  sinnig 
ist  der  Gedanke  des  unsrigen.  Der  Blitz  ist  am  Hinter- 
haupt  sichtbar   und  der  Leib   ist  schon  entseelt,   der  linke 

4)  Nicht  richtig  faaat  Zoega  den  GedinLeD  dea  Ae»ch;luB  anf; 
TiDtandoii  cb'  aach*  ■  dispelto  di  OioTe  I*  citii  avrebbe  incen-. 
diata  —  dalla  Terociti  della  mossa  cli'  ancora  euccumbeado  sembra 
miiiaociare  e  dal  dispelloio  modo  come  *er  la  ceMice,  otb  per- 
ooHa  l'avea  il  rnlmine,  dirige  1*  deslra,  quiii  per  Blrapparoe  la 
■aella  e  di  nuovo  scagliarla  contro  Giore.  Dieet  Uebermass  hat 
demStaliui  in  der  Thebaia  gefalleD  10,  897  ff.:  von  Aeichjlua, den 
Zoega  ■ufälirt,  ist  es  fern  Auch  hütte  Zoega  unter  den  Bedenli- 
tiobkeilen,  die  man  einffeuden  liäDDle,  Dicht  nennen  «ollen,  daas 
Mian  aichti  von  dem  Blitze  aiehl.  Denn  der  BIJIialTabl  isl  achon 
vorüber  indem  Kapaneus  der  WirLung  desaelben  mit  der  Uaod 
naohgeht,  Ubnehin  liiit  die  edelite  Kunst  nicht  selten  absichtlicb 
die  Dinge  aui ,  deren  Wirkung  erkannt  irerden  ioll ,  wie  *ie  Per- 
sonen und  ibre  Baudlung  Torausietit  und  hiatudenken  lisst. 

5)  P*usaD.  tO,  10,  2.    Anthol.  Gr.  4,  8. 

6}  In  den  GemmenTerieichniaaen  und  in  Overbecki  Bild- 
werlten  de»  Thebischeu  ond  Troiachen  Kreises  S.  136  f.  Auch 
eine  Hörne  von  Philippus  dem  ersten. 


202  Kapaneus. 

Arm  hängt  gerade  herab,  die  Beine  knicken  ein:  dochfasst 
noch  die  Rechte  die  Leiter,  an  welcher  der  Körper  hinab- 
stürzt, im  Fallen  an.  Der  obere  Theil  der  Leiter,  wel- 
chen allein  der  Stein  fasste,  bricht  unten  mit  einer  Stufe 
ab:  da  man  sich  mit  ihm  als  einer  Abbreviatur  der  Leiter 
ohnehin  behelfen  musste ,  so  wollte  man  den  Schein  dass 
sie  nach  unten  in  das  Unbestimmte  fortliefe,  nicht  mit  der 
Verunstaltung  erkaufen  dass  sie  das  eine  Bein  der  Figur 
deckte  und  in  dem  Oval  doch  nicht  nach  ihrer  regelmäs- 
sigen Form  hervorträte.  Man  hat  an  ein  Thor  gedacht,  und 
da  wohl  in  mehr  als  einer  Sage  der  kühnste  und  gewal- 
tigste der  Städteerstürmer  das  Stadtthor  aushebt,  so  gäbe 
ein  Held  und  ein  Thor  auch  ein  gutes  Ringbiid  ab.  Aber 
Kapaneus  ist  das  Gegentheil  eines  Eroberers.  Wahr  ist  es 
dass  eine  Leiter  leicht  weit  besser  anzudeuten  war.  Da 
aber  ein  Thorflügel  zu  den  alten  Festungsmauern  durchaus 
nicht  passt,  auch  die  Andeutung  dass  der  Unglückliche  ne- 
ben einem  der  sieben  Stadtthore  herabgefallen  sey,  leer 
und  einem  so  geschickten  Künstler  nicht  zuzutrauen  seyn 
würde,  so  müssen  wir  sagen  dass  das  Ding  an  welches 
Kapaneus  sich  noch  im  Fall  mit  dem  Arm  anzuklammern 
scheint,  zu  errathen  übrig  bleibt. 

Da  in  diesen  Zeiten ,  bei  hochgestiegenem  wissenschaft- 
lichem Fleiss,  der  Hang  herrscht  durch  Zusammensuchung 
und  Vergleichung  des  Besondern  an  gleichartigen  Dingen 
die  Kenntniss  zu  erweitern,  so  würde  es  keine  verächtli- 
Untersuchung  abgeben,  wenn  man  aus  allen  Vorräthen  der 
Gemmenabdrücke  diejenigen  aussonderte,  worin  Beschrän- 
kung und  Bedingtheit  der  reinen  Darstellung  durch  den 
Raum  erkennbar  ist.  Man  würde  dann  nach  geeigneten 
Gesichtspunkten  unterscheiden,  Andeutungen,  Abbreviaturen, 
Nothbehelfe  auf  gewisse  Regeln  und  Gewohnheiten  zurück- 
führen, manche  Dunkelheiten  und  Zweifel  verscheuchen,  an 
Vielem  als  höchst  sinnreich  sich  erfreuen,  Manches  ohne 
Zweifel  auch  aus  bestimmten  Gründen  tadeln. 


SchiffsTerzierung  ^). 


Taf.   XIII. 

Das  mit  B  bezeichnete  Ueberbleibsel  Römischen  Al- 
lerthums,  das  im  vorig^en  Jahr  in  Cöln,  angebMch  in  einem 
VOR  der  Hitze  Irocken  gelegten  Theile  des  Rheinbetls  ge- 
fBnden  and  von  dem  Museum  der  hiesigen  Universität  an- 
gekauft wurde,  ist  von  so  eigenthtimüclier  und  seltner  Be- 
schaiTe nheit ,  dass  ich  ihm  nur  das  unter  A  abgebildete  zur 
Seite  zu  stellen  weiss.  Es  ist  nicht  viel  weniger  als  einen 
Rheinischen  Puss  lang,  vollkommen  wohl  erhallen  und  offen- 
bar nicht  zu  einem  Gnfäss  bestimmt  gewesen,  nicht  bloss 
weil  es  keiner  Art  von  Gelassen  ähnlich  sieht,  sondern  auch 
weil  die  der  offenen  Seite  enigegengeselzle,  die  den  Boden 
abgeben  mdssle,  nicht  gleich  und  eben,  sondern  von  ziem- 
lich hohem  Relief  eingenommen  ist.  Diess  Relief  hat  augen- 
nillig  die  Bestimmung  nach  aussen  herausgestellt  zu  seyn, 
und  es  muss  also  das  Ganze  angesetzt  gewesen  seyn.  Hierin 
nun  besteht  die  Uebereinstimmung  mit  dem  Monument  A, 
welches  in  dem  kleinen  Arsenal  (der  Armeria)  zu  Genua, 
wo  es  höchst  wahrscheinlich  auch  gefunden  worden,  auf- 
bewahrt wird  und  in  einer  D^scription  des  beautös  de  G^nes 
{i  Gines   17B6)  p.  35  abgebildet  ist.    Der  Verfasser  sagt, 

1)  Jahrb.  des  Vereioi  der  Allerttiumtfreunde  im  RtieialaDde 
XIV  1849  S.  38. 


204  Schiffsverziernng. 

man  halte  es  für  einzig  in  der  Welt,  und  nennt  es  proue 
und  rostrum ,  ohne  genauer  zu  unterscheiden.  Das  rostrum 
war  ganz  eigentlich  ein  Schiffsschnabel ,  bestimmt  zu  fassen, 
einzudringen ,  daher  sfißoXov  genannt.  Man  sieht  deren 
sechs  an  beiden  Seiten  der  oft  genug  abgebildeten  unech- 
ten, doch  geschickt  nachgeahmten  Säule  des  Duillius  im 
Museum  des  Capitols,  geradeausgehende  Spitzen,  je  drei 
übereinander,  am  unteren  Theil  der  Prora,  die  oberhalb 
eine  hervorragende  Verzierung  hat.  Die  alten  Rostra  und 
die  Rostra  lulia  auf  Münzen  weist  Rasche  Lex«  r.  n.  IV,  1 
p.  1286  s.  nach.  Wichtiger  zur  Ermittlung  der  Form  sind 
die  Münzen  mit  einer  auf  einem  Rostrum  stehenden  Vic- 
toria von  Nikopolis,  Alexandria  und  andern  Städten,  be- 
sonders Rhodus  p.  1300.  Eine  von  diesen  ist  abgebildet 
in  Millins  Gal.  mythol.  39,  167.  Dass  zum  Rostrum  kei- 
nes von  beiden  der  vorliegenden  Geräthe  dienen  konnte, 
ist  klar.  Zugleich  aber  ist  auch  vollkommen  wahrschein- 
lich, dass  sie  an  der  Prora  kleiner  Fahrzeuge  auf  an- 
dere Weise  gedient,  als  Verzierung  angesetzt  ihren  vor- 
dersten Theil  gebildet  haben.  An  Abbildungen  von  Schif- 
fen aus  dem  Alterlhum  sind  wir  nicht  reich  und  die  in  den 
Herculanischen  Gemälden  vorkommenden  scheinen  zum 
grossen  Theil  mit  ähnlicher  Freiheit  behandelt  zu  seyn 
wie  auch  Gebäude,  Gärten,  Häfen  in  den  flüchtigen  Wand- 
malereien dieser  Klasse  ^) ;  die  auf  Münzen  und  einigen  Mar- 
morn möchten  noch  weniger  zureichend  seyn;  ganz  die- 
selbe Erscheinung  wie  in  unsern  beiden  Vorschiffsenden 
ist  schwerlich   nachzuweisen  ^),     Indessen  bietet  jedes  von 


2)  1,  45.  46.  2,  14.  15.  50.  54.  55. 

3]  [Tölken  Antike  Metallarbeiten  des  kön.  Museams  1850  S. 
36  N.  3'24  Vorderthcil  eines  Schiffs  mit  Rostrum  (MfxßoXog)  als 
Weihgeschenk.  —  (N.  325.  Apiustre,  dessgleichen.)  —  Ein  in 
Rorfu  gefundener  Schiffsschnabel  yon  Erz  ist  genau  beschriebeD 
in  Gerhards  Archfiol.  Zeit.  1855  Anzeiger  S.  73*.  —  W.  M.Leake 
über  den   Rest  einer  von    einem  Fischer  gefnndnen   Prora   einet 


Sch!ffiiverziernn^.  205 

beiden  einen  Umstand  dar,  der  znr  BestStigung  der  An- 
nahme dient  Der  Thierliopf  nemlich  an  dem  früher  be- 
kannten ist  nicht  nach  der  Natur,  sondern  mit  Absicht  so 
gebildet  wie  er  ist.  Das  Auge  blickt  wie  ein  menschliches 
aufmerksam  in  die  Weile  und  erinnert  so  an  das  vorsichtig 
■uuchanende  Auge  des  Steuermanns,  welches  durch  Augen 
am  Vordertheii  der  Schiüe  anzudeuten  alter  und  weit  ver- 
breiteter Gebrauch  war.  Viele  Beispiele  sind  angeführt  zu 
den  Fhilostratischen  Gemälden  I,  19  p.  323  ed.  Jacobs. 
und  auf  das  £rzstück  in  Genua  passen  die  Worte  des  Ae- 
schyluB  (Suppl.  750): 

xal  tiQäQa  n^öa&sv  ö[i[taai  ßXinovif  öäöv. 
Sodann  ist  die  Schnauze  des  Thiers  ganz  gebildet  um  an 
ein  recht  kräftig  anprallendes  roslrum  zu  erinnern,  das, 
verschieden  vom  Kriegsgebrauch,  als  berechnet  auf  ein  ge- 
wöhnliches Anslossen  an  andere  Schilfe  gedacht  werden 
kann;  Nach  der  Form  dieses  Kopfs  isl  das  Uebrige  ein- 
gerichtet, die  Linien  gelind  abnehmend,  nicht  parallel  ge- 
halten wie  an  dem  Gegenstück  aus  Cöln.  Diese  Verschie- 
denheit darf  jedoch  kein  Bedenken  Über  die  gleiche  Be- 
atimmung  des  letzteren  erregen ;  denn  sie  hat  ihren  zurei- 
chenden Grund  in  dem  Gebilde,  welches  hier,  statt  des 
Thierkopfs,  in  Relief  angebracht  werden  sollte.  Diesem 
kam  der  ungeschmälerte  Raum  der  schliessenden  Fläche  zn 
gut  und  eine  Ursache  diess  äusserste  SchifTsende  zu  ver- 
jUngen  war  daher  nicht  gegeben.  Mit  dem  Erz  war  nu- 
Ifirlich  ein  b&lzerner  Kern  überkleidet,  wodurch  die  am 
Vordertheii  des  Schiffes,  vielleicht  nicht  unmittelbar,  son- 
dern auf  einer  dem  eigentlichen  Schilfskörper  selbst  auch 
aufgesetzten  Unterlage  angebrachte  Spitze  die  erforderliche 
Festigkeit  erhielt ''^). 


'  allflD  KriegMcbiffi  TranaacL  of  ihe  R.  »ocietj  of  Lilter.  2.  Serie! 
Vol.  1  p.  246  ff.] 

4)  In  der  Ualerschea  Sammlung  jelit  iiuAluteua)  lu  Karlsruli 


208  Schiffsverzierung. 

gelehrten  Anmerkungen  (insbesondre  über  die  Italische  Kunst) 
herausgegeben  hat.  Da  selbst  die  Vestalinnen  dieses  Schut- 
zes gegen  die  oculi  venena  maligni  (Grat.  Gyn.  406)  nicht 
entbehren  mochten,  so  lässt  sich  denken  wie  weit  der  Ge- 
brauch ihn  anzuwenden  sich  verbreitet  und  verzweigt  hatte« 
Plinius  sagt  (28,  7):  Fascinus,  imperatorum  quoque,  non 
solum  intantium  custos,  qui  deus  inter  Sacra  Romana  a 
Veslalibus  colilur  et  currus  triumphantium,  sub  bis  pendens, 
defendit,  medicus  invidiae.  Auf  den  Priap  ist  die  Wirkung 
des  einfachen  Phallus  übergetragen  worden^),  so  dass  die- 
ser als  cuslos  hortorum  (wie  bei  Marlial  3,  68  nicht  Phallus, 
sondern  Priap  bezeichnet  ist)  sich  von  jenem  kaum  unter- 
scheidet^), und  auf  Ringen  eben  so  wie  der  Phallus  bloss 
gegen  die  Behexung  getragen  wurde  ^^),  An  der  Prora 
eines  SchiiTs  kann  demnach  der  Phallus  nicht  unerwartet 
seyn:  über  die  am  Hintertheil  wie  zum  Schutz  angesetz- 
ten Götterbilder  schrieb  Ruhnkenius  (de  tutelis  et  insigni- 
bus  navium  Opusc.  I  p.  412.)  Von  dem  hohen  Alterthum 
jenes  Aberglaubens,  dessen  Grund  daher  auch  Plutarcha  phi- 
losophische Erklärung  nicht  ganz  enträthsell  haben  möchte  ^^), 


8)  Diod.  IV,  6  indingos  rovg  ßaüxaivoyidg  nvSyxaluiy  lovroy 
xoXaOTtiy  naQHüdyoirng, 

9]  Doch  mochte  ich  die  angeführte  Stelle  des  Plinius  19,  19 
nicht  auf  Priap  beziehen.  Eine  der  yielen  flüchtig  hingeworfenen 
falschen  Behauptungen  Böttigers  ist  es,  dass  nur  durch  die  Kunst 
der  Phallus  im  Priap  personiGcirt  worden  sey.  Kl.  Schrift.  111 
S.  406. 

10)  Beispiele  yon  Beiden  giebt  Böttiger  S.  406  f. 

11)  Dass  die  Ableitung  ^d7Ai^er5  a.  a.  O.  und  Andrer  „Yon  dem 
Sjmbol  der  Fruchtbarkeit  und  des  Gedeihens*'  nicht  die  rechte 
sey,  ist  leicht  einiusehn.  Auch  erklärt  Böltiger  selbst  anders  in 
J^.  A>  Eberts  Ueberlieferungen  1,  2  S.  59—66  einem  in  diefiJ. 
Sehr,  nicht  aufgenommenen  Aufsatz.  Hier  besteht  ihm  der  Ge- 
genzauber in  dem  Lächerlichen,  einem  derben  Spass,  wesshalb  er 
auch  den  deus  crepitus  (Montf.  11,  l  pl.  136,  6),  mit  Ardiii  (il 
fascino   e  Tamuleto  contro  del   fotcino  Napoli  1825  4)  herbeilieht. 


Schl&bverzierun^.  209 

senden  die  Phellen  an  den  sogenannten  Kyklopischen  Maa- 
ern  von  Alatri  and  mehreren  andern  Städten  Italiens  "): 
nnd  anch  in  Griechenland  sind  welche  gefunden  worden. 
Ad«  sah  in  den  TrUmmem  der  allen  Stadt  Thera  an  der 
Ecke  eines  stattlichen  Hauerrästes  an  einem  Quaderstein 
einen  Phallus  eingeritzt  mit  der  Beischrift  TOIS  0IAOIS*\ 
welche  nichts  enders  bedeuten  kann  als  dass  den  Freun- 
den dessen,  der  sie  machte,  dieser  Gegenzauber  zu  gut 
kommen  möchte,  und  ich  selbst  habe  an  einem  grösseren 
Slfick  alter  Stadtmauer  der  von  Homer  genannten  hoch  und 
schön  gelegnen  Stadt  Antheia  in  Messenien  bei  einem  kur- 
zen abendlichen  Besuch  ihrer  wenigen  zerstreuten  Ruinen 
dasselbe  Zeichen  gefunden. 


Uit  PluUrcb  lu  TermrllelD  ist  die  Aasicbt  0.  Jahn»  PersÜ  Sil.  p, 
12!}:  ex  eonilami  veierum  luperstitione  obscoeiia  maiimara  virn 
habebaat  ad  aTeriendim  efliBciaaiioaeiu,  quare  Um  freqncDa  rernm 
larpicDlarDiD  usus  erat  Dieter  Meiaung  itt  auch  Cunuion  Lectt. 
Theoer.  o.  6.  Das  achon  erwihote  menacheDgeatalle  Zerrbild  tot 
den  Schmiede-  und  KüaBtlerwerLsiälleD  und  die  fratienhafien  Maa- 
ken  ala  Oacillea,  welche  Säffi^cr  ainareich  in  diesen  Zuiammenhang 
bring!,  paiaen  daiu  eben  lo  gal,  besonders  aber  auch  das  Aus- 
•peien  in  den  eignen  Pusen  oder  sonst,  worüber  Plinius  'i%,  7 
allerlei  mitlheill,  lieht  mil  Becht  Cixiniion  hierher.  Der  dem  Neid 
des  hfiaen  Augs  eoigegengeseltte  Phallus  würde  demnach  eigent- 
lieh  dasu  sejn,  sich  oder  den  GegeosUnd  woran  er  ist,  lu  enl- 
atoDen,  zu  beBchimplen  (wie  er  in  Italien,  Spanien,  Deulsuhlaud 
ala  Scheltwort  dient)  und  dadurch  mittelbar  in  scbütirn  indem  der 
tauberhafte  Neid  zurückgehalten  wird.  Auch  Tumibut  Adr.  S, 
38  schliesst  sich  der  Erklärung  Plutarchs  an,  mil  welcher  Aleiind. 
Aphrod.,  sagt  or,  nbereiuslimme. 

12)  In  Chiusi  sah  ich  im  Jahr  1843  snf  der  Stadtmauer  an 
der  Strasse  einen  kolossalen  Phallus  anfgealellt,  der  darauf  nach  Rom 
gebracht  worden  ist.  Ein  anderer  ebenfalls  kolossal,  befand  sich 
■nd  befindet  sich  Tcrmnlblich  noch  im  Garten  Paoloiii  daselbst. 

13)  U.  I.  d.  1.  3,  26  Annali  d.  1.  XIII  p.  19  (wo  auch  p.  24 
ein  Phallus  an  einem  Grabmal  bemerkt  ist).  Reisen  auf  den  Griech. 
Inseln   I  8.  64.  Vgl.  Dodwell  in  den  Annati  d.  I.  archeol.  I.  65. 

V.  14 


2 1 0  Schiflsverzierung. 

Die  Furcht  vor  dem  bösen  Auge,  vor  dem  Jettatore 
hat  in  Unteritalien  sich  erhalten,  so  wie  Geberden  und  Zei- 
chen mit  der  Hand  gegen  den  Augenzauber.  Bei  den  vie- 
len Ueberbleibscin  heidnischer  Gebräuche,  worunter  die  für 
Heilung  geweihten  Glieder  des  menschlichen  Leibes  vor 
andern  unverkennbar  sind,  hat  ein  durch  die  Aengstlich- 
keit  und  den  Argwohn  der  menschlichen  Gemüther  so  sehr 
unterstützter  Aberglauben  als  jener  nichts  Auffallendes. 
Nicht  auffallend  also  ists  wenn  in  Neapel  zum  Schutz  ge- 
gen das  mal  occhio  wenigstens  nicht  vor  allzulanger  Zeit 
Amulete  mit  Andeutungen  des  Priapischen  und  in  Calabrien 
in  Gestalt  von  Phallen  selbst  gelragen  wurden  ^^),  eher  das^ 
dass  die  Priesterschaft  in  Frankreich  und  den  Niederlanden, 
besonders  in  Isernia  in  Unteritalien  die  Priapischen  ex  voto 
einer  andern  Bedeutung  so  stark  missbräuchlich  in  den 
Heiligendienst  einzuschwärzen  gewusst  hat  ^^). 


14  <  Gasaub.  Lectt.  Theoer.  c.  8  p.  260  la  Gerda  ad  Virg.  £cl. 
111,103.  jR.  Payne  Knight  Ad  account  of  the  remain«  of  thc  wor— 
flhip  of  PriapuB  lately  exiiting  at  Iscrnia  in  the  kiagdom  of  Naples 
in  two  letters,  one  from  Sir  W.  Hamilton  aml  the  olher  from  a 
person  residing  at  Isernia,  to  which  is  added  a  discourse  on  the 
worship  of  Priapus  and  its  connezion  with  the  myatic  theology 
of  the  ancients  Lond.  1786.  4  p.  5  s.  (die  Goncha  Venerii  toq 
Pilgrimen  und  Weibern  im  Volk  getragen  p.  47.).  Das  Buch  ist 
sehr  selten  da  der  Verfassser  nachmals  wegen  der  18  obscoenen 
Kupfertafeln  die  £zemplarc  zu  yernichtcn  gesucht  hat:  die  Göt- 
tinger Bibliothek  besitzt  eines.     Böltiger  in  Eberts  Ueberlief.  1. 2, 6'2. 

15)  BötHgers  Amallbea  Hl  S.   411  f. 


Einige  Kunstdenkmäler  in  England  i|. 


In  Briltischen  Museum,  im  sechsten  Saal  N.  13,  ist 
ein  bedeutendes  Werk  Griechischer  Sculplur,  zwei  Köpfe, 
der  weibliche  in  ziemlich  hohem  Relief,  der  männliche  fast 
ganz  rund  (anc.  marbl.  X,  -ii).  Sie  werden  im  Katalog 
(Synopsis  p-77:)  Paris  und  Helena  genannt.  Allem  der  ge- 
spannte Ausdruck  des  Heros  und  die  ernste  Miene  des  schö- 
nen Weibes  lassen  vcrmuthen,  dass  es  Pelopt  und  Bippodamia 
nnd  von  einem  Relief,  das  sie  in  dem  entscheidenden  Wett- 
rennen darstellte.  Da  die  Köpfe  lebensgross  sind  und  die 
Figuren  auf  dem  Wagen  einen  ungewöhnlich  grossen  Raum 
eiDOibmen,  so  entsteht  die  Vennulhung,  dass  der  Uarmor 
von  dem  Giebelfeld  eines  Tempels  herrührt. 


Die  zahlreichste  Privatsammlung  von  Marmom'erken 
in  England  ist  die  Blunfellsche  zu  Ince  bei  Liverpool,  die 
znm  grösseren  Theil  im  Jahr  I%(}9  in  zwei  Bänden  in 
gr.  fol.  auf  160,  theils  in  Rom,  Iheils  in  London  gestoche- 
nen Tafeln  herausgegeben  wurde,  wenn  man  es  so  nen- 
nen kann,  dass  das  Werk  verschenkt,  also  zerstreut  und 
-Tergraben  worden  ist ,  so  dass  es  schwer  ist   eines  Exem- 

1)  PhilalofM  TOD  Schneide« in  1^46  I,  344.  Einige  grauere 
.Ahadinill«  riniJ  »a-ltTwin-i  tiirjtrnommea  «orden. 


212  Einige  Kunstdenkmäler  in  England. 

plars  habhaft  zu  werden.     (Engravings  and  elchings  of  the 
principal   slatues,   busls,   basreliefs,  sepulchral  monumenls, 
cinerary  urns  etc.  in  the  collection   of  Henry  Blundell  Esq. 
at  Ince.)     Die   Erklärungen    sind   zum   grossen   Theil  von 
dem  erkrankten  Besitzer  vom  Bett  aus  liictirt  worden;  der 
Sohn   scheint   nach   dessen   Tod  die   Herausgabe  des  nicht 
beendeten  Werks  besorgt  zu  haben:   S.    Clarac    Mus^e   du 
Louvre  T.  3  p.  CCCXXXVll.    Ein  Verzeichniss ,  das  man  in 
Ince   ausgjebt,   enthält  noch  einige  hundert   Stücke  mehr, 
die   nicht  gestochen  sind ,  und  auch  diess  einen  Theil  der 
Fragmente    in  Marmor   und  Bronze  nicht.     (An   account  of 
the  statues ,   bust ,    bass-relieves  —  at   luce.   CoUected  by 
H.   B.   Liverpool    1803.  4.)     Die  Sammlung  hat  im  Gan- 
zen   ganz    den   Charakter   einer  Römischen;    nur  ein   und 
das  andere  Monument   aus  Griechenland,  wie  Taf.  129  ein 
Relief  mit    drei    Heroen,    ist    in    England    aus   Auctionen 
hinzugekommen.    Eine    Vorstellung    zeichnet    sich    durch 
ihre   Seltenheit  aus,  Taf.   108,   eine  Platte  5  F.  lang,  2V2 
F.  hoch,  also  vermuthlich  von  einem  Sarkophag,  aus  Villa 
Altieri   in  Rom,   enthält   den  gefesselten  Prometheus.     Auf 
der  linken  Seite  des  Beschauers  ist  Prometheus,  in  beque- 
mer Lage,   an   den  ausgestreckten  Armen   über  den  Hän- 
den  angefesselt;   der   Geier,    der  sich    aus    der  Höhe  auf 
ihn  stürzt,  ist  noch  entfernt;   eine  Fackel  unter  dem  Pro- 
metheus liegend,  deutet  sein  Vergehen  an.     Mit  demRük- 
ken  nach  ihm  sitzt,  nach  vollbrachtem  Werk,  Vulcan,  mit 
der  Mütze  bedekt,  den  Hammer  in  der  Rechten  aufgestützt. 
Vor  ihm  sind  fünf  flehende  Okeaniden,  zwei  knieend,  wo- 
von  die  vordere  Vulcans   Knie  umfasst,    die   andre   spre- 
chend, indem  sie  beide  Arme  erhebt,  zwei  stehen  mit  er- 
hobenem rechten   Arm,  die  hinterste  steht  unbewegt,  ohne 
Handlung,  vor  ihr  ist  ein  Delphin.    Eine  spätere  und  nicht 
sehr  bedeutende  Composition  2). 

2}  lidln  fon  Ouo  Jahn  arch    Zig.  1858,  XVI.  Taf.  114,  4. 


Einige  Kanstilenkmaier  in  Englnnd. 


213 


In  einer  andern  wichtigen  Sammlung,  die  neun  Ssr- 
kophagreliefe  mit  bedeutenden  Vorstellungen  der  häufig 
vriederiiollen ,  die  berühmte  Vase  Lanti,  schOne  Statuen  und 
Torse,  mehrere  ansehnliche  Büsten  enthslt,  ebenralls  ge- 
stochen, aber  auch  nicht  (ür  das  Publicum  (Outline  engra- 
▼ings  and  deEcriptiens  of  the  Wohurn  AbbeyMarbtes  1822, 
48  Tafeln),  ist  eine  verslümmelle  Platte  mit  Apollon ,  Athena 
und  Bieben  Musen,  die  beiden  andern  fehlend,  von  ans- 
gexeichneter  Arbeit  (pl.  5),  woran  rragmentarisch  auchln- 
schrifien  zu  lesen  sind^]. 


3)  Jelxt  im  Corpni  loarr.  Gr.  Vol.  3  n.  6324  c 


Cjallcria  Omcrica  yon  Fr.   Inghirami^). 

2   Bände   i829.  1831. 


Nüchst  der  Galerie  mythologique  von  Hillin  und  den 
nild(*rbüchern  von  Hirt  und  0.  Müller  ist  kein  anderes 
Werk  vorhanden,  welches  im  Verhöltnisse  zu  dem  Umfang 
und  dem  Preis  eine  so  grosse  Anzahl  von  Denkmälern 
enlhifilto:  und  da  diese  BildwiTke  zugleich  durch  die  Ver- 
hdiledenbcit  der  Klassen  und  der  Zeiten  lehrreich  und  durch 
die  Gegenstände  grossentheils  wichtig  oder  auch  anspre- 
chend sind,  so  verdient  das  Buch  zur  allgemeineren  Be- 
nutzung in  Deutschland  empfohlen  zu  werden.  Es  kann  als 
llulfHmittel ,  um  sich  zuerst  mit  einer  Anzahl  alter  Kunst- 
Vorstellungen  bekannt  zu  machen,  um  so  besser  dienen 
ülb  der  Herausgeber  in  seiner  für  Bekanntmachung  alter 
llftukuiäter  (gegründeten  Anstalt  Vasen  ^  Gemmen  und  Bron- 
'iiit  (/enehickt  auch  in  den  Farben  der  Originale  nachzu- 
UlliU'U  versteht.  Namentlich  wird  das  Buch,  für  Gymnasi- 
Hihlbliolheken  angeschafft,  denen  unter  den  Schülern,  wel- 
iJiii  .Sinn  und  Fleiss  genug  haben,  um  sich  zu  dem  Stu- 
ilhifu  der  Denkmäler  vorzubereiten,  sehr  zweckmässig  in 
ilhi  flHud  gifgeben  werden  können.  Der  Tischbeinische 
lliiiiiitr  mit  Erklärung  von  Heyne  und  Schorn,  welchen  Hr. 
hmhiniuii  durchgängig  benutzt  und  oft  mit  grossem  Lob 
Miwithut  (/.  H.  p.  155—199),  hat  ohne  Zweifel  zu  dem 
lihlMinoliiniui  die  Veranlassung  gegeben.  Wenn  in  diesem 
WiMhii,  hol  der  noch  geringen  Anzahl  der  Denkmäler,  die 
AiiiiMliiMHH   wenig  geregelt  war,  so  hat  Herr  I.  mit  Recht 

h  \\\^»w.  l«iH»r.  ZeiiuDg  Halle  t836  April  S.  587. 


GflDerii  Onerie«  vim  Fr.  Ingbirtmi,  21} 

£e  OdySHe  von  der  Rias  abgesomlert  nn<i  nach  r)er  Fotse 
da  Gedichts  die  Bilder  zasanunen  gestellt.  Die  erscbieae- 
mem  beiden  Bande  schliessen  die  Ilias  ab ,-  Ton  einer  Fort- 
selniif  ist  bis  jetxt  nicht»  bekannt  geworden,  »bg^eictt 
der  Heraiugeber  beabsichligte,  aosser  der  Oüyssee  aacb 
»ödere  Poesien  durch  ähnliche  Sammlunaen  ¥on  BiWwer- 
kn  n  eonmentiren.  Er  bestimml.  nach  der  Zuei^namE, 
Seil  Wert  londchst  Familien ,  die  ihren  Kindern  ein«  iorz- 
fihige  Erxiehanz  ireben  und  «ie  dvher  ancb  mit  der  Eanst 
bc&OBt  machen  wollen,  was  mit  der  der  Altea  anfangen 
■BH.  Diesi  hat  aar  i!ie  Anoninunj  aai  Brhandlanz  Ela- 
%am  gebabt,  indem  der  Vf.  vorztulkh  darauf  aas  bt.  ein 
reckt  ToOzihlizes  BIMertuch  zo  geben,  recht  vieie  St-nlen 
der  Dias  donb  die  BiMer  anschaalicii  ta  machen,  iem 
GcAditnisse  m  äberüef^rn,  j-r<:en  Ges^nj  aaszasiat:«!!, 
wadvek  aber  freilich  cie  ^foDamenie  sehr  ctt  ta-^'a.  ui- 
fwd  ud  w-iJkä.-Lcb  ^i-ta  Sieiea  :«=  fieiL>:'aii  zag<:u-!ut 
wordea  sind.  Za  .iie<em  Zwecke  steht  •iit  syrniviiica«  tr- 
Ulrsifsart  d*s  Tt  .n  iir,-ra  j^aiifiijiea  »ni.'n:;*^.  Da» 
er  darin  eisen  knJia«rec.  F'.is  nixa;:  )=  l-jr::-;  -i  n-ü"  i--.-- 
■cr  Laads!ettte.  caiä  er  »..i  b«L  i^i  Aii^i»»«!  ■:-;-  M'.- 
■■■Mte  in  leicaie  üsre  TriiT,-?  *j".-:r  it.iirC-ii.Ti-':**'* 
Syabelä  «la  Mynk  -i.rc^:';  ii'.:  &.'. : -^k ixai-ir:  ~.jn  ir^ 
^ti  Gescitiek;«  »«-_«.-..  _*:  ;»t*iij:-,  D'^  zt— .^i:*  «a- 
ffctgtsogeee  Acall«!  j;  ja  ;  ■:  W"j:iif*-. -..-.*  ^"..*f  »*■-- 
eher  die  Svjir  i-«ks  5  XIi;  5.  -.- :  :.-£-z^'^  z-jua^a 
«de«  »'^r.f:*«:!  Fv^m*-.-  m  ;*r  v**f,i.'i-t-i.3*  frw 
Heree«  «er  as'i^n  >"«■*.--  'x^r  avi  Et;;- uis'Jn-M« 
der  heroiacK«   t.-v.:»r«<  .i-z*-.    "if  Lt*  -.;'-  i'«!*  **» 

cia  Eak->a  as  i.iu^«r«.T  i  '4'^  Ij«  Ti^w*  -i-  »*vjiit 
iMfeTWcs  TeruaM^-,'     nc  cä  •.*:»  7"ij«-£.**jM«.  «*  l«uKt 

i;*  »«,1    -Jtrti.iwrt     £1  »««U«  ti* 


216  Galleria  Omerica  von  Fr.  Inghirami. 

Sonne  nach  dem  Sommersolstitium  gelangt,  „und  es  waren 
demnach  die  Abenteuer  des  Peleus  und  der  Thetis  gehei- 
ligt die  Geheimnisse  des  Sabäismus  zu  symbolisiren^  (2, 
216);  daher  ist  Chiron  ihnen  zugesellt  als  Meister  der 
Astronomie  (S.  213).  Dass  zur  Ilias  vorzüglich  viele  Bil- 
der sich  finden ,  erklärt  sich  dem  Verf.  nicht  aus  dem  poe- 
tischen Interesse  der  Personen  und  der  Geschichten,  son- 
dern aus  dem  Cultus  der  solarischen  Heroen;  und  jedem 
Gesänge  schickt  er  ausser  dem  Inhalt,  äusserlich  genommen, 
eine  Teocrazia  Omerica  del  libro  voraus.  Daher .  verlangt 
er  auch  ausdrücklich ,  dass  der  Gelehrte  sich  bei  den  That- 
sachen  nicht  viel  aufhalten  solle,  wie  der  Dilettant ,  sondern 
„meditiren  über  die  Philosophie,  welche  deren  Ausführung 
mötivirte^.  Doch  hat  diese  Richtung  seiner  Ansichten  we- 
niger Nachtheil  als  diejenigen,  denen  sie  traurig  oder  wi- 
drig vorkommen  könnte,  befürchten  dürfen.  Denn  in  ei- 
ner gewissen  Region  ist  der  Vf.  klar,  unterscheidet  zwi- 
schen den  Erklärungen  seiner  Vorgänger  oft  richtig  und 
mit  guten  Gründen,  und  ein  Yorrath  schätzbarer  Bemer- 
kungen und  Nachweisungen  giebt  auch  dem  Text  im  All- 
gemeinen Brauchbarkeit.  Sollten  in  Deutschland  ähnliche 
Werke  künftig  zu  Stande  kommen,  so  wird  man  allerdings 
einen  ganz  verschiedenen  Zweck  zu  verfolgen  haben.  Es 
wird  nicht  darauf  ankommen^  den  Inhalt  des  Homer  in 
Abbildungen  vorzuführen,  wie  der  Römische  ludimagister 
die  Knaben  nach  der  tabula  Iliaca  unterrichtet;  sondern 
vielmehr  im  Zusammenhange  zu  zeigen,  wie  die  Poesie 
auf  die  Kunst  eingewirkt  habe,  wie  insbesondere  im  Ver- 
hältnisse der  einzelnen  Poesieen  untereinander,  woraus 
selbst  auf  diese  hier  und  da  ein  neues  Licht  fällt;  und 
wie  sich  in  der  Behandlung  der  durch  die  Rhapsoden  ver- 
breiteten, durch  ihre  innere  Vollendung  sich  tief  und  be- 
stimmt einprägenden  Geschichten  und  Charakterformen  die 
Kunst  zum  Bedeutenden,  zur  Beschränkung ,  zum  Ausdrucke, 
zur  Methode  und  Consequenz,  wie  sie  im  Dienst  eines  er- 


Galleria  Omerica  von  Fr  Inghirami.  217 

habenen  Herren  zugleich  zu  einer  wUrdigen  Freiheit  nnd 
heiteren  Eigenthfimlichkeit  sich  gewöhnte.  Von  diesem 
Standpunkt  aus  sieht  man  einen  ziemlich  weilen  Kreis,  von 
Studien  sich  erölTnen,  die  zu  eben  so  belehrenden  als  an- 
Biehenden,  dem  jetzigen  Stande  der  Alterlhumskennlnisse 
sehr  angemessenen  Publicationen  fahren  können  und  wer- 
den: und  es  ist  nur  zu  wünschen,  dass  diese  mit  guter 
Ueberlegung  und  Vorbereitung  unternommen  werden,  da 
besonders  auch  in  diesem  Fache  das  Uebereilte  dem  Voll- 
kommenen leicht  den  Weg  in  das  Publicum  vertritt.  Von 
der  Vollständigkeit  in  den  Abbildungen  wird  man  bald  zd- 
rfickkommen,  und  kaum  in  die  der  Anführung  einen  gros- 
sen Werth  setzen,  vorausgesetzt,  dass  nichts  von  eigen- 
tbüoilichem  Gehalt  übersehen  werde.  Auch  Herr  Inghirami 
hätte  eine  gute  Anzahl  der  260  Kupfertafeln  ohne  grossen 
Nachlheil  sich  ersparen  können.  Diese  Tafeln  enthalten, 
ausser  der  Büste  und  der  Apotheose  Homers  Taf.  I.  II,  der 
tabula  niaca  und  den  Bruchslücken  ähnlicher  Taf.  III — VI, 
vier  Statuen;  43  sind  mit  Vasengemälden,  45  mit  Griechi- 
schen und  Griechisch-  Römischen  Basreliefen,  68  mil  ge- 
schnittnen  Steinen  angefüllt,  8  für Etrurische  Urnen,  6  für 
Etruiische  Spiegel ;  einige  enthalten  Wandgemälde ,  eine 
Prftnestinische  Cista  mit  Deckel ,  eine  Lampe ,  eine  Münze 
und  verschiedenes  Andere.  Vier  sind  doppelt  aufgeführt; 
die  tabula  Uiaca  ist,  auf  26  einzelne  Tafeln  zerschnitten 
in  kleinen  Bröckchen  durch  das  Ganze  vertlieilt,  und  eben 
80  sind  auf  35  andern  die  Gemälde  der  Mailänder  Hand- 
schrift,  so  weit  sie  reichen,  mitten  unter  denProductionen 
ganz  anderer  Jahrhunderte  ausgestreut.  Beides  erscheint 
ilemlich  störend ;  auch  die  Vignetten  jener  Handschrift 
sieht  man  lieber  an  ihrer  Stelle  als  ein  schätzbares  Denk- 
'  mal  ihres  Jahrhunderts  und  einer  in  Geist  nnd  Auffassung 
dnrcbaus  veränderten  Kunst.  Um  den  übrigen  Vorrath 
der  durch  Hrn.  Inghiramis  erspriessliche  Thäligkeit  und 
kdnstgeübte    Hand    zur   Sammlung    vereinigten    Denkmäler 


218  Galleria  Omerica  von  Fr.  Inghirami. 

zur  leichteren  Uebcrsicht  zu  bringen,  zugleich  aber  das 
V'erhältniss  der  Denkmäler  zu  der  Poesie  nach  bester  Ein- 
sicht richtiger  zu  stellen  ^  werden  wir  zuerst  diejenigen 
absondern,  die  uns  nicht  in  eine  Gallerie  der  Ilias  zu 
gehören  scheinen,  die  andern  aber  alsdann  auf  eine  im 
Ganzen  und  zum  Thoil  auch  im  Besondern  von  der  des 
Herausgebers  verschiedene  Weise  neu  zusammenstellen. 
Die  Aufgabe  einer  Recension  des  Werks  wird  wenigstens 
in  Bezug  auf  die  Denkmäler  auf  diese  Art,  so  viel  es  in 
Kürze  geschehen  kann,  vollständig  erledigt  werden. 

Auszuscheiden  sind  vorerst  diejenigen  Monumente,  die 
nur  durch  irrige  Erklärung  hier  stehen.  CI.  Zeichnung 
auf  Stein,  Pitt.  d'Ercol.  I,  3,  welche  Köhler  (Descr.  d'un 
vase  de  bronze  et  d*un  tableau  d*Herculanum  1810)  mit 
Verwerfung  von  acht  eignen  und  drei  früheren  Conjectu- 
ren,  sinnreich  auf  Adrastos  und  Arion  bezogen'  hatte;  hier 
zur  Enttäuschung:  ^die  Erklärer  haben  ihre  Zeit  in  den 
Wind  geworfen,  indem  sie  aus  einer  Zeichnung  schöpften, 
die  fast  in  nichts  ihrem  Originale  gleicht,  wo  bessere 
Nachforschung  etwas  ganz  anderes  habe  entdecken  lassen 
als  was  von  den  äusserst  wenigen  und  übel  zugerichteten 
übrig  gebliebenen  Zügen ,  woraus  sich  keine  einzige  ganze 
Form  unterscheiden  lässt,  copirt  worden  ist.^  Diese  Nach- 
richt ist  zu  bedauern  wegen  der  schönen  Erklärung  der 
Zeichnung  aus  dem  Oedipus  von  Kolonos  welche  Thiersch 
in  dem  unlängst  erschienenen  glänzenden  Programm, 
CDissertation ,  qua  probalur  velerum  artificum  opera  ve- 
terum  carminibus  optime  explicari)  p.  18 — 21  tab.  3 
gegeben  hat.  CCXIV.  Ebenfalls  von  dem  Vf.  selbst  ^eher 
zur  Berichtigung  als  zur  Vermehrung  der  Homerischen 
Gegenstände  vorgebracht.^  Peleüs  aus  Winckelmann  125, 
nach  Lanziy  welchem  auch  Visconti  Espos.  di  gemme  ant. 
n.  348  zustimmt,  die  Sühnung  durch  Flusswasser  wegen 
des  erschlagenen  Phokos  (Ovid.  Fast.  2,  35).  LXXVI.  Vasen- 
gemälde ^  auf  Ilias  5,  785  bezogen,  stellt  den  Streit  der 


Gallcria  Omeric»  von  Fr.  Tnghirami,  219 

Atriden   vor   der   Abfahrt  vor,    wie   Rec.   anderswo  zeigt 
(alte   Denkm.    III    p.  25).      Die   genaue    Auseinandersei« 
2ung   der  Geberden,  die  zuletzt  der  Canonicus  Jorio   Mi- 
mica    degli  antichi   p.  363-^66,    tav.    17  gegeben,   zeigt 
nur^    wie  viel  darauf   ankommt   den    rechten   Moment  zu 
erfassen.     CVI.  Vase  aus   Tischbein   1,  23,  nach   Italinsky 
fdr  Dolon  in  Mitten  des  Odysseus  und   Diomedes  gegeben, 
Gal«  mythol.  150,  572.    Die  Vorstellung  ist  noch  so  wenig 
befriedigend  bis  jetzt  erklärt,   als  die  sonderbare  Inschrift, 
Corp«  Inscr.  gr.   5.    Doch   ist    die  Deutung   auf  Aegisthos 
zwischen  Orestes  und  Pylades  wahrscheinlicher.     CXL  Odys- 
seus  und  Diomedes  auf  das  Palladium,  nicht  gegen  Dolon, 
ausgehend;  Gemme  aus  Tischbeins  Homer  III,  5.  Gal.  my- 
thol. 173,  570.     XVI.  DerHamiltonsche  Cammeo  aus  Tisch- 
bein  1,   2,  falsch  erklärt  als    Homer   von    den   Musen   un- 
terrichtet.    CX.   Silberschale  Stroganow,  Odysseus  und  Di- 
omedes, statt  die  Waffen  des  Dolon  der  Pallas  zu   weihen, 
streiten   über   die    des    Achiileus,    wie   Köhler   und   Miliin 
richtig  erklärten.     CXX.  Die  Seite  der  Vaticanischen  Pracht- 
TBse,  jetzt  im  Louvre,  weiche   Millingen  Uned.   mon.  21 
(mit  ihm  Müller   Archäol.  §.  143,   4.  413,  2)  auf  den  Ab- 
schied des  Achiileus   und  Patroklos  von  Peleus  und  Menö- 
tios  deutet,  Hr.  Inghirami  doch  lieber,  mit  Panofka  Vasi  di 
premio  I,  auf  Eleusinische  Preisvertheiiung  bezieht.     Wenn 
nur    bekannt    wäre,    dass   Helm,   Schild    und    Speer    die 
Preise  gewesen  seyen.     Der  anderen  Erklärung  steht  ent- 
gegen,  dass   nur  ein   Abschied,   wenn   es  einer  wäre,  zu 
sehen  ist,  der  andere,  der  diesem  entspräche,  fehlt.     CXXX. 
Gemme.   Nicht  Ajas   den  Hektor  und  die  Troer  herausfo- 
demd ;  sondern  die  zusammengewachsenen  Molioniden  (alte 
Denkm.  H  p.  328).     CXLIII.  Nach  Visconti  Piocl.  V,  23  Me- 
nelaos  dem  Apollo  den  Helm  des  Euphorbos  weichend,  nach 
Dias  17,  60—70  was  Gerhard  Baschr.  Roms  H,  2  S.  232  wi- 
derlegt.   Er  denkt  an  Votivtafel  eines  siegenden  iKriegers: 
es  könnte  auch  von  einem  Grabsteine  seyn.    Vgl.  die  Rec« 


220  Galleria  Omerica  von  Fr.  Inghirami. 

des  Musie  du  Louvre  PI.  223  (alte  Denkm.  II  p.  163). 
CLVII.  der  berühmte  fragmentirte  Onyxcammeo,  jetzt  bei 
Blacas,  der  auch  von  Schorn  IX,  4,  von  Visconti  u. 
a.  nach  Winckelmann  tav.  129,  für  den  trauernden  Achil- 
leus  und  Antilochos  genommen  wird,  stellt  den  Orestes 
und  Pylades  in  Tauris  vor,  wie  das  Basrelief  Grimani 
(jetzt  in  Weimar)  zeigt*  Eben  so  das  Bruchstück  eines 
Reliefs  CLVIII,  bei  Winckelmann  130.  XXXI  ist  eine 
Ergänzung  des  Cammeo  von  Pichler  oder  Marcband. 
CLXXV.  Unedirte  Vase  des  Grafen  Balk  in  Moskwa,  be- 
achtenswerth ,  hier  gegeben  als  der  Sieg  des  Herakles  über 
den  Marathonischen  Stier,  was  anspielen  soll  auf  Ilias  19, 
98,  wo  Zeus  von  Herakles  spricht;  noch  wunderlicher,  dass 
die  vielen  anwesenden  Götter  die  Olympischen  Spiele,  als 
Stiftung  des  Herakles,  und  worin,  nach  Pausanias  viele 
von  ihnen  selbst  gekämpft,  angehen  und  Kampfrichter 
darunter  gemischt  seyn  sollen.  Es  sind  zwei  Hauptgruppen 
und  Herakles  ist  dem  Dionysos  gegenübergestellt;  diess  ist 
das  Wesentliche.  Die  Composition  ist  mit  der  bekannten 
d*Hancarvillscheno  Oenomaosvase  zu  vergleichen.  CLXXVI — 
CLXXVII  stellen  den  Streit  des  Odysseus  und  Achilleus  am 
Mahle  vor.  S.  alte  Denkm.  H  S.  559.  CXCIV.  Etruri- 
sche  Urne,  als  Achilleus  und  Lykaon,  Ilias  21,  falsch 
erklärt:  die  Vorstellung  ist  unbekannt.  CGI.  Die  von 
Millingen  edirte  Gii^enlivase,  AXIAEEV2  und  HEKTOP 
kämpfend  um  eine  Leiche,  wrsshalb  man  Menmon  für 
Hektor  vermuthet:  hier  aber  wird  zu  II  22,  324  die 
Leiche  supplirt,  wonach  dann  wenigstens  CXCIX  nicht 
getrennt  und  unterschieden  werden  sollte.  Aber  der 
Kampf  um  eine  Leiche  ist  eine  mit  keiner  andern  zu  ver- 
mischende Kriegsscene.  CCXIX.  Sandstein  aus  einem  Grab 
in  Chiusi,  mit  flachem  Relief  in  eigenthümlichem  Styl, 
hier  mit  voller  Willkür  auf  den  Schwur  des  Antilochos 
23,  583  gedeutet.  CCLVII.  So  eine  Etr.  Urne,  aus  dem 
Huseo   Etr.   Chiusino   27   auf  Aeneas,  der  den  Streichen 


.^urrr . 


f.. 


Galleria  Omerica  von  Fr.  Inghirami.  221 

des  Äohilleus  entzogen  wird,  21 ,  261.  307.  CCLX.  Das 
Schiff  der  Tyrrhener  mit  Dionysos,  im  Innern  einer  Kyliz 
des  .Pr.  von  Canino  die  aussen  Gruppen  von  Kämpfern 
enthält:  ein  merkwürdiges  Bild. 

Sodann   sondern    wir   ab    die   Vorstellungen,    weiche 
nicht   die  Handlung  der  Ilias  selbst  angebn,   sondern  nur 
die  Ursachen  zum  Kriege,  wie  VIU  Ganymedes  vom  Adler 
greraubt,  IX  Urtheil  des  Paris,  X  Paris   zu  Helena  von  Eros 
geführt,    XI  die   Etruskische   geflügelte    EAINA^   XII   das 
Capitolinische  Rund    mit   dem    Lebenslaufe   des    Aciiilleus, 
CXLI,  Freier  der  Helena;  Fragment  eines  Spiegels,  unedirt, 
UV  und  wiederholt  CLXXXIX  die  schöne  Bronze  Hawkins, 
Anchises  und   Aphrodite;    auch  die  in  der  Ilias  irgend  wie 
z.    B.   auch  prophetisch',   erwähnten,    aber  in  den    Umfang 
andrer    Homerischen    Poesien  fallenden    Gegenstände,    als 
XLVIII   das   Relief  mit   Protesilaos   und   Laodamia,   XLIX. 
LI   Philoktetes  in  Lemnos,  Etr.  Urne,  und  Gemme,  und  L 
derselbe  in  Troja,  Spiegel,  XCl.  XCII  Iliupersis  nach  einer 
Etr.    Urne    und    nach  der   schönen  Vase  Vivenzio,  CXXIII 
dieselbe    nach   dem   oberen   Theile  der  Tabula  Iliaca,  XIII 
Ajas  die  Leiche  desAchilleus  davon  tragend,  der  bekannte 
Etr.  Scarabäus.     Entbehrlich  halten  wir  auch,  oder  würden 
wenigstens  in  besonderer  Reihe  vereinigen,  die  Bilder  von 
Homer   zufällig    berührter,    manichfaltiger ,    der   Handlung 
selbst  fremder  Mythen   und    Gegenstände,   wie  XLVII  die 
Mauern  von  Tiryns,  aus  Gell,  CCXIII  das  sogenannte  Grab 
des  Patroklos  aus  Choiseul,  LIII  die  Pygmäen  und  Kraniche, 
Vasenzeichnung,  LVI  Priamos  (JIPIAME)  im  Kampf,   an- 
geblich mit  Amazonen,  eigentlich  aber  mit  Männern,  Vase, 
LXXXI.     LXXXII  Lykurgos ,  zwei  bekannte  Vasen ,  LXXXUI 
Bellerophontes  von  Prötos  abgesandt,  Vase  im  MuseoBor- 
bonico,  LXXXIV  Bellerophontes  undAntea,  diese  auf  einem 
Ruhebett   liegend ,  und   in   den  Spiegel  blickend ,  den  eine 
Dienerin  ihr   vorhält,   Urne   von  Volterra,   wiederholt  auf 
den  Mon.  Etruschi,  LXXXVI  die  alte  Terracotta  mit  Belle- 


222  Galleria  Omerica  von  Fr.  Inghirami. 

rophontes  und  Chimära  (eben  so  gut  konnte  auch  die  Vase 
aus  Tischbein  l,  2  aufgenommen  werden),  LXXXVIII  aus 
M.  Flor.  II,  1,  31.  Gai.  mythol.  155,  562,  Millin  Mim.  sur 
Tenl^vemont  du  Palladium  p.  7,  weder  als  Kassandra,  noch 
als  Theano  bei  dem  Palladium  charakteristisch  ^  sondern 
eine  unbestimmte  Variation  eines  solchen  Thema.  CII  Me- 
leager,  Atalante,  Atropos,  Toxeus,  Etr.  Spiegel,  CHI  Ka- 
1yd.  Jagd,  Urne  von  Volterra,  CXXl  Achilles  als  Kind 
auf  dem  Rücken  des  Chiron  reitend ,  Hippo  daneben ,  aus 
den  Marm.  Taurin.  wegen  U.  11,  830),  CLXXX  Achilles 
in  Skyros  aus  R.  Rochette  12  (wegen  des  19,  327  erwähn- 
ten Sohnes) ,  CLXXXII  und  CLXXXV  Achilles  sich  wappnend 
in  Skyros,  eine  Querseite  von  zwei  Sarkophagen ,  überein- 
stimmend ,  XXXVI  die  andre  des  einen  (des  Capitolinischen), 
Abschied  des  Achilles  von  Skyros  und  die  verlassene  Dei- 
damia,  CCXL  die  Familie  der  Niobe  nach  Cockerell,  CXLI 
Fragment  eines  Etr.  Spiegels  mit  Freiern  der  Helena,  nach 
Lanzi  unedirt,  CCXXIII.  CCXXIV  ürtheil  des  Paris,  zwei 
Spiegel,  der  zweite  vielleicht  etwas  ganz  Andres,  CCXXV. 
CCXXXI  Peleus  und  Thelis,  zwei  bekannte  Reliefe,  CCXXXIV 
Verwandlung  der  Thetis,  Vase  Pourtales  aus  R.  Rochette 
Mon.  ined.  I,  I.  CCXXXV  Thelis  von  Pehjus  zu  Chiron 
hingeführt ,  Vase  des  Etr.  Mus.  Chiusino.  CLXXXVIII  Achil- 
les in  die  Ferse  verwundet,  unedirte  Gemme  des  Museum 
zu  Florenz.  CCIII  dasselbe,  sehr  vorzüglich.  CXC  der 
berühmte  Florentinische  Cammeo,  Ganymedes,  von  dem 
Adler  eben  abgesetzt,  und  von  Hebe  dem  Zeus  entgegen- 
geführt, wie  wir  die  vielbesprochne  Composition  deuten 
möchten.  CCXXXVI  Ajas  die  Leiche  des  Achilles  tragend, 
unedirter  Skarabäus  in  Cortona.  CLIV  die  gleiche  Scene, 
die  Leiche  unbärtig,  schönes  Gesicht,  unedirte  Gemme,  für 
Menelaos  mit  der  Leiche  des  Patroklos  gegeben. 

Um  die  Kunstwerke  zu  einem  alten  Epos  zur  Ueber- 
sicht  zu  bringen,  die  verhältnissmässige  Einwirkung  eines 
jeden   von    diesen   auf  die   bildende  Kunst   anschaulich  zu 


Galleria  Omerica  von  Fr.  Inghirami.  223 

machen,  stellen  wir  als  Princip  auf,  dass  man  die  Gattun- 
gen derselben  absondern  müsse.     In  Sculptur  sind  uns  aus 
den  früheren  Perioden    so   wenige  Darstellungen  erbalten 
und  die   grosse  Mehrzahl  der  Reliefe  ist  so  spät  und  ab- 
stechend ,  dass  man  wohl  thut  an  diesen  eher  den  fortdau- 
ernden  Einfluss  so  viele  Jahrhunderte   hindurchgegangener 
Compositionen  oder  auch  das  Besondere  der  späteren  Zei- 
ten  für   sich   aufzuchen.     Die   geschnittnen   Steine   sind  in 
ihren  Darstellungen  theils  so  abhängig  von  grösseren,  aus 
denen  sie  entlehnen,  theils  so  beschränkt,  theils  so  unbe- 
stimmt,  dass   wir   sie   ebenfalls  am  liebsten  unter  sich  zu- 
sammenstellen  würden;   doch   könnten  sie   auch  zum  Theil 
zur   Vergleichung,  zur  Ausschmückung,   hier  und  da  zur 
Ergänzung   der  einen   oder  andern  Hauptreihe  eingemischt 
werden,  nur  dass  man  wenigstens  den  andern  sehr  beträcht- 
lichen Theil,  der  sich  auf  bestimmte  Stellen  des  Dichters  mit 
Grund   nicht   oder  noch  nicht  zurückführen  lässt,   sondern 
Heldenfiguren  und  Kriegsscenen  mehr  allgemein  und  klas- 
senweise darstellt,  trenne  und  nicht  willkürlich  unterstecke. 
Zur   llias    lässt    sich    allein    aus    Vasengemäldcn    eine 
Gallerie  bilden ,  über  deren  Reichthum  man  erstaunen  wird, 
und  selbst  die  aus  den  neueren  Entdeckungen  in  Etrurien, 
die  wegen  ihres  Alters  und  Sti's  besonderer  Aufmerksam- 
keit werth  sind,  ausgesucht,  werden,  verbunden  mit  eini- 
gen andern  von   verwandter  Art,   schon  eine  recht  schöne 
Sammlung   ausmachen.     Mit   der   Klasse  der  Vasengemäide 
sey  der  Anfang  gemacht,  eine  llias  in  Bildern  vorzuzeich- 
nen,  indem  wir   unter   die   von  Hr.  Inghirami  vorgelegten 
Zeichnungen  die  seit  dem  bekannt  govvordnen  einreihen. 

Es  folgt  S.  595—616  eine  Gallerie  von  25  Vasenge- 
mälden, mit  Vergleichung  der  von  den  Alten  erwähnten 
Gemälde,  die  der  Sculpturwerke ,  darunter  15  Basreliefe, 
dazu  abgesondert  die  Etruriscben ,  zuletzt  die  Reihe  der 
geschnittnen  Steine. 


Denkmäler  zur  Odyssee  ^). 


In    Onerbecks    Bildwerken   zum   Thebischen  und   Troi- 
sehen  Heldenkreis  finden  sich  ausser  einem ,  wie  ich  glaube, 

1)  Gerhards  Archäol.  Zeitung  1853  S.  106.  Eine  Nachlese, 
so  wie  die  Torhergeheode  Abhandlung  in  Bezug  auf  die  llias  eine 
Vorarbeit  aus  meinen  Sammlungen  gewesen  ist.  Diese  erstreckten 
sich  über  deu  Hauptinhalt  des  epischen  Cjclus,  das  Troische  und 
Thebische,  hinaus  indem  sie  parallel  liefeo  mit  meinem  epischen 
Gjclus  in  zwei  Bänden  und  den  Titel  erhalten  sollten:  der  episehe 
Cjclus  in  Bildwerken.  Sehr  gern  konnte  ich  es  geschehen  lassen 
dass  von  einem  mit  diesen  Denkmälern  eifrig  beschäftigten  Zuhö- 
rer der  Plan  der  in  dem  Ton  ihm  angenommenen  Titel  yersteckt 
liegt,  aufgenommen  wurde,  der  zuerst  öffentlich  angedeutet  ist  in 
der  Zeitschr.  f.  A  W.  1834  S.  123.  „Es  wird  einmal  ein  Gyclus 
Ton  ausgewählten  Bildwerken  zu  jedem  der  Gedichte  dieser  Klasse 
aufzustellen  seyn ,  um  ihre  mächtige  Einwirkung  auch  nach  dieser 
Seite  hin  besser  wahrzunehmen  und  in  fortlaufenden  Reihen  die 
künstlerische  Behandlung  mit  der  dichterischen  leichter  zu  yer- 
gleichen.  Die  Kjprien  werden  in  diesem  höchst  wünschenswerthen 
Bilderbuche  eine  bedeutende  Stelle  einnehmen."  Th.  Bergks  Wi- 
derspruch in  derselben  Zeitschrift  1800  S.  406  hat  in  dieser  An- 
sicht nichts  ändern  können.  Sie  war  wiederholt  ausgesprochen  in 
den  Griech.  Tragödien  1,  12,  und  das  Buch  wurde  sogar  ange- 
kündigt in  der  Vorrede  zu  den  Alten  Denkm.  1849  I  S.  VI.  Auch 
schrieb  ich  Ton  Rom  aus,  in  einem  Brief  an  Avellino  in  dessen 
Bullettino  Napoletano  1843  p.  33  da  molto  tempo ,  vado  prepa- 
rando  una  zicca  scelta  de*  monumenti  recativi  al  ciclo  delle  fayole 
epiche  e  tragiche  un  ciclo  epico-tragico  figurato  ad  uso  degli  studj 
philologici  nclla  mia  patria.  Der  im  vorhergehenden  Aufsatz  ge* 
wonneoe  Gesichtspunkt  der  Sonderung  der  Monumente  nach  den 
Kunstarten,  der  für  das  kunsthistorische  Studium  mancherlei  Vor- 
theilo  gewähren  kann,  ist  in  jenen  vorläufigen  unter  der  Hand  immer 
fortgesetzten  Sammlungen  und  Aufzeichnungen  aufgegeben  wegen  der 
überwiegenden    Bequemlichkeit  der  ununterbrochenen  GontinuitäL 


\ 


Denkmdler  zur  Odyssee.  225 

nicht  dahin  gehörigen  nur  fünf  Vasengemälde  der  neueren 
Gattung  und  vier  kleine  der  älteren  abgebildet  und  kaum 
noch  eben  so  viele  andre  aus  beiden  Klassen  angeführt. 
Davon  einige  nachzutragen  wird  also  der  Mühe  werth  seyn, 
da  sie  im  Ganzen  einen  so  grossen  Vorzug  vor  der  Menge 
der  andern  Darstellungen  behaupten.  Man  kann  füglich  zwei 
Abtheilungen  machen,  die  der  natürlichen,  reinmenschlichen 
Verhältnisse  und  die  der  fabelhaften  Abenteuer,  Gegen- 
stände der  gemüthlichsten  und  andre  von  phantastischer  Art. 
Die  schöne  Scene,  Telemachs  Besuch  bei  Nestor^  mit 
dem  Namen  (nicht  NE2T0P,  sondern  NEITÜF),  No.  I, 
wo  gleich  bei  der  Begrüssung  Nestors  Tochter  Obst  oder 
Gebäck  zum  freundlichen  Empfang  herbeibringt  (nach  einer 
in  Griechenland  noch  jetzt  nicht  ganz  ausgegangenen  Sitte, 
nur  dass  man  wohl  süsses  Eingemachtes  dem  frischen  Obst 
vorzieht) ,  von  einer  1845  in  Ruvo  gefundenen  und  1848 
für  Berlin  in  Neapel  erkauften  Amphora  (No.  1945  des 
Verzeichnisses),  hätte  vor  vielem  Andern  die  Aufnahme 
im  Stich  verdient.  Durch  sie  ergiebt  sich  auch ,  dass  Mil- 
lingen  Unrecht  hatte,  seine  eigne  Vermuthung  über  das 
Gemälde  seiner  Point,  de  Vases  pl.  55.  56  aufzugeben  und 
lieber  allgemein  eine  gastliche  Scene  anzunehmen,  weil 
die  Darstellung  nicht  mit  Homer  übereinstimme.  So  gut 
wie  die  Ankunft  des  Telemachos  frei  und  nach  Sitte  und 
Cäremoniel  der  Zeit  gemalt  worden  ist,  ebenso  gut  konnte 
auch  dessen  Abschied  von  Nestor,  an  dem  dort  zwei 
Töchter  den  Abschiedstrunk  bereit  halten,  nach  eigner  Er- 
findung dargestellt  werden.  Wäre  die  Scene  genreartig 
allgemein  verstanden,  so  hätte  das  auffallend  altergraue 
oder  durchaus  kahl  aussehende  Haupt  des  Alten  keinen 
Sinn.  Es  ist  wichtig  sich  endlich  zu  überzeugen ,  welcher 
grosse  Unterschied  zwischen  Homers  Darstellungen  und  den 
aus  ihm  geschöpften  Gemälden  ist;  und  verkennen  lässt 
sich  auch  nach  so  manchen  vorkommenden  Beispielen  nicht 
dass  man  für  die  bedeutenden  Scenen  des  häuslichen  Lebens 
V.  15 


226  Denkmäler  zur  Odyssee, 

gern  einen  Typus  aus  der  heroischen  Poesie  entlehnte.  Ob 
freilich  die  Rückseite  des  Gefösses  die  Ankunft  des  Tele- 
machos  und  des  ihn  begleitenden  Nestoriden  in  Sparta 
vorstellen  solle,  wo  ihnen  Helena  selbst,  zwischen  ihnen 
stehend,  den  Trank  reichte,  wie  de  Witte  vermuthete  (Gab. 
Durand  no.  420.  Coli.  M.  no.  63),  ist  ungewisser.  Doch 
möchte  ich  lieber  Beides  zusammen  annehmen  als,  mit  E. 
Vinet,  Beides  zusammen  ablehnen.  Hiernach  würde  auch 
in  Tischbeins  Vasen  1,  14  Telemachos  den  Abschiedstrunk 
empfangen,  Nestor  hier  nur  weniger  steinalt  und  weniger 
treuherzig,  und  zwei  Töchter  auch  hier,  der  Composition 
wegen,  gemalt  sein. 

Zu  der  Candelorischen  Vase  in  München  No.  7  (der- 
selben welcher  Gerhard  im  Rapp.  Volc.  p.  129  not.  135 
mittelmässige  Zeichnung  zuschreibt],  wird  künftig  eine  von 
Campanari  gefundne  hinzukommen ,  die  als  eine  der  schön- 
sten Vasen  einer  reichen  Ausgrabung  bezeichnet  wird: 
YjNausikaaj  die  mit  ihren  Mädchen  zum  Fluss  die  Kleider 
zu  waschen  geht.^  Bull.  d.  I.  1834  p.  177.  Schon  ein 
Gemälde  Polygnots,  in  dem  Bau  links  von  den  Propyläen, 
enthielt  Nausikaa  nebst  den  mit  ihr  waschenden  Mädchen 
und  den  Odysseus  sie  überraschend  {i<p$atdfA9Voy ,  Paus.  I, 
22,  6].  Da  von  dem  Chortanz  dieser  Wäscherinnen  bei 
Aeschylus  die  Rede  gewesen  ist,  so  bemerke  ich,  dass  in 
Pompeji  in  der  casa  della  fullonica  (in  der  Strasse  di  Mer- 
curlo)  vier  grosse  Waschstände  zwischen  ganz  niedern 
Mauern,  worin  man  vermuthlich  das  Zeug  mit  den  Füssen 
stampfte,  und  an  einem  der  Pilaster  des  Peristyls  Gemälde 
von  Wäscherinnen  gefunden  wurden. 

Dagegen  würde  ich  No.  8  u.  9  ausschliessen ,  das 
letztere  Gemälde^  welches  Taf.  XXXI,  2  auch  abgebildet 
ist,  unbedingt.  Denn  was  wollen  ein  auf  einem  behauenen 
Stein  sitzender  König  mit  Scepler  und,  anstatt  einer  Schutz 
suchenden  Flüchtenden,  ein  Mädchen^  das  ihm  Obst  aus 
ihrem   Gewandbusen   darbietet ,   wonach    er  reicht,    neben 


Denkmäler  zur  Odyssee.  227 

einem  die  Begleiterinnen  der  Nausikaa  in  Schrecken  set- 
senden Odysseus,  wenn  auch  an  sich  der  glattbärtige 
nackte  Jüngling,  der^  auf  ein  Knie  niedergelassen,  auf 
Tier  Mädchen  ganz  entgegengesetzte  Wirkungen  macht, 
wirklich  Odysseus  sein  könnte?  Auch  das  aus  Stackeibergs 
Gräbern  Taf.  23  herbeigezogene  Gemälde  erweckt  mir  we- 
niger die  Vorstellung  eines  Sophokleischen  Chors  der  Wä- 
scherinnen, welcher,  da  er  nicht,  wie  bei  Aeschylus,  im 
Gemälde  die  Wäsche  im  stampfenden  Tanz  bearbeiten 
konnte,  billigerweise  Ball  spielen  sollte ,  als  den  eines  Tanz- 
meisterSy  welcher  zehn  in  drei  Gruppen  vertheilte  Mädchen 
im  Tanzen  und  in  Luftsprüngen  übt  und  durch  seine  leb- 
hafte Bewegungen  sie  aufmuntert  und  antreibt.  Noch 
weniger  freilich  als  diese  Jahnsche  Erklärung  kann  ich  die 
dagegen  in  der  Arch.  Zeitung  IV  S.  309  wieder  hervor- 
gezogene Stackelbergische  billigen. 

Dass  Odysseus  von  Alkinoos  Abschied  nehmend  zu 
verstehen  sei  auf  dem  aus  Buonarroti  von  Miliin  Gall.  m. 
172,  639  gegebenen  Medaillon,  wie  auch  0.  Müller  an- 
führt, ist  eine  sinnreiche  Erklärung,  bei  welcher  der  Raum 
zu  berücksichtigen  ist:  weit  wahrscheinlicher  wenigstens 
als  was  R.  Rochette  mon.  ined.  p.  368  not.  3  dachte,  Be- 
rathung  des  Odysseus  mit  Eurylochos  und  auf  der  Säule 
das  Bild  der  Galene,  welcher  der  Anker  kaum  angemes- 
sen sein  möchte. 

Odysseus  eingekehrt  haiEumäos  kann  ich  nur  vermu- 
then,  nicht  behaupten  bei  Dubois-Maisonneuve  pl.  LIV,  3 
[Panofka  Bild.;ant.  Leb.  14,  5],  in  einer  Vorstellung ,  die  der 
Text  irrig  zum  „genre"  herabzieht.  Odysseus  hat  edle  Ge- 
stalt und  das  Kennzeichen  der  Mütze.  An  einer  Stange  trägt 
ein  Mann  zwei  wirthschaftliche  Körbe ,  (ttwv  äi  cyiv  «m^ 
Ms(SavXiO(;,  (Od.  XIV,  449),  ein  Schwein  mit  einem  Jungen  ist 
neben  ihm.   Die  Inschrift  VEJüüO  möchte  falsch  gelesen  sein. 

Hieran  knüpfe  ich,  indem  andre  Vasen  in  dieser,  so 
wie  auch  in  der  Reihe  der  Fabeln   nachher  folgen  mögen, 

15* 


228  Denkmäler  zur  Odyssee. 

ein  wohl  erfundnes,  jetzt  verlornes  Basrelief.  Winckelmann 
Hess  es  in  der  Wiener  Ausgabe  der  Kunstgeschichte  auf 
S.  135  stechen  und  bemerkt  in  dem  Verzeichniss  der  Kupfer- 
stiche zu  No.  7,  dass  es  im  Capitolinischen  Museum  sei 
(wo  es  jetzt  sich  nicht  findet)  und  dass  die  Vignette  „aus 
einem  grossen  Kupferstich^  so  für  den  3.  Band  der  Mon. 
ined.  bestimmt  war,  hier  ins  Kleine  gebracht  worden  und 
die  Deutung  anderwärts  gegeben  wird.''  Von  hier  muss 
es  Fea  genommen  haben  in  der  Storia  d.  a.  I  p.  238;  wel- 
cher III  p.  424  angiebt ,  es  sei  aus  Villa  Albani  und  scheine 
eine  Speisekammer  (dispensa)  vorzustellen,  indem  er  auf 
II  p.  142  verweist:  wo  Winckelmann  wirklich  eine  Alba- 
nische dispensa  anführt,  in  der  Dresdner  Ausgabe  IV,  4, 4. 
Darunter  aber  versteht  er  nicht  diess,  sondern  ein  wirklich 
Albanisches  Relief  und  eine  wirkliche  Speisekammer,  dazu 
mit  lateinischer  Inschrift,  die  nämlich  bei  Zoega  Taf.  27. 
Die  Vorstellung  des  andern  Reliefs  nun  ist  nach  einem 
Cameo  in  Eckhels  Choix  de  p.  gr.  pl.  37^  2,  im  Tischbein- 
Schornschen  Homer,  von  Inghirami  und  auch  von  Overbeck 
No.  91  abgebildet  worden.  Kleine  Abweichungen  sind, 
dass  im  Relief  die  Mütze  des  Odysseus  geflochten,  die 
Lanze  der  Pallas  weniger  gerade  gestellt  ist,  der  Behelmte, 
der  einen  Widder  schlachtet,  an  Eumäos  anstösst.  In  der 
Vignette,  einem  Ausschnitt  aus  einer  vollständigen  Zeich- 
nung, sind  anstatt  diese  zu  verkleinern,  des  Raums  wegen, 
unten  die  Füsse,  auf  der  rechten  Seite  die  letzteTigur  bis 
auf  das  rechte  Bein  und  geschlachtete  Schweinchen  in  ih- 
rer Hand,  oben  der  Helm  der  Pallas  weggeschnitten  wor- 
den. Der  Stein  selbst  ist  zwar  nach  Eckhels  Urtheil  von 
Meisterhand  geschnitten;  ob  er  aber  wirklich  auch  antik 
oder  erst  in  neuerer  Zeit  vom  Marmor  copirl  sei,  und  so 
vielleicht  auch  der  Taf.  20,  welcher  einen  Ausschnitt  aus 
einem  andern  Basrelief,  der  Ermordung  der  Aegisthos 
darbietet,  wünschte  ich  noch  von  Andern  geprüft  zu  wis- 
sen.    Der  Behelmte  muss    wohl   Telemachos   sein^   der   in 


Denkmäler  zar  Odyssee.  229 

sriner  Freude  sich  hergiebt  an  der  Bereitung  des  ÜRhls 
TliBil  za  nehmen,  so  dass  an  das  Hahl  am  Schluss  des  16. 
Gesangs  zu  denken  wäre.  EamSos  und  Phrlötios  giebl 
Schoro  im  Tischbeinsclien  Homer  an  VIII,  7;  Odysseus  im 
Hansö  des  Laertes  VIII,  H. 

Im  Museum  zu  Parma  ist  an  einer  Vase  Odysseua  von 
»einem  Bund  erkannt,  mit  einer  weibüclien  Figur,  Eury- 
kleia.  Rv.  Odysseus  sein  Schwert  haltend,  Kirke  und  ei- 
ner der  Gffahrlen  mit  Thierkopf,  auch  diess  hier,  wie  die 
andere  Seile,  nicht  im  älteren  Styl.  Odysseus  und  der 
Hnnd,  ähnlich  wie  No.  93,  ist  auch  im  Mus.  Worslej.  tav. 
27,  30  der  Mail.  Ausg.  Im  Tisch  bein-Schornschen  Homer 
Vm,  3.  4.  5,  vgl.  Schorn  im  Kunstblatt  1824  No.  102. 

Pntelope  sitzend  und  den  Odysseus  anhörend,  den  sie 
noch  nicht  erkennt,  an  einem  dreihenkligen  Gefäss,  mit 
K^iAOS,  ist  angegeben  in  der  Reserve  itr.  [deLuc.Bonap.] 
p,  14  no.  52.  Ein  Gemälde  von  edelster  Auffassung  und 
Composition ,  ein  Musler  aus  der  guten  Periode  der  Va- 
senmalerei, an  einem  sehr  grossen  bei  Csre  gefundnen 
Eraler,  stellt  dar  Odysseus,  eine  langgestreckte  Figur,  sit- 
send  vor  Penelope  und  als  Aethon  ihr  von  Odysseus  er- 
sUilend.  Uebcr  ihren  Stuhl  ist  ein  Pantherfell  gebreitet 
über  ihm  ist  zu  lesen  O^VTEVS  (das  T  mit  dem  Quer- 
strich nicht  oben,  sondern  ein  wenig  tiefer,  wieaufHomm- 
fens  Taf.  I  der  Unterital.  Dial.  no.  14  von  Noianiscben 
GeRtssen,  auch  im  Lucianischen  Mus.  älr.  no.  1449  and 
sonst).  An  der  Wand  hängen  Schild  und  Schwert  Wäh- 
reird  Odysseus  in  angenehmer  Nachlässigkeit,  behaglich 
sein  übergeschlagnes  Knie  hält,  schlägt  sie  in  Sehnsucht 
nach  dem  Entfernten  sich  mit  der  Hand  an  die  Slirne,  ein 
Bild  der  Trauer  und  Unruhe.  Zu  beiden  Seiten  ist  eine 
Nebenfigur,  bei  der  einen  erhalten  .  .  OMEJES.  (Rv. 
Schlaf  und  Tod,  geflügelte  Jünglinge,  tragen  die  Leiche 
des  Sarpedon,  unten  und  oben  gefasst,  sehr  schön  dahin). 
.  DiesB  in  Gerhards  Arcbäol.  Zeit.   IV  S.  285  No,  17  kurz 


230  Denkmäler  zur  Odyssee. 

erwähnte  Gefäss  sah  ich  unlängst  wieder  in  der  Sammlung 
Campana,  die  angeblich  auf  930  Stück  angewachsen  und 
in  langen  Reihen  von  Sälen  wohl,  aufgestellt  ist  [Mon.  in.  d. 
inst.  VI,  21].  Dieselbe  Vorstellung,  aber  „von  alterthümlicher 
Strenge  nicht  frei,"  ist  an  einer  Hydria  aus  Lokri  im  Mus- 
eum zu  Berlin  No.  884  [ann.  XXI.  tav.  I].  Odysseys,  mit 
dem  Reisehut  auf  der  Schulter  hängend,  in  gleicher  Stellung 
als  dort,  erzählt;  Penelope,  mit  etwas  gesenktem  Haupt, 
hört  mit  Theilnahme  zu :  der  Ausdruck  in  früherer  Kunst 
ist  noch  weniger  tief  und  ansprechend.  Auch  hier  ist  ein 
Helm  aufgehängt  zwischen  beiden.  Nur  hinter  dem  Odysseus 
sitzt  hier  ein  Dritter,  ein  Alter  mit  Mantel  und  Stab,  in  wel- 
chem Gerhard  im  Verzeichniss  den  Laertes,  Panofka  wohl 
richtiger  den  Mentor   erkennt ,  Archäol.  Zeit.  IV  S.  248. 

Das  gar  wohl  gedachte  Gemälde  aus  Pompeji  No.  103 
hat  schon  der  wackre  Gu.  Becchi  im  Museo  Borbon.  I. 
tav.  B,  1824  neun  Jahre  vor  W.  Gell,  richtig  gedeutet, 
Odysseus  baarfüssig,  mit  dem  von  Eumäos  ihm  geschenk- 
ten Knotenstock,  hat  auf  einem  Stück  Säule  vor  dem  Hause 
sich  niedergelassen ;  Penelope  ist  herausgetreten  und  sicht- 
bar ist  die  Freude,  womit  er  den  Aeusserungen  über  ihre 
Treue  gespannt  zuhört;  eine  Dienerin  schaut  neugierig  aus 
einem  Fenster  des  Hauses  heraus  auf  diese  Scene. 

Bei  Basüggio  in  Rom  sah  ich  1846  in  einer  Kylix 
von  schöner  Zeichnung,  wie  mir  schien,  Penelope y  sitzend 
zwischen  zwei  Säulen ,  also  in  oder  vor  ihrem  Hause;  ein- 
gehüllt wie  in  Trauer;  vor  ihr  stehend  Odysseus,  bärtig 
mit  langem  Stab  und  Hut;  hinter  ihr  und  über  die  ganze 
andre  Seite  hin  Figuren  der  Freier,  alle  als  nicht  zu  ju- 
gendlich gezeichnete  Männer  die  ihr  Haus  erfüllen  und  de- 
ren Anwesenheit  und  Zahl  auch  ohne  irgend  ein  besondres 
Thun  Bedeutung  genug  hat. 

Toreutisch  war  auf  einem  silbernen  Teller  vorgestellt 
nach  einem  Epigramm  (AnthoL  Pal.  IX,  816  p.  487)  Odys- 
seus,  vor  Telemachos  und   Penelope  der  Eurykleia  angst- 


Denkmäler  zur  Odyssee.  i'Ü 

lieh  winkend  ihn  nicht  zu  verrslhen ,  wie  Jacobs  richtig 
erkIBrt  (Anim.  III,  3  p.  67Sj.  Auf  Odysseus,  welcher  der 
Penelopo  die  von  den  Pliäaken  zum  Geschenk  erhallnen 
Gewänder  übergiebl,  geht  ein  Epigramm  unter  den  ana- 
Ihemalhischen  der  Anthologie  VI,  ,314,  vermuthlich  ein  Ge- 
mälde. Penelope  war  von  Zeuxis  höchst  charakteristisch 
gemall  nach  Plinius;  Odysseus  von  Nikomachos.  Statuen 
der  Penelope  und  der  Burykleia  von  Thrason  im  Tempel 
zu  Ephesos  erwähnt  StrRbon.  In  Ithaka  wurde  nach  Thiersch 
(Epochen  S.  273)  eine  aus  kleinen  bronzenen  in  einem 
Halbkreis  vereinigten  Figuren  bestehende  Wiederholung 
einer  Gruppe  gefunden,  welche  die  Fusswsschung  nach  des 
Odysseus  Heimkehr  darstellte,  wovon  Bründsted  nur  das 
Bild  des  Odysseus  selbst  erhalten  konnte. 

Von  den  ungemein  schönen  Thonfriesrcliefen,  welche 
die  FuBSwaschung  und  die  trauernde  Penelupe  darseilen, 
finden  sich  Wiederholungen,  ausser  den  zu  No.  97  u.  101 
angeführten,  aus  Tusculum  in  Caninas  Tuscolo  tav.  3.  4 
p.  13  und  in  den  Keslner'schen  Sammlungen,  und  ist  das 
sweile  auch  in  Kopenhagen  (Husee  Thorwaldsen  I  p.  116 
DO.  104],  des  andre  auch  bei  dem  Marquis  von  Rocking- 
hem  (^Terracott.  of  the  Brit.  Mus.  p.  9).  Beide  sind  auch 
abgebildet  in  dem  Bc-c.  des  pl.  pour  l'hist.  du  Gab.  des 
MM.  par  du  Mersan  1830  pl.  23.  24.  Kleine  Verschiedenhei- 
ten kommen  hier  wie  in  andern  der  classischen  thönernen 
Friestypen  vor.  —  Odysseus  an  der  Narbe  erkannt  enthsU 
eine  Paste  in  Tischbeins  Homer  II,  5  (vielleicht  No.  100). 

Penelope  scheint  allerdings  auch  gemeint  zu  sein  in 
zwei  Vasenbildern  der  Annali  d.  Inst.  XllI  tav.  J.  K.  p. 
261.  Nachdem  sie  in  dem  ersten  J.  de  Witte  im  Gab.  Du- 
rand DO,  419  an  einer  Amphora  aus  Noia  vermuthet  hatte 
in  einer  auf  einem  Stuhl  mit  Etücklehne  sitzenden  Figur  in 
langem  Gewand  und  Peplos,  welche  WollknSuei  hin  und 
her  wirft  und  durch  eine  Ente,  n^viloxf),  vor  ihren  Füs- 
SSB,    statt   den   beigeschriebenen    Namen,    bezeichnet    sein 


232  Denkmäler  zur  Odyssee. 

würde,  kam  an  einer  Vase  in  Neapel  derselbe  Vogel  yor^ 
auf  der  Hand  einer  stehenden,  vom  Hals  bis  zu  den  Füs- 
sen verhüllten  Figur,  vor  welcher  ein  Wollkorb  steht. 
Diese  ist  ohne  Nebenfigur;  der  andern  steht  ruhig  ein 
junger  Mann  im  Mantel,  mit  einem  Stab,  gegenüber,  den 
man  Telemachos  nennen  darf.  Wegen  dieser,  nicht  einmal 
untrüglich  gewissen  Deutung  soll  man  indessen  nicht  jede 
Frau,  bei  der  eine  Gans  ist,  ein  Vogel  sehr  bestimmter  Be- 
deutung bei  den  Alten,  oder  ein  Arbeitskorb  steht,  für 
Penelope  halten;  wie  z.  B.  Italinsky  wegen  des  letzteren 
das  anmuthige  Bild  Tischbein  I,  10,  wo  eine  KAAH  sitzt 
zwischen  zwei  stehenden  Zofen,  wovon  die  eine  einen 
Spiegel  hält.  Das  ebenfalls  sehr  gefällio^e  Gemälde  in  Mil- 
lingens  Vases  de  Sir  Coghill  pl.  22,  ein  junger  Mann  mit 
knotigem  Stab,  gegenüberstehend  einem  an  Spindeln  im 
Stehen  spinnenden  jungen  Weib,  ein  IIAI2  KAL02  einer 
KALE  gegenüber,  kann  nach  dem  Anzug  und  der  treu- 
herzigen Miene  gar  wohl  ein  ehrbares  häusliches  oder  für 
einen  Hausstand  bestimmtes  Paar  vorstellen. 

Die  Freier  durch  Odysseus  getödtet,  von  Polygnot, 
enthielt  die  Wand  des  Pronaos  im'Tempel  der  Athene  Areia 
zu  Platäa.  Auf  ihre  Erlegung  durch  Odysseus  und  Tele- 
machos wird  die  andre  Etrurische  Aschenkiste  von  Cetona 
bei  Chiusi  Annali  d.  I.  XIV  tav.  E  von  Emil  Braun  p.  48 
und  Bullett.  1843  p.  61  mit  Recht  bezogen,  wie  undurch- 
dringlich auch  die  Etrurischen  Ideen  sein  mögen,  die  sich 
daran  gehängt  haben.  Weit  weniger  sind  die  Bemerkun- 
gen von  Micali  zu  seiner  Abbildung  in  dem  letzten  seiner 
drei  Bände  Monumenti  tav.  49,  I  zu  billigen,  worüber  Ca- 
vedoni  in  seinen  Osservazioni  crit.  p.  20  sich  verbreitet. 

Was   nun   die   andre  Abtheilung  oder   die  Fabeln  be- 
trifft, so  bedaure  ich  yon  Proteus  und  Menelaos^  die  schon 
am  Amykiäischen    Thron  vorkamen,   und  anderen  Darstel- 
lungen an  einer  Vase  des  Bourbonischen  Museums  in  Nea- 
pel  augenblicklich    genauere  Notiz  nicht  auffinden  zu  kön- 


DenkmSler  zur  Odyssee.  233 

nen  [mos,*Borb.  XIII,  58].  Di«  „vielleicht  einzige"  Vorstellung 
eines  unter  SchiffstrflmmerntcAwimfflefiffen  Odgsseus,  mit  zwei 
■DB  der  Htthe  blasenden  Gesichtern  von  Winden,  glHubt  E. 
Braun  an  einer  Lampe  der Fogelberg'schen  Sammlung  (jetzt  in 
Htlnchen)  zu  erkennen,  Bullett.  d.  Inst.  1844 p.  41.  Odys- 
seus  auf  dem  Flosse  war  nacbPIinius  von  Pamphilos  gemall. 

Zn  der  Nolaniscben  Vase  mit  der  Blendung  des  Poly- 
phem  No.  10  kommt  eine  andre  archaische  hinzu,  wovon 
ich  einst  die  Zeichnung  bei  Gerbard  sah.  Der  riesige  Po- 
lyphem  sitzt;  drei  mit  Scbwerlern  umgürtete  Begleiter  des 
Odyssens,  oder  er  selbst  voran  mil  zween,  wiewohl  er 
sich  nicht  unterscheidet,  führen  den  horizonlat  über  ihren 
Köpfen  gehallnen  Pfahl  nach  dem  Auge  (Rv.  Fünf  Kämpfer). 
An  einer  Amphora  aus  Capua  in  Berlin  in  dem  Nachtrag 
des  Verzeichnisses  1650  No.  1929,  ist  die  Scene  anders 
nnd  „in  Caricalur"  dargesiclll.  An  einer  Aschenkiste  von 
Vollerra  bohrt  Odysseus  allein  den  Balken  in  das  runde 
Auge,  [Ihden  in  den  Sehr,  der  Berl.  Akad.  1816  S.  37. 
Diess  und  die  Werke  der  Kirke,  die  Sirenen  und  die  Un- 
terwelt sind  es,  die  man  aus  dem  Kreise  der  Odyssee  an 
diesen  Etrurischen  Kasten  findet.  Odysseus  den  Becher 
hinreichend,  ähnlich  wie  die  Pamfilische  Figur  No.  19 
(Tischbeins  Homer  VI,  2],  ist  im  Museum  Chiaramonti,  s. 
Gerhard  in  der  Beschreibung  Roms  II,  'i  S.  Si  No.  499. 
Ueber  das  Relief  No.  23  (wo  Gal.  inythol.  172,  632*  für 
174 — 632  zu  lesen  ist),  s.  auch  Clarac  M.  du  Louvre  pl. 
323,  249  p.  682  und  Zeitschr.  f.  a.  Kunst  S.  422.  No.  27 
ist  auch  in  Houels  Voy.  pitt.  de  la  Sicile  Tom.  2  pl.  137 
and  in  Tischbeins  Homer  VI,  4. 

Die  Capilolinische  Gruppe  No.  17,  besser  in  der  klei- 
nen Erzgruppe  Pourlal^s  bei  R.  Rochetle  Mon.  in^d.  pl. 
62,  2  p.  356,  und  frei  von  der  Syrinx,  welche  dem  Mar- 
mor zugleich  mit  der  restaurirlen  Hand  gegeben  worden 
ist,  gehört  wahrscheinlich  nicht  hierher.  Heyne  hat  sum 
Tischbein'schen  Homer  VI,  3  wohl  bemerkt,  dass  die  von 


234  Denkmäler  zur  Odyssee. 

Polyphem  getretne  Figur,  nach  ihrer  grossen  Jugend  und 
Zartheit,  auch  noch  der  Kopfbinde ,  die  sie  trägt  (und  beide 
Köpfe  sind  im  Marmor,  wenngleich  aufgesetzt,  doch  alt^ 
wie  Platner  in  der  Beschreibung  Roms  III,  1  S.  144  be- 
zeugt), nicht  einer  der  Gefährten  des  Odysseus,  sondern 
AkiSj  der  Geliebte  der  Galatea  seyn  möge.  Die  Wuth  des 
Kyklopen  gegen  Akis  und  die  Liebe  der  Galatea  zu  ihm 
sind  aus  den  Römischen  Dichtern  bekannt,  aus  Ovid  (Met. 
XIII,  750),  Silius  (XIV,  221),  der  Lateinischen  Anthologie 
(I,  148,  Scrv,  ad  Ecl.  IX,  39),  und  es  konnte  gar  nicht 
fehlen,  dass  in  dieser  Mustercaricatur  der  Leidenschaften 
den  komischen  Bildern  zarter  Verliebtheit  auch  andre  der 
bestialischen  Eifersucht  gegenüber  gestellt  wurden.  Ein 
solches  weist  die  Gruppe  auf»  nach  Massgabe  der  Aufgabe 
fein  und  gut  gehalten.  Der  Riese  zerrt  den  getödeten  oder 
vielleicht  nur  ergriffenen  und  sein  Schicksal  noch  erwar- 
tenden Akis,  über  dessen  Tödung  die  Sagen  natürlich 
wechselten,  und  weidet  sich  an  seiner  Rache.  Ein  Hoch- 
relief in  München,  das  der  damalige  Kronprinz  von  Bay- 
ern in  Rom  kaufte ,  stellt  dasselbe  dar,  .obgleich  Sehern 
an  Akis  nicht  gedacht  hat,  Kunstblatt  1828  S.  190,  Glyp- 
tothek VI,  137  S.  121.  Polyphem  sitzt  ,,auf  einem  Felsen 
am  Meer  und  hält  in  der  aufgeschwungenen  Rechten  eine 
Keule,  während  er  mit  der  Linken  einen  todten  nackten 
Körper  aus  der  Fluth  zieht. ^  Dieser  letzte  Zug,  der  im 
Blorgenblatt  1810  S,  298  angegeben  ist,  würde,  wenn  er 
sich  wirklich  erkennen  lässt,  die  Rachlust  malen,  die  sich 
von  ihrem  Opfer,  das  der  grosse  Akisfelsen,  nah  am  Ufer 
nächstens  bedecken  wird,  nicht  sogleich  trennen  mag. 
Auch  der  Karneol  No.  43  dürfte  hierher  zu  ziehen  sein. 

Odysseus  unter  dem  Widder  geklammert  ist  in  Va- 
senbildern nicht  selten.  Eines  der  vorzüglichsten  besitzt 
E.  Braun  in  Durchzeichnung,  Odysseus  gravitätisch  unter 
den  mächtigen  Widder  gestreckt,  viele  sinnlose  Inschriften 
umher.    Solche  finden  sich  auch  an  einem  Lokrischen  Gefftss 


Denkaiiler  lur  (MT^see.  33i 

sR  denelb^B  Yorstellanff  und  einem  B;i«n  dahinter,  aber 
wit  tdiwirzlichen  Figuren  auf  weissem  Grunde  Kv.  Krie^rs^ 
ieDte>.  m  der  Earisrnher  Samminne.  s.  Jahrb.  Je$  AUerlhuni»- 
TereiBS  der  Rheinlande  II.  S.  61.  wo  auoh  ehir»  uneiiirte 
Wiederholung  in  München  angeführt  i$t.  Eine  andre.  l\\\^ 
aches  zwei  Vantelfignren .  besitzt  Col.  Leake  in  London. 
■nd  im  Catal.  del  Pr.  di  Canino.  genauer  in  der  Frann^- 
sischen  Ausgabe ,  No.  1449,  ist  ein  einhenklig! es  Getassehen, 
OdTSsens  mit  dem  Schwert  in  der  Hund  unter  dem  Wi.ider, 

m 

mil  den  Beischriften  AfDO®OATS  und  LAll  Auch  an 
einer  Fogelbcrgschen  Lampe  kommt  die  Gruppe  vor .  Bullet. 
1844  p.  41.  und  im  Brittischen  Museum  sah  ich  sie  in  ei« 
ner  kleinen  Gruppe  in  Erz. 

Unter  den  Darstellungen  der  Kirke  ist  die  welche 
0.  Jahn ,  Arch.  Beitr.  S.  407 ,  dem  Overbeck  S.  782  folgt, 
ich  verstehe  nicht  warum,  für  mehr  als  problematisch  er- 
Uirt,  vorzüglich  zu  beachten.  An  demselben  GeRtsse  sind 
in  oberer  Reihe  Oedipus  mit  der  Sphinx  und  ein  Greif  mil 
einem  Kämpfer,  in  der  unteren  Kirke  mit  einem  Löwen, 
Eber  and  Wolf  dargestellt,  diess  alles  in  geistreich  phan- 
tastischer Weise.  Die  drei  Verwandelten  der  Kirko  stecken 
gerade  in  den  von  Homer  genannten  Thieren  (X ,2 12.  239); 
die  Zauberin,  die  originell  und  charakteristisch  gezeichnet 
ist,  hat  oben  mit  einer  gebietenden  Handbewegung  das 
Werk  vollbracht,  ihre  Zauberbüchse  ist  aufgestellt«  auf  ih- 
ren Zauberstab  stützt  sie  sich  nur ,  indem  sie  hinter  Felsen 
nackt,  mit  flatterndem  Peplos  hervorgeht.  Hier  sind  also 
Wunderthiere  zusammengestellt,  Sphinx,  Greif  und  die  ww^ 
Menschen  verwandelten  natürlichen  Thiere,  die  man  zumal 
in  dieser  Umgebung  und  durch  dio  Erinnerung  an  Homer 
und  durch  die  Geberde  der  gemalten  Kirke  leicht  als  vor- 
wandelte erkennt,  während  anderwärts  dio  Menschen  mit 
Thierköpfen  besseren  Effect  machten.  Die  ganze  Verkehrt- 
heit der  aus  Vorurtheil  oft  verdrehten  Kunslurtlieile  Micalia 
erkennt   man   darin,   dass    er    diese   Malerei   für   olrurisch 


236  Denkmäler  zur  Odyssee. 

erklärt.  Dass  sie  echt  griechisch  sei,  hat  auch  Cavedoni 
bemerkt  in  den  schon  erwähnten  Osservazioni  p.  25.  In 
Nola  sah  ich  im  Sept.  1842  bei  Hr.  Dominico  Soglia  an 
einem  der  schönen  lekythenartigen  grösseren  Gefässe  auf 
der  einen  Seite  Kirke  mit  dem  Zauberbecher,  auf  der  an- 
dern einen  der  Gefährten  mit  Schtoeinskopf.  Den  „bisher 
unedirten''  Spiegel  No.  57  werden  auch  die  Annali  d.  Inst 
für  1852  tav.  H  brinuen,  mit  Erklärung  von  0.  Jahn  p. 
210.  Die  Sicilische  Lekythos  aber  No.  49,  mit  Kirke  und 
vier  verwandelten  Gefährten,  ist  von  der  No.  51  angege- 
benen ,  in  Gerhardts  Besitz ,  nicht  verschieden  *). 

Odysseus  den  Schatten  des  Elpenor  citirend  hat  man 
in  den  Impronte  gemm.  VI,  47  zu  erkennen  geglaubt.  Bull. 
1839  p.  110.  Den  Schatten  seiner  Mutter  Antikleia  be- 
fragte er  auf  dem  achten  der  Epigramme  im  Tempel  der 
Apollonis  in  Kyzikos  in  der  Anthol.  Palat.  lieber  den  Nu. 
64  erwähnten,  wichtigen  Spiegel  Mon.  ined.  II,  29  Cnicbt 
39)  schrieb  auch  Grifi  (dello  specchio  rappres.  Ulisse  e  Ti- 
resia,  Roma  1836  4.),  welcher  die  Namenserklärungen  von 
Bunsen,  Campanari  und  P.  Secchi  bestreitet.  Einiges  ist 
auch  bemerkt  BuUett.  1840  p.  58. 

Für  das  schöne  Gemälde  des  5treneft-Abenteuers  No. 
67  ist  es  nicht  unwichtig,  dass  das  andere  Bild  an  dersel- 
ben Amphora  (im  Katalog  des  Prinzen  von  Canino  No. 
829,  jetzt  im  Brittischen  Museum  No.  785],  die  drei  schwe- 
benden Eroten  HIMEPO^^  Pothos  und  Eros,  damit  in 
Verbindung  stehe.  Denn  die  Sirenen  sollen  hier  Liebe  be- 
deuten. An  einer  von  dem  ersten  Herausgeber  angeführ- 
ten Cornaline  Blacas  sind  auf  der  einen  Seite  zwei  Sirenen 
auf  der  andern  zwei  Eroten.  Die  Sirene  über  der  Ent- 
führung der  GAAIA  durch  den  Adler  in  Tischbeins  Vasen 
I,  26  schwingt  Tympanon  und  Tänia,  und  das  Tympanoa 
hat   auch    der  Eros   bei  der   Baccha   das.     I,  50  und  sieht 

2)  Kirke    ein  Schwein  fütternd  ,    Vase  Ton  Nocera  (Bull.  Nap. 
1857  V,  71  f.  t?.  V,  2.) 


.-  T  ä"  ■" 


Denkmäler  zur  Odyssee.  237 

man  in  ähnlicher  Bedeutung  öfter.  An  einer  Kylix  von 
Nikosthenes  im  Gab.  Durand  No.  418  (übergegangen  an 
Beugnot)  sitzt  nur  eine  Sirene  auf  einem  Felsen  und  zwei 
Schiffe  segeln  vorüber.  No.  77  ist  bei  R.  Röchelte  pl.  61, 
1,  nicht  öl,  2.  In  dem  Basrelief  Landsdowne  in  den  Mon. 
d.  MV,  29  (Annali  XIV  p.  155)  scheint  das  Schiü'des  Odys- 
seus  mit  den  drei  Sirenen  darüber  mit  den  Schiffen  der 
beiden  andern  Abtheilungen  und  der  figurenreichen  Ein- 
fassung in  einen  phantasievollen,  aber  schwer  zu  errathen- 
den  allegorischen  Zusammenhang  gesetzt  zu  sein.  An  ei- 
nem Lampengriff  abgebildet  im  Bullett.  Napol.  1846  tav.  III. 
5  und  ausführlich  besprochen  von  Avellino  1847  p.  39  f. 
45—47,  ist  Odysseus,  an  den  Mast  gebunden  und  bestrebt 
sich  loszureissen ,  von  einem  Jüngeren  gehalten,  während 
ein  dabei  sitzender  Bärtiger  zuzureden  scheint.  Eine  Etru- 
rische  Urne  mit  dem  an  den  Mast  gebundnen  Odysseus  ist 
auch  in  den  Antiq.  Pourtal6s  No.  10;  eine  andre  Nachah- 
mung im  Antiquarium  zu  Mannheim  nach  dem  Verzeichniss 
von  Gräff  II,  S.  8.  Die  Gemme  No.  72  ist  in  Millins  Gal. 
m  167,  638  aus  Paciaudi  in  umgekehrter  Richtung  abge- 
bildet. 

Skylla  kommt  in  Vasenmalerei  [Relief]  wenigstens  No. 
68  an  der  Kylix  in  Berlin  mit  dem  viermaligen  Schiff  des 
Odysseus  vor,  woraus  man  vermuthen  möchte,  dabS  auch 
an  dem  vorhin  erwähnten  Landsdowneschen  Basrelief  das 
Schiff  des  Odysseus  dreimal  vorgestellt  wäre.  Wie  sehr 
die  Skylla  die  Maler  beschäftigte,  zeigen  die  Beispiele  bei 
Plinius,  die  Skylla  in  Rom  von  Nikomachos,  die  von  Pha- 
lerion,  die  von  Andokides  bei  Andern.  Von  Nikias,  dem 
Maler  der  Necromantia  Homeri  (No.  60j,  war  auchKalypso 
zweimal  gemalt,  der  Kyklop  von  Timanthes.  Eine  Skylla, 
die  in  drei  Seebundsrachen  drei  Gefährten  verschlingt ,  wo- 
ran aber  der  obere  Theil  fehlt,  ist  abgebildet  Marm.  Oxon. 
P.  1  tab.  LI,  132  und  ist  von  echt  Griechischer  Ausführung. 
Damit  ist  das  Gemälde  Pitt.  d'Ercol.  III,  21  zu  vergleichen, 


238  Denkmäler  zur  Odyssee. 

wo   auch   drei  der  Gefährten  gefasst  sind   und  Skylia  dabei 
ein  Ruder  schwingt. 

Sehr  sonderbar  und  ihre  Aufklärung  erst  noch  erwar- 
tend  sind   zwei   Yasengemälde.     Das   eine   aus   Pästum  im 
Museum   zu  Neapel,   bei   Dubois-Maisonneuve  pl.    72   und 
Panofka   sur  les  noms  des   Yases   gr.  pl.   Ylf,  I  p.  9  not., 
enthält  0JY22EY2^  auf  Felsen  gelagert,   das  Schwert  in 
Händen.    Ein  junges  Weib  mit  der  sogenannten  Cista   my- 
stica  geht  auf  ihn  zu.     Hinter   dieser   steht   ein   Jüngling 
mit  Lanze  an    einer  Stele,  wobei  geschrieben  steht  THAE- 
MAX02j   vor   einer  sitzenden  weiblichen  Figur,   die  eine 
Amphora   auf  dem   Schoosse   hält  und   einen   Kranz  unter 
sich    hat  und    vor  welcher  KAAE  (so  ist  auch  bei  Dubois 
für   KAA2  zu  lesen,    ein   Fehler   der   auch  bei  Tischbein 
1,  10  vorkommt),  gerade  vor  dem  Namen  Telemachos  ge- 
schrieben  ist.     Hinter  ihr   eine  weibliche  Figur  mit  einem 
Spiegel.     Müller  in  der  Archäol.  §.  416,  1,  indem  er  irri- 
gerweise liest  und  verbindet    TfjXifiaxog  xaXögj  nennt  das 
Ganze  ^Odysseus   an  Telemachos  Grabe,   nach  einem  dun- 
keln Mythus^,  Panofka  noch  unglaublicher  die  zweite  Hoch- 
zeit  des   Odysseus.     Dass   Cäremonien   zu  verstehen  seien^ 
wird  durch  das  untere  Feld  noch  wahrscheinlicher,  welches 
man   in   Neapels   Antiken   S.    261  beschrieben  findet.    Der 
Aechtheit   der  Inschriften  zu  misstrauen  ist  nicht  der  ent- 
fernteste Grund.  —  Sodann   macht  R.  Rochette  in  den  Mon. 
ined.  pl.  76,  7  bekannt  0JY2SE  .2  sitzend,  nackt,  jung, 
unbärtig,  hinter   ihm    ein  Mädchen  mit  Cista,  vor  ihm  ein 
auf  einen   Stab  gestützter  Jüngling  zwischen  einem  Hünd- 
chen   und    einem   Schwan,   worin   ich    eben   so   wenig  als 
dort   etwas   Mythisches   erkennen   kann.     Der  Herausgeber 
meint  p.  251  Eurynome,  die  treue  Magd  derPenelope,  oder 
die  Amme  des  Odysseus  Eurykleia.  Man  begreift,  dass  bei 
einem  Kämpfer,   zwischen   zwei  Weibern,   wie  es  in  zwei 
Gruppen  bei  Dubois  pl.  66,  3.  4  der  Fall   ist,  THAEMA- 
JC02;  nach  der  Wortbedeutung,  nicht  als  Sohn  des  Odysseus 


lU 


<*  ■  Ifcll 


Denkmäler  zur  Odyssee. 


239 


geschriebun  wäre.  Ab*er  Odysseus  und  Telemachos  zusam- 
men sind  doch  nur  die  bestimmten  Personen  der  Sage, 
und  mit  welciier  Art  von  t^Xet^  sind  sie  in  Verbindung 
gesetzt? 

Falsche  Erklärungen  aus  der  Odyssee  sind  wir  los  ge- 
worden Pitt.  d'Ercol.  111,  6  durch  0.  Jahn  über  Paris  und 
Oenone  1844  S.  13,  der  darin  diese  erkannte;  Eirke  in 
einer  Zauberbude  nach  Gell  New  Pomp.  pl.  72  p*  150  in 
Müllers  Archäol.  a.  a.  0.  durch  denselben,  Arch.  Beilr.  S. 
402 — 406.  Gegen  manche  Benamsungen  wie  Odysseus  und 
Telemachos  in  den  Lambergschen  Vasen  1,  94  p.  92,  Odys- 
seus ankommend  bei  der  Kalypso  an  einer  in  Neapel, 
Odysseus  die  Penelope  wiedererkennend  in  einem  Vatica- 
nischen  Relief  u.  a.  ist  es  heute  nicht  mehr  nöthig  ein 
Wort  zu  verlieren. 


Die  zwei  grossen  Monumente  yon  Xanthos  ^). 


Würdig  neben  den  Statuen  von  Aegina  za  stehen 
sind  die  Reliefe  des  älteren  grossen  Denkmals  von  Xan- 
thos in  LykieUy  das  nicht  nach  der  Einnahme  der  Stadt 
darch  Harpagos  Ol.  58,  3,  ungefähr  die  Zeit,  in  welcher 
jene  entstanden  sein  möchten,  errichtet  sein  kann.  Denn 
bei  dieser  giengen  alle  Xanthier  bis  auf  die  abwesenden 
Familienväter  unter  (Herod.  I,  176.),  und  nachher  als  Ly- 
kien  tributpflichtig  war  und,  bei  eigner  Verwaltung  der 
Städte  und  vermulhlich  schon  damals  einer  Conföderation, 
doch  einen  Persischen  Agenten  in  der  Hauptstadt  Xanthos 
hatte,  wurde  ein  so  ansehnliches  Grabmal  gewiss  keinem 
detr  Unterworfnen  erbaut.  Auch  lässt  bei  aller  Verschie- 
denheit der  Figuren  der  alterthümlich  strenge,  doch  schon 
von  Anmuth  leis  umflossene  Styl,  die  bewundernswürdige 
Einfalt,  Wahrheit  und  bereits  erworbene  Sicherheit  und 
Feinheit  der  Arbeit  mit  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  dass 
das  Lykische  Werk  ungefähr  in  der  gleichen  Zeit  entstan- 
den sei,  als  das  andre  in  Aegina:  ob  aus  einheimischer 
Schule  oder  unter  dem  Einfluss  der  zur  Zeit  hochberühm- 
ten Werkstätte  von  Chios  oder  der  Schüler  des  Dipönos 
und  Skyllis,  dicss  wird  nie  auszumachen  sein.  Auf  dieser 
Stufe  kann  die  Kunst,  wie  das  neuere  Italien  lehrt,  auf  den 

1)  Zwei  Paragraphen  90*  u.  128*  aus  der  dritten  Ausgabe  von  R.  O. 
Mullers  Archäologie   1848.  liulletl.  d.  Inst,  archeol.  1847  p.  65—72. 


Die  zwei  grossen  Honumenle  von  Xanlhos.         241 

verscbiedensten  Punkten,  bei  geringer  Verbindnng  unter 
einander  von  innen  heraas  die  wunderbare  Uebereinslim- 
fflung  entwickeln,  worin  wir  diose  Lykisch-Griechisoben 
Werke  mit  den  sonsther  bekannten  Griechischen  Denkmä- 
lern erblicken.  Wie  weit  stehn  hinter  diesem  Denkmal  die 
Friesstäcke  von  Assos  zurück. 


Hr.  Karl  Fellowa,  dem  wir  die  überraschende  Erwei- 
terung der .  Kunstgeschichte  durch  das  Lykische  Aiterthum 
verdanken,  für  dessen  im  Lande  gesammelte  und  dem  Na- 
ttonnlmuseum  geschenkte  Denkmäler  dieses  ein  besondres 
grosses  GebSude  errichtet  hat,  machte  diese  Entdeckung 
auf  seiner  ersten  Reise  1838.  (The  Xanthian  Marbles,  their 
acquisilion  cet.  L.  1643.)  Abbildung  der  Reliere  s.  in  Fel- 
lows  Journal  written  during  an  excursion  in  Asia  Minor 
L,  1839.  p.  231  und  eine  bessere  in  seinem  Account  of 
discoveries  in  Lycia  L.  184!.  p.  170,  wiederholt  in  Ger- 
hards archäologischer  Zeitung  1843.  TL  4.  S.  49,  noch 
sehr  berichtigt  und  verbessert  M.  d,  I.  IV  tv.  3.,  vi'omit  zu 
verbinden  die  sehr  eindringende  Beschreibung  und  Erklä- 
rung von  E.  Braun  Ann.  XVI,  p.  133.  Bull.  1845.  p.  14 
and  im  N.  Bhein.  Hus.  1844.  S.  481—490.  vgl.  Gerhard 
ArcbSol.  Zeit.  1645.  S.  69.  Das  Grabmal  ist,  wie  noch 
vier  andre,  meist  inXanthos  selbst  gefundene,  ein  viereck- 
ter  Thurm  aus  Kalkslein  in  einem  einzigen  Stücke  auf  ei- 
ner Basis,  so  dass  der  Fries  über  20  F.  vom  Boden  war, 
ttber  dem  Fries  ein  starker  Karniess  mit  Abacus  darauf. 
Die  Figuren  sind  ungefähr  wie  am  Fries  des  Parthenon, 
3  F.  6  Z.  hoch,  und  vertheilt  auf  je  drei  weissen  Mar- 
morplelten  auf  jeder  Seite;  die  Ost-  und  Westseite  8 
F.  4  Zu,  die  beiden  andern  etwas  weniger  lang.  M.  d.  I. 
IV.  tv.  2.  Auf  der  westlichen  als  der  Hauptseile  ist  der 
Fries  durch  eine  kleine  ThUröflnung,  worüber  eine  säugende 
Kuh,  wie  über  einer  ähnlichen  (Fellows  Asia  M.  p.  226). 
V.  16 


242        Die  zwei  grossen  Monumente  von  Xanthos. 

ein  Löwe  ist,  durchbrochen;  diese  Thüre  führt  in  eine 
achihaib  Fuss  hohe  Kammer  und  ist  sehr  unbequem  um 
einzusteigen,  wohl  eher  zum  Hineinschieben  eines  Aschen- 
kastens oder  von  Spenden  bestimmt.  Diese  Einrichtung 
hat  Aehniichkeit  mit  dem  Grabe  des  Kyros  §.  245,  A.  2- 
Die  Kunst  hingegen  erscheint  nicht  nur  im  Ganzen  rein 
Griechisch,  sondern  estrefiFen  noch  überraschender  einzelne 
Figuren  überein,  die  thronenden  Göttinnen  mit  der  Leuko- 
thea  Albani,  von  der  darum  ein  Abguss  genommen  und 
neben  der  Grabkammer  aufgestellt  worden  ist,  nach  dem 
Anzug  überhaupt  die  weiblichen  Figuren  mit  der  den  Wa- 
gen besteigenden  Göttin  und  der  gewappnete  Mann  mit 
dem  Aristion  der  Stele  in  Athen  (§.  96.  n.  19.).  Um  so 
aufiallender  ist  das  Fremdartige,  Eigenthümliche  in  den 
dargestellten  Religionsgebräuchen,  Göttern  und  deren  At- 
tributen. Die  Compositionen  der  vier  Seiten  sind  deutlich 
in  einheitlichem  Zusammenhang  und  engerm  Bezug  unter 
einander.  Auf  der  Seite  mit  der  Grabespforte  sind  aller- 
dings Demeter  und  Kora,  jene  mit  einer  Patera,  die  jün- 
gere Figur  mit  Granat-Frucht  und  Blüthe,  nebst  den  drei 
Hören  oder  Chariten,  die  mittleren  mit  Granat-Apfel  und 
Blüthe,  die  hintere  mit  einem  Ei,  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit zu  erkennen;  und  da  auf  den  drei  andern  Seiten 
die  Mitte  eingenommen  wird  von  drei  thronenden  Göttern, 
mit  Stäben,  in  weiten  Aermelgewändern  und  Mänteln,  zwei 
bärtig,  der  dritte  ohne  Bart  ohne  jünger  zu  sein,  so  dringt 
sich  der  Gedanke  an  die  drei  Zeus  von  selbst  auf  (nur 
dass  dann  Poseidon  nicht  aus  diesem  Bezug  heraus  auch 
mit  der  Demeter  als  Phytalmios  insbesondre  zu  verbinden 
ist).  Doch  wird  diese  Annahme  durch  ein  dem  Bären  am 
meisten  ähnliches  Thier  unter  dem  Stuhl  des  einen,  einen 
Triton  als  Ornament  unter  der  Stuhllehne  und  eine  Granat- 
blume in  der  Hand  des  andern  und  Granatäpfel  in  beiden 
Händen  des  dritten  nicht  unterstützt.  Diesen  drei  Götterr 
scheint  eine  Familie  Geschenke  zu  weihen  ^  der  geham 


Die  zwei  grossen  Honumente  von  iSenthoS'        243 

Mann  seinen  Helm,  die  Frau  eineTnube,  ein  Kind  einen  Hahn 
und  einen  Granatapfel.  DtessKind  ist  auf  der  andern  breite- 
ren, der  mit  derThüre  und  den  zwei  Göttinnen  gegenüber 
liegenden  Seile,  welche  an  den  Enden  noch  zwei  und  eine 
stehende,  gleich  den  Hören  gegenüber  untergeordnete  Figu- 
ren hat,  wogegen  die  Enden  der  zwei  schmäleren  Seiten 
von  vier  sehr  schönen  mädchenraubenden  üarpyien  einge- 
nommen werden,  So  passend  und  verständlich  bei  einer 
Grabvorstellung  diess  Beiwerk  isl,  worauf  man  Anfangs  auf 
mancherlei  Weise  spielend  die  Figuren  der  Hauptvorstellung 
bezog,  so  wenig  lässt  diese  selbst  sich  im  Besondern  und 
aus  den  künstlich  herbeizuzielienden,  meist  selbst  seltnen 
oder  nach  ihren  Bezügen,  nach  Zeit  und  Ort  mehrdeutigen 
und  völlig  zusammenhangslosen  Einzelheilen  einheimischer 
Griechischer  Mythologie  und  Symbolik  bestimmter  erklären. 
Von  farbigen  Ornamenten  erkennt  man  Spuren  ausser  dem 
Blau  des  Grundes  in  der  rolhen  Helmspilze  und  dass  die 
Leisten  der  Plinthen  und  an  den  Thronen  bei  ihrem  nie- 
drigen Relief  bemalt  gewesen  sind, 

Proben  weit  früherer  Kunst  und  in  rauherem  Stein  aus  ' 
Xanlhos  sind  in  London  eine  Stele  mit  zwei  Löwen  darauf, 
mehrere  Thiere  aus  einer  zur  Zeit  der  Römer  gebauten 
Mauer,  zum  Theil  abgebildet  Lycia  p.  174.  Sehr  alt  sind 
auch  Stücke  eines  Frieses  ähnlich  dem  von  Assos,  ein  Bär, 
ein  Hirsch,  ein  Löwe  einen  Hirsch  zerfleischend,  ein  lau- 
fender Satyr  mit  einem  Baumzweig;  ein  schmälerer  Fries 
mit  fechtenden  Hahnen  und  andern  Vögeln ,  vier  geflügelte 
Sphinxe  von  einem  Grab  und  eine  kauernde  Sphinx  von 
vollendeter  Arbeit  im  strengen  Styl  u.  s.  w.  Löwe  und 
Stier  sind  vorherrschende  Gegenstände  in  der  Lykischen 
Sculptur  (Lycia  p.  173],  und  Löwen  sollen  noch  in  den  Ly- 
kischen Bergen  leben  (p.  182.)  Uebrigens  sind  alle  Mo- 
numente des  neuen  Lykischen  Museums  aus  Xanlhos;  von 
'ern  SUtdten,  Tics,  Telmessos,  Pinara,  Myra,  Kadyanda,  hat 
ir  Zeichnungen  und  einige  Abgüsse  mitgebracht- 

16* 


244       Dfö  teWei  grossen  Monumente  von  Xantbos. 

Dib  Zdt  dbil  Mausoleums  ist  die  äusserste  Grenze  jenseits 
dereh  daiszweite  grosse  Denkmal  von  d«r(  Akropolis  von 
XäMhos  nicht  herabgesetzt  werden  kanrt.  Erst  bei  seiner  drit- 
ten Reise  entdeckte  Hr.  Fellows  durch  emsigste  Nachgrabung 
tin'd  mit  vielem  Glück  die  weit  umhör  zerstreuten  Bestand- 
theile,  woraus  er  nachmals  den  unter  dem  Namen  eines 
Mausoleum  oder  eines  Efarendenkmals  des  Harpagus  be- 
kannten Bau  in  Zeichnung  zu  reconstruiren  sinnreich  ver- 
sucht hat.  Noch  kommt  es  darauf  an,  ob  diese  Herstellung 
des  Jonischen  Gebäudes  völlig  sicher  stellen  kann,  dass 
die  Statuen,  die  überMänaden  des  Skopas  in  Kühnheit  und 
Leichtigkeit  der  Darstellung  noch  hinausgehn,  zu  dem  Ge- 
bäude gehört  haben,  dessen  meisterhafte  Friese  eher  auf 
die  Zeit  derer  von  Phigalia  hindeuten. 

Dieser  Friese  sind  zwei,  der  eine  3  F.  4  Z.,  der  an- 
dere 1  F.  3  Z.  hoch,  der  grössere  aus  16  Marmorplatteti. 
Die  Composition  im  Ganzen  und  der  Zusammenhang  ein- 
zelner Theile  bleibt  ungewiss,  da  nur  ein  Theil  aufgefun- 
den ist.  Der  grössere  Fries  stellt  eine  Schlacht  dar  mit 
dem  Feuer  und  der  Lebendigkeit  der  Darstellungen  von 
Phigalia ,  db«r  eine  wirkliche  Schlacht  und  mit  Nachahmung 
der  Wirklichkeit  auch  in  den  Rüstungen  der  Kämpfer, '  nach 
welchen  die  beiden  Seiten  schwer  zu  unterscheiden  sind* 
Deutlich  Sinti  langbekleidete  Jonische  Hopliten ,  Lykier  ähn- 
lich wie  H^rodot  (VH,  92.)  sie  beschreibt,  Andre  tragen 
Anaxyriden,  die  Bogenschützen  Lederharnische;  zwei  Ar- 
ten Von  Helmen,  das  Laiseion  (Philostr.  Imagg.  p.  323.) 
Auf  l'ünf  Platten  sind  Hopliten  gegen  Reiter  im  Gefecht, 
auf  andern  blosse  Fusskämpfer,  die  mannichfaltigsten  Kampf- 
gruppen. Die  Lanzen,  Schwerter  und  Bogen  waren  nicht 
ausgedrückt,  nur  als  Ausnahme  von  diesem  Princip  findet 
sich  ein  Schaft  in  Marmor,  ein  Loch  zum  Einstecken  eines 
Schwerts  in  die  Hand.  Auf  dem  kleineren  Fries  ist  dar- 
gestellt die  Einnähe  einer  Stadt,  Niederlage  aussen  ^  wel- 
cher die  Belagerten   von   den  Mauern  zusehn ,  Angriff  taf 


Die  zwei  grossen  MoDUmea^e  vqp  XaDlbpa.       345 

das  Hauplthor,  ein  AusfaU^  Sturmleitern  gegen  dreirach 
über  einander,  ragende  woblbemannle  Hauern ,  Gesandte 
welche  die  Stadt  übergeben.  Vor  dem  Sieger  närolieh,  mit 
Phrygischer  Miilze  und  Mantel,  welcher  «inen  Thron  ein- 
nimmt nnd  über  weichen  ein  Sonnenschirm  gehallen  wird 
(Zeichen  des  höchsten  Rangs,  das  von  den  Pepiern  nach 
Aegypien  übergieng  und  noch  jetst  in  Harokka  im  Ge- 
brauch ist;  die  Franzosen  erbeuteten  den  des  kaiserlichen 
Prinzen] ,  slehn  zwei  Greise  sprechend ,  von  fünf  Bewaff- 
neten begleitet.  Auf  einem  Eckslein  werden  Gefangne  mit 
auf  den  Rücken  gebundnen  Händen  abgefübrl,  die  nicht 
Kriegsleute  sind.  Beschreibungen  im  Einzelnen  geben  Sam. 
Birch  Bfilannra  XXX.  p.  192 — 202  (mit  vorsichtig  aufzu- 
nehmenden Dentungen]  und  E.  Braun  im  N.  Hh^in.  Uns. 
m,  S.  470,  nachher  augb  erweitert  in  der  ArchSol.  Zeit. 
1844.  S.  358  ff.  vgl.  BuU.  1846.  p.  70.  Diese  Scenen  nun 
werden  auf  die  Eroberung  von  Xanthos  durch  den  Feid^ 
herrn  des  Kyros  bezogen ,  daiin  stimmt  man  mit  Sir  Fel- 
lows  (Xanthianllarbles  1842.  p.ß9.)  bis  jeUl  überein.  Col. 
Leake  nimmt  zwar  an  (Transact.  of  litter.  Secand  Series  I. 
p.  260  SS.),  dass  das  Denkmal  desHarpagos  nicht  bald  nach 
der  Einnahme  der  Stadt  (Ol.  58,  3.),  sondern  erst  gegen 
Ql.  70,  vielleicht  von  dem  b^i  Herodpt  Ol.  71,  4  vorkom- 
menden Enkel  des  Harpagos  geseilt  worden  sei,  des  Slyls 
wpgei) ,-  nach  diesem  werde  tnan  lieber  noch  ein  Jahrhun- 
dert (Oll  95.)  heruntergehen  wallen  noder  »wei**!  aber  das 
erlaube  die  Geschichte  Eleina^iens  nach  Alexander  nicht. 
Doch  wir  ditrfen  nur  het  dem  einen  Jahrbundart  stab^» 
bleiben,  dn  wir  ohnehin  an  die  Periode  des  Skopas  nnd 
Praxiteles  (jßnl^en  würden,  und  diese  Einwendung  der  Ge- 
BcbichtP  gegen  i))e  Aussage  des  Styis  über  die  Zeit  ist  ge- 
hoben; RHPh  setzt  0,  W.  Head  im  Classica[  Museiim  Cf.  }I| 
obgleich  sonst  «lOYer^tandv»  mit  L^aka  (p.  %24.  228.),  ^9S 
QBl4n»}  Ol,  ^  aitfir  86  oder  nnph  ßpflier  (p.  330.].  AUein 
.4v-I^  >u.4tfbft  ist  dof  Abnahme  entgegen:  «r 


246       Die  zwei  grossen  Monumente  von   Xanthos. 

ist  nicht  blos  verschieden  im  Einzelnen  von  der  Geschichte^ 
wie  Leake  entschuldigend  annimmt,  sondern  im  Ganzen 
und  Wesentlichen,  und  sogar  gewissermassen  das  Gegen- 
theil  von  ihr.  Nachdem  die  Xanthier  durch  die  Massen 
des  Harpagos  in  die  Stadt  zurückgeschlagen  worden  wa- 
ren, brachten  sie  ihre  Weiber  und  Kinder,  Sklaven  und 
andre  Habe  in  der  Akropolis  zusammen,  verbrannten  sie 
und  stürzten  sich  dann,  durch  furchtbare  Eide  verbunden, 
auf  die  Feinde  und  suchten  im  Gefecht  den  gemeinsamen 
Tod,  so  dass  Xanthos  eine  ganz  neue  Einwohnerschaft  er- 
hielt, mit  Ausnahme  von  achtzig  Hausvätern,  die  zur  Zeit 
des  Untergangs  in  der  Fremde  gewesen  waren.  Unmög- 
lich also  konnte  man  die  Perser,  die  über  Leichen  in  die 
offen  stehende  Akropolis  eingezogen  waren,  im  heissen 
Kampf  der  Bestürmung  und  die  Xanthier  als  unterhandelnd 
darstellen.  Zu  derselben  Zeit  ungefähr,  worin  die  wahre 
Geschichte,  deren  eigne  Natur  gegründeten  Verdacht  der 
Entstellung  oder  Uebertreibung  nicht  zulässt  und  die  sich 
so  wenig  künstlerisch  verdecken  als  im  Allgemeinen  ver- 
gessen Hess,  von  Herodot  erzählt  wurde,  oder  bald  nach- 
her. Hierzu  kommt,  dass  die  Friese  keine  Perser  im 
Kampfe  zeigen ,  die  im  Heere  des  Harpagos  über  die  Jo- 
nischen und  Aeolischen  Hülfsvölker  hervorragen  müssten. 
Darum  nöthigt  uns  eine  so  bedeutende  historische  Dar- 
stellung zu  einer  andern  Annahme.  Die  Xanthier,  die  ihre 
Stadt  auch  gegen  Alexander  mit  ähnlicher  Hartnäckigkeit 
vertheidigten  und  im  Kriege  des  Brutus  und  der  Triumvirn 
sich  abermals  mit  Weibern  und  Kindern  vernichteten,  nach- 
dem durch  List  der  Feind  eingedrungen  war,  könnten  früh- 
zeitig auch,  wie  die  Jonier,  einen  Versuch  gemacht  haben 
sich  der  Persischen  Oberherrschaft  wieder  zu  entziehn, 
dessen  üblen  Ausgang  das  Monument  ihren  Kindern  tri- 
umphirend  und  drohend  vor  Augen  stellte ;  doch  würde 
dies  von  Herodot  vermuthlich  nicht  übergangen  worden 
sein.     Oder   die   Darstellung   der   eroberten   Stadt  bezieht 


Die  zwei  grossen  Monumente  von  Xanthos.       247 

sich  nicht  auf  Xanthos,  sondern  auf  auswärtige  Thaten  des 
Persischen  Commissärs  in  Xanthos,  wie  an  der  von  Ap- 
pian  erwähnten,  jetzt  in  London  befindlichen,  mit  Lyki- 
scher  Schrift  überdeckten  Friedenssäule  von  Xanthos  die 
Griechischen  Verse  von  dem  Sohn  eines  Harpagos  rühmen, 
dass  er  als  der  beste  in  der  Landschlacht  {x^Q(f^  ndXtiy) 
unter  allen  Lykiern,  die  demnach  hiermit  ihm,  nicht  wider 
ihn  stritten,  viele  Akropolen  zerstörte  und  seinen  Verwand- 
ten einen  Theil  der  Herrschaft  {f*iQog  ßaatXeiag)  zuwandte 
(die  auswärts  eroberten  Städte,  unter  oberhoheillicher  Ge- 
nehmigung). Diess  vermuthlich  in  dem  Krieg  des  Euago- 
ras,  der  auch  Kilikien  zum  Aufstand  brachte  und  von  den 
Persern  Ol.  98,  2.  zur  See  und  sechs  Jahre  später  in  Cy- 
pern  selbst  geschlagen  wurde  (Franz  in  der  Archäol.  Zei- 
tung 1844.  S.  279.].  Die  Jonier  sind  alsdann  auch  hier 
ohne  Zweifel  Söldner  im  Dienste  des  Artaxerxes,  so  wie 
auf  der  andern  Seite  vielleicht  Arkadier  fochten,  die  Schwei- 
zer des  Alterthums ,  wie  aus  der  alten  Komödie  bekannt 
ist.  Von  den  beiden  Giebeln  haben  sich  die  Hälfte  des 
einen  mit  einer  Schlachtscene  und  Stücke  des  andern  mit 
zwei  thronenden  Göttern  und  stehenden  Figuren  erhalten, 
wahrscheinlich  Dankopfer  an  die  Götter  für  den  Sieg  und 
diess  wohl  auf  der  Vorderseite.  Unter  den  meist  sehr  un- 
vollständigen Statuen  von  verschiedner  Grösse,  die  Sir 
Fellows  in  den  Intercolumnien  des  Vorder-  und  Hinter- 
giebels und  auf  den  Akroterien  anbringt,  setzen  am  mei- 
sten in  Verwunderung  die  weiblichen  Figuren ,  die  nach 
der  rechten  oder  der  linken  Seite  gewandt,  in  lebhaftester 
Bewegung,  zum  Theil  sich  umschauend,  enteilen,  wodurch 
sie  in  Linien  des  Körpers,  dem  auch  das  Gewand  sich  eng 
und  wie  durchsichtig  anschmiegt,  und  der  fliegenden  Ge- 
wandmassen, unter  der  so  kühnen  als  erfindungsreichen 
Hand  des  Werkmeisters,  eine  Fülle  von  Schönheiten  ent- 
wickeln, über  welche,  was  in  der  raschen  Ausführung  un- 
vollendet  oder  verfehlt   erscheint,   leicht  zu  übersehn  ist. 


248       Die  zwei   grossen   Monumenie  von  Xanthos. 

# 

Von   alterthümlicher   Härte   möchten  diese   Eigenheiten  der 
Behandlung  zu  unterscheiden  seyn.    Auf  den  Plinthen  die- 
ser Figuren ,    zwischen  den  Füssen  ^  findet    sich  ein  Fisch 
ein  grösserer  Fisch,  ein  Seekrebs,  eine  Schneckenmuschel^ 
ein  Vogel,   der  in   dieser  Verbindung  für  einen  Seevogel, 
nicht  für   eine  Taube  zu  nehmen  ist:  und  ähnliche  Thiere 
sind   nach    diesen   fünf  in   den  Zeichen  übereinstimmenden 
Figuren    auch    in   zwei   andern  ähnlichen  und  zugehörigen 
vorauszusetzen,  wo  sie  mit  dem  grösseren  Theil  des  Gan- 
zen fehlen«    Wenn   nun   diese    Symbole   Nereiden  deutlich 
anzeigen,   so   ist   deren  Flucht   nur  zu  begreifen  aus  Stö- 
rung  in   ihrem  eignen  Reiche  durch  eine  Seeschlacht  ent- 
weder, wie  die  gegen  Euagoras,    oder  durch  einen  Land- 
sieg, welcher  die  Feinde  nöthigte  sich  über  Hals  und  Kopf 
in    die    Schiffe  zu  werfen,   wie  z.  B.  bei  Herodot  V,  116: 
und  nur  unter  dieser  Voraussetzung  passen  auch  Nereiden 
an    ein   Siegesdenkmal.     Zugleich    geben    sie    dann    einen 
Beweis  mehr  ab,   dass  in  den  Friesen  nicht  die  Einnahme 
von  Xanthos  durch  den  ersten  Harpagos,  sondern  ein  spä- 
terer Sieg  der  Persischen  Regierung  über  einen  Aufstand 
gegen   sie   dargestellt  sey.     Aber  es  scheint  auch  die  un- 
verkennbare   Beziehung  dieser  Nereiden  auf  einen  Seesieg 
die    architektonische   Combination,   dass  sie   zu  demselben 
Bau   mit   den   Friesen    gehört  haben ,   sehr   zu  bestätigen. 
Diese   Vereinigung  vom   Getümmel   der   Schlacht  und  (an- 
deutend]  zur   See   und    dem  Bild    erstürmter  Städte  bringt 
eine   gute  Totalwirkung  hervor.     Auf  solche  Art  war  hier 
durch  Jonische   Hand  und  in  rein    Griechischer  Weise  der 
Assyrische  und  Persische  Gebrauch  Schlachten  vorzustellen 
(S.  245*.  248  A-  2.)  nachgeahmt. 

Ausser  diesem  Monument  sind  aus  der  besten  Kunst- 
zeit aus  Xanthos  nach  London  gebracht  worden  besonders 
zwei  Löwen,  das  nach  dem  geflügelten  Wagen  benannte 
Grab  mit  merkwürdigen  Vorstellungen  (Asia  H.  p.  228. 
Lycia   p.    165.),   ein   Fries  von  Wagen  und  Reitern  (Lycia 


Die  zwei  grossen  Monumente  von  Xanthos.       249 

p.  173.],  eineJflgd,  vermuthlich  von  einem  Grabe,  so  wie 
der  Zug  der  Landleute,  die  ihre  Abgaben  in  Zucht-  und 
Jagdlhieren  und  andern  Naturalien  dem  Herrn  entrichten 
CLycia  p.  176.).  Sehr  gut  scheinen  euch  die  Fragmente 
von  Arnnzonengerecht  und  Festprocession  das.  p.  177,, 
Bellerophon  die  ChimDra  bekämpfend  p.  I36.f  die  in  co- 
lossaler  Figur  von  einem  Grabe  ebenfalls  versetzt  worden 
ist,  und  nicht  wenige  unter  den  Reliefen  von  GrabmSIern, 
die  nur  häusliche  Scenen  oder  Krieg  darstellen  [nicht  ein- 
mal p.  209.  scheint  eine  Ausnahme  zu  machen],  enthalten 
sehr  vorzflglictie  und  eigenthUmliche  Composilionen  p.  ]]6. 
(vgl.  das  Tilelkupfer,  wo  MES02  zu  schreiben  ist],  118. 
135.  141.  166.  178.  197.   198.  200.  206.  207.  208. 


■  ■•  "  -  -•- 


Vasengemälda 


Taf.  XIV. 

Dieses  Gemälde  von  einer  Vase  aas  Cäre  in  iIlt 
Sammlung  Campana  bietet  <les  Neuen  von  verscliiedener 
Art  nicht  wenig  <iar.  Wenn  es  auf  den  ersten  Blick  ziem- 
lich räthselhafl  erschein!,  so  ergiebl  sich  doch  hald  der 
Inhalt  im  Wesentlichen,  und  nur  über  einzelne  Besonder- 
heiten wünscht  man  beslimnilere  Auskunft  geben  zu  kön- 
nen. Schätzbar  ist  es  im  Allgemeinen  schon  dadurch  dass 
es  die  nicht  gar  zahlreichen  Darstellungen  aus  dem  The- 
bischen  Epos  vermehrt.  Dieses  war  vermuthlich  mit  allen 
andern  sogenannt  Homerischen,  nachdem  die  Ilias  und 
Odyssee  ihnen  den  Vorrang  abgelaufen  halte,  mehr  und 
mehr  in  einen  engeren  Kreis  zurückgcirelen,  obgleich  noch 
PinJar  und  die  Tragiker  den  liefen  Eindruck  den  sein  In- 
halt machte,  bezeugen,  und  scheint  wenigstens  in  der 
Periode  der  Vasenmalerei  und  an  ihren  bedeutcndslen  Fa- 
brikorten  weniger  gegolten  zu  haben. 

Die  Namen,  die  nach  der  Linken  geschrieben  sind, 
lassen  keinen  Zweifel  zu.  In  TVJEY2  hat  das  E  die 
Gestalt  eines  umgedrehten  B,  was  in  dem  auf  der  Momm- 
senschen  Tafel  der  Alphabete,  nach  der  von  dem  General 
Galassi  gefundenen  Vase   von    Cäre  nicht  vorkommt,  indem 


1)  MoD.   d.   Inst,   ircheol, 
)  p.  36—41. 


:   Vol.   6   IST.    14.  Ar>aali   Vol. 


254  Tydeus  und  Ismene. 

da  diess  Zeichen  vielmehr  ß  bedeutet  ^].     Dagegen  steht  es 
viermal   auf   der  Vase   von   Cäre   mit  dem    Abschiede  des 
Hektor   in    den    Schriften  des  Instituts  für  1855  Taf.   20  p. 
67,  wo  das  ß  eine  ganz  eigenthümliche  Form  hat,  und  au 
der  früher  bekannten  auch  aus   Cäre,  Mon.  d.  I.  2,  38  in 
Aiviag,  so  wie  auch,   nur  rechts  gewandt,  in  dem  Corcy- 
räischen  Alphabet  bei  Mommsen.     Auf  unserer  Vase  selbst 
haben  wir  in  dem  zweiten  Namen  nEPlKAYMENOS  die- 
selbe Form  des  e  noch   zweimal,  und  noch  einmal  in  dem 
dritten.     Denn   dieser  lautet   HY2MENA,     Der  Name  Is- 
mene hat  also  später  das  H  oder  die  Aspiration  abgestos- 
sen  und  Y  mit  /  vertauscht,  was  nicht  minder  häufig  ge- 
schehn  ist  als  das  Andre  ^).    Noch  finden  sich  bei  Eumathius 


2)  Theodor  Mommsen  die   unter  italischen    Dialekte    Taf.  I   N. 
12  S.  8. 

3)  Viele  Beispiele  in  meiner  Trilogie  S.  479  f.  Hier  ist  yiel 
zu  unterscheiden,  1)  dialektische  Abneigung  gegen  das  v  (Ahrens 
Dial.  Aeolica  p.  8i)  wohin  filrvlog ,  Mnvk^vfi  für  fAvnlog ,  mutilus 
gehört;  2)  althergebrachte  falsche  Schreibung,  wie  in  Afji(f'UtJviay, 
*Afif&xTioytg ,  wofür  in  Attischen  Inschriften  und  sonst  auch  die 
richtige  *Afjifftxnoyfg  gebraucht  worden  ist  (G.  I.  Graec.  n.  1688  p. 
808);  3)  aus  falscher  £tjmologie,  wie  in  Jvaavhigf  neben  TQkts- 
avXtjs,  TQMTÖkffiog  (Zeitschr.  f.  a*  Kunst  1818  S.  112),  in  rQV(f>äXeMCt 
dreibuschiger  Helm,  jQixogvg,  wo  dann  Buttmann  Lezil.  2,  250, 
Wyttenbach  ad  Eunap.  p.  241  durch  die  spitzfindig  falsche  Ton 
&QVÜ)  getäuscht  worden  sind,  zuweilen  yielieicht  um  die  wahre 
Bedeutung  etwas  zu  Terstecken,  wie  der  Sängor  bei  den  Mahlen 
in  Samos,  als  Freund  der  Braten,  xQSioff^kog,  KQtdifvkog  genannt 
wurde  (Episch.  C^cl.  1,  218);  4)  durch  irrige  Vertauschung  der 
Abschreiber  (Boisson.  ad  Babr.  fab.  61,  2),  und  eben  so  der  Schrei- 
ber im  Alterihum,  wie  Movv^x^a  in  Attischen  das  Seewesen  be* 
treffenden  Inschriften  (Keil  Anal,  epigr.  p.  234  s.)  ,  Jlttaytin^vog 
auf  einer  toq  Kos,  Kvrixtjg  auf  Münzen  (bei  Mionnet),  MIPSIN 
Steinschneider  auf  zwei  Steinen.  In  Ableitungen  tritt  •  für  v  ein, 
wie  in  alakog  von  avg,  vntQtfiaXog^  neben  vntQtpvvig,  Eigatf-mnig^ 
(Hgatf vwitjg) ,  (flrv^  ffitvg,  &iaaog,  yermuthlich  fon  ^i/co.  Oft  geho 
bi'ide  Vocale  neben  einander,  wie    in    tQi^ta,   tqvCo),    Zuweilen  ist 


Tydeus  und  Ismene.  2S5 

vermuthlich  aus  Sucht  des  Archaistischen ,  die  Namen 
'Yaiiivi]  [worin  /  für  H  die  spätere  Aussprache  ausdrückt) 
und  ^Yoiuvtag.  Sehr  nahe  stehn  einander  sodann  die  For- 
men für  er  und  i*.  Aber  das  t;  ist  girher  durch  die  letzten 
Buchstaben  der  drei  andern  Namen  dt^s  Bildes,  und  das  ft 
ist  genau  eben  so  wie  hier  auch  in  Üeqtxlvfitvoq,  so  wie 
auch  das  v  in  demselben.  Beide  Buchstaben,  a  und  /*,  mit 
dieser  g^Hngen  Verschiedenheit  kommen  auch  auf  andern 
Vasen  nicht  selten  vur^).  Endlicli  der  vierte  Name  kann, 
wenn  msn  die  Wortbedeutung  berücksiciitigt,  unmöglich 
anders  lauten  als  KXvtof,  der  auch  als  der  eines  Philoso- 
phen vorkommt  s.  zu  Herakles  bei  Eurytos  1659  Taf.  2. 
Allerdings  hat  das  Koppa,  das  wir  in  dem  ersten  Buch- 
staben erkennen  müssen,  in  Iltffnilvitsvog  seine  gewöhn- 
liche Gestalt.  Doch  ist  die  dort  gebrauchte  Phfinicische 
des  Koph,  die  ganz  mit  der  des  e  {P\  übereinstimmt,  auch 
an  dem  Galassischen  GefSsschen  in  der  Abbildung  von 
Lepsius  in  den  Annalen  T.  8  tv.  d'agg.  C.  und  danach 
bei  Franz  (p.  22.  46)  in  dem  unter  dem  Syllabarium  ste- 
henden Alphabet,  auch  nach  dem  ausdrückhchen  Zeugniss 
von  Lepsius  (p.  191),  so  dass  hierin  Mommsen  geirrt 
haben  möchte.  Uebrigens  könnte  leicht  auch  eine  blosse 
Nachlässigkeit  in  der  Zeichnung  dieses  Buchstabens  gesucht 
werden,  indem  der  Strich,  slalt  gerade  unter  der  Mitte  des 
Bunds  hinabzugehn,  an  der  Seite  sich  anschlösse. 

Von  TydevM  und  Ismene  wissen  wir  dass  er  sie  am 
Brunnen  ermordete,  aus  Mimnermos  und  Pherekydes  ^). 
Diessist  alit-r  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  dem  Homerischen 
Epos  der  Thebais  geflossen,  and  was  Himnermos  anführt, 
Ismene   sey,   als   sie  mit  Theoklymenos   am  Brunnen  eine 

die  Wunel  uDgenin,  wie  in  KiQQa ,  KÜQ^ir,  AoU'cjri ,  ZifiaiAa, 
Xvftailha  iBöckb  SltiUhaL^ballUDg  der  AtheoiT  3,  %1). 

4]  Jo.  Fraai  Elemenli  Epigraphices  Graecae  p.  44.  46. 

5}  Arisloph.  (iramm.  Argum.  Soph.  Anlig.  Sthol.  Eurjp. 
Pboea.  53. 


2Sö  Tydeus  und  Isuiene. 

buhlerische  Zusammenkunft  hatte,  von  Tydeus  auf  Geheiss 
der  Athene  getödet  worden,  diess  ist  als  eine  spätere  in 
priesterlichem  Geiste  besonders  motivirte  Dichtung  zu 
betrachten,  die  sich,  wie  so  oft  geschehen  ist,  an  die 
ältere  Sage  angerankt  hatte.  Was  ich  in  der  Auseinander- 
setzung jenes  Epos  einst  vermuthet  habe,  dass  es  das 
greuelhafte  Ereigniss  vor  dem  Beginne  der  Belagerung 
enthalten  habe,  damit  der  grimmige  Tydeus  sich  von  An- 
fang an  greulich  zeigte ,  wie  er  noch  im  Augenblicke  sei- 
nes Todes  erscheint^),  wird  wahrscheinlich  durch  unser 
Gemälde,  wie  wir  sehn  werden,  bestätigt.  So  zeigt  die 
Nachahmung  dass  Achilleus  diePolyxena,  als  sie  zum  Brun- 
nen vor  dem  Skäischen  Thore,  wo  er  auch  ihren  Bruder 
den  Knaben  Troilos  mordete,  Wasser  zu  schöpfen  heraus- 
gekommen war,  umbrachte,  diesen  in  seiner  Fürchterlich- 
keit. Tydeus  der  die  Brunnenschöpferin  durchbohrt,  ist 
auf  Vasen  der  alten  Art  von  dem  hochverdienten  Millingen  er- 
kannt worden^).  Wenn  diess  schon  vorher  nicht  ganz 
sicher  war,  so  wird  es  noch  zweifelhafter  durch  unser 
Gemälde,  da  dort  auch  Achilleus  und  Polyxena  gemeint 
seyn  könnten.  Denn  die  Darstellung  unsres  Gefässes  ist 
von  jener  durchaus  verschieden.  In  dieser  wird  man  ei- 
nen Brunnen  nicht  sofort  erkennen  oder  zugeben.  Und 
doch  scheint  dieser,  der  Brunnen  vor  der  Stadt,  an  wel- 
chem nach  ältestem  Brauch  auch  Fürstentöchter  das  Trink- 
wasser schöpfton ,  nicht  bloss  an  sich  sehr  wesentlich  für 
die  epische  Sage;  sondern  man  wird  ihn  auch  darum  gern 
voraussetzen,  weil  es  sehr  unwahrscheinlich  ist  dass  neben 
jener  charakteristischen  Sage  von  der  Ermordung  der  Is- 
niene  eine  so  ganz  verschiedne,  wie  die  dargestellte  ohne 


6)  Der  epische  Cyclus  oder  die  Homerischen  Dichter  2,  357. 

7)  Peint.  de  Vases  pl.  22;  auch  bei  Gerhard  Etr.  und  Camp. 
Vasenbilder  Taf.  £,  II  und  in  Overbecks  Bildwerken  des  Thebi- 
schen  und  Troischen  Kreises  Taf.  3,  12  S.  122.  Vgl.  Annali  22» 
78  8. 


Tydeas  und  Ismene.  257 

die  Annahme  des  Brunnens  seyn  wttrde,  in  so  alter  Zeit 
halle  auilcommen,  und  dasssie  hfilleganz  in  Vergess  kom- 
men können,  wSre  sie  auTgekommen  gewesen  und  genug 
zu  Ansebn  gelangt  um  von  dem  alten  GefSssmaler  vorge- 
zogen zu  werden.  Ja  es  scheint  sogar  anm&glich  etwas 
anders  anzunehmen  als  den  Brunnen,  weil  die  Scene  of- 
fenbar im  Freien,  vor  der  Sladi  ist,  wo  etwas  Wohnliches 
für  Ismene  nicht  zu  denken  ist;  Periklymenos  flieht  von  ihr 
weg  und  Klytos  rückt  heran.  Dass  der  Schwester  <les 
Eteokles  und  Polynikes  ein  heroischer  Charakter  gegeben 
ist,  so  dass  sie,  den  sichern  Tod  im  Auge,  trotzige  Worte  ' 
an  den  Feind  richtete,  würde  kein  Hinderniss  seyn  wie 
sehr  auch  bei  Sophokles  Ismene,  der  Antigene  gegenüber, 
mit  der  sie  auch  in  der  Odyssee  verbunden  wird,  den 
Charakter  geändert  hat.  An  ein  Wassergefäss  aber  Igsst 
das  Ding  von  weisser  Farbe  worauf  ihr  linker  Arm  ruht, 
kaum  denken.  Und  was  das  sey  hinler  dem  Ismene  stehl, 
ist  schwer  zu  bestimmen.  Natürlich  ist  es  das  Wasser  der 
Brunnenrj>hre  aufzusammeln  in  ein  grosses  rundes,  auf  einem 
Fuss  in  der  Hille  ruhendes  Gefgss,  wie  sie  aus  späteren 
Zeiten  bekannt  sind,  oder  in  den  Raum  einer  Rundmauer, 
oder  in  einen  langen  Trog,  wie  sie  bei  den  einsamen  den 
Reisenden  gewidmeten  Brunnen  Kleinasiens  angebracht  sind. 
Aber  ein  auf  vier  Füssen  aufgestellter  Behälter ,  unter  dem, 
wie  als  Wächter  oder  etwa  als  Begleiter  der  anwesenden 
Person  ein  Hand  liegt  I  Und  über  dem  Flächenraum  des 
Gestells  selbst,  der  Wand  nach  aussen,  die  roth,  ein  eben 
so  breites  Getäfel  das  schwarz  und  darüber  wieder  eine 
Hasse  die  roth  angestrichen  ist,  mil  Ausnahme  des  seltsa- 
men Dings  unter  dem  linken  Arm  der  Ismene.  Ich  scheue 
mich  fast  zu  erinnern  an  die  allerdings  viereckten,  meist 
Itinglich  vierecklen  Ständer,  die  man  bei  dem  Brunnen  aus- 
sen vor  manchen  kleinen  Städten  Italiens  sieht,  bestimmt 
für  die  Töchter  der  Stadt  um  die  Wäsche  zu  reinigen. 
Nansikaa  begleitet  die  WSscherinnen  an  das  Meer.  Mtin 
V.  17 


258  Tydeus  und  Ismene. 

Freund  0,  Jahn  erinnert  mich  an  die  Münchner  Vase  in 
Panofkas  Bildern  antiken  Lebens  Taf.  18,  8,  wo  das  Brun- 
nenwasser in  einer  tischähnlich  gebildeten  Marmoreinfassung 
gefasst  ist  und  aus  drei  Mündungen  ausströmt  ^j.  Sollte 
die  rothe  Masse  über  dem  schwarzen  Grunde  darunter  die 
zu  waschenden  Gewänder  bedeuten,  so  wäre  der  Gegen- 
satz perspectivischer  Auffassung,  den  wir  in  Yasenbildern 
der  ersten  Zeit  oft  genug  finden,  nirgends  auffallender  zu 
sehen:  ein  Beispiel  von  Tiefenstellung  und  Tiefenperspec- 
tive  wie  in  dem  Viergespann  einer  Metope  von  Selinus 
und    den    drei  Nymphen  des    Albanischen  Leukotheareliefs. 

Periklymenos  war  einer  der  berühmtesten  Thebischen 
Helden:  denn  er  war  es  nach  Pindar  der  den  Amphiaraos 
verfolgte  als  diesen  die  Erde  aufnahm^);  er  hatte  denPar- 
thenopäos  getödet  ^^).  Dass  dieser  Periklymenos  flieht  in- 
dem er  auf  des  Tydeus  Beginnen  zurückschaut,  muss  als 
sonderbar  auffallen.  Wäre  erder  Griechen  einer,  so  würde 
man  sagen  dass  durch  sein  Abwenden  und  Entsetzen  nur 
das  Greuliche  der  That  an  der  Königstochter  ausgedrückt 
werden  sollte.  Aber  dass  er  der  gewaltige  Thebische  Held 
seyn  soll,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  und  da  er  ohne  Waffen 
ist,  so  lässt  sich  nicht  denken  dass  er  zuvor  von  Tydeus 
in  die  Flucht  geschlagen  sey. 

Zu  Ross  kommt  ein  andrer  Thebäer,  wie  zu  vermu- 
then,  aus  der  Stadt,  Klytos  mit  Namen,  wohl  nicht  ein 
namhafter  Krieger,  sondern  einer  der  Vielen  gleichgültig 
welcher,    denen   die   Vasenmaler  jener  Periode,    beliebige 


8)  O.  Jahn  Vasensaminlung  König  Ludwigs  N.  420  wo  iwei 
andre  Abbildungen  angeführt  sind.  Vor  der  einen  der  iwei  Be— 
gleiterinnen  der  Nausikaa  ist  ein  Felsblock,  auf  dem  die  Wäsche 
geklopft  wird ,  oder  abgerieben.  Sollte  das  Getäfel  an  dem  Brun- 
nen der  Ismene  dazu  bestimmt  sejn  dieWfische,  indem  man  Was- 
ser lufliessen  liess,  mit  den  Füssen  daran  zu  reiben? 

9)  Nem.  9.  26. 

10)  Eurip.  Phoen.  1 157.    Apollod.  2,  6,  8.  Pausan.  8,  18  eztr. 


Tydeus  und  Ismene.  259 

Nemen  (immer  von  ehrenvoller  Bedeutung)  beischrieben, 
vrie  wir  in  mehreren  Schlachtscenen  des  Troischen  Kriegs 
sehen.  Er  ist  mit  einer  Lanze  versehen  und  schein!  sym- 
bolisch eine  ganze  Scbaar  zu  bedeuten,  die  aus  der  Sladt 
heranrückt,  wie  an  der  grossen  Vase  Franpois  in  Florenz 
Heklor  aus  dem  Sladllhor  herbeizieht  als  vor  demselben, 
unter  den  Augen  des  Priamos,  Achilleus  den  Troilos  er- 
legt. Reiterei  ist  anseiinlicher  als  Fussvolk:  darum  ist  ein 
Reiter  gemalt,  und  die  Licenz  dass  dessen  Figur  nun 
nach  dem  beschränkten  Raum  kleiner  ausfällen  mussle,  als 
die  andern,  hat  auf  dieser Slufe  di'r  Malerei ^  nach  andern 
Beispielen,  niciits  Befrenidllches.  Hiernach  nun  würde  der 
unbewafTnete  Periklymenos  bei  dem  Heranrücken  des  feind- 
lichen Heeres,  an  dessen  Spitze  Tydeus  vorangestttrmt 
wäre  —  oder  wann  sonst  Tydeus  die  Ismene  am  Brunnen 
überfiel — sich  wie  zufällig  ausserhalb  der  Hauern  befinden 
um  durch  seine  Flucht  das  Grausen  vor  dem  grimmigen 
Tydeus  zu  vermehren,  de  er  der  sonst  der  furchtbarste 
der  Thebischen  Helden  war,  jetzt  ungerüstet  und  daher 
unfähig  wäre  Ismene  zu  schützen. 

Von  den  Farben  ist  in  diesem  Gem&lde  eigenthümli- 
cherweise  Gebrauch  gemacht.  Von  Klylos  ist  schwarz  das 
Fletsch,  das  Gewand  mit  zwei  rotben  Flecken,  so  wie  sein 
Ross,  von  dem  aber  die  Mähnen  und  der  ovale  Schmuck 
über  den  Hinlerbeinen  roth  sind.  Die  ganze  Figur  der 
Ismene  ist  weiss,  nur  das  Haar  schwarz,  auch  der  Hund 
weiss,  mit  drei  schwarzen  Flecken ^  über  ihm  sind,  an  dem 
Wasserbehälter,  wie  schon  angegeben,  roth,  schwarz  und 
wieder  roth  zu  sehn.  Tydeus  schwarz  und  Periklyme- 
'  nos  weiss. 

Das  Ornament  unter  dem  Hauptgemälde  ist  hier  mit 
Bezug  auf  Theben  gewählt,  obgleich  zwei  gegenüber  sit- 
zende Sphinxe  auch  sonst  als  Beiwerk  gebraucht  werden, 
mit  irgend  einem  andern  Gegenstände  zwischen  ihnen. 
Der  frauenkOpfige  Vogel,  dessen  Name  und  besondre  Be- 
17* 


260  Tydeus  und  Ismene. 

deutung  wir  bis  jetzt  nicht  zu  bestimmen  vermögen,  ist 
derselbe  den  wir  auch  an  dem  Hals  der  ältesten  und  wich- 
tigsten der  Panathenäenvasen  und  zwar  einer  Eule  gegen- 
über, so  wie  an  einigen  andern  Vasen  erblicken  ^*]. 


11)  Millingen  Ancient  uned.    Mon.  1  pl.  3  p.  9. 


.Olil 


Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  yon 

Oeehalla^). 


Taf.  XV. 

Da  die  Figuren,  um  in  gleicher  Grösse  wie  sie  sich 
um  eine  bauchige  Amphora  herumziehen,  auf  einem  Blatt 
in  zwei  Reihen  haben  untereinander  gesetzt  werden  müs- 
sen, so  scheint  es  nöthig  den  Beschauer  des  Bildes  zu- 
vörderst auf  den  Plan  des  Ganzen  aufmerksam  zu  machen. 
Die  Vorderseite  nimmt  die  Vorstellung  des  in  der  Ueber- 
schrift  genannten  mythischen  Acts  ein.  Auf  der  Rückseite 
ist  damit  nach  herkömmlichem  Brauch  eine  der  belieb- 
ten allgemeinen  Vorstellungen  ohne  persönlichen  Bezug 
verbunden,  hier  drei  Kämpfergruppen,  wie  späterhin  Bac- 
chische  Figuren ,  palästrische  u.  a.  Diesen  sind  daher  auch 
keine  Namen  beigeschrieben.  Dazwischen  sind  unter  den 
Doppelhenkeln  a  colonnette,  die  im  Stich  durch  feine  Linien 
angedeutet  sind^  zwei  Gruppen  angebracht,  die  wir  als 
Decoration,  ohne  alle  Beziehung  auf  den  eigentlichen  Ge- 
genstand des  Bildes  zu  betrachten  haben,  der  Selbstmord 
des  Ajas  und  eine  Opferhandlung.  Wie  der  Tod  des  Ajas 
hier,  so  ist  auf  der  Vase  Frangois  unter  dem  Henkel  Ajas 
mit  der  Leiche  des  Achilleus  auf  der  Schulter  gemalt,  eben- 
falls eine  beliebte  Darstellung  der  älteren  Kunst;  und  bei 
dieser  Gruppe  fehlen  auch  die  Namen  nicht,  die  dagegen 


1)  Aonali  d.  J.  archeol.  1859  31,  243—257  tav.  33. 


262       Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia. 

bei  der  Opferscene  als  einer  aus  dem  allgemeinen  Leben  ge- 
nommenen, wie  bei  den  Kämpfern,  weggelassen  sind.  Im 
Ajas  ist  ganz  ausgedrückt  was  Sophokles  im  Ajas  sagt 
XQVtpco  TOcf  S^'X^g  TodfAOP  — yalag  Sqv^ag  sv&a  fiij  wg  Siperai* 
Das  Gefäss  ist  das  sechste  mit  Inschriften  desselben 
Alphabets  die  aus  Gräbern  bei  Cäre  (Agylla),  dem  heu- 
tigen Cervetri,  hervorgegangen  und  in  unsern  Monu- 
menten abgebildet  sind.  Zwei,  die  Zweikämpfe  des  Rek- 
tor und  Ajas  und  des  Achilleus  und  Memnon,  erschie- 
nen schon  1835^);  die  vier  andern,  das  gegenwärtige 
einbegriffen,  sind  alle  aus  der  Sammlung  des  Marchese 
Campana,  dessen  mit  so  grosser  Beharrlichkeit  fortgesetzte 
.  grosse  und  durch  so  grosse  Ausbeute  belohnte  Nachgra- 
bungen bei  Cervetri  im  Jahr  1844  ihren  Anfang  genom- 
men haben.  Von  diesen  vieren  ist  durch  Emil  Braun  die 
figurcnreichste ,  Hektors  Abschied  oder  Auszug,  1855  Taf. 
20  S.  67  herausgegeben  und  die  jetzt  veröffentlichte  im 
BuUettino  1856  p.  28—31,  nicht  obenhin,  sondern  nach 
genaue!*  Untersuchung  besprochen 3),  eine,  die  Bestrafung 
des  Tityos  1856  Taf.  10,  1  p.  43  von  Preller  und  eine 
Tydeus  und  Ismene  von  mir  1858  Taf.  14  Annali  30,  35 — 
40  erklärt  worden.  Hier  wurde  auch  über  das  Alphabet 
das  Nöthige  bemerkt,  so  dass  ich  nur  auf  die  Form  des 
dreimal  vorkommenden  Digamma,  welche  von  der  in  Hek- 
tors Abschied  verschieden  ist ,  aufmerksam  zu  machen 
brauche.  Eine  siebente  Vase  dieser  Klasse,  eine  Eberjagd 
mit  den  Namen  Polyphamos,  Charon,  Polystratos,  Eorax, 
mit  viermal  wiederholtem  PION  dazwischen ,  beschreibt 
Abeken  in  der  Not.  2  angeführten  Abhandlung  (p.  340)  und 


2)  Monum.  d.  I.  2,  35,  mit  Erklärung  tob  Abeken  AnnaU  8, 
206—322. 

3)  Aaf  die  Inschriften  auch  Ton  dieser  die  er  p.  72  banchetto 
d'  Eurjtio  nennt,  nimmt  Braun  schon  Rücksicht,  so  wie  er  auch 
p.  73  das  TAsetlo  di  Tjreus,  wie  er  statt  Tjdeus  las,  sweimal 
erwühat« 


1^. 


Herakles  als  Gast  bei  Eurylos  von  Oechalia.       263 

sie  ist  gestochen  im  Museo  Gregoriano  tav.  17,  2.  Der 
Verschiedenheiten  des  Alphabets  von  Cäre  von  dem  aus 
Korkyra  nach  Italien  verpflanzten  sind  so  wenige  oder  ge- 
ringe, dass  die  gemeinsame  Abstammung  von  Eorinth  da- 
durch nicht  zweifelhaft  wird*). 

Was  aber  die  Namen  betrifft,  so  ist  sehr  auffallend 
EYFYTI02  anstatt  EYPYT02,  der  in  Verbindung  mit 
Herakles  zu  bekannt  ist,  als  dass  man  nicht  lieber  an  ei- 
nen Etrurischen  Maler,  der  falsch  abschrieb,  denken  als 
diesen  Fehler  einem  Griechen  zuschreiben  möchte.  Es 
kommt  hinzu,  dass  während  hier  KAYTI02  richtig  ge- 
schrieben ist,  ein  für  mythische  Personen  sehr  häufiger 
Name,  der  auch  in  Vasengemälden  vorkommt^),  wir  bei 
Tydeus  und  Ismene  fanden  KAYT02,  was  ich  dort  damit 
entschuldigte  dass  auch  dieser  Name  als  der  eines  Philo- 
sophen mehrmals  genannt  wird ,  und  dass  wir  hier  dage- 
gen T0S02  lesen,  was  für  T03EY2  sehr  wahrscheinlich 
nur  ein  Fehler  ist.  Sehr  klein  würde  diess  Kriterien  für 
Etrurische  Fabrik  seyn;  aber  die  kleinsten  gerade  sind  zu- 
weilen verrätherisch.  Uebrigens  ist  Jolo  von  «ov,  mit  Di- 
gamma  geschrieben ,  pIOAA  wie  Viola ,  im  Deutschen 
Veilj  und  für  JAIÜN ,  Jrit(av  haben  wir  JidaPioaVj  mit 
Digamma,  wie  bei  Alkman  Ttvq  ddp^ov  und  Rediiplication. 
Diese  Erscheinung  ist  im  nomen  so  wenig  beachtet  dass 
ich  sie  in  unsern  Grammatiken,  den  berühmtesten,  ganz 
übergangen  finde.    Doch  fehlt  es  nicht  an  Beispielen^),  als 


4)  Zu  der  Mommsenscheo  Tafel  der  Rorkjräisch-Ifalischen  Buch- 
Btabenformen  stellt  O.  Jahn  Vaseosammlung  des  Königs  Ludwig  S. 
GXLIX  eine  andre  von  alterthümlichen  Vasen  aus  Vulci  und  Nola 
auf,  die  nicht  gar  yiele  Besonderheiten  enthält.  An  der  Vase  aus 
Cäre  mit  Titjos  ist  in  APTRM12  und  TlTYOl  das  spätere  Jota 
1,  statt  der  älteren  Form. 

5)  Z.  B.  in  Gerhards  Aiuerl.  Vasen  Taf.  190.  191. 

6)  Darin  ist,  da  auch  mehrere  Verba  in  Präsens  die  Redupli- 
cation    annehmen     (Bqttmanns    Ausführliche   Griech.    Spracht.   2, 


264      Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia. 

2l(TV(pogj  der  Weise,  (foq>ög,  2!i^(fafAogj  2dfiog,  der  Be- 
gleiter des  Theras,  T^3oQ4a,  Orgala,  ßlßatfig,  Koqxvqii 
(KdQ'tvd^og)  und  nicht  wenige  andre. 

Das  Hauplbili  überrascht  durch  die  Darstellung  eines 
Gastmals  an  sich,  aber  nicht  durch  die  Personen  aus  de- 
nen es  besteht.  Denn  glücklicherweise  kennen  wir  durch 
eine  Stelle  des  Hesiodischcn  Katalogos  oder  Verzeichnisses 
der  Frauen  die  Famiiie  des  Königs  Eurytos  und  der  An- 
tioche ,  vier  Söhne ,  während  das  Homerische  Epos  Oecha- 
lias  Einnahme  nur  zwei  genannt  hatte,  Deion,  Klytios^ 
ToxeuSj  IphitoSj  denen  als  die  jüngste  Joleia,  Jole  bei- 
gefügt wird^).  Da  die  Sage  von  dem  Heros  Herakles  in 
fast  allen  ihren  vielen  alten  Trieben  so  mächtig  gewuchert 
und  die  Poesie  und  Charakteristik  unablässig  beschäftigt 
hat;  so  wäre  es  nicht  zu  verwundern  wenn  aus  dem  frucht- 
baren Stoff  Herakles  und  Eurytos  ein  ausser  diesem  Bild 
nicht  erhaltner  Mythus  zu  einer  gewissen  Zeit,  in  gewis- 
sen Gegenden  seine  Rolle  gespielt  hätte.  Doch  ist  es  nicht 
nothwendig  dieses  Gastmals  wegen  auf  eine  ganz  neue 
Wendung  und  Combination  in  diesem  reichen  besondern 
Sagenkreis  zu  schtiessen,  sondern  es  geht  in  den  Zusam- 
menhang der  Geschichte  ein  wenn  man  sich  an  das  hält 
was  in  diesem  am  einfachsten  und  alterlhümlichsten  aus- 
sieht. Eurytos  (dessen  Name  den  Bogenschützen,  der  die 
Senne  wohl  anzieht,  bedeutet  und  der  darum  auch  der 
Lehrer  des  Herakles  in  dieser  Kunst  genannt  wird),  hat 
Jole   zum   Preis  ausgesetzt,    Herakles   hat  im  Schuss  über 


40) ,  nichts  Auflallendes.  Wenn  auch  die  Wirkung  der  Sjlbenyer- 
dopplung  in  den  temporibus  deutlicher  ist,  so  wirkt  sie  doch  im- 
mer etwas  in  dem  Wort  und  seinem  Charakter.  Jak.  Grimm  apricht 
in  seiner  Deutschen  Mjthol.  S.  335  Ton  der  „ToIksmissigeD  Re- 
duplication  in  Namen/'  W.  t.  Humboldt  Kawispraohe  S.  XCVIII 
Ton  ihrer  Behandlung  überhaupt  in  ungebildeten  Sprachen. 

7)  Schol.   Soph.   Trachin.   265.   Uesiodi,  Eumeli,  GinaethoDia 
et  carminis  Naupactü  fragm.  ed,  Gu.  Marckscheffei  p.  3!^. 


m  *-*■.* fJ: 


■jffj'l.'..ns-f!idr-^  .^M 


Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia.      265 

ihn  und  seine  Söhne  gesiegt  und  Enrytos  die  Tochter  dann 
ihm  treulos  verweigert;  daher  zerstört  jener  die  Stadt  und 
führt  Jole    als    rechtmässige  Beute   fort  ^).    Auch   das    so 
zusammengefasste  Ereigniss  virird  der  Erzähler  wie  von  selbst 
einleiten   durch    eine  vorausgegangne   Bekanntschaft  unter 
Eurytos  und  Herakles  und  dem  Unrecht  und  Untergang  des 
einen ,  dem  Sieg  des  andern  einen  grösseren  Eindruck  ver- 
schaffen   durch    den    Contrast    des  vorausgegangnen  gast- 
freundlichen  Verhältnisses.    Für  die   bildende   Kunst  aber 
entstehn   daraus  zwei  Darstellungen.    Sophokles  der  in  den 
Trachinierinnen  verschiedene,  aus  ganz  vorschiednen  Moti- 
ven entsprungene   Mythen    mit   all   der  Freiheit   die   darin 
dem  Dichter  zustand,   zu  seinem  dramatischen  Zweck  ver- 
knüpft,   wie    es    auch    die    pragmatisch   mythographischen 
Schriftsteller   ohne   Motive  zu  thun  pflegen,   lässt  den  Eu- 
rytos  den  alten  Gastfreund   an  seinem  eignen  Tisch  —  ein 
Umstand  der  nun  durch  unsre  Vase   eine  mythische  Auto- 
rität erhält  —  durch  Reden   beleidigen    und  seine  und  sei- 
ner Söhne  Kunst  im  Bogenschiessen  über  die  gerühmte  i» 
Herakles  erheben  (262—266).    Er  lässt  auch  den  Her^kV»« 
nicht   wegen   Wortbruchs   sich   rächen,   sondern  durch  40t 
Gewalt   der  Liebe  bezwungen   um   die  Jole   als  liH\if¥^A 
bei   dem    Vater   vergeblich   werben   und   aus   Rache  im&lr 
Oechalia  zerstören  (351—365),  eine  an  sieb  nicht 
hafte   Neuerung,    die    er   sich    erlaubte    um    dem 
grössten    Liebe  von    ihm    entworfnen    Seelen^ewftii« 
De'ianira  mehr  Tiefe  zu  geben.  —  Aber  diese  its«i 
dors    (2,   6,  I.  2,  7,  2),  und  Diodors  (4,  31 ;  V 
der  Mythen  von  Herakles  und  Eurytos,  Met^am« 
phale,    Iphitos,  dessen  Sturz  vom   Felsen- 
Odyssee  erzählt.  Spätere  ihn    büssen  und 


8)  Schol.  Sophocl.  Trach.  265. 

9)  Diese   Sühne   wird    in  Verbindong 
oder  auch   in   Amjkla  in  anderm  Zuaam 
Paus.  3,  15,  3). 


^<fl»M*r  *  » 


266       Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia. 

müssen   unsern   Gedanken   fern  bleiben  bei  einem  so  alten 
Yasengemälde. 

Dass  die  schöne  Jole  die  Seele  dieser  Sage  sey,  war 
nach  der  ganzen  Anlage  des  Gemäldes  schwer  darzustellen. 
Mit  den  Männern  zu  Tisch  liegen  konnte  sie  nicht;  aber 
fehlen  durfte  sie  auch  nicht,  da  auf  sie  Alles  zwischen 
ihrem  Vater  und  Herakles  ankommt.  Der  Maler  hat  sich 
damit  aus  der  Verlegenheit  geholfen  dass  er  Jole  als  zu- 
fällig oder  vorübergehend  anwesend,  zwischen  beide  hin- 
stellte, und  zwar  so  dass  sie  zunächst  dem  Herakles,  den 
sie  angieng,  aber  von  ihm ,  der  jungfräulichen  Zurückhal- 
tung wegen,  abgewandt  steht.  Herakles  ist  allein  gela- 
gert, und  ich  möchte  vermuthen  dass  der  andre  allein  La- 
gernde der  Vater,  die  beiden  Namen  Iphitos  und  Eurytos 
also  durch  Versehn  oder  zufällig,  da  die  Geschichte  zwi- 
schen Iphitos  und  Herakles  eine  altberühmte  war,  verkehrt 
gesetzt  seyen,  wovon  andre  Beispiele  anzuführen  sind. 
Dann  liegen  die  Söhne,  Iphitos  und  De'ion,  Elytios  und 
Toxeus,  paarweise,  der  Vater  und  Herakles  einzeln  neben 
einander,  und  zwischen  diesen  beiden  steht  auch  Jole  am 
schicklichsten.  In  der  Richtung  der  Köpfe  unter  den  Män- 
nern gegen  einander  ist  Gespräch  unter  je  zweien  angedeutet, 
die  Einförmigkeit  aber  vermieden  durch  eine  andre  Haltung 
im  letzten  der  drei  Paare.  Die  andern  alle  halten  den  Becher 
in  der  Hand,  nur  Herakles  hat  in  der  linken  Hand,  ebenso 
wie  zwei  der  Andern,  wie  es  scheint ,  ein  Stück  Brod  oder 
Kuchen,  in  der  rechten  aber  ein  Messer,  obgleich  was  vor 
ihm^  wie  vor  allen  Andern  aufgestellt  ist,  nichts  als  je  zvpei 
Kuchen  zu  seyn  scheint.  Soll  das  Messer  daran  erinnern  dass 
Herakles,  wie  als  der  grösste  Arbeiter,  so  auch  und  eben 
darum  auch  als  ein  gewaltiger  Esser  galt  ?  Eigenthümlich  ist 
es  dass,  wie  mir  geschrieben  wird,  „die  Männer  der  oberen 
Reihe  das  Gesicht  mit  dunkelrother  Farbe  aufgesetzt  habe^  ^O). 

10)    H.    Bruno   macht  in   den   Annalen    den   Zusatt:   Noto    in 
quest'   occasione   che    il    fondo   del   dipinlo  ^  un   color   giallaatro 


Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia.       267 

Soll  diess  Erhitzung  durch  den  Wein  bedeuten?  Von  der 
Figur  des  Letzten,  des  Toxeus,  ist  die  Zeichnung  nicht 
vollständig  erhalten.  Unter  jedem  der  vier  Tische  ist  ein 
Hund  angebunden/  indem  es  vennuthlich  in  Cäre  üblich 
war  dass  jeder  stattliche  Mann  sich  einen  Hund  zum  Be- 
gleiter hielt.  Die  Race  ist  in  allen  vieren  dieselbe,  gross 
und  langschwänzig  und  dabei  sehr  wild,  so  dass  man  sie 
während  des  Gelags,  um  Ruhe  zu  haben,  anlegen  musste. 
Auch  die  Krieger  haben  oft  einen  Hund  bei  sich  in  den 
älteren  Vasengemälden. 

In  der  an  Herakles  anstossenden  Henkelgruppe  lesen 
wir  AIrA2^  wie  auch  an  der  aufgeführten  Vase  mit  Hek- 
tor  und  Aeneas  und  auch  in  Etrurischen  Vasenbildern  ge- 
schrieben vorkommt,  ferner  0JY2EY2,  wovon  die  vier 
letzten  Buchstaben  wohl  erhalten^  die  drei  andern  ^^)  noch 
erkennbar  sind,  wie  schon  Emil  Braun  wahrnahm.  Von 
dem  andern  Namen  sind  nur  wenige  Striche  erhalten ,  doch 
hat  H.  Brunn,  nicht  ohne  grosse  Mühe  zwar,  aber  mit 
befriedigender  Zusammenstimmung  der  Spuren  den  Namen 
JIOMHJHS  entdeckt.  Den  Diomedes  hätte  man  vermu- 
then  müssen  auch  wenn  gar  keine  Spuren  von  Buchstaben 
und  der  Ausdehnung  des  Namens  mehr  sichtbar  wäre,  da 
er  mit  Odysseus  mehrmals  in  den  berühmtesten  Erieges- 
scenen  und  Unternehmungen  verbunden  wird.  Diess  ge- 
schah nichl  zufällig,  sondern  um  in  einem  Paare  mit  dem 
erfindungsreichen  und  ausharrenden  Odysseus  einen  Helden- 
charakter zu  verbinden,  der  ihm  nach  dem  Achilleus  durch 
seine   eigenthümliche   Heldennatur   am    meisten    von    allen 

molto  chiaro ;  e  deUo  stesso  colore  sono  quelle  parti  de!  disegno 
che  neir  incisione  sono  lasciate  senta  tinta  Tcruna.  La  tinta  chiara 
poi  indica  il  colore  rosso  scuro  soYrapposto,  la  tinta  piik  scura  on 
colore  bruoo  tendente  al  nero. 

tl)  Nicht  zwei  S;  so  AHO  JON,  JAMASinOS  ohne  Doppel- 
buchslaben auf  der  Vase  Francois,  die  übrigens  OAYTEYg  schreibt, 
AnOAON  auf  der  oben  genannten  TitjosTase  und  ähnlich  unzäh- 
ligemal. 


268      Herakles   als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia. 

gewissermassen  entgegengesetzt  zu  werden  verdiente.  Die- 
ser Gegensatz  der  Naturen  ist  auch  von  dem  Maler  aus- 
gedrückt, indem  der  verständig  kalte  und  stets  besonnene 
Odysseus  auf  den  überkräflio^ ,  im  Charakter  des  Ajas, 
vollzognen  Selbstmord  still  gefasst  hcrabblickt  ohne  eine 
Empfindung  noch  Bedenken  zu  verrathen,  Dimedes  dage- 
gen, der  mit  der  Faust  nach  dem  Ohr  greift,  durch  diese 
Beugung  und  Erhebung  der  Arms  offenbar  eine  leiden- 
schaftliche Gemüthsbewegung,  es  sey  des  Bedauerns  oder 
des  Unwillens  ausdrückt.  Uebrigens  ist  zu  denken,  dass 
die  oft  zur  That  verbundnen  zwei  Hauptpersonen  des  Heers 
jetzt  in  müssigem  Zusammengehn  den  im  Verborgnen  ge- 
schehenen Selbstmord  zuerst  entdeckten. 

Wenn  das  fruchtbare  künstlerische  Motiv  des  Con- 
trastes  in  Odysseus  und  Diomedes  nicht  zu  verkennen  ist^ 
so  ist  weiter  zu  vermuthen  erlaubt,  dass  auch  in  den  bei- 
den Henkelgruppen ,  welche  die  längern  Reihen  unterbre- 
chen, nicht  zufällig  ein  Contrast  hervortrit,  da  ein  Con- 
trasi  mehr  wirkt  als  blosse  Verschiedenheit  und  Abwechs- 
lung unter  zwei  Gegenständen.  Die  Gruppe  gegenüber 
stellt  in  für  uns  neuer^  aber  unverkennbarer  Art  eine 
Opferhandlung  dar:  ausser  dem  Altar  sehn  wir  einen  Kra- 
ter mit  zugehöriger  Kanne  zum  Trankopfer.  Diese  Scene 
hat  also  entschieden  den  Anstrich  des  Frommen  und  Hei- 
ligen, und  der  Selbstmord  hatte  dagegen  im  höheren  AI- 
terthum  etwas  so  Anstössiges  dass  die  Leiche  des  Ajas 
nach  dem  Ausspruch  des  Kalchas  und  in  der  Kleinen  Ilias 
nicht  verbrannt  werden  durfte  ^^).  In  ähnlicher  Weise  bil- 
den auch  das  Trinkgelag  der  einen  Hauptseite  und  die 
Schlacht  auf  der  andern  einen  starken  Contrast.  Der  oben 
erwähnte  figurenreiche  Auszug  des  Hektor  hat  gegenüber 


12)  S.  ober  den  Ajas  des  Sophokles  in  meinen  Kl.  Sehr.  2, 
29  t  f.  Philolaos  und  wohl  auch  Pythagoras  erklärten  den  Seibatmord 
für  unerlaubt,  aU   Anhänger  der  alten  Art  und  Zucht,  das*  S.504  f. 


iffiaMiT  mTm  ■ "   M^        ■^■■iMi  iiMM— —^■t iiiiii       w^tMi         I       Tiiiii    Ti'i '~^^l-^-|l —     I  ■  IMTMiWlMi 


Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia.       269 

mit  einer  gewissen  Uebereinstimmung  drei  Reiter  in  ru- 
higem Schritt. 

In  eine  Auseinandersetzung  der  Kampfscenon  der  Rück- 
seite einzugebn,  dürfte  unnöthig  seyn.  Denn  es  leuchtet 
leicht  ein  dass  bei  der  einen  von  drei  Kampfgruppen,  wo 
um  eine  Leiche  gestritten  wird,  nicht  gerade  an  Patroklos 
zu  denken  ist,  wie  im  Cataiogo  del  Museo  Campana  II, 
23  angegeben  ist,  da  das  Gefecht  um  eine  dem  Feind  ab- 
zugewinnende Leiche  auch  überhaupt  als  ein  hitzigster 
Kampf  in  dieser  Art  von  Malern  gebraucht  wurde.  Der 
Bogenschütz  symmetrisch  an  beiden  Enden  der  Reihe  zeigt 
uns  auch  dass  hier  nur  im  Allgemeinen  das  Bild  einer 
Schlacht  gemeint  war. 

Mehr  Anlass  zu  Beobachtungen  und  Yermuthungen  als 
die  Gegenstände  giebt  die  Zeichnung  und  Form  dieseir  Dar- 
stellungen. Die  sieben  oben  bezeichneten  nach  den  Schrift- 
zügen in  den  Namen  bestimmt  zusammengehörigen  Vasen 
stimmen  auch  in  dem  Charakter  der  Auffassung  der  Perso- 
nen, der  Form  und  Bewegung  der  Figuren,  den  vielver- 
sprechenden Vorzügen  und  den  auffallenden  Zeichen  einer 
Anlangspcriode  im  Allgemeinen  zu  sehr  unter  einander 
überein ,  als  dass  es  rathsam  schiene  Unterscheidungen  der 
Zeit  und  der  Schule  zu  versuchen.  Konnte  doch  auch  unter 
den  einzelnen  Malern  ein  grosser  Unterschied  statt  finden. 
Die  Buchstaben  stimmen  so  sehr  mit  der  Schrift  der  bekannten 
Dodwellschen  Vase  aus  Korinth,  jetzt  in  München  ^^),  überein, 
dass,  nachdem  schon  Abeken  dann  Emil  Braun  die  Namen 
von  dieser  und  denen  von  Cäre  zusammengestellt  hatten.  Nie- 
mand zweifelte  die  Schrift  für  die  Korinthische  zu  halten;  die 
übrigens  auch  auf  anderm  Wege  sich  nach  Italien  verbreitet 
hat.  In  seiner  jüngsten  Auslassung  über  die  jetzt  vorge- 
legte Vase  ist  Braun  weitergegangen  und  hat  zwischen  der 
Korinthischen    und    den   Vasen   von    Cäre    „in  Form,  Stil, 


13)  K.  O.  Müller  Denkm.  der  alteo  Kunst  Th.  f.  Taf.  3,  18. 


270      Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia. 

Zeichnung:,  Farbe  und  Firniss"  eine  so  grosse  Ueberein- 
stimmung  gefunden  als  zwischen  dem  Japanischen  Porcel- 
lan  und  der  Nachahmung  desselben  in  Dresden,  so  zwar 
dass  wie  in  diesen,  auch  hier  das  Vorbild  an  Feinheit  und 
Originalität  die  Machbildungen  tibertreffe.  Die  grössere  Ori- 
ginalität müssle  in  grösserer  Unbeholfenheit,  Rohheit  oder 
Mangelhaftigkeit  der  Stellungen  in  vielen  Figuren  liegen. 
Die  Abhängigkeit  im  Allgemeinen  aber  von  der  Korinthi- 
schen Art  auch  in  der  Kunst  darf  natürlich  vorausgesetzt 
werden  bei  der  so  getreuen  Nachahmung  der  Schriftzüge 
und  sie  ist  auch  leicht  zu  erkennen  unerachtet  so  vieler 
Eigenheiten  des  vermuthlich  älteren,  aber  im  Kleinen  mei- 
stentheils  sehr  sorgfältig  und  fein ,  wie  für  eine  vorneh- 
mere Bestimmung,  ausgeführten  Korinthischen  Gef^sschens. 
Leider  besitzen  wir  von  Korinthischer  Kunst  aus  dieser 
Periode  nur  noch  sehr  wenig  Korinthisches  Töpferwerk, 
das  Gef^ss  in  Raoul  Rochettes  Choix  de  peintures  p.  73. 
86  mit  der  Geburt  des  Dithyrambos,  gegenüber  Festschmaus 
und  Procession,  in  der  anfänglichsten  Zeichnung  und  einen 
schön  geformten  Becher,  mit  einem  geraden  Griff  auf  je- 
der Seite,  woran  'nichts  besonders  an  die  Dodwellsche 
Vase  insbesondre  erinnert.  Vorn  ist  Herakles,  der  Ken- 
taur Nessos  und  De'ianira,  hinten  ein  Zwiegespann  in 
vollem  Lauf  mit  einem  sehr  leichten  Wäglein  dargestellt. 
Es  wurde  1835  zwei  Stunden  südlich  von  Korinth  im  Thal 
von  Tenea  aus  einem  Grab  hervorgezogen  '^).  Die  Haupt- 
gruppe bietet  bei  vielen  Zeichen  geübter  Zeichnung  manche 
andre  einer  grösseren  Rohheit  als  die  Vasen  von  Gäre  dar, 
wenn  nicht  auch  hier  schon  wie  aus  Manchem  zu  vermu- 
then  ist,  ein  freier  künstlerischer  Humor  sich  eingemischt 
hat.    Das  Gesicht  der  De'ianira  ist  nicht  weiss  (wenn  diess 

14)  Hercule  et  Nessus,  peinture  d*un  yase  de  Tenöe.  Pro- 
gramme  publik  k  roccasion  de  Fheurease  arriy^e  de  S.  M.  le  roi 
de  BaTi^re  ä  Alh^nes  (par  L.  Roes.)  Äthanes  1835  4lo.  Roas 
arch.  Aufs.  II  p.  344  ff.  Taf.  2. 


rf^^^^JBHBMü^^BUfi&iänB^b^^^^^AaWMriM 


Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia.      271 

nicht  in  der  Abdildung  verfehlt  seyn  sollte,  wie  in  dem 
der  Jole  in  der  unsrigen  zuerst  geschehen  war),  ihr  An« 
zug  ein  vom  Hals  bis  zu  den  Füssen  sehr  eng  anschlies- 
sendes Wollgewand  wie  das  der  heutigen  Albaneserinnen, 
die  Stellung  so  steif  und  hölzern  als  möglich.  Eine  andre 
Bemerkung  Brauns  ist  mehr  überraschend.  Da  nemlich  die 
schon  vorher  durch  ihn  selbst  bekannt  gewordne  schöne 
und  in  ihrer  Art  einzige  Gruppe  aus  der  grossen  Nekro- 
polis  von  Cäre,  ein  Ehepaar  auf  schön  verziertem  Pfühl 
ausgestreckt,  in  gebranntem  Thon,  auch  durch  die  Malerei 
daran  sehr  ausgezeichnet,  und  eine  später  entdeckte  voll- 
kommen ähnliche  kleinere  Gruppe,  die  er  jetzt  zurKennt- 
niss  bringt,  in  den  Physiognumien  unverkennbar  den  natio- 
nal Etrurischen  Charakter  ausdrücken,  so  steht  er  nicht 
an  diesen  auch  den  Gesichtern  auf  unsrerVase  beizulegen. 
Er  bestimmt  ihn  aber  in  diesen  Worsen :  Gli  angoli  interni 
degli  occhi  sono  fortemente  abbassati,  gli  orechi  stanno 
collocati  soverchiamente  alti,  i  conlorni  del  naso  hanno 
una  formazione  peculiare  che  da  nelP  aquilino,  i  capelli 
sono  acconciati  in  modo  da  prendersi  per  perucche,  ma 
piü  di  tutto  le  barbe  hanno  l'aria  d'essere  posticcie.  Die 
Etrurische  Physiognomie  lässt  sich  in  unzähligen  Monu- 
menten, bis  auf  die  kleinen  Aschenkisten  herab,  studieren; 
und  es  würde  an  sich  gar  nicht  auffallend  seyn,  wenn 
man  die  Korinthische  Vasenmalerei  in  einer  Etrurischen 
Fabrik  im  Allgemeinen  eben^so  streng  als  die  sie  begleitende 
Schrift  beibehalten  hätte  und  dennoch  in  den  Gesichtern  ^die 
charakteristischen  Züge  der  nationalen  Etrurischen  Physiog- 
nomie,'' wie  sie  sich  durch  den  gewohnten  Anblick  dem 
Etrurischen  Künstler  eingeprägt  hatten,  herrschend  gewor- 
den wären.  So  kann  man  in  so  vielen  der  schönsten  Ge- 
mälde in  Pompeji  eine  vorherrschende  örtliche,  in  Gemäl- 
den einer  alten  Cölnischen  Malerschule  die  zur  Zeit  in 
Cöln  besonders  oft  vorkommende  beliebteste  Gesichtsbil- 
dung erkennen.  Doch  möchte  ich  vorläufig  Brauns  Behauptung, 


272      Herakles  als  Gast  bei  Eurytos  von  Oecbalia. 

auch  wenn  ich  die  oben  gemachte  Bemerkung  in  Bezug 
auf  falsch  abgeschriebene  Namen  hinzunehme,  nicht  als 
Beweis  dafür  gelten  lassen,  dass  der  Maler  derselben  ein 
Elrurier  gewesen  sey*^).  Früher,  im  Bulleltino  von'  1849 
p.  73.  hatte  Braun  einmal  in  dem  Umstände  dass  in  Korinth 
im  Jahr  1846  eine  Trinkschale  mit  dem  Namen  des  TIeson 
gefunden  war^  unter  welchem  unzählige  andre  ganz  ähn- 
liche aus  Gräbern  Italiens  hervorgezogen  sind,  einen  „bei-^ 
nah  entscheidenden^  Grund  dafür  erblickt,  dass  die  Vasen 
überhaupt  eingeführt,  nicht  in  Italien  fabricirt]worden  seyen. 
Die  grosse  Menge  der  Vasen  aus  Gäre,  welche  durch  die 
vieljährigen  Nachgrabungen  des  Marchese  Campana  zusam- 
mengekommen und  die  glücklicherweise  zusammengeblie- 
ben sind ,  wird  überhaupt  viele  Aufschlüsse  darbieten^ 
wie  Braun  im  Geiste  vorauszusehn  noch  die  Freude  ge- 
habt hat  ^^).  Man  wird  namentlich  noch  andre  der  hier 
besprochnen  Klasse  oder  Periode,  mit  oder  ohne  Schrift, 
in  die  Vergleichung  herein  ziehn;  man  wird  vielleicht,  da 
die  archaischen  Vasen  eine  allgemeine  und  vorherrschende 
Uebereinstimmung  in  Geist,  Stil,  Composition  zeigen,  zum 
erstenmal  die  feineren  Unterschiede  an  denen  einer  be- 
stimmten bedeutenden  Schule  erkennen  und  dadurch  ange- 
leitet werden  den  Charakter  auch  andrer  Orte  zu  unter- 
scheiden, ungefähr  wie  der  Kenner  die  primitive  Kunst  der 
Malerei  in  Italien  nach  ihren  verschiedenen  Hauptstädten 
augenblicklich  unterscheidet,  während  der  minder  Einge- 
weihte mehr  oder  fast  nur  den  Charakter  des  Jahrhunderts 


15)  Diese  Behauptung  scheint  hier  nur  yon  dieser  einen  Vase 
abgeleitet  zu  seyn,  ist  aber  in  den  Annali  1855  p.  67  bei  dem 
figurenreichen  Auszug  des  Hektor  allgemeiner  ausgesprochen. 

16)  Im  Bullett.  1856  p.  26  —  attesochd  in  questo  modo  si 
creano  serie  imponenti  di  monumenti  della  medesima  proyenienia 
fabbrica  e  stile ,  e  se  una  Tolta  tulto  il  ritrovato  sara  sistematica- 
mente  accomodato»  si  potrii  sciogiiere  con  un  solo  colpo  d*occhio 
problemi,  che  oggi  sono  sorgente  di  grandi  discordie  tra'  dotti. 


nr — . — 


^>.^^i^^»*M^i^— ■^—»-fcp^^^B^^—^l*!  ■  1 1      ■ 


Herakles  bU  Gast  bei  Eurytos  von  Oechalia.      273 

und  des  Landes  in  ihr^  aufifasst:  man  wird  die  frühzeitig 
in  Gäre  entstandnen  Vasen  von  andern  Orten  her  im  Han- 
del oder  durch  Zufall  eingeführten  übereinstimmender  Zeit 
und  Art  absondern  können.  Man  wird  auch  vielleicht  aus 
in  Gäre  gefundnen  Vasen  verschiedner  Jahrhunderle  und 
noch  mehr  vieler  Orte  eine  Sammlung  bilden  fast  so  ge- 
mischt als  unsre  Museen  und  Vasenwerke  sie  darbieten  '^). 
Fremdartige  und  nur  oberflächlich  bekannte  Gegenstände 
und  besonders  Fragmente  edeler  Litleratur  und  Kunst 
können  durch  eine  genauere  Betrachtung  und  Untersuchung 
als  deren  sie  vorher  würdig  schienen,  eine  unerwartete 
Wichtigkeit  gewinnen.  In  Hinsicht  der  archaischen  Vasen 
und  insbesondere  deren  von  Gäre  ist  vielleicht  Braun  der 
Einzige  bis  jetzt  gewesen  der  in  ihre  Eigenthümlichkeit 
und  ihren  Werth  tiefer  einzudringen  sieh  bemüht  hat,  be- 
sonders in  seinen  Erklärungen  der  Vase  Fran^ois  und  der 
zwei  mehrgenannten  von  Cäre.  Scharfsinnig  und  feinsin- 
nig, wie  er  war,  erkannte  er  „grandiose  Einfachheit  und 
in  jeder  Bewegung  tiefen  Sinn,"  „höchst  originellen  Stil 
und  genialen  Geist  (spirito  ingenuo),"  wo  die  welche  sich 
nicht  die  Mühe  gegeben  haben  den  Werth  im  Einzelnen 
zu  untersuchen,  wozu  viel  Zeit  und  Vergleichung  aller  in 
diese  Kategorie  gehörenden  Vasen  gehört,  nur  abschreckende 
Anfangsversuche  zu   erblicken   scheinen.     Wenn    er    dann 


17)  Eine  Uebersicht  yod  in  Gäre  seit  1831  gefundnen  Vasen 
giebtOlto  Jahn  Vasensammlung  König  Ludwigs  S.  LXVl  f.  Darun- 
ter sind  auch  eine  ron  Chariläos ,  eine  Ton  Xenokles  und  einige  Ton 
Nikosthenes,  Von  dem  letzten  sind  auch  viele  aus  V^ulci,  eine 
aus  Agrigent  bekannt  (  R.  Röchelte  Lettre  &  Mr.  Schorn  1845 
p.  54  /.)  ferner  drei  in  meinen  Nachträgen  zum  Verzeichniss 
der  Kunstler  im  Rhein.  Mus.  1&47  6,  395  f ,  eine  bei  Dcpoietti 
(Panofka  Namen  der  Vasenbildner  1848  8.  '28  f.)  Vgl.  ßiaun  im 
Builett,  1849  p.  84  Archaeol.  Brit.  32,  255  pl.  16.  Von  Xenokles 
führt  R.  Röchelte  p.  62  drei  Stücke  an,  ron  Charitäos  zwei  p.  36. 
Alle  drei  aber  waren  nicht  Maler,  sondern  Fabrikanten  (EUOIE^EN)- 

V.  18 


276  Danae. 

Perseus  sind  die  zwei  Hauptpunkte  an  beiden  Seiten  ver- 
einigt, auf  der  einen  die  Emprängniss  der  Danae ,  auf  der 
andern  ihre  Einschliessung  mit  ihrem  Knäbchen  in  den 
Kasten,  worin  sie  in  das  Meer  ausgesetzt  werden  soll. 
Vornehm,  fein  und  zierlich  erscheint  alles  äusscriiche,  im 
ersten  Bilde  die  Kammer  der  Danae,  worin  ein  Spiegel 
und  ein  Kleidungsstück,  vielleicht  eine  Kopfbedeckung 
(x6XQV(paXog)  aufgehängt  sind,  ihr  Ruhebett,  woran  die 
säulenartigen  Füsse  mit  Schnitzwerk  von  Blumen  und  Ster- 
nen^ wie  mit  letzteren  auch  dor  Kasten  auf  der  anderen 
Seile,  verziert  sind.  Um  zu  zeigen  dass  es  an  Kissen  nicht 
fehle,  ist  unten  eines  angebracht,  gerad  in  die  Höhe  ste- 
hend, eben  so  wie  der  aufgesperrte  Deckel  des  Kastens 
nur  als  eine  gerade  schmale  Linie  schräg  in  die  Höhe 
steht,  wodurch  ebenfalls  nicht  die  wirkliche  Erscheinung, 
sondern  nur  der  Begriff  der  Sache  ausgedrückt  ist.  Die 
beiden  hinteren  Füsse  des  Betts  sind  hinzuzudenken,  als 
wären  sie  durch  die  vorderen  durchaus  verdeckt;  die  weite 
und  reiche  Decke  ist  über  das  ganze  Bett,  die  Pfosten  ein- 
geschlossen, ausgebreitet,  so  dass  sie  über  diese  und  vorn 
ziemlich  tief  herabhängt,  wodurch,  blos  aus  Mangel  per- 
spectivischer  Auffassung  und  Kenntniss,  der  Schein  entsteht 
dass  das  Bett  sich  elastisch  senke ,  während  es  in  der  That 
fest  auf  der  an  den  Enden  sichtbaren  Brellerdecke  ruht. 
Nur  die  reiche  Fülle,  wie  die  Zierlichkeit  des  Betts  sollten 
hervorgehoben  werden. 

Sehn  wir  auf  den  Ausdruck  der  Personen.  In  dem 
ersten  fällt  der  goldne  Regen  in  langgezo|^enen  Tropfen 
nieder:  in  ihm  ist  Zeus,  dieser  hat  sich  in  ihn  verwandelt. 
So  ist  das  Mysterium  dieser  Zeugung  weislich  nur  angedeutet, 
wie  auch  von  den  Dichtern  geschieht,  von  Sophokles  (Antig. 

IkS.  48  getäuscht  worden  ist.  Das  Wandgemälde  ist  edirt  von  R. 
Rochelle  in  den  Peiut.  de  Pomp.  1  pl.  14,  der  auch  schon  vou 
der  Gampanaschen  Vase  eine  Zeichnung  als  Vignette  und  eine  Br— 
klärung  derselben  giebt  p.  181.  189  ss. 


KT--'- 


Danae«  277 

950  Zt^vog  ta[it€t}€(fx€  yordg  xQ^^OQVtovg^ ^  Ovid  (Met.  IV, 
610  piuvio  conceperat  auro,  1.  aureo,  697  clauso  implevit 
foecundo  luppiter  auro),  von  Horaz,  von  dem  man  sich 
nur  wundert  den  platten  Witz  der  pragmatischen  My- 
thologen,  die  das  Beiwort  golden  auf  Verführung  durch 
Goldgeschenke  deuteten  an  der  Stelle  des  himmlischen  Re- 
gens, aufgenommen  zu  sehen  3).  Dem  Logographen  Phe- 
rekydes  erschien  wohl  das  Wunder  des  goldnen  Regens, 
bezogen  auf  die  historische  Person  Danae,  allzumystisch 
und  er  suchte  daher  die  Sache  anschaulicher  zu  machen 
indem  er  sagte ,  dass  in  dem  vom  Dach  nieder  strömenden 
Regen  Zeus  sich  der  Danae  zu  erkennen  gegeben  habe*). 
Will  man  daraus  zwei  verschiedne  Acte  nachen,  den  Re- 
gen zum  ^Vorzeichen  eines  noch  bevorstehenden  Götter- 
besuchs, einer  nachfolgenden  leibhaften  Erscheinung  des 
Zeus  ,^  so  hebt  man  den  Zusammenhang  mit  dem  Urmy- 
thus ,  von  welchem  der  zeugende  Regen  der  Kern  ist,  auf: 
der  Regen  hat  nur  die  Bedeutung  geändert,  ist  zu  einer 
magischen  oder  mährchenhaften  Kraft  aus  einer  physischen 
so  wie  Danae,  die  von  ihm  unzertrennliche,  wie  es  scheint, 
aus  der  dürstenden  Erde  zur  Königstochter  geworden.  Zu- 
gleich geht  man  damit  leicht  in  einen  Kreis  von  Vorstel- 
lungen ein,  die  dem  Alterthum  fremd  sind,  wenn  nicht 
vielmehr  diese  hinzugebrachten  und  hier,  wenn  ich  meine 
Ueberzeugung  aussprechen  soll,  am  allerwenigsten  anwend- 
baren Vorstellungen,  auf  eine  so  gezwungene  unnatür- 
liche Auslegung  des  Pherekydes  geführt  haben  ^). 

3)  Gonrerso  in  pretium  deo,  woran  aber  bei  Eratosthenea 
GatasU  22  tfj  Javäp  Ztvs  fug  /^vcoc  ifÄiytj,  eben  so  wenig  gedacht 
werden  kann  als  bei  j^^t;(rd;iar^o(,  wie  Lykophroa  den  Perseus 
nennt. 

4)  Pherekydes:  igauMs  dt  Ztvs  J^s  nat&og ,  ix  rov  oQotfov 
XQvaionttQanki^aiosi^X^oWoAoT  11,4,  1  dq  XQ^^^^  fAira/LioQqoid'Hg)  ^tl, 
fl  dt  inodij(tTtti  iip  xoXn^  xai  ixtfrii/as  avibv  6  Ztvg  r?  nuidl  fiiyvviat, 

5)  „In  dieser  Beschäftigung  mit  ihrem  Putz  (so  hat  auch  R. 
Rochette   yerstanden)   wird   sie    durch    das   aus   der  Höhe  ihr  na- 


278  Danae. 

Danae  sitzt  auf  dem  Bette  ^  die  Füsse  auf  einen  zier- 
lichen Schemel  gesetzt,  wenig  zurückgelehnt,  aufwärts 
schauend  und  mit  beiden  Händen  in  der  Nähe  der  Schul- 
tern den  Peplos  fest  haltend,  der  wie  zu  einem  Bande 
zusammengezogen,  auf  dem  Hinterhaupt  hinter  dem  auf- 
gebundenen Haare  festsitzt.  Man  muss  das  Bild  unter  Au- 
gen haben  und  sich  erinnern  wie  Correggio  u.  a.  grosse 
Maler  eine  Danae  oder  Leda  gemalt,  oder  auch  wie  Grie- 
chische Bildhauer  und  Steinschneider  in  einer  späteren  Zeit 
Leda  mit  dem  Schwan  dargestellt  haben  ^,  Wenn  darin 
und  in  jenen  Gemälden  neuerer  Zeit  das  Streben  nach  der 
ausdruckvollsten  Naturwahrheit  unverkennbar  ist,  so  ist  in 
dem  alten  bewundernswerth  die  Zurückhaltung  und  Fein- 
heit, womit  es  in  der  Erscheinung  der  Danae  anzudeuten 
weiss    was  der  goldne   Regen  bedeutet.    Wir  erkennen  in 

hende  Wahrzeichen  überrascht ;  doch  giebt  ihr  träumerisch  auf- 
wärts gerichteter  Blick  yielmehr  die  Demuth  kund  ,  mit  welcher 
sie,  einer  Prophetin  yergleichbar,  der  Offenbarung  des  Zeus  harrt, 
als  dass  der  ihrem  Schoos  zuträufclnde  goldne  Regen  alle  gemein-i 
hin  darin  gesuchte  Liebesgunst  ihres  göttlichen  Freiers  bereits 
ihr  zutragen  sollte.**  Ausdrücke  wie  ,,  Braut  und  £rwählte  des 
höchsten  Gottes/*  „begnadigen/*  ,, herablassendes  Bündniss  mit 
Sterblichen**  u.  a.  erläutern  den  inneren  Zusammenhang  dieser 
Auffassung,  wonach  die  „  Voraussetzung  mehr  übersinnlicher  als 
fleischlicher  Sehnsucht**  auch  bei  dem  Maler  des  Bildes  gerech  - 
fertigt  seyn  würde,  trotz  dem  dass  schon  Homer  des  Zeus  Liebe 
zur  Danae  in  ähnlicher  Weise  „  ausgebeutet  habe,  wie  die  ur> 
sprünglich  als  heilige  Frühlingshochzeit  yon  Himmel  und  £rde 
gedachte  yon  Zeus  und  Hera  ihm  zum  Triumphe  des  Aphrodisi- 
schen Gürtels  ausschlug.*' 

6)  Hiermit  macht  ein  zu  Müllers  Archäol.  $.351,  3  ange- 
führtes Gemälde  in  Mosaik  aus  Xanthos  einon  sehr  schönen  Ge- 
gensatz. Möchte  es  in  dem  yon  Sir  Fellows  zu  yerhoffenden 
Kupferwerk  nicht  fehlen  und  dieses  nicht  allzulang  auf  sich  war- 
ten lassen.  Sehr  beachtenswerth  in  derselben  Hinsicht  ist  auch 
eine  a.  a.  0.  nicht  erwähnte  Pajne  Knightsche  kleine  Bronze  im 
Frittischen  Museum  ,  Leda  sitzend,  den  Schwan  auf  ihrem  Schooiei 
der  sie  bescheiden  kusst. 


M&^Uä^^aMM»^MM^HaBk^iM»aMCkta 


Danae.  279 

dem  vollen  Anzug  der  Danae  und  einigem  Ändern,  indem 
die  sinnliche  Wahrheit  einem  Höheren  untergeordnet  ist, 
den  dem  Genius  der  Griechischen  Kunst  wie  Poesie  ange- 
borenen Zug,  über  die  Nachahmung  der  Natur  und  Wirk- 
lichkeit sich  mit  Motiven  aus  dem  freien  Gedanken,  oder 
auch  aus  der  augenblicklichen  Situation  hinwegzusetzen, 
das  Princip  welches  Göthe  für  die  Kunst  überhaupt  festzu- 
stellen unablässig  gestrebt  hat.  Es  wird  keine  Täuschung 
seyn  wenn  man  zugleich  aus  diesem  Anstands-  und  Zart- 
gefühl des  Künstlers  einen  Schluss  macht  auf  Sitte  und  Ge- 
schmack des  Zeitalters. 

Im  andern  Bild  hat  Danae  dasselbe  feine  und  schöne 
Gesicht;  auf  dem  Kopf  aber,  da  sie  hier  nicht  im  Wohn- 
oder Schlafzimmer  erscheint,  eine  mit  Zacken  geschmückte 
Stephane.  Es  ist  der  Augenblick  wo  der  Wille  des  Akri- 
sios  ausgeführt  werden  soll.  Der  Kasten  ist  fertig,  der 
Deckel  geöffnet,  Akrisios  befiehlt,  Danae  steht,  wohl  nicht 
schon  in  dem  Kasten  aufrecht,  sondern  dahinter,  um  eben 
hineinzusteigen.  Sie  hält  den  kleinen  Perseus  auf  dem 
linken  Arm  an  sich  und  streckt  den  rechten  empor,  indem 
sie  nach  ihrem  Vater,  der  mit  ausgestrecktem  Arm  gebie- 
tend ihr  das  Urtheil  nochmals  verkündet,  das  Gesicht  ge- 
wandt hat,  mehr  als  ob  sie  ihm  unter  Betheurungen  Vor- 
würfe machte,  als  wenn  sie  ihn  um  Hitleid  oder  als  ob 
noch  Hoffnung  wäre  anflehte.  Der  Zeitpunkt  den  Blick  auf 
ihr  Kind  zu  heften^  und  der  an  Zeus  ihre  Klage  und  Ge- 
bet zu  richten ,  wie  es  von  Simonides  in  unnachahmlichen 
Worten  ausgedrückt  wird,  steht  nahe  bevor.  Der  Knabe, 
nichts  von  dem  Allen  verstehend  (er  ist  nur  des  Bildes 
wegen  etwas  grösser  gemalt  als  sein  Alter  angegeben  wird] 
hält  auf  der  Hand  wie  spielend  seinen  Spielball.  Ein  Con- 
trast,  ein  Motiv  der  Rührung,  die  keiner  Erklärung  be- 
dürfen. Auf  der  andern  Seite  des  Kastens  der  Zimmer- 
mann, der  ihn  gemacht  hat,  wie  das  neben  ihm  liegende 
Beil  andeutet,  jetzt  bestimmt  den  Deckel  zu  verscbliessen, 


^  l 


280  Danae. 

sobald  Danae  mit  ihrem  Sohn  darunter  eingesargt  seyn 
wird.  Er  setzt  mit  der  Linken  einen  länglich  viereckten 
Stöpsel  mit  einem  schmäleren  Ende  auf  den  Kasten  und 
hält  daran  mit  der  rechten,  wie  anpassend,  einen  unten 
und  oben  eigen  zugeschnittnen  Stab,  fast  von  der  ganzen 
Länge  der  Breite  des  Kastens,  etwas  schräg  über  diesen 
hin.  Es  muss  diess,  obgleich  der  Mechanismus  selbst  un- 
bekannt ist,  eine  Art  festen  Verschlusses  bedeuten,  durch 
eine  der  nicht  seltnen  Anticipationen,  indem  der  Augen- 
blick so  nah  ist  wo  Danae  in  den  Kasten  gebracht  und 
der  Deckel  über  sie  gedeckt  seyn  wird  ^).  Zu  diesem  Zim- 
mermann gehört,  wie  bei  Akrisios  dessen  Name  geschrie- 
ben ist,  das  in  dieser  Klasse  von  Gemälden  fast  unver- 
meidliche H0nAIIKAA02,  Da  es  hier  nicht  wohl  ein 
Bravo  dem  Meister  bedeuten  kann,  den  Knaben  Perseus 
sicher  nicht  angeht,  an  die  Palästra  doch  in  derThat  auch 
nicht  zu  denken  und  überhaupt  eine  bestimmte  besondre 
Beziehung  nicht  leicht  zu  vermuthen  ist,  so  möchte  man 
eher  annehmen,  dass  die  Formel  gesetzt  sey,  damit  dem 
AKP12102  gegenüber,  wie  die  beiden  männlichen  Figu- 
ren überhaupt  symmetrischen  Bezug  haben,  die  Inschrift 
nicht  fehle,  also  jene  gemeine,  vieldeutige  Formel  nur  .für 
0  dtXva  gelle,  indem  die  untergeordnete  Person  natürlich 
im  Mythus  keinen  Namen  hatte  ^). 

In   Pompeji  ist  in  Wandgemälden   die  Liebe  des  Zeus 
zur  Danae   in  verschiedener  Weise  dargestellt,  wie  Avel- 


7;  Bohren  eines  Lochs  ( —  adoperandosi  col  trapano  a  formare 
un  foro  nella  cassa  coli'  oggctto  di  chiuderla  o«  di  connetterla 
was  auch  R.  RocheUe  annimmt)  scheint  nicht  ausgedrückt  zu  seyn: 
auch  ist  der  Deckel,  in  welchen  es  gebohrt  werden  müsste,  auf- 
gesperrt.    Dieser  Nebenumstand  ist  völlig  unklar. 

8)  Diese  Hypothese  mag  noch  hinzutreten  zu  Allem  was  O. 
Jahn  in  der  dem  Vasenstudium  höchst  ersprieslichen  Einleitung 
zu  seiner  Vasensammlung  des  Königs  Ludwig  S.  GXXI  ff.  so  ein« 
sichtsToIl  als  gedrängt  zusammengestellt  bat. 


i4dd^ZSJBBKaGM^^;^äiMita^«^^^^^MtaÄitaMMHai 


Danae.  281 

lino  in  dem  oben  angeführten  Artikel  bemerkt.  Schön  Te- 
renz  erwähnt  eins  im  Eunuchen  (III^  3,  36).  Abgebildet  ist 
eins  im  Museo  Borbonicö  11^  36  (bei  Zahn  Taf.  68).  Da- 
nae ,  die  hier  zum  Gegenstück  einer  auf  Felsen  über  ihrer 
Urne  gelagerten  Najade  dient,  sitzt  ebenfalls  auf  Felsen: 
gelehnt  an  eine  Felswand,  Gebüsch  und  ein  Baum  vor  ihr, 
beide  Figuren  mehr  als  halb  nackt.  Auf  Danae  fallt  aus 
einer  Wolke  gerade  herab  ein  Erguss ,  den  sie  zu  sam- 
meln Anstalt  macht,  indem  sie  mit  der  Hand  ein  Ende  des 
Gewands  emporhält;  also  Goldstücke  und  in  der  Figur  kein 
besondrer  Ausdruck.  Ein  andres  M.  Borb.  XI,  21,  un- 
künstlerisch und  sehr  gekünstelt.  Danae  steht,  mit  beiden 
Händen  ihr  weites  Gewand  zur  Seite  schlagend ;  Amor 
schüttet  von  oben  aus  einem  Gefäss  Goldstücke  auf  sie 
herab;  unten  neben  ihr  ein  ungeheurer  Blitz.  Zum  Ge- 
genstückdient hierLeda.  Auch  in  XI,  57,  als  Venus  edirt, 
vermuthet  R.  Rochette  denselben  Gegenstand. 

Die  Darstellung  des  Vasengemäldes  ist  nach  der  Sage, 
es  enthält  ein  historisches  Ereigniss,  nicht  ausgeschlossen 
das  Wunder  des  in  den  goldnen  Regen  verwandelten  Zeus, 
da  dem  Glauben  das  Wunder  wirkliche  Begebenheit  ist. 
Die  dämonische  Bedeutung  des  Perseus  wird  dadurch  nicht 
beeinträchtigt,  und  es  ist  möglich  dass  die  zur  Verzierung 
angebrachten  Sterne  darauf  anspielen  sollten.  Doch  im 
Allgemeinen  ist  in  der  Kunst  wie  in  der  Sage  das  natür- 
lich Menschliche  herrschend.  Die  Grenzlinie  zwischen  sym- 
bolischen Bezügen  in  Nebenwerk  und  dem  natürlich  Cha- 
rakteristischen ist  nicht  immer  ganz  leicht  zu  finden.  Doch 
scheint  es  allerdings  nur  eine  Nachwirkung  einer  früher 
oft  bemerklichen  archäologischen  Krankheit  der  Vasener- 
klärung, wenn  man  bei  dem  Ball,  den  der  kleine  Per- 
seus, so  nah  der  ihm  unbewussten  Gefahr,  nicht  aus  sei- 
nem Händchen  lässt,  darüber  nachsinnt,  ob  der  Ball  etwa 
darauf  anspielen  sollte,  dass  Perseus  als  Sonnenheld  (eroe 
solare)  den  Apollon  verehrte,   oder  dass  er   auf  dem  Erd- 


282  Danae. 

ball  viel  herumgekommen,  oder  dass  auch  Zagreus  und 
Zeus  als  Kinder  mit  dem  Ball  spielten,  als  jener  getödet 
und  dieser  durch  den  Scbildlärm  der  Kureten  gerettet 
wurde,  oder  auf  vernichtete  Erfolge  der  verfrühten  Win- 
tersaat. Gegen  dergleichen  erklärte  sich  auch  R.  Rochette, 
der  auch  die  Sterne  an  Bett  und  Kasten  nur  als  Verzierung 
im  vornehmen  Hause  beurtheilt.  Die  Symbolik  der  Natur- 
mythen und  die  Nachahmung  menschlicher  Verhältnisse, 
oft  sehr  romantischer  Natur,  sehr  wunderbarer  Art,  sind 
ganz  verschiedene  Dinge;  und  es  möchte  am  besten  seyn 
von  der  Betrachtung  rein  künstlerischer  und  dichterischer 
Dinge  die  Untersuchung  über  die  Urbedeutung  des  Natur- 
mythus so  viel  möglich  getrennt  zu  halten,  wie  ja  ohnehin 
der  Process  der  Verw^andlung  nicht  am  einzelnen  Mythus, 
sondern  nur  in  grösserem  Zusammenhang,  wie  auch  der 
zwischen  Raupe  und  Schmetterling  erforscht  werden  kann. 
Dem  Künstler  geschieht  Unrecht  wenn  man  ihm  eine  Gei- 
stesthätigkeit  wie  sie  zur  Erfindung  eines  rebus  erforder- 
lich ist  oder  grossen  Hang  zur  Gelehrsamkeit  zutraut. 


X.Uäi 


■MH 


Danae  wird  in  den  Kasten  eingeschlossen  ^). 


Taf.   XVII,  2. 

Dieser  Gegenstand  von  der  Vorderseite  einer,  ver- 
muthlich  aus  Vulci  herrührenden  Amphora  ist  uns  im  Va- 
senbilde nicht  neu.  Aber  wenn  die  Neuheit  einer  mythi- 
schen Erscheinung  in  dem  eigenthümlichen  Styl  der  Vasfm 
ihre  Merkwürdigkeit  hat,  so  ist  es  gewiss  nicht  von  e 
ringerem  Belang  an  verschiedenen  im  Wesentlichen 
sammenstimmenden  Darstellungen  desselben  Gegenslanoss 
den  Unterschied  der  Zeit  und  der  Motive,  den  Fortrennt 
in  der  höchst  merkwürdigen  Entwicklung  dieser  vai  wer 
einfachsten  Regel  und  von  sinniger ,  überlegter 
ausgehenden  Kunstwoise  wahrzunehmen. 

Der   Kasten,    in   welchen   die    mit  ihrem 
dem    Arm   dastehende   Danae   eingeschlossen 
steht  bereit:  der  Verfertiger  passt  nochmals 
um  zu  sehn  ^  ob  er  auch  recht  fest  schliesseo 
dient  dazu  die  Vorstellung  des  drückenden 
der    finsteren   Dunkelheit  ^)    hervorzurnkL 


1)  Mon.  Annali    e  ßull.    del    InsL 
37.  38. 

2)  SimoDides  in  dem  Gebet  der  ii 
Danae  an  Zeus :  iv  angnti  doiigan 


284        Danae  wird  in  den  Kasten  eingeschlossen. 

Künstler  (Tckton)  steht  Akrisios,  der  mit  aufgehobnen  Fin- 
gern den  harten  Befehl  aufrecht  erhält.  Ihm  aber  ist  auf 
der  andern  Seite  des  Kastens  ein  Weib  mit  Heftigkeit  ent- 
gegengetreten^ das  nur  seine  Gemalin,  Eurydike  von  Apollo- 
dor  genannt,  seyn  kann.  Die  Mutter  muss  natürlich  die  grau- 
same Strafe  verabscheuen  und  ihre  gegen  Akrisios  ausge- 
streckten Arme  und  der  weil  offne  Mund,  welcher  laute 
Klagen  und  Bitten  ausdrückt,  zeigen  wie  sehr  sie  es  thue. 
Die  trockne,  ruhig  ernste  Miene  des  Akrisios  contrastirt 
mit  der  Heftigkeit  seiner  Gattin.  Danae  selbst,  hinter  die- 
ser, macht  auch  Yorstelhmgon  aber  sanfter,  wie  sowohl 
ihre  erhohene  Hand  als  ilir  Mund  wohl  unterscheiden  lassen. 
Die  früher  bekannte  Darstellung  an  einem  Krater  aus 
Gäre  ist  als  Vignette  gezeichnet  in  R.  Rochetles  Peintures 
de  Pompei  p.  181,  und  in  farbiger  Abbildung  herausgege- 
ben von  Ed.  Gerhard  in  einem  Programm  zum  Winckel- 
mannsfest  in  Berlin  1854  ^).  Hier  erblicken  wir  eine  weit 
vorgesciirittne  und  verfeinerte  Kunst.  Auf  der  einen  Seite 
des  Kraters  ist  die  Empfängniss  der  Danae  von  Zeus  nach 
wahrhaft  genialischer  Erfindung  dargestellt.  Das  Bild  der 
Einschliessung  in  den  Kasten  ist  offenbar  nach  Vorbildern, 
unter  welche  auch  unsre  jetzt  an  das  Licht  tretende  Zeich- 
nung gehört,  angelegt.  Der  Künstler  hat  sich,  um  zuerst 
auf  die  Composition  zu  sehen,  auf  drei  Figuren  beschränkt, 
die  Danae  unmittelbar  neben  den  Kasten  gestellt ,  so  dass 
sie  nur  halb  sichtbar  ist.  Die  Rechte  erhebt  sie  auch  hier 
mit  Vorwurf  oder  mit  einem  letzten  Versuch  der  Bitte  an 
Akrisios,  der  ihr  seinen  Arm  gebietend  entgegen  streckt. 
Wenn  in  dem  älteren  Gemälde  die  Verzweiflung  der  Mut-> 
ter,  welche    hier    weggelassen   ist,   auf  unsre   Sympathie 


3)  Besprochen  hatten  das  sehr  ausgezeichnete  Monument  yor- 
her  der  Besitzer,  Marcbese  Gampana  selbst  im  Bullettino  1845  p. 
214—218,  dann  R.  Rocheitc  a.  a.  0.  p.  189  ff.  Auch  ich  schrieb 
nach  Gerhard  darüber  (Rhoin.'Mus.  1855  X,  235— 241  ob.  S.  275  ff.). 


^l^^25!JBBlBBDHiKi2siE^MMi 


Danae  wird  in  den  Kasten  geschlossen.  285 

wirkt,  so  findet  der  spätere  Künstler  ein  Mittel  uns  zu  er- 
schüttern dadurch  aus  dass  der  Deckel  des  Kastens  hoch 
aufgesperrt  und  also  der  Augenblick  der  schrecklichen 
EinSchliessung  in  den  Kasten,  an  welchem  Danae  schon 
steht,  ganz  nahe  gerückt  ist.  Der  Arbeitsmann,  da  er  hier 
nicht  den  Deckel  probirt,  beschäftigt  sich  dafür  mit  einem 
langen  Instrument  oder  einer  Stange,  von  der  man  unter 
andern  auch  vermuthen  könnte,  dass  sie  von  Eisen  und 
nachdem  der  Kasten  geschlossen  seyn  würde,  zur  Befe- 
stigung oben  auf  genagelt  zu  werden  bestimmt  sey.  Der 
Knabe  Perseus  auf  dem  linken  Arm  seiner  Mutler  begreift 
auch  auf  dem  älteren  Bilde  nicht  was  bevorsteht,  sondern 
fasst  ganz  behaglich  sich  an  der  Brust  seiner  Mutter  fest 
—  denn  flehen  auch  von  seiner  Seite  oder  Widerstreben 
sollen  wohl  seine  ausgestreckten  Hände  nicht  ausdrücken  — 
während  er  in  dem  jüngeren  Gemälde  harmlos  seinen 
Spielball  in  der  Hand  hält.  Noch  rührender  ist  der  Con- 
trast  bei  Simonides,  wo  er  süssen  Schlaf  in  dem  dunkeln 
Kasten  schlummert  indessen  die  Mutter  um  seinetwillen 
Verzeihung  von  Zeus  fordert*). 

Den  Abstand  der  Richtigkeit  und  anständigen  Zier- 
lichkeit der  Zeichnung  in  Stellung,  Haltung,  Gewändern 
des  früheren  Gemäldes ,  obgleich  auch  dieses  grosses  Lob 
verdient,  von  dem  späteren  ist  es  besser  mit  dem  Auge 
zu  messen  als  aus  immer  unbestimmten  Phrasen  zu  ent- 
nehmen. Man  vergleiche,  um  nur  Eines  zu  nennen,  den 
weiten  Aermel  desAkrisios  in  dem  letzteren  mit  dem  noch 
weiteren  desselben  in  dem  andern  wo  er  den  ganz  wei- 
ten der  beiden  Frauen  wenig  nachgiebt. 

Die  Bückseite  der  hier  zuerst  bekannt  gemachten 
Amphore  enthält  drei  kriegerische  Figuren ,  einen  Trom- 
peter und  zwei  Kämpfer,   der  mittlere  mit  grossem  rundem 


Xcthtioy6fji(f(^^ 


286  Danae  wird  in  den  Kasten  geschlossen« 

Schild  und  hohen  Knemiden,  dessen  Helm  noch  abgesetzt 
auf  einem  Steinwürfel  ruht,  so  wie  der  andre  den  seinigen 
in  der  Hand  hält,*  vermuthlich  nur  weil  die  unbehelmten 
Männer  bis  an  den  vorgezeichneten  Rand  reichen  und  für 
die  Helme  kein  Raum  übrig  war. 


i^toiWbHä^^^riili 


Die  Ermordung  des  Aegisthos  und  Klytäm- 
nestras   Schatten  mit  den  Erinnyen^). 


Taf.    XVIII. 

Da  in  diesen  letzten  Jahren  die  Nachgrabungen  in 
Etrurien  und  anderwärts  nachgelassen  haben,  so  sind  die 
Vasen  die  uns  neue  und  merkwürdige  Compositionen  dar- 
bieten ,  seltner  geworden.  Um  so  mehr  war  ich  erfreut 
eine  solche  bei  Herrn  Baseggio  zu  finden  und  von  ihm  die 
Erlaubniss  zu  ihrer  Bekanntmachung  zu  erhalten.  Der  Ge- 
genstand derselben  gehört  im  Allgemeinen  zwar  zu  den 
bekanntesten:  manches  neue  aber  in  den  Gemälden  beider 
Seiten  dieser  grossen  Amphora  giebt  der  Darstellung  grosse 
Wichtigkeit.  Wenn  der  Meister  des  Styls  sich  zeigt  in 
dem  was  er  unausgesprochen  lässt,  so  besteht  ein  Verdienst 
dieser  alten  Gemälde  oft  in  dem  Gedanken  der  durch  das 
Ganze  geht  und  nicht  bloss  Nebenpersonen ,  sondern  selbst 
Scenen,  die  zur  mythischen  Vollständigkeit  gehören,  nur 
voraussetzen  lässt  ohne  sie  dem  Auge  vorzuführen. 

Aegisthos  ist  plötzlich  überfallen  j  vor  Schrecken  nie- 
dergesunken ,    der  Knotenstab    entgleitet  seiner  Hand   und 


1)  Annali  d.  Inst,  archeol.  1853  Vol.  25  p.  272-281,  lav. 
d*agg  H.  Mon^  ined.  5  tar.  56.  £.  Braun  giebt  im  Bull.  1851  p. 
55  8.  eine  Beschreibung  und  Erklärung  derselben  Vase,  so  yiel 
ich  artheilen  kann  toH  too  Irrthümern. 


288    Die  Ermordung  des  Aegisthos  und  Klytämnestras 

wie  um  Gnade  flehend  streckt  er  die  Rechte  seinem  Mör- 
der entgegen.     Orestes  welcher,   auf  ihn  einstürmend ,   das 
Schwert    zum    To^iesstosse    gezückt    hat,    hält  ihm    in   der 
Linken  die  leero  Scheide  entgegen.     Hinter  ihm  steht  Py- 
ladeSj    die   Rechte   auf  die   Hüfte    gesetzt   und  einen  Fuss 
tiher  den  andern  gestellt,  als  ein  zwar  aufmerksam  er,  aber 
ruhiger,   des    Ausgangs   gewisser  Zuschauer.     Er  ist  sonst 
ohne    Bart   gebildet,   um   die    beiden    Freunde  auch  darin, 
wie    in    allem  Andern,  ganz   übereinstimmend  darzustellen. 
Der  Maler  der  ihn  hier   durch    einen  starken  Bart  und  die 
Rüstung  unterschieden  hat,  könnte  dabei  zum  Grund  haben 
die   Jugend    des    Rächers    deslo    mehr    hervorzuhen.      Am 
Kasten  des  Kypselos  war  sogar  der  eine  der  Dioskuren  mit, 
der   andre    ohne   Bart  gebildet^).     Auch  an  einem  Etruri- 
schen   Sarkophag,   wo    die   Freunde    mit  Elektra   am  Grab 
Agamemnons  zusammentreifcn,  ist  Pylades  durch  eine  Chla- 
mys  um  die  Schullern    und  seine  kriegerische  Haltung  vor 
Orestes  ausgezeichnet,  welcher  ganz  nackt  ist  und  mit  der 
Hand    das   gesenkte    Haupt    unterstützt  ^).      Elektra    hinter 
Aegisthos,  bedroht  ihn  mit  dem  sicheren  Tode  durch  einen 
einzigen   Schlag    mit   ihrem    schweren   Doppelbeil   auf  den 
Kopf,   wenn  der  Schwertstreich  des   Orestes  ihr  nicht  zu- 
vorkommen sollte.     Diese   ihre   Theilnahme   an  dem  Mord 
hat  nichts    Anslössiges  auch    für  unser  Gefühl,    die  wir  in 
einem    Ceni    die  Festigkeit   des  Mordplans  gegen  den  Va- 
ter als  heroisch  anstaunen  können  und  müssen,  sobald  wir 
uns    in  den  Abgrund  der  Gefühle   und  Gedanken  versetzen 
aus    welchem    ihre   Leidenschaft   sich   zu   dieser  Höhe  der 
Rachethat    aufschwang.     Einfacher    und   wenn    auch    nicht 
so  allgemein  menschlich,  doch  bei  den  nationalen  Begriffen, 
die   sie    bestimmten,  für  die    Poesie    günstiger    waren    die 
Motive    die  der  Tochter  Agamemnons   das  Mordbeil  in  die 


2)  Pauean.    V,    19,    1.     „Manchmal    ist  Poivdeukes  als   Faust— 
kämpfer  nackt,  Kastor  aber  in  der  Rüstung  gebildet." 

3)  ßuUett.  1840  p.  62. 


iAMiB3Hä^^iHaMH«^Mr>»na>aHi^iMii^^BaataU*arfiBAtai 


Schatten   mit  den  Erinnyen.  289 

Hand  gaben :  es  kommt  nur  darauf  an  bei  dem  Entsetzli- 
chen ihrer  That  das  Entsetzliche  der  Verhältnisse  woraus 
sie  hervorgieng  sich  lebhaft  zu  vergegenwärtigen,  um  sie 
in  ihrer  Zeit  natürlich  und  gross  zu  finden. 

Schliessen  wir  nun  hier  die  Figuren  der  andern  Seite 
an,  so  ist  nur  die  erste  sogleich  kenntlich;  Klytämnestra: 
eine  andre  Person  kann  diese  nicht  vorstellen.  Aber  die 
drei  ihr  nachfolgenden  Figuren  sind  uns  neue  und  erst 
noch  zu  errathende  Erscheinungen.  Dienerinnen  des  Hau- 
ses können  sie  nicht  vorstellen,  Nebenpersonen,  für  wel- 
che schon  die  Dreizahi  auflPallend  seyn  würde.  Aber  wir 
werden  auch  Geberden  gewahr,  besondre  in  allen  dreien 
und  sämmtlich  verschieden  von  den  allgemeinen  und  ge- 
wöhnlichen des  Entsetzens,  der  Wehklage  und  Trauer. 
Sind  wir  demnach  auf  Vermuthung  hingewiesen,  so  bleibt 
nichts  übrig  als  sie  für  die  Erinnyen  zu  erklären.  Der 
aufgerichtete  Finger  der  rechten  Hand  an  der  mittleren, 
und  beider  Hände  an  der  hintersten  Figur,  mit  dem  Un- 
terschiede dass  hier  die  drei  mittleren,  dort  die  drei  hin- 
tersten Finger  eingeschlagen  sind,  ist  sicher  bedeutsam  und 
selbst  die  kleinen  Verschiedenheiten  hatten  vermuthlich  ih- 
ren sehr  bestimmten  Sinn.  Schade  dass  uns  eine  Mimica 
degli  antichi ,  die  der  Canonicus  de  Jorio  aus  der  der  Laz- 
zaroni  herzustellen  bemüht  gewesen  ist,  abgeht.  Ihre  Be- 
deutung hat  ohne  Zweifel  auch  die  Art  wie  die  hinterste 
der  drei  Schwestern  die  beiden  Füsse  auswärts  setzt,  viel- 
leicht zur  festen  unverrücklichen  Stellung  einer  Alekto. 
Ganz  deutlich  ist  dass  die  Locken  ihres  Haupts  sich  wie 
kleine  Schlangen  ringeln  und  dass  bei  ihr  ein  physiogno- 
mischer  Ausdruck  beabsichtigt  ist ,  ganz  anders  als  in  bei- 
den andern.  Es  scheint  dass  in  die  Geberden  der  drei 
Figuren  eine  Stufenfolge  der  inneren  Bewegungen,  welche 
sie  ausdrücken  wollen,  gelegt  ist,  wo  ihre  Grösse  umge- 
kehrt abnimmt*  Diess  möchte  mit  drei  uns  unbekannt  ge- 
bliebenen Namen  der  Schwestern  zusammenhängen,  da  in 
V.  19 


290     Die  Ermordung  des  Aegisthos  und  Klytämnestras 

die   Griechen  ungemein  sinnreich  waren :  die  allein  erhalt- 
nen  Namen    Megära,   Tisiphone  und  Alekto,  Missgönnerin, 
Mordrächerin,  Nimmerruh,  sind  uns  nur  aus  Zeiten  bekannt 
weit  jünger   als   das    Gemälde'*'].     Wenn    aber    diese    drei 
die  Erinnyen   sind,    so  folgt  dass  die  Anführerin  des  Zugs 
nicht  Klytämnestra  selbst  seyn  kann,  sondern  nur  ihr  Schat- 
tenbild ,   —  das    auch    in    den  Eumeniden    des  Aeschylus 
erscheint   —  wie  wir  das  des  Königs  Aeetes   gemalt  sehn 
an  der  bekannten  Medeenvase  von  Canosa ,  jetzt  in   Mün- 
chen,  EIJiiAON  AIHTOY%    Es  erscheint  dem  Orestes, 
auf  ihn  zuschreitend ,  auf  ihn  eindringend,  mit  aufgerichte- 
ten Armen,  Anklage  gegen  ihn   erhebend.     Auch  auf  einer 
Vase   von    Ruvo    ist   hinter   dem  nach  Delphi  geflüchteten 
Orestes  das  Eidolon  seiner  Mutter,  den    rechten  Arm  aus- 
streckend,  wie   verklagend,   während  Apollon  die  Erinnys 
zurückweist,  und    ihr   linker  Arm   ist  mit  der  Hand   unter 
dem  weiten,    auch    über   dem  Hinterkopf  hinaufgezogenen 
Mantel   versteckt,   um   an   das  Leichentuch   zu  erinnern^. 
Auch  die  erste    der  Erinnyen  macht,   nach  der  Bewegung 
ihrer  Arme  und  Hände  zu  urtheilen,  dem  Orestes  Vorstel- 
lungen, weckt  sein  Bewusstseyn,  es  ergreift  ihn  Entsetzen 
dass  er  sich  in  die  Haare   reissen  möchte,  wie  die  zweite 
thut,  und  sichtliche  Steigerung  ist  in  der  Androhung  wel- 


4)  Apollod.  1 ,  1,4.  Orph.  Argon.  968  Hjmn.  69  (68.)  TzeU. 
ad  Ljcophr.  406. 

5)  S.  Nachtrag  zur  Tri!.  S.  151.  Vgl.  das  Basrelief  mit  Pro* 
tesilaos  mon.  ined.   123.  Gal.  mvth.  CLVI,  561. 

6)  R  Röchelte  IM.  in6d.  pl.  35.  Gerhards  Apuiische  Vaseo 
Taf.  6.  Overheck  Taf.  XXIX,  4  S.  710  f.  Der  Erionjs  am  an- 
dern finde,  hinter  dem  Eidolon,  ist  eine  Dienerin  des  Tempel« 
gegenübergestellt,  die  Tor  der  unheimlichen  Erscheinung  entweicht. 
Auch  der  Schatten  Agamemnons  kommt  vor,  Terhüllt  aus  der  Gra* 
besthür  tretend,  an  dem  Sarkophag  Lozzano,  jetzt  im  Laterao, 
mit  der  Ermordung  der  Klytämnestra  und  des  Aegisthos,  welcher 
im  Uebrigen  mit  dem  in  Winckelmanns  IM.  ined.  148,  M.  Piociem. 
V,  22,  Gal.  mjrthol.  GLXV,  619  edirlen  übereinstimmt. 


\ 


■^-^■^  ■ 


Schatten  mit  den  Erinnyen.  291 

che  die  dritte  ihm  macht.  Die  Ermordung  der  Klytämne- 
stra  ist  also  der  des  Aegisthos  vorausgegangen,  wie  es 
auch  Sophokles  eingerichtet  hat,  umgekehrt  als  Aeschylus 
und  der  Maler  hat  vorgezogen,  indem  Beides  der  Zeit  nach 
fast  in  eins  fällt,  die  minder  grauenvolle  Scene  mit  den 
Folgen  die  für  den  Rächer  eintraten,  zu  verbinden  als  den 
Muttermord  selbst* 

Erinnyen   also   sehn  wir  vor  uns   die  ohne  Schlangen 
in   Händen,   ohne  Fackel    oder  Peitsche,    ohne  Speer,  den 
göttlichen  Stachel  (xivTQOv  d-stov^  wie  Sophokles  sagt,  bloss 
durch    ihre  Geberden,  abgesehn  von   der    Andeutung    der 
Schlangen  im  Haare  der  hintersten ,  die  Regungen  des  Ge- 
wissens zur   sinnbildlichen   Anschauung  bringen.     Und  ge- 
wiss dem  Namen  der  2€(ipaij    der  Ehrwürdigen,   entspre- 
chen diese  Gestalten  besser  als  alle  bis  jetzo  bekannten.    Die 
erhaben   furchtbare   und   energische   Art  womit    Aeschylus 
diese  Göttinnen  behandelt  hatte,  als  die  ingrimmigen  Hunde 
der  Mutter,  die  bösen  Jägerinnen ,  die  Drachinnen,  hat  auf 
die  Einbildungskraft  der  Folgezeit  (sie  werden  auch  Mavlat, 
Raserinnen,  genannt)   so  stark  eingewirkt,  dass  uns  die  Ein- 
falt der  Erinnyen  der  Mutter  im  Gemälde  zuerst  befremdlich 
vorkommen  kann.     Allein  der  diess  Gemälde  erfunden  hat; 
könnte  auch  vor  der  Orestee  des  Aeschylus  gelebt  haben: 
der   einfach   grossartige    Styl   der  herrlichen  Gestalten  des 
Aegisthos    und    der   Klytämnestra ,    des    Orestes    und   der 
Elektra   lässt   es  eben  so  wohl  vermuthen  als  dieser  Cha- 
rakter  der   Erinnyen.     Dass   diesen   zuerst   Aeschylus    mit 
Schlangen    statt   der   Haare    das  Haupt  umlockt  habe,  wie 
Pausanias  bemerkt  (I,  28,  6),   wäre  demnach  eben  so  we- 
nig genau  als  das  zuerst  in   hundert  Stellen  der  Alten  für 
historisch  richtig  zu  nehmen  ist:   es  ist  diess  auch  an  sich 
wahrscheinlich   eine   Erfindung   der   bildenden   Kunst.     Zu 
wünschen  wäre  dass  wir  von  der  Ermordung  der  Klytäm- 
nestra  an  einer  ^fder  edelsten  Vasen^  die  bei  einer  Nach- 
grabung   der    Herrn    Campanari    zum   Vorschein   gekom- 

19» 


292     Die  Ermordung  des  Aegisthos  und  Klytämnestras 

men   sind  ^) ,    eine  Zeichnung  zur    Vergleichung    vorlegen 
könnten« 

Eine    kunsthistoriscbe   Wichtigkeit    erhält   das  vorlie- 
gende  Gemälde    noch    durch   die   Vergleichung   mit  einem 
andern   aus    einer  späteren   Zeit  welches  unverkennbar  in 
Zusammenhang  mit  demselben   steht  und  von  Gerhard   be- 
kannt  gemacht   worden   ist^).     Fortschritte  in  der  Zeich- 
nung, Zunahme  besonders  der  Zierlichkeit  und  Pracht  der 
Gewänder  sind   darin   nicht  geringer  als  die  Misshandlung 
des  Gegenstands  durch  eine  AuflPassung,  die  ihn  nicht  ver- 
stand   oder  nicht  achtete   und  den   inneren  Zusammenhang 
und   zum   Theil    den  Charakter  der  Personen    einer  belie- 
bigen Symmetrie   für   das  Auge  aufgeopfert  hat.    Diess  ist 
sogar  auf  eine  so   überraschende  Art   geschehn   dass    man 
vielleicht    in    diesem    noch    immer   alterthümlich    strengen, 
edlen   Styl   kaum   ein  zweites  Beispiel  so  grossen  künstle- 
rischen   Unverstandes    nachweisen    wird.     Da    die    Namen 
aller  vier  Figuren  beigeschrieben  sind ,  so  ist  keinem  Zwei- 
fel Raum    gelassen  ^).     Aegisthos   ist  hier   auf  den  Königs- 
thron gesetzt,  den  er  geraubt  hatte,   wie  er  bei  Sophok- 
les, um  zu  sterben,  auf  die  Stelle  getrieben  wird  wo  Aga- 
memnon   gefallen    war.     Dem    Orestes   sind   Panzer,  Helm 
und  Beinschienen  gegeben,   alles  auf  das  Zierlichste;  dem 
Künstler    hat    dieser   Heldenschmuck    mehr    gegolten     als 
Wahrscheinlichkeit  und   Natur;   und   EOect  zu  machen  hat 
er  geglaubt  durch  das  in  die  Brust  des  Aegisthos  tief  ein- 
gebohrte  Schwert,   macht  aber    dadurch  auf  einen    gebil- 
deten Geschmack  nur  die  Wirkung  dass  die  VortreiHichkcit 
des   Orestes   im   Originalwerk    noch    lebhafter   empfunden 


7)  Bullen.  1834  p.  177. 

S)  £lr.  u.  Campan.  Vasenbilder  Taf.  24  S.  35—37.  Berlins 
antike  Bildwerke,  Vasen   N.  10U7.    S.  die  Vignette  S.  297. 

9)  In  Overbecks  Bildwerken  des  Thebischcn  und  Troiachen 
Heldenkreiscs  Taf.  XXVIII,  10  ist  der  Name  der  Kljtämneslra  nur 
durch  Nachlässigkeit  des  Lithographen  weggelassen. 


"* — "^"  -  ■■ 


Schatten  mit  den  Erinnyen.  293 

wird.  Die  zwei  weiblichen  Personen  hat  er  vertauscht; 
denn  Elektra  konnte  hinter  Orestes  stehn,  freilich  nicht 
mit  dem  Beil,  sondern  nur  aufmunternd,  Klytämnestra 
hinter  Aegisthos,  sich  entsetzend  aber  auch  ihm  beisprin- 
gend. Er  aber  hat  die  Mutter  hinter  den  Orestes  gestellt, 
und  diese  Mutter  schwingt,  wie  dort  Elektra  tiber  Aegi- 
sthos  das  Beil  über  ihren  Sohn  der  eben  ihren  Buhlen 
durchbohrt.  Also  gab  es  auch  in  jener  guten  alten  Zeit 
Maler,  denen  feine  Kleiderstoffe,  schön  geschnittne  Ober- 
und  Unterkleider,  zierliche  und  wohlgeordnete  Falten  den 
Sinn  so  verblendeten,  dass  sie  nicht  bloss  von  sinnigen 
Gedanken,  sondern  sogar  vom  gesunden  Menschenverstand 
in  Beurtheilung  von  Personen  und  Charakter  verlassen  zu 
seyn  scheinen?  Die  Mutter  soll  das  Mordbeil  gegen  ihren 
Sohn  schwingen  weil  er  gerechte  Rache  übt?  Das  Unna- 
türliche des  Muttermords  aus  einer  gebotnen  Pflicht  hat 
das  Leben  des  Orestes  verdüstert ,  und  einen  Sohnesmord, 
nicht  minder  unnatürlich  und  durch  keinen  herrschenden 
Begriff  gemildert,  das  Beil  der  Elektra  der  Klytämnestra  in 
die  Hand  zu  geben,  hat  dieser  gedankenlose  Maler,  der 
auf  jedes  Fältchen  die  grösste  Sorgfalt  verwandte,  für 
eine  gleichgültige  Sache  gehalten.  An  der  Kylix  des 
Chachrylion  sucht  Klytämnestra  den  Orestes,  der  den  Arm 
erhebt  und  den  zu  Boden  geworfenen  und  mit  der  andern 
Hand  in  den  Haaren  gefassten  Aegisthos  zu  durchbohren 
im  Begriff  ist,  zurückzuhalten^^).  Diess  ist  gut  und  ange- 
messen. In  den  Choephoren  des  Aeschylus  ist  ihr  erster 
Gedanke  bei  dem  Geschrei  des  Dieners  und  dem  Hervor- 
treten des  Orestes  an  ein  Beil:  ^sehn  wir  ob  wir  siegen 
oder  besiegt  werden;  denn  auf  diesen  Punkt  des  Unglücks 
ists  gekommen;^  und  als  sie  darauf  hört,  Aegisthos  sey 
gefallen,   hat  sie  nur  einen  Klageruf  über  den  Tod  ihres 


10)   Gatalogo  —   del  Pr.  di   Ganino  n.    1186  (una  donna   am- 
mantata  ritiene  il  ferro.). 


294     Die  Ermordung  des  Aegisthos  und  Klytämnestras 

tbeuersten  Aegisthos  und  dann  unmittelbar  flehentliche  Bit- 
ten und  Vorstellungen  an  den  Sohn.     Es  ist  also  klar  dass 
sie  an  Widerstand  nur  gedacht  hat  im  Gedanken  an  ihren 
jetzigen    Gatten,    mit    dem    sie   auch  in   dem    hereinbre-^' 
chenden   Kampfe   sich   eins   fühlte^   zugleich    heldenmüthig 
und  als  Mutter  nicht  unnatürlich'^).    Ein  Ungeheuer  —  im 
geschmackvollsten,   feinsten  königlichen  Putz  -^  stellt  uns 
der  Maler   unter   Augen,    der    einen   hohen    Charakter  zu 
fassen  durchaus  unfähig   gewesen   seyn  muss.     Indem   Ae- 
gisthos  durchbohrt   wird,   ist   die   Mutter  im  Begriff  ihren 
Sohn  zu   erschlagen,   welcher  gegen  sie  keine  Schuld  hat 
und  Sieger  ist  in  seinem  Recht.    Oder  ist  das  so  erhobene 
Beil   ohne  Bedeutung  und   ist  nicht   diess  der  Augenbh'ck^ 
wo  das  geschwungene  auch  sofort  niederfallen  muss  auf  das 
Haupt?  Entweder  leer  und  gedankenlos  oder  unmenschlich 
ist   die  Haltung  in   welche  diese  Klytämnestra  gebracht  ist. 
Elektra    dagegen,   dieser  blutgierigen     Klytämnestra^     die 
aus  Schmerz  über  den  Tod  ihres   unrechtmässigen    Gatten 
ihren  Sohn,  dem  er  den  Vater  erschlagen,  geraubt  hat^  za 
ermorden   eilt,   ist   desto   sanfter:  ihr  ausgestreckter  Ann 
ist  wie  ein  Zuruf  des  Beifalls,  eher  wie  eine  Aufmunterung 
deren  Orestes  jetzt  nicht  mehr  bedarf.    Freilich  in  so  an^ 
muthigem  und    geordnetem   Schmuck   der   Gewänder   liess 
eine  Figur  sich  nicht  hinstellen  die  den  Aegisthos  mit  er- 
schlagen  hülfe,   wie   in   unseren   Gemälde,   oder  die,  wie 
in  der  angeführten  Kylix,   (hinter  der  Klytämnestra)  »her- 
zueilte ,  in   Wuth  die  Linke   gegen  di  Sonne  ausstreckend 
und  mit  der  Rechten  eine  Keule  erhebend;^  oder  die  mit 
einen  Schemel  zuschlüge,  während  ihr  Bruder  auf  der  an- 
dern  Seite   das   Schwert  gegen   den  auf  dem  Throne  sit- 
zenden Aegisthos  gezogen  hält ,  in  einem  der  bekanntesten 
Basreliefe  ^^).    Dabei   hat   der  Maler   um  mit   zwei  schön 

1 1 )  Nicht  richtig  fasst  diese  Stelle   auch   Schneidewin  auf  lur 
Elektra  des  Sophokles  S.  10. 

12)  EhmaU  im  Palast  Girci,  jetzt  Terschwunden.    Muieo 


iff'~-r  ""T  ■ 


uft^dMaati^ 


Schatten  mit  den  Erinnyen.  295 

angekleideten  Frauengestalten  die  grausige  Gruppe  der 
zwei  Männer  symmetrisch  anstatt  mit  Elektra  und  Pylades 
ungleich  einzufassen ,  diesen ,  der  eigentlich  von  Orestes, 
von  dieser  Scene  unzertrennlich  ist,  ausschliessen  müssen: 
er  malte  nur  für  das  Auge,  um  Inhalt,  Idee  und  Charak- 
ter unbekümmert:  nur  um  Figuren  war  es  ihm  zu  tbun, 
nicht  um  Handlung  und  um  Zusammenhang. 

Solch  eine  freie  Kritik  habe  ich  geglaubt  an  einem  so 
wohl  in  die  Augen  fallenden  Gemälde,  so  alter  Schule  üb^n 
zu. müssen.  Dagegen  hat  der  erste  Herausgeber  das  Auf- 
fallende darin  das  ihm  nicht  entgehen  konnte,  zu  recht- 
fertigen versucht.  Den  Gedanken  dass  etwa  die  Namen 
der  Klytämnestra  und  der  Elektra  verwechselt  seyen,  wie 
es  den  Namen  auf  Vasen  zuweilen  ergangen  ist,  weist  er 
mit  Recht  damit  zurück,  dass  Klytämnestra  durch  reichere 
Tracht  ausgezeichnet  ist  und  denkt  sich  denn  dass  diese 
j^vergebens  ein  Mordbeil  ergreife  um  ihrem  Buhlen  zu  Gun- 
sten den  eigenen  Sohn  zu  treffen.^  Allein  zu  Gunsten  dem 
Aegisthos,  der  schon  durchbohrt  ist,  wird  das  Beil  das 
sie  nicht  ergreift,  sondern  geschwungen  hat,  nicht  ge- 
reichen; es  ist  nicht  zum  Beistand,  sondern,  da  es  so 
nicht  vergebens  geschwungen  seyn  kann,  es  aber  der  Kly- 
tämnestra  gegen    Orestes   in    die    Hand    gegeben    werden 


dem.  IV  tay.  d*agg.  A,  6.  Gal  mjthol.  GLXV,  617.  Overbeck. 
Taf.  XXVili,  9,  der  so  wie  Millin  und  Gerhard,  der  Elektra  ge- 
genüber den  Pjlades  erkennen  will.  Unzweifelhaft  scheint  mir, 
wie  schon  R.  Hochette  bemerkt  hat,  dass  die  zwei  Mordscenen 
neben  einander  gestellt  sind,  in  beiden  Orestes  der  Handelnde, 
in  beiden  Pjlades  mit  ihm,  aber  untergeordnet  wie  immer,  nur  dass 
er  auf  die  unterliegende  Klytämnestra  einen  grossen  Krug  schleu- 
dert, wodurch  er  seinen  Ingrimm  seine  Verachtung  gegen  sie  aus- 
drückt, wie  Elektra  gegen  Aegisthos  durch  die  erhobene  Fussbank 
denn  nölhig  war  diese  nicht,  da  das  Schwert  im  Zug  ist  ihn  zu 
durchbohren.  Elektra  mit  dem  Schemel  dem  Orestes,  nicht  dem 
Pylades,  gegenüber  enthält  auch  der  gut  gearbeitete  Etrurische 
Sarkophag  R.  Rochette  Mon.  ined.  pl.  XXIX,  2. 


296    Die  Ermordung  des  Aegisthos  und  Klytämnestras 

könne,  glaubt  Gerhard  zu  beweisen  durch  die  von  mir 
angeführte  Stelle  des  Aeschylus,  welcher  „Klytämnestra 
dergestalt  reden  lasse  dass  ihr  gegen  Orestes  geschwun- 
genes Beil  hier  und  in  andern  Kunstdenkmälern  uns  nicht 
mehr  befremden  dürfe.^  Jene  Stelle,  in  ihrem  Zusammen- 
hanggenommen lehrt,  wie  ich  gezeigt  habe,  das  Gegentheil, 
und  in  den  zwei  Yasengemälden,  worin  sie  es  wirklich 
nach  Gerhards  Meinung  führen  soll,  würde  sie  es  wenig- 
stens wenn  darin  überhaupt  Klytämnestra  verstanden  wer- 
den dürfte,  nicht  gegen  Orestes,  sondern,  was  einen  Un- 
terschied macht,  gegen  Agamemnon  führen.  Sie  stellen 
aber  ohne  Zweifel  nicht  Klytämnestra,  sondern  Merope  dar  ^']. 


Otto  Jahn  hat  in  Gerhards  Archäol.  Zeitung  1860  S. 
43  f.  den  Maler  der  Berliner  Vase  zu  rechtfertigen  ge- 
sucht durch  die  Annahme,  dass  Klytämnestra  den  Sohn 
nicht  erkannte,  als  sie  auf  den  Hülfeschrei  des  Aegisthos 
(Aesch.  choeph.  889  äoiij  ng  ävdqoxfA^Ta  nilsHVv  dg 
Tclxog)  herbeieilte,  und  dass  Elektra  den  Bruder  warnend 
bei  dem  Namen  zuruft,  worauf  Klytämnestra  im  nächsten 
Augenblick  das  Mordbeil  sinken  lassen  wird.  „So  hatte 
bekanntlich,  fährt  er  fort,  Polyidos  die  Katastrophe  seiner 
Iphigenia  dadurch  herbeigeführt  dass  Orestes  in  dem  Au- 
genblick wo  er  geopfert  werden  soll,  seiner  in  Aulis  ge- 
opferten Schwester  Iphigenia  sich  laut  erinnert,  worauf 
sie  das  Opfermesser  füllen  lässt.^  Schade  freilich  dass 
der  Maler,  da  man  den  von  Elektra  ausgestossnen  Schrek- 
kensruf ,  Orestes ,  wenn  der  ausgestreckte  Arm  diesen  und 


13)  Miliin  Gal.  mythol.  GLXX,  6l4.  615.  Nach  der  froher  gel- 
teoden  tappenden,  schlotterigen  Erklärungsweiae  sagt  Miliin  zu  n. 
614:  Aegisthe  suit  Clytaemnestre ,  die  doch  von  dem  Manne  zu- 
rückgehalten wird,  wie  jedes  Kind  sehen  wird.  Die  Tölkeniohe 
Erklärung  der  Gemälde  glaube  ich  bestätigt  zu  haben  Griech, 
Trag.  11  S.  835. 


Schallen  mit  den  Erinnyen.  297 

die  AufTorderang  sich  zu  hüten  wirklich  bedeuten  sollte, 
vor  dem  Bilde  nicht  hört,  wie  auf  der  Bühne,  die  Kly- 
lämnestra  nicht  zugleich  das  gegen  diesen  gezogene  Mord- 
beil, das  für  das  Auge  unvermeidlich  sofort  IreQ'en  zu 
müssen  scheint,  wenn  auch  nicht  sich  entsinken  doch  in 
eine  andre,  durch  den  Moment  bedingte  Richtung  bringen 
lassen.  Es  wttre  diess  ein  leichtes,  ganz  naheliegendes, 
sichres  Mittel  gewesen  auch  auszudrücken  ,  was  verslan- 
den seyn  soll,  und  ein  künstlerisches  Verdienst  zu  erwer- 
ben, dessen  ich  einigemal  Erwähnung  gelhan  habe,  und 
namentlich  in  Beziehung  auf  den  Farnesischen  Stier  (A. 
Denkm.  1 ,  356}:  „Die  Seele  der  Erfindung  in  diesem 
Werke  der  höchsten  Virtuosität  ist  in  der  Wahl  des  präg- 
nanten MomentSj  der  den  nächstfolgenden  onmiltelbar  her- 
vorruft und  fast  mit  Nolhwendigkeit  denken  lässt,  einen 
Moment  der  für  sich  der  Darstellung  sich  entzieht,  aber 
schon  in  der  unwillkürlich  in  dem  Beschauer  hervorgeru- 
fenen Vorstellung  die  Wirkung  des  Sussersten  Darstellba- 
ren mSchtig  verstärkt.^  Die  lelzlen  Worte  sind  leicht  zu 
modificiren  um  sie  auf  das  Gemälde  anzuwenden. 


iHaBHiai 


Gesuch  um   Expiation^). 


Taf.   XIX. 

Noch  immer  kommen  von  Zeit  zu  Zeit  Darstellungen 
an  Vasen  und  in  andern  Monumenten  zu  Tage ,  deren  Be- 
deutung und  Beziehung  uns  vorerst  verborgen  bleibt.  6e* 
rade  diese  würde  man  vi^ohl  thun  immer  vor  andern  be- 
kannt zu  machen  ^  anstatt  sie  zurückzuhalten ,  um  nicht 
wie  man  oft  denkt  ^  seine  Unwissenheit  zu  verrathen.  Um 
so  weniger  soll  man  sich  scheuen  solche  der  OefTentlich- 
keit  vorzulegen,  über  welche  man  nur  Vermuthung-en  hat 
und  die  manches  Auffallende,  für  uns  Sonderbare  enthal- 
ten, das  aber  vielleicht  bald  durch  Andre  eine  glücklichere 
Deutung  erhalten  wird,  so  dass  ein  Anfangs  ziemlich  selt- 
sam und  verworren  aussehendes  Ganzes  nach  und  nach 
alles  Unklare  oder  Zweifelhafte  verliert. 

Die  vorliegende  Zeichnung  erhielt  das  Institut  durch 
die  Güte  des  Don  Giuseppe  d'Errico  in  Potenza^  der  sie 
von  einer  Vase  im  Besitz  von  Don  Mauro  Amati  daselbst 
entnahm.  Vorgestellt  scheint  ein  König,  feierlich  den  Scep- 
tcr  in  der  Hand,  auf  seinem  Thron  sitzend^),  welchen  ein 


1)  Annali  del  Inst,  archeol.  1856  tav.  9  p.  38—40. 

2)  Was  dem  Könige  über  dem  Rucken  hSngt,  scheiot  sich 
auf  das  Schutzfleben  zu  beziehen;  yielleicht  onterbondene  Wolle, 
viltae? 


Jfcjfc— jBCiMgMaiM^^^«.^— <— — ^  r    I  M  f*i 


Gesuch  um  Expiation.  299 

andrer  König,  wie  der  Anzug  deutlich  verräth^  knieend 
und  seine  Kniee  mit  der  Rechten  umfassend,  anfleht  ihm 
die  Reinigung  von  einem  Morde  zu  Theil  werden  zu  las- 
sen ;  dieser  Gegenstand  der  Bitte  ist  zu  schliessen  aus  den 
beiden  dienenden  Personen  zur  Seite,  die  nemlich  durch 
Anticipation  die  zu  vollziehende  Reinigung  anzeigen.  Das 
Wassergefäss  welches  die  Dienerin  auf  dem  Kopf  trägt, 
bedeutet  ein  Bad,  und  Bäder  waren,  so  wie  Schwefel  und 
Fackel,  ein  Mittel  der  Reinigung^).  Die  mit  Mordscbuld 
Behafteten  hiessen  and  tpopov  ivayslg^).  In  der  Homeri- 
schen Poesie  finden  wir  noch  kein  Beispiel,  was  K.  0. 
Müller  einst  glaubte,  einer  von  Seiten  eines  Flüchtlings 
wegen  Todschlags  nachgesuchten  Mordsühne,  keine  xa&dQ(t$a 
dieser  Art  ^).  Aus  Aeschylus  im  Telephos  lernen  wir  Ge- 
bräuche kennen  die  zu  seinerzeit  vennuthlich  längst  ver- 
altet  waren  und  jetzt  nur  den  Reiz  des  Alterthümlichen 
hatten.  Der  Flüchtige,  wie  Telephos,  in  Mysien,  durfte 
nicht  sprechen  bevor  er  gereinigt  war,  sondern  musste 
stumm  durch  Geberden  sein  Anliegen  vorbringen.  Der 
Reinigende  [ayvi^mv)  sprengte  ihm  mit  Schweineblut  die 
befleckten  Hände  und  der  Schuldige  nahm  solches  Blut  in 
den  Mund,  das  er  wieder  ausspie.  Der  flüchtige  Mörder 
suchte  wohl  auch  zuerst  den  Schutz  des  Heerdes  zu  ge- 
winnen (wie  in  andrer  Absicht  Telephos  in  Argos,  Thye- 
stes   in  Mykenä],  was  ein  Scholiast   der  Uias  als  allgemein 


3)  Plat.  Gralyl.  p.  405  a  ai  —  nsQtd'eKüattg  n  xai  Xovtqoi  —  xal 
al  mgi^^dvaihg f  ndyra  lavia  tv  n  diyatt^  av  xa&agoy  nagej^su^  toy 
ayd'Qütnoy  xat  xaiä  t6  cdfjia  xal  xatä  T^y  Wv^^iv,  Serv.  Aen.  6,  724« 
In  Omnibus  sacris  tres  auntjstae  purgationes;  namaut  taeda  purgan- 
lur  et  Bulphure,  aut  aqua  abluuntur,  aut  aere  yentilantur.  Orid. 
Metam.  7,  261  terque  senem  flamma,  ter  aqua,  ter  sulfure  lustrat. 

4)  Thucjd.  I,  126.Herod.  5,  70.  Schol.  Plat.  Leg.  II  p.  676  e 
i^tjytjtai  vgeis  yiyoytm  nvO-o^Q^inot,  olg  /niket  xa&aigHy  toifs  äytt  IphS' 
Xfl&iyreg  xai  oi  l^ijyovfityot  tcc  näigta, 

5)  lloeck  Kreta  3,  268  ff.  Lobeck  Aglaoph.  p.  300  s. 


300  Gesuch  um  Expialion. 

angiebt  (24,  480).  Herodot,  indem  er  erzfthlt  wieder 
Phryger  Adrastos,  des  Königs  Gordies  Sohn,  der  seinen 
Bruder  getödet  hatte,  von  Krösos  gereinigt  wurde,  be- 
merkt dass  die  Reinigung  bei  den  Lydern  und  den  Hel- 
lenen ähnlich  sey  (I,  35).  In  der  späteren  Zeit  richtete 
man  sich  nach  den  im  gemeinen  Leben  durch  die  Orphi- 
ker,  durch  Privatwabrsagcr  und  latromanten  so  sehr  ver- 
breiteten Reinigungsgebräuchen,  indem  zugleich  die  Sage 
immer  geschäftiger  sich  zeigte  das  dunkle  Gerücht  von 
alten  Stammkönigen  mit  einem  bestimmten  Inhalt  von  Feh- 
den und  Wanderungen  dichterisch  gelehrt  auszufüllen.  So 
bietet  denn  die  spätere  Litteratur  mehr  Beispiele  von 
Königen  dar  die  von  Königen  wegen  Mordes  gereinigt 
wurden  und  es  gab  solcher  Geschichten,  die  verloren  sind 
vermuthlich  ausserdem  so  viele,  dass  sich  nicht  so  leicht  anf 
das  Bild  das  uns  vorliegt,  ein  bestimmter  Fall  möchte  an- 
wenden lassen.  So  wird  Peleus  in  Phthia,  nachdem  er 
unfreiwillig  seinen  Bruder  Phokos  getödet,  von  Eurytioa 
gereinigt  und  erhält  dessen  Tochter  Antigene  zum  Weibe, 
und  nachdem  er  diesen  auf  der  Jagd  unfreiwillig  getödet 
und  darum  wieder  hatte  flüchtig  werden  müssen,  reinigt 
ihn  in  Jo!kos  der  dortige  König  Adrastos  oder  Akastos^. 
Den  Orestes  reinigten  von  dem  Muttermord  neun  Männer 
in  Trözen  und  der  Stein  worauf  es  geschehn  war,  lag 
vor  dem  Tempel  und  wurde  der  heilige  genannt^).  Der 
andre  Muttermörder  aber,  Alkmäon,  wird,  nachdem  er  in 
Wahnsinn  vorher  bei  Oikles  gewesen  war,  in  Psophis  von 
Phegeus  gereinigt  und  erhält  dessen  Tochter  Arsinoe  zum 
Weibe»). 

Auf  das  Bad  der  Reinigung   sich  zu  beschränken  hat 

6)  Apollodor  3,   13,   1.  2.     Für  Adrastos  nenat  Diodor   4^  n 
Akastos. 

7)  Pausan.  2,  II,  31,  7. 

8)  Apollod.  3,  7,  5,  wahrscheinlich  nach  Raripidei ,  s,  meine 
Griech.  Tragödien  2,  676. 


der  Maler  wohl  gelhan.  Denn  was  der  Diener  neben  der 
Wasserlrägerin  herbei  schleppt,  isl  jedenFalls  Nebensache. 
Was  es  eigentlich  vorstellen  solle,  isl  schwer  zu  sagen; 
es  scheint  aber,  einen  vierbeinigen  Stuhl,  auT  dessen  zwei 
hinteren  Ecken  sich  zwei,  jetzt  nach  unten  gekehrte,  eine 
Bücklebne  nicht  bildende,  aber  vorstellende  Eckleisten  er- 
heben. Soll  etwa  auf  diesen  Stuhl  der  zu  reinigende  Gast 
gesetzt  und  mit  Wasser  begossen  und  etwa  auch  mit  dem 
an  der  Hand  des  Trägers  hängenden  Tuch,  wenn  man  es 
dafür  nehmen  darf,  abgetrocknet  werden  ^J  ? 

Aber  dieser  Träger  ist  ein  Mohr.  Befremdliche  Er- 
scheinung. Der  Duc  de  Luynes  "^)  hat  aus  der  Negerform 
verschiedener  in  Campanien  gefundnen  Thongefässe  ge- 
schlossen dass  zur  Zeit  des  Pyrrhus  Mohren  in  Grossgrie- 
chenland behannt  waren,  auch  eine  Umbrische  Münze  mit 
einem  Negerkopf  und  einem  Elephanlen  nach  de  Bosset 
angeführt,  an  die  Schwäche  mancher  Römischen  Damen 
für  Neger")  erinnert  und  zugleich  ein  Basrelief  des 
Museums  zu  Neapel  angeführt  wo  ein  Neger  eine  Biga 
führt  und  ein  Führer  der  muthigen  Rosse  voranschreitet'*). 


9)  „iwei  Slühle,  wobi  nicht  einen  LehasLubl''  Jahrb.  f.  Philol. 
1859  S.  44^ 

10)  Ana.  de  l'Iasl.  arcbäol.  1845  XVII,  235. 

11)  Juven.  6,  599  ss.  Marl.  VI,  39,  8  ■.  Cicero  schimpft  io 
der  Rsdu  pro  red.  in  scn.  einen  dummen  Menschen  Aelhiopa,  und 
ea  isl  zu  Termulhea,  dsaa  schon  damali  in  Rom,  wie  (jewifalich 
in  Alfxandria,  Mohren  ala  Diener  zu  den  nicht  acllnen  Erachei- 
DUQgcn  gebörlen.     Tibull  2,  3,  55: 

lila  geral  teatea  tenuea,  quas  lemiiia  Coa 

[eiuit  auratas  dispoauil(|ue  riaa  : 
illi    einl   comitea  fusci    quoa   India  lorrel 
Siilii  et  admolls  ioficit  ignia  equit. 
Wo  Diiaen  in  Beinern  Commenlar   Tereni  Eunuch,   I,  2,  85.  "e- 
niuB    102,  das    Virgiliache  Moret.  32  und  Ruperli   lU  Juvenal  6. 
53  anrül.r(. 

12)  Auch    Gerhard  in    Neapels  ant.   Bildw.  S.   139  sieht  einer 


302  Gesuch  um  Expiation. 

Bekannt  waren  Neger  frühzeitig  auch  in  Griechenland*  Po- 
lygnot  malte  einen  neben  dem  Memnon  um  den  Aethiopen- 
fürsten  kenntlich  zu  machen,  nach  Pausanias  (10^  31,  2) 
und  in  einem  auf  das  nachhomerische  Epos  gegründeten 
Vasengemälde  ist  bei  einem  vorher  uns  unbekannten  Zwei- 
kampf des  Achilleus  und  Hektor,  mit  dem  beiderseitigen 
Pädagogos  ihrer  Jugend,  dem  alten  Phönix  und  einem 
unbekannten  des  Hektor,  Achilleus  bezeichnet  durch  einen 
Mohren  auf  seinem  Schild  als  Vorzeichen  seines  Siegs 
über   den   grossen   Aelhiopen  ^^).     Theophrast   führt   es    in 

Mohren  auf  einer  ßiga  und  eben  so  Finati  im  Mus.  Borbon.  6, 
23  (un  Affricano)  der  nur  darin  irrt,  dass  er  iu  dem  stattlich 
aufgeputzten  Palefrenier  einen  Herold  oder  Lictor,  zum  Zeichen 
dass  der  Wagen  einer  hohen  öffentlichen  Person  gehöre,  erblickt. 
y^E  ci  conferma  in  questo  sospetto  Tosserrar  decisamente  un  serro 
nella  persona  deU'  auriga."  Nur  Panofka  in  seinem  Programm 
tum  Winckelmannsfest  Berlin  1849  S.  13  N.  10  der  Bildtafel  nennt 
den  Mobren  Memnon.  Man  sollte  denken  man  müsse  sich  sehr 
zwingen  um  diese  gemeine  ächte  Kutschergestalt  in  geschickter 
Sculptur  für  einen  Heros  zu  erklären  :  aber  der  Verfasser  hat  sich 
in  diesem  Programm  zu  noch  ganz  andern  Annahmen  gezwungen, 
die  Jedem  der  ihm  wohl  will  leid  thun  müssen.  Das  Bild  einer 
„archaistischen*'  Vase  TOn  Vulci  N.  1 1  ein  negerhafter  Bogenschutse 
zwischen  zwei  Amazonen  aus  Gerhards  Auserles.  Vasen  I,  43  S. 
156  und  de  Wittes  Elite  c^ramogr.  3,  66,  ist  auch  nach  dem  Trip— 
tolemos  der  andern  Seite  des  Gefässes  zu  urtheilen,  Garricatur 
oder  Parodie,  und  wäre  es  nicht' scherzhaft,  so  dürfte  der  Schulze 
zwischen  den  zwei  Amazonen  des  Heers  für  einen  gemeinen  Ae- 
lhiopen des  Heers  gehalten  werden,  da  Memnon  seihst  nicht  den 
Bogen  führte.  Uebrigens  enthält  die  angeführte  ßildertafel  drei 
phantastisch  behandelte  und  geschmückte  Mohrenköpfe  N.  3.  4.  8. 
Ein  schöner  kleiner  Gammeo  bietet  nach  dem  Bullett.  1842  p.  187 
die  Halbfigur  eines  Mohren  dar,  welche  mit  ihrer  Farbe  sich  wun- 
derbar über  einer  weissen  Schichte  des  Onjx  abhebt. 

13)  Mon.  Id.  f.  I,  35.  36.  Annali  5,  219.  Meine  Denkm.  der 
a.  K.  3«  428.  Taf.  26.  Der  Maler  des  Pbilostratns  hatte  dem  Mem- 
non selbst  schwärzliche  Farbe  gegeben,  doch  so  dass  roth  durch- 
leuchtete 1,  7. 


Gesuch  um  Expiation«  303 

den  Charakteren  als  einen  Zug  des  Ehrsüchtigen  an  dass 
dieser  einen  Mohren  in  seiner  Begleitung  führe  (21  nsQl 
fjLixQoyiXonfiiag).  Also  galt  diese  Bedienung  als  vornehm. 
Aber  aus  dem  Mohren  als  Kutscher,  in  Verbindung  nun- 
mehr mit  dem  Mohren  als  Bedienten  in  einem  hohen  Haus 
ist  mehr  zu  entnehmen  als  dass  zur  Zeit  dieser  Monumente 
Mohren  in  Grossgriechenland  bekannt  waren:  es  müssen 
auch  viele  Vornehme,  eben  so  wie  im  neueren  Europa,  an 
diesen  Kindern  einer  andern  Zone  gerade  wegen  des  Frem- 
den und  Abstechenden,  und  weil  sie  immerhin  relativ  selt- 
ner und  schwerer  zu  haben  waren  als  andre  Dienerschaft, 
Gefallen  gefunden  und  sie  in  ihren  Dienst  gezogen  haben. 
Zugleich  giebt  es  uns  ein  starkes  Merkmal  für  die 
Apulische  Art  der  Vasenmalerei  ab,  dass  ein  Maler  ge- 
wagt hat  den  Mohren  aus  vornehmen  Häusern  seiner  Zeit 
in  ein  Königshaus  altgriechischer  Sage  zu  versetzen  ^^). 
Aber  gerade  dieser  banausische  Geschmack  in  den  Styl 
der  älteren  Vasenmalerei,  aus  der  sie  die  Personen  und 
deren  Ausrüstung  und  Attribute  im  Allgemeinen  beibehiel- 
ten, Dinge  des  neuesten,  oft  prahlerischen  und  eitlen  Ge- 
brauchs einzumischen ,  gehört  unter  die  bestimmt  zu  un- 
terscheidenden Zeichen  der  Ausartung  in  dieser  Gattung. 
Das  vorliegende  Gemälde  selbst  enthält  noch  eine  andre 
Probe  derselben  verkehrieA  Erßndsamkeit  und  Ziererei. 
Denn  die  Schlange  welche  die  Athene  der  oberen  Reihe 
sich  um  den  Arm  schlingen  lässt,  geht*^)  in  der  That 
nicht  die  alte  Göttin  an,  sondern  sie  ist  aus  dem  Gebrauch 
sich  zahme  Schlangen  zu  halten,  der  Damen  insbesondre 
sich  ihre  Schlange  Hals  und  Arm  kühl  umspielen  zu  lassen 
wie  sie  in  andern  Zeiten  und  Ländern  ein  Möpschen  zärt- 
lich um  sich  hegten;  auf  die  Kriegerin  Pallas  übergetragen 


14)  Beispiele  dieser  Verirrung  in  Jahns  Müncheoer  Vasen. 

15)  In  den  Jahrb.  für  Philo!.  1859  S.  456  ist  von  Rom  aus, 
wohl  nach  der  Originalzeichnung  oder  dem  Original  selbst  be- 
merkt: "sicher  keine  Uausschlange,  sondern  ein  Theil  der  Aegia/* 


.v' 


304  Gesuch  um  Expiation. 

was  man  nicht  weniger  kühn  und  ungeschickt  als  den 
Mohren  im  Diensien  des  mythischen  Königs  finden  wird. 
Ich  habe  diesen  Gebrauch  anderwärts  auseinandergesetzt 
und  darf  daher  hier  nicht  darauf  zurückkommen  ^^).  Ue- 
brigens  braucht  man  nur  die  Beine  des  Königlhrons  an- 
zusehn  um  zu  erschrecken  vor  dem  schlechten  Geschmack 
der  Apulier  wo  sie  sich  selbst  überlassen  waren,  zu  se- 
hen wie  so  ganz  der  Sinn  für  das  einfach  Geßillige  und 
für  das  Zweckmässige  in  allen  Dingen,  der  die  älteren 
Griechen  auszeichnet,  untergegangen  war.  Die  von  gu- 
ten Originalen  übertragenen  Figuren  sind  im  Ganzen  sehr 
lobenswerth  und  zum  Theil  recht  charakteristisch,  wie  die 
mitleidige  Königin  und  die  Wasserträgerin  als  Magd. 

Die  beiden  Figuren  gegenüber  den  Dienst  thu- 
enden  sind  leicht  zu  denken  als  die  Königin,  die  als 
Frau  theilnehmend  und  mitleidig,  durch  ihre  Gegenwart 
die  Bitte   des  Flehenden   unterstützt,  und  ein  Wache  ste- 


16)  Denkm.  der  a.  R.  2,  365  f.  Diese  Bemerkung  genehmigt 
stillschweigend  bei  der  Erklärung  mehrerer  früher  yoq  mir  zu- 
sammengestelllen  Monumente  Stephan!  in  seinem  ruhenden  Herak- 
les Petersburg  1854  S.  63  ff.  295;  und  es  müssle  auch,  wenn 
ihnliche  Benutzung  meiner  Arbeiten  mir  bei  ihm  nicht  häufiger 
begegnete,  die  erbitterte  Art  wie  er  sich  über  sie  zu  äuasera 
pflegt,  mich  eine  übermässig  ungunstige  Beurtheilung  von  seiner 
Seile  befurchten  lassen.  Wäre  etwa  eine  sehr  stolze  Empfindlich- 
keit über  einige  in  aller  Höflichkeit  von  mir  gemachte  Bemerkun- 
gen, deren  Richtigkeit  nur  zu  sehr  empfunden  worden  seyn  musste, 
die  Ursache  so  grossen  Zornes?  —  Eine  solche  Lieblingsschlange 
ist  auch  die  welche  das  kleine  Mädchen  im  Capitolinisehen  Mu- 
seum nach  ihrer  Taube  zum  Spiel  schnappen  lässt,  und  die  wel- 
che an  einen  schlummernden  Knaben  heranschleicht  im  Dresdner 
Museum,  in  dem  schönen  und  gründlichen  Hettnerschen  Verzeich- 
niss  der  dortigen  Bildwerke  1856  S.  75  N.  343.  —  Die  Vorliebe 
für  Hausschlangen  haben  auch  Slayische  Völker  nach  Schwencks 
Slaw.  Mythol.  S.  116.  1?6»  wo  übrigens  die  Schlangen  auch  als 
Schutzgeister  verehrt  wurden,  S.  265.  287  f. 


KMHiHMHIfiMHMiiHMMiMHfiSWh 


Gesuch  um  Expiation.  305 

hender   Lanzner   welcher   die    königliche   Leibwache    be- 
deutet ^^). 

Schwieriger  als  die  untere  möchte  die  obere  Reihe 
zu  erklären  seyn.  Hier  wo  sonst  nur  Götter  gebildet  zu 
seyn  pflegen,  unter  sich  sowohl  als  zu  der  dargestellten 
Handlung  und  Lage  in  schickliche  Beziehung  gebracht,  sehn 
wir  in  der  Mitte  Athene^  mit  Oellaub  bekränzt ,  die  Lanze 
in  der  einen,  den  Helm  in  der  andern  Hand  haltend,  den 
grossen  runden  Schild  neben  sich  aufgehängt,  und  zu  ih- 
rer Rechten  einen  Dioskuren,  nur  den  einen.  Zur  andern 
Seite  aber  ist,  statt  eines  einzelnen  Gottes,  eine  Scene 
zwischen  einem  sitzenden  Alten  und  einem  vor  ihm  stehen- 
den Jüngling,  als  eine  neue  besondre  Darstellung,  so  ganz 
ungewöhnlich  dass  man,  hätte  man  die  Vase  selbst  vor 
sich,  vielleicht  nachsehn  würde  ob  diess  Stück  nicht  in 
eine  Lücke  eingesetzt  sey.  Was  von  dieser  Gruppe  zu 
halten  sey,  darüber  habe  ich  keine  Meinung.  Den  Sit- 
zenden könnte  man  für  Asklepios  nehmen,  auch  ohne  ir- 
gend eines  der  herkömmlichen  Abzeichen,  das  Täfelchen 
über  ihm  als  Anspielung  auf  die  in  seinen  Tempeln  von 
den  Genesenen  geweiheten,  und  seine  Anwesenheit  be- 
züglich auf  die  Art  von  Krankheit,  die  allerdings  auf  dem 
Schuldbehafteten  lastet.  Aber  zu  seltsam  wäre  doch  der 
Gedanke  ihn  statt  durch  sprechende  Attribute,  durch  eine 
Consultation  zu  charakterisiren.  Allerdings  thut  er  nach  der 
Fingerbewegung  der  rechten  Hand  einen  Ausspruch ,  ertheilt 
einen  Rath^  und  die  Art  wie  der  junge  Mann  seine  Hände 
zusammenbringt,  drückt  deutlich  Zustimmung  und  Befriedi- 
gung aus,  also  wenn  der  Gott  Asklepios  ist,  Hofi^nung  der 
Genesung,  wie  sie  auch  dem  unten  Hülfesuchenden  bevorsteht. 

17)  Mein  Freund  Hr.  D.  Brunn  hat  mich  später  aufmerksam 
gemacht  dass  in  OTerbecks  Gallerie  Taf.  4,  4^  „wo  die  (S.  11 9)  yor- 
geschlagene  Erklärung  nicht  genüge,"  eine  Replik  des  Gegenstandes» 
den  ich  hier  yermuthete,  enthalten  seyn  möge.  Die  Vase  ist  jeden- 
falls Apulischy  aus  Gerhards  Apulischen  Vasenbildern  Taf.  £,  10. 

V.  20 


Räthselhaftes    Yasengemälde  ^). 


Taf.   XX. 

Vor  nicht  langer  Zeit  ist  in  dem  Bull,  archeol  Napoli- 
lano  N.  9,  tav.  V,  1  des  Jahres  1856  ein  neu  entdecktes  Va- 
sengemälde bekannt  gemacht  worden,  das  wohl  Jeder  der 
unsere  Vorräthe  an  bemalten  Vasen  und  überhaupt  antiken 
Bildwerken  übersieht,  äusserst  auffallend  und  unverständlich 
nennen  mag.  Es  scheint  in  bisher  noch  nicht  vorgekonw 
mener  Symbolik  irgend  ein  Naturverhältniss  auszudrücken ; 
und  es  möchte  lange  dauern  bis  andere  Darstellungen  ge- 
funden werden ,  die  auf  den  Sinn  den  es  verschliesst,  etwa 
hinleiten  können.  Möglich  ist  es  dass  die  symbolische 
Darstellung  von  den  vorgriechischen  Bewohnern  der  Ge- 
gend von  Mocera,  dem  alten  Nuceria,  wo  die  Vase  ge- 
funden ist,  von  den  Griechen  aufgenommen  und  in  ihrer 
Weise  umgebildet  worden  ist,  wie  sie  so  manchen  frem- 
den Naturmythus  in  ihre  Mythologie  und  Kunst  aufgenom- 
men haben.  Zwei  Jünglinge  gleichen  Alters  und  unbärtig, 
mit  unbedecktem  Haupt,  stehen  einander  gegenüber;  zwi- 
schen ihnen  ist  auf  dem  Boden  ein  zurückgelehnter  weib- 
licher Kopf  sichtbar,  nebst  einem  kleinen  Theil  des  übrigen 
Körpers^  wie   ein  Stück  Hals  und   Brust,   doch   nicht   in 


1)  Mon.  Apoali  e  Bull,  del  Inst.  archeoL  1856  p.  91—94. 


T  -  •  •  I      II  I  m 


Räthselhaftes  Vasengemälde.  307 

voller  natürlicher^  sondern  in  verkümmerter  Gestalt,  aber 
in  horizontaler  Lage.  Die  zwei  Figuren  stellen  offenbar 
einen  Gegensatz  dar,  ein  zusammengehöriges  Paar,  etwa 
wie  die  Dioskuren,  mit  denen  sie  sonst  schlechthin  nichts 
gemein  haben.  Der  eine  macht  einen  Ansatz  um  mit  ei- 
nem schweren  Hammer  einen  Schlag  auf  den  Kopf  unten 
zu  führen,  welchen  aber  der  andere  Jüngling  gegen  ihn 
in  Schutz  nimmt.  Er  thut  diess  indem  er  dem  andern  den 
einen  Arm  entgegenstreckt,  so  dass  der  Schlag  diesen 
treffen  müsste  ehe  er  den  Kopf  erreichte,  und  die  andere 
Hand  auf  den  Kopf  der  Liegenden  legt,  an  deren  Nacken 
er  auch  den  Fuss  setzt ,  wie  um  sie  auch  von  dieser  Seite 
in  Beschlag  zu  nehmen.  Diese  waffenlose  Vertheidigung 
scheint  zuzureichen,  so  als  ob  der  welcher  sie  leistet,  nicht 
für  sich  selbst  zu  fürchten  hätte.  Hr.  Minervini  glaubt 
dass  hierdurch  die  Triopische  Ceres  und  der  Mythus  des 
Erysichthon  ausgedrückt  sey.  Aber  diess  steht  mit  dem 
Bilde  selbst  auf  allen  Punkten  im  grellsten  Widerspruch. 
Es  kommt  darauf  an,  ob  man  als  das  erste  Gesetz  der 
Erklärung  annimmt,  dass  Stellung  und  Handlung  der  Fi- 
guren das  wirklich  ausdrücken  was  man  annimmt,  oder 
etwas  offenbar  Verschiedenes,  und  ob  man  als  die  zweite 
Regel  gelten  lässt,  dass  man  hinsichtlich  der  Attribute,  der 
Werkzeuge,  der  Andeutungen,  des  Kunstgebrauchs  über- 
haupt das  sicher  Ermittelte  und  die  erkennbare,  nachweis- 
liche Analogie  respectire  oder  nicht.  Wenn  es  Jedem  frei 
stünde,  mit  jedem  Theil  eines  Bildes  den  Gedanken  zu 
verbinden  der  ihn  für  die  von  ihm  voraus  angenommene 
Erklärung  brauchbar  machte,  so  könnte  die  Erklärung  leicht 
eine  Composition  aus  lautär  neuesten  Erfindungen  und 
willkürlichen  Annahmen  herstellen,  von  denen  das  auf  das 
alte  Bild  gerichtete  Auge  nicht  eine  einzige  als  wirklich 
ausgedrückt  anerkennen  könnte.  So  ist  es  mit  der  von  Hrn. 
Minervini  gegebenen  Erklärung  in  derThat  beschaffen,  der, 
wenn   er   sie   nochmals  prüfen  will,   selbst   wird   gestehen 

20* 


308  Räthselhaftes  Vasengemälde. 

müssen,  dass  der  Satz  Werth  hat:  est  quaedam  ans  ne- 
sciendi.  Was  gegen  seine  Erklärung  spricht,  will  ich 
ziemlich  vollständig  aufzeichnen,  damit  von  den  Wenigen 
welche  die  archäologische  Interpretation  unerachtet  des 
üblen  Rufes  und  Spottes  den  sie  sich  häufig  zugezogen 
hat,  als  eine  ernste  Sache  betrachten,  sich  Niemand  ein- 
bilden könne,  mit  der  seltsamen,  merkwürdigen  Vasen- 
Zeichnung  sey  es  schon  abgethan.  Vielleicht  findet  ein 
Anderer  die  wirkliche  Bedeutung  heraus,  die  sicher  eine 
ganz  bestimmte  und  allen  eben  so  erfahrenen  als  unbe- 
fangenen Betrachtern  einleuchtend  seyn  wird. 

Die  Göttin  unten  steigt  nicht  aus  dem  Boden  hervor, 
wie  die  Gäa  in  verschiedenen  bekannten  Vasengemälden, 
aufrecht,  mit  einem  grossen  Theile  des  Körpers,  oder  auch 
mit  nicht  viel  mehr  als  mit  dem  Kopf  in  dem  wo  die  Pa- 
uken auf  sie  hämmern;  sondern  ihr  fast  gerade  nach  oben 
gewandtes  ganzes  Gesicht  und  noch  mehr  was  sonst  noch 
von  ihr  sichtbar  ist,  zeigt  eine  zurückgelehnte  oder  auf 
dem  Rücken  liegende  Figur  an.  Sie  ist  auch  nicht  Geres 
die  als  Ghthonia  so  wenig  wie  Persephone  aufsteigend  aus 
der  Erde  vorkommt  und  als  Göttin  des  Feldbaues ,  wie  sie 
hier  genommen  wird,  unmöglich  so  vorgestellt  werden 
konnte.  Gerhard,  auf  welchen  Hr.  Minervini  sich  stützt, 
hat  die  Gäa  der  Paliken  nur  aus  Unachtsamkeit  zufällig  so 
nennen  können*).  Wenn  der  Erklärer  von  der  Person, 
die  nach  ihm  hervorkömmt  (sorge,  sporge)  sagt,  che  mos- 
tra  in  continuazione  una  turgida  mammella,  turgida  mam- 
mella  sporgente  dal  suolo ,  und  zum  drittenmale  una  tur- 
gida poppa,  so  hat  er  diess,  die  Richtigkeit  der  Zeich- 
nung vorausgesetzt,  sich  nur  so  gedacht,  weil  ihm  diese 
turgida  mammella  geeignet  schien  für  die  Göttin ,  welche 
per  eccellenza  KOVQorq6q)OQ  genannt  werde.  Den  griechi- 
schen  Künstlern  freilich   muss  diess  nicht  so    geschienen 


2)  S.  meioe  A.  Deokmäler  3,  227. 


^■"  "— 


Räthselhaftes  Vasengemälde*  309 

haben.  Denn  etwas  Anderes  ist  es  wenn  wirklich,  wie 
Gerhard  bemerkt  3),  in  einigen  Sicilischen  Idolen  ge- 
brannter Erde  die  Erdmutter  zahlreiche  Brüste  hat,  und 
ebenso  das  Idol  einer  Demeter  in  einer  später  zu  erwäh- 
nenden Münze  Lykiens,  als  wenn  eine  Ceres  des  Styls 
der  Vasen  eine  sehr  grosse,  unschöne  Brust  hätte.  Wäre 
aber  die  Ceres  des  Triopischen  Mythus  gemeint,  die 
im  Zorn  über  die  von  Erysichthon  ausgestossene  Dro- 
hung gegen  ihre  Priesterin,  deren  Gestalt  sie  selbst  an- 
genommen hatte ,  himmelhoch  vor  ihm  stand .  wie  Kalli- 
machos  mit  üebertreibung  sagt  (i&fjbata  fisp  x^^o*«,  x«- 
(paXä  d^  ol  äipai  öXi^giTta))  j  so  Hesse  sich  nichts  Wi- 
dersinnigeres denken  als  die  kolossale  Grösse  oder  über* 
haupt  Schrecknisse  durch  die  Göttin  so  auszudrücken  wie 
wir  vor  uns  sehen.  BeiOvid,  dessen  Erzählung  überhaupt 
sehr  verschieden  ist,  droht  Erysichthon  die  Eiche  zu  fäl- 
len und  wenn  sie  auch  die  Göttin  selbst  wäre:  non  dilecta 
deae  solum,  sed  et  ipsa  licebit  sit  dea,  jam  tanget  fron- 
dente  cacumine  terram.  Es  mag  unglaublich  scheinen,  aber 
es  werden  wirklich  diese  Worte  missbraucht,  um  eine 
IdentiGcirung  des  Baumes  mit  der  Ceres  selbst,  im  religiösen 
Culte  dieser  Göttin  anzunehmen,  il  che  per  le  varie  rap- 
presentanze  da  noi  illusstrate  torna  d'importantissimo  con- 
fronto^  so  dass  nun,  wo  die  Göttin  gezeichnet  ist,  ein 
Baum  verstanden  werden  könnte.  Erysichthon  aber  oder 
einer  seiner  Leute  würde  nach  der  Zeichnung  auf  die  Göt- 
tin selbst,  die  etwa  vor  ihm  auf  die  Erde  gesunken  läge, 
zuhauen,  statt  auf  ihren  Baum;  hauen  übrigens  nicht  mit 
einem  Beil  oder  einer  Axt  (wie  alle  die  kräftigen  und 
riesenhaften  Knechte  des  Erysichthon  die  heiligen  Bäume 
fallen  sollten  nsXimsadi,  xal  ä^lvaKSi)^  sondern  mit  einem 
Hammer.  Der  damit  zuschlagende  hat  an  der  Seite  etwas 
hängen  das  an  einen  Köcher  erinnert.    Dieser  passt  indes- 


3)  Annali  d.  inst.  1835  p.  43  in  qualche  raro  esempio. 


310  Räthselhafles  Vasengemälde. 

sei)   schlecht   zu  dem  Hammer.     Irrig  aber  ist  es  dass  der 
Köcher   die  Person   zu  einem  arciero  stempeln  und   gegen 
eine   symbolische   oder   göttliche   Person  beweisen  würde, 
da  wir  auch  Götter  mit  allerlei  Waffen  und  Wehr,  mit  dens 
Köcher  selbst  gerüstet  sehen     Der  Erklärer  hat  den  Muth  aus- 
zusprechen, dass  der  Andere  von  beiden  Erysichthon  sey, 
der  die  Axtschläge  befehle,   und  der  welcher  sich  anstelle 
sie  zu  thun,  sein  Diener;  fügt  jedoch,  wie  durch  die  Au- 
genscheinlichkeit  getroffen,   hinzu,   man   könne  sich  auch 
vorstellen ,  dass  der  Unbewehrte  die  Schläge  hindern  wolle 
während    der    Andere,   nun  Erysichthon,   den  Frevel  fort- 
setzen wolle,  indem  er  die  (vermeintliche)  Axt  ergreife  da 
er  beiOvid,  als  er  die  beauftragten  Männer  zaudern  sieht, 
selbst   die    Axt    nimmt  und  droht.     Eine    sonderbare,  un- 
begreifliche Art  diess  darzustellen  wäre  die  unseres  Bildes« 
Die    einzige    ihm    übrig   gebliebene   Schwierigkeit   ist   Hr. 
Minervini   nicht  verlegen ,  wegzuräumen.     La  sola  difHcoltä, 
sagt  er,  nel  nostro  monumento  i  che  non   si  vede  aicuna 
traccia    di  alberi,  contro   i   quali  esser  dovrebbero   diretti 
i  colpi  della  bipenne.     Ma   anche  qui   diciamo  che  sarebbe 
impossibile  effigiare  Penorme  pioppo  di  cui  parla  Callimaco 
—  si  6  contentato   il   dipintore  di  supporre  le  piante,  che 
si  prendon    di  mira,    essende   abbastanza    iudicata  la  loro 
®sistenza  ^^'  movimenti  delle  figure  nell  atto  di  percuotere  ♦). 
Aber  es  ist  ja  ein  Gegenstand  sichtbar,  gegen  welchen  die 
eine  Figur   den  Hammer   führt,    und    es    darf  also    nicht 
einmal     ein    anderer   vorausgesetzt    werden.     Eine    ein- 
zige   Erfindung   dieser  Art    könnte    hinreichen,    um    bei 


4)  Gleich  im  Anfange  ist  die  Sache  so  aasgedrückt:  Sono  doe 
giovani,  uno  de  quali  ö  intepo  a  percuotere  con  una  grossa  acare 
nel  sito  ove  si  vede  una  teeta  femminile  di  grandi  dimensioni  spor- 
gente  dal  suolo,  Taltro  poggia  una  mano  quasi  suHa  medesima 
testa  e  (k  coli*  altra  un  gesto  yerso  il  compagno»  quasi  per  regih- 
lame  od  impedime  i  colpi. 


Räihselhafles  Vasengemälde. 


manchem   nachdenkenden   Archölogen   um   allen   Credit   zu 
bringen. 

Der  Kopf  der  vorausgesetzten  Demeter  Chthonia  hat 
den  Verfasser  verleitet  die  zwei  Vasengemälde,  worin  ich 
im  Jahrgang  1830  der  Annali  (p,  245  lav.  d'agg  i.  K) 
und  später  ausführlicher  in  meinen  Allen  Denkmälern,  die 
Sicilischen  Palikon  mit  der  Güa  nachwies,  ebenfalls  auf 
den  Triopischen  Mythus  zu  beziehen ,  und  mit  Befpiedigung 
macht  er  zum  Schluss  aufmerttsam  auf  die  Wichtigkeit  der 
Entdeckungen  inNocera,  perchö  valsero  a  dimostrare  non 
essere  i  Palici  figurali  sui  monuinenti,  ma  sibbene  il  mito 
eminenleinenle  (uni^bre  della  Cerere  Triopea  e  di  Erisi- 
tone.  Ich  will  daher  auch  über  seine  Erklärung  dieser 
beiden  Vasen  einige  Bemerkungen  hinzufügen,  kann  aber 
nicht  verlangen  dass  mir  Alle  glauben  wenn  ich  die  Worte; 
non  lanto  per  propria  difesa ,  quanio  per  onor  della  sci- 
enza,  da  me  coltivata,  darauf  anwende,  die  Hr.  Miner- 
vini  in  einer  der  folgenden  Nummern  seines  Bulletino  ge- 
braucht j  indem  er  die  Erklärung  einer  Vase  von  D.  Conze 
eifrig  zu  widerlegen  sucht,  der  zwar  mit  ihm  selbst  den 
Philoklel  in  Troja  und  Paris  angimommen,  aber  viel  Ein- 
zelnes anders  gedeutet  hatte'}. 


6]  Ihoi,  dtr  in  der  Auileguog  von  ßiidwerlicn  nocli  «eaig 
UebuDg  hit,  aber  ein  eehr  warkerer  junger  Gelelirler  ist,  halle 
auch  ich  gegeo  aeine  Abhandlung  gesprochen,  da  es  mir  ja  üLier- 
liaupl  unmögtlch  ist,  jene  SceoQ  der  klpinen  Iliss  in  dem  Genjalde 
lu  erkennen.  Hr.  MiuerTioi  geslehl  scbliesnlich  zu,  data  auch  sei- 
ner Erklärung  Scbnierigkeilen  enlgegenslehen,  behauplel  aber,  dass 
-  diese  geringer  Bejen ,  als  die,  welche  andere  drücken.  Dabei  wilt 
ich  mich  Terwahrcn  gegen  den  Begriff,  d^n  er  Ton  der  melnigeD, 
die  in  Gerhards  Archäol.  Zeitung  I85ß  N.  88  gedruckt  hl.  ao 
oberDichlich  als  möglich  giebt  p.  82.  £a  iai  ungegründel,  dssa 
nichl  moliiirt  mj  das  Costum  in  welchem  tleraklGg  auftrid,  das 
Ablegen  der  Keule  and  der  Löwenhaut,  dass  Jolaos  nichl  als  Käm- 
pfer erscheine,  da  diesi  alles  vielmehr  mit  Notbwendigkeii  aus  dem 
ibang  der  angenommenen  Scene  hervorgeht. 


312  Räthselhaftes  Vasengemälde. 

In  dem  einen  von  mir  edirten  Gemälde,  dem  mit  schwar- 
zen Figuren,  ist  ein  Paar  Schmiede  zu  sehen ^  von  denen 
der  eine  den  schweren  Hammer  auf  einen  kolossalen  Kopf^ 
wie  auf  einen  Ambos  auffallet  lässt,  während  der  andere 
die  Last  des  seinigen  eben  hebt,  den  er  niedersenken 
wird,  sowie  der  andere  den  seinigen  wiedererhebt;  wie  ein 
ein  Paar  Grobschmiede  also  die  im  Wechselschlag  eine 
Masse  bearbeiten,  wenigstens  ist  dieses  so  deutlich  ausge- 
drückt, dass  es  ein  Kind  von  der  Strasse  verstehen  wird^ 
und  dass,  wenn  diess  nicht  gemeint  seyn  sollte,  sich  ge- 
wiss nicht  sagen  lässt,  was  denn  etwa  sonst?  Freilich  wenn 
man  mit  Hrn.  Minervini  diese  ungeheuren  Schmiedehämmer 
für  Beile,  Bäume  damit  zu  fällen  (securi)  nehmen  kann,  so 
wird  man  leicht  in  der  weiten  Schöpfung  unzählige  Dinge 
finden ,  die  ihnen  ebenso  ähnlich  sehen ,  sowie  in  den  Ver- 
richtungen und  Stellungen  der  Menschen  gar  mancherlei, 
was  noch  weit  besser  ausgedrückt  wäre  als  Baumfällen. 
Sehr  richtig  ist  die  Bemerkung  dass  wenn  das  Alterthum 
die  Paliken  nicht  als  Künstler  bezeichne,  wir  auch  nicht 
befugt  seyen  sie  so  zu  nennen:  nur  bedurfte  ich  dieser 
Belehrung  nicht,  da  ich  sie  Künstler  nicht  genannt,  son- 
dern nur  auf  den  Witz  ächtgriechischer  Symbolik  aufmerk- 
sam gemacht  hatte,  dass  indem  die  Lavaausbrüche  des 
Aetna  als  Grobschmiede,  die  auf  die  Erde  hämmern,  also 
als  xsiqoYaaroqsq  gefasst  sind,  auf  diesen  ihren  Charakter 
durch  das  ganz  offenbare  Hervorgehen  des  einen  aus  den 
Händen  der  Mutter  nach  alt  griechischer  Weise  angespielt 
werde,  und  ich  muss  den  Archäologen  bedauern,  der  für 
das  scharfe  Zusammentreffen  der  wenigen,  aber  sämmtlich 
nur  unter  den  gegebenen  Gesichtspunkten  fasslichen  Merk- 
male nicht  Auge  noch  Sinn  hat.  Undenkbar  ist  es  dage- 
gen dass  la  immensa  testa  ci  addita  un  corpo  si  grande 
che  autorizza  la  iperbolica  espressione  di  Callimaco,  che 
mentre  i  piedi  toccano  il  suolo,  il  capo  giungeva  infino 
all   Olimpo.    Durch  ihre  Erhebung  zum   Himmel  setzt  die 


Idtt^ 


Räthselbafles  Vasengemfildo. 


313 


Göttin  in  Schrecken;  sie  würde  trotz  ihrer  kolossalen  Ge- 
stalt vor  Furcht  in  die  Erde  zu  versinken  scheinen,  wie 
man  im  Sprichwort  sagt,  wenn  man  sie  auf  den  Frevel 
an  ihrem  Hain  bezöge,  lieber  die  Mythologie  der  Paliken 
im  Allgemeinen  ist  hier  nicht  der  Ort  zu  reden:  es  ge- 
nügt dass  sie  vom  Aetna  und  seinen  Glutmassen  ausgeht, 
dass  die  hier  in  Betracht  kommende  Wirkung  und  Gestal- 
tung derselben  auf  die  Deutung  des  Aeschylus  zurückgehl, 
und  durch  bestimmt  tiberlieferte  mythische  Züge  gesichert 
ist.  Uebrigens  hängt  mit  den  Paliken  in  Culten  und  Gebräu- 
chen mancherlei  zusammen,  wie  der  Aetna  im  Lande  herr- 
schend da  steht,  so  dass  Creuzer  den  sonderbaren  Ausdruck 
Palikengölter  erfunden  hat.  Im  Vorbeigehen  zu  bemerken, 
so  zeigt  das  über  diesen  Gegenstand  von  Herrn  Minervini 
hingeworfene  Gutachten,  dass  seine  Anmassung  im  Mytho- 
logischen nicht  weniger  gross  ist  als  in  der  Erklärung  der 
Vasen.  Es  ist  diess  ein  weites  Feld  voll  Dunkelheiten  und 
Verwickelungen,  worin  ihm  leider  auch  einige  Deutsche 
Gelehrte  das  Beispiel  vager  unbestimmter,  oberflächlicher 
Behandlung,  des  Hangels  an  Unterscheidung  bei  einem 
Reichthum  an  willkürlichen  Gombinationen  und  Vermischun- 
gen gegeben  haben.  Aber  wie  entgegengesetzt  der  Wir-* 
kung  die  er  beabsichtigt,  von  andern  Deutschen  eine  Spra- 
che wie  diese:  Oltre  le  osserviazioni  giä  fatte  da  altriio 
credo  che  studiando  la  natura  dei  Palici  debban  credersi 
rappresentare  —  verstanden  wird,  davon  scheint  er  keine 
Ahnung  zu  haben.  Ma  che  diremo ,  se  Tantichitä  stessa  ci 
ha  fornito  la  imagine  ed  i  simbbli  dei  Palici?  Di  fatti  Stra- 
bone  dicendo  —  viene  ad  additarci  in  quäl  modo  figurar  si 
dovrebbe  questa  Sicula  divinitä.  Strabon  aber  sagt  hier^  dass 
die  Paliken  Sprudelquellen  haben  (xgariJQag  S%ovai)j  und 
verschiedene  Griechische  Autoren  nennen  diese  Krater 
Brüder  der  Paliken,  die  Dellen.  Diess  ist  der  gröbste 
Buchstabe  in  dem  was  von  den  Paliken  geschrieben  steht 
und  noch  so  viele  Citate  über  sie  können  nicht  verstecken^ 


314  Räthselhaftes   Vasengemälde. 

dass  man  wenig  über  sie  nur  gelesen,  nichts  durchdacht, 
studirt  hat ,  wenn  man  aus  den  Dellen  auf  die  Gestalt  der 
Paliken  schliessen  kann.  Die  Bäume  sind  die  Hauptsache 
in  der  Fabel  von  Erysichthon.  Wenn  sie  daher  an  der 
Vase  von  Nocera  ganz  fehlen  und  nur  vorausgesetzt  wur- 
den, mit  einer  Vermuthung  hinterdrein,  dass  auch  in  dem 
Kopf  der  Göttin  eine  Eiche  stecken  könne,  so  sehen 
wir  dagegen  in  meiner  Palikenvase  wo  nach  Bull.  Nap.  p. 
65  zwei,  statt  des  einen  an  der  von  Nocera,  mit  Aexten 
hauen ,  nel  campo  svariate  ramificazioni ,  p.  67  varii  rami 
destinati  a  simboleggiare  il  sito  pleno  di  vegetazione,  a 
cui  son  diretti  i  colpi  —  (die  doch  offenbar  auf  den  Kopf 
der  Göttin  treffen  und  gerichtet  sind)  —  e  solo  sono  sop- 
pressi  i  grandi  alberi  che  s'intendono  troncare,  per  lo 
uiotivo  giä  da  noi  dichiarato  j  che  non  potevano  figurarsi 
in  un  brevissimo  spazio,  indem  also  nach  p.  68  l'artista 
si  e  limitato  a  segnare  poche  tracce  di  vegetazione. 
Solche  Zweige  wie  hinter  den  Köpfen  der  beiden  Paliken 
und  zwischen  dem  einen  und  dem  kolossalen  Kopf*  hervor- 
laufen,  kommen  auf  unzähligen  Vasen  und  in  den  verschie- 
densten Vorstellungen  vor,  es  sey  zum  beliebigen  blossen 
Ornament ,  wie  man  oft  Schnörkel  bei  einer  säubern  Schrift 
angebracht  sieht,  oder  in  irgend  einer  uns  unbekannten 
Absicht.  Diess  konnte  dem  Erklärer  unmöglich  unbekannt 
seyn,  und  es  giebt  daher  einen  Begriff  von  seiner  Will- 
kür alles  Einzelne,  wie  es  seiner  von  dem  Ganzen  gefass- 
ten  Idee  dient,  gegen  den  Sinn  des  Auges,  gegen  alle 
Analogie  und  den  gesunden  Menschenverstand  zu  deuten, 
wenn  er  gerade  hier  diese  Zweige  als  Symbole  der  heili- 
gen Bäume  nimmt.  Die  Einwendung,  dass  die  Vorstellung 
niemals  in  Sicilien  gefunden  sey,  die  doch  einen  localen 
Mythus  enthalten  solle  (der  übrigens  auch  bei  Italischen 
Schriftstellern  vorkommt) ,  ist  sonderbar  da  doch  auch  der 
Triopische  Mythus,  auf  welchen  hier  nun  drei  Vasen  zu- 
rückgeführt werden,  localer  Natur  und  gerade  in  Nocera 


1*^ 


Räthselhaftes  Vasengemälde.  3 1 5 

nicht  nachweislich  ist.  In  der  Elite  c^ramographiqne  ist 
übrigens  bemerkt,  dass  der  Lekythos  mit  den  Paliken  von 
Sicilischer  Fabrik  sey  T.  1  p.  171.  Und  nach  solcher  Ein- 
leitung soll  zuletzt  erst  die  Vase  von  Nocera  der  Meinung 
des  Hn.  Welcker  vollends  den  Garaus  machen  (dar  l'e- 
stremo  crollo).  Nein,  es  folgen  noch  andere  Gründe. 
Ein  unübersteigliches  Hinderniss  gegen  sie  soll  der  schein- 
bare Köcher  abgeben,  der  einen  Sterblichen  bezeichne, 
wovon  schon  die  Rede  gewesen  ist;  und  ein  unübersteig- 
liches Hinderniss  würde  wirklich  seyn  was  in  der  folgen- 
den Behauptung  liegt,  wenn  sie  nicht  dem  Augenschein 
auf  das  dreisteste  Trotz  böte :  osservo  che  i  pretesi  mal- 
lei  deeono  invece  riputarsi  bipenni^),  cosi  le  vediamo  non 
poche  volte  ßgurati  nei  vasi  dipinti  (angeführt  wird  kein 
einziges,  obgleich  es  auf  diesen  Punkt  hier  ankömmt  um 
nur  den  Anfang  mit  einer  Prüfung  der  neuen  Erklärung 
machen  zu  können],  e  piü  si  scorge  nel  vaso  di  Nocera 
ove  la  forma  si  approssima  piü  a  quella  di  una  scure. 

Ungleich  weniger  brauchte  meiner  andern ,  der  aus 
Passeri  (Taf.  254)  genommenen  Vasenzeichnung  Gewalt  an- 
gethan  zu  werden,  um  sie  aus  Kallimachos  zu  erklären. 
Aber  Machf^pruch  ist  es  freilich  und  nicht  zu  glauben, 
dass  die  aus  der  Erde  sich  erhebende  Figur  Ceres  sey, 
die  aus  der  Gestalt  der  Prieslerin  in  die  himmelhohe  der 
Göttin  selbst  übergeht.  Es  ist  durchaus  ungegründet,  dass 
Creuzer  in  den  aufgeführten  Stellen  die  Demeter  als  Gäa, 
insbesondere  in  dem  Mythus  des  Erysichthon  erkläre.  In 
diesem  gerade  nennt  er  sie  ausdrücklich  ^die  obere  Ceres^^ 
was  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  und  Sinn  der  Fabel 
sich  von  selbst  versteht^).  Der  alte  blätterlose  Baum  sodann, 
vor  welchem  die  zu  zwei  Drittheilen  aus  der  Erde  hervor- 


6)  bipenois  utrinque  aciem  habens. 

7)  Als  Ghthonia  ist  Demeter  Dicht  Göttin  der  Vegetation,  son- 
dern der  Verstorbenen  und  es  fällt  also  auch  weg  ,  dass  der  Mj- 


316  Räthselhaftes  Yasengemälde. 

ragende  Figur  ist,  lässt  sich  nicht  annehmen  als  Symbol 
des  Hains  in  welchem  die  zwanzig  Diener  des  Erysicbthon 
die  schönste  Pappel  gefällt  haben,  worauf  dann  die  zürnende 
Göttin  in  kolossaler  Grösse  erscheint,  so  dass  sie  fliehen^  den 
Erysichthon  aber  mit  nicht  zu  stillendem  Heisshunger  straft 
(wovon  er  JX&wv  genannt  wird).  Endlich  fahren  die  zwei 
männlichen  Gestalten  mit  ihren  Doppelbeilen  (die  man  hier 
zugeben  könnte)  auch  nicht  gegen  den  Baum ,  sondern 
gegen  die  Göttin  selbst  ein,  wie  ihr  Blick,  wie  die  Hal- 
tung des  vorderen,  wie  die  Gegenbewegung  der  Göttin 
bestimmt  zeigt,  und  worin  auch  alle  Erklärer,  z.  B.  auch 
Feuerbach  einstimmig  sind,  ihr,  nicht  dem  Baume  (la  Santa 
pianta  di  Cerere)  eilt  der  Alte  zu  Hülfe.  Die  Berufung 
auf  die  Ungenauigkeit  der  Zeichner,  und  die  Unerfahren- 
heit  Restaurationen  der  Vasen  zu  erkennen  zu  Passeris 
Zeit,  wo  es  wohl  aus  Stücken  hergestellte  Vasen  noch 
nicht  gab,  können  diesem  Alten  das  Greisenhafte  in  Haupt 
und  Charakter  der  ganzen  Gestalt  nicht  nehmen,  er  kann 
also  nicht  Erysichthon  bedeuten ,  che  con  vivace  movi- 
mento  cerca  di  distoglere  o  di  animare  i  minacciosi  colpi. 
Münzen,  die  der  Verfasser  selbst  airführt,  aber  ohne 
sich  durch  die  Vergleichung  aufmerksam  machen  zu  lassen, 
wie  gezwungen  seine  Erklärung  der  Vasenbilder  sey,  wie 
sie  gradezu  durch  sie  vernichtet  werde,  stellen  wirklich 
den  Frevel  des  Erysichthon  dar.  Gegen  die  Wurzel  eines 
Baumes  mit  vielen  Aesten  erhebt  ein  Mann  die  Bipennis^ 
während  ein  Anderer  erschrocken  flieht,  beide  haben  die 
Phrygische  Mütze.  Diess  auf  zwei  Münzen  von  Aphro- 
disias  in  Karien.  Eine  von  Myria  in  Lykien  hat  dieselbe 
Vorstellung,  nur  dass  beide  Männer  die  Axt  gebrauchen 
und  ^hier  ist  Demeter  erschienen,   verhüllt  und  mit  vielen 


thu8  des  ErjsichthoQ  auf  die  Ghthooia  bezüglich  eej,  messo  in 
rapporto  coo  sepolcrali  monumenti,  quali  deggioo  tenersi  i  trö 
Ya8i  dipinti  de'  quali  tenemmo  discorso. 


i^Sft 


MM 


Räthselhaftes  Yasengemälde. 


317 


Brüsten  und  begleitet  von  ihren  Schlangen ,  die  sich  gegen 
die  Frevler  wenden. 

Schliesslich  muss  ich  bemerlien  dass  die  noch  unver- 
standene Symbolik  der  Vase  von  Nocera  mich  veranlasst, 
die  von  mir  einst  zugleich  mit  dem  alterthümlichen  Ge- 
mälde der  Paliken  edirte,  eben  zuletzt  besprochene  Pas- 
serische Vase  (Taf.  254)  abzusondern,  die  Erklärung  die 
sich  auf  bedeutende  mit  jener  übereinstimmende  Punkte, 
die  Figur  der  Gäa  und  zwei  gegen  sie  Streiche  führende 
Männer  gründete,  aufzugeben  und  ihr  besseres  Verständ- 
niss  von  der  Zukunft  zu  erwarten.  Es  wird  neben  ihr  und 
der  neuen  Vase  von  Nocera,  deren  Sinn  noch  zu  errathen 
bleibt,  auch  die  andere  aus  Passeri  Taf.  253,  die  in  den 
Annali  del  inst.  1830  tav.  K  mit  abgebildet  ist,  und  die 
ich  damals  so  wie  auch  zwanzig  Jahre  später  in  meinen 
Denkmälern  (3,  216)  für  mich  unverständlich  erklärte,  mit 
in  Betracht  zu  ziehen  seyn.  Auch  sie  enthält  zwei  Män- 
ner gegen  einander  über,  beide  nackt,  beide  mit  einem 
kleinen  Hammer  in  der  linken  Hand,  der  eine  aber  bärtig 
mit  einem  Hut  auf  dem  Kopf,  welcher  den  zwischen  ihnen 
stehenden  Gott  am  Kopf  anfasst,  der  andere  unbärtig,  be- 
helmt und  eineu  langen  Stab  haltend.  Ein  gegensätzli- 
ches Verhältniss  auch  zwischen  diesen  beiden  Dämonen  in 
der  Beziehung^zu  dem  sonderbaren  Alten ,  zwischen  ihnen 
ist  zu  vermuthen.  Der  Gedanke  der  hierin  liegt,  ist  ge- 
wiss verschiedener  als  die  beiden  andern  unter  sich  sind, 
doch  scheint  auch  dieses  Bild  in  der  Art  der  Symbolik 
etwas  mit  ihnen  gemein  zu  haben. 


PanathenäenTase  mit  Boreas  und  Oreithyia  ^). 


Taf.   XXI. 

Diese  Amphora,  die  noch  von  dem  bald  darauf  leider 
aus  dem  Leben  geschiedenen  berühmten  Gräberentdecker 
Fran^ois  mit  anderen  inVulci  gefunden  worden  ist^  zeich- 
net sich  vor  so  vielen  durch  dreierlei  aus,  durch  die  Ei- 
genthümlichkeit  der  beiden  gegenüberstehenden  Darstel- 
lungen und  dadurch  dass  die  Figuren  nachgeahmt  archai- 
schen Styls  die  rothe  Farbe  haben  oder  nur  die  Rückseite 
allein?  oder  haben  schwarze  Figuren  hier  auf  dieser  die 
Stilfreiheit  von  rothen?  Im  Museo  Bartold.  p.  69  not.  12  hat 
eine  Panathen.  x\mphora  Rv.  ein  Wagenrennen  roth.  Die 
Zeichnung  verdankt  das  Institut,  in  welchem  die  Vase 
selbst  am  8.  März  vorgezeigt  worden  war,  der  Güte  des 
Herrn  Gu.  des  Vergers. 

Die  Vorderseite  zeigt  neben  den  zwei  Säulen  mit  ei- 
nem Hahn  darauf  zwiefach  dieselbe  Inschrift  die  von  der 
ältesten  und  merkwürdigsten  dieser  zahlreichen  Klasse  der 
Vasen  her,  von  der  von  Millingen  an  der  Spitze  seiner 
Ancient  unedited  Monuments  bekannt  gemachten  Panathe- 
näischen  Preisvase  aus  Athen  selbst  bekannt  ist:  TONAGE- 
NEQENAOAON,  tcop  'A&fjvtj&sv  ä&Xcov  *) ,  nur  dass  das 

1)  Annalid.  I.  archeol.  1857  p.  197— 211.258.  Monum.  6,  9.10. 

2)  8.   Pindar.  ed.  Boeckh  T.   2  p.  488.  G.  I.   Graec.  n.  33  p. 
49  s.  cf.  p.  450,  wo  auch  tod  einer  ehmals  in  RopsiantiDopel  be-« 


wm 


Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia.        319 

an  jener  noch  beigefügte  EMI  (sT/u)  hier,  wie  in  allen 
den  vielen  Wiederholungen^  ausgelassen  ist.  Dem  Zeich- 
ner hat  es  gefallen  das  einmal  in  A&AON  anstatt  des  A 
und  das  A  einen  Schnörkel  zu  setzen,  und  in  AOENE- 
&EN  das  A  umzukehren,  wie  es  auch  in  der  andern  In- 
schrift in  A&AON  geschehn  ist,  während  es  hier  in  dem 
andern  Wort  seine  regelmässige  Stellung  erhalten  hat. 

Aus  Vulci  und  benachbarten  Fundorten  rühren  bei 
weitem  die  meisten  dieser  grossen  und  kleineren  auf  die 
Panathenäen  bezüglichen  Amphoren  her.  Lucian  Bonaparte 
zählte  im  seinem  Museum  zehn  ganze  und  mehr  als  zwan- 
zig in  Stücken  ^).    Einen  Theil  derselben  hat  Gerhard  schon 

findlichen  Vase  die  Inschrift  angeführt  ist  ^Ayanias  «g/oDy  tvip^Ad^ri- 
ytj^fy  tt^kcoy,  d.  i.  unter  dem  Archon  Agasias.  Bröndsted  OnPa- 
nathenaic  Vases,  od  their  official  Inscripiion,  and  on  the  Boly 
Oil  contained  in  them,  \?hich  was  giyen  as  the  Prize  to  the  Vic- 
tors in  the  Paoathenian  Games,  in  den  Transactions  of  the  R. 
Soc.  of  Litterature  Vol.  2  P.  1  1831  p.  102—135,  wo  auch  zwei 
solcher  Gefässe  unter  den  yom  Prinzen  yon  Ganino  nach  London 
gebrachten  berücksichtigt  sind.  Die  richtige  Lesung  rwy  'Ad-ijyrjd-ey 
ä&kü}y  ist  festgestellt  p.  112  ff.  statt  aS-koy  ,  darunter  aber  p.  132 
one  of  the  prizes  from  Athens  .ein  naya&tjya'ixoy  Mnad-loy  ver- 
standen. Auch  an  einer  Amphore  yon  Berenike  TSIN  ASUNJL. 
9KN  A9JSIN,  Reyue  arch6ol.  V,  1  pl.  93. 

3)  Musee  £tr.  p.  48.  Drei  aus  V^ulci  waren  im  Gabinet  Du- 
rand, eine  p.  239  n.  702  mit  der  Inschrift,  zwei  ohne  sie  n.  703 
— 707.  Zwei  eben  daher  in  der  Descr.  des  Ant.  —  de  M.  le  G. 
PoHrtal^s-Gorgier  par  J.  J.  Dubois  p.  33  n.  139.  140  beide  mit 
der  Inschrift,  (die  eine  yon  Gerhard  irrig  nach  Nola  gesetzt  An- 
nali  2,  217).  Aus  der  Sammlung  Gandelori  sind  in  München  nach 
O.  Jahns  äusserst  schätzbaren  Beschreibung  der  Vasensammlun^ 
König  Ludwigs  N.  449.  498  (diese  mit  der  zweiten  Inschrift  cra- 
diov  dt^Qüiy  yix9j  die  Annali  2,  217  durch  Versehen  dem  Prinzen 
Ton  Ganino  gegeben  wird),  655.  656.  657.  sämtlich  mit  der  In- 
schrift; ohne  diese  und  als  rohe  Nachahmung  der  Panathenäischen 
Gefässe  zu  betrachten,  N.  485.  488.  489.  495.  496.  497,  so  wie 
auch  das  kleine  aus  Sicilien  N.  787.  Aehnlich  ist  eine  aus  Gross- 
griechenland Gab.  Durand  n.  675. 


320        Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreilhyia. 

im  ersten  Band  unsrer  Monumenti  edirt  Taf.  21.  22  und 
in  den  Annali  nebst  andern  der  Sammlungen  Feoli  und 
Candelori  besprochen  (2,  209 — 224),  nachdem  er  schon 
vorher  eine  gleiche  (mit  der  Göttin,  der  Inschrift  und  den 
zwei  Säulen  mit  Hähnen)  aus  Noia  jetzt  in  Berlin  in  seinen 
Antiken  Bildwerken  bekannt  gemacht  halte  (1828  Taf.  5 — 
7.)*).  Die  vielen  seitdem  an  den  verschiedensten  Punkten 
zum  Vorschein  gekommenen,  hier  alle  aufzuzählen  ist  für 
unsern  Zweck  nicht  erforderlich  ^). 

Von  allen  bisher  bekannt  gewordenen  ist  aliein. der 
unsrigen  eigen  das  zwiefache  Bild  der  Göttin  und  die  zwie- 
fache Inschrift,  und  es  fragt  sich,  was  will  insbesondre  die 
Wiederholung  des  Bildes?  Etwas  Andres  ist  dass  auf  ei- 
ner bei  Ptolemata  gefundnen  Amphora  auf  jeder  der  bei- 
den Säulen  anstatt  des  gewöhnlichen  Hahns  oder  der  Eule 
oder  einer  Vase,  oder  auch  eines  Panthers,  ein  Bild  der 
Athena  selbst  aufgestellt  ist;  denn  es  ist  augenfällig  dass 
das  eine  wie  das  andre  nur  ornamental  ist.  Von  dieser 
Vase,  die  von  dem  Englischen  Consul  zu  Tunis ^  Hrn« 
Werry,  in  der  Cyrenaika  gefunden  wurde,  hat  Birch  Nach- 
richt gegeben  in  Gerhards  Archäol,  Anzeiger  1857  S.  7*  6), 
Die  xiovfjddy  geschriebene  Inschrift  ist  TSiN  A&ENH&EN 
AQASIN  NIK0KPATH2  APÄSiN,  Da  Nikokrates  im 
Jahr  der  Schlacht  von  Issos  333  Archen  war,  so  gehört 
die  Vase  derselben  Zeit  an  aus  welcher  die  andern  ähnli- 
chen   bisher   in   jenen  Gegenden    gefundenen     herrühren. 


4)  Text  zu  den  A.  P.S.  117—138,  wo  S.  117  auch  rior  frü- 
her bekannt  gemachte  angeführt  sied. 

fi)  Eine  beGndet  sich  auch  zu  Frankfurt  am  Main  im  Stidel— 
sehen  Institut.  Eine  im  KumÜ  gcfundne^ist  edirt  in  Fiorelli  No- 
tizia  de*  Vasi  dip.  possed.  da  S.  A.  R.  il  conte  di  Siracusa  1856 
tay.  16,  ohne  die  Inschrift^  Rt.  eine  Rigergruppe  und  zu  jeder 
Seite  ein  £phebe  mit  Halteren  unter  Aufsicht  eines  Pädotribco. 

6)  Sie  ist  jetzt  im  i^rittischen  Museum  Gerhard  Archäol.  An* 
Zeiger  t856  S.  27 1\ 


Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia.       321 

Die  Figuren  sind  schwarz  auf  rothem  Grund ,  die  Zeichnung 
der  Athena  nachlässig  und  wie  aus  einer  Zeit  des  Verfalls. 
Die  Frage  ist  entstanden^  ob  zwei  Minerven  neben 
einander  innerlich  etwas  bedeuten^),  und  bei  Herausgabe 
des  Reliefs  eines  Etruskischen  Spiegelgehäuses  unter  dem 
Titel  Zwei  Minerven  von  Gerhard  in  dem  achten  Programm 
zum  Berliner  Winckelmannsfest  1848  sehr  ausführlich  er- 
örtert worden.  Hier  sehn  wir^  und  ich  habe  das  Werk 
auch  selbst  im  Britischen  Museum  genau  betrachtet,  zwei 
Bilder  der  Pallas,  auf  einem  Felsenstück  sitzend^  einander 
gegenüber,  in  völlig  gleicher  Stellung,  Rüstung  und  dem 
Schmuck  eines  Armbands.  ,,Nur  die  Andeutung  einer 
Schlange  auf  welcher  die  rechte  Hand  der  zur  Rechten 
sitzenden  Göttin  zu  ruhen  scheint,  gewährt  melleicht  einen 
kaum  bemerklichen  Wink  zur  Unterscheidung  beider  Ge- 
stalten.^^ Ich  gestehe  dass  in  der  Zeichnung  nicht  einmal 
ein  Stück  einer  Schlange  mir  bemerklich  ist,  dass  ich  aber 
auch  wenn  dieser  kleine  Schnörkel  nicht  rein  zufällig  son- 
dern absichtlich  wäre,  bei  der  die  ganze  Vorstellung  be- 
herrschenden vollkommnen  Correspondenz  nicht  das  gering- 
ste Gewicht  darauf  legen  könnte.  Meiner  mehr  als  einmal 
überlegten  Meinung  nach  sind  daher  diese  zwei  Minerven 
nur  eine  und  dieselbe  ^).  Der  Künstler  wollte  die  Decke 
eines  Spiegels  mit  einem  Pallasbild  verzieren ,  auf  eine 
ausgezeichnete  Weise  verzieren  ohne  Mühe  zu  scheuen. 
Da    dieselbe  Figur  nach    der  entgegengesetzten  Seite   ge- 


7)  De  Witte  la  double  Minerye  im  Bulletin  de  TAcad.  de 
Brnxelles  VIII,  1  p.  28  ff.  nachher  in  der  £Iite  c^ramograph.  I  pl. 
90  p.  296 — 99,  das  unten  zu  besprechende  Stuck  einer  Gigantomacbie. 

8)  Dieyon  mir,  wie  das  Bullett.  d.i.  1846  p.  100  meldet,  in  einer 
Sitzung  indem  ich  mich  dieser  Spiegeldecke  erinnerte,  hingewor- 
fene Hindeulung  auf  die  zwei  Phasen  des  Mondes  kommt  nicht  in 
Betracht.  Es  lag  die  gleich  zu  erwähnende  Lekythos  yor  und  „yarie 
cose  si  dissero  intorno  la  ragione  intrinseca  di  cotale  fenomeno 
mitologico/' 

V.  21 


322        Panathenäenvase  mit   Boreas  und  Oreithyia. 

stellt,  grossentheils  einen -andern  und  neuen  Anblick  ge- 
währt y  auch  eine  Gruppe  von  zwei  gleichen  einander  genau 
entsprechenden  Figuren  eine  ganz  angenehme  Wirkung 
macht,  so  stellte  er  seine  Pallas  zwiefach  dar.  Besonders 
ist  die  genaue  Wiederholung  des  zierlichen ,  nach  der  Run- 
dung des  Ganzen  eingerichteten  Felsensitzes  zu  beachten 
Möglich  ist  auch  dass  der  Künstler  durch  den  Spiegel^  da 
er  die  Figur  verdoppelt,  auf  den  Gedanken  gekommen  ist 
auf  dem  Deckel  des  Gehäuses,  der  ihn  verwahrte,  in  dop- 
pelter Figur  die  Athene  zu  bilden. 

Eben  so  ist  es  meiner  Ueberzeugung  nach  durchaus 
ohne  sachliche  Bedeutung  und  nur  abzuleiten  aus  künstle« 
rischem  Belieben ,  aus  dem  Gefallen  an  einer  symmetrischen 
und  runden  Darstellung,  dass  an  einem  von  Gerhard  zu- 
gleich (N.  4  S.  5  Not.  12]  mitgetheilten  Karneol  Pallas  in 
vollkommen  gleicher  Gestalt  und  Haltung  von  beiden  Sei- 
ten her  gegen  ein  Tropäon  gewandt  ist,  während  doch 
nur  die  eine  Göttin  zu  denken  ist.  Die  eine  Figur  allein 
vor  dem  Tropäon  hätte  sich  in  dem  kleinen  Rund  nicht 
wohl  ausgenommen ,  worauf  es  dem  Künstler  allein  ankam. 
Zu  vergleichen  ist  dass  Nike  doppelt  und  gleich  gezeich- 
net ist  mit  einem  Siegsdreifuss  in  der  Mitte ,  zu  dem  sie 
sich  hinwendet  auf  einer  Vase  bei  d'Hancarville  1  pl.  37 
und  in  Panofkas  Bildern  antiken  Lebens  Taf.  4,  10,  eben 
so  wie  zwei  Sphinxe  mit  einem  frauenköpfigen  Vogel  in 
der  Mitte ,  als  Ornament  auf  der  Vase  aus  Gäre  mit  Tydeus 
und  Ismene,  (M.  I.  d.  I.  VI,  14  vgl.  oben  S.  259),  und 
worauf  ein  Freund  mich  aufmerksam  machte  die  Vase  des 
Polygnot  in  Gerhards  Auserlesenen  Vasen  Taf.  243  mit 
zwei  Dreifüssen  und  zwei  Opferslieren. 

Von  andrer  Art,  aber  ebenfalls  nur  eine  und  dieselbe, 
sind  offenbar  die  zwei  Minerven  in  Gigantomachieen  der 
Vasenmaler,    deren  Gerhard   fünf  aufzählt^].     Pallas  ist  in 

9j   S.   4  Not  8.     Die   Vorstellung   der  yierten    Vase  (ArohlQl, 
Zeit.  1846  S.  305  NoU  8}   ist   mir  iweifelhaft;  die  der  dritten»  i« 


Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia.       323 

diesem  Kampf  so  eifrig,  wie  es  ihr  ja  zukommt,  dass  sie 
nicht  bloss  einen  Giganten^  wie  die  andern  Götter,  son- 
dern zwei  besiegt.  Um  die  zwiefache  That  zu  zeichnen, 
musste  auch  die  Göttin  zwiefach  gezeichnet  werden.  Dass 
der  Gott  in  den  verschiedenen  Acten  desselben  Mythus 
wiederholt  dargestellt  wird,  befremdet  uns  nicht  in  Com- 
positionen  der  Sarkophage«  Auf  dem  in  der  Elite  c^ra- 
mographique  pl.  90  (s.  Not.  6)  edirten  Ausschnitt  einer 
Gigantomachie  ist  der  Pallas  ein  besondrer  Nachdruck  ge- 
geben :  das  einemal  hat  sie  einen  Giganten  niedergestossen, 
während  ein  andrer  sie  noch  bedroht,  und  gleich  daneben 
setzt  sie  einem  andern  nach. 

Am  auffallendsten  ist  die  archaische  Vorstellung  der 
Lekythos  ehmals  im  Besitz  Emil  Brauns,  welche  Gerhard 
mit  den  „zwei  Minerven"  der  Spiegeldecke  herausgegeben 
hat.  Zu  dem  thronenden  Zeus  wird  von  Hermes  und 
Athene  Herakles  eingeführt  und  hinter  diesem  ist  nochmals 
Athene  gemalt.  Hier  kann  man  gewiss  nicht  annehmen 
dass  der  Maler  in  ihr  nur  eine  fünfte  Figur  zur  Abrundung 
gesucht  habe:  was  dabei  gedacht  oder  zu  denken  sey,  ist 
schwer  zu  sagen.  Vielleicht  ist ,  da  bei  der  ersten  Athene, 
obgleich  sie  eine  Lanze  hält  wie  die  andre  und  dieser 
auch  durch  den  Helm  auf  dem  Kopfe  und  das  nur  nicht 
ganz  vollkommen  übereinstimmende  Gewand  gleicht,  ein 
Schaafbock  steht,  gemeint,  dass  Athene  den  Herakles  ehre 
welchen  Namen  sie  auch  tragen,  welches  Amt  also  sie 
auch  führen  möge,  wonach  ja  die  Götter  gleichsam  in 
Personen  sich  schieden.  Dass  nicht  gerade  Athene  Ergane, 
die  doch  nicht  die  nächste  Beziehung  zu  Herakles  hat, 
und  Promachos  im  Gegensatz  zu  verstehen  seyen,  hat 
Panofka  erinnert^  dessen  eigener  Erklärung  der  ganzen 
Scene   ich   übrigens  nicht  xastimmen  kann  *^)  so  lang  ich 

TerraooTa,  ut  Awij  ^n  •ohSlzbaren  Ar- 

tikel nieht  erwl 

10)  Arol  ff  Skowhaf  wäre 


324        Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia. 

mich  nicht  tiberzeugt  habe  dass  wir  berechtigt  seyen,  bei 
der  unendlichen  Menge  der  Ortssagen  sowohl  als  der 
Bildwerke^  die  von  ihnen  durch  Raum  und  Zeit  meist  so 
weit  abliegen  und  für  sich  einzeln  stehen,  die  obscursten 
localen  Culte  aus  Tansanias  auf  cigenthümliche ,  unverständ- 
liche Vasengemälde  oder  geschnittne  Steine  durch  gelehrt 
oder  spitzfindig   erkünstelte  Deutung  der  letzteren  zarück- 

zuführen« 

Mit   nichts  von   allem  Angeführten  ist  die  sonderbare 

Erscheinung  zu  vergleichen  dass  an  unsrer  Panathenäen- 
vase die  Göttin,  gleich  bis  auf  die  unwesentlichsten  Um- 
stände, zweimal  gemalt  und  daher  auch  die  zu  dem  ge- 
wohnten Bilde  gehörende  Inschrift  wiederholt  gesetzt  ist 
Verschieden  davon  ist  dass  eine  andre  auf  beiden  Seiten 
dasselbe  Bild  enthält,  die  Athena  zwischen  den  Säulen  ^i). 
Will  man  in  dem  Andern,  wo  in  der  Doppelheit  des  Pal- 
lasbildes nicht  mehr  Sinn  zu  suchen  ist  als  in  der  In- 
schrift, nicht  einen  ganz  gedankenlosen  Einfall  sehn^  so 
wird  man  den  Grund  bei  dem  Maler  nur  darin  suchen 
dürfen ,  dass  er ,  während  er  die  hintere  Seite  mit  Figuren 
füllte,  die  vordere  nicht  halb  leer  lassen  wollte  ^^).  Indem 
er   so   für  das   Auge  und  eine   gewisse  äussere  Ueberein- 


doch  der  Blitz^  der  hier  plump  und  ungeheuer  gross  gezeichnet 
ist,  ein  ganz  unschickliches  Attribut.  Gerhards  Erklärung  ist  das. 
1846  S.  303  f.  Derselbe  denkt  hier  sogar  bei  der  yorerwShnten 
zwiefachen  ganz  gleichen  Athene  neben  dem  Tropäon  an  Unter« 
Scheidung  einer  Promachos ,  insofern  als  „hochslent  ein  sehr  fla- 
cher und  mit  seltsamen  Streifen  verzierter  Helm,  welcher  als  un- 
sicher in  der  Abbildung  nicht  erscheint^  an  der  links  stehenden 
Göttin/*  zu  bemerken  sey,  so  wie  ihm  in  dem  Programm  S.  9  das 
Vasengemälde  dienlich  scheint  denselben  Gegensatz  der  beiden 
Athenen  in  der  Spiegeldccke,  worin  doch  nicht  der  geringste  Un* 
terschied  zwischen  beiden  zu  erkennen  ist,  zu  unterstützen. 

11)  Annali  2  p.  223  n.  6. 

12)  Dass  ein  Doppelsieg  gemeint  sein  sollte  statt  der  bezeich- 
neten blossen  Raumausfüllung ,  wäre  etwas  weit  hergeholt. 


''-  -^-^         i«r--ri.w-  — -,~     -     , 


t^^ 


Panathenftenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia        325 

Stimmung  sorgte,  verräth  er  einen  Mangel  an  Ueberlegung^ 
an  Auffassung  des  Gegenstandes  den  er  behandelt.  Lieber 
mag  ich  mich  wenigstens  zu  dieser  Annahme  entschliesseu 
als  hinter  solcher  Arbeit  irgend  eine  durchaus  neue  uner- 
hörte mythologische  Idee  oder  Beziehung,  theologische  Ge- 
heimnisse vorauszusetzen.  Es  möchte  überhaupt,  nachdem 
der  Bildwerke  eine  so  grosse  Zahl  mit  grossem  Fleiss 
untersucht  worden  ist,  an  der  Zeit  seyn  von  dem  unbe- 
dingt günstigen  Vorurtheil  hinsichtlich  ihrer  durchgängigen 
Zuverlässigkeit  und  der  Bedeutsamkeit  jedes  kleinsten  Um- 
standes  in  einem  jeden,  welches  noch  zu  herrschen  scheint^ 
demselben  Vorurtheil  das  vor  Zeiten  in  Bezug  auf  die  al- 
ten Autoren  aller  Arten  herrschend  gewesen  ist,  zurück- 
zukommen. Zwischen  diesen  oder  den  weiten  Kreisen  der 
Gelehrsamkeit  und  den  weit  weniger  umfassenden  der 
künstlerischen  Darstellungen  ist  ein  grosser  Unterschied 
und  es  besteht  in  den  letzteren  ein  merkwürdiger,  fast 
wunderbarer  innerlicher  Zusammenhang  nach  Ideen  sowohl 
als  nach  den  Gesetzen  und  Methoden  ihnen  Ausdruck  zu 
geben. .  Auch  gestehe  ich  zu  dass  die  Fälle  wo  ein  ge- 
gründeter Tadel  auf  Bildwerke  zu  werfen  seyn  möchte, 
immerhin  als  Ausnahmen  da  stehn  werden^  über  deren 
verhältnissmässig  geringe  Zahl  man  sich  eher  zu  verwun- 
dern haben  würde.  Aber  sicherlich  wird  künftighin  mehr 
als  bisher  geschehen  ist,  besonders  bei  Werken  der  sin- 
kenden und  in  einem  Ueberfluss  der  Kunstproduction  schwel- 
genden Zeiten  —  in  die  auch  unsere  Vase  fällt  —  auf 
etwaige  Missverständnisse ,  Eigenheiten ,  Unwissenheiten, 
Launen,  Sonderbarkeiten  der  Künstler  zu  achten,  Kritik 
anzuwenden  seyn  an  Fabrikarbeiten  statt  Alles,  Alles  hin- 
zunehmen als  Gegenstand  einer  respectvollen ,  gläubigen 
Exgese. 

Ehe  ich  mich  zu  der  Bückseite  wende  darf  ich  nicht 
unterlassen  zu  bemerken^  dass  hinsichtlich  der  »zwei  Mi- 
nerven^  oder  „Doppelminerven^  mein  Freund  Gerhard  ganz 


326        Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia. 

andre  Ansichten  aufgestellt  hat  und  durch  sie  sogar  veran- 
lasst worden  ist  „eine  dualistische  Auffassung^  nicht  bloss 
der  Athene,  sondern  einen  „inneren  Gegensatz  eines  jeden 
Natur-  und  GöUerbegriffs,  einen  inneren,  bisher  übersehe- 
nen Dualismus  der  Griechischen  Götter  in  der  gedoppelten 
Persönlichkeit  ihrer  Gestalten  und  selbst  ihrer  Namen  ^  ei- 
nen Zwiespalt  dämonischer  Mächte^  anzunehmen  *^).  Ich 
streite  hier  nicht  gegen  diese  schon  von  Schwenck  über- 
mässig streng  bestrittne  tief  eingreifende  Theorie^  die  mir 
mit  der  Natur  des  Griechischen  Polytheismus  unverträg- 
lich und  in  den  Combinationen  mehrdeutiger,  vielbezüg- 
licher kleiner  Merkmale  in  Bildern  und  Beinamen  von  Göt- 
tern keineswegs  begründet  scheint.  Nicht  einmal  so  viel 
des  täuschenden  Scheines  als  für  eine  dualistische  Athene 
bietet  sich  bei  irgend  einem  der  andern  Götter  dar.  Zwei 
entgegengesetzte  Eigenschaften  unter  vielen  andern,  oder 
der  Götter  im  Kreislaufe  der  Zeiten  begründen  nicht  ein 
dualistisches  Princip. 

Die  Rückseite  unserer  Panathenäenvase  zeigt  uns  eine 
auch  für  sich  merkwürdige  Vorstellung  einer  Art,  die  an 
keiner  andern  vorkommt.     Die  Bückseiten  stellten  neinlich 


13)  Gerhard  kommt  in  der  archäol.  Zeit.  1850  8,  135  f.  lu* 
rück  auf  diese  mit  grösstem  Fleiss  entwickelte  „überschwengliche 
und  dem  gemeinen  Sinn  unerreichbare  Idee  einer  von  inneren  Ge- 
gensätzen erfüllten  Gottheit,*'  die  zum  Nothbehelf  anthropomor- 
phischer  Götterbildung  durch  ein  zwiefaches  Götterbild  habe  zar 
Anschauung  gebracht  werden  sollen.  Schon  za  den  Ant.  Bildw. 
1828  S.  121  beschäftigte  ihn  dieser  „Gegensatz,"  diese  „Doppelge— 
stalt."  Der  im  Programm  S.  5  Not.  14  erwähnte  doppelte  Her^ 
mes  an  einer  Kylix  des  Brittischen  Museum  wurde  nachher  yod 
ihm  edirt  in  den  Trinkschalen  und  Gefässen  Th.  1  Taf.  £.  F« 
trägt  aber  zar  Unterstützung  des  neuen  Systems  aach  nichts  bei 
weder  nach  der  Erklärung  des  Herausgebers,  noch  nach  einer 
andern  Vermuthung  über  den  Sinn  der  eigenthumlicheo  Vorstel- 
lung, die  mir  wahrscheinlicher  ist. 


Panalhenaeiivase    mit  Borens  und  Oreilhyia.        327 

von  AnfaniT,  wie  es  scheinl,  regelmässig  das  Kantpfspiel 
dar  für  welches  das  Preisgeschenk  heiligen  Oels  in  der 
Ampliora  gegeben  wurde ,  ein  Wagenrennen ,  wie  die 
Burgonsche  und  eine  unter  den  Mon.  d.  I.  1,  22  gezeich- 
neten, vier  oder  fünf  VVelllaufer,  wie  die  oben  (N.  2)  er- 
wähnte mit  Jer  Inschrift  am  Rande  ataälov  avöqmv  vixi] 
und  besonders  viele  andre;  eine  Ringergruppe,  wie  an 
einer  aus  Agrigent  in  Slünchen,  an  einer  Lambergschen  in 
Wien  und  an  der  Not.  4  erwähnten ;  ein  Paar  Fauslkämpfer 
zwischen  zwei  Zuschauern,  wie  an  einer  ehnials  ßarthol- 
dyschen  u,  s.  w.  Uass  mythische  Gegenstände  gänzlich 
ausgeschlossen  bleiben,  bemeritt  Gerhard  ausdrücklich  in 
seiner  ersten  Besprechung  der  PanatEienäischen  Gefösse  '*). 
Nur  findet  man  einigemal,  wie  derselbe  in  seiner  verdienst- 
lichen späteren  Musterung  derselben  anftihrl,  an  kleineren 
auf  der  Rückseite  ManlelHguron  und  Baccbischs,  einen 
Silen  und  eine  Bacchantin  '^j,  solche  also,  die  eine  Art 
wie  die  andre,  welche  häufig  zur  Ausrüllung  des  Raums 
ohne  alle  besondre  Bedeutung  angebracht  wurden.  Es  ist 
daher  überraschend  an  unserm  Gefäss  eine  mythische  Vor- 
stellung zu  erblicken. 

Diese  Vorstellung  ist  dazu  eine  bisher  noch  nicht  vor- 
gekommene   und  keineswegs   leicht   und  für  Alle  überein- 

14)  Zu  den  AdI.  Bildw.  S.   I!25. 

15)  Aunali  1,  216.  323  n.  10-  Ganz  absondern  nürde  ich  und 
oichl  PaaalhenäiscL  aenneD  die  p.  221  aogeführteii  znei  graBsen 
Amphoren.  Die  eine  hui  iwiacheD  den  gewohnten  Sgiilen  mit 
dem  liabn  darauf  auf  beiden  Seilen,  hier  Herakles  welcher  Bo- 
gen und  Keule  der  Alhena  darbriagl,  ilorl  Dionjsoa  und  "  Li- 
bera."  Hier  aiod  also  Jone  Säulen  nur  unrecht  angewandt,  aus 
Gewohnheil  sie  auf  Amphoren  gemalt  au  »eben,  ah  Rahmen  fnr 
die  beiden  Gruppen.  Die  andre  ist  auf  beiden  Seilen  mit  „Bai;- 
chlschen  GegenalSnden  und  auch  «ersehn  mit  dem  athletischen 
Hahn,  der  von  einem  Silen  dem  Dionjaos  dargebracht  wird"  (uhne 
die  äjuleo,   ao   viel    man   »ehn    kaanj    gehört   also   noch  weniger 


1 


328        Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreitliyia. 

stimmend   zu   verstehn.    Mein   alter  ehrenwerther   Freund, 
Herr  Migliarini   in  Florenz,  rieth   auf  die  Entführung  der 
Helena   durch   Paris j  wobei   er    die   über   der  Scene  auf 
Wolken  schwebende  Figur  für  Eris  nahm.    Auf  diesen  Ge- 
danken   führte   ihn    ohne    Zweifel   die    Phrygische    Mütie 
des  Entführers.    Dagegen    aber  spricht   sehr   entschieden 
die  verzweiflungsvoll  sich  windende  Gestalt  des  gewaltsam 
fortgerissenen  Weibes  und  die  Uebereinstimmung  der  Poe- 
sie und  aller  einschlägigen  Bildwerke,  wonach  Helena  mit 
Paris  sich    sehr   wohl  verstand.    Wir  sehn  sie  in  Vasen- 
gemälden und  andern  Denkmälern   entweder  von  Paris  an 
der  Hand  fortgeführt  oder  wie  sie  sich  mit  ihm  einschifft  ^^). 
das   Letztere   auch    auf  einer  Vase   von  Vulci  ^^).     Auch 
kann    die    Göttin  oberhalb    nicht  Eris  seyn,   da  die  Wolke 
zu   ihrer   Natur   Beziehung  haben   muss.    Eine  recht  be- 
stimmte Vermuthung  über  die  jedenfalls  geistreich  erfundne 
und   ausgeführte,    den   Panathenäischen   Vasen    auch    dem 
Styl   nach   ganz    fremdartige    Composition   drängt  sich  mir 
auch  nicht  auf.    Doch  will  ich  nicht  zurückhalten  dass  ich 
nur  an  Boreas  und  Oreithyia  denken  kann.    Es   liegt  mir 
aber  ob  zu  erklären  wie   ein  denkender  und  kenntnissrei- 
cher Künstler,  da  ein  solcher  in  dem  ersten  Erfinder  dieses 
Bildes    nicht   zu    verkennen    ist,   darauf  gekommen   seyn 
könne  den   genannten   Mythus  auf  diese  Art,  verschieden 
von  andern  Bildern  zu  behandeln.    Da  wir  nach  und  nach 
eine  Fülle  der  Motive  und  der  Verfahrungsweisen  der  al* 
ten    Künstler    in    Behandlung    der  Mythen   kennen   gelernt 
haben,   da  wir  aber   nicht   alle  ihre  Werke,  sondern  nur 
die  zufällig  erhaltnen  kennen,   so  ist  es  keine  Anmassung 
oder   Verwegenheit  wenn  wir   suchen  eine  neu  zumTor- 


16)  OTerbecks   Gall.  her.  Bildwerke  S.  272--275. 

17)  Gerhard   in  dem   Rapporte    Volcente,  Annali  3,  153,  wo 
leider  über  die  Pigaren  nichu  bemerkt  ist. 


Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreilhyia.       329 

schein  kommende  Vorstellung  nach  Analo^rieen  und  ge- 
Wissermassen  im  Geiste  der  alten  Kunst,  auch  ohne  Finger- 
zeige der  Zeugnisse  oder  schon  bekannter  Monumente,  uns 
verständlich  zu  machen.  In  den  bisher  bekannten  Vasen- 
gemälden ist  Boreas,  so  wie  an  den  Windethurm  in  Athen 
unter  den  acht  Winden,  symbolisch  aufgefasst,  die  Natur 
des  Windes  durch  Flügel  an  Schultern,  gewöhnlich  zu- 
gleich an  den  Füssen,  seine  Gewalt  auch  durch  mächtige 
Sprünge  im  Verfolgen,  wegen  deren  er  mit  einem  sehr 
kurzen  Leibrock  bekleidet  ist.  seine  Rauhigkeit  oft  ange- 
deutet durch  das  unnatürlich  gesträubte  Haar,  den  dichten 
Bart.  Bekannt  sind  hauptsächlich  zwei  Momente,  in  denen 
wir  ihn  in  Vasengemälden  (denn  ausserdem  finden  wir  den 
Gegenstand  nicht  dargestellt)  aufgefasst  sehen.  In  den 
meisten  setzt  er  der  fliehenden  Oreithyia  nach  ^^j;  in  zweien 


18)  In  einer  aus  Nocera  im  Bull  Napol.  1856—57  tav.  2  p. 
20  8.  ist  diese  eigeDthumiich  behandelt,  mehr  nach  der  Idee  mit 
bekannten  Figuren  malerisch  lu  spielen  und  die  der  Schwestern 
der  Oreithjia  zu  yariiren  als  in  der  Absicht  dem  Mythus  Ausdruck 
zu  geben.  Dieser  Schwestern  sind  nicht  bloss  sechs,  wie  nach 
Akusilaos,  sondern  zehn ,  wenn  nicht  ein  Theil  als  Gespielinnen 
zu  betrachten  ist.  Gerade  in  ihrer  Milte  der  nachsetzende,  zu- 
greifende Boreas.  Zwei  halten  je  zwei  Bälle,  womit  auch  Nausi- 
kaa  und  ihre  Begleiterinnen  spielten,  und  am  llissos  spielte  Orei- 
thjia auch  nach  Piaton  und  Pausanias.  Dazu  ist  auch  König 
£rechtheus  hingestellt,  einfach  unter  die  JMüdchen  hingestellt. 
Will  man  ein  mehr  künstlerisches  Motiy,  eine  £inheit  der  Vor- 
stellung annehmen,  so  wäre  die  Verwirrung  und  das  Auseinander- 
laufen der  spielenden  Jungfrauen  Torgestellt,  als  Boreas  in  den 
Kreis  fuhr  um  Oreithyia  zu  rauben,  lieber  dieser  Reihe  ist  eine 
andre  bemerkenswerthe  Darstellung,  Achilleus  der  (nicht  auf  die 
Insel  Leuke,  wo  er  im  Lichte  wohnt,  sondern)  in  die  Tiefe  Ton 
Hermes  zu  seinem  GrossTater  Nereua,  hinter  dessen  Thron  The- 
tis,  begleitet  yon  zwei  Nereiden  als  Hofdamen,  sitzt,  geführt  wird, 
nemlich  um  Ton  ihm  Abschied  zu  nehmen ,  wie  es  deutlich  ror- 
gestellt  ist  anfeinem  schönen  Krater  aus  Girgenti  in  denMon.  i  d. 
1.   archeol.  1,  52.  53,  dessen  Erklimng  in  deoAnoali  12,  253(aach 


330       Panatbenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia. 

aus  Yulci;  der  merkwürdigen  in  München,  die  an  Polygnot 
erinnert,  und  einer  mit  ihr  verwandten  in  Berlin ,  hält  er 
sie  mit  festen  unentrinnbaren  Armen  umfasst  *^).  Ein  drit- 
ter Moment  ist  an  einem  1846  in  Ruvo  gefundnen  Geßlsg 
im  Museum  zu  Neapel  zu  erkennen ,  das  zuerst  durch  mich 
bekannt  wurde ^^),  Boreas,  mit  den  herkömmlichen  gros- 
sen Flügeln  und  dem  kurzen  Leibrock  ^  trägt  Oreithyia 
auf  seinen  Schultern  davon :  verschiedene  Figuren  kommen 
hinzu,  die  zum  Theil  nicht  wohl  zu  douten  sind,  da  die- 
ser  Künstler    kein    Vertrauen    einflösst.      Seine    Oreithyia 

in  meinen  A.  Denkm.  3,  407)  durch  die  Yorliegende  Zeichnaog  be- 
stätigt wird  gogen  andre  Auslegungen  (Gerhards  ArchSol.  Anzeiger 
1857  S.  97'^).  Hier  wie  dort  reicht  eine  der  Nereiden  dem  Achil- 
leus  den  Abschiedstrnnk;  hier  winden  zwei  Nereiden  ihm  KrSnze, 
dort  hfilt  Nercus  selbst  ihm  den  Kranz  bereit,  den  er  rerdienen 
wird.  £ine  Beziehung  zwischen  beiden  Vorstellungen  der  Vase 
Yon  Nocera  findet  nicht  statt. 

19)  Die  erste  Mon.  de  l'lnst.  archeol.  Section  Francaise  pl. 
22.  23,  eins  der  schätzbarsten  Denkmäler  der  Kunst  Tor  Phidias 
unter  wenigen.  Zu  dem  Text  in  den  Nouyelles  Annales  Vol.  2  ist 
auch  pl.  H  eine  verkleinerte  Gopie  des  schönen ,  yon  Gerhard 
edirten  Gemäldes  zu  Berlin.  Dieser  Text  ist  auch  in  meinen  Al^ 
ten  Denkm.  1851  3,  140—185,  yermohrt  bis  S.  191,  und  hier  sind 
vierzehn ,  zum  Theil  wenig  yerschiedne  Variationen  der  Verfolgung 
zusammengestellt.  Die  Hauptgruppe  der  beiden  andern  grossen 
Gemälde  ist  wohl  auch  zu  yermuthcn  an  einer  zu  Canosa  gefund- 
nen Vase  im  Bull.  d.  J.  1853  p.  162.  Borea  che  tiene  tralle  sue 
braccia  Orizia,  la  quäle  piena  di  disperazione  aiza  la  sinistra, 
mentre  colla  d.  fa  yani  sforzi  per  liberarsi.  Questo  gruppo  di  fino 
ed  elegante  disegno,  con  maniera  motte  ingegnosa,  dalF  artista 
d  stalo  disposto  tra  ricchissimo  ornato  di  fiori  e  di  arabeschi,  aor— 
genti  da  una  pianta  d'aloe.  Wo  Oreithyia  ist,  da  blüht  es;  da- 
rum hält  sie  hier  oder  dort  eine  Blume,  einen  Zweig.  Hier  ist 
das  blähende  Gefild  symbolisch  und  als  malerischer  Schmuck 
ausgedruckt. 

20)  A.  a.  O.  S.  188.  Bald  nachher  beschrieb  und  erklärte  es 
auch  Mineryini  (auf  Nachfrage  von  Gerhard  und  ohne  Renntniss 
meines  Buchs)  in  dem  Bull.  Napolet.  1852  Luglio  p.  1 — 4. 


-iä 


Panathcnäenvaso  mit  Burmas  und  Oreithyia.        331 

sitzl  ganz  ruhig  and  hält  sich  an  den  Arm  des  BoreaSj 
der  ausgeslreckl  scheint  damit  sie  es  Ihun  kOnne.  Er 
selbst  aber  ist  jugendlich  und  ohne  Bert,  und  ich  zweiQe 
sehr  an  der  zur  Vertheidigung  ausgesonnenen  Erklärung 
dieses  Umstandes  aus  der  nach  Ergreifung  der  begehrten 
Beule  bei  ihn  eingetretnen  ruhigen  und  heilern  Stimmung. 
Oreilhyia  wenigstens  hat  keinen  Wechsel  ihrer  Lage  j  son- 
dern nur  eine  Steigerung  ihrer  Schrecken  erfahren  nach- 
dem sie  eingeholt  war,  und  Jässt  dennoch  hier  sich  ruhig 
davoniragen.  Also  ist  der  Mythus  nicht  wohl  bedacht  von 
dem  Maler,  gondern  entstellt. 

Die  symbolische  Auffassung  geht  in  die  mythische, 
vermenschlichende  über  in  unzähligen  Fällen,  so  auch  in 
diesem:  Boreas  wird  ein  König.  Ein  Beispiel  dass  das 
Eine  mit  dem  Andern,  die  Flügel  des  Windes  und  langes 
königliches  Kleid  und  Krone,  verbunden  worden  sind,  bie- 
tet die  ehmals  Pizzatische  Vase  dar,  worin  ich  ein  scherz- 
haftes Motiv  zu  erkennen  geglaubt  habe'").  Die  Vermi- 
schung des  Symbolischen  mit  dem  Menschlichen  ist  hier 
so  weil  getrieben  dass  der  beßügelte  König  keine  Beine 
hat  sondern  unten  von  dem  Gewand,  wie  oben  von  den 
Flügeln ,  gelragen  zu  schweben  scheint,  Meine  Vermuthung 
nun  ist  dass  der  Maler  unseres  Bildes  die  Geschichte  herz- 
haft und  unter  den  Malern  originell,  aber  in  Ueberein- 
stimmung  mit  der  Sage  in  manchen  Erzählungen  oder  An- 
führungen als  eine  rein  menschliche  Begebenheit  genom- 
men habe.  Wenn  er  diess  that ,  so  ist  gegen  die  male- 
rische Behandlung  nichts  einzuwenden.  Boreas  ist  König, 
aber  als  Bräutigam  Jung  und  ohne  Bart,  sein  Gesicht  et- 
was roh  und  plump;  er  führt  die  Braut  zu  Wagen  davon, 
wie  nicht  anders  seyn  konnte ,  und  in  sausendem  Galopp 
wie  der  Sache  angemessen  ist,  und  er  trägt  eine  Phry- 
gische  Mütze.     Diese   konnte    auf  den  Thraker,  in  Erman- 


31)  Alle  Deokm.  3,  186  f.  N.  II. 


J 


332        Panathenäenvase  mit  Boreas  und  Oreithyia. 

gelung  eines  in  der  Kunst  eingeführten  Costttms  fürThra- 
kische  Helden,  leicht  übergetragen  werden,  wie  ja  be- 
kanntlich Phrygische  Tracht  auch  für  Asiaten  beliebt  wurde  ^'). 
Wenn  man  durch  diese  besonders  vom  Paris  her  bekannte 
Mütze  an  diesen  erinnert  wird,  so  schadet  es  nicht  weil 
sich  dann  sofort  damit  der  Gedanke  des  Gegensatzes  ver- 
bindet, der  in  beiden  Entführungen  liegt  indem  die  La- 
konische Königin  dem  Fremden  nur  zu  willig  folgt,  die 
Athenische  Jungfrau  aber  sich  wie  mit  Abscheu  von  dem 
Entführer  abwendet  und  sich  ihm  zu  entwinden  strebt,  der 
mit  starkem  Arm  sie  festhält,  während  er  an  der  andern 
Hand  die  Pferde  laufen  lässt. 

Die  Figur  oberhalb  ist  nach  der  gegebenen  Erklärung 
befremdlich,  wie  sie  nach  jeder  andern  auffallend  und  für 
uns  dunkel  seyn  würde.  Sie  stellt  wohl  auch  selbst  die 
Dunkelheit,  die  Nacht  vor.  Sie  ist  beflügelt,  die  Homeri- 
sche schnelle  Nacht  {vil^  '^oij),  die  in  der  Theogonie  mit 
Rossen  fährt  C481),  weiP^)  sie  uns,  während  wir  schlafen, 
schnell  dahineilt;  sie  hat  die  Augen  fest  geschlossen  und 
denPeplos  weit  übergezogen.  Mit  der  Morgenfrühe  [^^og 
erhebt  sich  nach  dem  ländlichen  Gedicht  des  Hesiodus  eine 
Luft  die  sich  mit  Wasser  aus  dem  Flüssen  anfüllt  und  dann 
vom  Sturm  emporgehoben  wird  (548 — 53),  was  der  Dich- 
tung zu  Grunde  liegt  dass  Boreas  die  Oreithyia  (@vta^ 
Luftwehen)  entführt  habe.  Ein  Gelehrter  der  seit  Jahren 
in  Athen   lebt,   schreibt  mir  dass   der  Boreas,    als  die   in 


22)  Das.  !,  32  f. 

23j  Die  Nacht  mit  Flügelrosseo  fahrend  yermuthet  Gerhard  in 
dem  Archäelog.  Anzeiger  1858  S.  93*  in  dem  Fragment  bei  Fiorelii 
Vasi  del  Gonte  di  Siracusa  tar.  6,  obgleich  nur  der  Vordertheil 
der  Pferde  erhalten  ist,  da  yor  ihr  zwei  Sterne  als  Rnäbchen,  wie 
an  der  bekannten  schönen  Vase  Blacas,  sich  hinabstürzen  und  da 
ein  andres  ähnliches  Gespann  folgt,  dessen  Lenkerin  Eos  sejn 
kann.  Von  dem  dritten  Gespann  ist  nur  die  Lonkerin  erhalten,  ge« 
wiss  nicht  Helios,  wie  mir  scheint. 


Panathenfienvase   mit  Boreas  und  Oreithyia.       333 

Athen  gewöhnliche  Luftströmung,  sich  nie  vor  zehn  Uhr 
erhebe,  bis  wohin  ihm  der  Südwind,  ein  leises  Wehen, 
vorangehe.  Die  Morgenluft  hit^It  man  mit  der  Eos  so  sehr 
verbunden,  dass  die  Theogonie  sogar  alle  drei  Winde  zu 
ihren  Söhnen  macht;  die  Eos  aber  geht  aus  der  Nacht 
hervor  und  es  ist  möglich  dass  die  Sterne  sowohl  an  dem 
Peplos  der  Nacht  als  an  dem  Gewände  der  Eos,  trotz  der 
Wolken,  auf  den  Himmel  deuten,  obwohl  sie  auch  oft  ein 
bedeutungsloser  Schmuck  der  Gewänder  sind.  Die  Ver- 
bindung des  Physikalischen  in  der  Gottheit  oben  und  des 
Mythischen  in  der  Geschichte  darunter,  mag  auffallend  ge- 
nug seyn.  Indessen  ist  es  nicht  mehr  als  was  wir  an  den 
grossen  Attischen  Dichtern  gewohnt  sind,  dass  sie  bei  den 
mythischen  Personen  auf  die  ursprüngliche  Naturbedeutung 
Rückblicke  thun  und  ihre  Ausdrücke  ähnlich  erscheinen 
wie  die  sogenannte  Changeantfarbe.  Von  der  Tochter  des 
Boreas  selbst  und  der  Erechtheustochter  Kleopatra  sagt 
Sophokles  in  der  Antigone  (970):  tfjXsnoQotg  6'  iv  äviQOtg 
TQdg)fj  Svillijatv  iv  noTQtaatg.  In  der  Oreithyia  des  Ae- 
schylus,  nach  dem  einen  Fragment  zu  urtheilen,  sprach 
aus  Boreas  der  Gott  eben  so  deutlich  wie  die  Flügel  ihn 
bezeichnen.  Doch  auf  diesen  Punkt  darf  ich  nicht  weiter 
eingehn  da  dieser  Aufsatz  ohnehin  zu  lang  geworden  ist. 
Wie  wenn  der  Künstler  von  dem  Symbolischen  in  der  Fi- 
gur des  Boreas  sich  dadurch  frei  zu  machen  dachte,  dass 
er  auf  dessen  eigentliche  Natur  durch  die  Göttin  oben 
hindeutete? 


Herakles  und  die  Amazonenkönigin  ^). 


Taf.    XXII. 

Der  erste  Blick  auf  dies  Gemälde  einer  lattaschen  Vase 
in  Ruvo  giebt  den  Herakles  zu  erkennen,  und  bald  wird 
man  inne^  dass  ihm  gegenüber  ein  Weib^  königlich  auf- 
tretend und  von  einer  Amazone  begleitet,  nur  Hippolyte 
seyn  könne,  deren  Gürtel  ihm  für  Admeta  zu  bringen  eine 
der  zwölf  Aufgaben  des  Eurystheus  war.  Aber  diess  ist 
eine  Sache  der  Gewalt  und  in  Bildwerken  waren  wir  nur 
gewohnt  einen  grimmigen  Strauss  zwischen  Herakles  und 
der  Amazone  zu  sehen.  Diese  Vorstellung  hat  dagegen 
durchaus  den  friedlichsten  Anstrich.  Herakles  steht  inmit- 
ten seiner  steten  Begleiterin  Athene  und  seines  getreuen 
lolaos.  Aber  so  wie  er  alle  Waffen  und  Wehr,  Löwenhaut 
und  Keule,  Köcher  und  Bogen,  abgelegt  und  selbst  den 
Schild ,  welchen  er  nebst  Helm  und  Chlamys  zur  stattlichen 
Erscheinung  vor  einer  Königin  anlegte,  mit  Zweigen  fried- 
lich und  freundlich  im  Innern  umkränzt  hat,  paciferaeque 
mana  praetendit  olivae  (Aeneid.  8,  116),  so  hält  Athene 
ohne  Helm,  in  lässiger  Stellung,  ihre  beiden  Lanzen,  wenn 
nicht  neben  der  ihrigen  die  des  Heros  sichtbar^  in  Buhe 
und   sieht   ruhig  einer    durch    die  Bewegung  der  Rechten 


IJ  Gerhards  Arch£ol.  Zeit.   1856  14,  177-189  Taf.  68—90. 


Herakles  und  die  Amazonenkönigin.  335 

des  Herakles  bestimmt  verrathnen  Verhandlung  zu;  lolaos 
aber,  ebenfalls  waffenlos,  das  Haupt  mit  Laub  geschmückt, 
und  nur  einen  langen  Knotenstab  haltend,  begleitet  und 
unterstützt  mit  seiner  linken  Hand  die  redende  Geberde 
seines  Herrn*  Auf  der  andern  Seite  haben  alle  drei  Per- 
sonen den  Blick  auf  den  sprechenden  Herakles  gerichtet, 
vor  der  Königin  einer  ihrer  Feldherrn,  in  dem  in  ihrem 
Heer  auch  Thrakische  und  andre  Vasallen  standen,  wie 
namentlich  auch  in  dem  der  Antiope  an  der  merkwürdigen 
Vase,  die  auf  der  andern  Seite  deren  Ehe  mit  Theseus 
feiert^);  hinter  ihr  eine  Amazone,  die  hier  wegen  des 
Gleichgewichts  mit  den  Personen  auf  der  andern  Seite  al- 
lein das  königliche  Gefolge  vertritt,  mit  der  Lanze  in  Ruh 
und  der  Trompete^  die  den  Amazonen  nicht  selten  gege- 
ben wird.  Die  Königin  hat  als  Hauptschmuck  den  Helm 
auf,  wie  auch  in  andern  schönen  Vasengemälden ^j ,  auch 
eine  Art  von  Panzer  über  dem  Aermelchiton  an,  wie  er 
zugleich  der  kriegerischen  Herrscherin  und  dem  zierlichen 
Anzug  einer  Frau  ganz  gemäss  erscheint;  aber  sie  hält 
nicht  einmal  eine  Lanze,  sondern,  um  doch  etwas  in  der 
Rechten  zu  tragen ,  einen  dünnen  Stab ,  der  nach  unten 
von  dem  Pferd  verdeckt  wird  und  etwa  einen  Herrscher- 
stab vorstellt.  Dem  ersten  Herausgeber  der  nach  seiner 
Erklärung  auf  diesem  Wagen  einen  Paris  brauchte,  schien 
es,  dass  man  die  Figur  „nicht  nothwendig  für  weiblich 
halten  müsse^  und  „wenn  man  sie  nicht  nothwendig  für 
weiblich  halten  müsse  ,^  dass  man  dann  den  Paris  verste- 
hen solle.  Hätte  er  jedoch  auf  die  Haltung  des  Vorder- 
arms und  vorzüglich  auf  die  charakteristische  Bewegung 
der  das  weibliche  Gewand  bloss  zur  Zier  fassenden  Hand 
einen  aufmerksamen  Blick  geworfen,  so  würde  vielleicht 
auch  ihm  kein  Zweifel  an  dem  Geschlecht  der  Person 
übrig  geblieben  sein. 

2)  Meine  alte  Denkm.  Hl,  360, 
3]  Das.  S.  362. 


336  Herakles  und  die  Amazonenkönigin. 

So  hätten  wir  also  statt  Streits  und  Kampfes  die  fried- 
lichste feierliche  Verhandlung  zwischen  Herakles  und  Hip- 
polyte  vor  Augen ,  und  die  Meisten  werden  diess  ^  wie 
ich  es  auch  von  mir  bei  der  ersten  Ansicht  des  Bildes  ge- 
stehe^ für  eine  ganz  neue  Sache  halten,  eine  ganz  fremd- 
artige Erscheinung  in  einem  so  bekannten  und  bilderrei- 
chen Kreise  als  der  der  Amazonenfabeln  ist.  Nur  könnte 
diess  nicht  eben  überraschen,  da  auch,  nachdem  die  Bla- 
menau  der  hochdichterischen  Sagen  in  ihren  grossartigsten 
und  bedeutungsvollsten  Zügen,  nach  der  bekannten  Klage 
des  Dichters  des  Perserkriegs ,  schon  abgepflückt  war,  doch 
das  Entwickeln  und  Ausspinnen  der  alten  Stoffe,  das  Va- 
riiren,  das  Einlegen  neuer  Scenen  und  das  neue  Ver- 
knüpfen alter  Momente,  Motive  und  Efi*ectstücke  noch 
Jahrhunderte  mit  grossem  Eifer  fortgesetzt  worden  ist. 
Man  müsste  der  wundersam  falschen  Meinung  seyn,  dass 
von  dem  was  in  den  schreibseligen  Zeiten  mythologisch 
und  dichterisch  oder  mythographisch  und  prosaisch  unbe- 
rechenbar viel  neu  ausgedacht  worden  ist,  mehr  als  ein 
Bruchtheil  auf  uns  gekommen  sey;  oder  der  noch  falsche- 
ren, dass  was  von  dieser  überschwenglichen  Fülle  in  Schrift 
und  was  in  Bildwerken  uns  bekannt  geworden  ist,  sich 
einander  decke,  statt  vielfältig  theils  einander  zu  ergän- 
zen, theils  auseinander  zu  gehen,  um  sich  berufen  zu  glau- 
ben Alles  zu  erklären  und  in  seinen  wirklichen  und  le- 
bendigen Zusammenhang  zu  setzen,  der  so  oft  heillos 
zerrissen  ist.  Auch  hier  gilt:  Unser  Wissen  ist  nichts, 
wir  horchen  allein  dem  Gerüchte.  Kommt  aber  aus  Künst- 
lerhänden etwas  zum  Vorschein,  was  neu  und  unbekannt 
ist,  so  sollte  es  wenigstens  aus  und  nach  dem,  was  in 
Composition,  Attributen,  Stellungen  und  Geberden  ausge- 
drückt ist,  erklärt  werden,  wie  man  ein  neuentdecktes 
schriftliches  Bruchstück  für  sich  nach  der  Grammatik  ver- 
steht und  nicht  nach  früher  Bekanntem  deutelt,  emendirt 
und  aus  seinen  Fugen  natürlichen  Wortsinns  herausrückt. 


Herakles  und  die  Amazonenkönigin.  337 

Doch  in  unserm  Fall  sind  wir  besser  daran.  Man 
braucht  nur  die  Mythographen  aufzuschlagen,  um  dos  was 
aus  der  sehr  verständigen  und  klaren  Darstellung  im  All- 
gemeinen abzuleiten  ist,  bestätigt  zu  finden  und  in  seinen 
Zusammenhang  gestellt  zu  sehen.  Das  Natürlichste  oder 
Nächstliegende  war  allerdings ,  dem  Kampf  die  Forderung 
einer  gutwilligen  Auslieferung  des  Gürtels  vorausgehen 
zu  lassen ,  wie  die.  Achäer  die  Zurückgabe  der  Helena  von 
den  Troern  forderten  ehe  sie  angriffen.  Nachdem  der  rie- 
senhaft abenteuernde  Herakles  auf  denFuss  eines  Kriegs- 
führers gesetzt  war,  wie  denn  schon  nach  Pindar  gegen 
die  Amazonen  Telamon  sein  Kampfgenosse  war  (Nem.  3, 
38),  läuft  er  nach  Diodors  Erzählung  (4,  16)  mit  seinem 
Schiffe  oder  seiner  Flotte  in  den  Thermodon  ein,  lagert 
in  der  Nähe  von  Themiskyra,  wo  die  Residenz,  fordert 
von  da  den  Gürtel,  und  als  dieser  verweigert  wird,  kommt 
es  zur  vernichtenden  Schlacht.  Aber  es  ist  bei  ApoUodor 
auch  die  andre  Erzählung,  wonach,  als  Herakles  mit  sei- 
nem Schiff  in  den  Hafen  von  Themiskyra  eingelaufen  war, 
Hippolyte  zu  ihm  herauskommt,  ihn  fragt  wesshalb  er  ge- 
kommen sey,  und  nachdem  sie  es  erfahren,  den  Gürtel 
zu  geben  verspricht^),  der  nun  nicht  mehr  im  ursprüng- 
lichen Sinn  einfach  der  Gürtel  des  Weibes,  sondern  als 
der  des  Ares  ein  Ehrenzeichen  der  alle  andern  Amazonen 
übertreffenden  Tapferkeit  oder  der  Herrschaft  ist.  Da  er- 
regt Hera   in    Gestalt    einer  der  Amazonen   Verdacht,  so 


4)  ApoIIod.  II,  5,  9.  KceianJLei^iratrtog  de  sig  roy  iy  BifAtCxig«^ 
IkfAhfa,  nagayeyo/Liitnjg  tig  avroy  ^InnoXvnjg  xai  riyog  ^xot  X^Q''^  ^^'' 
d-o/Äiytjg  xai  d(6<ftty  loy  ^atn^Qa  vnurxyovfjieyrjg ,  "Hga  x,  r.  X.  Diess 
und  die  ganze  Geschichte  schreibt  Tzetzes  aus  ad  Ljcophr.  1227 
und  nicht  ganz  wörtlich  Zenob.  V,  33.  Bei  diesem  sind  die  letz- 
ten Zeilen  Ton  dVa  totno  an  als  ein  fremdartiger  Zusatz  abzuson- 
dern. Nach  Hellanikos  waren  alle  mit  Herakles  in  dem  Schiff  die 
in  der  Argo  gefahren  waren.*  Sohol.  Find.  N.  111,  64.  Justin 
H,  4  giebt  ihm  neun  Schiffe. 

V.  22 


338  Herakles  and  die  Amazonenkönigin. 

dass  alle  sich  waffnen  und  zum  Schiff  eilen ,  Herakles  aber 
der  sich  bedroht  glaubt,  die  Hippolyte  tödet,  ihr  den  Gür- 
tel abnimmt  und  dann  die  übrigen  bekämpft  und  abschifft. 
Statt  des  unvorbereiteten  Besuchs  der  Hippolyte  bei 
den  Ankömmlingen  lässt  unser  Bild  uns  erkennen,  dass 
durch  eine  Botschaft  des  Herakles  eine  Zusamraienkunfl 
eingeleitet  und  für  diese  die  völkerrechtliche  Form  der 
Sicherheit  und  Unverletzlichkeit  festgestellt  war.  Deutlich 
ist  der  Augenblick  der  wo  Herakles  den  Grund  auseinan- 
dersetzt, der  ihn  bestimme  den  seltsamen  Antrag  zu  ma- 
chen, welchen  lolaos  so  naiv  durch  seine  mitzuredende 
Geberde  unterstützt,  dass  die  Königin  ihm  ihren  Gürtel 
überlassen  möge.  Sinnreich  aber  ist  es  dass  Herakles, 
wie  Herakles  wie  im  Bewusstseyn  der  Härte  seiner  For- 
derung oder  um  durch  Milde  zu  gewinnen,  der  Königin 
nicht  in  das  Angesicht,  sondern  vor  sich  hin  oder  eher 
zur  andern  Seite  blickt.  Er  ragt  übrigens  über  lolaos 
und  den  fremden  Feldherrn  an  Grösse  ziemlich  hervor, 
w  as  zu  der  abgelegten  Löwenhaut  und  der  Keule  wohl 
passt.  Eigen  ist  es  wie  der  Styl  der  alten  Zeit,  zu  dem 
auch  die  begleitende  Athene  gehört,  mit  der  pragmatisch 
historischen  Auffassung  der  Sache  in  der  Unterhandlung 
selbst  und  in  der  Erscheinung  des  Amazonischen  Hofs  sich 
verbindet.  Sehr  schicklich  und  charakteristisch,  nach  den 
Bedingungen  einer  nationalen,  sehr  durchgebildeten  und 
harmonischen  Kunst  und  Methode  der  Malerei,  sind  alle 
Hauptpersonen  behandelt,  lieber  der  Scene  sind,  so  wie 
sonst  oft,  die  zunächst  theilnehmenden,  die  einschlägigen 
Götter,  zwei  auf  die  üble  Wendung,  Krieg  und  Verderben 
deutende  Erscheinungen,  die  Erinys  und  das  Wahrzeichen 
grosser  und  entscheidender  Kämpfe,  der  Adler  mit  der 
Schlange*  in   den    Klauen  ^j.     Unten   bezeichnen  Steinchen 

5)  Manches  über  dieses  Wahrzeichen  ist  zusammeDgestelU  in 
einer  Erklärung  der  Worte  des  Sophokles  Antig.  127  ff.  in  der 
DarmsUdter  Allgem.  Schulzeitung  1829  S.  203—206. 


Herakles  und  die  Amazonenkönigin. 


339 


das  Ufer  des  Thermodon^  wo  die  Zusammenkunft  stattfin- 
det. Das  Hündchen,  zu  dem  Eönigsgespann  hinaufbellend, 
als  eine  alltägliche  Erscheinung  und  ein  an  sich  gleich- 
gültiges, in  Vasengemälden  nicht  seltnes,  Beiwerk,  hat  die 
Bestimmung  dass  der  Löwenhaut  unter  Herakles  auch  unter 
der  Hippolyte  irgend  etwas  entspreche  und  der  Raum  nicht 
leer  bleibe. 

Die  Rückseite  dieser,  so  wie  auch  der  gleich  zu  er- 
wähnenden Vase  im  Burbonischen  Museum  nehmen  ge- 
wöhnliche Bacchische  Vorstellungen  ein. 

Eine  ganz  andre  Lösung  der  Aufgabe  wird  von  Apol- 
lonius  dem  Rhodier  berührt  (2,  965—69).  Die  Areische 
Menalippej  Schwester  der  Hippolyte,  hatte  sich  (als  He- 
rakles bei  Themiskyra  Stand  gefasst  hatte)  hervorgewagt, 
war  von  ihm  im  Hinterhalt  gefangen  genommen  worden 
und  Hippolyte  händigte  ihm  den  Gürtel  als  Lösegeld  ein 
{iyyvdh^ev),  wofür  er  die  Gefangne,  die  Anführerin  der 
Amazonen,  unversehrt  zurückschickte.  Diese  grosse  Hel- 
din Melanippe  hatte  nach  einem  unbekannten  Dichter^) 
Telamon  getödet  und  dadurch  dem  Siege  des  Herakles 
zuerst  vorgearbeitet*  Natürlich  wollte  Apollonius,  indem 
er  so  bei  der  Vorbeifahrt  der  Argonauten  an  dem  Vorge- 
birg  von  Themiskyra  auf  das  frühere  Ereigniss  an  diesem 
Hafen  erinnert,  nicht  sagen  dass  diess  mit  der  Ausliefe- 
rung der  Melanippe  abgeschlossen  gewesen  sey;  er  hatte 
hier  nicht  zu  berichten  auf  welche  Art,  nachdem  der 
Gürtel  glücklich  in  der  Hand  des  Herakles  war,  nachher 
dennoch  der  Kampf  ausgebrochen  sey,  Archäol.  Zeit«  1856 
n.  88  (Taf.  89).  Auch  die  Auslösung  der  Schwester  gegen 
den  Gürtel  stellt  ein  Vasengemälde  dar.  In  der  Mitte  He- 
rakles sitzend,  welchem  Hippolyte  den  Gürtel  auf  die  ge- 
ruhig  und  stolz    auf  das  Knie  gelegte   Hand    gleiten  lässt. 


6)  Dessen   Verse  bei  Schol.  Find.  Nem.  III,  64  und  bei  Tze- 
ties  a.  a.  O« 

«2» 


340  Herakles  und  die  Aniazonenkönigin. 

hinter  Herakles  zwei  Helden,  hinter  Hippolyte  drei  Ama- 
zonen, sieben  Figuren  zusammen.  Zierliche  Fabrikarbeit^ 
nichts  Hohes,  die  Königtn  im  Costüm  nicht  unterschieden 
von  gemeinen  Amazonen,  leicht,  zierlich  und  gegen  den 
Griechischen  Heros  sehr  entgegenkommend  ^). 

AJaer  auch  von  der  Schlacht  des  Herakles  gegen  die 
Amazonen  sind  Gemälde  vorhanden;  eines  an  einer  apa- 
lischen  Vase,  das  ausführlich  beschrieben  ist  im  Bullettino 
des  römischen  Instituts  (1834  p.  34  s.),  zwei  ältere  aus 
Vulci,  in  wenigen  Figuren  (das.  1840  p.  56. 124).  Furcht- 
bar ist  das  Schlachtgetümmel,  in  dessen  Mitte  Herakles 
sich  befindet,  an  einer  Amphora  (Archäol.  Zeit.  Taf.  90], 
die  im  Frühjahr  1853  in  Perugia  in  dem  Kloster  der  Non- 
nen von  Monteluce  ausgegraben  und  dort  aufbewahrt  wurde. 
Eine  Copie  in  den  Farben,  welche  bald  nachher  der  Pro- 
fessor der  Archäologie  Graf  Karl  Conestabile  mir  zur  Be- 
kanntmachung anvertraut  hat,  verdient  diese  Vase,  die 
später  durch  ihn  als  Conservator  des  dortigen  Museums 
erworben  worden  ist,  sehr,  insbesondere  auch  weil  sie 
von  einer  neuen  Seite  zeigt  wie  sich  Etruskische  Kunst 
zur  Griechischen  verhält.  So  ausführlich  hat  gerade  diesen 
Kampf  nur  noch  Diodor  behandelt,  bei  dem  die  nachge- 
äfft  geschichtliche    Schilderung,    mit    einer  grossen  Reihe 

7)  Museo  ßorb.  VI  tay.  5.  Hr.  B.  Quaranta  nennt  mit  Un- 
recht die  Königin  Anliopa.  Denn  so  heisst  zwar  bei  Justin  II,  4 
die  eine  von  zwei  Königinnen;  aber  die  ganze  Erzählung  ist  sehr 
abweichend  und  als  Einleitung  zum  Amazonenkrieg  gegen  Attika 
beigebracht.  Herakles  nimmt  Melanippe  gefangen,  aber  in  dem 
grossen  Gefecht  mit  den  Amazonen,  llippoljte,  die  andre  Schwe- 
ster der  Königin,  welche  Theseus  zur  Gefangenen  gemacht  hatte, 
lässt  er  diesem  als  Siegspreis,  die  Menalippe  aber  giebt  er  nach 
dem  Sieg  der  Königin  um  den  Preis  ihrer  Waffen  zurück.  Da- 
gegen lässt  Diodor  IV,  16  nach  der  Schlacht  Hippolyte  ihre  Schwester 
Melanippe  gegen  den  Gürtel  auslösen,  und  Antiope  ist  die  andre 
Gefangene,  die  dem  Theseus  geschenkt  wird;  so  auch  bei  Hjgin 
30,  und  Antiope  ist  gross  in  der  Attischen  Sage. 


Herakles  und  die  Amazonenkönigin.  341 

ausdrucksvoller  Namen,  ins  Lächerliche  fällt  Schöne  Na- 
men einzelnen  Amazonen  beizuschreiben  gefielen  sich  frei- 
lich auch  manche  der  alten  Vasenmaler;  auch  diese  Na- 
men sind  in  ihrer  Art  schöne  Gebilde.  Allgemein  bekannt 
ist  die  Amazonenschlacht  an  dem  Sarkophag  in  Wien; 
eine  andre  auf  einer  in  Ostia  gefundenen  Platte  ist  er- 
wähnt im  Bullettino  (1834  p.  131).  Ihre  grösste  Wichtig- 
keit hat  die  grosse  Vase  in  Perugia  für  die  nähere  Kennt- 
niss  der  Etruskischen  Art  und  Kunst.  In  dieser  Bezie- 
hung kann  sie  nur  in  Vergleichung  mit  den  andern  be- 
kannten rein  Etruskischen  Vasengemälden  fruchtbar  unter- 
sucht und  besprochen,  darf  sie  aber  auch  von  Niemand 
vernachlässigt  werden,  der  auf  dieses  Kapitel  der  Kunst- 
geschichte sich  einlassen  wird  ^). 

Die  Einzelkämpfe  des  Keulenschlägers  mit  einer  be- 
rittenen Amazone  waren  für  die  Künstler,  wie  die  Ama- 
zonen überhaupt  in  mannigfaltigen  Gruppen,  ein  günstiger 
Gegenstand;  man  findet  jene  Gruppe,  wie  K.  0.  Müller 
im  Handbuch  bemerkt  (§.  410  S.  678),  auf  Münzen  von 
Herakleia,  auf  Vasen  von  Vulci,  wo  die  Streiterin  als 
*^rdqofjKxxfi  bezeichnet  ist^),  auch  bei  Tischbein  ^^).  Von 
der  ältesten  Art  in  der  Maierei,  wo  Herakles  der  in  der 
Flucht  sinkenden  Hippolyte  den  Fuss  auf  das  Bein  setzt 
um  sie  dann  mit  der  Keule  zu  erschlagen,  geben  Vasen 
von  Vulci  Proben^*).  Aber  auch  die  noch  einfachere  Vor- 
stellung, wie  am  Theseion  und  unter  den  Zwölfkämpfen 
an  den  Metopen  des  Tempels  zu  Olympia,  dass  die  Kraft 
des  Herakles  die  starke  Amazone  zu  Boden  geworfen  bat, 


8)  Diess  bestStigt  H.  Bmnn  im  Bull.   d.    J.   1853,  wo   er  p. 
153 — 156  die  Vase  mit  der  Abbildung  yergleicht. 

9)  Ann.  d.  Inst.  Hl,  151  no.  374. 

10)  GoHection  —   of  Sir   W.  Hamilton   publ.  hj  Tischbein  1, 
12.  Böttiger  Vasengemälde  Hl,  171. 

11)  Ballett.  1841  p.   86  vgl.  Annali  1835  p.  111  tav.  d*agg.  G. 


342  Herakles  und  die  Amazonenkönigin. 

ist  nicht  weniger,  besonders  an  Sarkophagen,  unter  den 
Athlen,  fortgebildet  worden.  Ibykos,  der  älteste  der  ihr 
einen  Namen  giebt,  nennt  sie  OioXvxij,  einen  weiblichen 
OloXvxog^  ein  Name  der  auf  Wildheit  und  Ungeheuerlich- 
keit hindeutet,  und  damit  übereinstimmend  eine  Tochter 
des  Briareus  ^^),  während  der  herrschende  Name  Hippo- 
lyte  ritterlich  klingt.  Die  Bändigung  einer  Oeolyke  konnte 
nie  gewaltiger  dargestellt  werden  als  in  Olympia,  wie 
aus  dem  Bruchstück  zu  ersehen  ist,  das  ein  selbst  un- 
ter der  Menge  der  erstaunlichsten  Hissverständnisse 
alter  Bildwerke  noch  auffallendes  Missverständniss  erfahren 
hat  15), 


12)  Schol.  Apollon.  II,  777  noXXol  di  X6yo&  ntgi  tov  CcuotiJ^of 
tlffiy.  nvcf  fjify  yctg  ^JnnokvJfjs  y  äXXo&  de  JnXvxrjg,  "Ißvxog  dt  Oiok^xtjg 
Idiiog  ioTOQtSy  BQKCQto)  SvyatQog  qtia^y,  Vermuthlich  war  JttXvxfj 
nur  Schreibfehler  für  Oiokvxfj  in  irgend  einem  Buch,  woraus  der 
Grammatiker  schöpfte. 

13)  Siehe  das  akademische  Kunstmuseum  zu  Bonn  zweite  Aus- 
gabe, S.  160—163.  Dazu  kann  ich  bemerken,  dass  mir  in  Paris 
im  Oktober  1841  der  wackre  Jacquet,  mouleur  du  Lourre,  in  der 
Galerie  des  pldtres  das  Bruchstück  der  Amazone  selbst  gezeigt  hat, 
zusammengesetzt  im  Abguss  mit  dem  Vordertheil  des  Löwen,  so 
dass  es  dessen  Hintertheil  abgeben  sollte  und  Herakles  also  den 
Löwen  mit  dem  Bein  hielte  (während  mir  das  Schienbein  des  He- 
rakles unter  der  Achsel  der  Amazone  die  ganze  Stellung  yerrathen 
hatte),  was  auch  wegen  des  andern  Toranstehenden  Fusses  nicht 
passte.  £r  sah ,  sobald  ich  ihn  aufmerksam  machte ,  wohl  ein  dass 
die  Zusammensetzung  falsch  sej,  und  es  ist  daher  zu  yermuthen 
dass  diess  Stück  Olympischer  Bildnerei  jetzt  verschwunden  ist 
Aber  es  erklärt  sich  so,  warum  man  mir  aus  Paris«  wo  Termuthlich 
Hr.  Jacquet  zu  dieser  Zusammensetzung  angewiesen  worden  war, 
über  ein  Bruchstuck  der  Amazone  keine  Auskunft  gehen  konnte. 
Zu  meiner  Erklärung  selbst  hätte  ich  Yielleicht  hinzufügen  dürfen, 
dass  aus  der  Stellung  des  Herakles,  der  die  auf  den  Leib  nieder- 
geworfene Amazone  zwischen  den  unter  ihre  Achseln  eingeklemm- 
ten Beinen  fest  umklammert  hält,  für  den  Aufmerksamen  Ton 
selbst  sich  ergebe,  das  er  Torher Tergeblich  mit  ihr  gerungen  and 


Herakles  und  die  Amazonenkönigin« 


243 


Die  Vase,  von  der  wir  ausgegangen  sind,  ist  zuerst, 
und  zwar  in  vorzüglicher,  wie  es  scheint  sehr  treuer,  Ab* 
bildung  bekannt  gemacht  worden  im  Bullettino  archeol. 
Napoletano  vom  Jahr  1853  No.  20  tav.  VI.  VII,  1,  mit  Er- 
klärung von  Mmef*vini.  Dieser  ist  durch  den  Umstand,  dass 
Herakles  nach  der  Apotheose  auf  einigen  Vasen  ohne  Lö- 
wenhaut und  Keule  vorkommt,  wie  natürlich  ist,  wo  ihm 
aber  diese,  wie  eben  so  natürlich,  nicht  zu  den  Füssen 
gelegt  sind ,  zu  der  unglücklichen  Annahme  als  Ausgangs- 
punkt veranlasst  worden ,  dass  derselbe  hier  aus  dem  Him- 
mel (nicht  aus  dem  Elysium)  erscheine  wie  im  Philokletes 
des  Sophokles,  und  zwar  in  der  Absicht  eine  Vereinigung 
zwischen  Odysseus,  Neoptolemos  und  Philoktet  zu  bewir- 
ken. Dabei  stört  ihn  nicht  dass  die  beiden  Hauptpersonen 
fehlen ,  wenn  man  den  lolaos  für  Neoptolemos  nähme, 
und  dass  darauf  die  Scene  von  Lcmnos  nach  Troja  ver- 
legt werden  muss,  wo  Paris  von  Philoktetes  erlegt  wird, 
der  hier  nicht  zu  sehn  ist,  einem  Paris  auf  dem  Prachtwa- 
gen aber  auch  schwer  gegenüber  zu  denken  ist.  Selten 
vielleicht  ist  eine  Hypothese  mit  einer  grösseren  Anzahl 
von  Erfindungen  versehen  worden,  um  alle  ihre  wider- 
sprechenden Einzelheiten  des  Bildes  ihr  zu  unterwerfen; 
aber  ich  bedaure  gestehn  zu  müssen  dass  ich  die  Wider- 
legung mir  ersparen  zu  dürfen  glaube  und  es  gern  darauf 
ankommen    lasse    ob    der   erste   Erwiderungsversuch   von 


ihr  den  Gürtel  zu  entreisseD  yersucht  und  jetzt  das  letzte ,  das 
einzig  mögliche  Mittel  es  zu  thun  ergriffen  habe.  Es  steht  also 
be?or  was  Hjgin  sagt,  balteum  detraxit,  ohne  yorhergängige  Tö- 
düng,  wie  bei  Apollodor.  Uebrigens  sind  a.  a.  0.  S.  162  meh- 
rere andre  Gompositionen  desselben  Acts  angeführt,  denen  ich 
beifügen  will  die  an  der  Ludovisischen  Sarkophagplatte  mit  neun 
der  Athlen.  Auch  hier  liegt  die  Amazone  auf  der  ßrust  nieder, 
dreht  aber  den  Kopf  aufwärts  um  und  der  Sieger  setzt  ihr  den 
FusB  auf  die  Schulter. 


344  Herakles  und  die  Amazo&enkönigin. 

andern    Seiten    Unterstützung    und   Verlheidigung     finden 
kann  '*). 


14]  Derselbe  MioerWni  prüft  im  Bull.  Nap.  1857  S.  81—87. 
die  Terschiedenen  Erklärungen  dieses  Gemäldes  Yon  Cayedooi»  Pa- 
nofka,  G.  F.  Hermann,  Welcker  und  Gonze,  indem  er  sich  ge- 
tröstet, dass  zwar  alle  diese  Erklärungen  mehr  oder  weniger 
Schwierigkeiten  darbieten,  die  seinige  jedoch  die  geringsten.  Seit- 
dem hat  auch  ßursian  sich  aber  dasselbe  yernehmen  lassen  im 
Litter.  Gentralblatt  1857  S.  825  und  Tölken  eine  neae  Erkl&rung 
aufgestellt  in  Gerhards  Archäol.  Zeit.  1860  S.  33%  endlich  hat  D. 
Heibig  in  Gerhards  Archäol.  Zeit.  1862,  30,  278  f.  (Ares  bei  den 
Amazonen)  unter  Annahme  meiner  Erklärung  der  Vase  eine  Figur 
für  Ares,  und  meinen  (olaos  für  Apollon  mit  guten  Granden  erkUrU 


Odysseus   Akanthoplcx. 


Nachtrag  zu  Th.  3,  459—461    der  Alten  Denkmäler^). 

Die  Vase  mit  Odysseus  Akanthoplex  in  meinen  A. 
Denkmälern  III  Taf.  30  S.  459  ist  nicht,  wie  ich  glaubte, 
nach  England  gegangen  und  abhanden  gekommen ,  sondern 
hat  sich  in  Neapel  wiedergefunden.  Hr.  Minervini,  der 
mir  diess  vor  wenigen  Monathen  mittheilte,  hat  nach  Be- 
seitigung eines  Firnisses  bei  allen  drei  Figuren  Namen 
gefunden,  KAM  .  •  PI2  bei  der  über  welcher  der  Vogel 
fliegt  mit  dem  Rochen  im  Munde ,  dem  tqvydiv^  der  ei- 
nen Stachel  am  Schwanz  hat.  Dieser  Fisch  ist  nicht  ge- 
malt, sondern  in  besonderer  Weise  durch  eingeritzte  Linien 
gezeichnet.  Wenn  nun  dieser  Vogel  mit  dem  Fisch  über 
dem  Haupt  eines  Schiffenden  ein  unfehlbares  Kennzeichen 
abgiebt  für  den  Akanthoplex,  so  kommt  nun  als  eine  Bestäti- 
gung der  Deutung  von  aussen  der  Name  KdfjbfjbOQtg  hinzu, 
nach  der  allein  möglichen  Ausfüllung  der  Lücke  von  zwei 
Buchstaben.  Denn  xdfAfjtOQog  ist  in  der  Odyssee  ein  stehendes 
Beiwort  des  Dulders  Odysseus.  Es  gebrauchen  es  in  der 
Anrede  an   ihn  bedeutsam  Kalypso ,  Leukothea,  der  Schatte 


1)  Rhein.  Mus.  1853  S.  290—293.  Die  Wiederentdeckung 
der  Vase  in  Neapel  zeigt  Hr.  MinerTini  auch  an  im  Bull.  Nap. 
1853  N.  18  S.  144  März  und  einen  Ton  mir  an  denselben  über 
den  Gegenstand  geschriebenen  Brief  hat  er  ohne  meinen  Wunsch 
abdrucken    lassen  Juli  p.  12—14. 


346  Odysseus  Akanthoplex. 

seiner    Mutter  und   Athene    (V    160   xdfjbfWQs  y    fjtij  fAO§  Ü 
ivd'dS*  ddvqso  ^  V,  339  xdfAfAOQCj  ttins  vot  dUds  IFods$ddmv, 
XI ,  215  (u  (AOt  tixvov  sfAÖv  j  nsgl  ndvtuiv  xdfAfAOQc  q>wi;wVy 
XX ,  33  tiTvi  avi  iyg^cftJf^g ,  ndvrcov  niqi>  xdfifAoge  q>mtSv) 
und    Telemachos    nennt    ihn    xstvov  —  vov  xdfifAogoy   (II, 
351).    Uncontrahirl  hatArkadius  xardfAogog  (de  acc.  p.  71, 
28),  xdvfAOQog  in   xdofAOQogj    dv&tfjvogj  verwandelt   Hesy- 
chius,  das  in  xdfifioqog  tibergeht  wie  xatd  fi8p  in  xdfA  p,hv  in 
der  Odyssee  selbst ;   xafAfAovttj  in  der  Ilias.     Von  (AotQa  im  gu- 
ten Sinn  wird  ämioqog^  ohne  Glück,  und  umgekehrt  ist  xatd- 
(AOQog  dem   bösen   Loos   unterworfen,  nach  dem   Gebrauch 
der  Präposition  in  xatdiiontpog^  xatdfiSfiTrtogj  oder  vielmehr 
mit  blosser  Verstärkung  durch  sie,  unglücklich,  wie  in  xormf- 
X^^og,   xatdlaßgog,  xdncfx^og,  xdnaog^  xatddfjXogy  und  vielen 
andern  ähnlichen  Wörtern.     Die  Grammatiker  welche  xixxA 
fWQip  zur  Erklärung  gebrauchen  (Schol.  Nicandr.  Alex.  41, 
SchoL  Odyss.  V,  160,  Hesych.  v.  xdfjtfAOQs  und  xa^bgAogimp) 
wollen  schwerlich   xaKÖg   etymologisch    genommen   wissen. 
Die  Endsylbe  tg   giebt   dem    Adjectiv   den  Charakter  eines 
Eigennamens.     Sie   ist  nicht  bloss  sehr  häufig  als  Contrac- 
tion  wie  AvtSig ,  Avaiag^  '^yh^  ^Aylag^   oder   für  *f,  wie 
öqvtgj  für  iy^,  wie  in  Atfivöxccgtg^  ^AneXhg  (in  einer  Athe- 
nischen   Inschrift,   Osann.    Inscr.    p.   330),    sondern    auch 
gebräuchlich  für  og,  wie  in  MoXn^g  und  Molnog^  AdfAfr$g 
und  Adfjbnog^    06QfAtg   und  06QfAog,  ^AQx^öafitg  (auf  einer 
Münze  von   Mitylene,   Mionnet  III   p.  200,   Denkschr.  der 
Münchner  Akad.  1813  S.  40)  und  ^Aqx^^ccgiog. 

Gewiss  in  keinem  Augenblick  seiner  Laufbahn  fand 
der  Beiname  des  Unglücklichen  seine  Anwendung  mit  mehr 
Grund  als  in  diesem,  wo  Odysseus  nach  seinen  letzten 
aus  der  Telegonee  bekannten  Abenteuern  zu  seiner  Ge- 
burtsinsel nochmals  zurückgekehrt,  schon  zu  landen  im 
Begriff^  dem  Stachel  eines  Fisches  vom  hohen  Himmel 
herab,  wie  einem  Preilschuss  unterliegen  muss.    Dass  aber 


Odysseys  Akantboplex.  347 

Odysseus  auf  dem  Bilde  durch  diesen  Beinamen  Kammo- 
ris  bezeichnet  wird,  zeigt  von  neuem  wie  die  alten  Ma- 
ler die  Personen  oft  lieber  mit  einem  treffenden,  und  ins- 
besondre mit  einem  ihnen  in  der  dargestellten  Handlung 
oder  dem  Augenblick  angemessnen  Beiwort  oder  Beina- 
men andeuteten  als  mit  dem  allgemein  üblichen  Namen  an- 
kündigten. Von  diesem  Gebrauch ,  der  nach  und  nach  klar 
geworden  ist,  nachdem  er  zuerst  in  der  einzelnen  Er- 
scheinung Schwierigkeit  gemacht  hatte  oder  seltsam  er- 
schienen war  habe  ich  in  dem  Bande  meiner  A.  Denkm. 
der  auch  den  Akanthoplex  enthält,  mehrere  Beispiele  zu- 
sammengestellt (S.  303  f.  351.  376«)  So  ist  über  der  von 
dem  Maler  entführten  Hebe-Ganymeda  in  Tischbeins  Va- 
sen I,  26  geschrieben  &AAIA^  und  AIJOS  neben  der 
keuschen  Schwester  des  Apollon,  welcher  an  Tityos  seine 
Mutter  rächt,  in  Gerhards  Auserles,  Vasen  I,  22  und  Elite 
c6ramogr.  II,  561  wo  der  Name  AIJOS  durch  ein  bei- 
gefügtes sie  bestätigt  wird  von  de  Witte  im  Gab.  Durand 
n.  18  Catal.  Beugnot  n.  4.  p.  8.  Herakles  wird  JI02- 
HAIS  genannt  an  einer  Vase  bei  Millingen  Anc.  uned. 
mon.  pl.  38  und  auf  einem  Etrurischen  Spiegel  Kalanike, 
KaXKnxog,  JO20O2  auf  dem  Schoose  des  Zeus  (Diony- 
sos) Minervini  mon.  Barone  tav.  \,KYMOQETA  für  The- 
tis  auf  der  von  D.  Schmidt  erklärten  Kylix,  auf  der  Vase 
des  Midias  YFEA  für  Athena  Hygiea.  Persephone  wird 
'^Ayvifi  genannt  Paus.  4,  33,  5.  Ariadne  an  einer  Vase 
des  Brittischen  Museums  NYNOAIA,  nach  de  Witte  in 
den  Nouv.  Ann.  de  Tlnst.  arch.  I  p.  518. 

Die  am  Uferrande  sitzende  Figur  wird  IIONTIA  ge- 
nannt ,  mit  einem  allgemeinen  Namen  statt  des  eigentlichen, 
Leukothea,  die  dem  Odysseus  gegenüber  im  Musee  Blacas 
pl.  12  KAAH  genannt  ist.  So  ist  an  dem  einen  der  Lä- 
strygonenbilder,  die  jetzt  im  Museum  des  Capitols  aufge- 
stellt sind,  in  Gerhards  Arch.  Zeit.  X  Taf.  46,  über  einem 
Pan  geschrieben  N0MAI2  d.  i.  NofAalogj  Weidegoll.    Wie 


348  Odysseus  Akanthoplex. 

Leukothea  hier  Pontia,  so  wird  Poseidon  von  Pindar  i 
nömog  genannt^  und  Glaukos  von  Anthedon  allgemein 
Pontios.  Das  künstlerische  Motiv  die  Leukothea  hier  dar- 
zustellen kann  kein  andres  gewesen  seyn^  als  das  Un- 
glück des  Odysseus  noch  mehr  hervorzuheben,  welcher 
aus  den  Gefahren  des  Meers  durch  ihren  Beistand  geret- 
tet, noch  im  Angesichte  des  Ufers,  unter  ihren  Augen 
auf  jene  unerhörte  Art  umkommt,  damit  ein  dunkler  Ora- 
kelspruch seine  Erfüllung  erhalte. 

Da  die  Namen  Eammoris  und  Pontia  ihre  klare  Be- 
deutung haben,  so  wird  auch  der  dritte,  der  dem  Anker 
werfenden  Begleiter  des  Odysseus  beigeschrieben  ist^  ^AI- 
M02 j  nicht  ohne. seinen  bestimmten  Sinn  seyn..  Wel- 
cher ,  ist  schwer  zu  sagen ,  und  die  Buchstaben  möchten 
nicht  alle  richtig  geschrieben  seyn,  da  sie  deutlich  so 
geschrieben  seyn  sollen. 

Auffallend  ist  der  Umstand  dass  sowohl  Odysseus  als 
sein  Begleiter  jung  und  glattbärtig  dargestellt  sind,  auf- 
fallend noch  mehr  an  einem  Akanthoplex  als  es  an  ei- 
nem Odysseus  fast  in  irgend  einer  andern  Lage  seyn 
könnte.  Ganz  absichtlich  und  schicklich  ist  er  so  gemalt 
da  wo  er  der  Gattin  des  Antenor  die  ihm  das  Palladion 
ausliefert,  eine  Liebestänia  entgegen  hält,  Annali  del  Inst, 
archool  II  tav.  D.  Dort  aber  möchte  der  Anlass  nicht 
aus  einer  der  verlornen  Tragödien  vom  Akanthoplex  ge- 
schöpft gewesen,  sondern  der  Grund  allein  in  einem  Feh- 
ler, einer  Unüberlegtheit  des  Malers  zu  suchen  seyn. 

Die  Vase  befindet  sich  im  Haus  Porcinari  in  Neapel. 


Die  grosse  Dariusyasc   in  Neapel  ^). 


Taf.    XXUI. 

Die    im  Frühjahr    1854  bei   Canosa  aus   einem   Grab 
hervorgezogne   Amphora   mit  Darius,  wovon  Minervini  in 


1)  Gerhards  Archäol.  Zeilung  1857  S.  49—55.  Taf.  103.  Der 
folgende  kleine  Aufsatz  wurde  an  den  Herausgeber  mit  den  in 
London  erschienenen  Zeichnungen  eingeschickt  ohne  eine  Ahnung 
dayon,  dass  eine  Abbildung  der  Hauptvorstellung  dieses  merk- 
würdigen Gcfässes  diesem  schon  vorher  zugekommen,  ja  dass  diese 
schon  gestochen  sei,  wie  sie  nun  hier  Torliegt.  Derselbe  hat 
darüber  auch  bereits  in  der  Königlichen  Akademie  der  Wissscn- 
schaften  ßericht  erstattet,  der  in  deren  Monatsberichten  nächstens 
erscheinen  wird,  wenn  nicht  schon  erschienen  ist.  Es  mag  indes- 
sen hier  der  ohne  Kenntniss  der  früher  abgegebenen  Erklärung 
entworfne  Artikel  unverändert  folgen  und  es  durch  seine  Kürze 
im  Ganzen  entschuldigt  werden,  wenn  Einiges  an  zwei  Stellen 
fast  gleichzeitig  doppelt  gesagt  wird.  In  der  Gerhard*schen  Zeich- 
nung ist  deutlich  AHA  geschrieben,  wie  man  in  Neapel  gelesen 
hat,  und  6s  scheint  daher  um  so  mehr,  dass  das  n  dem  P,  das 
mir  der  Sinn  und  Zusammenhang  nothwendig  zu  erforschen  scheint« 
an  der  Vase  selbst  so  ähnlich  sieht  und  so  nahe  kommt,  dass  die 
Erklärer  sich  leicht  über  diesen  in  der  Sache  sehr  wesentlichen 
Buchslaben  täuschen  konnten.  Wie  häu6g  aber  die  ältere  Form 
des  n  für  P  und  umgekehrt  in  den  Inschriften,  besonders  der 
Vasen  mit  einander  leicht  yerwechselt  werden  können,  ist  bekannt. 
[Der  Torgedachte  Bericht  über  das  in  Rede   stehende  Gefäss  ward 


250  Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel. 

seinem  BuletL  archeoL  Napol.  1854  N.  43  p.  129  im  April 
nach  zwei  von  ihm  und  Cav.  B«  Quaranta  in  der  Accade- 
mia  Ercolanese  gehaltnen  Vorträgen  Bericht  erstattete,  und 
auf  die  er,  nachdem  die  Vase  in's  Burbonische  Museum 
und  ihm  unter  Augen  gekommen  war  ^) ,  im  Juny  deg 
Bullettino  N.  48  p.  169  zurückkam  ^  ist  zum  erstenmal  im 
Stich  bekannt  geworden  in  den  illustrated  London  News 
vom  14.  Februar  dieses  Jahres.  Minervini  hat  verspro- 
chen sie  in  den  ^tti  della  R,  Accademia  Ercolanese  her- 
auszugeben. Bis  dieses  geschehen  sein  wird,  wovon  we- 
nigstens noch  nichts  bekannt  geworden  ist,  oder  bis  diese 
Publication  zu  uns  gelangen  kann,  wird  es  immer  der 
Mühe  werth  sein  von  dieser  so  merkwürdigen  Darstellung 
die  Hauptidee  und,  wie  ich  glaube  sagen  zu  können,  eine 
richtigere  Vorstellung  als  im  BulL  Nap.  gegeben  ist, 
kürzlich  darzulegen. 

Die  Amphora  ist  nicht  weniger  als  sechs  Palmen  we- 
niger ein  Vierlei  hoch,  grösser  als  die  grössten  im  Bur- 
bonischen Museum,  hinter  denen  doch  die  zwei  berühmten 
einst    von   Miliin   herausgegebenen  Vasen  von    Canosa    in 


im  akademischen  Monatsbericht  für  1857,  Juni  S.  333  ff.  abgedruckt 
wo  8.  337  die  Böckhsche  Deutung  der  ßiichstaben  dem  Diptjchoo 
des   Schatzmeisters;   yorläuGge  Nachrichten  waren   im   Arch.  Am.. 
T.  J.  1854,  S.  482*  ff.  gegeben.] 

2)  Es  ist  charakteristisch  für  die  in  Neapel  übliche  Geheim- 
thuerei  und  missgünstige  Zurückhaltung  mit  neuentdeckten  alten 
Kunstwerken  unter  den  Hütern  solcher  Schätze,  dass  Herr  Bo- 
nucci,  der  die  Ausgrabung  bei  Canosa  geleitet  hatte,  die  Mitglie- 
der der  Herculanischen  Akademie  die  Dariusvasn  nicht  untersuchen 
Hess  ehe  sie  ihre  Vorträge  darüber  hielteo,  so  dass  sie  nachher, 
als  die  V^ase  in  das  Museum  gekommen  war,  einige  nach  der  Be« 
Schreibung,  welche  umlief,  vorgebrachte  Irrthümer  berichtigen 
mussten.  Minervini  schreibt  p.  133:  Debbiamo  alla  genUlei^a  dei 
Sig.  Bonucci  ¥aver  pofuio  osservare  alcuni  de'  fiü  interessanti  pew  di 
questa  tnaravigliosa  stovigiia^  und  p.  169:  ne  presentammo  la  c^escrt- 
iione  sopra  allrui  relatione» 


JfiS 


'JfLSI^ 


Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel.  351 

der  Münchner  Sammlung  an  Grösse  so  sehr  zurückstehn; 
sie  ist  von  sehr  feinem  Thon  und  enthält  in  ihren  vier 
Vorstellungen  auf  beiden  Seiten  des  Gefässes  selbst  und 
des  Halses  fünfzig  Figuren,  —  Minervini  versichert,  dass 
sie  'ausser  der  archäologischen  Wichtigkeit  auch  unter  dem 
Gesichtspunkt  der  Kunst  und  des  Stils,  der  sich  schön  und 
sorgfältig  zeige,  alle  Aufmerksamkeit  verdiene.'  —  Jede 
Bemerkung  unsererseits  in  dieser  Beziehung,  nach  der  vor- 
läufigen Bekanntmachung  der  Zeichnungen  in  einem  Ta- 
geblatt, würde  vorzeitig  sein. 

Die  Hauptvorstellung  besteht  aus  drei  Abtheilungen, 
drei  Reihen  von  neun,  acht  und  sechs  Figuren.  In  der 
mittleren  thront  in  ihrer  Mitte  Darius  Hystaspis  JAP102 
(Minervini  schreibt  JAPEI02),  welchem  einer  der  soeben 
um  ihn  zum  Ratb  versammelten  Grossen  Vortrag  hält,  und 
hier  bestätigt  sich  im  Allgemeinen  was  Aelian  als  einen 
Persischen  Brauch  erzählt^).  VTenn  nemlich  einer  der 
Grossen  über  der  Berathung  bereits  entzogne,  also  ver- 
botne  und  bestrittene,  bedenkliche  Dinge  dem  König  einen 
Bath  ertheilen  wollte,  so  stand  er  auf  einer  goldnen  Säu- 
lenunterlage;  die  er,  wenn  sein  Antrag  gefiel,  zum  Lohn, 
zugleich  aber  Geisseihiebe  empfing,  weil  er  es  gewagt 
hatte,  etwas  von  dem  König  vorher  nicht  Beliebtes  von 
neuem  in  Vorschlag  zu  bringen.  Das  Gefährliche  des  zu 
unternehmenden  Krieges  ist  so  auf  die  naivste  Art  ver- 
sinnbildel.  An  dem  Fussgestell  worauf  der  Sprecher  steht, 
ist  geschrieben  1IEP2AI,  was  auf  alle  sieben  Grossräthe 
zu  beziehen  ist.  Von  diesen  sitzen  vor  den  Dreien  auf 
beiden  Seiten  je  zwei  und  je  einer  ist  stehend.  Die  drei 
auf  der  Seite  des  Antragstellers  machen  sämmtlich  Finger- 
bewegungen, die  man  als  Zustimmung  und  zwar  der  Ma- 
jorität fassen  kann ;  denn  hinter  dem  König  zunächst  steht 
mit  Schwerdt  und  Lanze  wohl  der  Oberfeldherr,  der  nicht 


3)  Var,  Bist*  XII,  61  (was  Quaranta  anfährt). 


352  Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel. 

stimmt,  und  nur  der  dritte  erhebt  zwei  Finger  der  Rech- 
ten. In  diesen  Figuren  wird  man  vermuthlich  bei  nähe- 
rer Untersuchung  manche  aus  wirklicher  Kenntniss  des 
Persischen  Hofs  und  seiner  Grossämter  entnommene  Be- 
sonderheit unterscheiden.  So  hat  der  Antragsteller  einen 
Spitzhut  auf,  der  sich  von  den  verschiedenen  Tiaren  von 
vier  andern  und  dem  unbedeckten  Haupte  des  fünften,  dem 
einfach  bedeckten  des  sechsten  gewiss  absichtlich  unter- 
scheidet *). 

Die  oberste  Reihe  nehmen,  wie  gewöhnlich,  dämoni- 
sche  Personen  ein,    die  aber   hier  in  ungewohnter  Weise 
zu  einer  Handlung  zusammentreten,   einer  Handlung,  wel- 
che vorbedeutend   den   für  Darius  unglücklichen    Ausgang 
des   Kriegs   ausdrückt.     Die   Namen   HEAAA2  (dieser  in 
der   Zeichnung    nicht    ganz    richtig    gegeben)    und   ASIA 
sind   beigeschrieben.     Beide  sind   als  ideelle  Personen  un- 
ter den   Göttern    ganz    an   ihrem   Platz.    Asia   sitzt,  eine 
hohe  Kriegeslanze    haltend,   auf  einem    grossen  Basament 
oder   einer  Ära,   worauf   hinter   ihr  auch    ein  Hermenbild 
aufgerichtet    ist,    und  schickt  die  Ära,    APA^  aus,   welche 
zwei  Fackeln   hält    und  Schlangen  im  Haar  bat,   nach  der 
statt  Chlamys  auf  der  Brust  geknüpften  Thierhaut  aber  und 
der   Beinbekleidung   einen    männlichen    kriegerischen    An- 
schein hat.    Dass  Asia  sie  aussende,  ist  daraus  klar,  dass 
sie  nach  dieser  den  Blick  wendet,  sie  anhört.    Die  Fackel 
in   des  Feindes   Land  zu  werfen    ist  ein  bekanntes  Zeichen 
der  Kriegsankündigung,  der  Fackelträger    [nvqqioQog)^   der 
sie  überbrachte,  war  eine  geheiligte,   unverletzliche    Per- 
son^).    Sinnreich    genug    ist    die   Drohung,   das  Land  mit 

4)  Die  Begleiter  des  Persischen  Gesandten  Feruk  Khan  1857 
trugen  konische  Hnte. 

5)  Sehoh  Eurip.  Phoen.  138(5  (1377),  wo  die  Varianten  dea 
Gobetschen  Scholiaslen  (p.  269) ,  so  wie  auch  die  in  der  Bothe'- 
schen  Ausgabe  p.  70  nichts  im  Wesentlichen  ändern.  Der  Diehter 
selbst  vergleicht  das  Schlachtaeichen  der  Trompete  mit  der  ioage— 


iM^^aOBaUiäSmamk^^^mimmmmlKtmUtati 


Die  grosse  Dariasvase  in  Neapel.  353 

Feuer   zu  verwüsten ^   der  Ära,   die   als  Person  aus  den 
Dichtern  bekannt    ist,   dem    Fluch,  in  die   Hand  gegeben 
und  wenn  das  V   hinter  APA  in  der  Zeichnung  richtig  ist 
so  lässt  es  sich  ergänzen  ifAtVj  da  man  sagte   d^äg  ins^~ 
%sad-ai  nvh     Doch  ist  diess  höchst  unwahrscheinlich.     Die 
so   bedrohte   Hellas   aber  ist  in  den  besten   Schulz  aufge- 
nommen ,   sie  steht  zwischen  Zeus  und  Athene ,   die  beide 
mit   einer  schützenden  Hand  sie  berühren,  und  Nike,  dem 
Zeus   zur   Seite   stehend,   reicht  auch  die  Hände  nach  ihr 
hin.    Noch  sind  übrig  auf  dieser  Seite  Apollon ,  den  Schwan 
auf  dem   Scboos^    und  seine  Schwester  auf  einem  grossen 
gefleckten   Dammhirsch    sitzend   von   einem   Jagdhund  be- 
gleitet.    Diesen  beiden  Göttern   auf  der  Griechischen  Seite 
entspricht  allein    das  schon   erwähnte   Idol,   weiblich,    mit 
weissem  Gesicht,  Ohrringen,  Halsband  und  einer  mit  Zak- 
ken    verzierten    Stephane;  in  Hermenform,    wie   die   Asia- 
tische Aphrodite  in  Athen,  welche  man  die  älteste  der  Hören 
nannte,    und    Aphrodite   auch   in  Dolos  (Paus.   9,   40,   2 
vgl.  Gerh.  Hyperb.  Studien  2,  275.)     Oflenbar  soll  hier  Asien 
durch  diese  rohe  und  altväterliche  Form  gegen  die  anmu- 
thig    poetischen    Gestalten    der    Griechischen    Letoiden    in 
Schatten  gestellt  werden. 

Die  untersten  sechs  Figuren  stellen  unterworfne  Pro- 
vinzen des  Darins  dar  drei  knieend  und  flehend,  zwei 
Tribut  entrichtend  an  einen  vor  einem  grossen  Tisch  sit- 
zenden Satrapen.  Die  eine  hält  einen  grossen,  oben  zuge- 
bundnen  Sack,  die  andre  mehrere  goldne  Schalen:  der 
Steuereinnehmer  hält  in  der  linken  Hand  ein  Diptychon, 
woran  unten  und  oben  einige,  vielleicht  TAAANTA  zu 
lesende   Buchstaben   geschrieben  sind,    und  zählt  mit  der 

lassenen  Fackel:  inkl  (f  d(f>eiStif  nvqaog  cü?  ,  TVQOfiviurjg  cäXn&yyos 
W'  Ljkopbron  1295  ^X^Q^s  di  nvQCoy  fjgay,  wo  Meursius  aus 
Statius  ostentUi  Bellona  facem^  civilis  Erinnys  —  facem  —  movii  uad 
Aehnliches  aofohrt,  S.  £p.  GjcL  2,  184  Not.  22*.  [In  heutigen 
Kriegsliedern  rd  ßdllufUif  ftmäp  «fe  8i|K  ijy  nvffMtätfJ] 

V.  ^-^ 


354  Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel. 

rechten  Goldstücke  auf  den  Tisch.  Die  ganze  Macht  des 
Grosskönigs  wird  so  in  schönen  Gegensatz  mit  der  des 
Götterschutzes  gewürdigten,  in  ihm  sicher  bewahrten  zarten 
Figur  der  Hellas  gebracht. 

So  sehn  wir  denn  im   Rathe  des  Darius,  des  Beherr« 
Sehers   vieler  Reiche,  einen  bestrittenen,  gefährlichen  Be- 
schluss    gefasst,   und   in   der  Höhe,  dass  dieser  Beschluss 
sei   Hellas   zu  bekriegen,  das  von   seinen  Göttern  in  gnä- 
digen Schutz    genommen  wird;  weiter  nichts,   diess  aber 
klar  und  unzweideutig.     Unerfreulich   ist  es  zu  sehen,  wie 
statt  dieses  einfachen  guten  Gedankens  in  das  schöne  Ge- 
mälde von  den  beiden  genannten  Neapolitanischen  Gelehr- 
ten,  nach  unglücklich  gefassten  Voraussetzungen,  wunder- 
liche  Dinge  —  soll   ich   aufrichtig  reden,   muss  ich  ihnen 
wenigstens    dieses  Beiwort  geben  —  hereingetragen   wer- 
den.    Minervini,   allzusehr  eingenommen  für  das  in  neue- 
rer Zeit  allerdings  oft   angewandte  Mittel  Kunstwerke  aus 
Tragödien   zu  erklären,   zweifelt  nicht,    dass  die  Vorstel- 
lung  der  Vase  gezogen  sei  aus  den  Persern  des  Aeschy- 
lus^),  mit  denen  sie  doch  nicht   mehr  gemein  hat,  als  mit 
einem   der    tausend   Andern,   die    den   Ruf  des  vergeblich 
von   Darius   auf  Athen  und   Hellas  unternommenen  Sturms 
verbreitet    haben;    er  will  alle  Stellen   des  Tragikers,    che 
fanno   interessante  confronto  al  vaso  d%  Canosa,  zum  Be- 
weise beibringen,  zweifelt  nicht,  dass  der  Antragsteller  in 
der  Mittelreihe   der   Bote   in  der  Tragödie  des  Aeschylus, 
und  dass  der  an  dem  Fussgestell  desselben  angeschriebene 
Name  1IEP2AI  der  Titel   der  Tetralogie  sei,   auf  die  er 
auch    die    andre   in   demselben    Grabe   gefundene   schöne 
Vase  mit  Perseus  und  Andromeda,  vermittelst  des  in  die- 
sen  Mythus    hineingezogenen    Phineus,   zurückführen    will 
(p.   172).     Sodann   hat  Minervini   sie  h  offenbar  zur  Unzeit 
der  an  der  (einst  von  mir  im  Bull.  Nap.  erklärten]  Tereus- 


6j  BuU.  Napol.  1854  p.  132,  169,  170. 


Die  grosse   D&riusvBSe  in  NeBpel.  355 

vHse  des  Burbonischen  Museums  vorkommenden  j4pala 
erinnert,  deren  Namen  er,  abgekürzt  um  die  zwei  lelzlen 
Buchslaben ,  aus  der  APA  herauslesen  will.  In  der  Eng- 
lischen Zeichnung  ist  das  P  statt  27  oder  F ,  vollkommen 
deutlich,  und  wenn  das  V  neben  APA,  das  sie  giebl, 
richtig  ist,  so  fällt  die  Ertjänzung --iZ7^TH  von  selbst  weg. 
Doch  kann  ich  darüber  nicht  urlheilen,  da  Minervini  wie- 
derhol) bemerkt,  dass  hinter  ATIA  nur  für  zwei  Buchsta- 
ben Raum,  also  kein  Buchstabe  ausserdem  sichtbar  sei. 
Nur  dessen  bin  ich  gewiss,  dass  der  Maler  nicht  n,  son- 
dern P  hat  schreiben  wollen.  Die  Täuschung,  die  den 
Darlus  verblendele  und  in's  Verderben  stürzte,  könnte  un- 
möglich gegen  Hellas,  das  sich  nicht  verwirren  Hess  son- 
dern auf  seine  Götter  vertraute,  von  der  Asia  losgelas- 
sen werden. 

Cav.  Quaranta,  der  sich  anfangs  auch  von  der  'Andz^ 
berücken  Hess,  in  der  er  die  am  schwersten  zu  erklä- 
rende Figur  erblickte,  verslieg  sich  nachher  in  andre  Er- 
gänzungen des  vermeintlichen  ADA,  als  anayytXta,  änuQX'}, 
änagoig  und  erklärte  das  Ganze  aus  der  Geschiclite  des 
Darius  Codomanus,  mit  Sprüngen  wie  er  sie  zu  machen 
pilegl,  denen  man  nicht  von  weitem  folgen  kann  noch  mag. 
Darüber  halle  er  in  der  Akadeniie  bereits  fünf  Abhand- 
lungen gelesen,  denen  andre  nachfolgen  sollten.  In  der 
Farkelträgerin,  die  auch  der  Engländer  den  Genius  des 
Kriegs  nennt,  erkennt  er  die,  welche  ganz  Asien  und 
ganz  Europa  in  den  Krieg  rufe,  die  schlangenhaarige  Fu- 
rie des  Kriegs. 

Das  Gegenstück  der  Rückseile  enthält  in  der  Him- 
melsregion den  Bellerophon,  von  der  Nike  gekränzt,  und 
zu  dessen  Seilen  Fun  und  Aphrodite  stehend  auf  den  Aus- 
senseilen ,  und  sitzend  weiter  nach  innen  Poseidon  und 
eine  matronale  Göttin,  die,  da  sie  eine  Lanze  hält  und 
ein  Schild  daneben  liegt,  nicht  Juno  genannt  werden  muss, 
sondern  kaum  eine  andre  sein  kann  als  Pallas.  Unten  ist 
23* 


356  Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel. 

dann  die  Chimära  bekämpft  und  umdrängt  von  den  Lan- 
desbewohnern. Am  Hals  ist  vorn  ein  äusserst  lebhaftes 
und  an  neuen  kräftigen  Gestalten  des  Angriffs  und  des 
Unterliegens  reiches  Amazonengefecht ^  und  hinten^  nicht 
scena  dionisiaca,  sondern  eine  Telete  jener  verdächtigen 
Art,  eine  der  Scenen,  die,  aus  dem  religiösen  Leben  der 
Gegenwart  genommen,  so  häufig  mit  den  mythischen^  wie 
zur  Ausfüllung  des  Raums  hinzugenommen  zu  werden  pfle- 
gen,  ähnlich  wie  auch  gymnastische  Gruppen. 


0.  JahUj  der  in  Gerhards  Archäol.  Zeitung  1860  S.  41 
43  von  neuem  über  dieses  Gemälde  schrieb  (nach  E.  Cur- 
Uns  das.  1857  S.  109—116),  macht  schätzbare  Bemer- 
kungen über  die  Iliqaai,  ^  avpO-coxok  und  die  Phönissen  des 
Phrynichos  und  dessen  Hinneigung  zu  Stoffen  der  Neuzeit. 
Weniger  kann  ich  seiner  Meinung  seyn  hinsichtlich  des 
Verhältnisses  unseres  Gemäldes  zu  dem  Dichtwerk:  nicht 
eine  Scene  aus  des  Phrynichos  Persern  glaubt  er  darge- 
stellt, wofür  es  auch  schwer  seyn  möchte  nur  einen  Schein- 
grund zu  ersinnen,  sondern  T^hier,  sagt  er,  wie  in  so 
vielen  andern  Fällen  hatte  der  tragische  Dichter  dadurch 
dass  er  den  Stoff  poetisch  durchdrungen  und  gestaltet 
hatte ,  der  bildenden  Kunst  vorgearbeitet  und  dersel- 
ben ihre  Aufgabe  erleichterte.^  Dass  die  Grossthat  der 
Griechen  mehr  noch  durch  die  Dichter,  Phrynichos,  Ae- 
schylos,  Chörilos,  Pratinas  als  durch  Herodot  und  durch 
die  mündliche  Tradition  im  Andenken  der  Menschen  er- 
halten und  immer  mehr  gehoben  worden  sey,  kann  man 
gern  zugeben  ohne  darum  sich  die  Aufgabe  zu  stellen 
errathen  zu  wollen,  durch  welchen  Erzähler  eines  so  welt- 
bekannten Krieges  und  Siegs  ein  einzelner  Künstler  zu 
einer  Darstellung  veranlasst  worden  sey.  Dazu  kommt 
dass  dass  das  Gemälde  nichts  Dramatisches  enthält,  son- 
dern   dagegen    desto    mehr    eigentbümlicb    Künstlerisches. 


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Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel.  357 

Am  meisten  fällt  diess  in  die  Augen  in  der  oberen  Reihe^ 
welche  Asia  und  die  von  Zeus  und  Athene  in  Schutz  ge- 
nommene Hellas  und  die  am  meisten  charakteristischen 
Götter  von  beiden  Ländern  darstellt.  Phrynichos  dage- 
gen hatte  in  den  Phönissen  den  Untergang  der  Persermach| 
auf  die  JI^Qüat  if  avp^doxot  folgen  lassen,  ein  Stück  das 
allerdings  „den  von  Darios  nach  langer  Berathung  unter- 
nommenen Krieg  gegen  Hellas  zu  seinem  Hauptinhalt^  ge- 
habt haben  muss,  und  wäre  die  Inschrift  auf  dem  Bilde 
ai}vd^(oxo&j  so  würde  man  sich  nicht  der  Yermuthung  ent- 
halten können,  dass  der  Maler,  indem  er  die  Berathung 
des  Königs  mit  ihnen  darstellte,  insbesondre  des  Phryni- 
chos sich  erinnert  hätte,  während  man  jetzt  vielleicht  ver- 
muthen  darf,  dass  die  Inschrift  Hiqaai,  sich  nicht  auf  diese 
allein,  sondern  auf  die  dem  Perserkönig  Tribut  zahlenden 
zum  Perserreich  gehörenden  Provinzen  mit  beziehen  soll, 
da  sie  nicht  über  den  avv^ooxoigj  nach  der  allgemeinen  Ge- 
wohnheit, sondern  unter  ihnen  in  Mitte  der  beiden  Rei- 
hen angebracht  ist.  Sie  ist  an  einer  Basis  angeschrieben; 
weil  sie  da  am  besten  in  das  Auge  fällt.  Auf  die  owd^vS- 
xovg  bezieht  sie  auch  E.  Curtius  nicht.  Aber  das  Bild  ent- 
hält in  dritter  Reihe  auch  die  Tribut  zahlenden  Provinzen, 
und  diess  offenbar  wieder  nach  künstlerisch  symbolischer, 
nicht  nach  dramatisch  historischer  Weise.  Fasst  man  bei- 
des zusammen,  so  hat  man  in  dem  vom  Grosskönig  mit 
den  sieben  Grossen  des  Reichs  beschlossenen  Krieg  und 
in  der  Grösse  der  ihn  ermöglichenden  Finanzmitlei  ein 
Btld  von  der  ungeheuren  den  Hellenen  drohenden  Gefahr, 
und  diess  Bild  nimmt  ganz  schicklich  auch  den  grösse- 
ren Theil  des  Raums  ein,  gegenüber  dem  kleinen  Hel- 
las. Beides,  die  sieben  Grossen  und  die  vielen  unterwor- 
fenen Völker,  mussten  Jedem  der  von  dem  Grosskönig 
und  dem  Perserkrieg  etwas  gehört  hatte ,  wohl  bekannt 
seyn.  Die  Bedeutung  des  Ganzen  aber  ist  eingeschränkt 
auf   den   einen  Gedanken^   Hellas  von  der  grössten  Macht 


358  Die  grosse  DariusFase  in  Neapel. 

der  Erde  bedroht,  wird  gerettet  durch  die  Olympischen 
Götter,  und  es  schliesst  sich  durch  den  religiösen  Charak- 
ter, so  wie  durch  die  edelste  Einfachheit  an  den  Krösos 
auf  dem  Scheiterhaufen  in  den  Monumenten  des  archäo- 
logischen Instituts  an  (1,  54).  Die  Seele  des  Gemfildes, 
welches  vollkommen  selbständig  erscheint,  ist  der  Ge- 
gensatz der  feindlichen  Macht  gegen  Hellas  und  des  gött- 
lichen Schutzes.  Durch  diesen  konnte  ein  Drama  ^  auch 
wenn  ihm  die  Idee  nicht  fremd  blieb,  nicht  so  vollstän- 
dig beherrscht  werden,  in  dem  nicht  einmal  der  Olymp 
dargestellt  war.  Wenn  ein  Stück  des  Phrynichos  unter 
der  Kriegsrüstung  auch  die  eingetriebenen  Tribute  noch 
so  breit  auseinandersetzte,  so  that  es  diess  auf  seine  Art, 
und  wenn  diese  Sache  an  sich  zuerst  durch  diess  Drama 
des  Phrynichos  den  Griechen  näher  bekannt  geworden 
seyn  sollte,  so  mag  sie  aus  dieser  Quelle  immerhin  auch 
bis  zu  den  Malern  gekommen  seyn.  Dass  das  Bild  in  viel 
älterer  Zeit  erfunden  sey  als  welche  zum  Theil  die.  Aus- 
führung und  welche  besonders  in  den  an  derselben  über- 
grossen Amphore,  nach  Apulischem  Brauch,  zusammenge- 
stellten Gemälden  gar  Vieles  verrälh,  wird  man  nicht  be- 
zweifeln wollen.  Die  religiöse  Auffassung  des  grossen 
Ereignisses  durchdringt  auch  die  Perser  des  Aeschylus, 
an  die  doch  bei  dem  Gemälde  nicht  zu  denken  ist.  Ob 
von  dieser  die  Dramen  des  Phrynichos  etwa  weniger  ab- 
hängig gewesen  sind,  gerade  weil  er  einen  starken  Zug 
zu  der  geschichtlichen  Erscheinung  verräth,  darüber  Ver- 
muthungen  anzustellen,  sind  wir  kaum  berechtigt. 

Auf  seine  Bemerkung  ist  Jahn  geleitet  worden,  wie 
er  selbst  anführt,  durch  Minervini,  der  auf  seine  stark 
verunglückte  Vermuthung  nochmals  zurückgekommen  war 
in  seinem  Bullettino  1856  p.46  f.  111  und  1858  p.83— 88. 
165 — 167.  Aus  einer  andern  Erklärung,  Darius  in  der 
Unterwelt,  in  Gerhards  Archäol.  Zeitung  1857  Anzeiger 
S.    107*   ist   wenigstens   zu   entnehmen,   dass   wenn    das 


■M^MHiaflHM 


Die  grosse  Dariusvase  in  Neapel. 


359 


Costüme  der  Persischen  Reichsräthe  mit  dem  der  vierHöI- 
lenrichter  an  andern  Apulischen  Vasen  so  vielfach  über- 
einstimmt, in  dessen  Behandlung  künstlerische  Convenienz 
in  grösserer  Allgemeinheit  von  den  Apulischen  Malern  an- 
gewandt worden  seyn  möge,  als  antiquarische  Genauig- 
keit und  Gelehrsamkeit. 


Götterreihen  im  Olymp  i). 


Taf.  XXIV. 

Zwei  Gemälde  an  zwei  völlig  gleichen  topfartigen  Ge- 
fässen  mit  Fuss  und  oben  zwei  Griffen,  etwa  oUa  oder 
(Ttccfivogy  mit  gelben  Figuren,  das  obere  im  Römischen 
Handel  beiDepoletti,  das  andre  in  der  Campanascben  Samm- 
lung, Catalogo  del  Museo  Campana  Serie  IV  h.  54.  Das 
untere  enthält  acht,  das  obere  sieben  Götter,  wenn  man 
die  Nebenpersonen,  dort  Hebe,  hier  Nike  nicht  mitzählt. 
Beginnen  wir  mit  den  unteren. 

Zeus  und  Here  thronend  gegeneinander  über,  Beide 
den  Scepter,  Zeus  mit  derselben  Hand  auch  den  Blitz  hal- 
tend, den  immer  bereiten,  der  gleich  den  Beilen  des  Lic- 
lor  die  Strafgewalt  ausdrückt;  Here  hält  eine  purpurfar- 
bige Blume  vor  sich  hin  und  ist  mit  einem  metallnen  Haar- 
band, Stephane,  geschmückt.  Vor  Zeus  steht  Hebej  beflti- 
gelt,  in  der  Haltung  einer  Aufwartenden,  in  der  rechten 
Hand  ein  Gefäss,  brocca  nach  heutigem  Namen,  während 
Zeus  mit  der  Linken  eine  Trinkschale  hinhält,  worin  sie 
ihm  Nektar  eingiessen  wird.  Neben  ihr  steht  Apollon  mit 
der  Laute,  die  -er  im  Begriff  ist  mit  dem  Plektron  zu  rühren 
wie  Hebe   einzuschenken.      Das    Gesicht    des   Apollon   ist 


I)  Auoali  d.  Inst,  archeol.  33,  293-298  Uy.  58.  1861. 


Göltcrreiheti  im   Olymp.  361 

ziemlich  weiblich  ausgerallen,  wie  man  ihn  auch  sonst  an 
Vasen  siehl.  Diese  Vorsleüung  geht  auf  die  schwungvolle 
Dichtung  im  ersten  Pindarischen  Hymnus  zurück  dass  beil 
der  Hochzeit  des  Zeus,  der  nach  der  Theogonie  sich  mit 
sieben  Göttinnen  und  schliesslich  milHere,  vermalte,  Apol- 
lon  mil  dem  Musen  sein  Lob  sang.  Zeus  nemlich  fordert 
die  Götter  in  der  festlichen  Freude  des  Siegs  und  der 
vollbrachlen  Rerorm  auf  zu  saufen  ob  sie  einen  Wunsch 
hätten ,  sie  baten  dass  er  ihnen  Gölter  schaffen  möchte 
itie  seine  grossen  Thaten  mit  Lied  und  Musik  feierten  und 
er  rief  den  Apollon  und  die  Musen  ins  Daseyn.  Böckh 
vermulhet  dass  aus  diesem  Hymnus  auch  das  Piridarische 
Wort  „in  der  Zeit  aber  ward  Apollon  geboren",  herrühre, 
das  wenigstens  mit  ihm  tibereinstimmt.  Dass  Apollon  mit 
den  Musen  Gölterbochzeilen  feiert,  ist  eine  viel  ältere  my- 
thologische Erfindung  und  kommt  in  Vasengemälden  die 
an  Aller  dem  Findar  nicht  nachzusetzen  sind,  vor^):  diess 
hat  ihm  Anlass  gegeben  auch  dieser  mythischen  Thalsache, 
was  überall  gern  geschah,  ihren  Ursprung  nachzuweisen, 
indem  zugleich  der  Enthusiasmus  der  Götter  für  den  neuen 
Beherrscher  des  Olympos  die  Hymnen  schmückte.  Here  mil 
der  Blume  erscheint  mit  Bezug  auf  die  uralle  Vorstellung, 
dass  sie  Göttin  der  Erde  sey,  als  Frühtingsgöilin, '!^i'i9c(a 
weil  diess  mit  dem  Bräiitlichen  wohl  zusammenstimmt. 
Dass  Apollon  sich  der  Here  zuwendet,  ist  ohne  Bedeu- 
tung und  steht  nur  malerisch  in  Bezieliung  zu  der  Wen- 
dung der  Hebe  nach  dem  Zeus:  und  diese  symmetrische 
Rücksicht  ist  keineswegs  zu  ladein,  da  nach  der  Stellung 
der  Throne  gegeneinanderüber  ein  Auftreten  des  Apollon 
vor  dem  Paare  ohnehin  wegfiel.  Wohl  'gewählt  ist  für 
diese  Scene  der  Lorberkranz  des  Zeus,  gleich  dem  des 
Apollon. 

Die  andern    den  Olymp  zu  repräsentiren  ausgewählten 


2}  Meine  Göllcrlvhro  2,  3?)    U 


262  Götterreihen  im  Olymp. 

Götter   sind    HermeSj  Poseidon   und  Pluton,   zwischen  bei- 
den  stehend    Athene    und   dann    Aphrodite,    Die  Letztge- 
nannte kommt  nach  der  Rundung  des  Gefösses  unmittelbar 
neben  Zeus  zu  stehen  und  diess  ist  sehr  absichtlich.     Wäh- 
rend die  vier  andern  Götter  ruhig  stehn,  wenn  auch   Her- 
mes ^  Athene  und   Pluton   Gedanken   zu  bewegen   und   zu 
äussern    scheinen,   drückt   sie   durch    die    Sprache    beider 
Arme   und   Hände   die  lebhafteste  Theilnahme  aus.     Diess 
erinnert  daran,  wie  eng  wir  sie  in  Begriffen  und  Gebräu- 
chen mit  der  Ehegöttin  verbunden  finden  ^.    Zwar  ist  nach 
dem  Pfeiler  hinter  ihr  Aphrodite  der  Reihe  der  dem  Hym- 
nus des  Apollon  lauschenden  Götter  beigesellt^   aber  diess 
möchte  nicht  hindern  dass  zugleich  ihre  unmittelbare  Nähe 
bei   Zeus   zugleich  an  ihre   Bedeutung  bei  den  Hochzeiten 
erinnern   sollte.     Demnach   ist  diess  Gemälde   durch  unsre 
Ueberschrift   zu    allgemein   betitelt:   man   ist  berechtigt  es 
des  Zeus  und  der  Here  Hochzeit  zu  nennen^  die  wir  be- 
reits auf  so  ganz  andre  Art  dargestellt  kannten.    Das  Sin- 
nige und  Geistreiche  der  Erfindung ,  so  wie  die  Angemes- 
senheit und  geschmackvolle  Feinheit  der  Zeichnung  inner- 
halb der  bescheiden    eingehaltnen    Schranken  der  traditio- 
nellen Figuren  und  Zeichen  der  Götter  wird  man  dem  Ge- 
mälde nicht  absprechen. 

In  dem  andern  Gemälde,  dem  oberen,  erblicken  wir 
abermals  den  Zeus  und  die  Here  auf  ihren  Sesseln,  hier 
nur  mit  den  Stäben  der  Würde  versehen ,  und  statt  der 
Hebe  dem  Zeus  eingiessend  Nike.  Diese  Göttin  ist  von 
ihm  eigentlich  unzertrennlich^  indem  sie  seine  Allmacht 
bedeutet.  Ihre  Mutter  Styx  führte  sie  ihm  vor  dem  Kampf 
mit  den  Titanen  nebst  der  Kraft  und  der  Gewalt  zu  und 
fortan,  wie  Bacchylides  sang,  „steht  Nika  bei  ihm  und 
bestimmt  die  Entscheidung  Unsterblichen  und  Menschen.^ 
Hier   hält  sie,   indem  sie  dem  Zeus  zu  trinken  einschenkt^ 


3)  Das.  3,  325  f, 


^— —  — r,».»^^»^,-   _>^ : ■  .,  ■■  .IM- 


aa<ajaSSascsiSggi!'.fcri  ff  iiÜ 


Götterreihen  im  Olymp.  363 

in  der  Rechten  das  Kerykeion,  wie  auch  in  andern  Bil- 
dern ^).  In  dem  unsri(|[en  möchte  diess  Amtszeichen  nicht 
schicklich  seyn,  da  das  Ganze  der  Vorstellung  nicht  auf 
eine  besondre  augenblickliche  That  des  Zeus  sich  zu  be- 
ziehen scheint ,  die  neben  ihm  und'  der  Here  vorgestellt 
wäre:  auf  seiner  Hand,  in  seiner  Krone  drückt  sie  ganz 
allgemein  die  Eigenschaft  aus.  Neben  der  Here  steht 
Plufon,  mit  einem  Füllhorn,  das  oben  nicht  kahl  ist  wie 
das  auf  dem  unteren  Bilde  und  sonst  gewöhnlich  und  auch 
auf  dem  Basrelief  mit  dem  Zeus  und  seinen  beiden  Brü- 
dern, welches  zuerst  Gelegenheit  gegeben  hat  diess  Sym- 
bol des  Hades-Pluton  festzustellen^),  das  auch  der  De- 
meter gegeben  wird  ®).  Der  Inhalt  des  Plutonischen  Füll- 
horns dringt  vor  auch  in  einem  Vasengemälde  mit  der 
Sendung  des  Triptolemos  ^). 

Von  Pluton  an  sind  die  meisten  der  übrigen  Figuren 
dem  gegenwärtigen  ersten  Erklärer  räthselhaft  so  dass  Sinn 
und  Zusammenhang  der  ganzen  Vorstellung  ihm  daher  ver- 
schlossen bleiben.  Die  sitzende,  bärtige  Figur  zwar,  mit 
weitem  Mantel  und  fein  gefaltetem,  bis  auf  die  Füsse  rei- 
chenden Unterkleid  giebt  sich  als  Dionysos  zu  erkennen 
durch  den  grossen  Trinknapf  in  ihrer  rechten  Hand  und 
durch  den  auffallend  hoch  gezogenen,  aber  nicht  unna- 
türlichen sondern  im  Süden  hier  und  da  ähnlich  gezogenen 
Weinbaum   mit  einer  Fülle  oben   welche  Reben,  Laub  und 


4)  Meine  Alten  Denkm.  3,  51.  Es  ist  der  Iris  als  Botin  eigen 
and  auch  der  Eirene,  das.  S.  244.  247. 

5)  Zoega  Bassir.  Albani  (aT.  1. 

6)  Neumann  Numi  2,  264. 

7)  Monum.  del  Instit.  1,  4.  Annali  1,  261.  R.  O.  Mullers 
Denkm.  Th.  2  Taf.  9,  110.  Der  Gott  mit  einem  grossen  Füll- 
horn, in  einen  weiten  Mantel  gehüllt,  neben  der  thronenden  Rore 
You  welcher  Hermes  ,  der  sie  aus  dem  Olymp  zuräckgebracht  hat, 
eben  weggeht  indem  er  mit  der  Hand  sie  grnsst.  Musöe  Thor- 
waldsen  par  L.  Maller  I  p.  49  n.  12. 


364  Götterreihen  im  Olymp. 

Trauben  bedeuten  mag,   da  in  diesen  Dingen  die  Künstler 
die   Natur   nicht   treu   nachzuahmen  pflegen.    Bei  der  vor 
ihm   stehenden   Figur   könnte   man   an   Aphrodite  denken^ 
welcher    wenigstens    der   Apfel   zukommt,    den  sie   ihrem 
Nachbar  vorhält,  und  der  Schwan,  in  so  fern  sie  auch  im 
Wasser  waltet,   nicht   ganz   fremd    ist:  sie  erscheint  auch 
gezogen  von   Schwänen.    Bei  welcher  andern  Göttin  tref- 
fen diese  beiden  Attribute  zusammen  ?  wo  ?  Die  ihr  zuge- 
wandte Figur  mit  Trinkschale  und  Thyrsos  scheint  ein  an- 
drer Dionysos  zu  seyn,   und  wenn  diess  kaum  abzuweisen 
ist,  so  wird  man  fast   gedrungen  zu  der  Vermuthung  dass 
hier   eine  der  unerfreulichen   Doctrinen  der  seit  einer  ge- 
wissen  Zeit  sehr  geschäftigen,    gleich    gewissen   auf  nicht 
dem  besten  Grunde  wuchernden  Pflanzen,  sich  verbreiten- 
den Orphischen  dogmatistischen    und  mystischen  Theologie, 
die   sich   der   klaren   und   reinen    mythologischen   Formen 
misbräuchlich    bediente,    dem   Künstler    oder    etwa    einem 
Besteller   sich    empfohlen    gehabt   habe.    Mit  diesem   Dio- 
nysos  nemlich  wendet   auch   Pluton,   der   selbst   auch   als 
Dionysisches   Zwitterwesen   bekannt   ist,   gewiss   nicht  be- 
deutungslos,   der    Schwanengöttin    sich    zu,    hinter  wel- 
cher,   mit   Blick   und    Geberde    auch    der   andre  Dionysos 
thront.     Dionysos   ist  auch   mit  Ariadne  in   der  auf  Vasen 
gebräuchlichen  Gestalt  als  Hades-Dionysos   gepaart   unter 
fünf  mit  Namen  bezeichneten  göttlichen  Paaren,  unter  de- 
nen auch  Pluton  mit  Perrephassa,  an  einer  Trinkschaale  von 
Vulci  (Gerhard  Trinksch.  u.  Gef.  Taf.  H.  M.  I.  d.  I.  5,  49).  Sollte 
an  unsrem  Gefäss  einä  Dreiheit  von  Göttern,  wie  sie  so  sehr 
üblich  und   beliebt  waren,  als  verschiedene  Personen  eines 
einigen    Grundwesens    gedacht  seyn?    Sehr  wahrscheinlich 
ist  mir  diess  freilich  nicht.     In  Paträ  wurden  nach  Pausa- 
nias  drei    Statuen  des  Dionysos,   Msüadsvg,  "^Avd-Bvg  und 
'AygsiSgj  am  Fest  in  das  Hieron  des  Aesymnetes  getragen 
(7,  21,  2.)   Die  Göttin  welche  aul  die ,  wie  es  scheint  zu- 
sammengehörige  Gruppe  aus   vier  Personen  folgt,  scheint 


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Götterreiben   im  Olymp. 


36S 


nach  der  Bewegung  ihres  linken  Arms  ebenfalls  Theil  an 
dem  noch  unbekannten  Acte  zu  nehmen.  Unbekannt  ist 
auch  welche  Bedeutung  die  an  dieser  Göttin  und  an  Flu- 
ten bemerkliche  Decke  über  die  Mitte  des  Leibes  hin  ha- 
ben sollte,  die  auch  an  dem  Hermes  des  unt(;ren  Gemäl- 
des zu  sehn  ist. 

An  einem  dritten  ähnlichen  Gefäss  mit  acht  Göttern 
umher  im  Museo  Gregoriano  T.  2  tav.  21,  1  sind  ebenfalls 
Zeus  und  Here,  er  hier  stehend,  den  Blitz  in  der  einen, 
den  Scepter  mit  der  andern  Hand  haltend,  und  Here  sit- 
zend, neben  ihnen  auf  der  einen  Seite  Nike,  auf  der  an- 
dern Athene,  die  den  Helm  dem  Zeus  entgegen  hält,  wie 
zum  Zeichen  dass  sie  seines  Winks  zu  jedem  Auftrag  ge- 
wärtig sey,  eben  so  wie  Nike.  Dann  sind  noch  zwe 
Götterpaare,  Poseidon  mit  Dreizack  und  Delphin  und 
Hephästos  mit  der  Zange,  Köre  mit  einer  Blume  und 
Pluton  im  Gespräch  mit  einander.  Es  scheint  demnach 
dass  es  üblich  war  diese  Art  von  Gefässen  unter  andern 
mit  einer  Anzahl  der  grossen  Götter,  unter  allerlei  Gesichts- 
punkten ausgewählt  und  zusammengestellt  ringsum  zu 
verzieren,   Zeus   und   Here  konnten  dabei  niemals  fehlen. 


Urtheil  des  Paris  ^). 


Das  Parisurtheil  nimmt  von  den  im  Epos  die  Ilias 
einleitenden  Geschiebten  in  den  Monumenten  weit  die 
erste,  unter  den  Vasengemälden  der  älteren  Klasse  über- 
haupt eine  ziemlich  bedeutende  Stelle  ein  und  behauptet 
sich  in  verhältnissmässiger  Gunst  auch  in  der  andern  nach 
der  freieren  Entwicklung  der  Kunst.  Wenn  wir  sonst  aus 
der  Litteratur  die  Bildwerke  zu  erläutern  suchen^  so  wirft 


1)  Aus  den  Annalen  des  Rom.  Archäol.  Instituts  17,  (Paris 
1845)  Taf.  18,  132—215,  wo  zugleich  auch  Taf.  19  die  Räckseite 
mit  Odysseus  und  Tiresias  gegeben  ist,  wovon  die  Erklärung  schon 
im  dritten  Bande  der  A.  D.  S.  452—458  wiederholt  ist.  Die  Ab- 
handlung zum  Parisurtheil  folgt  hier  einigermassen  erweitert,  be<- 
sonders  in  der  Einleitung,  die  Erklärung  der  Taf.  18  in  dem  Ver_ 
zeichniss  der  Vasen  zuletzt  N,  68.  Diese  Umschreibung  erfolgte 
im  Winter  1845  zu  Rom  als  Anfang  der  Ausfährung  eines  epi- 
schen C^yklus  in  Bildern,  der  viele  Jahre  vorher  entworfen  und 
für  den  litterarischen  vielfach  benutzt  war,  sich  auch  in  meinen 
Schriften  mehrmals  angekündigt  findet.  Verschiedene  Gestalt  hat 
in  den  sonst  für  alle  Gedichte  gleichmässig  vollständigen  Vorbe- 
reitungen nur  die  Ilias,  welcher  die  Recension  von  Inghirami's 
Qaler.  Omer.  in  der  Jenaischen  Litteraturzeit.  Apr.  1836  S.  587 — 
616  zu  Grunde  gelegt  ist.  Zwei  Tafeln,  welche  unter  Brauns 
Aufsicht  für  dieses  Werk  gestochen  wurden,  sind  nunmehr  als  eine 
Probe  der  damals  beabsichtigten  Ausführung  in  Abzügen  beigege- 
ben worden  (Taf.  A.  B.). 


»if — MTBBaa^^^M^MJiiMaiaataasaiisäaasstaiseaataaäaSgSSBBaHB 


Urtheil  des  Paris.  367 

das  Alter  und  die  häufige  Wiederholung  dieser  Darstel- 
lungen hier  und  da  ein  Licht  auf  die  poetische  Sage  zu- 
rück. Die  älteste  und  bekannteste  Poesie,  welche  die  Ge- 
schichte des  Troischen  Krieges  von  ihrer  Mitte  rückwärts 
auf  den  Anfang  zurückführte,  sind  die  Kypria.  Aus  die- 
sem Gedicht  nun  wissen  wir  durch  Proklos  dass  die  drei 
Göttinnen  nachdem  bei  der  Hochzeit  des  Peleus  Eris  den 
Wettstreit  über  die  Schönheit  angefacht  hat,  „zu  Alexan- 
dres auf  dem  Ida  nach  des  Zeus  Auftrag  von  Hermes  zum 
Spruch  geführt  werden",  und,  fährt  Proklos  fort,  „der 
Aphrodite  spricht  Alexandres  den  Vorzug  zu,  bewogen 
durch  die  Hochzf  it  der  Helena."  Die  Vasenbilder  in  schwar- 
zen Figuren  theilen  sich  in  solche,  die  den  Zug  auf  dem 
Ida  und  in  die,  die  das  Parisurtheil  vorstellen.  Der  erste 
war  schon  am  Kasten  des  Kypselos  und  am  Amykläischen 
Thron  vorgestellt.  In  rothen  Figuren  wiederholt  sich  diese 
leichtere,  ganz  einfache  und  inhaltsarme  Komposition  nicht 
mehr.  Aber  gewiss  würde  auch  früher  die  Reise  nach 
dem  Ida  nicht  geschnitzt,  mit  dem  Hammer  getrieben  und 
so  oft  gemalt  worden  seyn,  wenn  sich  daran  nicht  Erin- 
nerungen aus  einer  Poesie  knüpften,  welche  die  Sache 
ausgeschmückt  und  erweitert  hatte.  Der  Gegenstand  war 
so  anziehend  für  die  empfindende  und  so  reichhaltig  für 
die  philosophirende  Welt,  dass  wir  uns  nicht  wundern  dür- 
fen, dass  wir  ihn  von  den  ersten  Anfängen  bis  zuletzt  in 
immer  zunehmender  Entwicklung  in  allen  Kunstarten  so 
häufig  wie  kaum  eine  andere  poetische  Sage  behandelt 
sehen. 

Das  Schönheitsgericht  finden  wir  in  der  Litleralur 
zuerst  geschildert  oder  berührt  von  Euripides  in  mehreren 
Tragödien^}.  Sophokles  aber  hatte  daraus  ein  Satyrspiel 
(Kgia^g)   gemacht    und    nach    dem   Wesen   dieser  Dichtart 


2)    Androm.   274—93.    Troad.    918—25.    Iph.   Aul.    1276—89. 
Uel.  25-29.  "676. 


368  Unheil  des  Paris. 

den  Mythus  aus  dem  strengen  und  naiven  Charakter,  wie 
er  in  den  Vasengemälden  des  filteren  Styls  herrscht,  her- 
abgezogen bis  etwa  zu  der  freyeren  Darstellung  der 
Göttinnen,  die  wir  mehr  oder  weniger  in  denen  mit  ro- 
then  Figuren  angewandt  sehen.  Aphrodite  nahm  Wohlge- 
rüche aus  der  Lekythos  und  schaute  sich  im  Spiegel, 
Athene  hatte  das  Salbfläschchen  des  Gymnasiums,  so  dass 
Alhenäus,  der  diess  anführt,  die  Hedone  und  Arete  des 
Prodikos  mit  ihnen  vergleicht.  Wie  weit  man  nach  und 
nach  darin  gegangen  ist,  sich  über  die  Göttinnen  in  die- 
sem Wettstreit  lustig  zu  machen,  sieht  man  aus  Stellen 
des  Propertius  und  Ovid^),  nach  welchen  nicht  mehr  auf- 
fällt, was  Lucian  in  dem  bekannten  Gespräch  sie  und  den 
Paris  sagen  lässt.     Properz  sagt: 

Cedito  jam  Divae ,  quas  pastor  viderat  olim 
Idaeis  tunicam  ponere  verticibus. 
Und  Ovid  lässt  die  Helena  dem  Paris  schreiben: 

in  altae  vallibus  Idae 
tres  tibi  se  nudas  exhibuere  deae. 
Diese  Auffassung  der  Geschichte,  die  vermutblich  aus 
Wandmalereien  oder  Kunstwerken  der  Zeit  stammte,  liegt 
weit  ab  von  den  Vasengemälden  und  kommt  nur  einige- 
mal in  Denkmälern  einer  späteren  Periode  vor,  die  in  ei- 
nigen Umständen  auch  mit  dem  Korinthischen  Pantomimus, 
welchen  Appulejus  am  Ende  des  zehnten  Buchs  seiner  Me- 
tamorphosen beschreibt,  zusammentreffen. 

Bei  dem  Reichthum  an  Bildern,  den  uns  die  Vasen 
und  die  spätere  Kunst  darbieten,  ist  es  auffallend  das  Ur- 
theil  des  Paris  nicht  auch  unter  den  Meisterwerken  irgend 
eines  der  berühmten  Maler  und  Künstler  überhaupt  von 
Plinius  oder  sonst  irgendwo  erwähnt  zu  flnden.  Die  Va- 
sengemälde  aber  überraschen  durch  die  Manigfaltigkeit 
der   Auffassung   und  den  Reichthum   an  Erfindungen,   der 


3j  Prop.  2,  '2,   14.     Ot.  Her.   17,  115. 


Urtbeil   des  Paris.  369 

sich  darin  entwickelt,   bey  all   dem    traditionellen   Zusam- 
menhang  und    der   Stätigkeit    in   Wiederholung  bekannter 
und  beliebter  Einzelheiten,  wie  es  den  Griechischen Com- 
positionen  eigen  ist.     Hier  treten  zu  der  geringen  Anzahl 
von  Personen ,  welche  die  Handlung  eigentlich  ausmachen, 
andre  hinzu,   die  kein  Schriftsteller  erwähnt,  und  manche 
Umstände  wollen  errathen  seyn,  was  zum  Theil  nur  durch 
die  Vergleichung   mehrerer  Darstellungen  unter   einander 
möglich   ist«      Jede    bedeutende    Griechische   Composition 
erhält  ihr    volles   Verständniss  und  ihren  höchsten  Belang 
erst  wenn    man   sie   in    Bezug   zu   früheren  und  späteren 
stellt,  und   ich   durfte   daher  die  Mühe  nicht  scheuen  die 
bis  jetzt   bekannten,   den  Gegenstand   betreffenden  Bilder 
alle  zu  durchmustern  und  eine  genaue  Vergleichung  unter 
ihnen   vorzunehmen.     Zu   dem  Ende  ist  das  nachfolgende 
Verzeichniss    entworfen   und    geordnet    worden.     Auf   die 
Nummern   dieses   Verzeichnisses,   worin   die  Beschreibung 
der  einzelnen  Bilder  sich  auf  das  zum  Zweck  des  Ganzen 
Erforderliche  beschränkt,   werde  ich  mich  der   Kürze  we- 
gen häufig  beziehen.     Schon   früher  wurden  viele  dieser 
Monumente   von  R.   Rochette,   Creuzer  und  E.  Braun  zu- 
sammmengestellt:    dem   Letzten    verdanke   ich    auch    viele 
Zeichnungen   unedirter,    zum   Theil   auch   seitdem   edirter 
Vasen  aus  seinen  reichen  Sammlungen.     Auch  um  die  Ent- 
wicklung der  Kunst  in  Formen,  Costüm,  Composition  und 
Gedanken    bestimmter,    voller   und    feiner    einzusehn,    ist 
nichts  besser  geeignet  als  der  Betrachtung  eine  vielfältige 
und  fast  alle  Perioden  durchlaufende  Behandlung  desselben, 
zumal  eines  sehr  einfachen  Stoffs  zu     unterwerfen.     Doch 
alle  dahin  zielenden  Bemerkungen  muss  ich  hier  ausschlies- 
sen,   weil  die  noch  so  gedrungne  Erklärung  allein  schon 
vielen   Raum  erfordert.    Aus   der  Erklärung  im  Einzelnen 
wird  sich  ergeben ,  ob  K.  0.  Müller  einen  richtigen  Grund- 
satz  aufstellte,   als   er,   „besonders   nach    der  KoUerschen 
Sammlung  in    Berlin    bemerkte,    dass    auf     den   späteren 
V.  24 


.      l*:£tÄr  *  . 


370  Unheil  des  Paris. 

Prunk-  und  Putz-Vasen  das  Parisurtheil  sehr  häufig ,  aber 
nach  der  sehr  regellosen  und  willkürlichen  Weise  der 
Mythendarstellung  in  den  späteren  Vasenbildern  ^  mit  so 
mannigfaltigen  Modificationen  und  Auslassungen  gebildet 
sey,  dass  er  beynah  ganz  in  eine  leere  Decoration  über- 
gehe«*). 

Die  Personen,  wodurch  auf  den  Vasen  die  Vorstellung 
erweitert  wird,  sind,  ausser  dem  Eros,   als  dem  gewöhn- 
lichen Bogleiter  der  Aphrodite,  oder  auch  mehreren  Eroten, 
eine  Muse,   Iris^    Zeus,    Dionysos:    diese    alle  ausser  der 
Iris  schon  auf  den  Vasen  älteren  Styls.    Die  Muse  (N.  42. 
43],   die    Göttin   herzgewinnender  Lieder,   oder  auch  drei 
Musen   deuten   auf  den   Sieg  der  Liebesgöltin  hin  und  sie 
nimmt  daher  auch  dieser  zunächst  ihren  Platz  ein.     Aphro- 
dite  selbst   singt    mit  den  Nymphen  und  Chariten,    wobey 
sie    sich    Blumenkränze    winden    und   aufsetzen,    in  einem 
Bruchstück    der   Kypria.     Iris   dem  Uormes    beygesellt   (N. 
40.  41),  wie  in  der  grossen  Peleushochzeit  der  Frangoisvase 
im  Museum  zu  Florenz,  kann  keinen  andern  Zweck  haben 
als  die  Gesandtschaft,   an  welcher  dem  Zeus  so  viel  gele- 
gen ist,  zu  verstärken,   so  wie  dem  kämpfenden  Herakles 
auf  den  Vasen   Hermes  zu  der  Athene   zum  Schutze  bei- 
gegeben wird.    Wenn  statt  der  Iris  Zeus  in  eigner  Person 
den  Stab   ergreift  und   dem  Hermes   vorantritt  (N.  11 — 16. 
45),   so    hebt    diess   in  Einfalt    den  Umstand  hervor,   dass 
der  Regierer  der  Welt  mit  diesem  Schönheitsgericht  grosse 
Absichten  hatte,   und  zeigt  wie  eifrig  sein  Wille  war,    die 
Mutter  Erde  von  der  Last  der  Menschen  zu  befreyen,  was 
als   Motiv    dem    Gedichte    der    Kypria    vorangestellt   war. 
Spätere  Bilder  drücken   den   besonderen  Antheil  des  Zeus 
an  diesem  Vorgang  dadurch  aus,  dass  sie  ihn  in  der  Höhe 


4)  GöUing.  Aoz.  1830  S.  2029.  Aach  i831  S.  1483,  ,,dai8 
der  GegeDslaod  auf  ualeritalischeo  Vasen  sich  ganz  ius  ÖDbe— 
stimmte  und  Willkürliche  verliere.*'    Archiol.  §.  378,  4, 


"^  •- '—■        ----■  — ^^^^^.^ — 


Urtheil  des  Paris.  371 

darstellen^  wie  er  darauf  sein  Augenmerk  richtet  (N.  78), 
und  eines  (N.  59]  verbindet  mit  ihm  eine  Göttin,  welche 
wegweist,  aus  dem  Licht,  unter  die  Erde.  Nicht  so  un- 
mittelbar deutlich  ist  es,  warum  Dionysos  in  die  Reihe 
aufgenommen  wurde  (N.  17.  18.  29*  44.)  Es  scheint, 
dass  er  als  der  Gott  vieler  fruchtbaren  kleineren  Griechi- 
schen Berge  auf  den  quellenreichen  Ida  übergetragen  ist 
als  Gott  der  Hirten  in  Verbindung  mit  den  Nymphen  und 
Pan  ^)  und  dass  er  daher  dem  Zug  der  Göttinnen,  die  seine 
Bergthäler  durchwallen,  sich  anschliesst  ohne  Absicht,  aus 
eignem  Behagen,  als  der  in  diesem  Revier  herrschende 
Gott,  wodurch  denn  aber  der  Reise  oder  der  Scene  des 
Gerichts  der  Anstrich  eines  heiteren  Abentheuers  gegeben 
und  für  den  Jubel  zur  Feier  der  Entscheidung  im  voraus 
gesorgt  wird.  Einmal,  wo  Dionysos  hinzugetreten  ist,  sind 
Zweige  umher  verbreitet  (N.  17.)  Nach  dieser  Ideenver- 
bindung scheint  es  auch  nicht  zufällig,  dass  so  häufig  für 
die  Rückseiten  der  Vasen  Bacchische  Vorstellungen  gewählt 
sind  (N.  10.  18.  20.  21.  28.  38.  41.  44.  50.  59),  die  zwar 
auch  mit  allerley  andern  sich  in  gar  manchen  Beziehungen 
verbinden,  Weinbau  im  Thal  des  Paris  deutet  der  Name 
der  Kebrenischen  Nymphe,  seiner  Gattin  Oenone  an. 
Bey  Properz  schaut  Dionysos  auch  mit  den  Hamadryaden 
und  Silenen  zu,  wie  eine  andre  Nymphe,  die  Ida,  dem 
Paris  beiliegt  (2,  32,  37): 

Hoc  et  Hamadryadum  spectavit  turba  sororum 
Silenique  senes  et  pater  ipse  chori  % 
Auch  im  Alexandres  nimmt  die  Sage  Anlass  der  Hand- 
lung  Raum    zu   schaffen    um    sich    auszubreiten  und  durch 
Aufnahme  verschiedner  neuer  Motive  Abwechslung  zu  ge- 


5)  Brunck.  Anal.  II  p.  304. 

6)  Dass  Aphrodite  selbst  dem  Paris  sich  hingichl,  was  O. 
Jahn  aus  Properi  3,  28,  32  f.  anführt  in  den  Annal.  des  Instit. 
18»  353  f.  möchte  aus  dem  Satyrspiel  geflossen  seya. 

24* 


372  Urtheil  des  Paris. 

winneh.    Er  fügt  sich  keineswegs  sofort  dem  Götterboten, 
nein  er  erschrickt  vor  den  himmlischen  Erscheinungen  mit 
dem  scheuen,   blöden  Sinn  des  Gebirgssohns,   wendet  sich 
um  und  flieht  (N.  19.   20—23.   46),  macht  Einwendungen 
(N.  28.  40),  oder  verhüllt  sein  Antlitz  vor  den  Göttinnen, 
die   er   selbst    zu   richten   nicht  wagt  und   die  ihm  daher 
Gaben   versprechen  ,    nach  denen  er   wählen  und  sich  für 
eine   entscheiden    soll   (N.    49).      Diese   Erscheinungen    in 
Bildern  von  so  grosser  Einfalt  und   Rohheit  müssen  noth- 
wendig   auf  schon   allgemein   verbreitete^    durch   beliebte 
und  berühmte  Poesie  geweckte  und  geleitete  Vorstellungen 
zurückgeführt  werden :  nicht  als  ob  alles  Einzelne  aus  al- 
ter Poesie  herzuleiten  wäre^  sondern  in  dem  Ganzen  die- 
ser Thätigkeit    den   Gegenstand    auszuschmücken    erkennt 
man  eine  zur  Zeit  allbekannte   Sage  und  Poesie.    Für  die 
Natur  des  Epos  Schwierigkeiten  zu  erfinden  und  zu  über- 
winden ,   die  Erwartung  durch    Zwischenfälle  und   Schilde- 
rungen von  Nebenpersonen    und  Nebendingen   hinzuhalten, 
hat  Göthe   den    Ausdruck    Retardiren   eingeführt.     In    den 
Eyprien  und  der  auf  sie  zuletzt  gegründeten  Sage,  wovon 
Tür    uns    in    der   Litteratur  jede    andre   Spur  verloren  ist^ 
suche  ich  den  Grund  von   der  Thätigkeit    des  Künstlergei- 
stes in  dem    Umfang  dieser   einfachen  Handlung  neue  Er- 
findungen  anzubringen.    Manches   mag    geradezu    aus  der 
epischen  in    das  Volk   übergegangnen  Erzählung  geschöpft 
seyn,  und  wir   gewinnen  so  für  einen  Abschnitt  des  ver- 
lornen  Gedichts  Inhalt  aus  einer  Quelle,  wo  er  kaum  ge- 
sucht worden   ist.     Eine   Andeutung,   wie  ausführlich  der 
Dichter  diesen  Theil  behandelt,   wie  anmuthig  er  ihn  aus- 
geschmückt hatte,  geben  die  erhaltnen  zwölf  Verse  aus  der 
Schilderung  der   Aphrodite,  die  sich  zum  Kampfe  schmückt: 
und  wenn  der  Dichter  zum  Contrast  in  Alexandros  anföng- 
lieh   Ueberraschung ,   Wiederstreben,   Flucht  sogar,   über- 
haupt ländliche  Treuherzigkeit  gemalt  hatte  ^  so  verlor  die 
darauf  folgende  plötzliche  Bethörung  durch  das  Versprechen 


Urlheil  des  Paris. 

der  Helena  gewiss  nicht  an  geßlUger 
krat(3S    snFührl    und  ein   Vasenbild  i 
Paris  dun^h  die  Erscheinung   der  Göttai 
Geslallen    nicht   zu    beurlheilen    vensad 
den    angebotenen  Grschenken,   io  die  ä 
druck  ihres  Wesens  legte,   staminl  \ 
Epos,  wie    CS    von    der   verspr« 
Die  GöUinnen  wurden  darin  in  iiirer  T« 
Art   des   Urtlieils    geschildert   nacA  ia  I 
Biteren  Bildern  immer  beTolgt  wird, 
dite,  mit  der  epischen  Fülle  die  »ff  i 
ten   an    den    zwey   Bruchstucken   gew^  i 
der    Schrecken   des    Paris    und   ^eioe  rrhpto-  j 
Göttinnen  zu  urlheilen,   die  Vermittloitg  4e*  Ea 
er  nicht  nach  ihren  Gestalten,  soodtra  i 
sungen  richtet,  Reden  der  drey  GöUiamcb.  * 
derselben  Beihefolge  diese  VerEprecliea  mim 
Alexandros  mit  verhülltem  Anllilz  va 
erhallen  die  symbolischen  Gaben  der  t 
60)  ihren  mythisch  poetischen  iiia\trftm^ 

Wie  gut  die  Vasenmaler  zum  TW  J 
hang   des    epischen    Fabelcyclus 
man    aus    den    verschiedenen    G«] 
dem    Urlheil   des  Parts    an  derseBiw  '%v^« 
erblickt  man  entweder  das  Vei^fr-^i^   — ;t 
mit   Paris    im  Hause   des  Uew  , 
Helena   in    Troja    [N.    32),    u. 

wie  die  dort  dem  Paris  zugect' ^ 

wieder  weggeführt  wird  (S.  «  ^^ 
Folgen,  den  ausgebrochua 
Achilles,  dem  Zerstörer  der 
ein  Weib  verfolgt  {N.  2.  IS 
BUS  der  weitesten  Ferne  scj 
(N.  24),  oder  die  Ausnan 
oder   Kriegsmänner    übo^ 


374  Urtheil  des  Paris. 

33]  oder  die  Kriegsgöttin  selbst  aur  einer  Quadriga  (N.  4). 
Alle  diese  Beyspiele  sind  aus  der  alterthümlichen  Klasse 
genommen:  in  der  andern^  die  im  Allgemeinen  mehr  den 
bloss  ornamentalen  Charakter  hat,  kommen  nur  ausnahms- 
weise solche  bezüsfliche  Gegenstücke  vor,  N.  47.  52  Paris 
in  Sparta,  N.  68  Odysseus  den  Schatten  des  Tiresias  citi- 
rend ,  und  nur  in  N.  59  ist  diese  ernste  Hindeutung*  in 
das  Bild  des  Urtheils  selbst  aufgenommen. 

Aus  dem  alten  Mythus  heraus  schreitet  keine  der  vie- 
len Darstellungen;  einige  der  späteren  nehmen  Oenone 
auf,  die  Kymphe  welche  Paris  verlässt,  oder  die  Nymphe 
Ida,  die  wir  auf  Münzen  von  Skepsis  finden  (N.  94.  95). 
Das  Geschick  der  Oenone  finden  wir  in*  die  Troische  Sage 
verflochten  schon  bey  Hellanicus,  dann  in  der  Römischen 
Tragödie,  wohl  nicht  ohne  Anlass  der  Griechischen^. 

Eine  Vergleichung  mit  der  Fabel  des  Prodikos  von 
dem  jungen  Herakles,  der  zwischen  Arete  und  Hedone 
gestellt,  wie  bey  Euripides  Hippolyt  zwischen  Artemis  und 
Aphrodite,  für  die  der  Athene  verwandle  Arete  sich  ent- 
scheidet, lag  nah.  Es  kommt  vor,  dass  ein  Maler  einen 
Paris  wie  er  seyn  sollte,  der  die  Gabe  der  Pallas  vorzieht 
der  frechen  Art,  wie  zu  seiner  Zeil  die  meisten  im  Paris 
der  Sinnlichkeit  huldigten ,  entgegensetzte :  dieser  stellte 
nicht  die  Fabel  dar,  sondern  wandelte  sie  um.  Schon 
Winckelmann  hat  [M.  I.  113)  ein  Gemälde  aus  der  Samm- 
lung des  Franz  Bartoli  in  der  Vaticanbibiiothek  herausge- 
geben ^,  Pallas,  die  dem  Paris  eine  Tänia  hinreicht,  und 
Paris,   der,   was   für   meine   Erklärung  entscheidet,   seine 


7)  F.  G.  Weicker  die  Griech.  Tragödien  3,  1146.  Das  Grab 
des  Parifl  ond  der  Oenone  wurde  gezeigt.  Streb.  XIII  p.  596. 

8)  Es  befindet  sich  in  Bibl.  .Gapponiana  n.  XXXIX  fol.  19. 
and  ist  auch  in  Millins  Gal.  mjthol.  139,  536.  Nicht  möchte  ich 
Mus.  Borbon.  2,  29  auf  Paris  und  Athene  beziehen,  mit  dem 
Bullett.  d.  I.  1842  p.  22. 


.    M-».  ■■■ 


Unheil  des  Paris.  37S 

Hand  darnach  aasstreckt.  Winckelmann  bezog  die  Tfinia 
irrig  auf  die  Herrschaft  über  Asien,  die  von  der  Juno  dem 
Paris  verheissen  wurde,  während  er  doch  zugleich  aus 
Pausanias  die  sprechendsten  Beyspiele  selbst  anführt,  dass 
eine  Tänia  den  Sieger  schmückte.  Auch  in  YasengemäU 
den  hat  die  Nike  häufig  dieses  Siegeszeichen  ^j.  Dieselbe 
Bedeutung  enthält  vielleicht  ein  schöner  Townleyischer 
Metallspiegel,  wo  Paris  in  buntem  Gewand  sitzend  vorge- 
stellt ist  und  nur  Athene  vor  ihm  steht ,  hoch  und  stolz, 
mit  Helm  und  Lanze,  mit  der,  Eule  zur  Seite  und  begleitet 
von  einer  kleineren  Figur,  vielleicht  der  ungeflügelten 
Nike,,  die  einen  langen  ovalen  Schild  hält:  dabey  ist 
unten  ein  Palmzweig  sichtbar.  Auf  einem  andern  sieht 
man  Paris  mit  Hercules  zusammen  vor  den  drei  Göttin- 
nen^^), was  eutweder  gar  keinen  Gedanken  enthält  oder 
den,  dass  der  erste  sich  die  Venus,  der  andre  die  Mi- 
nerva wählt.  Auf  einer  Apulischen  Vase  (N.  65)  scheint 
die  Fabel  des  Prodikos  sinnreicher  mit  dem  Parisurtheil 
verbunden  zu  seyn.  Nur  habe  ich  mich  von  der  Richtig- 
keit der  Vermuthung  nicht  überzeugen  können,  dass  auf 
einer  andern  (N.  60)  eine  Anspielung  auf  diese  Fabel  in 
das  Parisurtheil  selbst  aufgenommen  sey,  wovon  sie  an  sich 
und  im  Ganzen  ein  Gegenstück  abgiebt. 

Einiges  ist  über  die  Personen  in  diesem  kleinen  Drama 
hinsichtlich  ihrer  Ausrüstung,  Kennzeichen  und  Attribute 
zu  bemerken,  das  nicht  so  oder  nur  selten  in  andern  Vor- 
stellungen, worin  sie  auftreten,  vorkommt. 

Paris  ist  in  den  Vasen  mit  schwarzen  Figuren  durch- 
gängig, mit  Ausnahme  von  N.  2*2,  bärtig,  auch  auf  einer 


9)  Z.  B.  Vases  da  Duc  de  Lajnes  pl.  36,  wo  auch  pl.  37 
ein  siegender  Ephebe  die  Tania  hält,  pl.  45  einem  der  Helm  mit 
der  Tfinia  umwunden  wird.  Aehnlich  ist  ein  siegsfroher  Ephebe 
bei  Micali  tar.  35,  13  seines  zwejrten  Werks. 

10)  Gerhard  Spiegel  n.  168.     Gori  Mus.  Etr.  2,  128. 


376  Urtheil  des  Paris. 

Münze  'R.  Röchelte  M.  ined.  p.  44^  wie  wir  in  dieser  Klasse 
auch  den  Achilles  und  andre  schöne  Heroen  mit  Bftrten 
zu  sehen  schon  gewohnt  sind  ^\,  und  er  ist  dabey  in  ei- 
nen grossen  Mantel  gehüllt  als  ein  Landmann  und  führt 
einen  hohen  Stab,  der  ihm  das  Ansehn  der  Unabhängigkeit 
giebty  z.  B.  X.  2b.  Die  Kilhar  ist  ihm  in  dieser  Tracht 
gegeben  (N.  20.  21.  22.  26.  3i;,  wie  bey  der  späteren 
(X.  46 — 49.  52^^^),  in  welcher  er  doch  häufiger  zwey 
Jagdspiesse  hält  (?i.  55. 28.  66 — 62),  oder  auch  nur  einen 
(N,  6S;,  indem  die  Jagd  dem  Bewohner  des  Gebirgs  nicht 
weniger  zusteht  als  der  Hirtenstab  (N.  51 — 69).  Noch 
grösser  als  der  Unterschied  zwischen  dem  bärtigen  Paris 
im  Mantel  und  dem  schönen  Jüngling  in  der  zierlichsten 
Asiatischen  Kleidung,  die  beyEuripides  die  Helena  besticht 
wie  bey  Sophokles  der  bunte  fremde  Anzug  des  Pelops  die 
Hippodamia  einnimmt,  ist  der  Abstand  des  Sinns  in  dem 
Gebirgssohn,  der  entfliehn  will  oder  sein  Antlitz  verhüllt, 
von  dem  späteren  zierlichen  Jüngling,  der  den  Apfel  von 
Hermes  empfangt  oder  ihn  der  Aphrodite  übergiebL 

Die  drey  Göttinnen  gehn  oder  stehn  in  der  Regel  in 
der  Richtung  nach  der  Rechten  des  Beschauers,  nur  sel- 
ten umgekehrt  (N.  2.  49.  50.  55),  nach  der  älteren  Weise 
meist  Hera  voran,  dann  Athene,  Aphrodite,  dieselbe  Folge^ 


11)  Gerhard  Rapp.  Volc.  not.  314.  Achilles  z.  B.  neben  sei* 
Dem  Phöniz  JMoo.  d.  I.  1 ,  35  und  bey  dem  Spiel  mit  Palamedes 
2,  22,  auf  Agamemnon  das  Scbwerd  zackend  ao  einer  Kjliz  im 
Brittifchen  Museum  (829),  hej  der  Schleifung  des  Hektor,  und  selbst 
in  rolhen  Figuren  Gerhard  Auserl.  Vasenbilder  Taf.  197»  wo  er 
▼on  Priamos  angefleht  wird.  Apollon  s.  Müller  Archäol.  3.  A.  S- 
540  f.  Vgl.  Plal.  Sjmp.  180.  So  der  schöne  Memnon,  Millingen 
Anc.  uned.  mou«  I,  5  und  sonst;  Hjacinth  am  Thron  zu  Amjklae. 

f2)  Die  Laute  des  Paris  war  unter  den  Reliquien  der  liier« 
die  sie  dem  Alezander  zeigten,  Plut.  AI.  15.  de  Alex.  fort.  1,  10. 
Ael.  V.  II.  9,  38.  Auch  Lykophron  139,  Horai  Carm.  1,  15,  14 
sprechen  Ton  ihr. 


Unheil  des  Paris.  377 

welche  die  Verse  am  Kasten  des  Kypselos  ausdrücken  ^'). 
Nur  zuweilen  ist  Athene  voran  (N.  13.  20.  40.  44),  was 
auch  später  selten  ist  (N.  47.  53.  94.  99.  100);  Aphrodite 
aber,  sonst  die  hinterste  für  welche  die  späteren  Künstler 
^ben  so  viel  Vorliebe  als  Paris  zu  haben  scheinen ,  findet 
sich  schon  in  der  einfachen  Reihe  vorangestellt  (N.  22.  42. 
51),  wie  auf  Reliefen  und  Münzen  (N.  77.  78.  80.  96.  97). 
Auch  Euripides  und  Lucian  nennen  sie  vor  der  Here  und 
Athene.  In  manchen  der  ältesten  Darstellungen  sind  die 
Göttinnen  ohne  alle  Abzeichen  und  merkliche  Unterschiede 
selbst  ohne  Scepter,  wie  N.  2.  19,  oder  wenn  sie  alle 
drey  lange  Stäbe  haben,  nur  durch  die  Lanzenspitze  auf 
dem  der  Athene  unterschieden,  wie  N.  1,  oder  wenn  auch 
die  Athene  in  ihrer  Mitte  deutlich  ist,  doch  Here  und 
Aphrodite  unbestimmt  gelassen,  wie  N.  6.  23.  25.  30.  33. 
43.  Einmal  ist  diese  ganz  gleiche  Darstellung  der  drey 
Göttinnen,  bloss  als  wohlgekleideter  Frauen,  auch  im  schön- 
sten Styl  beliebt,  N.  57. 

Here  ist  zuweilen  durch  den  Thron  ausgezeichnet  (s. 
zu  N.  61);  verschieden  davon  ist  es,  wenn  Aphrodite  (wie 
N.  60.  65),  oder  Athene  (wie  N*  63.  64),  oder  beyde  zu- 
gleich, während  Here  steht  (N.  65),  oder  alle  drey  sitzen 
(N.  69),  wo  es  nicht  zum  Ausdruck  der  Würde  dient,  son- 
dern bloss  malerischen  Grund  hat.  Here  hat  mehrmals 
den  Granatapfel,  auf  dem  Scepter  (N.  1),  wie  N.  61  den 
Kukuk,    oder  in  der  Hand  (N.  49.    50.)    Die  Granatblüthe 


13)  Coluth.  63: 
"HQfi  (Aiv  nagdxotns  ayaXXofiifnj  Jiog  ivy^ 

"Hqp  d*od  fi€&itjxs  xat  ovx  vnoetxiv  'AS^yti, 
nc«fday  d^ars  Kvngtg  dQStotiQri  ytyavla 

Der  driUe  Vers  ist  aus  einer  HaDdscbrift  des  zehnten  Jahrhunderts 
gezogen  von  E.  Miller  Eloge  de  la  cheyelnre  1840  p.  16.  Nui  habe 
ich  "Hqp  und  'A&^yti  für  "Hqij  and  U&^pp  emendirt. 


378  Unheil   des  Paris.  ^ 

scheint  bey  ihr  nicht  charakteristisch  zu  seyn  (N.  10.  21.), 
da  auch  Aphrodite  eine  ähnliche  Blume  hält  (N.  3.  4.  46) 
und  alle  drey  Göttinnen  (N.  47),  wie  sie  auch  bey  Euri- 
pidos  sich  in  der  schönen  Trift  des  Ida  Rosen  und  Hya- 
cinthen  pflücken  am  klaren  Bach  ^^).  Sonst  hat  Ilere  au6h 
einmal  den  Pfau  (N.  48)  wie  in  den  Reliefen  wo  es  nicht 
die  Gans  ist  (N.  72.  78.  82),  den  modiusähnlichen  Auf- 
satz (N.  46.  61.  63.),  oder  eine  Stirnkrone  (64.  65),  ein- 
mal den  Spiegel  (N.  68)  und  einmal  ein  noch  nicht  erra- 
thenes  Geräth  in  der  Hand  (N.  51)« 

Athene  ist  mehrmals  von  einem  Reh  begleitet  (N.  4. 
13.  58),  welches  ohne  zu  ihr  zu  gehören  N.  68  und  auf 
einer  Vase  eines  folgenden  Artikels  Berg  und  Wald  über- 
haupt andeutet.  Es  ist  neben  ihr  auch  an  einer  Vase,  wo 
ihr  Herakles  gegenübersteht  zwischen  Säulen  mit  Hähnen 
darauf  ^^).  Das  Reh  ist  ein  Thief,  das  leicht  zahm  wird, 
wie  es  N.  49  unter  den  Ziegen  des  Paris  weidet,  nicht 
bloss  von  Polyphem  für  die  Galatea  aufgezogen  wird  ^®). 
Dass  es  den  Bacchischen  Nymphen  sich  anschliesst  ^^),  und 
dem  ApoIIon,  hat  vielleicht  seinen  Grund  darin,  dass 
man  die  Musikliebe  des  neugierigen  Hirschgeschlechts  mit 
Vergnügen  beobachtete  ^^).  Bei  der  Athene  wird  man  das 
Reh  kaum  anders  nehmen  können  wie  den  Hund,  der  den 
Hermes  begleitet  (N.  7  und  öfter),  bloss  als  einen  Reise- 
gofährten, dem  Bild  mehr  Leben  zu  geben.  Uebrigens  hält 
Athene  eine  Blume  (N.  l8*),  einen  Zweig  (N.  25),  wie 
N.    26   alle  drey  thun,   einmal  auch  die  Olpe  der  Palästra 


14)  Iphig.  Anl.  t-296. 

15]  Die  Vase  war  unter  den  hundert  dem  Prinzen  von  Ganioo 
gehörigen ,  die  Ton  Siena ,  wo  ich  sie  sah ,  in  das  Briltische  Mu- 
seum gekommen  sind,  N.  76. 

16)  Theoer.  11»  40.  Philostr.  Imag.  2,  18. 

17]  Mus.  Gregor.  II  Ut.  36.  1. 

18)  Niclas  ad  Geopon.  19,  5.  lUrduin.  ad  Plin.  8,  46. 


Urlheil  des  Paris.  379 

(N.  48),  wie  bey  Sophokles,  und  einmal  bloss  einen  Pulin- 
zweig   (N.  C5],  so  wie  Nike  (N.  61). 

Aphrodite  ist  mehrmals  hezeichnel  durch  die  Taube 
(s,  zu  N.  51),  durch  das  Caninchen  (N.  68),  durch  eine 
Blume  {N.  ii.  46),  eine  Rebe  (N.  12),  durch  ein  Myrten- 
reis (N.  50),  das  sie  denn  Paris  reicht  (N.  48);  nach  ihrer 
Schönheit  und  Eitelkeit  durch  eine  Täriia  (N.  45),  die  ihr 
auch  Eros  mit  einem  Myrtenkranz  bereit  hall  (N.  65),  durch 
den  Spiegel  [N.  61),  durch  Salbfläschchen  und  Schirm  (N. 
63.  65),  oder  Fächer  und  Schale  (N.  64).  Aber  siB  er- 
scheint auch  mil  dem  Polos  auf  dem  Haupt  {N.  42.  56) 
und  wie  Here  mil  dem  Pcplos  auf  den  Kopf  hinauf  gezo- 
gen (N.  49.  52.  ti2),  wie  auf  Münzen  der  Brullier  u.  ii. "). 
Der  Polos  der  Aphrodite  und  andrer  Göller  unterscheidet 
sich  von  dem  hohen  Aufsatz  der  Here  N.  46.  6!,  welchen 
übrigens  ebenso  auch  andre  Gmiinnen  tragen  ^*'),  und  der 
ein  Schmuck  ohne  Bedeutung  ist. 

Schöne  Frauenkleidung  nach  dem  Gebrauche  der  Zei- 
ten, in  all  der  Anmuth  und  reichen  Abwechslung,  wel- 
che der  Griechische  Anzug  und  der  malerische  Geschmack 
natürlich  bedingen,  ist  die  Grenzlinie,  Über  welche  die 
Kunst  des  freyen  Griechrnlandes  in  Vermenschlichung  der 
diey  Göttinnen  niemals  hinausgeschrilten  ist.  Ein  Gemälde 
von  Pompeji  [N.  73)  giebl  uns  das  früheste  Beyspiel  einer 
nHckien  Aphrodite  in  dieser  Gesellschart,  wie  sie  auch  in 
Basreliefen,  doch  seilen,  vorkommt  [N.  78.  79.)  In  noch 
Epätern  Wandmalcreyen  und  einigen  Steinen  slehn  alle 
drey  Gültinnen  nackt  vor  dem  Paris  (N.  71.  72.  102.  104.} 
Bey  Koluthos  (152j  zieht  Aphrodite  allein  den  Peplos  ab 
und  entblösst  die  Brust. 

Bemerkenswerlh  ist,  dasg  die  Stteste  Kunst  den  Apfel 

19)  K.   RofbelU  Mob.  inäd.  p.  263  not.  8. 

20]   Lulo  in  Gerhardi.  AuocrleB.  VaseuLildurD  Tat.    15,  Demeter 
'deoi  Triplolenio«  bej    tiargiuto   ßacculta    tay.    136.     ilcre  hal 
demelben  an  der  Vase  de»  PriDcipe  di  Canino  n.  1519. 


380  Urtheil  des  Paris. 

der  Eris  nicht  kennt  und  auch  unter  den  Vasen  mit  ro- 
then  Figuren  nur  eine  Composition  ihn  enthält^  und  zwar 
eine  ganz  eigenthümliche ,  wonach  Aphrodite  den  Apfel 
empfangen  zu  haben  scheint  (N.  57).  Paris  hat  ihn  nicht 
in  der  Hand  N.  60,  noch  auf  andern  Vasen.  Dass  N.  10 
Hermes  ihn  trage,  ist  mir  sehr  zweifelhaft.  Dafür  hält 
Hermes  einen  Kranz  in  die  Höhe  (N.  31)  oder  reicht  dem 
Paris  eine  Blume  (N.  47),  oder  es  hält  Paris  eine  Siegs- 
tänia  (N.  24)  oder  einen  Lorberkranz,  der  der  Siegerin 
bestimmt  scheint  (N.  58),  oder  Nike  erscheint  (N.  61), 
kränzt  die  Aphrodite  (N.  59),  was  noch  spät  Nachahmung 
findet  (N.  79).  Erst  in  Römischen  Wandgemälden  (N.  69. 
70)  und  Basreliefen  (N.  86)  übergiebt  Mercur  dem  Paris 
oder  dieser  der  Aphrodite  entweder  selbst  (N.  83.  93.  96), 
wie  auch  auf  einem  Spiegel  (114),  oder  durch  Amor  (N. 
82)  den  Apfel  Hieraus  ist  wohl  zu  vermuthen,  dass  die- 
ser berühmte  Apfel  nicht  in  dem  Epos  der  Kypria,  das 
den  bei  der  Hochzeit  des  Peleus  entstandenen  Streit  der 
Göttinnen  als  Einleitung  erzählte,  gewachsen  sondern  ein 
späterer  Zusatz  ist^^).  Unter  den  in  Constantinopel  bar- 
barisch zerstörten  Erzstatuen  nennt  Niketas  Choniatas  eine 
Gruppe  von  Paris  und  Aphrodite  Paris,  der  Göttin  den 
Apfel  der  Eris  reichend  ^^),  aber  er  nennt  zugleich  Werke 
von  sicher  späterem  Ursprung  wie  den  Eseltreiber  weI-~ 
chen  Oclavian  abbilden  Hess. 

Unregelmässigkeiten  sind  es,  wenn  einigemal  die  Com- 
position, vielleicht  weil  sie  trivial  geworden  war,  und  die 
Personen    auf  eine  Weise,    die  weder  den  Zug  noch  das 


2t)  Der  Apfel  kommt  bei  der  Venus  nur  auf  Mänzen  und  ge- 
BchDiltenen  Steinen  jetzt  noch  Tor  und  ist  erwähnt  nur  bei  der 
sitzenden  der  Sikyonischen  Kanachos  Paus,  2,  10,  Giarac  de  la 
Statue  ant.  de  Vönus  Viclrix  decouT.  ä  Milo  p.  44. 

22)  Historiae  Byz.  fragm.  ap.  Fabric.  Bibl.  Gr.  T.  6  p.  406 
(auch  bey  Panduri  Antiqu.  Constantinop.  1  P.  3). 


Urtheil  des  Paris.  381 

Urtheil  ausdrückt^  zusammengestellt  worden  sind  (N.  18. 
37.)  Häufiger  ist  eine  sehr  begreifliche  Art  der  Willkür^ 
die ,  wie  man  immer  mehr  gewahr  wird ,  noch  an  vielen 
andern  Compositionen  geübt  worden  ^  nur  nicht  immer 
leicht  zu  entdecken  ist^  die  nemlich  dass  man  einen  Theil 
für  das  Ganze  gesetzt  hat.  So  sind  nur  die  Göttinnen 
ohne  Hermes  N.  4.  5,  dieselben  vor  Paris  ohne  Hermes  N» 
50.  57.  N.  2?  ist  Paris  und  dafür  N.  28  eine  der  Göttin- 
nen weggelassen;  so  fehlt  Athene  N.  62.  Auf  die  zahl- 
losen Wiederholungen  des  Parisurtheils  kann  man  aus  der 
Menge  der  wiederaufgefundenen  schliessen ,  und  so  ist  es 
auch  kein  Wunder ,  dass  wir  eine  Parodie  auf  sie  nach 
ihrer  archaistischen  Darstellung  (N.  45)  und  zwey  auf  die 
Geschichte  selbst  finden  (N.  75.  116.) 

Die  anziehendste  Vergleichung  wird  die  seyn,  welche 
sich  in  den  ausgebildeteren  Compositionen  auf  den  ver- 
schieden gefasstcn  und  durchgeführten  Moment  der  Hand- 
lung richtet;  wie  hi^r  die  Göttinnen  durch  Symbole  aus- 
drücken^ wer  sie  sie  sind,  ihre  Vorzüge  (N.  49.  50);  hier 
eine  jede  ihre  Gabe  dem  Paris  vorhält  (N.  51.  52.  60); 
wie  hier  die  Sache  gerade  auf  dem  Spruche  steht  (N.  58); 
hier  die  Göttinnen  sich  erst  rüsten  um  vor  den  Richter  zu 
treten  (N.  68);  hier  der  schicksalsvolle  Ausspruch  erfolgt 
ist  und  Zeus,  der  durch  die  Eris  diess  herbeygeführt  hat, 
seine  Absicht  viele  Geschlechter  der  Menschen  in  den  Ha- 
des zu  senden,  durch  eine  andre  ihm  dienende  Gottheit 
verkündet,  auf  der  höchst  schätzbaren  Vase  zu  Karlsruhe 
(N.  59). 


Erster  Abschnitt. 

Der  Zug  der  drei  Göttinnen  auf  dem    Ida. 


1.  Milliogen  Vases  de  Sir  Goghill  pl.  34,  1.  Laborde  Vases 
du  G.  Lamberg  I  p.  47.  R.  O.  Müller  Denkm.  1  Taf.  28,  94.  Her- 
mes und  die  drey  GöttioueD  auf  der  Reise,  in  starken  Schritten 
gerade  wie  am  Rasten  des  Rjpselos  sowohl  wie  am  AmykUischen 
Thron  nach  den  Worten  des  Pausanias  (S",  18,  7.  5,  19,  t):  Her- 
mes führt  die  Göttinnen  zu  Alexandros  um  gerichtet  zu  werden. 
Alle  drcj  Göttinnen  halten,  im  Gesprach  miteinander,  wie  auch 
Hermes,  die  Linke  empor,  alle  drey  haben  in  der  Rechten  lange 
Stäbe ;  doch  hat  der  mittlere  eine  Lanzenspiize  und  bezeichnet 
daher  die  Athene.  Auf  dem  Stab  der  Here  ist  der  Granatapfel» 
auf  dem  der  Aphrodite  die  Blume  zu  unterscheiden. 

2.  Der  Augenblick  Torher  oder  eine  blosse  Zusammenatellong 
der  zu  dem  Unternehmen  yereiniglen  Personen,  auf  dem  Boden 
der  Rylix  des  Xenokles  (KSENOKLES)  bey  R.  Rochette  Mon. 
inöd.  pl.  49,  t ,  de  Witte  Gab.  Durand  n.  48.  Hermes  hat 
ausser  dem  Rerykeion  und  der  Tasche  (xißKTis)  eine  Syrinz  wie 
Pan^)  eine  Eigenthümlichkeit  dieser  so   merkwürdg  alten  und  qd— 


1)  Gewiss  nicht  mit  Beziehung  auf  eine  andre  Person,  den 
Hirtenstand  des  Paris.  .Es  ist  möglich,  dass  Lucian  bey  seiner 
muthwilligen  Darstellung  auch  Bildwerke  vor  Augen  hatte.  Er 
lässt  D.  D.  20,  6  den  Hermes  sagen,  da  oben  wo  er  jetzt  mit  den 
Göttinnen  ankommt,  sey  auch  Ganymed  entführt  worden  und  er 
habe  die  Syrinx,  die  dieser  fallen  liess,  aufgehoben;  was  nur  ein 
Einfall  scheint  um  die  Syrinx  in  der  Hand  des  Hermes  zu  arkli- 
ren.  So  kommt  c.  10  und  12  Yor,  dass  Athene  ihren  Helm  ab- 
nimmt und  am  Schluss  dass  Aphrodite  mit  Eros,  Pothos,  Himeros 
und  Hymenäos  und  mit  den  Ghariten  dem  Paris  beystebt:  beydes 
sehn  wir  auch  in  Gemälden  und  Reliefen.  Uebrigens  ist  Hermea 
Erfinder  der  Syrinx,  ApoUod,  3,  10,  5.  Uom.  H.  in  Mero.  5t  1    £• 


Der  Zug  der  drei  Göttinnen  auf  dem  Ida.        383 

beholfnen  Darstellung,  hdcI  steht  gebückt,  Dach  der  Rundang  des 
Raums,  im  Gespräch  mit  den  Göttinnen.  Diese  sind  mit  gestick- 
ten Gewändern  und  der  St«*phane  geschmückt  ohne  alle  unter- 
scheidende Zeichen,  so  wie  12.  19,  wesshalb  sie  auch  fär  die 
Parzen,  die  Musen,  die  Grazien  gehalten  worden  siod^).  (An  den 
Seiten  der  Schale  Achilleus  ein  Weib  Torfolgend  und  Herakles 
und  Rerberos:  so  N.  40  dieselbe  Vorstellung  Ton  Achilleus  und 
Herakles  der  Löwenwürger). 

3.  Gerhard  Auserles.  Vasenbilder  Taf.  72.  Amphora  aus  Vulci. 
Hermes,  der  sich  umschaut,  und  die  drej  Göttinnen  ihm  folgend» 
Athene  in  der  Mitte  mit  langer  Lanze  und  die  eine  Hand  erhebend 
die  bej^den  andern  halten  eine  Granatblüthe,  Here,  die  yorderste 
dazu  einen  kurzen  Stab.  (Ry.  Fortführung  der  Helena  yon  Troja, 
fünf  Personen). 

4.  Gerhard  a.  a.  O.  Taf.  71.  Amphora  im  Besj^ze  des  Königs 
yon  Dänemark.  Die  drej  Göttinnen  ohne  Hermes ,  Athene  in  der 
Mitte,  den  Helm  in  der  Hand,  Here  und  Aphrodite  beyde  mit 
derselben  Granatblüthe  und  Stäben,  die  in  eine  Blume  auslaufen'). 
Alle  drej  haben  mit  Zweigen  das  Haupt  umsteckt  und  auch  in 
der  Hand  hält  sowohl  Here  als  Aphrodite  einen  Zweig.  Diess 
deutet  auf  die  Bergwaldungen,  die  sie  durchziehn:  kühlende  Zweige 
flicht  sich  der  Wanderer  in  jenen  Gegenden  auch  heute  noch  oft 
um  den  Kopf.  Here  hall  N.  10  einen  Zweig,  Athene  N.  12  eine 
Rebe,  N.  25  einen  Myrtenzweig,  alle  drej  Göttinnen  haben 
Zweige  N.  26.  Neben  der  Athene  ein  Reh  wie  N.  13.  58.  (Ry. 
Zwej  Kriegerpaare  yon  Hunden  begleitet). 

5.  Mus.  Gregor.  II  tay.  37,  2,  aus  Vulci.  Die  Göttinnen  ohne 
Hermes,  Here  yoranschreitend,  Athene  umgewandt  nach  Aphrodite 
die  yon  ihr,  wie  es  scheint,  gespottet  oder  gescholten  wird  und 
sich  demüthig  anstellt.  Athene  hat  eine  Lanze,  die  bejden  An- 
dern einen  Scepter  mit  Knopf  darauf.  (Ry.  Athene  auf  einer 
Quadriga). 

.     6.  Lekjthos  aus  Grossgriechenland,  aus   dem  Gab.  Durand  n. 
374  gekommen  an  Hr.  Rollin.  Hermes  sich  umschauend,  Athene  in 


2)  Creuzer  in  den  Wiener  Jahrbüchern  1834  2,  203,  der  spä- 
ter die  richtige  Eiklärung  befolgte,  Lenormant  im  Gab.  Durand 
n.  65;  Em.  Braun  Annali  d.  L  11,  209. 

3)  „Getto  peinture  a  61^  publice  aussi  sous  la  d^nomination 
de  Minerve  et  de  deux  acoljthes  ou  les  trois  Hjacinthides.  V. 
Elite  des  mon.  cöramogr.  1  pl.  83  et  p.  261  f.  cf.  de  Witte  cat. 
«trusquen.  9*' J.de  Witte  in  den  Annales  de  Tlnslitut  t845  149  (18). 


384        Der  Zug  der  drei  Göttinnen   auf  dem  Ida. 

der  Mitte  mit  Helm  und  Lanze,  die  beyden  andern  Göttinnen 
ohne  Attribut,  Here  ohne  Zweifel  die  yordere.  Im  Feld  Ephea— 
xweige.  (Ohne  Ry.) 

7.  Gerhard  a.  a.  O.  Taf.  171.  Amphora  aus  Vulci  1836.  Her- 
mes schneitet  yoran ,  yon  einem  Hund  begleitet  wie  N.  12.  16.  27. 
34,  als  ein  Reisender,  wie  oftmals  die  Krieger  im  Felde,  nichu 
weiter,.  Here  mit  Scepter,  Pallas  mit  ihrer  Lanze,  Aphrodite  ohne 
Abzeichen.  (Ry.  Menelaos  führt  die  yerschleyerte  Helena  rechts 
hinweg;  links  eilt  ein  andrer  Hoplile  fort,  mit  Doppollanzen  be- 
waffnet, während  der  Andre  das  Scbwcrd  gezogen  zu  haben  scheint)« 

8.  Dubois  Vases  Pancoucke  n.  91.  Hermes  fuhrt,  Athene  in 
der  Mitte  der  drei  Göttinnen.  Paris  gehört  der  Ergänzung  an^ 
(Ry.  Schalkha/tes  Gegenstück,  ein  Weib  auf  einem  Maulthier  und 
2  Satyrn). 

9.  Vase  im-  Besitz  yon  J.  Milliogen  in  Florenz  (1842).  Her- 
mes die  drej  Göttinnen  führend.  (Ry.  Herakles,  Jolaos,  Athene 
und  Hermes). 

10.  Vase  im  Besitz  des  Grafen  yon  Erbach  zu  Erbach  im 
Odenwald,  beschrieben    yon  Greuzer  in  den  Wiener  Jahrbüchern 

'  1834  2,  203  und  Zur  Gallerie  der  alten  Dramatiker  1839  S.  23, 
nebst  N.  43;  jetzt  in  Grenzers  Deutschen  Schriften  zur  Archiol.  I 
S.  238  f.  mit  einer  Abbildung  bejder  Vasen.  ,Jn  der  untern 
Scene  schreitet  der  bärtige  Hermes  mit  beflügelten  Füssen  Toran, 
den  Kopf  bedeckt  der  Petasus,  das  Kerykeion  ist  auf  seiner  Schul- 
ter befestigt,  in  seiner  linken  Hand  trägt  er  einen  Blitz  oder  was 
es  ist,  in  der  rechten  den  Apfel.  Ihm  folgen  die  drey  Göttinnen, 
sämmtlich  bekleidet,  zunächst  Hera  mit  einer  Blume  oder  Gra- 
natblüthe  ,  hoch  emporgehalten  in  der  linken  Hand ,  in  der  rech- 
ten über  die  Schulter  gelegt  einen  Baumzweig  haltend  ;  hinter  ihr 
Pallas  behelmt,  die  linke  Hand  aufgehoben,  mit  der  rechten  ei- 
nen Stab  (Speer)  unter  dem  über  der  Schulter  erscheinenden  Gor— 
goneum  haltend;  zuletzt  Aphrodite  mit  einer  Taube  auf  der  boeli— 
erhobenen  linken  Hand;  hinter  der  Aphrodite  zwey  laufende  be«» 
flügelte  Eroten.  (In  dem  obern  Plane  sehen  wir  rechts  wieder 
die  Göttin  mit  der  Taube  auf  der  Hand,  welche  sie  gegen  einen 
rauchenden  Altar  hin  wendet;  links  yor  der  Ära  eine  FlÖlenspie— 
lerin ,  hinter  ihr  zwey  Paare  männlicher   und  weiblicher  Personen 


4)  nQuoique  cette  figure  seit  en  partie  restaur^e,  les  fragmena 
antiques  suffisent  pour  j  reconnaitre  un  Paris  berbu,  enyeloppA 
dans  sou  manteau.**    J.  W.  p.  150  (19)  der  Uebers. 


mau 


Der  Zug  der  drei  Göttinnen  auf  dem  Ida.         385 

dem  Opfer  zueilend,  betend  mit  emporgehobenen  Händen ;  —  das 
Siegesopfer,  welches  Venus  empfängt*^  Ein  solches  Opfer  ist  nicht 
wahrscheinlich;  die  Vorstellung  trifft  ganz  mit  der  N.  21   zusammen). 

tl.  Gerhard  Rapporto  Volcente  in  den  Annali  d.  1.  3,  127 
n.  57.  Gab.  Durand  n.  376,  Amphora,  jetzt  im  Hritischen  Museum 
(513).  Die  drej  GoUinnen  ohne  andre  Attribute  als  die  Lanze  der 
Athene  in  der  Mitte,  vor  ihnen  Hermes  mit  Petasos  und  Kerykcion 
und  Stiefeln,  und  eine  in  einen  Mantel  gehüllte  Figur,  die  nach 
Hermes  sich  umschaut  und  auch  ein  Stäbchen  hält,  schon  von  Ger- 
hard Zeus  genannt^).  (Rv.  Menelaos  sitzend,  Paris  yor  ihm,  He- 
lena hinter  diesem  dastehend). 

t2.  Amphora  in  München  (1250),  17  Zoll  hoch,  mit  £trurischen 
Schriftzügen  am  Fusse.  flermes  und  der  scepterführende  Zeus, 
mit  einem  Hund  auf  der  einen  Seite  der  Vase,  auf  der  andern 
folgen  Here  mit  Scepter,  Athene  bewaffnet,  Aphrodite ^  nach 
welcher  Athene  sich  umschaut,  mit  einer  Rebe  iu  der  Rechten» 
einem  Stab  in  der  Linken. 

13.  Hydria  in  München  M36).  Voran  ein  bärtiger  Mann  mit 
Scepter,  ausgestreckten  Schrittes,  der  sich  nach  dem  Zug  umschaut 
und  mit  den  Händen  lebhaft  gesticulirt,  Hermes,  Athene,  den  Helm 
auf  ihrer  linken  Hand  tragend,  begleitet  von  einem  Reh,  die  bej- 
den  andern  Göttinnen  mit  Scepter.  (Auf  der  Schulter  des  Ge- 
fässes  Achilles  ähnlich  wie  an  der  Schale  des  Xenokles  N.  2). 

14.  15.  Mehrere  Vasen,  welche  diese  Procession  darstellen, 
sah  bey  Hr.  Fossati  R.  Rochette  Mon.  inöd.  p.  265  not.  5,  wo  von 
einer  gesagt  ist:  „die  drej  Göttinnen,  bekleidet  und  gestellt  auf 
gewöhnliche  Weise,  begeben  sich  zu  Paris,  Toran  geht  Mercur 
und  ein  Greis,  der  einen  Scepter  hält.  (Der  Ry.  dieser  V'ase  scheint 
keinen  Bezug  auf  die  Fabel  des  Paris  zu  haben). '* 

16.  Kleine  Amphora  aus  Vulci  im  Besitze  des  Hr.  R.  Rochette 
in  Paris,  der  davon  im  Journal  des  Sayans  1842  p.  9  sagt:  ,,die 
bärtige  Person,  die  dem  Mercur  yorangeht^  muss  für  Jupiter  er- 
kannt werden  ,  welcher  erscheint  wie  im  Mj^thus  selbst  um  dem 
Mercur  den  Befehl  zugeben  die  Göttinnen  zu  führen.'*  (Als  gebil- 
det bei  R.  Rochette  choix  de  poiut.  p.  153.  Vign.  IX).  Es  scheint 
mir  nach  der  Stellung  der  Figuren  nicht,  dass  diess  der  ^Moment 
Darstellung   sej.     Hermes    führt    die    drey  Göttinnen,   accompagnd 


5)    Eine    ähnliche  Coroposition  weist  de    \V.   nach  p.   toi  (20) 
der  Uebers. 

V.  25 


886         Der  Zug  der  drey  Göttinnen  auf  dem  Ida. 

d*un   cbien,  Zeus  schreitet  Toran,  sich  umschauend  so  wie  Hermes 
et  portant  uo  sceptre. 

17.  In  der  köo.  Sammlung  zu  München  (773),  ron  mir  notirt 
Hermes  führt  die  drey  Göttinnen,  Athene  in  der  Mitte,  es  folgt 
Dionysos,  bekränzt,  mit  Trinkhorn.  Zweige  Ycrbreiten  sich  hin 
und  wieder. 

18.  Hydria  aus  Vuloi  in  Rom  bey  Hr.  Baseggio.  Bullett-  d.  I. 
archeol.  1843  p.  60.  Dieselben  Figuren  in  derselben  Folge,  aber 
so  dass  Hermes  umgewandt  steht,  dem  Dionysos  also  am  andern 
Ende  gegenüber,  auch  die  eine  der  Göttinnen  zwischen  ihnen  gegen  die 
andre  gekehrt  ist.  Da  sich  hierzu  in  der  Sache  kein  Grund  aus- 
finden  lässt,  so  ist  eine  willkürliche  Abänderung  des  Gopisten  lu 
Ycrmuthen  ,  der  diese  Stellung  der  Figuren  zur  Verzierung  schö- 
ner fand.  Ein  Beyspiel  ähnlicher  Auflösung  der  Gomposition  im 
folgenden  Abschnitt  (N.  37)  yeranlasst  zu  dieser  Vermuthong,  da 
Dionysos  bey  dem  CJrtheil  selbst  vorkommt  (N.  44).  (Darüber 
zwischen  zwey  grossen  Augen  Dionysos  mit  Trinkhorn  auf  einem 
Maullhier,  Tor  ihm  eine  Nymphe  zwischen  zwey  Satyrn,  hinter  ihm 
ein  Satyr). 

18*.  Amphora,  die  ich  bey  dem  Hannoverschen  Gesandten 
Hr.  Kestner  in  Rom  sah  (1846).  Hermes  schreitet  den  drey  Göt- 
tinnen YOran,  in  einen  Mantel  gehüllt,  mit  einem  langen  Stab 
ohne  Zeichen  des  Herolds,  und  einen  Reisehut  auf.  Athene  durch 
Lanze  und  Aegis  bezeichnet,  hält  eine  Nelke  in  der  Hand  und  ist 
in  der  Mitte;  Here  yoran,  nur  etwas  ansehnlicher  als  Aphrodite 
in  der  letzten  Stelle,  ist  sonst  durch  nichts  von  ihr  unterschieden; 
beyde  halten  lange  Stäbe.  (Ry.  die  Auswanderung  des  Aeneas  mit 
Anchises  auf  dem  Rücken,  der  kleine  Askanios  und  Rreusa  roran, 
ein  Bewaffneter  nachfolgend). 


Zweiler   Abscfinilt. 
Urtheil    des  Paris. 


Vasen    mit    schwarzen    Figuren. 

19.  Amphora  sua  Care  hei  Hr.  Alibrandi,  nach  einer  Zeiphoung. 
[fermes  mit  Fetssus  und  GJaem  langen  HeroUsElahe  Elebl  mit  den 
drei  Uötlinnen  Tor  dem  Paris.  Sie  sind  ohne  alle  AUrlEiule,  in 
engem  woUnem  tJnlerkleid,  wie  die  Allianeserianea  in  Griechen- 
land, mit  einem  Mantel,  unter  dem  sie  die  Arme  weit  Torgchal- 
ten  einschlagen,  auch  das  Haar  und  die  Stephane  ist  gleich,  nur 
der  Manlel  dermitleren  dutcb  deey  banle  Queralreifen  unterschie- 
den.  Hermes  macht  ruhig  seinen  Aalrag;  Paria  aber,  in  weitem 
Kleid  und  Lleinem  Mantel  über  die  Srhultern,  freadel  aich  nher- 
rascb  und  erstaunt,  wie  die  erhobene  Rechte  auedrückt,  lur  schnei- 
lea  Flucht  um,  nie  noch  bey  Kolutbus  (121  IT);  bc;  Orid  erschrickt 
er  UDd  enlHctzt  sich  und  der  Gölterbote  beruhigt  ihn  (Her.  IG, 
G7),  be;  Lucian  (D.  D.  20,  7)  zitterl  und  erhlassl  er.  Er  ist  bär- 
tig. (Ry.  Vier  Krieger  hinler  einander  Bcbreitend,  wie  N.  4,  unter 
grossen  runden  Schilden,  einen  Heeresiug  bedeutend!. 

20.  Amphora  aus  Vuki,  in  der  Gallerie  zu  Florenü,  nach  einer 
Zeichnung.  Paris,  bSrlig,  alattlicb  Ton  seioem  Manlel  umtleiJel, 
mit  langem  Stab  in  dvr  Rechten,  wendet  sich,  die  Laute  in  der 
Linken  weit  von  aich  hin  hallend  weg,  den  Kopf  noch  nach  H<>r- 
mea  gerichtet,  der  die  Linke  nach  unten  ausstreckend  und  den 
Kopf  etwas  neigend  ihn  bittet  zu  verweilen.  Die  Göttinnen  sind 
hiiT  ED  gruppirt,  dasB  Alhene  die  vordere,  die  Hera  nemlich,  bis 
>uf  Kopf,  Brust  und  Arm  bedeckt.  Hera  hat  einen  Scepler,  so 
auch  Aphrodite,  welche  ganz  bescheiden  steht,  während  Alhene 
sich  nach  ihr  umwendend  sie  zu  scbclten  scheint.  (Bt.  Ein  Dio- 
njsiacher  Priester  hall  eiueii  Kaiilliaros  und  einen  Tbjiaus;  hinter 

25* 


388  Urlheil  des  Paris. 

ihm  ein  Weib  im  Mantel,  ror  ihm  eino  Andre,  die  aus  einer 
Oonochoo  ihm  in  den  Kantharos  einzuschenken  scheint.  Zwi- 
schen ihnen  ein  Altar,  hinler  dem  eine  Flötenspielerin). 

21.  Aehnlich  ist  die  vor  mir  liegende  Zeichnung  einer  Vase  der 
Erbachschen  Sammlung ,  publicirt  bei  Creuzer  zur  Archäologie  1 
p.  238.  Nur  stehn  die  drey  Göttinnen  neben  einander  und  die 
Aphrodite  sogar  etwas  getrennt  von  den  bevden  andern.  Sie  hält 
eine  Taube  auf  der  lland  und  zwey  Eroten  mit  zurückgebogenen 
Flugelnfl  attern  hinter  ihr,  der  eine  ihren  Kopf  mit  der  Hand  berüh- 
rend ,  der  andre  die  Inende,  wie  um  sie  Toranzusrhieben.  Athene 
hat  einen  Helm  auf ,  aber  nicht  mit  dem  grossen  Helmbusch  der 
Torangehendeu  Vase^  und  Here  hält  in  der  Linken  eine  (jranat- 
blüthe  in  die  Höhe  wie  N.  10.  (Darüber  am  Hals  ein  Opfer,  ein 
brennender  Altar,  über  dem  eine  unbärtige,  doch  wie  es  scheint, 
priesterliche  Figur  einen  Vogel  hält;  auf  der  andern  Seite  eino 
Fiötenbläseiin.  Zwey  Paare,  je  ein  Bärtiger  seine  Dirne  unter  dem 
Arm,  hüpfen  mehr  als  sie  gehn  auf  den  Altar  zu.  Wohl  ein 
J^acchisohes  Opfer). 

22.  In  (lirgenti  bey  Hr.  Rafael  Politi ,  notirt  1841,  Paris  mit 
Laute  und  Stab,  Haar  und  Gesicht  fast  weiblich,  Hermes,  der 
ihm  nachfolgt,  fasst  ihn  an;  Termuthlich  Aphrodite  mit  einer 
Blume,  wie  N.  40;  Athene  die  Eule  auf  der  Hand,  yermutblich 
Here,  welcher  ein  Löwe  Torangeht  und  ein  Vogel  Yoranfliegt.  Der 
Löwe  erklärt  sich  N.  5?. 

Auch  in  der  Bibliothek  des  Dominicanerklosters  in  Girgenti  soll 
an  einer  Vase  „ein  in  mehrfacher  Beziehung  eigenthümlichcs  Ür— 
theil  des  Paris*^  seyn. 

23.  Gefunden  bey  Ponte  della  Abbadia,  0.  Jahn  im  Bullett. 
d.  1.  1H39  p.  22  n.  3.  l^aris  wemiet  sich  um  als  wenn  er  flie-- 
hen  wollte,  Hermes  mit  weisser  Mütze,  die  drey  Göttinnen  mit 
langen  Gewändern,  Athene  mit  Aegis  und  Lanze  in  der  Mitte.  — 
Häufiger  noch  i^t  die  Vorstellung  einfach,  ohne  den  Schrecken 
des  i^aris. 

24.  Hydria  b(-y  Hr.  Rogers  in  London,  notiit  1844.  Paris  sit- 
zend auf  einem  ^iciog  Xl&oc,  bärtig,  eine  in  einen  Riegel  ge'> 
schiungene  Tänia  haltend  ,  Hermes  mit  Petasos  und  einem  langen 
Kerykeion,  die  droy  Göttinnen  ohne  Attribute,  alle  drey  mit  Stä-> 
ben ,  die  mittlere  scheint  indessen  Athene  zu  seyn.  [Darunter 
zwey  Krieger  ,  gedeckt  unter  einem  gemcinschaitlichen  mit  einer 
Schlange    bezeichneten    Schild,   zwischen  zwey  Mohren,   der  eine 


lUrtbeil  des  Paris.  389 

mit  Röcher  und  Bogen,  der  andre  mit  einer  Keule,  also  Streitern 
des  Memnon). 

25  Mit  N.  23  zusammengefunden  und  yerzcichnet.  Paris  ste- 
hend ,  bärtig,  die  drey  Göttinnen  in  langen  und  wallenden  Ge- 
wändern, Athene  in  der  Mitte  niit  einem  Zweig   in  der  Hand. 

26.  j,Mit  je  einem  Zweig  in  der  Hand  erscheinen  die  drey 
Göttinnen  auf  einer  archaischen  Kjathis  des  Prinzen  Vidoni,  Her- 
mes geht  ihnen  Yoran,  Paris  hält  die  Kithar.*'  (lerhard  AuserL 
Vas.  Taf   171   S.   196. 

27.  Amphora  in  Rom  gezeichnet  bej  Gerhard  a.  a.  O.  Taf. 
171.  Bey  einigen  Vor^teIlungenJ  wo  Paris  zwar  nicht  sichtbar  ist 
muss  er  doch  yorausgesetzt  werden,  wie  an  den  Vasen  die  Ge- 
mälde so  oft  nicht  vollständig  sind ;  denn  diese  Vorstellungen 
drücken  nicht  den  Zug  oder  die  Reise  aus ,  weiche  hier  der  He- 
rausgeber versteht^),  sondern  wir  sehen  stehende  Figuren  uns 
und  zur  Rede  bewegte  Hände.  Hermes  seihst  ist  bei  dem  Zug 
ausgelassen  N.  5;  so  sehn  wir  hier  ohne  den  Paris,  wie  N.  34 
mit  demselben,  den  Hermes,  begleitet  Yon  einem  Hund,  seinen 
Antrag  doch  wie  an  ihn  richten,  während  auch  Here,  die  den 
Scepter  haltend  yorn  steht,  und  Athene  sprechen,  nur  Aphrodite, 
die  nichts  in  den  Händen  hält,  nicht.  Ry.  Helena  zwischen  Me- 
nelaos,  der  sie  abfuhrt,  und  einem  andern  der  Sieger). 

28.  In  Rom  gezeichnet,  bey  Gerhard  a.  a.  O.  Taf.  172. 
Dieselbe  Vorstellung  auFSor  dass  der  Gopist  hier  statt  des  Paris 
die  dritte  der  Göttinnen  weggelassen  hat.  Paris  aber  ist  bärtig 
und  giebt  dem  Hermes,  der  au.«geredet  hat,  Antwort^).  (Ry.  Dio- 
nysos zwischen  zwey  Satyrn ,  die  zwey  Castagnettenspielerinuen 
in  ihren  Armen  emporhalten  und  auf  sich  sitzen  lassen). 

29.  Die  drey  Göttinnen,  geführt  yon  Hermes,  der  mit  Paris 
spricht,  ganz  einfach,  alt  und  roh,  sah  ich  184 i  bey  Baseggio 
in  Rom.  Zur  Unterscheidung  dienen  am  Rande  zwey  Panther  und 
zwey  Vögel  mit  menschlichen  Köpfen. 

29*^.  Eine  andre  Amphora,  welche  Gerhard  t841  yon  Baseggio 
kaufte,    sah   ich    in    Rom  noch   im  Jahr  1846.     Vor  dem  bärtigen» 


1)  „Ce  yase  est  d^jd  döcrit  plus  haut  sons  le  n.  7  parmi  las 
Sujets  repr^sentant  les  dces^es  en  marche.*'  J.  W. 

2)  „Une  amphore  h  tigures  noires,  dont  je  posscde  un  calque, 
montre  Paris  tenant  une  haguette,  Hermes,  Athöne  et  Aphrodite. 
Ry.  Th^see  et  le  Minotaure.  Collection  de  Mr.  Reizet  h  Paris.** 
J.  W.  p.  156  (25)  der  Uebers. 


390  Urtheil  des  Paris. 

mit  Mantel  umhällten  Paris,  welcher  sprechend  die  Hand  erhebt, 
Hermes  mit  grossem  Hut  und  Rcrykeion  sich  nmschaoend  ood 
führend  die  Athene,  Hera,  Aphrodite.  Die  bejden  erfilen  sind 
als  sprechend  dargestellt,  di6  beyden  letzten  nar  dadurch  unter- 
schieden, dass  Aphrodite  das  Gewand  unten  zierlich  gefasst  hält. 
Hinter  ihnen  Dionysos.  (Darüber  Dionysos  gelagert  mit  dem  Skj- 
phos  in  der  Hand,  zwischen  zwey  grossen  Augen  und  neben  je- 
dem von  diesen  ein  Satyr.  Unten  ein  Kranz  von  rier  Tbieren, 
Löwe  und  Eber  gegeneinander  über  wiederholt). 

30.  Amphora  derCandcIorischen  Sammlung  in  München  (101),  auf 
dem  Fuss  Etrurische  Zeichen.  Paris  mit  Bart,  Mantel  und  Stab. 
Hermes  und  die  drey  Göttinnen,  Athene  kenntlich  an  der  ge- 
wöhnliehen Bewaffnung.  (Ry.  Bärtiger  Mann  mit  Stab ,  sitzend 
zwischen  zwey  Frauen  mit  hocherhobenen  Händen). 

31.  Amphora  in  München  (1269).  Paris,  bärtig,  mit  <ler  Laote, 
sitzt  auf  einem  Felsen  in  waldiger  Umgebung,  die  durch  ein  aus 
dem  Boden  heryorspriesscndes  Reis  angedeutet  ist.  Hermefe  in  der 
Linken  einen  Kranz  in  die  Höhe  haltend,  von  den  Göttinnen  nnr 
Athene  kenntlich  durch  ihre  Lanze  und  Aegis.  (Rt.  Helena  ab- 
geführt, zur  andern  Seite  ein  Gefährte,  der  um  sich  schauend 
wegeilt.     Dreyfuss  und  Ochsenkopf  sind  die  beyden  Schildzeichen). 

32.  Aus  Vulci,  jetzt  im  Britischen  Museum  (582,i.  Gab.  Durand 
n.  375.  Ganz  ähnlich  der  vorhergehenden  Amphora.  (Rt.  Angeb- 
lich  Paris   uud    Helena   mit  einem  Diener  ,   Priamos  und  Troilos). 

33.  Amphora  aus  Vulci,  Vasi  della  collez.  Feoli  t837  p.  142 
n.  76.  Paris,  mit  langem  Spitzbart,  Mantel  und  Scepter,  auf  der 
einen  Seite  des  Gefässes,  wenn  ich  richtig  notirt  habe  als  ich  es 
sah  (N.  37),  auf  der  andern  Hermes  und  die  Göttinnen,  Atheoe  be- 
waffnet in  der  Mitte,  die  yordere,  mit  auf  die  Schultern  wallen— 
dem  Haar,  yielleicht  Aphrodite  und  die  hintere  hier  Hera.  (Da- 
rüber zwey  Krieger  mit  je  zwey  Wurfspiessen,  der  eine  zu  Pferd, 
zwischen  ihnen  ein  Mann  auf  den  Stab  gestützt). 

34.  Grosser  Krater  aus  Vulci,  mit  Brustbildern  auf  den  Plat- 
ten über  den  Henkeln,  den  ich  im  Frühjahr  1843  bey  Hr.  Basseg- 
gio  in  Rom  sah.  Paris  bärtig  und  im  Mantel,  vor  ihm  Hermes 
begleitet  yon  einem  Hund ,  und  die  drey  Göttinnen.  (Ry.  Sphinx 
zwischen  zwey  Löwen,  ein  Vogel  mit  ausgebreiteten  Schwingen, 
alle  sehr  gross). 

35.  36.  In  Mussignano  war  nach  dem  Bericht  des  Prof.  Fener- 
bach  im  BuUettino  t840  p.  t26  „das  Urlheil  des  Paris  in   der  äl- 


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Urtheil  des  Paris.  391 

testen  und  rohestcn  Weise**  zwejmal  so  eben  ausgegraben  worden. 
Möglich  dass  die  eine   dieser   Vasen  N.  29  oder  34  ist,   die  andre 

N.  44. 

37.  38.  39.  Ein  Beyspiel,  wie  die  Vasenmaler  die  Vorstellung 
auseinanderrissen  um  die'bejden  Seiten  einer  Amphora  zu  ver- 
zieren, giebt  eine  im  Besitz  der  Miss  Gordon,  woran  sie  in  diese 
bej^den  Gruppen  zerfällt:  a)  Hera  mit  Scepter,  Hermes,  Aphrodite 
mit  Blume,  b)  Hera  wiederholt,  Athene,  Paris  sitzend  mit  einem 
Stab.  Diess  fuhrt  Gerhard  an  zu  den  Vasenbildern  das  R.  Mus. 
zu  Berlin  S.  24  Not.  5.  Kr  erwähnt  zugleich  ein  Urtheil  oder  Zug 
in  archaischer  Zeichnung  bej  Hr.  Pizzati  in  Florenz,  dessen 
Sammlung  an  einen  Engländer  Blajds  gekommen  ist,  (Ry.  Bacchisch), 
und  eins  in  der  Versteigerung  des  Lord  Pembroke  (Ry.  Herakles 
mit  dem  Löwen). 

40.  Hydria  des  R.  Museums  in  Berlin,  im  Ratalog  des  Prinzen 
yon  Canino,  edirt  yon  0.  Jahn  Teiephos  Taf.  3.  4  S.  78  und  yon 
Gerhard  Vasenbilder  des  R.  Mus.  Taf.  14.  Paris  antwortend  dem 
Hermes,  indem  er  nach  den  Fingern  der  erhobenen  Rechten  ihm 
Einwendungen  vorträgt,  ganz  wie  N.  28,  nur  dass  er  dort  in  der 
andern  Hand  einen  Stab  hält.  Hermes,  der  dort  die  Linke  in  den 
Mantel  eingeschlagen  bat  und  nur  zuhört,  indess  er  auch  den  lan- 
gen Heroldstab  auf  der  Schulter  ruht,  wendet  nun,  wie  die  erho- 
bene offne  linke  Hand  zeigt,  fortwährend  seine  Beredsamkeit  an, 
wie  auch  die  drey  Göttinnen  thun,  und  eben  so  Iris,  welche  zur 
Verstärkung  des  Hermes  eingeschoben  ist.  Sie  hält  wie  er  das 
Rerykeion  in  der  Rechten:  Fiägel ,  wenn  sie  auch  sonst  üblich 
waren,  hätten  doch  hierher  sich  nicht  geschickt.  Von  den  Göt- 
tinnen steht  hier  Athene,  in  yoller  Rüstung,  yoran ,  Hera,  mit 
Stab,  und  Aphrodite,  ohne  Stab  oder  irgend  etwas  in  der  Hand 
folgen.  (Darunter  lauft  in  yier  kleinen  Figuren  der  Löwenkampf 
des  Herakles,  eingerichtet  nach  dem  Raum,  und  am  Hals  ist 
Achilles  ein  Weib  yerfolgend). 

4t.  Eine  ähnliche  Hydria,  Iris  hinter  dem  Hermes,  sah  ich 
bey  H.  Baseggio  in  Rom  1841 ,  während  die  zu  Berlin  schon  im 
Jahr  1840  in  dem  zweyten  Nachtrag  des  Ratalogs  der  dortigen 
Vasen  N.  1640  yerzeichnet  ist. 

42.  Um  das  Herz  des  Paris  zu  stimmen,  wird  ferner  die  Mu- 
sik zu  Hülfe  genommen.  Hydria  aus  Vulci,  im  Besitz  des  Rey. 
Hamilton  Gray,  nach  einer  yor  mir  liegenden  Zeichnung,  auch  bey 
Gerhard  Auserl.  Vasenb.  Taf.  173.     In  einer  sehr   schätzbaren  alten 


392  Unheil  des  Paris. 

CompoBition,  von  welcher  nur  Paris  hier  fehlt,  so  wie  N«  27»  schaut 
Hermes   sich   Dach    einer   die   Laute  spielenden  Muse  um ,    woraus 
sich     ergicbt,    dass  or   sie    anfeuert   durch    ihr   Lied    mitzuwirken 
Auch  zu  Paris  und   Helena   in  Sparta    sehen    wir  Musen  hinzuge- 
zogen.    Gerhard  nimmt,    so  wie  Andere  vor  ihm  thaten,  die  Muse 
für  den   Paris,   obgleich  nicht  zu   begreifen  wäre  wie   Paris   mitten 
in  die  Reihe  des  (jöttinnen  käme  und  in  Gegenwart  dieses  fiesuchs 
sein   Lautenspiel    fortsotzte.      Alle   fünf  Figuren    stehen   still,    die 
Füssc    mehr   oder    weniger    geschlossen.     Athene   ist  auch  hier  in 
der  Mitte  der  drey  Göttinnen,  die  vordere  aber  scheint  hier  Aphro- 
dite  zu   sejn ;    denn    sie    hat    den  Polos   auf  dem  Haupte  wie  das 
alte  Aphrodilebild  des  Kanachos  in  Sikyon,   die  hintere  aber    hält 
als  Here,    ein  langes  Scepter.     Alle  drey  sprechen    mit 'erhobener 
Hand  für    ihre  Sache.      Aphrodite    ist    hier  voran,   weil  die  Laute 
der    Muse  auf  ihren  Sieg  deutet.      (Darüber  in    kleineren  Figuren 
Dionysos  umtanzt  von  drey  Satyrn  und  zwey  Nymphen). 

43.  Eine   zweyte  Vase  des  Grafen    £rbach    beschreibt  Grenzer 
zugleich  mit  der  N.   10  angeführten,  eine  Vase  von  besondrer  Roh- 
heit,  wie    er    sagt,    deren    Zeichnung  auch    Hirt   zu  den    ältesten 
zählt^).       „Hermes   wendet   sich   im    Gespräche   zu    der    zunächst 
hinter  ihm   gehenden    (vielmehr    stehenden)    Göttin   zurück.      Alle 
drey  sind   ganz  bekleidet.   Pallas    mit   dem    Helm    auf  dem    Haupt 
geht  in  der  Mitte,  vor  ihr  Hera,    hinter  ihr  Aphrodite,    beyde  je- 
doch  durch    kein  Attribut  kenntlich ;    jede    der    dreyen    aber    hält 
einen   starken  Stab  oder  was  es  ist  empor.      (£s  scheint  diess  nur 
den  erhobenen  linken  Arm  vorzustellen;    die  Gliedmassen    sind  in 
dieser  Sudeley   kaum   wiederzuerkennen).      Hinter  der  Venus  sitzt 
auf    einem    Klappstuhl    eine   Frau,    welche  die    Lyra    spielt.      Ein 
Laubgewinde  schlingt  sich  vom  Rücken  des    Hermes  zwischen  den 
Göttinnen  hindurch  bis    zu  den  Knieen    der  Leyerspielerin."      Die 
Muse  sitzt  hinter  der  Aphrodite,  welche  sie  anzugehn  scheint. 

44.  Hydria  aus  Vulci,  dem  H.  Baseggio  gehörig.  Bullett.  1843 
p.  62.  Hermes  sich  umwendend  gegen  Athene,  die  hier  vor  den 
beyden  andern  Göttinnen  steht;  nach  ihnen,  die  kein  Abieichen 
haben,  kommt  Dionysos,  hier  mit  einer  Weinrebe,  statt  des  Trink- 


3)  Gesch.  der  bild.  R.  S.  94.  Was  von  Greuzer,  welcher  Ab- 
bildungen beyder  Vasen  in  Händen  hat«  in  den  Wiener  Jahrbö— 
ehern  angegeben,  in  der  späteren  Schrift  ausgelassen  ist,  dass  Her- 
mes eine  Lyra  auf  dem  Rücken  trage,  scheint  ein  Irrthum  gewe^ 
sen  zu  seyn. 


SLMBtmaaiuusuum 


»  ■ 


Urtheii  des  Paris.  393 

horns  N.  17.  Paris,  gegenüber  stehend,  erhebt  die  Rechte  (wie  N. 
40) ;  er  hat  langen  Bart  und  den  Hinterkopf  zum  Theil  mit  dem 
Mantel  bedeckt.  (Darüber  zwischen  zwey  Augen  Dionysos  auf 
einem  Polster  gelagert,  dem  ein  Satyr  aus  einem  Schlauch  Wein 
in  den  Kantharos  giesst,  ein  Satyr  auf  der  andern  Seite). 

45.  Amphora  in  München  (123),  Gerhards  Auserl.'Vasenb.  Taf. 
170  ßullett.  1829  p.  84  n.  16.  Rapporto  Volc.  p.  124  n.  57.  Den  Zeus 
selbst  als  Theilnehmer  der  Gesandtschaft  sehen  wir  auf  mehreren 
Vasen  (N.  12—16),  wovon  ich  bedaure  keine  Abbildungen  zu  ha* 
ben;  denn  es  ist  leicht  möglich,  dass  bey  einer  oder  der  andern 
Paris  gegenwärtig  zu  denken,  die  Anrede  yorgestcllt  ist.  Diess 
ist  wenigstens  der  Fall  an  dieser  sehr  merkwürdigen  Amphora  der 
Candelorischen  Sammlung.  Die  Vorstellung  zieht  sich  unter  dem 
[Jals  über  den  oberen  Tbeil  der  Amphora  rings  herum,  Zeus  selbst 
mit  dem  Kerykeiou  voran  ist  im  Gespräch  mit  dem  Paris,  beide 
demonstriren  mit  der  rechten  Hand;  Hermes,  welcher  auf  ihn 
folgt,  hat  einen  völlig  gleichen  Heroldslab  und  wendet  sich  nach 
der  Hera  um,  die  den  grossen  Peplos  ihrer  alten  Tempelbilder 
ausspannt  und  spricht  ihr  zu.  Athene  hat  die  Lanze,  Aphrodite 
mit  einer  Tänia  in  der  Hand,  hier  die  Livbeslänia^),  ist  die  letzte. 
Hinter  dem  Paris  sind  drey  Ochsen,  abgewandt  von  dem  Zuge, 
wovor  sie  scheu  geworden  sind,  auf  dem  hintersten  ein  Rabe  der 
nach  dem  Paris  pickt  ^)  und  bei  den  vordersten  ein  Hund.  Die 
Zeichnung,  die  zuerst  für  Etruskisch-  Aegyptischen  Styl  eine  gute 
Probe  abzugeben  schien,  ist  ein  Spott  auf  die  Art  und  vielleicht 
auf  die  langweilend  häufige  Wiederholung  dieser  Darstellungen  und 
vortrefflich  als  durchgängige  Parodie,  mit  Ausschluss  der  Thiere, 
wiewohl  das  Lächerliche  in  den  Figuren,  ihrer  Bewegung,  der 
Tracht  und  der  Farben  selbst  sich  nicht  als  Caricatur  auf  den 
Styl,  worin  die  bisher  verzeichneten  Vorstellungen  (mit  Ausnahme 
von  .N.  2)  mehr  oder  weniger  übereinstimmen ,  unmittelbar  bezieht, 
so  dass  z.  B.  Hermes  sowohl  als  Paris  hier  unbärtig  sind.  Auch 
in  der  Verzierung  des  untern  Theils  der  Vase  und  des  Halses  auf 
gelbem  Grund  ist  eine  bäuOg  vorkommende  alte  Art  nachgeahmt. 
Dieses  nicht  zu  verkennende  Spottbild  dient  bey  manchen  Vor- 
stellungen, wozu  uns  die  bezüglichen  Vorbilder  nicht  vorliegen,  zur 
willkommenen    Bestätigung   wenn   man  vermuthen  müsste,  dass  die 


4)  Annali  d.  I.  4,  380  s. 

5)  vgl.  Berl.  Vasen  N.  1990. 


394  Unheil  des  Paris. 

wunderliche  Missgestalt  der  Figuren  in   einem  Shnlichea   Matbwil«- 
len  ihren  Grund  habe  ^). 

45*)  Amphora  in  Kopenhagen  im  Mus^e  Thorwaldsen  I  p.  61 
n.  49.  Paris  bärtig,  im  Mantel,  mit  langem  Stab,  einen  Hirten- 
hund Tor  sich,  empfangt  stehend  den  Hermes,  der  den  Caduceoa 
in  der  Hand,  ihm  die  drei  Göttinnen  Torstellt.  Von  diesen  ist  nur 
Athene,  in  der  Mitte,  durch  Aegis,  Helm  und  Lanze  bezeichnet, 
die  andern  nicht,  welche  die  öbliche  Tracht  haben,  einen  langen 
eingefassten  Chiton,  mit  einen  Himation  darüber.  Alle  drej  erbe— 
ben  die  rechte  Hand  mit  einer  bedeutsamen  Miene.  (Rr«  Abschied 
Ton  Kriegern).    Sehr  geflickt. 

Yascn  mit   rotken   Fig^uren. 

46.  Weite  Hjdria,  ehmals  dem  Prinzen  Ton  Ganino  gehörig, 
im  Britischen  Museum  (787),  de  Witte  Gab.  d'Antiqn.  trour.  en 
Etrurie  n.  130.  Gerhard  Auserl.  Vasenb.  Taf.  174.  Den  jugendlich 
kecken  Paris,  der  wie  überrascht  zum  Fortlaufen  aufgelegt  zu  seyn 
scheint,  packt  Hermes  straff  an  der  Schulter;  Hera  mit  Scepter  ist 
die  Tordere  Göttin,  mit  einer  Art  Tburmkrone  auf  dem  Kopf,  die 
hinterste  Aphrodite,  die  eine  Blume  hält  als  ob  sie  sie  dem  Paria 
zeigte.  (Ry.  Poseidon,  Iris,  Dionysos). 

47.  Kylix  yoo  dem  Maler  Hieron.  Mus.  £tr.  du  Pr.  de  Ganino 
n.  2062.  Reserve  Etr.  n.  15.  de  Witte  Gab.  Etr.  n.  129.  Neuer- 
worbene Denkm.  des  k.  Mus.  zu  Berlin  N.  1766.  E.  Braun  im 
Bullett.  1849.  p.  126.  Gerhard  Trinksch.  u.  Gef.  11.  12.  Paria, 
mit  Rilbar  und  Plektron,  sitzt  auf  einem  Felsen,  fünf  Böcke  and 
Ziegen  umher,  Hermes  reicht  ihm  eine  Blume,  dergleichen  aoch 
alle  drey  Göttinnen  halten  (wie  N.  26  einen  Zweig),  Athenfia  su* 
nächst,  mit  Helm  und  Lanze,  Hera  mit  langem  Stab,  Aphrodite 
Ton  Tier  Eroten  umgaukelt.  Die  Namen  sind  beygeschrieben. 
(Gegenüber  Alexandres,  Helena  am  Arm  fortführend,  Menelaos, 
Timandra,  Euopis,  Ikarios,  Tyndaros). 

48.  Einhenkliges  Gefäss  aus  der  Sammlung  des  Prinzen  Ton 
Ganino,  nach  einer  mir  Torliegenden  Zeichnung.  [Taf.  A,  1].  Pa- 
ris mit  Laute   und  hohem   Stab,  sitzt  auf   einem  Felsen,    Hermes 


6)  Z.  B.  Dubois  MaisonneuTe  pl.  60.  Die  hier  erkannte  Gari— 
catur  auf  Paris  erkennen  auch  Panofka  Berl.  Acad.  1851  Taf.  \i 
6,  7<  S.  1 1  ff  und  O.  Jahn  in  der  Einleitung  zum  Münchner  Va« 
senkatalog  S.  GL  Not-  1064,  und  zwar  als  das  schlagendste  Beispiel 
der  Parodie  in  Vasenbildern. 


MÜ* 


Urtheil  des  Paris.  395 

spricht  zu  ihm,  zugleich  rückwärts  sich  umschaueod ,  Hera  den 
Poplos  auf  den  Kopf  gezogen,  mit  Scepter  in  der  einen  Hand 
einen  Vogel  haltend  auf  der  andern ,  der  für  den  Pfau  zu  nehmen 
seyn  wird,  da  er  dem  Kukuk  noch  weniger  ähnlich  ist  als  ei- 
nem Pfau  und  einer  yon  diesen  bejden  doch  wohl  gemejnt  seyn 
muss;  Athene,  ohne  Helm,  Aegis  noch  Lanze,  dafür  in  der  Lin* 
ken  die  Eule  emporbaltend ;  Aphrodite ,  einen  Zweig  dem  Paris 
bietend,  während  EroR  ihr  einen  Kranz  reieht.  Athene  hält  mit 
der  Rechten  etwas  an  sich,  das  wie  ein  Apfel  aussieht.  Da  aber 
dieser  eher  der  Aphrodite  zukommt,  die  ihn  wirklich  in  der  Gold- 
elfenbeinstatue des  Kanachos  hielt,  so  ist  höchst  wahrscheinlich 
eine  kleine  Olpe  als  Zeichen  der  Palästra  zu  yerstehn,  die  auch 
Sophokles  im  Parisurtheil  der  Athene  gegeben  hatte.  Bey  Kalli- 
machos  (Lav.  Pall.  25)  salbt  Athene  sich  gymnastisch  mit  dem 
einfachen  Oel,  Aphrodite  mit  gemischten,  mit  Wohlgernchen  an- 
gesetzten Salben.  Dieselbe  Form  der  Olpe  kommt  an  einer  sehr 
schönen  altgricchischen  Grabstele  im  Museum  zu  Neapel  Tor,  aus 
der  Sammlung  Borgia ,  un  rasetlo  di  forma  quasi  d*un  melogra- 
nato,  wie  Zoega  sie  beschrieb^),  eine  olearia  ampulla,  lenticulari 
forma,  tereti  ambitu,  pressula  rotunditate,  nach  Appulejus. 

49.  Kleine  Amphora  der  Sammlung  Blacas  in  Gerhards  Ant. 
Bildw.  1,  32,  erklärt  Ton  R.  RochetteMon.  in^d.  p.  262—64.  [Taf. 
A,  2].  Paris  sitzt  am  Abhang  eines  Bergs,  an  welchem  zwey  Wid- 
der und  ein  junges  Reh  stehn  und  liegen  und  seine  Kithar  ange- 
lehnt ist,  mit  einem  Kranz  ron  Laub,  und  zieht  seinen  Mantel 
Tor^  dem  Gesicht  herauf  wie  geblendet  yon  dem  Glänze  der  Göt- 
tinnen. Euripides  nennt  sie  alyXdipja  adfjLccra  (Androm.  284)  und 
Isokrates  sagt,  dass  Paris  nicht  yermochte  die  Leiber  der  Göttin- 
nen zu  beurtheilen,  sondern  überwältigt  wurde  Ton  ihrem  Anblick 
und  genöthigt,  Richter  ihrer  Gaben  zu  werden  oder  unter  diesen 
zu  wählen  (Encom.  Hei.  p.  240  Bekk).  Hieraus  ergiebt  sich  der 
bestimmte  Sinn  mehrerer  Darstellungen,  worin  Paris  offenbar  die 
Gaben,  nicht  die  Göttinnen  richtet,  indem  diese  Gaben  heryorge- 
hoben  werden.     Vor  dem  Paris  steht  Here,   mit  Stab  und  Granat- 


7)  Mus.  Borbon.  14,  10.  In  R.  Rochettes  Mon.  in^d.  pl.  63 
ist  die  Stele  mit  einer  Oscischen  Inschrift  rersehen ,  die ,  wie  ich 
mich  selbst  überzeugt  habe,  nicht  dazu  gehört.  Der  abgebildete 
Verstorbene  hatte  vermuthlich  an  den  Olympischen  oder  andern 
grossen  Spielen  Theil  genommen,  wie  Aegeus  bey  Theokrit,  und 
ist  ähnlich  abgebildet  wie  Aristion  an  der  weit  älteren  Attischen 
Stele  in  Athen  Ton  dem  Bildhauer  Aristokles. 


396  Urtheil  des  Paris. 

apfel,  Athene  häU  den  Helm  in  der  Hand,  Aphrodite,  die  hier, 
statt  der  Here,  den  Peplos  ober  das  Hinterh?iupt  heraufgezogen 
hat,  hält  den  kleinen  Eros  auf  ihrer  rechten  Hand,  der  ihr  das 
Haar  auf  der  Stirn  in  gefällige  Ordnung  bringt.  Hier  sind  demnach 
nicht  die  Gaben  ausgedrückt,  sondern  nur  der  eigenthuonliche 
Vorzug  einer  jeden  vor  dem  Paris  geltend  gemacht.  Sie  kommen 
ungewöhnlich  von  der  rechten  Seite  nach  der  Linken.  Auf  der 
Rückseite  eilt  Flermes  mit  grossen  Schritten  davon,  sein  Auftrag 
ist  glücklich  vollbracht.  Bey  ihm  ist  geschrieben  KA.'äOlg]  TIMA' 
XSENOS,  so  wie  XAPM[i^]E2  KAA[o\2  und  mehrmals  KAAtE  auf 
der  andern  Seite. 

50.  Aus  der  Sammlung  Pizzati  in  Florenz,  edirt  von  Roulei 
Bull,  de  TAcad.  de  Bruxelles  T.  7.  n.  7  und  von  Gerhard  Auserl. 
Vasenb.  Taf.  176,  [hier  Taf.  A  3],  aufgeführt  im  Katalog  des 
Pr.  von  Canino  n.  713  und  in  der  Auswahl  seiner  Vasen  Archaeo- 
logia  Lond.  1830  Vol.  '23  n.  79.  Dieselbe  Composition  als  die 
vorige  nur  mit  kleinen  Vrrschiedenheiteni  Der  sitzende  Paris  ist 
ohne  Ziegen  und  Laute  und  hat  keinen  Hut  auf;  Here  hält  den 
Granatapfel  mit  der  Rechten  ihm  vor,  den  sie  dort  in  der  Linken 
hat;  der  Scepter  hat  zum  Kopf,  'wie  auf  der  andern  Vase,  eine 
Grauatblüthe,  ist  nur  anders  gefasst.  Athene  hat  den  Helm  auf, 
schaut  sich  aber  gleichfalls  nach  der  Aphrodite  um,  die  hier  im 
anmuthigsten  Gewand,  das  Haar  nur  mit  einem  Band  umgeben, 
einen  Mjrtenzweig  in  der  Hand  hält.  Der  enteilende  Hermes  ist 
weggelassen  um  dafür  auf  der  Rückseite  eine  Dionysische  Scene 
anzubringen.  (Dionysos  und  Ariadne,  ein  Altar,  eine  Bacchantin, 
die  dem  Dionysos  die  Diota  füllt,  eine  Flötenspielerin).  Der  Gra- 
natapfel wird  nicht  dem  Paris  angeboten  wie  es  aus  dieser  zwey- 
ten  Vorstellung  scheinen  könnte;  sondern  er  dient  zum  Kennzei- 
chen der  Here,  auf  deren  Scepter  er  in  der  Statue  des  Polyklet 
angebracht  war,  er  drückt  aus,  wessen  Here  vor  dem  Paris  sich 
rühmen  konnte,  um  den  Vorzug  zugesprochen  zu  erhalten,  und 
das  Bett  des  höchsten  Zeus  sprach  denn  wohl  auch  für  Reize,  das 
alte  Herabild  von  Pythodoros  hielt  Sirenen  auf-  der  Hand,  und 
gewiss  für  hohe  Würde.  *Diess  meynt  auch  Euripides  in  dem 
eben  angeführten  Chorlied: 

ä  iJLkv  inl  nod-at  TQV(piSaa  Köngig, 

tt  dt  dogt  üttXXag ,  "Hga  T€  Jtog  avaxrog 

evpalfft  ßafftXict,  xgiatv  Irr»  x.  r.  Jl.  ^) 

8)  Wieseler  in  den  Göttingischen  Anzeigen  1843  8.1105—1114  . 


^fittii^Mi 


Urtbeil  des  Paris. 


397 


51.  Einhenkliges  Gefäss  aas  Calabrien  im  ßesitz  des  Baron 
Gros  zu  Paris,  Gerhard  Uned.  Bildw.  1,  25.  R.  Röchelte  Mon. 
in^d.  pl.  49,  2  [und  nach  einer  dritten  Zeichnung.  Taf.  B,  1]  Pa» 
ris  sitzt,  einen  Hirtenstab  hallend  und  seinen  Hund  neben  sich, 
aber  in  dem  schmucken  Phrjgischen  Anzug,  worin  er  bey  Euri- 
pidcs  erscheint.  Auch  die  Göttinnen  sind  mit  gestickten  Gewän- 
dern geputzt.  Zunächst  vor  dem  Paris  giebt  sich  die  Liebesgöttin 
kund  durch  die  Taube,  die  sie  mit  der  Linken  ihm  Torhält,  und 
durch  den  Ijnx ,  die  sie  in  ihrer  rechten  Hand  hat.  Athene  be-- 
helmt,  hält  Speer  und  Schild,  Here  ,  welche  sitzeud  ist,  hat  den 
Scepter  und  in  der  Rechten  ein  grosses  Oval  ,  das  seine  Erklä- 
rung noch  erwartet.  Einer  Palera  gleicht  es  nicht,  die  auch  hier 
bedeutungslos  wäre,  und  ein  Spiegel  ists  auch  nicht,  der  Griff 
fehlt  (der  N.  61,  wie  immer,  dem  Spiegel  anhaftet  ,  es  ist  zu  gross 
und  scheint  einige  Tiefe  zu  haben;  an  dem  umgebenden  Rand  ist 
es  nach  der  Zeichnung  der  Mon.  in^dit.  rund  ausgezackt;  auch  ist 
diess  nicht  der  Moment,  wo  die  Göttinnen  sich  zum  Urlheil  vor^ 
bereiten  und  schmücken  wie  N.  68,  sondern  der,  wie  es  scheint, 
worin  sie  ihre  Geschenke  verheissen.  Aphrodite  reicht  die  Taube 
hin^),    bietet  also  die    Helena  an,    die  yon  Lykophron  (87)   Taube 

glaubt,  weil  der  Apfel  Symbol  der  Ehe  überhaupt  (was  ich  nicht 
wüsstej  und  besonders  der  Ehe  des  Zeus  und  der  Here  sey,  wel- 
cher die  Erde  zu  ihrer  Hochzeit  g<)ldne  Aepfel  schenkte,  so  weise 
sie  hiermit  nach,  dass  sie  dem  Paris  königliche  Herrschaft  zu 
Terleihen  im  Stande  sey.  Eine  Gattin,  nicht  Herrschaft  würde 
folgen  und  keines  von  beyden  würde  der  Granatapfel  bedeuten, 
da  Here  fr ey lieh  nicht  Siegerin  seyn  kann,  die  Figur  auch  den 
Apfel  nicht  empfängt,  sondern  yorz'-igt.  Es  ist  überhaupt  eine 
irrige  Annahme,  dass  in  diesem  Bilde  die  Vesprechungen  ausge- 
drückt seyen.  Roulez  hatte  den  Apfel  für  den  welchen  Paris  aus- 
theilt  und  danach  die  Here  für  die  Siegerin  genommen ,  diT  frü-* 
beste  Krklärer  an  den  Apfel  der  Proserpina  gedacht  und  den  Paris 
in  den  Orpheus  verwandelt,  in  Gerhards  Studien  I  S.  156.  Miner- 
vini  macht  sich  mit  dem  vermeyntlichen  Parisapfcl  in  der  Hand 
der  Here  zu  schaffen  Bullett.  Napol.  1845  p.  142,  noch  viel  mehr 
Walz  in  der  Ztschr,  f    Alterthümwissenschaft  1*^4.5,  44.5  f. 

9,  R.  Ruchette  p.  264  s.  nennt  die  Taube,  deren  (iestalt 
treu  der  Natur  nachgebildet  ist,  einen  symbolischen  Vogel  und 
nimmt  die  lynx  in  der  rechten  Hand  der  Göttin  für  die  Taube. 
Die  Taube  der  Aphrodite  ist  auch  N.  10  und  21  zu  bemerken,  so 
wie  an  dem  grosseu  Borghesischen  Candelaberfuss  und  auf  einer 
Münze  von  Eryx.  Auf  einem  Etrurischen  8piej<el  derselben  Mon. 
ined.  pl.  76,  3  p.  264  sitzt  sie  auf  dem  Stuhl  der  Venus,  die  den 
Amor  auf  dem  Schoose  hält.  Die  lycx  erkanule  schon  Greuzer 
Zur  tiailerie  der  alten  Dramatiker  S.  26. 


398  Urtheil  des  Paris. 

selbst  genannt  wird;  und  Athene  hält,  wenn  Gerhards  Zeitchnang 
darin  die  richtigere  ist,  auf  ihren  Schild  einen  Kram,  wonach  sie 
den  Sieg  in  Schlachten  versprechen  würde  Was  kann  das  Rand 
seyn,  wodurch  die  von  der  Here  versprochne  Herrschaft  über 
Asien  symbolisch  ausgedrückt  würde ^°]?  Eigen  ist  auch,  dass  die 
Taube  der  Aphrodite  auf  einem  runden  Untersatze  steht. 

52.  An  einer  Nolanischen  Trinkschale,  jetzt  in  Berlin,  n. 
1029,  in  Gerhards  Anl.  ßildw.  1,  33—35  [Taf.  ß  2]  ist  dem  Paris 
nicht  das  Phrygische  Gostüm  gegeben ,  sondern  er  hat  blossen 
Kopf  und  um  den  nackten  Leib  nur  eine  Ghlamys  geschlagen,  h&lt 
einen  langen  Stab  und  die  Kithar.  Die  Göttinnen  kommen  hier, 
wie  nach  der  Ilias  (24,  29)  ins  Gehöfte  (lusaaavXoy)  oder  nach  dem 
angeführten  Ghoriied  der  Andromache  ara^fAovg  Int  ßovra  —  igijfdSy 
•i  iat&ovxoy  avXdv ,  und  diese  Wohnung  ist  nach  dem  zierlichen 
Charakter  der  ganzen  Zeichnung  stattlich  durch  ein  SäulenportaK 
angedeutet:  damit  stimmt  es  überein,  dass  Paris,  wie  im  alten 
Styl,  den  Stab  hält.  £inmal  ist  auch  ein  apfelreicher  Baum  ge- 
malt, unter  welchem  Paris  spricht,  wie  N.  63.  65.  Nach  dem 
Hermes  folgt  zunächst  Aphrodite,  den  Eros  auf  der  einen  Hand, 
der  dem  Paris  eine  Tänia  hinreicht  und  einen  Kranz  in  der  andern 
hat,  Athene  mit  Aegis  uud  Lanze  ,  Hera  mit  Stephane  und  Scep- 
ter.  Hier  ist  ausgedrückt,  dass  die  Göttinnen  nicht  bloss  rühmen, 
was  sie  seyen,  sondern  dem  Hirten  verheissen  wie  es  Euripides  in 
den  Troerinnen  (918)  angiebt,  Athene  die  Anführung  der  Phrjrger 
um  Hellas  anzugreifen  oder  Sieg  und  Ruhm  überhaupt ,  Hera  die 
Herrschaft  über  Asien  und  die  Grenzen  Ton  Europa,  Kypris  die 
Helena  ,  womit  alle  andern  Erzähler  übereinstimmen  ^^).  Denn 
alle  drey  Göttinnen  reichen  hier  offenbar  dem  Paris  bin,  Aphro- 
dite den  Eros,  Athene  den  Helm,  sehr  verschieden  davon  dass  sie 
,  ihn  sonst  zuweilen  in  der  Hand  trägt,  und  Here  einen  Löwen. 
Charakteristich  ist  es,  dass  Aphrodite  sich  verschämt  umwendet 
und  unter  sich  sieht  indem  sie  von  Liebesgenuss  spricht  und  um 
so  feiner,   da   sie  so  frauenhaft  gekleidet  ist,   den  Peplos  eben  so 


10)  Hr.  de  Witte,  der  hierauf  die  Vase  selbst  ansah,  erklSrt 
das  Rund  für  eine  Pbiale  in  den  Annalcn  des  Institut.  17,  S.  166. 
In  N.  115  hält  Paris  das  Oval. 

11)  Isoer.  Encom.  Hei.  p.  240  Bckk.  Die  Chr.  20  p.  266.  Ovid. 
Her.  t6,  79—86.  17,  ll7.  135.  Hyg.  92.  Mythogr.  Vat.  I.  208. 
Lucian.  D.  D.  10,  11  ff.  Appuloj*  Metam.  10  p.  250  Bipoot. 
Coluth.  136—163.  Anthol.  Lat.  1,  147. 


•»*-    —  -     ,  •,-•    •         ■    "-.ri»,..,  -  :i  _^.,^^.^^*^^       II«    ■).        qJgW*« 


Unheil  des  Paris.  399 

wie  Here  auf  den  Kopf  hinnaufgezogen  hat  Statt  des  Eros  bietet 
Aphrodite  N.  51  eine  Taabe  and  N.  62,  wie  es  scheint,  den 
Hochzeitskuchen:  auch  möchte  von  yier  Eroten  N.  47  der  eine 
Hjmcnäus  seyn  mit  derselben  Bedeutung  ab  dieser.  Athene  hat 
als  Zeichen  des  Siegs,  den  sie  gewährt,  eine  Palme  N.  65  wie 
Victoria  N.  61.  80.  und  reicht  dem  Paris  in  dem  Wandgemälde» 
bcj  Winckelmann  Mon.  ined.  113  eine  Tänia  des  Siegs.  Der 
König  der  Thiere  auf  der  Hand  der  Here,  der  sie  nach  derselben 
Bedeutung  N.  22  begleitet,  deutet  verständlich  genug  Gewalt, 
Herrschaft,  Königthum  an,  wesshalb  auch  am  Thron  dos  Zeus  und 
so  an  dem  des  Agamemnon  diess  Symbol  zur  Verzierung  gebraucht 
wird^^)  und  über  Agamemnons  Thor  in  Mykenä  zwej  Löwen  Wache 
halten ^^).  (Auf  der  andern  Seite  der  Schale  die  Ankunft  des  Paris 
in  Sparta,  inwendig  ein  Abschied). 

53.  Amphora  des  Prinzen  Ton  Ganino  n.  730,  Gerhard  Rapp. 
Volcento  not.  405. 

54.  Dubois  Maisonneuve  pl.  130,  was  ich  angeführt  finde  in 
der  Zeitschr.  für  Alterthumswiss.  1839  S.  288  ^-'^j. 

55.  Becher  in  den  Annali  d.  I,  T.  5  tar.  E,  aus  Vulci 
nach  p.  345.  Neuerworbene  Denkm.  des  k.  Mus.  zu  Berlin  n. 
1851.  Paris  als  Jäger  mit  Spiessen  und  Hund  sitzt  neben  einem 
entlaubten  Baume,  wie  an  einen  solchen  Hermes  sich  stützt  N.  68 
und  hört  neugierig  keck  dem  Hermes  zu ,  der  nur  ein  Stäbchen 
ohne  die  Schlange  daran  in  der  Rechten  hält  und  ohne  Flügel  an 
Hut  und  Füssen  ist,  der  Hut  hängt  auf  der  Schulter.  Here  mit 
Scepter,  Athene  behelmt,  mit  Aegis  und  Lanze,  welche  Lanze 
unten  den  Eisenbeschlag  oögia/og  hat,  Aphrodite  mit  Stephane 
und  einem  Scepter,  mit  der  Granatblüthe  oder  Lilie  darauf.  Zwi- 
schen ihr  und  Athene  steht  Eros,  hier  in  gleich  grosser  Figur. 
Die  Figuren  bewegen  sich  nach  der  Linken,  sind  weit  von  einan- 
der getrennt,  etwas  plump  und  dürftig  im  Ausdruck. 


12)  Gerhard  Auserl.  Vasenb.  Taf.  1.  de  Witte  Gab.  Etr.  n. 
138.  139.  Athene  hat  auf  dem  Schild  einen  Löwen  bej  Gerhard 
a.  a.  0.  Taf.  18  und  Phobos  am  Kasten  des  Kypselos  hatte  einen 
Löwenkopf,  Pausan.  5,  19,  1. 

13)  „Les  monumens  de  Khorsabad  olTrent  aujourd'hui  un  rap- 
prochement  inattendu  et  des  plus  curieux  a?ec  les  lions  de  la  porte 
de  Al^cenes,  rapprochement  toulefois  pr^parö  par  ce  que  dit 
Herodote  1 ,  84  du  lion  promenö  autour  des  murs  de  Sardes  pour 
les  pröseryer.  F.  Rel.  de  TAnntiqu  T.  2  p.  1.  p.  187.*'  Zusatz  tou 
Guigniaut  p.  168  (37)  der  Uebers. 

14)  de  Witte  in  den  Annal.  des  Instil.  17,  168  Not.  2. 


400  Urlheii  des  Paris. 

56.  ist  Paris  yon  Aphrodite   zur  Reiso  getrieben. 

57.  Sehr  eigcDthiimlich  hi  die  Vorstellung  von  dem  flals  ei- 
ner längiichton  Amphora  aus  Vulci,  3  Palm  8  Zoll  hoch-,  8  Zoll 
im  Durchmesser,  wovon  die  Zeichnung  vor  mir  liegt,  1843  be^ 
Hr.  Baseggio.  Vier  Figuren  von  grosser  Anmuth  ;  Stellung  und 
Hallung  der  Göttinnen  voll  natürlicher  Würde ,  ihre  Gewänder 
faltenreich,  höchst  goschmackyoll;  Paris,  dicht  neben  ihnen  ste- 
hend, ist  mit  einem  Marjtel  angethan,  der  nur  die  Brust  und  den 
Arm,  worin  er  den  hohen  Stab  hält,  bloss  lässt,  und  hat  weder 
auf  dem  Kopf  noch  sonst  irgend  eins  seiner  gewöhnlichen  Zeichen. 
Diese  fehlen  eben  so  den  Göttinnen  gänzlich,  selbst  der  Athene. 
Die  zunächst  dem  Paris  wendet  sich  nach  den  bejdcn  andern  um 
und  hält  in  der  Linken  einen  Apfel,  in  der  Rechten  eine  Blume: 
sie  hat  das  Haar  in  eine  hohe  spitze  Haube  aufgesteckt  (tutulus), 
wie  in  der  Caricatur  N.  45  :  diess  müsste  denn  Aphrodite  sejn» 
die  den  Apfel  eben  erhallen  hat  (wie  N.  97.  97)  und  die  so  ruhig 
als  der  edle  Charakter  des  Ganzen  ist  sich  zu  den  Besiegten 
freundlich  umwendete.  Oder  ists  Hero  mit  dem  Granatapfel ,  so 
dass  die  Göttinnen  noch  unter  sich  sprechend  dem  Urtheil  entge- 
gensehn? Die  beiden  Andern  haben  eine  Stephane  auf  und  die 
mittlere  hält  in  der  Rechten  einen  Kranz  an  sich,  wie  Athene  N. 
51.  Die  hinterste  erhebt  die  Rechte  sprechend.  Eine  eigene  Stille, 
Würde  und  Anmuth  ruhen  auf  dieser  Darstellung. 

Eint-  neue  Klasse  bilden  diejenigen  Compositionen^ 
welche  die  einfache  gerade  Reihefolge  der  Figuren,  nach- 
dem sie  Jahrhunderte  lang  sich  behauptet  hatte,  aufgeben, 
wodurch  mit  einem  Male  der  Manii) faltigkeit  und  Neuheit 
des  Bildes  im  Ganzen  der  Erscheinung,  so  wie  auch  im 
Charakter  der  Personen  ein  ungleich  freyerer  Spielraum 
eröffnet  wurde.  Mit  dieser  Freyheit  war  zugleich  auch 
die  Aufforderung  auch  neue  Personen  hinzuzufügen  gege- 
ben.    An  die  Spitze  stellen  wisr 

58.  die  herrliehe  bey  ponte  delT  Abbadia  gefundno  grosse 
Ilydria ,  die  an  Schönheit  der  Ausführung  alle  andern  übertrifft 
und  mit  ihrem  Seilenstück,  der  KadmosTdse,  jetzt  im  Berliner 
K.Museum  ist.  Bullett.  1840  p.  51.  Gerhard  Neuerworbene  Denkm. 
des  k.  Mus.  zu  Berlin  n.  1750(auch  in  der  Archäol.  Zeit.  II  S« 
261),  Apulische  Vasenb.  Taf.  C  S.  31.  Abbildungen  beider  Va- 
sen,   ihrer  Schönheit  angemessen   sind  zu  besonderer  Herausgabe 


I 
EBJ 


Urtbeil  des  Paris^.  401 

Bind  zu  besondrer  Herausgabe  in  Rom  seit  mehreren  Jahren  be- 
reit. Hier  sitzt  Paria  als  Hauptperson,  wie  in  mehreren  der  fol- 
genden im  Uebrigen  unter  sich  gänzlich  Terschiednen  Gomposi- 
tionen,  und  ihm  gegenüber  sitzen  auf  oder  an  Klippen  des  Befgs 
Aphrodita  und  Hera,  während  Hermas  und  Athena,  nach  den  Do- 
rischen Bejschriften ,  tiefer  stehn^  natürlich  auch  auf  den  Paris 
gerichtet.  Dieser,  in  reichem  Anzug,  mit  Jagdspiessen  versehn 
hält  in  der  Rechten  einen  Lorberkranz :  wofür  Andre  die  Nike, 
eingeführt  haben  (N.  61.  79.  80).  Es  ist  nerolich  der  Moment  zu 
erkennen,  wo  die  Göttinnen  ihre  Gaben  schildern,  wonach  Paris 
eben  den  Sieg  zusprechen  wird.  Aphrodite,  die  jüngste,  ist  an 
der  Reihe«  wie  sich  daraus  ergiebt,  dass  you  den  drej  ebenfalls 
namentlich  bezeichneten  Eroten  Eros,  Polhos  und  Himeros  der 
erste,  welchen  Hermes  zu  unterstützen  sich  die  Freiheit  nimmt,  an- 
gelegentlich zu  Paris  spricht,  der  andere  Ton  der  Aphrodite  Aufträge 
zu  fordern  scheint,  die  er  ausrichten  will,  während  Athene  und  Here 
sich  für  jetzt  ganz  ruhig  Terhalten.  Athene  namentlich  steht  in 
stiller  und  stolzer  Bescheidenheit  da  ;  ihr  Speer  ist  unten  beschlagen 
wie  N.  55.  oder  mit  dem  ovqiaxog  aavgtJir^Q  (Winckelmann  Mon. 
ined.  p.  XXXV,  Gerhard,  Jason  des  Drachen  Beute,  die  alte  Römische 
pila  mit  doppeltem  mucro  auf  der  Col  Traj.  u.  Münz.  R.  Fabretti 
de  col.^  Traj.  p.  180).  Hinter  den  Henkeln  schliessen  sich  an,  zu- 
nächst Zeus  und  der  Knabe  Ganjmedes,  dieser  mit  einem  Spiel- 
reifen  (rgoxoSf  xgixog)  und  dem  Stöckchen,  womit  er  getrieben 
wird ,  und  hinter  diesen  beyden  ApoUon  und  Artemis.  Der  Ganj- 
medes, welchen  so  wohl  E.  Braun  (Annali  d.  I.  13,  88)  als 
Gerhard  erkannte,  dicht  hinter  dem  Paris,  der  Symmetrie  nach 
aber  zu  Zeus  gehörig,  soll  daran  erinnern,  dass  an  derselben 
Stelle  der  Adler  einst  den  Ganjmedes  entführte,  was  auch  Lu- 
cian  herrorhebt,  wie  ich  oben  anführte ;  jedenfalls  soll  die  Aeho- 
lichkeit  bejder  Scenen  in  gewisser  Hinsicht  geltend  gemacht 
werden,  denn  Ganjmedes  ist  nicht  ein  gewöhnlicher  Begleiter  des 
Zeus;  dieser  Umstand  zeigt  also  deutlicher,  dass  der  Erfinder  die- 
ser  Gompositionen  den  Gegenstand  nur  von  der  erotischen,  nicht 
von  der  ernsthaften,  schicksalTolIen  Seite  auffasste.  Artemis  ist 
hier  nicht  bestimmt  das  Waldgebirg  zu  yergegenwärtigen  ,  wie  die 
geflügelte  Artemis  mit  einem  Pardel  in  der  Hand  am  Kasten  des 
Kjpselos  neben  den  wandernden  drej  Göttinnen.  In  ihrer  Ver- 
bindung mitApollon,  und  da  sie  überdem  die  Fackel  zu  dem  Bo- 
gen hält,  ist  sie  nur  eine  SteÜTertreterin  des  Oljmps,  der  an  den 
grossen  Ereignissen  der  Fürstenkinder  auf  Erden  Theil  nimmt  und 

V.  26 


402  Urtheil  des  Paris. 

zu  den  ohnehio  hier  anwesenden  Göttern    waren  Apollon  und  Ar- 
temis die  Yornehmsten,   die  dem  Zeus  beygesellt  werden  konnten. 
Als  Hochzeitsgötter  möchte   ich  sie  hier  nicht  betrachten,    wo  die 
Ehe  wenig  in  Betracht  kommt.      Die   drej  durch    die    Henkel  ron 
der   eigentlichen   Darstellung  abgesonderten    Götter  sind  hier  ganz 
so  zu  betrachten  wie  die ,  welche  häuGg  in  einer  oberen  Reihe  an 
den  Vasen  gebildet  sind,      lieber  die   rier    Thiere  ,   die   hinten   in 
einer  Reihe  zwischen  den  Figuren  vertheilt  sind ,  werden  die  JVley— 
nungen  yerschieden  scyn.    Das  Einfachste  scheint  mir,  den  Wid- 
der unter  dem  Paris  (wie   N.    62)   als  ein  Symbol  seiner   Heerden 
zu   nehmen;    (nach  dem   Gampanaschen    Stich   nicht   sichtbar)    den 
Delphin  mit  einem  ungcflügelten  Eros  darauf  der  Aphrodite  zuiu- 
theilen,    das  Reh  Tor   der  Athene   aus  Nachahmung  alterer  Bilder 
zu  erklären,  wo  es  diese  Göttin  begleitet,   wie  N.  4.  13,  und  den 
Pardel   hinter  ihr  und   unter  der  Here  als  Zeichen  des  Gebirgs  zu 
nehmen,  wofür  er  am  Kasten  desRypselos  gilt.     Die  Ida  ist  in  der 
llias    eine    Mutter   wilder    Thiere    {f^J^TiQ   S^tjQiSy)   wohl   yorzäglich 
Schakale  und  wenn  Aphrodite  das  Gebirg  durchschreitet,  so  erfällt 
sie  nach  dem  Homerischen  Hymnus  Löwen  und  Pardeln  mit  Lust, 
Offenbar  ist  die  Reihe  der   Thiere   weniger  der  Bedeutung  wegen 
als  zur   Verzierung   hinzugesetzt  und  für  sich  geordnet    (wesshalb 
es  nicht  auffällt,   dass   der   Widder   nicht    eine  andre   Stelle  ganz 
nah    dem   Paris    einnimmt],  symmetrisch   die   drei  Figuren    Paria, 
Aphrodite  und  Hera ,  die  drei  Eroten ,    die  drei  Thiere ,   zwischen 
denen  zwei  andere  Götterfiguren  eingereiht  sind.     Gerhard  bezieht 
den  Eros  auf  dem  Delphin  und  Reh,  Panther  und  Widder,  die  auf 
gleicher  Grundfläche   in    harmloser   Ruhe   gleichmässig  neben  ein- 
ander  gestellt   seyen,   zusammen  auf  die  Herrschaft   des   Eros  im 
Gewässer,  über  Gebirge,  Wald  und  Weide.    Allein  Eros,  Himeros 
und    Pothos   sind    nicht   bloss  Ton  den   Thieren  entfernt,    sondern, 
in  eine  bestimmte  andre  Beziehung  gestellt,    so   dass    man    an   sie 
bey  den  Thieren  nicht  denkt.    Am  Henkel  will  Emil  Braun   einen 
Pferdehuf  erkannt  haben  (Bullett.  1843  p.  62  "). 

15)  Nicht  das  Monument,  wie  Gerhard  sagt,  sondern  diese 
neueste  Erklärung  scheint  mir  ,,Zeugni6s  deutelnden  Kunstge- 
schmacks abzugeben.*'  Die  mit  Sternen  gestickten  Kleider,  als 
lauter  Sternengewänder  genommen,  verwandeln  in  ,. Lichtwesen'* 
den  Paris,  die  Helena,  die  in  unsrer  Nike  gesucht  wird;  dieKly- 
mene,  „eine  nächtliche  Nymphe,  Sternennacht  Klymene,  des  He- 
lios Zuflucht"  und  die  dieser  entsprechende  Oenone,  „ein  Bacchi- 
sches  Wesen,  von  olyog ,  vielleicht  als  der  leuchtenden  Helena 
schimmernde  Schwester  gemeynt  und  desswegen  auch  mit  einem 
vorzüglich  reichen  Sternengewand  bekleidet"  u.  s.  w. 


HUBÜmtM 


Ürthea  des  Paris.  403 

59.  Grosse  Hjdria  Ton  Rayo  mit  einem  grossen  Henkel  am 
Ilals  and  zwej  grossen  am  Baach,  jetzt  in  der  grossherz.  Samm- 
lung in  Carlsruh,  Ballett.  1836  p.  265,  edirt  von  £.  Braun  II  giu- 
dizio  di  Paride  1838  und  von  Fr.  Creuzer  Zur  Gallerie  der  alten 
Dramatiker  1839  Taf.  1,  in  seinen  Schriften  zur  Archäol.  Hl,  111 
ff.  wo  S.  118  ein  Zusatz,  Gerhard  Apul.  Vasenb.  Taf  D,  2  S.  32 
f.  37.  (Eine  untere  Reihe,  bej  Creuzer  Taf.  7,  stellt  den  Dio- 
nysos dar,  umgeben  von  Bacchischer  Musik,  Tänzen  und  Gäre- 
monien ,  yierzehn  weibliche  Figuren ,  dazu  Silen  als  Flölbläser  ^^). 
Sehr  Terschieden  ist  die  Zeichnung  Ton  der  yorhergehenden  Vase, 
weniger  zierlich,  vollkommen  und  ausdrucksvoll,  mehr  Fabrik- 
massig:  dagegen  giebt  die  eigenthümliche  Anlage  und  der  Reich- 
thum  der  Erfindung  dieser  Composition,  deren  Urheber  hoch  über 
diese  Nachbildung  zn  stellen  ist,  den  Vorzug  vor  allen  andern.  Die 
Namen  sind  allen  Figuren  beygeschrieben  ausser  dem  Eros  und 
Himeros  und  einer  andern  Figur,  die  sich  auch  errathen  lässt. 
Alexandros  sitzt  im  Mittelpunkte  des  Ganzen,  Athenaa  und  Hera 
stehn  zu  seiner  Rechten,  Hermes  und  Aphrodite  sind  zur  Linken, 
letztere  stehend.  Paris  ist  reich  gekleidet  und  mit  der  Tiara  oder 
Mitra  geschmückt,  doch  hält  er  in  der  Linken  einen  Hirtenstab, 
der  oben  künstlich  zugeschnitten  ist  (nicht  einen  Apfel  in  der 
Rechten ,  was  ein  Irrthum  der  ersten  Zeichnung  ist)  und  sein 
Hund  liegt  zu  seinen  Füssen.  Die  bejden  Eroten  sind  zwar  in 
Thätigkeit,  wie  es  sich  für  sie  schickt,  der  eine  mit  Paris  spre- 
chend, der  andre  mit  dem  Cestus  der  Aphrodite  spielend,  aber 
der  Sieg  ist  schon  ausgesprochen:  dieser  bestimmte  Moment  ist 
hier  dargestellt,  und  der  Gest  welchen  Paris  mit  der  rechten  Hand 
macht,  soll  eben  das  grosse  Wort  anzeigen  das  er  ausgesprochen 
hat^^).  Nike,  diess  ist  die  Figur  ohne  Inschrift,  lässt  aus  der  Höhe 
einen  Kranz  gerade  auf  das  Haupt  der  Aphrodite  herabfallen,  so 
wie  N.  97  ein  Genius  mit  dem  Kranz  über  ihr  schwebend  ihren 
Sieg  ausdrückt.     Nike  selbst  erscheint  auch  N.  61.79.  80  mit  ihren 


16)  Hall.  L.  Z.  Int.  Bl.  1837  N.  4. 

17)  Ganz  anders  deutet  Creuzer  S.  35  f.  39  f.  Geborde  und 
Handlung  des  Hermes,  der  Pallas,  des  Paris,  als  ich  sie  nach  dem 
gegebenen  Ausdruck  der  Figuren  auffassen  kann.  Diess  vornehm- 
lich daher,  dass  er  den  Moment,  in  welchem  das  Ganze  genom- 
men ist,  anders  gedacht  hat.  Der  verrufene  Apfel,  welchen  der 
erste  Zeichner  einschwärzt,  hat  sich  hier,  wo  die  Zeichnung  frey 
davon  ist,  in  die  Erklärung  eingeschlichen,  indem  Paris  so  eben 
den  Apfel  von  Mercur  empfangen  haben  soll.  Die  Vasenmaler 
wissen  überhaupt  nichts  von  ihm,  aaaaer  vieUeicht  der  Ton  Ni  67. 


404  Urtheil  des  Paris. 

gewöhnlichen  Flugein;  hier  ist  sie  flügellos,  Terrouthlich  weil  bej 
ihrer   fast    horizootaleD  Stellung   die   Flügel  nicht  malerisch    aus- 
fallen konnten,   die  übrigens  der  Nike   keineswegs  immer  gegeben 
werden  ^^).      Neben   ihr   lässt   Eutychiay   das   Glück ,    einen    Zweig 
herab,    der  bestimmt  ist  den    Paris  zu  umwinden;    denn  er  ist  der 
Glückliche    dem    die    Schönste   zu   Theil  werden  soll.      Dass  Nike 
und  Eutjchia  hier  einträchtig  zusammenwirken,  ist  allerliebst  aus- 
gedrückt durch  das    Auflehnen  der  einen  auf  die  Schulter  der  an- 
dern.     Hermes,    der   auf  der  Seite    der   Siegerin   nicht  blos  dem 
Raum,    sondern   auch    dem    Sinne  nach  ist,   senkt  seinen  Stab  als 
ob  das  Geschäft  nun  Tollbracht  sej.      Hinter  diesen    Glucklichen 
aber  steigt   Helios  am   Himmel  aufwärts,    dessen  Erscheinung  im 
Gemälde  den  Zweck  hat   anzudeuten ,   dass  es  ein  grosser  Tag  sej 
den  er  heute  heraufgeführt  hat,  oder  auch  dass  der  frohe  Siegea- 
gcnuss  durch  den  Glanz  des  sonnigen  Tags  sich  yerherrlicht  zeige, 
wie    Freudigkeit    und    helles    Licht    gar    wohl    zusammenstimmen. 
Denn    dass   in   einer   solchen    Composition    eine   Person   wie  diese 
nicht  Torzüglich   zur  Ausfüllung  des    Raums  diene ,   dass  bey  dem 
aufwärts   fahrenden    Helios    nicht  an    gleichgültige   Dinge   wie    die 
Zeit  des  Vormittags  oder  dass  die  ßegebenheit  unter  frejem]  Him- 
mel vorgehe,  zu  denken   sey,   glaube    ich   als   sicher  yoraussetzen 
zu   können.      Den    frejen    Himmel   ersieht   man   ohnehin  aus    dem 
unten  wachsenden  Gebüsch,  und  er  versteht  sich  bei  diesem  Vor- 
gang von  selbst.     Diess  die  eine  Seite.     Die  beiden  Göttinnen  auf 
der  andern  Seite  haben  sichtlich  eine  stolze  Stellung  angenommen. 


18]  Dem  Herakles  unter  den  Hesperiden  windet  NIKH  flügel- 
los die  Tänia  des  Siegs  um  die  Stirne  Gab.  Durand  n.  303,  und 
mit  Recht  versteht  Hr.  de  Witte  die  Nike  auch  N.  94.  224.  354. 
737,  obgleich  ihr  die  Flügel  fehlen.  Denn  N.  224  stimmt  in  der 
Vorstellung  ganz  überein  mit  N.  225,  wo  Nike  geflügelt  ist  und 
vor  einem  Altar  opfert  wie  dort  wo  sie  die  Flügel  hat:  und  die 
Figur ,  welche  N.  94  einem  mit  der  Tänia  geschmückten  Dionysos 
einen  Kranz ,  N.  35  einer  Amazone  den  Kranz  reicht  und  libirt, 
N.  226  einem  Greis  in  die  Phiale  eingiesst,  N.  737'  vor  ei- 
nem jungen  Athleten  mit  der  Siegstänia  um  den  Kopf  libirt,  oder 
vor  einer  Kitharspielerin  Panofka  vasi  di  premio  tav.  5 ,  so  wie 
geflügelt  vor  Zeus  selbst,  Slackelberg  Gräber  Taf.  18,  kann  kaum 
etwas  anders  scyn  als  Nike;  ich  verstehe  nicht,  warum  Gerhard 
über  die  Flügelgestalten  1840  S.  8  daran  zweifelt.  Die  flügellose 
NIKA  auf  Münzen  von  Terina  ist  keine  alterthümliche  Figur.  Ueber 
eine  ßronzestatue  der  Victoria  ohne  Flügel  s.  (Irlichs  in  den  An- 
nali XI  tav.  B  p.  73:  doch  haben  Löcher  zum  Einsetzen  der  Flü- 
gel sich  späterhin  gefunden.  Ungeflügelt  ist  Nike  auch  bei  Achil— 
Jes  und  Memnon,  Millingen  Peint.  pl.  49. 


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aa^i 


Urtheii  des  Paris. 


405 


Diess  aber  kann  in  dem  Aagenblick  wo  Paris  sie  beleidigt  hat  nur 
Folge  ihres   Unmuths  seyn   and   der  Rache,   die   sie   beschliessen. 
Hiernach  ist  im  Torans  auf  die  Bedeutang  der  Göttin  hinter  ihnen 
welche   Kljmene   genannt  ist  zu   schliesse'n.      Denn  wie  Nike  mit 
Eutychia  die  Siegerin  und  den  Glücklichen ,   so  muss  ,   scheint   es, 
Rlymene  die   beleidigten    Göttinnen    angehn,    mit  denen   sie  auch 
äusserlich  in  Verbindung  steht.     Um  sie   aber  sichrer    zu  deuten, 
ist  zugleich  auf  den  Zeus  zu  sehn,  der  über  dieser  Figur  sitzt  und 
der   hier  nicht,   wie    auf  der  vorigen   Vase  Zeus  und  Ganjmedes 
als  ein  witziger  Zusatz  zu  dem  Mythus,  der  nur  sagt  dass  an  der- 
selben Stelle  auch  früher  schon  Eros   gesiegt  hat,  sondern  als  ein 
Theil  der  Vorstellung  selbst  zu  betrachten  ist^^).     Zeus  aber  stand 
der   Handlung    sehr   nahe.      Das    Gedicht   woraus   sie    zuletzt   zu 
schöpfen  war,    hatte   in   sieben   erhaltnen  Versen   diesen    Anfang: 
Einstmals  als  tausend   Geschlechter   in  den  Landen  die  Fläche  der 
brustbelasteten  Erde  bedrängten,   erbarmte  sich  Zeus,   der  es  an- 
sah,  und   beschloss   in  seinem    weisen   Rathe   zu    erleichtern    ron 
Menschen  die  allnährende  Erde,  indem   er  den   grossen  Streit  des 
llischen   Kriegs   anfachte,    damit   er  die  Last   durch   Tod   Termin- 
derte:   und   es  wurden  in  Troja  die  Heroen  getödet  und  des  Zeus 
Wille  vollendet.       Diess   fatalistische  Motiv,    worauf  der    Dichter 
sein  Werk  begründete  und  es   wie   zur  Vorhalle  für  die  llias  und 
alle  sie  fort  setzende  Gedichte  weihete,  wenn  es  auch  später  viel- 
leicht weniger  zusagte,  konnte  nicht  vergessen  sejn;   da  das  Ge- 
dicht rhapsodirt,  gelesen  und  nachgeahmt  wurde  wie  wenige  andre. 
Auch   spielt  auf   diesen   Eingang  Euripides   mehrmals  an^°),    und 
Herodot  beurtheilt   ihn  (2,    120).      Unerwartet   kann   es   also  auch 
nicht   sejn,   wenn   der   Maler  dem  Helios^    der   das   gegenwärtige 
Glück  des  Paris,  den  Triumph  der  Aphrodite  beleuchtet  den  Zeus 
gegenübergestellt  hat  mit  der   bestimmten   Beziehung  auf  die  Zu- 
kunft, Krieg  und  Tod,  die  Zeus  mit  der  Sendung  des  Hermes  und 
der  Göttinnen  zu   dem   Paris   beabsichtigte.     Sahen   wir  doch   auf 
Vasen  der  ältesten  Art  den  Zeus  die  Gesandtschaft  selbst  begleiten 
(N.  11^*16.  45)  und  bemerkten,  dass  an  diesen  älteren  Vasen  sehr 
oft  die  Schrecken  des  Kriegs,   als  die  Kehrseite,   mit   dem  Urtheii 
dea  Paris   verbunden  sind.     Uebrigens   hält   der   Vater  der  Götter 
and  Menschen  nicht  den  Blitz ,  sondern  ausser  dem  Scepter  eknen 


19)  Helios  ist  auch  N.  44  dargestellt. 

20)  Orest.  1635—37.  Hei.  36.     Electr.  1288  fr.  ine.  100  p.  385 
Matth.  (Strab.  IV,  I,  1  p.  183). 


406  Urtheil   des  Paris. 

Palmzweig.    Einen  solchen   führten  nach  manchen  Yasengemilden 
die   Brabeuten ,  und  durch  ihn   ist  daher  Zeus  als  der  Agonothet, 
der  dieses  Rampfspiel   reranstaltete,    bezeichnet.      Wie    sehr   der 
Maler  in   den   tieferen  Zusammenhang   der  Fabel  eingegangen  ist, 
wird  aus  der  Eris  klar,   die  er  im  Brustbild  gerade  über  den  Pa- 
ris ^^)  in  der  Mitte  gestellt  hat.     Die  Klymene  aber,  die  unter  dem 
Tod   Terhängenden  Zeus  und  hinter  der  beleidigten  Here  und  Pal- 
las sitzt ,    weist  mit  ihrer  rechten  Hand  hinter  sich,     lieber  diese 
ausdrucksvolle  Geherde   ist   nicht  leicht   hinwegzugehn,   man  wird 
lange   suchen   bis   man    sie  zum   zwoilcnmal  Ondet  und  keine  £r* 
klärung  der  Kljmene,   die  nicht   auf   sie  zurückgeht,   kann  richtig 
seyn.     Wer  aber   sie  berücksichtigt    der  legt  nicht  in  den  Namen 
der  Rljmene,  der  an  sich  frejiich  unbestimmt  ist,  seine  Idee,  son- 
dern leitet  sie  ab  aus  dem  Gest,   wie   alle    Figuren  nach  Stellan- 
gen und  Geberden  gedeutet  werden    sollen.     Und   dieser    Gest  ist 
so  bestimmt  bedeutsam  wie  etwa  der  versus  poUex.  „Gljmenos  aedat 
suspiria.,,    Nun   hiess    in  dem  berühmten   Gült  von  Hermione  der 
König   der   Unterwelt  mit   euphemistischem  Namen,    Klymenoa^); 
die  Prädicatnamen  aber  sind  zwischen  geschwisterlichen  und  ehlich 
verbundnen  Göttern  und  Göttinnen  so  sehr  häuGg  und  so  natörlich 
gemeinsam,    dass    es    keinen    Anstand    haben    kann    Kljmene    als 
Beiname  der  chthonischen  Göttin  oder  der  Persephone  zn  Tenite- 
hen^  hier,  wo  Alles  im  Bilde  dazu  stimmt  und  treibt  diese  anzn- 
nebmen,  die  Hindeutung  durch  Zeus  und  Eris  auf  die  Absicht  des 
Parisurtheils,  den  wohl  ausgedrückten  Zorn  der  Here  und  Athene, 
die  Verbindung  dar  Rljmene  mit  diesem,   ihre  Gegenstellung  ge- 
gen  Eutjchia    und    vor   allem    die    vielsagende   Geberde,    welche 
nemlich  fort  zeigt   und  also  viele  der  Troer  durch  Feindschaft  der 
zwey  Göttinnen  und  viele   der  Achäer  zn   den  Schatten  zu  treiben 
verspricht.     Es  liegt  in  den  Verhältnissen    der    simmtlichen  Figu- 
ren unter  einander,  dass  die  Beziehung,  die  zwischen  der  Klymene 
und  der    Nike  nebst    Eutjchia,   eben    so   wie   zwischen   Zeas  nnd 
Helios,  besteht,  nicht  auch  durch  die   Stellung  in  derselben  Linie 
der  Figuren,    wie  gewöhnlich,   ausgedrückt  werden   konnte:    auch 
passte  für  die  Person  der  Klymene  nur  die  untere  Reihe.  —  Gren- 
zer versteht  unter  der  Klymene  die   Gattin  des  Helios,    als  Göttin 
des  nächtlichen  Lichts,    welche   die   nächtlichen  Schatten  nnd  die 


21)  Nach  dem  Gebrauch  der    theoyee  yganml  lyoTiXot.  R.  Ro- 
chette  Lettres  archöolog.  I  p.  132  f. 

22)  Pausan.  H,  35 ,  5.     Bull.  Napol.  1847  p.  28.     Vgl.  meine 
Kl.  Schriften  2,  137  Note. 


Urtheil   des  Paris.  407 

Gewisser  aas  denen  sie  heraufgestiegen,  abweise.  Aber  bedrohen 
denn  diesen  Vorgang»  auf  den  doch  Alles  in  beziehen  ist,  Schat- 
ten und  Gewässer?  Im  Umfang  des  Parismjthus  scheint  mir  nicht 
der  geringste  Anlass  gegeben,  ihn  mit  einem  kosmischen  Charak- 
ter zu  bekleiden  und  nichts  weniger  sicher  als  die  Annahme  einer 
Gottheit  des  nächtlichen  Lichts:  statt  einer  solchen  Klymene,  wird 
dem  Helios,  wenn  er  nicht  allein  erscheinen  soll ,  immer  Selene, 
und  zwar  in  gleicher  Linie  entgegen  gestellt.  Die  namenlose  Fi- 
gur neben  der  Eutjchia  für  eine  Höre  zu  halten,  würde  ich  schon 
darum  Anstand  nehmen  weil  ihre  Stellung  keinen  Bezug  zum  He- 
lios ausdrückt,  die  Nachbarschaft  also  rein  zufällig  ist.  Aphrodite 
wird  in  den  Ryprien  von  den  Hören  geschmückt  ehe  sie  Tor  Pa- 
ris erscheint;  hier  aber  wo  Paris  schon  durch  die  Verheissung 
der  Helena  glücklich  ist,  erscheint  Aphrodite  als  Siegerin ;  die  be- 
kränzende Figur  neben  der  Eotychia  muss  nothwendig  Nike  seyn. 
Die  Eutjchia ,  sagt  Creuzer ,  wird  dem  Paris  gegenüber  eine 
zweideutige  Tyche;  er  ahnet  die  Leiden  nicht,  die  aus  diesem 
Richterspruch  für  die  Troer  und  die  Achäer  herrorgehn  werden. 
Aber  in  der  einzelnen  Figur  kann  keine  Zweideutigkeit  liegen* 
sie  ist  immer  nur  sie  selbst;  durch  eine  andre  muss  der  Gegen- 
satz ausgedrückt  sejn.  Diess  geschieht  nun  hier  durch  die  Kly- 
mene.  Unerachtet  dieser  Verschiedenheiten  beider  Erklärungen 
bleibt  doch  die  Uebereinstimmung  in  der  Hauptsache ,  der  ab- 
weisenden Geberde  der  Kljmene,  übrig.  Weit  weniger  kann  ich 
mich  in  andre  Erklärungen  finden ,  wonach  ohne  alle  Rücksicht  auf 
die  Geberde,  die  durchaus  nicht  alltäglich  und  zufällig  ist,  die 
Rljmene  der  Vase  für  die  Klymene  genommen  worden  ist,  welche 
Dienerin  der  Helena  in  der  llias  ist;  oder  für  einen  Beinamen  der 
Helena  selbst;  oder  für  gleichbedeutend  mit  EYKAEIA,  was  K. 
O.  Müllers  Vermuthung  war;  —  eine  unnöthige  Anticipation ,  wo 
auf  die  Helena  Alles  und  die  Eutychia  insbesondere  hindeutet; 
oder  für  einen  Bejnaqaen  der  Oenone,  die  der  Aphrodite  entge- 
gengestellt werde  —  aber  Aphrodite  triumphirt'nicht  über  sie  son- 
dern über  Götter;  oder  endlich  gar  für  Iris^^).  Wenn  Kljmene 
dem  Namen  nach  eine  Eukleia  wohl  sejn  könnte,  so  ist  der  Ruhm 
für  jetzt  auf  der  Seite  der  Aphrodite,  so  dass  Rlymene  der  Nike 
zur  Seite  seyn  müsste. 

60.  Hydria   derselben    Form   wie  die  beyden  vorhergehenden 


23)  Urlichs  in  den  Jahrbüchern  des    Vereins  für  Alterlhums- 
freunde  in  den  Rhcinlanden  1843  U  S.  57. 


N 


408  Urtheil  des  Paria. 

gefunden  in  dem  Poggio  Gajella  bej  Ghiusi  und  edirt  Ton  E.  Braun 
11  Laberinto  di   Porsenna,    Roma  1840  tay.  2.     Die    HauptTorstel- 
lung  ist  einfach.     Paris,  in  Phrjgischem  Schmuck,  mit  Jagdspies- 
sen,  sitzt  tn  der  Mitte  im  Gespräch  mit  Hermes;   sein  Hund  liegt 
unter  ihm,    weiter  hin  ein  Stier ^    nur   die  Protome,      Hinter  dem 
Hermes  steht  Athene^  ruhig,  in  voller  Rüstung,  hinter  dem  Paria 
Here,  deren  Scepter^^)  zufällig  eine  Lanzenspitze  hat,  wenn  nicht 
der  Zeichner  irrte ^  umgewandt    gegen   Aphrodite.     Diese  ist  aas«- 
gezeichnet   durch  die  sitzende  Stellung;  auch  sie  hält  einen  Scep- 
ter  und  sie  stützt  sich  mit  der  andern  Hand  auf  den  Felsen«     Hin- 
ter ihr,  zwischen  und  jenseits  der  einen  Handhabe    des   Gefässes, 
steht  Eros,  hier  in  grösserer  Figur  gesticulirend  als  ob  er  im  Na- 
men der   Aphrodite    die   Anträge   machte,   welche  die   Göttin   der 
Ehe  veranlassen  sich  scheltend  gegen  Aphrodite  umzuwenden,  und 
dann    eine   weibliche    Figur   mit   Scepter.      Auf  der  andern  Seite 
schliessen  nach  der  Handhabe  der  vorderen  Gruppe   sich  an,    zu- 
nächst eine  geflügelte  weibliche  Figur,   die  einen  vollen  Kranz  in 
der   Hand   hält,  dann  ein  Mann    im  Asiatischen   Königsanzug  mit 
hohen  Scepter.    Hiermit  sind   ohne  Zweifel  gemeint  die  drey  Ga- 
ben,  die  N.  52  durch  Löwe,   Helm   und  Eros  angedeutet  werden, 
nemlich  dass  Paris  Grosskönig  Asiens  werden  ^^),  dass  Nike  ihn  im 
Kampfe  begleiten ,  dass  Helena  ihm  zu  Theil  werden  solle.    £s  ist 
also  der  Moment,    wo  Here  und  Pallas    gesprochen  haben,    wenn 
es  nicht  für  sie  Hermes  gethan  hat,    und  Aphrodite  an  der  Reihe 
ist.     Hermes    unterstützt   den   Eros  und   Paris   ist  im  Begriffe    za 
sprechen.     Ganz  sinnreich  hat  der  Maler,  indem  er  die  drej  An- 
erbieten durch  drey   Personen  ausdrückte,   vier  aber'  zur  lieber- 
einstimmung   auf   dem   Punkte    der    bejden    Handhaben   bedurfte« 
den    Eros    hinzugezogen   und   diesen,     um    ihn    einigermassen    in 
Uebereinstimmung    mit    den   drej    andern     Figuren    zu    bringen 
viel   über    das    gewöhnliche    Maass  ^vergrössert   und   dabej    noch 

24)  Gerhard  Apul.  Vasen  Taf.  D ,  S.  32.  „Hera  hat  Speer 
statt  Scepter,  wie  in  der  Rückkehr  der  Kora  Berl.  Mui.  1692 
(bei  Micali  81  und  bei  Müllers  Denkm.  2,  10  der  die  neben  Zeus 
thronende  Göttin  für  Pallas  hält  vgl.  auch  Auserl.  Vas.  2»  127, 
wo  nur  die  Dreifusskessel  mich  hindern  Heras  Kampf  gegen  He,— 
rakles  II.  5,  328  mit  S.  Birch  zu  erkennen.'* 

25)  Der  König  Asiens,  BASUEVS,  und  die  Königin,  gleich- 
falls mit  dem  Namen ,  ist  an  einer  Vase  im  Mus.  Gregor.  H  tav. 
2a.  Er  unterscheidet  sich  durch  einen  grossen  übergeworfenen 
Mantel :  Stellung  und  Charakter  stimmen  ziemlich  überein  mit  dem 
uiisrer  Vase.  Einen  Zusatz  macht  de  Witte  in  den  Annaien  dea 
Instituts  17,  179. 


m^ 


.11  •»' —  la'n  T  rrr  •    •     i 


Urtheil  des  Parts.  409 

aber  den  Boden  erhöht,  lo  dais  er  noch  besser  mit  seinen 
Part  ins  Gleigewicht  kommt  als  N.  58  Ganymedes  mit  Zeus 
neben  ApIIon  mit  Artemis.  Braun  Terstand  Oenone  und  dass  Eros 
geschäftig  sey,  ihr  den  Paris  abwendig  zu  machen,  und  Hektor, 
welchem  Nike  auf  demFusse  folge,  und  nahm  hiernach,  mit  gros- 
ser Zurücksetzung  der  Götterkönigin,  einen  Gontrast  zwischen 
Aphrodite  und  Athene,  Paris  und  Hektor  im  Sinne  der  bekann- 
ten Fabel  des  Prodikos  an.  Statt  der  Oenone  erkannt  er  spä- 
ter ^^)  die  Helena  an,  für  welche  Eros  den  Paris  einnehme,  und 
brachte  nun  mit  ihr  den  vom  Siege  begleiteten  Hektor  in  Gegen- 
satz. Aber  Hektor  ist  nicht  der  Günstling  der  Nike  und  eben  so 
wenig  ist  die  breite,  mit  der  Würde  eines  ßarbarenkönigs  auf- 
tretende, aber  nicht  kriegerisch  gerüstete,  noch  sonst  den  Helden 
ausdrückende  Gestalt  mit  der  Königskrone  ein  Hektor.  Und  wäre 
dem  Hektor  auch  der  Sieg  (to  xganiy,  to  xQttTog)^  welchen  Athene 
dem  Paris  bot,  so  sehr  eigen  als  dem  Achilles  selbst,  so  wäre  es 
doch  seltsam  einer  Nebenperson,  wie  Hektor  jedenfalls  wäre,  noch 
eine  andre  Person  beizufügen  bloss  um  ihren  Charakter  auszu- 
drücken. Auffallend  ist  es,  dass  der  Maler  der  Helena,  die  er 
mit  Recht  nicht  als  ein  leichtfüssiges  Mädchen ,  sondern  mit  der 
Würde  der  Königin  und  Frau  auftreten  lässt,  einen  etwas  starken 
Unterleib  gegeben  hat,  yielleicht  zu  treu  den  Modellen,  wie  der 
Reisende  oft  sie  auffallend  findet,  wie  es  hinsichtlich  der  weibli- 
chen Brust  besonders  die  älteren  Vasenmaler  oft  sind.  Wäre  aber 
auch  Oenone  gemejnt,  was  gewiss  nicht  der  Fall  ist,  so  würde  ich 
darum  doch  nicht  mit  O.  Jahn ,  der  dadurch  diese  Erklärung  zu 
bestätigen  glaubte ,  auf  Schwangerschaft  schliessen ,  welche  die 
Verstossene  ihr  Schicksal  noch  tiefer  empfinden  lassen  sollte. 
Indem  derselbe  auf  diese  Erklärung  wiederholt  zurückkommt, 
nimmt  er  Brauns  Hektor  eher  für  Priamos,  weil  jener  schwerlich 
in  Phrygischer  Tracht  ohne  Waffen  und  so  alt  dargestellt  worden 
sejn  würde  ^^),  und  bestätigt  in  so  fern  meine  Erklärung. 


26)  Annali  d.  1.  Xlll  p.  86. 

27)  Jen.  Litt.  Zeit.  1843  1  S.  150.  Gerhard:  „dort  schwebt 
Eros  —  zur  Liebesgöttin  heran  und  lässt  hinter  sich  die  verlas- 
sene durch  eine  Lanze  bezeichnete  Jagdgefährtin  des  Paris  Oenone; 
hier  dagegen  tritt  Hektor  ~  abmahnend  dem  Paris  näher,  dem  auch 
die  hinter  ihm  folgende  ,  einen  Lorberkranz  haltende  Siegesgöttin 
vergebens  winkt.'*  Wenn  Oenone  wirklich  Jagdgefährtin  wäre, 
was  jedoch  nicht  vorkommt,  so  gehörte  das  doch  nicht  hierher, 
da  es  keinen  Falls  zur  gewöhnlichen  Bezeichnung  der  Oenone 
gehört.     In  der  Hera  sieht  Gerhard  die  „streitbare  Himmelskönigin 


410  Unheil  des  Paris. 

61.  Einkcnkliges  GefSss  des  Hr.  Pacileo  io  Neapel ,  ans  Basi- 
licata,  jetzt  im  fieaitz  des  Hr.  Temple,  bey  Gargiulo  Raccolta  Ut- 
116,  Gerbard  ÄDt.  fiildw.  Taf.  43.  [Taf.  B,  3J.  Hennea  ateht  an- 
terhandelnd  yor  Paris,  welcher  als  Jäger,  in  Phrjgiffchem  Kleid 
und  mit  einer  Tiare  sitzt.  Zwischen  ihnen ,  aber  im  Hinter^onde 
zu  denken  (wie  N.  68) ,  sitzt  Hera  auf  hohem  Thron.  Der  Kukak 
auf  dem  Scepter  und  ein  Theil  ihres  Hauptschmucks,  fihnlich  dem 
N.  46,  sind  erhalten,  indem  aus  der  Mitte  der  Figur  ein  groaaea 
Stock  ausgebrochen  ist,  so  dass  an  der  Bedeutung  derFigar  nicht 
zu  zweifeln  und  in  die  linke  Hand  ihr  der  Granatapfel  za  gebeo 
seyn  möchte  ^^).  Auf  einiger  messen  ähnliche  Art  ist  ubrigeos 
Here  durch  einen  hohen  Felsensitz  und  durch  die  Symmetrie, 
worin  sie  mit  Paris  gestellt  ist,  ausgezeichnet  N.  58  und  thronend, 
als  die  Götterkönigin,  erscheint  sie  auch  als  die  dritte  in  der 
Reihe  N.  51,  so  wie  in  späteren  Werken  häufig  (N.  79.  82.  83. 
84.  96.  99).  Athene  und  Aphrodite,  jene  durch  ihre  Yolle  Rüs- 
tung, diese  durch  den  Spiegel  und  die  Geberden  bezeichnet,  sind 
halb  über  dem  Paris  und  dem  Hermes  angebracht,  wie  laröck- 
stehend  Tor  der  Himmelsheherrsoherin ,  und  in  dieser  Linie  kommt 
als  dritta  Figur  Nike  mit  dem  Palmzweig  hinzu;  ein  Sieg  steht 
boTor.  Aber  ihrer  Stellung  nach  drückt  sie  nicht  aus,  wem  er 
bestimmt  sey;  die  Scene  ist  im  Anfang,  nicht  nahe  gerückt  der 
Entscheidung.     (Rt.  zwey  gleichgültige  Figuren). 

62.  Krater  im  Vatican,  ehmals  Jenkins,  welchen  Visconti  Mus. 


dargestellt,  mit  einem  Speer  statt  Scepters  —  und  mit  einem  mit 
Blumen  und  Wellen ,  hauptsächlich  aber  mit  Sternen  geschmück- 
ten Gewände.  Dieser  Sternenschmuck  der  hier  und  in  der  Vol— 
center  Vase  (bey  uns  N.  58]  ausser  ihr  nur  dem  Paris  gegeben  ist, 
kann  um  so  weniger  bedeutungslos  seyn,  als  sich,  wie  an  der 
Aegis  der  Athene,  zugleich  die  Andeutung  Ton  Sonne  und  Mond- 
sichel dabey  findet.'*  Das  Letztere  wolle  man  prüfen;  dass  Paria 
mit  demselben  glänzenden  Stoff  angethan  ist,  scheint  die  koami- 
sche  Bedeutung,  gerade  umgekehrt,  nicht  zu  unterstützen.  Jahn 
beharrt  auf  seiner  Erklärung  Arch.  Beitr.  S.  336  f. 

28)  Diesen  giebt  auch  die  Zeichnung  bey  Gargiulo  (die  bej 
Gerhard  eine  Patera),  und  man  sieht  nicht,  wie  Hr.  Gargiulo,  da 
er  in  dem  handschriftlich  bcygegebenen  Verzeichnisse  die  Figur 
Gybele  unter  yerschiedenen  Göttern  nennt,  auf  den  gerade  nur 
der  Hera  passenden  Granatapfel  yerfallen  seyn  kann.  Sollte  daa 
eingesetzte  Stüch  doch  alt  und  acht  seyn?  Gerhard  nennt  die  Fi- 
gur Libera.  Richtig  erklärt  i\] aller  Handbuch  $.  378,  4.  Gerhard 
S.  289  des  Texts  und  Apul.  Vasen  S.  20  Not.  7  Müller  Hdb- 
S.  557  „ohne  meine  auch  von  Greuzer  Galt.  96,  83  verworfne 
Ansicht  zu  ändern." 


I 


Urtheil   des  Paris. 


411 


Piocl.  ly  tay.  A,  1,  nachher  Millingen  Ano.  oned.  mon.  pI.  17 
heraosgegebeo,  jener  auf  Phrixos  und  Helle,  dieser  auf  Paris  be- 
zogen hat  [Taf.  B,  4]^^).  Hermes,  geruhig  auf  eine  SSnIe  gelehnt, 
spricht  zu  Paris,  welcher  sitzt,  auf  Hellenische  Weise  nackt  bis 
auf  eine  Ghlamjs,  in  der  Rechten  Jagdspiesse  haltend  und  mit  der 
Linken'^aus  Beschämung  oder  Verlegenheit  den  Mantel  nach  dem 
Gesicht  ziehend,  nur  weit  weniger  als  N.  46,  neben  ihm  liegt  ein 
Widder  und  sein  Hund  ist,  wie  gewöhnlich,  auf  den  Fremden  ge- 
spannt. Auf  der  einen  Seite  steht  Here  mit  dem  Stab,  auf  der 
andern  sitzt  Aphrodite,  die  den  Peplos  so  wie  Here  auf  den 
Kopf  gezogen  hat.  Für  die  Athene  oder  vielleicht  für  die  ganze 
Anordnung  worin  sein  Original  sie  enthielt,  fand  der  Gopist  nicht 
Raum,  so  wie  auch  N.  28  eine  der  Göttinnen  weggelassen  ist. 
Millingen,  der  auf  diesen  Umstand  nicht  Rücksicht  nahm,  hfilt  die 
hinter  dem  Paris  stehende  Here  für  Aphrodite  und  diese  dagegen 
für  Helena,  die  durch  Anticipation,  um  den  Ausgang  dieser  Ge- 
sehichte  zu  umfassen,  hereingezogen  sey.  Aber  diess  Versprechen 
ist  in  der  Fabel  nur  da  im  Wettstreit  mit  zwey  Andern,  als  Sieg 
der  Schönheit  über  Herrschaft  und  Heldenruhm  5  es  yerliert  da- 
Ton  losgerissen  seine  Bedeutung,  Treffend  scheint  die  Bemerkung^ 
dass  das  Oral,  das  die  Figur  in  ihrer  linken  Hand  hält,  ein  Hoch- 
zeitskuchen [ya/Lnihog  nlaxovg)  sey,  der  den  Ehegöttern  geopfert 
wurde.  In  der  Hand  der  Aphrodite,  die  dem  Paris  eine  Hochzeit 
▼erspricht,  ist  dieser  in  der  That  schicklicher  als  in  der  der  He- 
lena selbst,  die  sich  dazu  bereit  finden  lässt,  und  andre  gewohnte 
Symbole  desselben  Versprechens,  Blume,  Myrte,  £ros,  leiteten 
Yon  selbst  auf  das  Verständniss  des  Kuchens.  Hr.  de  Witte  er- 
kennt in  diesem  0?al  wie  in  dem  Rund  N.  51  eine  Phiale.  R. 
Rochette  (Mon.  in^d.  p.  261  f.)  setzt  an  die  Stelle  der  Millingen- 
sehen  Helena  entweder  Peitho  oder  die  Nymphe  Ida,  nach  Mün- 
zen yon  Skepsis.  Aber  die  Skepsier  wollten  durch  diese  den  Pa- 
ris liebende  Nymphe  ihn  wohl  nur  zu  ihrem  Landsmann  machen'^) 
und  Peitho  wird  durch  ein  Attribut  wie  dieses  ain  wenigsten  deut- 
lich.    (Ry.  drey  bedeutungslose  Figuren). 

63.  Amphora ,   so  wie   die  beyden    folgenden  aus  Geglie ,    in 


29)  Millingens  Deutung  „Aphrodite  und  Paris  und  Oenone<< 
nimmt  Gerhard  Apul.  Vasenb.  S.  19  Not,  6  „mit  Müller  und  R. 
Rochette*'  an.  Inghirami  Vasi  2,  171  giebt  das  Bild  für  Aphro- 
dite und  Anchises,  Passeri  1,  16  und  d'Uancaryille  4,  24. 

30)  Der  Orte  des  Parisurtheils  sind  yiele,  T.  H.  ad  Lucian. 
D.  D.  20,  1  p.  301 -3.    Kallikolone  Schol.  11.  20,  3. 


412  Urtheil  des  Paris. 

der  Kön.  SammlaDg  in  Berlin,  am  der  Kollerschen,  in  deo  Ver- 
leichnissen  N.  1018,  edirt  in  Gerhards  Apulischen  Vaaenbildern  des 
K.  Mus.  Taf.  11.  In  der  Mitte  Hermes,  der  dem  Paris  die  An- 
träge macht;  zwischen  ihnen  ist  ein  Apfclbanm  wie  Taf.  6  iwi- 
Bchen  Penthesilea  und  einer  andern  Figur,  vgl.  N.  5?«  Paris  ist 
in  lierlichem  Asiatischen  Anzug  mit  der  Tiara  (was  hier  gani 
unpassend  ist),  zur  Linken  Athene  und  Hera,  jene  sitzend  in  yoller 
Rüstung,  diese  stehend  mit  hoher  Haube  oder  Aufsatz  und  dem 
Scepter,  rechts  Aphrodite,  sitzend,  mit  Sonnenschirm  und  Oel* 
fl£schchen,  yon  Eros  begleitet.  An  den  £nden  sind  zwej  unbe- 
kannte allegorische  Dämonen  zugesetzt,  hinter  Aphrodite  ein  Jüng- 
ling mit  einem  Diptjchon,  wie  es  scheint,  und  einer  Aehre  mit 
einem  grossen  Blatt,  und  auf  der  andern  Seite  eine  Göttin  mit 
grossen  Flügeln,  kurzem  Unterkleid  und  einem  AlabastroD.  (Da- 
rüber Herakles  und  Hesione.     Ry.  Festgebräuche). 

64.  Hydria  (dreykenkelig)  das.  N.  1011  und  Taf.  12.  Die 
drey  Göttinnen  sitzen  und  zwischen  ihnen  sind  Hermes  und  Paris 
stehend,  so  dass  dieser  Reihefolge  und  Symmetrie,  die  Darstel- 
lung des  Acts  selbst  ganz  aufgeopfert  ist:  allein  auf  die  Figuren 
nicht  auf  den  Sinn  ist  es  abgesehen ,  nichts  ist  charakteristisch, 
nichts  genau.  Hermes  steht  mit  übergeschlagnen  Beinen  auf  den 
Heroldstab  gestützt,  Paris  ist  von  ihm  abgewandt  und  dreht  den 
Kopf  gegen  Here  um.  Diese  hat  eine  hohe  Stirnkrone  auf  mit 
dem  Peplos  darüber,  Scepter  und  einen  Kranz  in  den  H&nden« 
Aphrodite  hält  eine  Fruchlschaale,  Fächer  und  Myrte  neben  ihrt 
Eros  in  kleiner  Figur  ühcr  ihr  schwebend,  Athene  in  der  Panop- 
He.  Als  Andeutung  der  Scene ,  eines  Gartens  ist  auch  hier,  wie 
öfters»  ein  Apfelbaum.  (Darunter  in  längerer  Reihe  ein  Todten- 
opfer  um  ein  Heroon  in  zehn  Figuren  und  äholiche  fünf  Figuren 
auch  auf  der  Rückseile  des  Parisurtheils).  Mehr  über  diese  Vase 
8.  A.  Denkm.  3,  331  ff. 

65.  Hydria  das.  N.  1020  und  Taf.  13.  Paris  siUt  in  der  Milte, 
auch  hier  zierlich  in  Asiatischem  Putz  mit  Jagdspiessen ,  die 
andren  yier  Figuren  stehn,  yor  ihm  rechts  Hermes,  ihm  suspre- 
chend, dann  Here,  mit  einer  nur  mit  yier  Zacken  yersehenen  Stirn- 
krone ,  den  Peplos  mit  der  Rechten  zierlich  auf  die  Seite  ziehend; 
auf  der  andern  Seite  Aphrodite,  yon  Eros  mit  Tänia  und  Kram 
geschmückt ,  auf  einen  Pfeiler  gelehnt ^  nnd  Athene,  ohne  Rüstung 
nur  durch  einen  mit  der  Siegstänia  umbundnen  Palmzweig  (heisst 
sie  doch  auch  Nike).  Die  Göttinnen  sind  in  ruhiger  Stellung  des 
Urtheils  gewärtig.    Unten  ist  des  Paris  grosser  Hund. 


Urthcil  des  Paris. 


413 


66.  Vase  aug   Basilicala  im    K.    Museum  zu  Berlin  ,    im    Ver- 

leicbnlse  N.  901.  r.erharda  Apiiüsche  Vasenb.  Taf.  E,  ti.  7.  Pi- 
rJB  liltt  ia  der  Mitle,  nackt,  unterwärts  in  die  Chlumja  einge- 
schlagen, mit  einem  lingen  Sub  und  schaut  sieh  um  nach  Aphro- 
dite und  Hermes;  Here  und  Athene  sind  auf  der  andern  Seile. 
Aphrodite  ist  sitzend,  eo  wie  Athene,  sie  isl  bekleidet,  nur  der 
Arm  bloia,  aber  dasa  aie  ein  Wasaergeräss  hält  und  Eros  Salben 
■af  aie  herahlraurell,  zeigt  dasa  sie  Trisch  aus  dem  Bade  kommt. 
Bere  iil  zierlich   gekleidet,    hat  eine  Stirokrone  auf  und  hält  statt 


Jlstriteu) "). 
67.  Eine 


s  Koraller 


(Kt. 


:  Pa- 


irdigen  Vorsteliungea  reichen 
Neapel.  Paria  «tehl  in  be- 
n  er  der  Here  zuhört ,  die 
ihm  sprichl.  Hinter  dieser 
in  Geschäft  auagcrichlet  hat, 
jer  aitzt  obea,  mit  Oelllasch- 


Sammlung  des  Hauses    Santangelo  i 
Bchcidener  Figur  und    Stellung   ind' 

Bteht  Athene,  dann  Hermes,  der  a 
als  müsaiger  Zuschauer,  Aphrodite 
eben  und  Spiegel  ,  zwey  Eroten  um  sie.  Hier  ist  also  die  Seen« 
in  dem  Augenblick  genomnien ,  wo  Here  zuerst  ihre  Rede  hält 
aad  noch  nicht  Torauszuiehn  ist,  welche  Wendung  die  Sache 
nehmen  wird,  wenn  die  entfernter  sitzende  Aphrodite  zuletzt  an 
die  Reihe  kommt.  Eine  ßescbr,  der  Vase  fügt  de  Witte  hinzu  in 
den  Annalen  des  Inetit.   17,  p.    184. 

68.  Krater,  1  Palm  hoch,  mit  hakenförmigen  GrilTen  .  gefun- 
deo  zu  Pislicci  in  Basiticats  von  dem  Kunsthändler  Barone  ge- 
kauft und  gleich  nachher  herauagegcbeo  im  Bullvlliiio  arcbeol. 
Napol.  1843  lav.  5.  6,  mit  Erklärung  von  Minervini  p.  100— 
106,  dann  in  Gerhards  Archäol.  Zeitung  1844  Taf.  4  S.  289 
—94.  (Rt.  Od^'sseua  den  Schalten  des  Tiresias  citirend).  Zu- 
letzt Mon.  d.  [.  IV,  19.  Anuali  17,  132.  So  vortrefflich  die 
einzelnen  Figuren  gedacht  und  dargestellt  sind,  so  kann  man 
nicht  sagen,  dass  aie  so  glücklich  vertheilt  sejen  und  anter  sich 
und  cum  Ganzen  so  wohl  sich  zusammenfügten,  wie  diess  he; 
10  guter  Zeichnung  gewöhnlich  der  Fall  ist.  Es  lag  in  di>^>«or 
Hinsicht  etwas  Widerstrebendes  in  den  gewählten  Einielheilen 
selbst,  Der  Here  und  Pallas  übereinander  cntapricht  nicht  ge- 
hörig .\phrodite  mit  dem  Eros  neben  ihr,  wie  gross  er  auch  sej, 
dem  Brunnenhaus  nicht  füglich  die  Hirschkuh.  Es  sind  zwej 
Sccnen    vorgestellt  ,   die    Meldung    des    Hermes  an    Paria    und  diu 


414  Unheil  des  Paris. 

Znrustung  der  Göttionen  zum  Kampf.  Dasa  bejde  Scenen  auf 
demselbeo Plan  und  nnter  einander  gemischt  Torgestellt  sind,  leigt 
wie  weit  daa  idealiache  Princip  in  der  Gomposition  reichte.  Eioen 
ähnlichen  Fall  sahen  wir  N.  61,  während  in  dem  Römischco  Ge- 
mälde N.  69  der  wirkliche  Raum  berücksichtigt  ist.  Im  Paris  Ist 
hier  so  wie  öfter  der  Hellenische  Geschmack  über  das  Asiatische 
Gostüm  Herr  geworden :  er  ist  nackt  mit  kleiner  Ghlamjs,  nar  die 
Phrjgische  Tiare,  und  diese  mit  einem  Greif  yerziert,  und  die 
zierliche  Umschnürung  der  Beine  sind  zugelassen,  um  neben  dem 
Jagdspiess  und  dem  grossen  Hund  die  Person  zu.,  bezeichoen. 
Dass  Hermes  den  Heroldstab  umgekehrt  gegen  den  Paris  hinrich- 
tet, scheint  eine  Geberde,  die  einen  Befehl  oder  Auftrag  begleitet. 
Vorzüglich  schön  sind  die  weiten  und  reichen  Gewänder  der  Göt- 
tinnen behandelt  Diese  sind  in  den  Vorbereitungen  zu  dem  Kampf- 
spiel der  xakXKntia  deutlicher  und  ausfuhrlicher  begriffen  als  dieas 
sonst  irgendwo  dargestellt  ist.  Wie  sehr  bej  dieser  Angelegen- 
heit der  Dichter  der  Kjpria  i  ns  Einzelne  ging,  ist  oben  an  dem 
Bejspiele,  das  die  erhaltnen  Verse  in  Bezug  auf  die  Kypris  geben 
nachgewiesen  worden.  Euripides  lässt  nur  alle  drey  Göttinnen 
aus  den  Bergquellen  die  glänzenden  Leiber  sich  baden  als  sie  in 
die  waldige  Trift  angelangt  sind^^).  Nach  der  Zeichnung  sind  sie 
bej  der  stattlichen  Wohnung  des  Alexanders  angelangt  wie  N.  52» 
das  zeigt  der  Brunnen  mit  Jonischen  Säulen ,  woran  aus  swej 
Löwenrachen  (nicht  Gorgonen)  das  Wasser  in  das  in  der  Mitte 
angebrachte  flache  Becken  sich  ergiesst.  Die  beyden  andern  Göt- 
tinnen haben  das  Bad  schon  abgethan,  und  sind  mit  ihrem  Anzug 
beschäftigt,  während  Pallas,  der  diess  nicht  anstehn  wurde,  den 
Sprudel  mit  yollen  Händen  nach  ihrem  Gesicht  führt.  Sie  hat  die 
Arme  enlblösst  und  den  schweren  Helm  abgelegt,  zu  welchem  der 
Schild  und  die  ungeheure,  an  dem  Brunnen  gelehnte  Lanze  im 
Verhältniss  sind.  Sie  als  sich  badende  darzustellen  lag  auch  nah, 
da  sie  nach  den  Volksglauben  die  mächttgcn  Arme  sich  wusch 
wenn  sie  aus  den  Schlachten  zurückkam '').  Hier  indessen  ist  die 
Absicht  nicht  bloss  den  Staub  und  Schweiss  des  Weges  abzu« 
waschen,  sondern  zu  gefallen,  da  auch  Here  sich  nach  dem  Spie« 
gel,  der  sonst  der   Aphrodite    eigen  ist^   das  Haar  zu  ordnen    be- 


32)  In  der  Iphigenia  in  Aulis  und  Andrem.  284 — 86.  Helen. 
676.  Darauf  bezieht  sieb  die  Inschrift  des  Damocharis  auf  ein 
Bad  Anthol.  Pal.  IX,  633  (Brunck.  Anal.  111  p.  70  n.  3).  Ein 
Epigramm  auf  einen    Brunnen  ist  auch  im  Corp.  Insc.  Hl  n.  4535« 

33)  Callim.  Lay.  Pall.  5. 


Urtbeil  des  Paris.  415 

ichäftigt  ist.  Beydes  paiat  ganz  zu  einander,  das  Bad  der  Athene 
und  die  ßespiegelung  der  Here  und  die  Behauptung  des  Kalli- 
machos 3'*'j ,  dass  weder  Pallas,  als  Paris  den  Idäischen  Streit  ent- 
schied, noch  Here  in  den  Metallspiegel  oder  in  des  Simois  Wel- 
len blickte,  sondern  nur  Rypris  das  spiegelhelle  Erz  nahm  und 
yielmals  dieselbe  Locke  wieder  umlegte ,  erleidet  hier  eine  au- 
genscheinliche Ausnahme.  Aphrodite  ist  dagegen  durch  das  Ka- 
ninchen auf  ihrem  Schoose  hinlänglich  bezeichnet,  dessen  Aphro- 
disische oder  Erotische  Bedeutung  fest  steht.  Auch  sind  ihre 
Arme  gaoz  bloss,  die  der  Here  nur  halb,  und  Eros,  der  an  ihrem 
linken  Arm  beschäftigt  ist,  indem  er  zugleich  das  Kaninchen  spie- 
lend berührt,  scheint  ihr  das  goldne  Armband  zu  befestigen.  Ue- 
brigens  sticht  der  natürliche,  im  Süden  und  im  Orient  auch  jetzt 
nicht  bloss  den  Niedrigen  eigene  Gebrauch,  das  Wasser  zum  Wa- 
schen lieber  in  seiner  Fülle  am'  Brunnen  selbst  zu  suchen  als  es 
sich  in  Gefässen  füllen  zu  lassen,  yon  Spiegel  und  Tornehmen 
Schmuck  weniger  ab  als  es  uns  zuerst  auffällt.  Das  Reh  welches 
die  Aphrodite  anklotzt,  als  ob  es  ihren  Eiofluss  yerspärte,  zeigt  die 
Waldung  an,  worin  Paris  wohnt,  wie  N.  58  der  Pardel.  Dem 
grossen  Streben  nach  Ausschmückung,  das  sich  in  diesem  Gemälde, 
so  in  der  Mitra  des  Paris  und  dem  Hut  des  Hermes,  in  ihrer  bey 
der  Beschauung,  wie  in  den  Waffen  der  Pallas  und  auch  in  dem 
Brunnen  yerräth,  yerdanken  wir  es  ,  dass  an  dem  Brunnen  auch 
eine  wenig  bekannte  Sitte  zum  Vorschein  kommt,  die  nemlich  an 
Brunnen  Votivbilder,  auf  Täfelchen  gemalt  und  in  kleinen  Figu- 
ren, aufzuhängen  und  aufzustellen.  Einige  andre  Beispiele  führt 
Minervini  an  ^^),  und  da  der  Umstand  als  blosse  Verzierung  die 
Vorstellung  selbst  nicht  angeht,  so  will  ich  für  jetzt  ihn  nicht  wei- 
ter yerfolgen.  Oder  wäre  gemeynt  dass  das  Zurücksinken  der 
einen,  das  zu  Boden  liegen  der  andern  weiblichen  Votiyßguren 
durch  die  Nähe  der  gewaltigen  Göttin  erfolgte,  da  Götterbilder 
wie  lebendig  empfinden?  Diess  wäre  doch  zu  barock.  Auf  dem 
Täfelchen  oben  ist  eine  Figur  gemalt.  Gerhard  findet  zwischen 
der  Cäremonie  in  Argos  das  Palladium  in  Inacbos  zu  waschen  und 
dieser  Scene  wo  Pallas  selbst  sich  wäscht,  die  dem  Paris  zu  ge- 
fallen wünscht,  Aehnlichkeit  und  yermuthet  darum  in  den  kleinen 
Votijstatuen  Badejungfern  {kovTQoxoovg)  wie  in  Argos.     Diess  ist 


34)  Ibid.  18—21. 

35)  Bullett.   Napol.  I  p.   103.   II   p.  50.     R.  Rochette  Peint. 
inöd.  p.  404  ff. 


416  Urtheil  des  Paris. 

lu    yerwandern,  da  der  Brunnen   der  des  Paris  ist,    der  so  wenig 
zum  Bade  des  Pallas  im   voraus  wie  zum   Waschen   des  Palladium 
bestimmt  war.    Auch  ist  nicht  zu  glauben,  dass  man  Badejungfern 
so  wie  Götter  zu  Votivbildern  wählte.     Noch  weniger  wabrachein- 
fich  aber  ist  die  weitere  Annahme,   dass  die  sich  waschende  Pal- 
las Anlass  gegeben  habe  auf  der  Rückseite  den  Tiresiaa  darzustel- 
len ,   der  dieselbe  Göttin  im   Bade  belauschte  wozu  die    yereinigte 
Behandlung  bejder  AJjthen  in  dem   Hymnus  des  Kallimacboa    be- 
rechtige.   WSre   diese   Belauscbuog  dargestellt,    so  hätte  man  auf 
irgend  eine  Vergleichung  des  Paris  und  des  Tiresias ,  die  im  Sinne 
der  Alten  wäre,    zu  rathen  wie   etwa   dass   dort    Göttinnen  einem 
Sterblichen  frejwillig  aber  bekleidet  sich  zeigen,  und  hier  einem 
andern  der  Anblick  einer  ohne  ihren  Willen  und  nackt  gesehenen 
Göttin  den  Tod  bringt.     Da   aber  bei   dem    Odysseus  am  Eingang 
der   Unterwelt    der  Maler  kein  Mittel   hatte   an  jene    andre    Ge- 
schichte zu  erinnern,   so  ist  ihm  auch  nicht  Schuld  zu  geben,  dass 
er   daran   gedacht  hätte.     Höchstens   hätte   Kallimachos,    der   das 
Ab\/aschen    des  Palladium    besingt  und    es  durch  das   Baden    der 
Pallas  selbst  erklärt  oder  es  davon  ableitet,  zu  ihren  Bädern  nach 
den  Schlachten,    die   er  aus  der   Sage  anfährt,  und  zo  denen  mit 
ihrer  Freundin   Ghariklo,  welche  die   Episode   von  Tiresiaa    nach 
sich  zogen,  auch  das  am  Brunnen  des  Paris  genommene  Bad  hin- 
zufügen können,  wenn  das  Jemandem  scbicklieh  scheint:  aber  was 
giengen  den  Maler  des   Parisurtheils  die  andern   Bäder    der  Pallas 
oder  gar  des  Palladiums  an  ?  Erinnert  man  sich  hingegen  der  oben 
zusammengestellten  Vasen,  die  mit  dem  Urtheil  des  Paris  die  An- 
deutung seiner  ernsthaften  Folgen  in  irgend  einer  passenden  Scene 
verbinden,    so  wird  man    eher  vermuthen,   dass  der  Schatten  des 
Tiresias ,   so  wie  N.  59  die  Klymene   auf  die   in   den  Hadea  ver- 
wiesenen edlen  Troer  und  Acbäer  hindeute  oder  wenigstens    aach 
ohne  diese  nähere  Beziehung  eines  der   Abentbeuer  des  Odjaseas 
beliebig   gewählt,   passend    genug    finden   um   es   als   den   Schlnss 
dem  Parisurtheil  als  Anfang  gegenüberzustellen.    Die  beyden  Ge- 
mälde   würden   daher  nicht  unter   dem   Titel  Paris   und   Tiresiaa, 
sondern    Paris   und    Odysseus    zusammenzufassen    seyn.      Hierbej 
kann  ich  schliesslich  nicht  verhehlen ,   dass  die   Parisnrtheile  auch 
für  sich  allein ,  ohne  mit    einem   neugierigen   Odysseus  verbunden 
zu  seyn,   mir   als    ein   sehr   unglücklich  gewählter    Gegenstand  in 
Hochzeitsgescbenken    vorkommen    würden;    doch    die  ganze  jelit 
sehr    beliebte   £intheilung    der  Vasenbilder  nach   der  Bestimmung 
zu   Geschenken    bey  verschiedenen   Gelegenheiten   kann    man   auf 


Unheil  des  Paris.  417 

sich  beruhen  laisen.  Denn  wenn  auch  darüber  nichts  aosgemacht 
ist  and  yielleicht  nur  sehr  wenig  sich  znr  Wahrscheinlichkeit  er- 
heben läsBt,  so  bringen  doch  die  sich  ohne  Ende  wiederholenden 
spielenden  Vermuthungen  in  dieser  Richtung  keine  positiven  Miss- 
verständnisse hervor  wie  manche  andre  Voraussetzungen  und  haben 
keinen  andern  Nachtbeil  als  zu  langweilen ,  wie  alles  nnsicher 
Schwankende  und  Wesenlose  zuletzt  Jedermann  ermüden  muss. 

Wandgemälde. 

In  den  späteren  Wandgemälden  zeichnet  das  Paris- 
urtheil  sich  keineswegs  vor    andren  Gegenständen  aus. 

69.  Bekannt  ist  das  Gemälde  aus  dem  Grab  der  Nasoncn  Taf. 
34,  Gal.  mjthol.  147,  637,  wo  im  Gebirge  die  drcy  Göttinnen 
sitzend  vom  Weg  ausruhen,  während  in  weiter  Entfernung  von 
ihnen  in  einer  unteren  Reihe  dem  Paris,  der  bey  seinen  Heerdcn 
sitzt,  Hermes  den  Apfel  ubergiebt,  den  er  einer  von  ihnen  zu- 
theilen  soll.  Den  Eros  scheint  Athene,  da  er  vorauseilen  will  um 
die  Aphrodite  in  Vortheil  zu  setzen,  bej  einem  Flügel  zurückzu- 
halten, nach  einem  Motiv,  das  Lucian  sehr  entwickelt  hat,  dass 
die  Göttinnen  eifersüchtig-  unter  einander  darauf  sehn ,  dass  keine 
die  andre  im  Wettkampfe  benachtheilige. 

70.  71.  In  der  oben  erwähnten  Sammlung  antiker  Gemälde 
von  Fr.  Bartoli  im  Vatican  ist  Fol.  42  Hermes  dem  Paris  die 
Aepfel  übergebend  mit  Landschaft,  in  einem  Oval,  und  Fol.  22 
Paris  mit  dem  Apfel,  vor  ihm  die  drej  Göttinnen  einander  um- 
fassend wie  die  Grazien,  nur  alle  nach  derselben  Seite  gerichtet, 
alle  nackt,  alle  gleich,  nur  ein  Peplidion  um  die  Mitte  des  Leibes 
flatternd ,   mit   mehr   als  Lucianischem  Hohn. 

72.  [n  den  Bädern  des  Titus  sieht  man  sogar  die  drey  Göt- 
tinnen als  Statuen  auf  Gestellen  zur  Verzierung  einer  Wandnische, 
alle  drey  fast  ganz  nackt  gemalt,  Venus  mit  dem  Apfel  und  Amor, 
Minerva  lächerlicherweise  den  Helm  auf  und  Juno  mit  dem  Pfau. 
Descr.  des  bains  de  Titus,  Paris  1786  pl.  7. 

73.  74.  Auch  in  Herculaneum  und  Pompeji  ist  nicht  viel,  das 
hierher  gehörte,  entdeckt  worden.  In  Pompeji  sieht  man  im  Haus 
des  Meleager  in  einem  Zimmer  mit  blauen  und  rothen  Feldern 
das  Drtheil  des  Paris,  das  im  Mus.  Borbon.  11,  35  edirt  ist  und 
von  R.  Rochette  Peint.  de  Pomp.  pl.  9  p.  153—167  ^^).    Die  Göt- 


36)   Was  MuB.  Borbon.  9,  61  als  Paria  nnd  Helena  gegeben 
V. 


418  Unheil  des  Paris. 

tionen  habeo  sich  zur  Schau  ausgestellt,  Here  zieht  den  Peplos 
vom  Gesicht  ab  und  Athene  setzt  die  rechte  Iland  in  die  Seite, 
beyde  mit Zuyersicht  und  Stolz;  Aphrodite  aber  hat  sieb  enlblösst. 
Sie  steht ,  während  die  beyden  andern  in  die  Höhe  gerackt  sind, 
gerade  vor  dem  Paris  mit  Pedum,  dessen  Blick  Hermes,  der  hin- 
ter ihm  steht,  auf  diese  nackte  Schönheit  hinlenkt.  Den  gaozeo 
Unterschied  der  Zeiten  oder  des  Kunstgeschmacks  gewahrt  mam 
wenn  man  den  Charakter  dieser  Personen  mit  dem  Aostaod  und 
der  Würde,  besonders  der  bessern  Vasenzeichnungen  yergleicht: 
innerhalb  dieser  im  Ganzen  niederen  Auffassung  ist  die  Ausfüh- 
rung und  Zeichnung  zu  rühmen.  Here  fa^st  mit  Anstand  den 
Peplos  über  ihrem  Haupt,  und  auch  Aphrodite  erinnert  nur  an 
die  übliche  Darstellung  dieser  Göttin,  nicht  an  Absicht  in  die- 
ser besondern  Scene,  so  edel  ist  die  Haltung.  Dabej  ist  zu 
bemerken,  dass  das  Gemälde,  wie  alle  besseren,  im  Original  noch- 
weit mehr  als  in  Abbildungen  das  Grosse  des  antiken  Stjrla  Ter- 
rälh.  Oben  sitzt  unter  ßäumeu  ein  Jüngling  mit  Phrjgischer 
Mütze,  Pedum  und  Laute,  der  nichts  anders  als  Paris  sejn  kann, 
eine  zwejte  Scene  also,  Paris  in  seiner  Einsamkeit.  Der  Heraus- 
geber bemerkt  dass  ein  andres  ähnliches,  doch  minder  yorzög- 
liches  aus  Herculaneum  noch  nicht  veröffentlicht  sej.  Soost  ist 
mir,  ausser  dem  oben  erwähnten  Paris  und  Oenone,  in  Pompeji 
nur  ein  Paris  mit  Pedum  und  einem  Stier  im  Haus  der  einen  Jagd 
aufgefallen,  und  Göthe  gedenkt  einer  Zeichnung  von  Ternite,  Pa- 
ris dem  der  Liebesgott  zuzusprechen  scheine,  in  einem  Rund, 

75.  Wie  verbreitet  und  abgenutzt  übrigens  der  Gegenstand 
auch  in  der  Wandmalerey  gewesen  sey,  kann  man  schliessen  ans 
einem  Spottbild  aus  einer  dieser  Städte  selbst,  nicht,  wie  uns  N. 
45  eines  vorkam,  auf  den  Stjl  der  Darstellung,  sondern  auf  die 
Sache  selbst.  Vor  einem  Hahn  auf  einer  phallischen  Herme  sieht 
man  eine  Indische  Henne  ,  eine  Gans  und  eine  £nte,  die  man  ohne 
Zweifel  lieber  als  einen  Scherz  auf  Paris  und  die  drey  Göttinnen 
vor  ihm  beziehen,  als  daraus  abnehmen  wird  „dass  alles  in  der 
Natur  der  erzeugenden  Kraft  huldigt  ^^).  Einen  Spott  plumperer 
Art  auf  die  Geschichte  enthält  ein  Spiegel  unten  N.  116. 


ist,  gleicht  eher  einem  vorhergehenden  Bild  mit  Rassandra  nnd 
Apollon  (oder  ist  die  Figur  weiblich?)  Vgl.  Archäol.  Zeit  1845 
S.  65. 

37)  Musöe  R.  de  Naples ,  peintures,   bronzes  et   statnea  6roti-> 

Zues  du  Gabinet  secret  —  par  M.  C.  F  (amin).     Paris  1836  pl.  54. 
laselbst  ist   Aeueas  mit   Anchises   auf  dem  Rücken   und  Jolns  an 


I,  ■  ■  f^ 


-^- :  J.- 


Urtheil  des  Paris.  419 

Basreliefe. 

Weit  bedeutender  sind  für  diesen  Gegenstand  die  Bas- 
reliefe: nur  an  Etrurischen  Sarkophagen  ist  das  Parisur- 
theil  nicht  bekannt,  darin  irrt  Müller  (Handb.  $.  378,  2). 
Drey  Sarkopagseiten  sind  allein  in  Rom,  von  denen  die 
zwey  bedeutendsten  durch  E.  Brauns  Bemühung  eigentlich 
erst  an  das  Licht  gekommen  sind ,  die  dritte  jetzt  ganz 
unbekannt  zu  seyn  scheint.  Der  Grund  warum  das  Ur- 
theil des  Paris  so  häufig  für  Römische  Sarkophage  gewählt 
worden ,  wird  von  Schwenck  treflfend  angegeben  ^^).  Venus, 
die  den  Preis  erhielt,  war  die  Ahnmutter  der  Aeneaden, 
wie  die  Römer  sich  gern  nennen  hörten  '^). 

76.  Der  Schönheit  oach  Dimmt  die  erste  Stelle  ein  eines  der 
Basreliefe  des  Palasts  Spada  in  Rom ,  in  der  schönen  Ausgabe  der 
Zwölf  Reliefe  yon  E.  Braun  1845  Taf.  7,  schon  früher  bey  Guat- 
tani  Mon.  ined.  T.  7  tay.  28  (1805)  wo  tay.  29  auch  das  gleich 
grosse  Relief  mit  dem  Flussgott,  das  aus  der  yollständigeren  Com- 
Position  des  folgenden  herausgenommen  ist.  Dem  Paris,  wie  er 
in  müssiger  Ruhe  seine  Rinder  weidet  und  bey  einer  Eiche  an 
einem  yerfallenden  Sacellum  sitzt,  in  zierlicher  Phrjgischer  Tracht, 
ist  Eros  genaht  und  flüstert  ihm  zu.  Am  schönsten  ist  diess 
wiederholt  in  einem  Bruchstück  der  edelsten  Griechischen  Sculp- 
tur,  das  ich  in  Venedig  1843  bei  Herrn  yon  Steinbüchel  sah  und 
das  an  S.  M.  den  König  yon  Preussen  übergegangen  ist.  Der 
Eros  ist  hier  ein  sehr  kleines  Kind  und  hat  den  Paris  mit  dem 
Kindeshändchen  am  Ohr  oder  am  Haare  gezupft,  der  sich  daher 
rasch  und  ernst  umgewandt  hat,  doch  schon  mit  gespannter  Theil* 
nähme  dieser  Erscheinung  still  hält.  Lauschend  setzt  er  die  Fin> 
ger  der  rechten  Hand  an  das  Ohr  indem  der  linke  Ellbogen  auf 
der  rechten  Hand  gestützt  ruht.  Nur  bis  unter  diesen  Arm  ist 
das  Relief  erhalten,  auf  dem  man  übrigens  auch  hinter  dem   Paris 


der  Hand  all  ein  Kerkopithek  oder  Kjnokephalos  langschwänzig 
und  phallisch.  Auch  Gerhard  bezieht  auf  einem  Spiegel  Hahn 
und  Henne  auf  Paris  und  Helena  S.  10  Not.   49. 

38)  Rhein.  Mai.  1842  1 ,  635. 

39)  An  einer   Bficjiae  auf  Rova  pm-<i>»  i^xmihalle  lu  Karls- 
ruhe auf  dem  Deckel 


420  Urtheil  des  Paris. 

ein  paar  der  VerzieruDg^  nach  hölierne  Sflaleo  seiner  WohnoDg 
(wiü  auf  der  Vase  N.  49.  50),  Ton  cioem  Baam  aber  keine  Spar 
sieht.  In  meiner  Zeichoung  ist  das  Werkchen  nrnrissen  als  ob  ei 
ein  Ganzes  für  sich  bildete.  Dann  würde  es  in  so  fem  dem  sehÖ- 
nen  Gemälde  gleichen  bei   Ternite  Neue  Folge  N.  30. 

77.  Das  Ludoyisische  Relief  das  Winckelmann  nur  flächtig 
erwähnt  hat  und  das  seit  jener  Zeit  keinem  einzigen  Archäologen 
wieder  zu  Gesichte  gekommen  zu  sein  scheint,  wurde  zuerst 
mit  der  grossen  Ruyeser  Vase  oben  N.  59  zusammen ,  dann 
in  den  Mon.  d.  1.  3,  29,  Anaali  13,  84^  90  und  in  der  N.  81 
zu  erwähnenden  Abhandlung  und  als  Vignette  in  den  Zwölf  Re- 
liefen zu  Taf.  7  edirt  von  £.  Braun;  in  yollkommnerer  Zeichnung 
wird  es  einst  erscheinen  in  der  yon  Braun  yeranlassten  Zeichnung 
der  sämmtlichcn  Ludoyisischen  Antiken  yon  Riepenhausens  Mei- 
sterhand ,  die  bis  jetzt  noch  keinen  Verleger  gefunden  hat.  Die 
Mitte  dieser  schönen  Composition  sind  Paris  und  Oenone,  die 
linke  Seite  nehmen  die  Göttinnen  und  Hermes  ^^},  unterhalb  die  Kühe 
des  Paris  ein.  Juno  und  Pallas  sind  wie  nach  ehrwürdigen  Sta- 
tuen und  die  Eitelkeit  der  Venus  beschränkt  sich  darauf,  dass  sie 
ihren  Peplos  in  einem  Bogen  über  sich  flattern  und  das  Unterkleid 
über  die  eine  Schulter  etwas  herabgleiten  lässt.  Auf  der  andern 
Seite  sind  yerschiedne  Götter ,  aber  meist  modern  hergestellt  io 
Stuck,  yermuthlich  jedoch  zum  Theil  nach  Ueberbieibseln  der 
abgestossenen  Figuren  ^^),  Am  erhaltenstcn  ist  in  der  Höhe  der 
Berggott;  denn  darin  kann  ich  mit  Braun  nicht  übereinstimmeo, 
dass  diess  Jupiter  sey,  so  wenig  sonst  die  Stelle  diesem  unange- 
messen wäre.  Auch  Zooga  hat  die  Figur  gefasst  so  wie  ich,  er 
sagt  in  seiner  ungedruckten  Beschreibung  des  Basreliefs :  Anlichi 
sono  Giunone,  Mincrya,  Mcrcorio,  Venere  ,  la  Ninfa  C0II4  siringa 
citata  da  Winckelmann  Mon.  ined.  p.  156  e  creduta  Enonc,  Pa- 
ride,  TAmorino ,  il  Genio  montagnardo  di  carattore  £rculeo  assiso 
sulla  pella  di  fiera  e  tcneodo  nella  sinistra  la  claya  appogiata 
sulla  coscia  sinistra,  la  Ninfa  col  pedo;  moderni  il  fiume,  due 
Ninfe  e  il  carro  del  Sol.  Merkwürdig  ist  es,  dass  die  Vase  in 
Garlsruh  (N.  59)    diesen   Sol    rechtfertigt    und  sehr  wahrscheinlich 


49)  Der   auf  der  Schulter  hängende  Hut  des  Hermes  ist  wie 
am  Sarkophag   Casali. 

50)  Platner  in   der  Beschr.  der   Stadt  Rom  3,   2  S.  581  sagt, 
„dass  an  den  Figuren  sich  starke  Ergänzungen  yon  Stuck  befinden.** 


L 


IM^II    ■■WH 


i.^^  «M^l  ■  llllilllTH 


UrtbeU  des  Pari».  421 

die  Vermuthung  Brauns  dass  der  Ergfinier  und  Rafael  in  der 
durch  Marcanton  uns  erhaltnen  Gomporaition  ein  andres  jetzt  yer- 
lornes  Monument  benutzten.  Unter  due  Niufe  yersteht  Zoega  die 
Diaoa  mit. 

78.  Das  PamBlische  Relief  bey  R.  Rochette  Mon.  inöd.  pl.  50 
p.  266  und  richtiger  in  den  Mon.  d.  1.  3,  3,  am  richtigsten 
Annali  T.  11  tay.  H,  mit  Brauns  Erklärung  p.  314-322.  Dieser 
Gomposition  ist  eigenthümlioh,  dass  die  Seite  links  von  Paris  durch 
drey  Nymphen ,  indem  die  Thiere  klein  und  untergeordnet  sind 
eingenommen  wird ,  nach  dem  Yon  Braun  angeführten  Motiy,  wel- 
ches Euripides  in  der  Iphigenia  wiederholt  gebraucht  (180*  1291), 
dass  die  Scene  bey  schönen  Quellen  im  blumigen  Thal  yorfiel. 
Der  Runstier  war  ein  Freund  des  Nackten ,  wie  die  Gruppe  des 
Paris,  des  Mercur  und  der  Venus  zeigt.  Diese  hat  sich  ganz  nackt 
ausgestellt  mit  der  Wurde  einer  Phryne.  Auch  Juno,  die  yom 
Pfau  begleitet  ist,  hat  die  eine  Brust  entblösst  und  ziert  sich  mit 
dem  hochgeschwungnen  Peplos;  nur  Pallas  steht  als  die  dritte  in 
ihrer  gewohnten  Rüstung  und  Haltung.  Fn  der  Ecke  liegt  der 
Skamander  und  über  ihm  sitzt  auf  dem  Ida  entfernter  in  kleiner 
Figur  Zeus ,  yor  welchem  ein  bärtiger  Greis  steht.  Für  Nercus 
oder  einen  Propheten  überhaupt  kann  ich  diesen  nicht  halten,  da 
er  zu  Zeus  gewendet  ist  und  zu  sprechen  scheint,  an  welchen 
keine  Weissagung  sich  richtet.  Ich  habe  über  ihn  keine  Vermu- 
thung. Die  Gegenwart  des  Zeus  hat  hier  keinen  besonderen  Nach- 
druck, da  er  auf  ähnliche  Art  auch  bey  dem  Raub  der  Perse- 
phone,  wie  Braun  anführt,  als  der  Allwaltende  yorkommt  und  der 
Ida  insbesondere  als  sein  Sitz  und  seine  Warte  yon  selbst  an  ihn 
denken  lässt.  Die  so  abgeschlossene  Gomposition  ist  an  beyden 
Seiten  durch  mehrere  Figuren  erweitert  worden ,  eben  so  wie  eine 
mit  Achilles  in  Skjros  ,  yermuthlich  yon  Algardi ,  der  den  Pallast 
ausführte,  wie  R.  Rochette  bemerkt,  und  zwar  bloss  um  gegebene 
Räume  an  der  Aussenwand  symmetrisch  auszufüllen. 

79.  Eine  ähnliche  Gomposition,  aber  unyollständig  hat  Reger 
Spicil.  p.  135  und  Bellum  et  excid.  Troj.  tab.  7  aus  den  Hand- 
schriften des  Pighius  Fol.  259.  Von  den  Nymphen  sind  zwey 
übrig,  so  wie  N.  80.  Paris  sitzt  nach  derselben  Richtung,  rechts- 
hin,  ist  aber  ganz  bekleidet,  so  wie  auch  Venus,  hinter  welcher 
der  Peplos  sich  yon  unter  den  Hüften  bis  zum  Kopf  in  einen  Bo- 
gen stellt;  yor  ihr  ist  Amor.  Die  drey  Göttinnen  yon  welchen 
Juno  sitzt,  sind  eigenthümlich    im   Halblircis  geordnet,    Mercur  in 


422  Urtheil  des  Paris. 

dessen  Mitte  über   der  Venus   schwebt  Victoria    herab   wie  N.  80 
und  auf  der  Vase  N.  61.     Oben  sechs   Tbiere  ^^). 

80.  Ganz   nbersehn  in  neuerer  Zeit    ist   eine  grosse  sehr  be- 
schSdigte   Sarliophagplatte   in    Villa    Medicis    in  Rom,   yermuthlicli 
hoch  an  der  Wand  des  Palastes,  ausführlich  beschrieben  ron  Zoega 
und  gestochen  in  Spence  Polymetis    or  an  enquirj  concerning  the 
agreement  between  the   works    of  the   Roman   poets  and    the  re* 
raains  of  the   ancicnt  artists  Lond.  1755  p1.  34  p.  246.      Sie  ent» 
hält  zwey  Scenen ,  den  Streit  der  Göttinnen  bey  der  Hochzeit  des 
PelcuSi  an  welchen  N.  59  nur  erinnert  ist  durch  die  Halbfigar  der 
Eris,   und    das    Urtheil    des    Paris,    und    zwar  seltsamerweiiie   die 
erste    dieser   Scenen  auf   der  rechten    Seite    des   Betrachters!,  die 
andre    auf  der    linken.      In    der  ersten   sind  yorgestellt,  oberhalb 
der    Genius    des    Pelion,    unter  einer  Grotte   oder    einem    ausge- 
spannten   Tuch    (im    Stich    das  letztere),   auf  der  Spitze  des  Fels* 
bergs   Jupiter    mit  Blitz  und  Adler,   hinter  ihm    Diana    mit    Mond 
und  Peplosbogen,    links  yon   ihr  eine   männliche  (im  Stich    weib- 
liche) Figur,  deren  Kopf  beschädigt  ist.     Etwas  tiefer  ist  nur  ein 
Fuss  uhrig,  aber  Raum  genug  für  Peleus  und  Thetis.    Rechts  too 
Jupiter  ist  Merkur,  die  Dioskuren    kommen  an  neben  einander  in 
Galopp  ^^),  hinter  ihnen  geht  Sol  mit  Viergespann  aus  einem  gros- 
sen und  flachen  Bogen,  in  Form  einer   halben  Ellipse,  herTor  (im 
Stich  ein  Bogen  des  Peplos,  worauf  drey   Zeichen  des  TLierkrei- 
ses   zu   erkennen   sind).     Von   grösserer  Gestall   sind  die   Figuren 
unter    dem  Berg,   Tellus    oder  Thessalia,    Peneus,   Oceanas    und 
Tethjs ,  in  deren  Mitte  Eris,  geflügelt,  in  der  Linken  einen  Palm- 
zweig ^  in  der  yerlornen  Rechten  yermuthlich  den  Apfel,  die  drej 
Göttinnen  in  einer  Reihe  hintereinander,  V^enus  Toran,  Minerva  die 
hinterste,  den  Berg  hinanschreitend  nach  der  Eris  zu  :  endlich  Venus 
noch   einmal    mit   Mars.     Die   letzte  Figur  ohne  Zweifel  Victoria, 
wie  N.  59.  61.  79,  und   dieselbe  vermuthlich  auch  in   der    andern 
Abtheilung  die  Figur,  welche  Zoega  Eris  nennt. 

5t)  0.  Jahn  hat  in  den  Ber.  der  kön.  Sachs.  Ges.  der  Wiss. 
1848  Taf.  IV,  1  die  Zeichnung  des  Pighius  gegeben  mit  der  yon 
mir  mitgetheilten  Zoegaschen  Abhandlung  und  einer  jgenaaeren 
Erklärung  der  Nebenfiguren  S.  55-69  und  bemerkt:  „Es  scheint 
mir  unzweifelhaft,  dass  das  Rctlief  bei  Beger  Spicil.  p.-  135  das- 
selbe ist  (mit  dem  in  Villa  Medicis),  die  andere  Hälfte  ist  eben  da- 
selbst S.  131."  Derselbe  sieht  statt  des  Peleus  und  der  Thetis 
die  nach  dem  urtheil  zu  Zeus  zurückkehrenden  Göttinnen ,  Aphro* 
dite  yon  der  Nike  geleitet. 

52)  Appulejus  in  dem  Pantomimus  des  Parisurtheils :  jam 
singulas  obibart  comites,  Junonem  quidem  Castor  et  Pollaz. 


Unheil  des  Paris.  423 

81.  Die  Hochzeit  des  Pelens  ist  mit  dem  tJrfheil  des  Pa- 
ris auch  yerbunden  an  eioem  Ring  aus  Knochen  im  Besitz  des 
Grafen  Fossati  in  Babriano,  welchen  Braun  bekannt  machte.  (II 
giudizio  di  Paride  p.  14  in  Paris  bei  Didot  1838)  ^').  Die  Arbeit 
ist  aus  der  Zeit  der  barbarisch  gewordnen  Kunst ,  die  sich  jedoch 
▼on  der  noch  barbarischeren  an  der  Rylix  de?  Xenokles  merkwürdig 
genug  unterscheidet.  Eris  schleudert  den  Apfel  über  das  zu  Tisch 
gelagerte  Brautpaar  in  den  Saal;  wer  die  drej  andern  Personen 
seyen,  ist  nicht  klar.  Eben  so  wenig,  ob  aus  Absicht  oder  Un- 
wissenheit nicht  Paris  sondern  Mercur  der  Venus  den  Apfel  hin- 
hält: denn  selbst  wenn  der  Ring  zerbrochen  war  und  etwas  fehlen 
sollte,  so  sind  die  Figuren  des  Mercur  und  der  Venus  unverletzt. 
Ein  Knochenrelief  mit  einer  andern  Geschichte  aus  der  Reihe  der 
Troischen  von  verwandter  Art  der  Kunst  befindet  sich  in  Cleve  in 
einer  Kirche  und  ist  edirt  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  für  die 
Rheinischen  Alterthümer  am  Rhein  V.  VI  Taf.  7.  8. 

82.  Aus  Villa  Borghese  im  Louvre,  Mus.  Napol.  II,  58,  bej 
Glarac  Mus^e  de  Sculpt.  pl.  214  n.  235  p.  646.  Der  Apfel  geht 
durch  die  Hand  des  Amor  an  Venus,  welche  halb  von  dem 
Mantel  yerhüllt  ist;  Juno,  grösser  als  die  beiden  andern,  thront 
in  der  Mitte,  neben  sich  den  Pfau. 

83.  Dieselbe  Vorstellung,  nur  mit  dem  Unterschiede  dass  Paris 
den  Apfel  über  den  bittenden  und  mit  seiner  Fackel  gerade  auf 
ihn  eindringenden  Amor  weg  selbst  der  Venus  reicht,  dass  diese 
durch  ein  Unterkleid  (ohne  Peplos)  Terhüllt  ist  und  indem  sie  die 
Hand  ausstreckt  den  Apfel  zu  empfangen,  sich  umwendet  um  der 
Juno  zu  yerkündigen :  mein  ist  der  Sieg  ^^),  Juno  hat  als  Lucina 
eine  grosse  Fackel  ^^].  Diess  an  dem  grossen  Sarkophag  aus  der 
Nähe  von  Bordeaux,  über  dem  Besuch  des  Endjmion,  neben  ei- 
ner Rüstung  zur  Jagd  auf  wilde  Thiere,  wie  V^isconti  dem  ersten 
Herausgeber  bemerkte ,  Antiqu.  Bordelaises.  Sarcophages  trouy^s 
etc.  Bordeaux  1806  (p.  26),  Miliin  Voj.  pl.  76,  1.  jetzt  im 
Louyre,  Glarac  pl.  165  n.  236,  auch  bej  R.  Rochette  Mon.  inöd.  pl. 
76 ,  p.'  268. 

84.  Ein  von  dem  Herzog  Ton  Anhalt-Dessau  in  Rom  gekauf- 
tes Urtheil  des  Paris   erwähnt  Winckelmann   Mon.    ined.  p.  6,  wo 


53)  S.    die    Anzeige  yon   0.  Jahn  in  der  Zeitschr.    für  Alter- 
thumswiss.  1839  S.  285-292. 

54)  Goluth.  169  itSaii  f^ot  x.  r.  X. 

55)  „L'oiseau  place  pr^s   de  Junon  est  ane  oie,  Lenormant 
NooY.  Gal.  mythol.  p.  75"  (de  WilteJ. 


424 


Urtheil  des  Paris. 


Juno  ebenfalls  sitzend,  mit  der   Fackel  and  dem  Pfau  nnter  dem 
Throne  dargestellt  war. 

85.  Bej  einem  Landhaus  ohnweit  Dijon  fand  Millin  Voy.  an 
midi  de  la  France  1,  263  Paris  sitzend,  sein  Hand  neben  ihm, 
der  Venus  den  Apfel  reichend ,  die  durch  Amor  geführt  wird. 

86.  So  hält  an  der  bekannten  Ära  des  Fayentins  Mercnr  den 
Apfel  in  der  Hand,  nach  welchem  der  sitzende  Paris  langt;  die 
Göttinnen  aber  stehn  hinter  dem  Mercur  und  nur  Venus  ist  halb 
entblösst.  Die  Ära  Casali  wurde  zuletzt  edirt  Ton  Fr.  Wieseler, 
Götlingen  1844. 

87.  Zwey  nach  dem  Schnitt  der  Platten  zu  einander  gehörige 
Reliefe  stellen  vor  die  eine  den  Paris  die  Sjrinz  blasend ,  das  Pe- 
dum  in  der  Linken  einen  Hund  neben  sieb,  hinter  einem  Baum; 
die  andere  Venus ^  mit  fliegendem  Peplos  in  Eile,  die  den  Apfel 
empfangen  hat  und  in  der  Linken  yielleicbt  eine  Palme  hilt;  in 
den  Eograyings  and  etchings  of  the  principal  statues,  bustt»  bai-^ 
reliefs  etc.  in  the  Collection  of  Henrj  Blundell  at  Ince  Vol.  2 
pl.  99. 

88.  Von  einem  Bruchstück  in  Korfu  bej  Hr.  Theodochi  gab 
Hr.  Passalendi  daselbst  in  einem  Brief  an  Munter  diese  Notii: 
frammento  di  bassoriiievo  in  argilla  con  tr^  Ogure  in  piedi  ,  tutte 
ricoperte,  dinanzi  alle  quali  st^  ritta  in  piedi  una  quarta  cd  capo 
scoperto  e  adorno  di  lunga  chioma ,  avente  nella  destra  una  spe— 
zie  di  asta  6  bacolo  pastorale ,  che  potrebbe  prenderai  forte  pel 
giudizio  di  Paride. 

89  a.  Ein  Stück  yon  einem  nicht  hohen  Fries  Ton  gebrannter 
Erde,  das  ich  bey  Hr.  Vescovali  in  Rom  traf,  enthält  Paris  sit- 
zend, Mercur,  Venus  in  kecker  Stellung,  halb  nackt,  Juno,  Mi- 
nerTa  mit  grossem  Schild. 

89  b.  In  Andres  glaubte  L.  Ross  (Reisen  auf  den  Griech.  In- 
seln 2,  20)  auf  einer  grossen  Marmorplatte,  fast  einen  Meter  ins 
Gezierte ,  das  Urtheil  des  Paris  zu  erkennen.  Die  drej  Göt^ 
tinnen,  bis  auf  die  Füsse  bekleidet,  Athene  in  der  Mitte,  auf  ei- 
nem Felsen  sitzend,  den  Schild  am  liuken  Arme;  Aphrodite  mit  ho- 
hem auf  dem  Wirbel  zusammengefassten  Haar  und  mit  Ohrringen, 
legt  so  wie  Here  eine  Hand  auf  die  Schulter  der  Pallas.  Paris, 
die  letzte  Figur  zur  Rechten  des  Beschauers  ,  ist  nackt,  nur  mit 
dem  Mantel  über  die  Brust  und  den  linken  Arm.  An  dem  oben 
Rande  des  Basreliefs  in  der  Mitte  eine  Maske  des  bärtigen  Diooy-* 
SOS  mit  Stierhörnem ,  neben  dieser  Pan,  auf  der  andern  Seite  fehlt 
die   Figur,   Z(  ichnung  und  Arbeit  sind    sehr   gut,  „etwa  aiu'  dfrtP  ^ 


m    » 
I  I 


Urlkeil  des  Paris.  425 

Makedonischen  Zeit.''  Le  Bas,  der  das  Relief  zeichnen  liess  and 
bekannt  machen  wird,  sieht  darin  ane  yari^tö  d*une  classo  de  mo- 
numens  TOtifs  tres-importants  dont  le  sens  n'a  pas  encore  ötö  bien 
döterminö,  und  bemerkt  dass  Rost  das  Gewölbe  der  Grotte  für  Wol- 
ken genommen  habe  (Reyoe  archöol.    1846   3,  287). 

89  c.  Im  Museam  zu  Darmstadt  ein  Stuc  k  eines  Candelaber- 
fusses  Ton  rosso  ant  Unten  Weinranken  in  welchen  Kinder  spie- 
len und  weiter  oben  Janp,  Minerra  und  Venus,  zu  welchen  Paris 
nicht  gefehlt  bat;  erwähnt  auch  yon  Quandt  in  der  Reise  in  das  mit* 
tag.  Frkr.  S.  347,  abgebildet  Lehne  röm.  AU.  d.  Donnersb.  Taf.  12,  52. 

Für  Lampen  war  der  Gegenstand  besonders  geeignet^ 
man  findet  ihn  öfters. 

90.  91.  92,  bey  Passeri  Lucerne  2,  17.  Barbault  Rec«  de  diy. 
mon.  p.  37. 

93.  Auch  an  einem  Degenknopf  aus  Bronze  wurde  er  bemerkt, 
Paris  der  Venus  den  Apfel  reichend,  er  selbst  und  die  Göttinnen 
nackt.  Greozer  Abbild,  zur  Symb.  1819  Taf.  L  S.  19  f.  ungefähr 
yon  dem  Schlage  wie  das  angeführte  Kunstwerk  in  Knochen;  die 
dicke  nackte  Minerya  hält  Schild  und  Lanze  auf  den  Rücken  zu- 
rück: scheuslicher  Witz.  Grenzer  bemerkt  Wiener  Jahrb.  1847  3, 174. 
„dass  man  jetzt  wohl  erst  fragen  müsse,  ob  diess  Relief  auch  antik 
sej,  um  so  mehr  da  Arneth  in  diesen  Jahrb.  GXIII  S.  31  N.  9 
nachgewiesen  hat  dass  die  Ginquecentisten  diese  Scene  auf  Kameen 
nachgebildet  haben." 

Auf  Münzen  liommt  das  Parisurtheil  seit  der  Zeit  An- 
tonins  des  Frommen  vor, 

94.  95.  Zwej  yon  Skepsis  unter  Garacalla,  wo  Pallas,  Venus 
Juno,  alle  bekleidet,  yor  dem  sitzenden  Paris  stehn,  unterscheiden 
sich  dadurch ,  dass  auf  der  einen  Amor  yor  der  Venus  yon  einem 
Gippus  sich  herabschwingt,  auf  der  andern  mit  dem  einen  Fuss  auf 
dem  Ida  steht  und  den  andern  erhebt.  Auf  bejden  ist  ein  Baum, 
dessen  Zweige  die  Njmphe  des  Ida  gefasst  hält,  mit  der  Bej" 
Schrift  IJH  auf  der  ersten,  Mionnet  2,  670  n.  257  (un  arbre  aux 
branehes  doqael  i'attache  ane  femme  ötendue).  Suppl^m.  5,  580 
n.  606  (an  arbre  anqael  monte  one  femme  en  habit  court,  qui  est 
ratpendae  p^  '^'^  MalnaL  .  R,  Roohelte  Mon.  inöd.  p.  262.  Die 
Njmpl  f,  bnhlt  mit  Paris  nach  Pro- 
pü^  rinageber  aus  Irrthum  die 
Ol  md   Hertzberg   in    seiner 


426  Urtheil  des  Paris. 

Uebersetiang  (1838)  unbcgreiflicherweise  die  Venui  sich  dem  Pa- 
ris hingeben  Ifisst. 

96.  Auf  einer  von  Tarsos  nnter  Maximin  stebn  Venus  und 
Pallas,  Juno  nimmt  tbronend  die  dritte  Stelle  ein,  Paris,  aitzend, 
hält  den  Apfel  in  der  Rechten ,  Pedum  in  der  Linken«  Mionnet 
3,  640  n.  513. 

97.  Seltsam  ist  die  Münze  Antonius  yon  Alexandria.  Mionnet 
6,  234  n.  1585  ^^).  Auf  einem  Felsen,  der  den  Ida  yorstellt.  wie 
der  der  Farnesischen  Gruppe  den  .Rithäron,  stehn  die  Göttinnen 
und  darunter  sitzt  Paris,  mit  Phrygischem  Hut  und  Pedum,  und 
steht  Mercur.  Indem  dieser  zu  Paris  spricht  und  nach  den  Göt- 
tinnen deutet,  hat  Venus,  die  oberhalb  nackt  ist,  den  Apfel  schon 
in  der  Hand  (Spon  giebt  ihn  irrig  dem  Mercur)  und  ein  Amor 
schwebt  mit  einem  Kranze  über  ihrem  Haupt,  Juno  steht  mitten, 
Pallas  zuletzt. 

98.  Eine  andre  Münze,  auch  von  Alexandria,  stellt  nur  den 
Paris  Tor,  die  Kithar  spielend  (nicht  den  Orpheus),  umgeben  yon 
Tielen  Thieren,  Zoega  N  A.  p.  181  n.  159,  Mionnet  f^,  334  n.  1586. 

Unter  den  geschnittnen  Steinen  hat 

99  der  Onjxcamee  des  Museums  zu  Florenz  eine  anmuthige 
Gomposition.  Den  sitzenden  Paris  fasst  Amor  von  hinten  um  den 
Hals,  Mercur,  Pallas,  Venus,  Juno;  diese  thronend,  wodurch  al- 
lein sie  yon  Venus  sich  unterscheidet,  die  ebenfalls  ganz  bekleidet 
ist.  Die  Folge  der  Göttinnen  wie  N.  51.  94.  Zannoni  Gall.  di 
Fir.  Cammei  tay.  22,  1. 

100.  Aehnlich  ist  der  Carniol  Jenkins  (Dolce  R.  16).  Mercur 
führt  die  Göttinnen  yor,  Pallas,  Venus,  Juno,  Amor  ist  bej  dem 
Paris.  Visconti  Opere  yarie  2,  269  n.  356.  Visconti  nennt  mit 
Unrecht  die  dritte  der  Göttinnen,  welche  sitzend  ist,  Venus.  Den 
schönen  Gameo  Ludoyisi  mit  einer  ähnlichen  Vorstellung  erkUrt 
er  für  ein  Werk  des  sechzehnten  Jahrhunderts. 

101.  Ganz  bekleidet  sind  die  Göttinnen  und  Paris  auch  auf 
einem  Sardonjx  in  Begers  Jhea.  Brandenb.  1  p.  43,  auch  bey 
Montfaucon  1  tab.  108  ^0. 


56)  Morell.  Speo.  n.  11.  Patin  Judic.  Par.  1679.  Spon  Rech. 
diss.  17  p.  221.    Zoega  N.  A.  p.  180.  Millin  Gal.  mythol    151,  538. 

57)  „Wer  ferner  fragt,  ob  denn  Köhler  kein  Auge  gehabt  für 
jenen  ebenfalls  schon  durch  seine  Grösse  imponirenden  Rameo  mit 
dem  Urtheil  des  Paris,  der  durch  Farbenglanz  und  untadliche  Mei- 
sterschaft der  Arbeit  selbst  die  bewunderten  noch  grösseren  Werke 
der   Glyptik   s&mmtlich   übertrifft;   oder  ob   er   etwa   sich  mit  der 


ürtheil  des  Paris.  427 

102.  Die  mnlhwillige  Auffassang,  die  wir  aoe  Properz  und 
Locian  kennen,  drückt  der  zwejte  Florentinische  Stein  aas,  Zan- 
noni  tay.  22,  2^^).  Mit  Derbheit  beisstPari»,  der  bier  Jagdspiesae 
bSIt,  die  Göttinnen  sieb  ibm  nackt  zu  zeigen  und  sie  tbun  es 
mit  Frecbbeit. 

103.  Widrig  and  plump  ist  der  Maffeiscbe  Stein  bej  Mont- 
fauGon  1  tab.  108,  2,  wo  in  der  Mitte  der  nackten  Göttinnen  Pal- 
las nackt  den  Helm  auf  bat  wie  N.  72,  Mercur  dem  Paris  den 
Apfel  übergiebt. 

104.  105.  105.  Die  Göttinnen  vor  dem  unter  einem  Baum  sit- 
zenden Paris  sind  aucb  im  Stoscbischen  Gabinet  in  drey  antiken 
Pasten,  nackt  obne  Mercur  3,  1.  195  p.  354,  mit  Mercur  n.  196, 
mit  Amor  dazu,  aber  yersebieden  im  Gostüm  n.  197^^). 

107.  Mercur  allein,  mit  Heroldstab  und  dem  Apfel,  ist  unter 
den  Impronte  dell*  Instit.  archeol.  cent.  4,  16^^). 

Auf  Etrurischen  Spiegeln  endlich  finden  sich  folgende 
Vorstellungen. 

108.  Lanzi  II  tay.  12  (8),  Gal.  mjtbol.  151,  535,  neu  gezeich- 
net in  Gerhards  £tr.  Spiegeln  182;  der  Spiegel  ist  im  R.  Museum 
zu  Berlin.  Mercur  richtet  dem  Paris  den  Auftrag  aus;  die  bejden 
Namen  bejgeschrieben.  Die  Säule  bedeutet  des  Paris  Haus  (N. 
49),  obgleich  auch  ein  Baum  sichtbar  ist;  er  sitzt  auf  einem  Fel- 
sen, seinen  Hund  neben  sich. 

Häufig  ist  das  Urtheil  vorgestellt. 

109.  Bey  Gori  Mus.  Etr.  2,  138  sitzen  Paris  und  Mercur  ge- 
genüber; dieser  hat  einen  Knotenstock  als  Wandrer,  wie  bei  Ger- 
hard £trusk.  Spieg.  Taf.  GLXVIII,  so  wie  aaf  der  Vase  N.  55  ein 
blosses  Stäbchen  statt  des  Rerykeion.  Zwischen  Bejden  die  Göt- 
tinnen. Juno  und  Minerra  stehen  gegen  die  Venus,  die  fast  ganz 
nackt  ist  und  stolz  den  Arm  in  die  Seite  setzt,  zurück,  zum  Tbeil 
bedeckt  Ton  dem  Arm  der  Venus  und  dem  des  Paris,  und  sind 
ohne  Unterscheidungszeichen.     Nackt  ist  auch  Paris  unter  seiner 


armseligen  Begerschen  Abbildung  begnügt  habe?"     Tölken  Sendschr. 
an  die  k.  Ak.  der  W    in  St.  Petersb.  1852  1  S.  7. 

58)  S.  de  Witte  in  den  Annalen  des  Instituts  17,  355  Not.  2. 

59)  Die  folgende  Paste  N.  198,  Paris  yor  einer  kleinen  Sta- 
tne,  findet  tioh  wieder.  Impronte  d.  1.  a.  6  35.  Bullett.  1839 
p.  100. 

60}  8.'  ^*  '**~       **">  den  Annalen  des  Institats  17,  p.  205  und 


428  Urtheü  des  Paris. 

Chlamjs.  Die  ganie  Gomposition  ist  durch  die  RünduDg  des 
Spiefels  bedingt  ^^).' 

HO.  tu.  Dieselbe  Vorstellang,  nur  mit  Auslassong  der  einen 
Yon  bejden  in  den  Hintergrund  gestellten  Göttinnen,  wie  anf  den 
Vasen  n.  28  und  62  eine  fehlt,  ist  in  Gausei  Mus.  Rom.  2,  21 
(auch  bej  Beger  Bell.  Troj,  tab.  3),  und  diess  mit  geringer  Ver- 
schiedenheit wieder  bej  Dempster  Etr.  reg.  1 ,  38«  Gerhard  Spie- 
gel CGVll  ,  2  erkennt  Helena,  Venus,  Paris  und  vielleicht  Mene— 
laos,  wo  dem  Paris  noch  dazu  das  einzige  Kennzeichen,  die  Phrjr- 
gische  Mütze,  fehlt.  Man  sieht  daraus,  dass  sich  auf  die  Richtig- 
keit der  Vorstellungen  bej  den  Spiegeln  nicht  immer  zu  yerlasseB 
ist,  und  schon  ihre  grosse  Menge  und  die  fabrikmässige  Beschaf- 
fenheit so  yieler  macht,  dass  einzelne  Verstösse  auch  in  besseren 
uns  weniger  auffallen  dürfen. 

112.  Gaus.  3,  4  sitzen  ebenfalls  Paris  und  Mercur  gegen  ein- 
ander über  und  neben  der  nackten  Venus  ist  nur  Pallas  mit  dem 
Helm. 

113«  Nochmals  dasselbe,  nur  so  dass  statt  der  Juno  die  Pal- 
las fehlt,  auf  einem  Spiegel  des  Gab.  Durand  n.  1963,  der  in  das 
k.  Münzcabioet  zu  Paris  gekommen  ist.  Wegen  der  Auslassung 
der  einen  Göttin  ist  der  Zeichner  anzuklagen,  den  der  gegebene 
schwierige  Raum  zu  dieser  Frejheit  yeranlasste. 

113*.  Zwei  Spiegel  im  Mus^e  Thorwaldsen  I  p.  174  n.  165. 
166«  167,  woTon  keiner  edirt. 

114.  Wenn  zwej  Göttinnen  fehlerhaft  scheinen,  so  ist  die 
Abkürzung  erträglich ,  dass  Venus  allein  mit  Mercur  und  Paris  auf 
einem  Spiegel  verbunden  sind,  welchen  Gerhard  besitzt,  Metall— 
Spiegel  S.  25.  Er  ist  edirt  in  dessen  Spiegeln  190.  Venus  ist  be- 
kleidet und  hat  einen  Aufsatz  mit  sechs  Zacken  auf  dem  Kopfe 
Gerhard  Taf.  GLXG. 

115.  Gerhard  GGXXXIV.  Dagegen  ist  Paris  weggelaaien, 
dessen   Stelle   hier  die   nachte   Venus  einnimmt,   auf  dem  Spiegel 


61)  R.  Rochette  Mon.  in6d.  p.  266  not.  1  verwirft  wegen  der 
Keule  die  ganze  Erklärung.  Aber  da  doch  Paris  und  die  drej 
Göttinnen  nicht  zu  verkennen  sind ,  so  könnte  Herculei<  nicht  wohl 
anders  als  im  Gegensätze  zu  Paris  verstanden  werden  und  eine 
Fabel ,  wonach  Hercules  und  Paris  den  Göttinnen  Urtheil  sprSohen, 
ist  nicht  weniger  als  ein  Hermes  mit  der  Keule  anderwSrti  nicht 
nachweisbar.  Uebrigens  zählt  auch  Gerhard  über  die  MetalUpie* 
gel  S.  25  diesen  Spiegel  zu  denen,  welche  fremdartige  Zuaitie 
zu  dem  allen  Mythus  angenommen  hätten. 


mmmjamum^^mm 


Unheil  des  Paris.  429 

ans  OrTieto  in  den  Annali  d.  I.  a.  V  tav.  F.  Gab.  Durand  n.  1962, 
Gerhard  Spiegel  184.  Juno  ist  durch  die  Krone,  Pallas  durch  die 
Lanze  auflgezeichnet  Paris  hält  nicht  einen  Äpfel,  sondern  ein 
ÜTal ,  uocb  länglicher  als  ein  Ej  in  der  Hand;  und  ob  auch  diess 
nur  Fehler  einer  Gopie  oder  yon  Bedeutung  sej,  möchte  schwer 
zu  entscheiden  seyn.  Auf  der  Ruckseite  dieses  Spiegels  sieht  man 
Turan  mit  zwej  andern  Göttinnen  (Bullett.  1833  p.  96),  Tormuth- 
lieh  was  Gerhard  Spiegel  183  Ton  einem  Spiegel  in  Oryieto  als 
einen    besondern  Spiegel  giebt. 

116.  Auf  einem  zweiten  Spiegel  bey  Gori  M.  Etr.  2,  129 
scheint,  bey  W^iedcrholung  dieser  riel  ycrbreitelen  Vorstellung, 
nur  ein  schlechter  Scherz  zur  Abwechslung  angebracht  zu  seyn* 
Venus,  ganz  nackt,  nimmt  die  Mitte  ein  unter  den  drey  Göttinnen. 
Der  sitzende  Paris,  der  sonst  hier  und  da  die  Göttinnen  sich  ent- 
blossen  heisst ,  hebt  hier  seinerseits  sein  Gewand  bi^  hoch  he- 
ran auf^^j.  Man  Tcrgleichc  das  Wandgemälde  N.  75.  Die  Figur 
zur  Verzierung  des  Griffs  scheint  hier  die  Eris  zu  seyn. 

117 — 125.  Aus  Gerhards  Spiegeln  kommt  hinzu  168  Herakles, 
Paris  und  die  drei  Göttinnen.  Derselbe  Spiegel  oder  ein  ähnli- 
cher bei  Gori  Mus.  Etr.  2,  128  und  Gall.  Omcr.  2,  224  p.  202 
als  Unheil  des  Paris  „Mercur  mit  Keule'*  185.  „Urtheil  des  Paris. 
Zwey  der  Göttinnen  unbekleidet.  Im  Jahr  1841  zu  Uom  gezeich- 
net." 186.  „Urthcil  des  Paris,  Juno  thronend.  Spiegel  yon  Gäre 
im  Besitz  des  Herausgebers."  Diese  Juno  uud  eine  der  beyden 
andern  Göttinnen  haben  Mützen  wie  Paris,  der  ihnen  gegenüber- 
sitzt, alt  ist  und  im  Sprechen  begriffen  ist.  Wenn  das  Urtheil 
gemoynt  ist,  so  ist  das  hässliche  Bild  wenigstens  nicht  ein  Aus- 
druck desselben.  187.  Im  Römischen  Kunsthandel  gezeichnet:  Pa- 
ris mit  einer  knotigen  Keule,  wie  sie  auch  auf  einem  Spiegel  mit 
dem  Urtheil  des  Paris  im  Museum  zu  Parma  von  Gayedoni  nach- 
gewiesen wird  Bullet,  di  Roma  1847,  p.  73,  steht  keck  zwischen 
den  drey  Göttinnen.     Roheste  Zeichnung  und  die  Göttinnen   ohne 

62)  Dass  dieses  nur  aus  „gaucherie"  des  Künstlers,  also  un- 
absichtlich und  ohne  Obscenität  sey,  wie  R.  Rochette  p.  265  not. 
5  annimmt,  da  er  doch  ein  Versehn  der  Unwissenheit  wie  die  mit 
dem  Gaduceus  eines  Vorbilds  ycrwechselte  Keule  nicht  zugeben 
will,  ist  schwer  zu  glauben.  In  Gerhards  Spiegeln  207  ,  4  ist  das 
schlechte  Ding  als  „Helenas  Hochzeit  mit  Paris  in  Gegenwart  der 
Grazien  (yon  zwei  Grazien)"  gegeben  und  diess  wird  durch  die 
Vergleichung  mit  207,  3  unterstützt.  De  Wille  in  den  Annalen 
des  Inslit.  17,  208  Not.  3.  lieht  dieser  Erklärung  „die  yon  mir 
befolgte*'  Gorisehe  Tor, 


430  Urtheil  des  Paris. 

alle  Attribute,  wie  auf  dem  Torigen.  188.  „Paria,  Venua  nnd  die 
(zwej)  Hören,  im  Valican,  nach  Micali  Mon.  ined.  20,  2.*'  Warum 
nicht  die  drej  Göttinnen  ohne  Attribute?  189.  Venua  ganz  nackt, 
welcher  Paris,  ihr  gegenüber  sitzend,  den  Apfel  reicht.  Der  Ap- 
fel ist  so  gross,  dass  Paris  die  Hand  weit  öffnet.  192.  „Minerra, 
Juno,  Paris  und  Mercur,  Spiegel  des  Vaticanischen  Museuooa  nach 
M.  Gregor.  1,  34,  1.*'  193.  „Aehnliche  Darstellung,  der  Durand- 
ache  Spiegel  n.  1964  ,*<  wo  Paris  für  Atjs  genommen  iat;  jetzt 
im  Pariser  Münzcabiuet.  194.  „Paris,  Mercur  (gegenüber  aitzend) 
und  zwej  Göttinnen  (ohne  Kennzeichen),  stehend,  im  Jahr  1836 
bej  dem  Kunsthindler  VescoTali  gezeichnet."  195.  „Aehnliche 
Darstellung,  die  Göttinnen  sitzend'*  und  Mercur,  der  zum  Paris 
gesticulirend  spricht.  „£ine  der  gefälligsten  Darstellungen  dea 
Parisurtheila*'  auf  einem  Spiegel  zu  Lausanne  in  Gerharde  Ar- 
chäol.  Anz.    1852.  S.  154. 

Andre  Spiegel  enthalten  Veränderungen  oder  Zusätze  yer- 
schiedner  Art,  ^so  ein  unedirter  des  Collegium  Romanum,  woYon 
in  der  Beschreibung  Roms  3 ,  3 ,  489  N.  1 1  eine  Erklärung  yer- 
sucht  ist.  Doch  ist  nicht  einzusehn,  warum  man  noch  yon  Urtheil 
des  Paris  sprechen  will ,  wenn  dieselben  drej  Göttinnen  mit  Apollo 
und  Hercules  yereinigt  sind,  wie  auf  dem  Spiegel  bej  Micali 
Mon.  1833  tav.  49,  Anoali  d.  I.  583,  Gerh.  Spiegel  167.  Dais 
die  Composition  mit  der  andern  übereinstimmt,  erklärt  sich  aus 
dem  Kreisrund ,  worin  sie  einzuschliessen  war  und  dem  gleichen 
Verhältniss  yon  zwej  männlichen   und  drej  weiblichen  Figoren. 


]>'achtrag^. 

„Uydria  des  Lord  Northampton  mit  dem  Urtheil  dea  Paria: 
die  drei  Göttinnen  yon  Paris  und  von  Zeus  entlassen.  Scheiot 
in  den  Verzeichnissen  bei  Welcker  und  den  meinigen  nicht  ent- 
halten und  yerdiente  daher  näher  beschrieben  zu  werden.'*  Ger- 
hard in  der  Archäol.  Zeit.  1846  S.  340. 

Unter  den  Vasen  des  Hrn.  Blayds  bemerkte  ich  „yon  Gefla- 
aen  mit  ruthlichen  Figuren  ein  Ozybaphon  mit  dem  Urtheil  dea 
Paris.  Dieser  iat  bekleidet,  mit  einem  Petasus  bedeckt  und  hält 
auf  einem  Felsen  sitzend  einen  Hirtenstab;  die  drei  Göttinnen 
stehen  yor  ihm,  Pallas  bewaffnet,  Aphrodite  yerschleiert  und  ein 
Scepter  haltend,  dagegen  der  Apfel  nicht  in  ihrer,  aondern  in 
Heraus  Hand  bemerkt  wird.«'  Birch  in  der  ArchäoL'ZeiL  1846 
S.  296. 


Urtheii  des  Paris.  431 

Grosse  Vase  mit  rothen  Figaren  ans  Gnathia  bei  Barone.  BuIK 
Napol.  1847  p.  198. 

Andere  neue  Parisurtheile  in  demselben  Bull.  Napol.  184S  p. 
90.  103  tav.  6;  ein  anderes  in  einer  PriTatsammlung  (vermuthlich 
Santangelo). 

„Zu  Paris  im  Louyre  kommen  auf  einer  Vase  Tier  Frauen  yor, 
ich  halte  die  vierte  für  Iris  wie  diese  auf  einer  yon  Ihnen  heraus- 
gegebenen Berliner  Vase  (N.  1640  Gerhard  Etrur.  und  Gampan. 
Vasen  Taf.  XIV),  obgleich  sie  hier  keinen  Caduceus,  sondern  ei- 
nen langen  Stock,  wie  ein  Scepter,  hält.*'  Papasliolis  in  Gerhards 
Archäol.  Zeit.   1853  S.  400  N.  9. 

Gerhard  im  zweiten  Nachtrag  der  Neuerworbenen  antiken 
Denkmäler  der  k.  Vasensammluug  zu  Berlin  (1855)  S.  109  N.  1981 
„Urtheii  des  Paris.  Archaische  Hjdria.  Die  bekannten  drei  Göt- 
tinnen, Pallas  durch  Helm  und  Speer  kenntlich,  Hera  verschleiert 
und  Aphrodite  durch  zierliche  Gewandhebung  unterschieden,  schrei- 
ten ,  von  Hermes,  der  nach  ihnen  umblickt,  geführt,  dem  Paris 
—  mit  reichlichem  Mantel  und  bärtig,  zu  u.  s.  w.  (gewiss  nicht 
dem  Zeus).  Jm  oberen  Raum  Dionysos,  zu  beiden  Seiten  ein 
Silen/« 

Das.  S.  112  N.  1986.  „Der  Zug  der  drei  Göttinnen  zu  Paris 
ist  hier  auf  beiden  Seiten  einer  zierlichen  kleinen  und  liefen  Schale 
im  Anbeginn  des  dem  Paris  zugetheiltcn  Auftrags  dargestellt.  Den 
einander  ganz  gleich  gekleideten  Göttinnen  ,  welche  sämmtlich  je 
einen  Zweig  in  der  Linken  halten,  schreitet  Hermes,  mit  kurzem 
Wammü^  Flügelsliefeln  und  spitzem  Hut  angethan,  voran;  sein  er- 
hobener linker  Arm  ist  gegen  den  ebenfalls  kurzbekleideten  bär- 
tigen Paris  gerichtet,  welcher,  im  Forteilen  rückwärts  gewandt 
rechterseils  eine  Rithar  hält,  mit  der  erhobenen  Linken  aber  seine 
Einwendungen  gegen  den  schwierigen  Auftrag  zu  unterstützen 
scheint.  Die  Wiederholung  dieses  Zugs  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  bietet  hierin  keine  andere  Abweichung  dar,  als  dass  daselbst 
nur  die  vorderste  der  drei  Göttinnen  einen  Zweig  hält.  Verzie- 
rungsweise  ist  unter  jedem    Henkel  auch  ein  Schwan  angebracht." 

£ine  Kylix  der  Sammlung  Gampana  ist  herausgegeben  von  de 
Witte  in  Annali  e  Bullett.  1856  (Folio)  pl.  14.  p.  83,  der  sie  den 
bisher  bekannten  von  ihm  zusammengestellten  Trinkschalen  yon 
Brylos  anreiht,  und  yermuthet,  dass  am  äusseren  Rande  umher 
die  Vorbereitungen  zur  Abreise  der  Göttinnen  nach  dem  Ida  vor- 
gestellt sejren.  Statt  des  Namens  BPYAOS  wird  p.  86  vermuthet 
BPYTOS. 


432  Urtheil  des  Paris. 

Bullettino  des  Römischen  Institats  1861  p.  67.  Grossgriechi- 
sche Vase  des  Museo  Gampana  LXIV  N.  16.  Zeus  beauftragt  den 
Hermes  die  drei  Göttinnen  zu  Paris  zu  bringen.  Eine  sechste 
Figur,  geflügelt  mit  zwei  Lanzen,  erklärt  II.  Brunn  für  Eris,  die 
nach  Analogie  der  Furien ,  der  Lyssa  und  ähnlicher  Dämonen  ge- 
bildet sey. 

Unter  den  Wandgemälden,  die  in  neuerer  Zeit  zu  Pompeji  ans 
Licht  gekommen  sind ,  zeichnet  sich  ein  Parisurtheil  sowohl  durch 
die  Komposition  als  durch  den  Glanz  und  die  Harmonie  der  Far- 
ben auch  den  Ausdruck  der  Gesichter  yorzuglich  aus ;  nach  einer 
Meldung  im  Rom.  Bullettino  1861  p.  236.  Vgl.  Raoul  Rochette 
Peintures  de  Pompöi  p.    153 — 167. 

Auch  in  Vilia  Adriana  fand  man  Venus  und  Paris  mit  dem 
Apfel  in  zwei  Ovalen  gegenübersitzend  und  Pallas,  Juno  ond  Ve- 
nus stehend  ,  Agostino  Penna  Viaggio  pitt.  di  Villa  Adriana  F.  4, 
tay.  133,  134.  135;  alle  mit  landschaftlichem  Grund.  Aus  den 
zehn  Ton  Marco  Carloni  1801  in  Rom  publicirten  Gemälden  ans 
Villa  Adriana. 

Ein  in  Siebenbürgen  1823  gefundenes  Mosaik  enthält:  Paris 
sitzend  ,  Hermes  die  drei  Göttinnen  ihm  torfuhrend ;  alle  Perso- 
nen sehr  anständig  bekleidet.  In  gleichem  spätem  Styl  JIPIAMOJS 
knieend  Tor  AXIAEY2,  neben  welchen  AYTOMKJON  steht,  Hei^ 
mes,  die  beiden  Endpunkte  der  grossen  Poesie.  Arneth  Archiol. 
Analekten  1857  als  Beilage  zu  den  Abhandlungen  der  Wiener  Aka- 
demie Bd.  VI.  Taf.  XV  und   XVI. 

An  den  Sarhophagen  ist  das  Parisurtheil  nicht  Yon  neuem  lom 
Vorschein  gekommen.  Dass  er  zu  Rom  in  Rafaels  Zeit  nicht  sel- 
ten gewesen  seyn  möge,  lässt  sich  yermulhen  aus  einem  Stich 
Ton  Marc  Anton  der  eine  freie  Nachahmung  der  antiken  Gompo- 
sition  zu  enthalten  scheint.  An  einem  bewaldeten  Ufer  sitzt  der 
Hirt  Paris,  Venus  den  Apfel  übergebend,  Juno  zur  Seitn,  Ali- 
nerra  sich  wieder  ankleidend,  Mercur  als  Geleit  erscheint  daneben. 
Links  zeigen  sich  drei  Nymphen,  rechts  drei  Flussgötter,  am  Him- 
mel zieht  Sol  einher,  die  Dioskuren  Toran,  auf  der  rechten  Seite 
sitzt  Jupiter  mit  Luna. 


18  in  Liebesgedanken. 


In  dein  Parisurlheil  des  Ludovisischen  Reliefs  isl  als 
ein  neues  Motiv,  das  in  Vasengemälden  bis  jclzt  nicht  in 
dieser  Verbindung  vorkam,  Oenone  in  die  Darstellung  auf- 
genommen. Die  Göttinnen  sind  mit  Hermes  angekommen^ 
Aphrodite  voran  und  neben  Paris,  zwischen  ihr  und  Paris 
seine  Gallin,  während  schon  Amor  den  unter  einer  alten 
Velonaeiche  sitzenden  Paris  zu  verrühren  gescliäflig  ist. 
Die  seherische  Nymphe  isl  hier  durch  eine  Syrinx  bezeich- 
net, welche  dem  Hirtenstab  des  seine  Ochsen  weidenden 
Paris  und  ilirem  eignen  Anzug  entspricht.  Diess  giebt  Auf- 
schiuss  über  ein  stark  missdeuteles  Vasengemälde,  jetzt 
im  Britlischen  Museum  'j.  Hier  ist  Paris,  wie  wir  ihn  oft 
sehn,  nicht  als  Hirt,  sondern  reich  gekleidet  und  hält 
Jagdspiesse;  dem  gemäss  ist  auch  Oenone  als  Dame  in 
Anzug  und  Hallung  genommen,  ihr  Kopf  mit  einer  Tiara 
oder  Mäonischen  Milra,  wie  Virgil  sie  nennt  -) ,  gleich  der 
des  Paris  geschmückt.  Sie  sitzt  ihm  gegenüber  und  spielt, 
statt  der  Syrinx,  ein  Trigonon;  auch  ist  ihr  als  einer 
wohlhabenden  Frau  eine  Zole  beyuegeben  ^),  Paris  aber  an- 
statt ihrem  Lautenispiel  zuzuhören ,    wendet  sich  um  :   dioss 

1)  Mon.   d.    I.   a    I  tav.  57  A ,   2.     Cab.   Durand  ii.  7.  Leiior- 
nianl  et  de  WiUe  Elite  T.  1  pI.  87. 

2)  Acn.  4,  215. 

3)  O.   Jahn    Arcbäol.    Hciir.  S.  348  Not    hält  diese  Erlilärung 
nicht  für  wahrseitciiitich. 

V.  "« 


% 


434  Paris  in  Liebesgodanken. 

zeigt  im,  ilass  die  Zeit  seiner  Zufriedenheit  um  ist  und 
die  Gedanken  an  Helena,  die  ihm  bereits  versprochen  isr, 
ilim  keine  Ruhe  lassen.  Die  VorslcUung  fallt  also  in  liie 
Zeit  zwischen  dem  Urthoil  und  dem  Schiffbau ,  zu  welchem 
Aphrodite  den  Alexandros  antreibt. 

Eine  Vase,  die  ich  später  gewahr  wurde,  in  der  Elite 
ceramogr.  2,  8b  (p.  296.  Apollo  und  Diana  cf.  pl  87  und 
8ö  B)  ergänzt  diese  Vorstellung.  Zu  dem  sich  umwenden- 
den Paris  spricht  eine  weibliche  Figur  und  auf  der  andern 
Seite,  am  runden  Gefäss  aber  neben  dieser,  sitzt  eine 
zweyte  auf  einem  Felsen,  einen  Spiegel  in  der  Hand,  und 
vor  dieser  steht  eine  dritte,  mit  Tänia  und  Fächer,  ge- 
stützt mit  dem  Ellbogen  auf  ein  rundes  Badegefäss.  Sind 
diess  Aphrodite  und  zwey  Chariten?  Die  mit  Paris  spre- 
chende könnte  nicht  Aphrodite  seyn,  sondern  die  sitzende. 
Das  Zweifelhafte  der  Darstellung  wird  vermehrt  durch  eine 
Oenochoe  der  Jattnschen  Sammlung  in  Gerhards  Apul.  Va- 
senb.  Taf.  E,  10,  wo  nun  umgekehrt  Paris,  sitzend,  das 
Trigonon  spielend,  im  ähnlichen  Anzug  wie  die  vermeynl- 
liche  Oenone,  sich  umwendet,  und  zwar  nach  einer  auf 
das  ßadcbecken  gestützten  Figur  mit  Fächer  und  Taube 
(Aphrodite),  und  auf  der  andern  Seite  ein  Jüngling,  nackt, 
die  Chlamys  auf  dem  Arm,  (inen  bundumflochtnen  Kranz 
in  der  Rechten,  einen  grossen  vollen  Apfelzweig  im  lin- 
ken Ann  zu  der  Saitenspielcrin  herantritt.  Man  würde 
sag(>n  Paris  kommt  zur  Helena,  da  es  nicht  über  allen 
Zweifel  ist,  dass  die  das  Tiigonon  spielende  Person  männ- 
lich ist,  wenn  nicht  die  Tiara  und  der  ganze  Anzug  Phry-- 
gisch  wären.  Eine  Scene  des  Alltagslebens  kann  ich  nicht 
vorgestellt  glauben. 

Die  Verliebtheit  des  Paris  und  den  Schmerz  der  Oe- 
sone  stellt  wie  in  abstracto,  ganz  getrennt  von  den  Per- 
sonen die  sie  veranlassten,  ein  Gemälde  dar,  das  ich  in 
Pompeji  in  dem  Haus  des  Labyrinths  auf  einer  gelben 
Wand    Siih.      Dem  Paris,    der  mit    Hirtenstab    und  der  he- 


l'tiris  in  Li<:i)usge[lank(!ii. 


435 


zoicbneixlen  Mütze  ilaslehl,  sÜkI  Amor  im  Nacken  laiit 
Oenune,  die  von  ihm  abgowanilt  sllzl,  lin^)!  <]iu  Hände 
aber  dem  Knie,  wie  sonst  gewöhnlich  ntn  die  KnlHO,  aus 
Schmerz  und  Verzweiflung,  [n  Zahns  Ornamenten  Taf.  31 
der  neuen  Folge  [v;;!.  Bullell.  Nap.  I  p.  101)  ist  Oenone 
für  Helena  genommen,  wulche  nach  dem  dritten  Gesang 
der  lÜHS  ihre  Thal  Imreue.  Aber  damals  halle  Bros  sein 
Werk  längst  vollbrachl,  der  hier  den  Paris  'ni  untorjocbeii 
im  BugrUI'  ist 

Als  Gegpnslück  zu  einem  solehen  Biid  Ut  ilie  Ter- 
racolta  bey  Millingen  Anc.  m»n.  H  pl.  I.s,  2  zu  denken, 
wo  PAhlS  und  OENONE  als  ein  noch  gldi-kliches  Paar 
im    Gebirg,    am  Ki'brcn,    bey  der    Heerde  dargestellt  sind. 

In  schtiiiem  Gegensatz  damit  sieht  die  ScfitL'  voii  dem 
Wettjieg  des  Pariti  cioch  als  Hirt  des  Gebirges  in  Troja 
welcher  Anlass  giebt  zur  Enldi'cknng  des  Paris  als  Sohn 
des  PriaRiüs  nach  dein  Ahixaudros  des  Eiiri])idcs.  Darauf 
beziehen  sich  viele  Ktrurische  IteÜi  l'e.  S.  meine  Griech. 
Tragiid.  S.  467  IF.  und  ü.  Jahns  Beilrilgu  Tal'.  1).  13.14 
S.  34!   IF. 


Aphrodite  treibt  den  Alexandros  zur  Reise. 


In  den  Kyprit*n  trieb  Aphrodiie  den  Alexandros  an 
sich  ein  Schiff  zu  bauen.  Aus  dieser  forlgeselzlen  Thfl- 
tigkeit  der  Aphrodite  im  Epos  erklärt  sich  die  Vorstellung 
einer  Hydria  aus  Apulion ,  die  auf  das  Parisurtheil  bezogen 
worden  ist  ^).  Hermes  spricht  eindrinfflich  zu  Paris,  hin- 
ler welchem  nur  noch  Aphrodite  sieht.  Sie  hat  den  Polos 
auf;  die  hohe  Göttin,  wie  in  einer  Durstellung  des  Paris- 
urtheils  ^,  und  in  der  Linken  den  Scepter,  Alexandros  ist 
Phrygisch  auf  das  Prächtigste  f^ekleidet,  wie  wenn  er  schon 
als  Gast  im  Hause  der  Helena  wäre.  Zu  dem  Stab  hält 
er  ein  Schwerd  stolz  in  seiner  Rechten;  der  Hund  fehlt 
nichl.  Die  Göttin  denkt  sich  Müller  als  ungesehu  heran- 
kommend, was  zu  drm  Urtheil  sich  nicht  schickt:  wohl 
HÜer  wenn  sie  nur  unsictitbnr  zugegen  ist ,  indem  Hermes, 
der  ihr  zu  dienen  auch  hier  fortfährt,  dem  Paris  zure- 
det, dem  er  ein  Schwerd  gebracht  hat.  Mit  dem  Ajas 
unterhält  sich  Athene  ihm  selbst  unsichtbar  bey  Sophoklea. 
Das  Schwerd  unterscheidet  den  Alexandros  bestimmt  von 
dem  friedlichen  Bewohner  des  Ida  ,  vor  welchem  die  Göt- 
tinnen erschienen  ,  es  vereinigt  sich  aber    mit  dem  Auftrag 

1)  Mon.    d.  I.  a  I  tat.  57  A,    I.  K.    O.    Müll«*r  Derikmiler  l| 
Taf.  27,  294.     Elite  ceramogr.  2,  87.      Die  ilyiiria  i«i  im  Bi» 
des  Hr.  de  Witte,  Gab.  Durand  p.  7  not.  '2. 

2)  Gerhard  Aus^rl    Vas.  Taf   17.5. 


■isal- 


Aphrodite  Ireibt  den  Alexandres  zur  Heise. 


437 


ein  SciiilT  zu  rüsten  sehr  wohl,  da  er  üuf  diesem  zu 
einem  fremden  Volke  ziehn  sollte  und  also  bewafTnel  seyn 
mussle.  Ein  Schwird  hall  Paris  auch  in  der  Hanil  bei  der 
Aiikunfl  in  Sparta  vor  der  Kelcna  in  einem  Herculanischcn 
Gemülde  (II,  25). 

Hierdurch  erklärt  sich  nun  weiler  nuch  eine  bekannte 
Vaticanische  Vase  ^.  Die  Einsamkeil  des  Gebirges,  worin 
Paris  noch  k'ht  isl  durch  Pan ,  einen  Salyr  und  ein  Reh 
gezeichnet.  Er  silzl  und  hinler  ihm  sieht  auf  einem  Pfei- 
ler geslülzl,  und  spricht  zu  ilim ,  unler  dem  Einllitss  ilcr 
Peilho  und  des  Eros,  in  der  oberen  Reihe  Aphrodite^). 
Man  könnte  diese  Aphrodile  für  Ocnonu  hallen,  da  c 
Costfini  zu  dem  des  Paris  passl,  wo  dann  die  Gültin  mil  1 
dem  Fächer  oben  nicht  Peilho ,  sondern  Aphrodite  seyn 
würde,  wenn  nichl  die  naive  Gcberde,  welche  Paris  mil 
seiner  Rechten  macht  und  seine  zufriedene  Miene  aus- 
drückten ,  dass  er  auf  die  leisen  Mahnungen  einzugehn  im 
BegriO  isl.  Ich  kann  demnach  niclil  mit  Millingen  über- 
einslimmen ,  wenn  er  in  einem  späteren  Werk  ^]  diess 
Bild  mil  der  Klasse  der  Pari.'iurlheile  in  der  Art  verbin- 
det, dass  hier  Aphrodite  aliein  vor  dem  Paris  erscheine, 
dem  sie  in  der  oben  sitzenden  Figur  die  Helena  verspre- 
che, wie  wenn  in  einem  Wandgemälde  Pallas  ihm  durch 
die  Tünia  Sieg  und  Ruhm  anbiete.  Diess  letztere  Bild  isl 
ein  Ganzes  Ttir  sich,  nicht  ein  Tlieii,  und,  wie  ich  oben 
bemerkte,  von  eigner  Beschafl'enheil;  und  als  ein  Ganzes 
durch  Pan  und  Satyr  ahgeschlossm  erscheint  auch  das 
andre,  gehl  also  nicht  den  Wetlsln-it  an,  in  welchem  nichl 

3)   Paseeri  I    lib.    16.       d'Hancarvillo    T.   4   pl.   34.    f.IillingcD 

l^inl.  He  Vaies  pl.  43.    Plsloleii  Viüc.  T.  :i  Ut.   99o.     Fälschlich 

mcDl  rie  Pari«"  Gab.   PourlaluE    p.  107,   80  wie   die 

[  daselliHI   pl.    8,     I    aligebildele    Vaae;     und    nuch    eine    ron   einer 

tAmphoTtt  iu  de   Witlu  Cah.  Elru5<iue  p    93  n.  146. 

4]  PaD  ericbeiDl  bei  Aphrodite   nichl  Eolun  i.   Alle    Denkm. 

■•.  49  Nol.    15. 


438      Aphrodite  treibt  den     Alexandres  zur  Reise. 

eine  Göttin  allein  auftreten  und  anbieten  könnte ,  und  wenn 
diess  geschähe  doch  nicht  Aphrodite  hinter  dem  Paris  ste- 
hen würde.  Ist  hier  auch  nicht  die  Eingebung  zu  reisen 
angedeutet,  so  ist  doch  der  Gedanke  zu  fassen,  dass 
Aphrodite,  nachdem  sie  durch  den  Paris,  aber  auch  über 
ihn  gesiegt,  nicht  ablässt  die  Liebesgedanken  in  ihm  zu 
nähren. 


ör  den  Kacliornbungea  des  Prinzen  von  Canino  war 
die  Fabd  von  Trnilüs  von  den  Erklörcrn  der  allen  Bild- 
Werke  nicht  berührt  worden.  Nur  cinB  Grabsleie,  woran 
TPSiIA02  geschrieben  isl,  kannte  man  auf  einer  Vase, 
■so  wie  Blich  die  Stfh'n  von  Agamemnon,  Oedipus,  Ida's 
^orkomihen -J:  zwey  Frauen  bringen  Leichenopffr  zu  die- 
ser Stele  des  Troilos,  wie  nach  den  Worten  des  Horaz  ihn 
einsl,  den  noch  unerwachsnen,  die  Eltern  und  Phrygischen 
Schwestern  beweinten.  In  den  Annalen  des  arch.  Inst, 
vom  Jahr  1833  (v  p,  253)  bezog  ich  eine  durch  ihre  ächle 
rauhe  Allerthümlichkeit  merkwürdige  Darslcllung,  die  auf 
den  Mord  des  Asiyanax  im  Widerstreit  mit  manchen  Um- 
slönden  gedeutet  worden  war,  ttuf  den  Tod  des  Troilos 
veranlasst  vielleicht  durch  zwey  andre  im  Museum  Etrusquc 
52!)  und  5(i8  beschriebene  Vasen  derselben  Herkunft 
von  ganz  verschiedener  Composition ,  aber  verwandten 
Inhalts,  worauf  drr  Name  Troilos  sich  vorfand.  Bald  nach- 
her thcille  mir  Gerhard,  dessen  Verdienst  durch  rasche" 
Aufzeichnung  und  Ausbeutung  der  noch  unzerstreuten  gan- 

I]  Zvitschr.  f.  AlU-rthumswtH.   1850,  26—51.   9))-t06.  Annali 
,XXII.  (iti-108  i«.  d-flgg.  li.  F. 

?)  0.  Jahn  Telephns  und  Trailos  S    91.      Die  Siele  des  Troi- 
.<■;  Millingen  Publur"      '    «"-»es  pl.  17.  die  lies  *0/!V73'  pl.  tS. 


440  Troiios. 

zen  Masse  der  in  Vulci  geinacliten  Entdeckungen  nicht 
genug  grpri«'sen  werden  kann,  die  Zeichnung  einer  vier- 
ten obcnralls  oigenthümlichen  Coniposition  mit,  in  der  ich 
die  Ermordung  des  Troiios  und  den  Irrthum  in  den  darauf 
^^olüsenen  Namen  sogleich  erkannte.  Seitdem  sind  eine 
Menge  andrer  Vasen  nach  und  nach  zum  Vorschein  ge- 
kommen ,  die  zwar  grossentheils  lange  Zeit  verschieden 
erklärt  wurden  oder  noch  jetzt  nicht  übereinMimnriig  beur- 
theilt  werden,  aber  bei  der  grössten  Vcrscbiedenheil 
der  Erscheinungen  dennoch  alle,  so  wie  mit  ihnen  auch 
andre  früher  bekannte ,  aber  anders  verstandene  Vasen 
und  Monumente  anderer  Art,  in  dem  Untergang  des  Troi- 
ios zusammen  zu  treffen  scheinen«  0.  Jahn  gab  schon 
1841  eine  besondre  Schrift  Telephos  und  Troiios  heraus, 
und  Gerhard  stellte  1843  in  seinen  Etruskischen  und  Cam- 
panischen Vasenbildern  des  k.  Museums  zu  Berlin  eine 
Reihe  von  Vorstellungen  des  Troiios  (nebst  einigen  fremd- 
artigen) verkleinert  zusammen  (nach  einer  öfters  von  ihm 
eingeschlagenen  äusserst  schätzbaren  Art)  auf  einer  gros- 
sen Tafel  ^).  Braun,  Cavedoni  und  Andre  betheiligten  sich 
mit  Eifer  und  Glück  an  der  Erläuterung  dieses  Bilderkrei- 
ses und  es  kam  zuletzt  die  ausgedehnteste  Darstellung 
hinzu  als  ein  Haupthild  der  bilderreichen  Vase  FrauQois 
(wie  sie  ihrem  verdienstvollen  Entdecker  und  Retter  zu 
Ehren  fortdauernd  genannt  werden  sollte);  dessen  Abbil- 
dung liegt  nun  vor  mit  der  genauen  und  beredsamen  Aus- 
einandersetzung Emil  Brauns  im  vorjährigen  Bande  der 
Annalen. 

Braun  bemerkt  in  dieser  schönen  Abhandlung,  es  seien 
von  mir  über  die  Griech.  Tragödien  I  S.  128  Vasendar- 
stellungen auf  den  Tod  des  Troiios  bezogen  worden,  die» 
wenn  sie  mit  diesem  Gegenstand  etwas  zu  thun  haben,  ihn 
in  Wahrheit  nach  einer  ganz  verschiedenen  Tradition  als 
die  an  der  Vase   zu  Florenz  behandeln,   und  es  sind  da- 

3)  Ich  werde  diese  kurz  als  Gerhards  Tafel  E  ciüren. 


Troilos.  441 

runler  gerade  »ijc  vier  gleich  Eingangs  von  mir  bezeich- 
nete verslniidi'ii ').  Eine  besondre  Tradition  aber,  die 
bei  diesen  angiwiiiidl  werden  künnle,  giebl  es  nicht.  Wie 
beschränkt  üt)i;ihiuipt  für  diesen  Gegenslaml  die  schriflli- 
i'hen  Nachrichten  sind,  diess  lätil  erst  durch  die  Fülle  dur 
nun  bekannten  darauf  bezüglichen  Malereien  in  das  Auge. 
Aus  dem  Homerischen  Epos  der  Kypria  meldet  Proklos  nur 
mit  diesen  drei  getvichtvollen  und  ausreichenden  Worten: 
Achilleus  mordut  dt'n  Troilos,  und  ans  dem  Troilos  des 
Sophokles,  worin  dieser,  als  er  seine  Rosse  übte,  von 
Achilleus  mit  der  Lanze  gclödet  wurde,  sind  wenige 
Verse  erhallen:  nur  ein  paar  Nebenumsländo  werden  von 
Späteren  erwähnt.  Dagegen  sind  alle  die  grossen  und 
mannigfalligen  Verschiedenheiten  in  den  Monumenten  der 
Art,  dass  sie  sich  als  Treio  künstlerische  Entwicklung  der 
einfachen  gegebenen  Thalsachc  nach  den  Bedingungen, 
die  in  ihr  selbst  und  dem  allgemeinen  Kriegsgebrauch  der 
epischen  Heroen  gegrtindel  waren ,  recht  wohl  denken 
lassen  würden,  wenn  nicht  zu  vermuthen  wäre,  dess  gar 
manche  Einzelbeiten  eben  so  in  den  poetischen  Quellen 
behandelt  oder  aus  diesen  und  den  aus  ihnen  verbreileten 
Erzählungen  geradezu  geschöpft  gewesen  sind.  Diese  fol- 
gerechte künsllerische  Entwicklung,  die  Aufeinanderfolge 
der  Momente,  in  welchen  die  eine  Aufgabe,  des  Troilos 
Ermordung,  von  den  Künstlern  ergrilTen  worden  ist,  braucht, 
wie  mir  dünkt,  nur  nachgewiesen  zu  werden,  um  nicht 
bloss  das  erwähnte,  mir  viel  gellende  Bedenken  tneinos 
Freundes,  sondern  gar  manche  Zweifel,  Widersprüche  und 
Unrichligkeiten  aufzuheben,  die  man  in  den  bisherigen 
Erklärungen  mancher  dieser  Bilder,  wenn  man  sie  im  Zu- 
l'sammenhang  prüfen  will,  leiciit  auffinden  wird.  Ich  un- 
terscheide vier  Mümenle:  Binterhall  des  Achilleus  hinter 
dem  Brunnen,   nah  vor  der  Stadt,   Verfolgung  da  Troilos, 

i)  Aach    im    Bull.    1844   p.   71    tivmerlil   Braun,   dl 
mir  dort  angeführlen  Vorslellungcn  ton  iliiii  «nders  crllürl  wcrder 


442  Troilos. 

dessen  Ermordung ,  Kampf  um  seine  LeicJke.  Einsiebt  in 
die  einzt'lnen  Darstellungen  und  Ueberzcugung  wachsen 
mit  der  Wahrnehmung,  wie  sehr  Personen  und  Umstände 
in  allem  ineinandiTgreifen  und  zusammeiilrefTen,  wie  sie 
sich  ergänzen  und  wie  die  abgekürzten ,  an  sich  zweifel- 
haHeren  Bilder  in  andern  in  grösserem  Zusammenhang  sich 
wiederfinden  und  wie  zuletzt  nichts  übrig  bleibt,  was  nicht 
auf  irgend  einem  Punkte  des  ziemlich  weiten  Kreises  so 
leichten  Aufschluss  fände,  wie  ihn  immer  zu  finden  die 
Einfachheit  und  Verständiakeit  der  alten  Zeit  uns  wün- 
sehen  und  hoffen  lässt.  Eine  lange  Reihe  von  zusammen- 
gehörigen Denkmälern  in  gedrängter  Beschreibung  und 
Erklärung  ist  eigentlich  nicht  langweiliger  als  die  Beschäf- 
tigung mit  bunt  untereinander  gemischten.  Nur  der  ober- 
flächliche und  flüchtige  Dilettant  scheut  es  seine  Aufmerk- 
samkeit auf  denselben  Gegenstand  anhaltender  zu  richten: 
Jedem,  der  sieb  selbst  eine  bestimmte  Ueberzcugung  zu 
schaffen  wünscht,  erleichtern  vielmehr  zusammenfassende 
Verzeichnisse  die  Sache  wesentlich  durch  die  Ordnung,  in 
die  sie  vermittelst  einer  durchgreifenden  Erklärung  ge- 
bracht sind.  Hierdurch  wird  dem  Prürenden  Richte  und 
Anleitung  gegeben,  vieles  für  sich  Unklare  wird  im  vor- 
aus aufgeklärt ,  manches  Zweifelhafte  von  selbst  beseitigt, 
manches  was  im  Einzelnen  übersehn  oder  falsch  beurtheilt 
werden  könnte,  wird  rechtzeitig  hervorgehoben,  mancher- 
lei Aufschluss  geschöpft  aus  der  Vergleichung.  Es  kommt 
nur  darauf  an,  ein  geordnetes  Verzeichniss  von  einem  bloss 
äusserlich  zusammengerafften  zu  unterscheiden,  das  als  ein 
Werk  des  blossen  Fieisses  nur  ein  rohes  Material  darbietet 
und  leicht  den  Geistreichen  zurückschreckt,  weil  es  nicht 
zu  einem  zweckvollen  Ganzen  organisirt,  nicht  in  allen 
Theilen  von  Sinn  und  Absicht  durchdrungen  ist ;  eine  Sa- 
che wovon  manche  Liebhaber  dieser  Studien  noch  keinen 
rechten  Begriff  zu  haben  scheinen.  Wenn  Erleichterung 
und  Abkürzung  im  Wissenschaftlichen  den  Vorzug  desGe- 


Troilos.  443 

fäUigen  geben  küniien,  so  sollle  die  schcinalische  gnnze 
Klassen  umfassende  Bi'lianiJluiigsnrt  slnll  als  Intcknn  elior 
bIs  die  anmiilliigiTe  gellen  vor  der  geivülinliclicri,  wonach 
man  aus  iler  weil  zerstreuten  Menge  einzelne  Slüeke  her- 
ausgreift nach  zufalligen  Veranlassungen  und  sieh  be- 
schränkt auf  einige  Gesichlspunkle  unler  andern  und  wie- 
der andern:  bequemer  und  ansprechender,  wenn  man  will, 
wie  das  Einzelne  und  Kleine  überhaupt  anscheinend  und 
Ifir  den  Ungeduldigen  bequemer  ist  als  das  Längere,  aber 
nicht  förderlicher  verliällnissmässig  für  den ,  der  seine 
Kenntniss  über  Einzelnes  hinaus  zum  üanzen  auszudehn<-n 
wünscht.  Geordnele  Uebersichlen  der  Monumenle  nach  den 
Klassen  des  Inhalts  oder  der  Darstellungen  werden  nach 
und  nach  zuwege  bringen,  was  man  seit  langer  Zeit  ofl 
gewünscht  hal,  Uebersichlen  des  ganzen  Vorralhs  der 
Monumenle  (zunächst  freilich  dachte  man  an  die  Marmor- 
werke) ,  und  sie  werden  ausserdem  elwas  gemein  haben 
mil  den  Durchschniltcn ,  unter  denen  man  in  ein  grosses, 
sehr  zusammengeselztes  Gebäude  von  den  verschiedenslen 
Standpunkten  hineinschaul. 

Die  Scene  isl  vor  dem  Skäischen  Thor  bei  dem  nahen 
Brunnen,  der  noch  jetzt  ein  Hauptmerkmal  der  wirklichen 
Lage  von  Troja  isl,  wo  auch  ein  Altar  und  geweihter 
Bezirk  des  Apollon  in  den  Bildwerken  angenommen  wird. 
In  Folge  der  Erzählung  einiger  aller  Auloren  wird  diess 
Heiliglhnm  von  den  meisten  Erklilrern  das  Tliymhraisehe 
genannt.  Thymbre  aber,  oder  Dymbre,  mit  dem  Fluss 
Thymbrios,  dessen  Namen  im  Thal  des  Dümbrek  erhallen 
ist,  nicht  allzu  weit  von  Neuilion,  lag  in  so  weiter  Ent- 
fernung von  Troja,  dass  dahin  die  Scene  vom  Tode  des 
Achilicus  und  der  an  derselben  Stelle  vorhergegangenen 
Ermordung  des  Troilos  erst  als  von  Troja  seit  Jahrhun- 
derten nichts  mehr  zu  sehen  war,  verlegt  worden  seyn 
kann,  nachdem  die  Meinung,  Neuilion  sey  an  d"-  "teile 
I     der   alten    Stadt   gelegen,    so    b  i   gewi  J^^^ 


444  Troilos. 

dass  man  das  von  Strabon  angeführte  Heiliglhnm  des  Thym- 
bräischen    ApoUon    mit    einem    alten    vor    dem   wirklieben 
Skftischen   Tbor  zu  verwechseln  wagen   konnte.    Zu  Rom 
war,  als  man  den  Priamos  nach  Neuilion  setzte,  dcrThym- 
bracus   Apollo    so   angesehn,   dass    diesen   in   der  Aeneis 
Aeneas   anruft    (3,    85)   und   Yirgil   sogar,  den   Vater  des 
Aristäos  so  nennt   (Georg.  4 ,  323).     Den   Uebermuth   des 
Achilleus  zu  züchtigen  verherrlichte  den  Apollon  nicht  we- 
niger  als   die  Demüthigung  der  Niobe:  darum  eignete  der 
Tempel  in   Thymbra    den   Tod    des  Achilleus   sich   eifrigst 
an,  welcher  den  des  Troilos  an   derselben  Stelle  erfolgten 
nach  sich  zog.    Nach  einem  Scholiasten  zur  Ilias  (24,  237) 
Hess    schon  Sophokles    den    Troilos   bei   dem   ThymbrSon, 
wo  er  seine  Pferde  tummelte,  durch  die  Lanze  des  Achil- 
leus  fallen:   so   alt  wäre  die   Verlegung  und  Umgestaltung 
der  Sage  und  manche  Vasengemälde   sind  nicht  sicher  ^It 
genug  um  ihnen    abzusprechen,    dass  sie  übereinstimmend 
mit  den  Neuiliern    dasselbe  Local  wie  Sophokles  voraus- 
setzen.    Indessen  bin   ich  keineswegs   gewiss,   dass  nicht 
der  Scholiast   die   Worte  nagä  td   &vikßqaXoVy   indem  er 
die  Hauptsache  richtig  aus  dem  Gedächtniss  anführt«*,  falsch 
hinzugesetzt  habe,  da  zu  seiner  Zeit  das  Thymbräon  über- 
haupt und    durch   die   dahin   verlegten   Sagen  von  Troilos 
und   von   dem   Tode  des  Achilleus  so  berühmt  war,    dass 
die  Einmischung  sehr  leicht  geschehen   konnte.    Die  Va- 
senbilder jedenfalls  sind  im  Ganzen   und  wenn  wir  auf  die 
ältesten   als   Grundlagen    der  übrigen   Darstellungen    sehn, 
aus  einem  viel   entfernteren  Allerthum  und  es  ist  bei  kei- 
nem  einzigen   der    mindeste  Grund    an    eine   Abweichung 
von   dem   alten   Epos   zu   denken,   welches  sich  genau  an 
die  Ilias  anschloss  und  den  Mord  des  Troilos  also,  da  ein 
solcher   die  Nähe  der   Stadt   voraussetzen   lässt,    vor   das 
Skäisrhe  Thor  der  alten  zerstörten  Stadt  legte,   nicht  aber 
viele    Stunden   davon    in    eine    nicht  ganz   unbeträchtliche 
Entfernung  von  Neuilion. 


.^ 


A.  Ackillews  im  Hinterhalt  hinter  dem  Brunnen. 
Der  Itüilner  Dio  berichlct  aus  der  poelischen  Sage, 
dass  die  AchiltT  sich  der  Sladt  iiiihl  zu  iiühirn  wagten 
wegen  der  Menge  iinil  'Fapferkcit  der  Belagerti'n,  Achjl- 
leus  aber  furclilbar  v\ar  sicli  in  Hinlcrhall  zu  legen  und 
in  der  Nacht  zu  üheiTallen,  und  vr  bringt  damit  den  Tod 
des  Troiius  und  auch  des  Meslor  in  Verbindung  [X[  p.  338 
R.).  Audi  der  späte  Vulicunische  Mylhograph  sa^rt  [II,  210], 
Troilos  sei  als  er  ausser  den  Mauern  diu  Fferde  üble,  von 
Achilli's  durch  Hlnlerhall  verwundet  worden  ^J.  Was  er 
liinzufitgl:  exanimisfiue  in  urbern  equis  religalus  n^rerlar, 
komml  in  heiricm  der  Bildwerke  zum  Vorschein,  sondern 
ist  auB  der  seil  Virgjl  vorkominemlen  Sage  von  einem 
I  späteren  Uiilcrgfing  des  Troilos  auf  dem  Schlauhlfeld^]  enl- 
nommen  Und  mit  dem  Andern  auf  unvcrlräglii^he  Art  ver- 
bündten. Per  ßriinpien,  an  dem  die  Belagerlen  bei  Nacht 
sich  mit  Wasser  zu  vcrsi-lm  gcnöthigl  waren,  da  auf  gr?- 
grabene  Brunnen  in  der  Sladt  nach  dem  allen  Slyl  nicht 
zu  rechnen  isl,  war  der  Ürl,  der  für  liiihnen  verstohlenen 
Angriff  dem  Einzelnen  die  nalUrliche  und  beste  Gelegen- 
heil  bul. 

I.  Dieser  Hiolerliall  und  ilal)i'i,  »je  aus  der  Iblgendeu  Al>' 
IhciluDg  crsir.tillii-h  iit,  Troilos  sind  aa  eiimr  uroiBen  lljilrla  aus 
Vulci,  in  zum  Theü  iidir  ungesrlilacliler,  \a  niubrcri^D  Figuren 
aber  lehr  rlisraLleriBtiscIicr,  tebundlg  krSriigcr  Z-iihnung  vorge- 
ilelll.  eine  um  die  gatiic  Eiiirall  hocliullpr  Kunst  zu  Tauen,  be- 
loaders  lehrreiche  l'omposilion.  Eine  IJurchii'iiL'huuiig  li'egl  Ter 
iiir,  die  ich  der  (.'.nie  Brauns  verdanke.  Dersilbe  gflb  im  Römi- 
■cben  Tiberino  1842  p  31  Naclinchl  .«o  di?itm  wi.Uligen  Üeftis 
und   seioeni    Inhalt.      E«    i<l    daitilbe,    welrhcs    A.    Foderbarb  im 

b)  Cavedoni  cmcndirl  daher  in  dem  ar 
Scbolion  o/ioA^fni  in  l.i>}ii9^riii ,  na«  ich  üi 
mulbelen  i.oyxto!tt,fiii    nichl  TOr/ii-hen  mag 
bundcn  i«l    und  Acitilicua  doch  nicht  dem  iroili 
haDpI  aiillauerlG,    als    tfurade  dieser    in  seine 
TOD    Acbillcus    niil   der    l.anie    erlegt    wurde 
diher  dem  Sophokles  gani  aii(!Lme?«ene  Tod. 

6)  S.  meine  (irii'eb.  Traf!.   S.   m. 


446  Troilos. 

Bull.  1640  p.  124  (damals  ioMasignaoo  beschrieb^),  abgebildet aon. 
XXII,  tay.  E.  F,   1.      Hier   ist   in   der  Mitte  Achilleas,  mit  Lanze, 
grossem  Helm   und  Scbild,  gekaucbi  hin'er  dem  Brunneiihauit,  aus 
welchem  das  Wasser  in  ein  grosses  Gefäss  ausströmt.     Davor  steht 
eine  Troerin  und  hält  ein  grosses  Gefäss  in  beiden  Armen   bereit, 
es  unter  den  Erguss  zu  bringen,  so  bald  sie  sich  bocken  wird:  wir 
wollen  sie  Pohjxena  nennen,  weil  deren  Namen  so  sehr  in  Gebrauoh 
gekommen  ist  und  die  Königstochter  an  der  Seite  ihres  jungen  Bru- 
ders  auch  mehr  Gewicht  h<)t.  als  eine  (Inbekannte.     Ausserdem  ist 
der  Name  selbst  dieser  oft  wiedorhoUeo  zweiten  Person  in  N.  9  zum 
TheJl  erhalten.     Hinter  ihr  Troilos,  nackt  als  Ephebe,  zu  Pferd  und 
ein    anderes    Pferd    führend,   ein  weisses,  welches  den  Kopf  narti 
dem  Wasser,  um  zn  trinken,  hinabslreckt.     Dann  folgen  in  ruhi- 
ger   Stellung    drey    Schwergewappnete,    entweder   als    Bedeckung 
oder   um   auf   den  Kampf,    der  in  andern  Darstellungen  ausbrichr, 
hinzudeuten.     Diesen  entsprechen  auf  der  andern  Seite  hinter  dem 
Achilleus   drey  Götter,  Athene,  ohne  ihre   Abzeichen,  in  biumen- 
gesticktem    Kleide,    mit    der   einen  Hand  den  Helden  ermunternd, 
in    der   andern   ihm    den   Kranz  des    Sieges  bereit  haltend  (wie  7. 
40    und  wie   sie   dem    Kadmos   den  Kranz    reicht  auf  der  schönen 
Vase   jetzt   in    Berlin),    Hermes,   mit   Hut   und  hohem  Kerykeioo, 
und  Zeus,  der  auch  bei  den  Parisurtbeilen  zuweilen  mit  herange- 
zogen   ist ,    mit   einer    Lanze  statt  Scepter.     Zwey  gegen  einander 
gekehrte    Sphinxe ,     wie  ^ie  oft   vorkommen,    schliessen  zwischen 
den  je  drei  hingleitenden   Figuren  den     Kreis.     Zwei  andere  Figu- 
renkreise, über  und  unter  dem  mittleren,  werden  von  Thicrfigoren 
eingenommen.     Auf  dem    Brunnen    sitzt  ein    Babe  mit  geöffnetem 
Schnabel,    also  schreiend,  gegen    Polyxcna   und  Troilos  gerichtet, 
nicht    bloss    hier,  sondern    eben    so    auf  mehreren    der  folgenden 
Darstellungen  ,    und    ohne    mit    einer    andern    Zierfigur    auf    dem 
Brunnen    abzuwechseln.      Die    Bedeutsamkeit,  die  man  daher  vtr- 
muthen    mii^s,    ist    nicht    schwrr    zu    erralhon:    es    ist    der   Rabe 

7)  Auch  Urliehs  n<itirl  es  in  Mii^ignano  Pull.  1839  p.  70:  „An- 
fora  con  anini»li  e  donn(?  alla  fontana,  dietro  di  ciii  un  uuerriero 
U^admo?)  si  nasconde,"  so  wie  er  zu<;(eich  p.  73  in  Tos' anella  ein 
anderen  besehreiht:  „Anfora  di  sof^^getlo  simile  a  quel  vaso  di  Mu- 
signano.  Rappresenia  Cadmo  nascosto  dietro  una  fontana  a  cui 
Ermione  e  veniita  per  prender  Tacqua.  Aeeanio  ad  essa  Tfcorgesi 
un  cavaliere  tW  palestrica  significazione.'*  Die  er-te  ist  nach  Eng- 
land pecansen,  Grrhard  Elr.  imd  Camp  Vasenbildec  S.  '^3  Not. 
39,  wobei  indessen  zu  bpuiorken  ist,  dass  i-n  Text  diese  Vase 
mit  einer  andern  i  N.  '2f>)  verv/echselt  wird. 


iler  den  Troiloa 


Apdk 

:  dessen  d<;m  Acbil 
^  also  fnr  die  liewi 
>   in  /iiBHmmi-nhaiiE 


Acbillci 


mit  vorgHbticbem 
n    ßru — 


also   rar   die    liewohnheit   dea  höhei 
im  7.Mfamm\-aha«g  niil  (i  öl  Lern  limine 

benen  Fall,  um  im   Bild«   die  deoi  L 


447 

Wabrtpicbea  zuräch- 

wo  ibD3  und  in  Fol^e 

slclit.       Eiu    Beispiel    mehr 

Aherllxjms  alle  Sei  '  '      ' 


ueiapiKi    menr 

alle  Schicksale 

:r  liätEerzeirhen  iii  den- 

—  „rfindung  in   diesem  gege- 

JngläcL  vorausgehende  reij^eb- 

--   -  udculcn,      Nach    dieser    keiner 

deutung   aus§i.'BeUlen    Vorstellung   trklüren    eich  nun  mehrere 

■e,  miihr  oder  weiiiaer  abg.-lünlu  von  selb  ■ 

2.   Gerhards    Elr.    mid    Camp.    \'asenhilder 

Berlin  (N.  1713)  Taf.   1 1  ,  >u  Rom  bei   Üaseggio   i84l  gekaufi,  weil 

spätere  Amiihi""      a^i,;ii«,.»   larifm,- 


benen  Fall 
lifh    warue... 
Missdeutung 
andre,  mehr  oder 


Bilde   die  <•<=■<■  <     „     . ..   ._ 
uie    Golles    anxudculen, 
iUlen    Vorstellung   i 
eiiiuer  abei-Lürilu  vi 


2.  Gerhards  Elr.  und  Camp.  \'asenhilder  de»  k.  Museum  xu 
Berlin  (N.  1713)  Taf.  1 1  ,  >u  Rom  bei  Üaseggio  i84l  gekaufi,  weil 
spätere  Amiihora.  Athilleus  Lauernd  hinler  der  hoben  Jlrunnen- 
täale.  auf  «elcher  der  Rabe  schreil;  Piilvwnn  IösbI  aus  dem  1,6- 
wunracheii  das  Wasser  in  ein  ualergeseliles  Gefäss  laul'en,  hinter 
,  ihr  halt  tu  Pierd,  ein  slöokchen  in  der  Hand,  iroilua.  hier  ohne 
llaiidpferd.  Auf  der  Rjckseite  drei  Kri^ser  in  schnellem  Schrill, 
Ko  daas  sie  lu  der  noch  gaui  ruhigen  llauplseene  nicht  so  wie 
die  drei  siill  slehenden  des  Torliergehendcn  (Jeraise»  passen,  son- 


ao   daas   sie   lu    der    noch   gaui  ruhigen    Hauplseene 
die  drei  siill  stehenden  des  Torhergehendcn  (Jerane»  , 
dern  für  sich  lU  Lesifhen  stheinen,    wie  diu  Bilder  di 
gewöhnlich;  nenn  nicht  clwa  an  die   durch  dea  tlebcrfall  aus  dem 
Thor    haryorgeiucklen    Troer    gedaihl    ist.       Gerhard    überschrieb 
dieai  Hild  hincne  am   Örnaueo,    indem  er  den   nackten  kna^jiihat- 
ten  »e.ler  gant   ausser  Adü    ü'-;' jyyk^aen  '>»  """  ^^.tven 
I    der   Rürkaeile   einen     llt.r       o-lLMT""»  »      -i-^dP""   ^  ,  .. 

der   Rurtsmie   «'"<""_  "^ilrH*-^     ,-,e  i*"»    »J"    VorV»nV' 
durfte,  nichi    ih  lop^i!  *=*"'    '        ,/,nz^l'e"         .      Hlo- 


BtuoM»  '",„  ..!«'"'■  ..„I  0'  •        ....... 


Ttui'o*     ■-        ^j^^j  lasi  6"" 
«,.1.    '■"""'■ 


üopt 


448  Troilos. 

abwirts  und  am  Schweif  sichtbar  wird.  Aehnlich  ist  N.  II  das 
Eweite  Pferd  verdeckt ,  nur  dass  die  Beine  sich  mehr  sondern  uad 
in  ähnlicher  Art  kommt  dioss  mehrmals  Tor  und  lässt  uns  in  die 
Zeichenschule  und  ihre  frühesten  Versuche  und  Convenienzen 
einen  Blick  thuu.  Man  dürfte  rermuthen,  dass  der  Maler  der 
vorhergebenden  Vase  und  andre  aus  ditjsem  anscheinenden  einfa- 
chen Pferd  ein  wirkliches  blosses  Reitpferd  gemacht  haben,  weil 
sie'den  Grund,  das  zugerittene  Gespann,  nicht  erkannten. 

4.  Hjdria  des  Prinzen  von  Canino,  de  Witte  Descr.  d'une 
coli,  (öfter  citirt  Gab.  Ktr.)  t&37  p.  71  n.  \27.  Ein  Kaiupl  von 
fünf  Kriegern  und  die  Aufschrift  Leagros  (wie  n.  81  ,  ein  «ach 
sonst  vorkommender  Name).  Im  Fries  darüber  Arhilli^us,  gewapp- 
net wie  immer,  hinter  (M'ner  Dorischen  Bruiincnsäule,  vor  wel- 
cher Poljiena,  welche  Epheuzweige  hält,  das  aus  einem  Panther- 
kopf ansfliessende  Wasser  in  eine  aufgestellte  llydria  auffangt. 
Hinter  ihr  Troilos,  nackt  zu  Pferd,  mit  dem  zweiten  Pferd  am 
Zügel  und  ein  mit  zwei  Spiessen  versehener,  übrigens  auch  nack- 
ter Troer,  welcher  als  Bedeckung  gelten  kann  (wie  N.  1).  Der 
Vogel  auf  der  Säule  wird  von  de  Witte,  der  hier  llemithea  sieht, 
wenigstens  nicht  erwähnt  ^). 

Die  Vorstellung,'  ist  so,  wenn  auch  abgekürzt,  doch 
vollständig.  Im  Folgenden  finden  wir  sie  verstümmelt, 
"7:ciä^'Snnre^Ä'U2r,Jl^d  für  andre  Vorkomnienheilen  wohl  zu  be- 
merkenden  Beweis:  dass  üle*"jlrc^Vl^I^  für  die  Vasenfabriken 
die  Bilder  oft  sehr  ätisserlich  bohaiVcmlv^U^,  die  Figuren 
ohne  Rücksicht  auf  i\ei\  reinen  Ausdruck  de^^^ache  aus 
den  ganzen  Compositidnen  hei'ausgrKTen  und  narli^Wjllkür 
dccjrationimässig  und  eigentlich  unverständig  zusanin^|*D-* 
stellten. 

8)  Vielleicht  gehört  hierher  auch  vAne  Vase  Candelori  tMünch. 
89),  die  im  Bullett.  I8"29  p.  84  N.  15  umleullich  genug  be- 
schrieben ist.  „Gli  Achivi  8orprenduno  una  giovaue  donna  all'  uncia 
fönte  sostegno  estremo  di  Fena  assediala:  entrano  rosi  uella  uiente 
deir  oracolo  e  itescono  nelT  impresa:  qiii  vedi  doi  pedoiii  che  st 
slacciano  dallo  insiJie  e  un  cavaliere  si  mostra  gia  siil  terreno"  (ver« 
muthlich  Troilos.  Die  Belagerung  von  Phana  in  Aetolien  Paus.  X, 
18,  '2.)  Gerhard  im  Kapp.  Volc  I8il  p.  H)2  n.  554  „Douoa  sor- 
presa  da  un  guerricro  vicino  ad  uiia  l'onlana "  K  0.  Muller  in 
den  Ciöttingischen  Anzeigen  \^.2l  S.  1017  dachte  sich  hierbei  eine 
am  Brünnen  von  einem  Tjrrhener  Überfallene  Athenische  Jungfrau 
nach  llerod.  VI,   137. 


t 


Troi)(}g,  44» 

Lek;llioB  aus  SjrabuB  im  Museum  lu  CarUruhe.  Cfeuier 
lUT  Gillerie  der  allen  DrAmatlkur  Taf.  9  S.  Tö  fT.,  Sehr,  cur  Ar- 
Chäol.  III,  303—211.  (Er  beharri  bei  dieser  Erklärung  Münchner 
Gel.  Adi.  1852  S.  328  unJ  aagt:  „Eine  dritte  Ausdeutung  dieaei 
Vaienbilrl«»  in  der  Caaeler  Zeilachr.  1850  S.  25  <T.  übeigehc  ich 
auB  Achtung  für  einen  eonsl  tiichligen  Archänlogen,  mit  Slill- 
•cbwelgen.")  Gerbarda  Yar,  E,  IG.  AchlllvB  hinter  dem  Brunnen 
«od  lunächst  hinter  einer  grosicn  Velonaeiche  (wie  lie  am  Ida 
hertBchend  sind),  um  den  Hinlerhall  deutlicher  zu  machen.  Aui 
dem  Löwenrachen  Oiesat  das  Walser  in  deu  Elenkelkrug  der 
Polfiena.  (Jeher  dem  Brunnen  ragt  etwas  hervor,  was  *ielleicht 
«OD  dem  halb  erloiciienen  Voftel  übrif  und  von  dtm  Zeichner  nicht 
TerilsDdftii  worden  ist  Indem  mit  Poljiena  da«  Bild  ab|;e8cbloi- 
Bes,  Troilo«  weHgelaiiKD  ist,  kann  die  ganz  TaUche  Voratellang 
enlilehn,  ala  ob  Achilleus  deu  Frauen  am  Brunnen  auDsure. 

6.  Duboia  MaiBEonneuTe  pl.  51  n.  3.  Wie  das  rorhergehende 
GeiaGlde,  nur  dass  der  Vereleck  bloas  durch  einige  Zweige  leich- 
ter angedeutet  ial.  Auf  dem  Löwenbrunncn  aitit  der  Vogel,  hier 
nach  dem  Achüleue  hiopewandt.  Vom  Achilleus  aus  verlireileo 
Bich  die  Ruchalaben  jrXAHA,  womit  der  Copist  Z  VJTJIXA  ■oblecbl 
nacbgeahml  bat. 

7.  Tischbeins  Vaacn  IV  Tal.  Ifl  (.^S),  schon  von  de  Witte 
.ja  die  Reihe  dieser  zwar    von  ibni    ander«    gcdeuleten    Vorslellan- 

gen  gexogen,  nachdem  Millingen  Tjdeus  und  Ismene  darin  gesehn 
kalte.  Hier  ist  die  Damteilung  beschränkt  auf  Achilleus  und 
Athene,  die  ihm  den  Kranz  im  voraus  neigt  und  binhill.  Gebuaeh 
Tereleckt  tiefer  lira  kauernden  Achilleus,  aber  das  Wasser  flieiit 
'atiB  dem  Löwenrachen  in  die  uutergestelllc  llydria  ohne  eine  Po- 
(fxcna,  die  sie  hielte,  und  der  Vogel  auf  dem  Brunnen  slrvckl, 
iwor  mit  getchlotsnfm  Schnabel,  seinen  Uals  nach  dieier  Seile 
»hae  einen  Troiloa  ihm  gegenüber.  Albcne  ist  wie  auf  dem  ur- 
ierlicber  wie  ea  die^s  ganze  Bild  ist,  in  einem 
!(«lfticklen  Unterkleid  uud  aul  nichl  weibliche  Art  darüber  gezog- 
laDlnl.  DeulUcber  köanle  die  Fast  Üiiigmatische  Abbreiialur 
allbeiköminliehen  Vorstellung  nicht  sein.  Dieser  durch  Ver- 
Blei^^hunB  »nch  <n  andern  Bilderreihen,  wie  in  deu  PariKurlh eilen, 
uda  in  Basreliefen  auT  ähnliche  Art  gewonnene  Aufschluss  über 
*ma  Verfahren  mancher  Künstler,  den  ich  hier  gellend  mache, 
'ird    unter    den    Begeln  der    Auslegung   besonders   gegu'uwärlig  lu 

wird    dieser  Zweig  der  Kritik  vom    Sldudpunkt  ~j| 
2'J  J 


450  Troilos. 

vergleichender  CJotersochuDg  aus  im  Studium  der  Monumente  ver- 
mullilich  fruchtbarer  werden  als  jeder  andre. 

8.  Hydria  in  Gerhards  Auserlesenen  Vasenbildern  II.  Taf.  92, 
in  Rom  geieicbnet.  Catalogue  of  Vases  in  Brit.  Mus.  u.  474,  1, 
p.  62.  lieber  den  Griffen  zwei  Viergespanne,  deren  jedem  ein 
Hund  yorausspringt.  Darunter  in  der  ungewöhnlicheren  Richtung 
nach  der  Linken  Aohilleus  in  der  herkömmlichen  kauernden  Stel- 
lung, auf  dem  grossen  Schilde  zwei  Panther,  hinter  dem  Löwen- 
brunnen,  aus  welchem  das  M^asser  in  eine  untergesetzte  Kanne 
fliesst.  Die  wasserholcnde  Pol^xena  ist  aus  Abbreviatur  auch  hier 
weggelassen.  Denn  die  daneben  stehende  Figur,  welche  nach 
dem  mit  zwei  Pferden  herankommenden  Troilos  mit  der  Geberde 
des  (lebietens,  Zuräckweisens  oder  drohender  Mahnung  sich  um- 
gewandt hat,  da  sie  nach  der  Stellung  derFüsse  eben  noch  gegen 
den  Brunnen  zu  stand ,  muss  Thetis  sein.  Dieser  werden  wir  in 
der  folgenden  Abtheilung  (N.  9.  15.  16.  17)  begegnen,  sie  kommt 
auch  mit  ihrem  Namen  vor  im  Gespräch  mit  Achillcus,  hinter 
welchem  Patroklos,  Oljteus  (wie  an  der  Vase  FrauQois  und  öfler 
für  Odjsseus)  und  Menestheus  folgen,  während  Menelaos  hinter 
der  Thetis  steht,  in  den  £tr.  Gampan.  Vasenbildern  des  k.  Mu- 
seums zu  Berlin  Taf.  13,  2.  Der  Rabe  auf  dem  Brunnen  ist 
nach  der  andern  Seite  gerichtet ,  und  es  würde  also  hier  dem 
Hang  die  Geschichte  mit  Wahrsagung  zu  yerknnpfen  in  doppelter 
Weise  Genüge  gethan  sein,  der  Rabe  den  Achilleus,  Thetis  aas 
Vorsorge  für  ihren  Sohn  den  Troilos  durch  ihre  Erscheinung, 
beide  fergeblich  zurückzuhalten  suchen.  Fünf  rerschiedene  Bei- 
schriften der  bekannten  Art  in  deutlichen  Buchstaben  ohne  Sinn 
oder  Wortform  ziehen  sich  um  die  Figuren  oder  zwischendurch. 
An  dem  Felsen ,  woraus  der  Brunnen  hervorquillt,  sind  sechs, 
sieben  mehr  und  weniger  geschwungene  Linien,  welche  Hörner 
von  geopferten  Stieren  anzeigen  möchten.  Eine  Schwierigkeit 
bei  dieser  Erklärung  macht  es,  dass  Troilos  bärtig  ist,  was  sonst 
nicht  vorkommt.  Der  feinen  Zeichnung  nach  liegt  zwar  diess  Mo- 
nument in  der  Zeit  »ehr  weit  ab  von  der  ersten  Erfindung  des 
Bildes  und  bei  einer  mehr  mechanischen  Nachbildung  ist  es  denk* 
bar,  dass  ein  in  der  Composition,  die  nur  aus  der  Kcnnlniss  der 
Sage  selbst  hervorgchn  konnte ,  nicht  unwichtiger  Umstand  unbe- 
achtet bleiben,  dass  ein  solcher  Fehler  einfliesscn  konnte,  zumal 
da  im  alten  Styl  auch  Paris  und  andre  schöne  Jugend  bärtig  vor- 
gestellt wurde:  dennoch  wünscht  man  bei  der  Eigenlhumlichkeit 
der  so  auftretenden  Thetis,   dass  wenigstens  Troilos  um  so  mehr 


Troilos.  451 

in  nichts  yon  seiner  sonstigen  Erscheinung  abweichen  möchte. 
Nur  werde  ich  dieses  Bartes  wegen  mich  niemals  entschliessen, 
mit  Gerhard  hier  Tydeus  am  Brunnen  anzunehmen.  Die  Thetis 
soll  dann  Ismene  sein,  sie*  soll  einen  Stecken  erheben,  um  die 
Krieger  zu  Pferd,  Adrast  oder  dessen  Gefährten  zurückzuhalten 
und  mittlerweile  den  schwerbewaffneten  Tydeus  übersehen.  Die 
Krieger  reiten  nicht  in  den  alten  Vasengemälden,  am  Wenigsten 
mit  einem  Handpferd ,  und  Weibern  am  Brunnen  bleibt,  wenn 
feindliche  Reiter  erscheinen,  nichts  übrig  als  schleunige  Flucht, 
da  diese  sich  durch  ein  Mädchen  mit  einem  Stecken  niemals  wer- 
den zurückscheuchen  lassen. 

Noch  in  andern  Variationen  kommt  diese  Scene  vor, 
die  ich  nur  nicht  genau  genug  notirt  habe.  So  wie  an  ei- 
ner Lekythos  der  Münchner  Sammlung  (233)  mit  weissem  Grunde 
an  einer  andern  dort  mit  38  bezeichneten  Vase,  woran 
ausser  dem  Brunnen  mit  untergestelltem  Geßiss,  der  weib- 
lichen Figur  dabei  und  dem  Troilos  mit  zwei  Pferden, 
zwei  Krieger  vorkommen;  so  auch  in  einer  oder  der  an^ 
dern  von  Emil  Brauns  Durchzeichnungen  ausgesuchter 
Vasenbilder. 

Ismene  am  Brunnen  und  Tydeus  werden  wenigstens 
eher  als  Troilos  und  Polyxena  anzunehmen  seyn  bei  Mil- 
lingen  Point,  de  V.  pL  22  Gerhards  Tafel  E,  11  (aus  der 
ehmals  Lambergischen  Sammlung,  doch  nicht  bei  Laborde). 
Denn  zu  gross  müsste  die  Sorglosigkeit  des  Malers  hin- 
sichtlich der  Bedeutung  gewesen  sein ,  wenn  er  aus  dem 
vorhergehenden  und  ähnlichen  Bildern  seine  beiden  Figu- 
ren genommen  und  sie  so  zusammengestellt  hätte.  Der 
Putz  scheint  ihm  übrigens  die  Hauptsache  gewesen  zu  seyn: 
denn  mit  blumengesticktem  Gewand  und  vom  Kopf  herab- 
fallendem Peplos  ist  nicht  bloss  das  Weib  geschmückt, 
sondern  auch  der  Behelmte,  Beschildete  hat  ein  gestick- 
tes Panzerhemd  an.  Jene  setzt  den  einen  Fuss  auf  den 
Brunnenrand,  worauf  ihr  Geföss  steht,  während  sie  noch 
eine  kleine  Kylix,  als  ob  sie  selbst  gleich  trinken  wollte, 
in  die  Höhe  hält:  der  Brunnen  selbst  ist  ausgelassen,  Ge- 
büsch  darum  aber   angedeutet,   so  wie   auch   bei  der  ge- 

29* 


452  Troilos. 

bückten  Kriegerfigur.  Dass  dieser  mit  seinen  Lanzen  un- 
mittelbar hinter  der  Wassersrhöpferin  herreicht,  giebt  den 
Anschein,  als  wolle  er  sie  eben  durcbstossen ,  wie  Ty- 
deus  die  Tochter  des  Oedipus  wirklich  an  der  Quelle  tö- 
dete:  auch  erklärt  Millingen  als  Tydeus  auf  dem  Punkt 
Ismene  zu  töden  ^.  Sicher  bin  ich  übrigens  dieser  Deu- 
tung nicht  ,  jetzt  nachdem  sich  ergeben  hat,  dass  die  an- 
dern auf  diesen  Vorfall  vormals  bezognen  älteren  und 
deutlicheren  Vasenbilder  den  Troilos  angehn;  zumal  da 
auch,  worauf  Gerhard  mit  Recht  aufmerksam  macht,  die 
Vasen  nur  wenige  Vorfülle  des  Thebischen  Kriegs  und 
diese  nicht  häufig  enthalten.  Es  schien  mir  die  Ermor- 
dung einer  Jungfrau  am  Brunnen  zur  Charakteristik  des 
grimmigen  Tydeus  und  der  Greuel  des  Kriegs  erfunden: 
aber  auch  diess  ist  zweifelhaft.  Nach  Mimnermos  ^^  wurde 
Ismene  aus  Auftrag  der  Athene  von  Tydeus  getödet,  weil 
sie  mit  Theoklymenos  (dem  Seher  Argivischer  Herkunft) 
verkehrte,  wozu  wir  noch  aus  Pherekydes  wissen,  dass  es 
an  der  Quelle  geschah,  die  von  ihr  Ismene  genannt  wurde. 
Wenn  Ismene  eine  Schuld  büsste  und  Tydeus  nur  Werk- 
zeug war,  so  lässt  er  sich  nicht  als  ein  Schlächter  vod 
Jungfrauen  dem  Achilleus  entgegen  setzen,  so  ist  der  Ue- 
berfall   der  Weiber   am   Brunnen   überhaupt   als  eines  der 


9)  Die  einzelnen  WasserschöpferioDen  in  Gerhards  Tafel  E, 
17  (Stackelb.  Gräber  XVI,  3)  und  20  (Inghir.  V.  fitt.  I.  44)  siod 
in  das  AltUigliche  übergegangene  Figuren;  an  der  FonUoaschea 
Amphora  N.  14  (meine  A.  D»  p.  19)  aber  scheint  nicht  ein  lau- 
ernder Achilleus  gemeint  zu  sejn,  sondern  ein  Krieger  im  Heilig— 
Ihum  des  Apollon,  das  durch  zwei  Palmen  und  drei  Dreifusse  be- 
zeichnet ist,  sich  aus  Verehrung  zu  beugen.  Dass  er  sich  aus 
Biordlust  bäcLle,  ist  nicht  zu  glauben,  weil  es  an  einem  Gegen- 
stände dazu  fehlt  und  er  den  Speer  rückwärts  h&lt,  der  for  ihm 
an  schreitende  Lautenspieler  entfernt  jeden  Gedanken  an  eine 
Stellung  im  Hinterhalte.  Dass  die  beiden  Figuren  zusammenge- 
hören, deutet  die  gleiche  Vertheilung  der  Palman  und  Dreifusse  an. 

10)  Aristoph.  Gramm,  argum.  Sophocl.  Anlig. 


gewöhnlichen    Kricgsunglacke     weniger 
schien.     Die  Sage  durfte  vielmehr  vom 


Bruni 


t,     als    es 
flusgehn." 


B.  Troilot  CO»  Acfiilleus  verfolgt. 
Aus  dem  Versleck  hinler  «lern  Brunnen ,  wn  er  nie- 
dergebückt snss,  erhebt  sich  iler  Tiirclilbare  Felide  und 
die  nöchste  natürliche  und  iiothwciidige  Folge  isl,  dass 
der  Knabo  Troilos,  mochte  er  seine  zwei  Pferde  zur  Tränke 
oder  zur  Einübung  für  dun  Kriegswagen  heraiisgeftthrl 
haben,  sich  eiligst  zur  Flucht  wendet.  Der  prophetische 
Vogel  erscheint  nun  nicht  mehr.  Diesen  ersten  Fortschrill 
der  Handlung  selin  wir  an  der  sc)ion  erwähnten,  in  der 
Umgegend  des  allen  Clusium,  unweit  Dolciano  gprundcnon, 
mit  Namensinschrinen  in  der  alten  Koriiilhisclien  Schrift 
reichlich  versehenen  Vase  des  Malers  Klilias  und  des  Tö- 
pfers Ergolimos,  einem  Monunjcnte,  das  hinsichtlich  der 
alterlhflmlichen  Composition  und  Zeichnung  den  filleslen 
von  Pausanias  beschriebenen,  die  durcli  lausend  moderne 
Federn  das  Privileg  einer  hervorragenden  Berühmtheit  er- 
halten haben ,  an  die  Seite  zu  setzen  ist. 

9.  Mon.  dell'  Init.  archeol.  T.  IV  tav.  55,  Aiipatl  T.  XX.  p. 
299.  RhcIiIi  anraogend  komniea  aui  dem  Thor  der  Sladimauur 
herauRgeicbriilen  Ht'klor  und  Polilea,  ein  andrer  Sohn  de«  Pria- 
moa  (11.  2,  791)  {HEKTOP  roMTHSj;  an  der  Mauer,  also  Tor 
dem  Thor  liUt  Priamo«  {nPUMOX)  auf  einem  Sili  {eAKOX),  An- 
lenor  {AlfTKfmP)  kommt  ihm  das  Unheil  xu  melden.  Auf  Ante- 
nor  folgt  die  Scbweilcr  dea  Troilos,  deren  ganzer  oberer  Theil 
fefall,  Leontiich  an  den  bunleo  Terxierenden  Slreifen,  die  daa  Ge- 
wand anlen  einfasEen  und  in  der  Milte  herablaiifen ,  in  weitem 
liafendem  Schrill,  hinler  ihr  die  lljdria  lAl^JTH]  fallen  gclaa- 
aen  (hier  unterbrochen),  uud  die  Buchataben  hinler  ihr^sl  aiad 
unrerkennbar  iihrig  »oo  nOJYXXKNH.  Troiloa  (TPOIAOZ)  mil 
twei  Pferden  iprengeod:  unter  denen  die  HjdriB  licgl,  flicht  und 
Aehilleus  Terfolgl  ihn  in  Fusa,  deaaen  Name  mit  dem  gröaaeren 
Theil  der   Gealalt  fehlt.     Es  folgen  mit    den  Nan 


II]  Diesa  Molif  der  Tödung  is 
beaondre  Sage  von  lamene  und  Thcoklj! 


454  Troilos. 

alle  Abzeichen  (wie  N.  1),   Hermes,   Thetis  and  Rhodia  {AIJO^) 
d.    i.   eine   andere   Seegöltin    (wie  auch  Braun  bemerkt  hat),  der 
Thetis  zur  Begleiterin    gegeben,  wie  Hermes  der  Athene.     Diese 
letzteren   beiden,  deren  Geleitung  des   Achilleus    uns  zeigt,   dasn 
sein  Hinterhalt  in   der  Nahe  der  Stadt  und    sein  Vordringen  dem 
schon   herrorbrechenden  Hektor  gegenüber   ein    kühnes    Wagniss 
und  die  Erlegung  des  Königssohns  eine  wichtige  That  war,  treiben 
den  Achilles  zur  That  an,  Thetis  und    Rhodia  aber  möchten  yer— 
muthlich  ihn   zurückhalten:   darauf  deutet  das  gleiche  Ausstrecken 
der   einen    Hand   in    Verbindung    mit  der    unter  beiden  ebenfalls 
gleichen    Bewegung  des   rechten   Arms ,    die    sich    Götterstimnien 
vergleichen  lassen.     Hermes  aber,   der  sich  nach  ihnen  umwendet 
und  spricht^   scheint  den   Gegensatz    zwischen  beiden  Paaren  aus- 
zudrücken,  wodurch  das  dramatische    Leben  der  Darstellung  Ter— 
mehrt  wird.      Dass  Rhodia   auf  einer   in  das  Brunnenhaus  hinein- 
reichenden Schwelle  stehf,  die  auf  diese  Axt   wohl  nur  nach  dem 
perspectiTischen    UuTermögen    angegeben    ist ,    aber  als    Tritt   vor 
demselben   gelten  soll,  muss   ich  für  zufällig  halten,  da  sie  durob 
ihre   Stellung  und    Bewegung    ganz   mit  der  Thetis   yerpaart   ist. 
Ein   Brunnenhaus   (KPENE)    mit   zwei  Rinnen    aus  -Löwenköpfen, 
woraus  ein   Troer  ungeschreckt   noch  schöpft:    zuletzt  hinter  die- 
sem AIIOJON  TPOONy  Apollon  der  Troer  Gott  und  Beistand  (wie 
vav   in&davQKoy    anokkoiy  in     mehreren  in  Epidauros  Yon  Villoison 
gefundenen  Inschriften);    denn  TPOOiV  kann  weder  der  Name  des 
Wasserschöpfenden    sein ,   noch  auch  schicklich    auf  diesen  einen 
Troer   oder    die   Troer  überhaupt   im  Genitiy  des  Plurals  bezogen 
werden.     Apollon   mit    einer    aufmunternden    Bewegung  des  Arms 
scheint    Bezug  auf  den    zur  andern  Seite    heranziehenden  Hektor 
zu  haben.     Hinter  ihm  sind  noch  zwei  weibliche  Figuren,  nicht  etwa 
erschreckte  Troerinnen,  die  Yom  Brunnen  her  nach   dieser  Seite 
sich  zurückziehen,  wie  wohl  in  zusammengezogenen  Darstellungen 
eine  bestürzte,  fluchtige  Poljxena  auch  auf  dieser  Seite,  im  Rök- 
ken  des  Achilles  gesehen  wird  (wie  N.  21);  sondern  ihrer  mbigen 
Stellung  und  Geberden  nach  Göttinnen,  die  so   wenig  als  Apollon 
mit  einem  Attribut,  aber  auch  nicht  gleich  diesem  mit  den^Namen 
Yersehen  sind.     Vermuthlich  gehören  sie  zum  Apollon  als  Artemis 
und  Leto,  und  dass  sie  sich  Yon  dem  Ereigniss  abgewandt  haben 
und    nach   der   andern    Seite   zu  stehn,    hat  wohl    im  weiblichen* 
weicheren,   leichter    bewegten  Gomüth  seinen    Grund   und   würde 
demnach  dienen  bei  dem  Beschauer  Rührung  und  Mitleid  mit  dem 
bedrohten  flüchtigen  Jüngling  und  seiner  Schwester  zu  erwecken 


nachsi  dt-o  RiicLci 
eio  mit  der  aDderi 
10.    Kytii    dei 
wendig  Urlhei 


Haad  » 
XeuDkli 
l'.rlB). 


if  in  Jrr  [Und  der 
CD  Güllin  da»  kleii 
s  einen  Uerkcl  h^t, 
j  (Ry.  Entrührung 
K.  Itocliede    Mon. 


erharda  Tafel  E,  1,  3.  Gab.  Durai 
Dem  auf  znei  PferdnD  fliehenden 
laufend  verrolgl,  flieht  Toran  Polji 
den  Prerdcn:  alao  Potj'i^ena  war  an 
fallen  wurde.  Nachdem  Achilles 
Französischen  Archäologl 
war,  Bo  viel  ich  weisf, 
Dsralelliing  auf  den  Troi 


Braiii 
lloE  deutete  '^). 


455 

dem  Apollon  zu~ 
Uefäss,    noriiher 

ich  beliehen  soll. 

■^  Kerberos:    in- 

n^d.  pt.  49,  I  R, 
n.  65.  Cob.  Beufjnol.  n.  48. 
rroilös,  welchen  AXIAEVX 
an.  Ein«  Hjdria  liegt  unter 
Bninnea,  als  Troilos  äher- 
e  Hemilhca  xerfolgend  «on 
rd  war  angenomnien  worden. 
Erste  der    diese  ucbeboireno 


klichen    Kanne    über  einem 

rlin  (n.    1646)  O.   Jahn    Tel.  und  TroiloE  Taf.  4, 

ck.  und  Campaniaehe  Vssenbilder  des  kön.  Um. 

i   Personen  der  vorhergehenden  Kjlii;  J>*u  hin- 

Athene  und  Hermes  lu  Beinern  Beisland,  xulclit 

ielb&t  mit  einem    Löwenrachcn.     Der  daran  slehcnde 

nd  die  dea  Achillens,  der  alto 

'  und   sie  liehen   liee? ,    um  ra- 

nen;    er    selbst  isl  ohne  Schild 

(Unten    der  Kampf  des 


II.  An  ritr  : 
Panaurlbeil  in  Itt 
I.  Gerhards  Ein 
Taf.  14.  Die  dri 
tcr  dem  Achilleus 
der  Bru 

Schild  nnd  die  angetehnlc   Lai 
zum  Brunnen  seibat  gekommen    uar  und 
scher   den    Reiter    rerlolgen  zu   k&unen; 
und    Lame    mit    dem    Scbwerdl  rerseben. 
Herakles  mit  dem  Löwen). 

11  a).  Dieselben  drei  Vorelellungen  im  Calalogo  di  acelte  an- 
(icbili  Elr.  Vilerbo  1829,  p.  44  n.  523  (nicht  in  dem  FranxSsi. 
■eher)  Kalalog  Museum  £tr.  desselben  Jahfs),  aber  an  einer  gros- 
sen 2  Palm,  2  Z.  hohen  Vase  mit  drei  Henkeln ■>). 


12)  Ue!  Cavcdoni  Musec 
Rteltte  sie  auch  U.  Jahn  Tel. 
Vorslellungen,  wiewohl  noch 
voran.  Vgl.  TSirch  Archeologi 
talofue  or  Vasea  in  Brit.  Mu 
Vases  of  Ihc  Ganino  Coli. 

13)  Ncl  primo  raogo  ünc 
una  doiina  Tugge  inanzi  di  lui; 
ieguila  a  piedi  minacciando. 
del  guerriero.  —  Nel  aeeondi 
rieoaoEcc  Minerva,  aeguono 
mit  dem   Bolenstah    den    drei 


Nel 


Ingo  Ir 


largo  ammant 


>  Ealense  del  Calajo  p.  S4.  Doch 
und  Troilos  S.  77  den  verwandten 
mit  etwas  achwankender  Deutung 
a  XXXn  p1.  ID  p.  IÖ2  r.  ,  im  Ga- 
s.  I,    p.    262  N.  &3U  aus  den   Selecl. 

I  ecudiero  che  guida  due  cavilli  ed 
un  Ruerriero  con  il  Terro  in  mano 

MinerTS  c  Mercurio  scgultauo  i  paasi 

9  rango  tjualtro  dive,  Tra  le  quali  si 
iUercurio  (diesem  tunäcbsl  geht  Iris 
liötliDiicn  voran),  II  qualä  parla  ad 
(Parisj  che  gli   prcaenia  un  «ore,  — 

oLidanoun  leone  c  lunibraiio  slidarlo. 


J 


456  Troilos. 

12.  Hydria  bei  Depoletü«  Gerhards  Aaserh  Vasenb.  I,  \4 
Gerbard  in  der  oben  belobten  Tafel  E,  10,  an  der  Seholter  aber 
einem  Verein  von  fänf  stehenden  Göttern  am  Bauch  des  GefSsa  es. 
Ausser  der  Tor  dem  Troilos  herlaufenden  Poljxena  entflieht  hier 
nach  der  andern  Seite  eine  andre  Troerin  hinter  dem  Achiileus, 
eine  Begleiterin  der  Poljrxena.  AchiHeus  trägt  hier  auch  den 
Schild  im  Lauf  mit  sich,  der  Brunnen  i«t  ausgelassen,  die  fljdria 
vergessen.  Vorn  sitzt,  was  sich  nun  aus  N.  9  erklirt,  Prlamon 
abgewandten  Gesichts,  aus  Entsetzen  Yor  di'ni  Anblick  der  Ver- 
folgten, im  ersten  Schrecken. 

i3.  Eine  Oenochoe  im  Museum  zu  München  (357),  die  nrir^  als  fcfs 
dort  die  simmtlichcn  Vasen  zu  meinem  Privatgebrauch  nolirenf 
durfte  und  auch  die  Torhergehende  Hjdria  nicht  übersah,  entgan- 
gen sein  muss,  wird  im  Bullett.  1844  p.  73  Yon  Braun  angefiihrtr 
„Troilos,  bekleidet  mit  einem  Rock  (gonello)  und  bedeckt  miC 
einem  weiten  Reiterraantel ,  mit  zwei  Lanzen  in  der  Hand ,  reitet 
ein  Pferd  und  führt  ein  andres  an  der  Hand;  unter  den  Pferdes 
bemerkt  man  das  zerbrochene  Gefäss.  Achilles,  Tollständig  ge- 
wappnet, Terfolgt  ihn  zu  Fuss.  Was  diese  Gomposition  wichtig 
macht  ist  die  Darstellung  des  Paris,  der  ohne  Uebersturzuog,  ahmw 
hinlinglich  beeilt  sich  Tor  dem  Peliden  zurückzieht.'^ 

14.  Auf  der  Schulter  einer  Münchner  Hjdria  (136)  mit  dem  Paris- 
urtheil  ^^)  ist  der  mit  zwei  Pferden  fliehende  Troilos  mit  sehwan- 
gestreiftem  Mantel  angethan.  Vor  ihm  her  flieht  ein  Bogenacbüts 
(Paris)  and  eine  Troerin,  die  ein  am  Boden  liegendes  dreihenk- 
liches  Gefisss  hat  fallen  lassen ,  in  raschem  Lauf.  Hinter  dem 
Achilleua  ein  Hoplite,  s^in  Waffengefährtc,  und  ein  zweites  Weib 
flieht  nach  der  andern  Seite.  Ein  zweiter  Bogenschütze  beachlieaal 
die  Darstellung  zur  Linken,  der  nur  der  Symmetrie  wegen  zuge- 
setzt zu  sejn  scheint ,  wie  sonst  auch  Poljxena  oder  eine  Beglei- 
terin von  ihr  hinter  den  Achilles  gesetzt  wird. 

15.  Amphora,  Gerhard  Etr.  und  Campan.  Vasenb.  dea  k.  Mus. 
(n.  1642)  Taf.  20.  Die  Toranlaufende  Poljxena,  Troilos  auf  aeinen 
zwei  Pferden  sich  mutbig  umschauend,  Achiileus,  Thetis,  die 
ihn  am  Arm  fasst,  ein  sicheres  Zeichen,  dass  sie  ihn  Ton  dieaer 
schicksaWollen  That  zurückhalten  möchte ,  wie  N.  2  vermotbet 
wurde.  Ein  Hund  begleitet  den  Achilles;  die  Hjdria  unter  den 
Pferden  fehlt  nicht.  (Rt.  Neoptolemos  den  Astjanai  lersehmet- 
ternd,  Priamos  auf  dem  Altar  und  NebenGguren). 


14)  In  dem  obigen  Verzeichniss  der  Parisurtheile  N.  13. 


Troilos. 


457 


IS.  Amphora,  ehmals  bei  BiBeggio,  Gerhard»  Tafel  E.  3.  4 
ähnlich  dem  lnb«U  nnch,  TerBchiedcn  in  der  Zeichnung  Ton  der 
vorhergehenden.  Achillcus  fassl  den  sieb  umschauenden  Troilos 
im  Rucken,  Thelis  ans  der  Ferne  mit  erhobener  Bechlco  den 
AchilleuB  mahnend  Einholl  z«  Ihun:  denn  jetzt,  da  er  ibn  ichoii 
gefasst  hat,  ist  der  Augenblick,  no  er  ibn  durcbhohren  irird.  Mit 
dem  Tnde  des  Troiloe  aber  wir  der  dpa  Achilleua  Terknüpn.  Als 
Begleiterin  der  Poljiena  lüiil  airh  die  entfernt  und  rubig  da  «le- 
bende Figur  kaum  faisen.     (Rr.  Quadriga.) 

IT.  Kjtii,  die  ich  im  MuseniD  zu  Neapel  aafa.  Voran  dai 
fliehende  Weih,  dann  der  Knabe  mit  Diegendem  Mantel  ,  tu  Hnsi 
sprengend,  der  Krieger  nacbaclzead  mit  ausgeatrecklem  Schild, 
noch  eine  weibliche  Figur,  wie  gebietend  und  in  der  autgealreck- 
len  Hand  etwas  hallend,  Tbt^tia.  (Gegenüber  ein  Behelmter  mit 
aosgea treckten  Armen  zwischca  zwei  gleichen  Gruppen  Ton  drei 
Kriegern,  deren  einer  entwaffnet  wird.  Auf  dem  Boden  ein  go- 
(Ingeller  Jnngling  mit  Lilie.) 

18.  Annali  d  I.  VII  tav.  D,  2.  Gerbarda  Tafel  E,  7.  Vor 
dem  TroiloB  herlaufend  eine  Figur,  welche  zweideutig  ial.  Ger- 
hard S.  20:  „Troilos  ohne  der  Jungfrau  Gegenwart,  nur  noch 
Ton  einem  Gefährten  begleitet."  S.  46:  „Troilos,  welchem  Po- 
Ijient,  kaum  all  Frau  kenntlich,  Torangehl.  Oenocboe,  die  Cam— 
panari  bekannt  gemacht  hat".  U.  Jahn  Tetephoa  und  TroiloaS.  85: 
„Ein  Knabe  mit  einer  Peitache  reitend,  ror  ihm  fliehend  ein  nack~ 
ter  Mann,  beide  drehen  «ich  um  nach  dem  Verfolger  mit  geinck— 
lern  Schwerdl."  Für  männlich  nehmen  dii 
im  Bull.  1644  p.  6B  (pare  virile)  und  Hraui 
mniBle  nackt  auagexogen  worden  sein,  eii 
Wildheil  der  Scene  antudeulen.  Buaen  fehlt,  aber  der  Kopf  acheint 
weiblich,  Gerhards  Zeichner  hat  aich  erlaubt  daa  Weih  denllicher 
zu  machen,  als  ea  in  der  Originalzeichnung  ist.  Troilos  reitet 
hier  nur  ein  Pferd.  Achilles  gebraucht  das  Schwerdl,  nicht  die 
Laaze.     Ein  in  zwei  Hälften  gcbrochnea  Gefäsa  unter  dem  Pferde. 

9  auf  N.  16.  woTon  nach  Allem  diesa  rohe   Bild  als  Wie- 
derholung gellen  kann 

19.  An  einer  kleinen  zwischen  drei  Füssen  hängenden  Büchac 
aua  Nula,  Gerhard  Elr.  und  Camp.  Vaaenh.  des  k.  Mus.  (n.  676) 
Taf.  13  N.  4,  das  ütehende  Weih,  Troiloa  auf  einem  Pferd  und 
Achilleua  nachrennend,  nach  der  linken  Seile  slati,  wie  gewöhn- 
lich, nach  der  rechten.  Aui  der  vollaläadigen  Vorstellung  iat  in' 
der  Fabrik  auch  hier  nur  der  Kera    herauagenommea  worden,  ra 


i  Figur  auch  CaTedoi 
I  das.  p.  75.  Daa  Weib 
I    Eclilechtea    Hotir   die 


458  Troilos. 

▼iel  der  Raum  uod  das  Gcgenslück ,  eine  Scbieneoanlegong,  for- 
derte. £io  driUea  schinählicb  laacires  gymnastisches  Bild  leigt, 
wie  ungeschickt  Ton  rohen  Töpfern  zuweilen  die  Vorstellungen 
ausgesucht  und  zusammengestellt  wurden.  Der  Deckel  ist  mit  Krie- 
gern bedeckt. 

20.  Auch  die  Amphora  ans  Vulci  mit  rolhen  oder  röthüchen 
Figuren  (das  erste  Beispiel],  de  Witte  Gab.  Durand  n.  382  „bietet 
eine  abgekürzte  Vorstellung  dar ,  das  fliehende  Weib  mit  einer 
Binde  in  der  Hand  und  Troilos ,  der  mit  einer  Peitsche  Tersehen 
reitet,  das  andre  Pferd  am  Zügel  hält,  sind  allein  dargestellt.  Die 
zerbrochene  Hydria  fehlt  auch  hier  nicht'*.  Gerhard  Vaseob.  des 
k.  Mus.  S.  19 :  „die  Figur  des  Achill  fehlt  und  ist  aus  ähnlichen 
Bildern  hinzuzudenken,  wenn  mau  nicht  annehmen  will,  der  Künst- 
ler habe  durch  Znsalz  der  Tania  die  bekannte  Gruppe  zur  Dar- 
stellung eines  ferschiedenen  Mjrthos  benutzt."  Diesen  Ausschlag 
giebt  eine  Tänia  wohl  sicher  nicht. 

2i.  Mus.  Gregor.  II,  22,  1.  Troilos  auf  zwej  Pferden  flieht, 
▼erfolgt  zu  Fuss  ron  dem  gewaltigen  Peliden;  ein  Mädchen  flieht 
entsetzt  hinter  dem  Achilleus.  Die  hingeworfene  Ifydria.  (Für  Te- 
lephos  Ton  dem  Ilsgb.  erklärt,  so  wie  Nr.  18  m  den  Annali.)  Die 
Figuren  sind  auch  hier  nicht  schwarz,  sondern  gelb  ?on  schönster 
Zeichnung,  Troilos  in  zierlichem  Phrjgischem  Anzug.  (Rt.  Zwej 
Mantelfiguren  und  ein  Weib.) 

22.  De  Witte  Gab.  Etr.  n.  75,  Gerhard,  Etr.  und  Gamp.  Va- 
Bonb.  des  k.  Mus.  S.  19  Not.  2.  „Obertheil  einer  Hjdria  Ton  Vulci, 
deren  Hauptbild  den  Nemcischen  Löwen  darstellt,  die  Verfolgung 
des  Troilos  mit  zwey  Nebenfiguren,  angeblich  Tenes  und  Parthenia, 
wahrscheinlich  Thetis  und  Patroklos.*'  O.  Jahn  Telephos  und 
Troilos  S.  82:  „Ausser  der  fliehenden  Jungfrau,  dem  Epheben  zo 
Pferd  und  dem  Verfolger  hinter  diesem  noch  eine  Frau ,  neben  ihr 
eine  Hydria  und  hinter  ihr  ein  bewafl'neter  Krieger.'*  Wegen  der 
Hydria  ist  diese  Figur  schwerlich  Thetis,  sondern  eine  Troerin, 
zumal  da  sie  „durch  ihre  Geberden  Schrecken  ausdrückL"  Troilos 
hat  zwey  Pferde,  unter  denen  das  zerbrochene  Gefäss  liegt 

23.  Eine  Kyliz  versprach  R.  Rochette  in  seiner  dritten  Lettre 
archeol.  zu  ediren,  Troilos  zu  Ross  verfolgt,  von  Achilleos  zu  Fuss, 
noch  nicht  erreicht,  eine  Ära  und  Lorbeer,  von  denen  jener  her* 
kommt.  (Rt.  satyrhaft  obscön,  wie  auch  mit  andern  heroischen 
Geschichten  das  Erotische  und  Lascive  häufig  verbunden  ist.) 

24.  25.  Von  zwei  andern  Vasen,  deren  vollständige  oder  sichre 
Beschreibung  mir  fehlt,  ist  die  Besonderheit  zu    bemerken,   dass 


Troilos.  45fl 

auf  dtr  eincD  iiDlvr  den  Pferden  des  lliehenilen  und  tod  Achillctis 
Tcrrolglea  Troiloa  ein  Alli^r  wie  enlnnell  liegt,  der  Tiir  dpssüii  ig 
piliger  Flucht  oder  «us  Eotaetzen  hingi-iunkiiiua  PSdagogpn  zu 
halten  ist,  nur  der  andern  derselbe  nach  der  Sladt  voran  fliehl. 
Bei  der  Ermordung  des  Troilus  wird  der  Pädsgog  uns  wieder  be- 
gegnen. Er  ist  bei  lärsilichen  Jünglingen  eine  stetige  Begleitung 
tuT  AnKzcichniing.  Bei  Plularch  inl  er  dem  1  heaeua  gegeben 
(Thea.  4).     Auch  im  Troiloa  dea  Sophokles  war  er  eingeriihrl. 

36.  Iljdria  des  Prinren  TOn  Cnnino  In  Rom.  welche  l)r;iun 
bei  Kaieggio  1841  zeichnen  liess.  Gerhard.  Aueerltnene  Vasen- 
hilder  III.  Taf.  185.  Löwenbninnen  mit  einem  grossen  Wasser- 
becken darunter  (tou  welchem  Poljxona  schon  enlflohen  isl].  Acbil- 
li'U«  den  mit  iwi^y  Pferden  sprengenden  Troiloa,  der  »ich  iiiräck- 
und  umgebeugt  hat.  am  Schopf  erfassend.  Auf  der  andern  Seite 
isl  der  Altar  niederholt,  die  geOücblete  Puljxena  setil,  im  BegrilT 
sich  hinauftuscbwingcn,  den  Fn»s  auf  dessen  hohe  Sinfen,  zu- 
gleich nach  dem  Verfolger  umgcwaadl,  der  das  Schwerdl  ans  der 
Scheide  zieht  und  ton  einem  Andern  mit  Schild  und  Lanze  be- 
gleitet wird.  Aaf  dem  Altar  silzt  ein  Schwan,  ein  anderer  ist 
hinten  bei  dem  zweiten  Krieger:  Termulhlich  mit  Nachahmung 
Apollinischer  Hciligthümer.  in  denen  SchwSne  unterhalten  wurden. 
An  dem  zweiten  Ericger  springt  ein  Hund  hinauf,  wio  N.  15,  wie 
auch  Tor  zwei  Quadrigen  je  ein  Hund  springt  (N.  8),  wie  die  Krie- 
ger häulig  auf  Vasen  Hunde  mit  sich  fiihren.  Auf  jeder  Seile 
eine  PDanzc  oder  Staude,  eher  als  ein  Baum,  wenigstens  als  Lor- 
beer und  Palme  nicht  kenntlich.  (Die  mittlere  Figurenreihe  be- 
steht aus  einem  obacöuen  Tanz,  die  drille  ans  ciaer  Beihe  von 
Gänsen.) 

37.  Die  K;liz  Gab.  Durand  n.  3S5,  jetzt  im  ßritlischeii  Muieum, 
in  Gerhards  Anserles.  Vasenb.  II.  Taf.  186,  scheint  durch  die 
Sphtni  im  Innern  anzudeuten,  dass  sie  in  den  Figuren  umher  ein 
Bäthsel  aufslelle.  Ich  würde  O.  Jahns  Vermuthung  (Telephoe 
und  Troilos  S.  86  fT.j,  welcher  Gerhard  zustimmt,  dass  statt 
TEJH't'OS  Troilos  zu  leratehen  sei,  gern  xugeben,  wenn  nur 
dann  Alles  sich  aufklärte  und  io  Zusammenhang  käme.  Aber  er- 
stens lieht  dieser  Name  nicht  neben  dem  reitenden  Knaben,  son- 
dern über  dem  Tor  ihm  herlaufenden  nackten  Jüngling  mit  der 
Lanze;  dann  ist  es  auETallend  ,    da»s  der  Verfolger,    der  termeint- 

,    liehe  Achillcus,    sich    umwendet    um)    wie    erschrocken    die    Hand 
I  legt.     Wäre    der   Gedanke,   dasa  er  Tor  dem  aus 
dem  Thore    he rforge sprengten   HBX&OP  erschrecke,  und  ferner, 


460  Troilos. 

dati  der  von  dieiem  terfolgte  Uoplit«  der  wieder  die  twei  Del- 
phine auf  dem  Schild  hat,  Achi]lt*a  in  einem  andern  Moment  sei, 
BO  wflren  auf  bekannte  und  richtige,  fasslichc  Darstellungen  Be^ 
Euge  da:  aher  immer  sehr  seltsamer  und  dunkler  Art.  Die  twi- 
sehen  beide  äusserlich  einander  vehr  entsprechende  Gruppen  ge- 
stellte dritte  Gruppe  der  twej  Worfelspieler  (durch  das  Skiische 
Thor,  das  an  den  entgegengesetiten  Henkel  gehört,  nur  durch 
Fehler  des  Zeichners  getrennt)  yerh&lt  sich  eu  jenen  beiden  noch 
seltsamer.  Ich  vermuthe  daher ,  dasa  in  diesem  Fall ,  allerdings 
ausnahmsweise,  der  Maler  sich  die  drei  Gruppen  von  yerschie- 
denen  andern  GefäBsen  nur  nach  den  symmetrischen  Massen ,  die 
durch  zwei  Bäume,  jeder  mit  einem  daran  gelehnten  Schild,  ge- 
sondert werden,  zur  Verzierung  und  mit  Aufopferung  entweder 
oder  mit  Unkenntnis»  der  Bedeutung  genommen  hat,  und  worde 
wenigstens  nicht  wagen  für  den  Mjthns  oder  für  die  Deutung  an- 
drer Vorstellungen  Ton  dieser  Kjlix  den  geringsten  Gebrauch  zu 
machen.  Die  Annahme,  dass  ein  Vasenmaler  mit  den  Heroen  und 
ihren  Geschichten,  sogar  mit  beigeschriebenen  Namen  sein  Spiel 
getrieben  und  der  Bedeutung  gleichsam  spottend  in  seiner  Unwis- 
senheit die  Figuren  nur  als  solche  zusammengestellt  habe,  muss 
auffallend  erscheinen:  doch  vermuthe  ich,  dass  man  bei  längerer 
Betrachtung  und  Vergleichung  sich  dazu  entschlicsscn  wird.  Die 
Zeichnung  der  Kjlix  ist  aus  ziemlich  später  Zeit.  In  den  zwej 
durch  die  Spieler  auf  der  einen,  das  Thor  auf  der  andern  Seite 
getrennten  Gruppen  sind  Contraste  so  spielender  Art ,  dasa  der 
ganzen  Manier  der  alten  Vasencompositioncn,  die  ja  anch  in  Carri- 
eaturen  und  Parodieen  Anlass  gegeben  hat,  auf  feinere  Weiae  ge- 
spottet scheint  Der  schwergewaffnete  Verfolger  einea  Knaben  zo 
Pferd  wendet  sich  wie  erschrocken;  hier  ist  der  Verfolgte  za 
Boss,  dort  zu  Fuss  und  der  Verfolger  zu  Pferd  gegen  allen  Brauch, 
hier  hat  der  Verfolger ,  hier  der  V'^erfolgte  zwei  Delphine  ala 
Schildzeichen. 

Die  Vorstellungen  dieser  Abiheilung  hängen  unter  sich 
so  wohl  zusammen  und  enthalten  so  deutliche  Merkmale^ 
dass  eine  bestimmte  Erklärung  zu  geben  nicht  schwer 
fällt.  Die  frühere  von  Creuzer,  die  viel  Beifall  gerunden 
hat^^),  Achilles^  Hemithea  und  Tennes,  schiebt  den  Kttnsi- 


15)  Grenzer  Wiener  Jahrb.  LXVI  S.  202  f.    Lenormant  in  Gab. 
Durand,  n.  65.  382,   de   Witte   Gab.   Etr.  n.  75.  122.     Gerhard 


Troilos.  461 

lern  eine  Fabel  zu ,  die  nur  örtlich  und  vor  dem  pseudo- 
euripideischen  Tennes  in  der  poetischen  Sage  nichl  be- 
merklidi  isl,  eine  Legende  zur  Erklärung  des  Cullus  des 
Tenes  (Aeolisch  Tennes)  in  Tenedos  mit  seiner  Schwester 
Heniilhea  "^).  Er  halle  der  Insel  den  Namen  gegeben,  er 
war  tugendhaft  dem  Zudriiigen  der  Schwiegermutter  ent- 
flohen und  in  der  Verlheidigung  seiner  Schwester,  die  da- 
durch Zeit  gewann  dem  Achilleus  zu  entfliehen^  durch  die- 
sen gerallen^  denn  ein  blutiger  Tod  leitet  oft  die  Vereh- 
rung ein.  So  gross  war  der  Name  des  Achilleus,  dieser 
war  auch  Tenedos  so  nah  gekommen,  dass  die  dortige 
Sage  ihn  als  Werkzeug  dieses  zur  Vergötterung  berechtig- 
ten Todes  wählte:  und  als  Anlass  bot  sich  die  Leidenschal't 
des  Achilleus  zur  Schönheil  dar.  Er  lief  als  der  nodwx^^ 
'Axtlisvg  die  lange  Insel  durch  der  Ilemithea  nach,  und 
den  Tenes,  den  er  lödete,  da  er  sie  schützen  wollte,  hatte 
Thetis  vorher  ihm  verboten  zu  töden,  weil  er  sehr  von 
Apollon  geehrt  sei.  Man  sieht,  wie  hier  Alles  in  der  Le- 
gende nach  dem  Tenes  bestimmt  und  dass  dieser  nicht 
als  Kphehe  zu  denken  ist;  dem  Achilleus  ist  dabei  eine 
Rolle  zugctheiit,  die  von  Allem,  was  die  Poesie  und  Kunst 
auf  seine  Leidenschaften  gedichtet  haben,  grell  abütichl. 
Es  braucht  keines  lielTühlenden  Achilles,  um  roh  und  aus- 
gelassen einem  Mädchen  nachzurennen  und  auch  seine 
Waffenrilslung  und  seine  Schnellfüssigkeit  würden  in  sol- 
chem Wettlauf  nicht  geehrt  erscheinen.  So  lang  als  uns 
an  den  alten  Vasen,  statt  hochberühmter  und  im  Geist  und 
Charakter  der  Poesie  abgefasster  Scenen  der  Helden-  und 
der  Göttersage  einfältig  ersonneiie  und  obscure  Cultusle- 
genden  einzelner  entlegener  Orte  in  häufigen  Wiederho- 
lungen noch  nicht  vorgekoinmen    sind ,    dürfen   wir  daher 

Neaerworb.  Dentini.  II  d.  1640.  164?.  Auserlesene  Vtsenbilder 
1  Tat.   tl.     Jabn  Tel.  und  TroMoa  S.  S1  ff. 

16)  Plularch    Qu.   Oraec.   28.     Pauisn.    X,    14,    2.     TiflU.    ad 
Lyc.  2i2. 


462  Troilos. 

nicht  anstehen,  von  Tennes  und  Hemithea  entschieden  ab- 
zusehen. 

Gerhard  hat  in    den   Elr.    und   Camp.   Yasenb.  des  k. 
Mus.  19  ff,  eine  andre  Deutung   an  die  Stelle  gesetzt^  die 
nicht  geringere  innere  Schwierigkeiten  darbietet.     Er  nimmt 
an,  dass  „vorzugsweise    einer  Schönen  Verfolgung  darge- 
stellt sei,   ein   Moment   der  Verfolgung  der  Polyxena  vor- 
ausgehe^,   dass    „die  dem   Reilt;r  verbündete  Jungfrau   im 
Gegenstück  der  Verfolgung  des  Troilos    nach    einem   Altar 
flüchte^,  er  fasst  die   „bei    dem  gleichen    Anlass  wie  ge- 
gen   ihn     gegen    eine   Jungfrau     geüble    Verfolgung     als 
Episode  oder  als  Anhang  des  Troilosmythos^  ^'^).    In  dieser 
letzteren  Geltung,    fährt   er   fort,   erscheint   die  gedachte 
Jungfrau  auf  einer  Hydria  (sie  ist  N.  26)   dem  Morde  des 
Troilos  gegenüber;   von  zwei  Kriegern,    etwa   Achill   und 
Patroklos,  verfolgt,  hat  sie  einen  Altar  erreicht,  den  Palme 
und  Schwan  als  Heili^thum   des  Thymbröischen   Apoll  uns 
bezeichnen.      Diese   Ortsbezeichnung   enthält,    wenn    wir 
nicht  irren,  den  Schlüssel  zum  Verständniss  jener  räthsel- 
haften  Figur.      Nach    ihrer   Beziehung  zu  Troilos  kann  es 
wohl  nur  eine  Tochter  des  Priamos  seyn,  —  Polyxena,  die 
Neoptolemos  dem  Schatten  Achills  zum  Opfer  brachte,  darum 
nämlich,  weil  Achill  sie  im  Leben  vergeblich  begehrt  hatte. 
Sie  von  Priamos  zu  empfangen  stellte  er,    wie  es   heisst^ 
beim  Thymbräischen  Tempel  sich  ein,  als  Paris  ihn  tödlich 


17)  So  isl  auch  bei  der  Herausgabe  der  Amphora  in  den  Aos- 
erlea.  Vas.  III,  185  S.  76  bemerkt,  dass  sie  „den  Mythos  in  eigen- 
thämlicher  Weise  und  mit  dem  besonderen  Vorzug  eines  mythi- 
schen Gegenbildes  darstelle."  Dagegen  ist  in  dem  andern  Werk 
S.  22  auch  die  nach  meiner  Ueberzeugnng  richtige  Ansicht  ani- 
gedrückt,  es  sei  trüglicb,  wenn  es  scheine,  dass  in  „dieser  Vor- 
stellung (der  N.  11)  und  ähnlichen  vorzugsweise  einer  Schönen 
Verfolgung  gemeint  sei":  wenn  auch  die  Jungfrau  beim  Wasser— 
schöpfen  überrascht  werde,  so  brauche  sie  doch  nicht  dag  eioiige 
Ziel  von  Achills  Angriff  zu  sein.  Auch  O.  Jahn  tiuscbte  sieb  mit 
der  allgemeinen  Vorstellung  eines  Mädchenraubet  S.  21. 


■.■.■rfrpmmi^VMiKT^i^ßdMi»  ri:^  «^ 


Troilos.  463 

verwundete;  an  gleichem  Ort  scheint  die  Lesart  der  Sage^ 
der  unsre  Bildner  sich  anschlössen ,  einen  Angriff  Achills 
auf  Polyxena  gleichzeitig  mit  des  Troilos  Tod  gekannt  zu 
haben.^  Ich  wiederhole  die  Thatsache»  dass  die  poetische 
Sage ,  die  von  den  Neigungen  des  Achilleus  viel  überlie- 
ferte ,  sie  bedeutend  unterscheidet  von  Angriffen  auf  Jung- 
frauen ,  so  dass  daher  eine  Variante  der  Sage  selbst,  die 
auf  dieses  lautete ,  durch'  Conjectur  zu  setzen  sehr  kühn 
ist.  Polyxena  konnte  wirklich  genannt  werden,  welche 
Achilleus,  als  er  den  Troilos  tödete,  beinah  auch  erreicht 
und  zur  Gefangnen  gemacht  hätte,  aber  diess  wfire  doch 
kein  besonderer  Strauss,  sondern  etwas  Untergeordnetes, 
zu  dem  andern  Gehöriges  und  ein  solcher  Angriff  hätte 
am  wenigsten  zu  der  späten  sentimentalen  Dichtung  von 
Achilles  und  Polyxena  Anlass  geben  können.  Die,  welche 
von  diesem  romanhaften  Zusammenhang  sprechen,  stellen 
ihn  auch  dem  Roman  gemäss  dar.  Achilles  erblickt  im 
Gefecht  bei  den  Mauern  Polyxena,  liebt  sie,  begehrt  sie 
zur  Ehe  und  verspricht  dem  Vater  zum  Weibkauf  den 
Frieden  für  sie,  die  Troer  gehen  den  Vertrag  ein,  betrü- 
gen und  töden  ihn  durch  den  Pfeil  des  Paris:  darum  schreit 
sein  Geist  Rache.  Oder  die  Polyxena  liebte  Achilleus  und 
auch  Polyxena  liebte  ihn,  sie  sahen  sich  bei  Gelegenheit 
der  Auslösung  des  Hektor.  Als  Achilleus  im  Tempel  ge- 
tödet  ist,  flieht  Polyxena  nicht  mit  den  andern  Troerinnen 
in  die  Stadt,  sondern  zu  Agamemnon  und  tödet  sich  selbst 
in  treuer  Liebe  am  Grabe  des  Achilleus  ^^).  Und  beiläufig, 
wenn  schon  das  Nachlaufen  um  eine  Gefangene  zu  erbeu- 
ten, von  Liebe  wohl  zu  unterscheiden  ist,  so  kann  doch 
auch  nicht  die  Verfolgung  des  Troilos  „nebenher  (neben 
seinem  für  Troja  verhängnissvollen  Tode)  als  rein  mensch- 
licher Beleg  für  Achills  der  Schönheit  zugängliche  Helden- 


18)  Argum.  Eurip.    llec.   Ser?.  ad    Aen.   III,  322.      Pbilostr. 
Hcrroic.  XIX,  11. 


464  Troilos. 

seele^  angesehn  werden,  darum,  weil  spät  bei  Lykophron 
(309—313)  auch  vorkommt,    dass   Achilles   in  den  Troilos 
verliebt  war,  als  er  ihm  am  Altare   des  Apoilon,  seines 
Vaters,    das  Haupt  abschnitt,   oder   vermuthlich   als  er  es 
ihm  abgeschnitten  hatte,   als    Nachahmung  seiner  Liebe  zu 
der  entseelten  Penthesilea.    Diese  Verliebtheit  stammt  viel- 
leicht aus  den   unzähligen   Volkssagen    der   Neuilier   über 
die   Personen    der  Troischcn    Heldensage  und  ist  auf  ba* 
rocke  Art  berührt  von  jenem   mit   keinem  andern  zu  ver- 
gleichenden Dichter,  dessen  grösste  Kunst  in  Vermischung 
und   Verwirrung   besteht.     Zwey  so    grosse    Gegenstände, 
wie  der  Tod  eines  Priamiden,    der  durch  die  Kypria  das- 
sisch  und    allbekannt   geworden   war,    und   eine  Neigung 
des  Achilleus  fasst  nicht   der  Raum  eines  einzigen  Bildes. 
Die  Flucht   aber   der  Troerinnen    oder   der  Königstochter 
vor  ihm ,    der    den   Troilos   vor   sich   her  jagte ,  gehört  in 
das  vollständige  Bild  dieses  Ueberfalls.     Der  Brunnen  war 
darum  so  wichtig,  weil  nichts  Andres  so  bestimmt  und  so 
leicht  die  Nähe   der  Stadt  anzeigt:   denn   grosse   Brunnen 
waren  gewöhnlich  nahe  vor  dem  Thor.    Der  Brunnen  ge- 
hört zur  Stadt,  nur  dass  er  ungeschützt  liegt:  Troilos,  der 
hier  seine  Rosse  tummelt,  ist  fast   wie   in  seiner  Heimalh 
überfallen.     Desto  grösser  die  Kühnheit  des  Achilleus ,  der 
sich  allein  oder  nur  mit  seinem  Patroklos  aus  Lust  an  küh- 
nen Abentheuorn   so   weit   vom   Lager   herausgewagt   bat, 
eh  es  noch  zur  Schlacht  zwischen  Lager  und  Stadt  gekom- 
men war.     Da  der  Brunnen  nur  das  Local  bezeichnet,  so 
flieht  Troilos,  wenn  er  nicht  zur  Tränke,  sondern  zur  Reil- 
ttbung  herausgekommen  ist,  nicht  „vom  Brunnen^,  sondern 
beim  Brunnen  vor  dem  Skäischen  Thor.    Troilos   führt  im 
Reiten  ein  zweites   Pferd,    indem  er   ein   Gespann  einübt, 
wie  es  auf  den  Vasen    auch   sonst   vorkommt;   es  ist  eine 
Ausnahme,  wenn  er  nur  eines   (N.  2.  17.  18.  19.   27),    so 
wie  wenn  er   einen   Begleiter   hat,  welchen   natürlich  das 
Handpferd  des  Troilos  nicht  angeht.    Er  hat  eine  Peitsche 


; 


Troilos.  465 

oder  eine  Gerte,  da  er  nur  Uebungen  ansleill,  doch  zu- 
weilen ein  oder  zwei  Lanzen,  zeigt  sich  übrigens  beherzt, 
so  wohl  wenn  er  langsamer  im  Fliehen  reitet,  als  wenn 
er  zurückschaul.  Ein  Weib  am  Brunnen  nnwesend  zur 
Zeit  des  Ueberfalls  zeigt,  dass  Troilos  nicht  tollkühn ,  nur 
Achilleus  verwegen  war.  Diess  noch  mehr  hervorzuheben 
sind  N.  11  sein  Schild  und  seine  Lanze  am  Brunnen  an- 
gelehnl.  In  dem  spätem  Moment,  wo  es  zwischen  Achill 
und  Troern  zum  Kampf  gekommen ,  sind  natürlich  keine 
Troerinnen  mehr  sichtbar:  die  waren  nun  schon  entkommen. 
Alle  Schwierigkeit  oder  das  Missverständniss  hängt  ab  allein 
von  der  Vase  (N.  26),  woran  die  Verfolgung  des  Troilos 
und  die  der  Polyxena,  die  sonst  nur  eine  ist,  in  zwei  ver- 
schiedene Bilder  auseinander  gerissen  sind,  naiürlich  mit 
Wiederholung  der  Figur  des  Achilleus  selbst.  Der  Altar, 
an  welchem  sonst  Troilos  sein  Ziel  findet,  ist  hier  der  Po- 
lyxena vorbehalten,  da  jener  auf  dem  Pferd  Figur  genug 
macht.  Meiner  Meinung  nach  ist  diess  allein  dem  Belieben 
des  Töpfers  zuzuschreiben,  der  beide  Seilen  der  Vase  mit 
Figuren  aus  der  einen  Vorstellung  ausstatten  wollte  und 
nicht  danach  fragte,  ob  dadurch  der  innere  Zusammenhang 
anfgehoben  wurde  oder  nichl^^).  Dasselbe  Verfahren  ist 
auf  das  Parisurlheil  N.  37  angewandt,  und  auf  die  Verfol- 
gung des  Troilos  vielleicht  noch  zerstörender  N.  27.     Auch 


18)  SehrnoM  bemerlil  Braun  aber  dieie  Vaae  im  Bulletl.  1844 
p.  74:  E  maniresto  che  tjuesi»  importanle  ElOfigla  ci  reca  icomposti 
gli  elemeoli ,  che  formsDo  la  storia  ripelula  di  lanli  vasculari  di— 
Ic  suol  comparire  siccanie  Hgura  iccoadaria 
di  Troilo,  quivi  nel  quadro  apposlo  direnla 

lilunR  des  Troilos  Ton  Sopholil^s  in  irgend 
Wpniger  slimml  es  mit  mi:iner  AulTasEung 
In  der  Erltlüruag  der  Vaic  Fran^oiB  sagt: 
■mbedue  i  tralli  della  favola  compariscuno  infalll  dislinii;  ed  Achllle 
nenlre  dell'  uno  de'  lall  sli  per  impAdronirsi  di  Poli&seoa  che  si 
.■■Iva  air  u»  di  Apolliue. 


466  Troilos. 

die  beiden  Bogenschützen  N.  13  scheinen  ans  malerischem 
Grund  und  nicht  zum  Vortheil  des  Gegenstands  an  beiden 
Enden  zugefügt  zu  seyn. 

Ein  Jüngling  auf  flüchtigem  Ross  vom  schnellen  Achil- 
les eingeholt,  schon  ergriiTen  im  Haar  und  herniedergezo- 
gen, ist  ein  so  pathetischer  Gegenstand,  dass  wir  ihn  auch 
in  andern  Gattungen  der  Denkmäler  viele  Jahrhunderte  hin- 
durch nach  der  Zeit  der  gemalten  Vasen  festgehalten  sehn. 
Durchgängig  aber  ist  in  diesen  der  Jüngling  nur  ein  ein- 
facher Reiter  ohne  Handpferd,  wie  einigemal  in  den  Va- 
senbildern: dass  man  einst  die  Pferde  im  Krieg  nur  fuhr 
und  sie  daher  auch  paarweise   zu  den   Schwenkungen   des 

Kriegswagens  zureiten  mochte,  war  vergessen» 

• 

28.  Onyxcameo  der  Mantnanischen  Sammlung  im  Muteo 
Worsiejano  ta?.  30,  14,  wo  Visconti  erklärt,  ein  Griechiicher  He- 
ros reisse  einen  Troer  vom  Pferd  auf  dieselbe  Art,  wie  Troilos 
beschrieben  werde  im  Troischen  Krieg.  Wo  er  diese  Beschreibung 
gefunden,  ist  mir  nicht  bekannt«  Die  Arbeit  wird  sehr  gerühmt 
und  gehört  zu  der  in  der  Glyphik  besonders  häufigen  Klasse,  worin 
der  Charakter  im  Uebermass  der  Zierlichkeit  untergeht, 

29.  Dieselbe  Gruppe  sah  ich  an  einem  Marmor  im  Museom 
zu  Brescia ,  der  in  dem  neuen  schönen  Werk  über  dies«  Musean 
nicht  aufgenommen  ist  und  yielleicbt  die  Querseite  eines  Sarkiw 
phags  abgegeben  hat,  wozu  auf  der  andern  Seite  ein  anderer  Mar- 
mor daselbst  von  derselben  Grösse  und  Arbeit  mit  einem  in  Trauer 
sitzenden  Weib  und  zwei  Dienerinnen  Yor  ihr  und  einer  älteren 
hinter  ihr  siebend,  gehörte.  Hinter  dem  Achilles  steht  noch  ein 
Streiter,  sein  Patroklos,  und  zum  Troilos  gehört  ein  Phrjrger  mit 
der  Mutze,  sein  Pädagog  (wie  N.  24). 

30.  Hiermit  kommt  sehr  überein  ein  Marmor  im  Museo  di 
MantoTa  T.  3  tay.  9.  Der  Phrjger  zwischen  dem  Troilos  und  dem 
Achilles,  welcher  diesen  am  Haar  gefasst  hat,  streckt  bittende  Hände 
aus;  zwischen  dem  Achilles  und  seinen  Waffengerährten  ist  auf 
dem  Grund  noch  ein  anderer  Krieger  angedeutet.  Troilos  kat  hier 
einen  Schild  am  Arm,  was  nur  dann  richtig  sejn  würde,  wenn  ar 
im  Gefecht  mit  Achilles  fiele,  wie  bei  späteren  Dichtem;  aber 
dann  sollten  ihm  auch  Helm  und  Chlamys  nicht  fehlen.  Labiu 
hält  sich  in  seiner  Erklärung  nur  an   ein  am   Bruch  dea  Maraor^ 


anf  der  rechteD  S 


crhallnet  KinJerbei 


d'Arc 


1   der  (TC 


geiDflcr 


rofrrichenGrifen  Carlo 
81.       Dass    eine   eanie 


eifelhofler,  als  die  an- 
Und  gonderbsrerweito 
ganz  luramnicnlreffend 


vielleicfal  all  j 
■d.      In  der  Gr 


>uliing 


Hiirie  des  Msrmora  TeKle,  ist  mir  um  si 

dere   Voralullung  in  tich  abgeschloiaen 

isl  auch  bier  TaT.  S  die  andere  Vurelelli 

mit  der  in   Breicia.     Diese  ist  durch  eii 

beiden   Enden   unterachieden ,   »eJche   bi 

des  köaigtichen  Wobnraumi  zn  nehmen 

den  beide  Plauen    xuiammenpasseu,    wenn    slatt    dca   Beinchena  in 

der  rohen   Sculptur  yielleichl    ein    gleicbgultigei  Nebending  erTun- 

den  werden  aolüe. 

Wichtiger  siful,  weil  in  einigen  Wiederholungen  aus- 
föhrlicher  und  in  Nebenpersonen  abwechselnd,  die  häufigen 
Darstellungen  an  Elrurischen  Urnen,  woran  auch  0.  Jahn 
und  Cavedoni  den  Trüilos  erkannten. 

31,  Im  Muaenm  zu  Florenz,  wo  dersrlbe  Gegenstand  noch  an 
andern  solcher  Alabaslerurnen  vorkommt,  nolirle  icb  Ton  einer; 
„Ein  junger  Heros  (Achill)  mit  Ohiamjs  um  die  Schultern,  einen 
Helm  auf,  reisst  einen  waffenlosen  nackten  Knaben  vom  Rosa. 
Unter  dem  Pferd  liegt  der  Pidagog,  bärtig,  im  Hantel.  Voran  Diehl 
ein  Knappe.  AuT  den  Ecken  eine  weibliche  Figur  mit  enlblöasteT 
linker  Brnit.     Auf  den  Seilen  nicht«-. 

33.  Im  Museum  zu  Cstajo  nach  der  Indicaiione  anliquaria 
Ton  Cavedoni  1842  p.  16  N.  I,  der  Jüngling  zu  Pferd,  ein  nackter 
Heros  der  ihn  am  Haar  fasst,  unter  dem  Pferd  eiu  ungewiiser  Ge- 
genstand, hinter  dem  Achilleua  noch  Lende  und  Arm  eines  andern, 
ebeofalls  ungernsteleo  Kriegers. 

33.  Das.  p.  SJ  N.  859  an  einer  Ihönernen  Urne  isl  der  Ver- 
folger uiil  Chlamjs,  Helm  und  Schild  gorüslel,  der  Mann  hinter 
ihm  bärtig,  mit  Theesalischem  Hut,  aufgegürteter  Tunica,  russfällig 
flehend  zu  jenem  (der  PadagogI,  vor  dem  Pferde  des  niehenden  ein 
Uann  mit  Chlamjs  nud,  wie  es  scheint,  Sebwerd 
und  an  den  Mähnen  fasHt  (Patroklos),  dann  ein  ei 
Weib,  diB  zurückachsut  {Poljiena). 

33.  34.      Zwei  aus  Alabaster    wurden    im   Gebiet   v 
gefunden,    die    eine     Bullell.   1S46  p.   163.    die    andere 
Francois,  Bullelt.    1849  p.  6  s.      Auf  der  ersten   liegt  Ji 
des  Troilos  (der  Padagog)    getödlel    zur  Erde    (indem    er  sich  zum 
Scliutie    leioei  Zägliogt    dem  Achilleui    entgegen  geworfen     hatte) 


r  es  aufhält 
t  fliehendes 


Gefährte 


468  Troilos. 

auf  der  andern  steht  er  da  tod  Schrecken  erstarrt  Statt  des  Tro{- 
loa  wird  hier  ,,Lioone'*  genannt,  d.  i.  Licaone,  nach  Inghiramia 
Vorgang  im  folgenden.  Den  Priamiden  Ljkaon  aber  tödtet  Achil- 
lens  in  der  llias  (21,  34)  in  der  Schlacht;  Diktys  (4,  9)  Usat  ihn 
nach  seiner  unverständigen  Willkürlichkeit  mit  dem  Troilos  za* 
gleich  gefangen  und  hingerichtet  werden. 

35.  Mus.  Ghius.  11  tay.  147,  eine  grössere  Gomposition,  welche 
O.  Jahn  Tel.  und  Troilos  S.  76  hierher  zieht.  Der  zu  Pferd  flie- 
hende Knabe  fasst  den  Arm  des  Achilles  an,  der  ihn  am  Haar  er- 
griffen hat  und  das  Schwerd  nach  ihm  zückt.  Unter  dem  Pferde 
liegt  ein  nackter  Jüngling  und  yier  gerüstele  Troer  stehn  erschreckt 
und  unentschlossen  zum  Kampfe,  der  eine,  dem  der  Helm  entfallen 
ist,  hinter  dem  Achilles,  die  drei  andern  auf  der  andern  Seite. 
Viel  Aehnlichkeit  hiermit  im  Ganzen  und  Einzelnen  hat  eine  yon 
Inghirami  an  ßraun  mitgetheilte  und  yon  diesem  im  Bullett.  1844 
beschriebeoe  Zeichnung,  zugleich  aber  auch  Eigenthümliches. 

36.  Gori  Mus.  Etr.  II  tay.  134,  die  Uauptgruppe  wie  an  der 
yorhergehenden  Urne,  nur  dass  das  Pferd  gestürzt  iind  dessen 
Reiter  mit  Harnisch,  Schild  und  Helm,  an  dem  er  gefasst  wird, 
angethan  ist  uud  dass  ihn  ein  Krieger  auch  yon  vorn  bedroht  (wie 
N.  33). 

37.  Dempster  Etr.  reg.  I  tab.  68,  1.  Aebniich:  nur  daaa  der 
gepanzerte  Troilos  an  seinem  Haar  gepackt  wird.  Daran  aber, 
dasa  auf  den  dem  Reiter  entgegentretenden  Kriegsmann  noch  ein 
anderer  folgt,  der  einen  Niedergetretnen  ersticht  und  dass  ein  ähn- 
liches Paar  auch  unter  dem  Pferd  angebracht  ist,  yerräth  sich, 
waa  auch  yiele  andre  dieser  oft  sehr  handwerksmässigen  Urnen  zu 
erkennen  geben ,  dass  man  dort  häufig  nur  gewisse  herkömmliche 
Schlachtscenen  wiederholte,  ohne  an  Bedeutung  und  Personen  za 
denken. 

Aus  diesem  Grunde  scheint  es  auch  sehr  zweifelhaft^ 
ob  man  berechtigt  ist,  mit  0.  Jahn  S.  74  und  Cavedoni 
p.  17  die  Urne  im  Museo  Etrusco  I  tav.  83  und  die  damit 
im  Wesentlichen  tibereinstimmende  im  Mus.  Chius.  tav.  25 
auf  Troilos  zu  beziehen,  welchem  Achilleus  den  Kopf  ab- 
geschnitten habe  auf  dem  mit  ihm  zugleich  hinstürzenden 
Pferd,  oder  mit  Inghirami  auf  Menalippos,  welchem  Aro- 
phiaraos  das  Haupt  abschnitt:  oder  auch  den  Krieger  für 
Troilos  zu  nehmen,  der  einen  andern  Gerüsteten  auf  eioem 


Altar  Schulz  Suchenden  ersticht:  eine  Etrurisplie  GOlIin  auf 
der  andern  Seile  (Inghir.  Gall.  Omar.  Hl  tav.  194)  u.  a. 

C.  Ermordung. 
38.  Amphon  Candelori,  jtXzt  in  Manchen,  ia  den  Man.  rn 
d.  I.  1633  I,  24  (auch  bei  Inghirami  Vxi  Sil.  IV  (ir.  346).  Troi- 
toB,  in  noch  zarlera  Aller,  wird  von  Achilleui,  der  ihn  Dämlich  Tom 
Pl'erd  an  den  llgarea  oder  am  Arm  hcruntergerigseo  hat,  nun  an 
dem  Dreifuss,  der  das  Hi^iliglhiim  des  Apoilon  bedeutet,  lerichmel- 
lerl.  Das  Vergehn  dca  Peliden  gegen  diesen  Coli  wirit  ao  auf  die 
({rellsle,  seine  Kriegswulh  auf  die  rauheste  Art  dargealelll;  und 
d»e  Mol'ii  dieser  Dichlung  war,  dasi  im  erhabensten  Beispiel  dat 
Üebermass  gezüchligt  und  Apallan  zugleich  dadurch  verherrlicht 
wurde,  dass  an  derselben  Slelle,  wo  Achilles  durch  den  ton  ihm 
gelenblen  Pfeil  des  Paris  fiel,  von  ihm  auch  die  GoItesTergessen- 
heil  rcrenhuldel  gewesen  wäre.  Zugleich  erscheint  Achilles  dabei 
als  dai  Vorbild  sciacs  Sohns  Neoptolemos,  wenn  dieser  den  Sohn 
des  Heklor  Tom  Tfaurm  hershschleuderl  oder  eben  so  am  Altar 
Kerscbmetlerl  1  und  ea  ist  bekannt,  wie  gern  die  alle  Poeaie  und 
Kunst  besonders  bei  mehreren  der  Thebischon  nnd  der  Troiscben 
Beiden  UebereiDslimmuugeu  zwischen  dem  Sohn  und  dem  Vater 
im  Ganten  des  Charakters  und  in  einzelnen  Tbaten  ein  rührten '°). 
Den  Tod  des  Troilos  auf  dem  Altaf  dea  Apollon  erwühol  auch 
Ljkophron  (313).  Am  Koden  silit,  weil  aeine  Beins  tbn  vor 
Schrecken  und  Schmeri  nichl  tragen,  der  alle  Padagog,  den  wir 
auch  N.  24.  35.  29.  30.  31.  33.  34  in*  sehen  glaubten,  ßie  dem 
Acbilleus  beistehende  Athene  hat  sich  umgewandt  gegen  den  Hek- 
tar, wie  um  ihu  aufzuhalten.  Gegen  Schluütg,  den  erslen  Erklärer 
in  den  Anuali  d.  I.  3,  361,  nies  Ambrosch  (daa.  p.  369-80] 
nach,  dass  die  Scene  ausserhalb  der  Tbore  und  also  top  der  Ein- 


nähme 

<o 

llion 

ael. 

Auf  der  M 

Stadt, 

an 

Hahe 

des 

Gefässes 

Behaue 

nde 

Traue 

;    au 

B   dem  Tho 

Hälfe 

H 

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Tächei 

den 

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hrieben    an 

■ie   in 

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em    früheren 

Moment    z 

atehl,  nicht  inde 

'  "' 

die  Terawe 

eht    I 


noch  uneiogenomm 
:    Verlheidiger   i 


i  Belagerten  in 
Troer,  der  auch  den  eigenen 
-uf  halte;  und  Heklor  und  Po- 
dein  Gemälde  Ton  Rlilias,  wo 
Hülfe  eilen.  Dieser  Ausfall 
lungsrollen  Geberden  der  Wei- 


20)  S.  Aeach;!.  Tril,  S.  461.    Ep.  Cjclus  11  S.  13. 


470  Troilos. 

ber  auf  der  Mauer,  mit  der  Schreckensceoe  in  VerbtnduBg;  denn 
diese  gilt  als  das  Aeusserste  eines  käboen  und  mörderischen  Vor- 
dringens auf  dieser  Seite.  Die  Bucbstaben,  die  das  Skfiische  Thor 
bezeichnen  sollen,  sind  dazu  nicht  gültig,  da  auch  alle  nbrigen 
Inschriften,  wie  Ambrosch  selbst  zugiebt,  phantastisch  und  ohne 
Sinn  und  Bedeutung  aind^^).  Auffallend  ist,  dass  unter  den  Troern, 
die  auf  der  Mauer  dem  eben  beginnenden  Kampf  um  die  Leiche 
des  Knaben  zuschauen,  einer  ein  Trinkhorn  angesetzt  hat.  Ver- 
muthlich  soll  dies  das  Bild  des  Krieges  beleben,  oder  soll  die 
Hitze  angedeutet  seyn,  wovon  sich  einer  augenblicklich  erholen 
will,  worin  das  Alltägliche  mit  dem  Ausserordentlichsten  und  Ent* 
setzlicbst'en  sich  unvermeidlich  und  oft  auf  eben  so  tragische  als 
launenhafte  Weise  begegnet.  Sorglose  Ruhe  könnte  die  Sache 
nicht  ausdrücken,  da  der  Augenblick  des  ersten  Ueberfalls  Tornber 
war,  wie  die  Geberden  der  Frauen  zeigen.  Der  Künstler  und  der 
Dichter  bringen  gern,  von  Sage  und  Geschichte  belehrt,  zwischen 
tief  ergreifendem  Ernst  einen  heitern  Zug  menschlicher  Tborheit 
an.  In  der  Hauptsache  verfehlte  auch  Ambrosch  das  Richtige,  in- 
dem er  die  Hauptpersonen  Achilleus  und  Troilos  nicht  erkannte, 
sondern  mit  Schluttig  die  Ermordung  des  Astjanai  durch  Neopto* 
lemos,  das  Ende  statt  des  Anfangs  der  Greuel  vor  und  in  llion 
annahm,  eben  so  wie  R.  Röchelte  Mon.  inöd.  (p.  248.  324).  Der 
Tod  des  Astjanaxist  eine  so  hervorstechende  und  bedeutsame  Scene 
der  Zerstörung  der  Stadt,  dass  eine  Verlegung  derselben  in  die 
früheste  Zeit  der  Belagerung  sich  in  der  That  nicht  denken  lisst. 
Diese  Abweichung  von  der  ^gewöhnlichen  Sage,  wie  viele  Ungleich- 
heiten der  ErzShlung  man  auch  ans  Dichtern  und  Kunstwerken 
damit  zusammenhalten  möchte,  würde  zu  sehr  gegen  die  Grundlöge 
der  alten  Poesie  von  llion  Verstössen.  Durch  den  Abschied  dei 
Hektor  und  der  Andromache  war  das  in  diese  poetische  VerkU- 
rung  aufgenommene  Kind  zu  einer  tragischen  Person  erhoben, 
deren  Tod  sich  nur  für  den  Gipfel  der  Schrecknisse  vollkommen 
eignete.  Die  dem  Hektor  entgegentretende  Athene  hielt  Gerhard 
(in  den  Etr.  und  Camp.  Vasenbildern  des  Museums  zu  Berlin  S. 7) 
für  ein  Palladium.    Aehnlich   einer  mehrmals   vorkommenden  Ge* 


21)  Ein  Versuch  diese  Kritzel  zu  lesen  von  Grotefend  in  der 
Hall.  Litt.  Zeit.  1834  I,  300  ist  ganz  vergebliche  Mühe.  Ein  an- 
dres Beispiel  sahen  wir  in  diesem  Kreis  von  Vorstellungen  lelbit 

N.  8. 


Troilos. 


471 


I   ich    bald    durch    Gerhards 

ie  jetzt  erblarle'^),  «eiche 

UDd  Troiloi  T<f.  2  S.  70 

i   mich  üherging. 

:  Vase  im  Bullelt.  d.  J.  A. 


■lalt  des  Palladium  in  die  Figur  allerdiogs.  Da  man  sich  aber 
millen  im  kriegerischea  Getümmel  doch  nur  die  lebendige  Göllio 
gegenwärtig  denken  kann,  diaae  auch  in  aadera  Vorstellungen  un- 
iweifelhafl  angetroffen  wird  (N.  I.  7.  9.  II.  41).  to  ist  wobi  xa 
vermulben,  daas  der  Künstler  auf  die  Göttin  selbst  wegen  der  Hei- 
ligkeil ihres  allen  Schnilzbildea  dieae  Aehnlichkeit  mit  der  Form 
deaselben  wie  unwillkürlich  hat  übergehn  lassen.  Aehalichei  fin- 
det man  auoh  sonst  t.  ft.  in  B[iälern  ParisurlheileD.  Llebrigeoa 
nenal  hier  Gerhard  das  „Troilosbild  wohl  erklärt  durch  Schlullig 
uod  Amhrosch".  Die  wirkliche  Erklärung  dieser  Beiden  log  der 
meiaigen  in  den  Aanal.  d.  J.  5,  233,  1833  ausdrücklich  vor  Hüller 
in  aeiner  Archäologie  zu  §.  415  N.   1.  (S.  714  der  3.  Auag.) 

39.  Im  Oclober  183-1  kam  in  Ron 
Hn.  Campanari  zum  Vorschein,  woioi 
Gute  die  Durcbieichnuug  sah  und  ao  w 
später  Ton  0  Jahn  in  seinem  Telephos 
bekannt  gemacht  wurde  und  nachher  \ 
Nach  einer  falschen  Reslaurati 
1834  p.  234-38  von  Secondiano  Campanari  beschrieben,  nach  des- 
sen Erklärung  auch  die  TaUchen  luschrirtea  gesetzt  ieya  werden, 
Dämlich  AnOJJOff  neben  dem  auf  den  Altar  geOuchteten  Troitoa, 
der  ein  auf  Steinen  errichtetes  Bild  dieses  Gottes  aejn  loll,  UAPll 
Tor  dem  Gesicht  des  Achilleus,  welcher  Paris  die  Bildsäule  des 
Thjmbräiecben  Apolloo  erfaEseri  soll,  um  ihn  um  seinen  Beistand 
aniuflehen,'  der  wirkliche  Name  AXIASrz  wird  aUdann  Dicht  auf 
deo  das  Schwerd  gerade  gegen  den  von  ihm  angefasslen  Knaben 
rühreodco  Helden  bezogen,  den  msn  sich  nicht  scheute  für  einen 
Hülfeflehenden  zu  nehmen ,  sondern  auf  den  welcher  auf  einer 
Quadriga  h^rankommL  Achilleua,  welcher  nach  der  lliaa  22,  359 
am  Skäischen  Thor  von  Paris  gelödtet  wird,  aoll  hier  lukommen 
um  den  PfeiUchuss  des  Paris  lu  erhalten,  Polj'ieaa  aber  von  der 
andern  Seile  in  dem  andern  Viergespann,  worauf  nur  die  weibliche 
Figur  rebll,  lieh  nähern,  nach  der  späten  Fabel,  data  Acbüleus 
listig  lum  Verläbniss  mit  Polfxeoa  eingeladen  war,  als  Paris  ihu 
im  Tempel  ermordete.  Diese  Erklärung  durfte  nicht  übergangen 
werden,  weil  sie  sich  durch  falachc  Inncbrifl  ein  Ansehn  gegeben 
hatte.     Als  ich  im  Herbst  1844    die   Vaae    aelbal    in  der  Sammlung 


33)  Rhein.  Uui.  1835  S.  627  f.  <jetit 
mllem  I  S.  372J. 


)  meinen  Alten  Denk- 


472  Troilos. 

des  Hrn.  Samuel  Rogers  in  London  sah,  fand  ich  keinen  UAPMJ^ 
nur  den  AXIJETJS,  bei  diesem  auch,  über  dem  linken  Arm, 
KAAOS,  statt  des  AnOJJON  aber  die  Buchstaben  lOIAOJS,  die 
durch  Vorsetzung  yon  T  und  Ergänzung  des  /  in  P  den  ohnehin 
▼orauszuselzenden  Namen  ergeben.  Die  Schrift  ist  in  der  Farbe 
nicht  mehr  sichtbar,  aber  Töllig  deutlich  durch  die  Dicke  des  Far- 
benaufirags'').  Diess  erklärt  sich  sehr  einfach  durch  die  That- 
sache,  die  mir  aus  einem  Briefe  yon  Gerhard  bekannt  ist,  dass  er 
selbst  im  Juni  1839  die  V^ase  restaurirt  in  London  bei  Hm.  Ro- 
gers wiederfand,  von  deren  Scherben  die  an  mich  Ton  ihm  abge- 
tretene Durchzeichnung  in  Rom  genommen  war,  und  dass  er  ge- 
meinschaftlich mit  Millingen,  dem  Freunde  des  beliebten  Dichters 
und  Runstsammlers,  don  AnOJJON  abwusch  und  yermuthlich  auch 
den  nAPIJSy  da  ich  später  yon  diesem  keine  Spur  mehr  antraf. 
Es  ist  daher  zu  bedauern,  dass  Gerhard  in  seiner  oft  angeführten 
Tafel  E.  N.  5.  6  eine  Zeichnung  „später  als  die  Hr.  Jahn  yon  ihm 
erhielt'*  mit  den  falschen  Inschriften  fortgepflanzt  hat.  Diese 
Zeichnung  muss  wenigstens  früher  als  die  yon  ihm  auch  hier  (in 
den  Etr.  und  Camp.  Vasenbildern  S.  45  f.)  erwähnte  ihm  „Von 
Hn.  Rogers  gestaltete  Prüfung'*  gemacht  seyn.  Er  sagt,  daas  „die- 
ser Prüfung  gemäss  statt  der  Inschrift  AHO J JON  füglich  TgOUog 
ursprünglich  sejn  könne;  yon  den  übrigen  Inschriften,  die  unan- 
gerührt bleiben,  mag  AXIJEYJS  beglaubigt  sejn,  dagegen  wir  noi 
erlauben  die  Inschrift  UAPIJS,  die  als  Name  des  Paris  jedenfalls 
AAßXJSATfJPOJS  heissen  müsste,  bis  zur  Nachweisung  ihrer  Echt^ 
heit  für  untergeschoben  zn  halten,*'  Möglich  dass  Millingen  den 
Paria  erst  später  auch  abgewaschen  hat:  aber  gewiss  hätte  die 
ganze  Beschaffenheit  der  Campanarischen  Fabel  antreiben  aollen, 
diesem  Paris  unyerzüglich  auf  den  Leib  zu  gehn.  Doch  die  on- 
bestimmten  Worte,  dass  statt  der  Inschrift  AUOAAON  füglich 
TqOIAos  ursprunglich  sejn  könne,  beweisen  mir,  dass  Gerhard  den 
wahren  Zusammenhang  nicht  geargwöhnt  hat  Diesem  Umstand 
ist  es  zu  danken,  dass  yon  einem  halb  lächerlichen,  halb  tadelna— 
werthen  Betrug  nun  in  dem  Prachtwerk  der  Vasenbilder  ein  Denk- 
mal bewahrt  bleibt.  An  der  Vase  selbst  ist  yon  AUOAAON  nicht 
Schatten  noch  Schein  zn  aehn,  und  jetzt  wenigstens  eben  so  we- 
nig yon  UAPIJS^  und  sollte  mir  bei  einer  einmaligen  Besichtigung 
nicht  bloss  dieses  Gefässes,  sondern  zugleich  einer  ganzen  beden- 


23}  In  der  Durchzeichnnng  sind  die  Buchstaben  nicht  yollatän- 
dig  und  richtig  gegeben. 


Troilot.  4T3 

'  teuren  Sammlang  dieie  SchriTt  etwa  entRangen  lein,  «o  wird  man 
ßaiiea,  dasB  es  nicbt  Paris,  Bondera  HO  n.ill  ist,  gebörig  zu  dem 
KAiOS  das  ich  lelbil  bemerlile  ^'').  Dies  ist  nicht  mebr  als  Ais» 
N.  40  ArKQZ  und  N.  4  JEAFPOX  angeschrieben  ist.  Voraus 
hat  die  neue  Zeichnung  die  Scbüdzeichen  des  Hektor  und  leinea 
Begteitera,  auf  dem  Schilde  des  forderen  Streiters  oder  des  Hek- 
tor eine  Schlange,  auf  dem  dee  andern  einen  furchtbaren,  phan- 
Uatiechen  Thierkopf.  Uebrigens  bemerkt  O.Jahn,  wie  sehr  neben 
der  BeschrüniiUDg  auf  weniger  Personen,  die  fast  starre  Rübe  dieaea 
Bild  unlcricbeide  von  den  gewaltsamen  Bewegungen  des  Torher- 
gshenden.  Beaonderi  auHallend  ist  eigentlich  nur,  dass  der  vom 
Todesitoea  bedrohte  Knabe  erstarrt  hinsieht,  wie  ein  Götterbild, 
tiani  eben  so  ist  der  auf  den  Altar  genäcblele  Sohn  des  Ljkur- 
go>,  den  Todeestois  ror  Augen,  abgebildel  an  einem  bekaunteii 
Marmorkraler  im  Palast  Corsini  zu  Florenz,  wo  eine  übel  Terstän- 
digte  Kritik  darum  an  der  Erklärung  selbst  Anatoss  nahm.  Gerade 
die  Stellung  auf  dem  Altar  legte  es  nah  daran  zu  denken,  daaa  die 
ErstarruDg  sehr  naiiirlich  mit  einem  Bild  Terglicheu  und  als  nach- 
drücklich durch  die  staluenrnSssige  Stellung  auigedrückl  wird.  Der 
Troilos  unterscheidet  sich  dabei  doch  auch  deutlich  genug  von 
Lzbild,  da  er  mit  der  einen  Hand  den  Arm  des  Feindes 
lurnckhilt,  wlbrend  iba  dieser  am  andern  Arm  gepackt  hat.  Der 
Altar  aus  Steinen  aufgebaul  kommt  öfter  so  Tor,  namentlich  wo 
Astyanax  daran  zerschellt  wird.  Hinter  dem  Achilleua  hHlt  hier 
I  Wagen,  so  wie  N.  Vi  [wie  ao  oft  hinler  dem  Herakles  bei 
■einen  Atbleu),  oReubar  der  Sj'mmetrie  wegen,  gegenüber  dem  dea 
U«ktor. 


'M)  Mit  Vergnügen  aah  ich  spiter  waa  E.  Braun  im  BullelL 
1844  p.  74  ton  seiner  Untersuchung  der  Va^e,  als  aic  Triicb  aua 
der  Erde  gekommen  vrar,  berichtet:  E  piü  che  ridicolo  die  roler 
«coprirri  il  nome  di  Paride ;  nit  pure  h  poco  Telice  di  leggerri 
Apollon.  N^  deir  uno  ne  dell'  allro  nome  ri  ai  scorge  traccia. 
Le  leggende  aono  guasto  dsH'  umido  che  ha  penetrato  la  Teroice, 
ma  000  aono  rialaurale  e  chi  ha  qualcfae  poco  di  pratica  nella  let~ 
tnra  di  aimili  leggende,  non  poträ  far  a  meno  di  riconoscerTi  il 
'  tiato  OTTio  e  soleoae  IIAIZ  KA.iOS.  Da  zugleich  die  Vase  auf 
Troilos  belogen  wird,  so  errathe  ich  um  so  weniger  die  in  der 
Note  S.  27  erwähnten  üedenken  meines  rielerrahrenen  Freundes 
gegen  meine  Erklärung  von  N.  3B  — 41  oder  welche  andre  er  an 
die  Stelle  setten  könnte;  lumal,  da  er  auch  zugleich  selbst  auf- 
merkiam  darauf  macht,  daas  durch  die  Vase  Francaia  die  dort  an- 
genommene Zubnlfekunfl  des  Hektor  bealiligt  werde. 


474  Troilos. 

40.  Rylix  Yon  Eaphronios  mit  rothen  Figuren  Ton  kraft—  ood 
effeetfoller  Zeichnang,  in  demielben  Grabe  mit  N.  38  gefunden, 
in  dei  Primen  Ton  Ganino  Mus.  Etr.  N.  568.  Notice  d'une  coli, 
de  Vases  peiota.  Paris  1845  N.  87  bis,  Gerhards  Auserl.  Vasen  III 
Taf.  224  —  26.  Auf  dem  Boden  AXUßSVS  AXUEVJ  {r.l)  und 
TPOIJOJS,  Troilos  hat  sich  zum  Altar  gefluchtet  und  Achilleus, 
der  ihn  an  den  Haaren  fasst,  zuckt  das  Schwerd  auf  ihn.  Aus- 
wendig dasselbe.  Rechts  der  Altar  mit  einem  Dreifuss  darauf  und 
einer  Palme.  Dazwischen  hat  Achilleus  (ohne  Namen)  den  Kna-> 
ben  TPOIjiOJS  (tA,)  gefassL  Nach  der  andern  Seite  hin  reissen  die 
zwei  Pferde  des  Troilos  aus,  neben  denen  ein  andrer  Palmbaum. 
Gegenüber  yier  Krieger,  welche  sich  waffnen.  Bei  dem  Altar  ist 
noch  ein  der  Darstellung  fremder  Name  JYKOJS. 

D.     Der  Kampf  um  die  Leiche. 

41.  Amphora  aus  Vulci,  jetzt  in  München,  in  demselben  Mu- 
seum Etr.  N.  529.  Röserve  Etr.  N.  57.  Gerhards  Auserlesene  Va- 
sen Taf.  223.  Die  Leiche  des  Troilos,  weiss  wie  weibliche  Ge- 
stallen wegen  seiner  Jugend,  ausgestreckt  bei  dem  Altar  zu  den 
Füssen  des  Achilles,  welcher  dem  Hektor  den  Kopf  seines  Bruders 
auf  der  Spitze  seiner  Lanze  hinhält.  Die  beiden  Helden  sind  drei 
andre  Troische  Streiter  (wie  auch  N.  39  deren  yier  Torkommen.) 
Achilleus  ist,  statt  Ton  Kampfgenossen,  begleitet  Ton  Athene,  die 
eine  Lanze  und  einen  Kranz  des  Sieges  für  ihn  hält,  und  yon  dem 
bärtigen  Hermes,  der  sein  Kerykeion  senkt.  Zwei  Sphinxe  und 
zwei  Schwäne  endigen  diese  Reihe.  Die  Namen  der  Figuren  sind 
JEI4»V{ß]0JS,  AINKAS,  HEKTOP,  TPOIAOS,  AXUAEYS,  BEPMEJ, 
nur  Athene  und  der  eine  der  Troer  ohne  Namen,  dagegen  auch 
am  Altar  der  Name  BOMOJS  (wie  ähnliche  N.  9.)  Das  abgeschnit- 
tene Haupt  des  Troilos  kommt,  wie  schon  erwähnt,  auch  bei  Lj- 
kophron  yor^^).  Die  Herausforderung  des  Hektor  durch  das  auf 
die  Lanze  gespiesste  höhnisch  grausam  ihm  yorgehaltene  Haupt 
erinnert  an  Tjdeus  und  den  Greuel  an  dem  yon  Amphiaraos  ihm 
ubergebenen  Kopf  des  Menalippos.  Vielleicht  soll  dieser  es  auch 
sein,  der  an  Etrurischen  Urnen  mit  der  Belagerung  Thebens  einen 
Kopf  auf  die  Mauer  hinaufschleudert.  So  zeigen  an  der  Trajans- 
säule  die  Römer  den  Dakern  in  ihren  Castellen  Köpfe  der  Ihrigen 
yor.  Auf  einem  Cameo  in  den  Centurien  des  archäologischen  In- 
stituts (IV,  63]  zeigt  Orestes  der  Elektra  das  abgeschnittene  Haupt 

25)  S.  auch  Schol.  Ljrcophr.  307  ff. 


/ 


■ 

iea  Aegiill 


Troilög; 


475 


deiÄegiilhos.     Pie  Zeit,  aui  welcher  die  Ointellung  der  Amphora 

berrührl,    mu»    an    bluligcn    Gräueln    im  Krle);    lur   SätliguDg  des 

r  Rache  Gefallea  gehabt  bähen,  wie  etwa  die  woria 

Shakespeare  in  Heiorich  VI  den  Eduard    an   Warwick  aagco  liaat: 

tiand,  um  dein  Haar  gewunden,  soll,  weil  dein  Kopf  noch 

id  uüu    ahgeichnitten    ii[,    mit    deinem    ßlul    in    den  Siaub 

n,"    und    MargRrelhe  über    SalTolks    abgeachnillenea  Haupt 

ttinert.      Athene    und    Hermea    treten     den    Troern    entgegen    wie 

N.  38  aua  dem  Stadllhor  austieheadea   Relaigen;  auch  N.   1.  9.   II 

nd  aie  lum   Beialande  dea  Achilleui  gegenwärtig.     Welchem  Galt 

ST  Altar  gehöre,  ist  klar  durch    den  Dreifusa  der  Amphora  N.  33, 

)  wie  durch  den  Raben  und  durch  die  Scfawine  andrer  Vasen  bei 

im  nahen   Brunnen.     Der  Altar  bat  die  Gealalt  dei  Omphaloa  und 

wird  aogar  ala  solcber  ron  Gerhard  erklärt. 

42.  Aehnlich  ist  die  Vorstellung  ohne  Namensinechriften  an 
r  Hjdria,  de  Witte  Cah.  Etr.  1837  N.  143.  Brit  Hui.  n.  473 
~  1  p,  617.  Der  Leichnam  dea  Troiloa,  in  der  Grösse  eines  Ephe- 
ben,  nicbl  so  klein  wie  ü.  38,  liegt  auf  dem  Altar  selbst,  der  uneb 
hier  aus  groasen  behauenen  Steinen  aufgebaut  ist.  Achilteus,  aein 
Viergespann  bioler  sich,  aetzl  den  einen  Fusa  auf  den  Altar  und 
leigt,  die  Unke  an  zwei  Speere  halteod,  mit  der  Rechten  daa  ab- 
geachnitlene  Hanpt  des  Troiloa  dem  Heklor  und  einem  GelÜhrlen 
auf  der  andern  Seile  des  Allars,  die  mit  ihren  Speeren  drohen 
und  den  Kamp f  um  die  Leiche  beginnen  werden. 

Der  Grimm,  der  deti  Achilleus  so  sehr  fortriss,  dass 
er  nicht  bloss  den  Troilos  auf  wilde  grausame  Arl  tödlele, 
was  einer  roheren  Kriegs-  oder  auch  Kunstart  zur  Last 
falten  wUrde,  sondern  auch  den  AKar  nicht  achtete,  den  er 
vielmehr  milBlut  t)esudelle,  wurde  jedenfalls  als  ein  Ueber- 
mulh  und  Frevel  gefassl,  der  sich  rächte  durch  seinen  Tod 
durch  Paris  und  Phöbus  Apolloti  am  Skaischen  Thor,  wel- 
chen die  Ilias  erwähnt  (22,  369]'*;.     Da  dem  Achilleus  al- 

26j  Diod.  V,  83.  Paus.  X,  14,  2.  Plut.  Qu.  Gr.  28.  Tzeli.  ad 
Ljcophr.  333.  Plolem.  Heph.  1  eilr.  Darum  wird  Troilos  auch 
tarn  Sohn  des  Apollon.  gleich  dem  Hektor,  gemacht,  Apollod.  III, 
12,  5.  Ljcopbr.  313.  Tn.ti.  ad  Ljc.  307.  Ein  spiler  locker  com- 
poDirtes  Vasengtmälde  bei  Passcri  3,  2ßO  und  Duboit  Maison- 
oeuTe  Taf.  14  möeble  (wenn  anders  Eins  Ton  Beiden  eher,  wie 
Paaseri  annimmt,  den  Tod  dea  Achillea  bei  dem  Altar  des  Apollon, 
ober    den  ein  Dach  auf  Tier  achrig   atefaeodeo   Süulen  erbaut  tat, 


476  Troilos. 

les  Gewaltigste  gemäss  ist,  so  war  seine  Wuth  vielleicht 
nicht  bloss  als  kriegerische  Hitze  behandelt,  worin  er  seiner 
selbst  nicht  mächtig  war,  sondern  als  ein  gegen  ApoHon, 
den  Beschützer  des  llischen  Namens,  selber  gerichteter 
Grimm.  Sophokles  setzte  statt  der  blutigen  Greuel  der 
Vasen,  dass  Troilos  bei  der  Verfolgung  von  dem  Speer 
des  Achilleus  durchbohrt  wurde  ^^),  und  diess  oder  das 
Durchstechen  mit  dem  Schweni,  worauf  mehrere  Vasenge« 
mälde  deutlich  hinweisen,  hat  der  Bildhauer  der  folgenden 
Gruppe  befolgt. 

43.  Eine  Marmorgruppe,  die  in  Neapel  lange  Zeit  Terborgeo 
und  Tergessen  stand,  vor  mehreren  Jahren  endlich  henrorgezogeo 
und  anter  dem  Namen  Atrcus  mit  dem  Sohn  des  Thjestea  im  K. 
Museum  io  dem  Saal  des  Farnesischen  Stiers,  mit  dem  sie  auch 
zugleich  gefunden  ward,  aufgestellt  worden  ist,  gab  R.  Rochette  in 
seinen  Mon.  ined.  p1.  79  als  Neoptolemos  und  Astjanax  heraus. 
Er  bemerkt  dabei  selbst,  dass  der  Körper  des  mit  dem  Schwerde 
durchbohrten  Jünglings,  welcher  yon  dem  Helden  dayon  getragen 
wird,  dem  Alter  des  Astyanax  nicht  angemessen  sei.  Noch  weni- 
ger passt  es  zu  dem  Neoptolemos  die  Leiche  des  Astjanax  wegzu- 
tragen :  er  hatte  dazu  keine  Ursache  und  sein  Wüthen  bei  der 
Zerstörung  der  Stadt  liess  ihm  nicht  einmal  Zeit  eine  Leiche  zu 
schätzen,  was  nur  die  Sache  der  Angehörigen  ist.  In  der  Kleinen 
Utas  schleuderte  er  den  Sohn  des  Hektor  Ton  einem  Mauerthurm 
herab.  Daher  habe  ich  schon  das  schöne  Werk  nach  den  Vasen- 
gemilden,  welche  die  Ermordung  des  Troilos  und  den  dadurch 
yerursachten  Ausfall  des  Hektor  und  der  Troer  darstellen,  erklirt 
und  es  zunächst  an  die  angereiht,  wo  die  Leiche  des  Troilos  am 
Altar  ausgestreckt  liegt  und  Achilleus  und  Hektor  darüber  käm- 
pfen'").    Um  die  Leiche  erfolgte  natürlich   und  nothwendig  Kampf 

▼erstellen  sollen  als  den  des  Troilos,  welchen  Müller  nennt  in 
seiner  Archäologie  $.  41.5,  1  (irrigerweise  unter  Posthomerica). 
Anders  erklärt  Lujnes.   Nou?.   ann.  d.  2  p.  1  pl.  R. 

27)  S.  Not.  3. 

28)  Rhein.  Museum  1835  HI  S.  627.  Als  Atreus  mit  dem  ge- 
tödteten  Sohn  seines  Rruders  geben  die  Gruppe  noch  Finati  im 
Mus.  Rorbon.  XH  ,  39  und  in  seinem  Katalog  desselben  2.  eüiz. 
p.  137  und  Glarac  pl.  812  C.  n.  2097,  und  unter  diesem  Namen 
war  sie  schon  1623  in  Rom  gestochen  bei  Gavaler.  Stat.  I,  29, 
auch  in  Jao.  Grono?.  Thes,  I  Nnnn,  und  Winckelmann  tritt  dieser 
Erklärung  gegen  die  im  Palaste  Farnese  angenommene  Renennong 


I 


Troilos. 


477 


Und  die  Grappe  nun  ilelll  dar,  wie  darauH  Hekror  als  Sieger  bcr- 
vorgiog  uad  die  gerellele,  dem  Feind  abgekärnpfle  Leiche,  wie  Aj«i 
und  Üdysieu«  die  des  Palrokbs,  daioa  Irägl.  Wie  triumphiread 
•cheint  er  anler  der  leichten  Lasl  eiaherzugphn  und  die  Arl,  wie 
at  die  Leiche  fasat,  rreüich  auf  den  biinsMeriachen  Vorlheil  UDd 
die  Wirkung  Lerechnel,  wird  gerechirerligt  oder  erklJrt  durch  die 
fürchterliche  Heftigkeit  dei  eben  bestandenen  rauhen  Rampfes. 
Soll  ich  ein  Wort  darüber  rerliereu ,  daaa  diu  Leiche  nicht  auch 
hier  feralümmetl  ist?  Konnte  ein  Oiidhauer  ron  dem  feiaen  Schöa- 
heilsgefühl,  das  aus  dieser  Leiche  «pricht,  daran  denken  in  diesem 
Punkt  Siterem  Vorgang  zu  folge»?  Üass  dieLeiuhe  eines  Priamiden 
Hiebt  eine  Beule  der  Hunde  und  VoEel  geworden  und  xwar  ia 
dieaer  rrühen  Zeit  der  llelageriiDg  Trojas,  läeat  aicb  rorausactzen! 
die  Thallache  aUo,  welche  wir  nach  der  Gruppe  annehmen,  Totgt 
■Ds  den  so  viel  alleren  Vasengemäldea  röllig  unjtczwungeD  und  die 
Erklärung  derselben  nach  diesem  Zusammenhang  ist  um  ao  wahr- 
.icheiulicher  als  aus  der  grosaen  Poeaie,  woraus  die  Künstler  diesea 
Schlages  zu  schöpreu  pflegten,  kein  anderer  Gegcasland  bekannt 
■it,  der  an  die  Stelle  gesetil  werden  könnte.  Der  Künstler  hat 
als  Hauptfigur  nicht  den  Hektor,  sondern  den  unglücklichen  Kna- 
ben behandelt,  jenen  in  der  Ausführung  Welinehr,  wie  es  scheint, 
■bsicbtlich  dem  Troilos  untergeordnet,  um  auf  diesen  durch  einige 
Vernacbläasignug  des  Andern  die  AufDierktamkeit  xu  fesBeln,  nach 
eioEf  Regel  der  Griechischen  Künstler,  auf  welche  schoo  KloU, 
der  eitle  und  flache  Gegner  Leasings,  hingewiesen  bat^'),  VieU 
leiebl  stand  das  Meislerwerk  dpa  Bildhauers  in  Beziehung  zam 
TroiloB  des  Sophokles,  wie  zu  dessen  Laokoon  die  benibmle  Gruppe 
uad  ao  der  Fsrnesliche  Stier  zur  Anliope  des  Euripidea.  Alle 
diese  Werke  sind  aus  der  Periode,  wo  die  Kunst  Überhaupt  und 
namenilicb  in  Rhodus,  lo  wie  alle  Welt,  den  mtchtigeo  EinOosa 
der  tragischen  Poesie  und  der  theatralischen  Kunst  erfahren  hat. 
Eine  Wiederholung  der  für  Heklor  erklärten  F'gur,  als  Uljfsea 
restaurirl,  soll  im  Palast  Grimani  sich  heGoden  oder  befunden  haben. 


Commodui  als  Gladiator  bei  in  der  Kunstgesch.  XII,  1,   15. 
Meyer   di.-   Bemerkung    macht,    dass  das    Werk 
■usBi'rst  lebhaft  bi-wegt  und  wahrscheinlich  nach 
herrliciien  Urigiual  in  spaterer  Zeit  copirl   sei. 
Statue  fremd. 

39)  In  einer  kleinen  Marmorgruppe  i>l  der 

tcndeci  Irunkuen  Satjr  benortreten    zu  lassen. 
.   1854  p.   119. 


ut  gruppirl, 
1  einem  altei) 
Kopf  ist  der 

auf  ihn  lie- 


478  Troilo9« 

Wenn  ich  nach  dieser  Musterung  der  Kunstwerke  auf 
das  Epos  zurückblicke,  aus  welchem  uns  die  Ermordung 
des  Troilos  überliefert  ist,  so  dringt  sich  mir  wie  von  selbst 
die  Yermuthung  auf,  dass  alle  Hauptumstände  in  dem  Epos 
eben  so  gegeben  waren,  wie  wir  sie  in  der  Reihe  der 
Bilder  ausgedrückt  sehen,  so  dass  also  diese  zu  einer  Ver- 
vollständigung der  Kypria  uns  einen  so  schönen  Beitrag 
liefern  als  irgend  einer  aus  andern  Bildwerken  für  diess 
Gedicht  hervorgeht.  Das  ehrwürdige  Alter  mehrerer  der 
Hauplcompositionen  weist  uns  in  ein  Zeitalter  zurück,  wel- 
chem die  Ueberlieferung  des  Homerischen  Epos  (und  dem 
Homer  wurden  ja  die  Kypria  zugeschrieben,  wie  wir  aus 
Pindar  und  Herodot  wissen)  als  Geschichte,  ja  zum  Theil 
als  heilige  Geschichte  galt.  Nebendinge,  die  nicht  ausge- 
sprochen waren,  konnten  zugesetzt,  oder  wenn  sie  vorka- 
men als  nicht  wesentlich,  als  von  dem  Dichter  selbst  nur 
nach  Belieben  gesetzte,  mit  andern  vertauscht  oder  ausge- 
schmückt werden:  die  Grundzüge  der  Erzählung,  die  Haupt- 
personen blieben  fort  und  fort  eben  so  wie  es  mit  den 
biblischen  Geschichten  in  der  Kunst  gehalten  worden  ist. 
Troilos  wird  gemordet,  diess  kann,  da  er  noch  nicht  zum 
Kämpfer  gereift  war,  nur  durch  Ueberfall  in  der  Nähe  der 
Stadt  geschehn  sein.  Diese  hat  keinen  bezeichnenderen, 
keinen  besuchteren  Ort  als  den  Brunnen.  Hier  an  den  aus 
ihm  entspringenden  Bächen,  im  fetten  Boden  wuchsen  herr- 
liche Bäume,  wie  noch  jetzt,  den  Brunnen  zu  beschatten 
und  zum  Hinterhalt  geeignet.  Einem  jungen  Priamiden,  der 
noch  nicht  mit  kämpfen  kann,  steht  es  wohl  an  in  unge- 
duldiger Kriegslust  wenigstens  ein  Gespann  zu  den  Schwen- 
kungen des  Kriegswagens  zuzureiten  in  der  Nacht  oder 
Morgenfrühe,  wann  die  Stadt  mit  Wasser  versorgt  wird. 
Am  Brunnen  der  Stadt  erscheint  auch  Polyxena  nach  der 
schon  zu  N.  38  berührten  Verkettung  der  Geschichten  durch 
eine  Reihe  von  Parallelen.  Dass  in  der  Iliupersis  Polyxena 
demAchilleus  geopfert  wurde,  konnte  sehr  wohl  schon  vor 


Troilös. 


479 


Slaanos  die  Sa^e  veranlassen,  sie  aucti  schon  im  ersten 
Theil,  der  Poesie  von  Paris  und  Hilena,  in  Bedreiigniss 
durch  den  Achilleus  zn  brinifen.  Halte  Slasirios  aller  sie 
im  Epos  genannt,  als  fliehend  zugleich  mil  dem  Troilus  vor 
I  AchilleuSj  so  isl  nicht  zu  verwundern,  dass  viir  sie 
so  stelig  in  den  Früheren  Malen-ien  mit  berücksichligt  ge- 
hen. Troiios  durfte  so  wenig  als  Hektor  den  Feinden  zur 
Beute  werden,  t-a  wöre  ein  Greuel  gewesen,  und  solche 
Greuel  mussten  auf  die  Kalasiropho  aufgespart  bleiben. 
Hiernach  ist  insbesondre  der  Kampf  des  Huklor  mit  Achtl- 
leus  um  die  Leiche  auch  bei  Slasinos  zu  vermulhen.  Dhss  auf 
der  Vase  Frani^ois  auch  Priamos  aufgenominen  ist,  welchem 
Anlenor  den  schaurigen  Ueberfall  des  Peliden  nietdel,  lässl 
vermulhen,  dass  schon  der  Dichter  den  Vortheil  sich  nichl 
halle  enigehn  lassen,  die  Darstellung  der  Gefahr  und  des 
Unglücks,  des  Sclirecklichen  und  des  Rührenden,  abgespie- 
gelt in  dem  väterlichen  Gemiith  durch  eine  an  Priamos  ge- 
richtete Erzählung  ergreifender  für  jeden  Zuhörer  zu  ma- 
chen. Sophokles  scheint  dasselbe  Motiv  benutzt  zu  haben, 
nach  dem  auf  eine  Meldung  an  den  König  und  Valer  deu- 
'  tenden  Vers : 

Bloss  der  Symmelrie  wegen  kann  das  Hbus  des  Pria- 
mos nichl  dem  Brunnengebäude  gegenübergestellt  worden 
sein:  denn  dazu  konnte  das  Sladtlhor  verwandt  werden. 
Aber  die  Meldung  ist  früher  erfolgt  als  der  Auszug  des 
Hektor,  den  sie  gerade  veranlasste,  darum  ist  es  so  geord- 
net mit  all  der  Freiheit,  die  in  Bezug  auf  das  Räumliche 
und  die  Gegenstände  der  naiven  Einfall  dieser  ihre  Wege 
noch  suchenden  Kunst  gestattet  war. 


Zusatz. 
Hier   schliessen    sich    eng  an   zwei  Abhandlungen  von 


480  Troaos. 

0.  Jahn,  die  er,  so  wie  seine  frühere  Schrift  Telephos 
und  Troilos,  mit  der  freundschaftlichsten  Widmung  an  mich 
gerichtet  hat,  die  eine  Troilos  in  Gerhards  Archäol.  Zeit. 
1856  S.  226—238,  die  andere  betitelt  Telephos  und  Troi- 
los und  kein  Ende  1859,  zu  meinem  Dienstjubiläum«  Die 
erste  enthält  auf  fünf  Tafeln  eine  Reihe  von  einschlägigen 
Monumenten  Taf.  91 — 94,  die  andere  den  Troilos  betref- 
fend zwei,  alle  erläutert  durch  die  feinsten  und  gelehrtesten 
Bemerkungen. 

Eine  Hjdria  aus  Gapua  mit  schwarzen  Figuren,  Troilos  auf 
den  Brunnen  zureitend;  Re?.  Europa  auf  dem  Stier,  Bullet.  Napol. 
1854,  Februar  Taf.  VII;  S.  116. 

Zwei  Troilosyasen  in  Basilicata  beschreibt  H.  Brunn  im  Bullet« 
1853  p.  167  und  einschlägige  Etrurische  Urnen  zu  Perugia  das, 
1859  S.  152-156. 

Eine  bedeutende  Darstellung  auf  einer  Vase  in  Rleonfi  schil- 
dert Perranoglu  in  Gerhards  Archäol.  Zeit.  1860  S.  113.  abgebildet 
ebend.  1863  Taf.  175. 


V 


**"»tf«»'^— 


17.     Vermischt. 

Wie  in  einem  Gemälde  des  Stefanus  ein  moderner  Ma- 
1er  mit  dem  künstlerischem  Motiv  oder  einer  eigenthümlicben 
der  Sache  gegebenen  Wendung  mit  einer  griechischen  Vase, 
[der  Steinigung  desPalamedes  S.  180)  so  triffl  ein  anderer,  und 
zwar  der  grösslen  einer,  mit  einem  antiken  wunderbar  zu- 
sammen. Diess  nemlich  alsdann  wenn  meine  Yermuthung 
gegründet  ist,  dass  an  der  Vase  des  Hauses  Baglione  in 
Perugia  Jason  in  dem  weiten  aufgesperrten  Rachen  des 
Ungeheuers  triumphirend  verweile,  indem  er  auf  dessen 
unteres  Ende  den  Fuss  aufstemmt  und  sein  Schwerd  ein- 
steckt, nachdem  er,  geschützt  durch  Athenes  äfjKpixv- 
wptevxog  unversehrt  aus  dem  Bauch  des  Thiers ,  das 
er  inwendig  gctödet  hat,  hervorgegangen  ist,  s.  Alte 
Denkm.  III  S.  383  Taf.  24,  2.  Der  Jonas  nach  Rafaels 
Zeichnung  und  unter  seiner  Aufsicht  ausgeführt  von  Lo- 
renzetto  in  der  Capelle  Chigi  in  S.  Maria  del  Popolo  in 
Rom  sitzt,  nachdem  er  aus  dem  Bauch  des  Seefisches  her- 
vorgegangen ist,  ruhig  triumphirend  ihm  aut  dem  Kopf 
und  tritt  dabei  mit  dem  rechten  Bein  auf  den  Unterkiefer 
des  weit  aufgesperrton  Rachens,  indem  er  die  allein  sicht- 
baren Zähne  des  Oberkiefers  meidet.  So  schön  diess  nun 
zur  Versinnlichung  des  Abenteuers  oder  zum  Ausdruck  des 
dazu  erforderlichen  Heldenmuths  erfunden  ist,  so  übertrifft 
doch  den  Jonas  noch  an  Unerschrockenheit  und  prägnan- 
tem Ausdruck  der  Jason  des  Griechischen  Malers,  der  im 
Einstecken  des  Schwerts  sich  noch  einmal  umwendet  nach 
der  gefährlichen  Pforte  durch  die  er  zurückgekehrt  ist.  Die 
V.  31 


482  Vermischt. 

schöne  Rafaelische  Statue  hat  D.  Braun  formen  lassen  und 
er  ist  im  Besitz  der  Form. 


SLI      ■  iJJ. 


/..   ~-  i 


Unter  den  vieU'n  merkwürdigen  Darstellungen  an  den 
gemalten  Vasen  des  Gregorianischen  Museums  im  Vatican  ist 
eine  welche  die  Geburt  der  Athene  nicht  als  erfolgend, 
sondern  als  bevorstehend  darstellt:  ein  ganz  sinnreicher 
Gedanke.  Statt  der  Athene  ist  nur  die  Eule  sichtbar^  «die 
auf  der  linken  Hand  des  2^us  neben  dem  Scepter  sitzt, 
gewärtig  der  Göttin  welcher  sie  dienen  wird.  Unter  dem 
Sessel  des  Zeus  ist  ein  Figürchen  gemalt,  worunter  man 
Athene  vermuthen  möchte,  an  die  erinnert  werden  sollte, 
wenn  sie  das  Gesicht  weiss  hätte.  Die  Amphora,  an  der 
auch  die  andre  Seite  eine  sehr  eigenlhümliche  Composition 
enthält,  ist  abgebildet  im  Mus.  Gregor.  II  tav.  48,  2,*)  in 
Henzens  Abhandlung  aber  über  die  Vasen  mit  der  Geburt 
der  Athene  in  den  Annali  d.  I  XIV  p.  99  noch  nicht  er- 
wähnt. 


Das  von  Preller  in  den  Berichten  der  k.  Sächsischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften,  philol.  bist.  Kl.  1855  Taf. 
II9  1  S.  28  publicirte  Athenische  Vasenbildchen  setzt  meiner 
Ansicht  nach  nicht  „die  erotische  Bedeutung  des  Geschenks 
eines  Hahns  sehr  deutlich  ins  Licht^',  sondern  ist  die  ob- 
scöne  Parodie  dieses  Geschenks,  welches,  bei  der  Beliebt- 


*)  In  dieseni  Werk  ist  ta?.  18,  2  bei  den  Pferden  der  Eos 
{HßOJS)  deutlich  der  Name  KAJOPOS ,  nebst  einem  unleserlichen, 
beigeschrieben.  Der  im  Rhein.  Mus.  1853,  S.  186  bei  Aeschj- 
lua  yertheidigte  Ausdruck  xakcjQos  stände  demnach  nicht  mehr 
ohne  Beispiel  allein:  als  Name  bei  dem  Gespann  der  Eos  ist 
er  achön  genug  gewählt,  in  der  Elite  c^ramogr.  II.  pl.  109a  ist 
er  falsch  geachricben. 


Vermischt. 


4S3 


heil  der  Hahnenkämpfe  zu  Spielen  im  Grossen  und  Kleinen, 
zu  einem  Liebesgeschenk  an  sich  passend  genug  war;  aber, 
den  Hahn  von  einer  amlern  Seite  als  der  des  Kampfspiels 
belraclilet,  die  salyriscbe  Umgeslaltun^  der  bekannten  ge- 
fälligen Darstellungen,  welclie  die  voraussetzende  Absicht 
des  Geschenks  nicht  verralhen  und  naiv,  unschuldig  aus- 
sehn, leicht  an  die  Hand  gab. 


An  einer  dickbäuchigen  Amphora  des  Herzogs  von 
Buckingham,  die  ich  bei  dem  Kunsthändler  Carrer  in  London 
sah,  enihsit  die  Vorderseile  in  rothen  Figuren  Iphigenia  stehend 
vor  dem  laurischen  Tempel,  der  wohl  absiehllich  eine  unge- 
wöhnliche, aber  eine  in  der  PiTspecliveverfehUe  Construo- 
tion  bat,  Orestes  reicht  ihr  den  aus  Euripides  und  meh- 
reren Reliefen  bekannten  Brief  hin,  der  die  Zeil  nach  Eu- 
ripides für  die  Vase  fast  mit  Sicherheit  beweist.  Hinter 
dem  Orestes  sieht  Pylades,  auf  der  anderen  Seile  eine  Die- 
nerin der  Priesicrin.  Oben  ist  eine  Figur  mit  Fackel  und 
zwei  Lanzen,  also  eine  Furie,  und  hinter  dem  Pylades  ein 
Satyr.  Auch  bei  anderen  ernsten  Vorstellungen  ist  diese 
Begleitung  eines  Salyrs  als  Zuschauers  auf  Vasen  vorge- 
kommen, und  es  möchte  die  Absicht  und  Bedeutung  nicht 
immer  dieselbe  seyn,  [Abgebildet  Mon.  ined.  d.  insl.  IV, 
51.  arch.  Zeit.  1849,  VH  Taf.  12]. 

Der  Gebrauch,  gemalte  Vasen  den  Todlen  in  die 
Gräber  beyzut!eben,  scheint  in  Kleinasien  nicht  statt  ge- 
funden zu  haben.  Wenigstens  hat  man  bisher  keine  ge- 
funden. Diess  darf  ich  als  beglaubigt  ansfhn  durch  die 
Aussage  der  Herren  Boreil  in  Smyrna  und  Cadalvene 
in  Konstsntinupel,  die,  der  eine  in  Sjnyrna  seit  23,  der 
andre  im  Orient  seil  20  Jahren  sich  uufhielten  und  beyde 
unausgesetzt  auf  alle  Arten  der  Alterthümer  ihre  Aufmerk- 
samkeil richteten.  Bey  Hr,  Borell  sah  ich  in  einer  durch 
31» 


484  Vermischt. 

vielerley  beachtenswerthe  Alterthümer  ausgezeichneten  Samm- 
lung nur  zwey  kleine  gemalte  Vasen  von  Milo  und  ein 
grosses  Thongefäss  mit  groben  Verzierungen  aus  Tenedos. 
Dagegen  sind  in  Kleinasien  in  den  Gräbern  zuweilen  schöne 
kleine  Thonfiguren  gefunden  worden,  deren  Hr.  Borrell 
eine  ziemliche  Anzahl,  ganz  oder  in  Bruchstücken,  besitzt. 
Aus  einem  Grabe  wurden  vier  der  schönsten  weiblichen 
GewandGguren,  die  man  sehn  kann,  gezogen,  wovon  zwey 
völlig  erhalten  bey  H.  Cadalv6ne  sind,  Seitenstücke  nach 
der  höchst  geschmackvollen  Bekleidung,  und  durch  den 
Gegensatz  des  Gesichtsausdrucks,  der  bey  der  einen,  die  den 
Kopf  mit  dem  Peplos  bedeckt  hat,  traurig,  bey  der  andern, 
die  bekränzt  ist,  heiter  ist.  Die  beyden  andern,  die  zer- 
stückt waren,  sind  an  H.  Borrell  gekommen.  Die  Höhe 
ist  ungefähr  ein  Palm*).  Eine  solche  Figur  von  grösster 
Schönheit,  auch  durch  Farben  ausgezeichnet,  welche  König 
Ludwig  aus  Griechenland  mitgebracht  hatte,  sah  ich  in  Mün* 
chen  in  den  vereinigten  Sammlungen.  Eine  sehr  grosse 
Menge  aber  aus  Kyrene  zu  Paris,  alle  übereinstimmend  mit 
den  schon  erwähnten  in  dem  Begriff  und  der  anständig- 
sten Erscheinung  einer  Attischen  xogf],  Jungfrau  oder  Jun- 
gefrau, in  Stellung,  Haltung  und  Anzug.  Diese  alle  und 
besonders  die  Kunst  der  vollen  Gewandung  lassen  eine  so 
grosse  Schönheit  und  Manigfaltigkeit  zu,  dass  der  Anblick 
einer  so  grossen,  von  einer  Stelle  eingeführten  Menge  mich 
sogleich  auf  den  Gedanken  brachte,  wie  diese  Erscheinung^ 
schöne  weibliche  Figuren  unerschöpflich  in  gefälligem  An- 
stand und  anmuthiger  Bekleidung,  alle  ohne  irgend  eine 
bestimmte  Geberde,  Handlung  oder  Abzeichen^  dem  Namen 
der  xoqonXad-oh  oder  xoqonXddtai  seine  rechte  und  eigent- 
liche Bedeutung  zuführen  möchte,  der  von  Grammatikern 
höchst  ungenügend  und  zumTheil  wunderlich  erklärt  wird. 
Schon  das  Wort  nXacft^g  weist  die  Koroplasten  einer  gro- 


*}'Die88  ao8  dem  Rhein.  Mas.  1843  S.435. 


Vermischt.  485 

Sson  Klasse  Ton  Künstlern  als  eine  besondere  Unterabthei- 
lung  zu,  und  der  Gegenstand  ist  leicht  zu  denken  als  einer 
der  einen  unübersehbaren  gross'en  Gebrauch  haben  kannte. 
Der  Raum  nümlich,  der  zwischen  der  fragmentarischen  Er- 
scheinung und  einem  bedeutsamen  Worte  klafft,  füllt  sich 
ans,  wenn  wir  anzunehmen  wagen,  dass  diese  Figuren, 
wozu  sich  ihre  BeschalTenheit  olTenbar  sehr  wohl  und  ins- 
besondere nach  dem  vorauszuselzemlen  Attischen  Geschmack 
eignet,  einen  Gegenstand  einfacher  und  edler  Verzierung 
abzugeben  ursprünglich  bestimmt  waren.  Sie  mochten  in 
Reihen  die  Wände  von  Zimmern  schmucken,  so  wie  in  an- 
dern Zeiten  WaQ'en  und  Kriegszierrath,  und  bürgerlicher 
unter  der  Decke  aufgestellte  Reihen  gemaller  Vasen 
wie  wir  an  gemalten  Vasen  gesehen  haben.  Vun  da 
und  aus  anderem  Gebrauch  giengen  diese  bescheidenen 
Kostbarkeiten  dann  auch  über  in  Gröber,  in  denen  vermulb- 
lieh  auch  alle  die  auf  uns  gekommnen  kleinen  weiblichen 
Thonfiguren,  nur  diese  viel  seltener  gefunden  worden  sind. 
Graf  Labordo,  welcher  die  Gefälligkeit  halte ,  mir  die  noch 
nicht  öffentlich  aufgestellte  Ausbeute  aus  Kyrene  zu  zeigen, 
liess  sich  durch  meine  lebhafte  Freude  an  diesen  Figür- 
chen  nnd  der  Vermuthung,  dass  wir  in  ihnen  einen  so  viel 
bis  jetzt  bekannt  nur  spärlichen  Ueberrest  eines  nicht  un- 
bedeutenden Kunsizweiges  und  eine  Fülle  von  Gestallen,  die 
mit  den  Bürgerinnen  im  Panathenäenzug  und  mehreren  der 
schönsten  Marmorstatuen  eine  lehrreiche  Vergleichung  dar- 
zubieten im  Stande  wären,  augenblicklich  bestimmen  mir 
.  die  Herausgabe  derselben  anzubieten:  sie  sollten  sogleich 
gezeichnet  und  in  Paris  selbst  von  mir  erklärt  werden. 
Sehr  angenehm  wäre  mir  das  Geschäft  gewesen,  aber  der 
Drang  amtlicher  und  anderer  Geschäfte  nöthigten  mich  das 
freundlichst  gemachte  Anerbieten  auszuschlagen,  was  mir 
nachher  oft  leid  gelhan  hat,  obgleich  meine  Vermuthung 
erst  noch  die   Prüfung  zu  bestehen  hatte. 


Register. 


Achilleas  im  Hinterhalt  445  ff. 
—         und  Poliyena  460  ff. 
Adler  mit  einer  Schlange  338. 
Aegisthos  Ermordung  287 ff. 
Aepfel  in   der  Hand   des  Hera- 
kles 79  ff. 
Aias  267  f. 
Anakes  n6.  143  f. 
AN9PSinorONIA  188.  194. 
Aphrodites   Attribute    128.   379. 

364. 
Apuiische  Vasenmalerei  303. 
Archaistischer  Stil  94. 
Aristophanes  40  ff. 
Askiepios  305. 
Athene  mit  einem  Reh  378.  mit 

Haube  133.  146.  zweimal  321  ff. 
Athenischer  Gölterstil   103. 
Augen  an  Schiffen  205. 
Bärtige  Heroen  375  f. 
ßotjXdT*is  1 64  f. 
Boreas  und  Oreithyia  328  ff. 
Brunnen  257 f.  445  ff. 
Gäre,  Vasen  von  269  ff. 
Gandelaber  12  ff. 
chametaerae  7  ff.  14. 
Oanae  275  ff. 
Darbringung    eines    Rindes     an 

Dionysos  172  ff. 
Darius  351  ff. 
Demeter  und  Rore  106  ff. 
Digaroma  263  f. 
Dionysos    als    Stier    36  ff.    168. 

beim  Parisurtheil  371.  Hiero- 

dulen  176. 
Diomedes  267. 
Doppelhermen  40  f. 
Dreifuss   als   Siegespreiss  167  ff. 
Elektra  288.  294. 
Ente  231. 

Erechtheus  als  Knabe  131. 
Erinnjen  289  ff.  33S. 
Erisapfel  380. 

Erysichthon  auf  Münzen  316. 
Etrurische  Physiognomien  271. 
Fackel  der  eleusinischen  Götter 

109.  des  Kriegs  352. 


Flora  119  f. 

Furche  über  der  Nase  96. 

rn  192. 

Giganten  20  ff.  322  f. 

Glasgefässe  185  f. 

Gorgolopha  25  f. 

Götter  als  unsichtbare  Zuschauer 
129  r.   145. 

Haar,  abgeschnittenes  87. 

Hahn  als  Geschenk  482. 

Handauflegung  I89.  194. 

Haube  Athenes  133.  146. 

Herakles  bei  Eurytos  26t  ff.  und 
die  Amazonenkönigin  334  ff. 

Hercs  Attribute  361. 377 f.  Hoch- 
zeit mit  Zeus  362. 

Hesiia  3  ff.  9. 

Hierodulen  des  Dionysos   176. 

Hochzeit  des  Zeus  und  der  Here 
362. 

Hunde  beim  Gastmahl  267. 

/  und  Y  Tertauscht  254. 

Jaccbos   105  ff. 

Jason  481  f. 

Ismene  255  ff.  451  f. 

Kampfpreise  166  ff. 

KdfifÄOQig  345  f. 

Kampfspiele  au  PanathenSenraseu 
326  f. 

Kapaneus  198  ff. 

Kentaur  95. 

Kirke  235  f. 

Klytemnesiras  Schatten  289  ff. 

Komödie  des  Aristophanes  47  ff. 

Kopftucher  90. 

Koppa  255. 

Korinthische  Schrift  269 f. 

xoQonkadt  484  f. 

Le.a  278. 

Löwe  Ton  Chäronea  62  ff. 

—  am  Hymettus  69  f. 

—  an  Brunnen  74. 
— -      auf  Grfibero  71. 

—  als  Siegesdenkmal  72  f. 

—  als  Wächter  73. 
Lykische  Sculpturen  243. 
Lysippischer  Stil  78  ff. 


■mi^HjjH^H 

KiZ       '                 »^^^            H 

^^^^^^m                          48T                                                         ^ 

^^^^^iSler  95. 

Stab  det  HephaisloB  128.                          S 

Meduee,  doppelt  19. 

~     dea   Hermea    ohne  Schlin-              ■ 

Merope  88.  ^96. 

gen   102.                                                        ■ 

Mohreo  301  IT. 

Stil  des  LjBippoa  78ff.                              ^M 

Namen    >n  K<iiiBt«erkeii   54.  B7. 

-    archa.atiBcher  94.                                  ■ 

151  r.  ZiK. 

Slieropfer  des  Dionjao«  163f.                  fl 

^       NarkiBBos  90  rf. 

Sühnunganiitlel  299.                                      ■ 

Tänia    als  Siegeszeichen    41.  56.              ■ 

Nike  ohneBeioe  159.  milKery- 

97.  374  r.                                                ■ 

keion  363, 

TBvgoifnyo;  164F.                                          ^| 

Nj«  332  f. 

Telemacb  23er.                                            ]■ 

Odjoeui  267f.  227ff.  232  ff. 

-           bei  Nestor  225  f.                    ^ 

—          Akanlhoplei  345  ff. 

Tempel  des  Triplolemoa   120,  .^^^^1 

—         unhärlig  348. 

Thymbrson  443  f.  '                      -^^^^M 

Oenooe  I77f.  433ff. 

^^^^H 

t  nais  xalii  280. 

Triplolemoa   11 6  ff.                       ^^^^M 

Oreithji.  32fiff 

Troiloa  439  ff.                                  T^H 

PatamBdes   ?79ff. 

TjdeuB  und  tamene  255ff.  4Slf. 

Paliken  3l2ff. 

Urlbeil  des  Paria  366  ff. 

Panslhi-nfiL'ijrasen  319?. 

Vasa  diatrela    lS5, 

naoaxvnnvea  28  f. 

Vasen  ia  Oriihern  483. 

Paria  98.   177  f.  371  f.  433  ff. 

—      apulische  303. 

Penelope  229  ff. 

.-      .on  Caere  -^69  ff. 

Perseu«  379  T. 

—      mit  rolhen  Fig.  318. 

PelasQs  142. 

-       Ton  ilen  Panatheoien  319ff. 

tfiikaxpos  43 ff. 

Vogel  mit  Prauenkopr2.J9ff. 

Phallas  205fr. 

Pluto  mit  gefüllleni  Horo  363. 

226. 

Poljphen.  233  f. 

r  mit  /  Terlauscht  254. 

Priapus  208. 

'rnouifS.üf   lb7. 

Zeus   Hochieit  mit  Here  362. 

102. 

-     beim   PariBurlbe.l  370  f. 

PromElheaa   t»5ff 

Zcujippo»  57. 

Pylades,  bärlig  288. 

Zusammenstellung    Ton    Göttern 

Itatie  ApolloiiH  466ff. 

102.  lOäff. 

Heduplication  in  Namen  263r. 

Zwei  MinerTen  321  ff. 

Beh  37». 

roBltutn  204. 

Beiprochcoe  Stellen: 

SSule  auf  Vasenbildern   160. 

Aristopban.  pac.  765    -  45r. 

Sappho    i8lf, 

Coliith.  63  —  377.                                        ' 

Salj.kiuder   181. 

O.id.  met.   XIV,  69fiff    -  28ff, 

Schlange  der  Aphrodite   128. 

Plinius   XXXVI,  5,  25.  -  7  ff. 

-         mit   einem    Adler  33a 

SeiT.adVirg.  Ecl.  Vl,42.-  Iö8. 

—         lahme  90.  303  f. 

Sirenen  33G  ff. 

Slaluen  und   Büsteni 

Skylla  237. 

Amaione,  Torao  83  f. 

Skopat    10. 

Aritioous.  sogen.  90ff. 

Sonnenichirm  245. 

Aphrodite  protpicieos  24  ff. 

Sophokles  m(. 

Apoijomeno»  78f. 

ir<ur5e*f   144. 

af,,yon<,iy«iv  103. 

51  ff. 

AriBlopbaneB  und  Menaoder  40ff. 

L 

( 

488 


Bakchos  mit  der  Stierhaut  56  ff. 

Elektra  und  Orestes  84. 

Euripidea  97. 

Hekuba,  8og.  88. 

Hektor  mit  der  Leiche  des  Troi- 

los  476  ff. 
Herakies  nach  Lysippos  79 f. 
Hestia  Giustiniaui  3  ff. 

—      von  Skopas  7  ff. 
Kentaur  95. 

Löwe  von  Ghäronea  62  ff. 
Mädchen  mit  der  Taube  90. 
Milon  95. 
Narkissos  93. 
Niobide  h4. 
Pallas  17  ff. 
PorlrailGgur  94. 
Römer  als  Mercur  82  f. 
Venus  94. 

Basreliefe: 

Darbringung    eines    Rindes    an 

Oionvsos  172  ff. 
Demeter,  Köre  undlacchos  104  ff. 
Dionjsischer  Opferstier  l63ff. 
Kapaneus  198. 

Monumente  von   Xanthos  240  ff. 
Odysseus  230f. 
Palamedes  179  f. 
Panathenäensieger  158  ff. 
Paris  und  Helena  98. 
Paris  und  Oeoone  177  ff. 
Pelops  und  Hippodameia  211. 
Prometheus  '212. 
Sappho  181  ff. 
SchiffsTerxierung  203  ff. ' 
Vier  Götter  an  einer  Basis  lOlff. 
Oestlicher  Fries  des  Parthenon 

I22ff 
V\^inckelmann  Runstgesch.p.  135 

—228. 

Vasenbi  Ider: 

Aegisthos  Ermordung  287  ff. 
Äthanes  Geburt  482.  ' 

Boreas  und  Oreitbjia  318  ff. 
Danae  275  ff. 
Dariusvase  349  ff. 
Gesuch  um  Expiation  298(1. 
Götterreihen  im  Olymp  360  ff. 
Hahn  als  Geschenk  482. 
Herakles  bei  Eurjtos  261  ff. 


Herakles  und  die  AmazonenkA- 

nigin  335. 
Tason  481. 

Iphigenie  und  Orestes  483. 
Kirke  235. 
Naiisikaa  226. 

Odysseus  und  Penelope  229. 
Odysseus  Akanlhoplex  345  ff". 
Paliken  3ll. 
Promptheus   und    die   Japetiden 

185  ff. 
Poljrphems  Blendung  233. 
Sirenen  236. 
Skyila  237. 

Telemach  bei  Nestor  225  f. 
Troilos  und  Achilleus445ff.  471  ff*. 
Tydeus  und  Ismene  253  ff. 
Urtheil  des  Paris  366  ff. 
Bull.  arch.  Nap.  N.  9.  T.  V,  I  — 

306  ff. 
Gerhard   Auserles.  Vas.   II,  166. 
-459  ff. 

IV,  1.— 76f. 
Gerhard  Apulische    Vasenb.   T. 

C.  —  400. 

T.  D,  2.  -  403. 

Inghirami  Galleria  omerica2l4ff. 

Gl.  CCXIV,  LXXVI.  CVI, 

CXI.     XVI,    CX,     CXX, 

CXXX,     CXLIll,     CLVII, 

XXXI,  CLXXXV,  CLXXVi 

-CLXXVII,  CGI,  CCXIX, 

CCLMI,  CCLX  218-221. 

Millingen   Peint  de  Vas.  pl.  22. 

-451. 

pl.  43— 437  ff: 

pl.  55.  56-225. 

Mon.    del    Inst.    I,    24  — 469  ff. 

I,  .57  A,  2—433  ff. 
IV,    18  — 4l3ff. 
IV.  55-453  ff. 
Mus.  Borb.  VI,  5—339. 
Mus.  Greg.  II.  21,  1-365. 
Mus.  Pio-CIem.  IV,  34—158. 
Oyerbeck   Bildwerke    XXXI,  2. 

—226. 
Panofka  Bilder  ant.   Leb.  14,  5 
—227. 

Patiseri  tar.  253-315. 
—       tar.  254—317. 
Tischbein  Vas.  1,  14-226. 


Göttingen.    Druck  der  Univ. -Buchdruckerei  von  W.  Fr.  Eaestner. 


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