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Full text of "Die_Denkmalpflege4"

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DIE 

DENKMALPFLEGE. 



HERAUSGEGEBEN 

VON DEE 

SCHRIFTLEITUNG des centralblattes 
DER BAUVERWALTUNG. 



SCHR1FTLE1TER: 
OTTO SABRAZIN vn» FRIEDRICH SCHULTZE. 



IV. JAHRGANG. 
1902. 



BERLIN. 
VERLAG VON WILHELM ERNST & SOHN. 



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Nachdruck verhoten. 



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Inhalts-Verzeichnifs des IV. Jahrgangs, 1902. 



Verfasser-, Orts- und Sachverzeichnifs. 



Seite 

Abbruch, Berlin, altes Haus der See- 

handlung 71 

— G6rlitz, Pilzlauben 105 

— Mtinchen, ehemaliges Paulanerkloster 29 
Alt&re, Stettin, St. Jakobi-Kirche ... 15 

— Zielenzi^ (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniterkirche, Flugelaltar ... 28 
Altarleuchter, hfllzerne .... 36, 37 
Alterthttmer, s. a. Sammlungen. 

— Jerusalem (Berlin), Institut zur Er- 

ferschung der A. des Heiligen — 

Landes 71 

— Meldorf(Schleswig-Holstein), Museum 

dithmarsischer A 54 — 

— Preuf sen, Leits&tze fur die einheitliche 

Behandlung in den Denkmaler- 
Verzeichnissen 76 — 

— Sachsen (Konigreich), kunstgewerb- — 

liche A., Rathschlage ftir die Pflege 46 — 

— Wurttemberg, Schutzbestimmungen 55 
Ait mark, romanische Bau- und Kunst~ 

denkmaler, Dorfkirchen .... 46 — 

Altona, stadtisches Museum 61 

Alpirsbach (Wttrttemberg), Kloster- 

kirche, Wiederherstellung . . .124 

Amberg, Baudenkmaler 86 — 

— Haus der Pfalzgrafen 87 

— Kirchen, „Levinische Capelle" ... 87 

Martins-K 86 

Schul-K., 85, 87 

— Landgerichtsgebaude .... 85, 87 
Rathhaus 87 

— Stadtmauer 86, 87 

— Thorbauten 86 

Ammerschweier (Elsafs), Kirche, Umbau 31 
Anhalt, s. Conserratoren. 
Ankilndigungswesen, Preufsen, Gesetz 

gegen das Reclamewesen 30, 55, 100 
Anthes, Die wiederhergestellte Stadt- 

kirche von Friedberg in Hessen . 2 
Archaologisches Institut, Rflmisch-Ger- 

manische Commission, Director . 116 
Asbeck (Kreis Ahaus), Kirche, Tauf stein 21 
Aufnahmen, s. a. Baudenkm&ler, Denk- 
maler - Verzeichnisse, Denkmal- 
pflege. 

— Bauernhaus, deutsches . . . . 32, 100 

— Stadtebilder, A. alter Bauten 91, 116, 129 

— Berlin, altes Haus der Seehandlung 71 

— Danzig, Giebelbauten und Portale . 24 

— Magdeburg, Baudenkmaler .... 55 

— Oesterreich, Burgen-A. . . . 115, 132 

— Sachsen (Konigreich), Ausschufs ftir 

altb&uerliche Kunst und Bauweise 131 

— Thuringen, Ausschufs ftir altbauer- 
liche Kunst und Bauweise 



v. Bezold, Gustav, 
zum Ehrendoctor 



Seite 



131 
24 



Augsburg. Erhaltung des alten Stadt- 
bilaes 

Ausbauten, Mflgeldorf bei Ntirnberg, 

Pfarrkirche 93 

Ausgrabungen, Hessen (Grofsherzog- 

thum), Schutzgesetz .46, 71, 73, 101 

— Magdeburg, Dom 26 

- Wtirttemberg, Schutzanweisungen . 55 
Ausschufs, s. Yeretne, 



Auszeichnungen, Dr 

in Ntirnberg 

ernannt 79 

Badeanlagen, Friedberg in Hessen, 

Judenbad 62 

Bamberg, Dom, Kunigunden-Schmuck- 

kasten 125, 126 

Baudenkmaler s. a. Denkm&ler-Verzeich- 

nisse, Denkmalpflege, Kunstdenk- 

maler. 

— Denkmaler - Verzeichnisse , einheit- 
liche Behandlung 24 

— Erhaltungsarbeiten, Verfahren . .101 

— Gemeindeverwaltungen, Pflichten fur 
die Erhaltung 101,129 

— Altmark, romanische B 46 

— Danzig, Aufnahme 24 

— Griechenland, Erhaltung 47 

— Magdeburg, Aufnahme 55 

-- Preufsen, Denkmaler- Verzeichnisse, 

einheitliche Behandlung, Leitsatze 76 
Sachsen (Prov.), B. der Kreise Ziegen- 
riick und Schleusingen, Verzeich- 

nung 100 

Warschau 40 

— Westfalen, Verzeichnung 19 

— Wiesbaden (Reg.-Bez.), Rheingau, 
Verzeichnung 65 

Bauernhaus. deutsches B., Aufnahme 32, 100 

— Altona, Propsteier Stube .... 61 

— Husum, Heldtsches Haus (frtiher in 
Ostenfeldt) 53, 54, 55 

— Krummenau, Ober-Toggenburg, Can- 
ton St. Gallen 44 

— Meldorf (Schleswig-Holstein), Bun- 
soher Pesel 53, 54 

— Sachsen (KOnigreich) , Aufnahme, 
Ausschufs ftir A 131 

— Schleswig-Holstein, B.-Museen . 53, 60 

— Thuringen, Aufnahme, Ausschufs ftir A. 131 
Bauernkunst, Ausschufs ftir deutsche B. 79 

— Sachsen (Konigreich) , Aufnahme, 
Ausschufs ftir A. 131 

-- Thtiringen, Aufnahme, Ausschufs fur A. 131 
Baugeschichte, Bauernhaus,Deutsches 32, 100 

— Breslau, Seminarkirche 80 

— Freiburg i.B., Mtinster (Bticherschau) 56 

— Marienburg i. Westpr., Rathhaus . .81 

— Metz, Deutsches Thor 49 

— Mogeldorf bei Ntirnberg, Pfarrkirche 93 

— Ntirnberg, Germanisches Museum 57, 108 

— Reichenau - Niederzell , Pfarrkirche 
St. Peter und Paul 69 

— Schweidnitz. Friedenskirche . . .128 

— Stettin, St. Jakobi-Kirche .... 1 1 

— Wienhausen bei Celle, Kloster . .109 

— Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniterkirche 17 

Banhtittcn, mittelalterliche, Steinmetz- 

zeichen 122 

Bauordnungen. Augsburg, Erhaltung 

des Stadtbildes 24 

v. Behr, Monumental-Brunnen aus dem 

13. bis 18. Jahrhundert. Von 

A. Heubach (Bticherschau) . , , 92 



Seite 

71 
9 



Bein. s. Elfenbeinschnitzereien. 

Berlin, Seehandlung, altes Haus der S., 
Abbruch 

Dr. Bickell, Ludwig, Bezirksconservator 
in Marburg a. d. Lahn f ... 

BildsSulen, s. Bildstflcke. 

Bildsttfcke, s. a. Dreiraltigkeitssaulen, 
Ueiligenstandbilder. 

— Mainberg bei Schweinfurt, bemalte 

Bildsaule 44, 45 

— Steinsfurt, Bildstock bei St. . . . 7 
Bildwerke, s. a. Dreifaltigkeitssanlen, 

Ueiligenstandbilder, Rolandsauleo. 

— Kirchliche B., Verzeichnung ... 36 

— Strafsburg i.E., Mtinster, Standbilder 

vom ehemaligen Lettner . . .104 

Blanm, Ernst, Schweizerhauser aus dem 

oberen Thurthal 42 

Blockbauten, s. Holzbauten. 

Blunck, Erich, Zur LOsung der Riesen- 
thorfra^e. Das Riesenthor des 
Wiener St. Stefans- Domes und 
seine Restaurirung. Von Dr. Hein- 
rich Swoboda (Bticherschau) . .124 

Boll bei G5ppingen, evang. Pfarrkirche, 
Erweiterung und Wiederherstel- 
lung 124 

Bonn, Schlofs, Inneres zur Zeit Clemens 

Augusts 8 

BOsch, Hans, Zur Jubelfeier des Ger- 

manischen Museums in Ntirnberg 57 

Brandenburg (Prov.), Denkmalpflege . 130 

— HOlzerne ThtirschlOsser 4 

Braubaeh, oberes Thor, Wiederherstel- 
lung 

Braunschweig (Herzogthum), Denkmal- 
schutz, Ausschufs ftir D. ... 

Braunschweig (Stadt), Marien-Brunnen 
auf dem Altstadtmarkt .... 

Bremen, Rolandsaule 

Breslau, Baugruppe sog. „Siebenkur- 
ftirstenseite", Erhaltung . . 38, 

— Seminarkirche 

Broncearbeiten, Kammin, Dom, Cordula- 

schrein, bronc. Rahmenwerk 119, 

— Mtinchen, bayerisches National- 

museum, Bamberger Kunigunden- 
Schmuckkasten, broncenes Rah- 
menwerk 125, 

— Wienhausen bei Celle, Kloster, 

Broncetafel 

Brunnen, Monumental-Br. aus dem 13. 
bis 18. Jahrhundert (Bticherschau) 

— Braunschweig, Marien-Br. auf dem 

Altstadtmarkt 

— Durlach, Standbild des Markgrafen 

Karls II. von Baden 39 

— Goslar, Markt-Br 93 

— Hildesheim, Roland-Br 93 

— Michelstadt im Odenwald, Lauf-Br. 1 

— Reutlingen, Br. bei der Marienkirche, 

Wiederherstellung 39 

Linden-Br., Wiederherstellung . 39 

— Stadthagen, Schlofs-Br 93 



99 

131 

93 
32 

80 
80 

125 



126 

111 

92 

93 



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Die Denkmalpflege. 



1»02. 



Seite 

Bilcher, Sachsen (Kttnigreich), Rat-h- 

schlage fttr die Pflege alter B. . 46 

Bilcherschan, Das Bauernhaus in Oester- 
reich-Ungarn und in seinen Grenz- 
gebieten. 1. Lieferung .... 32 

- Alt-Danzig, Charakteristische Giebel- 

bauten und Portale aus der Zeit 
vom 14. bis 18. Jahrhundert . . 24 

- Dr. Bergner, H., Bau- und Kunst- 

denkmaler der Provinz Sachsen, 
22. Heft, Die Kreise Ziegenrttck 
und Schleusingen 100 

— Buchkremer, Josef, Die Architekten 

Johann Josef Couven und Jakob 
Couven 48, 56 

— Dechant, Felix, Das Jagdschlofs 

Falkenlust, ein rheinisches Bau- 
denkmal CuvillieY 40 

— Dr. Finke, Heinrich, Die Freiburger 

Dominicaner und der MUnsterbau 56 

— Dr. Hampe, Theodor, Das Ger- 

manische Museum von 1852-1902. 
• Festschrift zur Feier seines ftinf- 
zigjahrigen Bestehens 108 

— Dr. Hauptmann, F., Das Innere des 

Bonner Schlosses zur Zeit Clemens 
Augusts 8 

— Heubach, A., Monumental -Brunnen 

aus dem 13. bis 18. Jahrhundert 
in Deutschland, Oesterreich und 
der Schweiz 92 

— Kalender f fir 1903 ....... 132 

— Kempf, Friedrich, Das Milnster in 

Freiburg im Breisgau und seine 
Wiederherstellung 23 

— Kftln, Vorbilder ftir Hauserfronten 

an der Rheinuferstrafse zu K. 
Ergebnifs des Wettbewerbes, aus- 
geschrieben durch die Stadt K5ln. 
Von Richard Lands' 88 

— Dr. Ktinstle und Dr. Korfrad Beyerle, 

Die Pfarrkirche St. Peter und 
Paul in Reichenau-Niederzell und 
ilire neuentdeckten Wandgemalde 69 

— Liibeck, Facadenentwtirfe ftir L. Er- 

gebnifs des Wettbewerbs, ausge- 
schrieben durch den Verein von 
Kunstfreunden in Ltibeck. Von 
Richard Lande* 56 

— Ludorff, A., Die Bau- und Kunst- 

denkmaler von Westfalen ... 19 

— Luthmer, Ferdinand, Die Bau- und 

Kunstdenkmaler des Regierungs- 
Bezirks Wiesbaden. I. Band, 
Rheingau 65 

— Mielke, Robert, und Ernst Friedel, 

Der Rothe Adler. Brandenburgi- 
scher Kalender .132 

— More^tti, Gaetano, Ottava relazione 

deir Ufficio regionale per la con- 
servazione dei monumenti in Lom- 
bardia 8 

— Naher, Julius, Die Burgenkunde ftir 

das stidwestdeutsche Gebiet . . 48 

— Peters, Otto, Magdeburg und seine 

Baudenkm&ler. Eine baugeschicht- 
liche Studie, zugleich Ftihrer zu 
Magdeburgs alten Bauten ... 55 

— Piper, Otto, Oesterreichische Burgen 

115, 132 

— Rathgen, Friedrich, Die Conservirung 

von Alterthumsfunden . . . .116 

— Rheinprovinz, Berichte tiber die 

Thatigkeit der Provincial - Com- 
mission ftir die Denkmalpflege in 
der Rh. und der Provincial-Museen 
in Bonn und Trier. ... 24, 132 

— Sachsen (Prov.), Jahrbuch der Denk- 

malpflege in der Provinz S. 24, 116 

— Sello, Georg, Der Roland zu Bremen 32 

— Dr. Simson, Paul, Ftihrer durch den 

Danziger Artushof 107 

— Dr. Stephani, K. G., Der alteste deut- 

sche Wohnbau und seine Einrich- 
tung, 1. Band *4 

— - Dr. Swoboda, Heinrich, Zur Losung 

der Riesenthorfrage. Das Riesen- 
thor des Wiener St. Stefans-Domes 
und seine Restaurirang . , , .124 



_ - Seitc 

Bttcherschan, Dr. Vofs, Georg, Berliner 

Kalender 132 

Thtiringer Kalender 132 

— Dr. Weber, Was kOnnen die Stadt- 

verwaltungen fur die Erhaltung 
des historischen Charakters ihrer 
Stadte thun? 129 

Burgen, Oesterreich, Aufnahme . 115, 132 

Capellen, s. Kirchen. 

Chorgesttthl, Friedberg in Hessen, Stadt- 

kirche 2 

— Rtidesheim, Pfarrkirche, Chorstuhl- 

wange 66 

— Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

fa anniterkirche 17 

ConserYatoren, s. a. Denkmalpfleger. 

— Anhalt, Dr. Ostermayer zum C. er- 

nannt 56 

— Mttnchen, bayerisch.Nationalmuseum, 

Ernennung von C 107 

— Preufsen, Brandenburg (Prov.), Georg 

Btittners Ernennung 16 

Kassel, Reg.-Bez., Dr. Bickell f 9 

Kassel, Reg.-Bez., Dr. v. Drach 

zum C. ernannt 63 

Ostpreufsen, Dethlefsen zum C. 

ernannt 63 

— Wtirttemberg, Sachverstandigen-Aus- 

schufs, Fischer zum Mitglied er- 
nannt 124 

Cordulaschrein im Dom inKammin 119, 125 

Dachdecknng, Zinn, Nichtbewahrung 

als D .24 

Dacher, Naumburg a. d. Saale, Wenzels- 

kirche, Trichter-D 5 

Dachrinnen, Naumburg a. d. Saale, Wen- 
zelskirche, Dachentwasserungs- 
anlage, Holzbalkenrinnen ... 5 

Dachsttihle, Marienburg in Westpr., 

Rathhaus 81, 83 

Danzig. Alt-Danzig, Giebelbauten und 

Portale, Aufnahme 24 

— Artushof . 41, 107 

— Haus Langemarkt Nr. 43, Wieder- 

herstellung der Diele 41 

— Preisbewerbung ftir Facadenent- 

wtirfe zu Neu- und Umbauten . 46 
Decken, Frankfurt a. d. O., altes Regie- 

rungsgebaude, bemalte Holz-D. . 97 
Denkmaler, Durlach, D. des Markgrafen 

Karls II. von Baden 39 

Denkm&ler-Yerzeichnisse, s. a. Natur- 

denkmaler. 

— einheitliche Behandlung 24 

— Bauernhaus, deutsches .... 32, 100 

— Preufsen, einheitliche Behandlung, 

Leits&tze 76 

Sachsen, (Prov.), die Kreise Ziegen- 
rttck und Schleusingen . . . .100 
Westfalen 19 

— — Wiesbaden (Reg.-Bez.), Rheingau 65 
Denkmalpflege, Denkmaltag in Diissel- 

dorf 46, 88, 101 

Erhaltungsarbeiten an Bau- und 
Kunstdenkmalern 101 

— Gemeindeverwaltungen, Pflichten ftir 

die Erhaltung der Bau- und Kunst- 
denkmaler 101, 129 

— Katholikentag in Mannheim ... 99 
-- Kunstgegenstande, kirchliche, Ver- 

zeichnung 36 

Naturdenkmaler, f orstbotanische . . 1 00 

— - Schutz gegen das Reclamewesen 

30, 55, 100 
Stadtebilder, Aufnahme alter Bauteo 

91, 116, 129 

— Erhaltung alter St. 55, 64, 91, 116, 129 
Wasserlaufe, Schutz der W. in Ort- 

schaften 131 

Deutsches Reich, Gesetzentwurf . .101 

— Mittel ftir die D. im Reichshaushalt 99 
Anhalt, A nstelmng eines Conservators 

der Kunstdenkmiiler 56 

Augsburg, Erhaltung des alten Stadt- 
bildes 24 

Braunschweig (Herzogthum), Denk- 
malschutz, Ausschufs ftir D, . .131 



SeiU* 

Denkmalpflege, Danzig, Wettbewerb fur 
Facadenentwtirfe ftir Neu- und 
Umbauten 46 

— Griechenland 47 

— Hessen (Grofsherzogthum), Denkmal- 

schutz-Gesetz . . . 46, 71, 73, 101 

— K5ln a. Rh., Erhaltung des alten 

Stadtbildes 88 

— Ltibeck 23 

Erhaltung des alten Stadtbildes 

56, 113 

— Magdeburg, Erhaltung des alten 

Stadtbfldes 55, 64 

— Nassau (Herzogthum), Geschichte 

der D 72 

— Oesterreich, Denkmalschutz, Gesetz- 

entwurf 64 

Preufsen, Denkmalschutz, Anwendung 
bestehender Gesetze ... 33, 66 

— Stadtmauern, Schutz durch Ge- 
setze 33, 66 

— Verunstaltung landschaftlich her- 
vorragender Gegenden, Gesetz- 
entwurf 30, 55, 100 

— Brandenburg (Prov.) 130 

Rheinprovinz 24, 132 

Sachsen (Prov.) 24, 116 

— Rothenburg o. d. Tauber, Erhaltung 

des alten Stadtbildes 6 

Sachsen (Kftnigreich), Ausschufs zur 
Erhaltung der Kunstdenkmaler, 

Mitglieder 71 

Ausschufs ftir Aufnahme altbauer- 
licher Kunst und Bauweise . .131 
Rathschlage ftir die Pflege von Ge- 
malden, kunstgewerblichen Alter- 
thtimern, alten Buchern undEinzel- 
drucken 46 

— Schweiz, Neuenburg (Canton), Gesetz 

tiber Kunstdenkmaler 124 

— Thtiringen, Ausschufs ftir Aufnahme 

altbauerlicher Kunst und Bau- 
weise 131 

— Trier (Reg.-Bez.), Erhaltung schoner 

Landschaftsbilder 23 

— Wtirttemberg, Kunst- und Alterthuras- 

denkmaler, Schutzbestimmungen 55 

Funde und Ausgrabungen, Schutz- 

anweisungen 55 

Denkmalpfleger, Hessen (Grofsherzog- 
thum), Bestellung von D. . . . 123 
Denknialschntz, Braunschweig (Herzog- 
thum), Ausschufs ftir D 131 

— Hessen, D.-Gesetz ... 46, 71, 73, 101 

— Neuenburg (Canton), Gesetz f. D. .124 

— Oesterreich, Gesetzentwurf .... 64 

— Preufsen, Anwendung bestehender 

Gesetze 63, 66 

Gesetzentwurf gegen die Verun- 
staltung landschaftlich hervor- 
ragender Gegenden . . 30, 55, 100 
Stadtmauern 33, 66 

— Wtirttemberg, Funde und Ausgra- 

bungen 55 

Kunst- und Alterthumsdenkmaler 55 

Dethlefsen, R«, Die Wiederherstellung 
der ehemaligen Johanniterkirche 
in Zielenzig (Neumark) . . 17, 28 

— Wiederherstellung des Innern der 

Marienkirche in Flensburg ... 64 
Deutsches Reich, Archaologisches In- 
stitute Romisch-Germanische Com- 
mission, Director 116 

— Bau- und Kunstdenkmaler, Verzeich- 

nung, einheitliche Behandlung . 24 

— Denkmalpflege, Mittel ftir die D. im 

Reichshaushalt ....... 99 

— Denkmalschutzgesetz, Entwurf . . 101 
Diele, Danzig, Haus Langemarkt Nr. 43, 

Wiederherstellung 41 

— Husum, Heidtsches Haus (aus Osten- 

feldt) 54 

Doebber, Statuen und Dreifaltigkeits- 

saulen in Nordbtthmen .... 89 
Dom, s. Kirchen. 

Dornstetten, Stadtkirche, Wiederher- 
stellung 39 



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1002. 



Die Denkmalpflege. 



Seite 

Dreifaltigkeitssanlen, Dux ... 90, 01 

— Maria Ratschitz 90, 91 

— Nordbtthmen 89 

— Teplitz 89 

Dresden, s. Vereine. 

Dnrlach, Standbild des Markgrafen 

Karls II. von Baden 39 

Dilsseldorf, s. Versammlungen. 

Dux (Nordb5hmen),Dreifaltigkeitssaule90, 91 

Edelhfife, Eltville a. Rh., Hof der Frei 

v. Dehrn 127 

Sanecker Hof 117 

Eichholz, P., Zwei EdelhOfe in Elt- 
ville a. Rh 117, 127 

Einstnrz, Walkenried, E. an der Chor- 

ruine der Klosterkirche .... 30 

Elfenbeinschnitzereien, Kammin, Dora, 

Cordulaschrein 119, 125 

— Miinchen, bayer. Nationalmuseum, 

Bamberger Kunigunden-Schmuck- 
kasten . . . . . . 125 126 

Eltville a. Rh,, Hof der Frei v.* Dehrn ! 127 

— Sanecker Hof 117 

Erbbanrecht 66 

Erhaltnngsarbeiten, Verfahren zu E. . 101 
Ernennnngen, s. a. Anszeichnnngen, Con- 

servatoren, Denkmalpfleger. 

— Dr. theol. u. phil. D aim an in Leipzig 

zum Director des Institute zur 
Erforschung der Alterthtimer des 
Heiligen Landes 71 

— Dr. Dragendorff in Frankfurt a. M. 

zum Director der Romisch-Ger- 
manischen Commission des Ar- 
chaologischen Institute . . . .116 

— Fischer in Stuttgart zum Mitglied 

des Sachverstandigen-Ausschusses 
zur Berathung des Conservators 
der Kunstdenkmaler in Wttrttem- 

berg 124 

Erweiterungsbanten, Boll bei Gflppin- 

gen, evan^. Pfarrkirche . . . .124 

— MSgeldorf bei Ntirnberg, Pfarrkirche 93 
Efslingen, St. Dionysiuskirche, Wieder- 
herstellung 124 

Fachwerkbanten, s. Holzbauten. 
Falkenlust bei Kttln a. Rh., Jagdschlofs 40 
Fenster, Eltville a. Rh., Hof der Frei 

v. Dehrn, gothische F 127 

— Thurthal (Canton St. Gallen), F. der 

Schweizerhauser 43 

Flachschnitzereien, s. Holzschnitzwerke. 
Flensburg , Marienkirche , Wiederher- 

stellung des Innern 64 

— stadtisches Museum 61 

Form stein, s. Ziegel. 

Frankfurt a. d. O., Regierungsgebaude 

(altes), bemalte Holzdecken . . 97 

Freiburg i. B., Mtinster, Baugeschichte 

(Bticherschau) 56 

Wiederherstellung 23 

Fresken, Flensburg, Marienkirche . . 64 

— Mainz, Ignazkirche, Wiederherstellung 64 

— Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniterkirche 19 

Friedberg in Hesgen, Judenbad, Wieder- 
herstellung 62 

— Stadtkirche, Wiederherstellung . . 2 
Fnnde, s. Ansgrabnngen. 

Geigel, F., Gefanrdung des Strafsburger 

MUnsters 6 

Gem&lde. Sachsen (Kttniereich), Rath- 
schlage fttr die Pflege von Oel- 
und Tempera-G 46 

Gemeindeverwattungen, Erhaltung der 
Bau- und Kunstdenkmaler, Pflich- 
ten 101, 129 

tterichtshanser, Amberg, Landgerichts- 

gebaude 85, 87 

ttesetzgebung, Hessen (Grofsherzog- 
thum), Denkmalschutz-Gesetz 46, 

71, 73, 101 
- Neuenburg (Canton), Gesetz ttber 

Kunstdenkmaler 124 

— Oesterreich, Denkmalschutz, Gesetz- 

entwurf 64 

— Preufsen, Denkmalschutz, An wendung 

bestehender Gesetze ... 33, 66 
Erbbaurecht 66 



Seite 

ttesetzgebnng, Preufsen, Gesetzentwurf, 
gegen die Verunstaltung land-" 
schaftlich hervorragender Gegen- 
den 30, 55, 100 

Glasmalereien, Kuhsdorf bei Pritzwalk, 

Kirche, Quitzowsche Glasgemalde 31 

— Wienhausen bei Celle, Kloster . .109 
Glockenthnrm, s. Thilrme. 

Gltickstadt, Bauernhaus-Museum . . . 55 
Gol dschmiedearbeiten , Hiddensoier 

Brustgehange 119, 122 

Gttrlitz, Haus Jtidenstr. Nr. 1, Wand- 

malereien 106 

— Pilzlauben, Abbruch 105 

Goslar, Marktbrunnen 93 

Gostyn, (Prov. Posen), Pfarrkirche, 

Wandmalereien 88 

Gotha, Grabdenkmaler auf FriedhOfen 25 

Grabbeigabe, Kelch und Patene ... 26 
Grabdenkmaler, Gotha, Gr. auf Gothaer 

Friedhflfen 25 

— Hafsfurt am Main, Grabstein an der 

Todtencapelle 7 

Graber, Konigsberg in Franken, vor- 

geschichtliches Graberfeld ... 39 

— Magdeburg, Dom, Grabkammern . 26 
Grabstein, s. Grabdenkmaler. 
Griechenland, Denkmalpflege .... 47 
Halberstadt, Fachwerkhaus „am Tranke- 

thor 1", Bemalung 72 

Halm, Ph. M., Die Wandgemalde von 

St. Peter und Paul inReichenau-Nie- 

derzell. Von Dr. Karl Kttnstle u. 

Dr. Konrad Beyerle (Bticherschau ) 69 
Hamburg, Museen, Kunstgewerbe-M. . 60 
Harms, Ausgrabungen lm Dome in 

Magdeburg 26 

Hase, Konrad IV il helm, in Hannover y 47 
Hafsfnrt am Main, Grabstein an der 

Todtencapelle 7 

Hattenheim, Pfarrkirche, alte Thttr . . 66 
Hans, s. a. Holzbanten. 

- Wohnbau, altester deutecher, und 

seine Einrichtung (Bticherschau) 84 

Deutsches Bauern-H., Aufnahme 32, 100 

— Altona, Propsteier Stube 61 

— Amberg, altes H. der Pfalzgrafen 87 
Landgerichtegebaude ... 85, 87 

— Berlin, H. der Seehandlung, Abbruch 71 

— Breslau, Hausergruppe, sog. n Sieben- 

kurfttrstenseite w , Erhaltung . 38, 80 

— Danzig, Artushof 41, 107 

H. Langemarkt Nr. 43, Wieder- 
herstellung der Diele 41 

— Eltville a.Rh., Hof der Frei v. Dehrn 127 
Sanecker Hof 117 

Frankfurt a. d. O., Regierungsge- 
baude (altes), bemalte Holzdecken 97 

— Gorlitz, H. Jtidenstr. Nr. 1, Wand- 

malereien 106 

Pilzlauben, Abbruch 105 

— Husum, Heldtsches H. (frtiher in 

Ostenfeldt) 53, 54, 55 

— Krummenau, Ober-Toggenburg, Can- 

ton St. Gallen, Bauern-H. ... 44 

— Lorch, Hilchen-H., Thursturz ... 66 

— LOwenberg i. Schl., Wohn-H. aus dem 

16. Jahrh. am Marktplatz ... 35 

— Meldorf (Schleswig-Holstein), Bun- 

soher Pesel 53, 54 

— Paderborn. Brenkenscher Hof, Thi- 

saut 117 21 

H. „Hinter den Monchen - ... 21 

— Schleswig - Holstein , Bauer nhaus- 

museum 53, 60 

— Schweiz, Thurthal, Schweizerhauser 42 

- Vierwaldstattersee, „Treibhaus" am 

V., Wiederherstellung 31 

Haa8gerath, Schleswig-Holstein, Samm- 

lungen in Bauernhausinuseen 53, 60 
Hansmarken, s. Steinmetzzeichen. 

Heek (Kreis Ahaus), Kirche 22 

Heidelberg, Schlofs, Otto Heinrichs-Bau, 

Wiederherstellungsentwurf ... 99 

Heiligenstandbilder, Kradrop .... 89 

— NordbOhmen 89 

— Teplitz 89 

Heiznng, Strafsburg i. E., Mtinster . 6, 31 



Soite 

Henrici, Karl, Das Jagdschlofs Falken- 
lust, ein rheinisches Baudenkmal 
CuvillieV. Von Felix Dechant. 
(Bticherschau) 40 

Heppe, Herm. Ed., Das Deutsche Thor 

in Metz 49 

Hessen (Grofsherzogth.), Denkmalpflege, 

Bestellung von Denkmalpflegern . 123 

— Denkmalschutz-Gesetz . 46, 71, 73, 101 
Hessen-Nassan (Prov.), Bau- und Kunst- 
denkmaler , Regierungsbezirk 
Wiesbaden, Rheingau 65 

— Denkmalpflege, Geschichte der D. . 72 
Hiddensoier Brnstgehftnge im Stralsun- 

der Museum 119, 122 

Hildesheim, Dom, alte Wandmalereien 71 

— Rolandbrunnen 93 

Holzbanten, Halberstadt, Fachwerkhaus 

„am Trankethor 1" 72 

— Kidrich, Holzhaus am Schwalbacher 

Thor 65 

— Paderborn, Haus „Hinter d. Monchen" 21 

— Schweidnitz, Friedenskirche . . .128 

— Thurthal (Canton St. Gallen), Schwei- 

zerhauser 42 

— Vierwaldstattersee, w Treibhaus" am 

V., Wiederherstellung 31 

Holzschnitzwerke, Kirchliche H., Ver- 

zeichnung 36 

— Danzig, Haus Langemarkt Nr. 43, 

Wendeltreppe 41 

— Friedberg in Hessen, Stadtkirche, 

Chorgesttthl 2 

— KOnigsberg (Neumark), Marienkirche, 

Lesepult 88 

— Rtidesheim, Pfarrkirche, Chorstuhl- 

wange 66 

— Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniterkirche, Flachschnitzerei . 17 

desgl. Fltigelaltar 28 

Holzverbande, Marienburg i. Westpr., 

Rathhaus, Dachstuhl . . . 81, 83 
Hofsfeld, O., Die St. Jakobi-Kirche in 

Stettin und ihre Wiederherstellung 1 1 
Hnsnm, Heldtsches Haus (frtiher in 

Ostenfeldt) ...... 53, 54, 55 

Inventarisation, s. Bandenkmfiler, Denk- 

mEler-Yerzeichnisse, Knnstdenk- 

mftler. 
Jecht, Die Pilzlauben und ein neu auf- 

gedecktes Wandgemalde in Gorlitz 1 05 
Jerusalem, Institut zur Erforschung der 

Alterthtimer des Heiligen Landes 71 

Jndenbad, Friedberg i. H 62 

Kamin. Eltville a. Rh., Sanecker Hof .118 
Kammin, Dom, Cordulaschrein. . 119, 125 
Kanzel, Mainberg bei Schweinfurt, Ca- 

pelle 44, 45 

— Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniterkirche 17 

Kastl bei Amberg, Kirche, Wiederher- 
stellung 107 

Kanfbenren, Allgauer Bezirksmuseum . 98 
Kaweran, Oeorg, Denkmalpflege in Grie- 
chenland 47 

Kelch, Grabbeigabe 26 

Kidrich, Holzhaus am Schwalbacher Thor 65 

— Pfarrkirche, GewOlbeconsole . . . Q6 

Kiel, Thaulow-Museum 61 

Kirchen, Kunstgegenstande, Verzeich- 

nung 36 

— Alpirsbach (Wtirttemberg), Kloster- 

K., Wiederherstellung . . . .124 

— Altmark, romanische Dorf-K. ... 46 

— Amberg, „Levinische Capelle* . . 87 

Martins-K 86 

Schul-K 85, 87 

— Ammerschweier(Ober-Elsafs),Umbau 31 

— Asbeck (Kreis Ahaus), Taufstein . . 21 

— Boll bei Goppingen, evang. Pfarr- 

kirche, Erweiterung und Wieder- 
herstellung 124 

— Breslau, Semmar-K 80 

— Domstetten, Stadt-K., Wiederher- 

stellung 39 

— Efslingen, St. Dionysius-K., Wieder- 

herstellung . 124 

— Flensburg, Marien-K., Wiederher- 

stellung des Innern 64 



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Die Denkmalpflege. 



1902. 



Seite 

Kirchen, Freiburg i.B., Mtinster, Bau- 

Seschichte (BUcherschau) ... 56 
esgl., Wiederher8tellung ... 23 

— Friedberg in Hessen, Stadt-K., Wieder- 

herstellung 2 

— Gostyn (Prov. Posen), Pfarr-K., alte 

Wanamalereien 88 

— Hattenheim, Pfarr-K., alte Thtir . . 66 

— Heek (Kreis Ahaus) 22 

— Hildesheim, Dom, alteWandmalereien 71 

— Kammin, Dom, Cordulaschrein 119, 125 

— Kastl bei Amberg, Kloster-K., Wie- 

derherstellung 107 

- Kidrich, Pfarr-K., Gewolbeconsole . 66 

— Koburg, Moritz-K., alte Wandmale- 

reien 88 

— KOnigsberg i. Fr., Marien-K., Wieder- . 

herstellung 39 

— Kttnigsberg (Neumark), Marien - K., 

Lesepult . . . . , 88 

— Kuhsdorf bei Pritzwalk, Glasge- 

malde 31 

— Lorch, Pfarr-K 65, 67 

— Lowenberg i. Schl., kath. Pfarr-K. 68, 69 

— Magdeburg, Dom, Ausgrabungen . 26 

— Mamberg oei Schweinrart, Capelle . 45 

— Mainz, lgnaz-K., Wiederherstellung 

des Innern 64 

— Meifsen, Dom, Wiederherstellung . 6 

— Metz, Dom, Westportal 101 

— MOgeldorf bei Nttrnberg, Pfarr-K., 

Wiederherstellung und Ausbau . 93 

— MUnchen, K. des ehemaligenPaulaner- 

klosters 29 

— Naumburg a. d. Saale, Wenzels-K. . 5 

— Orbis (bayerische Pfalz), Portal . . 6 

— Paderborn, Abdinghof-K., Capitelle 20 
Bartholomauscapelle, Capitell und 

Basis 20 

— Reichenau - Niederzell, Pfarr-K. 

St. Peter u. Paul, Wandgemalde 69 

— Rttdesheim, Pfarr-K., Chorstuhlwange 66 

— Sachsen(Konigreich), Aufnahme, Aus- 

schufs fttr A 131 

— Schwarz-Rheindorf, Doppel-K., Wie- 

derherstellung 7 

— Schweidnitz, Friedens-K., Wieder- 

herstellung 128 

— Stettin, St. Jakobi-K., Wiederher- 

stellung 11 

— Strafsburg i. E., MUnster, Arntz Aus- 

scheiden als M.-Baumeister . . . 31 

desgl., Erhaltung . . . 6, 31, 99 

desgl., Heizung 6, 31 

desgl., Lettner, Wiederherstel- 

lungsentwurf 103 

desgl., Wiederherstellungsarbeiten 31 

— Sttdkirchen (Kreis Lttdinghausen), 

Taufstein 21 

-- Thttringen, Aufnahme, Ausschufs fur 

A 131 

— Treuenbrietzen, Marien-K., altesThttr- 

schlofs 4 

— Walkenried, Kloster-K., Einsturz an 

der Chorruine 30 

— Wetzlar, Dom, Wiederherstellung . 46 

— Wien, St Stefans-Dom, Riesenthor 124 
-7 Wienhausen bei Celle, Kloster-K. . 109 
-- Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniter-K., Wiederherstellung 1 7, 28 
Kirchengesttthl, s. Chorgestuhl. 
Klrchllche Kunstgegengtiinde, Verzeich- 

nung 36 

Kleefeld, Wiederherstellung einer Diele 

im Hause Langemarkt Nr. 43 in 

Danzig 41 

Kleinfunde, Wtirttemberg, Schutzan- 

weisungen 55 

Klfoter, Lttbeck, St. Johannes-KL, alter 

Lageplan 114 

— Mtinchen, ehemaliges Paulaner-Kl., 

Abbruch 29 

— Walkenried, Einsturz an der Chor- 

ruine 30 

— Wienhausen bei Celle 109 

Klosterkirchen, s. Kirchen. 

Knanth, Ein verschwundenes Kunstwerk 102 
Kobnrg, Moritzkirche, alte Wandmale- 

reien 88 



Seite 

Kohte, J., Ottava relazione dell' Ufficio 
regionale per la conservazione dei 
monumenti in Lombardia. Von 
Gaetano Moretti (BUcherschau) . 8 

Kftln a. Rh., Hauserfronten an der Rhein- 

uferstrafse, Preisbewerbung . . 88 

Kongens Lyngby, Freiluft-Museum des 

D&nischen Volks-Museums ... 62 

KSnigsberg in Franken, Graberfeld, 

vorgeschichtliches 39 

— Marienkirche, Wiederherstellung . 39 
Ktfnigsberg 1. d. Nenmark, Marienkirche, 

Lesepult 88 

Kopenhagen, Volks-Museum 62 

Kradrop (Nordbflhmen), Statue des heil. 

Johannes von Nepomuck . . . H9 
Krahne, Wtirzburg, Krahnenthurm . . 92 
Kratz, Hubert, Das Judenbad in Fried- 
berg in Oberhessen 62 

Krans, Franz Xaver in Freiburg i. B. y 22 
Krollmann, C, Zur Geschichte der Denk- 
malpflege 72 

Krummenan, Ober-Toggenburg, Canton 

St. Gallen, Bauernhaus .... 44 
Kuhsdorf bei Pritzwalk, Feldstein- 

Kirche, Glasgemalde 31 

Kunstdenkmaler, s. a. Baudenkmaler, 
Denkm&ler -Verzeichnisse, Denk- 
malpflege. 

— Denkmftler - Verzeichnisse , einheit- 

liche Behandlung 24 

— Preufsen, Denkmaler -Verzeichnisse, 

einheitliche Behandlung, Leitsatze 76 

— Wtirttemberg, Schutzbestimmungen 55 
Knnstgegenstftnde, s. a. Sammlnngen. 

— kirchliche K., Verzeichnung . . . 3t> 
Kunstpflege, s. Yereine. 
Kunststickereien, Wienhausen bei Celle, 

Kloster, Wandteppiche . . 110, 112 

Landin (Osthavelland), Teuf elsberg bei L. 8 
Landschaftsbilder, s. NaturdenkmSler. 

Lanbengange, Gorlitz, Pilzlauben . . 105 

— Marienburg i. Westpr., Rathhaus . 81 
Lehmgrttbner, P.,LaufbrunneninMichel- 

stadt im Odenwald 1 

Lesepult, K5nigsberg (Neumark), Marien- 
kirche 88 

— Strafsburg i. E., Mtinster, L. auf dem 

ehemaligen Lettner 105 

Lettner, Friedberg in Hessen, Stadt- 

kirche 2 

— Strafsburg i. E., Mtinster, Wieder- 

herstellungsentwurf 103 

Lorch, Hilchenhaus, Thtlrsturz . . . 6(5 

— Pfarrkirche 65, 67 

Ltiwenberg i. Schl., Bunzlauer Thor- 

thurm 34 

— kath. Pfarrkirche 68, 69 

— Laubaner Thorthurm 34 

— Rathhaus 33, 69 

— Stadtmauern 33, 66 

— Wohnhaus aus dem 16. Jahrh. am 

Marktplatz 35 

Lttbeck, Denkmalpflege 23 

— Erhaltung des Stadtbildes, Preis- 

bewerbungen 56, 113 

— St. Johanneskloster, alter Lageplan 114 
Magdeburg, Dom, Ausgrabunffen ... 26 

— Erhaltung des alten StadtT>ildes 55, 64 
Mainberg bei Schweinfurt, bemalte Bild- 

saule 44, 45 

— Capelle 44, 45 

— Sattlersche Sammlung 45 

— Schlofs 45 

Mainz, Kirchen, Ignaz-K., Wiederher- 
stellung des Innern 64 

Malereien, s. a. Gemalde, Ulasmalereien. 

— Flensburg, Marienkirche, Fresco-M. 64 

— Frankfurt a. d. O., Regierungsge- 

baude (altes), bemalte Holzdecken 97 

— Friedberg in Hessen, Stadtkirche, 

Wand-M 3 

-- GOrlitz, Haus Jtidenstrafie Nr. 1, 

Wand-M 100 

-- Gostvn (Prov. Posen), Pfarrkirche, 

Wand-M 88 

— Halberstadt, Fachwerkhaus ,am 

Trankethor 1", Bemalung ... 72 

— Hildesheim, Dom, alte Wand-M. . . 71 



Seite 

Malereien, Kastl bei Amberg, Kirche . 107 

— Koburg, Moritzkirche, alte Wand-M. 88 

— Mainz, Ignazkirche, Wand- und 

Decken-M., Wiederherstellung . 64 

— M5geldorf bei Nttrnberg, Pfarrkirche, 

Wand-M 93 

— Reichenau - Niederzell, Pfarrkirche 

St. Peter und Paul, Wandgemalde 69 
Schweidnitz, Friedenskirche . . .128 

— Wienhausen, bei Celle, Kloster . .109 
Zielenzig (Neumark), ehemalige Jo- 

hanmterkirche, Fresco-M. ... 19 
Mannheim, s. Versammlungen. 
Maria Ratschitz (NordbOhmen), Drei- 

faltigkeitssaule 90, 91 

Marienburg i. Westpr., Hochschlofs, 

Einweihung 64 

— Rathhaus 81 

Meifsen, Dom, Wiederherstellung . . 6 
Meldorf (Schleswig-Holstein), Museum 

dithmarsischer Alterthttmer . . 54 

Mefskannchen, silberne 37 

Metz, Deutsches Thor 49 

— Dom, Westportal . . . , . . .101 
Michel stadt im Odenwald, Laufbrunnen 1 
Michendorf (Kr. Zauch-Belzig), hOlzernes 

Thurschlofs aus M 4 

Mielke, Robert, Hfllzerne Schlosser . . 4 

Der Teuf elsberg von Landin ... 8 

— Quitzowsche Glasgemalde .... 31 
Das Allgauer Bezirksmuseum in Kauf- 

beuren 98 

Mttgeldorf bei Nttrnberg, Pfarrkirche, 

WiederhersteUung und Ausbau . 93 
Mtthlke, Schleswig-Holsteinische Bauern- 

hausmuseen 53, 60 

Mtinchen, s. a. Yereine. 

— bayerisches Nation almuseum, Conser- 

vatoren-Ernennung 107 

Bamberger Kunigunden-Schmuck- 

kasten 125, 126 

Kirche des ehemaligen Paulaner- 

klosters 29 

Mtinsterkirchen, s. Kirchen. 
Mnseen, s. a. Sammlnngen. 

Altona, stadtisches M 61 

Flensburg, stadtisches M 61 

Gltickstaat, Bauernhaus-M 55 

Hamburg, Kunstgewerbe-M. ... 60 
Kaufbeuren, Allgauer Bezirks-M. . 98 
Kiel, Thaulow-M. <U 

— Kongens Lyngby, Freiluft-M. des 

Danischen Volks-M. 62 

Kopenhagen, Volks-M. ** 62 

- Meldorf (Schleswig-Holstein), M. dith- 
marsischer Alterthttmer .... 54 
Mttnchen, bayerisches National- M., 
Bamberger Kunigunden-Schmuck- 

kasten 125, 126 

dgl., Conservatoren-Ernennung . 107 

Nttrnberg, Germanisches M., Jubi- 

laumsgaben 6 

— dgl., Jubelfeier 57, 108 

Schleswig - Holstein, Bauernhaus - M. 

53, 60 
Mn the si us, H., Die Architekten Johann 
Josef Couven und Jakob Couven. 
Von Josef Buchkremer (BUcher- 
schau) 48, 56 

Nassau (Herzogthum), Denkmalpflege, 

Geschichte der D 72 

Natnrdenkm&ler, Forstbotanische N., 

Verzeichnung 1O0 

-- Wasserlttufe, Schutz der W. in Ort^ 

schaften 131 

Hessen ( Grofsherzogthum ), Schutz- 
Gesetz 46, 71, 73, 1C1 

— Landin (Osthavelland), Teuf elsberg 

bei L., Vernichtung durch Abtrag 8 
Preufsen, Verunstaltung landschaft- 

lich hervorragender Gegenden, 

Gesetzentwurf .... 30, 55, 100 
Trier (Reg.-Bez.), Erlialtung sch5ner 

Landschaftsbilder 23 

Nanmbnrg a. d. Saale, Marktplatz . . •"> 

— Wenzelskirche 5 

Noack, Alte Grabdenkmaler auf Gothaer 

Friedhofen 25 



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1001 



Die Denkmalpflege. 



Seite 

Xordbohmen, Statuen und Dreifaltig- 

keitssaulen in N 89 

Nttrnberg, Museen, Germanisches M., 

Jubilaumsgaben 6 

dgl., Jubelfeier 57, 108 

Oelenheinz, Leop., Grabstein an der 

Todtencapelle in Hafsfurt a. M. 7 

— Marienkirche in Kttnigsberg in 

Franken 39 

— Der Ort Mainberg bei Schweinfurt 45 
Orbis (bayerische Pfalz), Kirche, Portal 6 
Oesterrelch, Burgen, Aufnahme . 115, 132 

— Denkmalschutz, Gesetzentwurf . . 64 
Ostpreufsen, Httlzernes Thttrschlofs . . 4 
Paderborn, Brenkenscher Hof, Thisaut 

117 21 

— Haus ^Hinter den Mftnchen" 254 21 

— Kirchen, Abdinghof-K., Capitelle . 20 
BartholomauscapeUe, Capitell u. 

Basis 20 

Patene, s. Urabbelgabe. 

Pazaurek, £• GustaY, Kunstgegenstande 

in unseren Landkirchen .... 36 
Pesel, Meldorf (Schleswig - Holstein), 

Bunsoher P 53, 54 

Peters, Ueber Facaden- Wettbewerbe . 116 
Piper, Ein Werk liber Bsterreichische 

Burgen 132 

Polenz. Zur Lage des Denkmalschutzes 

in Preufsen 33, 66 

Polizeiverordnung, s. Banordnnngen. 
Portale, Amberg, Landgerichtsgebaude, 

P. im Hof 85 

Schulkirche 85 

— Danzig, Aufnahme . 24 

Haus Langemarkt Nr. 43, Sand- 

stein-P 42 

— Efslingen, St. Dionysiuskirche, 

Thurm-P 124 

— LOwenberg i. Schl., kath. Pf arrkirche, 

Haupt.-P , . 68 

— Metz, Dom, West-P 101 

— Mflgeldorf bei Nttrnberg, Pfarrkirche, 

Haupt-P 95 

— Orbis, (bayerische Pfalz), Kirche, 

romanisches P 6 

Preisbewerbungen, Bauernhaus, Deut- 

sches, Entwurf fur ein Titelblatt 100 

— Erhaltung der alten Stadtebilder, 

Pr. f 91, 116, 129 

— Danzig, Facadenentwurfe fur Neu- 

und Umbauten 46 

— Koln a. Rh., Hauserfronten an der 

Rheinuferstrafse 88 

— Ltibeck, Wettbewerbe zur Erhaltung 

des alten Stadtbildes . . . 56, 113 
Prejawa, Die romanischen Bau- und 

Kunstdenkmaler der Altmark . . 46 
Preufsen, s. a. Conservatoren. 

— Denkmaler - Verzeichnisse , einheit- 

liche Behandlung, Leitsatze . . 76 

— Denkmalschutz, Anwendung be- 

stehender Gesetze .... 33, 66 
Stadtmauern 33, 66 

— Erbbaurecht 66 

— Gesetzentwurf gegen die Verunstal- 

tung landschaftlich hervorragen- 
der Gegenden .... 30, 55, 100 

Priefs, F., Der Cordulaschrein in Kam- 
min, Zeit und Ort seiner Ent- 
stehung 119, 125 

Probst , Eugen , Treib am Vierwald- 

stattersee 31 

Propsteier Stabe im Altonaer Museum 61 

Rathh&user, Amberg 87 

- Lflwenberg i. Schl 33, 69 

— Marienburg i. Westpr 81 

— Rothenburg o. d. Tauber, Zinn-Dach- 

eindeckung 24 

Reclame, s. Ankttndigungswesen. 

Regierungsgebaude, Frankfurt a. d. O., 

bemalte Holzdecken im alten R. 97 

Reichenan - Niederzell, Pfarrkirche 

St. Peter und Paul 69 

Reliquienschrein, Kammin, Dom, Cor- 
dulaschrein 119, 125 

Reutiingen, Brunnen bei der Marien- 
kirche, Wiederherstellung ... 39 

— Lindenbrunnen, Wiederherstellung . 39 



Seite 

Rheinprovinz, Denkmalpflege . . 24, 132 
Richter, Lesepult in der Marienkirche 

in Konigsberg (Neumark) ... 88 
KolandsSulen, Bremen ....... 32 

— Durlach, Standbild des Markgrafen 

Karls U. von Baden 39 

Rothenburg o. d. Tauber, Erhaltung des 

alten Stadtbildes 6 

— Rathhaus, Zinn als Dacheindeckung, 

Nichtbew&hrung ....... 24 

Rttdesheim, Pfarrkirche, Chorstuhlwange 66 

Rulnen, s. Einsturz. 

Sachsen (Kftnigreich) , Denkmalpflege, 

Ausschufs zur Erhaltung der 

Kunstdenkmaler, Mitglieder . . 71 
Ausschufs fur Aufnahme altbftuer- 

licher Kunst und Bauweise . .131 

— Rathschlage fur die Pflege von Ge- 

malden, kunstgewerblichen Alter- 
thtimern, alten BUchern und Ein- 

zeldrucken 46 

Sachsen (Prov.), Bau- und Kunstdenk- 
maler, Verzeichnung, Kreise Zie- 
genrtick und Schleusingen . . .100 

— Denkmalpflege 24, 116 

t. Saltzwedel, Ueber bemalte Holz- 
decken im alten Regierungs- 
gebaude in Frankfurt a. d. Oder 97 

Sammlungen, s. a. Museen. 

— Mainberg bei Schweinfurt, Sattler- 

sche S 45 

— Wienhausen bei Celle, Kloster, S. mit- 

telalterlicher Kunstgegenstande . 109 

Schaumann, Zwei Lttbecker Wett- 
bewerbe zur Erhaltung des 
Strafsenbildes 113 

Schleswig-Hol stein , Bauernhausmuseen 

53, 60 

Senile, Friedrich, Geheimer Hofrath, 

Professor, in Schwerin f . . . 80 

Schlofs, s. Thttrschlofs. 

Schlofs, Bonn, Inneres zur Zeit Clemens 

Augusts 8 

— Falkenlust, Jagd-Schl 40 

— Heidelberg, Otto Heinrichs - Bau, 

Wiederherstellun^sentwurf . . 99 

— Mainberg bei Schweinfurt .... 45 

— Marienburg i. Westpr., Hochschlofs, 

Einweihun^ 64 

— Vischering bei Ltidinghausen . . . 19 
Schmid, Bernhard, Das Rathhaus in 

Marienburg in Westpreufsen . . 81 
Schmidt, E., Alte Bemalung eines Fach- 

werkhauses in Halberstadt ... 72 
Schmuckgegenstande, Hiddensoier Brust- 

gehange 119, 122 

Schmuckkasten, Kammin, Dom, Cordula- 
schrein 119, 125 

— Miinchen, bay erisch. Nation almuseum, 

Bamberger „Schmuckkastchen der 
heil. Kunigunde* .... 125*, 126 
Schtfnermark, G., Konrad Wilhelm Hase f 47 

— Die Bedeutung der Steinmetzzeichen 122 
Schroder, KarL Friedrich Schlie f . . 80 
Schultze, F., Was kttnnen die Stadt- 

verwaltungen fur die Erhaltung 
des histonschen Charakters ihrer 
Stadte thunV (Biicherschau) . .129 
Berliner Kalender, Brandenburgischer 
Kalender „Der Rothe Adler u , 
Thiiringer Kalender fur 1903 

(Biicherschau) 132 

Schnltze, Richard, Die Wenzelskirche 
und der Marktplatz in Naumburg 

a. d. Saale 5 

Schultze, Victor, Franz Xaver Kraus . 22 
Schnlz, Fritz Traugott, Das Innere des 
Bonner Schlosses zur Zeit Clemens 
Augusts. Von Dr. F. Hauptmann 

(Biicherschau) 8 

Die Bau- und Kunstdenkmaler der 
Provinz Westf alen. Von A. Ludorff 

(Biicherschau) 19 

Die Freiburger Dominicaner und der 
Munsterbau. Von Dr. Heinrich 

Finke (Bucherschau) 56 

Der alteste deutsche Wohnbau und 
seine Einrichtung. Von Dr. K. G. 
Stephani (Biicherschau) .... 84 



Seite 

Schulz, Fritz Traugott, Wiederherstel- 
lung und Ausbau der Pfarrkirche 
in MOgeldorf bei Nttrnberg . . 93 
Schulz, Otto, Amberg in der Oberpfalz 86 
Schwarz - Rheindorf, Kirche, Wieder- 
herstellung 7 

Schweidnitz, Friedenskirche 128 

Schweiz, Neuenburg (Canton), Gesetz 

tiber Kunstdenkmaler 124 

- Thurthal, Schweizerhauser .... 42 
Stadtbefestigungen, s. Stadtmauern. 
Stadtebilder, Erhaltung alter St. 

55, 64, 91, 116, 129 

— Augsburg 24 

— Danzig 46 

K5ln a. Rh 88 

— Ltibeck 56, 113 

Magdeburg 55, 64 

Rothenburg o. d. Tauber .... 6 

Stadthagen, Schlofsbrunnen 93 

Stadtmauern, Schutz durch die Gesetze 

33, 66 

— Amberg 86, 87 

— Lttwenberg i. Schl 33, 66 

Stadtverwaltungen, Erhaltung der Bau- 

undKunstdenkmaler,Pfflchtenl01, 129 
Standbilder, s. a. Dreifaltigkeitssaulen, 
Heiligenstandbilder. 

— Durlach, St. des Markgrafen Karls II. 

von Baden 39 

— Strafsburg i. E., Munster, St. vom 

ehemaUgen Lettner 104 

Statuen, s. Dreifaltigkeitssftulen, Heili- 
genstandbilder, Standbilder. 
Steinhardt, Schutz der kleinen Wasser- 

laufe in Ortschaften 131 

Steinmetzzeichen, Bedeutung der St. 122 

SteinsfuriL Bildstock bei St 7 

Stettin, Kirchen, St. Jakobi-K., Wieder- 
herstellung ......... 11 

Stickereien, s. Kunststickerelen. 
Strafsburg i. E., Mtinster, Arntz, Aus- 

scheiden als M.-Baumeister . . 31 

Erhaltung 6, 31, 99 

Heizung 6, 31 

Lettner, Wiederherstellungsent- 

wurf 103 

Wiederherstellungsarbeiten . .31 

Strafsenbilder, Erhaltung alter Str. 91, 

116, 129 

— - Ltibeck, Wettbewerbe zur Erhaltung 

d. Str 113 

Sttdkirchen (Kreis Ltidinghausen ),Kirche, 

Tauf stein 21 

Taufsteine, Asbeck (Kreis Ahaus), Dorf- 

kirche 21 

— Sttdkirchen (Kreis Ltidinghausen), 

Dorfkirche 21 

TepHtz, Dreifaltigkeitssaule 89 

— Statuen des heil Johannes von 

Nepomuck 89 

Teppiche, Wienhausen bei Celle, Kloster, 

Wand-T 110, 112 

Theuner, Zum Gedachtnifs Ludwig 

Bickells 9 

Thorbauten, Amberg, Nabburger Thor 86 

Ziegel-Thor 86 

Braubach, oberes Thor, Wiederher- 
stellung 99 

— LOwenberg i. Schl., Bunzlauer Thor- 

thurm 34 

Laubaner Thorthurm 34 

— Metz, Deutsches Thor 49 

Thuren, Eltville a. Rh., Hof der Frei 

von Dehrn, Haus-Th 127 

Sanecker Hof, gothische Th. . .118 

- Hattenheim, Pfarrkirche, alte Th. . 66 

— Lorch, Hilchenhaus, Thtirsturz . . 66 

— — Pfarrkirche, Emporen-Th. ... 67 
Thttringen, Ausschufs fttr Aufnahme alt- 

bauerlicher Kunst und Bauweise. 131 
Thiirme, s. a. Thorbauten. 

— Lttwenberg i. Schl., Bunzlauer Thor- 

thurm 34 

- — Laubaner Thorthurm 34 

— Marienburg i. Westpr., Rathhaus, 

Glocken-Th 81 

— Wttrzburg, Krahnen-Th 92 



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Die Denkmalpflege. 



1§©2. 



SeiU- 

ThiraJtreiz, Marienburg in Westpr., 

Rathhaus 31, S3 

TMr*chlofs, Hdlzerae Th . . 4. 16 

Tille, Amis, Der Roland zu Bremen. 

Von Georg Sello (Bucherschau) 32 

Todesfllle, Dr. Bickell in Marburg a. d. 

Lahn 9 

— Hase, Konrad Wilhelm, in Hannover 47 

— - Kraus, Franz Xaver, in Freiburg L B. 22 

— Schlie, Friedrich, in Schwerin ... SO 
„Trelbhans" am Vierwaldstadtersee, 

Wiederherstellung 31 

Treppen, Danzig, Ha us Langemarkt 

Nr. 43, Wendel-Tr 41 

— Gorlitz, Pilzlauben, Tr.-Aufgang . .106 

— Stettin, St. Jakobi-Kirche, Tr. zur 

Orgelempore 14 

Trenenbrietzen, Marienkirche, altes 

Thurschlofs 4 

Trier (Reg.-Bez.), Erhaltung schdner 

Landschaftsbilder 23 

Umbaoten , Ammerschweier (Ober- 

Elsafs), Kirche 31 

Yereine, Braunschweig, Ausschufs ftir 

Denkmalschutz 131 

— Dresden, Ausschufs fur Aufnahme alt- 

bauerlicher Kunst und Bauweise 
in Sachsen und Thtiringen . . .131 

— Mtinchen, V. fur Volkskunst und 

Volkskunde 7*> 

— niederelbisches Volksthum .... 80 

— Wetzlar, Dombau-V 46 

Versammlungen, Diisseldorf, Deutscher 

Denkmaltag 46, 88, 101 

- Mannheim, Eatholikentag, die Denk- 
malpflege auf dem K 99 

Vierwaldstlttersee, „Treibhau8 u ( Wirths- 

haus) am V., Wiederherstellung . 31 

Viftcherlng, Rittergut bei Lttdinghausen, 

Schlofs 19 

Volksknnde, s. Yereine. 



S*\te 

Volkskanst, s. Yereine. 
VolksthM, s. Yereine. 
Yorgefrchichtliche Fnnde, Preufsen, ein- 

heitliche Behandlung der Denk- 

maier-Verzeichnisse, Leitsatze 76 

Vorlaender, 0.. Ein EJostermuseum in 

der Heide 109 

Walkenried, Klosterkirche, Einsturz an 

der Chorruine 30 

Wappenzeichen, s. Steinvetzzeichen. 

Warseban, Baudenkmaler 40 

Wasserlanfe, Schutz der W. in Ort- 

schaften 131 

Westfaleo, Bau- und Kunstdenkmaler, 

Aufnahme 19 

Wettbewerb, s. Preisbewerbnngen. 

Wetzlar, Dombauverein 46 

Wiederherstellnngen, Alpirsbach ( Wurt- 

temberg), Klosterkirche . . . .124 

— Boll bei Gdppingen, evang. Pfarr- 

kirche 124 

— Braubach, oberes Thor 99 

— Danzig, Haus Langemarkt Nr. 43, 

Diele 41 

Dornstetten, Stadtkirche 39 

— Efslingen, St. Dionysiuskirche . . .124 

— Flensburg, Marienkirche, lnneres . 64 
Freiburg i. B., Mtinster 23 

— Friedberg in Hessen, Judenbad . . 62 
Stadtkirche 2 

— Heidelberg. Schlofs, Otto Heinrichs- 

Bau 99 

— Kastl bei Am berg, Kirche . . . .107 

— Kflnigsberg in Franken, Marienkirche 39 

— - Mainz, Ignazkirche, W. d. lnnern . 64 

— Marienburg i. Westpr., Einweihung 

des Hochschlosses 64 

— Rathhaus, Dachstuhlnebst Glocken- 

thurm 81 

— Meifsen, Dom 6 

— Mdgeldorf bei Ntirnberg, Pfarrkirche 93 



128 
11 
31 

31 



109 



Sfit* 

Wiederberstellnngen, ReutUngen. Brun- 

nen bei der Marienkirche ... 39 
Lindenbrunnen 39 

— Schwarz-Rheindorf, Kirche . . 

— Schweidnitz. Friedenskirche 

— Stettin, St. Jakobi-Kirche . . 

- Strafsburg i. E., Milnster . . 

- Vierwaldstattersee, „Treibhaus* am V. 

— Wetzlar, Dom 46 

— Zielenzi^ (Neumark), ehemalige Jo- 

hanniterkirche 17, 28 

Wien, Kirchen, St. Stefan, Riesenthor 124 
Wienhansen bei Celle, Kloster . . . 
Wirtbsbaiu, Vierwaldstattersee, „Treib- 
haus~ am V., Wiederherstellung 
WobnhSaser, Wohnbau, altester deut- 
scher, und seine Einrichtung 
(Bucherschau) ........ 

— Lflwenberg i. Schl., Wohnhaus aus 

dem 16. Jahrh. am Marktplatz 

— Paderborn, Haus „Hinter den Mdn- 

chen" 

Wttrttevberg, s. a. t'onserratoren. 

- Denkmalschutz bei Funden und Aus- 

grabungen 55 

— Denkmalschutz der Kunst- und Alter- 

thurasdenkmaler 55 

Wttrzburg, Krahnenthurm 92 

Zeichnnngen, s. a. Anfnahmen. 

— Lubeck, St. Johanneskloster, alter 

Lageplan 114 

Ziegel, Marienburg i. Westpr., Rathhaus *1 

— Frankfurt a. d. O., Regierungsge- 

baude, Z. mit Darstellungen . . 97 
Ziegel ban ten, Marienburg i. Westpr., 

Rathhaus 81 

Zielenzig (Neumark), ehemalige Johan- 

niterkirche, Wiederherstellung 17, 2S 
Zinn, Nichtbewahrung zu Dachein- 

deckungen 24 

Zinnen, Marienburg i. Westpr., Rathhaus 81 

— Metz, Deutsches Thor, Z.-Bekronung 50 



31 



35 



2J 



Drackfehler-Berichtigangen. 



Seite 6, 1. Spalte, 43. Zeile v. u. lies Urkunden des Stifts statt 

Urkuuden des Rechts. 
Seite 8, 1. Spalte, 12., 21. u. 23. Zeile v. u. lies Landin statt Lomdin. 



Seite 65, 2. Spalte in der Unterschrift zu Abb. 2 lies am Schwal- 

bacher Thor statt am Schalbacher Thor. 
Seite 110, 1. Spalte, 30. Zeile v. u. lies in comitatu videlicet statt 

in comitato videlivet. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin mid Friedrich Schultze. 



IV. Jahrgang. 
Nr. 1. 



Erscheint alle 3 bis 4 Woc.hen. Jabriicb 16 Bogen. — Geschaftstelle: W. Wilhelmstr. i*o. — Bezugspreis 

einschl. Abtragen, durob Post- oder Streifbandzusendung oder im Bucbhandel jahrlich sMark: fur das 

Ausland K.oU Mark. Fur die Abnebmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich «', Mark. 



Berlin, 8. Jaimar 
1902. 



[Alle Rechte vorbehalten.] 



Lauflminnen in Michelstadt im Odenwald. 






Zu den zahlreichen kleinercii Stiidten Siiddeutsehlands. welehe im 
Mittelalter cine gewisse Bedeutuug batten und infolge (lessen audi 

culturgesehichtlieh \vf :1 ' 

eine niehr oder weni 
gehort der im bstlic 
gelegeue Ort Miehels 

Die Stadt trat 
schiehtlieh hervor. 
hundert, waren ill re 
ttiit deni (ieschlechtc 
bach uud die t'uhr 
schlecht with rend d< 
ausiibte, ist anseheii 
gewesen, deuii noeh 
faelie Kunstdenkmal 
gangenen Bliithezeit 
Stiitte bildet vur all 
seinem schliehten, 

charaktervollcn 
alten Rathhause, 

der stattlichen 
gothischen Ptarr- 
kirche, den alten 
Faehwerkhauten 
seiner Umgebung 
nnd einem priich- 
tigenLaufhrunnen, 
der sich ininitteu 
des Platzes erhebt. 

Der Brunnen, 
von deni ant" 

nebenstehender 
Abbildung eine 
Darstelluug gege- 
ben win I, ist im 
Jalire lf>7") errich- 
tet ^ worden, wie 
aus einer an der 
Yorderseite des 
Beckens einge- 
lianenen .lalires- 
zahl hervorgeht. 
Kr ist jedentalls 
eine Schopt'ung des 
(J rate n (icorg II. 
von Krbach, wel- 
elier in deni letz- 
ten Yiertel (U's -% , 

seclizehuten Jahr- v. P. LcJimgriihner. Lu 

hunderts die Ilerr- 

-chat't luhrte. Das 

iin Chor der Pt'arrkirche in Michelstadt betindliehe priichtige (irah 

mal des (iraten triigt namlich tblgeude Insehrit't: .Der Wolilgcborn 

llerr Jlerr (Jeorg Grave zu Krpach nnd Ilerr zu Breu- 

berg ist gehorn (hm :>. Juli anno 1548. Hat Cliristlieh 

nnd Loblich regirt 30 Jalir nnd mit vir (ieiuahelin 

gezeiget 2.") Kinder . . . ist in Christo selieh gestorben 

zu Krpaeh den HJ. Fehrary Anno 1G05. . . . Jlat 

dieser (Jraveschat't niitzlieh uud wohl vorgestanden 

selbige mit vielen scheme beuen gezieret nnd sonderlieh 

das liaus (ieorgenburg zn Kleinheubaeh am Mayn von 

grund ut ganz neu ansgebanet. Der allmiichtige (iott 

yerleihe ilim . . .- Dauaeh hat der knustliebende (irat ^-^ l_ 

iiu .lahre i:>7"> die Uerrschai't angetreteu uud jeden- 
talls gleieh a Is erste That seiner getreuen Stadt Michel- 
stadt den prachtigen Brunnen als Schmuckstuck nnd Zeiehen seiner 
(Junst verelirt. \aeh anderweitiger Feberliefernng niufste ein von 






P. Lchmgrtihner. 



dem Yorganger des (irat'eu bereits im .lahre l.VU an derselben Stclle 
in ganz schlichter Form anfgefiihrter Uiufbruiinen dein moiiii- 

l wurde damals an 

t, wo er heute noeh 

Muer darant' folgen- 

auch weiterhin in 

uderer der Kiiuste 

e Bauteu bekuuden, 

;anzen Bereichc der 

Kunstliebhabers er- 

rabmale: -hat diese 

i gezieret . . .~ ist 

dmet worden. 

fiihrte Brunnen ist, 

•hteckigen Wasser- 

selbe allerdings in- 

iihungeu der Fm- 

gebung ungefahr 

.'JO em tiet'ini Krd- 

bodeu. 

In der Mitte 
des Beckens er- 
hebt sicli die statt- 
liehe Brunnen- 
saule in vier Ab- 
satzen iiber ein- 
ander zu einer 
llohe von last 
<> in. Das nntere 
Fosta'ment, an- 
t'angs (juadratiseh, 
gel it durch V(»r- 
mittlung von vier 
Kekconsolen ins 
Achteck iiber und 
ist mit Kartuschen 
nnd Lbwenkcipfen 
reieh verziert. Die 
letzteren spcien 
mittels eiseruer 
Biihren , welclie 
von gekriimmten 
eisernen Biigeln 
geh alten werden, 
die krystallene 
Fluth in das grofse 
Becken. Urspriing- 
lich waren alle 
acht Kopte als 
Al>l). 1. \\'assersj)eier in 

Thiitigkeit. Spiiter 
sind jedoeh die liohreu aus den in den Diagonalseiten des Bruunens 
betindliehen Kiijifen herausgeuoinmen worden, sodals jetzt nur noch 
die vier Kopte in den Jlauptachsen ihre Wasserstrahlen 
in das Beekeu eutsenden. Die Auslafsott'nnngeu in den 
Diagonalen sind dabei leider hoehst maugeUiaft ge- 
sehlossen worden, sodals das Wasser bestiiudig dnreh- 
sickert nnd den Stein allmahlich stark angegriffen und 
bemoost hat. 

Der Riehtung der YYasserrbhren eutspreehend, sind 
tiumittelbar iiber der Obcrtlache des Beckens vier gabel- 
artig get'ormte Kisen zwischen der Wandung des 

' 1 1 1 Beckens uud dem Saulenpostainent eingelassen (vgl. den 

Abb. 2. Grundril's), die einerseits zur \ersteifung des ganzeu 

Antbaues, auderseits znm Autsetzen der Kimer uud 
soustigeu (iet'afse beim NVassersclidpt'en dienen. 

Auf dem Deckgesiius des hoheu Postamentes, welches wieder 



Holzst. v. O. Ebel. 



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Die Denkmalpflege. 



8. Januar 1902. 



ins Quadrat zuriickgeht, erhebt sich sodanu einc gedrungcne, 
achteekige Saule in der freien, phantasievollen Behandlung der 
antikcn Fonnen, wie sic der deutschen Renaissance eigen ist. 
Die untere Halfte des auf runder Basis ruhendeu aehteekigen 
Saulensehaftes ist wieder mit flachem Kartuschenornament und 
vier zierliclien Loweukopfen in den sehragen Achteekseiten ge- 
schmiickt. Die ohere, kraftig verjiingte Halfte des Schaftes dagegeu 
ist cannelirt. Das korinthisehe Capitell zeigt in einfacher kraftiger 
Behandlung eine ziemlieh enge Aulehnung an die antike Formen- 
gebuug. Die Saule wird wiederum durch vier von der Deekplatte 
des Beckons sclirag aufsteigende eiseme Streben abgestiitzt. Leider 
hat sich die scheme Kunstsehmiedoarbeit, womit diese eisernen 
Stiitzcn geziert sind, nur unvollstandig erlialten, doeh reiehen die 
noch vorhandenen Theile gerade aus, um die urspriingliche Aus- 
fiihrung erkennen zu lasseu. Die Lage der Streben ist aus der 
Richtuug der Diagonalen seitlich verschoben (wie der Grand rifs zeigt), 
um den Wasserstrahlen der ursprunglieh in den Achteekseiten vor- 
lianden gewesenen Ausflufsrohren freie Balm zu gewiihren. 

Auf dem Capitell der Saule ruht ein wurfelforiniger Aufsatz, der 
als Sockel fiir die bekronende iigiirliche Gruppe dient und auf der 
Vorderseite das graflich Erbachsche Wappen tragt, wahrend die 
Riickseite das der Stadt Michelstadt (quer getheilten Schild mit zwei 
Sternen im oberen Felde und leerern unteren Felde) zeigt. Bei ge- 
nauer Besichtigung zeigt das Sandsteingefiige dieses Aufsatzes eine 
unverkennl)are Versehiedenheit von dein Gestein des ganzen Unter- 
baues. Es scheint daher, als ob dieser Zwischentheil in spate rer Zeit 
eimnal ergiinzt worden ist. Bestarkt wird diese Annahme durch die 
steife Form des jetzigen Stiickes, welche zu der inalerischen Be- 
handlung der iibrigen r Ilieile in Widerspruch steht und nicht der 
urspriingliehen Form zu entspreclien scheint. 

Die Figurengrappe, welche den Auf ban kront, stellt den heiligen 
Michael, als Patron der Stadt dar. Der Erzengel triumphirt iiber 
den bezwungenen Satanas, auf den er im Siege seinen Fufs gesetzt 
hat. Die Ausfiihrung der Gruppe ist in kunstlerischer Hinsicht von 
kindlicher Naivitat. Der streitbare Engel, von kurzer, gedrungener 
Figur, ist in ein plumpes Gewand gehiillt, Zu seinen Fiilsen al)er 
liegt der iiberwundene Geist der Finsternils mit einem Kindskopfe 
und wohlgeniihrtem rundlichen Bauchlein so behaglieh, dafs er trotz 
seines verkuinmerten Pferdefufses und Schwelfes durchaus nicht als 
schreckenerregende Gestalt erscheint. Die Schbpfung plastischer 
Bildwerke ging entschieden iiber das Leistungsvermogen des braveu 
Meisters, der das Werk geschaffen hat, hinaus. Zur weiteren Er- 
hohung des Humors tragt ferner noch der Umstand bei, dafs man 
in jungster Zeit, in Unkenntnifs iiber die Bedeutung der Gruppe, ge- 
glaubt hat, das Ansehen des Engels durch Zuertheilung neuer Attri- 
bute heben zu miissen. An Stelle einer Lanze, die er friiher jeden- 
falls fiihrte, wurde ihm ein Schwert in die rechte Hand gegebeu. 
Ueber seine Linke aber lung man eine kleine inetallene Kramer- 
wage,*) wie sie in Kaufladen friiher allgeinein gebraucht wurden. 
Damit war dem r modernen Bediirfnifs u Rechnung getrageu und (lit 1 
Umwandlung des Erzengels in einc Justitia bewirkt. 

Trotz dieser Scliwache, die dem tigurlichen Theile des Werkes 
anliaftet, sind die abwechslungsvollen Fonnen des ganzen Aufbaues 
doeh von wirkungsvollem Gesamteindruck. Erhoht wird der Reiz 
desselben durch das ehrwurdige Alter, welches das ganze Gestein 
mit einem kostlichen Farbenschmelz iiberkleidet hat. 

Sehr hiiutig ist der Brunnen, zusammen mit dem dahinter 
liegenden alten Rathhause und der Kirche, Gegenstand malerischer Dar- 
stellungen geweseu, welche zu den schonsten Architekturbildem auf 
dem Gebiete mittelalterlichen deutschen Stiidtewesens gehoren. Moge 
das von einem vergangenen Geschlecht in kunstlerischer Frische und 
Tuchtigkeit geschaffene Werk noch fiir lange Zeit der Stadt unver- 
sehrt erlialten bleiben. P. Lehmgriibner. 



Abb. 1. Blick auf Querhaus und l^ettner. 



*) In der Abbildung ist sie fortgelassen. 



Die wiederhei^estellte Stadtklrche von 
Friedberg in Hessen. 

Wiederherstellungen mittelaltriger Bauwerke fallen selten so 
aus, dafs sie des einstiinmigen Beifalls aller kuustverstandigen Kreise 
sicher sind. Umsomehr hat man stets Veranlassung, die erfreuliche 
Thatsache hervorzuheben, weim es wirklich eiumal dein Zusammen- 
wirken aller Berufenen gelingt, ein bedeutendes Kunstwerk in einer 
seiner kunstgeschichtlichen Stellung wiirdigen W'eise so wiederherzu- 
stellen, dafs nicht nur der Gesamteindruck harmonisch ist, sondern <lafs 
audi die Einzelheiten von einer pietatvollen Hand zeugen. Und das 
ist bei der Friedberger Kirche der Fall. Ad amy (Kunstdenkinaler in 
Hessen, Kreis Friedberg, S. 75 u. f., Festschrift zur Neueinweihung, 



Abb. 2. Das Chorgestiihl. 

Friedberg 11M)1) hat der schiinen friihgothischeu Kirche ibren Platz 
in der Kuustgeschichte angewiesen: sie ist eine jiingere Sehwester 
der Elisabetlikirclie in Marburg und wurde an Stelle einer roniani- 



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Nr. 1. 



Die Denkmalpflege. 



Abb. 3. Kirche in Frieciberg von Siidwesten. 

schen Basilika erriehtet, von der sich nicht nur dor dem Uebergangs- 
stil entstammende Ciborienaltar und ein schoner Taufstein, sondern 
auch eine grofsere Menge bei dor Wiederhcrstellung gefundener 
Architektiirtlieile erhalten hat. Als Bauzeit der jetzigen Kirche dart* 
das letzte Drittel des 13. Jahrhunderts angesehen werden; auch hier 
ist der Chor der iiltcste Tlieil, er wurde 1301) geweiht. Urkundlich 



Abb. 4. Grundrifs nach der Wiederherstelluug. 

steht test, dafs 1410 noch an der Kirche gebaut wurde, so vor allein 
an den Ilauptthurmen, die jetzt der Stadt gehbren nnd gleichzeitig 
als Festungsbauten angelegt waren; nur der eine ist bis auf das alte 
Xothdach vollendet, der zweite durfte nach einer Vorfiigung des 
Kaisers Ruprecht vom genannten Jahr nicht holier als 40 Fufs werden 
(Abb. 3). Die Kirche ist ein dreischiftiger Ilalleubau mit Querhaus 
und hohein aus dem Achteck gebildeten Chor; zwisehen Lang- und 
Querhaus sind aufsen zwei nialerisch wirkende Treppcnthurme an- 
gebracht. Das Ganze ist schlicht aber kniftig in den Formen, der 
Gesamteindruck der hochragenden Schiffe ausgezeichnet. Besonders 



reizvoll ist der hohe schlanke Chor; breite spitzbogige Fenster neh- 
men einen solchen Rauni ein, dais das Mauerwerk eigentlich nur aus 
den Fenstergewanden und den Strebepfcilern besteht. Die Kirche 
war das Gotteshaus des viele Geistliche zahlenden Landeapitels, und 
da fur diese der Chor allein offenbar zu eng war, wurde das Quer- 
haus mit ihm zu einem Ganzen verbunden und nach dem Langhaus 
zu durch einen Lettner abgeschlossen (Abb. 1), mit dem wieder der alte 
stehengebliebene Ciborienaltar zu einem organischen Ganzen ver- 
bunden wurde. Das niihere iiber die Raumeintheilung ergiebt sich 
aus dem beistehenden Grundrifs (Abb. 4). 

Schon lange konnte man sich der Erkenntnifs nicht mehr ver- 
schliefsen, dafs das priiehtige Bauwerk schwere Bauschaden zeige, die 
ein naehdruckliehes Eingreifen nothwendig zu maehen schienen. 
Freilich gingen die Ansichten iiber den einzuschlagenden Weg weit 
auseinander, als aber endlich die Arbeiten in Angriff genommen 
wurden, zeigte es sich, dais Fr. v. Schmidt gleich von vom herein 
das richtige erkannt hatte. Chor und Querschiff hatteu sich derart 
gesenkt, dafs die Al)weichungen aus dem Loth bis zu 42 cm be- 
trugen: die (Jrundmauern waren durchaus ungeniigend, und auch 
bei dem aufgeheuden Mauerwerk hatte man es an verbandfahigem 
Steinmaterial und guteni Mortel vielfach fehlen lassen, doppelt ver- 
haugnilsvoll bei den bedeutenden Durchbrechungen der Mauerflachen 
durch die grofsen Chorfenster. Es mufsteu also Chor und Querhaus 
gauz abgebaut werden, eine iiberaus schwierige und bei dem Zustand 
ties Baues gefahrvolle Arbeit, die aber von der Bauleitung in der 
umsichtigsten Weise gelost \\iirde. llierbei wurden alle Werkstucke 
genau bezeichnet, ebenso die Architektiirtlieile der Gurteu und 
Rippen, damit sie bei dem Wiederaufbau nach Moglichkeit an der 
alteu Stelle wieder verwandt werden konnten. In den Gewolbe- 
zwickeln und Scheiteln fanden sich dabei bisher unbekannte, von 
der eintormigen graugelben Tiinche vollig iiberdeckte Wandmale- 
reien vor, (lie der Mitte des 14. Jahrhunderts zugeschrieben werden 
und fur die Geschichte der rheinischen Malerei dieser Friihzeit von 
grofster Bedeutung sind. Sie wurden photograph isch aufgenommen 
und aufserdem genau in Farben copirt, da sie sich nicht erhalten 
liefseu. Der Wiederaufbau begann iin October 1897 und wurde in 
nicht ganz drei Jahreu vollendet; die Bauleitung fuhrten Architekt 
Opfermauu, vom Januar 19(K) an Architekt II. Kratz unter Ober- 
leitung vom Geh. Oberbaurath Hofmann. 

War auch der Abbau und die Wiederaufrichtung von Chor und 
Querhaus weitaus der schwierigste und kostspieligste Theil der ge- 
samten Wiederherstellungsarbeiten, so wurde doch auch der gesamte 
iibrige Bau eingehend untersucht und vor allem der Dachstuhl neu her- 
gestellt, und zwar in seiner alten Form mit Walmdachern. Der ode und 
kalt wirkende Yerputz im Innern wurde entfernt und der naturliche 
Stein ohne Tiinche gelassen. Auch an anderen Bautheilen hatten 
theils die Einfltisse von Wind und Wetter, theils lnuthwillige 
Mensehenhande schweren Schaden gebracht. Besonders stark ver- 
wittert waren die Werkstucke am siidostlichen Treppenthurm, die 
hier wie an anderen Bautheilen, auch im Innern, herausgenommen 
und durch andere aus demselben Material ersetzt wurden. Sehr 
stark war unter diesen Umstanden die Steinmetzhutte beschaftigt. 
Sorgfaltig wurden die Fialen an Langhaus und Chor, vor allem die 
Brautthur, ein prachtiges Werk der Gothik, sowie da« sehr stark be- 
schiidigte Tabernakel in der alten Praeht wiederhergestellt, wobei 
iiberall die Spuren des Alten geschont, und wo das nicht moglich 
war, durch verstandnifsvolle Neubildungen nach den Resten fiir histo- 
rische Treue gesorgt wurde. Das Sacramenthaus im Chor vor wei- 
terem Vertall geschiitzt zu haben, ist ein besonderes Verdienst von 
11. Kratz; es entstammt der Spatgothik und ist als 14 m hohe Fiale 
in reizvollster Durchbildung aller Einzelheiten ausgefiihrt. Erwiih- 
nung verdient auch das schone, in einfach kraftigeu Formen gehaltene 
Gestuhl (Abb. 2). Den Ilaupteingang zur Kirche, das Westportal, 
erreicht man durch eine offene Halle, die beiderseits von den mach- 
tigen Cntergeschossen der Thiirme flankirt wird. Nur der eine ist 
ausgebaut, der andere trug bisher ein schmuckloses Pultdach, ist 
aber jetzt durch ein Zeltdach zu besserer Wirkung gebracht; die 
ganze vorwiegend einen wehrhaften Charakter tragende Westfront 
hat man dadurch belebt, dafs die reiche Mafswerkgalerie des l^ang- 
hauses nun auch an der Yorderseite entlang gefuhrt wurde (Abb. 3). 

Einen prachtvollen Schniuck des Innern bilden die drei alten, 
von L inn ein an u trefflich wieder hergestellten Glasfenster des Chors; 
der Werkstatte desselben Meistcrs entstaminen auch die schonen 
neuen Fenster, deren je eins vom Grofsherzog von Hessen und der 
Kaiserin von Rufsland gestiltet wurde, wiihreud die anderen pietat- 
voller Schenkung Friedberger Familien ihren Ursprung verdanken. 

Die Bausumme betrug (i2.")000 Mark: die (Trofsherzogliche Regie- 
rung gab als Staatszuschufs 2(X)(XX) Mark; 1700(H) Mark kamen ein 
durch eine auch in Preufsen gestattete Lotterie, 170000 Mark trug 
die Kirchengemeinde bei. Das grbfste Yerdienst hat der Kirch en- 



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Die Denkmalpflege. 



8. Januar 1902. 



ban ve re in. von dem niclit nur die gauze Wiederherstellungsarbeit 
ausging, sondern der audi durch langjahrige rege Wirksamkeit mid 
Sanunlung bedeuteuder Betriige die Dure lifiih rung der Arbciten in 
dem kurzcn Zeitraum moglieh maelite. Alle Betheiligten in Staat, 
Kirche, Geineinde uud Bauleitunix. die sieh um das Zustaudekoinnien 



des Werkes verdient gemacht haben, siiid jetzt, wo die Friedberger 
Kirehe wiedcr als sehonstes kirchlicbcs Gebiiude ( )berhessens dasteht, 
zur Yollcudung ilirer Thiitigkcit zu begluekwunschen; denn an dem 
alteu Bau in seiner neuen (iestalt miissen nieht nur Areliitekteu, sou- 
dern aueli Kunstforseher ibre aufriehtiue Freude haben. Ant lies. 



Holzerne Schlosser. 



.1 



Schlosser, die ganz oder theihveise aus Jlolz hergeriehtet sind, 
wie jenes, im Jahrg. 1901 d. Zeitsehr., S. 88 verofientliehte, sind nieht 
so selten, dafs man nothwendig aus ihrem Vorkommen einen Beweis 
fiir die alhnahliehe Uniwaudhmg eines alten Holzbaues in einen 
Steinbau erblieken mufste. Sie kounneu in den Vierlaudeu, der 
Mark Brandenburg, Pomniern, W«»st- und Ostpreufsen, Mecklen- 
burg vor. In einer alten Bohleuthiir, die zu einer dem west lichen 
Eude des sudlichen Seitenschiifs abgetreimten fruhgothischen Capelle 
der Marienkirehe in Treuenbrietzeu fiihrt, ist ein dem im vor. Jahrg. < I. Bl., 
S. 88 abgebildeteii sehr ahulicher Sehlofskasten augebraeht (Abb. 1). 
Da es nieht unwahrscheinlich ist. dafs die Thiir i 

noeh axis dem 13. Jahrhundert stammt, so diirfte 
audi diesem Sehlofs ein erhehliches Alter zu- 
zusprechen sein; es ist wenigstens niit der Bohleu- 
thiir so innig verbuuden, dafs man es mit dieser 
gleiehaltrig halteu niufs. Fallt soinit die Sehlufs- 
folgerung, die der Verfasser der angezogeuen 
Mittheilung in Bezug auf due einst vorhanden 
gewesene ilolzkirche zieht, so liegt doch in 
diesen Sehlossern cine Vorrichtung vor. die auf 
eine weit zuriickliegcnde, nieht allgemein ver- 
breitete Ueberlieferung deutet. 

In dem Markischen Provincial -Museum der 
Stadt Berlin betinden sieh mehrere Schlosser 
dieser Art, die uicht nur in der Construction 
anziehend sind, sondern audi zeigen, daf* die 
Schlosser urspriiugiich ganz aus llolz — ohne 
Metallzugaben — hergestellt wareu. Da ist zu- 
nachst ein Sehlofs aus Miehendorf, Kr. Zauch-Belzig (Liinge 2.">. 
Breite 13, Dicke 5 cm), also nieht weit von dem erwabnten Treuen- 
brietzen (Abb. 2 u. 3). Bei ilun ist der holzerne keilformige Sehlofs- 
riegel S von .■>.") cm Liinge mit drei rechteckigen Kerben verseheu, 



liegt dann in einem Sehlofs unbekannter, aber markischer Ilerkuuft 
vor, bei der der Riegel und das Fedcrwerk aus Eisen und nur der 
Sehlofskasten aus Holz besteht, wie es das pommersche und das 
Treiienbrietzener vermuthen lassen (Abb. 5 u. (5), Liinge 28, Breite IS, 
Tiet'e 13 em. Ein sehwerer Ilohlschlussel greift hier in den ebenfall> 
weit hervorstehendeu Dorn ein, um (lurch Drehung eine dein Riegel 
angenietete Ileminung vor- oder ruekwarts zu schieben, also den 
Yersehlufs zu bewerkstelligen (R in Abb. (>). Der Riegel selbst win I 
(lurch eine FederJ^i in seiner Stellung festgehalten, die durcli 
einen Baukhaken inir dem Sehlofskasten verbuuden und in ihrejii 



Abb. 1. Treuenbrietzeu. 



Abb. 2. Michendorf. 



Abb. 



Michendorf. 



unteren, von dem Schliisselbart gefafsten Ende so viel selinuiler ist, 
dafs sie dem Riegel daruber hin und her zu laufen gestattet. Eine 
zweite Feder F 2 sorgt dann fiir eine stetige Spaunuug. 

Mit Ausuahme des in Abb. 4 abgebildeteii Sehkxses vwtAmumi 




Abb. 4. Ostpreufsen. 



Abb. .">. Mark Brandenburg. 



Abb. (}. Mark Brandeubun 



in die drei entsprechende, von oben nach initen falleude Klainmcm K 
greifen und so den Riegel in .seiner Versdilufsstdhing festhalten. 
Durch einen mit drei Zalinen versehenen Schliissd Schl werdeu die 
Klaniniern in die Jlohe geruekt und dadureh der Ycrsdilufs auf- 
gehoben. Bei eiueiu andereu, vermuthlich aus ( >stpreufsen stammendeu 
Sehlofs (Abb. 4) ist der Schliissd aus starkem Eisendralit hergestellt, 
der durch einen senkrechten Sehlitz des Sehlofskasteus hindurch- 
gefuhrt wird, mit seinen beiden Enden in die dazu bestunmten 
Locher der Klammern greift und durch Aufheben der Klaiunicrn 
den Verschlufs freigiebt. Voraussetzung bei diesem 24 cm langen. 
18 cm breiten und 8 em dieken Sehlofs ist, dafs uattirlieh audi die 
zugehorige Bohleuthiir einen entsprechenden Ilohlraum enthaltcii 
niufs. Bei beiden Constructionen ist es nur moglieh, die Thiir von 
der Innenseite aus zu sehliefsen liezw. zu ofYnen, obwohl die ost- 
preufsische Form es durch einen Dop])(^lhaken uahelegt, audi von 
aufsen her einzuwirken. Es werden sieli zweifelsohne noeh Schlosser 
linden, die auf dieser Eutwieklungsstufe stehen. — Kine dritte Form 



die anderen der stalwarts von Potsdam gelegenen, von Flaming naeli 
Saehseu abgegrenzten (iegend, deren Bevolkeruug due starke Schicht 
wendisehen N'olksthums einschliefst. Da diese Schlosser auoh in den 
beiden Lausitzen vorkommen und anderseits in reindeutscheii (ie- 
bieten in. AV. nieht zu finden sind, so liegt der Sehlufs nahe, dafs 
sie eiue alte slavisehe Ueberlieterung bewahren. An alteren deutseh<Mi 
Bauernhausern, bei deuen ja hiiutig die Mausthiir in eine oberc und 
uutere Hiilfte getrennt ist, wird der Tagesversehlufs durch einen 
h()lzernen, von aufsen zugangliehen llebel bewirkt, wahreud eiue 
festere Behinderung durch einen innen angebrachten, mit der Hand 
zu hewegenden Querriegel erzielt wird. Aus zweifellos kaufiiiannisehen 
Beziehungen ist dann fiir das stadtische Jlaus zuniiehst das aus dein 
Siiden zu uns gelangte A'orliiing<^sehlofs bevorzugt worden, das indessen 
stets mit eiueni sehweren, hiiutig (he gauze Thiir durehlaufenden 
Riegel verbuuden war. In dieser Art sind inir die Yerschlusse aus 
Nordafriea, Sicilien, Interitalien, Spanien, Siidfrankreieh und — zu- 
uaehst iiberrasehend — an einzdnen Hanseatenhausern Seandinavien> 



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Nr. 1. 



Die Denkmalpflege. 



in Erimierimg. Daneben Iaiitt danii die Entwicklung aus dem 
romischen Kastenschlofs, das dureh eiuzelne Fuude auf deutscheni 
Bodon seine alte Yergangenhoit bezeugt nud das priichtige Kunst- 
sehlofs der suddeutsdien Kenaissanecstadro beeinnufst hat. Jeden- 
falls ist zu wUnschen, dafs den alteu Schlosseru besondere Auf- 



nierksanikeit gesehenkt werde; vielloicht erweist sieh dauu die Yer- 
niuthung, die oben abgebildeten Yerschlusse scien slavisdier Herkunft, 
als riohtiir. uud damit wiirdo audi ilir Zusammenhang niit dem llolz- 
bau ini allgemeiuen nnd nieht fur deu bosondereu Fall hestiitigt. 

Robert Mielke. 



Die Wenzelskirehe und der Marktplatz in Nauiuburg a. d. Saale. 



Abb. 1. Marktplatz in Xaumburg a. d. Saale. 

In dvn Mittheilungen, welche Basso w ini vorigen Jahrg. d. Bl., 
S. 116 iiber die Wenzelskirehe in Xauinbnrg a. d. S. geniacht hat, wird die 
merkwiirdige Aulage der Trichterdiicher kurz orwahnt nnd fur nieht 
unbedenklieh erkliirt. Uin zu verhuten, dafs bei einer etwaigen Wieder- 
herstellung der Kirehe an dem Bestande des schoneu alteu Daehes ohne 
Noth etwas geiiudert wird, niOchto ieh die Aufmerksamkeit weiterer 
Kreise auf die eigenartige Entwasserungsanlage lenken, niit. welcher 
der Erbauer des Daehes die Gefahren der Trichter so erfolgreieh l>e- 
seitigt hat, dafs seit Jahrhunderten kein ernstlieher Sehade fur die 
Kirehe entstanden ist. Wie die Abbildung 8 einer an Ort und SteJIe 



Inter ih>n von Bassow beigebrachten Zeidi- 
uiiiigeii betindet sieh audi ein Lagej>luu des 
Nauniburger Marktplatzes niit l : ingebung, 
welcher die von der Xauiuburger Stadtverwaltung 
festgestcllton neuen Bautluchten zeigt. Die alten und 
die neuen Fluditlinion sind auf der Abb. ">, Seite 117 
d. vor. Jahrg. d. Bl. trotz der Kleinheit der Wiodergabe 
deutlieh zu erkennen. Es tiudet sieh hier eins der ab- 
schreekendsten Beispiele, wie heutzutage in alten 
Stadten die sdiousteii Strafseiifiihrungen und Platz- 
anlagen zweek- und gewisseulos vordorbeu wen leu. Alle 
kiinstleriseheu Beize sind (lurch Ode, sinulose (ierade- 
niaeherei ausgemerzt, einer inechanisehen Begehnafsig- 
keit sind die nialerisehsten und sohonsten Strafsen- 
bilder geopfert. Dafs die Kruminungen uud Knieke der 
llauserlinien wohlbedaeht in teiustem kuiistlorischeu 
Yerstiindnifs angelegt sind, das ist dem I Terra Planver- 
fasser an seiiiem Reifsbrett eutgangeu. Zu einer Wr- 
breiteruug der Strafsen liegt iu dem stilleu Naunil>urg 
nieht die geringste Yeraulassung vor, trotz der Dampf- 
bahn, die dureh die Ilerrengasse — die(iasseu sind naturlich fast siiint- 
lieh in Strafsen uingetauft, — gelogt ist. Einem (irofsstadter erseheiut 
diese belebteste Strafse Xauinburgs >o todt, dafs er an (irofsenwahn 
denkt, weun ihre Yerbreiteruug gefordert wird. Aber selbst zugegeben, 
dafs hier ein Bediirfnifs vorliege, wozu werden audi auf dQ\\ grofseu 
freien Platzen, auf dem llauptinarkte und dem Topfmarkte die llauser- 
linien geradegelegt, hier liegt doeh kein Yerkehrsbedurfnifs vor. 
Man denke nur an die Folgen soldier F'luchtlinieuveranderung. Tritt 
wirklich der selteue Fall ein. dafs ein Besitzer in der llausreihe ein 
ueues Tlatis bant, so nuifs er es in die neue Flueht zuriiekrueken. 



" bC j' ) Trichtor. 

(lefff f 

bk fk kl Rinnen. 



Abb. 2. Dachaufsieht der Wenzelskirehe in Xaumburg a. d. S. 

gefertigten ITaudskizze zeigt, wird das Wasser dureh zwei ini Boden 
der Trichtor betindlieho, aus'starkeu llolzbalken ausgesehuitteue Binnen 
in das Innere des Daelibodens geleitet. dort in einem aus starken \er- 
zinkten Bohlen gefertigten, niit Metall — trailer wohl Kupfer, jetzt 
/ink — ausgesehlagenen Wasserkasteu gesammelt, von da iu emeu 
zweiten, unter dem ersten betindlidieu Kasten gleieher Bauart und 
dann Avieder inittels eiuer llolzbalkenriimo naeh einem in einer klei- 
nen Luke betiudliehen Steintrog geleitet und sehliefslieh dureh Wasser- 
speior abgefiihrt. Man sollte annehmeu, dafs dureh das Einfriereu der 
in den Triehtern belegenen Kiunen sehwere Sehaden verursaeht wer- 
den kiinnteu, erfahruugsgemals tritt alter solehes /ulrieren iih(. k rhaupt 
nieht eiu. Audi der Sehuee bringt dm Triehtern keineu Sehaden, 
weil der in der ITOhe des Daehes stets vorhandeme Luftzug stiirkere An- 
sauinilungen yerhindert. Die beigefiigte, aus der Laterne des Thunnes 
aufgenoinmene Abbildung 2 zeigt die Triehter von oben geseheu. 



x__ 

Querschnitt 

der Balken- 

rinne. 




Abb. «}. Daehentwasserungsanlage 
der Wenzelskirehe in Xaum- 
burg a. d. S. 



Da alter die moisten Hauler gediegene und wohlerhaltene sind, 
so wird der Fall eines Xeubaues sehr selteu eintreten, und dann 
ist in die llausreihe erne Lucke geris>eu, welehe dem Strafsenbilde 
hinge Jahre hindureh wahrlieh nieht zur /ierde dienr. Weshalb nur, 
fragt man sieh, soil an clem Bostehendeu geiiudert werden? 
Weil die Heifssehieue geradlinig ist? Weshalb. frage ieh weiter. b«'- 
seitigt man audi die sehouen Strafseneius[)n'inge in der Salzgasse und 
iu der Eugelgasse, jeue Platzchen, an denen einst <lie Brunneu standen? 
Sind sic audi dem Yorkohr ini Wege? Das schliinii^ste an der Sadie 
aber ist, dafs die hervorragendsten Baudenknialer Xaumburgs diesen 
neuen Fluehtliuien sehliefslieh zuut Dpfer fallen niiisseu. Kiieksielitslos 
gehen am Markt die neuen Fluehtliuien iiiter das Sehl(")fsehen. das 
gothisehe Hans nebeu der Miihlga>sc, das Aintsgerieht niit seinen zwei 
herrlieheu gewaltigen (debelu (vgl. Abb. 1) hinweg. als ob sie gar nieht 
vorhanden wiiren. Oder kennt man den Werth dies^r Bauteu nar 



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Die Denkmalpflege. 



8. Januar 1902. 



nieht? Was win I man wohl an die Stelle dieser herrlichen Ilauser 
setzen? Miethcasernen mit stimminigsvollenWiirmerlinien tie* neuesten 
Secessionsstils, oder „altdeutsche" Mauser mit diirftigeu Giebeln und 
siunlosen Thiirmchen, die ja heute nirgcuds niehr fehlen diirfen? 
Amies Naumburg, mein innigstes Heilci«l! 

Wo solehe Plane gefertigt werden, da fehlen natiirlich audi die 
famosen Freilegungswiinsehe nieht: in der That geht man damit uni, 
gelegeutlieh der Herstelhmg des Aeufseren tier Stadtkirehe — das 
lnnere ist ja leider schon verdorben — das Schlofsehen am Markte 
abzubrecheu, damit die Stadtkirehe frei stehe. Man sieht, Camillo 
Sitte hat sein Bueh fiber den Stadtebau vergeblieh geschrieben, der 



alte ITufug bliiht nach wie vor, dafs man den Bauteu den Mafsstab 
nimmt uud die Geschlossenheit der alten Pliitze venviistet. Trotzdem 
der deni Markte zugekehrte, seit langer Zeit dureh einen I'mbaii eut- 
stellte Theil des Seldofschens an sieh werthlos nnd hafslieh ist, mill's 
er zur Erhaltung des jetzigen schonen Stadtbildes unbedingt stelien 
bleihen. Will man Geld aber ansgeben, so stelle man lieber das Sehlofs- 
ehen in seiner urspriingliehen Gestalt wieder her, was bei Benutzung 
der an den 1 [inter- nnd Seiteutronten noeh vorhandeuen alten Foruien 
ohne Sehwierigkeiten ausftihrbar ist. 

Berlin, 2. Dee. 1!M)1. Richard Sehnltze (Naumburg). 



Vermischtes. 



Der Meifsner Dombauverein nabm mit alien gegen vier Stimmen 
den zweithiirmigen Entwurf des Oberbauraths Professor Schafer in 
Karlsruhe zum Ausbau der Westfront an. Mit den Bauarbeiten wird 
vermuthlich noeh in diesem Jahre begonnen. 

Im Interesse der Erhaltung des alterthiimlichen Charakters 
von Roth en burg o. d. T. wird Professor Fischer in Stuttgart, fruher 
beim Miinchener Stadtbauarate, als ktinstlerischer Beirath der Stadt 
Rothenburg wirken. 

Gefahrdong des Strafsbnrger Miinsters. Dem „Frauenbaus* 
oder der Munsterbaustiftung obliegt zufolge Consularbeschlusses vom 
:>. Frimaire XII. nur .ITnterhalt unci Ptlege des Gebaudes" (entretien 
et conservation de cet edifice), nieht auch Einrichtuug der Kirchen- 
heiznng. Gleichwohl hat der Stadtrath hierftir auch diesen Bau- 
fonds herangezogen und ihm die Haftung fiir die Heizungsanlage auf- 
eiiegt, also ihm eine bleibende Last (Denkmalpflege 1U01, S. 30) 
aufgeburdet, welche zu neun Zehnteln der Stadt deshalb obliegen 
wiirde, weil sie fiir alle Mehrkosten des Gottesdienstes der zur Zeit 
noeh im Munster untergebrachten Pfarrei (mit 9(>03 Seelen) haftet : 
auf Bisthum und Domcapitel trafen boebstens ein Zehntel. Wie in 
Preufsen (Art. 4 des AusfiihruDgsges. zum B. G.-B., Art. 5 der Verord. 
1(*». XI. 99), kann auch im Reichslande (Geigel, Kirehen- u. Stiftungsr. 
I (>9, 139) der Zweck einer Stiftung nur mit Genehmigung des Staats- 
oberhauptes geiindert oder auch nur erweitert werden. Giinz- 
lich mifslungen sind die Ausftihrungen der Rev. cath. d'Alsace (vgl. 
lilumstein u. Seyboths Urkunden des Reehts „Unser-Lieben-Fraven- 
Werk", J 900), dafs, wie etwa friiher, das Frauenhaus auch gottes- 
dienstliche Kosten noeh mitzutragen habe; denn der Stiftungs- 
zweck bemifst sich lediglich nach dem Consularbeschlusse (Archiv 
f. Kirchenrecht Bd. 6(>, S. 201). Eochstens ein nachweisbarer Renten- 
iiberschufs konnte voriibergehend fur die Miinsterbeheizungsanlage 
Verwendung linden: ein soldier LJeberschuls ist jedoch nieht vor- 
handen; denn vor zwanzig Jahren kann die Stiftung auch nieht die 
allerdringlichsten Bauten ausfiihren (D. Bauzeitung 1901, Nr. 30; 
jiingster Abgeordnetentag des Verbandes der D. Arch.- u. Ing.-Vereine); 
sie sind auf 2 1 /* Millionen Mark veranschlagt. Ungesetzlich war 
und bleibt aber das Vorgehen des Stadtraths auch schon deshalb, 
weil er nieht zugleich die Munsterbaustiftung, deren Inter- 
essen denen der Stadt widerstreiten, vertreten durfte (Endemaon, 
B. G.-B. I 345, Plank B. G.-B. I 231, Geigel 1 137, 140). So fiel es ihm 
leicht, stadtische I^asten auf die nieht genugend vertretene Baustiftuug 
abzuwiilzen: sie ist ein staatlicher Nebenfonds, weil dem Staate 
die Baulast an den Diocesangebauden obliegt, soweit nieht hierfur 
der Ertrag anderer Stiftungen ausreicht. Nur zur Zeit ist die Ver- 
waltung dieses Nebenfonds der Stadt iibertrageo: der Kaiser 
konnte jederzeit sie staatlichen Organen, einer Art Ministerialbau- 
commission (etwa unter Zuziehung von Vertretern der Stadt, des 
Domcapitels und der Miinsterpfarrei) iiberweisen. Nieht als Stadt- 
gemeinde, sondern als Stadtkreis oder r Freistadt" erlangte Strafs- 
burg bei der Capitulation l(>St die Beibehaltung der VerwaltuDg; 
selbstredend ist dies nieht ein burgerlicbes, sondern nur ein offent- 
liches Recht, das sich nach der jeweiligen Stiftungsgesetz- 
gebung bemifst. Noeh 1901, S. 25, dieser Zeitschrift glaubte man, 
dafs „das Miinstergebaude Eigenthum der politischen Gemeinde 
ist"; allein es gehort zufolge Beschlusses der Nationalversamralung 
vom 2./4. November 1789 dem Staate (Geigel I 155, 340), wiewohl 
es (J. 295, 157) concordatgemafs „fiir den Gottesdienst dem Bischof 
zur Verfiigung" gestellt wurde. Reichszuschufs ist fur den Miinster- 
bau wohl nur zu erwarten, wenn zuvor die Stadt und der Staat 
ihren Verpflichtungen geniigen und von Berlin aus die Einrichtung 
der dem Unternehmer Perret von der Stadtbehorde ubertragenen 
Miinsterheizung mit iiberhitzter Luft jedenfalls bis zur Begutaehtung 
durch die Kdnigliche Akaderaie des Bauwesens verboten wird: letztere 
begutachtete schon 1894 bezuglich Munsterbauten. 

In der Koln. Ztg. schrieb kurzlich Professor Dr. Georg Vofs, der 
Conservator der Kunstdenkmaler Thuringens, u. a.: „Wer den Be- 
richt iiber die Heizuugsanlage liest, wird sich der ernstesten Sorge 
urn die Erhaltung des Miinsters nieht erwehren konnen. Das Bau- 



werk soil mit iiberhitzter Luft nach dem in kleineren Bau- 
werken wohlbewahrten System Perret geheizt werden. Der Luft- 
strom, der zu diesem Zweck in die Riiume der Kirche hineingefiihrt 
werden soil, mufs sehr gefahrliche Staubmengen aufwirbeln. Die 
chemischen Bestandtheile des Staubes tragen nach neueren Unter- 
suchungen in wahrhaft verhangnifsvoller Weise bei zur Zerstorung 
der Oberllache des Steins, besonders bei den zierlicben gothischen 
Ornamenten. Noeh gefahrlicher fiir die Erhaltung des Steins ist der 
Rufs, den die hart neben dem Munster auf dem sudwestlichen Hofe 
geplanten sieben Feuerstellen erzeugen werden. Und wie stark wird 
der KJ'/j m hohe Fabrikschornstein, der ebenfalls dicht neben 
dem Miinster aufgebaut werden soil, die kiinstlerische llarmonie an 
dieser Stelle beeintrachtigen ! Das grofste I'nheil kann indessen die 
zu diesem Zwecke beabsichtigte Durchbrechung der alten Funda- 
mentmauern des Miinsters verursachen. Die beiden Luftcanale, 
die in die Mauern des Miinsters eingefiihrt werden sollen, haben 
einen Querschnitt von je (I qui (vgl. hierzu S. 25 vor. Jahrg. d. Bl. ;. 
Es erscheint dringend geboten, die mit der Anlage verbundenen Ge- 
fahren noeh ma Is zu erwagen. Vielleicht werden dann die Ingenieure 
auf Mittel und Wege sinuen, die eine andere Heizungsanlage moglich 
machen: eine Ileizung, bei der in nachster Nahe des Miinsters keiner- 
lei Schornsteine errichtet zu werden brauchen, eine Heizung, die 
keinen Rufs oder Staub erzeugt und bei der vor alien Dingen die 
vielhundertjahrigen Fundamentmauern des ehrwiirdigen Bauwerks 
nieht erschuttert werden." 

Iloflfentlich gelingt es bald, die miteinem anderen zweckmafsigeren 
System gegebenenfalls verbundenen Mehrkosten aufzubringen und da- 
durch das 1870 uns wiedergewonnene Nationaldenkmal unveraadert 
und ungefahrdet zu erhalten. 

Strafsburg i. E. F. Geigel, Kais. Regierungsrath a. D. 

Zum friafzigjahrigen Bestehen des German ischen Museums in 
Ntirnberg, das in diesem Jahre festlich begangen wird, hat die 
llerzogin Marie von Sachsen-Koburg und Gotha, Grofsfurstin von 
Rufsland, dem Museum als erste Jubiliiumsgabe eine Anzahl von 
Erzeugnissen der deutschen Porcellanfabriken von Meifsen, Berlin, 
Wien, Fiirstenberg, Ilbchst, Ansbach usw. zum Geschenk gemacht. 

Das schone romanische Portal der Kirche in Orbis bei Kirch- 
heimbolanden in der bayerischen Pfalz ist in barbarischer Weise be- 
schadigt worden, um der Forderung: „Kirehenthuren sollen nach aufsen 
aufscblageu" gerecht zu werden. Es ergiinzt somit leider die l&oge 
Reihe von traurigen Beispielen, die zeigen, mit welch unglaublicher 



Abb. 1. 



Abb. 2. 



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Nr. 1. 



Die Denkmalpflege. 



Rohlieit oft werth voile Bauwerke und Architekturtheile zerstort oder 
beschiidigt werden, um den Forderungen und Bedurfnissen der 
Xeuzeit angepafst zu werden. Hier hat man jedenfalls ohne eiuen 
Bausachverstiindigeu, geschweige denn Kunstverstandigcn zu fragen 
kurzer Hand einen Theil der Bogeuleibung und zwei priichtige C'a- 
pitelle fortgeschlagen, wahrscheinlich, um die alte, fruher naeh innen 
aufschlagende Thure in unveranderter Weise wieder verwenden zu' 
konnen. Abb. 1 zeigt den alten unbeschadigten und Abb. 2 den 
jetzigen Zustand des Portals. Dafs das Aufschlageii nach Aufsen bei 
Anwendung eines Blendrahmens, sei es mit oder ohne Verwendung 
der alten Thure auf andere Weise zu losen gewesen ware, ohne die 
schonen Stein metzarbeiten zu zerstoren, ist zweifellos. Dieser Fall 
beweist wiederum, welche Unkenntnifs liber den Werth von Bau- 
denkmalern herrscht, selbst wenn sie, wie das vorliegende Portal (vgl. 
Baudenkmaler der Pfalz), inventarisirt sind. Wie wenig das Bau- 
denkraal verstanden ist, beweist, dais die Schachbrettverzierung des 
iiufseren Bogens, von der ein Theil freiliegt, noch nicht vollstandig 
vom Putze befreit ist. 

Kirche in Schwarz-Rheindorf. Allen Freunden der mittelalter- 
lichen Kirchenbankunst und insbesondere samtlichen Architekten 
Deutschlands wird es eine Freude sein, zu horen, dafs, naehdem die 
langumstrittene Frage der Unterhaltungspflicht endlich eine alle 
Theile befriedigende Losung gefunden hat, die Wiederherstellung der 
ehrwurdigen Doppelkirche in Schwarz-Rheindorf gesichert und die 
Vorbereitungsarbeiten von dem Kreisbauinspector Baurath Schulze 
in Bonn in Angriff genommen sind. Die Kosten werden vom Staate, 
der Provinz und der Gemeiode zusammen getragen. Der Wieder- 
heYstellung wird ein Plan des Strafsburger Miinsterbaumeisters 
Arntz zu Grunde gelegt, den dieser im Jahre 1895 aufgestellt hat 
und der in der Ilauptsache die Genehmigung der zustandigen Mini- 
sterien fand. Die Dauptaufgabe soil in der Sicherung und Wieder- 
herstellung des arg gefahrdeten Bestandes der Kirche liegen, und mit 
aller Sorgfalt wird das kunstlerische Kleinod rheinischer Kirchenbau- 
kunst vor jeder Zuthat von Neuem geschutzt werden. Stidlich mufs 
der zur Oberkirche fiihrende Treppenaufgang ganz erneuert werden, 
ndrdlich wird der ehemalige Capellenbau entstehen, welcher dem 
Langsschiff den einst geraubten Stiitzpunkt wiedergiebt. Auf den 
Bau, der voraussichtlich vom Miinsterbaumeister Arntz in Strafsburg 
ausgefubrt wird, werden wir spater zuriickkommen. 



Aufnahme der Mefsbildanstalt in Berlin. 



Kirche in Schwarz-Rheindorf. 



In Hafsfurt 
am Main an der 
Todtencapelle. 

dicht neben der 
Rittercapelle be- 
findet sich ein 

eigenartiger 
Grabstein vom 
Jahre 1447. Die 
Haupthgur (s. d. 
Abbildung) ist 
der Erzengel 
Michael, der in 
der Linken die 
Wage an sich 
halt, in der Rech- 
ten den Kreuz- 
stabtragt. Seine 
ausgebreiteten 
Flugelbildenden 
llintergrund. In 
derSchalerechts 
von ihm belindet 
sich eine Seele, in 
der links sich in 
die llohe heben- 
den ein kleines 
Aon der Todtencapelle in Hafsfurt am Main. Teufelchen (oder 

die zu leicht be- 
fundene Seele?). Es klammert sich krampfhaft an die Schalentrager, 
als ob es die Schale herunterziehen wollte. Um die Rander dieser 
Schale fafst mit breiten Pratzen „der grofse Drache, die alte Schlange, 
die da heifset der Teufel oder Satanas" und versucht sie in seinen weit- 
geoffneten Rachen zu reifsen, seinem Diener zu Hulfe kommend. Infolge 
des Zuges bewegt sich die Wagschale scbrag nach innen; er taucht in 
Riickansicht gleichsam aus der Erde auf. Seinen grofsohrigen runden 
Kopf biegt er zuriick. Seitlich von dieser Scene unter dem Kreuz 
des Stabes betet eine weibliche knieende Gestalt, den Rosenkranz in 
den gefalteten Ilanden, und beobachtet angespannt die Schale, welche 
der Fiirst der II5lle an sich reifsen will. St. Mi- 
chael mit lockigem Haar blickt unbertihrt vom 
Streit fast traumerisch in die Weite. Der Kunst- 
ier mag ihn als unparteiischen , sich eben das Ur- 
tlieil iiberlegenden Richter gedacht haben. Sehr 
fein vertheilt sind die Massen auf diesem Aus- 
schnitt aus den Dingen des jlingsten Tages, der 
offenbar dem Bildhauer vorgeschwebt hat. Die 
zum Theil schwer zu entrathselnde Umschrift des 
uDgefiihr 1 m langen Grabsteins lese ich: r Nach • 
Crist * geburt * in * cccc * xlvii || jar * ist • ver- 
schieden * kunc * lachaner * an * sat * gall || en- 
vest * dornach * jm * xlix * versch(ied) * d(ie) || 
gute * lachanern * lieber * here * Sant * michel • 
bit * || fur ... || . . . nen ♦ und * fur * alle * mein • 
kinde || . 

St. Michael ist der Schutzpatron der Capelle. 
Dies scheint aus der Umschrift des neben diesem 
Stein in gleicher Grofse in der Wand sich be- 
findenden Denksteins hei*vorzugehen. Darauf sind 
Christus am Kreuz und Johannes und Maria dar- 
gestellt. Der Stein ist von demselben Kunstler 
wie der vorige, was auch aus der Schriftart her- 
vorgeht. Von seiner Umschrift ist zu lesen: 
Nach Crist geburt m * cccc * und * jn * dem • 
xliiii * ja || ist ♦ dis * werk * angehob * worde . . . 

(macht?) 
durch * Contze * lacha * als || s . . . zu • Sant * 
micheli. 

Anscheinend ist also ein Contz Lacha oder 
Lachaner der Schopfer beider Steine und des so- 
genannten Capellenbaues, jetzt Leichenhaus, der 
mehr Wohnhauscharakter hat. 
Konigsberg in Franken. 

Leop. Oelenheinz. 
Der Bildstock bei Steinsfnrt ist ein eigen- 
artiges Werk der „Kunst an der Strafse", das sehr 
wohl der Beachtung werth ist. Es ist fast 3 m 
hoch und stent unbeachtet am Weg von Hafs- 
furt nach Steinsfurt kurz vor letztgenanntem Ort. 
Inschrift oder Jahreszahl sind nicht zu hnden, 
doch haben wir sicher ein Werk der zweiten 



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Die Denkmalpflege. 



Jamiar 1902. 



Hiilfte des is. Jahrhunderts vor iin* ;vgl. .1. Abb.). ^ gberJert sw;h 
in Sockel, Haupttheil und Bekronung: den iin Ilalbnmd tiscliartig 
vortretenden Untertheil zieren leicl.t gcfiilirte Kanken, wel.-lie em 
Schriftfeld umrahmen. Der "Mitteltlieil mit der ei-enthchen Darstellunj? 
ist bemerkenswerth. Christ us sitzt bei dem Pliaris;ier Simon zu Ga>t. 

Maria Magda- 

lena kniet in i __ - - - I 

der Mitte vor 

Christus, iin I3e- 

griffe ihni die 

Fiifsc zu kiissen. 

lm Jlalbkreis 

ordnen sich die 

Giiste um den 

langlichen, spei- 

senbesetzten 
'tfsch, der von 
sehr erhohtem 
Standpunkt auf- 
gefafst i«t. Man 
sollte fast ruei- 
nen, die Figu- 
rengruppe sei 

ursprunglicb 
ohne den bohen 
Sockeltbeil ge- 
riacht gewesen, 
denn es ist kaum 

anzunehmen, 
dais derselbe 
Kiln stler, der den 
feinen, leichten 
Faltenwurf der 
Gewander und 
des Baldachins 
geschalfen, der 
die ausdruckvol- 
len Gesichter ge- 
meifselt, nicht 
audi das scliau- 
bildliche seiner 
Kunst ganz be- 
herrscht batte. 
Auf der Abbil- 
dung sind na- 
mentlich die 
Kopi'e des Simon 
(in der Mitte) 

S^en d Ficr^zu seiner Linken als von einer ganz hervorragenden 
Felnheitund von seltener Tiete der Auftassung zu erkennen Die 
Sen muthen uns-an, *ie ™ sie zwei Jab rbunderte tru ter 
entstanden seien, ais sich aus den Zierformen des Denkma s s^lie^eu 
UuS 5S iXnende Figur des Auibaues die Mher Tielleicht auf 
etzt fehleiidem Giebel stand, ist leider verstiimmelt ruhrt aber ent- 
lcbiede7auch V on clem unbekannten Scliopfer des Mittelstucks her. 
Sie steUte wabrscheinlieh einen lleiligen dar. Das Ganze war ur- 
sDriiivdieb bemalt, wie Reste erkennen lassen. 

1 ier Teufelsberg von Lomdin. Wieder ist ernes jener Natur- 

denkmaler zum Theil vernichtet, die durch Form und Sage zu Wan- 

Se^ L andscbaft ge.vorden sind. Der Teufeisberg bei Lomdin 

Z < iltLvelland, eine naturliebe Saiidkuppe, die sich bis zu 40 m Hohe 

iSbar ^Sder Ebene cmporhebt, tragt auf der Spitze eir i vor- 

^iSiche. Scbanzenwerk, das von der Sage , mit der Gej«hichte 

des Gescblecbts v. Bredow in Beziebung gebracht ud Das hat 

ShtSSS am ™* Theil abzutragen. um den Grund zu einer 

ot-lbllnzum kl en, obwohl es audi suost nicht an band in tier 

(Snd ehlt Der klagliche Rest, der noch ,teht, ist vielleict it audi 

sdmn fiir denAbbrueh bestimmt, ohne dais sich erne land zu 

eine' l4altung regt. Noch gehort chis Gut Lomdin der alte 

Fiinilie v Bredow, die als eine der ersten in de Mark kam, una 

d-r. "leich als eine der verbreitetsten im Ila^llande beruhmt i> t. 

S Uenge in gleichen Fallen nur einen aulscrhcben Werth «ehtr 
£Twar St, dufo wir cin Laudesgesetz zum Schutze chesei ■ el.r»«r- 
I ilcn Xatur- und Culturdenkmiiler chalteu. Robert M.elU. 



Bflcherschan. 



Has Inner.- <les Bonner Sehlosses znr /eit Clemens Augusts. 

\at-h areliivalisclien Snellen goschildort von Dr. F. Hau|.tman». 
jionii r.'Ul. Druck und Verlag von P. Hauptinann. gr. S". ^ beitcn 
mit l-» Abbildungen. Preis \.:>0 JL 

Der filanz .les von den Kolner Kurfflrsten Joseph C lemens 
'less bis 17Si) und Clemens August (li-23 bis 1761) m- ihrer Ke- 
.sidenzstadt Bonn erbauten Schlos.es war nicht von langer Dauer. 
Die innereAusstattung war noch nicht vollig beenc et als eine grolse 
Keuersbrunst im Jal.re 1777 einen betnichthchen The.1 der entstan- 
.lenen Herrlichkeit zcrstorte. In minder grofcer Pracht ^^h«- 
uestellt, wurde das S.hlofs 17!U von den Kolner Kurfiii>ten - 

lussen. Inter der franzi-siscben Herrsehatt hat es aLs Lazaieth, 
/uekerfabrik und Lyceum gedient. Jetzt ist es der Sit/ der Lime a- 
sitfit, und von seiner einstmaligeu Pracht zeugen nur noch genngc 
Spuren. Trotzdem hat die kurze Glanzzeit einen gewiiltigen E.n- 
,'lrock auf die Zeitgenossen gemaeht, und noch heute lebt die hi- 
innerung an die einst vorhandenen Schiitze seines Inneren. 

An der Hand der erhaltenen Verkaufsprotokolle, termer der Uau- 
reclinungen un.l des kurz nach dem Tode Clemens Augusts autge- 
nommenen Schlofsdnventars entwirft der Verfasser in le''end,gen 
Worten ein Bild der imieren Einrichtung des &hlos«a zur Zeit de» 
Todes Clemens August-. Der in der Pariser Nationalb.bhothek von 
Kenard entdeckte urspriingliche Grundrifs inachte es ihm moglicb, 
die Zimmer, von welchen das lnventar spricht, wiederaufzuhnden. In 
geschickter Weise fuhrt er den Leser dur.h die Hauptraume des 
Sehlosses, zunachst durch die Re|>rasentationsrauinhchkeiten daun 
durch das lVivat(,uartier des Kurliirsten, weiter durch die Schlols- 
.apelle, die Fremdengemiicher, die grolse Galerie, das Sommeraparte- 
ment und endet mit dem Theater. Im Schlufscap.tel schddert er 
die letzten Schicksale der Mobelausstattung des Sehlosses. 

Die eingehend bebandelte Arbeit llauptmanns bidet einen 
vvei-Uivollen Beitrag zur Geschichte des Sehlosses im IS. Jahrhnndert 
iudem sie uns die innere Einrichtung eines gliinzenden Beispiels or 
Augeu fuhrt, wobei die gesamte mnere Ausstattung bis in Hire 
'kleinsten Theile hinein Beriicksichtigung gefunden hat 

x ... , „ Dr. Schulz. 

Nurnberg. 

Ottava relazione dell' Uffldo reffionale per la conservarione del 

moaumentl In Lombardla a cuxa dell'Archjtetto Gae ano Moreth. 

i:rganzungsheft zum Archivio Stonco Lombardo. Mailand l.Wi. . 

100 S. mit Abb. 

Das Denkmalamt der Lombarde hat auch uber das Jahr m> 
einen offentlichen Bericht erstattet (vgl. Jahrg. 1900 d. Bl.. b. -+> 
Wenn-leich die Mehrzahl der Arbeiten sich auf die InstandseUung 
der Denkmaler beschriinkte, so verdient doch der Stand der An- 
gdegenheiten an einigen bevorzugten Denkmiilem verinerk : zu werden 
Die Vorarbeiten fttr die "eue Westfront des DoinesmMa.land haben 
bisher nicht zu einem befriedigenden Ergebnifs gefuhrt. S. Mana 
eFc grazie und die benachbartcn Klostergebaude smd zu emem 
vorlaungen Abschlusse gelangt: am Castell wir.l 1 die : der «- 
<rekehrtll Hauptfront in Angritt genommeu (Centialbl d. »«)«»• 
tm S !04). Von der Siiulenreihe vor S. Lorenzo den. bedeutendstcm 
NV^hrzeichen Mailand* aus romischer Zeit, ist die Getabr des Ab- 
•ucir^r abgewendet: dagegen fiel da, Thor der Scbmiede , emer 
,'ler weni^en Keste der an die Kiinipfe mit Kaiser Kothbart ge- 
nh.ende'n Befestigung Mailand* aus den. 12. Jahrhumdeit, der 1 m- 
"e taltun' der inneren Stadt zum Opfcr. In Pavia wur.le das Hoch- 
S des h. Augustim.s aus dem Dome nach se.nem urspriuigl.chen 
SUndort in S.Metro in cielo d'oro iibergcfiil.rt und die Wie-te- 
herstXn "dieses Bauwerks dan.it beendet. - Zum Denk.nalamte in 
MaUand "rehten gegenwiirtig unter dem Vorsitz des leitemlen Aveln- 
Sen unf Mitarbefter, samtlich otanlalU Arch.tekten dre, m M - 
hn.l einer in Mantua und einer fflr dns Verze.chn.ls der Kunst 
to knVUer termer ein Secretiir fiir die Verwaltungsgeschalte, sowie 
eh stan ger NVerkmcister in der Certosa bei Pavia. ^imn ".r- en 
2 in Deutschland zu einer gleichwerthigen Orgamsat.on d^rDenk- 
malpflege gelangen? ; [_ 



SouUkmhc v„n Frkd.,e. K ... H.-sse,.. - 1 .-Izer » S<hlos> >• 

,l..r W-sirr..,,, ,l.s Thurn.es »^"" s '^ ^^^ ,,^ stn.hbnrg.-r MOiuitcr.. - 
rilktm v..„ R.,t ..■..b.irg »:*■?■- . '"' ,7' tr„. B1 .i«cl„n Mnscun.s in Nf.rn- 
(irs.-li«-..k /n..i tu..f Z .t'j..hr. K en Be.tel.m .1. %;"'"., , lor Rirche in Orbi*. 

7^-'»™™~*^"«- ll}n T, """ ,s,, " r>: v " n Lmn,U "- " Bfu " Hr ' 

vthlOl. 

Fur die Schriftleitung verantwortlieh : Fri...lr. ^'"'J^^Vun 
Verlag .on Will.elm Ernst u. Sob,, Berlin. Drnck vou J. Kereke.. Berl.u. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
SchrifUeiter: Otto Sarrazin and Friedrich Schultze. 



IV. Jahrgang. 
Nr.2. 



Ersoheint alle 8 bia 4 Wochen. Jahrlioh 16 Bogen. — Geichaf tstelle : W. Wilhelmstr. 90. — Bezugspreit 

einschl. Abtragen, duroh Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlioh S Mark; fur das 

Ausland 8.50 Mark. Fur die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 5. Februar 
1902. 



[Alle Bechte vorbehalten.] 

Zum GedHchtniTs 

Mit Ludwig Bickell, dem der Tod am Morgen des letztvervvichenen 
•20. Octobers nach liartem Ringen die hellen Augen schlofs, ist ein 
Mann daliingegangen von so seltener und seltsamer Eigenart, dafs 
ihm voil gerecht zu werden nicht ganz Ieicht und dafs es verstand- 
lich ist, vvenn dem Lebenden diese Gerechtigkeit nicht ininier und 
iiberall zu Theil wurde. 

Wer ihm im Leben nur fluehtig 
begegnet ist, dem mag der Einsame 
aus dem schier sagenhaft gewordenen 
Hause am Kalbsthore in Marburg 
Ieicht nur als der Sonderling in der 
Erinnerung geblieben sein, fur den 
er gait, der er gewifs war und init 
dem gelegentlich etw&s schwer aus- 
zukonunen sein mochte. Auch denen, 
die ihm niiher getreten sind, ist es 
won I nicht iminer ganz Ieicht ge- 
wesen, die Sonderliehkeiten und die 
eigenwillige und eigensinnige Schroff- 
heit zu iiberwinden, welche ihn um- 
hiillten und darin er unbeirrt von 
allem, was an ihn herantrat, seinen 
Weg durch das Ixiben ging. Wem 
aber einmal der Kern seines Weseus 
sich erschlossen hatte — und das 
war durchaus nicht allzuschwer — 
den fesselte der seltene Mann mit 
trotz alledem stets gleichbleibender 
Anziehungskraft. Und als im Tode 
jene Hulle seines Tagesdaseins tiel, 
als sein Lebensgang abgeschlossen 
den Zuruckschauenden vor Augen lag 
und die ganze weite Liicke sich auf- 
that, die er zuriickliifst — da trat 
wie im Silberblicke mit einem Male 
der ganze Mann in der hohen 'Ver- 
dienstlichkeit seines selbstlosen Wir- 
kens, in seiner unerschutterlichen 
Idealitiit und in dem ganzen Reieh- 
thum seines Wissens und seiner 
Eigenart hell lienor. Da wufsten 

die, welche sein Grab umstanden, Ludwig 

dafs seine Verdieuste dauern werden, 

und dafs sein Name noch iauge und mit steigender Achtung ge- 
nannt bieiben wird — nicht blofs in seiner engeren Heimath und im 
Kreise seiner Freunde. 

Sein iiufserer Lebensgang war einfach: der eines mit den fort- 
schreitenden Jahren und der langsamen Zunahme seiner von der 
Kindheit an getragenen korpcrlichen Gebrechen mehr und mehr sich 
auf sich selbst zuriiekziehenden, seinen wissenschaftlichen Neiguugen 
ganz sich hingebenden Gelehrten. Aber sein einsames Sehaften war 
dabei, abgesehen von gelegentiichen Verstimmungen , frei von ver- 
drosseuer und verbitterter Abschhefsung. Im Gegentheil. Er war 
voll Humor und im tiefsten Grunde frohlichen Gcmuthes, das fiber 
alle Beschvvernisse und die oft genug driiekende Enge seiner aufseren 
Jjcbenslage den Sieg behielt. Trotz seiner Kranklichkeit war er von 
einer gewissen frisehen Derbheit, voll ljebenslust und voll Bedurmifs 
nach geselligem Verkehr in engem Kreise. Wie er einst in nicht selten 
bis ins Exeentrisehe iiberschaumender Jugendlust dahingebraust war, 
so blieb er noch in seinen letzten Jahren gelegentlich gern ein ver- 
gniigter Genosse der studentisehen Freuden des jungen Nachwuchses 
der einst von ihm mitgegriindeten Marburger Burschenschaft Arminia. 
Welch feiner Fiihrer des Gespriiches konnte er sein in vertrautcm 
Kreise! (ieistvoll, witzig, uberrascheud durch die Fiille seines Wissens 
und die Sch5rfe seines Urtheils, oft wohl von drastischer Derbheit, 
mit scharfem Spotte und aufbrausender Heftigkeit Ieicht verletzend 
und doch schnell wieder ein gemiithvoller Plauderer. 

Aus einer angesehenen kurhessischen Beamtejnfamilie hervorge- 
gangen, war der in Marburg am 13. September 1838 Geborene als einziges 



Ludwig Bickells. 

yon zahlreichen Kindern den Eltern geblieben. Seine Jugend liel in die 
Zeit der miichtigen Nachwirkungen der Romantik mit ihrem idealen 
Schwunge und der Fluent aus der klaglichen Gegenwart in die ver- 
klarten Getilde der Vergangenheit, in die Zeit der Bluthe der (leschichts- 
wissenschaft und der Geburt unserer vaterlandischen Kunst^eschichte. 

Diese Jugendeindriicke und Anregun- 
gen sind mitentscheidend fiir die 
geistige Richtung Bickells gewordeu, 
der, fiir die Laufbabn des Vaters 
bestimmt, 1860 die Universitat seiner 
A r aterstadt, dann die von Leipzig be- 
zog und 1864, dem Todesjahre des 
Vaters, als Referendar in den \*er- 
waltungsdienst seines Heimath landes 
eintrat. Aber sein selbstandig ge- 
richteter, in seine besonderen, ab- 
seits gelegenen Studien sich ganz ver- 
tiefender Sinn konnte an der Tliatig- 
keit in dem festen Gefiige der Ver- 
waltung die gewiinschte Befriedigung 
nicht linden. So verliefs er den 
Dienst schon 1867, und bald tiel ihm 
mit dem Tode der Mutter ein Erbe 
zu, das ausreichend schien, dem 
Anspruclisiosen ein gesichertes Da- 
sein fiir die ihm scheinbar nur be- 
schiedene kurze Ijebensdauer zu 
gewahren, urn ganz seinen Studien 
zu leben. 

Auf sie einen festen l^ebens- 
lauf zu griinden, daran hat er, un- 
geachtet einiger Versuche, wahreud 
der nachsten Jahre im Bibliotheks- 
oder Archivdienste eine Anstellung 
zu erlangen, wohl niemals ernst- 
Iich gedacht, und auch spiiter hat 
die oft kummerliche Beschrankt- 
heit seiner Verhiiltnisse ihn nicht 
bewegen konnen, einem solchen 
seine wissenschafthchen Neigungen 
in etwas zum Opfer zu bringen, 
Bickell, in denen sein Leben aufging 

und die in den Rahmen einer 
genau umschriebenen Berutsthatigkeit sich kaum einfiigen Uefsen. 
Still fiir sich zu arbeiten und zu forschen, ohne sonst etwas fiir sich 
zu erstreben, war ihm Lebensbediirfnifs und Lebensiuhalt, und es 
fehlte seinem grtiblerischen Geiste dabei Productivity t, die ihm viel- 
leicht eine ausgiebigere A'erwerthung seines umfassenden Wissens zu 
wissenschaftlichen Werken gestattet hatte. Mit billiger Ware aber 
sich auf den Markt zu setzen, dazu hiitte ihn nichts bewegen konnen: 
Populiire Sch rifts tellerei war ihm bei seiner ernsten, ganz von seiner 
Sache erfiillten und immer nach der Tiefe gerichteten Sinnesweise 
im Innersten zuwider, wie alles Dilettantenthum. 

Schon den Knaben hatte eine »tiefwurzelnde Neigung zum 
^Basteln** weit iiber blofs spielende Beschaftigung hinaus gefulirt. 
Sie wuchs sich, durch physicalische, chemische und technische 
Studien befordert, wie sie in kurhessischer Zeit den dem Ver- 
wattungsdienste sich Widmenden vorgeschrieben waren, zu frucht- 
barster, praktischer Yertiefung in alle die verschiedenen kunst- 
technischen und kunstgewerblichen Fragen aus, auf welche seine 
Studien ihn fiihrten. In eigener, nachschaffender Thatigkeit sich 
das voile \erstiindnifs des alteu handwerklichen Kunstschatfens 
zu erarbeiten, war die besondere Eigenart seiner Forschungsweise. 
Mit zaher Beharrlichkeit, unerinudlieh in der ruhelosen Arbeit ein- 
samer Tage und langer, oft gauzer Niichte, drang er so auf vor 
ihm kaum in einzelnen Gebieten und niemals von irgend wem in 
gleich umfassender Weise b(^gangenen Bahnen in die Praxis des 
ganzen vielverzweigten llandwerksbetricbes der alten Zeit ein. Mit 
Spiirsinn, Scharfblick und praktischer Begabung von einziger Viel- 



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10 



Die Denkmalpflege. 



Ft-».niar WA. 



**-'*./**'* 't i-i^r .**>* , *»>'-**• <-r >'* 4 * *-i i*-r-* ' *. *-"* -:-•** u O- .*-^^-:; 

^Hy>»%^^ <;*-f *,♦<-;, W'AIJ* v*rl»j:j">VT Z*J e?V*; V-'j . n*-*J Z'j 

•*-\ta?*'U n\s K anz\i w".\o«-n. 1 :,'* ** ^wa^n «-r in *i*T Tnat- »> r vid- 
1< ,dit »j,"j.',i:,'j >" a>/W j?';jj- e>je Ki;z*;dit o,vl due!i U*rf<ert.^:k «•—. 
*/<-^ j : i »> -n K v ', *t ~r » ,,% rJ »"* - < l"T \ ' *rzd t \"H •+'. v 'i I ' r* l f^ :, z^x * i w zu 
O'-u %<*7P*'M A'^.i* if'rr/i ')"f \'<.il>k'J. , i»*. '1>- J_'»dj i?j *d;,e J j^.'jdzd? 

\i:u<A,rv/*"M, Y,r~*h'>:^.>:U war <!i" tuA<:\..*w n'v her*e'it. wie *-r den 
Z»'H y*\* j r \ <>rn< U**r:/ u,vi )<*)«% (fnt'ti**- zn <--rk":iii«fi uvl oi*- 'ft 
ris f U*'\Uxii''U ^pufn *d,v,— (j*-hni'fiff- au* ibren l'r-ad>-:i zu 
iti'jjti-jj M-ruttpflr*'. *i" *r Jj.it *Wt Z,*m*\f*iwi <i*-r >v*ffe Be^- hdd 
v. ij,V>-. wi" "r o;*- lji*~l<'U'ji±z y^U'T Yhr\n au- dem Material. *i*ruj 

a*/Z^i"it>n \<-r*Ta/j'l - - M'i <- 9 , «laf» «t 'l^ri eon-truetiv<-!i Ab-idjTen 
<i'T \fanui*'\*x*'r und '/Ainiu*?r\*'uUi ua*:\t'/m'j. oder vd:.metz und 
hdjrdii«*r. >A\\\*r**4'T. Kb*tu- und Gold-dm/i'-d- Gid-^r. T<-pfer. Jy-*i*-r- 
arbdter. Buehbind'-r und Budjdrueker. Far»^-r. Maler und \Vel.**r 
l#ei ihrer Arbdt ^I'T die Fran l/ei ibr'-u liau-iide-n B*— -h a fr i^j rjir*-ij 
l/W/badit/'te. <p*it<r audi <Jaf* er KnNtdjunif. <»<-braudj uud Ton- 
vtirfcuu? alter Mu-ikin-truin"nt*; fetudirte, Und dabd be^ebafturt^u 
iliu au« h wrwiekelt* Aufza^ri nnd Hi'- Kortsr.-ljritt^ <|r-r ui<*brm*'h 
TwUuik. N-jii \r*'*;U*?'i*U'h*ir Hau^ratli. ^rin Jlari<lw*:rks:<-raTh. .^i/i<- 
|*liot///raj#lii^li<'ii Apj/arat^. <li/* wohl'iur<'h^la<liU-ij Kijirichturj^-ii 
M'ifi'"» I^U#rat/inuiii<». «Ji<; »uinrw'h<: (j)i&t ruction <\*-r Daii*rH>rarj'i- 
</J«fij in *4\wr Wolifjufj^ uwl *'\wn Harmonium-: *.-iii jranz'fs jfotlii^li 
♦itijj^irt*'^ Zifiiinvr luit 'l'Hfc\uu%. A iiist ricfh iV.'iualuri^ ^vblo-^rn un«l 
lfa»*'\i\nu*'U nn'l <l<-r zi'-rlkli'-n >tan*JuJir auf IIwah Convil — aJJ»** 
%^ar j^roMi'ijUi'MU **"imr fiafj<iV <i'/ii<r Ar^it r>-l#-r «I«/*;h naHi ^ifj'-n 
Au'/aii<rn unti'r ^-iwr MitartVfit ^nthtand^n. Man^h^n tr'-H'hi<kU-n 
und zwi*:kiusifo'wm Kntwurf zu Mol^ln uu<l G#'raTli«rij. iuan»h'' 
vliou" />'i<lmun'/ zu Hu':ti"ifjhaii<J"fj. Zi^rtit'rln «Klr*r Gol«JjM-liuii<*<l«f- 
arh'-tt hat <*r ^'^liaff'-it. ohwolil auch lii<?H>'i «li^- N^ijnjug un*l Be- 
fnlii'/nn'/ zu nu^'/whiwriT Betliati^uriji liiut^r m-jwiji wisvriiH'ljaft- 
litfrh^ii >tr«'h<'ii zurO<ktrat. 

\V#;r Mfiij<- Minw&rlniiU'Uni WhwU* init d<?u «'liarakt/'ri->tLvIi*'ij 
Merkmaleri 'l«-4 Nf<*<liariikerH »ali, rU-r wnfste bofort. Hafn ihr Iif>itz^r 
iiidit in U'V-UUt J5<;rliattgiiijf£ einer Han*Jf<*rti^kf'it goJ^ntlJ<h«n 
'faitxertrrib hwUtf, uu*\ <*h b<;<lurftif ^lion <;in<.*4 Blicke« in <lai* feim-. 
iUw:U%t'\*t\t£V'. \on laii'/'-ni Haar umwallt'' un<l Hem stattliclieu «?ilber- 
Itrnwu Hurt*' <*inj<eraliiiit<» (ir'nirlit, an« <1<-iii <lie Jiellen Angen anf- 
jii<rk^ani mnl M-liarf, hewt^lirh nnd freundlich unter hii^'lii^i'ii 
Bramn iK'rvorbaln'ii, urn nidi 'laran zu erinnem, dafs <la«* die Hiinde 
I'ine^ von liodiHtwu t<ewti^<fij Ixrhen eH'uliteu Forschcrs waren. Denn 
mo<:ht<' ihn hiehhah^n'i nnd Oewohnlieit dab<*i auch weit fi'ihreu, 
Bi<k'll \««rlor Hj«*h in Kolrln-r KleinaH>eit nidit. Si« war ilmi nnr d«r 
\V«"/ zijiii Wr^tandnif^ audi d<*r li«W # lwt«»ii I>*i^tungeu d<»r Kun-»t. Mit 
M*in«T prakti^rlii'ii f j<*vlji<?klidikdt, .vinein ruliclohen WL^s'-n^lran^. 
M'iner \Vr«taud<*?s'>diarfe und winein auf^erordentliclien Fonnen- 
p-dn'rhtiiir^ vrlmnd <*r <*inen aii»^e[>ra^t4iii gesdj'n'htlit-Iien Sinn und 
eim? AtJ^diauiJiiK \on iiituiti\er Kraft, die ihn allcs kun^tleriselie 
SeliafT«*n «t<'tn amli iin /iirtaininenlian^e der ^encbiditlidien Vor- 
f/arii(e nnd Xii*tiifid<', der all^eineinen ^isti^n uud jr«»»«ll«eliaftlidieii 
B*'din^un}/en in leb«*n.svoller Bildlidikdt M*ben liefKeu, und poe^i**- 
v»ll«' Kui|)biii«/li< # bkeit erHdilnfH ilmi di<* li<"M*li^t«* Sclionbdt der Kunst, 
wie ibre InMinlidi^u |{i»ize. Mit duer riilirend<»u Freude und Liebe 
iiiimfiaiiub* nein Blirk zu^l«'i*li alI'*H (irofsi* uud Kleine und docli 
iinjfetriibt flir die r'n'btijre \\'urdij<uu« jed«*.s einzebuMi. 

Von der fjendiidite den Orj<<'|baii(*s, die ihn bi«* in >eine 
letzten Tnjje be^ebiifti^t hat. aiin^ebend, unternahm <*r in den 

ernten .hihreli he'me.H t'n'ien StlldienlebeilH eillijre ^n')JV?re Ueiseu ill 

die Niederlande, naelj England uud Frankreieh. N'ori dort braehte 
er zu«l<'i('h die groutfe Bereidiemn^ seiui-n WisMfns auf alien (je- 
bieteu mittelalterlieher und neuerer Kuustardiiiolo^ie und den freilirli 
ernt spiiter der N'erwirklidiuiix zii^efiihrteii (iedanken mit heim, audi 
f(ir neine en^ere lleiniath <;ine iihulidie Sauunlun^ zu be«;runden, 
wie er Hie in den reiehen lmij[)t^tiidt!»di(m Mittelpunkten de»s Aus- 
lande.H ^eHebcu, wie er Hie in dein krat'ti^ sicli entwiekelnden (Jer- 
inaiiim^hen MuMeuiu und in deni Munchener Nationahnuseuin audi 
in DeutHehland fund. Uewifs war der dabei ihu leitemle (iesiehts- 
punkt riehti^, dafn in jenen Krofnen Saninilun^en die landsehaftliehe 
Kif/eiiiirt einen (iebieU>s nidit auHreieheml {<ewahrt werde, dafs das 
f/eMumte lamlsdiaftlidie Sornlerhrhaft'en in einer Saininlun^ kleineren 
I infanj;eM mO^lieliHt volKtandi^, ziiKleidi aber audi in neiner Aus- 
HeJiliefHlidikeit (il>er8diaut werden inusse. Ileute ist diener (rrundnatz 
zieinli(>h all^Miieiu an^enomnien. 

Lan^e fant ohm? jede IJnterstutzun^ uud mit ^rofsen person- 
liebni ()j>fern hat Biekell seine Saiiiiiiluii^ be^onnen mit der {zanzen 
uuverdrortsenen Beharrlidikeit, die er besafs, zuerst in seiuem Ilause, 
bin rtie endlidi, in dan IOix«;nthum <les liessisdieu (iesdiichtsvereiiiN 
(iberi/e^an^eu, in einitfen Haumeu des Sdilosses in Marburg eiue 
allerdin^H iineh nieht eud^Olti^o I'libTkuiiftsNtiitb* ^efuudeu hat. 



A. ;. D.re a;^-- :;.- A 

jiitJir i--r\'^rir:ii k :^*-:*. * 
v*iid^ Kri^kJ:- :^:-:* z-l- .. 



* iii:rt/-- a *■ »-r & • < 



hi- 



»i-!i-r»- 



>.*.-.?. \\it \*>rh c^^r i-t «^!ir ^r •'*- 

ui.^:!j-:l' 1 ar^en. <i «:h uer^'i- • ft » 1 
Au^*- '^ii\ ul«i ii *-:i_~:ii a^f -' 
rrh *--i 



i*a'*rrw*:rTh *--.'-" a Tid •;*jr«-b- i i«-Jrr* c -n I^r-i- - 
vriiieiii **]^'jr»::*ii urjd in un^nii*^ :.: h^r B*-*ri*-t*«sAj i ik rf -it D'*rfj itj _ 
b*rriieb*r Fi/izei»* i '*-k*- uj.«i ^t^ttj. -ij-. ldiiTd«n»r F—t-'-rn a*i^ *!-' 



i*^ (,*-w,-r* f,-;;-^- <-!*-r a^u «'uiiJir- ui:«i kun>T^:*r— -hi- *- 
zii-anjiji*-r.z j»'ri'*i:»-n * jM*-. FieLidj »^ij * : -r a 

»»'-:;j*- A'jfjjj'-rk^aiijkdt z-jj* wandl bat <jii«! ~i~ z 

h*- w.u*T w..)ii md-t <aiiizii«-h v**it * --. 



lich'rnj Werh 

O'-.'^iL-taii'k-n 

samindii <j«rii Mu T ii fai, 

>ainjiiiuiii;»-a a'i^L'*-— Ik"— *rn w^ri'-n. wenn *f* ni- IiT **.*?n l»-^*Ei«i-r* 

Zier-tucke -ind: i< h ijj-iu*.- 'znnz*- Ba'j'bdle aajn^iiTii<-h v* *n H-«j- 

bauten, ^tf*ru si«* nnr intend »-in fonnai*-* «**i^r c<»ii-n-u»-tiv*^ IriT^-r*-— 

lAften- in d-r riehtLi'-u FrkennTuii"^. .la/* die Z*-it ld«:er nid.T ^ar - 

f*-rn i»t. wo \id>-i«dit nur u***\i \v«'*iij«* r»-l»rH'ldi»^*-i ihre> *ie^«-)jl*-« fc bi»- 

unverfalvht eriiaiten *»-in wer«i*-n. 

Biekej] Ut -tn»t ni'ht ^*rad" vid .L^r^iht und hat audi »*iir*-i:Tii« ' 
aicht vi«ri aufvr «^iu«-iu lle^**.*iilande ^-s^tern. al^r «la ^eia ^ b«*-'. 
auf dein m» her«n und f^u-n lirujidr der friih 5-h«»n era '* +Tt**ru+ _ 
genaue^t^'ij Kenntnif* »'ine^ lie'«ieTe*. die-*.-* ^*ine> Heiuiathlau«i*— ul« 
•^•iner jirakti^-heu >»nd»r>tudien ruhte. uud weil ein uu^wofn- 
liehe^s 0«-«laehTiiif's ihm zu Iluifn kaui. -** sind seine ReL-^n for if... 
bU in ^-in Ait^r d^*u**i fnn-htbar ir»'i»li« j l»en. wie ?^uie in jutu:»rr»-: 
Jahren auf ^-in gauze* weit^hi«liTiL^-» For^-hunir^ebiet aus^^i^-hii^ 
J>;walti^iifi^ der Fachhteratur. rv-ineni lbiiuathlande tadT ail v-he 
ForscJierarb*-it. mit eim-r ruhn-mb-n. fast kindlielieu Anbansrliehk^i- 
hat er «*» all s*-in J>d«-n lansr unifaM und d«M-h ohne ein*eitii:e V«*r- 
ein^euoinnienheit. 

An^eresft dunh di«* er>t*-ii \"«*rMi«-he ein»*r Wrzeirlmum: d*r 
Kun^tdenkmid'-r. wi#- >i»- I^otz. spater v. I>ehn-Kothfel*er sera«Je \**: t 
lle>vn an* uuteniahinem AHn-iten. an deuen auch er vhon dni^ii 
Antheil hatte. hat Biekell friiher als irgend jemand den <ie-«lankvL 
jjefaM. ein JJenkmalerarehiv in Bildern fur sein Heiinathland zi. 
M-liatfeii und friih aueh die Photo^raphie aU «i:t- werthvoll^te uu«i 
zuverla*siii*te Mittel zur liewaltiguiiir einer >oleheu Aufgafo* erkannt. 
So maelite er ->ieh ^-lion zu dner Zeit mit ihr vertrant. als ->ie nocb 
uirKendrs die Sdiwell<* der Werk^tatt der Benifsphotographen nm^t 
iibervhritten hatte. In lauiren Jahreu ent>tand >eine <n*ofse. fremVlj 
infol'^e iiuf^rer lleiumnUse vielfaeh liiekenhaft ^ebliel>ene >ainmluin' 
von ihm auf^eiioiniiieuer Negative au> Iie>sen. ein ko>tbarer N-harz 
der vieles was nieht inehr <la i*t. vieles was veriiudert wur<i-. h 
ur^priiujrlieher (Je>talt in 1 Bilde bewalirt. 

K* i>t vielfaeh bekla^ worden. dafs Biekell nieht uielir ^ ^ 
M'inem Wissen in Werken nieder^'leirt. dafs die ineisten ri«.»r h'tem- 
ri>eheii Blane. mit d<.*rieu er >ieh fort und fort trug, nieht o^ler nur 
unvoll-tiiudiji zur A u?>fii lining jielan^rt sind. und dafs das Be>te .seine- 
Widens mit ihm zu (irabe uegamieu ist. Das i-t irewifs riehtiir. wie e> 
aueh bekia^euswertli bleibt. dafs sieh zu spiit fur ihn mit dein Auite 
einrs Conservators der Denkmaler im Keinemnjisltezirk (a»d ein 
Wirkungskreis erotTnete. fur den er vorbereitet und benifeu war wie 
kauin ein anderer: aber aueh so bleibt. was er in die>ein nodi gdeistet 
wie der (jehalt seiner Sdirifteu sehr '/rofs. Denn alles, was er *re- 
sehart'en hat, ist von vollkommener Gedie^'iiheit und die knappen 
Texte oder \'orreden zu seinen Bilderwerken . wie seine FAnzel- 
sehrifteu und gelegentlich verott'entliehteu Aufsatze euthalten ein** 
solehe Fiille von Krgebuissen, dafs sie eine gute Mas>e des Iaml- 
lautigeu Mittelj^utes aufwietren. mit dejn das kunstwissensehaftliefo' 
Sehriftthum iibersehwenunt wird. Und wenn oben gesagt wurtle. 
dafs es ihm an Produetivitat gebraeh, so war niehts desto weni^r 
seine «»ehriftstellerisehe Begabung nieht gering. Seine Schreibweis^ 
ist kuapp und klar, sein Ausdruek von treftender Sieherheit, seine 
Sehilderung einfaeh und streug saehlieh, ohne Phras« j und doeb von 
<'iner ungesuehten Aumuth und lebendigen Ansehauliehkeit, durch- 
setzt mit feineu geistvollen Beobaehtungen und Yergleiehen. s>odaf> 
seine Schriften neben ihrem reiehen Ciehalt auch genufsreieh zu lesen 
sind. Die wichtigsten sind die ausgezeiehnete Darlegung der Bau- 
gesehiehte der S. Elisabeth kirche hi Marburg in der Gelegenheitssehrift 
zur seehsten Siieularfeier ihrer Einweihung 18K8; daun <las Bilder- 
werk: ^Die hcssisehen llolzbauten" 1887 bis 1892, dessen Text nieht 
ersdiienen ist, desseu Eiuleituug aber auf wenigen Seiten ausgezeieh- 
nete Darlegungeu liber die Entstehung des mittelalterliehen Ilolz- 
baues aus der altgernianisehen Bauweise enthalt. 188H ersehieu die 
sehone Sehrift fiber die Eiscnhutten des Klosters llaina und den 
Formschneider Philipp Soldan; 181)2 das grofse Bildtafelwerk : „Budi- 
eiubande aus hessisehen Bibliotlieken** (audi in englischer Bearbeituug) 
beide mit vortretf lichem dein Technischen und Kiinstlerisehen gleidi- 
iniifsig in vollkommeuer ^eise gereeht werdenden Texte. Ein Cabinet- 
stuck ist der in der Hevue de fart ehretien in deiusdben Jahre er- 



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Nr. 2. 



Die Denkmalpflege. 



11 



sehhvuene Autsatz: J/eglise et hi ehasse de Sainte Elisabeth ii Mar- 
bourg;, gleich hervorragend (lurch die unisiehtige Verwerthung der 
urkumliiehen l T eberlieferung, die fruchtbare Zusammenstellung mit 
<len verwaudten Werken, die teehnische Analyse und die iisthe- 
tisehe 'Wiirdigung dieser Meisterleistuug mittelalterlicher Gold- 
seluni&dekunst. Seiu letztes Werk sind die 1901 herausgekommenen 
Bau- mid Kunstdenkinaler des Kreises Gelnhausen, der erste Band 
ties grofsangelegten Kunstdenkinaler- \n ven tars fur das ehcnialige 
Kurhesseu, dein er, abweichend von den sonst ersehienenen ahn- 
licheii Werken, die Gestalt eines grofseii Bilderatlas, eines Denkmaler- 
arrhivs in Bildern mit einem ausgezeiehneten Tex to gegeben hat 
(\^L S. 4.">, .Tahrg. 1JMM 

»1. HI.). Es ware nur zu 

wunschen, dais ahu- 
liche Unternehmen 

a ueli fur das ubrige 

Deutschland den iib- 

lichen Donkmaler\er- 

zeiehnissen zur Seite 

triiten. Aus den riistig 

geforderten Vorarhei- 

ten fur den zwciten 

Baud , welrher iUm 

Kre»is Fritzlar unifas- 

seu sollte, hat Biekell, 

der im Uebereifer sei- 
ner Gesundheit nicht 

genugend Rechnung 

getragen, der Tod 

hiuweggenouimen. Er 

ist ungern gestorhen, 

und der Gedanke an 

den Tod ist ihm stets 

ein triiber und uner- 

freulicher gewesen. Er 

lung am J^ben, weil 

er an seiner Arbeit 

I ling, und er gehorte 

zu den Meusehen. 

denen jeder Tag und 

<las ganze Leben zu 

kurz wird, denen es 

aber dcshalb auch zu- 

nieist versagt ist, die reiehe Saat ihrer Arbeit zu volleui Frueht- 

ertrage zu bringeu. 

In hoheni Mafse anregend hat Biekell im Verkehr mit gleich- 

gestiinmten Kunstlern, Architekten uud Gelehrten gewirkt, von denen 



Abb. 1. Ansicht von Stidosten. 
Die St. Jakobi-Kirche in Stettin und ihre Wiederherstellung, 



nicht leicht einer, der ihm eininal naher getretcn war, an seinem Hause 
\oriiberging, dessen Inneres reeht das Urhild fiir Fausts Studirzimmer 
hatte sein konnen. Oft von weither kanien sie, iibcr irgend eine 
schwierige Frage einen Hath zu holeu oder audi nur, inn einen 
genufsrcichen Abend in seiner Gesellschaft zu ver|)laudern. Das 
waren dann die sehonen Feierstunden seines sehlicliten J)aseins, 
wenn er da in lebhafteni Gedankenaustausch sieh ergehen konnte, 
und in der Achtung, die ihm so zu Theil wan J, land er, -der aufser- 
liehe Anerkenuuug nie erstrebt hat, den freudig genossenen Lohn 
fur sein anspruchsloses AVirken. So war es auch ein holier Freudentag 
gewesen, als ihm die philosophisehe Facultnt der I'niversitat Marburg 

am 30. Januar 18JJ2 
in Anerkennung sei- 
ner Verdienste mil die 
Erforschu ng der Vorzeit 
1 lessens die AViirde als 
Ehrendoctor verlieh. 

Auch a uf den 
sehlicliten Mann wufste 
Biekell oft glueklich 
dureh den kernigeu 
Humor seiner Rede 
zu wirken, in weiteu 
Ivreiseu seines llei- 
l natulan des war er 
ein nicht unbekannter 
Mann, und es hat 
nicht an Aeul'serungen 
herzlicher Theilnahme 
gefehlt, die sein Tod 
weithin erweckte. An 
seinem Grabe versam- 
melten sieh tief be- 
wegt mit der jungcn 
i mrsehensehaft Vertre- 
ter der Provinz und 
des hessischen Ge- 
sehichtsvereins, Ge- 
lehrte und Freunde, 
auch einfache Manner 
seiner Vaterstadt — 
alles was in Treuen an 
ihm hing und in der 
Liche zu der Sadie, die er vertrat, sieh mit ihm eins wufste. 

Moge sein Geist fortwirken in denen, die berufen sein werden, 
seine Arbeit aufzunehmen und fortzufiihren! 

Marburg a. d. Lahn. Dr. Thornier. 



Die St. Jakobi-Kirche in Stettin und ihre Wiederherstellung. 



Am gestrigen Tage hat 
die K irchengei n einde vou 
St. .lakobi in Stettin nach 
neunjahriger Bauzeit die 



Vollendung der Wiedcrher- 
stellung ihres Gotteshauses 
in feierhcher Weise began- 
gen. Die Bedeutuug des 
grofsten Kirehenbaues der 
j)ommerschen Ilauptstadt 
wird es reehtfertigen, wenn gelegentlich dieses festlichen Vorganges 
auch in den Spalten der .Denkmalpflege- Kechenschaft abgelegt wird 



Abb. 2. Fruherer Zustand. 



liber die baulichen Mafsnahmen, welehe in der Absicht getrotfen worden 
sind, dem lange vernachlassigten Bauwerke eine seiner KOOjahrigen, 
schieksalsreiehen Yergaugonheit wiirdige Gestalt wiederzugeben. 

Auf der Stelle, wo heute die Jakobikirche als machtiges Walir- 

zeichen Stettins 
fiber das Jlauser- 
meer der Stadt 
emporragt (Abb. 1), 
stand eiust ein 
kleines Kirchenge- 
biiude, welches dem 
aus Bamberg nach 
Stettin iibergesie- 
delten Burger Be- 
ringer seine Ent- 

stehung ver- 
dankte. 5 *) Von <lie- 
sem im Jahre 1187 
gegriiudeten Ge- 
bfiude ist nicht der 
geringste nacliweis- 
l>are Rest erhalten 
geblielien. Die Au- 
iange des auf uns gekommenen Bauwerkes fallen in das Ende des 

*) Diese und die folgenden geschichtlichen Xachrichten sind in 
der Hauptsaehe aus Lemcke, Festvortrag bei der 7(K)jiihrigen Jubel- 
feier der Jakobikirche (Stettin 18S7. llessenland) und aus Lutsch, 
Mittelalterliche Backst^inbauten Mittelpommerus (Berlin 1JSH0. W. Ernst 
u. Sohn. Sondenlruck aus <ler Zeitschrift fiir Jiauwesen) geschopft. 
Soweit sie von diesen Quellen abweichen, sind sie das Ergebuifs der 
beim Wiederherstelluugsbau gemaditeu Beobachtungen. 



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12 



Die Denkmalpflege. 



5. Februar 1902. 



13. oder in die ersten Jahre des 14. Jahrhunden.-*. und zwar L>t es der 
Unterbau der ehemals zweithiirmig geplanten West>eite. der bis in 
jene friihgothische Zeit hinaufreicht. Die Hauprtheile der ursprunghVh 

augenscheinlidi basilieal angelegten Kirche eutstammen dem Ende de> 

14. Jahrhunderts: in den Jahren 1402, 1403 und 140* ist wiederholt 
von ihrem _nyen kore- und dessen . 

Ke^le. Aus deni Jahre 14.VI 'nach and< 
wird von dem Einsturze des >iidlichen Tl 
bei dem audi die alte Orgel zu Grund< 
folge dieses Ereigni>*es gab man den 
front zweithiirmig auszubauen, auf und 
tung eines Mittelthurmes fiber, der ini . 
Mei^ter Hans Boneke vollendet wurde u 
*piiter eine neue niit Kupfer gedeckte 11 
Die Abb. i u. 4 lassen die verschieden< 
Front deutlicti erkennen. Der altere 
der Xordseite erheblich hoher hinauf 
yeite; der rechteckige Schaft des Mittel 
der Blendenbehandlung nahe Verwan 
Marienkirche in Stargard. I'naufgekla 
wann die Basilica in die heutige 1 
gewandelt worden 1st. Beim l^ang] 
Siid front jetzt in ihren unteren Tlic 
Zierarchitektur, die mit den Formen 
kirche in Brandenburg gewisse Verwan 
audi auf deren Erbauer, den aus Stel 
Meister Heinrich Bnmsberg zuriickgefii 
von Strebepfeilern, die sich hinter dies* 
vorfanden, lassen letztere als spater 
scheinen und deuten wohl darauf, da 
basilicalen Anlage die Strebesysteme era] 
baut waren. Die Hallenwand fiber der Z 
tektur zeigt trockene, spatgothische Art- 
die auf eine Betheiligung des Stettiner 
Xikolaus Kraft schliefsen Iafst. Beim CI 
die Hallenanlage friiheres Gepriige. 
nahinc, dafs sie, wie die Zierarchitek 
Bninsberg lierriihre, hat manches fur i 
Wande sind in ihren unteren und 
Theilen aus einem Gusse, die Empore 
eingebaut. Audi zwischen den Arkade 
des Chores waren, wie sich bei den 
herstellungsarbeiten herausgestellt liat, 
anscheinend nicht zur Ausfiihning gek 
Einporen geplant, woraus sich die ini 
Theile quadratisdie und erst dariiber ins 
umsetzeiide Pfeilerfonn erklart. Die an r 
seite angebaute zweischifhge Capelle 
Grumlrisses Abb. 3) ist eine spatere 
Zuthat. 

Bei der Belagerung Stettins 
durdi den grofsen Kurfiirsten, die 
die damals schwedische Stadt irn 
Jahre 1077 auszulialten hattc, 
wurden erbebliche Theile der 
Kirche, insbesondere ihr ragender 
Thunnhelm, ilir Dach und ihre Ge- 
wolbe zerstort. Dadi und Gewolhe 
wurden in den Jahren darauf er- 
neuert, der Thiinn blieb ohne 
S[>itze. An Stellc seines llelmes 
erhielt er ein flaches Xothdacli, an 
dessen vier Ecken die stark ver- 
stiiininelten Begleitthurmchcn don 
kummerlichen Absdilufs des in der 
flauptsadic unversehrt gebliehe- 
nen T hurmkorpcrs bildeten (Abb. 2). 
Ini iibrigeu sind am Aeufseren 
der Kirche damals und seitdem 
wahrend der beiden letzten Jahr- 
hunderte nur die nothdiirftigsteu 
Flickarbeiteu vorgenommen worden, die vielfadi gleichbedeutend 
mit Verstiimmlungen ties Gebiiudes waren. So die Ueberkleisterung 
der halb zerstorten reiclien Th urge wande mit faustdiekem Putz, die 
Zumauerung der drei mittleren Chorfenster, der kummerliohe Anbau 
der Kirchenschreiberstube an der Xordseite, die Ausbilduug des oberen 
Wandabsdi hisses am Chore u. dgl. rn. 

Audi tin Inneren wurde auf die Wiederherstellung der Gebaude- 
substanz wenig Sorgfalt verwaudt. Man begniigte sich mit rohen 
Ausbesserungen von Mauerwerk und Putz und iiberzog die stattlidi 
bemalten Pfeiler, Bogeu und Wande mit dem Leidieiituche einer 



Abb. 4. Westfront nadi 



freudlo?>en Kalktunclie. Gleichwohl waren der ldrchliche (frpfersinn 
und die kunstlerische Schaffenskraft in der Burgerschaft keinesweg> 
erstorljen. Iin GegentheiL sie gelangten gerade damals zu bessonders 
kraftvoller Entfaltung. Xur wandten sie sidi weniger der pietatvoll 
sorgsamen Wiederherstellung des zerstorten alten Be>tandes zu. soodern 

vom (ieiste ihrer Zeit getragen, mit 
die Auigabe. ihrem (^jotteshause eine 
tung zu schaffen. und vollendeten im 
ben Jahrhunderts die>es gewaltige W'erk 
men, das uns. je eingehender wir uns 
ig beschaftigen, desto mehr in staunende 
ers4'tzt. 

t die Kirche. von einer Anzahl von 
I Bildern abgesehen, flie nach und nach 
nderthalb Jahrhunderte nahezu unver- 
en. bis sidi das heutige (ieschlecht der 
ewuf>t wurde. die an dem -Wahrzeiehen 
?rftillen war. Das Jubeljalir der Kirche 
Anstofs. Xachdem in der Presse, in«i- 
ler Xeuen Stettiner Zeitung wiederholt 
lallt waren und der Gymnasia blirector 
in seinem oben angezogenen Festvor- 
warm fiir die Wie<lerherstellung ein- 
erlieh im Marz 1889 die genannte Zei- 
mung der naehstbetheiligten Kreis^e in 
Ausdruck, in dem sie unter Ilinwei> 
le und doch l>eredte Mahnung «les ver- 
stummelt emporragenden Bauwerkes die 
* da ran erinnerte, was man ilein mit 
1 Wehe der Stadt und der Geineinde 
•knupften Erbe der Vater schulflig sei. 
?r Erfolg blieb nicht aus. Dureh hoch- 
Spenden im Betrage von 8^637 Mark, 
enen vornehmlich eine Stiftung <ies Kauf- 
und Kirchenaltesten Karl Gerber im 
» von 51 4<K) Mark hervorzuheben i>\. 
iirch das Ergebnifs einer Hauscollectr 
lark) war die Kirchengemeinde bald in 
ige versetzt, zunachst der dringen«l 
n Wiederlierstellung des Thurnihau*s 
m Auf ban einer neuen Helmspitze nabor- 
a. Die Durchfii lining des Werke> n-urrl^ 
llande eines aus sieben Mitglielera l*- 
len Bauausschusses gelegt. an 'l>*<eu 
der Leiter der Xeuen Stettiner Zeituna 
Circhenalteste Dr. W i e m a n n 'i^v*\\\ 
Mit der Aufstellung des Entwvnfr* 
der I'uterzeichnete beauftragt. 

Zur (iewinnung von Anhalt*- 
]>unkten fiir die (iestalfung de» 
llelmes wurde auf die alten Abbil- 
dungen der Kirche zuriiekgegangen. 
wie sie sich auf den Pliinen Stettin^ 
von Braun u. Ilogenberg (l.">t*>; und 
von II. Kote sowie auf einem au> 
dem 17. Jahrhuudert stamnienden 
Delbihle in der Stettiner Bors*- 
tinden. Alle drei zeigen einen nach 
der Teberliefenuig mehr als 
300 Fufs hohen, sich unniittelbar 
iiber dem Ilauptgesims des Thurui- 
kr>rpers erliebeuden Helm von acht- 
eekiger in die llauptachsen geleg- 
ter (irundforni, aus dessen unten 
ins Kechteek iibergefuhrter Mantel- 
tlache die Eckthurmchen heraus- 
wacliseu. Ein Versuch, den neueu 
Helm hiernach zu zeichneu, tiel nicht 
giinstig aus. Die Spitze wirkte niich- 
der Wiederherstellung. tern lm<l im Verhaltnifs zu dem ge- 

waltigen Thunnkorperund Kirchen- 
hause nicht niachtig genug: besonders die j>ersj)ectivische Cebereck- 
ausieht befriedigte wenig. Dies und der Umstand, dafs die angefiihrten 
alten Abbildungen, wie sich aus nachweisbaren Unrichtigkeiten ergibt. 
sehr iiugenaue Darstellungen des einstigen Zustandes sin«l und nicht von 
saclikuudiger Hand herriihren, wurden nach mehrfachen anderweiten 
\ersuchen die >'eranlassung, von einer thunlichst genauen Wieder- 
herstellung der vennuthlich urspriinglidien Fonn der Spitze abzu- 
gehen und die bewiihrte, an stilistisch verwaudten Bauwerken melir- 
fach vorkonimende Uebereckstellung des Achteckhehnes zu wiihlen. 
Wie diese kupfergedeckte Helmspitze mit ihren Steingiebeln und 



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Nr. 2. 



Die Denkmalpflege. 



13 



Begleitthurmchen ini eiuzelnen durchgebildet ist, lafst Abb. 4 er- 
kennen und bedarf keiuer weiteren Erltiuterung. 

Die Ausfiihrung wurde im Jahre 1892 beschlossen und dem 
Kgl. Kreisbaubeamten in Stettin Baurath Mannsdorf Cibertragen. 
A Is ortlicher Bauleiter wurde der Architekt Schmidt bestellt. Dem 
I'nterz^ichneten wurde berathende Mitwirkung bei wiehtigen, insbeson- 
dere ktinstlerischen Fra- 
gen vorbehalten; eine 
sehwere Erkrankung in 
dieser Zeit verhinderte 
jedoch in der Haupt- 
sache seine Betheiligung 
an den Arbeiten des in 
Rede stehenden erst en 
Bauabschnittes. 

Mannsdorf ging, 
naclidemer eineVerstar- 
kung der Fundament? 

vorgenommen und das 

Mauerwerk des Thurm- 

kbrpcrs sorgfaltig ge- 

sichert hatte, 1893 an die 

Errichtung des Ilelmes. 
Er construirte ihn in 
llolz, und zwar nach 

Mollerschem System, 

wahrend der Unterzeich- 

nete ursprunglich eine 

Eisenconstruction ent- 

worfen, dann aber aus 

Zeit- imd Kostengrtinden 

nach bewahrten mittel- 

alterlichen Vorbildern 

(Marienkirche in Liibeck, 

Johanniskirehe in Liine- 

burg usw.) eine Holz- 

construetion mit einge- 

stellter vicrseitiger Pyra- 

mide in Aussicht ge- 

noiiuueu hatte. Ver- 

ankert wurde der Helm 

nieht , da bei seiner 

<irorse und Schwere eine 

Verankerung nieht nur 

als iiberflussig, sondern 

sogar als unter Umstan- 

den gefahrbringend fur 

das Thurmmauerwerk 

angesehen wurde. Ent- 

spraeh diese Anschau- 

ung den damals gelteu- 

den Kegeln der Technik, 

so sollte sie dem llelme 
doeh verhangnifsvoll 

Averden. Am 11. No- 

\ ember 1893 war das 

Thuniigesparre fertig- 

gestellt, und das Richte- 

fest konnte feierlich l^e- 

gangen werdeu. Der 

raidie Winter yerhin- 
derte jedoeli die so- 

tbrtige Eindeekung, und 

so war der Thurin dem 

am 12. Februar des 

folgeudeu Jatires mit un- 

erhorter lleftigkeit iiber 

Norddeutseliland dahin- 

brausendenOrkane preis- 

gegeben, (lessen Wirbel 

unter das dichte Gebalk und (iesparre fafsten, den gewaltigen Helm 

ein Stiiek senkreelit einporhobeii*) und ihn dann genau in der West- 

ostriehtung auf das Kirehendaeh sehleuderten, <lieses mitsamt 'seinem 

alteu hubsehen J)aehreiter zum grofsen Theile zersehmetternd. 

Aber die (Jemeinde verlor den Muth nieht. Xoeh im selben 

Monat beschlols sie, die Wiederhersteliung des Ilelmes unverziiglieh 

in Angriff zu nelnnen, ermuthigt vornehmlieh dureh das hoeldierzige 



Abb. f>. Nordost-Ansicht nach der Wiederhersteliung. 
Die St. Jakobi-Kirche in Stettin und ihre Wiederhersteliung 



*) Bew( i is dafiir ist, dafs das etwa 1 m hohe Schutzgelauder, 
welches am Fufse der llelmconstruction auf der den Thurmkorper 
unigebendeii Rustung angebraclit war, unyersehrt geblieben ist. 



Vorgehcu ihres Kirchenrathsmitgliedes K. Gerber, der, nachdem er 
bereits im Jahre 1893 eine zweite Stiftung fur den Thurin von 
40 000 Mark gemacht hatte, jetzt yon neuein in den Rifs trat und 
eine Summe von 20000 Mark fur den Wiederaufbau zur Verfiigung 
stellte. Mitte October warderJIelm mitsamt seiuen Seitenthiirmchen 
bereits wieder aufgerichtet. Die Formgebung und Construction ist 

die fruhere, nur dafs 
jetzt der Helm auf Grund 
der hier und gleichzeitig 
andernorts geinachten 
Erfahrungen und der 
daran anknupfenden 
baupolizeilichen Bestim- 
mungen (lurch eine kraf- 
tige Verankerung fest 
mit dem Mauerwerk des 
Thunnkorj>ers verbun- 
den wurde. Zu gleicher 
Zeit \Mirde das zertrihn- 
merte Kirehendaeh er- 
neuert und im Jahre 
darauf nach einem wah- 
rend der Erkrankung des 
Unterzeiclmeten (lurch 
den Landbauinspeetor 
Hoene in BerUn gefer- 
tigten Entwurfe mit 
einem neuen kupfer- 
bekleideten gothischen 
Dachreiter bekrbnt. 

Inzwischen wareu 
audi die unteren Theile 
des Thurmhauses der 
von Anfang an geplan- 
ten Wiederhersteliung 
unterzogen worden. Die 
drei Porta le wurden 
von ihrer Putzhiille be- 
freit und crhielt-en im 
strengen Anschlufs au 
den zu Tage tretenden 
verstumnielten Bestand 
neue Forinsteingewiindc, 
das Mittel})ortal liber- 
dies den Schmuck der 
sich von cincr auf die 
Mauerflache gelegten 

Backsteinvergitterung 
wirksam abhebenden 
Wimperge. Die aus dem 
Ende des 17. Jahrhuu- 
derts stammenden rei- 
chen Baroekthuren wur- 
den selbstverstaudlich 
beibehalten und instand- 
gesetzt. Der KJ77 iiiit- 
zerstorte und dann noth- 
diirftig erganzte Giel>el 
des siid lichen Pultdaches 
wurde mit dem Xord- 
giebel in Ucbereinstim- 
mung gebracht, die 
Friese erhielten glasirte 
(jitterinuster, die Blen- 
den neuen Verputz, das 

Wendeltreppenthurm- 
chen auf der Nordseite 
eine neue Kronung, und 
der Dreinpel des nbrd- 
licheu Pultdaches wurde 
nach den erhaltenen Spuren galerieartig ausgebildet. Zu den Aus- 
besseruugen am Steinwerk mufsten leider schlesische Maschineusteine 
verwandt wenlen, da die Gewinnung von Handstrichziegeln grofsen 
Formats damals noch mit Schwierigkeiten verkniipft war, die heute 
glucklicherweise grofstentheils iiberwunden sind. In den spateren 
Bauabschnitten sind, urn dies hier gleich vorwegzunehmen, lland- 
strichsteine grofsen Formats aus der Klugeschen Ziegelei in Mescherin 
bei Stettin zur Yerweudung gelangt. 

Ende 18% begann der zweite Bauabschnitt, fur welchen der 
jiufsere und inuere Ausbau der damals zur Aufbewahrung von allerhand 
Geriimpel benutzten Xordcapelle a fur die Abhaltung kleinerer kirch- 



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14 



Die Denkmalpflege. 



F^Kroar 1V*>2. 



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ij/j'l *f*-jji j'-<-r i!ir i-'fimiii' -h-n F'.M-t'-r w ir«i" — in- :>.**- <»— t^:* "wit-i.-r- 

«-rt: ,!-•:*- F«Ti-t^ r - 
iii <i«-r JIa;]j»T-a« }j'- 



ki<-iiJ«-fi >afj'/«-r«-iuj*«»n- \ •-riiiiT*--Jt. J>n- 'ji' t u'/Ai*-\i 
j/f«».t<-Fj\v«Tk «J«-r i aj*-]{«- Mum!" «-rji»-M'-rT u:i*J w»-L" 



u«'if». p»t!i Tiijij -.h-Aarz aii-j<-JiialT. I >!♦- ;iu* trr»in ^•—tri 
.-t<-li«'jjw«ri«» roili. vu-ii% ujj'l M.Jiwjsn: * '•-iji.i it«-»j K;-T«-r::h"lz^ h.-r_ r «- 

<-iri'T u\'r*\r\ , j.''ii Kafiz^-I \<»n r« -« -iit*-rki^«*r Ortjuoforjn uu<l »-i:i«-ni iH-Wf-i:- 
Ji'-lM'ij TauftU'-h. liazu «-i'i '/♦-iiiau<-rt-r AUar. ^^>r «i« jji «-in ori-nTa- 
li-'-li^r 'J'«J'|m<1j a w »'/«'! ip'i^«*t i*t. AUari:' ra r h au* .M-*^i[i„ r - r '»j'- un«i 
.■H*li!iii«*<|j-«'i«j--rij«r I^'I'-u^litiJii'^^k'irjMT. /nm Au»l-a<i «I«r< "ajM-U.- ^ !i.-iikt<* 
«li«- >ta«lT M^ttiii ^ Mi n) Mark. Ili«- Kinw'-iluiii: u:i«l Iii^«'*irau«-!nj;*hiii<- 
«rf«»j/T/' a/u *J0. Marz IK«h. 

Jin Zii»aifnii«'ii!iariir mit <l*-ijj _V*»* »ru«-h «l<r Kir«-!ioii^-!ir«*ilM*rsTu»»*' 
*Nlit «!k; l^-^-iti'/ijij'/ «|«rr u/it<-r«-n Tli<-il«- «l':r inmiiTT-ii.ar an j«-u«- 
aii~«;hlH'JV'rj«l<-n l**-i*\*:u ^r-ti-ii IIaii»joi-li«* «l<-^ Nupi^'iti-ii^-liiifi*^. \v._-i. h«- 
.-. Z. zu/ji ZwH'k<* «l«-r Anlau*- vu» rirai>^-u«»llM-n l>i> in «li«* F'iu« lit 
«!<*?» 'Jem na^li-N-ij J<xli<* vnr^N'^'ij ki-alir^ \i*'nni^*'/jfj*'n wan-n 
iiu Orun<lrif* wie <lk* Ohri^'-n alc*''»ro«h*'U"ii Tlnil«* Jii«lit xhwarz 
uiii£*'\<?,(t, . N'hori frOli'-r wan-n aii<*h «1«t ii^mk.' <H<K^laiif1»au auf «l<-ui 
«'r\va|jnt'*n Kisalit ^owi*' «lie Kiijif*' <I^r Tro|ijM-iithiiriin Ikti auf <lr-r 
Nonl- ijikI Sii<l«*4*itif. an *l**r«m St*'H«- ^idi zuvor «liirf?i^«' N<irhaiifl»aiiT4Tj 
au«» Ka^-liwrk h<'fari<l<-n. zur AiL-fiilirun^ ^-lantrt. 

J>i<* NonJ^'iK' hat <lur<*h *\'u^*' \Vi»'<hrrlior>t<'lluii*ji'ii uimI «r- 
¥:tn'/Aint\*'ii Zuthat^n **in<* lohliaft Iwuetrt'' <i link-run;: <-rhalt<'ii unil 
hi<'t/-t j«'tzt. naiii^utlich v<m Nor#Jo*t«'ii h«*r ge^'hfii. nvh* Al»l». "* er- 
k<'tiit«'ti liiM. ffin anzieh<.'n<les. n'irh<^* An-hitokturbil<L «la> naiiK'iitlich 
h«*i Niijii«.'ijiiiit^rgaij{f serine iiialerischr;u K^*iz<! <*ntfalt#*t. Ilatt««a «lic 
iM'iui I5au IV'tlM'ili^n iukJ *li<; nah'wii Fn*un«h; «k*r Kirrhe an diesotn 
HiUU' voni Anb**ginn M-im-g \\ enkns au ihre stills Fn*u«Ji*. r?<» kam 
•h*n w«it««n?n Kr^ivrn <l«*r I^'viilkeniiiu 'Ihn was >i«; an ilnu uu«l iilw»r- 
haupt an «h*r Jakohikinh*' lu*«iitz<'ih <T->t zuni ]i*.*\viifct^*iii. aU iiu 
S<jiiiin<rr liKji) ifin.s «h*r <h*u alti*n Jakohikirchhof auf «K?r Nonlo^tx-iti* 
\ n"4rt'j\7j'n*\cn Iliiu^T zuni Ahhrurh kaiih tim cin<*in ni(Hl«'ni«'n (k j - 
M»|iafts'Z**haiid<» Platz zu imirhcn. Ui<* Lii«*k<; in «l^r Hau^rn*ilie hot 
t\ftt \'oriilwT^*fh'.'ii«lt*ii auf <'inmal <l<*n iih<Tra«i'liC!ii(loii Anl»li<k. Man 
h«*iii*?rkt<», <laf> man Jalin* uixl Jalinwhntcf lan^ «*in J3auwerk w«*ni^ 
hi*acht<»t hatt<*. vnr <h*ni «*s »ich lohnt Halt zu ma« Ikii. urn ties Erh<'* 
froh zu \\cnl<*u. «la- man «l«*u AltvonN'rn vcnlaukt. I)i<* F«-l»er- 
ra^'huu^ wurli.s zur fn*uili^f»u F>n*^uu^. uu<i fast flrohtr »li»r jrut** 
AVilh* ih'iu WiTkif M'rhauj/nif^vull zu wit«I<*ii. iii«h'in in «l«*r IU*- 
*/<«i^t«-ruii^ I'lanf auftaurhti'U. <lii* auf nirlits ^'friniiiTi'S ahzi(*|t«*u. al> 



Abb. i>. Tnschrift<tf»in ik:Ik*ii «h?m Ilauptdn^an^ -Hauinsclirift'. 

*lio Kinlic «o\v«'it wi«? Jiiii^lirh. zuni iuiiiil«>st<*n auf rlcr ^ranzen Ost- uml 
Nonlosthi-iti* -fr^izuli-'^fii". Zuni < >IiW*k braili sich bald <li<* J*>- 
k^nntnifH iSaliu. «laf« man iladurch <las I'auw^rk srhwer jrt'srliaili^t 



}. -ji Vv _r, ..- i . i -. "'. ■• . -r Z^; .j ' -r vlr*';— • , .^"-i»*!. — - ^ -*- 
l > *"_!—*' -!:.-:. ::• -..---. ..• rii i»; ".••.-! "• «r. «j-r .--•--r ?-.• ]„?.:.• i.rr ^-- rr.-- . 

r - •-■•Ij-'-r Kr-;*-:.:-*L:> ■;— Z a— ij"ii \:.'i Hrr-:«::i'<iJ>rri *:t^ht^ ... 

<r--:>r.^j «J-r v« :• a.vr?hi»-r L- J --:i :*. :j \«'r.'-rrriv:--i:'i*-ii t-. , -:ji:.- 
<»;-.-— w;.-:.-r z*i '■»'••: •-;- ..•! a f . J*--*- W . i— .1^.^ Bj.. jr «i'rr Kir _ 
I'.^j.^-r:. M.-: \ "r-.-rjr .^«i zi ^-»«-l. l"^-*-r.- A'- l.-i^^r z^Lr: •-:: — - 
iu-:.:')-]. i;: *-'i.»-r <»•—*.-.*. w".- »;•- .'..-. ii F ^-rz^i- .i^ -*^ii -r^» -^- * 

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Abb. 7. Xeue Treppe zur Orgelempore. 
ti'kturbihl th.T Kinht* ciiipfiu<ilich b^riiitrachtiirenilen liKHlernou MietJi 

Dorh wir t^iml mit •li«»si*r Kin>chaltun^ <leui (iausre «ler Dinire 
vorau>u«M»ilt. Noi-li ini Jalin* lM*s planirto «k»r dritte Bauabschnitt 
zur \ url»emtun^. F> be>tand in d«*r Wiedorherstellimjr «k*s> Kest*»> 
d«*r Nnr«Ueit«», d«*s Chores uud der gi^aiutou Siidseite der Kircho. An 
der Nordsi-ite habeu >irh die Arbeiten auf die sorgsame Ausbes^eruui: 
der alten sehr venvahrlo>teu Bautheile besi'lihinkt. Am Chore waren 
da<regen einige durrh^reifendere Aenderuutren vorzunehmen. llier l>»*- 
stand der Mauerabscliluls unter der Dachtraufe aus Korbl)Ogen, «lie die 
FiMMUMi unter einauder \erbanden. und dereu Felder mit Daehsteiueu 
au^gekleht, iiberputzt uud mit rother F'arbe baeksteiiiartig getiineht 
waren. Dieser Zustand. der von der nothdurftigeu Instiindsetziuig 
naeJi der IJelageruug you li»T7 herriihrte. ist beseitigt iind der Mauer- 
ab.^clilufs i lurch ein angemessenes Ilauptgesiins mit damnterliegeudeiu 
aus glasirteu Steinen hergi'stelltem Citterfriese bewirkt worden. S<>- 
danu wurde das ilurehwcg schadhafte Fen>terpfostenwerk eriii'iiert. 



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Nr. 



Die Denkmalpflege. 



15 



wobei die bis dahin gcradlinig gegcn das Spitzbogengewande laufen- 
dcn Pfosteu spitzbogigen Sehlufs erhieltcu. Die Berechtigung dazu 
ergab sich daraus, dafs gerade iiu Chore nodi eiiiige alte Fenster mit 
dieser reicheren Behandlung des Pfostensehlusses vorhanden waren: 
die niichtenie geradliuige Form war augenseheinlich erst in spatest- 
gotluscher Zeit, vielleicht sogar erst in den Jahren nach der Belage- 
ruug entstanden. Sicher erst in diesen Jahren ist audi die Zumaue- 
rung der drei niittleren Chorfeuster erfolgt, die nunniehr beseitigt 
und durch Bleiverglasung ersetzt worden ist. Fiir das grofse, ncun- 
theilige Mittelfenster ist dabei ein neuer, aus Spitzbogen mid Ringen 
zusainmengesetzter mafswerkartiger Pfostenschlufs componirt worden. 



Abb. 8. Inneres. Bliek gegen den Altar. 

der sich in seiner Einfaehheit der Gliederuug der seitlidieu Fenster 
ohne Zwang auschliefst. 

Der ostliehe Tlieil der Siidseite ist wie der C'hor bchandelt. Beiin 
Langhause hat der obere Theil sein spates, trocknes Gepriige bc- 
halten. Die Zierarchitektur des unteren, sehr stark beschiidigtcu 
Theiles ist ini Anhalt an verwaudte Vorbilder ergiinzt, das zerstortc 
Portal erneuert und mit einer verdoppelten Eichenholzthiir in 
gothisehen Form en versehen worden. Der Erwahuung bedarf noch, 
dafs die dureh unaufgeklarte Ursaehen, vielleicht (lurch den Thurm- 
sturz von 181H gefahrdete Siidwestecke des Gebiiudes bei dieser Gc- 
legenheit (lurch theil weise Erneuerung des Frontmauerwerks, starke 
Ausbesserung des Gewolbes, Verankerungen usw. eine griindliche In- 
standsetzung erfuhr, eine schwierige Arbeit, die der um die Wieder- 
herstellungsarbeiten an der Kirche iiberhaupt sehr verdiente Raths- 
mauemieister Decker mit Uinsicht und Sorgfalt ausgefiihrt hat. 
Die ortliehe Bauleitung wiihrend dieses ganzen Bauabschnittcs lag in 
den Hiindeu des Architekten Ilolling. Zur Verwendung kam eine 
Schenkung der Provinz im Betrage von 20 000 Mark, (lie iibrigen 



Kosten trug die Gemeinde. Der Bauabschnitt, mit (lessen Beendigung 
die Wiederherstellung vom gesamteu Aeufseren der Kirche zur Voll- 
endung gelangte, faud seinen Abschlufs darin, dais nel)en dem llaupt- 
eingange des Bauwerkes eine steinerne Gedenktafel mit der in Abb. (» 
veranschaulichten Bauinschrift eingemauert \vurde. 

Mit diesen Arbeiteu war der Jlerbst des Jahres 1.S99 heran- 
gekommen, und die Gemeinde stand vor der Frage, ob sie die 
Wiederherstellungsarbeiten nun audi auf da.s Innere der Kirche 
ausdehnen sollte. Der Beschlufs hierzu wurde Mitte Miirz 1H0O 
gefafst, das genannte Jahr jedoch nur zu griindlichen A'orbereitungeu 
benutzt. Avahrend die Ausfuhrung selbst auf das Jahr 1901 ver- 
sclioben wurde. 

Von dem Zustande des Kirchemnnem ist oben 
schon kurz die Rede gewesen. Der Unibau, dem das 
Gebaude um das Ende des 17. Jahrhunderts unterzogen 
worden war, hatte den alten Bestand in vielen Tlieilen 
nicht unerheblich verwischt. So hatte der Kirch en- 
raum bei aller Grofse und Bedeutung der Gesamtwirkung 
hinsichtlich seiner architektonischen Durchbikluug und 
seiner baulicheu Einzelheiten (loch eine Gestalt an- 
genommen, die gegeniiber der ganz hervorragenden 
und iiberaus wcrthvollen barockcu Ausstattung stark in 
den Hintergruud trat. Die letztere, der Altar sowohl 
wie (he Kanzel und die Orgel, ein Theil des Gestuhls, 
die Emporenbriistungen und die zalilreichen Erbbe- 
griibnifswande, Epitaphien und sonstigen Ausstattung- 
stiicke iiberwogen derart iiber die wenig ausgesprochenen 
Architekturtbrmen, dafs der Kirchenraum durch sie 
geradezu sein Gepriige erhielt. Dies war mafsgehend 
fiir die Auffassung der Aufgabe. \'on einer Wiederher- 
stellung des Luneren im Sinne der mittelalterliehen 
llauptbauzeit der Kirche konnte nicht die Rede sein. 
Viehnehr kam es darauf an, vor alien Dingen die 
kostbare nachmittelalterliche Ausstattung in Stand zu 
setzen, d. h. sie zu reinigen und unter gewissenhafter 
Schonung des alten Bestandes aufeufrischeu. Der 
architektonische Ilintergrund dieser Ausstattung, die 
Wiinde, Pfeiler, (jewolbe usw. sollteu nach Vomahnie 
der nothwendigeu Ausbesserungen an der Substanz in 
der lla-iiptsache wieder weifs getont werden. Zur Zu- 
samuieutassung der Ausstattungstucke und um die 
Junendecoration auf eine etwas hohere und ansprechen- 
dere Stufe zu heben, sollte dabei in den unteren Tlieilen 
etwas Marmor- und Grau in Grau-Malerei zur Anwen- 
dung gelangen. Yor alien Dingen aber versprach sich 
der I uterzeichnete die Erreichung dieses Zieles und 
iiberhaupt eine ebenso scheme wie kirchlich wiirdige 
Erscheiuuug des inneren von der Ausstattung der 
Fenster mit Glasgcuialden. Jn Frage hiitXe ailenfalls 
noch koininen konnen eine tigiirliche Ausmalung der 
Gewolbe in der Weise, wie sie ini 18. Jahrhundert iiber 
der Orgel begounen worden ist. Doch liegt, abgesehen 
von den sehr erheblichen Kosten, eiii(» solche Deckeu- 
ausmaluug dem Emj)hnden unserer Zeit, sehr fern, 
und es wiirde eine schwierige Aufgabe gewesen 
sein, einen geeigneten Meister fiir ihre Ausfuhrung zu 
tinden. 

Mit dieseui N'orhaben, zu welchem noch der Ent- 
sdilufs trat, die Kirche mit einer Centralheizuug zu ver- 
sehen, wurde ini November Ui(X)ans Werkgegangen. Bald 
nach luangriffnahme tier Arbeiteu stellte sich jedoch 
ein Unistand ein, der eine weseutliche Abamlerung 
des Planes nahe legte. Beim Abschlagen des schadhafteu 
Putzes namUch wurden unter diesem an verschiedenen Stellen, besonders 
an den Bogenleibungen der Gewolbe, die Reste alter Bemalung gefunden. 
Und zwar wurde festgestellt, dafs die Kirche zu zwei verschiedenen 
Zeiten, im spiiten Mittelalter und in der Barockzeit, ausgenialt ge- 
wesen ist. Der sogleich auftreteude Gedanke, an diese Malereireste 
ajizukniipfen, war schwer von der Hand zu weisen. Die Gemeinde 
griff ihn lebhaft auf und beschlofs die Ausmalung. Diese ist denu 
im eugeu Ansehlufs an die beun weiteren Fortschreiten der Arbeit 
iimiier zahlreicher werdenden Fuude erfolgt und von den Pfeilern und 
Arkadenbogen audi auf die Gewolbe und einzelne Wandtheile aus- 
gedehnt worden. Dabei ist Gothisches und Barockes vermischt, ohne 
dafs dadurch die Gesamtwirkung Einbufse erlitten hat. Abb. 8 gibt 
eine ungefahre Vorstellung von der Art der Behaudlung, soweit dies 
ohne Farbe inoglich ist. Die Tone siud nieist roth, schwarz und 
grau auf lichtem Grunde, aber audi gelbe, griine und andere Fa r- 
bungen konimen vor. Die Farbeu sind fast durchgehends leuchtend 
und ungeinischt, das Barocke deckend, das Gothische in lasireud(T 
Technik gehalten. Die Kartuschen auf den Zwickeln der ban»ckeii 



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16 



Die Denkmalpflege. 



Febraar 1902. 



Stichkappentonne sind neue Zuthat, das Deckenbild liber der Orgel- 
empore ist beibehalten und nur aufgefrischt worden. 

Die nothwendigen Folgen dieses Vorgehens blieben natiirlich 
nicht aus. Beim Baulierrn wie bei den Bauleuten wuchs die Lust 
am Schrniicken und Schaffen. Auch -war es nicht mehr angangig, 
neben der erstandenen Farbenfrische und Farbenfreudigkeit die alte, 
durchweg bemalte Ausstattung in der urspriinglich beabsichtigten 
Weise zu behandeln, Denn obwohl sich niemand dem Reize der 
feinen, in hohem Grade malerischen und stimmungsvollen Wirkung 
des Altgewordenen verschliefsen konnte, so vertrug sich dieses nun 
doch nicht mehr mit dem Neuen. Deshalb ist es in weitgehendem 
Mafse aufgefrischt und erneuert worden. Die Instandsetzung griff 
sodann aber auch auf die Vervollstandigung der Ausstattung iiber. 
Gestuhl und Pfeilertafelungen , Briistungswerk und Beleuchtungs- 
korper sind im Anschlufs an den alten Bestand erganzt, die letzteren 
dabei fur elektrisches Licht eingerichtet worden. Die Beflurung ist 
grofsentheils erneuert, die Orgelempore bei d im CJrundrisse durch 
eine neue, reichgeschnitzte barocke Wendeltreppe zuganglieh gemacht 
worden (Abb. 7). Auch die alten Treppenaufgange, die „Chore** und 
Emporen sind durchgreifend in Stand gesetzt^ die Orgelempore ist 
nach hinten erweitert, und in einem Theile des nordliehen Seiten- 
schiffes ist die werthvolle Kirchenbucherei (e) ganz neu eingerichtet 
worden. Von der Beheizung der Kirche war schon oben (lie Rede. 
Sie ist, ohne dafs der Bestand der Kirche dadurch im geringsten ge- 
schadigt worden ware, durch die Firma R. 0. Meyer als Xiederdruck- 
dampf-Dauerheizung ausgefuhrt worden; ihr Kesselraum befindet sich 
im Keller des der Kirche benachbarten Gemeindehauses. 

So ist die Kirche auch im Inneren in reich gesehmucktem Ge- 
wande neu erstanden, nicht ohne dafs auch hierbei der Opfersinn 
einzelner (jlemeindemitglieder und des Magistrates als des Patrones 
der Kirche in dankenswerthester Weise sich hethiitigt hatte. Letzterer 
stiftete 1000 Mark fur die Ausstattung seiner Loge, die Mutter eines 
der Kirchenaltesten, Frau Wwe. Kisker, 50(X) Mark fiir Tafelungen, 
Frau Wwe. Still 1000 Mark fiir die Kanzel. Besonderer llervor- 
hebung bedarf wieder eine Stiftung des Commercienraths K. Gerber, 
durch welche die Moglichkeit geschaffen wurde, auch mit der Aus- 
fiihrung des der Kirche zugedachten Fensterschmuckes jetzt schon 
zu beginnen. Das Programm fiir diesen Schmuck gliedert sich 
derart, dafs fiir die 22 in Frage kommeuden Oberfenster der Kirche 
biblische Stoffe gewiihlt sind. In den 14 Fenstern der Siid- und Siid- 
ostseite soil das Christenwort r Bete und arbeite" in den sieben Bitten 
und den sieben Arbeiten der inneren Mission dargestellt werden. Tm 
grofsen Mittelfenster des Chores folgt das Abendmahl (Jlcilige Rast 
und Kost"), und an der Xordost- und Nordseite reihen sich in vier 
Fenstern r Segen und Feierabend* und in weiteren drei Fenstern 
„Hoffnung, Glaube, Liebe - (Der Jlimmel iiber, in und urn uns) an: 
die Unterfenster sollen mit Darstellungeu aus der Geschichte des 
Baues, der Gemeinde und der Stadt geschmiickt werden. Aus diesem 



Cyclus sind in den von Gerber gestifteten, von Prof. A. Linne- 
mann in barocker Stilfassung entworfenen und gemalten Fenstern 
gegen iiber der Kanzel die r Bergpredigt u und T Jesus der KinderfreuDu- 
dargestellt, daruntcr in der Magistratsloge m zwei Vorgange aus <\<>r 
Stadtgeschichte: Die Uebergabe der Stiftungsurkunde an den ersten 
Rath der Stadt durch IJerzog Barnim I. von Ponunern (1243) und <Itr 
Empfang der Abgeordneten des Stettiner Rathes durch den Grofc»-n 
Kurfursten im Feldlager von Pomnierendorf zur Yerhandlung ul»-r 
den Accord (1677). Wahrend diese Fenster die Kirche bereits 1**i 
der Einweihung schmiicken, steht die Ausfiihrung noch weiterer 
Glasgemalde unmittelbar bevor. Seine Majestat der Kaiser hat rler 
Gemeinde huldvollst die Spende dreier weiterer Oberfenster zu«j»- 
dacht, die im Anschlusse an die bereits vollendeten gegeniiber dem 
Altarraum ihren Platz Jinden sollen. In diesen Penstern weroVn 
Jesus und die Samariterin (^Ilungernde und Durstende erquickeir . 
Maria und Martha von Bethanien („Obdachlose beherbergen") uinl 
der barmherzige Samariter („Kranke pflegen") den Gegenstand d*r 
Darstellungeu bilden. Entwurf und Ausfiihrung werden mit AHer- 
hochster Genehmigimg gleichfalls dem Professor Linnemann uber- 
tragen. Mit diesen Fensterstiftungen ist in hochherziger Weise *br 
Anfang zu einer Bereicherung der Ausstattung gemacht, an uVr 
sich noch Generationen betheihgen und damit ilire Anhanglichk»iT 
an Pfarrkirche und Yaterstadt bethatigen konnen. 

Die Ausfiihrung der Malerarbeiten im Kircheninnern war dew 
Berliner Maler Hans Seliger iibertragen. Unter seinen Angestellfeu 
hat sich besonders der Maler Fey mit tiichtigen, selbsUindigen Lei- 
stungen hervorgethan. Die Bildschnitzereien sind voin Bildhauer 
Ehlert, die Kunsttischlerarbeiten you den Tischlenneistern Siemou. 
Rubow u. Walter und Janz, die Kunstschmiedearbeiten vow 
Schlossermeister Kriiger, siimtlich in Stettin, ausgefuhrt. D'w Br- 
h»uchtungskorper habeu die Glockengiefser Vofs u. Sohn geferh>r. 
Sie und alie, die hier nicht einzeln genannt werden konnen, habeu 
treu und trefflich am Werke geholfen. A T or allem aber zu ruhnien 
ist die Thiitigkeit des Architckten W. Blaue, dem wahrend c!e> 
letzten Bauabschnittes die ortliche Leitung oblag, und der sich 
seiner Aufgabe mit eindringendem Verstiindnifs und mit soleher 
Liebe hingegeben hat, dafs der grofste Theil aller Einzelheiten «Jfr 
kiinstlerischen Erfindung, soweit solche erforderhch war, auf Din 
zuriickzufiihren ist. Ich unterlasse nicht^ ihm dafiir an dieser Stella 
meiuen uud d«»r Gemeinde aufrichtigen Dank auszusprechen. 

Der gesamte Wiederherstellungsbau der Jakobikirche hat ruml 
.V)O(KX) Mark gekostet, wo von etwa 222 000 Mark auf Sehenknnijei] 
uud Stiftungen entfallen, in der That ein beredtes Zeugnifs fur »//V 
Liebe, mit der die Gemeinde an ihrem Gotteshause hiiugt und fur 
die Wiirdigung, welche dem Baudenkmale in der Stadf und d*r 
Provinz sowie iiber diese Kreise hinaus durch den Konigliclwii laadt-s- 
herru uud seine Berather entgegengebracht wird. O. Hotsi**\»\. 



Yermischtes. 



Znm Provincial -Conservator der Kunstdenkmftler in der Mark 
Brandenburg ist vom Provincial-Ausschufs an Stelle des verstorbenen 
Geheimraths Bluth der Kdnigliche Landbauinspector Georg Biittner 
in Steglitz gewahlt worden. — So beginnt sich, nachdem kurzlich 
die Wahl des Regierungs-Baumeisters Dr. Burgemeister fiir Schlesien 
gemeldet werden konnte, die im verllossenen Jahre leider stark ge- 
lichtete Reihe der preufsischen Provincial -Conservatoren allmahlich 
wieder zu schliefsen. Das Amt hat sich in alien Provinzen zu einem 
unerwartet wichtigen herausgebildet; denn in ihm ist den unter dem 
Druck starker Baulust in der Gegenwart besonders gefahrdeten Denk- 
malern ein Anwalt entstanden, der zum Einschreiten gegen uber- 
flussige Neuerungen zustiindig ist und weiterhin auf grofsere 
Vertiefung der vielfach noch recht unverstandig ausgefiihrten Ar- 
beiten zur Erhaltung des Bestandes driingen wird. Die Wahl 
Biittners, der im Hauptamte der Bauausfuhrung eiues zvveiten Ilauses 
fiir das Konigliche Kunstgewerbemuseum in Berlin vorsteht, ist eine 
besonders gliickliche zu nennen. Im kraftigsten Manuesalter stehend, 
hat er durch die von ihm in den letzten Jahren besorgten Instand- 
setzungsarbeiten am Dome in Erfurt und durch kleinere literarische 
Arbeiten (Zeitschr. f. Bauwesen 1898, S. 19; Centralbl. d. Bauverwaltung 
1901, S. 228 u. G;U: Denkmalpflege 1899, S. 58) den Beweis erbracht, 
dafs er nicht nur kunstwissenschaftlich rathen, sondern kiinstlerisch 
thaten gelernt hat, und dafs er auch grofse Fragen verstiindnifsvoll 
anzufassen und gediegen durchzuarbeiten versteht. Der erhebliche 
Zuwachs an Arbeit, den er neben seiner Bauausfuhrung jetzt zu 
iibernehmen berufen ist — denn leider steht der Ausbildung des 
Conservatoramts zum Vollamte unbesiegbare Geldnoth im Wege — , 
wird nicht nur in der Entlastung des staatlichen Conservators der 
Kunstdenkmaler und in der Heranbildung tiichtiger kiinstlerischer 
Kriifte fur die Arbeiten zur Erhaltung der Denkintiler, sondern auch 



als Rathgeber des Provincial -Ausschusses fiir die Organisirung der 
neu zu beginnenden Denkmaler-Verzeichnung der Provinz bestehen. 

ILL 
Hfilzerne SchlOsser*) sind weiter verbreitet, als in der Mittheilung 
auf S. 4 d. Bl. angenommen wird. Auch ist dort nur <lie eine Art 
wiedergegeben, diejenige, bei welcher die Klammern durch Anheben 
des Schlussels aus dem Riegel entfernt werden. Eine andere Art l>e- 
wirkt die Ausschaltung der Klammern durch Drehen des Schliissek 
Derartige SchlOsser beschranken sich nicht auf Brandenburg, Mecklen- 
burg, Pommern und Preufeen; man tritTt sie in Posen, und Beispiele 
beider Arten besitzt das Posensche Provincial -Museum (Verzeichnifs 
der Kunstdenkmaler der Provinz Posen, Band II, S. 97). Aber auch 
in rein deutschen Gebieten, am Rhein wie in den Alpenlandern, 
linden sich holzerne Schlosser: sie linden sich in Norwegen, GalizieD, 
Siebeabiirgen , Spanien und selbst in Egypten, sodafs eine aufmerk- 
same Beobachtung sie in entlegenen Gegenden allenthalben nach- 
weisen durfte, und man vermuthen mag, dafs das holzerne Schlols 
iiberhaupt den iiltesten Verschlufs darstellt. In der That hat das 
antike romische Schlofs eine auffallende Verwandtschaft mit dein 
Holzschlots, dem eine slavische Ilerkunft also nicht zugeschrieben zu 
werden braucht (vgl. auch Centralbl. d. Bauverw. 1887, S. 23). J. K. 

*) Die Geschichte der Schlosser wird demnachst im Centralbl. 
d. Bauverw. ausfuhrlich behandelt werden. D. S. 

Inhalt: Zum GedachtiiifB Ludwig Bickells. — Die St. Jakobi-Kirche in 
Stettin und ihre Wiederherstellung. — Vermischtes: Wahl Georg Biittner^ 
zum Provincial -CoiiHHrvator der Provinz Brandenburg. — Holzerne Hchlosser. 



Fur die Schriftleitung verantwortUch : Friedr. Sehultze. Berlin. 
Verlag von Wilhelm Ernst u. 8ohn. Berlin. Druck von J. Kerskea, Berlin. 



Nr. 



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17 



Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitong des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 

-»♦■ 

IV. JahrgaDg. Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — Gesebaftstelle : W. Wilhelmstr. 90. — Bezugspreis Berlin, 26. FeblTiar 

-j^- q einschl. Abtragen, duroh Post- oder Sfreifbandsusendung oder im Buchhandel jahrlich S Mark ; fur das h qao 

^ r * «*• Ausland 8.50 Mark. Fur die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich G Mark. 1JU*. 



[Alio Rechte vorbehalten.] 

Die Wiederherstellung der ehemaligen Johanniterkirche in Zielenzig (Neumark). 

Vou R. Dethlefsen in Konigsberg i. Pr. 
Zielenzig i.st eines der zahlreiehen Bollwerke, welclic <las Mittel- Johannitern durchgefiihrten erhebliehen Krwcitorimg dor alt-en 
alter in der jetzigen Neumark Brandenburg und den angrenzendeu Templerkirche, sowie dafs der Johannitor-Ordonsineister Joachim 
(lebioten gegen (las andringende Slaventlmni erriehtete. Im Jahre v. Arnini der Stadt von 1544 an a ill' seehs Jalirc die Bierzinse iiber- 



Alib. I. Theilansieht der Sudwand mit. der Kanzel und dem Abl>. '2. Bliek vom Altar in das Schiff. 

gothischen Cliorgcsttilil. Naeh dem Ban. Naeh dein Bau. 

1'iiSI zuerst urkmidlieli erwiiluit. kam die* Stadt 1*28(> in den Besitz wies unter der Bedinguug. von dem Krtrage derselben die Stadt- 

der Tempelherren , naeh deren Untergang sie an die Johanuiter tiel. maiieni, die (Jriiben und die Kirche ausbessern zu lassen und dar iiber 

die 1 too endgiiltig in ihrem Besitz be>tatigt wurden. Als bedeut- Reehnung zu legeu. Damals ist die letzte uaehweisbare wirkliche 
same Zoiehen Ausbesserung 

seiner Wirksam- der Kirche er- 

keit hat dieser folgt bis zur (.Jc- 

Orden in tUm genwart. Kinige 

mm erworbenen interessante Kr- 

Gebieten eine gjinzuugeu ha- 

grofse Anzahl ben diese weni- 

Ivirclieu gegriin- gen Angabeu 

det, die, als Jo- dureh die im 

hanniterkirehen, Laufe der Bau- 

an hervorragen- Abb. :). Xufgetuudene Flaehsrhnitzerei (-2,53 m lang und 0,43 m hoeli). „ ausfnhrung er- 

der Stelle nodi haltenen Auf- 

heute das Malteserkreuz fuhren. So aueh die Stadtpfarrkirehe der sehliisse gefunden. dureh die nebeuher noeli einige der bisherigen 

kleinen Kreisstadt Zielenzig. Ansiditen iiber die Zeitstellung der eiuzelnen Bautheile abgeaudert 

Die urkundliehen Naehriehten iiber das (Jotteshaus tliefseu nur werden. 
iiufserst spjirlieh. Wir wisseu nur, dafs die Kirehe im .lalire l.'Niil ^Yic sehon aufserlich an der versehiedenen Ausbildung der 

lien geweiht worden ist; ohne Zweifel als Absehlufs einer von den Strebepfeiler und der Fensteroffnungeu erkennbar (Abb. 4 u. 8), 



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18 



Die Denkmalpflege. 



26. Febrnar 1902. 



Abb. 4. Stidost-Ansicht. Vor dem Bau. 



stammen die Umfas- 
sungswande des Kir- 
chenschiffes aus zwei 
verschiedenen Bau- 
zeiten. Die drei west- 
lichen Joche desselbeu 
(Abb. 0) gehoren nocli 
der altan Templer- 
kirchc an. Besonders 
interessant an ihnen 
ist der ini Jnnern 
auftretende, von der 
aufseren spitzbogigen 
Form volLig abwei- 
chende rundbogige 
obere Absehlufs der 
Fensterleibungen. Da- 
bei ist der Spitzbogen 
durchaus nicht etwa 
eine Zuthat spaterer 
Zeit. Einige Anhalts- 
punkte haben sich, an 
dem mangelhaften Ein- 
binden eines Strebe- 
pfeilers, an einem inne- 
ren Maucrabsatz, auch nocli dafiir ergeben, dafs diese 
Templerkirche wohl urspriinglich eine liolzdecke besafs. 
Zu einem schltissigen Beweise gentigen diese wenigeu An- 
haltspunkte indessen nicht. Diese altcste Kirche erstreckte 
sich erheblich weiter nach AVesten als der heutige Ban. 
Mit seiner Xordwand steht der jetzige Thurm, der also 
nicht der ersten Anlage angehort, auf den Grandraaucrn 
dieser alten Kirche. An der Siidseite konnte die aus Feld- 
steinpaekungen bestehende Grundmauer der abgebrochenen 
Westhalfte freigelegt und mit aller Sieherheit als solche 
bestimmt werden. Wie weit sie sich , nach Westen er- 
streckte, hat indessen nicht ermittelt werden konnen, ein- 
mal wcil es die Steinpackungen beeintrachtigten, welche 
zur Sicherung der Thurmgnindmauern ausgefiihrt sind, und 
dann weil die nahe hcrantretenden Wohnhiiuser weiteren 
Nachgrabungen ein Ziel setzten. An dem ostlichen Endc 
dieses iiltesten Bauthcilcs befand sich nun jederseits im 
Aeufseren eine auf den' Lichtbildern des alten Zustandcs 
noch deutlich erkennbare Verzahnung (Abb. 4), die den 
Eindruck erweckte, "aJs wenn hier Kreuzfliigcl hat-ten an- 
geschlossen werden sollen. Ausgefiihrt sind solche Fliigel- 
bauten aber jedenfalls nie, denn bei den vorgenommenen 
umfassenden Gelandeausgleichuhgen sind keinerlei Spuren 
entsprechender Grundmauern festgestellt worden. Der deu 
Anschein besonders hohen Alters erweekende Anbau an der 
Siidseite der westlichen Schiffshalfte (vgl. Abb. 4) ist in 
Wahrheit ohne Verband dem Hauptbau angefugt, also 
spater als dieser und vielleicht zeitlich nicht sehr ver- 
schieden von dem ostlichen Gebiiudetheil, vielleicht gar erst aus spiit- 
gothischer Zeit. Die beiden ostlichen Joche gehoren der 1369 ge- 
weihten Kirche an und sind schon ein Werk des Jcmanniterordens. 



putzkleide gutc gothischc Formen birgt. ist ebeufalls in diese Zeit 
zu setzen. Gleichzeitig wurde auch der Kirchenraum mit den jetzT 
noch vorhandenen schbnen Sterngewolben iiberdeckt (vgl. Abb. i 
u. 7). Dafs etwa in halber Mauerhohe das Format der Ziegel am 
Ostbau wechselt, diirfte bei der im ubrigcu einheitlichen Baw- 
durchfiihrung nur auf oinen voriibergehenden Xothstand in <ler 
ZiegelbesehafTung, nicht aber auf noch eine weitere Bauzeit zuriiek- 
zufiihren sein. 

Das recht schlecht in Fachwerk ausgefiihrte oberste Thurm- 
geschofs, wie auch das Thurm- und Kircheudach sind unter Friedri* h 
dem Grofsen nach einem Brande neu ausgefiihrt worden. Dabei i<t 
auf die urspriinglich en Formen keinerlei Riicksieht genommen worden. 
Jnsbesondere ist das Schiffsdach wesentlich niedriger ausgefiihrt- al* 
das bisherige und der ohne Zweifel vorhanden gewesene ostliohe 
Mauergiebel durch einen ganz schmucklosen Wahn ersetzt worden. 

Das Innnere des Gotteshauses barg eine ganz besonders reiclu* 
.Fiille des interessantesten Schreinwerks, fast in alien weseutlielien 
Stueken aus der Zeit von lf>50 bis 1G00 staminend. Trotz der iiber- 
triebeneu Menge der Einbauten zeigte dabei der Innenraum dorh 
eine Wirkung soldier Geschlossenheit und Einheitlichkeit, wie sic 
unseren ahnlichen und mit entsprechend zahlreichem Einbau aus- 
gestattcten alten Kirchen sonst selten eigen ist. 

Aufgabe der Wiederherstellung war es nun, neben der bauliclieu 
Instandsetzung des ganzen Gebiiudes noch einerseits die Erweiterungs- 
bauten auszufiihren, welehe die grofser gewordene Gemeindc noth- 



Xacli dem Bau. 



Abb. ">. Blick von der Siidempore. 

weudig brauchte, anderseits die ganzlich baufalligen Einhauteu. 
unter moglichster Wanning der alten werthvollen Bestnude, zu er- 
neuern. Dabei siud die Erweiterungcn in der Weise durchgefiilirt. 



■ 14. bis 
3 19. Jah 

Abb. 6. Grundrifs zu ebener Erde. Abb. 

Johanniterkirche in Zielenzig in der Neumark. 



Oberer (irundrifs. 



Der Bauvorgang ist augenscheinlich der gewesen: Die alte 
Kirche kam mit ihrem^ westlichen Theile der auch jetzt noch 
unweit voriiber ftihrenden Strafse in den Verkehr hemmender 
Weise nahe, vielleicht kam eine Ausbesserungsbedfirftigkeit des 
Westbaues hinzu, und so entschlofs man sich, im Westeu eine 
Anzahl Joche iiberhaupt abzubrechen, urn sie dann im Osten 
wieder anzufugen. Der Thurm, der ebenfalls bis zum Uhrgeschofs 
hinauf unter seinem graulichen, erst zehn Jahre alten Ccmeut- 



dafs im Xorden an Stelle zweier scheunenartiger alter Anbauten 
wiirdige neue getreten sind und auf <len Anbau der Siidseite ein 
Geschofs aufgesetzt worden ist. 

Jm Tnneren wurde angestrebt, unter Beibehaltung moglichst aller 
kunstlerisch irgend werthvollen Theile der alten Einbauten, die hinzu- 
kommenden neuen Stiicke durchweg genau in derselben Zeit- und 
Formensprache zu halten wie die entsprechenden alten, uni so moglichst 
nichts von <ler interessauten rjesamtwirkung des Iuneren zu verlieren. 



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Nr. 3. 



Die Denkmalpflege. 



19 



Dio alten Hi 
gHiiiuse ebe: 



Abb. 8. Nordansiclit. Xach dem Ban. 

iporenbriistungen wurden bcibehalten, das 
at alls bcibehalten und erweitert. Das nc 



alte Orgel- 
ue Gestiihl 



wurde den Formeu dos bislierigen nach Moglichkeit angepafst, das 
Gebalk der Eniporen wurde aufgefundenen Resten des ursprunglichen 
genau nachgebildet, fur die geschnitzten Emporenstutzen wurden 
genii gende Reste der einraal aus der Kirche entfernten alten Vor- 
bilder als Zaunpfiihle an einer Feldscheide aufgefunden und wieder 
benutzt. In der Kanzel wurde ein ganz besonders werthvolles Stiick 
eingelegter Holzarbeit aus dem Jahre 1581 entdeckt und wieder- 
hergestellt — eine Entdeckung, die wahrseheinlich an der Pfarrkanzel 
der Nachbarstadt Drossen wiederholt werden konntc. Fur die Aus- 
fuhrung eines gothischen Chorgestiihls ergaben sich aus alten Resten 
geniigende Anhaltspunkte. In der Ruckwand dieses Gestiihls fand 
eine sehr interessante spatgothische Flachschnitzerei Platz, die bei 
den Abbruclisarbeiten im Zwischenboden der Orgelempore gefunden 
worden war und die in Abb. 3 wiedergegeben ist. Die auf derselben 
dargestellten Wappen gehoren nach der mir giitigst niitgetheilten 
Annahme des Geheimratbs Dr. Steiubrecht, \on dein Beschauer 
aus von links nach rechts gerechnet, den Faniilien 1) v. d. Borne 
oiler Brederlow, 2) Mellentin, 3) Doklau an. Yermuthlich habeu wir 
in diesem Brett den letzten Rest eines Weihgeschenkes von Mit- 
gliedern des Ritterordens vor uns. Besonders interessant an ihni 
siud das Fehlen der Helmzier, die Durchbrechung in jedeni vordersten 
llelmbiigel, das vollige Auflosen der ganzen Ilelmdeeken in Ranken- 
werk und die ungewohnliehe Endigung dieser Ranken in grofse 
Quaste oder Bliithen in den beiden oberen Eckeu des Feldcs. Die 
Darstellungen sind roth, gelb und schwarz (?) getarbt. 

Bei den Freilegungsarbeiten an den Wanden und Gewolben 
wurden eine geringe Anzahl mittelalterlicher Freskomalereien auf- 
gedeckt, von denen die wohlgelungene Darstellung eines Yogel- 
schiefsens, einige augenseheinlich als Proben angesetzte schablonirte 
Mafswerkornainente, sowie die Bliithenranken und an Brandenburg 
erinnernden Fratzen an den Zwiekelloehern der Gewolbe von be- 
sonderein Interesse sind. (iiinstige l T mstande ermoglichten es, auch 
in malerisclier Beziehung die Wiederherstellungsarbeit unter sorg- 
taltiger Anlelmung an die vorliandenen Motive und gemachten Funde 
frei von Kiirglichkeiten durchzuiiihren, und so auch in dieser wesent- 
lichen Beziehung den Forderungen, welche das Gebiiude stellte, voll 
gorecht zu werden. Um die Austuhrung dieser Malerei liat sich der 
Staler Olbers in Hannover besondere Verdienste erworben. 

Der Thunn, der sich merkwiirdigerweise nicht mit im Besitz 
der kirchlichen, sondern in dem der politischen Gemeinde befindet, 
nmfste aus diesem Grunde leider von den AVicderherstellungsarbeiten 
ausgeschlosson bleiben. (Schlufs folgt.) 



Die Bau- und Kiuistdenkmiiler der Provinz Westfalen. 



\achdcin vor kurzem bereits der neunte Band des Denkmaler- 
inventars der Provinz Westfalcn, von welcheni in diesem Blatte 
bislang cine Besprochung nodi nicht ertblgt ist, tU*r Oetfentlichkeit 
iibergelxMi won ten ist, diirfte es angezeigt sein, in knappen Worten 
die Grundsatze, nach welchcn die Bearbeitung erfolgte, darzulcgen. 

In der Zeit vom Jalire 1875 bis zum Jahre 1888 hatte die 



llanden des westfalischen Provincialvereins fiir Wissensehaft und 
Kunst in Miinster geruht. Im Jahre 1889 iibernahm sie der 
Provinzialverband von Westfalen. Die Thatigkeit des genannten 
A'creins war keine erfolglose gewesen. Im Jalire 1880 war der Kreis 
llamm, sechs Jahre spsiter der Ivreis Warendorf veroftentlicht worden. 
Doeh fehlte dem Uuternehnien die Schnelligkeit, mit welcher der 



Li'itung der luveutarisiruiigsarbeiton in der Provinz Westfalen in den jetzige Kijnigliche Baurath und Provincialconservator A. Ludorff die 

fernere Bearbeitung in die Hand nahm. 
Mit uneriiuidlicheni Eifer ging er aus 
Werk, und rasch folgte von mm an 
ein Band dem anderen. 18U3 erschien 
der Kreis Liidinghausen, 18i)4 der Kreis 
Dortuiuud-Stadt, 1895 der Kreis Dort- 
lnund-Land und der Kreis Horde, 1897 
der Kreis Munster-Land und der Kreis 
Beckum, 1899 der Kreis Paderborn, 
19(H) der Kreis Iserlohn, und neuer- 
diugs der neunte Band, welcher den 
Kreis Ahaus behandelt*). 



Abb. 1. Schlofs Vischering bei Liidinghausen. Nordwest-Ansicht. 



*) Die Bau- und Kunstdenk- 
Hi a lor von SVestfalen. Herausgc- 
gebcn vom Provincialverbande der Pro- 
vinz Westfalen, bearbeitet von A. Lu- 
d o r f f , Provincial -Bauinspector, Pro- 
vincialconservator, Koniglicher Baurath. 
Miinster i. W\ Commissionsverlag von 
Ferdinand Schoningh in Paderborn. 
In 4°. Mit Tafeln uud zahlreichen Ab- 
bildungeu im Text. — J. Band: Kreis 
Liidinghausen. Mit geschichtlichen 
Einleituugen von J. Schwieters. 1893. 
VI u. 113 S. mit 105 Taf. Preis geh. 
5,G() Ji, geb. 9 M. — II. Band: Kreis 
1) o r t m u n d - S t a d t. Mit geschichtlicher 
Einleitung von Dr. E. Koese. 1894. 
II u. 52 S. mit 57 Taf. Preis $eh. 3 M, 
geb. (') JC. — III. Band: Kreis Dort- 



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Die Denkmalpflege. 



26. Febrnar 1902. 



Der Grundgedanke. welcher den Bcarbeiter bei seiuem Werke 
leitete, ist in dem Vorwort zum ersten Bande ausgesprochen. Dem- 
gemafs wollen die westfalisehen Inventare dem Kunsthistoriker fur 
Sonderforschungen und eingehendereUntersuchungen einen allgemeinen 
Ueberblick iiber die geschichtliche und kunstgeschichtliche Kntwick- 
lung eines Kreises unter Angabe der etwa zu Gebote stelienden 
Quelleu und in knapper, katalogisirender Weise ein Verzeichnifs der 



licb die christliehe Zeit. Als Grenze ist der Ausgaug de* 1*. Jalir- 
hunderts festgesetzt. Es werden nur die fiir eiu DenkinalerverzeMi- 
nifs von einiger Wiehtigkeit erscbeiuenden Denkmaler auf^enomiini]. 
Es ist selbstverstandlich, dafs eine sick nur in kurzen \V<»rt»»u 
bewegende Aufzalilung der Kunstdenkiualer au und fur sich wertli- 
los und oline Leben sein wiirde, wenn sie niclit eine Erganziiiii' 
dureh eine moglichst reiche Beigabe von Abbildungen erfahnn 



Abb. 2. Capitell der Krvpta. 



Abb. (5. Capitell der Krvpta. 



Abb. 4. Capitell. 



Abb. 3. Capitell der Capelle. 
Abdiughofkirche in Paderborn. 



Abb. 5. Basis. 
Bartholomauseapelle in Paderborn. 



Abb. 7. Capitell der Capelle. 
Abdinghofkirche in Paderborn. 



vorliandenen Denkinaler verschaffen. Die Inventare sullen nach der 
Absicht des llerausgebers keine kunstgesebiehtlieli abgesehlossenen 
Arbeiten sein. Vielmehr sollen sie die Grundlage fiir den dem 
letzten Bande der Jnventarisationswerke folgenden Sehlufsband bilden, 
welcher eine ,.allgemeine, die ganze Provinz umfassende, kunst- 
geschichtliche Abhandlung, nebst einer Uebersicht der Gesehichte 
Westfalens" enthalten wird. Sie beriicksiehtigen feruer aussehliefs- 

inund-Land. Mit geschichtlichen Eiuleitungeu vou Dr. E. Roese. 
1895. I u. 80 S. mit 43 Taf. Preis geh. 2,80 M, geb. 5,80 JL — 
IV. Band: Kreis Horde. Mit geschichtlichen Einleitungen von 
Dr. E. Roese. 1895. II u. 59 S. mit 41 Taf. Preis geh. 3 J(, 
geb. 6 JC. — V. Band: Kreis Minister-Land. Mit geschichtlichen 
Einleitungen von Dr. A. Weskainp. 1897. Ill u. 198 S. mit 123 Taf. 
Preis geh. 4,50 .#, geb. 7,50 M. — VJ. Band: Kreis Beckuni. 
Mit geschichtlichen Eiuleitungeu von J. Sehwieters. 1897. Ill u. 
91 S. mit 7G Taf. Preis geh. 3,#, gob. i\ J{ . — VII. Band: Kreis 



wiirde. Doch dafiir hat der llerausgeber der west falise hen Kuu*t- 
denkmaler in geniigendem Mafse gesorgt. Cud vvir diirfen wohl zh 
scineni Ruhme sagen, dafs die Fiille uud Vornehmheit der guton 
Wiedergaben dem Werke einen uuvergiinglichen Worth verleiht uml 
ihm eine der ersten Stellen in tier Reihe der Denkmalerverzeiehnis^ 
anweist. Die Abbildungen sind in don moisten Fallen vorziiglicb 
gerathen. Sie beruhen in der Minderzahl auf Zeiehnungen und in 
der Mehrzahl auf photographischen Aufnahmen, welehe eimen schartVn 

Paderborn. Mit geschichtlichen Einleitungen von \V. Riebter. 18in». 
Ill u. 154 S. mit 118 Taf. Preis geh. 4.20 JL, geb. 7,20.//. - 
VIII. Baud: Kreis Tserlohn. Mit gesohiehtliehen Einleitungen vou 
II. llenniges. 1900. Til u. <»4 S. mit 32 Taf. Preis geh. 2,40^, geb. 
5.40, //\ — IX. Band: Kreis Ahaus. Mit gesehichtliehen Einleitungen 
von J. Sehwieters. 19(H). Ill u. 102 S. mit (IS Taf. Preis geh. o,t 
geb. tiJL — In Originalband gebundeu werden die einzeluen Baud*- 
je urn 1 M theurer geliefert. 



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Nr. 



Die Denkmalpflege. 



21 



Blick iles Bearbeiters fur die an deni einzelnen Denkmal wiehtigste sich aul 

Seitc verrathen. bosom le 

Daukbar erkennen wir os au. dafs dor bestiindig grofsereu Schwan- welchc 

kungen unterworfene Privatbesitz eine cbenso eingehende Behandluug uud di(° 



Abb. 8. 



Kirche in Asbeek, 
Taufstoin. 



Kreis Allans. 



Abb. y. Siidkirehen, Kreis Liidinghausen. Taufstoin 



orfahron bat wie dor ottentliehe Besitz. ist doeli 

a uf diose Weise munches bis dahin unbeaehtet 

gebliebene gute Stuck an dio Oett'entlichkeit ge- 

braeht worden. Dies al>or ware in (loin ausgedehuten 

Mafse, wie es goschelien ist, nieht inoglich gowesen, wenn niolit dio staltot. sondorn audi das Vorstauduifs fiir 

oinzelnon Kreiso zu don Koston dor Herstellung dor Abbilduugen or- oin Bedeutendes erliolit. 

hebliehe Beitrage bewilligt biitton. Dor Kreis Liidinghausen gal) als Jodom Bande ist einoi don Stand dor 

Zusrhuls 30(H) Mark, dor Krois Dortmund-Stadt l.">00 Mark, dor Krois I'ebersiehtskarto dor Provinz sowie ein< 



ziolit. Es folgeu dorselbon dann nooli 
udlungen fiir die oinzelnon Gemeindon, 
siud. Dio gesehichtliehe Bearbeitung 
>lgton gosondort. Den goschiehtlioben 
Tlieil dos Kreises Liiding- 
hausen hatte dor Kaplan 
Sell wie tors ubernom- 
nien: bei den Kreisen 
Dortniund - Stadt, Dort- 
mund-Land uud Horde dor 
Professor Dr. E. Noose, 
beiin Kreiso Munster- 
Land dor J)r. A. Wes- 
kanip, beiin Kreiso 
Beckuin der Pfarrdoohant 
S e h \v i e t e r s , beiin Kreiso 
Paderboru der Oberlehrer 
\V. Kiehter, beiin Kreis** 
Iscrlohn der Pfarrer 
11. Honniges und beiin 
Kreiso Ahaus dor Pfarr- 
< 1 eehant S e h w i o t e r s. 
Der liistoriseben Seite ist 
oine zionilieli eingoliende 
Beliandlung zu Tlieil ge- 
wortlen , welclie dent 
Werke nur zuin Yorthoil 
gereichen kanu. Wird 
doeli (lurch die Geschichte 
nieht nur das Interesse 
dor Bewohner an dm 
friilieren Zustanden uud 
Schicksalen ilirer Gegend 
und ihres Heimathort.es 
wach gerufen und damit 
das Work zu einoni wahr- 
liaft volksthiiinlichen ge- 
die Kunstdenknialer uin 



Abb. 10. Brenkenscher Hof, 
Thisaut 117 (jetzt 9) in Paderborn. 



Dortmund -Land KHH) Mark, dor Kreis Horde f>00 Mark, der Krois 
Munster-Land ;>><H) Mark, dor Kreis Beckuin 2.'>(H) Mark, der Kreis 
Paderborn .V>00 Mark und die Stadt Paderborn aufserdeni .">70 Mark, 
dor Kreis Jserloini 900 Mark, dor Krois Ahaus 24(H) Mark. 

Jedcui Invontar geht eine gesrhiehtlirhe Kinlcituug voraus, weklie 



lnventarisirung zeigende 
Karte dos betrefVeudeu in- 
ventarisirten Kreises bei- 
gegoben. Am Schlufs 
linden wir oin Inhalts- 
verzeiehnifs, oin alpha- 
betisches Ortsregister und 
ein alphabetisehes Saeh- 
register der Denkmaler- 
\ erzeiehnisse. 

Dafs die Gesamtan- 
lage dos Werkes eine 
yorziigliehe ist, dariiber 
bestoht kein Zwoifel. 
Ind doeli ist sie kurz 
nach dein Erscheinen dos 
ersten Bandes in den 
.Jahresberiehteii der Ge- 

schiehtswissensehaft 
einem sehr abfalligen l'r- 
theil untorzogen worden. 
..Die Arbeit LudornV, so 
heifst es dort (XVJ. Jalir- 
gang, 1893, S. H, 284), „ein 
Absrhnitt eines grofsen 
rnternolimeus, ist leider 
ganz planlos und un- 
Nvissensehaftlich angelegt, 
und nieht iin Stande. die 
berechtigten Anforderun- 
gen zu ertulleu". Dai's 
dieser Vorwurf durchaus 
uuberechtigt ist, hat der 
Yerlauf der Arbeit ge- 
254 (jetzt IS) zeigt. Klar und ziel- 

bewufst ist Ludorff den 
von ihin sol list angelegteu 

Meg gogangen, der Gesrhiehto ist eine eingehende Beliandlung zu 

Tlieil gewordeu, und kein Zweig der Kuiistgoschichte ist unberuck- 

siehtigt geblieben. 

Dor Ilerausgeber hat eine mogliehst kurze Schilderuug der ein- 

zolnen Denknialer angestrebt. Er konnte dies audi ohne Sehaden 



Abb. 11. Haus „Hinter den Monchen 
in Paderborn. 



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Die Denkmalpflege. 



26. Februar 1U02. 



fur seiii Work, da in den meisten Fiilhm die hervorrageuden Ab- 
bildungen seinen Text erganzten. Dies aber ist natiirlieh niclit der 
Fall, wo eine entsprechende AYiedergabe des (Jegenstandes tehlt. lin 
luteresse des Werkes ware es daruni wunsehenswerth, wenn dieser 
Mangel gehoben und der beschreibende Text dort wo Abbildungen 
fehlen dem Gegenstaude etwas niehr gerecht wiirde. 

Wenn das Werk allcs, was nach der (iotbik kommt. eiufaeh 
als Renaissance bezeiehnet, so wisseu wir recht wold, dafs sieh 
der llerausgeber der einzelnen Stilrichtungen bewufst geweseu ist. 
Aber fiir die Kunstgesehichte ware es weit werthvoller, wenn nicht 
nur die einzelne Stilrichtung als solche beuannt, sondern audi der ent- 
sprechende Zeitrauin des .lahrhunderts, dessen (Jepriige das Denknial 
triigt, beigefiigt wiirde. Aueh in der (iothik sell>st konnte dies ganz 
gut gesehehen. In vieleu Fallen hat der llerausgeber zwar dem von 
uus Betoutcn Rechuuug getragen, aber es konnte dies in noch aus- 
gedehnterem Mafse- der Fall sein. 

Dafs die Initialen sowie die Buehillust ration uberhaupt in no 
reieheni MalVj beriieksichtigt sind, verleiht dem Werke eineu grofsen 
Vorzug. Doch diirfre es dem llerausgeber entgnngen sein, dafs die 



zuweilen aueh (iegenstande wiedergiebt, die an sieh nicht allzuwe»<ur 
lich sind. Vielleieht wiire es aueh moglich, beziiglich der Angabe d^ 
Quellen eine Acnderung zu treffen, da diese sowohl besondor* 
zusammengestellt sind als aueh unter dem Texte an Hirer Stelle in 
Aumerkungen einzeln angefiihrt werden. 

Jell vervvahre mieh dagegeu, dureh das eben (Jesaj^te den Wi*r?li 
der westfalischen Ban- und Kunstdenkmaler, denen ieh eiue der er>T. i; 
Stelleu in der Reihe der lnventarisationswerke anzuweisen mieh dimh- 
aus fiir bereehtigt halte, herabsetzen zu wollen. Doch glaube ieh. t\n[* 
eiue Beriieksiehtigung der von liiir gebrachten Yorselilage die BV- 
deutung des Werkes noch wesentlieh steigern wiirde. 

Als Proben bringeu wir eine kleine Auslese von tlieilweise n- 
klarten Abbildungen aus dem (iesamtwerke. Die Aid). 8 u. 9 z«-i^n 
zwei derbe, gedrungene Taufsteine aus romanischer Zeit luit niml'-n 
Becken. Der eiue stamiut aus der Kirehe in Asbeek. l\reis Aliauv 
der andere aus der Kirehe in Siidkirelien, I\reis I^iidiugliausen. Abb. 1 
gibt eine Ansieht des Sehlosses des Rittergutes VLsehering U-i 
Liidinghau*en wicder als ein Beispiel der dem westphii list hen Flaoli- 
lande curcntliiimlichen zahlreiehen Wasserhurgen; die Anlage ^tanim* 



Abb. 12. Ueek, Kreis Aha us. Kirehe. Jnnenansicht. 



V erwendung der Initialen als Anfangsbuehstaben storend wirkt. An 
\ielen Orten sind dieselben, wie z. B. Kreis Liidinghausen Tafel 4.*>, 44, 
TS. 71). 80, feruer Kreis Dortmund -l>and Tafel .'V2, zusanimeugestellt 
vvorden. Ware es nicht vielleieht moglich, dies in Zukunft uberhaupt 
zu thun? Es soil dies kein Yorwurf sein, doch wiirde die lebersicht 
und die Souderforsehung auf diese Weise erleiehtert werden, un- 
besehadet, dafs die Initialen im Saehregister bereits zusammen- 
gestellt sind. 

Aueh ist es nieht zu verkennen, dafs der Bearbeiter in der Be- 
handlung des privaten Besitzes des Oefteren etwas zu weit geht und 



in ihren altesten Theilen aus dem 13. .lahrhundert. Ju den Ali- 
bis 7 sind einige der fruhesten roinanisehen Capitelle aus dorAMin^ 
hof kirehe und der Bartholomiiuseapelle in Paderborn darge>r.<lr. 
Eineu maleriseheu Mot* aus gothiseher Zeit stammend bringt Abb. 1»>. 
wahrend als ein Beispiel einfaeher biirgerlieher Baukunst eiu Fade 
werkhaus mit Vorbau, gleiehfalls aus Paderborn stanunend, in Abh.ll 
vviedergegeben ist. Das Jnnere einer einsehiftigen gewolhten Durf- 
kirche ((icmeindc Ueek, Kreis Ahaus) zeigt die Abb. 12. Ilier fallen 
besonders die tief ausetzeuden (Jewolbe auf. 

Niiruberg. Dr. Fritz Trail got t Scliulz. 



Am *J8. December v. J. starb uuenvartet 
Professor der Kirchengeschiehte und christlichen Kunstgesehiehte an 
tier liiiversitat Freiburg. Jn ilim verliert die Kuustwisseuscliaft einen 
hervorragenden Yertreter und thiitigen Fordcrer. (ieboren am 
IS. September 1840 in Trier, studirte er in Bonn und Freiburg Theo- 
logie und Philologie, wurde 1S72 aufserordentlicher Professor der 
christlichen Archiiologie in Strafsburg, 1878 ordentlieher Professor 
in Freifmrg, wo er, in den letzten Jahren durch mancherlei korper- 
liche l,eiden an der volleu Ausiibung seines akademiselien Berufs 
behindert, bis zu seinem Tod« wirkte. 

Seine ersten Yeriiffentlichungeu waren theologischer Art, seit 
ISdS jedoch betrat er das arehiiologisehe (Jebiet, und zwar zunaehst 
in Kiuschrankung auf das (lurch die de Rossischen Kntdeekungen 
und Forschungen der wissenschaftliehen und allgemeinen Aufmerksam- 
keit nahe geriickte christliche Alterthum. Die liervorragendste Frucht 
seiner Studien ist hier die deutsche Bearbeitung der, die de Rossi- 
schen Ergebnisse zusammenfassenden englischen Roma sotterranea 



Franz Xaver Kraus. 

Yon I*rof. Victor Schultze in Greitswald. 
it S. Remo F. X. Kraus, (1872, 2. vervollstiimligte Autl 



bs,s(n. Das lehrreiehe. nnj>ehaiili<h 
gesehriebene Buch begriiudete^ bei aller Abliiingigkeit von de Ro<m. 
seine mafsgebende Stellung auf diesem (icbiete in J)eutsebland. U« i - 
reits 1S82 nahm er daun, durch seine Erfolge ennuthigt ein gref><^ 
rnternehmen in Augriff, eine «Realencyklopadie der eliristliclien 
Alterthiiiner" (2 Bde., 1W2 bis l«ss(j) in Anlehnung an ein frauzosisch^ 
Werk des Abbe Martigny. lndes die Ausfiihrung war verfruht: <^> 
tehlt e an tauglichen Mitarbeitern. eine Suinnie von Artikeln liel ganz 
ungeniigend aus, zahllose J^ehler ziehen sieh hindurch. Der lleraus- 
geber selbst mufste in weitem Umfange eintreteu, und der Wertli. 
den dieses Werk hente noch hat, beruht wesentlieh auf seinen Rci- 
triigen. 

Sein ruheloses Sehaflft»n und weitgreifendes Tub^resse hielt ill n 
nicht liinger auf diesem (icbiete. Durch Yeroffentliehung des Trien i r 
Codex Egbert! (1NS4), der Wandmalereien in St. Georg auf der 
Reichenau (1SS4) und in S. Angelo iu Formis ( 1 8f >.*>) erschlofs er will- 
kommene Zuga'ngc in die genauere Kenntuils <ler karolingisch-otto- 



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Nr. 



Die Denkmalpflege. 



23 



nischen Malerei. Filr die DenkinalpnYgv wurde bedeuteam die yon 
ihm durohgefiihrte Inventarisirung der Geschichts- und Kunstdeuk- 
maler in Elsafs-Lothringen, die nach sechzehnjahriger Arbeit unter 
dem Titel „Kuust- unci Alterthum in Elsafs-Lothringeu u 1892 in 
vier Bjinclen zum Abschlufs kam. Bezeichnend und werthvoli ist 
dariu die umfassende Ileranziehung der Gesehiehte. Wie selir ihm 
derartige Arbeiten am Ilerzen lagen, beweist, dafs er in seiuem 
Wirkungskreise in Freiburg an demsclben Unternehmen fur Baden 
(-Die Kunstdenkmiiler des Grofsherzogthums Baden", 3 Bde. 1887 bis 
181)8) sieh liervorragend als Leiter betheiligte. Sein epigraphisches 
SammeUverk „Die ehristliehen Inschriften der Rheinlandc** (2 Bde., 
181)0 bis 1894) gehiirt ebenfalls liierlier. Daneben gelien kunst- 
gesehichtlic-he Aufsiitze, Besprechungen von Werken und kleinere 
und grofsere Yertiffeutliehungen andereu Inhaltes (die Miniaturen der 
Mnnessesehcn Liederhandsthrift, Luea Signorellis Illustrationeu zu 
Dante, Kirehengeschichte, Dante usw.). Den jiingsten Abschlufs 
bildet die grofs angelegte, leider nicht ganz zum Abschlufs gelangte 
Jieschichte der ehristliehen Kunst- (1. Bd. 189(1; 2. Bd. I, 1897: 
II, 1 1900). 

Ein Kiickblick auf diese schriftstellcrische Tliiitigkeit zeigt mis ein 
ins Weite gehendes Interesse und eine wuuderbare Spannkraft des 
(ieistes. Dem starken Drange des Wrstorbeneu, Vergangenlieit und 
Gegenwart aufzunehmen, entsprach ein ebenso starkes Bediirfnifs, an 
andero mitzutheilen. In seinen Veroffentliehungen iiufsert sicli deut- 
lich die Freude, das Erworbene und Enipfundene der Oeffentlichkeit 
innerhalb und aufserhalb der wissensehaftlichen Kreise zugauglieh zu 
mac-hen. Seine Stimmung ging immer auf das Grofse und Absehliefsende. 
Die kleinen Bausteine. die der Forsehcr braucht, waren ihm dabei eine 



leidige Last, und die nachlassige Bebaudlung dieser Dinge macht 
sieh oft in seinen Arbeiten bemerklich. Es war immer leicht, ihm 
Irrthinner naehzuweisen. Seine rasche Art der Arbeit ferner liefs 
manehe Ungenauigkeit (lurch. Indes diese Mangel kommen nicht auf 
gegen den geistvollen Zug seiner geschichtliehen Auffassung, der ihn 
instinctiv zum reehten Ziele fiihrte. Selbst eine durch und durch 
kiinstlerische und asthetische Xatur, verstaud er das Einpfinden und 
die Spraehc der Kunst wie nur wenige. Seine theologische und be- 
sonders kirchengeschiehtliehe Bilduug liefs ihn manches schen, was 
sonst nicht beach tet war. Seine -Gesehiehte der ehristliehen Kunst** 
ist darum einzigartig, weil sie die Kunst in ihrer Yerkniipfung in it 
dem religioscn Yolksgciste zu verstehen suchte und dementsj)rechend 
nicht den Formen, sondern dem Leben der Kunst nachgeht. Sein 
kiinstlerisehes Ideal lag nicht, wie man erwarten moehte, im Mittel- 
alter, sondern in der Renaissance, deren Bedeutung er iiberschweng- 
liche Worte widmet. In aufsergcwohnlichem Mafse besafs er die 
Kunst der Darstellung. Ueber verwickelte Streitfragen und schwie- 
rige Yerhaltnisse verstand er spielend aufzuklaren. Menschen und 
Zustande wirrden unter seiner Hand lebendig. Daher konnten seine 
Schriften auch weit in Laienkreise vordringen. 

Sein schaffensfreudiger Geist hatte ohne Zweifel der Kunst- 
gesehichte noch werth voile Dienste geleistet, wenn ihm ein liingeres 
Leben — er erreichte nur ein Alter von (il Jahren — beschieden 
worden ware. Aber das, was wir von ihm haben, ist mehr als 
genug, ura ilim unsere treue Erinnerung und einen Ehrenplatz in 
unserer Wissenschaft zu siehern. Ihm, dem Erforscher der romischen 
Katakomben, seien die Worte ins Grab nachgerufen , die dort so oft 
seinem Augc entgegentraten : Requieseat in pace! 



Verniischtes. 



Erhaltung schoner mid eigeuartiger Landschaftsbllder. In 

richtiger Wiirdigung der Thatsache, dafs mit der von Jahr zu Jahr 
zunehmenden wirthschaftlichen Entsvicklung die Bautbatigkeit gleichen 
Schritt hiilt, hat der Regierungs -President in Trier fur seinen 
Bezirk ein Rundschreiben an Behflrden und geeignete Vereine gerichtet, 
welches allgemeinere Beachtung fiir sieh in Anspruch nehmen darf. 
Angeregt durch ein ahnliches Vorgehen des Regierungs-Prasidenten in 
Coblenz, empfiehlt das Schreiben warm die znr Erhaltung schoner 
und eigenartiger Landschaftsbilder der heimischen Flufsgebiete geeig- 
neten Mittel, und zwar namentlich mit Riicksicht auf die Gestaltung 
der Neulmuten in der Nabe der Flufsufer. 

Mit Recht wird hervorgehoben, dafs die vorhandenen werthvollen 
Bauwerke ftiiherer Zeiten der Nachwelt thunlichst zu erhalten sind, 
dann aber auch, dafs eine Verunstaltung der heimischen landschaft- 
lichen Schonheit durch geschmacklose Neu- und Umbauten und durch 
unsch5ne Anlagen nach Kriiften zu verhindern ist. Mangels gesetz- 
licber Ilandhabe sei dies aber nur auf dem Wege geschickter person- 
licher Einwirkung auf die Bauenden zu erreichen. Wie jiingst an 
dieser Steile (vgl. S. 121 vor. Jahrg.) bei Gelegenheit einer Besprechung 
des Hildesheimer und Bremer Wettbewerbs hervorgehoben wurde, w r ird 
auch in dem Rundschreiben des Regierungs-Prasidenten darauf hin- 
gewiesen, dafs der kiinstlerische Worth eines Gebaudes nicht immer 
kostbaren Baustoffen oder Anhaufung reicher Gliederungen zuzu- 
schreiben ist, dafs sieh vielmehr durch sachkundige Behaudlung und 
Anlehnung an altbewahrte Vorbilder mit den sparsamsten Mitteln guter 
pjrfolg erzielen lasse. Darauf werden Winke fur augemessene Aufsen- 
gestaltung der Bauwerke, die Vermeidung unverhullter Verwendung 
verletzend wirkender, kunstlicher Baustoffe, z. B. der Schwemmsteine, 
die Anordnung wirksamer Abtonung der Flachen und Zierathe und die 
Belebung der Dacher durch Thunnchen und Luken unter Vermeidung 
der fremdartigen Flachdacher gegeben. Vor allem wird der thunlichsten 
Verwerthung heimischer Baustoffe das Wort geredet. In bemerkens- 
werther Weise wird dann noch am Schlusse der mit Riicksicht auf 
seine malerische, kraftige Wirkung so dankbare und verhaltnifsmafsig 
billigere Fachwerkbau in Erinnerung gebracht und seine Anwendung 
da, wo er angiingig und polizeilich zulassig ist, nahegelegt. 

Wenn das dankenswerthe Vorgehen der Regierungs-Prasidenten 
in Coblenz und Trier in alien Kreisen freudig begriifet worden ist, 
so darf es als gutes Zeichen unserer Zeit anerkennend hervorgehoben 
werden, dafs auch in der Presse die in Rede stehenden idealen Be- 
strebungen beifalligen Wiederhall gefunden haben. Diese Thatsache 
berechtigt zu der Hoffnung, dafs jene Anregung auch in anderen 
Regierungsbezirken Nachahmung findet, ehe es zu spat ist. v. P. 

Aug dem Jahresbericht ttber die Thatigkeit des Conservators 
der Ltibeckischen Baa- and Konstdenkmaler fur das Rechnungsjahr 
1900 geht hervor, dafs die Erhaltung und Wiederherstellung der 
Denkmaler wiederum erfreuliche Fortschritte gemacht hat. In der 
Marienkirche wurden u. a. mehrere werth voile Gemalde gereinigt 
und ausgebessert und in der Aegidienkirche die Freilegung und 
Instandsetzung der unter der Orgel und an der Thur des Singechores 



gefundenen Intarsieen beendet. Der Taufstein mit seinem in Anstrieh 
und Inschriften wiederhergestellten Schrankwerk wurde an seinen 
alten Platz in die Mittelachse dieser Kirche vei*schoben. Bei Gelegen- 
heit des Umbaues der Lowenapotheke (vgl. S. 41 d. vor. Jahrg. 
d. Zeitschr.), deren Erhaltung der Opferwilligkeit kunstsinniger 
Burger zu danken ist, wurden die nicht wieder ver wand ten 
arcbitektonischen Bautheile fiir das Museum erworben. Von dem 
Hause Schtisselbuden Nr. 12, das leider nicht vor dem Ab- 
bruch zu retten war, wurden Aumahmen in Photographieen untl 
Zeichnungen hergestellt. Dies Haus w r ar lange Zeit Eigenthum der 
Now'gorodfahrer und besonders bemerkens werth wegen seiner reichen, 
ganz in Sandstein verblendeten Hoffronten. Die Werksteine wurden, 
soweit sie zu einem Wiederaufbau dienen konnen, dem Museum zu- 
gefiihrt. Bedeutende bauliche Ausbesserungen sind an den ildlsten- 
thorthiirmen und an den Dachern des Rathhauses vorgenommen. 
Die Erneuerung der am 2G. Januar v. J. infolge von Blitzschlag durch 
Brand zerstOrten Thunnspitze der Jakobskirche (vgl. S. 59 des 
Centralbl. d. Ban ver w., Jahrg. 1901) konnte im Jahre 1901 nicht mehr 
bewirkt werden. Fiir die Invent arisation der Bau- und Kunst- 
denkmaler Lubecks wird gegenwartig die Marienkirche bearbeitet. 
Die den Kirchenvorstanden aufgegebene Anfertigung von Verzeich- 
nissen der unter ihrer Obhut befindlichen Kunstdenkmaler wird im 
nachsten Jahre beendet sein. 

Das MUnster in Freiburg im Breisgao und seine Wiederher- 
stellung ist Gegenstand eines Vortrages gewesen, den der Miinster- 
architekt Friedrich Kempf auf dem zweiten Tage fiir Denkmal- 
ptlege in Freiburg i. Br. am 24. September 1901 geh alten hat. Der 
Vortrag ist jetzt im Verlage der Herderschen Verlagshandlung in 
Freiburg i. Br. im Sonderdruck erschienen und wird fiir den mafsigen 
Preis von 1 Mark jedem Besucher der Stadt Freiburg als Fiihrer 
durch das Miinster willkommen sein. Kempf behandelt in dem 
Haupttheile die baulichen Entwicklungsstufen des Bauwerkes und 
weist nach, dafs die Bauhutte einige Jahrhunderte lang fast ununter- 
brochen in Thiitigkeit gewesen ist. Alsdann wird der wiederher- 
stellungsbediirftige Zustand, besonders des Thurmes betont, dessen 
Abtragung und Wiederaufbau auf eine Htihe von etwa 15 m er- 
forderlich ist. Auch die Mafswerkhelme der beiden Thurme an der 
Ostfront sind theilweise so bauftillig, dafs auch diese Bautheile zum 
Theil abgetragen und neu aufgefiihrt werden mussen. Am Chor- 
giebei und am Langhause sind infolge Verwitterung bei Verwendung 
schlechter Baustoffe bedenkliche Schaden entstanden, sodafs auch 
hier Wiederherstellungen unvermeidlich sind. Der vor mehreren 
Jahren aufgestellte Kostenanschlag fiir die Arbeiten zur Sicherung 
und Verjungung des Bauwerkes belief sieh auf 2 l ,\ Millionen Mark. 
Die zur Unterhaltung verpflichtete Miinsterfabrik ist nicht imstande, 
solch grofse Summe aufzubringen. Es hat sieh daher zur Be- 
schaffung der Mittel ein Miinsterbauverein gebildet, dem es gelungen 
ist, bis jetzt eine bare Summe von 86 OCX) Mark zusammenzubringen. 
Eine Lotterie brachte 1 Million Mark ein, weitere Einnahmen durch 
Lotterieen stehen noch aus, sodafs die Hoffnung besteht, dafs bald 



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24 



Die Denkmalpflege. 



26. Februar 1902. 



nach Erlangung der erforderlichen Gesamtbaukosten mit der plan- 
mafsigen umfassenden Wiederherstellung des Miinsters in Freiburg i. Br. 
begonnen werden kann. 

Zur Erhaltung and Ausgestaltnng des architektonischen Gesamt- 
bildes der Stadt Augsburg hat der Magistrat dieser Stadt orts- 
polizeilicbe Vorschriften erlassen, die einen weiteren Fortschritt 
in den Bestrebungen zur Erhaltung des alten Gcprages unserer naittel- 
alterlichen Stadte bilden und sicberlich ihren Zweck ebenso wie die 
fur Rotbenburg, Hildesheim, Niirnberg, Wurzburg usw. erlassenen 
Bestimmungen erreichen werden. Die Augsburger Yorschriften be- 
ziehen sich fiir Uni- und Neubauten auf die innerlialb der ehemaligen 
Stadtunvwallung gelegenen Stadttheile. Vera nderun gen auch im 
Innern der Bauten -von geschichtlicher, kunstgeschichtlieher oder 
architektonischer Bedeutung miissen vor Beginn der Arbeiten an- 
gezeigt werden. Bei Umbauten oder Veranderungen derartiger Bau- 
werke ist ihrer Eigenart Hechnung zu trageo; dasselbe gilt auch von 
I'm- oder Neubauten in der Umgebung solcher Bauwerke. Insbeson- 
dere kann die Herstellung von Backsteinroh bauten oder von Bauten 
aus gemischtem Mauerwerk von greller Farbenwirkung und die Er- 
richtung von flachen oder Mansardendaehern in der Xiihe dieser 
Bauwerke verboten werden. 

Auch auf die kunstlerische Ausbildung der Neubauten in den 
Baugebieten mit offener Bauweise erstrecken sich die neuen Vor- 
schriften. Ferner kann von der Baupolizeibehorde bei Gebauden in 
schlechtem, die Strafsen verunzierendem Zustande eine entspreehende 
Herstellung angeordnet werden. Unschone Reclameschilder und Auf- 
schriften, hafsliche Bemalungen usw., sowie Anlagen, welche die 
Strafsen verunstalten, sind innerhalb einer vom Magistrat festzu- 
setzenden Frist auf Verlangen zu beseitigen. 

Ueber Nichtbewahrung von Zinn zu Dacheindeckungen bcriclitet 
Architekt Haffner in Niirnberg im Centralblatt der Bauverwaltung 
d. J. ? S. 02. Er fiihrt daselbst aus, dafs die mangelhafte Zinn- 
eindeckung der aus dem lf>. Jahrhundert stammenden Kuppel und 
Interne auf dem Rathhausthurm in Rotbenburg o. d. T., die nach 
einer Urkunde im Thurmkopfe aus dem Jahre 1(500 stammt, dem 
darunter liegenden Holzvverk derart verhangnifsvoll gewesen ist, dais 
im Jahre 1880 ein vollstandiger Neubau der holzernen Thurm- 
construction ausgefiihrt werden mufste. Bei Abnahme des Zinns 
konnten unter und neben den vielfachen mit Blei geflickten Stellen 
zahlreiche kleine Locher wahrgenommen werden, welche den An- 
schein erweckten, als seien sie durch Schrotschusse hervorgerufen 
worden. Die damals ausgefuhrte neue Zinndeckung, sowie die der 
zu gleicher Zeit mit Zinn neu gedeckten Giebelthiirmchen der alten 
Stadtwage in Rothenburg o. d. T. zeigten bereits nach fiinf Jahren 
jene kleine schwarzen Flecken, die den im Entstehen begriffenen 
sogenannten -Zinnkrebs" andeuteten, uod jetzt nach zwanzig Jahren 
sind an einigen Stellen bereits Durchlocherungen von 1 mm ent- 
standen. Es ware zu wunschen, wenn auch anderswo mit Zinndiichern 
gemachte Erfahrungen zur weiteren Kenntnils gebracht wiirden. 

Die deutgche Denkmaler-Inventarisation behandelt E. Polaczek 
aus Strafsburg in den Deutschen Geschichtsblattern, Monatssclirift 
zur FOrderung der landesgeschichtlichen Forschung, Gotha 1000, 
S. 270 und 1002, S. 137, indem er samtliche Jnventare der preufsi- 
schen Provinzen und der iibrigen deutschen Staaten zusammenstellt, 
die Grundsatze und die Bedeutung eines jeden dieser Werke er- 
ortert und dabei ihre Verschiedenheit darlegt. Ob es moglich sein 
wird, bei den nach und nach erforderlich werdenden zweiten Auf- 
lagen eine groTsere Einheitlichkeit nach den Vorschliigen Polaczeks 
zu erzielen, mufs dahingestellt bleiben. Er hat leider Kecht mit der 
Klage, dafs der erzieherische Werth, der aus der Theilnahme an der 
luventarisation erwiichst, nicht geniigend gewurdigt wird. Zum 
Schlusse tritt er warm fiir die baldige llerausgabe eines llandbuches 
der deutschen Denkmaler ein, indem er sich dem von Dehio auf der 
Strafsburger General versammlung des Gesamtvereins der deutschen 
Geschichts- und Alterthunxsvereine gestellten Antrage anschliefst (vgl. 
Denkmalpflege 1800, S. 105). Was den Stand der Inventarisation 
betrifft, so diirfen wir auf die in diesem Blatte alljahrlich gegebenen 
Mittheilungen verweisen. 

Bficherschau. 

Alt-Danzig. Charakteristische Giebelbauten und Por- 
tale in Danzig aus der Zeit vom 14. bis 18. Jahrhundert, heraus- 
gegeben vom Westpreufsiscben Architekten- und lngeuieurverein in 
Danzig. Danzig 1001. R. Th. Kuhns Erben (buchhandlerischer Vertrieb 
L. Sauniers Buch- und Kunsthandlung in Danzig). In 4°. (50 Blatt 
Lichtdrucke. In Mappe. Preis 18, H. 

In naehahmens- und hochst anerkennenswcrther Weise hat es 
der Architekten- und Jngenieurverein in Danzig ubernoinmen, eine 
Sammlung charakteristischer Danziger Giebelbauten und Portale in 
handlichem Format auf losen Lichtdrnckblattern zu veroffentlichen. 



Welch prachtige, den meisten unbekannte Bilder werden uns hier 
vor Augen genihrt, denn den wenigsten ist es vergonnt, die alte 
Hansestadt, die ein zweites Niirnberg genannt zu werden verdient. 
kennen zu lernen. Danzig ergeht es gerade so wie den meisten inter- 
essanten alten Stadten, die grofsen Prachtbauten sind durch Ver- 
offentlichungen allgemein bekannt, wiihrend die kleinen aber mit oft 
urn so reizvolleren Einzelheiten unbekannt geblieben sind. Oft wird der 
Werth dieser bescheidenen Bauten erst gewurdigt, wenn sie ab- 
gebrochen werden ; erst dann, wenn es zu spat ist, begreift man, dak 
sie es in erster Linie sind, die in ihrer Gesamtheit die malerischeu 
Strafsenbilder ausmachen. Das ist in letzter Zeit gliicklicberweke 
anders ge worden, indem man iiberall fiir die Erhaltung der alten 
gefahrdeten Stiidtebilder eintritt. Auch das vorliegende Werk wird 
in dieser Beziehung sicberlich reichen Nutzen stiften. Wir sind fe»t 
da von iiberzeugt, dafs es auch auf andere Stadte anregend wirken 
wird, und dafs sein Erscheinen im Verein mit ahnlichen Veroffent- 
lichungen und Bestrebungen iramer weitere Kreise von dem kiinst- 
lerischen Werth der alten Bauten und der Schonheit alter Strafsen- 
bilder iiberzeugt. ErfahrungsgemaCs lernen die Einheimiscben ihre 
Bauten, an denen sie taglich vorubergehen, oft erst aus dem BiMe 
kennen oder, wenn sie liingcre Zeit fortgewesen sind, durch Ver- 
gleiche mit fremden Bauten schatzen. Dafs auch den Architekten 
und Kunstfreunden rait der vorliegenden Sammlung ein willkommenes 
Werk zum Studium in die Hand gegebeu ist, wird jeder, der einen 
Bliek in die Mappe wirft, zugeben, umsomehr, als die Aufnabineii 
von R. Th. Kuhn und ihre Wiedergabe in Lichtdruck durchweg klar 
sind und sie eine grofse Mannigfaltigkeit von Einzelheiten in grofsen 
Mafsstaben geben. Dem Werk ist ein Vorwort vom Regierungs- und 
Baurath Lehmbeck beigegeben, in dem die geschichtliche Entwick- 
lung der Danziger Architekturen treffend geschildert ist. 

Berichte liber die Thatigkeit der Provincial -Commission fur 
die Denkmalpflege in der Rheinprovinz and der Provincial-Unseen 
zu Bonn and Trier. V, 1900. 110 S. gr. 8° mit 35 Abb. u. lOTafeln. 

Jahrboch der Denkmalpflege in der Provinz Sachsen fiir 1900. 
74 S. 8° mit 3 Abb. u. Tafeln. 

Von den preufsischen Provinzen sind Rheinland und Sachsen 
bisher die einzigen geblieben, welche iiber die Angelegenheiten ihrer 
Denkmalpflege alljahrlich vor der Oeflentlichkcit einen ausfubrlicbeu 
Bericht erstatten. Von beiden liegen die Berichte fiir das Jahr 19(H) 
vor, die in ihrer Anlage den friihereu folgen, an Trafang un<l Aus- 
stattung sie ubertreffen. ) 

Die Veroffentlichung des Rheiulaudes zeichuet sich durch die- 
selben Vorziige aus, die bereits ihren Yorgangern nacbgeruhiiir 
werden konnten. Jhr Schwerpunkt liegt in der Darsteliung derwkh- 
tigeren Arbeiten. Ueber einige derselben, den Umbau des Rlieiu- 
thores in Andernach, die Wiederherstellung des Berliner Thores ia 
Wesel und der Burg in Coblenz, hat Provincial-C'onservator C\emen 
in diesem Blatte bereits selbst berichtet.**) Von den iibrigen (je^eu- 
stiinden verdienen hervorgehoben zu werden die WiederherstelUrog 
des Kaiserstuhles im Aacliener Miinster, der Fortgang des Wieder- 
aufbaues des Schlosses Burg a. d. Wupper, die I'ntersuehungfn der 
Ilohenstaufenpfalz Kaiserswerth, die Wiederherstellung der Male- 
reien der Kirche in Nideggeu und die Instandsetzung der altchrist- 
lichen Grabkammern von S. Matthias bei Trier, die erstgenannte 
MittheUung von J. Buchkremer, die letzte von F. Hettner, die anderen 
wieder von Clemen verfafst. Zum Schlufs ist dessen Denkschrift 
iiber den Plan der kunstgeschichtlicheu Ausstellung abgedruckt, 
welche mit der in diesem Jahre in Dusseldorf stattfindenden grofsen 
Ausstellung verbunden werden soil. 

Aus der Veroffentliehung der Provinz Sachsen ist zu entnehmen, 
dafs die Zahl der Denkmaler, die den Provincial-Conservator Dorin.g 
in seiner Amtsthiitigkeit beschaftigen , von Jahr zu Jahr zunimuit. 
Gem wiirde man sehen, dafs die wichtigeren Angelegenheiten nach 
der Art der rheinlandischen Berichte eingehend besprochen ^-iirden; 
denn die in den Anlagen gegebenen besonderen Mittheilungen scheinen 
mehr durch den Zufall geliefert zu sein. Inter diesen ist dem Aufsatz 
von E. Petersen iiber die bedrohte Stadtkirche in Groningen, deren 
volksthiiinlich hergerichtetes Innere beim be\ orstehenden Neubau 
sehwer zu retten sein wird, ein guter Erfolg zu wunschen. — e. 

*) Vgl. die letzten Besprechungen in diesem Blatte, Jahrg. VM\ 
S. 38 u. 104. — ••'•*; Jahrg. 11)01, S. 10, 91 u. Nti. 

Inhalt: Die \ViedfrhcrMt<*Uiiiig tier eliemali^n Johunnitcrkirehc in ZicleiiRiti 
(Noumark). — Die Bau- uiul Knnstdenkinaler der Provinz Westfnlen. — Franz 
Xaver Krans. — Verm is elites: Erhaltunp ttchfmer und eigenartiger Laml- 
schaftsbilder. — Jahresberieht des Consen ators <Ior Liibeckischen Bau- und Kun»t- 
denknialer. — Wiederherstellung don Miinsters in Freiburg im Breisgau. — Vor- 
schriften zur Erhaltung und AusgoHtaltung dos arehitektonisehen Oosaintbildes 
der Stadt Augsburg. — Niehtbewahrung von Zinn zu Daeheindeekungen. — 
Deutsche Denkiniiler-Inventarisation. — Biicherschau. 



Fur die Schriftleitung verantwortlich : Fried r. Schult/.e, Berlin. 
Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn. Berlin. Druck yon J. Kewkea, Berlin. 

Xr. 3. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto SaiTazin und Friedrich Schultze. 



25 



IV. Jahrgang. 

Nr. 4. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — Gescbaftstelle : W. Wilbelmstr. 90. — Bezugspreis 

einscbl. Abtragen, duroh Post- oder Streifbandzusendung oder im Bucbhandel jahrlich S Mark; fur das 

Ausland 8.50 Mark. Fur die Abnebmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 19. Marz 
1902. 



[Alle Reclite vorbehalton.] 



Alte Grabdenkmaler auf Gothaer Friedhofen. 



Die Veroftcntliehuug des eigenartigen Grabdenkmales auf eiuem 
der alten Fricdhofe Gothas iu Nr. 10 des Jahrgangs 1900 der 
..Denkmalpflege" (Seite 127) hat mich zu den naehstehenden auf 
eigener Anschauung berulieuden 
Ausfiihrungeu veraulafst, die als 
Ergiinzung zu jener Mittheiluug 
vieileicht nielit uuwillkonnnen seiu 
diirften. 

Dranfsen vor der alten Stadt- 
uniwallung Gothas, da, wo vor- 
deiii alte Klostermaueru der Gottes- 
verehrung geweihte Raume um- 
schlossen, ruhen die sterblielien 
Cobcrreste einer grofsen Zahl 
fruherer Ciotliaer Burger und Iler- 
zoglielier Beamten, deren Gediicht- 
nifs iu Name, Bildnifs und Wap- 
j)en auf vielfach mit reieliein 
Srhmucke verselieneu Grabstcinen 
die Liehe und Verehrung der 
reberlebenden der Naehwelt iiber- 
liefert liat. 

Wold haben Zeit, Gedanken- 

losigkeit und die Lust am Zer- 
storcn das ihrige gethan, uuter 

den alten Grabsteinen bedenklieh 

aufzurjiumen, aber es ist uns cine 

i miner noeh stattliclie Anzahl sol- 
dier Denkmaler uberkoiumeu, die 

ill rem Kunst- und Gcsehichtswerthe 

nach wiirdig sind, der Yergesseu- 

heit eutrissen und den kommendeu 

Geschlechtern erliaiten zu werden 

— cine Mahnung der Vergangen- 

lieit an die Gegenwart und Zu- 

kunft. — Noch ist es Zeit, noeh ist 

der bauliche Zustand der meisten 

Denkmaler so gut, dais sie mit 

verhaltuifsmafsig geringen Kosteu 

vor dem weiteren Verfalle bewahrt 

werden konnen, und noeh sind 

dem Anscheine nach die Wiirfel 

iiber das endgiiltige Los der alten 

Begrabuifsstatten nicht gefalleu. — 

Aber die Entseheidung, wenigstens 

iiber die ktinftige Bestimmung des 

untersten der drei stattelformig 

iiber einander aufsteigenden Fried- 

hofe, des sogenannten „alten Got- 

tesaekers", (lessen Profanirung in 

wenigen Jahren bevorsteht, ist 

vor der Thiir; wie verlautet liegt 

die Absicht vor, den Neubau einer 

sttidtischen Scliule dort zu crrichten, wo die altesten, kiinstleriseh 

und gesehichtlieh werthvollsten Grabdenkmaler sicli behnden. Ob 

und wie weit dies zutrift't, konnte ieh nicht mit Sicherheit erinitteln, 

aber ein Mahnwort, das an die Bedeutung jener Grabdenkmaler er- 

innert, diirfte vielleicht nielit uugehort verhallen. 

10s soil ja nicht vcrkannt werden, dafs die Frage, ob und iu 

welcher Weise die Grabsteine erhalten werden konnen, keine leicht 

losbare ist, dafs ilirer Losung vielmehr Schwierigkeiten inannigfacher, 

auch privatrechtlicher Natur im Wege stehen konnen und werden; 

weun es aber, wie man wohl hoffen und aunehmeu darf, die 

stadtisehen Behorden in Gotha als eine Ehrenpflicht betrachten, auf 

eine angemessene Erhaltung und Unterbringung der ehrwiirdigeu 

steinernen Zeugen aus der Vergangenlieit ilirer Yaterstiuit ihr Augen- 

merk zu richten, so werden sich unzweifelhaft auch Mittel und Wege 



Abb. 1. Grabstein des saehsiseheu Rath* Lobhartz aus dem Jahre IG.'m, 



linden lassen zur Erreichung dieses idealen Zieles. Die wurdigste, 
und dem Siuue der Denkmalpflege am meisten entspreeliende Losung 
der Frage ware freilich in der Erhaltung der nach Kunst- und Ge- 

schichtswerth bedeutsamsten Grab- 
denkmaler an ihrem jetzigen Staud- 
orte zu erblickeu. Die Moglichkeit 
einer solcheu Losung ware aber 
sofort gegeben, wenu man sich 
entschliefsen konnte, den alten 
Gottesacker mit seinem reichen 
Bestande stattlicber Baumc in eine 
stadtische Parkanlage umzuwaudeln 
und der ott'entlichen Beuutzung zu 
iibergeben — nach wie vor eine 
Stiitte des Ausruhens von der Ar- 
beit, des Friedens, eine wiirdige 
Uinrahmung fur die Denkmaler 
pietatvoller Gesinnung.*) 

Dafs es sich aber bei den Grab- 
denkmalern des alten Gottesackers 
in Gotha wirklich imi kunstlerische 
Leistungen hervorragend geschick- 
ter Meister handelt, dafiir diirfte 
sowohl (lurch die eingangs er- 
wahute Yerofl'entlichuug in der 
.Denkmalpflege", als auch (lurch 
die hier beigefiigteu drei Abbildun- 
geu der Nachweis erbracht seiu. Die 
auf denselben dargestellteu Denk- 
maler sind Schopfimgen des 10., 
17. und 18. Jahrhuuderts und wiir- 
dige Vertreter der Stilarten jener 
Zeiten. So der von eineiu Todten- 
sehiidel gekronte, straff austeigende 
pyramidenformige Aufbau (Abb. 2), 
mit Lorbeergehiingen , Rosen und 
Akanthus in leinster Ausfiihrung 
geschmuckt, mit trefflich gear- 
beiteten mit Ilehuzier' und Mantel 
versehenen Wappen am Fufs der 
Pyramide; so der Doppelgrabsteiu 
eiiies gothaischen Stadtraths und 
seiner Frau (Abb. 3), in Aufbau 
und Schmuckwerk ein Meister- 
stuck barocken Stils. Und damit 
auch die Kunst des Portratbild- 
ners wiirdig vertreten sei, iniige 
in der Abbildung des (irabmales 
des edlen und hochgestcllteu 
Herzoglichen saehsiseheu Rathes, 
Johaun, Christ oj)h, Lobhartz (Ab- 
bildung 1), zugleich ein nicht zu 
unterschatzender Beit-rag zur Ge- 
schichte der Costume am Ausgauge des 17. Jahrhuuderts geliefert 
seiu. Die lebendige, zweifellos portratahnliche Darstelhmg des von 
langen Locken uinrahinten ausdrucksvollen Kopfes, die ^iirdevolle 
llaltung der iu llocharbeit dargestellten Gesamtfigur und die geradezu 
Uewundernswerthe Feiuheit in iler Ausfiihrung der Gewandung und 
Hirer Einzelheiten, des Spitzenbesatzes, der Stickereien, der Schinuck- 



*) Als Beisi)iel, am welche Weise man in andereu Stadten fur 
die I uterbringung werthvoller Grabdenkmaler Sorge getragen hat, 
Uioge auf die S. 3(», Jahrg. 1901 d. Bl., verottentUchte Grabaeukiual- 
halle des Nikolaikirchhofes in Hannover hingewiesen werden. llier 
ist gezeigt, dafs die Erhaltung kiinstlerisch und geschichtlich bedeut- 
samer (irabdenkmaler und ilir Schutz gegen Beschiidigungen (lurch 
rohe lliinde auch mit bescheidenen Mitteln in wiirdiger Weise er- 
nioglicht werden kann. 



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20 



Die Denkmalpflege. 



19. Marz 1902. 



saehon usw. vcrcinigen sich zu ciner kiinstlerisch vollendoten, wohl- 
thucnden Gesamtwirkung der von einem Sehriftbande umrahmten in 
die Kirchhofsmauer eingclassenen Grabplatte. 

Moge die kleine Auswahl der in den Abbildungen wiedergegebenen 
Grabdenkmiiler als Beispiel fur eine grofsere Anzahl von Werken 



gleieher Art und gleiehen Werthes stehen und mit den vorstehenden 
Ausfuhrungen dazu beitrageu, das Interesse an dem alten Gottes- 
acker in Gotha und an der Erhaltung seiner Denkmaler in weitere 
Kreise kunstfrcudiger Menschen zu verbreiten. Xoack. 



Ausgrabungen im Dome in Magdeburg. 



Fiir die im Sommcr und Ilerbst v. J. in den Magdeburger 
])om eingebaute Nicderdruck-Dampfheizung sind zur Aufnahme der 
Rolirleitungen ungefahr 230 m begelibare Canale bis etwa 3 m tief 
untcr dem Kirch enfulsboden angelegt worden. Die Ausschachtungeu 
haben dabei einmal 
einige Gegenstande von 
allgcmeinem Interesse 
aus langst vergangenen 
Jahrhunderten an das 
Tageslicht gefordcrt, 
dann aber auch die 
Veranlassung zur Frei- 
legung unifangreichcr 
alter Grundmauern ge- 
geben und damit einen 
willkommencn Beitrag 
zu der leider so aufscr- 
ordentlicli luckcnhaf- 
ten Baugesehichte des 
Magdeburger Domes ge- 
liefert. 

Zuniiehst hat na- 
mentlich in den bei- 
den Seitensehiften eine 
grofse Anzahl von uber- 
wolbten, in Ziegelsteinen hergestellten Grabkammern aufgedeckt 
und beseitigt .werden miissen, von welchen die moisten in schon 
fruher geoffnetem Zustande und mit Erde und Bausehutt angetullt 
vorgefunden worden sind. Diese auffalleude Erscheinung tindct 
ihre Erklarung in dem Text zu dem Werke fiber den Dom in 
Magdeburg von Clemens, Mellin u. Rosenthal, wonaeh es seinerzeit 
gelegentlich der Neupflasterung, d. h. um das Jahr 1830, nothwendig 
ge worden ist, in der Kirche den Grund und Boden genau zu unter- 
suchen und zu befestigen, um die fruher hiiutig vorgekommenen 
Versackungen des Kirchenfufsbodens zu verhuten. Bei dieser Ge- 
legenheit ist jedenfalls die Zerstorung eiues Theiles der Grabkammern 



Grundmauern nach 1207. 



g Beseitigto 
Grabkamiuern. 



t^ 



Abb. 1. Grundrils. 



Grabe stammend bezeichnet. Einem gliieklichen Zufall aber ist es zu- 
zuschreiben, dafs es noch jetzt gelungen ist, festzustellen, wesson Gral) 
hier hat beseitigt werden miissen. Unter handschriftlichen Auf- 
zeiehnungen eines um die engere Gescbiehte Magdeburgs verdienten 

Forschers, des Profes- 
sors W'iggert, wurde die 
Bemerkung gefunden, 
dafs der Genannte ge- 
nau iiber unserem Gra- 
be im Jahre 1831 noch 
einen im Fufsboden 
liegenden Grabstein ge- 
sehen hat, von dessen 
Umschrift auf der einen 
Seite nur die Worte 
Kl. Januarii und auf 
der anderen die 
ZahlVIJ zuentziffern ge- 
wesen sind. Gleichzeitig 
verweist er auf ein 
handschriftliches A'er- 
zeichnifs der monumentit 
der ErzbischOfe vom 
Jahre 1680, ein Verzeich- 
nifs, das sich im hiesigen 
Koniglichen Staatsarchive vorgefunden hat. Nach diesem Verzeicli- 
nifs lag, der Beschreibung nach genau an derselben Stelle, „ein alter, 
fast ganz vertretener Stein, worauf noch diese Schrift zu lesen: anno 
d . . . in. c. c. LXVMI Kl. Januarii o. d u s Ropertus huius eccle. archiepc. 
pon title. . . . sui anno VII de Querenvorde oriundus". Iliernach 
kann cs kauni einem Zweifel unterliegen, dafs im Jahre 1267 der 
Erzbischof Ropertus hier begraben worden ist. 

Ein anderer merkwiirdiger Fund wurde im nordlichen Sciten- 
schiflf, nahe den Westthurmeu (vgl. Abb. 1 bei b) gemacht. Hier 
lag in ciner Tiefe von 2,75 m die in Abb. 7 dargestellte Sandstein- 
platte mit einer hochst einfaclien Kreuzesdarstellung, im ubrigeu 



r^Ti Heizcnnalo. 



30 



Grundmauern vor 12t>7. 



40m 





Abb. 3. 



Abb. 4. 



Abb. 3. 

-*— Mafsstab 



Abb. 6. 

V« der natiirl. 
Grofgo. 



cm 



Abb. 7. 

Mafsstab 1 : 50. 



erfolgt. Einige in den Seiteuschiffen unberiihrt aufgef undone Grab- 
stiitten stammen aus der ersten lliilfte des 17. Jahrhunderts und ent- 
hielten in inelir oder weuiger reichen, mit Tnschriften und Wappen 
verzierten Metallsargen die Ueberreste protestantischer Domherren 
oder Hirer Gattinnen. Gegenstande von besonderem Interesse oder 
von Werth sind aufser zwei goldenen Trauringen in der Grabkammer 
eines Domherrn v. Arnim nicht gefunden worden. Im stidlichen 
Querschiife aber, vor dem daselbst aufgesteilten Marienbilde (vgl. 
Grundrifs bei a) wurde in einer Tiefe von etwa 2,50 m eine schmale, 
sehr tlache und 2 m lange Grabkammer freigelegt, welche in Bruch- 
steinen gemauert und mit Sandsteinplatten abgedeckt war und sich 
nach ihrem Inhalt als die Grabstatte eines Erzbischots erwies. Es 
fanden sich ein Kelch aus diinnem Silberblech nebst Patene (Abb. 3, 
4 u. 5), die Ueberreste eines holzernen Bischofsstabes, Reste seidener 
(Jewiinder, Theile der mit Goldfaden reich bestickten Mitra und der 
seideneu Schuhe (Abb. 2 u. 6). Der, gefundene Kelch ist in dem 
schon erwahnten Domwerk abgebildet, ein Beweis, dafs auch das in 
Rede stehende Grab bei der Neupilasterung des Domes geoffnet worden 
ist. iVn jener Stelle wird der Kelch als aus einem alteren, namenlosen 



ohne jegliche liischrift, und daninter fanden sich, in den gewachsenen 
Boden eingebettet, die bis auf den zerdriickten Schiidel wohler-. 
haltenen Theile eiues menschhehen Gerippes, ohne (iewanduberreste 
oder irgend welche anderen Gegenstande. Die schlanken Verhaltnisse 
der Platte und die einfache Darstellung auf derselben weisen auf 
ein sehr holies Alter bin. Wahrscheinlich deckte der Stein die 
irdischen Ueberreste eines „\Vanderpredigers u . An der Kirche in 
Gramsdorf im Kreise Galbe finden sich einige Leichensteine mit ahn- 
lichen Kreuzesdarstellungen eingeniauert. 

Was nun die freigelegten alten Grundmauern anbetrifft, so 
mufs zuniiehst mit grofser Wahrscheinlich keit angenommen werden, 
dafs die Mauerreste im siidlichen Theile des Chorumganges bei B 
und im siidlichen Seitenschiif bei A (vgl. Abb. 1) aus einer Zeit 
vor Erbauung unseres heutigen Domes stammen: sie zeigen eine 
abweichende Langsrichtung, eine Richtung, die derjenigen des siid- 
lichen Domkreuzgangannes genau entspricht. Man nimmt bekanntlich 
mit Recht an, dafs dieser Theil des Kreuzganges bei dem Brande des 
Ottonischen Domes im Jahre 1207 erhalten geblieben und auf unsere 
Zeit gekommen ist. Das Mauerwerk bei B besteht aus Bruchsteinen 



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Nr. 4. 



Die Denkmalpflege. 



27 



und reicht nur etwa 2 m unter den Fufsboden des Choruinganges, 
an der Stelle c zeigte sich deutlich der Ansatz eines Bruchstein- 
gewolbes. Wahrscheinlich handelt es sich um Reste alter Grab- 
gewolbe, und vielleicht gehoren diese zu der Graberanlage, deren 
Spuren der vcrstorbene Regierungs- und Baurath Angelroth ini 
Jahre 1896 fand, als er mit ministerieller Genelunigung im Chore 
erfolglose Naehforschungen nach der Krypta des alten Ottonisehen 
Domes anstellte. Die Grundmauern bei A bestchen aus festeni 
Bruehsteinmauerwerk und reichen tiefer als die Aussehachtung fur 
die Ileizcanale unter den Domfufsboden. Ueber die Bedeutung der 
wenig umfangreiehen Reste lafst sieht eine einigermafsen begriindete 
Vermuth img kaum aussprechen. 



In (ier Mitte zwischen den beiden entsprechenden Pfeilern E 
und F . am sudlichen Seitcnschiff ist bis in eine Tiefe von 1,51) m 
Mauerwerk niclit gefunden worden, wohl aber wurde die Grund- 
mauer der sudlichen Hochschiffswand bis cinige Meter westlich von 
dem Pfeiler E aufgedeckt, dieselbe endigte hier init einer sauber gc- 
mauerten stehenden Verzahnung. 

Aus vorstehendem diirfte jedenfalls so viel klar hervorgehen, 
dafs nach dem ursprtinglichen Plan des Domes die Seitenschiffe nur 
die Breite des Chorumganges erhalten sollten, dafs in der Mitte 
zwischen zwei Pfeilern der Trennungswande des Ilochschiffs von den 
Seitenschiffen und deinentsprechend auch in den Seitenschiffen an 
den Aufsenwanden die Errichtung noch je eines Pfeilers oder einer 



Abb. 2. 



Abb. 3. 



Alte GrabdenkmaMer auf Gothaer FriedhOfen. 



Nun zu den miichtigen Mauermassen , welche im Langhause 
im Anschlufs an das Kreuzschiff vorgefunden worden sind (vgl. 
Abb. 1). In ihnen haben wir nicht etwa Ueberreste des alten 
Ottonisehen Dombaues oder einer noch iilteren Kirche zu er- 
blicken; es handelt sich yiehnehr um liegen gebliebene Grundmauern, 
welche der erste romanische Baumeister (vgl. M. Hasak. Zur Ge- 
schichte des Magdeburger Dombaues. Zeitschr. fur Bauw. 189(>) an- 
gelegt hat, welche aber spaterin dem Bestreben, die Kirche immer 
grofser und weitrauiniger auszugestalten, unbenutzt geblieben sind. 
Diese aufgedeckten Grundmauern, welche tiefer als die ausgefiihrten 
Canale unter den Kirch enfufsboden hinabreichen, aus aufserordentlich 
festem Bruchsteinmauerwerk bestehen und ein ganz ahnliches Getuge 
zeigen wie die an anderen Stellen aufgedeckten tragenden Grund- 
mauern des Domes, gestatten einen werthvollen Ruckschlufs darauf, 
wie unser heutiger Dombau urspriinglich geplant gewesen ist. Die 
in beiden Seitenschiffen den Aufsenwanden innen vorgelagerten, 
reichlich 2,50 m starken, vom Querschiff in westlicher Richtung bis 
hinter den ersten Ilochschiffpfeiler reichenden Mauermassen fluchten 
geuau mit den Aufsenwanden des Chorumganges, es sind genau auf 
die Mittelschiffspfeiler passende und in der Mitte dazwischen noch 
einmal kleinere Pfeilervorlagen vorhanden. Die beiden Schiffspfeiler C 
und D am nordlichen Seitcnschiff scheinen auf einer durchgehenden 
Grundmauer zu stehen, welche in der Mitte zwischen beiden freigelegt 
worden ist. Hier fanden sich die gezeichneten beiderseitigen Vorlagen. 



Saule beabsichtigt war, und dafs endlich in echt romanischer Weise 
bei der Ueberwblbung des Langhauses zwei kleine quadratische 
Kreuzgewolbe der Seitenschiffe einem grofsen quadratischen oder 
vielleicht auch einem sechstheiligen Kreuzgewolbe des Mitteischiffs 
entsprechen sollten. 

Es eriibrigt nun noch, eine Erkliirung fur den grofsen Mauer- 
korper westlich von dem Pfeiler C zu finden. In ganz einvvandfreier 
Weise wird dies jedoch kaum moglich sein. 

Was zunachst die an den Pfeiler angelehnte 40 cm starke riug- 
tbnnige, auf das iibrige Mauerwerk aufgesetzte Mauer anbetrifft, so 
haben wir offenbar die friihere Grundmauer der kleinen Capelle Ottos 
und der Edith vor uns, welche nach dem schon einmal angezogenen 
Domwerk an dieser Stelle ihren Platz gehabt hat und erst bei der 
Wiederherstellung des Domes um das Jahr 1830 in eine Chorcapelle 
versetzt worden ist. Was das iibrige Mauerwerk anbetrifft, (lessen 
Starke von Westen nach Osten nur an einer aus dem Gnindrifs er- 
sichtlichen Stelle, und zwar auf 5,50 m ermittelt worden ist, so kann 
hier nur der Vermutliung Ausdruck gegeben werden, dafs unser Dom 
nach dem ersten Plan auch nach Westen hin walirscheinlich nicht 
die gewaltigen Abmessungen erhalten sollte, welche er heute zeigt, 
dafs vielmehr an der fraglichen Stelle urspriinglich der westliche 
Abschlufs und damit eine fast centrale Anlage geplant gewesen 
ist. Der bei dem nachsten Schiffpfeiler G vorgefundene Mauer- 
korper, dessen Ausdehnung nach Siiden und Westen nicht weiter 



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Die Denkmalpflege. 



lU.Mftrz 1902. 



verfolgt werden konnte, deutet vielleiclit auf cine westliche Yor- 
halle hin. 

Uebrigens mufste die (irundmauer jenes Pfeilcrs G auf dor Ost- 
seite bis unter die Canalsohlc freigelegt werden, und es land sicli, 
dafs sie in der Starke des untersten Pteilersockels, wie in dem 
Grundrifs angedeutet, glat-t, ohne jeglichen Absatz bis in die an- 



gegebene Tiefe reicht. Sehliel'slieh soil nocli erwiihnt werden, «laf* 
an zwei Stellen, bei d und e, das alte Grundmauerwerk in don 
Canalwiinden sichtbar stehen gebliebcn ist, und zwar an der 
letztcrcn Stelle, naehdem die oben erwahnte Verzahnung abgestemmt 
worden ist. 

Magdeburg. Harms. 



Die Wiederherstellung der ehemaligen Johanniterkirclie in Zielenzig (Ncumark). 



(Sehlufs.) 
Das interessanteste Stuck in dem Gotteshause ist der Altar. 
Im Jahre 1893 entdeckte zufallig der Ortsgeistlielie, dafs der Altar 
der Kirche in seinem Mittelbau ein Klappaltar sei mit. bis dahiu 
liingst in Yergessenheit gerathenen, sehr schonen bildlichen Dar- 
stellungen auf den Aulsenfiachen. Diese ini hochsten Mafse werth- 
volle Entdeckung wurde bald bekannt und gclegentlicb eines Maniivers 
nahui dann der Kaiser Veranlassung, den Altar in Zielenzig zu be- 
sichtigen, und befahl, dafs derselbe auf Kosten der kaiserliehen 
Privatsehatulle mit einem Aufwande von 10500 Mark vollig wieder- 
hergestellt werden und der Kirche verbleiben solle. Diese Wieder- 
herstellung ist dann in wohlgelungener Weise von dem Maler Oetken 
in Berlin besorgt. worden, und nun bildet dieses bemerkenswerthe 
Werk mittelalterlicher Kunst <len Hauptschmuck der wiederherge- 
gestellten Kirehe. 

Gar vieles ist fiber diesen Altar im Laufe der letzten zwanzig 
Jahre geschrieben worden, dcshalb mag mir ein kurzes Wort, das 
zugleieh einige Irrthumer richtigstelhVhier noch gestattet sein. Die 
Predella und der Mittelbau sind, wie, dX</* vollige Finheitliehkeit in 
der Technik des Figiirliehen beweist, gleielizeitig. Sie bildeten, vicl- 
leioht mit einem einfachen Kamm als oberen Absehlufs versehen, in 
gothischer Zeit den Ilauptaltar der Kirche. \Vie jetzt beim Wieder- 
aufbau des Altarblattes nach der Wiederherstellung beobachtet 
werden konnte, ist dieser Tlieil des jetzigen Gesaintaufbaues audi 
in seinen Abmessungen so vorziiglich in den gegebeneu Baum hineiu- 
gepafst, dafs man fast die spateren Zuthaten bedauern moehte, die 
doch ihrerseits zum Zusammenstimmen des Altars mit dem iibrigen 
Schreinwerk der Kirche so wesentlich beitrageu. 

Dargestellt sind auf den Aufsenseiten der Sehreinthiiren auf 
blauem Grunde die Apostel (vgl. Abb. 10), und zwar: links oben 
Petrus, .lohannes, Paulus: links unten Andreas, Philippus, Thomas; 
rechts oben Jacobus der Jiingere, Judas Taddiius, Jacobus der Aeltere: 
rechts unten Matthaus, Bartholomaus, Simon Zelotes. 

Nach Oeffnung der iiufseren Thiiren werden aeht reizvolle Dar- 
stellungen aus dem Lebcn der Maria sichtbar (vgl. Abb. 11). Die 
Ueihe dieser Hilder beginnt auf dem iiufsersten linken Altartliigel, 
sctzt sich auf dem aufsersten rechten Fliigel fort, springt dann auf 
den diesem zunaehst gelegenen inneren Fliigel und schliefst mit dem 
dicsem benachbarten inneren Fliigel ab. In dieser Keihenfolge sind 
dargestellt: Die Verkiindiguug Marisi, die lleimsuchung, die Geburt 
Jesu, die Anbetung der Kimige, der Tempelgang, die Ausgiefsung 
des heiligeu Geistes, die ilimmelfahrt 'Marisi und die Kronung der 
Maria. 

Werden audi diese Fliigel geotfnet, dann zeigt sicli das auf der 
llohe gothischer Kunst stehende in vollen Formen in llolz ge- 
schnittene und reich gemalte bilduerische Mittelstuck (vgl. Abb. !>)• 
in der Mitte erblicken wir die auf dem llalhmond stehende Gottes- 
mutter mit dem Jesusknaben, ihr zur Kecliten den heiligeu Xikolaus 
von Myra, den Patron der Kirche, zur Linken die heilige Kathariua. 

Der Ueberlieferung nach sollen diese drei Figuren Portriit figuren 
sein, der hi. Xikolaus u. a. die des Bischofs von Lebus, weleher, nach 
einer von mir nicht festzustellenden Quelle der Kirche don Altar 
stiftete. 

Auf den Aufsenfliigeln sind dargestellt: vom Beschauer links 
oben die Jleiligen Georg und Laurentius, vom Beschauer links unten 
die heiligen Apollouia und Iledwig, vom Beschauer rechts obeu die 
heiligen Apostel Petrus und Paulus, vom Beschauer rechts unten die 
Heiligen Barbara und Ursula. 

Sie alle sind an ihren erhaltenen Attributen leicht kenutlich, nur 
fiir die Bestimmung des Laurentius mufs sein Diakonengewand und 
sein Buch geniigen. Der Host ist ihm im Laufe der Zeit verloren 
gegangen und bei der Wiederherstellung auch nicht wieder ersetzt 
worden, sehr vorsichtigcrweise die Frage offen lassend, oh er eirien 
solchen besafs und wie derselbe ausgebildet gewesen ist. Dagegeu 
ist in der Erganzung des Diadems der Maria schneller ein Ent- 
schlufs gefafst. Dasselbe, von zwei Engeln frei sehwebend iiber 
dem llaupte der 1 limmelsjungfrau gehalten, war nebst einem dieser 
Engel im Laufe der Zeit verloren gegangen. Nun ist es als ge- 
schlosseue, denen der auderen lleiligeugestalten des Bildnisses ent- 
sprechende, diese auch im Keichthum nicht iibertretfende Krone er- 
gjinzt worden. 



Die drei Figuren der Predella, besonders die mittlere, hal>en sich 
schon die vielfaltigsten Deutungen gefallen lassen miissen, you *lenen 



Abb. 9. Der Altar mit geoflfneten Innenthiiren. 
Vor dem Bau. 



nur Johannes dor Tauter, der Apostel der Preufsen Adalbert, iiutl 
ein besi<'gter lleidenfiirst genannt seien. Und in tier That shul der 
Beigaben. welche zu ihrer Bestimmung dienen konnen, auch nielit 
allzu viele. Zur Bestimmung der strittigen Mittelrigur stehen uu> 
folgende Attribute zur Verfiigung: Der alien drei Figuren ^rleicli- 
mafsig beigegebene lleiligenschein, die Krone, welche der der iibrigeu 
dargestellten Heiligen vollig entspricht, das wiirdige Aussehen df>< 
gereiften Mamies und das hareuc (Jewand. — Die ersten beiden Bei- 
gaben schliefsen don lleiden vollig aus, deuten vielmehr mit Notli- 
wendigkeit auf einen Heiligen. Als solche ktiinen wegen des hiirenen 
(Jewandes in Frage Abraham, .lohannes der Tauter, Onufrhis. Nun 
hat die Figur nach der llandstellung bestiinmt noch cine weitero, >i« i 
eiuwandfrei bestinnnende Beigabe in den llandeu gehalten: uml 
diese Beigabe hat ebenso bestiuunt hinter der Schiebewand Platz 
tinden miissen, mit der die Predella aufserhalb der hohen Feste ver- 
schlossen war. Das ist nun weder mit dem Engel des so wie so schon 
gar fern liegenden Einsiedlers Onufrius, noch mit dem Kreuzesstal) 
d«'S auch nie in so reifen Lebensjjihren dargestellten Johannes <l. T. 
miiglich. Wohl aber gel it <»s ganz vorziiglich mit dem Bauehfafs des 
Abraham, fiir desseu Jlalteii die llandstellung aufserdem so imge- 
zwungen wie nur miiglich comjxuiirt ist. ^'ir haben es also zweifel- 
los auch hier mit der fiir den Unterbau eines Altarblattes so 
haufigen Darstellung dieses ICrzvaters zu thun. Die Bischofe sind 
vielleiclit nur als Begleitfiguren. vielleiclit gleielizeitig auch als Mit- 
stifter des schonen YYerkes aufzufasseu, die sich im frommen Dienst 



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Nr. 4. 



Die Denkmalpflege. 



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«l«*r lleiligen an deni Scheniel ilirer Kiifse aut deni Kunstwerke init 
I ia hen anbriugen lasseu. 

Kin ebenfalls werthvolles Altarblatt, wenn nicht desselben Meisters, 
so i loch bestimmt derselben Schulc, besitzt noch das bonaehbarto 
Dorf Breesen. Dort ist freilich das Kuustwerk durch den spaten 
Kinbau der Kauzcl nnd einen gleicliiniifsigen grauen Oelfarbenuberzug 
bereits arg geschadigt. Iiiuiiorhin ware aber in gewissen (irenzeu 
<iinu Wiederherstellung audi dieses Werkes jetzt noch sehr wohl 
moglieh und gewifs eiue ebenso lohuende wie verdienstvolle Aufgabe. 

Das ebenfalls recht gut entworfene Barockwerk des Zielenziger 
Altares, welches jetzt den gothischen Schrein umgibt, ist eine Zuthat 
des siebzehnten Jahrhunderts. Durch cinen in drei Nisehen ge- 
theilten Oberbau, in deni Christus als Weltenrichter, ilmi zur Seite 



Maria und Johanues der Taui'er dargestrllt sind, ist zuniichst der 
alte Altar wesentlieh erhoht wordcn und dann durch eiue hohe Ver- 
daehung uud seitliche angebraehte Fliigelfelder init den Bildern und 
Wappeu der Stifter das Gauze einheitlich zusamniengefafst. 
Die Inschrift uber deni Mittelbau 
,,%ufe antticO ft. M. &atnuel ftalle <fcbet pfatljet aljjier, Ijabe 
l&it ttorfteljet ber Vtirdje ft. Peter ^tormet bb ft. <0eotg 
ftoffman bife belt $ott $u el)t marijen laffen." 
ermoglieht die sicliere Zeitstellung auf die , Tali re 11111 IG.jO, zu welelier 
Zeit Magister Halle an der Kirche gewirkt hat. 

Die gesamten Wiederherstellungsarbeiten siud in fast zwei .lalireu 
durehgeffdirt worden und haben einen Kostenaufwand von rund 
8. r )()00Mark verursaeht. K. Dethlefseu. 



Abb. 10. Der Altar, gesehlossen. Nach deni Ban. 



Abb. 11. Der Altar init geoffneten Aufsenthuren. Nach dein Bau. 



Die Kirche des etiemaligen Paulanerklosters in Miinchen. 



Yor kurzem ist init deni Ab- 
bruche der den\ bayerisehen 
Staate gehorigen und bisher als 
Strafanstalt beuutzten Baulich- 
keiten des friiheren Paulaner- 
klosters in der Vorstadt An be- 
gouuen worden. Vom alteu 
l\ luster ist init Ausnahiue der 
Kirche zwar uiehts iibrig go- 
blieben , was eiuer Erhaltung 
werth erscheineu niochtc , da- 
gegen ist es Iiochst bedauerlich, 
dais init deinselben aueh die 
eigenartige , fast gar nicht be- 
kanute Kirelienaulage verschwiu- 
den niufs. 

Das K luster wurde vum Kur- 
fiirsteu Wilhehn V. und die 
Kirche, wie lusehriften an ihrein 
Gewiilbo bezeugen (Inehoatuin 




Abb. 1. (Jrundrifs des gegenwiirtigen Kirchenraunies im 1. Stock. 



MDCXX1, Perteetuni MDCXXI1I), in den Jahren 1621 bis 10-23, also 
unter der Regierung des Kurfiirsten Maximilian vennuthlich von 
dem bekannten Munchener Bauineister Fried rich Sustris erbaut. 
durch eine Bogeustellung getheilte Langhaus 



schliefst sich ein quadratischer 
Clior in it abgesehragten Ecken 
an (Abb. 1), auf welchein sich 
vonnals ein viereckiger Thurin 
init Zwiebelhaube erhob (Kupfer- 
stich von Wening 1701). Eiue 
gewolbte, durch diinne Marinor- 
saulen getragene Emporenaulage 
erstreckte sich von der west- 
lichen Giebehnauer bis zu dor 
erwahnten Bogeustellung. Den 
Zugang zu dieser Einpore und 
ziiiii Dachboden venuittelte ein 
oingebautes Trej>j)enhaus. Die 
(iewolbe des an den Chor an- 
sehlielsendcu Theiles des Lang- 
hauses werden von einer natura- 
listisch als Palme gestalteten Mit- 
telsaule getragen,aus derenreicher 
Bliitterkrone sich die eiuzeluen Ge- 
len I'lnfassungswiinden in Stichkappen- 
Den west lichen Theil des Schiffes iiber- 



.Vn das einsehiffige, 



wolbefelder entfalteu, urn an 

form anzuschliefsen (Abb. 2). 

deckt ein zienilich flaches Tonnengewolbe init einschneideuden Stich 

kaj)peu, wahrend der Chor in einem achtseitigen hohen Kloster- 



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Die Denkmalpflege. 



19. Marz 1902. 



jrewolbe a*»-M-!ili«-r>t. Die Wandflachen >ind in i Innern diirrh ein- 
faebe Li.^nen gegliedert, und nur die CJewolbe sowie der obere Tli«*il 
• Iffr Chonvande haben #*iii#» reiche Stuekdeeoration erhalten. In d«m 
von l^aubbandern und PerNrhniireu eingerahmten Ffdlungeri der Ge- 
\voll>efeld<T de> Srhiffe* tinden »ich Engel-kopfcben unrl die Namen 
d»*r ApoMel. in denen d« ^ ( horgewblbes Engel unter Baldaehinen 
und urn da> MitteUtfnk da>elb»t eine Glorie von Eugelskopfcheii. 
Die auf>ere Anhitektur war nach dem envalmten Kupferstieh ziem- 
lkli eirifarli; die westliehe Ab>ehlufsiiiauer und den Chor kronten 
>rhliebte GieUd. 

Vor langerer Zeit wurde die Kinhe dundi Einziehung eine* Ge- 
bidkes unter gleichzeitiger Benutzung der ulten Emporengewolbe in 
zwei Ge?>chosse getheilt, von welcheu das obere femerliin kirehlichen 
Zwecken uberla^>eii blieb. wahrend das untere zu Wohnraumen uiii- 
gestaltet wurde. Trotz dieser Verringeruug der Gesamthnhe inaelit 
die jetzige Kinhe iiu Innern aber keineswg> eineu ungunstigen Ein- 
dniek ''Abb. '2j. — Verwandte Gewblbeanlagen linden wir nur norh in 
wenigen iiiitt«dalt<*rli«'li<»n Bauten, u. a. iin lloelmieister-Keiiiter der 
Marienburg. in der Klo>terkirehe in Etta I, in der Abtei Eberbach. 
doeli diirfte diej«Miige in der Paulanerkirelie die einzige reirhere aus 
der J{«fiiai»aiirez« a it staiiiineiide Anlage dieser Art bilden. Schon au> 
diesem Gruude wiire zu hnffV'ii ge\vi*seii, dafs sieh Mittel und Wege 
batten linden las>en. urn da* interest nte Bauwerk, wenu aueh nur 
iin bisherigen Zu*taude erhalten zu koiiueu. 



Verniischtes. 

JJer Gesetzentwurf gcgen die Yeruiistaltiiiig landsehaftlieh 
hervorragender liegenden iin Konigreiche Preufsen ist von der liier- 
fiir eingesetzten Commission dem preufsischen Abgeordneteuhause 
zur Beschlufsfassung in folgender Fassung vorgelegt worden: Die 
I^ndespolizeibehorden sind befugt, zur Verliinderung der Verunstal- 
tung landscliaftiich hervorragender Gegenden solclie Rcclamescbilder 
und sonstige Aufschriften und Abbildungen, welcbe das Laudschafts- 
bild veruozieren, aufserhalb der geschlossenen Ortscbaften dureli 
Polizeiverordnung zu verbieten. 

An der Chorroine von Kloster Walkenried (vgl. Jabrg. 1SIVJ d. HI., 
8. 11 u. Centralblatt der Bauverwaltung 1808, S. :):)<)) ist infolge der 
Einwirkungen des Frostes auf die stark ausgewichenen und zer- 
kliifteten Mauern vor einigen Tagen das mittlerc Fenster mit scinen 
Mafswerkresten und dem daniber betind lichen Rundbogen fries, das 
sicli scbon seit Jalirzehnten von den Strebepfeilern losgelost hatte, 
eingestiirzt (vgl. d. Abb.). Die Strebepfeiler sirnl uocli stehen ge- 
blieben, jedocli mufs auch deren E'msturz mit dem aDgreozeuden, 
jetzt allein noch geschlossenen Fenster erwartet werden. 1q der 
Voratissicht <les baldigen Ein.^turzes <ler lebens- 
gefalirlicheu ('liorruioen hat die hraunscliwei- r~ 

gische Hegierung vor einigen Jaliren genane { 



Abb. m 2. Ausiebt gegeu dim Chor. 
Kirche des ehemaligen Paulanerklosters in Mflnchen. 

Mauern iiber ein Meter aus dein Loth (!) — , aber auch die 3%/Hi- 
keit geben, demnaclist, wenn der Einsturz so weit erfolp^t iA, <Ws 

Arbeiten an den Huinen ohne Geia\u 
| fur die Arbeiter vorgenomtnen wwW 



E. Rose phot. 



Dhh Stuck abed Htiirztc iiu Juui Is'Jh ein. 

Ruine Walkenried. 



Melsbildaufnahmen davon anfertigen lassen, die ein interessantes Bild 
der Verdriickungen und Versciiiebungen — stellenweise hiingen die 



kimnen, die landschaftlicli 
reste wieder herzustellen. 



Die Hchraffirte S telle i«t 1902 eingesturat 



und architektonisch bedeutsamen Bau- 



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Nr. 4. 



Die Denkmalpflege. 



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Torn Strafsburger MHnster. Am 1 . Februar d. J. ist Miinster- 
bauineister Arntz aus seineni Amte geschieden. Er hatte in cHesem 
Blatte 1901, Seite 25 selbst das Wort genommen, uin als berufener 
Pileger des Bauwerks nochmals die Bedenken darzulegen, die der 
beabsichtigten Luftheizung entgegensteben. Die Berechtigung der 
Stiftsverwaltung, fur eine Heizung Mittel aus der MUnsterbaustiftung 
herzugeben, wurde im laufenden Jabrgang dieses Blattes Seite 6 mit 
nicbt abzuweisenden Griinden angefocbten, und wie wenig die ge- 
plante Heizung vor der tecbnischen Kritik zu bestehen vermag, 
wurde in einer Besprechung der Angelegenbeit in der Zeitschrift fur 
Beleucbtungswesen, Heiz- und Liiftungstechnik 1901, Nr. 35 u. 30 von 
neuem erortert. 

In den Mittheilungen tiber die baulicbe Pflege des Miinsters, die 
wir im Jahrgang 1900, Seite 33 u. 43 gaben, ist nacbzutragen, dafs 
in der Zwischenzeit die Entwasserung der Ditcher des nordlichen 
Seitenschiffs und der Bau des Stimmganges der Orgel beendet, und 



dafs mit der so dringenden Instandsetzung des Westbaues ein An fang 
an den oberen Theilen der Siidfront gemacbt wurde. Was aber soil 
nun aus dem Minister werden, das binnen kurzer Zeit abermals eines 
sachkundigen Werkmeisters verwaist ist? 

Die Frage der Erhaltung des Miinsters bat im vergangenen Jahre 
den Verband der deutschen Arcbitekten- und lngenieur-Vereine be- 
schaftigt. Auf der Abgeordneten-Versammlung in Konigsberg be- 
ricbtete Arntz iiber den Zustand des Bauwerkes, und in Verfolg des 
damals gefafsten Bescblusses bat der Verband in diesen Tagen dem 
Bundesrath, dem Reicbskanzler und dem Reichstage eine Eingabe 
iiberreicht, in welcher die Bereitstellung standiger Mittel in den 
Reicbshauslialt zum Zwecke der Erbaltung vaterlandischer Bau- 
denkmiiler, und zwar zunachst des Strafsburger Miinsters, erbeten 
wird. Die fur dieses aufzubringenden Kosten sind auf 2 250 000 Mark 
geschatzt, sodafs bei zwanzigjahriger Bauzeit jahrlieh mindestens 
115 000 Mark ilussig zu machen vvaren. Hoffen wir, dafs es auf diesem 
Wege gelingen wird, die Zukunft des Miinsters sicberzustellen. — e. 

Die Kirche in Ammerschweier (Kreis Rappoltsweiler O.-E.) ist 
in ernster Gefahr durcb Umbau ihrer schonsten Theile beraubt 
zu werden. Sie stammt aus der besten Zeit der Gothik und bat dem 
Bediirfnifs der Gemeinde bisher vollstandig geniigt, ja die Kopfzabl 
der Gemeinde ist sogar in den letzten Jahren zurtickgegangen. Jetzt 
wird geplant, den Thurm und den grofsten Theil der iibrigen Kirche 
abzubrechen und die Kircbe um 12 m zu verlangern und daun 
einen neuen Tburm wieder aufzubauen. Dafiir stehen angeblich 
130000 Mark zur Verfiigung. Abgesehen davon, dafs es zweifelhaft 
erscbeinen kann, ob ein solcber grofeartiger Umbau mit dieser Surame 
ausfiihrbar ist, wurde es ohne Frage einen kiinstleriseben Verlust fur 



das Elsafs bedeuten, wenn eiu Baudenkmal des Mittelalters ohne 
zwingenden Grund durch einen neuen Anbau erbebUch in seinein 
Bestande veriindert wiirde. Da jedoch bereits die Vertriige mit den 
Unternebmern abgeschlossen sein sollen, so ist anzunehmen, dafs alle 
behordlichen Genehmigungen eingeholt sind; unerklarlich wiirde es 
allerdings dann erscbeinen, wenn die zustiindigen Behorden fur 
Denkmalpflege gegen solche Dinge nicht ganz energisch Einspruch 
erhoben batten. — h — 

Treib am Yierwaldstftttersee. Wohl jeder Fremde, der schou 
den Vierwaldstattersee befaliren hat, erinnert sich des Wirthsbauses 
„an der 'freib" (vgl. d. Abb.), welches sowohl im Schweizerdorf an der 
8cbweizerischen Landesausstellung in Genf, als auch an der Pariser 
Weltausstellung nachgebildet war. Das iiulserst malerisch gelegene 
Haus ist ein Vertreter der Blockbauart in den Waldstatten und zu- 
folge einer Urkunde im Archiv in Seelisberg im Jahre 1G58 erbaut 
worden, nachdem im Winter 1657/58 eine Feuersbrunst das alte 

„Treibbaus u bis auf 
den Grund zerstiirt 
hatte. In dieser Ur- 
kunde wird das Haus 
bezeichnet „als ein 
Ort, wo man bei ein- 
fallenden widerwiirti- 
genWinden undHagel- 
gewitters Gefahr mit 
den Schift'en, Leut und 
Waren in Sicherheit 
kommen kann u und 
der „den Schitt'leuten 
und Durchreisenden als 
Herberge dient". Seit 
seiner Erbauung hat 
das Haus grofsere 

Wiederherstellungs- 
arbeiten nicht durch- 
zumachen gehabt, es 
wurde iinmer nur noth- 
diirftig geilickt. Auf 
der Sud- und Westseite 
rulit der Blockbau auf 
dem festen Erdboden, 
wjibreud die Nord- und 
Ostseite in den See 
gebaut sind und mit 
ihrer ganzen Last von 
einem gemauerten Pfei- 
ler getragen werden. 
In der letzten Zeit nun 
haben sich diese bei- 
den Seefronten infolge 
Nachgebens derGrund- 
mauern ganz bedeu- 
tend gesenkt, sodafs 
iiber kurz oder lang der Einsturz des ohnehin schon sehr baufalligen 
Hauses erfolgen inufs. Die Gemeinde Seelisberg als Eigenthumerin des 
Hauses hat deshalb die nothigen Schritte zu einer umfassenden Wieder- 
herstellung eingeleitet, um dieses Denkmal urschwcizerischer Bau- 
weise der Nachwelt zu erhalten. Die Schweiz, welcbe friiher so 
reich an kennzeichnenden und zum Theil sehr eigenartigen Block- 
und Fachwerkbauten war, hat durch Feuersbrunste in den letzten 
Jahrzebnten eine grofse Anzahl dieser reizenden Hauser verloren, und 
es ist deshalb um so mehr zu begrufsen, wenn das „Treibhaus u er- 
halten bleibt. Die Wiederherstellungsarbeiten sind dem Unter- 
zeichneten anvertraut. Eugen Probst, Zurich. 

Qnitzowsche Glasgemalde. Zwei 
Glasgemalde von alterthiimlichem 
Charakter besitzt die aus romani- 
scher Zeit stammende Feldstein- 
kirche in Kubsdorf bei Pritzwalk. 
Sie sind um so bemerkenswerther, 
als Glasgemalde aus der romani- 
schen Zeit - in der Mark Branden- 
burg aufserst selten, und diese — 
bisher vbllig unbekannt — verhalt- 
nifsmafsig gut erhalten sind. In der 
iiblichen Technik der Zeit: griine, 
rothe und gelbe Glasstiickchen mit 
Schwarlotzeichnung, enthalten die 
etwa 45 cm hohen und 18 cm breiten 
Gemalde nicht Heiligenbilder, son- 
dern die Standbilder eines Quitzowschen Ebepaares. Die Umscbrift 



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Die Denkmalpflege. 



19. Miirz 1902. 



des Ritters ist COS DE QVITSO, die der Frau WRO RERTHE, was 
ich lesen mOchte als CO(nradu)S DE QVITSO und V(>)VRO (Marga) 
RERTHE, wenn nicht ein Schreibfeliler des Malers das R an Stelle 
eines B gesetzt hat. Urkundlich kommen im 13. Jahrhundert ein 
Konrad (12G9, 1275, 1282, 1290, 1291) und im 14. Jahrhundert einer 
dieses Namens (1319, 1336, 1339, 1345, 1351) vor, von denen jedocb 
die Frauen nicht bekannt sind. Nach der alterthumlichen Schrift, 
den Tracbten und den Ornamenten kann man diese Glasfenster wobl 
dem alteren Konrad zuweisen, also der Zeit von 12(50 bis 13(X). Ueber 
die alteste Geschichte des Dorfes ist nichts bekannt. Erst 1498 wird 
ein r vann Quitzow tho Kostorppe" genannt. Es ist nicht unmOg- 
lich, dafs wir in diesen Ueberbleibseln Reste der iiltesten miirkischen 
Glasfenster baben. Robert Mielke. 

Bftcherschan. 

Der Roland zu Bremen. Von Georg Sello. Mit 1 Heliogravire 
und 11 Abb. im Text, flerausgegeben von der Ilistorischen Gesell- 
scbaft des Kunstlervereins in Bremen. Bremen 1901. Druck und 
Verlag von Max Nofsler. G9 S. 8°. 1,80,,//. 

„Die Geschichte des Bremer Roland, d. h. die fortschreitcnde 
Entwicklung seiner Bedeutung, ist zugleich die Geschichte der 
deutschen Rolande iiberhaupt: diese Rolando aber verkorpern ein 
Stuck deutscher Stiidtegeschichte" — so heifst es auf S. G vorliegen- 
den Buches. In den Worten: r fortschreitende Entwicklung 
seiner Bedeutung" liegt das Neue der Auffassung bei dem auf 
dem Gebiete der Roland forschung Uingst bestens bekannten Ver- 
fasser (vgl. hierzu S. 10 u. 87, Jahrg. 1900 d. Bl.) gegen iiber den 
vielen anderen, namentlich Rechtshistorikern , die dem Gegen- 
stande bereits seit Jahrbunderten ihre Aufmerksamkeit zugewandt 
liaben: irgend eine Bedeutung, die sich irgendwo h'ndet, oder 
welche die Verfasser zu finden meinen, pflegte bisher als die 
..urspriingliche" und damit allein rechtmafsige hingestellt zu werden: 
was dazu niclit pafste, das war eine frevelhafte Umdeutung, eine 
Verkiimmerung der alten Wahrheit. Wie die wissenschaftliche 
Mytbologie und Sagenforschung, die ja unzertrennbar .sind von der kri- 
tischen Litteraturgeschichte, sich iiberhaupt seit etwa einem Jahrzehnt 
von beschreibenden und dogmatischen zu geschichtlichen Disciplinen 
uinbilden, so zeigt Sello hier an einem hervorragenden Beispiele, 
wie von einer -ursprunglichen* Bedeutung anders als im Sinne der 
zucrst nachweisbaren gar nicht die Rede sein kann, wie jede Pha.se 
der Entwicklung als Ausflufs der Zeit, in der sie entstand, ihre Be- 
rechtigung hat, wie gerade die Bedeutungs wand lung einen wichtigen 
Beitrag zur Stiidtegeschichte iiberhaupt liefert. Ilinter dieser grund- 
siitzlichen Werthung, welche die vorliegende Schrift verdient, stehen 
ihre Ergebnisse nicht zuriick, wenn sie audi z. Th. schon vom Ver- 
fasser vorgetragen worden sind: hofYen wir, dafs die schlagende Be- 
weisfuhrung Sellos auch tbatsacblicb alle alteren, unhaltbaren Pban- 
tastereien endgiiltig aus der Litteratur verdriingt. 

Es ist unmoglich, den Bremer Roland fur sich allein zu be- 
trachten, und wenn auch von den 138 Orten, wo Sello Rolande ge- 
f unden hat (S. 48 u. 49 sind sie alle aufgefuhrt; es ware m. W. noch 
Eger nachzutragen), bei weitem der grofste Theil nicht weiter in 
Betracht kommt, so ist es doch nur mit Hiilfe des Magdeburger 
Bildes und der von diesem abgeleiteten im colonisirten ostlichen 
Deutschland mOglich, die Rolandfrage mi her zu erortern und im be- 
sonderen die Qeschichte des wichtigsten Roland, des Bremer, zu 
schildern. Die Ergebnisse sind kurz folgende: In den im 10. Jahr- 
hundert gegrundeten sachsiscben Stiidten, wie Magdeburg, Halber- 
stadt, Quedlinburg, wurden aus Freude an monumentaler Bildnerei 
KOnigsstandbilder errichtet, die nicht Sinnbilder eines Rechtes 
w r aren oder sonst eine bestimmte Bedeutung batten. Da sich die 
Standbilder an mehreren hervorragenden Orten fanden, wurden sie 
vom Volke, das nun einmal jeder Thatsache einen bestimmten Zweck 
unterschiebt und dies in jener Zeit symboliscben Denkens, die zu- 
gleich nur geringes geschichtliches Zuriickerinnern besafs, doppelt 
leicht thun konnte und mufste, als Sinnbilder des jenen Orten 
eigenen stadtischen Daseins betrachtet, sie gewannen somit 
stadtrechtliche Bedeutung, ohne etwa das Kreuz als das normale 
Marktzeichen zu verdrangen. Wenn nun neue Stadte gegriindet 
wurden, die mit den alten Kdnigsstadten nichts gemeinsam batten, 
so konnte bei diesen leicht die Bildsiiule, die man als charak- 
teristisches Merkmal der Stadt als solcher betrachtete, ebenfalls 
nachgeahmt werden, wie es etwa in Berlin, Halle oder Hamburg 
geschehen ist. Wahrend die Entstehungsweise jener Riesenstand- 
bilder vollstandig aus dem Gedachtnifs des Volkes schwindet, bilden 
sie sich selbst, ohne ihrem Inhalte nach verstanden zu werden, zu 
Stadtwahrzeichen aus. Da aber seit dem 12. Jahrhundert bereits 
die Volksanschauung alles SchOne und Herrliche, was die Welt be- 
sitzt, als Schopfung Karls des Grofsen bezeichnet — in Bremen 
schrieb man zuerst 118G die Verleihung der stadtischen Freiheit Karl 
dem Grofsen zu, obwohl man sie ein Jahrhundert friiher bereits 



ebenso irrthumlich das Geschenk Ottos I. genannt Jiatte — , so wunli 
auch das Standbild mit der durch die Dichtung (liolandslied 11.31, 
und die fiir Geschichte gehaltene Legende (Pscudo-Turpin) ver 
breiteten Karlssage in Beriihrung gebracht, und zwar allem Anschehi 
nach zuerst in Bremen, wo sicber 13G6 der Name von Kom> 
Karls bekanntem Paladin dafiir belegt ist. Staatsrechtlicbe Bedeutun* 
erlangten die nunmehrigen Rolandsbilder in dem Streite zwischen 
Stadteo und Territorialherren , denn jetzt wurden sie zu beweis- 
kraftigen Sinnbildern der r Kaiserfreiheit" : die Stadtberren heseitigtwi 
sie nach einem Siege — so in Bremen 13GG — , die Burger ersetztcn 
wiederum die holzernen Bilder durch dauerhaftere aus Steine (14<U , 
gaben ihnen zur Veranschaulichung ibres Werthes weit iibermensWi 
licbe Grofse und halfen damit dazu, aus dem Roland einen GattuDjis- 
namen zu machen. Seit dem 15. Jahrhundert bat sich da-ran nichts 
wesentliches geandert, denn bis in die neueste Zeit bait man an der 
geschichtlich als Sage erwiesenen Voraussetzung fest, dafs im RoIjidO 
die stadtischen Privilegien einen bildlichen Ausdruck gefunden liaben. 

Den aufseren Anlafs zur Abfassung der Schrift im jetzigen Augen- 
blicke gal) das 1904 in Aussicht stehende fiinfbundertjahrige Be- 
stehen des jetzigen Rolandbildes: wenn dieses Jubiliium des Reeken 
kommt, dann soil er in wiirdiger uud geschichtlich richtiger Weise. 
hoftentlich auch wieder bunt bemalt, wiederhergestellt sein, und in 
einer recht nachahmungswerthen Weise ist in diesem Falle der 
Ilistoriker zeitig genug und vor allem so friih, dafs die Ergebuix. 
seiner Arbeit voll vervvandt werden ktfnnen, gefragt worden. M(i^ 
dieses Beispiel bei alien Erneueruugen geschicbtlicher Denkmiiler 
Nachahmung finden. 

Leipzig. Dr. Armin Till e. 

Das Bauernhaus in Oesterreich-Unjrarn und in seinen fireni- 
gebieten. Herausgegeben vom Oesterreichischen Ingenieur- und Arclii- 
tekten-Verein. Lieferung 1. Verlag des Oesterreichischen Ingenieur- 
und Architektenvereins in Wien und von Gerhard Kiifatraann in 
Dresden, 1901. GO Tafeln 34/48 cm. Preis in Mappe 45 M. Das Werk 
erscheint in vier Lieferungen zu je 15 Tafeln. Der Text vod etwa 
G50 Druckseiten erscheint mit der letzten Lieferung. Preis fur dk 
Lieferung 11,25 ,f/. Subscriptionspreis fiir das vollstandige Werk, nur 
giiltig vor Erscheinen der dritten Lieferung, 33 J/. 

Den drei bereits erscbienenen Lieferungen des grofseD AVerU 
ist die erste Lieferung des vom Oesterreichischen Ingenieur- und 
Architektenvereiu herausgegebenen und bearbeiteten osterreicbisch- 
ungarischen Bauernhauswerkes gefolgt. Der Wertb und die Bedeulur/^ 
des ( Jesamtwerkes ist an dieser Stelle bereits ofter hervorgehob 
(vgl. S. 32 u. 112 vor. Jahrg. d. ]}l.). Wir beschrauken uns dabcrjo/ 
die kurze Angabe des Inhalts der vorliegcnden ersten Liefen?^ der 
(isterreichisclien Verotfentlichung, die eine grofse Anzahl eigenntigcr 
Typen in genauen zeichnerischen Aufnahmen und Lichtbildem^^. 

Die Gehofte aus Rossatz, Spitz und Weifsenkirchen an der taw 
zeigen die Art des gemauerten Bauernbauses aus dem NiederSsUi- 
reichischen Flachlande, wie sie seit dem Aufhoren des ffokbau^ 
vom 1G. Jahrhundert ab sich entwiekelt hat. Aus Obercisterreicli 
sind zwei Beispiele geschlossener Hofanlagen in Blockbau wieder- 
gegeben, wiihrend die Aufnahme des Wirthsbauses in St. Agatlia 
bei Goisern den Typus eines EiDkehrgasthofes aus der Zeit vor den 
Eisenbahnen zeigt. Alsdann sind aus dem Salzburger Flachgau 
die Wohnstatte eines Kleinbauern, ein Bauernhaus, sowie der Typus 
eines „Ruckhauses" mit dem Rauchabzug in den Dacbraum auftre- 
nommen. AusKiirnten sind drei interessante Tafeln gebracht, von 
denen auf der einen ein ganz aus Holz gezimmertes karntneri^che* 
„Fuirbaus a zur Darstellung gelangt ist, sowie das fur Deutsch-Ober- 
karnten charakteristische Bauwerk zum Aufbewahren von Getreide 
usw. , der „Getreidekasten a und sonstige typische bauerliclie Neben- 
gebaude aus Larchenholz, wie Sennbiitte, Ileuhiitte, Hausmuble und 
Hilge. Das Tirol er Bauernhaus ist durch ein Beispiel mit ange- 
bauter Stallimg aus Nordtirol vertreten. Schone Scburzholzbiiuser 
zeigt ferner eine Tafel mit Beispielen aus Bfthmen, wabrend aus 
Oesterreich-Schlesien eine um einen Hof gruppirte maleriscbe 
Anlage eines Flachsbauern aus dem Jahre 1G92 aufgenommen L^t 
Mochte doch das Werk weiteste Verbreitung finden, damit es deii 
Heimathschutz und die Bestrebungen der Denkmalpflege kraftig 
unterstiitzt und im Kampfe gegen die eindringende Geschmack- unu 
Cbarakterlosigkeit der Bauausfiihningen auf dem Lande der guten 
Sache zum Siege verb il ft. ^ , 

Inhalt: Alto Grabdenkmaler auf Oothaor Friedhufen. — Auagrabungen ini 
Dome in Magdeburg. — Die Wiederhorstellung der ehemaligen Johanniterkirche 
in Zielenzig (Ncumark). (Schlufs.) — Die Kircho des ehemaligen Paulajierklostw 
in Munchen. — Vermischte a: OesetzenUvurf gegen die Veninstaltung e 
Landschaft, — Einstnrz. an der Chomiine von Klostor Walkenried. - >°»J 
Strafsburgor Miinster. — Unibau der Kirche in Aminerschweier. — Treib »'» 
Vierwaldstattersee. — Quitzowsche Olasgemalde. — Biicherschau. 



Fur die Schriftleitung verantwortlich : Friedr. Sehultze, Berlin. 
Verlag yon Wilhelm Ernst u. Sohn. BerUn. Druck von J. Kerskes, Berun. 

Nr.4. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



33 



IV. Jahrgang. 

Nr. 5. 



Erscheint alle 8 bis 4 Wochen. J&hrlich 16 Bogen. — Geachaf Utelle : W. Wilhelmstr. 90. — Bczugspreis 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark; ftlr das 

An Bland 8,50 Mark. Ftlr die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 16. April 
1902. 



[Alle Bechte vorbelialten.) 



Zur Lage des Denkmalschutzes in Preufsen. I. 

Eine Stadtmanergeschichte. 
Vom Gelieimen Ober-Regierungsrath a. D. Polenz in Hirscliberg. 

Gesichtspunkte und im Shine der Erhaltung der Denkmiilerentsehieden 
worden ist. Wir entnehmen diesem Procefs folgende Leitsatze: 

1. Jede gegen das Zustandigkeitsgesetz vom 1. Au- 
gust 1883 §§ 16, 30 bezw. die Stadte- und Landgemeinde- 
Ordnungen 1 ) verstofsende, weil ungenehmigte, Ver- 
iiufserung von Sachen, welche einen besonderen wissen- 
schaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben — 
es seien bewegliche oder unbewegliche Sachen (Grund- 
stiicke) — , ist nichtig. Dasselbe gilt von ungenehmigten 
Veriiufserungen derartiger Sachen seitens der evan- 
gelischen und katholischen kirchlichen Gemeinde- 
Organe 2 ); endlich von Veriiufserungen seitens der 
Stiftungen und stiftischen Anstalten, sofern denselben 
im Aufsichtswege oder durch ihr Statut die Verilufserung 
derartiger Sachen ohne Genehmigung untersagt ist. 

2. Der veriiufserte Gegenstand kann zurilckgefordert 
werden, gleichviel ob der Erwerber bei dem Erwerbe 
guten oder bosen Glaubens war d. i. um die besondere 
Eigenschaft des Gegenstandes gewufst liat oder nicht. 

3. Die erfolgte Eintragung des Erwerbers im Grund- 
buch als EigentliUmer des erworbenen Grundstiicks stelit 
der Zuruckforderung nicht entgegen. 

4. Die Riickforderungsklage bezw. die Klage auf Rue k- 
auflassung und Berichtigung des Grundbuclis steht dem 
Veraufserer zu, gleichviel ob er* bei der Verilufserung 
guten oder bosen Glaubens war d. i. um die besondere 
Eigenschaft des veraufserten Gegenstandes gewufst hat 
oder nicht. 

5. Die Stadtmauern, Thore, ThUrme, Walle, Um- 
fassungsgriiben und sonstigen Ueberreste der alten 
Stadtbefestigungen (Cabin. -O. vom 20. Juni 1830, G.-S. 
S. 113) sind Sachen, welche einen besonderen wissen- 
schaftlichen und historischen Werth haben. Es kommt 
nicht darauf an, ob sie Kunst- oder besondere architek- 



Abb. 1. Das Rathhaus in Lowenberg i. Schl. 



Nach langer als zweijiihriger Dauer ist vor einiger Zeit ein 
Procefs zu Ende gegangen, welcher wegen der Haupt- und Neben- 
fragen, die dabei zur Erorterung kamen, die Aufmerksamkeit der 
Herren Provincial-Conservatoren und Denkmalpfleger verdient. Der 
Rechtsstreit war im wesentlichen eine Probe auf die Wirksamkeit 
derjenigen preufsischen Gesetze, welche den Corainunen, Kirchen- 
gemeinden und anderen Personen des Offentlichen Rechts zur Pflicht 
machen, zur VerUufserung eines der Wissenschaft, der Geschichte 
oder der Kunst angehorigen Gegenstandes aus ihrem Besitze die 
Genehmigung der Staatsaufsichtsbehorde — Regierungs-Priisidenten, 
Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten — einzuholen. Es 
stand in Frage, welche Bedeutung diesen Vorschriften beiwohnt; 
ob sie, versteckt in den Stadte-Ordnungen, den Landgemeinde-Ord- 
nungen, dem Zustandigkeitsgesetz, den Gesetzen Uber die kirchliche 
Vermflgensverwaltung usw. nur disciplinarischen Werth haben, d. h. 
wie einzelne Vorschriften des Allg. Landrechts lediglich die dagegen 
verstofsenden Beamten verantwortlich machen, die Sachen selbst 
aber nicht bestricken wollen, oder ob sie ein objectives bedingtes 
Veriiufserungsverbot enthalten, kraft dessen jede ungenehmigte Ver- 
Uufserung nichtig und daher auch rUckgangig zu machen ist? Und 
wenn letzteres der Fall, so fragte es sich weiter, ob das Rttck- 
forderungsrecht ohne weiteres von dem Veraufserer, auch wenn er 
im bOsen Glauben (unredlich) gehandelt, ausgettbt werden kann und 
gegebenenfalls welche Mittel der Aufsichtsbehorde zur Hand sind, 
den sich wider willig verhaltenden Veraufserer zu jener Riick- 
forderung bezw. zur Herstellung des status quo ante und zur 
Herausgabe des seinerseits Empfangenen zu zwingen. 

Diese Fragen haben m. W. bisher noch keine Beantwortung 
seitens der ordentlichen Gerichte gefunden, und darum ist es von 
Wichtigkeit, dafs ein sie behandelnder Procefs jetzt endgiiltig in alien 
Instanzen (von dem Reichsgericht allerdings nur durch Versiiumnifs- 
urtheil) zu gunsten der von dem (Conservator geltend gemachten 



h Das Zustandigkeitsgesetz vom 1. August 1883 gilt 
ftlr das gesamte preufsische Staatsgebiet und verordnet im 

§ 16 Abs. 1 : „Gemeindebeschlusse liber die Verilufserung oder 
wesentliche Veranderung von Sachen, welche einen besonderen wissen- 
schaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben, unterliegen der 
Genehmigung des Regierungs-Priisidenten. Abs. 3: Im iibrigen 
beschliefst der Bezirks-Ausschufs tiber die in den Gemeinde- 
verfassungsgesetzen der Aufsichtsbeh5rde vorbehaltene Bestiitigung 
von Ortsstatuten und sonstigen, die stiidtischen Gemeinde- 
angelegenheiten betreffenden GemeindebeschlUssen.** 

§ 30 bestimmt fiir Landgemeinden wortlich dasselbe wie § 16 
Abs. 1 fiir die Stadtgemeinden. 

§ 31: „Im iibrigen beschliefst der Kreisausschufs iiber die 
Bestiitigung von Ortsstatuten und sonstigen, die land lichen 
Gemeindeangelegenheiten betreffenden Gemeindebeschliissen. 

Vergl.: Stiidte-Ordnungen: vom 30. Mai 1853 fiir die sieben 5st- 
lichen Provinzen (G.-S. S. 261 u. f.) $ 50 Nr. 2; rhein. St.-O. vom 
15. Mai 1856 (G.-S. S. 406) § 46; westf. St.-O. vom 19. MUrz 1856 
(G.-S. S. 237) § 49; schleswig-holsteinische St.-O. vom 14. April 1869 
(G.-S. S. 589) § 71 Nr. 2; Gem.-Verf.-Ges. fur Frankfurt a. M. vom 
25. Marz 1867 (G.-S. S. 40) $ 60 Nr. 2; Reg.-Bez. Wiesbaden St.-O. vom 
8. Juni 1891 (G.-S. S. 107). — Landgenieinde-Ordnungen : L.-G.-O. vom 
3. Juli 1891 fiir die sieben ostlichen Provinzen (G.-S. S. 233) § 114; 
rhein. Gem.-O. vom 23. Juli 1845 (G.-S. S. 523); westf. Gem.-O. vom 
19. Marz 1856 (G.-S. S. 265) § 53; schleswig-holsteinische L.-G.-O. vom 
10. Juli 1892 (G.-S. S. 154). 

2) Kirchliche Gesetze: Ges.v. 3. Juni 1876 (G.-S. S. 125) Art. 24 2 ; 
Allerh. Verord. vom 9. September 1876 (G.-S. S. 395) Art. I 8 ; (ics. vom 
6. April 1878 (G.-S. S. 145) Art. 32; Ges. vom 7. Juni 1876 (G.-S. S. 149) 
$ 2; Verord. vom 30. Januar 1893 (G.-S. S. 11); Ges. vom 20. Juni 1875 
(G.-S. S. 241) § 47 u. f.; Ges. vom 19. Miirz 1886 (G.-S. S. 79) Art, 18*. 
Kirchenges. v. 18. Juli 1892 (K.-G. u. Verord.-Bl. 1893 S. 9) und Allerh. 
Verord. v. 8. Miirz 1893 (daselbst S. 12). 



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34 



Die Denkmalpflege. 



16. April 1902. 



tonische Formen aufweisen. Es ist audi gleichgultig. 
in welchem Grade sie wohlerhalten oder Ruinen sind, 
sofern sich aus den t'eberrcsten nur das alte Befesti- 
gungssysteni erkennen und reconstruiren lafst. 

(i. Kein Theil der Stadtmauern usw. kann durch Er- 
sitzung oder Bebauung (Teberbau, Ausbau, Anbau usw.) 
seitens eines Anliegers fiir die Stadt verloren gehen, 
weil die Stadtmauern usw. uberhaupt nur mit Genehmi- 
gung des Regierungs-Priisidenten aus dem Eigenthum 
der Stadt heraustreten konnen. 

Die kleine Stadt Lowenberg in Schlesien, deren glaubens- 
muthigen Frauen Gustav Freytag in seinen -Bildern aus der deutschen 
Vergangenheit- ein Denkmal gesetzt hat. besitzt in ihren Stadtmauern 
— neben Patschkau und Pitschen — die am besten erhaltenen mittel- 
alterliehen Befestigungswerke schlesischer Stiidte. Fiir deren Erhal- 
tung liatte sich bereits der erste Staats-Conservator Quast eindringlich 
ausgesprochen. I'ngefiihr die halbe Stadt, deren Rathhaus( Abb. 1 ) und 
katholische Kirche ebenfalls dem Mittelalter angehOren, und die man 
nach ihren BaudenkmiUern und ihrer romantisehen Lage uberhaupt 
a Is das sehlesischeRothenburg o.d.T. ansprechen darf. ist noch von der 
Stadtmauer umgeben. auf der der Edelrost von fiinf Jahrhunderten 
ruht. Kin nicht geringer Theil der gegenwartigen Bevolkerung sieht 
freilich daran nur den Rost und mochte die ehemalige starke Stadt- 
wehr als ein lastiges Hemuinifs fiir die Herstellung moderner Dutzend- 
hauser mogliehst bald beseitigt wissen. Der Kundige findet aber hier 
ein gauzes wohlgcordnetes Befestigungssystern. Ein doppelter Mauer- 
ring mit vorgelegenem Wallgraben. der unter Wasser gesetzt werden 
koiuite. und mit zwischengelegenem Parclien umschlofs die Stadt. 
Die innere Mauer — iiberall nicht unter b in hocli und l { j 2 m stark, 
massiv aus dem Grunde von Quadersandstein errichtet und wohl- 
gefugt. nur im Innern nach der Weise des Mittelalters mit Stein- 
brocken und Schutt ausgefiillt — hatte in Zwisehenraumen vc? etwa 
Bogensehufsweite viereekige. nach aufsen in den Parchen vor- 
springende und dicselben bestreichende Mauerthurme, sog. Weich- 
oder Wiclihiiuser. aber keinen Wehrgang. Als soldier diente ein 
enures, innen liings der Mauer hinlaufendes Gafschen. von dem aus 
Mauer und Thiirnie zu besteigen waren. In der Mitte zwischen zwei 
solchen Wichhausern hatte die liufsere, niedrigere, sog. Schirmmauer 
inimer einen voin Parchen aus zugiinglichen, in den Wallgraben vor- 
springenden Rundthurm. Nimmt man hinzu, dafs die Thore der Stadt 
durch hohe. besondere Thorthiirme (Abb. 2 u.3) und durch weit in den 
Wallgraben vortretende oblonge und den ganzen Wallgraben nach 
beiden Seiten hin beherrschende Bastionen (nach Art unserer 
bomhenfesten Castelle), wie sie sich noch an zwei Stellen zeigen, ge- 
schutzt waren, so bekommt man Achtung vor der Wehrhaftigkeit 
der Stadt und der Starke ihrer Wehr. Noch ist davon so viel er- 
halten, dafs ein Rundgang um die an die Stelle des Wallgrabens 
gctretene Stadtpromenade das ganze Bef est igungssy stem dem Auge 
offenlegt. Freilich ist fast jedes Wichhaus zu Wohnungszwecken aus- 
gebaut und oft noch uberbaut; der Stadt parchen ist mit allerlei kleinen 
Anschleppen an die Mauer besetzt und zu Privatgarten benutzt; die 
breite Mauerkrone, auf der noch in den 183Uer Jahren die Seiler, 
welche den Platz von der Stadt gemiethet batten, ihr Gewerbe 
trieben, ist jetzt vielfach liickenhaft und verfallen, aber audi hier und 
da mit winzigen Giirtchen, offenen und geschlossenen Lauben besetzt, 
was sich im sommerlich-griinen Schmucke des Epheus und anderen 
Gerankes hochst malerisch ausnimmt; aber hier, wie im Innern der 
Stadt liings der Stadtmauer befindet sich noch mancher Winkel, 
der fiir ein einigermafsen geschultes Auge sich echt mittelalterlich 
anlafst und Malern, Architekten und Touristen zur Freude gereicht. 

Friiher wahrte die Stadt kraftig ihr Eigenthumsrecht an diesen 
Stadtmauern gegeniiber den Versuchen der Biirgerschaft, sie an sich 
zu ziehen, sie zu iiberbauen oder zum Vortheil der anliegenden 
Grundstiicke zu durchbrechen. In den stadtischen Acten finden sich 
kraftige Verweisungen auf die Allerhochste Cabinet s-Ordre von 1830; 
wer irgend eine Absicht auf die Stadtmauer hatte, sei es An- oder 
Aufhau, mufste zunachst protokollarisch das fortdauernde Eigenthum 
der Stadt anerkennen und sich verpflichten. den vorgeschriebenen 
Bauplan zu wahren, die Mauer auf beiden Seiten in gut em Zustande 
zu unterhalten und, wenn ihin ausnahmsweise das Durchbrechen der 
Mauer gestattet wurde, sich unter grundbuclilicher Eintragung 
verbinden, das ihm gestattete Thor jederzeit auf Verlangen des 
Magistrats auf eigene Kosten zu beseitigen und den friiheren Zu- 
stand der Mauer wieder herzustellen. 

Zugleich mit der Wertschiitzung ihrer Stadtmauern seitens der 
Biirgerschaft als eines geschichtlichen Denkmals ihrer Altvorderen 
ist seitdem audi jene Sorgfalt der Behorden fiir ihre Erhaltung 
stark in die Briiche gegangen. Bei Gelegenheit des Baues einer 
Caserne in den 18">0er Jahren gab der Fiscus selbst das iibelste 



Beispiel. indem er von der Stadt die Xiederlegung eines~nieht un 
erheblichen Mauertheiles erzwang. Die Zeiten aber. wo der Staat 
im militar-fiscalischen Interesse sich gendthigt sah, die Interest 
der Denkmalpflege in Bezug auf die ihm oder den Gemeinden <r e - 
hdrigen Denkmaler hintanzusetzen, sind voriiber. Fortan werden 
hoffentlich die Gemeindebehorden, wenn sie nur selbst ein Herz 

fiir diese ihre steinernenUrkundenhaWn 
jederzeit einen Ruckhalt an der staat 
lichen Aufsichtsbehorde finden oder 
wenn nicht an dieser, weil dort noch 
zuweilen andere Interessen im Vorder- 
grunde vor den idealen Interessen dor 
Denkmalpflege steheu, so doch an dem 
Provincial- bezw. dem Staats-Conser- 
vator, der, getragen von der offentlicWi 
Meinung, erfreulicherweise zu einer 
Macht im biirgerlichen Leben zu wer 
den verspricht. 

Im Herbst 1897 bemerkte einer der 
Pfleger, welche die Provincial -Com- 
mission fiir die Erhaltung der Denk- 
maler iiberall in Schlesien bestellt ha: 
von der stadtischen Promenade in Lou ei ; 
berg aus, dafs ein Theil der oben he- 
schriebenen grofsen Stadtmauer gewalt- 
sam abgebrochen wurde. Auf »eii:r 
Erkundigung bei dem Grundstucksl^ 
sitzer erhielt er die Auskiuift. dafs di. 
Quadersteine zu einem schou im Ern- 
st ehen begriffenen Xeubau auf derStelk 
Abb. 2. Bunzlauer Thorthurm (lie friiher die Stadtmauer eingenoninwi. 
in LOwenberg i. Schl. verwandt werden sollten. mid dafs der 

Grundstiicksbesitzer sich zum Ahbmcii 
der Mauer fiir berechtigt erachte, weil „die Stadt ilim bereits v..- 
Jahresfrist den Grund und Boden der grofsen Stadtmaner imd 
der vorliegenden Schirmmauer in einer Liinge von je 1 l«.i m imii 
mit einem Flilcheninhalt von 3 Ar 61 qm gegen einen Kaufpreis v-n 
Mark verkauft und aufgelassen habe**. Das Grundbuch er^ii 
die Richtigkeit dessen. Die verkauften Parcellen waren l*reir> 
von dem Folium der Stadt ab- und dem Grundstuck des Kaufer> m- 

geschrieben. Magi<tr.ir 
und Stadtverorduete 
batten ihrer ErLfe 
nach keine Wis0>rM 
davon, dafs auf dem ver- 
kauften Grunted 
noch ein so grofsejSoid 
St adt m auer vorhanttar. 
die Katasterkarte und 
der Auszug aus den 
Fortschreibungsver- 
handlungen macbteiulib 
ebensowenig ersichtlich. 
wie die Beriehte an die 
Regierung, welche die 
Genehmigung des frei- 
hiindigen Verkaufs l»e- 
antragten; der Bezirkv 

ausschufs hatte die 
Veraufserung glatt i r f 
nehmigt. 

Bei dieser Sacfee 
sehritt der Provincial- 
Conservator und auf 
seine Anzeige der Ke- 
gierungs -President ein. 
indem er der Stadt be- 
horde er5ffnete, dafs 
die ohne seine Geneli- 
migung erfolgte \ w- 
iiufserung der Stadt- 

Abb. 3. Laubaner Thorthurm in mau ff als . nichtip " 

Lowenberg i. Schl. erachten sei. 

Es stand nun in 
Frage, was zu geschehen babe, um die Stadtmauer, soweit w 
noch da war, in das Eigenthum der Stadt zuriick zu brhigen und 
vor weiterer Zerstorung zu bewahren. Die friiher ununter- 
brochen in einer I^ange von 110 m fortlaufende grofse Suwi- 
mauer war durch den Angriff des Erwerbers in zwei Stiicke 
zerschnitten; in der Mitte giihnte eine Liicke von etwa 40 m Lan^' 



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Nr. 5. 



Die Denkmalpflege. 



35 



und in diese Liicke, auf das dort noch vorhandene Fundament der 
bis auf die Sohle entfernten Stadtmauer, hatte der Erwerber sein 
neues Wobnhaus gesetzt. Zu einer freiwilligen Aufgabe seines 
Vortheils oder audi nur zu der Zusicherung, ohne Genehmigung 
der Behflrde sich weiteren Abbruchs enthalten zu wollen, war er 
nicht zu bewegen. Der Erlafs des Regierungs-Prasidenten hatte 
aber die Folge, dafs Magistrat und Stadtverordnete sich freiwillig 
zur Klageerhebung entschlossen. 3 ) Mit der Klage wurde ein Arrest 
auf die noch stehenden Stadtniauertheile ausgebracht und dem Er- 
werber bei namhafter Strafe jeder Eingriff bezw. jede Veranderung 
an dem zeitigen Zustande verboten. Nach Einholung eines Gut- 
achtens des Provincial-Conservators iiber den wissenschaftlichen und 
historischen Werth der LOwenberger Stadtmauern hat sowohl das 
Landgericht in Hirschberg, wie das Oberlandesgericht in Breslau 
nach dem Klageantrage erkannt und die Beklagten verurtheilt, in 
die Aufhebung der Auflassung als ungliltig zu willigen und dem- 
gemafs die aufgelassenen Parcellen gegen Rttckempfang des Kauf- 



Abb. 4. Wohnhaus am Marktplatz in Lftwenberg i. Schl. (1562). 

geldes an die Stadt zurtick aufzulassen, und zwar samt den auf- 
stehenden Stadtmauertheilen frei von Lasten und Schulden. 

Aus den Entscheidungsgrttnden : 

㤠50 Nr. 2 der Stadteordnung vom 30. Mai 1853 bestimmt: 
Die Genehmigung der Regierung ist erforderlich zur Veraufserung 
oder wesentlichen Veranderung von Sachen, welche einen be- 
sonderen wissenschaftlichen, historischen oder Kunstwerth haben; 
und im § 56 Ziffer 8 a. a. O. ist vorgeschrieben, dafs in Fallen, wo 
die Genehmigung der Aufsichtsbehorde erforderlich ist, der Ver- 
pflichtungsurkunde des Magistrats die ausdriicklich und in be- 
glaubigter Form zu ertheilende Genehmigung beigeftigt werden 
miisse. Die Meinung der Verklagten, dafs durch diese Vorschrift 
die Verfiigungsbefugnifs des Magistrats nicht beschrankt sei, son- 
dern die Vorschrift nur die Folge habe, dafs der Magistrat sich 



3 ) lm Falle der Weigerung ware der Commune auf Antrag des 
Conservators im Aufsichtswege ein Vertreter ad hoc zu bestellen und 
derselbe zur Erhebung der Klage nam ens der Stadt zu ermachtigen 
gewesen. 



disciplinarisch verantwortlich mache, wenn er ohne eingeholte Ge- 
nehmigung Veraufserungsgeschafte der gedachten Art abschliefse, 
kann nicht als richtig erachtet werden. Vielmehr ist unzweifelhaft, 
dafs hier, wie sonst, der Mangel der Genehmigung eines Dritten, 
welche das Gesetz zu einer Veraufserung fiir ^erforderlich* 4 crkliirt, 
die GUltigkeit der Veraufserung hindert, soweit nicht im Gesetz 
ein anderes bestimmt ist. Die Wirkung der mangelnden Genehmi- 
gung ist Nichtigkeit des Rechtsgeschafts. Wolil vertritt der 
Magistrat die Stadtgemeinde wirksam nach aufsen und verpflichtet 
sie durch seine Erklarung, auch wenn die Vorschrift, dafs Magistrat 
und Stadtverordnete zusammen beschliefsen sollen, nicht gewahrt 
sein sollte (Entsch. d. O.-Verw.-Ger., Bd. 3, S. 159); hier handelt 
es sich aber urn eine zur Veraufserung erforderliche Genehmigung 
einer AufsichtsbehOrde, welche audi nacli aufsen zur GUltigkeit 
des Rechtsgeschafts gehttrt. Denn § 84 II 6 des Allgemeinen Land- 
rechts bestimmt ausdriicklich, dafs, wenn Corporationen und Ge- 
meinden unbewegliche Sachen ohne besondere Einwilligung der 
ihnen vorgesetzten BehOrde veraufsern, eine solche Handlung 
nichtig ist. In § 16 des Zustandigkeitsgesetzes vom 1. August 
1883 ist die oben angezogene Bestimmung der Stadte-Ordnung 
insofern geandert, dafs die Genehmigung zu den in der Ziffer 2 
des § 50 bezeichneten Veraufserungen nicht von der Regierung, 
sondern von dem Regierungs-Prasidenten zu ertheilen ist, wahrend 
iiber die sonst der Aufsichtsbehorde vorbehaltenen Genehmigungen 
der § 50 der Bezirks-Ausschufs (als Selbstverwaltungsinstanz) zu 
beschliefsen hat. Da im vorliegenden Falle nur die Genehmigung 
des Bezirks-Ausschusses, nicht die des Regierungs-Priisidenten er- 
langt ist, so war die gleichwohl vorgenommene Auflassung der 
Parcelle ungiiltig. 4 * 

Hatte die veraufserte Stadtmauer einen besondere n 
w r issenschaftlichen oder historischen Werth? 

„Dies ist unbedenklich zu bejahen 4 ), soweit die Stadtmauer 
noch in ihrer urspriinglichen Gestalt vorhanden ist ; indessen es mufs 

4 ) Die beiden Urtheile bejahen dies auf Grund eines noch be- 
sonders eingeholten Gutachtens des Provincial-Conservators; das 
Oberlandesgericht Breslau ist sogar der Meinung gewesen, dafs so- 
wohl der Magistrat der Stadt, wie die Beklagten und schliefslich 
auch der Regierungs-Prasident erst von dem Provincial-Conservator 
daruber Aufklarung erhalten hatten, dafs es sich bei der Lftwcn- 
berger Stadtmauer urn eine Sache von besonderem historischen 
oder wissenschaftlichen Werthe handele. Das trifft nun keineswegs 
zu. Die Stadtbehorde ist sich, wie viele Vorgiinge in den Magistrats- 
acten darthun, daruber immer klar gewesen, dafs jede Veraufserung 
von Stadtmauer unter den § 50 Nr. 2 der Stadte-Ordnung fa lit, und 
sie hat verschiedentlich dazu die Genehmigung der Aufsichts- 
behttrde eingeholt und erhalten. Aber auch abgesehen hiervon — 
schon die mit Gesetzeskraft ergangene Cab.-Ordre vom 20. Juni 
1830 (G.-S. S. 113) mifst den Mauern, Thoren, Thurmen, Wallen 
usw. der Stadte ohne weiteres eine besondere liistorische Bedeu- 
tung bei: n wenn die StadtbehOrden die Stadtmauern und andere 
obengenannte Anlagen ganz oder zum Theil abzutragen oder dam it 
Veranderungen vorzunehmen beabsichtigen, so haben sie diese 
Absicht zuv^rderst der Regierung anzuzeigen und vor der Aus- 
fiihrung deren Entschliefsung zu erwarten* 4 . Diese Bestimmung, 
welche im Eingang noch ausdriicklich darauf hinweist, dafs Stadt- 
mauern, Thore, Thurme, Walle usw. unter den § 33 1 8 Allg. Land- 
recht« fallen, dafs auf jenen Gegenstanden also eine „gesetzliehe 
Einschrankung des Eigenthums zum besten des gemeinen Wesens- 
ruht, welche daher auch jeder driite Besitzer gegen sich gelten 
lassen mufs, w T ill nicht blofs polizeiliche, militarisclie und steuer- 
liche Rucksichten, die man jetzt als weggefallen anselien kimnte, 
sondern auch conservatorische Rucksichten wahren: nach der 
in der Cab.-Ordre besonders vorbehaltenen Instruction -- durch die 
Circular-Rescripte vom 31. October 1830 (v. Kamptz, Annalen 14, 
S. 774 u. f.) vom 17. Januar 1847 (M.-Bl. d. i. Verw. S. 5), vom 5. No- 
vember 1854 (M.-Bl. d. i. Verw. 1855, S. 2), vom 28. August 1H57 
(M.-Bl. d. i. Verw. 1857, g. 144) ergangen — kommt es bei der Prii- 
fung der Aufsichtsbehorden, ob im einzelnen Falle die Abtragung 
der Stadtmauern usw. zu erlauben sei, insbesondere auch darauf an, 
ob sie „als Denkmale alter Baukunst oder auch als liisto- 
rische Monumente" der Erhaltung und bei eintretendem 
Verfall der Wiederherstellung wiirdig sind*. Jedenfalls hat 
dartiber niemals die Stadtgemeinde selbst zu befinden ; die Aufsichts- 
behorde mufs immer mitsprechen und hat die alleinige Entscheidung. 
Und was die Cab.-Ordre von 1830 fiir „ Abtragung 44 und ^Veranderung 44 
vorgeschrieben, das hat im $ 50 Nr. 2 der Stadte-Ordnung und § i(i 
des Zustandigkeitsgesetzes seine Ausdehnung erfahren auf jede 
„ Veraufserung 4 *. Es ist die gleiche conservatorische Absicht im 
offentlichen Interesse, welche dem alten wie den neueren Gesetzen 
zum Grunde liegt (vgl. Circul.-Rescr. vom 5. November 1854 
Minist.-Bl. d. i. Verw. 1855, S. 2). Beschliisse der Gemeinden iiber 
ihre Stadtmauern, Thore, Thurme, Walle, Umfassungsgrabeu und 
andere Befestigungsanlagen sind immer und eo ipso Beschliisse, 
welche der Genehmigung des Regierungs-Prasidenten bediirfen. 



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36 



Die Denkmalpflege. 



16. April 1902. 



audi angenommen werden, soweit sie (durch Ausbesserungen oder 
Ueberbau) veriindert ist, und audi soweit auf den ver&ufserten Par- 
cellen von der Mauer nur noch die Fundamente vorhanden sind, 
wahrend die ttber den Erdboden friiher emporragende Mauer be- 
seitigt ist. Es mufs das angenommen werden wegen des Zusammen- 
hanges, in dem die mauerfreien Theile mit den in it Mauern be- 
setzten Theilen der Parcellen stehen, und wegen der Mttglichkeit 
eines Wiederaufbaues. Das Gericht trSgt kein Bedenken, der von 
der Klagerin gegebenen Begriindung ihrer Ansicht, dafs auch die 
mauerfreien oder veranderten Theile als Bew r eisstUcke ftir das ehe- 
malige Vertheidigungssystem einen besonderen historischen Werth 
haben, beizutreten. 5 )** 

„Es kann auch nicht an eine Tlieilung des Veraufserungsgeschafts 
in der Art gedacht werden, dafs wenigstens die Veraufserung des 
Grund und Bodens, auf dem die Mauern stehen, w r enn auch nicht 
der Mauern selbst, als giiltig anzusehen sei. Ist die Veraufserung 
der Mauern und der Mauerreste ungtiltig, so trifft die Ungtiltigkeit 
auch den nur mit den Mauern veriiufserten Grund und Boden. Darf 
die Stadt ohne Genehmigung des Regierungs-Prasidenten die Stadt- 
mauern nicht veraufsern, so darf sie auch nicht den Grund und 
Boden veraufsern, auf dem jene stehen. Der Grund und Boden 
mit den Stadtmauern bildet ein einheitliches Ganzes. 
Die Beklagten haben auch nicht durch Ersitzung oder durch Be- 
bauung der Mauer, wie sie meinen, Eigenthum erworben. Denn 
abgesehen davon, dafs ihre Speicher- und Stallgebaude nur in der 
Weise an die Mauer angesetzt worden sind, dafs die Mauer als 
Hinterwand und als Untergrund eines Ueberbaues benutzt wurde, 
dafs aber Mauer und Anbau zwei selbstUndige, nur durch An- 
lehnung verbundene Bauwerke sind und die Mauer in ihrem Wesen 
durch den Anbau nicht bertihrt worden ist, so stent dem behaup- 
teten Eigenthumserwerb der Beklagten (durch Ersitzung und Be- 
bauung) in erster Reihe der L T mstand entgegen, dafs die 
Mauer tiberhaupt aus dem Eigenthum der Stadtgemeinde 
nur mit Genehmigung des Regierungs-Prasidenten her- 
austreten konnte." 

Wird endlich die Frage aufgeworfen, wie sich der Rechts- 
zustand nach Inkrafttreten des Biirgerlichen Gesetzbuches 

5 ) „Es kommt nicht darauf an, dafs die Mauern noch vollkommen 
unversehrt sind; jeder ihrer Theile, auch wenn er durch die Zeit 
oder durch Vernachlassigung mehr oder w r eniger Ruine gew T orden 
ist, gibt noch einen Anhalt fiir die Beurtheilung des ganzen Ver- 
theidigungssystems an der betr. Stelle, ist noch ein Markstein ftir 
die Richtung des Mauerzuges und gibt noch die Mftglichkeit der 
Wiederherstellung der alten Befestigung der Stadt. Es mufs das 
sogar von dem noch vorhandenen und tiber einen Fufs tief in den 
Erdboden reichenden, mit Sandsteinquadern verblendeten Fun- 
dament des abgebrochenen Mitteltheils der Hauptmauer in der Lange 
von etwa 40 m gelten, auf welches die Verklagten die Nordfront 
ihres Neubaues aufgesetzt haben ; denn diese Grundmauer hat nicht 
blofs dasselbe werth voile Material der Hauptmauer, sondern sie 
gibt auch Auskunft tiber den Zug der liber dem Erdboden ver- 
schwundenen Mauer, tiber das hier weggerissene viereckige Wich- 
haus, welches mit dem zweiten, noch vorhandenen ftstlichen Wich- 
hause und dem Rundthurm in der Schirmmauer correspondirte, 
und ist somit immerhin noch eine wichtige Erkenntnifsquelle ftir 
den Zusammenhang des ganzen, an dieser Stelle einst bestandenen 
Befestigungssystems. An sich sttinde auch nichts im Wege, dafs 
die Stadt auf dieser Grundmauer, sobald sie dieselbe wieder bo- 
sitzt, die alte Mauer wieder aufbaute und so den wichtigen Zu- 
sammenhang der jetzt getrennten Mauertheile samt dem ab- 
gebrochenen westlichen Wichhause wiederherstellte." 

6 ) Art. 109 Einfuhr.-Gesetz: „Unbertihrt bleiben die landes- 
gesetzlichen Vorschriften tiber die im Offentlichen Interesse er- 
folgende Beschrilnkung des Eigenthums und Entziehung oder Be- 
schrankung von Rechten." Art. 1 1 1 ebendaselbst : „Unberuhrt bleiben 
die landesgesetzlichen Vorschriften, welche im Offentlichen Inter- 
esse das Eigenthum in Ansehung thatsachlicher Verftigungen be- 
schranken." Art. 119 ebendaselbst: „Unberuhrt bleiben die landes- 
gesetzlichen Vorschriften, welche die Veraufserung eines Grund- 
stiickes beschranken." 

Vgl. Heidlen, das Blirgerliche Gesetzbuch, Bd. II S. 99/100. 
Dernburg, Sachenrecht, Bd. Ill S. 206 5 u. 220 l . Planck, Commen- 
tar Bd. I S. 145, Anm. VII 1 und S. 146 Anm. VII4; S. 185 u. f., 
Bd. II S. 82, Bd. VI S. 200 u. 208. 

§134 Burgerliches Gesetzbuch: „Ein Rechtsgeschaft, das gegen 
ein gesetzliches Verbot verstofst, ist nichtig, wenn sich nicht aus 
dem Gesetz ein anderes ergibt." (Unter die Regel des § 134 fallt 
auch ein Veraufserungsverbot, das von einer BehOrde innerhalb 
ihrer Zustandigkeit erlassen ist — Planck, Commentar zu § 136 
B. G.-B. — z. B. von der Aufsichtsbehtfrde einer Stiftung oder 
stiftischen Anstalt.) 

§ 139 ebenda: r Ist ein Theil eines Rechtsgeschaft s nichtig, so 
ist das ganze Rechtsgeschaft nichtig, wenn nicht anzunehni en, dafs 
es auch ohne den nichtigen Theil vorgenommen sein wurde." 



gestaltet hat, so ist darauf zu antworten, dafs alle oben an 
gezogenen landesgesetzlichen Bestimmungen in Kraf: 
geblieben sind, und auch nach dem Biirgerlichen Gesetzbuc! 
kein Zweifel dartiber aufkommen kann, dafs die ungenehmigte Ver 
aufserung nichtig ist. 6 ) (Schlufs folgti 



Kunstgegenstande in unseren Landkirchen. 

Unsere Landkirchen beherbergen noch iramer eine sehr grof* 
Zalil von Kunstgegenstanden, oder besser gesagt, sie sollten sie 
sorgfaltiger beherbergen, als dies tiberall geschieht. Wenn wu 
unsere Antiquitatengeschafte in den grofsen Stadten, ja selhsr 
TrOdlerladen auf dem Lande durchsuchen, 6»o mtissen wir geradezu 
tiber die untibersehbare Ftille kirchlicher Altsachen staunen, welciie 
trotz des bestandigen Wechsels des Warenlagers immer wider 
anzutreffen sind. Nur selten erfahren wir die wahre Herkunft. dj 
es nicht im Interesse 
des Verkaufers gelegen 
ist, seine Quellen zu 
verrathen und sich so 
vielleicht dieHoffnung 
auf weiteren Ersatz 
aus demselben Werbe- 
bezirk abzuschneiden. 
Ja, unsolide Firmen 

gehen noch einen 
Schritt weiter und ver- 

wandeln kirchliche 
Gegenstande indieviel 

selteneren, daher 
theurer bezahlten pro- 
fanen. Aus einem go- 
thischen Kirchenstuhl 

wird pl5tzlich die 
grofsartigste Kinder- 
bettstatt — ein derar- 
tiges Stuck befindet 
sich z. B. im Nordboh- 
mischen Gewerbemu- 
seum in Reichenberg 

— , der geschnitzte 
Rahmen eines mach- 

tigen Hauptaltar- 
blattes wird unten ab- 

gesagt und in ein 
grofses Barockportal 
verwandelt, wie ich 
ein solches im vorigen 
Jahr in einer grofsen 

Mtinchener Kunst- 
handlung sah. Dazu 
kommen die tiblichen 
Gescliichten von hohen, 
in Schulden gerathenen 
Cavalieren, die einige 

ihrer Hauptstticken 

pl(3tzlich veraufsern 
mufsten, wobei jedoch 
nattirlich die Namen 
verschwiegen werden 
mtissen, und schon hat die auf ahnliche Weise umgeniodelte 
Antiquitat einen Liebhaber und Kaufer gefunden. Mittelalterliche 
Kunstgegenstande sind in dieser Art schon so ziemlich vollstaudif 
aus altem Kirchenbesitz aufgesaugt worden, sofern es sich nicht 
urn allgemein bekannte, in der Litteratur mehrfach festgelegte 
Seltenheiten meist von grofsen Abmessungen handelt. Auch kirch- 
liche Renaissancegegenstande sind auf dem Kunstmarkte aus erster 
Hand selten geworden. Zahllos dagegen sind die Kunstgegenstande 
der Barock- und Rococozeit, namentlich Holzschnitzereien, P^ 3 ' 
mente, selbst Met allgefafse, welche meist aus Landkirchen stamnvec 
und den Museen fast taglich zum Ankauf angeboten werden. w 
jedoch unsere Museen mit ihren im allgemeinen karglichen Mitteln 
einen verhaltnifsmafsig nur kleinen Theil erwerben und auf diese 
Weise unversehrt der Naclnvelt erhalten kdnnen, wandert der fiber, 
wiegende Theil der mitunter w^erthvollen Altsachen in Privat- 
besitz, welcher erfahrungsgemafs nicht immer pietatvoll nut e ■• 
selben umgeht. Eine noch grtifsere Gefahr liegt aber in der er- 
schleppung in feme Lander, namentlich nach America, dess _ 
Trustkonige und Museen jahrlich mit Millionen auf unserem Ani- 




Abb. 1 ' Holzerner Altarleuchter. 



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Nr. 5. 



Die Denkmalpf lege. 



37 



quitatenmarkte auftreten und jeden Wettbewerb mit ihnen unmog- 
licb machen. 

Da drangt sich uns naturgemafs die Frage auf, ob wir nicht 
etwas thun konnten, urn das allmahliche Verse hwinden der be- 
weglichen Kunstgegenstande zu verhindern oder wenigstens 
einzuschranken. Ausfuhrverbote. wie sie in Italien oder Griechen- 
1 



Abb. 2. Httlzerne Altarleuchter. 



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Abb. 3. Mefskannchen. 

sinnen, dem Althandel wenigstens die Gegenstande aus tiffentlichem 
undGeseUschafts-Besitz zu entziehen, undzwar so rascb wie mftglich, 
ehe noch die letzten Reste von den Bodenraumen, alter Rathhauser 
und Kircben oder aus den Sacristeien verschwunden sein werden. 
Zu diesem Zwecke mftgen wir uns zunachst vergegenwartigen, 
auf welchem Wege in erst er Reihe alter Kircbenbesitz spurlos 
zu versebwinden pflegt. Die Wiederberstellungen bilden da meistens 



die erste Veranlassung., Wenn vvir aucb heute keineswegs mebr 
so puritanisch sind, wie in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts, 
in welcher z. B. der herrliche Dom in Bamberg zu Grunde restaurirt, 
d. b. urn samtliche nacbmittelalterliclie Sehenswtirdigkeiten armer 
gemaclit wurde, so ist docli der Vandalismus, der sich das schone 
Mantelchen der stilgerechten Wiederher- 
stellung umhangt, noch nicht ganz ausgestorben. 
Bei solchenGelegenheitenwird sehr viel alswerthlos 
oder wenigstens als stftrend beseitigt, was sofort 
„ex commissioned dem zugehflrigen Provincial- 
museum oder aber dem Landes- oder Reichsmuseum 
zugewiesen werden sollte. Hier setzt nun irgend 
ein schlecht bezahlter Diener ein, um sich bei 
der allernachsten Gelegenheit, wenn ein reisen- 
der Trodler in die Gegend kommt, das seiner 
Meinung nach Werthlose zu verkaufen. Sind 
alle Ueberreste von der letzten Wiederherstellung 
bereits an den Mann gebracht, so kommen ge- 
wOhnlich jene Gegenstande an die Reihe, welche 
irgend eine Beschadigung aufweisen. Der 
Landgeistliche , dem leider in vielen Fallen 
nahere Kenutnisse in der bildenden Kunst und 
im Kunstgewerbe abgehen, ist fast immer 
nur zu gerne bereit , eine verblichene , be- 
schmutzte oder gar angerissene Casel, oder 
ein schadhaftes Pluviale gegen neue Mefs- 
gewander einzutauschen und sogar noch ge- 
waltig aufzuzahlen, obwohl sich der Werth 
neuer Maschinenstoffe mit dem alter Granat- 
apfelsammete in ein anderes Verhaltnifs stellt. 
Selbst Gegenstande von Edelmetall sind vor 
einer Veraufserung nicht sicher. Es m5ge hier 
nur an ein Beispiel erinnert werden: In einer 
oberOsterreicbischen Kirche befand sich noch vor 
zwei Jahrzehnten ein reizendes Mefskannchen- 
paar in vergoldetem Silber, Augsburger Arbeit, 
reichstes deutsches Rococo. Dem Pfarrer war es 
unangenehm, dafs sich diese in Hocharbeit ge- 
triebenen Kannchen nur unvollkommen reinigen 
I liefsen, und er begrtifste es daher dankbarst, 
als ihra irgend ein TrOdler zum Ersatze hubsche 
Glaskilnnchen mit Silberdeckeln anbot. Heute steht 
das prachtige Rococosilberpaar (Abb. 3) in der 
Wohnung des Herrn Oberstleutnant Hugo Jeglinger 
in Reichenberg, als dessen Besitzthum es auch bei 
„ , i i _ .-_ -jdeausstellung im NordbOhmischen 
m im Jahre 1900 zu sehen war. 
ilbernes Kunstw f erk desselben Be- 
nfalls einer Osterreichischen Land- 
mt, wurde durch einen findigen 
unter dem Metallwerthe be- 
ige denn, dafs der betrachtliche 
Anreclmung gebracht worden ware. 
q Falle wird man zu einer Klage 
lassung haben, da die mit grofsem 
fs zusammengetragene Kunstsamm- 
dereiust wohl einem flffentlichen 
ntwortet werden durfte. In den 
n FUllen jedocli finden die schOnsten 
Privatsammlungen ein unrtihm- 
liches Ende in einer nuchternen 
Versteigerung, bei welcher der 
erste beste EmporkOmmling die 
kostbarsten Stticke womOglidi 
iiber den Ocean entfuhrt, worauf 
die Herkunft ganzlich verwischt 
wird. 

Die Geistlichkeit,besonders die 
katholische, welche iiber ungleich 
grOf sere Kunstschatze in ihren Kir- 
ch en verfiigt, ist im allgem einen 
genug conservativ; dennoch gibt 
es verschiedene Gelegenheiten, 
die zu Veranderungen im Gotteshause Anlafs bieten. Namentlich 
zahlen allerlei Widmungen berucksichtigenswerther Geschenk- 
geber hierher; oder es soil eine neue Einrichtung getroffen werden, 
die sich anderwiirts bewahrt hat, wie z. B. eine Grotte mit der 
Madonna von Lourdes, gewOjinlich eine ausdruckslose Puppe aus 
irgend einer Fabrik dutzendmafsiger Heiligenfiguren. Und der- 
artigem, vom Kunststandpunkte ganz wertldosem Zeug wurden 



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38 



Die Denkmalpflege. 



16. April Woo 



whorj wiederhoh trutf* Barwk- oder Rocoeoaltare jreopfert. 
.V.hJieMich korr.men noch allerlei Gelesrenheitsdecorationen 
bei fe-Mi'-hen oder trauri;ren AnLi^en in Betracht. bei denen 
juanch^ KuiiMwerk irn Irmern der Kirche gefahrdet ist: schon 
wiederholt hat man bei der Aufrtellunir einer Weihnaehtskrippe 
od*-r friu^ heili;ren Grabe>. manchmal auch beim Auskleiden mit 
w;liwarzf:D oder farbi?en St off en mamhen zufallig im Wege stehenden 
Theil eines KuDstgejrenstande* zeitweilig oder dauernd beseitigt. 
mitunter gar kurzwetr vernichtet. 

In der Haupt^tadt Miid derartige Falle seltener. da die Kirchcn- 
vorsta nde verfeinert*-ren Kunstanschauunjren naher stehen und bei 
b<-*onders kritiwher Saehlage viel leichter Fachleute zu Rathe 
Ziehen konnen. Viel ungunstiger dagegen liegen die Yerhaltnisse 
auf dem Lande. wo so viel geschieht. ohnedafs irgend ein Kunst- 
k^nner davon irgend eine Ahnung hat: nicht einmal der Patron 
oder die kirchliche and politLsche Behorde erfahrt von alien Vor- 
gan^en. Xar wenn es sich um eine erbetene Unterstutzun^r handelt. 
also bei groTseren I'manderungen, hat der Staat auch ein Wortlein 
mitzureden. was schon sehr liaufig als segensvoll und nothwendig 
anerkannt werden mufste. In Oesterreich greift die Wiener k. k. 
Cent rale om mission zur Erhaltung historischer und Kunstdenk- 
maler ein. Hire eigenartige Gliederung bringt es mit sich, dafs 
fast das ganze Urtheil von der Ansicht des betreffenden Conservators 
abhangig gemacht wird. statt dafs man aus der Reichshauptstadt fiir 
jeden Fall einen besonders geschulten. vom Ministerium angestellten 
Sachverstandig'en entsenden wiirde. Bei aller Anerkennung vor 
der opferwilligen und mitunter auch einwandfreien Thatigkeit der 
Conservatoren kann doch nicht verschwiegen werden, dafs manche 
derselben ihr unbesoldetes Ehrenamt in etwas einseitiger Weise 
versehen, ganz abgesehen davon, dafs man von niemandem ver- 
langen kann. dafs er sich bei der Wiederherstellung eines gothischen 
Kreuzganges oder bei einer vorgeschichtlichen Ausgrabung ebenso 
vorzfiglich auskennen mftge, wie bei der Wiederherstellung eines 
Renaissance-Epitaphiums oder bei einein Miinzen- oder Urkunden- 
funde. Die meisten dieser Rathgeber haben sich ein fiir allemal 
einen Schimmel zurechtgelegt, der fiir alle Wiederherstellungen 
passen soil. So kenne ich z. B. einen osterreichischen Conservator. 
de?>sen erste Sorge es bei jeder Kirchenwiederherstellung ist. neue 
GJasgernalde fiir die Fenster zu empfehlen. selbst wenn es sich um 
eine Barockkirche handelt. 

Wenn aber derartige Rathschlage von amtlicher Seite ge- 
&ufsert werden, denen nicht minder berufene Fachleute sofort 
entgpgentreten miissen, dann mag man sich nicht wundern, wenn 
die Kirchenvorst&nde oder deren Vorgesetzte mitunter nach eigenem 
Belieben verfahren, wodurch das Uebel nicht geringer wird. 

Um hier eine entscheidende Besserung herbeizuftihren, empfiehlt 
es sich einerseits durch Specialfachleute wiederholt die ver- 
schiedensten Gegenden bereisen zu lassen, namentlich aber im Be- 
darfsfalle einen gediegenen Vertrauensmann ohne Zogern zu ent- 
senden, anderseits aber eine ganz genaue Inventur des gfanzen 
Kircheniniiern, sowie siimtlicher bewe^licher Kunstpe^enstUnde in 
i\er Sacristei oder in den Depots, womft^rlich ebenfalls unter Hinzu- 
ziehun^r von Kunsthistorikern anzuordnen und alien Kirchenvor- 
standen die un^eschmalerte Ueber^abe des ^anzen einfretrafrenen 
Jiesitzes an ihre Xachfol^er zur Pflicht zu machen. Bei jedem Amts- 
antritte ware alles nach dem Invent are zu iibernehmen und zu be- 
stiiti^en; die kirchlichen Vor^esetzten, sowie die politische Behorde 
oder das Patronat hapten sich von Zeit zu Zeit, etwa alle fiinf 
Jahre, von dem Vorhandensein samtlicher Inventarge^renstande, die 
tfenau beschrieben und ausgiebig bewerthet sein miifsten, zu tiber- 
zeutfen, etwai^e Ab^an^e miifsten sofort, ge^ebenenfalls aus dem 
Xacldas.se des Amtsvor^anfrers, ersetzt werden. Die Veraufserung 
aller GegenstUnde, sowie deren Tausch wftren mOglichst zu er- 



schweren ui»d nur vor dem Pnifun^^chlufs nach Benachrichti ^ *. 
des nachstirele^enen {rr«»Neren Museums zu «restanen. Wenn ~fc* 
artiire Verffuruniren allerdinjrs nicht zu spat Gesetzeskraft erhiev 
ware der Yerschleppunjr manches interessanten Gegenstandes a . 
ahem Kirchenbesitze noch Einhalt jreboten. 

Xoch eine nicht unwe^entliche Fra^e bleibt zu erortern. ^ 
kein Hinterthtlrchen jreschaffen werde. durch welche< verschinl , 
Gejrenstande der kirchlichen Kun*it entschlupfen konnten. W> ^ 
man sich jenen alten Werken *ret r eniiber zu verhalten. welched 
als Musterstucke in Kunst^ewerl»emuseen aufgenommen wen] 
konnen? Eine Hauptgruppe dieser Art habe ich jungst m C 
handeln versucht.^) namlich die in Holz greschnitzten und vergoldetr- 
Altarleuchter (Abb. 1 u.2i unserer Landkirchen. Es ist ge\\i:« 
keine Fra^re. dafs Holz als ein zu leichter und obendrein grut hret:. 
barer Stoff fur Leuchter jranzlich un^reei^rnet ist. zumal auf Altars 
deren vielfache LeineniiberzOire. Spitzen oder jrar die schrecklidp 
aber ^rerade in Landkirchen nahezu unvenneidlichen PapierMmu^ 
einem beginnenden Feuer die reichste Xahrung bieten. Dennochiri 
es. namentlich aus dem In Jahrhundert. zahlreiche derartige Sun 
{rate, welche sich Miihe jreben. Silber oder wenigstens Zinn Yorr> 
tauschen. Wenn solche Leuchter auf einem Unterbau. der ja aucl. 
Holzschnitzerei ausfrefuhrt sein kann. gut befestigt sind, dann > 
wenigstens die Feuersgefahr nicht so grofs. als wenn einzebe U- 
sonders hohe und schlanke Holzleuchter Wachskerzen zu tra^v: 
haben, die schwerer sind als sie selbst. Von Anfang an ware: 
derartige Stiicke nur Xothbehelfe. und man wird es den Kirck- 
vorstanden nicht verubeln. wenn sie die erste beste Gelegenheit rr 
greifen, die ihnen einen Tausch mit fester stehenden. also nicht fet^r 
gefahrlichen Metall^rerathen ermoglicht. Dessenungeachtet war^ 
sehr schade. wenn solche Holzleuchter. die unsere Kirchen noch in 1^ 
deutender Anzahl besitzen, mit der Zeit verschwanden. Die Mu^: 
miissen ihnen eine Zufluchtstatte bieten und sie vor der ganzlick 
Vernichtung bewahren. In erster Reihe sind hierzudiehistorischen »k 
besser gesa«rt cidturhistorischeu Museen berufen; aber auch on^rr 
Kunstgewerbemuseen werden derartigen Stucken ganz gene riL 
Platzchen einraumen konnen. Obwold man in Kunstgewerbemu>rr: 
deren praktische Thatigkeit gegeniiber der hOheren culturgesckLt 
lichen Bedeutung heutzutajre etwas einseitig: in den Vordergrmd :e- 
drangt wird, einwandfreie Musterw erke naturgemafs zu bertmrr: 
hat, und Gegenstande, welche aufgelegte Materiahvidri^i: 2 
aufweisen, ungerne sieht, wird man doch sehr wold darantici k 
selben ebenfalls zu sammeln, schon um an ihnen nicht nunm* 
teristische Ornamente, sondern auch die eben geriigten FriV: t ■ 
zeigen zu kSnnen, und thatsachlich haben auch schon ver^kk* 
Kunstgewerbemuseen derartige Beispiele aufzuweisen. 

Denselben Standpunkt wie gegeniiber den HolzleuchtemM 
wir auch anderen Einzelheiten unserer Landkirchen gegenut*i a- 
zunehmen. welche «der Xoth gehorchend, nicht dem eigenen Tritk* 
ahnliche Verstdfse gegen die Materialgerechtigkeit erkennenla>^ 
Hierher geh5ren u. a. holzerne Chorschranken, Kanzeln oder Tail 
steindeckel, welche in Oelfarbe M armor nachahmen, unechte. u' 
Glassteinen besetzte Kronen von Madonnenfiguren u.dgL «ekir 
jeder Pfarrer mit dem grofsten Vergniigen beseitigt, w enn ihrn eii 
Widmung in echtem Material in Aussicht steht. Trotzdeni sollt^l: 
dies, wenigstens in den besseren und charakteristischen Stuck 
nicht zu t Grunde gehen, damit die Kenntnifs alter Xothbehelfe der 
Xachwelt nicht ganz entzogen werde. Auch in dieser Bezieki: 
hatten die Ausschusse, deren Inslebentreten oben angeregt wurde. 
ein dankbares und verdienst voiles Arbeit sf eld. 

Reichenberg i. B. Gustav E. Pazaurek. 



*) Mittheilungen des Xordbohmischen Gewerbemuseums XL\ 
(1901) Xr. 3. 



Krhaltung alter Banten in Breslau 

Verkehrsrticksichten, welche die eigenartige Baugruppe der so- 
genannten „Siebenkurfiirstenseite tt an der Ecke der Oder- 
und Xikolaistrafse in Breslau gefiihrden. Ein neuer Fluchtlinienplan 
wollte mit dieser Gruppe bedeutungsvoller Baudenkmaler auf- 
rilumen. Der Provincialconservator schreibt hiertiber u. a., dafs 
die Fronten, Innenriiume und Hofe fast aller dortigen Gebaude 
Einzelheiten von kunstgeschichtlicher Bedeutung zeigen. Besonders 
die Hiiuser Xr. 2 und 3 mit ihren hohen, keck umrissenen und 
eigenartig ausgebildeten Giebeln aus dem Ende des 16. Jahr- 
hunderts und ihren interessanten, reich durchgebildeten Portalen 
haben mehr als (3rt lichen Werth, sie sind als Zeugnisse "schlesischer 
Kunst bei Ortwein-BischOf verotfentlicht, bei Lutsch, A. Schultz 



Vermischtes. 

Wieder einmal sind es u. a. besprochen und von alien Kennern hochgeschatzt. Sie zu 



beseitigen ware eine Vandalismus, gegen den sich ein Sturm der 
Entrustung weit iiber Breslaus Grenzen hinaus erheben ww 
Der Blick auf die Xordwestecke des Ringes mit den charakte- 
ristischen Giebelhausern nebst dem Thurm der Elisabethkirche m 
Mittelgrunde ist von so unvergleichlichem malerischen Reizw 
jedem Breslauer so fest im Herzen eingeprSgt, dafs dessen Aer 
storung wie eine Verunstaltung des ganzen Stadtkorpers empfonden 
werden mufs. , 

Es ist dankbar anzuerkennen, dafs der Breslauer Magistrat aui 
Grund der Gutachten des Stadtbauraths Pliiddemann und desProvin- 
cialconservators Dr. Burgemeister den beabsichtigten Fluchtlimeu 
plan fallen gelassen hat. Xach dem neuerdings aufgestelltenPlauewira 



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Nr. 5. 



Die Denkmalpflege. 



89 



nur das Eckgrundstiick Ring Nr. 1 bei Neubebauung eingeschrankt, 
wahrend die umliegenden Hauser am Ringe unoeriihrt bleiben. 
Es besteht die Hoffnung, dafs die Stadtverordnetenversammlung 
diesen Plan annehmen wird. 

Der Lindenbrnnn en nnd der Brnnnen bei der Marienkirche in 
Reutiingren mit dem beim grofsen Brande (1726) vernichteten Stand- 
bilde Kaiser Friedrich 1 1. sollen auf Beschlufs der burgerlichenCollegien 
wiederhergestellt werden. Beide Brunnen stammen aus der Mitte 
des 16. Jahrhunderts. 

Die Wiederherstellung: der Stndtkirche in Dornstetten, die nach 
den Planen des Oberamtsbaumeisters Kirn in Freudenstadt aus- 
gefiihrt nnd nach dessen Tode durch den Baurath Frey in Stutt- 
gart geleitet wurde, ist vollendet •; sie erstreckte sich hauptsachlich 
auf das Innere und die innere Ausstattung. Die Ortliche Bauleitung 
lag zuletzt in den Hiiuden des Architekten Schaudt. Die Ein- 
wcihung der Kirche land am 23. Marz d. J. statt. 

Einen Beitrag znr Roland- 

frageliefert eiiiAufsatz (iber „Die 
Statue des Markgrafen Karls II. 
von Baden in Durlach im Zu- 
sammenhange mit siiddeutschen 
Brunnenfiguren" der Geheime 
Rath E.Wagner in Karlsruhe i. B. 
in der Zeitselirift fur die Ge- 
scliichte des Oberrheins, heraus- 
gcgeben von der Badischen Histo- 
rischen Commission (Heidelberg, 
Karl Winters Universitatsbuch- 
handlung). 

Das betreffende Standbild, 
das friiher den Marktbrunncn der 
Stadt Durlach zierte, wurde im 
.Jahre 1862, als der Brunnen „als 
nothwendige Folge der Vm- 
pflasterung des Marktplatzes" be- 
seitigt wurde, vou seiuem Stand- 
orte eutfernt und als selbstan- 
diges Denkmal des Markgrafen 
Karls II., des Erbauers des 
Schlosses, „von der dankbaren 
Stadt Durlach gewidmet u , auf 
dem Schlofsplatz wieder aufge- 
baut. Die nebenstehende Abbil- 
dung zeigt das Standbild auf der 
alten Brunneusiiule; der Unterbau 
mit vier in Eisen gegossenen 
heraldischen L5wen ist nach dem 
Plan und Modell von v. Bayer, des damaligen Grofsherzoglichen 
Conservators, ausgefuhrt. 

Wagner weist in seinem Auf sat ze darauf bin, dafs ahnliche Ritter- 
gestalten eine ganze Reihe von Marktbrunnen in Stiddeutschland 
zieren, und dafs es sich demnach urn einen gewissen gemeinsamen 
Typus von Marktbrunnenfiguren handle, der in der zweiten Halfte 
des 16. Jahrhunderts in Stiddeutschland Verbreitung gefunden habe. 
Diese Standbilder seien als Symbole der politischen Selbstiiudigkeit 
der betreffenden StUdte, ahnlich wie die Rolandstandbilder in Nord- 
deutschland, anzusehen. Auch die Entstehung des von Wagner gleich- 
falls angefiihrten Hildesheimer Rolandbrunnens, der im 16. Jahr- 
hundert als ^Pipenborn* 4 und jetzt oft im Volksmunde noch als 
Pipenbrunnen (wegen der pfeifenartigen BrunnenrOhre an der 
Brunnensaule) bezeichnet wird, mit seiner Brunneusiiule und Ritter- 
figur weist nach Suddeutschland. Kiisthard hat nachgewiesen, dafs 
die Bildnisse der „guten Helden** an den Brunnenwanden des Hildes- 
heimer Rolandbrunnens alten Niirnberger Holzschnitten entlehnt 
sind (vergl. S. 57 d. Jahrg. 1901 d. Bl. und die Aufsatze uber die 
Rolandfrage auf S. 32 d. J. und S. 10 u. 87 im Jahrgang HMH) 
d. Bl.). 

Da die Durlacher Brunnenfigur fur die Rolandforschung von 
grofser Bedeutung ist, so ware ihre Erhaltung driugend zu wunschen. 
Wagner schlagt dalier vor, das bereits stark verwitterte Standbild 
durch eine Nachbildung zu ersetzen und das Urbild in einem ge- 
scldossenen Raume aufzubewaliren. 

An der Kirche Ad sanctam Mariam auf dem Markt in K5nigs- 
berg in Franken, erbaut 1397 bis 1465 in edlen gothischen Formen, 
wie sie weit und breit in Unterfranken in kleinen StHdtchen nicht 
zu finden sind, ist nun auch die Wiederherstellung des Thurmes in 
Angriff genommen. In fttnf Stockwerke gegliedert, steigt er stark 
sich verjiingend bis zu einer Hiihe von 30 m (ohne Dach) empor. 
Man erkennt deutlich, dafs drei verschiedene Meister nicht gleichen 



Kftnnens ihn zur Hflhe fillirten. Unsere Abbildung zeigt den 
Zustand der Ostseite der Kirche im Jahre 1898. Hente ist 
das Chormauerwerk mit seinen schmiickenden Theilen in der Haupt- 
sache erneuert. Auch sind die unifangreichen Unterfangungen zum 
griifsten Theil beendet. Das von Excellenz v. Witt ken, koburgischem 
Geheimen Staatsrath, ins Leben gerufene Werk der Wieder- 
herstellung verfttgt liber ziemliche Mittel, die aber bei weitem nicht 
ausreichen, da die Ergiinzung und Erneuerung der Bildhauerarbeiten 
allein liber 70 000 Mark erfordern und der Wiederaufbau des 1640 
durch Brand zersttirten schtinen Schiffinnern beabsichtigt ist. Die 
Bauleitung liegt in den Hilnden des Unterzeichneten. — Die er- 
wahnten Grtindungsarbeiten liefsen mich eine nierkwiirdige Ent- 



deckung machen, die wohl einzig dastehen diirfte, und vielleicht 
dazu fiihrt, bei Wiederherstellungen alter Bauwerke ktinftig besonders 
aufmerksam zu verfahren. Ich fand im Verlauf der eingehenden 
Untersuchung der Grundmauern, dafs die ganze Kirche auf einem 
vorgeschichtlichen Graberfeld erbaut ist. Diese Thatsache, deren 
sichere Erkenntnifs erst bei wiederholten Funden reifte, ist urn so 
merkwilrdiger, als in der ganzen Gegend bis jetzt keine vorgeschicht- 
lichen Funde bekannt waren. Dafs es sich urn vorchristliche 
Griiber handelt, beweist unter anderm folgendes: Die christlichen 
Griiber im Innern der Kirche liegen httchstens 1,20 m tief ; darunter 
folgt ein so vollstiindig fester ungemischter Boden, 4afs er als ge- 
wachsenes Land erscheint ; erst nach Durchstechung einer gewissen 
.Hohe desselben stiefs man auf mit Steinschutt gemischten Boden, 
welcherdieSkelette enthtilt ; derBeginn dieser Lagekennzeichnet sich 
durch eine fast iiberall zusammenhiingende 2 cm starke Holzkohlen- 
und Aschenschicht. In dieser Schicht, wie bei den Skeletten, finden 
sich zerstreute Thonscherben in Menge, verrostete Eisentheilo. 
kleine Kupferbleche, Thierknochen, u. a. ein Pferdeschadel, Eber- 
zahne usw. Der schwere feuchte Boden und die Morschheit der 
Knochen erschwerten die Freilegung der Gebeine und das Bergen 
der Funde sehr. Es liefs sich eine mindestens dreifache Graber- 
schicht feststellen. Leichnam erscheint auf Leichnam gelegt in der 
Weise, dafs in der einzelnen Lage zwischen zwei KOrper immer 
ein dritter so gelegt ist, dafs sein Kopf ungefahr in Hiiftenhohe 
der erst en beiden liegt. In der darauf folgenden Lage ist dann 
der Kopf des oberen Leichnams im Schofse des unteren. Die unterste 
Lage ruht auf dem Keuper Felsen. Das Graberfeld erstreckt sich 
(iber den Marktplatz die Hohe des Schlofsberges hinail und dehnt 
sich bis zur 200 m entfernten Friedhofcapelle aus. Im Thtu-minnern 
2 m tief fand ich Hockergraber. Sonst wurde von mir nur ganz 
ausgestreckte Lage, oft mit einseitig erhohter Schulterlage be- 
obachtet, wobei die rechte Hand der Leiche stets unter dem 
rechteu Becken ruhte. Leo p. Oelenheinz. 



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40 



Die Deiikmalpflege. 



16. April 1902. 



Die Bandenkmaler Ton Warschan hat J. K o h t e in den 
Historischen Monatsblftttern fur die Provinz Posen (Beilage zur Zeit- 
schrift der Historischen Gesellschaft fur die Provinz Posen), Jahr- 
gang 1901, Nr. 11 in einer ubersichtlichen Darstellung behandelt, der 
wir entnehmen, dafs der Plan der Altstadt der regelmafsigen Anlage 
der ostdeutschen St&dte folgt, dafs ans dem Mittelalter sich nur 
weniges nnter der Ungnnst der Zeiten gerettet hat, dafs dagegen die 
Denkmaler des 16., 17. und 18. Jahrhunderts den Besuch der Stadt 
reichlich lohnen. Die aus der zweiten Haifte des 16. Jahrhunderts 
stammenden Wohnhauser am Alien Markt haben die ursprungliche 
Anlage noch so gut bewahrt wie selten in Deutschland. Die 



wichtigsten katholischen Kirchenbauten entstammen der Ge^ 
reformation. Der Centralbau der lutherischen Kirche verdient in ,u 
Entwicklungsgeschichte der protestantischen Kirchenbaukunst k 
achtet zu werden. Die Glanzleistungen aber bilden die Seldom 
welche die letzten polnischen Kftnige und einige Adelige errichtea 
liefsen, das prachtige Schlofs Willanow und der Palast Krasinski am 
der Barockzeit, die landschaftlich reizvollen Bader (Lazienki) und det 
Ausbau des Stadtschlosses aus dem Neuklassicismus. Die fuhremJen 
Architekten waren Italiener, wie Giuseppe Belotti, AgostinoLocd 
und Domenico Merlini. 



Bucherschan. 



Ansielit von der (iartenseite. 




Grundrifs des Erdgeschofses. 

Das JagdschlofsFalkenlnst, ein rheinisches Baudenkmal CuvillieV. 
Beitrag zurGeschichte des Rococo in Deutschland von Felix De chant, 
Regierungs-Baufiihrer. Aachen 1901. Verlag von 0. Miiller. 23 Licht- 
drucktafeln, 2 Tafeln mil Grundrissen und Schnitt, 24 Seiten gr. Folio. 
Text nach urkundlichem Material. 

Das Schriftthum liber die Architektur des 18. Jahrhunderts 
in Deutschland hat durch die vorstehend genannte Vertfffentlichung 
wiederum eine sehr willkommene Bereicherung erfahren, mit der 
sich der Verfasser des Werkes ein umso grtffseres Verdienst er- 
worben hat, als es sich um eine wahre Perle des Rococo oder, ge- 
nauer, des Regencestils handelt, die, seit lange im Privatbestitz be- 
findlich und schwer zugiinglich, fast ganz in Vergessenheit ge- 
rathen war. 

Das Jagdschlofs Falkenlust liegt eine Viertelstunde von dem be- 
rtlhmten Schlofs Briihl (bei Koln a. Rh.) entfernt und gehOrt, wie 



Cabinet im Erdgeschofs. 
dieses, zu den Luxusbauten des pracht> und jagdUebendenKurftiM«ii 
Clemens August. Es besitzt nur geringen Umfang und zeigt im 
wesentlichen das Schema des franzflsischen Landhauses, wie esBlondd 
in seinen „Maisons de plaisance* schildert. Aeufserst bequerae An- 
ordnung und kiinstlerische Gliederung der Rftume, klar aus den 
Grundrifs entwickelte Facaden ohne jede Ueberladung, leichte und 
lichte, graciOse und elegante Innendecoration, sind die hervor- 
stechenden Eigenschaften dieser Bauweise. 

Der Text des vorliegenden Werkes beschrHnkt sich nicht auf die 
Erl&uterung der reichhaltigen Tafeln, sondern stellt eine sehr fleifsi^ 
tiefgreifende kunstgeschichtliche Studie dar, die, in knapper Form 
und mit reichlicher Quellenangabe versehen, zun&chst ein sehr 
interessantes und fesselndes Bild von der Hofhaltung, dem Leben 
und Treiben und dem Mitcenatenthum des Kurfiirsten Clemens August 
entwirft und sodann mit umfassender Sachkenntnifs und sicherem 
Urtheil auf den Lebenslauf und die kiinstlerische Entwicklum' 
CuvillieV und seiner Zeit eingeht. Schliefslich nehmen die den 
Original-Baurechnungen, Invent arverzeichnissen, Briefen und son- 
stigen Acten entnommenen Angaben ilber die technische una 
kiinstlerische Ausfiihrung und deren Kosten das lebhafteste Inter- 
esse in Anspruch. 

Somit sei dieses schtfne verdienstliche Werk, dessen Ausstattuni 7 
nichts zu wttnschen Ubrig liifst, der allgemeinen Beachtung wSmisteib 
empfohlen. . . 

Aachen, Februar 1902. Karl Hennci^ 

Inkalt: Zur Lage dea Denkmalschutzea in Preufsen I. - Ku " 8t f ege J' n 
BtUnde in unaeren Landkirchen. — Vermiachtea: Erhaltung alter Bauten 
Brealau. — Brunnen in Reutlingen. — Wiederheratellung der Kirche m ° 
atotten. — Brnnnenfigur in Durlach. — Marienkirche in K&nigsberg in Fran* 
— Baudonkmaler in Wnrachan. — Bucherschan. 

Ftir die Schriftleitung verantwortlich: Friedr. Schultee, Berlin- 
Verlag von Wilhelm Ernst u. Solin, Berlin. Druck Guatav Schenck SoJin,x>« 

Nr. 5. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von tfer Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin and Friedrich Schultze. 



41 



IV. Jabrgailg. Erscheint alle 3 bis 4 Worhen. Jahrlich 16 Bogen. — Geschaftstelle : W. WilhelniHtr. 90.— BezugspreiH Berlin, 7. Mai 

tu-_ n einschl. Abtragen, (lurch Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark; fUr das 1 009 

1 ' Ausland 8,50 Mark. FUr die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



(Alle Rcehte vorbehalten.] 

Wiederherstellung einer Diele im Hause Langemarkt Nr. 43 in Danzig. 

kam, dafs man in ganz Danzig mit Be- 
dauern das Dahinschwinden der alien Dan- 
ziger Dielen wahrgenommen hatte und das 
lebhaftcste Interesse dafiir hatte, eine der- 
artige Diele an einer Stelle wiederherzu- 
stellen, an welcher sie voraussichtlich noch 
Jahrhunderte erhalten bleiben kftnnte. 

Fur alle diese Zwecke war das neben 
dem Artushof belegeue Hans Laugemarkt 
Nr. 43 das geeignetste. Durch ein Durch- 
brechen der gemeiusamen Nachbarwand 
konnte die Verbindnng zwischen beiden 
Bauten leicht hergestellt werden, nnd der 
Vorraum fiir die Festlichkeiten, sowie der 
noch nothige Borseuraum war damit ge- 
schaffen. 

Fur die Wiederherstellung einer alien 
Danziger Diele war der Boden auch ge- 
geben. Die Anlage des Hauses liefs keinen 
Zweifel dariiber aufkommen, dafs eine Diele 
daselbst in fruherer Zeii vorhanden gewesen 
war. Eine reich aus Holz geschnitzte Wendel- 
treppe mit dem danebenstehenden Wachier 
und ein Stuck Galerie waren als Kennzeichen 
der alten Diele in dem an der Strafse be- 
legenen Raume des Erdgeschosscs noch vor- 
handen (Abb. 4), wiihrend im iibrigen durch 
Zwischendecken und Wande die Diele bis zur 
Unkennilichkeit entstellt war. Das Haus ist 
spatestens in der ersten Hiilfte des 15. Jahr- 
Abb. 1. hunderts erbaut • worden, darauf lafst Anton 

Mellers Bild ^Der Zinsgroschen - scliliefsen. 
Die Scene von dem Ziusgroschen spielt sich 
nach dem Bilde auf dem Langen Markte ab, 
und man sieht neben dem Artushof das in 
Rede stehende Haus mit einer mittelalter- 
licheu Front, welche nach oben hiu mit 
einem Ziunenkranz abschliefst. Dieser Zinneu- 
kranz blieb auch noch erhalten, als im 
17. Jahrhundert das Haus eine reiche Re- 
uaissancefacade erhielt. Im Jahre 1712 wurde 
das Haus ein Schoffenhaus, und bei dem 
hierzu erforderlichen Ausbau ist dem (fe- 
baude eine barocke Facade gegeben, welche 
es auch heute noch zeigt. 

Mafsgebend fiir die Architekturformen 
der in den Abbildungen 1 u. 2 dargestellten 
Diele waren zuniichst die noch in dem Raume 
vorhandenen, bereits aufgefiihrten Gegen- 
sttlnde, Treppe, Wachter und Galerie, dann 
dieRadirungen des Professors Schultz, welche 
noch getreue Abbildungen alter Dielen entr 
halten, und schliefslich der Umstand, dafs 
ein bekannter Danziger Burger namens 
Gieldzinski, der eine grofse Sammlung 
alter Ktinstgegenstande, Ausstattungen und 
Abb. 2. Gewerkzeicheu besitzt, einen Theil dieser 

Sammlung fiir die Aufstellung in der Diele 
Der in der Geschichte der Baukunst vvohlbekannte Danziger hergeben wollte. Dieser letztere Umstand namlich war die Ver- 
Artushof ist seit langerer Zeit nicht sowohl fiir BOrseuzwecke als anlassung dafiir, dafs die Galerie, welche eigentlich nur den Zugang 
auch fiir festliche Gelage der stadtischen KOrperschaften und der zu den nach dem Hofe belegcnen Raumen bilden sollte, nicht nur, 
Kaufmannschaft benutzt worden. Fiir die Borsenzwecke ist das wie dies fruher gewesen war, an der Riickwand entlang gefiihrt 
Bediirfnifs nach einem zweiten Raum seit mehreren Jahren lebhaft wurde, sondern auch an zwei anderen Wanden (Abb. 2), weil sie einen 
hervorgetreten, und fiir die Veranstaltung festlicher Gelage, welche grofsen Theil der geschenkten Sammlung aufnehmen sollte. 
nach der Wiederauferstehung der alien Danziger Banken jahrlich Nachdem die schon erwahnteu Einbauten aus der Diele entfernt 

viel hiiufiger wiederkehren als vordem, machte sich der Mangel waren, zeigten sich an der Decke Spuren cines auf Leinwand ge- 
eines ausreichenden Vorraumes sehr unangenehm ftihlbar. Dazu malten Oelgemaldes, welche jedoch so gering waren, dafs an eine 



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42 



Die Denkmalpflege. 



7. Mai i%o 



Abb. ;i 

Erganzun<>: dieser Decke nicht g:ut jrcdacht werden konnte. Deshalb 
wurde sie entfernt, und nun zeitften sich iiber ihr Leber- 
reste eiuer aus noch Hlterer Zeit etwa 1 ">< m > oder friiher 
stammenden auf Holz <»emalten Decke, welche ebenfalls fur eine 
Erganzunj*: die uothijjcu Untcrla^en nicht bot. Die Stadt Avar 
jedoch im Besitz einer sehr sehonen Decke, welche bei dein Tnibau 
eiues alten Patricierhauses fiir Verwaltun^szwecke eriibrigt war und 
welche un^efahr in den Kaum des Hauses Lanj»emarkt Xr. V.\ 
hineinpafste. Es war nur erforderlich, der Decke den Fries zu 
geben, wie das Abb. 1 zeijrt. Die Oel^emalde waren allerdin^s 
sehr beschiklijrt und sind von Herrn Professor Stryowski wieder 
hergestellt worden. 

Da die Balkenkopfe der Zwischendecke samtlich verfault waren, 
so wurde die alte Decke entfernt und durch eine massive, zwischen 
X-Triigern hergestellte ersetzt. Wie an diese Zwischendecke das 
Deckengemalde befestigt ist, zcigt Abb. 4. 



Die Wande haben eine aus Delfter Kachelu hergestelltc BrQstu: 
erhalten, welche nach oben durch einen eichenen von Consolen <y" 
trageuen Briistungsfries abgeschlossen wird. Die Consolen zei- f 
die Kopfe von Ma$ristratsmitgliederu und St&dtverordneten m 
deren Frauen. Der ubrige Theil der Wande ist mit rotlier \W| N 
farbe gestrichen. Reich geschnitzte Thuren fiihren zu den an ,[,. 
Diele anstofsenden Bureaur&umen des Vorsteheramtes derKaufinai 
schaft — die mittlere der in Abb. 1 dargestellten unteren Tliiir. 
hat Herr Comuiercienrath Muscat e hier gestiftet — undeiusch 
reform tes Portal mit Hermen aus Schliiterscher Zeit fuhrt zn iJh 
Artushofe (vgl. Abb. 2). Den neuzeitlichen Bediirfnissen \m\U-, 
insofern Rechnung getragen werden, dafs ein Windfall ^ 
gebaut werden mufste, dessen Formcn jedoch denjenigen des 1 7. .lahr- 
hunderts thunlichst angepafst sind. Das in Abb. 3 dargesteD,- 
Sandsteinportal war vorhandeu und ist nur von seiner stark-: 
Oeldecke befreit worden. Die Thiir nebst Oberlichtgitter ist ir 
nur die holzernen Kermen, der Thiirklopfer und die einen lHur 
arm darstellende Klinke sind alt. 

Nicht allein die Diele, sondern auch alle anderen Rauiiw i],. 
Hauses sind giinzlich ausgebaut, sodafs ein Sitzungssaal fur ta 
Vorsteheramt der Kaufmannsehaft, ein Zimmer fur den Vorsteherui 

die erforderlich : 
Riiurne fiirdieB 
reaubeamteu. 
Telejrraphenziin 
mer, eine Wot 
nung fiir d cr 
Hausmeister un 
die nothwenfe 
Xehenraume ^ 
schaffen sind. IV; 
Eutwurf ist vi r 
dem Unterzevo 
neteu jreferrir. 
dem auclulieBa-r 
leitung obgeJeiei 
hat. Umenwzt 

wurde er 
nach einarnierv't 
den Rejrieniii.'v 

Baufiikn, 

Gottke.Kc;r5 

und Ant'.w 

Hecbr. R-^-i 

letztem^'.% 

Einzeltea 

bearbeiteii itr* 

Die Aufsidt ii-er 

die Entwnrfa* 

arbeitun*: w^i 

Abb. 4. a Is auch filter & 

Bauleitumr fubm 
Stadtbaurath Fehlhaber. Die Ausstattun^sgejrenstande sind. wit- 
schon erwiihnt, in opferfreudigster VVeise von Herrn Oieldzinski 
geschenkt worden. Kleefeld, Stadtbauinspector. 



Nrliweizerhfiuser aus dem oberen Thurthal. 



Das obere Thurthal, insbesondere der Bezirk ^Ober-To^en- 
burg" des Cantons St. Gallen, besitzt eine eigenthumliche Baukuust, 
eine Baukunst, die sich in ihren construct iven Einzelheiteu seit 
vielleicht 1 000 Jahren dort bis auf den lieuti^eu Ta# uuverschlechtert 
erhalten hat. Die Natur des Landes liefert keinen brauchbaren 
Baustein, vor allein keinen Kalk und Sand, wold aber in £rofsen 
Kiefernwalduiifren ein ausjrezeichuetes Bauholz. Die iraiize dortige 
Architektur ist daher eine Holzarchitektur, und zwar im en^sten 
Sinne. Die Bauteu, in einer Stilmischuug aus allemanuischer und 
keltischer Bauart aus^efiihrt, sind Blockhauser. Ihr Grundrifs ist 
den dortifjen Lebensbediirfnissen angepafst. Die steilen Han<re 
und verhaltnifsmafsig en<ren Thaler des Landes lassen einen jre- 
deihlichen Ackerbau nicht aufkommen, das reiche Weideland da- 
gregen, welches sich dort findet, hat das Land fiir die Viehzucht 
sehr greeigfiiet ^emacht, und diesem Erwerbszwei# der Bewohner 
verdanken auch die Wohnstatten daselbst ihre eiprenthiimliche An- 
lajre. Das einfachste und tUteste Haus jener Gegeud war und ist 
noch heute die Seunhutte, wie wir sie noch jetzt auf den hoch- 
jrele^euen Almen sehen. Ihr Grundrifs zerfallt in zwei Theile: den 
Stall und den Wohnraum, der zu^leich als Zubereituu^sraum fin- 



Butter und Kiise dieut (ver^l. Abb. 7). Aus ihr entwickelt sich nil- 
mahlich durch Vcr^n'ifserun^f und Eintheilun^ des Wohnrdun^ 
das Haus der Dorfbewohner. Der Ein^au^ wird, wie es sich audi 
schon bei jrrofseren Sennhutten findet, auf die Lan^rseite pelei.'t 
und durch Ueberbau des oberen Stockes ^ejren Wind and Vutw 
^eschiitzt. Eine Einrichtun«r, die zu sehr reizvollen Losungen An- 
lafs jrab (Abb. I und 2). Auf der ent^e^en^esetzten Seite koninif 
ein Holzsehopf hinzu, in dem Hrennholz fiir den Winter anf^espeichert 
wird. Eitfenthumlich ist die Losun^r des Kiichenfensters, welches bei 
seiner Laju r e eine volli^eTrennun^ von Haus und Stall verlangUAblui. 
Die Treppe erhiilt einen besonderen, sonst nicht henutzten Ran" 1 
fiir sich. Beachtenswerth ist auch die La^e des Kamius, der id 
der Stube zu eiuem #e\valti#eii Kachelofen, in der Kiick 7W 
Herde aus«rebildet ist. Auch" der Stall ist ^etheilt, und fiir da> 
Wiuterfutter, welches friiher im Dachraum oder einem besouderoii 
freistehenden Schober unter^ebracht war, ist ein besonderer W® 
•reschaffen. Bemerkenswerth ist hierbei der kleine Zugang zii ^ 
Heuschober, der seinen Grund darin hat, dafs das Heu nicbn 
Wa^en, sondern in ^rofsen Biindelu auf dem Kopfe vomreK « 
holt wird (Abb. M Gowohnlicli sind die HHuser so gcrichtet. aa ^ 



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Nr. 6. 



Die Denkmalpflege. 



43 



V% 1 



Abb. 1. 





^_i_ 



Abb. 3. 



Abb. 



Abb. 1 u.2. Eingang an einem Hause in Kappel (1650). ___ 





T~ dachung Abb. 4. Aufbau der Wiinde, Decken- u. Wand- 
I (barock, 



vertafelung. Fufsboden. 



Gothischer 
Ladenversclilufs 



Verdachung 
1450. 

Abb. 0. Einzelheiten von Fenstern. 




Abb. 7. Sennhiitte. 




Abb. 5. 

Einzelheiten 
von 
Giebeln. 
Schornsteinkopf. 



Schnitt a— b. 



der Holzschopf und mithin 
die fensterlose Seite nach 
West en, der Wetterseite, 
liegt, eine Einrichtung, die 
den Ortsehafteu nach dieser 
Seite hin ein ganz eigen- 
artiges Geprage gegeben hat. 

Die Umfassungen des 
Hauses sind Blockwiinde und 
bestehen aus glatt abgehobel- 
ten und mit Holzdiibeln ver- 
bundenen Balken, zwischen 
welche des besseren Ver- 
schlusses halber eine kaum 
l j 2 cm starke Schicht Heu 
und Erde gelegt ist. Die 
Ecke ist durch wechselseitigc 
Ueberblattung mit oder oline 
vorstehende Balkenkopfe ge- 
bildet. Ebeuso ist die Kreu- 
zuugzweier Wiinde im Innern 
durchgefiihrt (vergl. Abb. 4). 
Die Fufsboden bestehen aus 
5 cm starken Bohlen, welche 
in einander gefalzt sind. Sie 
sind in die Wand etwa 3 bis 
4 cm weit aufgelagert in 
einer hierzu vorgearbeiteten 
Nuth. Die mittelste Bohle 
ist durch die ganze Wand, 
nachdem die iibrigen Bolilen 
verlegt sind, eingetrieben, 
um sie moglichst an einander 
zu pressen, eine Einrichtung, 
die leider den Nachtheil 
hat, dafs die BOden nicht 
nur zusammen-, sondern 
gewOlinlich audi noch et- 
was in die Hohe ge- 
prefst werden, wodurch Un- 
gleichheiten eutstehen. Bei 
grofseren Zimmern ist ge- 
wiihnlich noch ein Unterzug 
aus einem Balken unter die-" 
sen Bohlen angeordnet. Un- 
mittelbar unter diesem Bo- 
den befindet sich die ge- 
tafelte Decke, welche sehr 
genau gearbeitet ist und nur 
hier und da mit einem Holz- 
nagel bei alten, einem Draht- 
stift bei neuen Arbeiten an 
den Bohlenboden genagelt 
ist. Die Decken sind durch- 
weg quadrat ische Felder- 
decken mit mehr oder we- 
niger starker Gliederung. 
Die Fiillungen sind in die 
Rippen gefalzt und Profil- 
glieder erst wieder auf die 
Rippen aufgeuagelt. Etwaige 
Unterzuge sind in die Ver- 
tafelung mit eingezogen. In 
gleicher Weise sind auch die 
Wande desZimmers vertiifelt 
(vergl. Abb. 4). Beilaufig sei 
hierbei bemerkt, dafs die 

Zimmer durchschnittlich 
nicht hOher als 2 bis 2,20 m 
sind. Bei alteren Htlusern 
waren die Decken bemalt, 
jedoch sind hiervon nur noch 
sehr ktimmerliche Reste vor- 
handen. 

Das Dach war bis zur 
Mitte des 17. Jahrhunderts 
nocli flach geneigt. Es be- 
stand dann aus einer Weiter- 
fiihrung und Abschragung 
der Holzwande und war in 



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44 



Die De'pkmalpflege. 



7. Mai 1902. 



bekannter Weise mit Legscbindeln und Steinen gedeckt. Seitdem 
ist aber fast allgemein das steile Dach mit Sparren und Pfetten 
in Aufnahme gekommen, und an Steile der nun nicht mehr mciglicben 
Deckling mit Legscbindeln sind kleinere gespaltene Schindeln ge- 
treten in Abmessungen von 35 X ' X W cm i ^ ie m einer St&rke 
von 8 bis 10 Lagen (iber einander an eine Bretterscbalung genagelt 
sind (vergl. Abb. 5). Sind Wiinde iin Dacbraum angeordnet, so sind 



in die Httbe gezogen wird, wird auf aus Abb. (i ersichtliche W fN 
mit einem Fallriegel (gotbiscb), einem Scbieber oder einer Hoi? 
feder oben gehalten. Zwischen der Ladenfubrung und dem Fensi.-r 
stock ist oft noch eine Zierleiste angebracbt, dercn Form in { \ t 
Barockzeit, wie Abb. 6 zeigt, oft sehr wunderlich war. In neue$te r 
Zeit fa" lit diese wie der Scbiebeladen weg, an seine Steile \ s \ { \„ 
einfacbe, in Angeln bftngende Klappladen getreten, der an 4 



Abb. 1 Bemalte Bildsaule in Mainbert! 



Abb. 2. Kanzel in der Capelle in Mainberg. 



sie natiirlicb wieder Bloekwande. Der Vorsprung des Dacbes 
an den Giebelseiten stiitzt sicb entweder auf berausragende Pfetten, 
die dann oft profilirt sind, oder auf die vorstebenden als Consoleu 
ausgebildeten oberen End en der Wand (vgl. Abb. 5). Ist das Dacb 
an den unteren Enden gescbweift , so bat dies wobl zu Con- 
structionen, wie Abb. 5 (bei A) zeigt, Anlafs gegeben. Die Unterseite 
des Vorsprungs ist verscbalt oder getiifelt. Die Stirnseite scbliefst 
eine profilirte Windlatte ab (Abb. 5). 

Die Glieder, die bei den Consolen in Anwendung gekommen 
sind, sind oft im 17. Jabrbundert noeb gotbiscb. In der Barockzeit 
sind oft pbantastiscb gescbweifte Zwerggiebel der breiten Front 
aufgesetzt, deren Gebaik aus krummen Holzern, abnlicb denen des 
friinkiscben Facbwerks, bestebt. Ueber das Dacb ragt der Scborn. 
stein, das einzige Mauerwerk des Hauses, etwa 50 cm in die Hobe. 
Er durcbbricbt gewObnlicb den First und bat oft eine eigentbtim- 
licbe, uacb oben erweiterte Gestalt (vgl. Abb. 5). lm Innern 
schliefst das Holzwerk an den Kamin an. ist sogar oft nocb auf 
ibn aufgelagert. 

Die Fenster sind unregelmafsig iibcr das gauze Hans vertbeill. 
Oft nebmen sie, wie bei unseren Facbwerkbausern, dicbt an ein- 
ander gereibt eine ganze Stockwerkfront ein, wiibrend sicb im 
daruber liegenden Stockwerk nur eiuige wenige befinden, je nacb 
Art und Gebraucb der Stuben. Die iilteste Fcnsteranordnung 
ist bei Abb. gezeigt. Zu Bank und Sturz sind die Balken der Wand 
verwandt. Die Stander sind in diese verzapft. Eine Verscbalung 
besitzen diese Fenster nicbt. sondern nur eine vorgenagelte Fiibrung 
filr den nacb unten versenkbaren Laden. Im Innern ist ein Rabmen 
fur die Fensterfltigel angenagelt. Der Laden, der an einer Scbnur 




Abb. 8. Bauernhaus aus Krummenau, 
Ober-Toggenburg, Canton St. Gallen. 



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Nr. 6. 



Die Denkmalpflege. 



45 



Verschalung, niit dcr hcute d^e Fenster umkleidet zu werden pflegen, 
schliigt. Kine besondere A us) >i Idling erfuhr die Fensterverdachung 
zuerst als einf aches Vordach, wie bei unseren frank ischen Bauern- 
hausern, spiiter aber wurde die I'nterseite verschalt und gebogen. 
Die Construction ist bei Abb. 6 ersichtlich. Vordiicher letzterer 
Art scheinen erst gegen Knde des 17. Jahrhimderts aufgekommcn 
zu sein; sie sind daim allmiihlich wieder kleiner gewordcn und 



Die Hauptzierde des Hauses bildet der vom oberen Stock work 
iiberragte Eingang. Die ublichen Galerieen des Sdiweizerhauses 
felilen hier. Trotzdem niachen die Hiluser aber, wie Abb. 8 zeigt. 
einen architektonisch gegliederten Eindruck. 

Strafsburg. Ernst Blauni, Arcliitekt. 



Abb. 3. Schlofs Maiuberg. 

heute meist zu einem einfaclien profilirten Holz zusammen- 
geschrumpft. Die Fensterflugel sind klein und in sich mehrthcilig, 
gewohnlieh ein oder zwei grofsere Fliigel, auf denen ein kleiner 
Flilgel als Sehiebe- oder Klappfenster, gerade grofs genug, urn den 
Kopf hinauszustrecken, angebracht ist. Bei alten Fenstern besteht 
die Verglasung aus Butzenscheiben m it Windstangen, bei Barock- 
fenstern aus rund geschnittenen Glasern in Blei, bei neueren Arbeiten 
aus etwa If) cm hohen 
quadratischen Scheiben, 
die jedocli niclit ver- 
kittet, sondern in Falzen 
befestigt sind,sodafs eine 
Ausbesserung stets niit 
einem Auseinanderneh- 
inen des ganzen Fliigels 
verbunden ist. 

Die librigbleibende 
Wand ist ursprtinglich 
als Blockwand sichtbar 
geblieben, im 16. Jahr- 
hundert begann man sie 
wie das Innere der Stuben zu vertiifcln, die ('onstruction ist dicselbe 
wie dort. Anfangs des 19. Jahrlmnderts begann man sie zu ver- 
schindeln, und zvvar urspriinglich mit denselben Schindeln, die 
nuch zur Dachdeckung verwandt wurden, nur achtete man bei 
der Ausfiihrung darauf, dais die Schindeln sich audi von der Wetter- 
seite her gegenseitig uberdeekten. Heute wendet man Fabrik- 
scliindeln an. 




_i_ 



Abb. 4. Capelle in Maiuberg. 



Der Ort Mainberg: bei Sehweinfurt 

hat kiirzlich in der Reichshauptstadt von sich reden gemacht, als 
die grofse, spit langer Zeit im Schlofs Maiuberg aufbewahrt ge- 
wesene Sattlersche S am m lung versteigert wurde. Fiir die 
Denkmalpflege hat diese Ausbietung von Kunstgegenstanden audi 
manch Belehrendes geboten. Die htfchst eigeuartige Figur der 
Biifserin Magdalena von Tilman Riemenschneider z. B. erzielte ein 
Hochstgebot von 13800 Mark. Diesen hohen Werth ahnte der 
Wiirzburger Bischof, der im Anfang des IK. Jahrhunderts die Ent- 
fernung der haarbedeckten , nur an Gesicht, Briisten, Handen, 
Knieen, Fiifsen nackten Frauengestalt vom Altar der Munnerstiidter 
Kirche r ex certis causis 44 anbet'ohlen hat, wohl nicht. Noch weuiger 
aber der Miinnerstadter Pfarrer, der sie urns Jahr 1S40 fur ffinfzig 
(ridden an den reichen Sanimler abliefs. Eine Abbildung der 
Magdalena brachte der Katalog der Sanunlung von Lepke. 

Finer der schonsten Punkte am Main weit und breit ist das 
Schlofs Maiuberg (Abb. 3), das auf steiler Hohe fast dicht am 
Strome liegt. 1274 bei der Landertheilung zwischen den drei 
Sohnen Heinrichs IV. von Henneberg fiel das Schlofs an den Grafen 
Hermann II. Das ist die erste urkundliche ErwiUinung von Main- 
berg. Es scheint im lo. Jahrhundert verf alien gewesen zu sein. 
denn es wurde damals von der Besitzeriu Margaretha Herzogin 
von Braunschweig, Fiirstgriifin von Henneberg, „neu auf und aus- 
gebaut**. An diesem Ban ist in einer der unteren Thiiren die 
Zahl I486 gemeifselt. Als Baumeister wird 1501 ein Meist er 
Philipp Hoestadt aus Heidelberg genannt; in diesem J ah re wurde 
mit ihm „ Contract errichtet-. Im Bauernkrieg brannte ein Theil 
des Schlosses nieder, worauf mit den Meistern Erasmus Zoller, 
Hauptmanu der bischoflichen Besatzung auf der Altenburg bei 
Bamberg, und r Hans von Pforzheim' 4 in Bamberg in Unterhandlung 
getreten wurde; letzterer wurde Mittwoch nach Kiliani l.VJ") ge- 
dungen. 

Dreifache Treppengiebel schmiicken die Mainseite der vor- 
mals hennebergischen Veste, wahrend gegen die Hohen zu ein 
starker Bergfried die vierte Abschlufsseite des fast quadratischen 
inneren Hofes bildet. Im Burghof sind mehrere Wappen aus 
ill tester Zeit und ein Brunnen. Da das Schlofs den Besitzer wechseln 
wird und, durch schlechte Zuthaten aus den fiinfziger Jahren ver- 
unstaltet ist, sich audi in keinem ansehnlichen Zustand melir be- 
findet, werden wohl in nachster Zeit umfangreiche Erneuerungs- 
arbeiten vorgenommen werden milssen, die hoffentlich mit besserein 
VerstUndnifs ins Werk gesetzt werden als die des 19. Jahrlmnderts, 
wo man die allerscluinsten reichen steinernen Bildnereien und Ge- 
simse der deutschen Renaissancezeit einfach achtlos entfernt hat 
zu Gunsten von uberaus ttden ^gothischen" An- und rmbauten. 
Die Aufgabc der Wiederherstellung, wenn sie in Flufs kommt. 
ware eine sehr dankenswerthe, doch ziemlich kostsj)ielige. 

Die Ortscapelle in Maiuberg wurde 1486 erbaut. Eine In- 
schrift der sdiOn gearbeiteten gothischen steinernen Kanzel (Abb. 2) 
macht uns den Baumeister kund. Sie lautet: ^pit got fiir alle die 
ir almosen an dises gotzhaus habeu geben und noch geben, und fiir 
Anthonius von brunn anheber und paumeister dieser capellen, das 
in got gnedick und parmhertzig sey amen I486**. Derselbe Anthonius 
von Briinn wird noch 1498 als Vorsteher und Heiligenmeister der 
Capelle in Maiuberg angefuhrt. Ihm darf wohl audi dcr Theil des 
Sclilofsbaues zugeschrieben werden, den die Margaretha von Braun- 
schweig auffuhren licfs. 

Die Kanzel ist sehr gut erhalten. Mit ihren zierlichen 
Mafswerken, den Strebepfeilerchen an den Ecken der leicht ge- 
kelilten Briistungswiinde wachst sie, gestiitzt durch fast iiberzier- 
lichemFufs und gedrehtem Siiulenstamm, aus umgekehrt gestellter 
geschweifter Achteckpyramide heraus. Die alte Zugangstreppe, 
die jedenfalls audi von Stein war, ist nicht mehr vorhanden. Es 
hat den Anschein, als ob die Kanzel ehemals audi von aufsen zu- 
ganglich gewesen ware. Die Capelle soil einst audi einen Altar 
von Riemenschneider geborgen haben. Den Grundrifs zeigt Abb. 4. 

Die bemalte Bildsiiule im Ort an der Briicke fiber ein kleines 
Nebengewiisser des Mains ist vielleicht die merkwiirdigste ScluVpfimg 
der ^Kunst an der Strasse*. Auf einer Siiule mit Sockel und einer 
Art Compositcapitell steht der heilige Wendolin mit Tasche und 
Hirtenstab. Ihm zur Seite ein Lamm. Zu seinen Fiifsen rechts 
und links des Siiulenkopfes schweben zwei gar sonderbare Engelchen 
mit schniachtendem Gesichtsausdruck. Eins triigt eine Krone 



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46 



Die Denkmalpflege. 



7. Mai 1902. 



(Fiicher?), das andere ein Scepter (Kegel?) ini Arm. Wendolinus 
schaut in stiller Gottergebenheit zu Boden, die linke Hand aufs 
Herz legend. Sein lockenumrahmtes Haupt umgibt nicht etwa ein 
Heiligenschein, sondern etwas viel Hoheitsvolleres , Heiligeres — 
ein unzweifelh after schwarzerCylinderhut aus Stein gehauen (Abb. 1 ). 
Diese heilige Ehre ist wohl kaimi noch irgendwo der wilrdevollen 
Kopfbedeekung zugestofsen. Tm Ort erziihlt man sich, der Cylinder 
sei aus Versehen dem heiligen Wendolin vom Bildhauer auf das 
Lockenhaar gesetzt worden. Die Einwohner und der Geistliche 
batten bei der Bestellung dem Kiinstler eingescharft. St. Wendel 
sei ein HUter (Schafer) gewesen und solle in dementsprechender 



Tracht dargestellt werden, neben ihui ein Lamm. Der Meister 
aber, der aus anderer Gegend stammte, habe — ob absichtlich oder 
unabsichtlich ist nicht festgestellt — unter Hitter einen Hutniacher 
verstanden. So sei das Ungltick geschehen. Er habe sich dann 
damit herausgeredet, dafs in seiner Heimath die SchUfer solchc 
Hiite tragen, und man habe alles belasscn, wie es war. Dafs ihm 
der Schalk im Nacken safs, ist aber gewifs. Die Entstehungszeit 
des merkwiirdigen Denkmals, das keine Jahreszahl tragi, wird urn 
das Jahr 17S0 liegen. wie u.a. aus dem Saulenschmuck zu schliefsen ist. 

L. Oelenheinz. 



Yermischtes. 



Hessisches Deukmalschntzgesetz. Die Verhandlungen der 
zweiten Hessischen Standekammer Uber das Gesetz, den Denkmal- 
scliutz betreffend, batten so verheifsungsvoll abgeschlossen (vgl. 
S. 120 d. Bl., Jahrgang 1901), dafs man glaubte, an der unbedingten 
Annahme des Gesetzes durch die erste Kammer nicht zweifeln zu 
sollen. Der Ausschufsbericht der ersten Kammer empfahl auch die 
Annahme des Entwurfs in der von der zweiten Kammer ge- 
nehmigten Fassung, der Gegenstand wurde jedoch zuniichst von 
eler Tagesordnung abgesetzt, da eine grttfsere Anzahl von Mit- 
gliedern der ersten Kammer Bedenken aufserte, welche eine noch- 
malige Prilfung des Entwurfs zur Folge hatten. Auf Grund ver- 
traulich gefiihrter Verhandlungen wurde in eine Neugestaltung des 
Gesetzentwurfs eingetreten, in welcher unter Mitwirkung des 
Ministerialreferenten eine neue Fassung im Einverstandnifs mit der 
Regierung nunmehr der ersten Kammer vorgeschlagen worden ist. 
In der Sitzung der ersten Kammer vom 29. April d. J. wurde das 
Gesetz in dieser Fassung nach warmer Befurwortung durch Se. 
Excellenz den Herrn Staatsminister angenommen. Der Entwurf 
geht nun nochmals der zweiten Kammer zur Berathung zu, welche, 
wie anzunehmen ist, noch im Laufe dieses Monats den Gegenstand 
zu einer, hoffentlich gliicklichen und befriedigenden Erledigung 
bringen wird. Im Falle der Annahme wtirde das Gesetz am 
1. Juli d. J. in Kraft zu treten haben. 

Die leitenden Gesichtspunkte ftir die getroffenen Aenderungen 
waren : 

1) Die im Besitz von Privatpersonen stehenden Baudenkmaler 
mit den im Besitz juristischer Personeu des Offentlichen 
Rechtes befindlichen Denkmalern gesetzlich nicht aliens 
halben auf die gleiche Stufe zu stellen, sondern im Interesse 
der Anerkennung des Privateigenthums minder eingreifenden 
Gesetzesvorschriften zu unterwerfen; 

2) in der weiteren Ausgestaltung der Denkmalschutzorganisation 
den Denkmalbesitzern die voile Gewahr sachkundiger Priifung 
und Beurtheilung zu verschaffen. 

So soil die Eintragung der Privat-Denkmaler in die Denkmal- 
liste durch den Denkmalrath, d. i. ein Ausschufs von Sachverstiindi- 
gen, Betheiligten und Staatsbeamten, erfolgen nach Anhorung 
der Aufsichtsbehorde (Kreisamt) und des Denkmalpflegers. Im 
Falle der beabsichtigten Veranderung, Wiederherstellung oder erheb- 
lichen Ausbesserung eines Denkmals soil nur Anzeigepflicht (an 
den Denkmalpfleger) und sechswocheutliche Wartezeit bestehen, 
innerhalb deren der Denkmalpfleger die Moglichkeit hat, falls er 
die betreffende Herstellung ftir nicht sachgemafs halt, den Anzeige- 
pflichtigen zu einer anderen Entschliefsung gegebenenfalls zu ver- 
anlassen. Nur im Falle der theilweisen oder ganzen Beseitigung 
gewahrt das Gesetz dem privaten Denkmalbesitzer gegeniiber 
scMrfere Mafsregeln. 

Da einerseits eine zu weitgehende Einsehriinkung in der Ver- 
fiigungsgewalt des Einzelnen nicht ganz unbedenklich ist, im 
iibrigen der Entwurf in seiner neuen Fassung im wesentlichen 
den von der zweiten Kammer genehmigten Entwurf beibehalten 
hat, so werden von der letzteren erhebliche Schwierigkeiten, wie 
wir hoffen, nicht erhoben werden. — r. 

Die Kgl. Sachsisclie Commission znr Erhaltung der Kunst- 
denkmaler hat kurz gefafste Rathschliige ftir die Pflege 1) von 
Oel- und Temperagemalden, 2) von kuustgewerblichen Alterthiimern 
aus Holz, Metall, Elfenbein, Thon, Glas oder Textilstoffen und 
3) von alt en Btichern und Einzeldrucken herausgegeben. Hier- 
durch haben die Anleitungen zur Conservirung von vor- und 
friihgeschichtlichen Alterthiimern, die vom preufsischen Cultus- 
ministerium in dem „Merkbuche, Alterthtimer aufzugraben und 
aufzubewahren", gegeben sind, eine Erganzung erfahren, die den 
Stadt- und Land-Kirchengemeinden, sowie privaten Besitzern be- 
sonders willkommen sein wird. Es ist auch beabsichtigt, diesen 
Rathschliigen demnachst noch solche fiir die Erhaltung und Pflege 
plastischer Kunstwerke und von Baudenkmiilern anzuftigen. 



Dor dritte Tag fiir Denkmalpflege wird am 25. und 26. Sep- 
tember in Dusseldorf stattfinden. Der Herr Landeshauptmann 
der Rheinprovinz hat die grofse Giite gehabt, den Sitzungrssaal 
des Provinciallandtags im Stilndehause fiir die Versammlung: zur 
Verfiigung zu stellen. Einem Vorschlage der KOniglichen sachsisehen 
Commission zur Erhaltung der Kunstdenkmaler gemafs soli ein- 
gehend iiber die Mafsregeln zur Erhaltung der Baudenkmaler, 
sowie liber die Erhaltung und Pflege plastischer Kunstwerke ver- 
handelt werden. Einen einleitenden Vortrag iiber den ersten Gegen- 
stand wird Herr Hofrath Cornelius Gurlitt in Dresden halten. 
Herr Professor Borrmann, Directions-Assistant beim KOniglichen 
Kunstgewerbe-Museum in Berlin, hat sich bereit erklart, das gleiche 
ftir den an zweiter Stelle genannten zu thun. Ueber die Be- 
malung von Bildhauerarbeiten werden die Herren Conservator 
Professor Haupt in Eutin und Professor Geiges in Freiburg im 
Breisgau die einleitenden Vortriige halten. Berichte iiber Denk- 
miilerarchive haben die Herren Director v. Bezold in Niim- 
berg und Archivar Professor Eh re nb erg in Kiinigsberg i. Pr. in 
Aussicht gestellt. Herr Oberbiirgermeister Struckmann in Hildes- 
heim wird uber die Aufgaben der Communalverwaltungen auf dem 
Gebiete der praktischen Denkmalpflege sprechen und Herr Pro- 
fessor Clemen in Bonn zu diesem Vortrag einen Gegenbericht er- 
statten. Selbstverstiindlich wird Herr Professor Dehio in Strafs- 
burg iiber die Angelegenheit des Handbuchs der deutschen Kunst- 
denkmaler Mittheilung machen. Auf Wunsch des Herrn Regierungs- 
und Bauraths Dombaumeister Tornow in Metz sollen die mif 
der Beseitigung des bisherigen Westportals des Metzer Domes 
und dessen Ersatz durch ein gothisches zusammenhangendeji 
grundsatzlichen Fragen der Denkmalpflege einer Erorterung unter- 
zogen werden. 

Jede Erweiterung der Verhandlungen wird natiirlich freud\£ 
begrufst. Anmeldungen und Vorschlage sind an Geheimrat\\ 
Loersch in Bonn, Lennestrafse 21, zu richten. 

Facadenentwtirre fiir Neubanten und Uinbauten in Danzig will 
sich der Verein zur Erhaltung und Pflege der Bau- und Kunst- 
denkmiiler in Danzig durch einen Wettbewerb beschaffen, den er 
mit Frist bis zum 1. September d. J. unter alien in Deutschlaiul 
ansHssigen Architekten ausschreibt. In dankenswerther Weise folgt 
der Verein den Anregungen, die zuerst die Stadt Hildesheim ge- 
geben hat. Aus ahnlichen Wettbewerben, die von den deutschen 
Architekten zahlreiche Betheiligung gefunden haben, haben Hildes- 
heim, Bremen, Koln und Ltibeck bereits eine Fiille von Vorbildem 
erhalten, die den Sinn ftir Bauweisen, wie sie sich den alt en 
Strafsenbildern anpassen, in weiten Kreiseu kriiftig gefordert 
haben. In dem Danziger Wettbewerbe sind 12 Preise im Gesamt- 
betrage von 84(JO Mark ausgesetzt. Die AVettbewerbsunterlagen 
sind gegeu Einsendung von 1 Mark vom Bauaint in Danzig zu 
beziehen. 

Ein Dombanverein in Wetzlar hat sich kiirzlich nach dem Vor- 
bilde anderer deutschen Stadte gebildet, um Mittel zur Wiederher- 
stellung und w r tirdigen Instandsetzung des Doms in Wetzlar 
(vergl. S. 95, Jahrg. 19O0 d. Bl.) zu sammeln. An alle Freunde des 
Wetzlarer Domes wird die Bitte gerichtet, dem Verein als Mit- 
glieder beizutreten oder durch einmalige Gaben sich an der 
Sammlung der erfoi derlichen Gelder zu betheiligen. Zur Er- 
werbung der Mitgliedschaft geniigt ein Jahresbeitrag von 1 Mark. 
Wer einen einmaligen Beitrag von mindestens KHH) Mark zahlt 
oder sich zur Zahlung eines Jahresbeitrags von mindestens 
100 Mark verpflichtet, wird Patron des Vereins mit Sitz und 
Stimme im Vorstande. Beitrittserklarungen nimmt der Schrift- 
ftihrer des Vereins, Apothekenbesitzer Hiepe in Wetzlar, entgegeu. 

Die romanisehen Ban- und Kunstdenkinaler der Altmark. In 

dem letzten Jahresbericht des altmiirkischen Vereins fiir vater- 
liiudische Geschichte in Salzwedel ist unter anderem eine sehr 



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Nr. 6. 



Die Denkmalpflege. 



dankenswerthe Anregung durch den von dem Pastor Zahn in 
Tangermiinde versuchten Nachweis romanischer Dorfkirchen gegeben, 
der wohl einer eingehenderen Beachtung werth erscheint, als es hier 
mOglich ist. Durch VerOffentlichungen ist mis wohl so manches 
Bauwerk bekannt geworden, aber an den kleinen unscheinbaren 
Dorfkirchen ist man doch im allgemeinen vorbeigegangen. Dafs 
dadurcli der Kunstgeschichte ein grofser Schaden erwachst, ebenso 
wie durch die Vernachlassigung der Bauernkunst, auf welche man 
jetzt erst aufmerksam wird, ist zweifellos. Es ist die htichste Zeit, 
das Interesse den einfachen landlichen und stadtischen Bauten melir 
zuzuwenden und irgendwie die Mittel zur eingehenden Behandlung 
des an sich reichen Stoffes zu beschaffen. 

Dafs wir es in der Altmark mit meistens romanischen Dorf- 
kirchen zu thun haben, ist schon an sich eine sehr beaclitenswerthe 
Thatsache. Bei ihrem schlichten Charakter wird aber die Zeit- 
bestimmung da, wo Urkunden fehlen, sehr schwierig, und daher 
ist es audi zu erkliiren, dafs man bei den mangelnden Geschichts- 
quellen nichts sicheres von den 35 von Zahn erwahnten Missions- 
kirchen mehr weifs, zumal wenn man in Betracht zieht, dafs diese 
gewissermafsen als Nothkirchen zuerst in Holz aufgefiihrt wurden, 
die dann spater den, auch jetzt noch iiblichen Feldsteinkirchen Platz 
machten. Die durch Zahn gegebene Anregung ist urn so wichtiger, 
als die Altmark einer derjenigen Landestheile ist, welcher die Grenz- 
scheide bildet zwischen dem Westen mid dem dem Christenthum 
erst spater gewonnenen Osten. Wir haben hier zwar keine friih- 
cliristliclien Bauten, aber, da die Einfuhrung des Christenthums auch 
in der Altmark auf Karl den Grofsen zuriickgefuhrt werden mufs, 
so kann es eigentlich an solchen Bauten nicht fehlen, die den Ueber- 
gang von dem altchristlichen zum romanischen Baustil haben, noch 
viel weniger kann es an frUhromanischen Bauten fehlen. 

Zahn unterscheidet drei Zeitabschnitte. Aus der Thatsache, 
dafs die Friihzeit der Baustile meistens eine strengere Durchbildung 
in Form und Construction zeigt, schliefst er, dafs man in dem aus 
Langhaus, Chor und halbrunder Apsis bestehenden Grundrifs die 
alteste Kirchenanlage in romanischer Weise vor sich hat. Auf der 
Westseite ist bei dieser Grundrifsanordnung in der Breite des 
Langhauses ein mit quergestelltem Satteldach versehener stammiger 
Thurm vorgelegt. Aus dieser Zeit, die mit dem Jahre 11. ">u auf- 
hftrt, werden 17 Kirchen aufgeziihlt. Das Auftreten des zweiten Ab- 
schnittes macht Zahn von dem Erscheinen der Backstein-Architektur 
abhiingig, welche mit der Einwanderung der Niederliinder beginnt. 
Wahrend bis dahin ausschliefslich Feldsteine verwandt wurden, tritt 
neben diesen der Backstein auf, der zunachst fiir die Fenster und 
Thiirbogen benutzt wird. Das Feldsteinmauerwerk wird nicht mehr 
sorgfaltig ausgefiihrt, die Apsis kommt allmahlich in Wegfall und 
der Chor erscheint gerade geschlossen. Zahn lafst diese Zeit bis 
\2:M) gehen und nennt sie, allerdings nicht sehr gliicklich, die des 
Uebergangsstils. Er widmet der technischen constructiven Seite 
eine liingere Betrachtung und hebt unter anderem das Auftreten 
des GewOlbebaues als bezeichnend fiir diesen Zeitabschnitt hervor. 
Der dritte Abschnitt wird bis zum Jahre 1320 angenommen. Bei 
den Kirchen dieser letzten Zeit findet der Backstein immer mehr 
Verwendung, und die Gliederung des Grundrisses wird noch weiter 
vereinfacht. Der Chor fallt weg, die Apsis riickt unmittelbar an 
das Langhaus, das halbkreisformig oder rechteckig geschlossen wird, 
sodafs das ganze Gebaude in dieseni letzten Abschnitt oft ein un- 
gegliedert.es Rechteck im Grundrisse aufweist. 

An vielen dieser noch in grofser Anzahl vorhandenen Kirchen, 
die von Zahn nicht alle aufgeziihlt sind, sind trotz ihrer Schlichtheit 
oft recht interessante Einzelheiten vorhanden, sodafs ihre Aufnahme 
wiinschens werth ist. Damit wird es aber noch gute Weile haben, 
denn die Inventarisation der Denkmaler schreitet hier bei der eigen- 
thiimlichen Art der in der Proviuz Sachsen gepflegten Handhabung 
nur sehr langsam vorwarts, und die einfachen Dorfkirchen haben 
in den bis jetzt erschienen Heften nicht einmal die nothige Wurdigung 
gefunden. Es sind eben von der Denkmalpflege noch sehr viele 
grofse Aufgaben zu erfiillen. Prejawa. 

Denkmalpflege in ttrieclieiiland. Neuerdings hat die griechische 
Regierung ihre Fiirsorge in holierem Mafse, als es fruher geschah, 
der Pflege auch derjenigen Denkmaler zugewendet, welche der 
nachantikenZeit entstammen, den Werken byzantinischer, gothischer, 
fraukischer, venezianischer und selbst tiirkischer Kunst. Auch fruher 
ist schon manches fiir diese Denkmaler gescheheu, — so darf an 
die Erhaltungsarbeiten an den Kirchen von Hosios Lukas und 
Daphni erinnert werden, wo hervorragende byzantinische Mosaiken 
durch sehr kostspielige Erneuerung vor dem Untergaug gerettet 
wurden. Aber es lag in der Natur der Sache, dafs sich bisher bei 
der Generalephorie, wie bei der ihr zur Seite wirkenden archaolo- 
gischen Gesellschaft, das Interesse vornehmlich auf die Denkmiiler 



des Alterthums richtete. Auf Auregung des Generalephors der 
Alterthiimer, Dr. Kavvadias, ist nun kiirzlich ein ministerieller 
Erlafs verOffentlicht worden, demzufolge alle geschichtlichen Denk- 
miiler ohne Riicksicht auf ihr Alter und ihre Herkunft denselben 
Schutz geniefsen sollen, wie die des Alterthums. Freilich bedarf 
es noch eines besonderen Gesetzes, urn diesem Erlafs den wirklichen 
Erfolg zu verschaffen, doch ist anzunehmen, dafs das betr. Gesetz 
in der Kammer zur Annahme gelangt. Den unmittelbaren Anstofs 
zu diesem Erlafs gab eine Reise des Generalephors nach Elis, wo 
die danische Akademie Ausgrabungen zu veranstalten wiinschte- 
Bei der ftrtlichen Besichtigung zeigte sich, dafs die dortigen ge. 
schichtlichen Denkmaler spUterer Zeit aufs aufserste gefiihrdet 
waren, da die Bauern ihre Bausteine von dort beschafften. Fiir 
die zumeist gefiihrdeten Bauwerke, den Thurm in Chlumutzi 
(am Vorgebirge Kyllene) und die gothische Kirche H. Sophia in 
Andravida wurde zunachst Schutz verlangt, und die Regierung 
kam dem Verlangen des Generalephors bereitwillig nach. 

Griechenland ist reich an DenkmUlern der bezeichneten Art. 
Den Hauptantheil hieran haben die Werke byzantinischer Kunst, 
doch sind auch andere Zeiten mit hervorragenden und schonen 
Bauten vertreten (vergl. a. Jahrgang 1899 d. BL, S. 31 und die 
von Dfirpfeld im Beiblatt der Blatter fiir Architektur und 
Kunsthandwerk, Jahrgang 1898, Xr. 1, 2 u. 5, Jahrgang 1899, 
Nr. 5 u. 6 verOffentlichten gothischer Bauten auf Cypern). Von 
holier Bedeutung und einzig in ihrer Art und Erhaltung sind die 
stolzen venezianischen Festungsbauten, gewaltige Zengen der grofs- 
artigen Eroberungspolitik der Venezianer im Orient, und selbst die 
Tiirkenzeit hat Werke von Bedeutung hinterlassen. Es ist hoch- 
erfreulich, dafs alle diese Denkmaler jetzt den gleichen Schutz des 
Staates geniefsen sollen, wie die Werke des Alterthums. Auch die 
neuere Geschichtsforschung wird ja der Alterthumswissenschaft 
immer mehr darin folgen miissen, dafs sie die Kenntnifs von den 
Baudeukmiilern des zu erforscheuden Zeitabschnittes als einen uoth- 
wendigen Bestandtheil der geschichtlichen Quelleukunde anerkennt. 
Schutz und Erhaltung dieser Denkmaler haben auf weiteres als 
nur griechisch-nationales Interesse Anspruch. 

Stettin. Georg Kawerau. 

Koiirad Willielin Hase f. Am Karfreitagmorgen ist der grofse 
Meister, dem Hannover sein eigenartiges bauliches Aussehen ver- 
dankt, der aber auch auf die Gestaltung der Baukunst in Deutsch- 
land iiberhaupt bedeutenden Einflufs gewonnen hat, zur ewigen 
Ruhe eingegangen. Er war am 2. October 1818 in Einbeck ge- 
boren, hatte sich die ersten technischen Kenntnisse auf der Ge- 
werbeschule (jetzt Technische Hochschide) in Hannover erworben, 
war, als wandernder Maurergesell sich sein Geld verdienend, nach 
Munchen gegangen und hatte sich dort unter Gartner vielleicht 
weniger fiir die romanischen Formen als iiberhaupt fiir die roman- 
tischen des Mittelalters im Gegensatze zu den klassischen Klenzes 
gewinnen lassen. Heimgekehrt fand er zunachst bei den Bahnhofs- 
bauten in Lehrte und W T unstorf Beschiiftigung, iibernahm dann die 
W r iederherstellung des Klosters Loccum und wurde 1849 zum 
Lehrer fiir Kunstgeschichte und Baukunst an die inzwischen zur 
polytechnischen Schule gewordene ehemalige Gewerbeschule in 
Hannover berufen. Konnte er hier einerseits seine schSne Be- 
gabung. durch seine Lehren zu begeistern, zum bleibenden Nutzen 
seiner Horer verwerthen, so fand er anderseits auch Gelegenheit, 
sich selbst durch eine umfangreiche Bauthatigkeit, namentlich auch 
als er zum Consistorialbaumeister ernannt war, fortzubilden. 
Freilich immer noch war er in der Gartnerschen Weise befangen, 
wie sein aus einem siegreichen Wettbewerbe 18.">2 hervorgegangenes 
Museum an der Sophienstrafse in Hannover zeigt. Die in den 
Jahren 18.")9 bis 1804 erbaute Christuskirche am Klagesmarkte in 
Hannover bezeichnet seinen Uebergang zur Gothik, die er, an- 
geregt durch Ungewitter und Viollet, erst kennen lernte, als er die 
alien Bauten zu studiren anfing. Die Ergebnisse dieser Studien 
sind in dem fiir seine Zeit sehr anerkennenswerthen Werke „Die 
Baudenkmale Niedersachsens** niedergelegt. Es kann als die erste 
Denkmiilerbeschreibung angesehen werden und es hat nicht nur 
zur Kenntnifs und zum Verstandnifs der heimischen Bauten alter 
Zeit beigetragen, sondern auch sehr wesentlich die Denkmal- 
pflege geftirdert, zu der Hase jedenfalls den ersten kraftigen An- 
stofs mit gegebeu hat. Wiederhergestellt sind von ihm aufser dem 
erwahnten Loccum das Minister in Hameln, dessen Einsturz nur 
der Haseschen Geistesgegenwart und Entschlossenheit zu danken 
ist, die Godehardi- und die Michaeliskirche in Hildesheim, beide 
musterhafie Erneuerungen, die Frankenbergerkirche in Goslar, die 
Nikolaikirche in Liineburg, ein schwieriges Unternehmen, da die 
stark ausgebauchten Mauern unterfangen und unter ihnen die zer- 
druckten Pfeiler von Grund auf neu gemauert werden mufsten, 



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48 



Die Denkmalpflege. 



7. Mai 1902 



die Kirchen in Torgau, Delitzsch. Bassuni, die Jakobikirche in 
Einbeck, die Aegidienkirche in Hannover, die kleine, kunstgeschicht- 
lieh aber um so werthvollere romanische Kreuzkirche in Idensen, 
deren Erhaltung wesentlich anf Hases Eintreten mit zuruckzufiihren 
ist, die Stephanikirche in Bremen, ein ziemlich bedeutender Umbau, 
der Chor der Liebfrauenkirche ebenda, die Johanniskirche in 
Gottingen und die Liebfrauenkirche in Wernigerode (Thurm); ferncr 
hat er sicli um die Erhaltung des hannoverschen Rathhauses aus 
dem 1J. Jahrhundert besonders verdient gemacht und es auch 
unter Verwendung von Aufnahme-Zeichnungen aus seiner Gewerbe- 
schulzeit in alter Herrlichkeit wieder ersteheu lassen. Mit Wiehe 
zugleich war er beauftragt, die Erneuerung der Burg Heinrichs 
des Lowen, Dankwarderode, in Braunschweig, zu uberwachen. Es 
mag geniigen, dieser hauptsachliehen Wiederherstellungen gedacht 
zu liaben; es sei aber noch besonders erw&hnt, dafs Hase keines- 
wegs alle nicht zum Stile des Bauwerks gehdrigen Stiicke beseitigt 
ha ben wollte, sondern einer der Ersten war, die das Gute jeden 
Stils gern anerkannten und zu erhalten trachteten. Ich werde es 
nie vergessen, als er uns gelegentiich einer Studienfahrt nach 
Heimstedt auf die SchOnheit eines Rococochorgestiihls ebeuso be- 
geistert hinwies wie auf den Ernst der Gestalten eines romanischen 
Gij)sfufsbodens daneben. Die griindliche Beschaftigung mit den 
heimischen Bauwerken unserer Vorfahren fiihrte den Meister audi 
zum Backsteinbau, dessen Verstandnifs und richtige Behandlung 
er pflegte und lehrte, sodafs sich die Wiederbelebung desselben 
als Hasesche Schule an seinen Namen gekniipft hat. Er ist auch 
der Erste gewesen, der die Herkunft des nordischen Backsteinbaus 
aus Italien behauptet hat iin Gegensatze zu der sonst herrschenden 
Annahme der Uebertragung aus den Niederlanden unter Albrecht 
dem Bar. 

Hases Leben ist reich gewesen an schOnen Aufgaben; Kirchen 
und Konigsschlosser, Rathhiiuser und BahnhOfe, Schulen und alle 
Arten Wohnhauser bis herab zu dem eigeneu bescheidenen Heim 
und viele, viele Kleinarchitekturen waren ihm zu schaffen vergdnnt. 
Reich war sein Leben auch an Ehren und Anerkennungen; er war 
Schiedsrichter bei vielen bedeutenden Wettbewerben, Ehrenmitglied 
in- und auslandischer Ktirperschaften wissenschaftlicher und ktinst- 
lerisclier Art, Ehrenburger verschiedener Stadte, hatte Titel, Wiirden 
und Orden, aber am reichsten war sein Leben durch die allge- 
meine und ungetheilte Verehrung aller, die mit ihm in Beziehung 
kamen und besonders als seine Schiiler begeistert wurden fur die 
Wahrheit in der Kunst, d. h. ftir eine Kunst ohne Lug und 
Trug in der Form und im Stoffe. Auf diesem Grundsatze entstand 
unter Hase als ihrem Altmeister die „Bauhtitte zum weifsen Blatt* 
mit ihren Tochterhtitten. Unter dem Wahlspruche „Festhalten am 
Alten- 4 wollen die Mitglieder nach Haseschen Grundsatzen schaffen 
und seinen Geist gegeniiber der zielunsicheren Kunst unserer Tage 
lebendig erhalten. Nur wo die Kunst wahr ist, ist sie auch, wie 
Hase sie einmal nannte, „cin Funken der Gott licit 1 *. Diese Er- 
kenntnifs diirfte als das Lebensergebnifs unseres grofsen Altmeisters 
anzusehen sein. Nun ruhe er in Frieden. 

Dr. G. Schonermark. 



Bficherschau. 

Die Architekten Johann Josef Couven nnd Jakob Couven. Von 

Josef Buchkremer, Privatdocenten an der Koniglichen Technischen 
Hochschule in Aachen. Aachen 1896. Cremersche Buchhandlung. 
118. S. in Octav mit 8 Lichtdrucktafeln und 92 Abb. auf 7 Stein- 
drucktafeln. Preis 4 M. 

Auf fast alien Gebieten der inenschlichen Geistesthatigkeit ist die 
Sonderforschung dem grofsen Aufbau nachgefolgt. So wurde auch 
in der Kunstgeschichte zuerst fiir allgemeine Geschichten der Kunst 
gcsorgt. deren wir im Veriauf des 19. Jahrhunderts eine gauze Reihe 
erhielten, ehe man auf die Einzeldarsteliung und insbesondere die 
Ortsforschung verfiel. Nun sind aber gerade solche Ortsforschungen 
vom hochsten Werthe. Sie geben plastische Culturbilder in engem 
Rahmen und helfen damit der Anschauung weit besser vorwiirts als 
ailgcmeine Kunstgeschichten, die im Fluge gerade liber diejenigen 
Einzelheiten hinweggehen niussen, die ein Culturbild anschauiich 
machen. Es ist daher hochst erwiinscht, dafs die Ortsforschung nicbt 
nur in alien grofsen, sondern auch den kleineren Kunststatten eifrig 
weiter gepflegt werde. Sie ist nebenbei auch das beste Mittel, den 
Ort lichen Kunstgeist zu stiirken, und ist so einer der Grundpfeiler 
der jetzt so viel erorterten ktinstlerischen Erziehung. 

In sehr beherzigenswerther Weise ist der Privatdocent an der 
Technischen Hochschule in Aachen Josef Buchkremer in seinem 
obengenannten Buche liber das Wirken zweier Aachener Architekten 
im IS. Jahrhundert, in dieser Rirhtung vorgegangen. Das Werk ist das 
Ergebnifs eifrigster, mit grofsem Fleifse durchgefilhrter Forschungen 



und gibt in gedriingter Ktirze nicht nur die Darstellung eines fiir 
die Aachener Kunst bedeutsamen Zeitabschnittes, sondern liefert audi 
ein anschauliches Bild iiber die damaligen Culturzustande im all- 
gemeinen und die Arbeitsweise der damaligen Architekten im be- 
sondereu. Von den beiden Architekten Couven, deren Thatigkeit das 
Buch gewidmet ist — es handelt sich um Vater undSohn — rlihren fast 
alle kiinstlerisch werthvollen Bauten Aachens und seiner Umgebunp 
vom zweiten Viertel des IS. Jahrhunderts bis zu Anfang des 19. Jahr- 
hunderts her. Es geiang Buchkremer, der sich seit Anfang der 
neunziger Jahre mit seinem Forschungsgebiete beschaftigt hat, zu den 
05 schon bekannten Originalzeichnungen der Couven noch WM) Stilck 
neue zu entdecken, die das Bild der Thatigkeit der beiden Architekten 
allerdings ungemein vervoilkommnen mufsten. Es geiang ihm ferner. 
an der Hand dieser Zeichnungen eine sehr grofse Anzahl von Bauten 
in und um Aachen, deren Verfasser bis dahin unbekannt waren, den 
Couven zuzuweisen. Der bedeutendere der beiden Couven war der 
Vater, welcher von 1701 bis 1763 in Aachen lebte und wirkte. Sein 
Leben deckt einen Zeitraum, in welchem Aachen durch seinen Wohl- 
stand beruhmt war, imd Couven war der Architekt fiir viele der da- 
maligen Grofsen Aachens, namentlich auch fiir jenenHerru v. Wespien, 
der sich das leider dem Abbruch llberlassene beruhmte Hans 
in der Kleinmarschierstrasse*) von ihm erbauen liefs, jenes Juwel der 
Patricierkunst des IS. Jahrhunderts, das in seiner bis auf unsere Tage 
vollstandig erhaltenen Pracht seines gleichen nicht hatte. Ferner 
haute er das Rathhaus um, war mit verschiedenen offent lichen 
Gebiiudeu beschaftigt und errichtete eine ganze Reihe sehr stattlicher 
Kirchen. Seine Thatigkeit dehnte sich bis Diisseidorf aus. Gauz 
besonders thatig war er auch in der inueren Ausstattuug von Kirchen 
und Privathausern und widmete einen grofsen Theil seiner Thatigkeit 
dem Kunsthandwerk. — Der jiiugere Couven, derErbauer der neuen 
Redoute (des jetzigenCurhauses), zeigt weit wenigerEigenart als sein 
Vater, dessen Ruhm ihm ohne Millie zu gute kommen niufste. 

Fiir weitere Kreise ist vielleicht daslnteressanteste an dem Buche 
das plastische Bild, das der Leser von der Arbeitsweise der damaligen 
Architekten bekoinmt. Die damalige Architektur hing ganz von der 
Pariser Schule ab, und ihre Nahrung waren die grofsen von dort ver- 
breiteten architektonischeu Werke. Aber das Konnen der Architekten 
stand trotzdem Uberall auf bewundernswerther H5he, wie (he treff- 
lichen mitgetheilten Zeichnungen zu erkennen geben. Und diese 
Zeichnungen lassen zugleich erkennen, wie der Architekt damals 
durchaus die kleinste Einzelheit auch der Decoration in der Hand 
hatte, wie das gesamte Kunsthandwerk von ihm abhing — eine <>/r 
bestrittene Thatsache. Die ungemein zahlreichen kunstgewerW/VAe/i 
Eutwilrfe des alteren Couven lassen dariiber keinen Zwei/ei ati/- 
kommen. Wie allgemein kiinstlerisch tiichtig er war,. dariiber belehrt 
vor allem ein priichtiges. reich mitFigureu und Wappen g"eschmuc\rte> 
Kupferstichblatt, das der Verfasser in Verkleinerung tnittheilt \mt\ 
das einen Kalender fiir das Stiftscapitel von 1,53 m Holie und ".71 m 
Breite darstellt. 

Das Buch ist ungemein reich illustrirt, 92 Abbildungen sind iu 
Steindruck nach dem Couvenschen Zeichnungsmaterial beigegehen. 
und S sehr gute Lichtdrucktafeln veranschaulichen ausgefuhrte Werke 
des alteren Couven. Es kaun jedemKunstfreunde nur angelegeutlichst 
empfohlen werden. H. Muthesius. 

Die Rnrgenknnde fiir das siidwestdentsche Gebiet. Von Julius 
Nfther. Miinchen 1901. Siiddeutsche Verlagsanstalt. XIV u. 21«» S. 
in 8° mit 75 Abb. im Text und einer Uebersichtskarte. Geh. 

Niiher fafst bier — nach dem Beispiel v. Cohausens — seine in 
zahlreichen friiheren Schriften zerstreuten Studien zusammen und 
gibt fiir die oberrheinischen Clebiete eine Entwicklung des Burgen- 
baues, eine anscheinend vollstiindige, landschaftlich angeordnete Auf- 
zahluug der Burgstatten nnd behandelt in Zeichnung und Beschrei- 
bung einzelne hervorragende Beispiele. Wird auch, abgesehen von 
derKarte und einzelnen Beispielen, nichts wesentlich neues gebracht 
und nicht ailzu kritisch verfahren, so ist das handliche, fleifsig und 
schlicht geschriebene Buch doch geeignet, das Interesse fiir die 
Burgen, besonders in betreffeudeu Heimathlanden, zu fOrdern. 

*) Vgl. Jahrg. 1900. S. 12S, sowie 1901, S. 87 u. 103. Das Buch- 
kremersche Buch erschien schon 189H, wies also frilher anf dieses 
treffliche Haus bin als die Veriiffentlichuug des Prof. M. Schmid. 



Inh«lt: \Vi«-(It'r1i<rst.llimL' ••inrr I >i«-I«* im Hans*' Lnnuvniarkt Xr. 43 in Danzit 
- Schwi'i/.rrliiiusir jhik (Inn ohrrm Thurtlml. — 1»*t Ort Mainherg nei Scliweinfurt. 
— Vtriii isi'ht t's: ifrssiscli«s DtnkmaUfhut/^.Htt/. — Rathsolilape zur Er- 
lialtung von KuiiHtw»rk»n und AlterthUnu'rn in Sarhsen. — Dritter Tng fOr 
I)f!ikmnlpfli'^c — W»ttl»»'\v«H» fllr Favndcn-Rntwdrfp in Danvtip. — Dombau- 
vi'rcin in \V»t/,lar. - Iloiuaui^rlu' Ban- und KuuHtdfukiuiiler der Alt mark. — 
l)«'nkiniil«-r in ( Jri«<-licnland. - Kourad Wilhrlm Has*- f. — Bllohorschau. 

Fiir die Srhriftlritunt; \ •nintwortli.di : Frii-dr. Sfbult/.e, Berlin. 
V»*rlag von Wilht-lin Ernst u. Solm, Berlin. Drurk: Oustav Schenck Sobn, Birliti 



Nr. 6. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



49 



IV. Jahrgang. 
Nr. 7. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — Geschaftstelle : W. Wilhelmstr. 90. — Bezugspreis 

einschl. Ahtragen, durch Post- odor Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark ; ftlr das 

Ausland 8,50 Mark. Fllr die Abnehmer des Centralblattes der Banvorwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 28. Mai 
1902. 



[Alle Rechte vorbehalten.) 



Das Deutsche Thor in Metz. 



Von Architekt Herra. Ed. Heppe in Metz. 

Von den 17 Thoren, welche die freie Reichsstadt Metz im Mittel- Aus dem einfachen, befestigten Mauerthore wurde mit der Zeit 

alter besafs, hat nur ein einziges, die Porte des Allemands, das infolge mehrfacher Urn- und Erweiterungsbauten ein ausgedehntes, 

Deutsche Thor, seine ursprttngliche Gestalt bis heute bewahrt. mit starker Wache und reichlicher Feuerwaffenausrtistung ver- 

Kann es schon infolge dieses Umstandes, als einziger Vertreter des sehenes ^chateau", eine Thorburg. — Die uns erhaltene Anlage 



Metzer mittel alt er- 
lichen Thorbaues, auf 
das Interesse des 
Fachmannes rech- 
nen, so ist die Anlage 
aber auch in ihrer 
trutzigen und doch 
malerischen Erschei- 
nung an sich nicht 
minder beachtens- 
werth. 

Zum ersten Male 
erwahnt wird das 
Deutsche Thor i. J. 
1324 inderChronique 
de Praillon 1 ) gele- 
gentlich einer Auf- 
zahlung der Namen 
der 17 Stadtthore 
und Pforten. Be- 
standen aber hat der 
Bau damals schon an 
die hundert Jahre, 
denn bereits gegen 
1 225 wurde der west- 
lich vom Mittelpunkt 
des Ortes gelegene 
neue Seille - Stadt- 
theil, zu dem das 
Deutsche Thor den 
Zugangvermittelt, in 
die Stadtbefestigung 

einbezogen und dabei gleichzeitig an der heutigen Stelle ein 
befestigtes Thor angelegt. Dieser neue Stadttheil erhielt seinen 
Namen nach den Deutsch-Ordensrittern, auch Briider vom Spital 
unserer lieben Frau deutscher Nation, sanctae Mariae Teutonicorum, 
oder „ chevaliers de Sainte- Elisabeth 
de Hongrie" und im 16. Jahrhundert, 
besonders in Metz „blancs Mantels" 
Weifsmantel, genannt, die sich hier 
i. J. 1229 in der dann nach ihnen 
„rue de l'Hopital des Ailemands u , ab- 
gekiirzt „rue des Allemands" ge- 
nannten St raise niederliefsen ; diese 
Bezeichnung fiilirt die Strafse heute 
noch. Das im Zuge der letzteren 
liegende neue Thor erhielt folge- 
richtig den Namen „Porte des Alle- 
mands u . 

In seiner Erscheinung dtirft-e es 
wohl dem hinteren, nach der Stadt zu 
gelegenen Theile der heutigen Thor- 
burg entsprochen haben , der in 
der bekannten Weise das Thorhaus 
seitlich von zwei runden Flankirungs- 
thurmen eingefafst zeigt; eine Anord- 
nung, wie sie sich gerade in Metz 
noch mehrfach wiederholt, so z. B. bei 
der „porte Saint Thiebaud" der „porte Saint-Barbe u usw. 2 ) 



Abb. 1. Ansicht des Thores mit dem Vaubanschen Brtickenkopf. Von der Seille aus gesehen. 




Abb.^2. Nach einem Plane der Kais. Fortification 
(Aus Schmitz, Mittclalt. Profanbau i. Lothr.) 



nun stammt im we- 
sentbchen erst aus 
der Mitte des 15. 
Jahrhunderts. Sie 
setzt sich zusammen 
aus drei verschie- 
denen Gruppen : dem 
ilufseren Thore, le 
bail, dem inneren, 
eigentlichen Stadt- 
thore und dem 
zwischen beiden lie- 
genden grofsen Hofe 
(vergl. Abb. 1 bis 8) 
und lafst die Ein- 
richtung eines sol- 
chen „ chateau tt noch 
vollstandig erkennen. 
„Im chateau wohnten 
der Oastellan und die 
IH (irtner ; auf ser lem 
hatte jedes Thor eine 
bestandige, im Frie- 
den schwachere, im 

Kriege stiirkere 
Wache von Burgern 
und ^soldoyeurs". 
Der Einlafs in das 
aufsere — mit Zug- 
briicke undFallgitter 
versehene — Thor 
ward bei Nachtzeit 
und im Kriege erst dann gewahrt, wenn der Pfortner sich tiber- 
zeugt hatte, dafs von dem Einlafs begehrenden nichts zu be- 
ftirchten sei. Die Eingelassenen wurden zunachst im Hofraum des 
Schlosses, nachdem das aufsere Thor wieder verschlossen war, aus- 

geforscht und nach ihrem Begehr 
gefragt. Wahrend dies vom PfOrtner 
und einem Theil der Wache geschah, 
war die im Innern des Schlofshofes 
befindlicheerhohteGalerie,vonwelcher 
man zu den Fallgittern gelangte, ab- 
gesclilossen und von Wachtmann- 
scliaften besetzt. Erst nach statt- 
gehabter Priifung der Eingelassenen 
ward denselben das innere Stadtthor 
geoffnet, 443 ) 

Wie der nebenstehende Grundrifs 
zeigt, wird sowohl bei dem aufseren 
wie dem inneren Thore die eigentliche 
Thoroffnung jedesmal von zwei Rund- 
thiirmen flankirt, welche jedoch archi- 
tektonisch niclit gleichmafsig ausge- 
bildet, sondern durchaus verschieden 
behandelt sind. Abgesehen davon, dafs 
die beiden, mit spitzem Kegeldach 
versehenen Thiirme des inneren Thores 
in Durchmesser und Wandstarke in- 



! ) Preuves de l'histoire de Metz, par les r^ligieux B6n6dictins, 
Bd. IV, S. 8. 



folge ihrer geschutzten Lage erheblich geringer gehalten werden 

2 ) vgl. die Meriansche Ansicht der Stadt Metz, veroffentlicht in 
Kraus, Kunst und Alterthum in Elsafs-Lothringen. Bd. III. Taf. VIII. 
«) Westphal, Geschichte der Stadt Metz. Bd. 1, S. 243. 



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50 



Die Denkmalpflege. 



28. Mai 1902, 



Abb. 3. Zinnenbekrftnung. 



konnten als die beiden anderen, zeigen sie auch aufser den 
kriiftig gegliederten Fenstergewanden nicht den geringsten Schmuck. 
Dagegen haben die Aufsenthiirme gleichwie das von ihnen ein- 
geschlossene dreieckige Bollwerk „le boullevairt* (vergl. Abb. 5), 
durch welches der Thorweg gefiihrt ist, aufserordentlich 
machtige Mauerstarken und an ihrer offenen Wehrplatte einen 
reich und schOn gegliederten Zinnenkranz (sieh Abb. 3 u. 4) 
erhalten, welcher am „boullevairt* zugleich als Pechnase dient. 
Ueber dem Thore befindet sich, wie dies bei mittelalterlichen 
Thoren oft der Fall ist, eine reich gegliederte Nische, in welcher 
einst ein Standbild der Mutter Gottes, „Notre Dame Protectrice", 
Aufstellung gefunden hatte. Bei tiefem Wasserstande beobachtete 
man daselbst im Was- 
ser ein Bildwerk ; 
unter einem Crucifix 
las man die Worte : 
„Amamus te Doraine 
et benedicimus tibi. 4 ) 

Im Hofe (sieh 
Abb. 6 u. 8) ziehen sich 
an der einen Seite 
liings der Aufsenmauer 
Wohnraume mit reich 
umrahmten Fenstern 
(vergl. Abb. 6) hin, 
wahrend die andere 
von einer sechsjochi- 
gen gewolbten Halle (sieh Abb. 8) emgenommen 
wird, deren Bftgen auf capitelllosen Rundpfeilern 
aufsitzen; die Kreuzgewdlbe haben abgeschragte 
Rippen und ruhen auf Kragsteinen. Hire Schlufs- 
steine tragen Schilde, deren Wappen jedoch heute 
nicht mehr zu erkennen sind. Hier befindet sich Abb. 4. 

auch eine eigenartige Wendeltreppe zur Ver- Zinnen- 

bindung des Hofraumes mit der Thurmplattform, bekrOnung. 

deren zwei Lilufe den Vertheidigern der Thiirme 
ein gleichzeitiges und doch getrenntes Auf- und Niedersteigen er- 
laubten, sodafsjede gegenseitige Behinderung vermieden war. 

Unter diesem grofsen Zwischenhofe ist die Seille, ein Neben- 
flufs der Mosel, mit der er sich etwas unterhalb Metz vereinigt, 
durchgeleitet, ein Umstand, der im Mittelalter zu bedeutenden und 
wiederholten Hochwasserbeschadigungen am Thore die Ursache 
gewesen ist. Zu erwahnen sind auch die beiden unterhalb auf die 
Seille geoffnet gewesenen spatgothischen Aborte, sichtbar an der 
Aufsenseite der Thorburg links von dem grtffseren Aufsenthurme. 
(Abb. 1.) An den benachbarten Aufsenwanden der beiden Thiirme 
des inneren Thores haben sich ungefahr in halber HOhe zwei 
Bogenanfilnger erhalten, welche die Vermuthung nahelegen, 
dafs dort eine Briicke oder ein Wehrgang bestanden hat, der 
zwischen den oberen Thurmgeschossen eine kiirzere Verbindung 
herstellte, als sie liber die auch hier vorhandenen Wendeltreppen 
mftglich war. Die bereits erwahnte undatirte Meriansche Ansicht 
der Stadt Metz zeigt nun an dieser Stelle einen regelrechten, 
machtigen Thorthurm, dessen Zeltdach die beiden Rundthiirme 
noch uberragt. Jedoch kfinnte eine auf den geuannten Stich ailein 
gestiitzte Annahme des ehemaligen Vorhandenseins eines solchen 
quadratischen Thorthurmes als begriindet kaum angesehen werden, 
da Merians Darstellung in den aufseren (spatgothischen) Theilen 
des Thores ganz unzutreffend und somit seine ganze Ansicht iiber- 
haupt nicht vertrauenerweckend ist. Dagegen weisen sowohl 
Israel Sylvestre in seinem mit dem Merianschen offenbar fast 
gleichzeitigen Blatte vom Jahre 1067 wie Abr. Fabert in einem 
Stiche aus dem Ende des 17. Jahrhunderts genau denselben Thurm 
auf und stimmen aufserdem vollstandig mit der heutigen, d. h. 
mittelalterlichen Wirklichkeit uberein, sodafs also dam it das fruhere 
Vorhandensein eines spurlos verschwundenen quadratischen Thurmes 
am inneren deutschen Thore mit geniigender Sicherheit ange- 
nommen werden darf. Uebrigens lassen sich auch fiir ihn Aehn- 
lichkeiten an anderen alten Mctzer Thoren nach weisen. 

Als Erbauer des spatgothischen chateau bezeichnet eine in 
schonen Minuskeln abgefafste Inschrift am Thurine links vom 
aufseren Thore den Meister Henry v. Ranconval, welcher den 
Grundstein dazu im Jahre 1445 legte. Die von dem Wappen des 
Meisters, dessen Schild ein Steinmetzzeichen triigt, und der Jahres- 
zahl 144') begleitete Inschrift lautet : „Henry de Bustorf de Ran- 
con(val)fut de cest ouvrage maistre principal**. Und die „chroniques 
messines u5 ) berichten dartiber : „Puis en celle dicte merne ann£e, 
le huitieme jour de juillet ensuivant, fut achev^ le fondement de 

*) Kraus a. a. O., S. 361. 



la neufve tour de la porte des Allemans, c'est assavoir celle du 
boullevairt devant qui siet de la partie devers la porte danit 
Collette. Etait celle tour dix-huits pieds d'epaisseur au fondement 
et depuis le fondement jusques k fleur de terre, quatorze pieds ah 
d'espaisseur ; et -fut ce fondement fait en onze jours par maistre 
Henry de Ranconval. Et le dix-huitieme jour d'aoust ensuivant. 
on accommencait a besongner a l'aultre tour d'icelle porte, cest 
assavoir celle du coste devers Maizelle." 

Der Name Ranconval, in mehreren Lesarten auftretend, als 
maistre „Henry de Ranconval, Henry de Ranconvaidx le masson. 
Hannes de Ranconval", geniefst in der Metzer Stadtgeschichte des 
15. Jahrhunderts eines bedeutenden Rufes. Henry, der Erbauer 
der porte des Allemands, wird zum ersten Male erwilhnt hi dei 
chroniques messines, und zwar als „maistre masson de la ville\ 
kommt dann noch mehrfach vor bei der Aufzahliing von Arbeiten 
an den Festungs werken der Stadt ( 1 444), verschiedener Neubauteii 
und gelegentlicher Ausbesserungsarbeiten und tritt zuletzt nochmals 
auf als Architekt der Kirche des Klosters Set. Symphorien 14m. 
Hannes dagegen wird die Errichtung (1478 bis 1481) der zierlichen 
(massiven) Helmspitze des Miittethurmes der Kathedrale 6 ) zu»e- 
schrieben. Von ihm heifst es ruhmend: ^Etait celluy maistre 
Hannes grand g^ometricien et expert en chiffres et argorime 
(arguments) et grand ouvrier de son metier". BeideNamen konimeB 
also neben einander vor, und beide sind gleichzeitig mit bedeutendeii 
Bauausfiihrungen beschaftigt. Es dttrfte demnach wohl, wie auch 
M. E. Michel in seiner „Biographie populaire de la Moselle'* rneint. 
die Vermuthung nicht unbegrundet sein, dafs es sich hierbei um 
Vater und Sohn handele. Zum letzten Male bringen die chroniques 
den Namen der Familie im Jahre 1503, wo sie alle die Schild- 
biirgerstreiche des Schwiegersohns des Meisters Hannes, welch' 
letzterer zu den „riches gens* gerechnet wird, eines couturiers 
namens Jehan Mangin getreulich aufzahlen. 

Veranlafst nun wurde der Neubau des Deutschen Thores, vk 
uns die gleiche Quelle berichtet, durch die Zersttfrung der fruheren 
Anlage gelegentlich der Belagerung von Metz durch die verbiindeten 
Konige von Frankreich und Sicilien (Karl VII. und Ren£ tlAnjoni 
im Jahre 1444, von denen der letztere die Streitigkeiten begonnen 
hatte, lediglich urn seine bei der Stadt gemachten Schulden nicht 
bezahlen zu brauchen, wahrend der erstere mit diesem Kriege ein- 
fach seine nach Beendigung des Feldzuges gegen England frei- 
gewordenen Soldner beschaftigen und nebenbei die Kasse fa 
reichen Stadt etwas zur Ader lassen wollte. 

Durch das neue Thor hielt am 18. September 1473 Kakr 
Friedrich IV. seinen Einzug in die Stadt. Bei den ausftlirlichen 
Berichten der Metzer Chroniken 7 ) iiber diesen Einzug fallen ~M«m 
die von der Stadtverwaltung in Erwartung und wahrend A^ 
Aufenthalts des Kaisers im Stadtgebiete angeordneten aufsergewoh- 
lichen Sicherheitsmafsregeln auf, welche von einem grofsen und 
leider nicht unberechtigten Mifstrauen der Stadt gegen den Kaiser. 
ihren Oberherrn, zeugen. Gleichzeitig aber geben diese Berichte 
damit eine I^obe von der Umsicht und klugen Bedachtsamkeit, 
mit der die Stadt, so lauge es irgend ging, urn die Wahrung ihrer 
Freiheit besorgt war. 

Im Jahre 1503 richtete ein Hochwasser an der Durchleitimir 
der Seille unter dem Hofe grofsen Schaden an, welcher umfan?- 
reiche und miihevolle Ausbesserungsarbeiten n6thig machte. Eine 
Inschrift ^Reprouche lf)()6 u kann sich nur auf diese Ausbesserunj.' 
beziehen, da in den Chroniken, welche tiber die Arbeiten von 15W 
einen bis ins einzelne gehenden, in technisch-constructiver Beziebun^ 
aufserst interessanten und werthvollen Bericht bringen, uher 
Arbeiten im Jahre 150b' keiu Wort enthalten ist. Schon das Jalir 
1531 brachte neue Aufgaben, und zwar begannen auch diese mit 
der Wiederherstellung des Durchflufsgewolbes der Seille. Eine in 
einen Gurtbogenschlufsstein eingehauene Inschrift bezeichuet als 
Bauieitenden „Sr. Philippe • Dex • Maistre / et • gouverner de 
Touvrage • en Fa 1531. tt - ^Philippe Dex, der hier genannt wml. 
war indessen nicht der Architekt, sondern der Stattmeister, wie 
aus dem langen Epitaph (siehe weiter unten) hervorgeht, welches 
uns die „chron. mess. 4 * aufbewahrt haben.- 8 ) Begleitet wird the 
Inschrift von zwei deutschen Trompen, dem Wappenbild der Famine 
Dex und einem Steinmetzzeichen. 

Vermoge seiner bildnerischen Behandlung bemerkenswerth ist 
der iu dieser Zeit (1527) entstandene, auf dem linken Ufer ^ r 



5 ) Herausgegeben von M. Huguenin, Metz, Lamort 1838, S.--' 
vgl. auch TAustrasie, Revue de Metz et de Lorraine, Metz l •••"• 
IV. Bd., S. 1 bis 12. 

fl ) vergl. Heppe. Dom zu Metz. S. 15. 

7 ) vergl. L'Austrasie. 1855. S. 61. 

«) Kraus a. a. O. S. 300. 



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Nr. 7. 



Die Denkmalpflege. 



51 



Seille stromabw&rts neben dem Thore gelegene quadratische 
Batteriethurm mit abgerundeten Ecken und massiver Bedachung, 
von welchem aus infolge seiner Lage an der vorspringenden Ecke 
der BOschungsmauer („fausse braye") die Wallgraben neben dem 
Thore bestrichen werden konuten (sieh Abb. 9). Unter dem Haupt- 
gesimse an der Vorderseite findet sich wieder der Name des maistre 
Dex (PHE. Bx) mit den beiden Trompeu. Senkrecht darunter 
eine figtirliche Darstellung, die in ihrer naiven Drastik fiir die 
Denkweise der beginnenden Renaissance recht bezeichnend ist. 
Sie zeigt einen Mann, der seine, mit liebevoller Sorgfalt gezeichnete, 
entblofste Hinteransicht dem Feinde darbietet und dazu zwischen 



Mann dargesteilt an der Stidecke des Thurmes, diesmal als Spott- 
bild „ein fratzenhaftes Gesicht, eine Bombe in den Hiinden, auf 
dem Kopfe eine Mutze mit der Trompe; ihr entspricht eine eine 
Bombe werfende Figur an der entgegengesetzten Seite des Bau- 
werkes* (Kraus). Die vier Kanonenscharten des Thurmes sind 
aufserdem samtlich in Form von Menschen- und Ungeheuer-Fratzen 
mit weit aufgerissenem Rachen ausgebildet (sieh Abb. 10 und 11). 
Ein zweiter, ahnlicher Batteriethurm, einige Schritte strom- 
abwarts gelegen, sonst unbedeutend, tragt an seiner Aufsenseite 
ein leider verstummeltes Flachbildwerk, anscheinend die Um- 
armung eines nackten Weibes mit einer anderen, in einen Fisch- 



Abb. 5. Acufsere Ansicht des Aufsenthores. 
Ansichten des Deutschen Thores in Metz. 



Abb. 6. Hofansicht, nach dem Aufsenthor gesehen. 



Abb. 7. Stadtseite des Thores. 

den Beinen durch ein mo^lichst holinisches Gesicht schneidet. 
Damit aber ttber die Persftnlichkeit des Dargestellten kcin Zweifel 
entstehen konne, hat Meister Dex audi liier seine Trompen an- 
bringen lassen (sieh Abb. 12). Diese Darstellung kann wohl ohne 
Bedenken in eine Reihe mit den zur Verhohnung des Feindes be- 
stimmten, an der Aufsenseite der mittelalterlichen Stadt- und Burg- 
Miore angebrachten sog. ^Neidkopfe 4 * gestellt werden. — Auf der 
Spitze des massiven Kegeldaches des Thurmes stand, wie die noch 
vorhandene Basis zeigt, eine Figur. Diese wurde denn auch seiner 
Zeit im Seillebett aufgefunden und in das stiidtische Museum iiber- 
fiilirt. Es ist das Standbikl eines Mannes mit zwei Gesichtern 
nach vorn und hint en; wie die Wappenbilder an Warns und Geld- 
katze zeigen, das des Sr. Dex. — Nochmais findet sich dieser 



Abb. 8. Hofansicht, nach der Stadt gesehen. 

schwauz endigenden Figur darstellend. Vielleicht eine Allegoric, 
Metz (la pucelle) vom Wasser (Mosel und Seille) umschlungen? 

Von den iibrigen, aufserdem vorhandenen Darstellungen 9 ) und 
Inschriften mag eine Gruppe — zwei Fiichse tragen einen an eine 
Stange gebundenen Mann — erwahnt sein, deren Deutung jedoch 
Schwierigkeiten verursachen durfte. Chabert 1 ") meint dazu: „Le 
heaume du blason de Ph. Dex avait pour cimier un renard au 
naturel, accompagn^ de deux trompes d'oliphan. Nous laissons a 
de plus habiles le soin de Pintcfp rotation de ces di verses com- 



9 ) vgl. Memoires de V Academic de Metz. 1 850. S. 252 f., mit 
Tafeln. 

10 ) L'Austrasie, Rev. de Metz et de Lorr. 1850. IV. vol. S. 12. 



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52 



Die Denkmalpflege. 



28. Mai 1902. 



positions, qu'on est tres-etonne de trouver a pareille place. II est 
fort probable, qu'elles ont trait a des phases et a des 
gvenements de la construction." 

An dieser Stelle mOge auch eine uns in den chron. mess, er- 
halten gebliebene Urkunde Platz finden, welche fiir Metz vermttge 
ihres Inhalts wohl zu den interessantesten ihrer Zeit gehOren 
dttrfte. Sie befand sich in Form einer in eine Bleitafel gegrabenen 
Inschrift eingemauert an dem bereits mehrfach erwahnten Seille- 
Durchlafs unter dem grofsen Hofe und wurde ausgefiilirt durch 
den Goldschmied Jehan Mariatte. Schon der Ort der Anbringung 



von Metz, angeordneten, aufserst umfangreichen Rasirungen u ) de> 
Festungsglacis; letzteren fielen ganze Stadttheile und damit eine 
Menge der kostbarsten stadtischen Denkmaler zum Opfer, darunter 
auch die frtihmittelalterlichen, ehrwtirdigen Abteien St. Arnulph. 
St. Clemens und St. Symphorien („ad basilicas'* I 12 ) 

Das Deutsche Thor selbst aber ging aus diesen Fahrlichkeiten 
unversehrt hervor. — Wahrend der nun folgenden Jahrhunderte wird 
seiner kaum noch Erwahnung gethan, auch wurde seinem Bestande 
neues nicht mehr hinzugefugt. Mit der neuzeitlichen Geschutzent- 
wicklung verlor es schliefslich auch fast ganz seinen Werth als Be- 



Abb. 1U. 



Abb. 9. Batteriethurm des maistre Dex. 



ist eigenthUmlich genug, eine Stelle im Burggraben, wohin kaum 
jemals ein Blick fallen konnte. Hier im Auszuge der Text: 

„L'an M. V C. et XXXI, seigneur Philippe Dex, escuyer, seigneur 
du Neufchastel devantMetz, avoit radministration et gouvernement 
pour la cite" des ouvrages du baile de la porte des Allemans com- 
mencant a icelle porte jusques aux barres de la Basse Seille: et 
estoit seigneur Humbert de Serrieres pour lors maistre echevin de 
Metz, Charles, roy des Espaignes, empereur des Allemaignes et 
Italie; Ferdinand, roy des Romains, frere dudit Charles; Francoys, 
roi de France, premier du nom, et Clement VII, pape. Et y avoit 
en la chrestiente gros troubles et altercations du pape, des car- 
dinaulx, evesques, prestres et moines, a rencontre de Martin Luther, 
auquel adheroient Jehan, due de Saxonne, Philippe, landgraff de 
Hesse, George, marquis de Brandebourg, le grand maistre de 
Prusse, Ernest, due de Liinebourg, les cites de Strassbourg, Ulm, 
Nuernberg, Augsbourg, Francfort, les Anseates, les Suysses et 
plusieurs aultres princes et nations d'Allemaigne . . ." 

Soweit der Text der Urkunde, in welche aufserdem aufgenommen 
wurde eine Tabelle der damaligen Werthe, uilmlich: „ ... les coings 
de florins de Metz, le coing des gros de Metz, des bagues et au- 
gevines, frappe\s dedans le dit plomp: la valeur des dits florins et 
gros de Metz; la valeur du marc d'or, la valeur du marc d'argent: 
la valeur de la quarte de bled, vendue pour lors trente-six solz; la 
quarte de vin, vingt derniers. Et celluy qui avoit la commission de 
payer les ouvriers est mis an dit plomb. - — 

Rund ein Vierteljahrhundert nach der Beendigung der Wieder- 
herstellungsarbeiten des Sr. Dex drohte dem Deutschen Thore eine 
neue ernste Gefahr; denu gerade diesen Theil der Befestigung hatte 
sich Herzog Alba bei der Belagerung der Stadt im Jahre 1 552 durch 
Kaiser Karl V. zum ersteu, ttbrigens erfolglosen Versuch ausersehen, 
in die Festungswerke Bresche zu legen. Noch heute sind an den 
Mauern die Spuren der Arkebusenkugeln seiner Schtitzen sichtbar. 
Die damals freie HOhe, von der aus dieser erste Angriff stattfand, 
wird seit dem Jahre 1734 von dem Fort Belle-Croix eingenommeu. 
Wiihrend dieser Belagerung mufste auch die Capelle fallen, welche 
das Deutsche Thor, wie andere Befestigungen ahnlicher Art, zur Seite 
hatte. Sie war dem hi. Urbinius geweiht und verschwand gelegent- 
lich der durch den Due de Guise, den franzOsischen Befehlshaber 



Abb. 11. 

f est iguiurrvn erk. 
Infolge dessen 
legte im 3a\\re 
1674rVauhaiLdeT 
grofse Festimgs- 
baumeister Lnd- 
wigs XIV.. vor 
dem Thore im 
Anschlusse au 
seine mnfassen- 
de Neuhefesti- 
gung der Stadt 
einen Brticken- 
kopf mit Bastio- 
nen (Abb. 1 u. 
5) an , durch 
welchen auch 
die hier muuden- 
Abb. 12. de Landstrafse 

gefiihrt wurde. 
Das mittelalterliche Thor selber aber verwahrloste unterdesseu 
mehr und mehr. — I'm die Mitte des 1 1). Jahrhunderts (1858 bi> 
1859) endlich beschlofs auf Betreiben der Academic de Metz das 
Corps de Genie als Besitzer des alt en Banes, das Denkmal zu 
unterhalten und wiederherzustellen. Eine Sum me von 15()(X) FrankeD 
wurde bewilligt, und unter der Leitung des Genie-Obersten Fournier 
die Arbeit mit ziemlichem Erfolg zu Ende gebracht. Als Unterlage 
dienten ihm dabei tlie bereits oben erwahnten alten Stiche, auf Gruud 
deren er unsachgemilfse Hinzuftigungen entf ernte, f ehlende Bestaud- 
theile aberergiinzte. Einer zweiten bedeutenderen Wiederherstellinifr 
wurde das Deutsche Thor im Jahre 1892 unterzogen. Fiir den be- 
deutenden Verkehr durch die Stadt waren die engeiiThordurchfahrten 
und BrtickenkOpfe schon langst ein grofser Uebelstand gewesen: und 
so wurde seit etvva 1x90 mit der Erweiterung der Thore begonnen. 



11 ) vergl. Westphal, Geschichte der Stadt Metz. Bd. II. S. 11 f. 

12 ) vergl. Heppe, Dom zu Metz, S. 7, Scriba, 1901. 



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Nr. 7. 



Die Denkmalpfjlege. 



53 



Voran ging en in Verfolg des dartiber aufgesteilten Programmes das 
Bahnhofs- und das Deutsche Thor. „Seitlich des letzteren wurde 
im Jahre 1892 eine Strafse durch den Wall gebrochen und bei 
dieser Gelegenheit das alte Thor seitens der Fortification hergestellt, 
wobei die Stadtseite nach einem vom Dombaumeister Tornow er- 
betenen Entwurfe mit einem zinnenbekranzten Bogen nebst An- 
schlufsmauer verkleidet wurde." ,8 ) Allerdings darf nicht ver- 
schwiegen werden, dafs die Verwirklichung dieses Entwurfes in 
der Durchbildung seiner Einzelheiten (Abb. 7) den Absichten des 
Entwurfsverfassers in keiner Weise entsprach. 



Abb. 1. Bunsoher Pesel. 
Aus dem Museum dithmarsischer Alterthumer in Meldorf. 

Gewonnen hat die Gesamtansicht des Thores tibrigens nicht 
durch die „Freilegung tt ; im Gegentheil kann nicht geleugnet werden, 
dafs die Sudseite des Denkmals infolge der Entfernung der Mauern 

,3 ) vergl. Technischer Ftihrer durch Metz. Scriba. 1894. S. 63. 



und Walle und der Anlage der Seillebriicke ihren festungsmafsigen 
Charakter fast ganz eingebttfst hat. 

Zu beiden Seiten des Thores haben sich Theile der alten Be- 
festigungswerke erhalten, und zwar gehflren die interessanten Theile 
nach der Mosel zu theilweise noch dem 12. Jahrhundert an, wahrend 
die Anlagen seilleaufwarts aus dem 16. Jahrhundert stammen. 

Gegenwartig nun hat das Deutsche Thor tiberhaupt aufgehttrt 
zu den fur den Ernstfall in Betracht kommenden Befestigungs- 
werken zu gehflren. Im Friihling des Jahres 1901 hat der 
Kaiser die langerstrebte Stadterweiterung genehmigt, infolge dessen 

das befestigte Gelande an der 
Sttd- und Westseite der Stadt, 
mit dessen Einebnung bereits be- 
gonnen wurde, vorkurzem inGe- 
meindebesitz ubergegangen ist, 
mit ihm auch das Deutsche Thor. 
So ist der alte Bau nunmehr, 
nachdem er infolge der Weg- 
nahme Lothringens am 10. April 
1552 fast 400 Jahre hindurch fis- 
calischer Besitz gewesen war, 
wieder in das Eigenthum der 
Stadt, die ihn einst zu Schutz 
und Trutz sich auffuhrte, zu- 
riickgekehrt. Einem friedliche- 
ren Zweck aber ist er von nun 
an bestimmt. In den weiten 
Raumen der alten Thorburg 
wird das Steinmuseum der 
Stadt, dessen Sch&tze an ihrer 
jetzigen Stelle nur unzulanglich 
aufgestellt sind, untergebracht 
und damit das einzige noch er- 
haltene mittelalterlicheThor der 
Stadt nicht nur pietatvoll vor 
dem Verfall bewahrt, sondern 
zugleich auch einer wiirdigen 
Bestimmung nutzbar gemacht 
werden. Hoffentlich kommt da- 
bei die vom Stadtbauamte an- 
geblich beabsichtigte Ueber- 
deckung des grofsen Hofes 
mit einem in Eisen constru- 
irten Glasdache nicht zur Aus- 
filhrung, da deren Wirkung 
gegentiber der gothischen Steinarchitektur nur die denkbar schlech- 
teste sein kttnnte. 

M6ge denn die friedliche Wendung, welche die Geschichte des 
wehrhaften Baues nunmehr genommen hat, fur die Zukunft unseres 
Landes ein gutes Zeichen sein. 



Schleswig-Holsteinlsche Bauernhausmuseen. 

Vom Regierungs- und Baurath Mtthlke in Schleswig. 

Wohl keine Landschaft unseres deutschen 
Vaterlandes beherbergt innerhalb ihrer Grenzen 
so viele Ueberreste verschiedener deutscher 
Stamme, wie Schleswig-Holstein. N5rdlich des 
Dannewerkes, der alten Vftlkerscheide der Nord- 
und Siidgermanen, hausen Abk5mmlinge der 
Friesen, Angeln und Jtiten. Stidlich derselben 
wohnen holsatische Sachsen, langs der Ostseektiste 
gemischt mit Ueberbleibseln des Wendenvolkes, 
im Westen an der Nordsee durchsetzt mit 
rheinischen, hollandischen und friesischen Ein- 
wanderern. So ist es auch natlirlich, dafs die 
verschiedensten Tvpen deutscher Bauernhauser 
im Lande erhalten sind. Dabei haben innerhalb 
desselben Volksstammes einzelne Sippen noch be- 
sondere Eigenheiten in ihren Lebensgewohn- 
heiten, Bauweisen und Kleinktinsten entwickelt. 
Es hebt sich noch heute das Propsteier Landchen 
als besonderes abgeschlossenes Culturgebiet 
hervor. Es unterscheiden sich Land und Leute 
der Marschen von den benachbarten Geestge- 
bieten, Insel- und Festlandsfriesen, die Helgo- 
lander und Blankeneser Schiffer- und Fischer- 
ansiedelungen von den benachbarten Acker- 
Abb. 2. Heldtsches Haus. Wandgetafel der „Kleinen Stube 44 (Dttnsch). (Miifsstab l : so). baudttrfern. Besonders in den fruchtbaren 



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Die Denkmalpflege. 



28. Mai 1902. 



Marschgebieten an der Elbmtindung, Dithmarschens und an der 
Eidermiindung entwickelt e sich der Ackerbau bereits in frtiheren 
Jahrhunderten zu holier Bltithe, und niit der Wohlhabenheit der 
auch ihre politische und wirthschaftliche Selbstandigkeit wahrenden 
Bauern Hand in Hand erbliihte ein Kunstsinn, dessen Erzeugnisse 
im Vergleich mit der stadtischen Kunst derselben Zeit eine hone 
Stellung einnehmen, vor jener aber voraus haben, dafs selbst bei 
reicherer Aufsenseite ein zahes Festhalten an alien Lebensgewohn- 
heiten und die genaueste Anpassung an die Zweckbestimmung 
gewahrt ist. 

Wie grofs trotz der Einascherung durch Blitzschlag, Feuers- 
brunste und Neuerungssucht die Zahl der jetzt noch im Lande 
vorhandenen Erzeugnisse alter Volkskunst ist, hat 
sich so recht bei den fur das Werk „Das Deutsche 
Bauernhaus* vorgenommenen Aufnahmearbeiten der 
schleswig-holsteinischen, Hamburger und Liibccker 
Architekten-Vereine gezeigt. Die auf das Gebiet 
nordlich der Elbe und des Travecanals in dem 
Werke vorgesehenen 12 Tafeln werden nur einen 
geringen Bruchtheil dessen wiedergeben kflnnen, 
was werth ist, auf gem ess en und gezeichnet zu werden. 
Es ware ja nun richtiger, wenn alle noch vorhan- 
denen Ueberbleibsel alter Volkskunst innerhalb des 
Rahmens, fiir den sie geschaffen waren, erhalten 
bleiben konnten und ihre Versetzung an eine andere 
Stelle uberhaupt entbehrlich ware. Immerhin ist 
es doch vorzuziehen, die wichtigsten und eigen- 
artigsten Stiicke derselben wenigstens innerhalb der 
Grenzen des Sondergebietes in Museen zuriickzi- 
halten, als zuzusehen, dafs sie durch den Kunst- 
handel verschleudert werden und womoglich ins 
Ausland wandern. So ist es denn mit Freuden zu 
begriifsen, dafs innerhalb der schleswig-holsteinischcn 
Lande eine gauze Reihe von kleineren und grftfserv n 
Sammelstatten entstanden sind, von welchen dij 
Rettung der alten Kunstschatze betricben wird. 
Dabei hat es sich als das naturlichste herausgebildet, 
dafs entsprechend den einzelnen abgeschlossenen 
Landschaften zerstreut im Lande kleinere Offent- 
liche Sammlungen entstanden. Immer mehr gewinnt 
dabei auch das Bestreben Raum, ganzc Zimmer- 
einrichtungen mit allem Zubehftr an beweglichem 
Hausgerath, ja womOglich ganze Bauernhauser den 
Sammlungen einzuverleiben und so fiir jedes Gerath 
den Rahmen, fiir den es geschaffen und in dem es 
benutzt wurde, zu erhalten. 

Ftir die Arbeit des Forschers mochte es ja 
auf den ersten Blick bequemer sein, alle diese 
Sammlungen in einem grofsen Provincialmuseum zu 
vereinigen. Es ware auch wohl leichter, letzteres 
mit grofseren Mitt ein fiir die Weiterarbeit auszu- 
statten. Immerhin hat die jetzige Einrichtung 
der vielen kleineren Anstalten auch ihre Vorzlige. 
Gerade dafs letztere in nachster Nilhe, gewisser- 
mafsen im Mittelpunkte ihrer besonderen Land- 
schaft liegen, gibt Gewahr fiir die stete Fiihlung 
mit dem Arbeitsfelde, vergrttfsert die Zahl der 
Mitarbeiter, damit zugleich den Einflufs auf die 
Bevolkerung und schafft schliefslich Anregung zu 
Pflegstatten alter Kunstiibungen. Dem ehrlichen 
Kunstforscher wird es auch nur ntitzen, wenn er 
gezwungen wird, bei seinen Arbeiten sich innerhalb 
der Landschaft auf zuh alten, dessen Volkskunst er 
ergriinden will. 

Von den kleineren Museen Schleswig-Holsteins 
ist an erster Stelle das Museum dithmarsischer 
Alterthumer in Meldorf zu nennen. Seit seiner Griindung im 
Jahre 1872 hat es sich immer mehr zu einem echteu Bauernhaus- 
museum entwickelt. Als eine Anstalt der beiden Kreise Nord- und 
Suderdithmarschen beschrankt es sein Arbeitsfeld auf die Land- 
gebiete dieser beiden Kreise, somit auf den Bereich der ehemaligen 
Bauernrepublik Dithmarschen. Das Museum beherbergt seit 1HH5 
den Swin'schen Pesel, wohl eines der reichsten Kunstwerke, die 
je fiir eineh Landmann gearbeitet sind, das Wohn- und Schlaf- 
zimmer des Marcus Swin aus dem Geschlechte der Wurthmannen, 
eines Mitgliedes der obersten republicanischen BehCrde der Dith- 
marschen, des Rathes der Achtundvierziger, der nach der Unter- 
jochung des Landes seinem Volke weiter als Landvogt des Schles- 
wig-Holsteinischen Herzogs diente. 1508 wurde der Pesel ver- 
muthlich mit dem zugehtirigen Anbau des Hauses errichtet. Ueber 



die reiche und doch trauliche Ausstattung des Raumes, die durch 
Sauermanns Schnitzschule ausgefiihrte Wiederherstellung, uber die 
Einfltisse, die auf den leider unbekannten Meister des Kunstwerke* 
gewirkt haben, gibt Dr. Deneckens Aufsatz im ersten gelegent- 
lich der Erttffnung des neuen Museumsgebaudes 1896 erstatteten 
Berichte genaue Auskunft. 1 ) Das Museum enthalt noch eine Ftille von 
Einrichtungsstticken alter Bauernhauser, als M5bel und Holzarbeiten. 
von ganzen Peseltheilen bis zu den kleinsten Gebrauchsgerathen. 
Metallarbeiten, Tflpferwaren, Glasmalereien, Webereien, Trachten, 
Filigrane und sonstige Schmucksachen. GrOfsere Theile eines ein- 
facheren Pesels aus dem Geestdorfe Bunsohe in Suderdithmarschen 
sind zu einem vollstandigen Bauernhauszimmer zusammengestellt. 



Abb. 3. Heldtsches Haus, einst in Ostenfeldt. 



Abb. 4. Heldtsches Haus. Diele. 

Abb. 1 zeigt linksseitig die'Bettwand mit der verzierten und bemalren 
Holzverkleidung, recht sseitig die Of en wand mit dem gufseisernen 
Bilegger, der messingnen Ofeustiilp und dem zum Kleidertrockneii 
dienenden geschtitzten Ofenheck. Daneben ist der Hangeschrank, 
das Pfeifeureck und sonstiger Hausrath als Truhen, Stulile usw. 
zu erkennen. Wie sich alle diese Einrichtungen aus den Lebens- 
gewohnheiten des Volkes entwickelt haben, lueriiber gibt ein Auf- 
satz des zeitigen Leiters des Museums Johannes Goos in dem 
genannten Museumsbericht naheren Aufschlufs. 

Der Meldorf er Museumsleitung stehen nur miifsige Mittel zur 
Verfiigung. In dem verhaltnifsmiifsig kleinen Gebaude kann audi 



J ) Vergl. die Besprechung durch H. Lutschine, Centralblatt 
d. Bauverw. 1897, S. ">S4. 



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Nr. 7. 



Die Denkmalpflege. 



55 



3. Bau 17H9 



nur Raum fur eine kleine Anzahl von Sammlungsstttcken ge- 
schaffen werden. Die Museumsleitung bemiiht sich daher, wenig- 
stens ein Inventar thunlichst aller noch in ihrem Arbeitsgebiet 
vorhandenen Kunstgegenstande zu beschaffen, um so leichter im 
Falle der Gefahr fiir die Erhaltung einzutreten. So sind jetzt Ver- 
handlungen tiber die Erwerbung und Ueberftihrung eines zweiten 
Pesels aus einem Bunsohe benachbarten Geestdorfe, der aus Ende 
des 17. Jahrhunderts stammt, im Gange. 

Die Dithmarschen nachst gelegene Elbmarsch, die hauptsach- 
lich von Hollandern colonisirte fruchtbare Wilsterraarsch verdankt 
derThatkraft und Anregung des Gymnasialdirectors Prof. Dr. Det- 
lefsen ihr kleines Museum in Gluckstadt. Hier sind nament- 
bch Trachten , Kleiderschmuck, 
Webereien und kleineres Haus- 
gerath gesammelt worden. Ge- 
legentlich wurde das Landvolk 
durch eine Ausstellung des alten 
Besitzes auf den grofsen Werth 
der Werke der Volkskunst auf- 
merksam gemacht. Bis zu der Auf- 
stellung einervollstandigen Wilster- 
marschstube hat es das Gliick- 
stadter Museum mangels der er- 
forderlichen Mittel und des nOthigen 
Kaumes noch nicht gebracht. Da- 
flir begegnen wir aber derartigen 
Zimmern im Hamburger Kunstge- 
werbemuseum, im Altonaer Museum. 
Demnachst wird auch das Flens- 
burger Museum eine Wilstermarsch- 
stube aufstellen und selbst nach 
Kopenhagen und Holmenkollen 

bei Christ iania ist eine vollstandige Wilstermarschstube verschleppt 
worden. 2 ) 

Wie schon im Jahrg. 1899 d. Zeitschr., Seite 51 berichtet wurde, 
ist im Weichbilde der alten Hafenstadt Husum inmitten einer 
Parkanlage eines der ntfrdlichsten Sachsenhftuser, das Heldtsche 




2. Ban 
Anf.d.lH.Jahrh. 



Abb. 5. Grundrifs des Heldtschen Hauses, 



2 ) Ueber die Wilstermarschstube in Holmenkollen vergl. Cen- 
tralbl. d. Bauverwaltung, 1900, Seite 306 u. 307. 



Haus aus Ostenfeld wieder aufgebaut und dem Vaterlande er- 
halten worden. Unter der sachverstandigen Leitung des Gym- 
nasiallehrers Vofs hat sich dieses Haus zu einem rechten Bauern- 
hausmuseum herausgebildet, das erfreulicherweise von Einheiinischen 
und Fremden tiichtig besucht wird. Maler Richard Hagn hat mehr- 
fach seine Arbeitsstatte im Haus aufgeschlagen und letzteres durch 
seine Bilder weiteren Kreisen bekannt gemacht. Die Abbildungen 2 
bis 5 stellen den Bau nach Aufnanmen des Regierungs-Baumeisters 
Auhagendar, welche noch vor dem Abbruche in Ostenfeld vorge- 
nommen wurden. In dem Schaubilde der Diele sieht man den 
vora erst en Umbau des Hauses herrilhrenden mit einem Schwibb- 
bogen uberwfllbten Wandherd, wahrend bei dem Wiederaufbau der 

alteste frei in der Diele, neben 
dem KrUzboom stehende Herd 
wiederhergestellt ist. Der frtther 
mit geschnitzter Wandverkleidung 
geschmiicktePesel ist nach dem Vor- 
bilde der nach Kopenhagen ver- 
schleppten ersten Vertftf elung nach- 
gearbeitet worden. Der im Jalire 
1789 letzte Umbau des Hauses ver- 
wandelte das rechtsseitige Siddels 
in eine kleine Wohnstube, nach 
dem Sprachgebrauch D onsen ge- 
nannt. Die eine ganze Wand dieses 
Raumes einnehmende Bett- und 
Schrankvert&felung (Abb. 2) ist 
augenscheinlich das Werk eines 
einfachen Dorftischlers, dem die 
RococoschnOrkel der damaligen 
Mode wohl eine Anregung ge- 
geben haben mflgen. Im tlbrigen 
hat er aber seine Ranken und Blumen mit eigener Erfindungs- 
kraft gebildet und seinem Werke trotz des Reichthums der 
Schnitzerei eine klare einfache Gesamtgliederung zu erhalten ge- 
wufst. Der Pesel, die Diele mit dem erhaltenen linksseitigen Siddels, 
die DOnsch, tiberhaupt alle Theile des Hauses sind mit altem 
Hausrath so besetzt, dafs es den Anschein erweckt, als ob der 
Besitzer die Raume noch in alter Weise bewirthschaftete. 

(Sclilufs folgt.) 



Vermischtes. 



Der ttesetzentwurf gegen die Verunstaltung landschaftlich 
hcrvorragender Gegendcn im Ktinigreich Preufsen (vergl. S. 30 d. J.) 
ist in dritter Lesung vom preufsischen Abgeordnetenhause in folgen- 
der Fassung angenommen worden: Die Landespolizeibehorden sind 
befugt, zur Verhinderung der Verunstaltung landschaftlich hervor- 
ragcnder Gegenden solche Reclameschilder und sonstige Auf- 
schriften, welche das Landschaftsbild verunzieren, aufserhalb der 
geschlossenen Ortschaften durch Polizeiverordnung auf Grund des 
Gesetzes tiber die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 
(Gesetzsamml. S. 195) zu verbieten, und zwar auch fiir einzelne 
Kreise oder Theile derselben. 

Der Ausschufs zor Erhaltnng nnd Pfloge des Magdeburger 
Stadtbildes, der sich aus Vertretern von acht kunstsinnigen Ver- 
einen der Stadt Magdeburg gebildet hat (vergl. S. 80, Jahrg. 1901 
d. Zeitschr.), hat an das preufsische Abgeordnetenhaus eine Bitt- 
schrift gericutet, dahingehend, &) durch urUstatutarisch^^oder 
polizeiliche Bestimmungen die ZerstOrung von Baudenkmalern, 
welche einen bleibenden Geschichts- oder Kunstwerth haben oder 
von besonderer Bedeutung ftir den Charakter eines Orts- oder 
Landschaftsbildes sind, zu verhindern usw., b) durch ortsstatutarische 
Bestimmungen daftir zu sorgen, dafs in gewissen, naher zu be- 
stimmenden Strafsenztigen oder Stadtgegenden dem baulichen 
Charakter der Oertlichkeit bei Errichtung von Neubauten Rechnung 
getragen werde. Der Ausschufs ist durch das erfolglose Bemiihen, 
das alte Strafsenbild des Breiten Weges in Magdeburg zu erhalten, 
zu seinem Antrage angeregt und begrUndet inn mit der Thatsache, 
dafs bei der star ken Entwicklung unserer alten St&dte mehr denn jedie 
eigenartigen Bautenan den alten st&dtischen Verkelirsstrafsen der Ge- 
fahr ausgesetzt sind, den Bedurfnissen des neuzeitlichen Geschafts- 
lebens und der Gewinnsucht Einzelner zum Opfer zu fallen. 1 ) Das 
Allgemeine Landrecht gibt den alten preufsischen Provinzen keine 
entsprechende Handhabe gegen derartige ZerstOrungen, sodafs hier 
Bestimmungen, wie sie Hildesheim, Rothenburg, Dresden, Bremen, 

l ) Als bezeichnendes Beispiel sei hier nur auf den Ersatz der 
am Magdeburger Breiten Wege abgebrochenen „Heideckerei u 
(vergl. Jahr^. 1900 S. 25 und 1901 S. 71 d. Bl.) hingewiesen. Der 
Neubau ist in Nr. 38 der Baugewerks-Zeitung vom 11. Mai 1902 ver- 
flffentlicht. D. S. 



Liibeck, Regensburg usw. zum Schutze ihrer eigenartigen Strafsen- 
bilder erlassen haben, nicht getroffen werden kOnnen. Wir 
wunschen mit dem Magdeburger Ausschufs, der auch ein entr 
sprechendes Rundschreiben an Architekten-, Kunst- und Geschichts- 
vereine gesandt hat, dafs andere St&dte sein Vorgehen durch ahn- 
liche Antrage beim preufsischen Abgeordnetenhause unter stiitzen 
mSgen. Zur FOrderung gleichartiger Bestrebungen wttrde es auch 
von wesentlichem Nutzen sein, wenn die alten Bauweisen anderer 
St&dte in ebenso hingebender Weise geschildert wttrden, wie es 
Stadtbaurath Peters fiir seine Vaterstadt Magdeburg gethan hat. 2 ) 
Zum Schutze der Knnst- nnd AlterthumsdenkmSler in Wttrttem- 
berg sind amtliche Bestimmungen erlassen worden, nach denen die 
Behdrden angewiesen werden, den Conservator und diejenigen 
Beamten, denen vorzugsweise die Sorge ftir die Erhaltung und 
Sammlung der Kunst- und Alterthumsdenkmaler obliegt, bei den 
> ihnen gestellten Aufgaben nachhaltig zu untersttitzen. Seitens der 
Beh5rden soil dies hauptsachlich dadurch geschehen, dafs sie s&mt- 
liche bevorstehende und ihnen bekannt werdende Veranderungen 
sowie Veriiufserungen der in Betracht kommenden Werke ohne 
Unterschied, ob sich solche im Besitz von dffentlichen Kftrperschaften 
und Stiftungen oder von Privatpersonen befinden, den bezeichneten 
Stellen anzeigen. Gleichzeitig wird auf die friihere Anweisung 
betreffend Funde von Alterthtimern bei Grabungen (vergl. S. 103 
Jahrg. 1901 d. Zeitschr.) wieder aufmerksam gemacht. Die ge- 
troffenen Bestimmungen sollen den Conservator und das Directorium 
der Staatssammlung wiirttembergischer Kunst^ und Alterthums- 
denkmaler in den Stand setzen, die Denkmalpflege im weitesten 
Umfang auszuttben und durch sachkundige Belehrung usw. Ver- 
schleuderungen und Beschadigungen vorzubeugen. Gegebenenfalls 
kann dies geschehen durch Hinweis auf etwaige Bewilligung von 
Betragen aus den zu Untersttttzungen ftir Erhaltung und Wiederher- 
stellung von Kunst- und Alterthumsgegenstanden bestimmten Staats- 
mitteln oder durch Ankauf ftir die Sammlung der Staatsalterthumer. 

2 ) Magdeburg und seine Baudenkmaler. Eine baugeschichtliche 
Studie, zugleich Fiihrer zu Magdeburgs alten Bauten, Verfasser Otto 
Peters, KOnigl. Baurath. Mit einem farbigen Titelbild, zahlreichen 
Text^ Abbildungen und verschiedenen Planen usw. 1902. Verlags- 
buchhandlung Faber'sche Buchdruckerei, Magdeburg. 



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56 



Die Denkmalpflege. 



28. Mai 1902. 



Die Anstellung eines Conservators der Kunstdenknifiler in 
Anhalt ist durch den Landtag des Herzogthums genehmigfc worden 
und damit eine geregelte Denkmalpflege, die in Anhalt bisher sehr 
planlos betrieben wurde, in die Wege geleitet. In der Erkenntnifs, 
dafs trotz der zun&chst wohl bedeutenden Arbeit dieses Amt bei 
der Kleinheit des Landes auf die Dauer nicht voll beschaftigt 
sein wtirde, ist dem Conservator zugleich die Leitung der aus 
einer privaten Vereinigung hervorgegangenen neu begrtindeten 
„Anhaltischen Kunsthalle" (ibertragen worden. Die Wahl des neuen 
Conservators ist auf den Oberlehrer Dr. Ostermayer in Danzig 
gefallen, der dort neben seiner Lehrthfttigkeit in der Organisation 
der Kunstpflege bereits seit mehreren Jahren mit Erfolg tbatig 
gewesen ist. Eine der ersten Aufgaben des neuen Conservators 
wird eine griindliche Neubearbeitung der Inventarisation der Denk- 
maler sein, an die sich dann eine allmahliche sorgfaltige Aufnahme 
der bedeutenderen Denkmaler anschliefsen miifste. Die Art wie 
man in Anhalt der Frage der staatlichen Denkmalpflege naher ge- 
treten ist, gibt vielleicht auch andern deutschen Kleinstaaten einen 
gangbaren Weg an, denn es ist u. E. ein glttcklicher Gedanke, die 
Pflege der lebendigen Kunst mit der der uberkommenen zu ver- 
binden und so eine grOfsere Gewahr ftir die so nothwendige Erhal- 
tung der Ueberlieferung zu geben. — chm — 

Zu der Besprechung des Bnchkremerschen Baches ttber die 
Architekten Conven auf S. 48 d. Jahrg. ist erganzend zu bemerken, 
dafs das Werkchen ein Sonderabdruck aus der „Zeitschrift des 
Aachener Geschichtsvereins" (Band 17, S. 89 bis 206) ist. 



Bficherscbau. 



Facadenentwttrfe ffir Ltibeck. Das Ergebnifs des Wettbewerbs, 
ausgeschrieben durch den Verein von Kunstfreunden in Ltibeck. 
Bearbeitet von Richard Land6, Architekt. Leipzig 1902. Deut- 
scher Architekturverlag, Rudolf Hofstetter. 3 S. Text u. 80 Tafeln. 
In Mappe. Preis 36 JC. 

Die Ergebnisse des Ltlbecker Wettbewerbs liegen nun in einer 
fthnlichen Verflffentlichung vor, wie die des Hildesheimer und 
Bremer. Bertlcksichtigt wurden in erster Linie die mit Preisen 
bedachten Entwurfe von Baltzer in Ltibeck, Rode u. Keil in 
Berlin, Sackur in Berlin und Wassermannin Berlin-SchGneberg. 
Aufserdem sind noch die in engster Wahl gewesenen angekauften 
Arbeiten von Grothe in Berlin- Wilmersdorf, Lahrs in Charlotten- 
burg, Lande in Leipzig, Sass in Hannover und Wesnigk in 
Verden, so wie die angekauften Entwurfe von zwfllf Architekten in 
das Mappenwerk aufgenommen. Die einzelnen Tafeln haben eine 
handliche Grdfse von 32 zu 42 cm erhalten. Die Wiedergabe 
der Zeichnungen ist im Mafsstabe 1 : 66 a / 8 durchweg klar in 
schwarzem Druck erfolgt. Aufserdem sind zwei Strafsenbilder 
nach Entwttrfen von Land 6 und Lahrs buntfarbig wiedergegeben. 
Dafs von den eingelieferten Blftttern nur 80 also etwa die H&lfte 
Aufnahme gefunden haben, ist als ein Vorzug zu bezeichnen. Eine 
bestimmte Stilrichtung war nach dem Programme nicht vor- 
geschrieben. Der gestellten Forderung, sich dem Charakter der 
iiberliefeften lilbeckischen Bauweise anzuschliefsen, sind fast alle 
Entwurfe gerecht geworden. Das gilt auch von den in mehr 
moderner Stilauffassung gehaltenen Arbeiten von S chafers, 
Land6, Wesnigk u. A. Der Wettbewerb hat auch hier gezeigt, 
dafs die an Ort und Stelle entstandenen und iiberlieferten Bau- 
weisen sehr wohl noch lebens- und entwicklungsfahig sind, wenn 
sie von Ktinstlern angewendet werden, die ihr Wesen studirt und 
verstanden haben und dafs ein Wiederankntipfen an sie geboten 
und lohnend ist, wenn es gilt, alte Strafsenbilder zu verjiingen. 
In dieser Beziehung hat der Hildesheimer Wettbewerb bereits be- 
achtenswerthe Erfolge aufzuweisen. Das Bestreben nach Einfach- 
heit und Wahrheit und das Abwenden vom Hohlen, Unechten und 
Phrasenhaften der letzten Jahrzehnte tritt bei den meisten Hildes- 
heimer Neubauten deutlich zu Tage. 

Ltibeck verdankt sein reizvolles Geprage hauptsftchlich den 
Backsteinfronten mit grossen Giebeln, deren gothische Staffeln 
dem spftteren Geschmack entsprechend zum Theil sch5n ge- 
schwungenen Linien weichen mufsten, wahrend die alten gothischen 
Fenster und Lisenentheilung beibehalten wurden. Bei den alten 
Kaufhftusern wurden alsdann den Haupteingangen zur Diele oft 
hohe Sandsteinportale vorgebaut, deren Reichthum in der sonst 
schlichten Front, die selten durch Erker belebt ist, vorziiglich zur 
Geltung kommt. Die neuen Entwurfe haben im wesentlichen 
dieser Eigenart Rechnung getragen. Dabei zeichnen sich die mit 
dem ersten Preise bedachten Baltzerschen Arbeiten bei grofser 
Vielseitigkeit in der Formensprache durch wohlthuende Einfachheit 
aus und verrathen, dafs der Verfasser, der schon oft Gelegenheit 
zu glticklichen Wiederherstellungen in Ltibeck hatte, sich mit 



grofser Liebe in die dortigen Bauweisen vertieft hat. Bei mehreren 
Entwttrfen sind auch die For men des 16. und 17. Jahrhunderte vtr 
wendet worden, wie sie die Ostseektiste von den Niederlanden h«r 
entwickelte, und die besonders in Bremen und Danzig" noch zahl- 
reich vertreten, in Ltibeck aber nur noch an dem Pastorat von 
St. Jakobi, am Wollmagazin und an dem Kanzleigeb&ude erhalten 
sind. Alles in allem zeigt das Werk eine gute Wahl an- 
sprechender Entwurfe, die alien denen, die sich mit Neubauten be- 
schaftigen, als Vorbilder dienen kftnnen und sicherlich dazu bei- 
tragen werden, den ktinstlerischen Geschmack zu heben und Yer- 
unstaltungen des Ltlbecker Strafsenbildes mttglichst vorzubeu^eL 
Die Hauptsache dabei ist aber, dafs Bauunternehmer und Bauherret 
sich bei Vorbereitungen ihrer Neubauten mit ttichtigen Architekten 
ins Benehmen setzen, die, wie der Wettbewerb gezeigt hat, auch 
in Ltibeck zu finden sind. 

Man mag nun tiber derartige Wettbewerbe denken wie man 
will, jedenfalls haben sie das Gute, dafs die ftrtliche Bauwei^ 
der einfachen, bisher so vernachlafsigten alten Btirgerhauser endlich 
studirt wird. Ihre haufig jeder Architekturform entbehrende Em- 
fachheit wird als berechtigt und nachahmenswerth anerkannt und 
man sagt sich mehr und mehr von den durch Ver8ffentlichungei} 
zum Ueberdrufs bekannt gewordenen Motiven der reichen Palast-. 
Schlofs- und Rathhausarchitekturen in ihrer Anwendung auf die 
btirgerhche Baukunst los, um in gesunde und natiirliche Balmen 
einzulenken. Der grofse Gewinn aber, den die Denkmalpflege an* 
derartigen Wettbewerben zieht, liegt u. E. darin, dafs die Schoo- 
heiten der lange Zeit unverstandenen Strafsenbilder, die Jahrzehnte 
hindurch ihre alten Bauten reihenweise der Baufluchtlinie und 
Speculation Einzelner opfern mufsten, jetzt auch von Laien inimer 
besser verstanden und den Bestrebungen, sie zu schutzen, nicht 
mehr solch grofse Schwierigkeiten entgegengesetzt werden, trie 
es frtiher der Fall war. Aus diesem Grunde wtinschen wir, dafs 
viele Stadte dem Beispiele Ltibecks folgen mftgen. S. 

Die Freiburger Dominicaner nnd der Mtinsterbau. Von 
Dr. Heinrich Finke, Professor an der Universitat Freiburg L Br. 
Freiburg i. Br. 1901. Friedrich Ernst Fehsenfeld. Sonderabdruck 
aus „Alemannia a . Neue Folge. 2. Band. 51 S. 4° Preis 0,50 Jf. 

Die Frage nach einer Betheiligung der Freiburger Dommimer 
am Mtinsterbau war bislang noch eine unentschiedene. Wahrend 
in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ziemlich bestinunte 
Zweifel an einer Mitwirkung der Ordensbrtider bei der Reihe da 
Standbilder in der Vorhalle geaufsert worden sind, ist diese 1>7> 
von Marmon als eine nicht unwahrscheinliche hingestellt worden 
Auch Adler glaubte sich 1881 zu der Vermuthung beredid^H dafs 
das Programm entweder von Albertus oder einem seinei SMct 
herrtihre. Infolgedessen haben Spatere bald den Albertus Mapms, 
bald dessen Ordensbrtider mit dem Mtinsterbau und namentlicb mit 
den Bildwerken in Verbindung gebracht. Neuerdings ist die Betheili- 
gung der Dominicaner am Mtinsterbau in zwei Arbeiten sogar als 
eine erwiesene bezeichnet worden. 

Hier endlich einmal Klarheit geschaffen zu haben, ist das hohe 
Verdienst des Freiburger Universitateprofessors Dr. Heinrich Finke. 
Seine Darlegungen fufsen auf einer eingehenden Durchforschung des 
jtingst mit dem Freiburger Universitatsarchiv einer Neuordnuu^ 
unterzogenen Dominicanerarchivs; sie erfolgen, um des Verfassers 
eigene Worte zu gebrauchen, „vom Standpunkte und mit den Hiilfs- 
mitteln des einfachen Historikers u . 

Finke ftihrt den Beweis, dafs erstens keine gleichzeitige Mit- 
theilung irgend welcher bauktinstlerisclier Thatigkeit des Albertus 
Magnus gedenkt, vielmehr samtliche in diesem Sinne gehaltenen 
Nachrichten der Wende des Mittelalters zur Neuzeit entstammen, 
und zweitens dafs sich in den Werken des Gelehrten keine Spur 
ktinstlerischer Bestrebungen oder Neigungen finden lafst. Aber auch 
das angebliche Albertus-Standbild am Thurm zeigt weder das fur 
die Dominicaner bezeichnende Gewand, noch die dem Albertus als 
Bischof zustehende Mitra. Endlich felilen auch dem Figtirchen am 
Sockel desKatharinen-Standbildes die Zeichen derDominicanertracht. 

Den tibrigen Dominicanern von Bedeutung aber lagen kttnst- 
lerische Aufgaben erst recht fern. Zwar haben sie in anderer Weise 
zum Ruhm des mittelalterlichen Freiburgs beigetragen, doch hat sich 
von einer Mitwirkung ihrerseits am Mtinsterbau keine Spur ent- 
decken lassen. 

Ntirnberg. Dr. Schulz. 

Inhalt: Das Deutsche Thor in Metz. — SolileBwig-Holsteinische Bauernliaus- 
museen. — Vermischtes: Gesetzentwurf gegen die Verunstaltung hervor- 
ragender Landachaften. — Ausschuis zur Erhaltung des Magdeburger Stadt- 
bUdes. — Schutz der KunstdeiikmRler in Wtlrttemberg. — Anstelhmg eines 
Conservators in Anhalt. — Veriiffentlichung tlber die Architekten Conven m 
Aachen. — BUcherschau. 



FUr die Schriftleitung verantwortlich: Friedr Schultze, Berlin. 
Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Gustav Schenck Sohn, Berlin. 



Nr. 7. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



57 



IV. Jahrgang. 
Nr. 8. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — jGeschaftetelle : W. Wilhelmstr. 90. — BezugspreiB 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusendfing oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark; fUr das 

Ausland 8,50 Mark. Ftlr die Abnehmer des Centijalblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 18. Juni 
1902. 



[Alle Rechte vorbehalten.] 



Zur Jubelfeier des Germanischen Museums in Nttrnberg. 

Von Hans B5sch in Nttrnberg. 



Am 15. und 16. Juni fand das ftinfzigjahrige Jubelfest des Ger- 
manischen Museums in Nttrnberg in Gegenwart des deutschen 
Kaiserpaares, des Prinzregenten Luitpold von Bayern und anderer 
Ftirstlichkeiten, Vertreter deutscher Universitaten, Museen und 
historischer Vereine, vieler Pfleger des Museums und Freunde des- 
selben statt. Nachstehend folert eine kurze Geschichte dieser natio- 
na 



hatte vor allem Nttrnberg als Sitz des Germanischen Museums ins 
Auge gefafst, das ja mehr als irgend eine and ere Stadt Deutsch- 
lands sein alterthttmliches Geprage bewahrt hatte unddenpassendsten 
Rahmen ftir ein Germanisches Museum bildete. Aber wie schwer 
dieser Anstalt das Leben gemacht wurde, gent daraus hervor, dafs 
das alte ehemali^e Karth&userkloster. das Aufsefs zum Sitze des 

its- 



Abb. 1. Das Germanische Museum, in Nttrnberg in der Gegenwart. 



Als im Augustmonat 1852 von der in Dresden tagenden Ver- 
sammlung deutscher Geschichts- und Alterthumsforscher die Be- 
grttndung eines Germanischen Museums infolge eines Antrages des 
Dr. Hans Freiherrn von und zu Aufsefs beschlossen und dieser 
gleichzeitig zum Vorstand gewahlt wurde, wurde der neuen Anstalt 
die Aufgabe zu Theil, ein grofses „Generalrepertorium a anzulegen 
tiber s&mtliche in Deutschland vorhandene Quellen ftir deutsche 
Geschichte, Litteratur und Kunst, dem als Illustration hierzu ent- 
sprechende Sammlungen dienen sollten. Einzelne Gelehrte be- 
zweifelten zwar die Durchftihrbarkeit und Brauchbarkeit eines 
solchen Riesenverzeichnisses, aber das deutsche Volk brachte dem 
nationalen Unternehmen sein voiles Vertrauen und seine Gewogenheit 
entgegen, spendete ihm Gegenst&nde und in bescheidenem Umfange 
auch Geldmittel, sodafs Frlir. v. Aufsefs mit Freude an die Ver- 
wirklichung des aufgestellten Programmes gehen konnte. Jahrzehnte 
hindurch hatte er fttr die Begrttndung eines Germanischen Museums 
gewirkt, nun war er unermttdlich thatig, seine Schttpfung lebens- 
fahig zu gestalten, was seiner auf serge w&hnlichen Arbeitskraft und 
seiner unermtidlichen Ausdauer auch gelang. Er tiberliefs zunftchst 
seine Kunst- und Alterthtimersammlung, seine Bttcherei, sein Archiv 
der neuen Anstalt leihweise. In dem Thiergartnerthorthurni 
des Ntirnberger Mauernkranzes und im sogen. Topplerhause 
am Paniersplatze, dam als dem Kupferstecher Petersen gehorig, 
fanden sie zunachst Unterkunft. 

Die Nothwendigkeit, ein eigenes Heim zu besitzen, machte 
sich bald machtig geltend; es fehlte auch nicht an Baulich- 
keiten, die angeboten wurden; der Grossherzog von Sachsen- 
Weimar stellte die Wartburg als Heimstatte in Aussicht, der Herzog 
von Sachsen-Koburg und Gotha dieVesteKoburg,K8nig Maximilian II. 
von Bavern das Scliloss Schleifsheim bei Mtinchen. Aufsefs aber 



eigenthum war, nicht etwa als Geschenk ttberwiesen wurde, sondern 
gekauft werden mufste. Nach vielen Verhandlungen genehmigte 
Ktfnig Maximilian II. im Jahre 1857 die Ueberlassung der Karthause 
gegen eine bare Entschadigung von 15000 Gulden an den Militar- 
fiskus. Der Reichsreservefonds sollte 10000 Gulden einstweilen vor- 
; 8chiefsen, 5000 Gulden das Museum aus eigenen Mitteln bezahlen, 
das Staatseigenthum jedoch vorbehalten bleiben, so lange die 
10000 Gulden nicht zurttckgezahlt waren. Letztere Summe wurde 
1861 dem Museum nachgelassen und die 5000 Gulden spendete Kttnig 
Ludwig I. von Bayern, der gute Genius des Museums, der allzeit 
helfend ftir „ dieses wahrhaft deutsche Unternehmen 44 einsprang. 
Das Karth&userkloster war im Jahre 1380 von dem Ntirnberger 
Pati-icier und Handelsherrn Marquard Mandel gegrtindet worden. 
Die Kirche mit ihren edlen Verhaltnissen, der grofse Kreuzgang, 
der sich um sie zieht, und an welchen sich die jetzt beinahe 
samtlich umgebauten Zellen der Brtider anschlossen, stammen noch 
aus der Grtindungszeit des Klosters, der kleinere Kreuzgang an der 
Sttdseite der Kirche nebst dem westlich anstofsendenRefectorium sind 
aus dem 15. Jahrhundert. Nach dem 1525 erfolgten Uebertritt des 
Priors Blasius StOckel und des gr&fsten Theiles des Conventes zu 
Luthers Lehre, kam das Kloster in den Besitz der Stadt. Die 
Gebaude geriethen nach und nach in Verfall, doch blieb die Kirche 
mit ihrer Einrichtung soweit erhalten, dafs sie zu Anfang des 
19. Jahrhunderts der katholischen Gemeinde ttberw T iesen werden 
konnte. Als jedoch die Frauenkirche zur katholischen Kirche ein- 
gerichtet wurde, kam das Kloster an den Militarfiscus, welcher die 
Kirche als Heuspeicher, andere Theile als Marodestall verwendete. 
Lange konnte man noch an letzterem den von einem Reiter-Ktinstler 
hoch zu Rofs an die Wand gemalten bayerischen Chevauleger 
sehen. Der Militarfiscus brachte dem alten Bau keine besondere 



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58 



Die Denkmalpflege. 



18. Juni 1902. 



Pietitt entgegen. Konig Ludwig I. besuchte noch als Kronprinz 
einst die Karthause und fand Soldaten damit beschaftigt, den ost- 
lichen Kreuzgangfliigel abzutragen. Mit drastischen Worten gebot 
der kunstbegeisterte Prinz dieser Zerstorungsarbeit Einhalt 

Schon am Tage der Uebergabe des ersten Theils der Karthause, 
am 21. April 1857, waren unter Leitung des Stadtbaurathes Solger 
die Wiederherstellungsarbeiten begonnen worden. Sie betrafen 
den Fliigel in der Karthausergasse, deren nOrdlicher Theil so bau- 
fallig sich erwies, dass er neu aufgefiihrt werden mufste. Bis in 
der letzten Zeit war in diesem Fliigel die Biicherei und das Archiv 
untergebracht, die erst jiingst in dem ehemaligen KOnigsstiftungs- 
hause Unterkunft gefunden haben. Die Kreuzgange und der aufsere 
Garten (Abb. 2. u. 4) wurden von der Stadtgemeinde Nurnberg dem 
Museum geschenkweise ttberlassen. Doch verging noch das ganze 
Jalir 1858, bis die ganze ehemalige Karthause der Anstalt tiber- 
geben worden war. Dasselbe mufste sich im iibrigen auf kleinere 
Instandsetzungen der alten Raume beschranken. 

Ein grofser Zug kam in die Wiederherstellung und den Ausbau 
der Karthause erst, als der Architekt August Essenwein*), vor- 
dem Professor an der Technischen Hochschule in Graz, zum ersten 
Director des Germanischen Museums gew&hlt worden war. Wie er 
mit riesiger Thatkraft die Revision der Satzungen durchftihrte, 
durch welche in Uebereinstimmung mit dem deutschen Volke die 
Sammlungen an die Spitze der Aufgaben des Museums gestellt 
wurden, wie er diese Sammlungen in grofsartiger Weise zu be- 
reichern und zu erganzen verstand, unterzog er sich mit besonderer 
Lust und Freude auch der baulichen Neugestaltung der Karthause. 
Zunachst ging er an die Wiederherstellung der Kreuzgange, die, 
wie der Ostflttgel, theilweise vollstandig in Trtimmer lagen. 
Letzteren fiihrte er beinahe wieder neu auf, nachdem ihm Konig 
Ludwig I. von Bayern, dessen Initiale an den Schlufssteinen an- 
gebracht wurde, die Mittel hierzu bewilligt hatte. Dann wurden 
verschiedene ehemalige Zellen wieder hergestellt und flir Sammlungs- 
zwecke geeignet gemacht. 

Im Anschlusse an das 1870 ausgearbeite Programm fertigte 
Director Essenwein einen Plan fur den Ausbau des Museums- 
Jedes Jahr wurde ein kleiner Theil desselben ausgefiihrt. Mit Be* 
triibnifs sah Essenwein, dafs es mit den alteren Baudenkmalern 
Ntirnbergs sehr rasch abwarts ging und diese in erschreckender 
Zahl theilweise umgebaut, theilweise abgetragen wurden. Da es 
ihm in den allerwenigsten Fallen mftglich war, den vorgeschtttzten 
oder wirklichen zur ZerstOrung fiihrenden Bediirfnissen mit Erfolg 
entgegenzutreten, so blieb ihm nichts tibrig, als alle die Theile, 
welche merkwurdige Formen zeigten, unter Hinweisung auf 
ihre Wichtigkeit durch Schenkung oder durch Kauf fiir das Ger- 
manische Museum zu erwerben. Obwohl diesen Bestrebungen 
durch die Antiquitatenhandler ein bedenklicher Wettbewerb ge- 
macht wurde, so kam doch eine ganze Anzahl Saulen, Thiiren, 
Fenster, Dacherker, Consolen, Wappen und andere Sculpturen, 
Tafelwerke, Decken zusammen, die in die verschiedenen Theile der 
Karthause bei deren Wiederherstellung eingefiigt wurden. 

Einen wichtigen umfangreichen Zuwachs erhielten die Gebaude 
der Karthause in den Jahren 1873—75, als von den stadtischen Be- 
horden Niirnbergs der Beschlufs gefafst wurde, das alte Augustiner- 
kloster abzutragen, um an dessen Stelle ein grofses Gerichtshaus 
zu errichten. Das August inerkloster war eine aufserst malerische 
Gruppe verschiedenartiger, aus verschiedenen Zeiten herriilirender 
Bautheile, als deren Kern die einen quadratischen Hof urn- 
schliefsenden Kreuzgange, sowie ein grofser Gebaudefliigel zu be- 
trachten waren, welcher den ehemaligen Capitelsaal, das alte 
Dormitorium und einige andere Raume enthielt. Essenwein be- 
schrankte sich auf die Uebert ragung dieser Theile, die an der Sudseite 
der Karthause wieder aufgerichtet wurden (Abb. 2 u. 3), die ungefahr 
derselben Zeit angehftrt. Das Museum erhielt dadurch einen 
schonen Kreuzgang, dessen Uebertragungs- und Wieder auf stellungs- 
Kosten namentlich von Nurnberger Patricierfamilien bestritten 
wurden, dann die Leouhardscapelle, welche als Capitelsaal benutzt 
wurde und sich durch besondere SchOnheit der Verhaltnisse und 
Anlage auszeichnet. Sie war 1412 von Hilpolt Krefs gestiftet 
worden; zu den Kosten der Wiederaufstellung stiftete die Frei- 
herrlich v. Krefssche Familie einen erklecklichen Beitrag. Ebenso 
wie der Capitelsaal sind auch zwei anstofsende kleinere Sale ge- 
wOlbt. Im ersten Stocke, der nur einen Saal bildet, ruht auf 
einem riesigen Durchzuge, der von zwei Saulen getragen wird, 
eine Balkendecke. Dieser Raum ist das alte Dormitorium, der 
gemeinsame Schlafsaal der MOnche. Eine kleine Seitencapelle 
schliefst sich in der Mitte der einen Langseite an. Zu der Wieder- 
herstellung stifteten betrachtliche Mittel die deutschen Standes- 



herren, deren Wappen in einem Friese rings um die Wand laufen. 
In diesem Saale ist ein Theil der Waffensammlung aufgestellt. 
Der zweite Stock enthalt einen Saal von derselben Grofse, der 
allerdings sehr niedrig ist und jetzt zur Aufstellung der Sammlun? 
der Modetrachten dient. An der hdlzernen Decke finden sich die 
Wappen der ehemaligen deutschen Reichsst&dte, welche Beitrage 
zu dem Bau spendeten und wobei sich auch die jetzt schweizerischen 
und hollandischen StUdte gerne betheiligten. Glasmalereien in dec 
Fenstern stellen Ereignisse aus der Geschichte und dem Leben der 
ehemaligen Reichsstadte dar. Die ganze Uebertragung und Wieder- 
aufstellung dieser Theile des ehemaligen Augustinerklosters kostete 
dem Germanischen Museum keinen Pfennig ; Essenw r eins Willenskraft 
und rastloser Thatigkeit war es gelungen, die gesamten Kosten 
durch freiwillige Beitrage zu decken. 

Durch die Uebertragung des Augustinerklosters hat die er- 
haltende Thatigkeit des Germanischen Museums einen machtigen 
monumentalen Ausdruck erhalten, und aus alien Kreisen der Be- 




1862. 



1875. 



1887. 



ioo»" 1902. 



*) Central blatt der Bauverwaltung 1891, S. 98. 



Abb. 2. Plane des Germanischen Museums von 1862 bis 1902. 

vGlkerung ward diesem Vorgehen Beifall gezollt. Auch die deutschen 
Kiinstler hatten es sich nicht nehmen lassen, ihr Scherflein hinzu 
zu spenden, indem sie eine grofse Anzahl Werke ihrer Hande iiber- 
liefsen, die dann zum best en des Museums verlost wurden und 
ihm eine stattliche BeihiUfe brachten. Mit Stolz erfiillte es das 
Museum, dafs auch die damalige Kronprinzessin, spatere Kaiserin 
Friedrich durch ein von ihrer Hand gemaltes Stillleben ihrer Au- 
theilnahme fiir das Museum Ausdruck gab. Im iibrigen kam das 
erhaltende Wirken des Museums in dessen Sammlungen zum Aus- 
druck, die Essenwein mit grofser Sachkenntnifs erweiterte undver- 
vollstandigte, theilweise auch ganz neu anlegte. Es war mir zu 
bedauern, dafs ihm nicht grOfsere Mittel zur Verfugung standeu; 
er wiirde sonst wolil noch manchen Yerlust, den der deutsche 
Denkmalschatz erlitten, abzuwenden verstanden haben. Di^ es 
Wirken und Vorgehen des Germanischen Museums erfreute sich 
vielfachen Beifalls und reizte zur Nachahmung; die Mnseen, die 
sich jetzt beinahe auch in der kleinsten Stadt finden, sind nicht 
zu kleinstem Theile dem Beispiele zu danken, welches das Ger- 
manische Museum gegeben. Essenwein schrieb schon bald nacn 
seinem Anitsantritt in dem vom Germanischen Museum heraus- 
gegebenen „Anzeiger fiir Kunde der deutschen Vorzeit" An- 
weisungen zur Begrttndung und Einrichtung soldier Museen. 
Naturlich ward in diesen Mittheilungen auch kraftig fiir die M- 
haltung der alten beweglichen und unbeweglichen Denkmaler nu 
grOfserem oder leider auch ofter geringerem Erfolge eingetreteu. 
Die Alterthumsfreunde aus ganz Deutschland schiitteten hier w 
Herz aus. Um nur ein Beispiel zu nennen, sei darauf hingewiesen* 
dafs es vor allem dem kraftigen Vorgelien des Germanischen Museun^ 
zu danken ist, wenn der Ltineburger Silberschatz nicht ui i 



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Nr. 8. 



Die Denkmalpflege. 



59 



Hilnde eines Privaten gelangte, sondern heute noch Deutschland 
erhalten, eine Zierde des Berliner Kunstgewerbemuseums ist. 



Abb. 3. Der westliche Hof mit v dem Augustinerbau vor der 
Errichtung des Sudwestbaues. 



Abb. 4. Der grofse Kreuzganggarten im Germanischen Museum. 

Nach der Uebertragung des Augustinerklosters kamen Neu- 
bauten im Osten und Siiden der Karthause zur Ausfuhrung, welche 



auf Kosten des Reichs hergestellt wurden. Auch in diese wurden 
alte Theile da und dort eingeftigt und im Sudbau eine Reihe 
alter Zimmervertafelungen als Sammlungsstlicke aufgestellt. So 
ein Zimmer mit gothischer Vertafelung undDecke aus der Gegend 
von Bozen, ein Zimmer der Ntirnberger Renaissance mit be- 
sonders uppiger Architektur der Thiirwand, ein niederrheinisches 
Renaissancezimmer aus ungefahr derselben Zeit, aber grundver- 
schieden von dem ersteren, dann ein barockes Zimmer aus der 
deutschen Schweiz und ein ebensolches aus Tirol. Eine Fort- 
setzung findet diese Zimmerreihe in dem Neubau, der gelegentlich 
der Jubelfeier des Museums theilweise dem allgemeinen Besuche 
iibergeben wurde und eine Anzahl Zimmer biiuerlichen Ursprungs 
enthalt. Es findet sich eine westfalisch-niedersachsische Diele mit 
dem altersgeschwarzten machtigen Eichenbalkenwerke, ein Zimmer 
von den Halligen, ein Zimmer der Wilster Marsch und ein solches 
nach Motiven aus Schleswig zusammengestellt, ein westfriesisches 
Zimmer aus Hindeloopen, Diele, Ktiche und Zimmer eines ober- 
hessischen Bauernhauses mit dem machtigen Hofthor eines solchen, 
ferner ein klettgauer, ein tiroler, ein oberbayerisches und ein eger- 
lander Zimmer. Alle diese Raume sind auch reich ausgestattet 
und mit dem alten eigenartigen Hausrath versehen, der jetzt mit 
grofser Schnelligkeit verschwindet; sie werden kilnftigen Ge- 
schlechtern zeigen, wie man einst auf dem Lande wohnte. 

Dem Germanischen Museum kamen architektonische Ueber- 
reste nicht allein aus Ntiraberg und seiner nachsten Umgebung, 
sondern manchmal auch aus weiter Feme zu, da man sie in dieser 
vaterlandischen Anstalt am sichersten geborgen wahnte. So ziert 
den Wasserhof des Siidbaues einer der schOnsten Danziger Bei- 
schlage in (ippigem Barockstile, der infolge der Anlage von Btirger- 
steigen in einer der alten Strafsen Danzigs abgebrochen werden 
mufste und von dem Eigenthiimer des Hauses, der die Entfernung 
tief bedauerte, dann dem Museum geschenkt wurde. 

Einer viel frttheren Zeit gehort das Portal an, das von dem 
ehemaligen Refectorium des Cistercienserklosters Heilsbronn tiber- 
tragen wurde, dessen Kirche die Begrabnifsstatte der friinkischen 
Hohenzollern umschliefst ( Centralblatt der Bauverwaltung 1883, 
S. 190, 198; 1884, S. 311). Das Refectorium war Privatbesitz und 
ward zu Zwecken einer Bierbrauerei verwendet. Die Besitzerin 
wollte das ganze Gebaude mit Einrichtung verkaufen, stellte 
jedoch eine so hohe Forderung, dafs weder der deutsche Kaiser 
noch die bayerische Regierung, auf welche die Forderung ge- 
miinzt war, geneigt waren, diese zu gewahren. Nun sollte 
das Gebaude in seinen Einzelheiten ausgeschlachtet werden. Der 
bekannte Kunstkenner und Sammler Graf Wilczek in Wien, 
welcher das Portal gekauft hatte, trat dem deutschen Kaiser 
das von ihm erworbene Eigenthumsrecht wieder ab, in der 
Absicht, das Portal am Platze zu erhalten. Die Verkauferin be- 
stand jedoch auf der Entfernung des Portals, welches der Kaiser 
nun dem Germanischen Museum tiberliefs. Es wurde ohne grofse 
Schadigung ausgebrochen und als Rahmen der Verbindungsthtir 
zwischen dern alten stidlichen Kreuzgang und dem neu aufgefuhrten 
SUdbau wieder aufgestellt. Das machtige romanische Portal, das 
der Mitte des 13. Jahrhunderts entstammt, ist aus hellem frankischem 
Sandstein gehauen und tieft sich in die Mauer, die eine Starke 
von 2,10 m hat, zunachst in vier Abstufungen 1,40 m ein. Ein be- 
sonderes Interesse hat das Portal durch die vorsichtige Wieder- 
anbringung der alten Bemalung, von der noch Reste sich vorfanden. 

Mit Schmerz erftillte es Essenwein, dafs gerade bald nach der 
Zeit, in der er an die Spitze des Museums getreten war, die erste 
Bresche in Nttrnbergs Mauerngurtel gelegt wurde, und zwar an 
der Sterngasse, in nachster Nahe des Museums. Mit alien Mitteln 
suchte er diesen Zerstdrungen entgegen zu wirken, ohne etwas zu 
erreichen. Der Zug der Zeit war der Erhaltung entgegen. Der 
grGfste Theil der Einwohnerschaft Nttrnbergs sah in den alten Be- 
festigungen nur altes Gerttmpel, das der Entwicklung der machtig 
vorwarts strebenden Stadt im Wege stand und nicht mehr werth 
war, als dafs man es zerstOre. Vergeblich arbeitete er den Plan 
einer Ueberbriickung am Wflhrder Thiirchen aus, um die malerische 
Bastei daselbst vor der Vernichtung zu retten. Von dem Waffen- 
platze am Lauferthor liefs er eine Nische mit merkwlirdiger Schiefs- 
scharte ins Museum iibertragen, woselbst sie allerdings noch der 
Wiederaufstellung harrt. Erst als ihm durch Ministerialentschliefsung 
verkiindet wurde, dafs das Wirken gegen das Einreifsen des Ntirn- 
berger Mauergtirtels nicht seines Amtes sei, schwieg er tief ver- 
stimmt und verwies die Alterthumsfreunde, die sich bei ihm bitter 
uber die Zerstorung beklagten, auf das an seiner Zimmerthiir an- 
genagelte Rescript. Mit Freuden ist es aber zu begrtifsen, dafs 
es ihm gelang, von der Stadt Ntiraberg den langs des Areals des 
Museums von der vorderen Karthausergasse bis zur vorderen 
Grasersgasse laufenden Theil der alten Ntirnberger Befestigung, 



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60 



Die Denkmalpflege. 



18. Juni 1902. 



die alten Mauerthtirme, den Wehrgang, den Zwinger, die Graben- 
thttrme und den Graben ftir alle Zeiten vor der Zerstflrung zu be- 
wahren. Durch Vertrag vom 7. December 1882 raumt die Stadt- 
gemeinde Nlirnberg dem Museum diese Befestignngstheile zur Be- 
nutzung ein. Das Benutzungsrecht wurde auf die Zwecke des 
Museums beschrankt, dem aber auch das Recht der Ueberbauung 
einzelner Theile zugesprochen wurde. Es ist so lange unwiderruf- 
lich, als das Germanische Museum in Nttrnberg bleibt, was nach 
dem heutigen Stande der Dinge wohl immer der Fall sein wird. 
Auf diese Weise ist wenigstens dieser Theil auf der sonst stark 
mitgenommenen Slidseite Ntirnbergs in seiner ursprttnglichen Ge- 
stalt erhalten geblieben (Abb. 1), denn sicher ware, trotz der grttfseren 
Schonung, welche man den alten Ntirnberger Befestigungen jetzt ent- 
gegenbringt, der Graben mindestens angebttscht worden, wenn 
ihn Essenwein nicht bei Zeiten davor geschtltzt hatte. 

Essenwein hat auch noch einen Plan ausgearbeitet, nach wel- 
chem die Karthause durch gewolbte, tiber die Strafse (Frauenthor- 
mauer) flihrende Ueberbrttckungen mit den alten Befestigungen 
verbunden werden soil und hat in diesem Plan noch besonders 
wichtige Theile des Ntirnberger Mauergtirtels eingezeichnet, die, 
wenn sie einst fallen mlifsten, in den Befestigungsabschnitt des 
Museums ttbertragen werden sollen. So sehr wir alien Essenwein- 
schen Planen dereinstige Verwirklichung wtinschen, so wtirden 
wir es doch mit Freuden begrtifsen, wenn diese Uebertragungen 
nie ausgeftihrt, die betreffenden Bauwerke vielmehr ftir alle Zeiten 
an dem Orte, fur den sie errichtet, erhalten bleiben wtirden. Eine 
Uebertragung aber hat noch zu Lebzeiten Essen weins stattgefunden ; 
als das Farberthor und ein Theil der angrenzenden alten Stadt- 
mauer um 1890 abgetragen wurde, ward der Wehrgang der letz- 
teren auf einen Stadtmauertheil des Germanischen Museums, der 
frtther seines Wehrganges beraubt worden war, ttbertragen, wo- 
durch eine sehr erwtinschte Erganzung herbeigefiihrt wurde. 

Auch nach Essen weins Tod (1892) ist man im Germanischen 
Museum den alten Ueberlieferungen treu geblieben und bei den Neu- 
bauten und dem Umbau eines angekauften angrenzenden Hauses, die 
durch Director v. Bezold ausgeftihrt wurden, haben alte Theile 
wiederum vielfache Verwendung gefunden, denn leider gibt ja 
der Gang der Dinge im alten Nttrnberg nur zu viel Gelegenheit 
den Better zu spielen. Bei dem Umbau des angekauften Kflnigs- 
stiftungshauses, in welchem nun Bttcherei, Archiv und Kupfer- 
stichsammlung des Museums untergebracht sind, ward auf der 
stidlichen Giebelseite ein durch zwei Stockwerke gehendes zier- 
liches Chflrchen der Spatrenaissance wieder verwendet, das von 
einem Privathause in der Theresienstrafse kommt, welches einem 
Neubau ftir ein Postgebaude Platz machen mufste. Ein weiterer 
Bau der Postverwaltung in Nttrnberg, ttber deren unheilvolle 
Wirkung auf die Pflege der Denkmaler hier bereits berichtet 
wurde, gab dem Museum Veranlassung aus dem ehemaligen 
Ebracher Hofe u. a. zwei zierliche Stuckdecken aus der ersten 
Halfte des 18. Jahrhunderts abnehmen zu lassen. Die eine wurde 
von Director v. Bezold in dem Lesezimmer des vorerwahnten 
umgebauten Hauses verwendet, die andere wurde in dem Treppen- 
hause des neu ausgeftthrten Sttdwestbaues, aufgestellt. In diesem 
Treppenhause hat auch eine aus einem Wttrzburger Privathause 
herrtthrende Treppe, mit durchbrochenem Gelander in reichem 
Barockstile in Sandstein ausgeftthrt, Verwendung gefunden. 
Ihre Pfosten sind durch bezeichnende Figuren geschmttckt. 



Aus dem Ebracher Hofe (vgl. S. 100 Jahrg. 1900 d. Bl.) gelangten 
auch noch die architektonisch bemerkenswerthen Theile der 
spatgothischen Capelle, die ein aufserordentlich reiches GewOlbe 
mit hangenden Rippenwerk hatte, in das Museum. Wo diese 
Capelle wieder Aufstellung finden soil, ist noch nicht entschieden; 
sie wird tiberhaupt Schwierigkeiten machen, da das Gel&nde des 
Museums nahezu vollstandig ttberbaut ist. 

Im vergangenen Herbste erwarb das Germanische Museum ein 
Zimmer aus dem bertthmten v. Wespienschen, zuletzt van GuMpenschen 
Patricierhause in Aachen (Jahrg. 1900 d. BL, S. 128; 1901, S. 87 u. 103; 
1902, S. 48). Dieses an der Kleinspazierstrafse stehende Haus wurde 
im Auftrage des in Aachen 1687 geborenen und daselbst 175ft 
verstorbenen Btirgermeisters Johann v. Wespien in den Jahren 
1732 — 1742 durch den Aachener Stadtarchitekten Joh. Jos. Couven 
(1701 — 1763) in ttppiger Weise erbaut und ausgestattet. Die 
gegenwartigen Besitzer des Hauses wollten es an die Stadt 
Aachen verkaufen, um es als Ganzes zu erhalten. Leider waren 
diese Bemtthungen nicht von Erfolg gekrdnt, sodafs die einzelnen 
Raume des Hauses und deren einzelne Theile unter den Hammer 
kamen. Das reizendste dieser Zimmer hat das Museum fur iiber 
50 000 Mark gekauft und kann so der Nachwelt zeigen, in welch 
vornehmer Weise ein Aachener Btirgermeister im 18. Jahrhundert 
gewohnt hat. Das Zimmer hat reich aus Eichenholz geschnitzte 
Holzverkleidungen, die an alien vier Wanden gut erhaltene farben- 
frische Gobelins einrahmen, welche trefflich mit dem Tone der 
zierlichen Schnitzereien zusammenstimmen. Auch die Stuckdecke 
ist abgenommen worden und wird im Germanischen Museum wieder 
neu aufgestellt werden. Der Saal des Wespienschen Hauses ist 
leider in Einzelstttcken versteigert worden, nachdem ftir das Gauze 
ein genehmer Preis nicht erzielt wurde. Ebenso ging es mit den 
ttbrigen Zimmern, die, ausgeschlachtet, in alle Himmelsrichtungen 
auseinander gerissen wurden. 

Zur Zeit ist die Uebertragung des herrlichen Erkers des Pfarr- 
hauses zu St. Sebald in Nttrnberg (Jahrg. 1899 d. Bl., S. 93) im 
Gange, der dem 14. Jahrhundert entstammt und, da er stark ver- 
wittert ist, von dem Bauleiter zu St. Sebald, Professor Schmitz. 
niedergelegt und durch eine getreue, in wetterbestandigerera Steine 
ausgeftihrte Nachbildung ersetzt wird. Als Originaldenkmal wird 
der alte Erker in einem der LichthOfe des Museums wieder anf- 
gestellt. Eine freundliche Anerkennung der Bestrebungen des 
Germanischen Museums nach dieser Richtung hin darf man darin 
erblicken, dafs die Berliner Pflegschaft des Museums, der es schon 
so manche hocherfreuliche FOrderung verdankt, die Kostea der 
Wiederaufstellung dieses ausgezeichneten Werkes altieutxher 
Kunst bestreitet. 

Alle diese Arbeiten, alle diese Erhaltungen, toe tarn 
Germanischen Museum zu verdanken sind, mufs es aus denM- 
tragen bestreiten, die ihm von 2 und 3 Mark an von seinen Yielen 
Freunden gereicht werden. Auf diese ist die nationale Anstalt 
bezttglich ihrer Bauten, bezttglich der Ausbildung ihrer Sammlungen 
leider noch immer ausschliefslich angewiesen. Mttge die fiinfzigjahrige 
Jubelfeier alle Jene, welche der deutschen Geschichte, der deutschen 
Kunst, den deutschen Alterthttmern Theilnahme entgegenbringen, 
in die Reihe der GOnner und Forderer des allgemeindeutschen 
Unternehmens ftthren, dam it es in verstarktem Mafse seine hehre 
Aufgabe erfttllen, seinem hohen Ziele zur Ehre des deutschen 
Namens immer naher kommen kann. 



Schleswig-Holsteinlsche Bauernhausmuseen. 

(Schlufs aus Nr. 7.) 



Es wttrde den Rahmen dieses Aufsatzes tiberschreiten, auch 
die ttbrigen kleineren Museen des Landes, die Sammlungen der 
Kreisverbande in Hadersleben, der Stadt Schleswig, der Insel 
Fehmarn zu Burg auf Fehmarn usw. einzeln zu schildern. Es 
seien daher nachfolgend nur noch die gr&fseren Sammlungen des 
Landes besprochen, zunachst die des HamburgerKunstgewerbe- 
museums, das zwar an der Grenze des Landes in der Hanse- 
stadt belegen ist, aber einen grofsen Theil seiner Schatze aus 
Schleswig - Holstein bezogen hat. Der verdienstvolle Vorsteher 
dieser Anstalt, Prof. Dr. Justus Br in ckmann, blickte am 12. Fe- 
bruar d. J. auf eine 25jahrige Amtsthfttigkeit zurttck. Schon seit 
Jahrzehnten hat er auf die Sammlung volksthttmlicher Kunst- 
arbeiten Schleswig-Holsteins sein Augenmerk gelenkt und sich 
um deren Sichtung und Werthschatzung verdient gemacht. In 
seinem Ftthrer durch das Hamburger Museum ftir Kunst und Ge- 
werbe ist der Schilderung der Kerbschnittarbeiten, der Schnitz- 
arbeiten, der verschiedensten Gewebe von dem einfachsten Knttpf- 
arbeiten bis zu den kunstvoll gezeichneten Beiderwandgeweben, 



der Fayencen, Metallarbeiten usw. ein weiter Raum gewidmet. 
Vor all em nahm Brinckmann darauf Bedacht, der Beziehung des 
Kunstwerkes zum Gebrauch und zum taglichen Leben des Volkes 
nachzuspttren und es ist ihm gelungen, nach dieser Richtung 
wichtige Fingerzeige zu geben. Der Aufstellung einer grSfseren 
Anzahl vollstandiger Bauernstuben standen die beschrankten Raum- 
verhaltnisse des Museums und der Umstand entgegen, dafs die fur 
die Grofsstadt Hamburg bestimmten Sammlungen auf alien Ge- 
bieten der Kunstarbeit Vorbildliches und Lehrreiches umfassen 
sollten und sich daher nicht auf die heimathliche Kunstweise be- 
schranken konnten. So hat Dr. Brinckmann nur ein besonderes 
Beispiel holsteinischer Kunst, das aus dem Jahre 1744 stammende 
Wilstermarschzimmer des Joachim Krey aus Klein- Wisch seinen 
Sammlungen einverleibt. Die durch eine photographische Wieder- 
gabe in den Blattern fttr Arch. u. Kunsthandwerk Jahrg. XHI, 
Bl. 110 weiteren Kreisen bekannt gewordene Arbeit zeichnet sich 
durch die fttr die Wilstermarsch charakteristische und wohl von 
Hamburg beeinflufste Durchbildung der Wandtafelung und der 



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Nr. 8. 



Die Denkmalpflege. 



61 



Durchguckttffnung zwischen Diele und Stube aus und durch sonstige 
an Rokokoschntfrkel erinnernde Schnitzwerke der Sttthle, des Ofen- 
hecks, des Hangeschrankes und anderen Hausraths. In diesem 
Raum ist auch der unweit Margarethenhof aufgefundene Pelikan 
aufgehangt. Unter der Decke mit seinen ausgebreiteten bunten 
Flttgeln schwebend, konnte er wohl zunachst ftir einen grofsen 
Schtttzenvogel gehalten werden. Erst durch weitere Nachfragen 
wurde von Brinckmann festgestellt, dafs es sich hier um einen 



Abb. 6. Propsteier Stube, jetzt im Altonaer Museum* 



alten Brauch handelt, nach welchem tiber der Wiege des Kindes 
einJPelikan als^das Wahrzeichen der Mutterliebe aufgehangt wurde. 

In neuester Zeit ist nun das stadtische Museum zu A It on a in 
die Fufstapfen seiner alteren benachbarten Sch wester anstalt ge- 
treten. Hier hatte sich von vorn herein die Nothwendigkeit her- 
ausgebildet, bei den Sammlungen die culturhistorische Entwick- 
lung der schles wig-hoist einischen Lande in den Vordergrund zu 
stellen und, da diese Entwicklung in den einzelnen Landschaften 
verschiedene Wege gegangen war, die Stammesunterschiede und 
die landschaftliche Eigenart fttr die Zusammengehtfrigkeit der 
Sammlungsstticke mafsgebend sein zu lassen. Es wurde vom Unter. 
zeichneten in der Besprechung des Neubaues des Museums (Zeit. 
schrift fttr Bauwesen 1902 S. 31-36) schon geschildert und durch 
Abbildungen erlautert, wie die nach einheitlichem Mafsstabe ge- 
arbeiteten Modelle von Bauernhausern, die Gruppen von Bauern- 
trachten und eine ganze Anzahl von Bauernstuben ein Bild der 
Sitten, Gebrauche und Kunstarbeiten der einzelnen Landschaften 
geben. Eine genauere Beschreibung der culturhistorischen Ab- 
theilung des Museums liefert die Festschrift zur Ertfffnung des 
Hauses in dem Aufsatze des Director Dr. Lehmann. Besondere 
Beachtung verdient es, dafs, soviel dies6eit bekannt, hier zum 
ersten Male der besonderen Bauart der alten Fischerhauser von 
Blankenese und deren Verwandtschaft mit Helgolander Hausern 
nachgespttrt ist. Es handelt sich um Zwillingshauser mit einer 
gemeinschaftlichen Hausdiele, die als Kttche dient, und an- 
schliefsender geraumiger, ebenfalls ftir zwei Familien gemein- 
schaftlicher Querdiele, welche ftir das Flicken der Netze sowie 
andere Hantirung der Fischerei geeignet eingerichtet ist. Daneben 
sind getrennte Wohnzimmer und im ersten Stock je ein Ober- 
zimmer, Saal, ftir jede der beiden Familien eingerichtet. So unter- 
scheidet sich das Blankeneser Fischerhaus im ganzen Aufbau in 
bestimmter Weise von den mehr breit gelagerten benachbarten 
Bauernhausern, und auch die innere Einrichtung ist genau ent- 
sprechend dem Berufe des Besitzers geeignet fttr den Betrieb von 
Schiffahrt und Fischerei ausgebildet. 

Das in Abb. 6 dargestellte Propsteierzimmer des Altonaer 
Museums ist ein Beispiel der Volkskunst aus dem Ende des acht- 



zehnten Jahrhunderts aus einem gleichfalls eigenartig entwickelten 
Landchen, der Propstei, das einst der Herrschaft des Klosters 
Preetz unterstanden hatte. Wandgetafel und Decke sind in 
schlichter aber wirkungsvoller Weise durchgeftthrt. Die Schnitzerei 
ist auf ein Paar vertieft gearbeitete herzftfrmige Zeichnungen der 
Thtirfttllungen beschrankt. Durchguckitffnungen und Wandschranke 
unterbrechen auch hier die Wande. Die Lehnsttthle mit den binsen- 
geflochtenen Sitzen, dem Kissenbelag, den Seitenbacken an den 

hohen Lehnen und den ge- 
schwungenen Armlehnen sind in 
ihren einfachenFormen geradezu 
mustergtiltig fttr die Benutzung 
gearbeitet und wttrden auch fttr 
die Bedttrfnisse der Jetztzeit 
durchaus brauchbar sein. 

Die rtthmenswerthe Arbeit, 
welche das stadtische Museum 
in Flensburg unter der sach- 
verstandigen Leitung seines ver- 
dienten Grtinders und Vor- 
stehers Heinrich Sauermann 
fttr die Erhaltung und Sammlung 
der alten Kunstarbeiten nament- 
lich im Norden der Provinz, 
in dem einstigen Herzogthum 
Schleswig und an der friesischen 
Westkttste bisher geleistet hat, 
ist in dem Aufsatz Centralblatt 
der Bauverwaltung 1896 Nr. 18 
u. 20 in eingehender Weise ge- 
schildert worden. Namentlich 
ist auf die reiche Sammlung von 
mittelalterlichen profanen M5- 
' beln hingewiesen worden, wie 
sie in gleicher Menge wohl kein 
anderes norddeutsches Museum 
aufweisen kann. Ebenso wurde 
auf das gedeihliche Zusammen- 
wirken des Museums und der 
unter gemeinschaftlicher Lei- 
tung arbeitenden Schnitzschule 
aufmerksam gemacht. Inzwi- 
schen ist ein wenn auch nur 
geringer Theil der Sammlungsstticke, namentlich solcher, die aus 
Bauernhausern stammen, in Meibergs Werke: „Das Bauernhaus 
im Herzogthum Schleswig" zeichnerisch wiedergegeben worden, 
Immerhin wird ftir die Sammlungen eine richtige Wttrdigung. 
Sichtung und Nutzbarmachung erst gewonnen werden, wenn sie 
in dem z. Z. in Ausftihrung begriff enen Museumsbau in angemessener 
Weise aufgestellt und zuganglich gemacht sein werden. Es sind 
hierbei bereits Vorkehrungen getroffen, ebenfalls eine ganze Reihe 
vollstandiger Wohnungseinrichtungen zusammenzustellen , so ein 
nordschleswiger Zimmer, mehrere Bauernstuben von der friesischen 
Ktiste und den Nordseeinseln, aus Stapelholm, Dithmarschen und 
schliefslich aus der Wilstermarsch. Da aufser den bauerlichen 
Zimmereinrichtungen auch ein bttrgerliches Wohnzimmer aus 
Friedrichstadt und eine Diele aus einem Schleswiger Herrenhause 
im neuen Museum Aufnahme finden werden, wird es moglich sein, 
Vergleiche zwischen den bauerlichen und stadtischen Wohnungs- 
einrichtungen derselben Zeit und derselben Landschaften zu Ziehen. 
Hiernach ist kein Zweifel, dafs mit der Ende dieses Jahres zu er- 
reichenden Fertigstellung und Erttffnung des Flensburger Museums 
ein weiterer grofser Fortschritt auf dem Wege zur Erhaltung und Er- 
forschung der alten Volkskunst Schleswig-Holsteins gewonnen wird. 
DasThaulow-Museum in Kiel ist aus den Privatsammlungen 
des Grtinders Thaulow hervorgegangen. Sein Sammlungsgebiet er- 
streckt sich auf alle Theile der ausgedehnten Provinz und zwar 
auf profane und kirchliche Arbeiten. Bei der Auswahl der ge- 
sammelten Kunstarbeiten war weniger dieAbsicht mafsgebend ge- 
wesen, fttr die Beziehungen des Lebens des Volkes zur Kunstarbeit 
und die Entwicklung der letzteren in den Sondergebieten Unter- 
lagen zu gewinnen. Vielmehr hatte man mehr darauf Bedacht ge- 
nommen, recht viele reich gearbeitete Stticke zu sammeln. Erst 
nach Uebergang des Museums in die Verwaltung der Provincial- 
behorde bemtthte sich der derzeitige Leiter der Anstalt Universitats- 
Professor Dr. Mathaei, das Gesammelte zu sichten und nach den 
einzelnen Entwicklungsstufen und Culturabschnitten ttbersichtlicher 
und lehrreicher zu gestalten. Fttr eine weitergehende Durch- 
ftthrung dieser Gesichtspunkte ware jedoch entweder eine Be- 
schrankung des Arbeitsfeldes oder eine wesentliche Erweiterung 



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62 



Die Denkmalpflege. 



18. Juni 1902. 



der Museumsgebaude und der sonstigen Einrichtungen der Anstalt 
erforderlich. Immerhin umfassen die Sammlungen auch schon 
jetzt recht werthvolle Stticke alter schleswig-holsteinischer Volks- 
kunst. Als besonders riihmenswerth mnfs es audi hervorgehoben 
werden, dafs eines der besten Bilder des Halb'gmalers Alberts, die 
Darstellung des Kttnigpesels der Hallig Hooge hier im Thaulow- 
rauseum eine Heimstatte gefunden hat und so die eigenartige 
Durchbildung einer Friesenstube wenigstens im Bilde festgehalten ist. 
Wenn man vom Schleswig-holsteinischen Bauernhausmuseum 
spricht, darf man die danischen Museen in Kopenhagen, namentlich 
das Vo Iks museum des Directors Be rnhard 01 sen daselbst nicht 
aufser acht lassen. In letzterem war schon bei der ersten Anlage 
darauf Bedacht genommen, in einzelnen Zimmereinrichtungen ein 
abgeschlossenes Bild der Cultur bestimmter Landschaften zu 
geben. So war Holstein durch ein Wilstermarschzimmer aus 
Urendorf vertreten, Siidschweden durch Bauemstuben aus Schon en 
und den Nachbarlandschaften, Danemark selbst durch Zimmer aus 
Aalborg in Jutland und Amager bei Kopenhagen. Ftir die Neu- 
erwerbungen an altem Hausrath boten diese Raume auf die Dauer 
aber keinen Platz und so entstand nach dem Vorbilde der skandi- 
navischen Freiluftmuseen zuniichst im Rosenborgpark innerhalb 
der Stadt ein aus zwei sttdschwedischen vollstandig iiberfiihrten 
Bauernhauschen bestehendes kleines Museum. Dem folgte in aller- 
jungster Zeit die in landlicher Umgebung bei Kongens Lyngby 
zwischen Kopenhagen und Hillerod ins Leben gerufene Erweiterung 
des danischen Volksmuseum. Hier will Olsen eine ganze Reihe 
Bauernhiluser aus alien Landschaften der eheraals danischen und 
rait Danemark verbunden gewesenen Gebiete zur Aufstellung 
bringen. Abb. 7 gibt das Gelande nebst den bereits errichteten 
Gebauden wieder. Mit eiuem sttdschwedischen Zwillingshofe und 
einem Schwesterhause des Ostenfelder Heldtschen Hauses aus dem 
Schleswigschen ist der Anfang gemacht worden. Ein nordschleswiger 
aus Bohlwerk errichteter Hof aus der Uragegend von Hadersleben 
soil demnachst folgen. So wird nach einigen Jahren dicht bei der 
Grofsstadt Kopenhagen eine vollstandige Samralung von Bauern- 
hausern der verschiedensten nordischen Landschaften zu schauen 
sein. Es wird daselbst dem Grofstiidter vor die Augen gefuhrt 
werden, wie die landlichen Bauten unbehindert durch die Enge 
des stadtischen Zwanges sich aus dem Bedurfnifs des landlichen 
Gewerbes unter stetiger Mitwirkung ganzer Geschlechter der 
landlichen Bevftlkerung entwickelten und mit den einfachsten zur 
Verftlgung stehenden heimischen Baustoffen hergestellt wurden. 

Es ist nun Pflicht der Jetztzeit, nicht nur die Zeugen alter 
Volkskunst zu sarameln, zu erhalten, zu sichten und hochzuschatzen, 
sondern auch an dem Wiedererstehen einer neuen heimathlichen 



Kunst, die von gleichem Geiste getragen ist, zu arbeiten. J 
Schleswig-Holstein sind ja die ailerersten Anfange einer solely 
Neuarbeit zu spuren, und gerade an die beschriebenen Batiemhau* 
museen in Meldorf, Husum, Flensburg, Kiel, Hamburg knupfa 
diese Bestrebungen zur Wiedererweckung und Weiterentwickliiag 
eines gesunden heimathlichen Kunst schaff ens an. Wenn diese ^ 
regungen weitere Frttchte tragen sollen, mtissen wir aber vor alleaj I 
auch der landlichen Bevdlkerung das Bewufstsein einimpfen, dab 
gleich wie die sonstige Nachahmung stadtischer Sitte vom \\\^ 1 
ist, es auch falsch ware, auf dem Lande nach stadtischer Weise a | 




Abb. 7. Lageplan des Freiluft- 
museums des Danischen Volks- 
muscums bei Kongens Lyngby. 



Sorganfri Skov. 



bauen und zu bilden. Vielraehr thut es noth, Kleinmeister wj.1 
Bauhandwerker zu schulen, die des Volkes Sitte und Sprache »•«■• 
stehen und nach dieser bauen, bilden und schaffen. Es wird laa^e 
wiihren, bis eine Saat solcher Art geeigneten Boden finden wi 
urn zu wachsen und zu reifen. Es mehren sich aber die Anzeicki 
dafs diese Bestrebungen auch jetzt schon auf nicht ganzaaM- 
bar en Boden fallen. 

Schleswig, im Febr. 1902. . C.Mhlke. 





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Das Judenbad in Friedberg,*) ein aufserst bemerkenswerthes 
Tiefbauwerk aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, befindet sich in 
der Judengasse im Hofe eines kleinen Hauschens. Es diente fttr 
die vom mosaischen Gesetz vorgeschriebenen 
Waschungen. Urkundlich wird es zuerst erwahnt 
im Jahre 1350, als Ulrich von Hanau den Burger- 
meistern, „Scheffen und Rad und gemeiner Stadt 
zu Friedberg", die Judenschule, das Judenbad, 
alle Judenhauser und „Hobestede" fiir eine be- 
stimrate Summe Geldes verkaufte. Da die Gliede- 
rungen und Ornamente an den Architekturtheilen 
desBauwerkes auffallend tibereinstimmen mit den- 
jenigen im Chor der ehemaligen Liebfrauenkirche 
in Friedberg, der jetzigen Stadtkirche (vergl. 
S. 2 Jahrg. 1902 d. Bl.), da auch die Construc- 
tion der ganzen Anlage, die spitzbogigen Nischen, 
das kleine Portal frtlhgotliischen Charakter 
tragen (vergl. Abb. 1, 2, 4 u. 5), da ferner das Quaderwerk und die son- 
stigen Sandsteinwerke aus dem gleichen Baustoff hergestellt sind, 
aus dem die Liebfrauenkirche erbaut wurde, namlich aus Bellmuther 
Sandstein (Kreis Btidingen), so wird man nicht fehlgehen, wenn 
man die Erbauung des Judenbades in die Zeit um 1260 verlegt. 
Einen weiteren Beweis luerfttr bilden einige Steinraetzzeichen 
(Abb. 7), die heute noch am Judenbad vorhanden sind. Sie 
sind gleich mit denjenigen am Chor der Stadtkirche. Es ist daher 
unerfindlich, warura man das Judenbad das Rftmerbad nannte und 
noch^nennt. Heute noch befindet sich auf einem Schilde die doch 
nur den Laien irrefiihrende Bezeichnung: „Zum Romerbad". 
Uebrigens hat Professor Dr. Dieffenbach schon 1856 die richtige 



Das Judenbad in Friedberg in Oberhessen, 

Entstehungszeit und den Zweck des Judenbades erkannt. Der 
Bau selbst theilt sich in zwei Haupttheile, in den VortwppenbiQ 
und in das Badehaus. Die Vortreppe ist tiberwolbt und m 



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Abb. 1. Wand- 
console. 




Abb. 2. 
Eckdienst. 



Abb. 3. 



Untere Siiule und CapitelL 
Laubwerk. 




;!: ) Vergl. hierzu die VerOffentlichung ilber das Judenbad in 
Speier im Centralblatt der Bauverwaltung 1885, S. 14. 



durch die Thtir D zunachst bis zu einer Tiefe von 4,85 m 1 1 ^ 
Abb. 5 und 6). Hat man diese erreicht, so gelangt man an i .^ 
kleine f rllhgothische Portal A( Abb.4 ) auf ein Podest, von dem aer 



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Nr. 8. 



Die Denkmalpflege. 



63 



Bau, das eigentliche Bad, betreten wird. In frttheren Zeiten hatte die 
Vortreppe wahrscheinlich einen Aufbau, etwa in der Weise, wie 
er in der Abb. 5 dargestellt ist. Das Portal D ist noch vorhanden. 
Links vora Eingang am Portal A befindet sich in der Richtung 
nach dem Strafsenzuge bei G ein Einbau, der wahrscheinlich zu 
einem Ankleideraum fiihrte, der jetzt verschiittet ist. Vora ersten 



siiulen haben Kelchcapitelle, die ohne Ausnahme mit Laubwerk ver- 
ziert sind (Abb. 3). Ueber den Capitellen liegen Plat ten, die sich aus 
Profilen mit sehr scharf geschnittenen gothischen Schragen und 
noch romanisch gehaltenen Hohlkehlen und Wulsten zusainmen- 
setzen (vergl. Lettnersaule in der Stadtkircho). Die Basen haben 
dieselben Profile wie die Dienste im Chor der Stadtkirche. Pro- 
fessor Adamy, der anscheinend nach einer im Auftrage des Hessi- 
;hen Vereins in Darmstadt im Jahre 1856 hergestellten Aufnahme 
as Judenbad in den „Kunstdenkmalern im Grofsherzogthum 
[essen a beschrieben hat, behauptet, dafs am kleinen Portal ein 
irnstab vorhanden sei. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die 
linzelzeichnungen dieses zierlichen Werkes, welche dem Berichte 
cigegeben sind, zeigen das richtige Profil, wie es in Abbildung 4 
argestellt ist. Durch den offenen Schlufsstein im GewOlbe des 
[auptbaues, der eine lichte Weite von 1,20 m aufweist, wird das 
nnere des Bades in spiirlicher Weise beleuchtet. Der mittlere 
V : armegrad des Wassers betragt 6° R. Uebrigens steigt und fallt 
as Wasser im Bade; im Juni 1900 hatte es eine Tiefe von 1,55 m, 
n Januar 1901 eine solche von 4,37 m; es stand mithin bis zum 
weituntersten Podeste. 

Da die ganze Anlage durch die von oben eindringende Feuch- 
igkeit sehr gelitten hat, auch 'das Quaderwerk und die Saulen 
ehr beschadigt sind, so soil die Wiederherstellung des Bades nun- 
nehr zum grofsten Theil auf Kosten der Grofsherzoglichen Re- 
fierung in Darmstadt und unter Aufsicht des Herrn Geh. Ober- 
>aurath Professor Hofmann und des Grofsherzoglichen Kreisamtes 
n Friedberg durch den Unterzeichneten begonnen werden. Es sei 
loch mitgetheilt, dafs auf Anregung von Seiten des Begrllnders 
Icr Gesellschaft zur Erf orsc hung jiidischer Kunstdenkmaler, des 
ierrn Director Frauberger in Diisseldorf, der Verein einen grofseren 
ieitrag fiir die Wiederherstellung des Judenbades gezeichnet hat, 
vodurch es mOglich wurde, dafs die Wiederherstellung sofort be- 
gonnen werden kann. 

Friedberg, April 1902. Hubert Kratz, Architekt, 



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fc Abb. 5. Querschnitt B-C. 



Abb. 6. Grundrifs in H8he E-F. 



; >— c /=s<s^vp^H 



0. 



9. 10. 



Abb. 



1. 2. 3. 4. 5. 

7. Steinmetzzeichen am Judenbad in Friedberg in Hessen. 
(1— (5 befindet sich auch am Chor der Stadtkirche daselbst.) 

Podest aus gelangt man mittels einer geraumigen vierarmigen 
Treppenanlage, die in mittelalterlicher Weise gediegen ausgebildet 
ist, in einer Tiefe von rund 25 m auf den Grund des eigentlichen 
Baderaums. Eine kleine Plattform ist unten vor dem Wasserbecken 
vorgesehen. Alle aus Bellmuther Sandstein hergestellten Rund- 



Verinischtes, 

Zum Provincial -Conservator der Kunstdenkuialer ftir Ost- 
preufsen ist ktirzlich Regierungs-Baumeister Dethlefsen er- 
nannt worden, zum Bezirks-Conservator des Bezirksverbandes des 
Regierungsbezirks Cassel Professor Dr. v. Drach, Lehrer 
an der Universitat Marburg. Ersterer ist zur Denkmalpflege durch 
lie mit Eifer und Hingebung erfolgte Wiederherstellung der Kirche 
in Zielenzig in der Neuinark noch kilrzlich in Bezieliung getreten 
(vergl. Nr. 3 u. 4 dieses Blattes). Er hat dabei gezeigt, dafs ihm 
auch die in West preuf sen heimischen Backsteinformen nicht fremd 
sind. — Ein noch junger Mann und selbst als Bauktlnstler thUtig, 
wird er bei Ausubung seines neuen Amtes sich klar daruber sein 
miissen, dafs seine neue Aufgabe sich von der Arbeit des schaffen- 
ilen Kiinstlers nicht unwesentlich unterscheidet. Erhalten, nicht 
VViederherstellen, ist Ziel eines rechten Conservators. Auch bei 
unumganglichen Erneuerungsarbeiten wird hierdurch der Punkt 
bestimmt, bis zu welchem Eiugriffe in den Bestand zu dulden sind. 
Herr Dr. v. Drach bringt ftir seine neue Stellung den unschiitz- 
baren Vorzug mit, seit langcm in Hessens Kunstschatzen, insbe- 
sondere denen der Kleinkunst, heimisch zu sein. Seine Veroffent- 
lichungen „Urkundliche Nachrichten ttber Kunstgegenstilnde aus 
ahem Landgraflich Hessischen Besitz" — „Der Hessische Will- 
komm, ein Prachtpokal von 1571 im Schlofs zu Dessau" — „Die 
Globusuhr Wilhelm IV. von Hessen" — legen hierflir riihmliches 
Zeugnifs ab. Der Architektur ist er durch seine anziehende Ab- 
hanTilung liber „Das Hfittengelieimnifs vom Gerechten Steinmetzen 
(Jrund" naher getreten*) allerdings mehr als Mathematiker, seiner 
urspriinglichen Lehrthatigkeit entsprechend. Jedoch zeigt das 
Motto, welches er dem zweiten Capitel des Heftes voranstellt: 
r Wahre Kunst lafst sich nicht machen nach Regeln, weder in der 
Musik, noch in der Poesie, noch in der Architektur. Sie setzt aber 
ein Erkennen der grofsen einfachen Gesetze voraus" — , dafs er den 
Werth der in seiner Abhandlung behandelten Theorieen fiir kiinst- 
lerische Bethatigung nicht uberschatzt, Fiir die Austibung des 
Amtes eines Conservators sind aufser kunstgeschichtlichen Vor- 
kenntnissen noch kunstlerische und bautechnische Eigenschaften 
erforderlich , auch praktische Erfalirung auf dem Bauplatze 
und in den W r erkstatten der Kunst ler und Kunsthandwerker. In 
richtiger Erkeuntnifs dieser Sachlage hat sich Herr v. Drach 
beim Bezirksverbande der Htilfe eines Mitarbeiters versichert, 
welcher erganzend dort eingreifen kann, wo er selbst der Aufgabe 
ferner steht. Bl. 

*) Vgl. Centralblatt der Bauverwaltung 1S97, S. 192. 



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64 



Die Denkmalpflege. 



18. Juni 1902. 



Die Einweihnng des Hochschlosses der Marienburg, deren 
Wiederherstellung nun bereits seit 20 Jahren dem Geheimen Bau- 
rath Dr. Steinbrecht anvertraut ist, erfolgte am 5. Juni d. J. in 
feierlichster Weise durch den Deutschen Kaiser. 

Ueber die Bauarbeiten auf der Marienburg ist im Centralblatte 
der Bauverwaltung Jahrgang 1882, S. 9 und 19, Jahrgang 1885, 
S. 377, 389 und 397 und Jahrgang 1896, S. 397, 405 und 411 berichtet 
worden. Die Einweihungsfeierlichkeiten sind S. 273 Jahrgang 1902 
des Centralblattes der Bauverwaltung unter Beigabe von Abbildungen 
geschildert; danach wurde im Mai 1882 mit den Herstellungsarbeiten 
am Hochschlofs, anfangs zaghaft, mehr aufklarend als schaffend, be- 
gonnen. Seit 1886 ist in ununterbrochenem Betrieb mit reichlichen 
Mitteln gearbeitet worden. 1894 wurden die Hauptsale des Hoch- 
schlosses schon gelegentlich der KaisermantWer benutzt, 1896 galten 
die Bauarbeiten als abgeschlossen. Die Beschaffung der Ausstat- 
tung, bei denen die h&chsten; Anforderungen in ktinstlerischer 
und altgetreuer Ausftihrung gestellt wurden, zog sich alsdann noch 
fttnf Jahre, bis jetzt, hin. Leider ist schon fttr das laufende Rech- 
nungsjahr eine Verminderung der staatlichen Mittel fttr den weiteren 
Ausbau zu verzeichnen; sie werden bei der knappen Finanzlage des 
Staates auch fttr die nachste Zeit keine Erh&hung erfahren kflnnen. 

Der Ausschufs znr Erhaltnng nnd Pflege des Magdebnrger 
Stadtblldes theilt durch seinen Vorsitzenden, Baurath Ochs, mit, 
dafs Abzttge der vom genannten Ausschufs an das preufsische 
Abgeordnetenhaus gesandten Bittschrift (vergl. S. 55 d. J.) fttr 
Freunde der Denkmalpflege noch zur Verfttgung stehen. 

Bei der Wiederherstellung des Innern der Marienklrche in 
Flensburg ist das Geschick der alten Frescomalereien bitter zu be- 
klagen. Auf Veranlassung des Kirchenvorstandes hatte der Maler 
Wilkens aus Dresden an den Wanden und GewOlben eine reiche 
Fttlle zum Theil vorzttgUcher ornamentaler und figiirlicher Malereien 
aus guter gothischer Zeit freigelegt. Indes, wie leider so oft, ver- 
sagte der Gemeindekirchenrath diesen werthvollen Funden gegen- 
tiber vollstandig. Die Weiterarbeit wurde Wilkens entzogen und 
die Ausstattung einem ortsangesessenen Decorationsmaler tiber- 
tragen. Damit war dem erst neu gewonnenen Reichthum das Ur- 
theil gesprochen. Von einem Vertiefen in die Aufgabe, von der 
den alten Wandgemalden gegentiber allein richtigen Beschrankung 
auf das ganz unbedingt Nothwendige war nun nicht mehr die 
Rede. Eine Woge modernster schablonenhafter Malerjournalgothik 
ergofs sich gleichmafsig tiber das ganze Innere der Kirche, kein 
Profil, keine Flache, keine alte Form und Farbe schonend. Die 
erst mit Mtthe freigelegten alten Arbeiten wurden kurzer Hand 
tiberstrichen und somit vernichtet. Die figurlichen Darstellungen 
auf den Seitenschiffsgewttlben, das einzige, was ttberhaupt Gnade 
fand vor dem Ueberarbeiter, wurde deckend tibermalt, sodafs die 
ganze Ursprtinglichkeit in Linie und Frische nur allzu grttndlich 
zerstflrt wurde. Auch den letzten Rest kostbarer mittelalterlicher 
Kunst hat das so oft schon mifshandelte Gotteshaus jetzt noch ver- 
loren. — Die Gef ahr, welcher hier ein gutes Werk erlegen ist, besteht 
leider und trotz aller eifrigen staatlichen und provinciellen Fttr- 
sorge in derselben Schwere auch fttr so viele andere, und gerade 
unserer besten Baudenkmaler. Auch die treueste Arbeit der Pfleger 
scheitert nur zu oft daran, dafs kein gesetzlicher Schutz und aus- 
reichende Mittel vorhanden sind, auch in Fallen, wie hier, wo 
keine Bedttrftigkeit oder Abhangigkeit vom Patronat vorlagen. 
Das fttr den Laien oft allein ausschlaggebende Mittel des Zuschusses 
von barem Geld, das dem Gutachten der Sachverstandigen gleich 
beizufttgen ist, hat auch hier gefehlt. Unser Land ist aber nicht 
reich genug an guten, alten Werken, als dafs es den seinen Bau- 
denkmalern drohenden Gefahren immer noch ruhig zuschauen 
kOnnte. Abhulfe thut dringend noth. R. Dethlefsen. 

Die Wiederherstellung des Innern der Ignazkirche in Mainz. 

Die Wiederherstellung dieser hervorragend schOnen Raum- 
schflpfung des kurfttrstlichen Bauraths Johann Peter Jager, 
welche im Jahre 1866 durch eine dem Stilcharakter der Erbauungs- 
zeit vOUig zuwiderlaufende graue Tttnche den denkbar empfind- 
lichsten Schaden erlitten hatte, ist bereits vor Jahren ins Auge 
gefafst worden (vergl. Denkmalpflege Jahrg. 1899 S. 130). Nun- 
mehr haben die Arbeiten begonnen. Abgesehen von der all- 
gemeinen Farbung des Innern, fttr die sich wohl noch Anhalts- 
punkte des alten Bestandes als mafsgebend herbeiziehen lassen, 
erscheint als die ktinstlerisch bedeutendste Aufgabe die Wieder- 
herstellung der Deckenbilder. Dieselben galten bisher als Arbeiten 
eines der hervorragendsten Frescomaler des 18. Jahrhunderts, des 
(seit 1764) kurtrierischen Hofmalers Januarius Zick, und es lag 
nahe, aus ftrtlichen Grttnden mehr noch als aus stilistischen an 
dessen llrheberschaft zu denken. Bei der Untersuchung des Zu- 
standes der Fresken ergab sich jedoch die Unrichtigkeit dieser 



Annahme durch die Entdeckung einer Inschrift an dem GemSldt 
der Ueberftihrung der Gebeine des hi. Ignatius in die St. Clemens- 
kirche nach Rom, welche lautet: J. Enderle pin. 1774. Die Enderle 
waren eine Malerfamilie aus Schwaben und wie es scheint auch 
hauptsachlich in Schwaben thatig, so in AUerheiligen bei JettingeiL 
in Gttnzburg, in Krumbach bei Gttnzburg und in UnteiTammingeii 
bei Ttirkheim u. a. O. Fttr die St. Ignatius-Kirche in Mainz kamen 
nach der Inschrift Johann oder Johann Bapt. Enderle, die beide 
in Allerheiligen gemalt haben, in denen wir aber mftglicherweu* 
nur eine Person zu erblicken haben, in Betracht. Ein Joh. Bapt 
Enderle war nach Nagler und Lipowsky in DonauwOrth als Maler 
thatig. Es wird schwer sein, nach dem heutigen Zustande der 
Deckenbilder in Mainz durch Stilvergleichung allein ein bestimmtei 
Urtheil ttber den Zusammenhang mit anderen Arbeiten des JoL 
Bapt. Enderle fallen zu kftnnen. Zweifellos aber zahlen die Fresken 
in der Ignatiuskirche in Mainz zu den besten Arbeiten der Rococo- 
malerei am Rhein und sie beanspruchen neben den Leistungen 
C. T. Schefflers, Nikolaus Stubers oder Januarius Zicks einen gleich 
hervorragenden Platz. Die Malereien behandeln das Leben und 
Martyrium des Patrons der Kirche in vier gr5fseren und einer An- 
zahl kleinerer Bilder, unter denen als das raumlich und maleriscb 
bedeutendste „St. Ignatius in der Arena zu Rom* mit einer prach- 
tigen LOwengruppe hervorragt. Der kttnstlerische Werth der 
Fresken, die inf olge chemischer Zersetzung, wohl aber auch infolge 
einer von vornherein nicht ganz gesunden Malweise in sehr schad- 
haftem Zustande sich befanden, sodafs sie stellenweise ganz ab- 
staubten, setzte die Wahl eines ktinstlerisch wie technisch gleici 
befahigten Malers voraus, der denn auch in der Person von Prot 
Waldemar Kolmsperger in Mttnchen gefunden wurde. Das 
Vertrauen, das man in ihn auf Grund seiner trefflichen Wieder- 
herstellungen alter Fresken namentlich in bayerischen Kirchen und 
mit Hinblick auf die ganz im Sinne des 18. Jahrhunderts ge- 
fertigten Neuschttpfungen der Kuppel der Pfarrkirche in Murnan 
und der Deckenbilder der Klosterkirche in Roggenburg gesetzt 
hat, rechtfertigt sich gewifs auch im vorliegenden Fall, und es ist 
mit Sicherheit zu erwarten, dafs die Bilder in einer ihrem ursprttng- 
lichen Zustande gleichen Wirkung wieder erstehen werden und 
dafs, soweit ein Neumalen nttthig sein wird, nichts von derEigen- 
art des alten Meisters verloren geht. So sind die Voraussetzungen 
fttr eine der Denkmalpflege entsprechende und die Bedeutung des 
Bauwerks . vOllig wttrdigende, sach- und fachgemafse Wieder- 
herstellung gegeben. Die Arbeiten werden sich auf ungefchr zwei 
Jahre erstrecken. E 

Ein Gesetzentwurf betreffend den Schutz der BufaJtiifrr 
in Oesterreich ist dem flsterreichischen Herrenhause auf Antra? 
des Freiherrn v. Helfert zugegangen. Der Entwuil tot im 
wesentlichen den Inhalt des bereits im Jahre 1898 eingetoacta 
Antrages, der alsdann auch im vorigen Jahre in theilweise w 
anderter Fassung dem Bsterreichischen Herrenhause vorgelegen 
hat. Der erste Paragraph besagt: „Baudenkmale, das ist Bauwerke 
Offentlichen, kirchlichen oder profanen Charakters oder Interesses. 
in was immer fttr einem Besitz sie sich befinden mflgen, stehen 
unter dem Schutze des Gesetzes, insofern nicht, nach dem Sprucbe 
der fttr solche Angelegenheiten berufenen BehOrde, die kttnstlerische 
oder geschichtliche Werthlosigkeit des Gegenstandes einen solcher, 
Schutz entbehrlich macht." Nach Paragraph 4 sollen Baudenkmaler 
womOglich erhalten bleiben. Es soil ohne Zustimmung der fftr ihre 
Erhaltung und Schonung zustandigen Beh5rde an ihnen keine ilir 
ursprtingliches Geprage verwischende oder schadigende Aenderung 
vorgenommen werden. Fttr die Baudenkmaler rein privaten UrspmnKs 
und Charakters wttnscht Herr v. Helfert in §7, dafs sie von den 
getroffenen Bestimmungen frei bleiben, es sei denn, a) dafs der Eigen- 
thttmer sie selbst, falls sie eine geschichtliche oder eine 
kttnstlerische Bedeutung besitzen, unter den Schutz des Gesetzes 
gestellt zu wissen verlangt, der ihnen sodann nach Zulafo 
der Umstande zu gewahren ist oder b) wenn bei Uebergang eines 
Offentlichen Denkmales in Privatbesitz seitens dieses letzteren die 
Verpflichtung tibernommen ist, das Bauwerk in aufrechtem Stande 
zu erhalten. Der Gesetzentwurf ist einem neungliedrigen Sonder- 
ausschusse zur Weiterberathung ttberwiesen worden. 

Inhalt: Zur Jubelfeier des GermaniBchen Museums in Nurnberg. — Schieswig- 
Holsteinische Bauemhausmuseen. (Schlufs.) — Daa Judenbad in Friedberg in 
Oberliessen. — Vermischtes: Ernennung von Provincial-Conservatoren <ltr 
Kunstdenkmttler — Einweihung der Marienburg. — Bittschrift des AuBsehuss* 
ftir Erhaltung des Magdeburger Stadtbildes. — Wiederherstellung der Mari?n- 
kirche in Flensburg. — Wiederherstellung der Ignaskirche in Mainz. — Ge*etx- 
entwurf ftir den Schutz der Denkmaler in Oesterreich. 



FUr die Schriftleitung verantwortlich : Friedr Schultze, Berlin. 
Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Qustav Schenck Sohn, Berlin 



Nr. 8. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schiiftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



05 



IV. Jahrgang. 

Nr. 9. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jiihrlich 16 Bogen. — Geschafts telle : W. Wilhelmstr. 90.— Bezugspreis 

einschl. Abtragen, dnrch Post- oder Streifbandzusendung oder ira Buchhandel jahrlich 8 Mark; ftlr das 

Ausland 8,50 Mark. Fur die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 16. Juli 
1902. 



[Alle Rechte vorbehalten.] 



Die Ban- und Kunstdenkmaler des Rheingaues. 




Abb. 1. Pfarrkirche in Lorch. Ansicht von Nordosten. 

Der allgemein anerkannte wissenschaftliche Werth des Denk- 
malerverzeichnisses fiir den Regierungsbezirk Wiesbaden von Lotz 
und Schneider 1 ) hat es nicht hindern ktfnnen, dafs mit der neuer- 
lichen lebhaften Entwicklung des Denkraalpflegewesens das Be- 
durfnifs nach einer Erganzung jenes ausgezeichneten Werkes ent- 
standen ist. Und zwar eine Erganzung in dem Sinne, dafs an 
Stelle der streng planmafsig geordneten, die Bediirfnisse der Einzel- 
forschung beriicksichtigenden Verzeichnung eine zusammenhangende, 
durch eine reiche Zahl eingestreuter Abbildungen anschaulich und 
mundgerecht gemachte Darstellung tritt, wie sie geeignet ist, das 
Interesse ftir die Ueberreste der heimischen Kunst in weite Kreise zu 
tragen. Diesem Bediirfnisse entsprechen die „Bau- und Kunstdenk- 
maler des Regierungsbezirks Wiesbaden" von FerdinandLuthmer, 
deren erster, den Rheingau umfassender Theil soeben erschienen ist. 2 ) 

Das Lotz-Schneidersche Inventar bildet selbstverstandlich die 
Grundlage des neuen Unternehmens. Doch hat derVerfasser audi 

1 ) Die Baudenkmaler im Regierungsbezirk Wiesbaden. Im 
Auftrage des Kttnigl. Ministeriums fllr geistliche, Unterrichts- u. 
Medicinal- Angelegenheiten bearbeitet von Prof. Dr. W. Lotz. Her- 
ausgegeben von Friedrich Schneider. Berlin 1880. Ernst u. Korn. 
XVII u. 567 S. in gr. 8°. Geh. Preis 10 jr. 

2 ) Die Bau- und Kunstdenkmaler des Regierungs- 
bezirks Wiesbaden. Herausgegeben von dem Bezirksverband 
des Regierungsbezirks Wiesbaden. I. Band. Die Bau- und Kunst- 
denkmaler des Rheingaues. Im Auftrage des Bezirksverbandes 
des Regierungsbezirks Wiesbaden bearbeitet von Ferdinand 
Luthmer. Frankfurt a. M. 1902. Heinrich Keller. VIII u. 240 S. 
in gr. 8° mit 225 zinkographischen Abbildungen im Text und auf 
Sondertafeln, sowie 4 Tafeln in Lichtdruck, 2 Tafeln in Farben- 
druck und 1 lithographirten Klapptafel. Cartonirt Preis 10 JC. 



den Denkmalern der decorativen Kunst eingehendere Aufmerk- 
samkeit geschenkt. Auch hat er die zeitliche Grenze bis zum Ende 
des 18. Jahrhunderts hinaufgeruckt. Den heute in Denkmalpflege- 
kreisen herrschenden Anschauungen ist hiermit allerdings noch nicht 
ganz entsprochen. Man ist in diesen Kreisen geneigt, jene Grenze 
soweit vorzurttcken, dafs auch aus den ersten drei Vierteln des 
vorigen Jahrhunderts wenigstens die bedeutenderen Kunstwerke 
in den Bereich der Denkmalpflege einbezogen werden. 

In einer allgemeinen Einleitung, deren Seiten kopfleistenartig 
mit den Wappen der im Rheingau ansassigen Grafen- und Adels- 
geschlechter geschmiickt sind, wird zunachst uber die geographischen 
und geologischen Verhaltnisse des Gaues berichtet. Die Art seiner 
Besiedelung und Bebauung wird besprochen, und tiber die Ge- 
schichte der Landschaft werden allgemeine Nachrichten gegeben. 
Von besonderem Interesse sind die Mittheilungen uber die alte, 
wehrhafte Umfriedigung des Gaues, das sogenannte „Gebiick' 4 , 
jenen riesenhaften lebenden Grenzzaun, der, aus dem verflochtenen 
Ge&st gekappter Hochwaldbaume gebildet und an seinen Durchbruch- 
stellen mit befestigten Thoren versehen, jahrhundertelang bestanden 
hat, bis er, im 30jahrigen Kriege stark zerstSrt, am Ende des 
18. Jahrhunderts dem Abbruche und der Ausrodung uberliefert wurde. 

Der Verfasser verbreitet sich weiter uber die Einwohnerschaft 
und deren gewerbliche Betriebe, unter denen seit altesten Zeiten 
der Weinbau obenan steht, liber die Adelsgeschlechter und die 
geistlichen Beziehungen der Landschaft und geht schliefslich mit 
Giner kurzen kunstgeschichtlichen Uebersicht zu dem eigentlichen 
Inhalte des Buches tiber. 

Wie schon angedeutet, ist dieser nicht, wie sonst wohl in den 
Verzeichnissen tiblich, derart gegliedert, dafs die Orte des Kreises 



Abb. 2. Altes Holzhaus am Schalbacher Thor in Kidrich. 



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66 



Die Denkmalpflege. 



16. Juli 1902. 



nach der Buchstabenfolge der Kreisstadt angereiht sind. Die 
Ortschaften, Burgen usw. des Gaues, dessen landschaftlicher 
Begriff sich tibrigens im wesentlichen mit dem des heutigen 
politischen Kreises deckt, sind vielmehr ihrer geographischen 
Lage nach gruppenweise in Capitel zusammengefafst, wodurch 
dem Leser abgerundete und anschauliche Bilder gegeben werden 
konnten. So bilden z. B. Lorch mit Ruine Noliing und Lorch- 
hausen, Geisenheim mit Johannisberg und den Klttstern Not- 
gottes und Marienthal, die Burgen des Wisperthales, Rttdes- 
heim mit Eibingen, Ehrenfels und dem Mausethurm zusammen- 
hangende Gruppen, deren Geschlossenheit die Ueber- 
sicht iiber die gegenseitigen Beziehungen nicht un- 
wesentlich erleichtert. Ftir die bequeme Auffindbarkeit 
der einzelnen Orte usw. ist dabei selbstverstaudlich durch 
ein sorgfaltiges Inhaltsverzeichnifs gesorgt. Willkommen 
gewesen ware noch eine Karte des Gaukreises. Vielleicht 
entschliefsen sich die Herausgeber dazu, beim Abschlusse 
ihres Gesamtwerkes eine solche beizugeben und sie alsDenk- 
malerkarte, d. h. durch entsprechende Bezeichnungen 



beschreibender Art; die Kritik tritt dem Zwecke des Denkiualer- 

werkes entsprechend zurtick. Die Abbildungen sind, von einigen 

Licht- und Farbendrucken abgesehen, theils Flachenatzungen nach 

Photographie, theils Zinkhochatzungen, denen zumeist Zeichnungen 

und Aufnahmen von der Hand Luthmers, zum kleinen Theile audi 

iiltere, facsimile wiedergegebene Darstellungen zu Grunde gelegt 

sind. Die Eigenschaft des Verfassers als austibender Kunstler lafst 

es natiirlich erscheinen, dafs gerade auf diesen Theil der Bear- 

beitung besondere Sorgfait verwandt worden ist. Der Leser erhalt 

Gelegenheit, sich an der Hand der dieser Anzeige beigedruckten 

Probebilder (Abb. 1 bis 7) iiber die Art und 

Gtite der Abbildungen-Ausstattung ein eige- 

nes Urtheil zu bilden. 

Dem vorliegenden Bande sollen in etwa 
zweijahrigen Zwischenraumen vier weitere 
Theile folgen, von deneu der erste den Ober- 
taunuskreis, die Kreise Usingen und Hochst 
und den Landkreis Frankfurt, der zweite 
den Kreis Limburg und den Unter- und 




Abb. 3. Thiirsturz im Hilchenhaus in Lorch. 



Abb. 4. Pfarrkirche in Kidrich. 
Gewolbeconsole im nordl. Seitenschiff. 



Abb. 5. Chorstulilwange aus der 
Pfarrkirche in Rudesheim. 



Abb. 6. Pfarrkirche in Hattenheim. 
Alte Thiir hinter dem Altar. 



(farbige Unterstreichung u. dgl.) so einzurichten, dafs man sich aus 
ihr leicht dariiber belehren kann, wo im Lande sich die Kunst- 
denkmaler der verschiedenen Zeitabschnitte vorfinden. 

Auf den Inhalt einzelner Capitel naher einzugehen, wtirde hier zu 
weit ftihren. Bemerkt sei im allgemeinen nur, dafs jedesmal einer 
kurzen, sondergeschichtlichenEinfiihrung dieBaudenkmaler mit ihrer 
Ausstattung derart angereiht sind, dafs die kirchlichen den profanen 
Bauten vorangehen. Ueber verschwundene Bauwerke werden kurze 
Mittheilungen gemacht. Der auf Grund sorgfaltiger Studien der archi- 
valischen Quellen undder einschlagigen Litteraturflttssiggeschriebene, 
sehr angenehm zu lesende Text ist im wesentlichen berichtender und 



Oberlahnkreis, der dritte den Kreis Biedenkopf, den Oberwester- 
wald- und Dillkreis, der vierte endlich den Kreis St. Goarshausen, 
den Unterwesterwald- und Untertaunuskreis, sowie den Stadt- und 
Landkreis Wiesbaden enthalt. Den Herausgebern ist aufrichtig 
zu wiinschen, dafs ihnen fiir die Durchfuhrung dieses Planes die 
frische Kraft, die der Bearbeiter des ersten Bandes trotz seiner 
schon vorgeruckt^n Jahre besitzt, ungeschwacht erhalten bleibt. 
Luthmer hat die richtige Art getroffen, mit seinem Buche, wie cr 
wunscht und hofft, die Freude an der Heimath und ihren Denk- 
malern in einem inOglichst weiten Leserkreise zu wecken und zu 
befestigen. Hd. 



Zur Lage des DenkmalschutzeH in Preufsen. II. 

Vom Geheimen Oberregierungsrath a. D. Polenz in Hirschberg i. Schl. 

(Fortsetzung aus Nr. 5 d. Jahrg.) 

Das Erbbaureeht und die Denkmalpflege. 



Weit mehr die grundsatzliche, als die drtliche Bedeutung der 
Sache war es, welche zur Durchfiihrung des unter I erorterten 
Rechtsstreites der Stadt Loewenberg, von der hier noch einige 
Ansichten Platz finden mogen (Abb. 1 bis 3), und zur Beleuchtung des- 
selben an dieser Stelle Anlafs gegeben hat. Die Rolle des Conser- 
vators ist zwar immer und iiberall zunachst eine vermittelnde ; 
wenn ihm aber Uebelwollen, Gleichgliltigkeit oder Eigennutz ent- 
gegentreten, so mufs er audi genau wissen, was auf dem Gebiet 



der Denkmalpflege Rechtens ist oder m. a. W. welcher Schutz der 
Denkmaler erzwingbar ist, es sei auf dem gerichtlichen oder auf 
dem Verwaltungswege. Und von diesem Gesichtspunkte aus bietet 
audi noch der Ausgang jenes Rechtsstreits — die Executions- 
Instanz — manches Bemerkenswerthe. 

Der Kaufer der Stadtmauer war wegen Nichtigkeit des Ver- 
aufserungsgeschafts zur Ruckgabe (Riickauflassuiig) des Erworbenen 
an die Stadt rechtskraftig verurtheilt. Aus hier nicht interessiren- 



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Nr. 9. 



Die Denkmalpflege. 



67 



den Grtinden wollte die Stadt ihm gleichwohl das Eigenthum der 
Mauer belassen, sich aber an letzterer ein dauerndes Erbbaurecht 
bestellen lassen, wohl in der Meinung, den Bestand der Mauer darait 
fttr die Zukunft gesichert zu haben. Die Aufsichts-Behttrde theilte 
diese Auffassung. Dem hat der Provincialconservator mit Recht 
und auch mit Erfolg widersprochen : „Die Stadtmauer scheidet mit 
ihrer Entlassung aus dem Eigenthum der Stadt auch aus dem 
8 50 Nr. 2 St.-O. 



Bannkreisedes- 



aus, und das an ihre Stelle tre- 



8 10 Abs. 1 Zust,-G. 
tende Erbbaurecht der Stadt tritt in jenen Bannkreis nicht ein, weil 
§ 50 Nr. 2 St.-0. 



§ 1€> 1 Zust.-Ges. 



' nur korperliche Sachen, nicht aber Rechte an 



Abb. 7. Pfarrkirche in Lorch. Thiir auf der Empore. 

einer fremden Sache schutzt, auch dann nicht, wenn diese letztere 
oder das daran eingeraumte dingliche Recht einen noch so be- 
sonderen wissenschaftlichen, geschichtlichen oder Kunstwerth haben. 
Wiihrend die Mauer, so lange sie der Stadt gehftrt, nicht ohne Zu- 
stimmung des Regierungs-Prasidenten — als des legalen Or- 
gans der staatlichen Denkmalpflege gegenttber den 
Communen — aus dem Eigenthum der Stadt herausgehen oder 
verandert werden kann, wiirden Veriiufserung und Veranderung 
des an ihre Stelle getretenen Erbbaurechts nur der Zustimmung 
des Bezirks-Ausschusses bediirfen, fiir (lessen Entschliefsungen aber 
ganz andere Gesichtspunkte mafsgebend sind als diejenigen, 
welche im § 50 Nr. 2 St.-O. dazu gefuhrt haben, die Entscheidung 
ausschliefslich in die Hand der Staatsbehftrde zu legen.* 

Man hat alsdann geglaubt, diese gesetzliche Rechtslage andern 
zu kOnnen durch Uebernahme einer vertraglichen Verpflichtung 
seitens der Stadt, das ihr gehftrige Erbbaurecht nicht ohne die 
Genehmigung des Regierungs-Prasidenten zu veraufsern oder zu 
verandern; aber auch das ist ein Irrweg. Denn der Regierungs- 
Prasident als solcher kann aus Vereinbarungen Dritter weder ein 
Privatklagerecht (auf Riickgabe des Veraufserten), noch eine aint- 
liche Genehmigungsf unction ttberkommen, wenn sie ihm niclit nach 
dem Gesetz ohnehin zusteht. Zudem kommt eine vertragsmafsige 
Ausschliefsung der Veraufserungsbefugnifs in ihrer Wirkung dem 
gesetzlichen Veraufserungs-Verbot nicht gleich, denn letzteres er- 
greift die Sache selbst und hebt die Gttltigkeit des VeriUifserungs- 
geschafts auf; die Verletzung blofser Vertragspflichten fiihrt nur 



zur Schadensklage und geeignetenfalls zu disciplinarischer Rtlge. 
Als Ergebnifs fttr die Denkmalpflege folgt: 

Der Eintausch eines Erbbaurechts an einem Baudenkmal 
seitens einer Commune (oder Kirche oder Stiftung) an Stelle des 
von ihr aufzugebenden Eigenthums bildet nach Lage der zeitigen 
Gesetzgebung keine Sicherheit daftir, dafs das Baudenkmal in der 
Hand der Commune (Kirche, Stiftung) verbleibt, und es ist daher 
einem solchen Geschaft immer zu widersprechen. 

Fttr die Denkmalpflege ist ttbrigens das Erbbaurecht noch in 
anderer Richtung beachtenswerth, und da es neuerdings wieder 
mehrfach auf der Bildfl&che erscheint, so mag demselben noch die 
nachfolgende Betrachtung gewidmet werden. 

Das Bttrgerliche Gesetzbuch hat in den §§ 1012-1017 ein 
Rechtsinstitut tibernommen, Welches im Gebiete des Gemeinen 
Rechts und des Allgemeinen Landrechts schon seit der Mitte des 
vergangenen Jahrhunderts als veraltet und so ziemlich aufser Ge- 
brauch gekommen zu bezeichnen war: die Superficies, d. i. das 
Recht, auf fremdem Grund und Boden eine Baulichkeit zu haben, 
sie zu erhalten und ttber dieselbe gleich einem Eigenthttmer 
schalten zu dtirfen. Das Recht ist veranfserlich und vererblich und 
wird selbst wie ein vom Grund und Boden getrennt gehaltenes Grund- 
sttick behandelt. Das Bttrgerliche Gesetzbuch nennt es „Erbbau- 
recht". Der Ausdruck konnte zu der Annahme ftthren, als handle 
es sich bei der Einraumung eines Erbbaurechts immer nur um 
die seitens eines Grundstttckeigenthumers an einen Fremden er- 
theilte Erlaubnifs, auf seinem Grund und Boden ein Gebiiude oder 
ein anderes Bauwerk zu errichten und dasselbe fortan wie eine 
vom Baugrunde ganz unabhangige Sache im Eigenthum und Sach- 
besitz zu haben und zu benutzen, — im Effect um eine Ausnahme 
von der Regel, dafs was organisch mit dem Grund und Boden 
verbunden wird, dem Eigenthttmer des letzteren zugehflrig wird. 
Dies wttrde aber den Begriff des Erbbaurechts nicht erschOpfen. 
Ein Erbbaurecht kann auch an einer schon vorhandenen Baulich- 
keit eingeraiimt werden, und zwar sowohl an einem Bauwerk, das 
dem Eigenthttmer des Grund und Bodens gehort, auf welchem 
sich das Bauwerk befindet, als auch an einer Baulichkeit, die schon 
im Eigenthum des Erbbauberechtigten steht, aber auf ihm nicht 
gehttrigen Baugrunde, sei es irrthttmlich, sei es in Ueberschreitung 
der Grenze, errichtet worden ist, — in beiden Fallen wiederum 
eine Ausnahme von dem gesetzlichen Regelzustand, dafs Baugrund 
und Gebaude ein Ganzes ausmachen, an dessen Theilen gesonderte 
Rechtsverhaltnisse nicht bestehen kOnnen. 

Mit der neuen Gesetzgebung hat merkwttrdigerweise das In- 
stitut neues Leben gewonnen, vielleicht im Zusammenhange mit 
der unverkennbareu Richtung der Gegenwart, die sich von der 
frtther beliebten Mobilisirung des Grundbesitzes und der Per- 
sonlichkeit wieder lossagt und zum Zwecke sefshafter und 
dauernder Verhaltnisse auch vor weitgehender dinglicher Be- 
lastung des Grundeigenthums nicht zurttckschreckt. 

Fttr die Denkmalpflege hat das Erbbaurecht ein zwei- 
faches Interesse. Einmal kommt die Erwerbung eines Erb- 
baurechts als ein gutes und verhaltnifsmafsig leichter (als 
der voile Eigenthumerwerb) zu erlangendes Mittel zur Sicherung 
des dauernden Bestandes eines Baudeukmals in Betracht. 
Soil — was ja heute an der Tagesordnung ist — auf fremdem 
Grund und Boden ein Bauwerk, etwa eine Statue, ein Monument 
(Bismarcks&ule), ein Epitaphium usw. errichtet werden, so wird 
die Erlaubnifs hierzu in manchen Fallen minder schwer und mit 
geringeren Geldopfern zu erlangen sein, wenn der Eigenthttmer 
den Baugrund behalt, die Abschreibung im Grundbuche und 
die Entpfandung nicht erforderlich wird und nur die Belastung 
des Grundbesitzes mit einem im Grundbuch zu vermerkenden 
Erbbaurecht erfolgt. Die Dauer dieser Belastung kann auf Zeit, 
beispielsweise auf „100 Jahre 44 oder „so lange der Erbbauberechtigte 
das Denkmal ordnungsmafsig unterhalt* 4 eingeschriinkt werden. 
Das Erbbaurecht fallt dann mit Eintritt dieses Zeitpunktes bezw. 
dieser aufltfsenden Bedingung von selbst fort und das Grundeigen- 
thum wird wieder frei. Auch steht nichts entgegen, dafs dem 
Erbbauberechtigten die vertragliche Verbindlichkeit auferlegt wird, 
das ihm einzuranmende Erbbaurecht nicht an Dritte zu veraufsern. 
Da endlich (nach 8 1013 B. G. B.) das Erbbaurecht auf Theile des 
fremden Grundstttcks erstreckt werden kann, welche zwar fttr das 
Bauwerk selbst nicht erforderlich, aber fiir seine Benutzung von 
Vortheil sind, so kann auch zweckmiifsig fttr den nothigen Zu- 
gangsweg, sowie fttr eine wttrdige Umgebung des zu errichtenden 
Baudenkmals gesorgt werden, ohne dafs dieserhalb Eigenthums- 
erwerbungen stattfinden mttssen. Das kann namentlich auch fttr 
die Erhaltung vorgeschichtlicher Denkmiiler von Werth werden. 
Fiscus, communale Verbande und private Vereine haben vielfach, 
besonders in den Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein, mit 



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08 



Die Denkmalpflege. 



16. Juli 1902. 



grflfseren Geldaufwendungen megalithische Denkmaler, Stein- 
setzungen, Httnengraber, Bohlwege, Pfahlbauten usw. zur Sicherung 
deren Erhaltung eigenthtimlich erworben, Umfriedigungen und Zu- 
gangswege geschaffen. Ftir alles dies ist in dem Rahmen eines 
blofsen Erbbaurechts Raum, weil es auch ein unter der Erde 
befindliches Bauwerk zum Gegenstand haben kann (§ 1012 B.G.B.). 
In Fallen endlich, wo im Privatbesitz befindliche, wichtige Bau- 
denkmaler gefahrdet sind, z. B. weil der Eigenthttmer sie nicht 
unterhalten mag oder kann oder sie in zum Verfall ftihrender Weise 
benutzt oder benutzen lafst, wird nicht seiten der Erwerb eines 
Erbbaurechts gegen Entschadigung (einmalig oder in Rente) der 
Enteignung des Eigenthumers vorzuziehen sein. Der Erwerber 
iiberkommt damit den Sachbesitz und die eigenthumsgleiche Gewalt 
iiber das Bauwerk, vor allem die MOglichkeit seiner Erhaltung; 
gegen StOrung und Entziehung stehen 
ihm die possessorischen und petitori- 
schen Rechtsbehelfe zu; es kann ftir 
das Erbbaurecht ein eigenes Grund- 
buchblatt angelegt werden. In den 
vorstehend angedeuteten Richtungen 
kann die Denkmalpflege nur wiin- 
schen, dafs das Erbbaurecht recht 
praktisch werden m5ge. 

Auf der anderen Seite stent eine 
unverkennbare Gefahrlichkeit, derent- 
halben die den Provincialconservatoren 
und Pflegern iibertragene Denkmal- 
wache scliarfen Ausguck zu halten 
haben wird. 

Vor kurzem hat sich das Kammer- 
gericht iiber den Begriff der Ver- 
aufserung" im Sinn des § 50 Stadte- 
Ordnung ausge sprochen. Es ist da- 
bei zu einer sehr beschrankten Aus- 
legung dieses Wortes und zu dem 
Satze gelangt: 
dafs die Einraumung eines Erbbau- 
rechts (§§ 1012 ff. B.G.B.) an einem 
stadtischen Grundstticke keine Ver- 
aufserung einschliefse und daher 
auch nicht der ftir Grundstttcks ver- 
aufserungen vorgeschriebenen Ge- 
nehmigung der Aufsichtsbehorde be- 
dtirfe. 1 ) 
Das ist ja zuniichst nur fur die Falle 
der Nr. 1 des § 50 a. a. O. — Ver- 
aufserung von stadtischen Grund- 
stticken ohne Denkmal-Werth — an- 
genommen; da aber die Nr. 2 a. a. O 
vOllig parallel geht (ebenso wie die 
von „ Veraufserung" schlechthin ohne nahere Begriff sbestimmung 
reden), so wtirde der Satz des Kammergerichts folgerichtig auch 
ftir communale und kirchliche Grundstticke von wissenschaft- 
lichem, geschichtlichem oder Kunstwerth, also von alien Baudenk- 
malern im offentlichen Besitz gelten miissen. Damit kann sich in- 
dessen die Denkmalpflege nicht zufrieden geben, weil die commu- 
nalen und kirchlichen Korperschaften es alsdann platterdings in 
der Hand batten, ihre ihnen lastigen 2 ) Baudenkmale, auf dem 
Umwege der Bestellung eines Erbbaurechts zu gunsten eines be- 
liebigen Dritten, los zu werden und in freinde Hande zu bringen. 
Der Aufsichtsbehorde verbliebe lediglich da* Zusehen. Das ware 
nun das gerade Gegentheil von dem, was die Stadteordnung, die 
Landgemeindeordnung und die kirchlichen Veraufserungs-Verbote 
beabsichtigt haben. Denn alle diese Bestimmungen sind Hemmungs- 
vorschriften wesentlich im Interesse des Staats, weniger zum 
Schutze des Eigenthums der betreffenden KOrperschaften; sie be- 
zwecken in erster Linie nicht eine blofs vermOgensrechtliche Be- 
schriinkung der Commune und Kirche,indem sie die Verschleuderung 



Abb. 1. Hauptportal der kath. Pfarrkirche, 
Aus Lowenberg i. Schles. 



im Wortlaut der Nr. 1 
kirchlichen Gesetze nur 



werthvoller Stticke des Gemeindevermo'gens verhindern, sondern sie 
wollenaus conservatorischem Gesichtspunkte heraus der- 
artige Sachen im Eigenthum der der Staatsaufsicht unterliegenden 
K5rperschaften festhalten, weil in deren Handen das staatliche 
Interesse an ihrer Erhaltung und Nichtveranderung gewahrt werden 
kann, wogegen in Privathanden die Dinge vor Veranderung, Ver- 
schlechte^rung und Untergang schwieriger oder gar nicht zu be- 
wahren sind. 3 ) 

Das ist bald nach Erlafs der Stadteordnung durch das Circular- 
Rescript vom 5. November 1854 — Ministerial-Blatt d. i. Ver- 
waltung 1855 S. 2 — erlauternd ausgesprochen worden 4 ) und er- 
hellt auch daraus, dafs im Gegensatz zu denjenigen Veraufserungen, 
deren Priifung als lediglich vermOgensrechtlicher Acte der Selbst- 
verwaltungsinstanz (Bezirks-Ausschufs) zugewiesen ist, fur die Ver- 

aufserung von, kurz gesagt, Denkmal- 
sachen die Genehmigung der Staats- 
behttrde ausschliefslich gefordert wird ; 
wie denn auch die Regierungs-Pra- 
sidenten angewiesen sind, tiber die 
Zulassung soldier Veraufserungen und 
Veranderungen nicht selbstandig, sod- 
dern nur nach Benehmen mit dem 
Conservator bezw. dem Minister zu 
entscheiden. Ftir die kirchlichen 
Denkmalsachen ist die Staatsgenehmi- 
gung sogar ohne weiteres dem Minister 
vorbehalten. 

Wird dies als klare Absicht des 
Gesetzes festgehalten, dann mufs der 
Begriff „Veraufserung", wenigstens 
soweit es sich urn Nr. 2 des § 50 der 
Stadteordnung handelt, anders ver- 
standen werden, als das Kammerge- 
richt ftir dieNr. 1 daselbst angenommen 
hat; dann ist der Sprachgebrauch des 
Allg. Landr edits, zu dessen Zeiten die 
Erhaltung der Alterthtimer noch nicht 
zu den ausgesprochenen Zielen des 
Staates gehOrte, nicht mehr entschei- 
dend; dann kann man auch nicht aus 
der Selbstandigkeit der Stadtcom- 
munen, die ihnen in vermtfgensrecht- 
licher Beziehung durch die Stadte- 
ordnung eingeraumt ist, argumentiren ; 
dann kann es auch nicht darauf an- 
kommen, ob der Commune neben dem 
von ihr weggegebenen Erbbaurecht 
noch das Eigenthum, der Substanz 
nach (was man frtiher nuda proprietas nannte), verblieben ist, sondern 
im Gegentheil darauf, ob dieselbe noch eine thatsachliche Einwirkung 
auf das von ihr in Erbbaurecht gegebene Baudenkmal, auf seine 
Erhaltung, Veranderung, Belastung, Vererbung, Veraufserung und 
seinen etwaigen Untergang behalten hat und auszuuben in der 
Lage ist. Ist das zu verneinen, so hat sie den ganzen Inhalt der 
Eigenthumsmacht aus der Hand gegeben, sie hat das Baudenkmal 
thatsaclilich „veraufsert a . Und gerade von solchen thatsachlichen 
Verfiigungen, hinsichtlich derer im Offentlichen Interesse der Eigen- 



x ) Beschlufs' vom 19. November 1900, bei Mugdan u. Falkmann, 
Rechtsprechung der O.-L.-Gerichte IV. Bd. Nr. 4 S. 66. Dagegen 
bedarf die Uebertragung eines der Stadt gehflrigen Erbbaurechts 
auf einen Dritten der Genehmigung der Aufsichtsbehorde (§§ 1017 
B.G.B. in Verbindung mit § 50 1 der Stadteordnung) — eine inner- 
lich nicht begrtindete verschiedene Behandlung beider Rechtsacte, 
denn in beiden Fallen sind Summe und Inhalt der von der Stadt 
auf gegeben en Rechte die gleichen. Vergl. auch Planck, Commentar 
zu § 1015 B.G.B.: „Die Belastung des Eigenthums mit einem Erb- 
baurecht kommt der Veraufserung des Eigenthums sehr nahe. 

2 ) „Lastig", weil sie zu deren Erhaltung und Unterhaltung bis 
zu einem gewissen Grade gezwungen werden kOnnen. 



3 ) 1 ) Vergl. Circular-Verftigung vom 1 9. August 1837 — v. Wussow, 
Anlagenband Nr. 1 1 S. 24. „Die Konigliche Regierung hat die Ge- 
nehmigung zur Veraufserung unter sonst angemessenen Bedingungen 
aber nur dann zu ertheilen, wenn das zu veraufsernde Stuck an 
eine andere vaterlandische Offentliche Anstalt, sei es Kirche oder 
Provincial- oder stadtisches Museum, Sammlung usw. tibergehen 
soil, Antrage auf den Verkauf an Private abzuweisen und, 
wo besondere Umstande die Berticksichtigung derseiben empfehlen 
mOchten, dazu jedesmal die Genehmigung des Ministeriums einzu- 
holen." 2) Vergl. ferner Circular-Verftigung vom 24. December 1844 
— v. Wussow, Anlagenband Nr. 24 S. 48/49. „In solchen Fallen 
mufs vielmehr mOglichst darauf Bedacht genommen werden, den 
einer privaten Benutzung noch nicht verfallenen Gegenstand (ge- 
schichtliche Denkmaler) dem gemeinsamen Eigenthum zu erhalten . . . 
wodurch die Erhaltung im Offentlichen Interesse gesichert w-ird.* 
3) Die Beschrankungen der politischen Gemeinden in der hier 
fraglichen Richtung treten schon in den §§ 48 109 der Gemeinde- 
ordnung vom 11. Marz 1850 hervor. Dafs sie in erster Linie conser- 
vatorisclien Zwecken dienen sollen, bestatigt bald darauf das 
Rescript vom 13. April 1850 — von Wussow, Anlagenband Nr. 29 
S. 55 — und gibt am Schlusse auch sogleich eine Auslegung ftir 
den in die Stadte- und Landgemeindeordnung tibergegangenen 
Begriff „wesentliche Veranderung u . 

4 ) „Die auf moglichste Conservation jener Bauwerke gerichtete 
Absicht des Gesetzes." 



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Nr. 9. 



Die Denkmalpflege. 



69 



Abb. 2. Rathhaus von Stidosten. 

Aus Lowenberg i. 

thiimer eingeschrankt vverden sollte 5 ), handeln nach diesseitiger 
Auffassung die mehrfach angezogenen Vorschriften der Communal- 
und kirchlichen Gesetze, was schon die Nebeneinanderstellung von 
„Veraufserung tt und w Veranderung u andeutet. Fafst man also das 
Wort „Ver&ufserung tt in dem weiteren Sinne von alienatio (Ent- 
aufserung) auf, wie es der constanten Praxis der Verwaltung ent- 
spricht r »), dann ist die Bestellung eines Erbbaurechts an einem 



stadtischen oder kirch- 
lichen Baudenkmal sei- 
tens der betr. Korper- 
schaft ohne eingeholte 

Genehmigung der 
Staatsaufsichtsbehftrde 
unzulassig; denn die Ein- 
raumung eines solchen 
Erbbaurechts schliefst 
jede fernere Controle 
und Einwirkung der 
Staatsbehttrde auf den 
Verbleib, die Erhaltung, 
Nutzung, Veranderung 
bezw. Beseitigung des 
Bauwerks in der Hand 
des Erbbauberechtigten 
aus. 

Es wird mithin Auf- 
gabe der Denkmalpflege 
sein, auf derartige Ge- 
schilfte der communalen 
und kirchlichen Korper- 
schaften ein wachsames 
Auge zu haben und ge- 
gebenenfalls einen Aus- 
spruch des Reichsge- 
richts iiber die Rechts- 
frage herbeizufuhren. 
Dem in Aussicht ge- 
stellten Denkmalschutzgesetz mag es in letzter Instanz zuf alien, 
den Begriff „Veraufserung tf zu erlautern und auch das Erbbau- 
recht einzubeziehen. 



Abb. 3. Die kath. Pfarrkirche, 
Schles. 



•') Anm. Vergl. Art. 1 1 1 Einf.-G. zum B. G. B. 

«) Anm. Vergl. Circ.-Rescr. v. 5.Novbr. 1854 M. Bl. d. i. V. 
1855 S. 2ff. u. A., wo auch „ Beseitigung** — „Zerst6rung a — „Ab- 
tragen* 4 — „Verfallenlassen a unter den Begriff der Veraufserung 



gebracht ist; bei beweglichen Sachen auch w Umschmelzen tt und 
jede Specification im juristischen Sinne, welche die alte Sache 
untergehen und eine neue daraus entstehen lafst. — Vergl. ferner 
^ 35, '36 I 8 Allg. Landr. 

Auch der Evangel. Ober-Kirchenrath erkennt an, dafs einem 
Beschlufs der kirchl. Gemeindeorgane aufNiederlegung eines 
Kirche ngebau des unter dem Gesichtspunkt der „ Veraufserung" 
eines Gegenstandes, welcher geschichtlichen usw. Werth hat, die 
Bestatigung zu versagen ist (Margarethen-Capelle in Prenzlau). 



Die Wandgemalde von St. Peter und Paul in Reiehenau-Niederzell. 



Dem kiirzlich verstorbenen, fiir die christliche Kunstwissen- 
schaft aber unsterblichen Meister Franz Xaver Kraus widmeten 
die beiden Verfasser des hier in Frage stehenden Werkes*), die 
Freiburger Professoren Dr. Karl Kiinstle und Dr. Konrad Beyerle 
die Ergebnisse ihrer Forschungen als eine Festschrift zu seinem 
sechzigsten Geburtstage. Keinem Besseren hatten sie das Werk 
widmen kftnnen, als dem besten Kenner christlicher Kunst, keinem 
Anderen hat ten sie es widmen dtirfen, als dem trefflichen Landes- 
conservator des Grofsherzogthums Baden, dessen Name durch die 
hervorragende Verftffentlichung „Die Wandgemalde der St. Georgs- 
kirche zu Oberzell auf der Reichenau" (1884) mit dem wonnigen 
Eiland St. Pirmins unzertrennlich verkniipft ist. So erscheint die 
Zueignung der Veroffentlichung des sachlich hochbedeut«ameu 
Werkes an Fr. X. Kraus nicht nur als ein gelegentlicher Ausdruck 
der Verehrung und Werthschatzung des Gelehrten im allgemeinen, 
sondern mit Hinblick auf seine grofse Bedeutung auf dieseni Ge- 
biete als ganz besonders berechtigt und wohlbegrundet. 

Zum Zwecke einer Grundlage fiir die Zeitbestimmung der neu 
entdeckten Malereien sahen sich Kiinstle u. Beyerle veranlafst, 
die Kirche neuerdings einer baugeschichtlichen IJntersuchung zu 
unterziehen, deren Ergebnisse im zweiten Capitel des Werkes 
niedergelegt sind. Adler hat in seinem Aufsatze „Die Kloster 
und Stiftskirchen auf der Insel Reichenau u (Zeitschr. f. Bauwesen, 
Jahrg. XIX) die Kirche als ein im wesentlichen aus zwei Bau- 
zeiten herruhrendes Werk erklart, dessen Ostlicher Theil eine 
basilicula sei und den Kern des urspriinglichen Stiftungsbaues von 
799—802 bilde. Schon Dehio u. v. Bezold erklarteu sich mit Adlers 



*) Die Pfarrkirche St. Peter und Paul in Reiehenau-Niederzell 
und ihre neuentdeckten Wandgemalde. Eine Festschrift. Mit L'uter- 
stiitzung der Grofsherzoglichen badischen Regierung herausgegeben 
von Dr. Karl Kiinstle und Dr. Konrad Beyerle, a. o. Professoren 
an der Universitat Freiburg i. Br. Freiburg im Breisgau 1901. 
Herdersche Verlagshandlung. In gr. Folio. X. u. 48 S. Text mit 
20 Abb. im Text, zwei Tafelu in Farbendruck und einer Tafel in 
Lichtdruck. Geh. Preis 20 Mark. 



Anschauung nicht einverstanden, sondern bemerken: ^sicherlich 
nicht karolingisch , sondern jiinger, wohl erst saec. II* 4 . Die 
Untersuchung von Kiinstle und Beyerle bestatigte das erstere voll- 
kommen. Greifen wir die Hauptpunkte heraus. Der Bau — Lang- 
haus wie Chor — ist gleichzeitig und einheitlich, wie das Mauer- 
werk der Hochwande des Mittelschiffes von der Vorhalle bis zum 
Chor ausweist, Die urspriingliche Anlage von Scheidbogen an 
Stelle der die drei Chore trennenden Mauern, wie Adler mit voller 
Sicherheit behauptet, wird durch nichts gerechtfertigt, vielmehr 
gelangen die beiden Forscher zu dem Schlufs, diese Trennungs- 
mauern fiir Theile des urspriinglichen Baues zu erklaren. Die 
ganze Untersuchung ist mit solcher Feinsinnigkeit gefiihrt, dafs 
kein Grund zu einem Zweifel iiber die rein baulichen Forschungs- 
ergebnisse besteht. Veranlafst durch die Verbindung der antiki- 
sirenden Motive im Osttheil der Kirche mit den mehr fiir das 
12. Jahrhundert sprechenden Einzelheiten des Langhauses an 
einem im iibrigen einheitlichen Bau gelangen Kiinstle u. Beyerle 
dazu, seine Entstehung in die Mitte des 11. Jahrhunderts zu 
setzen, ja, da sie ihn der zweiten Bliithezeit der Reichenau unter 
Abt Berno (1008-1048) zuschreiben, in die erste Halfte des 
11. Jahrhunderts. Diese friihe Zeitbestimmung diinkt mir ent- 
schieden zu gewagt und gegen sie scheiut mir namentlich 
die Eckblattzier an den Basen der Langhaussaulen zu sprechen. 
Wenn wir von Kloster Hersfeld absehen, finden wir ihre Ver- 
wendung in Deutschland am fruhesteu am Bodensee, am Miinster 
in Konstanz vielleicht schon urn 1054-1089 und in Schaffhausen 
1090. Niederzell wiirde in diesem Punkte also sicher einmal 
Schaffliausen, moglicherweise auch schon Konstanz vorangehen 
oder mit ihin gleichzeitig zu setzen sein. Ich mOchte aber in der 
Mannigfaltigkeit der Saulenfufsbildungen in Niederzell ein ge- 
wisses, wenn auch unbeholfenes Spielen mit einem bekannten, 
schon gelaufigen Motiv erblicken. In Konstanz und Schaffliausen 
ist die Eckblattlosung einfacher, besser verstanden. Soil nun die 
kleine Kirche von Niederzell von selbst zu der Eckblatterfindung 
gekommen sein? Naherliegend ist doch, dafs ein grofserer Bau 



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70 



Die Denkmalpflege. 



16. Juli 1902. 



des Bisthumsitzes, also etwa das Mttnster von Konstanz, als allge- 
meines Vorbild diente. Ktinstle u. Beyerle gedenken wohl auch 
flttchtig der Anlage von NebenchOren, des Mangels einer Krypta, 
der Anwendung von Saulen usw. in Niederzell als Eigenheiten der 
Hirsauer Bauschule, verneinen aber einen solchen Einflufs, weil 
dadurch ihre Zeitbestimmung „mindestens um ein halbes Jahr- 
hundert zu frtih angesetzt wire". 

Nun suchen sie diese in Niederzell auftretenden Baugewohn- 
heiten der Hirsauer dadurch zu erklaren, dafs lange vor Wilhelm 
von Hirsau (1069 — 1091) am Mittelrhein cluniacensische Kunst- 
anschauungen auf dem Gebiete der Baukunst zur Verbreitung ge- 
kommen seien, und schon am Ende des 10. und Anfang des 11. Jahr- 
hunderts Mftnche von Cluny in der Schweiz und im Elsafs als 
Architekten und Reformatoren gewirkt hatten. Sie schliefsen: 
„Auch der Grundrifs des Ministers von Konstanz erscheint von Cluny 
aus beeinflufst; Oder sollte derselbe und etwa auch der Plan un- 
serer Niederzeller Kirche aus dem Kreise jener Mflnche stammen, 
die Poppo von Stablo im Jahre 1034 nach St. Gallen schickte? 
Wie dem auch sei, zu einer spateren Zeitbestimmung des Gottes- 
hauses von Niederzell liegt auch nach dieser Richtung hin kein 
Grund vor. 44 Diesen Anschauungen und Vermuthungen vermag ich 
nicht beizustimmen. Wenn wirklich climiacensische Einfltisse wahr- 
zunehmen sind, so liegt der Gedanke an eine Vermittlung durch 
Hirsau am nSchsten, und Ktinstle u. Beyerle hatten inn auch nach 
meinem Bedunken im Auge behalten sollen. Sie erkennen in 
Konstanz und Niederzell cluniacensische Ziige, deren Ueber- 
mi ttlung aber geschieht, wenigstens was Niederzell anlangt, 
durchaus nicht unmittelbar. Hier erscheint mir ein Punkt von 
grofser Wichtigkeit, dessen Ktinstle u. Beyerle nicht gedenken. Seit 
1084 safs auf dem bischftfnchen Stulile in Konstanz der getreueste 
Anhanger des Reformators Wilhelm von Hirsau, der that- 
kraftige unerschtitterliche Gebhard III. von Zaliringen. Er 
war aus Hirsau, das um diese Zeit mitten im Bau seiner neuen 
Kirche stand, nach Konstanz berufen worden und hat den Bau des 
neuen Mtinsters zu Konstanz „gentzlich gewicht in dem 1089 jar" 
(Hager, Rom. Kirchenbaukunst Schwabens, S. 42). Am 2. Mai 1091 
fand die Weihe der fur die Entwicklung der Hirsauer Bauschule 
besonders mafsgebenden S. Peterskirche in Hirsau statt und zwar 
durch keinen andern als den ebenerwahnten Bischof Gebhard. 
Zieht man noch in Betracht, dafs zu dem zweiten Klosterbau in 
Hirsau die Schwagerin Bischof Gebhards, Judith, die Wit we 
Hermanns von Zahringen am reichsten beigesteuert hat, so 
gewinnt das Verh&ltnifs von Konstanz und Hirsau noch besonders 
an innerem Leben, und es ware doch sehr zu verwundern, wenn 
diese Wechselbeziehungen spurlos an Konstanz bezw. seinem Ober- 
hirten vortibergegangen waren. Beztiglich des Mtinsters an einen 
Hirsauer Einflufs zu denken liegt sehr nahe und gegen einen 
solchen scheint mir eigentlich nur zu sprechen, dafs Bischof Geb- 
hard erst 1084 nach Konstanz kam, aber schon 1089 den Bau 
„gentzlich a weihen konnte; man mcichte annehmen, dafs 1084 der 
Bau in der Anlage vollendet und ziemlich vorgeschritten war. 
S. Peter in Hirsau war gleichfalls noch im Bau. Haben wir nun 
wirklich in dem romanischen Kern des Konstanzer Mtinsters noch 
den Bau Rumold-Gebhards vor uns, so erklart sich seine Ver- 
wandtschaft mit S. Peter in Hirsau durch ein gleichzeitiges 
Zurtickgreifen auf ein gemeinsames Vorbild, d. h. auf Cluny. Nur 
lassen sich mit Cluny nicht die Eckzierden der Saulenbasen ver- 
einbaren, die ftir jene frtihe Zeit ftir Burgund ein sehr seltenes 
Motiv sind (s. Dehio u. v. Bezold I, 067). Hager halt ftir 
die unanfechtbar frtihesten Beispiele der Eckzierden in Deutsch- 
land jene in dem 1103 von Bischof Gebhard III. geweihten Aller- 
heiligenmtinster in Schaffhausen, also einem Hirsauer Bau, und die 
Hirsauer Schule bedient sich des Motivs mit besonderer Vorliebe. 
So haben wir alien Grund, auch bei Konstanz in Hinsicht der Eck- 
zier eine Einwirkung von Hirsau anzunehmen, zumal das Eckblatt 
in Konstanz der Schaffhausener htilsenftirmigen Bildung desselben, 
die zugleich die charakteristische ftir die frtiheren Hirsauer Bauten ist, 
ahnelt. Sollte nun nicht auch das Konstanz so benachbarte Niederzell 
durch Bischof Gebhard, den unermtidlichen Bahnbrecher der Hirsauer 
Reform Hirsauer Geprage erhalten haben, oder besser gesagt, dtirfen 
wir nicht gewisse Eigenthtimlichkeiten an S. Peter in Niederzell in 
Widerspruch zu Kunstle-Beyerle dennoch auf Hirsau beziehen ? Ftir 
die Zeitbestimmung des Niederzeller Baues aber ist, wie ich oben 
schon andeutete, dieser Punkt von grofster Bedeutung. 

Betrachten wir den Grundrifs von S. Peter und Paul inNiederzell, 
so fallt uns in erster Linie der Mangel eines Querhauses auf, dabei 
mtissen wir aber in Betracht ziehen, dafs dieser Mangel ebenso wie 
die geringeren Abmessungen des Grundrisses ihren Grund darin 
haben, dafs Niederzell eine kleine Propstei war und blieb; das Quer- 
haus konnte also in Wegfall kommen. Abgesehen hiervon ist der 



Mangel eines solchen ftir Schwaben nichts Ungewtthnliches. Die An- 
lage von NebenchOren seitlich des Hauptchors blieb bestehen. Eigen- 
artig ist die rechteckige Ummanielung der drei Apsiden. In ihrem 
Grundrifs besitzt die Kirche von Niederzell einige Verwandtschaft 
mit der Basilika von Neckarthailfingen, die an Gr5fse jener etwa 
um ein Viertel nachsteht. So beobachten wir hier wie dort die recht- 
eckig ummantelten Apsiden nur mit dem Unterschied, dafs die 
Sstlichen Aufsenmauern in Niederzell in einer Fluchi liegen, wahrend 
in Neckarthailfingen der Hauptchor gegen Osten etwas hinausge- 
schoben ist. Die Lsingsachsen beider Kirchen (Langhaus und Chor) 
betragen genau doppelt so viel wie die Querachse, sodafs bei ent- 
sprechender Verlftngerung der Seitenschiffe in Neckarthailfingen 
die Aehnlichkeit der Grundrifsbildung noch tiberzeugender wirken 
wtirde. Wenn Niederzell vier, Neckarthailfingen nur drei Saulen- 
paare zahlt, so liegt dies an den bedeutenderen Abmessungen jenes 
Baues. Neckarthailfingen aber ist, wie namentlich auch seine 
einzelnen Bautheile bekunden, ein echter Hirsauer Bau. Rechteckig 
umrahmte Apsiden besitzt tibrigens auch das Querschiff der Aller- 
heiligenkirche in Schaffhausen, in der nach Hager (Beilage d. Allgem. 
Zeit. 1890 Nr. 347 [293]) sich am getreusten das Vorbild von S. 
Peter in Hirsau bewahrte. In Niederzell erklart sich die Um- 
mantelung der Apsiden wenigstens ftir die Seitenschiffe durch die 
Thurmanlage im Osten, die ftir Stiddeutschland und auch ftir Hirsau 
ja nichts Ungewohntes hat. Schliefslich spreche ich auch noch das 
West portal in Niederzell mit der Umfuhrung des abgeschragten 
Mauersockels um dasselbe als einen Hinweis auf Hirsau an. Ktinstle 
u. Beyerle erw&hnen auch diesen Punkt, lassen sich aber trotzdem in 
ihrer Zeitbestimmung nicht irre machen. Hager (Monatsschrift d. 
hist. Vereins von Oberbayern 1894 S. 104) wies zum ersten Mai 
auf die einfache Hirsauer Portalform hin, wie sie S. Peter zeigt: 
Umrahmung der Thtiro'ffnung durch den Sockel, mehrfach gestuftes, 
aber noch nicht mit Saulen ausgesetztes Portalgewande. Ich er- 
achte das Niederzeller Westportal mit seinen Saulen als eine Weiter- 
bildung jener Portalform. Ein alteres Beispiel derselben als von S. 
Peter lafst sich nicht nach wei sen, sodafs also doch wohl mit diesem 
Um stand gerechnet werden mufs. Wenn sich nun auch die Nieder- 
zeller Kirche nicht ohne weiteres der Hirsauer Bauschule im engeren 
Sinne eingliedern lafst, so spricht doch manches ftir eine Kenntnifs 
ihrer Baugewohnheiten, und ich folgere daraus, dafs der Nieder- 
zeller Bau von Ktinstle u. Beyerle zu frtih angesetzt wurde. Am 
meisten hielt sie offenbar der Osttheil der Kirche mit der Chor- 
nischenanlage, in der sie ein Nachklingen karolingisch-ottonisclier 
Zeit erblicken und die sich nicht spater als 1050 setzen wollen, 
von der Annahme einer spateren Entstehungszeit ab. In Neckar- 
thailfingen begegnen wir aber einer ganz verwandten Anlage 
noch um 1100. Die Anwendung der Saulen als Sttitzen, die^eben- 
chore, die Portalbildung sind aufserdem auf Hirsau deutende Punkte. 
Erinnern wir uns noch, was oben tiber die Eckzier der Saulen ge- 
sagt wurde, so lafst sich auch im gtinstigsten Falle erst das Ende 
des 11. Jahrhunderts als frtiheste Entstehungszeit der Nieder- 
zeller Kirche annehmen; ich bin aber noch mehr geneigt, an die 
erste Hillfte des 12. Jahrhunderts zu denken. Hager (Die rom. 
Kirchenbaukunst Schwabens, S. 7) mftchte den Bau des Langhauses 
sogar erst um 1164 setzen, in welchem Jahre Kaiser Friedrich 
Barbarossa die Propstei in seinen Schutz nahm. Sehr zu bedauern 
ist, dafs wir nicht mehr erfuhren, auf welche Grtinde hin Franz 
Xaver Kraus (Beilage z. Allgem. Zeitung 1902, Nr. 9) die Apsis- 
gemalde und damit zugleich den Kirchenbau dem Ende des 11. 
oder Anfang des 12. Jahrhunderts zuschrieb. 

Nach Ktinstle u. Beyerle besteht kein Zweifel, dafs die malerische 
Zier des Hauptchors gleichzeitig mit dem Bau entstand. Gegen diese 
Annahme spricht kein schwerwiegender Grund, auch wenn wir unsere 
Zeitbestimmung, das 12. Jahrhundert, annehmen. Ktinstle u. Beyerle 
kommen zu dem Ergebnifs: Die Niederzeller Apsisgemalde leiten 
gleichwie das Weltgericht in der Oberzelle und jenes in der Michaels- 
kirche in Burgfelden eine nationale Kunstrichtung ein und zwar bildet 
das Niederzeller GemaUde in der verhaltnifsmafsig reichen Bewegung 
der Figuren die Vorstufe ftir die lebendige, dramatische Auffassung 
im Burgfeldener Cyklus und „man mOchte hinsichtlich der eigen- 
thtimlichen Maltechnik fast auf die Vermuthung kommen, dafs 
wir es in Burgfelden und Niederzell mit einem und demselben 
Meister zu thun haben. u Der malerische Schmuck der Apsis in 
Niederzell mufs also wirklich um die Mitte des 1 1 . Jahrhunderts 
entstanden sein. Ich glaube dem entgegen halten zu diirfen: 
Wenn die Maltechnik ftir eine enge Verwandtschaft von Burg- 
felden mit Niederzell zu sprechen scheint, so sprechen stilistische 
Einzelheiten entschieden d a g e g e n. Bei dem Burgfeldener Ge- 
richte z. B. stehen die Fliigel der Engel beinahe alle in gleicher 
Weise mit den Spitzen abwarts, der obere Abschlufs am Schwung- 
gelenk ist uberall gleichmiifsig rund; die Fliigel in Niederzell sind 



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Nr. 9. 



Die Denkmalpflege. 



71 



anatomisch viel richtiger, das Gelenk ist wirklich zu fiihlen. In 
Burgfelden geben die Gewandsaume mehr zickzackartige Fatten 
gegentiber den mehr wellenartigen in Niederzell und schliefs- 
lich sind namentlich die beiden Weltenrichter in der Auf- 
fassung sehr verschieden von einander. In Burgfelden eine 
bartlose, hagere Gestalt mit ziemlich anschliefsendem Gewande 
und etwas eckiger Armhaltung, in Niederzell eine wesentlich 
ebenmafsigere Gestalt des bartigen Typus mit weitfaltigem 
Mantel und ungezwungenerer Armbewegung. Nicht dafs ich mit 
dieser Vergleichung die Bedeutung des Burgfeldener Meisters 
unterschatzen wollte, ich mttchte vielmehr durcji diese Gegenttber- 
stellung nur meiner Anschauung Raum geben, dafs die Apsismalerei 
von Niederzell nicht eine Vorstufe der Burgfeldener Bilder ist, 
sondern bereits einer vorgeschritteneren Zeit als jene angehtirt. 
Man wird durch die hervorragend dramatische Darstellung des Burg- 
feldener Weltgerichts leicht verftthrt, weniger lebendige Bilder dieser 
Art vorher einzuschalten. Der Niederzeller Malerstellte sich ja iiber- 
haupt seine Aufgabe einfacher; er begniigt sich mit der Majestas 
domini, den Evangelistensymbolcn, den Patronen der Kirche und 
den Cherubimen. Dadurch ist eine bewegte Handlung, wie in Burg- 
felden, von vornherein ausgeschlossen. Die lebensvollere Haltung 
der Titelheiligen, die abwechslungsreiche Auffassung der Apostel 
und Propheten spricht mehr fur eine reifere Kunst und ebenso audi 
die hohheitvollere Gestalt des Weltenrichters. Ganz besonders ge- 
schickt diinkt mir aber namentlich die fein empfundene und mannig- 
fache Gestaltung, der Schwung der Fliigel, der bei dem Engel des 
Ev. Matthaus und dem Adler des Ev. Johannes beinahe ktthn genannt 
werden darf. Kurzum ich stelle die Niederzeller Bilder zeitlich 
hinter die Burgfeldener und zwar gelahge ich in der niiheren Zeit- 



bestimmung zu einem ganz gleichen Ergebnifs wie bei dem Bau 
selbst: friihestens Spatzeit des 11. Jahrhunderts; viel mehr aber neige 
ich der Mitte des 12. Jahrhunderts zu und keine schwerwiegenden 
Griinde gegen diese Annahme zwingen sich mir auf. Ich finde im 
Gegentheil, dafs sich der ganze Apsidenschmuck in Niederzell den 
Weltgerichtsdarstellungen des 12. Jahrhunderts ohne erhebliche 
Schwierigkeiten einreiht. Die Forderungen der entwickelteren 
romanisclien Kunst sind an ihm in den wesentlichen Punkten erftillt. 
— Am Schlusse meiner ErOrterungen verweise ich auch noch kurz 
auf die beziiglich der Zeitbestimmung gleiche Ansicht bei Borrmann, 
„Aufnahmen mittelalt. Wand- und Deckenmalereien", 9. Lief. 

Wenn sich eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten zwischen 
den beiden Verfassern und mir ergeben haben, so lag es mir 
doch durchaus ferne, das grofse Verdienst, das sie sich erworben 
haben, irgendwie schmalern zu wollen. Im Gegentheil, durch ein 
tieferes Eingehen auf die beiden springenden Punkte des Werkes 
wollte ich namentlich die beiden Entdeckungen, die Einheitlichkeit 
des Baues und den Fund des Apsidenschmuckes hervorheben. Wird 
einerseits durch diesen das Bild der Reichenauer Malerschule urn 
ein kostbares Glied bereichert, so erscheint anderseits die Frage 
iiber die Entstehungszeit eines merkwttrdigen Bauwerks wenn 
auch nicht vOllig geltist, so doch einer richtigen LOsung wesentlich 
naher gebracht. Das ebenso schOne, wie kunstgeschichtlich hoch- 
bedeutende Bodensee-Eiland zahlt durch das Verdienst der beiden 
fleifsigen Forscher einen Schatz seltenen Werthes mehr, und die 
Kunstgeschichte dankt es niichst der Grofsherzoglichen badischen 
Regierung namentlich ihnen, dafs dieser Schatz in so trefflicher 
Form zur Veroffentlichung gelangte. 

MUnchen. Dr. Ph. M. Halm. 



Verinischtes. 



Dem Ansschufs zur Erhaltung der Kunstdenkmaler im Kouig- 
reich Sachsen gehoren folgende Mitglieder an: 1) infolge Ernennung 
durch das evangelisch-lutherische Landesconsistorium Oberconsi- 
storialrath Professor Loti chius und Baurath Grabner, 2) infolge 
des ihm vom Ministerium des Innern ertheilten Auftrags zur In- 
ventarisation der Kunstdenkmaler Hofrath Professor Dr. Gurlitt, 
3) infolge Wahl seitens des Kftniglichen sachsischen Alterthums- 
vereins Professor Dr. Be r ling, 4) infolge Ernennung durch das 
Finanzministerium der technische vortragende Rath, Geheime Bau- 
rath Waldo w, 5) infolge Ernennung durch das Ministerium des 
KOniglichen Hauses der Hof baurath Gustav Fro* lie h, und 6) in- 
folge Ernennung durch das Ministerium des Innern der Regierungs- 
rath Demiani. Den Vorsitz im Ausschusse fuhrt der Geheime 
Regierungsrath Dr. Genthe anstelle des auf sein Ansuchen vom 
Vorsitz entbundenen Geheimen Raths Dr. Roscher. 

Das hessische Denkiualschntzgesetz ist nunmehr in der Sitzung 
der zweiten Kammer vom 26. Juni d. J. in der von der ersten 
Kammer vorgeschlagenen und von der Regierung gutgeheifsenen 
Fassung (vergl. S. 46 d. J.) einstimmig angeuommen worden. Als 
Zeitpunkt des Ink raft tretens des Gesetzes wurde der 1. October 
d. J. bestimmt, welcher Beschlufs nun noch die Genehmigung der 
ersten Kammer finden mufs, da dort der 1. Juli festgesetzt war. 

Znni Director des Institute zur Erforschung der Alterthtinier 
des Heiligen Landes in Jerusalem wurde der Professor Dr. theol. 
und phil. Dal man in Leipzig ernannt. Die Grtindung des In- 
stitute wurde bei Gelegenheit der Einweihungsfeier der Erlftser- 
kirche in Jerusalem am 31. October 1898 von den Vertretern 
deutscher evangelischer Kirchenregierungen angeregt. Durch Ur- 
kunde vom 19. Juni 1900 ist die Stiftung „Deutsches evangelisches 
Institut ftlr Alterthumswissenschaft des Heiligen Landes" mit dem 
Sitze in Berlin auf der Kirchenconferenz in Eisenach begriindet 
und durch KOnigl. Erlafs vom 23. Dec. 1901 genehmigt worden. 

Alte Malereien im Hildesheimer Dome. Bei der Wegnahme 
eines beschadigten Altarbildes von den Seitenaltaren im Dome 
wurde an der hinter dem Bilde liegenden Wand ein aus dem 
Mittelalter stammendes Wandgemtilde entdeckt. Das Gemalde 
selbst war mit grauer Kalkfarbe uberzogen, die sich leicht ablOste, 
worauf das Bild zum Vorschein kam. Es stellt die Kronung 
Mariens dar, und hat augenscheinlich als Altar bild gedient. Die 
hi. Jungfrau und der Heiland sitzen auf einem mit hohen Wangen ver- 
sehenen Throne, zu beiden Seiten stehen die Patrone der Hildes- 
heimer Didcese: die HI. Bernward und Godehard. Die Umrisse sind 
in rothbrauner Farbe gehalten, Gesichter und Gewander, besonders 
die grtinen Gewandtheile, sind leidlich gut erhalten. Das Bild ist 
w T ahrscheinlich nach dem Jahre 1400 entstanden, denn die gothischen 
Seitencapellen des Domes sind in diesem Jahre vollendet.. 

Auch von der frtiheren, den ganzen Dom bedeckenden decora- 
tiven Malerei wurden Reste entdeckt. Der aus der frtthromani- 



schen Zeit stammende Dom hatte eine flache Holzdecke, 
die er bis zum Jahre 1730 behielt, als der Dom von Italienern 
mit Stuck bekleidet, und die flache Decke durch Holzverschalungen 
in eine Voutendecke mit Stichkappen tiber den Fenstern umge- 
wandelt wurde. Ueber der Vierung ist eine Kuppel hergestellt; 
in den tiefen Gewtflbesacken derselben glaubte man ganz bestimmt 
noch Malerei zu finden, da hier grdfsere Wandflachen durch die 
Kuppel verdeckt werden. Jedoch fand man, dafs die Putzflachen 
bis auf ganz geringe, mit undeutlichen Malereispuren versehenen 
Reste abgeschlagen waren. Grtffser war der Erfolg, als die hinter 
der Voute liegende Wandflache des Mittelschiffes blofsgelegt wurde. 
Hier fanden sich zwischen den Fenstern grofse, plastisch gemalte, 
mit Fruchtschnuren verzierte Nischen, in denen Heiligen- 
figuren standen, wie aus den Resten der KopfbekrOnung und 
Nimbus hervorgeht. In jedem Nimbus sieht man noch drei mit 
Holzdiibeln ausgefullte L5cher, die vermuthlich zur Befestigung 
eines Metall-Nimbus gedient haben. Die Fruchtschntire und Blatt- 
ornamente haben grofse Aehnlichkeit mit den gleichen Ver- 
zierungen am Lettner des Domes und mit der Thorumrahmung 
am Knochenhauer-Amtshaus. Da beide mit 1546 bezw. 1529 zeitlich 
bestimmt sind, kann man wohl die Entstehung der Bemalung des 
Domes in die Mitte des 16. Jahrhunderts setzen. Im Chore wurden 
hinter der Voute auf jeder Seite drei prachtige Engelsktfpfe mit 
edlem Gesichtsausdruck gefunden, die in doppelter Lebensgrtffse, 
mit grofser Vollendung gem alt, ebenfalls dieser Zeit angehttren 
und in ihrer heutigen Beschaffenheit daftir sprechen, dafs der Dom 
von einem tiichtigen Kunstler gemalt war, zugleich aber auch das 
Bedauern dariiber wachrufen, dafs von der grofsartigen Innen- 
bemalung nichts als einige Reste auf uns gekommen ist. 

Aus einer noch frtiheren Zeit fand sich eine Spur von Malerei. 
In der nordwestlichen Ecke des Mittelschiffes hat sich noch ein 
etwa 1 m langes Sttick von einem romanischen schOn gezeichneten 
Friese gefunden, der wohl aus dem Jahre 1140 stammen und der 
in diesem Jahre vom Bischofe Bernhard ausgefiihrten Bemalung 
angehoren mag. 

So lafst sich im Geiste die verschiedenartige Innengestaltung 
des Domes im Laufe der Jahrhunderte zurechtlegen : Von 1140 bis 
1546 war der Dom in romanischer Weise bemalt; 1546, nach Voll- 
endung des Lettners, wurde diese durch die jetzt entdeckte, noch 
in Resten vorhandene Malerei ersetzt: im oberen Lichtgaden in 
doppelter Lebensgrofse dargestellte Heilige, im Chore Engelsfiguren. 
Doch nicht mal 200 Jahre blieb dieser Schmuck der Kirche, bis 
ihn im Jahre 1730 italienische Stuckarbeiter, wie es die damalige 
aus SUddeutschland eindringende Mode erforderte, mit ihren Erzeug- 
nissen bedeckten. Hg. 

Das alte Hans der Seehandlung in Berlin, das leider vor dem 
Abbruch nicht bewahrt werden konnte, ist in ausfiihriicher und 
dankenswcrther Weise vom Bauinspector W. Kern im Julihefte 



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72 



Die Denkmalpflege. 



16. Juli 1902. 



der Zeitschrift flir Bauwesen Jahrg. 1902 verOffentlicht worden. 
Der VerOffentlichung sind zwei Stichblatter nach Aufnahmen des 
Verfassers und zwei Lichtdruckblatter nach Aufnahmen der Kgl. 
Mefsbildanstalt beigegeben, sodafs das aus den letzten Regierungs- 
jahren Friedrich Wilhelras I. stammende Gebaude wenigstens in 
Wort und Bild erhalten ist. Der unter Benutzung amtlicher 
Quellen abgefafste Text enthalt Abbildungen der Holzverbande 
u. a. vora alten Mansarddache. 

Zur Geschichte der Denkmalpflege. Eine besonders schwere 
Zeit brach nach dem Wiener Congresse ttber die rheinischen 
Kunstdenkmaler, namentlich der Profanarchitektur herein. 
Die grofsen Gebietsverilnderangen batten audi grofse Ver- 
schiebungen im Domanial- und Privatbesitz hcrvorgerufen, alte 
Bande der Pietilt waren zerrissen, und das Bestrcben, die neu er- 
worbenen Outer, samt den darauf stehenden Burgen und Schlttssern 
moglichst schnell nutzbar zu machen, ftihrte dazu, dafs man die 
zum grofsen Theil in der Zeit der Noth in Verfall gerathenen 
Burgen, naclidem die zugehorigen Landereien parcellirt waren, 
auf Abbruch verkaufte. So namentlich im Nassauischen. Ich er- 
innere nur an einen besonders in die Augen stechenden Fall, 
den Abbruch des Schlosses Reichenberg bei St. Goarshausen im 
Jahre 1822. 

Ein wenig scheint sich indessen schon damals das historische 
Gewissen der Staatsbehorden geregt zu haben, denn die nach dem 
Abbruche stehengebliebenen Ruinen, so Reichenberg, Theurenberg 
u. a. m., wurden dem Domanialbesitze vorbehalten. 

Ein unermiullicher Vorkampfer fur die Kunst- und Alterthums- 
denkmaler seiner Heimath erstand damals in der Person des 
Archivdirectors Habel, der nicht. nur mit Wort und Schrift 
nach Kraft-en fiir ihre Erhaltung thtitig war, sondern audi mit be- 
deutenden Opfern die Ruinen der schonsten Burgen an sich zu 
bringen suchte, urn sie der Wissenschaft und der Nachwelt zu er- 
halten. Aus seinem (iber den Ankauf mit den Behorden gepflogenen 
Schriftwechsel lassen sich nun die ersten Anfange der Denkmal- 
pflege im Herzogthum Nassau verfolgen. 

Im November 1832 bittet Habel urn Ueberlassung der Ruinen 
Theurenberg (Maus) bei Welmenich und Reichenberg. Beide 
waren Eigenthum der Domiine, aber das ganze Land ringsherum 
verkauft, sodafs nicht einmal ein Weg zu ihnen hinfiihrte. Habel 
wollte sich verpflichten , nichts an den Ruinen zu zerstoren. Das 
Staatsministerium liefs sich, trotz Befiirwortung des Gesuches durch 
die Ortsbehflrden, nicht auf einen Verkauf ein, sondern erklarte sich 
nur bereit, Theurenberg an Habel in Erbpacht zu geben, Reichenberg 
aber miisse die Staatsregierung selbst berucksichtigen, da es von 
besonderem kunstlerischem Werthe sei. Wirklich hatte das Vorgehen 
Habels die Folge, dafs im nachsten Jahre ganze 22 Gulden zur 
RHumung und Erhaltung der Ruinen von Reichenberg bewilligt 
wurden. Zwei Jahre spiiter erneuerte Habel sein Gesuch. Die 
St. Goarshauser BehOrde befurwortete es wiederum mit der Be- 
griindung, dafs die 22 Gulden zur Erhaltung der Burg Reichen- 
berg nicht ausreichten, dafs man aber zu Habel, der auch bereits 
die Burgen Gutenfels und Eppstein an sich gebracht babe, das 
Vertrauen haben dlirfe, dafs er die Ruinen gewifs nicht be- 
scMdigen, sondern zu ihrer Erhaltung sein Bestes thun werde. 
Zugleich wird in dieser Eingabe auf die Nothwendigkeit polizei- 
lichen Schutzes fiir die Ruinen im Herzogthum hingewiesen- 
Namentlich Eh renf els verdiene seiner hervorragenden Lage wegen 
eine angemessene Unterhaltung. Die Regierung stellte sich ent- 
gegenkommend zu dieser Anregung, und es findet sich bei den 
Acten des nachsten Jahres ein Bericht des Schultheifsen von Well- 
menich tiber den gefahrdrohenden Zustand der Ruine Theuren- 
berg, die er laut amtlichen Er lasses besichtigt habe. \H'M\ 
drangte Habel nochmals auf kiiufliche Ueberlassung von Reichen- 
berg, welches in bedenklichem Zustande sei. Den Erwerb der 
bereits an Privatpersonen veraufserten Theile der Ruine habe er 
in die Wege geleitet. Jetzt endlich gab die Regierung nach und 
uberliefs ihm die Ruine fiir den geringen Preis von 50 Gulden 
unter der Bedingung, dafs er niemals zerstorende Hand an sie 
lege und besuchenden Fremden jederzeit den Zutritt gestatte. Die 
Burg Theurenberg wurde 1843 einem Gastwirth W. Nathan in 
Erbleihe gegeben, spiiter aber auch noch von Habel gekauft. 

Was aus den geschilderten Anliiufen zur Denkmalpflege in Nassau 
geworden, habe ich bisher nicht ermitteln konnen, grofs wird die 
Zahl derjenigen wohl nicht gewesen sein, die dem Schultheifs von 
Wellmenich nacheiferten. C. K roll m ami. 

Alte Bemalung eines Fachwerkhauses in Halberstadt. Von dem 

Provincial-Conservator Herrn Dr. DOring in Magdeburg wurden im 
Jahre 1899 an dem Hause „am Trankethor \ u in Halberstadt (Abb. 1) 
Spuren der ehemaligen ursprlinglichen Bemalung der Fiillbretter 



zwischen den vorspringenden Balkenk5pfen entdeckt und auf seine 
Veranlassung freigelegt. 

Das Haus ,am Trankethor 1" gehOrt ohne Zweifel noch der 
gothischen Zeit an und wird urn die Mitte des 15. Jahrhunderts er- 
baut sein; auch die Bemalung der Fiillbretter scheint aus dieser Zeit 
zu stammen. Leider ist die Malerei stark verwittert, nur der Mai- 



Abb. 1. 

grund und die Bindemittel sind erhalten, sodafs die Muster der 
Zeichnung nur noch in zwei grauen Tftnen, einem hellen und einem 
dunkleren hervortreten. Das Haus am Trankethor ist in fruheren 
Zeiten wohl nur ein einfaches und schlichtes biirgerliches W r ohnhaus 
gewesen, denn es fehlt ihm der sonst tibliche Schmuck an Schnitz- 
werk ganzlich. Seine Bemalung wird demnach wohl auch nur eine 
rein handwerksinafsige gewesen sein. Die Fiillbretter sind jedes 

fiir sich mit einem beson- 
deren Muster bedeckt ; die 
meisten von ihnen lehnen 
sich offenbar an die der 
Webestoffe des 15. Jahr- 
hunderts an. Am besten 
erhalten sind die in Abb. 2 
wiedergegebenen, die we- 
gen der einfachen Motive 
und ihrer leicht erkenn- 
baren Gesamtanordnung 
mit einiger Genauigkeit 
gezeichnet werden konn- 
ten. Die Fiillbretter sind 
etwa 40 cm breit und 1 ,25 m 
lang und entsprechen den 
hellen Umrifslinien der 
Zeichnungen. 

Wenn es auch nur 
wenig ist, was erhalten blieb, so gibt es uns doch werthvolle 
Anregungen fiir Neubemalung alter Fachwerkbauten. Die in 
neuerer Zeit vielfach ausgefuhrten farbigen Wiederherstellungen 
an alten Fachwerkhausern konnen demnach nicht als richtig be- 
zeichnet werden. Abgesehen von der leidigen Oelfarbe, mit der die 
schonsten Yerzierungen und Figuren immer von neuem libermalt 
werden, wird das grofs gemusterte Blumen- und Rankenwerk, das 
dem Musterbuche des Malermeisters zu entstammen pflegt, nicht zu 
verwenden sein. Das Beispiel des alten Hauses am Trankethor zeigt, 
dafs man vorsichtig zu Werke gehen mufs, wenn man gutes und 
echtes im Sinne der alten Zeit schaffen will. E. Schmidt. 

Inhalt: Die Bau- und Kunstdenkmiiler des Rheingam's. — Zur Lage de« 
Dt'iikmal8chut7.p8 in Preulson. 1J. (ForUetKung). — Die WandgemakU* von 
St. Peter und Paul in Keiclienau-Niederzell. — Vermischtos: Ausschufs 
zur Erlialtung der Kunstdenkmaler im Ktfnigreich Sachsen. — Hessiseliea 
Denkmalscliut/geHetz. — Ernennung des Directors des Institute zur Erforaehung 
der Altertlitlmer des Heiligen Landes in Jerusalem. — Alte Malereien im Hildes- 
heiiner Dome. — Das alte Haus der Seehandlung in Berlin. — Zur Geschiehte 
der Denkmalpflege. — Alte Bemalung eines Fachwerkhauses in Halberstadt. 



Abb. 2. 



Verl 



Fur die Schriftleitung verantwortlieh: Friedr. Schultze, Berlin, 
ag von Wilhelm Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Gustav Schenck Solin, 



Berlin. 



Nr. 9. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstraise 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrioh Schultze. 



73 



IV. Jahrgang. 
Nr. 10. 



Erscheint alio 8 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — G each lifts telle: W. Wilhelmstr. 90. — Bezuggpreis 

ein8chl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark; fflr das 

Ausland 8,50 Mark. FtLr die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 6. August 
1902. 



{Alle Rechte vorbehalten.] 



Das hessische* Gesetz tiber den Denkmalschutz. 



In Erganzung unserer friiheren Nachrichten ttber den Stand 
der Verhandlungen beztiglich des hessischen Denkmalschutzgesetzes, 
insbesondere tiber den ersten Gesetz-Entwurf (vergl. Denkmal- 
pflege, Jahrg. 1901, Seite 36) kOnnen wir heute die erfreuliche 
Thatsache mittheilen, dafs nach einstimmiger Annahme durch beide 
Standekammern der Gesetz-Entwurf in seiner gegen den ersten 
Entwurf etwas veranderten Fassung nunmelir Gesetz geworden 
ist, welches am 1. October d. J. in Kraft tritt. Damit sind die 
Erwartungen in glanzender Weise erfiiUt, welche von alien be- 
theiligten Kreisen auf * das rasche und zielbewufste Vorgehen der 
hessischen Regierung und die entgagenkommende sachgemafse 
Behandlung der Angelegenheit durch die hessischen Landstande 
gesetzt worden sind. 

Was den Werdegang des jetzigen Gesetzes anlangt, so mag 
hier zusammenfassend erwahnt werden, dafs der von dem Grofs- 
herzoglichen Ministerialrath Frlirn. v. Biegeleben ausgearbeitete 
erste Regierungsentwurf in dem Gesetzgebungsausschufs der 
Zweiten Kamraer einige, im wesentlichen formeUe und redactioneUe 
Aenderungen erfahren hat, wobei es sich insbesondere darum 
handelte, die Verschiedenheit der Behandlung, die sich aus der 
Verschiedenheit der Eigenthtimer der Denkmaler sowie dieser 
selbst ergibt, etwas deutlicher in den Vordergrund zu stellen. 
In diesem Stadium wurde der Entwurf dem zweiten Denkmal- 
pflegetag in Freiburg vorgetragen und wurde dort unter aU- 
seitigem BeifaU als ein erfreuliches Vorbild auch fur die Gesetz- 
gebung der anderen deutschen Staaten bezeichnet. In der Sitzung 
der Zweiten Kammer vom 20. November v. J. fand dieser Entwurf 
Annahme, ebenso bei dem Ausschufs der Ersten Kammer. Durch 
Mitglieder der Ersten Kammer wurden jedoch nachtrftglich einige 
Wiinschc und Bedenken laut und ftihrten in Uebereinstimmung 
mit der Regierung zur Abfassung eines dritten Entwurfs, durch 
welchen die Rechte der Privateigenthtimer mehr zum Ausdruck 
gebracht werden soUten und der Denkmalrath, welcher in den 
fruheren Entwurf en nur nach Bedarf und in wichtigeren Fallen 
zu bilden und einzuberufen war, als bleibendes, sachverstandiges 
Organ bestellt wurde. Audi aufserlich trennte der neue Entwurf 
mit grOfserer Bestimmtheit die Vorschriften, die sich auf die 



Denkmaler im Besitze von juristischen Personen des Offentlichen 
Rechtes und diejenigen, welche sich auf die Denkmaler im Besitz 
von Privatpersonen beziehen. In dieser letzten Fassung wurde der 
Entwurf durch beide Kammern, wie schon erwahnt, einstimmig 
angenommen. Die dem ersten Entwurf beigegebene Begrtindung, 
welche auch heute noch im wesentlichen mafsgebend ist, wurde 
bereits an anderer SteUe in diesem Blatte (1901, S. 36) zum Ab- 
druck gebracht. Das jetzige Gesetz unterscheidet 7 Abschuitte 
und zwar: I. Denkmaler im Besitz juristischer Personen des Offent- 
lichen Rechts. II. Baudenkmaler im Besitz von Privatpersonen. 
III. Besondere Vorschriften fur einzelne Falle. IV. Ausgrabungen 
und Funde. V. Organisation des Denkmalschutzes. VI. Natur- 
denkmaler. VII. Schlufsbestimmungen. 

Aus den Ueberschriften im I. und II. Abschnitt geht als be- 
merkenswerth hervor, dafs die beweglichen Denkmaler, nur 
insoweit sie sich im Offentlichen Besitz befinden, unter die Herr- 
schaft des Gesetzes fallen, eine Ausdehnung des Schutzes auf die 
beweglichen Denkmaler im Privatbesitz — hauptsachlich aus 
Zweckmafsigkeitsgrtinden — jedoch nicht fur angangig erachtet 
wurde. Wegen der Wichtigkeit, welche das Gesetz als erstes 
deutsches Denkmalschutzgesetz beanspruchen darf, lassen wir 
seinen Wortlaut unten folgen. — Wir kOnnen dem hessischen Gesetz 
keine besseren Geleitworte mit auf den Weg geben, als die des 
Urhebers des Entwurfs, Frhrn. v. Biegeleben, am Schlufs seines 
Vortrages auf dem Freiburger Denkmalpflegetag: 

w M0chte Hessen durch das Gelingen seines Werkes belohnt 
werden, dieses Werkes, welches einem grofsen idealen Ziele dient : 
der Hebung des Nationalbewufstseins, der Wiederbelebung der 
Liebe zum Vaterland und zur Heimath mittels der Pflege der 
Denkmaler, der stummen, aber doch beredtesten Zeugen einer 
grofsen Vergangenheit. Handelt es sich hier doch um Ziele, zu 
deren Erreichung alle Edelgesinnten im Volke, durch religiose, 
politische, sociale Meinungsverscbiedenheiten ungehindert, ein- 
trachtig zusammenwirken kOnnen zum Wohle unseres geliebten 
deutschen Vaterlandes." 

Darmstadt. H. Wagner. 



Gesetz, den Denkmalschntz betreffend. 



Ernst Ludwig von Gottes Gnaden Grofsherzog von Hessen 
und bei Rhein etc. etc. Wir haben mit Zustimmung Unserer ge- 
treuen Stande verordnet und verordnen hierdurch, wie folgt: 
Erster Abschnitt. Denkmaler im Besitz juristischer Personen 
des offentlichen Rechts. 

Artikel 1. Begriff des Baudenkmals. Genehmigungs- 
pflicht. Steht einer juristischen Person des Offentlichen Rechts 
die Verftigung tiber ein Bauwerk zu, dessen Erhaltung wegen 
seiner Bedeutung fur die Geschichte, insbesondere fur die Kunst- 
geschichte, im Offentlichen Interesse liegt (Baudenkmal), so darf 
dasselbe nur nach vorgangiger behOrdlicher Genehmigung ganz 
oder theilweise beseitigt werden. Das Gleiche gilt von der Ver- 
Sufserung, Veranderung, WiederhersteUung oder erheblichen Aus- 
besserung des Baudenkmals. 

Durch Verordnung kann festgesetzt werden, dafs nur solche 
Bauwerke, welche vor einem bestimmten Zeitpunkte entstanden 
sind, als Baudenkmaler gelten. 

Artikel 2. Umgebung des Baudenkmals. Genehmi- 
gungspflicht. Steht einer juristischen Person des Offentlichen 
Rechts die Verftigung tiber die Umgebung eines Baudenkpials zu, 
so dttrfen bauliche Anlagen oder Veranderungen in der Umgebung 
des Baudenkmals, welche dieses in mifsstandiger Weise zu ver- 
decken oder das Baudenkmal oder dessen Umgebung zu verun- 
stalten geeignet sind, nur nach vorgangiger behOrdlicher Genehmi- 
gung ausgefiihrt werden. 

Artikel 3. Bewegliche Denkmaler. Die Vorschrift des 
Artikels 1 findet entsprechende Anwendung auf bewegliche Gegen- 



stande (auch Urkunden), deren Erhaltung wegen ihrer Bedeutung 
ftir die Geschichte, insbesondere fur die Kunstgeschichte, im Offent- 
lichen Interesse liegt (bewegliche Denkmaler), soweit diese Gegen- 
stande sich im Besitze von Gemeinden, Kirchen, Religionsgemeinden 
oder Offentlichen Stiftungen befinden. 

Die Ausstattung eines Baudenkmals mit beweglichen Gegen- 
standen als ZubehOr darf seitens einer Gemeinde, Kirche, Religions- 
gemeinde oder Offentlichen Stiftung nur nach vorgangiger behOrd- 
licher Genehmigung erfolgen. 

Artikel 4. Versagung der Genehmigung. Eine nach 
Artikel 1, 2, 3 beantragte Genehmigung ist zu versagen, wenn 
der beabsichtigten Handlung im Interesse der Erhaltung des 
Denkmals oder sonst aus ktinstlerischen oder geschichtlichen 
Rticksichten Bedenken entgegenstehen, welche die anderweiten, 
etwa durch eine Versagung der Genehmigung bertihrten, Offent- 
lichen oder privaten Interessen ttberwiegen. Eine Versagung der 
Genehmigung aus anderen Grtinden ist auf Grund dieses Gesetzes 
unzulassig. 

Eine Genehmigung, welche nach Absatz 1 zu versagen ware, 
kann bedingungsweise erfolgen, falls die entgegenstehenden Be- 
denken durch geeignete Vorschriften beseitigt werden. 

Die Genehmigung kann insbesondere an die Bedingung ge- 
kntipft werden, dafs die Ausftihrung der Arbeiten, auf welche sich 
die Genehmigung bezieht, nur nach einem von dem Ministerium 
des Innern gebilligten oder zu billigenden Plan und unter Leitung 
eines dem Ministerium des Innern genehmen Beamten oder Sach- 
verstiindigeu erfolgt. 



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74 



Die Denkmalpflege. 



6. August 1902. 



Artikel 5. Instanzenzug. FUr die Ertheilung der nach 
Artikel 1, 2, 3 erforderlichen Genehmigung ist das Kreisamt zu- 
standig, in dessen Bezirk sich das Denkmal befindet. 

Nimmt das Kreisamt Anstand, die Genehmigung zu ertheilen, 
so entscheidet dartiber der Kreisausschufs. Das weitere Verfahren 
richtet sich nach den in Verwaltungssachen fur diejenigen Falle 
mafsgebenden Bestimmungen, in welchen das Kreisamt Anstand 
nimmt, die Staatsgenehmigung zu Beschliissen der Gemeindebe- 
horden und Gemeindevertretungen zu ertheilen. 

Artikel 6. Erleichterung der Genehmigungspflicht. 
Das Kreisamt hat auf Antrag allgemein im voraus sowohl diejenigen 
Arbeiten zu bezeichnen, welche in keinem Fall der Genehmigungs- 
pflicht uuterliegen, als audi fttr diejenigen Arbeiten, welche es in 
keinem Fall zu beanstanden findet, die Genehmigung zu ertheilen. 

Die Entschliefsung des Kreisamtes kann, solange nicht die 
nach Absatz 1 von dem Kreisamt zugelassenen Arbeiten begonnen 
oder zur Ausfuhrung vergeben worden sind, widerrufen werden. 

Artikel 7. Handlungen der Staatsverwaltung. Hand- 
luugen Unserer Staatsverwaltung unterliegen nicht der in Artikel 
1, 2 vorgeschriebenen Genehmigungspflicht; das Ministerium des 
Innern kann jedoch anordnen, dafs eine Handlung der in Artikel 
1, 2 bezeichneten Art erst vorgenommen werden darf, nachdem es 
erklart hat, dafs der beabsichtigten Handlung im Interesse der 
Erhaltuug des Denkmals oder sonst aus kunstlerischen oder ge- 
schichtlichen Rucksichten keine Bedenken entgegenstehen. 

Artikel 8. Verzeichnifs der Denkmaler. Jedes Kreis- 
amt ftlhrt ein Verzeichnifs, in welches alle in seinem Bezirk vor- 
handenen, im Besitz juristischer Personen des Offentbchen Rechts 
befindlichen Baudenkmaler und unter die Vorschrift des Artikels 3 
fallenden beweglichen Denkmaler einzutragen sind. 

Die Gemeinden, Kirchen, Religionsgemeinden und Offentlichen 
Stiftuugen sind verpflichtet, bei der Aufstellung des Verzeich- 
nisses mitzuwirken. 

Z wetter Abschnitt. BaudenkmSler im Besitz von Pri vat personen. 

Artikel 9. Anwendbarkeit der Vorschriften dieses 
Abschnittes. Die V T orschriften dieses Abschnittes finden An wen- 
dung, soweit einer Privatperson (nattirlichen Person oder juristi- 
schen Person des Privat rechts) die Verfiigung tiber ein Denkmal 
oder die Umgebung eiues solchen zusteht. 

Artikel 10. Voraussetzung des Schutzes der im Privat- 
besitz befindlichen Baudenkmaler. Denkmalliste. Ein 
Denkmalschutz nach Mafsgabe dieses Abschnittes findet in Ansehung 
eines Baudenkmals oder der Umgebung eiues solchen nur statt, wenn 
das Baudenkmal seitens des Denkmalraths in die amtbche Liste 
der im Privatbesitz befindlichen Baudenkmaler (Denkmalliste) ein- 
getragen worden ist, beziehungsweise wenn der Denkmalrath erklilrt 
hat, dafs der Denkmalschutz sich auf die Umgebung erstreckt. 

Der Denkmalrath (Artikel 32) hat vor seiner Entschliefsung 
das Kreisamt und den Denkmalpfleger zu hflren. 

Yon der gemafs Absatz 1 erfolgten Eintragung oder ErklSrung 
ist der Verfugungsberechtigte zu benachrichtigen. 

Der Verfugungsberechtigte kann gegen die Eintragung oder 
Erklaruug, uubeschadet der vorlaufigen Wirkung der Benachrich- 
tigung, binuen einer unerstrecklichen Frist von vier Wochen von 
dem Zeitpunkt der erfolgten schriftlichen Zustellung an, Beschwerde 
bei dem Ministerium des Innern erheben. 

Ist gegen die gemafs Absatz 1 erfolgte Eintragung oder Er- 
klarung nicht rechtzeitig Beschwerde erhoben oder ist sie durch 
ministerielle Entscheidung bestatigt worden, so wird der Eintrag 
beziehungsweise die Erklaruug audi den Rechtsnachfolgern des 
Verfugungsberechtigten gegentiber wirksam. 

Die Ltischung eines auf Grund des Absatzes 1 vollzogenen Ein- 
trags in der Denkmalliste, sowie die Zuriicknahme einer auf Grund 
des Abs. 1 abgegebenen Erklarung erfolgen durch den Denkmalrath 
nach zuvor eingeholter Genehmigung des Ministeriums des Innern. 

Artikel 11. Genehmigungspflicht. Die Vorschriften des 
Artikels 1 Absatz 1 Satz 1, sowie der Artikel 2, 4, f> finden, unbe- 
schadet des Artikels 12, mit der Mafsgabe entsprechende Anwen- 
dung, dafs der Verfugungsberechtigte an Stelle der Genehmigung 
des Kreisamts diejenige des Denkmalpflegers einholen kann. Macht 
der Berechtigte von dieser Befugnifs Gebrauch, so kann er gegen 
die Entscheidung des Denkmalpflegers binnen einer unerstreck- 
lichen Frist von vier Wochen von dem Zeitpunkt der erfolgten 
schriftlichen Zustellung an Beschwerde bei dem Ministerium des 
Innern erheben. 

Artikel 12. Feststellung beziiglich der staatlichen 
Mitt el. Tragt das Kreisamt oder der Denkmalpfleger Bedenken, 
einem nach Artikel 11 gestellten Genehmigungsantrag ohne wei- 
teres zu entsprecheu, so ist von ihm zunachst festzustellen, ob dem 



Staat die Mittel zur Verfiigung stehen, welche bei Versagung der 
Genehmigung oder nur bedingungsweiser Ertheilung einer solchen 
zur Befriedigung eines etwa nach Artikel 14 Absatz 1, 2 zu er- 
hebenden Anspruchs erforderlich sein wtirden. 

Sind die erforderlichen Mittel nicht vorhanden, so hat das 
Kreisamt beziehungsweise der Denkmalpfleger die Genehmigung 
zu ertheilen. 

Artikel 13. Vorkehrung gegen Verschleppung. Wird 
auf einen nach Artikel 11 gestellten Genehmigungsantrag binnen 
sechs Wochen weder die Genehmigung ertheilt, noch dem Antrag- 
steller von der Beanstandung der Genehmigung Kenntnifs gegeben, 
so ist der Antragsteller in seiner Verfiigung unbeschrankt. 

Die in Absatz 1 bestimmte Frist kann seitens des Ministeriums 
des Innern sowohl bis zu drei Monaten verlangert, als auch auf 
Nachsuchen des Antragstellers abgektirzt werden. 

Artikel 14. Entschadigungsanspruch bei Versagung 
der Genehmigung. Wird eine nach Artikel 11 beantragte Ge- 
nehmigung durch rechtskraftige Entscheidung versagt oder nur be- 
dingungsweise ertheilt, so kann der Antragsteller binnen sechs 
Wochen von der Rechtskraft der Entscheidung an bei dem Mini- 
sterium des Innern Ersatz des ihm durch Versagung der Geneh- 
migung oder durch nur bedingungsweise Genehmigung zugeftigten 
Schadens seitens des Staates verlangen. 

Der Eigenthtimer kann, insofern die Umstande dies rechtferti- 
gen, wahlweise an Stelle des in Absatz 1 bezeichneten Schaden- 
ersatzes verlangen, dafs der Staat ihm gegen Uebertragung des 
Eigenthums an dem Baudenkmal oder dem in dessen Umgebung 
gelegenen Grundsttick Entschadigung leistet. 

Fur die Bemessung der nach Absatz 1, 2 dem Staat obliegen- 
den Leistungen sind die fttr die Entschadigung im Enteignungsver- 
fahren geltenden Grundsatze mafsgebend. 

Kommt in den Fallen der Absatze 1, 2 eine gtitliche Einigung 
nicht zu Stande, so steht dem Geschadigten der Rechtsweg offen. 

Artikel 15. Anzeigepflicht. Von jeder beabsichtigten 
Veraufserung, Veranderung, Wiederherstellung oder erheblichen 
Ausbesserung des Baudenkmals hat der Verfugungsberechtigte dem 
Denkmalpfleger Anzeige zu erstatten. 

Die Anzeige kann nach Wahl des Verfugungsberechtigten bei 
dem Denkmalpfleger unmittelbar oder durch Vermittlung des 
Kreisamts erfolgen. 

Der Anzeige sind die zur Beurtheilung erforderlichen Plane 
und sonstigen Entwurfstucke beizufiigen. 

Artikel 16. Erleichterung der Anzeigepflicht. Der 
Denkmalpfleger hat auf Antrag allgemein im voraus diejenigen 
Arbeiten zu bezeichnen, fttr welche eine Anzeige aus kunstlerischen 
oder geschichtlichen Rttcksichten in keinem Falle erforderlich er- 
scheint. 

Die Bestimmung des Artikels 6 Absatz 2 findet entsprechende 
Anwendung. 

Artikel 17. Folgen der Anzeigepflicht. Die nach Ar- 
tikel 15 anzuzeigende Handlung darf nicht vor Ablauf von sechs 
Wochen von Erstattung der Anzeige ab vorgenommen oder in 
einer den Anzeigepflichtigen bindenden Weise vorbereitet werden, 
insofern nicht diesem bereits vorher die Mittheilung, dafs der Yor- 
nahme der Handlung nichts im Wege stehe, zugegangen ist. 

Die Bestimmung des Artikels 13 Absatz 2 findet entsprechende 
Anwendung. 

Wahrend der Frist soil der Denkmalpfleger, falls der beab- 
sichtigten Handlung im Interesse der Erhaltuug des Baudenkmals 
oder sonst aus kunstlerischen oder geschichtlichen Rucksichten 
Bedenken entgegenstehen, den Anzeigepflichtigen zu einer ent- 
sprechenden anderweiten Entschliefsung zu veranlassen suchen. 

Dritter Abschnitt. Besondere Vorschriften fttr einzelne FSlle. 

Artikel 18. Entschadigungsanspruch der Kirchen etc. 
in einem besonderen Fall. Hat eine Kirche, Religionsgemeinde 
oder Offentliche Stiftung die behordliche Genehmigung nachgesucht, 
bauliche Anlagen oder Veranderungen der in Artikel 2 bezeich- 
neten Art in der Umgebung eines Baudenkmals, welches ihrer 
Verfiigung nicht untersteht, vorzunehmen, und tragt- das Kreisamt 
Bedenken, diesem Genehmigungsantrag ohne weiteres stattzugeben, 
so finden die Bestimmungen des Artikels 12 entsprechende An- 
wendung. Falls die nachgesuchte Genehmigung durch rechts- 
kraftige Entscheidung versagt oder nur bedingungsweise ertheilt 
wird, finden die Bestimmungen des Artikels 14 entsprechende An- 
wendung. 

Artikel 19. Enteignungsrecht im Interesse von Bau- 
denkmal ern. Der Staat ist berechtigt, Grundeigenthum im 
Wege des Enteignuiigsverfahrens insoweit zu beschranken, als es 
erforderlich ist 



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Nr. 10. 



Die Denkmalpflege. 



75 



1) zum Zwecke der Erhaltung eines Baudenkmals, dessen 
Unterhaltung oder Sicherung in einer seiuen Bestand oder 
die Erhaltung wesentlicher Theile gefahrdenden Weise 
vernachlassigt wird, 

2) zum Zwecke einer durch kttnstlerische oder geschicht- 
liche Riicksichten gebotenen Freilegung eines Baudenk- 
mals, sofern nicht derselben iiberwiegende ftffentliche 
oder private Interessen entgegenstehen. 

Der Eigentlittmer kann, insofern die Umstande dies recht- 
fertigen, verlangen, dafs an die Stelle der Beschrankung die Ent- 
ziehung des Eigenthums tritt. 

Der Staat kann durch Entschliefsung des Ministerums des 
Innern das ihm nach Absatz 1 zustehende Enteignungsrecht auf 
die Gemeinde, den Kreis oder die Provinz, in deren Bezirk das 
Baudenkmal sich befindet, tibertragen. 

Artikel 20. Aufnahme von Baudenkmillern. Der Staat 
kann jederzeit auf seine Kosten den Zustand eines Baudenkmals 
durch Aufnahmen feststellen lassen. 

Die gleiche Befugnifs steht vorbehaltlich der Genehmigung 
des Ministeriums des Innern den Gemeinden, Kreisen und Pro- 
vinzen in Ansehung der in ihrem Bezirk befindlichen Baudenk- 
maler zu. 

Den mit der Feststellung beauftragten Personen ist seitens 
der Verfugungsberechtigten freier Zutritt zu alien Oertlichkeiten, 
deren Betretung zum Zweck der Feststellung erforderlich ist, zu 
gestatten. 

Wird dem Verfugungsberechtigten durch eine der Mafsnahmen 
dieses Artikels Schaden zugefttgt, so ist der Staat zum Ersatz des 
Schadens verpflichtet. Im Falle des Absatzes 2 trifft die Schaden- 
ersatzpflicht die Gemeinde, den Kreis oder die Provinz. 

Artikel 21. Ansinnen an die Gemeinden. Steht einer 
Gemeinde die Verftigung tiber ein Baudenkmal oder bewegliches 
Denkmal zu, so kann das Kreisamt, unbeschadet der Vorschriften 
des Artikels 19, der Gemeinde ansinnen, fur die ordnungsmafsige 
und wttrdige Unterhaltung und Wiederherstellung, sowie fur eine 
aus ktinstlerischen oder geschichtlichen Rticksichten gebotene Frei- 
legung des Baudenkmals Sorge zu tragen. 

Wenn der Gemeindevorstand der Ausgabe widerspricht, ent- 
scheidet der Kreisausschufs unter BerUcksichtigung der Leistungs- 
fahigkeit der Gemeinde dartiber, ob die Ausgabe und in welcher 
Grofse sie gemacht werden soil. 

Das Verfahren bei dem Kreisausschufs und das weitere Ver- 
fahren richtet sich nach den in Gemeindeverwaltungssachen fttr 
diejenigen Falle mafsgebenden Bestimmungen, in welchen der Ge- 
meindevorstand einer der Gemeinde von der RegierungsbehOrde 
im 5ffentlichen Interesse angesonnenen Ausgabe widerspricht. 

Auch wenn in Gemafsheit des Absatzes 1 ein Ansinnen an die 
Gemeinde erfolgt ist, bedarf die Art der Ausfiihrung der Arbeiten 
in jedem Falle der behordlichen Genehmigung nach Mafsgabe der 
Bestimmnngen der Artikel 1, 2, 3, 4, 5. 

Artikel 22. Ansinnen an die Kirchen etc. Gerath ein 
Baudenkmal oder bewegliches Denkmal, liber das eine Kirche, 
Religionsgemeinde oder ftffentliche Stiftung zu verftigen berechtigt 
ist, durch Vernachlassigung in ganzlichen oder theilweisen Verfall, 
so kann das Kreisamt, unbeschadet der Vorschriften des Artikels 19, 
dem Verfugungsberechtigten ansinnen, fur die Verhinderung des 
Verfalls und ordnungsmafsige Unterhaltung Sorge zu tragen. 

Die Bestimmungen des Artikels 21 Absatz 2 bis 4 finden ent- 
sprechende Anwendung. 

Artikel 23. Baupolizeiliche Bestimmungen. Die Fest- 
setzung einer Fluchtlinie (Strafsen- oder Baufluchtlinie), welche ein 
Baudenkmal gefahrdet oder sonst fiir dasselbe von Bedeutung ist, 
bedarf in alien Fallen der Genehmigung des Ministeriums des 
Innern. 

Zu einer Dispensation im Sinne des Artikels 72 des Gesetzes 
vom 30. April 1881, die allgemeine Bauordnung betreffend, ist, so- 
weit sie im Interesse eines Baudenkmals erfolgen soil, die Zu- 
stimmung des Kreisausschusses oder des Gemeinderaths in keinem 
Falle erforderlich ; an Stelle der Zustimmung gentigt vielmehr stete 
die AnhOrung. 

Im Interesse der Freihaltung eines Baudenkmals kann durch 
Ortsstatut bestimmt werden, dafs Geb&ude nur in einer bestimmten 
Entfernung von dem Baudenkmal errichtet werden und die in 
dessen Nahe befindlichen Gebaude eine bestimmte HOhe kttnftig 
nicht tiberschreiten dtirfen. 

Artikel 24. Baudenkmaler im Privatbesitz. Auf ein 
Baudenkmal in der Verftigungsgewalt einer Privatperson finden 
die Bestimmungen der Artikel 19, 20, 23 nur Anwendung, wenn es 
nach Artikel 10 Absatz 4, 5 endgttltig in die Denkmalliste einge- 
tragen ist. 



Vierter Abschnitt. Ausgrabungen and Fnnde. 

Artikel 25. Ausgrabungen. Wer eine Ausgrabung nach 
verborgenen unbeweglichen oder beweglichen Gegenstanden von 
culturgeschichtlicher oder sonst geschichtlicher Bedeutung vorzu- 
nehmen beabsichtigt, hat hiervon dem Kreisamt oder einer anderen 
seitens des Ministeriums des Innern zu bezeichnenden BehOrde 
Anzeige zu erstatten und den seitens der zustandigen Behtfrde 
ergehenden Anordnungen hinsichtlich der Ausfiihrung der Aus- 
grabung, der Verwahrung und sonstigen Sicherung, sowie der Be- 
handlung etwa aufzufindender Gegenstande nachzukommen. 

Das Gleiche gilt, wenn die beabsichtigte Grabung zwar nicht 
auf die Auffindung von Gegenstanden der in Absatz 1 bezeichneten 
Art gerichtet, dem Grabenden aber bekannt ist, dafs gelegentlich 
der Grabung wahrscheinlich die Entdeckung solcher Gegenstande 
stattfinden wird. 

Die beabsichtigte Ausgrabung oder Grabung darf nicht vor 
Ablauf von zwei Wochen von Erstattung der Anzeige ab beginnen, 
insofern nicht bereits vorher die nach Absatz 1, 2 zu erlassenden 
Anordnungen getroffen worden sind. 

Artikel 26. Funde. Werden in einem Grundstuck ver- 
borgene unbewegliche oder bewegliche Gegenstande von cultur- 
geschichtlicher oder sonst geschichtlicher Bedeutung bei Aus- 
grabungen nach solchen oder gelegentlich aufgefunden, so hat der 
Eigenthiimer des Grundstticks oder der sonst Verfugungsberechtigte 
von diesem Fund sp&testens am folgenden Tage der Btirgermeisterei 
oder dem Kreisamt des Fundorts Anzeige zu erstatten und den 
Anordnungen Folge zu leisten, welche entsprechend der Bestimmung 
in Artikel 25 Absatz 1 getroffen werden. Die gleiche Verpflichtung 
liegt dem Leiter der Arbeiten, bei denen der Fund gemacht 
worden ist, ob. Zur Erfullung der Anzeigepflicht genilgt die Er- 
stattung der Anzeige seitens eines von mehreren Anzeigepflichtigen. 

Handelt es sich um gelegentliche Funde, bezuglich deren behflrd- 
liche Anordnungen auf Grund des Absatzes 1 oder des Artikels 25 
Absatz 2 noch nicht ergangen sind, so darf der Anzeigepflichtige 
die begonnenen Arbeiten nicht vor Ablauf von drei Tagen von 
Erstattung der Anzeige ab fortsetzen. Der Anzeigepflichtige darf 
jedoch die begonnenen Arbeiten weiter ftthren, sofern ihre Fort- 
setzung die bereits gefundenen Gegenstande oder noch zu er- 
wartende Funde nicht gefahrdet und sofern ihm die Unterbrechung 
der Arbeiten nur mit unverhaltnifsmafsigem Nachtheil mdglich ist. 

Artikel 27. Befreiungsbefugnifs des Ministeriums. 
Das Ministerium des Innern kann ausnahmsweise die Erfullung der 
in Artikel 25, 26 festgesetzten Verpflichtungen erlassen. 

Artikel 28. Schadenersatzpflicht des Staates. Der 
Staat ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, welcher einem Be- 
theiligten durch Befolgung der auf Grund der Artikel 25, 26 ge- 
troffenen Anordnung verursacht worden ist. 

Artikel 29. Besichtigung von Fundstatten. Den mit 
der Nachforschung nach verborgenen Gegenstanden von cultur- 
geschichtlicher oder sonst geschichtlicher Bedeutung durch den 
Staat beauftragten Personen ist seitens der Verfugungsberechtigten 
die Besichtigung etwaiger Fundstatten zu gestatten. 

Artikel 20 Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. 

Artikel 30. Enteignungsrecht im Interesse von Aus- 
grabungen. Der Staat ist berechtigt, Grundeigenthum im Wege 
des Enteignungsverfahrens insoweit zu beschranken, als es er- 
forderlich ist zum Zwecke der Ausfiihrung von Ausgrabungen nach 
unbeweglichen oder beweglichen, vermutldich in einem Grundstuck 
verborgenen Gegenstanden von culturgeschichtlicher oder sonst 
geschichtlicher Bedeutung, welche durch Grabungen oder sonst in 
ihrem Fortbestand gefahrdet sind oder bezuglich welcher der Ver- 
fugungsberechtigte eine sachgemafse Ausgrabung ohne wichtige 
Grttnde wedervorzunehmen noch zuzulassen gewillt ist. 

Die Bestimmungen des Artikels 19 Absatz 2, 3 finden ent- 
sprechende Anwendung. 

Fiinfter Abschnitt. Organisation des Denkmalschutzes. 

Artikel 31. Mitwirkung des Denkmalpflegers, der 
Ministerialabtheilung fttr Bauwesen und der Alter- 
thums- etc. Vereine. Das Kreisamt, der Kreisausschufs und 
der Provincialausschufs haben in alien Fallen, welche nach Mafs- 
gabe der vorstehenden Bestimmungen ihrer Entschliefsung oder 
Entscheidung unterliegen, unbeschadet der Mitwirkung der zu- 
standigen Baubeamten, das Gutachten des Denkmalpflegers und in 
wichtigeren Fallen, insofern es sich um Baudenkmaler handelt, 
zugleich das Gutachten der Ministerialabtheilung fttr Bauwesen 
einzuholen. Die vorstehende Verpflichtung entfallt, wenn das 
Ministerium des Innern durch allgemeine Anordnung oder in ein- 
zelnen Fallen Ausnahmen zugelassen hat. 



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Die Denkmalpflege. 



6. August 1902. 



1st das Gutachten der Ministerialabtheilung fiir Bauwesen ein- 
zuholen, so hat der Denkmalpfleger sein Gutachten in der Regel 
gemeinsam mit dieser zu erstatten. 

Seiteus des Kreisamtes, Kreisausschusses oder Provincial- 
ausschusses kann nach Mafsgabe der vom Ministerium des Innern 
zu erlassenden naheren Bestimmungen auf Antrag eines Alter- 
t-hunis-, Geschichts- oder Kunst-Vereins des Bezirks ein von dera 
Verein zu bezeichnender Vertreter schriftlich gehOrt oder zur 
miindlichen Verhandlung zugezogen werden. 

Dem Denkmalpfleger kann seitens des Ministeriums des Innern 
die Befngnifs beigelegt werden, in Fallen dringender Gefahr vor- 
liiufig die Einstellung gesetzwidrig begonuener Arbeiten zu ver- 
fugen oder sonst die zur Verhtitung gesetzwidriger Handlungen 
erforderlichen Mafsnahmen anzuordnen. 

Artikel 32. Denkmalrath. Ministerium. Zur Mitwirkung 
bei der Ausiibung des Denkmalschutzes wird flir das Grofsherzog- 
thum ein Denkmalrath gebildet. Diesem sollen jedenfalls je ein 
Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche, mindestens 
zvvei Mitglieder von hessischen Alterthums-, Geschichts- oder Kunst- 
vereinen, zwei in Hessen wohnhafte Baudenkmalbesitzer angehoren. 
Die kein Staatsamt bekleidenden Mitglieder sind auf je sechs Jahre 
zu berufen. Im Ubrigen wird die Zusammensetzung und Ge- 
schaftsordnung des Denkmalraths durch das Ministerium des Innern 
bestimmt. 

Das Ministerium des Innern kann in den ihm geeignet er- 
scheinenden Fallen das Gutachten des Denkmalraths einholen, auf 
Verlangen eines Betheiligten mufs dies geschehen. 

Auf Verlangen eines Betheiligten ist der Denkmalrath durch 
zwei Sachverstandige zu verstarken, von welchen der eine durch 
den Antragsteller, der andere durch das Ministerium des Innern 
ernannt wird. 

Ausnahmsweise kann neben dem ftir das Grofsherzogthum be- 
stehenden Denkmalrath auch die Berufung eines besonderen, ledig- 
licli mit der Erstattung von Gutachten zu betrauenden Denkmal- 
raths im Einzelfalle seitens des Ministeriums des Innern beschlossen 
werden. 

Die Entscheidung des Ministeriums des Innern erfolgt in 
saint-lichen nach diesem Gesetz vorkommenden Streitsachen in 
collegialischer Berathung und Beschlufsfassung. 

Sechster Abschnitt. Naturdenkmaler. 

Artikel 33. Begriff des Naturdenkmals. Voraus- 
setzungen des gesetzlichen Schutzes. Natiirliche Bildungen 
der Erdoberflache, wie Wasserlaufe, Felsen, Baume und dergleichen, 
deren Erhaltung aus geschichtlichen oder naturgeschichtlichen 
Rucksichten oder aus Rucksichten auf landschaftliche Schftnheit 
oder Eigenart im offentlichen Interesse liegt (Naturdenkmaler), 
kftnnen auf Antrag des Ministeriums der Finanzen, Abtheilung fllr 
Forst- und Cameralverwaltung seitens des Kreisamts einem be- 
sonderen Schutz unterstellt werden. 

Dieser Schutz kann auch auf die Umgebung eines Naturdenk- 
mals ausgedehnt werden. 

Der Verfiigungsberechtigte ist von den nach Absatz 1, 2 ge- 
troffenen Anordnungen zu benachrichtigen. 

Der Verfiigungsberechtigte kann gegen diese Anordnungen 
unbeschadet der vorlanfigen Wirkung der kreisamtlichen Benach- 
richtigung, binnen einer unerstrecklichen Frist von vier Wochen 
von dem. Zeitpunkt der erfolgten schriftlichen Zustellung an, Ein- 
spruch erheben. 

Nimmt das Kreisamt Anstand, dem Einspruch stattzugeben, so 
entscheidet dartiber der Kreisausschufs; das weitere Verfahren 
richtet sich nach den in Verwaltungssachen fiir diejenigen Falle 
mafsgebenden Bestimmungen, in welchen das Kreisamt Anstand 
nimmt, die Staatsgenehmigung zu BeschlUssen der Gemeinde- 
behftrden und Gemeindevertretungen zu ertheilen. 

Die Bestimmungen des Artikels 10 Absatz 5, 6 finden ent- 
sprechende Anwendung. 

Artikel 34. Folgen des gesetzlichen Schutzes. Ge- 
ne hmigungspfl icht. Arbeiten, welche den Fortbestand eines 
nach Artikel 33 amtlich geschutzten Naturdenkmals zu gefahrden 



oder dieses oder dessen amtlich geschutzte Umgebung zu verun- 
stalten geeignet sind, dtirfen nur nach vorgangiger Genehmigung 
des Kreisamts ausgefllhrt werden. 

Eine nach Absatz 1 beantragte Genehmigung ist unbeschadet 
der Vorschrift des Artikels 12 zu versagen, wenn der beabsichtigten 
Handlung im Interesse der Erhaltung des Naturdenkmals oder 
sonst aus den in Artikel 33 Absatz 1 angefuhrten Rucksichten Be- 
denken entgegenstehen, welche die anderweiten etwa durch eine 
Versagung der Genehmigung bertihrten Offentlichen oder privaten 
Interessen tiberwiegen. Eine Versagung der Genehmigung aus 
anderen Grtinden ist auf Grund dieses Gesetzes unzulassig. 

Die Bestimmungen in Artikel 4 Absatz 2, 3, Artikel 5, 6, 7, 
12, 13, 14 finden auf die nach Artikel 33 amtlich geschutzten 
Naturdenkmaler und deren amtlich geschutzte Umgebung ent^ 
sprechende Anwendung, wobei es gleichgtiltig ist, ob eine Privat- 
person oder eine Person des ftffentiichen Rechts die Verfugungs- 
berechtigung besitzt. 

Artikel 35. Verbot von Aufschriften, Reclameschil- 
dern und dergleichen. An einem nach Artikel 33 amtlich ge- 
schutzten Naturdenkmal oder in dessen amtlich geschtitzter Um- 
gebung dtirfen keine Aufschriften und dergleichen oder Gegen- 
stande, wie Reclameschilder, angebracht oder aufgestellt werden, 
insofern sie ftir jenes mifsstandig erscheinen. 

Auf kreisamtliche Verftigung sind Aufschriften und dergleichen 
oder Gegenstande dieser Art, welche zur Zeit des Inkrafttretens 
dieses Gesetzes vorhanden sind, zu entfernen. Der Besitzer kann 
von dem Staat den Ersatz der ihm durch die Entfernung der 
Gegenstande erwachsenen Unkosten verlangen. 

Durch Localpolizeiverordnung kann die Anbringung oder Auf- 
stellung von Aufschriften und dergleichen oder Gegenstanden, 
welche in landschaftlich hervorragenden Gegenden ftir das land- 
schaftliche Bild mifsstandig erscheinen, verboten, sowie die Ent- 
fernung solcher bereits vorhandenen Aufschriften und dergleichen 
oder Gegenstande vorgeschrieben werden. 

Artikel 36. Organe des gesetzlichen Schutzes und 
deren Mitwirkung hierbei. Die Bestimmung in Artikel 31 
Absatz 1 findet auf die in Artikel 33 Absatz 1, 2 bezeichneten 
Gegenstande mit der Mafsgabe entsprechende Anwendung, dafs an 
Stelle der Baubeamten die ortlich zustandigen oberen Forstver- 
waltungsbeamten und an Stelle des Denkmalpfle^rers und der 
Ministerialabtheilung fiir Bauwesen die Ministerialabtheilung fur 
Forst- und Cameralverwaltung zu treten haben. 

Auf Antrag des Verfiigungsberechtigten ist in dem Verfahren 
bei dem Kreisausschufs, Provincialausschufs und Ministerium des 
Innern das Gutachten eines von dem Antragsteller zu bezeichnen- 
den Sachverstandigen einzuholen. 

Siebenter Abschnitt. Schlufsbestimmungeu. 

Artikel 37. Strafbestimmungen. Wer den Vorschriften 
der Artikel 1, 2, 3, 11, 15, 17 Absatz 1, 2, des Artikels 20 Absatz :5, 
der Artikel 25, 26, 29, 34 Absatz 1, des Artikels 35 zuwiderhandelt, 
wird mit Geldstrafe bis zu 300 Mark und, wenn die Zuwiderhand- 
lung vorsatzlich geschieht, mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder 
mit Haft bestraft. Eine uneinbringliche Geldstrafe ist nach Mafs- 
gabe der Vorschriften des Strafgesetzbuchs in Freiheitsstrafe um- 
zuwandeln. 

Artikel 38. Verh&ltnifs zu anderweiten gesetzlichen 
Vorschriften. Diejenigen Vorschriften, welche der Staateauf- 
sicht in Ansehung der juristischen Personen des Offentlichen Rechts 
weitergehende Befugnisse einraumen, als sie sich aus den Bestim- 
mungen dieses Gesetzes ergeben, bleiben unberuhrt. 

Artikel 39. Inkrafttreten und Ausfilhrung des Ge- 
setzes. Dieses Gesetz tritt am 1. October 1902 in Kraft. 

Unser Ministerium des Innern ist mit der Ausfuhrung dieses 
Gesetzes beauftragt. 

Urkundlich Unserer eigenhandigen Unterschrift und beigedriick- 
ten Grofsherzoglichen Siegels. 

Darmstadt, den 16. Juli 1902. 

(L. S.) Ernst Ludwig. 

Rothe. 



Die formale Oestaltung der Kunstdenkmaler-Verzeichnisse 
der preufsischen Provlnzen. 



Die Ungleichmafsigkeit der bisher herausgegebenen Kunstr 
denkmaler-Verzeichnisse liefs schon l&ngst die Aufstellung eines 
Programms erwunscht erscheinen, nach dem in der Zukunft zu 
arbeiten sein wird. Man konnte meinen, die Arbeit sei im wesent- 
lichen abgeschlossen, oder doch so weit festgelegt, dafs sich Aen- 



derungen nicht mehr ausftihren liefsen. Wer aber erwagt, dafs die 
Unternehmungen in den einzelnen Provinzen zum Theil mindestens 
ihr Format gewechselt haben, dafs einige Verzeichnisse in zweiter 
Auflage erschienen sind oder erscheinen sollen, wer ferner an den 
Umschwung denkt, welchen die wissenschaftliche Methode des 



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Nr. 10. 



Die Denkmalpflege. 



77 



letzten halben Menschenalters bei steigender Vertiefung hervor- 
gerufen hat, wird die Nothwendigkeit anerkennen, die heute von 
der Wissenschaft geforderten Grundsatze systematisch zusammen- 
gestellt zu sehen. Denn fiir die Wissenschaft ist es nie zu spat. 
Diesem Wunsche ist entsprochen worden in zwei Berathungen 
von Kunstgelehrten und Praktikern der Denkmalpflege, welche 
am 24. Marz und 9. Mai d. J. abgehalten worden sind. An ihr 
haben theilgenommen die Herren Geheimer Regierungsrath Lutsch 
als Vorsitzender, Regierungs-Baumeister Erich Blunck, Professor 
R. Borrmann, Provincial -Conservator Bttttner, Privatdocent 
Dr. Goldschmidt, Baurath Graef, Schriftleiter der Blatter fur 
Architektur und Kunsthandwerk, Privatdocent Dr. Haseloff, 
Alb. Hofmann, Schriftleiter der Deutschen Bauzeitung, Professor 
G. A. Meyer, Professor Pallat, Baurath Friedr. Schultze, 
Schriftleiter der „ Denkmalpflege", Stadtbauinspector S tie hi, Pro- 
fessor Wall 6, Oberpfarrer D. Wernicke aus Loburg, Professor 
WOlfflin; ferner als Gaste: Professor Dr. Clemen, Provincial- 
Conservator der Rheinprovinz, und Professor Dr. Vofs, Conser- 
vator von Thuringen; geladen war aufserdem Herr Geheimer Re- 
gierungsrath Dr. Bode. 

Die Theilnehmer an der Sitzung einigten sich von vornherein 
dahin, dafs es nicht ihre Aufgabe, ja nicht einmal wiinschenswerth 
sein kdnne, eine unabanderliche Norm fiir die Gestaltung der 
Denkmaler-Verzeichnisse festzusetzen, dafs es sich vielmehr ledig- 
lich darum handle, in einer Aussprache die Richtung anzugeben, 
nach der hin bei neuen Verzeichnissen zu arbeiten ist, und Leit- 
satze aufzustellen, deren Beachtung zu empfehlen und anzustreben 
ist, soweit nicht zwingende Griinde ftufserlicher oder innerlicher 
Art dies unmoglich oder unangebracht erscheinen lassen. So 
werden auch im folgenden nicht nur die Grundsatze gegeben, 
iiber welche die Versammlung sich einigte, sondern auch Gesichts- 
punkte angedeutet, welche eine abweichende Auffassung unter Um- 
standen als berechtigt gelten lassen. Die Beschrankung, zu der 
geringe Mittel oft zwingen, ist als untiberwindlich nicht weiter in 
Betracht gezogen. 

I. Begrenzung. 1) Das Verzeichnifs hat alle derzeit vorhan- 
denen Denkmaler von der vorgeschichtlichen Zeit bis zum Jahre 
1870 zu behandeln. Als Begrenzung nach der Gegenwart hin be- 
griindet sich das Jahr 1870 durch den Einschnitt im Wirthschafts- 
leben infolge seiner politischen Bedeutung. Unter Umstanden kann 
das Verzeichnifs frtiher, etwa mit dem Jahre 1850 abschliefsen ; 
anderseits wird es gelegentlich erwiinscht sein, auch neuzeitliche 
Kunst-(Bau-)Denkmaler, z. B. das auf dem Kyffhauser, mit ange- 
filhrt zu sehen. — Hier hat der Verfasser zu entscheiden. 

2) Eine gesonderte Behandlung der vorgeschichtlichen und 
romischen Denkmaler ist wiinschenswerth. Sie ist bei Ausgabe 
landschaftlich abgegrenzter Hefte in den einzelnen Heften voran- 
zustellen. Ausgenommen sind nur die Denkmaler, welche sich an 
einem der im Verzeichnisse besonders behandelten Orte an ur- 
spriinglicher Stelle befinden (z. B. Dom und Porta nigra in Trier). 
Diese sind zusammen mit der Beschreibung der spateren Denkmaler 
des betreffenden Ortes aufzufiihren. In der vorangestellten geson- 
derten Behandlung ist kurz auf diese Beschreibung zu verweisen. 

3) Die Ausfuhrlichkeit der Behandlung ist fiir die einzelnen 
Zeitabschnitte verschieden. Denkmaler der Zeit nach Schinkel 
und Schadow sind kurz und bundig zu behandeln. 

Besonderes Gewicht ist auf die Verzeichnung aller Verande- 
rungen (durch Um- und Anbauten, Zusatze, Wiederherstellung, 
Sauberung usw.) zu legen. Letztere Angaben haben sich bis zum 
Jahre des Druckes des Verzeichnisses zu erstrecken. Urheber 
wesentlicher Veranderungen sind zu nennen; wie weit hier zu 
gehen ist, bleibt dem Verfasser tiberlassen. 

4) Fiir Denkmaler volksthiimlicher Kunst — von der Bauart 
bis zu MObeln, Gerath und Tracht herab — ist gesonderte, zu- 
sammenfassende Behandlung erwiinscht; doch sind die wichtigeren 
Beispiele, namentlich die Bauten, bei den einzelnen Orten aufzu- 
fiihren. Die zusammenfassende Schilderung ist an den Schlufs der 
einzelnen Hefte zu stellen. 

II. Besitzverhaltnisse. 1) Die Besitzverhaltnisse sind fiir die 
Entscheidung liber Aufnahme eines Denkmals in das Verzeichnifs 
gleichgultig. 

2) Das Verzeichnifs hat alle grdfseren und kleineren flffent- 
lichen und privaten Sammlungen so wie Einzelbesitz, wofern er 
von anerkannt kunstlerischem Werthe ist, zu beriicksichtigen. 

a) Bei grftfseren tfffentlichen Sammlungen mit eigener 
wissenschaftlicher Verwaltung genugt kurze Angabe der 
Entstehung und Zusammensetzung der Sammlung nebst 
Anfiihrung der Litteratur (Ftihrer, Verzeichnisse, Ver- 
5ff en tlichungen) , 



b) Bei kleineren, noch nicht wissenschaftlich bearbeiteten 
Sammlungen ist ein summarisches Tnhaltsverzeichnifs mit 
Hervorhebung hervorragender Stiicke zu geben. 

c) Fiir Privatsammlungen und Privatbesitz gelten dieselben 
Bestimmungen, wie fiir Offentliche Sammlungen. 

3) Nach den gleichen Gesichtspunkten ist der kiinstlerisch 
wichtige Inhalt der Buchereien und Archive (namentlich der 
kleinen Kirchen-, Gymnasial-, Schlofs- und Stiftsbiichereien usw.) zu 
behandeln. (Bilderhandschriften, Holzschnitt- und Kupferstich- 
werke, Einbande, Siegel). 

III. Stoffsammlung. 1) Als unumganglich nothwendige Vor- 
arbeit ist die Aufzahlung der Litteratur ortsgeschichtlichen, orts- 
beschreibenden und kunstgeschichtlichen Inhalts zu betrachten. 

Soweit als moglich sind Hinweise auf die archivalischen 
Quellen der Geschichte des Orts und seiner Denkmaler zu geben. 

2) Besondere Sorgfalt ist auf die Erwahnung aller Nachrichten 
— wie Beschreibungen, Plane, Modelle, Zeichnungen, Verzeichnisse, 
spatere Schicksale — iiber zerstcirte, verschoUene und an andere 
Orte verschlagene Denkmaler zu richten. Alte Stadtplane sind an- 
zufiihren. 

IV. Denkmalerbeschreibung. 1) Die Beschreibung eines Denk- 
mals ist an Ort und Stelle wahrend der Besichtigung niederzu- 
schreiben. 

2) Am Kopfe der Ortsbeschreibung ist der heutige Name in 
genauer Wiedergabe sowie seine geographische Lage, am Kopfe 
der Denkmaler-Beschreibung ist anzugeben, wem die Unterhaltungs- 
verpflichtung obliegt, oder wem das Eigenthumsrecht zusteht. 

3) Die Darstellung mufs unbeschadet ihrer Grttndiichkeit leich, 
verstandlich sein; entbehrliche, Fremdwflrter sind zu vermeiden, 
technische Ausdriicke jeder Fachrichtung aber beizubehalten. 

4) Die Beschreibung eines Gegenstandes mufs alles enthalten, 
was zu seiner Kenntnifs ncithig ist, dabei Ubersichtlich, knapp und 
klar im Ausdruck sein. Lediglich schmiickende, allgemeine Bei- 
worte („schon, mittelmafsig") sind moglichst einzuschriinken. 

5) Auf Bezeichnung des Werkstoffes, der Technik, des Ge- 
fiiges, der Oberflachenbehandlung imd auf Angabe der Haupt- 
abmessungen ist Werth zu legen. Vornehmlich bei Gemiilden ist 
das H5henmafs vor dem Breitenmafse anzugeben. 

6) Landschaftlich-typische Denkmaler sind als solche zu be- 
zeichnen. 

7) Von der Aufnahme vieler Litter aturverweise in den Text 
wird abgerathen. 

8) Die Kennzeichnung des Alters hat in erster Linie durch 
Angabe des Jahres (Jahrzehnts, Jahrhunderts) zu erfolgen; zur 
genaueren Kennzeichnung ist jedenfalls ein Zusatz iiber das Ge- 
prage der Formgebung erwiinscht. 

9) Zuverliissiger als die nur stilistische Einordnung ist Angabe 
des Entstehungsortes, der Schule oder des Meisters. Hieraus folgt, 
dafs auf Werkzeichen, Marken und dergleichen, gegebenenfalls auch 
ihre zeichnerische Darstellung, besonderes Augenmerk zu richten ist. 

10) Inschriften von Bedeutung sind aufzunehmen und mit alien 
Schreibfehlern, Abkiirzungen und dergleichen anzufiihren. 

Ist die Form der Buchstaben besonders wichtig oder bezeich- 
nend, so ist dies zu sagen oder durch Abbildungen zu erlautern. 

Alte Mafsbezeichnungen sind genau wie ttberliefert anzugeben, 
eine Umrechnung in Meter ist in ( ) dazu zu setzen. 

11) Bei Beschreibung der Bauwerke mit ihrer Ausstattung ist 
folgende Reihenfolge inne zu halten: 

a) Baugeschichte; 

b) der Organismus des Gebaudes, wie es sich 'in Grundrifs, 
Aufbau, Einzelformen, Baustoffen und Ausschmuckung 
darstellt; 

c) Anbauten; 

d) Ausstattungssttlcke, geordnet nicht nach ihrem augen- 
blicklichen Platz im Gebaude, sondern nach Werkstoffen 
oder nach ilu*er Bedeutung fiir die Zweckbestimmung des 
Baus (Kanzel, Orgel, Glasbilder usw.), moglichst aber in 
einheitlicher Reihenfolge. 

12) Bei Architektur-Denkmalern ist Werth darauf zu legen, 
dafs wichtige, versteckt liegende Gefiigetheile (z. B. Dachstuhle) 
zeichnerisch dargestelit werden. 

13) Eine Anfiihrung sich entgegenstehender Ansichten ist zu- 
liissig, bei wichtigen Urtheilen sogar erwiinscht; fiir Polemik aber 
ist in einem Verzeichnisse der Kunstdenkmaler kein Raum. 

V. Zusammenfassende Darstellungen. 1) Historisch-geographisch 
culturgeschichtliche Einleitungen fiir landschaftlich znsammengehO- 
rige Gebiete sind erwUnscht, aber mOglichst kurz zu fassen. 

2) Ortsgeschichtliche Regesten sind anderen VerOffentlichungen 
zu tiberlassen, dgl. in der Regel behufs Beschleunigung der Arbeit 
die Ausnutzung der Archive fiir kunstwissenschaftliche Forschungen . 



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78 



Die Denkmalpflege. 



6. August 1902. 



3) Kunstgeschichtliche Zusammenfassungen gehtfren als Ergeb- 
uifs der Einzelbetrachtung an das Ende des ganzen) Werkes. 

VI. Bildliehe Darstellung. 1) Geometrische Zeichnungen 
sind, wie alle zur Wiedergabe in Strichatzung bestimmten Vor- 
lagen, nur mit Strichen und schwarz in Schwarz, also ohne Ein- 
fttgung grauer TOne und auf glattem Papier darzustellen. 

2) Bei der Bemessung der Strichentfernung, der Striehstarke, 
der Schriftgrttfse ist auf das Mafs der beabsichtigten Verkleinerung 
Riicksicht zu nehmen. Zeichnungen in ausfUhrlicher Strichdar- 
stellung werden am besten urn ein Drittel grofser gehalten, als sie 
in der Verkleinerung erscheinen sollen. 

3) Einfache Umrifszeichnungen wie Grundrisse und Schnitte 
kftnnen starker verkleinert werden, wenn sie entsprechend krftftiger 
dargestellt sind. Dafttr empfiehlt sich der Mafsstab 1 : 100 bei 
einer Verkleinerung auf 1 : 400. 

4) Einzelformen sind mindestens 1 : 20 zu zeichnen und auf 
1 : 40 zu verkleinern; Profile (Gesimse) sind 1 : 20 wiederzugeben 
und 1 : 10 zu zeichnen. 

5) Die Schrift soil in der Verkleinerung mindestens 1 mm hoch 
sein; sie ist also in Grundrissen von 1 : 100 nicht kleiner als 4 mm, 
von 1 : 50 nicht kleiner als 8 mm hoch zu schreiben; bei Zahlen 
geniigt die Haifte. 

6) Die Schriftzeichen sollen einfach und gut leserlich sein. Als 
gut lesbar eignen sich rtfmische stehende Majuskeln einfacher Form 
mit gleich starken Strichen. 

7) In Grundrifszeichnungen sind die Bezeichnungen soweit 
irgend mOglich, in die Raume zu schreiben. 

8) Mafse -ktinnen in der Kegel fehlen, doch ist jeder Abbildung 
oder jeder Gruppe von Abbildungen, namentlich Grundrissen ein 
Mafsstab beizugeben. Das Einschreiben von Hauptmafsen, wie 
Spannweiten, ist erwtinscht. 

9) Fur Lageplane gentigt in der Regel der Mafsstab 1 : 1000, 
in Ausnahmefallen 1 : 2000 oder weniger ; fiir einzelne Theile kann 
ein grOfserer Mafsstab nOthig werden. 

10) Bei Grundrissen und Schnitten sind die geschnittenen 
Mauerflachen in der Regel schwarz anzulegen. Altersunterschiede 
konnen durch verschiedenartige Schraffur kenntlich gemacht 
werden. Dabei empfiehlt es sich, von einem starren, fiir das 
ganze Werk geltenden System e abzusehen und fiir jeden Grund- 
rifs, unter Umstanden fiir eine Gruppe von Grundrissen, ein be- 
sonderes System anzuwenden, dessen Bedeutung neben der Zeich- 
nung durch Proben erlautert wird. 

11) Fttr die Darstellung der Treppen gilt die Regel, dafs 
jeder Lauf im Grundrisse desjenigen Geschosses zur Darstellung 
kommt, in dem er liegt. Jeder Lauf ist, soweit es die Klarheit 
erfordert, an seinem Anfange in der Steigungsrichtung mit einem 
Pfeile zu versehen. 

12) Die Gewtilbegrundrisse sind, soweit es ohne Schadi- 
gung der Klarheit des Bildes geschehen kann, einzuzeichnen und 
zwar in vollen, einfachen Strichen, bei RippengewOlben im Mafs- 
stab 1 : 400 nur mit einer Linie; sie kflnnen etwas dtinner sein, 
als die der Wandbegrenzungen und Treppen; umgeklappte Ge- 
wtflbeformen (SchildbOgen) sind punktirt darzustellen. 

Am Kampfer sind die GewOlbelinien bis zum Ansatz durch- 
zuftihren ; nur in verwickelten Fallen mtfgen sie vorher abgebrochen 
werden. 

13) Samtliche Grundrisse und Lageplane einheitlich zu orien- 
tiren ist wegen der Verschiedenheit von Form und GrOfse ohne 
unnttthigen Platzaufwand nicht mOglich. 

Kirchengrundrisse sind in der Regel wie Landkarten anzu- 
ordnen. Erfordert Form oder GrOfse eines Kirchengrundrisses eine 
andere Stellung auf dem Blatte, so ist Osten unter Einzeichnung 
der Nordlinie nach oben zu richten. 

14) Grundrisse anderer, weltlicher Gebaude sind mOglichst so 
zu stellen, dafs die Hauptseite des Gebaudes unten liegt; die 
Himmelsrichtung ist durch Einftlgung der Nordlinie anzugeben. 

15) Malerische Skizzen sind durch begabte und in der per- 
spectivischen Darstellung mit der Feder getibte Architekten oder 
Maler anzufertigen. 

16) Bei photographischen Aufnahmen ist, wenn mttg- 
lich, eine saubere und klar getheilte 2 m-Latte mit Vio m- und l i2 m- 
Theilung, ferner fiir Einzelheiten eine Latte mit cm-Theilung in 
unmittelbarer Nahe des Gegenstandes , am besten unweit einer 
Lothrechten so anzubringen, dafs sie die Bildwirkung nicht stttrt 
oder Theile des Gegenstandes deckt. Weit ttberhangende Kanzel- 
decken sind wahrend der Aufnahrae zurttckzuschlagen. Ebenso ist 
die Altar-Mensa thunlichst ttbersichtlich zu halten. 

PlattengrOfse, Standpunkt in wagerechtem und senkrechtem 
Sinne, sowie die Aufnahmezeit und sonstige wichtige Umstande 



mttssen zweckmafsig gewahlt und dem Photographen sorgfaltig be- 
stimmt werden. Es ist darauf zu sehen, dafs die Verticalen im 
Bilde nicht sttirzen, sondern genau lothrecht stehen. Dazu mufs 
der Apparat (mit der Wasserwage) ganz wagerecht eingestellt 
werden; wenn er nach vorn oder hinten gekippt wird, ist die 
Visirscheibe lothrecht zu richten. 

17) Gute Netzdrucke sind nur nach guten Photogrammen 
und diese nur von guten Negativen zu gewinnen. 

18) Fiir Lichtdrucknegative sind, wenn irgend mftglich, ab- 
ziehbare Platten zu verwenden, die in der Langs- und Breiten- 
richtung je mindestens 1 cm grdfser sein mttssen als der fer- 
tige Druck. 

VII. Kartell. 1) Jedem einzelnen Hefte des Verzeichnisses ist 
eine in erster Linie fttr den Wandergebrauch bestimmte Karte des 
in ihm behandelten Gebietes (etwa im Mafsstabe 1 : 250 000) bei- 
zugeben. Diese ist in der Art der dem Badecker im Text ein- 
geftigten Sonderkarten herzustellen ; der Waldbestand ist zu be- 
zeichnen. — Aufserdem sind die Kreis- und Gemarkungsgrenzen 
einzutragen und die im Verzeichnisse behandelten Orte zu unter- 
streichen. 

2) Dem ganzen Werke ist eine in erster Linie fiir wissenschaftp 
liche Betrachtung bestimmte Karte — nach Regierungsbezirken 
getheilt — , im Mafsstabe 1 : 500000 beizugeben (vergl. Schlesien 
und Posen). 

Diese enthalte nur folgendes: 

a) die bedeutenderen Flufslaufe, 

b) die alten Verkehrswege, die wichtigeren in Doppellinien 
— a und b in schwarzen Linien — , 

c) die alten und neuen Landschaftsgrenzen, erstere farbip, 

d) die im Verzeichnifs behandelten Orte mit stilistischen 
Signaturen in der Form farbiger Ortszeichen und farbiger 
Striche unter den Ortsnamen. Letztere weiseu auf die 
Bau werke hin, erstere auf das alteste AusstattungsstucL 

Es bedeute: 

roth — romanisch, orange — Renaissance, 

grttn — frtihgothisch, gelb — Barock, 

blau — spatgothisch, braun — Holz (Kirchen). 

e) die Eisenbahnlinien, soweit sie die Uebersichtlichkeit nicht 
beeintrachtigen. 

3) Fiir die vorgeschichtlichen und rttmischen Denkmaier ist 
eine besondere Karte herzustellen, auf welcher auch die Statten 
verschwundener oder verftdeter Ansiedelungen zu verzeichnen sind. 
Unter Umstanden empfiehlt sich auch die Eintragung dieser Denk- 
maier in die den einzelnen Heften beigegebenen Karten (Fergl. 
Satz 1 des Abschnittes VII). 

4) Sollen die fttr die Architektur-Denkmaler verwendeten Werk- 
stoffe bezeichnet werden, so hat dies nur auf den Einzelkarten 
der verschiedenen Hefte zu erfolgen. Zum Unterschied von den 
stilistischen Signaturen der Uebersichtskarte sind als solche fiir 
die Werkstoffe nur schwarze Striche verschiedener Art zu verwenden 

5) Die Zeichenerklarung ist auf jede einzelne Karte zu setzen. 

VIII. Inhaltsverzeichnisse. 1) Jedem Bande ist ein alpha- 
betisches Ortschaftsverzeichnifs anzufUgen. Bei jedem Orte sind 
die behandelten Gegenstande mit Seitenzahlen anzuftihren. 

2) An den Schlufs des ganzen provinciellen Werkes sind fol- 
gende Verzeichnisse zu setzen: 

a) ein alphabetisches Verzeichnifs samtlicher Ortsnamen mit 
Angabe des Kreises, 

b) ein mttglichst umfassendes Sacliregister, nach Schlagworten 
geordnet (vergl. Verzeichnisse des Central blattes der Bau- 
verwaltung und der „Denkmalpflege a ), 

c) ein Verzeichnifs der Bildtafeln mit Hinweis auf die be- 
traffenden Textstellen. 

3) Einzelverzeichnisse (Meister, Quellen usw.) nur dann, wenn 
dadurch der Abschlufs des Werkes nicht gefahrdet wird. 

4) Kunstgeschichtliche Regesten sind als zu weitgehend aus- 
zuschliefsen, ebenso ein archaologisches Wttrterbuch. 

IX. Format. 1) Zwei Formate sind alien tibrigen vorzuziehen: 

a) Lexikonformat mit 19,8 . 12,6 cm bedruckter und 26,1 . 18,5 
cm unbedruckter Flache, mit 48 Zeilen. Es ist zwar fiir 
die Reise unhandlich, ermOglicht jedoch Beigabe von leid- 
lich grofsen Abbildungen. 

b) Format des Burckhardtschen Cicerone mit 14,8.9,4cm 
bedruckter und 18,1 . 10,8 cm unbedruckter Flache, mit 
44 Zeilen. Es empfiehlt sich durch Handlichkeit, durch 
Ausnutzung der Flache, sowie bei Annahme der Typen 
und des Papiers des genannten Vorbildes auch durch 
Billigkeit, lafst aber gr5fsere Abbildungen nicht zu, doch 
aber bei Fortdruck Uber zwei Seiten noch alle mittleren 
Grundrisse im Mafsstabe 1 : 400. 



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Nr. 10. 



Die Denkmalpflege. 



79 



2) Bei jedem Format ist, wenn die Arbeit ihren wissenschaft- 
lichen Zweck erfttllen soil, Erg&nzung durch ein Tafelwerk anzu- 
streben. Als Format daftir empfiehlt sich das der Wasmuthschen 
Verttffentlichungen mit 48,1 . 31,9 cm, in zweiter Linie, d. h. unter 
kleineren Verhaltnissen das des „Museums tt , mit 36,2 . 26,3 cm. 
Beide ermttglichen die Darstellung von zwei (vier, sechs) Abbil- 
dungen ebenso wie die eines einzigen Bildes. Die Tafeln sind 
nicht zu binden, aber durchzunumeriren. Auch die Abbildungen 
auf den Tafeln sind zur leichteren Anfiihrung zu numeriren. 

Verzeichnisse der Abbildungen nach Reihenfolge auf den Tafeln 
und nach geographischer Vertheilung sind nflthig, letztere mit 
alphabetischem Verzeichnisse der Ortsnamen. 

X. Drnck des Textes. 1) Es sind lateinische Buchstaben zu 
verwenden. 

2) Beim Setzen des Textes und bei der Typenwahl sind Deut- 
lichkeit und Schdnheit mit moglichst einfachen Mitteln bei grolster 
Platzausnutzung anzustreben. Der freie Rand ist breit genug zu 
halten, um das Einschreiben von Notizen zu ermflglichen. 

Randbemerkungen haben sich als unttbersichtlich und druck- 
technisch schwierig nicht bewahrt, wohl aber die von Lotz ein- 
gefilhrte knappe Zurilcksetzung der die Ausstattung behandeln- 
den Beschreibung. 

3) Die Ortsnamen innerhalb des Kreises (Oberamtes) stehen in 
alphabetischer Reihenfolge, sie sind, um Raum zu sparen, nicht 
iiber die Artikel, sondern an ihren Anfang zu setzen, ebenso die 
Namen der Bauten; die Buchstaben-Grflfse und Starke ist dabei 
sorgfaltig abzustimmen. 

4) Litteraturangaben sind mit kleineren Buchstaben zu drucken, 
kttrzere ohne Klammern in den Text, groTsere unter ihn. 

5) In den Litteraturangaben sind Abkilrzungen in ausgedehn- 
testem Mafse am Platze, z. B. Ztg. (Zeitung), Grdr. (Grundrifs), Ans. 
(Ansicht), Sn. (Schnitt), M. (Maler), G. (Goldschmied). Innerhalb des 
Textes sind Stichworte und Ueberschriften durch auffalligen Satz 
(Sperrung, liegenden Satz, gesperrt liegenden Satz) hervorzuheben, 
soweit dies ohne Stoning der guten Gesamtwirkung moglich ist. 

6) Hervorragende Denkmaler ktmnen mit einem Stern oder 
Doppelstern bezeichnet werden. 

7) Abkilrzungen im Text sind, um die Lesbarkeit nicht zu be- 
eintrachtigen, vorsichtig anzuwenden. 

8) Bildtypen sind nicht zu verwenden. Nicht besonders ge- 
zeichnete Zierleisten und Initialen sind zu vermeiden. 

9) Inschriften sind vom Text auffallig zu lOsen, etwa durch 
Einrtickung. Das Schriftgeprage ist schematisch wiederzugeben 
entsprechend den Hauptabschnitten seiner Entwicklung (Antiqua, 
Majuskeln, Minuskeln, gothische Lettern von guter Lesbarkeit). 
Ftlr Jahreszahlen sind Schwabacher Typen zu empfehlen. 

10) Doppel-s ist in der Regel als ss zu setzen. Es nehme die 
Form fs an bei Dehnungen, die nicht schon anderweit erkennbar 
werden (z. B. bei Diphthongen). Es ist also zu setzen: aussen, 
fliessen, Meissel, dagegen Mafs, grofs. Stofsen drei s zusammen, so 
beginne die neue Silbe mit einem langen f. 



11) Als Seitentiberschrift stehe links vom Bruche der Name 
des Kreises, rechts der erste und der letzte Ortsname, dessen 
Denkmaler auf den bei den aufgeschlagenen Seiten behandelt 
werden (unter Umstanden also auch der Ortsname, welcher als 
Ueberschrift auf frttheren Seiten stent); bei soldier Anordnung 
wird das lastige Rilckschlagen vermieden. 

XI. Druck der Abbildungen. 1) Den Abbildungen sind mog- 
lichst nicht Zeichnungen, sondern Photogramme nach der Natur 
zu Grunde zu legen. Zeichnungen sind zulassig ftlr Bilder, welche 
der Photograph nicht langen kann, ebenso ftir kleinere Gegen- 
stande, deren photographische Aufnahme zu viel Raum erfordern 
wttrde; nothwendig sind sie ftir architektonische Darstellungen 
(Grundrisse, Schnitte). 

2) Ftlr Tafelwerke ist womoglich Lichtdruck zu verwenden; 
er ist ftir vornehme Wirkung mit reinem Schwarz (nicht mit dem 
tlblichen violetten Ton) zu drucken. Im Texte wird daneben die 
Netzatzung wegen ihrer Billigkeit und Anpassungsfahigkeit nicht 
zu umgehen sein ; ftlr Wiedergabe von Zeichnungen empfiehlt sich 
Strichatzung. 

Heliogravtiren sind auszuschliefsen. 

3) Das Papier der dem Verzeichnifs eingebundenen Bildtafeln 
ist nicht wesentlich starker als das Textpapier zu wahlen; das 
Papier ftir den Druck der Aetzungen mufs satinirt werden. 

4) Gebrochene Tafeln sind nur ausnahmsweise zuliissig. 

5) Gestrichenes Papier ist als leicht schmutzend und undauer- 
haft unter alien Umstanden auszuschliefsen. Lichtdruck druckt 
sich am wirkungsvollsten auf Pyramiden-Kornpapier aus. 

6) Alle Abbildungen — auch die Tafeln — sind mit Nummer, 
bezeichnender, knapper Unterschrift und Hinweis auf den Text zu 
versehen; ebenso ist im Texte thunlichst auf Tafel und Nummer 
der Abbildung auffallig zu verweisen. 

7) Schrift und Abbildung einer Seite mussen gleich ge- 
richtet sein. 

XII. Vertrieb. 1) Das Werk ist behufs Benutzung auf der 
Wanderung in nicht zu starken Heft en herauszugeben, welche je 
nach den Umstanden einen oder mehrere Kreise umfassen konnen. 
Die Seitenzahlen mttssen durch den ganzen Band laufen. 

2) Der Preis ist so niedrig wie moglich zu bemessen, so zwar, 
dafs nur die Kosten ftlr Papier, Abzug und Tafeln vom Kftufer 
getragen werden. 

3) Die Vorausbestellung des Werkes ist in jeder Weise zu 
fordern, doch ist ftir spatere Abnehmer der Preis nicht zu erhOhen. 

4) Die HOhe der Auflage bewegt sich bei den vorhandenen Ver- 
zeichnissen zwischen 5<X) und 12(K) Exemplaren. So nothwendig 
die M5glichkeit ist, den Vertrieb auf lange hinaus sicher zu stellen, 
ist es doch mit Rilcksicht auf die fortschreitende wissenschaftliche 
Erkenntnifs nicht erwUnscht, der Neuauflage durch eine iiber obiges 
Mafs hinausgehende Auflage einen Riegel vorzuschieben. 

5) Es empfiehlt sich Herstellung des Werks in eigener Regie, 
Selbstverlag ftlr die vorausbestellten Exemplare, Commissions- 
verlag ftir alle tlbrigen, dem Buchhandel zu tlberlassenden Abzilge. 



Vermischtes. 



Zum Ehrendoctor der philosophischen Facoltfit der Unirersi- 
t2t Erlangen wurde der Erste Director des Germanischen National- 
museums in Ntirnberg Gustav v. Bezold ernannt. Geboren 
am 17. Juli 1848 in Kleinsorheim hat Gustav v. Bezold neben der 
Baukunst auch Archaologie und Kunstgeschichte studirt. Mitte der 
siebziger Jahre trat er in den Dienst der bayerischen Staats- 
bahnen, wo er zunachst im aufseren Dienst, darauf bis Mitte der 
achtziger Jahre bei der Generaldirection tliatig war. Dann liefs 
er sich beurlauben und habilitirte sich als Privatdocent ftlr Orna- 
mentik an der Technischen Hochschule in Mtinchen. Als soldier be- 
gann er 1884 zusammen mit dem an der dortigen Universitat wirken- 
den Privatdocenten G. Dehio, jetzt Professor in Strafsburg, die 
Herausgabe des Werkes „Die kirchliche Baukunst des Abend- 
landes". einer epochemachenden, dem Kunsthistoriker und Archi- 
tekten in gleicher Weise unentbehrlichen Arbeit. Hervorragenden 
Antheil hat Gustav v. Bezold auch an der Verzeichnung der 
bayerischen Kunstdenkmaler genommen. Als sich im Jahre 1887 
der Staat ihrer annahm, nachdem sie auf Bezolds Betreiben 
vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Mtinchen unter seiner 
Antheilnahme in die Wege geleitet war, tlbernahm Gustav v. 
Bezold zunachst die Leitung der Arbeit en, die ihm dann 1891 
endgtlltig tibertragen wurde. Gleichzeitig erfolgte seine Ernennung 
zum Conservator des Bayerischen Nationalmuseums. Als der Verwal- 
tungsausschufs des Germanischen Nationalmuseums am 16. Mai 1894 
zur Wahl eines Erst en Directors schritt, entschied man sich ein- 
stimmig ftir Gustav v. Bezold, in dessen Person sich Architekt 



und Kunstgelehrter vereinigten. Es ist bekannt, dafs er sich in 
erster Linie die bauliche Erweiterung des Museums hat angelegen 
sein lassen. Der Umbau des Konigsstiftungshauses und der Neu- 
bau im stldwestlichen Theile sind sein Werk. Im Jahre 1900 er- 
schien seine ^Renaissance in Deutschland a . 

Der Verein fur Volkskunst und Volkskunde, der sich in Mtinchen 
unter dem Vorsitze von Professor August Thiersch gebildet 
hat, will in erster Linie ftir Stldbayern die Ueberlieferungen 
sammeln, welche im Hausbau, in der Einrichtung und Aus- 
schmiickung des Hauses und in dem Hausgerathe noch erhalten 
sind. Daneben betheiligt sich der Verein an der Aufzeichnung von 
Sitten, Gebrauchen sowie an der Mundartenforschung. Durch 
(iffentliche Wandervortriige bei passenden Gelegenheiten. wo- 
mOglich verbunden mit kleinen Ausstellungen von Erzeugnissen der 
Volkskunst, sollen die Zwecke des Vereins geftirdert werden. Der 
Beitrag ist, um jedermann den Beitritt zu ermOglichen, auf 3 Mark 
und ftlr die in Mtinchen wohnenden Mitglieder auf 2 Mark fest. 
gesetzt, woftir VerOffentlichungen des Vereins usw. geliefert werden. 
— Aehnliche Absichten verfolgt ein 

Ausschofs filr deatsche Bauernknnst, der im Anschlufs an einen 
Vortrag des Herrn O. Schwindrazheim auf der Hamburger Conferenz 
des Ausschusses fiir Wohlfahrtspflege auf dem Lande (Berlin W. 9, 
KOthener Strafse 23) im Werden begriffen ist. Der Ausschufs will alle 
die zu gemeinsamem Vorgehen vereinen, denen die Sache unserer 
Bauernkuust am Herzen liegt. Es handelt sich vor allem um Er- 
ledigung von Fragen iiber Reste alter Kunst in Haus, Geriith und 



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80 



Die Denkmalpflege. 



6. August 1902. 



Schniuck auf dem Lande, sowie zur Gewinnung von Anschauungs- 
stoff iiber den augenblicklichen Stand landlicher Kunstubungen in 
den verschiedenen Gegenden und iiber gute und schlechte Er- 
fahrungen bisher gemachter Versuche zur Neubelebung. — Gleich- 
zeitig mit der Griindung eines Ausschusses filr deutsche Bauern- 
kunst ist die Bildung eines 

Vereins fttr niederelbisches Yolksthum ins Auge gefafst, 
der die Pflege der Heimathkunde und Heimathliebe, der Volks- 
kunst, der Geschichte und Culturgeschichte, der Sitten, Spiele 
und Brauche an der Niederelbe bezwecken will. Das nieder- 
elbische Gebiet mit seinen alteingesessenen Volksst&mmen, die 
sich fast unvermischt an Ort und Stelle erhalten haben und auf 
cine jahrhunderte alte Ueberlieferung in ihren Hauptberufen, als 
Ackerbau, Viehzucht, Obst- und Baumcultur, Fischerei und Schifferei 
blicken, bietet mit seinen hochentwickelten Kunstweisen reichen 
Anlafs zu den beabsichtigten Bestrebungen. 

Die Seminarkirche in Breslau. Es ist noch in frischer Eriu- 
nerung, wie vor kurzem die schonste und am besten erhaltene 
Ringseite Breslaus, die SiebenkurfUrstenseite, mit Vernichtung be- 
droht war (S. 38 d. Bl.). Der Magistrat hat inzwischen in dankens- 
werther Weise diese Gefahr durch anderweitige Losung der schwe- 
benden Verkehrsfragen beseitigt. Nun ist wiederum ein altehrwtir- 
diges Baudenkmal, diesmal ein fiscalisches Gebaude, in seiner Er- 
haltung gefahrdet. Das KOnigl. Provincial-Schulcollegium hat das 
Grundstiick des katholischen Lehrerseminars auf der Sandinsel zum 
Verkauf ausgeboten und dabei in Aussicht genommen, dafs gege- 
benenfalls die kleine Seminarkirche mit abgebrochen werden soil. 

Die genannte Kirche geh(3rte ehemals zum- Jakobskloster der 
Augustinerchorfrauen, die seit dem 13. Jahrhundert auf dem Sande, 
gegenuber den zu derselben Regel gehorenden Augustinerchorherren, 
eine Niederlassung besafsen. Der Bau wurde 1685 begonnen, 
mufste aber alsbald wieder eingestellt werden, da die Stadt aus 
fortificatorischen Riicksichten gegen ihn Einspruch erhob. Nach- 
dem die Einwande beseitigt waren und der Kaiser Leopold die 
Erlaubnifs zum Bau gegeben hatte, fand 1688 die Grundsteinlegung 
stat-t. Nach zwei Jahren schon, 1690, konnte der Bau geweiht 
werden. Im nachsten Jahre wurde, nach Fertigstellung aller 
Altare, die Kirche erOffnet und das Allerheiligste aus der nahe- 
gelegenen Annenkirche dahin iibergefuhrt. Die kleine Kirche, ein 
einschiffiger, mil, Kreuzgewolben iiberdeckter Raum von 4 Achsen 
Liinge mit halbrunder Apsis, ist die erste Barockkirche Breslaus 
und eroffnet die reiche und kiinstlerisch bedeutungsvolle Bauth&tig- 
keit der Gegenreformation in Schlesiens Hauptstadt. Die Einzel- 
heiten sind noch schwerfallig, lassen aber die verst&rkte Wieder- 
aufnahme italienischer Baugedanken deutlich erkennen. Bald 
darauf, 1711 — 15, wurde das anstofsende Jakobskloster erbaut, ein 
schlichter Bau von bescheidenen Verhaltnissen. Als am 25. Mai 
1791 der Dom und der Sand von einer verheerenden Feuersbrunst 
heimgesucht wurden, fielen auch die Jakobskirche und das Kloster 
den Flammen zum Opfer. Mit einer staatlichen Beihtilfe ward der 
Bau wiederhergestellt. Nachdem das Besitzthum der Chorfrauen 
1810 durch Aufhebung der Klfister und Stifte in staatlichen Be- 
sitz iibergegangen war, wurde 1811 das katholische Schullehrer- 
seminar dahin verlegt. Die Kirche, ilires Zweckes beraubt, ging 
mehr und mehr ein; die Ausstattungsstticke wurden in andere 
Kirchen zerstreut. Man trug sich mit dem Gedanken, die Kirche 
zu einem Warenlager zu vermiethen, wie es bei der Josefskirche 
und der Krypta der Dominic an erinn en in der Katharinenstrafse 
noch heute der Fall ist. 1839 beantragte sogar ein Seminar director, 
„dafs die ganz tiberflufsige Seminarkirche theilweise zerstftrt, urn- 
gebaut und in Lehr-, Schlaf- und Wohnraume verwandelt werde tt . 
Der Plan* wurde auch eingehend erwogen, scheiterte aber an den 
Kosten. Nachdem die Kirche 42 Jahre lang unbenutzt gelegen, 
fand sich 1852 ein kunstbegeisterter Seminardirector, der sie mit 
UnterstUtzung des Ftirstbischofs und Aufwendung erheblicher pri- 
vater Mittel und zwar gegen den Willen seiner vorgesetzten Be- 
httrde wiederherstellte. Sie wurde seitdem der Heil. Anna geweiht. 
Das Innere enthalt aufser dem stattlichen Hauptaltar einige Bilder 
von Willmann, dem „schlesischen Rafael 44 . Hoffentlich wird es ge- 
lingen, den immerhin bemerkenswerthen Bau zu erhalten, da sich 
die Mftglichkeit bietet, den thatsachlich vorhandenen Verkehrs- 
schwierigkeiten durch Schaffung eines Durchgangs unter der 
Empore Rechnung zu tragen. L. B. 

Friedrich Schlie f. Am 21. Juli verschied in Kissingen nach 
kurzem schwerem Leiden der Director des Schweriner Museums 
und der Grofsherzoglichen Kunstsammlungen Geh. Hofrath Professor 
Fried rich Schlie. Am 12. December 1839 in dem mecklen- 
burgischen Landst&dtchen Brttel geboren, als Sohn eines Lehrers, 
wuclis er in engen Verhaltnissen auf; schon als Sechszehnjiihriger 



sah er sich genothigt, fur sich selbst zu sorgen und einige Jahre 
erst als Hauslehrer, dann als Lehrer an einer Privatschule sein 
Brot zu verdienen. Dann aber fand er doch die Mittel, das 
Rostocker Gymnasium zu beziehen, das er Ostern 1863 mit dem 
Zeugnisse der Reife verliefs, um in Rostock, seit 1865 in Mtinchen 
vornehmlich klassische Philologie und Arch&ologie zu studiren. In 
Mtinchen, wo er in erster Linie Schuler des eben von Rom dorthin 
berufenen Arch&ologen Heinrich Brunn, daneben auch des Histo- 
rikers Wilhelm Giesebrecht wurde, promo virte er 1867 und ver- 
offentlichte seine Erstlingsarbeit tiber die Darstellung des Troischen 
Sagenkreises auf den etruskischen Aschenkisten, dann begab er 
sich nach Rom und wurde 1868 Hiilfssecretar an dem von Henzen 
geleiteten preufsischen Arch&ologischen Institut. Dort machte er 
die fur ihn folgenreiche Bekanntschaft des damaligen Intendanten 
der Schweriner Kunstsammlungen, des Geh. Cabinetsraths Prosch, 
der ihn mit der Abfassung einer Denkschrift tiber die ftir Schwerin 
geplante Beschaffung einer Sammlung von Gipsabgtissen nach der 
Antike beauftragte. Durch die treffliche Art, wie er sich dieses 
Auftrages entledigte, sowie durch zwei im Druck erschienene Vor- 
trage: „Ueber alte und neue Kunst" und n Ueber Einfuhrung der 
Kunstgeschichte in den Lehrplan der Gymnasien" (1875) hatte 
Schlie, inzwischen seit 1869 Lehrer an dem neugegrtindeten Gym- 
nasium in Waren, die Augen der mafsgebenden Kreise in Schwerin 
auf sich gelenkt; 1877 berief man ihn an das Schweriner Gym- 
nasium, beauftragte ihn zugleich mit der Direction der dortigen 
Kunstsammlung unter Proschs Oberleitung und tibertrug ihm nach 
Proschs Fortzuge 1878 zun&chst provisorisch, bald endgtiltig deren 
Leitung. Es war ein gewagtes Experiment, einen klassischen 
Philologen und Arch&ologen an die Spitze einer Kunstsammlung 
zu stellen, deren Hauptbestandtheil eine Gemaldegalerie bildete, 
aber der Versuch gltickte. Bald hatte sich Schlie in dieses ihm 
ursprunglich fern liegende Gebiet so vollstandig hineingearbeitet. 
dafs er fur einen der besten Kenner der Geschichte der Malerei 
gait, sein Urtheil tiberall gescMtzt und sein Rath in Kunst- 
angelegenheiten auch von fernher erbeten wurde. Die erste 
grofse Aufgabe, die Schlie als Director zu bewaltigen hatte, war 
1882 die Ueberfuhrung der Kunstsammlungen aus unzulanglichen 
Rilumen in das neuerbaute Museum und dessen Einrichtung. Wer 
heute die sch5nen Raume des Museums durchwandert und sich an 
den unter Schlies umsichtiger und thatkraftiger Leitung erheblich 
vermehrten Sammlungen erfreut, erkenut in Aufstellung und An- 
ordnung leicht die Hand eines ttichtigen und feinfuhligen Or^ani- 
sators. Ftir das Bekanntwerden und das Verstandnifs der ihm 
anvertrauten Schfttze sorgt« Schlie selbst bestens durch seine he- 
schreibenden Verzeichnisse der Werke alterer und neuerer Meister 
sowie der Gipsabgtisse; namentlich das erstere mit seinen iacsiim- 
lirten Bezeichnungen ist das Muster eines Gemaldekatalogs. Von 
Schlies anderen kunsthistorischen Arbeiten seien hier nur die 
Schriften tiber das Gtistrower Altarwerk der beiden Briisseler 
Meister Jan Borman und Bernaert van Orley (1883) und tiber 
Nikolaus Kntipfer (1896) erwiihnt. Sein scliriftstellerisches Haupt- 
werk aber schuf Schlie als Mitglied und im Auftrage der 1887 
gegrtindeten Commission zur Erhaltung der Denkmaler, namlich 
„Die Kunst- und Geschichts - Denkmaler des Grofsherzogthuins 
Mecklenburg -Schwerin 44 , in der erstaunlich kurzen Frist von 1890 
bis 1902 erschienen und ftinf schwere Bande ftillend, ein ruhmliches 
Zeugnifs seines allzeit regen Forschertriebes und seines nie er- 
mtidenden Fleifses; es thut seinen Verdiensten keinen Abbrucli. 
dafs er sich der Untersttitzung durch jtingere Gelehrte erfreuen 
durfte und mehrfach nur als Redactor der Arbeiten Anderer erscheint. 
Mit dem glttckseligen Ausruf „Deo gratias 44 schlofs Schlie dies 
Monumentalwerk ab, nicht um hinfort auf seinen Lorbeeren aus- 
zuruhen; nur eine kurze Erholung wollte er sich gOnnen, bevor er 
anderes, was ihm am Herzen lag, in Angriff nahm. Aber da setetc 
der Tod seiner Schaffensfreudigkeit ein Ziel, zum Bedaueru seiner 
Fachgenossen, zum Schmerze seiner zahlreichen Freunde, zum Leid- 
wesen aller seiner dankbaren Landsleute. 



Schwerin. 



Dr. Karl Schroder. 



lnhalt: Das hessisclie Gesetz tiber den Denkmalschutz. — Die forraalr Gp- 
staltung der Kunstdenkmiiler-Verzeichnisse der preufsischen. Provinzon. — Ver- 
mis elites: Ernennung von Oustav v. Bezold zum Ehrendootor der philo- 
Bopliisclien Fncultttt der Universitat Erlangen. — Vereine filr VolkskuiiHt un«l 
VolkHkunde. — Die Seminarkirche in Breslau. — Friedrioh Sclilie f. 



KUr dit* Schriftlcitiing verantwortlich : Fried rich Schultze, Berlin. 
Verliig von VVillielm Ernst u. Sohn, Rerliu. Druek: Uustav Selienck Sohu, Berlin. 



Nr. 10. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegcben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



81 



IV. Jalirgang. 

Nr. 11. 



Ersclieint nlle 8 bis 4 Woclien. Jahrlich 16 Bogen. — Qeschaftstelle : W. Wilhelmatr. 90. — Bezugspreis 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark ; fur das 

Ausland 8,60 Mark. Pflr die Abnenxner des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 27. August 
1902. 



(Alle Rechte vorbehalten.] 



Das Rathhaus in Marienburg in Westpreufsen. 

Vom Regierungs-Baumeister Bernhard Sen mid in Marienburg. 



Abb. 1. Westansicht (Marktseite) 1895. 

Nach finer Photographic von K. Mtlller— Marienburg. 

Am 26. Juli 1899 wurde die Stadt Marienburg von einer 
Feuersbrunst heimgesucht, die in ihrer verheerenden Wirkung an 
die Berichte mittelalterlicher Geschichtsschreiber erinnert: 17 
Bttrgerhauser unter den hohen Lauben und 32 Speichergebaude 
wurden zerstftrt. Auf der gegeniiberliegenden Seite der niederen 
Lauben wurde nur ein Gebiiude vom Feuer ergriffen: das Rath- 
haus, dessen Dachstuhl nebst dem Glockenthurm vftllig nieder- 
brannte; die 30 cm starken Gewftlbe des ersten Stockwerks und 
die darauf lagernden Schuttmassen hinderten eine Verbreitung des 
Feuers nach unten hin, und es blieb das gesamte Mauerwerk ein- 
schliefslich der Giebel erhalten. 

In dankenswerther Weise beschlossen der Magistrat und die 
Stadtverordneten, das Dach in der alten Form wieder aufzubauen, 
nachdem aufser der Brandversicherungssumme durch eine Beihtilfe 
des Kreises Marienburg. vor allem aber durch ein kflnigliches 
Gnadengeschenk alle geldlichen Schwierigkeiten aus dem Wege 
gerilumt waren. Der Bauentwurf wurde unter Berticksichtigung 
illterer Pliotographieen und Aufmessungen von der Schlofsbauver- 
waltung aufgestellt, von der Aufsichtsbehttrde genehmigt und im 
Laufe des Jahres 1901 ausgefUhrt. Damit ist es gelungen, dem 
Rathhause im Aeufseren die alte Eigenart zu bewahren. 

Was dies im Sinne der Denkmalpflege bedeutet, lafst sich am 
besten durch einen Blick auf die anderen Stadte des Ordenslandes 
beurtheilen. Westpreufsen besitzt aufser in Marienburg nur noch 
zwei gut erhaltene mittelalterliche RuthhUuser, niimlich das alt- 



stadtische in Thorn und das rechtstadtische in Danzig, die aber 
ofymals umgebaut und erweitert sind und von ihrem ursprttnglichen 
Aussehen viel eingebtifst haben. Die Reste des Strasburger und 
des neustadtischen in Elbing sind nicht von Belang; das Kulmer 
Rathhaus und das altstadtische in Danzig sind vollige Neubauten 
des 16. Jahrhunderts. In Ostpreufsen lassen sich etwa 10 Rath- 
hauser des 14. und 15. Jahrhunderts nachweisen, doch ist audi 
hier die ursprtingliche Gestalt meist stark verandert. Insgesamt 
sind also von etwa achtzig Stadten Ostlich der Weichsel, die beim 
Ende der Ordensherrschaft (1466) mit Stadtrecht begabt waren, 
nicht viel mehr als ein Dutzend im Besitze ihrer alten Rathhauser : 
es sind dies steinerne Urkunden ttber die Art, wie im 13. und 14. 
Jahrhundert hier ein deutscher Staat mit deutschen Stadten und 
deutschem Burgerthum geschaffen wurden, wie die Rechts- 
gebriiuche und Einrichtungen des Mutterlandes hierhin ttbertragen 
wurden. „Was in Deutschland im Laufe der Jahrhunderte ge- 
worden, in seiner Wurzel kaum noch zu erkennen, das wird als 

etwas Fertiges nach Preufsen hintiber getragen und liegt 

uns meistens klar und deutlich, durch Urkunden bewiesen, vor 
Augen.* 1 ) Anderseits ist den vielen Kriegen und den ver&n- 
derten Lebensgewohnheiten sehr viel zum Opfer gef alien; die 
Stadtmauern, Thtirme und Thore, die Artuslutfe und Gildehauser, 
die Fleisch-, Brot- und Krambanke sind heute entbehrlich geworden 
und nur in wenigen Beispielen erhalten geblieben. Am ehesten 
lafst sich noch die Anlage der alten Rathhauser erforschen, und 
hier nimmt das Marienburger einen wichtigen Platz ein, da es sich 
in seiner gesamten Erscheinung ziemlich getreu erhalten hat. Es 
verlohnt sich der Mtihe, hierauf naher einzugehen. 

1. Geschichtliches. Die Stadt Marienburg ist eine Grtindung 
des Deutschen Ordens und erhielt ihre Handfeste am 27. April 1276 
durch den Landmeister Konrad von Thierberg zu kulmischem 
Rechte; in der Handfeste wird das Rathhaus nicht erwahnt, nur 
der Zins von den Fleisch- und BrotbUnken. Ueber diese BUnke 
sind noch zwei Urkunden erhalten aus den Jahren 1304 von dem 
Landmeister Konrad Sack und 1336 von dem obersten Trefsler 
Friedrich von Spira. Erst 1365 wird in einer Willkiir das Rath- 
haus genannt: „ouch wer do hylf lesschen zu noten das sal man 
volkomelich vnd wol lonen vff dem Rathuze von der stad. u 2 ) 
Aus dem Jahre 1380 sind zwei bemerkenswerthe Urkunden er- 
halten; in der ersten am Freitage vor Latare vom Hochmeister 
Winrich von Kniprode ausgestellten wird die Handfeste erneuert, 
jedoch ohne Angabe iiber Budenzins. Die zweite ist elf Wochen 
spater am Freitage vor Trinitatis ebenfalls vom Hochmeister aus- 
gestellt und vereinbart mit den Bttrgern, dafs statt der bisherigen 
Einzelzinsen „sy vns sullin gebin alle Jar Sebenczik mark pfennyge 
gewonlicher miincze vor Brotbenke, fleischbenke, schubenke, vnd 
Badestobin vnd vor alle den andirn zcins den wir in der stat 
habin .... ouch soulle wir in nicht mehr pflichtik sin holfe zcu 
tun czu des czinses gebuyde adir czu besserunge des gebuydes. 44 
Vorgretfend sei hier bemerkt, dafs die Fleischbanke nach einer 
1782 fttr das Hypothekenbuch gefertigten Grundbeschreibung un- 
weit des Rathhauses lagen (vergl. Abb. 6), die Brotbanke dagegen 
unter dem Rathhause selbst, an der Nordseite. Diese AblOsung der 
Bauverpflichtung erinnert an den ahnlichen Vergleich, der am 
27. Januar 1376 3 ) vom ermlandischen Bischofe mit der Stadt 
Wormditt geschlossen wurde, und zu dem, wie ausdrlicklich be- 
merkt wird, der Neubau des dortigen Rathhauses den Anlafs ge- 
geben hatte. Wahrscheinlich hatte audi in Marienburg der Hoch- 
meister kurz vor 1380 zum Bau des Rathhauses erhebliche Beitriige 
gegeben und lOste nun die weitere Bauverpflichtung durch Zins- 



1 ) Bender, Zeitschrift fur die Geschichte und Alterthumskunde 
Krmlands V, Seite 269. 

2 ) Voigt, Geschichte der Stadt Marienburg S. 525 ; dort audi 
die tibrigen Urkunden vertfffentlicht. 

3 ) cod. dipl. warm. Ill, Nr. 3. 



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82 



Die Denkmalpflegre. 



27. August 1902. 



erlafs ab. Bei dem engen Zusammenhange, der im Mittelalter 
zwischen Rathhaus und Kaufhaus herrschte, schien das Eingehen 
auf die Verkaufsbanke geboten; lafst sich doch auch in Altpreufsen 
fast fur jedes Rathhaus diese Doppelbestimmung nachweisen, was 
hier aber zu weit ftthren wtirde. Aus dem Anfange des 15. Jahr- 
hunderts findet sich eine Angabe tiber das Rathhaus in dem Ab- 
kommen tiber den Stadtetag in Elbing vom 5. Juni 1425: 4 ) 

„Item von dem gemache, do di stete ire sachen muchten inhe 
handeln czu Marienburg czu habene .... ist verramet das is 
sal steende bleiben bys czur tagfart, das dy ste ken Mariemburg 
komen; so sal man mit dem rathe zu Mariemburg redeh, ab sie 
uff irem rathuwse czu Marienburg icht eyn gemach hetten adir 
machen muchten, das den steten eben were." Hieraus lafst sich 
vermuthen, dafs die in Marienburg abgehaltenen Stadtetage wenig- 
stens nach dem Jahre 1425 im Rathhause stattfanden. Neben 
Elbing und Thorn wurde gerade Marienburg als Ort ftir diese 
Tagfahrten bevorzugt, in denen die Sendboten der sechs grOfseren 
Stadte Preufsens: Thorn, Kulm, Danzig, Elbing, Braunsberg und 
KOnigsberg zusammenkamen. Es war dies die Zeit heftiger innerer, 
wie aufserer Kampfe. 1453 begann der schwere Krieg mit Polen, 
und wie Stofsseufzer muthen uns die Inschriften der beiden, 1899 
leider verbrannten Glocken an: 

anno dm im mccccliii iare 
got hilf vns inder engil schar. amen, 
und 

vesper a iam venit nobiscvm criste maneto. 

In der Zeit vom September 1457 bis zum 6. August 1460 fand 
die heldenhafte Vertheidigung der Stadt unter dem Bur germeister 
Bartholomaus Blume statt, bei welcher der Stidgiebel des Rath- 
hauses zerstOrt wui ie. 

Aus der Zeit polnischer Herrschaft sind nur wenig Nachrichten 
tiberliefert; Standetage fanden auch jetzt hier oft statt, und das Rath- 
haus diente zugleich als Herberge ftirstlicher Gaste: 14(38 wohnt hier 
der Ordens-Statthalter Heinrich Reufs von Plauen 5 ) und 1521 zwei 
Abgesandte des Kaisers und des Papstes. 6 ) Aus dem Ende des 
17. Jahrhunderts ist eine Angabe erhalten, die tiber die damaligen 
Rau.nbenennungen Aufschlufs gibt; der Btirgermeister Wilhelmi 
erwahnt in seinen Collectaneen") wahrend der Jahre 1699 bis 1721 
die Gerichtsstube und die Rathsstube als die beiden wichtigsten 
Rauine im Rathhause. Im Jahre 1729 8 ) wurde dann der jetzt noch 
vorhandene Anbau an der Ostseite, an Stelle von sechs Krambuden, 
und in ihm eine neue Raths- und Gerichtsstube errichtet. Im 
Jahre 1772 kam die Stadt wieder unter preufsische Herrschaft; 
bei der bald danach vorgenommenen Neuordnung des Gerichts- 
wesens erhielt das Stadtgericht Raumlichkeiten im Schlosse, wah- 
rend im Rathhause nur Magistrat und die dritte Ordnung ver- 
blieben. Die an der Westseite gelegenen Weinschankbuden 
wurden 1772 Hauptwache, indes brach man 1821 und 1822 sowohl 
diese, als auch die ehemaligen Brotbanke an der Nordseite ab. 

Gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebaude 
durchgreifend ausgebessert, doch so, dafs der ursprtingliche Zustand 
meist erkennbar blieb. In Folgendem sei daher das Rathhaus be- 
schrieben, wie es vor dem 1896-97 erfolgten Umbau aussah, der 
leider vieles Eigenartige beseitigt hat. 

2. Baubesckrcibung. Die Raumvertheilung ist aus den drei 
Grundrissen ersichtlich (Abb. 9 bis 11). Im Keller: zwei als Lager- 
raume verwendbare Tonnengewttlbe, sowie der lange, kreuzgewOlbte 
Gang, der vermuthlich zu Schankzwecken diente; im Anbau ein 
zierliches ZellengewOlbe. Im Erdgeschofs: der Laubengang und 
neben diesem vier Kammern, die zuletzt als Polizeigefangnifs, 
ursprtinglich wolil als Verkaufsbanke dienten, dahinter zwei Tonnen- 
gewdlbe. Im Obergeschofs : die Hauptraume, die wahrscheinlich 
von jeher als Raths- und Gerichtsstube dienten, da im kulmischen 
Rechte Rath und Schttppen zwei getrennte KOrperschaften bilden. 
Hinten zwei Raume, die wohl oft in ihrer Zweckbestimmung ge- 
wechselt haben: Ktiche, Schreibstube, Furstenherberge, Tressel 
u. a. m. Alle drei Geschosse wurden ursprtinglich nur durch die 
Wendeltreppe verbunden, da die jetzigen Kellereingange und 
Treppen neuere Anlagen sind. Die aufsere Gestalt ist kraftig ge- 
gliedert. Im Erdgeschofs ist nur noch die Marktseite unverandert, 
wahrend die Giebelseiten moderne Fensterdurchbrtiche aufweisen. 
Das Hauptgeschofs hat rings herum viereckige Fenster in reich- 

4 ) Toeppen, Acten der Standetage Preufsens unter der Herr- 
schaft des Deutschen Ordens I, S. 432; auch in den n Hansarezessen* 
Bd. VII, Nr. 790, S. 334. 

5 ) Thunert, Acten der Standetage Westpreufsen kflniglichen 
Antheils S. 85. 

6 ) Elbingisch-preufsische Chronik, her. von TOppen S. 71. 

7 ) Her. von R. Ttfppen 1897 ff. S. 38. 

H ) Memorial des Btirgers C. E. Braun, im Stadtarchive. 



gegliederten Bogennischen und wird auf der Marktseite durch die 
Zinnen, die Erker an den Ecken, sowie die Lisenen-Gliederung 
ausgezeichnet (Abb. 1). Der mit ftinf Blenden in drei Staff ein sich 
erhebende Nordgiebel (Abb. 4) ist unverandert geblieben ; Putz ist 
in den Feldern nie vorhanden gewesen. Der Stidgiebel (Abb. 5) 
zeigt unten dieselbe Anlage wie der nflrdliche, hat aber nach der 
Zerstflrung von 1460 neue StaffelkrOnungen, welche die bekannten 
spatgothischen Formen aufweisen, sowie Nischenputz erhalten. 
Dafs die Rtickseite des Gebaudes ebenfalls eine Zinnung gehabt 
hat, lafst sich nur vermuthen, denn die Giebelansatze geben keinen 
sicheren Anhalt hierftir. Als neuzeitliche Zuthaten sind die 
Stuckmafswerke tiber den Fenstern und der Stuck - Bogenfries 
zwischen den Lisenen zu verzeichnen (Abb. 1). Inmitten des steilen 
Daches erhebt sich der zierliche sechseckige Glockenthurm, dessen 
1899 abgebranntes Vorbild noch aus spat mittelalterlicher Zeit 
stammte. 

Kreuz, Wetterfahne und Kugel von 1686 wurden aus dem 
Brande gerettet und zieren wieder den Thurm (Abb. 8). Die 
Formsteine des Aeufseren sind in Abb. 2, 5 u. 11 dargestelit und 



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Profil der 
Erkerkragung. 



^ 




Zinnen- 
Ahdeckstein. 



Hohlkeklstein. 

(UeberalL ver- 

wendet) 



Treppeu- 
spindel-Stein. 



Abb. 




Schnitt durch 

eine Staffel 

des Stidgfiebels. 



Pfeiler- 

sockel in der 

Rathsstube. 




Wagebalken. 
Abb. 3. 



Uhrkammer- 
balken. 



lassen sich in zwei Gruppen scheiden, die frtihereu des 14. und 
die spateren des 15. Jahrhunderts. 

Das Innere ist in seiner Formengebung einfach. Scharfgrati^e 
KreuzgewOlbe, die in der Laube und dem unteren Flur zwischen 
schwere, ausgekragte Gurtbttgen eingespannt sind, sonst aber ohne 
Gurt zusammenstofsen, und schlichte rundbogige TonnengewOlbe 
bestimmen das Geprage der Raume. Nur die beiden Eckzimmer 
fiber den Lauben sind reicher gewOlbt, das sttdliche mit vier 
scharfgratigen KreuzgewOlben unter Zuhtllfenahme eines granitenen 
Mittelpfeilers (Abb. 3); doch es scheint dies nicht mehr der ursprttng- 
liche Zustand zu sein, denn der Pfeilerschaft pafst nicht zum Sockel. 
Vielleicht steht die Veranderung dieses GewOlbes in Zusamroenhang 
mit der Giebel-Instandsetzung nach 1460. Dagegen hat das nflrd- 
liche Eckzimmer ein eigenartiges KuppelgewOlbe auf Rippen. Die 
Punkte A l23i ( vergl. Abb. 11) sind durch Halbkreisbogen verbunden, 
zwischen die ein Kuppelausschnitt eingew5lbt ist, sodafs die Bogen 
A X SA 3 und A 2 SA A auch Halbkreise sind; nach den Wanden zu 
sind dann acht schiefe Stichkappen A X E x bezw. A 2 E , usw. an- 
gewOlbt. Eine namentlich in der Eckbildung ahnliche Gew5lbe- 
form enthalten die beiden Soramer- und Winter-Remter des Hoch- 
meister-Palastes. 

Der 1899 abgebrannte kieferne Dachstuhl war noch die 
mittelalterliche Zimmerung. Die Abbildung 7 zeigt ein Ge- 
binde der Nordhalfte, welches unveriindert sich erhalten hatte, 



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Nr. 11. 



Die Denkmalpflege. 



83 



Kra 

8t« 



Schnitt AB. 



5 10 

lud — l — I i i 1 I i i i l 



15 m 



Abb. 4. Nordgiebel. 



Abb. 5. Sudgiebel. 




Reekt -IhjQ 



I I I I I I I I t 
Abb. 6. Plan der Stadt Marienburg. 



ZuAbb.5. 

Verbind. 

beiB. 





Abb. 7. Querschnitt. 



Zu Abb. 7. Verbind. 
bei A. 



Jj 








Abb. 8. Thurmkreuz. 



Kragstein K. 

Zu Abb. II. 



■ ARKT 

Abb. 10. Erdgeschofs. 



Abb. II. Obergeschofs. 



wahrend die Sudseite mehrfach Umbauten erfahren hatte. Von handensein eines Kamins hinweist. Die Anordnung der Kamine 

den alten Heizanlagen ist aufser den Schloten nur wenig erhalten. in den vier Gebaudeecken lafst sich bei preufsischen Rathhausern 

Im Keller befindet sich bei A (vergl. Abb. 9) eine Stichkappe im mehrfach beobachten (in Bischof stein und Wormditt) und war 

Gewttlbe, die auf den Mantelansatz eines Eckkamins schliefsen vielleicht auch hier vorhanden. Merkwttrdig ist in dieser Hinsicht 

lafst, wahrend bei B nur eine Ausnischung auf das frtthere Vor- der kleine mit ein^em Kreuzgewolbe iiberdeckte Raum an der 



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84 



Die Denkmalpflege. 



27. August 1902. 



Nordostecke des Obergeschosses ; derselbe hat an den Wanden 
a und b (vergl. Abb. 11) in Mannshtfhe iiber dem Fufsboden flache 
Gurtbtfgen, auf denen noch betrachtliche Reste schrager Mantel- 
wolbungen erhalten sind, also war hier ursprttnglich ein Herd mit 
weitem Rauchfang vorhanden, oder wenigstens beabsichtigt, denn 
das jetzt vorhandene Kreuzgewftlbe scheint ebenfalls mittelalterlich 
zu sein, wenn auch aus spaterer Zeit, wie aus der Kragsteinform 
bei C und dem Vorhandensein des Fensters hervorgeht. — Weitere 
Kaminanlagen aus alter Zeit fehlen. Die Fufsboden der Flure 
und des Laubenganges sind mit gotlander Kalksteinplatten belegt. 
Die Fensterkreuze in den beiden Hauptrftumen des Obergeschosses 
sind neu und aus Stuck gefertigt, dagegen finden sich in den 
Fenstern des Mittelflures und des veranderten Herdraumes noch 
die alten Granitpfosten mit sehr einfachem Profil (vergl. Abb. 1 J ). 

Bemerkenswerth sind sodann mehrere innere Ausbaustttcke. 
Das Kassen- und das Magistrats-Zimmer besitzen drei Wand- 
schranke mit sehr schflnen geschmiedeten Beschlagen aus dem 
Ende des 15. Jahrhunderts; ebenfalls mittelalterlich ist die Thtir 
voin Magistrats-Zimmer zum Flur, welche mit Verdopplung ge- 
zimmert ist, sodafs innen die glatten Bretter, die Einschubleisten 
und die Langbander liegen, aufsen das profilirte Rahmwerk mit 
acht rollenartig gestochenen Fttllungen. Zwei bedeutungsvolle 
Einbauten hatten sich noch bis vor kurzem erhalten; namlich in 
dem hinteren Thorbogen des Erdgeschosses war 2 l l ' 2 m iiber dem 
Fufsboden ein gekehlter, eichener Wagebalken eingemauert, und 
im Flur des Obergeschosses waren in halber HOhe drei Balken, 
welche die Uhrkammer trugen, eingezogen. (Vergl. Abb. 3.) Um 
den Querschnitt durch die tiefe Auskehlung nicht zu sehr zu 
schwachen, hat man den Birnstab als Latte untergenagelt. 

Nach diesem Baubefund darf man die Errichtung des gegen- 
wartigen Rathhauses in die spatere Zeit des 14. Jahrhunderts 
setzen. Im Aeufseren die Zinnen und Erker, im Inneren die 
KuppelgewOlbeform, diese beiden Merkmale verrathen eine be- 
stimmte Abhangigkeit von dem Hochmeisterpalaste, der nach 
F. v. Quasts Darlegungen 9 ) unter Winrich v. Kniprode (1315 bis 
1382) entstanden ist. Die oben erwahnten Urkunden vom Jahre 
1380 lassen auf Bauten am Rathhause in dieser Zeit schliefsen. 
Bemerkenswerth ist auch, dafs der fiir 1379- 1384 bezeugte 10 ) erste 
Ban des Danziger rechtstadtischen Rathhauses mit dem Marien- 
burger gewisse Aehnlichkeit im Grundrifs und Aufrifs hat; im 
Grundrifs die Quertheilung in mehrere kleinere Raume, die sonst 
bei keinem Rathhause hierlands fur das 14. Jahrhundert nach- 
weisbar ist, im Aufrifs die Zinnenkronung, deren vermauerte 
Ueberreste in Danzig iiber den Fenstern des ersten Stocks noch 
erkennbar sind. 

9 ) Neue preufs. Prov.-Blatter 1850 S. 194 u. 196. 
10 ) Hoburg, Geschichte und Beschreibung des Rathhauses der 
Rechtetadt Danzig S. 6. 



Um das Bauprogramm des Marienburger Rathhauses zu unter- 
suchen, vvird es nbthig, den Stadtplan (Abb. 6) zu Htilfe zu nehmen. 
Marienburg gehftrt zu jener kleineren Gruppe preufsischer St&dte, 
die einen strafsenartigen, „langen" Markt haben (Rechtstadt 
Danzig, Altstadt Elbing, Pr. Holland, Altstadt und Kneiphof 
KOnigsberg), meist wohl nur aus RUcksicht auf die Beschaffenheit 
des Gelandes. Hierbei wurde die sonst beliebte Anordnung, das 
von Buden umgebene Rathhaus inmitten des Marktes, unmoglich, 
und man schaltete das Rathhaus mit den Banken und Buden 
zwischen die Hauserviertel ein. Hier lagen denn die Fleischbanke, 
die Krambuden und Brotbanke und gaben den dazwischen liegen- 
den Gassen ihre zum Theil noch jetzt gebrauchlichen Namen: 
Kramer-, Hoker-, Fleck- und Bechlergasse. Da das jetzige Rath- 
haus in den Untergeschossen ein durchaus einheitlicher Bau ist, 
ohne jede Spur eines alteren Baues, etwa aus dem 13. Jahrhundert, 
so wird das bei Anlage der Stadt erbaute erste Rathhaus wohl 
nur ein Holzbau oder ausgemauerter Bindwerkbau gewesen sein. 
Die merkwurdige Angabe in der 1365 begonnenen Stadtwillkur 
„item das Burgerding sal man halden off den Koningartushofe" 
lafst sich nur so erklaren, dafs man die eigentlichen rathhauslichen 
Geschafte, von denen die Rechtsprechung einen wesentlichen Theil 
ausmachte, wahrend eines Neubaues im Artushofe abhielt. Letzterer 
lag dem Rathhause schrag gegentiber in dem als „Gilde" noch 
1781 bezeichneten Laubenhause, das 1782 als Bethaus umgebaut 
wurde und 1899 abbrannte. Durch einen derartigen Neubau des 
Rathhauses innerhalb vorhandener Gassen erklaren sich die 
Schiefwinkligkeit des Grundrisses und die geringen Abmessungen 
desselben: ein Drittel des Raumes beansprucht der Laubengang, 
und im Rest haben nur wenige Krambanke Platz. Man mufste 
daher auf die Anlage eines weitraumigen Untergeschosses, wie in 
vielen anderen altpreufsischen Rathhausern, zunachst verzichten. 
und es erschienen die Remter und Schreibstuben des Oberge- 
schosses als der wesentlichere Bestandtheil des Baues. Dafs man 
aber schon im Mittel alter daran dachte, das Rathhaus zu einem 
Kaufhaus zu erweitern, darauf deuten Verzahnungen an der Ost- 
seite, doch kam es nicht dazu. Schon ein Menschenalter nach der 
Fertigstellung des Baues, 1410, beginnt mit dem unglucklichen 
Kriege ein Ruckgang im Wohlstande, der zu aufwandigen Neu- 
bauten nicht ermuthigte; nur der 1460 zerschossene Giebel ranfste 
geflickt werden. 

Dieser Eigenthttmlichkeit, dafs das alte Bauprogramm vor- 
wiegend Verwaltungsraume enthalt, danken wir die verhaltnifs- 
mafsig getreue Erhaltung des Innenzustandes; das leichte Holz- 
werk in den weitraumigen Kaufhausern anderer Orte ist imLaufe 
der Zeit meist beseitigt. Mftchte das Marienburger Rathhaus vor 
grOfseren Neubauten auch fernerhin verschont bleiben, als ein 
werthvolles Denkmal alter Stadteverfassung im Gebiete des 
kulmischen Rechtes. 



Der alteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung. 



Unter dem Titel: „Der alteste deutsche Wohnbau und seine 
Einrichtung" bringt Dr. Stephani in einer unlangst erschienenen 
Arbeit*) eine Zusammenstellung aller auf den germanischen Wohn- 
bau und seine innere Einrichtung beztiglichen Nachrichten. Nicht 
eine Geschichte des deutschen Wohnbaues soil das Buch sein, 
wie man leicht hinter seinem Titel vermuthen ktfnnte, sondern nur 
eine Stoffsammlung zu einer solchen. In dieser Hinsicht aber ist 
das Werk ein unentbehrliches Handbuch von bleibendem Werth, 
fein und scharfsinnig in seinen Untersuchungen und den daraus 
sich ergebenden Folgerungen, anschaulich und klar durch die wohl- 
gelungenen, meist auf Zeichnungen beruhenden Abbildungen. 

Mit unserer Kenntnifs des alteren Wohnbaues ist es recht 
durftig bestellt. Genauer sind wir erst tlber das Haus im 15. Jahr- 
hundert unterrichtet, wenngleich auch dieses durch mannigfache 
Umstande viel von seiner ursprunglichen Gestalt und Einrichtung 
verloren hat. Schlimmer ist es mit dem vor- und frtihmittelalter- 
lichen Hausbau, von welchem wenig Reste und wenig genaue 
Wiedergaben und nur recht unzuverlassige Nachrichten auf uns 
gekommen sind. Am unklarsten ist das Bild des vorgeschichtlichen 
Hauses. Um uns von diesem einen annahernden Begriff zu machen, 
miissen wir uns verschiedener Htilfsmittel bedienen. Es sind dies 
die Wiederherstellung (Reconstruction), Uebereinstimmung (Ana- 

*) Der alteste deutsche Wohnbau und seine Einrich- 
tung. Baugeschichtliche Studien auf Grund der Erdfunde, Arte- 
facte, Baureste, Mtinzbilder, Miniaturen und Schriftquellen. Von 
Dr. K. G. Stephani. Leipzig 1902. Baumgartners Buchhandlung. 
In 2 Banden. 1. Band: Der deutsche Wohnbau und seine Einrich- 
tung von der Urzeit bis zum Ende der Merovingerherrschaft. 
X u. 448 S. in 8° mit 209 Text-Abb. Geb. Preis 14 J£. 



logie) und die Hausurnen. Letztere (Cap. I, § 1) gehtfren dem sog. 
Brandalter an, d. h. der Zeit, in welcher die Leicheiiverbreunung 
ublich war. Der Hallstadter Zeit (700-300 v. Chr.) entstammend, 
haben sie nach des Verfassers Ansicht als thatsachliche Wieder- 
gaben des gleichzeitigen Wohngelasses zu gelten. Und zwar ver- 
anschaulichen sie dessen Umwandlung von der runden Urform, der 
Grubenhutte, zum Zeit, vom Zeit zur Jurte und von der Jurte 
zum ordentlichen Hause. 

Die wenigen Nachrichten iiber den Wohnbau in der friih- 
rttmischen Zeit entstammen (Cap. I, ^ 2) vornehmlich der Germania 
des Tacitus (2. Halfte des 1. Jahrh.). Die Germanenhauser jener 
Zeit waren rechteckige, einraumige, rohe Fachwerkbauteu mit 
steilem Dach, deren Stander unbehauene Baumstamme waren, 
welche auf untergelegten Steinen oder unmittelbar in der Erde 
standen und untereinander durch Riegel gleicher Beschaffenheit 
verbunden waren. In der Mitte stand der Herd. In den von 
Tacitus erwahnten Erdwohnungen sieht Stephani veraltete Haus- 
formen, Nachkommen der durch die Burg-Kemnitzer Grubenzelt- 
Urne festgelegten Grubenzelte. Sie dieuten wohl nur als Noth- 
behelfe. 

Das zweite Capitel behandelt den Wohnbau vor und wahrend 
der Volkerwanderung. Zunachst kommen die Darstellungen an der 
Markus-Saule in Rom in Betracht, welche Ereignisse aus dem 
Kriege zwischen den Markomannen (§la) und den ROmern an 
der Donau v. J. 167—180 wiedergeben. Aber bei dem mannig- 
fachen Wechsel der Baulichkeiten lassen sich keine bestimmten 
Typen herausschalen. Und dann leiden die Bildwerke an dem 
Mangel eigener Einsicht und an ungenttgendem ktinstlerischeu 
VermOgen. 



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Nr. 11. 



Die Denkmalpflege. 



85 



Wie die bei Grofsgartach aufgedeckten Reste zeigen, war die 
Gegend zwisclien Neckar und Main schon fruhe ein bliihendes 
Culturland gewesen. Dann kamen die Rtfmer, welche zu Ende des 
dritten Jahrhunderts von den Alemannen verdrangt wurden 
(§ lb). Wenn Ammian bemerkt, die Alemannen hatten ihre Bau- 
lichkeiten „ganz ordentlich nach rcmiischer Manier" errichtet, so 
widerspricht das dem Bilde, welches er sonst von deren Charakter 
gibt. Er hat das Gehtfft zwischen Main und Taunus im Auge, eine 
der Verwtistung entgangene Schopfung der Romer, welches aber 
in it dem Erscheinen des romischen Heeres auf dem rechten Rhein- 



wicklung des Wohnbaucs in G allien. In der vorfrankischen Zeit 
bewegte er sich der zwiefachen Bevtflkerung entsprechend in zwie- 
facher Richtung. Die Kelt en bauten leichte Rundhauser mit 
hohen konischen Strohdachern. Audi festere Blockhauser, wie das 
Haus des Ambiorix, kamen vor. Eine den Kelten besondere Eigen- 
thtimlichkeit war das Sechssaulenhaus. Es kamen die ROmer und 
bauten in ihrer Weise. Mit dem Sieg bei Soissons 486 wurden die 
Fran ken Herren ttber Gallien. Die kleineren, von den Franken 
errichteten Hauser waren einfache, rechteckige, einriiumige Bauten 
aus Holz und aus Flechtwerk ohne Dielenbelag und Decke. Die 



Abb. 1. Amberg. Portal im Hof des Landgerichtsgebaudes. 



Abb. 2. Amberg. Portal an der Schulkirche. 



ufer schwand, ohne einen nachhaltigen Einflufs auf die alemannische 
Bauweise zu hinterlassen. 

Ueber den Wohnbau derWestgothen(§2a) sind wir einiger- 
mafsen durch Ulfilas (4. Jahrh.) unterrichtet. Die Technik der 
MOsogothen (§2b) erhellt zum Theil aus dem Bericht des Priskus 
Uber die Bauten im Hoflager Attilas in der Theifsniederung, deren 
Schftpfer dieselben wahrscheinlich sind. 

Wahrend und nach der Vftlkerwanderung stand der germanische 
Wohnbau auf fremdem Boden, wie aus Cap. Ill hervorgeht, im 
wesentlichen unter rflmischem Einflufs. Die in andere Gebiete 
eingedrungenen Volksstamme beschrftnkten sich entweder auf die 
nothdiirftigste Instandsetzung der vorgefundenen rttmisehen Bauten 
oder errichteten Hiluser in Anlehnung an diese. Selbst die ge- 
waltigen Bauunternehmungen des KGnigs Theoderich offenbaren 
nur in Einzelheiten nordische Motive, in der Gesamtanlage gehen 
sie auf byzantinische, in den einzelnen Bautheilen und in der 
Technik auf rOmische EinflUsse zurtick. 

Was von den Ostgermanen gilt ($ 1 a - d), gilt auch von 
den Westgermanen (^ 2a, b). Die Hauser der Langobarden 
in Italien stellen sich als ein Gemisch von deutscher und 
romischer Bauweise dar. Auch ihre prunkvolle Inneneinrichtung 
erinnert in vielem an die Antike. Bemerkenswerth ist die Ent- 



besseren Hauser hatten eine Reihe gesonderter Raumlichkeiten 
und waren oft mehrsttfckig. Eine von den Franken eingeftthrte 
Neuerung war das offene Dachgesparre. Die gangbarsten Typen 
der stadtischen grOfseren Bauten waren das vitruvische Testudinal- 
haus und das Basilicalhaus. Monumentale d. h. fast nur kirchb'che 
Bauten wurden meist aus Stein, Profanbauten aus Holz aufgefiihrt. 
An erhaltenen Denkmalen sind die Reste der Merovingerpfalz in 
Aachen und das Lorscher Thorhaus zu nennen. 

Das vierte Capitel behandelt den entwickelten stammes- 
verschiedenen Wohnbau nach der Vtilkerwanderung. Zunachst 
schildert Stephani das Haus auf heimathlichem Boden, nftmlich das 
bayerische, das alemannische, das sachsische imFranken- 
reiche und das der Skandinavier und Islander. Seinen Aus- 
fiihrungen zufolge ist das altsachsische Haus nicht gleichbedeutend 
mit dem heutigen altniederdeutschen. Einen langeren Raum nehmen 
die Betrachtungen der Wohnbauten (Stube, Schlafhaus, Kttche) der 
Skandinavier und Islander ein. Die skandinavische Saulenbasilika 
betrachtet der Verfasser als eine unmittelbare Nachkommin des 
altnordischen Wohnhauses. Den Schlufs bildet eine Schilderung 
des Hauses der Angelsachsen in England und der Normannen 
in Frankreich. 

Niimberg. Dr. Schulz. 



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86 



Die Denkmalpflege. 



27. August 1902. 



Amberg in der Oberpfalz. 

Das an beiden Ufern der Vils, eines Nebenflusses der Naab 
gelegene Amberg (Abb. 5) wird urkundlich zum ersten Male 1034 
erwahnt und zwar als villa Ammenberg. 1 144 wird es bereits als Markt 
genannt, und die den dortigen Kaufleuten nicht lange danach ge- 
wahrten und spaterhin noch vermehrtenZollfreiheiten bekunden einen 
starken Aufschwung des Amberger Handels. Ludwig der Strenge von 
Bayern erhielt 1269 Amberg als Lehen, und besonders diesem 
Herrscher sowie seinen Stthnen Rudolf und Ludwig verdankt die 
Stadt viel in ihrer Entwicklung. Der letztgenannte Ftlrst, genannt 



fallen, die zu erhalten eine hOhere Culturaufgabe bildet, als schab- 
lonenhafte Strafsenbauten auszuftthren. Heute werden gewifs auch 
die Amberger Behflrden und Btirger den unterdessen ganzlich ge- 
anderten Anschauungen — wie sich dieselben allmahlich in Nurnberg 
Rothenburg usw. Bahn gebrochen — Rechnung zu tragen wissen. 
Es ist daher umsomehr zu verurtheilen, wenn der Staat, welcher 
doch stets den Biirgern mit gutem Beispiel vorangehen sollte, mit 
der Zersttfrung der alien Befestigungen von neuem beginnt. Bei 
einigem guten Willen hatten sich sicherlich Mittel und Wege finden 



Abb. 3. Nabburger Thor in Amberg. 

der Bayer, gab unter anderem 1317 die Erlaubnifs, die Stadt 
zu erweitern (in der heutigen Ausdehnung) und sie mit neuen 
Befestigungen und Graben zu umgeben. In den unruhigeirKriegs- 
zeiten der folgenden Jahrhunderte waren die Bilrger gezwungen, 
stetig an der Vervollkommnung dieser Mauern zu arbeiten. Die 
Jahreszahlen der Wappentafeln an den Thorthtirmen deuten auf 
eine besonders rege Thatigkeit in der zweiten Halfte des 16. und 
in der Mitte des 17. Jahrhunderts bin. In frUheren Zeiten gait 
auch der Spruch, dafs Mtinchen die schttnste, Leipzig die reichste 
und Amberg die festeste Ftirstenstadt sei, und wir dtirfen dieser 
Behauptung wohl einigen Glauben schenken, wenn wir die wehr- 
haften, noch heut zum grofsen Theile erhaltenen Befestigungen be- 
trachten. Amberg bedarf jetzt zwar nicht mehr dieses Schutzes, 
aber die hohen Mauern mit ihren zahlreichen ThUrmen und den 
trotzigen Thorbauten verleihen der Stadt ein mittelalterliches, 
malerisches Aussehen, welches uns lebhaft an Rothenburg und 
Ntirnberg erinnern mufs. Den Zugang zur Stadt vermittelten fttnf 
Thore, von welchen das Nabburger Thor (Abb. 3), das Wingershofer 
Thor, das Vils-Thor und das Ziegel-Thor (Abb. 4) noch bestehen, 
wahrend das ehemalige Georgen-Thor bereits im Jahre 1630 und das 
an seiner Stelle errichtete Neue Thor spater gleichfalls abgebrochen 
wurde. 1802 bis 1804 wurden die aufseren Befestigungen entfernt und 
die rings um die Stadt laufenden Promenaden und Baumpflanzungen 
angelegt. Der Graben und die eigentliche Stadtmauer blieben je- 
doch, wie schon erwahnt, mit Ausnahme einiger Theile bis heute 
ziemlich unversehrt erhalten. Die Thtirme sind zwar zu Wohnungen 
umgebaut und Bauten aller Art an die Innenseite der Mauern viel- 
fach angelehnt worden. 

Wenn in den siebziger Jahren damit begonnen wurde, 
die Mauern an der Westseite der Stadt abzubrechen und den 
Graben einzuftillen, um die sog. Ringstrafse anzulegen, so ist 
hierbei der zur damaligen Zeit herrschenden Anschauung Rech- 
nung zu tragen. Hat doch selbst Nttrnberg in dieser Zeit seine 
Aufgabe in Bezug auf Anpassung an die Neuzeit verkannt und 
nicht gewufst, dafs „neuzeitliche Bestrebungen* da ganz verfehlt 
sein konnen, wo ihnen Werthe kunstgeschichtlicher Art zum Opfer 



Abb. 4. Ziegel-Thor in Amberg. 



Abb. 5. Plan der Stadt Amberg. 

lassen, um die Neuanlagen hinter dem Maltesergebaude ohne Be- 
eintrachtigung von Mauern und Graben vornehmen zu kCnnen. 
Vom Standpunkte der Denkmalpflege kann ein derartiges Vor- 
gehen unmoglich gebilligt werden. 

Innerhalb seiner Mauern birgt Amberg eine stattliche Anzahl 
reizvoller, alter Bauwerke. Die zahlreichen Kirchen faUen be- 
sonders ins Auge. Obwohl sie zum grOfsten Theile im Innern weni^r 
glttcklich, dafttr aber w stilgemafs u wiederhergestellt oder auch 
bereits seit der Sacularisation weltlichen Zwecken dienstbar gemacht 
worden sind, bieten die erhaltenen Theile doch noch viel An- 
ziehendes und Beachtenswerthes. Am Marktplatze erhebt sich die 
1421 begonnene Martinskirche, ein machtiger, dreischiffiger HaUen- 
bau mit nach innen gezogenen Strebepfeilern, zwischen denen 
durch Mafswerke geschmttckte Galerieen herumlaufen. DasAeufsere 



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Nr. 11. 



Die Denkmalpflege. 



87 



der Kirche ist ziemlich einfach gehalten und zeigt zwei tiberein- 
anderstehende Fensterreihen, von welchen die untere durch reicher 
ausgestattete Portale mit Vorhallen belebt wird. Der Thurm er- 
hebt sich an der Westseite, dicht am Ufer der Vils stehend und 
tragt in seinem oberen Theile zwei aus der Renaissancezeit stam- 
mende Stockwerke nebst Kuppel (Abb. 9). Gegentiber der Martins- 
kirche, am anderen Ufer der Vils befindet sich im alten Hause der 
Pfalzgrafen die sog. Levinische Capelle (nunmehr Hauscapelle der 
Maximilians-Rettungsanstalt) mit einem erkerartig aus der Mauer- 
flucht vortretenden Chore, einem reizenden Werke der Frtthgothik 
(Abb. 6). Der tief herabhangende Schlufsstein, die mit ab warts 
gerichteten Mafswerken geschmiickten Rippen und die alten Glas- 
gemaide erhOhen den malerischen Reiz der kleinen Capelle. Das 
schlichte Aeufsere der 1729 in ihrer jetzigen Gestalt hergestellten 
Schulkirche, der ehemaligen Klosterkirche der Salesianerinnen, ziert 
ein vortreffliches Portal mit reichgeschnitzten Thtirflugeln und kunst- 
voll geschmiedetem Gitter (Abb. 2 S. 85). Das Innere der kleinen 



gothische Formen wie am Westgiebel und an der Stidseite, wo ein 
Erker nebst Mafswerkfenstern die Hausfront belebt, als auch der Re- 
naissancezeit entstammende Bautheile. Die dem Markte zugekehrte 
Westseite mit der 1552 erbauten Altane wurde im Jahre 1880 
wiederhergestellt, bei welcher Gelegenheit der runde Treppen- 
thurm hinzugeftigt und der gothische Giebel des Hauptbaues mit 
den etwas ungeftigen Krabben und Kreuzblume besetzt wurde. 
Im Hofe ist eine hiibsche gothische Freitreppe zu erwahnen und 
im Innern des Gebaudes zwei Sale, von welchen sich der kleinere 
durch giinstige Verhaltnisse und schone Ausgestaltung auszeichnet. 
Vertafelung und Decke tragen hier ausgesprochenen Renaissance- 
charakter. 

Das ehemalige Schlofs am Ausflufs der Vils aus der Stadt 
(Abb. 9) wurde in den Jahren 1716-38 an der Stelle der frliher be- 
standenen Schlofsbauten errichtet. Es ist ein einfacher, machtiger 
Renaissancebau mit hohem Giebel, zierlicher, vorgebauter Altane 
an der Grabenseite und mit achteckigem Treppenthurm an der 



Abb. 6. Amberg. Altes Haus der Pfalz- 
grafen mit der sog. Levinischen Capelle. 



Abb. 7. Amberg. Rathhaus. Marktseite. 



Abb. 8. Amberg. Landgerichtsgebaude 
(ehem. Regierungsgebaude). 



Abb. 9. Amberg. Stadtmauer an der Vils, (Im Hintergrund die Martinskirche.) 

Kirche ist von der schSnsten Wirkung. Wande und Decken tragen 
fast tiberreiche, zart gefafste Stuccaturen und farbenprachtige 
Fresken, welche wie das Altargemalde vom Augsburger Maler 
Georg Gfltz 1758 hergestellt wurden. Ein reich geschmiedetes 
Gitter schliefst den Kirchenraum ab. Von den Ubrigen Kirchen 
ist noch besonders die 1359 begonnene Georgskirche zu erwahnen. 
1622—1773 diente diese als Klosterkirche der Jesuiten, von denen 
sie im Innern barock ausgestattet wurde. 

Nicht weniger reizvoll und beachtenswerth wie die kirchlichen 
Bauten Ambergs sind die im Laufe der Zeit entstandenen weltlichen, 
und unter diesen besonders erwahnenswerth das Rathhaus, das ehe- 
malige Schlofs, das nunmehrige Landgerichtsgebaude, das Malteser- 
gebaude, das Zeughaus, verschiedene hiibsche Bttrgerhauser u. a. An 
dem 1490 begonnenen Rathhause (Abb. 7) finden wir sowohl rein 



Hofseite (Abb. bei Kempf, Landarchitekturen ). 
Von den ehem als zum Schlosse gehftrenden 
Bauten hat sich nur ein starker, viereckiger,theil- 
weise abgetragener Thurm erhalten, wahrend 
die zwischen ihm und dem Schlofsgebaude 
liegenden Baulichkeiten jiingerer Zeit entstam- 
men. Grftfseren Reichthum als der schlichte 
Schlofsbau weist das 1545—55 errichtete vor- 
malige Regierungsgebaude auf, dessen Riium- 
lichkeiten heute den Zwecken des Land- 
gerichtes dienen (Abb. 8). Ueber einem ein- 
fachen Portale, welches ebenso wie einzelne 
andere Theile des Gebaudes an ahnliche Ntirn- 
berger Arehitekturen erinnert, erhebt sich ein 
auf zwei schweren Saulen ruhender Erker mit 
reicher Gesimsbildung und Pilastertheilung. In 
den Medaillons der Brustungsfelder des zweiten 
Stockes sehen wir die Bildnisse des Erbauers, 
des Kurftirsten Friedrich II. und seiner Ge- 
mahlin nebst beider Wappen. Die Stidseite 
des Gebaudes ziert ein massiver, durch Pilaster 
und Bogenstellung reizvoll belebter Giebel. Durch eine mit zwei- 
jochigem Netzgewttlbe ttberspannte Durchfahrt gelangt man in 
einen kleinen malerischen Hof. Ein Erker fiber dem Thore der 
Durchfahrt und der vorgebaute Treppenthurm bilden ein vortreff- 
liches Architekturbild. Das Portal am Treppenthurm zeigt ge- 
wundene Profilirung (Abb. 1 S.85), eine Construction, welche sich auch 
an Thtiren des Zeughauses findet. Die einzelnen Profile sind noch 
gothisch, wahrend der bekrflnende Aufsatz, welcher wie das tibrige 
Portal aus dem Jahre 1600 bezw. 1601 stammt, Renaissanceformen 
aufweist. Eine steinerne Wendeltreppe ftihrt in die einzelnen 
Stockwerke, deren Eingangsthtlren gleichfalls noch gothische, sich 
vielfach durchschneidende Profile besitzen. Der neben dem Land- 
gerichte durch eine Gasse von diesem getrennte Bau (Abb. 8), 
das Archivgebaude, zeigt einfache Barockformen (1697), wie auch 



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88 



Die Denkmalpflege. 



27. August 1902. 



das an der anderen Seite des erstgenaunten anlehnende Gebaude. 
Einfache Ausgestaltungen besitzen auch das durch seine Grflfsen- 
verhaltnisse hervorragende, 1665—76 errichtete Maltesergeb&ude und 
das gothische Zeughaus, dessen durch Giebel gezierter Fltigel gegen 
die Grabenseite im 17. Jahrhundert erbaut wurde. Unter den 
Btirgerhausern der Stadt finden sich gleichfalls beachtenswerthe 
Bauten, es soil hier aber nur auf eines mit eigenartiger Dach- 
consolenbildung hinge wiesen werden. Das weit vorspringende 
Dach des in einer Seitengasse stehenden Hauses wird an den Giebel- 
seiten von zwei Walfischen getragen, von welchen der eine den 
Jonas in seinem Rachen verschwinden lafst, wahrend der andere 



den hOchst vergntigten Jonas nach dreien Tagen wieder ausspeit 
wie uns die von Figuren gehaltenen Inschrifttafeln in der Hflhe 
des Erdgeschosses belehren. 

Mit Recht darf Amberg wohl auf seine zahlreichen alten Ban- 
werke stolz sein, und wir dtlrfen sicherlich die Hoffnung aus- 
sprechen, dafs es auch fernerhin bemtiht sein mOge, seine Schatze 
zu hiiten und sich das allerorten immer mehr verschwindende oder 
vielmehr verdr&ngte Gepr&ge einer echten, deutschen Stadt zu 
wahren. 

Miinchen. Schulz. 



Vermischtes. 



Das Programm fiir den dritten Tag fiir Denkmalpflege in 
DHsseldorf (vergl. S. 46 d. J.) ist wie folgt festgestellt: Mittwoch, den 
24. September, Abends, Fest der Stadt DUsseldorf in der Tonhalle. 
Eintrittskarten (auch fttr Damen) vom 20. September ab im Saal II 
der Tonhalle. Donnerstag, den 25. September, Morgens 9 Uhr, 
erste Sitzung im Standehaus: Berichte tiber die den Denkmalschutz 
betreffende Gesetzgebung von Hessen (v. Biegeleben), von Bern 
(Loersch) und von Oesterreich (Willi. Gurlitt). Alsdann folgen 
Verhandlungen ttber die Erhaltung der Baudenkmaler (Cornelius 
Gurlitt), iiber die Erhaltung und Pflege plastischer Kunst werke 
(Borrmann), ttber die Bemalung von Bildhauerarbeiten (Haupt- 
Eutin und Geiges) so wie Erorterungen iiber die mit der Be- 
seitigung des Westportals des Metzer Domes und dessen Ersatz 
durch ein gothisches, zusammenhangende Fragen im Anschlufs an 
die vom Regierungs- und Baurath Tornow auf dem Dresdner Tage 
(vergl. S. 113 u. 122, Jahrg. 1900 d. Bl.) aufgestellten Grundregeln. 
Ura 5 Uhr iibernehmen die Herren Domcapitular Schntttgen 
und Professor Clemen die Fuhrung durch die kunstgeschichtliche 
Ausstellung. Freitag, den 26. September, Morgens 10 Uhr, zweite 
Sitzung im Standehause: Berichte iiber die Aufgaben der Communal- 
verwaltungen auf dem Gebiete der praktischen Denkmalpflege 
(Struckmann und Clemen), iiber den Plan eines Handbuches 
der deutschen Denkmaler (Dehio) und iiber Denkmalerarchive 
(v. Bezold und Ehrenberg). Abends 7 Uhr gemeinschaftliches 
Essen im Breidenbacher Hof. 

In der Marienkirclio in Konigsberg (Neumark) wird noch heute 
ein aus dem Mittelalter stammendes Lesepult fUr die Altarbibel be- 
nutzt. Die einzeluen Theile sind mit Holzniigeln verbunden. 
Samtliche Holzflachen sind mit einfacher Flachschnitzerei wirkungs- 
voll verziert. Die Umrisse des Ranken- oder Bandmusters sind mit 
einem spitzen Messer etwa 8 mm tief eingeschnitten, und der verblei- 
bende Grund ist mit der flachen Messerspitze theils fortgeschnitten, 
theils los- oder aufgebrocheu, sodafs die Oberfladie des Grundes ein 
regelloses, rauhes, borkenahnliches Geprtige gewinnt. In dieser Be- 
handlung des Grundes mit den vielen kleinen Licht- und Schatten- 




\i'-* 



flachen ist ein aufserst wirksamer Gegensatz zu der glatten Flache 
der Verzierungen geschaffen, der aber noch dadurch erhttht ist, 
dafs er einen Anstrich mit brauner Farbe erhalten hat, wahrend 
die Verzierungen im Holzton gelassen sind. Die Bander sind an den 
Randern mit eingerissenen Begleitstrichen umzogen und mit Namen 
verziert. Sie haben aufserdem, ebenso wie das Blattwerk, eine 
abschattirende Behandlung mit brauner Farbe an den Unter- 
schneidungen oder an sonstigen tiefer liegend gedachten Stellen 
erhalten. Fttr die Behandlung von Holzflachen stellt dies aus 
Pappel- oder Lindenholz gefertigte Lesepult ein willkommenes 
Vorbild dar. 

Konigsberg (Neumark). Ri enter. 

In der Pfarrkirche in Oostyn, einem der bedeutendsten spat- 
gothischen Ziegelbauten der Provinz Posen ( Verzeichnifs der 
Kunstdenkmaler der Provinz Posen Bd. Ill, S. 244), wurden ktirz- 
lich umfangreiche Reste der urspriinglichen Bemalung des Chores 
aufgedeckt. An der Nordwand befindet sich, im allgemeinen gut 
erhalten, eine Darstellung des Weltgerichts. Christus, in doppelter 
Lebensgrofse. thront innerhalb eines mandelftirmigen Regeubogens; 



aus seinem Munde gehen eine Lilie und ein Schwert heraus. Ueber 
ihm tragen vier Engel die Marterwerkzeuge ; neben ihm stehen 
Maria und Johannes, und unter diesen ziehen die Seligen durch 
das Himmelsthor aufwarts, wahrend die Verdammten abwarts in 
die HOlle gestofsen werden. Tiefer gehen rings urn die Wande 
Darstellungen aus der Leidensgeschichte des Herrn; den Sockel 
schmttcken Teppiche. Die Entstehung der Bilder ist, wie die 
Untersuchung des Bauwerks mit ziemlicher Gewifsheit ergibt, um 
das Jahr 1500 zu setzen. Sie sind fiir das Gebiet der Provinz 
Posen um so werthvoller, als dort eine ahuliche Ausmalung eines 
mittelalterlichen Kirchenraumes bisher nur in der Kirche in Ober- 
Pritschen bei Fraustadt bekannt geworden ist. — e. 

Alte Wandmalereien in der Moritzkirche in Coburg. Bei einer 

kurzlichen Besichtigung des Dachstuhls der Moritzkirche in Coburtr 
fand sich an der in den Dachraum ragenden Giebelwand iiber dem 
Triumphbogen des Ostchors alte Bemalung aus spatgothiscber Zeit. 
Figuren in doppelter Lebensgrttfse mit ausdrucksvollen Gesichteni 
sind auf die glatte unverputzte Quaderung gemalt. Sie befinden 
sich' innerhalb eines Halbkreises aus Putzresten, der deiitlicli er- 
kennen lafst, dafs hier frilher MittelschiffgewOlbe anschlossen. 
welche den heutigen Barockausbau des Schiffsinnem im Seheitel 
um ungefahr 2,50 m iiberragten. Sicher erstreckt sich die Malerei 
noch weiter h in unter, in den heutigen verputzten Kircbenraum, 
da die Gestalten zuni Theil nur halb sichtbar sind. Hoffentlich 
verfahrt eine kiinftigc Wiederherstellung pictatvoll mit diesen 
Resten alter Kunst und deckt das unter Putz und Tiinebe Schlum- 
mernde sorgfaltig auf. , L. 

Bucherschan. 

Vorbilder fiir Hanscrfronten an der Rheinuferstrafse zu Koln. 
Das Ergebnifs des Wettbewerbes, ausgeschrieben durch die Stadt 
Koln. Bearbeitet von Richard Lande, Architekt. Leipzig Ml. 
Deutscher Architekturverlag, Rudolf Hofstetter. 3 S. Text und 
53 Tafeln in Folio. In Mappe. Preis 25*#. 

Die Veroffentlichung bringt die 10 preisgekronten Arbeiten 
von Roth in Darmstadt, Schmitz u. Wirtz in Trier, von Thyriot. 
Schauppmeyer, Pflaume und Kiister, samtlich in Koln, ferner von 
Wiggert in Breslau, Weimann in Duisburg, Schutte in Barmen 
und Kremer in Frankfurt; aufserdem noch 20 weitere Entwurfe. 
Sie stellen programmgemafs Fronten dar fttr kleine eingebaute 
Hauser. Nicht programmgemafs erscheint uns allerdings der Reich- 
thum und die theilweise Ueberladenheit der Facaden, dies ich kaum 
in dem geforderten Rahmen von 12 bis 18 Mark fiir den cbm um- 
bauten Raumes der Gesamthauser herstellen lassen diirften, wenn 
es sich auch nur um schmale Grundstiicke handelt. Die Programm- 
forderung, dafs die Fronten die Stilform der rheinischen, insbe- 
sondere der Kolner Profanarchitektur vom XIII. bis XVIII. Jahr- 
hundert zeigen soUen, ist zum Vortheil des Ganzen nicht immer 
streng innegehalten ; aber wie schon gesagt zu viel Arcbitektur 
fttr die geforderte Aufgabe, derselbe Fehler, an dem auch die 
friiheren Facaden- Wet tbewer be gelitten haben, die, wie hier, doch 
nur minderbemittelten Kreisen brauchbare Vorbilder liefern sollen. 
Immerhin wird das Werk, das wiederum von Richard Lande b^ 
arbeitet ist und dessen lose Tafeln gute Wiedergaben der Kunst- 
anstalt Korner u. Dietrich in Leipzig zeigen, die Absichten der 
Stadt KOln, eine Verunstaltung der Rheinseite durch nnschOne 
Bauten zu verhttten, unterstiitzen, umsomehr, da sich nnter den 
Preistragern eine Anzahl einheimischer Architekten befinden. S. 

Iohalt: Das RnthhnuH in Mnrienlmrg in WestpreufHen. — Der jilt»st»- 
tU'utselie Wolinbau und seine Einrirhtung. — Amherg in der Oherpfalz. - 
Vermischtes: Programni fllr d^n dritten Tag- ftir Denkmalpflege in Dn*sd- 
dorf. — Lesepult in der Marienkirehe in KonigKherg (Neumurk). — Alte \\aw- 
inulereieii im Chor der Pfarrkirche in Gostyn. — Alte Wandmalereien in u«m" 
Moritzkirche in Coburg. — B u die r s c h a u. 



Fllr die Sehriftleitung verantwortlicli : Friedrich Sehultze, Berlin. 
Verlug von Wilhelm Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Oustav Schenck Solin, Berlin 



Nr. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrioh Schultze. 



89 



IV. Jahrgang. 

Nr. 12. 



Erscheint alle 8 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — G each ftfts telle : W. Wilhelmatr. 90. — Bezugspreis 

einschl. Abtragen, (lurch Poet- oder Streifbandraaendung oder im Buchbandel jahrlich 8 Mark; ftlr das 

Aualand 8,60 Mark. Ftlr die Abnehmer das Centralblattee der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 17. Sept. 
1902. 



(Alle Rechte vorbehalten.) 



Statuen und Dreifaltigkeitssaulen in Nordbohmen. 



Abb. 1. Dreifaltigkeitssaule in Teplitz. 

Architekten und Bildhauern, die ihren Weg liber den s&chsisch- 
bohmischen Grenzwall nach Stiden nehmen, bieten die alsbald viel- 
fach auftretenden Bildstocke, Heiligenbilder und Dreifaltigkeits- 
saulen Anregung zu lohnenden Studien. In der Nahe alterer Ver- 
kehrsstatten und KlOster, wie audi alteiugesessener Flirsten- und 
Adelsgesclilechter finden sie sich besonders zahlreich. Neuerdings 
mtissen sie nicht selten unter den Anforderungen des wachsenden 
Verkehrs und der fortschreitenden Bebauung leiden. Es finden 
sich aber auch erfreuende Beispiele eines auf ihre gute und wiirdige 
Erhaltung gerichteten Strebens. Die nacbstehend besprochenen 
Werke aus Teplitz und dessen Nahe kftnnen als Stichprobe des in 
Nordbohmen tiberall zerstreuten Denkmalscliatzes dieser Art gelten. 
Es sind Heiligenbilder, im Volksmunde schlechtweg „Statuen" ge- 
nannt, und Dreifaltigkeitssaulen. 

Die „Statuen tt — Gott und dem betreffenden Heiligen ge- 
widmet — zeigen das Heiligenbild auf einem mehr oder minder 



aufwendig gestalteten Unterbau. In den einfachsten 
Fallen besteht der Unterbau aus einem glatten recht- 
eckigen oder quadratischen Pfeiler mit Sockel und 
Platte. Einige Gliederung zeigt schon der Sockel des 
Heiligen Johannes von Nepomuck in Kradrop aus 
dem Jahre 1738 (Abb. 2). Dieser Sockel findet sich 
anderwarts wiederholt. Reicher ist der aus rechtecki- 
gem Grundrifs mit zum Theil geschvvungenen Seiten 
gebildete, in der H6he abgesetzte und mit seitlichen 
Voluten gezierte Sockel desselben Heiligen in Teplitz 
(Abb. 3). Noch aufwendiger und grofser, mit Flach- 
bildern und Ornamenten geschmtickt, im Grundrifs 
dreiseitig mit vorgeschobenen Ecken, ist der ebenfalls 
in Teplitz stehende, in Abb. 4 mitgetheilte Sockel des 
genannten Heiligen. Es ist erfreulich, dafs die letzt- 
ervvahnten beiden Bildwerke, die zu den besseren der 
Art zahlen, bisher haben erhalten werden kOnnen. 
Freilich hat das eine schon zweimal, das andere drei- 
mal seinen Platz wechseln mtissen, und beide sind 
aus dem Inneren der Stadt hinausverwiesen worden. 
Den Heiligenbildern finden sich manchmal Neben- 
figuren — Engel und Kinder — beigegeben, entweder 
auf dem Sockel (Abb. 3), oder auf seitlich angefugten 
Consolen, was dann zu weiteren, reicheren Bildungen 
Anlafs gibt. Der Kunstwerth ist sehr verschieden. 
Neben Handwerksmafsigem und rein Conventionellem 
finden sich nicht wenige Denkmaler, die sowohl im 
Figlirlichen, als in Hinsicht auf Architektur und 
Ornamentik als sehr beachtenswerth bezeichnet werden 
mtissen. 

GrOfsere Werke sind die zu Ehren der Heiligen 
Dreifaltigkeit errichteten, die sog. „Dreifaltig- 
keitssaulen". Auf einem nach oben hin sich ver- 
jiingenden, von Wolken und Engeln umwundenen 
Schafte von meist symbolisch dreieckiger Grundform 
thronen Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, tiber 
oder mit der Weltkugel. Der Schaft steht auf einem 
mannigfach gegliederten Sockel, der Gelegenheit zur 
Aufstellung von Standbildern, allegorischen und 
Heiligenbildern gibt, deren bis zu zwanzig gezahlt 
werden. Auch Brunnenanlagen sind manchmal damit 
verbunden. Das Ganze wird durch Stufen aus der 
Umgebung angemessen herausgehoben , durcli Balu- 
straden oder einzelne Pfeiler umschlossen und ge- 
schutzt. Der Baustoff ist harter Sandstein. 

Eine der hervorragendsten und schonsten Drei- 

faltigkeitssaulen NordbOhmens ist die auf dem Schlofs- 

platze in Teplitz (Abb. 1 u. 5). Sie wurde in den 

Jahren 1718/19 von dem Graf en Franz Karl von 

Clary und Altringen zum Dank ftir die Verschonung 

der Herrschaft Teplitz von der Pest gestiftet und von 

dem Prager Bildhauer Mathias Braun von Braun erbaut. Dieser 

war s. Z. ein gesuchter Ktinstler und von geradezu staunener- 

regender Schaffenskraft. Auf den Gtitern Gradlitz und Lissa des 

Grafen Sporck und in dem von diesem Grofsgrundbesitzer hoch- 

gebrachten Kukusbad hatte er in kurzer Zeit weit tiber hundert 

Bildsaulen und mehrgliedrige Gruppen ausgeftihrt. Fur die Prager 

steinerne Brticke schuf er noch jetzt vorhandene Standbilder. In 

Dresden, wo er mehrere Sommer thatig war, standen im Grofsen 

Garten viele seiner Arbeiten. Nach kurzem Aufenthalte in Wien, 

als „Hofbildhauer a , kehrte er nach Prag zurtick, wo er von neuem 

rastlos schaffte, ftir die Stadt, ftir die Kirche, ftir die Palaste der 

Aristokratie, die ihn wetteifernd suchte und mit Auftragen tiber- 

hfeufte. In der Stephansgasse der Neustadt Prag errichtete er auch 

eine Dreifaltigkeitssaule mit reichem Figurenschmuck. So mufste 

er dem Grafen Clary ftir seine Absicht als die geeignetste ktinst- 

lerische Personlichkeit erscheinen. Im Frtihjahr 1718 erhielt er den 



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90 



Die Denkmalpfle^e. 



17. September 1902. 





Auftrag zur Errichtung einer „kunstvollen Drei- 
faltigkeitssaule aus festem Sandstein, 30 bis 32 Ellen 
hoch, mit 3 grofsen Becken fliefsenden Wassers a 
und zwar fur den Gesamtpreis von — 2300 Gulden. 
Mit Feuereifer ging er ans Werk und hatte die Saule 
schon nach etwa l 1 ,^ Jahren vollendet. Es war sein 
vorziiglichstes Werk, das er hiermit — in seinem 
35. Lebensjahre — geschaffen hatte. Er staxb 1738, 
noch nicht 54 Jahre alt, nachdem er noch weiterhin 
manches phantasie- und kunstvolle Werk ausgefiihrt 
hatte. 

Die Teplitzer Dreifaltigkeitssaule hat die symbo- 
Hsche dreieckige Grundrifsf orm mit gesehweiftenSeiten 
(Abb. 5). Stufen heben das Ganze aus dem Platze heraus 
und vermitteln die Ungleichheit des Bodens. Der 
Sockel bildet den Brunnentheil mit drei vorgelagerten 
rechteckigen Becken. Daruber erhebt sich auf be- 
sonderem Unterbau ein obeli skenartiger Schaft mit 
der kr&nenden Gruppe der Dreifaltigkeit. Die den 
Grundrifsecken vorgelagerten Becken sind in sehr 
geschickter Weise mit einander verbunden. Zwischen 
ihnen, vor den Grundrifsseiten des Baues stehen auf 
besonderen Postamenten die tiber 2 m hohen Figuren 
der Heiligen Sebastian, Rochus und Borromaus, jede 
auf seitlichen Voluten begleitet von anmuthigen 
Kindergestalten. HOher, auf weit ausladenden Con- 
solen, die sich wieder vor den Ecken der Grundform 
entwickeln, stehen vor dem mit Festons und Flach- 
werk geschmiickten oberen Sockeltheile nochmals drei 
grofse Figuren. Daruber erhebt sich nun der die Welt- 
kugel tragende Obelisk, in malerischer und aufserst 
geschickter Weise von aufsteigenden, geballten Wol- 
ken und Engelsfiguren umwunden. Am Fufse weisen 
drei knieende Genieu hinauf in die H6he. Auf der 
machtigen Weltkugel thronen, umgeben von Engeln, 
Gott Vater und Sohn. Zwischen ihnen schwebt vor 
einem hochragenden, schmiedeeisernen Kreuz mit 
reichem Glorienschein der heilige Geist in Form einer 
vcrgoldeten Taube. Bewunderswerth ist der ge- 
schickte kunstlerische Aufbau des Ganzen, namentlich 
audi die voile Bewaltigung der grofsen Massen der 
bekronenden Gruppe und der steigenden W r olken. 
Die architektonischen, wie die figiirlichen Theile sind 
sorgfaltig abgewogen und an sich von kiinstlerischer VollendiiDg. 
Das 20 m hohe Werk athmet freie Anmuth und heitere Pracht; 
es bringt die Absicht des Stifters, den frohen Dank und das Lob 
Gottes zu klinden, recht zum Ausdruck. 

Die Saule hatte im Laufe der Zeit sehr gelitten, ist aber hi 
den neunziger Jahren einer griindlicheu, sorgfaltigen, ktinstlerisch 
durchgefiihrten Erneuerung unterzogen worden. Grofses Verdienst 
und den Dank seiner Vaterstadt erwarb sich dabei der Conser- 
vator, damalige Fachschuldirector Professor Laube in Teplitz. 
Als oberster Leiter war der Professor an der Kunstgewerbeschule 
in Prag Friedr. Ohm an n bestellt.*) In dem Teplitzer — auch 
sonst bemerkenswerthen — stadtischen Museum befindet sich ein 
von den Professoren der Fachschule Gerstner und Eichmann her- 
gestelltes, 2 m hohes schones Modell der Saule. 

Neben der Teplitzer Dreifaltigkeitssaule werden hier noch Ab- 
bildungen von zwei in der Nahe, in Dux und in Maria Ratschitz 
stehenden gegeben. Die in Dux befindliche, im Jahre 1720 er- 
i ichtete Saule (Abb. 7 u. 8) hat nur etwa zwei Drittel der HOhe der 
vorher besprochenen und die seltenere, viercckige Grundrifs- 
form. Rechts und links wird sie von zwei Heiligenbildern auf 
besonderen Sockeln begleitet. Aus dem einfacher gestalteten 
Unterbau entwickeln sich rechts und links geschwungene, vorn und 
hint en als Wolkenballen geformte Cousolenfur Heiiigenbilder und 
allegorische Figuren. Der viereckige Schaft ist wieder mit Wolken 
umwunden, auf denen Engel scliweben. Auf dem tulpenartig ge- 
formten Capitell thronen, von Engeln umgeben, Gott Vater und 
Sohn, die hier viel kleiner geformte — Weltkugel auf dem 
Schofse haltend. Der Heilige Geist schwebt wieder in Gestalt 
einer Taube daruber, vor einem vergoldeten Kreuze, von goldeuen 
Strahlen umgeben. Im Vergleiche zu dem Teplitzer Werke tritt 
die Duxer Saule auch in kiinstlerischer Hinsicht zuriick. 

Die Dreifaltigkeitssaule von Maria Ratschitz (Abb. 6 u. 9) steht 
vor dem Eingange zum Vorhofe der Wallfahrtskirche. Es ist ein 



*) Nach einer anlafslich der vollendeten Wiederherstellung 1897 
erscliienenen Festschrift von Dr. Halhvich. 



Abb. 2-4. 
Statuen des heil. Johannes von Nepc 




Abb. 



Abb. 3. 



Abb. 4. 



kleineres Werk aus dem Jahre 1721, mit dem symbolischen drei- 
seitigen Grundrifs. Der untere Sockel des von sechs Standbildem 
umgebenen Baues tragt vor den Ecken auf vorgekragten Consolen 
drei Heiiigenbilder. Der Einflufs der kurz vorher errichteten 
Teplitzer Sdule auf die ganze Gestaltuug ist unverkennbar. Die 
eigentliche, von Wolken und Engeln umwundene Saule zeigt aber, 




Dreifaltigkeitssaulen. 

zu welchen wunderlichen LGsungen die Schwierigkeit der Aufgabe 
fiihren kann. Schaft, W r olken, Engel, die in halber Hohe ange- 
brachten Gestalt en von Gott Vater und Sohn verschmelzen zu 
einer schwer zu entwirrenden Masse. — 

Die vorstehenden Bemerkungen, die auch fiir die besondere 
Gegend lange nicht erschopfend sind, geben vielleicht manchem 
norddeutschen, fiir die Denkmalpflege interessirten Fachgenossen 
willkommenen Hinweis und Anlafs zu eingehenderen Studien. 

D o e b b e r. 



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Nr. 12. 



Die Denkmalpflege. 



91 



Ueber Fa^aden -Wettbewerbe. 



In den letzten Jahren haben die Stadte Hildesheim, Bremen, Kflln 
und Ltibeck Wettbewerbe veranstaltet, um der Schadigung ihres 
geschichtlich gewordenen ktinstlerischen Geprages durch die oft 
sehr fragwiirdigen Erzeugnisse des heiraischen 



Nun sind allerdings die werthvollsten Arbeiten, welche aus den 
Wettbewerben hervorgingen, in Sammelbanden herausgegeben und 
dadurch weitesten Kreisen, also auch den zunachst betheiligten Archi- 

ieser 
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Bau- 
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Abb. 8. Dux. Abb. 9. Maria Ratschitz, 

Statuen und Dreifaltigkeitssaulen in Bohmen. 

entgegen zu arbeiten. Brauchbare Entwtirfe sind aus diesen Wett- 
bewerben hervorgegangen, und der Sinn der Burger fur das von 
den Vatern ttberkommene Erbe ist lebhaft angeregt worden. Dank- 
bar wird darum jeder, der den Werth lebendiger Ueber lieferung 
in der Kunst zu schatzen weifs, der Manner gedenken, welche 
jene Bestrebungen ftirderten, und jeder, dem die Pflege der noch 
erhaltenen Denkmaler am Herzen liegt, oder der amtlich mit ihr 
betraut ist, wird den giinstigen Einflufs solcher Bethatiguug em- 
pfinden. 

Jetzt ist auch die Stadt Danzig dem Beispiel der obengenannten 
Orte gefolgt, und es stent zu erwarten, dafs noch andere das Gleiche 
thun. Es wird daher angebracht sein, eine Aussprache dartiber 
herbeizuftihren, ob nicht etwa der Hebel zur Beseitigung der Mifs- 
stande unserer stadtisehen Bauentwicklung wirksamer anderswo 
anzusetzen ist, ob nicht das gewahlte Mittel zu aufserlich wirken 
und bei manchen Erfolgen im einzelnen den Kern des Uebels un- 
beruhrt lassen wird. Schon der Umstand ist bedenklich, dafs bei 
alien bisher veranstalteten Wettbewerben die in der betreffenden 
Stadt ansassigen Privat-Architekten, also diejenigen, welche gerade 
die Gestaltung des Btirgerhauses in Handen haben, unter den 
Preistragern fast ttberhaupt nicht vertreten sind. Viele von ihnen 
sind nach ihrer Vorbildung der gestellten Aufgabe nicht gewachsen, 
und die Befahigten sind Uberdies mit Arbeit meist derart belastet, 
dafs sie nicht mit in die Schranken treten ktfnnen. Sie sind aber 
diejenigen, an welche man sich halten mufs, um weiter zu kommen, 
denn fur eine gesunde Entwicklung scheint es unerlafslich, dafs 
gerade die ortsansassigen ktinstlerischen und technischen Krafte 
in dem erstrebten Sinne wirken kOnnen, dafs gerade in ihnen die 
Ueberlieferung lebendig und dadurch fur die Gegenwart fruchfc- 
bar werde. 

Wie vielseitige Anregung einen Einzelnen nur dann wirklich 
zu ntitzlichem Thun befahigt, wenn eine gute Grundlage sicherer 
Kenntnisse und Fertigkeiten vorhanden ist, so werden die Facaden- 
Wettbewerbe nur dann ihre innerhalb menschlicher Beschrankung 
mogliche Wirkung erzielen konnen, wenn zunachst der Stamm 
ortsangesessener Krafte in dem Bestreben untersttitzt oder darauf 
hingewiesen wird, die einheimische Bauweise grtindlich zu studiren. 
Es wird bei Wohnhausbauten stets zu den Ausnahmen gehOren, 
dafs Fremden ihre Ausftihrung tibertragen wird; auch wollen wir 
ja nicht nur einzelne schflne Bauten erzielen, sondern eine durch- 
schnittliche Tttchtigkeit des ganzen Baugewerkes erreichen, wie sie 
uns in den alten Stadt en iramer wieder in Erstaunen setzt. 



™ zum 

Verstandnifs fur das Wesen des Haus- 
baues und fttr einfache gesunde Ge- 
ftigeweise und Werkstoffbehandlung 
zu ftthren. Davon sei ganz abgesehen, dafs die allermeisten Ent- 
wtirfe doch ein mehr allgemein mittelalterliches Geprage tragen 
als dasjenige des gerade in Frage stehenden Ortes. Weshalb also 
ftihrt man die, welche im Sinne unserer Altvorderen bauen sollen, 
an^trube Quellen, warum nicht unmittelbar zu den alten Bauten!? 

Hat eine Beh5rde oder ein Verein Mittel bereit gestellt zur 
Belebung einheimischer Bauweise, so veranstalte man keine 
Facaden -Wettbewerbe, sondern benutze das Geld dazu, mtfglichst 
viele der ortsansassigen Architekten zur tadellosen Aufnahme der 
einfachen alten Privatbauten mit alien auch den unscheinbarsten 
Einzelheiten zu veranlassen. Bei angemessener Bezahlung werden 
diese gem bereit sein, auf solche Art ihre Studien zu vertiefen. 
Pramien fur besonders gediegene Aufnahmen wttren in Aussicht 
zu nehirietf, uni den Wetteifer anzuspornen. Nattirlich mufsten 
zunachst einfache Bauten berticksichtigt werden, denn es thut vor 
Allem noth, den Sinn ftir schlichte SchOnheit unter Architekten 
wie Bauherren wieder zu wecken, einer Schonheit, welche auf 
guter Gefttgeweise im Grofsen wie im Kleinen und auf sach- 
gemafser Verwendung und Verzierung dauerhafter Baustoffe be- 
ruht. Es ist ein trauriges Zeichen der Schwache unserer ktinst- 
lerischen Cultur, dafs es immer noch nicht als selbstverstandlich 
gilt, ein Privathaus auch im Reichthum bescheiden zu gestalten. 
Reichere Bauten sind auch deshalb schon gefahrlich, weil sie 
leicht zur Ueberschatzung des ,Ornaments und des stilistischen Ge- 
prages fiihren; sie sollten daher immer erst in zweiter Linie zur 
Aufnahme kommen. 

Auf diese Weise wtirde unter Schulung der Betheiligten ein 
Abbildungsstoff zusammen kommen, der wirklich grundliche 
Studien ermflglichte, und zugleich wtirde so manches vortreffliche 
alte Haus im Bilde erh alten werden, welches jetzt sang- und 
klanglos verschwindet. 

In zweiter Linie mtifste man Bauherren, deren Bauplatze an 
Stellen liegen, die ftir das Stadt- oder Strafsenbild besonders 
wichtig sind, durch Bereitstellung von Preisen anregen und in 
Stand setzen, Wettbewerbe ftir die vorliegende bestimmte Auf- 
gabe unter Beschrankung auf die ortsangesessenen Architekten 
auszuschreiben. Der Bauherr mtifste daftir die Verpflichtung tiber- 
nehmen, den preisgekrOnten Entwurf unter ktinstlerischer Leitung 
des Verfassers ausftihren zu lassen. 

Ganz verfehlt scheint das vielfach vorgeschlagene Verfahren, 
am Schlusse eines bestiramten Zeitabschnittes dem Bauherrn, der 
sich innerhalb desselben das schOnste Haus hat bauen lassen, einen 



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92 



Die Denkmalpflege. 



17. September 1902. 



Preis auszuzahlen. Das Bestreben, ein brauchbares und dabei 
stattliches und schftnes Haus zu erhalten,. ist bei den Bauherren 
unserer Mittelstadte auch ohne Preise stets rege gewesen. Das 
beweisen die aufserordentlich vielen reichen Facaden, die vor den 
in Rede stehenden Wettbewerben entstanden sind und die beim 
besten Willen des Bauherrn nur zu oft klaglich ausfielen, weil ein 
Architektenstand fehlte, der fest auf der Ueberlieferung fufste. 
Wird an letztere durch die vorerwahnte Bethatigung bei Auf- 
nahmen wieder angekntipft, so bedarf solches Bestreben noch der 
Vertiefung dadurch, dafs man ttichtige, akademisch gebildete Fach- 
leute am Orte oder von aufserhalb zu Vortragen veranlafst, in 
denen an Hand des gewonnenen Stoffes ein Ueberblick iiber das 
geschichtliche Werden und eine kritische Sichtung des Vor- 
handenen vorgenommen wtirde nebst Hinweisen darauf, wie man 



unabhangig vom Formellen im Sinne der Alten und neuzeitlichen 
Bediirfnissen entsprechend bauen kann. 

Inwieweit die Bauordnungen durch Anpassung an die uber- 
lieferten Eigenarten die in Rede stehenden Bestrebungen unter- 
sttitzen ktmnen, mag uner&rtert bleiben, da es sich hier nur darum 
handelt zu erwagen, ob nicht das ftir Facaden- Wettbewerbe bereit- 
gestellte Geld besser in anderer Weise auszugeben sein wird. Mit 
den angedeuteten Vorschlagen ist natiirlich nur allgemein die 
Richtung gekennzeichnet, in der vorzugehen ist, um die Grundlage 
fttr eine ktinstlerisch gesunde Bauentwicklung unserer Mittelstadte 
und damit des sie umgebenden Landstriches zu verstarken. Erst 
nach solcher Vorarbeit kGnnen die Entwttrfe wirklich fruchtbar 
werden, welche die eingangs genannten Wettbewerbe gezeitigt 
haben. Bl. 



Der Krahnenthurm in Wtirzburg. 



An dem rechtsseitigen Ufer des Maines in Wtirzburg hat sich 
in dem alten Krahnenthurm ein Bauwerk von eigenartigem Reiz 
erhalten, das dem Flufsgelande ein besonderes malerisches Geprage 
verleiht. Dieser Krahn diente bis vor kurzem seinem Zwecke, indem 
er mit dem anstofsenden Hauptzollamte in Verbindung stent und 
die Befflrderung der Gttter von und nach den vorgelagerten Scliiffen 
bewirkt. Aus beistehender Abbildung ist ersichtlich, dafs die Ge- 
samtanlage in einer betrachtlichen HOhe iiber der Uferstrafse 
angeordnet ist, welch letztere tunnelartig den Unterbau durch- 
schneidet. Der Bau 
verdankt seine Ent- 
stehung einem zwi- 
schen Kurmainz und 

WUrzburg abge- 
schlossenenVertrage, 
um den Handelsver- 
kehr der Stadt zu 
heben und zu fOr- 
dern. Der Krahn 
nebst einem Lager- 
haus wurde im Jahre 
1767 unter der Re- 
gierung des Ftirst- 
bischofs Adam Frie- 
drich von Seinsheim 
erbaut. 

Der in Kalkstein- 
quadern crrichtete 
Aufbau zeigt eine 
gedrungene Form, 
kreisrund im Grund- 
rifs, wie sie durch 
die Umstande und 
den Zweck geboten 
war. Den Abschlufs 
bildet ein in zwei 
Theile zerlegtes ku- 
gelfflrmiges Dach, in- 
dem der mit Schiefer 

gedeckte untere Theil unbeweglich bleibt, wahrend der in Kupfer ge- 
deckte obere mit den Schnabeln verbunden, derart hergestellt ist, 
dafs wagerechte Drehungen vorgenommen werden kttnnen. Inner- 
halb des Thurmes ist die Hebevorrichtung in der Weise angeordnet, 
dafs zwei grofse Tretrader, die mit den Schnabeln und Flaschen- 
ziigen in Verbindung stehen, den Aufzug vermitteln. Gleich- 
zeitig ist eine Vorrichtung getroffen, die das Gewicht der Last 
bestimmt. Der Innenraum ist in der Htthe des aufseren Kranz- 
gesimses mit einer Flachkuppel abgeschlossen. 

Die Vorderseite des Aufbaues schmiickt im oberen Theile eine 
Cartouche mit dem Wappen des Erbauers, an dessen Seiten alle- 
gorische Figuren, Frankonia und den Main darstellend, angebracht 
sind, zwischen welchen auf einem Bande die Inschrift sich befindet. 



Der Krahnenthurm in Wtirzburg. 



ACCIpIO traDo qVoDLVbet eXpeDIo. d. k Ich empfange, iiber- 
gebe und versende, was man will. 

Dem Abschlufs des Ganzen verleiht die Lage der beiden 
Schnabel mit den hangenden Flaschenziigen und Ketten, die zu- 
sammen eine Art Bekrflnung bilden, einen eigenartigen Ausdruck, 
der eine lebhafte, aufsergewtthnliche Wirkung hervorruft und das 
Gesamtbild des Mainufers wesentlich beeinflufst. 

Zur Herstellung der ersteren Theile wurde ausschliefslich Holz 
gewahlt, das auf alien Seiten mit Kupferblech bekleidet ist. — 

Die Flachen wurden 
an den Stellen, an 
denen die Verstre- 
bungen verbunden 
sind, durch Rosetten 

und ornamentale 
Formen ausgezeich- 
net, an den Enden 
iiber den Flaschen- 
ziigen sind kleine 
Windfahnen ange- 
bracht, die bekro- 
nend wirken und die 
Umrifslinie in ge- 
schickter Weise be- 
leben. — 

Mit der Ausfiih- 
rung des Baues war 
der Obristwacht- 
meister und lnge- 
nieur Franz Ignatz 
Neumann, Sohn des 
Obersten Balthasar 
Neumann betraut, 
der unter dem Fiirst- 
bischof der Leitung 
des gesamten Bau- 
wesens vorstand. 

Jetzt, nachdem 

die Verlegung des 

Hauptzollamtes beschlossene Sache ist, liegt die Gefahr nahe, dafs 

dieser Krahnthurm beseitigt und somit der Verlust eines vortreff- 

lichen Beispiels vergangener Zeit zu beklagen ist. 

Deshalb mag an dieser Stelle der Wunsch ausgesprochen 
werden, dafs angesichts seiner geschichtlichen Bedeutung, seines 
baukiinstlerischen Werthes diesem Wahrzeichen der Stadt die Er- 
haltung gesichert bleibe. Denn der Verkehr wtirde in keiner Weise 
durch den weiteren Bestand beeinflufst werden, da die Uferstrafse 
in ihrer jetzigen Richtung kaum eine Aenderung erfahren durfte 
und somit der Krahnenthurm ob seiner Lage als selbstandiges, ab- 
geschlossenes Bauwerk erscheinen und fernerhin ein ehrendes Denk- 
mal bleiben wtirde. 

— n. 



Monumental-Brunnen aus dem 13. bis 18. Jahrhundert. 



Zu rechter Zeit kommt heute, da die Frage der Wasser- 
beschaffung allerorten in erster Linie auf der Tagesordnung steht, 
ein Werk*), in welchem die schemsten Beispiele Offentlicher 

*) Monumental-Brunnen aus dem 13. bis 18. Jahrhundert in 
Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Von A. Heubach. 
I. u. II. Lief. Leipzig 1902. Chr. Herm. Tauchnitz. In Folio 
(29,5:40,5 cm). 6 S. Text u. 20 Tafeln, darunter 2 farbige Tafeln. 
Vollstandig in 6 Lief, zu je 6 Jt. 



Brunnen aus dem weiten Gebiete des deutschen Sprachbereiches 
mit Geschick gesammelt und in meisterhafter Weise dargestellt 
sind. Unzahlig sind die Kunstwerke, welche die Phantasie 
der Ktinstler aller Zeiten zu Ehren des unentbehrlichen wohl- 
thatigen Elements geschaffen hat. Zwei Arten: der Lauf brunnen 
und der Zieh- oder SchOpf brunnen sind es, welche bei den sogen. 
Monumentalbrunnen zu unterscheiden sind und die zu einer 
wesentlich verschiedenartigen ktinstlerischen Ausbildung hinfuhren. 



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Nr. 12. 



Die Denkmalpflege. 



93 



Die zweckmafsigste Form, die man den lebendigen, den Lauf- 
brunnen geben konnte, die Form der S&ule, an oder in welcher 
die Zuflufsrflhren angebracht und mit verzierten Ausflufsttffnungen 
versehen wurden, ftihrte bald dazu, mit dem 

^wpr.kft dp.r Nfitzlirhkftif. anr.h dp.n dps Dp.nkmA.1s 



der vasenfOrmig gestaltete kupferne Neptunbrunnen im Hof des Ge- 

werbemuseums in Ulm von 1585 das kleine Bild des Meerbeherrschers 

zwischen drei wasserspeienden Seepferden tragt. Der aus romani- 

scher Zeit stammende, zweischalige Marktbrunnen 

in Onslnr fAhh d.\ aus Hptti 13 .lnlirliimHoi-f 4 of xrr»n 



weibchenbrunnen in Bietigheim 

a./Enz von 1557 und der Brunnen 

in der Herrenstrasse in Rothenburg mit der Jalireszahl 1722, der 

Form nach aber aus dem 16. Jahrhundert, tragen als Sinnbild des 

lebendigen .Wassers die Gestalt der gekrtinten Melusine, wahrend 



Abb. 4. Goslar. Marktbrunnen. 13. Jahrhundert. 



VeitshOchheim bei Wurzburg von 
1750. Das bisher Gebotene lafst 
fur die folgenden vier Hefte noch eine Auswahl anregender Schttpf- 
ungen erwarten. Die Ausstattung des Werkes entspricht der 
schOnen zeichnerischen Darstellung der Blatter. v. Behr. 



Wiederherstellung und Ausbau der Pfarrkirche in Mogeldorf bei Ntirnberg. 



Von Dr. Fritz Traugott Schnlz. 



Nordftstlich von Ntirnberg erhebt sich auf bescheiden steiler 
HOhe mit ihrem schlanken, hochragenden Thurm und ihrem hohen, 
schwer lastenden Satteldach die Pfarrkirche von MSgeldorf, herab- 
grtifsend auf die altersgrauen Thtirme und Mauern der benach- 
barten Stadt. Urkundlich kommt der Ort frUher vor als Ntirnberg, 



besteht doch die Thatsache, dafs der Salier-Kttnig Konrad II. 1025 
und 1030 daselbst geweilt hat. 1 ) Anfangs war dort nur eine Capelle 



i) E. Mummenhoff, Gesch. der Stadt Ntirnberg i. Adrefsbuch 
von Ntirnberg v. J. 1902. In dieser bis zum Jahre 1806 reichenden 



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94 



Die Denkmalpflege. 



17. September 1902. 



vorhanden, deren in Ablafsbriefen aus den Jahren 1300 und 1338 zwei Heiligen geweiht war, gerieth spater in Vergessenheit In 

Erwahnung geschieht. 2 ) 1387 entscheidet Hans Stromeir, oberster einem Ablafsbrief vom Jahre 1448 9 ) wird sie als „Ecclesia paro- 

Forstmeister auf dem Reichswalde bei Niirnberg, einen Streit chialis sancti Nicolai in Megldorf, Eistatt. Dioec. a und in einem 

zwischen dem Pfarrer Hans „zum Megelndorff" (1203 „Meglindorf") solchen vom Jahre 1500 l0 ) als „Ecclesia Sancti Vdalrici confessoris 

sowie den Gotteshausmeistern ebendort einerseits und dem Hans in Megeldorff Eystetensis diocesis" aufgeftlhrt. Auf den Ersten 

Mair zu Niirnberg anderseits wegen des Zehnten zu Renzenhof bezieht sich ohne Zweifel das Bildwerk im Bogenfeld des Haupt 



dahin, dafs letzterer und 
dessen Erben den Erstge- 
nannten jahrlich 2 3 Gul- 
den zahlen sollen. 3 ) Als 
im Jahre 1400 die Mutter- 
kirche Rasch mit ihren 
Filialen Mttgeldorf, Alt- 
dorf, Feucht, Katzwang 
sowie Leinburg an die 
Universitat Heidelberg 
kam, wurden diese zu 
selbstandigen Pfarreien 
erhoben. 4 ) Bis 1526 wur- 
de der Pfarrer zu MOgel- 
dorf von der Universitat 
Heidelberg ernannt, erst 
dann ging das Pfarrlehen 
durch Kauf an die Stadt 
Niirnberg liber /») In die- 
sem Jahre stellten Rector 
und Universitat des Stu- 
diums Heidelberg dem 
Pfalzgrafen Ludwig bei 
Rhein, Herzog in Bayern, 
die Pfarre und Frtihmesse 
zu Altdorf und die Pfarr- 
lehen zu Feucht, Lein- 
burg, „Megeldorff - und 
Kornburg ftfrmlich zur 
Verftigung, und dieser 
ttbergab sie in iiblicher 
Weise dem Rath der 
Stadt Niirnberg. Natur- 
gemafs hatte die Erhe- 
bung zur selbstandigen 
Pfarrei im Laufe der Zeit 
eine Vergrttfserung des 
Gotteshauses zur Folge. 
Die alte Capelle wurde 
abgebrochen und an ihrer 

Stelle eine geraumige Kirche aufgefiihrt, wie sie in ihren Grund- 
ztigen noch heute steht. Wann mit dem Bau begonnen wurde, 
wissen wir nicht genau. Nur das wissen wir, dafs eine Urkunde 
des Weill bischofs Albert, B ) General vicars des Eichst&dtcr Bischofs 
Johanu 7 ) in geistlichen Dingen, v. J. 1416 8 ) 
als Weihetag der samt ihren Altaren am 
3. Pfingstfeiertag den Heiligen Nikolaus 
und Ulrich geweihten Pfarrkirche in „ Me- 
geldorff" eben diesen Tag und als Weihe- 
tag des Chores und seines Altars den Sonn- 
tag nach der Geburt Johannes des Taufers 
bestimmt. Dafs die Kirche ursprunglich 

Abhandlung hat der Verfasser in gedrang- 
ter Kiirze die Ergebnisse seiner laugjah- 
rigen Forschungen niedergelegt, welch e 
in jeder Hinsicht hOchste Beachtung ver- 
dienen. 

2 ) Vergl. Fr. B. Herrmann, MOgeldorf 
sonst und jetzt, 1887, S. 61; die beiden 
Ablafsbriefe befanden sich ehedem im 
Pfarrarchiv, waren aber daselbst nach einer 
Mittheilung des Pf arrers Merz ( im Kgl. Kreis- 
archiv zu Niirnberg) bereits 1818 schon 
nicht mehr vorhanden; sieh auch Geograph. statistisch-topograph. 
Lexikon von Franken. 

3 ) Urkunde im Kgl. Kreisarchiv zu Niirnberg, das ich in Zu- 
kunft mit „K. A. N. u bezeichne. An dieser Stelle sei dem Kreis- 
archivar Herrn Dr. H. Knapp fur das freundliche Entgegenkommen 
herzlicher Dank gesagt. 

4 ) Vergl. Herrmann S. 54 ff. 

5 ) Acten, betr. Pfarre und Frtihmesse zu Altdorf und die Pfarr- 
lehen zu Feucht, Leinburg, MOgeldorf und Kornburg im K. A. N. 

6 ) „episcopiis ecclesiae Baloneii. - 

7 ) r ecclesiae Astanicas. tt 

8 ) Abschrift derselben nebst deutscher Uebersetzung im K. A. N. 



Abb. 1. Ansicht von Siidwesten 



o s 

M i i i i I i i i 



Abb. 



portals (Abb. 4), welches 
einen Bischof darstellt, 
der durch das Fenster 
eines kleinen, jedenfalls 
ein ganzes Haus in ein- 
facher Weise versinnbild- 
lichenden Gebaudes drei 
Madchen einen Beutel 
reicht, ein Vorgang, wel- 
cher der Legende ; des 
Heiligen entnommen ist. 
Um mehrere Irrthtimer 
bei Wiirfel 11 ) zu berich- 
tigen bemerke ich, dafs 
im Jahre 1447 w Matheus 
Ewgel"i 2 )und 1477 Hans 
Graf 13 ) als Pfarrer ge- 
nannt werden. 

Brand und Krieg 
haben der Kirche vielen 
Schaden f gethan. Schon 
1448 hat sie durch Feuer 
gelitten. Bei dieser Ge- 
legenheit werden die Ge- 
wOlbe des Langhauses 
eingestiirzt sein. 1591 
wurde der Glockenstuhl 
ausgebessert. 14 ) 1592 fin- 
den sich groTsere Aus- 
gaben fttr Holz, Steine, 
Kalk und fiir Tiincharbei- 
ten am Aeufseren. Auch 
werden 27 fl. verausgabt 
fiir vier w geschock a Bret- 
ter „zum ubersich teffeln 
In der Kirchen u . 1599 
wird eine neue *Bohr- 
kirche** angelegt. Es 
werden fiir 43 kleine und 
3 grofse gedrehte Sauleu 
zur „Bohrkirche a 2 fl. gezahlt. 15 ) Besonders verhangnifsvoll sollte 
der dreifsigjahrige Krieg werden. Ob die Zahl 162(5 an der aufseren 
Wand iiber dem Hauptportal eine grofsere Ausbesserung bezeichnet, 
vermag ich nicht zu entscheiden. Am 23. Sonntag nach dem 
Trinitatisfest 1631 wurde die Kirche von 
den Kaiserlichen gebrandschatzt. 16 ) Der 
Schaden kann kein grofser gewesen sein, 
denn sie diente gleich darauf zwei Monate 
lang als Pferdestallung. 1634 wurde sie 
vom Sattlerschen Regiment gepliindert. 17 ) 
Nach dem Kriege traten bessere Zeiten ein. 
1651 stiftet Christoph Lang, Messinghandler 
in Niirnberg, „ein schOnes Gegitter von 
Holz, umb denn grofsen Altar herunuV. 1 *) 
Junker Balthasar Friedr. Derrer verehrt 
eine grofse Tafel im Chor, ^darauf die 
Augspurg. Confession kiinstlich gemali- 
let u . 19 ) 1653 horen wir von dem kleinen 
Altar, wel cher 1666 der Denvrische ge- 
nannt wird. 20 ) 1653 lafst der Pfarrer 
9 ) In Abschrift nebst deutscher Ueber- 
setzung im K. A. N. 
i») Im K. A. N. 

11 ) Diptvcha ecclesiarum in oppidis et pagis norimb. 

12 ) Rathsbticher im K. A. N. 

13 ) Urk. im K. A. N. 

14 ) MOgeldorfer Gotteshausrechnungen im K. A. N. 

15 ) Die Notizen von 1592 und 1599 entstammen ebenfalls den 
Gotteshausrechnungen. 

16 ) Herrmann S. 48. 

17 ) ebendort S. 49. 

18 ) Inventarium iiber den Kirchenornat vom Pfarrer Spiefs 
im K. A. N. 

19 ) ebendort. 
2°) ebendort. 



20M 



Pfarrkirche in MOgeldorf. 
Grundrifs. 



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Nr. 12. 



Die Denkmalpflege. 



95 



als bildnerischen Schmuck einen Christuskopf, ein Agnus dei und 
einen gefltigelten Stierin erhabener Arbeit. Der Mitte der stidlichen 
Chorseite war ein Uberaus schlanker, fast quadratischer, mit Schlitz- 
fensterchen und oben auf den vier Seiten mit je einem zweithei- 
ligen, zum Theil beschadigten Mafswerkfenster versehener Thurm 
vorgebaut. Der aus dem Viereck ins Achteck tibergehende Helm 
war auf den vier Seiten mit Dacherkern versehen. Zwischen der 
Sti&westecke des Thurmes und dem Strebepfeiler an der Stidost- 
ecke des Langhauses war eine trapezfttrmige Sacristei einbezogen. 
Nach dem Schiff hin Offnete sich der Chor mit einem aus machtigen 
Werkstticken hergestellten, die ganze Breite von nahezu 8 m tiber- 
spannenden Triumphbogen. Die Leibung ist an den Ecken stark ab- 
gefast und lauft nach unten pltttzlich spitz zu, indem sie sich auf 
ein einfach gegliedertes, in die Wand tibergehendes Gesims stiitzt. 
Um diesen verhaltnifsmatsig weit gespannten Bogen nicht zu sehr 
zu belasten, hat man die unmittelbar dartiberliegende Wand in 
Backstein aufgeftihrt. Darilber hat man wiederum einen grofsen 
Bogen in Sandstein gespannt, welcher sich auf die zu den Seiten 
der Backsteinwand in Sandstein aufgeftihrte Ostwand des Lang- 
hauses aufsttitzt und tiber sich den wiederum in Sandstein geftigten 
Giebel tragt. 

Das Langhaus wurde durch drei Saulen von 1 m Durchmesser 
und einen im stidwestlichen Theile stehenden rechteckigen Pfeiler 
von 1,6 m Lange und 1,7 m Breite in drei gleich hohe Schiffe ge- 
theilt (Abb. 2). 27 ) Spitzbogige Arcadenwande trugen eine einfache 
Bretterdecke und dienten zugleich als Sttitzen der Langsunterzttge 
des schweren Dachstuhls. Da allenthalben Ans&tze zu Gewfllben 
vorhanden waren, so mufs die Kirche urspriinglich gewfllbt gewesen 
sein. Die Zerstttrung der Gewftlbe kann im Jahre 1448 erfolgt 
sein. Da das Langhaus in seinem stidwestlichen Theil besonders 
starke, 1,3 m dicke Umfassungsmauern aufweist und ferner dem 
Pfeiler gerade gegentiber im Stiden und Westen des Inneren 1,7 m 
breite Wandpfeiler vorgefunden wurden, so ist die Annahme nicht 
ungerechtfertigt, dafs urspriinglich die Absicht bestand, an dieser 



Abb. 3. Ohoransicht. 

Spiefs an die Wand bei der Kanzel zwei Engel und den Spruch 
Matth. X, 20 malen mid schreiben. Auch lafst Joh. Wilh. Kress 
von Kressenstein im Chor tiber der Sacristei die Wappen derer, 
die bei der Kirche Oberpfleger gewesen, neben dem Landpfleg- 
anitswappen malen. 21 ) 1662 wurde die Kirche innen und aufsen 
erneuert. 22 ) 1665 hangte man den von Konrad Schneid in Erlen- 
stegen testamentarisch bcstimmten Messingleuchter im Chor auf. 23 ) 
1675 mtissen groi'sere Ausbesserungen vorgenommen worden sein, 
wenigstens befindet sich diese Zahl aufsen an einem Strebepfeiler 
eingemeifselt. 1690 crfuhr der Kirchthurm eine Erneuerung. 24 ) 
1730 wird von Zimmerarbeiten am Dachstuhl und Boden be- 
richtet. 1752 wurde das Pflaster in der Kirche ausgebessert, 
desgleichen die Helmstange und die vom Wind beschadigten 
vier Thurm erker. 25 ) 1770 wird eine kleine, neu gegossene Glocke 
aufgehangt. 1784 schlug der Blitz in den Kirchthurm. 26 ) Diese Zahl 
und nicht mehr zu entziffernde Namen sind auf die innere Ostliche 
Giebel wand des Langhauses tiber dem Boden auf gem alt. 1818 
war ein Baukostenaufwand von 406 fl. 13 kr. nothwendig. 

Aus diesen wenigen Nachrichten, welche keine Geschichte der 
Kirche sein wollen, sondern nur die wichtigsten Veranderungen 
an und in ihr darthun sollen, dtirfte genugsam hervorgehen, dafs 
der Zustand, in welchem sich das Gotteshaus um Pfingsten 1901 
befand, kein hervorragender sein konnte. Auch Wind und Wetter 
hatten ihr Uebriges gethan, um das hoch gelegene Bauwerk in 
seinen Einzelheiten einer Erneuerung bedurftig erscheinen zu lassen. 
Als kurz nach Pfingsten 1901 mit den Arbeiten begonnen wurde, war 
nur der durch ftinf Seiten des Achtecks geschlossene Chor (Abb. 3), 
welcher die Breite des Mittelschiffes hatte, gewolbt, Die birnstab- 
formigen Rippen der beiden Gewtflbejoche und der ftinf Kappen 
des Chorschlusses sttitzten sich auf lang herabreichende, von Krag- 
steinen getragene, runde Wanddienste. Die Apsis wurde auf den 
ftinf Seiten von je einem hohen Fenster erhellt, deren Mafswerk 
zum Theil arg beschadigt war. Die runden Schlufssteine trugen 



21 ) ebendort. 

22) ebendort. 

23) ebendort. 

24 ) ebendort. 

25) Getreide- und Geldrechnung der geistlichen Gtiter auf dem 
Lande im K. A. N. 

26) MOgeldorfer Gotteshausrechnungen. 



27) In der Grundrifswiedergabe sind die alten veranderten 
Theile schwach und nach links, die neuen zugeftigten stark und 
nach rechts schraffirt. Das nflrdliche und stidliche Fenster des 
westlichen Anbaues treten in der Wiedergabe nicht deutlich ge- 
nug hervor. Diese Abbildung sowie die des Schaubildes Abb. 1 
wurde durch die Liebenswtirdigkeit des Herrn Bauamtmanns 
Miller ermSglicht, wahrend Abb. 3 u. 4 nach von mir aufge- 
nommenen Photographieen hergestellt sind. 



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96 



Die D enkmalpflege. 



17. September 1902. 



Stelle den Thurm aufzuftihren. Pfeiler und Sftule der SUdseite hatten 
schrage Richtung zur Langsachse. Vielleicht waren die sich daraus 
ergebenden baulichen Schwierigkeiten mit ein Grund, den Thurm an 
dieser Stelle nicht aufzuftihren, sondern erst spater, aber wohl bald 
nach der Vollendung des Baues, einen erheblich schlankeren an der 
stidlichen Chorseite zu bauen. Auf der Nord-, Stid- und Westseite 
waren je zwei iibereinander liegende hOlzerne Emporen eingebaut. 
Die Westwand schlofs das Langhaus als Giebelwand ab. Sie war 
von zwei hohen Fenstera durchbrochen und hatte an den Ecken 
diagonal gestellte Strebepfeiler sowie zwei weitere zur Sttitze der 
Arcadenwande. An einen der Strebepfeiler lehnte sich ein rundes 
Treppenthtirmchen von 2 m ftufserem Durchmesser an. Der Schub 
der GewOlbe wurde von pultdachfttrmig abgedeckten, zum Theil 
begiebelten Strebepfeilern aufgenommen. An dem Giebelchen 
eines derselben am Chor war ein anspruchslos gearbeitetes Brust- 
bild Christi in erhabener Arbeit zu sehen. Die hohen spitz- 
bogigen Fenster an Schiff und Chor waren bis auf ein Rund- 
fenster mit Mafswerk in Radform tiber dem Hauptportal und 
eine schmale eintheilige Oeffnung westwarts des letzteren theils 
zwei-, tbeils dreitheilig. Runde oder spitze Kleeblattbttgen ver- 
banden die gekehlten Pfosten mit einander. Das dariiber im Bogen- 
feld befindliche, geometrisch hergestellte Mafswerk bestand aus 
Kreisen, Bogen-Dreiecken und -Vierecken mit eingesetzten Drei- und 
Vierpassen und wechselte mit jedem Fenster. Besonders beachtens- 
werth ist das Mafswerk des Ostlich vom Hauptportal befindlichen 
Fensters, welches in einem grofsen Bogendreieck besteht, in 
welches drei Kreise eingesetzt sind, die selber wiederum drei 
kleinere Kreise enthalten. Nur ein Fenster zeigte Fischblasen- 
mafswerk. Die Fenstergewande waren meist glatt, nur im Chor 
waren sie breit ausgekehlt. Allenthalben wies das Mafswerk arge 
Beschftdigungen auf. Besonders schlimm war es um das Haupt- 
portal auf der SUdseite bestellt, welches eiustmals von hervorragen- 
der Wirkung gewesen sein mufs (Abb. 4). Die Leibungen haben 
dreifache Gliederung mit Birnstabprofilen, die ohne Unterbrechung 
bis auf den Sockel auflaufen. Wie die noch vorhandenen Consolen 
und Baldachine darthun, wiesen die Kehlen ehemals reichen bild- 
nerischen Schmuck auf. Angeblendete Fialen zu den Seiten des 
Portals und eine ehedem tiber demselben laufende Galerie gaben 
dem Ganzen einen harmonischen Abschlufs. Es sei hier bemerkt, 
dafs sich eigens zur Wiederherstellung des Portals ein Verein ge- 
bildet hat, und dafs diese nach den Planen des Prof. Walther in 
Ntirnberg erfolgen wird. Von der Bildgruppe im Bogenfeld ist 
oben bereits die Rede gewesen. Das um das ganze Aeufsere herum- 
laufende, stark verwitterte Kaffsims bestand aus einer Schrage mit 
darunter befindlicher Hohlkehle; das Kranzgesims wurde aus einer 
steilen Hohlkehle gebildet. Den Chor deckte ein niedrigeres, das 
Langhaus ein tiberaus holies Satteldach. 

Dies war der Zustand, in welchem sich die durch die Ungunst 
der Zeiten und die liber sie ergangenen Unbillen stark in Verfall 
gerathene Kirche befand, als kurz nach Pfingsten 1901 in erfreulich 
thatkraftiger Weise mit den Wiederherstellungsarbeiten begonnen 
wurde, welche bis auf das Portal zu Ende geftihrt sind. Die Lei- 
tung der Arbeiten lag in den Handen des Kflniglichen Bauftihrers 
Stein, welchen der Bauftihrer Geldner untersttitzte, die Ober- 
leitung in den Handen des Kftniglichen Bauamtmannes Miller, 
welcher stets bestrebt war, den Charakter des Ganzen zu wahren 
und das Neue mOglichst im Sinne des Alten zu gestalten. Auch 
der rlihrigen Thatigkeit des Pfarrers Lauter sei hier gedacht, der 
auf eine wtirdige Instandsetzung seines Gotteshauses eifrigst be- 
dacht war. Der Baukostenaufwand betrug im ganzen etwa 
80 000 Mark. 

Will man die vollendeten Arbeiten nicht ungerecht beurtheilen, 
so mufs man von vom herein zwei wichtige Umstande bedenken: 
Einerseits war man gen5thigt, die schrage Richtung der Sttitzen 
der Stidseite des Langhauses beizubehalten, da dieselbe zu ver- 
andern der stidliche Langsunterzug des Dachstuhles verbot. Ander- 
seits konnte man angesichts des schwer ohne hohe Kosten ver- 
anderlichen Dachstuhles dem Scheitel der MittelschiffsgewOlbe 
nicht die erwtinschte Hflhe geben. So haben die Gew&lbe des 
mittleren und stidlichen Schiffes samtlich einen trapezfOrmigen 
Grundrifsbekommen,so mufsten ferner dieQuergurte des Mittelschiffs 
im gedrtickten Bogen gewOlbt werden. Am Chor sind nur wenige 
Erganzungen vorgenommen worden. An einer Stelle wurde das 
Mafswerk entsprechend den vorgefundenen Ansatzen in sachkun- 
diger Weise vervollstandigt. Die GewOlberippen wurden von dem 
sie verdeckenden Putz befreit und leicht nachgearbeitet. Die Krag- 
steine, welche die Sttitzen der Wanddienste bildeten, waren theils 
schadhaft geworden, theils ganz der Zersttfrung anheimgef alien. 



Erstere wurden ausgebessert, letztere durch gut modellirte KOpfe 
oder durch Kragsteine mit zierlichem Blattwerk ersetzt. Die 
Wande wurden neu gettincht. Leider konnten die durch die alte 
Ttinche hindurchschimmernden Wandmalereien auf der stidlichen 
Wand noch nicht blofsgelegt werden. Vielleicht geschieht dies 
spater einmal, wenn Mittel dazu vorhanden sind. 

GrOfsere Aufgaben harrten der Bauleitung am Langhaus. 
Nachdem man die Doppelemporen entfernt hatte und der Dack 
stuhl abgesttitzt war, wurden die drei schlechtgefugten Rundsaulen 
abgebrochen und besser verfugt wieder aufgebaut. An die Stelle 
der vierten Sttitze, des Pfeilers, trat ebenfalls eine Rundsaule, an 
Durchmesser und Gestalt gleich den tibrigen. Dann wurde an' die 
EinwMbung des Ganzen gegangen. Statt der Doppelemporen 
wurde auf der Nord- und Stidseite je eine einfache, flach unter. 
wfllbte Empore in Sandstein eingebaut. Samtliche Gurte und 
Rippen wachsen unvermittelt aus den der Basis entbehrenden, ' 
wuchtigen Rundpfeilern heraus, wie sie in gleicher Weise ohne 
Betonung stumpf in die Wand tibergehen. 

Die EmporengewOlbe beginnen 2,8 m, die DeckengewOlbe 7,5 m 
tiber dem Fufsboden. Samtliche Langs- und Quergurte haben recht- 
eckigen Querschnitt und sind an den ausgekanteten Ecken mit 
Rundstaben besetzt. Die am DeckengewOlbe birnstabfflrmigen, an 
den flach gehaltenen Kreuzgewttlben der Seitenemporen aus' ge- 
kehlten Staben bestehenden Rippen endigen in ringfttrmige Schlufs- 
steine mit zierlichem Bildwerk in erhabener Arbeit. Die drei 
Schlufsteine der DeckengewOlbe zeigen die Sinnbilder des Markus, 
des Johannes und Matthaus, ankntipfend an das Sinnbild des Lukas 
im westlichen Chorschlufsstein. Die Emporenbrtistungen zeigen 
nach guten alten Vorbildern aus dem Ende des 15. Jahrhunderts 
gearbeitetes, stets wechselndes Mafswerk. Der Raum unter den- 
selben ist mit beschwingten Kflpfen, Wappen und Blattwerk be- 
lebt. Aus praktischen und asthetischen Erwagungen mufsten die 
Fenster des Langhauses etwa um 1 m aufgemauert und zur Er- 
hellung des Raumes unter den Emporen kleinere rechteckige Oeff- 
nungen angelegt werden. 

Um ein geraumiges, durch nichts beengtes, frei wirkendes 
Langhaus zu gewinnen, wurde die westliche Giebelwand durch- 
brochen und mit einem breiten, den Quergurten des Mittelschiffes 
in H5he und Gliederung entsprechenden Rundbogen iiberwOlbt. 
Die der Westwand in ihrem mittleren Theile vorgelegten Strebe- 
pfeiler wurden zu einem rechteckigen, im Lichten 4,5 m langen 
und ungefahr 7 m breiten Anbau mit diagonalgestellten Strebe- 
pfeilern an den Ecken erweitert. Das durch die Durchbreckng 
der Wand in Wegfall gekommene Fenster fand auf der Nordseite 
des Anbaues Verwendung. Ihm gegentiber wurde ein zweites, 
ahnlich gestaltetes Fenster auf der Stidseite angebracht. Die West- 
wand des Anbaues erhielt als Lichtspender ein grofses dreitheiliges 
Fenster mit spitzen Kleeblattbflgen und Mafswerk, welches aus 
zwei Kreisen und dartiber einem' Bogenviereck mit einge- 
setzten Vierpassen zusammengesetzt ist. Der Anbau wurde dem 
Mittelschiff entsprechend eingewfllbt und mit einem 7 m hohen 
Satteldach eingedeckt. Dasjenige des Langhauses steigt etwas 
tiber 15 m, dasjenige des Chores etwas tiber 8 m empor. Der 
Schlufsstein des Kreuzgewolbes tragt als bildnerischen Schmuck 
David, die Harfe spielend. Damit ist zugleich die Bedeutung des 
Anbaues gekennzeichnet. Er sollte die Orgelempore aufnehraen, 
welche, von einem flachen Kreuzgewttlbe getragen, die tibrigen 
Emporen um 1 m an Htthe tiberragt. Die Rippen des Decken- 
gewOlbes sind birnstabfflrmig, wahrend diejenigen der Emporen- 
unterwOlbung aus Staben mit ausgekehlten Ecken bestehen. Die 
Brtistung ist aus Sandstein gearbeitet und zeigt kunstvoll herge- 
stelltes Mafswerk. In der Mitte ist ein kleines Chttrlein vorgebaut, 
welches sich auf die ausgebreiteten Fltigel eines auf einer Kugel 
stehenden Adlers sttitzt. Die drei Seiten tragen als bildnerischen 
Schmuck in der Mitte die orgelspielende Cacilie, rechts und links 
singende Knaben, frei nach Luca della Robbia. In der nBrdlichen 
Ecke zwischen Langhaus und Anbau ist ein mit drei Seiten 
geschlossener, innen achteckiger Treppenthurm eingebaut ihm 
entspricht auf der Stidseite in rundes Treppenthtirmchen von 
2 m innerem Durchmesser. Das Kaffgesims wurde durchgehends 
erneuert und auch um den Anbau herumgeftihrt. 

Das Innere, wie es jetzt vor uns stent, ist durchaus von einer 
wohlthuenden Wirkung, wie denn das Ganze trotz der durch die 
Verhaltnisse hervorgerufenen Unregelmafsigkeiten (in der Grund- 
rifsbildung) einen erhabenen Eindruck, eine stille Feierlichkeit er- 
weckt. Mit der Innenausstattung ist erst begonnen, es kann daher 
noch nicht dartiber berichtet werden. 



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Nr. 12. 



Die Denkmalpflege. 



97 



Ueber bemalte Holzdecken im alten Regierungsgefoaude in Frankfurt a. d. Oder. 



Abb. 1. Decke im Raum A. 



t^o 



Abb. 2. Decke im Raum D. 



Abb. 3. Balken im 



kJ 1 V/r- 

Abb. 4. Balkenurofil 




Mrtrt r.r.t *,T T ' 



3. 






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Abb. 6. Lageplan. 



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4--YT =A rr.fcvr =14 

Abb. 7. Erdgeschofs. 




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Abb. 8. I. Stock. 



Abb. 9. 



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L 0.91 wk 4 




Abb. 10. 



(1:10) 

Abb. 11. 



Beim Um- und Erweiterungsbau des Regierungs- 
gebaudes in Frankfurt a.d.0. mufste im Jahre 1901 ein 
Hauserblock abgerissen werden, dessen Ursprung theil- 
weise bis ins 14. Jahrhundert zurttckgreift. Ein Theil 
dieser Baugruppe enthielt in friiherer Zeit die Latein- 
schule. Wider Erwarten wurde wahrscheinlich infolge 
von Umbauten im Anfange des vorigen Jahrhunderts bei 
den Abbruchsarbeiten gerade in dem als altest bezeich- 
neten Gebaude nichts gefunden, was irgend welches 
architektonisches oder kunstgeschichthches Interesse ge- 
boten hatte. Eines Tages fielen mir bunt bemalte Bretter 
auf, welcbe zu allerhand Zwecken bei dem Abbruch 
verwandt wurden; bei naherer Besichtigung erkannte 
ich, dafs die Malerei eine ganz eigenartige, frtiheren 
Jahrhunderten entstammende war. Auf meine Erkundi- 
gungen hin wurde mir ein ganzer Stapel solcher Bretter 
und die dazu gehflrigen profilirten Balken gezeigt, welche 
in ahnlicher Weise wie die Bretter durch Malerei ver- 
ziert waren, mit dem Bedeuten, die Gegenstande waren 
beim Abraumen der Decken tlber dem ersten Stockwerk 
in dem in der Abb. 6 mit II bezeichneten Gebaudetheil 
in den Raum en C und D (Abb. 8) gefunden. Leider waren die 
Balken, wahrscheinlich bei dem frtiheren Umbau, in ge- 
radezu barbarischer Weise zugerichtet worden. Die 
Profilirungen waren zur Erlangung einer thunlichst 
glatten Unterflache mit Beilhieben abgeschlagen, die 
bemalten Bretter zum grofsen Theil zerschnitten und als 
Schal- und Stakbretter fur die spateren Putzdecken 
verwandt worden, sodafs es nur schwer moglich war, 
sich ein genaues Bild der ursprtingUchen Decke zu 
machen. Es konnten jedoch zwei verschiedene Arten 
von Decken festgestellt werden. Im Raum C liefen die 
mit den verschiedensten Farben und Mustern bemalten 
Bretter, von denen einige besonders gut erhaltene in 
Abb. 5 dargestellt sind, parallel zu den Balken; im 
Raum D lagen die Deckenbretter senkrecht zu den 
Balken (vergl. Abb. 2). Diese Decke war nur in zwei 
Farben bemalt, namlich braun oder schwarz mit weifs 
oder grau. Dem Anscheine nach ist durcheinander 
Oel- und eine der unsrigen ahnliche Art von Kalkfarbe 
angewandt worden. Die Bemalung im Raum C zeigt 
ein helles Blau mit Roth, Grtin, Gelb und andere Farben 
bunt gemischt, aber dennoch wirkt das Ganze harmo- 
nisch undj anheimelnd. Die in den Sternen befindlichen 
Bildchen sind bunt^ bemalte Papierscheiben. 

Da die Decken tiber dem Erdgeschofs noch unbe- 
ruhrt waren, liefs ich hier die Abbruchsarbeiten mit der 
grttfsten Sorgfalt vornehmen in der besonderen .Bertick- 
sichtigung von Raum A (Abb 7). Wenn auch hier die Decke 
von Gewfllben mit rohen Barockornamenten gebildet 
schien, so war mir die in Frankfurt ubliche Art, unter 
alteren ebenen Decken aus Holz im 17. und 18. Jahr- 
hundert nachtraglich Gewolbe aufzuftthren, schon be- 
kannt, sodafs ich mit Bestimmtheit hier eine altere Decke 
vermuthen konnte. Nach Entfernung der Kreuzkappen 
zeigte [sich denn auch eine unbertihrte Holzdecke in 
der in Abb. 1 angegebenen Anordnung. Von Farbe 
war zunachst wenig zu sehen ; die Decke sah vollstandig 
schwarz aus. Jeder Balken und jedes Brett wurden 
beziffert und geordnet nach dem Baubureau gebracht, 
wo zunachst der Versuch gemacht wurde, die klebrige 
dunkle Schmutz- und Staubschicht zu entfernen und die 
ursprtingliche Bemalung wieder zu Tage zu fOrdern, was 
auch durch Abwaschen mit Leinol und nachfolgender 
Auffrischung mittels Lack sehr gut gelang, sodafs die 
Zeichnung genau wiedergegeben werden konnte. Diese 
Decke, welche ktinstlerisch als die bedeutendste der 
gefundenen bezeichnet werden mufs, lafst eine sehr ge- 
8chickte Zusammenstellung in Zeichnung und Farbe 
erkennen, sodafs sie trotz der vielfachen TOne 
durchaus nicht unruhig gewirkt hat. Die Zeichnung 
ist mit dem Pinsel in Schwarz oder Dunkelbraun aus 
freier Hand vorgezogen, mit Farben gefullt und in 
gelungener Weise plastisch gem alt. Auffallend und schwer 
zu erklaren ist der Umstand, dafs genau das vierte 
Brett von oben und das siebente Brett von unten an 
gerechnet eine von den ubrigen ganz abweichende 
Zeichnung und eine TOnung nur in zwei Farben hell 



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98 



Die Denkmalpflege. 



17. September 1902. 



und dunkel zeigt; sollte hier Absicht vorliegen, oder waren nur 
zufallig diese Bretter nicht fertiggestellt worden? Diese Frage 
war mir nicht m&glich zu entscheiden, ebenso, wie bedauerlicher 
Weise der Ursprung dieser Decke nicht festzustellen ist. Fiir das 
Alter ist wohl die in die Unterseite eines Balkens im Raume B 
eingeschnittene Jahreszahl 1516 (vergl. Abb. 4) mafsgebend. Aufser- 
dem fand sich in den Kellerraumen eine alte Wetterfahne (Abb. 9) 
mit der Jahreszahl 1 567 und den Buchstaben H. L. D. Erwahnt und 
in Abb. 3 wiedergegeben sei noch die Inschrift Hiesus auf einem 
ebenfalls im Raum B gefundenen Balken. 



Schliefslich mochte ich noch als Erganzung eines in Nr. 9 v J 
der Denkmalpflege erschienenen Aufsatzes von Robert Mielke uber 
Ziegel mit Darstellungen mittheilen, dafs auch beim Abbruch ein- 
zelne Steine mit Zeichen, einmal den Abdruck einer Menschen- 
hand darstellend (vergl. Abb. 10), und ferner einen mit einero 
scharfen Gegenstand eingeritzten Hahn, das Wappenthier von 
Frankfurt a, /O., (vergl. Abb. 11) gefunden und von mir aufbewahrt 
worden sind. 

v. Saltzwedel, Koniglicher Landbauinspector. 



Das Allgauer Bezirksmuseum in Kaufbeuren. 



Wie sehr in den letzten Jahren das Bestreben gewachsen ist, 
landschaftliche Museen zu schaffen, die mehr oder minder der 
Erhaltung bauerlicher Kunst dienen, hat der Aufsatz des Re- 
gierungs- und Bauraths Miihlke in Nr. 7 und 8 der Denkmalpflege 
ftir die Provinz Schleswig-Holstein gezeigt. Nur ttber einen kleinen 
Theil Deutschlands erstreckte sich diese Uebersicht; aber sie liefert 
einen erfreulichen Beweis ftir die starker werdende Antheilnahme, 
die man in weiten Schichten der Bevolkerung den Ueberresten 
der engeren Heimath entgegenbringt. Auch an anderen Stellen 
sind ahnliche flrtliche Sammlungen entstanden oder sind im Ent- 
stehen begriffen — immer mit der bewufsten Absicht, den ktinst- 
lerischen Nachlafs des Bauern- und Btirgerhauses zu erhalten und 
ihn in geschlossenen Hauseinrichtungen zur Darstellung zu bringen. 
Neben der grofsen, alle Gaue umfassenden Sammlung des Mu- 
seums ftir deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des 
Hausgewerbes in Berlin und der ebenfalls nach dieser Rich- 
tung eingelenkten Thatigkeit des Germanischen National- 
museums inNtirnberg seien hier kurz erwahnt die Sammlungen 
in Ltibeck, Ltineburg, Hannover, Dortmund, Braun- 
schweig, Prenzlau, Miinden, Herborn, Jena, Frank- 
furt a. M., Hirschberg, Colleda, GSttingen, Freiburg i. Br., 
Wtirzburg, Ulm, Konstanz, Amberg und Kaufbeuren, 
denen sich noch manche anreihen lassen, die aus einer frtiher enger 
gezogenen Thatigkeit sich nach dieser volkskundlichen Seite hin 
erweiterten. Selbst in kleineren Ortschaften regt sich die Theil- 
nahme ftir die Erhaltung urvaterlicher Kunst. In dem Vierlander 
Dorf Neuengamme, in Edendorf bei Itzehoe, Hafsleben 
i. Th., Hohenlauben bei Weida, L auch a i. Th., Talge bei 
Berfsenbrtick sind schon beachtenswerthe ortliche Sammlungen 
zusammengebracht. In den meisten Fallen gehen diese Bestre- 
bungen Hand in Hand mit der Grttndung von volkskundlichen 
Vereinigungen, von denen im letzten Jahrftinft eine stattliche 
Reihe gegrtindet ist oder sich von Alterthums- und Geschichts- 
vereinen losgelost hat. Noch mehr aber macht sich hier die Be- 
wegung ftir Volkskunst geltend, die den Arbeitsplan mancher der 
genannten Sammlungen merklich beeinflufst hat und in den nach- 
sten Jahren voraussichtlich noch weitere Museen wie Vereinigungen 
hervorrufen wird. Auch das Allgauer Bezirksmuseum in Kaufbeuren 
ist aus Erwagungen hervorgegangen, die der engeren Heimath- 
geschichte, ihrer bauerlichen Kunst und Sitte eine grofsere An- 



und kleinstadtischer Kunstgegenstande, die eine besondere Allgauer 
Volkskunst-Ausstellung ins Leben rufen liefs. Sie fand im Herbste 
1901 in Kaufbeuren statt und hat diese Bestrebungen im AUgau 
tiberall volksthtimlich gemacht. Es war dies hauptsachlich das 
Verdienst zweier Manner, die mit Hingebung und organisatori- 
schem Geschick alle Kraft e ftir ihren Zweck freizumachen wufsten: 
des Bezirksamtmanns Kahr und des Curaten Frank, beide in 
Kaufbeuren. Sie grtindeten zunRchst einen besonderen Gauverein 
„Heimath a , der in wenig mehr als zwei Jahren ttber 1400 Mit- 
glieder gewonnen hat, welche sich zum Theil zu treuen Wachtern 
tiber alien Nachlafs ihrer Heimath und ihrer Veranderungen ent- 
wickelt haben. Aufgabe dieser Vereinigung sollte sein die Er- 
forschung der Heimath und die Verbreitung der Heimath kunde 
durch Belehrung, durch Forschung, durch Berichterstattung und 
durch Sammlung bezw. Erhaltung aller Denkmale des hauslichen 
und des dffentlichen Lebens der Vorfahren. Was in der kurzen 
Zeit von kaum drei Jahren geleistet worden ist, wie das Interesse 
in den weitesten Kreisen geweckt und manches Denkmal, das ver- 
nichtet oder verandert worden ware, erhalten wurde, das kami 
man aus den bald drei Jahrgangen der Vereinszeitschrift ^Deutsche 
Gaue" ersehen, die in einer echten volksthtimlichen Schreibweise ge- 
halten ist. Schon die in der Zeitschrift angewandte Art und Weise, 
die Antheilnahme der Bevolkerung zu wecken, verdient Beachtung. 
Sie legt aufs Neue dar, dafs ftir die Erhaltung unserer Kunst-, 
Landschafts- und Geschichtsdenkmale die Bevolkerung selbst den 
besten Schutz bildet, wenn sie nur in der richtigen Weise daftir 
erzogen wird. Als wesentlichste Frucht der bisherigen Thatigkeit 
ist die Volkskunst-Ausstellung des vorigen Jahres zu betrachten. 
Sie kam hauptsachlich durch die Thatkraft des ftir die Denkmal- 
pflege seines Amtsbereiches hochverdienten Amtmanns Kahrzu- 
stande, der in dem Curaten Frank und dem durch seine Verfffent- 
lichungen tiber Volkskunst bekannt gewordenen Architekten Ft. Zell 
opferbereite Heifer fand. Theils durch Kauf, theils durch Schen- 
kung, theils auch durch Leihgabe wurde es moglich, eine Bauern- 
stube, eine bauerliche Schlafstube und eine btirgerliche Ktlche 
alterer Art vollstandig aufzubauen und auszustatten. Dazu kamen 
Trachtenstticke, Kunst- und andere Gegenstande des Bauern- und 
Btirgerhauses. Durch das Entgegenkommen der stadt ischenBehbrden 
von Kaufbeuren, die in ihrer Stadt bereits eine bedeutende geschicht- 
liche Sammlung zu verwalten haben, sind ftir die Ausstellung die un- 



theilnahme bei der Bevolkerung sichern sollten. Doch hat man -nr benutzten Raume einer Schule auf zwei Jahre zur Verftigung gestellt. 



hier gleich die M&glichkeit einer weiteren Entwicklung ins Auge 
gefafst, falls es einst zu einem Sammelpunkte der gesamten 
Heimath kunde werden sollte. Ueber diese denkbare Ausgestaltung 
hebt die dem Magistrat der Stadt Kaufbeuren tibermittelte Denk- 
schrift verschiedene Punkte hervor, die an dieser Stelle vielleicht 
um so mehr Beachtung finden dtirften, als sich in den schon be- 
stehenden Sammlungen ahnlicher Art vielfach eine Zaghaftigkeit 
geltend macht, um aus dem ftir ortsgeschichtliche Sammlungen 
frtiher aufgestellten, engen Arbeitsplan herauszukommen. Nach 
dieser Denkschrift soil das Museum alles vereinen, was tiber Ober- 
flachenbau, Klima, Pflanzen- und Thierverbreitung und anthro- 
pologische Forschungen gesammelt werden kann. Ferner soil Platz 
finden, was die politische und Wirthschaftsgeographie des Bezirkes 
zur Darstellung bringen lafst (Gemeindeeintheilung, Urproduction, 
Forstwirthschaft, Bodenbau, Viehzucht, Handel, Gewerbe). Dann 
die Gegenstande der culturellen Entwicklung des Bezirkes, d!e der 
Verfasser der Denkschrift, Curat Frank, in den vorgeschichtlichen 
Resten und den Alterthtimern des Burger- und Bauernhauses zu- 
sammenfafst. Des weiteren soUen sich eine Plan- und Skizzen- 
sammlung (Plane, Zeichnungen, Ansichten, Portrats, Trachtenbilder), 
ein Archiv (Kauf-, Vertrags-, Schenkungs-, Lehen-, Wappen-, Ge- 
sellen-, Lehr- und andere Briefe) und schliefslich eine Blicherei 
angliedern, die neben der Erhaltung alter Bestande ein Jahrbuch 
und Ortsgeschichten dauernd herausgeben soil. 

Von all diesen Einzelgebieten sind schon Anfange vorhanden ; 
am meisten entwickelt hat sich aber die Sammlung bauerlicher 



Die Ausstellung ist stark von Einheimischen und Fremden besucht 
worden. Sie brachte sogar einen Ueberschufs und ermunterte. 
sie zum Grundstock eines Allgauer Bezirksmuseums zu machen. 
Die dahingehenden Bestrebungen sind jedoch zur Zeit noch nicht 
von Erfolg begleitet gewesen. Die zwei Jahre sind bald um, in 
denen die Benutzung der Raume frei stand. Noch haben sich 
die stadtischen Behorden nicht entschliefsen konnen, die Samm- 
lung zu tibernehmen oder ihr wenigstens eine dauernde Heim- 
statte zu gewahren. So grofs das Interesse ftir dieselbe im baye- 
rischen Allgau ist; wenn es heifst, ftir sie ein dauerndes Opfer zu 
bringen, so wiederholt sich hier der beklagenswerthe Fall, dafs 
man wagt, erwagt und schliefslich doch zu keinem Entschlusse 
kommen kann. Bis es vielleicht zu spat ist! Die Gefahr ist nicht 
ausgeschlossen, dafs die mtihsam zusammengebrachte Sammlung 
wieder auseinanderfallt oder an ein grofseres Museum ubergeht. 
Es wtirde dies doppelt zu bedauern sein, weil es die Thatigkeit 
der jungen Vereinigung „Heimath tt sicher lahmen wtirde und weil 
— nach glaubhaften Berichten — eine solche Sammlung im Allgftu 
nicht mehr zusammengebracht werden kflnnte. 

Vielleicht konnen diese Mittheilungen dazu beitragen, die Be- 
horden der Stadt zur Htilfe zu ermuthigen, ehe es zu spat ist 
Wahrend wir in Schleswig-Holstein einen Zug ftir die Erhaltung 
und Schaffung soldier Sammlungen wahrnehmen, scheint man sich 
in Stiddeutschland in allzugrofsem Vertrauen auf die Unerschflpf- 
lichkeit der Gebiete an Volksalterthtimern noch Zeit zu g5nnen. 
Denn auch an anderen Punkten kann man dieselbe Beobachtung 



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Nr. 12. 



Die Denkmalpflegre. 



9Q 



machen, dafs sich die Behttrden gerade dieser Seite der Denkmal- 
pflege gegentiber ablehnend verhalten. Eines Tages — im AUgau 
scheint er schon gekommen zu sein — diirfte es zu spat sein, das 



Versaumte naclizuholen. Hoffentlich komrat diese Erkenntnifs 
nicht, nachdem das grofs angelegte Museum in Kaufbeuren schon 
wieder verzettelt ist. Robert Mielke. 



Vermischtes. 



Ein fUr die Bangeschichte des Heidelberger Schlosses wichtiger 
Fund ist vor einigen Wochen in Wetzlar gemacht worden. Regie- 
rungs-Baumeister Ebel hat daselbst ein aus dem 17. Jahrhundert 
st am men des Skizzenbuch entdeckt und erworben, das u. a. eine 
Skizze enthalt, die eine genaue im Jahre 1616 nach der Natur ge- 
zeichnete Wiedergabe eines der vielumstrittenen Giebel vom Otto 
Heinrichs-Bau darstellt. Das Blatt enthalt die Aufschrift: „Diefser 
Giebel steht zu Heidelbg im Schlofs uff Ott Henrichs Bauw tt . Die 
Echtheit des Skizzenbuches und der wichtigen Zeichnung ist durch 
Oberbaurath Schaier in Karlsruhe zweifellos festgestellt worden. 
Er weist dabei nach, dafs die Fragen: 1) Schlofs der Otto Heinrichs- 
Bau ursprtinglich wirklich mit zwei quer liegenden verwachsenen 
Satteldachern und Giebeln davor ab? und 2) Wenn ja, wie hat die 
Architektur dieser Giebel ausgesehen? nunmehr endgiiltig beant- 
wortet worden sind. Er stellt ferner fest, dafs die jetzt noch tiber 
dem Hauptgesims des Otto Heinrichs-Baues stehenden Reste den 
ersten grofsen Giebelbauten angehOren, wie sie der Architekt des 
Wetzlarer Skizzenbuches gesehen hat. Auch die Figuren Sol und 
Jupiter stehen noch da, wo sie der Erbauer des Otto Heinrichs- 
Baues hingesetzt hat. Schafer hat auf Grund dieses Fundes einen 
Wiederherstellungsentwurf aufgestellt, den er in Nr. 71 des Central- 
blatts der Bauverwaltung verGffentlicht. In derselben Numraer 
berichtet auch Regierungs-Baumeister Ebel tiber das aufgefundene 
Wetzlarer Skizzenbuch unter Beigabe einer Abzeichnung von der 
Giebelskizze. 

Ein Antrag auf Einstellung stSndiger Mittel fur die Denkmal- 
pflege in den Reickshaushalt zunachst fiir die Erhaltung des 
Strafsburger Mtinsters, welchen der Verband deutscher Architekten- 
und Ingenieur-Vereine auf Anregung des Vereins fiir Elsafs- 
Lothringen an die Reichsregierung gerichtet hatte, war erfolglos 
geblieben. Nunmehr hat der Berliner Architekten-Verein die An- 
gelegenheit wieder aufgegriffen und auf der Abgeordneten-Ver- 
sammlung des Verbandes in Augsburg einen Beschlufs beantragt, 
der in f olgender Fassung zur Annahme gelangte: 

„Die 31. Abgeordneten-Versammlung des Verbandes deut- 
scher Architekten- und Ingenieur-Vereine hat von der ablehnen- 
den Haltung des deutschen Reichstages zu seiner die Einstellung 
von Mitteln fur Denkmalpflege — zunSchst zu gunsten des 
Strafsburger Mtinsters — betreffenden Eingabe mit Bedauern 
Kenntnifs genommen und halt es nach wie vor fiir eine Pflicht 
des Vorstandes, fiir den Schutz deutscher Baudenkmale einzu- 
treten. Sie ermiichtigt deshalb den Vorstand, unter sachlicher 
Widerlegung der von dem Berichterstatter der Budgetcommission 
in der Reichstagssitzung vom 6. Februar 1902 vorgebrachten Be- 
denken den Antrag vom 22. Januar d. Js. zu geeigneter Zeit in 
erneuter Fassung nochmals einzugeben. Die Abgeordneten-Ver- 
sammlung spricht ferner ihre besondere Genugthuung tiber die 
Grtindung des Strafsburger Milnster-Vereins aus und versichert 
ihn ihrer Untersttitzung." 

Ob es je dahin kommen wird, dafs st&ndige Mittel in den 
Reichshaushalt eingestellt werden, erscheint sehr fraglich, doch 
wiirde schon viel erreicht sein, wenn es dem Bemuhen der bethei- 
ligten Vereine gelauge, in weiten Kreisen die Ueberzeugung zu 
wecken, dafs es Ehrenpflicht des Reiches ist, Gebaude, wie das 
Strafsburger Minister, nicht verfallen zu lassen, und dafs es als 
selbstverst&ndlich betrachtet wird, zur Erhaltung solcher Bauten 
von Fall zu Fall Mittel bereitzustellen. Im Interesse der Saclie 
diirfte es liegen, wenn bei alien derartigen Planen stets die wtirdige 
Wiederherstellung des Bestandes streng getrennt wird vom Ausbau 
unvollendeter Werke oder von neuen Anbauten. Fiir letzteres 
mag in ganz seltenen Ausnahmefallen einmal das Reich heran- 
gezogen werden, im allgemeinen aber wird ihm eine moralische 
Verpflichtung, fiir irgend welche Baudenkmaler tiber das Erhalten 
hinaus zu sorgen, kaum auferlegt werden kOnnen. Bl. 

Das obere Thor in Braubach. Die Stadt Braubach ist ktirzlich 
durch eine Kleinbahn mit Nastatten und St. Goarshausen verbunden, 
welche durch die Strafsen der Stadt ftihrt. Bei ihrer Anlage stand 
ein achteckiger alter Mauerthurm im Weg, der seines Daches be- 
raubt, als eine Ruine von wenig malerischem Umrifs mitten in 
der Strafse stand, die durch das Seitenthal zum Rhein ftihrt. 
Es wurden Stimmen laut, die den volligen Abbruch des Thurmes 
forderten, die Kftnigliche Regierung in Wiesbaden jedoch ver- 
hinderte diese Plane und forderte, gemeinsam mit der Stadt 



Braubach den Architekten Bodo Ebhardt zu einer Untersuchung 
des Thurmes auf. Es stellte sich heraus, dafs der Thurm im 
Innern noch sehr beachtenswerthe Raumtheilungen erkennen lie'fs, 
dafs er ein Stadtthor flankirt hatte, dessen Bogenansatz noch 
kenntlich war und dafs der Wehrgang der hier rechtwinklig urn- 
sch wenken den Stadtmauer durch Steinconsolen innen am Thurm 
vortibergeftihrt war. 

Es wurde nun von dem Architekten ein Plan aufgestellt, der 
die Kleinbahn inittels eines Thores durch den Thurm hindurch 
ftihrte (vergl. Abb. 1—3). Die vier Ecken, welche jetzt den Thurm 



Abb. 2. 



Abb. 1. Ansicht von der Rheinseite. 

im Erdgeschofs-Grundrifs quadratisch er- 

scheinen lassen, wurden an die vier schragen 

Achteckseiten mit stark einbindenden Steinen 

angeftigt, und die friihere Verbindung mit dem 

Mauerrest der hier vom Burgberge der 

Marksburg herunter das Thai der Quere nach Abb. 3. I. Stock. 

sperrenden Stadtmauer wurde durch einen 

gothischen Thorbogen wieder hergestellt. Der alte hochgelegene 

Eingang wurde unter Benutzuug der erneuerten Steinconsolen 

mit dem W T ehrgang der alten Sperrmauer verbunden. Die 

Brtistung an dieser Verbindung ist neue Zuthat. Der weitere 

Theil der Stadtmauer, die (nach unserer Abbildung) gerade auf 

den Thurm zulief, ist ganz verschwunden. Da die alten Zinnen 

oben auf dem Thurme noch theilweise erhalten waren, konnte 

das oberste Geschofs getreu wiederhergestellt werden; das Dach 

ist neu, aber nach Andcutungen auf einer Abbildung Braubachs 

von Wilhelm Dilich (1607) hergestellt, die Einzelheiten der Gufs- 

erker sind nach erhaltenem Vorbild an dem Pfalzgrafenstein im 

Rhein bei Caub hergestellt. 

So gelang es, dem Verkehrsbedtirfnifs Rechnung zu tragen, 
ein altes Wahrzeichen Braubachs zu retten und aus dem alten 
Stumpf ein Bauwerk von bewegterer Form herzustellen, das zur 
Belebung des reizvollen Stadtbildes in Braubach beitragt. Die 
Kosten haben etwa 8500 Mark betragen. — b — 

Zur Erhaltung nnd Wiederherstellung alter KunstdenkmSler 
hat der diesjahrige Katholikentag in Mannheim den nach- 
folgenden beachtenswerthen Beschlufs gefafst: „Die 49. General- 
versammlung deutscher Katholiken bittet den Clerus und die 
Kirchenvorstande, bei der Restaurirung samtlicher Kunstdenkmaler 



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Die Denkmalpflegre. 



17. September 1902. 



aller Stilperioden die grOfste Vorsicht zu gebrauchen, insbesondere : 

a) die Bauten in den historisch uberlieferten Formen zu er- 
halten, soweit nicht ktinstlerische Erfordernisse oder praktische 
Rticksichten Aenderungen unbedingt erheischen; 

b) die Ausstattungs- und Gebrauchsgegenstande, welcher Zeit 
und Kunstrichtung sie angehOren mttgen, gegen weitere Beschadi- 
gungen, namentlich auch durch unvorsichtige Reinigungen, zu 
schtttzen und nur in den allerdringlichsten Fallen und mit der 
grttfsten Zurtickhaltung zu restauriren; 

c) alle Gegenst&nde, die ftir den kirchlichen Gebrauch gar nicht 
mehr verwendbar sind, entweder in den Schatzkammern aufzu- 
bewahren oder den ttffentlichen Museen kirchlicher bezw. welt- 
licher Art zu tiberlassen, dieselben aber keineswegs an Handler 
oder an Liebhaber zu veraufsern." 

Die Bestrebungen zur Erhaltung der Naturdenkm&ler, welche 
in dem Gesetzentwurf tlber die Verunstaltung landschaftlich her- 
vorragender Gegenden (vergl. S. 55 d. J.) bereits einen schttnen 
Erfolg gezeitigt haben, werden staatlicherseits kraftig gefflrdert. 
Die Herstellung forstbotanischer Merkbticher nach dem Beispiel 
Westpreufsens ist in fast alien Provinzen gesichert und auch in 
anderen Bundesstaaten bereits in Angriff genommen. Auf Ver- 
anlassung des preufsischen Cultusmlnisteriums wird durch Herrn 
Prof. Conwentz in Danzig eine umfassende Denkschrift aus- 
gearbeitet, in welcher sowohl die Bedeutung der Naturdenkraaler 
und ihre Gef&hrdung durch die fortschreitende Cultur erlautert 
wird, als auch die in Preufsen und anderswo zu deren Schutz be- 
reits getroffenen und noch erforderlichen Mafsnahmen eingehende 
ErOrterung finden. Die Vollendung des Werkes steht in kurzer 
Zeit zu erwarten; es wird die Grundlage bilden flir die Erw&- 
gungen, was zur FOrderung der Angelegenheit weiter geschehen 
kann. So erfreulich alle solche Vorarbeiten und gesetzliche Vor- 
schriften sind, so wird die Sache doch nur dann in wunschens- 
werthem Mafse gefOrdert werden, wenn es zugleich gelingt, bei 
Communalverbanden und Privatleuten das Geftihl fur die Noth- 
wendigkeit und den Werth des Schutzes der Naturdenkmaier zu 
wecken. Nach dieser Richtung hin kOnnen auch die Vertreter 
der Denknialpflege eine dankenswerthe Thatigkeit entfalten. Bi. 

Die Herausgabe des Werkes liber das Banernhaus in Deutsch- 
land, Oesterreich-Ungarn und der Sell we iz, das bei G. Ktihtmann 
in Dresden erscheint (vergl. S. 32, 112 v. J. u. S. 32 d. J.), ist kraftig 
gef6rdert worden, sodafs das Werk in alien seinen drei Theilen der 
Vollendung entgegen geht. Von den zehn Lieferungen des deut- 
schen Theiles sind sieben erschienen. Fiir den deutsch-Osterreichi- 
schen Theil ist die baldige Vollendung ebenfails gesichert, wahrend 
hinsichtlich der Angliederung des ungarischen Stoffes die Verhand- 
lungen noch nicht abgeschlossen sind. Die Tafeln ftir die ftinf 
Lieferungen des Schweizer Theiles iiegen bereits fertig vor. 

In dem Wettbewerb um ein gemeinsames Titelblatt ftir das 
Bauernhauswerk ist der Entwurf der Buch- und Kunsthandlung 
Huber in Zurich als bester mit einigen Abanderungen ftir die 
Ausftihrung bestimmt. Aufserdem sind noch die Entwtirfe der 
Architekten Ktihn in Dresden, Gustav Wit tig in Kassel und 
Anton Weber in Wien durch Preise ausgezeichnet worden. 



Bticherschau. 

Ban- and Knnstdenkmaler der Provinz Sachsen, herausgegeben 
von der Histor. Commission ftir Provinz Sachsen und Herzogthum 
Anhalt. XXIL Heft, die Kreise Ziegenruck und Sc h leu singe n 
von Dr. H. Bergner, Pfarrer zu Nischwitz. (Hendel, Halle 1901.) 

Zwei Kreise haben hier ihren sachkundigen Bearbeiter ge- 
funden, von denen der erstere bei seiner Arniuth an Kunstdenk- 
malern von vornherein wenig Yerlockendes haben konnte. Weil der 
Verfasser aber in richtiger Erkenntnifs seine Aufgabe mehr mit 
den Augen des Cultur- und Kunsthistorikers als des Ktinstlers an- 
gefafst hat, hat er eine Arbeit geliefert, die man auch da gem 
liest, wo von ktinstlerischen Formen kaum etwas zu berichten ist. 
Das Werden und Vergehen alles Bestehenden erweckt unter alien 
Umst&nden Theilnahme, und so ist der Leser nicht einmal da 
gleichgtiltig, wo, um nur ein Beispiel anzuftihren, von den ganzlich 
kahlen und kunstlosen Kirchen der ersten Halfte des 19. Jahr- 
hunderts die Rede ist. — Die Einleitung ftir den Kreis Ziegen- 
rtick, welche die Abschnitte: Geographisches, Geschichte, Kirchen- 
geschichte, Literatur enthalt, gibt eine sehr brauchbare Ueber- 
sieht tiber die Entwicklung, die das Land und seine Bewohner 
von den altesten der Forschung zuganglichen Zeiten an durch- 
gemacht hat. Die frtihesten vorgeschichtlichen Funde finden sich 
um POfsneck und Ranis „an den Uferrandern des alten Zechstein- 



meeres* besonders massenhaft, doch fehlen Spuren der Steinzeit. 
Der hin- und herwogende Kampf zwischen Deutschen und Slawen 
kommt dann zur Darstellung, worauf die verwickelten, sogar ver- 
worrenen Besitzveranderungen des endgtiltig zurtickeroberten Ge- 
bietes folgen, soweit sie zu ermitteln sind. Die Ausbreitung de> 
Christ enthums, dessen erstes Auftreten in die anmuthige Sage 
von der Kttnigin Perchtha gekleidet ist, die mit den Heimchen 
„vor dem ernsten Mann, der nie lachte*, in den wilden Wald ge- 
flohen sein soil, ftillt den dritten Abschnitt. Der kirchliche Mittel- 
punkt des Kreises war die von der KOnigin Richeza gestiftete 
Pfarrkirche zu KrOlpa; die Einftthrung der Reformation schliefst 
den Abschnitt, dem der Literaturnachweis folgt. Bei den Einzel- 
aufsatzen ist sehr zu billigen das liebevolle Eingehen auf Ge- 
schichte und Formen auch der schlichtesten Dorfkirchen ; soil doch 
die Denkmalerbeschreibung nicht blofs dem Kunstforscher dienen. 
sondern die Theilnahme an den heimischen Denkmalern bei den 
Laien wecken und vertiefen. Die Kirchen des Kreises sind, wo 
es nOthig ist, durch Grundrisse, die in demselben Mafsstabe ge- 
zeichnet sind, z. Th. durch Ansichten veranschaulicht. Letztere 
konnten vielleicht vollstandiger sein. Da der romanische Stil sehr 
selten, der gothische kaum mehr als durch die Kirche in Rani< 
und die Veitscapelle in Wernburg vertreten ist, die Renaissance 
gar keine Daseinsspur hiuterlassen hat, so gehttrt die grdfste Zahl 
der Kirchen der Barockzeit, . und zwar dem 18. Jahrhundert an: 
architektonischen Werth haben sie nicht, nur ab und zu eine ge- 
fallige Ausmalung. Sonst sind mehrere Burganlagen vertreten. 
die aber infolge. des sprOden Baustoffs (Schiefer) sehr wenig Kunst- 
formen zeigen; doch verdient die machtige auf schmaler, lan?- 
gestreckter Erhebung sich ausbreitende Burg Ranis, deren Grund- 
rifs an die Wartburg erinnert, grofse Beachtung, und ebenso 
Schlofs Blankenberg wegen seiner seltenen, eine gewaltige Mauer- 
masse von unregelmafsigem ovalen Grundrifs bildenden Gestalt. 
Bedeutend reicher ist der Kreis Sell leu sin gen, von dem ebenso 
wie von Ziegenrtick eine geographische und geschichtliche Ein- 
leitung vorangeschickt wird. Sie fiihrt uns von den koni^lichen 
Gaugrafen nach Karl dem Grofsen zu den Graf en von Henneber? 
Mitte des 11. Jahrhunderts, und zur Theilung der gesamten Erb- 
lande 1274, wobei als eine von den drei neuen Linien Schleusinjren 
entsteht, bis zum Aussterben des in den letzten Jahrhunderten ent- 
arteten Geschlechts 1583; 1060 an Sachsen-Zeitz und bald wieder 
an Kursachsen fallend, wird das Gebiet 181) preufsisch. Die be- 
merkenswerthesten Orte sind Schleusingen, Vessera und Rohr; lerzt- 
teres schon 815 bezeugt. Der Ausgangspunkt der Einftihrun^ de> 
Christenthums mit uralter befestigter Dorfkirche (Krypta, W. Jahr- 
hundert) und frtihgothischer Klosterkirche (1250) mit roinanischen 
Spuren, Vessera, eine z. Th. prachtige Uebergangsformen zeigende. 
im Kerne romanische Basilika, 1130 gegrtindet, leider zur Korn- 
scheune profanirt, dabei in gut em baulichen Zustande. Schleusingen 
mit der malerischen thurmreichen Bertholdsburg, 1268 schon pe- 
nannt, mit schftnen Frtihrenaissancefonnen im Hofe und spat- 
gothischer Pfarrkirche, deren Schiff 1723 niichtern erneuert ist. 
Hier ist die Aegidiencapelle besonders werthvoll wegen. der zwolf 
vortrefflichen Grabdenkmaler der Hennebergischen Grafen und ihrer 
Gemahlinnen, Denkmftler, die hier zu einem ^Ehreusaal*' vereini^t 
sind und den Wandel der Grabplastik von 1450 bis 1630 anschaulich 
machen. Die SchlSsser in Kuhndorf (um 1400) und in Schwarza 
bieten manches Bemerkenswerthe. Zu erwahneu sind auch die noch 
leidlich zahlreich erhaltenen Fachwerkhauser, auch in den Dtirfern, 
wenn auch reichere Formen selten sind. Die altesten reichen ins 
16. Jahrhundert zurtick. Die bildlichen Beigaben sind mit Au>- 
nahme von drei vortrefflichen Lichtdrucktafeln von der Firnia 
Junghanfs u. Koritzer in Meiningen hie und da noch etwas un- 
vollkommene Strichzeichnungen von der Hand des Verfassers. Die 
vorliegende Arbeit, mit der Herr Dr. Bergner zum ersten Male 
als Mitarbeiter an den Vertiffentlichungen der Historischen Com- 
mission auftritt, verrUth auf geschichtlichem wie kunstgeschicht- 
lichem Gebiete ttichtige Kenntnisse und ein selbstandiges be- 
sonnenes Urtheil. B. 



Inbftlt: Statuen und Dreifaltigkeitssiiulen in Nordbi>hmen. — Ueber Fa^aden- 
Wettbewerbe. — Der Krahnenthurm in \N'tlrzbwrg. — Monuniental-Brunnen aas 
dem 13. bis 18. Jahrhundert. — WiederherHtellung und Ausbau der Pfarrkirche 
in Mtigeldorf bei Nttrnberg. — Ueber bemalte Holzdecken im alten Regierungs- 
gebiiuae in Frankfurt a. d. Oder. — Das Allgttuer Bezirksmuseum in Kaufbeuren 
— Vermischtes: Ein fur die Baugeschichte des Heidelberger Schloss^ 
wichtig^er Fund. — Antrag auf Einstellung stftndiger Mittel ftir die Denkmal- 

Sflege in den Reichshaushalt. — Das ol»ere Thor in Braubach. — Bescldufs des 
[atholikentags in Mannheim zur Erhaltung und Wiederherstellung alter Kiuwt- 
denkmaler. — Bestrebungen zur Erhaltung der Naturdenkmftler. — Herausgak** 
des Werkes tll)er das Bauernhaus in Deutscliland, Oesterreich-Ungarn un<i 
der Schweiz. — Btlchersohau. 



Ftir die Schriftleitung verantwortlich : Friedrich Schultze, Berlin. 
Verlag von Wilhelni Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Gustav Schenck Sohn, Berlin. 



Nr. 12. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



101 



IV. Jahrgang. 
Nr. 13. 



Erscheint alle 8 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. — Geschaftstelle : W. Wilhelmstr. 90. — Bezugspreis 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark; ftlr das 

Ausland 8,50 Mark. Ftlr die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 15. Oct. 
1902. 



lAlle Rechte vorbehalten.] 



Der dritte Tag fttr Denkmalpflege in Dttsseldorf am 25. u. 26. September 1902. 



Wahrend bei den frtiheren Denkmaltagen in Dresden und 
Freiburg die junge Bewegung der Denkmalpflege sich unter Sturm 
und Drang in lebhaften Verhandlungen und feurigen Reden 
aufserte, war tiber die diesjahrige Tagung in dem stattlichen 
Sitzungssaal des Standehauses in Dttsseldorf die behagliche Stimmung 
ausgebreitet, wie sie dem des errungenen Besitzes sich Erfreuenden, 
dem von sicher gegrtindeter Stellung aus Weiterstrebenden eigen 
ist. Wohl bot auch die Dttsseldorfer Tagung zu solcher Stimmung 
Anlafs. Schon die auf der dortigen Industrie-, Gewerbe- und 
Kunstausstellung geschaffene kunsthistorische Abtheilung kann als 
ein Erfolg der auf die Erhaltung der Denkmaler gerichteten Be- 
strebungen angesprochen werden. Es war angeregt worden, bei 
der Einweihung des Ausstellungspalastes der Dttsseldorfer Ktinstler- 
schaft neben den neuen Schflpfungen der bildenden Kunst die 
Denkmaler der Vergangenheit zu Wort kommen zu lassen. Die 
aufopfernde Thatigkeit von Sachkundigen sowie das Entgegen- 
kominen der Provincial verwaltungen und KirchenbehOrden vom 
Rheinland und Westfalen ermftgUchten eine einzigartige Aus- 
stellung, auf der nicht nur, wie bei frtiheren Vorftihrungen von 
Werken der Vater, das Kunstgewerbe in auserlesenen Kirchen- 
schatzen, sondern auch die bedeutenden Zweige der monumentalen 
Kunst, Architektur, Malerei, Plastik in Abgtissen und Abbildungen 
hervorragend vertreten sind. Ein grofser Teil des Thatigkeits- 
gebietes der Denkmalpflege wird dort tiber aus glanzend vorgeftihrt. 

Als besonderen Erfolg aber konnte der Tag ftir Denkmalpflege 
die inzwischen erfolgte Annahme des hessischen Gesetzes tiber den 
Denkmalschutz ansehen, das, aus seinem Schofse hervorgegangen 
und auf den frtiheren Tagungen weiter entwickelt, nunmehr seit 
dem 1. October d. J. in Kraft getreten ist. Nach Eroffnung der 
Verhandlungen durch den Vorsitzenden, Geh. Justizrath Prof. Dr. 
Loersch, nahm denn auch der Ministerialrath Freiherr v. Biege- 
leben, der Urheber des Entwurfes, dem in erster Linie das Zu- 
standekommen des hessischen Denkmalgesetzes zu danken ist, Ge- 
legenheit, den Werdegang und den wesentlichsten Inhalt desselben 
der Versammlung vorzuftihren (vergl. S. 73). Mit Recht wurde 
die Einfiihrung dieses ersten deutschen Denkmalschutzgesetzes als 
ein Ruhmestitel des Hessenlandes bezeichnet. Der Vorsitzende 
konnte diesem Berichte hinzufttgen, dafs auch das Berner Denkmal- 
gesetz in diesem Frtihjahr in Volksabstimmung, allerdings unter 
schwacher Betheiligung, angenommen und damit ein weiteres Feld 
erobert worden ist. Ueber den bereits fertiggestellten Gesetz- 
entwurf ftir Oesterreich, der nur den engeren Rahmen der Bau- 
denkmaler umfafst, berichtete Prof. Dr. Neuwirth aus Wien. 

Nach Eintritt in die eigen tlichen Verhandlungen sprach Hof- 
rath Prof. Dr. Gurlitt tiber Erhaltung der Baudenkmaler. Jedes 
Bauwerk, so ftihrte er aus, geht vom Augenblick seiner Fertig- 
stellung an seinem Verderben entgegen. Es mufs tiber kurz oder 
lang zu Grunde gehen, ebenso wie der menschliche Kflrper einem 
nattirlichen Absterben unterliegt. Wie in letzterem Falle trotz 
dieses Naturgesetzes Aerzte herangezogen werden, so dtirfen wir 
auch dem Verfall der Baudenkmaler nicht mit verschrankten Armen 
zusehen, sondern haben die sich zur Aufhaltung des Verfalles bieten- 
den Mittel anzuwenden. Nun ist es aber nicht der Werkstoff, son- 
dern die Form, die auf sere Erscheinung des Werkes, auf deren Er- 
haltung es ankommt. Weniger der Kern, sondern vielmehr die aufsere 
Schicht, die Haut des baulichen Gebildes bedarf des Schutzes. Die 
bisher in diesem Bestreben verwandten Mittel sind samtlich zu 
verwerfen. Das Abarbeiten der oberen Schicht, bei dem der Kern 
an Stelle der Haut tritt, ist nur bei groben Gegenstanden geringen 
Kunstwerthes zulassig. Anstrich mit Oelfarbe verdeckt die aufsere 
Haut, Cement sch&ndet die Structur. Die Trankungsmittel wie Oel, 
Wachs, Paraffin, Wasserglas, Silicate, Fluate, Testalin usw. haben 
ohne Ausnahme grofse Mangel. Auch die bisherigen wissenschaft- 
lichen Untersuchungen tiber die Mittel der Conservirung haben 
kein Ergebnifs gehabt. Daher besteht das Bedtirfnifs, die Frage 
der Steinerhaltung wissenschaftlich zu lttsen, urn zu sichern Merk- 
malen fttr die Unterscheidung des dauerhaften Steines von den 



nicht bestandigen zu gelangen. Der Vortragende beantragte die 
Erwahlung eines Ausschusses zur wissenschaftlichen Untersuchung 
dieser Verhaltnisse. Im Anschlufs daran berichtete Prof. Borrmann 
tiber die parallele Frage der Erhaltung von bildnerischen Kunst- 
werken. Er trat im wesentlichen daftir ein, die gefahrdeten Stticke 
der Monumentalbildnerei, soweit sie nicht durch Schutzdacher oder 
besondere Vorkehrungen geschtitzt werden konnen, rechtzeitig von 
ihrem Standort zu entfernen und sie gegebenenfaUs durch Nach- 
bildungen zu ersetzen. Die alten Werke selbst oder Abgtisse von 
ihnen sollen in ortlichen Sammlungen oder in Museen der Monu- 
mentalbildnerei Aufnahme finden. Bei den anschliefsenden Verhand- 
lungen wurde eine Reihe von Mafsnahmen zur Einschrankung des 
Verfalls der Kunstdenkmaler vorgeschlagen , auch die Frage der 
Kennzeichnung von Ersatztheilen eingehend erOrtert. Die Be- 
sprechung fbrderte eine Menge beachtenswerther Gesichtspunkte 
zu Tage und endigte damit, dafs sowohl zur Bearbeitung der Frage 
der Steinerhaltung als auch derjenigen der Kennzeichnung von Er- 
satztheilen bei Wiederherstellungsbauten je ein ftinfgliedriger Aus- 
schufs gewahlt wurde. 

Weiterhin wurde tiber die Beseitigung des Westportals am 
Metzer Dome verhandelt. Der Berichterstatter Prof. Dr. Gurlitt will 
die Frage losgelttst von persttnlicher Kritik grundsatzlich erortert 
sehen. Das Bestreben, ein geschichtliches Denkmal in dem Geiste 
seiner ersten Entstehungszeit auszubauen, ftihre dazu, dafs Hinzu- 
ftigungen spaterer Jahrhunderte als nicht zu dem ursprtinglichen 
Werke passend beseitigt werden. Man mafse sich dabei das Recht 
an, die Erzeugnisse vergangener Zeiten nach eigener, persdnlicher 
Ansicht auszusondern. Dies sei bedenklich, da die Werthschatzung 
der verschiedenen Kunstzeiten wechsele. Daher ergebe sich die 
Nothwendigkeit aufserster Zurtickhaltung und die Forderung, dafs 
Aenderungen aus rein asthetischen Grtinden an geschichtlich ge- 
wordenen , verschiedene Bauzeiten und Baustile aufweisenden 
Bauten unterblieben. 

Regierungs- und Baurath Tornow rechtfertigte das Vorgehen 
beim Metzer Dome mit der Thatsache, dafs es sich dort nicht um 
einen organischen Zuwachs aus der Barockzeit, sondern um eine 
berechtigungslose Maske gehandelt habe. 

In der durch lebhafteren Meinungsaustausch sich auszeichnenden 
Sitzung des zweiten Tages wurde zunachst die Einrichtung von 
Denkmalarchiven besprochen. Prof. Ehrenberg konnte berichten, 
dafs die Frage der Provincialdenkmalarchive tiberall im Flufs ist, 
ja dafs an einzelnen SteUen schon recht ansehnliche Grundlagen 
geschaffen sind. Er besprach eingehend die Grundsatze, nach 
denen solche Archive angelegt und geordnet werden sollen. Di- 
rector v. Bezold legte neben diesen provinciellen Archiven be- 
sonderes Gewicht auf centrale Archive. Bei der anschliefsenden 
ErOrterung wurde namentlich der Mefsbildanstalt, die erst das 
Rtistzeug zur Begrtindung von Denkmalarchiven geliefert hat, die 
gebtihrende Anerkennung gezollt. 

Den Hflhepunkt des diesjahrigen Denkmaltages bildete die 
Verhandlung tiber die Aufgaben der Communalverwaltungen auf 
dem Gebiete der Denkmalpflege. In flammenden Worten ftihrte 
Oberbtirgermeister Struckmann-Hildesheim aus, wie vor allem % die 
Stadte zum-Schutze ihrer Denkmaler berufen sei en. Indem er auf 
die in diesem Sinne in Hildesheim entfaltete Thatigkeit hinwies, 
begrtindete er in langeren uberzeugenden Ausftihrungen den nach- 
stehenden Vorschlag zu einer Erklarung des Denkmaltages: 

„Die Denkmalpflege bildet einen wichtigen und wesentlichen 
Theil der Aufgaben der Communalverwaltungen. Letztere sind 
daher nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, unter der 
Aufsicht und unter dem sowohl auf gesetzgeberischem und Ver- 
waltungsgebiete als auch auf financiellem Gebiete nothwendigen 
Beistande des Staats, diejenigen Mittel zu ergreifen, welche zur 
praktischen Erftillung jener Aufgabe erforderlich sind. 

Als solche Mittel empfehlen sich theils ftir alle Communal- 
verwaltungen, theils ftir die Gemeinde- und insbesondere stadtischen 
Verwaltungen die folgenden: 



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102 



Die Denkmalpflege. 



15. October 1902. 



l) 

2) 



3) 



4) 



5) 



6) 



7) 



8) 



«) 



10) 



11) 



12) 



13) 



14) 



Aufklarung der Einwohnerschaft iiber die Bedeutung und 
den Werth der Denkmalpflege durch Wort, Schrift und Bild. 
Heranziehung und Sammlung der zur Mitwirkung geeig- 
neten amtlichen und freiwilligen Krafte, insbesondere An- 
regung der Vereinsthatigkeit im engen Zusammenwirken 
mit der Coramunalverwaltung. 

Genaue Ermittlung und Verzeichnung samtlicher in den 
einzelnen Communalbezirken bei BehOrden oder Privaten 
befindlichen Denkmaler und Sicherung fortlaufender Kennt> 
nifs Uber den Erhaltungszustand derselben. 
Sorgsame Erhaltung und nflthigenfalls Herstellung der im 
Besitz der Communalverwaltung selbst befindlichen oder 
sonst unter ihrer unmittelbaren Einwirkung stehenden Denk- 
maler, nach Mafsgabe der allgemeinen Regeln der Denkmal- 
pflege. 

Bei Neu- und Umbauten von GebUuden der Communalver- 
waltung Sorge daftir, dafs dieselben in Uebereinstimmung mit 
der Umgebung stehen und nicht das Strafsenbild verunstalten. 
Bei Denkmalern sowie bei Neu- und Umbauten von Gebauden, 
welche sich nicht im Besitz der Communalverwaltung selbst 
befinden, eine geeignete Einwirkung auf die Besitzer, dafs sie 
entsprechend den zu 4) und 5) gedachten Grundsatzen verfahren. 
Dabei sind Anforderungeu zu vermeiden, welche iiber das 
Bedurfnifs hinausgehen, und namentlich bei solchen Denk- 
malern, insbesondere Gebauden, welche noch jetzt einem 
praktischen Zwecke dienen sollen, Mittel und Wege zu suchen, 
welche geeignet sind, im einzelnen Falle die Anforderungen 
der Denkmalpflege mit den Anforderungen der Gegenwart 
thunlichst zu vereinen. 

Die Einwirkung kann zunachst bestehen in gtitlicher Ver- 
handlung mit dem Besitzer durch die BehSrde oder den etwa 
bestehenden Verein, in Aufklarung und Rathertheilung, unter 
Berucksichtigung des riamentlich unter 7) hervorgehobenen 
Gesichtspunktes ; nflthigenfalls auch in Gewahrung einer 
financiellen Beihtilfe, fttr welchen Zweck die Vereinsthatigkeit 
sich vorzugsweise empfiehlt. 

Zur Verhtitung der Verunstaltung des alten Strafsenbildes 
durch unpassende Neu- und Umbauten ist die Veranstaltung 
von Wettbewerben fur Facaden seitens der einzelnen Ge- 
meindeverwaltungen ein wirksames Mittel. 
Bei besonders wichtigen Denkmalern empfiehlt sich die Er- 
werbung durch die Communalverwaltung, namentlich dann, 
wenn dieselbe sie zu einem praktischen Zwecke zu verwenden 
in der Lage ist. 

Nothigenfalls haben die Gemeinden, um ihren Aufgaben auf 
dem Gebiete der Denkmalpflege zu gentigen, von den ihnen 
zustehenden Zwangsmitteln Gebrauch zu machen, namentlich 
soweit ihnen dieses zusteht, von dem Rechte, durch geeignete 
baupolizeiliche oder ortsstatuarische Vorschriften dem Ver- 
fall oder der Verunstaltung der baulichen Denkmaler oder 
bei Neu- und Umbauten der Verunstaltung des alten Strafsen- 
bildes entgegenzutreten. Soweit den Gemeinden ein solches 
Recht noch nicht in ausreichendem Umfange zusteht, richtet 
der Denkmalpflegetag an die deutschen Staatsregierungen 
das dringende Ersuchen, baldthunlichst ihnen dasselbe zu 
verleihen. 

Ebenso bedarf es der Verleihung des Enteignungsrechtes be- 
ztiglich der sonst der Gefahr des Verderbens ausgesetzten 
Denkmaler an die Communalverwaltungen. 
Wenn Denkmaler zum Abbruch gelangen und nicht in geeig- 
neter W T eise wieder aufgestellt werden kOnnen, so sind sie 
oder ihre der Erhaltung werthen Reste in ein Museum aufzu- 
nehmen oder sonst sicher aufzubewahren. Genilgend leistungs- 
fahigen Gemeinden ist die Einrichtung eines eigenen Museums 
fjir ortliehe Kunst und Alterthumer anzuempfehlen. In das- 
selbe sind zugleich thunlichst Abbildungen aller yorhandeneu 
Denkmaler, insbesondere aller bemerkenswerthen alteren Ge- 
baude und eigenartiger Strafsenansichten aufzunehmen. 
Obige Erklarung soil alien deutschen Staatsregierungen sowie 
den Provincial- und grtffseren Gemeindeverwaltungen zur 
Kenntnifsnahme und mit dem Ersuchen, den aufgestellt en 
Grundsatzen entsprechend verfahren zu wollen, zugestellt 
werden." 



Die Vorschlage fanden einhellige Annahme, wenngleich aus 
der Mitte der Versammlung hervorgehoben werden mufste, dafs, 
bei aller Anerkennung der vortrefflichen Absichten, die Durch- 
ftihrung der Punkte 5), 6) u. 9) grofse Schwierigkeiten bate, ja Ge- 
fahren in sich berge. Es bedlirfe eines unserer Zeit leider in weit- 
gehendem Mafse verloren gegangenen ktinstlerischen Tactes, wenn 
durch Neu- oder Umbauten der ins Auge gefafsten Art den alten 
Baudenkmalern und Stadtbildern bei allem guten Willen nicht 
mehr Schaden zugeftigt als Nutzen gebracht werden solle. 

Vom ehemaligen Lettner im 
Miinster in Strafsburg i. E. 



Vi» der wirkl. 
GrOfse. 




Abb. 1. Profile. 



Abb. 2. Baldachin. 



Abb. 3. Baldachin. 



/ 



Knauth gez. 

Abb. 4. Capitell. 



Holzstich von 0. Ebcl. 

Abb. 5. Krabbe. 



An den Struckmannschen Vortrag anknttpfend hatte Prof. 
Dr. Clemen die Aufgaben der Provincial-Verwaltung auf dem zur 
Erftrterung stehenden Gebiete zu besprechen. Indem er nament- 
lich auf die rheinischen Verhaltnisse einging, die als mustergiiltig 
bezeichnet werden kttnnen, beleuchtete er die Organisation, die 
Arbeitsmethode und die Ergebnisse der provinciellen Denkmalpflege. 

Noch eine Anzahl weiterer Meinungsaustausche bildete Ciegen- 
stand der geschickt geleiteten Verhandlungen, die des Anregenden 
und Belehrenden eine reiche Ftille boten und zu denen nicht nur 
aus dem Inlande, sondern auch aus der Schweiz, aus Oester- 
reich, Belgien und Holland Theilnehmer in wachsender Zahl er- 
schienen waren. L- B. 



Ein verschwundenes Kimstwerk. 



Im Vergleich zu vielen andern Kathedralkirchen ist das Innere 
des Strafsburger Mtinsters arm an bildlichem Schmuck. Der Reich- 
thum an Altaren, Ausstattungs- und Schmuckstticken, Trophaen 



und merkwurdigen Seltenheiten, wie uns die Aufzeichnungen ver- 
gangener Jahrhunderte erzahlen, ist in den verhangnifsvollen 
Jahren des Bildersturms der Reformation und Revolution, zum 



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Nr. 13. 



Die Denkmalpflege. 



103 



Theil auch infolge veranderter Anschauungen verloren gegangen 
und nur ein schwaches Bild kann man sich heute von der farbigen 
Pracht des Innenraumes machen, wenn man die sparlichen, in den 
Sammluugsraumen der alten Werkhiitte aufgespeicherten Bruch- 
stticke zerstOrter Schmuckwerke betrachtet. 

Unter den im Laufe der Jahrhunderte verschwundenen Werken 
aus dem Innern des Strafsburger Mtinsters gebtihrt eine erste 
Stelle zweifellos dem Lettner, der im ersten Joch des Langhauses 
vor dem Choraufgang (vergi. den Grundrifs im Jahrgang 1901 




Knauth gez. 

Abb. 0. 



Wiederherstellungsentwurf des alten Lettners im Strafsburger Mtinster. 

ansicht, stidl. Ecke. 



d. Bl. Nr. 4, Seite 26) errichtet, den Zweck hatte, einerseits den 
hohen Chor des Domcapitels von dem Laienraum zu trennen, 
anderseits die Rttckwand zu bilden fiir den Pfarraltar sowie als 
Emporbtihne zum Verlesen der Episteln und Evangelien zu dienen. 
Nach alten Beschreibungen war dieser Lettner bis auf zwei Oeff- 
nungen gegen den Chor geschlossen, gegen das Langhaus aber in 
sieben und nach den beiden Seiten in je einem Spitzbogen geftffnet. 
Die Bogen waren durch Giebel oder Wimperge bekrout. Jedes 
Giebelfeld enthielt eine Gruppe kleinerer Figuren, die Werke der 
Barmherzigkeit darstellend. Zwischen den Giebeln standen auf 



Kragsteinen unter reichgeschmtickten Baldachinen die Standbilder 
der Madonna rait dem Kinde und der Apostel; zu beiden Seiten 
jeder dieser Figuren schwebende Engel, welche Kronen in den 
Handen trugen. Der ganze Vordertheil dieses Lettners war mit 

feinem Gold tiberzogen; im Jalire 1415 
wurde auf demselben, dem Volke gegen- 
tiber, ein grofses Kreuz aus Silber auf- 
gerichtet. Ein ungefahres Bild bietet 
uns ein Kupferstich vom Innern des Mtin- 
sters aus dem 17. Jahrhundert von 
J. Brunn, welches den Lettner mit dem 
Frilgealtar und der angebauten Marien- 
capelle zeigt, ferner drei Stiche von dem- 
selben Meister, die Vorder- und die bei- 
den Seitenansichten des Lettners dar- 
stellend, in etwas grOfserem Mafsstabe. 
Aufserdem ist noch eine, allerdings ziem- 
lich ungenaue Aufnahme von J. J. Ar- 
hardt aus dem Jahre 1643 vorhanden. Im 
Jalire 1682, als Strafsburg franzOsisch 
geworden war und der Bischof Egon 
v. Fiirstenberg seinen feierlichen Ein- 
zug in die Stadt und das nunmehr dem 
katholischen Cultus wieder iibergebene 
Mtinster gehalten hatte, wurde als erstes 
eine grofsartige VergrSfserung und Aus- 
schmtickung des Chores im Stile der 
Zeit geplant und zur Ausftihrung ge- 
bracht, welchem der ehrwurdige, Jahr- 
hunderte alte Lettner zum Opfer fallen 
mufste. Wenn auch anscheinend die 
Absicht bestanden hatte, die Reste des 
alten Werkes aufzubewahren, wie aus 
einer Verordnung des Domcapitels vom 
Jahre 1683 hervorzugehen scheint, so 
wurden doch die Trtimmer theils ver- 
schleppt, theils in den Schutt gefahren, 
um nur vereinzelt nach weiteren Jahr- 
hunderten wieder zum Vorschein zu 
kommen. Bei den Arbeiten der Instand- 
setzung des Chores in den vierziger Jah- 
ren wurden einige sparliche Bruchstucke, 
welche mit Wahrscheinliclikeit dem ver- 
schwundenen Lettner zugeschrieben wer- 
den konnten, aus dem Schutt der Krypta 
gegraben und in den Museumsraumen 
des Frauenhauses aufgestellt. Eine wei- 
tere wichtige Entdeckung sollte durch 
Zufall im Jahre 1893 gemacht werden. 
In den Lauben des Thurm-Achtecks Ulrich 
Ensingers oberhalb der Plattform, zwi- 
schen dem Stabwerk versteckt, befanden 
sich eine Anzahl Figuren ( Abb. 8 bis 1 6), wel- 
chen bisher wenig oder keine Beachtung 
gescheukt worden war, da sie von der 
Plattform kaum, von unten gar nicht zu 
erkennen waren. Bei Gelegenheit der 
Vornahme von Mafsaufnahmen an dieser 
Stelle konnte ich die Thatsache feststellen, 
dafs wir es hier mit einer Reihe der her- 
vorragendsten Werke der Frtihgothik zu 
thun hatten. Dafs die Figuren nicht an 
den Platz gehOrten, an dem sie sich be- 
fanden, ging sowohl aus der vollstandigen 
Verschiedenheit des Stils, sowie den 
zur Standflache wenig passenden Ab- 
messungen der Kragsteine hervor. Fer- 
ner machte die ganze Behandluug der 
Einzelheiten die Annahme wahrschein- 
lich, dafs die Figuren urspriinglich im 
Innern und zwar auf verhaltnifsmafsig geringer Hfthe iiber dem 
Fufsboden ihren Stand gehabt haben mufsten. Von dreien dieser 
Figuren waren bei einer fruheren Gelegenheit Gipsabgusse ange- 
fertigt worden, die sich im Frauenhausmuseum befanden. Mit 
Htilfe des oben erwahnten alten Kupferstiches von Brunn gelang 
es. mir scliliefslich, einige dieser Standbilder als zum alten Lettner 
gehtirig zu bestimmen. Vermuthlich sind sie nach Abbruch des 
letzterr. im Jahre 1682 als Luckenbiifser in die leeren Nischen 
des Thurmes verbannt worden. Es ist das Verdienst des friiheren 
Dombauineisters Arnt z, im verflossenen Winter diese Figuren 



Vorder- 



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104 



Die Denkmalpflege. 



15. October 1902. 



neun an der Zahl, von ihrem freien Standorte heruntergeholt und 
durch Anfertigung von Gipsabgiissen in ihrer Form festgelegt zu 
haben. Sie sind nunmelir in einem geschiitzten Raume des Frauen- 
hauses untergebracht. Als zu dieser Gruppe gehtfrig mufs noch 
eine im Frauenhaus befindliche, ein Spruchband haltende mann- 
liche Figur (Abb. 7) angesehen werden, welche in GroTse, Stil und 
Behandhmg dieselben Merkmale aufweist. Bis auf eine gelang es 
an der Hand des bereits erwahnten Stiches, samtliche Figuren als 
zum Lettner gehorig nachzuweisen. Die einzige nicht nachweis- 



weiblichen Figuren der Thurmportale gemein haben, fur welche 
sie vielleicht vorbildlich gewesen sind. Die zierlichen, etwa \{ m 
hohen Gestalten, welche, wie die glatte Behandlung der Ober- 
flache zeigt, urspriinglich bemalt waren, sind in den Verhalt- 
nissen durchaus richtig, die Gewander sind lebhaft bewegt und 
haben im Faltenwurf noch nicht die ttbertriebenen Ausbuch- 
tungen, die Behandlung der Haare ist zierlich und eigenartig, 
die feinen, regelmafsigen Gesichter sind vorzuglich modellirt und 
zeigen natttrlich ruhigen Ausdruck. Die Standbilder durften, so 



Abb. 7. 



Abb. 9. 



Abb. 10. 



Abb. 11. 



Abb. 12. 



Abb. 1:3. Abb. 14. Abb. 15. 

Standbilder vom ehemaligen Lettner im Strafsburger Miinster. 



bare, nach einem Gipsabgufs bereits in Hasak, Geschichte der 
deutschen Bildhauerkunst im XIII. Jahrhundert, abgebildete Figur 
eines Diakons (Abb. 8) mochte ich dennoch mit Bestimmtheit der- 
selben Meisterhand zuweisen. Es wird weiter unten von diesem 
Werk die Rede sein. 

Diese Standbilder verrathen durch die Leichtigkeit und Fein- 
heit ihrer Auffassung, die spielende Fertigkeit in der Behandlung 
zweifellos eine ganz bedeutende Schulung, die in dieser Zeit nur 
in Frankreich, wenn audi vielleicht durch einen vaterlandischen 
Kiinstler erworben werden konnte. Thatsachlich lafst sich eine 
gewisse Aehnlichkeit mit einer Anzahl Bildwerke der Kathedrale 
in Rheims nachweisen, hier am Strafsburger MiinsKr bilden sie 
eine ganz gesonderte Gruppe, die sich ebensowenig air die streng 
abgeschlossene Vornehmheit der Bildwerke des siidlichon Quer- 
schiffs, wie die bereits die ubertriebene Manierirtheit der spateren 
Zeit vorahnen lassenden Figuren des Hauptportals anlehnt. Am 
meisten durften sie noch mit den besseren Arbeiten unter den 



wie sie sind, neben den besten Werken der Antike jedem Museum 
zur Zierde gereichen. 

Ein weiterer, wenn auch unansehnlicher, jedoch fiir die Be- 
stimmung anderer Theile wich tiger Fund wurde Mitte der neun- 
ziger Jahre gemacht, das Bruchstuck eines, die Spitze eines Giebel- 
feldes ftillenden Engelbildes mit Spruchband, auf letzterem auf- 
gem alt die Worte . . . . s potatur. (Lihens potatur war nach den 
alten Beschreibungen des Lettners die Inschrift im zweiten Felde 
von rechts.) Das Bruchstuck war insofern von Wichtigkeit, als es 
durch die Angabe der Giebelneigung ein vorhandenes Giebelstuck 
mit Krabben und dadurch wieder eine Reihe von andern Trtimmer- 
stucken, Krabben, Giebel- und Bogenstucke, Consolen und dergl. 
(Abb. 2—5) bestimmbar machte. Auf Grund genauer Aufnahmen der 
Bruchstticke, Aneinanderpassen derselben, wurde es mir schliefslich 
mOglich gemacht, einen Wiederherstellungsplan der Vorderwand 
( vergl. Abb. 6) zu versuchen, welcher in den wesentlichen Theilen 
wohl ein genaues Bild des Lettners ergeben diirfte. Die Sockel 



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Nr. 13. 



Die Denkmalpflege. 



105 



schicht a -b, die Wasserspeier in Htfhe von c, sowie die obere 
Briistungsschicht d—e sind Erganzungen. Die vorhandenen Eck- 
stilcke (Abb. 6) mit je zwei Baldachinen und der unteren Halfte 
der Brustungen zeigen bis zur H6he der Fuge d einen podest- 
artigen Vorsprung, welcher in seiner oberen Flache deutliche 
Spuren der Benutzung aufweist. An den aufseren Ecken zwischen 
den beiden Baldachinen ist der Anfang einer consolartig vor- 
springenden phantastischen Thiergestalt erkennbar. Es besteht 
wohl kein Zweifel, dafs an den beiden Ecken im Bereich der 




Hokfttich von O. El»el. 

Abb. 17. Diakon. (Das Lesepult erg&nzt.) 

Briistung Consolen vorhanden waren und erscheint die Folgerung 
gerechtfertigt, dafs sie in ursachlichem Zusammenhang rait den 
oben erwahnten Podesten an der Innenseite stehen. 

Ich komme auf die eigentliche Zweckbestimmung der alien 
Lettner zuriick. Wie bereits aus dem Worte (von lectorium) 
hervorgeht, war eine Hauptbestimmung desselben, als Tribiine 
fur die Vorlesung der Evangelien und dergl. zu dienen. Zu 
diesem Zweck waren auf der Briistung der Lettner, theils fest- 
stehend, theils beweglich, Lesepulte angebracht, in friiherer Zeit 
meistens zwei, fur die Epistel- und Evangelienseite. Diese Lese- 
pulte, welche beim Gebrauch mit kostbaren Decken behangt 
wurden, waren, wie uns eine Reihe erhaltener Beispiele zeigen, 
von jeher als besondercs Schmuckstflck behandelt und in mehr 
oder weniger kunstlerischer Weise ausgefiihrt. Im Naumburger 
Dom ist uns ein derartiges Schmuckstiick erhalten in der Figur 
eines jungen Geistlichen, welcher das Pultbrett zum Auflegen des 
Buches in den Handen halt, eines der besten Werke der Bildhauer- 
knnst des XIII. Jahrhuuderts (s. Denkmalpflege 1899, S. 27). In 
der bereits friiher erwahnten , mit den tibrigen Lettnerfiguren 
vom Thurin heruntergenommenen Figur eines Diakons (Abb. 8 u. 17), 



welche nach dem Brunnschen Stiche nicht bestimmt werden konnte, 
mflchte ich ursprunglich ein ahnliches Kunstwerk sehen, und 
ihm seinen Platz auf der oben erwahnten Eckconsole an der 
Briistung zuweisen (Abb. 6), wobei alsdann selbstverstandlich eine 
ahnliche Figur fiir die andere Ecke anzunehmen ist. Hierdurch 
wiirde auch in einfacher Weise das Podest an der Innenseite 
erklart sein. Die Rtickseite des Bildes (Abb. 17) ist in ganz 
besonderer Weise durch ein reiches, aufsteigendes Blattwerk 
verziert, Beweis genug, dafs sie nicht vor einer Wand oder 
Nische, sondern frei und von alien Seiten sichtbar ihren Stand 
hatte. Ferner ist, wie der Augenschein lehrt, das auf den Handen 
gehaltene Buch zweifellos eine spatere Zuthat, wahrend zwischen 
den Fingern die Reste eines Blatt ornaments (Blattconsole) sicht- 
bar sind. Brust und obere Flachen der Arme sind durch einen 
spateren Meifsel tiberarbeitet. Man sieht, dafs nichts gegen die 
Annahme spricht, in dieser Figur ein ahnliches Werk, vielleicht 
das Vorbild des Naumburger Lesepults zu sehen, welches dann in 
spaterer Zeit, als die kirchlichen Gebrauche sich anderten, fiir 
andere Zwecke umgearbeitet worden ist. 

Die samtlichen sichtbaren Flachen des Lettners waren, wie die 
Bruchstucke zeigen, reich mit Gold iiberzogen, wahrend die Hohl- 
kehlen der Profile roth, die Wand hinter den Apostelfiguren blau 
bemalt waren. Die Architektur der Baldachine zeigt in ihren 
Giebeln und Thiirmchen noch den alterthiimlichen Charakter der 
friihesten Gothik, die Kriechblumen der Giebel, die Consolen usw. 
haben bereits naturalistisches Laubwerk von meisterhafter Bear- 
beitung (Abb. 2—5), eine Console zeigt zwischen Blattwerk die am 
Strafsburger Miinster nur fur die altesten Theile des Langhauses 
bezeichnende phantastische Thiergestalt einer gefliigelten Eidechse. 
Auch die Profile (Abb. 1) weisen auf die Zeit der ersten Bliithe 
der Gothik, etwa um das Jahr 1250 und die Zeit der Erbauung 
der drei ostlichen Joche des Langhauses hin. 

Wer war der Meister dieses hervorragenden Werkes? Sein 
Name wird wohl fiir immer verborgen bleiben. Ich mdchtejedoch 
nicht verfehlen, auf eine vor einiger Zeit freigelegte Inschrift im 
Kreuzgange hinzuweisen: Hie jacet Magister Werlinus de Nordelahe. 
Die Zeichnung der Majuskeln weist entschieden auf das letzte Drittel 
des XIII. Jahrhuuderts. Ein Magister Wernlinus (was wohl identisch 
mit Werlinus sein diirfte) kommt in einer Urkunde vom Jahre 1 257 
vor (Wiegand: Urkundenbuch 307. 30). War dieser Werlinus Werk- 
meister? alsdann diirften wir in ihm den Erbauer des Langhausse 
und des Lettners sehen. Beruhen vielleicht die von Woltmann er- 
wahnten, von Kraus als Irrthum des Schreibers bezeichneten Ein- 
tragungen im Donationsbuch des Frauenwerks auf einer Ver- 
wechslung des Schaffners (Lohnherrn) Wehelinus mit dem alten 
Werkmeister Werlinus? Das sind Fragen, deren Beantwortung ich 
andern iiberlassen mtichte. Wie aber auch der Name des Meisters 
geheifsen habc, einer der grOfsten seiner Zeit war er zweifellos, der 
uns in dem Langhaus des Strafsburger Miinsters ein Werk hinter- 
lassen hat, wie es edler, harmonischer in seiner Wirkung von keinem 
andern Bau nicht einmal dem bertthmten Westbau Erwins erreicht 
wird, der, man mag noch so sehr die kiinstlerische Vollendung 
desselben bewundern, im Verlmltnifs zum Langhaus bereits den 
Stempel des Schematismus an der Stirn trftgt, und der in seiner 
ineisterhaften Ornamentirung von dem zehrt, wozu der Meister 
des Langhauses, der eigentliche Begriinder der Strafsburger 
Mc isterschule, den Grund gelegt hat. 

An eine Wiedererrichtung des Lettners an seiner ursprunglichen 
Stelle ist selbstverstandlich bei den veranderten kirchlichen Ge- 
brauchen nicht zu denken, dagegen (Jtirfte es mit Freuden zu bc- 
griifsen sein, wenn durch Schaffung geeigneter Museumsraumlich- 
keiten diesen Resten eines untergegangenen Kunstwerks cine 
wurdige Aufstellung zugeben, die MOglichkeit geboten wiirde. 

Strafsburg i. E. Knauth, Architekt. 



Die Pilzlauben und ein neu aufgedecktes Wandj?emalde in Gorlitz. 

Von Professor Dr. Jecht in GOrlitz. 



Der nOrdliche Theil des Gorlitzer Untermarktes hat durch den 
seit vorigem Jahre begonnenen Erweiterungsbau des Gorlitzer 
Rathhauses ein ziemlich verandertes Aussehen erhalten. Es sind 
die Pilzlauben gefallen, ein ehrwiirdiges und hOchst malerisches 
Bauwerk, das zweifelsohne von dem Beginne der Stadt (um 1200) 
seinen ersten Ursprung herschreibt. Diese den westlichen Theil des 
n Heringsmarktes a begrenzenden Laubengange (vergl. den Lageplan 
Abb. 5) mit den sich iiber ihnen erhebenden hochdachigen, zwei- 
geschossigen w Bierh5fen u brachten eine nulchtige architektonische 
Wirkung hervor; vornehmlich der Beschauer von Osten, der gleich- 
sam einen geschlossenen Burghof vor sich hatte, wird jetzt mit 
Schmerzen dieses eindrueksvolle Bild vermissen (vergl. Abb. 1 



und 2). Hoffen wir, dafs der Neubau, der auch Lauben aufweisen 
wird, wenigstens einigermafsen Ersatz bringt. 

Im allgemeinen trugen die abgebrochenen zwei Hauser die 
Zeichen des Barocks. Das kommt daher, weil sie in der Zeit 
dieses Stiles dreimal niederbrannten : 1642, 1691, wo 191 Hauser 
der Stadt zu Grunde gingen, und 1717, wo 400 Gebaude dem Ele- 
mente zum Opfer fielen und 2617 Personen obdachlos wurden. 
Natiirlich konnte die Macht des Feuers die dicken Laubeubogen 
und Hauptmauern nicht zerstoreu. So kommt es, dafs neben der 
hauptsachlichsten Stilart des Barocks sich einige Spuren der spaten 
Gothik und der Renaissance fanden. Das lnnere stammte wohl 
durchgangig aus der Barockzeit (vergl. Abb. 3); vornehmlich sind 



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106 



Die Denkmalpflege. 



15. October 1902. 



hier die schonen Stuckarbeiten an den Decken zu erwahnen, auch 
die Eingangspforten gehorten derselben Stilart an. Die httlzernen 
Thorfltigel des nOrdlichen Hauses Nr. 18 zeigten wunderbar schttne, 
dabei einfache Verzierungen aus der Zeit des Rococo. 

Zugleich mit den Pilzlauben wurde im Jahre 1901 das nordlich 
angrenzende Haus Jtidenstrafse Nr. 1 abgebrochen. Baulich zeigte es 



Lanze in die rechte Seite des Heilands stftfst. Aufserdem stehen 
links (vom Beschauer aus gerechnet) vorm Kreuze eine Reihe 
weiblicher Gestalten, die wohl alle einen Heiligenschein tragen. 
Das Bild ist leider sehr beschadigt, sein unterer Theil ganzlich 
vernichtet. Das Haus ist namlich ehedem, wie zahlreiche Kohlen- 
und Aschenreste beweisen, einer Feuersbrunst anheimgefallen 



Abb. 1. Biick von Osten auf die Pilzlauben hi GOrlitz. 



Abb. 2. Blick von SUden durch die Pilzlauben in Gflrlitz. 



Abb. 4. Wandmalerei aus dem Hause Judenstr. Nr. 1 in Gorlitz. 



Abb. 3. Treppenaufgang im nflrdlichen Hause der Pilzlauben 
in Gflrlitz. 

keinerlei Sehenswiirdigkeit. Dagegen wurde m seiner nflrdlichen 
Grenzmauer ein bis dahin vttllig verborgenes hflchst eigenartiges 
Wandgemalde freigelegt. Auf einer Kalkwand namlich ist die 
Kreuzigung Christ! dargestellt (vergl. Abb. 4). Zur Linken und 
Rechten sieht man die beiden Schacher am Kreuze hangen, unten 
erblickt man Kriegsknechte zu Pferde, von denen einer seine 



(s. oben). Beim Wiederaufbau veranderte man nun - die frtihere 
Geschofshtthe und ftthrte etwa am Fufse des alten Bildes eine neue 
WOlbung, deren untere breite Seite tiber die gesamte Bildflache 
sich erstreckte, auf, derart, dafs zwischen der alten bemalten senk- 
rechten Wandflache und dem Gewcilbe ein hohler Raum entstand; 
den ftillte man dann einfach durch Schutt aus, und verdeckte so 
ftir die kommende Zeit das Bild. 

Nahe liegt die Frage nach dem Alter und dem Werthe der 
Malerei. Wenn man auch sofort sieht, dafs das Bild aus der 
gothischen Zeit stammt, so habe ich doch, urn hierbei ganz sicher 
zu gehen, mir das Urtheil eines genauen Kenners, des Herrn 
Professor Dr. Thode in Frankfurt a. M. erbeten. Derselbe schreibt 



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Nr. 13. 



Die Denkmalpflege. 



107 



mir auf Grund der eingeschickten Photographie : „Das Bild 
stammt noch aus der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts. Hierfiir 
spricht die schlanke und noch in ftlterer Art typisirende Formen- 
sprache und die gerade Stellung des Gekreuzigten, das Anatomische 
in den zwei Schachern, der 

Typus der Frauen und deren Nordm. 

Kopftracht, die Form des Hei- 
ligenscheins, die mehr zeichne- 
rische als malerische Behand- 
lung und, wie ich glaube, auch 
der Charakter der Rtistung bei 
den Kriegern. Ich wtirde sagen, 
das Bild ist etwa 1420-1430 ge- 
fertigt, es kann aber nattirlich 
nur urn ungefahre Zeitbestim- 
mung sich handeln, und man 
konnte auch eine etwas spatere 
Zeit in Vorschlag bringen. Es 
scheint sich um die Arbeit eines 
nicht gerade hervorragenden 
vielmehr ziemlich handwerks- 
mafsigen Meisters zu handeln." 
— Wenn ich einer Vermuthung Raum geben darf, so ist es die, 
dafs ein gewisser Kaspar Vechsel, den ich um die Mitte des 15. Jahr- 
hunderts als Hausbesitzer nachweisen kann, sich das Bild hat malen 



Abb. 5. Lageplan 
der Pilzlauben in GOrlitz. 



lassen. Es war ein gottesfiirchtiger Mann, dem man derlei wohl 
zutrauen konnte. Das Nahere habe ich in meiner Zeitschrift, dem 
Neuen Lausitzischen Magazin B. 78 S. 204 ff. mitgetheilt, wo auch 
fiber die alten Gassen, Hausnamen und Hausbesitzer in der Nahe 
der Pilzlauben gehandelt wird. 

Somit ist sicher die vorliegende Malerei eine der al test en, wenn 
nicht die alteste in Gttrlitz. Abgesehen von Altarfltigeln, die im 
Alterthumsmuseum und in der Peterskirche stehen, kttnnte alien- 
falls noch ein Bild Kaiser Sigmunds, das jetzt im „K5nigszimmer M 
des Rathhauses h&ngt, sich an Alter messen, ein Bild, dessen Ent- 
stehung (ibrigens Lutsch in seinem „Verzeichnifs der Kunstdenk- 
maler der Provinz Schlesien" III S. 692 erst zu Anfang des 16. Jahr- 
hunderts legt. 

Leider ist es ausgeschlossen, dafs die Malerei erhalten werden 
kann. Nur der Umstand, dafs sie wohl Jahrhunderte lang hinter 
trocknem Schutte versteckt war, hat sie die Zeit einigermafsen 
(iberdauern lassen, jetzt ist die Wand Luft und Wetter ausgesetzt 
und brflckelt und springt. Zudem ist die wenig starke Wand 
Grenzmauer und mufs aus leicht begreiflichem Grunde beim Neu- 
bau einer starkeren festen Mauer weichen. Ferner ist in den 
Hundstagen 1901 — man begreift nicht weshalb — das alte Bild 
an Ort und Stelle „ restaur irt" und somit schon jetzt sein alter 
Charakter ihm benommen; sonst ware es wohl noch angebracht 
gewesen, wenigstens Theile des Bildes auszuheben und in unser 
Alterthumsmuseum zu bringen. 



Vermischtes. 



Kastl bei Amberg in Bayern hat eine 'dunkle Vorgeschichte. 
Die jetzigen Bauten rtihren in ihren alteren Theilen von dem durch 
die Grafen von Kastl 1096 gegrtindeten Benedictinerkloster her. 
Beachtenswerth ist vor allem die Kirche und der Capitelsaal. In 
ersterer wurden heuer durch das Landbauamt Regensburg Vor- 
arbeiten zu einer grundlichen Wiederherstellung gemacht, welche 
viel Bemerkenswerthes an den Tag fOrderten. Hinter einfachen, 
werthlosen Stuccaturen bargen sich romanische Capitelle und Ge- 



Das Wiederauffinden dieser Wappen ist sehr erfreulich. Die 
Pfeiler und Saulen zwischen Haupt- und Nebenschiff sind durchweg 
bemalt, doch ist die Erhaltung der Gemalde meist eine sehr schlechte. 
Auch im Presbyterium zeigten sich Bemalungen, welche die zw&f 
Apostel darstellen. Im Benehmen mit dem Generalconservatorium 
fur Kunstdenkmale und Alterthtimer Bayerns wird das k. Land- 
bauamt Regensburg nunmehr einen Wiederherstellungsentwurf aus- 
arbeiten, durch den es wohl gelingen wird, das herrlich gelegene, 

bedeutsame Bauwerk thunlichst in 
seinen frtiheren Zustand zurttckzuftih- 
ren. Erwahnt moge noch werden, dafs 
in der Kirche Schweppermann, der be- 
rlihmte Feldherr Kaiser Ludwigs des 
Bayern, begraben liegt. — m— 

Am bayerischen Nationalniusenm 
in Mttnchen sind der Architekt Jakob 
Angermair und der Maler Alois 
Mil Her in Mttnchen zu Conservatoren 
ernannt worden. 



Halle im Danziger Artushofe. 

simse von aufserst einfachen, aber merkwttrdigen Formen. Nach 
Entfernung der vielfachen Ttinchung zeigten sich reiche Bemalungen, 
die freilich sehr gelitten haben; sie rtihren zum Theil aus romani- 
scher, zum grolsten Theil aus gothischer Zeit her. Zu beiden 
Seiten im Hochschiff tiber den Bogen der Saulenstellung Ziehen 
sich Wappenreihen hin, dieselben Wappen darstellend, die in zwei 
Wappentafeln ersichtlich sind und die Aufschrift tragen: 

„Stammschilde der Grafen von Kastl, fortgesetzt durch ihre 

ganze Blutverwandtschaft und Schwagerschaft vom Jahre Christi 

975.- 

„Diese Wappen waren einst in diesem Gotteshause abgemalt; 

jetzt wurden sie zum dankbaren Andenken an die Stifter dieser 

Kirche aufs Neue bearbeitet im Jahre 1715." 



Bficherschau. 

Ffthrer durch den Danziger Artus- 
hof, Im Auftrage der vereinigten 
Banken verfafst von Dr. Paul Sim- 
son. Danzig 1902. Druck von A. 
W. Kafemann G. m. b. H. 43 S. in 8° 
mit Titelbild. Geh. Preis 50 Pf. 

Der durch sein Werk r Der Artus- 
hof in Danzig und seine Brtider- 
schaften, die Banken - in Danzig ruhrn- 
lichst bekannte Dr. PaulSimson hat 
vor kurzem auch und zwar ebenfalls 
auf Veranlassung der vereinigten Ban- 
ken einen Ftihrer durch den Dan- 
ziger Artushof geschrieben, welcher 
uns tiber den Zweck und die Ge- 
schichte dieses hervorragenden Ge- 
baudes sowie (Iber die Herkunft 
der in demselben enthaltenen Kunstwerke werthvolle Auskunft 
gibt. Was hiervon die Denkmalpflege besonders angeht, mag 
kurz wiedergegeben sein. In dem Absatz „Geschichtliches" theilt 
uns der Verfasser mit, dafs dieser Artushof in Deutschland der 
einzige noch erhaltene von den ArtushOfen ist, die in den Handels- 
stadten an der Ostseekuste im 14. Jahrhundert entstanden sind. 
Die Georgenbrtiderschaft, eine Kflrperschaft von Patriciern, erbaute 
ihn in der Zeit von 1348—1350 fur gesellige Zwecke und ritter- 
liche Uebungen. Das Gebaude bestand dam als aus einer Halle 
und einem Seitengemach. In der Nacht von dem 27. auf den 
28. December 1476 brannte die Halle des Artushof es bis auf die 
KellergewOlbe nieder und in der Nacht vom 2. zum 3. April 1477, 
also ein halbes Jahr spater, brannte auch das Seitengemach ab. 



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108 



Die Denkmalpflege. 



15. October 1902. 



Die Stadt baute alsdann einen zweiten, grofseren und prachtigeren 
Bau, welcher am 2. December 1481 vollendet war. 

Jetzt bildeten sich im Artushofe einzelne Brilderachaften, die 
von dem Beieinandersitzen auf einer Bank den Namen Banken 
erhielten. Es entstanden die Reinholds-, heilige DreikOnigs-, Ma- 
rienburger-, Christopher- oder Ltibische, Hollftndische und Schiffer- 
bank. Das Gebaude erfnhr mehrfache grOfsere Herstellungen, 
welche seinen Charakter verftnderten, so namentlich 1552 und im 
Anfange des 17. Jahrhunderts. Die Georgenbrtiderschaft, die ur- 
sprilngliche Erbauerin und Besitzerin des Hofes verliefs ihn unzu- 
frieden mit der schnellen Democratisirungj seiner Besucher, und 
griindete sich in den Jahren 1487 1494 neben dem Langgasser 
Thor ein neues Heim, die jetzige Hauptwache. Im Jahre 1742 ist 
der Artushof der Kaufmannschaft als BOrse uberwiesen worden, 
nachdem die Banken sich bereits aus demselben zu einem v5lligen 
Stillleben zurtickgezogen hatten. 

Einem anderen Zwecke diente der Artushof jedoch noch vom 
16. Jahrhundert bis zum Ende der freistadtischen Zeit: es hielten 
hier die Schttffen der Stadt an den ttffentlichen Gerichtstagen das 
sogenannte echte Biirgerding ab. Dieser Umstand ist mafsgebend 
gewesen fur die Herstellung eines grofsen Gemaldes in der Halle, 
des jtingsten Gerichtes von Anton MOller. 

Nach diesen geschichtlichen Angaben beschreibt der Verfasser 
die beiden Fronten des an zwei Strafsen belegenen, eingebauten 
Hauses. Die altere an der Brotbankengasse tragt noch den ur- 
sprtinglichen rein gothischen Charakter, wenngleich verschiedene 
Arbeiten der neueren Zeit, die letzte im Jahre 1840, manches ge- 
andert haben. Die an dem Langenmarkt gelegene Front zeigt 
.heute jedoch vorwiegend einen Renaissance - Charakter (vergl. 
Jahrg. 1901 d. Bl. S. 86). Es erinnern nur noch die Spitzbogen- 
fenster an den gothischen Stil. Im Jahre 1552 wurde dem Artushofe 
nach dem Langenmarkt zu ein neuer Giebel in den Formen der 
damals in Norddeutschland eindringenden Renaissance gegeben. 
Dieser Giebel lief nach obenhin spitz zu und ist abgebildet auf 
einem Gemalde von Anton Mailer w Der Zinsgroschen*. In der 
Zeit zwischen 1601 und 1617 hat jedoch ein erneuter Umbau statt- 
gefunden, nach dem die jetzige Front entstanden ist. Sie ist dem 
Werke als Titelblatt beigegeben und wird eingehend beschrieben. 
Die auf der Spitze des Walmes stehende Figur stellt die G5ttin 
des Ueberflusses mit dem Fullhorn dar. Die beiden Figuren 
zwischen den Pil astern des Giebels stellen die Gerechtigkeit und 
die Starke dar, wahrend die vier Figuren neben den Fenstern die 
Standbilder ues Scipio Africanus, Camillus, Themistokles und Judas 
Makkabaeus sind (vergl. hierzu auch Jahrg. 1901 d. Bl. S. 86). 

Der Springbrunnen vor der Front ist von dem Danziger 
Ktinstler Abraham von dem Blocke gearbeitet und nach dessen 
Tode 1633 errichtet. Die auf dem Brunnen befindliche Figur des 
Neptun soil ein Werk des hollandischen Meisters Adrian de Vriefs 
sein. Das Innere ist eine dreischiffige reich ausgestattete Halle, 
welche so, vvie sie heute dasteht, in den Jahren 1477-81 geschaffen 
wurde. (Vergl. umstehende Abbildung.) Die GewOlbestutzen sind 
achteckige Saulen, deren Basen von einander verschieden sind und 
deren Capitelle nicht gleiche GrOfse haben. Den Stein halt der 
Verfasser zum Theil fur Granit, zum Theil fur eine Kunststein- 
masse. Vermuthlich stammen diese Sttltzen von einem anderen 
Bauwerk, der Ueberlieferung nach von dem Schlosse des Ordens, 
welches von der Biirgerschaft Danzigs 1454 zerstOrt wurde. 

Unter den vom Verfasser anregend geschilderten Ausstattungs- 
gegenstanden faUt der grofseKachelofen auf, welcher im Jahre 1545/46 
errichtet wurde und hauptsachlich stets zum Schmucke gedient hat. 
Ein alter Berichterstatter des 17. Jahrhunderts sagt von ihm, dafs er 
stets nur „pro forma" dagestanden hat. Das im Raume befindliche 
Standbild August HI. von Polen ist 1755 von dem Danziger Bild- 
hauer Johann Heinrich Meifsner auf Veranlassung der Kaufmann- 
schaft gefertigt. Der Rath liefs im Jahre 1594 durch den aus Leu- 
warden in Friesland stammenden Baumeister und Maler Fredemann 
de Vriefs ein grofses Gemalde malen, das Orpheus, der durch sein 
Saitenspiel die Thiere zahmt, darstellt. Die Schttffen haben an 
derjenigen Stelle der Wand, vor welcher das Biirgerding abgehalten 
wurde, in den Jahren 1602 und 1603 das schon erwahnte jiingste 
Gericht auf einem 6 zu 8 m grofsen Gemalde durch Anton MOller dar- 
stellen lassen. Die ubrigen Gemalde und Figuren sind grOfstentheils 
von den Banken gestiftet. Einem jeden Besucher des Danziger Artus- 
hofes ist das kleine anregende Werk sehr zu empfelilen. Kl. 

Das Germanische Museum von 1852—1902. Festschrift zur 
Feier seines ftinfzigjahrigen Bestehens im Auftrage des Directoriums 
verfafst von Dr. Theodor Hampe, Conservator und Bibliothekar 
am Germanischen Xationalmuseum. Druck von J. J. Weber 
(lllustrirte Zeitung) in Leipzig. 150 S. in 4°. 



Als werthvolles bleibendes Andenken an die Jubeltage des 
Germanischen Museums im Juni dieses Jahres ist die im Auf- 
trage des Directoriums verf afste Festschrift erschienen, wurdig 
an Inhalt und Ausstattung der grofsen deutschen Volksanstalt 
die nach mannigfachem Wandel und Fahrnifsen bereits 50 Jahre 
bestanden hat und jetzt gefestigter und sicherer dasteht als 
je. Das Werk behandelt in ftinf Abschnitten die Vorgeschichte 
des Museums, die Zeit von 1852 bis 1862 unter Freiherr 
v. Aufsefs, die Jahre der Krisen von 1862 bis 1866. Dann das 
Museum unter August v. Essenwein von 1866 bis 1892 und 
das letzte Jahrzehnt bis 1902. In einem Anhange sind eine grofse 
Anzahl werthvoller im Besitze des Museums befindlicher Briefe 
von A. v. Humboldt, Jakob Grimm, Jak. Burckhardt, Bismarck, 
Hohenlohe, G. Freytag, Victor Scheffel, Hans v. Btilow u. a. 
wiedergegeben, die auf die Geschichte des Museums Bezug haben. 
Der „ Vorgeschichte* entnehmen wir, dafs die Eeime zum Germani- 
schen Museum bereits im Anfange des vorigen Jahrhunderts durch 
den Freiherrn v. Stein gelegt sind. Ihn beschaftigte im Jahre 
1815 der Wunsch, w den Geschmack an deutscher Geschichte zu be- 
leben, ihr grtindliches Studium zu erleichtern und hierdurch zur 
Erhaltung der Liebe zum gemeinsamen Vaterlande und dem Ge- 
dachtnisse unserer grofsen Vorfahren beizutragen." Er woUte 
ferner, wie es in einem Briefe an den Bischof von Hildesheim 
heifst, vor allem dahin wirken, „dafs die durch die Umwalznng 
des Jahres 1802 zerstreuten vielen Urkunden sorgsam gesammelt 
und gegen den Untergang aufbewahrt wttrden". Sein Plan, den er 
auch mit Goethe besprach, fand tiberall begeisterte Zustimmung. 
Eichhorn und andere Berliner Gelehrte kntipften daran bereits den 
weitern Plan einer umfassenden und system atischen Sammlung vod 
Denkmalern der Kunst und Cultur und reichten einen entsprechendeu 
Entwurf bereits im Jahre 1816 dem Staatskanzler Hardenberg ein 
„Aufser der Sammlung von historischen Quellen die geschrieben vor- 
handen sind", so hiefs es, „ist die Thatigkeit der Gesellschaft auf alles 
gerichtet, was der Nationalgeschichte angehttrt. Unter die Gegen- 
stande ihrer Untersuchung gehttren a) alle Werke der alten Kunst; 
Gebaude, Bildwerke und Gemalde ; sie verschafft sich Uebersichten 
von allem, was in der Art vorhanden ist, und ist fur die Erhaltung: 
bedacht. Auch Nachrichten von dem, was ehemals vorhanden und 
zerstflrt worden, sammelt sie, Alterthilmer jeder Art sind ihr be- 
fohlen. b) Sie sammelt und sucht alle noch erhaltenen alten 
Sitten und Gebrauche, alte Volksdichtungen, Musik, Tanz und 
dergl.; landliche Gebaude, Ackergerath, Handwerksgerath deatscher 
Art; in Zeichnungen oder Modellen; Notizen iiber die einheimiscijen 
Landwirthschaftsarten usw." Leider verhielt man sich damals 
noch gegen derartige Plane staatlicherseits ablehnend. Dagegen 
grtindete Freiherr v. Stein im Jahre 1819 in Frankfurt am Main 
einen Verein, der sich die kritische Herausgabe der Quellen zur 
alten deutschen Geschichte zur Hauptaufgabe setzte und dem das 
unlibertroffene Werk, die Monumenta Germaniae historica zu ver- 
danken sind. Angeregt durch den Frankfurter Verein, der sicli 
vornehmlich mit der eigentlichen Reichsgeschichte bef afste, wurden 
alsdann in den Jahren 1820 bis 1830 und spater eine Anzahl Ge- 
schichts- und Alterthumsvereine gegrtindet, die das Interesse an 
der Vergangenheit in bestimmten Landestheilen und einzelnen 
Stadten erweckten und wachhielten und die Liebe zum gemein- 
samen grofsen Vaterlande gefestigt haben. Dieser Kette bedeu- 
tungsvoller patriotischer SchOpfungen gliedert sich nun auch mit 
ihren Anfangen und ihrer weitern Entvvicklung diejenige Anstalt 
ein, der das vorliegende Werk gewidmet ist. Ueber die Griin- 
dungs- und Entstehungsgeschichte des Germanischen Museums ist 
an dieser Stelle (vergl. S. 57 d. J.) bereits ausfUhrlich berichtet worden. 
wir mtissen es uns daher versagen, auf den Inhalt des vortrefflichen 
Werkes weiter einzugehen. Hervorgehoben sei aber noch der 
kostbare ktinstlerische Buchschmuck, der zum Theil von Gg. 
Kellner in Ntirnberg in sinniger Weise gezeichnet ist, zum Theil 
Abbildungen wiedergibt von Kunstwerken, die sich im Besitze 
des Museums befinden. Sie bilden fur sich selbst wiederum kleine 
Kunstblatter, die ruhmlich Zeugnifs ablegen von dem hohen Stande 
der Vervielfaltigungsktinste in Deutschland. Die ersten Kunstdruck- 
anstalten sind an den zahlreichen Kupfer- und Glas-Lichtdrucken, 
Farbendrucken, Netzdrucken usw. mit mustergiiltigen Ausftihrungen 
vertreten. Willkommen ist auch die Wiedergabe alter Holzschnitte 
aus der Leipziger Illustrirten Zeitung, die in den ftinfziger Jahren 
des vorigen Jahrhunderts Darstellungen von Theilen und Innen- 
raumen des damaligen Germanischen Museums brachte. j^_ 



Inhalt: Der dritte Tug Mr Denkmalpflege in DUsseldorf. — Der ehemftlige 
Lettner im Strafeburger MUnster. — Die Pililauben und ein neu aufgedookto? 
Wandgt-mttlde in GKrlitz. — V ermi Hchtes: Kustl bei Amberg. - Ernentmng 
von Oonservatoren am baver Nationalmuseum in MUnchen. — Btirhersohan- 



FUr die Sehriftleitung verantwortlich : Otto Sarrazin i. V^ Berlin. 
Verlag von Wilbelm Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Gustav Schenck Sohn, Berlin 

Nr. 13. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrioh Schultze. 



109 



IV. Jahrgang. 

Nr. 14. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bogen. -£- Geschaf tstelie : W. Wilhelmstr. 90.— Bezug*preis 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusenflung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark ; fur das 

Ausland 8,50 Mark. Fur die Abnehmer des Ceniralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 5. Nov. 
1902. 



[Alle Rechte vorbehalten.] 



Ein Klostermuseum in der Heide. 



Wem klange nicht diese Ueberschrift fremdartig? Wer dachte 
nicht im ersten Augenblick an die Gefahr, dafs hier leicht Poesie und 
Wirklichkeit zu einem Bilde verschmelzen konnten, das in die Spalten 
dieser Zeitschrift nicht passt. Und doch erscheint der Titel dieser 
kleinen Arbeit berechtigt. Er hat dem Unterzeichneten bei seinen 
wiederholten Wanderungen durch die Liineburger Heide und bei 



wahrleistet ist. Fur diesmal soil uns nur das Kloster Wienhausen 
besch&ftigen, von dem bereits allerlei Anregungen und Aufnahmen 
in die Welt hinausgetragen worden sind. 1 ) 

Man erreicht Dorf und Kloster Wienhausen von Celle aus 
durch einen Privat-Omnibus in etwa \ l j 2 Stunden. Wer die Heide 
liebt und riistig zu Fufs ist, geht am besten durch die „Blumlager 



Abb. 1 . Kloster Wienhausen bei Celle. Abb. 2. Ansicht des vorm. Nonnenchors im Kloster Wienhausen. 

(Aus: Mithoff, Archiv fiir Niedersachsens Kunstgeschichte, 2. Abth.) 



seinem Ofteren langeren Verweilen in Wienhausen i. H. stets als 
die treffendste Bezeichnung fiir das, was er gesehen, vorgeschwebt. 
Im norddeutschen Tieflande gibt es da und dort versteckt noch 
einige Statten, wo verschiedenartige Ueberreste eines mittelalter- 
lichen Kunstfleifses (namentlich Glasmalereien) wohl erhalten sind, 
und sich das Gemeinschaftsleben der Klosterinsassen in einer ge- 
wissen Weise fortgesetzt hat bis auf den heutigen Tag. Letzterem 
Umstande verdanken wir es vielleicht, dafs in den seit der Re- 
formation zu je einem evangelischen Frauleinstift umgewandelten 
ehemaligen KlOstern Wienhausen, Ebstorf, LUne, Medingen 
usw. in der Provinz Hannover die Htitung der tiberkommenen 
Alterthtimer noch zu den Obliegenheiten der jeweilig vorstehenden 
Aebtissin bezw. der fur einen gewissen Zeitraum hierfttr ernannten 
Mitschwester gehOrt. Es ist zu bemerken, dafs die je und dann 
von Fachkundigen mit Vorsicht oder auch mit rtickhaltloser Freude 
geaufserte Werthschatzung sichtliches Behagen bei den Conven- 
tualinnen weckt, und dafs damit auch die Fortdauer solch lOblicher 
Bethatigung der Denkmalpflege bis zu einem gewissen Grade ge- 



Vorstadt" auf der breiten Landstrafse, die weiterhin durch kleine 
Dflrfer und GehOfte, dann eine lange Strecke durch dichtes Ge- 
h(5lz hindurch und endlich gegentiber den Bockelskamper Fichten- 
waldungen nahe an den stillen Weihem und ausgedehnten Park- 
anlagen des Klosters vorbeiftihrt. Auf der nordOstlichen Seite 
fliefst in tragem Lauf die AUer vorbei, gleich dahinter breitet sich 
die Heide weiter aus, hier erst mit all den Erscheinungen, die ihr 
Duft und Reiz verleihen, wahrend Wienhausen, nur von einem 
ganz kleinen Nebenarm des genannten Flusses berUhrt und, von 
Wiesen und Buschwerk umsaumt, wie eine liebliche Oase inmitten 
eintOniger Umgebung daliegt. Still und freundlich sind auch die 

1 ) Vergl. H. W. H. Mithoff: Archiv f. Niedersachsens Kunst- 
geschichte 2. Abthg.: Das Kloster Wienhausen bei Celle. Han- 
nover 1849. — J. Leasing: Mittelalterliche Wandteppiche. Berlin, 
E. Wasmuth. — Borrmann, Kolb und Vorlaender: Aufnahmen 
mittelalterlicher Wand- und Deckenmalereien. Berlin, E. Wasmuth. 
— H. Kolb, Glasmalereien des Mitt el alters und der Renaissance. 
Stuttgart, K. Witwer. 



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110 



Die Denkmalpflege. 



5. November 1902. 



ackerbautreibenden Bewohner, die mit dem Kloster 
auf guteni Fufse stehen und in mehr als einer 
Beziehung von diesem freundnachbarlichen Ver- 
haltnifs Vortheil Ziehen. Zu stillem Versenken in 
die Vergangenheit, zu poetischem Genufs des 
Naturlebens, an Sommertagen oder im Herbst, 
wenn die Schleier des Moorrauches von Norden 
her iiber die noch bliihende Heide Ziehen und 
die Farben noch milder herabstimmen, ist wohl 
kaum ein Ort so geeignet, wie das lauschige Wien- 
hausen, dessen Frauenkloster einst durch seine 
vielen Beziehungen zu der hohen hildesheimischen 
Geistlichkeit und den vornehmen Familien in 
Celle, Ltineburg, Braunschweig usw. bis zur Refor- 
mation den Mittelpunkt des religiOsen Lebens in 
jener Gegend bildete. Alles geht in gedampftem 
Ton. Der Wanderer hOrt kaum seinen eigenen 
Schritt, wenn er iiber die weichen sandigen Wege 
langsam dahinschreitet. Das Getriebe der Stadt 
und der Eisenbahn liegt fern ab, Grofsgewerbe 
ist nicht vorhanden. Nur eine Mtihle lafst, vom 
sanftgleitenden Wasser getrieben, dicht am Kloster- 
hof das melodische Rauschen ihrer Rader httren; 
oben auf den Schornsteinen klappert der Storch, 
der hier in den stehenden schilfbesaumten Ge- 
wassern reichliche Nahrung findet, und in dem 
herrlichen alten Park (dem fruheren Jagdschlofs- 
garten der Herzflge von Celle), der das Kloster von 
zwei Seiten umgibt, hOrt man das Zwitschern und 
Zirpen der Vflglein. TOnt noch am Sonntag Morgen 
der Kirchengesang zu einem solch schattigen, lau- 
schig verborgenen Platzchen herttber, das zugleich 
einen Durchblick in die traumerische Feme ge- 
wahrt, so ist die Stimmung vollendet, um nun 
auch tief und anheimelnd die Werke bildender 
Kunst auf sich wirken zu lassen, die hier Schutz 
und Dauer gefunden. Doch bevor wir uns diesen 
zuwenden, wollen wir die Geschichte des Klosters 
kurz an uns vortiberziehen lassen. 

Der Name Wienhausen (urspriinglich Hugin- 
husen, Hugwinhusen, spater Wynhusen und Wein- 
hausen geschrieben) kommt zuerst im Jahre 1022 in 
einer Stiftungsurkunde des Bischofs Bern- 
ward, beztiglich des Klosters St. Michael is 
in Hildesheim, vor. 2 ) Im Jahre 1057 wird 
Wienhausen unter den publicis ecclesiarum 
parochiis genannt, war also damals schon Sitz 
eines ArchJdiakonus (s. Bettinghaus, a. a. 0.). 
Das Landgut Wynhusen im Gaue Flutwide 
hat ehedem zum Kloster Fulda geh5rt — 
„in comitato videlivet Brunonis comitis et 
in pago Flotwida situm" — (Urk. d. K. 
Heinr. III. v. 2. Marz 1052). 3 ) Es wurde 1052 
von Heinrich III. eingetauscht und dem 
hildesheimschen Bischof A z e 1 i n geschenkt. 4 ) 
Man nimmt an, dafs schon in vorchristlicher 
Zeit hier eine Opfer- und Dingstatte ge- 
wesen sei. Die Herzogin Agnes, zweite 
Gemahlin von Heinrich dem Jttngeren, f 1227 
( Herzog zu Sachsen und Pfalzgraf am Rhein, 
Sohn Heinrich des LOwen) und Tochter des 
Markgrafen von Meifsen und Landsberg, 
griindete mit Genehmigung des hildesheimi- 
schen Bischofs Konrad II. i. J. 1233 das 
Kloster Wienhausen fiir die heiligen Jung- 
frauen vom Cistercienser-Orden. Ftir die An- 
nahme, dafs Agnes das Kloster zuerst (schon 
um 1220) in Nienhagen a. d. Fuhse (unweit 
Celle) gegrlindet und dann der dortigen 
ungesunden Verhaltnisse wegen nach Wien- 



Abb. 3. Reste alter Glasmalereien im Kloster W T ienhausen. — Aufgenommen von 

O. Vorlaender. 



2 ) Vergl. Bettinghaus: Zur Heimaths- 
kunde des Luneburger Landes I. Theil. S. 14. 
Verlag von Stroeher, Celle, 1897. — H. W. H. 
Mithoff: Kunstdenkmale u. Alterthtimer im 
Hannoverschen. Hann. 1877. 4. Bd. S. 273. 

3 ) Vergl. BOttger: DiOcesan- u. Gaugrenzen. (Hann. 1874.) 
II. Abthg. S. 333, 336, — (de banno Winhusen) 337 u. 338 — und 
Kavser „Die reform. Kirch en visitationen in den welfischen Landen 
(1542-44). HI. Th. S. 459. — Zeitschr. des hist. Ver. f. Nieder- 
sachsen. Jahrg. 1863. S. 1 134. — Bottgcr: Bmnonen 198-220. 



Abb. 4. Wandteppich im Kloster Wienhausen bei Celle. Geschichte von Tristan 
und Isolde. (Obere Ecke des Teppichs). — Aus: Lessing, Mittelalterliche Wandteppiche. 

4 ) Vergl. Origin, im Kgl. Staatsarchiv v. Hann. s. R. — Domstift 
Nr. 19. Gedr. bei S. Stumpf (Originibus Guelf.) IV. 421. — Stein- 
dorff, Jahrb. d. D. Reichs m. Heinr. III. Bd. II. S. 167. — Mithoff, 
a. a. O S. 73. — LitntzeL Die altere Diocese Hildesheim, S. S4, 119, 
125, 177 u. ff. 



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Nr. 14. 



Die Denkmalpflege. 



Ill 



hausen verlegt habe, sind keine sicheren Belege vorhanden (nur 
in einer ungedr. Kl. Chronik ist etwas davon erwahnt). ri ) Im 
Kloster-Archiv befindet sich die vom Bischof als Reichsfurst 
unterzeichnete Stiftungsurkunde, sie ist u. a. abgedruckt in „Vater- 
l&ndisches Archiv oder Beitrage zur allseitigen Kenntnifs des 
KOnigreichs Hannover, wie es war und ist", herausgegeben v. Spiel, 
I. Bd. Jahrg. 1819, S. 289-291. «) Durch sie wird das neue 
Kloster mit Gtitern und besonderen Gerechtsamen ausgestattet. 
Es wird ferner der heiligen Gemeinschaft, als Nachfolger in den 



Bischofs zu empfangen hat. Die neue Stiftung wurde von den 
hildesheimischen Bischftfen Konrad, Heinrich, Johann, sowie von 
den braunschw. lttneburgischen HerzOgen bezw. Herzoginnen mit 
Gutern und Rechten reich ausgestattet (s. Sudendorf u. a.). 
Dagegen soil die Herrschaft eines Vogtes unterbleiben. — 
Wahrscheinlich wurde in den Jahren 1305 1306 unter Propst 
Konrad von Horn (an anderer Stelle v. Here genannt) die Kloster- 
kirche erbaut, die sp&ter durch die umfassenden Malereien an 
Wilnden und Decken so bekannt geworden ist. 7 ) Weiterhin be- 




Abb. 7. Kloster Wienhausen nach Merian (1654). 



1. Klostergeb&ude. 2. Klosterkirche. 3. Kirche der Geineinde. 

4. Aebtissin-Wohnung. 5. Neuere Wohnungen ftlr Conven- 
tualinnen. 6. KJosterknechtswohnug. 7. Nebengebftude des 
Klosters. 8. Vorhof. 9. Kleinerer Klosterhof. 10. GroTnerer 
Klosterhof. 11. Hinterhof. 12. Garten. 13. Bleiche. 14. Klo- 
utergeholz. 15. Wohnung und Nebengeb&ude des Beaniten. 

16. Glockenhaus. 

Abb. 6. Lageplan des Klosters Wienhausen. 

frtiheren Archidiakonats-Befugnissen, ein Propst vorgesetzt, der 
die jedesmalige Best&tigung aus den Hftnden des jeweiligen 

5 ) Vergl. Pfeffinger I., 79. — Manecke, St&dte u. Aemter in 
Luneburg, S. 318 ff. — Gorges, Vaterl. Gesch. u. Denkw. Braunschw. 
1845, 3. Jahrg., S. 242 ff. 

6 ) Vergl. ferner: Luntzel, Geschichte der DiOcese Hildesheim, 

5. 106, 291, 299 ff. — PergamentrActen des Pfarr-Archivs in Wien- 
hausen, 1346 1513. — Bettinghaus, a. a. 0. S. 25 ff. — Mithoff, a. a. O. — 
Hoogeweg, Urkundenbuch d. Hochstifts Hildesh., Bd. VI, 2. Th. 
Lenkefeld S. 715. — Pfeffinger, Braunschw. Historie, I., 75. — Spiel, 



schenkte Herzog Otto das Kind dieses Kloster mit reichen 
Gtitern im Ltineburger Lande. Im Jahre 1239 wurden die 
meisten Geb&ude des pr&chtig erstandenen Klosters vollendet und 
ihrer Bestimmung Ubergeben. In Gegenwart der Herzogin Agnes, 
mit ihrem Hofstaate, vielen Rittern und Edlen, einer Anzahl Geist- 
licher, und unter Theilnahme einer grofsen, von nah und fern 
herbeigestrOmten Volksmenge, hielten die ersten edlen Nonnen, 
die aus dem Jungfrauenkloster Wiltingerode (nach G6rges: 
WOltingerode) bei Goslar gekommen, unter Ftihrung des Propstes 

Vaterl. Archiv, I., S. 289. — Antiquit. Katelnburg, Anh. S. 124. — 
Antiquit. Poeld. S. 102. — Manecke 1858, S. 318 ff., Hist. Beschr. d. 
Stadte usw. — Doebner, Urkundenbuch d. Stadt Hildesheim, Bd. 1. 
— Sudendorf, Urkundenbuch d. HerzOge v. Braunschweig u. Lune- 
burg. 

7 ) Vergl. die farb. Aufnahmen von Ludger Schroer, im preufs. 
Staatsbesitz. — Vergl. auch die Chronik im Kloster, ferner Mithoff, 
a. a. O. und Borrmann, a. a. 0. Lief. 1, 2, 4, 6. 



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112 



Die Denkmalpflege. 



5. November 1902. 



Werner und der Aebtissin Ebdesche (Domina Eveza) ihren 
feierlichen Einzug. 8 ) Im Jahre 1309 erhielt das der h. Jung- 
frau Maria und den hh. Laurentius und Alexander als Schutz- 
patronen geweihte Kloster an Zuweisungen das Dorf Oelerse, 
das Dorf Plockhorst und die Kirche in BrOckel (vergl. Mithoff, 
a. a. O. S. 274). 

Einzelne Sagen iiber Wienhausen und sein Kloster, die sich 
noch ziemlich lange erhielten, k5nnen wir hier tibergehen, ebenso 
die Mittheilungen tiber Verwaltung und Einrichtung des Klosters bis 
zur Reformation, die im Jahre 1469 von Herzog Otto dem Sieg- 
reichen vorgenommen wurde. Die damalige Aebtissin Katha- 
rina (aus dem Geschlechte der Grafen von Hoy a) leistete mit ihren 
Jungfrauen entschiedenen Widerstand, wurde aber vom Herzoge 
abgesetzt und einstweilen nach Derneburg abgefiihrt. In dem 
Zeitraum von 1529—49 hat Herzog Ernst die Reformation in Aus- 
ftihrung der Scharnebecker Landtagsbeschltisse eingeftihrt, zugleich 
aber den Propst mit alien Propsteibedienten des Dienstes entlassen 
und ihre Einkunfte bis auf die zur Unterhaltung der Kirchen und 
Kirchendiener ausgesetzte, zu den landesherrlichen Domanen ge- 
zogen. 9 ) Das Kloster wurde dann in ein weltliches Fr&uleinstift 
verwandelt und besteht als solches noch jetzt. Das Verzeichnifs 
der PrOpste zahlt bis zum Jahre 1521 etwa 39 Namen auf, das 
der Aebtissinnen bis 1549 nur 21. 10 ) Nun zurlick zu den Gebauden 
selbst. 

Man geht vom Dorfe her in der Regel iiber den schon er- 
wahnten ttstlichen Vorhof ins Kloster (Abb. 6 u. 7). Er tr&gt den Namen 
Fabian, zur Erinnerung an eine Capelle, die hier von der Mitte des 
14. Jahrhunderts bis zum Jahre 1531 gestanden hat und unter der 
Aebtissin Luitgard, um die Pest abzuwenden (Bettinghaus, a. a. 0. 
S. 44 I. Th.), errichtet und den hh. Martyrern Fabian und Sebastian 
gewidmet worden war. Jetzt grenzen an diesen Platz nOrdlich 
Wirthschaftsgeb&ude an, in denen hin und wieder auch Ver- 
wandte der Klosterdamen vortibergehend gastliche Aufnahme 
finden. Den unteren kreuzgangartigen Hallen der eigentlichen 
Klostergebaude entsprechen oben weifsgettinchte Flure, deren 
Fenster den Ausblick in die inneren umbauten HOfe gestatten. 
In diese Fenster auf dem nordlichen Flure sind eine Reihe von 
Resten alter Glasmalereien eingelassen, die ehemals an verschie- 
denen anderen Stellen (theilweise vielleicht auch in dem spater 
neu verglasten grofsen Westfenster) sich befanden und unter dem 
Beirath des kiirzlich verstorbenen Geheimen Regierungsraths Pro- 
fessor C. W. Hase in Hannover von der zeitigen Aebtissin in sehr 
verstandiger Weise zum Schmucke der sonst ziemlich kahlen Flure 
bestimmt wurden. Die figiirlichen sowohl wie die ornamentalen 
Scheiben deuten auf die Zeit bald nach der Erbauung des Nonnen- 
chors, d. h. auf den Anfang des 14. Jahrhunderts. Wir finden in den 
K5pfen und in der Faltengebung der Ge wander, wie besonders in 
dem Flachenornament einiger Graumalereien (s. Abb. 3) dieselbe 
strenge Linienflihrung wie bei den Wandmalereien in der Kirche, 
doch ist der frtihgothische Charakter hier noch entschiedener aus- 
gesprochen als dort. (Vergl. Abb. 2.) Am Eingange zur vorerwahnten 
Kirche erinnert ein an der Wand aufgerichtetes Flachbild (ohne 
eigentlichen Kunstwerth) an die Stifterin Pfalzgrafin Agnes. 

Das Innere, eine einschiffige Klosterkirche, die sich westlich 
an die Gemeindekirche anschliefst (Abb. 2), ist als eine hervor- 
ragende Sehenswiirdigkeit und fiir Freunde mittelalterlicher Kunst 
als ein Studienfeld ersten Ranges zu bezeichnen und rechtfertigt 
allein schon die Ueberschrift, die wir unserer Abhandlung hier 
gegeben haben. Eine grofsartige Folge von Darstellungen aus 
dem alten und neuen Testament tritt in vorztiglicher Beleuchtung 
dem Beschauer entgegen. Die biblia pauperum liegt aufgeschlagen 
vor uns. Wir sehen alle freiliegenden Wandflachen, gleich von der 
H6he des Gestiihls an beginnend, sowie die GewOlbe tlberall bemalt 
(Abb. 2). Diese Malereien bieten das seltene Beispiel einer voll- 
standigen „in alien Theilen" einheitlichen Decoration frtihgothischen 
Stils. 11 ) Die Gewftlbekappen enthalten in Kreisfeldern Darstellungen 
aus dem Leben und Leiden Christi, und an den Wanden folgen 
in zwei Reihen Ubereinander in rechteckigen Feldern, die wage- 
recht durch langgestreckte Friese mit streng stilisirtem Laubwerk 
getrennt sind, Bilder aus den Legenden der Martyrer und Hei- 
ligen. Dazu sind samtliche Rippen, GurtbOgen, Leibungen und 
Flachnischen in der einfachen kraftig wirkenden Weise, zum Theil 

«) Vergl. Bettinghaus, a. a. 0. S. 28 u. ff. 

9 ) Vergl. Kayser: „Die reformat. Kirchenvisitationen in den 
welfischen Landen. III. Th. S. 451. — Heger, Hannover 1888, 
S. 1414. 

10 ) Vergl. Bftttger, i. d. Zeitschrift des histor. Vereins f. Nieder- 
sachsen. Jahrg. 1855. S. 183-259; — ferner den im Kloster- A rchiv 
befindlichen Nekrolog von etwa 1470 ab. 

11 \ Vergl. Borrmann, im Text zu Liefg. 1. 



mit schwarzen Grttnden und mit starker Betonung der Umrisse 
bemalt. 12 ) 

Im Ornament wirkt noch romanische Ueberheferung nach, 
doch tritt an die Stelle des romanischen Rankenwerks das stren* 
stilisirte aber lebensvolle frtihgothische Blattwerk. 13 ) Es wechseln 
die bekannten Motive von Epheu, Ahorn, Eiche, Wein, Lilien, 
Rosen usw.; bei groTseren Flachenausbreitungen ist das Ornament 
mit vorztiglich stilisirten Thierfiguren durchsetzt. Die Figuren 
der biblischen Bilder sind, namentlich in den Kreisflachen der Ge- 
wttlbemalerei, in etwas gedrungenem Mafsstabe gehalten, dabei 
aber durch weg sehr geschickt in den Rauti hineincomponirt. Von 
Gold ist nirgends mehr Gebrauch gemacht worden. Es waltet 
trotz der Haufung von Motiven auf einem verhaltnifsmafsig kleinen 
Raum, in der gesamten Malerei Ruhe und Klarheit. Die Wieder- 
herstellung ist seinerzeit der ursprtinglichen Wirkung wohl nicht 
ganz gerecht geworden In dem jetzigen Zustande sind gewisse 
Harten nicht zu ttbersehen, wie dies schon in den sonst sehr 
tiichtigen Aufnahmen des frttheren K5lner Malers LudgerSchroer 
zu erkennen ist. Wenn wir nicht irren, haben auch Welter und 
Lohse (beide aus K(5ln) einst hier gemalt. Von den in der Stid- 
wand erhaltenen alten Glasmalereien ist ein Fenster farbig wieder- 
gegeben in H. Kolb. a. a. 0., ferner zwei andere, darunter das figtir- 
liche mit den H. H. Georg und Alexander, in Mithoff a. a. 0. Es 
wechseln in ersterem in rautenf Oraiigen Feldern strengstilisirte Adler 
mit Rosetten. 

Uebrigens birgt die Kirche noch andere werthvolle Schatze 
mittelalterlicher Kunst, vor allem in einer zwar kleinen, aber 
unter der sorgsamen Pflege der Damen aufserordentlich wohl- 
erhaltenen Sammlung von Wandteppichen. Vor ein paar Jahren 
hat der Director des Hamburgischen Museums, Herr Dr. J. Brink- 
mann, durch seine Ttfchter eine wohlgelungene Nachbildung des 
interessantesten dieser Teppiche, der die Geschichte von Tristan 
und Isolde in drei Figurenfriesen darstellt, im Kloster her- 
stellen lassen und dann in der letzten Pariser Weltausstellung 
sowie in Berlin zur Anschauung gebracht. Zu derselben Zeit 
hat der Maler Kutschmann aus Berlin, auf Veranlassung des 
Directors des KOniglichen Kunstgewerbemuseums in Berlin Geheim- 
rath J. Lessing, eine sehr gewissenhafte Aquar ell- Aufnahme von 
einem Theile dieses kostbaren Vermachtnisses mittelalterlicher 
Textilkunst gemacht, die in dem neuesten Werke Lessings: Ueber 
mittelalterliche Wandteppiche (Verlag von E. Wasmuth, Berlin) in 
getreuem Farbendruck bereits erschienen ist. Die Flache ist durch 
vier Bogenstreifen mit schraggestellten Wappenschildern in drei 
Figurenfriese getheilt, in denen, von oben links beginnend, auf 
blauem Grunde in aneinandergereihten Scenen die Geschichte von 
Tristan und Isolde erzahlt wird. Rechts und links ist das Ganze 
von Borten mit grtinen Ranken, weifsen und rothen Rosen aui 
gelbem Grunde eingefafst (vergl. Abb. 4). Aufserdem sind noch 
vorhanden : ein grofser Teppich mit Darstellungen aus der Legende 
der he il. Elisabeth, ein grofser Teppich mit biblischen Dar- 
stellungen, vorwiegend alttestamentlich, ein Teppich mit der 
Legende vom heil. Thomas, ferner der sogen. Prophetenteppich, 
ein kleiner Teppich mit einem Jagdzug, und endlich ein grofser 
Rococoteppich, einen Kampf zwischen Habicht und Taube ent- 
haltend und in vorwiegend blauen und grtinen Farben. In dem- 
selben Zusammenhang nennen wir gleich noch das sogen. Hunger- 
tuch, von durchsichtigem Stoff und mit Darstellungen von Christi 
Geburt und Jugend, sowie verschiedene Antependien und 
Hostientaschen. Die Teppiche sind in dem Mithoffschen 
Folio werke von 1849 (s. oben) auf Taf. VI bis einschl. X farbig 
wiedergegeben. Auf dem Nonnenchor (Abb. 2) befindet sich auch 
der prachtige Sarkophag, dessen Malereien auf Goldgrund ebenso 
wie die auf Goldgrtinden gemalten Figuren und Ornamente der 
vier von der Aebtissin Katharina von Hoya gestifteten Candelaber 
im Jahre 1894 von den Malern Mittag und Olb ers in Hannover 
wiederhergestellt wurden. Aufserdem werden in der Kirche noch 
vier Abendmahlskelche gezeigt. Weitere zahlreiche Schenkungen 
an kirchlichen Werthstticken, namentlich auch Glasmalereien fur 
das ehemals an Stelle des jetzigen Remters vorhanden gewesenen 
Sommer- und Winter - Refectorium, sind in der obenerwahnten 
Chronik bezw. in dem Nekrolog der Aebtissinnen und Propste auf- 
geftihrt und bei Mithoff, a. a. O. Bd. IV, mitgetheilt. 

VOllig den Eindruck eines kleinen Museums macht indes im 
Obergeschofs des den ttstlichen kleinen Klosterhof abschliefsenden 
Fltigels der Capitelsaal, in den man, aus der Kirche zurucktretend, 



12 ) Vergl. u. a. auch die Deutsche Bauzeitung, Nr. 25, Jahrg. 1895 
S. 158, ferner Mithoff, Archiv f. Niedersachsens Kunstgeschichte 
Abth. II. 

13 ) Borrmann, Text zu Liefg. 1. 



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Nr. 14. 



Die Denkuialptlege. 



113 



Abb. 1. Ansicht vom „Weiter- 
Krambuden". 



Abb. 2. Ansicht vom 
„ Schusselbuden u . 



Abb. 1-3. 



Abb. 3. Ansicht vom Marienkirchhof. 
Entwurf von E. u. R. Bin nek in Berlin (II. Preis). 



Wettbewerb fur den Bau eines Wohnhauses am Marien- 
kirchhof in Liibeck. 

vom sudlichen Flur aus gelangt. Hier sind eine grofsere Anzahl 
mehr oder weniger werthvoller Ueberbleibsel aus frtiherer Zeit 
wohl geordnet aufgestellt, darunter ein kleiner Altar, zwei lebens- 
grofse geschnitzte und bemalte Gewandfiguren, mehrere Bilder 
in alten Rahmen, zwei gothische geschnitzte Truhen, Saulchen 
mit Malereien auf Goldgrund, ein grofser aus Holz gearbeiteter 



Sarkophag mit bemaltem Deckel usw. Am meisten fesselt ein 
nach zwOlfeckigem Grundplan gebildetes, in Holz geschnitztes 
und mit Metallzuthaten versehenes Gehause aus frtihgothischer 
Zeit, das urspriinglich wohl zu Beleuchtungszwecken gedient haben 
mag. Der dazu gehOrige jetzt lose nebenan liegende broncene 
Deckel von etwa 60cm Durchmesser mit durchbrochenen Orna- 
menten in wundervoller Zeichnung (Abb. 5) zeigt dieselbe straffe 
Stilisirung, die jene gemalten Ornamente in der Kirche auszeichnet. 
Es ist in Abb. 5 nur die eine Halfte wiedergegeben. In den mit 
Butzenscheiben versehenen kleinen Fenstern des Capitelsaals sind 
noch mehrere Wappenscheiben eingelassen; sie zeigen die 
Wappen verschiedener Adelsgeschlechter; ihre Malereien auf Glas 
gehftren, wie die meisten sogen. Schweizerscheiben, der Verfallzeit 
an. Zu beachten ist ferner die niedrige Holzdecke dieses Saals, 
die mit ihren schweren Langsbalken auf einem einzigen Unter- 
zuge und einer einzigen Sttitze in der Mitte ruht. Alle Bohleu 
und Verschalungsbretter tragen ornamentale Malereien, 
leicht und flott aus der Hand gemalte Rankenztlge im Charakter 
der Spatgothik. Das Weinrankenmotiv herrscht vor. Die Balken 
zeigen spatgothische Laubstabe. 14 ) 

Zum Schlufs erwahnen wir noch die Ausstattung des Getafels 
einer Zelle, wohin man auf einem langen, mit zahlreichen schweren 
aber schmucklosen Truhen besetzten Flur gelangt, mit gedruckten 
Intarsien (Holzschnitt-Abdrucken auf Papier), ganz ahnlich der 
eigenthttmlichen Decoration in der Stanzer Stube des Schweizer 
National-Museums in Zttrich. In der Allerheiligen Capelle endlich 
sind noch ziemlich erhaltene Frescomalereien, die hoffentlich auch 
noch in dem Borrmannschen Werke Aufnahme finden werden. 
Sie stellen auf den vier Kappen des Gewolbes den segnenden 
Christus sowie je drei Engel mit Schriftrollen dar und sind nicht 
restaurirt. In den Fenstern alte Glasgemalde mit der Verktin- 
digung, Auferstehung und dem Erzengel Michael. Eine genaue 
Beschreibung der Gebaude und der HOfe gibt Mithoff in den oben 
erwahnten Werken. 

Wir kttnnen diese Betrachtung nicht schliefsen, ohne des 
freundlichen Entgegenkommens auch der jetzigen Klosterinsassen 
und der gutigen Mittheilung verschiedener hier benutzter Quelleu 
durch die jetzige Frau Aebtissin dankbar zu gedenken. Vor 
allem aber sei an dieser Stelle der aufrichtigsten Verehrung 
und Dankbarkeit Ausdruck gegeben, die wir und mit uns wohl 
alle hier einmal eingetretenen Freunde mittelalterlicher Kunst 
im Andenken an Fraulein Danckwerts empfinden, an jene alte 
treue Httterin dieser Schatze, die am Abend des letzten Oster- 
festes im Alter von 91 Jahren ihre endlich mttde gewordenen 
Augen schlofs und in die Ewigkeit hiniiberging, wohin ihr Herz 
schon manchmal voraufgeeilt war. Mit welch liebender Sorgfalt 
und mit wie hoher geistiger Regsamkeit diese alte Dame, trotz 
ihrer Jahre, dem ihr anvertraut gewesenen Amte sich widmete, 
und wie sie es so gern sich dabei zur Aufgabe machte, den 
studirenden Besuchern Annehmlichkeiten zu bereiten, das wird 
jedem unvergessen bleiben, dem diese ehrwtirdige Erscheinung 
ofter begegnet ist. Besonders in der Klostertracht, die sie Sorin- 
tags, wie die anderen Damen in der Kirche, zu tragen pflegte, 
kamen diese Ziige auch aufserlich zum Ausdruck, zu dem die 
Raume des Klosters nur den stimmungsvollsten Hintergrund ab- 
geben konnten. 

Barmen. O. Vorlaender. 



14 ) Vergl. Borrmaun, Aufnahmen mittelalterl. Wand- und 
Deckenmalereien. 9. Liefg. 



Zwei Lttbecker Wettbewerbe zur Erhaltung des Strafsenbildes. 



i. 

Seitdem vor zwei Jahren der Elbe-Trave-Canal den einzigen 
nattirlichen Damm durchstochen hat, der die von Wasser umgebene 
alte Stadt Ltibeck mit den jenseitigen Ufern verband, ist die Stadt 
eine vollkommene Insel geworden. Breite, zum Theil zu Hafen 
ausgebaute Wasserflachen und ahnsehnliche Reste der Stadtum- 
wallung trennen, mehr als in anderen Stadten, die Vorstadte von 
der alten Stadt. Mehr als anderswo haben sich daher diese neuen 
Stadttheile, die an Einwohnerzahl der inner en Stadt ziemlich gleich 
kommen, sie an Umfang aber erheblich ubertreffen, den Charakter 
der „Vorstadt" bewahrt, und wenn es auch keinem Zweifel unter- 
liegen kann, dafs diese Vorstadte gerade wegen ihrer scharf aus- 
gepragten Trenuung von der Altstadt sich zu ziemlich selbstandigen 
Gemeinwesen insofern entwickeln werden, als sie sich alle diejenigen 
Einrichtungen selbst werden schaffen miissen, die ftir eine neu- 
zeitliche Stadt erforderlich sind, so sind sie doch heute in fast 
alien Beziehungen des Offentlichen Lebens noch auf die innere 



Stadt, als ihre Nahrmutter, angewiesen. Es war daher unaus- 
bleiblich, dass in dem Mafse, wie die Vorstadte wuchsen, in der 
alten Stadt ein immer grOfseres Bedtirfnifs nach Platzen fttr Offent- 
liche Gebaude aller Art sich geltend machte. Unter diesen Um- 
standen ist es ein glticklicher Zufall, dafs die im tibrigen sehr 
dicht bebaute Stadt in ihren alten KlOstern grofsere Flachen be- 
safs und noch heute besitzt, die noch unbebaut sind. 

Auf dem Grundstiick des Katharinenklosters erhebt sich der 
vor etwa 15 Jaliren aufgeftihrte Neubau des Gymnasiums und auf 
dem des Burgklosters ist vor wenigen Jahren das neue Gerichts- 
gebaude erstanden. Jetzt hat man sich entschliefsen mttssen, auch 
das grofse Gelande des im Jahre 1177 als Benedictiner-Abtei ge- 
griindeten St. Johannisklosters aufzutheilen, ja sogar durch Ankauf 
eines frtiher zu ihm gehftrigen Grundsttickes zu vergrofsern, um 
Raum ftir den Bau der Hauptfeuerwache und eines Reform-Real- 
gymnasiums zu schaffen. W&hrend es bei der Bebauung der beiden 
erstgenannten KlOster gait, sehr bedeutende und schOne Reste der 



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114 



Die Denkmalpflege. 



5. November 1902 



alien Klosterbauten zu erhalten, so wurde der Entschlufs, nun 
auch dem Johanniskloster zu Leibe zu gehen, durch solche Rtick- 
sicht nicht erschwert. Von dem mittelalterlichen Bau ist nichts 
erhalten, als ein langes einfttrmiges Gebaude, von dem nur die 
Reste eines alten Treppenthurmes und ein gut erhaltenes Stuck 
eines romanischen Bogenfrieses an die frtihere Be- 
st immung erinnern. Dieses Gebaude (23-28 des 
Lageplans) (Abb. 6)kann stehen bleiben, indem es 
fur die Zwecke der Feuerwehr umgebaut wird. 
Von den tibrigen Bauten des Mittelalters gibt 
nur der hier zum Abdruck gebrachte Lageplan 
des Stadtbaumeisters Behrens aus dem Jahre 1805 
(Abb. 6) Kunde. Die Lage der Kirche (1) und der 
sonstigen Gebaude sind hier deutlich erkennbar. 
Heute stehen aufser dem erwahnten Hause 23—28 
nur noch die mit den Ziffern 58 und 80 bezeich- 
neten Gebaude und die kleinen Buden (51—73), die 
im erst en Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts umge- 
baut worden sind, einfache schmucklose Ziegel- 
bauten, malerisch zwar in ihrer Art, aber von 
aufserst geringem Kunstwerth. Sie enthalten Woh- 
nungen fur 15 Conventualinnen und fur die 
Seniorin des nach der Reformation sacularisirten 
Klosters. 

Es war gegeben, dieses Gelande durch die 
Verlangerung der Johannisstrafse in zwei an- 
nahernd gleiche Halften zu theilen, die eine dem 
Kloster zu belassen und die andere fur den Bau 
des Realgymnasiums in Aussicht zu nehmen. 
Somit wurde der Neubau der Wohnungen fur die 
Conventualinnen erforderlich. Diesen Bau hat die 
Vorsteherschaft des Klosters zum Gegenstand 
eines Wettbewerbes unter Ltibecker Architekten 
gemacht. Sie ging dabei von dem Gesichtspunkt 
aus, dafs trotz der beschrankten Mittel versucht 
werden mtisse, den Bau so auszugestalten, dafs 
er in Verbindung mit den benachbarten ktinftigen 
Gebauden des Realgymnasiums und der Haupt- 
feuerwache ein wirkungsvolles , der ltibischen 
Eigenart sich anpassendes Strafsenbild ergebe. 
Wenngleich dieser Gesichtspunkt, als nach den 
heutigen Anschauungen selbstverstandlich, in dem 
Ausschreiben nicht besonders betont wurde, und demgemafs 
auch fur die Preiszuerkennung in erster Linie Grtinde der 
Zweckmafsigkeit bestimmend waren, so legen doch die acht 
eingegangenen Entwttrfe, von denen wir 
diejenigen des Architekten Julius SchOfs 
in Mtinchen (Abb. 4), und der Architekten 
O. Kerwien u. Georg Runau in Ltibeck 
(Abb. 5) zur Darstellung bringen, ein er- 
freuliches Zeugnifs davon ab, dafs die 
Architekten auch in diesem Punkte die 
Aufgabe nicht verkannt haben. 

Wenn der Werth eines allgemeinen 
Facaden- Wettbewerbes, wie ihn der Verein 
von Kunstfreunden in Ltibeck im vorigen 
Jahre ausschrieb (Jahrg. 1901 d. Bl. S. 39, 
127 ) weniger darin beruht, dafs er unmittel- 
bar Vorbilder schafft, als darin, dafs er 
das Interesse an die Erhaltung des Stadt- 
bildes fordert, so dtirfen wir den vorliegen- 
den Wettbewerb als eine praktische Folge 
jenes ersten bezeichnen und wir freuen 
uns, in diesem Sinne noch weitere Folgen 
jenes Ausschreibens in Ltibeck feststellen 
zu kttnnen, tiber die wir demnachst zu be- 
richten uns vorbehalten. Wie nothwendig 
es war und fortwahrend bleibt, immer 
wieder an die Erhaltung des Stadtbildes zu 
erinnern, zeigt der Umstand, dafs allein in 
den letzten beiden Monaten ftinf ftir das 
Stadtbild in Ltibeck recht bezeichnende , 
wenngleich ktinstlerisch nicht bedeutende 
Hauser niedergelegt worden sind. Gltick- 

licherweise ist begrtindete Hoffnung vorhanden, an Stelle dieser 
Hauser einigermafsen gleichwerthige wiedererstehen zu sehen. 

Bei der mit dem ersten Preise ausgezeichneten Arbeit des 
Herrn Schttfs (Abb. 4) ist der Einflufs der Mtinchener Schule nicht 
zu verkennen. Gleichwohl sind Bauten dieser Art dor Stadt Ltibeck 
nicht fremd, da aus der Barockzeit sich eine ganze Reihe von 



Putzbauten erhalten hat, die zu der malerischen Wirkung der Strafsen 
aufserordentlich beitragen. Der Architekt hat es verstanden, das 
Charakteristische dieser Bauten, das in der Einfachheit der Umrifs- 
linien und dem grofsen Mafsstabe der architektonischen Verhait- 
nisse beruht, in glticklicher Weise zum Ausdruck zu bringen, ob- 



Abb. 4. Entwurf von Jnlins Schofs (I. Preis). 



Abb. 5. Entwurf von 0. Kerwien u. G. Runan (Angekauft). 

Abb. 4 u. 5. Wettbewerb fur den Neubau der Wohnungen 
fur die Conventualinnen des St. Johannis-Jungfrauenklosters in Ltibeck. 

wohl dies bei der kleinen Theilung des Grundrisses und der gemgen 
Geschofshohe nicht eben leicht war. In diesem Punkte l&g eine 
Schwierigkeit, welche alle diejenigen Entwtirfe, die in Backstein 



Abb. 6. Plan des St. Johannes- 

Klosters in Ltibeck, aufgenommen 

im Jahre 1805 durch den Stadt- 

baumeister J. C. A. Behrens. 




gedacht waren, oder den Backstein in Verbindung mit Werkstein 
vorschlugen, nicht zu tiberwinden vermocht haben. Sie zeigen, 
wie auch der an zweiter Stelle mitgetheilte Entwurf (Abb. 5), fast 
durchweg einen sehr kleinen Mafsstab in der Architektur, der hier 
um so mehr zu Bedenken Anlafs gibt, als in der Nahe sich die 
erwahnten grofsen Offentlichen Gebaude erheben werden. 



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Nr. 14. 



Die Denkmalpflege. 



115 



II. 
An einer fiir das Stadtbild ungleich wichtigeren Stelle, namlich 
an dem stidlich der Marienkirche gelegenen Platze, plant der Vor- 
stand der Marienkirche den Neubau eines Wohnhauses, welches 
Wohnungen fiir Kirchenbeanite und Raume ftir die Zwecke der 
Gemeinde enthalten soil. Die beiden Obergeschosse sollen vermiethet 
werden. Das Grundstilck springt in die Strafse so weit gegen den 
benachbarten Block vor, dafs es dem kleinen Platze, welcher von 
der Marienkirche, der wuchtigen Nordfaeade des Rathhauses und 
den B5gen des Kanzleigebaudes gebildet wird , eine Schauseite 
von 14 m Lange zukehrt. Die 31 m lange Haupt front ist gegen 
die Marienkirche gerichtet, wahrend eine Schmalfront am „Schtissel- 
buden" und die Hinterfront an einem nur wenige Meter breiten 
Gange liegt. Das Grundsttick ist gegenwartig von einem Wirrwarr 
unscheinbarer Gebaude bedeckt, aus denen die Reste eines gothi- 
schen Treppengiebels hervorragen — eine malerische Gruppe, doch 
nicht von solcher ktinstlerischer Bedeutung, dafs ihre Erhaltung 
gefordert werden konnte. Auch diese Aufgabe ist auf Anrathen 



des Unterzeichneten zum Gegenstand eines Wettbewerbes gemacht 
worden, den gleichfalls 8 Ltibecker Architekten mit Entwlirfen be- 
schickt liaben, die offensichtlich mit mehr oder weniger Gltick das 
Bestreben zeigen, in der Facaden - Gestaltung den Anforderungen 
des Platzes gerecht zu werden. Als besonders gltickliche Ltfsungen 
in diesem Sinne kOnnen die Entwtlrfe der Regierungs-Baumeister 
Erich und Richard Blunck in Berlin (Abb. 1-3, Seite 113) und der 
des Architekten Ed. Stapelfeldtin Ltibeck bezeichnet werden, von 
denen der erstgenannte Entwurf sich der Bauart der frtihesten 
Renaissance anschliefst, die in Ltibeck zur Formengebung noch 
fast ausschliefslich den Backstein verwendet, wahrend der Ent- 
wurf von Ed. Stapelfeldt die vorgeschritteneren Formen der 
Renaissance mit reicherem Aufwand an Werksteinen zeigt. 

Hoffentlich werden die beiden so glticklich verlaufenen Wett- 
bewerbe dazu dienen, dafs das Interesse fiir die Erhaltung des 
Stadtbildes in immer weitere Kreise getragen, und dafs die Stadt 
Ltibeck um zwei wirkungsvolle Gebaude bereichert wird. 

Ltibeck. Schaumann. 



Ein Werk liber osterreichische Burgen. 



Das Verderben, dem unsere Schatze mittelalterlicher Burgen 
durch Verfall und verstandnifslosen Verbau ausgesetzt sind, hat 
die Sorge um ihre Erhaltung und wenigstens um die Inventari- 
sation. Beschreibung und Abbildung des noch Vorhandenen tiber- 
ail in den Vordergrund gedrangt. — Oesterreich, in der Litteratur 
dieses Gebietes stets rtihmlich vertreten (Cori, Leber u. a.), tritt 
jetzt mit einem Werk hervor, welches beabsichtigt, die vorhandenen 
Bestande festzulegen, sie ftir die Kenntnifs der Cultur des Mittel- 
alters zug&ngig zu machen und dadurch ftir ihre Erhaltung zu 
wirken. Diese Unternehmung wird dem Kunstsinn, Weitblick und 
Opfermuth zweier Manner, des Fttrsten Liechtenstein und des Grafen 
Wilczek verdankt. Der erste Theil des Werkes*) liegt vor; er ent- 
halt 35 Burgstatten. Aus alien Kronlandern sind bezeichnende 
Beispiele ausgewahlt. Der Verfasser ist durch seine Schriften vor- 
nehmlich durch die Burgenkunde als Kenner auf diesem Gebiete 
bekannt. Wir treffen auch an der neuen Arbeit seine Eigen- 
schaften: Aufgehen in den Gegenstand, Abstreifen jeder phantas- 
tischen Auffassung, dagegen sachliche, auf eigenes Sehen gegrtin- 
dete Behandlung. Etwas bescheiden — wir sind heut verwOhnt — 
fallen bisweilen die Abbildungen aus. Dringt man aber ein, so 
wird man angenehm bertihrt durch die Art, wie hier Text und 
Abbildungen zusammenhalten. Die beschreibende Darstellung ist 
klar und erschOpfend. Die Abbildungen untersttitzen aufs geschick- 
teste die Beschreibung. Wir geben eine Uebersicht des Stoffes, 
nicht alphabetisch wie das Inventar, sondern in geographischer 
Ordnung. Die nordlichste noch im Elbsandstein-Gebiete belegene 
Burg ist Burgstein, in einen Sandsteinfels gehauen, mit sehr merk- 
wtirdigen verzwickten Zugangsverhaltnissen und Raumgestaltungen. 
Sodann lernen wir an der Eger Egerberg, SchOnburg, Engelhaus 
und Elbogen kennen Die beiden ersten sind verwandte Anlagen; 
beide liegen in einem Ringwall, sind von gestreckter Form und 
haben statt des Bergfrieds auf dem hOchsten Ende einen mond- 
fcirmigen bezw. einen gruppirten Wehrbau. In Egerberg eine be- 
merkenswerthe Palasruine. Engelhaus sehr zerstttrt. Elbogen noch 
ganz unter Dach, aber mit Ausnahme des Burgwegs und der 
ThorgTuppe als Zuchthaus unzuganglich. Von Bayereck an der 
Bayrischen Grenze ist wenig mehr als ein Bergfriedrest erhalten, 
tiberraschend aber wirkt das nicht fern davon gelegene Welhartitz, 
ausgezeichnet durch einen klug angeordneten, gewaltig wirkenden 
Wehrbau in Brtickengestalt zwischen thurmartigen Bauten; andere 
Theile der Burg noch bewohnt aber durch Umbau entstellt. Aus 
Mahren wird der Rosenstein mitgetheilt, wenig Mauerreste auf 
merkwiirdigen aus der Ebene ragenden Felsnadeln. Oberftster- 
reich ist mit Falkenstein und Ptirnstein vertreten. Falkenstein 
seit kurzem ganz Ruine. ist durch einen spatgothischen, gesondert 
liegenden, sehr sinnreich ausgebauten Rundthurm bemerkenswerth ; 
Ptirnstein, eine landschaftlich reizvoll gelegene Ruine von bau- 
licher Grofsztigigkeit in Vorwerken und Palasbauten: Thor, Capelle 
und gesonderier Ktichenbau (Beispiele letzterer Art folgen noch 
bei Starhemberg, Araberg und Pergine) geben zu besonderen 



*) Oesterreichische Burgen. Im Auftrage Seiner Durchlaucht 
des regierenden Ftirsten Johann von und zu Liechtenstein und 
Seiner Excellenz des Grafen Hans Wilczek bearbeitet von Otto 
Piper. Wien 1902. Alfr. Holder. I. Theil,, 247 Seiten in gr. 8. 
mit 262 Abb. Preis geh. 7,20 Jt. 



Studien Anlafs. Aus NiederOsterreich ist hervorzuheben bei 

Ruine Araberg: Ktichenbau, Capelle und der runde Bergfried mit 

spitzer Schneide. — Buchberg nur ein fester Hof. — Wildeck nach- 

mittelalterlich, noch jetzt bewohnt, mit Zugbrtickenanlage tiber 

einer Treppe. Emmerberg, ausgedehnte Ruine, eine starke Wehr- 

mauer ersetzte hier den Bergfried, war einst eine wichtige Wehr- 

burg gegen Osten und that noch im Ttirkenkriege Dienste. 

Starhemberg kennzeichnet sich als ehemalige landesftirstliche Burg 

der Babenberger durch constructiv und ktinstlerisch bedeutende 

Ueberbleibsel : Flurhalle, Bergfried mit Capelle, Ktichenbau, Wehr- 

luken. Die Halbruine Klamm, Sperrburg am Semmering, auf schwie- 

riger gestufter Felsnadel-Gruppe angelegt; eine merkwtirdige im 

Grundrifs bretzelfSrmige Anlage ist der Bergfried. Es folgen aus 

St^iermark: Ruine Eppenstein, lehrreich in der Anlage der 

aufsern Werke. Das Innere wegen Verfall der Zugange nicht auf- 

zuklaren. — Ruine Frauenburg durch des Minnesangers Ulrich von 

Liechtenstein Schicksale bekannt, hat einen wichtigen romanischen 

Palasbau. Von der Stammburg Liechtenstein, wie Klamm auf 

Felsnadeln gebaut, ist nur wenig verblieben. — Gabelkhofen, spat- 

mittelalterliche viereckige noch jetzt bewohnte Wasserburg mit 

malerischem Thorbau; ein mit Eckthtirmen besetzter Zwinger um- 

schliefst sie. Gegen Salzburg hin wird das Puxer Loch, Reste 

einer Halbhtthlenburg erwahnt und die Palasmauer von Pflintsberg 

a. Traun. Aus dem Salzburgischen selbst die Ruine der kleinen 

Burg Finstergrtin; ihr Bergfried legt sich als Dreieck vor den 

Palas; eine unregelmafsige dichte Gruppe kleiner Fenster, auch 

bei anderen Burgbauten beobachtet (Boimont), gibt zu Deutungen 

Anlafs. Im Vorarlberg ist neben den Trttmmern von 41t- und 

Neumonfort die kleine noch bewohnte Burg Glopper besucht. Hier 

ist — eine Seltenheit — noch der ursprtingliche mit Holzwanden 

bewirkte innere Ausbau des Palas erhalten. Endlich Stidtirol, 

vertreten mit: Branzoll tiber Klausen: ein Thurm auf Trtimmer- 

haufen, den der Verfasser — Besitzer dieser Statte — durch Auf- 

raumung aufklarte. Neuhaus tiber Terlan: Thurm und Trtimmer 

eines landesftirstlichen Sitzes. — Boimont, romanischer Burgpalas 

ohne Dach, von grofser Regelmafsigkeit und bevorzugter Lage, 

ohne Spur von Vorwerken, bauktinstlerisch von Werth. - Kron- 

metz, in der Rinne einer Felswand erbaut, gibt nebst dem zum 

Vergleich herangezogenen jetzt italienischen Covolo Anlafs, die 

Ueberlieferung von Abenteuerbchkeiten zu widerlegen. Caldonazzo 

Castelalto und Pergine im Valsugana, zeigen manches eigenartige, 

was sich durch italienische Einfltisse erklart, z. B. der Anlauf der 

Grundmaueru bei Castelalto. — Ausgesprochen italienischer besonders 

Veroneser Einflufs aufsert sich in Arco. Die grofsen vornehmen 

Verhaltnisse, die ausgedehnten, kaum verwerthbaren Mauerztige 

entsprechen nicht mehr dem praktischen intimen Baugeist der 

Deutschen. Eine besondere Aufmerksamkeit erfahrt die Burg 

Tirol a./Meran, die Stammburg des Landes. Hier ftihrten den 

Verfasser baugeschichtliche Untersuchungen zu dem Ergebnifs, dafs 

die Burg aus dem Umbau eines Klosters hervorging. Zugleich 

wird das verfehlte der letzten Herstellungsarbeiten nachgewiesen 

und eine neue Richtschnur gewiesen Diese tiberzeugende Arbeit 

hat, wie die Zeitungen inzwischen melden, neuen Muth zur bessern- 

den Wiederaufnahme der bereits eingestellten Herstellungsarbeiten 

geftihrt und dem Verfasser ist die Leitung anvertraut worden. 



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116 



Die Denkmalpflege. 



5. November 1902. 



Vermischtes. 



Znm Director der rtimisch - germanischen Commission des 

Kaiserlichen Archiiologischen Instituts (vergl. Jahrg. 1901 d. Bl., S. 87) 
ist durch Verftigung des Reichskanzlers der bisherige aufserordent- 
liche Professor fur Philologie und Arch&ologie an der Universitat 
Basel Dr. Dragendorff bestellt und ihm Frankfurt a. M. als 
Wohnsitz angewiesen worden. 

Ueber Faqaden- Wettbewerbe. In Nr. 12 der „Denkmalpflege* 
vom 17. September d. J. wird tiber die in letzter Zeit mehrfach 
ausgeschriebenen Wettbewerbe zwecks Erlangung von Facaden- 
Entwtirfen in Uebereinstimmung mit dem 'Stadtbilde berichtet und 
die Zweckmafsigkeit derartiger Veranstaltungen in Frage gestellt. 
Es mag dem Verfasser vielJeicht darin Recht gegeben werden, dafs 
ein unmittelbarer Erfolg damit schwerlich zu erzielen sein dtirfte. 
Ob aber der eigentliche Zweck, n&mlich fiir Bauherren und Bau- 
ausfilhrende in den mustergttltigen Vorbildern eines solchen Preis- 
ausschreibens Anregungen zu kunstlerischen LOsungen im Einklang 
mit der eigenartigen Stadtbauweise zu bieten, auf dem vorge- 
schlagenen Wege, die einfachen Baudenkm&ler durch inttglichst 
getreue Aufnahmen dem Studium zu erschliefsen, besser erreicht 
werden sollte, — das dtirfte bezweifelt werden kttnnen. Uebrigens 
dtirfte der Begriff von „einfachen Baudenkmiilern" nur schwierig 
zu begrenzen sein. Das Vorgehen von Hildesheim, Kflln, Bremen, 
Ltibeck und Danzig, zu zeigen, wie ktinstlerische Facaden dem 
Stadtbilde gerecht werden k5nnen, ist nach meiner Ansicht keines- 
wegs tiberfltissig gewesen. Dafs manche Architekten es sich bequem 
machen und die ihnen so wohlfeil in die Hand gegebenen Unter- 
lagen bestens verwerthen werden, nun, das ist doch kein Ungltick, 
im Gegentheil erscheint es immer aoch besser, nach diesen muster- 
gttltigen Beispielen zu arbeiten, meinethalben mehr oder weniger 
getreu nachzuempfinden, auch rein aufserlich die Motive zu ent- 
lehnen, als nach sonstigen Schablonen etwas zu bauen, was dem 
Stadtbilde, wenn nicht sogar dem guten Geschmack in empfindlicher 
Weise Hohn spricht. Ftir wahre Bauktinstler brauchen derartige 
Anregungen nicht dargeboten zu werden, sie werden den richtigen 
Weg von selbst find en. Die unmittelbare Benutzung der Muster- 
entwurfe wird kaum oft in Frage kommen, weil jede Aufgabe 
von selbst eine neue Ltfsung erheischt; eine Gefahr kann vor 
allem fur das Stadtbild, darauf kommt es ja doch in erster Linie 
an, nicht erblickt werden. 

Der weitere Vorschlag, ftir Bauten an Stellen, die fur das 
Stadt- oder Strafsenbild besonders wichtig sind, die Bauherren 
durch Bereitstellung von Preisen zur Veranstaltung von Wett- 
bewerben unter den ortsangesessenen Architekten anzuregen, ist 
zwar immerhin zu versuchen und daher zu empfehlen. Bei den un- 
vermeidlichen Umstanden, Verzflgerungen usw., die mit derartigen 
Verfahren verkntipft sind, dtirften die vorgeschlagenen Wettbewerbe 
aber zu den Ausnahmen gehOren. 

Nach allem glaube ich, dafs auf diese Weise trotz aller 10b- 
lichen Anregung nicht recht weiter zu kommen sein dtirfte, und 
dafs die von verschiedenen Stadten unternommenen Wettbewerbe 
immer noch ein aussichtsreicheres Mittel gewahren, der Schadigung 
eines geschichtlich gewordenen kunstlerischen Stadtbildes durch 
fragwtirdige Erzeugnisse des heimischen Wohnungsbaues am besten 
entgegen zu arbeiten. 

Wenn auch bei den bisher veranstalteten Wettbewerben die in der 
betreffenden Stadt ansafsigen Privat-Architekten unter den Preis- 
tragern kaum vertreten sind, 1 ) so ist doch auch wohl manche ttich- 
tige Arbeit von ihnen mit geliefert, die ftir die Verflffentlichung 
berticksichtigt werden konnte. Als einen bedenklichen Umstand 
wtirde ich auch das Fehlen der einheimischen Architekten nicht 
anerkennen ktfnnen. Entweder sie sind der gestellten Aufgabe 
nicht gewachsen, oder, zumal die befahigteren, sind mit Arbeit 
derart belastet, dass sie nicht an den immer zweifelhaften, un- 
dankbaren Wettbewerb herantreten wollten, oder endlich sie 
wollten gerade das Ergebnifs des Ausschreibens unter Heran- 
ziehung der ganzen deutschen Architektenschaft vorsichtig ab- 
w r arten. Dafs die ortsangesessenen oder aus der betreffenden 
Stadt stammenden Krafte in erster Linie dazu berufen gewesen 
waren sich an dem Wettbewerb rege zu betheiligen, ver- 
steht sich von selbst. Es ist daher gerathen, diese Krafte bei 
ktinftigen Wettbewerben mehr heranzuziehen, ja den Wettbewerb 
einzigund allein auf sie zu beschranken. Dafs eine Offentliche 
allgemeine Ausschreibung mit guten Preisen, namentlich in jetziger 
Zeit wirthschaftlichen Niedergangs, eine Ftille von wenn auch nicht 
ersten Meistern zur Betheiligung anregt, versteht sich von selbst. 
Nur der ortsangesessene Architekt wird aber in der Lage sein, die 

M Bei dem gerade jetzt entschiedenen Wettbewerb ftir Danzig 
ist nur ein einziger Danziger Architekt mit einem Preise bedacht. 



oft sehr verzwickten Bestimmungen der Bauordnung ftir einen vor- 
liegenden Fall den ortsttblichen Anschauungen, auch der eigen- 
artigen Bauweise anzupassen. Er wird besser in der Lage sein, 
zu wissen, worauf es bei der Facadengestaltung ankommt, darum 
sind auch unmittelbar brauchbare LOsungen eher von ihm zu er- 
warten, als von einem auswartigen Bauktinstler. Die bei Aus- 
schreibung eines Wettbewerbs selbstverstandlich zur Verftigung 
gestellten Unterlagen der Bauordnung, der Vorschriften ftir die 
Zonenbauweise usw. werden beim besten Willen der Veranstalter 
des Preisausschreibens kaum so verstandlich gemacht werden 
kOnnen, wie es ftir den praktischen Erfolg gewtinscht werden 
mtifste und dem Eingeweihten ohne weiteres klar ist. 

Wenn es auch keineswegs als ausgeschlossen erscheint, dafs 
bei allgemeiner Ausschreibung des Wettbewerbs brauchbare LO- 
sungen auch von aufserhalb eingehen werden, sofern es gelingt, 
die beztigliche Bestimmung der Bauordnung dem auswartigen Be- 
werber so deutlich wie mttglich zu machen, so handelt es sich hier 
urn L5sungen, der en Eigenart dem ortsangesessenen Baumeister 
ohne weiteres vertraut ist. Und auf dessen Schulung sollte man 
vor allem bedacht sein. Nur auf diese Weise dtirfte es gelingen, 
die ftir die Entwicklung eines Stadtbildes mafsgeblichen techni- 
schen und kunstlerischen Krafte zu einer gesunden einheimischen 
Bauweise selbst anzuregen. 

Ich erachte es hiernach ftir richtiger, die Ausschreibung von 
Facaden- Wettbewerben auf die ortsangesessenen Krafte zu be- 
schranken d. h. von einem allgemeinen Preisausschreiben abzu- 
sehen. Auf die Veranstaltung der Facaden -Wettbewerbe tiberhaupt 
wtirde jedoch lieber nicht zu verzichten sein. 

Magdeburg. Peters. 

Bucherschau. 

Jahrbuch der Denkmalpflege in der Provinz Sachsen f&r 1901. 
Magdeburg 1902. 59 S. in 8° mit 9 Abb., 4 Tafeln u. 1 Plan. 

Der in dankenswerther Weise alljahrlich erstattete Bericht der 
Provinz Sachsen tiber die Angelegenheiten der Denkmalpflege ist 
auch ftir das vergangene Jahr in der Anlage und Ausstattung der 
frtiheren Hefte erschienen. Er lafst erkennen, dafs die Amts- 
thatigkeit des Provincial-Conservators eine sehr vielseitige und 
fruchtbare ist, wenn es auch leider immer noch Gemeinden gibt, 
die trotz aller Vorschriften sich nicht entschliefsen kiJnnen, seinen 
unentgeltlichen Rath vor dem Beginn von Bauarbeiten in Anspruch 
zu nehmen und welche so sich selber und der guten Sache scfaaden. 
Ueber einige bedeutende Arbeiten und Denkmaler ist in besonderen 
Aufsatzen berichtet, von denen die beiden ersten. tiber die Wenzels- 
kirche in Naumburg bereits in der „ Denkmalpflege" erschienen 
sind. Ihr Neudruck ist durch die Wichtigkeit der behandelten 
Fragen wohl gerechtfertigt. Der Provincial-Conservator Dr. D6ring 
selbst bringt unter anderen einen Aufsatz tiber die Ausgrabungen, 
welche er auf der Eckartsburg im Frtihjahr 1901 vorgenommen hat 
Sie ergaben so bemerkenswerthe und vielseitige Aufschlusse, dafs 
der Wunsch des Verfassers, die leider vorzeitig abgebrochenen 
Grabungen mdchten in Zukunft mit hinlanglichen Mitteln weiter 
betrieben werden, nur Zustimmung finden wird. Bl. 

Die Conservirung von Alterthumsf linden. Von Fried rich 
Rathgen. Berlin 1898. W. Spemann. VI u. 147 S. in kl. 8° mit 
49 Abb. Geb. Preis 1,5(K#. 

Den Handbtichern der KOniglichen Museen in Berlin ist durch 
diese Verttffentlichung ein Buch hinzugeftigt, das in hOchst dankens- 
werther Weise alles zusammenstellt, was tiber den behandelten 
Gegenstand verdffentlicht ist und was der Verfasser in einer zehn- 
jahrigen Beschaftigung mit der Conservirung von Alterthumsfunden 
in dem dazu eingerichteten Laboratorium der KOniglichen Museen 
an personlichen Erfahrungen gesammelt hat. Mag auch der Gegen- 
stand noch nicht erschOpfend behandelt sein, so wird hier doch 
zum ersten Male eine umfassende kritisch gesichtete Zusammen- 
stellung von Conservirungsverfahren gegeben, die bisher nur znm 
geringsten Theil zuganglich waren. Auch dem, der fiir die Erhaltung 
von Denkmalern unter anderen Bedingungen, als sie ein Museum 
bietet, zu sorgen hat, gibt das Buch manchen werthvollen Wink. 
Es wird der Sache nutzlich sein, an dieser Stelle den im Vorworte 
ausgesprochenen Wunsch des Verfassers zu wiederholen, ihn „durch 
Mittheilung von einschlagigen Beobachtungen in den Stand zu setzen, 
vielleicht spater einmal etwas Vollkommeneres zu liefem". Bl. 

Inhalt: Ein Klostermusenm in der Heide. — Zwei LUbecker Wettbewerbe 
zur Erhaltung des Straisenbildes. — Oesterreichische Hurgen. — Vermisch- 
tes: Ernennung des Di^ctors der rttm.-genn. Commission des archftolog. 
Instituts. — Ueber Facaden -Wettbewerbe. - Biicherschau. 

Ftir die Schriftleitung verantwortlich : Friedrich Schultze, Berlin. 
VerJag von Wilhelm Ernst u. Sohn, Berlin. Druck: Gustav Schenck Sohn,BerhD. 



Nr. It 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
Schriftleiter: Otto Sarrazin und Friedrioh Schultze. 



117 



IV. Jahrgang. 

Nr. 15. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 16 Bo gen. — GeschttftsteUe : W. Wilhelmatr. 90. — Bezugspreis 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandzusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark ; far das 

Ausland 8,50 Mark. FUr die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 26. Novbr. 
1902. 



[Alle Rechte vorbehaiten.] 



Zwei Edelhofe in Eltville a. Rh. 



Abb. 1. 



Abb. 2. Nordseite. 

Der Sanecker Hof. 

Eltville a. Rh., einer der iiltesten und im Mittelalter der be- 
deutendste Ort des Rheingaus, barg in alt en Zeiten viele adlige Hrtfe 



in seinen Mauern. Nur von wenigen haben sich Baulichkeiten bis auf 
unsere Zeit erhalten. Um so erfreulicher ist es, das Hauptgebaude 
eines derselben wenigstens in seiner aufseren Erscheinung nocli 
ziemlich wohl erhalten zu finden. Es ist tier alte Sanecker Hof 
auf dem k6stlichen Besitzthum des Freiherrn Langwerth v. Simmern, 
welcher jetzt mit dem kunstgeschichtlich nicht minder werthvollen 
Renaissancebau des Lichtensternschen Hofes ein einziges zusammen- 
h&ngendes Anwesen bildet. 

Die Umgebung stimmt wunderbar zu dem schlichten, aber 
inalerisch gruppirten gothischen Bau. Ueber einen Theil seiner 
grauen Mauern hat die Natur einen dunkelgrunen Mantel von 
tippigstem Epheuwuchs gebreitet und so bildet er mit einigen herr- 
lichen alten Bitumen eine hOchst reizvolle Gruppe. Vom Rhein 
her ragt der ehrwtirdige Bergfried der Burg der ErzbischOfe von 
Mainz tiber BiUune und Mauern und erinnert uns, auf wie alt 
geschichtlichem Boden wir stehen. Von alien EdelhSfen Eltvilles ist 
der Sanecker Hof wohl der alteste. denn es unterliegt kaum einem 
Zweifel, dafs das Rittergeschlecht, welches sich nach dem Namen 
der Stadt „von Eltville" nannte, an dieser Stelle, zunachst dem 
alten kOniglicheu Saalhofe, der spateren Burg, bis um die Mitte 
des 14. Jahrhunderts seinen Sitz hatte. 1363 verkauft Fr. v. Wal- 
deck (v. Saueck) den Hof dem Erzbischof Gerlach v. Nassau, 
der verschiedene Belehnungen damit vornimmt, bis der Hof 1520 
an die v. Stockheim kommt, einem Geschlecht, welches, kaum erst 
im Rheingau angesiedelt, demselben mehrere Vicedome gibt, und 
dort schnell zu bedeutendem Besitz und Ansehen kommt. Durch 
Erbschaft ging der Hof im Anfang des 18. Jahrhunderts an die 
Familie v. Wallbrunn und 1711 durch Kauf an die Langwerth 
v. Simmern iiber. 

Das Hauptgebaude tragt durchweg spiitgothischeu Charakter. 
Nur geringe Mauerreste scheinen sich aus friiherer Zeit erhalten 
zu hat>en. Der Keller, welcher mit einem weitgespannten Tonnen- 
gewolbe in Bruchstein iiberdeckt ist, erweitert sich namlich etwas 
hinter der Mitte der Lange plotzlich (Abb. 6) und man erkennt,' dafs 
hier ein spaterer Anbau beginnt. Der westliche Theil entstammt 
daher einer frtiheren als der spatgothischen, vermuthlich der roma- 
nischen Zeit. Uebereinstimmend hiermit zeigt sich geuau tiber dieser 




Abb. 3. Westseite. 



Abb. 6. Kellergeschofs. 



Stelle im Erdgeschofs (Abb. 5) ein Rest einer starken, massiven 
Scheidemauer, wiihrend sonst in damaliger Zeit im Rheingau bei 
nicht gerade umfangreichen Gebiiuden nur die Umfassungsmauern 



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118 



Die Denkuialpflege. 



26. November 1902. 



massiv und die inneren Theilungswande in Fachwerk hergestellt 
wurden. In demselben befindet sich noch eine kleine Rundbogen- 
nische in Form eines romanischen Fensters; es liegt daher nahe, 
ihn als einen Rest der Giebelwand romanischer Zeit anzunehmen 
(vergl. Abb. 5). Der breite thorartige Rundbogen hierneben in der 
Sudmauer, welcher diinn vermauert und durch ein spatgothisches 
Fenster von gleicher Gliederung wie die iibrigen ersetzt ist, kttnnte 
der Eingang zum Erdgeschofs des romanischen Hauses gewesen 
sein, wie er sich ahnlich beispielsweise am sogenannten Grauen Hause 
in Winkel findet. Der damals quadratische Grundrifs des Gebaudes 
wurde durch die Erweiterung nach Osten in spatgothischer Zeit 
rechteckig. Auf der Nordseite (Abb. 2) neben der Hausthur erhebt 
sich der sechseckige Treppenthurm, der mit schlanker Spitze das 
steile geschieferte Satteldach des Hauses iiberragt. Dem west- 
lichen Giebel (Abb. 3), nach dem' Einfahrtsthor des Hofes hin ge- 
richtet, ist ein Vor- 
bau vorgelegt, der 
in sein em Erdge- 
schofs massiv ist, 
durch seinen obe- 
ren Fachwerkstheil 
aber namentlich zu 

der anmuthigen 

und malerischen 
Wirkung des rings- 
uui freistehenden 
Hauses beitr&gt. 

Das beigegebene 
Schaubild unseres 
Hauses von Westen 
(Abb. 1) zeigt den 
gegenwartigen Zu- 
stand, wahrend die 
geometrischen An- 
sichten (Abb. 2 u. 3) 
die in sp&terer Zeit 
zumTheil verander- 
ten Fenster in ihren 
alten noch erkenn- 
baren Form en ge- 
ben. Die Umrah- 
mungen der Oeff- 
nungeh sind aus 
rothem Sandstein, 
die Umfassungs- 
mauern aus Bruch- 
stein. Die Flachen 
waren ehemals verputzt und weifs getuncht, wobei die Sand- 
steine unter Ausgleichung ihrer Unregelmafsigkeiten scharflinig aus- 
gespart und mit Erdroth aufgefrischt waren. An den vier Ecken 
des Hauses, so wie an denen des Thurmes waren regelmafsige rotlie 
Quadern gemalt und ihre Verzahnung mit einer Begleitlinie urn- 
zogen. Der hOhere der beiden Schornsteine in unserer geometrischen 
Ansicht ist alt, nur befindet er sich nicht an diesem Hause, sondern 
dem benachbarten Frtihmessereigebaude. Es sei uns gestattet, die 
Wiedergabe des bemerkenswerthen Stiickes in dieser Verbindung 
mitzutheilen. Der praktische Sinn des Baumeisters zeigt sich an 
der Hausthur darin, dafs er das Profil schon in K&mpferh8he in 
eine glatte Schrage tiberfuhrt, weil ihm an den Gewanden seine 
scharfen Kanten zu gefahrdet erschienen. 

Betreffs der Raumvertheilung des Innern sind in den Grund- 
rissen (Abb. 4 u. 5) einige Zwischenwande, welche die Zeichen 
spateren Ursprungs an sich tragen, fortgelassen. Die Eintheilung 
des Erdgeschosses war eine ziemlich einfache. Man trat durch die 
Hausthur in einen grOfseren Vorplatz, welcher anfanglich wohl 
durch die ganze Tiefe des Hauses reichte, bald nach der Erbauung 
aber durch eine Fachwerkwand getheilt wurde - auffallender- 
weise stellte man sie nicht unter, sondern dicht neben den 
durch die ganze Lange des Hauses gehendcn mittleren Unterzug. 
Die Scheidewand hat nahe der Decke fensterartige, aber ursprling- 
lich nur mit htilzernem Gitterwerk verschlossene Oeffnungen. Vom 
Vorplatz aus betritt man die Weudelstiege. Auf seinen beiden 
Seiten lag je ein Zimmer. Das ostliche hat urn 1700 eine 
barocke Ausstattung bekommen, deren weseutliche Motive, eine 
einfache Stuckdecke und einen Sandsteinkamin mit hohem Aufsatz 
aus Holz, wir in Abb. 8 wiedergeben. Die hollandischen Wand- 
fliesen, mit denen der Raum bis zur Decke bekleidet ist, sind eine 
gltickliche Ergiinzung dazu aus neuerer Zeit. Der Raum auf der 
Westseite, in welchem jetzt eine Kelter steht, hat mehrfache Ver- 
anderungen erfahren, ist namentlich ofter je nach Bedarf getheilt 




<*"<£.^//»/. 



worden. Verschiedene Reste von Deckengesimsen und rohen orua- 
mentalen Malereien der Spatrenaissance in den Fensternischen 
deuten darauf hin. Erst in neuerer Zeit ist von hier eine kleine 
schmale Treppe zur Hauptkellertreppe (dem Schrotgang) hinab- 
geftthrt worden. Letztere ftihrte, wie damals allgemein tibhch, 
unmittelbar von auf sen hinab und lag in diesem Falle in dem 
westlichen Vorbau. Ueber ihr blieb Raum fur ein niedriges 
Zwischengeschofs, das jetzt nur mittels Leiter von aufsen zug&ngig 
ist und jedenfalls als Speicher oder dergl. diente — mftglich, dafs 
eine kleine Freitreppe zu ihm hinauffiihrte, welche ein Erdgeschofs- 
fenster in der Giebelwand hier unmSglich raachte, denn gerade 
das jetzt hier vorhandene ist aus etwas spaterer Zeit (sieli 
weiter unten). 

Das Obergeschofs (Abb. 4) war ganz ahnlich eingetheilt wie das 
untere. Hier kommt nur noch der Raum im Fachwerkgeschofs des Vor- 

baues hinzu. In der 
Mitte der Hinter- 
front (Sudseite) be- 
findet sich eine 
kleine Thtir rait 

Sandsteinein- 
fassung im Stich- 

bogen, welche 
wahrscheinlich zu 
einem ausgekrag- 
ten Aborte ftihrte. 

Daneben nach 
Osten lag das Spei- 
sezimmer, welches 
(urkundlich) durch 
einen Brtickengang 
mit dem etwa 5 m 
davon liegenden 

Kttchengebaude 
verbunden war. Die 
zum Uebergange 
fiihrende Thiir ist 
noch vorhanden 
und reicher behan- 
delt als alle ande- 
ren Oeffnungen des 
Hauses (Abb. 7.). 
Auch die zwei 
Kragsteine, welche 
die Galerie tragen. 
liegen noch ver- 
steckt im dichten 

Epheu. Der 
Kiichenbau war aus 
Fachwerk errichtet 
(laut Urkunde, im 
Besitz des Frei- 
herrn Langwerth 
von Simmern) und 
mufs, eben wegen 
der Briicke, ein 
Obergeschofs ge- 
habt haben. Jetzt ist nur der Keller davon noch erhalten. Auch dieser 
ist mit dem des Hauptgebaudes (unterirdisch) verbunden (Abb. 6). 
Bemerkenswerth ist die Zahl und GrOfse der Erdgeschofsfenster. 
Das Haus lag eben nicht an der Strafse und man brauchte weder 
Landstreicher noch sonstiges Gesindel zu ftirchten. Hier fuhlte 
man sich vSllig sicher im Schutze der nahe gelegenen Burg, in 
nilchster Nahe ihres grofsen Marstalls und umgeben von anderen 
Wohnungeu von Dienstleuten des Erzbischofs, des Mtinzmeisters. 
ties Kuchenmeisters und anderer, unter denen sich 1465-67 ja 
auch Gutenberg befand. Dies ganze Gebiet aufserhalb des Burg- 
grabens, gewissermafsen die Vorburg, welche sich bis an die 
Hauptstrafse des Stadtchens ausdehnte, war aufserdem an den 
Ausmtindungen der Querstrafsen in die letztere durch besondere 
Vorrichtungen (das sogen. Gerahms) abgeschlossen. Auf diese 
Weise bestatigt die scheinbare Ausnahme doch schliefslich nur die 
Regel, d. h. die damalige Gewohnheit des Vornehmen, sich gegen 
die gemeine Gasse abzuschliefsen. Trotz alledem bleibt es auf- 
fallend, dafs die Erdgeschofsfenster unseres Hauses, welche ja nur 
urn Brustungshohe iiber dem Gelande liegen, nur mit Gittern ver- 
sehen sind. aber keine Spuren von Vorrichtungen ftir Anbringung 
von Laden zeigen. weder Haken noch Falz, wahrend die Obex- 
geschofsfenster mit Laden verschliefsbar waren. Die einzige Aus- 
nahme hiervon macht das bereits erwiihnte nordliche Fenster der 




Abb. 8. 



Barockzimmer im Erdgeschofs 
des Sanecker Hofes. 



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Nr. 15. 



Die Denkinalpflege. 



119 



Westseite, das einen Falz fur den Laden zeigt. Doch gerade dieses 
erweist sich als spater. Die anderen Gewande und Pfosten sind 
nach aufsen ganz schlicht und haben nur nach dem Innern eine 
Kehle mit einfachem Ablauf; dieses dagegen hat aufser dem 
Ladenfalz aufsen noch ein Profil und zwar einen Karniefs, der 
nach der Weise des 16. Jahrhunderts in zwei Abstufungen abUiuft, 
indem das obere Profil erst in einen Fasen tibergeht und weiter 
unterhalb dann dieser in die scharfe Ecke. Diese Kennzeiclien in 
Verbindung mit dem weiteren Umstande, dafs sich nirgends am 
Hause ein adliges Wappen befiudet, legen die allerdings noch zu 
erhartende Vermuthung nahe, der Ban sei mttglicher weise nicht 
von den v. Stockheim nach 1^20 errichtet, wo diese den Hof er- 
warben, sondern schon in der zweiten Halfte des 15. Jahrhunderts, 
und das Erdgeschofs sei nicht zu Wohnzweckeu bestinimt geweseu. 



alten Sanecker Hofes in nilchster Nahe der Burg; denn beini 
Jahre 1489 erfahren wir — und dies ist fur unsere Annahme be- 
achtenswerth — , dafs Erzbischof Berthold v. Henneberg ihn an 
die Wittwe des Landschreibers Konrad v. Houngen iiberlafst. 
Es liegt nahe, diesen Neubau gleich nach 1462 anzunehmen, denn 
in diesem Jahre stirbt Philipp v. Lindau, welcher den Hof vordem 
zu Lehen gehabt hatte. Der Charakter der Architektur pafst voll- 
kommen auf diese Zeit. Die Annahme, dafs wir es nicht mit dem 
Burghaus eines adligen Geschlechts, sondern mit einem Verwal- 
tungsgebaude nebst Beamtenwohnung zu thun haben, wiirde den 
Mangel eines Familienwappens genugsam erklaren, und wenn das 
Erdgeschofs in der Mitte die Halle mit der grofsen Waage ent- 
hielt, wo die als Abgaben eingehenden Naturalien gewogen und 
gemessen wurden, und daneben auf einer Seite die Stube, wo die 



Abb. 2. Vergrofsertes Mittelstttck von Abb. 1. 

Abb. 1 u. 2. Das goldene Brustgehange von Hiddensoie 
bei Riigen, jetzt im Provincial-Museum in Stralsund. 



Abb. 1. 

Dafs diese Raume untergeordnete gewesen waren, dagegen spricht 
entschiedeu sowohl ihre Huhe als auch die Zahl und Griifse der 
Lichttiffnungen. Die Geschichte filhrt uns nun vielleicht zu einer 
Bestatigung unserer Annahme. 

Im Jahre 1434 wurde die Stadt Bingen vom Erzbischof e dem 
Mainzer Domcapitel uberwiesen. Bis dahin war Bingen die „be- 
sondere Kammer der heiligen Kirche* und der Sitz des Land- 
schreibers gewesen, welcher der oberste Beamte nachst dem Vice- 
dom war und die Gefalle fur den Erzbischof einzuziehen hatte. 
Dam als wurde nun aus dem bezeichneten Anlafs die Landschreiberei 
nach Eltville verlegt. Zunachst behalf man sich daselbst wahr- 
scheinlich mit einer voriibergehenden Unterbringung, wie denn 
auch in Bingen dafttr eiu Haus gedient hatte, welches das Kloster 
Eberbach leihw r eise dazu hergegeben hatte. Spater aber schritt 
man dann wohl zum Neubau der Landschreiberei an der Stelle des 

Der Cordulaschrein in Kaminin, 

Der sogenannte Cordulaschrein, der im Domschatze zu Kammin 
in Pommern aufbewahrt wird, findet sich zwar im Schriftthum 
bereits mehrfach anerkennend erwfthnt, aber die betreffenden Ver- 
Offentlichungen sind nur von Ansichten begleitet, die die Einzel- 
formen dieses kostbaren Stttckes nicht ausreichend klar wieder- 
geben. Es mag darum der Versuch gerechtfertigt erscheinen, diese 
Lit eke hier auszufullen. 

Der Schrein (Abb. 3— 9) bildet ein werthvolles Denkmal alt- 
nordischer Kunst. Er besteht aus Platten einer knochen- oder 
beinahnlichen Masse, von der bis dahin noch nicht genau fest- 
gestellt ist, welchem Thiere sie entstammt. Fur echtes Elfeubein 
besitzt sie ein zu grobes Geftige. Sie besteht vielleicht aus soge- 
nanntem sibirischen, vom Mammuth entnommenen Elfenbein, viel- 
leicht entstammt sie aber auch den Schaufeln eines Elches oder 
den Ztthnen eines Walrosses. Diese Platten werden von einem 



Der Cordulaschrein in Kammin, Zeit und Ort 
seiner Entstehung. 

Zinszahlenden nach alter Sitte gastlicli aufgeuommen wurdeu, auf 
der anderu Seite aber die Schreibstube lag, so waren da allerdings 
Laden Uberflussig und es geniigten Gitter, urn die aufgespeicherten 
Gtiter vor Entwendung zu schutzen. Daher erklarte sich dann 
auch die Lage des Speisezimmers im Obergeschofs und seine Ver- 
bindung mittels Galerie mit dem Kiichenbau, urn der Frau des 
Hauses die unbequeme Bertihrung mit den vielen Fremden zu er- 
sparen. Uebrigens wurde der Sanecker Hof noch in spaterer Zeit 
gelegentlich vom Erzbischofe gepachtet, um die Landschreiberei 
darin unterzubringen (Mittheilung des Herrn Baron L. v. Simmern). 
Der conservative Si.nn_i]ieses seines Besitzers hat den Bau zum 
grofsten Theil unbertUirt erhalten, wie das 18. Jahrhundert ihn 
Uberlieferte. Was am ihneren Ausbau im Obergeschofs gescheheu 
ist, pafst sich gut dem Ganzen an; ninge es auch fernerhin vor 
Verunstaltungen bewahrt bleiben. (Schlufs folgt.) 

Zeit und Ort seiner Entstehung. 

Rahmenwerk von vergoldeter Bronce zusammengehalten, bei wel- 
chem auf die Verbindungsstellen ausgezeichnet stilisirte Thierkopfe 
gelegt sind. Die KOpfe am aufseren Rande sollen wohl theils 
Adler-, theils Birk- und Auerhahnk5pfe darstellen, wahrend an einer 
starkeren Rippe, die sich wie ein Rtickgrat ttber die Mitte des 
Kastens legt, die Querbtlgel anscheinend in WolfskOpfe auslaufen 
und ebensolche K5pfe mit weit aufgesperrtem Rachen an den 
Enden des Kastens angebracht sind, wo sie als passende Hand- 
haben zum Anfas3en dienen. Die ganz eigenartige Form des 
Kastens und seine Zusammenftlgung aus einzelnen meistentheils 
gradlinig abgeschlossenen Platten eriunert noch am meisten an 
die Form und die Zusammensetzung eines Schildkrftten-Panzers. 
Die ThierkOpfe, von denen die Vogelk5pfe auf einigen unter- 
gelegten Federn in derselben Weise befestigt erscheinen, wie man 
noch heutzutage die K^pfc von Auer- und Birkwild unter Zuhiilfe- 



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120 



Die Denkmalpflege. 



26. November 1902. 



nahme einiger Flugel- und Schwanzfedern als Jagdtrophften auf- 
hangt, sind theils flir sich allein, theils wie die eben erwahnten 
Wolfskttpfe an den Enden des Kastens mit dem Rahmenwerk des- 
selben zusammen gegossen und derartig fein nachciselirt und in 
gekornter (granulirter) Arbeit ausgefilhrt, dafs selbst 
die in grofsem Mafsstab gehaltenen Abbildungen 
die Feinheiten kaum in vollem Mafse wiedergeben 
ktinnen. 

Die Seiten des oben als Riickgrat bezeichneten 
Mittelbtigels zeigen in einpunktirter und darauf nach- 
gezogener Arbeit ein besonderes, dieser Rippe durch- 
aus angemessenes Linienornament (Abb. 9), zu dem das 
Motiv von den Wirbeln eines Rttckgrates entnommen 
zu sein scbeint. Die Ubrigen Btigel weisen dagegen 
bandartige Linienfiihrungen in den verschiedensten 
Mustern auf; bald zeigt sich eine einfache Bandver- 
schlingnng, bald ein Rankenzug, der an hellenische 
Vorbilder erinnert, bald ein kunstvoll durchflochtenes 
Muster von Aesten und Zweigen nach Art eines 
Fleclitziiunes (Abb. 5— 7). Das Schlusselloch wird von 
zwei eingravirten hahnartigen Thieren bewacht, die 
aber derartig (lurch Stilisirung umgebildet sind, dafs 
nur noch die- Ktfpfe und Ftifse an das ursprtingliche 
Vorbild erinnern, wahrend der tibrige Kttrper in freie 
Voluten und Linienfuhrungen aufgelftst ist (Abb. 3). 
Ebenso sind die Thierfiguren, welche auf den Bein- 
platten dargestellt sind, bei ihrer Uebertragung in 
ein strenges Flachornaraent derartig stilisirt worden, 
dafs es bei manchen Platten schwer halt, die Thier- 
figuren in denselbeu zu erkennen und zu verfolgen. 
An den Stellen, wo Gelenke sitzen, finden sich straff 
gezeichnete Voluten aufgelegt, die ja in ahnlicher 
Zeichnung in der nordi- 
schen Metalltechnik beson- 
ders an Arm- und Bein- 
ringen ein vielgebrauchtes 

Schmuckinotiv bilden. 
Haare, Schwanze, Ohren 
und Biirte der Thiere gehen 
vielfach in rein ornamen- 
tale, von concentrisch ge- 
krilmmten Streifen be- 
gleitete Rankenztige liber, 
bei denen der schmale, zwi- 
schen den einzelnen Strei- 
fen verbleibende Grund 
durch flache Perlenreihen 
ausgeftillt ist, wahrend die 
Thierleiber selbst durch 
breite Linienfuhrungen urn- 
rahmt sind und dazwi- 
schen ein durch eingeritzte 
Schraffirung entstandenes 
feineres Schuppenmuster 
zeigen. Wenn es schwer 
fallt, beim ersten Anblick 
auf den einzelnen Platten 
die dargestellten Gegcn- 
stande zu erkennen, so 
reizt gerade dies wieder zu 
eingehender Betrachtung, 
Auflttsung und Entr&thse- 
lung des Dargestellten hin- 
tereinander. V r orzugsweise 
scheinen Meeresthiere auf 
den Platten aufzutreten. 
Auf der dem Schlosse ge- 
genUberliegenden Kasten- 
seite verbeifsen sich zwei 
aal- oder walartige Fische 
ineinander, auf anderen 
Platten zeigen sich grei- 
fen- und pferdartige Thiere, 
welche aber Schwimmfiifse 
und lange Schnurrbarte 
zeigen, wohl nach dem Vor- 
bild von Seehunden. Man 
mttchte diese Thiere als 
nordische Hippokampen 
oder als Wellenrosse und 



Meeresdrachen bezeichnen, welch beiden letzteren Benenuungen ja 
die nordischen Seefahrer ihren Schiffen zu Theil werden liefsen. 
Die Kttpfe der pferdeartigen Thiere sind immer in der Vorder- 
ansicht dargestellt, und derartige K6pfe glotzen auch aus den 





Abb. 3. Theil der Liingsansicht. 



Abb. 4. Langsansicht. 
Der Cordulaschrein im Dom in Kammin. 




Abb. 6. Mittelrippe halb. 



Abb. 5. Seitenstreifen. 



Abb. 7. Stilck des vorderen Randstreifens. 



Abb. 5— 7. Metallverzierungen vom Cordulaschrein im Dom in Kammin. 



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Nr. 15. 



Die Denkmalpflege. 



121 



diirch einen bogenfflrmigen oberen Abschlufs ausgezeichneten 
beiden Endfeldern des Kastens (Abb. 8). Der Kasten, dessen 
Boden durch eine anscheinend spater eingebrachte Holzbohle ge- 
bildet wird, ist am Boden gemessen 56 cm lang und 35 cm breit 



Abb. 8. Stirnansicht. 



Abb. 9. Ansicht von oben. 
Cordulaschrein im Dom in Kammin. 

nnd enthalt jetzt die Reste eines menschlichen Gebeines, welches als 
dasjenige der heiligen Cordula bezeiclmet wird. Da aber keinerlei 
Kreuze oder sonstige christliche Symbole an dem Kasten angebracht 
sind, so wird von alien, die bis jetzt uber den Kasten geschrieben 
haben, gewifs m it Recht angenommen, dafs er urspriinglich nicht 
fttr diesen Zweck, sondeni eher als Behalter zur Aufnahme der 
Kostbarkeiten irgend eines nordischen SeekSnigs hergestellt sei. 
Kugler, der als einer der ersten diesen Schrein beschreibt, 1 ) 
ist der Ansicht, dafs er trotz seines hochalterthumlichen Aussehens 
doch wohl erst in das 12. Jahrhundert nach Chr. zu setzen sei, 
welche Ansicht er aber in keiner Weise begrttndet. Auf jeden 
Fall zeigt dieses Kunstwerk straffere, herbere nnd strenger stili- 
sirte Formen, als sie sich in dem reichen Schnitzwerk an den 
Portalen der nordischen, dem 11. und 12. Jahrhundert entstammen- 
den Plankenkirchen zeigen, von denen der norwegische Gelehrte 

l ) Baltische Studien, herausgeg. v. d. Ges. f. Pommersche Gesch. 
und Alterthumskunde, Jahrg. VII, Heft 2, S. 150. 



Dietrichson eine grofse Anzahl verttffentlicht hat. 2 ) Neuere Forscher 
setzen den Schrein daher wohl mit Recht etwas frtther an, namlich 
in das Ende des ersten Jahrtausends n. Clir., wie z. B. Stephani :i ) 
und Schumann 4 ), der seine Entstehung etwa im 10. Jahrhundert 
annimmt. In dieser Zeit safsen in Pommern und den benach- 
barten an der Ostsee gelegenen Landern die Slaven, oder wie 
sie in jenen Zeiten noch allgemein genannt wurden, die 
Wenden, welche in diese Gegenden eingezogen waren, nach- 
dem sie von ihren urspriinglichen Bewohnern, den Rugiern 
und anderen germanischen Vttlkerschaften im 3. und 4. Jahr- 
hundert n. Chr. ganz oder wenigstens groTstentheils ge- 
raumt worden waren. Trotzdem wird das hier beschriebene 
Kunstwerk mit seiner eigenartigen Erfindung und seiner 
meisterhaften Metalltechnik den Wenden nicht zuzuschreiben 
sein, denn Schumann, ein genauer Kenner der Kunstleistungen 
der ehemals in Pommern ansassigen Vttlker, gibt das folgende, 
in wdrtlichem Auszuge wiedergegebene absprechende Urtheil 
ttber die Kunstfertigkeit dieses Volkes ab: „Was den Schmuck 
der Wenden betrifft", schreibt Schumann 5 ), „so ist aus den 
Hacksilber-, Grab- und Einzelfunden geniigend viel erhalten, 
urn uns einen Begriff von demselben zu geben. Im ganzen 
ist derselbe gegeniiber dem der alteren Perioden einfach zu 
neunen. Waffen, die unzweifelhaft wendischen Ursprungs 
wiiren, sind aus Pommern nicht bekannt, ihre Eisenwaffen 
scheinen sie vielfach von ihren deutschen Nachbarn bezogen zu 
haben. Auch die auf uns gekommenen Steinbilder wendischer 
Gotzen zeigen einen ganz tiefen Stand der darstellenden Kunst. 
Die Gefafsbildnerei, einformig, schablonenhaft in der Form, ohne 
jede Abwechslung, sticht gewaltig ab gegeniiber den zuweileu 
geradezu kiinstlerischen Formen frttherer Perioden. Dafs eine 
nennenswerthe Metallindustrie im Lande bestanden habe, wird 
nirgends bemerkt. Fiigen wir noch hinzu, dafs man ungemein 
hiiufig die Benutzung von Knochen- und Steingerathen findet, 
so wird man zugeben miissen, dafs die 
wendische Cultur eine aufserordentlich 
armselige und tiefstehende gewesen ist, 
die gegeniiber der Cultur frttherer Perio- 
den gewaltig zurticksteht." Ganz anders 
verhalt es sich mit der Cultur der Ger- 
manen in diesen Gegenden. Schon in 
frtther Zeit, der alteren Eisenzeit, welche 
fur diesen Landstrich etwa von 500 v. Chr. 
bis 500 n. Chr. angesetzt werden kann, 
und als nachweislich German en hier safsen, 
finden wir eine hochentwickelte Metall- 
technik gerade an den Ktisten des west- 
lichen Theiles der Ostsee, und die Museen 
in Stettin, Stralsund, Kiel und Kopenhagen 
weisen reiche Schatze kunstvoller germa- 
nischer Metallarbeiten aus dieser und spa- 
terer Zeit auf. In Kiel befindet sich unter 
anderem ein schtines Pferdegeschirr 
(Kummet) von Bronce, welches in seiner 
Verzierung mit ThierkOpfen und in den 
Einzelformen sehr an den Cordulaschrein 
erinnert. Auf einem reichgeschmtickten 
ttber sechs Pfund schweren gol denen Horn, 
das sich frtther in der Kopenhageuer 
Kunstkammer befand, jetzt aber gestohlen 
ist, hatte sich in Runnenschrift der Kttnst- 
ler, der Holtingar (Holting, Holsteiner) 
Hlewagastir genannt. 
Auch der Ostgothenk5nig Theoderich der Grofse erhielt schon 
von den Konigen der germanischen Warner, deren frttherer Sitz 
an der heutigen Warnow in Mecklenburg von der Trave bis zur 
Peene angenommen wird, nach einem noch von ihm erhaltenen 
Dankesschreiben ) ausgezeichnet geschmiedete Langschwerter zum 
Geschenk, die selbst durch die Schutzwaffen, also Helme, Schilde 
und Panzer oder Briinnen, hindurch hieben (spathas etiam arma 
desecantes). Sie waren so blank polirt, dafs man sich darin spiegeln 



2 ) Vergl. Dietrichson und Munthe, die Holzbaukunst Norwegens, 
Berlin 1893. 

3 ) Der alteste deutsche Wohnbau und seine Einrichtung. Leipzig 
1902. S.385. 

4 ) Die Cultur Pommerns in vorgeschichtlicher Zeit in „Baltische 
Studien* Jahrg. 46. Stettin 1896. 

: >) a. a. O. S. 187 ff. 

6 ) Cassiodori Sen. Variae ed. Mommsen in. Mon. Germ. V 1. 
Die Stelle erscheint im einzelnen etwas entstellt, sodafs sie hier 
nur auszugsweise wiedergegeben ist. 



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Die Denkmalpflege. 



26. November 1902. 



konnte (splendet illic claritas expolita, ut intueutium facies fideli 
puritate restituant), spielten in verschiedenen Farben (variis 
coloribus) wieder und waren durch schftne Lftngsfurchen ausgehtfhlt 
(pulchris alveis excavata). Off enbar waren si e in damascirter Arbeit 
von Eisendrfthten oder Faden (linis) hergestellt und wir wilrden 
das Muster vielleicht als Band- oder Rosendamast bezeichnen, da 
Theoderich sagt, dafs die Klingen sich von kleineu Wttrmem zu 
krausein schienen (videntur crispari venniculis). Theoderich sagt 
in deni zwischeu 523 und 526 verfafsten Briefe, dafs das Land der 
Warner in solchen Werken einen vorziiglichen oder gar den 
alleinigen Ruf (hujus rei opinionem singularem) besitze und fiihrt auch 
an, dafs der hellleuchtende Sand (splendidissimus pulvis patriae 
vestrae natura largiente), ein Geschenk des Vaterlandes der Warner, 
also wohl der feine weifse Ostseesand, ein wesentliches Erforderuifs 
zum Scbleifen und Polireu derartiger Waff en bilde. 

Es wird daher nach dem obigen vollstandig gerechtfertigt er- 
scheinen, wenn man allgemein die kostbaren Metallarbeiten, die 
ab und zu an den Ktisten der Ostsee im Wasser oder auf dem 
Lande gefunden werden, nicht Wenden, souderu Germaneu und 
besonders den wahrend der Wendenzeit an den Ktisten Pommerns 
vielfach ansassigen Wikingern zuschreibt, die sich aus Kriegern 
verschiedener germanischer Vfllkerschafteu der Kiistenlander zu- 



sammeusetzten. So bezeichnet Schumann drei in der Oder und 
Peene ausgebaggerte Lang-Schwerter von ausgezeichneter Arbeit"), 
die sich jetzt im Stettiner Museum befinden, als Wikingerschwerter 
„Die Schwerter sind von Eisen, vorztiglich damascirt, zweischneidig.- 
Sie sind am Knauf und an der Parirstange mit goldenen Einlagen 
versehen (tauschirt), die Klingen zeigen Langsfurchen, und es ent- 
sprechen daher diese Langschwerter durchaus den von den Warnern 
dem Kfinige Theoderich zum Geschenk gemachten. 

Ausgezeichnet ist auch das beruhmte goldene Brustgehftnge 
von Hiddensoe bei Rtigen, jetzt im Stralsunder Museum befindhch, 
dessen einzelne Stticke in gekflrnter (granulirter) Arbeit hergestellt 
und mit Schinuckformen, die verschlungene Taue darstellen, reich 
verziert sind (vergl. Abb. 1 u. 2). Die Ornamente laufen mehrfach 
„in stilisirte Thierfiguren aus, wie dies der nordische Stil des 
zehnten Jahrhunderts haufig zeigt*. In dieselbe Zeit setzt Schumann 
auch den Reliquienkasten der heiligen Oordula in Kammin und ist 
gleichfalls der Ansicht, dafs er ursprtinglich in heidnischer Zeit 
zur Aufnahme irgend welcher Schatze gedient habe und erst spMer 
seiner Schonheit willen zum Reliquienschrein einer christiichen 
Heiligen gemacht worden sei. (Schlufs folgt.) 



r ) Abgebildet bei Schumann a. a. O. Taf. 5. 



Die Bedeutiuig; dor Steiimietzzeichen. 



Will man nicht, wie es eigentlich fast durchweg bis jetzt ge- 
schehen ist, liber die Steinmetzzeiclien Fabelhaftes berichten, so 
kann man sich nur auf unverdachtige Zeugnisse stiitzen. In Betracht 
kommen aufser den bildlichen. also den Zeichen selber, nur sehr 
wenige schriftliche, namlich sieben Artikel der Bauhiittenordnung 
in der Rochlitzer Pflege aus den letzten Jahrzehnten des 15. Jahr- 
hunderts und ein Artikel des Bruderbuchs der bereits zUnftig ge- 
wordenen Bauhiitten von 15b:}. Die alteste Aufzeichnung der 
Hauptordnung, der Strafsburger, von 1459 und deren kaiserliche 
Bestatigung von 1498 erwahnen die Steinmetzzeiclien mit keinem 
Worte. Und doch kann gar kein Zweifel dariiber sein, dafs die 
Zeichensitte mit den mittelalterlichen Bauhiitten in engster Yer- 
bindung gestanden hat, weil sie mit ihnen entstanden ist, gebliiht 
hat und wenn auch nicht vergangen ist, so doch Wandlung erfahren 
hat, wie die Hiitten selbst, die samt der Zeichensitte ein Scheinleben 
fortgeftthrt haben bis in die zweite Halfte des 19. Jahrhunderts. 

Die romanischen Bauten kann man im allgemeinen ansehcn, 
wenn auch nicht von MOnchen errichtet, so doch unter der Leitung 
von Monchen entstanden. Man braucht nur an die Reformation 
des Benedictinerordens (lurch die Cluniacenscr zu denken, die sich 
auch baulich so lebhaft ausgesprochen hat; was Deutschland an- 
betrifft. vor allem (lurch den Abt Wilhelm von Hirsau, dessen 
Baueifer in der zweiten Halfte des 12. Jahrhunderts so viele Kirchen 
(meist Saulenbasiliken) hat entstehen lassen und der zur Befriedigung 
seiner Baulust die Bauleute eintheilte und schulte und somit ge- 
wissermafsen den Grand legte fiir die Bauhiitten in gothischer Zeit. 
Dafs solche sich bildeten, dafs gewissermafsen das Bauen aus den 
Hiinden der Geistlichkeit in Laienhande iiberging, hatte seineu 
Grund in der Yersehiebung der Machtverhaltnisse. Die Stiidte 
wurden milchtig, und die Macht der Biirger trat in Wettbewerb 
mit der der Geistlichkeit. Die Bauhiitten wurden aber und das 
ist das merkwiirdige. obwohl ganz natiirliche nicht, wie die 

anderen Vereine von Lenten glcicher Hantirung, Ziinfte, sondern 
blieben freie Yereinigungen von Steinmetzen mit stcts wechselndem 
Bestande und Platze. Denn cine Bauhiitte, d. h. cine Werkstatt 
mit Meister und Gesellen, konnte nur da entstehen. wo ein Monu- 
mentalbau, das will fiir das Mittelalter im allgemeinen sagen eine 
Kirche. errichtet werden sollte, und ihr Bestand hing ab von der 
Grofse des Bauwerks. von den jeweilig fliissigen Baugeldern usw. 
Hieraus erkliirt sich, dafs die Steinmetzen gewOhnlich nicht sefshaft 
an einem Ort sein konnten, sondern im Gegensatze zu den Genossen 
einer Zunft, z. B. Schustern, Futterknechten, Gewandschneidern usw., 
die sefshaft und unter stadtischer Ordnung lebten und dadurch oft 
von stadtpolitischer Bedeutung waren, Freiziigigkeit haben mufsten. 
Fahrenden Kiinstleru ^leich vereinigten sie sich. wo inimer es fiir 
sie Arbeit gab, zu einer Hiitte und losten sie wieder auf. wenn 
der Bau beendet oder aus anderen Griinden Arbeit fiir sie nicht 
mehr vorhanden war. Dabei ist noch abgesehen von den Wander- 
gesellen, die kamen und gingen, uin in der Welt sich umzusehen 
und ihr Kdnnen zu bereichern. Bevormundung des einzelnen, 
Vetternwirthschaft u. dgl., wie sie unausbleiblich sind bei einer 
Kiirperschaft von dauerndem Bestande und auf das Weichbild einer 
mittelalterlichen Stadt beschrankt, konnten in den Bauhiitten nicht 
Platz greifen, wenn diese Hiitten auch. da im Mittelalter ohne 
korperschaftliche Gcstalt keine Einrichtung zu denken ist. sich unter 



einer Hauptordnung, der zu Strai'sburg, zusammenfanden. Doth 
war diese Ordnung nur im allgemeinen giiltig; neben bezw. unter 
ihr gab es besondere Ordnungen fiir die einzelnen Landesgebiete. 
die deren mit Riicksicht auf ihre besonderen Verhaltnisse bedurften. 
Keineswegs bestand die Absicht, eiue Gleichheit zu erzielen, was 
schon daraus zu ersehen ist, dafs die Strafsburger Ordnung erlaubt. 
ihre Artikel zu my Item, mynren oder meren, je nach der zitt und da 
landes notdurfft und nach den laiffen.*) J a, die Rochlitzer Ordnunj.' 
sagt sogar: . . . was die (Bau-)fferrn nicht haben wollen, dan soli 
man abthun von diesen arthiykeln, und die meister des landes tind 
derselben artigkeln seindt sie nicht pflichtig zu halten . . . Leider keimen 
wir die Verhaltnisse der Bauhiitten in ihrer Bliithe nur aus der 
Zeit, in welcher es bereits mit ihnen ab warts ging, aus der Zeit, 
wo die in den Hiitten wirklich vorhandeuen Auschauuugeu nieder- 
geschrieben werden mufsten oder sollten, urn Bestand zu habeu. aus 
der Zeit also, wo der Fort best and dieser Anschauungen bereits #e- 
fahrdet war; denn hier wie im politischen Leben bedentet das Ver* 
langen nach geschriebenen Gesetzen nur, dafs die bestehende Ver- 
fassung in Gefahr ist, ja, dafs sie bereits im Sterben liegt. wahreiid 
audere Machtverhaltnisse zu neuen Anschauungen und Einriclitun^en 
drangen. Iiiinicrhiu kftnnen wir Riickschliisse aus den Aufzeiclmunueu 
des 1'). Jahrhunderts, auf die vorigen Zeiten Ziehen und dadurch iu 
der Hauptsache den Entwicklungsgang der Hiitten kennen lernen. 
Fiir unsere Zwecke kommt l)esonders das Lehrlingswesen iu 
Betracht insofern, als sich erkennen lafst, dafs es wahrend der 
gothischeu Zeit lediglich Sache desMeisters war, nicht aber derHiitte. 
Der Meister nahm den Dieuer, so hiefs der Lehrling, auf und gab 
ihn nach fiinfjahriger Lehre los. Einen Lehrbrief gab es nicht; wer 
hatte ihn auch leseu kOnuen? Ebenso gab es kein Gesellenstiick. wie 
es auch im ganzen Mittelalter kein Meisterstiick gab. Die Lehrzeit 
fand ihren Abschlufs damit, dafs dem Diener jetzt erst von seiuem 
Meister gewisse Geheimnisse geoffeubart wurden, die allein zum Auv 
weise auf der Wanderschaft bei freuulen Hiitten dienen konnten uud 
die nach der Rochlitzer Ordnung also beschrieben werden: Dasht 
ein gruss r tine ein Hzlicher geseUe griissen soil, wenn er von enten :n 
der hiitten eingehet t so soil er also sprechen: Gott griisse euch, Gottweyse 
euch, Gott lone euch, euch erlter meister ervorderung, pallirer und euch 
hubschen gesellev ; so soil in der meisttr oder pallirer dancken, das er titht, 
welcher der oberst ist in der hiit ten; do soil der geselle an denselbigen an- 
heben und sol sprechen: Der meister — und nenntt in bey namen - der 
enpeut euch seinen werden gruss; so sol der geselle umbher gehen von em 
jsu dem andern t itlichen freuntlich zu griissen, also er den obersten ge- 
griisset hat, so sint ime aUe meister und pallirer und gesellen erberglichen 
schencken, wie die vorgeschribene stiicke von des grasses und geschenke 
wegen(!), nicht den sol man nicht ver gut halten, er sey den gebust nmb 
ein pfundt wachs, ocxiiii 4- Ein itzlicher wandergesell soil bithen umb 
eine luncke (liincke) — die Bedeutung dieses Wortes ist nicht klar. 
vielleicht Bank — , darnach um ein stuck steins, darauff darnach umb 
gezeugk, das sol man in williglichen leihen. Ein itzlicher gesell soil dii 
andern gesellen aUe bithen, und kein sol es verhoren, sie soUen alle hel/fen, 
helffet mir auff oder in das euch Got helffe; wen sie geholffcn haben. 

*•') lch fiihre durch weg an nach der vortrefflichen Arbeit iiber 
„Das gothische Steinmetzzeichen von Dr. phil. W.Clemens Pfau 1895". 
welche zuerst die Phantasieen von Rziha und die oft unbegiiindeteu 
Darlegungen von J aimer unwiderleglich zuriickgewiesen hat. 



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Nr. 15. 



Die Denkmalpflege. 



123 



so sol er 8einen huth abethun und soil in dancken und sprechen: Gott 
dancke dent meister und pallirer und den erbarn gesellen. Die Geheim- 
nisse bestehen also in einem bestimmten Grufse, in der Bestellung 
eines Grufses vom vorigen Meister, in bestimmten Formen bei dem 
Anfange der Arbeit und in dem Schenken, wahrscheinlich einem 
geheimen Handedrucke, der liier nicht weiter beschrieben ist. Der 
Diener wenn man ihn ledig sagen will, soil, so heifst es noch 
im Bruderbuche, bey seinen treutoen und ehren an eyds statt geloben, 
bey verlierung des steinmetzen handwercks % das er den steinmetzen grass 
und auch die schenck niemands roolle bffnen oder sagen, dann den ers 
sagen soil, auch gar nichts darum aufschreiben. Zu dem Versprechen, 
diese Geheimnisse zu verwahren, kam, wenn auch nicht aller Orten, 
hinzu, dafs der Meister dem jungen Gesellen eiu Zeichen verlieh 
uud dafs dieser sein Zeichen dann an die Gesellen zu verse he uken 
hatte, d. h. durch ein Essen die Zeichenverleihung mit den GeseUen 
feierte. Ueber den Umfang solcher Feier gibt Artikel 27 der 
Rochlitzer Ordnung Auskunft: Ein meister sol auch keinen auffsatz 
machen einem diener, sein zeichen vorzuschenken denn etzlichen geistlichen, 
denn er dazur bith, fur einen pfenning semeln, vorXVgr ein broten, vorXVgr 
fle%8ch,zioei stubichen weins; und soil nicht mehrbithen denn X gesellen; bither 
daruber, so mag der Diener mer kauffen, so toirt der meister darinne nicht 
gefert. Indessen bestimmt Artikel 31 obiger Ordnung: Es soil kein 
Meister seinen Diener kein Zeichen lassen verschenken, er habe den aus- 
gedinet, namlich fiinf Jahre, wie es im groTsten Theile Deutsch- 
lands ublich war. Mit dem Verscheuken des Zeichens war namlich 
in den Augen der Gesellen fur den Diener die Lehre vorbei, und das 
durfte in Bezug auf Artikel 30 nicht sein, welcher lautet : Do mag 
ein meister seinetn diener ein zeichen verleihen in sein lerjaren zu wandern, 
wenn der meister nicht forderunge hatte, das er in musst lassen wandern. 
Mithin konnte schon ein Lehrling ein Zeichen erhalten ; der Meister 
durfte es ihn aber erst verschenken lassen, ihn also erst zum Ge- 
sellen machen, nach ordnungsmafsig volleiideter Lehrzeit. Darauf 
wird Werth gelegt, was auch aus Artikel 94 hervorgeht, der sich 
gegen den Zeichenkauf wendet: Wo ein gesele nicht aussgedinet hat, 
welcher geselle sein zeichen gekaufft hat und nicht verdinet hat, wo ein 
mitler oder helffer auffsetzet und lernet sie stein hauen } bei den soil 
niemandt stehen. Wie hiernach der Verkauf eines Zeichens seitens 
des Meisters, also das vorzeitige Gesellewerden, gehindert werden 
soil, so nach Artikel 26 das zu spate durch Vorenthalten des 
Zeichens: Ein meyster soil seinem diener sein zeichen nicht lenger 
vorhaUen den XIIII tag, es were den sache, das er dem meister etliche 
zeit verseumet hette; do soil der diener im sein wUlen vor darumb machen 
und das vorschenken. Es kann also Zeitversaumnifs durch ein Essen 
fur den Meister ausgeglichen werden. Aus Artikel 25 erfahrt man, 
dafs nicht uberall die Zeichensitte bestandeu hat, da im Gtiltigkeits- 
gebiete der Rochlitzer Ordnung, wo die Sitte ja best and, fremde 
Meister und Gesellen sich urn ein Zeichen bewarben: Und ob ein 
meister oder geselle kemen. die das hantwerck oder die kunst kunden t 
und begert eines zeichens von einem werckmeister, denn soil er seinen 
willen darumb machen und zu gottes dienst geben, was meister und ge- 
sellen erkennen, und soil das Zeichen zwiffelt verschencken, meistem und 
gesellen. Der zweifache Schmaus, der von solchem schon aus- 
gelernten Fremdlinge verlangt wird. ist begreiflich. Ueber das 
Anschlagen des Zeichens selber gibt endlich noch Artikel 72 Aus- 
kunft : Welcher geselle nicht hiilffe bithet, seinen stein auss oder ein- 
zuwenden, brengen oder umbzuwenden wen es not ist, oder sein zeichen 
annschlecht, ob (= wenn,) er recht gemacht sey (d. h. wenn der Stein als 
recht gemacht befunden ist), aber es (= das Anschlagen) soil geschehen, 
ehe man den stein besihet, das er in das legcr komet ungefraget oder 
vordiget ungefinget ('/), der sol geben zu busse ein halb pfunt wachs. 
Nattirlich sollte nach der Abnahme eines Steins durch den Meister, 
der doch die Verantwortung hatte. an ihm nicht mehr gearbeitet 
werden, und deshalb mufste auch das Zeichen schon vor der Ab- 
nahme gemacht sein, sodafs es eine Garantiemarke liicht bildetc. 
Nach alledem, was ist das Ergebnifs? Wenn die Zeichensitte 
nicht allgemein war, sodafs nicht jeder Steinmetz ein Zeichen haben 
mufste noch hatte, wenn da, wo diese Sitte bestand, der Meister das 
Zeichen verlieh, nicht die Hiitte. sodafs alle Angaben ttber Hiitten- 
zeichen, Huttensehlussel, Zeiehenschlussel usw. in das Reich der 
Fabel gehiiren, wenn endlich das Zeichen weder als Ausweis fur die 
Gesellenschaft noch fur die Person dieneu konnte, sodafs auch die 
Huttenrollen und Zeichenbtichcr. die von den Hiitten gefiihrt sein 
sollen, fabelhaft werden, ja wenn die Zeichen nicht eiumal Garantie- 
marken waren, was fiir einen Sinn batten sie dann? Vortheile 



waren mit ihrem Besitze und ihrer Ftihrung augenscheinlich nicht 
verbunden, weshalb begehrte der Steinmetz also das Zeichen? 

Die Antwort hierauf gibt zugleich tiber die Bedeutung der 
Zeichen Auskunft. Dafs die Steinmetzzeichen in ihrer Blttthezeit, 
also in der Hochgothik, einen ebenso schonen wie tiefen Sinn haben 
mussen, versteht sich, da alles uus aus dieser Zeit Ueberkommene 
einen solchen hat; man braucht nur an die kurzen und geistvollen 
Glockeninschriften zu denken gegenuber den wortkargen alteren uud 
den geschwatzigen spat er en. 

Wenn der Meister die Zeichen verlieh, so ist nichts natttrlicher, 
als dafs sein eigenes Zeichen zu den von ihm verliehenen die Grund- 
figur bildete, die er durch Beizeicheu bereicherte. Es entstanden so 
gewissermafseu Zeichenfamilien, Zeichenstammbaume, auf ein Kreuz. 
einen rechten Winkel, eine Gabel, ein Dreieck zuruckgehend, wie es 
Wappenfamilien und Wappeustammbaume gibt, deren Bildung auf 
ein Urwappen zuriickgeht. Der Sinn solcher heraldischer Gestaltung 
war im Mittelalter allgemein verst&ndlich. Finden wir doch auch 
Steinmetzzeichen als Wappenbilder auf Schilde gesetzt. wodurch sich, 
obwohl es an einem Beweise dafttr fehlt, allemal das Meisterzeichen 
kennzeichnen soil. In der Form schliefst sich das Zeichen freilich nicht 
dem Wappeubilde an sondern der Hausmarke, weil es nicht darauf an- 
kam, dafs es wie jenes sogleich weithiu zu erkennen war — dazu 
sollte auch die krilftige Tingirung der Wappenschilder beitragen — , 
sondern dafs es bei so vielfacher Wiederholung unschwer zu machen 
war uud auch nicht stOrend in die Augen fiel. 

Wie sich nun das Steinmetzzeichen hiernach in seiner Bildung 
sowohl an das Wappen als auch an die Marke schliefst, so auch in 
seinem geistigen Gehalte, nur dafs dieser viel edler als der beider 
ist und ihm seinen Platz nicht zwischen sondern iiber ihnen anweist. 
Bezieht sich das Wappen auf das Blut, auf die Verwaudtschaft 
uud das Herkommen, die Hausmarke auf den Besitz, auf die 
Habe uud das Anrecht, so wird durch das Zeichen der Steinmetzen, 
d. h. der mittelalterlichen Architekten, die freilich nicht wie wir den 
grOfsten Theil ihrer Gedanken auf gewalkten Lumpen, sondern in 
monument alem Steine zum Ausdruck bringen durften, die Arbeit, 
die Leistung, das Werk bezeichnet. Es bezieht sich also auch 
das Zeichen einerseits auf das Blut, aber nicht in banaler Weise auf 
das physische, sondern auf die geistige Verwandtschaft, auf die 
geistige und kliustlerische Herkunft vom Meister, anderseits auf 
den Besitz, aber nicht auf die materielle Habe, was noch banaler 
ware, sondern auf das Anrecht an eine Arbeit, an ein Werk. Nicht 
was der Zeicheninhaber ist, auch nicht was er hat, sondern was 
er scliuf, bezeugt das Zeichen. Es gilt daher als ein Ehrenzeichen, 
als ein Sinubild der Ehre. die der Besitzer in seiner Leistung sucht. 

Das ist die Bedeutung des Zeichens in der besteu Zeit. Vorher 
in romanischer Zeit finden sich auch schon Zeichen von Steinmetzen- 
hand; aber es sind Buchstaben, einfach dargestellte Ger&the, wie 
Hammer, Kelle, Winkel usw., die sich nicht gut durch Zuftigungen 
andern liefsen, die also auf dem heraldischen Bildungsgrundsatze 
noch nicht bernhten und daher auch noch mehr die Bedeutung der 
Marke gehabt haben durften. Nachher in der Renaissancezeit wird 
das Zeichen zwar auch noch als Ehrenzeichen angesehen und als 
solchesim Bruderbuche auch ausdrticklich bezeichnet, dessen Artikel hS) 
lautet: Es soil auch keiner sein ehrenzeichen, dass jme von einem 
Handwerk verlyhen und vergonnt toorden ist, fur sich selbs und 
eigens gewalts nicht endern, so ers aber ihn zu endern vermeint, 
soUe ers mit gunst, ivissen und willen eines gantzen Handwercks 
thun, allein die Zeit hatte sich, wie auch aus diesem Artikel er- 
sichtlich, gar sehr geiindert: Die Hiitten waren ztinftig geworden. 
nicht mehr der Meister, sondern das Handwerk, also die Zunft verlieh 
das Zeichen und wachte daruber, dafs es nicht beliebig ge&ndert 
wurde. Ueber das Lehrlingswesen wurden von der Zunft Artikel 
aufgestellt ; es kamen die Lehrbriefe, Gesellen- und Meisterstticke auf. 
deren Folge war, was man mit Rathsverwandtschaft bezeichnet; das 
viele Schreibwerkerforderte eine Lade zur Verwahrung der wichtigen 
Schriftstiicke, die den mittelalterlichen Hiitten unbekannt war; die 
Zeichen waren nun zu Huttenzeicheu geworden, tiber die Zeichen- 
rolleu und Zeichenbiicher gefiihrt werden nmfsten und die ein Aus- 
weisgesell inachte; sein Zeichen diente nun dem Gesellen wirklich 
zum A us weise. Dam it aber war der alte, scheme lieraldische Sinn 
von der Herkunft und dem Anrechte in veredelter geistiger Hinsicht 
verloren gegangeu. 

Hannover. Dr. G. Schonermark. 



Vermischtes. 



Deokmalpflegrer in Hessen. In Ausftihrung des liessischen Ge- 
setzes fiber den Denkmalschutz (S. 73 d. Bl.) hat die Gr. Hess. Re- 
gierung zu Denkmalpflcgern (auftrw.) bestellt: 



1 ) fur Alterthumer und bewegliche Gegenstande den Gr. 
Ministerialrath i. P. Soldau in Darmstadt ftir das Grofsherzog- 
tlium, 



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124 



Die Denkmalpfleffp 



26. November 19U2. 



2) ftlr Baudenkmaler a) der Provinz Starkenburg den ord. 
Professor ftir Baukunst an der Techn. Hochschule Ptitzer in 
Darmstadt, b) der Provinz Oberhessen den ord. Professor ftir 
Baukunst an der Techn. Hochschule Walbe in Darmstadt, c) der 
Provinz Rheinhessen, die Arbeiten werden einstweilig durch 
Prof. Ptitzer mitversehen. 

Nach Art. 31 des genannten Gesetzes sind die Denkmalpfleger 
in alien Fallen, welche der behttrdlichen Genehmigung unterliegen, 
gutachtlich zu hOren. Bei Baudenkmalern in Privatbesitz kann 
(Art. 11 u. 12) unter Umstanden der Denkmalpfleger allein ent- 
scheiden, indem dem Verftigungsberechtigten die Befugnifs zu- 
steht, an Stelle der Genehmigung der ttrtlichen AufsichtsbehOrde 
diejenige des Denkmalpflegers einzuholen. Dem Denkmalpfleger 
kann ferner seitens des Ministeriums des Innern die Befugnifs 
beigelegt werden, in Fallen dringender Gefahr vorlaufig die Ein- 
stellung gesetzwidrig begonnener Arbeiten zu verftigen oder sonst 
die zur Verhtitung gesetzwidriger Handlungen erforderlichen Mafs- 
nahmen anzuordnen. Die Bestellung der Denkmalpfleger ist im 
Nebenamt erfolgt, wobei insbesondere ftir die Baudenkmaler an- 
genommen ist, dafs bei der gleichzeitig erfolgten Theilung des 
Landes in drei Denkmalbezirke entsprechend den Landesprovinzen 
es dem einzelnen Denkmalpfleger mttglich sein werde, neben 
seinem Lehrberuf den an ihn herantretenden Aufgaben der Denk- 
malpflege gerecht zu werden. Ftir die Alterthtimer und beweg- 
lichen Gegenstande, insbesondere auch die Ausgrabungen und 
Funde wurde ein Denkmalpfleger ftir ausreichend erachtet. Die 
Denkmalpfleger werden, abgesehen von den ihnen durch das 
Gesetz erwachsenen Obliegenheiten, in zweiter Linie mit dazu be- 
rufen sein, das Werk der Denkmaler-lnventarisation, welches seit 
dem Tode mehrerer eifriger Mitarbeiter (Wagner, Adamy, Marx) 
sehr ins Stocken kam, weiter zu fttrdern und zu Ende zu ftihren. 

Znm Mitglied des SachverstSndigen-Ausschusses, der den Con- 
servator der wflrttembergischen Kunst- nnd Alterthnms-Denkmale 

hauptsachlich in Wiederherstellungssachen berath, ist Professor F i - 
scher an der Technischen Hochschule in Stuttgart ernannt word en. 

Gesetz tiber Kunstdenkmaler im Canton Nenenbnrg, Schweiz. 

Nachdem innerhalb dreier Jahre die Can tone Waadt und Bern 
gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Kunstdenkmaler er- 
lassen haben (vergl. S. 56 v. J.), ist nunmehr kttrzlich ein dritter 
Canton, Neuenburg, diesem Beispiele gefolgt. Der Grofse Rath 
hat die Vorlage betreffend die Erhaltung geschichtlicher Kunst- 
denkmaler in dritter Lesung angenommen. Ein vom Staatsrath 
zu bestellender Ausschufs wird die amtliche Klassiruug der dem 
Staate und den Gemeinden geh&renden Alterthtimer und Baudenk- 
maler vornehmen. Die den Privaten gehOrenden Alterthtimer 
sollen nur mit Zustimmung ihrer Besitzer dem Gesetze unterstellt 
werden. Letztere kOnnen sechs Monate nach erfolgter Mittheilung 
an die Regierung die Ausscheidung der betreffenden Gegenstande 
verlangen. Das Gesetz entspricht mit unbedeutenden Aenderungen 
denjenigen von Bern und Waadt. E. P. 

Die Wiederherstellung der Klosterkirche in Alpirsbach, welche 
schon in den 80er Jahren seitens der wttrtt. Staatsregierung in 
der Hauptsache zur Durchfuhrung gelangte, hat in neuester Zeit 
ihre Beendigung damit erfahren, dafs verschiedene frtiher zurtick- 
gestellte Arbeiten nunmehr erledigt und namentlich die Umfassungs- 
wande, welche seit der letzten Wiederherstellung stark unter 
Feuchtigkeit gelitten hatten, mit Erfolg trocken gelegt und die be- 
treffenden Malereien theils ergftnzt, theils ganz neu hergestellt 
wurden. Auch ist das stidlich an die Kirche anstofsende Dormi- 
torium einigermafsen mit in die Wiederherstellung einbezogen 
worden. Die wttrtt. Finanzverwaltung hat sich mit der pietat- 
und verst&ndnifsvollen Wiederherstellung dieses Baudenkmals, in 
welchem sich, nachdem St. Peter in Hirsau ftir immer in Schutt 
und Trttmmer gesunken, das hervorragendste Werk der Hirsauer 
Congregation erhalten hat, aufs ueue allseitigen Dank erworben. 

Ein anderes, wesentlich bescheideneres, aus dem Ende des 
12. oder Anfang des 13. Jahrh. stammendes, und wohl unter dem 
Einflufs von Maulbronn entstandenes kirchliches Bauwerk, die ehe- 
malige Stifts- jetzt evangelische Pfarrkirche in Boll bei GOp- 
pingen ist nach den Planen der Stuttgarter Architekten Schmohl 
u. Stah elin auf Kosten der Kirchengemeinde durch einen Sacri- 
steianbau erweitert und im Aeufsern und Innern wiederhergestellt 
worden. Diese dreischiffige, flachgedeckte Pfeilerbasilika, deren 
Mittelschiff als Chor verlangert und wie die Seitenschiffe innen 
und aufsen gerade geschlossen und mit eiuem dem sttdlicheu 
Seitenschiff vorgebauten, campanileartig wirkenden Westthurm 
versehen ist, unterscheidet sich von den tibrigen schwabisch-roma- 
nischen Bauten namentlich auch dadurch, dafs sie jeglichcr plnsti- 
schen Verzierung ermangelt. Die Wiederherstellungsarbeiten er- 



streckten sich auf die Holzdecken der drei Schiffe, den Bodenbelag, 
Fenster und Thiiren und namentlich auf die Bemalung des Innern, 
welche in Form, .Ton und Mafsstab gleich fein empfunden und 
ausgeftihrt ist. Dabei mag allerdings die Frage noch of fen bleiben, 
ob die im vorliegenden Fall ausgiebig angewandte grtine Lasur 
beize an samtlichem Holzwerk mit strengeren Wiederherstellungs- 
grundsatzen vereinbar erscheint. Die Kirche hat aufserdem neues 
Gesttihl und eine neue Westempore mit Orgel erhalten. Zu be- 
dauern ist, dafs der Abschlufs des Westthurmes von einer stil- 
gemafsen Wiederherstellung ausgenommen wurde. 

Eudlich ist die zur Zeit noch nicht abgeschlossene Wieder* 
herstellnng der St. Dionysinskirche in Esslingen zu erwahnen, 
mit deren Durchftihrung Baurath Th. Frey in Stuttgart be- 
traut ist. Dieses mit seinen altesten Theilen in den Anfang des 
13. Jahrh. zurttckgehende Baudenkmal beansprucht insofern be- 
sondere Beachtung als an ihm alle nachfolgenden baugeschichtlichen 
Abschuitte bis in die spatgothischen Zeiten in hOchst bemerkens- 
werthen Schttpfungen zu studiren sind. Wahrend die unteren 
Theile der zwei Ostthttrme und der ftinf ersten Joche des Lan^r- 
hauses in der entwickeltsten Form des ITebergangsstils und deren 
obern Theile im frtihgothischen Stil erbaut sind, zeigt sich der 
tiber das Langhaus wesentlich erhdhte Chor als eine Perle der 
Hochgothik, wbgegen die zwei letzten Joche des Langhauses, der 
Lettner und das Sacramentshaus die Formen der Spatgothik auf- 
weisen. St. Dionys ist eine dreischiffige flachgedeckte Pfeiler- 
basilika (achteckige Pfeiler) mit zwei Ostthurmen am Schlufs der 
Seitenschiffe und einem in drei Seiten des Achtecks geschlossenen 
kreuzgewftlbten Chor, In die Ecken zwischen Chor und Thtirmen 
sind gewolbte gothische Capellen eiugebaut. 

Die Wiederherstellung, welche sich bis jetzt auf den Chor und 
die Thtirme erstreckte und sich als eine in jeder Hinsicht muster- 
gttltige erweist. hat in jiingster Zeit insofern von sich reden ge- 
macht, als unter der dem Nordchorthurm auf dessen Nordseite im 
15. Jahrh. zwischen zwei machtigen Strebepfeilern vorgelegten 
Verstarkungsmauer das ursprtingliche Thurmportal vorgefundeu 
wurde. Es ist ein in den entwickeltsten Formen des Uebergang- 
stils gehaltenes, nach innen ftinffach mit Saulen und Diensten al>- 
getrepptes Rundbogenportal, das eine auf sere Breite von 5.6 m 
besitzt und dessen Entwurf und Einzelheiten an diejenigen des 
Portals im niirdlichen Arm des westlichen Querschiffs vom Dom 
in Mainz erinnern. Die Tympanonplatte ist mit fein gearbeitetem 
bildnerischem Schmuck versehen. Da nach dem Urtheil des hau- 
leitenden Technikers eine Freilegung dieses Portals, dessen Bogen- 
theile durch die auflagernde Last des Thurmmauerwerks vollijr 
zerdrtickt wurden, leider ausgeschlossen erscheint, so ist von ihm 
der Gedanke angeregt worden, eine genaue Nachbildung des 
Portals vor die bestehende und nicht zu entfernende Blendmauer 
zu setzen. Dementsprechend hat er einen Entwurf bearbeitet, 
dessen Ausfuhrung aus Rucksichten der Pietat wie aus kunst^e- 
schichtlichen und asthetischen Grtinden gleich wunschenswerth er- 
scheint. Wir gedenken spater noch einmal auf diese Wiederher- 
stellungsarbeiten zuruckzukommen. — W.— 



Bncher8chan. 

Zur Losung der Kiesenthorfrage. Das Riesenthor des Wiener 
St. Stefans-Domes und seine Restaurirung. Von Dr. Heinrich 
Swoboda, Prof, an der Wiener Universitat. Wien 1902. Anton 
Scliroll u. Co. 30 S. Text mit 4 Abb. Geh. Preis 0,80 .0. 

Schon aus dem Titel des vorliegenden Heftes geht hervor, dafs 
es sich um eine Streitschrift handelt. Zweck dieser Zeilen ist 
nicht, auf den dort behandelten Gegenstand miner einzugehen. 
denn das hiefse die Schrift zum guten Theil abdrucken. Es soil 
nur darauf hinge wiesen werden, dafs hier aus Anlafs eines be- 
merkenswerthen Einzelfalles klar und leidenschaftslos vieleFragen 
eingehend erortert wurden, welche nicht nur bei ahnlichen Fallen. 
sondern tiberhaupt bei den meisten Aufgaben der Denkmalpflege 
an noch benutzten Bauwerken auftauchen werden. Allen denen. 
welche an die Veranderung eines tiberlieferten Bestandes heran- 
gehen, sei das Bttchlein bestens empfohlen; mOchte es dazu bei* 
tragen, der Meinung seines Verfassers zum Siege zu verhelfen. 

Berlin. Erich Blunck. 

Inhalt : Zwei EdelhOfe in Eltville a. Rh. - Der Cordulagehreiu m Kammin. 
Zeit uxnl Ort seiner Ent«tehung. — Die Bedeutung der Steinmetzzeichep. - 
V e r m i 8 <• h t «- 8 : Deuknialpf leyer in Hrssi-n. — Ernennung eines Mitgliede-. 
des Sncliverstundigen-AussoliuHses fUr die wttrttetnbergMcheii KnnsMenkmiiier. 
— (ioHetz Uber Kunstdenkmiller im Canton Neuenburg, Schweii. — ^iwler- 
herstellung der KloHterkirehe in Alpii-Bbneh, der ev. Pfarrkirche in Boll and 
der St. Dionysiuskirelie in EsMlingen. — B fi e b ersrh au. 

Kllr die Sebrirtlritiing vernntwortlieh : Kriedrieh Scbnlt/*-. Berlin. 
Verlag von Wilbelm Ernst u. Sobu, Berlin. Druck: Ciuatav Scheuck Solin, Berlin. 



Nr. 15. 



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Die Denkmalpflege. 

Herausgegeben von der Schriftleitung des Centralblattes der Bauverwaltung, W. Wilhelmstrafse 89. 
SchrifUeiter: Otto Sarrazin und Friedrich Schultze. 



125 



IV. Jahrgang. 

Nr. 16. 



Erscheint alle 3 bis 4 Wochen. Jahrlich 10 Bogen. — Geschaf tatelle : W. Wilhelmstr. 90. — Bezugspreis 

einschl. Abtragen, durch Post- oder Streifbandxusendung oder im Buchhandel jahrlich 8 Mark; ftlr das 

Ausland 8,50 Mark. Ftlr die Abnehmer des Centralblattes der Bauverwaltung jahrlich 6 Mark. 



Berlin, 17. Decbr. 
1902. 



[Alle Rechte vorbehalten.] 

Der Cordulaschrein in Kammin, Zeit und Ort seiner Entstehung. 

(Schlufs aus Nr. 15.) 

In der Nahe von Kammin, das an der frtiher wohl tiefsten und Hand eines Wikingers der benachbarten Jomsburg geschaffen ist, 

daher vielbefahrenen flstlichsten Odermttndung, der Dievenow, liegt, dafs er nach der Zerstflrung dieser Burg in der reichen Stadt Julin 

befand sich nun ehemals zwei Meilen weiter stromaufwarts an der aufbewahrt und dann bei der Verlegung des Bisthums von Julin 

Stelle des heutigen Wollin eine reiche Handelsniederlassung, an- nach Kammin in die letztere Stadt mitgenommen wurde. Wenn 



fangs Jome oder Jumne ge- 
nannt, welche die Wikinger 
wohl frtth zur Pltinderung und 
Brandschatzung und schliefs- 
lich zur Einnahme reizte, denn 
wir finden im 10. und 11. Jahr- 
hundert an dieser Stelle auch 
eine Wikingerburg, Jomsburg 
genannt, von welcher Schu- 
mann, der erhaltenen Joms- 
vikingasaga und anderen Quel- 
len folgend, berichtet 8 ): „Im 
Wendenland an der Stelle der 
heutigen Stadt Wollin hatte 
der Danenprinz Harald Blau- 
zahn, der Sohn Gorms, eine 
Wikingerburg gegrundet, die 
Jomsburg genannt. Von hier 
aus hatte Haralds Sohn Svein 
den Vater bekampft und sich 
des vaterlichen Thrones von 
Danemark bemachtigt. Aben- 
teuerliche Ftirstensohne aus 
Danemark, Schweden und Nor- 
wegen vvaren spater die Ftthrer 
in der Burg, von der aus sie 
mif Hunderten ^von Schiffen 
Raubztige nach Danemark, 
Schweden, Norwegen, ja bis 
England unternahmen." Nach- 
dem die Wikinger von hier 
aus hundert Jahre lang die 
Kttsten der Ost- und Nordsee 
gebrandschatzt hatten, wurde 
die Jomsburg im Jahre 1043 
von Magnus dem Guten von 
Danemark zerstOrt, aber es er- 
hob sich an derselben Stelle 
zu neuer Bliithe wieder eine 
Stadt, jetzt Julin genannt, de- 
ren Glanz und Pracht die alten 
Chronisten wie Adam von Bre- 
men, Helmold und die Lebens- 
beschreiber Ottos von Bam- 
berg nicht genug zu rUhmen 
wissen. Griechen , Wenden, 
Sachsen und andere Vttlker- 
schaften verkehrten auf dem 
vielbesuchten Markte der rei- 
chen Stadt. Als der Pommern- 
apostel Otto von Bamberg 
dann in der ersten Halfte des 
12. Jahrhunderts das Land be- 

kehrte, wollte Julin den Christenglauben lange nicht annehmen, 
aber ein Jahr nach seinem Tode (y 1139) wurde doch ein Bisthum 
in Julin gestiftet, welches, nachdem 1184 auch diese Stadt zerstOrt 
worden war, im Jahre 1188 nach Kammin verlegt wurde. 

Fur die Geschichte des jetzt im Kamminer Domschatze be- 
findlichen Cordulaschreines dtirfte es sich daher als die einfachste 
und nachstliegende Annahme ergeben, dafs der Kasten von der 

H ) Die Cultur Pommerns in vorgeschichtlicher Zeit, in ,,Baltische 
Studien", S. 187 u. f., Jahrg. 46, Stettin 1896. 



Abb. 10. Sog. „Schmuckkastchen der h. Kunigunde". 
Ursprttnglich im Dom in Bamberg. — Obere u. vordere Ansicht 



der Cordulaschrein aus der 
Hand eines Wikings stammt, 
so sind die hellenischen Ele- 
mente in seiner Verzierung 
auch wohl zu erklaren, war doch 
der Weg von der Ostsee bis 
zum Mittelmeer den Wikingern 
ein wohlbekannter. Nach Haag, 
die V5lker urn die Ostsee vor 
800 bis 10O0 Jahren 9 ), nahmen 
sie lange Zeit hindurch etwa 
den Weg, auf welchem jetzt 
in Rufsland ein neuer Canal 
zur Verbindung der Ostsee 
mit dem Schwarzen Meere ge- 
plant wird, d. h. sie fuhren von 
der Ostsee die Dwina auf warts, 
deren Quellen ganz nahe bei 
denen des Dniepr liegen, schaff- 
ten ihre kleinen und gewifs fur 
diesen Zweck besonders gebau 
ten Schiffe l0 ) ein kurzes Stiick 
iiber Land und fuhren dann den 
letzteren Flufs abwarts iiber 
Kiew ins Schwarze Meer (Swar- 
ta Haf), hier weiter bis zum Sa- 
vidarsund (Bosporus) und bis 
nach Mikklegard (grofse Stadt, 
Konstantinopel). Bald kommen 
die Wikinger, hier auch Wara- 
ger genannt, in friedlicher 
Absicht, urn Kriegsdienste am 
Hofe von Byzanz zu nehmen, 
bald aber auch in grofser 
Anzahl mit kriegerischen Ab- 
sichten, so im Jahre 866, 
als sie Kiew eroberten und 
Konstantinopel belagerten. Ein 
zweiter und zwar dergewOhn- 
lichere Verkehrsweg ging in- 
dessen schon von alters her die 
Oder aufwarts und dann die 
March abwarts iiber Carnun- 
tum an der Donau ins romische 
Reich. Zeugnisse der vielen 
ehemaligen Beziehungen zwi- 
schen dem Mittelmeer und der 
Ostsee sind jetzt noch die rei- 
chen Funde von Miinzen r6mi- 
scher und byzantinischer Kai- 
ser, die an der Ostsee, vorzugs- 
weise in schwedischen Grabern 
gemacht werden, dann beson- 
ders geformte oder verzierte, nicht an Ort und Stelle gefertigte 
vorgeschichtliche Waffen, deren Ursprung in Ungarn und den 

y ) Baltische Studien, Jahrgang 28. Stettin 1878. 

10 ) Das im Nydam-Moore in Schles wig-Hoist ein gefundene, jetzt 
im Kieler Museum befindliche sehr interessante grofse Wikinger 
Boot „lauft an beiden Steven gleichmafsig spitz zu, sodafs es ohne 
zu wenden vorwftrts und rtickwarts gehen konnte, und war daher 
trotz seiner Lange nicht nur auf offener See, sondern auch in 
schmalen Gewassem brauchbar. Das Steuerruder hing seitwiirts. 



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Die Denkmalpflege. 



17. December 1902. 



Mittelmeerlandern gesucht wird, schliefslich audi reich emaillirte 
Metallarbeiten christlicher, byzantinischer Kunst (Leuchter, Cruci- 
fixe usw.), die neben dem hier besprochenen Cordulaschrein im 
Domschatze von Kammin aufbewahrt werden. Ueber Julin ging 
vielleicht auch ganz oder theilweise der Handel zwischen Nor- 
wegen und Arabien, von dem v. Minutoli 11 ) berichtet, dafs 
den Arabern Skandinavien (terra Almagus) wohl bekannt war 
und dafs sie ihre ^Industrieerzeugnisse 4 *, welche im Norden hoch- 
geschatzt wurden, sehr wohl den Wtinschen der nordischen Vdlker 
anzupassen wufsten. Auf dem Silberberge in Wollin, auf der 
Stelle des alten Julin, hat man vielfach arabische Silbermtinzen, 
sogenannte „Dirhems", ausgegraben und ftthrt dieser Berg seinen 
Namen daher. Auf jeden Fall wird man sagen mttssen, dafs der 
Kunstler des Cordulaschreines, wenn er auch etliche antike Elemente 
in sich aufgenommen hat, diese doch ausgezeichnet und zum Stile 
des ganzen passend in sich verarbeitet hat 12 ). Bei einem seefahren- 
den Wiking ist auch die reiche Erfindung und sorgfaltige Aus- 
ftlhrung der Platten des besprochenen Kastens am leichtesten zu 
erklftren. Als ich vor einigen Jahren auf der Nordseeinsel Sylt 
die schflnen Kerbschnitzarbeiten eines Sammlers ansah, die eine 
reiche Erfindungsgabe verriethen, theilte er mir mit, dafs zu den 
Zeiten als die Segelschiffahrt noch bltihte, die Matrosen derartige 
Arbeiten auf ihren langen Seefahrten musterhaft ausgefilhrt hat ten, 
woran jetzt nach dem Vorwiegen des Schiffahrtsbetriebes durch 
Dampfer nicht mehr zu denken sei. 

Wenn nun Minutoli, der auch den Cordulaschrein bespricht, 
annehmen zu milssen glaubt, dafs dieser Kasten ein normannisches 
Kunstwerk sei und bei der Zerstflrung Drontheims aus dem Dom- 
schatze daselbst geraubt worden ware, so ist fur diese Annahme 
keinerlei Grand vorhanden. Da Werkstatten fur Bronce-Gufs und 
Bearbeitung von den altesten Zeiten her in Pommern nachgewiesen 
sind, wird es keinerlei Bedenken haben, eine Entstehung des be- 
sprochenen Kunstwerkes in unmittelbarer Nahe seines jetzigen 
Aufbewahrungsortes im Gebiete der Odermtindung anzunehmen. 

Auffallend ist es nun, dafs zu diesem ganz eigenartigen Kunst- 
werke des Cordulakastens noch ein Gegenstttck vorhanden ist 
Stephani, der auch den Cordulaschrein abbildet und kurz beschreibt, 
sagt von diesem 13 ): „Ein dem Cordulakasten sehr ahnliches Stttck 
befindet sich im bayrischen Nationalmuseum. Es stammt aus 
Bamberg und gait dort fur das Schmuckkastchen der heiligen 
Kunigunde. Ob der Behalter wirklich im Besitze dieser legenden- 
umwobenen Ftirstin gewesen ist, lafst sich freilich nicht im ge- 
ringsten nachweisen. Wohl aber lafst sich behaupten, dafs dieser 
Kasten mit dem aus Kammin denselben Ursprung hat." Es ist 
dieser Behauptung nur durchaus beizustimmen. Das viereckige 
25/25 cm grofse Bamberger Kastchen (Abb. 10), ist in der- 
selben Weise wie der Kamminer Kasten aus einem Rahmen- 
werk von Bronce, welches mit Thierk&pfchen belegt und ver* 
goldet ist, zusammengesetzt. Der an die Antike anklingende 
Rankenzug, das verflochtene Zweigwerk und das Rtickgrat. 
Muster finden sich hier gleichfalls an dem Rahmenwerk einpunk. 
tirt genau wieder vor. Ebenso ist die Stilisirung der Thiere 
auf den Platten, wenn auch andere Thiere, anscheinend Drachen, 
Hunde und Vflgel, dargestellt sind, mit den aufgelegten Voluten, 
dem Rankenflechtwerk, der Schraffirung und Umrahmung der 
Thierleiber so wie der Perlung des Unlergrundes dieselbe ,wie bei 
dem Kamminer Kunstwerk. Bei der oben geschilderten Ver- 
bindung, welche zwischen Bamberg und Pommern durch den 
Bischof Otto von Bamberg hergestellt wird, ist wohl der Weg 
nicht schwer zu errathen, auf welchem das jetzt im bayrischen 
National-Museum aufbewahrte Kunstwerk nordischen Stiles von den 
K listen der Ostsee nach Bamberg gelangt ist. 

Die Aehnlichkeit zwischen den beiden besprochenen eigen- 
artigen Werken ist eine so grofse, dafs man sich versucht ftthlen 
mflchte, nicht nur denselben Ursprungsort, sondern sogar denselben 

Die Kielplanke ist sehr flach, damit das Boot leicht ans Land zu 
ziehen war. - (Ftthrer durch das schleswig-holsteinische Museum 
vaterlandischer Alterthttmer in Kiel, Kiel 1895.) 

n ) Der Dom zu Drontheim. Berlin 1853, S. 8. 

12 ) Ebenso sind an einem anderen Denkmal nordischer Kunst, 
dem Dome zu Drontheim, in eine echt gothische Architektur rein 
antike Schmuckformen, das bekanute Ornament der tiberschlagen- 
den Welle, auch laufender Hund genannt, aufgenommen worden, 
ohne die Einheitlichkeit des Ganzen zu stOren. (Vergl. v. Minutoli 
a. a. O. Tafel VIII, Fig. 1.) 

w ) a. a. O. S. 385. 



Kunstler ftir beide Werke in ihrer eigenartigen Erfindung und 
Ausschmttckung anzunehmen. Der Umstand, dafs beide Behalter 
mit dem Namen christlicher Heiligen verbunden worden sind, ist 
wohl der Grand daftir, dafs sie uns in so ausgezeichneter Erhaltung 
ttberliefert sind. 

Zum Schlufs sei noch bemerkt, dafs die meisten neueren 
Schriftsteller, welche die vielumstrittene Vinetafrage wirklich 
wissenschaftlich behandelt haben, zu dem Ergebnifs gekommen 
sind, dafs der reiche zweimal zerstOrte Handelsplatz an der Ost- 
seektiste Jome oder Julin den Anlafs gegeben habe zu der alten 
pommerschen, bereite im 16. Jahrhundert vielfach behandelten Sage 
von dem marchenhaften Vineta. Zunachst scheint diese Behauptung 
von neueren Schriftstellern im Jahre 1846 in einer mir nicht zur 
Verfttgung stehenden Schrift von Schafarik 14 ) aufgestellt und naher 
bewiesen zu sein, dann aber sind viele andere, so auch Stuben- 
rauch 15 ), der im Jahre 1897 im Auftrage der Gesellschaft fur Pom- 
mersche Geschichte die Frage nochmals von neuem unter Zuhulfe- 
nahme sowohl aller litterarischen Htilfsquellen als auch flrtlicher 
Ausgrabungen prttfte, zu dem gleichen Ergebnisse gelangt 16 ): 
„ Wollin, Julin, Vineta ist identisch. tt Stubenrauch hat am Silber- 
berge in Wollin mancherlei kleinere Bruchstticke von verzierten 
Metallarbeiten, von denen einige an den Hiddensoier Goldschmuck 
erinnern, ausgegraben und glaubt in einem Gelande zwischen der 
Stadt Wollin und dem Silberberge „eine in frtihgeschichtlicher und 
spaterer Zeit versumpfte und trocken gewordene Einbuchtung des 
Dievenow-Flusses, die durchaus geeignet war, sowohl fur einen 
Kriegshafen wie ftir einen Handelshafen der Wikinger Zeit," ge- 
funden zu haben. Die sehr spat erst aufgetauchte Ansicht, dafs 
Vineta an der Ktiste der Insel Usedom am Streckelberge gelegen 
habe, ist dagegen nach der Vornahme verschiedener grtindlicher 
Untersuchungen in der neueren Zeit als haltlos wieder aufgegeben 
worden 17 ). Wenn manche Neuern dann aber auch die Ansicht ver- 
treten, dafs die Jomsburg frilher auch einmal Jumneta geheifsen 
habe, und dafs nur „ durch eine falsche Lesung oder einen Schreib- 
fehler des Wortes Jumneta der Name Vineta entstanden sei, so 
erscheint mir diese Ableitung doch zu gesucht und die Ansicht 
alterer Schriftsteller eher gerechtfertigt, wonach der Name der 
alten Stadt im Wendenlande von dem Namen des Volkes der 
Wenden selbst abzuleiten ist, die schon bei Tacitus Veneti, bei 
Ptolem&us Ovevidat heifsen. Vineta wtirde dann nur als Beinamen 
die alte Stadt als Veneta, die Wendische, bezeichnen, wie schon 
in einer mecklenburgischen Chronik (1378) von „Wyneta der Stadt 
der Winthen" gesungen wird 18 ): 

„als Wynneta wart verstflrt, 
ich hans gelesen und gehflrt 
das sy widder buwete sus 
mechtig der Keyser Julius, 
und nante sy do Julyn, 
nu nennet man sy Wollyn." 
Wenn nun aber die oben als die einfachste und nattirlichste ent- 
wickelte Annahme rich tig ist, dafs die beiden besprochenen Kunst- 
werke nicht aus Drontheim oder sonst fernher, sondern aus der 
benachbarten Jomsburg und Julin stammen, und wenn ferner Julin 
mit Vineta gleichbedeutend ist, dann ist man gezwungen weiter zu 
schliefsen, dafs man in diesen beiden Schmuckkasten — vielleicht 
abgesehen von den Resten einiger Bohlwerke und einzelnen Mttnzen 
sowie Bruchstticken von Metall oder Thon, die bei Ausgrabungen 
gefunden sind — noch die voraussichtlich einzigen Reste aus dem 
sagenhaften Vineta vor sich hat. Sieht man sich die beiden 
Schmuckstttcke in ihrer reichen ganz fremdartigen und hochalter- 
thUmlichen Ornamentik an, so glaube ich wird man dem Gedanken 
einer Verkntipfung dieser Kunstwerke mit der reichen, marchen- 
haften und sagen bertthm ten Ostseestadt wohl Raum geben durfen 
in einer Angelegenheit, bei welcher eine vOllig ltickenlose und 
durchaus zwingende Beweisftlhrung doch tiberhaupt nicht moglich 
erscheint. 

Magdeburg. F. Priefs. 

14 ) Schafarik, Name und Lage der Stadt Wineta, auch Jumin. 
Julin, Jomsburg. Leipzig 1846. Sonderabdruck aus den slavischen 
Jahrbti chern. 

15 ) Untersuchungen auf den Inseln Usedom und Wollin im 
Anschlufs an die Wmetafrage. Baltische Studien 1898. S. 65 ff. 

i«) a. a. O. 123. 
17 ) Ebenda S. 69. 
1H ) Ebenda S. 68. 



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Nr. 16. 



Die Dei ikmalpflege. 



127 




*%&&* 



/for. 



Abb. 9. fc^jeff^.d^rundrt/J. 



Der Hof der Frei v. Dehrn. 

Aufserhalb der alten Mauern von Eltville a. Rh., doch unfern 
der Burg der Erzbiscbofe von Mainz daselbst, liegt dicht am Ufer 
des Rheins ein Edelbof, 
welcher zu den altesten 
des Ortes gehOrt. Wenn 
wir aus ein em machti- 
gen rothen Sandstein- 
quader, welcher sich 
noch heute in der Ufer- 
mauer des Hofes befin- 
det und mit heraldi- 
schen Rauten in zwei 
Reihen verziert ist, 
einen Schlufs Ziehen 
dtirfen, so ist es der ein- 
stige Sitz des alten Ge- 
schlechts der „Jud v. 
Eltville" , welche die 
Wecken im Wappen 
trugen. Im 15. Jahr- 
bundert finden wir den 
Hof im Besitze der 
Munch von Lindau, wel- 
che 1462 mit Philipp 
Mtinch v. L. aussterben. 
Seine Tochter Anna 
brachte all ihr vater- 
liches Gut in Eltville an 
ihren Eheherrn Job. 
Frei v. Dehrn, dessen 
Geschlecht bis zu sei- 
nem Erlttschen im Jahre 
1737 im Besitze des 

Hofes blieb. Unter diesen sind alle wesentlichen baulichen 
Schopfungen und Aenderungen vorgenommen, welche bis heute 
Spuren hinterlassen haben. Im 16. Jahrhundert, um die Zeit 
des ersten Aufkommens der Renaissanceformen, errichteten die 
Frei v. Dehrn auf ilirem Besitzthum einen Neubau oder, was 
wahrscheinlicher ist, in mehreren Abschnitten einen durchgreifen- 
den Umbau der alten Baulichkeiten, wiewohl von der frtiheren 
Zeit kein Rest mehr bestimmt nachweisbar ist. Der alteste 
Theil ist (vergl. den Grundrifs Abb. 9) der fast quadratische 
ostliche Bau, welcher, vom hohen Satteldach mit Treppengiebel 
im Osten tiberragt, sich mit der Rtickseite gegen das ansteigende 
Gelande lehnt, sodafs sein Kellergeschofs vorn fast zu ebener 
Erde liegt. Die siidlichen Fenster dieses Untergeschosses und 
die Erdgeschofsfenster der Rtickseite, deren charakteristische 
Profilablaufe wir in Abb. 11 wiedergeben, kennzeichnen den Bau 
als der Zeit um 1500 angeh&rig, da die Formen zwar sp&tgothische 
sind, jedoch noch frei von Renaissancezuthaten. Solche finden wir 
dagegen bereits bei den Obergeschofsfenstern des oblongen west- 
lichen Bautheils. Derselbe liegt um einige Stufen h&her als der 
vorige und ragt vorn wie hinten fast gleich weit aus dem Gelande. 
Jene Fenster tragen an ihrem hohen Sturze innerhalb sp&tgothischer 
Dreiblattbogen je ein Cart ouchen -Wappen (Abb. 12). Die Nasen 
der Dreiblattbogen laufen in verschieden gestaltete ThierkOpfe aus, 
welche vielleicht auch an der heraldischen Bedeutung der Stein- 
metzarbeiten theilnehmen. Eine dritte Bauzeit ist in dem Portal 
des Weichhauschens vertreten, welches an der stidflstlichen Ecke 
der zinnenbekrflnten Mauer des „burglichen Baus - steht. Es tragt 
ttber dem Rundbogen die Zahl 1577 und in Profilirung und Ver- 
zierung schon ausgesprochenen Renaissancecharakter (Abb. 10). 
Auf noch weitere bauliche Veranderungen scheinen die Jahreszahlen 
1581 und 1584 zu deuten, welche sich im Erdgeschofsgange des 
Osttheils und ttber der Bogenthtir zum ehemaligen Kelterhause 
finden, welches letztere, durcli einen Durchgang mit Treppe nach 
hinten vom Hauptgebaude getrennt, weiter tfstHch liegt. 

Die Anordnung der Raume des Erdgeschosses ist aus dem 
Grundrisse (Abb. 9) ersichtlich. Besonders bemerkenswerth ist die 
Kttche, welche zwar jetzt durch zwei Rundfenster usw. ein etwas 
barockes Aussehen erhalt, indessen jedenfalls aus mittelalterlicher 
Zeit stammt. Es ist ein Raum von der Hohe zweier Geschosse 
und mit einem kuppelartigen GewOlbe uberspannt, wie dergleichen 
ja im Mittelalter tiblich war. Ob derselbe einst vom ursprtinglichen 
iTaiiptgebaude getrennt gestanden und erst im 16. Jahrhundert 
durcli Erweiterung des letzteren angeschlossen worden. mag dahin- 



Zwei Edelhofe in Eltville a. Rh. 

(Schlufs aus Nr. 15.) 



gestellt bleiben. Wenn man einer alten Darstellung von Eltville 
auf einer Karte vom Jahre 1573 trauen darf, scheint der Treppen- 
thurm einst ein oberes Geschofs in Fachwerk gehabt zu haben, wie 
ihn der Wiederherstellungsversuch in Abb. 9 zeigt. Seine jetzige 
starke Ueberh&hung ist neueren Ursprungs. 

Die Mauer, welche den Hof umgab, hatte einen Wehrgang. 
Die freie Lage des Hofes aufserhalb der Stadt machte einen der- 
artigen Schutz erforderlich. Die Thtir vom Obergeschofs des 
westlichen Bautheils auf den Wehrgang ist noch durch Spuren an 
der Mauer erkennbar. An dieser Stelle befand sich ehedem ein 
gr of seres Thor nach dem sogen. Freigafschen, was aus der noch 
vorhandenen Steinpfanne ftir dessen Drehzapfen ersichtlich. Ein 
„Ueberzimmer a , etwa so wie in der Skizze angedeutet, wird ver- 
muthlich den Wehrgang an dieser Stelle erbreitert und das Thor 
geschtttzt haben. Die Bogen, welche sich auf der Ostseite in nttrd- 
licher Richtung an das oben erwahnte Weichhaus anschliefsen, 
lassen wohl die Deutung zu, die wir ihnen in der Skizze (Abb. 9) 
beimessen. Beilaufig sei noch bemerkt, dafs dieses Hauschen 
frtiher an der dem Rhein zugewandten geschlossenen Wand die 
farbige Darstellung eines grofsen Christophorus gezeigt haben soil, 
von welcher indessen nichts mehr zu erkennen ist. Das Ober- 
geschofs des Weichhauses ist ebenfalls nicht mehr vorhanden. Der 
Erdgeschofsraum, zu dem die besprochene Thtir ftihrt, dient als 
Keller. Schliefslich seien noch einige Architekturreste erwahnt, 
welche die Barockzeit geschaffen. An Stelle des oben erwtthnten 
Mauerthors am Freigafschen eine Thtir mit reich profilirter Sand- 
steinumrahmung, eine ganz ahnliche als Hausthtir an der Rtickseite, 
die jetzige Hausthtir und einige innere Thtiren am westlichen Bau 
in einfachsten Barockformen, und zwei barocke Wappen, welche 
vom Abbruch des Kelterhauses gerettet und jetzt an der Garten- 




fitvilkboftopWvwifceljms Abb. 10. 



Abb. 11. 



seite eingemauert sind. In einem 
Plane von Eltville aus der Zeit 
vor der Errichtung des modernen 
Fachwerksaalbaues befinden sich 
die an seiner Stelle einst be- 
stehenden Wege und ein kleiner 
Kreis, welcher vermuthlich den 
Ziehbrunnen bedeutet (nahe dem 
Eingange zum Kelterhaus, Abb. 9). 

An mehreren Stellen des Wohn- Abb. 1 2. 

hauses hat sich der romantische 

Sinn eines Besitzers neuerer Zeit in mifsgebildeten Spitzbogen- 
fenstern Luft gemacht und auch sonst ist an demselben mancherlei 
im 19. Jahrhundert gestindigt. 

Wiesbaden. P. Eichholz. 



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Die benkmalpflege. 



17. December 1902. 



Die Friedenskirche in Schweidnitz. 



Die Einfiihrung der Reformation hatte sicli in Schweidnitz etwa 
1535 vollzogen. Von 1561 bis 1629 war die stattliche Pfarrkirche 
zu St. Stanislaus und Wenzeslaus evangelisch. Da setzte die 
Gegenreformation ein. Die Protestanten , obwohl weit in der 
Ueberzahl, mufsten die Kirche zuruckgeben, ihre Bemiihungen, von 



Bauarbeiten bin, nachdem 1658 das bemerkenswerthe Gestuhl durch 
den Tischler Pankratius Werner in Hirscliberg gefertigt war. 

Die Kirche bildet ein Kreuz, dessen Langsarme etwa die drei- 
fache Lange der Querarme haben. Der so entsteheude Raum wird 
von den auf alien Seiten angelegten Seitenschiffen durch hohe, die 



14 vorhandenen Kirchen eine zu erlangen, waren vergeblich. Erst fl^che Decke tragende Stander von etwa je 4 m Abstand getrennt, 



im Westfalischen Frieden verschaffte der Einflufs Schwedens 
Religiousfreiheit ftir die unter eigenen Herzogen stehenden Theile 
Schlesieus, vor allem Brieg, Liegnitz und Wohlau. Den Erbftirsten- 
thttmern Glogau, Jauer, Schweidnitz aber wurde das Recht ertheilt, 
aufserhalb der Hauptstadte der Fttrstenthumer je eine Kirche auf 
ihre Kosten zu erbauen. Am 23. September 1652 wurde in 
Schweidnitz ein Platz vor dem Petersthore ftir den Kirchenbau 
iiberwiesen. Bei der Verwirklichung der Bauabsichten aber 
wurden neue erschwerende Bedingungen gestellt. Kirche, wie Pfarr- 
hiluser durften nicht massiv, sondern nur aus „Holz und Leimen" 
(Bindwerk) hergestellt werden. Gelaut und Thurm blieben ver- 
sagt. Eine weitere 
Schwierigkeit bot 
die grofse Zahl der 
nachTausenden aus 
dem ganzen Ftir- 

stenthum zusam- 

menstromenden 
Glaubigen, fur die 
eine einzige Kirche 
Raum gewahren 
sollte. Aber gerade 
die technisch wie 
ktinstlerisch neue 
Aufgabe mit den 
erschwerenden Be- 
stimmungen des 

Bauprogramms 
war die Ursache, 
dafs in den so ge- 
schaffenen „Frie- 
denskirchen* eigeu- 
artige, aus dem be- 
sonderen evangeli- 
schen Glaubensin- 

halte hervorge- 

wachsene Gottes- 

hauser entstanden. 

Die Aufgabe 

wurde nicht im er- 

sten Anlauf geldst. Die erste 1651 errichtete Friedenskirche in 
Glogau, ein Hallenbau mit drei, gleich hohen Schiffen und ge- 
trennten Satteldachern wurde 1654 von einem Sturme beinahe 
umgeweht. Zu dem Kirchenbau in Jauer, der 1654—56 entstand, 
wandte man sich an den Breslauer Ingenieur Albrecht v. Sebisch. 
Aus einem altadeligen Breslauer Geschlecht stammend war schon 
sein Vater Valentin Inspector der Zeughauser und Ingenieur, gab 
auch eine Reihe von Schriften tiber Architektur und Festungs- 
baukunst heraus. Der Sohn Albrecht (geb. 20. Febr. 1610) er- 
hielt eine ausgezeichnete Erziehung, die er auf grofsen Reisen 
vervollstandigte. Der gelehrte Cavalier baute, wie berichtet wird, 
„unterschiedliche Festungswerke, sammelte eine vortreffliche Bib- 
liothek, verfertigte viele Fortificationsrisse und schrieb in 
lateinischer Sprache das Leben des Cardinals Richelieu." Er 
starb als Hauptmann der Stadtgarnison , Inspector der Zeug- 
hauser und Ingenieur am 15. November 1688. Ein so vielseitiger 
Mann stand der neuen Aufgabe mit freiem Blick gegeniiber. In 
Jauer blieb auch Sebisch noch bei der Idee einer dreischiffigen 
Halle stehen, wobei die Seitenschiffe zur Anlage von Zuhorer- 
tribilnen benutzt wurden. Aber Schonheits- sowohl, wie besonders 
technische Grttnde waren es, die Sebisch veranlafsten, als er am 
12. April 1656 um einen Plan ftir Schweidnitz angegangen wurde, 
sofort die Kreuzform ftir den Grundrifs zu wUhlen und trotz des 
Widerstandes, den dieser Vorschlag bei den gemeinen Leuten fand, 
durchzusetzen. Er bat, denselben Zimmermeister Andreas Kemper 
zuzuziehen, mit dem er in Jauer gearbeitet hatte, um so dessen 
Erfahrungen zu verwerthen. Aufserdem wirkten der Zimmermeister 
Kaspar Kdnig und der Rathsmaurermeister Hans Zoellner aus 
Schweidnitz mit. Der Rath spendete 1000 Eiehenstamme aus dem 
Stadtwald; was noch fehlte, wohl doppelt so viel, schenkte Graf 
Heinr. v. Hochberg, der Schlofsherr von Fiirstenstein. Der Kern- 
ban wurde 16">7 abgenommen, aber noch bis 1660 zogen sicli die 



Abb. 1. Die Friedenskirche in Schweidnitz. 



sodafs nach jeder der beiden Hauptrichtungen eine dreischiffige 
Basilika gebildet ist. In den Seitenschiffen sind ringsum je zwei 
Emporen in voller Tiefe tibereinander angeordnet, die durch zahl- 
reiche Treppen im Innern zuganglich sind. Das Langhaus ist rund 
44 m lang, 20 m breit; das Querhaus ist 30,5 m lang, 20 m breit. 
Das Mittelschiff ist im Innern 11,5 m weit. Die Emporen sind in 
je 5 m H5he tibereinander angelegt, die Hohe bis zur Decke des 
Mittelschiffes betragt 15 m (Abb. 1. u. 2). 

So stand die Kirche als reiner Zweckmafsigkeitsbau in con- 
structiver Schmucklosigkeit da, als 1«»3 die seit 1669 im Westarm 
des Langhauses aufgebaute grofse Orgel „staffirt a werden sollte 

und dadurch eine 
Bemalung und Aus- 
schmtickung des 

ganzen Innern 
nachgezogen wur- 
de. Ein einheimi- 
scher Kunstler,dem 
man dieses Werk 
anvertrauen konn- 
te, stand zu Ge- 
bote in der Person 
des Malers Christi- 
an Stissenbach, der 
nebenbei als 
„Kretschmer- 
meister** sich des 
Besitzes eines Brau- 
hauses erfreute. Als 
die Aufgabe sch ritt- 
weise vergrofsert 
wurde, trat ilun der 
Maler C'hristianKo- 
litschky zur Seite. 
Diese Beiden liiill- 
ten nun den gan- 
zen Innenraum. 
Decke, Wande, Em- 
porenbrtistungen 
und Einrichtungs- 
stticke in ein malerisches Gewand, dessen Einzelheiten nicht eben 
grofsen ktinstlerischen Werth haben, oft sogar grobe Handwerks- 
mafsigkeit verrathen, das aber in seinem feingetonten Zusammen- 
stimmen von Gold und Farbe, untersttitzt durch das aus der archi- 
tektonischen Entwicklung des Raumes sich ergebende mannigfache 
Wechselspiel von Licht und Schatten in seiner Eigenart wunderbar 
bestrickt (Abb. 2. Hinzu kommt der Reichthum an Schnitzereien und 
Einzelstticken, die allmahlich beschafft wurden: 1695 eine kleine 
Orgel tiber dem Altar, 1729 eine neue prachtige Kanzel, 1752 ein 
prunkvoller Altar. Die beiden letzteren Stticke hatte der aus 
Dresden zugewanderte Bildhauer Gottfr. Aug. Hoffmann geschaffen. 
Die Steigerung der Besucherzahl brachte gegen Ende des 
17. Jahrhunderts dem Bauwerk allerlei Veranderungen. Man schob 
zwischen die ersten und zweiten Emporen Zwischench5re von halber 
Tiefe ein. Zu ebener Erde brachen die adeligen Grundbesitzer 
Felder aus der Aufsenwand und bauten capellenartige Logen an. 
Die reichste davon in der Mitte des stidlichen Querarms, die 
Ftirstensteiner Loge des Grafen Hochberg, ist ein besonderes 
Prachtsttick. Diese Ausbauten erhielten nach aufsen besoudere 
Ausgange, sodafs sich die Zahl der Ausgange der Kirche auf HO 
steigerte. 1695 wurde auf der Ostseite die grofse Sacristei ange- 
baut, 1707—10 wurde ein abseits stehender Glockenthurm, ebenfalls 
in Holz errichtet, 1724 ein Dachreiter aufgesetzt. 

Die 250. Wiederkehr des Tages, an dem der erste Schritt zum 
Kirchenbau geschehen war, veranlafste eine eingehende und mit 
anerkennenswerther Sorgfalt und Opferfreudigkeit durchgefiihrte 
Instandsetzung des Bauwerks, dessen Zustand im Laufe der Jahre 
sich verschlechtert hatte. Zunachst wurden die Dacher, Aufsen- 
wande und Fenster ausgebessert und, soweit nothig, im alten 
Sinnev erneuert. Dann wandte man sich dem Innern zu, wo neben 
den Wanden namentlicli die Banke eine nothwendige Instand- 
setzung und theil weise Erneuerung erfuhren. Erfreulicherweise 



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Nr. 16. 



Die Denkmalpflege. 



120 



ist die fiir das gauze Wiederherstellungswerk ausschlaggebende 
Reinigung und Ausbesserung der Malerei, auf welcher der wesent- 
liche Reiz des Innern beruht, trefflich gelungen. Sie lag in der 



die Opferwilligkeit der Schweidnitzer evangelischen Kirchen- 
gemeinde bewahrt. Sie steuerte 1807 zu den Kriegslasten aus 
ihren Wert list iicken 48 Pfd. Silber bei. Die kiinstlerische, iiber 



Abb. 2. Innere3 der Friedenskirche in Sohweidnitz. 

Hand des Malers und Lehrers an der Kunstschule Josef Langer das reine Bedtirfnifs hinausgehende Instandsetzung der Friedens- 

in Breslau. kirche fand daher in einem Koniglichen Gnadengeschenke ge- 

Tn der bedrangtesten Zeit des preufsischen Staates hat sich btihrende Anerkennung. L. B. 



Was konnen die Stadtverwaltungen fllr die Erhaltung des historischen Charakters 

Hirer Stadte thun? 



war das Thema eines zeitgemafsen Vortrages, den Herr Professor 
Dr. Weber in Jena auf der Hauptversammlung des Thiirin- 
gischen Stadteverbandes im Sommer dieses Jahres in MUhlhausen in 
Thiiringen gehalten hat. Der Vortrag, der jetzt als Sonderabdruck 
aus der Verhaudlungsschrift der Hauptversammlung erschienen ist, 
verdient die Beachtung weitester Kreise. 

Das, was Professor Weber iiber seine Heimathprovinz Thii- 
ringen ausgefiihrt hat, sei hier zunachst kurz wiedergegeben, es 
trifft auch zu fiir diejenigen Gegenden unseres Vaterlandes, die 
in baulicher Beziehung weniger reich bedacht sind. 

Die Thiiringischen Stadte haben mit Ausnahme von Erfurt, 
MUhlhausen und Nordhausen gr&fsere architektonische Leistungen 
nicht aufzuweisen, aber um so bezeichnender ist ihre beschei- 
dene Eigenart. Fiir die Kenntnifs des Heimathlichen und 
Volksthttmlichen, auf die jetzt mit Recht so grofser Werth ge- 
legt wird, sind gerade die Durchschnittsleistungen von grflfserer 
Bedeutung. 

Die den Thiiringischen Landen eigenartige Bauweise ist in 
erster Reihe das Fachwerk, fiir das hauptsachlich Schmalkalden, 
Themar, Eisfeld, Schleusingen, Hildburghausen und Arnstadt noch 
zahlreiche Beispiele unter theilweise spater aufgetragenem Putz 
aufweisen. Auch die Barock- und Rococozeit sowie die des Zopfes 
und des Klassicismus hat hier eigenartige Bauten hinterlassen. 
Alle diese Stadte verstchen recht anschaulich von ihrcr Ver- 



gangenheit zu erzahlen, wie die Bergstadt Saalfeld mit dem alten 
Laubengang ihres Marktplatzes, Arnstadt mit seinen alten Aus- 
spannhOfen, sie war die ehemalige Raststatte einer grofsen Handels- 
strafse iiber den Thiiringer Wald, die alte. Bischofstadt Naum- 
burg mit ihrem Marktplatze, dessen malerisches Bild hoffentlich 
von der „Strafsenregulirung* verschont bleibt (vergl. S. 5 d. J.). 
Zeitz ist reich an alten Kaufhausern. Die alten Residenzstadte 
Weimar, Gotha, Meiningen, Koburg, Altenburg zeigen ihre Eigen- 
art auch in ihren biirgerlichen Bauten. Weida, Neustadt a. d. Orla 
und POfsneck haben kdstliche alte Baugruppen namentlich um den 
Marktplatz herum. Jena, Kahla, Freiburg, Kamburg, Triptis, 
Langensalza und Ostheim sind durch ihre malerischen Reste alter 
Befestigungen bemerkenswerth, auch die Stadtbilder von Ilmenau, 
Elgersburg, Blankenburg und Ziegenriick gewinnen Bedeutung und 
sind erhaltens werth, ware es auch nur um der Einheitlichkeit der 
verwendeten Baustoffe und um ihre meisterhafte Einftigung in 
die Landschaft willen. „Jedes Denkmal der Cultur vergangener 
Zeiten hat innerhalb seiner Umgebung seinen Werth, auch solche, 
die innerhalb einer grofsartigen Umgebung kaum beachtet werden. 
Es ist deshalb tief zu beklageu, dafs die Gebildeten der kleinen 
Stadte immer Vergleiche mit den grofsen Kunststadten Ziehen 
und daher ungerecht werden gegen die bescheideneren, aber be- 
zeichnenderen Bauten der Heimathstadt, die sie achtlos der Zer- 
storung preisgeben". 



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130 



Die Denkmalpflege. 



17. December 1902. 



Weber wendet sich nunmehr der Frage zu, was zur Erhaltung 
der alten Stadtebilder gethan werden kann und besprickt zunachst 
die Facadenwettbewerbe, deren Ergebnisse ihn bedenklich ge- 
macht haben. „Nicht dadurch setzen wir die gute alte Tradition 
fort, dafs wir Erkerchen, Thtirmchen, Dachhauben und Zinnen da 
und dort ansetzen oder dafs wir hohe schinale Giebel aufthtirmen, 
die ihre innere Berechtigung nur in einer Zeit hatten, als aus- 
gedehnte Speicherraume tiber den Wohngeschossen eine Noth- 
wendigkeit waren, sondern dadurch, dafs wir aus dem Material 
heraus die Zierformen gestalten wie in alter Zeit und dafs wir 
von innen nach aufsen bauen, Facade und Form des Hauses nach 
der Lage der Raume gliedern, Zweck und Material des Baues 
aufsen erkennen lassen, mit einem Worte : die Wahrheit anstreben. 
Jedes Haus soil klar und offen sagen, was es soil und will, darin 
beruht der Reiz alter Stadtebilder, nicht darin, dafs alle Gebaude 
mit ahnlichen Schmuckformen verziert und der gleichen Stilart 
angenahert sind. Wie viele von ihnen sind ganz schlicht ohne 
alle Zierform und wirken doch so harmonisch im Gesamtbilde. 
Legen wir den entscheidenden Werth auf die alten Zierformen, 
so ftihrt das zu ungesunder Alterthttmelei. Wir verftihren unsere 
Architektur zur Unwahrheit oder vielmehr, wir erhalten sie darin, 
denn seit einem halben Jahrhundert schon qualt sie sich mit der 
Wiederholung vergangener Stilarten ab. - Welche Gefahren die 
Ortsvorschriften einiger Stadte bergen, die bei Ersatzbauten in 
den alten Strafsen den Stil fruherer Jahrhunderte vorschreiben, 
zeigt Ntirnberg mit seinen Neubauten im alten Ntirnberger Stil. 
Hier kann man kaum unterscheiden, was nachgeahmt und was alt 
ist. Weber spottet dann ferner tiber unsere modernen Kauf- 
hauser, die sich als alte deutsche Patricierhauser ausputzen. Ueber 
unsere Miethh&user, die als behagliche Palftste einer einzelnen 
Familie sich ausgeben, tiber die Kneipen im Kirchenstil, die 
Schlachthauser mit Zinnenkranzen und Wehrthtirmen. Dadurch 
wird ein altes Stadtbild nicht erhalten, sondern verdorben. So lange 
es noch so selten gelingt, die praktischen Anforderungen unserer 
Zeit kttnstlerisch zu bewaltigen, verlangt Weber, dafs die neuen 
Bau ten neben den alten bescheiden auftreten. Jedenfalls dtirfen 
sie das alte nicht durch noch gr&fsere Alterthtimliclikeit zu tiber- 
schreien suchen. Als Vorbild fur Zwangsmafsregeln nach dieser 
Richtung werden die neuen Bauvorschriften der Stadt Augsburg em- 
pfohlen (S. 24 d. J.), die sich auch auf die ktinstlerische Ausbildung 
der Neubauten in den Aufsenbezirken beziehen. (Dem Ver- 
bote des Mansardedaches bei Neubauten in der Nahe alter Bau- 
werke kflnnen wir uns allerdings nicht anschliefsen. D. Schriftl.) 
Der Vorschlag, den Stadtverwaltungen einen stadt ischen Kunst- 
beirath an die Seite zu setzen, der tiber Fragen wie Erhaltung, 
Umbau und Neubau wichtiger Theile des Stadtbildes gehOrt werden 
mtlfste, erscheint beachtenswertb, freilich wird es, namentlich in 
kleineren Orten, schwer halten, die n&thige Zahl unabhangiger 
Leute ftir diesen Ausschuss zu finden, Leute, die gentigend gereist 
sind und gesehen haben, die so viel eigenes Urtheil und ktinst- 
lerischen Tact besitzen, um derartige, oft recht schwierige Fragen 
mit Gltick zu entscheiden. Durch Hinzuwahl einiger ausw&rtiger 
Mitglieder, die zu alien wichtigen Berathungen zugezogen wtirden, 
ahnlich wie das Rothenburg o. T. gethan hat, kann man hier znm 
Ziel kommen. 

Bei der Ftirsorge ftir die alten Bauwerke selbst haben zunachst 
die Stadtverwaltungen ein wachsames Auge auf das zu haben, 
was der Stadt an sich schon gehftrt. Da sind in erster Linie zu 
nennen die Mauern, Thtirme und Thore, ftir deren Eindruck es 
wesentlich ist, dafs $ie nicht freigestellt werden, sie kttnnen nur 
im Zusammenhang richtig wirken. Hierher gehOrt auch die Sucht, 
andere alte Bauwerke, namentlich Kirchen, freizulegen und alte 
Strafsen „aus Verkehrs- und Gesundheitsrtickfichten" grade zu legen 
und zu verbreitern. Dafs dann aber auf Eosten der verbreiterten 
theuer zu unterhaltenden und infolge von Staubbildung ungesunden 
Strafse die alten traulichen Httfe sowie die gesunden und wichtigen 
Hintergarten verschwinden oder unbenutzbar gemacht werden, das 



ist den nur nach Aeufserlichkeiten strebenden Stadt begliickern nicht 
klar. Weber tritt auch ftir die Erhaltung der alten Friedhttfe ein, 
die eine monument ale Culturgeschichte des betreffenden Ortes 
darstellen. Aus demselben Grunde sind auch die alten flffentlichen 
Brunnen, wenn sie auch durch Anlage einer Wasserleitung ent- 
behrlich geworden sein sollten, nicht zu vernichten. Sie tragen 
mit ihrem fliefsenden und platschernden Wasser, mit ihren wenn 
auch oft nur einfachen Aufbauten oder Brunnentrttgen aufserordent- 
lich viel zur ktinstlerischen Belebung der Stadt bei. 

In all den vorgenanuten Fallen kann die Stadtverwaltung 
selbstandig erhaltend und schiitzend vorgehen. Schwieriger ist der 
Schutz des Privatbesitzes, der im allgemeinen der Stadt das Geprage 
gibt. Seit mehreren Jahren wird diese Frage lebhaft er6rtert. Die 
Tagespresse nimmt regen Antheil an ihr, tiberall zeigt man guten 
Willen, nur tiber das Wie ist man noch nicht eiuig. Die Aus* 
ftihrlichkeit, mit der diese Frage auch in breiten Laienkreisen be- 
handelt wird, beweist, wie brennend und volksthtimlich sie all- 
m&hlich geworden ist. Die bisher erlassenen gesetzlichen Vor- 
schriften bieten noch keinen ausreichenden Schutz. 

Die Mafsnahmen, die Hildesheim durch Ankauf einer Anzahl 
werthvoller Bauten und Liibeck durch Unterstutzung von Haus- 
besitzern ergriffen hat, konnen alien Stadtverwaltungen warm em- 
pfohlen werden ; es ist aber n6thig, auf der Hut zu sein und einen 
Fonds zu sammeln, um ftir alle Falle rechtzeitig vorgehen zu 
kOnnen. Neben diesen Mafsnahmen, die immerhin nur ftir einzelne 
werthvolle Gebaude in Betracht kommen, ist es viel wichtiger, die 
Biirgerschaft zur Freude an ihrem alten Besitz zu erziehen. „Jede 
Stadt sollte sich eine kleine kunstgeschichtliche Heimathkunde 
schreiben lassen, in welcher alle merkwtirdigen Gebaude, Brunnen, 
Denkmaler, Biiume des Ortes geschildert werden und dem Leser 
klar gemacht wird, worin ihr geschichtlicher, ktinstlerischer, 
architektonischer Werth besteht. Schon den Kindern mufs das 
Buch in die Hand gegeben werden; die Schule treibe damit 
heimathkundlichen Unterricht. Man mufs nur erst mal den Leuten 
die Augen ttffnen ftir das, was sie haben, dann wachst die Freude 
daran, das Verstandnifs dafttr von selbst. Auch Vortragskurse 
sind unentgeltlich zu veranstalten tiber die Geschichte und die 
Bauten usw. der Stadt. 

Hierftir ist auch die bildliche Aufnahme aller baugeschicht- 
lich werthvollen Gebaude des Orts sehr wichtig. Mit ein paar 
Hundert Mark, die jahrlich ftir diesen Zweck in den Stadthaushalt 
einzusetzen sind, lafst sich schon viel erreichen. Diese Aufnahmen 
sind aber nicht in Mappen zu vergraben, sondern der Oeffentlicli- 
keit mtfglichst leicht zuganglich zu machen, sie werden alsdanD 
sicher ihren Nutzen nicht verfehlen. Am geeignetsten fur die 
Unterbringung dieser Zeichnungen sind Ortsmuseen, die in keinet 
Stadt fehlen durften. Die Jenaer Stadtverwaltung hat es fiir fiinf 
Jahre durchgesetzt, dafs jedes Jahr 1500 Mark ftir die Begriindung 
eines derartigen Museums in den Stadthaushalt eingesetzt werden. 
eine Summe, die vollstandig ftir eine gedeihliche Entwicklung aus- 
reicht und die grOfstentheils zur Aufnahme alter Bauten verwendet 
wird. Wo eine Baugewerk- oder Handwerkerschule am Orte ist. 
veranlasse man, die Schtiler nach den bemerkenswerthen Bauten 
der Stadt zu zeichnen, und die Aufgaben der Bauschule an diese 
anzukntipfen. Das Alles hilft zugleich mit, um die Einwohner vom 
Niederreifsen und vom unnfHhigen Verandern interessanter Bauten 
abzubringen. 

Zum Schlufs zieht Weber noch die Yerschtfnerungsvereine 
heran, die in keiner Stadt zu fehlen pflegen und die im Interesse 
der Denkmalpflege mehr leisten kdnnten als durch die oft doch 
sehr zweifelhaften „VerschOnerungen** der Natur. 

Die im Vorstehenden angedeuteten Anregungen, die Weber 
in seinem Vortrage gegeben hat, verdienen weiteste Verbreitung. 
deshalb sei der kleine Sonderdruck alien Freunden alter Stadte- 
bilder, insbesondere aber jeder Stadtverwaltung, warm em pfohlen. 

F. Schultze. 



Vermischtes. 



Die Provincial-Commission for Denkmalpflege In der Provinz 
Brandenburg trat am 29. November unter dem Vorsitz des Ober- 
prasidenten Dr. v. Bethmann-Hollweg zu einer Sitzung zu- 
sammen. Der Vorsitzende gedachte zunachst des verstorbenen 
Provincial-Conservators, Geheimen Bauraths, Landesbauraths Bluth, 
dessen Verdienste um die Denkmalpflege er hervorhob (vergl. 
S. 126 d- Denkmalpflege und S. 583 d. Centralblattes der Bau- 
verwaltung, . Jahrg. 1901) und begrtifste sodann den zum ersten 
Mal in der Commission anwesenden Provincial- Conservator, Land- 
bnuinspector Btittuer. 



Aus den Verhandlungen seien hier nur einige Punkte hervor- 
gehoben. Ftir die Wiederherstellung der Nikolai-Kirche in 
Brandenburg sind von der Provinz 2000 Mark fiir den dies- 
jahrigen Haushaltsplan bewilligt, und fttr den nachsten ist die 
gleiche Summe in Aussicht gestellt. Leider reicht dieser Betrag 
ftir eine vollstandige Wiederherstellung des sehr schBnen Bau- 
werkes nicht aus. Die Wiederherstellungsarbeiten mtissen deshalb 
zunachst auf das Aeufsere der Kirche beschrankt werden. Fiir 
die Pfarrkirche in Kyritz, ftir deren Wiederherstellung der 
Entwurf im Ministerium der offentlichen Arbeiten festgestellt 



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Nr. 16. 



Die Denkmalpflege. 



131 



worden ist, hat die Provinz ebenfalls erhebliche Mittel zur Ver- 
fiigung gestellt, sodafs eine wttrdige Wiederherstellung dieser be- 
sonders im Inner n schdnen Kirche zu hoffen ist. Die Verhand- 
lungen wegen der Margarethen-Capelle in Prenzlau. sind 
bedauerlicher Weise abermals ins Stocken gerathen, da sich bei 
genauer Feststellung des Wiederherstellungsentwurfes heraus- 
gestellt hat, dafs die von Staat und Provinz dafilr bewilligte 
Sunime bei weitem nicht ausreicht. Sehr zu bedauern ist die 
Hartnftckigkeit der Gemeinde, welche ftir die Herstellung dieses 
schflnen Bauwerkes gar kein Interesse zeigt. Die Arbeiten in der 
Johannis-Kirche in Luckenwalde gehen ihrem Abschlufs ent- 
gegen. Bei der Untersuchung des Putzes fanden sich unter der 
Ttinche noch die gut erhaltenen alten Malereien, welche von dem 
Maler Kutschmann durch sorgfftltiges Nachretouchiren wieder- 
hergestellt wurden. FUr die Wiederherstellung der Marien- und 
der Andreas-Capelle an der Stadtkirche inRathenow konnte 
zunftchst nur so viel beantragt werden, wie zur Wiederherstellung 
einer Capelle erforderlich sein wird. Der Provincial- Conservator 
berichtete darauf kurz tiber den Denkmalpflegetag in Dtisseldorf, 
wobei das hessische Denkmalschutzgesetz und die Leitsfttze des 
Oberbtirgermeisters Struckmann ttber die" Aufgaben der Stadtver- 
waltungen ftir die Denkmalpflege kurz er&rtert wurden (vergl. 
S. 100 d. J.). 

Allseitig anerkannt wurde die Nothwendigkeit der Neubear- 
beitung des Denkmftler-Verzeichnisses. Zur Vorbereitung 
dieser Frage wurde ein Ausschufs von sechs Mitgliedern einschl. 
des Provincial-Conservators gewfthlt. Es wurden dann noch einige 
von dem Provincial-Conservator angeregte Vorschlftge zu Wiederher- 
stellungen besprochen, so des Taufengels in Drahnsdorf, des Altars 
in Mariendorf, der alten Glasfenster in Frankendorf, des schdnen 
Schreinaltars in Lindena und mehrerer anderer Kunstwerke. Es 
wird dabei betont, dafs grundsfttzlich hierzu zunftchst die Ge- 
meinden heranzuziehen seien. Dem vom Geheimen Regierungs- 
rath Friedel untersttitzten Vorschlage, die Reste der Ringwftlle 
bei Phflben und Bergholz zu erwerben, um sie dauernd zu er- 
halten, wurde zugestimmt. Schliefslich gelangte die sehr schwierige 
Frage zur Er&rterung, in welcher Weise die hftufig unter der 
spftter aufgebrachten Ttinche aufgefundenen alten Wandmalereien 
zu retten seien. Nur in wenigen Fallen ist es mOglich, sie durch 
sorgfftltiges Nachretouchiren, wobei ein Uebergehen der alten 
Farbe vermieden werden mufs, wieder herzustellen. In vielen 
Fallen sind sie so lttckenhaft erhalten oder, wie z. B. in Neumarkt, 
durch rohe Behandlung beim Ueberstreichen so zersttfrt, dafs eine 
Wiederherstellung gleichbedeutend mit einer Neumalung wftre. 
Der Denkmalwerth geht hierbei verloren. Der Vorschlag des Pro- 
vincial-Conservators, derartige geffthrdete Malereien durch tttchtige 
Ktinstler farbig aufnehmen und aufserdem gut photographiren 
zu lassen, fand deshalb den Beifall der Commission. G. B. 

Fflr Aufnahme altbfiuerlicher Kunst nnd Bauweise in Sachsen 
nnd Thflringen hat sich in Dresden ein Ausschufs gebildet aus 
Mitgliedern des sftchsischen Ingenieur- und Architekten-Vereins 
und des unter dem Protectorate des KOnigs von Sachsen stehenden 
Vereins ftir sftchsische Volkskunde. Die Anregung hierzu erfolgte 
durch den Arbeitsplan des Verbandes deutscher Architekten- und 
Ingenieur-Vereine zur Aufnahme des deutschen Bauernhauses. Eine 
grofse Anzahl von Bildtafeln des sftchsischen Vereins, die im 
Bauernhauswerk, das nur Typen bringen konnte, nicht zur Ver- 
wendung gekommen waren, die aber die Beachtung heimischer 
Kreise verdienen, bildeten den Grundstock der noch zu ergftnzen- 
den Aufnahmen. Durch die vom KOniglich sftchsischen Ministerium 
des Innern an die Directionen der Bau- und Kunstgewerbeschulen 
ergangene Verordnung, ihre Schtiler anzuweisen, „der einfachen 
schlichten Kunsttibung und Bauweise frtiherer Zeit sich mehr als 
bisher anzunehmen, Beispiele solcher Art zu sammeln und zu ver- 
werthen", sind durch die Mitwirkung des Vereins ftir sftchsische 
Volkskunde weitere zahlreiche und werthvolle Darstellungen alt- 
bftuerlicher Kunst und Bauweise gesammelt worden, an deren 
Verwerthung im Sinne der Wieder aufnahme und gesunden Weiter- 
entwicklung jener schlichten, handwerklichen Durchbildung frtiherer 
Zeit auch die KSnigliche Staatsregierung ein besonderes Interesse 
hat. Das Grofsherzogliche Staatsministerium in Weimar und ebenso 
das Herzogliche Staatsministerium in Altenburg haben sich dem 
Vorgehen der KOniglichen sftchsischen Regierung angeschlossen und 
an die Directionen ihrer Bau- bezw. Kunstgewerbeschulen ent- 
sprechende Verftigungen erlassen. Der bereits vorhandene reiche 
Abbildungsstoff soil noch durch die „Dorf kirche" ergftnzt und 
mit einem sachkundig und allgemein verstftndlich geschrieberien 
Text begleitet werden. 

Das Ganze soil zu einem einheitlichen, das gemeinsame Coloni- 
sationsgebiet der sftchsisch-thtiringischen Lande umfassenden Werke 



verwerthet und nach Abschlufs des Bauernhauswerkes verflffent- 
licht werden. Die Verlagshandlung von G. Ktihtmann in Dresden 
wird die Verttffentlichung in drei Abtheilungen : das Bauernhaus, 
die Bftuerliche Kunst und die Dorfkirche unter Berticksichtigung 
auch farbiger Tafeln tibernehmen. 

Im Einvernehmen mit der Leitung des Bauernhauswerkes hat 
sich zur F&rderung der neuen Verttffentlichung ein Ausschufs ge- 
bildet, dem angehOren : vom sftchsischen Ingenieur- und Architekten- 
verein die Herren Finanz- und Baurath K. Schmidt, Oberbau- 
commissar 0. Gruner und Architekt Tscharmann, und vom Verein 
ftir sftchsische Volkskunde die Herren Professor 0. Seyffert und 
Regierungsrath Michael, sftmtlich in Dresden. Weiter sind diesem 
Ausschufs beigetreten die Herren Geheimer Baurath Brecht in 
Rudolstadt, Oberbaurath Bergfeld in Gotha, Oberbaurath Fritze 
in Meiningen, Architekt R. Klaus, Director der KOniglichen Bau- 
gewerkenschule in Erfurt, Oberbaurath Kriesche in Weimar und 
Regierungs- und Baurath Wanckel in Altenburg. Der Ausschufs 
hofft durch seine Bestrebungen den Nachkommen ein Bild von 
dem frtiheren Leben des Volkes zu erhalten und gleichzeitig die 
Ueberreste aus denkwtirdiger Zeit zu sammeln, ehe sie vor unseren 
Augen verschwinden. Den Lehrern und Schtilern der technischen 
Bildungsanstalten, nicht minder aber auch dem Volke will er vor 
Augen ftihren, was noch von alter schttner Volkskunst erhalten ist, 
und es tiber den Werth seines Besitzes belehren. 

MOchte das Vorgehen in den sftchsischen und thtiringischen 
Landen, das sich den fthnlichen Bestrebungen in Bayern und 
Preufsen anschliefst, immer weitere Kreise in Stadt und Land an- 
regen, damit die Pflege der heimischen althergebrachten und be- 
wfthrten Bauweise weiter gefflrdert und der weiteren Verunstaltung, 
Verfldung und Entwerthung der schonen eigenartigen Landschafts- 
bilder durch geschmacklose Neu- und Umbauten dann erfolgreicher 
entgegengetreten wird. 

DenkmfUerausschufs in Braunschweig. Im Geschichtsvereine 
fur das Herzogthum Braunschweig hielt ktirzlich der Museums- 
director Meier einen Vortrag tiber Denkmalpflege, ankntipfend an 
den vor einigen Jahren erfolgten Untergang des interessanten 
Fachwerkhauses „der Stern" am Kohlmarkte in Braunschweig und 
den Abbruch des Zeughauses mit der Paulinerkirche daselbst. 

Redner erlftuterte das ftir das Grofsherzogthum Hessen er- 
lassene bekannte Denkmalschutz-Gesetz und empfahl, da der Erlafs 
fthnlicher gesetzlicher Bestimmungen fur Braunschweig vorerst 
nicht zu erwarten sei, die Bildung eines Denkmftlerausschusses zum 
Schutze der braunschweigischen Denkmftler. In der hierauf statt- 
findenden Besprechung wurde allgemein die Zweckmftfsigkeit eines 
solchen Ausschusses anerkannt, dabei aber auch hervorgehoben, 
dafs die braunschweigische Regierung bislang sehr viel auf dem 
Gebiete der Denkmalpflege geleistet habe, wie die zahlreichen 
Kirchen-Wiederherstellungen — fast durchweg kunstgeschichtlich 
hervorragende Bauwerke — beweisen. Der Ausschufs soil aus Ver- 
tretern des Architekten-Vereins, des Geschichts-Vereins und des 
Naturwissenschaftlichen Vereins (ftir Naturdenkmaler) in der Weise 
zusammengesetzt werden, dafs darin auch die in Frage kommen- 
den Beh&rden vertreten sind. 

Schutz der klelnen Wasserlftufe in Ortschaften. Seitdem die 
Denkmalpflege ihren Wirkungskreis tiber den Schutz der bildneri- 
schen und baulichen Denkmftler hinausgetragen und auch die Er- 
haltung bemerkenswerther alter oder seltener Bftume, Pflanzen, 
Steine, IrrblOcke und dergleichen tibernommen hat, ja sogar aus- 
gedehntere eigenartige Gelftnde zu schtitzen und zu erhalten be- 
strebt ist, erscheint es in folgerechter Ausbildung der grund- 
legenden Absicht geboten, auch die kleinen Wasserlftufe in dieses 
Schutzgebiet einzubeziehen, die in einer Reihe mftrkischer Klein- 
stftdte die Strafsen durchfliefsen und gemeinhin „Stadtbftche" oder 
„Bullen u genannt werden. Diese kleinen, zum Theil aus dem 
frtihen Mittelalter herstammenden Wasserlftufe gehOren zu den am 
meisten ins Auge fallenden und das Stadtbild eigenartig und reiz- 
voll beeinflufsenden Erscheinungen, namentlich wenn zu dem 
fliefsenden Wasser noch das Grtin der Bftume neben den niedri- 
gen freundlichen Hftuschen hinzutritt. Die Beseitigung dieser 
grflfstentheils mit ganz ursprtinglichen hOlzernen Einfassungen 
althergebrachter Bauart versehenen Stadtbftche, deren Wasser 
frtther sorglich vor jedweder Verunreinigung geschtitzt war, wird 
neuerdings von den Verwaltungsbehtfrden verlangt des Ver- 
kehrs. Von den Stadtverwaltungen wird diese Beseitigung unter 
Berufung auf die Anforderungen der Gesundheitspflege und 
der von ihnen gern als unzeitgemftfs, altmodisch tiberlebt bezeich- 
rieten Wasserlftufe nur allzu willig zugestanden. Da aber den ge- 
sundheitlichen und neuzeitlichen Anforderungen, soweit sie wirk- 
lich berechtigt sind, auch ohne gftnzliche Unterdrttckung der kleinen 
Stadtbftche gentigt werden kann und da diese offenen Wasserlftufe 



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Die Denkmalpflege. 



17. December 1902. 



fttr die Anwohner sehr ntitzlich und namentlich bei Feuersbrtinsten 
in kleiuen Stadten unersetzlich sind, so ware es eine den Ab- 
sichten der Denkmalpflege vOllig entsprechende Aufgabe, 8ie als 
Stadtbache zu erhalten, indem sie unter Denkmalschutz gestellt 
werden. Selbst die MOglichkeit, dafs ein solcher Wasserlauf durch 
Einftihrung von Krankheitskeimen verseucht werden k&nnte und 
eine Krankheit weiter zu verbreiten geeignet sei, kann die g&nz- 
liche Beseitigung nicht rechtfertigen, da dieselbe MOglichkeit fur 
jedes andere Gewaaser und jede Wasserleitung in hflherem oder 
geringerem Grade vorliegt und schliefslich doch nicht alle offenen 
Gewasser zugeschtittet werden kftnnen. 

Deshalb Schutz den kleinen Wasserl&ufen, die in den Land- 
stadten die Erinnerung an die Vorzeit beleben und mit den Htilfs- 
mitteln der neueren Technik unterhalten, mit Baumpflanzungen 
oder Gartenanlagen eingefafst, soweit die Strafsenbreite es zulafst, 
eine beachtenswerthe Zierde des Ortes und eine ansprechende Be- 
reicherung des Strafsenbildes abgeben. Steinhardt. 

Ein Werk fiber tfsterreichische Burgen. In dem Vorworte zu 
meinen „Oesterreichischen Burgen a habe ich u. a. ausgeftihrt, dafs 
es mit dieser Arbeit „die wenigstens theilweise Hebung eines 
bisher fast unbertthrt gebliebenen Schatzes gelte\ Wenn im 
Gegensatz dazu in der Besprechung des Buches S. 115 d. Bl. her- 
vorgehoben wird, dafs „Oesterreich in der Litteratur dieses Ge- 
bietes stets rtihmlich vertreten war (Cori, Leber u. a.) u , so 
scheint mir das einer thatsachlichen Berichtigung zu bedtirfen. 
Das vor 30 Jahren von Oori verftffentlichte kleine Buch „Bau und 
Einrichtung der deutschen Burgen mit Beziehung auf Oberdster- 
reich" (172 S. 8) ist fast nur eine mit Vorsicht zu benutzende 
durchaus dilettantische Zusammentragung aus fremden Schriften, 
wahrend von Fr. v. Leber hier wohl nur eine (entsprechend zu 
bewerthende) Arbeit aus 1844 tiber die drei Burgruinen des Helenen- 
thales genannt werden konnte. Von einigen spateren vereinzelten 
Abhandlungen abgesehen, die audi manches Anfechtbare zu ent- 
halten pflegen, ist das kleine schon 1837 von J. Scheiger verOffent- 
lichte Btichlein „Ueber Burgen und Schltisser in Oesterreich u. d. 
Enns a (92 Seiten Sedez) meines Wissens noch immer das Beste 
geblieben, was bis zum gegenwartigen Jahre tiber oesterreichische 
Burgen geschrieben worden ist. 

Zu dem Schlusse der angeftilirten Besprechung noch die Be- 
merkung, dafs ich mich veranlafst gefunden habe, auf die mir 
staatsseitig tibertragene Leitung der weiteren Wiederherstellung des 
Stammschlosses Tirol zu verzichten. Dr. Piper. 

Bficherscbau. 

Berichte fiber die Thfitigkeit der Provincial-Commission fttr 
die Denkmalpflege in der Bheinprovinz nnd der Proviucial-Museen 
zu Bonn nnd Trier. VI, 1901. 86 S. gr. 8° mit 35 Abb. u. 6 Tafeln. 

Wie erfolgreich die Denkmalpflege der Rheinprovinz unter 
der Leitung des Provincial-Conservators Clemen geftfrdert wird, 
bekundet von neuem der ftir das Rechnungsjahr 1900/01 erstattete 
Bericht. Der Provincial- Landtag hat die etatmafsigen Mitt-el 
gegen die letzten Jahre verdoppelt und fttr das nachste Rech- 
nungsjahr die erhebliche Summe von 236 254 Mark bewilligt.*) 
Die Ausstellung und der Denkmaltag in Dusseldorf veranlafsten 
auch, eine Uebersicht von der Thatigkeit der rheinischen Pro- 
vincial -Verwaltung auf dem Gebiete der Denkmalpflege seit dem 
Jahre 1875 zu geben: ftir die Erhaltung von Kunstdenkmalern 
wurden insgesamt 1371 426 Mark, dazu seit 1889 ftir das Verzeich- 
nifs der Kunstdenkmaler 139384 Mark verausgabt. 

Unter den einzeluen aufgefuhrten Arbeiten erheischen die 
allgemeine Aufmerksamkeit die Wiederherstellung des Saulen- 
abschlusses der Kaiserloge im Mtinster zu Aachen sowie die 
Wiederherstellung der Westkrypta und eines romanischen Wand- 
grabes im Dome zu Trier, jene von Buchkremer, diese von Dom- 
baumeister Schmitz vortrefflich geleitet. Nicht minder gelungen 
ist die von Renard bewirkte Wiederherstellung eines mittelalter- 
lichen Btirgerhauses in Goch bei Kleve. Die Ruine der Werners- 
Capelle in Bacharach wurde in ihrem Bestande gesichert. Andere 
Arbeiten betrafen die Erhaltung des romanischen Klostergebaudes 
in Cardeu a. M., die Wiederherstellung der Kirchen in Siegburg, 
Birnbach und Sobernheim und der Grabdenkmaler der Kirche in 
S. Goar, sowie schliefslich die Instandsetzung der barocken Corneli- 
Capelle in Cornelimtlnster. 

Die Ausmalung der Kirchengebiiude wird gerade in dem wohl- 
habenden Rheinland von Jahr zn Jahr lebhafter betrieben; aber 
da die Aufgaben nur zu oft unzureichendeu Kraiten zufallen, so 
ist die kirchliche Kunst einer ernsten Gefahr ausgesetzt. Das 
Gutachten der zur Prtifung dieses Mifsstandes eingesetzten Com- 



*) Vergl. Denkmalpflege 1901, S. 40 und 1902, S. 24. 



mission ist unter den Anlagen abgedruckt, und die dargelegten 
Gesichtspunkte verdienen auch in anderen Provinzen beachtet zu 
werden. . e 

Berliner Kalender 190H. Herausgegeben vom Verein ftir 
die Geschichte Berlins unter Leitung vom Conservator Prof. Dr. 
Georg Vofs. Berlin. Fischer u. Franke. In 28 : 16 cm Grofse. 
12 S. Uebersichts-Kalender, 12 Monatsbilder aus Berlin zur Zeit 
des Grofsen Kurftirsten von Georg Barlttsius und 15 S. Text 
mit zahlreichen Abbild. Geh. Preis 1 JC. 

Brandenburgischer Kalender „Der Rothe Adler". 1908. Unter 
Mitwirkung von Ernst Friedel herausgegeben von Robert Mielke. 
Berlin. Martin Oldenbourg. In 31,5:22,5 cm Grflfse. 12 S. Ka- 
lendarium mit 12 markischen Stddtebildern und 12 Wappen mar- 
kischer Adelsgeschlechter in Farbendruck und 18 S. Text mit 
zahlreichen Abbild. Geh. Preis 1 JC. 

Thflringer Kalender 1908. Herausgegeben vom Thttringschen 
Museum in Eisenach unter Leitung vom Conservator Prof. Dr. 
Georg Vofs. Berlin. Fischer u. Franke. In 28:16 cm Grofse. 
12 S. Uebersichtskalender, 12 Monatsbilder mit Ansichten thtirin- 
gischer Rathhauser von Ernst Liebermann und 15 S. Text mit 
zahlreichen Abbild. Geh. Preis 1 JC. 

Es war ein glticklicher Gedanke, den unseres Wissens zuerst 
der nun schon zum achten Male erscheinende altfrankische Kalender 
auf griff, die heimathlichen Zeugen alter Zeiten, insbesondere die 
alten Bau- und Kunstdenkmaler durch einen Volkskalender in 
weitesten Kreisen zu verbreiten und auf diese Weise ftir die 
Denkmalpflege und die Heimathliebe fOrdernd zu wirken. Der 
gute Erfolg ist auch ftir weitere Landestheile amregend gewesen. 
Im Jahrgang 1901 dieses Blattes, Seite 96 und 1 28, konnten wir 
den Thtiringer Kalender, den rothen Adler ftir die Mark Branden- 
burg und den Kalender ftir die Provinz Sachsen als Neuerscheinungen 
anktindigen. 

Jetzt schliefst sich ihnen der Berliner Kalender an, der 
ftir 1903 zum ersten Male erscheint. ZwOlf prachtige Feder 
zeichnungen von Georg Barlttsius zieren als Monatsbilder das 
Kalendarium und zeigen Berliner Stadtbilder und Persttnlichkeiten 
zur Zeit des Grofsen Kurftirsten. Der Kalender ist im Aukr&ge 
des Vereins ftir die Geschichte Berlins von dem Conservator der 
Kunstdenkmaler Thiiringens, Prof. Dr. Georg Vofs, herausgegeben. 
Wie ein Nothschrei klingen seine Zeilen, in denen er das allmah- 
liche Verschwinden der wenigen geschichtlichen Berliner Bauten 
und daran anschliefsend die Zwecke und Ziesle des Berliner 
Kalenders schildert. Von ganzem Herzen wtinsch en wir mit ihm, 
dafs das Werkchen ein Hausbuch werden mOge und dazu beitrigt, 
dafs den noch vorhandenen und erhaltenen Berliner Bau- und 
Kunstdenkmalern, die immer noch eines Conservators entbehren 
mtissen, ein Platz im Herzen der gebildeten Bevfllierung gesichert 
wird. „Dies wird stets die wichtigste Grundlage fttr alle jetzt so 
viel umstrittenen Mafsregeln zum Schutze der Denkmaler bilden." 
Hervorragende Fachmanner und Kenner der Geschichte Berlins 
und seiner Kunstdenkmaler, wie Beringuier, Borrmann, Kieschke, 
Julius Lessing usw. haben ftir den Berliner Kalender werthvolle 
Beitrage geliefert, die, mit zahlreichen guten Abbildungen ausge- 
stattet, Kunstdenkmaler, Sitten und Brauche des alten Berlins 
fesselnd schildern und dem Werke bleibenden Werth verleihen. 

Der Rothe Adler, dessen Kalendarium im ersten Jahrgang 
etwas knapp auf den Umschlag beschrankt war, hat eine will- 
kommene Erweiternng erfahren. Ftir jeden Monat ist eine Seite 
zur Verftigung gestellt, die mit trefflichen Federzeichnungen in 
Buntdruck gleichfalls von BarlOsius geziert sind. Der Kopf zeigt 
malerische Bilder und Wappen markischer Stadte, wahrend im 
unteren Theile Wappen markischer Adelsgeschlechter mit den 
Hauptdaten wiedergegeben sind. Kurze Schilderungen der Ge- 
schichte, Cultur und Kunstdenkmaler der Mark bilden mit zahl- 
reichen, leider zu kleinen Abbildungen den Schlufs des Kalenders. 

Der zweite Jahrgang des Thtiringer Kalenders hatwiederum 
seine ktinstlerische Ausstattung durch Federzeichnungen von Ernst 
Liebermann in Mttnchen erfahren, der in zahlreichen Bildern Land 
und Leute in Kleidung und Umgebung von ehemals vorftthrt. Be- 
wahrte Mitarbeiter haben auch diesmal in knappen Aufsatzen die 
Eigenart der Thtiringer Lande geschildert. Schultze. 

I nil alt: Der Cordulnschrein in Kammin, Zeit und Ort seiner EnatehunK. — 
Zwei EdelhOfe in Eltville a. Rh. — Die Friedenskirehe in Schweitlnite. — JVm 
kOnnen die Studtverwaltungen flir die Erhaltung des historiachen Cliarakters 
ikrer Stiidte thunt -- Vermischtes: Pro vine lal-Com mission fttr Denkmal- 
pfloge in der Provina Brandenburg, — Aufnahme altbUuerlicher Kunat una 
Bauweise in Snchsen und ThUringen. — Denknililerausschufs in Braunachweig. 
— Schuts der kleinen Waaaerlttufe in Ortschaften. — Ein Werk tiber ost^r- 
rcichisrbo Bur^i-n. — B U c h e r a v li a «. 

FUr die Sehriftleitung verantwortlich : Frieclrieh Schultee, Berlin. 
Verlag von Wilbeim Ernat u. Sohn, Berlin. Druck: Guatav Schenck Sohn^erun. 



Lnde des Jahrgang* 1M02. 



Nr. 16. 



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