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Full text of "Handbuch der Kinderkrankheiten"

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Das  Emphysem  im  Kiiidesalter 

von  x^ 

Dr.  L.  Fürst. 

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Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  33 


514  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

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Ueber  die  Pathogenese  des  Substantiven  Lungen-Emphysems.« 

Ferner  sind  hier  die  Lehrbb.  u.  Specialschriften  über  spec.  Pathologie,  pa- 
thol. Anat.  u.  physik.  Diagnostik  zu  vergleichen. 

Geschiclitliclies. 

Während  das  Bmpliy.sem  der  Erwachsenen  unter  Laennec's  Vor- 
gang durch  Rokitansky  die  erste  path. -anatomische  ,  durch  Skoda 
die  erste  klinisch-diagnostische  Bearbeitung  erfuhr,  auch  die  Theorieen 
über  die  Entstehung  des  Emphysems  im  Allgemeinen  bereits  in  den 
Vierziger  Jahren  durch  Fuchs  und  MendeLsohn  zuerst  Klärung  fan- 
den, lenkte  sich  die  Aufmerksamkeit  auf  die  specielle  Form  des  Kinder- 
Emphysems  nicht  viel  vor  der  2.  Hälfte  unseres  .lahrhunderts.  Vorzüg- 
lich waren  es  französische  Specialisten,  vor  Alien  Guillot,  Bailly, 
Rilliet  und  Barthez,  Hervieux,  welche  die  besondere  Berücksich- 
tigung des  Emphysems  im  Kindesalter  anregten.  Ihnen  schlössen  .sich 
Herhardt  und  Hewitt  mit  eingehenderen  Bearbeitungen  an,  während 
andere  Paediatriker,  wie  West  (Henoch),  Bouchut  und  Vogel  dem 
Emphysem  der  Kinder  keine,  oder  doch  nur  eine  sehr  eingeschränkte 
Berechtigung  zu  selbstständiger  Barstellung  zugestanden.  Inzwischen 
hutte  sich  auch  die  Lehre  von  dem  In-  und  E.xspirationsdruck,  und  dem 
mechanischen  Einflüsse  dieser  Kräfte  auf  das  Zustandekommen  des  Em- 
physems überhaupt  theils  durch  W.  A.  Freund,  theils  durch  Bier- 
mer's,  Wintrich's  und  Heck  er' s  Beobachtungen  schärfer  heraus- 
gebildei  ;  ja  es  hatten  sich  sogar  die  Kliniker  in  zwei  Lager  getheilt, 
indem  die  Einen  vorwiegend  eine  inspiratorische,  die  Andern  eine  exspi- 
ratorische  Entstehungstheorie  für  das 'Emphyseni  aufstellten.  Eine  Mit- 
telparthei  nahm  beide  Ursachen  gleichzeitig  als  ätiologisches  Moment  an. 


Fürs  t,  Emphysem  im  Kindesalter.  515 

während  theils  Kliniker,  wie  Hertz  und  zumal  Steffen,  dem  wir 
eine  der  eingehendsten  Arbeiten  über  das  Kinder-Emphysem  verdanken, 
theils  Pathologische  Anatomen,  wie  Eindfl  eis  eh,  B  i  rc  h  -  Hirsch- 
feld u.  A. ,  die  nutritive  Entstehung,  sei  es  aus  präformirten  Anlagen 
oder  aus  krankhaften  Veränderungen  des  Lungengewebes  als  eines  der 
wichtigsten  Momente  für  das  Zustandekommen  des  Emphysems  bezeich- 
neten. Die  bis  in  die  Fünfziger  Jahre  hinein  spielende  Erörterung  über 
ein  in  gerichtsärztlicher  Hinsicht  für  die  Lungenprobe  wichtiges  Thema, 
die  Möglichkeit  eines  angeborenen  oder  unter  der  Geburt  entstandenen 
Emphysems,  ebenso  wie  des  Fäulniss-Emphysems  wurde  durch  Casper's 
Kritik  auf  ihr  richtiges  Maass  zurückgeführt,  üeber  das  allgemeine 
Emphysem  hat  E  o  g  e  r  besonders  gute  Beobachtungen  veröifentlicht. 

Ziemlich  kümmerlich  war  die  Therapie  des  Emphysems  der  Kinder 
bis  vor  wenigen  Jahren  bestellt.  Während  für  Erwachsene  theils  klima- 
tische Kuren,  theils  pneumatische  Behandlung  schon  vielfach  empfohlen 
waren,  hat  sich  erst  in  neuerer  Zeit  das  Interesse  der  Specialärzte  auch 
den  emphysematösen  Kindern  zugewandt.  Gegenwärtig  dürften  die  Indi- 
cationen  theils  für  klünatisehe  Behandlung  durch  Bier  mann,  theils 
für  die  pneumatischen  Cabinete  durch  Lange  und  v.  Lieb  ig,  nach  des 
verdienten  v.  Vivenot  Vorgange ,  exacter  feststehen,  wenngleich  diese 
Acten,  gerade  in  paediatrischer  Beziehung,  noch  nicht  geschlossen  sind. 
Nachdem  der  Erfinder  des  transportabeln  pneumatischen  Apparates, 
Hauke,  der  Art  der  pneumat.  Behandlung  eine  ganz  neue  Eichtung 
gegeben,  sind  durch  zahlreiche  Autoren,  unter  denen  Wal  den  bürg, 
Schnitzler,  Weil  und  Biedert  besonders  hervorgehoben  werden 
müssen,  infolge  exacter  Versuche  gerade  in  den  pneumatischen  Appa- 
raten, welche  eineEinathmung  verdichteter,  ein  Ausathmen  in  verdünnte 
Luft  gestatten ,  dem  Heilmittelschatze  so  werthvolle  Bereicherungen 
zu  Theil  geworden,  dass  sich  der  Nutzen  derselben  für  eine  erfolg- 
reiche Behandlung  des  Kinder  -  Emphysems  bei  entsprechender  Vervoll- 
kommnung der  Technik  gewiss  als  bedeutend  erweisen  wird. 

Begriff  und  Eintlieilung. 

Während  man  ursprünglich  unter  Emphysem  »das  Aufgeblasen- 
sein eines  Gewebes  durch  Luft«  verstand,  bezog  man,  seitdem  das  Lun- 
gen-Emphysem genauer  bekannt  worden,  den  Ausdruck  »Emphysem« 
ohne  weiteren  Zusatz  auf  die  Lunge  in  erster  Linie.  Die  Definition  des 
Lungen-Emphysems  der  Erwachsenen  als  einer  »bleibenden  Alveolar- 
Ektasie  mit  Elasticitätsverlust  der  Gewebe  und  Rareficirung  derselben« 
würde  sich  jedoch  nicht  ohne  Weiteres  auch  auf  das  kindliche  Lungen- 
Emphysem  übertragen  lassen,  weil  hier  zwei  Puncte  durchaus  nicht  im- 
mer zutreffen,  das  Stationärwerden  des  Krankheitsprocesses  und  die 
Atrophie  des  Lungen-Parenchyms.  Alle  Pädiatriker  sind  sich  darüber 
einig,  dass  gerade  hierin  der  specifische  Unterschied  beruht  und  dass  die 
»mehr  oder  weniger  acute,  abnorm  starke  Erweiterung  der  Alveolen 
durch  Luft«  ,  also  gewissermaassen   das  erste  Stadium  des  Emphysems 

33* 


51(5  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

Erwachsener,  bei  Kindern  die  Regel  ist,  ein  Process,  der  sich  aber  mei- 
stens, nach  dem  Schwinden  der  Entstehungsnrsacheu,  wieder  vollständig 
in  den  status  quo  znrückbildet.  In  den  Fällen  aber ,  wo  der  betr.  Zu- 
stand chronisch  wird ,  indem  das  primäre  Leiden  keine  oder  nur  eine 
unvollständige  Restitution  gestattet,  geht  allerdings  die  Contractilität 
der  Alveolenwände  verloren  und  es  kann  selbst  bis  zu  einer  Atrophie 
derselben  kommen.  Immer  aber  sind  solche  Fälle  von  echtem  Emphy- 
sem beim  Kinde  nur  Ausnahmen  und  nur  bei  älteren  Kindern  als  Resi- 
duen abgelaufener  Processe  zu  finden ,  während  in  den  allermeisten 
Fällen ,  ehe  es  zu  einer  chronischen  Alveolar-Ektasie  kommt ,  das  Kind 
entweder  an  der  dem  Emphysem  zu  Grunde  liegenden  Krankheit ,  oder 
an  dem  acuten  Emphysem ,  oder  an  Complicationen  stirbt.  Die  Breite 
des  Verlaufs,  welche  nothwendig  ist,  um  von  dauernden  abnormen  Span- 
nungsverhältnissen in  den  Lufträumen  bis  zur  Atrophie  der  Wände, 
zum  Zusamnieufliessen  der  Alveolen ,  zur  Verödung  von  Capillar-Ge- 
bieten  und  zur  Bildung  grösserer  Hohlräume  zu  führen,  ist  beim  Kinde 
ganz  selten  gegeben.  Beim  Kinde  ist  deshalb  »Vesicular-Emphysem« 
nur  als  klinischer  und  gro))-anatoniischer  Begriff'  zu  fassen  ,  nicht  aber 
als  histologischer.  Mit  den  Processen,  die  unter  den  Namen  von  int  er- 
lobulär ein  oder  interstitiellem,  unter  media  st  i  nalem  sowie 
subcutanem  Emphysem  beim  Kinde  vorkommen,  hat  jenes  rein  al- 
veoläre Emphysem  direct  nichts  zu  thun,  wiewohl  es  deren  Zustande- 
kommen vermittelt.  Alle  die  ebengenannten  Processe  haben  als  gemein- 
sames Cliaracteristicuni  »Austritt  von  Luft  aus  der  Lunge  durch  Ruptur 
von  Alveolen  und  Ansammlung  der  Luft  in  mehr  oder  weniger  ausge- 
dehnten Räumen  des  Zellgewebes.« 


o^ 


Die  E  i  n  t  h  e  i  1  u  n  g  des  Emphysems  in  verschiedene  Arten  hat 
nicht  selten,  durch  die  Liebhaberei  für  das  Systematisiren,  zu  nicht  sehr 
glücklichen  Glassificirungen  geführt,  was  um  so  mehr  zu  bedauern  ist, 
als  gerade  der  Anfänger  durch  verschiedenartige  Nomonclaturen,  durch 
Synonyme,  sowie  durch  eine  nicht  ganz  logische  Aufstellung  von  Unter- 
arten leicht  irre  wird.  Die  einfachste  Eintheilung  ist,  wie  überall, 
so  auch  hier,  die  beste. 

Das  nächstliegende  ist  die  Eintheilung  mit  Eücksicht  auf  die  L  o- 
calisation.     Tn  dieser  Beziehung  ist 

1 .  V  e  s  i  c  u  1 U  r  e  s  oder  A  1  v  e  o  1  ä  r  e  s  E  m  p  h  y  s  e  m  xu  nennen, 
welches  lediglich  innerhalb  der  prä-existirenden  Lufträume,  der  In- 
fundibula  und  Alveolen,  seinen  Sitz  hat. 

2.  Z  e  11  g  e  w  eb  s-E  ni  p  h  y  s  e  m,  Lei  welchem  gewissennaassen  eine 
Extravasation  der  Luft  stattgefunden  hat,  und  zwar 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  517 

a)  Innerhalb  der  Pleura ,  als  b)  ausserhalb  der  Pleura ,  als 

interslitielles,  mediastinales, 

interlobuläres  und  peribrouchiales  Emphysem, 

subpleurales  Emphysem,  als  Unterhautzellgewebs  -  Emphy- 

sem am  Thorax,  am  Hals,  am 
Gesicht  u.  s.  w., 
als  allgemeines  Emphysem. 

Obgleich  von  allen  diesen  Formen  des  Zellgewebs  -  Emphysems 
Fälle  beobachtet  worden  sind,  so  treten  dieselben  doch  bezüglich  der 
Häufigkeit  sehr  hinter  die  Fälle  von  Alveolar-Emphysem  zurück ,  die 
beim  Kinde  die  gewöhnlichen  sind. 

Hinsichtlich  der  Complication  mit  anderen  Krankheitspro- 
cessen  unterscheidet  man  ferner : 

1.  Reines,  uncomplicirtes  Emphysem ,  eine  Bezeichnung, 
der  ich  vor  dem  zu  Missdeutungen  verführenden  Worte :  „Substantielles" 
oder  „Substantives"  Emphysem  entschieden  den  Vorzug  gebe,  weil  diese 
gerade  das  Wesentliche,  nämlich,  dass  es  sich  hiev  um  ein  primäres, 
selb  st  ständiges  Leiden  handelt,  nicht  scharf  heivorheben. 

2.  Complioirtes  Emphysem,  d.  h.  solche  Fälle,  bei  welchen  in 
secundärer  Weise 

entweder  in  Folge  von  Erkrankungen  der  Respirations-Organe  die 
zu.  dem  Vietr.  Bronchialgebiet  gehörigen  Alveolen  eniphysematös  werden, 
(vielfach  als  substantielles  Emphysem  bezeichnet); 

oder  in  Folge  von  Ei-krankungen  bestimmter  Lungengebiete  und 
hieraus  resultirender  Verkleinerung  der  Athmungsfläche  die  anderen 
Bronchialbezirken  angehörigen  Alveolen  Sitz  des  Emphysems  sind.  (V  i- 
cariirendes,  besser  compensatorisches  Emphysem.) 

Beim  Kinde  gehören  reine ,  uncomplicirte  Emphyseme ,  wenn  man 
von  dem  auch  bei  intacten  Lungen  in  der  Agone  entstehenden  Emphy- 
sem absieht,  zu  den  Seltenheiten ;  unter  den  complicirten  aber  sind  die- 
jenigen Emphyseme,  welche  in  grösserer  oder  geringerer  Entfernung 
von  für  die  Respiration  unzugänglich  gewordenen  Lungengebieten  ent- 
stehen ,  also  die  sogenannten  vicariirenden  ,  die  bei  Weitem  Häufigsten. 

Ferner  hat  man  bezüglich  der  Ausdehnung  des  emphysematösen 
Processes  unterschieden 

1)  Allgemeines  und 

2)  Lokali sirtes,  partielles  Emphysem. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  beim  Kinde  nur  von  letzterer  Art 
die  Rede  sein  kann  und  dass  von  partiellen  Emphysemen  wiederum  alle 
Grade  vorkommen,  von  der  Ektasie  weniger  Alveolen  eines  Infundibu- 
lums  bis  zum  Emphysem  einzelner  Lobuli,  mehrerer  Gruppen  von  solchen 
und  selbst  ganzer  Lappen.  Unter  Umständen  kann  ein  ganzer  Lungen- 
flügel ein  solches  vicariirendes  Emphysem  zeigen. 

Eine  sehr  wichtige  Unterscheidung  ist  endlich  die  nach  dem  V  e  r- 


^|g  Krankheiten  der  Atbmungsorgane.     Lunge. 

1  auf  e,  der  alle  Stadien  ,  vom  peracuten  und  acuten  bis  zum  subacuten, 
selten  bis  zum  clironisclien  Verlaufe  durchmessen  kann.  Am  häufigsten 
ist  das  acute,  entweder  in  di  es  er  Form  zum  lethalen  Ausgange,  oder 
ebenso  rasch  zu  einer  restitutio  in  integrum  führende  Emphysem.  Auch 
das  s  u b  a eut  verlaufende  wird  nicht  gar  zu  selten  beobachtet.  Selten 
ist  das  chronische,  da  das  Kind  die  von  demselben  veranlassten  func- 
tionellen  und  anatomischen  Störungen  nur  ausnahmsweise ,  und  dann 
meist  nur  in  vorgerückteren  Kinderjahren,  erträgt. 

Pathogenese. 

Bevor  wir  die  Entstehung  des  Emphysems  bemi  Kinde  auf  ihre 
Ursachen  hin  verfolgen,  müssen  wir  erst  zu  der  Frage  nach  der  Exi- 
stenz des  Emphysems  im  Kiudesalter  Stellung  nehmen.  Wir 
haljen  schon  gesehen,  dass  das  Auftreten  eines  echten,  stationären  Em- 
physems beim  Kinde  zu  den  Ausnahmen  gehört,  und  dass  man  es  hier 
meist  mit  einem  Emphysema  spurium  zu  thun  hat ,  d.  h.  mit  einer  vor- 
wiegend acut  verlaufenden  Alveolar-Ektasie  ohne  Rareficirung  des  Ge- 
webs. 

Während  West  und  He  noch  dem  Emphysem  gar  keine  beson- 
dere Beschreibung  widmen ,  es  also  für  das  Kind  als  nicht  ervvähnens- 
werth  betrachten,  sagen  JRilliet  und  Barthez,  dass  es  nur  eine  un- 
liedeutende  Rolle  spiele  und,  da  es  weder  ernste  Zufiille,  noch  deutliche 
Symptome  darbiete ,  auch  nicht  von  practischem  Interesse  sei.  Als  „bei 
Kindern"  selten  wird  es  von  Gerhardt  und  Hertz  bezeichnet,  wie- 
wohl Letzterer,  mit  Leb  er  t,  zugesteht,  dass  die  Entstehung  mancher 
zur  Zeit  der  Geschlechtsreife  manifest  werdender  Emphyseme  wohl  auf 
die  erste  Jugendzeit  zu  beziehen,  5—10  Jahre  zurückzudatiren  ist.  Un- 
streitig richtig  hebt  Biermer  hervor,  dass  gerade  die  zarten  Kindes- 
lungen  den  mechanischen  Dilatations-Ursachen  geringeren  Widei'stand 
liieten,  also  zu  Emphysem  mehr  disponirt  sind,  dass  aber  auch  anderer- 
seits bei  ihnen,  wegen  leichterer  Ausgleichung  der  Alveolar-Ektasie,  sel- 
ten bleibendes  Emphysem  sich  findet.  Als  Vertreter  des  Extrems  hin- 
sichtlich der  Ansichten  über  das  Vorkommen  von  Kinder-Emphysem  ist 
Steffen  anzuführen,  welcher,  gestützt  auf  die  Beobachtung,  dass  l.iei 
jungen  Individuen  theils  in  Folge  der  Nachgiebigkeiir  der  Alveolarwände 
und  des  Thorax ,  theils  in  Folge  der  grösseren  Reizbarkeit  der  Schleim- 
häute kindlicher  ßespirations-Organe  die  Prädisposition  gegelien  sei,  das 
Emphysem  als  „im  Kindesalter  ausserordentlich  häufig"  bezeichnet.  Er 
weist  dabei  auf  die  liei  Hustenstijssen  deutlich  sichtbare  Vorwöllaung,  Ije- 
sonders  entsprechend  den  Lungenspitzen,  hin,  sowie  auf  die  Thatsache, 
dass  er  bei  'A  der  Kindersectionen  Emphysem,  zumal  peripherisches  und 
marginales ,  vorgefunden  habe  und  kommt  zu  dem  Ergebnisse ,  dass  die 
meisten  Krankheilen  der  Respirations-Organe  „nie  ohne  vorüfiergehendes 
oder  bleibendes  Empliysem"  \  erlaufen.  Unter  diesen  Krankheiten  nennt 
er  an  erster  Stelle  den  Keuchhusten,  während  gerade  von  diesem  Bou- 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  519 

chut  angiebt,  dass  dabei  die  Lungen  „nur  ausnahmsweise''  emphysema- 
iös  seien. 

Die  Gegensätze  in  den  Ansichten  über  die  Existenz  des  Emphysems 
bei  Kindern  würden  nicht  zu  vereinigen  sein,  wenn  man  nicht  annehmen 
wollte,  dass  diejenigen  Autoren,  welche  ein  Emphysem  des  Kindes  nicht 
anerkennen,  dabei  lediglich  das  echte  Empli3'sem  im  Sinne  haben,  wäh- 
rend die  Anderen  alle  Grade  von  Lungenblähung,  seien  sie  diagnostisch 
oder  auf  dem  Secirtisch  vorgefunden,  unter  »Emphysem«  zusammen- 
fassen. 

Unter  den  Entstehungs-Ursachen  ist  die  zuerst  von  Jackson  her- 
vorgehobene Heredität  zu  erwähnen. 

Es  ist  durch  Beobachtungen  erwiesen,  dass  in  manchen  Familien  eine 
sich  forterbende  Prädisposition  für  Emphysem  besteht.  Man  darf  das 
Wesen  dieser  vererbten  Anlage  zuweilen  wohl  in  den  bereits  von 
Freund  geschilderten  (angeborenen )  Eigenthümlichkeiten  im  Bau  der 
oberen  Thoraxparthien ,  hiiufiger  vielleicht  noch  in  congenitaler  Disposi- 
tion zu  Katarrhen,  oder,  mit  Hertz  und  Biermer,  in  angeb.  Schwäche 
und  ungenügender  Kesistenz  des  elastischen  Lungengewebes  suchen,  An- 
nahmen ,  die  freilich  mehr  oder  weniger  hypothetisch  sind.  Dass  eine 
solche  Anlage  zu  hereditärem  Emphysem  vorhanden  sein  muss,  geht, 
nach  6  e  r  h  a  r  d  t ,  aus  den  Fällen ,  wo  sich  ein  solches  um  die  zweite 
Dentition  nicht  selten  einstellt,  hervor. 

Von  einem  eigentlichen  con genitalen  Emphysem  kann  natür- 
lich nicht  die  Rede  sein.  Das  Wesen  der  Fötal-Lunge,  welche  nicht  ge- 
athmet  hat ,  schliesst  an  sich  das  Emphysem  aus.  Etwas  Anderes  aber 
ist  es  mit  der  Entstehung  desEmphysems  unter  derGeburt. 
Hier  handelt  es  sich  um  jene  seltenen  Fälle  ,  in  welchen  ein  Kind  wäh- 
rend des  natürlichen  oder  künstlichen  Geburtsverlaufes  vorzeitige  Athem- 
bewegungen  gemacht  hat  und  die  Lungen  unmittelbar  oder  in  den  er- 
sten Stunden  nach  der  Geburt  eiuphysematös  gefunden  wurden. 

Zwar  läugnet  Casper,  mit  Rücksicht  auf  den  angezweifelten  Werth 
der  forensischen  Lungenprobe ,  ganz  entschieden,  dass  jemals  „auch  nur 
ein  einziger  gut  beobachteter  und  zweifelloser  Fall  von  spontan  in  fö- 
talen Lungen  entwickeltem  Emphysem"  beschrieben  worden  sei.  Allein 
er  selbst  fügt  hinzu  „bei  ohne  Kunsthülfe  entwickelten  Geburten'' ,  und 
giebt  darch  diesen  Zusntz  der  Möglichkeit  Raum,  dass  bei  operativem 
Eingreifen  die  Lunge  des  Kindes  wenigstens  lufthaltig  befunden  werden 
kann.  Dass  Emphysem  während  einer  solchen  Geburt  erworben  werden 
kann,  geht  z.  B.  aus  dem  Falle  hervor,  den  ()rfila*)  ervsrähnt,  einem 
nach  einer  Wendung  vorgefundenen  Emphysem.  Der  Fall  von  Wals  he 
lässt  es  unentschieden ,  ob  das  vesiculäre  und  interlolmläre  Emphysem, 
welches  bei  einem  Kinde  zwei  Stunden  nach  derGeburt  beobachtet  wurde, 
einem   künstlichen  Eingreifen   zuzuschreiben    war.     Ein   reiner  Fall   von 


*)  Vorlesungen  üb.  gerichtl.  Medicin,  I.  321. 


520  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

genuinem  Emphysem,  welches  durch  abnorm  starke  Insi^irationen  —  und 
zwar  durch  solche,  die  ausdrücklich  nur  intrauterin  stattgefunden  haben 
konnten  —  entstand,  ist  der  bekannte  Hecker'sche,  der  in  seiner  Art 
ein  Unicum  darstellt.  Hier  war  die  Geburt  nach  26stündigen  Wehen,  18 
Stunden  nach  dem  Wasserabfluss  und  nachdeiu  die  Herztöne  seit  einer 
Stunde  aufgehört  hatten,  ohne  Kun.sthülfe  beendet.  Das  Kind  war  todt 
o-eboren,  zeigte  aber  bei  der  6  Stunden  nach  dem  Tode  vorgenommenen 
Section  „deutliches  Emphysem",  sogar  mit  Zerreissung  von  Lungenzellen, 
wie  nach  forcirtem  Lufteinblasen.    Ein  Analogon  bildet  ein  Fall  von  Kuge. 

Ans  der  Seltenheit  solcher  Fälle  ist  aber  jedenfalls  der  Rückschluss 
zu  ziehen ,  dass  ein  derartiges  unter  der  Geburt  acc[uirirtes  Emphysem 
zu  den  seltenen  Ausnahmen  gehört. 

Dass  die  angeborene  Lungen -Atelektase,  wenn  sie  die 
Respiration.sfläche  partiell  verkleinert,  indem  sie  ganze  Lobuli  von  der 
Athmung  ausschliesst ,  ein  compensatorisches  Emphysem  erzeuge ,  wird 
zwar  von  manchen  Seiten  behauptet.  Allein  die  Erfahrung  lehrt ,  dass 
ohne  sonstige  intercurrirende  Bronchial-  oder  Lnngenkrankheiten,  wel- 
che acut  die  Dyspnoe  steigern ,  selten  mehr  als  eine  compensatorische 
Alveolar-Elitasie  zu  Stande  kommt,  jedenfalls,  weil  das  Athmen  solcher 
Kinder  viel  zu  oberflächlich ,  ihr  Schreien  viel  zu  schwach  ist ,  und  sie 
in  Folge  der  Schwäche  ihrer  Respiration  viel  eher  unter  Cyanose  zu 
Grunde  gehen,  als  dass  ein  echtes  Emphysem  sich  ausbildet. 

Etwas  Anders  gestaltet  sich  der  Vorgang ,  wenn  an  asphyktisch 
geborenen  Kindern  in  zu  forcirter  Weise  E  i  n  b  1  a  s  u  n  g  e  n  v  o  n  L  u  f  t 
gemacht  worden  sind. 

Es  ist  bekannt,  dass  L  e  r  o  i  d'E  t  i  o  1 1  e  s  der  Erste  war,  welcher  auf 
dieses  ätiologische  Moment  aufmerksam  gemacht  hat.  Ist  es  auch  von 
manchen  Seiten  (Steiner,  Vogel)  angezweifelt  worden,  ob  hierdurch 
Emjihysem  erzeugt  werden  könne,  geben  insbesondere  Eilliet  und 
Barthez  an,  dass  man  nur  inteiiobuläres  Emphysem  und  ampullenför- 
mige  Auftreibung  der  Pleura  hervorruft,  so  ist  doch  der  angegebene 
Gegengrund,  die  Lunge  des  Neugeborenen  lasse  .sich  zwar  durch  Luft- 
einblasen enorm  aufblasen,  aber  nie  zerreissen  und  gehe  vermöge  ihrer 
Elabticität,  sobald  man  sistirt,  wieder  auf  ihr  früheres  Volumen  zurück, 
nicht  stichhaltig.  Nicht  nur  von  klinischer  Seite  (Gerhardt,  Hennio-, 
Steffen),  sondern  auch  von  gerichtsärztlicher  Seite  ist  die  Möglichkeit 
nachgewiesen,  dass  durch  kräftiges,  rasches  Einblasen,  abgesehen  davon, 
dass  Luft  in  den  Magen  tritt,  auch  eine  Hyperaerie  der  Lungen,  eine 
übertriebene  Ektasie  oft  der  ausgedehntesten  Lungen- Aljschnitte,  schliess- 
lich Zerreissung  von  Alveolen  und  interloliuläres  Emphysem  in  wenigen 
Augenblicken  sich  hervorrufen  las.sen  (Gas per).  Derartige  Lunten  zei- 
gen hochgradige  Blähung,  blasses,  blutleeres,  ungleichmä'ssiges  Gewebe, 
hier  und  da  Rupturen,  bieten  also,  wenn  man  nicht  zu  sehr  auf  die 
chronische  Atrophie  der  Gewebe  Gewicht  legt,  das  wenigstens  makros- 
kopisch deutliche  Bild  des  Emphysems. 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  521 

Man  hat  bei  Ol^ductionen  in  foro ,  besonders  früher ,  oft  die  Frage 
ventilirt,  ob  die  in  einer  Lunge  sich  findende  Luft  nicht  ein  »Leichen- 
Emphysem«,  eine  Fäulniss-Erscheinung  sein  könne.  Hiergegen  muss 
zunächst  eingewendet  werden ,  dass  die  Lungen  in  Leichen ,  die  bereits 
äusserlich  die  höheren  Fäulnissgrade  zeigen,  sehr  häufig  noch  ganz  wohl 
erhalten  sind  (Gas per).  Die  Entstehung  eines  Emphysems  durch 
Fäulnissgase  ist ,  wenn  überhaupt ,  erst  im  Verlauf  längerer  Zeit  zu  er- 
warten ;  meist  bleibt  aber  auch  dann  der  rein  cadaveröse  Vorgang  auf 
Blähung  einzelner  Lungenbläschen,  besonders  an  den  Rändern,  auf  inter- 
lobuläre und  subpleurale  Luftblasen  beschränkt,  Veränderungen,  welche 
nur  eine  äussere  Aehnlichkeit  mit  Emphysem  haben. 

Ein  primäres,  echtes  Emphysem  ohne  anderweitige  Compli- 
cationen  Seitens  der  Respirationswege ,  uncomplicirtes  primäres  Em- 
physem, wie  es  z.  B.  Wal  den  bürg  in  3  Krankengeschichten  von 
9— 13jährigen  Kindern  schildert,  ist  beim  Kinde  jedenfalls  eine  grosse 
Seltenheit,  wie  bereits  oben  angedeutet  wurde. 

Sehen  wir  von  den  schon  erwähnten  Fällen  ab,  in  denen  Erblich- 
keit oder  Geburtsverlauf  einen  Anhaltepunct  zur  Erklärung  des  Zustan- 
dekommens bieten,  so  bleiben  uns  für  die  Fälle,  in  denen  jene  zwei  Ur- 
sachen auszuschliessen  sind ,  nur  die  forcirten  Athem-  und  heftigen 
Hustenbewegungen  übrig,  die,  nach  Biermer,  in  plötzlicher  oder  doch 
acuter  Weise  Alveolar-Ektasie  und  selbst  interlobuläres  Emphysem  in 
sonst  nicht  erkrankten  Lungen  hervorrufen  können.  Ein  solches  primä- 
res Emphysem  ist  es,  dem  wir  bei  den  Tracheal-Stenosen  durch  Fremd- 
körper in  sonst  gesunden  Kinderlungen  begegnen. 

Auch  das  so  häufig  in  der  A  g  o  n  e ,  also  in  den  wenigen  Stunden 
vor  dem  Tode,  acut  entstehende  Emphysem,  ist,  wenn  das  Kind  nicht 
gerade  einer  Luftröhren-  oder  Lungenkrankheit  erlegen  ist,  als  eine 
primäre  Alveolar-Ektasie  aufzufassen.  Man  findet  diese  Veränderung 
ausserordentlich  häufig,  besonders  an  den  vorderen  Lungenrändern  bald 
ohne  sonstige  pathologische  Lungenveränderungen  (Steffen),  bald 
nur  mit  anderen  aus  der  Agone  herrührenden  Erscheinungen ,  wie  Hy- 
postase und  Lungenödem,  und  vermag  in  solchen  ziemlich  reinen  Fällen 
nur  die  Dyspnoe  und  die  terminalen  Circulations  -  Störungen  für  die 
Lungenblähung  verantwortlich  zu  machen. 

Ungleich  durchsichtiger  ist  die  Pathogenese  des  mit  anderweitigen 
Erkrankungen  der  Respirationsorgane  complicirten,  secundären 
Emphysems ,  sowohl  des  sogen .  substantiellen,  als  des  c  o  m  p  e  n- 
satorischen  (vicariirenden).  Hier  tritt  uns  als  ursächliches  Moment 
eine  grosse  Gruppe  von  Krankheiten  entgegen  ,  deren  Zusammenhang 
mit  fimctionellen  Athmuugsstörungen  auf  der  Hand  liegt  und  deren 
Nebenwirkung  anerkanntermaassen  beim  Kinde  die  Alveolar-Ektasie 


ir 


522  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

verschiedeusteu  Grades,  das  echte  Emphysem  der  Lmige,  das  intersti 
tielle,  siiljpleurale ,  lohuläre  und  Zellgewebsemphysem  sein  kann.  W 
begegnen  in  dieser  Reihe  von  Affectionen  1)  zunächst  solchen,  welche 
die  Inspiration  partiell  beeinträchtigen  ,  2)  solchen,  bei  denen  ein  Ex- 
spirationshinderuiss  besteht,  3)  solchen ,  bei  denen  Theile  des  Lungen- 
gewebes verdichtet  sind,  4)  entzündlichen  Ernährungsstörungen  des 
Gewebes ,  5)  Circulationsstörungen ,  6)  exspiratorischen  Ueberanstren- 
gungen  durch  Husten. 

Man  sieht  daraus  leicht ,  dass  gerade  beim  Kinde  eine  Anzahl  von 
Ausgangspuucten  für  emphysematöse  Auftreibung  der  Lunge  in  den 
vorwiegend  dem  jugendlichen  Lebensalter  eigenthümlichen  Prädispo- 
niren  zu  Respiratiouskrankheiten  überhaupt  gegeben  sein  muss. 

Schon  die  Erkrankungen  der  gröberen  Luftwege  und 
der  Trachea,  sowie  der  H  a  u  p  t  b  r  o  n  c  h  i  e  n  verdienen  hier  speciel- 
lere  Betrachtung.  Li  erster  Linie  stehen  die  gemeinsam  zu  betrachten- 
den T  r  a  c  h  e  a  1  -  und  B  r  o  n  c  h  i  a  1  -  S  t  e  n  o  s  e  u ,  Ijei  denen  der  Luft- 
zutritt zu  der  ganzen  Lunge ,  oder  zu  einem  grösseren  Abschnitte  der- 
selben mehr  oder  weniger  beeinträchtigt  ist. 

Seltener  halten  wir  es  hier  mit  einer  von  aussen  wirkenden  Com- 
pression  zu  thun,  und  in  sok:hen  Fallen  ist  es  die  (angeborene  oder  früh- 
zeitig entstandene)  Struma,  welche  besonders  in  Kropfgegenden,  nach 
Gerhardt,  Steiner  und  Biermer,  fast  regelmässig  und  schon  in 
den  ersten  Kinderjahren  zu  Emphysem  führt.  Die  Compression  der  Luft- 
röhre durch  eine  abnorm  grosse  Thymus  *)  und  consecutives  Emphysem 
gelangt  ebenso  wie  angeborene  Engigkeit  der  Trachea  (Rahn- B  s  eher) 
ungleich  seltener  zur  Beobachtung.  In  den  meisten  Fällen  von  Tracheal- 
stenose hat  man  es  mit  inneren  01)turationen  zu  thun,  vorzugsweise  mit 
fremden  Körpern,  welche  durch  Aspiration  in  die  fjuftwege  gelangen 
und  je  nach  ihrer  Fonn  und  Grösse  ein  Respirationshinderniss  abgeben. 
Füllt  der  betr.  Körper  das  Lumen  der  Trachea  nur  incomplet  aus  ,  so 
können  Abschnitte  in  den  beiden  Lungen  emphysematös  werden  ,  ja  es 
kann  selbst  bis  zur  Ruptur  des  Lungengewebes  kommen.  Trifft  die 
\'erstopfung  einen  Haupt-Bronchus ,  so  tritt,  ebenso  wie  wenn  ein  klei- 
nerer Bronchus  obturirt  ist,  bei  vollkommenem  Verschluss  neben  Atel- 
ectase  des  betroffenen  Lungengehiets  ein  vicariirendes ,  selbst  bis  zum 
interlobulären  Grade  steigendes  Emphysem  auf.  Ist  die  Alisperrung  der 
Luft  unterhalb  der  steno^irten  Stelle  unvollkommen,  so  kann  auch  nach 
und  nach  in  dem  betr.  Bezirke  der  Lunge ,  also  hinter  dem  fremden 
Körper,  Emphysem  entstehen. 

Es  ist  ohne  Weiteres  verständlich ,   dass  der  verschiedene  Sitz  der 

*)  Ein  von  mir  beobachteter  Fall ,  in  welchem  ein  Smonatl.  gesundes 
Mädchen  ganz  plötzlich  suffocatoriscli  zu  Grunde  gegangen  war,  ergab  bei  der 
Section  als  einzigen  Anhaltepunot  für  die  Erstickung  eine  abnorm  grosse  Thy- 
mus aber  kein  Emphysem, 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  523 

Ektasie ,  einmal  in  benachbarten  Lungen- Abschnitten ,  ein  anderes  Mal 
in  dem  theilweise  verstopften  Lungengelnete  selbst ,  auf  verschiedene 
Weise  zu  erklären  ist ,  v.'ie  wir  bei  einem  Ueberblick  über  die  Entste- 
hungs-Theorien des  Emphysems  sehen  werden. 

Dass  beim  Kinde  durch  einen  Fremdkörper  schliesslich  selbst  ein 
Emphysem  der  Kürperdecken  entstehen  und  doch  noch  complete  Rück- 
bildung nach  Expectoration  des  Gegenstandes  eintreten  kann ,  lehrt  ein 
von  Steffen  mitgetheilter  Fall  von  vollkommener  Obturation  des  Bron- 
chialastes eines  Lungenlappens  durch  eine  Bohne. 

Zu  erwähnen  ist  noch  an  dieser  Stelle,  dass  auch  bei  mehr  oder 
weniger  vollkommener  Compression  der  Trachea  durch  Ersticken  gericht- 
liche Sectionen  das  rasche  Entstehen  von  vesiculiirem  und  interstitiellem 
Emphysem  nachgewiesen  haben. 

Eine  wesentlich  häufigere  Gelegenheitsursache  für  das  Emphysem 
ist  der  Keuchhusten,  der,  ebenso  wie  der  sogenannte  Krampf- 
husten, durch  heftige,  tiefe  Inspirationen  und  durch  plötzliche,  hef- 
tige und  andauernde  Exspirationen  auf  rein  mechanische  Weise  zu  einer 
Ausdehnung  der  Alveolen  führt. 

Gehen  auch  die  Ansichten  der  pädiatrischen  Schiiftsteller  über  die 
Frequenz  des  Emphysems  bei  Keuchhusten  ziemlich  auseinander,  nament- 
lich auch  darüber,  ob  nur  vorübergehende  oder  lileibende  Eiitasie  die 
Folge  sei,  so  ist  doch  die  Thatsache  selbst  hinlänglich  bestätigt,  dass, 
selbst  ohne  gleichzeitige  Bronchitis  und  Bronchiektasie ,  eine  vesiculäre 
Blähung,  ein  ini;erstitielles  und  interlobuläres  Emphysem  durch  Ruptur 
von  Alveolen,  ein  Emphysem  des  mediastinalen  Zellgewebes,  Pneumo- 
thorax, emphysematöse  Auftreibung  des  Zellgewebes  der  Haut  am  Kopf 
und  Hals,  schliesslich  selbst  allgemeines  Emphysem  entstehen  kann.  Am 
häuiigsten  beobachtet  man  jedoch  nur  eine  Ektasie  der  Ränder ,  zumal 
des  oberen  Lappens ,  sowie ,  da  der  Keuchhusten  selten  ohne  Complica- 
tionen  Seitens  der  Lunge  verläuft ,  einzelne  compensatorische  Alveolar- 
Ektasieen,  hier  und  da  auch  Ektasieen  der  Alveolar-Endgänge.  Dass  diese 
Ziistände  sich ,  selbst  wenn  sie  hochgradig  sind,  wieder  vollkommen  zu- 
rückbilden können ,  darüber  kann  kein  Zweifel  sein.  Klinisch  lässt  sich 
ihr  Auftreten  und  Verschwinden  constatiren.  Hingegen  ist  der  Befund 
von  bleibendem,  achtem  Emphysem,  selb.st  wenn  die  Lungen  bei  der  Sec- 
tion  als  blass ,  weich  ,  schwammig  ,  voluminöser  und  vorgelagert  (B  o  u- 
chut)  beschrieben  werden,  nicht  die  Regel,  sondern  die  Ausnahme. 
Acute  Alveolar-Ektasie  und  ebenso  acute  Ruptur  mit  Luftaustrilt  in  die 
Umgebung  bestehen  neben  einander ,  aber  die  liedeutende  Ausdehnmig 
der  Lungenbläschen  giebt  nur  in  lang  dauernden  Fällen  Gelegenheit  zu 
nutritiven  Verändei'ungen  der  Gewebe. 

Der  L a r y n X-  und  T r a c h e a  1-,  sowie  Bronchialcroup,  sowie 
die  d  i  pht  he  ritischen  Processe  in  diesen  Theilen  des  Respirations- 
Systems  lassen  sich,  als  Quellen  des  Emphysems,  gemeinsam  besprechen, 
da  sie  in  gleicher  Weise  obturirend  auf  die  Lunge  überhaupt ,  oder  auf 
einzelne  Parthieen  derselben  wirken. 


524  Krankheiten  der  Atkmungsorgane.    Lunge. 

Schon  Gerhardt  hat  hervorgehoben,  dass  die  veränderte  Athmungs- 
weise  croupkranker  Kinder  es  ist,  hei  welcher  besonders  die  oberen  vor- 
deren Theile  der  Lunge  unter  angestrengten  Ins^jirationen  und  erschwer- 
ten Exspirationen  eine  starke  Erweiterung  erfahren.  Wir  haben  es  hier 
effectiv  mit  einer  acuten  Lungenlilähung  zu  thun ,  und  zwar  theils  mit 
einer  isrimären,  theils,  bei  Obliteralion  einzelner  Bronchialgebiete,  mit 
einer  secundären,  compensatorischen  Ektasie.  Auch  interstitielle,  interlo- 
buläre und  sulipleurale  Emphyseme  kommen  in  hochgradigen  Fällen  zur 
Beobachtung.  Meist  aber  beschränkt  sich  die  alveoläre  Ektasie  auf  die 
oberen  vorderen  Theile  des  oberen  Lappens,  bläht  die  Ränder  der  Lunge, 
besonders  in  solchen  Theilen,  welche  noch  respirationsfühig  sind,  auf,  er- 
fährt aber  auch  nach  dem  günstigen  Verlaufe  der  primären  Krankheit, 
nach  Entleerung  der  Membranen  oder  nach  allmäliger  Heilung  wieder 
völligen  Rückgang.  In  ungünstigen  Fällen  macht  der  rasch  eintretende 
Tod  das  Zustandekommen  eines  wirklichen  Emphysems  unmöglich  und 
nur  in  den  Fällen  von  chronischem  Bronchialcroup  ist,  nach  Biermer, 
die  Möglichkeit  eines  substantiellen  Emphysems  gegeben. 

Dass  beim  Pseudo- Croup  eine  analoge  Erweiterung  der  Lun- 
genbläschen nicht  auftritt,  bedarf  kaum  der  Erwähnung.  Ebenso  findet 
sich ,  während  doch  der  Glottis- Verschluss  bei  starken  Hustenparoxys- 
meu  Emphysem  bewirkt,  solches  bei  Spasmus  glottidis  nicht  vor, 
ein  Beweis  dafür,  dass  nicht  der  mechanischen  Verengerung ,  sondern 
dem  gewaltsamen  erhöhten  Exspirations-Druck  der  Hauptantheil  an 
dem  Zustandekommen  des  Emphysems  zukommt.  Von  der  Laryn- 
gitis c  a  t a r  r  h  a li s  und  von  Neubildungen  an  den  oberen  Luft- 
wegen führt  Steffen  an,  dass  sie  zu  Emphysem  Anlass  geben  können  ; 
von  erstgenannter  Affection  darf  man  aber  wohl  behaupten  ,  dass  eine 
so  hochgradige  Schwellung  der  Stimmbänder ,  die  chronisch  die  Weg- 
sarakeit  des  Kehlkopfes  bis  zur  Emphysembildung  beeinträchtigt,  beim 
Kinde  nicht  häufig  gefunden  wird. 

In  den  tieferen  Bronchien  und  deren  feineren  Verzweigun- 
gen verlaufende  Processe  sind  es  nicht  selten,  von  denen  emphysematöse 
Veränderungen  sich  herschreiben.  Wir  haben  dabei  weniger  jene  Fälle 
im  Auge,  in  denen  sich  bei  der  Section  neben  Br  onehiektasie  auch 
Emphysem  vorfand.  Literessanter  ist  jedenfalls  das  Vorkommen  von 
Emphysem  bei  Asthma  bronchiale,  auf  das  Bi armer,  Riegel 
und  Biedert  mit  vollem  Rechte  hingewiesen  haben. 

In  der  That  l'egegnet  man  ab  und  zu  in  der  Kiuderpraxis  solchen 
Fällen,  bei  denen  die  Dyspnoe  und  die  asthmatischen  Zufälle,  da  son- 
stige Herz-  und  Lungenstörungen  fehlen,  nur  auf  einen  nervösen  Grund, 
auf  spastische  Contraction  der  Wände  der  feineren  Bronchien  zurückzu- 
greifen gestatten  und  wo  sich  gleichzeitig,  insbesondere  während  und 
nach  dem  Anfalle,  eine  Lungenlilähung  mit  Auftreibung  der  Supracla- 
vicular-Gegend,  Verkleinerung  der  Herzdämpfung  und  Herabdränguno-  des 
Zwerchfells  ohne  Schwierigkeit  nachweisen  lässt.  Ob  jener  tonische^Krampf 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  525 

Ursache  oder  Folge  des  Emphysems  ist,  muss  ich  dahingestellt  sein  las- 
sen; meist  macht  der  ziemlich  flüchtige  Vorgang  nur  den  Eindruck  einer 
vorwiegend  inspiratorischen,  akuten  Alveolar-Ektasie. 

Häufiger  ist  es  die  Bronchitis,  und  zwar  die  katarrhali- 
sche Form  mit  ziemlich  reichlichem  Secret ,  zu  der  sich  bei  eiuiger- 
maassen  chronischem  Verlaufe  nur  zu  leicht  trausitorische  Alveolar- 
Ektasie  gesellt. 

Dass  es  nur  die  von  Gerhardt  in  den  Vordergrund  gestellten 
mechanischen  Bedingungen  des  im  Hustenparoxysmus  gesteigerten  Exspi- 
rationsdrucks  und  die  Verhältnisse  der  Thorax-Punction  siad  ,  in  Folge 
deren  gern  Emphysem  der  oberen  Lappen  neben  Atelektase  der  untern 
bei  Bronchitis  auftritt,  ist  nicht  wahrscheinlich.  Gewiss  verdient  auch  die 
Verengerung  des  Bronchiallumens  durch  Secret  und  durch  Schwellung 
der  Schleimhaut,  auf  die  Steffen  aufmerksam  gemacht  hat,  als  ursäch- 
liches Moment  Beachtung.  Wir  sehen,  dass  die  Inspiration  normal  oder 
verstärkt ,  die  Exspiration  aber  insufficient  ist  und  dass  die  erschwerte 
Ausstossung  der  Lutt  aus  den  verengerten  Bronchien  und  Bronchiolen 
zunächst  eine  Stauung  von  Luft  in  den  Alveolen  bewirkt.  Dass  hier- 
durch das  Athembedürfniss  mittelst  der  In-  und  Exspiration  nicht  be- 
friedigend gestillt  werden  kann ,  indem  die  kohlensäurehaltige  Luft  zu- 
rückgehalten ,  die  Zufuhr  neuen  Sauerstoffs  aber  durch  die  bereits  die 
Alveolen  anfüllende  Luft  erschwert  ist  (Wal  den  bürg),  so  entsteht  na~ 
turgemäss  eine  noch  der  Eückbildung  fähige,  später  aber,  nach  Eintritt 
entzündlicher  Ernährungsstörungen  stationäre  Dilatation  der  Alveolen, 
ein  Emphysem  ,  das  sogar  ,  nach  B  o  u  c  h  u  t ,  interlobulär  werden  und 
beträchtliche  Grade  erreichen  kann ,  wenn  die  Bronchitis  nicht  partiell, 
sondern  allgemein  ist.  Eine  Atrophie  durch  bleibenden  Elasticitätsverlust 
fehlt  übrigens  oft,  selbst  bei  schweren  Bronchialkatarrhen ;  höchstens  be- 
merkt man  eine  vorübergehende  Stauungshyperämie  als  Zeichen  des  be- 
einträchtigten Lungen-Kreislaufs. 

Von  allen  Bronchitischen  Processen  ist  es  jedenfalls  der  der  Bron- 
chitis capillaris,  bei  welchem  es  noch  am  Ehesten  zu  Emphysem 
kommen  kann,  wie  ich  im  Anschluss  an  Bierraer's  iind  Riegel 's 
Mittheilungen  bestätigen  kann. 

Man  findet  hier  schon  nach  ziemlich  kurzer  Dauer  des  primären 
Leidens  eine  acute  Alveolarblähung  vor,  und  zwar  theüs  lokalisirt  an 
denjenigen  Lobulis,  deren  Bronchiolen  erkrankt  waren,  theils  vicariirend 
an  den  vorderen  Lungem-ändern  und  in  den  Lungenspitzen ,  wenn  die 
capilläre  Bronchitis  eine  grössere  Ausdehnung  hatte.  Da  wir  es  hier  mit 
einem  versehwächten  Exspirationsdrucke  zu  thun  haben,  während  die 
Inspiration  normal  oder,  was  häufiger  ist,  verstärkt  und  angestrengt  er- 
folgt, so  darf  man  in  mehr  trockenen  Formen  wohl  direct  eine  inspira- 
torische Aufblähung  durch  Luft,  in  seeretreicheren  Fällen  aber,  mit  Buhl, 
eine  Aspiration  des  katarrhalischen  Productes  und  eine  consecutive,  com- 
pensatorische  Tnspirations-Ektasie  als  natürlichste  Erklärung  annehmen. 

Mit  seltener  Einstimmigkeit  wird  von  allen  Seiten  die  k  at  a  r  r h  a- 


526  Krankheiten  der  Athmnngsorgane.     Lunge. 

1  i  s  c  li  e  (lobuläre)  Pneumonie  als  ein  Krankheitsprocess  bezeich- 
net ,  der ,  wenn  auch  nicht  stets ,  so  doch  öfters  EmiDhysem  im  Gefolge 
hat. 

Hier  iiegegnet  uns  eine  rein  compensatorische  Alveolar-Ektasie  der 
verschiedensten  Grade,  welche  in  den  nicht  ergriffenen  Stellen  der  umge- 
benden Lungensubstanz  durch  inselförmige.  blasse  umschriebene  Erhebung 
über  die  dunkleren  pneumonischen  Stellen  dem  Secirenden  bei  Eröffnung 
des  Thorax  sofort  auffallt.  Ein  intervesiculRres  Emphysem,  wie  es  Bou- 
c  h  u  t  angiebt ,  habe  ich  übrigens  ,  wenn  die  lobulare  Pneumonie  nicht 
eine  Complication  des  Keuchhustens  oder  einer  andern  mit  starkem  Husten 
verbundenen  Primär-Erkrankung  war,  nicht  gesehen. 

Was  die  croupöse  Pneumonie  anbelangt,  so  bewirkt  dieselbe 
auf  zweierlei  Weise  Lungenblähung.  Einmal  findet  man  bei  Ivinder- 
leichen  in  den  intaeten  Lungenlappeu  mehr  oder  weniger  ausgedehnte, 
meist  randstäudige  compensatorische  Ektasieen,  oder  ist  nicht  selten  im 
Stande ,  eine  derartige  emphysematöse  Auftreibung  sowohl ,  als  auch 
deren  Rückgang  mit  dem  der  Pneumonie  klinisch  festzustellen.  In  an- 
deren Fällen  aber  zeigt  sich,  besonders  wiederum  bei  Sectionen,  dass 
eine  secundäre,  nicht  compensatorische  Alveolar-Ektasie,  gerade  in  dem 
Lungenabschuitte  sich  vorfindet,  in  welchem  die  Pneumonie  zur  Lösung 
gelangt  ist. 

Dass  hier  ein  Nachlass  der  Elasticität  zurückgeblieben  ist,  darf  man 
mit  grösster  Walu'scheinliphkeit  annehmen,  zumal  bisweilen  gerade  die 
Lungenparthien,  welche  Sitz  des  entzündlichen  Infiltrates,  resp.  der  grauen 
Hepatisation  gewesen  waren,  für  die  Folge  eine  Disposition  zur  Ektasie 
behalten. 

Wie  bei  der  Pneumonie,  so  wird  auch  bei  der  durch  andere  Ur- 
sachen erworbenen  Atelektase  ein  zuweilen  recht  bedeutender 
Lungentheil  für  längere  Zeit  ausser  Function  gesetzt. 

Während  bei  der  angelxjrenen  Atelektase  die    schwachen,    geringen 
Atbmungs-Exeur.'-ionen  und  die  Thatsache,    dass   die  Lunge   niemals   zu 
einer  vollen  Entfaltung  gekommen,    der  Körper  nielit  an  ein  bestinmites 
Luftquantum  gewöhnt  war,  iallen  gegenüber  der  acquirirten  stationären 
Lungenverdichtung  oder  partiellem  Lungencollaps  diese  beiden  Umstände 
fort.     Hier  war    der  Organismus    bereits  auf  eine  gewisse  Eespirations- 
Grösse  sozusagen  eingestelli^   und  der  mehr  oder  weniger  plötzliche  Aus- 
fall eines  Theils  dersellien  muss  nothwendig  das  Athemhedürfniss  steio-ern, 
den  Inspirationen  eine  grössere  Intensität   verleihen,    welche   schliesslich 
nur  in  einer  abnormen  Ausdehnung  der  einer  verdichteten  Stelle  anoren- 
zenden  Lungenparthieen  supplementär  zum  Ausdrucke  kommen  kann. 
Zu  den  verhältnissmässig  seltenen  Nebenbefunden  der  L  u  n  g  e  n- 
T über kul ose  kindlicher  Lidividuen  gehört  eine   compensatorische 
Alveolar-Ektasie. 

Sie  wird  zwar,  besonders  betr.  des  oberen  Lappens,  als  anatomischer 
Befund  angegeben,  aber  nur  bei  chronischen  Infiltrationen  und  auso-edehn- 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  527 

teren  Verödvingen.  Als  klinisclier  Befund  tritt  sie,  selbst  wenn  sie  er- 
kannt wird,  so  hinter  dem  ursächlichen  Leiden  zurück,  dass  in  der  Regel 
nur  die  Symptome  des  letzteren  Erwähnung  finden. 

Von  den  Circulations-Störuugen  iiinerliallj  der  Lunge  ver- 
ursachen zunächst  solche  nicht  gar  zu  selten  Alveolar-Ektasie ,  welche 
in  letzter  Instanz  auf  einem  Herzfehler  beruhen. 

Hier  ist  es  jedoch  fast  ausschliesslich  eine  angeborene  Anomalie,  die 
Persistenz  in  der  Communication  beider  Herzhältten,  sei  es  durch  Offen- 
bleiben des  Poramen  ovale  ,  oder  eine  Lücke  im  Sepiuin  ventrikulorum, 
welche  als  Begleiterin  der  emphysematösen  Störungen  der  Lunge  nam- 
haft zu  machen  ist.  Ganz  besonders  ist  es  Gerhardt's  Verdienst,  auf 
den  Zusammenhang  beider  Att'eetionen  hingewiesen ,  zugleich  aber  auch 
dargethan  zu  haben,  dass  das  Emphysem  es  ist ,  welches  in  den  meisten 
derartigen  Fällen  in  primärer  Weise  den  normalen  Verschluss  der  totalen 
Blutbahnen  hindert.  Entsteht  a,us  irgend  einem  Grunde  in  sehr  früher 
Zeit  Emphysem,  so  wird  durch  die  beeinträchtigte  Wegsamkeit  der  Lun- 
gen-Capillaren  die  erhöhte  Spannung  des  Bluts  in  der  Arteria  pulmonalis 
und  die  Steigerung  des  Blutdrucks  im  rechten  Vorhofe  eine  natürliche 
Folge  sein  müssen.  Sobald  aber  noch  eine  offene  Verliinduiig  lieider  Herz- 
hälften ,  zumal  als  ein  noch  nicht  geschlossenes  Foramen  ovale ,  besteht, 
oder  der  Ductus  art.  Botalli  noch  nicht  geschlossen  ist,  wird  ein  Ueber- 
strömen  des  Blutes  aus  dem  Anfangsstücke  der  Lungenarterie  in  die  Aorta, 
oder  aus  dem  rechten  in  den  linken  Vorhof  stattfinden  und  hierdurch 
sowohl  die  Strömung  nai^h  der  Lunge,  als  auch  die  Stauung  in  den  Ge- 
bieten der  Körpervenen  vermindert  werden.  Durch  diese  mechanische 
Correctur  der  Blutvertheilung  wird  nun  zwar  die  Cyanose  hintangehalten, 
allein  weder  das  ursprüngliche  Emphysem ,  noch  das  congenitale  Herz- 
leiden sind  einer  Besserung  fähig,  und  derartige  Kinder  gehen  desshalb, 
sowie  wegen  des  gestörten  Chemismus  der  Blutgase  in  ziemlich  frühen 
Stadien  zu  Grande. 

Von  den  L  u  n  g  e  u  -  H  ä  m  o  r  r  h  a  g  i  e  n ,  die  Steffen  als  ätiologi- 
sches Moment  für  Emphysem  anführt ,  gilt,  sobald  sie  einigermaasseu 
ausgedehnt  sind  (in  welchem  Falle  z.  B.  Rilliet  und  Barth  ez  in 
wenigen  Minuten  acute ,  enorme  Dilatation  entstehen  sahen) ,  dasselbe, 
was  von  pneumon.  Infiltrationen  und  von  anderen  Verdichtungen  grös- 
serer Lungengebiete  bereits  gesagt  wurde ,  während  die  Anämie  der 
Lunge,  welche  H  e  n  n  i  g  und  Z  e  h  e  t  m  a  y  e  r  als  Ursache  mancher  Fälle 
von  Emphj'sem  bezeichnen ,  jedenfalls  nur  in  der  chronischen  mit  Ma- 
rasmus einhergehenden  Form  bei  atrophischen  Kindern  durch  die 
Atrophie  der  Gewebe  einen  derartigen  Effect  übt. 

Nächst  diesen  Störungen  der  Lunge  selbst  sind  noch  die  der  Pleura 
als  gleichzeitige  klinische  und  Sectionsbefunde  bei  Emphysem  zu  nen- 
nen, allein  die  Pleuritis  ist  nicht  in  allen  Fällen  die  Ursache,  sondern 
zuweilen  eine  Complication  des  Emphysems. 

Donders,  Hertz  und  besonders  Biermer  haben  auf  das  Eraphy- 


528  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

sem  nach  Pleuritis  aufmerksam  gemacht  und  besonders  Letzterer  aus- 
geführt, dass  diese  das  primäre  sei.  Ein  pleuritisches  Exsudat,  welches 
die  eine  Lunge  wesentlich  comprimirl,  bewirkt  zunächst  eine  compensa- 
torische  Ektasie,  sowohl  in  den  oberen  freien  Lungenparthieen  der  er- 
krankten, als  in  verschiedenen  Theileu  der  Lunge  auf  der  gesunden  Seite. 
Tritt  nun,  was  ja  bei  Kindern  manchmal  und  zwar  schnell  erfolgen  kann, 
eine  Resorption  des  Exsudats  ein,  so  wird  die  Lunge  zwar  wieder  von 
der  Compression  befreit,  bleibt  aber  noch  längere  Zeit  theils  atelektatisch, 
theils,  wahrscheinlich  in  Folge  einer  Erschlaffung  des  Parenchyms  oder 
in  Folge  von  Verlöthungen ,  zu  Ektasieen  disponirt. 

Schliesslich  ist  noch  als  recht  wichtig  für  die  Pathogenese  des  Em- 
physems die  Thorax- Rhachitis  zu  bezeichnen,  die  durch  mehr 
oder  weniger  hochgradige  Skolio-Kyphose ,  durch  Axendrehungen  der 
Wirbelsäule  und  durch  schräge  Verschiebung  der  Rippen  zu  ein-  oder 
beiderseitigen,  oft  sehr  bedeutenden  Verbildungen  und  Einengungen  der 
Brusthöhle  führt. 

Dass  hier  zunächst  der  Athmungs-Meehanismus  im  Ganzen  irregulär 
und  beeinträchtigt  wird,  ist  ohne  Weiteres  erklärlich.  Das  Bedenkliche 
liegt  aber  ganz  besonders  darin,  dass  derartige  Kinder  auch  zu  partiellen 
Circulationsstörungen  in  der  Lunge,  sowie  zu  chronischen  Katarrhen  sehr 
geneigt  sind  und  dass  diese  beiden  Momente  im  Verein  mit  dem  un- 
gleichen Drucke,  dem  die  verschiedenen  Theile  der  Lunge  ausgesetzt  sind, 
zu  einem  manchmal  recht  hochgradigen  Emphysem  führen  können,  wenn 
solche  Kinder  nicht  an  anderweitigen  Störungen  sterben.  Meist  tritt  das 
Emphysem  hier  als  ein  compensatorisches  auf.  Dass  die  Annahme 
Freund's  von  einer  pjiräären  Ernährungsstörung  der  obersten  ßippen, 
einer  Abnahme  der  Elasticität  und  starren  Dilatation  hier  ganz  ebenso 
wie  bei  dem  senilen  Thorax  als  eine  die  Emphysem-Bildung  beoünsti- 
gende  nutritive  Ursache  nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen  ist,  muss 
hervorgehoben  werden. 

Im  Gegensatze  zu  der  etwas  complicirten  Pathogenese  des  vesicu- 
lären  Emphysems,  resp.  der  Alveolar-Ektasie  ist  die  Entstehungsge- 
schichte des  interlobulären  Emphysems  eine  unoieich  einfa- 
chere. Sehen  wir  von  den  schon  erwähnten  cadaverösen  Luftansamm- 
lungen im  Zellgewebe  ab,  so  ist  der  Ursprung  wohl  immer  in  den  hefti- 
gen Hustenparoxysmen  ,  in  dem  abnorm  stark  und  schnell  gesteio-erteu 
Exspirations-Druck  zu  suchen ,  während  dessen  Lungen-Bläschen  «•e- 
sprengt  werden.  Ist  auch  das  Lungengewebe  des  Kindes  durch  seine 
Elasticität  im  Stande ,  einem  hohen  Drucke  zu  widerstehen  und  ohne 
Continuitätstrennung  wieder,  bei  nachlassendem  Drucke,  sich  zusanmien- 
zuziehen  ,  so  bietet  doch  die  grosse  Zartheit  der  Alveolarwände  beim 
Kinde  Gelegenheit  zu  Rupturen ,  wie  das  schon  erwähnte  interlobuläre 
Emphysem  nach  heftigem  Lufteinblasen  bei  asphyktischen  Neugebo- 
renen oftmals  zeigt.  Die  Genesis  des  E  m  p  h  y  s  e  m  s  i  m  s  u  b  c  u  t  a  n  e  n 
Zellgewebe  ist,  sobald  einmal  Luft  in  das  subpleurale,  peritracheale 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  529 

und  perivasculäre  Zellgewebe  getreten,  die  erste  Ursache  aber  fortdauert, 
ist,  ohne  Weiteres  klar. 

Dass  die  für  das  Emphysem  der  Erwachsenen  aufgestellten  Ent- 
stehungs-Theorien für  das  Emphysem,  bez.  die  Alveolar- 
EktasiederKinder  nur  eine  modificirte  Geltung  besitzen,  liegt  in 
der  Hauptsache  an  der  anatomischen  und  physiologischen  Verschieden- 
heit des  kindlichen  Respirations- Apparates  von  dem  Erwachsener.  Die 
wichtigsten  Unterschiede:  1)  die  oberflächlichere  Respiration ,  beson- 
ders die  seichtere  Inspiration  ,  2)  die  grössere  Engigkeit  der  zuführen- 
den Luftwege,  welche  Obturationen  begünstigt,  3)  die  grössere Elasti- 
cität  des  Lungengewebes ,  welche  bei  nicht  zu  heftiger  und  langdauern- 
der Ektasie  eine  Restitutio  in  integrum  gestattet,  4)  die  zartere  Structur 
der  Alveolen  und  deren  leichte  Sprengung  bei  Ueberausdehnung,  5)  die 
elastischere,  nachgiebigere  Beschaffenheit  des  Thorax,  6)  die  Seltenheit 
primärer  Nutritionsstörungen  des  Lungengewebes  machen  es  begreiflich, 
dass  sowohl  die  mechanische  als  die  nutritive  Theorie  beim  Kinder-Em- 
physem nur  mutatis  mutandis  anwendbar  ist. 

Die  nutritive  Theorie  hat  in  gewisser  Einschränkung  auch 
für  das  Kind  Gültigkeit. 

Eine  seniler  Atrophie  ähnliehe  ßarefication,  wie  man  sie  beim  Alters- 
Bmphysem  findet,  sucht  man  zwar  vergebens;  sie  tritt  gewiss  nur  in 
den  höchsten  Graden  chronischer  Atrophie  der  Kinder  zu  andern  chroni- 
schen Lungenaifectionen  etc.  hinzu.  Allein  neben  dieser  Form  bestehen 
noch  andere,  Anfangs  vorübeigehende  Störungen  in  der  Ernährung,  wie 
abnorme  Dilatation  der  Alveolarwand  bei  heftigem,  pressendem  Esspira- 
tionsdriick ,  Schleimhauthyperämie  der  feineren  Bronchien  mit  consecn- 
tiver  Reizung  und  Erschlaffung  des  Lungen- Parenchyms ,  Compression 
einzelner  Bezirke  des  Capillar-Kreislaufs  besonders  während  forcirter  Ex- 
spii'ationen ,  Erschlaffung  nach  Lösung  von  Pneumonien ,  interstitielle 
Entzündungen  und  Neubildungen  —  kurz ,  es  fehlt  an  Gelegenheitsur- 
sachen für  primäre  Ernährungs-Störungen  bei  der  Kindeslunge  durchaus 
nicht,  so  sehr  auch  deren  Frequenz  der  in  höheren  Lebensaltern  nach- 
steht. Hierbei  wird  sich,  besonders  wenn  die  Alveolar-Ektasie  erst  post 
mortem  gefunden  wird,  nicht  immer  leicht  entscheiden  lassen,  ob  die  ab- 
norme Ausdehnung  der  Alvenlenwände ,  die  Obliteratiou  der  Capillaren, 
die  Verdünnung  des  interstitiellen  Gewebes,  die  katarrhalische  Affection 
der  Schleimhäute  das  Primäre  waren  ,  da  die  genannten  Veränderungen 
ebenso  gut  durch  das  Emphysem ,  oder  gleichzeitig  mit  demselben  ent- 
stehen können.  Im  Ganzen  und  Grossen  darf  man  behaupten,  dass  eine 
bleibende  Alveolar-Ektasie  beim  Kinde  nur  ausnahmsweise  ohne  nutri- 
tive Störungen  des  Lungengewebes  auftritt  und  dass  in  diesen  jedenfalls  eine 
primäre  Anlage,  eine  Prädisposition  gegeben  sein  muss,  welche  zu  den  me- 
chanischen Gelegenheitsursachen  hinzutritt.  Andernfalls  wenigstens  könnte 
man  es  sich  kaum  erklären,  warum  zuweilen  trotz  heftiger  in-  oder  ex- 

Handb.  d.  Khnlerkrankheiten.    III.  2.  ^"l 


530  Erankbeitcii  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

sijiratorisclier  Drucksteigerungen  eine  stationäre  Lnngeubliihung  vernusst 
wird. 

Von  wesentlich  höherer  Bedeutung  ist  jedoch  beim  Emphysem  der 
Kinder  die  m  e  c  h  a  n  i  s  c  h  e  T  h  e  o  r  i  e  ;  denn  sie  macht  uns  das  Ent- 
stehen einer  solchen  Dilatation  klinisch  begreiflich,  selbst  wenn  ims  die 
pathologische  Histologie  im  Stiche  lässt.  Der  zuerst  von  Lännec  auf- 
getührte  n  e  g  a  t  i  v  e  I  n  s  p  i  r  a  t  i  o  n  s  -  D  r  u  c  k ,  oder  der  abnorme  In- 
spirations  -Zug,  wie  ihn  Rindfleisch  treffend  bezeichnet ,  hat  beim 
Kinde  wegen  dessen  seichter  Respiration  überhaupt  nicht  die  hohe  Be- 
deutung, wie  beim  Erwachseneu. 

Es  ist  nicht  zu  liiugneu,  dass  man  ab  und  zu  die  Alveolar-Ektasie 
in  den  erkrankten  Lungen-  und  Bronehialgebieten  selbst   findet,   ein 
Befund,  der  sich  am  ungezwungensten  mit  der  alten  Laennec'sciien  An- 
nahme einer  Asidration  von  Luft    trotz  eines  Hindernisses  in  den  Bron- 
chien, einer  Schwierigkeit  der  exspiratorischen  Ueberwindung  dieses  Hin- 
dernisses ,    einer  immer  neuen  inspiratorischen  Aufblähung  der  Alveolen 
mit  ungewöhnlich  gesteigerter  Spannung  der  in  denselben  sich  stauenden 
Kesidualluft    vereinigen   lässt.     In    solchen  Fällen   besteht   in  den  feinen 
Verzweigungen  hinter  der  kranken  Stelle,    aus   denen   die   geschwächte, 
unvollkommene  Exspiration    die   sich  ansammelnde  Luft    nicht  genügend 
austi'eibt,  die  von  Niemeyer  so  genannte  permanent  inspiratorische  Ex- 
pansion.    Häufiger  als  auf  diese  Weise  kommt  aber  der  negative  luspi- 
rations- Druck  auf  freien  oder  auf  freigewordenen  Lungenparthieen 
zur  Wirkung,   also    entweder    an  ganz  gesunden,    oder  reconvalescenten 
Alveolar-Gebieten,  bei  denen,  vielleicht  unter  Concurrenz  von  Nutritions- 
störungen,    die  Widerstandsfähigkeit  unter   der  Norm  ist.     Hier  kommt 
es,  wie  Williams.  Andral  und  Gairdner  gezeigt  haben,  neben  an- 
derweitigen  Krankheitsprocesseu    in   der  Lunge   zu   einer   compensatori- 
schen  Dilatation,  besonders  dann,  wenn  unter  pathologischer  Ausschaltung 
eines  Theils  der  Inspirations-Fläfhe  und  gleicher  oder  gesteigerter  Inspi- 
ration Ijei  unveränderter  Thoraxcapacilät    nur   zwei  Wege   oü'en   stehen, 
entweder  Ektasie    freier  Lungenparthieen    durch   inspiratorischo    Druck- 
steigerung,   oder,    was   allerdings   auch  beobachtet  wird,    Emsinken  des 
betr.  Lungen- Abschnittes. 

In  den  meisten  Fällen  handelt  es  sich  aber  unstreitig  um  einen  ab- 
norm gesteigerten  p  o  s  i  t  i  v  e  n  E  x  s  p  i  r  a  t  i  o  n  s  -  D  r  u  c  k,  wie  dies  nach 
den  Annahmen  von  Fuchs  und  Mendelssohn  auch  klinisch  durch 
Jenner,  Graily  Hewitt,  v.  Ziemssen,  Pauvel  u.  A.  sichero-e- 
stellt  worden  ist.  ° 

Alle  Krankheften ,  welche  beim  Kinde  mit  forcirten  Exspirationen 
oder  mit  Husten-Paroxysraen  verlaufen  ,  bringen  es  mit  sich  dass  an 
den  Stellen,  wo  diu  Lunge  bei  der  höchsten  Ausdehnung  den  äerin<.sten 
Widerstand  findet,  eine  Ektasie  erfolgt,  da  in  Folgendes  Gfotth: Ver- 
schlusses oder  der  Bronchial-Stenose  die  Luft  auf  exspiratorischem  Wecre 
nicht  genügend  ausweichen  kann.  Wie  überhaupt  der  kindliche  Thorax 
bei  Lungenblähung  leicht  und  nachgiebig  der  Ektasie  folgt,    so    thut 


er 


Fürst,  Emphj'sem  im  Kindesalter.  531 

es  um  so  mehr  an  den  Stellen,  an  welchen  sowohl  der  Brustkorb  selbst 
als  die  ßespirationsniuskeln  der  sich  ausdehnenden  Lunge  den  geringsten 
Widerstand  und  Gegendruck  finden  können.  Es  sind  diese  Stellen  der 
geringsten  Thorax-Compression  (falls  der  Thorax  nicht  in  Folge  von  ra- 
chitischer Deformität  abnorme  Spannungs-Verhältnisse  besitzt)  vorwie- 
gend die  Lungenspitzen.  Und  in  der  That  kann  man  nicht  nur  daselbst 
l)ei  starken  Hustenanfälleu  jene  supraclaviculäre  Blähung  sehen  und 
fühlen,  sondern  man  findet  auch  hier  am  häufigsten  den  Sitz  derAlveo- 
lar-Ektasie.  Bei  längerem  Bestehen  des  Leidens  kann  man  auch  bei  Kin- 
dern deutlich  wahrnelnnen,  dass  die  Respirationsmuskeln,  welche  für  ge- 
wöhnlich l.iei  der  Entleerung  der  Alveolen  nicht  in  Activität  treten ,  zur 
Ueberwinduug  des  intraalveolären  Druckes  mitwirken. 

Gewiditige  Forscher  (besonders  Barthez  und  Rilliet,  Nie- 
meyer, Gerhardt,  Her  vi  eux,  Roger  und  Steffen)  sind  übrigens 
der  Ansicht,  dass  nicht  eine  der  vorgenannten  Tlieorien  ausreicht,  um 
jeden  Fall  von  Emphysem  zu  erkläi-en.  Man  kann  dieser  Meinung  inso- 
fern auch  bezüglich  des  Kindes  beipflichten  ,  dass ,  wenn  auch  entspre- 
chend dem  Krankheitscharacter  der  Respirations-Organe  im  Kindesalter 
die  exspiratorische  Drucksteigerung  den  Ausgangspunct  für  Alveolar- 
Ektasie  bildet,  doch  in  vielen  Fällen  gleichzeitig  eine  inspiratorische 
Lungenblähung  und  ein  in  Ernährungsstörungen  der  Alveolarwände 
beruhendes  prädisponirendes  Moment  anzunehmen  ist. 

Pathologische  Anatomie. 

Wenn  man  den  Thorax  eines  Kindes  öffnet ,  das  an  einer  Krank- 
heit der  Respirationsorgane  gestorben  ist ,  so  findet  man  meistens  die 
Lungen  vorgelagert  und  in  einem  Zustande,  der  auf  den  ersten  Blick 
ein  Emphysem  vermuthen  lässt.  Abgesehen  davon,  dass  ein  Theil  dieser 
Erscheinung  auf  die  durch  die  Dyspnoe  während  der  Agone  entstan- 
dene Lungenblähung  zu  beziehen  ist,  befindet  .sich  allerdings  die  Lunge 
in  einer  partiellen  Ektasie ,  welche  makroskopisch  den  Eindruck  echten 
Emphysems  macht.  Es  liegt  dies  ohne  Zweifel  daran ,  dass  eine  bedeu- 
tendere Alveolarektasie  in  ihrer  äusseren  Erscheinung  mit  dem  wahi-en 
Emphysem  übereinstimmt  und  dass  demnach  in  vielen  Krankenge- 
schichten, wenn  es  sich  um  »Emph3'sem«  im  Sectionsbericht  handelt, 
mehr  der  erste  Eindruck  bei  der  Section,  als  die  histologische  Unter- 
suchung massgebend  gewesen  ist.  Diese  Annahme  hat  gegenüber  der 
Häufigkeit,  mit  der  eine  Kinderlunge  »emphysematös«  befunden  wird 
und  gegenüber  der  Seltenheit,  mit  der  das  »Emphysem«  später  als  mi- 
kroskopisches Präparat  ad  oculos  demonstrirbar  ist,  gewiss  eine  Berech- 
tigung. Die  meisten  derartigen  Lungen,  die  bei  der  Section  ein  »deut- 
liches Emphysem«  zeigen,  verlieren,  selbst  wenn  man  die  prägnantesten 
Stücke  zum  Härten  einlegt,  indem  sie  coUabireu,  rasch  ihren  ektatischen 

34* 


532  Krankheiten  der  Athniungsorgane.     Lunge. 

Bau,  die  Luft  verschwindet  und  der  Schnitt  durch  die  Parthieen,  welche 
mau  bei  der  Section  als  »emphysematös«  beschrieben  hat,  zeigt  durch- 
aus nicht  jenen  ausgeprägten  Schwund,  jene  Atrophie  und  Rarefication 
des  Gewebes ,  ohne  die  wir  uns  das  wahre  Emphysem  der  Erwachsenen 
garnicht  vorzustellen  gewohnt  sind,  keine  scharfkantigen,  leistenar- 
tigen Vorsprünge,  keine  Verdüunmigen  und  Perforationen  der  Scheide- 
wände ,  höchstens  eine  geringe  Atrophie  derselben  und  eine  partielle 
Obliteration  der  Capillaren.  Die  Lunge  giebt  unter  stärkerer  Vergrös- 
serung  nur  das  Bild  einer  etwas  unregelmässigen  x^lveolar-Ektasie ,  ge- 
wissermaassen  nur  das  des  ersten  Grades  eines  Emphysems,  wie  ihn 
Rindfleisch  schildert. 

Einzelne  entgegenstehende  Beobachtungen,  in  denen  sich  bei  Kin- 
dern ein  ausgeprägtes,  achtes  Emphysem  findet,  welches  dem  der  Er- 
wachsenen genau  entspricht  —  ich  erinnere  an  den  von  Rokitansky 
mitgetheilten  Fall,  wo  bei  einem  SjLihrigen  Knaben  am  untern  Rande 
des  linken  obern  Lungenlappens  hochgradiges  Emphysem  sich  vorfand  — 
sind  nicht  ausschlaggebend. 

Man  wird  deshalb  das  Lungen-Emphysem  der  Kinder  als  patholo- 
gisch-anatomischen Begriff  in  der  Regel  nur  im  makroskopische)!  Sinne 
gelten  lassen  können. 

Die  Lungen  erscheinen  aufgeblüht,  oft  stark  vergrössert,  besonders 
an  den  vorderen  Rändern,  wo  sie  den  Herzbeutel  z.  Th.  überragen.  Sie 
fallen  nicht  zusammen.  Entsprechend  den  Rippen  zeigen  sie  nicht  selten, 
zumal  an  verdichteten  Stelleu  der  Lunge,  Eindrücke,  von  gelblich-grauer 
Färbung,  während  sich  besonders  an  den  3  bis  4  oberen  Rippen  die  In- 
tercostalräume  blau-roth  und  erhaben  an  der  Lunge  manifestiren.  Es 
ist  dies  eine  Erscheinung,  auf  die  Steffen  aufmerksam  gemacht  hat 
und  die  einen  Beweis  mehr  dafür  giebt ,  dass  die  obersten  Lungenpar- 
thien  der  intensivsten  alveolären  Spannung  ausgesetzt  sind.  Die  Ränder 
der  Lunge  sind  verdickt,  abgerundet  oder  allgestumpft.  Die  Lunge  hat 
an  den  emphysematüsen  Stellen  ein  blasseres,  weiss-gelbliches,  zuweilen 
marmorirtes  Aussehen,  wobei  die  einzelnen  Grenzen  der  Lobuli,  je  älter 
und  pigmentreieher  die  Lunge  ist,  desto  mehr,  sich  scharf  markiren. 
Einzehie  Stellen  sind  zuweilen  blasig  vorgeljuchtet ;  es  sind  dies  solche, 
bei  denen  mehrere  ausgedehnte  Alveolarräume  confluirt  sind  oder  bei 
denen  unter  HustenanfuUen  eine  Ruptur  der  Alveolen  in  das  subpleu- 
rale Zellgewebe  erfjlgt  war.  Die  Palpation  ergiebt  ein  elastisches,  wei- 
ches Gefühl,  das  „an  ein  mit  Luft  gefülltes,  flaumiges  Kissen  erinnert". 
Eindrticke  gleichen  sich  schwer  aus.  Beim  Einschneiden  entweicht  die 
Luft  „mit  einem  zischenden  oder  knisternden"  schwachen  Geräusch  und 
die  betr.  Stelle  sinkt  nur  langsam  zusammen. 

Gewöhnlich  sind  es  nm-  bestimmte  Regionen  der  Lunge,  welche  diese 
Eigenschaften  darbieten.  Die  Lungenspitzen,  die  vorderen  Lungenränder, 
ülserhaupt  die  obei-flächlichen  Parthien  sind  der  Lielilingssitz;  doch  fin- 
det man  gerade  beim  vicariirenden  Emphysem  zuweilen  unregelmässig 
um  die  erkrankten  Regionen  vertheilte  hanfkorn-  bis  crbsengrosse  Heerde. 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  533 

Zuweilen  ist  nur  ein  Lobulus  betroffen ,  zuweilen  finden  sich  mehrere 
Lobuli,  unter  scharfer  Abhebung  von  der  Umgebung,  ausgedehnt;  die 
benachbarten  Gebiete  ers(;heinen  dann  bläulich-roth,  vertieft,  die  emphy- 
sematösen  blassroth,  erhaben.  Selten  ist  ein  ganzer  Luugenlappen,  noch 
seltener  (bei  Obturation  eines  Hauptbronchus)  eine  ganze  Lunge  befallen. 
Ein  über  die  ganze  Lunge  verbreitetes  Emphysem  ist  nur  bei  acuter 
hochgradiger  Tracheal-Stenose  zu  finden. 

Dem  makroskopischen  Befunde  steht  der  mikroskopische  wesent- 
lich nach. 

Ich  habe  an  verschiedenen  Kinderlungen ,  die  aus  Sectionen  nach 
Atelektasis  pulmonum  congenita  und  acquisita,  Keuchhusten,  chronischer 
katarrhalischer  Pneumonie,  Broncbiektasie  und  käsiger  Tuberkulose  her- 
rührten und  un  frischen  Zustande  deutliche  emphysematöse  Parthieen 
annehmen  Hessen,  gerade  an  diesen  Stellen  ,  nach  dem  Härten  und  zwar 
an  soi'gsam  ausgeführten  Schnitten,  bei  denen  das  Auspressen  von  Luft 
thunlichst  vermieden  wurde  ,  ein  ausgeliildetes  Emphysem  nicht  finden 
können.  Was  ich  sah,  waren  mehr  oder  weniger  ausgedehnte,  aber  nicht 
eimnal  hochgradig  ektatische  Alveolen ,  die  eher ,  nach  dem  Entweichen 
der  Residualluft  coUabirt  waren  und  nur  hier  und  da  eine  Verdünnung 
der  Wand  und  eine  unbedeutende  Ausgleichung  der  vorspringenden  Septa 
zeigten.  Von  einer  beträchtlichen  Erweiterung  der  Alveolen,  von  Atrophie 
und  Schwund  der  Septa,  von  einer  ausgedehnteren  Confluenz  derselben 
habe  ich  mich  an  dem  mir  zur  Verfügung  stehenden  Material  von  Kin- 
dersectionen  nicht  überzeugen  können.  Ich  kann  danach  nur  Vogel, 
Steiner  und  Anderen  beistimmen ,  dass  das  ächte  Emphysem  Ijei  Kin- 
dern nicht  oder  nur  ganz  selten  anzutreffen  ist.  Was  man  findet,  ist 
eine  mehr  oder  weniger  anhaltende ,  sich  leicht  ausgleichende  Lungen- 
blähung, die  nur  vorübergehend  zu  einem  Verluste  der  Elasticität  und 
Contractilität  führt,  aber  nicht  eine  bedeutendere  Rarificirung  des  Gewe- 
bes veranlasst.  Ich  verweise  zur  Erläuterung  des  Gesagten  auf  die  Ab- 
bildung, welche  Thierfelder  in  seinem  Atlas  der  Pathol.  Histologie 
1.  Lief.,  Taf.  6.  Fig.  4  giebt.  Es  handelt  sich  daselbst  um  Atelektase 
mit  Emphysem  bei  einem  zwölf  wöchentlichen  Kuide.  Zwischen  die  atel- 
ektatischen  Stellen  sind  emphysematöse  eingesprengt,  allein  diese  Alveolen 
sind  nur  partiell  erweitert,  nahezu  rund;  etwas  scharflinige  Septa  und 
verdünnte  Ränder  sind  alles,  was  analog  dem  Altersemphysem  erscheint. 
Man  hat  es  also  jedenfalls  nur  mit  einem  Anfangsstadiura  des  Emphy- 
sem, mit  einem  Vieginnenden  Vereinfachungs-Process  der  Lungenstructur 
(Rindfleisch),  der  beim  Kinde  nicht  bis  zur  Perforation  und  Schwund 
der  Septa  führt ,  zu  thun.  Hierzu  gesellt  sich  eine  Undurchgängigkeit, 
Atrophie  und  Obliteration  der  in  den  Bezirk  der  Ektasie  fallenden  H  a  a  r- 
gefässe,  bei  längerer  Dauer  vielleicht  noch  ein  Fortschreiten  der  Ver- 
ödung auf  Arterien  und  Venen,  mit  Anastomosenbildung.  (Eine  Capil- 
lar-Erweiterung,  wie  sie  Oertel  angiebt,  habe  ich  nicht  gesehen.)  Fer- 
ner kommt  es,  besonders  dann,  wenn  mit  chronischen  Circulations-  und 
Ernährungsstörungen  fortgesetzte  Husten-Paroxysmen  verbunden  waren, 
zu  sackigen  Bronchiektasien,  welche  unmittelbar  an  die  durch  Ver- 
streichen   mehrerer  Alveolensepta    entstandenen    sackig-buchtigen   Hohl- 


534  Krankheiten  der  Athmungsorgaue.     Lunge. 


räume  sich  schliessen  können.  Mit  zunehmenden  Circulation.sstockungen 
wird  natürlich  auch  eine  grössere  Raretieation  der  Alveolar- Wände  zu  be- 
obachten sein.  Das  sind  aber,  die  Kupturen  aligerechnet,  die  ausgepräg- 
testen Bilder  der  Alveolar-Ektasie  bei  Kindern. 

Als  c  0  n  s  e  c  u  t  i  V  e  Zustände,  hervorgerufen  durch  die  Verrin- 
gerung der  Cajjillarbahnen  im  Bereich  der  Art.  pulmonalis  findet  man 
übrigens  Stauungen  in  diesem  und  im  rechten  Ventrikel ,  selten   hei 
Kindern  Herzdilatation,  aber  häufig  wiederum  venöse  Stauungen   und 
Cyanose.    Ob  Entzündungen   der   Bronchien  und  des  Parenchyms  das 
secimdäre  sind,  oder  ob  sie,  ebenso  wie  die  Bronchialkatarrhe  und  capil- 
läi-en  Bronchitiden ,  die  man  gleichfalls  neben  der  Alveolarblähung  bei 
Sectionen  öfters  findet,  die  Ursache  dieser  Letzteren  sind,  muss  meistens 
dahingestellt  bleiben.  Ein  entschiedener  Folgezustand  des  asthmatischen 
Athmens  ist  die  Hypertrophie  der  Respirations-Muskeln;  auch  die  Vor- 
treibung der  oberen  Thoraxparthieen,  die  peripneumonische  Furche  ent- 
sprechend der  Zwerchfell-Insertiou ,   sowie  compensirende  Deviationen 
der  Wirbelsäule  findet  man  nach  schwereren  Graden   chronischer  Al- 
veolar-Ektasie.     Ein  fassförmiger  Thorax  wird  höchstens  bei  älteren 
Kindern  zuweilen  beobachtet. 

Das  1  n  t  e  r  s  t  i  t  i  e  1 1 8  E  ni  p  h  y  s  e  m ,  unter  welcher  Bezeichnung 
man  die  Formen  des  interlobuläreu  subpleuralen,  mediastinalen  etc. 
Emphysems  am  Leichtesten  zusammenfassen  kann ,  zeigt  sich  ungemein 
variabel. 

In  den  geringsten  Graden,  bei  denen  aber  auch  nichts  als  eine 
durch  abnormen  Exspirationsdruek  erfolgte  Ruptur  von  Alveolen  statt- 
gefunden hat,  zeigen  sich,  entsprechend  den  Grenzen  der  Lobuli,  dicht 
unter  der  Lungen-Oberüäche  verschiedene  grosse  Luftbläschen.  Sie  sind 
nieist  reihenweise  angeordnet,  längs  der  Interstitien  verschiebbar,  und  er- 
strecken sich  hier  und  da  auch,  im  Verlaufe  der  interalveolären  Zelhre- 
websräume  etwas  in  die  Tiefe  der  Lunge.  Meist  ist  es  der  vordere  Rand 
des  oberen  Lappens,  wo  derartige  Luftblasen  sich  finden.  Beim  Anstechen 
der  durch  die  Pleura  schimmernden  Bläschen  collabireu  dieselben  in  ei- 
nigem Umfange  em  Beweis  ihres  Zusammenhangs.  Es  sind  dies  also 
nur  sackige,  perlschnurartige  Ausbuchtungen,  die  in  Form  und  Ausdeh- 
nung ganz  von  den  Zellgewebslücken  abhängen.  In  höheren  Graden 
entstehen  dur.h  Conflnenz  grössere  Blasen  unter  der  Pleura  ein  sub- 
pleurales Eniphysem,  welches  nicht  mit  dem  cadaverösen  zu  vm-wechseln 
ist^  Auch  fiese  grosseren  Blasen,  welche  die  Pleura  in  grösserer  Aus- 
dehnung abheben  können,  sind  verschiebbar.    Dass  sie  die  Pleura  sCn- 

ätervoi  "  CT        ''r  ^"■^^^^^"f^'l  Pneumothorax  bewirken,  k  mnt 
selten  voi.     Ihi  Anwachsen  Ins  zu  grossen,  das  Lungengewebe  verdrän 
genden     gefässführenden  Blasen  soll,   nach  RiUiet   und   Ba    thez 
möglich  sein.  jj  *  i  i  n  e  z  , 

Schwerere  Fälle  von  interstitiellem  Emphysem    wie  m=,„     ■ 
weilen  bei  Keuchhusten  antrifft,  sind  die,  wo,  LcSptr vrid:; 


F  ü  1-  s  t,  Emphysem  im  Kindesalter.  535 

besonder«  von  der  Lungenwur/el  aus,  Luft  in  das  Zellgewelie  des  Me- 
diastinums tritt.  Tlicils  der  Uebergang  in's  Pericardium,  tlieils  das  Fort- 
schreiten in  den  Zellgewebsräumen  längs  der  Bronchien,  aufwärts  nelien 
der  Trachea  und  dem  Oes>ophagus  bis  in  das  subcutane  Zellgewebe  des 
Halses  macht  diese  Ausdehnung  des  Emphysems  zu  einer  bedeutenden 
Complication ,  welche  man  bei  dem  gedunsenen  Aussehen  der  Kindes- 
leiolie  kaum  ülwrsehen  kann. 

)Schritt  das  E  m  p  h  y  s  e  m  d  e  s  U  n  t  e  r  h  a  u  t  z  e  1 1  g  e  w  e  b  e  s  durch 
stetige  Erneuerung  von  Hustenpai'oxysmen  und  Lungenrupturen  noch 
weiter  fort,  so  findet  man  ein  subcutanes  E  m  p  h  y  s  e  m  am  Gesicht, 
am  behaarten  Theil  des  Kopfes,  am  Rumpfe. 

Dies  „allgemeine  Emphysem",  auf  das  Hervieux  und  Roger 
ganz  besonders  eingehende  Bescln-eibung  verwandt  haben ,  ist  nach  An- 
gabe des  Letzteren  zuweilen  die  Folge  eines  einzigen  Hustenstosses.  Sein 
Ausgangspunkt  ist  am  häufigsten  die  Stelle  der  Pleura,  wo  sich  deren 
Visceralljlatt  in  das  Costalblatt  umwandelt ,  oder  die  Umgebung  der 
Trachea. 

Symptome  und  Diagnose. 

Die  schart  ausgesprochenen  Krankheitszeichen,  wie  sie  dem  echten 
substantiellen  Emphysem  .der  Erwachsenen  eigen  sind ,  erwartet  mau 
l:)ei  dem  der  Kinder,  beziehentlich  bei  der  hochgradigen  Alveolar-Ek- 
tasie  derselben,  vergeblich,  während  die  geringeren  Grade  einer  solchen 
Ektasie  im  Leben  geradezu  symptomlos,  überhaupt  nur  bei  der  Section 
zu  diagnosticiren  sind.  Ja  in  manchen  Fällen  kann  sogar  ein  genuines 
Emphysem  von  grosser  Ausdehnung ,  wie  St effen  durch  Sectionsbe- 
funde  nachgewiesen  hat,  ohne  functionelle  Symptome  verlaufen ,  wenn 
es  nach  nur  wenigtägiger  Krankheit  oder  in  der  Agone  entstanden  war. 
Ist  die  Alveolar-Ektasie,  besonders  bei  grösseren  Kindern,  stationär  und 
chronisch  geworden ,  sind  die  befallenen  Lungengebiete  nicht  zu  klein, 
so  ist  eine  Diagnose  eher  möglich,  vorausgesetzt,  dass  die  Symptome  der 
primären  Krankheit  die  des  Emphysems  nicht  verdecken  oder  beein- 
flussen. Letzteres  aber  ist  (je  jünger  das  Kind,  desto  mehr)  der  Fall, 
so  dass ,  da  ohnehin  bei  der  Kleinheit  des  kindlichen  Thorax  und  der 
Spärlichkeit  pathognomonischer  Zeichen  die  klinische  Feststellung  nicht 
leicht  fällt ,  eine  sichere  Diagnose  des  Emphysems  hier  recht  bedeuten- 
den Schwierigkeiten  begegnet.  Li  manchen  Fällen  ist  es  geradezu  un- 
möglich, bei  der  mannigfachen  Complication  mit  anderweitiger  Lungeu- 
und  Bronchial-Erkraukung  die  Ektasie  rein  zu  demonstriren ,  so  dass 
manche  Pädiatriker,  wie  Vogel  uudBouchut,  die  Diagnose  üljer- 
haupt,  andere  aber,  wie  Gerhardt  und  Steffen,  wenigstens  eine  Er- 
kennung im  Säuglingsalter  negiren.  Fasst  man  die  Lungenblähung  und 
das  Lungenomphysem  hinsichtlich  des  durch  beide  Aft'ectionen  gemein- 


536  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

sam  venirsacliten  Symptomen  -  Complexes  zusammen ,  so  ergeben  sich 
etwa  folgende  Anhaltepuucte  für  die  Diagnose: 

Der  Thorax    zeigt  bei  jüngeren  Kindern  niemals,  bei  älteren  nur 
ausnahmsweise  die  Fassform,  die  man  bei  erwachsenen  Emphysemalikern 
autritft.  Eine  ausgesprochene  Form-Anomalie  des  Thorax  tritt  überhaupt 
nur   nach    liingerer  Dauer   des  Pi'ocesses    auf,  und  ist  ,    da   dieser  beim 
Kinde  eben  acuter  und  rascher  zu  verlaufen  pflegt,   nicht  immer  zu  er- 
warten.    Nur   bei  gleichzeitiger  Deformität   durch  Rachitis   und  abnorm 
trüher    Ossificirung    kommt    eine    Thoraxform    nicht    selten    zu    Stande, 
welche  an  die  „Fassform''  erinnert  und  zugleich  der  Lehre  von  der  star- 
ren Dilatation  eine  .Stütze  bietet.     Hingegen   ist   ein  ziemlich  constanter 
Befund,  auf  den  bereits  Gerhardt  aufmerksam  gemacht  hat,  die  weite 
Form  des  Brustkastens,  zmual  die  Dilatation  im  Sterno-Vertebiral-Dureh- 
messer.     Absolute  Maasse   lassen   sich   bei   der  Variabilität  des  noch  im 
Wachsthum   begriffenen  Skeletts   in    dieser  Beziehung   nicht   gut   geben, 
zumal    es    bei    einer    solchen  Formveranderung    mehr    auf  die   relativen 
Verhältnisse  der  Durchmesser  ankommt.    Die  Erweiterung  des  Brustkor- 
bes betritrt  besonders  die  oberen  Parthien  ,  wo  nicht  blos  der  sternover- 
tebrale,  sondern  auch  die  schrägen  Durchmesser  vergrössert  sind.    Manch- 
mal smd  die  Supraclavicular-Gegenden  permanent   vorgetrieben.     Unter- 
halb   der   4.  Rippe    kann    der  Brustraum    kleiner    als    normal   gefunden 
werden  (Steffen).    Entsprechend  der  Zwerchfell-lnsertion  fällt,  beson- 
ders wenn   eine    chronische  Alveolar-Ektasie   mit    Dyspnoe   das  Kind   in 
den  ersten  Leben.sjahrcn  betrotfen  hatte,    wo  die  noch  dünnen,  nachgie- 
bigen Rippen  dem  Zuge  des  herabsteigenden  Zwerchfells  dauernd  folgen, 
die   als  „peripneumonische  Furche"    bekannte    inspiratorische  Einziehung 
auf,  unterhalb  welcher  sich  alsdann  die  unteren  Thorax-Parthieen  wint 
hch   und    schaufeiförmig   nach    aussen   gerichtet   zu   präsentiren  pfleo-en 
und  zwar  mit  um  so  kleinerem  Winkel,  je  schärfer  die  Einziehung  war 
Der  Thorax  zeigt  fast  nirgends  eine  Immobilität,  wie  .sie  beim  Emphysem 
Erwachsener  angetroffen  wird,  da  nur  das  Athmen  des  gesunden  Kindes 
cm   vorwiegend   diaphragmatisches,    das   des   emphysemkösen   mehr   ein 
Rippenathmen  ist.     Die  Intercostalräume  sind  weiter,  flacher,  aber  nicht 
vorgetrieben,    da   sie   der  Ausdehnung    in  Folge   kräftigerer  Contraction 
der  [ntercostal-Muskeln  Widerstand  leisten.     Bei  der  Inspiration  wölben 
sich  aber  die  Zwischenrippenräume  unter  Umständen  vor,  indem  sich  zu- 
gleich die  oberen  Parthien  des  Thorax  stärker   ausdehnen  •    bei    der  Ex- 
spii-ation  hingegen  sinken  die  ui,eren  Parthien  ein,  während  die  unteren 
vortreten  (b    efteii).  Ich  habe  im  Gegensatze  hierzu  eine  exspiratorische 
Aufblähung  besonders    der    obersten  Lungenparthien   in   dem   Acromial- 
fheile  der  Supraclavicular-Gegend  so  oft  bei  heftigen  Hastenparoxysmen 
beobachtet     dass  ich ,    wenig.stens   für  dieses  Symptom,    die  Eigenschaft 
emes  cha^-akterrstischen  Zeichens    der  stärkeren  Lungenkähun  >bei  Kh > 
dem  m  Anspruch  nehmen  möchte.    Bei  längerer  Dauer  behält  der  Tho 
rax  permanent  eme  Inspirations-Stellung,  der  Hals  verktir7t  ^irh  ,r.iA 
Respirations-Hülfsmu,skeln  (Stemocleid.miastoidei ,  Scaleni  u    s      T 
den  zufolge  vermehrter  Action  gespannt ,  hypertrophisch      '  "  ^-'  ^'^'' 

Was  den  Typus  der  Respiration   anbetrifft     s'n    «p«,i,-  i ,    t 
Athmung  auffallend  angestrengt,  dyspnoisch,  in  liaL'aSmtkch 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  537 

bisweilen  sogar  von  suffocatorischen  Erscheinungen  Ijegleitet.  Selbst  in 
Asthma-freien  Augenblicken  dauert  dif  Erschwerung  des  Athmens  fort. 
Die  DyspnoS  wird  durch  Complication  mit  Pneumonie  und  capillärer 
Bronchitis  gesteigert;  sie  ist,  besonders  in  höheren  Graden  des  Emphy- 
sems, exspiratoriscU.  Aber  auch  wenn  die  Dyspnoe  noch  fehlt,  ist,  wie 
Waidenburg  gezeigt  hat,  die  Exspiration  schon  insuffieient ,  während 
die  Inspiration  noch  normal ,  oder  selbst  übemormal ,  erst  später  secun- 
där  verringert  ist.  Auf  diesem  Missverhältniss  zwischen  In-  und  Exspi- 
ration beruht  gerade  die  frühzeitige  Erkennung  lieginnenden  Lungen- 
emphysems dirrch  das  Pneumatometer,  die  wir,  methodisch  ausgeführt, 
Wal  den  bürg  verdanken.  Während  dies  von  ihm  angegebene  Mano- 
meter bei  gesunder  Lunge  einen  nonnalerweise  grösseren  Druck  bei  der 
Exspiration  zeigt,  als  bei  der  Inspiration,  sinkt,  je  mehr  die  Lungen- 
Elasticität  durch  permanente  Alveolar-Ektasie  nachlässt,  der  Exspirations- 
druck  gegenüber  dem  Inspirationsdruck ,  eine  Umkehrung  der  normalen 
Verhältnisse ,  die  bei  Steigerung  des  Asthma  und  bei  der  hierdurch  zu- 
nehmenden Lungenblähung  immer  schärfer  hervortritt.  Das  Emphysem 
der  Agone  ist  nur  auf  diese  Weise  zu  ei'klären.  Bei  dieser  Dyspnoe 
bewegen  die  Auxiliar-Muskeln  den  Thorax  in  toto  auf  und  ab,  der  Hals 
verkürzt  sich,  der  Kopf  neigt  etwas  nach  vorn,  Husten  fehlt  öfters.  Je 
mehr  die  Lunge  durch  primäre  oder  complicatorische  Leiden  an  Eespi- 
rationsfläche  eingebüsst  hat ,  desto  deutlicher  ist  die  Athmungs-Insuffi- 
cienz ;  bleibt  eine  solche  Insufficienz  nacli  Primärleiden  zurück ,  so  kann 
mau  fast  sicher  eine  partiell  emphysematöse  Ausdehnung  diagnosticiren. 
Leider  setzt  die  Anwendung  des  Pneumatometers  voraus ,  dass  der  Pa- 
tient genügende  Selbstbeherrschung  und  Willenskraft  besitzt  und  man 
muss  desshalb  auf  dies  wichtige  diagnostische  Mittel  bei  jüngeren  Kin- 
dern verzichten ,  indem  man  sich  an  die  gröberen  Störungen  des  Eespi- 
rations-Typus  hält.  Uebrigens  darf  man  nicht  vergessen,  dass  dieser 
Typus  mit  zunehmenden  Jahren  je  nach  dem  Geschlechte  des  Kindes 
Aenderungen  erfährt ,  indem  beim  Mädchen  die  mittleren  ,  oberen  Par- 
thien  des  Thorax ,  beim  Knaben  die  untern  die  grösste  Erweiterung  des 
Querschnitts  erfahren  ( V  i  e  r  o  r  d  t ,  S  i  b  s  o  n ,  Riegel). 

Die  Percuss  ions-Erscheinungen,  die  man  beim  Emphysem 
der  Erwachsenen  zu  finden  gewohnt  ist,  kann  man  beim  Kindes-Empliy- 
sem  in  der  Regel  nicht,  oder  nur  unvollkommen  ausgesprochen  nach- 
weisen. Es  liegt  dies  theils  an  der  Kleinheit  des  kindlichen  Thorax  und 
an  dem  Mitschwingen  anderer  Luftschichten,  als  die  untersuchten,  theils 
an  der  Beeinträchtigung  des  Schalls  durch  Nachbarorgane  oder  durch 
luftleere  Parthieen  der  Lunge.  Hierzu  kommt  die  durch  die  Dyspnoe 
gesteigerte  Unruhe  und  Angst  der  schon  gewöhnlich  bei  physikalischer 
Untersuchung  niclit  ruhigen  Kinder.  Kurz ,  es  ist  oft ,  selbst  wenn  an- 
dere Symptome  für  Emphysem  sprechen  ,  schwer  und  erst  nach  wieder- 
holten Untersuchungen  möglich  ,  Percussions  -  Symptome  festzustellen. 
Auch  dann  aber  ist  der  Character  des  Schalls  viel  weniger  von  Bedeu- 
tung, als  die  Ausdehnung.  Im  Allgemeinen  ist  der  Schall  heller,  etwas 
lauter,  als  auf  normaler  Kinderlunge,  besonders  oberhalb  der  Schlüssel- 
beine, wo  sich  die  Alveolar-Ektasie  noch  am  leichtesten  in  dieser  Weise 
markirt.     Zuweilen  ist  der  Ton  auch  als  voller  zu  bezeichnen;   nicht  zu 


538  Krankheiten  der  Athmuny:sorgane.     Lunge 

selten  hat  er  einen  lympanitisclien  Beiklang,  der  aber  je  nach  dem  Grade 
der   intraalveoläven    Spannung    wechselt    und    auch ,    trotz    Emphysems, 
fehlen  kann.     Hinten,    besonders  unten,   ist  der  Ton  stets  weniger  hell, 
ja  zuweilen  gedämpft ,    während  der  tynipanitische  Schall  am  häufigsten 
in  der  Sterual-  und  Clavieulargegend  sieh  findet,    also    entsprechend  den 
vorderen  Lungenrändern  und  den  Lungenspitzen,  die  auch,  wie  man  sich 
in  lethalen  Fällen  kurze  Zeit   nachher   bei  dei  Section  überzeugen  kann, 
Sitz  der  Ektasie  sind.    Ob  dieser  tympanitische  Schall  von  der  Spannung 
oder  von  der  Kelaxation  des  Lungengewebes  herrührt,  niuss  hier  unent- 
schieden lileiben.     Den  Bierra  er'schen  Sohachtelton ,  welcher  tief,  sonor 
und    etwas  tympanitisch    ist ,    zu   hören ,    gelingt    nur    in    hochgradigen 
Fällen  und  liei  älteren  Kindern.     Eine  Eesonanz  halte  ich  nur  bei  rachi- 
tischem Thorax  an  stärker  gewölbten,  starren  Parthien  bisher  an  Kindern 
hören  können,  niemals  über  den  ganzen  Thorax  verbreitet.    Da  der  Cha- 
rakter  des  Schalls  je  nach   begleitenden  Lunge.n-Afieetionen ,    besonders 
nach  der  grösseren  oder  geringeren  AnfüUung  der  Bronchien  mit  Secret, 
M^echselt,  auch  bei  der  In-  und  Exspiration  manchmal  einen  verschieden- 
artigen Bindruck  macht,  so  thut  man  gut,  sowohl  bei  dem  Ein-,  als  bei 
dem  Ausathmen  zu  percutiren  und  dies  zu  verschiedenen  Zeiten  zu  wie- 
derholen.   Benachbarte  pneumonische  und  atelektatische  Stellen  dämpfen 
den  hellen  Percussionsschall ,    während    gerade  um  solche  Parthien,    die 
sich,  nach  Lösung  einer  Compression  oder  Exsudatiou,  wieder  mit  Luft 
füllen,  aber  noch  schlaff  sind ,    zuweilen   neben  der  Aufhellung  des  Per- 
russionssehalles  sich  ein  schwach  tympanitischer  Beiklang  ergiebt.    Die  von 
<ierhardt  gegebene  Vorschrift,    nur  mit  und  auf  dem  Pinger  zu  per- 
cutiren,   habe  ich,  gerade   wenn   es  .sich  um  Nachweis  emphysematöser 
Stellen  neben  gedämpften  oder  leeren  Parthieen  handelte,    stets   ausser- 
ordentlich bewährt  gefunden,    wie   denn  überhaupt  diese  Percussion  bei 
der  Kinderlunge ,    zumal  wenn  es  sich  um  gleichzeitige  Feststellung  der 
Resistenz  handelt,  nicht  genug  geübt  werden  kann. 

Zur  Bestimmung  der  Lungengrenzen  beim  Emphysem  der  Kinder 
kann  man  gleichfalls  luir  durch  vorsichtige,  liei  In-  und  Exspiration  an 
den  Grenzen  wiederholt  controlirte  Finger-Percussion  gelangen.  Die 
obere  Lungengrenze  ist  stets  eine  höhere,  wenn  nicht,  permanent,  so 
doch  während  der  Exspirationen  und  Husten.stösse.  Die  vorderen  inneren 
Grenzen  der  beiden  Lungen  sind  nicht  zu  bestimmen,  da  diese  meist  ge- 
blähten Lungenränder  sich  berühren.  Die  untere  Grenze  ist  beiderseits 
cmc  tiefere,  so  dass,  besonders  nach  längerem  Bestehen,  unter  Abflachung 
der  Zwerchfellkuppel  die  Leber  heraVigedrängt  und  ihre  Dämpfuno-  tiefer 
und  m  der  Ausdehnung  geringer  ist.  Wie  die  obere  phonometrische 
Grenze  der  Leber,  so  ist  auch  die  des  Herzens  herabgerückt,  theils  durch 
Leberlagerung  desselben,  theils  durch  Herabdrängen  des  Herzens,  dessen 
Spitzenstoss  man  alsdann  tiefer  und  mehr  nach  aussen  findet-  bis  zu 
einer  epigastrischen  Pulsation  habe  ich  es  aber  beim  Kinde  nur  aus- 
nahmsweise kommen  sehen.  Die  Herzdämpfung  ist  auch  durch  Ueber- 
dcckung  von  den  Seiten  her  entschieden  verkleinert,  ja  sie  kann  in 
manchen  PLillen  ganz  oder  vorüljergehend  verschwinden ;  durch  vorsieh 
tiges  Percutiren  erkennt  man  sie  aber  meistens  auch  dann  noch  an  dem 
weniger  lauten  und  hellen  Schalle  der  lietreffenden  Recrion     Ist  der  tie 


Fürst,  Emphysem  im  Kindcsalter.  5o9 

feve  Stand  des  Zwerchfells  nicht  stationär ,  so  gelingt  es  doch  bei  den 
Exspirations-Anstrengungen,  ein  Heranrücken  nachzuweisen.  Die  hintere 
untere  Lungengrenze  ist  selten  in  bemerkbarem  Grade  heraligeriiekt.  Im 
Ganzen  muss  man  also  sagen ,  dass  die  percutorisch  festzustellenden 
Lungengrenzen  den  Typus  tiefer  Inspiration  darbieten  und  dass  die  Ex- 
cursionen  beim  In-  und  Exspirium  verringert,  bei  heftigen  Exspira+ions- 
Paroxysraen  (Hustenj  aber,  unter  Zunahme  der  Lungenblähung  zuweilen 
an  eine  weitere  Grenze  hinausverlegt  sind ;  die  Ausdehnung  ist  grösser, 
die  Ausdehnungsfähigkeit  geringer  (Gerhardt). 

Die  A  u  s  c  u  1 1  a  t  i  0  n  ergiebt  sehr  wenig  Characteristisches.  Neben 
den  vom  Bronchialkatarrh  herrührenden ,  mehr  in  den  unteren  Parthien 
und  hinten  bemerkbaren  Easselgeräusohen  findet  man  über  den  emphy- 
sematösen  Stellen  meist  ein  verschwächtes  Vesieulär-Athmen ;  das  Inspi- 
rium  ist,  nach  Gertz,  verlängert  und  von  einem  zischenden  Geräusche 
begleitet,  das  Exspirium,  bes.  bei  Bronchialstenose,  langgedehnt,  bei 
gleichzeitigem  Bronehial-Asthma.  pfeifend,  „jiemend."  Die  Respirations- 
Geräusche  sind  überhaupt  erheblich  verstärkt,  so  dass  es  bei  der  gleich- 
zeitigen Anwesenheit  aller  möglichen  Complicationen  Seitens  des  ge- 
sammten  Inspirations- Apparates  im  einzelnen  Falle  nur  uuter  besonders 
glücklichen  Umständen  möglich  ist,  die  genannten  Symptome  streng  auf 
Emphysem  zu  beziehen.  Meistens  ist  durch  fortgeleitete  Geräusche  aus 
den  an  die  Alveolar-Ektasie  grenzenden  Lungengebieten  das  Geräusch  in 
den  gelilähten  Stellen  übertönt.  Sind  jedoch  die  Complicationen  gering, 
voi'  Allem  die  katarrhalischen,  ist  zwischen  verdichteten  und  ektatischen 
Lobulis  eine  scharfe  Grenze  und  sind  diese  beiden  Regionen  nicht  zu 
klein ,  so  darf  man  Itei  einem  grösseren ,  verständigen  Kinde  wohl  auf 
ein  zuverlässiges  Ergebuiss  der  Auscnltation  hoffen;  andernfalls  schwerlich. 

Der  Pectoral-Fremitus  ist  erhalten,  im  Gegensatz  zum  Pneumothorax. 
Es  ist  natürlich,  dass  bei  der  Beeinträchtigung  des  Capillar  -  Kreislaufs 
in  den  Lungen  Stauuugs-Symptome  in  der  Pulmonal  -  Arterie, 
im  Herzen  und  in  den  Gebieten  der  grossen  Körpervenen  erwartet  wer- 
den müssen.  Und  in  der  That  findet  man  beim  Emphysem  der  Kinder, 
neben  der  sehr  erklärlichen  Verschwächung  des  Arterien  -  Pulse»  und 
einer  collateralen  Hyperämie  gesunder  Lungengebiete  eine  Reihe  von 
Stairungs-Erscheinungen ,  die  meist  der  Verkleinerung  der  Eespirations- 
fläche  proportional  sind.  Der  zweite  Pulmonalton  ist  verstärkt  und  auf 
diese  Accentuation  muss  man,  besonders  wenn  sie  nach  dem  Verschwin- 
den des  primären  Krankbeitsprocesses  dauernd  zurückbleiVit,  achten.  Das 
Herz  nimmt  verhältnissmässig  selten  bei  Kindern  an  den  Folgen  der 
Stauung  theil,  wahrscheinlich,  weil  diese  eine  genügend  lange  Stauung 
überhaupt  selten  ertragen.  Dilatation ,  excentrische  Hypertrophie  des 
rechten  Ventrikels,  Klappenstörungen  findet  man  nicht  oft  in  solchen 
Fällen,  eher  bei  ganz  jungen  Kindern  Offenbleilien  des  Foramen  ovale 
und  des  Ductus  arteriosus  Botalli  durch  den  erhöhten  Drirck  im  Gebiete 
der  Lungen- Arterie.  Der  Heizstoss  ist  diffus  und  verschwächt;  an  der 
Mitralis  tritt  zuweilen  ein  anämisches  Afterger.iusch  auf  (Gerhardt). 
Die  Töne  sind  etwas  deuthcher,  verstärkter  (Steffen).  Die  Venen 
zeigen  eine  zunehmende  Stauung  und  Erweiterung;  besonders  bemerkt 
man  dies  an  der  Jugularis,  an  den  Hautvenen  des  Kopfes  und  der  Brust. 


540  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Unter  yleichzeitiger  Abnahme  des  Gaswechsels  iu  der  Lunge  bildet  sich 
Cyanose,  die  man  an  den  Kuppen  der  Finger  und  Zehen,  an  den  Lippen 
und  Schleimhäuten  zuerst  bemerkt.  Die  allgemeinen  Symptome 
sind  spärlich.  Die  Ernährung  ist  gesunken,  das  Gesicht  ist  meist  blass, 
etwas  gedunsen.  Die  Extremitäten  fühlen  sich  kühl  an.  Das  Kind  ge- 
räth  leicht  in  Schweiss  und  wird  selbst  bei  geringen  körperlichen  An- 
strengungen dyspnoisch. 

Es  ist  nach  alledem  selbstredend,  dass  der  ganze  Symptoinen-Com- 
plex  ein  nicht  immer  scharf  ausgeprägter  ist ,  dass  man  in  einzelnen 
Fällen,  unter  Zuhülfenahme  der  Anamnese  und  Berücksichtigung  des 
Verlaufs  die  Diagnose  mit  ziemlicher  Sicherheit  auf  Alveolar-Ektasie 
stellen  kann ,  während  man  allerdings  kaum  zu  entscheiden  vermag,  ob 
man  Luugeublähuiig  oder  echtes  Emphysem  vor  sich  hat. 

Mit  Pneumothorax  kann  man  selbst  eine  acute  Alveolar-Ektasie 
nicht  verwechseln,  da  hier  die  Intercostalräume  einer  Seite  vorgetrieben, 
gespannt,  die  Inspirations-Excursionen  aufgehoben  sind;  der  fehlende 
Fremitus  und  der  metallische  Percussionsschall  sind  nur  dem  übrigens 
sehr  plötzlich  entstehenden  Pneumothorax  eigen. 

Mit  Bronchial- Asthma  ist,  wenn  man  die  percutorischen  Zeichen 
sorgsam  beachtet ,  eine  Verwechselung  nicht  gut  möglich  ,  da  es  keine 
Dilatation  der  Lungengrenzen,  keine  Verdeckung  und  Verdrängung  der 
Nachbar-(^rgane  bewirkt.  Nur  darf  man  nicht  vergessen ,  dass  es  sich 
zu  Bronchitis,  der  treuen  Begleiterin  des  Emphysems,  in  Folge  der  Stö- 
rung des  At Innungsdrucks,  wie  Biermer  gezeigt  hat,  leicht  hinzu- 
gesellt. 

Sonst  hat  die  Differential-Diagnose  auf  angeborene  Herzanomalien, 
auf  erworbene  Klappenfehler  (Mitralis-Insufficienz) ,  auf  Aneurysmen 
Rücksicht  zu  nehmen. 

Interlobuläres  und  subpleurales  Em  physem  ist  nicht 
zu  diagnosticiren. 

Mediastinales  Emphysem  soll  sich,  nach  Steffen  ,  durch 
plötzliches  Auftreten,  acute  Steigerung  der  Athmungs-Insufficienz,  rasche 
venöse  Stauung,  Cyanose,  Sopor  und  leichte  Convulsionen  kundgeben. 

Das  subcutane  Emphysem  entsteht  meist  erst  nach  länger 
dauerndem  Lungenemphysem ,  gewöhnlich  unter  einem  Keuchhusten- 
Aufall.  Die  plötzlich  auftretende  Schwellung  des  subcutanen  Zellstoffs 
am  Halse,  im  Gesicht,  am  Capillitium,  am  Rumpfe  ist  durch  ihre  weiche 
Beschaffenheit,  ihr  elastisches,  flaumenkissenartiges  Gefühl,  ihre  Blässe, 
ihre  rasche  Verbreitung  characteristisch. 

Verlauf. 

Man  darf  annehmen ,  dass  die  Alveolar-Ektasie  gewöhnlich  acut 
verläuft,  während  das  vesiculäre  Emphysem  mit  seinen  characteristischen 
Eigenschaften,  wenn  es  z.  B.  nach  Keuchhusten ,  oft  nach  sehr  langem 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  541 

Verlaufe  desselben  entstand,  stationär  werden  und  auf  viele  Jahre  sich 
erstrecken  kann.  In  dieser  Hinsicht  darf  man  Hertz  Recht  geben,  der 
darauf  hinweist ,  dass  man  gar  nicht  so  selten  in  der  Lage  ist ,  in  mitt- 
leren Jahren  ein  Emphysem  zu  constatiren ,  welches  sich  ))ei  aufmerk- 
samer Anamnese  auf  einen  jugendlichen  Keuchhusten  oder  eine  Bron- 
chitis chronica  in  seiner  ersten  Entstehung  zurückführen  lässt.  Es  ist 
eben  im  Auge  zu  behalten,  dass,  sobald  durch  eine  chronische  Lungen- 
blähung  Alterationen  der  Ernährung  im  Lungengewebe ,  Compression 
der  Capillaren  und  Anspannung  der  Alveolenwände  gegeben  war ,  zur 
Atrophie  und  zum  Gewebsschwuiid  nur  ein  Schritt  ist  und  dass  die 
Grenze  zwischen  beiden  Processen  sich  nicht  feststellen  lässt. 

Ich  erinnere  in  dieser  Beziehung  nur  an  die  Fälle,  wo  dem  Emphy- 
sem rachitische  Thorax-Deformitäten,  pleuritische  Adhäsionen,  bleibende 
Lungenverdiclitungen  —  kurz  Processe  zu  Grunde  liegen,  die  man  als 
irreparabel  bezeichnen  darf.  In  solchen  Fällen  macht  die  Alveolar-Ektasie, 
nach  jahrelangem  Bestände ,  durch  nutritive  Störungen  der  Lungensub- 
stanz alle  Stadien  bis  zum  echten,  chronischen  Emphysem  durch,  ohne 
dass  die  Kranken  desshalb  immer  sehr  frühzeitig  zu  Grunde  gehen.  Hier 
war  die  Grundursache  eine  permanent  wirkende ,  unveründerhche  und 
damit  ist  auch  die  Analogie  mit  dem  senilen ,  starren  Thorax  und  mit 
dem  Typus  des  Athmens  alter  Emphysematiker  bei  rachitischen  Kin- 
dern mit  Emphysem,  wie  Killiet  und  Barthez  recht  treffend  be- 
merken ,  eine  aufi'allende. 

Der  Umstand ,  dass  die  Alveolar-Ektasie  bei  Kindern  nur  selten 
stationär  wird  ,  bringt  es  übrigens  mit  sich ,  dass  Stauungshyperämien 
in  der  Leber  und  Milz,  stärkere  Entartungen  des  Herzens,  Albuminurie 
und  Hydrops  bei  Kindern  als  Folgen  des  Emphysems  kaum  zur  Beob- 
achtung kommen. 

Fast  immer  ist  der  Verlauf  schon  deshalb  a  c  u  t,  weil  die  leichteren 
Grade  von  Lungenblähung  in  Folge  der  grossen  Elasticität  des  kind- 
lichen Lungengewebes  noch  nach  Wochen  vollkommen  spurlos  wieder 
verschwinden ,  sobald  die  primäre  Krankheit  sich  ausgleicht.  Es  tritt 
also  hier  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  Spontan- Heilung  ein,  ent- 
weder total,  oder  mit  einer  Elasticitäts- Verminderung,  die  allerdings 
für  die  Folge  bei  Katarrhen ,  Husten  u.  s.  w.  die  betr.  Stelle  wieder  zu 
Ektasieen  disponirt.  Das  Rückgängig  -  Werden  beobachtet  man  am 
Frappantesten  bei  Keuchhusten.  Aber  auch  bei  den  Lungen  Neuge- 
borener, denen  bei  Belebungs- Versuchen  die  Atelektase  in  Ektasie  um- 
gewandelt worden  ist,  kann  selbst  eine  stationär ,  chronisch  zurückblei- 
bende emphysematöse  Auftreibung  emphyseniatöser  Lungenparthien, 
sich  noch  nach  Jahren  vollständig  zur  Norm  zurückbilden ,  so  dass  man 
von  solchen  Kindern ,  die  überraschend  schnell  eine  bleibende  Lungen- 


542  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lnnge. 

bläliung  acquirirt  hatten,  nacli  Jahren  nur  noch  Wenige  mit  Emphysem 
antrifl't  (Gerhardt). 

Bilden  sich  die  ursächlichen  Krankheiten  nur  langsam  oder  gar 
nicht  zurück ,  bleiben  Verdichtimgen  in  der  Lunge  zurück ,  werden  die 
Bronchialkatai'rhe  chronisch ,  besteht  eine  bleibende  Stenose  oder  ein 
dauernder  Hustenreiz ,  so  ist  der  Verlauf  meist  in  acuter  Form  u  n- 
g  ü  n  s  t  i  CT. 

Alle  sclion  olien  augefiihrleu  S^ymptome  nelimen  zu,  besonders  die 
Erscheinungen  und  Folgen  der  Respiralions-Insuf fielen z  und  des  gestörten 
Pulnaonal-Kreislaufs.  Athenmoth,  Unruhe,  Angstgefühl  steigern  sich,  zu- 
mal bei  Bewegungen;  nifht  selten  gesellt  sich  Asthma  bi-onchiale  hinzu. 
In  anderen  Fällen  sind  es  die  Husten-Erscheinungen,  die  durch  Unter- 
haltung der  begleitenden  Laryngitis  und  Bronchitis,  sowie  durch  gehin- 
derte Expectoration  der  Secrete  überhand  nehmen.  Häufig  begünstigen 
coUaterale  Hyperämieen  in  der  Lunge  das  Zustandekommen  intercur- 
rirender  Bronchialkatarrhe,  Pneumonieen  und  Oedeme.  Inzwischen  hat 
durch  die  gestörte  Decarljonisation  des  Blutes  die  Ernährung  im  Allge- 
meinen gelitten;  die  Kinder  werden  magerer,  schwächer.  Die  Stauungs- 
Ersobeinungen  treten  als  Cyanose,  Hirnödem,  Hydrops  der  Ventrikel, 
selten  als  Oedera  des  übrigen  Körpers,  deutlicher  hervor  und  unter  Sopor 
und  (Jon\riil,sionen  erfolgt  der  Tod. 

Es  bleiljt  in  solchen  Fällen  oft  schwer,  zu  entscheiden,  ob  die  Kin- 
der dem  Emphysem  oder  der  primären  Krankheit  erlegen  sind. 

Zellgewebs-  und  allgemeine  Körper  Emphyseme 
können  sich  nur  nach  Aufhören  der  primären  Krankheit,  welche  die 
Alveolarektasie  veranlasste,  bessern,  sind  dann  aljer  totaler  Rückbildung 
fähig. 

Complicationen. 
Es  ist  schon  erwähnt  worden ,  dass  das  Emphysem  bei  Kindern 
selten  uncomplicirt  ist;  ja  man  kann  fast  behaupten,  dass  es  nur  als 
Complication  zu  anderen  Krankheiten  hinzutritt.  Mag  man  nun  das 
Emphysem  als  complicirt  oder  complicirend  auffassen ,  so  ist  doch  so 
viel  thatsächlich,  dass  sowohl  klinisch  als  pathologisch-anatomisch  noch 
anderweitige  krankhafte  Processe,  besonders  im  Respirations-Apparate 
beobachtet  werden,  Processe,  die  nur  in  der  Minderzahl  erst  durch  das 
Emphysem  hervorgerufen  sind,  meist  die  primäre  Krankheit  repräsen- 
tiren. 

Als  Vorlauter  des  Emphysems  haben  wir  schon  folgende  Compli- 
cationen kennen  gelernt :  Angeborene  oder  erworbene  Atelektase  Pneu- 
monien, Tracheal-  und  Bronchialkatarrh,  capiUäre  Bronchitis,  Asthma 
bronchiale,  angeborene  Misslnldungen  des  Herzens  und  der  grossen  Ge- 
fässe,  besonders  Offenbleiben  fötaler  Blutbahnen. 


Fürst,  Empliysora  im   Kindesaltci-.  54o 

Gleichzeitige ,  resp.  consecutive  Complicationen  sind  Herz-Hyper- 
trophie ,  Klappenfehler  und  alle  Folgen  von  Stauung  in  den  Körper- 
Venen. 

Dass ,  wie  R,  o  k  i  t  a  n  s  Ir  y  zuerst  verniuthete ,  das  Emphysem  und 
die  miliare  Tuberkulose  sich  ausschliessen ,  hat  sich  nicht  bestätigt. 
Klinische  Beobachtungen  constatiren  das  gleichzeitige  Vorkommen  bei- 
der Aflectionen  bei  Kindern  und  kann  ich  nach  mir  vorliegenden  Prä- 
paraten auch  pathologisch  -  anatomisch  dem  gleichzeitigen  Vorkommen 
zustimmen.  Doch  muss  ich  S  teffen  Recht  geben  ,  dass  die  Parthieen, 
in  denen  die  Capillaren  nicht  durch  die  Alveolar -Ektasie  comprimirt 
sind,  vorwiegend  der  Sitz  von  Miliar-Tuberkeln  sind. 

Prognose. 

Im  Allgemeinen  ist  die  Prognose  des  Vesicular  -  Emphysems  bei 
Kindern,  sobald  dasselbe  sich  noch  im  Stadiuni  der  Alveolar  -  Ektasie 
befindet ,  keine  ungünstige.  Bei  Nachlass  der  causalen  Momente  und 
nicht  zu  langer  Dauer  kann  man  auf  eine  nahezu  normale  Retraction 
der  dilatirten  Lungengebiete,  bei  vollkommener  Heilung  der  primären 
Krankheit  sogar  auf  eine  complete  Restitutio  in  integrum  aucli  an  den 
stark  geblähten  Lol^iulis  rechnen.  War  jedoch  der  Bestand  ein  chroni- 
scher, wirkten  die  Exspirations-Stösse  bei  heftigeren  Hustenkrankheiten 
lange  Zeit,  ist  überhaupt  der  ganze  Kräftezustand  reducirt,  so  muss  man 
die  Prognose  ,  wenigstens  quoad  valetudinem  completam  ,  weniger  gün- 
stig stellen ,  während  sie  quoad  vitam  immer  noch  ziemlich  günstig  ist, 
da  hier  die  Ausgleichungsfähigkeit  noch  zur  Verlängerung  des  Lebens, 
wenn  auch  unter  zeitweiliger  Dyspnoe,  beiträgt. 

Specieller  richtet  sich  die  Prognose:  1)  nach  dem  Älter  des  Kindes. 
Je  jünger  es  ist,  desto  rascher  ist  der  Heilungsveiiauf  oder  der  letale 
Ausgang;  je  älter  es  ist,  desto  eher  wird  der  Verlauf  langsam,  chro- 
nisch und  das  Emphysem  stationiirr,  ohne  darum  zum  Tode  zu  führen. 
—  2)  Nach  dem  Verlauf.  Hier  ist  ein  acuter  Verlauf  zwar  im  jün- 
geren Kindesalier  und  bei  ausgebreiteten  Complicationen  etwas  bedenk- 
lich, allein  das  Slationärwerden  giebt  wiederum  desshallj  eine  ungünstige 
Prognose,  selbst  bei  alleren  Kindern,  weil  derartige  Patienten  beim  Hin- 
zutreten anderweitiger  Erkrankungen  von  Seiten  der  Respirations-Organe 
rasch  und  in  bedenklichem  Grade  dyspnoisch  werden .  überhaupt  mehr 
Prädisposition  zu  Katarrhen  Ijehalten.  —  3)  Nach  der  primären 
Krankheit.  Je  chronischer ,  ausgebreiteter ,  cousumirender  dieselbe  ist, 
desto  ungünstiger  gestaltet  sich  die  Prognose  für  das  Emphysem.  Im 
Gegensatze  hierzu  darf  man ,  selbst  liei  ausgebreiteten  Lungenstörungen 
die  Prognose  günstiger  stellen,  wenn  dieselben  sich  rasch  und  glatt  aus- 
gleichen. —  4)  Nach  der  Ausdehnung  der  Ektasie.  Eine -beträcht- 
liche Ausbreitung  bietet  schon  an  sich  eine  ungünstige  Prognose;  noch 
mehr  ist  dies  aber  der  Fall,    wenn   die  Grenzen  des  geblähten  Lungen- 


544  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Gebietes  rasch  und  auffallend  sich  erweitern.  Besonders  verhängnissvoll 
ist  es  in  dieser  Hinsicht,  wenn  das  compensatorisehe  Emphysem  in  acuten 
Nachschüben  Strecken  ergreift,  die  bis  dahin  noch  respirationsfähig  waren. 
5)  Nach  den  complicireud  e  n  und  secundäreu  Krankheiten.  Ma- 
chen dieselben  übeihaupt  eine  gänzliche  Wiederherstellung  der  normalen 
Eespiration  unmöglich ,  so  ist  auch  die  Aussicht  auf  Heilung  des  Em- 
physems eine  geringe.  Ebenso  wenn  bereits  Kohlensäure-Intoxication, 
Entkräftung ,  Störung  der  Darm-Functionen  ,  hochgradige  Cyanose  sich 
eingestellt  haben. 

Das  in  der  A  g  o  n  e  entstehemie  Emphysem  kann  den  lethalen  Aus- 
gang nur  be.sclilemiigen.  Das  am  häufigsten  zur  Beobachtung  kom- 
mende Emphysem,  nämlich  das  nach  K  e  uchhusten  ,  bildet  sich  in 
vielen  Fällen  wieder,  mit  dessen  Ablauf,  zurück. 

Zellgewebs-Emphyseme  sind,  da  sie  nur  von  Alveolar- Rup- 
tur herrühren  können,  stets  schwere  Erscheinimgen. 

Eine  schärfere  Feststellung  der  Prognose  mit  Hülfe  der  Pneuma- 
tometrie ,  welche  eine  Verringerung  der  Lungencapacität  und  des  Ex- 
spirations-Druckes  schon  frühzeitig  wahrnehmen  lässt,  vermag  man  nur 
bei  grösseren  Kindern  auszuführen. 

Behandlung. 

Während  man  in  der  pneumatischen  Methode  endlich  ein  souverai- 
nes  Mittel  zur  Behandlung  von  nicht  allzu  vorgeschrittenen  Emphy- 
semen Erwachsener  gefunden  hat ,  i.st  die  gleiche  Behandlung  des  Kin- 
der-Emphysems aus  Gründen,  die  vorzugsweise  in  der  Schwierigkeit  zu- 
verlässiger technischer  Ausführung  liegen,  noch  jetzt  eine  unvoll- 
kommene. 

Es  sind  dies  nur  äussere  Hindernisse,  die  gewiss  noch  überwunden 
werden,  so  dass  ein  sachlicher  Grand,  der  gegen  eine  erfolgreiche  Be- 
handlung des  Kmder-Emi.hysems  geltend  gemacht  werden  könnte,  letzt, 
nachdem  die  pneumatische  Behandkuigs-Methode  in  ihren  Technicismen 
und  m  ihrem  Efiect  genauer  liekannt  ist ,  kaum  noch  vorlieo-t  Es  ist 
nur  noch  eine  Fmge  der  Zeit,  wann  man  in  der  Lage  sein  wird,  das 
Emphysem  einer  Kinderlunge,  sobald  man  es  rechtzeitig  diagnosticirt  hat, 
wieder  zu  beseitigen. 

Der  Ansicht  Vogel's,  dass  keine  Diagnose  und  demnach  auch 
keine  Therapie  beim  Kinder-Emphysem  möglich  sei,  lässt  sich  in  dieser 
.strengen  Fassung  nicht  beipflichten,  mindestens  nicht  für  die  einfache 
Alveolar-Ektasie  ohne  grössere  Gewebs-Störnngen.  Nur  das  ausgebil- 
dete ächte  Emphysem  ist  nicht  zurückzubilden ;  aber  auch  hier  isfnoch 
durch  zweckmässige  pneumatische  Behandlung  eine  Linderung  der  Sym- 
ptome und  eine  Verlängerung  des  Lebens  zu  erreichen  -  und  solches 
Emphysem  ist  beim  Kinde  selten. 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  545 

Die  Schwierigkeiten  der  Behandlung  liegen  beim 
Kinde  zunächst  darin,  dass  in  der That  derProcess  nicht  so  frühzeitig 
erkannt  wird ,  als  es  wünschenswerth  ist,  um  die  Elasticität  der  Lunge 
wieder  zu  gewinnen.  Sodann  sind  es  die  mehr  oder  weniger  schweren 
primären  Krankheiten  und  Complicationen,  welche  in  ihrem  acuten  Ver- 
laufe und  ihrer  Beeinträchtigung  des  noch  wenig  widerstandsfähigen 
Organismus  dem  Erfolge  einer  auf  die  Lungenblähung  gerichteten  The- 
rapie hindernd  im  Wege  stehen.  Schliesslich  ist  die  Ungeschicklich- 
keit kleinerer  Kinder,  ihre  Unruhe  und  ihr  Widerstand  gegenüber  allen 
ihnen  ungewohnten  mechanischen  Behandlungen ,  sowie  die  Schwierig- 
keit, sie  zu  genau  regulirten,  ergiebigen  In-  und  Exspirationen  zu  brin- 
gen ,  nicht  gering  anzuschlagen. 

Aus  Alledem  kann  man  schon  den  Fingerzeig  entnehmen,  dass  man 
nicht  früh  genug ,  besonders  in  Krankheiten ,  welche  mit  Alveolar-Ek- 
tasie  zu  verlaufen  pflegen ,  prophylaktisch  wirken  kann ,  und  dass 
man  andererseits,  wenn  man  die  Lungenblähung  constatiren  kann,  keine 
Zeit  verlieren  darf ,  um  etwas  gegen  ein  Stationärwerden  derselben  zu 
thun.  In  ersterer  Hinsicht  liegt  die  Indicat ion  vor ,  die  Grund- 
Leiden  energisch  und  umsichtig  zu  behandeln,  vor  allen  Dingen  Ath- 
mungs-Hindernisse  zu  beseitigen  ,  katarrhalische  Secretionen  und  Hu- 
stenreize zu  mildern,  da  diese  genannten  Momente  die  Entstehung  einer 
Alveolar -Ektasie  notorisch  begünstigen.  Ist  aber  eine  solche  ein- 
getreten, dann  richtet  sich  die  Indication  darauf,  die  gestörten  Ver- 
hältnisse der  In-  und  Exspiration  und  Lungencapacität  auszugleichen, 
und  zwar  einzig  und  allein  auf  dem  Wege  der  pneumatischen  Methode, 
da  alle  andern  Experimente ,  insbesondere  mannigfache  Expectorantien 
und  Brechmittel  niemals  einen  radikalen  Erfolg  haben  und  nur  Zeit 
verlieren  lassen  ,  während  begleitende  Zustände  ,  wie  Atelektase,  Bron- 
chialkatarrhe u.  s.  w. ,  auf  pneumatischem  Wege  gleichzeitig  mit  ge- 
bessert, andere,  welche  mit  Inspirations -  Dyspnoe  verbunden  sind, 
(Croup ,  Bronchitis  capillaris ,  u.  s.  w.)  in  ihren  Folgen  erheblich  ge- 
mildert werden. 

Immerhin  wird  man  aber  bei  den  primären  Leiden  an  eine  andere, 
als  pneumatische  Behandlung,  je  nach  der  Natur  des  ursächlichen 
Leidens ,  zunächst  denken ,  um  in  erster  Linie  den  Causal-Indica- 
t  i  0  n  e  n  zu  genügen. 

Man  wird  also,  was  hier  nicht  weiter  ausgeführt  werden  kann  ,  bei 
Atelektasen  auf  eine  baldige  Entfaltung  der  betr.  Lungenpartbien,  bei 
Katarrhen  auf  eine  Bekämpfung  des  Stationärwerdens  und  auf  Vermin- 
derung des  Secretes ,  sowie  auf  Verhütung  von  Kecidiven ,  bei  Larynx-, 
Tracheal-  und  Bronohial-Stenosen  durch  Croup,  Seorete ,  fremde  Körper 
etc.    darch   mö.^iiclist   schnelle  Wiederherstellung    der  Wegsamkeit ,    bei 

HanJb.  d.  Kindcrkraukheitoii.    III.  2.  'jö 


546  Erankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Keuchhusten  und  sonstigen  Husten- Anfallen  durch  thunlichstes  Coupiren 
derselben  -  kurz  bei  allen  Primärleiden  auf  die  Momente  hmwu-ken 
müssen ,  die  erfahrungsgemäss  das  Entstehen  von  Alveolar-Ektasie  be- 
günstigen. Man  wird  bei  einer  Pneumonie,  bei  einer  Pleuritis  aut  voU- 
ständigste  Rückbildung  achten  und  in  jedem  Falle  von  Erkrankung  der 
Eespii-ations-Organe  daran  denken  müssen,  dass  eine  permanente  emphy- 
sematöse  Blähung  sowohl  in  den  betroffenen  als  in  den  benachbarten 
Lungengebieten  eüi tritt,  wenn  man  nicht  bei  Zeiten  einer  Verminderung 
der  vitalen  Lungen-Capacität ,  einer  Insufficienz  der  Respiration  und 
einer  stärkeren  Dyspnoe  vorbeugt.  Das  kann  man  aber  nur  durch  sorg- 
samste medicamentöse  und  diätetische  Behandlung  der  Primär-Krank- 
heiteu  und  durch  häufiges  Controliren  der  Lunge  erreichen.  So  hat  man 
bei  Thorax-Racliitis  auf  Beseitigung  der  Deformität  hinzustreben,  da 
ohne  derartige  frühzeitige  orthopädische  Behandlung  das  Emphysem  kaum 
zu  vermeiden  ist.  Besteht  eine  congenitale  Tracheo-Stenose ,  wie  bei 
Struma,  so  ist  natürlich  gegen  diese  die  therapeutische  Thätigkeit  zu- 
nächst zu  richten. 

Ist  man  ausser  Stande ,  der  Indicatio  morbi  zu  genügen ,  so  thut 
man  jedenfalls  gut,  die  Indicatio  s  y  m  p  t  o  m  a  t  i  c  a  im  Auge  zu  be- 
halten und  diejenigen  Symptome  anzugreifen,  vi^elche  die  gewöhnlichste 
Ursache  der  Lungenblähdng  sind :  den  Katarrh  und  den  Husten. 

In  ersterer  Hinsicht  sind  Inhalatiiinen  von  Alkalien  (Natr.  bicarb. 
und  Kochsalz)  mittelst  eines  Inhalations-Apparates  mit  doppeltem  Gum- 
mi-Gebläse ,  Einathmungen  von  salz-  oder  Kiefernül-lialtiger  Luft  (Ol. 
Terebinth.  und  Pini) ,  sei  es  in  grösseren  Inhalations-Salons  (Reichen- 
haU) ,  in  Nadelholzwäldern ,  an  Gradir- Werken  oder  am  Meeresstrande, 
alkalisch-  und  saliniseh-muriatische  Mineralwässei-  eic.  von  gutem  Er- 
folge. Für  andere  Fälle  eignen  sich  wiederum  die  Expectorautien  zu 
zeitweisem  Gebrauche  (Inf.  Ipecacuanli.,  Liqu.  Ammon.  a.nis).  Sehr  em- 
pfehlenswerth  sind  auch  kalte,  spirituüse  Waschungen  und  Abreibungen 
von  Hals ,  Brust  und  Rücken ,  theils  um  durcli  reflectorisclien  Reiz  die 
Expectoration  zu  befördern,  theils  um  gegen  neue  Erkältungen  abzuhär- 
ten. Reine,  aber  tempeiirte,  staub-  und  rauchfreie  Luft,  Schutz  vor 
rauhen,  trockenen  Winden,  massiges  Warmhalten  der  Brust  durch  Fla- 
nell unterstützen  die  Beseitigung  des  Katarrhs.  Der  Hustenreiz  wird, 
wenn  er  ohne  starke  Secretion  besteht,  durch  Einathmung  von  Wasser- 
dämpfen, durch  Inhalation  der  Infuse  von  Hyoscyamus ,  Belladonna, 
Stramonium,  durch  Räucherung  mit  Salpeterpapier  weniger  sicher,  hin- 
gegen wiederum  erfolgreicher  durch  innerliche  Mittel  (Narcotica,  Aqu. 
laurocerasi  m.  Morphium,  Belladonna  -  Essenz  etc.)  herabgesetzt; 
feuchtes,  mildes,  keinen  grellen  Temperatur-Schwankungen  ausgesetztes 
Kluna,  besonders  beim  Wmter- Aufenthalt,  dabei  kräftige,  roborirende 
Diät,  alles  dies  verringert,  durch  Milderung  des  Hustens, 'den  Exspira- 
tions-Ueberdruck  und  die  stets  drohende  Neigung  zu  Lungenblähung. 
Ist  Keuchhusten  das  Grundleiden,  so  ist  besonders  für  zarte^inder  der 
rasche  Klimawechsel,  und  zwar  in  eine  nicht  reizende,  aber  etwas  feuchte 
und  tonisirende  Luft,  das  beste  Prophylacticum  gegen  secundäres  Em- 
physem. 


F  ü  r  s  t,  Emphysem  im  Kindesalter.  547 

Ist  jedoch  die  Alveolar -Ektasie,  oder  gar  das  Emphy- 
sem bereits  ausgebildet,  so  kann  eine  wirksame  Therapie  direct 
gegen  dasselbe  nur  dann  möglich  sein ,  wenn  der  Schwund  des  Lungen- 
gewebes noch  nicht  in  irgend  beträchtlicherem  Grade  ausgebildet ,  son- 
dern der  ganze  Vorgang  noch  auf  Elasticitäts-Einbusse  beschränkt  ist, 
demnach  so  frühzeitig,  wie  nur  thunlich.  Nur  dann  also,  wenn  die  Lun- 
genblähung noch  nicht  zu  lange  besteht ,  darf  man  hoffen ,  sie  direct 
wieder  zur  Retraction  zu  bringen. 

Der  einzig  rationelle  Weg,  der  zur  Erreichung  dieses  Zieles  gegen- 
wärtig betreten  werden  kann ,  ist  die  insbesondere  durch  Hanke  be- 
gründete, durch  W  a  1  d  e  n  b  u  r  g,  S  c  h  n  i  t  z  1  e  i ,  Lange,  v.  L  i  e  b  i  g, 
Jj  i  e  d  e  r  t  u.  A.  vervollkommnete  pneumatische  Behandlung, 
wodurch  sich  die  Genannten  ein  nicht  geringes  Verdienst  um  dieses  Ge- 
biet der  Therapie  erworben  haben. 

Die  Functionsfläche  der  Lunge  iat,  bei  gleichzeitiger  Ueberausdeh- 
nung  der  Lunge,  verringert.  Die  andauernde,  sich  wiederholende  Dila- 
tation muss  nach  und  nach  die  Elasticität  des  Parenchyms  beeinträch- 
tigen, späterhin  dasselbe  zur  Atrophie  bringen,  oder  doch  die  Ernährung 
desselben  stören.  Hieran  schliesst  sich  die  Schwierigkeit,  selbst  unter 
willkührlicher  Anstrengung  der  Respirations-Muskeln  die  Lunge  zu  voll- 
kommener Ketraction  zu  bringen  und  bei  der  Vergrösserung  des  Raumes 
für  die  Eesidual-Luft  eine  vollständige  Ventilation  der  Lunge  herbei- 
zuführen. Wie  die  Luft,  so  stagnirt  auch  das  Secret  in  den  Bronchial- 
End- Verzweigungen  und  erhöht  dadurch  wiederum  die  Ektasie.  Die  vi- 
tale Capacität  der  Lunge,  die  beim  Kinde  überhaupt  nicht  bedeutend 
ist,  erscheint,  indem  auch  die  E.Kspiration  und  Thorax-Contraction  insut- 
ficient  sind,  gesunken  und  ist  unter  dem  v.m  W  i  n  t  r  i  c  h  (Vergl.  Bd.  I. 
S.  ]  32  dieses  Handbuchs)  gefundenen  Mittelwerthe.  Das  Pneumatometer 
W  a  1  d  e  n  b  u  r  g '  s  *J  zeigt,  wenn  die  Kinder  überhaupt  zum  vorschrift- 
mässigen  In-  und  Exspiiiren  verständig  und  geschickt  genug  sind ,  ge- 
ringere Werthe ,  während  in  der  Norm  die  pneumatometrische  Druck- 
kraft, vielleicht  in  Folge  der  leichteren  Beweglichkeit  und  grösseren 
Elasticität  des  Thorax,  beim  Kinde  relativ  hoch  ist,  so  dass  sie  an  die 
niedrigen  Werthe  Erwachsener  heranreicht  ( W  a  1  d  e  n  b  u  r  g).  Das  ge- 
steigerte aber  nicht  befriedigte  Inspirations  -  Bedürfniss  führt  zu  einer 
inspiratorischen  Dyspnoe  (Lufthunger)  und  nach  einiger  Zeit  gesellen 
sich,  als  consecutive  Zustände,  zuweilen  noch  eine  Deformität  des  Thorax 
(retr&issement  thoraciquej  in  Folge  partieller  Einsenkungen  und  Vor- 
buchtungen hinzu,  ferner  alle  die  oben  genannten  Folge-Erscheinungen. 
Die  pneumatische  Behandlung  bewirkt  nun  durch  Verdün- 
nung und  Verdichtung  der  Athmungsluft  eine  directe  Besserung  aller 
erwähnten  Erscheinungen.     Sie  verwendet: 

1)  Verdichtete  Luft  zur  Beseitigung  der  Inspiration  s- 
Insufficienz  und  bewirkt  dadurch  eine  Erhöhung  des  n  e  g  a- 


»)  Original-Verfertigung  b.  Patz  u.  Flor,  Berlin,  Unter  den  Linden,  Nr.  14. 

35* 


548  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

tiven  Inspirationsdruckes,    sowie  die  Zuführung  eines  grös- 
seren Luftquantums. 

2)  Verdünnte  Luft  zur  Beseitigung  der  E  x  s  p  i  r  a  ti  o  n  s- 
Insufficienz,  und  steigert  hierdurch  den  positiven  Ex- 
s  p  i  r  a  t  i  0  n  s  -  D  r  u  c  k  ,    so   dass   ein  grösseres    Luftquantum   entleert 

wird. 

.Jeder  diesei-  beiden  Inspirations-Acte  für  sich  wird  also,  unter  regel- 
mässigem Altemiren  und  unter  genauer  Regulirung  des  Plus-  oder  Mi- 
nus-Druckes zu  unterstützen  sein.  Diese  Aufgabe  haben  theils  pneu- 
matische Cabinete,  theils  pneumatische  transportable  Apparate  zu  erfüllen 
gesucht  und  zwar  mit  verschieden  glücklichem  Erfolge.  Die  pneuma- 
tischen Cabinete,  wie  solche  zu  Reichenhall,  Ems,  Nizza  u.  s.  w. 
bestehen,  sind  gewissermaassen  Bäder  in  comprimirter  Luft,  in  welchen 
vor  Allem  der  negative  Inspirations  -  Druck  erhöht  und  dadurch  der 
Lunge  mehr  Luft  zugeführt,  freilich  auch  Dilatation  begünstigt  wird, 
wie  sich  an  der  mühsameren  Exspiration  erkennen  liisst.  Um  diese  zu 
erleichtern  und  den  positiven  Exspirations  -  Druck  zu  steigern,  müssen 
die  Ausathmungen  in  relativ  dünnere  oder  in  absolut  verdünnte  Luft 
erfolgen,  welche  Neuerungen  man,  wenigstens  durch  Ausathmen  in 
die  atmosphärische  Luft,  bereits  eingeführt  hat.  Diese  wirken  aber, 
wie  Waiden  bürg  gezeigt  hat,  infolge  der  hohen,  nicht  regulirbaren 
Dmckdifl'erenz  bedenklich  und  man  kann  deshalb ,  was  K  n  a  u  t  h  e  mit 
Recht  hervorhebt,  statt  dieser  intensiven  und  schnellen  Druckverminde- 
rung nur  einen  allmälig  absteigenden  Druck  zur  Beförderung  der  Lungen- 
Retraction  empfehlen,  zumal  bei  der  zarteren  Constitution  der  Kinder. 
Diese  sollte  man  also  im  pneumatischen  Cabinete  nur  dann,  behufs  Re- 
stitution einer  Alveolar-Ektasie  athmen  lassen,  wenn  bei  diesen  Sitzungen 
nicht  nur  die  Inhalation  der  comprimirten  Luft,  sondern  auch  der  Grad 
der  Luftverdünnung,  in  welche  die  Exspiration  erfolgt,  genau  festzu- 
stellen ist.  Andernfalls  wird  man  nur  eine  mechanische  Erweiterung  der 
Lunge,  allerdings  mit  tieferer,  ergiebigerer  Insniration,  aber  schwerlich 
Heilung  einer  chronischen  Lungenblähung  erzielen.  Es  ist  anzunehmen, 
dass  die  pneumatischen  Cabinete,  wenn  sie  diese  Einrichtung  nicht  aus- 
führen, und  nicht  durch  technische  Vervollkommnung  noch  die  genaue 
Regulirung  des  Exspirations  -  Druckes  erreichen,  von  den  transportabeln 
Apparaten  eine  schwere  Concurrenz  erfahren  werden. 

Vorläufig  entsprechen  die  transportabeln  pneumatischen 
Apparate  in  hohem  Grade  dieser  Aufforderung,  indem  sie  in  promp- 
ter, zuverlässiger,  genau  regulii'barer  Weise  In-  und  Exspiration  ermög- 
lichen, wenn  auch  nachweislich  durch  Entweichen  eines  Theils  der  den 
Apparaten  entströmenden  Luft  Fehlerquellen  entstehen.  Der  verbes.serte 
Waiden  burg'sche  Apparat*),  die  von  Schnitz  1er  angegebene  Mo- 
dification  desselben**),  der  Weil'sche***)  und  der  von  Bi'edertt)  an- 
gegebene sind  gegenwärtig  die  einzigen  Apparate,  welche  in  Bezug  auf 


*)  Berlin,  bei  Windler.  Dorotheenstr.  3. 
**)  Wien,  Ijei  W.  J.  Hauck,  Wieden,  Kettenbriickengasse  20. 
**)  Berlin,  bei  Messter,  Friedrichsstr.  99. 

t)  G.  H.  Jochem  in  Worms  a/Rh. 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  549 

practische  Brauchbarkeit,  Transportfähigkeit  und  auf  Verdichtung  und 
Verdünnung  der  Luft  in  constanten  Verhältnissen  in  Frage  kommen 
können.  Alles  Nähere  über  diese  Apparate  findet  man  in  Knauthe's 
Schrift  (s.  0.  Literatur),  sowie  in  Waldenburg's  und  Biedert's  Ar- 
beiten. Hier  .sei  nur  so  viel  erwähnt,  dass  die  betr.  Apparate  eine  alter- 
njrende,  constante  Dichtigkeit  der  Luft  für  jede  Phase  der  Respiration 
und  damit  die  Möglichkeit  geben,  in  einer  genau  zu  bestimmenden,  dem 
individuellen  Fall  angepassten  Weise  die  Athmungsstörung  zu  heben. 

Inwieweit  diese  an  Erwachsenen  constatirte  Thatsache  sich  auf  die 
Alveolar-Ektasie  der  Kinder  übertragen  lässt ,  darüber  fehlen  noch  ge- 
nügende Versuchs-Reihen.  Da  aber  thatsächlich  die  Exspiration  in 
verdünnte  Luft  das  bietet ,  was  beim  Emphysem  fehlt  (K  u  a  u  t  h  e) ,  da 
sie  das  »specifische  mechanische  Antidot«  (Waiden bürg),  das  »ei- 
gentliche Heilmittel«  (Biedert)  des  Emphysems  ist,  so  kann  man  in 
Zukunft  nur  sein  Augenmerk  darauf  richten  ,  durch  welche  technische 
Vorrichtung  es  zu  ermöglichen  wäre ,  dies  so  wichtige  therapeutische 
Hülfsmittel  nicht  nur  grösseren,  verständigen,  sondern  auch  kleineren 
Kindern  zugänglich  zu  machen. 

Hanke,  der  verdienstvolle  Begründer  der  Pneumato-Therapie,  hebt 
treffend  hervor,  dass  die  nachgiebige  ßrustwand  des  kindlichen  Thorax 
eine  günstige  Vorbedingung,  die  Engigkeit  der  kindlichen  Luftwege  eine 
dringliche  Indication  abgiebt.  Die  von  ihm  zur  Hebung  der  Schwierig- 
keiten angegebene  selbstregulirende  Vorrichtung  hat  sich  bisher  nicht 
bewährt.  Ebensowenig  sind  die  von  Hanke  erfundenen  Auskunftsmittel, 
der  pneumatische  Panzer  (Wiener  Med.  Presse ,  1874.  Nro.  34 
und  36)  und  die  pneumatische  Wanne*)  (Strick  er 's  Jahrb. 
d.  Med.,  Wien,  1877,  1.  Heft,  auch  Knauthe  1.  c.)  über  das  Stadium 
der  Versuche  hinausgekommen,  obgleich  sie  es  gewiss  werth  sind,  be- 
sonders bei  kleinen  Kindern  häufiger  erprobt  zu  werden.  Diese  Vor- 
richtungen, welchen  das  Princip  zu  Grunde  liegt,  ohne  weiteres  Zuthun 
der  Kinder  den  Luftdruck  ausserhalb  des  Thorax  und  iimerhalb  der 
Lunge  entsprechend  zu  regeln ,  sind  sehr  sinnreich  erdacht ,  indem  sie 
den  Körper ,  zumal  den  Brustkorb ,  hermetisch  mit  einem  Panzer  um- 
geben ,  innerhalb  dessen  man  die  Luftschicht  beliebig  verdünnen  und 
comprimiren  kann ,  so  dass  im  ersteren  Falle  der  intrapulmonäre ,  im 
anderen  der  extra-thoracische  Druck  üljerwiegt.  Dass  eine  solche  Vor- 
richtung, falls  sie  sich  practisch  bewährt,  für  kleine  Kinder  nutzbringend 
sein  mag ,  muss  man  zugeben ,  da  die  Sitzung  nicht  durch  die  Um-uhe 
des  Kindes  erschwert  werden  kann.  Misslich  ist  nur,  dass  ein  regelmäs- 
siges Alterniren  bei  In-  und  Exspiration  bis  jetzt  nicht  möglich  und  man 
daher  genüthigt  ist,  eine  Zeitlang  beide  Inspirationsacte  unter  Luftver- 
dünnung ,  dann  wieder  eine  Anzahl  Athemzüge  unter  Luftverdichtung 
vorzunehmen,  was  in  beiden  Fällen  Nachtheile  im  Gefolge  hat  und  den 
etwa  erreichten  Nutzen  wieder  aufhebt.     Verstärkung  der  Ektasie,   er- 


*J  Die  betr.  Apparate  sind  von  Richard  Manch,  Wien,  III,  Apostelgaase  14 
zu  beziehen. 


550  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Schwerte  Esspiration ,  Dj-spnoe ,  Apuoö,  Cireulations-Störungen  können 
hierdurch  bei  zarten,  jungen  Kindern,  wie  Hanke  selbst  gesteht,  ein- 
treten und  der  von  ihm  beigefügte  Trost  „dass  das  Kind  immerhin, 
wenn  es  nur  in  einer  Keibe  von  stufenweise  ansteigenden  Inspirations- 
Acten  bis  zur  völligen  Entfaltung  seiner  Lungen  athmet,  doch  zu  dem 
befriedigenden  Gefühl  der  vollendeten  Eespiration  gelangt",  hat  nur  für 
manche  Fälle  (Atelektase ,  Laryngo-  und  Broncho-Stenose  durch  Croup, 
Eachitischer  Thorax)  begrenzte  Geltung.  So  lange  man  den  oben  aufge- 
stellten Indicationen  für  die  In-  und  E.xspirations-Phase  nicht  genügen 
kann  ,  wirkt  ein  solcher  Apparat  nur  unvollkommen ;  er  kann  nur  zur 
Erleichterung  der  Inspirations-Dyspnoe  beitragen  und  die  AnfüUung  der 
Lungen  mit  sauerstoffhaltiger  Luft  befördern.  Für  grössere  Kinder  wer- 
den die  oben  angeführten  transportabeln  Apparate  mit  gutem  Erfolge 
angewendet,  wenn  Mundstücke  und  Masken  genau  passen. 

Als  C  a  u  t  e  1  e  n  beachte  man  : 

1)  Die  Sitzungen  sind  bei  Kindern  nicht  zu  häufig  und  nicht  zu  an- 
haltend vorzunehmen. 

2)  Die  Druckdifferenzen  dürfen  nur  allmählig  und  vorsichtig  se- 
.steigert  und  verringert  werden. 

3)  Da  verdünnte  Luft  ein  starkes ,  dynamisches  Reizmittel  für  die 
Lunge  ist ,  so  sind  acut  entzündliche  Processe  von  der  pneuma- 
tischen Behandlung  auszu.schliessen. 

Letzterer  Punct  bildet  also  eine  wichtige  Contra-Indication 
gegen  die  pneumatische  Behandlung  des  betr.  Falles. 

Die  c  u  r  a  t  i  V  e  W  i  r  k  u  n  g  der  rationell  durchgeführten  pneuma- 
tischen Behandlung  ist  eine  augenfällige  und  bleibende. 

Die  Einathmung  der  comprimirten  Luft  erweitert  luftleere  Lungen- 
und  emgesunkene  Thoraxparthieen,  erhöht  die  vitale  Capacität,  stillt  das 
Inspu-ations-Bedürfniss  und  verbessert  die  Lungenventilation  so,  dass 
eine  reichere  Zufuhr  von  Sauerstoff,  eine  gründlichere  Ausspülung  der 
Kohlensäure,  also  ein  durchgreifenderer  Gas- Austausch  ermöglicht  wird. 
Im  Gegensatze  hierzu  bewirkt  die  Ausathmung  in  verdünnte  Luft  eine 
percutorisch  nachweisbare  Verkleinerung  des  Lungenvohnnens  (und  zwar 
für  die  Dauerj  selbst  bei  stnrker  Dilatation.  Die  Elasticität  der  Lunge 
und  des  Thorax  nehmen  zu,  ja  selbst  beginnende  Nutritionsstörungen 
können  sich  wie  mau  annehmen  darf,  noch  ausgleichen  (z.  B.  Capillar- 
Compression).  Durch  die  Erleichterung  der  Exspiration  wea-den  nicht  nur 
jene  schweren  Symptome  der  Dyspnoe,  das  Asthma,  gehoben,  sondern 
wird  auch  die  Expectoration  erleichtert.  Audi  durch  die  Exspiration  in 
verdünnte  Luft  wird  der  Gasaustausch  completer,  indem  die  Lungenven- 
tilation  sich  hebt  und  die  angestaute  Residualluft  (die  mehr  als  in  ge- 
sunden Lungen  beträgt)  entfernt  wird.  Als  günstige  weitere  Pollen  der 
pneumatisc-hen  Therapie  bei  Lungenblähung  und  beginnendem  Emphysem 
smd  herzuheben:  Verbesserung  der  Stoffwechsels,  der  Anämie  de  TlT 
rax-Deformitäten,    Freierweiden   der    Circulation     Heilunö  ?   /^ 

Bronchialkatarrhe  und  Verminderung  der  Dil^°  kion  fu  fokhfn"  '"'"" 


Fürst,  Emphysem  im  Kindesalter.  551 

Was  specielle  Grundleiden  oder  Complicationen  des  Emphysems 
anbelangt,  so  hat  die  pneumatische  Therapie  schon  manche  Erfolge  zu 
verzeichnen,  indem  Lungenblähnng  nach  Asphyxie,  Atelectasis  cong. 
und  acquisita,  Thorax  -  Rachitis ,  Inspirations- Dyspnoe  bei  Croup 
(Hauke),  Asthma  bronchiale  (Biermer)  ,  Ektasieen  nach  Keuchhu- 
sten und  Bronchialkatarrhen  (Lange,  W  a  1  d  e  n  b  u  r  g  ,  v.  L  i  e  b  i  g) 
theils  gebessert,  theils  geheilt  wurden,  sobald  die  primären  Krankheiten 
sich  zurückbildeten. 

Hierbei  muss  noch  bemerkt  werden  ,  dass ,  nach  W  a  1  d  e  n  b  u  r  g, 
bei  Emphysem  ohne  Bronchitis  und  Asthma  sich  vorwiegend  die  Aus- 
athmungen  in  verdünnte  Luit,  bei  gleichzeitiger  Bronchitis  mit  Inspi- 
rationen comprimirter  Luft ,  bei  Asthma ,  letztere  während  des  Anfalls, 
in  den  freien  Intervallen  die  üblichen  In-  und  Exspirationen  empfehlen, 
dass  ferner ,  nach  Lange,  warme  Bäder  und  kalte  Douchen  die  pneu- 
matische Behandlung  sehr  unterstützen. 

Für  manche  Fälle,  in  denen  man  einen  pneumatischen  Apparat 
nicht  zur  Verfügung  hat ,  empfiehlt  sich  die  von  Gerhardt  empfoh- 
lene Compressions-Methode;  dieselbe  erfüllt  die  Indication, 
durch  mechanische  Verengerung  des  Thorax-Raums  während  der  Ex- 
spiration die  vitale  Capacität  zu  vergrössern  und  die  Herausbeförderung 
der  Sputa  zu  erleichtern. 

Man  hat  diese  Compression  des  sehr  nachgiebigen  kindlichen  Brust- 
korbs nur  mit  Vorsicht  und  mit  sorgsamer  Berücksichtigung  der  Indi- 
viduen und  Complicationen  auszuführen.  Geyer  empfahl,  als  constan- 
teren  Ersatz  derselben  ein  elastisches  Hemd;  es  ist  einleuchtend ,  dass 
dies  nur  zur  Erschwerung  des  Inspiriums  führen  kann. 

Die  k  1  i  m  a  t  i  s  c h  e  B  e  h  a  D  d  1  u  n  g  kann  sich  ziivörderst  nur  ge- 
gen die  Complicationen  und  Grundleiden  des  Emphysems  richten. 

So  wird  man  (nach  Bier  mann)  bei  chronischen  Bronchialkatarrhen 
mit  trockenem,  starkem  Husten  und  sparsamen,  zähen  Secreten  niedrig 
gelegene  feuchte  Orte  für  die  Zeit,  in  welcher  die  Wärme  an  denselben 
1(2—16°  beträgt,  in  Vorschlag  bringen,  insbesondere  Meeresküsten.  Dass 
die  verdünnte  Luft  auf  Anhöhen  die  Ventilation  in  der  Lunge  bessert, 
die  Exspirations-Insufficienz  mindert,  die  Contraction  des  Lungengewebes 
hebt,  ist  nicht  zu  läugnen.  Der  Nachtheil  liegt  aber,  bei  einem  Höhen- 
Kurorte  (für  Kinder  gewiss  noch  mehr  als  für  Erwachsene)  in  der  Per- 
manenz der  umgebenden  Luftverdünnung,  wodurch  grössere  Expansion 
der  Blutgase,  häufigere,  mühsamere,  weniger  tiefe  und  den  Sauerstoff- 
Hunger  nicht  genug  befriedigende  Inspiration,  stärkere  Wasser- Ausschei- 
dung aus  den  Lungen,  Erhöhung  der  Herzaction  und  die  z.  Th.  schweren 
Folgezustände  solcher  Alterationen  unausbleiblich  sind.  So  verführerisch 
es  daher  auf  den  ersten  Blick  scheint,  für  ein  Kind,  welches  nach  irgend 
einer  schweren  Krankheit  ein  Emphysem  zurückbehalten  hat,   einen   kli- 


552  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

matischen  Kurori  zu  rathen,    so  schwer  ist  die  richtige  Wahl  eines  sol- 
chen, welcher  dü-ect  auf  das  Emphysem  wirkt. 

Dass  man  bei  Behandlung  des  Emphysems  anch  dessen  Folgezu- 
stände  (Anämie ,  Dannleiden,  chronische  Bronchialkatarrhe,  Asthma, 
Stauungs-Erscheinungen) ,  sowie  constitutionelle  Leiden  (besonders  Ra- 
chitis) für  sich  bekämpfen  muss ,  versteht  sich  von  selbst. 

Das  Zellgewebs-Emphysem  kann  als  inter lobuläres  oder 
mediastinales  oder  subpleurales  bei  der  Therapie  nicht  in  Frage  kom- 
men, da  es  nicht  klinisch  diagnosticirbar  ist.  Gegen  das  subcutane  Em- 
physem hat  man  als  Symptomaticum  Compressiv- Verbände ,  trockene 
Schröpfköpfe ,  Einstiche  mit  dem  Troicart  empfohlen. 


Missbildun^en  der  Lunge 

von 

Dl.  L.  Fürst. 

Literatur. 

Ausser  den  entwickelungsgeschichtlichen,  anatomischen  und  pathologisch- 
anatomischen Werken  von  v.  IJär,  Bischoff,  Förster,  Gegenbaur,  His,  Kölliker, 
Meckel,  Remak  und  Rokitansky,  sowie  den  Bänden  3,  6,  9  und  13  des  Journ. 
f.  Kinderheilkunde  (woselbst  sich  die  citirten  Fälle  von  Barlow,  Cläre,  Chevers, 
Crisp ,  Spitta ,  Standert  etc.  fludenj  vergleiche  man :  A  b  e  r  1  e  in  d.  Oesterr. 
Med.  Jahrbb.  Jan.  u.  Febr.  1844.  —  Albers,  Atlas  d.  pathol.  Anat.  u.  Er- 
läuterungen. Bd.  III.  S.  506.  —  V.  Ammon,  Die  angeb.  chir.  Krankh.  des 
Menschen.  Berlin  1842.  —  Andermann,  De  pulmonum  formae  nee  non 
voluminis  aberrationibus.  Diss.  Bresl.  1838.  —  As  eher  so  n,  De  fistulis  colli 
congen.  Berl.  1832.  —  Bartholinus,  De  pulmonum  subst.  et  motu  diatribe 
in  Malpighi  opp.  omn.  Lugd.  Batav.  1687.  IL  —  Bell,  Anat.  of  the  hum. 
body.  Vol.  IL  p.  201.  —  Bi g ge r  in  Casper's  Wochenschr.  1839.  —  Blan- 
che t ,  Acta  nat.  cur.  An.  IX.  p.  350.  —  Cloetta  in  Virch.  Arch.  XX.  1  u. 
2.  p.  42.  -  C  o  c  k  1  e  in  med.-chir.  Transact.  46.  1863.  —  C  o  1 1  i  n  s  ,  Roy. 
Irish  Acad.  1875.  Bd.  25.  —  Collomb,  Oeuvr.  med.-chir.  Paris  1798.  — 
Cruveilhier,  Traitö  d'anat.  d&cr.  IL  öd.  Bd.  III.  —  Davidson,  App. 
ad  observ.  anat.  phys.  and  pathol.  on  the  pulmonary  System.  London  1795. 
—  Dorsch,  Die  Herzmuskelentzündung  als  Urs.  angeb.  Herz-Cyanose.  Diss. 
Erlangen  1855.  —  Dzondi,  De  fistulis  trach.  congen.  Halle  1829.  —  Farre, 
Pathol.  Researches.  I.  —  Fleisohmann,  Bildungshemmungen  der  Menschen 
u.  Thiere.  Nürnb.  1833.  —  D  e  r  s..  De  chondrogen.  asperae  art.  et  situ  oeso- 
phagi  abnorm,  nenn.  Erlangen  1820.  —  F  o  u  r  n  i  e  r  ,  Gas  rares  im  Dict.  d. 
sc.  mi^d.  IX.  p.  150.  —  Gamage,  New  Engl,  of  Med.  and  Surg.  IV.  — 
Geoffroy  Saint-Hilaire,  Hist.  gen.  et  part.  des  anomalies  etc.  3  vol. 
Avec  AtL  Paris  1832-37.  —  Gilibert,  Samml.  pract.  Beobb.  S.  97.  - 
Graves,  Clinic.  med.  Dubl.  1843.  —  Gulberg,  Journ.  for  Medicin  og 
Chirurgie.  Nov.  1834.  —  E.  F.  Gurlt,  Lehrb.  d.  pathol.  Anat.  d.  Haussäuge- 
thiere.  2  Theile.  Berl.  1831  u.  32.  Mit  Atl.  —  Ders.,  Ueber  thierische  Miss- 
bildungen. M.  20  lith.  Taf.  Berl  1877.  —  Haber  lein,  Abb.  d.  Joseph. 
Akad.  zu  Wien.  Th.  I.  —  Haller,  de  morbis  pulmonum  observationes. 
Göttingen  1749.  —  Harless  in  Reil's  Arch.  f.  d.  Phys.  IV.  218.  —  Hein, 
De  istis  cordis  deformationibus,  quae  sanguinem  venös,  c.  arterioso  misceri  per- 
mittunt.  Gott.  1816.  —  Herholdt,  Beschreibung  sechs  menschl.  Missge- 
burten. Kopenhagen  1830.  —  Helmstedt  in  Lond.  Med.  Repos.  XVII.  — 
Hörn  in  Berl.  Med.  Ztg.  I.  No.  10.  —  Howship,  Edinb.  med.  and  surg. 
Journ.  IX.  —  Hunt  er,  Med.  observ.  and  inquiries.  VI.  —  Huss  in  d.  Gaz. 
möd.  de  Paris  1873.  —  Kerckring,  Spicileg.  anat.  p.  139.  —  Kessler, 
H. ,  Ueber  mangelh.  Entwickl.  d.  Lunge  in  ihren  Beziehungen  zur  Cyanose. 
Diss.,  Zürich  1858.  —  Klein,  Monstrorum  qnorundam  descript.  Stuttg.  — 
Kölliker  in  Siebold  u.  Kölliker's  Ztschr.  f.  Zool.  IL  1850.  —  Lachniund, 
Mise.  N.  C.  Dec.  L  An.  IIL  Obs.  103.  Tab.  ITL  —  Lancereaux,  Traite  d'Anat. 


554  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

Pathologique.  I.  Paris  1875.  -  Lancepaux-Pinard,  im  Bull,  de  la  soc^ 
anat.  v"  S.r.  T.  XVIII.  -  Landouzy,  Arcla.  de  med.  de  P«™' ^^^^^  Ä^^^ 
Lang«taff.  Lond.  med.  revie^.  IV.  -  Lehmann  in  d.  Nederl  liJ^sch^- 
II  Afd  1  Aflev  1S6S  -  Leudet  in  d.  Gaz,  mi!d.  de  Paris  No,  27,  IbSb. - 
LuithienTm  mu-ttemb.  Corr.-Bl.  XXXIU  41.  1868.  -.fa  pighi,  Opp. 
posth.  p.  87.  -  Marrigues.    Mem.  de   mathem.  pres    a  1  Acad.  «•  f  •/;^\J- 

-  Marshall,  Lond.  med.  gaz.  VI.  -  Martin  im  Observateur  des  .c.  m^d. 
Marseille  182.S.  -  Maschka  in  d.  Allg.  Wiener  Med.  Ztg.  }f'^-.^^^,^\- 
Mauran  im  Philad.  Journ.  of  med.  and  phys.  XIV.  -  Mercier,  Jow^i-  g^°- 
de  med.,  chir.  et  pharm,  par  Sedillot.  T.  31.  Avr.  -~  Met^zke  de  morb.  pulrn, 
ex  mixtura  formaque  laesa  explicandis.  Halle  1800.  -  H.  Meyer  mVirch. 
Archiv    Bd.  XII  u,  XVI.  -  Mohr  in  d.  Berl.   med.   Uentr.-Ztg    1839.   No.  13. 

-  Molinetti,  Mantissa  anat.  Observ.  XL  -  Otto,  Handb.  d.  pathol.  Anat. 
Breslau  lyU.  -  Ders.,  Monstr.  aceph.  descr.  Frankf.  1808.  —  Uers.  belt. 
Beobb  z.  Anat.  u.  Phvs.  1816.  Heft  1.  -  Pagensteoherm  v.  Siebold  s  Journ. 
i-.  Geburtsh,  Frauen-  u.  Einderkr.  IX.  -   Peacock,   Malform,   of  heart.     858. 

-  Parier  in  d.  Gaz.  des  höp.  1874.  —  Ponfick  in  Virch.  Arch.  Bd.  50.  1870. 

—  Pozzi,  Eph.  N.  C.  Dec.  L  An.  4.  Obs.  30  —  Prochaska,  Annal.  acad. 
1784.  Faso.  III.  -  Pulteuey  in  Med.  transact.  publ.  by  the  coli,  of  phys. 
III.  1785.  Rahn -Escher  in  v.  Pommer's  Schweiz.  Ztschr.  I.  Heft  1.  — 
Raoul-Chassinat  im  Arch.  gen.  de  med.  Sör.  IL  1836.  —  RektorziJi,  im 
Woehenbl.  d.  ZLschr.  d.  k.  k.  Ges.  d.  Aerzte.  Wien  1S61.  -  Riolan,  Opusc. 
anat.  varia  et  nova.  Paris  1G,%2.  —  Ri viere,  Sepulcr  anat.  III.  Obs.  27.  — 
Rosenstiel,  Monstri  dupl.  rariss.  descr.  Berl.  1824.  —  Rossi,  Mem.  de  Turin. 
T.  33.  ~  Salomonsen,  Bibliothek  for  Laeger.  Juli  1803.  —  S  a  n  d  i  fo  r  t,  Obs. 
anat.  path.  Lugd.  Batav.  1777.  —  Schöller  in  Busch,  d'Outrepont  u.  Ritgen, 
Neue  Zeitschr.  L  Geburt.sk.  VI.  -   B.  Schul  tze  in  Virch.  Arch.  VII  u.  XXH. 

—  Sedillot,  Recueil  period.  XIII  —  Serrcs,  Me'm.  du  Mus.  d'hist.  nat. 
Paris  1827.  T.  XV.  —  Smith  im  Lancet  1842.  —  S  ö  m  m  e  r  i  n  g,  de  fabrica 
corp.  hum.  Th.  V.  Abth.  IL  —  Ders.  im  Anhang  zu  Baillie's  Anatomie  d. 
krankh.  Baues  v.  etc.  menschl.  Körper.  5.  Aufl.  Uebers.  v.  Hohnbaum.  Berl. 
1810.  —  Spittal,  Edinb.  Journ.  Bd.  49.  —  Stein,  in  Casper's  Wochenschr. 
1837.  No.  33.  —  Taylor,  Lancet  Dec.  1841.  -  Thompson,  Medico-chir. 
Transact.  XXV.  —  Tilanus  in  Verh.  van  het  Genootschap  d.  Genees.  en 
Heelk.  te  Amsterd.  D.  I.  2.  st.  Anist.  1844.  —  Turner  in  Brit.  and  for. 
med. -chir.  review.  XXX.  (59.  60.)  1862.  —  V  e  1  p  e  a  u,  Sitzung.sber  d.  Akad.  d. 
Med.  zu  Paris.  21.  Jan.  1834    —  Virchow  in  Virch.  Arch.  Bd.  XXII.  S.  426. 

—  Vrolik,  Tabb.  ad  illustr.  Embryogenesin  hominis  etc.  Amst.  1849.  — 
Wallach  im  Arch.  f.  physich  Heilk.  XI.  1,  —  Weiss  im  deutsch.  Archiv  f. 
klin.  Med.  XVL  3  u.  4.  —  Wilson  in  Philos.  Transact.  Vol.  98.  P.  IL  - 
Zeis  in  d.  Monatsschr.  f.  Medicin,  Augenheilk.  u.  Chir.  IL  S.  351. 

Vorbemerkungen. 

In  dem  gesamiiiten  Gebiete  der  Lehre  von  den  Missbildungen  haben 
die  der  Lunge  bisher  nur  wenig  Beachtung  gefunden ,  obgleich  sie  bei 
der  Wichtigkeit  des  Respirations-xlpparates  für  den  Körper  nicht  ohne 
practische  Bedeutung  sind  und  jedenfalls  für  den  Pädiatriker  einen  mehr 
als  morphologischen  Werth  haben.  Wir  werden  uns  bei  dem  Ueberblick 
über  dies  teratologische  Special-Gebiet  überzeugen,  dass  zwar  die  höhe- 
reu Grade  von  Missbildungen  der  Piespirations-Organe  theils  au  sich, 
theils  wegen  anderweitiger  Missbildungen  die  Lebensfähigkeit  der  Neu- 
geborenen ausschliessen  ,  und  ,  wie  Ft  i  e  g  e  1  *)  sich  äussert ,  nur  anato- 

*)  Ziemssen's  Handb.  d.  spec.  Pathol.  u.  Ther.  Bd.  IV.  2  Hälfte  (S 
13  tf.).  ^ 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  555 

misches  Interesse  haben ,  dass  aber  in  leichteren  Formen  eine  Lebens- 
fähigkeit von  Tagen  und  Monaten ,  in  manchen  eine  Lebensdauer  von 
Jahrzehnten  thatsächlich  beobachtet ,  ja  in  einzehien  das  Leben  über- 
haupt nicht  beeinträchtigt  wird.  In  solchen  Fällen  vrird  gemeiniglich 
erst  durch  auffallende  Störungen  der  Respiration  die  Aufmerksamkeit 
auf  angeborene  Anomalien  gelenkt  oder  durch  einen  zufälligen  Befund 
bei  der  klinischen  Untersuchung ,  resp.  bei  der  Section  das  Vorhanden- 
sein derselben  bemerkt.  Die  Missbildungen  der  Respirations-Organe 
verdienen  daher ,  wenn  sie  auch  verhältnissmässig  selten  sind ,  von  Sei- 
ten des  Kinderarztes  mehr  Beachtung ,  als  man  ihnen  —  wie  aus  dem 
Mangel  einer  systematischen ,  die  betr.  Casuistik  übersichtlich  zusam- 
menfassenden Bearbeitung  geschlossen  werden  darf  —  bisher  geschenkt 
hat.  Ich  sage  absichtlich  nicht  »Lunge«,  da  ich  gleich  im  Voraus,  bei 
der  gemeinsamen  Genese  der  Trachea ,  der  Hauptbronchien  und  der 
Lunge,  die  Betrachtung  der  Missbildungen  dieser  genannten  Theile  als 
zusammengehörig  und  nur  gewaltsam  trennbar  hinstellen  möchte.  Alles 
was  unterhalb  des  Larynx  dem  Respirations-Apparat  angehört ,  ent- 
wickelt sich ,  ebenso  wie  die  Pulmonal-Gefässbahn  und  die  von  den 
Pleuren,  den  Rippen  und  dem  Zwerchfell  gebildete  Hülle  in  einer  von 
einander  so  abhängigen,  sich  gegenseitig  so  stark  beeinflussenden  Weise, 
dass  es  unmöglich  ist,  sich  von  Missbildungen  der  Lunge  isolirt  ein 
klares  Bild  zu  machen,  ohne  gleichzeitig  die  Störungen  in  der  Entwick- 
lung des  betr.  Blutgefäss-Bezirks  und  der  Brusthöhle  im  Auge  zu  be- 
halten. Die  Casuistik  zeigt,  dass  diese  Wechselwirkung  eine  sehr  mäch- 
tige ist ,  und  dass  jedenfalls  die  Entwickelungsphasen  der  Respirations- 
Organe,  des  Gefässsystems  und  der  Thorax-Höhle  nicht  nebeneinander 
verlaufen,  sondern  in  einander  übergreifen.  Tritt  nach  einer  Richtung 
eine  Störung  ein ,  so  verursacht  diess  in  den  anderen  Theilen  eine  Ano- 
malie ,  sei  es  hinsichtlich  der  Form  oder  Grösse ,  der  Structur  oder  der 
Lage. 

Die  angeborenen  Missbildungen  des  Respirations-  Apparates  bieten, 
selbst  wenn  man  die  offenbar  durch  totale  Krankheiten  bewirkten  aus- 
scheidet, noch  immer  zahlreiche  Fälle ,  in  denen  man  wenig  oder  nichts 
findet,  was  als  Spur  eines  Krankheitsvorgangs  gedeutet  werden  kann. 
Diese  Fälle  von  reinen  Missbildungen  weisen  mit  Nothwendigkeit  dar- 
auf hin,  bis  auf  Weiteres  lediglich  in  Störungen  der  ersten  Anlage  und  in 
Hemmnissen  ihrer  Fortentwickelung  das  ätiologische  Moment  zu  suchen. 

Eintheihing. 

Von  dem  Grundsatze  ausgehend,  dass  die  Missbildungen  des  Respi- 
rations-Apparates,  soweit  dieselben  nicht  augenfällige  Effecte  krank- 


556  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

liafter  Processe  sind ,  sich  eng  an  die  normalen  Entwickelungs-Phasen 
anscbliessen  und  hinsichtlich  ihrer  Entstehungszeit  mit  diesen  coindi- 
ciren,  ist  eine  Systematik  auf  genetischer  Basis  die  allein  richtige.  Sind 
wir  auch  noch  nicht  in  der  Lage,  für  jede  Bildungshemmung  Zeit  und 
Art  der  Entstehung  festsetzen  zu  können ,  so  muss  doch  in  jedem  ein- 
zelnen Falle  der  leitende  Faden  in  dem  Bestreben  gesucht  werden  ,  der 
Anomalie  auf  ihren  Ausgangspunkt  hin  nachzuspüren.  Hierbei  ergiebt 
sich  von  selbst  von  Zeit  zu  Zeit  ein  Seitenblick  auf  analoge  Formen, 
welche  die  vergleichende  Anatomie  der  Respirations-Organe  —  gewis- 
sermassen  als  niedere  Entwicljelungsstufen  und  als  Zustände,  welche 
mit  embryonalen  menschlichen  Athmungs-Organen  Analogien  bieten  — 
uns  an  die  Hand  giebt. 

Casuistik. 

I.  Fälle,  welche  auf  mangelnder  oder  unvollkommener 
Anlage  der  Respirations-Organe  beruhen. 

Wenn  wir  von  dem  totalen  oder  partiellen  Mangel  in  der  Anlage 
der  Respirations-Organe  absehen,  wie  man  ihn  in  Verbindung  mit  stärk- 
sten anderweitigen  Missbildungen  antrifft,  so  ist  vollständiger 
Mangel  beider  Lungen  etwas  seltenes. 

Förster  giebt  an ,  dass  selbst  bei  vorhandenem  Herzen  ein  solch 
absoluter  Mangel  nur  bei  nicht  lebensfähigen ,  mit  zahlreichen  schweren 
Defecten  versehenen  Missgeburten  vorkommt.  So  berichten  Klein  und 
Od  hell  US  von  Acephalen,  bei  denen  sich  im  Thorax  statt  der  Lungen 
wiissrige  Flüssigkeit  fand  und  I  senf  lamm  beobachtete  einen  Ersatz 
der  Lungen  durch  schleimige  Masse.  Ein  Fall  von  E  ö  d  e  r  e  r  ,  den 
Meckel  citirt,  bot  „statt  der  Lungen  dichtes  mit  Gallert  getränktes 
Zellgewebe.  Der  Kehlkopf  endete  blind.  Von  Luftrühre  war  keine  Spm- 
vorhanden;  ebensowenig  von  einer  Lungenarterie."  Das  Herz  war  ziem- 
lich ausgebildet.  Hier  scheint  schon  der  Mangel  der  Anlage  kein  com- 
pleter  gewesen  zu  sein  ;  aus  dem  Vorderdarm  hatte  sich  zwar  eine  ein- 
fache nnneuförmige  Ausbuchtung  (His)  gebildet,  die  Anlage  des  Kehl- 
kopfes; allem  weiter  nach  dem  Schwanzende  war  jene  „hohle  Ausstül- 
pung (V.  B  a  e  r)  anstatt  sich  gabiig  zu  theilen  und  Anfangs  als  „doppelte 
Rmne  .später  als  getrenntes  Doppelrohr  die  Anlage  der  Hanptbronchi 
und  der  Lungen  zu  bdden,  nicht  erfolgt  oder  sehr  frülueitig  zu  Grunde 
gegangen.  Es  war  also  hier  nur  zu  einem  bbnd  endenden  Kehlkopf  ge- 
kommen; alles  übrige  fehlte.  ^     ^ 

Häufiger  ist  schon  bei  sonst  nicht  allzu  missbildeten  Früchten  ein 
partieller  Mangel  der  Anlage  des  Re,spirationsapparates.  Wenn  die 
Lichtung  der  nnnenförmigen  Anlagen  von  Hauptbronchus  und  Lungen 
sich  in  ungleichem  Maasse  entwickelt ,  wenn  insbesondere  von  Haus  aus 
emes  der  beiden  seitlichen  Epithelialrohre  durch  ungenügende  AusstS 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  557 

pung  des  Schlundes  unvollkommen  ausgebildet  ist  und  damit  die  Anlage 
der  Luftröhren-Hauptäste,  sowie  der  Lungen  einseitig  in  höherem  oder 
geringerem  Grade  unterbleibt,  so  muss  das  Resultat  nothwendig  Man- 
gel oder  unvollkommene  Entwickelung  einer  Lunge 
sein. 

Derartige  Fälle  sind  nicht  gar  zu  selten  beobachtet  worden  (Geof- 
f'roy  Sa  in  t  -  Hilaire).  Mangel  der  rechten  Lunge  beschrieben 
Autoren  wie  Haber  lein,  Maschka,  Sömmering,  Stein,  Ri- 
V  i  ö  r  e  ,  Mangel  der  linken  Pozzi,  Haber  lein,  Meokel,  Hey- 
felder und  Bell. 

Derartige  Fälle  bieten  manches  Literessante.  Zunächst  sieht  man, 
dass  von  einer  ausgesprochenen  Prädisposition  der  linken  Seite ,  wie  sie 
Fleischmann  annimmt,  nicht  die  Rede  ist;  sodann,  dass  diese  Ano- 
malie, worauf  schon  Förster  aufmerksam  gemacht  hat,  bei  sonst  wohl- 
gebautem Thorax  und  übrigens  gut  gestaltetem  Körper  vorkommen 
kann. 

Die  Fälle ,  welche  ich  eben  erwähnte ,  sind  kurz  folgende : 
Haber  lein:    Rechte   Lunge   und  zugehörige   Bronchien   f  e  h- 
1  e  n  d  („blos  Wasser").     Linke  Lunge  abnorm  gross,  den  Thorax  aus- 
füllend.    Beide  Hauptbronchi  und   alle  Pulmonalgefässe  gingen  in  diese 
Lunge. 

Sömmering:  Die  rechte  Lunge  fehlte  durchaus. 
Maschka:  Rechte  Lunge  fehlend.  Rechter  Bronchus  nur  durch 
ein  erbsengrosses  abgeschlossenes  Säckchen  angedeutet.  Rechte  Pleura- 
höhle nur  vom  Herzen  ausgefüllt.  Rechtss.  Pulmonalgefässe  fehlend. 
Linke  Lunge  nur  aus  1  Lappen  bestehend,  von  normalem  Gewebe.  Das 
Kind  war  Anfangs  des  7.  Monats  geboren  und  lebte  2  Stunden. 

Stein:  Sechswöchentliches,  cyanotisch  geborenes  Kind.  Rechte 
Lunge  ganz  fehlend.  Vom  unteren  Bronchus  nur  ein  Rudiment  vor- 
banden. Rechtsseitige  Pulmonal-Gefässe  fehlend.  Offenes  Septum  ventri- 
culorum.  Linke  Lunge ,  unter  Verschluss  der  Art.  pulm.  über  der 
Basis  cordis  durch  den  weiten  Duct.  Botalli  mit  Blut  versorgt. 
Riviere:  Rechte  Lunge  fehlend. 

Pozzi:  Linke  Lunge  fehlend.  Rechte  stark  vergrössert. 
Haber  lein:  Bei  einem  20jährigen  Menschen,  der  an  fortdauernden 
Athembeschwerden  gelitten,  fand  sich  die  linke  Lunge  fehlend; 
die  betr.  Hälfte  der  Brusthöhle  war  ganz  „mit  Wasser"  gefüllt.  Rechte 
Lunge  die  ungetheilte  Art.  pulmonalis  aufnehmend.  Das  Herz  stand 
„ganz  grade". 

Meckel,  der  übrigens  auch  diesen  Fall  ohne  Neimung  Haber- 
lein's  anführt,  citirt  ferner*)  einen  Fall  von  Mangel  der  linken  Lunge 
mit  Schädel-  imd  Gaumenspalte  etc. 

Heyfelder  theilte  auf  der  Stuttgarter  Naturfor.schervers.  (1834) 
einen  Fall  mit,  in  welchem  ein  Kind  angeborene  Cyanose  und  Mangel 
der  linken  Lunge  darbot. 


*)  Path.  Anat.  I.  477.    Nach  d.  Mus.  d.  Heilk.    Zürich  1794.  Bd.  2.  S.  204. 


558  Erankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Bell:  Linke  Lunge  fehlend.  Die  betr.  Pleuraliöhle  mit  Was- 
ser gefüllt.  Rechte  Lunge  vergrössert.  -  Ausserdem  wird  noch  ein- 
seitiger Mangel  der  Lunge,  als  von  P  1  o  u  q  u  e  t  beobachtet,  erwähnt. 
Diese  Fälle,  die  eine  Analogie  in  der  Verkümmerung  und  dem 
Schwunde  einer  Lunge  bei  den  Schlangen,  schlangenartigen  Sauriern 
und  Cöcilien  besitzen,  zeigen  zunächst,  dass  mit  dem  Mangel  der  Anlage 
einer  Lunge  zugleich  eine  v  i  c  a  r  i  i  r  e  n  d  e  H  y  p  e  r  t  r  o  p  h  i  e  d  e  r  v  o  r- 
h  au  denen  verbunden  ist,  eine  Compensation,  die  an  sich  von  prac- 
tischer  Bedeutung  sein  kann,  da  sie  dem  Individuum  eine  grössere  Le- 
bensfähigkeit garantirt.  Sodann  ist  der  fötale  Hydrothorax  (För- 
ster) auf  der  Seite  des  Defectes  hervorzuheben,  den  man  nicht  als  Exsu- 
dat im  pathologischen  Sinne  (fötale  Entzündung),  sondern  nur  als  Trans- 
sudat (Hydrops  e  vacuo)  aufzufassen  hat.  Für  die  richtige  Deutung 
solcher  Fälle  als  Mangel  der  primären  Anlage  spricht  unbedingt,  dass 
der  Bronchus  der  kranken  Seite,  wenn  er  nicht  ganz  fehlt,  blind 
endigt,  oder  dass  er  in  anderen  Fällen  gleichfalls  in  die  z u r  A u s- 
b  i  1  d  u  n  g  gelangte  L  u'n  g  e  (der  gesunden  Seite)  mündet;  ferner 
beweist  das  Fehlen  derPu  Im  onal-Ge  fasse  der  defecten  Seite  und 
das  ungetheilte  Eintreten  der  Arteria  pulmonalis  in  d i e  g e s u n d e 
Lunge,  dass  hier  Fehler  in  der  ersten  Anlage  vorliegen.  Schliesslich 
ist  es  von  Wichtigkeit,  dass  trotz  Defect  einer  ganzen  Lunge  eine  Le- 
bensdauer bis  zu  20  Jahren  beobachtet  worden  ist,  wenn  auch  meist 
unter  Bestehen  von  Dyspnoe,  dass  also  die  Prognose  gar  nicht  so 
ungünstig  ist.  Für  die  Diagnose  sind  nur  die  Cyanose,  die  Athembe- 
schwerden,  event.  vielleicht  einseitiger  Hydrothorax  als  Anhaltepunkte 
zu  verwerthen,  wenngleich  durch  Pozzi  und  Förster  Fälle  constatirt 
sind,  wo  niemals  Athembeseh werden  bestanden. 

Wenn  die  Anlage  des  Respirations-Apparates  im  Anfangsstück 
der  Ausbuchtung  und  am  gabiig  sich  theilenden  Endstück  desselben  ge- 
nügend vorhanden  ist,  im  mittleren  Vereinigungsstück  aber,  welches 
sich  zu  einem  hohlen  Stiele  (Luftröhre)  gestaltet,  fehlt  oder  sehr  früh- 
zeitig wieder  verkümmert,  so  entsteht  Mangel,  oder  rudimentäre 
E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  d  e  r  T  r  a  c  h  e  a. 

Die  erste  Ausstülpung  des  Schlundes ,  mag  sie  nun  von  Anfang  an 
paarig  sem  (v.  Baer,  Rathke)  und  erst  im  weiteren  Verlaufe,  nach- 
dem die  zweifache  Einmündung  in  die  Speiseröhre  (Biso  ho  ff)  con- 
flmrt  ist,  zu  dem  einfachen  Kehlkopf  verschmelzen,  oder  mag  sie,  wie 
Eemak  annimmt,  von  Anfang  an  als  einfache  hohle  Auftreibung  exi- 
stn-en,  führt  m  solchen  Fällen  zur  Bildung  eines  normalen  Kehlkopfes. 
Nicht  minder  IS  die  zweifache  Anlage  der  Bronchien  und  Lungen,  völ- 
lig von  der  Lichtung  des  Verdauungsrohres  getrennt,  als  Doppelrobr 
lel-lw"''!,  '  ^'f'^'^^S^^  Ende  vorhanden,  also  das  Bildungsma- 
tenal  für  die  erwähnten  Organe  gegeben.   Allein  das  Zwischenglied, 


Fürst,  MissbilduEgen  der  Lunge  etc.  559 

die  Anlage  der  Luftröhre,  fehlt  oder  ist  u  nvollkorDmen,  theils 
hinsichtlich  der  Grösse,  theils  hinsichtlich  der  specielleren  Gestaltung,  be- 
sonders der  Knorpelringbildung,  welche,  nach  K  ö  1 1  ik  er,  um  die  8. — 9. 
Woche  beginnt.  Diese,  wie  man  annehmen  darf,  Anfangs  doppelte  An- 
lage der  Luftröhre  kann  also  entweder  durch  Mangel  des  betr.  Blastems 
gänzlich  fehlen  oder  doch  sehr  l:iald  verkümmern  und  nun  zu  bleiljenden 
Missbildungen  führen. 

Anomalien  im  Bau  der  Trachea,  insbesondere  in  der  Form  des 
Querschnitts,  der  bis  zum  4.  Monat  oval,  breitgedrückt,  jilatt,  erst  spä- 
ter rund  erscheint,  ferner  in  der  Bildung  der  aus  Querstreifen  (R  a  t  h  k  e 
und  Valentin)  entstehenden,  vielleicht  aus  2  verschmelzenden  sym- 
metrischen Hälften  hervorgehenden  Knorpelringe  sind  mehr  Anomalien 
des  secundären  Wachsthums,  als  Mängel  der  primären  Anlage. 

Ein  Fehlen  der  Trachea  hat  Blanchot  beobachtet.  Die 
Lunge  sass  dem  Kehlkopf  unmittelbar  auf.  Häufiger  ist  natürlich  das 
Fehlen  der  Trachea  mit  gleichzeitigem  Lungenmangel,  wie  man  es  al^er 
nur  bei  anderweitigen  grösseren  Missbildungen  findet.  Meekel.  Klein, 
Harless,  Gilibert,  Collomb  haben  Fälle  von  mehr  oder  weni- 
ger complicirtem  Luftröhren-Mangel  beschrieben.  Zu  kurze  Luft- 
röhre erwähnen  Riegel  und  Fleisch  mann;  letzterer  bezeichnet 
diese  Missbildung  als  Reptilien  -  ähnlich.  Ausserdem  führt  Riegel  an, 
dass  Fälle  von  abnormer  Engigkeit,  Gestalt  und  Grösse 
der  Trachea  vorkommen ;  angeborene  Kleinheit  führt 
ß  i  r  c  h- H  ir  schf  e  1  d  an.  Von  Anomalieen  der  Trach  ealknorpel 
nennt  Riegel  Mangel  und  üeberzahl,  sowie  eine  partielle 
Erweiterung  der  Trachea,  die  er  als  Bronchocele  bezeichnet. 
Für  alle  diese  Anomalien  der  Luftröhre  habe  ich,  wenn  ich  die  Compli- 
cation  mit  anderweitigen  hochgradigen  Missbildungen  ausschliesse,  keine 
Beispiele  in  der  Literatur  aufgefunden.  Von  Bedeutung  ist  jedoch  ein 
Fall  von  Mangel  beider  H  a  u  p  1 1)  r  o  n  c  h  i,  den  G  u  r  1 1  bei  einer 
missbildeten  Katze  fand.  Die  Luftröhre  des  einen  Thieres  theilte  sich 
normal  und  führte  zu  einem  Lungenpaare.  An  der  Luftröhre  des  andern 
Thieres  fehlten  die  Hauptbronchi,  wodurch  die  L  u  n  g  e  n 
ausser  Communication  mit  der  Trachea  waren.  Hier 
war  offenbar  die  Anlage  der  Tracheal- Verzweigungen  erst  späier,  nach 
Ausbildung  der  Lungen,  untergegangen.  Die  isolirte  Lunge  wurde  von 
einer  kleinern  Arterie  versorgt.  Atresie  oder  verkümmerte  Anlage  der 
Trachea  können  sich  diagnostisch  nur  durch  angeborene  Dys-  oder 
ApnoS  manifestiren.  Die  Prognose  ist  in  den  Fällen  hochgradiger 
Stenose  ungünstig. 

Eine  echte  Hypertrophie  der  Lungen  ist,  meines  Wissens, 
ebenso  wie  eine  Vermehrung  der  Lungenzahl  nicht  bekannt. 
Eher  kommt  es  vor,  dass  die  primäre  Lungenanlage  in  frühen  Stadien 
wieder  verkümmert  und  dass  eine  abnorme  K 1  e  i  n  h  e  i  t  d  e  r  L  u  n- 
gen  gefunden  wird,  welche  man  nicht  als  Atrophie  bezeichnen  kann, 
da  hier  keine  Gewebs-Veränderung,  sondern  nur  eine  unvollkommene 


5gQ  Krankheiten  der  Athmuugsorgaue.    Lunge. 

EntWickelung  vorliegt.  Sieht  man  von  Fällen  ab,  in  denen  walu^chein- 
lich  nur  Atelectase  vorlag,  so  ist  freilich  die  Zahl  der  hierher  gehörigen 

Beispiele  cr8riii*J' 

B  r"o  d  i  r  und  C  o  11  0  m  b  sollen  bei  Föten  Lungen  von  nur  V»  der 
natürlichen  Grösse  gefunden  haben;  Otto  sah  bei  emem  reifen  Kinde 
die  Lunge  auf  '/i  der  normalen  Grösse  reducivt. 

Die  verringerte  Lungencapacität  wird  durch  mangelhafte  Ausdeh- 
nung des  Thorax  und  durch Kurzathmigkeit  zum  Ausdrucke  kommen*) 
und  nur  selten  eine  voraussichtlich  günstige  Prognose  gestatten. 

Die  unvollkommene  Anlage  der  Pleurahöhlen  und  des 
M  e  d  i  a  s  t  i  n  a  1  r  a  u  m  s  verdient  an  dieser  Stelle  mit  einigen  Worten 

Erwähnung. 

Während  Anfangs  die  Lungen  noch  frei  in  der  Bauchhöhle  zu  lie- 
gen scheinen  (wie  dies  bei  den  Amphibien,  Eidechsen  und  Schlangen 
wirklich  der  Fall  ist) ,  zeigt  sich  schon  am  35.  Tage ,  dass  sie ,  von  den 
Eingeweiden  getrennt,  vom  Zwerchfell  umschlossen  sind.  Anfangs  ist 
dieses  noch  ein  hohler,  trichterförmiger,  die  Lungen  umgebender  Sack; 
erst  wenn  Ende  des  2.  Monats  die  wachsenden  Lungen  höher  in  die  ver- 
grösserte  Brusthöhle  hinaufsteigen  ,  nimmt  das  Zwerchfell  mehr  die  Ge- 
stalt einer  horizontalen  zart-membranösen  Sclieidewand  an.  Um  die  Zeit 
der  erfolgenden  Schliessung  der  vorderen  Mittellinie  des  Körpers  erfolgt, 
nach  A  m  m  o  n,  diese  Bildung  des  Diaphragma,  indem  sich  zugleich  von 
der  Peripherie  aus  die  Muskelschicht  in  dasselbe  begiebt.  In  der  10. 
Woche  erscheint,  wie  K  ö  1 1  i  k  e  r  angiebt,  die  Pleura  deutlich  als  seröse 
Haut. 

Man  darf  annehmen,  dass  Defecte  der  Pleuren,  desMe- 
d i a s t i n n m  und  des  Zwerchfells  etwa  innerhalb  der  ersten  8 
Wochen  entstehen  müssen  und  dass  unvollkommene  Entwickelung  der 
ersten  Anlagen  derartigen  Missbildungeu  zu  Grunde  liegen. 

Su  erwähnt  Rokitansky  „partiellen  Mangel  der  Pleu- 
ra" bei  Zwerchfelldefect,  und  Meckel  Fälle  von  Klein,  Lamüre, 
Superville,  Vogli,  Gilibert,  Cooper  und  Le  Cat,  sowie  eigene 
Beobachtungen  von  Mangel  des  Zwerchfells.  Ob  ein  Fehlen  des 
Mediastinums  und  hierdurch  eine  Verschmelzung  der  Lungen -An- 
lagen möglich  ist,  wie  sie  Diemerbrock  beobachtet  haben  will,  ist 
nicht  authentisch  erwiesen. 

Die  mangelnde  oder  frühzeitig  zu  Grunde  gegangene  Anlage  der 
Lunge  selbst  kann  noch  zu  einer  partiellen  Missbildung  hinsichtlich  der 


*)  B a r  1  0 w  berichtet  über  Fälle  von  unvollkommener  Ent- 
wickelung der  Lungen  im  jugendlichen  Alter,  die,  mit  Leberverfrösse- 
rung,  Engbrüstigkeit,  Respirations-lnsufficienz  verbunden  im  10 -11  Jahre 
durch  Dyspnoe,  Husten  und  Palpitatioren  sich  markirten,  im  16 -20  unter 
Oedem  tödthch  endeten  Die  Sectionen  ergaben  kleine,  unvollkommen  aus- 
bliiS      "''^'''^^    ^^^^'^  ^'     ^«'=1^*«^  Herz   hypertrophisch.     Leber  gross, 


F  ü  r  s  t,  Missbilduiigen  der  Lunge  etc.  561 

Form  und  Structiir  führen.  Aehnliches  bietet  die  Vereinfachung  des 
letzten,  beträchtlich  ausgedehnten  Abschnittes  der  langgestreckten 
Schlangenlunge  in  seinem  Bau ;  hier  verliert  auch  der  nicht  mehr  für 
die  Respiration  thätige  Termin al-Theil  seine  Lungenstructur. 

IL  F  ä  1 1  e  V  0  n  p  e  r  s  i  s  t  i  r  e  n  d  e  r  C  o  m  m  u  n  i  c  a  t  i  o  n  der  ersten 

Anlage  der  Kespi  rationsor  gane  mit   anderen   inneren 

Organen  oder  mit  der  Körperoberfläche. 

a)  Persistiren  de  C'ommunic  ation  mit  dem  Vorderdarm. 

Die  Entstehung  der  ersten  Anlage  des  Respiratious- Apparates  als 
eine  wahrscheinlich  von  Anfang  an  hohle  Ausljuchtung  der  vorderen 
Fläche  des  Schlundes ,  die  ursprüngliche  Rinnenform ,  bei  welcher  die 
Verbindung   mit   dem  Darm  eine  völlig  offene  ist  und  die  selbst  nach 

ODarmroln-. 
Trachea. 

vollendetem  Abschluss  der  Trachea  noch  geringe  äussere  Scheidung  in 
Folge  der  noch  längere  Zeit  beiden  Epithelialrohren  gemeinsamen  Mus- 
kel- und  Gefäss-Hülle,  diese  Uebergangsstufen,  die  besonders  H  i  s  klar- 
gestellt hat ,  bringen  es  mit  sich  ,  dass  Störungen  dieses  Vorganges  zu 
einer  abnormen  und  bleibenden  Verbindung  beider  Hohlräume,  sowie  zu 
partiellen  Obliterationen  führen  können.  An  dem  vierwöchentlichen 
Embryo  fand  K  ö  1 1  i  k  e  r,  obschon  beide  Epithelialrohre  getrennt  waren, 
die  Faserhülle  beider  Kanäle  noch  zu  einer  einfachen  Wand  verbunden, 
woraus  man  den  Schluss  ziehen  darf,  dass  Communikationen  der  Höhlen 
in  dem  »primären  Wachsthum«  der  Anlagen  (His)  ihre  Entstehung 
finden  müssen. 

Die  Casuistik  bietet  für  diese  Uebergangsstadien  mehrfache  Belege 
in  einer  nicht  geringen  Mamiigfaltigkeit.  P^ine  offene,  rinnenför- 
mige  Verbindung  der  Trachea  mit  dem  Oesophagus,  wohl 
das  früheste  hierher  gehörige  Stadium ,  ist  nur  hei  stark  missgebildeten 
Thiereu,  und  zwar  bei  Doppel-Missbildungen  beobachtet  worden. 

G  u  V 1 1  fand  Verbindung  der  Luftröhre  mit  dem 
Schlünde  zu  einem  e  i  n  f  a  c  h  e  u  E  o  h  r  e  bei  thierischen  Doppel- 
Missbildungen.  Auch  citirt  er,  nach  B  a  r  k  o  w,  einen  Fall,  in  wekhem 
die  doppelten  Luftröhren  hinten  mit  den  Speiseröhren  communicirten, 
die  weiter  unten  einfach  wurden.  Mayer  beobachtete  an  einer  Dop- 
pelmissbilduno- des  Lammes  auch  C  o  mm  u  n  i  c  a  t  i  o  n  der  hinten 
gespalten'en  Luftröhre  mit  dem  Schlund;  hierbei  war  die 
Luftröhre  oben  einfach,  unten  doppelt. 

Derartigen  vollen  Communicationen,  die  am  Menschen  nicht  be- 
obachtet worden  sind  ,  stehen  solche  M  i  s  s  b  i  1  d  u  n  g  e  n  zunächst ,  bei 
welchen  nur  eine  theilweise  Coramun i cation  beider  Hohl- 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


562 


Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Limge. 


lg;  A  t  r  e  s  i  e 


räume  stattfindet.  Am  häufigsten  ist  in  dieser  Beziehun^ 
des  Oesophagus  und  Commuuication  des  oberen  btucks  des- 
selben mit  der  Luftröhre,  eine  Anomalie ,  wie  sie  von  Martin  zu- 
erst, später  von  Scholl  er,  Ma  seh  ka  und  Perier  beschrieben 
worden  ist.  Ich  führe  diese  Fälle  kurz  an,  weil  sie  seltene  und  dabei 
doch  merkwürdig  übereinstimmende  Beobachtungen  sind. 

Martin:  Bei  einem  36  Stmiden  nach  der  Geburt  gestorbenen  Kinde 
ging  der  Schlund  in  eine  nur  wenige  Linien  lange  blinde  Speise- 
röhre über.  Die  Luftröhre  zeigte  uiunittelbar  über  dem  Ursprung 
der  Bronchien  eine  Oeffnung,  die  in  den  untern  Theil  der 
Speiseröhre  führte. 

Schöller:  Ein  wohlgebildetes  Kind,  welches  nach  4  Tagen  unter 
Athembeschwerden.  Erstickungszufallen  und  Ausstossen  des  Genossenen 
zu  Mund  und  Nase  starb,  zeigte  bei  der  Section  Folgendes:  Oeso- 
phagus oberhalb  der  Hälfte  der  Trachea  sackförmig  blind  endi- 
gend. Das  Lumen  dieses  obliterirten  Eohres  war  um  das  Doppelte 
erweitert,  die  Wandung  beträchtlich  verdickt.  Im  Grunde  des  Bliiid- 
sackes  lag  rechterseits  ein  wenige  Linien  grosser,  ovaler,  grauer  Fleck, 
der  aus  vielen,  kleinen,  knorpelartigen,  wärzchenförmigen  Gebilden  zu- 
sammengesetzt war.  Ungefähr  3  —  4  Linien  unterhalb  dieses  blinden 
>  Sackes  mündet  der  vom  Magen   aus  in  die 

Höhe  steigende,  normal  beschaffene  untere 
Theil  des  Oesophagus  dicht  oberhalb 
der  Bifurcations  -  Stelle  in  die  Trachea 
mit  ovaler,  glattrandiger  Oeffnung.  Von 
dieser  bis  zum  Blindsack  zog  sich  ein  run- 
des, compactes  Fleischbündel. 
(VergL  Fig.  1.) 
.  Maschka:  Oesophagus  nur  bis  zui- 
Mitte  durchgängig,  dann  blindsackartig 
endigend.  Das  untere  Stück,  welches 
wieder  durchgängig  war,  communicirte 
mit  der  Luftröhre. 

Piirier:  Atresie  des  oljeren  Thei- 
les  der  Speiseröhre.  Einmündung 
ihres  unteren  T  h  e  i  1  e  s  in  die  Tra- 
chea, entsprechend  der  Bifurcations  -  Stelle. 
Im  Anhang  hierzu  ist  noch  folgender  be- 
sondere Fall  zu  erwähnen: 

M  a  r  r  i  g  u  e  s  :     Die    Speiseröhre    verlor 
sich  am  hinteren  und  oberen  Theile  der  Brust- 
höhle   in   einer   kleinen  Anzahl  häutiger,   an 
die  ]3rustwirbel  gehefteter,  zellgewebsartiger 
Bälge,  die  sich  von  der  Speiseröhre  aus  auf- 
blasen Hessen, 
icheint    eine  Missbildung    vorgelegen   zu    halien,    die   man  als 
Unicum    ansehen   darf,    nämlich:    C  o  m  m  u  n  i  c  a  t  i  o  n    des   oblite- 
rirten Oesophagus  mit  derhoehgradigverkümmertenLuno-e. 


Fig.  1.    T.=  Trachea.  0.  = 

Oesophagus.     A.  =  Atresia. 

<J.  =  Communication. 


Hier 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc. 


563 


Andererseits  ist  auch ,  während  in  den  bisherigen  Fällen  das  u  n- 
t  e  r  h  al  b  der  Atresie  gelegene  Stück  der  Speiseröhre  mit  der  Luftröhre 
comimmicirte,  ein  Fall  beobachtet  worden,  in  welchem  diese  Communi- 
cation  oberhalb  der  imwegsamen  Stelle  bestand. 

Vrolik  nach  Tilanus.  Bin  Kind,  das  am  5.  Tage  gestorlien 
^var,  nachdem  es  von  Geburt  an  alles  Genossene,  mit  Schleim  und  Luft- 
blasen gemischt,  wieder  herausgebracht  hatte, 
ergab  folgenden  Sectionsbefund.  Der  Oeso- 
phagus verengerte  sich  etwas  unterhalb  des 
Isthmus  faueium  fast  zu  einem  Blindsack, 
von  dem  nur  eine  für  einen  dünnen  elasti- 
schen Katheter  durchgängige  OeÖ'nung  in 
das  untere,  wieder  weitere  Stück  führte, 
das  bis  in  den  Magen  wegsam  war.  Vor 
der  erwähnten  Stenose  führt  eine  ovale  Cnm- 
munication  in  die  Trachea. 

(Vergl.  Fig.  2.) 
Ausserdem  sollen  noch  Communicatio- 
nen  beider  Röhren  von  F  1  e  i  s  c  h  m  a  n  n, 
Lehmann,  AI  b'^e  r  s  und  Hörn  beob- 
achtet worden  sein;  im  letztgenannten  Falle 
endigte  zugleich  der  Oesophagus  in  einen 
„cul  de  sac". 

Dass    in    allen  den    genannten  Fällen  „.     „     „       m     , 

°  Flg.  2.     T.  =  Trachea.     0.  = 

gleichzeitig  Stenose  oder  selbst  vollkommene  Oesophagus.  C  =  Communica- 

Atresie  des  Oesophagus  in  Verbindung  mit  *'^°°'  ^-  ~  Ventnculus. 
der  abnormen  Persistenz  der  Tracheal-Communication  gefunden  wurde, 
ist  wahrscheinlich  dadurch  zu  erklären,  dass  das  zur  völligen  Trennung 
beider  Schläuche  herangezogene  Bildungsmaterial  an  der  unrichtigen 
Stelle  zur  Verwendung  gelangte,  den  Oesophagus  obliterirte  und  dafür  an 
der  vorderen  Wand  desselben  fehlte.  Ein  Theil  des  auf  dem  Boden  des 
Blindsackes  übrig  gebliebenen  Bildungsmaterials  war  als  effectiver,  un- 
verwendbarer Ueberschuss  in  dem  Scholl  er'schen  Falle  als  ein  Häuf- 
chen harter,  wärzchenähnlicher  Gebilde  (vergl.  Fig.  1.  Atresie)  noch  zu 
bemerken.  Doch  will  ich  es  dahin  gestellt  sein  lassen,  was  das  Primäre 
war ,  der  unvollkommene  Abschluss  der  hinteren  Trachealwand  oder 
die  Vorlagerung  des  Speiseröhren-Lumens  durch  Aberration  von  Bla- 
stem. Zur  Annahme  einer  Atresie  durch  fötale  Entzündung  drängt  in 
diesen  Fällen  Nichts. 

Literessant  ist  in  dem  Schöller 'sehen  Fall  die  excentrische  Hy- 
pertrophie des  Oesophagus-Theils  oberhalb  der  Obliteration ,  eine  Er- 
scheinung, die  ausserordentlich  an  gleiche  Vorgänge  bei  Darm-Stenosen 
erinnert. 

Die   Stelle   der  persistirenden   Gommunication  scheint   keine   be- 

36* 


564  Krankheiten  der  Athmuugsorgane.     Lunge. 

stimmte  zu  sein ,  da  eine  solche  sowohl  in  der  Höhe  des  Schlundes ,  als 
in  der  der  Bifurcation  vorgefunden  wurde.     Auäällig  ist,  dass  meistens 
das  Oesophagus-Stück  unterhalb  der  Atresie  mit  der  Luftröhre  in 
Verbindung  blieb,  ein  Umstand,  für  den  mir  eine  Erklärung  lehlt.  Dass 
immer  nur  der  Oesophagus  und  nie  die  Trachea  obliterirt  war ,  ist  un- 
schwer dadurch  zu  erklären,  dass  letztere  durch  die  Spannung  der  Knor- 
pelringe schon  frühzeitig  einer  Verschliessung  des  Lumens  widersteht, 
während  die  schlaffe,  nachgiebige  Speiseröhre  einem  Verlöthungs-  oder 
Compressions- Vorgänge    weit   leichter  unterliegt.     Bekannt  ist  es  ja, 
dass  die  Compressions-Stenosen  der  Trachea ,  deren  Analogie  mit  der 
Arterie  (im  Gegensatze  zu  der  Venen-ähnlichen  Weichheit  des  Oeso- 
phagus) in  früherer  Zeit  durch  den  Namen  Arteria  aspera  für  Luftröhre 
bezeichnet  wurde,  schon  einen  längeren  und  stärkeren  Druck  (durch 
Strumen,  Cysten-Hygrome  etc.)  voraussetzen,  ehe  die  pars  cartilaginosa 
der  Luftröhre  nachgiebt.     Anders  ist  es  mit  der  zarteren ,  dünnen  pars 
merabranaeca  der  Trachea ,  die  dem  Oesophagus  zugewandt  ist.     Nicht 
nur,  dass  diese  platte,  schlaffe  Rückwand,  wie  wir  sahen  ,  leichter  Bil- 
dungs-Defecten  unterworfen  ist;  sie  ist  es  auch,  die  vermöge  der  Nach- 
giebigkeit ihrer  wenig  resistenten  Muskelfasern  und  ihres  leicht  aus- 
emanderweichenden  elastischen  Fasergewebes    zu  Divertikel  -  Bilduncf 


neigt 


Em  solches  Divertikel  d  e  r  T  r  a  c  h  e  a  beobachtete  M  e  c  k  e  1. 
In  der  Gegend  des  5.  und  6.  Knorpelrings  besass  die  Trachea  ein  nach 
hinten  abgehendes  Divertikel  von  ■/.  Zoll  Durchmesser,  das  dünn  ge- 
stielt und  durch  eine  feine  Oeffnung  mit  der  Trachea  in  Verbindung  war. 

bs  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieses  Divertikel  alsResiduum 
einer  n  i  c  h  t  v  o  1 1  kom  m  e  n  v  e  r  s  c  h  w  u  n  d  e  n  e  n  C  o  m  m  u  n  i- 
c  a  1 1  0  u  anzusehen  ist. 

Die  Symptome,  welche  für  angeborene  Atresie  des  Oesophagus 
und  Communication  mit  der  Trachea  sprechen,,  sind :  Ausstossen  und  Er- 
brechen des  Genossenen  unter  Vermischung  mit  Luftblasen,  Erstick- 
ungszufalle,  Athembeschwerden,  Unfähigkeit  zum  Schreien. 
nach   w        "°  t'"''  ''\'^''f'^'''  ungünstig;  derartige  Kinder  sterben 

sch^iid.  ist.  Die  Persistenz  ^: :.^::^:::^:z!:::::z 


Fürst,   Missbildungen  der  Lungo  etc. 


565 


Fig.  3.     Fibröse  Verbindung  des 

(oblit.)  Oesophagus  mit  der 

Trachea. 


Von  der  hinteren  Wand  der 
Letzteren  ging,  etwa  1  Cm.  über  derBi- 
furcation  (mit  der  Abbildung  stimmt  dies 
nicht  überein),  ein  fibröser  Strang 
ab,  der  in  das  obere  obliterirte  Ende 
des  Oesophagus  überging.  Es  be- 
stand hier  also  eine  solide  Verschmel- 
zung der  obliterirten  Speiseröhre  mit  der 
Luftröhre. 

(Vergl.  Fig.  3.) 
Pagenstecher*):  Die  Speise- 
röhre war  als  abgerundeter  B  1  i  n  d- 
sack  verschlossen.  Das  untere, 
vom  Magen  aufsteigende  Stück  mün- 
detefrei  indieBrusthöhle.  Zwi- 
schen diesen  beiden  Enden  der  Speise- 
röhre bestand  eine  bandartige,  aus  Zollge- 
webe und  L'ängsfasern  bestehende  Brücke, 
welche  zugleich  eine  innige  Verbindung  mit  der  Luftröhre  bewirkte. 

In  beiden  Füllen  war  also ,  neben  der  bandartigen  Communication 
zwischen  Trachea  und  Oesophagus  eine  Atresie  und  hochgradige  Ver- 
kümmerung des  Letzteren  vorhanden. 

b)  P  ersistirend  e  Communication  mit  den  Kiemenbogen. 

Bei  mangelhaftem  Verschluss  der  3.  oder  4.  Kiemenspalte  und  per- 
sistirender  Communication  mit  dem  obersten  Theile  der  Schlund-  und 
Luftröhren-Anlage  entsteht,  indem  sich  die  Schlundbogen  bis  auf  einen 
restirenden,  fistelähnlichen  Kanal  normal  weiter  fortbilden,  die  voll- 
kommene T  r  a  c  h  e  a  1  -  F  i  s  t  e  1 ,  ein  Vorgang ,  dessen  Zustandekom- 
men ohne  Schwierigkeit  zu  verstehen  ist ,  wenn  man  die  offene  Verbin- 
dung ,  wie  sie  Anfangs  besteht ,  berücksichtigt. 

Die  Verbindung  des  Vorderarms  mit  der  Aussenfläche  des  Körpers 
ist  Anfangs  eine  sehr  vollkommene.  Am  wenigsten  ergiebig  ist  sie  an 
der  4.  Spalte.  Da,  wie  ßemak  gezeigt  hat,  diese  Schlundspalten  von 
innen  nach  aussen  durchbrechen,  so  dass  sie  von  der  Innenhaut  des 
Schlundes  ausgekleidet  sind,  ebenso  aber,  von  hinten  nach  vorn  vor- 
rückend, die  zwischen  den  Spalten  gelegene  Masse  der  Schlundwand 
diese  Kiemenspalten  umwächst  (Kölliker),  so  leuchtet  ein,  dass  bei 
der  weiteren  Ausbildung  des  Halses  ab  und  zu  eine  solche  Kiemenspalte 
nicht  vollständig  wieder  verschwindet,  wenn,  besonders  zwischen  der  3. 
und  4.  Spalte  das  für  den  4.  Kiemenbogen  bestimmte,  vorn  verdünnt 
auslaufende  Material  nicht  völlig  ausreicht,  oder  sonst  ein  Hindemiss 
des  completen  Verschlusses  besteht.  Es  wird  alsdann  dieser  spaltenför- 
mio-e  Gang  in  leichteren  Fällen  an  der  Haut  als  Grube  sich  markiien, 
in  schwereren  Fällen  einen  Canal  von  einiger  Tiefe  bilden,  in  den  com- 


*)  Vergl.  Ammon  Taf.  VIII.  Fig.  14. 


566  Ki-ankheiten  der  Atliniungsoi-gane.     Lunge. 

pletesten  eine  .virkliche  Verbmduny  mit  dem  obersten  Tlieil  der  Trachea 
besitzen. 

Bei  der  wesentlich  überwiegenden  Grös.se  der  1.  und  2.  Kiemeu- 
spalte  ist  es  begreiflich  ,  dass  im  Ganzen  Schlundfistehi  häufiger  sind, 
als  Trachealfisteln  (Hen  nig)  und  dass  wiedernm  die  Fistula  tracheae 
congenita  meist  nur  incomplet  ist,  d.  h.  nicht  Ijis  in  die  Trachea  reicht, 
was  dann  richtiger  als  Fistula  colli  coug.  bezeichnet  würde.  Diese  Ano- 
malie, welchezuerst  von  Dzondi  und  Ascherson  wissenschaftlich 
bearbeitet  worden  ist,  findet  sich  meist  nur  einseitig ,  und  zwar  vorwie- 
gend rechts  (Riegel),  selten  beiderseitig,  dann  aber  symmetrisch. 
Die  Diagnose  ist  nicht  zu  schwer.  Wenige  Cm.  über  dem  Sterno- 
clavicular-Gelenk,  zuweilen  etwas  höher  und  entfernter  von  der  Median- 
linie, meistens  in  dem  Winkel,  den  die  innere  Portion  des  Sternocleido- 
mastoideus  mit  dem  8ternal-Ende  des  Schlüsselbeins  bildet,  findet  sich 
eine  feine ,  mit  etwas  gewulstetem ,  leicht  geröthetem  Kande  versehene 
Oeffnung  ,  aus  der  zuweilen  ein  Tröpfchen  zäher ,  heller  Schleim ,  dem 
bei  completeu  Trachealfisteln  Luftbläschen  beigemischt  sind,  zumal  auf 
Druck  hervorquillt.  Selten  findet  man  mehrere  solche  Oeffnungen  über- 
einander ,  die  dann  mehreren  Kiemenspalten  entsprechen.  Bei  Sondi- 
rung  mit  einer  feinen  Borste  ergiebt  sich  nur  in  Ausnahmefällen  eine 
nachweisbare  Verbindung  mit  der  Luftröhre.  Meist  endigt  der  fistulöse 
Gang  blind  (cystös,  Riegel)  imd  zwar  um  so  wahrscheinlicher,  je  wei- 
ter seitlich  die  Oeffnung  gelegen  ist,  während,  je  näher  sie  der  Mittel- 
linie liegt ,  die  Communication  mit  der  Trachea  eher  zu  erwarten  ist. 

Ein  recht  kl.irer  Fall  von  incompleter  Tracheal-Pistel, 
den  Z  e  i  s  beschrieben  hat,  sei  hier  kurz  erwähnt :  Ein  5—6  Monate  altes 
Kind  zeigte  an  der  linken  Seite  des  HaJses,  nahe  am  Sternal-Ende  der 
Clavicula,  eine  kleine  Gesehwulst.  Bei  Druck  entleerte  sich  eitrige 
Flüssigkeit  aus  der  sehr  feinen  Oeffnung.  Die  Wände  des  Fistelkanals 
Hessen  sich  durchfühlen.  Eine  feine  Sonde  drang  nur  7..  Zoll  nach  dem 
Innern  des  Halses  zu  ein.    Luftaustritt  aus  der  betr.  Oeffnung  war  nicht 

zu  bemerken.  Die  Sec- 
tio n  ergab  ein  cystöses 
Ende  des  Fistelgangs  un- 
ter der  Cutis.  Keine 
Communication  mit  der 
Trachea. 

Ich    füge ,    da    diese 

Fig.  4.     Incomplete  TrachealfisteL  l?"^  "^f™  Kinderarzte  am 

haufagsten   begegnet,    die 
betr.   Abliildung  bei.     (Vergl.  Fig.  4.) 

Bei  der  Diagnose  ist  zu  berücksichtigen,    dass  ein  von  einer 

Lymphdrüsen- Abscedirung  zurückgebliebener,  fistulöser  Gang,  der  noch 

jahrelang  fortsecernirt,  einen  ähnlichen  Eindruck  machen  kann.    Pro- 


Fürs  t,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  567 

g  11  o  s  t  i  s  c  h  ist  diese  Missbildung  nicht  ungünstig ;  meist  erfolgt  die 
Heilung  spontan. 

c)    Residuen    einer    Coimuuuica  tio  n   der    Haut- Anlagen   mit 
den  Anlagen  des  E  espirations- Api3  arates. 

Das  Vorkommen  von  D  e  r  m  o  i  d  -  C  y  s  t  e  n  in  der  Lunge  ,  resp.  in 
der  Brusthöhle,  wie  solches  durch  einige  Beobachtungen  sicher  gestellt 
ist ,  vermag  man  nicht  anders  als  durch  ein  Zurückgehen  auf  eine  sehr 
frühzeitige  embryonale  Entwickelungsstufe  zu  deuten. 

Die  mir  bekannt  gewordenen  Fälle  sind  kurz  folgende : 
Mohr.  Am  18.  Decbr.  1838  wurde  auf  die  Medicinische  Klinik 
zu  Würzbui'g  ein  28jaliriges  weibliches  Individuum  aufgenommen,  das 
seit  14  Jahren  an  einer  „Brustkrankheit"  gelitien  hatte.  Die  Diagnose 
war  unsicher.  Man  nahm  ein  „fremdes  Product"  im  linken  Lungenflügel 
an.  Seit  Beginn  obiger  Krankheit  hatte  Patientin  wiederholt  ganze  Büschel 
gekräuselter  rother  Haare  ausgehustet ;  auch  in  der  Klinik  wiederholte  sich 
dies  bis  zu  ihrem  Tode.  Die  Section(15.  März  1839)  ergab,  dass  sich,  als 
man  das  Sternum  und  die  angrenzenden  Eippen  entfernen  wollte,  durch 
Zerreissung  des  Lungenparenchyms,  und  zwar  der  mit  der  Brustwand 
verwachseneu  linken  Lunge  mehrere  grosse  hohle  Knoten  öftneten. 
Diese  Knoten,  worunter  Ijesonders  zwei  über  liühnereigrosse ,  sassen  in 
der  Lungenspitze,  communiciiten  untereinander,  und  hatten  eine  mem- 
branöse  Wand,  die  mit  l'/^  — 2Va"  langen  Haaren  besetztwar.  Die 
Höhlen  enthielten  Büschel  von  zahlreichen  freiliegenden  Haaren  und  eine 
eiweissartige,  flüssige  Masse.  Kölliker  und  Virchow,  welche  llJahre 
später  das  in  der  Wüizburger  Sammlung  befindliche  Präparat  ausfülu- 
licher  beschrieben,  fanden,  „dass  die  Cystenwand  ganz  wie  die  äussere 
Haut  gebaut  war.  Sie  zeigte  Epidermis,  Cutis  und  Papillen, 
Panniculus  adiposus,  Haare  mit  normalen  Bälgen,  grosseTalg- 
und  normale  Schweissdrüsen." 

Salomonsen.  Eine  am  7.  Decbr.  1861  in  seine  Behandlung  ge- 
kommene 24jährige  Dienstmagd  hatte  schon  lange  an  Husten  und  Brust- 
beschwerden gelitten.  Unter  Hämoptoe  und  Phthisis  ging  sie  zu  Grunde. 
Bei  der  Section  fand  man,  dass  ein  kleiner  Bronohialast,  welcher 
einwärts  gegen  den  Hilus  der  Lunge,  dicht  beim  vorderen  Rande  des- 
selben, führte,  am  Ende  zu  einer  taubeneigrossen  Dermoid-Cyste 
ausgedehnt  war.  In  die  Höhle  derselben  ragten  2  nnssförmige,  knotige 
Verdickungen  der  Cystenwand.  Letztere  zeigte  Epithel,  Corium, 
Talgdrüsen,  Haarsäcke  mit  feinen  Haaren,  Bindegewebe, 
Fett  und  etwas  Knochengewebe.  Die  Cyste  hatte  sich  von  der 
Pleura  aus,  dicht  am  vorderen  Lungenrande,  entwickelt  und  in 
den  erweiterten  Bronchialast  geöflnet. 

Cloütta  (Zürich):  Ein  20jähriges  an  Lungen-Tuberkulose  leidendes 
Mädchen  hatt,e  häufig  einen  reichlichen  Auswurf  von  Haaren.  Die  Sec- 
tion zeigte  an  der  Innenfläche  des  unteren  Lappens  der  linken 
Lunge  einen  grossen,  mit  Haaren  und  schmierigem  Fett  gefüllten  Sack. 


5(38  Ki-anklieiten  der  Athmungsorgane     Lunge. 

Derselbe  bestand  aus  2  Abtheilungeii ,  von  denen  die  kleinere  (apfel- 
grosse)  nur  zu  Vs  ibres  Volumens  in  das  Lungengew  ebe  ragte. 
Die  Wandungen  der  Cyste  waren  dick  und  Ijestanden  aus  einem  festen, 
fasrigen  Gewebe,  welches  Knorpel,  Knochenstücke  (aber  keine  Zähne) 
enthielt.  Die  innere  Auskleidung  der  Höhle  war  uneben,  bestand  aus 
condylomatösen  Wucherungen  und  dicken  Strängen  und  war  mit  Haaren 
besetzt.     Die  Cyste  conmnmicirte  mit  einer  Lungen-Caverne. 

Diese  drei  Fälle  *)  zeigen  manches  üebereinstimmeiide.     In  allen 
hatte  die  Affection  weibliche  Individuen  befallen  und,  was  zunächst  für 
die  Prognose  von  Bedeutung  ist,  das  Leben  erst  nach  Jahren  (im  3. 
Jahrzehnt)  ernstlich  bedroht ,  indem  secuudäre  Lungenphthise  eintrat. 
In  allen  Fällen  war  die  Cyste  von  der  Pleura  costalis  oder  pulmonalis, 
sowie  von  dem  mediastinalen  Bindegewebe  ausgegangen  und  erst  nach 
und  erst  nachher  in  das  Lungen-Gewebe  hineingewachsen,  dasselbe  in 
mehr  oder  weniger  ausgedehnter  Weise  destruirend.     Diese  AnomaHe 
Ijot  ferner  als  ein  sehr  interessantes  Symptom  (neben  chronischem 
eitrigem  Auswurf,  Husten  und  Brustschmerz)  Haar- Auswurf.  Die  roth- 
liche  Farbe  der  Haare  entsprach  dem  Befund  bei  den  meisten  Dermoid- 
cysten. Aus  alledem  geht  hervor,  dass  sie  eine  practische  Bedeutung  hat. 
Uu-e  Erklärung  ist  nicht  anders   möglich,    als    dass    man    annimmt, 
noch  ehe   der  Verschluss   der  Pleura-Hühle   complet  erfolgt  war,    seien 
Elemente  der  oberen,  animalen  Schicht,  nämlich  des  Hornblattes  und  der 
oberen   Seitenplatte    mit    den  Theilen    der    unteren    vegetativen  Schicht, 
welche  zui-  Bildung  der  Pleurahöhle  beitragen,  verschmolzen,  analog,  wie 
diese  Aberration  bei  Bildung  der  Dermoid-Cysten  des  Ovariums  zu  den- 
ken ist.    Da  sowohl  archiblastische  Anlagen  (Epithehen,  Haare,  Drüsen), 
als  auch  parablastische  (Bindegewebe  [Fett],  Knorpel-   und  Knochenge- 
webe, Zähne)    in   diesem  Einschmelzungsvorgange   an  eine  falsche  Stelle 
geriethen  ,    so    kann   man    hier  nur  an  eine  sehr  frühzeitige  Heterotopie 
denken ,    die   aus  der  Zeit  der  ersten  Gliederung  der  Embryonal -Anlage 
datirt.     Mit  Waln-scheinlichkeit  ist  es  die  Medianlinie,   die,   indem   sich 
die  Brusthöhle  hier  schliesst,    die  Pforte  bietet,  durch  welche  derartige, 
dann  an  der  inneren  Brustwand  ihrer  specifischen  Tendenz  gemäss  fort- 
wuchernde heterogene  Elemente  hereingezogen  werden. 

m.  Angeborene  Lage- Anomali  en  der  Lunge. 
aj  Bei  normalem  Verschluss  der  Brusthöhlt 
_  Die  symmetrische  Anlage  der  Lungen  zu  Ijeiden  Seiten  der  Axe 
zeigt  erst  in  der  8.  Woche,  nach  K  ö  1 1  i  k  e  r,  eine  Differenz,  indem  nun- 
mehr die  Bildung  und  bestimmte  Ausprägung  der  Hauptlappen  erfolgt, 
deren  Andeutung  am  Lnde  des  1.  Monats  erst  schwach  war  Die  drei- 
lappige rechte,  die  zweilappige  linke  Lunge  lassen  sich  je'tzt  deutlich 


*)  Neben  denen  S.  noch  Beobachtungen  von  Münz  und  M 


uret  citirt. 


Fürs  t,  Missbildungen  der  Lunge  etc. 


569 


unterscheiden.  Nicht  selten  findet  man  aber  eine  Inversio  lateralis, 
entweder  nur  an  der  Lunge,  oder  gleichzeitig  an  anderen  Organen 
der  Pleuroperitoneal-Höhle. 

Die  zuerst  von  R  i o  1  an ,  später  von  M  e c  k e  1  und  vielen  Anderen 
beschriebene  seitliche  Umkehrung  der  Brusteingeweide,  welcher  G  e  o  f- 
froy  St.  Hilaire  den  Namen  Heterotaxie  gab ,  geht  mit  einer  voll- 
ständigen ,  der  veränderten  Lage  angemessenen  Umänderung  der  Form 
und  Anordnung ,  im  Uebrigen  aber  mit  intacter  Beschaffenheit  der  Or- 
gane selbst  einher,  so  dass  man  in  der  That  die  gewonnene  Ansicht  mit 
einem  »Spiegelbild«  des  normalen  Situs  vergleichen  kann.    Diese  Miss- 
bildung ist  nicht  gerade  häufig,  aber  insofern  von  geringem  Literesse, 
als  trotz  der  Transposition  bis  in's  hohe  Alter  ein  ungestörtes  Wohlbe- 
finden bestehen  kann  (vergl.  Morand's  72jährigen  Invaliden)  und  die 
Anomalie  ,  wenn  keine  Veranlassung  zu  klinischer  Untersuchung  (wo- 
bei sich  die  Anomalie  durch  Auscultation  und  Percussion  nachweisen 
lässt)  gegeben  war,  gewöhnlich  im  Leben  übersehen  und  nur  bei  der 
Section  entdeckt  wird ,  also  keine  ungünstige  Prognose  bietet. 
Einige  Fälle  seien  zur  Illustration  des  Gesagten  angeführt. 
Förster.     Ein   von   einer   24jähvigen  Frauensperson    herrührendes 
Präparat,  welches  sich  in  der  Pathol.-anat.  Sammlung  zu  Würzburg  be- 
findet (X.  2589),  zeigt  Trans- 
position   der    GefässstUmme, 
Eechtslage  der  Trachea,  drei- 
fache   Lappung    der    linken, 
zweifache  der  rechten  Lunge. 
(Vergl.  Fig.  5.). 
B.  Schnitze  (Diagnose 
im  Leben) :    Bei    einem    31- 
jährigen  Frauenzimmer   fand 
man  vor  dem  Sternura  links 
bis  zum  Knorpel  der  5.  Rippe 
Lungenton ,    dessen    Grenze, 
den  oberen  Rand  der  6.  Rippe 
passirend,  nach  aussen  etwas 
abwärts     verlief.       Rechts 
ging  der  Lungenton  bis  zum 

3.  Litercostalraume  herab.  In  der  Höhe  des  4.  Intercostalraums  links 
lag  der  (hj'pertrophische)  Pulmonal- Ventrikel.  Die  Pulmonaltöne  waren 
im  2.  Intercostalraume,  1"  rechts  vom  Sternalrand  hörbar.  Den  Spitzen- 
stoss  konnte  man  im  5.  unteren  Intercostalraume  fühlen. 

Gewöhnlich  ist  in  solchen  Fällen  auch  die  Anordnung  der  Bron- 
chialäste und  Gefässstämme  der  Umlagerung  entsprechend  gerändert, 
so  dass  die  Lungenarterie  von  der  linken  Kammer  ausgeht  und  die  Lun- 
genveuen  in  den  rechten  Vorhof  münden. 

Die  Inversion  kann  auf  die  Lunge  beschränkt  sein ;  meist  ist  sie 


Fig.  5.    Förster,  Situs  transversus  der 
Brustorgane. 


570  Krankheiten  der  Atimungsorgane.     Lunge. 

mit  allgemeinem  Situs  trausv.  combinirt.    Letztere  o  hu  e  gleichzeitige 
Inversion  der  Lungen  hat  Desruelles  beobachtet. 

Die  Trachea,  welche  vor  dem  Oesophagus  imd  etwas  nach 
rechts  zu  liegen  pflegt  (vergl.  Braun  e's  Topogr.-Anat.  Atl.  Leipz. 
1875.  Taf.  VIII.),  ist  in  Fällen  von  Transpositio  pulmonum  nach  links 
gerückt. 

b)  Bei  mangelhaftem  Verschluss  der  Brusthöhle. 

Ein  solcher  ungenügender  Verschluss  kann  auf  zweierlei  Art  statt- 
finden ,  einmal  durch  ungenügende  Verschmelzung  der  Bedeckungen 
nach  der  Bauchseite  des  Embryo  zu ,  das  andere  Mal  durch  unvollkom- 
mene Ausbildung  des  Zwerchfells.  Im  ersteren  Falle  communicirt  das 
Innere  der  Thoraxhöhle ,  ähnlich  wie  die  Peritonealhöhle  bei  tiefer  ge- 
legener Spaltbildung,  mit  einem  vom  Amnion  gebildeten  Sack,  während 
bei  Defect  des  Diaphragma  die  Brust-  und  Abdominal-Höhle  in  Com- 
munication  treten. 

Bei  der  angeborenen  Brustspalte  kommt  es  zwar  in  den  mei- 
sten Fällen  nur  zu  einer  Ektopia  cordis,  doch  haben  Prochaska, 
Fleischmann,  Meckel,  L  ach  m  und,  Vrolik  in  derartigen 
Fällen  auch  Ektopia  pulmonum  (Luugenbrüche)  beobachtet, 
wenngleich  eine  Vorlagerung  der  Lungen,  wie  Förster  mit  Recht 
hervorhebt,  selten  ist,  gegenüber  dem  Vorfall  des  Herzens.  Die  Dia- 
gnose ergiebt  sich  schon  durch  Inspection  und  Pal patiou ;  die  Pro- 
gnose ist  natürlich  absolut  ungünstig.  Selbst  bei  bedeutenden  Spal- 
ten bleiben,  diesem  Autor  zufolge,  die  Lungen  gewöhnlich  in  der  Brust- 
höhle und  in  ihrer  Lage. 

Einen   prägnanten   Fall, 
den  Vrolik  abbildet,  füge 
ich    in    der    Zeichnung    bei, 
(vergl.  Fig.  6.) ,    wenngleich 
es     sich     hier    zunächst   ma 
Bauehspalte     handelt.       Die 
linke  Lunge  liegt,  gemeinsam 
mit  Herz,  Magen,  Darm  und 
Leber  frei;  das  Mediastinum 
ist,  wie  gewöhnlich  in  solchen 
Fällen,  defect. 
Ist  keine  eigentliche  Brust- 
spalte, sondern  nur  eine  häu- 
tig überkleidete  Fissura  sterni 
vorhanden  ,  so  fehlt  jede  Ek- 
topie  der  Lungen. 

Bei  Zwerchfell-De- 


Fig. 


0.     P. 

L.  := 


s.  =  Pulmo  sin.     H.  =;  Hepar. 
Lien.     V.  ^^  Ventriculus. 


F  ü  r  s  t ,  Missbildungen  der  Lunge  etc. 


571 


f  e  c  t  e  n ,  die  zuweilen  eine  bedeutende  Communication  der  Brust-  und 
Bauchhöhle  darstellen ,  participirt  theils  die  Lunge  activ  an  einer  Her- 
nia  diaphragmatica ,  indem  sie,  sogar  mit  dem  Herzen,  in  die  Bauch- 
höhle übertreten  kann  (Velpeau),  theils  erfährt  die  Lunge  passiv  eine 
Lageveränderung  durch  die  in  die  Brusthöhle  übergetretenen  Därme. 
Bin  solcher  Fall  von  Dislocation  und  Compression  der 
Lungen  sei  als  Paradigma  hier  angeführt. 

V  r  ol  i  k.  Bei  einem  Kinde, 
welches  12  Tage  lang  unter 
Dyspnofi  gelebt  hatte ,  fanden 
sieh  bei  der  Section  die  Dünn- 
därme durch  eine  Zwerrhfell- 
Hernie  in  die  rechte  Pleura- 
höhle dislocirt.  Sie  hatten  die 
rechte  Ijunge  comprimirt  und 
nach  aufwärts  gedrängt,  das  Me- 
diastinum und  Herz  aber  nach 
links  verschoben. 

(Vergl.  Fig.  7.) 
Dass  bei  Doppel  Missbil- 
dungen die  Lage- Anomalie  der 
Lunge  eine  höchst  bedeutende 
sein  kann,  sei  im  Anschluss  hier 
an  nur  beiläufig  erwähnt.  S  e  r- 
res  beschreibt  einen  solchen  Fall,  bei  welchem  zwar  die  Respirations- 
organe doppelt,  aber  sämmtlich  in  der  Brust  des  Trägers  gelegen  waren, 
da  der  Parasit  keine  Brusthöhle  besass.  Was  die  P  r  o  g  n  o  s  e  anbelangt, 
so  ist  die  Lebensdauer  bei  allen  derartigen  ,  durch  Defecte  veranlassten 
Lageveränderungen ,  selbst  wenn  sonst  keine  Missbildungen  vorhanden 
sind,  gewöhnlich  nur  unbedeutend.  Die  Diagnose  ist  nur  aus  der  mit 
hochgradiger  Dyspnoe  verbundenen  Verdrängung  der  Lunge  zu  ge- 
winnen. 


,-c 


Fig.  7.  P.  s. 


P.  d.  =  Pulmo  sin.  u.  dextr. 
C.  --=  Cor. 


IV.    Mangelhafte  weitere  Ausbildung  der  Respira- 
tionsorgane. 

a)  Excessive  Missbildungen. 

Was  zunächst  die  Trachea  betrifft ,  so  kann  man  wohl  über  das 
Vorkommen  einer  Verdoppelung  bei  eiuköpfigen  Doppelmonstren  kurz 
hinweggehen.  Wichtiger  ist  die  Theilung  der  Trachea  in  drei 
H  auptbronchi,  die,  während  bei  den  Cetaceen  ein  vor  der  Bifurca- 
tion  abgehender  3.  (zu  der  rechten  Lunge  führender)  Bronchus  vor- 
kommt ,  beim  Menschen  ungewöhnlich  ist. 

Dennoch  erwähnen  Riegel,  Cruveilhier,  Albers,   Sandi- 


572  Ki-ankheiten  der  Athmungsorgane.     Lnngc. 

fort  diese  Anomalie  und  L  e  u  d  e  t  führt  speciell  einen  Fall  an ,  in 
welchem  der  obere  La  p  p  e  n  der  rechten  Lunge  2  Bronchien  er- 
hielt. 

Die  Lunge  zeigt  Bildungs-Excesse  meist  hinsichtlicli  der  Lap- 
pun  g,  die  grosse  Variationen  darbietet,  von  der  Andeutung  überzäh- 
liger Lappen  durch  tiefere  Theilungsfnrchen  eines  Lappens  Geof  f  r  oy 
St.  Hilaire,  Meckel,  Förster)  bis  zm-  Bildung  von  7  Lappen 
(F 1  e  i  s  c  h  m  a  n  n).  So  bat  zuweilen  die  linke  Lunge ,  ebenso  wie  die 
rechte,  3  Lappen  (G  e  o  f  f  r  o  y  St.  H  i  1  a  i  r  e,  S  ö  m  m  e  r  i  n  g,  M  e  c  k  el), 
oder  der  untere  Lappen  der  rechten  Lunge  ist  getheilt  (Meckel).  Ein 
anderes  Mal  waren  »bei  einem  selir  grossen  Manne«  die  Lungen  beider- 
seits in  4  Lappen  getheilt  (Mol  in  et ti).  Abnorm  tiefe  Einschnitte 
der  Lappen  hat  Förster  besonders  an  den  unteren  Lungenlappen  be- 
obachtet;  Fleisch  mann  fand  überzählige  Lappung  meist  rechts. 
Hieran  schliessen  sich  die  accessori sehen  Lun  gen  1  app  en, 
welche  als  isolirte  Gebilde  beschrieben  worden  sind.  Einen  über- 
zähligen Spitzenlappen  erwähnt  Collins;  ebenso  sind  aber 
überzählige  Lappen  an  der  Basis  beobachtet  worden. 

Rokitansky  beschrieb  folgendes  Präparat,  (aus  dem  path.-anat. 
Institut  zu  Wien)  ,  herrührend  von  der  Leiche  eines  Smonatl.  weibl. 
Kindes :  Im  linken  Pleurasäcke  lagert,  zwischen  die  Basis  der  nor- 
mal gestalteten,  zweilappigen  Lunge  und  das  Zwerchfell  eingeschaltet,  ein 
Stampfer,  eonischer  accessorischer  Lmigenlappen,  der  ohne  jeden  Bron- 
chus und  demgemäss  ohne  Zusammenhang  mit  der  Tra- 
chea ist.  Zwei  Arterien,  die  aus  der  Aorta  thoracica  kommen,  treten 
in  diesen  völlig  isolirten  Lappen  ein,  und  zwar  von  einer  etwas  dickeren, 
der  Wirbelsäule  zugekehrten  Stelle  des  Basalrandes.  Hier  tritt  eine 
Vene  heraus,  welche  über  die  10.  Rippe  an  die  Wirbelsäule  und  sofort 
üliei'  diese  nach   der  Azygos   heraufsteigt.     Nerven   vom   Aortengeflecht. 

Rektorzik:  Bei  einem  14tägigen  Mädchen  zeigte  sich  im  untern 
Abschnitt  der  linken  Thoraxhälfte  ein  unten  concaver,  oben  und  seit- 
lich convexer,  bliiulich-rother,  mit  der  betr.  Lunge  in  keiner  Verbindung 
stehender  Lappen.  Dieser  Lobulus  inferior  accessorius  erhielt  in  der  Höhe 
des  10.  Brustwirbels  aus  der  Aorta  thoracica,  vor  dem  Ursprung  der  7. 
Intercnstal- Arterie ,  eine  2  Cm.  lange  Arterie,  welche  am  Innern  Rande 
der  concaven  Fläche  in  dies  Lungenstück  trat  und  sich  daselbst  ver- 
ästelte. Ebendaselbst  trat  eine  Vene  heraus,  die  sich  mit  der  Hemiazygos 
vereinigte.  Die  Pleura  umhüllte  die  Gefässe  und  den  Lappen  taschen- 
artig. Uebrigens  war  in  diesem  abgetrennten  Stück  Lungenparenchym 
ein  System  von  verzweigten  Canaliculis  aeriferis  mit  unvollkommener 
Alveolenbildung  vorhanden. 

Man  hat  es  ohne  Zweifel  in  solchen  Fällen,  die  selten  sind  (Rek- 
torzik's  Angabe,  ein  accessorischer  zungenförmiger  Lappen  ander 
hintern  Basalfläche  der  Lunge  sei  fast  constant  und  in  80  "jo  der  Leichen 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  573 

anzutreffen ,   bedarf  noch  der  Bestätigung)  mit  sehr  frühzeitigen  Ab- 
sehnürungen ,  möglicherweise  durch  Pleurafalten ,  zu  thun. 

Eine  angeborene  Verlängerung  der  L  u  n  g  e  n  s  u  1)  s  t  a  n  z 
län  gs  de  r  Luftröhre  hat  Guldberg  gesehen. 

Die  Lunge  eines  30jähiigen  Mädchens  zeigte  rechterseits  vielfache 
l^leuritische  Adhäsionen  und  zugleich  eine  l'/i — 2"  breite  Verlängerung 
der  Lungen.substanz  von  der  Spitze  der  rechten  Lunge  aus  längs  der 
Trachea  hinauf  bis  zur  Mitte  der  Glandula  tyreoidea.  Der  rechte  Haupt- 
bronchus  gab  unmittelbar  an  seinem  Ursprünge  einen  Seitenzweig  an 
jene  Verlängerung  ab.  —  Die  linke  Lunge  war  normal. 

Es  ist  nicht  anders  möglich,  als  dass  diese  abnorme  Ausziehung  der 
Lungensubstanz  zu  einem  sehr  ungewöhnlichen  accessorischen  Lappen 
in  den  ersten  Fötal-Monaten  erfolgt  ist.  —  Ueljerzählige  Lappungen 
sind  sjTiiptomlos  und  beeinträchtigen  weder  das  Wohlbefinden  noch  die 
Lebensdauer. 

Excessive  Ausbildung  des  Lungenparenchyms  der- 
art ,  dass  die  Lungenzellen,  besonders  an  der  Oberfläche,  stark  vergrös- 
sert  (Haselnuss-  bis  Stachelbeer-gross)  waren,  wollen  Morgagni  und 
Baillie  beobachtet  haben.  Es  ist  anzunehmen,  dass  hier  Verwechse- 
lung mit  subpleuralem  Emphysem  oder  cystösen  Degenerationen  vorlag. 
Doch  kommt  auch  grobblasiger  Bau  vor.  (s.  u.) 

Abnorme  Duplicaturen  der  Pleura  erwähnt  Förster. 
Als  sehr  selten  bezeichnet  Rokitansky  derartige  Duplicaturen  der 
Costal-Pleura.     Ein  Fall  verdient  hier  Erwähnung. 

Kokitansky:  Die  Pleura  bildete  in  der  stumpfen  Spitze  des 
Pleurasackes  eine  von  oben  und  aussen  nach  ab-  und  einwärts 
hängende  Falte,  die  an  ihrem  freien  Rande  die  Vena  azygos  aufnahm 
und  in  einer  überzähligen,  den  oberen  Lungenlappen 
trennenden  Incisur  lagert." 

Dieser  Fall  lehrt  uns,  dass  die  Abtrennung  eines  Stückes  Lungen- 
substanz durch  eine  scharfe  Pleurafalte  möglich  und  dass  die  oben  aus- 
gesprochene Erklärung  des  Entstehens  accessorischer  Lungenlappen 
richtig  ist.  Auch  hier  spielte  die  mitbetheiligte  Vena  azygos  eine  Rolle, 
die,  vielleicht  in  Folge  frühzeitiger  Adhäsionen  der  Lunge  und  der  Tho- 
raxwand (Birch-Hir Sehfeld)  beim  Descensus  coixlis  nicht  hinter 
die  Lungen  gelangen  konnte  und  dadurch  ein  Lungenstück  abschnürte. 

b)  M  i  s  s  b  i  1  d  u  n  g  e  n  durch  V  e  r  k  ü  m  m  e  r  u  n  g. 

Beginnen  wir  hier  wieder  mit  der  Trachea,  so  ist  A  t  r  e  s  i  e  der- 
selben, resp.  der  beiden  Bronchi ,  ungenügende  Theilung,  ab- 
norme K  rümmung,  Confluenz  mehrerer  Knorpel,  normahj 
Längs-  und  Quer  Spaltung  von  Riegel  erwähnt. 


574  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Angeborene  Stenose  der  Trachea  mit  consecutiver  ab- 
normer Ausdeliuung  der  Lungen  hat  Rah  n- Esc  her  beobachtet. 

Der  Fall  betraf  einen  Knaben,  der  von  Geburt  an  Atbembescbwer- 
nen  hatte  und  in  der  22.  Woche  einer  Darmerkranbung  erlag.  Ausser 
dem  Kehlkopf  wai'en  die  3  obersten  Einge  der  Luftröhre  auffallend  en- 
ger, überhaupt  aber  die  ganze  Trachea  bis  zur  Bifuiration  von  gerin- 
oerem  Kaliber.     Die  Lungen  zeisteu  o-robzelligen  Bau. 

Die  V  erklimme  r  laugen  der  Lunge  selbst  nöthigen  ims  zu 
einem  kurzen  Rückblick  auf  die  Entwickelung  der  Lungen. 

Wir  müssen  uns  erinnern,  dass  die.selben  wahrscheinlich  von  Anfang 
an  hohle  Ausstülpungen,  einfache  längliche  Säckchen  (Kölliker)  dar- 
stellen und  dass  sowohl  ihre  äussere  L  a  p  p  u  n  g  als  auch  ihre  i  n- 
n  e  r  e  Ausbildung  erst  nach  und  nach  auftreten,  sobald  sich  jedes 
Lungensäckchen  in  einen  kurzen  Stiel  (Bronchus)  und  in  ein  erweitertes 
Ende  (Lunge)  geschieden  hat.  W^ährend  die  andern  Drüsen  Anfangs  so- 
lid sind ,  dann  erst  Höhlungen  erhalten ,  sind  die  sprossenartigen  Aus- 
stülpungen des  Epithelrobrs  der  Lungen  -  Anlage ,  indem  sie  stets 
von  der  mitwuchernden  Faserschicht  umgeben  bleiben,  von  An- 
fang an  hohl,  und  vermehren  sich  durch  kolbige  Ausläufer  zu  dentri- 
tisch  verzweigten  Kanälchen.  In  Folge  dieser  Knospung  und  Verästelung 
prägen  sich  zunächst  in  der  8.  Woche  Hauptlappen  aus ,  denen  im  3. 
Monat  die  Anlagen  der  primitiven  Drüsenbläschen  folgen.  Jedes  dieser 
Drüsenbläschen  zeigt  immer  wieder  dieselbe  Anordnung  ,  innen  das  (ar- 
chiblastische)  Epithel ,  aussen  die  (parablastische)  Paserhülle ;  den  Kitt 
dieses  Systems  von  Hohlräumen,  bildet  das  interstitielle  Fa.sergewebe. 
Mit  Vermehrung  der  Drüsenbläschen,  die  durch  wiederholte  Spro.ssung 
des  Epithelrohrs  erfolgt,  bietet  nach  und  nach  die  Lungen-Oberfläche 
das  bekannte  polygonale  Bild.  Im  4.-5.  Monat  hat  dann  die  Intensität 
der  Sprossung  nachgelassen;  die  neuen  Bläschen  und  Bronchialästclieii 
werden  kleiner,  die  Epitbelsprossen  dünner.  Eist  im  6.  Monat  ist  dieses 
Wachsthum  in  seinem  ausseien  Bau  abgeschlossen ;  die  Vermehrung  der 
Hohlräume,  das  Wachsthum  und  die  Epithelauskleidung  der  Luftzellen, 
die  Vergrösserung  der  einzelnen,  isolirten  Lä))p(;hen ,  die  Verringeruiif; 
der  Anfangs  noch  hochgradigen  Communikation  der  einzelnen  Lungen- 
bläschen —  kurz,  die  innere  Fortentwickelung  der  Lungen- Anlage  ist 
die  Aufgabe  der  3  letzten  Fötal-Monate.  in  denen  es  auch  (nachEathke) 
zuerst  möglich  wird,  die  Lungenzellen  aufzul^lasen.  Wie  man  sieht, 
macht  also  vom  6.  Monate  an  die  Lunge  Stadien  durch,  welche  lebhaft 
an  die  innere  Lungen-Überfläche  niederer  Thiere  erinnert,  an  die  weni- 
ger Oberfläche  darluetende,  daher  auch  weniger  Blutgefässe  führende 
Lunge  der  Perennibranchiaten ,  des  Triton  und  anderer  Salamander,  bei 
welchen  statt  vollständiger  Septa  nur  wenig  vorspringende  maschenartig 
angeordnete  Leistchen  und  Bälkchen  die  einzelnen  EndrUume  trennen  und 
demnach  weite  Communicationen  bestehen  (Gegenbaur).  Derartige  un- 
vollkommene innere  Ausbildung  der  Lungen  ist  anolog  frühen  embryo- 
nalen Stufen. 

Von  den  durch  fötale  Krankheiten  (Pleuritis,  Hydrothorax,  Trans- 
sudate) sowie  durch  Compression  (bei  Herzvergrösserung,  Geschwülsten, 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge.  575 

Hernia  diaphragmatis)  verursachten  Verkilmmeruiigen ,  als  unechten 
Missbiklnngen ,  absehend,  findet  man  als  wahre  Bildungshenimung  zu- 
nächst abnorme  Kleinheit  der  Lungen  (Fleischmann),  eine 
Anomalie,  welche  lediglich  eine  ungenügende  Fortentwickelung  des  nor- 
mal augelegten  Organs  darstellt.  Dieser  Verkümmerung  in  toto  steht 
die  partielle  e  i  n  s  e  i  t  i  g  e  V  e  r  k  ü  m  m  e  r  u  n  g  ,  wie  sie  besonders 
von  Förster  und  Ponfick  beobachtet  worden  ist,  gegenüber. 

Förster:  Bei  einem  todtgeborenen ,  gleichzeitig  mit  Mikrophthal- 
mie behafteten  Kinde  war  die  linke  Lunge  auf  ein  äusserst  klei- 
nes Rudiment  reducirt,  in  welches  der  sehr  verkleinerte  linke 
Bronchus  und  die  ebenfalls  sehr  e  n  g  en  Lungengefässe  führten.  Die 
Lunge  lag  der  Wirbelsiiule  an.  Die  Pleura-Hölile  war,  der  Verkümme- 
rung der  Lunge  entsprechend,  kleiner. 

Ponfick:  Ein  5  Tage  nach  der  Geburt  unter  Cyanose  und  Dys- 
pnoe verstorbenes  Mädchen  zeigte  ausser  starker  Hypertrophie  des  rech- 
ten Ventrikels,  Eechtslagerung  des  Herzens,  offenem  Foraraen  ovale,  of- 
fener Communication  im  Septum  ventriculorum  und  Verengerung  des 
rechten  Theils  der  Art.  pulmonalis  nach  Aligang  des  Duet.  art.  Botalli 
an  dem  weiten,  cyliudrischen ,  rechten  normalen  Bronchus  eine  ganz 
rudimentäre  Lunge.  Dies  Rudiment  war  abgeplattet,  einförmig, 
derbfleisehig ,  von  grau-röthlichem  Durchschnitt  und  umgeben  von  einer 
dichten,  weissen  Kapsel.  Der  Bronchialstamm  Hess  sich  ein  Stück  hinein 
verfolgen  und  entsendete  einige  kleine  Seitenäste  ,  die  sich  bald  in  dem 
dichten ,  völlig  luftleei-en  Gewebe  verloren.  Letzteres  ergab  alveoläre 
Structur  mit  starker  Verbreiterung  und  Sklerosirung  der  Scheidewände. 
Alveolarlumina  im  Verhältniss  sehr  klein,  nicht  selten  dicht  mit  kleinen 
Rundzellen  angefüllt.  Im  Uebrigen  war  die  rechte  Pleura- Höhle 
ganz  von  einem  röthlichgelben,  lockeren, 
saftigen,  gallertigen  Gewebe  (zellenreiches 
Schleimgewebe  mit  reichlich  ein- 
gesprengten Fettträubchen)  ausgefüllt. 
Pleura  und  s  u  b  p  1  e  u  r  a  1  e  s  Lun- 
gengewebe zeigten  derbes ,  verfilztes 
Fasergewebe.  Gefässe  weit ;  die  Wan- 
dungen derselben  verdickt,  sklerotisch.  An  ^ 
der  Eintrittsstelle  des  (daselbst  etwas  ein- 
geschnürten) Bronchus  kein  Gefäss. 
(Vergl.  Fig.  8.) 

Es   ist  Nichts  Anderes  anzunehmen,  Fig-  8.    Primäre  Atrophie  einer 
als   dass    es   sich  in  solchen  Fällen    um  '     ' 

eine  primäre  Atrophie  handelt ,  die  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit 
eine  Entwickelungshemmung  der  ursprünglich  normal  angelegten  Lunge 
durch  ungenügende  Entwickelung  oder  frühzeitige  Verkümmerung  der 
Pulmonal- Gefässe  der  betr.  Seite  darstellt.  Es  wird  hierdurch  die  betr. 
Lunge  ,  sobald  einmal  ihre  Ernährung  leidet ,  zu  einem,  dem  Bronchus 
aufsitzenden,  mehr  oder  weniger  soliden  Körper.  Die  betr.  Thoraxhälfte 


576  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

aber  füllt  sich,  wenn  sie  nicht  ebenfalls  verkümmert,  mit  luxiirirendem 

Gewebe  ans. 

Dass,  wie  Förster  sagt,  in  Fällen  von  abnorm  kleinem,  kurzem 
Thorax  sich  auch  Verkleinerung  der  Lunge  finden  umss,  ist  eigentlich 
selbstredend.  Ein  Fall,  den  Otto  beschreibt,  und  in  dem  jede  Lunge 
aus  3  rundlichen  Körperchen  von  der  Grösse  des  dritten  Theiles  einer 
Daumenlänge  bestand ,  gehört  wahrscheinlich  auch  hierher. 

Als  Symptom  könnte  höchstens  angeborene  Dyspnoe  in  Ver- 
Ijindung  mit  halbseitigem  leerem  Tone  in  Frage  kommen;  die  Pro- 
gnose ist  jedenfalls  ungünstig.  Bei  einer  Bildungshemmnng  im 
weiteren  Ausbau  der  Lunge  können  besonders  drei  Fälle  ein- 
treten : 

L  U  n  g  e  n  ü  g  e  11  d  e  L  a  p  p  u  n  g ,  eine  Verkümmerung,  die  natür- 
lich auf  die  Zeit  vor  der  8.  Woche  des  Embryonal-Lebens  zurückzube- 
ziehen  ist. 

Derartige  Fälle  sind  nicht  gar  zu  selten ;  einige  Beispiele  seien  liier 
angeführt.  —  Meckel.  Die  rechte  Lunge  bestand  nur  aus  2  Lappen 
(Förster  giebt  zugleich  Fälle  an,  in  denen  der  S.Lappen  „nurschwacli 
angedeutet"  ist).  —  K  w  i  a  t  o  w  s  k  y.  Bei  einem  einjährigen  Knaben, 
der  nach  zweimonatlicher  Krankheit  (Gyanose  und  Dyspnoe)  starb,  fand 
sich  die  rechte  Lunge  nur  zweilappig  (vergb  Meckel).  —  Maschka 
fand  die  linke  Lunge  nur  aus  1  Lappen  bestehend  (der  Fall  ist  bereits 
oben  aus  anderem  Grunde  mitgetheilt).  —  Blanchot  fand  bei  einem 
Akephalus  die  Lunge  gar  nicht  in  Lappen  getheilt.  —  F  o  u  r  n  i  e  r. 
Die  linke  Lunge  eines  30jährigen  Soldaten  war  zu  einem  einzigen  Lap- 
pen verschmolzen.  —  Förster  bestätigt  den  zeitweiligen  Befund  von 
nur  2  Lajipen  an  der  rechten  Lunge. 

Alle  derartigen  Fälle  entziehen  sich  im  Leben  der  Diagnose. 
Für  die  Prognose  sind  sie  ohne  Bedeutung. 

2.  Ueberwuchern  der  Faserschicht  und  Unter  gang, 

resp.  Verkümmerung  des  Epithelrohrs  sowie  der  Hohl- 
r  ä  u  m  e. 

Es  muss  in  solchen  Fällen  anstatt  eines  Systems  von  Bronchialver- 
zweigungen und  Alveolen  eine  spongiöse  oder  solide ,  selbst  compacte 
Masse  entstehen  ,  die  respirationsunfähig  ist  und  nicht  mehr  ,  oder  nur 
in  unvollkommener  Weise  noch  Lungenstructur  darbietet ,  wenngleich 
die  äussere  Form  der  Lungen  noch  leidlich  erhalten  sein  kann.  Eine 
derartige  Anomalie  kommt  meist  mit  anderweiten,  höheren  Missbildun- 
gen vereint  vor. 

Vrolik  fand  bei  einem  Akephalus  statt  der  Lungen  2  spongiöse 
Körper,  welche  von  der  Form  der  Lungen  waren,  aber  keine  Gefässver- 
theilung  zeigten.  Sie  waren  von  Pleura  bedeckt  und  durch  eine  Binde- 
gewebswand  von  einander  geschieden. 


Purst,  Missbildungen   der  Lunge  etc. 


577 


die  Fig.  9.    P.  d.  u.  s.  --  Pulmo  dext. 
u.  sin.  D.  =  Diaphragma. 


(Vergl.  Fig.  9.) 
Ein  Fall,  welchen  R  a  h  n  -  E  s  c  h  e  r 
belichtet  und  als  „angeborene  compacte 
luftleere  Beschaffenheit"  der  rechten  Lunge 
bezeichnet,  ist  mit  Wahrscheinlichkeit 
keine  Missbildung,  sondern  das  Resultat 
von  Atelectase  und  Pneumonie  ;  hingegen 
gehören  hierher  die  von  Meckel  und 
La  Cat  beobachteten  Fälle,  wo  die 
Lunge  eine  Zellgewebs-Masse ,  resp.  ein 
weisses,  schwammiges  Gebilde  darstellte. 

Bircli     Hirsclifeld    sucht 
Verkümmerung  einzelner  Lungenlai^pen 
zu  einem  schwieligen  Bindegewebe    auf  Obliteration  des  betr. 
Haupt-Bronchus  zurückzufühi-en. 

3.  ü  e  b  e  r  w  u  c  h  e  r  n  des  E  p  i  t  h  e  1  r  o  h  r  s  und  Zunahme  der 
Hohlräume  unter  Verkümmerung  des  Fasergeweb  es. 

Es  entstehen  auf  diese  Weise  statt  der  normalen  Lunge  blasige, 
cystöse  Körper  mit  verhältnissmässig  dünnen  Wandungen ,  in 
manchen  Fällen  aber  Gebilde  von  grobzelligem,  cavernösem 
Bau,  der  sich  wenigstens  einigermassen  der  Lungenstructur  nähert. 

Auch  hier  muss  man  von  zweifelhaften  Fällen,  die  als  subpleurales 
Emphysem  gedeutet  werden  können ,  ganz  absehen ,  wie  z.  B.  von  dem 
ßahn-E  s  eh  e  r'schen  Falle,  in  welchem  sich  unier  der  Pleur.  pulm. 
an  der  rechten  Lungenspitze  eine  wallnussgrosse  Blase  ,  von  kleineren 
umgeben,  fand.  (Der  Fall  betraf  ein  2V2Jähriges  Mädchen,  welches  nach 
Ütägigen  croup-artigen  Husten-  und  Erstickungs-Erscheinungen  gestor- 
ben war.) 

In  anderen  Fällen  ist  jedoch  Bronchiektasie  und  Emphysem  ent- 
schieden auszuschliessen  und  die  Cy  stenbildu  ug  nur  als  Entwicke- 
lungshemmung  (Gerhardt,  Kessler)  anzusehen,  Fälle,  die  aller- 
dings selten  sind. 

H.  Meyer.  Bei  einem  fünfmonatlichen.  Fötus  enthielt  der  obere 
Lappen  der  rechten  Lunge  eine  wallnussgrosse,  dünne  Blase 
mit  wiissriger  Flüssigkeit.  Nach  der  Lungenwurzel  hin  mündeten  zahl- 
reiche Bronchialäste  in  diesen  Hohlraum.  Aehnlichc,  verschieden  grosse, 
nur  durch  dünne  Scheidewände  getrennte  Blasen ,  die  zum  Theil  in  der 
ganzen  übrigen  Lunge  verstreut  waren ,  eommunieirten  gleichfalls  mit 
Bronchialästen. 

Zwischen  solchen  mit  einander  oder  mit  den  Bronchien  in  Ver- 
bindung stehenden  multiplen  Cysten  ist  natürlich  das  Bindegewebe 
schon  wesentlich  reducirt.  In  noch  höheren  Graden  schwindet  dasselbe 
gänzlich  und  es  bleibt  eine  Form  zurück,  welche  mehr  an  die  oben  er- 
wähnten Thierlungen-Typen  erinnert,  bei  denen  statt  ausgehilde- 

riaüdb.  d.  K-laderkranlcheiton.    III.  2  »j7 


578  Krankheiten  der  Atbmungsorgano.     Lunge. 

ter  Septa  nur   balkenartige  Leisten    an    der  Wand   des 
Hohlraums  sich  hinziehen. 

Barth  oliuus.  Der  obere  Lappen  der  linken  Lunge  Lildete  einen 
fibrinijsen,  krfthaltigeu  Sack ,  der  innen  masohenartig  verbundene  talUge 
Vorsprünge  und  Bindegewebsstrünge  enthielt  und  nut  den  !>ronc'hien 
counuunicirte. 

Li  noch  ausgebikleteren  Graden  bildet  1  Lappen  oder  sell)st  die 
ganze  Lung  e  nur  noch  eine  grosso  Cyste  mit  glatten  Wänden. 

Nie.  Fontanus.  Bei  einem  4jahrigen  unter  Cyanose  gestorbenen 
Knaben  fand  sich  „.statt  der  fehlenden  Lungen"  (?)  eine  mit  Luft 
erfüllte,  mit  kleinen  Gefiissen  versehene  häutige  Blase,  die  mit  der  Luft- 
röhre communicirte. 

Valisneri.  Bei  einem  Akephalus  fand  sich  eine  einlach  blasige 
Lunge  ohne  Lappen. 

Winslow  beschrieb  (nach  Meckel)  eine  einblasige,  durchsichtige 
Lunge. 

Cjstöse  Missbildungen  eines  Theils  der  Lunge  zu  diagnosti- 
ciren,  dürfte  kaum  möglich  sein,  da  Dyspnoe,  Cyanose  und  partielle 
Dämpfung  eher  auf  andere  pathol.  Processe  zu  beziehen  sind.  Das  Le- 
lien  ist  nur  bei  grösseren  Cysten  unbedingt  beeinträchtigt. 

Li  den  höhsten  Formen  findet  man  üljcrhaupt  nichts  mehr  von 
Lunge ,  sondern  den  Thoraxraum  nur  mit  amorphen  festeren  oder  flüs- 
sigeren Massen  ausgefüllt.  (Vergl.  die  vollkommenen  Lungen-Defecte.) 
Im  Anschluss  hieraji  sei  noch  erwähnt ,  dass  auch  das  Zwercb- 
f  eil  allein,  wie  Meckel  nachgewiesen  hat,  grössere  die  Respirations- 
Organe  direct  beeinflussende  Verkümmerungen  erfahren  kann. 

So  sah  Mery  dasselbe  zu  einer  unförmlichen  Masse  verbildet;  Od- 
helius  besclu'eibt  ein  vollkommen  häutiges  Zwerchfell,  Isenflamm 
eines  mit  sehr  spärlicher  Muskulatur.  In  einem  Fall  von  Büttner 
fehlte  der  mittlere,  sehnige  Theil. 

V.  Anomale  Anlage  und  Ausbildung  der  Lungen- 


ge fasse. 


& 


ver 


o 


Bei  Betrachtung  der  Missbildungen  des  Respirations  -  Apparates 
■dienen  die  Missbildungen  der  Pulmonal  -  Gefasse  ohne  Zweifel  eine 
ganz  besondere  Beachtung.  Der  Zusammenhang  zwischen  den  den  Lun- 
genkreislauf bildenden  Gefässen  und  der  normalen  oder  abnormen  Ent- 
wickelung  und  Ausbildung  der  Lungen -Anlagen  ist  naheliegend  und 
eine  Verkümmerung  oder  Beeinträchtigung  der  Letzteren  belAnoma- 
lieen  der  ernährenden  Gefasse  zuweilen  unvermeidbar ,  wenn  nicht  an 
Stelle  der  Letzteren  frühzeitig  eine  Collateral  -  Gefässbahn  sich  bildet. 
Irlierzu  kommt,  dass  diese  Geläss-Anomalieen  nicht  blos  ein  morpholo- 


Fürs  t,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  579 

gisches ,  bez.  entwickelungsgeschiclitliches  Interesse  haben ,  sondern 
auch,  da  die  betr.  Individuen  zuweilen  in  ihrer  Lebensdauer  nicht  un- 
bedingt benachtheiligt  sind,  klinisches  Interesse  darbieten. 

1.    Mangel  der  Anlage  der  Lun  g  en- Art  erie. 

Es  wird  sich  zwar  in  manchen  Fällen,  wo  man  kein  Rudiment  einer 
Lungen- Arterie  vorfindet,  nicht  entscheiden  lassen,  ob  man  es  mit  einem 
reinen  Defect  oder  mit  einem  sehr  frühzeitigen  L^ntergange  der  ersten 
Anlagen  zu  thun  hat.  Doch  darf  man  sich,  bei  dem  Fehlen  von  Resten 
der  Arteria  pulmonalis,  wie  sie  in  Gestalt  von  soliden  Strängen  vor- 
konnnen,  für  die  erstere  Annahme  entscheiden. 

Bigger  fand  bei  einem  ö'/a  Monate  alten  Kinde  vollkommenes 
Fehlen  der  Lungen- Ai-terie.  Sept.  ventr.  offen.  Aorta  aus  beiden  Ven- 
trikeln entspringend  und  einen  Lungenast  abgebend. 

G.  Smith  berichtet  über  einen  gleichen  Befund  bei  einem  Smonat- 
lichen  cyanotischen  Kinde. 

Crisp  erwähnt  einen  Fall  von  Fehlen  der  Art.  pulm.  bei  einem 
12jähr.  cyanotischeu  Mädchen.  Sept.  ventr.  offen,  For.  ov.  geschl.  4  Pul- 
monal-Venen  mündeten  in  den  linken  Vorhof.  (In  welcher  Weise  hier 
der  Collateral-Kreislauf  sich  angeordnet  hatte,  findet  sich  nicht  ange- 
geben.) 

Herholdt  beschreibt  einen  FaU ,  der  einen  'A  Stunde  nach  der 
Geburt  gestorbenen  Knaben  betraf.  Art.  pulm.  fehlend.  Der  offene  Duot. 
art.  ßotalli  gab  2  Lungenarterien  ab,  dann  war  er  obliterirt.  Die  Lun- 
genvenen mündeten  in  den  unteren  Vorhof  (Transposition). 

In  allen  diesen  Fällen  ist  kein  Residuum  einer  Lungenarterie  er- 
wähnt ;  die  anderweitige  Versorgung  der  Lunge  erfolgt ,  wenn  über- 
haupt ,  aus  dem  Aorton-Gebiete  durch  anomale  Zweige.  Je  ergiebiger 
diese  compensatorische  Versorgung  und  je  geringer  die  Defecte  im 
Septum  cordis  sind ,  desto  massiger  ist  die  Cyanose  imd  desto  günstiger 
auch  verhältnissmässig  die  Prognose. 

2.  Anomale  Localisation  der  P  ulm  onal- Gef  äs  fS- 
Anlagen. 

Wir  haben  in  solchen  Fällen  Situs-Anomalieen  vor  ims,  die  sich 
von  dem  Ursprünge  bis  zum  End- Verlaufe  der  Arteria  pulmonalis  er- 
strecken und  z.  Th.  isolirt  für  sich  zur  Beobachtung  gelangen ,  z.  Th. 
mit  gleichzeitigen  Anomalieen  des  Herzens,  welche  nicht  directen  Bezug 
zu  dem  Lungenkreislauf  haben.  Die  Fälle,  in  welchen  Abnormitäten 
des  Ursprungs ,  des  Abganges  vom  Herzen  vorliegen ,  sind  nicht  völlig 
von  denen  der  Inversion  (Transposition)  zu  trennen.  Vielmehr  liegt  die 
Sache  so,  dass  mit  letzterer  immer  eine  Ursprungs-Anomalie  verbunden 
sein  muss,  während  diese  auch  ohne  Transpo.sition  vorkommen  kann 

87  * 


580  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

und  meist  durch  gänzlichen  Mangel  der  Anlage  einer  normalen  ^ragen- 
arterie  oder  durch  Unwegsamkeit  des  normalen  Weges  aui  coliaterale 
Weise  sich  im  Embryoual-Leben  herausbildet,  indem  vorhandene  andere 
Bahnen  vicariirend  eintreten  und  die  Lunge  versorgen.  Dabei  ist  je- 
doch die  anomale  Localisation  der  Lungen-Gefässe  in  den  vorwiegenden 
Fällen  entschieden  ein  ursprünglicher  Fehler  der  Anlage  und  nur  die 
mehr  oder  weniger  vollkommene  Correctur  dieses  Fehlers  eine  Leistung 
der  .späteren  Entwickelung. 

a)  A  b  n  0  r  m  e  r  U  r  s  p  r  u  n  g. 
Meckel  fülu-t  2  Fälle  an,  in  welchen  die  Lungenarterie  aus  der 
von  beiden  Kammern  abgehenden  Aorta  entsprang;  in  einem  Falle  nor- 
mal weites  Kaliber,  Sept.  atr.  und  ventr.  fehlend,  im  anderen  offenes 
Sept.  ventriculorum.  —  Farre:  Beide  Lungenäste  entsprangen 
einzeln  aus  der  Aorta,  die  von  beiden  Kammern  abging.  Sept.  atr, 
und  ventr.  fehlten.  Das  Kind  wurde  79  Stunden  alt  und  litt  an  Dyspnoe, 

—  Wilson:  Die  Lungen- Art erie  war  ein  enger  Ast  der  Aorta. 
Alles  Uebrige  wie  bei  Farre.     Das  Kind  lebte  7  Tage  unter  Cyanose. 

—  Stande  rt:  Die  einen  kleinen  Zweig  bildende  Lungen-Arterie 
entsprang  der  Aorta.  Auch  hier  waren  alle  übrigen  Verhält- 
nisse wie  in  dem  Farre'schen  Falle.  Das  Kind  wurde  10  Tage  alt  und 
war  cyanotisch.  Das  Herz  war  einfach;  statt  des  Septum  bestand  ein 
rudimentäres  Muskelband.  —  Tiedemann:  Ein  am  9.  Tage  gestor- 
benes, nicht  cyanotisehes  Kind  hatte  zwar  ein  Herz  mit  2  Vorkammern 
und  2  Kammern.  Die  Pulmonal-Aeste  entsprangen  aus 
der  Aorta,  die  aus  beiden  Kammern  hervorging.  For.  oval,  und  Sept, 
ventr.  offen.  —  Im  Ar  eh.  gen.  (Febr.  18J3)  wii-d  ein  Fall  mitgetheilt, 
der  ein  lltägiges  Kind  betraf.  Das  Herz  war  einfach.  Aus  dem 
gemeinsamen  Ventrikel  entsprangen  Aorta  und  Art.  pul ni, 
mit  zwei  geschiedenen  OefFnungeu.  Keine  Cyanose.  —  Tiedemann 
berichtet  ferner  von  einem  lljiihrigen  cyanotis^hen  Knaben,  dessen  Herz 
2  Vorkammern,  aber  nur  1  Kammer  besass.  Aus  dieser  entsprangen, 
mit  getremrten  Oeifuungen,  Aorta  und  Art.  pulmonalis.  —  Mauran: 
Ein  Kind  von  16'/=  Monat  hatte  ein  Herz  mit  einfacher  Vorkammer  und 
Kammer.  Aus  letzterer  entsprangen  getrennt  Aorta  und  Lungenarterie; 
diese  war  verschlossen,  der  Duct.  Bot.  aber  olfen.  —  Helmstedt 
theilt  einen  Fall  mit,  in  welchem  die  L  u  ng  e  n  -  Arte  rie  aus  einer 
mit  dem  rechten  Ventr.  communicirenden  muskulösen  Höhle  (Co- 
nus arteriosus?)  entsprang.  Sept.  ventr.  offen,  For.  ov.  und  Duct.  llot, 
geschlossen.  —  J.  M  a  r  s  h  a  1 1  berichtet  von  einem  ähnlichen  Befunde 
bei  einem  23jährigen  Men.schen.  —  Ramsbotham.  Bei  einem  lOtä- 
gigen  cyanotischen  Kinde  fand  sich  ein  einfaches  Herz  und  nur  eine  dem 
gemeinsamen  Ventrikel  entspringende  Aorta.  —  Diese  schickte  einen  Ast 
„in  derEichtung  des  Duct.  Botalli"  ab  (jedenfalls  diesen  selbst),  der 
die  Lunge  mit  zwei  Aesten  versorgte.  —  K  e  r  k  r  i  n  o-  sah  bei 
einem  dreimonatlichen  Kinde  die  r  e  c  h  t  e  H  e  r  z  k  a  m  m  e  r  doppelt 
(überzähliger  Ventrikel);  aus  jeder  Abtheilung  eine  Lungenarterie 
entspringend.  Beide  verlmnden  sich  dicht  darüber  in  einem  o-er^einsamen 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  581 

Tiuncus.  —  Chevers  erwähnt ,  dass  nicht  nur  erweiterte  Bronchial- 
Aeste ,  sondern  auch  Aeste  aus  der  Subclavia  und  Aorta  für  die 
Art.  pulmonalis  vicariiren.  —  Otto  führt  an,  dass  ein  grosser  Ast 
aus  der  Aorta  in  der  Gegend  des  6.  Eüc kenwirbels  in  die  rechte 
Lunge  eintrat  und  dass  auch  kleinere  Aeste  vom  P  e  r  i  c  a  r  d  i  u  m  in 
die  Lunge  traten.  —  M  o  n  g  a  r  s  sah  (bei  Verkleinerang  des  linken 
Astes  der  Art.  pul  m.)  einen  Ast  von  der  Bauch -Aorta  in 
Begleitung  des  Oesophagus  das  Zwerchfell  passiren  und  in  der  Brust- 
höhle sich  in  zwei  Zweige  theilen ,  welche  die  unteren  Lungenlappen 
versorgten  iind  in  der  Lunge  mit  den  Zweigen  der  Art.  pulm.  commu- 
nicirten.  —  Gamage  berichtet  über  einen  Fall  von  Ursprung  der  Art. 
pulm.  aus  dem  Arcus  aortae. 

Es  gellt  aus  allen  derartigen  Fällen  hervor,  dass  einerseits  ein  voll- 
ständiger Defect  oder  eine  hochgradige  Verkümmerung  der  Lungen- 
arterie das  Aortengebiet  zur  Aushülfe  heranzieht,  und  zwar  zuweilen 
auf  grossen  Umwegen ,  dass  aber  anderseits  Anonialieen  des  Herzens 
(Mangel  des  Septum,  abnormer  Ur.sprung  der  Aorta,  anomale  Abschlies- 
sung  des  Con.  art.  pulmon. ,  Bildung  eines  doppelten  Ventrikels  zu  Ur- 
sprungs-Abweichungen für  die  Lungen  -  Arterie  Veranlassung  geben. 
Die  betr.  Individuen  leben ,  trotz  eines  collateralen  Kreislaufs ,  durch- 
schnittlich nur  kürzere  Zeit  (1 — 2  Wochen)  unter  Dyspnoe  und  Cya- 
nose ;  selten  erreichen  sie  —  und  selbst  dann  immer  leidend  —  ein  Alter 
bis  in  die  zwanziger  Jahre. 

b)  Transposition  der  Anlagen  der  grossen  Gefässe. 
Das  Offenbleiben  der  grossen  Gefässstämme  auf  einer  früheren  Ent- 
wickelungsstufe  ist  es,  was,  nach  H.  Meyer,  zu  dieser  Anomalie  Ver- 
anlassung giebt. 

Dieselbe  entsteht  hiernach  zu  einer  Zeit,  in  welcher  der  Truncus 
communis  arteriosus  sich  bildet  (Rathke,  Turner),  das  Septum  atrio- 
rum  noch  ein  leichter  Saum,  das  Sept.  ventr.  aber  meist  schon  vollendet 
ist,  während  die  spiralige  Drehung  der  Gefässstämme  noch  nicht,  oder 
in  abnormer  Rotation  des  Embryo  (v.  B  a  e  r)  stattgefunden  hat.  Viel- 
leicht, dass  auch  die  Drehung  des  Nabelstranges,  wie  Virchow  ver- 
muthet,  und  die  durch  die  Lage  der  Nabelvenen  lieeinflusste  Oertlich- 
keit  der  Leberanlage  mit  der  Entstehung  der  Trausposition  in  Verbin- 
dung zu  bringen  ist. 

Es  besteht  schon  normaler  Weise  beim  Fötus  ein  Missverhältniss  in 
der  Füllung  beider  Vorhöfe;  der  linke  Vovhof  erfährt  von  Seiten  der 
Lungenvenen  nur  eine  ungenügende  Füllung ;  zur  Vervollständigung  der- 
selben muss,  da  der  Blutdruck  sich  auszugleichen  strebt,  aus  dem  rech- 
ten Vorhof  in  den  linken  Blut  überströmen;  hierdurch  bleibt  bis  zur 
Geburt  das  For.  oval,  offen.  In  den  Kammern  ist  die  Füllung  beider- 
seits gleich  und  desshalb  keine  Ursache  für  das  Ueberströmen ,  für  das 
Offenbleiben  des  Sept.  ventr.  gegeben;  dasselbe  wird,  wie  jede  unbe- 
nutzte Gefässbahn  obliterirt,  sich  normal  schliessen.  Sobald  nach  der  Ge- 
burt das  Blut  aus  dem  vordem  Vorhof  in  die  Lungen  strömt  und  sich 


582  Krankheiten  der  Atlimungsorgano.     Lunge. 

der  linke  Vorhof  durch  die  Lungenvenen  stärker  füllt,  erhöht  sich  der 
Blutdruck  hier  und  im  Aorteugebiete  ;  die  Ursache  für  das  Ueherstrümen 
durch  das  For.  ovale  fällt  weg  ;  dasselbe  schliesst  sich ,  ebenso  wie  dei 
Duct  Botalli  Bei  anoeborener  Kleinheit  oder  Stenose  der  Art.  piilmo- 
nalis  aber,  sowie  bei  Transposition  der  Gefässstännne  bleibt  der  Druck 
in  Folf'e  des  permanenten  Missverhältnisses  der  Füllung  der  Vorhufe,  in 
diesen" verschieden.  Man  findet  desshalb  meist  ein  offenes  For. 
ovale,  auch  nach  der  Geburt.  Ein  Offenbleiben  des  Sept. 
ventr.  ist  durch  einfache,  uncomplicirte  Transposition  an  sich  nicht 
gegeben;  doch  kommt  es  als  zufällige  Complieation  häufig  zur  Beob- 
achtung. 

In  manchen  Fällen  findet  man  eine  congenitale  Stenose  des  Pulmo- 
nal-Ostiums,  als  Effect  einer  fütalen  Endocarditis,  die  Transposition  der 
grossen  Gefässstämme  complicirend  (Virchow);  bei  solchen  Missbilduii- 
gen  treten  dann  dauernd  anomale  Druckverhältnisse  und  deren  Folgen 
in  den  Vordergrund.  Virchow  unterscheidet  eine  mediane  Transposi- 
tion der  Arterien-Ostien  (in  der  Richtung  von  vom  nach  hinten)  und 
eine  seitliche  Transposition  der  Vorhöfe  bei  normaler  Lage  der  Ventrikel. 

H.  Meyer.  Bei  einem  Kinde,  welches  am  Ende  der  4.  Woche  un- 
ter Cyanose  starb,  fand  sich  der  Ursprung  der  Art.  pulm.  im  lin- 
ken Ventrikel,  der  dünnwandiger  als  der  rechte  war.  For.  ov.  offen. 
Herz  bedeutend  vergrössert.  Zwischen  der  Bifurcation  der  Arteria  pul- 
monalis  Abgang  des  Ductus  Brt.  Botalli. 

Vircliow  fand  in  einem  Falle  neben  Ijeiderseits  zweilappiger  Lunge 
und  überwiegender  Grösse  der  rechten  Lunge,  zugleich  mit  Stenose  des 
Pulmonal-Ostiums  und  Divertikelbildung  am  Conus  art.  pulm.  die  Ar- 
te r  i  a  ]3  u  1  m  o  n  a  1  i  s  zwar  aus  dem  rechten  Ventrikel  kommend  aber 
nach  hinten  gelegen;  die  Lungenvenen  mündeten  rechts  in 
den  einfachen  Vorhof. 

J.  Cookie  sah  bei  einem  2'/:)  Jahre  alten  Knaben,  der  an  Cya- 
nose, Husten  und  Kurzathmigkeit  gestorlien  war,  die  Lungenarterie 
aus  dem  vordem  Theile  des  linken  Ventrikels  entspringen. 

Zahlreiche  Fälle  von  T  r  a  n  s  p  o  s  i  t  i  o  n  der  grossen  Grefässstämmc 
hat  H.  Meyer  (a.  a.  U.)  zu.sammenge,stellt  und  zwar 

I.  Mit  (J  f  f  e  n  b  1  e  i  b  e  n  des  F  o  r  a  m  e  n  ovale  (Lebensdauer 
35  Stunden  bis  2'/-!  Jahrj. 

n.  M  i  t  g  1  e  i  c  h  z  e  i  t  i  g  e  r  U  n  v  o  1 1  s  t  ä  n  d  i  g  k  e  i  t  des  Sep: 
tum  V  e  n  t  r  i  (•  u  1  0  r  u  m  (Lebensdauer  bis  19  .Jahre). 

IlL  M  i  t  F  e  h  1  e  r  n  i  n  d  e  r  W  e  g  s  a  m  k  e  i  t  d  e  r  A  r  t  e  r  i  e  n- 
stämme  und  der  Ostien  der  Herzkammer. 

Die  Traiispositiou  lässt  sich  höchstens  durch  die  veränderte  Loca- 
lisation  der  Arterien-Töne  nachweisen ,  abgesehen  von  den  auscultato- 
rischen  und  klinischen  Zeichen ,  welche  die  In.sufficienz  der  Septa  be- 
dingt und  welche  nur  als  Complieation  anzusehen  .sind.  Die  Prognose 
ist  nicht  ungün.stig  ,  sobald  diese  Complieation  fehlt.  Aber  selbst  mit 
derselben  kann  sich  —  freilich  unter  Dyspnoe  und  Cyanose  —  die  Le- 
1  lensdauer  auf  Jahre  erstrecken. 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  583 

c)  Abnorme  T  h  e  i  1  ii  n  g  der  A  r  t  e  r  i  a  p  u  1  m  o  n  a  1  i  s. 

Eine  anffalleiicl  niedrige  Tlieilung  der  Lirngenartenen  hat  Oh  e- 
vers  beobachtet;  sie  erfolgte  dicht  über  dem  Ursprung.  Eine  ähnliche 
Beobachtung  machte  Cassan.  Bloxham  fand  bei  einem  3jährigen 
Kinde  den  Stamm  der  Lungenarterie  kaum  1  Linie  lang  (gleichzeitig 
Engigkeit  der  Art.  pulm.). 

Chevers  erwähnt  einen  Fall  von  Abgang  einer  Subclavia  aus 
der  Pulraonalarterie  ;  Langstaf  f  und  Krey  sig  beschreiben  je  1  Fall,  in 
welchen  die  Art.  pulm.  Stamm  der  Aorta  descendens  war.  Es  ist  einleuch- 
tend ,  dass  in  solchen  Füllen  keine  abnonne  Theilung,  kein  überzähliger 
Ast  der  Lungenarterie  vorlag,  sondern  lediglich  ein  partielles  Vicariiren 
derselben  für  die  Aorta,  meist  unter  Vermittelung  des  persistirenden 
Ductus  Botalli. 

Fälle  von  mehr  oder  weniger  a  n  o  m  a  1  e  m  V  e  r  1  a  u  fe  der  Lungen- 
Arterie  sind  als  Symptom-  und  bedeutungslose  Varietäten  zu  betrachten. 

3.  Anomale  weitere  Ausbildung  der  ersten  Anlage  der 

Lungeugefässe. 

Eine  ganze  Anzahl  von  Fällen  zeigt  das  Gemeinsame,  dass  zwar  die 
äussere  Form  der  Pulmonalgefässe  normal  angelegt  ist,  dass  ihr  Ur- 
sprung, ihre  Lage  regelmässig  sind,  aber  ihr  Lumen  mehr  oder  weniger 
obliterirt,  sei  es  durch  ursprünglich  zu  enge  Anlage,  sei  es  durch  pa- 
thologische Stenosirung  während  des  frühesten  FiJtallebens.  In  allen 
diesen  Fällen  ist  der  Kreislauf  durch  die  Lungen  beeinträchtigt  und 
demzufolge  einmal  die  Bildung  von  Collateral-Gefässbahnen ,  sodann 
aber  die  Stauung  im  rechten  Ventrikel  mit  all  ihren  Rückwirkungs-Er- 
scheinungen gegeben. 

a)    Allgemeine  Engigkeit    im  Kaliber  der  Lungen- 
Arterie. 

Wir  haben  in  solchen  Fällen  nur  eine  totale  oder  partiell  eine  Seite 
betreffende  Verjüngung  des  Lumens  der  Art.  pulm.  vor  uns,  eine  Ano- 
malie,  die  schon  mit  ziemlich  grossen  Störungen  verbunden  sein  kann. 
G.  Kessler:    Ein  Mädchen  starb,  nachdem  es  unter  asphyctischen 
Erscheinungen  und  Cyanose  monatelang  gelitten  hatte.     Bei  der  Section 
fand    sich,    dass  die    linke  Art.   pulm.   4  Mm.    kleiner   im  Durch- 
messer war,  als  die  rechte.    Der  Duct.  Bot.  war  bis  auf  eine  punkt- 
förmige Oeff'nung  geschlossen.     Die  rechte  Lunge  übrigens  normal. 
Otto  und  Faire  fanden  in  je  1  Falle  die  Art.  pulm.  verengt. 
Die  Gaz.  med.  (Febr.  1845)  berichtet  von  einem  6jährigen  Knaben, 
diT  cyanotisch  war  und  bei  dem  sich  verkleinerte  Art.  pulm.  mit 
offenem  For.  ovale  und  rudimentärem  Sept.  ventr.  vorfand. 

Peacock  fand  bei  einem  lOvvöchentlichen ,  wenig  cyanotischcu 
Kinde  die  Lungen-Arterie  sehr  engen  Kalibers.     Das  For.  ov.  offen. 


584  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

Mougai-s  fand  (in  dem  schon  oben  citivten  Falle)  den  Unken  Ast 
der  Art.  pnlm.  kleiner. 

Die  Symptome  bestehen  iu  Cyanose,  asphyctischen  Zufällen^  Kurz- 
athmigkeit,  ohne  Zweifel  auch  in  veränderten  auskultatorischen  Zeichen 
in  der  Art.  pulm.  und  im  rechten  Ventrikel,  worüber  leider  nichts  ange- 
geben ist.  Die  Prognose  ist  quoad  vitam  et  valetudinem  ziemlich 
ungünstig,  weil  die  Folgen  der  Stauung  im  rechten  Ventrikel  nicht 
ausbleiben. 

b)  Totale  Obliteration  der  Lungen -Arter  ie. 

Ist  das  Lumen  schon  bei  der  ersten  Anlage  der  Lungen-Arterie 
sehr  eng,  so  ist  die  Möglichkeit  einer  vollkommenen  Verschliessuiig 
naheliegend. 

Eine  f5olche  complete  Atresie  beobachtete  Stein  in  dem  oben  be- 
reits ciürten  Falle.  Zahlreiche  Fülle  von  Obliteration  hat  H.  Meyer  zu- 
sammengestellt, meist  von  completem  Verschluss  und  Verkümmerung  zu 
soliden,  faden-  oder  strangförmigen  Rudimenten.  Schliessen  wir  hier  die- 
jenigen Fälle  aus,  von  denen  Meyer  selbst  annimmt,  dass  sie  dm-cli 
fötale  Erkrankung  zu  erklären  sind ,  so  bleiben  noch  sehr  viele  übrig,  die 
alle  Stadien  der  Stenosiiung  und  Solidification,  aber  keinen  Anhaltspunkt 
eines  ätiologischen  Momentes  darl^ieten,  also  mit  Wahrscheinlichkeit  Bil- 
dungsfehler sind.  Zuweilen  findet  sich  in  diesen  Fällen  eine  Anomalie 
an  den  Klappen,  eine  Transposition  der  grossen  Gefässstamme,  ein  ab- 
normer Ursprung  der  Art.  pulm. ,  sonst  aber  keine  Anomalie  an  dieser, 
dagegen  meist  otienes  For.  ov. ,  fehlendes  oder  unvollkommenes  Sept. 
ventriculorum. 

Landouzy  fand  bei  der  Section  eines  8jähr.  Mädchens,  das  seit 
Jahren  an  Cyanose,  Dyspnoe  u.  s.  w.  erkrankt  war,  eine  fast  völlig 
obliterirte  Lungen-Arterie  von  nur  3  Mm,  Lumen.  Nur  2  Val- 
vulae  sigm. ;  For.  ov.  otFen,  Sept.  ventr.  unvollkommen.  R.  Ventr.  hyper- 
trophisch. —  H.  Meyer.  Bei  einem  IV/i  Jahre  alten  Mädchen,  das 
mit  Cyanose  und  Dyspnoe  gestorben  war,  fand  sich  die  aus  dem  oberen 
Theile  des  Conus  arteriosus  entspringende  Art.  pulm.  auffallend 
eng.  Sie  besass  nur  2  Semilunarklappen.  Die  Lunge  wurde  durch  2 
auffallend  grosse  Bronchial- Arterien  versorgt,  von  denen  die  linke  aus 
der  Subclavia,  die  rechte  sus  dem  Arcus  aortae  entsprang.  Die  Aorta 
trat  aus  dem  rechten  Ventrikel  hervor.  For.  ov.  offen,  ebenso  das  Sept. 
ventr.  Der  Duct,  art.  Bot.  war  lang,  dünn,  in  der  Mitte  obliterirt.  - 
W.  Hunt  er  fand  bei  einem  IStägigen  cyanotischen  Kinde  die  Lungen- 
Arterie  wie  in  einen  festen  Strand  umgewandelt.  Sept.  ventr.  und  Dutt. 
Bot.  offen.  —  Hodgson  sah  Aehnliches  bei  einem  Vtägigen  Kinde.  — 
S.  Weiss:  Bei  einem  6jährigen  Knaben,  der  an  Cyanose°und  Dyspnoii 
gelitten  hatte,  fand  sich  die  Art.  pulm.  kaum  bleistiftdick.  Die  Oeffnung 
in  dem  Cstium  war  nur  von  der  Grü.sse  eines  Stecknadelknopfcs.  (Schwie- 
lige Verdickungen  in  der  Umgeljung  dieses  Ostiums  macheu  es  wahr- 
scheinlich, dass  hier  Karben  vorliegen,  welche  von  einer  vor  dem  2  Pö- 
talmonate   stattgehabten  Endo-    und  Myocarditis  heiTühren.)     CoUateral 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  585 

sendete  die  Aorta  thoracica  mehrere  starke  Zweige  an  die  Lungen-Basi« 
und  in  die  Lunge. 

Aehnliche  Obliterationen  beschieiben  Ramsbotham,  Babington. 

Dass  alle  derartigen  Stenosirungen  aus  einer  frühen  Embryonal- 
Zeit  datiren,  dass  es  sich  um  eine  sehr  frühzeitige  Atrophie  des  4.  und 
5.  Gefässbogenpaares  (Turner)  handelt,  geht  besonders  daraus  her- 
vor ,  dass  in  den  meisten  Fällen  von  Obliteration  der  Lungen  -  Arterie 
das  Septum  ventriculorum ,  das  in  der  2.  Hälfte  des  2.  Monats  vollstän- 
dig ist,  Defecte  darbietet.  Da  ein  nachträgliches  Sprengen  desselben 
nicht  vorkommt,  sondern  höchstens  eine  Verdrängung  nach  links  durch 
den  stärkeren  Blutdruck  bewirkt  wird  (wodurch  das  Septum  unter  die 
Aorten-Mündung  gelangt  und  die  Aorta  mit  beiden  Kammern  zugleich 
in  Communication  tritt) ,  so  kann ,  wie  H.  Meyer  nachgewiesen  hat, 
wenji  man  eine  Communication  beider  Ventrikel  findet ,  die  hemmende 
Ursache  nur  vor  der  6.  Woche  in  Wirksamkeit  gewesen  sein.  Die 
Enge  der  Lungenarterien-Bahn  ist  das  Primäre;  etwaige  Bildungshem- 
mungen (Oeffnung  im  Sept.  ventr. ,  Offenbleiben  des  For.  ov.,  des  Duct. 
Bot.,  Dilatation  der  vicariirenden  Arteriae  bronchiales,  abnormer  Ui'- 
sprung  der  Aorta)  sind  das  Secundäre  (H.  Meyer) ;  die  Ursache  dieser 
Anomalieen  ist,  wie  übrigens  bereits  1844  Aberle  nachgewiesen  hat, 
nur  das  durch  die  Lungenarterien-Stenose  gestörte  Gleichgewicht  des 
Drucks  in  beiden  Herzhälfteu. 

Die  Lebensdauer  der  betr.  Individuen  ist  meist  sehr  beeinträchtigt 
(sie  beträgt  höchstens  wenige  Jahre) ,  und  die  Gesmidheit  durch  die 
dyspnoischen  und  suffocatorischen  Erscheinungen,  durch  die  Cyanose 
fast  immer  gestört ,  da  die  Entlastung  des  Lungenarterien-Gebiets  von 
ihrem  üeberdrucke  theils  durch  die  Lücken  in  den  Septis ,  theils  liurch 
compensatorische  arterielle  Versorgung  der  Lungen  nicht  genügt ,  um 
die  Stauung  hintanzuhalten  und  da  die  Cyanose  mit  ihren  Folgen  für 
die  Ernährung  unvermeidlich  ist. 

c)  Partielle  Stenose  resp.  Obliteration  der  Lungen- 
Arterie. 

Die  angeborene  Verengung,  resp.  Verschliessung  der  Lungen- Ar- 
terie kann  sich  auf  einzelne  Theile  derselben  beschränken.  Je  stärker 
diese  Stenosirung  ist ,  desto  mehr  wird  das  Aortengebiet  zur  Bildung 
eines  CoUateral-Kreislaufs  verwendet ,  bis  schliesslich  in  den  höchsten 
Graden  ausschliesslich  von  diesem  aus  die  Ernährung  der  Lunge  er- 
folgt, meist  so,  dass  die  normalen  Bronchialzweige  wesentlich  verstärkt 
sind  und  der  Ductus  art.  Botalli ,  indem  er  offen  bleibt ,  den  Blutzufluss 
zur  Lunge  vermittelt  und  das  obliterirte  Stück  der  Arteria  pulmonalis 


5J50  Ki-anliheiten  der  Athmungsorgane.     Lnnge. 

bis  zu  seiner  Einmündung  z.  Th.  ersetzt.  Zuweilen  sind  diese  Verenge- 
rungen des  Lumens  einfach  auf  Anoraalieen  des  Conus  arteriosus 
der  Pulmonal- Arterie  zurückzuführen,  welcher  —  wie  dies  H. 
Meyer  beschrieben  hat  — von  dem  Haupttheile  des  rechten  Ventrikels 
durch  eine  schwielige  Masse  (Residuum  fötaler  Endocarditis  ?)  abge- 
schnürt ,  die  Stenose  der  Lungenarterien-Bahn  zur  Folge  hat. 

AehiiHrhe  Abschnürung  des  Conus  arterinsus  bietet  der  oliige 
Fall  von  Weiss  dar,  sowie  ein  Fall  von  Cläre,  in  welchem  bei  emem 
l'Jiährigen  cyanotischen  Manne  sioh  der  rechte  Voibof  stark  erweitert, 
da's  Pulmonal-Ostiuni  stark  verengt  fand.  Es  führte  in  eine  kleine  Kam- 
mer  (den  aligeschnürten  Conus  arteriosus),  aus  der  auch  die  Aorta  ent- 
sprang. Die  °Bronchialarterien  waren  ungewöhnlich  gross,  das  For.  ovale 
stand  offen. 

Die  D  iagn  ose  einer  Stenose  am  Ostium  der  Art.  pulm.  wird,  ab- 
gesehen von  den  Stauungserscheinungen  und  der  Dyspnoe  von  dem  sy- 
stolischen Geräusche  an  dieser  Stelle  abhängen.  Die  Prognose  bleibt, 
selbst  wenn  die  Individuen  die  Kinderzeit  überstehen ,  ungünstig. 

In  andern  Fällen  ist  es  das  0  s  t  i  u  m  a  r  t  e  r  i  o  s  u  m  seilest ,  insbe- 
sondere der  Klappen- Apparat,  wo  die  Stenose  ihren  Sitz  hat. 
Weniger  sind  hier  Klappen-Defecte  zu  nennen,  als  abnorme  Configura- 
tionen  und  degenerative  Missgestaltungen  der  Serailunar-KIappen,  wie 
warzige ,  knotige  Erhebungen  ,  Excrescenzen  ,  Verschmelzungen  bis  auf 
eine  kleine  Oeffnung  ,  rudimentäre  Verkümmerungen ,  schwielige  Ver- 
dickungen ,  welche  theils  an  und  für  sich ,  theils  durch  Einschnürung 
über  den  verbildeten  Klappen  (Pulteney,  Marshall),  theils  auch 
durch  membranöse  Brücken  und  Bandmassen  die  Wegsamkeit  beein- 
trächtigen. 

Cruveilhier,  Craigie,  Sandifort,  Hein,  Louis,  Chevers 
und  viele  Andere  haben  derartige  Fälle  beschrieben,  und  vor  Allem  hat 
JH.  Meyer  die  reiche  Literatur  hierüber  zusammengestellt.  Aus  einer 
Betrachtung  der  betreffenden  Fälle  geht  freilich  hervor,  dass  die  oben 
erwähnten  pathologischen  Veränderungen  der  Klappen  und  die  liieraus 
resultirende  Pulmonal-Steno.se  meistens  Effect  von  fötaler  Endocarditis, 
resp.  Endarteriitis  sind.  Reine,  unzweifelhaft  auf  gestörter  Entwickelung 
beruhende  Missbildungen  sind  die  Minderzahl. 

Die  Lebensdauer  beträgt  (nach  Meyer)  bis  57  Jahre,  ist  also  kaum 
gestört,  wenn  die  Obliteration  nicht  zu  hochgradig  ist.  Der  2.  Pulmo- 
nalton  muss  iu  solchen  Fällen  durch  ein  Geräusch  überdeckt  sein ,  das 
möglicherweise  auch  während  der  Systole  des  Herzens  fortdauert,  ana- 
log, wie  bei  andern  Klappen-Stenosen. 

Um  hier  gleich  die  an  der  Lungenarterie  vorkommenden  Kl  ap- 
pen-Anomalieen  anzuschlie.ssen ,  die  wirkliche  Bildungshemmun- 
gen, resp.  excessive  Missbildungen  darstellen,  so  finden  sich  nach  beiden 


Fürst,  Missbi] düngen  der  Lunge  etc.  587 

Richtnugen  hin  Beispiele  in  der  Litteratur.  Diese  Fehler  der  Entwicke- 

lung  sind  meist  nicht  mit  Rtenosirung  des  Lumens  verbunden  und  be- 
einträchtigen auch  nur  ausnahmsweise  die  Lebensdauer.  In  manchen 
Fällen  besteht  eine  Verminderung  der  K 1  a  p  p  e  n  z  a  h  1. 

Zwei  Semilnr.ar-Klappen  beobacLitcteii  H.  Meyer  (in  dem  oben 
beschriebenen  Falle),  Landouzy  und  Weiss  (desgl.);  feiner  Win- 
trich  (mit  Stenose  der  Art.  pulm.),  Eibes,  Eückert,  Caillot,  Pa- 
lois,  Sandifort,  Taylor,  Oldham,  Graves  (bei  einem  66jäh- 
rigen  Manne).  Ob  hier,  wie  u.  A.  Clievers  vermuthet,  eine  Klappe 
durch  fötale  Entzündung  und  Eesorption  geschwunden  ist,  muss  sehr 
dahingestellt  bleiben ;  viel  wahrscheinlicher  ist  eine  Bildungs-Anomalie, 
besonders  dann ,  wenn  anderweitige  Krankheitsresiducn  fehlen.  Nur 
eine  Klappe  fand  Luithlen  bei  einem  36jährigen,  nicht  cyano tischen 
Manne.  Alle  derartigen  Klappen-Mängel  sind  meist  Symptom-  und  be- 
deutungslos ,  da  die  vorhandenen  Klappen  noch  genügenden  Verschluss 
bewirken . 

Vom  gänzlichen  Fehlen  der  Klappen  berichtet  Chevers 
nach  F  a  V  e  1 1. 

Ein  8j  ähriger  cyanotischer  Knabe  zeigte  bei  der  Section  zwischen 
rechter  Vorkammer  und  der  kaum  wallnussgrossen  rechten  Kammer  keine 
Communication.  Im  linken  Ventrikel  dicht  hinter  dei  Mitralis  eine  Oeff- 
nung  im  Septum ,  welche  in  die  Wurzel  der  aller  Klappen  ent- 
behrenden Pulmonalarterie  führte.  Für  diese  Klappen  fun- 
girte  z.  Th.  die  Mitralis. 

Hier  fehlt  jeder  g e  n  ü  g  e  n d  e  Verschluss  ;  es  wird  also  auch  die 
Stauung  im  rechten  Ventrikel,  nebst  ihren  Folgen  nicht  ausbleiben  und 
die  Prognose   demzufolge  bei  völligem  Defect  der  Klappen  wesentlich 
schlechter.     Das  höchste  beobachtete  Lebensalter  war 
bei  2  Klappen  66  Jahre, 

bei  1        »  36  Jahre, 

bei  totalem  Klappenmangel      8  Jahre. 
Auch  von  angeborener  Vermehrung  der  K 1  a  p  p  e  n  z  a h  1  existiren 
Beispiele. 

So  sah  T  h  0  m  p  s  0  n  4  ,  T  o  d  d  5  Klappen. 
Factische  Stenosir  un  gen  und  völlige  Obliterationen  finden  sich 
ferner  im  Anfangsstück  der  Arteria  pulmo nalis. 

Farre  und  Mauran  fanden  dasselbe  „blind",  Peacock  sah  die 
Mündung  der  Lungenarterie  sehr  verengt;  das  Septum  ventric.  war  man- 
gelhaft mid  die  Aorta  entsprang  hauptsächlich  aus  dem  rechten  Ven- 
trikel. Ebenso  war  in  dem  Falle  von  Huss  die  Mündung  der  Art.  pulm. 
bei  einem  6jährigen  cyanotischen  Knaben  verengt.  Der  rechte  Ventrikel 
war  vergrössert.  Das  Per.  ov.  war  geschlossen;  das  Sept.  ventr.  offen. 
Der  Duct.  art.   Bot,  fehlte  ganz. 

Zuweilen  reicht  die   ünwegsamkoit  der  Lungenarterie   weiter 
und  zwar  über  den  Anfang  derselben  hinaus  bis  an  die  Abgangs- 


5gg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

stelle  des  Ductus  art eriosus  Bot alli,  theils  gleichzeitig  mit 
Klappeu-Anomalieeu  (W a U a ch  ,  S p i 1 1 a) ,  theils  ohne  solche. 

J  Wallach  sah  bei  einem  13jährigen,  von  Gehurt  an  cyanoti- 
sehen  Knaben,  der  au  Katarrhen.  Dyspnofe-,  Lungeublutungen  etc  ge- 
storben war,  eine  verküuuuerte  Lungen- Arterie ,  die  aus  einem  durch 
Muskelbalken  ziemlich  geschlossenen  Conus  und  mit  fest  membranös, 
kuppellormig  verschmolzenen  Klappen  als  diumhäutiger  Kanal  entsprang, 
und  zwar  mit  einem  Lumen  von  2  Mm.  Durehmesser.  Die  Arterie  gmg, 
gabiig  getheUt  (aber  blutleer,  faltig  und  dünn)  weiter;  der  rechte  Zweig 
Hess  sich  bis  in  die  Lunge  verfolgen,  der  linke  nicht.  Die  Einmündungs- 
stellen  der  Lungenvenen  waren  klein,  der  rechte  Ventrikel  erweitert. 
Die  Lungen  waren  klein,  blutarm. 

Spitta  beobachtete  bei  einem  40jährigen  cyanotiscben  Knaben  eine 
Stenosirung  der  Lungen-Arterie  durch  eine  cpier  über  den  Klappen  ver- 
laufende Membran,  die  eine  Linie  dick  und  in  der  Mitte  spaltfürmig 
durchbohrt  war.  For.  ov.  offen.  Eechtes  Herz,  besonders  der  Vorhof, 
hypertrophisch. 

Ohne  gleichzeitige  Klappen-Anomalieen  wurde  Obliteration  der 
Art.  pulm.  selbst  bis  zur  Theilungsstelle  mehrfach  beobachtet. 

Parre.  Bei  einem  4wöchentl.  cyanotiscben  Kinde  war  die  Art. 
pulm.  bis  zur  Theilung  geschlossen.  Die  Lunge  wurde  vom  Duct.  art. 
Bot.  gespeist.     Die  Aorta  entsprang  aus  beiden  Ventrikeln. 

M  a  u  r  a  n  (s.  oben) ;  Lungenarterie  verschlossen ;  Duct.  art.  Bot.  offen. 

H  0  w  s  h  i  p.  Bei  einem  ömonatl.  cyanotiscben  Kinde  war  die  Art. 
pulm.  bis  zum  Duct.  Bot.  unwegsam.  Beide  Vorkammein  communicirten 
mit  der  aus  dem  rechten  Ventrikel  entspringenden  Aorta. 

S  p  i  1 1  a  1.  Bin  23tägiges  Kind  mit  Cyanose  bot  Unwegsamkeit  der 
Lungenarterie  Ids  zum  Duct.  art.  Bot.  dar.     Sept.  ventr.  oifen. 

Chambers:  Bin  9 — lOjähriger  cyanotischer  Knabe  zeigte  Ver- 
schluss des  untern  Theils  der  Luugenarterie.  In  den  oberen  offenen  Theil 
mündeten  Aeste  der  (aus  der  rechten  Herzkammer  entspringenden)  Aorta. 
Sept.  ventr.  offen. 

Wie  man  .sieht ,  kommen  derartige  Individuen  nur  selten  über  das 
Kindesalter  hinaus  und  bieten  fast  immer  neben  Dyspnoe ,  chronischen 
Katarrhen  und  Lungenblutungen  Cyanose  dar,  weil  die  frühzeitige  Ob- 
literation des  Stammes  der  Lungen- Arterie  theils  .eine  nur  höchst  un- 
vollkommene Versorgung  der  Lunge  mit  Blut ,  theils  eine  fötale  Miss- 
bildung des  Herzens  (unvollständige  Bildung  des  Septum  ventr. ,  Offen- 
bleiben des  For.  ovale ,  anomalen  Ursprung  der  Aorta  aus  dem  rechten 
oder  aus  beiden  Ventrikeln)  bewirkt,  hierdurch  aber  die  Bilduno-  eines 
rein  arteriellen  Blutes  unmöglich  macht.  Die  Versoro-uno-  der  Lun^e 
durch  den  Ductus  arteriosus  Botalli,  sowie  die  compensatorische  Erwei- 
terung der  Bronchialarterien  veriuag  zwar  die  Ernährung  der  Lungen 
zu  vermitteln,  aber  den  Lungenkreislauf  und  die  Vermitteluno-  des  Gas- 
Aufstansches  nicht  zu  ersetzen.     Nur  der  höhere  Druck  in  dem  rechten 


Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc.  589 

Ventrikel  ist  es ,  der  auf  mechanischem  Wege  verringert  werden  kann, 
indem  durch  Verschiebung  und  Offenbleiben  der  Septa  ein  Ueberströmen 
in  den  Aorten-Kreislauf  und  dadurch  eine  Ausgleichung  der  Spannuug 
bewirkt ,  der  Duct.  art.  Botalli  aber  durch  Umkehruug  der  Strömung 
aus  der  Aorta  in  die  Pulmonalis  offen  erhalten  wird. 

Angeborene  Erweiterung  der  Luugen- Ar  terien 
kommt  höchst  selten  vor. 

Ebenezer  Smith  sah  dieselbe  bei  einem  cyanot.  Neugeborenen  mit 
geschlossenem  For.  ovale,  Canton  bei  einem  2tägigen  Kinde  mit  ange- 
borener VerSchliessung  der  Aorta. 

d)  Anomalien  der  L  u  n  g  e  n  -  V  e  n  e  n. 

Gegenüber  den  Missbildungen  der  Lungen- Arterie  treten  die  der 
Lungen-Venen  sehr  an  Bedeutung  zurück  und  werden  nur  in  Verbin- 
dung mit  Anomalieen  der  Lungenarterie  und  des  Herzens  angetroffen. 
Dass  bei  mehr  oder  weniger  ausgedehnter  Obliteration  der  Pulmonal- 
Arterie  der  Lungenkreislauf  überhaupt  verkümmert  und  demzufolge 
auch  die  Lungen- Venen  nur  unvollkommen  entwickelt  sind ,  ist  selbst- 
verständlich. Ebenso  dass  bei  vollkommener  Transposition  der  grossen 
Gefässstämme  die  Lungenvenen  in  den  rechten  Vorhof  müudeu.  Inte- 
ressante Ausnahmen  bieten  die  FäUe  von  unvollkommener  Trausposi- 
tion ,  in  denen  nur  die  Mündung  der  Lungenvenen  eine  seitliche  Um- 
kehrung erfahren  hat. 

So  mündeten  in  dem  obigen  Virchow 'sehen  Falle  die  Lungen- 
venen rechts  in  den  einfachen  Vorhof,  während  die  Art.  pulm.  weiter 
nach  hinten  aus  dem  rechten  Ventrikel  entsprang.  In  dem  Falle  von 
Peacock  mündeten  die  Lungenvenen  in  den  rechten  Vorhof;  auch 
hier  war  der  Ursprung  der  Lungen-Arterie  im  rechten  Ventrikel.  Im 
H  erhol  dt' sehen  Falle  fand  eine  gleiche  Einmündung  statt,  wählend 
gleichzeitig  vollständiger  Defect  der  Lungen-Arterie  vorlag.  Besonders 
eigenthümlieh  ist  der  Fall  von  Eaoul-Chassinat,  in  welchem  die 
Venen  dei  rechten  Lunge  in  die  Vena  cava  inf.  mündeten. 

VL    Anomale    Anlage    und    Entwickelung    des    Respira- 
tions-Apparates in  Verl)  in  düng  mit  anderweitigen 
M  i  s  s  b  i  1  d  u  n  g  e  n. 

Dass  in  Fällen  von  hochgradiger  Verkümmerung  einer  einfachen 
Frucht  auch  die  Respirations-Organe  entweder  total  oder  grösstentheils 
fehlen,  ist  eine  schon  von  Me ekel  und  Fleischmann  hervorgeho- 
bene ,  von  Förster,  Gurlt  und  Anderen  bestätigte  Thatsache.  Die 
Brust-  und  Uuterleibshöhle  finden  sich  oft  nicht  geschieden ,  erstere 
theils  von  LTnterleibsorganen,  theils  von  abnormen  Substanzen  (flüssigen 
oder  festen)  erfüllt ,  selten  Lungen  enthaltend.    Der  Thorax  ist 


590 


Krankheiten  der  Athmungäorgane. 


rudimentär.  A  c  e  p  h  a  1  e  n  mid  A  c  a  r  d  i  a  c  i  bieten  in  dieser  Beziehung 

ein  ziemlich  übereinstimmendes  Bild.  _ 

Zu  linden  sind  Lungen  oder  deren  Rudimente,  bei  solclien  Miss- 
bildungen, woTheile  des  Kopfs  vorhanden  sind;  sehr  klem  smd  me 
meist,  wenn  sie  liei  Brustspalte  freüiegen.  ,       ,    j 

Auf  was  dieser  constante  Lungen-Mangel  beruht,  ob  er  durch  das 
Ueberwiegen  des  ausgebildeten  Zwillings  und  secundäre  Verkümme- 
rung, oder  durch  ursprünglichen  Mangel  nnd  primäre  Atrophie  der  An- 
lagen bedingt  ist,  ward  noch  nicht  festgestellt. 

Bei  Doppel- Missbildungen  kommen  alle  Stadien  der  Ver- 
kümmerung vor,  wie  sich  am  deutlichsten  aus  lieifolgender  Tabelle  er- 
sehen lässt,  die  vorwiegend  Thier-Missbildungen  umfasst: 

Verhaltender  Respir.-Organe  bei  Doppel-Miss- 

bildnngen. 
A.  Vollkommene  Verdoppelung    d.  lie  sp.  -  0  r  g  a  ne. 

Luflrühreu.     Lungen.  ,         ,      1-,.  -,  ,   .      T^li^,., 

2.  4,         Sternopagus   (Lancerea  uxj  *J.     (Vergl.   Fig.    11.)     ihoui- 

copagus  (Förster).  .     ,      ,■     tt 

2  4.         Thoracopagus    Xiphopagus   (Vrolik)«').     Auch    die  Herzen 

doppelt.     (Vergl.  Fig.  10.) 
2.  4.         Octopus    biauritus  (Gurlt).     2  Lungen   ausser    Verbindung 

m.  d.  Luftröhre. 
2  4.         1  Paar  Lungen  kleiner  (Barkow). 

2'.  4.         Dicephalus   bihimbalis    a.  bispinalis  (Gu  rlt).     Die  einander 

zunächst  liegenden  Lungen  kleiner. 

B.  Unvollkommene  Vcrdopp.  d.  Resp.-Organe. 

Diprosopus  sejunctus  (Gurlt).  Diceph.  biatlanlicns  (Spü- 
ring).     Diceph.  subbidorsual.  (Wolff). 

Tetrascelus  symphyoceph.  (Gurlt).  Die  3.  Lunge  erhielt 
v.  jeder  Luftröhre  1  Ast. 

Heterodidymus  octipes  emprosthomelophorus  (G  u  r  1 1).  1 
Luftr.  zu  1,  1  zu  2  Lungen.  Jede  Lunge  in  4  Lappen 
getheilt. 

Diceph.  bispinal.  (Faust). 

Luftröhre  ob.  einf. ,  hinten  gespalt.  u.  m.  dem  Schlünde 
verbunden,  unten  doppelt  (Mayer). 

Luftr.  nur  theilw.  doppelt  (Diprosoii.  pejunot. ,  Diceph.  bi- 
atlanticus  u.  subbicollis)  (Gurlt,  Meckel). 

Larynx  confluirt.  Herz  doppelt  (Prosopothoracopagus ,  Ro- 
senstiel). 

Der  einf.  Luftröhre  entspringen  4  Bronchi.  Tetrachirus  sym- 
phyoceph. (Gurlt). 

Diprosopus  sejunct. ,  Heterodidymus ,  Tetrascelus  bifacial. 
(Gurlt). 

Thoracopagus  parasiticus  (Förster). 

*)  [naohBroca]  Die  Herzen  waren  zu  einem  einfachen  verschmolzen,  das 
2  Lungenart.  aussandte.  Die  unt.  Hälfte  d.  Herzens  enthielt  2  nur  unvoUk. 
getrennte  Ventr.,  die  gleichzeitig  den  Pulmonal-  und  Aortenkreislauf  versorgten. 
**)  In  d.  gemeins.  Thoraxhöhle  lagen  beide  Herzen,  deren  jedes  1  bedeu- 
tende Art.  pulm.  abgab ,  je  für  1  Lungenpaar.  1  Duct.  art.  Botalli  mündete 
in  den  beiden  Herzen  gemeinsamen  Aorten-Stamm. 


2. 

3. 

2. 

0 
rJ. 

2. 

3. 

2. 
2. 

2. 
4. 

2. 

2. 

2. 

2. 

1. 

4. 

1. 

2. 

1. 

2. 

Fürst,  Missbildungen  der  Lunge  etc, 


591 


Dem  Parasiten  fehlt  meist  das  ganze  Respirationssystem ,  gleich- 
viel, ob  die  beiden  Thoraxhöhlen  confluirt  oder  getrennt  sind.  Meist 
ist  auch  die  Brusthöhle  des  Parasiten  rudimentär. 


Fig.  10.     A.  =  Aorta.     A.   p.  =  Art.   pulm.     D.    a.    B.  =  Ductus   art.   Bot.     C. 
a.  =  Cor.  ant.     C.  p.  =  Cor.  post.     P.  a.  u.  P.  p.  =  Pnlni.  ant.  u.  post. 


Fig.  11.     A.  =  Aorta.     P.  d.  u.  s.  =  Pulmo  dext.  u.  sin.     V.  S.  C.  =  Vena 

Cava  sin. 

Dass  alle  diese  Missbildungen ,  sobald  das  Respirations-System  des 
einen  Individuums  unvolllcommen  entwickelt  i.st,  Lebensuniahigkeit  zur 
Folge  haben,  ist  selb.stredend. 


Croupöse  Pneuinouie 


Prof.  L.  Thomas. 

Vgl.  die  Literaturzusammenstellung  am  Anfang  des  Artikels: 
»Croupöse  Pneumonie«  im  5.  Band  von  Ziemsseu's  Handbuch  der  spe- 
cielleu  Pathologie  imd  Therapie,  von  .Jttrgensen;  unter  den  Werken 
über  Kinderkrankheiten  s.  besonders  die  von  Bar  tliez  imdRilliet, 
Steffen,  G  e  r  h  a  r  d  t,  S  t  e  i  n  e  r,  V  o  g  e  1.  Die  einzelnen  Aufsätze  und 
grösseren  Abhandlungen,  die  über  croupöse  Pneumonie  der  Kinder  han- 
deln, gebe  ich  in  der  folgenden  alphabetischen  Zusammenstellung,  um 
die  Auffindung  eines  literarischen  Nachweises  zu  erleichtern  :  im  Ori- 
ginal ,  wo  ich  dieses  selbst  einsehen  konnte  ,  die  übrigen  in  dem  betref- 
fenden Auszugsjournal.  Die  Abkürzungen  für  letztere ,  wie  Schmidt's 
Jahrbücher,  die  Jahresberichte  von  Canstatt  und  Virchow-Hirsch,  Jour- 
nal für  Kinderkrankheiten,  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde,  die  Oester- 
reichische  Zeitschrift  für  Kinderheilkunde,  das  Oesterreichische  Jahr- 
buch für  Pädiatrik  u.  s.  w.  werden  leicht  verständlich  sein. 

Abelin,  J.  f.  Kkh.  43.  p.  445.  .55.  p.  91.  —  Adams,  J.  f.  Kkli.  3. 
p.  232.  -  Ahlfeld.  Arch.  d.  Heilk.  1870.  XL  p.  491.  -  Albrecht,  Pe- 
tersb.  med.  Ztschr.  1862.  III.  p.  50.  —  A  t  k  i  n  s,  Diss.  Zürich  1872.  —  Baas, 
Zur  Perc. ,  Ausc.  u.  Phonometrie.  Stuttg.  1877.  p.  274  und  Med.  Diagnostik. 
Stuttgart  1877.  p.  128.  —  Bamberger,  Schm.  Jb.  113.  p.  348.  —  Banze, 
Jb.  f.  Khkde  1873.  VI.  p.  336.  —  Bardenhewer,  Berl.  kl.  Wsehr.  1877. 
p.  597.  —  Baron,  J.  f.  Ekh.  1.  p.  20.  u.  18.  p.  243.  —  Barrier,  Schm.  Jb. 
36.  p.  371.  —  Bartels,  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  1874.  XIII.  p.  33.  —  Barthez, 
J.  f.  Kkh.  17.  p.  311.  19.  p.  239.  39.  p.  94.  Schm.  .Tb.  115.  p.  57.  Ost.  Jber. 
1865.  IV.  p.  272.  —  B.  u.  Rilliet,  Cst.  .Tber.  1842.  I.  p  500.  1851.  IV. 
p.  330.  J.  f.  Kkh.  17.  p.  329.  —  B  a  r  y  ,  Pet.  med.  Ztschr.  1864.  VI.  p.  175. 
—  Battersby,  J.  f.  Kkh.  10.  p.  9.  —  Ba  ud  e  1  o  cq  u  e  ,  Cst.  Jber.  1842. 
II.  p.  283.  —  Baümler,  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  1866.  I.  p.  153.  164.  — 
Beckler,  Bayr.  Intell.  1868.  p.  175.  _  Ben  nett,  Pr.  Vj.schr.  93  p.  40.  — 
Berg,  J,  f.  Kkh.  24.  p.  435.  —  B  i  e  r  b  a  u  m ,  J.  f.  Kkh.  38.  p.  2o'3.  234.  43. 
p.  94.  50.  p.  76.  57.  p.  351.  Die  Mening.  spl.  Leipzig  1866.  p.  116.  —  Binz, 
Beob.  z.  inn.  Klin.  Bonn  1864.  p.  125.  Jb.  f.  Khkde  1868.  I  p  234  —  Birch- 
Hir Sehfeld,  Oest.  Jb.  f.  Päd.  1870.  VII.  p.  170  d.  Ber.  —  Bläche,  J.  f- 
Kkh.  47.  p.  286.  —  Bleuler,  Di,9s.  Zürich  1865.  —  Bohn  Jb  f  Khkde 
1873.  VL  p.  137.  -  Bourgeois,  Schm.  Jb.  113.  p.  3.56.  —  Brey-Esser, 
Diss.  Greifsw.  1869.  —  Buchanan,  J.  f.  Kkh.  52.  p  111  —  Budde  V-H 
Jber.  1873.  IL  p.  681.  -Buh  1,  Hecker  u.  ß.,  Klin.  d.  Geburtsk.     Leipz.  186L 


Thomas',  Croupöse  Pneumonie.  593 

p.  263.  Lungenentzdg  u.  s.  w.  12  Briefe.  2.  Aufl.  München  1873.  p.  43.  — 
C  an  statt,  Klin.  Rückbl.    Erl.  1851.  p.  45.  —  Cibiel,  These  de  Paris  1874. 

—  Clar,  Oest.  Ztschr.  f.  Khkde  1855.  I.  3.  etc.  —  Clementovsky,  Oest. 
Jb.  f.  Päd.  1873.  IV.  p.  16.  —  Clever,  Dorp.  med.  Ztschr.  1871.  I.  p.  339. — 
Constant,  Schm.  Jb.  14.  p.  92.  15.  p.  80.  —  C  o  u  r  v  o  i  s  i  e  r,  Schweiz.  Corresp. 
1874.  IV.  p.  404  11.  1875.  V.  p.  710.  —  Damaschino,  These  de  Paris  1867. 

—  Decaisne,  Schm.  Jb.  152.  p.  178.  —  Dittrich,  Pr.  Vjschr.  7.  p.  110. 
12.  p.  180.  -  Dobrowolny,  Oest.  Ztschr.  f.  Khkde  1855/56.  I.  p.  224.  — 
V.  Dusch,  Arch.  d.  Ver.  f.  gem,  Arb.  1863.  VI.  p.  59.  —  Edgar,  Jb.  f. 
Khkde  1871.  IV.  p.  116.  -  E  Isässer,  Würt.  Corr.  1843.  9.  1846.  p.  26.  1849. 
p.  113.  1862.  p.  9.  -  Engel,  Wien.  med.  Wschr.  1861.31.  32.  -  Eppinger, 
Pr.  Vjschr.  115.  p.  124.  125.  p.  13.  —  Epting,  Diss.  Tüb.  1847.  —  Erich- 
sen,  Schm.  Jb.  5.  Suppl.  p.  65.  —  d'Espine,  Oest.  Jb.  f.  Päd.  1875.  VI. 
p.  135  d.  Ber.  —  Faye,  J.  f.  Kkh.  31.  p.  440.  —  Fisch  1,  Prager  med.  Wschr. 
1877.  47.  p.  970.  —  Fismer,  D.  Arch.  f.  klin.  Med.  1878.  XL  p.  391.  — 
Flamm,  Diss.  Tüb.  1865.  p.  44.  -  Fleischmann,  Prag.  med.  Wschr.  1876. 
p.  189.  -  Flint,  Cst.  Jber.  1861.  III.  p.  238.  —  v.  Franque,  Diss.  Würzb. 
1855.  —  Friedleben,  Arch.  f.  pliys.  Heilk.  1847.  VI.  p.  9.  167.  —  Fuckel, 
Arch.  d.  Ver.  f.  wiss.  Heilk.  1867.  III.  p.  202.  —  Funck,  Diss.     Greifsw.  1868. 

—  Gallavardin,  Cst.  Jber.  1859.  III.  p.  276.  -  Geissler,  ATch.  d.  Heilk. 
1861.  II.  p.  120.  123.  —  Gerhardt,    D.  Klin.  1858.    s.  Schm.  Jb.  102.  p.  310. 

—  Greenfield,  V.-H.  Jber.  1876.  II.  p.  171.  —  Grimshaw  u.  Moore, 
V.-H.  Jber.  1875.  IL  p.  200.  —  Grüttner,  Diss.  Greifsw.  1859.  —  Guer- 
sant,  J.  f.  Kkh.  1.  p.  137.  429.  4.  p.  364.  —  Guillot,  Cst.  Jber.  1854.  IV. 
p.  252.  —  Hägler,  Schweiz.  Corr.  1872.  II.  p.  38.  —  Hagenbach,  Jbch 
f.  Khkde  1872.  V.  p.  183.  11.  u.  14.  Jahresber.  d.  Kdrspit.  zu  Basel  über  1873 
u.  1876.  —  Hamon,  Gaz.  des  höp.  Juin  1855.  -  Ha  rd  wiche,  V.-H.  Jber. 
1876.  II.  p.  172.  —  Hauner,  Schm.  Jb.  SO.  p.  329.  J.  f.  Kkh.  31.  p.  144. 
Jbch  f.  Khkde  1862.  V.  p.  142.  Beitr.  z.  Pädiatrik.  Berl.  1863.  p.  '""  ^  " 
Kkh.  49.  p.  283.  54.  p.  9.  -  Hayes,  V.-H.  Jber.  1874.  IL  p. 
Hecker,   Arch.   f.  Gynaekol.  1876.    X.  p.  533.     Bayr.  Intell.  1876. 

—  Heiden  reich,    Bayr.  med.  Corr.  1842.  p.  353.  —  Hennig, 
76.  p.  365.  —  Henoch,   J.   f.  Kkh.  13.    p.  6.     Beitr.   z.    Khlkde. 
p.  39.     Berl.   kl.   Wschr.    1866.    p.  111.     Beitr.   z.   Khlkde.     N.   F. 
p.  149.     Jbch  f.  Khkde   1869.  IL   p.  110.     Charite'   Ann.  1874.   I.   p. 
IL  p.  584.    Berl.  kL  Wschr.  1877.  p.  454.  —  Hermann,  Schm.  Jb.  51.  p.  312. 

—  Hervieux,  Schm.  Jb.  123.  p.  312.  135.  p.  168.  Jbch  f.  Khkde  1865.  VIL 
p.  79  d.  Anal.  J.  f.  Kkh.  21.  p.  1.  —  Heschl,  Pr.  Vjschr.  51.  p.  1.  —  Hillier, 
V.-H.  Jber.  1868.  IL  p.  645.  647.  —  Hirschsprung,  V.-H.  Jber.  1873.  IL 
p.  681.  —  Höcker,  Hals-  u.  Brustkkh.  d.  K.  Weimar  1842.  —  Hof  mann, 
Bayr.  Intell.  1876.  p.  527.  —  Hood,  J.  i.  Kkh.  5.  p.  192.  198.  —  v.  Hütten- 
brenner, Jbch  f  Khkde  1872.  V.  p.  206.  —  Imbert-Gourbeyre,  Schm. 
Jb.  85.  p.  182.  —  Immer  mann  n.  Heller,  D.  Arch.  f.  kL  Med.  1869.  V. 
p.  1.  —  Irvine,  BerL  kUn.  Wschr.  1876.  p.  468.  —  Jacobi,  J.  L  Kkh.  42. 
p.  447.  56.  p.  259.  —  Jenni,  Schw.  Ztschr.  f.  Med.  1850.  p.  165.  —  Jensen, 
Memorab.  1868.  p.  50.  —  Jürgensen,  Volkm.  Samml.  kl.  Vortr.  No.  45.  — 
Jurasz,  Berl.  kl.  Wschr.  1874.  p.  197.  -  Käseler,  Diss.  Berl.  1835.  — 
Kaiser,  Schm.  .Jb.  50.  p.  201.  —  Kaulich,  Pr.  Vjschr.  69.  p.  94.  —  Ker- 
nig, Pet.  med.  Ztschr.  1870.  N.  F.  L  p.  361.  -  Kerschensteiner,  Bayr. 
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p.  256.  -  Laudy,  J.  f.  Kkh.  3.  p.  95.  —  Laveran,  V.-H.  Jber.  1875.  IL 
p.  201.  —  Lawrence,  Cst.  Jber.  1842.  L  p.  501.  —  Lebert,  BerL  klm. 
Wschr.  1871.  p.  518.  —  Legendre  u.  Bailly,    J.   f.  Kkh.  3.  p.  273.  —  Le- 

Handb.  d.  Kiaderkrankheiten.    III.  2.  3o 


159. 

J.  f. 

842. 

—     V. 

28.  p 

.  293. 

,    Schm.  Jb. 

Berl. 

1861. 

Berl. 

1868. 

.576. 

1875.^ 

594  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

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f.  Kkh.  13.  p.  454.  Schm.  Jb.  74.  p.  56.  J.  f.  Kkh.  20.  p.  268.  30.  p.  482.  _' 
Mayer,  Fieber  etc.  Aachen  1870.  p.  51.  Jbch  f.  Khkde  1873.  VL  p.  272  - 
Mayr,  Jbch  f.  Klikde  1858.  I.  p.  8.  1859.  IL  p.  29.  1800.  IIL  p.  242  1861 
IV.  p.  240.  1862.  V.  p.  15.  117.  Beil.  zu  V.  p.  20.  —  Meigs,  Schm.  Jb.  74' 
p.  215.     J.  f.  Ivkh.  31.  p.  20.  —  Mende,  Ztschr.  f.  pr.  Med.  1865.  II.  p.  478 

—  Merz,  Arch.  d.  Ver.  f.  wiss.  Heilk.  1806.  IL  p.  135.  140.  —  Meyer  ßavr' 
Intell.  1877.  27.28.  -  Möller,  Königsb.  Jahrb.  1859.  L  p.  3.53.  —  Monaltv' 
Oest.  Jb.  f.  Päd.  1873.  IV.  p.  85  d.  Ber.  —  Monti.  Ibid.  1872.  IIL  p  65  1873 
IV.  p.  105.   173.  1874.  V.  p.  67.  —  Müller  (München),  J.  f.  Kkh.  49   p   328' 

—  Müller  (Riga),  J.  f.  Kkli.  49.  p.  155.  52.  p.  361.  Rig.  Beitr.  2  Heilk' 
1851.  L  p.  439.  —  Müller,  H.,  Diss.  Breslau  1872.  —  Müller  A  J  f' 
Kkh.  54.  p.  78.  80.  —  Nath,  Varges  Ztschr.  1857.  XL  p.  19.  —  Naumann' 
j^^f-T^.\^\li-  ^^/  ^-  ^^-  ^"^  Bonn-  Leipzig  1858.  -  Neureutter,  Oest! 
.Tb.  f.  Päd  1871.  IL  p.  115.  -  Niemeyer,  P.,  Ueb.  d.  ak.  Zeich,  d.  Pn  1876 
p.  14.  -  Paasch  .L  f.  Kkh.  21.  p.  40.  -  Paul,  Günzb.  Ztschr.  1851  II' 
&-^  li^o  ttt"  n""'  J-entzdg.  Lpzg  1861.  p.  78.  -  P  a  v  1  0  v  s  ky  ,  Oest.  Jb.  f.' 
^:^'\  i'-I?;  !"■  ß-  P-  201.  -  Petters,  Pr.  Vjschr.  49.  p,  190.  -  Politzer 
.Jbch  f.  Khkde  1863.  VI.  p.  239.  1866.  VIIL  p.  94.  107  1871  N  F  IV  n  Sn  ' 
310.  -  Polli,  Schm  Jb.  12,5.  p.  53.  -  Po'J.fick,  Virci^^  Arch.  L.  l' ^33  - 
Posner,  J.  f.  Kkh.  2.  p.  165.  —  Rapmund,  D.  Klin.  1874  7  -  Kautpn- 
berg,  .Jbch  f.  Khkde  1875.  N.  F.  VIIL  p.  105.  -  ß  e  d  en  b  a  c'h  er  Jbch  f 
Khkde  180L  IV.  Beil.   -   Rehn,    Jbch   f.   Khkde  1871.   IV    p    43^   'l872   V 

?87\  n"w5 '"V-"'  f^'V-  ''""Y'  'V.%^-  K'"'-  ~  Reisl'andrMemo'rab; 
187.:!.  p.  395.  —  Rietz,  Diss.     Jena  1868.  —  Ritter     Pr    Vischr    Ol    n   Sl 

f;  l"^.-  ^^^?,-  ^-  P-   '    l^^t  \^-  '90  d.  Ber.  Path.   der  Rhachitis.    Berl.  1863. 
j"  t    Kkl7-V,f "',   ^Jf'-   f^--   Jf    les   "^al    de  lenf.  L     Paris  1872.  p.  353. 
J.  t.  Kkh.  j9.  p.  o2L  40.  p.  31.5.  41.  p.  34.  -  Rothe    Memrb    1877    n  iqx 
S  ahmen,  Petersb.  med.  Ztschr.  1865   IX.  p.  129.  - 'sThic  1  e  r    J   f'mi 

y87'\"58'5"^"f  i'^-^r '■  '■  '■  '^^  '^J-  29Ö-  -  Sc  Wmm;  s'ayr.  Mel ! 
Ib,^.  p  585.  -  bchroder  van  der  Kolk,  Cst.  Jber.  18.52  II  n  43  - 
Schro  er,  Wurt.  Corr.  ls,58  p.  171.  -  Schütz,  D.  Ztschr  fpr  Med  1874 
I.  p.  2ob.  —  Schweizer,    Würt    Corr    I.845     ,-,    17«  «„-f   1     i^   rv 

1802.  27.  -  Senator,    Ctrlztg   1877    p    97       l'  S    ^  1.7  Seide    ,   D.  Ehn. 

ist  U  '!U}.vsi^ühi  fih  £  ~;rH^ 

1806.  VIIL  4.  p.  161.     Ibid.  N.  F.  1875     VIII   n    9kk       '  if^'-    •'^"^  ^o  P^' 
Corr    1872.  IL  p.  550.  -  Steiner,  Jbch  f.  Khkd"ei'86^  N   f' fj' ' '  ■^."7^^' 
Vjschr.  75.  p.   1.     St.  u.  Neureutter,    Pr.   Visch     8?'    n    -m    hF'  '^^L 
Steinitz,   Ctrlztg  1876.  95.  96.  -  Steinthll      f.  V     '^^ii^'    P'  ^^-  " 
Stephenson,   V -H.  Jber.  1874    II    n    841  cfV  ^-  ^''"•  1^73.  p.  140.  - 

59.  pM23.  Oest.  Jb.  f.  Päd.  V  'p  lls  d  Be7  ^  * '^ " '^.« '^f.r  -  Virch.  Arch. 
AVschr.  1870.  p.  309.  -  Stober.^Schm  Jb  36  ,7-fiQ"l'.°'  ^''^-  '^"°' 
Jb.  11.3.  p.  358.  -  Sukkow,  HufeT  Journ  'l8sl  I!  "  «trohl,  Schm. 
Beitr.  z.  pathol.  Anat.  d.  Morbillen' Le°  t  isya  ^"7.;  P'  ?5.  _  Taube, 
1865.  IV.  p.  270.  -  Thaon,  Jbch  f.  lÄ  IsS'Vf.'vL  ^^19. ''-iSto: 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Aetiologie.  595 

mas,  L.,  Arch.  d.  Heilk.  1866.  VII.  p.  284.  1867.  VIII.  p.  478.  —  Thomas, 
W.,  V.-H.  Jber.  1871.  I.  p.  2.59.  —  Thore,  Sohm.  Jb.  112.  p.  322.  —  Tho- 
resen,  V.-H.  Jber.  1871.  IL  p.  107.  —  Tordeus,  S.A.  aus  Journ.  de  möd., 
de  chir.  etc.  de  Brux.  1S77.  --  Trapenard,  Ost.  Jber.  1856.  III.  p.  169  — 
Trousseau,  J.  f.  Kkh.  3.  p.  217.  Cst.  Jber.  1844.  IV.  p.  612.  J.  f.  Kkh.  11. 
p.  439.  17.  p.  379.  Cst.  Jber.  1857.  IV.  p.  189.  -  T.  u.  L  a  s  e  g  u  e ,  J.  f. 
Kkh.  16.  p.  227.  Cst.  Jber.  1851.  IV.  p.  324,  329.  —  Valentin!,  V.-H. 
Jber.  1867.  II.  p.  108.  —  VaUeix,  Schm.  Jb.  64.  p.  218.  —  Venin  ger, 
Jbch  f.  Khkde  1873.  VI.  p.  97.  —  Vogel,  Jbch  f.  Khkde  1858.  I.  p.  87.  — 
Wagner,  Arch.  d.  Heilk.  1863.  IV.  p.  .357.  —  v.  Wahl,  Pet.  med.  Ztschr.  I. 
p.  158.  —  Warnatz,  Diss.  Lpzg  1869.  -  Weber,  Beitr.  z.  path.  Anat.  d. 
Neugeb.  2.  H.  Kiel  1852.  Vgl.  Canstatts  .Jber.  f.  1852.  IL  p.  42.  —  Weiss, 
3.  f.  Kkh.  12.  p.  42.  -  West,  Cst.  Jber.  1843.  IV.  p.  361.  L  f.  Kkh.  11. 
p.  111.  34.  p.  168.  46.  p.  70.  —  Widerhofer,  Jbch  f.  Khkde  1866.  VIII. 
p.  194.  N.  F.  VL  1873.  p.  18.  —  Wi  1 1  i  ch,  die  acute  Pn.  etc.  Erlangen  1850. 
p.  72.  —  Wood,  J.  f.  Kkh.  40.  p.  87.  —  Wrany,  Pr.  Vjschr.  95.  p.  8.  — 
Wunderlich,  C,  Dis,s.  Tüb.  1858.  -  Zehetmayer,  Pr.  Vjschr.  13. 
p.  45  d.  An.  —  Ziemssen,  H.,  Pleuritis  u.  Pneum.  Berl.  1862.  Greifsw.  med. 
Beitr.  1863.  L  p.  211.  234.  p.  72  d.  Ber.  —  Ziemssen,  W.,  D.  Klin.  1857. 
Monatsbl.  p.  45.  Pr.  Vjschr.  58.  p.  1.  Arch.  f.  phys.  Heilk.  1857.  p.  398.  — 
Zwerina,  Cst.  Jber.  1844.  IV.  p.  613. 

Unter  croupöser  nach  Vircliow  richtiger  fibrinöser  Pneumonie 
versteht  man  diejenigen  Arten  der  Lungenentzündung,  bei  welcher  ma- 
kroskopisch die  Schnittfläche  des  afficirten  Lungenabschnittes  in  eigen- 
thümlicher  Weise  gekörnt  ist ,  die  mikroskopische  Untersuchung  aber 
die  Anwesenheit  eines  fibrinösen  Exsudates  in  den  Alveolen  ergiebt. 
Es  entsteht  dasselbe  stets  in  akuter  Weise. 

Geschichtliches. 

Die  Geschichte  der  croupösen  Pneumonie  der  Kinder  ist  ver  wickelter 
als  die  der  Erwachsenen.  Nachdem  bis  in  den  Anfang  dieses  Jahrhun- 
derts hinein  unter  den  verschiedenen  alcuten  mit  Fieber  und  Brust- 
sclimerzen  verlaufenden  Brustaffektionen  eigentlich  gar  keine  Trennung 
vorgenommen  worden  war,  so  dass  schliesslich  die  Ausdrücke  »Pneu- 
monie«, »Peripneumonie«,  »Pleuritis«  so  ziemlich  als  Synonyma  galten, 
trennte  man  seit  der  unbestrittenen  Herrschaft  der  anatomischen  Schule 
zwar  definitiv  die  verschiedenen  hierher  gehörigen  gröberen  Störungen, 
unterschied  aber  keineswegs  auch  sofort  die  verschiedenen  Formen  der 
Kinderpneumonie.  Es  sind  daher  die  Statistiken  und  selbst  viele  ana- 
tomische Beschreibungen  nicht  gut  verwerthbar ,  insofern  es  sich  um 
die  Feststellung  der  Verhältnisse  gerade  der  croupösen  Pneumonie  han- 
delt. Zunächst  trennte  man  die  angeborene  (Jörg)  und  erworbene 
Atelektase  der  Lungen  vom  Pneumoniebegriffe  ab,  indem  man  die  Fähig- 
keit des  atelektatischen  Gewebes  erkannte,  vom  zuführenden  Bronchus 
her  aufgeblasen  zu  werden ,  was  bei  der  Pneumonie  unmöglich  war. 
Insbesondere  lernte  man  die  bei  Catarrh  der  feinsten  Bronchien  und 
gleichzeitiger  Lungenhyperäniie  sich  einstellenden  luftleeren  »carnificir- 

38* 


596  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

ten«  oder  einfach  »congestionirten«  Partieen  von  pneumonischen  unter- 
scheiden und  trennte  schliesslich  auch  Bronchopneumonie  und  croupöse 
Pneumonie.  Freilich  war  es  nicht  leicht,  gerade  diesen  letzten  eut- 
•scheidenden  Schritt  zu  thun,  weniger  weil  bedeutende  anatomische  Hin- 
dernisse im  Wege  gestanden  hätten  —  diese  überwand  die  mikroskopi- 
sche Forschung  —  als  deshalb,  weil  die  klinischen  Symptome  dem 
Versuche  einer  solchen  Trennung  gegenüber  sich  ottmals  höchst  schwie- 
rig zeigten.  In  der  That  wurde  daher  auch  der  Vorschlag  gemacht, 
unter  Beiseitelassung  der  Resultate  histologischer  Studien,  die  Einthei- 
lung  der  akuten  Kinderpneumonieen  in  croupöse  und  katarrhalische,  zu 
denen  im  Laufe  der  Zeit  noch  die  eigenartige  durch  Gefässveränderun- 
gen  bewirkte  metastatische  Pneumonie  gekommen  war,  fallen  zu  lassen 
und  statt  dessen  nach  Umfang  und  Verbreitung  des  Processes ,  als  kli- 
nisch leichter  erkennbarer  Grössen,  eine  difiuse  und  circumscripte  Pneu- 
monie zu  unterscheiden.  Allein  der  Versuch  einer  derartigen  Einthei- 
lung  missglückte  ;  nach  wie  vor  wurde  an  der  Trennung  der  obenge- 
nannten Erkrankuugsformen,  als  anatomisch  wohl  characterish'ter  aku- 
ter Entzündungsprocesse  des  Lungenparenchyms ,  festgehalten  und  die- 
selbe mit  der  Zeit  immer  entschiedener  auch  auf  dem  rein  klinischen 
Gebiet  durchzuführen  gestrebt.  Ohne  besondere  Bedeutung  für  die 
akute  Kinderpneimionie  ist  die  seltene  akute  interstitielle  Entzündung 
des  Lungengewebes. 

Aetiologie. 

Die  croupöse  Pneumonie  ist  eine  ziemlich  häufige  Krankheit  des 
Kindesalters.  Genauere  Zifiern  anzugeben  ist  so  lange  nicht  möghcli, 
als  wir  nicht  eine  bessere  Morbilitätsstatistik  der  Kinderkrankheiten 
überhaupt  besitzen,  und  in  einer  solchen  die  croupöse  Entzündung  von 
den  übrigen  Pneumonieformen  scharf  getrennt  wird.  Oefters  werden 
von  den  verschiedenen  Schriftstellern  croupöse  und  katarrhalische  Pneu- 
monie so  zusammengeworfen,  dass  das  beschriebene  Krankheitsbild 
weder  zur  einen  noch  anderen  Form  passt  und  jedenfalls  in  vieler  Hin- 
sicht nicht  im  Geringsten  dem  entspricht,  was  wir  über  die  croupöse 
Pneumonie  als  sicher  festgestellt  wissen.  Insbesondere  ist  jede  Statistik, 
die  eine  bedeutende  Mortalität  der  Kinderpneumonie  ero-iebt  drino-end 
verdächtig  ,  sich  im  Wesentlichen  wenigstens  auf  croupöse  Pneunionie 
nicht  zu  beziehen.  Ich  halte  es  daher  für  eine  ziemlich  überflüssige 
Mühe ,  jetzt  schon  eine  durch  der  Literatur  entnommene  Zifiern  illu- 
strirte  Darstellung  dieser  Verhältnisse  zu  o-eben. 

Unsere  Krankheit  kommt  unter  allen°Breitegraden  vor;  continen- 
tales  Khma  schemt  ihr  Auftreten  mehr  zu  begünstigen  als  Küstenklima. 


Thomas,   Croupösc  Pneumonie.     Aetiologie.  597 

Sie  ist  wohl  überall  in  den  Winter-  und  besonders  Frühjahrsinonatcn 
am  häufigsten.  Diess  stimmt  mit  den  Erfahrungen  der  meisten  Autoren 
über  die  grössere  Frequenz  der  Pneumonia  crouposa  der  Erwachsenen 
in  den  genannten  Jahreszeiten  üljerein.  Schon  diese  Thatsache  berech- 
tigt zu  der  Annahme,  dass  das  Herrschen  rauher  Winde,  die  es  ja  be- 
kanntlich auch  im  Herbst  überall  giebt ,  von  massgebendem  Einfluss 
auf  die  Häufigkeit  der  croupösen  Kinderpneumonie  in  der  Gesammtbe- 
völkerung  nicht  sein  kann.  Schwer  zu  entscheiden  ist ,  ob  nicht  trotz- 
dem die  durch  diese  Winde  leicht  herbeigeführte  Möglichkeit  einer 
»Erkältung«  vielleicht  öfters  im  Einzelfall  von  dem  behaupteten  Ein- 
fluss gewesen  ist ;  denn  dass  sich  eine  croupöse  Pneiunonie  unmittelbar 
an  intensive  Erkältungen,  z.  B.  im  kalten  Bad,  bei  Aufenthalt  in  kalter 
Luft  in  leicht  bekleidetem  Zustande,  zumal  mit  erhitztem  Körper,  u.  s. 
w.  anschliessen  kann ,  scheint  mir  durch  die  Praxis  so  weit  als  möglich 
sichergestellt ,  obschon  B.  H  e  i  d  e  n  h  a  i  n  dieselbe  durch  Einathmung 
kalter  Luft  experimentell  nicht  zu  erzeugen  vermochte  (Virchow's 
Arch.  LXX.  p.  441).  Andererseits  steht  durch  die  Erfahrungen  der 
Aerzte  in  nördlichen  und  hochgelegenen  Gegenden  fest,  dass  hohe  und 
anhaltende  Kälte,  mit  und  ohne  Wind,  ohne  entschiedenen  Einfluss 
auf  die  Pneiimoniefrequenz  im  Grossen  ist ;  für  eine  beträchtliche  Zahl 
Erwachsener  ergiebt  sich  dies  insbesondere  recht  hübsch  aus  den  Beob- 
achtungen bei  den  Nordpolexpeditionen.  Indessen  folgt  ja  aus  der  That- 
sache des  Aufenthaltes  in  einem  kalten  Klima  keineswegs  die  Nothwen- 
digkeit,  dass  man  sich  erkälten  und  dadurch  erkranken  müsse.  Gewöh- 
nung an  den  Aufenthalt  in  frischer  Luft  vermindert  jedenfalls  auch  bei 
Kindern  die  Disposition  zu  croupöser  Pneumonie ,  die  übrigens  keines- 
wegs mit  der  Disposition  zu  Catarrh  der  Luftwege  zusammentrifft ;  um- 
gekehrt scheint  auch  bei  Kindern  das  Eingesperrtsein  in  engen  schlecht 
gelüfteten  Zimmern  ihr  Auftreten  zu  begünstigen.  Leider  lässt  sich 
aber  der  Einfluss  aller  dieser  Verhältnisse  zur  Zeit  noch  nicht  durch 
sichere  Zahlen  erweisen. 

Sehr  zweifelhaft  ist  die  Genese  der  croupösen  Pneumonie  durch  kal- 
ten Trunk  (cf.  Traube,  Charite  Ann.  1874,  I.  p.  276),  auch  mecha- 
nische Reizung  der  Brouchialschleimhaut  durch  fremde  Körper  hat  sie 
kaum  jemals  herbeigeführt. 

Petters  führt  das  innerhalb  fünf  Jahren  viermalige  pneumonische 
Erkranken  eines  Lackirers  auf  dessen  Beschäftigung  in  einem  65"  ß. 
warmen  Trockenraume  zurück. 

Die  besonderen  Umstände,  welche  bei  Erwachsenen  eine  grössere 
Häufigkeit  der  croujDÖsen  Pneumonie  beim  männlichen  Geschlecht  be- 
dingen, fallen  für  das  Kindesalter  meistentheils  weg;  nach  den  vorhan- 
denen mangelhaften  Statistiken  erkranken  indessen  Knaben  im  AUge- 


598  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lvinge. 

meinen  docli  noch  etwas  ologleich  nur  unbedeutend  öfter  als  Mädchen. 
Nur  Steiner  berichtet  von  einer  grösseren  Differenz  (blO  und  390). 

Die  Zahl  der  in  der  Poliklinik  wie  der  besseren  Privatpraxis  behan- 
delten schwächlichen  pneumonischen  Kinder  ist  entschieden  weit  be- 
deutender als  die  kräftiger  gleichaltriger  Individuen ;  Reconvalescenz 
von  schweren  Krankheiten  und  hierdurch  bedingter  Schwächezustand 
schien  mir  geradezu  vielfach  die  Disposition  zu  croupöser  Pneumonie  zu 
bedingen ,  mindestens  bedeutend  zu  erhöhen.  Ich  glaube  daher ,  dass 
Schwächlichkeit,  Rhachitis,  Scrofulose,  Neigung  zu  Darmkatarrhen  ein 
die  Geneigtheit  zu  dieser  Erkrankung  wesentlich  steigerndes  Moment 
ist.  Manche  glauben ,  dass  die  Kinder  brustkranker  Eltern  besonders 
disponirt  seien  (z.  B.  Luzsinsky). 

Einmaliges  üeberstehen  der  Krankheit  steigert  die  Disposition  zu 
wiederholter  gleichartiger  Erkrankung  desselben  oder  eines  anderen 
Lungenabschnittes  in  entschiedenster  Weise ,  und  zwar  ganz  besonders 
bei  schwächlichen  Kindern.  Jeder  beschäftigte  Arzt  kann  die  Richtig- 
keit dieses  Satzes ,  für  den  auch  die  verschiedensten  Autoren  eintreten, 
bezeugen.  Zwar  vermindert  sich  im  Allgemeinen  mit  zunehmender 
Thätigkeit  die  gesteigerte  Disposition  schon  erkrankt  Gewesener ,  doch 
werden  einzelne  Fälle  erwähnt,  in  welchen  6 — 8mal  Lungenentzündung 
während  der  Kindheit  überstanden  worden  ist.  Uebrigens  soll  damit 
nicht  gesagt  sein,  dass  das  zweit-  und  mehrmalige  Erkranken  an  Pneu- 
monie eine  alltägliche  Erscheinung  sei ;  die  meisten  meiner  Kranken 
waren  zum  ersten  Male  ergriffen. 

Entgegengesetzt  der  vielfach  gelesenen  älteren  Angabe ,  nach  wel- 
cher croupöse  Pneumonie  bei  Kindern  geradezu  selten  sein  soll ,  bricht 
sich  in  der  Neuzeit  immer  mehr  die  Ansicht  Bahn  ,  dass  sie  häufiger 
als  bei  Erwachsenen  sei  (W.  Thomas).  Auch  ich  muss  dieselbe  auf 
Grund  reichlicher  ärztlicher  Erfahrung  vertreten :  unsere  Krankheit 
ist  eine  der  häufigsten  schweren  Affektionen  der  Kindheit.  Der 
Grund  solch  veränderter  Anschauungen  liegt  ohne  Zweifel  nur  in 
der  jetzt  gründlicheren  und  verallgemein erteren  Untersuchung  der  Brust 
kranker  Kinder.  Unter  besonderen  Umständen  erkranken  mitunter  so- 
gar Neugeborene  an  croupöser  Pneumonie ,  im  Allgemeinen  ist  dieselbe 
aber  innerhalb  der  Säuglingsperiode  eine  noch  seltene  Affection,  gewiss 
hauptsächlich  nur  desswegen ,  weil  kleine  gegen  äussere  Einflüsse  nur 
wenig  vnderstandsfähige  Kinder  solchen  nicht  preisgegeben  werden. 
Mit  dem  zweiten  Halbjahr  scheinen  sich  aber  bereits  die  Fälle  zu  meh- 
ren, jedenfalls  nehmen  sie  im  zweiten  und  dritten  Jahre  zu  und  erreichen 
(mit  dem  Aufhören  einer  übermässig  sorgfältigen  Ueberwachunfr  vor 


Thomas,  Croupösc  Pneumonie.     Pathologio.  599 

äusseren  Schädlichkeiten  I^ei  nur  massiger  Widerstandsfähigkeit)  ihr 
Maximum  vom  vierten  bis  siebenten  Jahre. 

Die  gediegene  Kräftigkeit  des  späteren  Kindesalters  vermindert  die 
Neigung  zu  erkranken  überhaupt  und  so  auch  die  Disposition  zu  Pneu- 
monie ,  welche  erst  dann  wieder  steigt ,  nachdem  die  Pubertätsperiode 
wesentlich  erhöhte  und  oft  übermässige  Anforderungen  an  die  indivi- 
duelle Leistungsfähigkeit  gestellt  hat.  Dem  entsprechend  wird  nunmehr 
das  vorhandene  Maass  von  Kräften  ,  wenn  schon  grösser  als  in  den  spä- 
teren Kindesjahren  ,  dennoch  leichter  und  öfter  als  in  diesen  erschöpft : 
die  Frequenz  der  croupösen  Pneumonie  und,  um  es  schon  jetzt  zu  sagen, 
ihre  Schwere  und  Gefahr  für  das  Leben  nehmen  deutlich  zu. 

Pathologie. 
Anatomische  Verhältnisse. 

Die  wesentlichste  anatomische  Veränderung  der  croupösen  Pneu- 
monie ist  die  Erfüllung  des  Lumens  der  Lungenalveolen  mit  einem  fibri- 
nösen Exsudat,  welches  ihren  Wandungen  fest  anhaftet  und  ein  durch 
meistens  ausserordentlich  feine  Fäden  gebildetes  Netzwerk  darstellt. 
Die  Maschen  dieses  Netzwerks  sind  durch  zahlreiche  rothe  und  beson- 
ders weisse  Blutzellen  erfüllt,  welche  mitunter  so  dichtgedrängt  stehen, 
dass  das  Netzwerk  erst  nach  ihrer  Entfernung  durch  Auspinseln  des 
mikroskopischen  Präparates  deutlich  hervortritt.  Das  Epithel  der  Al- 
veolen ist  meistens  wohl  erhalten ;  ihre  Capillaren  sind  auf  der  Höhe 
der  Krankheit  strotzend  mit  Blut  erfüllt.  Das  interstitielle  Lungenge- 
webe ist  gewöhnlich  nur  wenig  Ijetheiligt ,  höchstens  etwas  ödematös 
oder,  wenn  überhaupt,  so  doch  nur  leicht  mit  emigrirteu  Rundzellen 
durchsetzt.  Li  der  Regel  aber  sind  die  feinsten  und  feineren  Bronchien 
durch  solide  Fibrinpfröpfe  verstopft ,  indem  sich  der  fibrinerzeugende 
Process  von  den  Alveolen  her  continuirlich  auf  sie  fortsetzt.  Dagegen 
sind  die  grösseren  Bronchien  bei  normalem  Verlaufe  der  Pneumonie  gar 
nicht  in  Mitleidenschaft  gezogen:  es  wird  eben  die  croupöse  Pneumonie 
nur  vom  respiratorischen ,  nicht  vom  nutritiven  Gefässapparat  be- 
herrscht. Pulmonalarterie  und  Bronchialarterien  besitzen  nur  sehr  spär- 
liche capillare  anastomotische  Verbindungen  und  es  kann  daher  die 
Aflection  im  Gebiete  der  ersteren  ganz  wohl  isolirt  bleiben.  Etwas  sehr 
Characteristisches  für  die  croupöse  Pneumonie  liegt  endlich  darin ,  dass 
sie  nur  selten  ohne  Zusammenhang  kleine  Theile  der  Lunge  (Steiner, 
Taube),  meist  einen  ganzen  Lungenlappen  oder  überhaupt  grösseren 
zusammenhängenden  Lungenabschnitt  gleichmässig  betrifft. 

V  i  r  c  h  0  w   sagt    von    unserer  Form    der  Pneumonie  in  den  neuen 


600  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Chariteamalen  für  1875,  II.  p.  739:  „Nach  dem  Vorgänge  der  Wiener 
Schule  hat  man  sie  lange  die  croupöse  Pneumonie  genannt.  Ich  halte 
diese  Bezeichnung  für  falsch.  Diejenige  Pneumonie  welche  bei  wut 
lichem  Croup,  also  hauptsächlich  bei  Kindern,  aufaut.eten  pflegt  bringt 
entweder  überhaupt  keine  fibrinösen  Absätze  m  die  Alveolen  oder  die- 
selben  treten  doch  gegen  die  zelligen  Anhäufungen  bei  Weitem  m  den 
Hintergrund.  Die.se  Pneum.mie  gehört  also  der  katarrhalischen  Form  an. 
Hat  aber  ii-gend  eine  Pneumonie  den  Anspruch,  croupös  genannt  zu  wer- 
den,  so  ist  es  doch  gewiss  die  bei  wirklichem  Croup,  vv eiche  in  so  gros- 
ser Häufigkeit  vorkommt.  Die  gewöhnliche  Pneumonie  der  Erwachsenen 
aber  unterscheidet  sich  von  dem  Croup  durch  den  sehr  wichtigen  Um- 
stand, dass  die  fibrinöse  Essudation  nicht  rein  ist,  dass  der  Initialvor- 
gang  vielmehr  ein  hämorrhagischer  ist.  Nicht  nur  die  Anfangssputa  sind 
blutig,  sondern  auch  die  Anfangshepatisation  ist  roth,  d.  h.  blutig.  Das 
spätere  fibrinöse  Material  ist  also  kein  reines  Product  der  Exsudation, 
sondern  es  wird  erst  gelb,  und  es  nimmt  erst  nach  und  nach  den  soge- 
nannten rein  fibrinösen  Charakter  an  in  der  eigentlichen  (gelben)  Hepa- 
tisation, indem  die  Blutkörperchen  sich  auflösen  und  der  Blutfarbstoff 
sich  metamorphosirt.  Nichts  der  Art  findet  bei  Croup  statt:  hier  haben 
wir  es  mit  einer  wirklichen  Pibrinexsudation  zu  thun.  Aus  diesem 
Grunde  nenne  ich  schon  seit  langer  Zeit  denjenigen  Process,  welcher  die 
eigentliche  (gelbe)  Hepatisation  hervorbringt,  fibrinöse  Pneumonie. 
Wenn  ich  ihn  nicht  hämorrhagische  Pneumonie  nenne,  so  geschieht  es, 
weil  dieser  Name  in  höherem  Maasse  den  metastatischen  Formen  zu- 
kommt ,  welche  mit  eigentlichen  hämorrhagischen  Herden  beginnen," 
Natürlich  kann  der  Streit  um  den  rechten  der  Afiektion  gebühren- 
den Namen  nur  von  anatomischer  Seite  entschieden  werden  und  es  mag 
daher  hier  genügen,  die  im  höchsten  Maasse  beachtenswerthe  Ansiebt 
Virchow's  mit  seinen  eigenen  Worten  wiedergegeben  zu  haben.  Mir 
sei  es  erlaubt,  hier  den  eingebürgerten  Namen  „croupöse  Pneumonie" 
beizubehalten. 

Ausbildung ,  Bestehen  und  Rückbildung  dieses  Entzündungspro- 
cesses  haben  zur  Annahme  mehrerer  Stadien  der  croupösen  Pneumonie 
geführt.  Im  Stadium  der  entzündli  ch  en  Anschoppu  ng  ist  die 
ergriffene  Lungenpartie  voluminöser,  derber,  dunkelgeröthet ,  von  tei- 
giger Consistenz ,  ihr  Luftgehalt  ist  vermindert  oder  auch  schon  gänz- 
lich geschwunden ;  das  Gewebe  kni.stert  daher  beim  Einschneiden  kaum 
ein  wenig  oder  gar  nicht  und  von  der  Schnittfläche  läuft  mehr  oder 
weniger  getrübtes  blutiges  Serum  ab.  Die  mikroskopische  Untersu- 
chung ergiebt  starke  Capillarhjperämie  mit  Austritt  rother  und  weisser 
Blutzellen  in  das  Innere  der  Alveolen.  Allmählich  sammelt  sich  in  die- 
sen ein  immer  zellenreicheres  Exsudat  und  zugleich  mehr  und  mehr 
Fibrin  an ,  so  dass  der  Luftgehalt  des  betreffenden  Lungenabschnittes 
völlig  verloren  geht  und  .sein  Umfang  ein  sehr  beträchtlicher,  seine 
Consistenz  leberartig  derb  wird:  das  zweite,  das  in  seinem  histologi- 
schen Verhalten  oben  geschilderte  charakteristische  Stadium  der  ro- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Pathologie.  601 

then  Hepatisation,  ist  mm  fertig.  Eine  hepatisirte  Partie  ist  be- 
deutend geschwollen,  so  dass  die  Rippen  an  ihrer  Oberfläche  öfters  fur- 
chenartige Eindrücke  hervorrufen  *) ;  ihre  Schnittfläche  lässt  eine  deut- 
liche, bei  Kindern  doppelt  so  feine  Körnung  als  bei  Erwachsenen  er- 
kennen ,  welche  dadurch  entsteht ,  dass  die  durch  das  Exsudat  prall  ge- 
füllten Alveolen  wegen  Erhaltenbleiben  eines  Theiles  der  Elasticität 
des  Gewebes  als  feinste  Körnchen  (von  0,07 — 0,11  Mm.  Durchmesser 
nach  Damaschino  p.  13)  über  die  Schnittfläche  hervortreten;  die 
von  dieser  abfliessende  Flüssigkeit  ist  zäher  und  trüber  als  im  ersten 
Stadium  ,  mitunter  rahmartig.  Allmählich  findet  nun  der  Uebergang 
in  das  dritte  Stadium ,  das  der  gelben  oder  grauen  Hepatisa- 
tion, statt.  Charakterisirt  ist  dasselbe  durch  den  Nachlass  der  Blutüber- 
füllung der  Capillaren ,  welcher  an  den  verschiedenen  Stellen  dieser 
entzündeten  Lungenpartie  verschieden  ausgeprägt  ist,  so  dass  die  Schnitt- 
fläche alle  Nuancen  zwischen  Roth ,  Blassroth,  Blassgrau,  Graugelblich 
und  Gelblich  darbieten  und  ihr  Aussehen  ein  sehr  buntes  sein  kann.  Die 
von  ihr  abfliessende  Flüssigkeit  ist  mehr  oder  weniger  gi-auröthlich  oder 
milchig.  In  den  Bronchien  finden  sich  festere  graue  oder  lockere  gelbliche 
Pfropfe  und  allmählich  auch  eitriger  Inhalt.  Dies  histologische  Bild  wird 
ausser  durch  den  Nachlass  der  Hyperämie  der  Capillaren  ,  die  sogar  in 
Oligämie  übergehen  kann,  noch  weiter  durch  die  viel  grössere  Menge  der 
farblosen  Zellen  bestimmt,  welche  die  rothen  jetzt  bereits  mehr  oder 
minder  entfärbten  Blutzellen  ganz  verdecken  und  zu  immer  reichlicherer 
Entstehung  von  Fibrin  Veranlassung  geben  ,  so  dass  dieses  schliesslich 
die  Alveolen  fast  allein  erfüllt  und  nur  einzelne  mehr  oder  weniger  in- 
takte Zellen  in  ihm  eingeschlossen  bleiben  ;  Abstreichen  der  körnigen 
Schnittfläche  lässt  eine  Menge  aus  Fibrin  bestehender  Alveolenabgüsse 
sichtbar  werden.  Rasch  beginnt  nun  aber  eine  allmählich  immer  voll- 
ständigere Fettmetamorphose  der  noch  vorhandenen  Zellen  ,  besonders 
auch  der  Alveolarepithelien,  die  nach  Buhl  oft  in  zusammenhängenden 
Stücken  von  der  Innenwand  der  Alveolen  abgehoben  werden  und  so  zu- 
gleich eine  Loslösung  der  bis  dahin  fest  haftenden  Fibrinpfröpfe  gestat- 
ten, sowie  sofort  auch  der  Zerfall  des  Fibrins  zu  einer  fein  moleculären 
Masse.  Die  Lunge  verliert  hierdurch  allmählich  an  Derbheit,  sie  wird 
weicher  und  mehr  oder  weniger  brüchig.  Schliesslich,  im  Stadium  der 
Resolution  der  Pneumonie,  hört  die  Auswanderung  weisser  Blutzellen 
ganz  auf  und  sind  die  durch  Auspinselung  als  im  Wesentlichen  intakt 
erkennbaren  Alveolen  von   einer  emulsionsartigen  Flüssigkeit  unvoll- 


*)  Virchow  sah  dies  »verhältnissmässig  häufig  an  vollkommen  lufthal- 
tigen Lungen  von  jungen  Kindern«  (Canst.  Jher.  1852.  II.  p.  41);  dsgl.  Hennig 
an  den  gesunden  Lungentheilen  des  Pneumonikers  (Lehrb.  3.  Aufl.  p.  299). 


602  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

ständig  erfüllt,  nach  deren  Expektoration  oder  Resorption,  die  durch 
den  allmählichen  Wiedereintritt  der  normalen  Blut-  und  Saftbewegung 
ermöglicht  wird  ,  sie  für  die  Athmungsluft  wieder  zugänglich  werden, 
womit  dann  nach  und  nach  auch  die  alte  Elasticität  des  Lungengewebes 
wiederkehrt  und  damit  die  Heilung  vollständig  wird. 

Vermuthlich  sind  in  den  a  bh  e  i  1  e  n  d  e  n  Fällen  die  gröberen  wie 
die  feineren  anatomischen  Veränderungen  nicht  in  dem  Maasse  ent- 
wickelt wie  in  jenen  Fällen,  die  zur  Section  gelangen.  So  mag  es  viel- 
leicht oft  bei  leichtem  Verlaufe  der  croupösen  Pneumonie ,  wie  er  bei 
Kindern  häufig  stattfindet ,  gar  nicht  einmal  an  allen  Stellen  zu  einer 
entschiedenen  Hepatisation  des  Gewebes  mit  körnigem  Gefüge  der 
Schnittfläche ,  sondern  wohl  öfter  nur  zu  einer  sogenannten  schlaffen 
ödemähnlichen  Infiltration  mit  spärlichem  mehr  serösem  und  zellenar- 
mem Alveoleninhalt  kommen,  bei  der  die  Elasticität  des  Lungengewebes 
nicht  wesentlich  verändert  sein  dürfte.  Unter  solchen  Verhältnissen 
muss  der  Heilungsprocess  entschieden  erleichtert  sein. 

Taube    (I.e.  p.   15)    beschrieb    eine    lobuläre    croupöse   Pneu- 
monie, die  nach  Masern  aufgetreten  war  und  sich  durch  ihren  Reichthum 
an  rothen  Blutzellen  im  Alveoleninhalt  auszeichnete;  der  Fall  war  durch 
die  grosse  Verbreitung  des  Processes  interessant.    Vgl.  übrigens  Bayer, 
Arch.  d.  Heilk.  IX.    p.  90.     Lorey  (Frankf.   Jber.  für   1873)  veröffent- 
lichte einen  Fall  von  „weisser  Hepatisation"  der  rechten  Lunge  bei  einem 
iV-jährigen  scrofulösen  Mädchen,  dessen  Alveolen  vollständig  mit  weis- 
sen ßlutzellen  angefüllt  waren  ;  das  Kind  war  wahrscheinlich  leukämisch, 
ßautenberg  läugnet  in  einer  vorläufigen  Mittheilung  das  regel- 
mässige Vorkommen  des  fibrinösen  Exsudats  in  den  Alveolen  bei  rother 
und  grauer  Hepatisation,    während  er  es  in  lobuläien  „katarrhalischen" 
Heerden  in  deutlichster  Weise  gefunden  habe.    Er  giebt  daher  nicht  zu, 
dass   eine   scharfe  Trennung    der   croupösen    und   katarrhalischen  Pneu- 
monie existire ,    und   legt  das  Hauptgewicht  bei  der  Eiutheilung  dersel- 
ben auf  das  ätiologische  Moment.     Eitter  pflichtet  dieser  Anschauung, 
welche  namentlich  für  das  früheste  Kiudesalter   die   einzig  richtige  sein 
könne,  vollkommen  bei.     Vgl.  Bayers  und  Henoch's  Ansichten. 
Zuweilen  entwickelt  sich  aus  der  Hepatisation  der  als  eitrige  In- 
fi 1 1  r  a  t  i  o  n  bezeichnete  Zustand.  Nach  ß  i  r  c  h  -  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  nimmt 
hierbei  die  Menge  der  Eiterzellen  im  Linern  der  Alveolen  zu ,  die  Zwi- 
schensubstanz wird  völlig  flüssig ,   in  dem  perivasculären  und  peribron- 
chialen Bindegewebe  der  Septa  erkennt  man  stärkere  Lrfiltration  durch 
Rundzellen.     Die  Schnittfläche  der  noch  immer  voluminöseren  Lunge 
bekommt   eine  mehr  gleichmässig  graugelhe  Färbung  und  lässt  reich- 
lichen rahmartigen  Eiter  abstreifen,  ihre  Granulirung  tritt  zurück;  das 
Lungengewebe  ist  ausserordentlich  brüchig  und  reisst  beim  Heraus- 
nehmen leicht  ein.  Immerhin  ist  indessen  unter  Fettentartung  und  Re- 
sorption des  Exsudates  Heilung  möglich ,  wenn  schon  dieselbe  längere 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Pathologie.  603 

Zeit  in  Anspruch  nimmt,  als  bei  normalem  Ablauf  der  Pneumonie,  und 
insbesondere  die  volle  Elasticität  des  Lungengewebes  nur  langsam  sich 
wiederherstellt. 

Selten  steigert  sich  die  eitrige  Infiltration  zur  wirklichen  A  b  s  c  e  s  s- 
bildung ,  indem  die  Zelleninfiltration  im  interalveolären  Gewebe  zu- 
nimmt und  dieses  schliesslich  zerfällt,  wodurch  (einzelne  oder  zahlreiche) 
mit  nekrotischen  Gewebsmassen  und  Eiter  erfüllte  Höhlen  entstehen. 
Durch  Zusammenfiiessen  kleiner  Herde  kann  sich  auch  die  ganze  eitrig 
infiltrirte  Lungenpartie  in  einen  grossen  Abscess  verwandeln.  Blutun- 
gen erfolgen  durch  Erosion  der  Gefässe  der  betroffenen  Partieen  nur 
ausnahmsweise.  Lidessen  ist  die  Art  und  Weise  der  Entwicklung  des 
Lungenabscesses  aus  der  croupösen  Pneumonie  noch  nicht  sicher  beob- 
achtet worden  und  daher  noch  einigermassen  strittig.  Wie  Chomel 
gezeigt  hat ,  können  inmitten  grauer  Hepatisation  einzelne  Stellen 
durch  die  Manipulationen  bei  der  Autopsie  so  gezerrt  und  gedrückt 
werden,  dass  sie  zerreissen  und  fälschlich  als  Abscesshöhlen  erscheinen. 
Nach  Tr  aub  e  geht  dem  Lungenabscess  stets  eine  mehr  oder  weniger 
ausgebreitete  Nekrose  vorher ,  und  zwar  ist  diese  entweder  durch  die 
Compression  bedingt ,  welche  die  capillaren  Gefässe  durch  ein  in  die 
Alveolen  abgesetztes  Exsudat  oder  Extravasat  erfahren ,  oder  sie  hat 
ihren  Grund  in  einer  absoluten  Verstopfung  eines  oder  mehrerer  grös- 
serer arterieller  Gefässe  —  eine  Ansicht,  welche  L  e  y  d  e  n  als  die  wahr- 
scheinlichste erscheint.  Das  nekrotische  Gewebe  wirkt  gleichsam  als 
fremder  Körper  und  erregt  Entzündung  und  Eiterung  in  seiner  Um- 
gebung, so  dass  sich  eine  mit  nekrotischen  Fetzen  gefüllte  Eiterhöhle 
bildet,  die  je  nach  ihrer  oberflächlichen  oder  tieferen  Lage  früher  oder 
später  durchbricht:  in  einen  Bronchus,  in  die  Pleurahöhle,  oder  nach 
vorheriger  Verlöthung  der  Pleurablätter  sogar  direkt  nach  aussen.  End- 
lich kann  sich  der  Abscess  durch  schwieliges  Bindegewebe  abkapseln 
oder  eindicken  und  verkalken.  —  Aus  croupöser  Pneumonie  entwickelt 
sich  übrigens  der  Lvuigeuabscess  bei  Kindern  ungemein  viel  seltener  als 
aus  den  anderen  Pneumonieformen  derselben. 

Sehr  selten  schliesst  sich  an  das  Stadium  der  rothen ,  weniger  sel- 
ten an  das  der  grauen  Hepatisation  Lungen  b  r  a  n  d  an ,  und  zwar 
kann  dersellje  diffus  oder  circumscript  auftreten.  Kommt  es  nämlich  in 
einem  umfänglicheren  oder  beschränkteren  Gefässgebiete  anstatt  nur 
zur  verlangsamteu  Blutbewegung  der  Entzündung  vielmehr  zur  Stock- 
ung und  Thrombose,  so  sind  die  nächsten  Folgen  dieses  Zustandes  Auf- 
hören der  Ernährung  im  betreffenden  Gebiete  und  Zerfall  des  ganzen 
Gewebes  sammt  Infiltrat  zu  einer  braunschwarzen  Masse  mit  Brandge- 
ruch und  entsprechenden  Zersetzungsprodukten ,  wie  moleculärem  Fett, 


604  Krankheiten  der  Athmungsorgaiie.     Lunge. 

Cholestearin  und  Blutkrystallen,  sowie  Bildung  von  Pilzen  unter  dem 
Einflüsse  der  atniospliäriscben  Luft.  Auch  werden  mitunter  einzelne 
kleinere  oder  grössere  zusaminenhängende  Lungenpartieen  Sequester- 
artig  losgestoss°en  inmitten  dieses  Breies  gefunden  (H  üttenbrenner). 
Unter  demarkirender  Eiterung  und  Bindegewebsneubilduug  können  die 
brandigen  Massen  bei  massiger  Grösse  des  Brandherdes  abgekapselt  und 
so  unsdiädlich  gemacht  oder  allmählig  ausgestossen  werden,  worauf  re- 
lative Heilung  gleichwie  bei  der  Abscessbildung  zu  Stande  kommen 
kann. 

Endlich  kann,  wiewohl  selten,  aus  der  Hepatisation  auch  Verkä- 
sung des  Exsudats  und  I  n  d  u  r  a  t  i  0  n  der  Lunge  hervorgehen.  Erstere 
schliesst  sich  entweder  unmittelbar  an  das  dritte  Stadium  an,  indem  eine 
Atrophie  des  ursprünglich  ergossenen  oder  nur  unvollkommen  verän- 
derten Exsudates  eintritt ,  oder  es  werden  auch  die  Alveolen ,  nachdem 
die  Resolution  begonnen  hat,  von  Neuem  mit  ausgewanderten  Zellen  an- 
gefüllt, die  später  verkäsen.  Auf  ähnliche  Weise  kann  Induration  der 
Lunge  herbeigeführt  werden  ,  indem  das  mit  Rundzellen  durchsetzte 
Gewebe  der  Alveolarscheidewände  sammt  dem  Lihalte  der  Alveolen  eine 
bindegewebige  Umwandlung  eingeht.  Beide  Processe  können  auch,  ehe 
sie  vollständig  ausgebildet  sind,  sich  conibiniren. 

Die  nicht  infiltrirten  Abschnitte  der  Lunge  sind  in 
der  Regel  etwas  gebläht  und  coUabiren  desshalb  beim  Eröffnen  des  Tho- 
rax eljensowenig  wie  die  infiltrirten ;  sie  sind  meist  ödematös  und  stär- 
ker bluthaltig  als  normal.  Nicht  selten  zeigen  sie  bei  Sectionen  kleine 
Liselu  von  beginnender  lobulärer  Infiltration. 

Die  betreffenden  Bronchialdrüsen  sind  leicht  geschwollen 
und  geröthet. 

Regelmässig  bietet  die  Pleura  über  den  infiltrirten  Partieen  Ver- 
änderungen dar  und  heisst  die  Krankheit  desshalb  auch  Pleuropneu- 
monie. In  geringeren  Graden  zeigt  sich  Hyperämie  mit  Ekchymosen- 
bildung  und  leichter  Trübung,  in  höheren  starke  Verdickung,  Auflage- 
rung von  Pseudomembranen  und  Absonderung  einer  grösseren  oder  ge- 
ringeren Menge  eines  klaren  oder  mehr  oder  weniger  zellenreichen  und 
trüben  mit  Pibrinflocken  reichlich  versehenen  flüssigen  Exsudates.  In 
sehr  intensiven  Fällen  breitet  sich  der  Pleuraprocess  auch  über  die 
Grenzen  der  Lungeninfiltration  hin  aus  und  schreitet  selbst  bis  zur 
Costalpleura  fort ,  so  dass  ausgedehnte  Verklebung  der  Pleurablätter 
die  Folge  ist. 

Bei  Besprechung  der  anatomischen  Veränderungen  muss  auch  des 
Umfanges  und  des  Sitzes  der  befallenen  Lungenpartieen  gedacht 
werden.    Die  Zusammenstellung  derselben  ist  bei  Kindern    besonders 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Pathologie.  605 

kleineren,  mitunter  sehr  schwierig,  weil  sehr  häufig  nicht  genau  gesagt 
werden  kann,  ob  eine  erkrankte  Stelle  von  geringem  Umfang  dem  oberen 
oder  unteren  (beziehentlich  mittleren)  Lappen  angehört,  und  überhaupt 
manche  Fälle  in  eine  Statistik  nur  als  unsichere  einbezogen  za  werden 
vermögen,  auch  sich  beim  Genesenden  die  "wenig  bedeutende  Erkrankung 
nicht  zweifellos  als  Pneumonie  feststellen  lässt.  Dessgleichen  bietet  die 
Differentialdiagnose  zwischen  croupöser  und  einer  anderen  Fonn  der 
Pneumonie  mitunter  unbesiegbare  Schwierigkeiten,  und  endlich  ergeben 
sich  Unsicherheiten  oft  genug  hinsichtlich  der  bei  einer  guten  Statistik 
nöthigen  Angabe ,  ob  ein  Lappen  total  oder  partiell  ergriifen  ist ,  ob 
ausser  dem  unzweifelhaften  Ergriffensein  der  einen  Lungenpartie  auch 
noch  ein  anderer  Abschnitt  afficirt  ist  oder  nicht.  Alle  solche  zweifel- 
haften Angaben  resultiren  zum  guten  Theil  aus  der  erfreulichen  That- 
sache,  dass  die  croupöse  Pneumonie  unter  der  Kinderwelt  verhältniss- 
mässig  wenige  Opfer  fordert  und  daher  wenig  Gelegenheit  zu  anatomi- 
schen Untersuchungen,  die  in  gewisser  Hinsicht  allein  Beweiskraft 
haben  können,  vorhanden  ist.  Hierbei  ist  aber  wiederum  als  störender 
Umstand  zu  verzeichnen  ,  dass  die  Mortalität  der  Pneumonieen  der 
oberen  Lappen  und  der  doppelseitigen  und  umfänglicheren  Affektionen 
eine  bedeutendere  ist ,  als  die  der  einfachen  f-'neumouieen  eines  unteren 
Lappens,  welche  weitaus  die  häufigsten  sind.  Im  Allgemeinen  ergeben 
die  Zusammenstellungen  dieselben  Thatsachen  ,  die  von  der  Pneumonie 
der  Erwachsenen  bekannt  sind,  nämlich  dass  die  rechte  Lunge  öfter  be- 
fallen wird  als  die  linke ,  und  ein  unterer  Lappen  öfter  erkrankt  als  ein 
oberer.  Indessen  ergeben  die  Zahlen  eines  Autors  auch  einmal  das  be- 
deutende Ueberwiegen  des  linken  unteren  Lappens ,  oder  zeigen  den 
rechten  oberen  Lajipen  öfter  afficirt ,  während  das  isolirte  seltenere  Be- 
fallensein des  linken  oberen  Lappens  feststehen  dürfte.  Ebenso  selten 
findet  eine  totale  Affektion  einer  Brusthälfte  oder  eine  gekreuzte  Pneu- 
monie oder  ein  Ergriffensein  beider  unterer  oder  beider  oberer  Lappen 
statt. 

Die  Leichen  erscheinen  bei  Tod  durch  primäre  croupöse  Pneu- 
monie meistens  gut  genährt,  cyanotisch,  mit  starken  Todtenflecken  ;  die 
Todtenstarre  ist  hochgradig.  Die  grossen  Körpervenen  und  das  rechte 
Herz  sind  mit  Blut  überfüllt ,  das  linke  und  die  Arterien  sind  ziemlich 
leer.  Blutreich  sind  in  der  Regel  auch  der  Inhalt  der  Schädelhöhle  wie 
die  Organe  der  Bauchhöhle.  Insbesondere  sind  manchmal  Leber  und 
Milz  auffallend  blutreich  und  zumal  letztere  ist  nicht  selten  deutlich 
vergrössert,  ihr  Gewebe  weicher,  ihre  Kapsel  gespannt.  In  den  Nieren 
findet  sich  mitunter  Schwellung  der  Rindensubstanz  mit  Harnkanälchen- 
katarrh, selbst  leichte  Grade  von  Fettdegeneration ,  zumal  in  Combina- 


ß06  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lnnge. 

tion  mit  der  gleichen  Affektiou  der  Leber  und  des  Herzens ;  in  solchen 
Fällen  erscheinen  wohl  auch  Trübungen  der  Pia ,  ja  sogar  eitrige  Me- 
ningitis. 

Infektiosität. 
Den  Zusammenhang  aller  dieser  complicatorischen  Störungen  sucht 
man  immer  mehr  und  mehr  in  der  zur  Zeit  noch  hypothetischen  infek- 
tiösen Natur  der  croupösen  Pneumonie,  welche  von  anatomischer  Seite 
neuerdings  ganz  besonders  vonKlebs  betont  worden  ist,  ohne  dass 
sich  seine  Ansichten  bis  jetzt  allgemeine  Anerkennung  zu  erringen  ver- 
mocht hätten. 

Es  fand  derselbe  (Arch.  f.  exper.  Path.  1875.  IV.  p.  420)  imBron- 
chialsecret  pueumonisclier  Lungen,  ausser  zelligen  Elementen  in  den  ver- 
schiedensten Stadien  fettiger  Degeneration,  oder  seltener  auch  unverän- 
derten Lymph-  und  Eiterkörperchen ,  zusammenhängenden  Massen  von 
Bronehialflimmerepithelien,  rothen  Blutzellen  und  eigenthümlichen  (Ty- 
rosin  ?)-Krystallen  auch  ganz  regelmässig  Monaden.  In  ausserordent- 
licher Menge  waren  dieselben  oft  im  frischen  Präparat  enthalten,  in  an- 
deren Fällen  aber,  beim  alleinigen  Vorhandensein  unbeweglicher  Körnchen 
konnte  man  sie  nur  dann  von  den  übrigen  Körnermassen  unterscheiden, 
wenn  sie  sicli  zu  mehreren  in  Reihen  angeordnet  fanden.  In  allen  Füllen 
aber  gelang  es,  bei  weiterer  passender  Cultur  die  beweglichen  Formen 
der  Monaden  zur  Anschauung  zu  bringen. 

Allerdings  ist  es  bisher  noch  nicht  gelungen,  mittelst  dieses  Stoßes 
zumal  bei  gehöriger  Isolirung  desselben,  hei  gesunden  Individuen,  z.  B, 
gewissen  Thieren,  die  an  croupöser  Pneumonie  zu  erkranken  vermögen, 
eine  solche  zu  erzeugen :  indessen  müssen  wir  gestehen,  dass  dies  Probe- 
stück auch  andere  Pilzkeime,  die  sogenannten  Contasia  animata  un- 
zweifelhaft  contagiöser  Krankheiten,  noch  nicht  abgelegt  haben.  Na- 
türlicherweise wäre  aber  anzuerkennen,  dass,  wenn  Fälle  unzweifelhafter 
Contagiosität  der  croupösen  Pneumonie  des  Menschen  bei  primärem 
Auftreten  derselben  sich  nachweisen  lassen  sollten,  die  Fra"-e  der  Infek- 
tiosität  derselben  im  Princip  gelöst  wäre ,  und  mache  ich  in  dieser  Be- 
ziehung auf  die  nachher  anzuführenden  in  ter  essanten  Be- 
obachtung e  n  noch  ganz  besonders  aufmerksam , 

Betrachten  wir  kurz  die  Gründe,  welche  für  die  infektiöse  Natur 
der  croupösen  Pneumonie  angeführt  zu  werden  pfleo'en. 

Schon  von  Alters  her  sind  die  Aerzte  auf  einen  verschiedenen  Ver- 
lauf unserer  croupösen  Pneumonie  aufmerksam  gewesen  und  haben  den 
damals  herrschenden  Anschauungen  gemäss  gewöhnliche  oder  stlienische 
und  asthenische  Pneumonieen  unterschieden ;  letzterer  Ausdruck  ist  noch 
in  jüngster  Zeit  von  Leichtenstern  zur  Bezeichnung  desselben  Be- 
grÜTes  gebraucht  worden.  Man  unterschied  zwischen  s^olchen  Pneumo- 
meen,  welche  durch  individuelle  Eigenthümlichkeiten  den  später  genauer 


Fürst,  MissbilduDgen  der  Lunge  etc.  G07 

zu  besprechenden  asthenischen  Charakter  erhalten,  und  zwischen  solchen, 
welche  zu  gewissen  Zeiten  und  an  gewissen  Orten  bei  kräftigen  wie 
schwächlichen  Subjekten  diesen  Charakter  zeigen  (L.'s  individuell-  und 
primär-asthenische  Pn.).  Solche  eigenthümliclie  epidemisch  verbreitete 
und  endemische  Pneumonieen  sind  es  nun  besonders,  welche  schon  früher 
den  Gedanken  erweckt  haben,  dass  eine  allgemein  verbreitete  Krankheits- 
ursache, deren  Natur  man  sich  nach  den  herrschenden  medicinisohen 
Ansichten  in  verschiedener  Weise  vorgestellt  hat ,  sie  erzeuge.  Freilich 
würde  die  Bedeutung  derartiger  Epidemieen  von  asthenischer  Pneumonie 
einigermassen  erschüttert,  wenn  auch  Elpidemieen  und  Endemieen  mit 
dem  gewöhnlichen  Primärverlauf  constatirt  würden:  indessen  bliebe  ja 
dann  der  Ausweg  offen,  zweierlei  specifische  verwandte  Ursachen  anzu- 
nehmen ,  die  eine  für  die  gewöhnliche ,  die  andere  für  die  asthenische 
Form.  Eine  besondere  Berücksichtigung  scheint  mir  nun  aber  in  dieser 
Beziehung  der  Umstand  zu  verdienen,  dass  fast  üljerall  in  den  Epide- 
mieberichten nur  des  gehäuften,  nicht  des  alleinigen  Vorkommens  sog. 
asthenischer  Fälle  gedacht  ist,  dass  diese  überall  mit  gewöhnlichen  Pneu- 
monieen mehr  oder  weniger  untermischt  sind ,  und  zwar  nicht  nur  in 
der  Weise ,  dass  etwa  die  kräftigen  Personen  auf  geviföhnlirhe  Art ,  die 
schwächlichen  nach  Art  der  asthenischen  Form  erkrankten.  Nehmen  wir 
nun  noch  hinzu ,  dass  allerlei  Uebergänge  von  der  einen  zur  anderen 
Fonn  existiren,  sowie  dass  die  histologisclien  Veränderungen  der  Lungen 
bei  der  gewöhnlichen  und  asthenischen  Form  vollkommen  identisch  sind, 
so  ergiebt  sich  doch  wohl  nur  eine  sehr  geringe  WahrscheinUchkeit  da- 
für, dass  man  auf  diesem  Wege  zu  einer  klaren  Erkenntniss  der  Natur 
der  Pneumonie  gelangen  werde. 

Was  ferner  den  Grmid  anlangt,  dass  die  Entstehung  der  croupösen 
Pneumonie  am  besten  durch  eine  Infektion  erklärt  werde,  da  sonst  den 
verschiedenartigsten  zufälligen  Gelegenheitsursachen  in  den  einzelnen 
Fällen  ein  und  derselbe  Effekt  zugeschrieben  werden  müsse,  was  nicht 
wohl  möglich  sei,  so  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  ja  die  Nothwendigkeit 
einer  durchaus  gleichartigen  Genese  durch  nichts  begründet  wird,  und 
dass  ja  a  priori  gewiss  auch  verschiedenartige  ursäcliliche  Momente  in 
einer  gewissen  Richtung  wirksam  gedacht  werden  können.  Allerdings 
könnte  man  sich  vorstellen,  dass  die  Lungenhyperämie,  welche  Folge 
einer  Erkältung  oder  Erhitzung,  oder  eines  Tiauioa  der  Brustwand,  oder 
einer  andersartigen  Erkrankung  der  Nachbarschaft,  zumal  der  benach- 
barten Abschnitte  der  Lunge,  oder  des  Reizes  eines  fremden  Körpers  im 
Bronchiallumen,  oder  einer  vorübergehenden  Paralyse  der  Thoraxwan- 
dungen  (I  r  v  i  n  e)  ist,  unter  bestimmten  Verhältnissen  der  individuellen 
Disposition  zu  dem  charakteristischen  anatomischen  Verhalten  der  crou- 
pösen Pneumonie  führte.  Indessen  gebe  ich  gern  zu,  dass  ein  nunmehr 
noch  weiter  hinzutretendes  specifisch  -  infektiöses  Agens  am  einfachsten 
den  unter  allen  diesen  verschiedenartigen  Verhältnissen  gleichmässigen 
und  Constanten  Charakter  der  Entzündung  erklären  würde. 

Es  wird  sodaim  noch  der  später  zu  erwähnende  typische  dem  Ver- 
laufe der  Infektionskrankheiten  entsprechende  Verlauf  der  croupösen 
Pneumonie  als  Beweis  ihrer  infektiösen  Natur  angeführt.  In  dieser  Hin- 
sicht ist  aber  zu  erwähnen,  dass  wir  noch  bei  keiner  Infektionskrankheit 


608 


Krankheiten  der  Atbmiingsorgane.     Lunge. 


etwas  Genaueres  darüber  wissen  ,  inwiefern  der  mein-  oder  weniger 
typische  Verlauf  normaler  Fälle  durch  die  infektiöse  Natur  der  Krajik- 
heit  bedingt  i«t ,  dass  es,  zu  geschweigen  vom  gesunden  so  doch  un 
kranken  Oroanismus  jedenfalls  typische  Vorgänge  selbst  bei  Ausschluss 
jedes  Verdachtes  einer  Infektion  giebt,  und  dass  daher  der  Mechanismus 
des  typischen  Verlaufs  der  Infektionskrankheiten  möglicherweise  nur 
nebensächlich  mit  der  Infektion  zusammenhängt.  Auch  kann  ja  der 
typische  Verlauf  ziemlich  leicht  durch  zahlreiche  untergeordnete  und 
jedenfalls  nichtinfektiöse  Vorgänge  modificirt  oder  gänzlich  verwischt 
"werden ;  die  Infect Ion  an  sich  beherrscht  also  den  Krankheitsverlauf  nicht 
vollkommen. 

Wenn  schliesslich  darauf  hingewiesen  wird  ,  dass  das  Fieber  und 
niclit  der  lokale  Process  in  den  Lungen  die  erste  Krankheitserscheinung 
sei,  was  doch  der  Fall  sein  müsse,  wenn  ein  örtlich  wirkender  Reiz  die 
Krankheitsursache  sei ,  so  ist  zu  erwidern,  dass  Fieber  doch  keinenfalls 
nur  durch  Infektion  hervorgerufen  wird,  und  dass  noch  Niemand  beim 
Pnemnoniker  den  Anfang  des  lokalen  Processes  direkt  beobachtet  hat, 
also  etwas  Positives  und  Unanfechtbares  über  die  genannte  Gleichzeitig- 
keit oder  Nichtgleichzeitlgkelt  nicht  angeführt  werden  kann.  Uebrigens 
vermochte  Raul  ich  (1.  c.  p.  80)  in  selteneren  Fällen  die  Pneumonie 
bereits  nachzuweisen,  ehe  deutliche  Fiebererseheiuungen  vorhanden  waren; 
obiger  Satz  ist  also  nicht  allgemein  giltig.  Auch  die  unter  Umständen 
sehr  ditferente  Intensität  des  Fiebers  und  des  lokalen  Processes  beweist 
Nichts  für  die  infektiöse  Natur  der  Krankheit.  Wer  hätte  noch  nicht 
irgend  einen  geringfügigen  örtlichen  Process  mit  einem  intensiven  Fieber 
beobachtet ! 

Es  dürfte  hiernach  also  die  infektiöse  Natur  der  croupösen  Pneu- 
monie, so  wahrscheinlich  sie  nach  manchen  Gründen  auch  sein  möchte, 
doch  keineswegs  für  erwiesen  gelten. 

Es  sei  mir  noch  gestattet,  ein  wenig  auf  einzelne  Ansichten  über 
die  Pathogenese  der  croupösen  Pneumonie  einzugehen.  So  haben 
Anhänger  der  Infektionstheorie  ausgesprochen ,  dass  dieselbe  die  „bei 
weitem  häufigsten"  rechtseitigen  Affektionen  am  besten  erkläre,  insofern 
das  durch  die  Athmungsluft  in  die  Lungen  gelangende  specifisohe  Gift 
der  bekannten  Verhältnisse  des  rechten  Bi-onchus  wegen  seinen  Weg  vor- 
zugsweise in  die  rechte  Lunge  fände.  Indem  ihm  daselbst  im  Gewebe 
ein  günstiger  Nährboden  erwüchse,  erzeuge  es  die  anatomischen  Verän- 
derungen. Diese  Anschauung  erklärt  ebensowenig  das  docli  ganz  gewöhn- 
liche Beschränktbleilsen  der  Atfektion  auf  einen  einzigen  Lappen,  als  sie 
em  Licht  auf  den  plötzlichen  Abschluss  des  Processes,  die  Pseudokrisen 
und  manches  Andere  nicht  Aveniger  Wichtige  wirft.  Die  Anhänger  der 
Nerventbeorie  haben  die  Vorstellung,  dass  die  entzündlichen  Erschei- 
nungen in  Folge  der  Reizung  eines  Isestimmt  lokalisirten  centralen  Ap- 
parates und  deshalb  innerhalb  eines  bestimmten  peripheren  Nervenge- 
bietes aufträten,  ähnlich  wie  wir  gewisse  charakteristische  Vorgängerin 
der  Haut  (Zoster,  roseolöse,  vesiculöse,  bullöse,  auch  pustulöse "For- 
men, verschiedene  Formen  des  Erythem  und  auch  des  Eezem)  in  be- 
stimmten Nervengebieten   sich   abwickeln  sehen.     In    neuester  Zeit  liest 


Thomas,  Croupöse  Pnenmonie.     Pathologie.  609 

man  freilicli  mit  Bezug  hierauf  die  Behaujjtung,  dass  gerade  diese  Eigen- 
thümlichkeit  Beweis  flu-  die  infektiöse  Natur    auch  dieser  Vorgiinge  sei. 

Vor  Allem  kommt  es  meiner  Ansicht  nach  in  Betreff  der  frag- 
lichen Infektiosität  der  croupösen  Pneumonie  aiif  zahlreiche  und  genaue 
Beobachtungen  an ,  und  mag  daher  hier  auf  deren  dringende  Nothwen- 
digkeit ,  insbesondere  auch  auf  solche  über  endemische  und  epidemische 
Kinderpneumonie,  nachdrücklich  hingewiesen  werden. 

Von  specielleu  Beobachtungen  über  contagiöse  oder  m  i  a  s- 
matische  Genese  und  Verbreitung  der  croupösen  Pneumonie,  sowie 
über  endemische  iind  epidemische  Verhältnisse  derselben  führe 
ich  folgende  an. 

Schroter  veröffentlichte  sechs  zu  zweien  zusammengehörige  Fälle, 
in  denen  die  zweite  Erkrankung  schon  wenige  Tage  nach  Beginn  der 
Erkrankung  des  ersten  Falles  (Ehegatten  u.  s.  w.)  in  pneumoniefreier 
Umgebung  auftrat  und  erklärt  hierbei  das  „Contagium''  der  Pneumonie 
für  ein  sehr  schwaches  nur  bei  anhaltender  inniger  Berührung  wirk- 
sames ,  dessen  Uebertragung  nur  auf  der  Höhe  der  Krankheit  zu  ge- 
schehen scheine ;  H  e  n  n  i  g  sah  einen  Knaben  mehrmals  einige  Tage 
nach  seinem  Vater  gleichwie  diesen  an  croupöser  Pneumonie  erkranken; 
H  a  r  d  w  i  ch  e  beschrieb  drei  Erkrankungsreihen,  in  denen  ein  contagiöser 
Ursprung  unabweislich  zu  sein  scheint;  Thoresen  und  laut  seiner 
Angabe  B  e  n  t  z  e  n  haben  ähnliche  Reihen  beobachtet ,  die  sie  zur  An- 
nahme einer  massigen  Contagiosität  der  croupösen  Pneumonie  führten  ; 
Fischer  hat  zwei  zusammenwohnende  Kinder  binnen  8  Tagen  er- 
kranken sehen;  M  e  r  z  tah  drei,  Ad.  M  ü  1 1  e  r  (D.  Arch.  f.  kl.  Med.  1878. 
XXI.  p.  127)  fünf  Fälle  in  einer  Familie  binnen  drei  Wochen  etc.  Cour- 
V  0  i  s  i  e  r  beobachtete  gruppenweises  Auftreten  und  mehrfaches  Vorkom- 
men in  gleichem  Hause  ;  H  ä  g  1  e  r  und  viele  Andere  sahen  die  Krank- 
heit in  gehäuften  Fällen  in  dem  einen  Dorfe,  während  die  Nachbarorte 
ganz  oder  fast  ganz  frei  blieben.  F  u  c  k  e  1  machte  die  eigenthümliche 
Beobachtung  ,  dass  die  Pneumonie  in  Ortschaften  fast  fehlte  ,  in  denen 
sie  vor  einem  Jahre  häufig  gewesen  war,  so  dass  also  gewissermassen 
damals  eine  für  die  Zukunft  schützende  Durchseuchung  staltgefunden  zu 
haben  schien.  Viele  gedenken  in  neuerer  Zeit  mehr  oder  weniger  ver- 
breiteter Pneumonieepidemieen,  z.B.  Courvoisier,  Hägler,  Baas, 
Schroter,  Thoresen,  Grimshaw,  Moore,  Herr  (s.  Nie- 
m€yer-Seitz,  Lehrb.  y.  Aufl.  I.  p.  172).  Hägler  und  K  1  e  b  s 
erwähnen  eine  besondere  Art  derselben  als  besonders  beweisend  für  die 
miasmatisch-infektiöse  Natur  der  Pneumonie,  nämlich  die  „Alpenstich"- 
Epidemieen,  welche  in  einzelnen  Theilen  der  Schweiz  besonders  häufig 
seien  (cf  Lebert,  Klin.  d.  Brustkkh.  I.  p.  603;  Feierabend,  der 
Alpenstich  in  der  Schweiz,  Wien  1866),  während  z.  B.  Jenni,  der  in 
derselben  prakticirte,  binnen  17  Jahren  keine  derartige  Affektion  erlebt 
hat ;  es  wäre  wünschenswerth,  dass  hierüber  ausführliche  Beobachtungen 
veröffentlicht  würden.  Eine  kleine  Notiz  bringt  Steiger  (Schweiz. 
Corrbl.  1872.  II.  p.  562).  Ich  unterlasse  weitere  Angaben,  da  .sich  die- 
selben im  Wesentlichen  doch  nicht  auf  Kinderpneumonie  beziehen  würden. 

Handb.  d,  Kinderkrankheiten.    III.  2.  39 


gjQ  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Verl  aufs  arte  11. 

Die  croupöse  Pneumonie  der  Kinder  ist  wie  die  der  Erwachsenen 
theils  eine  primäre,  theils  eine  secmidäre  Affektion.  Betrachten  wir  zu- 
nächst  den  N  ormalver  lauf  der  primären  genuinen  Pneu- 
monie. 

Mitten  in  völliger  Gesundheit ,  oder  während  des  Bestehens  eines 
unbedeutenden  insbesondere  fieberlosen  ein  Gefühl  von  Kranksein  nicht 
erzeugenden  Leidens,  entsteht  gänzlich  ohne  nachweisbare  Veranlas- 
sung oder  kurze  Zeit  nach  einer  deutlich  erkennbaren  Gelegenlieitsur- 
.sache,  insbesondere  einer  intensiven  Erkältung,  ein  Symptomencomplex, 
dessen  auffallendste  Erscheinungen  Fieber,  Brustschmerzen  und  Er- 
brechen sind. 

Das  Fieber  wird  bei  älteren  Kindern  sehr  gewöhnlich,  bei  jüngeren 
selten  mit  einem  Schüttelfrost  in  ähnlicher  Intensität  und  Dauer  wie 
beim  Erwachsenen  eingeleitet ;  bei  jüngeren  beginnt  es  in  der  Regel  mit 
Frösteln  und  Kaltwerden  der  peripheren  Theile  ohne  Zähneklappern 
und  Schütteln ,  bei  kleinen  Kindern  mit  den  gleichen  Erscheinungen 
unter  öfterem  Hinzutreten  eines  gewöhnlich  kurzen  eklamptischen  An- 
falles. Frösteln  wie  Schüttelfrost  werden  von  schwerem  Krankheitsge- 
fühl, bläulicher  Verfärliuug  der  Haut  und  der  Lippen,  Zittern,  Dehnen 
und  Strecken,  Gähnen  ,  bei  kleinen  Kindern  von  Wimmern  u.  s.  w.  be- 
gleitet, rasch  folgt  auf  sie  starke  Hitze  und  beziehentlich  Schweiss.  Es 
röthen  sich  nun  die  Wangen  ,  die  Conjunctiven  werden  iiijicirt,  die  Au- 
gen glänzend  ,  es  tritt  schon  jetzt  Dyspnoe  und  Nasenflügelathmen  ein. 
Mitunter  kommt  es  auch  zu  mehr  oder  weniger  heftigem  Nasenbluten. 
Die  Eigenwärme,  die  vor  Beginn  der  deutlichen  Fiebersymptome  meist 
gar  nicht  oder  höchstens  nur  ganz  wenig  und  erst  kurze  Zeit  vorher 
gestiegen  gewesen  war,  steigt  mit  Eintritt  der  intensiveren  Liitialsym- 
ptome  erheblich  und  gewinnt  rasch  eine  Ijeträclitliche  Höhe  ,  40 "  und 
darüber  ;  dem  entsprechend  steigt  auch  die  Pulsfrequenz ,  dabei  ist  der 
Puls  etwas  gespannter  und  voller. 

Die  Seitenschmerzen,  in  der  Regel  stechend  ,  nicht  immer  über  der 
afficirten  Stelle  oder  nur  auf  der  kranken  Seite,  sind  eine  sehr  coustantc 
Anfangserscheinung,  die  selten  fehlt.  Sie  treten  häufig  schon  beim  Ath- 
nien  auf ,  steigern  daher  seine  schon  in  Folge  des  Fiebers  vermehrte 
Frequenz,  und  machen  das  Inspirium  unterbrochen  und  oberflächlich. 
Besonders  empfindlich  sind  sie  beim  Husten ,  den  die  Kinder  vergebhch 
zu  unterdrücken  versuchen ;  das  Gesicht  wird  dabei  schmerzhaft  ver- 
zogen, die  Kleinen  stöhnen  und  jammern  und  schreien  oft  einen  Moment 
lang  laut ,   wenn  die  Hustenstösse  immer  und  immfr  sich  wiederholen. 


Thomas,  Cronpöse  Pneumonie.     Pathologie.  611 

ümherwerfen  findet  dabei  selten  statt;  meistens  wird  instinktiv  eine 
gewisse  dem  Nebenstehenden  unbequem  erscheinende  bald  zusammen- 
gekauerte  bald  gerade  Rückenlage  mit ,  der  Dyspnoe  wegen ,  langge- 
strecktem Halse  eingehalten  und  eine  jede  Aenderung  derselben  höchst 
unangenehm  empfunden.  Ganz  junge  Kinder  wollen  ruhig  getragen 
oder  auf  demSchooss  der  Pflegerin  gehalten  sein,  und  haben  es  am  lieb- 
sten ,  wenn  dabei  Kopf  und  Rumpf  recht  imterstützt  werden.  Nicht 
selten  werden  von  den  Kindern  die  Schmerzen  in  den  oberen  Theil  des 
Bauchs  verlegt. 

Erbrechen  tritt  besonders  bei  kleinen  Kindern  in  Begleitung  von 
Convulsionen  im  Anfange  der  Erkrankung  ijfters  auf,  seltener  zeigt  es 
sieh  bei  grösseren  Kindern ,  deren  Leiden  mit  Frost  ähnlich  wie  bei  Er- 
wachsenen eingeleitet  wird.  Es  ist  mitunter  heftig  und  erscheint  mehr- 
mals hinter  einander;  das  Erbrochene  besteht  im  Anfang  aus  genos- 
senen Speisen ,  nicht  selten  schliesst  sich  aber  auch  galliges  Erbrechen 
an.  Oefters  ist  es  eine  Zeit  lang  von  heftigem  Würgen  begleitet  oder 
durch  dasselbe  ersetzt.  In  der  Regel  hört  es  schon  im  Laufe  des  ersten 
Kraukheitstages  auf. 

Nach  diesen  Liitialerscheinungen  entwickelt  sich,  im  Allgemeinen 
ohne  erhebliche  Remissionen ,  das  Bild  der  schweren  Krankheit  rasch. 
Unter  heftigem  nur  ausnahmsweise  auf  kurze  Zeit  nachlassendem  Fieber 
und  entschiedenem  Krankheitsgefühl  erscheinen  früher  oder  später  nun- 
mehr die  lokalen  Symptome  auf  der  Brust ;  die  Untersuchung  ergiebt 
sie  selten  schon  am  ersten ,  meist  aber  vom  zweiten  oder  dritten  Tage 
an.  Meistentheils  quält  die  Kleinen  ein  durch  die  Schmerzen,  die  er  her- 
vorruft oder  steigert,  sehr  lästiger  Husten :  dabei  tritt  das  Oppressions- 
gefühl  allmählich  stärker  hervor  und  es  erscheint  stärkere  Dyspnoe,  als 
sie  der  Intensität  des  Fiebers  entsprechen  würde ;  Auswurf  ist  selten 
vorhanden  und  noch  seltener ,  fast  nur  bei  älteren  Kindern ,  rostfarben 
und  zähe  oder  überhaupt  blutig ;  meist  wird ,  wenn  überhaupt  expecto- 
rirt  wird ,  nur  etwas  uncharakteristischer  oder  mit  Blutstreifchen  ver- 
sehener Schleim  herausgebracht.  Kleinere  Kinder  expectoriren  gar 
nichts  ,  sondern  verschlucken  alle  Sputa.  Mitunter  zeigt  sich  in  dieser 
Zeit  lästiges  Herzklopfen  ,  über  welches  bei  älteren  Kindern  auch  wohl 
subjektive  Klagen  laut  werden.  Der  Puls  ist  frequent  und  härtlich;  140 
und  darüber  sind  nicht  ungewöhnliche  Zahlen,  bei  kleinen  Kindern  kann 
die  Frequenz  der  Herzcontractionen  bei  entsprechend  beträchtlichem 
Fieber  bis  zu  170  ,  180  ,  ja  darüber,  selbst  bis  zu  200  Schlägen  in  der 
Minute  steigen.  Häufig  treten  auf  der  Höhe  der  Krankheit  bei  anhal- 
tendem beträchtlichem  Fieber  auch  Kopfsymptome  auf,  mindestens 
mehr  oder  weniger  heftige  Kopfschmerzen  sowie  wesentlich  gestörter 

39* 


ß-^2  Krankheiten  der  Atbmungsorgane.     Lunge, 

Schlaf ;  nicht  selten  brechen  anch  Delirien  von  verschiedener  Intensität 
und  Reichlichkeit  aus,  bald  den  ganzen  Verlaut  hindurch,  liald  nur  in 
der  Exacerbationszeit  des  Fiebers.  Der  Appetit  liegt  gänzlich  darni^ 
der ;  eine  Neigung  zu  Verstopfung  pflegt  sich  einzustellen.  Die  Speichel- 
secretion  ist  vermindert ;  Trockenheit  im  Munde,  heftiger  Durst,  KlageD 
über  Leibweh,  dessen  Begründung  aber  meist  wohl  nur  im  Zustande  der 
Brust  gesucht  werden  dürfte,  Uebelkeit  und  Aufstossen  sind  häufige  Er- 
scheinungen. Der  Harn  ist  spärlich  und  wird  ,  concentrirt  wie  er  ist, 
nicht  selten  unter  brennenden  Schmerzen  entleert.  Dieses  Krankheits- 
bild kann  unter  massigen  Schwankungen  zwischen  zeitweiligen  Besse- 
rungen und  Verschlimmerungen ,  die  im  Allgemeinen  der  Fieberinten- 
sität  entsprechen,  mehrere  Tage  anhalten  ;  während  dieser  Zeit  vervoll- 
ständigen sich  die  lokalen  Erscheinungen,  bis  etwa  am  vierten  oder 
fünften  Tage,  seltener  erst  später  oder  schon  früher,  die  Zeichen  einer 
lobären  Infiltration  in  vollkommenster  Weise  vorhanden  sind. 

In  normalen  Fällen  zeigt  sich  nun  früher  oder  später  ein  Nachlass 
der  Fiebersymptome ,  nicht  leicht  vor  dem  fünften  Tage,  am  häufigsten 
zwischen  diesem  und  dem  siebenten.  Die  Haut  wird  feuchter,  sie  ver- 
liert das  Brennendheisse ,  und  auch  die  hochgesteigerte  Eigenwärme 
lässt  ein  wenig  nach.  Der  Husten  wird  etwas  lockerer,  die  Seitenschnier- 
zen  sind  erträglicher  ,  der  Kranke  schläft  etwas ,  er  delirirt  nicht  mehr, 
und  nimmt  etwas  Nahrung  zu  sich.  Dabei  verändern  sich  die  lokalen 
Erscheinungen  auf  der  Brust  nicht  oder  es  zeigt  sich  eine  unbedeutende 
Veränderung ,  bald  eine  kleine  Zu- ,  bald  auch  eine  entschiedene  Ab- 
nahme insbesondere  der  Dämpfung  ;  letzteres  besonders  dann ,  wenn  die 
Entzündung  sich  frühzeitiger  vollkommen  ausgebildet  gehabt  und  dieses 
Stadiimi  des  Nachlasses  eher  l^egonnen  hatte.  Nicht  leicht  stellen  sich 
aber  die  Zeichen  eines  bedeutenderen  Rückganges  des  Lokalprocesses 
jetzt  schon  ein. 

Dieses  vorbereitende  Stadium  erhält  nun  aber  in  den  meisten  Fällen 
rasch,  seltener  etwas  langsamer  seinen  Abschluss  mit  dem  Ausbruch 
eines  reichlichen  Schweissos  ;  derselbe  erfolgt  meistentheiJs  Abends  oder 
Nachts  und  ist  augeusclieinlich  von  einer  Besserung  auch  der  übrigen 
A^erhältnisse  begleitet.  Kopfweh  und  Delirien  hören  auf,  der  Hiisteo 
wird  trockener  und  leichter ,  die  Schmerzhaftigkeit  verliert  sicli.  Oft 
schlafen  die  Kranken ,  die  bis  dahin  hustend  und  ühev  Schmerzen  stöh- 
nend nur  kurze  Stunden  hindurch  sich  des  Schlafes  erfreut  hatten,  zum 
ersten  Male  ruhig  ein  und  erwachen  erst  dann  wieder,  nachdem  das  ge- 
sammte  Krankheitsbild  ein  anderes  geworden  ist.  In  Schweiss  gebadet 
und  unter  fortwährend  von  der  Stirn  rinnenden  Tropfen  erkaltet^der  bis 
dahin  heisse  Körper  des  kleinen  Kranken  ,  manchmal  so  übermässig, 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Pathologie.  613 

dass  Stirn,  Nase,  Ohren  nnd  Extremitäten  die  Kälte  des  CoUapses  zeigen 
und  die  Pfleger  in  lebhafte  Besorgniss  gerathen.  Die  unerwartet  einge- 
tretene Kühle ,  der  tiefe  Schlaf  und  die  durch  ihn  bedingte  Theilnahm- 
losigkeit,  der  gläserne  Blick,  der  bei  dem  aus  dem  schlaftrunkenen  Zu- 
stande Erweckten  sich  zeigt,  die  mitunter  noch  vorhandenen  Delirien  und 
Hallucinationen ,  vielleicht  auch  unwillkürliche  Entleerungen  —  kurz 
die  dem  Anschein  nach  in  vieler  Hinsicht  ungünstige  Veränderung  aller 
Krankheitserscheinungen  ,  und  besonders  ihr  Erscheinen  in  schnellem 
Sturm,  rückt  dem  Laien  die  Möglichkeit  eines  bald  bevorstehenden  leta- 
len Ausganges  so  vor  Augen,  dass  sein  Drängen  um  rasche  Hilfe  gerade 
in  dieser  Periode  sehr  gerechtfertigt  erscheinen  muss.  Glücklicherweise 
kann  der  kundige  trotz  der  aufregenden  Scene  ruhig  untersuchende  Arzt 
bald  beruhigen ,  findet  er  doch  in  dieser  Periode  das  Fieber  geschwun- 
den ,  Puls  und  Eigenwärme  zur  Norm  zurückgekehrt ,  die  lokalen  Er- 
scheinungen nicht  selten  bereits  in  entschiedenem  Rückgange.  Noch 
einige  Stunden  ruhigen  Schlafes  nebst  Vermeidung  grösseren  Wärme- 
verlustes ,  und  auch  dem  Laien  iiit  die  entschiedene  Wendung  zum  Bes- 
seren klar  geworden ,  denn  er  steht  am  Bette  des  offenbar  in  die  Gene- 
sungsperiode eingetretenen  Kindes. 

Manchmal  macht  sich  in  dieser  Periode  starkes  Nasenbluten  in  sehr 
unangenehmer  Weise  bemerklich. 

In  den  nächstfolgenden  Tagen  verschwinden  allmählich,  neben  er- 
halten bleibender  Normaltemperatur,  die  im  Laufe  der  febrilen  Periode 
entstandenen  Krankheitsprodukte,  oft  schon  im  Laufe  der  ersten  Woche 
nach  der  Defervescenz  bis  auf  einen  geringen  Rest.  Es  pflegt  dieser  Pro- 
cess  von  Husten  mit  etwas  lockerem  Auswurfe,  den  man  indessen  bei 
kleinen  Kindern  so  wenig  wie  auf  der  Höhe  der  Krankheit  zu  Gesichte 
bekommt,  begleitet  zu  werden ;  öfter  hört  man  auf  der  Luftröhre  etwas 
Rasseln.  Die  Respirationsfrequenz  ist  dabei  normal  oder  nahezu  normal, 
die  Seitenschmerzen  sind  geschwunden.  Auch  der  Appetit  kehrt  zurück 
und  bessert  sich  von  Tage  zu  Tage  ;  die  Kräfte  heben  sich  rasch ;  alle  Funk- 
tionen kommen  wieder  in  Ordnung  und  schon  nach  kurzer  Zeit  erinnert 
Nichts  als  der  mehr  und  mehr  verschwindende  Rest  des  früheren  lokalen 
Befundes,  wegen  dessen  noch  einige  Vorsicht  in  Betreif  des  Aufstehens 
geboten  ist,  an  die  übei'standene  schwere  Krankheit. 

Nicht  immer  ist  der  Verlauf  der  primären  croupösen  Pneumonie 
der  geschilderte  ziemlich  schwere :  es  giebt  auch  vielfach  Fälle  mit 
leichterem  Verlauf,  geringeren  lokalen  Beschwerden ,  massiger 
Dyspnoe,  fehlenden  Kopfsymptomen.  Die  Intensität  des  Fiebers  braucht 
dabei  nicht  ebenfalls  nur  gering  zu  sein,  öfters  aber  ist  sie  dem  massigen 
Verlaufe  entsprechend  ebenfalls  massig.   Auch  seine  Dauer  ist  meistens 


gj4  Ki-ankheiten  der  Athmungsorgaue.     Lunge. 

eine  kürzere  ,  so  dass  der  Cyclus  der  Krankheit  in  vier  bis  fünf  Tagen 
beendet  ist.  Die  Recouvalesceuz,  bei  Kindern  schon  ohnehin  von  rasche- 
rem Verlauf  als  bei  Erwachsenen ,  geht  in  derartigen  Fällen  besonders 
rasch  vor  sich,  und  sehr  oft  sind  die  Kräfte  der  Kleinen  schon  wenige 
Tage  nach  dem  Schlüsse  des  Fiebers  so  weit  hergestellt,  dass  sie  sicli 
ganz  munter  ausser  Bett  aufzuhalten  vermögen. 

Hat  sich  in  diesen  leichten  Fällen  die  Infiltration  noch  gerade  wie 
in  den  schwereren  zur  regelmässigen  Zeit  eingestellt  und  in  normaler 
Art  und  Weise  als  Lobäraifektion  ihren  Ablauf  genommen ,  so  kommen 
doch  auch  hin  und  wieder  unter  den  Kindern ,  älteren  wie  jüngerer, 
Fälle  von  A  b  o  r  t  i  v  p  n  e  u  m  o  n  i  e  vor.  In  diesen  erscheinen  die  cha- 
rakteristischen Zeichen  einer  wenig  umfänglichen  Infiltration  bald  nach 
dem  Beginne  eines  mehr  oder  minder  intensiven  Fiebers  ,  ihre  Weiter- 
entwicklung wird  indessen  durch  den  schon  am  Ende  des  ersten  bis 
spätestens  dritten  Fiebertag  erfolgenden  definitiven  Abfall  der  erhöhteo 
Eigenwärme  abgeschnitten.  Cf.  Fisch  l  1.  c.  Solche  Fälle  kommen 
auch  bei  Personen  vor ,  die  ein  andermal  eine  gewöhnliche  Pneumonie 
von  normaler  Dauer  überstanden  hatten. 

Umgekehrt  giebt  es  nicht  selten  auch  Fälle  mit  schwererem 
p  r  0 1  r  a  h  i  r  t  e  m  und  insbesondere  gern  saccadirt  weiterschrei- 
t  e  n  d  e  m  Verlauf.  Statt  der  wegen  vollständiger  Ausbildung  der  Infil- 
tration am  fünften  oder  spätestens  sechsten  Tage  erwarteten  Krise  er- 
scheint vielleicht  am  nächsten  Tage  eine  zweite  verdächtige  Stelle  in 
einer  bis  dahin  gesunden  Lungen^Dartie ,  die  allmählich  zur  vollen  Infil- 
tration sich  weiter  entwickelnd  den  Schluss  des  Fiebers  hinausschiebt, 
Dieselbe  facht  gewöhnlich  von  Neuem  heftige  lolcale  Beschwerden  an, 
bewirkt  eine  erhebliche  Steigerung  der  Schmerzen,  des  Hustens  und  der 
Dj'spuoe,  und  erschwert  dadurch  den  weiteren  Verlauf.  Unangenehmer 
aber  ist  noch ,  dass  durch  eine  solche  Verlängerung  der  Krankheit  der 
Ins  dahin  vielleicht  noch  leidlich  erhalten  gebliebene  Appetit  leicht 
gänzlich  vernichtet  und  damit  die  dem  Herzen  wie  allen  übrigen  Orga- 
nen durch  langsame  Erschöpfung  drohende  Gefahr  erheblich  gesteigert 
wird.  Die  unliebsamste  Erscheinung  solcher  protrahirter  Pneumonieen 
ist  also  die  während  ihres  Verlaufs  sich  rascher  oder  langsamer  ausbil- 
dende Schwäche ,  und  wenn  auch  günstigen  Falls  vorher  gesunde  uDii 
kräftige  Kinder  schliesslich  noch  in  normaler  Weise  defervesciren,  so 
wird  doch  die  durch  den  langgedehnten  Verlauf  herbeigeführte  hoch- 
gradige Anämie  leicht  Veranlassung  einer  sehr  verzögerten  und  durch 
intercurrente  Zufälle  aller  Art  gestörten  Reconvaleseeuz. 

Im  Allgemeinen  lässt  sich  der  Satz  aussprechen ,  dass  die  Affek- 
tionen der  Oberlappen  und  zweilappige  Pneumonieen  einen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Pathologie.  615 

schwereren  und  protrahirteren  Verlauf  als  die  ein  lappigen  und  die 
der  U  n  t  e  r  1  a  p  p  e  n  besitzen. 

Eine  Uebersicht  derjenigen  Kinderpneumonieen,  deren  Verlauf  dem 
Typus  der  genuinen  croupösen  Pneumonie,  wie  er  in  seiner  mittel- 
schweren und  leichteren  ,  sowie  in  der  saccadirt  fortschreitenden  Form 
geschildert  wurde,  in  wesentlichen  Punkten  nicht  entspricht,  also  ge- 
wissermassen  ein  anomaler  ist,  scheint  mir  folgende  Kategorieen  zu 
verlangen. 

Erstens  eine  Form,  welche  hauptsächlich  jüngere  Kinder  bis  etwa 
zum  dritten  Jahre  hinauf  zu  betreffen  scheint  und  wesentlich  mit 
Brustsymptomen  verläuft.  Die  Kinder  sind  bis  zur  Erkrankung 
gesund  oder  höchstens  mit  einem  leichten  fieberlosen  Katarrh  behaftet; 
ihre  Krankheit  beginnt  nicht  allzu  plötzlich  mit  remittirendem  massi- 
gem allmählich  aber  steigendem  und  schliesslich  unter  Umständen  recht 
hohem  und  continuirlichem  Fieber ;  die  Localisation  erscheint  langsam 
nach  dem  Beginn  des  Fiebers  und  breitet  sich  nach  und  nach  auf  beiden 
Seiten  aus ,  ohne  die  Grenzen  der  einzelnen  Lappen  zu  beachten ;  es 
treten  die  Zeichen  eines  ein-  oder  doppelseitigen  pleuritischen  Ergusses, 
vielleicht  auch  einer  Pericarditis  hervor ,  und  so  erliegen  die  Kleinen 
am  Ende  der  ersten  oder  in  der  zweiten  Woche  bei  verschiedengradigem 
Fieber,  unter  beträchtlicher  Dyspnoe  und  allmählich  zunehmendem  Ras- 
seln (Lungenödem),  theils  der  grossen  Verbreitung  der  Pneumonie,  theils 
den  Complicationen.  Die  Section  ergiebt  ausser  den  fibrinösen  Auf- 
lagerungen und  den  Ergüssen  in  die  serösen  Höhlen  ai^ch  wohl  Leber- 
mid  MiJzschwellung  und  parenchymatöse  Nephritis  massigen  Grades. 
Insofern  die  Resj^irationssymptome  während  des  Krankheitsveidaufes 
bei  dieser  Form  entscliieden  vorherrschen ,  dürfte  sie  am  zweckmässig- 
sten,  sofern  ein  Name  überhaupt  nothwendig  erschiene,  die  pektorale 
Form  der  primären  anomalen  Kinderpneumonie  genannt  werden. 

Bei  einer  zweiten  Form  ist  schon  wegen  des  Hustens  und  der  Dys- 
pnoe die  Pneumonie ,  welche  bei  kleineren  Kindern  weniger  scharf  als 
bei  älteren  auf  einen  einzigen  Lappen  begrenzt  zu  sein  pflegt,  allerdings 
nicht  zu  übersehen  ,  indessen  sind  doch  gastrische  Erscheinun- 
gen erheblicherer  Art  von  Anfang  an  vorhanden  und  machen 
sich  während  des  Verlaufes  fortwährend  in  unliebsamer  Weise  geltend. 
Häufiges  Erbrechen  und  gänzlicher  Appetitverlust,  insbesondere  aber 
anhaltende  Diarrhoe  bedingen  selbst  bei  massig  bleibendem  Fieber  all- 
mählich eine  so  bedeutende  Schwäche ,  dass  das  Leben  ernstlich  in  Ge- 
fahr schwebt  und  die  Kinder,  wenn  die  kritische  Entscheidung  des  Fie- 
bers ausbleibt ,  durch  sie  schliesslich  zu  Grunde  gehen.  Ist  aber  die 
Defervescenz  eingetreten,  so  schwinden  die  gasterointestinalen  Ersohei- 


gjg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

nungeu  und  eine  nacli  Dauer  und  Intensität  des  abgelaufenen  Processes 
nielir  oder  weniger  rasche  Reconvalescenz  stellt  die  Gesundheit  wieder 
her.  Es  wäre  dies  die  gastrische  Form  der  obengenannten  Pneunio- 
nieart.  Icterus  ist  hierbei  selten ;  ich  habe  ihn  bei  einer  solchen  Pneu- 
monie des  Kindesalters  einmal  beobachtet ;  eine  mit  Icterus  verbundene 
derartige  Pneumonie  könnte  altem  Gebrauche  gemäss  gastrisch-biliös 
oder  biliös  heissen. 

Eine  dritte  Form  ist  die  nervöse  oder  cerebrale,  die  mit 
schweren  Hirnerscheinungen  verlaufende  und  seit  Ri  Hie t  und  Bar- 
th e  z  häufig  auch  G  e  h  i  r  n  p  n  e  u  m  o  n  i  e  genannte  Form.  Sie  wird 
von  diesen  Autoren  in  die  beiden  Unterarten  der  eklamptischen  und 
meniugealen  Form  getrennt ;  letztere  zerfallen  sie  wieder  in  eine  koma- 
töse und  delirirende  Species.  Die  convulsivische  Form  soll  besonders 
kleinen  zumal  zahnenden  Kindern  zukommen,  die  komatöse  Kinder  von 
2 — 5  und  die  delirirende  Form  ältere  Kinder  betreffen.  Da  die  Autoren 
die  Convulsionen  der  eklamptischen  Form  nicht  in  bestimmte  Bezie- 
,  hungen  zu  einem  eigenthümlicheu  Krankheitsverlauf  bringen ,  sondern 
sie  einfach  annehmen ,  wenn  irgendwann  während  der  Pneumonie  aus 
irgend  welcher  Ursache  intercurrente  Convulsionen  auftreten ,  so  ist  es 
kaum  nöthig,  auf  sie  weiter  Rücksicht  zu  nehmen. 

In  der  That  scheint  ein  uncomplicirter  nur  durch  wiederholte  Convul- 
sionen ausgezeichneter  Verlauf  der  Kinderpneumonie  mindestens  selten  zu 
sein  (Henoch  I.e.  1866  p.  114);  ich  erinnere  mich  nicht,  einen  solohenFall 
beobachtet  zu  haben  ;  der  von  Z  i  e  m  s  s  e  n  (Pleur.  u.  Pneum.  p.  194) 
erwähnte  sechsmonatliche  Knabe  war,  zumal  während  der  Zeit  der  in- 
tensivsten Krämpfe  entschieden  komatös;  ebenso  verhielt  sich  der  tödt- 
lich  verlaufene  Fall  von  Politzer  (Jbch.  f.  Khkde.  N.  F.  JV.  p.  310), 
in  dem  die  Convulsionen  mehrere  Tage  hindurch  sich  wiederholten;  bei 
Baas's  (1.  c.  p.  279)  Mädchen  waren  die  mehrtägigen  Convulsionen 
mit  Delirien  verbunden  ;  Aehnliches  beobachtete  ß  e  i  s  1  a  n  d. 

Die  Symptome  der  meniugealen  Formen  ,  Unruhe,  Somnolenz  und 
Koma  mit  und  ohne  Strabismus,  Delirien,  Kopfweb  mit  Erbrechen  u.  s.  w. 
verwischen  durch  ihre  Mannichfaltigkeit  und  Intensität  die  Symptome 
der  Pneumonie,  ihr  Verlauf  ist  minder  regelmässig  als  der  der  gewöhn- 
lichen Form  und  ihre  Gefahr  viel  grösser.  Die  Neuzeit  hat  als  wich- 
tigste Ursache  dieser  intensiven  Hirnsymptome  die  übermässig  hochge- 
steigerte Eigenwärme  kennen  gelernt ,  während  in  zweiter  Linie  eine 
besondere  Disposition  der  Individuen  zu  nervösen  Störungen  von  Be- 
deutung ist ;  ausserdem  mögen  dieselben  hin  und  wieder  im  Wesent- 
lichen durch  wirkliche  Complicationen ,  wie  Meningitis ,  Otitis  u.  a.  m. 
bedingt  sein. 

In   einem   von   Lewisson    veröffentlichten   übrigens  sehr  anomal 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Pathologie.  617 

verlaufenden  Falle  glaubte    Henoch    die  vorhandene  Herzschwiiclie  als 
Ursache  der  Nervenerscheinungen  anschuldigen  zu  sollen. 

Bei  allen  diesen  nervösen  Formen  treten  die  lokalen  Erscheinungen 
der  Pneumonie  zurück ;  insbesondere  erscheinen  die  anatomischen  Ver- 
änderungen erst  später,  manchmal  erst  ungewöhnlich  spät  am  vierten 
oder  fünften  Krankheitstage.  Auch  nachdem  .sie  ausgebildet  sind, 
pflegen  in  einem  Theile  der  Fälle  die  Brustsymptome  keineswegs  die 
Rolle  zu  spielen  wie  in  den  gewöhnlichen  Fällen ,  sondern  immer  noch 
die  Nervenzufälle  die  auffälligste  Erscheinung  zu  bilden,  während  aller- 
dings in  vielen  anderen  Beobachtungen  die  letzteren  mit  dem  Nachweis- 
barwerden der  Infiltration  sofort  sich  vermindert  oder  ganz  aufgehört 
haben.  — 

Es  sei  mir  gestattet,  im  Anschluss  an  die  Beschreibung  dieser  ano- 
malen Formen  des  Pueumonieverlaufes  auf  das  ätiologische  Gebiet  zu- 
rückzukehren und  die  Frage  nach  der  Genese  derselben  .kurz  zu  er- 
örtern. Vorausgeschickt  mag  werden ,  dass  sie  mir  nur  vereinzelt ,  nie 
in  epidemischer  Verbreitung  vorkamen ,  und  dementsprechend  nur  eine 
bedeutende  Minderzahl  der  von  mir  beobachteten  Pneumoniefälle  bil- 
den. Ausserdem  möchte  ich  hervorheben  ,  dass  derartige  anomale  Fälle 
nur  gemischt  mit  gewöhnlichen  Pneumonieen  gesehen  werden,  die  gar 
nichts  Besonderes  darbieten.  Dies  Durcheinandervorkommen  scheint 
mir  ziemlich  entschieden  gegen  eine  besondere  Pneumonienrsache  für 
die  Minderzahl  zu  sprechen  ,  um  so  mehr  ,  als  auch  die  Aetiologie  der 
betreffenden  Fälle  durchaus  nichts  Eigenthümliches  und  Gemeinsames 
darbot,  was  sie  vor  den  übrigen  ausgezeichnet  hätte. 

Offenbar  könnte  der  geschilderte  Symptomencomplex  darauf  hin- 
weisen, dass  wir  es  hier  mit  sogenannten  asthenischen  Pneumonien 
(vgl.  besonders  Leichten  stern,  Volkm.  Sammig.  klin.  Vortr.  Nr.  82) 
zu  thun  hätten.  Und  obgleich  die  Symptomatologie  derselben  noch  min-, 
der  bestimmt  ist  als  ihre  Aetiologie,  so  muss  doch  die  Beantwortung  der 
Frage  versucht  werden ,  wie  sich  die  Kinder  in  dieser  Beziehung  ver- 
halten. 

Als  Eigenthümliehkeiten  der  asthenischen  Pneumonieen  gesunder 
kräl'tiger  Erwachsener  werden  von  Ij  eichten  stern  folgende  ange- 
geben :  Sie  beginnen  häufig  mit  ein-  bis  mehrtägigen  schweren  „Pro- 
dromen", welche  mit  den  Initialsymptomen  akuter  Infektionskrankheiten 
fast  vollständig  übereinstimmen  und  daher  oft  den  Ausbruch  eines  Ty- 
phus vermuthen  lassen,  bis  die  entzündlichen  Erscheinungen  in  den  Lun- 
gen die  Krankheit  als  Pneumonie  kennzeichnen.  Insbesondere  fehlt  der 
Schüttelfrost  häufig ,  viel  öfter  als  bei  der  gewöhnlichen  Form  der  pri- 
mären croupösen  Pneumonie,  und  folgen  auf  ihn,  wenn  er  vorhanden  ist, 
die  lokalen  Krankheitserscheinungen  weit  weniger  rasch  als  bei  dieser. 
Die  Infiltration  erscheint  oft  nur  in  einem  Theil  eines  Lappens,  entweder 
der  Peripherie,    oder  sie  ist  eine  centrale    und  eine  Zeit  lang  gar  nicht 


618 


Krankheiten  der  Athmungsoigaiie.     Lunge. 


iiachwei.^l.ai-;  auf  den  zuerst  befallenen  Bezirk  kann  sie  sich  entweder 
bescliränken  oder  ^-on  ihm  aus  allmählich  auf  weitere  Lungenpartieen 
ausdehnen;  dabei  sind  die  Oberlappen  häufiger  als  die  Unterlappen  be- 
fallen und  Doppelseitigkeit  der  Affektion  nichts  Seltenes.  Asthenische 
Pneuraoiiieen  sind  oft  mit  pleuritischen  Ergüssen  combinirt,  gehen  in  der 
Mehr/ahl  der  Fälle  mit  ungewöhnlich  hohem  Fieber  und  ungewöhnlich 
schwerer  Prostration,  mit  frühzeitigem  Delirium  und  Coma,  kleinem  fre- 
quentem  Pulse,  mit  Trockenheit  der  Jluud-  und  IJachenhöhle  und  Fuligo 
der  Zähne  (typhöse,  typhoide  Pneumonie)  einher;  auch  hind  sie  durch 
Anschwellungen  von  Leber  und  Milz,  nicht  selten  höheren  Grades,  durch 
Allaiminurier  durch  bedeutende  gastrische  und  intestinale  Erscheinungen, 
besonders  auch  Icterus  (gastrische  und  biliöse  Pneumonie),  sowie  durch 
parenchymatöse  Degenerationen  der  verschiedensten  inneren  Organe  aus- 
gezeiclniet.  Selten  kommen  secundäre  Entzündungen  anderer  Organe  wie 
Parotitis,  Thyreoiditis,  Zellgewebsentzündung  u.  s.  w.  vor.  Diesen  viel- 
fachen Verlaufseigenthümlichkeiten  entspricht  auch  im  Gegensatz  zui-  ge- 
wöhnlichen Pneumonie  eine  beträchtlich  höhere  Mortalität.  —  Sehr  oft 
sollen  an  Orten  und  zu  Zeiten,  wo  derartige  „primär"  asthenische  Pneu- 
monieeii  herrsclien,  auch  die  leichtesten  Fälle  die  eine  oder  andere  der- 
jenigen Verlaufs-  und  Symptomeneigenthümlichkeiten  darbieten,  welche 
die  schweren  Fälle  charakterisiren. 

In  der  That  entsprechen  also  hiernach  die  Eigenthümlichkeiten  der 
bezeichneten  Categorien  der  Kinderpneumonie  denjenigen ,  welche  als 
charakteristisch  für  die  durch  ihr  epidemisches  und  endemisches  Auf- 
treten ausgezeichneten  primären  asthenischen  Pneumonieen  betrachtet 
werden.  Aber  keineswegs  ist  man  desshalb  berechtigt,  für  diese  Fälle  — 
selbst  zugegelien,  dass  die  croupöse  Pneumonie  eine  Infedionskrank- 
heit ,  was  ja  sehr  wahrscheinlich  —  eine  b  e  s  o  n  d  e  r  e  specifischc 
Krankheitsursache  anzuirehmen.  Persönlich  habe  ich  über  Pneumonie- 
e  p  i  d  e  m  i  e  e  n  keine  Erfahrung ,  meine  aber  ,  dass  sich  die  in  den  Be- 
schreibungen solcher  geschilderten  Eigenthümlichkeiten  durch  eine  Ver- 
änderung der  individuellen  Disposition  zur  Genüge  erklären  Hessen.  Es 
kommen  ja  auch  in  leichten  Scharlachepidemieen,  untermischt  mit  vielen 
normalen  leichten,  einzelire  schwere  Fälle  von  eigenthümlichem  anomalem 
Verlaufe  vor,  einem  eigenthümlicheren  Verlaufe,  als  ihn  die  Pneumo- 
nieen je  darbieten,  und  umgekehrt  finden  sich  in  einer  schweren  Schnr- 
lachepidemie  einzelne  gairy.  leichte  Fälle:  soll  desshalb  die  Scharlricli- 
ursache  bei  beiden  Aii.en  von  Fällen  eine  verschiedene  sein?  Die 
wesentlichen  anatomischen  Störungen  sind  hier  vae  dort  identisch.  Und 
warum  sollten  die  in  meinem  Beobachtungsgebiet  eine  lange  Reihe  von 
Jahren  hindurch  durchaus  nur  sporadischen  durch  einen  einigermassen 
abweichenden  Verlauf  ausgezeichneten  Fälle  von  Pneumonie  nicht  auf 
die  gleiche  Krankheitsursache  zurückgeführt  werden  können?  Eine 
ätiologische  Besonderheit  kommt  ihnen  ja  augenscheinlich  nicht  zu,  und 
un  Uebrigen  sind  sie  nur  durch  eine  grössere  Neigung  zu  Complicationen 
und  eine  grössere  Mortalität  ausgezeichnet. 

Sind  es  aber  individuelle  Momente,  welche  die  Eigenthümlichkeiten 
der  genannten  Pneumoniefoi-men  der  Kinder  höchst  wahrscheinlich  ver- 
anlassen,   so    dürfte  es  sich  auch   der    Mühe   verlohnen   in  Betracht  zu 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Pathologie.  (319 

ziehen ,  ob  etwa  irgendwelche  Beziehungen  dieser  Fülle  zu  den  von 
Leichtenstern  sogenannten  individuell  asthenischen  Pneumonieen 
bestehen.  Bekanntlich  bezieht  derselbe  die  Besonderheiten  des  Verlaufs, 
welche  die  eroupösen  Pneumonieen  der  Anämischen,  Herzkranken,  Em- 
physematösen ,  Siiufer,  Greise  u.  s.  w.  in  der  Bieget  darbieten,  auf  eine 
Herzdegeneration,  Ich  bin  nicht  in  der  Lage ,  diese  Hypothese  durch 
meine  Beobachtungen  stützen  zu  können ,  abgesehen  natürlich  von  den 
rein  secundären  Pneumonieen  im  Verlaufe  der  verschiedensten  akuten 
schweren  Krankheiten.  Viele  der  in  der  poliklinischen  Praxis  behandelten 
bis  zur  Erkrankung  gesunden  pneumonischen  Kinder  waren  insbesondere 
anämisch  und  scrofulös ,  ohne  dass  der  Pneumonieverlauf  beziehentlich 
die  Eeconvalescenz  irgend  etwas  erhebliches  Besondere  zumal  auf  eine 
Herzstörung  Zurückzuführende  dargeboten  hätte.  Es  liegt  ja  gewiss  nahe, 
die  bei  derartigen  Personen,  wie  Kranken,  Schwächlichen,  Inficirten,  vor- 
handenen Organstörungen  als  Ursache  der  Besonderheiten  des  Pneumo- 
nieverlaufes  anzuscliuldigen .  und  es  ist  gar  nicht  zu  verwundern ,  dass 
hierbei  besonders  an  das  Hevz  gedacht  worden  ist  als  an  ein  Organ, 
dessen  normale  Fuuctionirung  unter  allen  Umständen  für  den  ganzen 
Körper  von  äusserster  Wichtigkeit  sein  muss  und  das  gerade  durch  eine 
pneumonische  Infiltration  erheblich  belastet  wird,  wie  Jürgensen  in 
überzeugender  Weise  demonstrirte.  Soll  der  Kreislauf  unier  diesen  er- 
schwerenden Umständen  intakt  bleiben,  so  muss  das  Herz  mehr  arbeiten  ; 
und  vorausgesetzt ,  dass  es  mehr  arbeitet ,  so  muss  diese  Mehrleistung, 
in  Betreff  welcher  es  wahrscheinlich  von  keiner  Seite  her  unterstützt 
wird ,  es  um  so  leichter  in  seiner  Organisation  und  damit  auch  seiner 
Punktionirung  zu  schädigen  im  Stande  sein,  als  es  ohnehin  schon  durch 
die  Temperatursteigerung  wie  durch  die  verminderte  Zuiuhr  von  Er- 
nähningsmaterial ,  die  nothwendigen  Folgen  der  fieberhaften  Krankheit, 
entschieden  geschädigt  wird.  Leidet  aber  das  Herz  wesentlich  Noth,  be- 
ziehentlich sind  die  Cjewebe  in  Folge  der  Respirationsstörung  mit  Koh- 
lensäure überladen,  so  muss  auch  die  Leistungsfälligkeit  der  einzelnen 
Organe  leiden;  wird  hierdurch  ihre  normale  Thätigkeit  vermindert,  sinkt 
die  Funktionirung  gewisser  zum  Leben  wichtiger  Organe  unter  ein  ge- 
wisses Minimum  herab  ,  so  ist  nothwendige  Folge  ,  dass  das  bis  dahin 
normale  Krankheitsbild  durch  neue  Symptomencomplexe  mehr  oder  we- 
niger erheblich  modificirt  und  complicirt  wird.  Gewiss  kann  man  also 
gewisse  während  des  Höhestadiums  der  eroupösen  Pneumonie  zu  beob- 
achtende anomale  Erscheinungen  wenigstens  theilweise  auf  das  Herz 
zu  beziehen  sich  veranlasst  fühlen;  anders  aber  ist  es  mit  den  Initial- 
symptomen, bei  deren  Eintritt  das  Herz  öfters  gewiss  nicht  bereits  in 
einem  dem  ähnlichen  Zustande  sich  befinden  dürfte,  in  dem  es  später 
bei  der  Section  gefunden  wird  oder  den  man  nach  mehrtägiger  Dauer 
der  Entzündung  vei-muthen  kann.  Schon  die  Initialsymptome  der  sog. 
individuell  asthenischen  Pneumonieen  sind  aber  bekanntlich  abweichend 
vom  gewöhnlichen  Verlauf!  Ich  glaube  daher,  dass  die  Ursachen  der  er- 
wähnten Anomalieen  mehr  in  der  Veränderung  der  Gesammtconstitution 
als  in  der  nur  eines  einzigen  obgleich  noch  so  wichtigen  Organs  gesucht 
werden  müssen  ;  jedenfalls  dürften  sich  die  zahlreichen  Abweichungen  vom 
Normalverlauf   nicht   von   einem   einzigen  Punkte   aus    erklären    lassen. 


ß20  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Wenn  man  nach  einem  intensiven  und  vielfach  comijlicirten  Krankheits- 
verlauf  .schliesslich  Ijei  der  Section  ein  vielleicht  nur  partiell  und  massig 
entartetes  Herz  findet,  so  kann  man  desshalb  doch  nicht  berechtigt  sein, 
dasselbe  ohne  Weiteres  zur  direkten  oder  indirekten  Erklärung  der  ver- 
schiedensten Krankheitssymptome  herbeizuziehen ;  zum  Mindesten  dürfte 
im  Einzelfall  der  Nachweis  dieser  Berechtigung  sehr  schwierig  und  kaum 
je  in  erschöpfender  Weise  zu  führen  sein.  — 

Endlich  will  ich  noch  der  erratischen  Form  der  Kinderpneu- 
monie  gedenken ,  die  von  Manchen  auch  mit  dem  Erysipel  verglichen 
und  daher  erysipelatöse  Pneumonie  genannt  wurde.    In  reinen  Fällen 
beginnt  und  verläuft  sie  in  der  Regel  mit  heftigem,  bald  continuir- 
lichem,   bald    unregelmässig  .remittirendem  Fieber;    wo    die  Remis- 
sionen einen  mehr  regelmässig  intermittirenden  Charakter  annehmen 
pflegt  Malaria  im  Spiele  zu  sein.    Der  lokale  Process  tritt  gewöhnlich 
langsam  an  einer  wenig  umfänglichen  Stelle  hervor  und  entwickelt  sich 
hier,   während  er  sich  allmählich  auf  das  benachbarte  Lungengewebo 
ausbreitet ,  oder  auch  wohl  auf  die  andere  Seite  überspringt ,  zur  voll- 
kommenen Hepatisation ,  die  allmählich  fortschreitet.    So  bietet  sich 
schliesslich  das  eigenthümliche  Bild  dar,  dass  in  einem  späteren  Stadium 
der  Krankheit  entstehende ,  ausgebildete  und  in  entschiedenster  Rück- 
bildung begriffene  Infiltrationsherde  gleichzeitig  vorhanden  sind ;  am 
Schlüsse  der  Pneumonie  kann  sich  zeigen ,  dass  vielleicht  nur  ein  be- 
schränkter Theil  aller  athmungsfähigen  Substanz  ganz  frei  geblieben 
ist.    Nach  einer  rapiden  oft  erst  ziemlich  spät  erscheinenden  Entfiebe- 
rung pflegt  die  Reconvalescenz  ziemlich  rasch  zur  vollkommenen  Ge- 
nesung zu  führen. 

Aber  nicht  nur  überhaupt,  sondern  auch  in  den  einzelnen  Ab- 
schnitt en  des  Kin  desalters  bietet  der  Verlauf  der  Pueun.onie 
beachtenswerthe  Eigenthümlichkeiten.  Der  im  Anfang  geschilderte  ein- 
fache uncomplicirte  schwere  oder  mittelschwere  Verlauf  der  Krankheit 
zeigt  sich  besonders  bei  älteren  Kindern  ,  obwohl  er  auch  bei  den  klei-  ' 
neren  bis  zum  zweiten  und  dritten  Jahre  hinab  nicht  selten  ist.  Die 
croupose  Pneumonie  der  jüngeren  Kinder  von  etwa  der  Mitte  des  ersten 
Jahres  an  erscheint  öfter  in  der  abgehandelten  durch  excedirende 
Symptome  verschiedener  (Jrgane  ausgezeichneten  Form.  Die  gleichen 
Eigenthümlichkeiten  hat  auch  die  der  jüngsten  Kinder  aufzuweisen; 
eine  weitere  Besonderheit  dieser  Fälle  liegt  aber  in  der  auch  bei  ein- 
fachem \  erlaufe  gewöhnlich  sehr  schweren  Störung  der  Respiration. 
Die  Ursache  hiervon  ist  eine  dreifache:  zuerst  die  gewöhnliche,  das 
durch  das  pneumonische  Exsudat  selbst  gesetzte  Circulationshinderniss, 
sodann  d,e  häufige  Atelektase  des  Lungengewel^es ,  welche  sich  bei  den 
wenig  energischen  Atüembewegungen  der  durch  heftiges  Fiebe 


ber  u.  s.  w. 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Pathologie.  62 

schwer  angegriffenen  Kinder  besonders  leicht  ausbildet,  und  endlich  das 
diese  Lebensperiode  auszeichnende  Offenstehen  der  fötalen  Wege,  /Aimal 
des  Foranien  ovale.  Vielleicht  könnte,  wenn  durch  zu  reichliches  Ex- 
sudat der  Eintritt  des  Blutes  in  die  Lungencapillaren  erschwert  wird, 
der  Druck  im  rechten  Ventrikel  und  Vorhof  steigen  und  der  beim  Ge- 
hörnen vorhandene  grössere  Druck  im  linken  Herzen  vermindert  wer- 
den. Bei  allzu  beträchtlichem  Missverhältnisse  würde  nun  aber  ein 
Ueberfliessen  des  Blutes  aus  dem  rechten  in  den  linken  Vorhof  statt- 
finden und  damit  allmählich  eine  ungenügende  Arterialisation  des  Ge- 
sammtblutes  herbeigeführt ,  oder  wenigstens  die  durch  die  Pneumonie 
bewirkte  Kohlensäureüberladung  desselben  wesentlich  gesteigert,  damit 
aber  Ernährung  und  Funktionirung  aller  Organe ,  zumal  des  Herzens 
selbst,  aufs  Schwerste  beeinti'ächtigt  werden.  Berücksichtigen  wir  nun 
noch  die  grosse  Zartheit  des  Organismus  der  Neugebornen,  die  jede 
Affektion  schlecht  ertragen  und  zumal  den  Folgen  des  Fiebers  sowie 
der  Inanition  so  leicht  erliegen ,  die  Neigung  zu  schweren  Nervenzu- 
fällen ,  welche  oft  gänzlich  unerwartet  dem  Leben  ein  Ende  machen, 
endlich  die  Häufigkeit  eines  plötzlichen  Collapses  bei  ihnen  überhaupt, 
so  darf  es  nicht  Wunder  nehmen ,  wenn  die  Pneumonie  derselben  durch 
besonders  schwere  Symptome  aller  Art  und  eine  gi-osse  Mortalität  bei 
oft  unerwartet  frühem  Eintritte  des  Todes  vor  derjenigen  älterer  Kinder 
sich  auszeichnet.  Ihr  Verlauf  ähnelt  insofern  einigermassen  dem  der 
Greisenpneumonie. 

In  den  ziemlich  seltenen  ungünstig  verlaufenden  Fällen 
primärer  croupöser  Pneumonie  älterer  Kinder  ist  entweder  das  Fieber 
von  Anfang  an  äusserst  hochgradig  und  durch  stürmische  Nerven- 
symptome eingeleitet,  oder  der  lokale  Process  auf  den  Lungen,  der 
dann  gewöhnlich  in  den  oberen  Lappen  seinen  Sitz  hat,  von  ungewöhn- 
licher Intensität,  oder  es  ist  seine  Verbreitung  über  einen  gro.ssen  Theil 
des  Lungengewebes  eine  allzubeträchtliche ;  der  Tod  kann  dann  theils 
eine  Folge  der  Hyperpyrese  sein,  theils  durch  Erstickung  eintreten,  und 
zwar  unter  Umständen  schon  recht  zeitig ,  sogar  am  ersten  Krankheits- 
tage, erfolgen.  Oder  es  besteht  von  Anfang  an ,  oder  stellt  sich  bald 
nach  Beginn  der  Krankheit  bereits  eine  Complication  ,  wie  intensive 
Bronchitis,  Pleuritis,  Peri-  und  Endocarditis,  Meningitis,  Nephritis,  ein 
stai-ker  Gastrointestinalkatarrh  u.  s.  w.  ein ,  deren  Symptome  das  Bild 
unter  Umständen  so  verändern  können,  dass  dieselbe  nur  von  einem  ge- 
übten Untersucher  im  Leben  erkannt ,  oft  genug  erst  bei  der  Section 
entdeckt  wird.  Die  Dauer  der  Krankheit  ist  in  solchen  Fällen  eine  ver- 
schiedene, gewöhnlich  aber  kurze,  und  richtet  sich  nach  Intensität  und 
Bedeutung  der  Complication.    Oder  es  verzögert  sich  die  Defervescenz 


g22  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

und  Lösung  des  Exsudats  so  lange,  bis  der  kindliche  Organismus  durch 
das  andauernde  Fieber  und  die  consecutive  Ernährungsstörung  erschöpft 
ist,  dies  ganz  besonders  bei  der  saccadirt  fortschreitenden  und  erysipelas- 
artig  wandernden  Form:  der  Tod  tritt  dünn  mit  oder  ohne  stürmische 
Erscheinungen  (Convulsioneu  ,  Herzinsufficienz,  Lungenödem)  am  Ende 
der  zweiten  oder  in  der  dritten  Woche  ein.  Oder  es  gelangt  die  pneu- 
monische Verdichtung  gar  nicht  zur  Lösung  und  Resorption ,  sondern 
führt  früher  oder  später  durch  eitrige  Lihltration ,  Abscessbildung, 
Brand,  Verkäsung,  gewöhnlich  unter  Hinzutritt  weiterer  Störungen  der 
Brustorgane  (Bronchiolitis,  katan-halische  Pneumonie,  Lungenödem, 
Pleuritis  und  Pericarditis,  Pneumothorax  und  Emp3'em,  Phthise),  oder 
von  Aligemeinstörungen  (Septikämie,  Pyämie,  Miliartuberculose)  zum 
Tode.  Endlich  können  jederzeit  schwere  intercurrente  völlig  unerwartet 
auftretende  Zufälle,  insbesondere  nervöser  Art  (Louis  1.  c),  dem  Le- 
ben ein  Ende  machen. 

Säuglinge  werden  mitunter  allein  durch  die  Dyspnoe  und  zumal, 
wenn  noch  etwas  Coryza  vorhanden  ist,  dadurch  in  Lebensgefahr  ge- 
bracht, dass  sie  am  genügenden  Saugen  verhindert  sind  (West,  L  c.  34. 
p.  174).  Werden  sie  nicht  rechtzeitig  aufpassende  Weise  ernährt,  so 
können  .sie  der  Inanition  erliegen  ,  ohne  dass  Umfang  und  Art  der  In- 
filtration eine  besondere  Gefahr  für  das  Leben  bewirkt  hätten.  Indessen 
gehen  sie  und  kleinere  Kinder  überhaupt  auch  leichter  durch  die  oben 
angeführten  Verhältnisse ,  ihrer  weit  geringeren  Widerstandsfähigkeit 
gegen  Krankhcitseinfiüsse  wegen,  zu  Grunde;  insbesondere  werden 
Bronchitis,  Pleuritis,  Meningitis,  Dannlcatarrh  und  Herzschwäche ,  we- 
niger das  bei  ihnen  gewöhnlidi  raindei-  intensive  Fieljer  zur  Todesur- 
sache. 

Symptomatologie. 

Betrachten  wir  nun  die  einzelnen  Krankheitserscheinungen  bei  der 
croupösen  Pneumonie  der  Kinder. 

P  r  o  d  r  0  m  e.  Prodromale  Symptome  fehlen  in  der  grossen  Mehr- 
zahl der  Fälle  vollständig.  Lidessen  giebt  es  nicht  ganz  selten  Fälle, 
zumal  bei  jüngeren  Kindern,  in  welchen  die  Pneumonie ,  ähnlich  wie 
auch  hie  und  da  bei  Erwachsenen ,  durch  geringfügige  andersartige 
Krankheitserscheinungen  von  verschiedener  Art  eingeleitet  wird:  so 
besonders  durch  leichte  Katarrhe  der  oberen  Luftwege,  des  Rachens, 
des  Magens  und  Darms.  Ihre  Dauer  vor  Beginn  der  Pneumonie  ist  ge- 
wöhnlich eine  nur  kurze ;  sie  gehen  ihr  um  einen  oder  zwei,  seltener 
um  mehrere  Tage  voraus.  Selten  sind  sie  von  leichten ,  vielleicht  nur 
abendlichen  Fiebererscheinungen  begleitet ,  meist  ganz  fieberlos.     Man 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Sj'mptomatologie.  623 

darf  diese  leichten  in  lockerem  und  mehr  zufälligem  Zusammenhang 
mit  der  Pneumonie  stehenden  und  wie  gesagt  nur  in  der  entschiedenen 
Minderzahl  der  Fälle  vorhandenen  Krankheitserscheinungen  nicht  mit 
denjenigen  verwechseln,  welche  zwischen  dem  deutlichen  Beginn  des 
pneumonischen  Fiebers  und  dem  Zeitpunkt  erscheinen  ,  an  welchem  die 
pneumonische  Verdichtung  nachweisbar  wird.  Sie  verschwinden  ge- 
wöhnlich während  des  folgenden  schweren  Krankheitsbildes  oder  be- 
wirken vielleicht  eine  geringe  Modificatian  der  Sj'mptome  der  Pneu- 
monie, seltener  dauern  sie  in  der  einen  oder  anderen  Weise  bis  in  die 
Reconvalescenz  hinein  selbststäiidig  iort. 

Da  sich  die  Pneumonie  nicht  selten  unmittelbar  an  eine  nachweis- 
liche entschiedene  Schädlichkeit  anschliesst,  eine  längere  „  hicubations- 
periode''  wie  bei  den  akuten  Exanthemen  also  fehlt,  so  ist  das  Voraus- 
gehen solcher  leichter  Prodrome  vielleicht  dadurch  zu  erklib'en,  dass 
während  ihres  Bestehens,  und  zumal  wenn  sie  etwas  Fieber  verursachen, 
der  Organismus  empfindlicher  und  seine  Disposition  zu  weiterer  inten- 
siver Erkrankung,  also  auch  nu  Pneumonie,  gesteigert  ist.  Es  erscheint 
die  letztere  daher  unter  solchen  Umständen,  sobald  sich  zufälligerweise 
eine  ihrer  Gelegenheitsursachen  geltend  macheu  kann.  Weit  einfacher 
wäre  die  Erklärung  dieser  leichten  örtlichen  Störungen ,  wenn  die  in- 
fektiöse Natur  der  Pneumonie  unzweifelhaft  feststände  und  iln-  daher 
auch  ein  dem  Beginn  der  entschiedenen  Symptome  einige  Zeit  voraus- 
gehendes Incubationsstadium  zugeschrieben  werden  müsste:  bekanntlich 
zeichnet  sich  dieses  bei  den  Infektionskrankheiten  oft  genug  durch  ört- 
liche und  allgemeine  Störungen,  jedoch  nur  leichtester  Art,  aus.  Sind 
dieselben  intensiver  entwickelt ,  so  dürfte  die  Ansicht  gerechtfertigter 
.sein,  dass  die  Pneumonie  secundär  auftrete. 

Fieber.  Mag  die  Pneumonie  wie  bei  Erwachsenen  mit  Schüttel- 
frost oder  Frösteln,  oder  mit  Krämpfen  und  Erbrechen  beginnen,  im- 
mer steigt  während  dieser  intensiven  Initialerscheinungen,  deren  Dauer 
gewöhnlich  nur  eine  kurze ,  etwa  halb-  bis  einstüudige  ist ,  die  Eigen- 
wärme rapid,  sei  es,  dass  sie  unmittelbar  vorher  bei  vollständiger  Ge- 
sundheit normal  war,  sei  es,  dass  eine  langsame  geringfügige  Erhebung 
aus  irgendwelchem  Grunde  schon  eine  kurze  Zeit  vorher  begonnen 
hatte.  In  der  Regel  ist  die  Temperatur  schon  vor  dem  Froststadium 
ein  wenig  gestiegen  imd  bezeichnet  der  Schüttelfrost  oder  der  Krampf- 
anfall nur  die  Periode  ihrer  rapiden  Zunahme  und  damit  des  deutlichen 
Beginns  der  Krankheit.  Sobald  auf  diese  Weise  eine  bedeutende  Fieber- 
höhe, 40"  und  darüber,  erreicht  ist,  weicht  der  Frost  einem  anhaltenden 
starken  Hitzegefühl ,  während  dessen  die  Haut  trocken  ist  oder  zeit- 
weilig leicht  schwitzt,  und  es  beginnt  nunmehr  eine  mehrtägige  Fieber- 
periode ,  in  deren  Verlauf  sich  die  Lokalaffektion  in  den  Lungen  deut- 
lich entwickelt.  Die  Temperatur  erreicht  Abends  auch  in  leichteren 
Fällen  in  der  Achselhöhle  40",  während  sie  in  den  schwereren  bis  nahe 


524  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

31141°  heranreicht  oder  diesen  Grad  sogar  an  einzelnen  Tagen  über- 
steigt; Morgens  steht  sie  auf  39"— 39  ",5,  in  schweren  Fällen  etwas 
höher,  wenigstens  an  den  meisten  Tagen.  Nur  Säuglinge  haben  manch- 
mal auch  in  solchen  ein  nur  massiges  Fieber.  Bei  Rectummessuugen, 
die  zu  praktisch-ärztlichen  Zwecken  am  zweckmässigsten  mittelst  eines 
am  länglichen  Quecksilberbehälter  eingeölten,  auf  etwa  2"  über  den  zu 
erwartenden  Grad  (vorsichtig !)  erwärmten  und  rasch  durch  den  Sphincter 
hindurch  eingeführten  Thermometers  vorgenommen  werden,  ergiebt 
sich  ein  um  einige  Zehntel,  durchschnittlich  etwa  0'',5  höherer  Tempe- 
ratnrgrad.  Die  Tagesremission  fallt  auf  die  frühen  Morgenstunden  und 
ist  in  leichten  Fällen  von  längerer,  in  schweren  von  kürzerer  Dauer; 
während  das  Ansteigen  zur  neuen  abendlichen  Exacerbation  in  ersteren 
vielleicht  erst  Mittags  beginnt,  findet  es  in  letzteren  schon  in  den  ersten 
Vormittagstunden  statt,  und  es  kann  daher  in  ihnen  vielleicht  bereits 
Mittags  die  Maximaltemperatur  des  Tages  erreicht  sein.  Ausserdem  er- 
giebt sich  öfters  eine  kleine  Schwankung  in  den  Stunden  vor  Eintritt 
der  Nacht. 

Der  regelmässige  Verlauf  des  Fiebers  auf  dem  Höhestadium  der 
Pneumonie  erleidet  nun  theils  durch  intercurreute  stärkere  Steigerun- 
gen, besonders  aber  durch  dergleichen  Senkungen  nicht  selten  eine 
Unterbrechung. 

Höchste  Temperaturwerthe  werden  in  der  Regel  nur  einmal ,  bald 
mehr  im  Anfang  der  Krankheit,  bald  erst  gegen  deren  Ende  hin,  am 
häufigsten  in  den  mittleren  Tagen  des  Höhestadiums ,  selten  mehrmals 
erreicht.  Mitunter  tritt  eine  enorme  mit  dem  sonstigen  Verlaufe  durch- 
aus contrastirende  Temperatur  gleich  im  Anschluss  an  das  luitialsta- 
dium  und  zumal  einen  intensiven  Schüttelfrost  oder  ■Kranipfanfall  ein, 
Oder  es  erscheint  eine  solche  unerwartete  Steigerung  zu  iro-endwelcher 
späteren  Zeit ,  in.sbesondere  in  der  Nähe  der  Krise ,  welche  sich  unmit- 
telbar an  die  in  diesem  Falle  »perturbatio  critica«  genannte  und  in  der 
Regel  kurzdauernde  Erhebung  anschliessen  kann.  Am  häufigsten  zeigt 
sich  aber  die  Temperaturacme ,  welche  übrigens  fast  nur  in  schweren 
Fällen  ausgesprochener  ist ,  zwischen  dem  dritten  und  fünften  Tag  in 
der  Form  einer  andauernden  durch  mehr  oder  minder  vollständiges 
Ausfallen  der  Remissionen  ausgezeichneten  beträchtlicheren  Steigerung, 
und  zwar  schliesst  sie  sich  gern  unmittelbar  an  bedeutende  Rückgänge 
der  Temperatur  an. 

Wodurch  diese  intercurrenten  bedeutenden  Steigeruno-en  bedingt 
smd,  ist  nicht  unmer  leicht  einmsehen.  Manchmal  sind  es  wahrschein- 
lichervveise  Zufälligkeiten  verschiedener  Art,  die  in  den  Verhältnissen  des 
pnemnonischen  Lungenabschnittes  ihre  Erklärung  nicht  ünden,  z.  B.  Vei- 
stoptung,  eme  Indigestion,  ein  unzweckmässiges  Verhalten  des  Kranken 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie. 


625 


überhaupt;  manchmal  mögen  sie  aber  auch  durch  rapide  Entwicklung 
oder  Zunahme  des  Lokalprocesses  und  gleichgradige  Steigerung  des  Stoff- 
wechsels veranlasst  werden ;  endlich  könnten  sie  durch  unmotivirte  re- 
lativ escessive  zeitweilige  Behinderung  des  Wärmeabflusses  bedingt  sein. 
Bei  kurzer  Dauer  sind  sie  im  Allgemeinen  ziemlich  bedeutungslose  Stö- 
rungen des  Normalverlaufs  der  Krankheit ;  länger  anhaltende  pflegen  da- 
gegen ernste  Verwicklungen  und  Störungen  desselben  anzuzeigen. 

Nicht  minder  interessant  sowie  praktisch  wichtig  ist  die  Thatsache, 
dass  sich  während  des  im  Wesentlichen  anhaltenden  Fiebers  der  crou- 
pösen  Pneumonie  in  vielen  Einzelfällen  gewöhnlich  an  Stelle  der  nor- 
malen Morgenremission  unerwarteterweise  kurze  tiefe  Temperatursen- 
kungen einstellen ,  welche ,  insofern  sie  bis  zur  Norm  oder  wenigstens 
bis  in  ihre  Nähe,  ja  sogar  noch  unter  sie  hinabreichen,  den  Anschein 
erwecken ,  als  0I3  der  gesammte  Fieberverlauf  abgeschnitten  und  eine 
kritische  Beendigung  desselben  eingetreten  sei.  Indessen  steigt  nach 
wenigstündigem  Verweilen  in  solchen  Tiefen  die  Eigenwärme  ziemlich 
rasch  zur  alten  Fieberhöhe  wieder  empor ,  gewöhnlich  ohne ,  seltener 
unter  leichtem  Frösteln  oder  vorübergehendem  convulsivischem  Zucken, 
entsprechend  der  Geschwindigkeit  der  neuen  Temperatursteigerung. 
a.    3.    ».     J.    6.     y.    R.    .9. M.    II.   m. 


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Späte  aber  complete  Krise,  die  zh  subnormaler  Temperatur  führt.     Zwei  Tage 
zuvor  Scheinabfall.     Aus  Gerhardt's  Lehrb.  d.  Kkh.    3.  Aufl.  p.  362. 

Man  bezeichnet  derartige  Intermissionen  im  Fieberverlauf  als  Pseudo- 
krisen oder  )Scheinabfälle ;  sie  stellen  sich,  wenn  überhaupt,  gewöhnlich 
nur  einmal ,  seltener  an  zwei  oder  mehreren  auf  einander  folgenden 
Tagen  ein.  Im  letzteren  Fall  gewinnt  der  Temperaturgang  eine  An- 
näherung an  den  intermittirenden  Fiebertypus ,  wie  er  im  ausgespro- 
chensten Maasse  bei  Malariafiebern  vorhanden  ist ,  unterscheidet  sich 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  40 


g26  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

aber  von  demselben  hinreichend  durch  die  geringeren  Temperaturhöhen, 
die  bei  ihm  erreicht  werden ,  sowie  durch  das  langsamere  nicht  paro- 
xysmusartige  Ansteigen  und  AbfoUen ;  jedenfalls  kann  ein  derartiger 
Verlauf  bei  Pneumonie  vorhanden  sein ,  ohne  dass  Malaria  irgendwie 
concurrirt.  Oefter  ist  die  Pseudokrise  nur  rudimentär  vorhanden,  näm- 
lich nur  durch  eine,  beziehentlich  mehrere  ungewöhnlich  grosse  Re- 
missionen angedeutet,  die  die  Temperatur  aber  nur  bis  auf  eine  massige 
Fieberhöhe,  nicht  bis  zur  Norm  hinaljdrücken ;  auch  können  derartige 
Remissionen  neben  einer  wirklichen  Intermission  an  einem  früheren 
oder  späteren  Tage  erscheinen.  Sie  finden  sich  bald  im  Anfang ,  bald 
gegen  das  Ende  der  Pneiimonie. 

Die  Entwicklung  des  Lokalprocesses  wird  durch  initiale  Pseudo- 
krisen in  der  Hegel  etwas  verzögert;  eine  Aendermig  im  Piebertypus 
der  folgenden  Krankheitsperiode  bewn-ken  sie  aber  uothwendigerweise 
nicht,  so  dass  die  nächsten  Exacerljationen  und  Remissionen  ganz  nacli 
Art  der  der  Pseudokrise  vorhergellenden  verlaufen  können.  An  und  tiii- 
sich  beweist  also  das  Erscheinen  solcher  grösserer  Remissionen  nichts  Be- 
sonderes für  die  Nähe  der  Krise,  und  man  darf  nur  insofern  auf  die- 
selbe einigermassen  sclilisssen,  als  diese  intercurrenten  Rückgänge  der 
Temperatur  am  Schlüsse  der  feljrilen  Periode  der  croupösen  Pneumonie 
etwas  häufiger  als  im  Anfange  derselben  sind. 

Immerhin  zeigt  die  croupöse  Pneumonie  während  des  Höhesta- 
diiims,  also  etwa  bis  zum  4.  bis  7.  Tage  ,  in  den  schwersten  Fällen  bis 
vielleicht  zur  Mitte  der  zweiten  Woche ,  oft  genug  einen  Temperatur- 
gang mit  regelmässigen  im  Wesentlichen  gleich  grossen  Exacerbationen 
und  Remissionen,  wenn  auch  nicht  ganz  in  so  gleichmässiger  Weise  wie 
beim  normalen  Typhus.  In  anderen  Fällen  aber  ist  eine  massige  Nei- 
gung zum  continuirlichen  Steigen  oder  Sinken  der  Exacerbations-  und 
Remissionswerthe  ausgeprägt,  manchmal  auch  ein  wechselndes  Ver- 
lialten.  Deutet  daher  unter  Umständen  selbst  unmittelbar  vor  der  Krise 
möglicherweise  Nichts  den  in  Bälde  bevorstehenden  completen  Um- 
schwung der  Fieberverhältnisse  au,  so  gehen  anderemale  dieser  Periode 
eine  oder  mehrere  grössere  Remissionen  oder  Pseudokrisen  ohne  oder 
mit  Verminderung  der  Exacerbationswerthe  voraus  —  kurz  es  findet 
eine  präparatorische  Abnahme  der  Temperatur  statt,  die  im  einfachsten 
Falle  von  einer  grösseren  Remission  aus  direkt  zur  Krise  führt.  End- 
lich kann  derselben  auch,  und  zwar  im  Gefolge  jedes  möglichen  Fieber- 
grades ,  entschiedene  Zunahme  des  Fiebers  in  der  Form  einer  soge- 
nannten Perturbatio  critica  (richtiger  also  praecritica)  vorausgehen. 

Mit  dem  Anfang  der  Krise  ändert  sich  sofort  das  ganze  Bild  des 
Fiebers.  Entweder  ist  die  Defervescenz  eine  rapide:  in  ununterbroche- 
nem Zuge  sinkt  die  Temperatur  binnen  weniger  Stunden  ,   gewöhnlich 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  627 

unter  starkem  Schweisse ,  zur  Norm  herab.  Oder  die  Defervescenz  ge- 
schieht absatzweise,  indem  nach  mehrstündigem  n)ässigem  Sinken  eine 
kurze  Pause  eintritt,  in  welcher  sogar  eine  neue  kleine  Steigerung  ein- 
treten kann  und  der  etwa  vorhandene  Schweiss  aufhört ,  worauf  dann 
das  Sinken  in  ähnlichem  oder  andersartigem  Zuge  wie  vorher  weiter 
fortschreitet.  Mit  oder  ohne  eine  derartige  Pause  wird  schliesslich 
binnen  nahezu  24  bis  36  Stunden  die  Norm  erreicht  und  zwar  in  der 
Regel  vom  Abend  bis  zum  nächsten  Abend  oder  auch  darauf  folgenden 
Morgen :  die  intercurrenten  kleinen  Steigerungen  pflegen  dann  auf  die 
zweite  Hälfte  der  ersten  Nacht  beziehentlich  den  nächsten  Abend  zu 
fallen.  Das  Sinken  hört  auf,  nachdem  entweder  hochnormale  (ca.  38" 
bei  Rectummessungen)  oder  normale  oder  subnormale  (unter  36^,8) 
Werthe  erreicht  sind ;  letztere  wie  erstere  schliessen  sich  nicht  selten 
an  vorhergegangene  hohe  Fiebergrade  und  rapide  Temperaturabfälle 
an ,  ohne  dass  eine  bestimmte  Regel  in  dieser  Beziehung  existirte.  Es 
kann  unter  solchen  Umständen  eine  Temperatursenkung  um  5 — 6  Grade 
stattfinden ,  während  sie  in  gewöhnlichen  Fällen  nur  etwa  3 — -4  Grade 
beträgt. 

Die  ältere  schon  von  verschiedenen  Autoren  zurückgewiesene  An- 
sicht ,  derzufolge  die  Krise  ausschliesslich  oder  wenigstens  am  öftersten 
an  den  ungeraden  Tagen ,  die  daher  die  kritischen  hiessen ,  stattfände, 
entbehrt  auch  nach  den  Beobachtungen  im  kindlichen  Alter  der  Begrün- 
dung vollständig.  Am  häufigsten  findet  das  Fieber  bei  croupöser  Pneu- 
monie der  Kinder  zwischen  dem  fünften  und  achten  Tage  seinen  Ab- 
schluss ,  ohne  einen  derselben  irgendwie  besonders  zu  bevorzugen ;  in 
leichten  und  abortiven  Fällen  kann  der  entschiedene  Temperaturabfall 
schon  vom  zweiten  bis  vierten,  in  schweren  und  mehrlappigen  Pneumo- 
nieen  auch  noch  nach  dem  achten  Tage  stattfinden  und  dabei  in  dieser 
Zeit  gerade  so  wie  zum  gewölmlichen  Termine  verlaufen. 

Das  weitere  Verhalten  der  Eigenwärme  richtet  sich  im  Wesent- 
lichen nach  dem  Verhalten  der  Localafi'ektion.  Fing  diese  schon  wäh- 
rend der  Krise  an  sich  zurückzubilden  und  erleidet  dieser  Process  keine 
Störung,  so  bleibt  die  entweder  unmittelbar  oder  erst  unter  ein-  bis 
mehrtägigen  kleinen  Schwankungen  nach  unten  oder  oben  (bei  voraus- 
gegangener subfebriler  oder  beziehentlich  unternormaler  Temperatur) 
erreichte  Normalwärme  erhalten,  und  tritt  bald  auch  in  den  vollen 
Tagesverlauf  der  Norm  wieder  ein.  Verzögert  sich  aber  die  Rückbil- 
dung des  Localprocesses  etwas,  so  kommen  zunächst  noch  mehrere  Tage 
hindurch  unregelmässige  meist  kleine  Schwankungen ,  in  deren  Verlauf 
wohl  auch  einmal  die  Norm  wieder  etwas  überschritten  wird,  und  dann 
erst,  nachdem  die  Störung  beseitigt  ist,  die  Schwankungen  der  Normal- 
temperatur. 

Wenn  auch  die  febrile  Periode  der  meisten  croupösen  Kinderpneu- 

40  * 


528  Ki-anldieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

monieen  in  kritischer  Weise  endigt ,  so  Icommeu  doch  nicht  ganz  selten 
Fälle  vor,  in  welchen  die  Defervescenz  eine  langsamere  ist  und  in  der 
Form  der  Lysis  stattfindet.  Es  sind  insbesondere  complicirte  und  son- 
stige schwere  Fälle  mit  anomaler  Abwicklung  des  Loealprocesses ,  zu- 
mal  unvollständiger  Resolution  des  Exsudats ,  in  denen  wir  diesem  Ab- 
schlüsse begegnen.  Die  Temperatur  sinkt  hierbei  von  höheren  oder 
mittleren  Fiebergraden  durch  allmähliche  Verminderung  der  Exacer- 
bationen und  Remissionen  im  Laufe  mehrerer  Tage  oder  einer  bis  an- 
derthalber  Woche  zur  Norm  herab,  indessen  können  auch  alle  sonstigen 
der  Form  der  protrahirten  Krise  sich  anlehnenden  Entfieberungsarten 
vorkommen.  In  der  Regel  ist  in  solchen  Fällen  das  Höhestadium  pro- 
trahirt ,  oft  über  mehrere  Wochen  ausgedehnt ,  und  zwar  so ,  dass  die 
höheren  Temperaturen  des  Normalverlaufs  der  Pneumonie  nur  i  m  An 
fang  dei'  Krankheit  bestehen  und  später  mehr  einem  massigen  remitti- 
renden  Fieber  Platz  machen ;  einzelne  beträchtliche  Exacerbationen 
imd  tiefere  intercurrente  Remissionen  werden  zu  verschiedenen  unregel- 
mässigen Zeiten  auch  hier  beobachtet.  Ebenso  unterscheidet  sich  aucb 
der  nachherige  Gang  der  Temperatur  bis  zur  vollen  Genesung  nicht  von 
demjenigen,  welcher  nach  der  Krise  beobachtet  wird. 

Nicht  ganz  selten  kommen  bei  den  empfindlichen  kindlichen  Re- 
convalescenten  massige  oder  stärkere  ephemeraartige  und  rasch  Tor- 
übergehende  oder  auch  etwas  protrahirtere  Temperatursteigerungen  in 
Folge  der  verschiedensten  Anlässe  vor. 

Der  tödtliche  Ausgang  der  croupösen  Pneimionie  kann  im  Auschluss 
an  ein  besonders  hochfebriles  erstes  Stadium  der  Pneumonie  erfolgen. 
Die  Temperatur  zeigt  hierbei  ein  verschiedenartiges  Verhalten.  Ent- 
weder steigt  sie  mit  unbedeutenden  morgenlichen  Remissionen  Tag  für 
Tag  langsam  immer  höher,  bis  eine  unter  Nervensymptomen  schwerster 
Art  auftretende  Terminalsteigerung  bis  weit  in  hyperpyretische  Werthe 
hinein  das  Ende  herbeiführt ,  mit  und  ohne  anatomische  Complication 
von  Seiten  des  Nervensystems.  Oder  sie  schwankt  in  den  Tagen  vor 
dem  Tode  zwischen  leicht-  und  hochfebrilen  Graden,  wobei  das  Ende  in 
gleichen  Graden  ohne  entschiedene  Terminalsteigerung  erfolgen  kann, 
und  zwar  bei  steigender  oder  fallender  Temperatur,  bei  vorhandenen 
oder  fehlenden  Nervensymptomen.  Oder  endlich  erscheint  die  Agonie 
nach  protrahirtem  Verlauf  und  zeitweilig  ermässigten  Temperaturen 
bei  den  verschiedensten  selbst  subnormalen  Graden,  mit  oder  ohne  finalen 
Warmeexcess  und  letzterenfalls  im  Wesentlichen  suffocatorisch,  je  nach 
dem  Grade  der  Consimaption  des  Organismus  und  der  Betheiligung  des 
Nervensystems.  Im  Allgemeinen  aber  sind,  wie  später  gezeigt  werden 
soJl,  unglückliche  Ausgänge  der  croupösen  Pneumonie  bei  Kindern  selten, 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  629 

Andere  Allgemeinsymptome  als  die  Verhältnisse  der 
Eigenwärme  sind  bei  Kinderpneumouie  bis  jetzt  noch  wenig  oder  nicht 
studirt  worden.  Für  Erwachsene  besitzen  wir  die  treffliche  Arbeit  von 
Hup pert  und  Rieseil  (Arch.  d.  Heilk.  1869.  X.  p.  330),  in  welcher 
mit  Bezug  auf  einen  25j.  Mann  über  den  Stickstoffumsatz  bei  Pneumonie 
gehandelt  und  berechnet  wird,  dass  derselbe  in  5  Fiebertagen  etwa 
21,2''/o  seines  Fleisches  verlor.  Die  Rechnung  ist  durch  tägliche  Be- 
stimmungen des  Körpergewichts  controlirt,  aus  denen  hervorgeht ,  dass 
eine  wesentliche  Zunahme  desselben  erst  in  der  Zeit  der  vollen  Recon- 
valescenz  stattfand.  Es  entspricht  dieser  Beobachtung  einigermassen 
die  Angabe  von  Thaon  (1.  c),  welcher  fand,  dass  bei  croupös-pneumo- 
nischen  Kindern  die  Gewichtsabnahme  ebenso  lange  wie  das  Fieber 
dauert,  sich  in  der  Defervescenz  noch  steigert  (heftige  Schweisse  mögen 
dies  bewirken)  und  nicht  aufliört,  so  lange  noch  Zeichen  von  Infiltration 
vorhanden  sind. 

Auch  die  übrigen  besseren  Untersuchungen  der  Produkte  des  Stoff- 
wechsels Pneumonischer  ,  wie  sie  insbesondere  die  Neuzeit  zu  Tage  ge- 
fördert hat,  basiren  meistentheils  auf  Beobachtungen  Erwachsener  und 
müssen  daher  übergangen  werden. 

Ist  auch  im  Allgemeinen  die  croupöse  Pneumonie  der  Kinder  eine 
nicht  minder  schwere  Affektion  als  die  der  Erwachsenen ,  zumal  wenn 
sie  die  oberen  Lappen  befallen  hat,  heftiges  und  anhaltendes  Fieber 
bewirkt  und  blutarme  sehr  junge  und  schwächliche  Individuen  betrifft, 
tritt  insbesondere  sofortige  Bettlägerigkeit  fast  regelmässig  ein,  so  giebt 
es  doch  mitunter  auch  Fälle,  in  denen  der  Kräftezustand  durch  die  Er- 
krankung nur  in  massigem  Grade  alterirt  wird.  So  berichtet  z.  B.  C. 
Wunderlich  von  einem  13j.  Knaben  mit  Pn.  d.  inf. ,  der  nach  einem 
Sinken  seiner  Achselhöhlentemperatur  von  40,9  auf  38,8  am  5.  Krank- 
heitstage das  Hospital  ohne  Erlaubniss  verliess  und  trotzdem  bald  dar- 
auf genas.  In  der  Reconvalescenz  kehren  die  Kräfte  bei  Kindern  in  der 
Regel  bald  zurück ,  sofern  die  Pneumonie  nicht  allzu  schwer  gewesen 
war ;  es  zeigt  sich  dies  insbesondere  durch  das  rasche  Verlassen  des  Bettes 
nach  Beendigung  des  Fiebers. 

Symptome  von  Seiten  der  Respirationsorgane  und 
insbesondere  örtliche  Veränderungen.  Wir  erkennen  die 
Anwesenheit  des  pneumonischen  Processes  in  den  Lungen  aus  gewissen 
Veränderungen ,  welche  sich  bei  der  Untersuchung  des  Thorax  und  des 
Thoraxinhaltes  ergeben.  Es  kann  dieselbe  allerdings  zumal  im  Anfang 
der  Krankheit  resultatlos  bleiben;  meist  sind  jedoch  wenigstens  einige 
Abnormitäten  auch  schon  in  dieser  Zeit  nachweisbar.  Jedenfalls  spricht 
der  Umstand ,  dass  öfter  gleichzeitig  mit  den  ersten  febrilen  auch  ort- 


630  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

liehe  Symptome  auftreten,  dafür ,  dciss  der  lokale  Process  gleich  im  Au- 
fang  der  Krankheit  erscheinen  kann ,  obgleich  er  nicht  immer  schou 
sofort,  insbesondere  durch  akustische  Phänomene,  nachweisbar  ist. 

Um  die  Untersuchung  der  Brust  des  Kindes  mit  der  nothwendigen 
Genauigkeit  ausführen  zu  können,  ist  die  Einhaltung  gewisser  Vorsicbts- 
niassregeln  duri_-haus  nothweudig. 

Bei  der  Percussion  entkleidet  man  den  (Oberkörper  des  Kranken 
vollständig  und  bi-ingt  ihn  in  die  zweckmässigste  Lage :  es  ist  dies  eine 
durchaus  sehlaflfe  und  gleichmässige,  mit  leicht  erhöhtem  Halse  und  Kopfe 
bei  Untersuchung  der  Vorderfläche  des  Kumpfes,  während  bei  der  des 
Rückens  dieser  leicht  gekrümmt  wird  (wenigstens  darf  eine  gewaltsame 
Streckung  nicht  stattfinden),  die  Arme  leicht  gekreuzt  und  die  Scaijulae 
dadurch  etwas  von  der  Wirbelsäule  entfernt  werden  müssen.  Kleinste 
Kinder  legt  man  einfach  auf  den  Bauch. 

Je  kleiner  das  Kind  ist,  um  so  sanfter  muss  percutirt  werden,  schon 
damit  das  Kind  nicht  schmerzhaft  berührt  wird  und  durch  Schreien  und 
Unruhe  die  Untersuchung  stört.     Ob  man  al;j   Unterlage  das  Plessimeter 
oder  den  Finger  benutzt,   ist  ziemlich  gleichgiltig :    ich   ziehe   im  Allge- 
meinen ein  (gut  schwingendes  Elfenbein-)  Plessimeter  desshalb  vor,  weil 
es  eine  gleichmässigere  Unterlage  abgiebt  als   der  Finger,   welcher  sich 
wiederum  vertieften  Intercostalräumen   und   sonstigen   (insbesondere  bei 
Ehachitis)  abnormen  Einsenkungen  oder  Vortreibungen,  die  freilich  iintei- 
allen  Umständen    das    Percussionsresultat    trüben,    besser  anpasst.    Die 
Hauptsache  aber  ist  eine  solche  Ausführung  der  Percussion,  dass  jedes- 
mal  nur    der    zu    untersuchende    Lungcnabsehnitt   und    zwar  mö>ilichst 
\'ollkommen  in  Schwingungen  versetzt  wird  ;    man   percutire   also  °weder 
zu  leise,    damit  mehr  als  die  Thoraxwand,    noch  zu  stark,  damit  nicht 
der  ganze  Thoraxinhalt  gleichzeitig    oder    gar  auch   noch  der  Inhalt  der 
Bauchhöhle  mit  erschüttert  werde.    Wie  beim  Erwachsenen  müssen  beide 
Seiten    genau   mit    einander    verglichen   werden;    wenn   dies   aus  irgend 
emem  Grunde  nicht  möglich  ist,  so  bedenke  man,  dass  stärkere  Spannung 
der  Muskeln  der  einen  Seite,  Compression  der  gedrückten  Seite  bei  Sei- 
tenlage  oder  z.  B.  beim  ängstlichen  Anpressen  des  Kindes   an  die  Brust 
der  Mutter  u.  s    w.,  kurz  jede  ungleichmässige  Lagerung  oder  Stellung 
irgendwie  Dämpfung,  und  mitunter  recht  bedeutende,  macht.    Man  muss 
daher  durch  Untersuchung  beider  Seiten  in  versehiedenen  Stellungen  den 
hierdurch    bewirkten  Fehler    zu   corrigiren    suchen.     Auch  lebhaftes  Ge- 
schrei erzeugt  durch  bedeutende  Steigerung  des  intrathoracischen  Ex.spi- 
ra  lonsdrucks  Dampfung;  ist  dasselbe  nicht  zu  stillen,  so  percutire  man 
•dicD^fn        '     r    r'  Tf  ""^^'"''^  cler  Inspiration  getroffen  werde; 
iJ2'l      ^r  T^-  t'"'  ^«^'^^^^""den  sein,  wenn  ihre  einzig 

LhVjw  r   ^Tn     l"^'"  w""'"'  ^^"""""""  '''  Tboraxinhaltes  beim  Ge- 
schrei war.    In  gleicher  Weise  nachtheilig  wirkt  Anspannuncx  der  Bauch- 

TLlTn  "das:  r'rt'^"^^^-"'  -^^^  '^^^  ^-^^^^  msbesonTere    i 
zu  denken     dass  durch   das  Pressen   die  Leber  stark  in   die   Brusthöhle 
hinein  gedrängt  werden  kann.     Niemals  vergesse  man  ale     dt  Hau 
regel,  nämlich  dass  eine  einmalige  Unter^uchuno-  =,nf  •         i  w  ■ 

zu  Täuschungen    führen    kann    und    daher  „thT        •  T       ""'  ^"'' 
ö  diiii    una    aalier  nicht  genügt :   man  percutire 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  631 

also  zu  verschiedenen  Tageszeiten  und   in  verschiedenen  Lagen  des  Kin- 
des ,  um  seinen  Befund  vollkommen  sicher  zu  stellen. 

Während  die  A  u  s  c  u  1 1  a  t  i  o  n  grösserer  Kinder  in  der  Kegel  so 
anstandslos  wie  bei  Erwachsenen  vor  sich  gebt,  wird  sie  bei  kleineren 
öfters  ganz  wesentlich  durch  Unruhe  und  Wider.setzlichkeit,  durcli  Pres- 
sen und  Geschrei,  durch  Schmerzen  beim  Athmen,  sowie  überhaupt  auch 
ohne  dies  Alles  durch  oberflächliche  und  unregelmässige  Athmung  und 
gänzliches  Anhalten  des  Atliems  gestört.  Lässt  sich  ein  Säugling  dann 
untersuchen ,  wenn  er  seine  Nahrung  erhält ,  so  ist  dies  für  Vornahme 
der  Percussion  ganz  passend ;  die  Auffassung  der  Athemgeräusche  hin- 
gegen wird  zu  dieser  Zeit  durch  die  unregeimässigen  Athembewegungeu 
und  das  Mundgeräusch  lieim  Saugen  einigermassen  beeinträchtigt.  Ganz 
kleine  Kinder  auscultirt  man  daher  am  besten ,  wenn  sie  vollkommen 
ausgestreckt  auf  einem  Polster  liegen,  während  bei  älteren  in  der  Eegel 
die  sitzende  Stellung  auf  dem  Schoosse  der  Mutter  die  zusagendste  ist. 
Nun  lehrt  die  Erfahrung ,  dass  bei  zweckmässiger  Stellung  des  Kindes 
die  Auseultation  des  Kückens  am  wenigsten  aufregend  wirkt;  man  be- 
ginne daher  mit  dieser  die  ganze  Untersuchung ,  auscultire  sonach  die 
seitlichen  Partieen  und  die  Vorderfläche  des  Thorax  und  lasse  nunmehr 
erst  die  den  Kranken  meist  unangenehme  Percussion  folgen.  So  hat  man 
vielleicht  wenigstens  bei  der  Auscultation  ein  brauchbares  Untersuchungs- 
resultat gewonnen.  Diese  geschieht  am  besten  unmittelbar  unter  leichtem 
Anlegen  des  Ohres  an  die  entblösste  Brust,  da  dasselbe  nicht  dräckt, 
sich  der  Brustwand  gut  aupasst,  den  häufigen  Bewegungen  des  Kindes 
leicht  folgt ,  und  so  überhaupt ,  worauf  hier  viel  ankommt ,  einen  weit 
rascheren  Ueljerlilick  ermöglicht,  als  das  Stethoskop.  Indessen  darf  es 
die  empfindlichen  Kleinen  nicht  durch  Kälte  überraschen;  in  diesem  Falle, 
sowie  wenn  denselben  ein  Bart  durch  seine  Spitzen  unangenehm  wäre, 
ist  die  Auscultation  durch  das  festangedrückte  Hemd  vorzuziehen. 
Jedenfalls  muss  das  Ohr  an  ein  und  derselben  Stelle  so  lange  verweilen, 
bis  man  sich  von  der  Beschaffenheit  der  Athemgeräusche  bei  In-  und 
Exspiration  möglichst  genau  überzeugt  hat.  Bei  Auscultation  der  Vor- 
derfläehe  der  Brust  thut  man  gut ,  wenn  man  den  Kindern  den  zur 
Seite  und  wo  möglich  der  Mutter  zugewandten  Kopf  fixiren  lässt,  da- 
mit das  Haupthaar  des  Arztes  das  Gesicht  des  Kindes  nicht  berührt 
und  letzteres  der  Untersuchung  nicht  mit  den  Augen  zu  folgen  vermag ; 
geborene  Schreihälse  reagiren  freilich  gegen  alle  solche  kleinen  Kunst- 
griffe nicht,  und  muss  man  sich  daher  bei  ihnen  öfters  mit  einem  un- 
sicheren und  zweifelhaften  Resultat  begnügen. 

Das  Vesiculärathmen  ist  bei  Säuglingen  unter  normalen  Verhältnissen 
nur  massig  scharf  und  stark,  während  es  bei  gesunden  kräftigen  Kindern 
schon  vom  zweiten  Jahre  an  jenen  ausgezeichnet  schlürfenden  Charakter 
erhält,  der  ihm  einen  besonderen  Namen,  den  des  puerilen  Vesiculärath- 
mens,  verschafft  hat.  Solch  pueriles  Athmen  ist  vorzüglich  in  den  mitt- 
leren Theilen  der  Brust  vorn  wie  hinten,  am  stärksten  über  der  dünnen 
elastischen  Vorderfläche,  zu  hören,  während  sich  seine  Intensität  gegen 
die  Basis  hin  etwas  vermindert.  In  den  oberen  Theilen  tritt  der  scharfe 
Charakter,  zumal  bei  jüngeren  Kindern,  öfters  nicht  rein  hervor,  inso- 
fern an  denselben  Stellen  auch  unter   ganz  normalen  Verhältnissen    das 


632 


Kiankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 


klangreiche  hauchende  Eespirationsgeräusch  der  oberen  Luftwege,  also 
Bronchialathmen,  sehr  deutlich  vernehmlmr  zu  sein  pflegt.  Bei  vor  Un- 
ruhe  und  Aufregung  keuchenden  Kindern  kann  das  Bronchialathmen  so 
stark  werden,  dass  es  das  Vesiculärathmen  fast  vollkommen  überdeckt 
und  über  seine  gewöhnlichen  Grenzen  hinaus  bis  zur  Mitte  oder  sogw 
noch  bis  in  die  untere  Hälfte  des  Thorax  hineinreicht,  hier  indessen  mit 
abnehmender  Intensität ,  so  dass  das  Vesiculärathmen  neben  ihm  deut- 
lich zu  hören  ist.  Wie  überall  tritt  das  Bronchialathmen  zunächst  bei 
einem  verlängerten  Exspirium  hervor,  während  daneben  der  vesieuläre 
Charakter  des  Inspirium  noch  ganz  rein  erhalten  bleiben  kann.  Uebri- 
o-ens  ist  neben  der  bieträchtlichen  Intensität  des  Vesiculärathmens  auch 
die  grosse  Elasticität  des  kindlichen  Thorax  die  Ursache  davon,  dass  ein 
selbstverständlich  abgeschwächtes  Athmungsgeräusch  vorn  wie  hinten  bis 
weit  in  den  Unterleib  hinein  vernehmbar  zu  sein  pflegt.  In  hohem  Grade 
störend  sind  bei  der  Auscultation  kleiner  Kinder  das  Geschrei  und  die 
groben  in  Mund-,  Nasen-  und  Rachenhöhle  entstehenden  Rasselgeräusche, 
zumal  wenn  beide  Uebelstände  gleichzeitig  vorhanden  sind ,  so  dass  die 
Perception  des  Vesiculärathmen  manchmal  kaum  in  den  dui-ch  ein  tiefes 
Inspirium  ausgefüllten  Geschreipausen  möglich  ist.  Man  muss  unter  sol- 
chen Umständen  das  auscultirende  Ohr  ruhig  an  der  Brust  lassen,  weil 
schliesslich  doch  noch  vielleicht  ein  erkennbares  Inspirationsgeräusch  er- 
scheint, und  sich  den  unreinen  dumpfen  gleichsam  verschleierten  Cha- 
raktei'  des  normalen  Stimmgeräusches  genau  einprägen.  Durch  die  glei- 
chen Momente  kann  aber  auch  die  richtige  Deutung  eines  pathologischen 
Befundes  noch  besonders  erschwert  sein.  So  pflegen  Rasselgeräusche,  die 
in  den  oberen  Luftwegen  entstehen,  ganz  ausserordentlich  zu  geniren, 
weniger  dadurch,  dass  sie  sich  überhaupt  bis  auf  die  Lungen  verbreiten, 
als  dadurch,  dass  sie  den  Ursprung  echter  Lungengeräusche  verdunkeln. 
Man  untersuche  daher  in  zweifelhaften  Fällen  stets  auch  Nase,  Kehlkopf 
und  Trachea,  und  vergleiche  die  Qualität  des  hier  und  auf  den  Lungen 
hörbaren  Easselns.  Knisterrasseln  u.  dgl.  entsteht  natürlich  nur  in  den 
kleineren  Schallräumen  des  Lungengewebes ,  während  die  alleinige  An- 
wesenheit grober  schnurrender  und  grosshlasiger  Rasselgeräusche  auf  den 
Lungen  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  für  Fortleitung  von  den  oberen 
Partieen  spricht.  Femer  beachte  man  bei  der  Nothwendigkeit,  die  Tho- 
raxstimme emes  schreienden  Kindes  deuten  zu  müssen,  dass  bei  diesen 
über  infiltrirten  Stellen  ein  gellendes  helles  Geschrei  gehört  wird,  welches 
scheinbar  umnittelbar  unter  dem  auscultirenden  Ohr  entsteht  und  oft 
von  solcher  Intensität  ist,  dass  dem  Horchenden  die  Ohren  schmerzen, 
Endlich  ist  die  grössere  Elasticität  des  kindlichen  Thorax  bei  einseitiger 
Infiltration  des  oberen  wie  unteren  Lappens  öfters  Veranlassung  einer 
sehr  bedeutenden  Verbreitung  des  Bronchialathmens  und  der  Rasselge- 
räusche auf  die  andere  gesunde  Seite,  so  dass  man  geneigt  sein  könnt«, 
auch  diese  für  erkrankt  zu  halten.  In  solchen  Fällen  auscultire  man 
daher  nicht  nur  neben  der  Wirbelsäule  und  in  der  Nähe  des  Stemums, 
sondern  zumal  auf  der  gesunden  Seite  auch  über  den  seitlichen  Abschnit- 
ten, unter  sorgfältiger  Beachtung  des  etwa  hier  gleichzeitig  vorhandenen 
Vesiculärathmens.  Es  ist  diese  Regel  natürlicherweise  niclt  minder  bei 
der  Auscultation  der  Spitzen  zu  berücksichtigen ,   wenn   dort   etwa  ohne 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  633 

Lungenveränderungen  in  Folge  rliachitisclier  Deformitäten  und  stärkerer 
Lymphdrüsengescliwülste  ungewöhnlich  starkes  und  verbreitetes  Bron- 
chialathmen  zu  hören  sein  sollte. 

Noch  nothweudiger  als  bei  der  Percussion  ist  die  bei  dieser  be- 
sprochene Lagerung  und  Haltung  bei  der  Inspection  und  besonders 
bei  der  Mensur ation  mittelst  Messband,  Tasterzirkel  und  Cyrtometer, 
wenigstens  wenn  es  sich  um  eine  genaue  Untersuchung  handelt.  Da 
nun  aber  während  der  Darier  einer  solchen  kleine  Kinder  trotz  aller 
Bemühungen  nur  selten  still  sitzen  und  liegen,  so  ist  bei  diesen  wenig- 
stens der  Werth  beider  Untersuchungsmethoden  ein  beschränkter.  Jeden- 
falls ist  bei  Verwerthung  der  Messungsresultate  zu  beachten ,  dass  die 
rechte  Seite  auch  bei  Kindern  ein  wenig  umfänglicher  als  die  linke  ist 
(bei  älteren  Kindern  um  0,5 — l,5Ctm.  nach  Ziemssen),  und  dass  dieser 
Unterschied  schon  bei  kleinen  Kindern  dann  auflallig  hervorzutreten  pflegt, 
wenn  das  Volumen  der  Leber  ein  beträchtliches  ist.  Ausserdem  wird 
das  Untersuchungsergebniss  unter  Umständen  sehr  liedeutend  durch  zu- 
fällige chronische  Anomalieen  des  Thorax  und  seines  Inhaltes  beeinflusst, 
z.  B.  durch  rhachi  tischen  Bau ,  der  zu  Deformitäten  aller  Art  führt, 
durch  Abweichungen  der  Wirbelsäule,  Beste  alter  Pleuritis,  Vergrösse- 
rung  des  Herzens,  Ausdehnung  des  Magens  u.  s.  w. ,  und  bleibt  daher, 
da  man  nur  in  den  seltensten  Fällen  vor  der  akuten  Erkrankung  zur 
Vergleichung  untersucht  haljen  dürfte ,  fast  stets  mehr  odei-  weniger 
zweifelhaft.  Bei  der  Inspection  der  Athembewegungen  kleinster  Kinder 
beachte  -man,  dass  schon  normalerweise  bei  kräftiger  Zwerchfellscontrac- 
tion  eine  leichte  Einziehung  an  der  Insertionslinie  desselben  vorhanden 
sein  kann. 

Die  Palp ation  des  Thorax,  welche  ebenfalls  Entblössung  desselben 
erfordert,  ist  theils  zur  Beurtheilung  des  Modus  der  Athembewegungen, 
theils  des  Stimmfremitus  wegen  von  Bedeutung.  Leider  sind  aber  in 
Krankheiten  höchstens  ältere  Knaben  zum  genügend  lauten  Sprechen  und 
Singen  zu  veranlassen,  während  die  Stinmi  Vibrationen  am  Thorax  kleinerer 
Kinder  fast  nur  wahrgenommen  werden,  wenn  dieselben  heftig  schreien 
und  sich  in  einem  zu  genauerer  Untersuchung,  insbesondere  hinsichtlich 
der  sehr  wünschenswerthen  exakten  Vergleichung  der  Intensität  der  bei- 
derseitigen Vilirationen,  wenig  geeigneten  Zustande  befinden.  Man  muss 
daher  bei  kranken  Kindern  meistentheils  auf  die  aus  dieser  Methode  sich 
ergebenden  Aufschlüsse  verziehten.  Wo  die  Untersuchung  gut  durchführ- 
bar ist,  bedenke  man,  dass  die  Vibrationen  in  den  oberen  Partieen  und 
auf  der  rechten  Seite  stärker  als  unten  rind  links  sind  und  auch  durch 
Verstopfung  des  Bronchiallumens  verloren  gehen  können. 

Die  Percussion  und  Auscultation  ergeben  je  uacb  der  Art 
und  Weise  der  Ausbildung  der  Infiltration  verschiedene  Zeichen  für 
Anwesenheit  des  pneumonischen  Exsudats  in  den  afficirten,  sowie  Zei- 
chen secundärer  Veränderungen  in  den  benachbarten  Lungenpartieen. 

Der  normale,  nichttympanitische  Percussion sschall  wird  im 
Beginn  der  Pneumonie  gewöhnlich  bald  tympanitisch ,  und  zwar  bald 
helltympanitisch  (wenn  auch  nicht  in  dem  Grade  hell,  wie  die  leicht  in- 


634  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

filtrirte  Lunge  ausserhalb  des  Thorax,  befreit  von  dem  dämjjfendeu  Eiu- 
flusse  der  Brustwand,  schwingt),  bald  gedämpft  tympanitisch ;  seltener 
erscheint  eine  zunächst  geringe  Dämpfung  ohne  tympanitischeu  Bei- 
klang ,  die  auch  bei  allmählicher  Zunahme  denselben  nicht  erlangt.  In 
leichten  und  kurzdauernden  Fällen  und  besonders  wenn  die  Pneumonie 
auf  einen  Theil  eines  Lappens ,  zumal  die  centrale  Partie  desselben  be- 
schränkt bleibt ,  kann  tympanitischer  Schall  oder  leichte  Dämpfung 
durch  den  ganzen  Krankheitsverlauf  hindurch  erhalten  bleiben ,  wäh- 
rend in  den  schwereren  Fällen  früher  oder  später  ein  rein  und  starlc 
gedämpfter  Schall  über  den  afficirten  Partieen  fast  regelmässig  vorhan- 
den ist.  Der  Zeitraum ,  innerhalb  welches  diese  Umänderung  vor  sich 
geht,  ist  sehr  verschieden  und  richtet  sich  nach  verschiedenen  Mo- 
menten ,  insbesondere  nach  Umfang  und  Sitz  der  Pneumonie  und  nach 
der  Litensität  des  Processes:  einiges  hierauf  Bezügliche  ist  bereits  bei 
Besprechung  der  Verlaufsmodificationen  der  Krankheit  im  Allgemeinen 
erwähnt  worden.  In  vielen  normal  verlaufenden  Fällen  treten  der  tym- 
panitische  Schall  oder  die  leichte  Dämpfung  rasch ,  vielleicht  schon  am 
ersten  Tage,  ein;  jedenfalls  ist  dies  in  den  Abortivpneumonieen  der 
Fall.  "Während  nun  aber  in  diesen  letzteren  der  Krankheitsprocess, 
ohne  zu  völliger  Auslnldung  zu  gelangen ,  mit  dem  Verschwinden  des 
Fiebers  am  zweiten  oder  dritten  Tage  wieder  rückgängig  wird ,  ent- 
wickelt sich  bei  dem  gewöhnlichen  intensiveren  Verlauf  mehr  oder  we- 
niger rasch  diu  volle  Dämpfung.  Im  Allgemeinen  lässt  sich  vermu- 
then  ,  dass  je  rascher  dieser  Uebergang,  der  die  Vervollständigung  der 
Infiltration  anzeigt,  stattfindet,  um  so  früher  auch  das  Fieber  endigen 
und  die  Rückbildungsperiode  des  Exsudats  beginnen  wird. 

In  den  meisten  Fällen  pflegt  eine  verbreitete  deutliche  und  reine 
Dämpfung  etwa  am  dritten  ,  spätestens  vierten  Tage ,  tympanitischer 
Schall  zu  dieser  Zeit  aber  nur  noch  partiell  vorhanden  zu  sein ,  wenn 
er  überhaupt  noch  persistirt,  was  allerdings  in  dieser  Weise  bei  Kindern 
nicht  selten,  jedenfalls  häufiger  als  bei  Erwachsenen,  der  Fall  ist. 
Uebrigens  zeigt  die  Dämpfung  ,  auch  wenn  sie  verhältnissmässig  stark 
ist,  immer  noch  einen  leisen  tympanitischeu  Beiklang,  sofern  die  Bron- 
chien nicht  verstopft  sind  und  eine  genügende  Menge  Luft  enthalten. 
Jedenfalls  hört  man  unter  diesen  Umständen  bei  Auscultation  der  Tra- 
chea und  des  Kehlkopfs  tympanitischeu  Schall,  wenn  die  infiltrirte  Par- 
tie percutirt  wird;  derselbe  verändert  seine  Höhe  mit  Oeifnen  und 
Schliessen  des  Mundes. 

Manchmal  kann  es  nun  aber  vorkommen ,  dass  ein  in  Folge  einer 
ausgebildeten  Infiltration  gedämpfter  Schall ,  ohne  dass  nach  den  aus- 
cultatorischen  und  sonstigen  Symptomen  beginnende  Rückbildung  des 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  635 

pneumonischen  Processes  anzunehmen  ist,  wieder  deutlich  tympanitisch 
wird.  Es  wird  dies  unter  zweierlei  Verhältnissen  beobachtet.  Erstens 
kann,  jedoch  nur  bei  älteren  Kindern  (bei  kleineren  sind  die  räumlichen 
Verhältnisse  zu  gering),  im  oberen  vollständig  infiltrirten  Lappen  tym- 
panitischer  Schall  dadurch  entstehen ,  dass  der  Percussionsstoss  durch 
die  Infiltration  hindurch  ungewöhnlich  leicht  auf  die  Luftsäule  der 
Trachea  und  grossen  Bronchien  übertragen  und  somit  die  Luftsäule 
dieser  Hohlräume  in  Eigenschwingungen  versetzt  wird.  Der  unter 
diesen  Umständen  resultirende  tympanitische  Schall  ändert  seine  Ton- 
höhe bei  Herstellung  oder  Aulhebung  der  Communication  der  Luftsäule 
mit  der  äusseren  Luft*);  er  zeigt  also  Wintrich'scheu  Schallwechsel. 
Beim  weiten  Oeffnen  des  Mundes  beziehentlich  Herausstrecken  der 
Zunge,  damit  die  Communication  eine  recht  ausgedehnte  werde,  wird  er 
höher ,  beim  Schliessen  von  Mund  und  Nasenöffnungen  tiefer.  Er  ist 
besonders  ausgezeichnet  in  der  Nähe  des  Manubrium  sterni  auf  der  linken 
Seite  und  namentlich  bei  Erwachsenen  wahrnehmbar  und  heisst  hier 
gewöhnlich  Williams'scher  Trachealton.  Zweitens  tritt  aber  tympa- 
nitischer  Schall  an  Stelle  des  stark  gedämpften  auch  über  Lungenpar- 
tieen  und  unter  Verhältnissen  auf,  in  welchen  von  wesentlich  alleinigem 
Schwingen  der  Bronchial-  und  Trachealluft  nicht  die  Rede  sein  kann, 
und  dementsprechend  auch  ein  Schallhöhewechsel  wie  der  eben  ange- 
führte nicht  stattfindet.  So  z.  B.  über  den  unteren  Lappen  oder  den 
seitlichen  Partieen  des  Thorax.  Benachbarte  Stellen,  wie  die  infiltrirten 
Partieen  des  rechten  oberen  und  mittleren  Lappens ,  können  unter  sol- 
chen Umständen  auch  in  ganz  auffälliger  Weise  eine  verschiedene  Höhe 
des  tympanitischen  Schalles  zeigen.  Vermuthlich  ist  derselbe  in  solchen 
Fällen  durch  den  Nachlass  der  abnorm  starken  Spannung  des  entzün- 
deten luftleer  gewordenen  Gewebes  in  Folge  des  Verschwiudens  der 
bedeutenden  Capillarhyperämie  entstanden,  und  es  haben  vielleicht 
Schwingungen  der  Luftsäule  innerhalb  der  Bronchien  der  infiltrirten 
Partie  nur  einen  gewissen  Antheil  daran.  Ln  Allgemeinen  hängt  die 
Höhe  des  tympanitischen  Schalles  einer  Infiltration  von  der  Grösse  und 
dem  Durchmesser  der  betreffenden  Partie,  beziehentlich  von  ihrer  Span- 
nung ab;  je  umfänglicher  und  je  weniger  gespannt  dieselbe  ist,  um  so 
tiefer,  und  umgekehrt,  je  kleiner  und  gespannter,  um  so  höher  ist  der 
Schall.    Ausserdem  ist  die  Spannung  der  Thoraxwand ,  kaum  aber  die 


*)  Beiläufig  mag  hier  darauf  hingewiesen  werden,  dass  jeder  Schall  über 
den  Lungen,  auch  der  dumpfste  ,  etwas  lauter  erscheint,  wenn  man  den  Mund 
weit  öffnen  lasst.  Diese  Zunahme  der  Intensität  bedingt  aber  noch  nicht  einen 
Tonhöhewechsel,  weder  beim  nichtympanitischen  noch  beim  tympanitischen 
Schall. 


ß3ß  Ki-ankheiten  der  Atbmungsorgane.     Lunge. 

Respirationspliase  vou  massgebendem  Einfliiss.  Die  Dauer  des  tympa- 
nitischeu  Schalles  unter  den  genannten  Verhältnissen  ist  gewöhnlich 
eine  ziemlich  kurze,  manchmal  hält  er  indessen  Tage  lang  an.  Im  er- 
steren  Falle  mag  sein  zeitweiliges  Verschwinden  mitunter  auf  Ver- 
stopfung der  Brouchien  oder  wenigstens  Erschwerung  des  Luftwechsels 
in  denselben  beruhen  ;  im  letzteren  dürfte ,  sofern  neue  Dämpfung  sich 
anschliesst ,  dieselbe  durch  Zunahme  der  Spannung  in  Folge  reicMiclier 
weiterer  Exsudation  ius  Innere  der  Alveolen  oder  ins  Interalveolargewebe 
bedingt  sein ,  wenn  sie  nicht  etwa  einfach  Folge  der  gleich  anzuführen- 
den extrapulmonalen  Bedingungen  und  demzufolge  eine  ziemlich  zufal- 
lige Erscheinung  ist. 

Der  auf  dem  Höhestadium  der  Pneumonie  entsprechend  der  voll- 
kommenen Ausbildung  der  Infiltration  vorhandene  deutlich  gedämpfte 
Schall  verharrt  gewöhnlich  in  ziemlich  coustauter  Weise  noch  mebere 
Tage,  nachdem  er  sich  ausgebildet  hatte.  Bei  complicatorischer  inten- 
siver Bronchitis  mit  reichlichem  Secret  oder  etwas  dichter  werdender 
Infiltration  kann  er  ein  wenig  intensiver ,  beim  Erbleichen  der  rotlieu 
Hepatisation  durch  Nachlass  der  Capillarhyperämie  ein  wenig  scliwäclier 
werden ,  und ,  zmnal  iil^er  den  unteren  Lappen  ,  mit  Veränderung  des 
Luftgehaltes  der  Bauchorgane  eine  zeitweilig  wechselnde  Stärke  zeigen, 
Indessen  wird  nicht  selten  auch  noch  nach  dem  vierten  Tage  eine  solche 
Zunahme  der  Dämpfung  beobachtet,  dass  diesellje  nahezu  in  leeren 
Schall  übergehen  kann.  Es  kommen  hierbei  wohl  stets  andere  Umstände 
in  Frage,  als  eine  massige  Zunahme  der  intraalveolären  Exsudation; 
z.  B.  eine  weitere  Einbusse  der  infiltrirten  Stelle  an  Elasticität,  als  Folge 
der  Durchtränkung  des  Lungengerüstes  und  des  interalveolären  Ge- 
webes mit  Exsudat,  Bildung  pleuritischer  Schwarten  oder  Flüssigkeits- 
erguss  in  die  Pleuni  Kühle ,  stärkere  Spannung  der  Thoraxwandung  bei 
Zunahme  ihres  Inhaltes ,  intensive  Verstopfung  der  Bronchien  mit  Se- 
cret, zumal  fibrinösem,  u.  s.  w. 

Die  Rüclikehr  des  tympanitischen  Schalls  an  Stellen,  die  bisher 
volle  Dämi)fuug  ergeben  hatten ,  seine  zunehmende  Helligkeit  iu  jenen 
Gegenden  ,  wo  er  auf  dem  Höhestadium  der  Krankheit  erhalten  geblie- 
ben war,  beziehentlich  Wiedereintritt  einer  nur  leichten  Dämpfung,  be- 
zeichnen den  Eintritt  der  Pneumonie  in  das  Resolutionsstadium.  Die 
Beziehungen  desselben  zum  Fieberverlauf  können  sich  verschiedenartig 
gestalten:  es  kann  die  Lösung  des  Exsudats  nämlich  vor,  mit  und  nach 
der  Krise  beginnen. 

Dass  sie  vor  der  Krise  bereits  beginnt,  ist  eine  nicht  seltene  Er- 
scheinung ,  obschon  es  sehr  selten  ist ,  dass  dies  bereits  mehrere  Tage 
vorher  stattfindet.    Ein  frühzeitiger  Eintritt  giebt  sich  gewöhnlich  auf 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  637 

die  Weise  kund ,  dass  die  bis  dahin  vollständige  Dämpfung  einen  Tag 
vor  der  Defervescenz  einen  leicht  tympanitischen  Beiklang  bekommt. 
Oefter  zeigt  sich  dasselbe  erst  während  der  Krise ,  noch  öfter  schliesst 
sich  diese  Erscheinung  an  die  vollendete  Krise  an ,  und  zwar  entweder 
unmittelbar  an  dieselbe  oder,  was  wiederum  seltener  ist,  nach  einer  ein- 
bis  mehrtägigen  Pause ,  innerhalb  welcher  der  Schall  ganz  ebenso  ge- 
dämpft bleiben  kann,  wie  während  der  Fieberperiode.  Ist  die  Resolution 
einmal  eingeleitet,  so  macht  sie  in  der  Regel  rasche  Fortschritte,  sofern 
die  Pneumonie  uncomplicirt  ist  und  der  Verlauf  bis  dahin  ein  normaler 
war.  Schon  nach  einigen  Tagen  haben  gewöhnlich  Dämpfung  und  tym- 
panitischer  Schall  bedeutend  abgenommen,  oder  ist  letzterer  sogar  wie- 
der geschwunden,  und  es  erinnert  vielleicht  nur  noch  eine  geringfügige 
Dämpfung  daran,  dass  noch  vor  wenigen  Tagen  eine  schwere  Entzün- 
dung das  Leben  bedrohte.    Binnen  einer  Woche  oder  wenig  darüber 
pflegt  selbst  eine  ziemlich  schwei-e  Kinderpneumonie  gänzlich  oder  bis 
auf  ein  Minimum  resorbirt  zu  sein.    Im  Allgemeinen  geht  also  die  Re- 
solution beim  Kinde  rascher  als  beim  Erwachsenen  vor  sich:  es  lässt 
sich  dies  theils  durch  die  oft  geringere  Intensität  des  pneumonischen 
Processes  im  kindlichen  Körper ,  theils  durch  die  in  demselben  beste- 
hende grössere  Geschwindigkeit  des  Stoffwechsels  und  die  hierdurch 
wesentlich  erleichterte  Restitution  eines  erkrankten  Gewebes  erklären. 
Nun  sind  aber  noch  einige  specielle  Punkte  zu  berücksichtigen. 
Je  kleiner  das  Kind ,  um  so  schwächer  ist  der  normale  Lungenschall, 
zumal  bei  wohlgenährten  Kindern  mit  dicker  allgemeiner  Decke.    Pcr- 
cutirt  man  nun  bei  solchen  nur  ein  wenig  stärker,  so  verleiht  die  Mit- 
schwingung der  lufthaltigen  Baucheingeweide,  zumal  wenn  sie  stark 
mit  Gas  aufgetrieben  sind  und  das  Zwerchfell  hochgestellt  haben  ,  dem 
Schall  einen  tympanitischen  Beiklang  von  oft  unangenehmer  Stärke,  ja 
es  kann  .sogar  deutlicher  Metallklang  gehört  werden.    Unter  allen  Um- 
ständen trübt  ein  stark  gefüllter  Magen,  insbesondere  auch  unmittelbar 
nach  der  Nahrungsaufnahme ,  das  Percussionsresultat ,  insofern  er  das 
Zwerchfell  in  die  Höhe  drängt  und  vermöge  seines  Luftgehalts  durch  tym- 
panitischen, seiner  Ingesta  wegen  durch  gedämpften  Schall,  störend  auf 
den  Schall  seiner  Nachliarschaft  einwirkt.  Weiterhin  ist  Iseachtenswerth, 
dass  die  croupöse  Kinderpneumonie  nicht  immer  so  lobär  verläuft,  wie 
die  der  Erwachsenen  fast  regelmässig,  so  dass  die  Percussion  daher  öfter 
Infiltrate  kennen  lehrt ,  die  den  Grenzen  der  einzelnen  Lappen  nicht 
folgen.    Oft  sind  nur  grössere  Herde  auf  der  einen  Seite  allein ,  oder 
diese  neben  einer  lobären  Pneumonie  der  anderen  Seite  vorhanden ;  oder 
die  Grenzlinie  des  oberen  und  unteren  Lappens  am  Rücken  (in  der  Norm 
vom   4.   Brustwirbel   ab  schräg    nach  unten   und   aussen)    wird   nicht 


ggg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

eingehalten  ,  wenn  z.  B.  nur  die  untere  Hälfte  eines  Unterlappens  in- 
filtrirt  ist  u.  s.  w.  Auch  bei  grösseren  Kindern  stört  bei  partieller  In- 
filtration eines  solchen  (mit  unvollkommener  und  zumal  leicht  tympa- 
nitischer  Dämpfung)  öfters  der  gleichzeitig  erzeugte  tympanitische  Bauch- 
schall  oder  dumpfe  Leber- ,  weniger  der  Milzschall,  das  Percussionsre- 
sultat.  Aehnliche  Erwägungen  ergeben  sich  bei  Betrachtung  des  Ver- 
hältnisses einer  partiellen  Spitzeninfiltration  zu  den  benachbarten  tym- 
panitisch  schallenden  Halsorganeu. 

Erwähnt  muss  noch  werden ,  dass  bei  Kindern  bei  Pereussion  der 
obersten  Luugenpartieen  und  zumal  der  Gegend  neben  dem  Manuhrium 
sterni  sehr  gewöhnlich  das  sog.  Mtinzenklirren  oder  der  Ton  des  ge- 
sprungenen Topfes  gehört  wird.  Bekanntlich  ist  dies  aber  nicht  nur 
bei  pneumonischen,  sondern  auch  bei  vollkommen  gesunden  Kindern  in 
der  Nähe  des  Manuhrium  sterni  der  Fall  (F  r  i  e  d  r  e  i  c  h,  Würzb.  Verh. 
1857.  VII.  p.  97,  fand  es  bei  46  gesunden  Kindern  26mal:  14mal  auf 
beiden  Seiten  und  zwar  5mal  gleich  stark,  8mal  nur  links,  4mal  nur 
rechts) ,  und  erklärt  sich  also  nicht  durch  die  Pneumonie,  sondern  mir 
durch  die  beträchtliche  Elasticität  des  kindlichen  Thorax,  welche  zumal 
bei  flacher  Vorderfläche  gestattet ,  dass  die  in  Folge  des  Percussions- 
stosses  und  der  dadurch  bewirkten  Depression  der  Brustwand  plötzlich 
verdichtete  Bronchial-  und  Trachealluft  durch  die  Stimmritze,  auch  die 
beim  Geschrei  verengte,  gewaltsam  entweicht.  Besonders  deutlich  ver- 
nehmbar ist  das  Geräusch  unter  solchen  Umständen  bei  weit  geöfi'netem 
Munde.  Auf  der  linken  Seite  scheint  es  häufiger  als  rechts  vorzukom- 
men, weil  hier  die  Luft,  des  Herzens  wegen,  in  anderer  Richtung  als  in 
der  der  Trachea  weniger  ausweichen  kann ;  Friedreich  fUnd  es  rechts 
besonders  in  der  Nähe  der  Leber  in  der  mittleren  Brustgegend. 

Die  Auscultation  ergiebt  im  Anfang  der  Pneumonie  ein  ver- 
schwächtes  Vesiculärathmen,  theils  überall  auf  der  kranken  Seite,  und 
dann  meist  nur  Folge  der  Beschränkung  der  Athmungsbewegungeu  auf 
derselben  wegen  der  durch  sie  verursachten  Schmerzen ,  theils  an  der 
entzündeten  Stelle  allein.  In  diesem  letzteren  Falle  ist  gewöhnlich  das 
Exspirium  verlängert  und  mitunter,  keineswegs  regelmässig,  gleichzeitig 
em  schwaches  trockenes  Knistern  zu  vernehmen  ;  seltener  ist  ein  rauhes 
verschärftes  Athmungsgeräusch  hörbar.  Mit  dem  Nachweisbarwerden 
der  Infiltration  durch  die  Pereussion  wird  nun  aber  das  charakteristi- 
sche schlürfende  vesiculäre  Geräusch  undeutlicher  und  macht  immer 
m^hr  und  mehr  emem  hauchenden  Athmen  Platz.  Schliesslich  gewinnt 
das  Hauchen  an  Klang  und  wird  zum  Bronchialathmen,  wenn,  mit  voll- 
ständiger Ausbildung  der  Infiltration,  die  Luftsäule  der  Bronchien  von 
starrem  eme  weit  bessere  Reflexionsfähigkeit  ihrer  Wandungen  vermit- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  639 

telndem  Gewebe  umgeben  und  dadurch  zur  Erzeugung  ihres  Eigentons 
geeigneter  wird.  Da  durch  den  Verlust  des  Luftgehaltes  die  Leitungs- 
fähigkeit  des  gleichmässig  und  compakt  gewordenen  Lungengewebes  für 
Schallwellen  gesteigert  und  gleichzeitig  das  Vesiculärathmen  vernichtet 
worden  ist ,  so  tritt  das  Bronchialathmen  in  der  Regel  in  vortrefflicher 
Weise  in  die  Erscheinung.  Besonders  laut  wird  es  vernommen,  wenn 
der  Percussionsschall  tympanitisch  ist,  und  besitzt  es  dann  auch  die  Ton-- 
höhe  des  betreffenden  tympanitischen  Schalls,  ein  Beweis  dafür,  dass 
die  von  der  Stimmritze  her  fortgepflanzten  Schallwellen  innerhalb  der 
Bronchien  ganz  ebenso  wie  der  Percussionsschall  im  Stande  sind  ,  das 
durch  die  Art  der  Infiltration  vorzüglich  schwingungsfähige  Gewebe  in 
regelmässige  Schwingungen  zu  versetzen.  Der  musikalische  Charakter 
des  Bronchialathmens  wird  aber  hier  nicht  durch  die  Weite  der  Luftschall- 
räume allein,  wie  beim  rein  gedämpften  Schall ,  sondern  ganz  besonders 
durch  die  in  eigenthümlicher  Weise  schwingungsfähige  ganz  oder  fast 
ganz  luftleere  Masse  bestimmt,  welche  obige  Räume  umgiebt.  Lifiltra- 
tion  und  Bronchialluft  schwingen  als  Ganzes ;  die  gute  Leitungsfähig- 
keit  des  gleichmässig  compakten  Gewebes  trägt  das  Ihrige  dazu  bei,  um 
den  Schall  an  der  Thoraxwand  in  bedeutender  Stärke  ankommen  ,  das 
Bronchialathmen  also  bedeutend  laut  erscheinen  zu  lassen.  Weniger 
laut  pflegt  es  dagegen  über  Infiltrationen  zu  sein,  welche  den  sogenann- 
ten »rein  gedämpften«,  in  Wirklichkeit  aber  (schon  wegen  der  Schwin- 
gungen der  Bronchialluft ;  indessen  dürfte  öfters  vielleicht  auch  das 
Gewebe  selbst  ein  wenig  mit  in  Frage  kommen)  nicht  völlig  klanglosen 
Schall  bei  der  Percussion  geben.  An  Stelle  solcher  reiner  Dämpfungen 
ist  das  Gewebe  viel  weniger  schwingungsfähig  und  daher  wohl  der  kräf- 
tige Percussionsstoss ,  nicht  aber  das  relativ  schwache  Geräusch  an  der 
Stimmritze  geeignet ,  Eigenschwingungen  in  demselben  hervorzurufen. 
Diese  Schwingungen  sind  aber  um-egelmässige  und  ihr  Effect  daher  im 
Wesentlichen  Geräusch  und  nicht  Ton ,  nicht  ein  tympanitischer ,  son- 
dern ein  gedämpfter  Schall ;  das  compakte  Gewebe  der  Infiltration  wirkt 
hier  wesentlich  nur  als  Leiter  des  Bronchialathmens  und  bestimmt 
keineswegs  seine  Tonhöhe. 

Die  Rückbildungsperiode  der  Pneumonie  kann  unter  Umständen 
mit  einer  Verstärkung  des  Bronchialathmens  eingeleitet  werden.  Es 
ist  dies  nämlich  dann  der  Fall ,  wenn  der  Percussionsschall  im  Beginn 
der  Rückbildung  durch  Abnahme  der  Spannung  des  entzündeten  Ge- 
webes über  demselben  tympanitisch  wird  ;  das  unter  diesen  Umständen 
besser  schallleitende  Medium  zwischen  Thoraxwand  und  Bronchiallich- 
tung lässt  die  in  letzterer  erzeugten  Schallwellen  viel  weniger  abge- 
schwächt als  zur  Zeit  der  Dämpfung  an  erstere  gelangen,  und  vermehrt 


640 


Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 


sie  vielleiclit  sogar  unter  Umständen  durch  Eigenschwingungen.  Diese 
interessante  Periode  dauert  aber  niemals  lange,  die  Lösung  des  Exsudats 
macht  in  der  Regel  rasche  Fortschritte  und  vernichtet  mit  der  Gleich- 
mässigkeit  der  Infiltration  auch  das  Brouchialathmen.  Da  dieser  Pro- 
cess  o-ewöhnlich  etwas  verschiedenartig  fortschreitet,  so  wird  das  Bron- 
chialathmen  zunächst  nur  noch  an  einzelnen  Stellen  seiner  bisherigen 
Ausbreitung  vernommen ;  mit  der  allgemeineren  und  immer  voUstän- 
dio-eren  Wiederzugänglichkeit  der  Alveolen  und  Bronchialenden  für 
Luft  jedoch  schwindet  es  mehr  und  mehr  und  macht  zunächst  dem  hau- 
chenden, schliesslich  dem  vesiculären  Athmen  Platz.  In  dieser  Zeit 
stellt  sich  auch  häufig  wieder  Knistern  ein ,  die  Crepitatio  redux  der 
älteren  Diagnostiker ,  das  seither  als  pathognomonisches  Zeichen  der 
Pneumonie  betrachtet  wurde :  es  pflegt  beim  Uebergange  des  Hauchens 
in  das  normale  Schlürfen  zu  beginnen  und  erst  dann  zu  verschwinden, 
wenn  das  Vesiculärathmen  vollständig  ausgebildet  ist.  Seine  Hörbar- 
keit erstreckt  sich  nicht  selten  über  die  folgenden  ein  bis  zwei  Wochen, 
jedenfalls  also  über  eine  viel  längere  Zeit  als  in  der  Entwicklungsperiode 
der  Pneumonie ;  indessen  kann  es  auch  von  kurzer  Dauer  sein  und  fehlt 
oft  genug.  Wenn  vorhanden  steigt  es  gewöhnlich  rasch  zu  seinem  Ma- 
ximum an ,  verharrt  auf  demselben  manchmal  einige  Tage,  und  verliert 
sich  sodann  langsamer  als  es  gekommen.  In  der  Regel  existirt  zu  dieser 
Zeit  nur  echtes  inspiratorisches  Knistern  ;  es  kommt  indessen  dasselbe 
trockene  Geräusch  auch  während  der  Exspiration  sicher  vor.  Das  in- 
spiratorische Knistern  entsteht  bekanntlich  dadurch,  dass  der  zu  den 
Alveolen  wieder  vordringende  iuspiratorische  Luftstrom  in  zahlreichen 
feinsten  Bronchien,  deren  Wandungen  durch  das  zähe  Exsudat  mit  ein- 
ander verklebt  sind  ,  die  Verklebungsflächen  gleichzeitig  von  einander 
trennt;  sein  exspiratorisches  Auftreten  dürfte  aber  wohl  dadurch  be- 
dingt sein ,  dass  die  während  kräftiger  Inspirationen  in  die  Alveolen 
eingedrungene  Luft  in  denselben  ,  durch  rasche  Wiederverklebung  der 
kaum  getrennten  Bronchialflächen,  abgesperrt  wird,  und  erst  durch  ge- 
waltige Exspirationsstösse,  welche  eben  das  Knistern  hervorrufen,  wie- 
der nach  aussen  gelangt.  Eine  solche  rasche  Wiederverklebung  wird 
aber  theils  durch  unkräftige  Exspirationen  ermöglicht ,  theils  kann  sie 
die  Folge  völliger  Aufhebung  der  Athmung  durch  zufällige  Verstopfung 
der  Mündung  eines  Bronchiolus  mittelst  eines  Schleimpfropfes  sein,  der 
aus  benachbarten  Gebieten  dorthin  geschleudert  worden  war.  Exspira- 
torisches Knistern  ist  übrigens  viel  seltener  als  inspiratorisches  und  nur 
bei  gewaltsamen  Exspirationen  vorhanden.  Die  letzten  Reste  des  Kni- 
stern können  bei  älteren  Kindern  ,  ähnlich  wie  bei  Erwachsenen,  neben 
übrigens  völlig  wiederhergestellter  Gesundheit  vorkommen  und  also  als 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symijtomatologie.  641 

letztes  Zeichen  an  die  überstandene  Pneumonie  erinnern  ;  sie  finden  sich 
dann  nur  bei  einzelnen  tiefen  Inspirationen.  Manche,  wie  z.  B.  E. 
Smith  (V.-H.  Jber.  1874.  II.  p.  840)  wollen  das  Knistern  nur  au  der 
Peripherie  der  Infiltration ,  nicht  neben  Bronchialathmen  wahrgenom- 
men haben. 

Rasselgeräusche  fehlen  entschieden  in  vielen  Fällen  von  croupöser 
Kinderpneumonie  gänzlich  und  sind,  wenn  vorhanden,  oft  nur  sog.  tro- 
ckene, seltener  feuchte.  Bemerkenswerth  ist,  dass  die  feuchten  bei  dem 
geringeren  Durchmesser  der  Bronchien  jedenfalls  feiner  oder,  wie  man 
gewöhnlich  sagt,  kleinblasiger  als  die  in  den  entsprechenden  Luftschall- 
räumen bei  Erwachsenen  entstehenden  sind,  während  feinstblasige  Ras- 
selgeräusche allerdings  wegen  Verstopfung  der  feinsten  Bronchien  auf 
dem  Höhestadium  der  Pneumonie  wenigstens  fehlen  müssen.  Keinen- 
falls  darf  man  einzig  und  allein  wegen  Anwesenheit  ziemlich  kleinblasi- 
ger Rasselgeräusche  Bronchiolitis  und  katarrhalische  Pneumonie  statt 
der  croupösen  diagnosticireu.  Sehr  häufig  entstehen  die,  welche  man 
über  den  Lungen  hört,  gar  nicht  in  dem  kranken  Lungenabschnitt,  son- 
dern in  den  oberen  Luftwegen ,  und  werden  von  hier  aus  auf  jene  fort- 
geleitet, üeber  Infiltrationen  sind  sie  selbstverständlich  von  hellerem 
Klang  als  über  normalem  Lungengewebe ,  indessen  reicht  ihre  Hellig- 
keit nicht  an  die  des  »klingenden«  Rasseins  über  Cavernen  heran.  In 
solchen  Fällen  ,  welche  auf  der  Höhe  der  Krankheit  durch  feuchte  Ras- 
selgeräusche ausgezeichnet  sind ,  hört  man  im  Stadium  der  Resolution 
öfters  ein  feineres  dumpfes  in-  und  exspiratorisches  Rasseln  (Knister- 
rasseln),  in  der  Regel  neben  gröberen  Rasselgeräuschen. 

Die  artikulirte  Stimme  ist  nur  bei  älteren  Kindern  zur  Beurthei- 
lung  einer  Pneumonie  zii  verwerthen ,  und  auch  hier  nur  in  beschränk- 
ter Weise ,  theils  weil  sie  meistens  zu  schwach  ist  (man  entziehe  daher 
Jas  nicht  auscultirende  Ohr  anderen  Schallwahrnehmungen),  theils  dess- 
halb ,  weil  bei  der  leichteren  Fortpflanzung  laryngealer  u.  s.  w.  zumal 
durch  Dyspnoe  verstärkter  Geräusche  auf  die  oberen  Lungenabschnitte 
schwer  zu  entscheiden  ist,  ob  die  Hörbarkeit  der  Stimme  durch  eine  In- 
filtration bedingt  beziehentlich  erleichtert  ist  oder  nicht.  Auch  aus  dem 
durch  das  Schreien  erzeugten  Geräusch  am  Thorax  lassen  sich  nur  grobe 
Veränderungen  erschliessen. 

Ausnahmsweise  sind  dem  Knistern  sehr  ähnliche,  aber  gröber,  mehr 
knatternd  klingende  Reibungsgeräusche  in  der  Reconvalescenz  der  Pneu- 
monie zu  hören.  Sie  sind  natürlich  Folge  der  die  Pneumonie  begleiten- 
den Pleuritis.     Ihre  Dauer  ist  eine  kurze. 

Die  Bedeutung  der  Palpation  für  die  Kinderpneumonie  ist 
keine  grosse,  wenigstens  hinsichtlich  des  Stimmfremitus.     Derselbe  ist 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.     III.  2.  *'■ 


(54-2  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

beim  Sprechen  fast  nur  bei  älteren  Knaben  mit  genügend  lauter  mid 
tiefer  Stimme,  und  auch  bei  diesen  weit  mangelhafter  als  bei  Erwach- 
senen nachweisbar ;  bei  den  Anderen  verhindert  Scheu  und  Schwäche 
die  Wahrnehmbarkeit  gänzlich.    Allerdings  sind  beim  Geschrei  kleiner 
Kinder  die  Vibrationen  am  Thorax  öfters  zu  fühlen ,  ihre  Intensität  ist 
aber  meistens  so  minimal,  dass  schon  deshalb ,  abgesehen  von  sonstigen 
Störungen,  ein  sicheres  auf  g  e  n  a  u  e  V  e  r  g  1  e  i  c  h  u  n  g  b  e  i  d  e  r  S  e  i  t  e  n 
b  a  s  i  r  t  e  s  Urtheil  nur  ausnahmsweise  zu  gewinnen  ist.  Im  Allgemeinen 
sind  die  Vibrationen  bei  pneumonischen  Kindern  normal  stark  oder  un- 
bedeutend verschwächt  oder  auch  (bei  lautem  tympauitischem  Schiill) 
etwas  verstärkt,  bedeutend  verschwächt  oder  ganz  aufgehoben  bei  Bron- 
chialverstopfung und  pleuritischem  Exsudat.    Vgl.  B  aas  1.  c.  p.  298. 
Valleix  (1.  c.)  giebt  an,  dass  ihm  in  einem  sehr  schwierigen  Falle 
bei  einem  1 '/Jährigen  Kinde  trotz  dessen  Unruhe  allein  aus  derStimm- 
vil-iration  Aut'scbluss  über  Natur  und  Sitz  des  Leidens  geworden  sei,  in- 
dem er  deren  Verstärkung   über  der   bepatisirteu  Stelle   deutlich  wahr- 
nahm.    Nach   Z  i  e  m  s  s  e  n  (PI.  u.  Pn.   p.  238J    ist    dieselbe    eines  der 
werthvoUsten  Symptome   zur  Unterscheidung    von  Pneumonie  und  pleu- 
ritischem Exsudate ;  nach  Vogel  (1.  c.)  lässt  sich  durch  sie  „zurNoth" 
auch  lobuläre  Pneumonie   erkennen   (eine   Erkenn tniss,    welche   Mayr! 
—  vd.  Anm.  zu  V.'s  Aufsatz  1.  c.  p.  98  nicht  gelungen  istj. 

Nicht  unwichtig  dagegen  für  die  Praxis ,  unentbehrlich  für  eine 
wissenschaftliche  Beobachtung  ist  die  Inspection  des  Thorax.  Eine 
Verminderung  der  Athembewegungen  auf  der  kranken  Seite  wird  bei 
ausgezeichneten  Infiltrationen ,  zumal  der  Oberlappen ,  und  bei  heftiger 
Schmerzhaftigkeit  nur  selten  vermisst  werden.  Dabei  pflegt  der  Re- 
spirationstypus nur  bei  stärkerer  Dyspnoe  aus  jedweder  Ursache  inso- 
fern abgeändert  zu  sein,  als  hierdurch  eine  Inanspruchnahme  beziehent- 
lich gesteigerte  Thätigkeit  der  accessorischen  Inspirationsmuskeln  ver- 
anlasst wird.  In  diesem  Falle  bewirken  auch  laei  älteren  Kindern  die 
gewaltsamen  Zwerchfellcoutractionen  in  Folge  der  Nachgiebigkeit  der 
unteren  Kippen  und  Rippenknorpel  eine  gürtelförmige  Verengerung  der 
Thoraxbasis  mit  Einziehungen  der  Intercostalräume  jener  Gegend ,  ent- 
sprechend der  Insertionslinie  der  Zwerchfellfasern  (Flankenschlagen). 
Es  tritt  dieser  Muskel  aber  trotz  solcher  Einziehungen  deutlich  herab, 
die  epigastrische  und  Oberbauchgegend  treibt  sich  also  deutlich  vor, 
sinkt  nicht  ein  wie  ])ei  Croup ,  an  den  sich  Anfanger  unter  diesen  Um- 
ständen häufig  erinnert  glauben. 

Die  Mensuration  ergiebt  bei  ausgedehnteren  Infiltrationen  zu- 
mal der  Unterlappen ,  rechts  besonders  in  Verbindung  mit  Pneumonie 
des  Mittellappens  (Ziemssen)  eine  deutliche  Zunahme  des  Thorax- 
umfanges  wie  Durchmessers.  Massige  Infiltrationen  zumal  der  Oberlap- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  643 

pen  aber  bedingen  eine  solche  nicht ,  M'egen  der  gleichzeitigen  Retrac- 
tion  des  benachbarten  Gewebes.  Indessen  ist  eine  hinlänglich  genaue 
Bestimmung  fast  nur  bei  älteren  Kindern  durchführbar,  da  sich  jüngere 
einer  dessfallsigen  Untersuchung  durch  Widerspenstigkeit  und  Nicht- 
verharren  in  schlaffer  und  gleichmässiger  Haltung  und  Athmung  zu  ent- 
ziehen pflegen.    Vgl.  Ephraimsohn,  D.  Klin.  1857.  IX.  p.  71. 

Noch  einige  Worte  über  die  vergleichende  thermometrische 
Untersuchung  beider  Achselhöhlen  bei  einseitigen  Entzündungen  der 
Lunge. 

Schon  bei  Priedleben  (1.  c.  p.  169),  der  aber  thermometrische 
Jilessungen  noch  nicht  angestellt  hat,  liest  man,  dass  die  Haut  der  Seite 
der  Pneumonie  oder  bei  doppelseitiger  Pneumonie  die  Haut  des  ganzen 
Thorax  sich  stets  heisser  anfühle  als  die  der  übrigen  Körpertheile ;  üb- 
rigens sei  das  Phänomen  nichts  Neues  und  führe  er  es  nur  an,  weil  er 
es  in  allen  Fällen  bestätigt  gefunden  habe.  Lepine  (Gaz.  med.  de  Paris 
1871  p.  440)  macht  nun  gelegentlich  einer  Mittheilung  von  Landrieux, 
der  diese  Ansicht  bestätigt,  darauf  aufmerksam,  dass  er  sich  schon  1868 
(ibid.  Nr.  .36,  44)  öfters  vom  Gegentheil  überzeugt  habe.  Neuerdings 
verötfentlichte  Wegscheider  (Virch.  Arch.  69  p.  178),  dass  sich  bei 
Erwachsenen  in  der  Kegel  auf  der  erkrankten  Seite  während  des  Höhe- 
stadiums ein  geringes  Plus  ergebe. 

Während  die  croupöse  Pneumonie  bei  Erwachsenen  in  der  Regel 
rein  lobär  verläuft ,  ist  bei  Kindern  partielles  Befallen  werden 
eines  Lappens  (nach  den  Erscheinungen  glaubt  man  dann  häufig  eine 
centrale  Pneumonie  diagnosticiren  zu  sollen)  und  Uebergreifen  der 
Pneumonie  auf  benachbarte  Lungenabschnitte  in  vollkommener  oder 
unvollkommener  Weise  eine  sehr  gewöhnliche  Erscheinung.  Es  kann 
daher  nicht  auffallen,  wenn  mau  bei  ihnen  die  Zeichen  einer  unvollkom- 
men entwickelten  oder  ganz  rudimentären  Pneumonie,  wie  beschränkten 
tympanitischen  Schall  oder  leichte  Dämpfung  mit  etwas  trockenem  Kni- 
stern oder  Knisterrasseln  oder  Bronchialathmen ,  oder  auch  wohl  nur 
ein  beschränktes  Hauchen  oder  bronchiales  Exspirium  ohne  jede  weitere 
Anomalie  als  einzigen  Ausdruck  der  pneumonischen  Erkrankung  findet, 
oder  wenn  man  den  gleichen  Zeichen  in  der  Umgebung  einer  charakte- 
ristischen lobären  Affektion  begegnet.  Manchmal  bilden  sich  in  solchen 
Fällen  die  Symptome  dieser  Hauptaffektion  gegen  den  Schluss  der  Fie- 
berwoche hin  zurück ,  während  die  der  rudimentären  Affektion  zuneh- 
men und  so  der  Anschein  erzeugt  wird ,  als  ob  die  Pneumonie  nach  Art 
eines  Wandererysipels  sich  auszubreiten  beginne:  indessen  macht  in 
der  Regel  die  definitive  Defervescenz  früher  oder  später  allen  solchen 
Vermuthungen  ein  Ende. 

Ebenso  unbedeutende  oder  noch  geringfügigere  Affektionen  von 
ganz  beschränktem  Umfange  können  in  schweren   Fällen  schliesslich 

41* 


g^^  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

auf  der  ursprünglich  niclitafficirteuSeite  aiütreten  ,  mit  oder 
ohne  etwas  gröberen  Katarrh.  Eine  etwaige  Weiterentwicklung  wird 
durch  die  kritische  Entscheidung  des  Fiebers  abgeschnitten. 

Die  Rückbildung  solcher  abortiver  Herde  ist  eine  rapide  und  geht 
auf  dieselbe  Weise  vor  sich  wie  bei  der  Hauptaffektion. 

Die  Respirationsfrequenz  steigt  sofort  mit  dem  Beginn  der 
Krankheit  und  erreicht  rasch  eine  bedeutende  Höhe.  Besonders  be- 
trächtlich ist  sie  bei  den  jüngeren  Kindern,  während  ältere  auch  in  die- 
ser Beziehung  mehr  die  Verhältnisse  der  Erwachsenen  darbieten.  Unter 
gleichen  Verhältnissen  können  jene  70—80,  diese  40  Athemzüge  in  der 
Minute  darbieten. 

Fünf  in  der  verschiedensten  Weise  ineinander  greifende  und  sicli 
gegenseitig  beeinflussende  Momente  sind  es ,  welche  die  gesteigerte  Re- 
spirationsfrequenz bewirken  :  das  Fieber ,  die  Verkleinerung  der  Ath- 
mungsfläche  durch  den  örtlichen  Process  auf  den  Lungen  ,  die  weitere 
Erschwerung  der  Athmung  durch  mehr  oder  weniger  zufällige  consecu- 
tive  Störungen ,  der  Zustand  des  Nervensystems  und  endlich  der  des 
Herzmuskels.  Mit  der  Tempei'atursteigerung  steigt  sofort  auch  die  Zahl 
der  Athemzüge,  und  zwar  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  eine  Affektion  der 
Athemorgane  vorhanden  ist  oder  nicht ,  nur  in  Folge  der  Reizung  des 
Respirationscentrums  durch  die  höhere  Eigenwärme.  Heftig  fiebernde 
Kinder  mit  gesunden  Lungen  können  so  eine  beträchtlichere  Respira- 
tionsfrequenz besitzen  als  Erwachsene  mit  einer  umfangreichen  Pneu- 
monie ;  das  Kind  ist  in  dieser  Beziehung  weit  erregbarer  als  der  Mensch 
in  den  kräftigen  Mannesjahren.  Sehr  deutlich  ergiebt  sich  die  Abhän- 
gigkeit der  Respirations-  von  den  Temperaturzahlen  aus  den  Beobach- 
tungen zur  Zeit  der  Pseudokrisen  im  Verlaufe  der  Pneumonie,  oder  auch 
schon  durch  eine  genaue  Vergleichung  der  Remissions-  und  Exacerba- 
tionszeiten ;  am  klarsten  geht  es  aber  daraus  hervor,  dass  in  der  Regel 
am  Schlüsse  der  Krise  ,  trotzdem  der  Umfang  der  Infiltration  sich  noch 
nicht  im  Mindesten  verändert  hat,  mit  der  Temperatur  auch  die  Respi- 
rations l'requenz  auf  die  Norm  gesunken  ist.  Indessen  wird  dieser  gün- 
stige Effekt  der  Defervescenz  oft  genug  durch  erhebliche  weitere  Stö- 
rungen mehr  oder  weniger  vereitelt.  Solche  Störungen  können  entwe- 
der schon  vor  der  Pneumonie  vorhanden  gewesen  sein  ,  z.  B.  Anämie, 
chronische  Affektionen  der  Lungen  und  des  Herzens ,  oder ,  was  der  bei 
weitem  häufigere  Fall  ist ,  sie  haben  sich  erst  während  der  Krankheits- 
dauer entwickelt  und  schon  zur  Zeit  des  Fiebers  die  Respirationsfre- 
quenz bedeutend  beeinflusst,  wie  Pleuritis,  Bronchitis,  übermässig  hef- 
tige Brustschmerzen,  Meteorismus.  Durch  diese  theilweise  comphcato- 
rischen  Affektionen  kann  ebenso  wie  durch  eine  ungewöhnlich  umfang- 


Thomas,  Croupose  Pneumonie.     Symptomatologie.  645 

reiche  Infiltration  die  Respirationsfrequenz  nicht  nur  auf  dem  Höhesta- 
dium des  Fiebers  zu  einer  ganz  ausserordentlichen  Höhe  gesteigert, 
sondern  auch  Veranlassung  gegeben  werden ,  dass  sie  auch  nach  der 
Defervescenz  eine  Zeit  lang  auf  einer  beträchtlicheren  Ziffer  verharrt. 
In  solchen  schweren  Fällen  sind  daher  bei  kleinen  Kindern  Respira- 
tionsziffern von  70 — 80,  ja  sogar  bis  100  (Jurasz)  in  der  Fieberpe- 
riode ,  40 — 50  in  der  Zeit  der  Krise  und  gleich  nachher,  nichts  Unge- 
wöhnliches ,  während  ältere  Kinder  unter  denselben  Verhältnissen  etwa 
15 — 25  Athemzüge  weniger  darbieten  ;  erst  die  volle  Reconvalescenz 
bringt  die  normalen  Respirationszahlen.  Verläuft  die  Pneumonie  letal, 
so  bleibt  die  Athemfrequenz  jedenfalls  eine  beträchtlich  hochgesteigerte, 
auch  wenn  die  Temperatur  einen  Rückgang  zeigen  sollte ,  ja  sie  steigt 
sogar  noch  weiter  bis  auf  90 — 100  und  mehr  Züge.  Indessen  pflegen 
auch  hier  die  enormen  Ziffern ,  wie  sie  die  katarrhalische  Pneumonie 
bisweilen  bietet,  nicht  erreicht  zu  werden,  ausser  etwa  bei  einem  unge- 
wöhnlichen Temperaturexcess. 

Im  Allgemeinen  bleibt  der  Athmungstypus  bei  einfacher  und 
einseitiger  croupöser  Pneumonie  der  normale,  und  ist  nur  insofern  ver- 
ändert ,  als  die  kranke  Seite ,  ohne  dass  die  Intercostalmuskeln  über  der 
afficirten  Partie  etwa  gelähmt  würden  ,  weniger  athmet;  erst  nach  dem 
Hinzutreten  eines  weiteren  die  Kohlensäureausscheidung  hemmenden 
Momentes  (und  dadurch  hervorgerufener  entschiedener  Dyspnoe  wie  bei 
der  Bronchopneumonie)  verwandelt  sich  der  Typus ,  insofern  nunmehr 
die  accessorischen  Inspirationsmuskeln  in  Thätigkeit  treten  und  gewöhn- 
lich auch  eine  inspiratorische  Hebung  der  Mm.  levatores  alae  nasi,  das 
sog.  Nasenflügelathmen,  eintritt.  Meistentheils  ist  die  Inspiration  unter 
solchen  Umständen  oberflächlicher  als  in  der  Norm,  und  je  mehr  sie  es 
ist,  um  so  frequenter  muss  die  Athmung  werden.  Weiterhin  ist  bei 
sehr  ausgebreiteter  Infiltration,  complicatorischer  Bronchitis  oder  Pleu- 
ritis, heftigen  Brustschmerzen,  auch  die  Exspiration  öfters  gedehnt, 
durchaus  oder  nur  am  Schlüsse  ächzend ,  stöhnend  und  kreischend ,  und 
nicht  selten  bedeutend  länger  als  die  oberflächliche  Inspiration.  Kom- 
men nun  aber  noch  heftiges  Fieber  (cf.  Riegel,  Athembewegungen ; 
p.  138),  sowie  insbesondere  schwere  Cerebralsymptome  hinzu ,  so  bleibt 
es  nicht  Ijei  einer  Veränderung  des  Athmungstypus ,  sondern  es  kann 
auch  der  Rhythmus  der  Respiration  verändert  werden,  und  zwar  wird  er 
unregelmässig.  Es  geschieht  dies  theils  dadurch,  dass  In-  und  Exspira- 
tion durch  ungleiche  kleine  Stillstände  während  ihrer  Dauer  unterbro- 
chen sind,  theils  durch  ungleiche  Pausen  zwischen  den  einzelnen  Athem- 
zügen,  theils  durch  beides  zusammen.  Selbstverständlich  muss  dies  Alles 
zugleich  einen  sehr  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Ziffer  der  Respirations- 


646  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

frequenz  ausüben.  Unregelmässig  und  röchelnd  im  höchsten  Maasse, 
sowie  äusserst  frequent  wird  die  Athmung  bei  bevorstehendem  letalem 
Ausgang  der  Pneumonie.  Rehn  (1.  c.  1871)  hat  vom  zweiten  Tag  vor 
dem  Tode  an  sogar  das  eigenthümliche  nach  verschieden  grossen  voll- 
ständigen Pausen  an-  und  abschwellende  sog.  C heyne-Stokes'scLe 
Athmen  beobachtet;  ebenso  Bierbaum  (1.  c.  p.  43),  Jürgensen 
(1.  c.  p.  134)  und  B  aa  s  (1.  c.  p.  314).  Dagegen  wird  die  Respiration  bei 
normaler  Abwicklung  des  Processes,  in  der  Zeit  der  Lösung  der  Pneumonie, 
nicht  nur  langsamer,  sondern  auch  gleichmässiger ,  ruhiger  und  tiefer. 

Kommen  auch  in  der  Regel  gesteigerte  Athmungsfrequenz  und 
Gefühl  der  Dyspnoe  zusammen  vor,  so  sind  doch  beide  nicht  notliwen- 
digerweise  mit  einander  verbunden.  Gerade  bei  Kindern  sind  Fälle 
nicht  .selten ,  wo  letzteres  in  ungewöhnlichem  Grade  vorhanden  ist,  ob- 
wohl die  Respiratiousfrequenz  entsprechend  dem  massigen  objektiven 
Befund  nur  unbedeutend  gestiegen  war,  und  umgekehrt.  Ersteres  ist 
insbesondere  bei  heftigen  Brustschmerzen ,  das  Letztere  bei  intensiven 
Störungen  des  Nervensystems ,  z.  B.  Sopor ,  Delirien  u.  s.  w.  der  Fall. 
Die  Symptome  der  Herzschwäche ,  welche  ja  auch  vom  bedeutendsten 
Einflüsse  auf  die  Funktionsfähigkeit  des  Nervensystems  ist ,  verlaufen 
sehr  gewöhnlich  nicht  nur  mit  beträchtlicher  Athemfrequenz ,  sondern 
es  pflegt  dabei  auch  die  Dyspnoe  eine  hochgradige  zu  sein.  Die  höheren 
Grade  der  Dyspnoe  werden  in  der  Regel  von  Cyanose,  coupirter  Sprache, 
starkem  Nasenflügelathmen  ,  ängstlichem  Gesichtsausdruck,  starken  in- 
spiratorischen Einziehungen  der  unteren  Thoraxapertur  begleitet;  alle 
diese  Erscheinungen  lassen  mit  der  Krise  nach  oder  hören  ganz  auf. 

Husten  fehlt  bei  Kinderpueumonie  nur  ganz  selten  ,  am  ehesten 
bei  der  cerebralen  Form;  keineufalls  entspricht  seine  Intensität  dem 
Umfang  der  Infiltration.  Gewöhnlich  ist  er  schon  vom  Beginn  der 
Krankheit  an  vorhanden  ,  selten  erscheint  er  erst  nach  einigen  Tagen, 
im  späteren  Verlaufe  und  am  Schlüsse  der  Pneumonie  wird  er  fast  nie- 
mals vermisst.  Er  ist  durch  die  Schmerzen ,  welche  er  hervorruft  und 
steigert ,  eines  ihrer  lästigsten  Symptome  ,  ganz  besonders  auch  für  die 
kleinen  Kinder,  deren  ausserordentliche  Beschwerden  sich  fast  nie  durch 
lautes  Geschrei ,  sondern  durch  Weinen  und  Wimmern ,  durch  ängst- 
liches Verziehen  des  Gesichtes  bei  den  kurzen  Hustenstössen  zu  erken- 
nen geben.  Der  Schmerzen  wegen  ist  er  meist  kurz ,  gewissermassen 
stossend ,  coupirt,  und  wird  so  viel  als  möglich  unterdrückt,  wenigstens 
in  den  ersten  Tagen,  später  pflegt  er  leichter  und  lockerer  zu  sein.  Im 
Anfang  ist  er  gewöhnlich  trocken ;  selbst  wenn  etwas  Secret  vorhanden 
ist ,  wird  es  doch  selten  nach  oben  befördert ,  weil  das  Kind  die  durch 
die  Expektoration  des  zähen  Schleimes  hervorgerufenen  heftigen  Schmer- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  G47 

zen  scheut ;  häuft  sich  schliesslich  aber  eine  grössere  Menge  Secret  an, 
so  können  äusserst  empfindliche  Hustenparoxysmen  eintreten,  welche 
mit  Würgen  und  Erbrechen  enden ;  bei  besonderer  Zähigkeit  und  Reich- 
lichkeit des  Secrets  kommen  selbst  Erstickungsanfälle  vor.  Schon  wäh- 
rend der  Krise  pflegt  der  Husten  erheblich  leichter  und  lockerer  zu  wer- 
den ,  einige  Tage  später  seine  Schmerzhaftigkeit  vollkommen  verloren 
zu  haben ,  und  im  Anfang  oder  wenigstens  im  Verlaufe  der  dritten 
Krankheitswoche  gänzlich  zu  verschwinden:  dies  wenigstens  in  den 
meisten  Fällen,  in  denen  die  Heilung  eine  vollständige  ist  und  eine  chro- 
nische Störung  sich  nicht  anschliesst.  Endet  die  Pneumonie  mit  dem 
Tod,  so  kann  der  Husten  bis  zum  Ende  in  quälendster  Weise  fortbestehen. 

Auswurf  fehlt  bei  der  Pneumonie  wie  bei  den  anderen  Affektio- 
nen der  Respirationsorgane  der  Kinder  in  der  Regel  vollkommen,  zwei- 
felsohne nicht  etwa  deshalb ,  weil  Nichts  expektorirt ,  sondern  weil 
alles  Expektorirte  verschluckt  wird ;  indessen  haben  B  a  r  t  h  e  z  und 
Rilliet  pneumonischen  Auswurf  niemals  im  Erbrochenen  oder  in  den 
Stuhlgängen  gefunden.  Es  sind  fast  nur  grössere  Kinder,  welche  Sputa 
zu  Tage  fördern,  deren  Beschaffenheit  sich  oft  in  keiner  Weise  von  denen 
der  Erwachsenen  unterscheidet  (cf.  Damasch  inop.  88) ;  H  a  u  n  e  r  sah 
solche  einmal  bei  einem  4j.  Mädchen.  Bei  kleinen  Kindern  findet  man 
eine  derartige  Expektoration  selten  als  zufällige  besonders  durch 
Würgen  und  Erljrechen  veranlasste  Erscheinung.  Nach  meinen  in  dieser 
Beziehung  spärlichen  Beobachtungen  kann  ich  einen  geringeren  Blutge- 
halt ,  also  eine  hellere  Färbimg  der  Sputa  anerkennen ,  nicht  aber  zu- 
«•eben^  dass  die  Sputa  jüngerer  Pneumoniker ,  wie  man  hin  und  wieder 
liest,  nur  blutstreifig  oder  gänzlich  blutfrei  seien.  Wenn  solche  expek- 
torirt werden  sollten ,  so  dürften  sie  wohl  stets  einem  complicirenden 
Catarrh  der  oberen  Luftwege  entstammen ,  nicht  der  Pneumonie  ange- 
hören. Nur  in  der  Reconvalescenz  ist  der  Auswurf  blutfrei  und  schlei- 
migeitrig ,  gerade  wie  bei  den  Erwachsenen ,  immer  vorausgesetzt ,  dass 
er  wie  früher  nicht  gäirzlich  fehlt. 

Der  Sitz  der  Brustschmerzen  wird  nur  von  älteren  Kindern 
mit  einiger  Zuverlässigkeit  und  zwar  in  der  Regel  entsprechend  der  af- 
ficirten  Lungenpartie  angegeben,  oder  als  Seitenschmerz  bezeichnet. 
Von  kleineren  Kindern  aber  wird  der  Schmerz  sehr  gewöhnlich  in  die 
Oberbauchgegend  oder  den  Leib  überhaupt  verlegt ,  bald  mehr  in  die 
Mitte,  bald  auf  die  kranke  Seite ;  es  findet  sich  eine  solche  Angabe  nicht 
nur  beim  Sitz  der  Infiltration  an  der  Lungenbasis ,  sondern  auch  bei 
Pneumonie  der  Oberlappen.  Vielleicht  ist  es  öfter  die  Zernmg  der  In- 
sertionsstellen  der  Bauchmuskeln  bei  heftigem  Husten,  welche  die 
Schmerzen  hervorruft,  und  weniger  die  Bewegung  der  entzündeten  Par- 


gj^g  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

tieeu  bei  der  Inspiration;  indessen  mag  auch  Beides  zusammen  die 
Schmerzen  bedingen  (cf. Baas  p.  282).  Dass  sie  so  oft  von  den  Kleiueu 
in  den  Bauch  verlegt  werden,  ist  zum  Theil  vielleicht  auch  die  Folge  da- 
von, dass  diese  öfter  im  Leib  als  anderswo  Schmerzen  haben  und  sich  so 
über  den  Sitz  der  Brustschmerzen  täuschen.  Jedenfalls  muss  sich  der 
Kinderarzt  dieser  eigenthümlichen  Erscheinung  bewusst  sein,  und  ebenso 
mag  er  des  Umstandes  gedenken ,  dass  allzu  kräftige  Percussion  eine 
Steigerung  des  Schmerzes  herbeiführen  kann. 

Das  Geschrei  kleiner  pneumonischer  Kinder  ist  theils  dieser 
Schmerzen,  theils  der  Dyspnoe  wegen  nie  laut  und  andauernd,  sondern 
mehr  ein  kurz  abgesetztes  oft  unterdrücktes  Wimmern ,  Stöhnen  und 
Aechzen,  wie  ja  denn  auch  aus  gleichem  Grunde  die  Sprache  der  älteren 
Kranken  coupirt  ist.  Es  ist  dies  in  hohem  Grade  charakteristisch  und 
diagnostisch  wichtig.  Thränen  erscheinen  dabei  erst  beim  Nachlass  der 
Krankheit. 

Die  Lage  der  Kranken  im  Bett  ist  einigermassen  verschieden. 
Immer  kann  man  annehmen  ,  dass  diejenige  gewählt  wird  ,  in  der  die 
Athmung  am  besten  von  Statten  geht,  in  der  die  Dyspnoe  am  meisten 
erleichtert  wird  und  der  Husten  am  wenigsten  genirt  —  wenn  die  Wahl 
irgend  freisteht.  Säuglinge  und  Wickelkinder  liegen  meist  auf  dem 
Rücken  in  gestreckter  Lage.  Aeltere  Kinder  liegen  in  der  Regel  unbe- 
weglich auf  der  schmerzenden,  meistens  also  der  pneumonisch  afficirten 
Seite,  weil  dieselbe  in  dieser  Lage  fixirt  ist  und  sie  so  mit  den  gesunden 
Theilen  am  besten  atlimen  können;  die  Wirbelsäule  ist  hierbei  auf  der 
gesunden  Seite  etwas  convex.  Nur  wenn  durch  diese  Seitenlage  der 
Schmerz  in  Folge  des  Druckes  gesteigert  wird ,  ziehen  sie  die  Lage  auf 
der  gesunden  Seite  oder  die  gerade  Rückenlage  vor.  In  letzterer  Lage 
besonders  pflegen  sich  die  Kranken  zu  dehnen  und  zu  strecken,  sich  mit 
dem  Kopfe  etwas  in  die  Höhe  zu  richten  und  denselben  nach  hinten  zu 
halten,  auch  die  Hände  über  dem  Kopf  zusammenzuschlagen  ,  um  Luft 
zu  bekommen.  Auch  kleinere  Kinder  liegen,  wenn  sie  können,  am  hel)- 
sten  in  einer  eigeuthümlich  gekrümmten  Lage  auf  der  Seite ;  alle  fixiren 
dieselbe  der  Schmerzen  wegen  ganz  besonders  beim  Husten  mit  den 
Händen  und  vermeiden  ängstlich  jede  Bewegung.  Kleine  Kinder  blicken 
ängstlich  umher  und  scheuen  jede  Annäherung  Fremder  an  ihr  Bett, 
weil  diese  sie  aus  ihrer  relativen  Ruhe  aufscheuchen  möchten.  Dabei 
sind  ihre  Mundwinkel  schmerzlich  nach  abwärts  verzogen,  was  dem  Ge- 
sicht in  Verbindung  mit  den  weiten  Nasenlöchern  und  den  Bewegungen 
der  Nasenflügel  beim  Athmen  einen  ganz  eigenthümlichen  Ausdruck 
verleiht. 

Indenvon  der  Entzündung  nicht  ergriff  enenLungen- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Symptomatologie.  649 

abschnitten  ist  gewöhnlicli  irgendwelche  Veränderung  nicht  nach- 
weisbar. Bei  beträchtlicher  Anschwellung  der  infiltrirten  Partie  und 
grossem  Umfang  der  Infiltration  kann  im  benachbarten  Lungengewebe 
durch  Compression  ein  tympanitischer  oder  massig  gedämpfter  Percus- 
sionsschall  und  verschwächtes  Vesiculärathmen  hervorgebracht  werden, 
zumal  wenn  ein  massiger  Flüssigkeitserguss  in  die  Pleurahöhle  statt- 
gefunden hat.  Die  Symptome  der  Compression  sind  ganz  besonders 
über  den  oberen  Lappen  deutlich ,  wenn  die  unteren  stark  verdichtet 
sind ;  Compression  der  unteren  Lappen  durch  die  infiltrirten  oberen 
findet  sich  seltener.  Natürlich  können  nur  in  der  Nähe  der  Lifiltration 
gelegene  Lungenabschnitte  comprimirt  werden.  Eine  anderweitige  Ge- 
legenheit zu  Compression  gesunder  Lungenpartieen  ist  nach  meinen  Er- 
fahrungen auch  bei  Kindern  durch  reichliche  pericardiale  Ergüsse  ge- 
geben; dieselben  comprimireu  wesentlich  den  linken  unteren  Lappen. 
Ueber  völlig  intaktem  Gewebe,  zumal  auf  der  der  Lifiltration  entgegen- 
gesetzten Seite,  hört  man  häufig  ein  schärferes  Athemgeräusch  als  in 
der  Norm,  selten  schwache  katarrhalische  Erscheinungen. 

Ob  auch  bei  croupöser  Pneumonie  in  Folge  des  ßespirationshinder- 
nisses  und  besonders  bei  heftigem  Geschrei,  also  vielleicht  in  der  Recon- 
valescenz,  allgemeines  Hautemphyöem  durch  Lvmgenzerreissung  ent- 
stehen könne,  wie  Roger,  G u ill  o  t  und  0  z a n a m  ( Canst.  Jber.  1 853  IV. 
p.  oOl  und  1854  IV.  p.  253)  für  akute  Brustalfektionen  angeben,  ist 
mir  nicht  bekannt. 

Die  Schleimhaut  der  oberen  Luftwege  ist  bei  croupöser  Pneu- 
monie nicht  oder  nur  nach  Art  eines  leichten  oberflächlichen  Katarrhs 
afficirt ;  mitunter  besteht  etwas  Heiserkeit.  Diese  Störungen  geben  sich 
durch  grobe  Rasselgeräusche  und  Husten  zu  erkennen ,  erstere  schwin- 
den gewöhnlich  rasch.  Nicht  selten  zeigen  Kinder  im  Anfang  etwas 
Nasenbluten. 

Circulationsorgane.  Die  Herz  aktion  ist  bei  der  Pneumonie 
wie  bei  anderen  fieberhaften  Krankheiten  gesteigert,  zumal  im  Anfang 
und  bei  hohem  Fieber ,  so  lange  die  Herzkraft  intakt  ist.  Li  schweren 
Fällen,  insbesondere  bei  doppelseitiger  Pneumonie ,  kann  es  zu  einer 
massigen  Ausdehnung  des  rechten  Ventrikels  kommen.  Die  Ausculta- 
tion  ergiebt  gewöhnlich  reine  Töne,  seltener  ein  leichtes  Hauchen  neben 
den  ersten  Ventrikeltönen,  zumal  links ;  eine  deutliche  Verstärkmig  des 
zweiten  Pulmonaltons  wird  nicht  wahrgenommen. 

Wichtiger  sind  die  Erscheinungen  von  den  Gefässen.  Während 
der  intensiven  Liitialsymptome  ist  der  Arterienpuls  öfters  eine 
kurze  Zeit  hindurch  klein  und  härtlich ,  gewinnt  aber  nach  Erreichung 
der  Constanten  Temperatur  des  Höhestadiums  auch  bei  jungen  Kindern 
sofort  an  Völle,  ohne  übrigens  jemals  eine  solche  Spannung  (Celerität) 


ß^Q  Krankheiten  der  Atbmimgsorgane.     Lunge. 

zu  zeigen  wie  beim  Erwachsenen.  Auch  deutlicher  Dicrotismus ,  deu 
man  nach  der  Temperaturhöhe  zu  urtheilen  in  der  Zeit  der  Abnahme 
der  Spannung  vielleicht  erwarten  dürfte,  erscheint  nur  selten.  Nach 
mehrtägigem  heftigem  Fieber  verliert  der  Puls  in  der  Regel  an  Härte 
und  zeigt  manchmal  sogar  trotz  ziemlich  hochgradiger  Temperaturstei- 
o-erung  eine  entschiedene  Weichheit,  insbesondere  kurz  vor  der  Krise, 
so  dass  man  bei  charakteristischem  Hervortreten  dieser  Eigen thümlicli- 
keit  die  baldige  Entfielierung  vorausbestimmen  kann.  Noch  weicher 
pflegt  er  dann  während  und  nach  der  Krise  zu  sein ;  öfter  ist  er  in  dieser 
Periode  sogar  abnorm  klein  und  schwach ,  Ijesouders  wenn  die  Eigen- 
wärme zu  CoUapstemperaturen  hinabgesunken  ist.  In  der  Nähe  des 
Todes  wird  der  Puls  immer  kleiner  und  schliesslich  fadenförmig.  Ent- 
sprechend der  hochgesteigerten  Temperatur  ist  die  Pulsfrequenz  eben- 
falls eine  sehr  beträchtliche,  zumal  bei  jüngeren  Kindern.  Aeltere 
haben  bei  hochfebriler  Temperatur  120—140  Schläge,  jüngere  nicht 
leicht  unter  160,  und  sehr  gewöhnlich  zeigen  unter  diesen  Verhältnissen 
die  all  erjüngsten,  unter  1-2  Jahren,  170— 180,  ja  bis  200  Schlägein 
der  Minute.  So  lange  die  Herzkraft  intakt  ist  und  besondere  die  Puls- 
frequenz in  eigenthümlicher  Weise  beeinflussende  Momente  fehlen, 
steigt  und  sinkt  dieselbe  mit  der  Temperatur,  so  dass  die  Differenz  zwi- 
schen Exacerlmtion  und  Remission  etwa  10 — 20  Schläge  betragen  kann. 
Eine  abnorm  niedrige,  d.  h.  normale  oder  nahezu  normale  Pulsfrequenz 
neben  hochgesteigerter  Temperatur,  wie  z.  B.  beim  Typhus,  kommt  bei 
Pneumonie  zumal  kleiner  Kinder  nicht  leicht  vor. 

Das  eben  Gesagte  ist  jedoch  nicht  so  zu  verstehen,  dass  man  die 
thermometrische  Untersuchung  durch  die  Zählung  der  Pulsfrequenz  zu 
ersetzen  und  durch  letztere  allein  diejenige  Sicherheit  in  der  Beurihei- 
lung  des  Falles  zu  erlangen  im  Stande  wäre ,  wie  sie  durch  jene  ge- 
wannen wird.  Schon  die  ausserordentliche  psychische  Erreglmrkeit  des 
Kindes,  unter  deren  Einfluss  nicht  selten  mit  dem  Anldick  des  sich  mit 
ihm  beschäftigenden  Arztes  die  Pulsfrequenz  erheblich  steigen  kann, 
hindert  eine  l.iesondere  Berücksichtigung  der  letzteren.  Wäre  man  also 
auch  mit  den  individuellen  Ursachen  der  Pulszahlen  eines  Kindes  genau 
vertraut,  so  würde  dennoch  die  Verwerthung  der  Pulsfrequenz  statt  der 
Temperatur  nicht  möglich  sein.  Nur  die  Bestimmung  der  Eigenwärme 
lässt  ein  sicheres  Ui-theil  über  die  Höhe  des  Fiebers  gewinnen;  der  vor- 
sichtige Therapeut  wird  sie  daher  in  allen,  auch  in  den  leichten  Fällen 
vornehmen,  und  in  schweren  ist  sie  ganz  unerlässlich. 

In  schweren  Fällen  pflegt  die  Pulsfrequenz  beträchtlicher  gestei- 
gert zu  sein  ,  als  in  leichteren  mit  der  gleichen  Temperaturhöhe.  Die 
bevorstehende  Defervescenz  giebt  sich  manchmal  nicht  nur  durch  den 
Verlust  der  Härte  des  Pulses,  sondern  auch  durch  eine  präparatorische 
Abnahme  seiner  Freciuenz  zu  erkennen.    Jedenfalls  sinkt  dieselbe  mit 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  651 

der  kritischeil  Beendigung  des  Fiebers  bis  auf  die  normalen  Pulszahlen 
des  betreffenden  Kindes,  also  je  nach  dem  Alter  auf  90 — 110  Schläge, 
selten  —  und  dies  ist  eine  auch  sonst ,  z.  B.  bei  Icterus ,  hervortretende 
Eigenthümlichkeit  des  Kindes  —  wesentlich  tiefer.  Im  Allgemeinen 
folgen  die  Pulszahlen  auch  hier  der  Temperatur:  bleibt  diese  hochnor- 
mal, so  sind  auch  jene  wesentlich  höher  als  in  der  Nähe  der  Collaps- 
werthe.  Indessen  pflegen  ausgesprochene  Collapse,  auch  solche  mit 
niedriger  Eigenwärme ,  eine  beträchtliche  Pulsfrequenz  zu  zeigen  ,  und 
zwar  neben  elender  Beschaffenheit  der  Einzelschläge.  Auch  in  der 
Pseudokrise  der  Fieberacme  pflegt  die  Pulsfrequenz  minder  zu  fallen  als 
in  der  wahren  Krise,  und  zwar  bei  gleichen  Temperaturwertheu.  Neue 
Steigerungen  der  Temperatur  nach  der  Krise  bedingen  manchmal  un- 
verhältnissmässige  Steigerungen  der  Pulsfrequenz.  Gegen  den  Tod  hin 
pflegt  dieselbe  zu  steigen ,  und  zwar  mitunter  in  recht  erheblicher  und 
auffälliger  Weise,  fast  ganz  ohne  Rücksicht  auf  die  Temperaturschwan- 
kuugen.  Anderemal  bleibt  indessen  die  Pulsfrequenz  bis  wenige  Stun- 
den vor  dem  Tod  im  bisherigen  normalen  Verliältniss  zur  Temperatur- 
höhe. Selbstverständlich  muss  bei  der  beträchtlichen  Steigerung  der 
Respirationsfrequenz  und  der  minder  beträchtlichen  der  Pulsfrequenz 
das  normale  Verhältniss  beider  (1  :  4,.5)  abgeändert  werden.  Im  Allge- 
meinen entspricht  der  Steigerung  dereinen  eine  verliältuissmässig  gleich- 
artige auch  der  anderen  von  beiden:  jüngere  Kinder  und  schwere  Fälle 
zeigen  für  beide  höhere  Ziffern  als  ältere  Kinder  und  leichte  Fälle. 
Leichte  Irregularität  des  Pulses  wird  bei  einzelnen  pneumonischen  Kin- 
dern, die  im  Norjnalzustaude  solche  nicht  zeigten,  auf  dem  Höhestadium 
beobachtet,  zumal  bei  hochgradiger  Dyspnoe.  Häufiger  und  ausgespro- 
chener pflegt  dieselbe  während  und  besonders  nach  der  Defervescenz  zu 
sein;  He  noch  (Beitr.  1868.  p.  166)  fand  sie  hier  einige  Tage  lang 
bei  einem  4j.  Knaben  nur  beim  Aufsitzen,  nicht  aber  in  der  Rückenlage. 
Sie  verschwindet  mit  dem  Schlüsse  der  Reconvalescenz. 

Geringe  Cyanose  ist  häufig,  starke  selten,  und  zwar  nur  bei  sehr 
umfänglichen  Infiltrationen.  Ausnahmsweise  sind  dann  auch  die  Ve- 
nenstämme am  Halse  so  ausgedehnt ,  dass  man  respiratorische  Bewe- 
gungen und  Undulation  an  ihnen  erkennt.  In  solchen  Fällen  findet  sich 
wohl  auch  Oedem  der  unteren  Extremitäten. 

Verdauungsorgane.  Magen  und  Darm.  Die  Appetitlosig- 
keit ist  bei  Kindern ,  zumal  kleinen  und  in  schweren  Fällen  überhaupt, 
gar  nicht  selten  eine  absolute  über  das  gewöhnliche  Maass  des  Fiebers 
weit  hinausreichende.  So  nothwendig  es  auch  erscheinen  muss ,  dem 
beinahe  erschöpften  schwer  fiebernden  Organismus  etwas  Nahrung  zu- 
zuführen, alle  Versuche  der  besorgten  Eltern  uiisslingen.   Zuweilen  mag 


g52  Krankheiten  der  Athmimgsorganc.     Lunge. 

dies  Folo-e  der  Furcht  vor  Verschlucken  imd  dem  sich  daran  ansclilies- 
seuden  schmerzhaften  Husten ,  zuweilen  Folge  der  Dyspnoe  sein,  die 
continuirlich  auch  den  Mund  zum  Athemholen  zu  brauchen  zwingt  und 
ihn  so  dem  Kaugeschäft  entzieht ;  allein  nicht  selten  werden  auch  flüs- 
sige Nahrungsmittel,  wie  Milch,  Eiwasser,  selbst  verdünnter  Wein  ener- 
gisch und  beharrlich  zurückgewiesen  ,  während  der  Durst  durch  reines 
Wasser  reichlich  gestillt  wird.  Es  besteht  dann  ein  entschiedener  Ma- 
gen- mid  Darmkatarrh  (Lebert  [Brustkkh.  Lp.  673]  und  Jürgensen 
fanden  bei  Erwachsenen  öfter  auch  Hämorrhagie  der  Scheimhaut  und 
des  submucösen  Gewebes;  vgl.  Barthez  u.  Rilliet  1.  c.  I.  p.  588), 
eine  .Steigerung  der  bei  Fieber  constanten  Erkrankung  der  Verdauungs- 
organe. Seltener  bleibt  der  Appetit  gut  (Steiner  1.  c.  82.  p.  34; 
Baasl.  c.  p.  292). 

Erbrechen  ist  im  Anfange  der  Kinderpneumonie  zumal  bei  kleinen 
Kindern,  eine  sehr  gewöhnliche  durch  centrale  Vagusreizung  veranlasste 
Erscheinung  und  fördert ,  wenn  intensiv  und  häufig ,  nicht  nur  Magen- 
inhalt ,  sondern  oft  genug  auch  Galle  nach  aussen,  setzt  sich  aber  nur 
ausnahmsweise  in  eine  spätere  Zeit  fort.  Wenn  es  in  dieser  auftritt  und 
nicht  etwa  durch  expektorireude  und  andere  Medikamente  oder  schäd- 
liche Ingesta ,  wie  sie  kranke  Kinder  häufig  erhalten ,  bedingt  wird,  ist 
seine  Ursache  bald  der  eben  erwähnte  Magenkatarrh,  Ijald  heftiger  Hu- 
sten und  die  mühsame  unter  Würgen  stattfindende  Expektoration  des 
zähen  Secrets,  bald  endlich  Hirnreizung,  wie  vorzugsweise  in  den  über- 
haupt durch  schwere  Nervensymptome  ausgezeichneten  Fällen. 

Magen-  und  Leibweh  werden  häufig  geklagt.  Zum  Theil  sind  die 
betreffenden  Schmerzen  falsch  gedeutete  Brustschmerzen ,  zum  Theil 
aber  gewiss  durch  die  Störung  der  Bauchorgane  bedingt. 

Die  Stuhlentleerung  ist  öfter  eine  träge  und  verlangt  therapeuti- 
sche Regelung.  Gar  nicht  selten  aber  bestehen  auch  bei  grösseren, 
öfter  bei  kleinen  Kindern  ,  und  zwar  besonders  in  der  durch  bcträcM- 
lichcre  Litestinalaffektion  überhaupt  ausgezeichneten  Form  der  Pneu- 
monie, spontane  massige  Diarrhöen.  Die  Entleerungen  sind  gallenarm 
und  schleimig. 

M  u  n  d-  und  R  a  c  h  e  n  h  ö  h  1  e  zeigen  öfters  geringe  katarrhalische 
Reizung  und  selbst  Schlingbeschwerden  sind  mitunter  vorhanden.  Bei 
kleinen  Kindern  besonders  kommt  es  leicht  zur  Soorentwicklung,  wenn 
die  mit  geschwollenen  Papillen  bedeckte,  an  den  Rändern  rothe,  in  der 
Mitte  stark  belegte  Zunge  und  die  Mundhöhle  üljerhaupt  nicht  rein  ge- 
halten werden ;  auch  Foetor  ex  ore  kann  auf  diese  Weise  entstehen. 
Bei  der  verminderten  Speichelsecretion  zeigt  die  Mundschleimhaut  hier 
wie  in  allen  schweren  Krankheiten  eine  grosse  Neigung  zum  Austrock- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  653 

nen ;  der  Durst  ist  meist  bedeutend.  Säuglingen  ist  durch  die  trockene 
Zunge  das  Saugen  sehr  erschwert. 

Die  Leber  ist  bei  Kinderpneumonie  meist  nicht  anders  afficirt, 
als  dass  sie  in  schweren  Fällen  durch  Stauung  etwas  anschwillt.  Die 
Galle  ist  hell,  Icterus  selten  und  sein  Verlauf  ein  milder. 

Das  Pancreas  pflegt  keine  Veränderungen  zu  zeigen. 

Die  Milz,  im  Sectionsfalle  nicht  selten  unerheblich  vergrössert,  ist 
in  gleicher  Weise  afficirt  auch  im  Leben  mitunter  nachweisbar ,  sofern 
ihre  genaue  Untersuchung  überhaupt  möglich  ist. 

Nervensystem.  Schwere  Nervensyniptome  können  bei  Pneu- 
monie unter  verschiedenen  Verhältnissen  auftreten. 

Zunächst  erscheint  sehr  gewöhnlich ,  wenigstens  bei  kleinen  Kin- 
dern ,  im  Anfang  der  Pneumonie  neben  einer  rapiden  Steigerung  der 
Eigenwäi'me  ein  eklamptischer  Anfall  von  ver.schiedener  Dauer ,  mit 
und  ohne  Erbrechen,  mit  oder  ohne  nachfolgende  Bewusstlosigkeit.  Er 
dürfte  Theilerscheinung  eines  allgemeinen  Arterienkrampfes  sein  und 
wiederholt  sich  nur  selten.    Aehnliche  Zufälle  folgen  auf  Pseudokrisen. 

Sodann  führt  wie  in  jeder  anderen  fieberhaften  Krankheit  auch  bei 
der  Kinderpneumonie  die  genügend  hoch  gesteigerte  Eigenwärm«;  Ner- 
vensymptome herbei.  Da  Affektionen  der  Oberlappen  mit  stärkerem 
Fieber  zu  verlaufen  pflegen  als  solche  der  Unterlappen ,  so  sind  es  be- 
sonders erstere  ,  welche  von  Nervensymptomen  begleitet  sind.  Kopf- 
weh, Schwindel  (das  Kind  glaubt  zu  fallen  und  hält  sich  fest),  Ohnmachts- 
anfälle beim  Aufrichten,  Lichtscheu,  Sinnesstörungen ,  Reizljarkeit  und 
Zanksucht,  oder  massige  Apathie,  Schlaflosigkeit,  Unruhe,  Aufschreien, 
leichte  Delirien  sind  die  Folgen  verhältnissmässig  massigen  aber  anhal- 
tenden Fiebers  ,  während  sich  starkes  durch  andauernde  Störungen  des 
Bewusstseins,  stärkste  Aufregung,  lebhafte  Delirien  und  Hallucinationen, 
Fluchtversuche  ,  ja  wirkliche  maniakalische  Anfälle  ,  beschränkte  iVIus- 
kelkrämpfe  (Auge,  Nacken,  Arme,  Zähneknirschen)  oder  allgemeine 
Convulsionen ,  soporöse  Zustände ,  ja  wirkliches  Coma  mit  unwillkür- 
lichen Entleerungen  oder  Harnretention  zu  erkennen  giebt.  Es  mag 
sein ,  dass  unter  solchen  Umständen  bei  derartigen  Zufällen  auch  Cir- 
culationsstörungen  im  Hirn  und  Kohlensäurenarkose  mit  concurriren ; 
der  Beweis  aber  für  die  wesentliche  Abhängigkeit  solcher  Symptome 
von  der  hochgradigen  Steigerung  der  Eigenwärme  liegt  in  dem  Effekt 
energischer  Wärmeentziehungen  und  den  Beobachtungen  bei  spontanem 
raschem  Absinken  der  Temperatur:  mit  dem  Aufhören  des  hochfebrilen 
Zustandes  hören  die  Nervensymptome  meistentheils  sofort  auf.  Vor 
dem  spontanen  Absinken  können  sie  bei  einer  hochfeln-ilen  Perturbatio 
critica  noch  recht  hochgradig  entwickelt  sein. 


g5^  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Da  indessen  die  Störung  der  Funktion,  welche  das  Fieber  bewirkt, 
zunächst  durch  eine  materielle  Veränderung  des  Gewebes  veranlasst  sein 
dürfte,  so  kann  es  nicht  auffallen,  wenn  in  einzelnen  Fällen  motorisclie, 
sensible,  sensorische  und  psychische  Anomalieen  von  grösserer  oder  ge- 
rino-erer  Bedeutung ,  längerer  oder  kürzerer  Dauer  an  dasselbe  sich  an- 
schliessen.  Ich  habe  auch  nach  schweren  Kinderpneumonieen  wieder- 
holt solche  Störungen  beobachtet ;  wenn  sie  nach  anderen  Krankheiteu 
(Scharlach ,  Typhus)  öfter  sich  finden ,  so  werden  wir  die  Ursache  hier- 
von mit  Recht  in  der  längeren  Dauer  des  hochfebrilen  Zustandes  bei 
denselben  suchen  dürfen.  Ueber  das  Vorkommen  von  Kinderlähmung 
nach  Pneumonie  vgl.  Leyden,  Klin.  d.  Rückenmarkskkh.  IL  p.  564, 
Reflexlähmung  nach  ihr  sah  S  i  n  k  1  e  r. 

Auch  das  rasche  Verschwinden  des  pneumonischen  Fiebers  kann 
zu  leichten  oder  auch  vorübergehend  Besorgniss  erweckenden  Altera- 
tionen der  Hirnfunktion  bei  Kindern  Anlass  geben ,  wenn  schon  icii 
einen  maniakalischen  Anfall,  wie  er  im  Anschlass  an  die  Defervescenz 
bei  Erwachsenen  mitunter  auftritt,  noch  nicht  beobachtet  habe.  Nächste 
Ursache  der  Störung  dürfte  die  durch  die  Krankheit  (mittelst  Fieber, 
Inanition ,  Blut-  und  Säfteverlusten)  herbeigeführte  Erschöpfung,  cha- 
rakterisirt  durch  subnormale  Temperatur,  Herzschwäche  und  Hirn- 
anämie sein;  schwere  Nervensj'niptomo  brauchen  im  Verlaufe  der  fe- 
brilen Periode  nicht  bestanden  zu  haben. 

Tbore  (Ic.)  beobaclitete  einen  5jährigen  Knaben,  dessen  Pneumonie 
sich  rascli  gebessert  hatte.  Bald  nach  der  Krise  ward  er  jedorh  Nachts 
durch  heftige  Gesichts-  und  Geluirshalluciuationen  ausserordentlich  auf- 
geregt: er  sah  Ratten  und  Katzen,  Personen,  die  durch  die  Mauern 
drangen,  um  ihn  mit/.uneluuen,  und  andere  Schreckt iilder.  Auf  0,03  Extr, 
opii  ziemlich  ruhiger  lag,  doch  brachte  die  nächste  Nacht  neue  jedocli 
weniger  intensive  Ei-scheinungen  gleicher  Art.  Nunmehr  ungestörte  Ge- 
nesung. 

Die  liochfebrile  Temporatursteigerung ,  eine  besondere  Erregbar- 
keit des  kindlichen  Nervensystems  und  eine  eigenthümliche  individuelle 
Disposition  mögen  auch  in  den  meisten  der  sogenannten  »Gehirnpneu- 
monieen«  der  Kinder  Veranlassung  zu  den  schweren  nervösen  Störungen 
bei  denselben  sein.  In  anderen  Fällen  aber  ist  die  Ursache  derselben  in 
wirklichen  anatomischen  Veränderungen  der  Centralorgane,  wie  eitriger 
Meningitis,  Encephalitis  u.  s.  w.  zu  suchen.  Steiner  machte  in  dieser 
Beziehung  auch  auf  Otitis  interna  aufmerksam  und  hob  hervor,  dassdie 
Hirnsymptome  öfter  als  reflektirte  aufzufassen  sein  möchten.  Jür- 
gen sen  konnte  Insolation  als  Ursache  der.selben  anschuldigen,  eine 
Erfahrung,  die  recht  gut  zu  der  häufigen  armenärztlichen  Beobachtung 
stimmt ,  nach  welcher  bei  fiebernden  Kindern  die  nervösen  Störungen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  655 

weichen  oder  sich  wenigstens  vermindern  ,  nachdem  der  Kopf  der  Ein- 
wirkung der  strahlenden  Wärme  eines  Ofens  entzogen  und  dem  Kranken 
der  Wärmeverlust  durch  Leitung  und  Strahlung  erleichtert  worden  ist. 
Vielleicht  hat  es  sich  hier  um  eine  aktive  Hirnhyperämie  gehandelt. 
Eine  ältere  von  Hüttenbrenner  von  Neuem  acceptirte  Ansicht  er- 
Idärt  dieselbe  bei  Pn.  lob.  sup.  durch  Compression  der  grossen  Körper- 
venenstämme von  Seiten  des  Exsudats.  In  anderen  mag  der  noch  hy- 
pothetische Infektionszustand,  auch  Acetonämie  (Kau lieh),  in  Frage 
kommen.  Endlich  bleiben  aber  noch  Fälle  übrig ,  in  welchen  die  Ner- 
vensymptome mit  dem  erst  zu  später  Zeit  erfolgenden  Nachweisbar- 
werden der  Lokalatfektion  trotz  Fortdauer  des  unter  Umständen  be- 
trächtlichen Fiebers  sofort  verschwinden  oder  wenigstens  sehr  wesent- 
lich sich  ermässigen.  Es  ist  dies  insbesondere  bei  Affektionen  der  Ober- 
lappen der  Fall.  Die  Hirnsymptome  erhalten  hier  den  Charakter  in- 
tensiver Prodromalerscheinungen  eines  ungewöhnlich  spät  auftretenden 
und  manchmal  auch  ungewöhnlich  schwach  entwickelten  Lokalprocesses. 
Sinnesorgane.  Flimmern  und  Schwarzwerden  vor  den  Augen, 
Ohrensausen,  Hyperästhesie  und  Anästhesie  des  Gehörsinns  wie  der 
Haut,  Störungen  des  Geruchsinns  dürfte  in  vielen  Fällen  rein  centralen, 
nicht  peripheren  Ursprungs  sein,  und  die  gewöhnliche  Störung  des  Ge- 
ächmacksinns  nur  der  Aifektion  der  Verdauungsorgane  ihre  Genese 
verdanken.  Indessen  kommen  auch  seltene  Fälle  von  Pneumonie  vor, 
in  welchen  zu  den  verschiedensten  Zeiten  des  Verlaufes  anatomische 
Veränderungen  der  Sinnesorgane  sich  kenntlich  machen. 

Auge.  Nach  Seidel's  (1.  c.)  Bericht  zeigte  ein  ISjähriger  Knabe 
schon  am  ersten  Kraukheitstage  seiner  Pneumonia  sinistra  superior  Am- 
blyopie und  erblickte  insbesondere  alle  Gegenstände  bunt  geriindert.  Die 
Untersuchung  ergab  die  Pupillen  sehr  weit,  den  Opticus  beiderseits  na- 
mentlich in  der  Mitte  geröthet,  von  der  Netzhaut  nicht  scharf  abge- 
grenzt, die  ganze  Retina  floiartig  getrübt,  die  Arterien  schwach,  die 
Venen  sehr  stark  gefüllt.  Alle  diese  Verilnderungen  bildeten  sich  im 
Laufe  der  nächsten  4—5  Wochen  vollständig  zurück.  Ueljrigens  hatte 
schon  Sichel  (Schm.  .Jb.  114  p.  233)  ähnliche  Fälle  bei  Erwachsenen 
beobachtet  und  die  Sehstörung  auf  Stauung  des  Blutes  im  Gehirn  durch 
behinderte  Entleerung  der  Vena  cava  superior  und  consecutive  Altera- 
tion des  Opticusursprungs  zurückgeführt.  Auch  Hirnanämie  und  gleich- 
zeitige arterielle  Anämie  der  ßetina  können  transitorische  Sehstörungen, 
zumal  in  der  Eeconvalescenz  bewirken  (Gräfe,  Henoeli  laut  Stei- 
ner's  Compendium).  —  Mitunter  findet  sich,  auch  ohne  complicirende 
Himaffektion,  Ungleichheit  der  Pupillen  (R  o  g u e,  J.  f.  Khkde  N.  F.  V.  p.453). 

Ohr.  Steiner  (Jbch.  f  Khkde.  N.  F.  IL)  beobachtete  16  Fälle, 
in  welchen  den  schweren  Cerebralsymptomen  bei  Spitzeupueumonie  (und 
zwar  Erbrechen,  einem  Wechsel  von  Somnolenz  und  Unruhe,  Delirien, 
Kopfweh,  getrübtem  oder  aufgehobenem  Bewusstsein)  eine  eitrige  Otitis 


656 


Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 


zu  eirunde  lag  und  diese  Symptome  mit  dem  Eintritt  eines  eitrigen 
Obrenflusses  regelmässig  verschwanden.  Er  referirt,  dass  ihm  Streek- 
eisen  schon  1863  zwei  Knochenpräparate  dieser  Art  demonstrirt  und 
ihn  auf  diesen  Gegenstand  aufmerksam  gemacht  habe.  Seine  Fälle  be- 
trafen zumeist  Kinder  im  Alter  von  5—10  Jahren,  welche  früher  nie- 
mals  an  Ohrenentzündung  gelitten  hatten,  auch  nicht  scrofulös ,  sondeni 
kräfticr  und  gesund  waren.  Die  Otitis  war  lOmal  einseitig,  besonders 
rechts"  (entsprechend  der  Thatsache,  dass  auch  die  Spitzenpneumonie  öfter 
rechts  als  links  vorkommt) ,  6mal  doppelseitig ;  sie  heilte  nicht  immev 
gut  ab,  sondern  ward  mehrmals  chronisch  und  führte  zu  Schwerhörigkeit 
und  sell-ist  zu  Caries  des  Schläfenbeins.  Steiner  hält  die  Pneumonie 
wie  die  Otitis  für  Cotjffekte  ein  und  derselben  Ursache,  der  Erkaltung, 
Nase.  Des  im  Laufe  der  ersten  Woche  öfter  erscheinenden  bald 
initialen  bald  pro-  oder  epikritischen  oder  kritischen  Nasenblutens  ist 
bereits  bedacht  worden.  Etwas  Secretion  der  im  Anfang  des  Fiebers  ohne 
Complication  meist  trockenen  Nase  wird  man  um  die  Zeit  der  Deferves- 
cenz  selten  vermissen,  öfter  stellt  sich  in  dieser  Zeit  auch  Niesen  ein. 
Haut.  Die  Haut  nimmt  in  verschiedeuer  Weise  am  pneuDwni- 
sehen  Processe  Antheil. 

Im  Beginne  der  Krankheit  zeigt  sich  oft  eine  ganz  auffällige  Blässe 
der  cfesammten  Haut,  zumal  im  Gesicht,  mit  oder  ohne  Convulsionen; 
bei  nachfolgender  starker  Temperatursteigerung  wird  nicht  selten ,  ge- 
wissermassen  als  Reaktionserscheinung  auf  diese  durch  Arterienkrampl 
entstandene  Blässe  ein  verbreitetes  oder  circumscriptes  und  auf  einzelne 
Körpertheile  (Arm ,  Brust ,  Ohren  u.  s.  w.)  bescliräuktes  Erythem  von 
kurzer  Dauer  beobachtet.  Bekanntlich  kommt  ein  solches  auch  häufig 
bei  Kindern  vor ,  die  trotz  heftigen  Fiebers  in  dicke  Federbetten  einge- 
hüllt wurden.  Bartliez  und  Rilliet  sahen  manchmal  statt  eines 
Erythems  isolirte  über  die  Oberfläche  des  Körpers  zerstreute  grössere 
Flecke,  die  eine  Verwechslung  mit  Masern  möglich  machten. 

Im  Verlaufe  der  Pneumonie  findet  sich  recht  häufig  eine  umschrie- 
bene Waugenröthe,  bald  auf  beiden,  bald  nur  auf  der  einen  Wange ,  je- 
doch nicht  so  regelmässig  auf  der  Seite  der  Infiltration ,  dass  man  be- 
stimmte durch  die  Nerven  vermittelte  Beziehungen  zwischen  beiden 
Afi'ektionen  vermuthen  müsste.  Vielleicht  ist  sie  öfter  nur  einfache 
Folge  der  Seitenlage.  Ferner  erscheint  mitunter  ein  oder  mehrere 
Tage  lang,  in  letzterem  Falle  bis  zur  {Krise  anhaltend  und  fort- 
während sich  erneuernd ,  ein  Erythem  oder  ein  Roseola-  und  Urticaria- 
ausschlag,  ausnahmsweise  auch  eine  Eruption  von  Pemphigus  (Jür- 
gen s  e  n,  J  u  r  a  s  z,  V  f.),  von'  Bläschen,  von  Acne  (bei  älteren  Kindern), 
von  Purpura  (Luzsinsky  1.  c.  32.  p.  261).  Jürgensen  (1.  c. p.  120) 
sah  einmal  unter  den  ungünstigsten  Wohnungsverhältnissen  multiple 
circumscripte  Hautgangrän.  Weit  häufiger  als  derartige  Affektionen 
sind  die  Herpeseruptionen ,  obgleich  dieses  Exanthem  bei  Kinderpneu- 


Tliomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  657 

monie  nach  meinen  Beobachtungen  wenigstens  entschieden  nicht  so 
häufig  wie  bei  pneumonischen  Erwachsenen  vorkommt  (vgl.  L  e  o  n- 
hardi  1.  c.  p.  383).  Dies  ist  auffällig,  wenn  man  die  beträchtliche 
Häufigteit  des  Herpes  im  kindlichen  Lebensalter  überhaupt  bedenkt. 
Uebrigens  ist  der  Herpes  bei  älteren  Kindern  öfter  als  bei  jüngeren  vor- 
handen. Er  erscheint  gewöhnlich  in  zerstreuten  grösseren  oder  klei- 
neren Gruppen  in  der  Mundgegend ,  besonders  am  Saume  des  Rothen, 
oder  auch  in  einiger  Entfernung  davon  auf  der  Lippenhaut ;  sodann  an 
den  Nasenöffnungen  ,  dem  Septum  und  auf  dem  Nasenrücken ,  an  den 
Augenlidern  und  Ohren,  sowie  schliesslich  an  jeder  beliebigen  Stelle  des 
Gesichtes  ;  hie  und  da  sieht  man  sogar  eine  rudimentäre  ähnliche  Affek- 
tion am  Gaumen  und  an  sonstigen  Theilen  der  Mundhöhle.  Interessant 
ist  sein  Vorkommen  als  symptomatisches  Exanthem  bei  Pneumonie  auch 
an  anderen  Körperstellen ,  z.  B.  der  Glutäalgegend ,  dem  After ,  den 
Extremitäten  ;  insbesondere  fand  ich  ihn  wiederholt  am  After,  und  zwar 
u.  a.  hier  bei  verschiedenen  Anfällen  desselben  Kindes.  Er  erscheint  in 
der  Regel  doppelseitig  und ,  wenn  einseitig  ,  ganz  ohne  Rücksicht  auf 
die  Seite  der  Pneumonie ,  vom  ersten  oder  wenigstens  zweiten  Tage  an 
bis  zum  Schlüsse  des  Fiebers ,  nur  selten  gelangt  er  erst  nach  der  Krise 
zum  Ausbruch.  Nach  den  Erfahrungen  bei  ErT\  achsenen  bevorzugt  er 
die  leichteren  (günstig  verlaufenden)  Fälle ;  für  Kinder  fehlt  eine  ge- 
naue Statistik,  doch  glaube  ich  nach  einem  ungefähren  Ueberschlag 
nicht,  dass  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  schweren  und  leichten 
Fällen  zu  constatiren  sein  wird.  Zoster  sah  ich  nie  die  Pneumonie 
compliciren.  Cyanotische  Hautfärbung  ist  in  schweren  Fällen  eine  ge- 
wöhnliche Er.scheinung ,  dagegen  scheint  Icterus  selten  bei  pneumoni- 
schen Kindern  vorzukommen. 

Während  der  kritischen  Periode  besonders  kommt  es  zu  heftigen 
Schweissen  und  in  deren  Folge  wohl  auch  hie  und  da  einmal  zu  Miliaria- 
eruptiouen ,  nach  ihr  erscheint  mitunter  Furunculosis  und  verbreitete 
Acne,  selten  Herpes. 

'  Vor  dem  letalen  Ausgang  können  unter  dem  Einflüsse  beträcht- 
licher UeberfüUung  der  Hautvenen  Ekchymosen  und  Purpuraflecke  be- 
obachtet werden  (West,  J.  f.  Kkh.  11.  p.  117). 

Harnorgane.  Die  Nieren  zeigen  im  Sectionsfall  venöse  Hyper- 
ämie zumal  bei  Thoraxdifformitäten ;  Schwellung  der  Rinde  und  fettig- 
körnige Degeneration  der  Harnkauälchenepithelien  sind  eine  nicht  sel- 
tene Erscheinung  und  finden  sich,  nach  den  Symptomen  zu  urtheilen, 
auch  in  genesenden  Fällen  öfters.  Nierenkelche ,  Ureteren ,  Harnblase 
sind  nur  ganz  selten  afficirt. 

Der  Harn  ist  spärlich,  dunkel,  von  hohem  specifischem  Gewicht 

42 

Haadb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


gjg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

(1020 — 1030),  stark  sauer.  Er  lässt  häufig,  besonders  in  der  Zeit  der 
Defervescenz ,  ein  Sediment  von  saurem  harnsaurem  Natron ,  das  be- 
kannte ziegelmehlartig  gefärbte  Sedimentum  lateritium,  fallen,  was 
sich  nach  Scheube  (Arch.  d.  Heilk.  1876.  XVII.  p.  204)  durch  seinen 
reichlichen  Gehalt  au  Harnsäure  wie  an  Säure  überhaupt  erklärt.  Die 
quantitativen  Verhältnisse  der  einzelnen  Harnbestandtheile  sind  die- 
selben wie  bei  Erwachseneu :  Harnstoff,  Harnsäure,  Kali  sind  vennelirt, 
Phosphorsäure  (Zülzer,  Charite  Ann.  1874,  I.  p.  683),  Natron  und 
Chlor  vermindert.  Die  Menge  der  Chloride  scheint  mir  nach  vielfachen 
Proben  (ohne  Controle  durch  genaue  Analysen)  bei  Kindern  nicht  so 
beträchtlich  wie  bei  Erwachsenen  aljzunehmen,  obgleich  eine  bedeutende 
Abnahme  unverkennbar  ist.  Geringe  Mengen  Eiweiss  und  einzelne 
Cylinder  mit  intakten  oder  degenerirten  Epithelien  und  Blutzellen  wer- 
den auf  der  Höhe  des  Fiebers  in  schweren  Fällen  nicht  selten  ausge- 
schieden ,  aber  nur  ausnahmsweise  sind  die  Zeichen  der  Nephritis  par- 
enchymatosa  Beweise  für  einen  intensiven  Process  in  den  Nieren. 

Complicationen.  Die  wichtigsten  Complicationen  der  cron- 
pösen  Pneumonie  sind  Pleuritis ,  Bronchitis ,  Pericarditis ,  Meningitis, 
Magendarmkatarrh  nebst  Folgen,  Nephritis. 

Die  Pleuritis,  jederzeit  bei  Pneumonie  vorhanden,  darf  dann  als 
Complication  betrachtet  werden ,  wenn  sie  besondere  Symptome  verur- 
sacht und  dadurch  den  Verlauf  der  Pneumonie  wesentlich  ändert.  Es 
ist  dies  ziemlich  häufig  der  Fall  und  geschieht  insbesondere  dann,  wenn 
sich,  unter  Ausbreitung  der  Entzündung  vom  betheiligten  Theil  der 
Pulmonalpleura  auf  die  gesammte  Pleura,  auch  ihr  Costalblatt,  ein 
reichliches  Exsudat  in  der  Pleurahöhle  ansammelt.  Meistens  ist  das- 
selbe serofibrinöser,  selten  eitriger  Natur.  Bei  doppelseitiger  Pneumonie 
kann  es  ein-  oder  doppelseitig  auftreten ,  bei  einseitiger  auch  auf  der 
pneumoniefreien  Seite  erscheinen.  Nachweisbar  ist  es  ausser  in  diesem 
letzteren  Falle  selbstverständlich  am  besten  Ijei  Pneumonie  der  Ober- 
lappen ,  weil  es  dann ,  bisherige  Integrität  der  Pleurahöhle  und  genü- 
gende Reichlichkeit  vorausgesetzt ,  unterhalb  der  Infiltration  sich  an- 
sammeln und  eine  besondere  Dämpfung  bewirken  muss ,  die  erst  bei 
beträchtlicherem  Umfange  sich  mit  der  pneumonischen  Dämpfung  ver- 
einigt; ich  weiss  nicht ,  warum  diese  von  Traube  (Ges.  Abhaudl.H. 
p.  2.52)  erörterte  Thatsache  vielfach  als  besondere  Eigenthümlichkeit 
der  Oberlappenpneumonie  vermerkt  wird.  Bei  Infiltration  des  Unter- 
lappens modificirt  das  Pleuraexsudat  nur  den  Symptomencomplex  der 
Pneumonie  und  ist,  wenn  wie  gewöhnlich  nicht  besonders  reichlicb, 
nicht  ganz  leicht  mit  Sicherheit  zu  diagnosticiren.  Es  vermehrt  die 
Dämpfung  und  verwischt  die  Grenzlinie  zwischen  den  beiden  Lappen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  659 

der  Lunge,  vermindert  die  Stimmvibration,  fixirt  die  kranke  Seite  bei 
der  Athmung  in  höherem  Grade ,  bewirkt  bei  genügender  Grösse  Ver- 
drängungssymptome, wie  sie  der  einfachen  Pneumonie  nicht  zukommen, 
verschwächt  aber  zumal  bei  kleinen  Kindern  das  bis  zur  Basis  hörbar 
bleibende  Bronchialathmen  in  der  Regel  nur  wenig ;  dabei  sind  die 
Brustschmerzen  meist  intensiver  und  jedenfalls  von  längerer  Dauer,  die 
Dyspnoe  stärker ,  die  Sprache  coupirter ,  das  Geschrei  kläglicher.  Die 
Zeichen  des  pleuritischen  Ergusses  erscheinen  in  der  Regel  erst  nach 
mehrtägigem  Bestehen  der  Pneumonie,  mitunter  nehmen  sie  in  gleichem 
Maasse  zi;,  wie  die  der  Pneumonie  abnehmen  und  treten  so  allmählich 
in  den  Vordergrund  des  Krankheitsbildes.  Im  Allgemeinen  richtet  sich 
der  Verlauf  der  durch  Pleuritis  complicirten  Pneumonie  auch  bei  Kin- 
dern darnach,  welche  von  beiden  Aö'ektionen  die  überwiegende  gewor- 
den ist.  Ueberwiegt  die  Pneumonie  (Pleuropneumonie)  und  bildet  sich 
-das  pneumonische  Exsudat  in  normaler  Weise  zurück,  was  in  der  Regel 
durch  die  Pleuritis  nicht  verhindert  wird,  so  erscheint  die  kritische  De- 
fervescenz  zur  gehörigen  Zeit  und  in  gehöriger  Weise,  und  es  beginnt 
-nach  ihr  die  Resorption  der  Produkte  beider  Affektioneu ;  vielleicht  er- 
innern allein  Reibungsgeräusche  in  der  Reconvalescenzperiode  an  die 
:dagewesene  Complication.  Gewinnt  aber  diese  die  Oberhand  (Pneumo- 
pleuritis), so  kann  sich  ein  mehrfaches  Verhalten  einstellen.  Entweder 
steigt  das  Fieber  sehr  bedeutend  und  führt  theils  direkt ,  theils  durch 
;die  unter  solchen  Umständen  sich  sehr  intensiv  entwickelnde  Local- 
atfektion,  zunächst  in  Folge  besonders  mangelhafter  Decarbonisation  des 
Blutes  und  Herzschwäche,  unerwartet  rasch  zum  Tode.  Oder  es  ermäs- 
sigt  sich  das  Fieber  nach  kurzer  Dauer  eines  hochfebrilen  Zustandes  auf 
den  bei  einfacher  Pleuritis  gewöhnlichen  Grad,  dauert  in  solcher  Stärke 
noch  eine  verschieden  lange  Zeit  hindurch  fort  und  verschwindet  erst 
allmählich  unter  Resorption  des  Exsudates ,  während  mittlerweile  auch 
die  Pneumonie  unvermerkt  zur  Abheilung  gelangt  war.  Jedenfalls  ist 
in  diesem  Falle  die  Genesung  eine  langsame  und  schwierige.  Endlich 
kann  der  weitere  Verlauf  auch  durch  die  verschiedenartigen  anderen 
Ausgänge  der  Pneumonie  wie  der  Pleuritis  (Empyem  ,  Pneumothorax, 
Durchbruch  des  Eiters  in  die  Lunge  mit  den  weiteren  Folgen  eines 
Lungenabscesses ,  interstitielle  Bindegewebswucherungen  in  der  Lunge 
nebst  Folgen  u.  s.  w.) ,  sowie  durch  den  Eintritt  der  an  Verkäsung  und 
anvollständige  Resorption  des  pleuritischen  Exsudates  sich  anschliessen- 
den Krankheitszustände  (Phthisis,  Miliartuberkulose)  ein  sehr  verschie- 
denartiger sein. 

\.        Verstopfung  der  kleinsten  Bronchien  mit  solidem   (Dama- 
■'schino  p.  17),  also  nicht  hohlem,  fibrinösem  Exsudat  bei  erhaltenem 

42* 


660  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Epithel  gehört  zu  den  normalen  anatomischen  Veränderungen  bei  crou- 
pöser  Pneumonie ;  allenfalls  sind   die  kleineren   Bronchien   etwas  ge- 
röthet,  während  die  Hauptbronchien  und  oberen  Luftwege  ganz  oder 
fast  ganz  frei  bleiben.    Es  darf  daher  nur  eine  Affektion  dieser  und  eine 
intensivere  Entzündung  der  Bronchiolen  mit  Absonderung  eines  ge- 
wohnlichen  oder  eitrigen  Exsudats  als  Complication  betrachtet  werden. 
Sie  giebt  sich  durch  heftigeren  Husten,    verschiedenartige  Rasselge- 
räusche und  grössere  Athmungsbeschwerden  ,  als  sie  die  einfache  crou- 
pöse  Pneumonie  begleiten,  zu  erkennen.  Ganz  selten  setzt  sich  die  fibri- 
nöse Exsudation  bis  in  die  grossen  Bronchien  des  afficirten  Lungen- 
stückes  fort  und  verstopft  ihr  Lumen  mehr  oder  weniger  vollständig, 
was ,  nebenbei  gesagt ,  nicht  etwa  als  Complication  der  Pneiunonie  mit 
idiopathischer  fibrinöser  Bronchitis   aufzufassen  ist  (vgl.  G rancher 
Gaz.  med.  de  Paris  1878.  p.  46).    In  den  meisten  Fällen  complicirender 
Bronchitis  handelt  es  sich  nur  um  einen  einfachen  aber  verbreiteten  und 
auch  auf  die  gesunden  Lungenabschnitte  ausgedehnten  katarrhalischen 
Process  und  können  bei  demselben  auch  Luftröhre  und  Kehlkopf  in 
Mitleidenschaft  gezogen  werden.    Dann  entstehen  je  nach  der  Intensität 
des  lokalen  Processes  mehr  oder  weniger  ernste  Beschwerden ,  insbe- 
sondere die  bekannten  Folgen  der  Bronchiolitis,  mit  Einschluss  der 
Bronchopneumonie  (cf.  Henoch,  Berl.  kl.  Wschr.  1866.  p.  112),  oder 
die  Zeichen  der  Laryuxstenose  u.  s.  w.,  Pericbondritis  laryngea  (s.  Ger- 
hardt 1.  c.  3.  Aufl.  p.  357) ,  und  es  kann  so  sogar  der  Tod  unter  äus- 
serster  Dyspnoe   und  Stauungssymptomen  von  Seiten  der  verschieden- 
sten Orgaue  herbeigeführt  werden.  Durch  geringfügige  Bronchitis  wird 
der  typische  Verlauf  der  croupösen  Pneumonie  nicht  oder  kaum  ein 
wenig ,  durch  intensive  Processe  aber  jedenfalls  verändert :  das  Fieber 
wird  mehr  ein  remittirendes ,  die  Krise  bleibt  aus  oder  ist  nur  unvoll- 
kommen, die  Resorption  des  Exsudates  findet  nur  partiell  statt,  es 
kommt  zu  weiteren   Complicationen  von   Seiten  anderer  Orgaue  und 
schliessen  sich  gern  Nachkrankheiten  an.     Leichte  acute  prodromale 
und  initiale  Bronchitiden  können  während  der  Ausbildung  und  des  Ver- 
laufes der  Pneumonie  unvermerkt  zur  Heilung  gelangen ,  so  dass  über 
vollkommen  infiltrirten  Partieen  ,  die  vorher  reichliche  Rasselgeräuscie 
gezeigt  hatten,  reines  Bronchialathmen  zu  vernehmen  ist. 

Selten  zeigt  sich  im  Verlaufe  der  Pneumonie  Hämoptoe,  wie 
dies  Schütz  (D.  Ztschr.  f.  pr.  Med.  1874.  L  p.  258)  bei  einem  7j. 
Knaben  in  stärkerem  Maasse  sah;  das  Kind  starb. 

Von  den  Her z af f ektionen  dürfte  Pericarditis,  zumal 
neben  stärkerer  Pleuritis ,  öfter  als  Complication  der  Kinderpneumonie 
vorkommen ,  als  sie  durch  die  Untersuchung  entdeckt  wird.    Bei  ge- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Symptomatologie.  661 

nauem  Anscultiren  hört  man  nicht  selten  ganz  leichte  schabende  Ge- 
räusche ,  die  indessen  bei  Abwesenheit  aller  anderen  Zeichen  für  jetzt 
wie  für  später  nur  mehr  den  Verdacht  auf  Pericarditis  zu  begründen 
vermögen.  In  intensiven  Fällen  findet  man  ein  deutliches  Reibungso-e- 
rausch  oder  eine  entsprechend  ausgedehnte  Dämpfung,  stärkere  Füllung 
der  Halsvenen  und  deutliche  Cyanose ,  der  Puls  ist  kleiner  und  etwas 
irregulär,  die  Dyspnoe  und  Schmerzhaftigkeit  stärker.  Pericarditis  kann 
schon  in  den  ersten  Tagen  der  Pneumonie  ohne  Rücksicht  auf  deren 
Sitz  auftreten  und  modificirt  deren  Krankheitsbild ,  wenn  sie  massig 
bleibt,  nicht;  intensivere  Affektionen  aber  verhindern  eine  rasche  und 
vollständige  Defervescenz  und  führen  leicht  weitere  Complicationen  her- 
bei. In  Fällen ,  die  aus  irgendwelchem  Grunde ,  besonders  durch  Pleu- 
ritis, in  früher  Krankheitsperiode  tödtlich  verlaufen  ,  ist  sie  ein  nicht 
seltener  Sectionsbefund ;  das  Exsudat  ist  dabei  gewöhnlich  sehr  reich- 
lich, serofibrinös  oder  eitrig.  Bei  Eintritt  der  Genesung  wird  entweder 
die  vollkommene  Norm  wiederhergestellt ,  oder  es  kommt  zu  partieller 
Verwachsung  beider  Blätter  oder  zur  gänzlichen  Obliteration  des  Herz- 
beutels mit  ihren  dauernden  Folgen  für  die  Circulation.  E  n  d  o  c  a  r- 
ditis  ist  bei  kindlichen  Pneumonikern  nur  selten,  meistens  neben 
Pericarditis,  vorhanden ;  sie  kündigt  sich  durch  die  gewöhnlichen  Zei- 
chen an  und  modificirt  den  Verlauf  der  Pneumonie  je  nach  ihrer  Form 
und  Intensität  in  verschiedenartiger  Weise,  z.  B.  durch  Embolieen. 
Auch  Myocarditis  kommt,  und  zwar  unter  den  gleichen  Verhält- 
nissen, selten  vor.  Dagegen  sind  Structuranomalieen  der  Muskelfasern 
des  Herzens  in  tödtlichen  Fällen  eine  ziemlich  häufige  Erscheinung,  und 
dürfte  sich  aus  den  Spnptomen  der  Herzschwäche  neben  Modificationen 
der  Töne  die  Annahme  ihrer  Anwesenheit  auch  in  genesenden  Fällen 
rechtfertigen  lassen. 

Unter  den  Complicationen  von  Seiten  des  Nervensystems  sind 
die  häufigsten  dieHyperämieen  des  Hirns  und  der  Hirnhäute ;  sie 
sind  theils  alleinige  Erkrankung ,  theils  mit  anderweitigen  Affektionen 
derselben  Theile ,  als  Oedem  der  Hirnhäute,  intrameningealen  Extra- 
vasaten, sowie  capillären  Apoplexieen  des  Hirns  verbunden.  Allerdings 
dürften  öfters  diese  Blutüberfüllungen  nicht  viel  mehr  als  eine  aus  den 
letzten  Stunden  des  Lebens  herrührende  Stauungserscheinung  sein, 
keinenfalls  sind  indessen  alle  Fälle  auf  diese  Weise  zu  beurtheilen.  Ins- 
besondere wird  man  gewiss  nicht  oft  irren ,  wenn  man  bei  geringeren 
Graden  einzelner  Symptome,  als  deren  anatomische  Grundlage  man 
schliesslich  in  den  schwersten  tödtlichen  Fällen  Meningitis  entdeckt,  in 
minder  schweren  und  genesenden  Fällen  und  zumal  im  Anfang  der 
schweren  Hirnsymptome,  das  Vorstadium  der  Meningitis ,  die  arterielle 


gg2  Krankheiten  der  Athmungsorgaue.     Lunge. 

Hyperämie  des  Schädelinlialtes  und  ihre  unmittelbarsten  Folgen,  anzu- 
nehmen  sich  berechtigt  glaubt.  Dabei  verkenne  ich  natürlicherweise 
nicht,  dass  diese  Symptome  theilweise  eine  grosse  Aehnliclikeit  und  so- 
gar völlige  Uebereinstimmung  mit  denjenigen  trüber  (p.  653)  aufge- 
führten besitzen  können,  welche  Folge  hochgesteigerter  Eigenwäniie 

sind eine  Genese ,  die  möglicherweise  dadurch  leicht  erkannt  werden 

kann ,  dass  diese  Erscheinungen  verschwinden ,  wenn  die  Temperatur 
während  des  Verlaufes  der  Pneumonie  aus  irgendwelchem  Grunde  sich 
bedeutend  erniedrigt.  Uebrigens  können  auch  beide  Momente ,  Fieber 
wie  örtliche  Entzündung,  an  der  Entstehung  der  Hirnsymptome  bethei- 
ligt sein  und  die  letztere  daher  von  demjenigen  gänzlich  übersehen  wer- 
den ,  der  auf  die  febrile  Genese  ein  gar  zu  grosses  Gewicht  legt.  Die 
Zeichen  der  Hirnhyperämie  stellen  sich  vorzugsweise  bei  Affektioneu 
der  Oljerlappen  und  zwar  bald  im  Beginn  der  Erkrankung  ein ,  oder 
kurze  Zeit  darnach,  oder  erst  einige  Tage  später,  nachdem  die  Infiltra- 
tion entschieden  nachweisbar  geworden  ist ,  oder  sich  vollständig  her- 
gestellt hat.  Man  hat  in  diesen  letzteren  Fällen  gemeint,  dass  ein 
Druck  des  durch  die  Infiltration  angeschwollenen  Lungenspitzenab- 
schnittes auf  die  grossen  Venen  in  der  oberen  Thoraxapertur  an  der 
Entstehung  der  Hirnstörung  mitbetheiligt  sein  möchte;  von  anderer 
Seite  (Laver an)  wird  auf  Veränderungen  im  Gebiete  des  Halssym- 
pathikus, die  auf  ähnliche  Weise  hervorgerufen  sein  möchten,  aufmerk- 
sam gemacht.  Nicht  selten  schwinden  in  genesenden  Fällen  die  betref- 
fenden Hirnsymptome  in  der  Nähe  der  Krise  oder  mit  derselben ,  imd 
bleibt  mit  Ausnahme  des  Umstaudes ,  dass  die  Defervescenz  etwas  ver- 
zögert wird ,  der  typische  Verlauf  der  Pneumonie  ungestört.  In  tödt- 
lichen  Fällen  kann  eine  Hirnhyperämie  das  aus  anderen  Ursachen  nicht 
abzuwendende  Ende  beschleunigen  ,  auch  ohne  dass  es  zur  Entwicklung 
einer  Meningitis  kommt ;  bei  intensiver  Entwicklung  führt  sie  sogar 
den  Tod  direkt  herbei  (cf.  Ger  hardt,  Lehrb.  d.  Kdrkkh.  1861.  p.  207), 

Meningitis  kann  in  dreierlei  Formen  zur  croupösen  Pneumonie 
hinzutreten :  als  einfache  entzündliche  Meningitis ,  als  infektiöse  Cere- 
brospinalmeningitis,  endlich  als  granulöse  Basilarmeningitis. 

Die  erstere  Form  ist  eine  Folge  der  gesteigerten  Hyperämie  des 
Schädel  Inhaltes  und  erscheint  daher  bei  ähnlichem  Verlaufe  nur  etwas 
später  als  diese.  Das  Exsudat ,  bei  kleinen  Kindern  meist  eiteriger, 
selten,  wie  mehr  bei  älteren,  hämorrhagischer  oder  seröser  Natur,  ist 
auf  der  Convexität  wie  der  Basis  vorhanden ,  auf  ersterer  insbesondere 
neben  den  Gefässen  und  zwischen  den  Gyris  abgelagert;  öfter,  zumal 
bei  Kindern  mit  nicht  geschlossenem  Schädel,  ist  ein  Erguss  in  die 
Seitenventrikel  voi'handen.     Auch  besteht  mitunter  Hirnsinusthrom- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Symptomatologie.  663 

bose ;  selten  sind  die  Spinalmeningen  mit  afiicirt.   Die  Entwicklung  der 
Hyperämie  zur  Entzündung  kündigt  sich  in  der  Regel  durch  weit  in- 
tensivere Symptome  au,  als  sie  der  einfachen  akuten  Congestion  zukom- 
men.   Solche  meningitische  Symptome  sind  intensives  Kopfweh,  bei 
kleinen  Kindern  eintöniges  Wimmern   und  Aechzen  und  zeitweiliges 
lautes  Aufschreien,  schmerzhafter  Gesichtsausdruck,  Hyperästhesie  gegen 
Sinnesempfindungen  aller  Art  und  schliesslich  Sinneslähmung,  Nacken- 
starre,  Trismus,  paralytischer  und  spastischer  Strabismus,  fixe  Parallel- 
stellung der  Bulbi ,  ungleiche ,  besonders  ungleich  erweiterte  Pupillen, 
die  ophthalmoskopischen  Zeichen  einer  Neuritis  optica  und  Retinitis, 
auch  serös-eitrige  Infiltration  des  Orbitalzellgewebes  und  Exophthalmus, 
Chorioiditis  und  Iritis ,  mehr  oder  weniger  verbreitete  Facialislähmung 
und  Facialiskrampf,  Tremor,  Zähneknirschen,  selbst  verbreitete  convul- 
sivische  Anfälle ,  Parese  und  Paralyse  der  Schlingmuskeln ,  schwerste 
Schlaflosigkeit  und  Aufregung  mit  Hallucinationen  und  Delirien  hef- 
tigster Art  bis  zu  äusserster  Apathie,  Betäubung  und  Coma,  im  Anfange 
heftiges  Erbrechen,  Irregularität  und   Verlangsamung  von  Puls  und 
Respiration  bei  Fortdauer  hohen  Fiebers ,  Retentio  urinae  und  hart- 
näckige Verstopfung  bei  eingesunkenem  Leib ,  ja  selbst  verschiedenar- 
tige Steifigkeit  des  Rumpfes,  Hemi-  uud  Paraparesen ;  die  letzteren  Er- 
scheinungen besonders  dann ,   wenn  die  Entzündung  auf  die  Spinalme- 
uingen  übergreift.  Insbesondere  sprechen  die  intensiveren  peripherischen 
Reizungs-  und  die  Lähmungssyraptome ,  die  Erscheinungen  des  Hirn- 
drucks, sowie  der  abnorme  Augenspiegelbefund  für  allgemeine  Menin- 
gitis der  Basis  wie  der  Convexität ,  zumal   bei   niedriger  Eigenwärme, 
während  psychische  Symptome  allein  in  Verbindung  mit  hoher  Tem- 
peratur die  Möglichkeit  einer  rein  febrilen   Genese  nicht  völlig  aus- 
schliessen.    Hier  ist  indessen  zu  bedenken ,  dass  auch  bei  jungen  Kin- 
dern mit  offenen  Fontanellen  und  nichtverwachsenen  Schädelknochen 
der  Verlauf  nur  durch  schwere  psychische  Symptome  ausgezeichnet  sein 
kann,  abgerechnet  etwa  reflektorisch  erregte  Krampfanfälle  und  sonstige 
motorische  Reizungssymptome  von  geringerer  Bedeutung,  die  wie  Ver- 
drehen der  Augen,  lokale  Zuckungen  u.  s.  w.   auch  auf  unbedeutende 
Veranlassungen  hin  bei  Gesunden  oder  an  leichtesten  Störungen  Lei- 
denden vorkommen.    Ja  Mauthner  (J.  f.  Kkh.  20.  p.  268)  verlor  so- 
gar einmal  ein  Smonatliches   Kind  an  rechtseitiger  Pleiiropneumonie, 
welches ,  trotzdem  »im  Leben  nichts  von  Hirnzufällen  zu  beobachten 
gewesen  war«,ü"ber  beiden  Hemisphären  eine  »pseudomembranöse  lauch- 
grüne Exsudatschichte«  zeigte.    Abgesehen  von  diesen  Fällen  beherr- 
schen die  complicatorischen  meningitischen  Erscheinungen  in  der  Regel 
das  gesammte  Krankheitsbild  der  Pneumonie  und  führen  rasch  bei  jed- 


gß4  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

weder  Ausbildung   derselben  zum   Tode ;  je  zarter  das  Kind ,   um  so 
schneller  erscheint  der  finale  CoUaps. 

In  dem  grossen  Epidemiezuge ,  den  die  Cerebrospiualmeuiugitis  im 
Anfange  der  sechziger  Jahre  begann ,  ist  sie  auch  als  Complication  der 
croupösen  Pneumonie  aufgetreten ,  allerdings  im  Allgemeinen  ziemlich 
selten,  indessen  befiel  sie  auffälligerweise  an  manchen  Orten,  wie  z.  B. 
in  Erlangen  nach  den  Mittheilungeu  von  Immermann  und  Heller 
sowie  Maurer,  mit  eigenthümlicher  Vorliebe  gerade  die  pneumoni- 
schen Kranken.  Die  Affektion  erscheint  in  der  Regel  nicht  gleich  am 
Anfang ,  sondern  erst  nach  verschieden  langem  uud  wenigstens  mehr- 
tägigem Verlaufe  der  Pneumonie,  und  zwar  in  möglicherweise  ganz 
normalen  Fällen.  Die  bis  dahin  unruhigen  Kinder  werden  mit  ihrem 
Eintritt  immer  ruhiger  und  apathischer ,  somnolenter  und  schliesslich 
comatös;  .sie  athmen  weniger  frequeut,  aber  irregulär;  gleichzeitig  oder 
bald  darauf  kommen  heftige  klonische ,  seltener  tonische ,  allgemeine 
oder  auf  eine  Körperseite  oder  nur  einzelne  Theile  beschränkte  Krämpfe 
von  verschiedener  Dauer,  Intensität  und  Localisation ,  und  wiederholen 
sich  in  verschiedener  Häufigkeit  bis  zum  Tode.  Bei  Kindern  mit  noch 
nicht  geschlossener  Fontanelle  pflegt  dieselbe  gespannt ,  zum  Theil 
hochgradig  gespannt  zu  sein ,  entsprechend  dem  massenhaften  serös- 
eitrigen Exsudat  an  der  gesammten  Peripherie  des  Hirns ,  beziehentheh 
in  den  Ventrikeln.  Unter  hochgradiger  Steigerung  der  Körperwärme 
kommt  es  wohl  ausnahmslos  zum  letalen  Ausgang ,  gewöhnlich  nach 
zwei  bis  drei  Tagen,  seltener  rascher  oder  langsamer. 

In  seltenen  Fällen,  bei  schwächlichen  Kindern  insbesondere  phthi- 
sischer Abstammung,  entsteht  wohl  auch  im  Verlaufe  der  croupösen 
Pneumonie  die  laugsamer  aber  ebenso  sicher  zum  Tode  führende  gra- 
nulirte  Meningitis ,  theils  isolirt ,  theils  als  Theilerscheinuug  einer  all- 
gemeinen Miliartuberculose.  Ihr  Verlauf  hat  nichts  Eigenthümhches 
(vgl.  den  Fall  von  Seur,  J.  f.  Kkh.  .57.  p.  351). 

Von  den  Complicationen  der  V  e  r  d  a  u  u  n  g  s  o  r  g  a  n  e  müssen  die- 
jenigen katarrhalischen  und  andersartigen  Affektionen  ausgenommen 
werden ,  welche  in  früherer  Zeit ,  als  man  den  Pneumonikern  Meveur 
sowie  schleimhautreizende  Medikamente  (Brechweinstein  u.  a.)  in  gros- 
sen Mengen  verabreichen  zu  mü.ssen  glaubte,  künstlich  erzeugt  wurden. 

Bei  kleinen  Kindern  beginnen  öfters  im  unmittelbaren  Anschluss 
au  die  luitialerscheiuuugen  der  Pneumonie  oder  entstehen  bald  nachher 
die  Symptome  eines  Mag  endarmkatarr  hs,  reichliches  anhaltendes 
Erbrechen  mit  Diarrhoe  und  Leibschmerzen,  und  werden  unter  Um- 
ständen so  intensiv,  dass  sie  sogar  die  LungenafFektion  zu  maskiren,  den 
Fiebergang  zu  verändern  und  die  Defervescenz  hinauszuschieben  ver- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Symptomatologie.  665 

mögen ;  aucli  sind  kleine  Kinder  durch  diese  Affektion  in  hohem  Grade 
gefährdet  und  können  ihr  sogar  bei  massiger  Intensität  der  Pneumonie 
erliegen. 

Von  Leber  affektionen  kommt  fast  nur  die  Stauungshyperämie  mit 
ihren  unter  Umständen  beträchtlichen  Folgen  als  Complication  der 
Pneumonie  vor ;  sie  giebt  sich  nicht  immer  allein  durch  ihre  örtlichen 
direkten  Zeichen,  sondern  mitunter  auch  durch  eine  stärkere  als  IjIos 
minimale  Gelbfärbung  der  Conjunctiva  wie  der  Haut  zu  erkennen. 
Dieses  Verhalten  findet  nicht  nur  bei  älteren  Kindern,  sondern  auch  bei 
Säuglingen  statt,  wie  Steiner  (Comp.  1872.  p.  171)  berichtet.  Etwas 
Anderes  scheint  S  t  e  f  f  e  n  (Klin.  d.  Kdrkkh.  I.  p.  200)  gesehen  zu  haben, 
der  im  Beginne  der  »Cerebralpneumonie«  eines  9j.  Knaben,  welche 
im  linken  unteren  Lappen  in  sonst  regelmässiger  Weise  verlief,  deut- 
liche Erscheinungen  von  »intensiver  Leberhyperämie«  beobachtete.  Ent- 
schiedener Icterus ,  immer  nur  Folge  eines  gleichzeitigen  Katarrhs  des 
Auslührungsganges  der  Galle ,  ist  jedenfalls  eine  nicht  allzu  häufige 
Complication  der  Kinderpneumonie  und  selten  —  eine  bei  der  Häufig- 
keit der  Magendarmaffektionen  ziemlich  auffallende  Erscheinung  —  von 
grösserer  Intensität.  Uebrigens  pflegt  er  von  Nerven-  und  anderen 
schweren  Symptomen ,  wie  öfters  bei  Erwachsenen ,  nicht  begleitet  und 
ohne  Einfluss  auf  die  Dauer  der  Pneumonie  zu  sein.  Eine  Pulsverlang- 
samung  wird  er  hier  ebenso  wenig  herbeiführen ,  als  er  dies  bei  ein- 
fachem Erscheinen  im  Kindesalter ,  mit  Ausnahme  etwa  der  ältesten 
Kinder,  thut. 

Obgleich  parenchymatöse  Nephritis  im  Verlaufe  der  croupösen 
Pneumonie  ziemlich  oft  auftritt,  und  zwar  als  Folge  andauernd  hoch- 
gesteigerter Eigenwärme,  so  ist  sie  doch  nur  selten  als  Complication  zu 
betrachten,  insofern  besondere  Krankheitssymptome  ausser  den  bei  der 
Untersuchung  des  Harnes  sich  ergebenden  in  der  Regel  wenig  inten- 
siven Krankheitszeichen  (Harnkanälchenkatarrh)  gewöhnlich  fehlen. 
Uebrigens  werden  leichte  Schmerzen  in  der  Nierengegend  der  heftigen 
Brustschmerzen  und  des  ungenügenden  Localisationsvermögens  der  Kin- 
der wegen  gewiss  oft  übersehen.  Einfache  geringfügige  Albuminurie 
hat  meistentheils  keine  besondere  Bedeutung ;  sie  ist  Folge  der  Stau- 
ungshyperämie der  Nieren,  welche  während  des  Verlaufes  der  Pneu- 
monie entsteht.  Nur  bei  sehr  reichlicher  Albuminurie  oder  entschie- 
dener Hämaturie  muss  die  Nephritis  als  Complication  aufgefasst  wer- 
den ;  etwaige  hydropische  Erscheinungen,  in  der  Regel  leichtester  Art, 
dürfen  dann  gewiss  auch  mit  Recht  als  ihre  Folge  gelten.  Bei  exces- 
siver  Intensität  der  Nephritis  können  der  typische  Verlauf  der  Pneu- 
monie und  ihre  Fieberverhältnisse  gestört  werden.    Es  ist  wünschens- 


ßßQ  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

werth,  dass  besonders  bei  epidemiscbem  Auftreten  der  Pneumonie  dieser 
Affektion  mehr  Beachtung  geschenkt  werde,  als  bisher,  wie  denn  über- 
haupt die  epidemischen  Pneumonieen  ganz  besonders  durch  die  Häufig, 
keit  ihrer  Complicatiouen  ein  sehr  interessantes  und  zum  eingehenden 
Studium  geeignetes  Kapitel  abgeben  dürften. 

Als  Complicationen  von  Seiten  der  Haut  dürften  zum  Theil  schon 
die  p.  656  genannten  Affektionen  betrachtet  werden,  welche  dort  auf- 
o-eführt  sind  ,  weil  sie  sich  innerhalb  des  regelmässigen  Verlaufes  der 
Pneumonie  zu  entwickeln  pflegen.  Von  sonstigen  Affektionen  ist  das 
Anasarka  hervorzuheben ,  welches ,  in  gleichem  Maasse  einflusslos  wie 
obige  Hautleiden ,  bei  anämischen  Kindern  während  der  febrilen  Pe- 
riode  an  verschiedenen  Körpertheilen  (Gesicht,  untere  Extremitäten 
u.  s.  w.),  ohne  jedwede  Zeichen  von  Nierenerkrankung  sich  entwickeln 
kann,  und  in  der  Periode  der  Aderlässe  wegen  Pneumonie  häufiger  war 
als  jetzt.  Eine  seltene  Complication  —  bei  Disponirten  vielleicht  durch 
starke  Cougestionsröthe  der  Wangen  veranlasst  -  ist  Gesichtserysipel; 
es  verzögert  sein  Erscheinen  während  der  febrilen  Periode  der  Pneu- 
monie die  Defervescenz. 

Von  den  Affektionen  der  Sinnesorgane,  die  gewiss  auch  als 
Complicationen  gelten  dürfen,  habe  ich  das  Nöthige  schon  oben  (p.  655) 
gesagt.  Ich  erwähne  hier  nur  im  Anschluss  an  eine  neueste  Mittheilung 
von  Schreiber  (D.  Arch.  i.  klin.  Med.  1878.  XXI.  1.  p.  56),  dass 
schon  Jäger  die  für  Pueumonie  nicht  charakteristische  Stauungshy- 
perämie des  Auges  gesehen  hat. 

In  eigenthümlicher  Weise  kann  Malariainfektion  den  pneumo- 
nischen Process  compliciren ,  insofern  die  Infiltration  gerade  während 
der  Anfälle,  welche  gewöhnlich  schwer  sind ,  erheblich  zunimmt.  Da 
mir  Beobachtungen  über  den  Verlauf  solcher  Fälle  bei  Kindern  nicht 
zu  Gebote  stehen,  so  verweise  ich  des  Näheren  wegen  auf  Griesinger, 
Infektionskkh.  2.  Aufl.  p.  54  und  Hertz,  Ziemss.  Path.  II.  2.  2.  Aufl. 
p.  818;  es  ist  indessen  fraglich,  ob  derartige  Lungenentzündungen 
croupöser  Natur  sind.  Diejenigen  mit  Malaria  complicirten  Pneumo- 
nieen, welche  Bohu  (Jbch  f.  Khkde  1873.  VI.  p.  138)  beobachtete,  für 
deren  croupöse  Natur  aber  freilich  beim  Mangel  von  Sectionsf allen  auch 
nicht  vollkommene  Garantie  geleistet  werden  kann,  waren  »von  vorn- 
herein physikalisch  klare  Entzündungen  der  Lunge,  welche  entweder 
von  Anfang  an  im  typischen,  täglichen  oder  tertianen,  Wechsel  aller 
Erscheinungen  verliefen ,  oder  bei  welchen  sich  derselbe  erst  im  wei- 
tei-en  Verlaufe  in  auffälliger  Weise  bemerklich  machte.  »Der  Anfall 
begann  mit  Frost  und  war  durch  starke  Steigerung  der  Hitze,  Aufregung, 
vermehrte  Dyspnoe ,  quälenden  Hustenreiz  und  Seitenstiche,  blutigen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Symptomatologie.  667 

Auswurf  ausgezeichnet,  von  welchen  Erscheinungen  die  meisten  vorher 
sehr  gemindert  oder  zum  Theil  schon  verschwunden  waren ;  ein  reich- 
licher Schweiss  machte  oft  den  Beschluss.  Die  physikalischen  Zeichen 
an  der  Lunge  erhielten  sich  im  Gleichen  während  des  Aufalles,  oder  die 
Dämpfung  erschien  stärker  und  das  Bronchialathmen  vollkommener. 
Niemals  sah  B.  einen  tödtlichen  Ausgang,  und  fand  einigemal  bestätigt, 
was  Wunderlich  angiebt ,  dass  die  Anfälle  nach  zwei  bis  drei  Paro- 
xysmen  spontan  schwächer  geworden  waren  und  der  intermittirende 
Charakter  sich  von  selbst  verwischte.  Meistens  war  diese  Wahrneh- 
mung durch  eine  frühzeitige  Verabfolgung  von  Chinin  verhindert.  So 
stellte  sich  Interniittens  und  Pneumonie  meistens  als  einfache  Compli- 
cation  dar ,  und  es  blieb  nur  zweifelhaft ,  welche  von  beiden  Erkran- 
kungen die  hinzugetretene  war.  Andremal  schien  die  Pneumonie  unter 
dem  Einflüsse  des  en-  und  epidemischen  Wechselfiebers  einen  inter- 
oder  remittirenden  Verlauf  einzuschlagen  ,  wie  solcher  in  Sumpfgegen- 
den oder  zur  Zeit  ausgedehnter  Wechselfieberepidemieen  auch  vielen 
anderen  Krankheiten  eigen  zu  sein  pflegt. 

Die  Erwähnung  andersartiger  Complicationen  dürfte  nur  von  Werth 
für  die  Pneumonie  der  Erwachsenen,  nicht  der  Kinder  sein ;  wenigstens 
finde  ich  an  den  betrefi'enden  Orten  nicht  ausdrücklich  der  Kinder  ge- 
dacht. Ich  übergehe  sie  daher  ebenso  wie  die  ganz  zufälligen  Affek- 
tionen, die  hin  und  wieder  einmal  eine  Complication  bildeten. 

Recidive.  unter  einem  Recidiv  der  croupösen  Pneumonie  ver- 
stehe ich  jede  neue  croupös-pneumonische  Affektion,  welche  beginnt, 
bevor  die  erste  Pneumonie  ihren  gesetzmässigen  Abschluss  gefunden 
hat.  Es  darf  also  ein  Recidiv  nur  da  angenommen  werden,  wo  die  Rück- 
bildung des  vorhergegangenen  wesentlichen  Krankheitsprocesses  voll- 
kommen sichergestellt  ist.  Dies  ist  aber  dann  der  Fall,  wenn  nicht  nur 
unzweideutige  akustische  Zeichen  die  begonnen  habende  Resorf)tiou  an- 
zeigen ,  sondern  auch  eine  vollständige  Entfieberung  stattgefunden  und 
mindestens  so  lange  angehalten  hat,  dass  eine  Pseudokrise  ausgeschlossen 
ist.  Indessen  ist  auf  die  vorherige  Entfieberung  nur  bei  normalem 
Krankheitsverlauf  besonderes  Gewicht  zu  legen  und  dieselbe  in  solchen 
Fällen  weniger  zu  betonen,  deren  febriles  Stadium  einzig  und  allein 
durch  eine  hinzugetretene  Complication  übermässig  verlängert  wird, 
während  sich  die  ursprüngliche  Affektion  in  entschiedener  Rückbildung 
befindet.  War  daher  dieselbe  noch  gar  nicht  in  die  Rückbildungspe- 
riode eingetreten ,  als  die  neue  Affektion  begann ,  so  handelt  es  sich 
nicht  um  ein  Recidiv  ,  sondern,  je  nach  den  Umständen,  um  eine  sacca- 
dirt  fortschreitende ,  gewöhnlich  mehrlappige ,  oder  auch  wohl  um  eine 
intermittirende  Pneumonie ;  existiren  zur  Zeit  der  neuen  Affektion  ir- 


668  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

gendwelche  wesentliche  Krankheitserscheinungen  von  der  vorherge- 
gangenen  Störung  nicht  mehr,  so  ist  eine  neue  primäre  Pneumonie  Tor- 
handeu ;  hat  aber  endlich  die  Rückbildung  der  Entzündungsreste  einen 
anomalen  Verlauf  genommen,  bei  welchem  niemals  eine  vollständige 
Wiederherstellung  des  früheren  Gesundheitszustandes  zu  erwarten  steht, 
und  erfolgt  nunmehr  eine  neue  Entzündung,  so  ist  diese  ebenfalls  als 
ein  neuer  Anfall  der  croupösen  Pneumonie,  jedoch  secundärer  Natur,  zu 
betrachten.  Der  Willkür  bei  Beantwortung  der  Frage ,  ob  etwas  Re- 
cidiv  sei  oder  nicht ,  dürfte  also  nach  der  obigen  Definition  und  Ausein- 
andersetzvmg  nur  ein  sehr  geringer  Spielraum  verbleiben ,  nämlich  nur 
insofern,  als  weder  der  Anfang  der  Rückbildung  eines  gesetzten  Exsudats 
noch  der  Anfang  einer  etwaigen  anomalen  Umwandlung  desselben,  weil 
beide  ja  nur  nach  klinischen  Momenten  beurtheilt  werden  können,  eine 
vollkommen  scharfe  Zeitbestimmung  erlauben  ,  und  ferner  bei  nur  ge- 
ringer Abweichung  der  Dauer  der  intercurrenten  Temperatursenkung 
von  der  Dauer  einer  Pseudokrise  die  Annahme  einer  solchen  nicht  im- 
mer gänzlich  ausgeschlossen  erscheinen  könnte. 

Nach  dieser  strengen  Anschauung  vom  Recidiv  der  croupösen  Pneu- 
monie sind  derartige  Affektionen  eine  entschieden  seltene  Erscheinung, 
ßinz  (Beob.  zur  inn.  Klin.  p.  131)  ist  der  Einzige  ,  der,  soweit  ich  die 
pädiatrische  Literatur  durchgesehen  habe,  eine  solche  Beobachtung  ver- 
öffentlicht hat ;  übrigens  besteht  auch  hier  noch  ein  geringer  Verdacht 
dafür,  dass  es  sich  nur  um  eine  ungewöhnlich  rasch  der  ersten  folgende 
neue  Affektion  gehandelt  habe.  Der  Fall  ist  um  so  interessanter,  als  es 
sich  um  eine  binnen  14  Tagen  zw  ei  mal  in  derselben  Lungenpartie, 
dem  rechten  unteren  Lappen,  recidivirende  Pneumonie  handelte;  sie 
betraf  einen  3j.  Knaben,  der  vollständig  genas.  Die  analoge  Beobach- 
tung machte  Jürgensen  (Ziemss.  Hdbch  V.  2.  Aufl.  p.  154)  bei  einem 
Erwachsenen. 

Aehnliche  Fälle  berichteten  und  nannten  zum  Theil  Eecidiv:  Fried- 
leben (Arch.  f.  phys.  Heilk.  VI.  p.  175),  Witt  ich  (1.  c.  p.  87),  He- 
noch  (Beil.  kl.  Wsehr.  1866  p.  114  und  Beitr.  z.  Khkde.  1868  p.  168), 
Tordeus  (1.  c).  Es  sind  Fälle,  in  denen  der  zweite  Anfall  so  kurze 
Zeit  nach  dem  ersten  auftritt,  dass  theilweise  wenigstens  die  Eeconva- 
lescenz  unmöglich  schon  abgeschlossen  sein  und  der  alte  Kräftezustand 
sich  noch  nicht  wiederhergestellt  haben  konnte.  Indessen  ist  es  jeden- 
falls wahrscheinlich ,  dass  sich  die  lokalen  Veränderungen  beim  Erschei- 
nen des  zweiten  Anfalles  vollständig  resorbirt  hatten,  ja  zum  Theil  ist 
dies  ausdrücklich  bemerkt :  es  handelte  sich  also  nicht  um  ein  eigent- 
liches Recidiv  im  obigen  Sinne,  sondern  um  einen  ganz  kurze  Zeit  nach 
dem  ersten  erschienenen  neuen  Anfall.  Immerhin  ist  dessen  so  baldiges 
Auftreten  interessant  genug,  um  die  Veröffentlichung  der  Fälle  zu  recht- 
fertigen. Die  zweite  Affektion  betraf  im  Fall  von  Tordeus  die  gleiche, 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  669 

bei  Henoch   und    Wittich   eine   andere   Lungenpartie   als    die   zuerst 
befallene,  und  verlief  unter  den  gewöhnlichen  Symptomen  günstig. 

Ausgänge.  In  den  allermeisten  Fällen  endet  die  primäre  crou- 
pöse Kinderpneumonie  in  vollkommene  Genesung,  und  zwar  gewöhn- 
lich innerhalb  zwei  bis  vier  Wochen ,  von  denen  der  vierte  bis  dritte 
Theil  auf  die  febrile  Periode  fällt ,  während  schwerste  Pneumonieen  die 
doppelte  Zeit  zur  Heilung  beanspruchen  können.  Verhältuissniässig 
selten  wird  durch  einen  sehr  protrahirten  Verlauf  der  Verdacht  der 
Entwicklung  von  Nachkrankheiten  erregt.  Insbesondere  sind  es  von 
nichtcomplicirten  AfFektionen  mitunter  Pneumonieen  der  Oberlappen, 
welche  sich  durch  eine  zweiwöchentliche  und  längere  Fieberdauer  aus- 
zeichnen können ,  trotzdem  aber  innerhalb  der  nächsten  ¥/ochen  ,  also 
weit  langsamer  als  gewöhnlich,  vollkommen  verschwinden.  Vgl.  Buhl, 
Mittheil,  aus  d.  path.  Instit.  zu  Münch.  Stuttg.  1878.  p.  182.  Com- 
plicationen  verlängern  die  Krankheitsdauer  meistentheils  beträchtlich. 

Der  tödtliche  Ausgang  erfolgt  zu  sehr  verschiedenen  Zeiten. 
Allerdings  kann  er  auch  bei  bis  dahin  ganz  gesunden  und  nicht  etwa 
nur  den  jüngsten  Kindern  durch,  allzu  bedeutende  Ausdehnung  der 
Pneumonie  und  schwere  Complicationen  sehr  rasch,  schon  innerhalb  des 
ersten  Krankheitstages  (Friedleben,  Arcli.  f.  phys.  Heilk.  VI.  p.  176) 
herbeigeführt  werden,  indessen  tritt  er  in  der  ßegel  erst  in  der  zweiten 
oder  selbst  der  dritten  Woche  ein  ;  ja  er  kann  unter  den  gleich  nachher 
anzuführenden  Verhältnissen  noch  weit  später  beobachtet  werden.  Seine 
nächsten  Veranlassungen  sind  Herzinsufficienz  und  Kohlensäureintoxi- 
cation,  beziehentlich  schwerste  Störungen  des  Nervensystems. 

Verzögert  sich  die  Defervescenz ,  ohne  dass  die  Krankheit  dem  le- 
talen Ende  zustrebt  und  ohne  dass  sich  mittlerweile  Complicationen  ein- 
gestellt haben ,  oder  entsteht  im  Anschluss  an  eine  krisisartige  Tempe- 
raturabnahme sofort  eine  neue  Temperatursteigerung,  so  kommen  die 
selteneren  Ausgänge  der  croupösen  Pneumonie  in  Frage. 

Zunächst  der  A  b  s  c  e  s  s.  Charakteristische  Merkmale  für  densel- 
ben ergeben  sich  nur  ausnahmsweise  durch  die  Kennzeichen  der  Höhlen 
im  Luns'engewebe ;  meistentheils  beweisen  die  akustischen  Phänomene 
nur  das  Verharren  einer  sehr  dichten  Infiltration  in  demselben  Entwick- 
lungsgrade wie  zur  Zeit  der  Hepatisation.  Direkt  kann  daher  der  Lun- 
genabscess,  im  Falle  seines  Durchbruches  in  die  Bronchien,  nur  durch  die 
Untersuchung  des  Auswurfs  nachgewiesen  werden ,  welche  bekanntlich 
leider  bei  Kindern,  zumal  den  kleinen,  selten  möglich  ist.  Insbesondere 
wäre  auf  plötzliches  Erscheinen  grösserer  Eitermassen  von  normalem 
oder  fauligem  und  süsslich-fadem  Geruch  (Senator,  Ctrlztg.  1877.  77) 
mit  makro-  oder  mikroskopischen  Pareuchymfetzen  oder  wenigstens 


670 


Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 


elastischen  Fasern  zu  achten ,  wie  sie  durch  rasche  Entleerungen  eines 
luufangreicheu  Abscesses   in  die  Bronchien  hervorgerufen  zu  werden 

pflegen. 

Henoch  (Berl.  kl.  Wsehr.  1877.  31.  p.  454)  sah  Lungenabscess  bei 
einem  7jährigen  Kind  trotz  der  am  7.  Tage  eingetretenen  Krise  sich  ent- 
wickeln ;  es  kam  von  Neuem  hohes  Fieher  mit  hektischem  Charakter  und 
erst  vier  Wochen  später  die  Entleerung  einer  enormen  Eitermenge,  da- 
mit aber  schnelle  und  vollständige  Genesung.  Nach  Mayr  (Jbch.  f, 
Khkde.  1862.  V.Beil,  p.  25)  wurde  der  Lungenabscess  nur  bei  grösseren 
Kindern  nach  lange  bestehenden  umschriebeuen  Hepatisationen  gefunden; 
Duo'uet  und  Damaschino  (1.  c.  p.  15)  beobachteten  ihn  bei  einem 
dreij'äln'igen  Kinde ;  indessen  sind  diese  wie  die  Angaben  anderer  Au  • 
toren,  z.  B.  MüUer's  (1.  c.  p.  376)  zu  wenig  genau,  als  dass  jeder 
Zweifel ,  ob  wirklich  croupöse  Pneumonie  in  Abscedirung  überging,  ge- 
hoben wäre. 

Da  mir  also  die  genaueren  einschlägigen  Verhältnisse  für  die  Kin- 
derpneumonie  zu  wenig  studirt  erscheinen,  so  verweise  ich  in  Betreff 
der  Einzelheiten  auf  die  in  dieser  Beziehung  l;iei  Erwachsenen  gemachten 
Erfahrungen  (vgl.  Leyden,  Volkm.  Sammig.  klin.  Vortr.  114),  von 
denen  sie  sich  kaum  unterscheiden  dürften. 

Nicht  immer  bricht  der  Abscess  nach  den  Bronchien  durch ,  was, 
die  seltenere  Verkreidung  ausgenommen ,  immerhin  das  Günstigste  ist, 
sondern  es  kann  der  Eiter  auch  in  die  Pleurahöhle  gelangen  und  Em- 
pyem, Pneumothorax  u.  s.  w.,  ja  schliesslich  eine  Thoraxfistel  bedingen, 
oder  er  perforirt  ins  Pericardium  mit  dem  Ausgang  in  tödtliche  Peri- 
carditis,  oder  ins  Mediastinum  und  erzeugt  einen  Congestionsabscess, 
oder  es  kann  sogar  nach  vorausgegangener  Verklebung  der  Pleurablätter 
das  Zwerchfell  durchbohrt  werden  und  die  Krankheit  mit  Peritonitis 
enden  —  verschiedene  Möglichkeiten,  welche  sich  bald  schon  im  Leben 
nach  den  entsprechenden  Symptomen  vermuthen  oder  sicher  bestimmen 
lassen  ,  bald  erst  auf  dem  Sectionstische  erkannt  werden.  Hat  sich  der 
Eiter,  ohne  sich  zu  zersetzen ,  vollständig  in  die  Bronchien  entleert  und 
die  Entzündung  aufgehört ,  so  coUabirt  die  Abscesshöhle ,  welche  sict 
bei  ungefähr  Wallnussgrösse  durch  die  bekannten  Cavernensymptome 
zu  erkennen  gab ,  ihre  Wandungen  verwachsen,  und  es  kann  auf  diese 
Weise  der  Process  zur  relativen  Heilung  gelangen  ,  so  dass  die  Unter- 
suchung nach  Resorption  des  pneumonischen  Exsudats  keine  oder  nur 
unerhebliche  Abnormitäten  ,  wie  leichte  Dämpfung  ,  schwächeres  Vesi- 
culärathmen,  Retraction  der  betreffenden  Seite  u.  s.  w.  nachweist.  Das 
Fieber,  welches  bei  Beginn  der  Abscessbildung  noch  beträchtliche  Exa- 
cerbationen mit  ziemlich  tiefen  Remissionen  erkennen  lässt,  vermindert 
sich  nach  Eröffnung  des  Abscesses  und  verschwindet  unter  lysisartigen 
Schwankungen.  Der  im  Anfange  des  Processes  besonders  heftige  Hu- 
sten ei-mässigt  sich  während  der  Abheilung  desselben  ebenso  wie  die 


T  h  0  m  a  s,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  671 

durch  ihn  bedingten  und  gesteigerten  Brustschmerzen.  So  kann  unter 
diesen  günstigsten  umständen,  selten  vor  der  vierten  bis  fünften  Woche 
der  Krankheit ,  endlich  auch  nach  vollständigem  Schwinden  jeder  Fie- 
berbewegung der  Appetit  zurückkehren,  der  Kräftezustand  sich  bessern 
und  allmählich  die  volle  Genesung  eintreten. 

Nach  M  a  y  r  bleibt  in  diesem  Falle  immer  ein  Zweifel ,  ob  nicht 
abgesacktes  Empyem  mit  Perforation  in  die  Lunge  vorhanden  gewesen 
ist.  Scbon  C  anstatt  (Path.  2.  Aufl.  III.  1.  p.  248)  bat  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  man  nicht  Empyem  und  seine  Ausgänge  mit 
pneumonischen  Abscessen  verwechseln  dürfe. 

Ein  ebenso  seltener  Ausgang  der  primären  croupösen  I\inderpneu- 
monie  wie  der  Lungenabscess,  mit  dem  er  nicht  selten  verwechselt  wor- 
den sein  mag,  ist  der  Lungenbrand.  Seine  Allgemeinsymptome  un- 
terscheiden sich  nicht  wesentlich  von  den  eben  angefülirten ,  nur  pflegt 
das  Fieber  intensiver  und  beziehentlich  langwieriger,  die  Puls-  und  Ke- 
spirationsfrequenz  bedeutender ,  die  Schwäche  grösser  zu  sein.  Voll- 
kommen charakteristisch  ist  allein  der  fötide  Geruch  der  Lungenexha- 
lation  sowohl  wie  des  etwa  vorhandenen  aus  missfarbigen  pflaumen- 
musartigen schwarz-  und  grünlich-bräunlichen  Massen  (putrides  Lun- 
gengewebe, theilweise  noch  in  Zusammenhang,  zersetztes  Blut,  Detritus, 
elastische  Fasern,  Fettsäure-  und  Tripelphosphatkrystalle,  Fäulniss- 
und andere  Pilze)  bestehenden  Auswurfs ;  indessen  kann  dieser  Geruch 
bei  Mangel  einer  Communication  des  Brandherdes  mit  den  Bronchien 
auch  fehlen.  Eine  Perforation  desselben  nach  verschiedenen  Richtungen 
hin,  in  Folge  dessen  Pneumothorax  u.  s.  w.,  kann  ebenso  wie  beim  Abs- 
cess  eintreten.  Heilung  ist  nur  bei  sehr  beschränktem  Umfang  des 
Brandes  und  vollständiger  Entfernung  der  fauligen  Produkte  möglich ; 
indessen  kommt  es  ziemlich  zeitig  zum  tödtlichen  Ausgang.  (S.  Z  i  e  m  s- 
sen,  I.e.  p.  260:  Reimer,  Jbch.  f.  Khkde.  1876.  X.  p.  267  ;  Fet- 
ter s,  Pr.  Vjschr.  49  p.  197;  Hayes,  V.-H.  Jber.  1874  IL  p.  842; 
V.  Hüttenbrenner,  Jbch.  f.  Khkde.  N.  F.  V.  p.  208.  210);  endlich 
Oest.  Ztschr.  f.  Khkde.  1856  I.  7.  H.  p.  316.) 

Wenn  die  Pneumonie  in  chronische  Lungenaf  fektion  en 
übergeht,  kann  das  Fieber  in  ermässigtem  Grade  und  wechselnder  Weise 
fortbestehen ,  oder  auf  normale  oder  ziemlich  normale  Zahlen  rascher 
oder  langsamer  herabgehen ;  in  letzterem  Falle  zeigt  es  eine  grosse 
Neigung  zu  erneutem  Auflodern ,  auf  einen  oder  wenige  Tage  oder  auf 
kürzere  Zeit ,  nach  den  verschiedensten  Fiebertypen  —  kurz  es  bildet 
sich  allmählich  ein  Fieberverlauf  wie  bei  subakuten  und  chronischen 
phthisischen  Processen  heraus.  Die  Zeichen  der  Lifiltration  bestehen 
hierbei  unverändert  weiter ,  oder  es  wird  das  Exsudat  partiell  resorbirt, 
während  die  Untersuchung  an  anderen  Stellen  die  Fortdauer  des  alten 


672  Krankheiteil  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

und  bald  genug  auch  schon  die  Entwicklung  eines  neuen  interstitiellen 
Processes  beurkundet.  Dieser  verläuft  unter  den  manuicbfaltigen  Sym- 
ptomen der  Phthise ,  unter  Umständen  auch  nach  Art  der  Induration 
mit  Bronchiektasieenbildung  und  allmählichem  Einsinken  der  Brust- 
wand ;  ersteres  mehr  bei  Affektionen  der  über-,  letzteres  bei  solchen  der 
Unterlappen.  Beides  kann  an  dieser  Stelle  nicht  weiter  erörtert  wer- 
den. Es  findet  sich  ein  solcher  Ausgang  weit  weniger  bei  vollkommen 
gesunden  und  kräftigen  Kindern  gesunder ,  als  bei  zarten  und  schwäch- 
lichen phthisischer  Eltern.  Uebrigens  kann  auch  bei  unvollkommener 
Resorption  relative  Genesung  eintreten  und  das  Kind  wieder  ein  blühen- 
des Aussehen  gewinnen  (v.  Dusch,  1.  c.  p.  61).  Buhl  läugnet  bis  auf 
die  neueste  Zeit  (1.  c,  s.  p.  669)  die  Möglichkeit  dieses  Ausganges  der 
croupösen  Pneumonie  auf  das  Allerbestimmteste. 

Nachkraukheiten.  Diese  können  durch  die  eben  erörterten 
Verhältnisse  (Complicationen  aller  Art,  abnorme  Ausgänge)  in  der  man- 
nigfachsten Weise  hervorgerufen  werden,  sie  können  sich  aber  auch  di- 
rekt an  die  Pneumonie  anschliessen.  Selbstverständlich  ist  dies  vor- 
zugsweise bei  anämischen  und  schwächlichen  Kindern  der  Fall. 

Mitunter  ist  Noma  im  Gefolge  der  primären  Pneumonie  vorge- 
kommen, und  zwar  in  der  2. — 5.  Woche,  fast  stets  mit  tödtlichem  Aus- 
gang. Vielleicht  mag  die  Schuld  hiervon  hauptsächlich  die  in  früherer 
Zeit  übliche  allzusehr  schwächende  antijihlogistische  Behandlung  und 
die  Quecksilbertherapie  tragen,  wenigstens  scheint  diese  Affektion  in  der 
neueren  Zeit  weit  seltener  geworden  zu  sein. 

Es  gedenken  dieser  Nachkrankheil  besonders  und  berichten  Beob- 
achtungen B  a  r  t  h  e  z  und  R  i  11  i  e  t  (1.  c.  p.  588\  H  e  n  o  c  h  (Beitr.  i. 
Klikde.  1861  p.  50),  u.  A.  Clever  sah  einen  lljülirigeu  Knaben  mit 
Noma  nacli  sehr  schwerer  doppelseitiger  Pneumonie  genesen,  trotzdem 
vor  und  während  der  Entwicklung  der  IV2  Zoll  im  Durchmesser  hal- 
tenden brandigen  Stelle  grosse  scrofulöse  Drüseuabscesse  der  Hals-  und 
Nackengegend  reichliche  Eiterverluste  bewirkten  und  schliesslich  noch 
ein  15  Linien  langer  Theil  des  Unterkiefers  in  semer  ganzen  Dicke,  mit 
drei  Zähnen  und  dem  Foramen  maxillare  inferius,  durch  die  in  der  Nähe 
des  Mundwinkels  perforirte  Wange  entfernt  werden  musste;  natüriict 
hinterblieb  partielle  Trigeminuslähmung. 

Uebermässig  reichliche  Blutungen,  vielleicht  die  Folgen  einer 
hämorrhagischen  Diathese,  sahen  Barthez  und  Rilliet  (1.  e.  p.  588) 
als  Todesm-sache  bei  einem  dreijährigen  sehr  kräftigen  Knaben,  welcher 
zuerst  eine  liukseitige  Pneumonie  und  sodann  ein  rechtseitiges  sehr  aus- 
gebreitetes Eecidiv  bekam ;  am  22.  Krankheitstage  trat  kaum  zu  stü- 
lendes  Nasenbluten  ein  und  am  Abend  erfolgte  auf  weiteres  reichliches 
Blutbrechen  der  Tod.  Die  Section  ergab  ausserordentlich  reichliche  Hü- 
morrhagieen  in  der  Schleimhaut  des  Magens,  Dünn-  und  Dickdarms. 
Mitunter  kommt  es  nach  Pneumonie  zu  vielfältigen  Absc essen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  673 

und  Furunkeln,  zum  Theil  im  Anschlüsse  an  Decubitus  und  sonstige 
zufällige  Eiterungen. 

Nach  L  e y  d  e  n  (Klin.  d.  Rmrkskkh.  II.  p.  564)  legen  verschiedene 
Autoren  Gewicht  darauf ,  dass  dem  Eintritt  der  Kinderlähmung  eine 
Pneumonie  vorausgegangen  sei ;  S  i  n  k  1  e  r  beobachtete  Reflexlähmung 
nach  solcher. 

Bei  Malariainficirten  kann  I  n  t  e  r  m  i  1 1  e  n  s  als  Nachkrankheit 
auftreten ,  insofern  die  Disposition  dazu  auch  durch  Ueberstehen  einer 
schvperen Pneumonie  nicht  getilgt  wird  (vgl.  Griesinger,  Infektions- 
kkh.  2.  Aufl.  p.  30). 

Anschlussweise  mag  hier  die  Angabe  von  Fried  leben  (1.  c.  p. 
178)  Platz  finden,  welcher  der  Häufigkeit  eines  ein-  oder  mehrfachen 
Zahndurchbruches  sowie  eines  auffälligen  Längenwachsthums  der  Kin- 
der nach  Pneumonie  gedenkt.  Valenta  berichtet  über  einen  im  11. 
Jahre  an  Hirnabscess  gestorbenen  Knaben  mit  Pulnionalstenose ,  dass 
derselbe  seit  einer  im  8.  Jahre  überstandenen  Pleuropneumonie  ein  be- 
deutend besseres  Befinden  als  früher  gezeigt  haben  soll. 

S  e  c  u  n  d  ä  r  e  Pneumonie.  Allerdings  kann  die  croupöse  Pneu- 
monie auch  bei  Kindern  zu  den  verschiedenartigsten  akuten  und  chro- 
nischen Krankheiten  hinzutreten,  indessen  ist  dies  gewiss  nicht  so  häu- 
fig der  Fall ,  wie  die  Autoren ,  zumal  die  älteren ,  berichten ,  welche  die 
fragliche  Form  zweifelsohne  öfters  mit  anderen  Arten  von  Lungenent- 
zündung verwechseln  und  zusammenwerfen.  Da  die  secundäre  Pneu- 
monie weit  öfter  zum  Tode  führt ,  als  die  primäre  Form ,  und  daher  bei 
ihr  viel  reichlichere  Gelegenheit  zu  anatomischen  Forschungen  gegeben 
ist  als  bei  dieser ,  so  dürfte  in  Betreff  der  Häufigkeit  und  anderer  Ver- 
hältnisse von  der  weiteren  Forschung  genügende  Aufkläriing  baldigst 
zu  erwarten  sein. 

Die  histologischen  Veränderungen  sind  bei  der  secundären  crou- 
pösen  Pneumonie  mit  Ausnahme  des  ümstandes,  dass  sich  ihr  Exsudat 
öfter  durch  Fibrinarmuth  (Z  i  e  m  s  s  e  n,  T  a  u  b  e,  B  a  y  e  r ;  cf.  p.  602)  aus- 
zeichnet, die  gleichen  wie  bei  der  primären  Form.  Verschiedenheiten  er- 
geben sich  hinsichtlich  des  Sitzes  und  Umfanges  der  Störung ,  hinsicht- 
lich der  Zeit,  welche  die  Entwickkmg  des  Processes  in  Anspruch  nimmt, 
und  endlich  hinsichtlich  der  Ausgänge.  Noch  weniger  nämlich  als  bei 
der  primären  Kinderpneumonie  beschränkt  sich  der  Process  auf  einen 
einzigen  Lappen ,  den  er  in  seiner  Totalität  ergreift ,  sondern  ist  sehr 
häufig  doppelseitig  ;  nicht  selten  befällt  er  in  verschiedener  Weise  meh- 
rere Lappen  hinter  einander  oder  sogar  gleichzeitig ,  und  zwar  in  den 
intensivsten  Fällen  in  solcher  Ausdehnung ,  dass  die  Lunge  fast  total 
erkranken  kann.     Jedenfalls  sind  inseif örmige  Verdichtungen  von  ge- 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  4<j 


(374  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

ringem  Umfange  bei  der  secundären  Pueiimouie  etwas  sehr  Gewöhn, 
liches.  Nicht  selten  verstreicht  eine  ausserordentlich  kurze  Zeit,  zwei 
Tage  ,  selbst  weniger  als  ein  Tag ,  bis  zur  Entwicklung  der  grauen  He- 
l^atisation  ,  eine  Thatsache ,  welche  hinlänglich  sichergestellt  ist  durch 
Fälle,  bei  welchen  der  Section  eine  genaue  Beobachtung  im  Leben  vor- 
ausgegangen war  ;  andererseits  kann  die  Entzündung  auch  ungewöhn- 
lich lange  im  Anschoppungsstadium  verharren.  Endlich  kommt  es  bei 
secundärer  Pneumonie  jeder  Art  nicht  nur  bei  weitem  öfter  als  bei  pri- 
märer Pneumonie  zum  letalen  Ausgang,  sondern  es  ist  auch  die  Häufig- 
keit des  Lungenabscesses  und  besonders  des  Lungenbraudes  (nach  Ty- 
phus und  akuten  Exanthemen),  unter  Um -ständen  auch  des  Ueberganges 
in  chronische  Lungenaffektionen ,  bei  ihr  erheblich  bedeutender. 

Der  Einfluss  der  secundären  croupöseu  Pneumonie  auf  den  Sym- 
ptomencomplex  der  ursprünglichen  Krankheit  ist  ein  verschiedener,  je 
nachdem  die  letztere  ohne  Fieber  verläuft  oder  von  Fieber  begleitet  ist. 
Nach  meinen  Erfahrungen  wird  bei  fieberlosem  Verlauf  derselben 
das  Erscheinen  der  Pneumonie  regelmässig  dadurch  gekennzeichnet,  dass 
Fieber  auftritt.     Indessen  entspricht  diese  Angabe  nicht  dem,  was  man 
hin  und  wieder  bei  den  Schriftstellern  liest ,    welche  für  die  secundäre 
croupöse  Kinderpneumonie  unter  besonderen  Umständen,  und  insbeson- 
dere auch ,   wenn  sie  Terminalaffektion  ist ,  zumal  Ijci  schwächlichen 
heruntergekommenen  Kindern,  bei  Scleroderma  neonatorum,  Hirnkrank- 
heiten u.  s.  w.  die  Möglichkeit  eines  völlig  oder  nahezu  fieberlosen  Ver- 
laufes zulassen.     Zur  Controle  dieser  Behauptung  mangelt  mir  das  Be- 
olaachtungsmaterial ;  aus  manchen  literarischen  Notizen  scheint  mir  aber 
allerdings  hervorzugehen  ,  dass  die  in  Rede  stehende  Pneumonieform, 
welche  zwar  in  dem  Kapitel  »croupöse  Pneumonie«  erwähnt,  an  der  be- 
treffenden Stelle  alaer  nicht  ausdrücklich  als  solche  bezeichnet  wird,  gar 
keine  croupöse  Pneumonie  ist ,  beziehentlich  dass  die  letztere  öfters  mit 
anderen  Pneumonieformen  verwechselt  wird.  Genaue  histologische  Un- 
tersuchungen über   diesen  Punkt  würden   sehr   wünschenswerth  sein, 
insbesondere  hinsichtlich  des  Scleroderma,  einer  bekanntlich  gewöhnhch 
mit  stark  subnormalen  Temperaturen  verlaufenden  Krankheit,  bei  der 
der  Wärmehaushalt  ganz  eigenthümliche  Verhältnisse  darbietet,  die 
eine  einfache  Beurtheilung  nicht  zulassen.     Auftreten,  Qualität,  Inten- 
sität und  Dauer  der  übrigen  Symptome  sowohl  wie  der  Eigenwärme 
richten  sich  im  Wesentlichen  nach  Ausbreitung,  Complicationeu  und 
Ausgang  der  Pneumonie  und  weichen  nicht  wesentlich  ab  von  dem  Ver- 
halten ,  welches  bei  primärer  Pneumonie  stattfindet.     Im  Allgemeinen 
lässt  sich  nur  angeben  ,  dass  das  Fieber  bei  massiger  Höhe  öfter  ein  re- 
mittirendes  ist  und  lytische  Beendigung  zeigt,  wenn  es  nicht  unter  ver- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Symptomatologie.  675 

schiedengradiger  Steigerung  langsamer  oder  rascher  zum  Tode  führt. 
Dyspnoe  und  Pulsfrequenz  sind  dabei  öfters  liöher  als  es  der  Erhebung 
der  Eigenwärme  entspricht ;  auch  die  Schmerzhaftigkeit  und  die  Cyanose 
ist  oft  bedeutend  und,  zumal  bei  Lungen-  und  Herzkianken,  eine  grosse 
Neigung  zu  CoUaps  vorhanden.  Unveränderlich  sind  natürlich  die  aku- 
stischen Zeichen,  die  wichtigsten  Stützen  der  Diagnose. 

Sehr  verschiedenartig  ist  der  Symptomenconiplex  der  Pneumonie, 
wenn  dieselbe  zu  einer  fieberhaften  Krankheit  hinzutritt.  Mitunter, 
nämlich  bei  geringem  oder  selbst  bei  massigem  umfang  der  Störung  und 
andererseits  heftigem  primärem  Fieber,  sind  sie  so  geringfügig,  dass  die 
Atfektion  einzig  und  allein  durch  die  Percussion  und  Auscultation  er- 
kannt werden  kann ;  es  fehlen  dann  sogar  stärkere  Dyspnoe ,  Husten 
und  Schmerzen.  Audremal  ist  der  Verlauf  der  secundären  Pneumonie 
ein  äusserst  stürmischer  und  führt  unter  hohem  Fieber,  stärksten  Brust- 
beschwerden und  rapider  Steigerung  der  Pulsfrequenz  zum  letalen  Col- 
laps,  und  ist  die  Affektion  in  diesem  Falle  also  Terminalpneumonie 
Pneumonieen  von  mittlerer  Intensität  verändern  häufig  die  Fiebercurve 
der  primären  Krankheit ,  weniger  dann ,  wenn  deren  Verlauf  ohnehin 
ein  intensiver  und  einer  weiteren  Steigerung  ohne  sofortige  Lebensge- 
fahr nicht  fähig  ist,  als  dann,  wenn  ihr  Fieber  remittirt  und  die  Dureh- 
schnittshöhe  der  Tagestemperatur  allmählich  abnimmt.  Bei  fehlendem 
Initialfrost  erscheint  dann  sofort  der  continuirliche  Piebertypus  mit 
hohen  Exacerbations-  und  Remissionswerthen ;  im  Heilungsfalle  fällt 
das  Fieber  allmählich  wieder  in  den  früheren  remittirenden  Typus  zu- 
rück. Ob  in  solchen  mittelschweren  Fällen  die  übrigen  Symptome  ent- 
sprechend ihi-er  Bedeutung  bei  primärem  Verlauf  hervortreten,  hängt 
im  Wesentlichen  von  der  Qualität  und  Intensität  der  Symptome  der  ur- 
sprünglichen Krankheit ,  sowie  davon  ab ,  ob  gleichzeitig  noch  weitere 
Complicationen  erscheinen  und  welches  der  Ausgang  der  Pneumonie  ist. 
Im  Allgemeinen  wird  deren  Erscheinen  durch  ziemlich  auffällige,  ja  so- 
gar ganz  unverhältnissmässige  Zunahme  der  Dyspnoe  und  des  Hustens 
angezeigt,  auch  erscheint  bei  älteren  Kindern,  welche  Sputa  auswerfen, 
gewöhnlich  Blut  in  denselben.  In  günstigen  Fällen  verschwinden  diese 
Symptome  mit  dem  Nachlasse  der  durch  sie  hervorgerufenen  Fieber- 
steigerung allmählich ,  in  der  Regel  weit  langsamer  als  bei  primärer 
Pnuemonie. 

Eine  genauere  Erörterung  der  sehr  verschiedenartigen  Verhältnisse 
der  einzelnen  Krankheiten  nach  dem  Hinzutreten  der  croupösen  Pneu- 
monie gehört  nicht  hierher,  sondern  zur  Besprechung  dieser  Krankhei- 
ten. Indessenmusswiederholt  werden:  das  Material  ist  hinsichtlich  aller 
dieser  Fragen  noch  wenig  gesichtet,  und  es  sind  insbesondere  durchgrei- 

43* 


g76  Krankheiten  der  Atliniungsorgane.     Lunge. 

fende  histologische  Untersnchimgen  zur  Feststellung  der  croupösen  Na- 
tur der  secundären  Pneumonie  uöthig.  Gewiss  ist  sehr  häufig  nicht 
croupöse,  sondern  Bronchopneumonie  oder  Atelektase  die  hinzutretende 
Affektion.  Ich  unterlasse  desshalb  ein  näheres  Eingehen  auf  die  Lite- 
ratur und  zähle  nur  kurz  die  wichtigsten  Krankheiten  auf ,  welche  sich 
erfahrungsgemäss  öfter  mit  croupöser  Pneumonie  bei  Kindern  compli- 
ciren,  beziehentlich  einige  seltenere,  welche  dies  nach  den  Angaben  der 
nebenstehenden  Autoren  thaten.  Von  fieberhaften  Krankheiten  sind 
besonders  anzuführen :  Abdominal-  und  exan thematischer  Typhus 
(R  a u  t  e  n  b  e  r  g) ,  Recurrens  (K  e r  n  i  g) ,  Scharlach  ,  Masern  ,  Pocken 
(Reimer;  einen  eigenthümlichen  Fall  sah  Bamberger,  s.  Schm. 
.Jb.  113  p.  349),  Erysipelas,  Croup  und  Diphtheritis ,  Pyämie,  Gelenk- 
rheumatismus, Cerebrospinalmeningitis  (Fuckel),  Malaria,  Bronchitis, 
Pleuritis,  phthisische  Processe ,  Psoitis  (Witt mann),  Osteomyelitis 
(N  e  u  r  e  u  1 1  e  r  und  S  a  1  m  o  n).  Von  fieberlosen  Krankheiten  nenne  ich 
die  chronischen  scrofulösen  Affektionen  mit  den  geschwollenen  und  mehr 
oder  weniger  verkästen  Lymphdrüsen ,  chronische  Bronchial-  und  Lun- 
genafi'ektionen  ,  wie  Induration  (Heschl),  chronische  Affektionen  der 
Verdauungsschleimhaut ,  Rhachitis ,  Herzkrankheiten  (B  i  n  z) ;  endlich 
finden  sich  Notizen  über  ihr  Auftreten  bei  selteneren  Fällen,  wie  bei 
Larynxtumor  mit  Emphysem  (R  ehn),  Scleroderma  (Gerhardt,  Stei- 
ne r),  Nephritis  (Reimer),  Diabetes  insipidus  und  hochgradiger  An- 
ämie (Bleuler).  In  der  Reconvalescenz  von  Keuchhusten  sah  ich  einen 
Fall  von  croupöser  Kinderpneumonie  tödtlich  enden. 

Diagnose. 

Die  Diagnose  der  einfachen  primären  croupösen  Pneumonie  ist  bei 
älteren  Kindern  nur  dann  etwas  schwieriger  als  durchschnittlich  bei 
Erwachsenen,  wenn  schwere  Nervensymptome  von  Anfang  an  das  Krank- 
heitsbild beherrschen ,  ohne  dass  die  akustischen  Zeichen  der  Lolcalaf- 
fektion  sich  einstellen.  Fangen  diese  einmal  an ,  im  Verlaufe  einer 
akuten,  laut  regelmässiger  thermometrischer  Unter.suchung  sehr  ent- 
schieden fieberhaften,  mit  Seitenschmerzen ,  Husten  und  Dyspnoe  ver- 
bundenen Krankheit  nachweisbar  zu  werden ,  und  hat  eine  hinlänglich 
oft  wiederholte  genaue  Percussion  und  Auscultation  erwiesen ,  dass  die 
Lunge  vorher  ganz  gesund  war ,  so  ist  der  Fall ,  spätestens  einige  Tage 
nach  seinem  Beginn,  sofort  genügend  klar.  Wer  also  gut  diagnosticiren 
will,  muss  fleissig  Thermometer  und  Plessimeter  brauchen  und  im  Aus- 
cultiren  geübt  sein ;  leistet  der  Arzt  dieses ,  so  wird  er  finden  ,  dass  das 
Geständniss  J.  Frank 's  —  die  Lungenentzündung  der  Kinder  ver- 
stecke sich  oft  unter  so  trügerischen  Symptomen  ,  dass  man  bei  Sectio- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  677 

uen  zuweilen  zu  seinem  grossen  Erstaunen  die  Lunge  hepatisirt  finde, 
während  man  im  Leben  etwas  ganz  Anderes  vor  sich  zu  haben  geglaubt 
habe  —  für  die  heutige  Zeit  nicht  mehr  anwendlaar  ist.  Damals  freilich 
mag  »manches  Kind  laut  Todtenschein  an  ....  entschlummert  sein, 
das  in  der  That  einer  nicht  erkannten  Pneumonie  zum  Opfer  fiel« 
(Nath  1.  c.  p.  20).  Noch  weiter  wird  aber  die  Diagnose  sichergestellt, 
wenn  es,  wie  z.  B.  Damasch ino  (1.  c.  p.  65  u.  88)  gelingt,  Auswurf 
zu  Gesicht  zu  bekommen,  welcher  durch  inniges  Gemenge  von  Blut  mit 
glasigem  Schleim  charakteristisch  rostfarben  und  zähe  ist  und  insbeson- 
dere die  verzweigten  Fibrinabgüsse  der  feinsten  Bronchien  enthält,  die 
bei  Erwachsenen  so  gewöhnlich  sich  finden.  Es  würde  sich  hieraus  die 
croupöse  Natur  der  Lifiltration  beinahe  zur  Evidenz  ergeben  ;  denn  wenn 
auch  die  rostfarbene  »pneumonische«  Beschaffenheit  des  Auswurfs  nicht, 
wie  früher  behauptet  ward,  ein  pathognomonisches  Zeichen  der  croupösen 
Pneumonie  darstellt  —  ich  selbst  sah  solchen  bei  zweifelloser  Litegrität 
der  Lungen  in  einem  Fall  von  Katarrh  der  Highmorshölile  mehrere  Tage 
hindurch ;  nach  F  i  s  c h  1  (Pr.  Vjschr.  132  p.  83)  kommen  Sputa  crocea  auch 
im  Anfang  der  käsigen  Pneumonie  vor  — ,  so  dürfte  man  doch  schwerlich 
irren,  wenn  man  sich  bei  Bestimmung  der  croupösen  Natur  einer  nach- 
gewiesenermassen  frischen  Infiltration  der  Lunge  auf  sie  stützt.  Leider 
ist  man  aljer  iDei  dem  fast  stetigen  Fehlen  dieses  diagnostisch  wichtigen 
Krankheitsijroduktes  lediglich  auf  die  übrigen  Symptome  angewiesen. 
In  Fällen,  welche  aus  irgend  welchem  Grunde  während  der  febrilen  Pe- 
riode zweifelhaft  bleiben ,  entscheidet  die  rapide  und  definitive  Defer- 
vescenz  zu  Gunsten  der  croupösen  Pneumonie. 

Bei  kleinereu  Kindern  ist  die  Diagnose  erheblich  schwieriger.  Hier 
fehlen  die  subjektiven  Angaben  fast  vollständig,  Sputa  kommen  dem 
Arzt  nur  höchst  selten  zu  Gesicht.  Treten  nun  aber,  wie  besonders  im 
Anfang  der  Krankheit ,  die  durch  die  Funktionsstörung  der  Respira- 
tionsorgane bedingten  Symptome  zurück,  ist  z.  B.  der  Husten  nur  un- 
bedeutend und  die  gesteigerte  Respirationsfrequenz  scheinbar  genügend 
durch  das  vorhandene  Fieber  erklärbar,  und  wird  etwa  die  Aufmerksam- 
keit des  Arztes  auch  noch  durch  gastrische ,  Nerven-  und  andere  Sym- 
ptome von  der  Brust  abgelenkt,  so  kann  es  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  der  weniger  Erfahrene  eine  Pneumonie  Tage  lang  mit  den  ver- 
schiedenartigsten febrilen  Krankheiten  verwechselt.  Es  gilt  dies  ganz 
besonders  für  die  Pneumonie  der  Oberlappen ,  die  in  der  Regel  etwas 
später  als  die  der  Unterlappen  nachweisbar  und  besonders  schwierig  da 
entdeckt  wird  ,  wo  sie  nur  eine  partielle  ist.  Nach  Stephenson  las- 
sen bei  umschriebenen  Spitzenpneumonieen  die  akustischen  Symptome 
bis  zum  fünften  Tage  auf  sich  warten.     Da  hilft  nichts  weiter  als  eine 


678  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

consequeut  Tag  für  Tag  wiederholte  genaue  Untersuchung  der  Lungen, 
und  es  mag  hier  auf  deren  absohite  Nothwendigkeit,  will  man  nicht  den 
imaugenehmsten  Täuschungen  unterliegen,  nachdrücklichst  aufmerksam 
gemacht  sein.  Bleiben  nun  aber  auch  noch  die  akustischen  Zeichen  aus 
irgendwelchem  Grunde  zweifelhaft,  so  kann  nur  der  Verlauf  der  Krank- 
heit im  Allgemeinen,  insbesondere  derjenige  des  Fiebers,  die  Diagnose 
soweit  als  möglich  sicher  stellen. 

Selbstverständlich  ermöglicht  in  Fällen  von  Abortiv-  und  sehr  ra- 
pid ,  z.  B.  in  der  Form  eines  eintägigen  Fieberanfalles ,  verlaufender 
Pneumonie,  wenn  die  Sputa  fehlen,  eine  genaue  Untersuchung  der  Brust 
imd  die  sorgfältige  Beachtung  des  Verhaltens  des  Fiebers  (Eigenwärme, 
Puls)  allein  die  Diagnose.  So  war  es  in  dem  Fall  von  F  i  s  c  h  1  (Prag, 
med.  Wschr.  1877  p.  970). 

Eins  der  wichtigsten  Momente  bei  der  Diagnose  der  Pneumonie  ist 
die  Kenntniss  des  Umstaudes,  ob  eine  bei  der  ersten  Untersuchung  wahr- 
zunelmiende  Dämpfung  als  Zeichen  der  sich  entwickelnden  Infiltration 
zu  deuten  oder  auf  eine  ehr  o  nisch  e  Stör  un  g  zu  beziehen  ist. 
Die  Entscheidung  hierüber  ist  insbesondere  bei  kleinen  Kindern  oft 
ziemlich  schwierig ;  sie  kann  erleichtert  werden ,  wenn  eine  genaue 
Anamnese  vorliegt,  welche  entweder  auf  eine  früher  dagewesene  Brust- 
affektion bestimmt  hinweist  oder  dieselbe  ausschliesst. 

Verhältnissmässig  leicht  ist  die  Diagnose  der  Störung ,  wenn  sich 
die  Dämpfung  in  der  Gegend  der  Unterlappen  findet.  Von  chronischen 
Affektionen  können  hier  fast  nur  Lungen-  und  Pleuraaffektionen ,  be- 
zieheutlich  deren  Reste  in  Frage  kommen,  Störungen,  die  sich  beim 
Kinde  mehr  als  beim  Erwachsenen  durch  eine  verschieden  starke  Re- 
traction  der  betreffenden  Seite  kund  zu  geben  pflegen,  wenn  der  Process 
irgend  intensiv  war.  Auch  die  Chronicität  einer  derartigen  Affection 
weist  vielleicht  auf  eine  secundäre  Blähung  der  gesunden  Lungenpartieen 
hin  ;  auch  lässt  sich  möglicherweise  die  Affektion  durch  gewisse  auscul- 
tatorische  Phänomen  (verschwächtes  Athmen  bei  alter  Pleuritis,  hellere 
Rasselgeräusche  bei  Bronchiektasenbildung)  erkennen.  Solche  Zeichen 
lehlen  bei  einer  primären  in  der  Entwicklung  begriffenen  Pneumonie. 

Schwieriger  ist  die  Diagnose,  wenn  sich  die  fragliche  Dämpfung 
im  Bereiche  der  Oberlappen  befindet.  Ausser  den  chronischen  Lungen- 
störungen, deren  wichtigste  Symptome  eben  genannt  wurden,  bewirken 
ältere  Dämpfung  hauptsächlich  die  bei  Kindern  so  häufigen  und  theil- 
weise  so  ausserordentlich  grossen  Lymphdrüsentumoren ,  sodann  ander- 
weitige Mediastinalgeschwülste,  eine  ungewöhnlich  lange,  nämlich  bis 
zum  Alter  von  einigen  .Jahren  ,  persistente  ,  dabei  oft  vergrösserte  und 
jedenfalls  schwellfähige  Thymus,  Congestions-  und  andere  Abscesse  u.  s.  w. 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  679 

Die  durch  vergrösserte  und  entartete  Lymphdrüsen  hervorgerufene  stär- 
kere oder  schwächere  Dämpfung  findet  sich  zum  Unterschied  von  der  ver- 
breiteten Dämpfung  der  croupösen  Pneumonie  gev.-öhnlich  innerhalb  eines 
scharf  abgegrenzten  Bezirkes,  bald  an  der  Rückenfläche  (Fossa  supraspi- 
nata,  obere  Hälfte  der  luterscapulargegend),  bald  ander  Vorderfläcbe  (Ma- 
nubrium  und  oberer  Theil  des  Corpus  sterni,  Infra-,  auch  Supraclavicular- 
gegend)  des  Thorax.  Bei  genügender  Stärke  der  Dämpfung,  d.  i.  wenn  die 
Drüsen tumoren  bis  zurBrust  wand  reichen,  zeigt  sich  über  ihr  sehr  gewöhn- 
lich Bronchialathmen  oder  wenigstens  bronchiales  Exspirium  als  Folgeer- 
scheinung der  erleichterten  Fortpflanzung  der  Geräusche  aus  den  grossen 
Luftwegen ,  während  bei  kleineren  Geschwülsten  und  geringeren  Däm- 
pfungen wenig  Veränderung  des  Athemgeräusches  bemerklich  ist ;  tro- 
ckene, besonders  schnurrende  Rasselgeräusche  fehlen  in  solchen  Fällen 
selten.  Abgesehen  von  anamnestischen  Momenten  ist  die  Unterschei- 
dung dieser  chronischen  A Sektionen  von  einer  primären  croupösen 
Pneumonie  erleichtert,  wenn  gleich  im  Anlange  des  fieberhaften  Zu- 
standes  eine  Dämpfung  gefunden  wird,  also  zu  rasch  und  vielleicht  auch 
zu  vorgeschritten  für  eine  akute  Verdichtung  ,  sowie  wenn  sich  an  an- 
deren Körpertheilen,  zumal  dem  Halse,  grössere  Drüsengeschwülste  fin- 
den ,  oder  überhaupt  Zeichen  einer  chronischen  constitutionellen  Stö- 
rung erkennbar  sind.  Ausserdem  ist  zu  berücksichtigen ,  dass  unter 
Umständen  durch  Druck  grösserer  Drüsenpackete ,  sowie  anderer  Tu- 
moren, Abscesse  des  Mediastinums  u.  s.  w.  auf  die  oberen  Luftwege, 
sowie  die  grossen  Venenstämme  der  oberen  Thoraxapertur  Erscheinungen 
hervorgerufen  werden ,  welche ,  wie  Trachealstenose ,  Ueberfülluug  der 
Venenstämme  der  oberen  Körperhälfte  nebst  Folgen,  der  primären  crou- 
pösen Pneumonie,  zumal  der  beginnenden,  vollkommen  fremd  sind. 

Bei  kleinsten  Kindern  können  dem  minder  Geübten  und  Erfahrenen 
sogar  ganz  ander«artige  Aflektionen  Verlegenheiten  bereiten.  Laut  dem 
Zeugnisse  von  H  e  r  v  i  e  u  x  (J.  f.  Kkh.  42  p.  386)  führe  ich  bedeutende 
Herzdilatation,  die  Leber  als  Inhalt  der  Brusthöhle  bei  Zwerchfellhernien 
u.  s.  w.  an  und  erinnere  an  den  interessanten  Fall  von  Atrophie  einer 
Lunge  ,  den  P  o  n  f  i  c  k  (Virch.  Arch.  50.  p.  633)  secirte.  Ueberhaupt 
muss  —  als  nebensächliches  Moment  wenig.stens  —  beachtet  werden, 
dass  zumal  beim  jungen  Kind  die  Herzdämpfung  relativ  etwas  breiter 
als  beim  Erwachsenen  ist  und  die  Leberdämpfung  ein  wenig  höher  stellt. 
Ich  weiss  es,  dass  insbesondere  dieser  letztere  Punkt  dem  Ungeübten 
grosse  diagnostische  Schwierigkeiten  bereiten  kann,  erfahrt  es  ja  doch 
jeder  Kliniker  hinlänglich  beim  Unterricht;  indessen  halte  ich  des- 
halb keineswegs  den  Standpunkt  von  Vogel  für  berechtigt ,  welcher, 
wie  un  .Jbch.  f.  Khkde.  1858  I.  p.  92  u.  93,  so  noch  in  der  1876  er- 
schienenen 7.  Auflage  seines  Lehrbuchs  p.  248,  mit  klaren  Worten  das 
übereinstimmend  in  der  Literatur  als  häufig  bezeichnete 
Vorkommen  der  Pneumonie  im  rechten  Unterlappen  auf  eine  Verwechs- 


(580  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

lung  mit  der  beim  Pressen  beraufrückenden  Leberdämpfung   sowie  der 
durcb  dasselbe  bewirkten  Veränderung  des  Lungenscballs  zurückführt. 

Ein  bedeutendes  Hinderniss  der  Diagnose  der  croupösen  Pneumonie 
ist  bei  kleinen  Kindern  oftmals  die  gro  sse  Verbreitung  des  fort- 
gepflanzten Broncbialath  mens,  zumal  wenn  dieselben  aus  ir- 
gendwelcher Ursache  frequenter  und  heftiger  respiriren.  Manchmal  ist 
es  in  auffälligster  Weise  fast  ganz  auf  die  eine,  der  bekannten  Verhält- 
nisse des  rechten  Bronchu.s  wegen  besonders  die  rechte  Seite  beschränkt, 
und  auf  der  entgegengesetzten  gar  nicht  oder  nur  in  einem  kleinen  Be- 
zirk der  inneren  Suprascapulargegend  nachweisbar.  Man  muss  diese 
Thatsache  kennen,  um  nicht  bei  dem  Verdacht  einer  Dämpfung,  wie  er 
unter  physiologischen  Verhältnissen  durch  ungleichmässige  Haltung 
u.  s.  w.  der  zu  untersuchenden  Kinder  entstehen  kann ,  irrigerweise  des 
gleichzeitigen  Bronchialathmens  wegen  eine  Pneumonie  zu  diagnosti- 
ciren.  Im  Allgemeinen  wird  eine  solche  auszuschliessen  sein ,  wenn  das 
Bronchialathmen  ,  das  mitunter  bis  zur  Mitte  des  Rückens ,  ja  sogar 
noch  weiter  hinabreicht ,  überall  gleichmässig  den  Klang  und  die  Ton- 
höhe des  trachealen  Geräusches  zeigt ,  oder  wenn  in  seinem  Bereiche 
überall  etwas  Vesiculärathmen  durchhörbar  ist.  Unter  Umständen  ist 
es  schwer,  einem  Irrthum  in  dieser  Beziehung  zu  entgehen.  Wegen  der 
Verbreitung  des  Bronchialathmens  am  Rücken  vgl.  Lippe,  D.  Arch. 
f.  kl.  Med.  1872.  IX.  p.  549. 

Ebenso  darf  man  sich  nicht  durch  intensives  auf  die  andere  Seite 
fortgepflanztes  Bronchialathmen  einseitiger  Pneumonie  verleiten  lassen, 
eine  doppelseitige  Affektion  zu  diagnosticiren. 

Hat  es  sich  nun  aber  herausgestellt ,  dass  die  vorhandenen  akusti- 
schen Veränderungen  auf  der  Anwesenheit  einer  frischen  entzündhchen 
Affektion  beruhen ,  so  sind  der  Möglichkeiten  nur  noch  wenige.  Die 
wichtigsten  Brustaffektionen,  welche  in  Frage  kommen,  sind  ausser  der 
croupösen  Pneumonie  die  katarrhalische  Form  derselben ,  die  infiltrirte 
Tuberkulose  (Buhl's  genuine  Desquamativpneumonie)  und,  besonders 
wenn  es  sich  um  eine  Att'ektion  der  Basis  handelt,  die  Pleuritis. 

Die  Bronchopneumonie  ist  selten  auf  eine  Seite  beschränkt, 
sondern  meist  von  Anfang  an  doppelseitig ,  oder  lässt  sich  wenigstens 
bald  nach  dem  Auftreten  der  Verdichtung  auf  der  einen  Seite  auch  anf 
der  anderen  nachweisen.  Dabei  ist  der  Process  in  der  Rerrel  auf  beiden 
Seiten  in  verschiedener  Weise  entwickelt.  Gewöhnlich  ist  nur  ein 
grösserer  oder  kleinerer  Theil  der  ünterlappen  befallen,  während  Ober- 
und  Mittellappen  gänzlich  frei  bleiben  oder  sich  höchstens  im  späteren 
Verlaufe  intensiver  Fälle  in  massigem  Grade  betheiligen.  Da  die  Bron- 
chopneumonie  aus  der  Bronchiolitis  hervorgeht ,  so  sind  in  der  Regel 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  681 

über  den  infiltrirten  wie  nichtinfiltrirten  Partieen  reichliche  besonders 
klein-  doch  auch  grossblasige  Rasselgeräusche  zu  hören,  wie  sie  bei  ein- 
facher croupöser  Pneumonie  nicht  vorzukommen  pflegen  ;  mitunter  wird 
durch  dieselben  das  Bronchialathmen  ganz  verdeckt.    Am  intensivsten 
und  meistens  auch  etwas  klingend  sind  sie  an  der  Basis  der  Lmige. 
Croupöse  Entzündung  kann  hiernach  nur  dann  mit  Bronchopneiunonie 
verwechselt  werden,  wenn  sie  beide  oder  wenigstens  einen  Unterlappen 
betrifft  und  durch  einen  stärkeren  Bronchialkatarrh  complicirt  wird ; 
ein  gänzliches  Fehlen  kleinblasiger  Piasseigeräusche,  bei  ihr  so  gewöhn- 
lich ,  kommt  bei  Bronchopneumonie  nie  vor.    In  Fällen ,  welche  wegen 
Vorhandenseins  einiger  Rasselgeräusche  und  Doppelseitigkeit  der  crou- 
pösen  Infiltration  einigermassen  zweifelhaft  bleiben  müssen,  entscheiden, 
insofern  genügend  zuverlässige  Daten  vorliegen ,  die  Art  des  Beginns 
und  der  weitere  Verlauf  der  Krankheit.    Hat  die  Pneumonie,  ohne  dass 
ihr  die  Erscheinungen  der  Bronchitis  vorausgingen  ,  plötzlich  mit  hef- 
tigem Fieber  angefangen  und   ist  schon  nach  einigen  Tagen  eine  um- 
fangreiche Infiltration  vorhanden ,  so  ist  die  katarrhalische  Form  un- 
wahrscheinlich. Weiterhin  ist  das  Hauptgewicht  auf  die  Art  und  Weise 
der  Ausbreitung  der  Verdichtung,  sovvde  das  Verhalten  des  Fiebers  zu 
legen.    Wächst  die  Infiltration  langsam  von  unten  nach  oben,  ohne  den 
Lappengrenzen  zu  folgen,  lässt  sie  also  die  dem  Oberlappen  angehörige 
Achselhöhlengegend  frei ,  ist  dabei  das  Fieber  minder  hochgradig  und 
remittirend,  und  endet  es  nicht  in  kritischem  Zuge,  sondern  allmählich 
nach  Art  der  Lysis ,  während  sich  die  Lungenveränderungen  langsam 
zurückbilden,  so  ist  Bronchopneumonie  zu  diagnosticiren ;  das  entgegen- 
gesetzte Verhalten  ist  für  die  croupöse  Form  charakteristisch.    Hier- 
nach dürften  vielleicht  nur  jene  seltenereu  Fälle  zweifelhaft  bleiben,  wo 
sich  im  Verlaufe  der  vielleicht  nur  partiellen  croupösen  Pneumonie  des 
einen  ünterlappens  verbreitete  Bronchitis  und  katarrhalische  Pneumonie 
der  anderen  (z.  B.  H  enoch,  Berl.  klin.  Wsclir.  1866.  p.  112) ,  ja  viel- 
leicht sogar  derselben  Seite  hinzugesellen,  eine  Corabination,  welche  nur 
bei  sorgfältiger  Beobachtung  des  Verlaufes  und  mit  Berücksichtigung 
der  soeben  erwähnten  Momente  richtig  erkannt  werden,  und  deren  Ver- 
kennen daher  nicht  besonders  auffallen  kann.     Jedenfalls   meine   ich 
nicht,  dass  man  um  solcher  seltener  Fälle  willen  ,  die  man  vielleicht  als 
Zwischenformen  zwischen  croupöser  und  Bronchopneumonie  betrachten 
könnte ,  die  strenge  Unterscheidung  beider  Formen  schon  m  den  ge- 
wöhnlichen Beobachtungen  für  unmöglich  erklären  sollte.    Man  kann 
die  Unmöglichkeit  allenfalls  für  rudimentäre  Fälle  beider,  msbesondere 
für  einseitige  Bronchopneumonie,  nicht  aber  für  solche  mit  ausgebil- 
deter örtlicher  Störung  zugeben  ,  mit  Ausnahme  der  eben  besprochenen 


(382  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Combination  mit  mangelhafter  oder  zu  spät  begonnener  Beobachtung. 
Uebrigens  zeigt  die  Bronchopneumonie  im  Allgemeinen  schon  eine  weit 
grössere  Cyanose  und  Dyspnoe  ,  sowie  einen  weicheren  meist  auch  viel 
Irequenteren  Puls,  als  die  cronpöse  Form. 

PhthisischeProcesse  können  durch  ihren  Beginn  besonders 
dann  eine  croupöse  Pneumonie  vortäuschen,  wenn  sie  bei  bisher  Gesun- 
den oder  wenigstens  nach  vorausgegangenem  fieberlosem  Zustande  uuter 
lebhaftem  Fieber  auftreten  und  die  Zeichen  der  Verdichtung,  zumal  im 
Oberlappen  nur  einer  Seite,  baldigst  erscheinen  (Buhl's  genuine  Des- 
quamativpneumonie). Die  unterscheidenden  Momente  sind  thcils  der 
Aetiologie,  theils  der  Symptomatologie  zu  entnehmen.  Hereditäre  phtlii- 
sische  Anlage,  Zeichen  einer  stärkeren  Skrofulöse,  insbesondere  verbrei- 
tete Lymphdrüsengeschwülste ,  chronischer  Bronchialkatarrh  geben 
schon  von  vornherein  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  die 
Verdichtung  croupüser  Natur  nicht  sein  dürfte ,  und  zwar  um  so  mehr, 
wenn  sie  sich  auch  ungewöhnlich  langsam  ausbreitet.  Weiterhin  wird 
diese  Ansicht  bestätigt,  wenn  das  Fieber  massig  bleibt  und  öfters  eine 
Neigung  zu  grösseren  Remissionen  zeigt,  sowie  ganz  besonders  dann, 
wenn  es  ü))er  die  Zeit  hinaus  dauert ,  in  welcher  selbst  eine  ungewöhn- 
lich verzögerte  Krise  bei  croupöser  Pneiuuonie  hätte  eintreten  müssen, 
Der  weitere  Veidauf  ist  ganz  derjenige,  welchen  die  letztere  zeigt,  wenn 
sie  anomalerweise  in  Phthisis  übergeht.  Schliesslich  kann  die  Diagnose 
insbesondere  dadurch  sichergestellt  werden ,  dass  sich  Zeichen  von  Ver- 
dichtung in  dem  bisher  nicht  afficirt  gewesenen  Oberlappen  nachweisen 
lassen,  oder  dass-Höhlensyraptome  auftreten. 

Bei  dieser  Gelegenheit  mag  nochmals  des  Umstandes  gedacht  wer- 
den ,  dass  bei  Kindern  croupöse  Pneumonieen  der  Oberlappen  vorkom- 
men, welche,  obwohl  ihr  Fieber  in  ermässigter  Intensität  sich  zwei  Wo- 
chen (Buchanan,.J.  f.  Kkh.  52.  p.  11.5)  und  länger  (Buhl)  hinausziehen 
kann,  trotzdem  in  volle  Genesung  übergehen  und  dadurch  ihre  nicht- 
phthisische  Natur  beurkunden.  So  sah  Trousseau  (laut  Dama- 
schino,  1.  c.  p.  89,  wahrscheinlich  im  Journ.  de  med.  1844;  aphor.  71) 
in  einem  Fall  »la  maladie  se  prolonger  pendant  deux  mois  sur  un  sujet 
non  tuberculeux.«  Und  Damaschino  berichtet  von  einem  7'/sj. 
Kinde,  bei  welchem  die  Zeichen  der  Infiltration  des  rechten  Unter- 
lappens erst  sechs  Wochen  später  als  das  Fieber ,  und  zwar  vollständig, 
verschwanden  ;  das  Kind  blieb  gesund.  Man  verzweifele  daher  nicht  bei 
Verzögerung  der  Abheilung.  Auch  bei  Pneumonieen  einer  ganzen 
Lunge  und  doppelseitigen  Pneumonieen  pflegt  die  Resorption  wesent- 
lich verlangsamt  zu  sein  (Barth  ez,  J.  f.  Kkh.  .39.  p.  97.  u.  A.). 

Die  Differentialdiagnose  des  pleuritischen  Exsudates  und 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  683 

der  croupösen  Pneumonie  kommt  natürlicherweise  fast  nur  in  Betreff 
der  AfFektionen  der  Unterlappen  in  Betracht ;  wegen  primärer  Pneu- 
monie eines  Oberlappens  würde  sich  höchstens  dann  eine  Schwierigkeit 
ergeben,  wenn  der  unterste  Theil  der  Pleurahöhle  durch  feste  alte  Ver- 
wachsung der  Pleurablätter  obliterirt  wäre  und  die  Zeichen  des  Er- 
gusses sich  daher  nur  oberhalb  der  Verwachsungsgrenze  einzustellen 
vermöchten.  Sie  ist  im  Kindesalter  weit  schwiei-iger,  als  man  nach  den 
Erfahrungen  bei  Erwachsenen  vermuthen  sollte.  Während  bei  der 
Pneumonie  der  letzteren  charakteristische  Sputa  fast  niemals  fehlen  und 
andererseits  über  ihrem  Pleuraexsudat  starke  Dämpfung  (» leerer « 
Schall),  Abschwächung  des  Athemgeräusches,  der  Stimme  und  der  Stimm- 
vibrationen des  Thorax  in  einer  die  Diagnose  fast  vollkommen  sicher- 
stellenden Weise  vorhanden  zu  sein  pflegen ,  ist  dies  Alles  beim  Kinde 
ganz  anders.  Hier  fehlen  die  Sputa  meist  gänzlich,  hier  sind  die  Stimm- 
vibrationen ihrer  Schwäche  und  anderer  Umstände  wegen  nur  ausnahms- 
weise verwerthbar ,  hier  wird  die  Dämpfung ,  welche  selbst  ein  relativ 
hochgradiges  Exsudat  giebt ,  der  absoluten  Kleinheit  des  Thorax  und 
grossen  Nähe  der  lufthaltigen  Bauchorgane  wegen  niemals  sehr  stark, 
und  ist  das  Bronchialathraen,  wenigstens  bei  frisch  entstandener  Afiek- 
tion  mit  dem  gewöhnlich  dünnflüssigen  serösen  Exsudat,  gewöhnlich 
überall  in  beträchtlicher  Intensität  vernehmbar.  Zur  Stellung  einer 
sicheren  Diagnose  ist  man  daher  auf  die  übrigen  Krankheitszeichen  an- 
gewiesen. 

Zweierlei  ist  es ,  was  der  Diagnostiker  bei  der  Möglichkeit  einer 
croupösen  Pneumonie  in  Betreff  der  Pleuritis  zu  erörtern  hat.  Es  han- 
delt sich  nämlich  nicht  nur  einfach  um  die  Unterscheidung  von  Pneu- 
monie und  Pleuritis ,  sondern ,  zumal  in  einer  späteren  Zeit  der  Krank- 
heit vielmehr  darum,  zu  bestimmen,  ob  die  Pneumonie  allein  vorhanden 
oder  durch  ein  pleuritisches  Exsudat  complicirt  ist.  Um  den  letzteren 
Fall  frühzeitig  und  sicher  entscheiden  zu  können,  ist  eine  genaue  Beob- 
achtung des  Kranken  von  Anfang  an  durchaus  nothwendig ;  für  die 
spätere  Zeit  des  febrilen  Stadium  ist  die  Bestimmung  des  pleuritischen 
Exsudats  nur  bei  so  erheblicher  Grösse  desselben  möglich ,  dass  es  selb- 
ständig auf  den  Symptomencomplex  der  Pneumonie  einvnrken  kann ; 
bei  massiger  Grösse  pflegt  es  erst  in  der  Reconvalescenz  erkannt  zu 
werden ,  sofern  seine  Resorption  langsamer  als  die  der  Pneumonie  vor 
sich  geht. 

Ein  sehr  wichtiges  Moment  zur  Unterscheidung  von  Pneimionie 
und  Pleuritis  kann  eine  aufmerksame  Beobachtung  im  Anfange  der 
Krankheit  ergeben.  Steigt  eine  verhältnissmässig  ziemlich  starke  Däm- 
pfung, oberhalb  derer  ein  tympanitischer  Saum  sich  findet,  oder  wenig- 


(384  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

stens  finden  kann,  allmählich,  beziehentlich  an  der  Vorder-  und  Rücken- 
fläche  des  Thorax  in  gleichmässiger  Weise  in  die  Höhe ,  so  ist  Pleuritis 
vorhanden ;  ist  dagegen  der  Schall  in  einem  grösseren  Bezirke  von  An- 
fang an  gleichmässig  abnorm ,  zuerst  tympanitisch ,  später  immer  ge- 
dämpfter, so  ist  Pneumonie  wahrscheinlicher,  und  ganz  besonders  ist  sie 
es  dann ,  wenn  die  oljere  Grenzlinie  der  Dämpfung  den  Lappen  grenzen 
folgt.  Vielleicht  wird  im  letzteren  Fall  auch  feines  echtes  Knistern  an- 
fänglich im  ganzen  Bereiche ,  späterhin  besonders  an  der  Grenze  der 
Dämpfung,  oder  ein  zuerst  über  dem  oberen  Abschnitt  des  Unterlappens 
—  am  beweisendsten  entfernt  von  der  Lungenwurzel  —  erscheinendes 
deutliches  Bronchialathmen  die  Wagschale  zu  Gunsten  der  Pneumouie 
sinken  machen.  Wenn  Rasselgeräusche  im  Bereiche  der  Dämpfung  vor- 
handen sind,  so  spricht  dies  eher  für  Pneumonie  als  für  Pleuritis;  in- 
dessen muss  hier  bedacht  werden,  dass  das  pleuritische  Reiben  bei  Kin- 
dern (es  kommt  bei  diesen  im  Anfang  der  Pleuritis  sicher  vor),  ein 
feineres  imd  gleicbniässigeres ,  also  viel  weniger  rauhes  holperndes  Ge- 
räusch als  bei  Erwachsenen  darstellt,  auch  sein  Klang  ein  den  kindlichen 
Rasselgeräuschen  oft  ziemlich  ähnlicher  ist  —  man  möge  also  genau  zu- 
hören !  Uebrigens  ist  bekanntlich  im  Anfang  der  Pneumonie  das  Rei- 
bungsgeräusch kaum  jemals  vorhanden  und  stört  daher  kaum  die  Ent- 
scheidung über  die  Natur  der  auscultatorischen  Phänomene. 

Das  eben  besprochene  Bi'onchialathmen,  wenn  es  in  beschränktem 
Umfange  an  einer  höher  oben  und  entfernt  von  Lungenwurzel  und  Wir- 
belsäule gelegenen  Stelle,  also  besonders  in  der  Achselhöhle, 
erscheint ,  —  natürlich  ohne  dass  in  den  untersten  Theilen  eine  erheb- 
liche Diimpfung  mit  abgeschwächtem  Athmen  vorhanden  ist  —  ist  von 
grosser  Bedeutung  für  die  frühzeitige  Diagnose  der  cronpösen  Pneumonie. 
Auch  der  Kinderarzt  muss  auf  die  Anwesenheit  eines  solchen  sein  ganz 
besonderes  Augenmerk  richten.  Es  erklärt  sich  aus  der  öfters  zuerst  in 
den  seitlichen  Abschnitten  der  Lunge  erscheinenden  intensiven  Verdich- 
tung und  ist  also  vorzugsweise  liald  nach  Deginu  der  Krankheit  bemerk- 
bar. Bei  pleuritischem  Exsudat  pflegt  das  Bronchialathmen  (natürUeher- 
weise  unter  der  Voraussetzung  einer  solchen  Flüssigkeitsmenge,  dass 
durch  Compression  des  Lungengewebes  überhaupt  Bronchialathmen  er- 
zeugt weiden  kann)  zuerst  mehr  in  der  Nähe  der  Wirbelsäule,  nach  der 
Lungenwnrzel  hin ,  aufzutreten,   beziehentlich  am  stärksten  zu  sein. 

Ich  muss  noch  einmal  auf  die  bei  erwachsenen  Pleuritikern  so  be- 
trächtliche Abschwächung  der  Athemgeräusche  zurückkommen.  Im 
Bereiche  massiger  frischer  Exsudate  ist  nämlich  oft  genug  ein  ziemlich 
starkes  Bronchialathmen  zu  hören  ,  dessen  Intensität  anscheinend  voll- 
kommen mit  dem  pneumonischen  übereinstimmt.  Nun  lehrt  aber  dem 
Geübten  eine  genaue  Beobachtung  bei  exquisiter  Pneumonie ,  dass  das- 
selbe bei  gleicher  Athemtiete  hier  in  der  Regel  doch  noch  lauter  ver- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  g85 

uehmbar  ist.  Ganz  entschieden  spricht  also  nur  eine  ausserordentliche 
auch  bei  ruhigem  Athmen  auffällige  Deutlichkeit  des  Bronchialathniens 
im  Bereiche  einer  Dämpfung  an  der  Lungenbasis  für  Pneumonie,  wäh- 
rend eine  massige  Lautheit  bei  ihr  wie  bei  Pleuritis ,  und  besonders  in 
der  durch  ein  pleuritisches  Exsudat  complicirten  Form  der  Pneumonie 
vorkommen  kann.  Diese  verschiedenartige  Intensität  der  den  Bronchien 
entstammenden  Geräusche  ist  auch  an  der  Stimme ,  beziehentlich  dem 
Geschrei  kleiner  Kinder  meistens  leicht  zu  erkennen.  Die  Beurtheiluno- 
des  höheren  oder  niederen  Grades  der  Lautheit  erfordert  freilich  das 
Einhalten  gewisser  selbstverständlicher  Cautelen  und 
üebung. 

Es  kommen  ganz  selten  Fälle  von  Pneumonie  vor,  ^vo  wegen  ziem- 
lich bedeutender  oder  nahezu  vollkommener  Verstopfung  der  Bronchien 
mit  dickeitrigem  oder  besonders  fibrinösem  Exsudat  das  Bronchialath- 
men  sehr  bedeutend  verschwächt  oder  nahezu  aufgehoben  ist,  ohne  dass 
die  Pneumonie  durch  ein  pleuritisches  Exsudat  complicirt  wird.  Wird 
hiernach  schon  ein  wichtiges  Symptom  der  Pneumonie  nach  Art  des- 
jenigen Verhaltens  modificirt ,  welches  man  bei  Pleuritis  zu  sehen  ge- 
wohnt ist,  so  wächst  die  Pleuritisähnlichkeit  noch  weiter  dadurch ,  dass 
mit  der  zunehmenden  Verdrängung  der  Luft  auch  der  Percussionsschall 
an  Diunpfheit  zunimmt.  Aufschluss  über  die  pneumonische  Natur  der 
Affektion  kann  hier  die  Gestalt  der  Dämpfung,  sofern  sie  der  Grenzlinie 
des  oberen  und  unteren  Lappens  folgt,  und ,  wenigstens  bei  einlappiger 
Infiltration ,  ihr  Mangel  an  der  Vorderfläche  des  Thorax ,  sowie  endlich 
der  Umstand  geben,  dass,  genügenden  Umfang  der  Dämpfung  voraus- 
Igesetzt,  eine  Verdrängung  der  benachbarten  Organe,  zumal  des  Herzens, 
vermisst  wird. 

Ueberhaupt  ist  in  irgend  zweifelhaften  Fällen  das  Hervortreten 
aller  Symptome,  welche  die  Anwesenheit  einer  Pleuritis  mit  grösserem 
oder  serinwerem  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  darthun ,  wie  insbeson- 
dere  der  ebengenannten  Verdrängungserscheinungen ,  der  Erweiterung 
des  Thorax,  der  Verstreichung  der  Intercostalräume,  auch  der  Verschie- 
bung des  Mediastinum  nach  der  gesunden  Seite  hin,  schliesslich  der  Ab- 
schwächung  der  Stimme  —  beziehentlich  des  Geschreis  —  und  der 
Stimmvibrationen  (vgl .  B  a  c  c  e  1 1  i  in  Sulla  trasmissione  dei  suoni  attra- 
verso  i  liquidi  endopleurici  di  differente  natura.  Roma  1877,  und  P. 
Niemeyer,  Phys.  Diagn.  Erl.  1874.  p.  283)  sorgfältig  zu  beachten. 
Bei  Pneumonie  der  Oberlappen  gedenke  man  des  Umstandes ,  dass 
eine  an  der  Basis  entstehende  Dämpfung  durch  Ansammlung  von  Flüs- 
sigkeit in  der  Pleurahöhle  bedingt  sein  kann ,  und  diagnosticire  daher 


ggg  Krankheiten  der  Atlrmungsorgane.     Lunge. 

eine  neue  Infiltration  im  Unterlappen  nur  nach  sorgfältiger  Abwägung 
der  dafür  sprechenden  Gründe. 

Sehr  schwierig  ist  die  Diagnose  einer  Pneumonie  des  Oberlappens, 
welche  zu  einer  mit  pleuritischem  Exsudat,  zumal  in  reichlicherer  Meuge, 
complicirten  Pneumonie  des  Unterlappens  hinzutritt.  Vielleicht  ermög- 
licht eine  genaue  oft  wiederholte  Beobachtung  der  örtlichen  Verände- 
rungen (rasches  Entstehen  beziehentlich  Zunahme  einer  Dämpfung  über 
dem  Oberlappen  und  Bronchialathmen  ohne  oder  ohne  entsprechende 
Zunahme  der  Verdrängungserscb einungen,  ausgedehntes  Knistern  im 
Anfang  des  Processes  und  Fortdauer  starken  mit  der  Annahme  einer 
Compression  des  Ol^erlappens  nicht  verträglichen  Bronchialathmens) 
den  Nachweis  dieser  interessanten  Verwicklung. 

Ein  sehr  wichtiges  Moment  für  die  fragliche  Diagnose  ,  insbeson- 
dere zur  Bestimmung  der  Anwesenheit  einer  reinen  oder  durch  ein  pleii- 
ritisches  Exsudat  complicirten  Pneumonie  bietet  die  Beobachtung  des 
für  beide  Fälle  oben  (p.  623  und  659)  ausführlich  erörterten  Tempe- 
raturganges. Betrachten  wir  daher  hier  nur  noch  zum  Vergleich  das 
ziemlich  verschiedenartige  Verhalten  der  Eigenwärme  bei  reiner  pri- 
märer Pleuritis  der  Kinder.  In  den  meisten  Fällen  ist  bei  ihr  das  Fieber 
massig,  ziemlich  regelmässig  remittirend  und  ohne  Neigung  zu  kriti- 
scher Beendigung  ;  nach  ein-  bis  mehrwöcheutlicher  Dauer  neigt  es 
unter  allmählicher  Abnahme  der  Tagesexacerbationen  der  Norm  zu, 
während  auch  die  Lokalveränderungen  abheilen.  Ausnahmsweise  ist  es 
in  intensiven  Fällen  nach  einem  rapiden  Beginn  in  der  ersten  Zeit  der 
Krankheit  hoch ,  gleich  dem  der  Pneumonie  (Zie  nassen  1.  c.  p.  51), 
und  ermässigt  sich  später  auf  die  gewöhnlichen  Zahlen  ;  indessen  habe 
ich  andererseits  auch  Fälle  mit  rasch  anwachsendem  Exsudat  bei  nahezu 
normaler  Temperatur  entstehen  sehen.  Auf  diese  Thatsachen  gründen 
sich  die  folgenden  diagnostischen  Sätze  :  In  Fällen,  in  welchen  die  Dia- 
gnose zwischen  Pleuritis  und  croupöser  Pneumonie  schwankt,  ist  erstere 
wahrscheinlicher  als  letztere,  wenn  das  Fieber  von  Anfang  an  niedrig 
oder  wenigstens  nicht  anhaltend  hoch  ist.  Hohe  TemperaturzifPern  in- 
nerhalb der  ersten  Tage  einer  in  besagter  Weise  zweifelhaften  entzünd- 
lichen Brustaffektion  sprechen  mehr  für  reine  oder  durch  Pleuritis  com- 
plicirte  Pneumonie,  als  für  reine  Pleuritis.  Durch  eine  in  solchen  Fällen 
zur  gehörigen  Zeit  erfolgende  kritische  Beendigung  des  Fiebers  wird 
die  croupöse  Pneumonie  sicher  erwiesen  und  jeder  Zweifel  darüber  be- 
seitigt, als  ob  dasselbe  lediglich  Folge  eines  pleuritischen  Exsudates  ge- 
wesen sei;  möglich  wäre  höchstens  neben  der  Pneumonie  ein  gering- 
fügiges rasch  und  günstig  ablaufendes  den  Gang  der  Temperatur  also 
nicht  beeinflussendes  Exsudat.      Dagegen  lässt  lytischer  Fieberschluss 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  687 

nach  vorausgegangenem  hohem  Fieber  die  Entscheidung  zwischen  einer 
durch  eine  beträchtliche  Pleuritis  complicirten  Pneumonie  und  reiner 
Pleuritis  noch  offen  ,  sofern  andere  Eventualitäten  ausgeschlossen  sind. 
Im  Allgemeinen  ist  daher ,  da  croupöse  Pneumonie  der  Kinder  einfach 
und  günstig  zu  verlaufen  pflegt,  einfache  Pleuritis  derselben  aber  selten 
hohes  Fieber  macht,  bei  den  entsprechenden  akustischen  Veränderungen 
neben  hohem  regelmässigem  und  kritisch  endigendem  Fieber  sicher  auf 
das  Dasein  einer  croupösen  Pneumonie  zu  rechnen. 

Bleibt  die  Diagnose  eines  Falles  aber  auch  trotz  Berücksichtigung 
aller  lokalen  und  febrilen  Momente  zweifelhaft ,  so  kann  unter  Umstän- 
den der  Abheilungsprocess  die  Entscheidung  zwischen  Pneumonie  und 
Pleuritis  bringen.  Die  Dämpfung  der  ersteren  vermindert  sich  nämlich 
mit  der  fortschreitenden  Lösung  des  Infiltrats  in  ziemlich  gleichmäs- 
siger  Weise  überall ,  während  der  Percussionsschall  über  dem  pleuriti- 
schen Exsudat  durch  allmähliches  Tiefertreten  der  oberen  Dämpfungs- 
grenze heller  zu  werden  pflegt.  Dem  entsprechend  rückt  auch  das 
stärkste  Bronchialathmen  herab  und  verliert  langsam  an  Intensität, 
während  es  bei  Pneumonie  in  der  Regel  rasch  uud  gleichmässig  ver- 
schwindet. 

Abgesackte  pleuritische  Exsudate  unterscheiden  sich  von  Pneimio- 
nie  theils  durch  das  geringfügige  oder  ganz  fehlende  Fieber,  theils 
durch  die  für  letztere  ungewöhnliche  Constanz  der  akustischen  Erschei- 
nungen. 

Bei  Beurtheilung  der  etwa  nach  rechts  verschobenen  rechten  Herz- 
grenze eines  Pneumonischen  denke  man  auch  an  die  besonders  bei 
gleichzeitiger  Pleuritis  vorhandene  Möglichkeit  einer  Pericarditis. 
Dessgleichen  erinnere  man  sich,  wenn  den  Herzbewegungen  synchroni- 
sche  Reibungsgeräusche  in  der  Herzgegend  vernommen  werden ,  dass 
dieselben  auch  extrapericardialen,  nämlich  pleuritischen  Ursprungs  sein 
können. 

Da  die  bei  Pneumonie  vorhandenen  Schmerzen  zumal  von  kleinen 
Kindern  öfter  in  den  Leib  verlegt  werden ,  so  könnte  unter  Umständen 
auch  einmal  eine  Verwechslung  derselben  mit  Peritonitis  stattfin- 
den. Ganz  besonders  wäre  dies  möglich,  wenn  heftiges  Fieber  und,  der 
Schmerzen  und  der  Auftreibung  des  Leibes  wegen  ,  frequente  Respira- 
tion ,  vielleicht  auch  zufällig  etwas  Husten  vorhanden  wäre ,  welcher 
ebenso  wie  bei  Pneumonie  die  Schmerzen  steigert  und  desswegen  unter- 
drückt zu  sein  pflegt.  Abgesehen  vom  Mangel  der  akustischen  und 
anderen  Zeichen  der  Pneumonie  (man  bedenke,  dass  bei  hohem  Zwerch- 
fellstand auch  die  Leberdämpfung  hochgerückt  ist)  und  vom  Vorhan- 
densein derjenigen  der   Peritonitis  kann  die  richtige  Diagnose  schon 


ggg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

durch  die  Lage  des  Kindes  mit  möglichst  erschlafften  Bauchdecken  und 
ano-ezogenen  Schenkeln  ,  die  Nichtbehiuderimg  der  Exspiration  (lautes 
Geschrei) ,  aber  bedeutende  Behinderung  der  Inspiration  durch  die  in- 
spiratorische Spannung  der  Bauchdecken,  erschlossen  werden.  Ausser- 
dem pflegt  Druck  die  Leibschmerzen  bei  Peritonitis  in  weit  höherem 
Grade  zu  steigern  als  dies  bei  Pneumonie  geschieht. 

Mit  Meningitis  ist  die  Pneumonie  oft  genug  verwechselt  wor- 
den imd  Barthez  und  Rilliet,  welche,  nachdem  sie  1838  (Pneumo- 
nie p.  98)  nur  einen  derartigen  Fall  gesehen  und  sehr  wenige  beschrie- 
ben gefunden  hatten ,  in  der  zweiten  Ausgabe  ihres  berülimten  Werkes 
(1861)  die  Form  der  sog.  Hirupneumonie  aufstellten,  sagen,  dass  dies 
geradezu  bei  allen  derartigen  Kranken,  die  sie  in  fremder  Praxis  sahen, 
der  Fall  gewesen  sei.  Schon  Fried  leben  (Arch.  f.  phys.  Heilk.  1847 
VL  p.  29)  hatte  auf  solche  Verwechslungen  aufmerksam  gemacht,  in- 
sofern tüchtige  Aerzte  einfache  Pneumonie  der  Ober-  wie  ünterlappen 
für  »Hydrocephalus«  angesehen  hatten.  Die  Möglichkeit  eines  Irrthums 
liegt  besonders  für  den  vor ,  der  bei  Anwesenheit  von  Hirnsymptouien, 
zumal  wiederholten  Convulsionen  mit  Sopor  (Politzer,  Jbch.  f.  Khkde. 
N.  F.  IV.  p.  310)  oder  mit  Delirien  sofort  an  greifbare  anatomische 
Veränderungen  des  Schädelinhalts  denkt  —  ein  negatives  Sectionsresul- 
tat  bringt  z.  B.  Damaschino  (1.  c.  p.  134)  im  Fall  eines  nach  zehn- 
tägiger Krankheit  gestorbenen  Knaben  mit  rechtseitiger  Oberlappen- 
Pneumonie  — ,  der  nicht  so  oft  als  nur  immer  möglich  untersucht,  ins- 
besondere thermometrische  Messungen  für  überflüssig  hält,  und  nicht 
genau  genug  auf  die  Zeichen  der  besonders  bei  Spitzenpneumonieen  häu- 
fig sehr  langsam  hervortretenden  lokalen  Veränderungen  achtet.  Gerade 
die  Spitzenpneumonieen  sind  es  aber ,  welche  am  meisten  zu  schweren 
Hirnsymptomen  Anlass  geben.  Die  Momente ,  auf  welche  die  Unter- 
scheidung zwischen  Pneumonie  und  Meningitis  sich  zu  stützen  hat,  sind 
theils  allgemeine,  theils  lokale. 

Was  die  allgemeinen  Symptome  anlaugt ,  so  sind  die  wichtigsten 
diejenigen ,  welche  das  Fieber  bewirkt.  Z  i  e  m  s  s  e  n  (1.  c.  p.  250)  hat 
auf  das  von  dem  bei  Pneumonie  durchaus  abweichende  Verhalten  der 
Eigenwärme  aufmerksam  gemacht ,  welches  die  Basilarmeningitis  dar- 
bietet. Ich  kann  auf  Grund  meiner  Beobachtungen  seine  Angaben,  dass 
bei  dieser  Afiektion  die  Temperatur  nur  ausnahmsweise  ihre  bei  Pneu- 
monie gewöhnliche  Höhe  (40  "  und  darüber)  erreiche ,  vielmehr  sich 
zwischen  38,5  "  und  40  "  unter  geringeren  oder  grösseren  Schwankun- 
gen zu  bewegen  pflege ,  nicht  nur  bestätigen ,  sondern  noch  dahin  er- 
weitern ,  dass  viel  öfter  nicht  einmal  derartige  Höhen,  sondern  nur  ge- 
ringes Fieber  oder  nahezu  Normaltemperatur  während  des  ganzen  oder 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose. 

wenigstens  grössten  Theiles  des  Verlaufs  der  Meningitis  beobachtet  wer- 
den ;  ausserdem  fehlt  bei  dem  regelmä.ssigen  letalen  Ausgang  der  Me- 
ningitis basilaris  natürlicherweise  jede  Andeutung  eines  typischen  Fie- 
berschlusses. Auch  die  übrigen  Formen  der  Meningitis,  soweit  sie  pri- 
mär sind  oder  wenigstens  im  Gefolge  fieberloser  Leiden  auftreten ,  ver- 
laufen mit  solch  irregulärem  nur  zeitweilig  beträchtliche  oder  sogar 
hyperpyretische  Höhen  erreichendem  Fieber,  mit  Ausnahme  der  pri- 
mären allgemeinen  Meningitis,  die  unter  einer  oft  enormen  Temperatur- 
Steigerung  rasch  zum  Tode  zu  führen  pflegt.  Durch  ein  unregelmässiges 
atypisches  massig  hohes  und  remittirendes  Fieber  zeichnet  sich  auch  die 
Cerebrospinalmeningitis  der  Kinder  aus,  diejenige  Form  ,  welche  noch 
am  ehesten  zur  Genesung  führt ,  so  dass  nicht  mit  unrecht  behauptet 
werden  darf,  dass  rasch  entstandenes  und  regelmässig  verlaufendes  con~ 
tinuirliches  oder  höchstens  durch  Pseudokrisen  unterbrochenes  Fieber, 
wie  bei  Pneumonie ,  geradezu  jede  Form  der  Meningitis  ausschliesse. 
Uebrigens  haben  schon  Barthez  und  Rilliet  (1.  c.  1855.  I.  p.  585) 
die  Bedeutung  der  »Wärme«  für  die  Differentialdiagnose  beider  Krank- 
heiten erkannt. 

Selbstverständlich  lässt  auch  der  Puls  der  Meningitis  das  dem  ty- 
pischen Fieberverlaut  bei  Pneumonie  entsprechende  typische  Verhalten 
vermissen.  Seine  Frequenz  ist ,  zumal  in  späteren  Stadien  der  Krank- 
heit ,  noch  abweichender  als  es  der  Temperaturhöhe  angemessen  wäre ; 
eine  zeitweise  abnorm  niedrige  Frequenz  (Hirndruck)  wechselt  mit 
einer  ausserordentlich  gesteigerten  und  zwar  kann  erstere  bei  erhöhter, 
letztere  bei  normaler  oder  nicht  entsprechend  erhöhter  Temperatur 
vorkommen.  Ausserdem  erfolgen  die  einzelnen  Herzcontractionen,  zumal 
bei  abnorm  niedriger  Frequenz ,  sehr  gewöhnlich  in  unregelmässiger 
Aufeinanderfolge  und  sind  von  ungleicher  Grösse.  Es  ergeben  sich  also 
auch  in  dieser  Beziehung  Unterschiede  genug  zwischen  croupöser  Pneu- 
monie mit  meningitischen  Symptomen  und  Meningitis. 

Auch  die  Ernährungsverhältnisse  bieten  bemerkenswerthe  Ver- 
schiedenheiten. Meningitis  folgt  bei  Kindern  sehr  gewöhnlich  aut  aller- 
lei chronische  Störungen  (Lymphdrüseninfiltrationen  verschiedener  Par- 
tieen,  Otitis,  raannichfache  scrofuiöse  Processe),  welche  unter  dem  Ein- 
flüsse einer  constitutionellen  die  Ernährung  herabsetzenden  Anomalie 
entstanden  sind ,  und ,  obschon  in  der  Regel  fieberlos  verlaufend ,  durch 
ihre  Anwesenheit  die  Ernährung  in  verschiedener  Weise  noch  weiter 
beeinträchtigen.  Nun  ist  allerdings  die  croupöse  Pneumonie  keine 
Krankheit,  welche  nur  kräftige  und  gesunde ,  und  die  Meningitis  keine, 
welche  nur  geschwächte  und  decrepide  Kinder  befällt  —  tritt  ja  doch 
gerade  die  epidemische  Cerebrospinalmeningitis  mit  Vorliebe  bei  Ge- 

Haadb.  d.  Kmdcrkrankheiten.    III.  2.  44 


690  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

snnrlen  auf  —  ;  indessen  scliliesst  sich  doch  gerade  die  verbreitetste 
Form  der  Meningitis,  die  basilare ,  so  häufig  an  einen  Zustand  schlech- 
ter Ernährung  der  Kinder  an,  dass  schon  daraus  mit  bei  Anwesenheit 
von  Symptomen  ,  welche  der  sog.  Hirupneumonie  ähnlich  sind ,  die  Na- 
tur der  Krankheit  erschlossen  werden  kann. 

Aber  auch  die  örtlichen  Symptome  bieten  Verschiedenheiten ,  auf- 
fallend genug ,  um  die  reinen  Formen  beider  Krankheiten  in  der  Regel 
mit  Leichtigkeit  unterscheiden  zu  können.  So  beginnt  die  »Hirnpneu- 
monie«  gern  mit  allgemeinen  Convulsionen  ,  selbst  bei  grösseren  Kin- 
dern, während  dieselben  bei  Meningitis  erst  später ,  gegen  den  letalen 
Ausgang  hin,  einzutreten  pflegen.  Ferner  sind  Kopfschmerzen,  Erbre- 
chen und  Sopor  (vgl.  Barthez  und  Rilliet  1.  c.  p.  582)  in  der  Re- 
gel bei  Meningitis  viel  intensiver  als  bei  dieser  Form  der  Pneumonie. 
In.sbesondere  ist  aber  daran  festzuhalten,  dass  deren  weitere  Symptome, 
welche  Meningitis  vortäuschen  könnten,  fast  nur  psychische  sind,  wäh- 
rend idiopathische  Meningitis  ausser  diesen  auch  motorische ,  sensible 
u.  s.  w.  Erscheinungen  hervorruft.  Dabei  sind  die  pneumonischen  Hirn- 
symptome  grossentheils  nur  Folge  der  hochgesteigerten  Eigenwärme 
und  schwinden  daher  oder  vermindern  sich  wenigstens  sofoi't  mit  einem 
spontanen  Sinken  (Flamm  ,  Diss.  Tüb.  1865.  p.  44)  oder  der  künstli- 
chen Herabsetzung  derselben,  einem  Eingi-ifl',  welcher  also  nicht  nur  in 
therapeutischer  Beziehung  bedeutungsvoll  sein  kann. 

Indessen  gelie  i''h  gern  zu ,  dass  einzelne  motorische  u.  s.  w.  Sym- 
ptome auch  bei  Pneumonie  vorkommen  können.  So  gedenkt  z.  13.  Rogue 
ungleicher  Pupillen  bei  einseitigen  Lungenaff'ektionen  ;  dessgleiclien  finflen 
sich  mitunter  Nackenstarre  und  sonstige  beschränkte  Mnskelsteifigkeiten 
liei  ihr  vor,  auch  ohne  dass  eine  Hirncomplication  liesteht.  Es  ist  also 
nur  eine  Mehrzahl  von  verschiedenartigen  Herdsyniptomen  mit  der  An- 
nahme einer  einfachen  Pneumonie  unverträglich. 

Schwieriger  ist  die  Unterscheidung  der  reinen  Meningitis  und  der 
mit  Meningitis  complicirten  Pneumonie ,  wenn  diese  Complication  aus- 
nahmsweise schon  bald  nach  Beginn  der  Pneumonie  auftritt  und  auch 
die  genaueste  Untersuchung  die  örtlichen  Zeichen  der  letzteren  nicht 
erkennen  lässt.  Erwägt  man  aber ,  dass  in  diesem  Stadium  der  Krank- 
heit das  heftige  Fieber  und  die  diesem  angemessene  Pulsfretjuenz  gegen 
Meningitis  sprechen,  beide  dagegen  sehr  wohl  mit  Pneimionie  vereinbar 
.sind ,  so  wird  man  beim  Auftreten  irgendwelcher  der  Pneumonie  Ter- 
dächtiger  Zeichen ,  insbesondere  einer  über  febrile  Herde  hinaus  gestei- 
gerten Piespirationsfrequenz  und  öfteren  Hustens,  zunächst  an  diese 
denken.  Bleibt  man  ausserdem  des  Umstandes  eingedenk,  daiss  Menin- 
giti.s  erst  bei  ausgebildeter  Pneumonie  oder  wenigstens  nicht  gleich  im 
Anfange  derselben  hinzuzutreten  pflegt,  da.ss  ihre  örtlichen  Zeichen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  691 

(vgl.  p.  663)  in  der  Regel  also  erst  einem  ausgeprägten  Symptomenbild 
sich  hinzumischen ,  so  wird  die  Unterscheidung  beider  Krankheitszu- 
stäude  nicht  mehr  allzu  bedeutenden  Schwierigkeiten  begegnen  können. 
Für  die  Diagnose  der  complicatorischen  Cerebrospinalmeningitis 
ist  nach  Maurer  (1.  c.)  ganz  besonders  der  Umstand  in  Betracht  zu 
ziehen ,  dass  es  vorzugsweise  kleinste  Kinder  sind  ,  die  mit  croupöser 
Pneumonie  behaftet  an  dieser  Complikation  erkranken.  Auch  bei  ihnen 
ist  der  eben  erörterte  Punkt ,  das  späte  Erscheinen  der  meningitischen 
Symptome ,  von  Wichtigkeit ,  und  beansprucht  unter  den  letzteren  die 
vermehrte  Spannung  und  dadurch  bewirkte  Formveränderung  der  Fon- 
tanelle eine  grössere  Bedeutung.  Einigermassen  kann  auch  Schmerz- 
haftigkeit,  welche  durch  Druck  aut  die  Wirbelsäule  des  Pneumonischen 
hervorgerufen  wird  und  selbst  bei  massigem  Coma  sich  bemerklich 
macht ,  auf  die  Diagnose  hinweisen.  Gefördert  wird  dieselbe  jedenfalls 
durch  die  Aetiologie ,  wenn  eine  Epidemie  von  Cerebrospinalmeningitis 
im  Orte  besteht  oder  wenigstens  sporadische  Erkrankungen  vorgekom- 
men sind. 

Den  in  diagnostischer  Hinsicht  sehr  interessanten  Fall  eines  —  fi'ei- 
lich  16jährigeii  —  Knaben,  de.ssen  Section  ausser  doppelseitiger  Spitzen- 
pneumonie  nur  Oedem  der  Hirnhäute,  Nichts  im  Rüekenmarkskaual  er- 
gab, und  der  nach  sechstägiger  Krankheit  gestorben  war,  berichtet  Li n- 
gen  (Pet.  med.  Ztschr.  1865.  IX.  p.  318).    Vollkommene  Steifigkeit  des 
Kückens  und  Nackens ,    unbewegliche   im  Knie   gebeugte  Beine ,    enorme 
Hyperästhesie  der  stark  schwitzenden  kühlen  Haut ,   lebhafteste  Schmer- 
zen beim  Versuch  des  Lagevveehsels,  heftiges  Kopfweh  und  stärkste  Be- 
nommenheit,    kleiner  frequenter  Puls,  Maugel  des  Hustens  Hessen  trotz 
frequenter  Eespiration  die  Lungenentzündung    völlig  übersehen   und  die 
Diagnose  auf  Cerebrospinalmeningitis  epidemica  stellen.   Ich  erwähne  den 
Fall  seines  für  die  Kinderpneumonie  ausseroidentlichen  Interesse  halber. 
Endlieh  Ivommt  noch,  für  die  ersten  Tage  wenigstens,  die  Diagnose 
einiger  akuter  Krankheiten,  insbesondere  der  für  die  Pathologie 
des  Kindes  so  wichtigen  akuten  Exantheme,  in  Betracht.  Scharlach  und 
Pocken,  letztere  natürlich  fast  nur  bei  Ungeimpften,  mitunter  auch  Ma- 
sern ,  beginnen   nämlich  in  intensiven  Fällen  öfters  in  gleicher  Weise 
wie  die  croupöse  Pneumonie  mit  heftigem  Fieber    und  Erbrechen,  und 
dem  entsprechend  bei  älteren  Kindern  unter  Frost ,  bei  jüngeren  unter 
Convulsionen ;   gleichzeitig  sind  überall  Hirnsymptome  verschiedener 
Art  vorhanden.     Die  Diagnose  ist  besonders  dann  erschwert   und  die 
Krankheit  mit  Pneumonie  zu  verwechseln,  wenn  die  Eruption  sich  ver- 
zögert und  die  charakteristischen  Prodromalsymptome  nicht  in  auffäl- 
liger Weise  hervortreten  ;  erleichtert  ist  sie ,   wenn  eine  Epidemie  der 
betreffenden  Affektion  besteht  und  die  febril  Erkrankten  die  fragliche 
Disposition  besitzen.    Gesichert  wird  die  Diagnose  einestheils  durch  die 

44* 


(392  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

charakteristischeu  Prodromalsymptome  oder  die  Eruption,  welclie  beim 
Scliarlacli  am  frühesten  zu  erwarten  ist ,  andererseits  durch  die  Zeichen 
der  pneumonischen  Lokalerkrankung ,  sofern  sie  allein  auftreten  und 
nicht  etwa  eine  (sehr  seltene)  Complication  des  Prodromalstadiums  der 
betreffenden  Exantheme  anzeigen.  Auch  andere  mit  intensivem  Fieber 
und  ohne  vollkommen  charakteristische  Lokalsymptome  beginnende 
Störungen,  wie  Abdominaltyphus,  schwere  Magendarmaffektiouen, Herz- 
entzündungen, selbst  ephemeraartig  verlaufende  fieberhafte  Afiektionen, 
können  so  eine  Zeit  lang  für  Pneumonie  imponiren.  Umgekehrt  täu- 
schen mitunter  Pneumonieen  ,  welche  unter  Diarrhoeen  beginnen,  der 
durch  ihr  heftiges  Fieber  hervorgerufenen  Nervensymptome  wegen,  eine 
kurze  Zeit  lang  Ijis  zum  Nachweis  der  Localisation  einen  Typhus  vor 
(typhöse  Pneumonie,  Pneumotyphus).  Ebenso  kann  initiales  Erythem 
Irrthümer  veranlassen  (Hillier). 

Die  Diagnose  der  verschiedenen  Ausgänge  der  Pneumonie  muss 
sich  an  die  Diagnose  der  ursprünglichen  Krankheit  anlehnen.  Ob  in 
einem  bestimmten  Falle  der  Lungenabscess ,  Lungenbrand  u.  s.  w.  aus 
croupöser  Pneumonie  hervorgegangen  ist  oder  nicht,  lässt  sich  nicht  an 
besonderen  der  betreffenden  Form  eigenthümlichen  Symptomen  erken- 
nen. Auf  die  Diagnose  der  betreffenden  Zustände  selbst  kann  an  diesem 
Orte  nicht  eingegangen  werden. 

Bei  secundäre  r  Pneumonie,  welche  zu  fieberhaften  Krankheiten 
hinzutritt ,  kann  die  Diagnose  nur  durch  die  akustischen  Zeichen ,  viel- 
leicht auch  durch  die  Sputa  gemacht  werden  ,  während  Fieber,  Husten 
und  Dyspnoe  meist  nur  die  Bedeutung  haben,  dass  sie  zur  genauen  ört- 
lichen Untersuchung  auffordern.  Bei  vorherigem  fieberlosem  Verlaui 
sind  die  Allgemeinsymptome  diagnostisch  wichtiger ,  ähnlich  wie  bei 
primärer  Pneumonie.  Unter  allen  Umständen  ist  es  nothwendig,  des 
p.  077  aufgeführten  Satzes  eingedenk  zu  bleiben  ,  dass  pathognomoni- 
sche  Sputa  nicht  existiren ,  eine  Wahrheit ,  im  Anschluss  an  welche  ich 
hier  nur  hervorheben  möchte ,  dass  es  auch  untrügliche  akustisclie 
Zeichen  für  croupöse  Pneumonie  nicht  giebt.  Ich  sage  dies  mit  beson- 
derer Beziehung  auf  das  Knistern ,  dem  öfters  eine  solche  Bedeutung 
zugeschrieben  wurde.  Es  scheint  nachgewiesen ,  dass ,  abgesehen  von 
feinsten  bei  Kindern  oft  sehr  ähnlich  klingenden  Rasselgeräuschen,  ein 
derartiges  Geräusch  auch  durch  subpleurales  Emphysem  in  Folge  von 
Lungenruptur  (0  z  an  a  m  1.  c.  p.  51)  erzeugt  werden  kann. 

Schwieriger  noch  als  die  Diagnose  der  Pneumonie  überhaupt  ist  in 
solchen  Fällen,  zumal  wenn  Bronchialkatarrh  vorhanden ,  die  Diagnose 
des  croupösen  Charakters  der  secundären  Pneumonie.  Im  Allgemeinen 
gelten  die  oben  (p.  680)  angegebenen  Regeln,  im  Speciellen  müssen  die 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  693 

anatomischen  Erfahrungen  über  das  Vorkommen  oder  Nichtvorkommen 
der  croupösen  Pneumonie  neben  den  betreffenden  Krankheiten  gebüh- 
rend berücksichtigt  werden.  Ich  erinnere  in  dieser  Beziehung  insbeson- 
dere an  Masern  und  Keuchhusten,  deren  complicatorische  Pneumonieen 
in  der  Regel  (cf.  Taube  1.  c.)  anderer  als  croupöser  Natur  sind. 

Wenn  die  croupöse  Pneumonie  eine  Infektionskrankheit  ist ,  so 
wird  es  höchst  wahrscheinlich  auch  zu  ihr  gehörige  Fälle  geben,  welche 
mit  einem  charakteristischen  Fieber ,  jedoch  ohne  j  e  d  w  e  d  e  E  x  s  u- 
dation  in  die  Alveolen  verlaufen  ,  analog  den  sicher  constatirten  Fäl- 
len akuter  Exantheme  ohne  Exanthem.  Baas  (1.  c.  p.  313)  neigt  sich 
der  Annahme  zu,  dass  solche  Pneumonieen  vorkommen.  Ihre  Diagnose 
würde  selbstverständlich  nur  auf  ätiologischem  Wege  möglich  sein, 
da  lokale  Krankheitszeichen ,  wenn  solche  nachgewiesen  werden  könn- 
ten (partielles  Knistern  oder  sonstige  akustische  Anomalieen ,  blutige 
Sputa),  nicht  auf  diese  Form,  sondern  auf  eine  höchst  partielle  (B  a  a  s  1.  c), 
vielleicht  centrale,  oder  auf  eine  Abortivpneumonie  (p.  614)  hinweisen 
würden.  So  lange  daher  die  infektiöse  Natur  der  Pneumonie  noch  nicht 
erwiesen  ist,  wird  auch  die  Deutung  derartiger  neben  charakteristischen 
Fällen  vorkommender  Fälle  —  scheinbar  essentieller  Fieber  —  zu  wün- 
schen übrig  lassen. 

Wäre  die  Existenz  einer  solchen  Pneumonieform  erwiesen,  so  wür- 
den auf  gleiche  Weise  auch  manche  uumotivirte  Fieberanfälle  in  der 
Reconvalescenzperiode  der  croupösen  Pneumonie  erklärt  werden  kön- 
nen ;  sie  wären  dann  vielleicht  manchmal  als  Recidive  ohne  Localisation 
aufzufassen. 

Besonders  schwierig  ist  die  Erkennung  der  croupösen  Pneumonie 
der  N  e  u  g  e  b  o  r  e  n  e  n  u  n  d  S  ä  u  g  1  i  n  g  e.  Im  Allgemeinen  muss  auch 
hier  daran  festgehalten  werden ,  dass  eine  primäre  akute  mit  beträcht- 
lichem Fieber  verlaufende  und  bei  Mangel  wesentlicher  katarrhalischer 
Erscheinungen  lobäre  Lungenaffektion  wahrscheinlich  croupöser  Natur 
ist;  denn  dass  solche  Fälle  vorkommen  ,  ist  unzweifelhaft.  Kommt  der 
Fall  zur  Sektion,  so  entscheidet  die  Anschwellung,  die  feinstgranulirte 
Schnittfläche  und  die  fibrinöse  Pleuritis ,  vor  Allem  aber  die  mikrosko- 
pische Untersuchung. 

Es  sei  gestattet,  hier  anhangsweise  in  möglichster  Kürze  derjenigen 
Affektionen  zu  gedenken ,  mit  welchen  die  croupöse  Pneumonie  ^  eines 
sehr  jungen  Kindes  vei-wechselt  werden  könnte,  beziehentlich,  wie  ich 
auf  Grund  meiner  literarischen  Forschungen  annehmen  muss,  sehr  häufig 
verwechselt  worden  ist,  und  dabei  besonders  die  anatomischen  Unter- 
schiede hervorzuheben.     Solche  AiFektionen  sind  : 

1.  Die  angeborene  Atelektase.  Bleiben  Lungenabschnitte  Wo- 
chen-  und   monatelang   im  Fötalzustande,    so   verlieren   sie   ihre   gleich- 


ßg^  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

massig  livaunrothe  und  erlangen  allmählich  eine  schmutzige  schliesslicli 
hell  violette  Farbe;  ohne  brüchig  oder  zerreisslich  zu  sein,  werden  sie 
bald  so  trocken  und  blutarm,  dass  ihre  glatte  nicht  granulirte  Schnitt- 
fläche nur  aut  Druck  eine  geringe  blutig-seröse  Flüssigkeit  ergiebt;  auch 
gelingt  das  Aufblasen  der  festen  zähen  unelastischen  und  durch  ihr  Ein- 
gesunkensein  gegen  die  Umgebung  scharf  ausgezeichneten  Stellen  mit 
der  Zeit  immer  unvollständiger.  Dabei  sind  die  Alveolen  wie  beim  Pö- 
tus  coUabu't  und  vollkommen  leer.  Solche  luftleere  Partieen  collabu'ten 
Lungengewebes  finden  sich  besonders  in  den  hinteren  unteren  Theilen 
der  Unterlappen  in  zerstreuter  inselformiger  Verbreitung;  es  kann  sich 
jedoch  auch  ein  umfänglicherer  Lungenabschnitt,  ja  selbst  eine  ganze 
Luntre  in  diesem  Zustande  befinden.  Durch  Abwechseln  luftleerer  und 
lufthaltiger  Stellen  bekommt  die  Lunge  ein  eigentbümliches  maimorivtes 
Aussehen.  Die  angeborene  Atelektase  kommt  in  Folge  mangelnder  Ener- 
gie der  Respirationsbewegungen  bei  schwächlichen  frühgeborenen  oder 
während  der  Gelmrt  durch  Blutungen,  Kopfverletzungen  u.  s.  w.  erheb- 
lich geschädigten  Kindern,  sowie  bei  Aspiration  fremdartiger  Substanzen 
wie  Schleim,  Meeonium  u.  a.  in  die  Luftwege  vor.  Sie  können  zum  Of- 
fenbleiben der  fötalen  Wege  und  secundären  Herzaffektionen  Veranlas- 
sung geben. 

2.  Die  erworbene  Atelektase  und  Katarrhalpneumonie. 
Wird  im  Verblüff-  einer  intensiven  Bronchitis  das  Lumen  der  kleinen 
Bronchien  mit  Schleim  v(■r^topft,  so  wird  die  hinter  dem  Schleimpfropf 
abgesperrte  Luft  schliesslich  resorliirt,  sofern  sie  nicht  etwa  theilweise 
durch  übermässig  heftige  Exspirationen,  wie  gewaltsame  Hustenstösse, 
dunh  das  Hinderniss  hindurch  gedrängt  wird.  Ist  die  Resorption  aber 
vollendet  und  hat  nicht  mittlerweil'  die  Inspirationskraft  durch  die 
•schwere  Krankheit  überhaupt  wesentlich  abgenommen,  so  muss  bei  der 
inspiratorischen  Ausdehnung  der  lufthaltigen  Lungenpartieen  in  die  funk- 
ticmelljn  wie  nutritiven  Capillaren  der  atelektatisch  gewordenen  Theile 
Blut  einströmen:  Folge  dieser  Blutülierfüllung  ist  theils  ein  Durchtritt 
von  Blutzellen  in  die  Alveolen,  beziehentlich  ein  Extravasat  in  diesellien, 
theUs  eine  entzündliche  Durchtränkung  des  Lungengewebes.  Als  Endre- 
sultat dieser  Processe  (congestive,  hämorrhagische  Atelektase)  ergiebt 
sich  also  schliesslich  katarrhalische  Pneumonie.  Ihr  Ausgangspunkt,  ein 
verstopfter  Bronchus,  bedingt  für  sie  die  loljuläre  Fonn  der  Entzündung; 
gab  die  Verstopfung  zahlreicher  zumal  grösserer  Bronchien  Anlass  zur 
Entstehung  vieler  benachbarter  lobulärer  Herde,  so  kann  hierdurch  das 
Aussehen  einer  scheinbar  lobären  Affektion  hervorgerufen  und  so  das 
Vorhandensein  einer  croupösen  Pneumonie  vorgetäuscht  werden  (genera- 
lisirte  lobuläre  und  pseudololiäre  Pneumonie) ;  doch  findet  dies  im  Gan- 
zen selten  statt.  Nur  bei  stärkeren  Graden  derselben  ist  die  Pleura  leicht 
getrübt  oder  etwas  Flüssigkeit  in  der  Pleurahöhle  vorhanden.  Ein  we- 
sentlich entscheidendes  Moment  für  die  makroskopische  Betrachtung  liegt 
in  der  entschieden  nichtgranulirten  Schnittfläche,  in  der  Anwesenheit 
reichlichen  eitrigen  Schleimes  in  den  Bronchien ,  zumal  denen  der  infil- 
trirten  Partie,  sowie  in  atelektatiscben  aufblasefahigen  Gewebspartieen, 
in  der  UmgeViung  der  letzteren  .sowohl  wie  innerhalb  der  gesunden  oder 
wenigstens  nur  partiell  ergriffenen  Lungenabschnitte.    Die  katarrhahscbe 


Thomas,  Croupöse  Pneimionie.     Diagnose.  695 

Pneumonie  kann  dieselben  Farben  und  Consistenzvei-änderungen  daiineten 
wie  die  croupöse  und  gestattet  ebensowenig  wie  diese  die  Aufldasung. 

Pavlovsky  macht  darauf  aufmerksam,  dass  bei  ganz  jungen  Kin- 
dern trotz  ungenügender  Nahrungszufuhr  durch  Anwesenheit  der  patho- 
logischen Exsudate  eine  Gewichtszunahme  herbeigeführt  werden  könne, 
die  mit  Abheilung  der  Pneumonie  wieder  verschwinde. 

Als  eine  besondere  Art  der  katarrhalischen  Pneumonie  kann  die 
Fremdkürperpneumonie  gelten.  Wird  sie  durch  feste  nichtinfektiöse  in 
die  Luftwege  gelangte  Substanzen  hervorgerufen,  so  zeichnet  sie  sich  vor 
der  gewöhnlichen  difl'usen  Form  inslsesondere  dadurch  aus ,  dass  sie  auf 
einen  bestimmten  Lungenalischnitt  beschränkt  ist,  und,  da  in  der  Regel 
das  Leben  auch  im  Falle  dei- Nichtexpektoration  des  Fremdköipers  lange 
Zeit  erhalten  Ideibt ,  die  bei  kurzem  Verlaufe  meistens  nicht  erreichten 
Endstadien  des  Processes  liei  ihr  ausgezeichnet  in  die  Erscheinung  treten. 
Anders  ist  es,  wenn  zersetzungsfähige  Nahrungsstoffe  oder  in  die  T.uft- 
wege  hinabgeflossene  jauchige  Secrete  einer  kranken  Mund-  und  Eachen- 
höhle  den  Ausgangspunkt  der  Erkrankung  bilden;  es  erscheinen  dann 
mehr  oder  weniger  ausgedehnte  diffuse  und  zur  brandigen  Zerstörung 
neigende  Infiltrate.  Auf  ähnliche  Weise  entsteht  die  Pneumonie  in  sol- 
chen rasch  tödtlichen  Fällen  Neugeborner,  wie  sie  neuerdings  Küstner 
beschrieben  hat.  Auch  in  diesen  fanden  sich,  nachdem  bei  der  Geburt  in 
Zersetzung  begriffenes  Fruchtwasser  aspirirt  worden  und  das  Kind  rasch 
erlegen  war,  neben  serofibrinüser  Pleuritis  ausgedehnte  Lungeninfiltra- 
tionen, und  zwar  erschienen  die  Alveolen  und  kleinen  Bronchien  mit 
einer  feinkörnigen  Masse  angefüllt,  welche  neben  den  bei  raschem  Tcde 
natürlich  nur  in  geringer  Menge  voi'handenen  Entzündungsprodukten 
ganz  enorme  Mengen  kugelförmiger  Bakterien  darbot.  (Vgl.  die  Mitthei- 
lungen von  Martin  und  Förster  in  Würzb.  med.  Ztschr.  1860  I.  p. 
216).  Den  analogen  Sectionsbefund  einer  akuten  infektiösen  Pleuropneu- 
monie erhielt  v.  Hecker  in  einem  binnen  48  Stunden  tödtlichen  Fall, 
in  welchem  ein  durch  Kaiserschnitt  ausserhalb  der  inficirten  Anstalt  ex- 
traliirfes  Kind  in  dieselbe  verbracht  worden  war  und  hier  vermuthlieh 
mittelst  der  Athmungsluft  die  infektiösen  Elemente  aufgenommen  hatte. 
(IJeberhaupt  erlagen  daselbst  unter  281  meist  innerhalb  der  ersten  14 
Tage  nach  der  Geburt  gestorbenen  Kindern  19,  gleich  7  pCt.,  der  Pleuro- 
pneumonie.) 

3.  Die  Carnification.  Dieselbe  kann  nur  dann  Anlass  zur  Ver- 
wechslung mit  croupöser  Pneumonie  geben ,  wenn  man  Krankheitsver- 
lauf und  Verhalten  der  Lungensubstanz  bei  der  Section  nicht  gehörig 
berücksichtigt.  Durch  Alles,  was  die  Lunge  in  grösserer  Ausdehnung 
comprimirt,  insbesondere  ein  reichliches  pleuritisches  Exsudat,  verlieren 
die  Alveolen  ihren  Luftgehalt ;  hierdurch  gewinnt  die  Lunge  ein  schlaffes 
fleischartiges  Aussehen,  wenn  ihr  ßlutgehalt  der  normale  ist,  während 
bedeutendere  Hyperämie  zur  Zeit  der  Compression  ein  dunkelblaurothes 
milzähnliches  Aussehen  verleiht  (Splenisation).  Die  collabirten  Stellen 
lassen  sich,  zum  Unterschiede  von  hepati.sirten ,  künstlich  aufblasen, 
leichter  oder  schwerer,  je  nach  der  Dauer  der  Compression.  Bei  allzu- 
lano-er  Dauer  derselben  tritt  jedoch  irreparable  Verödung  ein:  das  Lun- 
geno-ewebe  ist  dann  dichter  und   von  blassem  oder  graulichem  pigmen- 


696  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

tirtem  Aussehen ,    schliesslich   wird    es   aber  ledevartig  fest  und  verliert 
seine  Struetur  vollkommen. 

4.  Die  Int  erl  obulär  pue  umon  ie.  Sie  ist  nach  R.  Maier(pei's. 
Mitth.)  eine  nicht  seltene  Affekiion  jüngerer  Kinder,  von  mir  aber  auf 
dem  Sectionstische  nur  einmal  bei  einem  4monatl.  Madchen  nach  drei- 
wöchentlicher pneumonischer  Erkrankung,  die  durch  mittelstarkes  Fieber 
und  massige  katarrhalische  Symptome  ausgezeichnet  wnr ,  besonders  in 
den  unteren  Luppen,  neben  doppelseitiger  intensiver  serofibrinBsei'  Pleu- 
ritis und  Pericarditis  (vgl.  Weber.  Virch.  Arch.  VI.  p.  101)  gesehen 
worden.  College  Mai  er  constatirte  die  Affektion  der  Erkrankung  des 
interlobulären  Bmdegewebes  ohne  wesentliches  Ergriffensein  der  Alveo- 
len. Die  ergriffenen  Partieen  waren  geschwollen  und  zeigten  eine  roth- 
braune  ziemlich  glatte  und  gleichmässige  Schnittfläche. 

5.  Die  embolische  Pneumonie,  beziehentlich  der  hämorrhagi- 
sche Infarkt.  Zwar  fehlen  bei  Kindern  diejenigen  Ursachen,  die  hei  Er- 
wachsenen am  häufigsten  zu  EmViolie  der  Lungenarterie  Anlass  geben, 
theilweise  fast  vollständig,  indessen  sind  dafür  andere,  wie  ausgedehnte 
Eiterungen,  und  zumal  bei  den  kleinsten  Kindern,  theils  die  Gerirmiingen 
im  Ductus  Bofalli  (Rauchfuss,  Virch.  Arch.  XVII.  p.  376),  theils  die 
verschiedenen  Naiielaffektionen  vorhanden,  und  die  embolische  Pneumonie 
daher  keine  Seltenheit.  Bei  einigenuassen  grösserem  Umfang  und  be- 
sonders tiei  complicatorischem  Plüssigkeitsei'guss  in  den  Pleuraraum  ist 
während  des  Lebens  eine  Verwechslung  mit  croupöser  Pneumonie  ganz 
wohl  möglich,  wenn  man  nur  die  vorhandenen  lokalen  Erscheinungen  in 
Rechnung  zieht  und  das  Fehlen  des  Auswurfs  berücksichtigt;  es  sind 
daher  bei  der  Diagnose  auch  die  Symptome  der  übrigen  Organe  und  die 
Zufälle,  unter  denen  die  Erscheinungen  der  Pneumonie  hervortraten,  so- 
wie insbesondere  die  veranlassenden  Momente  zu  beachten.  Die  Prognose 
ist  gewöhnlich  ungünstig,  zumal  bei  den  reichlichen  Complicationen,  welche 
bei  ganz  jungen  nabelkranken  Kindern  einzutreten  pflegen  ;  im  Sections- 
falle  sichern  die  höchst  ('harakteristischen  Leichenerscheinungen  die  Dia- 
gnose sofort. 

6.  Die  Hypostase.  Je  weniger  das  schwache  Herz  und  die 
schwache  Athmungsmuskulalur  eines  schwächlichen  Neugeborenen,  zu- 
mal nach  vorausgegangener  schwerer  anderweitiger  Erkrankung,  im 
Stande  ist,  den  Lungenkreislauf  in  genügender  Weise  in  Gang  zu  er- 
halten, um  so  leichter  kommt  es  zur  Blutübeifüllung  der  tiefstgelegenen 
hinteren  Abschnitte  der  Unterlappen  und  in  Folge  davon  zu  einer  meist 
gering  ausgebildeten  Entzündung  derselben.  Die  Entzündung  tritt  um 
so  leichter  ein ,  wenn  gleichzeitig  noch  eine  Capillärbronchitis  dieser 
Theile  besieht  und  das  zähe  Bronchialsecret  sich  besonders  in  den  be- 
zeichneten Partieen  anhäuft;  es  entsteht  dann  eine  Verdichtung  des  Lun- 
gengewebes, die  liald  mehr  die  Charaktere  der  KataiThalpneumonie  oder 
Atelektase,  bald  mehr  nur  die  einer  hypostatischen  Blutübeifüllung  der 
Alveolarcapillaren  mit  einigem  Austritt  von  klebrigem  Serum  und  Zellen 
in  das  Lumen  der  Alveolen  besitzt.  Wenn  nun  unter  besonderen  Ver- 
hältnissen, z.  B.  bei  anhaltender  einseifiger  Seitenlage,  die  gewöhnlich 
doppelseifige  Hypostase  nur  einen  Lappen  betrifft,  so  ist  im  Leben  eine 
Verwechslung  mit  partieller  lobärer  croupöser  Pneumonie  möglich  —  ab- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Diagnose.  697 

gesehen  davon,  dass  diese  letztere  auch  doppelseitig  vorkommen  kann. 
7.  Eine  besondere  Art  von  Pleuropneumonie  der  Neugeborenen  ist 
von  Buhl  unter  dem  Namen  der  acuten  purulenien  Inter- 
lobular p  n  e  u  m  o  n  i  e  genauer  beschrieben  vsrorden.  Kommt  sie  auch 
unter  anderen  Veihältnissen  im  Kindesalter  veie  bei  Erwachsenen  vor, 
so  erscheint  sie  doch  am  häufigsten  und  charakteristischsten  ,  und  nach 
zahlreichen  Erfahrungen  in  einer  Epidemie  ziemlich  regelmässig  bei  den 
Kindern  puerperal  erkrankter  Mütter,  so  dass  sie  gewiss  nicht  mit  Un- 
recht als  Folge  von  „pyämischer"  Infektion  angesehen  wird.  Die  Kin- 
der werden  zum  kleinen  Theil  todt  geboren,  oder  sterben  im  Falle  der 
Erkrankung  (nach  oder  auch  schon  vor  der  Geburt)  meistens  bis  zum 
dritten,  am  häufigsten  am  zweiten  Lebenstag.  Als  ihren  Ausgangspunkt 
betrachtet  Buhl  eine  sulzig-seröse  Infiltration  des  Bindegewebes  am 
Nabel,  oie  sich  von  hier  aus  längs  der  Gefässe  zur  Brustaorta  und  zum 
mediastinalen  Bindegewebe  verbreitet  und  von  diesem  aus  insbesondere 
längs  der  Bronchialarterien  zur  Lungenwurzel  und  zwischen  die  Lobi 
und  Lobuli  der  Lungen  hinein  fortschreitet.  Tritt  der  Tod  im  frühesten 
Stadium  ein ,  so  kann  die  Section  nur  Hyperämie  des  Interlobulärge- 
'  webes  ergeben;  je  später  er  erfolgt,  um  so  ausgesprochener  pflegen  Ei- 
'  terung  und  Verjauchung  desselben  zu  sein.  Im  ausgel)ildeten  Zustande 
■  sind  die  infiltrirten  Partieen  luftleer ,  von  dunkelrother  Ins  schmutzig- 
bräunlicher Farbe ;  weiterhin  werden  sie  allmählich  brüchigei'  und  wei- 
cher, bei  eitrig-jauchiger  Schmelzung  selbst  ausserordentlich  weich ;  von 
der  nichtgranulirten  Schnittfläche  quillt  eine  trübe  liräunliche  Flüssig- 
keit, die  ausser  feinsten  Molekülen  auch  Kürnerzellen  und  Reste  zerstörter 
1  Blut-  und  EiterzeUen,  selten  sogar  feine  Krystallnadelbüschel  enthält, 
i-  Befallen  sind  hauptsächlich  die  unteren  Lappen,  und  zwar  pflegt  die  Af- 
I  fektion  in  der  Gegend  der  Lungenwurzel  am  entwickeltsten  zu  sein  und 
sich  von  hier  aus  nach  vorn  und  oben  hin  allmählich  in  luftärmeres 
ödematöses  Gewebe  zu  verlieren ;  selten  sind  mehr  isolirte  und  circum- 
scripte  Infiltrate  vorhanden.  Die  Infiltration  betrifft  im  Wesentlichen  das 
interlobuläre  Gewebe  und  nicht  die  Alveolen,  die  durch  das  interalveo- 
läre und  subpleurale  Exsudat  mehr  oder  weniger  comprimirt  werden  und 
deren  Epithelien  in  Folge  dessen  degeneriren;  auch  können  sie  etwas 
hyperämiscb  und  mit  serös-blutigem  Transsudate  erfüllt  sein.  Der  Pleu- 
raüberzug  ist  trüb,  klebrig,  gequollen,  brüchig,  leicht  abziehbar,  und 
zeigt  eine  gitterförmige  durch  die  gelb  und  grau  infiltrii'ten  Lobulärin- 
terstitien  bewirkte  Zeichnung;  an  der  Stelle  von  .Jaucheherden  kann  er 
blasig  emporgehoben  sein.  In  beiden  oder  nur  einer  Pleurahöhle  befin- 
det sich  ein  trübes  serös-blutiges  mehr  oder  weniger  übelriechendes  Ex- 
sudat, meist  nur  in  geringer  Menge  und  daher  ohne  deutliche  Erschei- 
nungen von  Compression  des  Lungengewebes.  Die  Schleimhaut  der  Luft- 
wege ist  gewöhnlirh  durch  blutige  difl'use  Imbibition  missfarbig,  mit 
blutigem  und  eitrig-jauchigem  Schleim  lielegt.  Nach  solchen  Untersuch- 
ungsergebnissen besteht  also  in  dieser  Erkrankungsform  der  Neugebo- 
renen keinenfalls  croupöse  Pneumonie,  wie  in  früherer  Zeit  vielfach  an- 
genommen worden  ist ,  sondern ,  insofern  die  Exsudate  dem  Zuge  der 
interlobulär  und  subpleural  sich  ausbreitenden  Lym])hgefässe  tolgen,  eine 
lymphangioitische  Interlobulärpneumonie.     Ausserdem  kommen  mitunter 


698  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

auch  diffuse  oder  nach  Alt  keilförmiger  hämorrhagischer  Infarkte  circum- 
Scripte  Blutaustritte  ins  Lungengewebe  vor.  Aber  auch  die  übrigen  Or- 
gane zeigen  in  der  Regel  Anomalieen.  Insbesondere  häufig  sind  wie- 
darum  Blutaustritte  und  zwar  an  den  allerverschiedensten  Stellen;  so 
den  serösen  Häuten ,  wie  den  Pleuren ,  dem  Herzlieutel ,  den  weichen 
Hirnhäuten ,  auch  den  Plexus  chorioidei  der  Hirnventrikel ;  ferner  auf 
der  Verdauungs-  und  anderen  Schleimliäuten  mit  und  ohne  Geschwürs- 
bildung; im  Bindegewebe,  zumal  dem  des  Mediastinum,  in  der  Nieren- 
kapsel, im  Bndocardium  mit  blutiger  Imbibition  der  Ivlappensub.stanz. 
Endlich  bestehen  auch  häufig  degenerative  Processe  in  den  Geweben  der 
verschiedensten  inneren  Organe,  des  Hirns,  des  Herzens,  der  Leber,  Mit 
Nieren  u.  s.  w. ,  und  kann  in  deren  Folge  selbst  Erweichung  derselben 
eintreten.  —  Der  kurze  Krankheitsverlauf  zeichnet  sich  durch  intensive 
Cyanose,  frequente  Respiration,  rasche  Gewichtsabnahme  und  überhauiit 
rapiden  Verfall  aus ;  der  Tod  ist  ofl'enbar  theils  Folge  der  Respirations- 
störung, theils  der  Infektion. 

Die  Buhl'sche  Affektion  der  Neugeborenen  liegt  offenbar  auch  den 
Beschreibungen  zu  Grunde,  welclie  Hüter,  Schidler,  Köstlin,  We- 
ber, Zehetmayer  und  Andere,  zum  Theil  unter  dem  Namen  der 
braunen  Erweichung,  gegeVjen  haben.  Nur  in  Kleinigkeiten  weichen  die 
Krankheitsbilder  dieser  Autoren  ab ,  was  sich  theilweise  durch  den  ver- 
schiedenen Charakter  der  Epidemieen,  theilweise  auch  durch  Einraengung 
einzelner  nicht  hierher  g(;höriger  (z.  B.  genesener)  Fälle  erklären  ma^'. 
Von  Allen  wird  auf  den  bedeutenden  Livor  und  die  grosse  Schwäche 
aufmerksam  gemacht,  die  die  Neugeborenen  sofort  zeigen,  so  dass  sie 
anfangs  öfter  scheintodt  waren ;  die  gewöhnlichen  Zeichen  der  Pneumo- 
nie fehlten  entweder  ganz  oder  waren  nur  schwach  entwickelt,  insbeson- 
dere war  das  Fieber,  wenn  überhaupt  vorhanden,  gering.  Einzelne  Mütter 
von  nach  der  Geburt  erkrankten  Kindern  waren  ülirigens  und  l)lieben  ge- 
sund; vermut blich  hatten  sich  die  Kinder  mit  dem  in  den  Gebärloliali- 
täten  reichlich  vorhandenen  Gift  einei  besonders  grossen  Disposition  wegen 
sofort  inficirt,  wäLrend  die  mangelnde  Disposition  der  Wöchnerin  diese 
vor  Krankheit  geschützt  hatte.  (Sefter  zeigen  die  Herde  in  den  Lungen 
eine  versehiedengradige  Entwicklung  zwischen  Anschoppung  und  Ver- 
jauchung;  Schidler  und  Zehetmayer  bemerken  ein  besonderes  Er- 
grift'ensein  der  linken  Lunge,  Hüter  Blutungen  in  Gallenblase  und 
Bauchhöhle,  in  Wirljelkanal .  Uterus  und  Panimetrium,  sowie  Erweicli- 
ung  des  Gehirns  und  der  Nebennieren,  Köstlin  dasselbe  sowie  Ent- 
zündungen in  der  Tunica  vaginalis  des  Hodens ,  der  Thymus  und  Thy- 
reoidea, dem  Herzfleisch,  endlich  Blutungen  in  die  Blasenschleimhaut  umi 
Magengeschwüre. 

8.  Das  Lunge nsyphilom.  Mit  diesem  scheint  eine Vervvechslunj.' 
kaum  denkbar  und  ist  doch  in  früherer  Zeit  öfter  vorgekommen.  Wegen 
grosser  Verbreitung  der  Aflektion  in  den  Lungen  gehen  die  Küider  mei- 
stens schon  bei  der  Geburt  oder  bald  nachher  zu  Grunde;  indessen  kom- 
men nicht  selten  auch  Fälle  vor,  wo  die  im  Anfang  massige  Infiltration 
erst  später  zum  Tode  führt  Natüi-licherweise  wird  man  stets,  wenn  ein 
hereditär  syphilitisches  Kind  Lungensymptome  darbietet,  zunächst  an 
Syphilom  denken,  und  eine  andere  Diagnose,  wie  die  der  croupö.sen  Pneu- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Diagnose.  699 

monie,  erst  dann  stellen,  wenn  charakteristische  Zeichen  für  dieselbe 
vorhanden  sind.  Die  anatomischen  Eigciithümlichkoiten  des  Syphilom  sind 
von  E.  Wagner  (Arch.  d.  Heilk.  IV.  p.  356)  und  Birch-Hirschf eld 
trefflich  geschildert  worden  und  brauchen  hier  nicht  näher  erörtert  zu 
werden;  bemerken  möchte  ich  nur,  dass  sich  schon  bei  äusserlicher  Be- 
trachtung der  Lunge  der  Unterschied  desselben  von  der  oroupösen  Pneu- 
monie dadurch  ergiebt,  dass  die  Pleura  nicht  nach  Art  der  letzteren  ent- 
zündet ist,  sowie  dass  die  Verbreitung  der  Neubildung  auf  Ober-  wie 
Schnittfläche  niemals  lobuläre  ]3egrenzung  erkennen  lässt;  auch  verleiht 
dieselbe  der  Lunge  ein  festes  und  compaktes  Gefüge,  nicht  das  schlaffe 
und  pappige  der  Atelektase. 

Eine  besondere  Form  syphilitischer  Lungenerkrankung  bei  Neuge- 
borenen scheint  die  Epithelialinduration  Forst  er 's  zu  sein.  F.  stellt 
dieselbe  mit  dem  „Lungenepitheliom"  von  Lorain  und  Eobin  zusam- 
men ,  deren  in  späterer  Zeit  allerdings  ebensowenig  wie  der  seinigen 
mehr  gedacht  wird,  und  welches  W  a g n  e  r  für  syphilitisch  erklärt  (Arch. 
d.  Heilk.  IV.  p.  360).  Förster  (Würzb.  med.  Ztschr.  IV.  p.  5)  sab 
bei  zwei  syphilitischen  Neugeborenen,  die  wenige  Tage  nach  der  Geljuit 
starben,  Lungen,  welche  im  Wesentlichen  das  Aussehen  der  lobulären 
Bronchopneumonie  hatten,  zumal  Bronchitis  bestand:  neben  lufthaltigen 
Partieen  lagen  blaurothe  harte  mit  glatter  saftloser  Schnittfläche.  Die 
Alveolen  waren  mit  kleinzelligem  Plattenepithel  von  regelmässiger  An- 
ordnung ,  das  sich  auch  in  die  kleinen  Bronchien  hinein  fortsetzte ,  voll- 
ständig angefüllt ;  an  einzelnen  Stellen  zeigten  die  Epithelien  beginnende 
Fettdegeneration,  so  dass  es  nicht  zweifelliaft  scheint,  dass  bei  längerem 
Leben  Verkäsung  habe  eintreten  können. 

Es  ist  selbstverständlich  ,  dass  syphilitische  Kinder ,  welche  nicht 
gleich  nach  der  Geburt  sterben,  schliesslich  bei  der  Section  auch  anders- 
artige als  syphilitische  Lungenerkrankungen  darbieten  können. 

Ich  glaube,  dass  al)gesehen  von  ganz  seltenen  Fällen  angeborner 
Geschwülste  sich  alle  bei  Neugeborenen  zu  beobachtenden  Lungenafi'ek- 
tionen  unter  die  angeführten  Rubriken  einfügen  lassen ;  nur  muss  man 
gehörig  beachten,  dass  zu  allen  AfiFektionen  Oedem  hinzutreten  und  das 
anatomische  Bild  einigermassen  verändern  kann :  es  ist  hier  übrigens 
viel  seltener  als  bei  Erwachsenen  und  kann  sich  in  dem  weichen  und 
zarten  Gewebe  in  eigenthümlicher  Form  darstellen  (K  ö  s  1 1  i  n  1.  c.  XIII. 
p.  203). 

Ungewöhnliches  Aussehen  der  kranken  Lungen  kann  auch  durch  die 
Entwicklung  von  Soorpilzen  hervorgerufen  werden,  die  nach  Birch- 
Hirschfeld  öfter  in  den  Bronchialenden  und  Alveolen  pneumonischer 
Kinderlungen  vorkommen  und  möglicherweise  in  ursächlichem  Zusam- 
menhang mit  der  Entstehung  der  Pneumonie  hie  und  da  stehen  mögen ; 
die  durch  sie  bedingten  Knötchen  erinnern  in  ihrem  äusseren  Aussehen 
an  disseminirte  Tuberkel. 

Selbstverständlich  wird  man  nicht  erwarten  dürfen ,  dass  die  zwei- 
fellose Bestimmung  aller  ungenau  beschriebenen  Fälle  möglich  sein 
wei'de,  da  zu  derselben  eine  eingehende  mikroskopische  Untersuchung 
durchaus  verlangt  werden  muss.     Bei  älteren  Beobachtungen  ist  aber 


700  Ki-ankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

scliou  die  makroskopische  Beschreibung  oft  äusserst  mangelhaft.  .Jeden- 
falls lässt  sich  nur  so  viel  mit  Recht  behaupten  ,  dass  die  aus  früherer 
Zeit  in  die  neuere  Literatur  übergegangene  Annahme  ein  er  ziem- 
liehen  Häufigkeit  der  croupösen  Pneumonie  bei  jung, 
sten  Kindern  und  sogar  bei  T  odt  gebor  euen  j  ed  er  fak- 
tisch e  n  Grundlage  entbehrt.  Ich  Ijefinde  mich  hinsichtlicl 
dieses  Satzes  in  l^emerkenswerther  Uebereinstimmung  mit  meinem  leider 
zu  früh  gestorbenen  Freunde  0.  Bayer,  dem  Assistenten  E.  Wag- 
ner's,  welcher  (Arch.  d.  Heilk.  1868.  IX.  p.  89)  bekennt,  dass  ilm 
weder  aus  eigenen  Erfahrungen  noch  aus  der  Literatur  ein  Fall  einer 
festgestellten  (d.h.  anatomisch)  zweifellos  croupösen  Pneumonie  der  er- 
sten Lebensjahre  bekannt  geworden  sei.  Auch  Vogel  (Lehrb.  7.  Aufl. 
p.  245)  findet  die  lobäre  croupöse  Pneumonie  im  Säuglingsalter  »merk- 
würdig selten«  ,  desgleichen  T  r  o  us  s  e  a  u. 

Eine  sichere  Deutung  solcher  Fälle,  wie  z.  B.  des  Ryan'snhen,  in 
dem  bei  einem  im  Alter  von  fünf  Wochen  gestorljenen  Kinde  kleine 
Körnchen  oder  Zellen  die  Alveolen  erfüllten  und  die  zurückgelagerien 
unelastischen  festen  Lungen,  auf  deren  Schnittfläche  das  gewöhnliche  blu- 
tige Serum  fehlte ,  total  und  in  Stücke  geschnitten  unter.sanken,  sclieiBt 
mir  nicht  gegeben  werden  zu  können.  Vielleicht  handelte  es  sich  hier 
wie  in  ähnlich  be.schriebenen  Fällen  Hermann's,  Greenfield's, 
Schröder  van  der  Kolk's  u.  A.  um  Syphilom. 

Eine  eigenthüinliche  Pneumonie  beobachtete  Hervieux  bei  einem 
am  7.  Tage  an  eitriger  Pleuritis  gestorbenen  Neugeborenen.  Es  zeigten 
nämlich  nur  die  oberflächlichen  unmittelbar  unter  der  Pleura  gelegenen 
Schichten  die  Charaktere  der  croupösen  Pneumonie,  während  die  tieferen 
atelektatisch  waren;  die  Entzündung  (er  nennt  sie  Pn.  hypopleuritique) 
schien  sich  also  von  der  Pnlmonalpleura  aus  auf  die  Lunge  fortgepflanzt 
zu  haben.  Im  Leben  liestand  hauptsächlich  hochgradige  Cyanose.  Ganz, 
dassellje  scheint  Skoda  beobachtet  zu  haben,  wenn  er,  ohne  Eücksicht 
auf  Kinder,  laut  Referat  (Med.  Jahrb.  1867.  XITL  p.  50  d.  Fachb.)  sagt: 
„Bei  Pleuritis  der  Pulmonalpleura  ist  Schwellung  und  reichliche  Secre- 
tion  der  benachbarten  Bronchialschleimhaut  nicht  selten ,  wodurch  die 
Auscultationserscheinungen  und  Sputa  dieselben  sind  wie  bei  Pneumonie. 
Uas  Secret  um  ein  entstehendes  Infiltrat  ist  sehr  häufig  gleich  im  Be- 
ginne ein  entzündliches  Blutzellen  führendes  .  .  ." 

Prognose. 

Bei  der  Beurtheilung  der  Prognose  der  croupösen  Pneumonie  ist 
das  wichtigste  Moment  der  vorherige  Gesundheitszustand  des  Kranken, 
in  zweiter  Linie  kommt  die  Therapie  in  Frage.  Von  dieser  handele  ich 
im  folgenden  Abschnitt. 

Die  einfache  croupöse  Pneumonie  eines  bis  zu  dieser  Erkrankung 
gesunden  und  kräftigen  Kindes  führt  nur  ausnahmsweise  zum  Tode,  ja 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Prognoi3e.  701 

lelbst  eine  gewisse  Schwächlichkeit ,  wie  sie  unter  der  armen  Bevölke- 
rung so  häufig  gefunden  wird ,  verschlechtert  die  Prognose  nicht  we- 
isntlich.  Unter  vielen  Hunderten  von  Fällen  croupöser  Pneumonie, 
Nehhe  ich  in  dreizehnjähriger  umfassender  poliklinischer  und  Privat- 
jraxis  behandelt  habe ,  ist  mir  bei  primärem  Auftreten  der  Krankheit 
caum  ein  einziger  Todesfall  vorgekommen *). 

Gleiche  oder  ähnliche  Erfahrungen  haben  verschiedene  andere  Au- 
toren gemacht;  bei  den  wenigen  Todesfallen,  welche  sie  beobachteten, 
bemerken  sie  theilweise  ausdi'ücklic.h,  dass  sie  durch  C(jmjjiieationen  her- 
vorgerufen worden  waren.  So  sahen  laut  Grisoile  (2.  Aufl.  p.  516) 
ßufz  und  Gerhard  auf  40  Kinder  zwischen  6  und  12  J.  einen  Tod- 
ten;  Barthez  auf  212  zwischen  2  und  15  J.  zwei;  Ziemssen  auf 
201  bis  zum  16.  J.  sieben;  Jürgensen  auf  171  der  ersten  10  Jahre 
vier;  Trousseau  sagt,  dass  er  niemals  ein  Kind  an  echter  lobiirer 
Pneumonie  verloren  habe  (Med.  Klinik.  Deutsche  Ausg.  IL  p.  410); 
S ahmen  hatte  unter  circa  60  Kindern  drei  Todte;  Bleuler  unter  31 
Kranken  von  1 — 20  Jahren  einen ;  in  der  Heidelberger  Poliklinik  star- 
ben von  28  Kindern  bis  15  Jahren  nach  v.  Dusch  keins,  von  102  Kin- 
dern bis  zu  10  Jahren  nach  Jurasz  (1.  c.  p.  215)  fünf;  Puckel's 
34  bis  10jährige  und  9  bis  20jährige  Kranke  genasen  sämmtlich  ;  W. 
Thomas  in  Ohrdrufl'  (Virch.-Hirsch's  Jber.  1871  I.  p.  260)  hatte  auf 
310  Kranke  bis  zu  20  Jahren  vier,  Rietz  bei  35  Kranken  zwei  Todte. 
Aehnliche  Re.sultate  geben  viele  Andere  an,  deren  Zahlen  indessen  zu 
klein  sind ,  als  dass  nicht  Zufälligkeiten  bei  ihnen  im  Spiele  gewesen 
sein  könnten.  Die  Thatsaohe  selbst  wird  von  den  verschiedensten  Kinder- 
ärzten anerkannt  und  dürfte  daher  genügend  feststehen,  um  den  Wider- 
spruch einiger  Autoren  ertragen  zu  können.  Nach  Barthez  (J.  f  Kkh. 
39  p.  94)  soll  zuerst  Legendre  anf  die  gute  Prognose  der  primären 
croupösen  Kinderpneumonie  aufmerksam  gemacht  haben. 

Auf  Grund  solcher  Erfahrungen  dürfte  daher  der  Ausspruch  ge- 
rechtfertigt sein,  dass  die  primäre  croupöse  Pneumonie  unter  den 
schweren  Erkrankungen  des  Kindesalters  diejenige  ist, 
welche  die  günstigste  Prognose  gestattet.  Waren  die  Erschei- 
aungen  auch  noch  so  dringend ,  bei  einem  vorher  gesunden  Kinde  tritt 
mit  fast  absoluter  Sicherheit  Genesung  ein ,  wenn  die  Krankheit  ein- 
fach verläuft.  Ganz  entgegengesetzt  verhalten  sich  bekanntlich  die 
Pneumonieen  des  vorgerückten  Lebensalters. 

Bei  Durchsicht  der  Literatur  in  Betreff  dieses  Punktes  ergeben  sich 
ausserordentlich  widersprechende  Angaben.  Der  Grund  hiervon  ist  der, 
dass  früher  alle  möglichen  akuten  Pneumonieformen  confundirt  und  höch- 


*)  Nur  in  der  Dissertation  meines  ehemaligen  Assistenten  Dr.  Krause 
finde  ich  p.  5  eines  gestorbenen  .5jährigen  Knaben  mit  primärer  croupöser 
Pneumonie  gedacht;  ich  kann  zur  Zeit  nicht  sagen,  um  welchen  Fall  es  sich 
handelte  und  wie  die  näheren  Verhältnisse  desselben  waren.  Uebngens  ist  es 
gewiss  nur  Zufall,  dass  ich  jedenfalls  eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  keinen 
Todesfall  bei  croupöser  und  entschieden  primärer  Kinderpneumonie  hatte. 


702  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

stens  die  ganz  entschieden  secundären  Pneumonieen  abgetrennt  wurden. 
Bedenkt  man  aber  die  sehr  beträchtliche  Moi'talität  der  Bronrhopneu- 
monie  zumal  bei  jüngeren  Kindern,  sowie  den  Umstand,  dass  Simglinoe 
mit  ihren  verschiedenartigen  Entzündungsformen  in  sehr  wechselndem 
Procentsatz  bei  den  einzelnen  Statistiken  betheiligt  sind  und  eine  solcle 
wegen  der  bei  ihnen  besonders  häufigen  Todesfälle  ganz  erheblich  vev- 
schlechtem  können,  so  werden  die  älteren  ausserordentlich  differenten 
Angaben  erklärlich.  Jetzt,  wo  man  immer  mehr  und  mehr  sich  berntttt, 
nur  die  reine  primäre  Form  in  die  bezügliche  Statistik  aufzunehmen  und 
insbesondere  die  Bronchopneumonie  aus  dem  Collectivbegriff  „primäre 
Pneumonie"  ausscheidet,  ergeben  sich  daher  sehr  viel  günstigere  Morta- 
litätszififeru  für  die  unter  dieser  Rubrik  aufgeführten  Fälle,  welcbe 
durchaus  oder  wenigstens  grösstentheils  der  eroupösen  Pneumonie  ange- 
hören. 

Die  im  Allgemeinen  günstige  Prognose  kann  durch  einzelne  Ver- 
hältnisse etwas  modificirt  werden. 

In  der  Regel  nimmt  man  an ,  dass  das  Lebensalter  einen  bedeuten- 
den Einfluss  auf  die  Prognose  .besitze  und  insbesondere  diejüngeren  Kin- 
der sehr  erheblich  gefährdet  seien.  So  hält  z.  B.  noch  1874  Lebert 
(1.  c.  p.  721)  die  lobäre  Pneumonie  im  kindlichen  Alter  für  um  so  ge- 
fährlicher, je  jünger  das  Kind  ist ;  die  seltenen  Fälle  im  ersten  Lebens- 
jahre nähmen  oft  einen  tödtlichen  Ausgang  und  auch  im  zweiten  sei  die 
Prognose  noch  sehr  bedenklich,  bessere  sich  aber  von  Jahr  zu  Jahr,  bis 
endlich  vom  fünften  Jahre  an  der  Verlauf  meistentheils  ein  günstiger 
sei.  Steiner  und  Neureu tter  (Pr.  Vjschr.  82.  p.  42)  sagen,  dass 
die  Prognose  der  Säuglingspneumonie ,  »in  welcher  Form  sie  auch  auf- 
treten möge«,  immer  mindestens  zweifelhaft  zu  stellen  sei.  Und  solcher 
Aussprüche  könnte  ich  noch  viele  anführen.  Ich  will  nicht  im  Minde- 
sten läugnen ,  dass  eine  schwere  Erkrankung  wie  die  Pneumonie  bei 
jüngeren  Kindern  auf  weit  weniger  Widerstandsfähigkeit  trifft  als  bei 
älteren  und  daher  bei  ihnen  eine  weit  ernstere  Bedeutung  besitzt.  In- 
dessen  möchte  ich  auf  meine  und  vieler  Anderer  Erfahrungen  aufmerk- 
sam  machen.  Wie  sich  aus  meinen  obigen  Worten  ergiebt,  habe  ich 
einen  derartigen  ungünstigen  Einfluss  nicht  nachweisen  können :  es  ge- 
nasen bei  mir  nicht  nur  die  zahlreichen  Kinder  aus  den  ersten  Lebens- 
jahren ausserhalb  der  Säuglingsperiode,  sondern  auch  alle  pneumoni- 
schen Säuglinge  ;  der  letzteren  Zahl  ist  allerdings  nur  gering. 

Auch  der  Einfluss  des  Sitzes  und  der  Ausdehnung  der  Pneumonie 
auf  ihre  Gefährlichkeit  tritt  im  kindlichen  Lebensalter  zurück.  Ist  auch 
nicht  zu  läugnen  ,  dass  Pneumonieen  der  Oberlappen  und  sehr 
dehnte  Affektionen ,  erstere  wegen  ihrer  längeren  Dauer  und  gi 
Neigung  zu  Complicationen,  letztere  aus  gleicher  Ursache  und  wegen 
der  bedeutenderen  Gefahr  der  Kohlensäureintoxication,  einen  schwe- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Prognose.  703 

•eren  die  Kräfte  viel  mehr  consumirendeii  Verlauf  und  desshalb  eine 
,veit  ernstere  Prognose  besitzen  als  Pneumonieen  eines  Unterlappens  und 
ibortivpneumonieen,  so  nehmen  doch  auch  solche  schwere  Fälle  in  der 
Regel  noch  einen  günstigen  Ausgang ,  wenn  nur  das  Kind  Torher  ge- 
;und  und  kräftig  war  und  die  Behandlung  rationell  ist.  Unter  diesen 
Bedingungen  macht  es  nichts  Besonderes  mehr  aus,  ob  die  Affektion 
las  Oberlappens  diesen  ganz  oder  nur  zum  Theil  oder  noch  ein  Stück 
les  Unterlappens  hinzu  befallen  hat,  ob  Hirnsymptome  vorhanden  sind 
)der  fehlen,  ob  Husten  und  Seitenschmerzeu  mehr  oder  weniger  belästi- 
gen. Ich  differire  auch  in  dieser  Beziehung  mit  Lebert,  der  Oberlap- 
jen-  und  doppelseitige  Pneumonieen  bei  Kindern  für  noch  gefährlicher 
ils  im  mittleren  Lebensalter  erklärt  (1.  c.  p.  726),  desgleichen  mit  Bar- 
;hez,  dessen  zwei  einzige  Todesfälle  unter  212  Krauken  sich  unter  der 
iahl  der  13  doppelseitigen  Pneumonieen  ereigneten,  während  Ziems- 
äen  und  Gerhardt  eine  besondere  Gefährlichkeit  derselben  nicht  an- 
srkennen. 

Dagegen  ist  ein  etwaiger  Einfluss  des  Geschlechtes  der  Kranken 
sowie  der  Jahreszeit  auf  die  Prognose  der  Pneumonie  der  Kinder  nicht 
festzustellen,  oder  doch  ein  so  minimaler,  dass  er  vernachlässigt  werden 
kann  (Steffen  u.  A.;  W.Thomas  hatte  auf  127  bis  zehnjährige 
Knaben  einen,  auf  91  Mädchen  drei  Todte  ;  Winterfälle  sind  im  Allge- 
meinen die  schlimmeren).  Ueber  epidemisch  verbreitete  Pneumonieen, 
deren  Prognose  ungünstiger  sein  soll,  habe  ich  keine  Erfahrungen ; 
nach  Lebert  kann  sie  unter  den  gesunden  und  kräftigen  Bewohnern 
der  Alpen  »selbst  im  jungen  und  mittleren  Alter«  ein  Drittel  der  Be- 
fallenen und  mehr  hinwegraffen.  Dagegen  hatte  Merz  (1.  c.)  in  seiner 
Winterepidemie  unter  9  Kindern  zwischen  1  und  5  Jahren  nur  einen 
Todesfall,  unter  älteren  keinen;  ebensowenig  Schroter  (1.  c.) ,  der  in 
einer  Frühlingsepidemie  40  6  — 12jährige  Kinder  behandelte. 

Nicht  unwichtig  sind  die  äusseren  Verhältnisse  der  Kranken,  theils 
desshalb,  weil,  je  besser  sie  sind,  um  so  leichter  eine  rationelle  Therapie 
ermöglicht  wird,  theils  wegen  ihres  Einflusses  auf  Ernährung  und  Kräf- 
tigkeit beim  Eintritt  in  die  Pneumonie.  Es  pflegen  indessen  nur  ent- 
schieden missliche  Umstände,  wie  Mangel  jeder  Pflege,  schlechteste 
Constitution  des  Erkrankten,  exquisit  rhachitischer  sehr  enger  und  ver- 
unstalteter Thorax  u.  s.  w.  Todesfälle  direkt  herbeizuführen. 

Weit  wichtiger  als  Sitz  und  Ausdehnung  der  Pneumonie  ist  für 
ihre  Prognose  die  Höhe  des  Fiebers  ,  die  Beschaffenheit  der  Herzfunk- 
tion ,  und  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  wichtiger  Complicationen. 

Je  höher  die  Eigenwärme  ist  und  je  anhaltender  die  hohe  Tempe- 
ratur besteht ,  um  so  zweifelhafter  jnuss  auch  beim  kräftigen  Kind  die 


704  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Proo^nose  gestellt  werden.  Nicht  desshalb,  weil  der  kindlicte  Organis- 
mus bei  Pneumonie  nicM  auch  einmal  ein  beträchtliches  Fieber  auszu- 
halten  vermöchte ,  wenn  seine  Dauer  nicht  übermässig  laug  ist  —  fe 
Beweis  für  seine  Leistuugstähigkeit  ist  ja  durch  unzählige  Beispiele  ge- 
liefert  —  ,  sondern  desshalb  ,  weil  ein  allzu  schwerer  hochfebriler  Vcn 
lauf  auch  reich  an  Verwicklungen  aller  Art  zu  sein  pflegt  und  ein  ein- 
mal complicirter  Fall  oft  genug  auch  grosse  Neigung  zu  weiteren  Com- 
plicatiouen  zeigt.  Jede  anhaltend  hochgesteigerte  Temperatur  ist  daher 
ein  verdächtiges  Symptom  ;  sie  muss  für  um  so  gefahrlicher  gelten ,  je 
länger  sie  dauert.  Hält  sie  in  schweren  Fällen  über  die  geM'öhnliche 
Zeit  der  Krise  an  und  steigt  vielleicht  sogar  ihr  Tagesmittel ,  so  wird 
die  Prognose  mit  jedem  folgenden  Fiebertage  in  rascher  Progression  be- 
denklicher ,  und  schon  vor ,  noch  mehr  jenseit  der  Mitte  der  zweiten 
Woche  kann  sie  unter  solchen  Umständen  entschieden  ungünstig  sein, 
Dagegen  kann  man  Hofl^nung  haben  ,  wenn ,  obschon  recht  spät ,  die 
Temperatur  sich  etwas  ermässigt  und  morgenliche  Remissionen  eintre- 
ten ,  da  hierdurch  bewiesen  wird  ,  dass  der  frühere  hochfebrile  Typus 
eine  Veränderung  zum  Bessern  erlitten  hat.  Man  verzweifele  daher  auch 
nicht ,  wenn  bei  sonst  nicht  ungünstigeren  Verhältnissen  in  dieser 
Krankheitsperiode  auch  einmal  eine  beträchtlichere  Temperatursteige- 
rung eintritt,  sondern  erinnere  sich,  dass  eine  solche  die  Bedeutung 
einer  Perturbatio  critica  besitzen  kanu. 

Sehr  viel  günstiger  sind  die  Aussichten  aber  sofort,  wenn  mit  oder 
ohne  eine  solche  intercurrente  Steigerung  die  Temperatur  anhaltend 
und  gleichmässig  zu  sinken  beginnt ,  weil  damit  die  Hoffnung  des  un- 
mittelbaren Bevorstehens  der  Krise  erweckt  wird,  der  Krise,  welche 
aufs  Rascheste  den  denkbar  günstigsten  Umschwung  im  ganzen  Krank- 
heitsverlauf hervorbringt.  »In  solchen  Stunden«,  sagt  Ziemssen 
treffend  ,  »lernt  man  den  Werth  des  Thermometers  erkennen  als  eines 
Hilfsmittels ,  welches  uns  inmitten  oft  recht  lebhafter  innei'er  und  äus- 
serer Stürme  so  unfehlbar  sicher  zu  einer  untrüglichen  Prognose  ge- 
leitet.« Mitunter  ist  die  Temperaturerniedrigung  das  einzige  Zeichen 
der  eingetretenen  Besserung  und  dann  natürlich  von  um  so  höherem 
Werth ,  andermal  gehen  ihrem  Beginn  andere  Zeichen  der  Besserung 
voraus,  wie  eine  massige  Verminderung  der  Pulsfrequenz,  ein  Ausbruch 
von  Schweiss  auf  der  vorher  glühend  heissen  constant  trockenen  Haut, 
eine  wesentliche  Verminderung  der  höchst  lästigen  suljjektiven  Sym- 
ptome und  Abnahme  der  objektiven  Krankheitserscheinungen.  Uebri- 
gens  bedenke  man,  dass  sich  in  schweren  Fällen  die  Krise  nicht  äusserst 
rapid  in  einem  einzigen  Niedergang  zu  vollenden  braucht,  sondern  dass 
geringfügige  intercurrente  Steigerungen  während  derselben  und  ein 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Prognose.  705 

protrahirter  Verlauf  etwas  ganz  Gewöhnliches  sind.  Ist  aber  die  Eigen- 
wärme in  spontaner  Entwicklung  der  Krise,  also  ohne  antipyretischen 
Eingriff,  einmal  auf  der  Norm  oder  noch  besser  etwas  darunter  ange- 
langt, und  verharrte  sie  auf  solcher  länger  als  die  Dauer  einer  pseudo- 
kritischeu  Fieberintermission  beträgt,  so  ist  die  günstige  Prognose  trotz 
aller  vielleicht  scheinbar  entgegenstehender  Momente  von  Seiten  an- 
derer Organe  als  gesichert  zu  betrachten.  Nur  in  den  allerseltensten 
Fällen  wird  berichtet,  dass  die  Rückbildung  des  Exsudats  Störungen  er- 
litt, trotzdem  die  Eigenwärme  nach  der  Krise  in  einem  uncomplicirten 
Falle  einige  Tage  lang  auf  normalem  Stande  verharrt  hatte. 

Die  Krise  ist  bei  ünterlappenpneumonieen  in  der  zweiten  Hälfte 
der  ersten  Woche,  bei  Affektionen  des  Oberlappens  am  Schlüsse  der  er- 
sten oder  Beginn  der  zweiten  Woche  zu  erwarten ,  bei  naehrlappigen 
Pneumonieen  kann  sie  sich  noch  um  einige  weitere  Tage  verzögern.  Es 
giebt  keine  »kritischen«  Tage,  d.h.  die  kritischen  wie  die  sonstigen 
Fiebernachlässe  fallen  nicht  auf  bestimmte  Krankheitstage. 

Zweitens  ist  von  besonderer  Wichtigkeit  die  Integrität  der  Aktion 
des  Herzens.  Seine  Leistungsfähigkeit  wird  in  der  Pneumonie  in  hohem 
Grade  beansprucht.  Durchaus  richtig  sagt  L  e  y  d  e  n  (Beitr.  z.  Path.  d. 
Jet.  Berl.  186G.  p.  137):  »Die  Widerstände,  welche  die  Lungeninfil- 
tration dem  rechten ,  das  Fieber  dem  linken  Herzen  entgegensetzt ,  er- 
fordern eine  erhöhte  Leistung  dieses  Organs ,  und  es  ist  bekannt ,  dass 
der  Tod  in  der  Pneumonie  in  der  Regel  unter  den  Erscheinungen  der 
Paralysis  cordis  und  des  Lungenödems  erfolgt.«  Die  Wichtigkeit  dieses 
Punktes  ist  neuerdings  ganz  besonders  durch  Jürgensen  betont  wor- 
den. Hiernach  ist  es  aber  erklärlich ,  dass  sehr  junge  anämische  und 
schwächliche  Kinder  mit  leichter  erschöpf  barer  Herzkraft  bei  gleicher 
Schwere  der  Pneumonie  den  bei  dieser  Krankheit  einwirkenden  schäd- 
lichen Momenten  leichter  erliegen  als  kräftige.  Schon  aus  diesem 
Grunde  sind  auch  bei  Kindern  alle  secundären  Pneumonieen ,  zumal 
wenn  sie  sehr  heruntergekommene,  längere  Zeit  Fiebernde,  Herzkranke 
betreffen,  ganz  besonders  gefährdet. 

Endlich  ist  das  Auftreten  von  Complicationen  von  entschiedenster 
Bedeutung  für  den  Ausgang  der  Pneumonie.  Wenn  auch  nicht  alle 
Complicationen  das  Leben  in  dem  Grade  bedrohen  wie  Meningitis ,  so 
weisen  doch  ganz  entschieden  intensive  Bronchitis ,  Pleuritis ,  Darm- 
katarrh u.  s.  w.  auf  eine  bedeutende  Gefahr  für  dasselbe  hin  ,  zumal  bei 
kleinen  Kindern.  Secundäre  und  complicirte  Pneumonieen  sind  natür- 
lich die  gefährlichsten.  Auch  im  günstigsten  Falle  verzögert  die  Com- 
plication  die  Herstellung  des  Kranken,  oft  genug  hindert  sie  die  völlige 

Haadb.  d.  Kinderkrankheiten.    HI,  2.  45 


706  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Heilung  durch  Hinterlassen  mehr    oder    minder    bedeutender  Nach- 
krankheiten. 

Bei  nichtcomplicirter  primärer  croupöser  Pneumonie  ist  aber  die 
Prognose  nicht  nur  quoad  vitam  sehr  günstig  ,  sondern  auch  quoad  va- 
letudinem  completam.  In  den  allermeisten  Fällen  verschwinden  die 
anatomischen  Veränderungen  vollständig  und  rasch,  und  es  hinterbleibt 
nur  eine  gewisse  Disposition  zu  neuer  gleichartiger  Erkrankung;  in- 
dessen tritt  auch  diese  nur  Ijei  wenigen  Kindern  stärker  hervor  und  ver- 
mindert sich  in  der  Regel  rasch  mit  dem  zunehmenden  Alter.  Wenn 
man  hin  und  wieder  die  ausserordentliche  Geneigtheit  zu  neuer  Erkran- 
kung betonen  hört ,  so  dürfte  sich  dies  weniger  auf  croupöse  als  auf 
Katarrhalpneumonie  beziehen.  Ebenso  muss  ich  annehmen ,  dass  diese 
mit  croupöser  Pneumonie  verwechselt  werde ,  wenn  ich  die  Bemerkung 
lese ,  dass  sich  an  die  letztere  chronische  Krankheitszustände  in  den 
Lungen  sehr  häufig  anschlössen  —  ist  ja  doch  die  DifFerentialdiagnose 
zwischen  beiden  Affektionen  nicht  immer  leicht  und  einfach  zu  stellen 
und  mögen  ja  desshalb  manche  Fälle  wesentlich  einseitiger  Broncho- 
pneumonie, bei  nur  geringfügigen  Herden  der  anderen  Seite,  irriger- 
weise als  croupöse  angesehen  worden  sein.  Nur  in  den  seltenen  Fällen, 
in  welchen  sich  direkt  an  einen  Verlauf,  der  sich  in  Nichts  vom  Krank- 
heitsverlauf der  croupösen  Pneumonie  unterscheidet,  bei  unvollkomme- 
ner oder  gänzlich  unterbleibender  Resorption  des  gesetzten  Exsudates, 
ein  chronischer  Erkrankungsprocess  in  den  Lungen  anschliesst ,  ist  die 
Prognose  ungünstig ,  indem  unter  derartigen  Verhältnissen  höchstens 
ein  Zustand  relativer  Genesung  und  auch  dieser  nur  selten ,  meistens 
früher  oder  später,  spätestens  binnen  einiger  Jahre,  der  Ausgang  in  den 
Tod  zu  erwarten  ist.  In  ähnlicher  Weise  ungünstig  ist  die  Prognose , 
bei  Ausgang  in  Lungenbrand,  und  tritt  das  Ende  bei  demselben  sogar 
weit  rascher ,  meist  in  unmittelbarem  Anschlüsse  an  das  erste  Stadium 
der  Krankheit  ein.  Günstiger  sind  die  Aussichten  bei  Ausgang  in  Lun- 
genabscess ,  insbesondere  wenn  sich  nicht  eine  allzu  ausgedehnte  Höiile 
bildet.  Etwas  Genaueres  als  das ,  dass  das  Leben  bei  diesem  erhalten 
und  die  frühere  Gesundheit  in  nahezu  vollkommener  Weise  wiederher- 
gestellt werden  kann  ,  lässt  sich  bei  dem  spärlichen  vorliegenden  Beob- 
achtungsmaterial nicht  angeben. 

Die  Prognose  der  secundären  Pneumonie  ist  nicht  nur  durch  die 
für  die  primäre  Pneumonie  erörterten  Verhältnisse ,  sondern  selbstver- 
ständlich noch  ganz  besonders  durch  die  Prognose  der  primären  Kranlc- 
heit  bedingt.  Ist  diese  günstig ,  so  bedroht  die  hinzugetretene  Pneu- 
monie das  Leben  nicht  nothwendigerweise;  sind  die  durch  die  Primär- 
affektion  bedingten  Veränderungen,  zunächst  wenigstens,  ohne  erheb- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Prognose.  707 

liehen  Einflnss  auf  Lebensdauer  und  Wohlbefinden ,  wie  z.  B.  bei  scro- 
fulösen  Drüsentumoren,  auch  solchen  im  Innern  der  Brusthöhle,  so  kann 
die  neue  Affektion  nur  die  Bedeutung  einer  vorübergehenden  Compli- 
cation  besitzen  und  ihre  Prognose  sogar  noch  ziemlich  ebenso  günstig 
wie  die  der  primären  Pneumonie  sein.  Letztere  wird  aber  sofort  ausser- 
ordentlich verschlechtert,  wenn  die  primäre  Krankheit  den  Organismus 
schon  heruntergebracht  hat ,  die  Verdauungsfähigkeit  höchst  mangel- 
haft und  zu  dem  Allem  noch  heftiges  Fieber  beim  Erscheinen  der  Pneu- 
monie vorhanden  ist ;  in  einem  solchen  Falle  wird  die  Pneumonie  öfters 
Tenninalaffektion.  Indessen  kann  sie  in  solchen  Störungen  auch  bei 
vorhandener  und  fortbestehender  Fieberlosigkeit  den  Tod  unmittelbar 
herbeiführen.  Es  sind  aber  nicht  nur  akute  schwere  Krankheiten, 
welche  in  solcher  höchst  ungünstiger  Weise  durch  Pneumonie  l^eein- 
flusst  werden ,  sondern  auch  chronische  Kachexieen ,  insbesoirdere  here- 
ditäre Syphilis,  mitunter  auch  Rhachitis  und  intensive  Scrofulose. 
»Glücklicherweise  für  den  Arzt,«  sagt  Na th,  »giebt  es  nicht  lauter 
solche  secundäre  und  Schwächepneumonieen  der  Kinder,  bei  denen  man 
schon  im  Voraus  den  Todtenschein  ausfüllen  könnte.« 

Was  die  prognostische  Bedeutung  von  einzelnen  Verhält- 
nissen und  Symp  tom  en  anlangt ,  so  ist  ausser  dem,  was  in  dem 
■joeben  geschlossenen  Abschnitte  erörtert  wurde,  noch  besonderer  Er- 
wähnung Folgendes  werth : 

Ein  Missverhältniss  zwischen  Temperatursteigerung  und  Pulsfre- 
quenz ist  nicht  erwünscht.  Besteht  bei  hochgradiger  Eigenwärme  eine 
mittlere  Pulsfrequenz ,  so  ist  der  Fall  günstiger  ,  als  wenn  neben  mäs- 
äiger  Temperatursteigerung  eine  hohe  Pulsfrequenz  vorhanden  i.st. 
üebergrosse  Schwäche  sowie  Hirn-  und  Herzcomplicationen  sind  die 
Umstände ,  welche  das  normale  Verhältniss  zwischen  Eigenwärme  und 
Pulsfrequenz  am  häufigsten  verändern.  Bedeutendere  Unregelmässig- 
keit des  Pulses  auf  der  Höhe  des  Fiebers  ist  ungünstig. 

Alle  Zeichen  von  Herzinsufficienz  (elender  Puls,  grosse  Blässe,  kühle 
Peripherie)  verschlechtern  die  Prognose  ganz  wesentlich. 

Unregelmässige  Athmungsbewegungen  und  übermässig  gesteigerte 
ßespirationsfrequenz ,  zumal  wenn  sie  mit  grossem  Dyspnoegefühl, 
Cyanose  und  Schwellung  der  peripheren  Venen,  Nasenflügelathmen  und 
angestrengteren  Bewegungen  der  Inspirationsmuskeln  verbunden  ist, 
äind  üble  Zeichen.  Noch  übler  ist  es,  wenn  gleichzeitig  Rasselgeräusche, 
äumal  reichliche  feuchte,  über  den  nichtinfiltrirten  Lungenpartieen 
und  grösseren  Luftwegen  hörbar  sind. 

Haemoptoe  im  Verlaufe  der  Pneumonie  und  gänzliches  Aufhören 
des  Hustens,  zumal  bei  vorhandenem  Katarrh  sind  von  übler  Vorbedeu- 

45* 


703  KraiLkheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

tung.    Uebermässig  heftige  Schmerzen  sind  auch  in  prognostischer  B^ 
Ziehung  unerwünscht. 

Das  Erscheinen  eines  Herpes ,  der  bei  Erwachsenen  mit  Freuden ! 
begrüsst  wird ,  kann  auch  bei  Kindern  als  ein  günstiges  prognostisclies 
Zeichen  betrachtet  werden. 

Im  Allgemeinen  sind  Nervensymptome  nur  dann  von  ungünstiger 
Bedeutung ,  wenn  sie  auf  Herderkraukuugen  oder  verbreitete  entzünd- 
liche Processe  hinweisen,  nicht  aber,  wenn  sie  einfach  Folge  des  Fiebeis 
sind.  Am  günstigsten  sind  einfache  Delirien  und  ein  massig  soporöset 
Zustand,  sowie  jegliche  Abwesenheit  lokaler  motorischer  Störungen. 
Beim  Erscheinen  von  Hirnsymptomen  letzterer  Art  ist  es  zweckmässig, 
sich  über  die  Prognose  erst  nach  ein-  bis  mehrtägiger  Beobachtung  aus- 
zusprechen und  in  dieser  Zeit  die  Brust  fleissig  zu  untersuchen,  da  öfter 
erst  nach  längerem  Verlaufe  der  Krankheit  die  Infiltration  nachweiskr 
wird.  Einfache  Pneumonie  ist  am  wahrscheinlichsten ,  wenn  die  Hirn- 
Symptome  zeitig,  Pneumonie  mit  Meningitis ,  wenn  sie  in  charakteristi- 
scher Weise  spät  erscheinen ;  die  Prognose  ist  daher  im  ersten  Falle  trotz 
noch  so  grosser  Intensität  meist  günstig ,  im  letzteren  meist  ungünstig. 
Indessen  können  in  seltenen  Fällen  auch  in  später  Periode  der  Krank- 
heit, am  Ende  des  Fiebers  und  sogar  nach  der  Krise  —  mit  oder  ohif 
Fieberrelaps  — ,  schwere  und  nichtsdestoweniger  unschädliche  Hirn- 
symptome  zu  einer  frülizeitig  nachweisbar  gewordenen  einfachen  Pneu- 
monie hinzutreten,  wie  z.  B.  bei  Leon hardi  (D.  Klin.  1859.  39). 

Anhaltende  Diarrhöen  sind,  zumal  bei  kleinen  Kindern,  eine  in 
hohem  Grade  zu  Befürchtungen  Anlass  gebende  Erscheinung. 

Ueberhaupt  ist  Alles  nicht  erwünscht ,  was  eine  Abweichung  vom 
normalen  Verlaufe  der  Pneumonie  bedingt,  insofern  es  den  betreffende« 
Fall  erschwert ,  seine  Dauer  verlängert  und  zu  Störungen  anderer  Or- 
gane sowie  eventuell  zu  Nachkrankheiten  Veranlassung  giebt.  Ebenso 
unangenehm  sind  neue  Fiebersteigerungen  nach  der  Krise. 

Wie  in  jeder  Kinderkrankheit  so  denke  man  auch  bei  croupöser 
Pneumonie  an  unvorhergesehene  Zufälle ,  die  plötzlichen  Tod  bedingen 
können. 

Solch  ein  Fall  ist  nach  Louis  berichtet  im  Journal  für  Kinder- 
krankheiten 34  p.  169.  Ein  4jähriges  Mädchen  erkrankte  36  Stunde» 
nach  einem  rasch  vorübergehenden  convulsivischen  Anfall  mit  den  ge- 
wöhnlichen Symptomen  einer  linkseitigen  ünterlappenpneumonie,  welciie 
am  fünften  Tage  zur  Entfieberung  unter  Besserung  aUer  Erscheinunger. 
gelangt  war,  als  in  der  folgenden  Nacht  Verwirrtheit  auftrat,  das  KinJ 
plötzlich  zu  sprechen  aufhörte  und  verschied  ;  eine  Hirn-  oder  sonstig' 
Veränderung,  welche  diesen  Zufall  hätte  erklären  können,  ward  nicin 
gefunden. 


Thomas,  Cronpöse  Pneumonie.    Prognose.  709 

Es  hat  sich  mir  der  Gedanke  aufgedrängt,  dass  die  so  ausserordent- 
lich günstige  Prognose  der  primären  einfachen  und  uncomplicirten 
cronpösen  Pneumonie  der  Kinder  wesentlich  Folge  eines  besonderen 
ümstandes  sein  müsse  ,  und  dass  derselbe  auch  auf  den  Ausgang  vieler 
Fälle  von  secundärer  Pneumonie  einen  wesentlichen  Einfluss  ausübe. 
Allgemein  anerkannt  dürfte  die  Thatsache  sein ,  dass  gesunde  Kinder 
dohem  Fieber  weniger  leicht  erliegen  als  Erwachsene,  und  dass  bei 
ihnen  die  schwersten  Krankheitserscheinungen  oft  überraschend  schnell 
Bineui  normalen  Verhalten  Platz  machen.  Die  Erklärung  hierfür  ist 
theilweise  gewiss  im  Verhalten  des  Herzens  zu  suchen ,  welches  bei  den 
Kindern  eine  grössere  Widerstandsfähigkeit  zeigt  und  weniger  leicht 
erschöpft  wird,  als  besonders  bei  den  älteren  Personen.  Es  ist  mir  nun 
sehr  wahrscheinlich ,  dass  die  Ursache  dieser  Eigenthümlichkeit  eine 
anatomische  ist  und  grosseiitheils  auf  der  relativ  bedeutenderen 
Kräftigkeit  des  kindlichen  rechten  Ventrikels  gegenüber 
der  des  Erwachsenen  beruht.  Bekanntlich  besteht  beim  Neugeborenen 
iein  erheblicher  Unterschied  in  der  Dicke  der  Wandung  beider  Ven- 
trikel, vielmehr  stellt  sich  ein  solcher  ganz  allmählich  erst  beim  älteren 
Kinde  und  besonders  in  der  Pubertätsperiode  heraus.  So  hat  z.  B.  B  e- 
le  ke  (Die  anat.  Grundl.  d.  Constitanom.  Marburg  1878.  p.  86)  Herzen 
ron  Kindern  aus  den  ersten  Monaten  gemessen ,  bei  denen  es  mitunter 
schwer  war,  den  rechten  vom  linken  Ventrikel  zu  unterscheiden ,  und 
B  i  z  0 1  fand  (laut  H  e  n  1  e,  Gefässlehre,  2.  Aufl.  Braunschw.  1876.  p.  46) 
die  Mächtigkeit  der  Muskulatur  an  der  Basis  des  linken  und  rechten 
Ventrikels  bei  Kindern  zwischen  1  und  4  Jahren  im  Mittel  zu  6,5  und 
6,2  Millimeter,  während  sie  bei  Erwachsenen  links  über  das  Doppelte 
mehr  als  rechts  betrug.  Es  muss  daher  vorausgesetzt  werden,  dass  auch 
dieLeistungsfähigkeit  des  kindlichen  rechten  Ventri- 
kels grösser  als  diejenige  beim  Erwachsenen  ist.  Wenn 
also  in  Betreff  des  Ausganges  der  Pneumonie  auf  die  Energie  des  Her- 
zens ,  insbesondere  (wegen  des  durch  das  pneumonische  Exsudat  veran- 
lassten Circulationshindernisses)  auf  diejenige  des  rechten  Ventrikels 
überhaupt  Gewicht  gelegt  werden  muss  —  und  beides  scheint  zweifellos 
—  so  kann  es  nicht  allzu  auffällig  sein ,  wenn  ceteris  paribus  die  Mor- 
talität der  Pneumonie  beim  Kinde  geringer  als  beim  Erwachsenen  ist. 
Nach  Beneke's  hochinteressanten  Untersuchungen  ist  fast  regel- 
mässig beim  Kind  der  Umfang  der  Pulmonalarterie  etwas  grösser  als 
der  der  Aorta,  während  beim  Erwachsenen  das  Umgekehrte  in  Folge 
von  Zunahme  der  letzteren  in  der  Pubertätsperiode  stattfindet.  Ausser- 
dem geht  aus  dessen  Mittheilungen  hervor ,  dass  das  Herz  des  jungen 
Kindes  —  auf  100  Ctm.  Körperlänge  berechnet  —  annähernd  ein  Vo- 
lumen von  40—50  Cc,   und   zwar  annähernd  gleich  verlheilt  auf  beide 


ijij^Q  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Hälften,  das  Herz  des  vollkommen  entwickelten  Körpers  ein  solches  von 
150—190  Cc. ,    wesentlich    durch    die    kräftige  Entwicklixng   des  linken 
Ventrikels  besitzt.     Es  ist  hiernach  der  arterielle  Blutdruck  beim  Kinde 
wahrscheinlich  geringer  als  beim  Erwachsenen.     Ferner  dürfte  wolil  mii 
Sicherheit  angenommen  werden,   dass  der  relativ  kräftigere  rechte  Yen. 
trikel  des  Kindes  einen  grösseren  Theil  zur  Arbeitsleistung  des  gesamni. 
ten  Herzens,  welches  den  entsprechenden  Blutdruck  erhält,  beiträgt,  als 
der  relativ  weniger   kräftige    rechte  Ventrikel   des  Erwachsenen.    Wem 
nun  auch  nach    den   experimentellen  Untersuchungen    von   Liclitheim 
(Die  Störungen  des  Lungenkreislaufs  etc.  Breslau  1876  p.  20),  welcher 
den  arteriellen  Druck  nicht  im  Mindesten  sinken  sah ,    trotzdem  minde- 
stens dreiviertel  des  gesammten  Gefässgebietes  der  Lungenarterie  (durcl 
Unterbindung   des    linken  Hauptstarames   und    reichliche  Paraffinpfropf. 
enibolieen  im  rechten)    ausgeschaltet  worden  waren  ,    die    direkte  Bela- 
stung des  1  echten  Ventrikels   durch   das    pneumonische  Exsudat  keines- 
wegs sehr  bedeutend  sein  kann,  so  ist  es  doch  gewiss  nicht  gleichgiltig, 
ob  ein  kräftiger  oder  ein  unkräftiger  Ventrikel  das  Blut  vorwärts  treibt 
Ohne  Zweifel  wird  der  erstere ,  wenn  schwächende  Momente,  z.  B.  Fie- 
ber und  Inanition ,    auf  ihn   einwirken ,    ceteris    paribus    schwerer  und 
später  erlahmen,  als  der  letztere.  Demgemäss  wird  lieim  Kind  Genesung 
noch  in  Füllen  von  solcher  Intensität  und  Dauer  erfolgen  können,  te 
beim  Erwachsenen  das  Maass   der  Herzkraft   und    der   bei   ihm  ebenfalls 
verminderten  Lungenelasticität  nicht  mehr  zugereicht  hätte ,    Circulation 
und  Ernährung  l)is  zur  Krise  in  genügendem  Stande  zu  erhalten. 
Aber,  und  wenn  die  Verhältnisse  noch  bei  weitem  günstiger  wären, 
niemals  dürfen  wir  vergessen ,  dass  der  Pneumoniker  trotz  alledem  eio 
schwerer  Kranker  ist,  niemals  uns  darauf  verlassen,  dass  kein  Zwischen- 
fall den  normalen  Ablauf  des  typischen  Krankheitsbildes  stören  werde, 
Selbst  beim  günstigsten  Normalverlauf  ist  es  unmöglich ,  Garantie  zu 
leisten ,  dass  nicht  irgend  ein  unerwartetes  Ereigniss  denselben  unter- 
breche und  die  gefährlichsten  Zufälle  hervorrufe,  sei  es  eine  neue  Pneu- 
monie, die  selbst  unmittelbar  vor,  ja  sogar  nach  regelrecht  vollendeter 
Krise  eintreten  kann,  oder  ein  plötzlich  entstehender  Collaps,  oder  eine 
Complication  ernstester  Art.    Der  vorsichtige  Arzt  ist  daher  stets  auf 
seiner  Hut  und  überwacht  jedes  Symptom  auf  das  Sorgfältigste. 

Therapie. 

Gewiss  ist  es  eine  der  wichtigsten  Aufgaben  des  Arztes ,  Kranlf- 
heiten  zu  verhüten.  Ist  eine  Prophylaxis  der  croupösen  Pneumonie 
möglich  ?  Wenn  sie  eine  Infektionskrankheit  ist,  so  muss  vorzugsweise 
durch  Besserung  der  hygieinischen  Verhältnisse  viel  zu  erreichen  sein. 
Ausserdem  haben  wir  aber  gesehen,  dass  die  croupöse  Pneumonie  zu 
einem  nicht  unbedeutenden  Theil  solche  Kinder  belallt,  welche,  obschon 
im  Wesentlichen  gesund,  einer  gewissen  Schwächlichkeit  und  Blutar- 
muth  wegen  geringere  Widerstandsfähigkeit  gegen  äussere  Einflüsse 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  711 

besitzen ,  welche ,  wenn  sie  auch  vielleicht  nicht  direkt  die  Krankheit 
hervorrufen ,  doch  als  Hilfsmomente  ihre  Entstehung  begünstigen.  Es 
sind  dies  insbesondere  thermische  Einflüsse  und  die  Einathmung  ver- 
dorbener Luft.  Man  suche  daher  vorsorglich  die  Kinder  zu  kräftigen 
und  abzuhärten,  indem  man  sie,  ohne  zu  übertreiben ,  aus  einer  gut  ge- 
lüfteten reinlichen  Wohnung  fleissig  ins  Freie  schickt  und  sie  körper- 
liche Hebungen  vornehmen  lässt,  ihre  gesammte  Haut  täglich  mit  kal- 
tem Wasser  in  Berührung  bringt ,  sie  nicht  allzu  warm ,  jedoch  immer 
der  Witterung  entsprechend ,  kleidet  und  ordentlich  nährt.  Solch  eine 
körperliche  Erziehung  ist  das  beste  Vorbauungsmittel  gegen  Krankheit 
überhaupt,  und  erkranken  die  Kinder  dennoch  an  Pneumonie,  so  wer- 
den sie,  mit  einem  gesunden  kräftigen  Körper  in  dieselbe  eintretend,  sie 
leichter  überstehen  und  rascher  und  vollständiger  genesen  als  im  Zu- 
stande der  Schwächlichkeit. 

In  früherer  Zeit  stellte  man  dem  Arzt  die  Aufgabe,  die  Pneumonie 
möglichst  in  ihrer  Entwicklung  aufzuhalten,  und  wenn  er  sie 
in  einer  frühen  Krankheitsperiode  erkannt  hatte,  so  richtete  man  an  ihn 
die  Anforderung ,  dass  er  sie  c  o  u  p  i  r  e.  Man  verwandte  in  dieser 
Absicht  Aderlässe  und  örtliche  Blutentziehungen  durch  Blutegel  und 
Schröpf  köpfe  ,  ferner  die  ableitende  Methode  mittelst  Brech-  und  Ab- 
führmitteln (Tartarus  emeticus,  Calomel) ,  sodann  Alterantia  und  Anti- 
plastica,  endlich,  wenigstens  theilweise  zu  diesem  Zwecke,  Kalisalze  imd 
narkotische  Herzgifte  (Digitalis ,  Veratrin) ;  das  Nähere  hierüber  s.  in 
Köhler's  Handbuch  der  speciellen  Therapie,  3.  Aufl.  1867.  I.  p.  771. 
Insbesondere  galt  eine  Zeit  lang  die  Unterlassung  der  Blutentziehungen 
als  eine  der  ärgsten  Unterlassungssünden  ,  die  der  Arzt  begehen  könne. 
Leider  hatte  ein  derartiges  eingreifendes  Verfahren  auch  in  der  Kinder- 
praxis Eingang  gefunden  (Z  i  e  m  s  s  e  n  1.  c.  p.  264)  und  ich  stehe  nicht 
an,  die  Ueberzeugung  auszusprechen,  dass  die  beträchtliche  Sterblich- 
keit der  primären  Pneumonie  besonders  der  kleineren  Kinder ,  von  wel- 
cher aus  früherer  Zeit  berichtet  ^\'ird ,  theilweise  auf  Rechnung  dieser 
Eingriffe  zu  setzen  ist,  deren  Intensität  keineswegs  immer  den  be- 
schränkten Kräften  des  Kindes  angemessen  gewesen  sein  dürfte.  Heute 
gehören  alle  solchen  Eingriffe  zu  den  überwundenen  Standpunkten, 
wenigstens  in  Deutschland ,  weil  man  weiss ,  dass  es  nicht  möglich  ist, 
selbst  beim  Gebrauch  der  eingreifendsten  und  scheinbar  energischsten 
Methoden,  auch  nicht  der  zuletzt  versuchten  Antipyretica  (Chinin,  Ve- 
ratrin ,  Salicylsäure) ,  den  Entzündungsprocess  in  den  Lungen  in  seiner 
normalen  Entwicklung  aufzuhalten,  und  dass  insbesondere  alle  Versuche 
mittelst  der  oben  erwähnten  Mittel  und  Methoden  den  Organismus  nur 
schädigen  und  ihm  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  die  schwere  Krank- 


712  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

heit  rauben.  Allerdings  hat  es  den  Beobachtern  aus  der  Zeit  der  Cou- 
pirungsversuche  vielleicht  öfters  geschienen ,  als  sei  etwas  Erhebüclies 
durch  ihr  Verfahren  genützt ,  insbesondere  der  Verlauf  der  Krauklieit 
abgekürzt  worden,  indessen  ist  ein  sicherer  Beweis  hierfür  im  Einzelfall 
nicht  zu  erbringen.  Bedenkt  man  nämlich,  dass  es  Abortivpneumonieeii 
giebt,  dass  der  Entzündungsprocess  in  jedem  Stadium  spontan  abschlies- 
sen  kann,  und  überlegt  man ,  dass  die  Krankheit  trotz  frühzeitiger  iinj 
energischer  Anwendung  sogenannter  coupirender  Methoden  in  der  ReH 
ungestört  ihren  weiteren  Verlauf  nimmt ,  so  wird  man  zu  dem  ScUusse 
gelangen ,  dass  es .  wenn  einmal  ausnahmsweise  die  beabsichtigte  Wir- 
kung eingetreten  zu  sein  scheint ,  wahrscheinlicher  ist ,  die  Unterbre- 
chung des  Processes  habe  nur  zufälligerweise  post  hoc  und  nicht  propter 
hoc  stattgefunden.  Gestehen  wir  daher  wenigstens  die  hinlänglich con- 
statirte  Nutzlosigkeit  der  Coupirungsversuche  zu  und  bestrebenwir 

uns  dafür,  gegen  die  Er  scheinungen  der  Pneumonie  das 
Möglichste  zu  leisten. 

Durchaus  irrig  ist  die  Ansicht  derjenigen,  welche  meinen,  Jer 
Normalverlauf  einer  Krankheit,  welche,  wie  die  Pneumonie,  die  Bedin- 
gungen zur  Genesung  in  sich  trägt ,  dürfe  nicht  gestört  werden ;  ein 
Einschreiten  sei  erst  dann  nothwendig ,  wenn  die  Krankheit  aus  ihrem 
Rahmen  herausträte  und  ihre  Erscheinungen  eine  übermässige  Inten- 
sität zu  zeigen  begännen.  Wer  die  Grenzlinien  seines  Einschreitens  so 
weit  steckt ,  kann  leicht  in  die  Lage  kommen ,  erst  dann  handeln  zu 
wollen,  wenn  es  zu  spät  ist.  Jedes  Krankheitssymptora  ,  gleichviel  ob 
schwach  oder  stark  entwickelt,  ist  eine  Abweichung  vom  Normalzu- 
stand und  muss  daher  bekämpft  werden ,  und  zwar  um  so  energischer, 
je  ernster  seine  Bedeutung  für  den  Ausgang  der  Störung  ist.  Je  nied- 
riger das  Maass  ist,  auf  das  es  herabgedrückt,  oder  je  rascher  es  voll- 
ständig beseitigt  wird,  um  so  geringer  wird  die  Gefahr  der  Krankheit 
für  den  Organismus ,  um  so  früher  ist  der  Eintritt  der  Genesung  zu  er- 
warten. 

Die  Grundsätze  ,  welche  bei  Behandlung  pneumonischer  Kranker  ia 
Frage  kommen,  sind  seit  einigen  Jahren  besonders  ausführlich  und  ein- 
dringlich von  Jürgen  sen,  für  ein  grösseres  Publikum  zuerst  auf  der 
Naturtorscherversammlung  zu  Rostock  1871  entwickelt  worden.  Ich 
verweise  hiuMchtlich  derselben  auf  den  45.  der  Volkmann'schen  Samm- 
lung klmischer  Vorträge,  sowie  auf  den  betreffenden  Abschnitt  im  5.  Band 
von  Ziemssens  Pathologie. 

Immeristesdie  wichtigste  Aufgabe  für  den  Arzt,  den  Tod  seines 
K  r  a  n  k  e  n  z  u  V  e  r  h  ü  t  e  n.  Es  mag  daher  hier  vor  Allem  die  Frage 
beantwortet  werden :  Woran  stirbt  der  Pneumoniker  ? 

Wenn  die  croupöse  Pneumonie  eine  Infektionskrankheit  ist,  so 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  713 

werden,  wie  bei  den  anderen  Infektionskrankheiten,  z.  B.  bei  Scharlach, 
Pocken,  seltener  Masern  u.  a.,  Fälle  vorkommen,  in  welchen  der  Kranke 
einer  allzu  intensiven  Infektion  erliegt.  Es  giebt  sich  eine  solche  durch 
intensivstes  Fieber,  abnorme  Entwicklung  der  wesentlichen  Krankheits- 
produkte und  frühzeitige  complicatorische  AfFektionen  der  verschieden- 
sten übrigen  Organe,  endlich  durch  abnormes  Ergriffensein  der  automa- 
tischen Centren  und  allgemeine  Ernährungsstörungen  zu  erkennen  ;  man 
vermuthet  dann  eine  Blutvergiftung. 

Vielleicht  empfiehlt  es  sich  schon  auf  Grund  dieser  Erwägung  die 
viel  gebrauchten  desinficirenden  Antipyretica,  von  denen  später  die  Eede 
sein  wird,  ferner  die  Sulfite  (Polli)  und  Hyposulfite ,  die  Sulfocarho- 
late,  die  Carbolsäureinjektionen  (Kunze,  D.  Ztschr.  f.  pr.  Med.  1874  I. 
p.  139)  und  ähnliche  Mittel  in  geeigneten  grösseren  Dosen  beim  Beginn 
der  Pneumonie ,  zumal  bei  epidemischem  Auftreten  derselben ,  zu  ver- 
suchen. 

Fälle  obiger  Art  sind  bei  croupöser  Pneumonie  gewiss  selten ;  viel- 
leicht gehört  der  von  Friedleben  1.  c.  p.  176  beschriebene,  binnen 
kaum  24  Stunden  tödtliche  eines  bis  dahin  gesunden  5j.  Knaben  hierher. 

Nur  bei  sehr  bedeutendem  Umfange  der  Pneumonie ,  nicht  bei  der 
gewöhnlichen  einlappigen  oder  wenig  beträchtlicheren  Ausbreitung 
derselben,  kann  ungenügender  Gasaustausch  in  den  Lungen  zur  Todes- 
ursache werden.  Sofort  nach  der  Krise ,  auch  wenn  der  exsudaterfüllte 
.■Lungenabschnitt  noch  vollständig  funktionsunfähig  ist,  sehen  wir  die 
bis  dahin  frequente  Respiration  sich  verlangsamen,  ja  vielleicht  gänz- 
lich normal  werden  und  Nichts  den  Ausfall  einer  so  beträchtlichen 
Athmungsfläche  andeuten.  Diese  Beruhigung  der  Respiration  beweist, 
dass  die  allein  funktionirenden  Lungenpartieen  unter  den  gegebenen 
Verhältnissen  vollständig  im  Stande  sind,  das  Sauerstoff bedürfniss  zu 
decken.  Uebrigens  ist  der  Einfluss  des  Ausfalles  einer  gewissen  Menge 
Lungensubstanz  vor  der  Defervescenz  schwierig  zu  beurtheilen ,  da  im 
Fieber  auch  ein  gesteigertes  Sauerstoffbedürfniss  in  Frage  kommen 
dürfte. 

Drittens  kann  die  Pneumonie  wie  jede  andere  fieberhafte  Krank- 
heit durch  das  Fieber ,  d.  h.  durch  die  Intensität  und  Dauer  der  hoch- 
gesteigerten Eigenwärme  tödten.  Es  wird  in  diesem  Falle  der  letale 
Ausgang  in  letzter  Instanz  durch  Paralyse  des  Centralnervensystems, 
d.  h.  vorzugsweise  durch  Erlahmung  der  wichtigen  in  der  Medulla  ob- 
longata  gelegenen  automatischen  Centren ,  wodurch  insbesondere  Ath- 
mungs-  und  Herzinsufficienz  entsteht,  herbeigeführt. 

Endlich  ist  zur  Erklärvmg  des  Todes  durch  einfache  nicht  compli- 
cirte  Pneumonie  das  Circulationshinderniss  in  Berücksichtigung  zu 
ziehen ,  welches  durch  das  pneumonische  Exsudat  geschaffen  wird.    Es 


i7][4  Krankheiten  der  Athmiingsorgane.    Lunge. 

ist  dasselbe  bei  einer  so  wichtigen  Affektion  des  Thoraxinnern  weit  be- 
deutender,  als  bei  irgend  einer  Entzündung  ausserhalb  des  Thorax. 
Denn  das  pneumonische  Exsudat  stört  nicht  nur  direkt  die  CireulatioD, 
indem  es  durch  seinen  Druck  auf  die  Capillaren  das  Blut  verhindert,  die 
entzündete  Lungenpartie  mit  genügender  Geschwindigkeit  zu  passiren, 
sondern  insbesondere  indirekt  auch  dadurch ,  dass  es  die  Lunge  verhiii' 
dert ,  ihren  vollen  und  so  ausserordentlich  wichtigen  Beitrag  zur  h 
standhaltung  der  Circulation  zu  leisten;  jedenfalls  dürfte  die  Seite dei 
entzündeten  Partie  hierzu  wenig  brauchbar  sein  ,  theils  wegen  des  In. 
filtrats ,  theils  wegen  der  Schmerzen  beim  tiefen  Athmen.  Die  Aus- 
gleichung dieser  Circulationsstörung  ist  auf  keine  andere  Weise  mög- 
lich als  dadurch,  dass  das  gesammte  Herz,  vorzugsweise  aber  der  rechte 
Ventrikel,  mehr  Arbeit  leistet  als  in  der  Norm. 

Wir  erkennen  hieraus,  dass  die  Schädigung,  welche  durch  eine 
croupöse  Pneumonie  dem  übrigen  Organismus  zugefügt  wird,  ganz  be- 
sonders dasHerz  belastet.  Es  wird  ja  demselben  nicht  nur  durcli 
die  Lungenstörung  direkt  mehr  Arbeit  aufgebürdet ,  sondern  auch  in- 
direkt durch  das  in  ihrer  Folge  entstehende  Fieber;  denn  jede  EÄ 
hung  der  Eigenwärme  bev/irkt  eine  Verstärkung  und  Beschlemiigung 
der  Contraetioneu  des  Herzens.  Keinenfalls  ist  aber  im  Todesfalle  die 
durch  das  Fieber  bedingte  höhere  Inanspruchnahme  der  Herzthätigkeit 
allein  Ursache  des  letalen  Ausganges  einer  Pneumonie.  Es  wird  dies 
durch  die  auffallende  Thatsache  l)ewiesen ,  dass  der  Typhuskranke  mit 
seiner  hochgesteigerten  Eigenwärme  mehrere  Wochen  hintereinander 
existirt  und  schliesslich  genest ,  während  der  Pneumonische  bei  gleich 
hohem  und  anhaltendem  oder  vielleicht  sogar  etwas  niedrigerem  Fieber 
zu  erliegen  pflegt ,  wenn  sich  dasselbe  nicht  wenigstens  bald  nach  Be- 
ginn der  zweiten  Woche  zur  Besserung  anschickt.  Es  muss  hier  also 
ausser  dem  Fieber  noch  ein  anderes  Moment  wirksam  sein,  und  das  wich- 
tigste von  den  in  Frage  kommenden  Verhältnissen  ist  eben  das  Circu- 
lationshinderniss ,  welches  bei  Pneumonie  von  weit  wesentlicherer  Be- 
deutung ist  als  dasjenige,  welches  die  typhöse  Localstörung  im  grossen 
Kreislauf  erzeugt. 

Es  würde  nun  jedenfalls  das  gesunde  Herz  des  Pneumonikers  dieser 
erhöhten  Inanspruchnahme  leicht  genügen  können ,  wenn  es  sich  unter 
normalen  Ernährungsverhältnissen  befände,  und  demnach  seine  durch 
die  vermehrte  Arbeit  bewirkte  Schädigung  leicht  ausgeglichen  zu  wer- 
den vermöchte.  In  dieser  Beziehung  befindet  sich  indessen  der  Pneu- 
monische unter  den  ungünstigsten  Verhältnissen.  Nicht  nur,  dass  wie 
bei  allen  anderen  Fieberkranken  das  Fieljer  ein  Darniederliegen  der 
Verdauung  bewirkt  und  dadurch  die  Ernährung  des  reichlichster  Nah- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.    Therapie.  715 

rungszufuhr  so  bedürftigen  Herzens  direkt  erschwert ,  nicht  nur ,  dass 
es  eine  Degeneration  seiner  Fasern  in  Folge  der  Erhöhuns  der  Eigen- 
wärme  hervorruft ,  sondern  es  kommt  hier  auch  noch  ausserdem  die  so 
wesentliche  Erschwerung  des  Gasaustausches  in  den  Lungen  und  die 
daraus  resultirende  allmähliche  Sauerstoffverarmung  und  Kohlensäure- 
Überladung  des  Blutes  in  Betracht.  Indessen  wird  durch  diese  Momente 
nicht  nur  die  Ernährung  des  Herzens  geschädigt,  sondern  auch  die  aller 
übriger  Organe.  Hierdurch  entsteht  aber  ganz  besonders  in  zweifacher 
Hinsicht  eine  Rückwirkung  auf  das  Herz.  Erstens  wird  dessen  Bela- 
stung dadurch  von  Neuem  gesteigert ,  dass  mehr  als  andere  auch  die 
Athemmuskeln  unter  der  allgemeinen  Ernährungsstörung  leiden  ,  und 
somit  der  restirende  Antheil  der  Respiration  an  der  Erhaltung  der  Cir- 
culation  noch  weiter  heraljgesetzt  wird.  Zweitens,  und  dies  ist  meiner 
Meinung  nach  das  Wichtigere,  leidet  auch  das  Nervensystem,  leiden  die 
so  wichtigen  Centren  innerhalb  der  Medulla  oblongata,  von  denen 
nicht  nur  die  Thätigkeit  der  Athmungs-  wie  der  Gefässmuskeln  und 
die  Ernährung  aller  Organe ,  sondern  auch  ganz  besonders  Thätigkeit 
und  Ernährung  des  Herzens  geregelt  und  beeinflusst  wird.  Alle  Um- 
stände weisen  also  darauf  hin,  dass  bei  Pneumonie  vorzugsweise  das 
Herz  in  seiner  zur  Erhaltung  des  Lebens  so  nothwendigeu  Funktion  be- 
einträchtigt ist.  Nur  in  diesem  Sinne  kann  ich  die  volle  Richtigkeit 
des  von  Jürgensen  allzu  exclusiv  hingestellten  Satzes,  dass  die  Pneu- 
monietodten  durch  Lisufficienz  des  Herzens  zu  Grunde  gegangen  seien, 
anerkennen.  Eine  direkte  Folge  dieser  Herzinsufficienz ,  und  zwar  spe- 
ciell  der  Erlahmung  des  linken  Ventrikels ,  während  der  rechte  fort- 
arbeitet ,  ist  nach  Cohnheim's  experimentellen  Untersuchungen 
(Sitzgsber.  d.  Ges.  f.  vat.  Cult.  vom  7.  Dec.  1877)  das  —  bei  tödtlicher 
croupöser  Pneumonie  ziemlich  häufige  —  terminale  Lungenödem. 

Nicht  minder  wichtig  für  den  Ausgang  der  Pneumonie  als  die  Er- 
haltung der  Circulation  ist  die  der  Athmung.  Sie  wird  beim  Pneu- 
moniker  schwer  geschädigt  nicht  sowohl  durch  das  pneumonische  Ex- 
sudat an  und  für  sich ,  welches  den  Gasaustausch  in  den  aificirten  Lun- 
genpartieen  aufhebt  —  nach  der  Krise  kann,  bei  vollständig  intakter 
Infiltration ,  die  Respiration  gauz  ruhig  sein  —  als  vielmehr  durch  die 
Erschöpfung  des  Nervensystems ,  beziehentlich  des  Athmungscentrums 
im  verlängerten  Mark.  Diese  ist  nicht  minder  direkte  wie  indirekte 
Folge  des  Fiebers ,  direkt  wegen  der  andauernd  hochgesteigerten  Tem- 
peratur ,  indirekt  wegen  der  febrilen  Ernährungsstörung  und  der  Stö- 
rung in  der  Mischung  der  Blutgase ;  möglicherweise  wird  sie  auch  durch 
Anhäufung  besonders  deletär  wirkender  infektiöser  Stoffe  erzeugt.  Bei 
dem  innigen  Ineinandergreifen  aller  Funktionen,  welche  von  dieser 


716  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Partie  des  Centralnervensystems  aus  geregelt  werden ,  ist  im  Einzelfall 
der  Antheil,  der  einer  jeden  von  ihnen  bei  der  schliessliehen  Erlahmung 
zukommt,  schwer  abzumessen ;  vielleicht  ergäbe  genaue  Beobachtung 
des  Agonisirenden  Material  zur  Entscheidung  dieser  Frage. 

Von  geringerer  Bedeutung ,  aber  keineswegs  völlig  zu  vernachläs- 
sigen, ist  die  Störung  der  anderweitigen  Funktionen  des  Nervensystems, 
iusljesondcre  derjenigen  des  Grosshirns ,  sowie  die  Störung  der  Ernäh- 
rung und  Funktionirung  der  übrigen  Organe. 

Als  Resultat  dieser  Erwägungen  für  die  Therapie  ergiebt  sich,  dass 
der  Pneumonische  am  zweckmässigsten  behandelt  wird ,  wenn  man  sein 
Fieber  so  früh  und  so  viel  als  möglich  ermässigt  und 
seine  Ernährung  auf  einem  möglichst  guten  Stande  er- 
hält. Bei  der  schon  von  Politzer  (Jahrb.  f.  Khkde  1865.  p.  44)  so 
treffend  hervorgehobenen  leichteren  Erlahmung  des  kindlichen  Nerven- 
systems und  der  dadurch  bedingten  Neigung  zu  Adynamie,  Erschöpfung 
und  Collapsus  ist  es  ganz  besonders  wichtig ,  dass  man  schon  frühzeitig 
beim  pneumonischen  Kind  alle  Symptome  beginnender  Schwäche  mi 
Erschlaffung  bekämpft,  dadurch  aber  die  Lähmung  seiner  nervosa 
Centralorgane,  zumal  des  Respirationscentrums  und  damit  der  Athmungs- 
thätigkeit,  verhütet  und  sein  Herz  in  den  Stand  setzt,  die  durch  die 
Entzündung  bewirkte  Circulationserschwerung  bis  zum  Eintritt  der 
Krise  zu  ertragen.  Darf  man  doch  gerade  beim  Kind  mit  seinem  regeren 
Stoffwechsel  hoffen ,  dass  mit  der  durch  das  Schwinden  des  Fiebers  be- 
zeichneten günstigen  Wendung  der  Krankheit  auch  bald  ein  funktions- 
tüchtigerer Zustand  aller  Organe  des  Körpers  herbeigeführt  und  Erho- 
lung eintreten  werde. 

Zunächst  ist  also  zu  erörtern ,  auf  welche  Weise  am  besten  gegen 
das  Fieber  des  pneumonischen  Kindes  eingewirkt  wird.  Genügend 
überzeugt  von  der  Unzulänglichkeit  seiner  Behandlung  mit  Digitalis 
und  örtlichen  Blutentziehungen  und  aufmerksam  gemacht  durch  die  be- 
deutenden Erfolge  der  Kaltwassertherapie  ,  wie  sie  bei  meinem  Eintritt 
in  die  selbständige  Praxis  in  nachdrücklichster  Weise  von  Brand, 
später  von  Steffen  (Jbch  f.  Khkde  1866.  VIII.  4.  p.  161),  sodann  be- 
sonders von  Bartels  und  Jürgensen,  Liebermeister  undHa- 
genbach,  Ziemssen  und  Immer  mann  gelehrt  wurden ,  habe  ich 
mich  bald  dieser  Methode  bei  Behandlung  meiner  Fiebernden  und  so 
auch  meiner  pneumonischen  Kinder  bedient.  Ihr  glaube  ich  grossen- 
theils  die  günstigen  Resultate  verdanken  zu  sollen,  welche  ich  erlangte. 
In  Tausenden  von  Fällen  fieberhafter  Krankheiten  habe  ich  mich  ins- 
besondere von  dem  Nutzen  der  Bäder  überzeugt ;  sie  sind  in  meiner 
Praxis  allmählich  so  eingebürgert  worden,  dass  mir  ein  stärkeres  Wider- 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  717 

streben  nur  ausnahmsweise  begegnet.  Man  muss  nur  einigemal  in  ecla- 
tanten  Fällen  das  veränderte  Befinden  eines  vor  dem  Bade  slühend 
heissen  Kindes  nach  demselben  beobachtet  haben,  um  sich  enthusiastisch 
zu  der  durch  nichts  Anderes  vollständig  zu  ersetzenden  Kaltwasserbe- 
handlung hingezogen  zu  fühlen. 

Pneumonie  an  sich  giebt ,  wie  durch  die  Thatsachen ,  in  grösserer 
Zahl  zuerst  aus  der  Liebermeiste r'schen  Klinik  (Major,  F i s m  e r) 
publicirt,  hinlänglich  bewiesen  ist,  nicht  die  geringste  Contraindication 
gegen  Kaltwasserbehandlung,  insbesondere  gegen  Bäder.    Man  kann  in 
jedem  Lebensalter  baden ,  thut  aber  gut ,  die  gegen  alle  starken  Erre- 
gungen der  sensibeln  Nerven  so  ausserordentlich  empfindlichen  und  zu 
Reflexkrämpfen  geneigten  Kinder,  zumal  die  kleineren,  nicht  unmittel- 
bar aus  dem  warmen  Bett  in  ein  kaltes  Bad  zu  stecken ,  sondern  die 
Temperatur  des  Badwassers  allmählich  durch  Zuschütten  kalten  Wassers 
zu  vermindern  (Ziemssen),  und,  unter  Verzichtleistung  auf  eine  stär- 
kere initiale  reflektorische  Erregung  des  Athmungscentrums  und  den 
grösstmöglichen  Badeeffekt  überhaupt,  die  Baddauer  zur  Erreichung 
eines  ähnlichen  entsprechend  zu  verlängern.    Bei  jungen  Kindern  darf 
die  schliessliche  Badwärme  nicht  so  niedrig  wie  bei  älteren  sein ;  wie 
weit  man  sie  zu  erniedrigen  hat ,  richtet  sich  nach  der  Höhe  der  herab- 
zusetzenden Eigenwärme ;  bei  hohem  Fieber  kann  man  auch  bei  ihnen 
dreist  auf  25"  C. ,  vorsichtig  noch  weiter  herabgehen.    Die  Dauer  des 
Bades  darf  nicht  allzu  kurz  sein,  weil  man  sonst  Gefahr  läuft,  eine  nutz- 
lose Procedur  vorgenommen  zu  haben  ;  bestimmte  Regeln  hierüber  an- 
zugeben ist  nur  für  den  individuellen  Fall  möglich.    Im  Allgemeinen 
sind  fünf  Minuten  für  ein  kühles  Vollbad  schwer  fiebernder  kleiner, 
zehn  bei  grösseren  Kindern  nicht  zu  viel.    Uebrigens  findet  bekanntlich 
die  wesentlichste  Herabsetzung  der  Körperwärme  nicht  unmittelbar 
nach  dem  Bad ,  sondern  erst  eine  halbe  Stunde  und  länger  nach  ihm 
statt.   Je  rascher  die  Temperatur  nach  dem  Bad  wieder  ansteigt  und  je 
höhere  Grade  sie  nachher  erreicht ,  um  so  öfter  müssen  die  Bäder  wie- 
derholt werden,  damit  ihr  wichtigster  Zweck,  die  Erhaltung  der  Körper- 
wärme auf  einem  niederen  Grade ,  und  damit  die  möglichste  Verhinde- 
rung der  durch  allzu  hoch  gesteigerte  Eigenwärme  nothwendig  ent- 
stehenden, möglicherweise  dauernd  nachtheilig  wirkenden  Organschä- 
digungen (z.  B.  Disposition  zu  Convulsionen ,  Schwäche  der  Intelligenz) 
erreicht  werde.    Wenn  die  Temperatur  des  Rectum  39,5  erreicht  hat, 
ist  das  Bad  wünschenswerth,  wenn  sie  40"  beträgt,  nothwendig.    Wo 
äussere  Umstände  nicht  öftere  Wärmeentziehungen  trotz  deren  Noth- 
wendigkeit  gestatten,  sollten  wenigstens  zwei,  und  zwar  dann  möglichst 
kühle  Bäder,  bei  etwas  älteren  Kindern  mit  kalten  Uebergiessungen  ver- 


718  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

bunden ,  täglich  verabreicht  werden ;  am  zweckmässigsten  würden  die- 
selben Mittags  und  Abends  zu  geben  sein.  In  diesem  Falle  applicire 
man  aber  in  der  Zwischenzeit  ohne  Rücksicht  auf  die  Temperaturhöhe 
also  schon  unter  39"  —  übrigens  ohne  dem  Kranken  die  Zeit  des  Schla- 
fes zu  verkümmern  —  ganz  besonders  fleissig  kalte  Umschläge  über  den 
grösseren  Theil  des  Körpers ,  und  nehme ,  mindestens  alle  Stunden,  all- 
gemeine kalte  Einwicklungen  vor,  deren  Anwendung  sich  überhaupt 
bei  stärkeren  Fiebergraden  sehr  empfiehlt,  um  die  Steigerung  der  Hitze, 
soviel  als  es  nur  irgend  sein  kann ,  zu  verzögern.  Dasselbe  muss  sehr 
energisch  dann  geschehen,  wenn  Bäder  aus  inneren  oder  äusseren  Grün- 
den unmöglich  sein  sollten ;  in  leichten  Fällen  genügt  dies  Verfahren 
wohl  auch  allein.  Wenn  die  Kinder  nach  einer  besonders  längeren  Bad- 
dauer über  Frost  klagen  oder  gar  klappern,  so  frottire  man  sie  etwas; 
direkte  Zufuhr  von  Wärme  darf  nur  dann  stattfinden ,  wenn  unvorsich- 
tigerweise durch  zu  niedrige  Temperatur  oder  zu  lange  Dauer  des  Bades 
allzu  stark  abgekühlt  und  demgemäss  die  Innentemperatur  allzu  tief 
herabgesetzt  worden  sein  sollte.  Der  Rath  von  J  ü  r  g  e  n  s  e  n ,  vor  und 
nach  dem  Bade  Wein  zu  reichen,  ist  vortrefflich ;  eine  nicht  übermässige 
Dreistigkeit  in  der  Darreichung  starken  und  reinen  Weines  schadet 
den  Kindern  nichts,  auch  ganz  junge  vertragen  ihn  gut. 

Ich  muss  gestehen ,  dass  ich  die  Kaltwasserbehandlung  weitaus  für 
die  beste  antipyretische  Methode  bei  Kindern  halte  und  sie  der  Dar- 
reichung innerer  Mittel  entschieden  vorziehe.  Sie  erfüllt  bei  richtiger  j 
Ausführung  ihren  Zweck,  die  Eigenwärme  des  Fiebernden  auf  mög- 
lichst niederen  wenig  schädlichen  Graden  zu  halten,  soweit  dieser  Zweck 
überhaupt  erreichbar  ist,  vollkommen,  und  zwar  ohne  die  Funktion  der 
Verdauungsorgane  irgendwie  zn  belästigen.  Dass  dies  nach  den  obigen 
Ausführungen  ganz  besonders  wichtig  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Ich 
komme  daher  auf  die  Kaltwasserbehandlung  immer  und  immer  wieder 
zurück,  wenn  etwa  zwischendurch  gegebene  Antipyretica  sich  als  unge- 
nügend erweisen.  Desshalb  bin  ich  aber  keineswegs  der  Ansicht,  dass 
man  die  letzteren  ganz  entbehren  könne.  Es  giebt  Fälle  von  intensivem 
Fieber,  in  welchen  durch  Anwendung  der  Kälte  in  den  allein  möglieben 
Formen  die  Temperatur  nicht  niedrig  zu  bekommen  oder  wenigstens  zu 
erhalten  ist ,  und  der  überaus  lästigen  Proceduren  wegen  nebenbei  der 
Gebrauch  der  Antipyretica  dringend  nothwendig  erscheint,  um  die 
Pflege  zu  vereinfachen.  Unter  Umständen  treten  sie  aber  auch  ganz  an 
Stelle  der  Kälte  ,  nämlich  dann ,  wenn  diese  trotz  aller  Vorsichtsmass- 
regeln Collaps  erzeugt  oder  wesentliche  örtliche  Nachtheile  herbeiführt, 
oder  aus  sonstigen  mehr  äusserlichen  Gründen  ausgesetzt  werden  muss. 
Aus  diesen  Angaben  geht  nun  aber  hervor,  dass  ich  von  den  innerlichen 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  719 

Antipyreticis  überhaupt  fast  nur  in  schweren  und  desshalb  natürlicher- 
weise .schlecht  tractablen  Fällen  ,  gewöhnlich  neben  äusserlicheu  Wär- 
meentziehungen ,  welche  das  Fieber  in  ungenügender  Weise  herabmin- 
derten und  allzu  häufig  nothwendig  erschienen,  Gebrauch  gemacht  habe ; 
was  ich  in  Nachstehendem  angebe  ,  bezieht  sich  also  nicht  auf  leichte 
Fälle  mit  massigem  Fieber.  Am  meisten  habe  ich  von  den  betreffenden 
Medicamenten  Chinin  und  salicylsaures  Natron  angewandt. 

Chinin  ist  theuer ,  wird  seines  bitteren  Geschmackes  wegen  vom 
Kind  im  Allgemeinen  nur  äusserst  ungern  genommen  ,   daher  öfter  un- 
vollständig geschluckt  und  nur  theilweise  oder  ganz  erbrochen.     Es  ist 
schon  richtig,  dass  in  manchen  Fällen  das  Erbrechen  bei  späteren  Dosen 
aufhört,  noch  öfter  aber  wird  sein  Fortgebrauch  wegen  der  permanen- 
ten Widerwärtigkeiten  geradezu  verweigert,  vom  Kranken  wie  von  den 
Pflegern ,  so  dass  man  wohl  oder  übel  auf  das  Mittel  verzichten  muss. 
Am  praktischsten  ist  die  innerliche  Darreichung  einer  concentrirten 
Lösung  (etwa  1:10)  des  salzsauren  Chinins  in  Verbindung  mit  einem 
Corrigens ;  sie  mag  immer  gewählt  werden,  wo  die  Anwendung  des  Mit- 
tels nothwendig  scheint  und  Magendarmkatarrh  nicht  vorhanden  ist. 
Ungern  entschloss  ich  mich  einigemal  zu  der  unsicheren  Clysmaform  ; 
Chinininhalationen  (Gerhardt)  habe  ich  nicht  angewandt.   Ich  habe 
besonders  vor    der   Salicylperiode    oft    genug    selbst  jungen  Kindern 
Grammdosen  gegeben,  wenn  sie  heftig  fieberten  und  die  Kaltwasserbe- 
handlung aus  irgendwelchem  Grunde  nicht  hinreichend  war,  kann  aber 
nicht  saoen,  dass  ich  in  diesen  natürlich  obstinateren  Fällen,  auch  wenn 
nicht  gebrochen  wurde,  mit  der  antifebrilen  Wirkung  sehr  zufrieden  zu 
sein  Veranlassimg  hatte.    In  leichteren  Fiebern  tritt  dieselbe  natürlich 
leichter  ein  als  bei  Pneumonie,  indessen  wird  man  in  solchen  auf  sie  — 
die  ich  also  keineswegs  läugne   —  bei  Anwendung  von  Wärmeentzie- 
bungen  nur  ausnahmsweise  zu  reflektiren  nothwendig  halben.  Die  Dosen 
(6—8  Gran  pro  die),  von  denen  Politzer  (Jahrb.  f  Khkde.  1863.  VI. 
p.  241)  bei  Besprechung  der  Chinintherapie  in  der  Kinderpneumonie 
sagt,  dass   »kein  sichereres  und  schneller  wirkendes«  Mittel  zur  Besei- 
tigung der  febrilen  Reizung  existire ,  sind  zu  klein  für  schwere  fieber- 
hafte Zustände.  In  solchen  kann  man  Kindern  immerhin  mehr  als  einen 
Gramm  innerhalb  kurzerZeit,  beziehentlich  pro  die ,  geben  ;  v  i  e  1 
mehr  zu  brauchen  verbietet  sich  aber  theils  durch  die  vielleicht  unge- 
fährlichen, aber  jedenfalls  höchst  lästigen  und  beunruhigenden  Resorp- 
tionserscheinungen, welche  die  fortgesetzte  Darreichung  schon  mittlerer 
Dosen  wesentlich  erschweren,  theils  durch  die  Erwägung,  dass  dann  das 
Mittel  direct  schaden,  ja  sogar  den  Tod  herbeiführen  kann   (vergl. 
Schlossberger,  Würt.  Corr.  1843.  XIII.  p.  2,  sowie  Binz  und 


720  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

Heubach  ,  Arcli.  f.  exper.  Patli.  V.  1);  eine  sichere  Beurtheilung der 
Grösse  der  im  speciellen  Fall  für  das  hochfiebernde  Kind  geeigneten 
Maximalgabe  ist  unmöglich.  Die  Resorptiouserscheinungen  (Ohren- 
sausen ,  Schwindel ,  Schwerhörigkeit  u.  s.  w.)  sind  besonders  unange- 
nehm beim  täglichen  Gebrauch  grösserer  Dosen ,  so  dass  der  Rath  ge- 
geben wurde  ,  solche  nur  alle  48  Stunden  anzuwenden  —  freilich  ver- 
zichtet man  dann  am  freien  Tage  auf  die  Beeinflussung  des  Fiebers  durcli 
dasselbe.  Für  die  Privatpraxis  ist  es  ein  Vorzug  des  Chinin  vor  den 
Salicylsäurepräparaten ,  dass  seine  Wirkung  auch  bei  grösseren  Dosen 
nicht  übei-mässig  stürmisch  zu  erfolgen  pflegt  und  daher  r  a  p  idester 
Collaps  und  andere  beunruhigende  Erscheinungen  in  der  Regel  ausblei- 
ben ;  leider  sind  solche  unangenehme  Zustände  nicht  gänzlich  ausg^ 
schlössen.  Ich  habe  solche  wenig  erfreuliche  Erfahrungen  schon  mit  den 
Dosen ,  mit  welchen  man  gewöhnlich  operirt  und  die  ich  auf  die  Em- 
pfehlung von  Wachsmuth  (Arch.  d.  Heilk.  1863)  anwandte,  ver- 
schiedene Male  gemacht,  und  würde  daher  nur  im  äussersten  Nothfall, 
beim  intensivsten  und  auf  keine  andere  Weise  wirksam  zu  bekämpfei' 
den  Fieber  und  bei  durchaus  herzkräftigen  Kranken  zu  den  maximal« 
Dosen  J  ü  r  g  e  n  s  e  n '  s  (bis  5 ,0 !  für  Erwachsene),  übrigens  zu  die- 
sen lieber  als  zu  den  entsprechenden  salicylsauren  Natrons,  greifen. 
Keinenfalls  —  dies  zu  beachten  ist  dringend  nothwendig  —  darf  bei 
Anwendung  stärkerer  Chinindosen ,  zumal  bei  kleineren  Kindern ,  der 
Gebrauch  kräftiger  Stimulantien ,  insbesondere  guten  Weines,  unte^ 
lassen  werden. 

Salicylsaures  Natron  habe  ich  in  den  letzten  Jahren ,  sclio« 
seines  niedrigeren  Preises  wegen  ,  mit  Vorliebe  ,  weit  öfter  als  Chinin, 
angewandt.  Allerdings  macht  es  in  den  zur  Erzielung  einer  antipyre- 
tischen Wirkung  nöthigen  grossen  Dosen  ebenfalls  Uebelkeit  und  an- 
dere unangenehme  Erscheinungen  und  wird  nach  wiederholter  Darrei- 
chung auch  bei  Zusatz  der  besten  Corrigentien  (Succus  liquiritiae,  Pfei- 
fermünze, Zimmet)  gewöhnlich  ebenso  mit  Widerwillen  zurückgewiesen. 
indessen  zeigt  es  im  Allgemeinen  doch  entschieden  eine  kräftigere  ubI 
raschere  Wirkung  auf  die  Temperatur  als  Chinin  und  ist  diesem  dabei 
in  mancher  Beziehung  vorzuziehen.  In  der  Regel  findet  seine  WirkuD? 
unter  Ausbruch  eines  intensiven  Schweisses  statt  und  sind  desshalb  kräf- 
tige Stimulantien  bei  der  m  Folge  dessen  mitunter  entstehenden  sek 
bedeutenden  Abkühlung  prophylaktisch  erforderlich.  Ich  habe,  um  der 
Uebelkeit  und  dem  Erbrechen  möglichst  entgegenzuwirken,  gewöhnlicb 
mehrere  kleinere  Dosen  in  rascher  Aufeinanderfolge  gegeben  und  so  & 
bei  hohem  resistentem  Fieber  nöthige  Gesammtdose  (bei  Säugling™ 
1  Gramm,  bei  jungen  Kindern  1,5 — 3  Gramm,  bei  älteren  4—5  Gramm; 


Thomas,  Croupöae  Pneumonie.     Therapie.  721 

im  besten  in  einer  concentrirten  Lösung)  innerhalb  ungefähr  zwei  Stun- 

ien  verbraucht.    Die  Herabsetzung  der  Temperatur  —  bis  auf  normale 

md  selbst  unternormale  Grade  —  geschieht,  soweit  sich  dies  auf  Grund 

Poliklinischer  Beobachtungen  beurtheilen  lässt,  wegen  rascher  Resorp- 

;ion  des  Mittels  (Balz,  Arch.  d.  Heilk.  1877.  XVIII.  p.  63)  innerhalb 

curzer  Zeit,  etwa  zweier  Stunden ;  erneutes  Ansteigen  pflegt  der  künst- 

ichen  Remission  ziemlich  rasch,  jedenfalls  etwas  rascher  als  bei  Chinin- 

febrauch,  zu  folgen.     Es  stimmen  hiermit  die  in  Kinderheilanstalten 

■Gewonnenen  Erfahrungen  von  Demme,  Hagenbach  u.  A.  überein. 

riCine  nach  Wiederherstellung  der  alten  Fieberhöhe  bald  gereichte  neue 

'v)ose  kann  kleiner  als  die  erste  sein  und  trotzdem  denselben  Effekt  wie 

lie  frühere  erzeugen,  weil  das  Mittel  cumulative  Wirkung  besitzt,  offen- 

lar  in  Folge  seiner  nachgewiesenermassen  (Balz)  sehr  langsamen  Aus- 

cheidung.     Ungünstige  Nebenwirkungen  auf  andere  Organe  als  den 

lagen  ,  insbesondere  auf  Nieren  und  Hirn ,  mit  Ausnahme  einer  gewis- 

en  psychischen  Unruhe ,  sah  ich  beim  Gebrauch  mittlerer  Dosen  nie- 

lals.     Uebermässige  Dosen  lähmen  das  Respirationscentrum  sowie  das 

lerz  und  müssen  daher  gemieden  werden ,  ganz  besonders  in   der  Zeit 

nd  bei  den  Anzeichen  des  spontanen  Fieberabfalles. 

Calomel  (vgl.  Binz  im  ersten  Bande  dieses  Handbuches  p.  443) 
.abe  ich  bei  pneumonischen  Kindern  nur  in  kleinen  Dosen  zum  Zwecke 
er  Stuhlentleerung  angewandt  und  kann  daher  von  erheblichen  anti- 
.yretischen  Effekten  desselben  nicht  berichten.  -ledenfalls  bewirkt  das 
'littel  bei  Kindern  ganz  gewöhnlich  eine  Herabsetzung  des  Fiebers, 
renn  man  es  obiger  Indication  wegen  benutzt ;  den  Weitergebrauch  des- 
elben  zum  Zwecke  der  Antipyrese  kann  ich  aber  nicht  empfehlen. 

Digitalis  ratlie  ich  fiebernden  Pneumonischen  nur  bei  uuver- 
lältnissmässig  gesteigerter  Pulsfrequenz  in  dem  Alter  entsprechenden 
orsichtigen  Gaben  und  zwar  nur  so  lange  zu  geben ,  bis  die  erwünscht 
cheinende  wesentliche  Herabsetzung  derselben  beginnt.  Die  Tagesdose 
luss  bei  Kindern  etwa  um  die  Hälfte  kleiner  als  bei  Erwachsenen  sein 
ind  richtet  sich  natürlich,  bei  der  bekannten  Verschiedenheit  der  Wirk- 
amkeit  der  Digitalispräparate ,  nach  den  bei  diesen  gemachten  Erfali- 
•ungen.  Vorsicht  ist  besonders  in  der  Nähe  der  Krise  zu  empfehlen  ; 
)ei  unregelmässigen  und  hinsichtlich  der  Frequenz  in  kurzen  Perioden 
ehr  wechselnden  Pulsen  muss  das  Mittel  schleunigst  ausgesetzt  werden. 

Ueber  Veratri  n Wirkung  bei  Kindern  habe  ich  keine  Erfah- 
■ungen.  (Vgl.  St  Öhr,  Würzb.Ztschr.1866.  VII.  p.  108;  ferner  s.  Ed- 
;ar,  Pleischmann,  Hamon,  Jacobi,  Kiemann,  Trapen  ard, 
iv^o  0  d.)  Ich  kann  nicht  dazu  rathen,  Mittel  anzuwenden ,  welche  wie 
[ieses  oder  der  Brechweinstein  (Her  ard,  Union  med.  1847.  127—131) 

46 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


722  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

dadurch  wirken,  dass  sie  durch  Herabsetzung  der  Erregbarkeit  des  Her- 
zens und  der  Medulla  oblongata  CoUaps  erzeugen.  Ausserdem  haben 
beide  lästige  Nebeneifekte ,  indem  sie  Erbrechen  und  Durchfall  bewir- 
ken und  dadurch  ganz  wesentlich  die  Ernährung  des  der  Nahruiigszn- 
l'uhr  so  sehr  Bedürftigen  hindern ;  sie  sind  desshalb  meiner  Ansicht  nach 
ganz  besonders  beim  Kinde  zu  scheuen.  Indessen  haben  auch  diese  Be- 
handlungsmethoden geeignete  Fälle  ,  d.  h.  genügend  widerstandsfähigp 
Kranke ,  die  dabei  genasen  ,  und  daher  Lobredner  gefunden. 

Was  das  diätetische  Verhalten  des  pneumonischen  Kindes 
anlangt,  so  ist  es  selbstverständlich,  dass  man  es  unter  allen  Umständen 
im  Bett  hält  und  nicht  üljermässig  zudeckt ,  ihm  durcb  zweckmässigf 
Ventilation  des  nicht  grell  beleuchteten  und  möglichst  geräumigen 
Krankenzimmers  den  Aufenthalt  in  einer  reinen  von  üblen  Gerüchen 
möglichst  freien  Luft  verschafft,  sowie  Haut  und  Mundhöhle  reinlich 
hält,  imd  ihm  nach  Belieben  zur  Stillung  des  Durstes  frisches  Wasser 
giebt:  geringe  säuerliche  oder  bei  Durchfall  schleimige  Zusätze  zu  dem- 
selben sind  erlaubt.  Kühlhalten  der  Athemluft  und  des  Getränkes  wW 
einigermassen  auch  den  Hauptzweck  der  sonstigen  Therapie ,  die  Ver- 
minderung der  hochgesteigerten  Eigenwärme ,  mit  erreichen  helfen, 
In  Betrefft  der  Zufuhr  eigentlicher  NahrungsstofFe  zum  Ersatz  der  (krcli 
das  Fieber  in  erhöhtem  Maasse  consumirten  Körperbestandtheile  müs- 
sen wir  berücksichtigen ,  dass  erfahrungsgemäss  die  Verdauungsfuni- 
tionen  im  Fieber  darniederliegen.  Alle  Nahrungsmittel  aber,  welche 
nicht  verdaut  und  resorbirt  werden  ,  verursachen  Beschwerden ,  indem 
sie  abnorme  Herabsetzungen  eingehen,  zu  Magen-  und  Darmkatarrh 
Anlass  geben ,  und  durch  Auftreibung  des  Leibes  in  Folge  von  Gasent- 
wicklung die  ohnehin  erschwerte  Respiration  noch  mehr  belästigen. 
Verbietet  sich  somit  die  Zufuhr  reichlicherer  Mengen  von  Eiweisssub- 
stanzen,  besonders  schwerer  verdaulicher  Art,  wie  Koch-  und  Bratfleiscb, 
gekochtem  Eiereiweiss,  und  von  Fetten  schon  von  selbst,  so  soH'raansie 
noch  weniger  Kindern ,  welche  sie  instinktiv  zurückzuweisen  pflegen, 
trotz  mangelnden  Appetites  gewaltsam  aufzuzwingen  versuchen.  An- 
ders ist  es  mit  Milch  ,  mit  Gallerten,  Obst-  und  mehligen  Suppen,  Sap- 
pen mit  Ei  und  Eierwasser,  schleimigen  Getränken,  Zucker,  besonders 
Traubenzuckermischimgen  ,  Peptonlösungen  (A  damkiewicz),  die  in 
massigen  Mengen  und  zumal  unter  Zusatz  von  Fleischbrühe ,  Wein  u. 
s.  w.  genossen ,  sowohl  nähren  als  auf  mehr  oder  minder  angenehme 
Weise  das  Bedürfniss  nach  Flüssigkeit  befriedigen  helfen.  Die  Ingestion 
solcher  Substanzen  in  angemes.sener  Menge  muss  man  nach  Möglich- 
keit l^efördern,  und  durch  sie  dem  fiebernden  Organismus  seine  Verluste 
wenigstens  einigermassen  zu    ersetzen   suchen.      Sellistverständlich  'd 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  723 

irch  Empfehlung  eines  derartigen  Regime  nicht  ausgeschlossen ,  dass 
an,  selbst  auf  die  Gefahr  hin,  das  Fieber  etwas  zu  steigern,  dem  Nah- 
ingsbedürfnisse  eines  pneumonischen  Kindes  nachgiebt.  wenn  dasselbe 
isnahmsweise  einmal  grösseren  Appetit  zeigen  und  genügende  Ver- 
luungsfähigkeit  besitzen  sollte ;  denn  ebensowenig  wie  man  durch 
tutentziehung  und  schwächende  Behandlung  die  Entstehung  des  pneu- 
onischen  Exsudats  verhindern  oder  verzögern  kann  ,  ebensowenig  ist 
an  auch  im  Stande,  seine  Intensität  und  Verbreitung  durch  Nahrungs- 
fuhr  zu  steigern.  Auf  jeden  Fall  wird  man  aber  durch  angemessene 
ifuhr  von  Nahrung,  am  zweckmässigsten  und  nach  Liebermeister 
■folgreichsten  während  der  künstlichen  Fieberre-  und  Intermissionen 
ler  während  der  natürlichen  Remissionen  der  croupösen  Pneumonie, 
e  Gefahr  eines  ungünstigen  Ausganges  vermindern  und  die  Reconva- 
scenz  abkürzen.  Eine  sehr  zweckmässig  die  Verdauung  erleichternde 
assnahme  dürfte  die  Darreichung  von  einem  bis  einigen  Tropfen  höchst 
;rdünnter  Salzsäure  zu  jeder  Mahlzeit  sein ;  insbesondere  wird  die  Ver- 
raung  der  Gelatine  durch  Säurezusatz  gefördert  (U  f  f  e  1  m  a  n  n,  D.  Arch. 
kl.  Med.  1877.  XX.  p.  566).    Vgl.  auch  Buss,  Fieber.   Stuttg.  1878. 

Eine  wichtige  Frage  bei  Behandlung  pneumonischer  Kinder  ist 
e,  ob  man  ihnen  Alcoholica  reichen  soll  oder  nicht.  In  gewöhnlichen 
•nfachen  Fällen  kann  es  sich  nur  um  die  Darreichung  guten  Bieres 
ler  besonders  reinen  Weines  handeln.  Ich  glaube ,  dass  letzterer  bei 
,..sher  gesunden  kräftigen  Kindern  mit  uncomplicirter  einlappiger 
neumonie  gänzlich  unnöthig,  in  massiger  Menge  und  gehörig  verdünnt 
oer  auch  unschädlich  ist  und  daher  ganz  wohl  erlaubt  werden  kann. 
ei  weniger  widerstandsfähigen  Kranken  mit  schwererem  Pneumouie- 
.erlaufe  mag  Wein  aber  ganz  wohl  schon  von  Anfang  der  Krankheit 
:.a  in  massiger  Gabe  genommen  werden ;  er  ist  hier  ein  treffliches  Mit- 
;1  zur  Unterstützung  der  Herzthätigkeit ,  deren  Beeinflussung  sich  be- 
3its  wenige  Minuten  nach  seiner  Incorporation  zu  erkennen  giebt.  Die 
[auptsache  ist,  dass  auf  einmal  immer  nur  massige,  nicht  zu  grosse  und 
esshalb  zu  stark  anregende  Mengen  genommen  werden,  theils  desshalb, 
?eil  auf  Ueberreizung  Schwäche  und  unter  Umständen  selbst  Lähmung 
)lgt,  theils  damit  nicht  durch  frühzeitige  Gewöhnung  an  grössere  Dosen 
ie  Möglichkeit  verscherzt  werde,  mit  solchen  im  Falle  der  Noth  etwas 
ästen  zu  können.  Inwiefern  durch  Alcoholica  auch  ein  gewiss  er- 
wünschter Nähreffekt  erzielt  werden  kann,  darüber  vgl.  Binz  im  1. 
iande  p.  449  und  Marvaud  (Les  Aliments  d'epargne.  Paris  1874. 
'.  243) ;  bei  uns  kommt  in  dieser  Beziehung  besonders  auch  gutes  Bier 
1  Betracht. 

Sehr  wichtig  werden  aber  die  Alcoholica  und  die  übrigen  Stimu- 

46* 


i^oj^  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

lantien ,  wenn  sich  trotz  der  prophylaktischen  Antipyrese  im  Verlauif 
der  Pneumonie  deutliche  Zeichen  von  Herzschwäche,  als  kleine 
Puls,  autfallende  Blässe  der  Schleimhäute  ,  cyauotische  Färbung,  nt. 
gleiche  Wärmevertheiluug,  kühle  Peripherie  bei  heissem  Rumpf  u.s.  v 
einstellen.  Schon  die  Alten  wandten  unter  solchen  Umständen  Excitau- 
tien  an,  und  verständige  Aerzte ,  wie  Posner,  lehrten  ihren  Gebraucl 
bei  Lungenentzündung  selbst  in  jener  traurigen  Periode  der  Therapie, 
in  welcher  man  (Cst.  Jber.  1844.  IV.  p.  613)  selbst  dreimonatlicheii 
pneumonischen  Kindern  wiederholt  zur  Ader  Hess  und  Nougeboreii. 
schröpfte  (Hervieux,  J.  f.  Kkh.  21  p.  5)  —  eine  Periode,  um  demi 
Beseitigung,  in  Deutschland  wenigstens  und  für  die  Pädiatrik,  sid 
Z  i  e  ms  s  e  n  ein  wesentliches  Verdienst  erworben  hat  *).  Gelegentlicl 
mag  da  bemerkt  werden,  dass  noch  1869  von  französischer  Seite  (Kuol! 
1.  c.)  Aderlässe  für  pneumonische  Kinder ,  wenigstens  für  über  zweijäl- 
rige,  empfohlen  worden  sind;  ja  B  o  uch  u  t  wünscht  sogar  noch  M 
(V.-H.  Jber.  II.  p.  616)  allgemeine  und  lokale  Bluteutziehungen  bei 
chronischer  seeundärer  Lungenverdichtung  verwendet  zu  sehen!  Be- 
kanntlich ist  auch  in  Italien  die  Behandlung  der  Pneumonie  mit  » 
derholten  Aderlässen  noch  heute  an  der  Tagesordnung  ,  während  Eng- 
land ganz  entgegengesetzte  Maximen  verfolgt.  Besonders  geeignet  fe 
die  Anwendung  der  Stimulantien  sind  ausgebreitete,  zumal  doppeiseitii'i 
(Terrier)  und  asthenische  (Marvaud)  Pneunionieen ;  jejüngerd 
widerstandsfähiger  ceteris  paribus  die  Kinder  sind,  für  um  so  notliweii- 
diger  dürfen  sie  gelten.  Es  muss  hier  starker  edler  Wein  jeder  Art,  od« 
Champagner,  Cognak  u.  s.  w. ,  letzterer  etwas  mit  Wasser  verdünnt,!« 
grösserer  Menge  und  zwar  in  dem  Maasse  gereicht  werden,  dass  die  Herz- 
thätigkeit  möglichst  energisch  bleibt.  Vor  massigen  Intoxicationser- 
scheinuugen,  die  übrigens  erfahruugsgemäss  unter  solchen  Umständen 
nicht  leicht  eintreten ,  braucht  man  sich  nicht  zu  fürchten  —  sie  sinil 
das  kleinere  Uebel.  Ueberdies  sind  sie,  wenigstens  bei  raangey« 
Hirncomplication ,  ungefährlich  und  können  sogar  bekanntlich  (Bin!) 
zur  Steigerung  etwaiger  gleichzeitig  erstrebter  antipyretischer  Effekte 


*)  Man  muss  über  die  Widerstandsfähigkeit  erstaunen,  vermöge  welcl« 
Kinder  derartige  Eingriffe  ausgehalten  haben.  Besonders  charakteristisch  scheint 
mir  der  allerdings  vielleicht  nicht  eigentlich  hierher  gehörige  Fall  eines  5j. 
Knaben  mit  »Pneumonie  der  rechten  Lunge  und  des  linken  unteren  Lappeoj' 
zu  sein,  dessen  Krankengeschichte  E  p  t  i  n  g  erzilhlt.  Derselbe  erkrankte,  nadi- 
dem  ihm  möglicherweise  Tags  vorher  eine  Bohne  in  die  Luftwege  gelangt  wa'; 
seine  Pneumonie  verlief  mit  hohem  Fieber ,  sehr  gesteigerter  Pulsfrequenz  m 
grosser  Dyspnoe.  Er  bekam  zweimal  (8  resp.  G)  Blutegel ,  ward  wegen  w- 
stickungsantallen  mit  grosser  Schwierigkeit  und  unter  starkem  Biiitvertate, 
ohne  dass  ein  fremder  Körper  erlangt  ward,  tracheotomirt  und  genas  trotzdei« 
rasch,  oljwohl  er  durch  die  erst  spät  und  langsam  zur  Heilung  sieb  anschickeniie 
Wunde  noch  erhebliche  Säfteverluste  erlitten  haben  mag. 


T  b  0  m  a  s,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  725 

jitragen.  Indessen  werden  dem  Alter  angemessene  öfter,  ungefähr  alle 
lunden  wiederholte  Dosen  alkoholischer  Reizmittel  ihren  Zweck  schon 
füllen ,  ohne  dass  man  die  Kinder  der  Gefahr  stärkerer  Intoxication 
issetzt.  Die  Hauptsache  dabei  ist  immer,  dass  reines  fuselfreies  Ge- 
iuk  in  Anwendung  gezogen  wird.  Auch  reiner  starker  Kaffee  und 
lee  mögen ,  bei  vorhandener  wie  bei  drohender  Herzschwäche,  neben- 
i  —  unter  Berücksichtigung  des  Umstandes ,  dass  sie  Schlaflosigkeit 
sengen  —  gebraucht  werden.  Von  den  übrigen  Stimulantien  ver- 
ende ich  am  liebsten  den  Campher  in  der  Form  der  subcutanen  In jek- 
)n  (1 :  4  Ol.  amygd.  oder  Aether) ,  um  den  Magen  für  die  unter  diesen 
tnständen  besonders  nothwendigen  Nahrungsmittel  zi;  reserviren.  Bei 
[gleich  vertheilter  Wärme  leisten  die  bei  Pneumonie ,  zumal  der  Kin- 
r ,  schon  seit  alter  Zeit  empfohlenen  warmen  Bäder  ausgezeichnete 
enste.  Uebrigens  vermeide  man  bei  Herzschwäche  langes  Aufsitzen- 
iseu ;  am  zweckmässigsten  werden  Ohnmächten  durch  andauernde  Ho- 
.ontallage  verhütet.  Alles  kommt  darauf  an,  Herz  und  Hirn  durch  die 
imulantien  leistungsfähig  und  besonders  die  Thätigkeit  des  ersteren 
lange  in  möglichst  intaktem  Zustande  zu  erhalten,  bis  die  Krise  das 
ausserordentlich  schädliche  febrile  Element  beseitigt  und  weiterhin 
nstigere  Ernährungsbedingungen  ermöglicht.  Jürgensen  sagt  in 
;ser  Beziehung  ganz  richtig,  dass  es  da,  wo  Reizmittel  dringend 
thig  sind ,  eine  obere  Grenze  für  dieselben  nicht  geben  darf.  Wie 
en  schon  erörtert,  müssen  die  Stimulantien  insbesondere  beim  Ge- 
auch  energischer  Antipyretica  Anwendung  finden.  Unter  Umständen 
id  sie  auch  noch  nach  der  Krise  bei  stark  gesunkener  Herzthätigkeifc 
rzere  oder  längere  Zeit  hindurch  nothwendig. 

Werthvoll  sind  in  mehr  oder  weniger  plötzlich  sich  einstellenden 
)llapszu  ständen  mit  stockender  Respiration  auch  solche 
imulantien ,  durch  welche  vermittelst  der  Nerven  des  Geruchsorgans 
Ifactorius  und  besonders  Trigeminus)  eine  Erregung  des  Athmungs- 
atrums  bewirkt  wird.  Durch  wiederholte  Entwicklung  von  starken 
echmitteln,  Ammoniakdämpfen  u.  s.  w.  vor  der  Nasenöffnung  können 
ergische  Respirationsbewegungen  ausgelöst  und  das  schwindende  Be- 
isstsein  zurückgebracht,  damit  aber  kostbare  Stunden  gewonnen  wer- 
n ;  denn  immer  darf  man  ,  wenn  das  Leben  nur  bis  zum  Beginne  der 
risis  erhalten  bleibt,  hoffen  ,  dass  der  durch  diese  herbeigeführte  gün- 
ge  Umschwung  aller  Verhältnisse  die  Krankheit  zu  einem  glück- 
hen  Ausgang  bringen  werde. 

In  dieser  Beziehung  ist  eine  Krankengeschichte  von  Eü hie  (Günzb. 
Ztschr.  18.52.  IIT.  p.  358),  einen  25jähngen  Mann  betreffend,  sehr  lehr- 
reich,  besonders  auch  insofern,   als  nach  K.'s  Darstellung  der  Herzstoss 


726  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

bis  einige  Stunden  wenigstens  vor  der  fast  letalen  Katastrophe  kiüfti, 
o-elilieben  war,  die  Respiration  aber  trotz  gestiegener  und  regelmiissig,, 
Pulsfrequenz  sich  auffallend  verlangsamt  und  verflacht  hatte.  Als., 
ziemlich  i  s  o  1  i  r  t  e  Lähmung  der  Respiration,  welclk 
aber  auf  kniffige  Reize  wieder  in  Gang  kommt,  und  Ausgang  in  Ge- 
nesung. 

Diese  im  Allgemeineu  durclizufübrende  Behandlungsweise  der  croii- 
pösen  Pneumonie  erfordert  einige  Modificationen  und  Zuthaten  bein 
Hervortreten  gewisser  Symptome. 

Da  schwere  Hirnsymptome  meist  nur  Folge  hochgesteigerter  Eigen- 
wärme sind,  so  treibe  man  bei  ihnen  besondei's  fleissig  Antipyrese,  ivo 
möglich  nur  durch  äussere  Mittel ,  da  die  inneren  Antipyretica  mit- 
unter selbst  Anlass  zu  unangenehmen  Hirnerscheinungen  sind.  Aus- 
serdem applicire  man  öfter  kalte  Umschläge  auf  den  Kopf ,  ohneiili- 
i-igens  des  Umstandes  zu  vergessen ,  dass  die  Hirnsymptojne  auch  Folgt 
einer  Complication  sein  können ,  welche  vielleicht  einer  besonderen  Be- 
handlung bedarf.  Ist  letzteres  nicht  der  Fall,  so  wird  vermuthlich ei« 
entschiedener  antipyretischer  Erfolg  die  Hirnsymptome  sofort  zmi 
Schwinden  bringen.  Hirnsymptome  aus  Intoxication  mit  Narcoticis  oder 
innerlich  gereichten  Antipyreticis ,  vielleicht  Folge  einer  Idiosynkrasie, 
verlangen  das  Weglassen  des  betreffenden  Mittels ;  solche  ausSchwäck 
wie  sie  theils  durch  andauei-nde  Schlaflosigkeit  bedingt  sind,  insbeson- 
dere aber  —  in  sehr  schweren  Fällen  —  nach  der  Klüse  auftreten,  pdf 
gen  theils  Ruhe  und  Schlaf  herbeiführenden  Mitteln ,  welche  dem  Hirn 
sich  zu  erholen  gestatten ,  theils ,  nämlich  bei  gleichzeitigem  Coilaps, 
den  Reizmitteln  zu  weichen. 

Brustsclimerzen,  welche  in  stärkerem  Maasse  belästigen,  muss  rtw 
durch  lokale  Kälteapplieationen ,  z.  B.  Eisbeutel ,  oft  gewechselte  kalte 
Tücher,  oder  auch  Priessnitz'sche  feuchtwarme  Umschläge,  ferner 
trockene  Schröpf  köpfe ,  Senfteige,  überhaupt  flüchtige  Hautreize ,  aich 
lokale  Anaesthetica ,  zu  ermässigen  streben,  eine  Blutentziehung,  die 
Anwendung  der  höchst  unbequemen  ,  ja  selbst  nachtheiligen  Blasen- 
pflaster  u.  s.  w.  aber  unterlassen.  Bei  nicht  zu  beträchtlichem  Fieber 
mögen  auch  Cataplasmen  versucht  werden ;  dieselben  sind  ungeeignet, 
wenn  häufig  gebadet  werden  muss.  Ist  Alles  erfolglos  und  ein  Narco- 
ticum  nicht  contraindicirt ,  wie  z.  B.  durch  reichliches  Bronchialsecret, 
so  gebe  man  es ,  jedoch  in  vorsichtigster  Weise ,  mit  Aufmerksamkeit 
die  individuell  geeignete  (A  b  el  i  n)  manchmal  erstaunlich  geringfügige 
Dosis  heraussuchend  und  dabei  des  Umstandes  gedenkend ,  dass  Kinder 
höhere  Dosen  der  Narcotica  überhaupt  schlecht  zu  ertragen  pflegen; 
die  Influenzirbarkeit  ist  zumal  bei  jungen  Kindern  oft  so  gross,  das 
schon  ganz  unbedeutende  Mengen,  z.  B.  ein  Tropfen  Opiumtinctur, 


Thomas,  Croupöse  Pneumonie.     Therapie.  727 

,iefste  Narkose  und  Schlimmeres  bewirken.  Binz  (I.  p.  440)  empfiehlt 
oesonders  Chloralhydrat  —  früher  waren  nach  Baumgärt ner's 
Vorgang  eine  Zeit  lang  Chloroform-  und  Aethereinatlimungen  au  der 
Tagesordnung  ;  ich  habe  mich  nie  gescheut,  Morphium.,  wo- es  dringend 
DÖthig  erschien,  anzuwenden.  Aelteren  Kindern  kann  man  auch  eine 
mbcutane  Injection  machen.  Auch  gegen  allzu  heftigen  und  häufigen 
Hustenreiz  sind  nicht  nur  Narcotica,  sondern  auch  Kälte  und  Hautreize 
geeignete  Mittel.  Oft  verwundert  man  sich  zu  sehen,  wie  rasch  und  be- 
deutend alle  lokalen  Beschwerden  mit  der  Erzielung  eines  allgemeinen 
antipyretischen  Effektes  sich  vermindern  ,  und  wird  daher  schon  ihret- 
wegen sich  bestreljen ,  einen  solchen  herbeizuführen.  Das  Gleiche  gilt 
für  allzustarke  Dyspnoe ,  ausser  wenn  dieselbe  nur  Folge  einer  compli- 
catorischen  intensiven  Bronchitis  ist  und  daher  besondere  Massnahmen 
nothwendig  macht.  Sollte  sich  der  Gebrauch  von  Expektorantien  als 
wünschenswerth  erweisen  ,  so  lasse  man  öfters  trinken ,  am  besten  Sel- 
terserwasser  unter  Zusatz  von  .heissem  Wasser  oder  Milch  mit  etwas 
Zucker ;  magenreizende  Medikamente  möchten  die  Verdauung  stören. 

Einer  heftigen  und  anhaltenden  Diarrhoe  begegnet  man ,  ausser 
durch  zweckmässige  Diät ,  Weglassen  aller  süssen  und  säuerlichen  Ge- 
tränke und  Vermeidung  allzuvielen  Trinkens  überhaupt ,  durch  Priess- 
nitz'sche  Umschläge  auf  den  Leib ,  allgemeine  Einpackungen  und  Ab- 
reibungen —  also  Massnahmen,  die  zugleich  auch  eine  bedeutende  Ein- 
wirkung auf  das  Fieber  besitzen.  Im  Nothfalle  kann  man  ebenso  wie 
bei  ungewöhnlich  lange  anhaltendem  und  intensivem  Erbrechen  kleine 
Dosen  Opium  oder  Morphium  anwenden,  theils  innerlich,  theils  in 
schleimigen  Klystieren. 

Ein  durch  Eiterauswurf  sicher  nachgewiesener  Lungenabscess 
könnte  die  Erleichterung  der  Expektoration  durch  Brechmittel  noth- 
wendig machen.  Er  verlangt  ebenso  wie  der  Ausgang  in  Brand  mög- 
lichste Ventilation  sowie  Beseitigung  des  Geruchs  und  Besserung  der 
lokalen  Verhältnisse  durch  Anwendung  von  antiseptischen  Inhalationen 
und  innerlichen  Gebrauch  des  Terpentinöls  (einige  Tropfen  pro  die,  in 
Milch  oder  süssem  Schleim).  Beide  Arten  des  Ausgangs  der  Pneumonie 
erfordern  übrigens  gleich  dem  in  eine  chronische  Lungenaffektion,  des- 
sen Vorkommen  Buhl  neuerdings  wieder  (Mittheüg.  aus  d.  pathol.  Inst. 
Stuttg.  1878  p.  174—194;  s.  auch:  Lungenentzdg.  u.  s.  w.  12  Briefe. 
2.  Aufl.  1873.  p.  24  und  vgl.  E.  Wagner,  Arch.  d.  Heilk.  18G6.  VII. 
p.  504)  auf  das  Bestimmteste  läugnet  und  dessen  Annahme  er  nur  als 
Consequenz  einer  falsch  gestellten  Diagnose  betrachtet,  als  therapeuti- 
sche Massnahmen  ganz  l;)esonders  möglichste  Beseitigung  des  Fiebers 
und  Erhaltung  eines  guten  Ernährungszustandes. 


■728  Kranklieiteii  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Ganz  dasselbe  —  beide  Momente  sind  ja  die  Grnndzüge  der  Pneu- 
moniebehandlung  —  ist  auch  bei  den  complicirten  und  secundären  Pneu- 
monieeu,  welche  sämmtlich ,  sofern  sie  nicht  rasch  tödten ,  einen  verzö- 
gerten Verlauf  besitzen,  zu  beachten.  Wegen  der  besonderen  Behand- 
lung der  Complicationen ,  beziehentlich  der  primären  Störungen,  z« 
welchen  die  croupöse  Pneumonie  hinzutritt ,  muss  auf  die  betreffenden 
Abschnitte  des  Handbuchs  verwiesen  werden. 

Mit  der  Krisis  hebt  sich  in  der  Regel  der  Appetit  rasch  und  es 
steht  dann  Nichts  mehr  im  Wege  ,  das  gesteigerte  Nahrungsbedürfniss 
zu  befriedigen.  Gewöhnlich  kehren  die  Kräfte  bald  zurück  und  verlan- 
gen die  Kinder  stürmisch  aus  dem  Bett,  oft  noch  zu  einer  Zeit,  in  wel- 
cher die  Zeichen  der  Infiltration  beinahe  intakt  sind.  Man  mache  es 
sich  zum  Gesetz,  das  Verlassen  des  Bettes  nicht  eher  zu  gestatten,  als 
bis  die  Heilung  der  Pneumonie  durch  die  vollständige  Resorption  des 
Exsudates  gesichert  ist.  Der  Fortgebrauch  kräftiger  Alcoholica  und  die 
Anwendung  von  Eisenpräparaten  sowie  des  Leberthrans  werden  dieRe- 
convalescenz  beschlemiigen.  Nach  vollkommener  Genesung  müssen  die 
Alcoholica  aber  wegbleiben ;  gesunden  Kindern  Wein  zu  geben  ist  un- 
zweckmässig. 

Nach  Ablauf  der  Pneumonie  muss  längere  Zeit  hindurch 
ein  vorsichtiges  Verhalten  wegen  der  Gefahr  der  Recidive  beobachtet 
werden.  Am  meisten  werden  dieselben  sowie  etwaige  Nachkrankheiten, 
welche  sich  bei  schwächlichen  Kindern  auschliessen  könnten,  durch  das 
prophylaktische  Verfahren  verhindert ,  welches  ich  im  Anfange  dieses 
Abschnittes  erörtert  habe.  Insbesondere  darf  das  wünschenswerthe 
Warmhalten,  das  Vermeiden  von  Erkältungen  ,  was  im  Anfang  der  Re- 
convalesceuz  jedenfalls  zweckmässiger  als  ein  muthwilliges  Sichderkälte- 
aussetzen  ist,  nicht  in  ein  äng.stliches  Zuwarmhalten  ausarten,  und  jeden- 
falls nicht  über  die  Zeit  hinaus  fortgesetzt  werden ,  in  welcher  nicht 
eiumal  mehr  ein  Rest  eines  Symptoms  auf  die  überstandene  Erkrankung 
hinweist  und  der  Körper  des  Kindes  wieder  in  den  Vollbesitz  seiner 
früheren  Kraft  gelangt  ist. 


Die  Catarfhalpneumoiiie 

von 

Professor  Dr.  Oscar  Wyss. 

Mit  8  Holzsclinitten. 
Literatur. 

Leger,  these.  Paris  1823.  —  Gerhard,  Dublin  Journal  1835.  t.  VII. 
157.  -  Bournet,  Pneum.  lobul.  Journ.  univ.  hebd.  18:^3.  —  De  la  Berge, 
Pn.  lob.  journ.  hebd.  183-4.  t.  I.  —  Kluge,  Pneumonie  des  Neugebornen.  — 
Rufz,  recberches  sur  la  pn.  des  enf.     Journ.  d.  conn.  med.  chir.  1835.  p.  100. 

—  Seiffert,    Bronchopneumonie    der    Neugebornen    u.    Siluglinge    1837.    — 
Jörg,   Bronchopneumonie  der  Neugebornen  u.  Säuglinge  1832.  —  Rilliet  u. 

-Bart  he  z,  Bronchopneumonie  der  Neugebornen  u.  Säuglinge  1838.  —  Gruse, 
acute  Bronchitis  der  Kinder.  Kgsbg  1 839.  Legend  re  &  Bailly,  nou- 
velles  recherches  sur  quelques  maladies  d.  poum.  Arch.  Janv.  1844.  —  Trous- 
seau,  de  la  pn.  chez  les  enf.  Journ.  d.  med.  1844.  t.  II.  p.  97.  —  Legendre, 
traitement  de  la  pn.  lobul.  chez  les  enf.  1844.  —  F riedleben,  Arch.  f. 
Heilkde  VI.  408.  —  Weber,  F. ,  Beiträge  zur  path.  Anat.  der  Neugebornen. 
Kiel  1851-54.  p.  65,  —  Malmsten,  Chloroformeinathmungen  bei  Bronchitis, 
Pneumonie.     Behrend    u.  Hildebrand's   Journ.    1855.  24.   p.  434.    — '  Miugot, 

"Pneumonie  der  Neugebornen  nach  118  Sectionen.  Journal  v.  Behr.  u.  Hildebr. 
1860.  p.  305.  —  Trousseau,  lieber  Masern  u.  deren  Complicationen.  Journ. 
v._  Behr.  u.  Hildebr.  1860.  p.  413.  —  Bnchanan,  drei  Vorlesungen  über 
Diagnose  u.  Therap.  der  Lungenkrankheiten  bei  Kindern  eod.  loc.  Bd.  51.  1868. 

-p.  276.  —  Müller  in  Riga,  Therap.  der  infantilen  Pneumonie  eod.  loc.  1867. 

—  Weiss,  Morbillöse  Bronchitis,  Bronchopneumonie  eod.  loc.  XII.  p.  41.  — 
Abelin,  Mittheilungen  a.  d.  Kinderklinik  im  Allgemeinen  Kinderhause  in 
Stockholm  a.  d.  Jahr  1868.  eod.  loc.  Bd.  40.  1870.  —  Grrüttner,  de  pneu- 
monia  lobulari  Infant,  et  de  temperaturae  diff'erentiis  in  ea  observat.  Diss. 
Gryphiae  1859.  —  Jürgen  sen,  Catarrh.-Pneum.  in  Ziemssens  Handbuch  d. 
spec.  Path.  u.  Ther.  —  C.  Friedländer,  Untersuchungen  über  Lungenent- 
zündung. Berlin  1873.  —  0  1 1  o  F  r  e  3^  die  pathologischen  Lungenveränderungen 
nach  Lähmung  der  Nervi  vagi.  Leipzig  1877.  —  G  r  ü  1 1  n  e  r,  de  pneum.  lobular. 
Infant.  Diss.  Gryph.  1859.  —  V  u  1  p  i  a  n,  A.,  des  pneumonies  secondaires.  These. 
Paris  1860.  -  Bartels,  Bemerkungen  über  eine  im  Frühjahr  18ti0  in  der  Policl. 
in  Kiel  beobachtete  Masernepidemie  mit  bes.  Berücksichtigung  der  dabei  vorge- 
kommenen Lungenaffecte.  Virch.  Arch.  21.  Bd.  1861.  p.  68.  -  Steiner,  die  lo- 
buläre Pneumonie  der  Kinder.  Prager  Vrtljahrschr.  19.  Jahrg.  1862.  Bd.  3. 
p.  1.  Ziemssen,  Pleuritis  u.  Pneumonie  im  Kindesalter.  Berl.  1862.  — 
Ziemssen  u.  Kr  ab  1er,  Klinische  Beobachtungen  über  d.  Masern  u.  ihre 
Complicationen.  Dawnis  1863.  —  Cornil,  anatomie  path ologique  des  diverses 
especes  de  pneumonie.  Gazette  des  höp.  1865.  p.  426  Sept.  —  Damaschino, 
des  difi'erentes  formes  de  la  pneumonie  chez  les  enfants.  Paris  1867.  —  Bonne- 
foy,  essai  sur  la  pneumonie  catarrhale.  These  Strassburg  1868.  —  Krause, 
Pn.  b.  Kindern.  Leipzig ,  Diss.  1 868.  —  Steffen,  Klinik  der  Kinderkrank- 
heiten. Rautenberg,  z.  Kenntniss  der  Pneum.  im  Kindesalter.  Jahrb. 
f.  Kdrhlkde  1875  (Bd.  8.)  p.  105  —  Steffen,  über  Streifenpneumonie.  ,Tahrb. 
f.  K.  1875  (Bd.  8.)  p.  255.  —  Reiner,  path.-anat.  Mittheil.  Jahrb.  f.  K.  1876. 
Bd.  10.  p.  270. 


730  Krankheiten  der  Atbmungsorgane.     Lunge. 

Definition. 

üuter  catarrhalischer  Limgenentzündung ,  Pneumonia  catarrhalis, 
Bronchopneumouie  oder  lobulärer  Pneumouie  verstellt  man  jene  Formen 
der  Limgenentzündimg ,  die  im  Gefolge  von  acuten  oder  chronisclien 
Entzündungen  der  Bronchien  auftreten;  die  an  vielfachen  circmn- 
Scripten  Stellen  des  Lungengewebes  sich  entwickeln  und  erst  nach  ail- 
luähliger  Ausbreitung  einen  grössern  Theil  der  Lunge  occupiren;  die 
durch  ihren  weniger  scharf  markirten  Beginn ,  ihren  meist  mehr  pro- 
trahirten  Verlauf,  ihre  grosse  Schwankungen  zeigende ,  z.  Tb.  sehr  uu- 
regelmässige  Fiebercurve  und  die  relativ  geringern  örtlichen  Symptome 
sich  von  der  acuten  sog.  croupösen  Pneumonie  ziemlich  scharf  abgrämen. 
Pathologisch  -  anatomisch  characterisirt  sich  die  catarrhalische  Pneu- 
monie durch  den  Sitz  und  die  Ausbreitung  der  Entzündung,  indem  ihre 
Prädilectionsstellen  die  untern  und  hintern  Abschnitte  der  Lunge  sind; 
durch  das  zerstreute  lobuläre  inselförniige  Auftreten  der  Entzündungs- 
heerde,  das  Fehlen  von  Faserstoffnetzen  in  den  Alveolen,  das  Vorhan- 
densein von  massenhaften  lymphatischen  Zellen  in  letztern ,  während 
anfangs  nur  die  gequollenen  (und  gewucherten  V)  Alveoiarepitheliensicli 
darin  nachweisen  lassen. 

Geschichte. 

Obwohl  die  Zustände ,  die  wir  catarrhalische  Pneumonie  nennen, 
schon  den  Aerzten  voriger  Jahrhunderte  vorkamen,  lernte  man  sie  doch 
erst  im  dritten  und  vierten  Jahrzehnd  unsers  Säculums  anatomisch, 
symptomatisch  und  genetisch  genauer  kennen  und  sie  von  den  schwe- 
ren Bronchialcatarrhen  einerseits  ,  von  der  croupösen  Pneumonie  ande- 
rerseits, wie  auch  von  andern  Vorgängen  im  Lungen sjewebe  ,  wie  vom 
Collaps  desselben,  der  Atelectase,  dem  Oedem  u.  a.  m.  als  eine  Krank- 
heit für  sich  abtrennen.  Sydenham  bezeichnete  unsere  Kranicheit 
sowie  die  schwerern  Catarrhe  als  Pneumonia  notha,  als  falsche  Pneu- 
monie. B  o  e  r  h  a  V  e  und  van  S  w  i  e  t  e  n  hoben  den  schleichenden  Ciia- 
racter  dieser  Vorgänge  hervor.  Dass  Morgagni  epist.  XX.  15.  ein 
14  Tage  altes  Kind  mit  doppelseitiger  Catarrhalpneumonie  der  hintern 
untern  Lappen  secirte,  ist  zweifellos  ;  aber  er  hob  eine  Differenz  gegen- 
über der  gewöhnlichen  Pneumonie  durchaus  nicht  hervor.  CiiUen  be- 
tonte die  grosse  Variation  der  Symptome  beim  gleichen  Individnum; 
P.  Frank  und  Pinel  hielten  die  Peripneumonia  notha  blos  für  einen 
Catarrh  der  Bronchien  ;  L  a  e  nn  e  c  subsumirte  sie  dem  Catarrhe  souf- 
focant ,  erwähnte  indess  bereits  kleiner  diffuser  Heerde  pneumouischfr 
Infiltration  dabei. 

A.  G.  Richter  sagte  1813  von  der  Peripneumonia  notha,  sie  ge- 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.    Definition.  731 

höre  unter  die  lymphatischen  Entzündungen ;  mehr  die  Bronchialdrüsen 
und  überhaupt  das  ganze  ßronchialsystem,  weniger  das  System  der  Blut- 
gefässe sei  ergriffen.  Sie  stehe  dem  Catarrh  sehr  nahe ;  greife  nur  noch 
mehr  wie  dieser  in  die  eigentliche  Lungensubstanz  hinein ;  entstehe 
vielleicht  von  einem  noch  reizendem  schärferen  Stoffe.  Die  Krankheit 
entsteht  nach  Richter  nur  bei  Leuten  mit  einer  sogenannten  »schlei- 
michten  BriTstconstitution «  ,  daher  am  häufigsten  bei  alten  Leuten ,  bei 
Kindern  etc.  Auch  was  Richter  sonst  noch  über  diese  Krankheit  an- 
gibt, trifft  auf  die  Pneumonia  catarrhalis  so  genau  zu,  dass  angenommen 
werden  muss,  er  habe  die  Krankheit  bereits  von  andern  abgetrennt.  Er 
warnt  u.  a.  bei  der  Behandlung  vor  grossen  Aderlässen  und  empfiehlt 
Brechmittel,  Wärme,  reizende  Expectorantien. 

Anno  1823  erschien  in  Frankreicli  die  erste  Monographie  über  die 
Pneumonie  des  enfants.  Leger  besclirieb  vier  Formen  der  Pneumonie 
latente  aigue,  unter  denen  entschieden  die  von  ihm  am  besten  characte- 
risirte  und  wichtigste  die  Pneumonie  nach  Masern  ist.  Leger's  Be- 
schreibung fehlen  leider  jedoch  zwei  sehr  wichtige  Puncte,  nämlich  die 
genauere  Feststellung  der  physikalischen  Symptome  und  die  anatomi- 
sche Begi'ündung. 

Lanoix,  der  zwei  Jahre  später  die  Kinderpneumonie  mit  jener 
der  Greise  verglich ,  erwähnte  zuerst  der  mamelonirten  Hepatisation, 
also  der  Eigen thümlichkeit  des  »lobulären«  Infiltrates,  sowie  der  »Gra- 
nulationen der  vesiculären  Pneumonie,  die  oft  Tuberkelgranulationen« 
vortäuschen.  Letztere  Affection  hielt  er  jedoch  für  ein  Resultat  der 
chronischen  Bronchitis. 

Breton  schilderte  1828  die  lobuläre  Pneumonie  als  eine  lange 
dauernde  Krankheit  mit  unbestimmten  Symptomen ,  die  oft  in  Abscess 
ende  und  sich  schwer  von  tuberculüser  Phthise  unterscheide.  Burnet 
1833,  de  la  Berge  1834  behandelten  denselben  Gegenstand;  ersterer 
wies  auf  die  Möglichkeit  des  Ausgangs  der  lobulären  Pneumonie  in  In- 
duration hin ,  letzterer  auf  den  verschiedenen  klinischen  Verlauf  und 
daher  auch  verschiedene  Behandlung. 

Zu  gleicher  Zeit  machte  M.  Gerhardt  Erfahrungen  über  die 
Kinderpneumonie  bekannt.  Er  unterschied  2  Gruppen  von  Fällen : 
solche  bei  Kindern  über  6  Jahren  und  solche  bei  Kindern  darunter.  Er- 
stere  Krankheit  sei  wenig  gefährlich ,  befalle  vorher  gesunde  Kinder  ; 
letztere  sei  ominöser ,  betreffe  vorher  kranke  Kinder  von  2 — 6  Jahren ; 
diese  letztere  Angabe  bezieht  sich  offenbar  auf  die  Catarrhalpneumonie. 
Die  klinischen  Symptome  dieses  letztern  Leidens  indess  ignorirte  er ; 
Hess  sich  auch  nicht  auf  dessen  Diagnose  ein.  —  Von  B  o  u  d  i  n's,  Ru  fz's 
und  Valleix's  Arbeiten  hat  die  letztere  deshalb  Bedeutung ,  weil  V. 


732  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

gleichzeitig  die  allgemeinen  und  örtliclien  Symptome  und  die  anatomi- 
schen Veränderungen  berücksichtigt. 

Während  in  allen  diesen  Schriften  die  Kinderpneumonie  in  ziem- 
lich unbestimmter  Weise  als  eine  besondere  Krankheit  aufgefasst  wurde, 
verschieden  nach  dem  Alter  oder  dadurch  ,  dass  sie  in  lobulärer  Fom 
auftrete,  traten  Ende  der  dreissiger  Jahre  RiUiet  vmd  Barthezmit 
ihren  verschiedenen  Publicationen  über  diesen  Gegenstand  hervor.  Sie 
stellten  die  Ansicht  auf,  die  sich  auf  zahlreiche  exacte  klinische  und 
anatomische  Thatsachen  stützte,  dass  man  in  jeder  Periode  des  Kindes- 
alters zwei  Formen  von  Liingenentzündung  zu  unterscheiden  habe,  näm- 
lich die  lol^äre,  die  vollkommen  analog  der  Pneumonie  der  Erwachsenen 
sei  und  die  lobuläre ,  die  constant  mit  der  Bronchitis  in  engem  Convex 
stehe.  Durch  Fortschreiten  der  anfangs  umschriebenen,  an  zahlreichen 
Stellen  localisirten  Entzündung,  können  die  zwischen  den  zuerst  in- 
filtrirten  Partien  liegenden  lufthaltigen  Lungenabschnitte  allmählig 
infiltrirt  werden,  und  so  die  generalisirte  lobuläre  Pneumonie  entstehen. 
R  i  1 1  i  e  t  und  B  a  r  t  h  e  z  stellten  die  Symptome ,  den  Verlauf,  die  ana- 
tomischen Veiänderungen  dieser  Ki-aukheit  fest;  wiesen  nach,  dass  sie 
im  Gegensatz  zur  lobären  Pneumonie  fast  immer  eine  secundäre  Krank- 
heit sei ;  dass  weniger  das  Alter  als  vielmehr  die  Form  der  Krankheit 
es  sei,  was  ihr  anatomische  und  klinische  Eigenthümlichkeiten  verleihe. 

Einen  weitern  wichtigen  Beitrag  zur  Kenntniss  der  lobulären  Pneu- 
monie lieferten  ferner  L  e  g  e  n  d  r  e  und  B  a  i  1 1  y  durch  den  Nachweis, 
dass  durch  Lufteinblasen  in  die  Bronchien  atelectatisches  Lungengewebe 
wieder  lufthaltig  gemacht  werden  könne  ,  pneumonisch  infiltrirtes  da- 
gegen nicht. 

Nachdem  so  in  Frankreich  die  Grundzüge  der  Lehre  unserer  Krank- 
heit geschaffen  wurden,  förderten  deutsche  Aerzte  deren  genauere  Kennt- 
niss. Zwar  schrieben  um  die  gleiche  Zeit,  z.  Th.  auch  schon  früher 
K  e  r  k r  i  g  ,  H  u  f  e  1  a  n  d ,  S  u  c  c  o  w  darüljer ;  schilderte  letzterer  beson- 
ders ihre  Symptome ,  aber  ohne  pathologisch  -  anatomische  Studien, 
.J  ö  r  g's  Entdeckung  und  genaue  Beschreibung  der  Atelectase  förderte 
die  Lehre  von  der  catarrhalischen  Pneumonie  in  sehr  hohem  Grade.  Die 
Schriften  von  Seif f er t  und  von  Gruse  machten  —  neben  Ueber- 
setzungen  der  Arbeiten  der  französischen  Forscher  —  die  Catarrhal- 
pneumonie  auch  den  Aerzten  Deutschlands  bekannt.  Doch  sind  von 
grösserer  Bedeutung  erst  spätere  Arbeiten  der  Deutschen,  die  in  kurzer 
Zeit  die  noch  fehlenden  Puncte  in  der  Lehre  der  Catarrhalpneumonie 
ergänzten.  Steiner  beschrieb  die  gröbere  pathologische  Anatomie,  die 
Aetiologie  und  die  Complicationen,  gestützt  auf  ein  grosses  pathologisch- 
anatomisches  Material.    Bartels  bereicherte  die  Lehre  von  der  Ma- 


Oscar  Wyss,  Catarrbalpneumome.     Ursachen.  733 

sernpneumonie  mit  wichtigen  Beobachtungen  und  Erfahrungen  in  Be- 
zug auf  Symptomatologie  ,  pathologische  Anatomie  und  ganz  besonders 
die  Therapie.  Z  i  e  in  s  s  e  n  verdanken  wir  zwei  sehr  schöne  Arbeiten 
über  diesen  Gegenstand ;  namentlich  exacte  Studien  über  den  Tempe- 
raturverlauf,  durch  die  der  Unterschied  zwischen  croupöser  und  catar- 
rhalischer  Pneumonie  sehr  scharf  klinisch  definirt  wurde.  Thomas 
und  seine  Schüler  machten  sich  in  gleicher  Weise  um  die  Thermometrie 
unserer  Krankheit  verdient.  Steffen  hat  weitere  klinische  Beiträge 
über  unser  Leiden  geliefert ;  er  suchte  neuerdings  in  einer  Arbeit  über 
Streifenpneumonie  einen  Theil  der  catarrhalischen  Pneumonien  unter 
diesem  Namen  zu  sammeln  und  als  besondere  Form  hinzustellen.  Der 
Versuch  Rautenberg' s,  die  Grenze  zwischen  catarrhalischer  und 
croupöser  Pneumonie  fallen  zu  machen,  muss  als  verunglückt  bezeichnet 
werden,  da  Rautenberg  selbst  am  Schluss  seiner  Arbeit  die  Kinder- 
pneumonie  in  zwei  Gruppen  eintheilt ,  deren  eine  genau  der  acuten  sog. 
croupösen ,  die  zweite  genau  der  sog.  catarrhalischen  Pneumonie  ent- 
spricht. Gewiss  ist  richtig ,  dass  es  vom  anatomischen  Sprachgebrauch 
aus  besser  wäre,  statt  des  Ausdruckes  Catarrhalpneumonie  die  Bezeich- 
nung »lobuläre«  Pneumonie  zu  wählen ;  weil,  wie  schon  Rill i et  und 
Barthez  wussten,  man  zuweilen  in  deu  lobulär  pneumonisch  infiltrirten 
Partien  die  histologischen  Charactere  des  croupösen  Exsudates  findet. 
Da  aber  die  Bezeichnung  Catarrhalpneumonie  ganz  und  gar  nicht  aus- 
schliesst,  dass  ausnahmsweise  auch  Fibrinnetze  in  den  Alveolen  vorkom- 
men, da  wie  R.  ferner  richtig  hervorhebt ,  nicht  alle  grössern  Infiltrate 
bei  der  Catarrhalpneumonie  aus  successive  entstandenen  lobulären  Heer- 
den  entstanden  sind,  sondern  diese  Bezeichnung  eben  nur  involvirt,  dass 
ein  Catarrh  oder  eine  Entzündung  der  Bronchien  voraufgegangen  sei, 
so  behalten  wir  diese  Bezeichnung  in  der  Folge  bei  und  sehen  keinen 
Grund  ein,  ihn  in  »secundäre  Pneumonie«  umzuwandeln. 

Die  Histologie  der  Catarrhalpneumonie  wurde  in  den  letzten  Jahren 
wiederholt  Gegenstand  eingehendem  Studiums;  es  waren  Bartels, 
Colberg,  Ziemssen,  Damaschino,  Buhl,  die  die  Angaben 
früherer  Untersucher  theils  bestätigten ,  theils  erweiterten ;  während 
Fried  lande  r  und  0.  Frey  auf  experimentellem  Wege  bedeutsame 
Resultate  bezüglich  der  Histologie  und  Pathogenese  mittheilten. 

Ursachen. 
Der  Ausgangspunct  der  catarrhalischen  Pneumonie  ist  die  voraus- 
gegangene Entzündung  der  Bronchien.     Alle  jene  Momente,  welche 
Bronchitis ,  zumal  Entzündung  der  feinsten  Bronchien  erzeugen ,  geben 
auch  die  Veranlassung  zu  der  in  Rede  stehenden  Form  der  Lungenent- 


734  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 


Zündung.  Dass  ein  directes  Fortschreiten  des  entzündlichen  Processes 
von  der  Bronchialwand  auf  die  Lungenalveolen  Statt  hat,  ist  unzweifel- 
haft; und  zwar  findet  dieses  Fortschreiten  meist  in  absteigender  Rich- 
tung ,  von  den  grossen  Bronchien  auf  die  feinen  und  feinsten ,  auf  die 
Bronchiolen  und  endlich  auf  die  Alveolen  Statt.  So  beginnt  die  Krank- 
heit in  der  That  häufig  an  der  äussersten  Peripherie  des  Bronchial- 
baums, subpleural.  Aber  die  Entzündung  pflanzt  sich,  freilich  nicht  mit 
der  gleichen  Häufigkeit ,  auch  von  grössern  Bronchien  auf  benachbarte, 
der  Bronchialwand  anliegende  Alveolen  aus  und  bilden  sich  hier  kleine, 
den  Bronchien  aufsitzende  oder  sie  umschliessende  Entzündungsheerde 
(Peribronchitische  Heerde). 

Die  Aetiologie  der  Catarrhalpneumonie  coincidirt  in  der  That  mit 
derjenigen  der  Bronchitis.  In  jenen  Jahreszeiten,  jenen  Monaten,  welche 
sich  durch  das  häufigere  Auftreten  der  Bronchitis  catarrhalis  auszeich- 
nen ,  kommen  auch  die  meisten  Catarrhalpneumonien  vor.  Am  selten- 
sten kommt  sie  in  den  Monaten  Juni  bis  October,  am  häufijgsten  in 
den  spätem  Winter-  und  den  ersten  Frühlingsmonaten  (Januar  bis 
April)  vor. 

Mit  andern  Worten  :  die  athmosphärischen  Einflüsse,  zumal  Ein- 
wirkung kalter  feuchter  Luft,  grosse  Temperaturschwankungen  der  Luft, 
dann  namentlich,  wenn  sie  einen  durch  den  Winter,  speciell  den  Aufent- 
halt im  geschlossenen  Wohnraum  geschwächten  Körper  treffen ,  rufen 
unsere  Krankheit  hervor. 

Aber  alle  anderen  ätiologischen  Momente  der  acuten  und  chroni- 
chen  Bronchial catarrhe  fallen  hier  ferner  in  Betracht,  so  in  erster  Linie 
die  mit  Catarrhen  coniplicirten  Lifectionskrankheiten.  Unter  diesen 
spielen  die  Masern ,  der  Keuchhusten  ,  die  Dipbtheritis  die  wichtigste 
Rolle;  es  kommen  aber  auch  in  Betracht  Scharlach,  Pocken,  Typhus, 
sogar  Dysenterie  ,  die  zwar  seltener  aber  doch  immerhin  zuweilen  sich 
mit  Catarrhalpneumonie  compliciren. 

In  zweiter  Linie  stehen  gewisse  Allgemeinkrankheiten ,  die  zu  Ca- 
tarrhen und  catarrhalischer  Pneumonie  disponiren,  namentlich  desshalb, 
weil  bei  diesen  die  Bronchitis  häufiger  auftritt,  häufiger  recidivirt,  chro- 
nisch wird  und  schliesslich  sich  die  Entzündung  aufs  Lungenparenchym 
ausdehnt.  Die  wichtigsten  dieser  Krankheiten  sind  die  Rhachitis,  die 
Scrophulosis,  die  Atrophia  infantum  und  die  Tuberkulose.  Es  sind  die  Fälle 
nicht  so  sehr  selten ,  wo  eine  allgemeine  oder  circumscripte  Tubercu- 
lose  vorliegt,  ohne  oder  auch  mit  Lungentuberculose,  wo  aber  die  Haupt- 
veränderung in  der  Lunge  nicht  Miliartuberculose,  sondern  Cat.-Pn.  ist. 

Drittens  sind  Ursachen  der  Catarrhal-Pneuraonie  anderweitige 
Noxen ,  namentlich  die  Einwirkung  heftiger  Reize  auf  die  Bronchial- 


Oscar  Wyss,  Catarrlialpneximonie.     Ursachen.  735 

Schleimhaut  oder  auf  die  Alveolarwand ,  so  der  Contact  mit  gewissen 
Gasen,  Ammoniakgas,  Chlorgas,  Säuredämpfe  etc.  einerseits ,  anderseits 
gewisse  Staubsorten  ,  namentlich  jene,  deren  Staubpartikel  mit  Spitzen 
und  scharfen  Kanten  versehen  sind  (sehr  feiner  Eisen-  und  Stahlstaub) 
oder  gewisse  vegetabilische  Staubsorten ;  besonders  gefährlich  fand  ich 
den  Staub  von  mit  Arsenhaltigen  Anilinfarben  gefärljter  Wolle  oder 
Kleiderstoffen;  ferner  alle  jene  Fremdkörper,  die  aus  dem  Verdauungs- 
apparat herstammen  (Mundsecret,  Speisepartikel,  grössere  in  die  Bron- 
chien gelangte  Fremdkörper  wie  Fischgräten,  Aehren  etc.)  oder  solche, 
die  aus  dem  Nasopharyngealraum  oder  dem  Kehlkopf  oder  Trachea  as- 
pirirt  werden  (Gangränöse  und  Diphtheritische  Massen ,  Croup  -  Mem- 
branen, Eiter,  Jauche,  Knorpelstückchen  etc.),  wie  sie  bei  Diphtheritis 
oder  Croup ,  bei  Noma ,  Perichondritis  laryngea  in  die  Luftwege  gelan- 
gen und  die  durch  ihi-e  mechanische ,  chemische  oder  inficirende  (septi- 
sche) Reizung  oder  dadurch,  dass  sie  die  Bronchien  obstruiren,  Bron- 
'  chitis  und  lobuläre  Pneumonie  erzeugen.  Man  hat  ferner  Catarrlial- 
■  Pneumonie  nach  ausgedelmten  Körperverbrenuungen  beobachtet. 

Dass  der  Zahnungsprocess  mit  unter  die  für  Catarrhalische  Pneu- 
monie disponirenden  Vorgänge  gehört,  ist  uns  unzweifelhaft.  Zwar  ruft 
er  allerdings  nicht  direct  die  Pneumonie  hervor,  sondern  indirect  ver- 
:  mittelt  durch  die  so  oft  während  des  Zahndurchbruchs  sich  einstellende 
Coryza  ,  Laryngitis ,  Tracheobronchitis  und  die  folgende  Bronchiolitis. 

Prädisponirend  sind  ferner  Schwäche  des  Lidividuums  überhaujjt, 
Schwäche  besonders  der  Uespirationsorgane ,  Schwäche  der  Atheui))e- 
wegungen ,  Kohlensäureüberladung  des  Blutes.  Dabei  sei  jedoch  nicht 
gesagt,  dass  die  Catarrhalpneumonie  blos  kachectische  Kinder  befalle. 
Steffen  sah  unter  72  Erkrankten  18  gut  genährte,  8  mittelmässig 
und  46  schlecht  genährte.  Im  fernem  ungünstige  hygieinische  Verhält- 
nisse, schlechte,  durch  Kohlensäure  und  namentlich  mit  organischen 
Substanzen,  mit  Stauli,  impräguirte Luft,  wie  sie  so  häufig  während  der 
rauhern  Jahreszeit  in  den  mangelhaft  ventilirten  Wohnräumen  der 
Proletarier  wie  auch  der  sog.  gebildeten  Classe  gefunden  wird.  Ganz 
besonders  schädlich  wirkte  in  dieser  Hinsicht  die  Luft  älterer  Spitäler 
imd  Findelhäuser  wie  in  Paris  u.  a.  a.  0.,  wo  die  Sterblichkeit  der  Kin- 
der an  dieser  Krankheit  eine  ganz  enorme  war.  In  unseren  neueren 
Kinderspitälern  ist  diese  Krankheit ,  die  Pneumonie  der  Kachectischen, 
unbekannt. 

Dass  permanente  Rückenlage ,  mangelhafte  Pflege,  namentlich  das 
Liegen  in  nassen  Windeln  ,  mangelhafte  Bedeckung  mit  zur  Entwick- 
lung und  Ausbreitung  der  Krankheit  beitragen ,  indem  sie  Catarrhe  in 
ihrer  Entwicklung  begünstigen  ,  ist  imzweifelhaft.     Dass  die  Catarrha- 


736  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

lische  Pneumonie  uns  Aerzten  viel  häufiger  in  der  ärmeren  Population, 
häufiger  in  der  poliklinischen  als  in  der  Privatpraxis  vorkommt,  ist  aus 
dem  Angeführten  leicht  erklärlich.  Sie  fehlt  aber  in  den  höheren  Stän- 
den nicht  und  wird  bei  diesen  sogar  nicht  selten  geradezu  in  ihrer  Ent- 
stehung begünstigt  durch  die  mangelhafte  oder  unzweckmässige  Mode- 
Bekleidung  der  Kinder :  übermässiges  Behängen  gewisser  Körpertheile 
(Brust,  Bauch)  mit  Kleidern,  während  andere  (Arme,  Beine  oft  von  der 
Mitte  der  Oberschenkel ,  oder  doch  vom  obern  Rande  der  Kniee  an  bis 
zu  den  Knöcheln)  frei  bleiben  —  eine  Bekleidung,  die  gar  nicht  etwa 
nur  an  den  heissen  Sommertagen ,  sondern  häufig  noch  an  kalten  Octo- 
ber-  und  November-Morgen  oder  -  Abenden  Dank  der  Gedankenlosig- 
keit oder  Unverstand  der  Mutter  oder  Wärterin  beibehalten  wird.  Dass 
auch  tibelangewandte  Abhärtungscuren  mit  Veranlassung  zu  Catarrhal- 
Pneumonie  geben  können,  ist  auch  unsere  üeberzeugung. 

Von  Bedeutung  ist  ferner  das  Lebensalter.  Je  jünger  das  Kind, 
desto  mehr  besteht  die  Disposition  zu  dieser  Form  der  Erkrankung, 
Gleichwohl  ist  sie  innerhalb  der  ersten  6  Lebensmonate  seltener ,  zwei- 
felsohne aus  gleichem  Grunde ,  den  Biermer  anführt  zur  Erldärung 
der  in  diesem  Alter  selteneren  Bronchitis :  weil  die  Kinder  mehr  ge- 
schont werden.  Dass  in  dieser  Zeit  im  Gegentheil  Catarrhe ,  die  von 
oben  nach  unten  hinabsteigen,  leicht  Pneumonie  erzeugen,  beweisen  die 
leider  gerade  in  diesem  Alter  so  häufig  zu  beobachtenden  Keuchhusten- 
Pneumonieen.  Dasselbe  Individuum  erkrankt  leicht  im  Lauf  der  Zeil  zu 
wiederholten  Malen  an  Catarrhalpneumouie ;  wir  können  die  Angabe 
Steften's  (Klinik  d.  K.  L  p.  255)  bestätigen;  auch  -wir  sahen  diese 
Krankheit  beim  gleichen  Kinde  im  Gefolge  eines  acuten  Catarrhs,  der 
von  den  oberen  Luftwegen  nach  unten  sich  ausbreitete,  zu  wiederholtem 
Male  auftreten  ;  und  zwar  wiederholt  ziemlich,  einmal  ganz  genau  nach 
Jahresfrist. 

Anatomie. 

Wenn  ein  an  catarrhalischer  Pneumonie  erkranktes  Kind  schon 
wenige  Tage  nach  Beginn  der  Erkrankung  stirbt ,  so  findet  man ,  wie 
ich  nach  selbst  obducirten  Fällen  mit  Bartels  angeben  muss; 
Schlecht  retrahirte  Lungen ,  mit  blassen  emphysematösen  Rän- 
dern ;  gewisse  Lungenpartien  ,  namentlich  die  hinteren  Abschnitte  der 
ünterlappen,  mitzu  auch  noch  der  Oberlappen  sowie  einzelne  umschrie- 
bene Stellen  nach  vorn ,  namentlich  die  unteren  Lungenränder ,  ferner 
häufig  die  Lingula  des  linken  oberen  Lappens  unter  das  übrige  Niveau 
der  Oberfläche  zurückgesunken,  scharf  begränzt,  und  von  dunkelvioletter 
oder  röthlich-blauer  bis  stahlblauer  Farbe.  Diese  Stellen  sind  weich, 
knistern  auf  Druck  und  beini  Durchschneiden  nicht.    Die  Schnittflüche 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumoiiie.     Anatomie.  737 

sinkt  etwas  zurück ,  ist  vollkommen  glatt ,  glänzend ,  scliwarzrotli ,  ent- 
leert auf  Druck  Blut,  dem  keine  Luftbläschen  beigemischt  sind.  Bläst 
man  Luft  in  die  zuführenden  Bronchien ,  so  füllt  sich  das  Gewehe  wie- 
der völlig  mit  Luft ;  es  wird  hellroth  und  lässt  sich  entweder  in  nichts 
als  durch  die  etwas  beträchtlichere  Hyperämie  vom  übrigen  normalen 
Lungenparenchym  unterscheiden ;  oder  aber  das  Aufblasen  findet  an 
einzelnen  Stellen  schwerer  Statt  und  das  aufgeblasene  Gewebe  fühlt  sich 
auffallend  starr  an ;  dies  geschieht  namentlich  hinten  unten ,  wo  der 
Process  offenbar  seinen  Anfang  genommen  hatte.  Ja  die  Luft  dringt 
hier  an  einigen  Stellen  gar  nicht  mehr  ins  Lungenparenchym  ein ;  die 
Partie  bleibt  unverändert.  Beim  genaueren  Zusehen  unterscheidet  sich 
letzterer  Abschnitt  auch  schon  durch  seine  übrige  Beschaffenheit  von 
den  aufblasbaren  Stellen :  das  Gewebe  ist  brüchiger,  die  von  der  Schnitt- 
fläche auf  Druck  ausfliessende  Flüssigkeit  ist  nicht  reines  Blut,  sondern 
ist  trülje  ,  immerhin  noch  überwiegend  aus  Blut ,  zum  Theil  aber  auch 
aus  Eiterkörperchen,  bestehend.  Die  Schnittfläche  ist  nicht  mehr  spie- 
gelglänzend, sondern  etwas  matt;  sie  sinkt  nicht  zurück,  sondern  bleibt 
stehen  ;  springt  sogar  schon  etwas  über  die  umliegenden  Theile  der 
Schnittfläche  vor ;  ihre  Farbe  ist  nicht  mehr  schwarzroth,  sondern  zeigt 
einen  Stich  ins  Bräunliche.  Auf  der  Oberfläche  der  Lunge,  unter  der 
Pleura  punkt-  bis  mm,  und  darüber  grosse  Ecchymosen. 

Die  Bronchien,  die  zu  dem  so  veränderten  Lungengevvebe  führen, 
zeigen  intensive  Hj^perämie ,  bis  in  die  feinsten  Verzweigungen  hinein. 
Sie  enthalten  einen  zähen  glasigen,  an  anderen  Stellen  eitrigen  Schleim, 
erscheinen  eng  oder  von  gewöhnlichem  Lumen. 

Jene  coUabirten  hyperämischen  Luiigenpartien  bezeichnet  man,  so 
lange  sie  nicht  die  zuletzt  erwähnten  Veränderungen  (Unfähigkeit  des 
Wiederaufblasens,  grössere  Brüchigkeit,  trübe  Gewebsflüssigkeit,  matte 
Schnittfläche)  bieten,  alsAtelectasen  und  versteht  darunter  einfach 
mechanisch  veränderte,  collabirte,  des  Luftgehalts  der  Alveolen  be- 
raubte und  stark  hyperäniische  Stellen.  Gewöhnlich  findet  man  sie  auch 
noch  in  späteren  Krankheitsstadien  in  ganz  frischem  Zustand  neben  al- 
tern pneumonischen  Heerden  und  andern  pathologischen  Processen  in 
der  Lunge.  Sie  entsprechen  gewöhnlich  Abschnitten,  deren  Bronchial- 
lumen  durch  Secret ,  Eiter ,  Oroupmembranen  u.  a.  m.  verstopft  sind. 
Sie  sind  in  der  That  in  einer  überwiegend  grossen  Mehrzahl  von  Fällen, 
wo  wir  sie  zu  Gesicht  bekommen,  nicht  entzündlichen  Ursprungs;  und 
bilden  sich  zurück,  ohne  in  Entzündungsheerde  überzugehen.  Aber  in 
andern  Fällen,  im  Beginn  einer  Entzündung  des  Lungengewebes  stellen 
die  Atelectasen  den  ersten  Anfang  des  Entzündungsprocesses  dar ,  ein 
Vorgang ,  der  freilich  nur  selten  zu  unserer  Besichtigung  kommt ,  und 

Haadb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  47 


738  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

der  in  seinem  Wesen  ganz  entschieden  vollkommen  anderer  Natur  ist 
als  der  nicht  entzündliche  passive  Lnngencollaps.  Die  mikroskopische 
üntersuchnng  gibt  hier  frühzeitig  DiÜ'erenzen. 

Häufiger  und  daher  bekannter  ist  das  Bild  der  sog.  pnemuoiiisclien 
Anschoppung  (enguement),  wo  man  in  den  hintern  untern  Lappen  seit- 
lich neben  der  Wirbelsäule  serös  durchtränkte,  sehr  blutreiche,  schwere, 
brüchige  Stellen  des  Lungengewebes  findet.  Solcher  in  der  Entstehung 
IjegriiFener  Infiltrate  findet  man  Ijei  der  Catarrhalischen  Pneumonie  ge- 
wöhnlich eine  grössere  Anzahl,  die  mit  Vorliebe  in  den  hintern  imd  un- 
tern Abschnitten  der  Lunge  localisirt  sind.  Daneben  aber  sitzen  fast 
immer  noch  andere  iufiltrirte  Inseln  im  Gewebe ,  die  ein  weiter  fortge- 
schrittenes Stadium  des  pneumonischen  Processes  darstellen. 

Die  ausgebildeten  inselförmigen  lobulär-pneumonisclienHeerde er- 
scheinen als  '/■!  his  2 — 3  und  mehr  Centimeler  im  Durchmesser  habende, 
rundliche ,  bis  vielgestaltige ,  lappige  und  traubenf örmige ,  derbe ,  feste 
Knoten ,  die  in  sehr  verschiedener  Zahl ,  von  3 — 4  bis  zu  Hunderten, 
gewöhnlich  um  so  kleiner  je  zahlreicher  sie  sind,  im  normalen  oderin- 
jicirten  lufthaltigen  Lungengewelje  sitzen ,  oft  in  grösster  Zahl  dicht 
unter  der  Oberfläche ,  über  die  sie  etwas  zu  prominiren  pflegen ,  jedoch 
auch  disseminirt  im  Lungengewebe  sich  finden.  Die  Mehrzahl  sitzt  in 
den  untern  Lappen  ,  nach  unten ,  hinten  ;  dann  in  den  hintern  Theilen 
der  Oberlappen ,  in  der  Lingula  ,  auch  in  den  Lungenspitzen.  Auf  der 
Schnittfläche  sind  die  frischen  Knoten  matt,  dunkelbraunroth,inahagoni- 
holzfarben ;  zeigen  keine  oder  nur  andeutungsweise  Granulationen,  sind 
aber  auch  nicht  vollkommen  glatt,  nicht  spiegelgläuzend  wie  die  atel- 
ectatischen  Stellen.  Sie  sind  ziemlich  trocken,  auf  Druck  entleert  sich 
von  der  Schnittfläche  nichts;  nur  aus  den  durchschnittenen  Bronchial- 
lumina fliesst  dünnes  eitriges  Secret  aus,  kleine  excidirte  Stückchen 
sinken  im  Wasser  sofort  unter  ;  Luft  in  sie  einzublasen  ist  uinnöglich. 
—  1  >iese  Heerdhepatisationen  orblassen  in  der  Folge  vom  Centrum  aus; 
anfangs  sieht  man  eine  difl'use  blasserrothe  oder  ins  Graue  spielende 
Verfärbung,  oder  ein  scharf  umschriebenes  aus  runden  scharfbegräuzten 
weissen  oder  gelblichweissen  punctgrossen  Knötchen  zusammengesetz- 
tes traubenförmiges  Centrum  wird  sichtbar :  die  zuerst  infiltrirten  Läpp- 
chen ,  die  zuerst  die  Umwandlung  des  regressiven  Stofi'wechsels  durch- 
machen. 

Im  weitern  Verlaufe  der  Krankheit  werden  unter  Umständen  die 
beschriebenen  pneumonischen  Heerde  grösser;  wenn  sie  von  vorneher- 
ein in  grösserer  Zahl  vorhanden  waren ,  rücken  sie  sich  dadurch  immer 
näher ,  dass  das  zwischen  ihnen  befindliche  lufthaltige  Lungengewebe 
mehr  und  mehr  inflltrirt  wird ,  bis  schliesslich  eine  ausgedehnte ,  einen 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.     Anatomie.  739 

grossen  Theil  eines  Lungenlappens  bis  zuletzt  einen  ganzen  Lappen 
und  darüber  einnehmende  pneumonische  Infiltration  zu  Stande  kommt. 
Bei  der  ersten  Betrachtung  ist  ein  derartig  afficirter  Lungenabschnitt 
ziemlich  gleich  einem  genuin  acut  -  croupös  -  pneumonisch  infiltrirten 
Lappen.  Aber  die  aufmerksamere  Betrachtung  gestattet  keine  Ver- 
wechslung. Immer  noch  erkennt  man  bei  der  generalisirten  oder  lo- 
bären  Form  der  Catarrhalpneumonie  das  Characteristische  der  Broncho- 
pneumonischen  Infiltration :  man  sieht  in  dem  dunkel-  bis  blaurothen 
infiltrirten  Gewebe  Läppchen  ,  infiltrirte  Lungenacini,  die  schon  blass, 
anämisch  ,  trockner ,  weisslich  geworden  sind  ,  ferner  auch  solche ,  Ijei 
denen  die  beginnende  Fettentartung  sich  durch  die  gelblichweisse  Fär- 
bung verräth  und  neben  diesen  am  frühesten  infiltrirten  finden  sich 
später  erkrankte  blutreichere  weichere,  weiter  an  der  Peripherie  der  In- 
filtration situirte  Acini.  Es  gelingt  demnach  leicht ,  hier  das  verschie- 
dene Alter  des  Infiltrates  an  den  verschiedenen  Stellen  nachzuweisen. 
Diese  generalisirten  catarrhalischen  Pneumonien  finden  sich  meist 
beiderseits  und  vorwiegend  häufig  in  den  hintern  und  untern  Lvmgen- 
abschnitten ;  zuweilen  auch  ausgedehnt  über  die  vordem  Partien  der 
untern  Lappen  oder  über  die  hintern  Abschnitte  der  Oberlappen ;  in 
den  obern  Lappen  findet  man  daneben  zerstreute  lobuläre  Heerde ,  bald 
in  grösserer  Zahl,  bald  nur  vereinzelt.  Die  vordem  Lungenabschnitte 
«eigen  neben  dem  vesiculären ,  die  Lungenränder  ganz  besonders  stark 
betrefii'enden  Emphysem  häufig  auch  sog.  subpleurales  und  interstitielles 
(oder  interlobuläres)  Emphysem :  grosse ,  kirschkern-  bis  mandelgrosse, 
oft  auch  noch  grössere  lufterfüllte  Hohlräume,  die  entstanden  sind  dui'ch 
Zerreissung  von  Alveolen  und  Austritt  von  Luft  ins  Bindegewebe  resp. 
unter  die  Pleura,  also  Emphysembildung  im  wahren  Sinne  des  Wortes, 
nicht  bloss  Alveolarectasie. 

'  Daneben  trifft  man  seltener  im  Lungengewebe ,  sehr  häufig  (bei 
Pertussis-  und  Masernpneumonien  constant)  unter  der  Pleura  pulmonalis 
punctförniige  Ecchymosen  ;  nur  ausnahmsweise  finden  sich  grössere 
Blutextravasate  vor.  Die  Ecchymosen  sind  auch  in  der  Umgebung  der 
Melectasen  ziemlich  constant.  Sie  erstrecken  sich  von  der  Lungenolier- 
fläche  immer  etwas  ins  Gewebe  hinein.  Die  Bronchien  zeigen  constant 
die  Symptome  einer  diffusen  Entzündung.  In  den  frühesten  Stadien  der 
Masernpneumonie  ist  intensive  Röthung  der  Bronchialschleimhaut  vor- 
lianden  und  ihre  Oberfläche  ist  in  den  Bronchien  2.  imd  3.  Ordnung  mit 
«ähem  glasigem  Schleim  in  den  feinsten  Bronchien  bedeckt.  In  den  spä- 
Lern  Stadien  persistirt  die  Injection  nicht  mehr  überall,  findet  sich  aber 
immerhin  noch  anzweifelhaft  vor;  die  Schleimhaut  ist  geschwellt,  stel- 
lenweise in  Längsfalten  gelegt.  Das  Lumen  des  Bronchus  ist  mit  eitrigem 

47* 


740  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

Schleim  oder  auch  mit  rahmähnlichem  Eiter  mehr  oder  weniger  ganz 
eriüUt;  und  nach  längerem  Bestehen  der  Krankheit  sind  die  Broncliien 
ganz  besonders  die  der  untern  Lungenlappen  regelmässig  in  verschieden 
hohem  Grade  erweitert;  ja  mitunter  lassen  sich  colossale  Erweiterungen 
bis  zu  Federkiel-  und  selbst  Bleistiftdicke  noch  an  Bronchien  dicht  uuter 
der  Lungeuoberfläche  nachweisen.  Dabei  ist  deren  centrales  Ende  gegen 
den  Bronchialbaum  hin  ausserordentlich  viel  kleiner ,  nämlich  von  ge- 
wöhnlichen Dimensionen.  Diese  Ectasien  sind  nicht  immer  cylindrische, 
wir  haben  im  obern  Lappen  auch  spindelförmige  und  sackförmige  ge- 
sehen. In  diesen  Ectasien  findet  man  luftleeres  schleimig  -  eitriges  Se- 
cret,  in  welchem  das  Microscop  Eiterkörperchen,  Schleim  und  Flimmer- 
epithel erkennen  lässt.  In  spätem  Stadien  der  Krankheit  dickt  i 
Secret  ein ,  so  'dass  es  als  eine  wurstförmige  zusammenhängende  '. 
aus  dem  Bronchus  herausgehoben  oder  durch  den  Wasserstrahl  heraus- 
gespült werden  kann.  Die  Wandungen  der  ectasirten  Bronchien  sind 
bedeutend  verdünnt;  die  der  übrigen  Bronchien  dagegen  in  Folge  der 
entzündlichen  Infiltration  verdickt ,  so  dass  sie  über  die  Schnittfläche 
vorragen  und  als  starre  Vorragungen  bemerkbar  sind. 

Bei  sämmtlichen  Formen  der  Catarrhalpneumonie  wiederholt  sich 
im  Ganzen  und  Grossen  dasselbe  Bild.  Einige  Unterschiede  finden  im- 
merhin statt ;  so  ist  das  Emphysem  bei  der  Keuchhusteupneumonie  ge- 
wöhnlich sehr  stark;  man  findet  bei  dieser  Pneumonie  nach  mehr- 
wöchentlicher Dauer  nachZiemssen  regelmässig  im  Lungengewebe 
dicht  unter  der  Pleura  gelbweisslich'e  Knötchen ,  die  durch  ihre  Farbe 
sich  von  dem  dunklen  Gewebe  sowie  durch  ihre  Prominenz  scharf  ab- 
heben, und  die  sich  als  erweiterte  mit  Bronchialsecret  erfüllte  Alveolen 
erweisen.  Während  letzteres  Anfangs  eine  weisse  milchähnliche  Flüs- 
sigkeit darstellt,  wandelt  es  sich  später  durcli  Inspissation  in  eine  käse- 
ähnliche festere  Masse  um.  — 

Die  Pneumonie  bei  kachectischen  Kindern  zeigt  häufig  weniger 
feste  Infiltration  und  eine  gleichmässigere  Färbung ;  bei  der  Pneumonie 
der  Rhachitischen  zuweilen  auch,  während  andere  Male  die  lobuläre 
Beschaffenheit  hier  geradezu  typisch  ausgeprägt  ist.  Bei  Pneumouien 
lihachitischer  haben  wir  häufiger  als  bei  andern  abgekapselte  eitrige 
pleuritische  Exsudate,  meist  von  geringer  Au.sdehnung  und  zwiscben  dem 
untern  Lappen  und  der  Thoraxwand,  oder  untern  Lappen,  Wirbelsäule 
und  Diaphragma ,  auch  zwischen  dem  mittlem  und  untern  Lappen  be- 
obachtet. 

Bei  kachectischen  Kindern  beobachtet  man  namentlich  neben  altern 
pneumonischen  Veränderungen  zuweilen  auch  oifenbar  recenten,  kurz 
vor  dem  Exitus  lethalis  entstandene  Infiltrate,  die  die  Charactere  der 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.     Anatomie.  741 

sog.  gelatinösen  Pneumonie  der  Erwachsenen  tragen :  mit  röthlichgrauer 
glänzender  Schnittfläche ,  stark  serös  durchtränktem ,  weichem,  gallert- 
ähnlichem Gewebe. 

Microscopisches  Verhalten. 

Die  histologischen  Verhältnisse  sind  von  Bartels,  Ziemssen, 
Buhl,  Damaschino,  Friedländer  eingehend  untersucht  worden ; 
wir  haben ,  soweit  es  uns  möglich  war ,  auch  selbst  eine  ziemliche  Zahl 
catarrhalisch  -  pneumonisch  erkrankter  Lungen  microscopisch  unter- 
sucht. Da  allen  histologischen  Untersuchungen  an  menschlichen  Ga- 
davern  entnommenen  Gewebstheilen  einerseits  die  genaue  Bestimmung 
des  Alters  des  pathologischen  Vorgangs  abgeht ,  andererseits  die  Prä- 
parate meist  schon  gewisse  Fäulnissveränderimgen  eingegangen  zu  sein 
pflegen,  so  schicken  wir  die  Schilderung  der  histologischen  Verhältnisse, 
wie  sie  durch  Fried länder  und  Frey  durch  Thier versuche  festge- 
stellt sind,  voraus. 

Kurze  Zeit  nach  der  Durchschneidung  der  Vagi  vgl.  pag.  746  u.  fF.  findet 
mau  nach  ersterem  schon  Infiltration  des  Lungengewebes  mit  blutigem  Se- 
rum und  zwar  sind  die  feinem  Bronchien  und  die  Alveolen  die  Theile,  in 
denen  dieses  enthalten  ist.  In  den  Alveolen  findet  sich  eine  krümelige  Masse, 
mit  mehr  oder  weniger  zahlreichen  rothen  Blutkörperchen.  Die  Alveolar- 
epithelien  sind  gec|uollen  (Folge  der  Wirkung  des  entzündlichen  Oedems 
im  Alveolus,  nicht  direote  Folge  des  Entzündungsreizes),  umgewandelt  in 
kuglige ,  stark  granulirte ,  am  Eande  leicht  gezähnte  Zellen  mit  einem 
oder  zwei  hellen  Kernen  mit  deutlichen  Nucleolis.  Diese  Zellen  liegen 
der  Alveolarwand  theils  wie  ein  reguläres  Epithel  dicht  nebeneinander 
auf,  theils  sind  sie  zerstreut. 

Kurze  Zeit  später  erweist  sich  das  die  Bronchien  und  die  Gefässe 
begleitende  interstitielle  Bindegewebe  verdickt,  von  Lymphzellen  infiltrirt. 
Ausser  den  obgenannten  Bestandtheilen  reichliche  Lymphzellen  im  Innern 
des  Alveolus  und  Anhäufung  von  Lymphzellen  in  den  Blutgefässen  der 
afficirten  Parthie,  so  zwar,  dass  die  Hälfte  des  Inhaltes  der  kleinen  Ar- 
terien und  Venen  aus  weissen  Blutkörperchen  zu  bestehen  scheint. 

Im  weitem  Verlauf  ist  der  ganze  Alveolus  von  Lymphzellen  aus- 
gefüllt, von  denen  ein  Theil  bereits  Fetttröpfchen  eingelagert  zeigt;  die 
sparsamer  und  zerstreut  vorhandenen  Alveolarepithelien  sind  stärker, 
fettig  entartet,  z.  Th.  in  dicht  mit  Fetttropfen  erfüllte  Fettkörnchen- 
kugeln übergegangen.  In  den  kleinen  Gefässen  fast  nur  noch  weisse 
Blutkörperchen,  welche  dicht  gedrängt  neben  einander  das  Gefässlumen 
nahezu  ausfüllen.  An  Pinselsolmitten  liess  sich  ab  und  zu  auch  jetzt 
noch  das  continuirliche  Alveolarepithel,  dessen  Zellen  etwas  getrübt,  ge- 
schwellt erschienen,  darstellen. 

Bei  längerer  Dauer  fand  Frey  auch  Theilnahme  des  interstitiellen 
Bindegewebes  an  dem  Entzündungsprocesse. 

Genau  dasselbe  Bild  findet  man  bei  der  catarrhalischen  Pneumonie 


Y42  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

des  Kindes.  Da  wo  der  Process  ganz  frisch  ist ,  noch  nicht  zu  völligem 
Verschwinden  des  Liiftgehaltes  geführt  hat,  besteht  Quellung  und  Trü- 
bung des  Alveolarepithels ,  das  als  grosse  ,  ovale  Zelleuauskleidung  des 
Alveolus  erscheint :  Füllung  der  Capillaren  mit  rothen  Blutkörperchen, 
Bald  auffallend  reichliches  Auftreten  von  weissen  Blutkörperchen  in 
den  kleinen  Blutgefässen  (Stase)  ,  dann  Auftreten  farbloser  Zellen  im 
Alveolus  (Auswanderung)  und  damit  Hand  in  Hand  Fortschreiten  der 
Fettiufiltration  (Degenerativvorgaug)  in  den  Alveolarepithelien.  Fort- 
schreiten der  Anfüllung  de-:  Alveolus  mit  lymphatischen  Zellen  und  bei 
längerem  Bestehen  des  Processes  Infiltration  des  Bindegewebes  längs 
der  Gefässe  und  Bronchien ,  zuletzt  auch  Infiltration  der  Alveolarwan- 
dungen  selbst :  diffuse  eiterige  Infiltration  des  ganzen  Lungengewebes. 
Von  anderweitigen  Veränderungen  haben  wir  noch  hinzuweisen 
auf  die  weiter  unten  zu  erwähnenden  Bacteriencolonien  (cf.  p.  750  u.  ff). 

Ausgänge  des  catarrhalisch-pneumonischen  In- 
filtrates. 

Die  Resorption  des  catarrhalisch-pneumonischen  Infiltrates  findet 
zwar  langsamer  aber  Avahrscheinlich  in  analoger  Weise  statt-,  wie  die 
der  croupösen  Pneumonie:  durch  Verfettimg  des  in  den  Alveolus  ge- 
setzten Entzündungsproducts ,  Zerfall  der  Zellen ,  Bildung  einer  Emul- 
sion und  Resorption  dieser  durch  Blut  und  Lymphgetässe ,  zum  Theil 
wohl  auch  Herausschaffung  durch  Expectorantien. 

Mitunter  aber  bleiben  die  Entzündungsproducte  liegen.  Sie  erregen 
bald  Entzündungs-  bald  degenerative  Vorgänge  in  den  Septa,  überhaupt 
dem  ganzen  entzündeten  Gev\'eb.stheil  und  es  resultirt  einer  der  folgen- 
den Ausgänge 

1)  Verkäsung.  3)  Chronische  interstitielle  Pneumonie. 

2)  Abscedirung.  4)  Lungengangrän. 

Die  häufigste  Umwandlung  des  nicht  resorbirten  catarrhaliscli- 
pneumonischen  Infiltrates  ist  die  k  ä  s  i  g  e  M  c  t  a  m  o  r  p  h  o  s  e.  Nach- 
dem das  Infiltrat  immer  derber  und  fester  infiltrirt  worden,  wird  die 
afficirte  Stelle  durch  Compression  der  Capillaren  mehr  und  mehr  anä- 
misch, sowie  trockener ;  eine  Umwandlung,  die  erst  das  Centrum,  allinühhg 
die  ganze  infiltrirte  Partie  erleidet  und  durch  die  schliesslich  ein  fester 
harter  Knoten  von  glatter,  weisser  oder  gelblich  weisser  völlig  trockner 
Schnittfläche  resultirt ;  eine  Masse ,  die  ohne  Blutgefäs.«e ,  ohne  Ernäh- 
rung ,  ohne  Stoffwechsel  als  Fremdkörper  im  Lungengewebe  liegt  und 
durch  anfangs  weiches  vascularisirtes,  später  derberes  Bindegewebe  ab- 
gekapselt wird.  Wenn  nur  ein  einziger  oder  vei-einzelte  solcher  Knoten 
vorhanden  sind,  ist  eine  vollständige  Abkapselung  solcher  Knoten  mög- 


Oscar  Wyss,  CatarrhalpucumoniB.     Anatomie.  743 

lieh.  Im  weitern  Verlaufe  lagern  sich  in  die  Kapsel,  später  auch  ins  In- 
nere des  Heerdes  Kalksalze  ab  und  kann  unter  Umständen  schliesslich 
nichts  als  ein  Kalkconcrement  die  Stelle  bezeichnen  ,  wo  der  Eutzün- 
dungsprocess  stattgefunden  hatte.  Sind  aber  zahlreiche  käsige  Heerde 
in  der  Lunge  vorhanden,  so  erliegt  der  Patient  dem  Fieber  und  der  Ab- 
magei'ung,  die  diese  Umwandlung  begleiten.  Dabei  gehen  nicht  selten 
in  einem  oder  niehrern  der  käsigen  Heerde  weitere  Vorgänge  vor  sich : 
so  Zerfall  des  Knotens  in  seinem  Centrum  in  eine  puriforme  Masse,  die 
liegen  bleibt  oder  die  sich,  nachdem  sich  eine  Perforation  in  einen  nahen 
Bronchus  gebildet  hat,  in  diesen  ergiesst,  worauf  der  Hohlraum  sich  mit 
Luft  füllt  und  eine  sog.  Lungencaverne  darstellt.  Solche  Cavernen  sind 
bald  vereinzelt ,  hold  mehrfach  vorhanden ;  man  findet  sie  häufiger  in 
den  Oberlappen  als  in  den  untern.  Das  jüngste  Kind,  bei  dem  wir  eine 
solche  Caverne  von  2  Cm.  Durchmesser  im  rechten  Oberlappen  sahen, 
war  31  Wochen  alt.  Dieselbe  war  im  Lauf  einer  6  Wochen  dauernden 
Erkrankung  des  Kindes  entstanden. 

Die  käsige  L^mwandlung  des  pneumonischen  Infiltrates  kommt  so- 
wohl bei  der  lobulären  wie  auch  bei  der  lobären  Form  vor.  Wir  fanden 
sie  an  allen  Stellen  des  Lungengewebes,  über  dem  Zwerchfell,  im  obern 
Theil  des  untern  Lappens,  im  mittlem  wie  im  obern  Lappen ;  nach  Ma- 
seru- wie  nach  Keuchhustenpneumonie ;  entschieden  häufiger  bei  sog. 
scrophulösen  Kindern,  in  Familien,  in  denen  hereditäre  Tuberculose  oder 
Syphilis  vorkommt  (scrophulöse  Pneumonie  siehe  liei  Phthisis). 

Entschieden  sehr  viel  seltener  als  Caveruenbildung  durch  Zerfall 
verkäsender  Heerde  kommt  directe  A  b  s  c  e  d  i  r  u  n  g  des  pneumonischen 
Infiltrats  vor.  Die  Erweichung  beginnt  im  Centrum  der  infiltrirten 
Lungenläppchen ,  als  kleine  punctförmige  Abscesse ,  grains  purulents 
(Damasch in  o) ,  die  als  gelbe  oder  graue  Puncte  erscheinen  und  die 
angestochen  einen  Tropfen  Eiters  entleeren.  Die  kleine  Höhle  ist  zu- 
nächst von  einer  gelblichen  brüchigen ,  weiterhin  von  einer  rothen  cou- 
sistentern  Schicht  entzündeten  Lungengewebes  umgeben.  Ausserdem 
findet  man  auch  grössere  Abscesse,  die  durch  eiterige  Schmelzung  des 
Luugengewebes  zu  Stande  gekommen  sind.  Steffen  beobachtete  bei 
generalisii  ter  lobulärer  Masernpneumonie  Abscedirung  ;  solche  Abscesse, 
die  dicht  unter  der  Pleura  lagen ,  durchbohrten  die  letztere  und  veran- 
lassten Pneumothorax  (vgl.  Steffen,  Klinik  d.  Kdkh.  I.  p.  96  u.  268). 

Ein  weiterer  Ausgang  ist  derjenige  in  chronische  intersti- 
tiell e  P  n  e  u  ra  o  n  i  e,  die  in  2  Formen  vorkommt.  Die  eine,  häufigere 
namentlich  in  den  Oberlappen  zu  beobachtende ,  führt  zu  einer  starken 
narbigen  Retraction  der  Lungenspitze ,  die  mit  narbigen  Verdickungen 
der  Pleura  pulmonalis,  Einziehungen  der  Pleura ,  bald  festeren  flächen- 


744  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

haften,  bald  mehr  ligamentösen  oder  fadenförmigen  Verwachsungen  zwi- 
schen Lungenspitze  und  Brustwand  führt.  Auf  der  Schnittfläche  durch  die 
retrahirte  Partie  der  Lunge  findet  sich  eine  Stelle  im  Lungengewebe, 
die  bald  eine  der  früher  beschriebenen  Ausgänge  der  Catarrhalpneu- 
monie,  wie  einen  käsigen  Heerd,  oder  einen  kleinen  Hohlraum  mit  milcli- 
oder  mörtelähnlichem  Inhalt,  in  dessen  Inhalt  oder  in  dessen  Wan- 
dungen vielleicht  auch  Kalksalze  abgelagert  sind ,  oder  eine  vollständig 
verkalkte  Masse,  oder  auch  nur  eine  bohnen-  bis  wallnussgrosse ,  derbe, 
aus  festem  sehnenähnlich  hartem  Bindegewebe  bestehende  Stelle  bildet, 
in  deren  Umgebung  die  Symptome  einer  umschriebenen  Cirrhose  vor- 
handen sind ,  bald  auch  gar  nichts  mehr  von  einem  derartigen  Reste. 
In  der  Umgebung  oben  erwähnter  Heerde  ,  oder  die  ganze  Narbe  stellt 
ein  derbes  festes  weisses  oder  durch  eingelagertes  Pigment  grau  bis 
stellenweise  schwarz  gefärbtes  callöses  Gewebe  dar,  von  dem  aus  radiäre 
Züge  nach  allen  Richtungen  hin ,  nach  oben  bis  zur  Pleuraoberfläche 
gehen.  Zwischen  den  einzelnen  Zügen  liegen  etwas  weichere  bald  schwarz 
pigmentirt,  bald  durch  injicirte  Capillaren  zinnoberroth  erscheinende 
Bindegewebsmassen  —  oder  wiederum  normales  lufthaltiges  Lungenge- 
webe ,  das  zum  Theil  blass ,  zum  Theil  pigmentirt  ist.  Alle  diese  ver- 
schiedenen Gewebe,  deren  Färbung  so  sehr  verschieden  —  weiss,  schwarz, 
roth,  grau  —  dazwischen  bläuliche  und  braunrothe  Partien  —  und  scharf 
gegeneinander  abgegränzt  sind  ,  bedingen  oft  ein  höchst  zierliches  Bild, 

Ganz  analog  erscheinen  ausgebreitetere,  z.  B.  einen  ganzen  Uuter- 
oder  Oberlappen  in  Beschlag  nehmende  chronische  interstitiell  pneu- 
monische Processe.  Der  so  afficirte  Lungenlappen  ist  voluminös,  schwer, 
fest  und  derb ;  der  Finger  erzeugt  mit  Mühe  Zerreissung  des  Gewebes. 
Auf  dem  Durchschnitt  zeigt  es  eine  hellgraue  oder  blass  graurothe  Fär- 
bung; bei  genauerem  Zusehen  ein  sehr  buntes  zierliches  Aussehen. 
Kreuz  und  quer  verlaufen  die  glänzend  weissen,  durch  feine  und  gröbere 
schwarze  Einlagerungen  hier  grau,  dort  schwarz  gefleckt  erscheinenden 
neugebildeten  cirrhotischen  Biudegewebszüge  und  zwischen  diesen  die 
letzten  Andeutungen  des  degenerirten  Lungengewebes  als  gelbliche  oder 
graubraune  zum  Theil  durch  Geiässinjection  zinnoberroth,  auch  braun- 
roth  erscheinende  Gewebspartien. 

In  den  cirrhotischen  Lungenpartien  sind  die  Bronchien  gewöhnlich 
in  massigem  Grade  cylindrisch  ectasirt.  Diese  Ectasie  betrifft  oft  alle  Bron- 
chien eines  Lappens,  zuweilen  so  extensiv,  dass  auf  der  Schnittfläche  die 
Lmnina  der  anscheinend  übermässig  zahlreichen  Bronchien  dicht  neben 
einander  liegend  ein  grobsiebformiges  durchlöchertes  Gewebe  darstellen. 

Als  weniger  selten  als  manche  andere  müssen  wir  nach  eigenen 
Erfahrungen  den  Ausgang  in  L  u  n  g  e  n  b  r  a  n  d,  in  Gangraena  pulmonum 


Oscar  Wy SS,  Catarrhalpneumonie.   Anatomische  Veränderungen.     745 

bezeichnen ,  und  zwar  ist  dieser  Ausgang  am  häufigsten  in  der  Masern- 
und  in  der  Fremdkörperpneumonie  zu  beobachten.  Bei  der  Masern- 
pneumonie  befällt  er  jüngere  decrepide  Kinder.  Er  tritt  hier  in  der  lo- 
bulären ,  multiplen  Form  auf ,  so  dass  mehrfache  umschriebene  Brand- 
heerde  entsprechend  vorher  lobulär  pneumonischen  Heerden  vorliegen. 
Die  afficirten  Stellen  sind  im  Anfang  des  gangränösen  Proeesses  noch 
fest,  eigenthümlich  schmutzig  braun  verfärbt ,  trocken  ;  sie  erweichen 
dann  offenbar  rasch  imd  erscheinen  alsdann  in  die  bekannte  braungraue 
bis  schwärzliche  weiche  zerreissliche ,  mazerirtem  Zunder  ähnliche  fö- 
tide  Masse  verwandelt ;  die  Pleura  ist  mit  af'ficirt ,  an  der  dem  Heerd 
entsprechenden  Stelle  graubraun  bis  schwärzlich  verfärbt,  etwas  einge- 
sunken ,  nach  gewisser  Zeit  scharfe  Demarkation  zeigend.  Wir  fanden 
die  gangränöse  Zerstörung  so  weit  gediehen,  dass  nach  der  Incision  sich 
nach  Entleerung  reichlicher  Jauche  mit  Gewebsfetzen  eine  unregelmäs- 
sige mit  fetzigen  Wandungen  versehene  Höhle  darbot,  die  aber,  wie  der 
ganze  Process  keine  Symptome,  die  die  Diagnose  intra  vitam  stellen 
Hessen ,  erzeugten ,  weil  eine  Communication  zwischen  den  Bronchien 
und  der  Brandhöhle  [wie  wir  das  bei  einer  traumatischen  Pneimionie 
des  rechten  Oberlappens  eines  4jährigen  Knaben  gesehen  haben,  wo  wir 
die  Diagnose  auf  eine  brandige  Caverne  gestellt  hatten]  nicht  bestand. 
Einfache  wie  jauchige  Pleuritis  begleitet  gewöhnlich  den  Process  ,  den 
wir  besonders  in  den  Unterlappen  sahen. 

Andere  anatomisclie  Veränderungen. 

Ziemlich  constante  "Veränderungen  bieten  bei  der  Catarrhalpneu- 
monie die  Bronchialdrüsen  und  Trachealdrüsen.  Zur  Zeit 
des  Bestehens  des  acuten  oder  exacerbirenden  Catarrhs  schwellen  sie 
an ;  man  findet  sie  bei  frühzeitig  zur  Obduction  gelangten  Masernpneu- 
monien  erheblich  (z.  B.  an  der  Bifurcation  der  Trachea  bis  zu  Kasta- 
niengrösse)  vergrössert,  weich,  injicirt,  blassroth  bis  dunkel  violettroth, 
succulent.  Sie  bleiben  längere  Zeit  hindurch  geschwellt ,  können  aber, 
wenn  sie  nicht  wieder  einfach  abschwellen,  alle  jene  Veränderungen  er- 
leiden wie  die  Lungeninfiltrate:  Verkäsung,  Vereiterung  [hiebei  zu- 
weilen Perforation  in  die  Bronchien ,  die  Trachea  sowie  auch  in  den 
Oesophagus]  ,  Gangränescenz  [wobei  wir  gleichfalls  Durchbruch  in  die 
Speiseröhre  und  in  die  grossen  Luftwege  sahen]  ;  späterhin  auch  Ver- 
kalkung. Die  käsige  Entartung  betrifft  bald  die  ganze  Drüse,  bald 
auch  nur  einen  Theil  derselben. 

Die  Pleura  ist  häufig  ecchymosirt;  zeigt  —  nach  unsern  Befun- 
den nahezu  regelmässig  —  Fibrinbeschläge ,  meist  circumscript  über 
einzelnen  Knoten,  einen  Lappen  oder  über  eine  ganze  Lunge  ausgedehnt ; 


74(3  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

die  umschriebeueu  Auflagerungen  keineswegs  immer  nur  hinten  und 
unten.  Seltener  sind  es  zottige  eitrig  infiltrirte  bis  Mm.  dicke  Auflage- 
rungen, meist  dünne  zarte,  oft  blos  flordünne  sammetähnliche  Bescliläoe, 
die  die  spiegelglatte  Pleura  matt  und  leicht  rauh  machen.  Eitrige  Ex- 
sudate sind  nicht  häufig  vorhanden,  jedoch,  selbst  grosse  Empyeme,  die 
den  ganzen  Thoraxraum  einnehmen,  Mediastinum  und  Zwerchfell  stark 
verdrängen,  keineswegs  selten. 

Die  Lungenge  fasse  sind  nur  in  Ausnahmsfällen  alterirt ;  wir 
fanden  bei  Lungengangrän  nach  Masern  wiederholt  Thrombosirung  der 
Art.  pulmonalis.  Steiner  beobachtete  ausserdem  Embolie  der  Lun- 
genarterie und  bezeichnete  sie  einmal  als  ätiologisches  Moment  der 
Pneumonie.  Wir  besitzen  eine  eigene  analoge  Beobachtung :  nach  Throm- 
bose der  Vv.  mesenterii  und  des  Beckens  bei  colossalen  Mesenterial- 
drüsengeschwülsten  (Tuberculose)  mit  Thrombose  des  untern  Theils  der 
V.  Cava  midtiple  Embolien  in  die  Art.  pulmonalis  mit  secundären  lobu- 
lär pneumonischen  z.  Tb.  gangränösen  Heerden  in  den  Lungen  und 
rechtsseitigem  Pneuiaothorax. 

Selten  sind  Erkrankungen  des  Herzens  und  des  Herzbeutels.  Wir 
sahen  villöse  Pericarditis  nach  Pneumonie  bes.  bei  Rhachitis  und  nach 
Masern.  Gerhardt  machte  analoge  Erfahrungen  ;  Stoffe n  sah  Hy- 
drops pericardii. 

Von  übrigen  Veränderungen  im  Körper ,  die  mit  dem  pneumoni- 
schen Process  in  Zusammenhang  stehen,  sind  zu  nennen:  Hyperämie 
des  Hirns  und  seiner  Häute ;  Hydrocephalus ,  Capillarapoplexien ,  Me- 
ningitis suppurativa.  Wir  sahen  gleichzeitig  mit  Masernpneumonie 
entstehen  und  später  wohl  im  Zusammenhang  mit  der  Pneumonie  zum 
Tode  führen,  auch  Otitis  und  Necrose  eines  Theils  des  Felsenbeins. 
Ferner  Leberhyperämie,  Muscatleber,  Fettleber,  auch  inselförmige 
umschriebene  Verfettungen.  Acuter  und  chronischer  Darmcatarrh,  Peri- 
tonitis, Fettniere,  Amyloidniere ,  Amyloidmilz.  Sodann  Miliartuber- 
culose  bald  weniger,  bald  vieler  Organe.  —  Geringe  Symptome  von  Stase 
der  Haut  in  Folge  der  Anämie ,  Abmagerung,  Oedeme  in  den  chronisch 
verlaufenen  Fällen. 

Pathogenese. 

Traube  hat  zuerst  anno  1846,  gestützt  auf  zahlreiche  Experi- 
mente, in  seiner  Arbeit  »Die  Ursachen  und  die  Beschaffenheit  derjenigen 
Veränderungen ,  welche  das  Lungenparenchym  nach  Durchschneidung 
der  Nervi  vagi  erleidet«,  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  die  schon  vor 
ihm  von  R  eid  zuerst  als  Pneumonie  erkannte,  von  L  o  ng  et  als  Todes- 
ursache der  vagotomirteu  Thiere  bezeichnete  Lungen  affection  als  acute 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.     Pathogenese.  747 

Bronchopneumonie  zu  bezeichnen  sei.  Als  Ursache  dieser  Entzündung 
erklärte  er  das  Hineingelangen  von  Mundflüssigkeit  in  die  Luftwege. 
Diese  Ansicht  wurde  in  der  Folge  wiederholt  angegriffen ;  jedoch  die 
beiden  neuesten  und  gründlichsten  Untersuchungen  von  C.  Fried- 
länder und  von  Otto  Frey  haben  zum  gleichen  Endresultat  geführt. 
0.  F  r  e  y  's  in  H  e  r  m  a  n  n  's  Laboratorium  sorgfältig  ausgeführte  Expe- 
rimente ,  combinirt  mit  exacter  Untersuchung  der  Lungenveränderung, 
wobei  ganz  besonders  die  histologischen  Veränderungen  sorgfältig  con- 
statirt  wurden,  haben  folgendes  ergeben. 

Nach  Durchschneidung  beider  Vagi  gehen  Sängethiere  in  kurzer 
Zeit  unter  einer  acuten  lobulären  Bronchopneumonie  zu  Grunde.  Diese 
wird  durch  die  in  Folge  der  gleichzeitigen  Lähmungen  im  Pharynx  und 
Oesophagus  durch  den  gelähmten  Larynx  in  die  Luftwege  hinabfliessende 
Mundflüssigkeit  hervorgerufen.  Denn  0.  Frey  fand  in  den  Luftwegen 
aller  auf  jene  Weise  operirten  Thiere  constant  Muudschleim,  zuweilen 
auch  Speisereste  in  den  Bronchien  vor.  Wurde  das  Eindringen  dieser 
Noxen  in  den  Respirationsapparat  verhütet ,  so  trat  auch  keine  Pneu- 
monie ein,  trotzdem  die  Vagusdurchschneidung  genau  wie  in  den  andern 
Fällen  ausgeführt  worden  war.  Keiner  der  von  andern  Forschern  als 
Ursache  der  Vaguspneumouie  beschuldigten  Momente ,  wie  die  Veren- 
gerung der  Stimmritze  (Mendelssohn  1845)  und  die  daraus  resul- 
tirenden  Veränderungen  im  Athmungsrhy tmus ,  Schliessungsunfähig- 
keit der  Stimmbänder,  die  Lähmung  der  Herz-  und  Lungenäste  der 
Nervi  vagi ,  —  wobei  bald  dem  Verlust  der  Sensibilität  der  Bronchial- 
schleimhaut und  daraus  rasch  resultirenden  Verstopfung  der  Bronchien 
durch  Secret  (Magendie  1816,  Brächet  1836),  bald  der  Lähmung 
der  Bronchialmusculatur  (Longe  t  1840),  bald  der  Paralyse  der  vaso- 
motorischen Lungennerven  (Legallois  1812,  Magendie  1816, 
Schiff  1847,  W  undt  185.5) ,  bald  auch  nur  dem  veränderten  Respi- 
rationstypus überhaupt  (Reid  1839,  A  rnsb  er  ger  1856,  Claude 
Bernard  1858,  z.  Th.  auch  Boddaert),  sowie  endlich  dem  Einfluss 
des  Vagus  auf's  Herz,  Vermehrung  der  Herzschläge  (Fowelin  1851), 
Circulationsstörungen  in  Verbindung  mit  andern  Momenten  (Boddaert), 
Lungenhyperämie,  die  die  Lunge  gegen  traumatische  Einflüsse,  z.B. 
den  Reiz  der  Mundflüssigkeit  empfindlich  mache  (Genzmer  1874)  — 
können  nach  0.  F  r  e  y's  zahlreichen  ,  gut  übereinstimmenden  Experi- 
menten die  wirklichen  Ursachen  der  Vaguspneumouie  sein.  Da  Frey 
auch  den  nachtheiligen  Einfluss  des  Eindringens  von  Nahrungsbe- 
standtheilen  (wenigstens  von  Grünfutter)  bei  Thieren  nicht  als  Ursache 
dieser  Pneumonie  gelten  lassen  kann ,  so  bleibt  allerdings  als  ätiolo- 
gisches Moment  nur  die  Mundflüssigkeit  übrig ,  deren  continuirliches 


748  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

oder  richtiger  gesagt  deren  immer  wiederholtes  Hineindringen  in  die 
Luftwege  schliesslich  die  Entzündung  bedingt.  Experimente  in  dieser 
Richtung  ohne  Vagussection  hlos  durch  wiederholtes  Einbringen  von 
Mundflüssigkeit  gaben  positive  Resultate,  zumal  dann,  wenn  die  Aspira- 
tion derselben  in  die  feinsten  Bronchien  hinein  durch  Verengerung  der 
Trachea  befördert  wurde,  also  die  Bedingungen  ähnlich  denen  nach  Vagus- 
section, die  durch  die  doppelseitige  8timml)andlähmung  ja  auch  eineLa- 
ryngostenose  und  Begünstigung  der  Aspiration  bedingt,  gemacht  wurden. 
Diese  Thierversuche  haben  für  die  Pathogenese  der  uns  beschäfti- 
genden Krankheit  grossen  Werth.  Einmal  verdanken  wir  ihnen  die 
exactesteu  Nachweise  der  pathologisch  anatomischen  Veränderungen 
(F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r ,  Frey),  worüber  bereits  oben  p.  741  referirt  fl^u'de ; 
andererseits  geht  aus  ihnen  unwiderlegbar  hervor,  wie  schädlich  gewisse 
auf  die  Bronchialschleimhaut  einwirkende  Einflüsse  sind,  die  wir  Aerzie 
noch  nicht  hinreichend  gewürdigt  haben.  Wenn  das  Mundsecret  rascher 
als  gewisse  Speisepartikel  Lungenentzündungen  zu  erzeugen  im  Stande 
ist ,  wird  es  bei  der  sogenannten  Schluckpneumonie  gewiss  die  Haupt- 
i-olle  spielen. 


Wir  haben  zwar  Ijis  dato  in  früher  Zeit  des  Lebens  nur  ein 


ein- 


ziges Mal  im  Gefolge  einer  chronischen  Laryngitis,  die  zu  Schlussunfähig- 
keit der  Glottis  bei  einem  Kinde  geführt  hatte,  die  Schluckpneumonie  nie 
in  reiner  Form  beobachtet.  Der  in  die  Luftwege  gelangte  Speichel  wird 
hier  ebenso  wichtig  oder  wichtiger  gewesen  sein,  als  die  Milch,  das  Brot, 
der  Brei,  der  viel  seltener  diesen  falschen  Weg  einschlug  und  jedesmal  zu 
heftigem  Husten  reizte  und  von  welchen  Bestandtheilen  wir  im  Lungenge- 
webe, wie  in  den  Bronchien  bei  der  Obduction  zwar  fanden,  aber  zu  unserem 
Erstaunen  nur  so  unbedeutende  und  seltene  Partikelchen,  dass  wir  sehr 
zweifelhaft  wurden ,  ob  dieselben  wirklich  als  Ursache  der  ausgebrei- 
teten exquisitest  lobulären  Pneumonie  bezeichnet  werden  dürfen.  Und 
doch  lag  dem  Verlaufe  und  dem  anatomischen  Befunde  nach  zu  urthei- 
len  genau  der  nämliche  Vorgang  in  der  Lunge  vor,  wie  wir  ihn  bei  Er- 
wachsenen ,  z.  B.  einem  Falle  vollständiger  Zerstörung  der  Epiglottis 
durch  Syphilis  neben  andern  tiefgehenden  ülcerationen  an  der  Glottis, 
die  einen  sehr  unvollständigen  Abschluss  der  Larynxhöhle  nach  oben 
während  des  Schlingactes  mit  jedesmaligem  Verschlucken  beim  Schlin- 
gen bedingten ,  gesehen  haben. 

In  ähnlicher  Weise  dürfte  das  Mundsecret  eine  Bedeutung  für  die 
Entstehung  der  Krankheit  bekommen,  wo,  wie  nach  Diphtheritis  oder 
im  Gefolge  von  Hirnkrankheiten  oder  auch  in  Folge  grösster  allgemei- 
ner Schwäche  mangelhafte  Livervation  des  Pharynx  und  Larynx  und 
Verirren  von  Mundsecret  wie  von  Speisen  in  die  Luftwege  Statt  hat: 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumome.     Pathogenese.  749 

und  so  sich  also  gewisse  lobuläre  Formen  erklären  Hessen,  z.  B.  manche 
Fälle  der  Pneumonia  cachecticorum  ,  einzelner  Pneumonien  bei  Typhus 
u.  dgl.  Die  Annahme,  dassbei  Respirationshinderuisseu,  z.  B.  bei  Croup 
und  Diphtherie  des  Pharynx  und  Larynx  neben  losgelösten  aspirirten 
diphtheritischen  und  croupösen  Auf-  und  Einlagerungen,  die  unzweifel- 
haft, wenn  in  die  Lungen  gelangt,  daselbst  Entzündungen  erzeugen,  aus- 
serdem auch  Mundsecret  in  die  Lungen  aspirirt  mit  als  Entzündungs- 
erreger auf  letztere  wirke ,  dürfte  nach  diesen  Erfahrungen  kaum  mehr 
als  zweifelhaft  zurückgewiesen  werden  können.  Ohne  Zweifel  wirkt  die 
Laryngostenose ,  zumal  wenn  sie  mit  gleichzeitiger  Selilussunfähigkeit 
der  Glottis  und  schweren  Schlingstörungen  einhergeht,  schädlicher  auf 
das  Lungengewebe  ein ,  dadurch ,  dass  die  Möglichkeit  resp.  Unwahr- 
scheinlichkeit  der  Aspiration  von  Mundflüssigkeit  im  Lungengewebe  vor- 
liegt, als  durch  die  allgemein  doch  so  ge  fürchtete  Atelectasenbilduug, 
die  0.  Frey  selten  nach  Tracheostenose  sah  und  von  der  er  nach  Thier- 
versuchen  behauptet,  sie  gebe  nicht  Veranlassung  zur  Entstehung  einer 
wirklichen  Pneumonie :  eine  Ansicht,  die  jedoch  mit  den  Erfahrungen 
nicht  weniger  Aerzte  —  zu  denen  auch  wir  uns  rechnen  müssen  —  nicht 
coincidirt. 

Wenn  ferner  0.  Frey  bei  seinen  Versuchen  fand ,  dass  stätig 
neben  der  Pneumonie  eine  sehr  intensive  Bronchitis  einhergieng,  wenn 
er  die  ausgebildetste  Bronchitis  in  Fällen  vorfand,  wo  die  Lunge  erst  in 
ihren  ersten  Entzündungsstadien  (cf.  z.  B.  pag.  176)  —  makroscopisch 
und  microscopisch  nachgewiesen  —  sich  befand ,  so  werden  wir  an  der 
hergebrachten  Ansicht  festhalten  dürfen ,  dass  die  Annahme  der  Fort- 
pflanzung des  Entzündungsprocesses  von  der  Bronchialschleimhaut  aus 
auf  die  Alveolarwand  gestattet  sei ,  selbst  wenn  wir  zugeben ,  dass ,  wie 
Buhl  mit  unbezweifelbarem  Recht  behauptet,  die  Alveolen  keine 
Schleimhaut,  wie  die  Bronchien  besitzen.  Unzweifelhaft  findet  die  Ent- 
zündung der  endständig  und  in  möglichst  gerader  Richtung  den  Bron- 
chien aufsitzenden  Alveolengruppen ,  zuerst  Statt ;  daher  die  ersten  In- 
filtrate meist  direct  unter  der  Pleura  sich  finden.  Die  dazwischen  lie- 
genden füllen  sich  nach  und  nach ;  doch  spielt  hier  das  stärkere  Er- 
griS'ensein  eines  Abschnittes  des  Bronchialbaumes  eine  wesentliche 
Rolle.  Besonders  intensive  Entzündung  eines  bestimmten  grösseren 
Bronchus  und  in  der  Folge  auch  seiner  Verzweigungen  führt  zu  einem 
grösseren  lobulären  Infiltrate. 

Die  Entzündung  greift  aber  bei  unserer  Krankheit  von  den  Bron- 
chien aus  auch  direct  von  der  bindegewebigen  Adventitia  auf  die  dem 
Bronchus  aussen  aufliegenden,  ihn  umschliessenden  Alveolen  über.  Wir 
haben  diesen  Vorgang  z.  B.   sehr  schwer  bei  Masernpneumonie  beob- 


^ö" 


750 


Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 


achtet.  Man  bezeichnet  diesen  Vorgang  als  Peribronchitis ,  eine  Be- 
zeichnung ,  die  leider  nicht  ganz  unzweideutig  ist. 

Wenn  wir  oben  sagten,  die  Versuche  0.  Frey 's  beweisen,  dass 
die  Vagus-Pneumonie  sich  an  die  gleichzeitig  vorhandene  Bronchitis 
anreihe,  so  drängt  sich  die  weitere  Frage  auf,  ob  das  Mundsecret nicht 
auch  auf  die  Alveolarwand  direct  als  Entzündungsreiz  einwirke,  eine 
Frage ,  die  zur  Zeit  nicht  beantwortet  werden  kann ,  weil  der  Einfluss 
des  Muudsecrets  auf  die  Lungen  isolirt,  ohne  die  Bronchiolen,  nicht  un- 
tersucht werden  kann.  Da  0.  Frey  nur  selten  Mundflüssigkeit  (Miind- 
pflasterepithelzellen)  im  Innern  der  Alveolen  gefunden  hat,  wird  die 
Lungenentzündung  meist  nur  secundär  auf  die  Bronchitis  gefolgt  sein. 
Wie  verhalten  sich  die  Alveolen  zu  anderen  Entzündungserregern? 

Buhl,  Eberth  u.  A.  haben  bei  der  Diplitheritispneumonie  in 
den  Alveolen  reichliche  Colonien  von  Micrococcen  gefunden  ,  ein  Be- 
fund ,  den  wir  wiederholt  bei  diphtheritischer  Pneumonie  der  Erwach- 
senen wie  auch  bei  der  leider  so  häufigen  Pneumonie  nach  Pharyngo- 
laryngitis  diphtheritica  der  Kinder  zu  constatiren  Gelegenheit  hatten. 
Selbst  in  Stellen  der  Lunge,  die  macroscopisch  das  Bild  der  Atelectase 
boten,  fanden  wir  die  Alveolen  mit  Bacteriencolonien  erfüllt.  Zweifel- 
los ist  jedoch  die  Pneumonie  der  an  Diphtheritis  Erkrankten  nicht  im- 
mer eine  exclusive  mycotische ;  denn  während  bei  manchen  derartigen 
Lungen  Alveolen  von  Bacterien  erfüllt  sind,  trifft  man  eine  grosse  Zahl 
anderer,  in  denen  die  Alveolen  blos  mit  Eiterkörperchen  erfüllt  er- 
scheinen, und  in  noch  andern  —  freilich  seltenern  —  trifft  man  bald 
reichlichere,  derbere,  bald  sparsame  nur  ausdünnen,  langen,  wenig 
verfilzten  Filiriufädeu  gebildete  Faserstoffnetze.  Li  den  weniger  voll- 
ständig infiltrirten  Lungenabschnitten  fanden  wir  auch  deutlich  erhal- 
tenes Alveolarepithel,  das  bei  vollständiger  fester  Hepatisation  degenerirt 

Fig.  1. 


Oscar  Wyss,   Catarrhalpneumonie.     Pathogenese. 


751 


und  zerfällt.  Seine  Darstellung  gelingt  alsdann  häufig  nicht  mehr.  Mag 
also  eine  durch  diphtheritische  Infection  der  Lungen  Ijedingte  Pneumonie 
immerhin  vorkommen ,  so  geht  unsere  Ansicht  doch  dahin  ,  dass  nicht 
jede  bei  Pharyngolarjngitis  diphtheritica  (diphtheritischem  Croup)  vor- 
kommende Lungenentzündung  auch  eine  diphtheritische  sei.  Diesen  Satz 
wird  man  um  so  mehr  aufrecht  zu  halten  in  der  Lage  sein ,  wenn  man 
sich  an  den  günstigen  Ausgang  solcher  Pneumonien  bei  diphtheritischen 
Kindern  erinnert. 

Buhl  gibt  an  (p.  18  1.  c.) ,  er  habe  ausser  bei  Lifluenza  auch  bei 
Masern  Heerde  in  den  Lungen  gesehen,  die  ein  Nest  aus  Schizomyceten- 
formen  oder  Pilzen  enthalten.  »Ihre  Umgebung«,  fügt  er  bei,  »ist  reich 
mit  Blut  injicirt  und  mit  Blutextravasaten  versehen«  etc. 

Wir  können  durch  eigene  wiederholte  microscopische  Untersuch- 
ungen dies  Vorkommen  von  Bacteriencolonien  in  der  Lunge  von  Masern- 
kranken mit  Pneumonie  bestätigen.  Wir  fanden  die  Bacterienhauf'en  in 
den  Alveolen ,  im  Lumen  der  feinen  Bronchien ,  im  Linei'u  von  Blutge- 
fässen (Fig.  1) ,  und  namentlich  auch  in  der  Umgebung  der  letztern  in 
dichtgedrängten  Gruppen  in  den  Blutgefässen  aufsitzenden  Hohlräumen 
—  zweifellos  in  Lymphräumen  (Fig.  2).    Dies  trafen  wir  in  Lungenab- 


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schnitten,  in  denen  die  Lifiltration  noch  in  ihren  frühen  Stadien  sich 
befand  ;  wo  das  grossplattige  ovale  Alveolarepithel  in  regelmässiger  un- 
unterbrochener Schicht  noch  den  Alveolus  austapezirte ,  die  Blutgefösse 
des  Alveolus  dilatirt  waren  :  ein  Befund,  der  darauf  hindeutet,  dass  diese 
Bacterienhaufen  wohl  ein  Irritament  darstellen  können ,  das  aber  im 
weitern  Verlauf  der  Krankheit  —  wenn  die  Alveolen  sich  mit  Eiter- 
körperchen  erfüllt  haben ,  durch  den  Uebergang  der  Bacterien  in  die 


752 


Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 


lympliatisclien  Zellen  und  in  die  Alveolarepithelien  wieder  aus  dein 
histologischen  Bilde  wegfallen  kann. 

Ganz  analoge  Verhältnisse  bestehen  beim  Keuchhusten.  Auch  hier 

trafen  wir   in  unvollständig  infiltrirten  Lungenpartien  Bacteriencolo- 

nien,  die  nahezu  den  ganzen  Alveolus  ausfüllten.    (Fig.  3.)    Wenn  wir 

Fig-  3.  berücksichtigen,     dass 

auch  bei  Variola  para- 
sitäre Knoten  in  deiij 
Lungen  von  N.  Iva- 
n  0  w  s  k  i  (Med.Centrbl. 
187G  p.  788)  aufgefun-! 
den  worden  sind,  welche 
den  Heerden  von  catar- 
rhalischer  Pneumonie 
ähnlich  sahen,  wenn  wir 
uns  der  kleinen  gan- 
gränösen Heerde  bei 
Typhus,  in  denenB  uh  1 
Zoogloeamassen  noch 
im  angrenzenden  Lun- 
gengewebe, in  den  ei- 
gentlichen Heerden  da- 
gegen wirkliche  Fadenpilze  sah ,  ferner  gewisser  Pneumonien  Neuge- 
borner,  von  denen  Eb  er th  nachwies,  dass  die  Alveolen  bloss  durch 
Bacteriencolonien  und  einige  zerstreute  Epithelien  erfüllt  sind ,  wenn 
wir  erwähnen,  dass  wir  in  den  lobulären  Gangränlieerden  bei  Masern- 
pneumonie  gleichfalls  dichteste  Imprägnation  sämmtlicher  Gewebstlieile 
mit  Bacterien  beobachteten  :  so  wird  man  nicht  umhin  können ,  diesen 
kleinen  Krankheitserregeru,  deren  Naturgeschichte  zwar  erst  in  den  er- 
sten Stadien  sich  befindet,  eine  wichtige  Kolle  in  der  Pathogenese  unseres 
Leidens  einzuräumen.  Doch  ist  zur  Zeit  noch  nicht  zu  bestimmen,  ob, 
die  Eigenthümlichkeiten ,  die  die  Pertussispneumonie  im  Vergleich  zuf 
Masernpneumonie  etc.  bietet,  durch  die  Verschiedenheit  dieser  Gebilde 
oder  durch  die  Verschiedenheit  in  der  Natur  und  Verlauf  des  Catarrhs 
oder  der  Entzündung,  die  sie  erregen,  oder  der  begleitenden  Krankheit 
oder  ob  durch  noch  andere  Momente  zu  erklären  sei. 

Eine  der  auffälligsten  und  vielfach  discutirten  Lungenveränderun- 
gen ,  die  man  bei  catarrhalischer  Pneumonie  trifft ,  ist  die  Atelectasen-, 
bikUmg.  Mau  erklärte  sich  deren  Zustandekommen  so:  Das  Lumen  der 
feinern  Bronchien  ist  in  Folge  der  entzündlichen  Schwellung  der  Schleim- 
haut bedeutend  verengt.     Durch  den  abgesonderten  Schleim  und  Eiter 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneiimonie.     Pathogenese.  753 

wird  dasselbe,  wenn  dieses  Secret  eine  gewisse  Massenhaftigkeit  er- 
reicht hat,  völlig  verstopft.  Durch  die  Inspirationshewegungen  wird 
der  Schleim  aus  weitern  Theilen  des  Bronchialrohi-es  gegen  enoere  hin 
aspirirt ;  dadurch  ein  so  fester  Verschluss  des  Bronchialrohrs  erzielt 
dass  keine  Luft  zwischen  Propf  und  Bronchialwand  in  die  hinter  dem 
Pfropf  liegenden  abgeschlossenen  Lobuli  hineingelangt.  Bei  der  Exspi- 
ration dagegen  wird  der  Propf  wieder  etwas  hinausgetrieben  ;  ein  Theil 
der  rückständigen  Luft  wird  anfangs  noch  bei  gewöhnlicher  Exspira- 
tion ,  später  nur  noch  bei  forcirtem  Exspirium  ,  Hustenstössen  ,  ausge- 
trieben ,  bis  zuletzt  ein  Luftresiduum  bleibt ,  das  abgeschlossen  wird. 
In  diesem  Lungenabschnitt  tritt  Hj^perämie  des  Gewebes ,  starke  Fül- 
lung der  Alveolargefässe,  Resorption  der  abgeschnürten  Luftpartie,  Col- 
laps  des  Lungengewebes ,  Atelectase  ein. 

Bartels  hat ,  weil  er  richtig  beobachtete ,  dass  in  den  früheren 
Stadien  der  Bronchopneumonie  die  Menge  des  Secretes  in  den  Bron- 
chien keine  so  beträchtliche  ist,  wie  man  doch  finden  niüsste,  wenn  Ob- 
struction  des  Lumens  durch  Schleim  die  Ursache  der  Dyspnoe  wäre,  die 
Ansicht  ausgesprochen,  neben  der  Schwellung  der  Schleimhaut  falle  auch 
die  gesteigerte  Thätigkeit  der  Bronchialmusculatur,  d.  h.  ein  Bronchial- 
krampf ,  in  Betracht.  Von  Seite  des  Klinikers  muss  unsers  Erachtens 
dieses  Moment  als  ein  wesentliches  betrachtet  werden,  trotzdem  die  Phy- 
siologen grosse  Schwierigkeit  zu  haben  scheinen,  mit  Vermeidung  aller 
Fehlerquellen  unzweifelhaft  die  Functionen  der  Bronchialmusculatur 
nachzuweisen  (vgl.  Otto  Frey  1.  c.  pag.  107  u.  ff.).  Dehn  wenn  der  zu 
einer  Atelectase  führende  Bronchus  verengt,  aber  frei  von  Schleim  oder 
Eiter  ist,  kann  letzterer  nicht  die  Ursache  der  Atelectase  sein  ;  und  wenn 
bei  einer  acuten  diffusen  Bronchitis  oder  Bronchopneumonie  im  Stadium, 
wo  die  Schleimsecretion  noch  gering  ist,  ein  die  Gesammtkörpermuscu- 
latur  also  auch  die  Bronchialmusculatur  erschlaffen  machendes  Emeti- 
cum  gereicht  wird ,  und  nach  dieser  Wirkung  trotzdem  nur  wenig 
Schleim  aus  den  Bronchien  entleert  worden  war,  mit  einem  Schlag  die 
Dyspnoe  nachlässt,  was  man  ja  nicht  so  selten  zu  beobachten  Gelegen- 
heit hat,  so  wird  man  unwillkürlich  zu  der  Annahme  geführt,  dass  nicht 
die  Verstopfung ,  sondern  die  durch  den  Entzündungsreiz  bedingte 
krampfhafte  Contraction  der  Bronchien  eine  wichtige  Eolle  spiele. 
Wir  läu2nen  durchaus  nicht,  dass  Atelectase  auch  durch  Obstruction 
von  Bronchien  durch  Schleim ,  Eiter  etc.  zu  Stande  komme ;  sahen  wir 
doch  erst  neulich  einen  nahezu  ganzen  Lungenlappen  atelectatisch,  weil 
die  zuführenden  Bronchien  von  ausserordentlich  dicken  z.  Th.  soliden 
Fibrinabgüssen  bis  in  die  feinen  Verzweigungen  hinein  geradezu  »aus- 
gegossen« war,  wodurch  ein  vollständiger  Verschluss  der  Bronchien  he- 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  4ö 


754  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

dingt  wurde.  In  andern  Fällen  trafen  wir  aber  auch  Injection  der  Bron- 
chien durch  zweifellos  aspirirtes  wie  in  loco  entstandenes  Secret  als  Ur- 
sache der  Atelectnsie.  Wir  halten  aber  dafür,  dass  diese  beiden  Mo- 
mente ,  ersteres  die  Bronchialschleimhautschwelhmg  und  Bronchi^j- 
krampf  mehr  im  Beginn ,  letzteres  die  Bronchialverstopfung  mehr  im 
Verlauf,  die  Atelectasen  erzeugen. 

Aus  diesen  atelectatischen  Partien  gehen  aber,  wie  Bartels, 
Ziemssen  u.  A.  annehmen,  Entzündungen  direct  hervor.  Aufdje 
Hyperämie  und  den  Collaps  folgt  die  seröse  Durchleuchtung  des  Ge- 
webes ,  die  lettige  Degeneration  der  Alveolarepithelien ,  eine  Wuche- 
rung der  Gewebselemente.  Zugegeben,  dass  das  Schicksal  der  Atela;- 
tasüu  häufig  ein  dem  eben  geschilderten  Vorgang  entsprechendes  sej, 
können  wir  nach  unsern  pathologisch  anatomischen  Erfahrungen  sowi^ 
nach  dem  klinischen  Verlauf  der  Krankheit  diesen  Gang  keinesw^ 
als  den  ausschliesslichen  bezeichnen.  In  einer  gewissen  Zahl  von  Fällep 
mag  sich  die  Atelectase  in  einen  lobulären  Entzündungsheerd  lunwan- 
deln ;  in  einer  andern  Zahl  dehnt  sich  ,  nachdem  der  Bronchialkranipf 
verschwunden ,  der  obturirende  Propf  durch  Resorption  dünner  gewoi[- 
den  und  ausgehustet  wurde ,  das  Lungengewebe  wieder  durch  eindrin- 
gende Luft  aus.  ,.  I 

Das  Emphysem ,  das  in  den  obern  und  vordem  Lungenabschnitten 
catarrhalisch  pneumonischer  Lungen  vorkommt ,  rührt  wesentlich  von 
der  forcirten  Exspiration  her ;  es  ist  desshalb  auch  beim  Keuchhustep 
ganz  Ijesonders  stark  entwickelt  und  erklärt  sich  auch  ,  warum  bei  die- 
ser Krankheit  besonders  häufig  das  sog.  interstitielle  Emphysem  i|i 
Folge  der  heftigen  Hustenpai-oxysmen  Zerreissung  von  Alveolen  TOr- 
kommt.  Ob  die  Ecchymosen  die  nämliche  Ursache  haben,  ist  fraglip)), 
doch  wahrscheinlich.  ij 

Symptome. 

Die  Erscheinungen  der  Catarrhalpneumonie  gestalten  sich  vei;- 
schieden,  je  nachdem  ein  vorher  kräftiges,  die  volle  Reactionsfdhigkeit 
besitzendes  Kind  davon  ergriffen  wird,  oder  ob  dasselbe  durch  Inanition, 
voraufgegangene  lange  oder  schwere  Krankheit  geschwächt ,  hinfä% 
energielos  geworden  ist ;  ferner  ob  .sie  sich  rasch  entwickelt ,  schpejl 
über  einen  gewissen  Lungenbezirk  ausbreitet  oder  ob  der  Beginn  lail?f 
sam  schleichend,  die  Ausbreitung  ganz  allmählig  erfolgt.  Es  ist  äalß^if 
naturgemäss,  zwei  Formen,  nämlich  eine  acute  und  eine  chronische Cfr 
tarrhalpneumonie  zu  unterscheiden ;  jedoch  muss  man  sich  der  Th% 
Sache  bewusst  sein ,  dass  zwischen  den  beiden  Typen  der  KraiikteJI 
wie  sie  geschildert  werden ,  alle  möglichen  Uebergänge  vorkommen. 


Oscar  "Wyss,  Catarrhalpneumonie.     Symptome.  755 

/(HimI.Ij.  Acute  Form  der  Catarrh  alpn  en  moni  e. 

Wenn  der  Pneumonie  ein  acuter  Catarrh  der  Luftwege ,  oder  Ma- 
sern ,  oder  Diphtheritis  des  Pharynx  und  Larynx ,  voraufging ,  ist  der 
Beginn  gegenüber  dem  primären  Leiden  meist  ziemlich  scharf  markirt. 
"'  Rasch  auftretendes  Fieber  oder  wenn  vorher  bereits  Fieber  vor- 
handen war,  Steigerung  desselben,  Temperatursteigerung  auf  39  bis  40" 
G.  im  Rectum,  Zunahme  der  Herzbewegungen,  auf  140  bis  160  Pulse 
in  der  Minute,  heisse ,  brennende ,  trockene  Haut ,  echauffirtes  Gesicht, 
Kopfweh,  bezeichnen  den  Eintritt  der  neuen  Krankheit :  Symptome,  die 
in  einzelnen  Fällen  plötzlich ,  in  andern  mehr  allmälig  im  Verlauf  von 
zwei  bis  drei  Tagen  in  Scene  treten.  Die  erheblich  beschleunigte  Re- 
spiration ,  das  Oberflächliche  der  Athemzüge ,  die  Mitaction  der  auxi- 
liären  Respirationsmuskeln  ,  das  lebhafte  Spielen  der  Nasenflügel ,  das 
ängstliche  schmerzhafte  Verziehen  des  Gesichts  beim  Husten ,  das  Ver- 
meiden tieferer  Inspirationen  lassen  deutlich  eine  ernste  Erkrankung  der 
intrathoracischen  Respirationsorgaue  erkennen.  Diese  Symptome  blei- 
ben in  den  folgenden  Tagen  im  Ganzen  und  Grossen  unverändert.  Die 
Respirationsfrequenz  bleibt  auf  50,  CO  bis  80 ,  selten  darüber ,  und  ver- 
hält sich  zur  Pulsfrequenz  im  characteristischen  Missverhältniss ;  an- 
statt wie  1:4  ist  das  Verhältniss  wie  1:3,  wie  1:2,  selten  wird  die 
Respiration  noch  häufiger.  Das  Athmen  ist  öfter  geräuschvoll ,  von 
Stöhnen,  Seufzen,  auf  Distanz  hörbarem  Rasseln  aus  dem  Pharynx  oder 
Larynx  und  Trachea  begleitet. 

Der  Husten  ist  im  Vergleich  zu  seiner  Beschaffenheit,  wie  er  vor- 
her bestand,  gewöhnlich  verändert.  Er  ist  seltener  und  trockener,  kür- 
zer geworden  ;  er  wird,  wenn  er  sich  einstellt,  unterdrückt;  bringt  die 
Kleinen  häufig  zum  Weinen.  In  andern  Fällen  dagegen  stellt  er  sich 
häufiger  ein  als  früher  ;  ein  beständiger  Hustenreiz  plagt  alsdann  den 
Kranken,  der  in  doppelter  Weise  davon  afficirt  wird  ;  erstens  macht  ihm 
der  Husten  Schmerz  und  zweitens  stört  er  ihn  im  Schlafe ,  so  dass  die 
Kinder  besonders  dadurch  missvergnügt  und  verdriesslich  werden.  Mit- 
unter tritt  er  auch  in  lästigen  '/2  bis  1  Stunde  lang  immer  und  immer 
sich  wiederholenden  Hustenanfallen  auf ;  Paroxysmen  ,  die  zwar  an  die 
Keuchhustenattaquen  erinnern,  aber  doch  ohne  Reprise  verlaufen.  Die 
Keuchhustenparoxysmen  cessiren  in  vielen  Fällen ,  wenn  sich  im  Ver- 
lauf des  Keuchhustens  eine  Pneumonie  entwickelt ;  in  andern  dagegen 
bleiben  sie  unverändert.  Bekommt  ein  Keuchhusten-Kind  Masern ,  so 
Üleibeh  die  Pertussisanfälle  sehr  oft  weg ;  stellen  sich  aber  wieder  ein, 
v^eün  nach  den  Masern  Pneumonie  auftritt.  Mitunter  tritt  in  Folge  des 
ieftigen  Hustens  Erbrechen  ein. 

Wie  das  Husten  so  ist  auch  das  Sprechen  erschwert ;  kurz ,  ab- 


48 


* 


Y5Q  [frankheiten  der  Athmungsorgane     Lunge. 

gebrochen ,  öfters  leise ;  bei  Larynxaffcctioii  sowie  bei  grösserm  Sinken 
der  Kräfte  kommt  Heiserkeit ,  Aphonie  vor.  ,i    ;,| 

Sputa  werden  in  der  Regel  keine  zu  T;ige  bei^irdert.  Tii|dpn  er- 
sten Tagen  ist  die  Secretion  ofPenbar  gering ;  spätei'  hi)rt  mau  \mmM 
sten  lockerere  Goränsche  aus  dem  Larynx ,  so  dass  offenbar  lii'inli« 
Schleim  ans  den  Luftwegen  in  den  Pharynx  hinaui'geschafft  wird ,  von 
dort  aber  in  den  Oesophagus  gelangt.  Bei  altern  Kindern  gelangt  man 
ab  und  zu  dazu,  ein  Sputum  zu  Gesicht  zu  bekommen;  es  sieht  sclii(^- 
mig  eitrig  aus,  zuweilen  mit  Blutstreifen  vermisciit.  Bei  KeucWuistcn 
hat  man  sieh  daran  zu  erinnern,  dass  blutige  Sputa  auch  ohi'i^  ;f'i'f'T 
nie  vorkommen,  die  Quelle  der  Blutung  ge>yöhnlich  die  P|iar^iix-'j  Mu4- 
oder  Nasenhöhle  ist.  .    ■  .  ,,   , .  ,,,,,1 .  ,1 

Das  Verhalten  der  Kranken  ist  im  Ganzen  und  Grossen  ein  fuhiges; 
sie  behalten  am  Uebsten  Rückenlage  inne;  Lageveränderung,  Berfili- 
rung  des  Thorax  ,  namentlich  Druck  auf  die  Unterbrustgegend  scteint 
oft  schmerzhaft  zu  sein.  Auch  besteht  oft  spontane  Schmerzhaftigkeit 
auf  der  einen  Seite  oder  im  Epigastrium  oder  in  den  Hypochondrien, 
Manche  Kranke  schlafen  die  meiste  Zeit,  zwar  leise  und  unruhig,  sta- 
chen häufig  auf,  bald  unter  plötzlichem  Aufschreien  ,  bald  auch  durph 
den  Husten.  Andere  sind  verdriesslich ,  werfen  sich  im  Bette  uinher; 
die  Individualität  spielt  hier  eine  grosse  Rolle.  Das  anfangs  fieberliäil 
geröthete  Gesicht  wird  deutlicher  cyanotisch,  namentlich  Lipperj,  Wan- 
gen, Schleimhäute,  was  um  so  auffallender  wird ,  wenn  die  übrige  Ge- 
sichtshaut  blass  wird  oder  auch  noch  an  der  Cyanose  participirt ,  livor 
der  Nase,  der  Ohren,  des  Kinns  sich  einstellt.  Alsdann  ist  auch  das  Ge- 
sicht etwas  gedunsen ,  leicht  ödematös ;  die  Conjunctivae  secerniren 
reichlich ,    die   Pupille    ist    leicht    erweitert ,     die    Augen   erscheinen 


glänzend 


Erscheinungen  von  Seiten  des  Nervensystems  pflegen  zi(  lehlen. 
Noch  am  ehesten  bei  catarrhalischer  Masernpneumonie  trifft  man  im 
Beginn  sehr  heitiges  Kopfweh,  heftige  Delirien,  selbst  einen  oder  ejmge 
eclamptische  Anfälle  haben  wir  gesehen ;  einmal  auch  Frost.  r 

Die  Lippen  werden  trocken,  oft  rissig,  mit  bräunlichen  Krustenle- 
legt,  durch  Klauben  der  Kleinen  an  den  Lippen  entstehen  oft  oberfliicli- 
liehe  Ulcerationen,  die  sich  unter  Umständen  mit  diphtheritischeni  p 
lag  überziehen  und  sehr  leicht  bluten  und  schmerzhaft  sind.  Die  Zunge 
ist  nicht  selten  trocken,  an  den  Zähnen  gleichfalls  oft  blutiges  vertrop- 
netes  Secret ,  zumal  wenn  Stomatitis  vorhanden  ist.  Herpes  labiaK 
nasalis  ist  selten.  Das  Schlingen  ist  erschwert.  Dargereichte  Flüs- 
sigkeit ,  zumal  kaltes  Wasser  wird  gern  genommen ;  selten  verlangt. 
Der  Appetit  in  der  Regel  gleich  null ;  selbst  Milch ,  Suppe  refiisirt  Pa- 


Oscar  Wy  SS,  Catarrhalpncumonie.     Symptome.  757 

tient,  der  nur  Wasser  nimmt.     Der  Stuhl  ist  zuweilen  diarrhoisch ,  zu- 
weilen retardirt. 

Die  Untersuchung  des  Thorax  ergibt  trotz  der  schweren  Lungen- 
erkrankung und  der  erheblichen  Dyspnoe  häufig  nur  geringe  objectiv 
nachweisbare  Veränderungen.    Bei  Betrachtung  des  entWössten  Brust- 
',  icorbes  fällt  wohl  auf,  dass  trotz  der  energischen  Mitwirkung  des  Msc. 
sternocleidoraast.  imd  der  Mm.  Scaleni  der  Thorax  nur  wenig  erweitert 
wird  rund  dies  läUt  um  so  mehr  auf,  je  jünger  der  Patient,  je  mehr  der 
Thori^x  Symptome  von  florider  Bhachitis  bietet.    Die  oberste  Partie  bis 
'zuri'.'|{ippe  wird  leidlich  bei  jeder  Inspiration  gehoben  ;  aber  schon  der 
'T^iiil  sowie  die  untern  sinken  bei  jeder  Inspiration  tief  ein  und  die 
Elppeh'v'on  der  ' i.  ab  bleiben  ruhig  liegen  trotz  der  nicht  geringen 
Kraftanstrengung  der  Patienten.   Die  Gegend  des  Zwerchfells  zwischen 
■'  61^^.  Rippe  vom  Knorpel  der  7.  Rippe  an  in  horizontaler  Richtung 
■'S "aussen  und  etwas  nach  unten  dicht  über  der  Lebergrenze  wird  ein- 
gezogen, unter  Umständen  tief  eingezogen,  so  dass  bei  der  Inspiration 
'' eike  bedeutende  Verengerung  des  untern  Thoraxraums  (Folge  der  Con- 
■■'traction  des  an  seinen  Ursprungsstellen  in  Folge  der  Weichheit  der 
Thoraxwandungen  nicht  gehörig  fixirten,  dagegen  eher  im  Centrum  ten- 
"'clnieum  fixirten  und  im  Auf-  und  Absteigen  durch  den  bei  Rhachitischen 

■  gew.  Meteorismus  intestinor.  behinderten  Diaphragmas)  zu  Stande  kommt. 

So  wenig  als  gewöhnlich  durch  die  Adspection  der  Brust  Unter- 

"Äde  in  der  Ausdehnung  und  Ausdehnungsfähigkeit  der  beiden  Tho- 

"raxliälftenconstatirbarsind,  ebensowenig  gelingt  das  durch  Mensura- 

"  tion  oder  mit  Hülfe  des  Cyrtometers.     In  zweifelhaften  Fällen  hat  der 

exacte  Nachweis  dieser  Thatsache  nicht  geringen  Werth. 

'  Die  Percussion  des  Thorax  ist ,  obwohl  sie  bei  unserer  Krankheit 
häuficr  «reringfügige  und  selbst  zweifelhafte  Resultate  gibt ,  für  die  Er- 
l^ennung  derselben  doch  vom  grössten  Werth.    Selten,  nur  in  den  ganz 
"acut  beginnenden  Fällen  gelingt  es  schon  innerhalb  der  ersten  24  bis 
'"48  Stunden,  an  einer  umschriebenen  Stelle  eine  deutliche  Dämpfung  des 
'"Schalls  nachzuweisen.    Gewöhnlich  gelingt  das  erst  am  3.  bis  4.  zuwei- 
len sogar  erst  am  5.  bis  6.  Tage ;  in  vereinzelten  Fällen,  bei  tiefliegen- 

■  'äm'bde^  sehr  kleinen  Infiltraten  überhaupt  nicht.     Denn  bekanntlich 

■  bedarf  es'  einer  mindestens   3  Cm.  in  der  Fläche  und  2-3  Cm.  in  der 
Dicke  messenden   Verdichtung,    um    durch   Percussion    nachgewiesen 

fwe^dleii  zii'können:  eine  Dimension,  die  keineswegs  immer  von  den  lo- 
^'^Ä 'pneumonischen  Heerden  erreicht  wird.  In  solchen  Fallen  mit 
'"tleinen  Infiltraten  weist  gleichwohl  die  Percussion  wichtige  Verande- 
"'cuÄ-nach:  Tympanie,  bald  mehr  bald  weniger  deutlich  ausgespro- 
'^ietnauf  der  einen  oder  andern  Seite;  leichte  diffuse  Percussionsunter- 
nTi ,,        , 


758  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

schiede :  Veräuderungen,  die  namentlich  dann  Bedeutung  erlangen,  wenn 
sie  sich  unter  unseren  Augen  entwickelten  und  ihr  weiteres  Schicksal 
verfolgt  wird.  Tritt  Dämpfung  am  Thorax  auf,  so  ist  diese  sehr  häufig 
hinten  unten ,  seitlich  von  der  Wirbelsäule  bis  zum  Angulus  costarum; 
am  Diaphragma  in  sehr  verschiedener  Ausdehnung  nach  oben  sich  eN 
streckend  ,  bald  bis  zum  Angulus  inferior  scapulae ,  bald  bis  zur  Fossa 
infraspinata  vorhanden.  Bald  ist  die  Dämpfung  blos  auf  der  einen  baM 
auf  beiden  constatirbar ;  im  letztern  Fall  seltener  beiderseits  von  glei- 
eher  Ausdehnung,  sondern  öfter  auf  der  einen  Seite  ausgedehnter als' 
auf  der  andern. 

Sehr  oft ,  namentlich  in  deu  acuten  Formen  der  Catarrhalpnenmo'-' 
nie,  zumal  in  jener  nach  acuter  Laryngoti-acheobronchitis  fanden  wit 
die  Dämpfung  in  der  Fossa  supraspinata  oder  in  der  infraspinata,  und 
die  untern  Lungentheile  frei.  In  andern  Fällen  gelingt  es  an  ändert 
als  an  den  angeführten  Stellen  Infiltrationsheerde  nachzuweisen ;  so  z. 
B.  in  der  einen  Lunge  hinten  unten ,  in  der  andern  hinten  oben  eine 
Dämpfung  zu  constatiren ;  oder  neben  einer  Dämpfung  hinten ,  in  der 
•  andern  Lunge  eine  solche  vorn.  Bei  ausgedehnter  Infiltration  hinten 
ist  die  Tympanie  vorn  gewöhnlich  vorhanden ,  ähnlich  wie  bei  crouj^ 
pöser  Pneumonie.  hir.-,'i]  0T>iij)ri 

Ein  sehr  wichtiges  Symptom  ist  ferner  der  Nachweis  des  veniiehr- 
ten  Resistenzgefühls ,  das  der  percutirende  Finger  während  des  Percil- 
tirens  des  Thorax  über  der  infiltrirten  Stelle  wahrnimmt.  Es  ist  hiebei 
nicht  nöthig,  dass  man  sich  ausschliesslich  der  Percussion  mittelst  Fin- 
ger auf  Finger  bediene ;  auch  bei  der  Plessimeterpercussion  fühlt  man 
die  vermehrte  Resistenz  über  der  infiltrirten  Stelle  deutlich.  Doch  ist 
nicht  zu  läugnen,  dass  durch  die  Percussion  von  Finger  auf  Finger  nicht 
lilos  der  active,  sondern  auch  der  passive  Finger  das  Gefühl  des  grossen 
Widerstandes  erkennen  lässt  und  man  so  zu  sagen  doppelt  fühlt.  Frei- 
lich geschieht  eines  auf  Kosten  des  andern :  legt  man  den  passiven  Fiü'- 
ger  weniger  fest  auf,  so  fühlt  der  active  weniger  deutlich  die  Resistenz- 
veränderung; legt  man  ihn  aber  fester  auf,  so  büsst  er  in  Folge  des 
kräftigen  Drucks  momentan  einen  Theil  der  Empfinduugsfahigkeit  für 
feinere  tactile  Eindrücke  ein.  Auch  bei  der  Hammerpercussion  lässt 
sich  die  Resistenzveränderung  nachweisen ,  jedoch  fiel  uns  hiebei  — 
vielleicht  auch  in  Folge  weniger  grosser  Uebung  —  bei  geringen  Un- 
terschieden die  Constatirung  dieser  schwerer  als  bei  Fingerpereüssion. 
Der  Nachweis  der  Resistenzveränderung  fällt  um  so  leichter  aus,  je  aus- 
gedehnter, je  dicker  und  je  dichter  infiltrirt  die  afficirte  Lungenpartie 
ist.  Sie  lässt  sich  selbstverständlich  für  alle  Stellen  am  Thorax  verwe^ 
then,  am  besten  für  die  mit  sparsamen  Weichtheilen  bedeckten  hintern 


Oscar  Wyss,  C'atarrhalpneumonie.     Symptome.  759 

und  seitlichen  Theile ;  aber  auch  oben  hinten,  selbst  in  der  Fossa  infra- 
und  supraspinata  leistet  sie  unserer  Ansicht  eher  mehr  als  die  Percus- 
sion  im  gewöhnlichen  Sinne.  Es  ist  ein  Verdienst  W.  E  b  s  t  e  i  n '  s ,  in 
neuerer  Zeit  wieder  auf  dieses  Symptom  als  auf  eine  besondere  Methode, 
die  »palpatorische  Percus.sion«  hingewiesen  zu  haben. 

Dass  die  circuläre  oder  die  den  Thorax  gürtelförmig  umspannende 
Pneumonie  ,  wie  Jürgen sen  angibt,  bedeutende  Vorzüge  vor  der  ge- 
wöhnlichen besitze,  haben  wir  nicht  gefunden.  Gegen  den  Vorwurf, 
als  percutire  man  die  Kinderbrustkorbe  gewöhnlich  nur  vorn  und  hin- 
ten in  einer  Linie,  müssen  wir  entschieden  remonstriren.  Hat  doch 
Griesinger  schon  in  seiner  Klinik  immer  bei  Thoraxuntersuchungen 
darauf  hingewiesen ,  dass  man  es  nie  unterlassen  solle,  ausser  der  Voi"- 
der-  vmd  Rückseite  des  Thorax  auch  die  Axillargrube  und  die  Axillar- 
gegend nach  vorn  und  nach  hinten  ,  sowie  die  Theile  unterhalb  davon 
sorgfältig  zu  percutiren  und  auscultiren  und  ist  die  methodische  Ver- 
gleichung  des  Percussionsschalls  in  den  Papillär-  und  Parastei'nallinien 
bis  zum  Sternum,  den  der  Paraxillaris  und  vordem  und  hintern  Axillar- 
linie, der  Scapularlinie  und  einwärts  der  Scapulae  etc.  eine  von  allen  or- 
dentlichen Aerzten  geübte  Untersuchungsmethode ,  die  entschieden  ge- 
nauere Resultate  liefert ,  als  diese  circuläre  Percussion. 

Die  P  a  1  p  a  t  i  o  n  ist  im  Ganzen  und  Gi-ossen  nicht  von  sehr  gros- 
ser Bedeutung ;  denn  seine  Abweichungen  von  der  Norm  sind  in  der 
Catarrhalpneumonie  gering  und  inconstant.  Bei  grössern  Infiltraten  ist 
er  mitunter  verstärkt,  sofern  die  Bronchien  nicht  viel  Secret  enthalten ; 
sind  sie  verstopft,  gilt  von  ihm  das  Gegentheil.  Rasselgeräusche,  Schnur- 
ren, Pfeifen ,  die  man  am  kindlichen  Thorax  durch  die  aufgelegte  Hand 
leicht  wahrnimmt ,  sollen  bei  Infiltration  des  Lungenparenchyms  ver- 
schwinden. 

-j.,  Um  so  bedeutungsvoller  ist  wiederum  die  Auscultation.  Regel- 
mässig bestehen  schon  vorher  die  Symptome  eines  diffusen  Bronchialca- 
tarrhes :  verschiedene  Rasselgeräusche  in  verschiedener  Ausbreitung,  diu 
bald  das  übrige  Respirationsgeräusch  ganz  verdecken ,  bald  rauhes  oder 
stellenweise  verschärftes  vesiculäres  Athmen  erkennen  lassen.  Sind  die 
Rasselgeräusche  so  vorwiegend ,  dass  sie  die  eigentlichen  Respiratious- 
geräusche  verdecken  ,  so  berücksichtige  man  diese  möglichst  genau  ; 
wenn  an  einer  Stelle  immer  feiner  und  feinerblasige  Rhonchi  bis  schliess- 
lich Knisterrasselgeräusche  hörbar  werden  oder  wenn  klingende  (cou- 
sonirende)  Rhonchi  percipirt  werden  —  und  das  ist  keineswegs  so  sehr 
selten  — ,  beweisen  diese  Symptome  die  Affection  der  Alveolen,  die  sich 
ausbildende  Infiltration  und  sind  um  so  werthvoUer,  wenn  die  Percus- 
sion noch  negative  oder  dubiöse  Resultate  ergab.     Abgeschwächt-  oder 


7(30  Krankheiten  der  Athmiingsorgane.     Lunge. 

AiifgehobeDsein  des  vesiculären  Atliniens  ist  wichtig  ;  auch  dauu,  wenn 
es  nur  durch  Bronchialobturatiou  Ijedingt  sein  sollte.  Bronchiale  Exspi- 
ration ,  bronchiales  Athmen  üljerhaupt  ist  oit  frühzeitig  iji  der  Fossa 
supraspinata  —  indess  nur  beweisend ,  wenn  in  der  äussern  Hälfte  der- 
selben gehört ,  weil  es  in  der  Innern  auch  durch  geschwellte  Broncliial- 
driisenpaquete  fortgeleitet  sein  kann  —  und  infraspinata ,  sowie  in  der 
Gegend  des  Angulus  inf.  scapulae  und  nach  aussen  davon  constatirbar, 
Bei  Infiltraten  unterhalb  der  Clavikeln  hört  man  ausserdem  die  Herai"! 
stösse  abnorm  stark  fortgeleitet.  ,<,' 

'  '  lih  weiteren  Verlaufe  der  Krankheit  nehmen  die  örtlichen  Ver- 
änderungen namentlich  vom  3. — 4.  Tage  an  au  Extensität  und  Inten- 
sität zit;  in  jenen  Fällen,  die  ungünstig  verlaufen,  nehmen  sie  oft  sehr' 
bedeutende  Grade  an,  so  dass  der  eine  oder  die  beiden  Unterlappen  ganz, 
häufig  noch  ein  oder  Ijeide  Oberlappen  theilweise  nach  rückwärts  infil-i 
trirt  erscheinen.  Weniger  gross  ist  die  Ausbreitung  in  jenen,  die  gün- 
stig verlaufen.  Beim  Ausgang  in  Genesung  tangt  häufig  schon  am  - 
3. — 4.  Tag  ,  meist  am  5. —  6.  Tag  oft  auch  später  das  Fieber  an  Mor-i 
gens  bedeutend  zu  remittiren ,  wenn  es  nicht  schon  von  Anfang  an  im- 
mer remittirend  war ;  es  werden  auch  die  Abendtemperaturen  niedri- 
ger ,  oder  die  Temperatur  erreicht  wohl  noch  im  Lauf  des  Tages  be- 
trächtliche Höhe,  aber  nur  für  kürzere  Zeit.  Der  Puls  wird  langsamer, 
die  Respiration  leichter ,  der  Husten  häufiger ,  lockerer ;  Patient  wird 
theilnehmender  ,  spricht  wieder,  oder  greift  wieder  nach  seinen 'Spiel- 
sachen ,  wenn  auch  anfangs  nur  vorübergehend.  Milch ,  Suppe  werden 
nicht  mehr  refusirt ,  vielleicht  schon  Brod  verlangt :  der  Appetit  stellt 
sich  wieder  ein.  Der  Schlaf  wird  ruhiger,  tief,  gewöhnlich  mit  nÄssi- 
gem  Schweiss  verbunden ;  die  Urinsecretion  ist  reichlich.  Im  Lauf  von 
2  -  3 — 5  Tagen  vollzieht  sich  die  Entfieljernng  lytisch  ;  bei  längerer,;! 
Dauer  des  Fiebers  sinkt  die  Temperatur  auch  noch  langsamer  ;  gleich- 
zeitig fimgeu  die  örtlichen  Symptome  au  ganz  allmählig  zurückzugehen. 
Das  Bronchialathmen  ,  die  klingenden  Rasselgeräusche  schwinden ,  die 
Dämpfung  hellt  sich  auf  —  doch  sind  bis  zum  Schwinden  des  letzten 
Restes  der  Dämpfung  mitunter  Wochen  lang  erforderlieh  —  ,  und  es 
folgt  eine  selten  rasche ,  sondern  gewöhnlich  eine  im  Verhältniss  mM 
Dauer  und  Extensität  der  Krankheit  auffallend  langsame  Reconvales- 
cenz.  Husten  und  Rasseln  auf  der  Brust  persistiren  in  der  Regel  noch 
länger ,  bessern  sich  aber  allmälig  auch  mit  der  Reconvalescenz. 

Wenn  in  diesen  im  Beginn  acuter  verlaufenden  Fällen  von  Catar- 
rhalpneumonie  im  Verlauf  der  Krankheit  das  Fieber  zwar  remittirt, 
aber  immer  wieder  exacerbirt,  imd  wenn  die  Exacerbationen  sowohl  hin- 
sichtlich ihrer  Höhe  als  auch  ihrer  Dauer  sich  gleich  bleiben ,  die  sub-;m 


0  s  c a  r  W  y  s  s,  Catarrhalpneumonie.     Symptome.  761 

jectiven  und  objectiven  Erscheinungen  ebenfalls  persistiren  oder  gar 
zunehmen ,  so  ist  wohl  die  Prognose  schlecht ,  aber  es  kann  bei  grösse- 
ren ,  oder  nicht  schon  allzu  sehr  reducirten  Kindern  die  Heilung  nach 
Wochen  doch  noch  eintreten.  (Uebergang  in  die  chronische  Form.) 
Jüngere  Kinder,  namentlich  solche  unter  einem  Jahre,  sowie  vorher  er- 
heblich geschwächte,  collabiren  frühzeitiger,  die  Cyanose  des  Gesichts 
nimmt  zu,  nicht  blos  Wangen  und  Lippen  ,  sondern  auch  Ohren,  Nase, 
Kinn  werden  blau  und  kühl,  die  oberflächlichen  Venen  füllen  sich  stär- 
ker und  schimmern  deutlich  durch  die  Haut  hindurch  ;  das  Gesicht  wird 
bleich ,  bleifarben ,  leichte  umschriebene  Oedeme  stellen  sich  im  Ge- 
sicht, oft  auch  an  Händen  und  untern  Extremitäten  ein;  Apathie,  auf- 
fallende Ruhe ,  beständiger  Schlummer  und  Nachlass  des  Hustens  ma- 
chen den  Angehörigen  den  Eindruck ,  es  sei  besser  geworden  :  aber  der 
äusserst  frequente ,  kaum  mehr  fühlbare  Puls ,  die  grosse  Hinfälligkeit, 
die  leichten  Zuckungen  in  Augen-  und  Mundmuskeln,  denen  niitzu  auch 
über  die  Körpermuskeln  verbreitetere  Convulsionen  folgen,  beweisen 
dem  Arzte  hinlänglich  die  Schwere  der  Situation.  In  diesem  Zustand 
erfolgt  der  Tod  bald  während  eines  convulsivischen  Anfalls  plötzlich 
und  unerwartet,  bald  auch  im  ruhigen  Coma. 

Bei  altern  resistentem  Kindern  tritt  ein  ähnlicher  Zustand  ein, 
wenn  die  Krankheit  fatalen  Ausgang  nimmt.  Doch  ist  bei  diesen  trotz 
der  Apathie  und  Gleichgültigkeit  eine  nicht  verkennbare  Unbehaglich- 
keit  und  Unruhe  vorhanden ;  sie  werfen  sich  im  Schlafe  hin  und  her, 
zerkratzen  sich,  wimmern  und  stöhnen  in  kurzen  Intervallen.  Schleim- 
rasseln in  den  grossen  Luftwegen  wird  hörbar ,  weil  die  Massen  nicht 
mehr  ausgehustet  werden  können  ;  und  auch  nicht  mehr  herunterge- 
schluckt werden,  selbst  wenn  es  gelingt,  sie  in  den  Pharynx  zu  bringen. 
Bisweilen  gesellen  sich  noch  Symptome  von  Seiten  des  Gehirns  dazu : 
zeitweises  Aufschreien,  Zähneknirschen,  Strabismus,  unregelmässige  Re- 
spiration ,  so  dass  das  Athnien  in  regelmässigen  Intervallen  aussetzt, 
nach  Vi  bis  '/2  Minute  schwach ,  dann  immer  stärker ,  rascher,  tiefer, 
selbst  keuchend  einstellt  und  dann  wieder  allmälig  schwächer  werdend 
wieder  aufhört,  bis  nach  '/4— '/»  Minute  dasselbe  Spiel  sich  wiederholt. 
Ich  habe  hiebei  schon  vor  derLeube'scben  Bekanntmachung  die  rhyth- 
mischen Bewegungen  an  der  Pupille,  Verengerung  aufs  Minimum  in  der 
athemlosen  Pause,  Erweiterung  bis  zum  Maximum  in  der  Zeit  der  tiefsten 
Inspirationen ,  sowie  auch  Pulsveränderung  (Steigen  und  Sinken  der 
Pulsfrequenz  beobachtet.  (Cheine-Stockesche  Respiration.)  Dass  letz- 
teres Symptom  wie  die  erstem  vom  Hirn  resp.  Medulla  ausgehen,  unter- 
liegt keinem  Zweifel,  nur  sind  sie  keineswegs  immer  die  Folge  einer 
eincretretenen  Meningitis,  sondern  von  Circulationsstörungen ,  wie  auch 


7(32  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

das  Hirnödem ,  das  mau  als  ätiologisches  Moment  dieser  Symptome  ai 
bezeichnen  pflegt. 

2.  Chronische  Form  der  Ca  t  a  r  rh  alp  n  e  umonie. 

Wenn  sich  catarrlialische  Pneumonie  im  Verlaufe  eines  chronischen 
Bronchialcatarrhs  oder  Keuchhustens  entwickelt ,  so  ist  ihr  erster  Be- 
ginn in  der  Regel  nicht  scharf  festzustellen ,  weil  alle  Symptome,  sub- 
jective  wie  objective,  so  langsam,  allniählig  sich  einfinden,  dass  deren 
Eintritt  leicht  übersehen  wird.  Die  Symptome,  welche  den  Eltern  des 
Patienten  auffallen  ,  sind  gar  oft  erst  die  der  ausgebreiteten  Catarrhal- 
pneumonie  oder  ihrer  Folgezustände.  Es  gilt  dies  um  so  mehr,  je  jünger 
das  Individuum ,  je  mehr  geschwächt  es  durch  vorausgegangene  Krank- 
heiten ist.  Nicht  selten  wird  der  Arzt  erst  sub  finem  vita  zu  solchen 
Kranken  gerufen ,  und  wenn  er  die  ausgebreitete  Pneumonie  entdeckt, 
schlimme  Prognose  stellt ,  so  wird  ihm  feierlich  verkündet :  bis  heute 
habe  dem  Kinde  weiter  nichts  gefehlt ,  als  der  einige  Zeit  lang  beste- 
hende Husten. 

Meistens  markirt  sich  der  Eintritt  der  Pneumonie  in  .solchen  Fällen 
durch  Fieber,  das  anfangs  nur  scheinbar  im  Verlauf  mehrerer  Tage  be- 
trächtlichere Höhe,  39  bis  40"  und  darüber  erreicht,  das  Morgens  re- 
mittirt ,  Abends,  mitunter  auch  zu  andern  Tageszeiten,  exacerbirt.  Es 
ist  unregelmässig,  behält  keinen  bestimmten  Typus  inne;  bei  kleinen 
Kindern  kann  es  auch  vollkommen  fehlen.  Auch  subnormale  Tempe- 
raturen kommen  vor.  Steffen  (Jahrbuch  für  Kinderheilkunde  Vlll. 
255  ff.)  legt  auf  das  plötzliche  Sinken  der  Temperatur  unter  die  Norm 
im  Beginn  dieser  Pneumonien  geradezu  einen  Werth ,  indem  er  ver- 
sichert, bei  kranken  Kindern  in  den  ersten  Lebensjahren,  bei  denen  er 
plötzlich  subnormale  Temperatur  auftreten  sah ,  habe  er  regelmässig 
Dämpfung  auf  der  Hinterfläche  der  Lunge  gefunden.  Die  auffallendsten 
weitern  Symptome  sind  die  rasch  fortschreitende  Abmagerung,  die 
grosse  Hinfälligkeit,  der  müde  und  matte  Gesichtsausdruck,  die  hoch- 
gradige Gleichgültigkeit  und  Theilnahmslosigkeit ,  die  livide  Farbe,  die 
in  Verbindung  mit  der  schnellen  und  oberflächlichen  Respiration  sowie 
dem  frequenteia  kleinen  Puls  deutlich  genug  auf  eine  schwere  Lungen- 
afiection  hinweist.  Gleichwohl  ergibt  die  Percussion  vorn  öfters  noch 
ganz  normalen  vollen  Schall ,  öfter  mehr  oder  weniger  deutliche  Tyin- 
panie,  seltener  relative  bis  absolute  Dämpfung  in  verschiedener  Aus- 
dehnung. Hinten  unten,  wo  die  Lifiltration  bei  dieser  Form  derCa- 
tarrhalpneumonie  gewöhnlich  localLsirt  ist,  fehlt  Dämpfung  des  Schalls 
selten ;  wird  aber  wegen  der  gleichmässigen  Ausbreitung  der  Infiltration 
sowie  weil  sich  über  den  nicht  völlig  iniiltrirten  Theilen  tympanitischer 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.     Symptome, 


763 


Schall  findet,  leicht  übersehen,  zumal  wenn  der  Patient  klein  und  sehr 
unruhig  ist.  Auch  die  Resultate  der  percutorischen  Palpation  sind  hier 
öfter  zweifelhaft  wegen  der  unvollständigen  Infiltration  des  Lungenge- 
webes. Um  so  wichtiger  ist  hier  die  Auscultation ,  durch  die  zwar  bei 
sehr  kleinen  und  schwachen  hinlälligen  Kindern  auch  häufig  Nichts  als 
massenhaftes  feuchtes  Rasseln  gehört  wird.  Aber  theils  beim  gewöhn- 
lichen Athmen ,  theils  bei  zufälligen  tiefern  Inspirationsbewegungen 
(Schreien,  Husten)  hört  man  Knisterrasselgeräusche  oder  einzelne  klin- 
gende Rhonchi,  seltener  auch  einen  bronchialen  Hauch :  Auhaltspuncte, 
die  für  die  Diagnose  in  Verbindung  mit  den  andern  Symptomen ,  viel- 
leicht auch  noch  in  Verbindung  mit  dem  gelegentlich  deutlich  gefühlten 
Stimmfremitus  für  die  Erkennung  der  Krankheit  genügen. 

Der  weitere  Verlauf  ist ,  wenn  nicht  über  kurz  oder  lang  der  Tod 
eintritt,  ein  protrahirter.  Mehrere  Wochen  hindurch  persistirt  der 
Husten,  die  Dyspnoe,  das  Fieber,  das  wohl  zu  manchen  Tageszeiten 
schwindet ,  zu  andern  aber  besonders  Abends  wiederkehrt.  Auch  die 
physikalischen  Symptome  bleiben  im  ganzen  und  grossen  dieselben,  oder 
es  breiten  sich  die  Symptome  der  Infiltration  weiter  aus.  Tritt  Genesung 
ein,  ist  gewöhnlich  der  Nachlass  des  Fiebers  das  erste  entschieden  gün- 
stige Symptom,  sofern  auch  Abnahme  der  Pulsfrequenz,  Verlangsamung 


Fiff.  4.     Ciirve  I. 


F.  H.  .5jährio-er, Knabe,    Pneumonie  cat .  sin.  sup.     Beginn  der  j:>rjirankLing  mit 
"acuter  Coryza,  folgender  Laryngitis,   dann  Pneumonie. 


764 


Krankheiten  der  Atlimungsorganc.     Lunge. 


Fig.  5.    Curve  II. 


M.  Sp.  3jährigerKnalje,  Pneumonie  cat. 
acut.  (dxt.  Eup.J. 


des  Atlimens,  damit  einhergeht. 
Wenn  aber  mit  dem  Nachlasse 
Hitze  der  Puls  frequenter 
scliwächer  wird ,  Collapsersi 
nnngen  auftreten,  die  Extremil 
kühl  und  bläulich  werden  ,  Om 
Wancccn  ebenso  sich  verhalten,) 
Husten  schwindet ,  die  Zunge  I 
cken  wird,  .Apathie  ,  comatöser! 
stand  mit  Unruhe,  Jactationen 
einstellen,  tritt  der  Tod  unter  i 
demselben  Bilde  auf,  wie  S.  760 
761  geschildert  worden  ist.  Aij 
ohne  Sinken  der  Temperatur  kom- 
men solche  Zustände  vor,  wo  Pat. 
plötzlich  Convulsionen  der  Extre- 
mitäten und  Körpermuskulatur  be- 
kommt ,  Streckkrampf  mit  Oeffnen 
des  Mundes ,  Verdrehen  der  Augen 
sich  einstellt.  Der  Anfall  schwindet, 
das  Bewusstsein  kehrt  zurück.  Aber 
Ijald  kehren  die  Convulsionen  wie- 
der, persistiren  dann  länger;  der 
Ivopf  ist  nach  hinten  tibergebeugt, 
die  Nackenmusculatur  hart,  straff, 
der  Mund  steht  offen,  der  Gesicbts- 
ausdruck  ist  stark  stier ;  die  Pupillen 
ziemlich  weit,  reagiren  nicht;  es 
icsteht  Schielen.  Ab  und  zutreten 
Zuckungen  in  den  Annen  auf,  die 
später  continuirlich  werden,  stun- 
denlang andauern  können,  bis  end- 
lich der  Tod  der  Jammerscene  ein 
Ende  macht. 

Das  Verhalten  der  Tem- 
per a  t  u  r  ist  in  der  Catarrhalpneu- 
monie  keineswegs  ein  für  alle  Pallß 
typisches ,  und  man  findet  nament- 
lich dann  sehr  geringe  üeberein- 
stimmung  der  Curven,  wenn  Dian 
solche  von  Catarrhalpneumonie 
überhaupt  vergleicht.   Nur  das  ha- 


Oscar  Wyss,  CatarrhalpiiciDjionie.     Symptome. 
Fisf.  6.     Cui-ve  lir. 


765 


P.  M.   lOjiihriger  Knabe,  Pneumonia  p.  morbill. 

ben  die  meisten  Curven  gemeinsam,  dass  das  Fieber  ein  am  Morgen niebr 
oder  weniger  stark  remittirendes  am  Abend  exacerbirendes  ist.  vgl. 
Curve  I.  Die  Entfieberung  findet  allmählig  statt,  ähnlich  wie  beim  Ab- 
dominaltyphus, cf.  Curve  I.  u.  II.  Dieser  Form  der  Catarrlialpneumo- 
nie  nach  Catarrhen  der  obern  Luftwege  am  nächsten  steht  die  Masern- 
pneumoniecurve',  Curve  III;  auch  seltenere  Keuchhustencurven,  wie 
z.  B.  die  in  Curve  IV  mitgetheilte.  Auch  manche  Catan-halpneumonien 
der  Rhachitischen  erinnern  lebhaft  an  leichte  Typhuscurven  ,  bei  denen 
,jim  Stadium  der  Continua  continens  stärkere  Remissionen  als  gewöhn- 
lich stattfinden.  Andere,  wie  Curve  V  sind  dagegen  irregulär,  atypisch. 
Auch  die  schwerern  Keuchhustenpneumonien  lassen  den  erwähnten  Ty- 
pus nicht  mehr  erkennen.  Entweder  verläuft  die  Krankheit  —  doch  ist 
das  selten  der  Fall  —  ganz  fiebei-los ,  was  bei  sehr  schwächlichen  anä- 

Fig.  7.    Curve  IV. 


C.  K.  S'/vjähriger  Knate,  Pertussis  pneumonie.     Ausgang. 


766  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

mischen  und  sehr  jungen  Kindern  vorkommt ,  oder  die  Curve  zeigt  bei 
hohen  Temperaturen  bald  keine,  bald  geringe,  bald  stärkere  Remissionen 
ohne  irgend  eine  Regelmässigkeit. 

Compllcationen. 

Wir  haben  der  Complicationen  der  Catarrhalpneumonie  schon  oben 
bei  Besprechung  der  pathologisch  -  anatomischen  Verhältnisse  gedacht, 
weil  in  der  That  die  meisten  als  Befunde  der  Section  bezeichnet  werden 
müssen ,  die  man  intra  vitam  nicht  immer  diagnosticirt  hatte.  Es  gilt 
dies  von  der  häufigsten  Complication ,  der  Pleuritis  sicca,  die  man 
zwar  in  manchen  Fällen  aus  der  grossen  Schmerzhaftigkeit  des  Hustens, 
Stichen  beim  tiefen  Athemholen  etc. ,  der  localen  Empfindlichkeit,  sel- 
tener aus  Reibegeräusch  zu  diagnosticiren  in  der  Lage  ist.  Auch  ge- 
ringe pleuritische  Exsudate  sind  leicht  zu  übersehen.  Anders  verhalten 
sich  die  massigen ,  sehr  rasch  sich  entwickelnden ,  häufig  den  ganzen 
Thorax  ausfüllenden  serösen  und  eitrigen  Exsudate,  die,  mit 
allen  characteristischen  Symptomen  versehen ,  leicht  zu  erkennen  sind. 
Wir  sahen  solche  nach  Masernpueumonie  sowohl  als  auch  nach  im  Ge- 
folge einfacher  Bronchitiden  entstandenen  Catarrhalpneunionieen ;  auch 
kleinere  umschriebene  eiterige  Exsudate  kommen  besonders  bei  rhachi- 
tischen  Kindern  nicht  selten  vor.  Auch  jene  grossen  Exsudate  sahen 
wir  günstig  verlaufen ;  z.  Tb.  wurden  wir  zur  Function  und  Aspiration, 
mehrmals  auch  zur  Incision  —  mit  dem  besten  Erfolge  —  veranlasst, 
während  kleine  umschriebene  eiterige  Exsudate  zweifellos  mit  zum  un- 
günstigen Exitus  beigetragen  haben  mögen. 

Pneumothorax  sah  Steffen  in  Folge  Abscedirung ,  wir  in 
Folge  von  Lungengangrän  nach  Catarrhalpneumonie. 

Laryngitis  crouposa,die  sich  im  Verlauf  einer  Catarrhal- 
pneumonie entwickelte,  beobachtete  Steffen;  ebenso  Diphtheritis  fau- 
cium.  Wir  haben  diese  Complication  gleichfalls  im  Verlauf  von  Keuch- 
hustenpneumonien  sich  entwickeln  gesehen. 

M  i  1  i  a  r  t  u  b  e  r  c  u  1 0  s  e  ist  eine  der  gewöhnlichsten  Complicationen 
der  chronisch  verlaufenden  zumal  der  verkäsenden  Catarrhalpneumonie; 
in  solchen  Fällen  oft  die  Rolle  eines  Terminalprocesses  spielend  und  in 
sehr  verschiedener  Weise  im  Körper  verbreitet  zu  beobachten :  am  ge- 
wöhnlichsten als  Localtuberculose  um  den  oder  die  verkästen  Heerde  in 
der  Lunge ;  oder  als  diffuse  Lungentuberkulose ;  oder  man  findet  in  der 
Lunge  gar  keine  Tuberkeln,  sondern  nur  der  catarrhalisch-pneumonische 
Process ,  aber  Miliartuberculose  der  Gehirnhäute  oder  der  ünterjeibs- 
organe,  oder  beides  zusammen.  Es  ist  uns  unbegreiflich  ,  wie  Steffen 
die  Diagnose  dieser  Tuberculose  »leicht«  nennen  kann  ;  selbst  wenn  es 


Oscar  Wyss,   Catarrhalpneumonie.     Complicationen. 
Flg.  8.     Curve  "V. 


767 


H.  K.  2jähriges  Mädchen.     Pertussispneumome 


768  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

gelingen  würde,  Chorioirlealtuberkeln  nachzuweisen,  oder  die  Symptome 
der  Meningitis  tubereulosa  unzweifelhaft  wären ,  würde  die  Diagnose 
der  Lungentuberculose  immerhin  zweifelhaft  bleiben.  Denn  wenn  in 
der  Lunge  ein  alter  pneumonischer  Heerd  existirt ,  ob  noch  objectiv 
nachweisbar  oder  nicht  —  und  es  tritt  bei  zunehmendem  Marasmus 
irreguläres  Fieber  mit  Dyspnoe,  den  Symptomen  eines  frischen  diffusen 
jedoch  kein  grosses  Exsudat  setzenden  Lungenerkranknng  auf,  kann 
das  ebenso  gut  eine  frische  Lobulärpneumonie  wie  eine  Miliartuberculose 
sein,  und  —  .selbst  am  Leichentische  fällt  die  Unterscheidung,  ob 
dieser  ob  jener  Proce.ss,  oder  ob  beides  zusammen  vorliegen,  unter  Um- 
ständen nicht  leicht.  Wir  befinden  uns  also  in  vollkommener  Ueberein- 
stimmungen  mit  J  ü  r  g  e  n  s  e  n. 

Ebenso  wie  die  Tuberculose  der  Lunge  eigentlich  nicht  eine  Com- 
plication,  sondern  vielmehr  einen  Folgezustand  der  Catarrhalpneumonie 
darstellt ,  ebenso  ist  die  Tuberculose  des  Gehirns  sowohl  wie  auch  die 
der  Hirnhäute  eine  Consequenz,  die  wir  leider  nur  zu  häufig  nach  Ma- 
sern- und  Keuchhustenpneumonien  auftreten  sehen.  Wir  dürfen  nach 
unsern  Erfahrungen  geradezu  von  Epidemien  (sit  venia  verbo)  von  Me- 
ningitis tubereulosa  nach  Masemepidemien  sprechen.  Allerdings  ist  der 
Zeitraum,  der  von  der  Pneumonie  bis  zur  terminalen  Meningitis  ein  sehr 
verschieden  langer;  6 — 8  Wochen  bis  1  Jahr  und  darüber. 

Pericarditis  haben  wir  einmal  neben  Catarrhalpneumonie  nach 
chronischer  Bronchitis  und  linksseitiger  Pleuritis  bei  einem  20  Wochen 
alten  Kinde  diagnosticirt  (pericardiales  Reiben)  und  durch  die  Section 
bestätigt ;  andere  Mal  bei  der  Obduction  gefunden ;  das  eine  Mal  bei 
einer  Masernpneumonie.  Steffen  und  Steiner  haben  gleiche  Erfah- 
rungen gemacht. 

Noma  des  Gesichts,  das  übrigens  auch  die  catarrhalische  Pneu- 
monie veranlassen  kann  ,  Noma  genitalium  wurde  ebenfalls  beobachtet 
(von  Steffen,  Steiner,  auch  von  uns). 

Otitis  mit  nachfolgender  Perforation  des  Tympanum  ist  eine  sehr 
unangenehme  Complication  der  Masernpneumonie,  weil  sie  oft  mit  be- 
deutenden Zerstörungen  des  Knochens  mit  secundären  Drüsenschwel- 
lungen ,  Abscedirungen  der  letztern  ,  wie  auch  mit  Abscessbildung  am 
Processus  mastoideus  verbunden  vorkommt.  Genau  genommen  ist  diese 
Otitis  vielmehr  eine  Folge  desselben  Catarrhs  der  obern  Luftwege,  der 
zur  Catarrhalpneumonie  Veranlassung  gab,  aber  sie  findet  sich  eben 
häufig  neben  unserer  Krankheit  und  reducirt  die  Patienten  in  hohem 
Grade,  verzögert  die  Reconvalescenz.  Einmal  sahen  wir  nach  einer 
solchen  Masern-Otitis  mit  Necrose  des  Knochens  Lähmung  der  Facialis, 
die  wieder  zurückgieng;  häufiger  bleibt  die  so  entstandene  Paralyse. 


Oscar  Wyss,  Catarrlialpneumonie.     Complicationen.  769 

Bei  einem  3jährigen  Knaben,  der  3  Wochen  vorher  Masern  überstanden 
hatte  und  der  wegen  chronischer  Pneumonie  in  Behandlung  trat,  sahen 
wir  eine  mehrstündige  Rhinorhagie,  die  zu  stillen  zwar  gelang,  auf  die 
aber  doch  nach  einigen  Stunden  der  Tod  eintrat.  Wir  fanden  bei  der 
Section  auch  innerliche  Blutungen:  besonders  in  ödematöse  pleuritische 
Verwachsungen  der  rechten  lobulär  pneumonisch  infiltrirten  Lunge ;  die 
Bronchien  blutf'rei. 

Wir  haben  ferner  bei  der  Obduction  eines  6  Monate  alten  sehr  stark 
rhachitischen  Mädchens ,  das  an  Pertussispneumonie  starb ,  7  offenbar 
ungleich  alte  Rippenfracturen  gefunden  ,  die  hinlänglich  die  excessive 
Empfindlichkeit  dieser  Patientin  gegen  Bei'ührungen  des  Thorax  er- 
klärten. Wir  haben  seither  auch  bei  einem  Fall  von  Bronchitis  diffusa 
eines  sehr  stark  rhachitischen  Knaben ,  bei  der  ebenfalls  sehr  grosse 
EDipfindlichkeit  des  Thorax  gegen  Berührung  vorhanden  war,  aus  den 
entsprechenden  Callus-Verdickungen  der  Rippen  an  winklig  gebogenen 
Stellen  in  Heilung  begriffene  Rippenfracturen  diagnosticirt.  Bei  er- 
sterem  Pat.  war  sicher  jede  andere  traumatische  Veranlassung  für  die 
Fracturen  ausser  den  Hustenparoxysmen  auszuschliessen  ;  dagegen  waren 
diese  letztern  ausserordentlich  häufig  und  heftig. 

Prognose. 

Die  Prognose  ist  im  Ganzen  und  Grossen  eine  sehr  ernste,  die  Mor- 
tahtät  eine  hohe.  Zwar  scheint  unzweifelhaft  die  Mortalität  von  neuern 
Beobachtern  geringer  angegeben  als  die  älterer;  und  es  lässt  sich  ziem- 
lich genau  sagen  woher ;  einmal  verläuft  die  Krankheit  zu  gewissen  Zeiten 
schlimmer  als  zu  andern ,  ferner  wird  seit  Einführung  der  Thermometrie 
häufig  die  Diagnose  auf  Catarrhalpneumonie  gestellt,  wo  sie  früher  nur 
auf  Bronchitis  gestellt  wurde ;  und  endlich  hat  unzweifelhaft  die  Um- 
wälzung in  der  Therapie  einen  wohlthätigen  Einfluss  gehabt.  Zu  letz- 
terer Annahme  wird  man  imwillkürlicli  durch  die  traurigen  Zahlen  aus 
den  30er  Jahren  aus  Paris ,  als  die  Therapie  in  Venäsection  und  Stiru- 
dines,  Tartarus  emeticus  etc.  bestand,  gedrängt.  Die  Sterblichkeit 
schwankt  zwischen  ^3  und  ^/s  der  Erkrankten ,  wenn  wir  absehen  von 
Trousseau  und  Valleix. 

Es  starben  an  Catarrhalpneumonie : 

Zahl  der  Er- 
krankten. 

.    nach  Valleis     ...  128 

»  Trousseau      .     .  22 

»  Bouchut    ...  55 

>  Bartels  ...  67 
i>  Ziemssen  .  j ,^  .jj,^^  98 
»  Barrier     .".'.'  61 

>  Steffen      ."■.'.  66 
»  Stiebel      ...  16  » 
»  PfeUsticker  .     .  32                      9 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  4» 


im-ßnsii 

Zahl  der 
Todesfalle. 

■i'l 

Bemerkungen. 

127 

(iO 

22 

Morbillenpneumon.^, ,_ 

33 

29 

Morbülenpneumon. 

36 

,  -Aiiiii-f 

48 

I 

35 

.    IJ.,. 

770  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Das  Alter  der  Erkrankten  ist  von  sehr  hoher  Bedeutung.  Je  jünger 
das  Kind ,  desto  geringer  die  Aussicht ,  die  Krankheit  zu  überstehen. 
Einzelne  Autoren,  z.  ß.  Bartels  sahen  alle  innerhalb  des  1.  Lebens- 
jahres an  catarrhalischer  Masernpueumonie  Erkrankten  sterben.  Ziems- 
s  e  n  verlor  nur  die  H  ä  1  f  t  e ;  wie  bei  S  t  e  ff  e  n  sieb  das  Verhältniss  ge- 
staltete, ist  leider  nicht  zu  ersehen,  da  auf  p.  343  mehr  als  im  Alter  bis 
zum  1.  Jahr  Verstorben  angegeben  werden  (19),  als  sich  Kranke  im 
1.  Jahr  in  Behandlung  befanden  laut  pag.  2.53  nämlich  16,  ein  offen- 
barer Irrthum.  Unzweifelhaft  geht  jedoch  aus  St  effen 's  Tabelle  die 
grössere  Mortalität  im  frühen  Kindesalter  hervor. 

Erkrankten  im     1.  Jalir  14*)  (?)   gestorben  19 
»  X.     2.       »     17*)  »  7 

»  »     3.       »     17*)  »  5 

»  »     4.       »       7  *)  »  2 

»  >     5.       »       5  »  1 

»  »     6.       »       1  »1 

»  »     7.       »       1*)  »  0 

»  »     8.       »       3  »  0 

>  »     9.       »       0  »0 

»  »  10.       »       1  »0. 

Von  sehr  grosser  Bedeutung  ist  ferner  die  Primärkrankheit  für  den 

Verlauf  und  Ausgang.    Von  Z  i  e  m  s  s  e  n  und  Steffen  liegen  folgende 

Zahlen  vor : 

Es  sind  nach  Ziemssen    nach  Steffen 

gestorben  an  Masernpneumonie  .....  11  5 

genesen  an                  »                       32  1 

gestorben  an  Pneumonie  nach  Bronchitis   ...  14  14 

genesen  an               »             »  »          .          .  18  41 

gestorben  an  Pertussispneumonie 12  8 

genesen  an             »             »               11  2 

Unsere  Erfahrungen  reihen  sich  mehr  denjenigen  Ziemssen's 
an ;  wir  müssen  die  Keucbhustenpneumonie  als  die ,  welche  die  schlech- 
teste Prognose  gibt ,  bezeichnen ;  und  ganz  besonders  gilt  von  dieser, 
dass  die  Prognose  mit  jedem  Semester,  um  das  das  Kind  jünger  ist,  umso 
schlechter  wird.  Auch  uns  gab  die  Masernpneumonie  nicht  so  schlechte 
Prognose  wie  Steffen,  dem  übrigens  darüber  zu  kleine  Zahlen  vorlagen. 

Dass  Variolapneumonie  bei  Kindern  ganz  schlechte  Prognose  bietet, 
muss  auch  ich  nach  den  sehr  wenigen  eigenen  Erfahrungen  darüber  be- 
stätigen. Die  Pneumonie  bei  Diphtheritischen  ist  wohl  keine  angenehme 
Complication,  aber  wir  glauben,  dass  in  vielen  Fällen  weniger  die  Pneu- 
monie als  vielmehr  die  diphtheritische  Allgemeininfection  oder  der 
Bronchialcroup  das  tödtliche  Ende  herbeiführt.  Wir  sahen  eine  grös- 
sere Anzahl  tracheotomirter  Diphtheritiskinder  trotz  der  hinzugekom- 
menen Pneumonie  genesen. 

Die  Körperbeschaffenheit  und  Constitution  ist  von  nicht  geringer 

*)  Diese  Zahlen  sind  nach  den  von  Steffen  pag.  842  erwähnten  aus- 
geschlossenen Fällen  reducirt. 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.     Diagnose.  771 

Bedeutung.  Wenn  Jürgen  sen  den  Gegensatz  zwischen  fetten  und 
kräftigen  Kindern  als  von  hoher  Bedeutung  hervorhebt,  können  wir  ihm 
nur  beistimmen ;  gar  oft  sind  schlecht  genährte  Kinder  zäher  als  fette, 
aber  anämische  von  schlaffer  Constitution.  Acuten  wie  chronischen 
Processen  erliegen  letztere  viel  früher.  Tuberculose,  Scrophulose,  here- 
ditäre Syphilis ,  Anämie  der  Eltern  resp.  der  Familie  trüben  iu  hohem 
Grade  die  Aussicht,  weit  mehr  als  Pflege,  hygienische  Verhältnisse,  die 
indess  auch  wesentlich  in  die  Wagschale  fallen.  Rhachitis  trübt  die 
Prognose  sowohl  wegen  der  Beschaffenheit  des  Thorax ,  die  zu  Atelec- 
tasenbildung  und  weiterer  Ausbreitung  des  Processes  disponirt ,  wie 
auch  wegen  der  Hartnäckigkeit ,  mit  der  bei  rhachitischen  Kindern  der 
Catarrh  persistirt. 

Der  Ansicht  .J  ü  r  g  e  n  s  e  n's,  dass  die  grössere  Acuität  eo  ipso  auch 
grössere  Gefahren  mit  sich  bringe,  können  wir  uns  nicht  unbedingt  an- 
schliesseu;  denn  die  acutesten  Lobulärpneumonien,  die  nach  Masern, 
bieten  unendlich  viel  bessere  Prognose,  als  die  latenten  und  lentesciren- 
den  Keuchhustenpneumonieu.  Momentan  bringt  wohl  der  sehr  acute  Be- 
ginn Gefahren  mit  sich ;  aber  die  Zahl  der  in  den  ersten  Tagen  sterben- 
den ist  viel  unbedeutender,  als  die  der  nach  Wochen  zu  Grunde  gehenden. 

Je  ausgebreiteter  d.  h.  an  je  zahlreichern  Stellen  die  Pneumonie 
localisirt  ist ,  desto  gefährlicher  ist  die  Erkrankung.  Grössere  lobäre 
Infiltrationen,  so  lange  sie  nicht  auf  beide  Lungen  ausgedehnt  sind,  sind 
weniger  gefährlich. 

Hand  in  Hand  mit  starker  Ausbreitung  des  Processes ,  zahlreichen 
Infiltraten  geht  gewöhnlich  sehr  hohes  und  sehr  lange  andauerndes 
Fieber,  das  einerseits  fortwährendes  Fortschreiten  des  Processes  an- 
deutet, desshalb  ein  bedenkliches  Zeichen  ist,  andererseits  die  Kräfte 
consumirt ,  vielleicht  die  Constitution  so  schädigt ,  dass  in  der  Folge 
leichter  Verkäsung  des  Exsudates  eintritt. 

Ungünstig  ist  ferner :  Plötzliches  Sinken  der  Temperatur  mit  hoher 
Pulsfrequenz  und  Verfall  der  Kräfte  (was  z.  B.  bei  sich  entwickelnder 
Lungengangrän  vorkommt).  Unregelmässigwerden  des  Pulses,  lang- 
same Respiration  l^ei  hohem  Puls,  Aussetzen  des  Athmens,  Cheyne- 
Stokes'sche  Respiration  wie  andere  Gehirnerscheinungen;  namentlich 
ecclamptische  Anfälle  im  Verlauf  der  Pneumonie  ;  Delirien,  die  im  Ver- 
lauf sich  einstellen ;  Sopor,  Apathie,  Verschwinden  des  Hustens  bei  fre- 
quenter  oberflächlicher  Respiration  und  Schwinden  des  Pulses. 

Diagnose. 

Die  Diagnose  der  Catarrhalpneumonie  gründet  sich  auf  den  Nach- 
weis einer  vorausgegangenen  ursächlichen  Bronchialaffection,  das  erheb- 

49* 


772  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

liehe  Missverhältniss  zwischen  Puls  und  Respiration ,  die  beträchtUche 
Dyspnoe ,  das  Fieber ,  den  Nachweis  einer  Infiltration  des  Lungenge- 
webes an  einer  oder  mehreren  umschriebenen  Stellen ,  dem  überwiegend 
häufigen  Auftreten  der  Infiltration  in  den  hintern  mitern  Lungeuab- 
schnitten ,  den  protrahirten  Verlauf ,  das  lytische  Sinken  der  Körper- 
temperatur beim  Uebergaug  in  Genesung. 

Die  Diagnose  gegenüber  der  Bronchitis  capillaris  gründet 
sich  —  wenn  die  physikalische  Untersuchung  keine  Anhaltspuncte  für 
die  Diagnose  einer  Infiltration  gibt  —  auf  das  Verhalten  der  Tempe- 
ratur des  Körpers.  Weder  eine  einmalige  Temperatursteigerung  auf 
39  noch  auf  40  beweist  im  gesetzten  Fall  die  Entwicklung  der  Pneu- 
monie ;  wohl  aber  ist  der  weitere  Verlauf,  das  Andauern  des  fieberhaften 
Zustandes  von  Bedeutung.  Wenn  die  Temperatur  über  mehr  als  24 
oder  gar  mehr  als  48  Stunden  sich  zwischen  39  und  40"  oder  darüber 
erhält,  und  andere  Ursachen  für  die  Temperatursteigerung  wie  ein 
acutes  Exanthem,  Angina,  Otitis  media  etc.  ausgeschlossen  werden 
können ,  so  spricht  dies  für  Pneumonie  und  gegen  blosse  Bronchitis. 

Diagnose  gegenüber  der  Atelectase.  Atelectase  kann  Dämpfung 
des  Percussionsschalls,  Tympanie  desselben,  aufgehobenes  abgeschwäch- 
tes sowie  bronchiales  Athnien  bedingen  ;  auch  Knistern  durch  Eindringen 
der  Luft  bei  tiefer  Inspiration  in  collabirte  Partien.  Kleine  Atelectasen 
sind  direct  nicht  diagnosticirbar,  indirect  nur  aus  den  übrigen  Verhält- 
nissen wie  aus  schwacher  oberflächlicher  Respiration,  kleinem  Puls,  Cya- 
nose  u.  dgl.  Sie  bedingen  kein  Fieber  ;  doch  kann  welches  vorhanden  sein, 
entweder  dem  Primärprocess  oder  einer  begleitenden  Affection  zugehö- 
rend. Bei  sehr  grossen  Atelectasen  kann  unter  sonst  günstigen  Verhält- 
nissen (ruhigem  Verhalten  des  Pat.)  zur  Diagnose  verwerthet  werden :  der 
Nachweis  des  geringern  Umfangs  der  einen  Thoraxhälfte  gegenüber  der 
andern  ;  vielleicht  auch  die  verminderte  Beweglichkeit  dieser  Brustseite, 
der  etwas  höhere  Zwerchfellstand  auf  der  betroffenen  Seite.  Mit  eines 
der  wichtigsten  aller  Symptome  ist  das  plötzliche  Verschwinden  aller 
dieser  Symptome  durch  Wiedereintritt  der  Luft  in  die  collabirten  Theile, 
das  Aufgehobenwerdeu  der  Atelectase  durch  tiefe  Inspirationsbewe- 
gungen ,  die  bald  durch  forcirte  tiefe  Inspiration ,  bald  durch  kräftigen 
Husten,  bald  durch  den  Brechact  bedingt  werden. 

Die  Diagnose  von  croupöser  (acuter)  Pneumonie  gründet 
sich  auf  die  Art  des  Beginnes,  der  bei  der  croupösen  momentan  ist;  den 
continuirlichen  Fieberverlauf  mit  kritischem  Ende  bei  Pneumonia  crou- 
posa,  die  raschere  Entwicklung  und  bedeutendere  Ausdehnung,  das  Fehlen 
der  catarrhalischen  Symptome  Seitens  der  Bronchien  schon  im  Beginn. 

Für  die  Diagnose  von  Pleuritis,  gegenüber  der  Catarrhalpneuraonie 


Oscar  Wys3,  Catarrhalpneumonie.    Prophylaxis.  773 

sind  auch  für  kleinere  abgesackte  Heerde,  Form  und  Bewegung  des 
Thorax,  genaue  Mensuration ,  ob  Dilatation  der  Thoraxseite,  oben  viel- 
leicht Retraction  (wenn  vorher  schon  ein  Theil  des  Exsudates  resorbirt 
worden),  Verdrängungen  der  Brustorgane  oder  einer  Hälfte  des  Zwerch- 
fells, vorhanden,  die  leitenden  Momente. 

Diagnose  von  T  u  Ij  e  r  k  u  1  o  s  e.  Wenn  die  Pneumonie  auf  Masern  oder 
acute  Bronchitis  folgt ,  während  Keuchhusten  sich  einstellte  und  keine 
fieberhafte  Krankheit  der  Respirationsorgane  in  früherer  Zeit  durch- 
gemacht worden  ist,  keine  Residuen  einer  chronischen  Entzündung, 
keine  Lymphdrüsenschwellung,  keine  Scrophulose  vorliegt ,  ist  die  An- 
wesenheit von  Tuberculose  schon  anamnestisch  nicht  wahrscheinlich. 
Wie  früher  erwähnt,  ist  jedoch  bei  der  chronischen  Catarrhalpneumonie 
das  Hinzutreten  von  Miliartuberculose  ebenso  häufig  und  eben  so  schwer 
zu  erkennen,  wie  die  Tuberculose  ohne  Pneumonie,  vgl.  übrigens  hier- 
über bei  der  Diagnose  der  Phthisis. 

Prophylaxis. 

Die  Lehre  von  der  Verhütung  der  catarrhalischen  Pneumonie  zer- 
fällt in  zwei  Theile.  Sie  betrifft:  1)  die  Verhütung  des  Catarrhs  und 
2)  wenn  eine  Bronchitis  vorliegt ,  die  Verhütung  der  Ausbreitung  der 
Entzündung  auf  die  Alveolen. 

Die  Verhütung  der  Bronchitis ,  die  hier  in  Betracht  kommt ,  liegt 
zum  Theil  in  der  Prophylaxis  grösserer  Infections-  und  constitutioneller 
Krankheiten.  Unser  Augenmerk  muss  in  erster  Linie  darauf  gerichtet 
sein,  Keuchhusten  ,  Masern ,  Diphtheritis  bei  Kindern  unter  2  Jahren, 
ganz  besonders  bei  Kindern  miter  einem  Jahre  zu  verhüten.  Dass  das 
dringend  nöthig  ist ,  lehrt  ein  Blick  auf  die  pag.  770  mitgetheilte  Ta- 
belle, sowie  auf  die  eigene  Erfahrung  jedes  Arztes  ;  dass  es  sehr  häufig 
möglich  ist,  ist  unbestreitbar.  Sofortige  vollständigste  Separation  sol- 
cher Kinder  von  an  der  gen.  Lifectionskrankheit  erkrankten  Geschwi- 
stern, so  dass  absolut  kein,  weder  directer  noch  indirecter  Verkehr  zwi- 
schen gesunden  und  kranken  besteht ,  möchten  wir  als  vielfach  erfüll- 
bare Aufgabe  hinstellen ;  und  diese  Separation  hat  so  lange  zu  bestehen, 
als  irgend  eine  Möglichkeit  der  Ansteckung  vorhanden  ist.  Leider  ist 
zur  Zeit  an  eine  Ausrottung  der  epidemischen  Kinderkrankheiten  aus 
den  Schulen  noch  nicht  zu  denken.  Aeltere  Kinder,  die  durch  Rhachitis, 
Scrophulose  oder  irgend  ein  anderes  acutes  oder  chronisches  Leiden  sehr 
geschwächt  sind  und  die  durch  Erkrankung  an  Bronchopneumonie  vor- 
aussichtlich schwer  bedroht  würden ,  sind  natürlich  Jüngern  Kindern 
gleich  zu  stellen.  Ferner  muss  die  Rhachitis  für  sich  wohl  berücksich- 
tigt, und  sowie  sich  Symptome  derselben  einstellen ,  in  Behandlung  ge- 


774  Krankheiten  der  Athmnngsorgane.     L\inge. 

nommen  und  geheilt  werden  ;  denn  nicht  blos  sind  rhachitische  Kinder 
viel  mehr  durch  die  Catarrhalpneumonie  gefährdet ,  sondern  auch  weit 
mehr  als  andere  dafür  disponirt. 

Im  fernem  muss  gegen  die  Disposition  für  catarrhalische  Erkran- 
kungen überhaupt  angekämpft  werden.  Damit  kann  mau  nicht  früh 
genug  beginnen ;  und  zwar  unserer  Ansicht  nach  am  einfachsten  und 
sichersten  dadurch  ,  dass  man  so  zeitig  als  möglich  die  Kinder  an  den 
Aufenthalt  im  Freien  gewöhnt;  dass  man  nicht,  nachdem  sie  Mo- 
nate lang  constant  in  der  Stube  eingepfercht  waren ,  sie  beim  ersten 
sonnigen  Merztag  einen  Spaziergang  machen  lässt,  bei  dem  sie  sich  dann 
allerdings  sehr  oft  einen  Schnupfen  holen ,  um  dessetwillen  ein  neuer 
'/jjähriger  Zimmerarrest  folgt ,  bis  es  draussen  »ganz  schön  warm«  ge- 
worden ist.  Täglich  muss  das  kleine  Kind  ins  Freie  getragen  werden, 
täglich  muss  es,  wenn  älter  geworden,  spazieren  gehen ,  und  zwar  nicht 
für  eine  halbe  Stunde  ,  sondern  für  mehrere  Stunden  ;  je  länger  desto 
besser.  In  der  günstigem  Jahreszeit  sei  seine  Heimat  nicht  die  Stube, 
sondern  der  Garten,  der  Hof,  eventuell  die  Gasse.  Die  Kinder  der  Klein- 
bauern ,  deren  Mutter  nicht  Zeit  hatte  zu  Haus  zu  bleiben ,  um  sie  zu 
pflegen,  sondern  sie  schon  in  den  Windeln  mit  auf  den  Acker  trug,  wo 
sie  vom  Morgen  bis  Abends  blieben ,  sind  viel  gesunder  und  kräftiger 
geblieben ,  als  die  der  reichen  Bäuerin  ,  die  immer  zu  Hause  blieb  oder 
Leute  genug  hatte,  um  ihre  Kleinen  vor  jedem  kalten  Lüftchen  zu 
schützen ;  sie  sind  gesünder  auch  als  die  Stadtkinder  ,  denen  zu  Hause 
nichts  abgieng :  die  aber  doch  fast  immer  husten  und  mit  Catarrhen  be- 
haftet sind.  Noch  so  energische  Ventilation  der  Wohnräume  ersetzt 
nicht  die  Luft  im  Freien ;  indess ,  muss  man  von  zwei  Uebeln  wählen, 
so  wird  man  doch  nach  dem  kleineren  greifen. 

In  zweite  Linie  erst  können  wir  die  jetzt  so  beliebte  Abhärtungs- 
methode der  Haut  mit  Wasser  in  gesunden  Tasen  der  Kinder  setzen. 
Dass  in  der  frühesten  Kindheit  das  regelmässige,  allmählig  kühler  ge- 
gebene Bad,  dass  kalte  Abwaschungen  des  ganzen  Körpers,  einmal  Mor- 
gens ausgeführt ,  dass  kalte  Begiessungen  mit  nachfolgender  energi- 
scher trockner  Abreibung  des  Körpers  die  Thätigkeit  der  Haut,  dieGe- 
fässthätigkeit  des  ganzen  Körpers  mächtig  anregen  und  nützlich  seien, 
wer  wollte  das  läugnen?  Aber  dass  dadurch  allein  Kinder  schwächli- 
cher oder  auch  kräftiger  Eltern  vor  immer  und  immer  recidivirenden 
Catarrhen  gefeit  seien ,  das  können  wir  nimmermehr  zugeben.  Wir 
haben  in  unserer  Praxis  eine  Reihe  Familien,  in  denen  diese  Proceduren 
gewissenhaft  Jahre  lang  ausgeführt  wurden  und  von  einzelnen  müssen 
wir  sagen  :  Sie  haben  nicht  so  viel  genützt,  als  man  zu  erwarten  berech- 
tigt war ;  wohl  aber  haben  die  Catarrhe  aufgehört,  als  die  Hydrothera- 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.    Therapie.  775 

pie  der  Gesunden  aufhörte.  Wir  meinen  also:  man  wähle  sich  die  Fälle 
sorgfältig  aus  ,  die  man  auf  diese  Weise  abhärten  will ,  überwache  sie 
wohl  und  setze  die  Methode  der  Abhärtung  durch  Hydrotherapie  nicht 
ä  tout  prix  durch. 

Dass  man  bei  Masern-  und  Keuchhustenkranken  etc.  die  Entwick- 
lung der  Pneumonie  durch  schlechte  Ventilation  der  Zimmer  ,  unreine, 
namentlich  mit  Krankheitsproducten  erfüllte ,  stagnirende  Luft  begün- 
stige, ist  nach  unserer  üeberzeugung  vollkommen  richtig.  Besser  die 
Kranken  in  kalter  Luft  liegen  lassen,  als  in  schlechter,  verdorbener 
warmer ;  besser  Luftzug  als  Miasmen ,  Zersetzungsproducte  organischer 
Stoffe,  Kohlensäure.  Wie  schlecht  die  Luft  in  unsern  Wohn-  und 
Schlafräumen  ,  imsern  Häusern  überhaupt  ist ,  erfahren  wir  erst  durch 
die  —  zur  Zeit  ja  so  einfache  —  Untersuchung  auf  ihren  Kohlensäuren- 
gehalt. (Vgl.  Lunge,  G.,  zur  Fi-age  der  Ventilation  mit  Beschreibung 
des  minimetrischen  Apparates  zur  Bestimmung  der  Luftverunreinigung, 
Zürich  1877  ,  in  dem  Verfasser  ein  Verfahren  der  Kohlensäurebestim- 
mung beschreibt,  das  so  einfach,  so  rasch  ausgeführt  werden  kann,  dass 
»der  minimetrisehe  Apparat»  in  jedes  Arztes  Händen  sein  sollte.) 

Therapie. 

Da  bei  der  Catarrhalpneumonie  die  Bronchitis  das  während  des 
Vorhandenseins  der  erstem  immer  noch  fortbestehende  und  neue  Heerd- 
erkrankungen  veranlassende  Moment  ist,  so  bildet  die  Therapie  der 
Bronchitis  immer  einen  ebenso  wesentlichen  Bestandtheil  der  Behand- 
lung, wie  deren  Folgezustände,  die  Atelectase  und  die  Pneumonie.  Der 
Tod  erfolgt  in  den  acut  und  snbacut  verlaufenden  Fällen  unter  den 
Symptomen  der  Kohlensäureintoxication,  ist  also  durch  die  sehr  bedeu- 
tende Beeinträchtigung  der  Function  der  Lunge  herbeigeführt.  Ob 
nun  im  concreten  Falle  der  Verengerung  der  Bronchien  in  Folge  der 
beträchtlichen  Schleimhautschwellung  und  Secretanhäufung  oder  der 
Infiltration  des  Lungenparenchyms  oder  den  gleichzeitig  vorhandenen 
Collaps  des  Lungengewebes  oder  der  secundären  Erschlaffung  des  Herz- 
muskels der  Hauptautheil  an  dem  Exitus  lethalis  zuzuschreiben  sei, 
scheint  uns  oft  sehr  schwierig  zu  entscheiden  zu  sein  ;  doch  in  einer 
Zahl  von  Fällen  möglich ,  namentlich  bei  Vergleichung  des  Verlaufes 
mit  dem  Obductionsbefund.  Dass  das  Fieber  einen  ferneren  bedeutungs- 
vollen Factor  darstellt,  der  namentlich  auf  die  Function  des  Herzens 
und  der  Respirationsmuskeln  influirt ,  wird  Niemand  läugnen  wollen. 
Es  werden  sich  demnach  bei  den  acuten  Pneumonien  unsere  therapeu- 
tischen Maasnahmen  rubriciren  lassen  in : 

1)  Behandlung  der  Bronchitis, 


Y'j'g  Krankheiten  der  Atkmungsorgane.    Lunge. 

2)  Bekämpfung  der  örtlichen  Entzündung, 

3)  Bekämpfung  des  Fiebers 

4)  Erhaltung  der  Kräfte. 

Die  Behandlung  der  Bronchitis  acuta  oder  der  exacerbirenden  Bron- 
chitis chronica,  die  zur  Pneumonie  zu  führen  droht  oder  schon  dazu  ge- 
führt hat,  besteht  in  Folgendem  :  1)  Aufenthalt  in  einem  möglichst  ge- 
räumigen ,  hellen ,  leicht  ventilirbaren  —  wo  möglich  nicht  blos  mit 
einem  Fenster  versehenen  Zimmer ;  am  besten  einem  solchen ,  das  auf 
2  Seitenwänden  Fenster  hat,  also  die  gründlichste  Ventilation  gestattet. 
So  sehen  allerdings  meist  die  Räumlichkeiten ,  in  die  wir  —  auch  in 
sog.  guteu  Familien  — ^  zum  Patienten  geführt  werden,  nicht  aus;  es 
ist  gewöhnlich  ein  »warmes  Zimmerchen«  neben  der  Küche,  das  in  den 
Hof  hinaus  sieht,  das  zwar  mitunter  etwas  feucht  ist  und  nach  Küchen- 
dampf  riecht,  wo  die  Pflegerin  des  Kleinen  mit  dem  letztern  ihren  Auf- 
enthalt ungestört  und  ruhig  hat.  In  solchen  Fällen  ist  unsere  erste 
That  die  Inspection  der  ganzen  Wohnung,  das  Resultat  das  Ausräumen 
der  Tische  etc.  im  Salon ,  der  ja  regelmässig  sonnig,  hell,  geräumig 
ist  und  eventuell  nur  geheizt  sein  muss  ,  um  die  geeigneten  Erforder- 
nisse für  unsern  Patienten  zu  bieten  —  und  da  hinein  lassen  wir  den 
Kleinen  bringen.  Dieses  Vorgehen  hat  den  Erfolg  gehabt,  dass  in  den 
aufgeklärten  Familien  unserer  Praxis  längst  schon  das  vom  Baumeister 
zum  Salon  bestimmte  grösste  sonnigste  Zimmer  der  Wohnung  als  Schlaf- 
zimmer eingeräumt  wurde  —  und  nicht  zum  Nachtheil  meiner  Clien- 
ten  !  Ob  das  Krankenzimmer  gross  sei  oder  klein,  zweckmässig  ist's  im- 
mere  in  Fenster,  selbstverständlich  in  möglichster  Entfernung  vom  Kran- 
ken beständig  offen  zu  lassen  ;  in  kühlerer  Jahreszeit  werde  sowohl  behufs 
Ventilation  als  auch  Erwärmung  im  Ofen  öfters  Feuer  gemacht,  und  die 
Temperatur  einerseits  durch  Oeffnen  der  Fenster  in  regelmässigen  Zwi- 
schenräumen ,  andererseits  Unterhaltung  des  Feuers  im  Ofen  regulirt 
und  die  Temperatur  durch  ein  in  der  Mitte  des  Zimmers  oder  in  der 
Nähe  des  Bettes  des  Patienten  frei,  nicht  an  einer  Wand  aufgehängtes 
Thermometer  controlirt  und  auf  12 — 14  "  R.  erhalten.  Meistens,  und 
zwar  ganz  besonders  bei  erschwerter  Expectoration  ,  ist  es  nöthig ,  die 
Luft  im  Zimmer  feucht  zu  erhalten ,  was  durch  Hinstellen  mehrerer 
flacher  mit  Wasser  gefüllter  Teller,  von  denen,  falls  Feuer  im  Ofen  ge- 
macht wird  ,  einige  auf  letzterem  placirt  sind,  geschieht.  Genügt  das 
nicht,  so  lassen  wir  in  die  Nähe  des  Bettchens,  zu  beiden  Seiten  und 
oben  grosse  Gefässe  mit  kochendem  Wasser  hinstellen  und  letzteres  er- 
neuern ;  die  Imprägnirung  der  Luft  durch  im  Kochen  erhaltenes  Wasser 
(Placiren  des  kochenden  Theekessels  neben  dem  Bettchen  des  Patienten) 
ist,  wenn  stärkere  Dyspnoe  in  Folge  reichlichen  zähen  Secretes  vorhan- 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumonie.   Therapie.  777 

den  ist ,  zweckmässig ;  hat  aber  die  nnangenehme  Nebenwirkung  der 
Luttverderbniss  durch  das  Kochfeuer.  Unter  Umständen  empfiehlt  sich 
das  »  Dampfzelt  «  J  ü  r  g  e  n  s  e  n  s.  Man  sieht  nach  solchen  Inhala- 
tionen feuchter  Luft  gewöhnlich  die  Expectoration  erleichtert,  die  Re- 
spiration in  der  Folge  besser.  Bei  grössern  Kindern  nützen  unter  ähn- 
lichen Umständen  Inhalationen  mit  dem  Zerstäubungsapparat,  sie  sind 
aber,  wenn  heftiges  Fieber,  pleuritische  Schmerzen,  häufiger  Husten  be- 
steht, bald  so  unbeliebt,  dass  man  davon  zurückkommt.  Wir  können  in 
solchen  Fällen  empfehlen,  doch  den  Inhalationsapparat  anzuwenden ,  so 
zwar,  dass  der  Dampfstrom  einfach  gegen  Mund  und  Nase  der  Patienten 
hingerichtet  wird.  Wenn  so  auch  nur  wenig  Dampf  durch  die  Nase 
oder  den  zufällig  offenen  Mund  hineingelangt,  so  wird  die  Respirations- 
luft dadurch  doch  sehr  feucht  erhalten  und  es  kann  dieses  Verfahren 
auch  bei  kleinen  Kindern ,  die  noch  nicht  im  Stande  sind ,  lege  artis  zu 
inhaliren,  angewendet  werden.  Dass  sie  vortrefflich  wirken  ,  sehen  wir 
im  Kinderspital  fast  alltäglich :  hier  lassen  wir  die  tracheotomirten 
Kinder  consequent  durch  die  Canüle  regelmässige  Inhalationen  selbst 
im  Schlaf  machen ,  die  Kinder  bleiben  liegen  und  es  wird  der  Zerstäu- 
bungskegel so  auf  die  Oeffnung  der  Canüle  gerichtet ,  dass  der  Dampf 
inspirirt  wird.  Gleichzeitig  ist  das  Zimmer  mit  Wasserdampf  erfüllt, 
der  im  Winter  der  Dampflieizung  entnommen  wird.  Weil,  wenn  eine 
Pneumonie  vorhanden  ist ,  Inhalationen  zerstäubter  Medicamente  ihre 
Schwierigkeiten  haben ,  lassen  wir  die  sonst  bei  Bronchitis  von  uns  an- 
gewendeten Inhalationen  mit  Kalichloricum  2°/o,  Natr.  chloratum  1  "/o, 
Natr.  phosphoricum  5''/o  und  Natr.  bicarbonic.  1  bis  2''/o  selten  machen. 
Innerlich  lassen  wir  gewöhnlich  im  Beginn  ein  Infus,  ipecacuanhae 
aus  0,1  (bei  Kindern  von  1  Jahr)  bis  0,3  (bei  Kindern  von  5  Jahren)  auf 
100  Grammes  mit  Syr.  Sach.  20,0  2stündlich  1  Kinderlöffel  voll  neh- 
men. Nach  einigen  Tagen,  3—4  Tagen,  lassen  wir  je  nach  Umständen 
die  Ipecacuanha  ganz  weg,  oder  repetiren  mit  Zusatz  von  1 — 2  Gramms 
Liq.  Kali  carbonic.  oder  geben  diesen  allein  in  versüsstem  Wasser  ;  oder 
statt  dessen  eine  Lösung  von  Natr.  bicarbonic.  0,5  bis  1,0  auf  100.  Spä- 
terhin besteht  unsere  innere  Medication  aus  Liq.  ammon.  anisat.  1,0  auf 
100,  oder  bei  stärkerer  Schleimansammlung  in  den  Bronchien ,  bei  ir- 
gendwelchen Andeutungen  und  zunehmender  Schwäche :  Ammonium 
carbonicum  1,0  auf  100  2stündlich  bis  stündlich  einen  Kinderlöffel.  Ist 
die  Expectoration  trotz  den  voraufgegangenen  Bemühungen  eine  müh- 
same oder  erfolglose,  lassen  wir,  namentlich  bei  Kindern  über  1  Jahr  gerne 
Senegadecoct.  mit  Liq.  amm.  anisat.  oder  Ammon.  carbon.  gebrauchen, 
ersteres  bei  Kindern  von  3—5  Jahren  zu  5,0  :  100  mit  1—2  Grammes 
Liq.  amm.  anis.  oder  1,0  Ammon.  carbonic.  stündlich  1  KinderlöfFel. 


778  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Neben  diesen  starken  reizenden  Expectorantien  lassen  wir  fast  im- 
mer  gleichzeitig  Wein  in  dem  Alter  entsprechender  Gabe,  gewöhnlich 
*/2  Theelöffel  2-  bis  Sstündlich ,  bei  besserem  Zustand  der  Kräfte  auch 
nur  dreimal  per  Tag  reichen ;  ausnahmsweise  ordinirten  wir  Acidum 
benzoicum,  oder  Campher. 

Von  Brechmitteln  machen  wir  selten  Gebrauch ,  obwohl  wir  zu- 
geben, dass  am  rechten  Orte  angewandt,  sie  gerade  bei  dieser  Krankheit 
lebensrettend  sein  können.  Im  Beginn,  zumal  wenn  derselbe  sehr  acut 
ist ,  massenhaftes  feinblasiges  und  grobblasiges  Rasseln  über  die  ganze 
Brust  verbreitet  hörbar  ist ,  heftige  Dyspnoe  bei  einem  kräftigen  Kinde 
vorliegt:  da  wirkt  ein  Emeticum  häufig  wundervoll;  keineswegs  blos 
vorübergehend,  sondern  nachhaltig.  Wir  glauben  den  günstigen  Erfolg 
in  solchen  Fällen  in  dem  Wiederaufgeblähtwerden  atelectatischer Stellen 
suchen  zu  müssen.  Ist  aber  die  pneumonische  Infiltration  bereits  sehr 
ausgedehnt ,  so  ist  es  begreiflich  ,  dass  ,  auch  wenn  ein  Theil  der  Luft- 
wege wieder  freier  wird ,  atelectatische  Stellen  beim  Brechact  in  Folge 
der  tiefen  Inspirationen  sich  mit  Luft  gefüllt  haben  und  nun  der  Ath- 
mung  wieder  zugängig  sind ,  die  Resj)irationsoberfläche  doch  reducirt 
bleibt  und  —  der  Zustand  sich  in  der  Folge  wieder  verschhmmert. 
Wir  wenden  gewöhnlich  Ipecacuanha  an ,  und  zwar  immer  in  Infus, 
(1  :  .50) ;  ausnahmsweise  mit  etwas  Brechweinstein  oder  Viuum  stibia- 
tum.  Warnen  müssen  wir  vor  der  Anwendung  des  Brechweinsteins  in 
Pulverform :  wir  sahen  nach  einem  solchen  von  einer  geübten  Spitals- 
wärterin wohl  zu  rasch  gegebenen ,  d.  h.  nicht  aufgelösten  Brechpulver 
Verschorfung  und  beginnende  Geschwürsbildung  vom  Fundus  ventriculi 
gegen  die  grosse  Curvatnr  hin  !  Von  der  subcutanen  Anwendung  des 
Apomorphin  sind  wir  —  obwohl  wir  es  bei  Kindern  wiederholt  bei 
Bronchitis  capillaris  und  catarrhalischer  Pneumonie  applicirt  haben  — 
seit  den  Mittheilungen  von  D  a  v  i  d*)  vollständig  zurückgekommen.  Wenn 
der  Brechact  völlig  vorbei  ist ,  lassen  wir  gewöhnlich  ein  leichtes  Reiz- 
mittel, gew.  Liq.  amm.  anisat.  1 :  100  Thee-  bis  Kinderlöffelweise  reichen. 

Dies  ist  unsere  gewöhnliche  Therapie  gegen  die  die  Catarrhalpneu- 
monie  begleitende  Bronchitis,  man  kann  sagen  auch  ein  Theil  der  The- 
rapie jener  selbst.  Ueber  das  neuerdings  auch  gegen  acute  Bronchitis 
empfohlene  Ol.  terbenthinae  (Inhalation;  innerlicher  Gebrauch  von 
3— 4mal  täglich  5  Tropfen  in  Milch;  Jürgensen)  haben  wir  keine 
Erfahrung ;  haben  es  aber  bei  chronischer  und  namentlich  bei  fötider 
Bronchitis  der  Kinder  mit  bestem  Erfolge  angewandt. 

Mit  Digitalis ,  Veratrin  ,  Mercurialien ,  Antimonialien,  Vesicantien 

*j  Contribution  a  l'etude  phy.siologique  du  chlorhydrate  d'apomorphiiie 
par  Charles  David.     Züricher  Diss,  1875. 


Oscar  Wyss,  Catarrhalpneumoaie.    Therapie.  779 

die  Kinder  zu  quälen  halten  wir  für  unverantwortlich ;  Blutentziehungen 
regelmässig  heutzutag  bei  der  Kinderpneumonie  anzuwenden,  für  einen 
Kuustfehler.  Sinapismen  sind  unschuldig  und  mögen  gegen  pleuri- 
tische  Schmerzen  besonders  in  Form  von  Senfpapier  mitunter  gut  sein. 

Nur  in  seltenen  Fällen,  aber  doch  ab  und  zu  machen  wir  vom  Mor- 
phium (event.  Opium)  Gebrauch  ;  dann  nämlich,  wenn  ein  lästiger  Reiz- 
husten, durch  den  nichts  expectorirt  wird ,  vorhanden  ist,  der  die  Kin- 
der Nachts  nicht  schlafen  lässt,  auch  den  Tag  über  anhält,  so  dass  Ruhe, 
Schlaf  unmöglich  ist,  trotzdem  oft  geradezu  Müdigkeit,  Verlangen  nach 
Schlaf  da  ist.  Bei  altern  Kindern  —  nie  unter  2  Jahren  —  bei  guten 
Kräften,  bei  fehlender  UeberlüUung  der  feinen  Bronchien  in  irgend  wie 
erheblicher  Ausdehnung,  namentlich  wenn  die  untern  Partien  frei  sind, 
geben  wir  Abends  ein  Minimum  0,00.3 — 0,00.5  Morphium. 

Weniger  als  alles  andere  dagegen  möchten  wir  das  kalte  Wasser 
bei  der  Catarrhalpneumonie  missen.  Auch  da  ist  apiaiov  [jir^v  Ooop! 
Bartes  hat  sich  ein  unsterbliches  Verdienst  erworben,  indem  er  zuerst 
den  deutschen  Aerzten  in  streng  wissenschaftlich  begründeter  Weise 
zeigte ,  wie  sehr  die  Therapie  der  Catarrhalpneumonie  Noth  litt  und 
nicht  minderes  Lob  kommt  seinem  Nachfolger  in  diesem  Kampfe, 
Z  i  e  m  s  s  e  n ,  zu. 

Wir  wendeten  bis  dato  immer  noch  vorzüglich  die  hydropathischen 
Einwicklungen  an,  von  denen  wir  behaupten  müssen,  dass  sie  beiden  oben 
angeführten  Indicationen  2  und  .3  vollkommen  genügen  ;  nämlich  dass  sie 
örtlich  wie  allgemein  antiphlogistisch  wirken.  Wir  lassen,  wenn  Fieber 
vorhanden  ist ,  regelmässig  2stündlich  eine  neue  Einwicklung  machen ; 
lassen  letztere  modificiren  je  nach  der  Fieberhöhe  einerseits  und  dem 
Krältezustand  andererseits.  Die  von  uns  befolgte  Methode  ist  folgende: 
Ein  6 — Sfaches  zusammengefaltetes  Tuch,  am  liebsten  nicht  zu  feine 
Leinwand  oder  derbes  Baumwollzeug  von  band-  bis  doppelthandbreite 
wird  in  kaltes  Wasser  eingetaucht,  ausgewunden,  so  dass  es  nicht  mehr 
tropft  und  dann  auf  einem  4— Stach  aber  um  zwei  bis  drei  Querfinger 
breiteren  zusammen gefaltenen  wollenen  Tuch  (Flanell,  Molton,  ein  Shawl, 
eine  kleine  Bettdecke)  ausgebreitet,  so  dass  das  trockene  wollene  Tuch 
oben  und  unten  um  je  2—3  Querfinger  über  das  nasse  vorragt.  Nun  wird 
das  Kind,  kleinere  Kinder  am  besten  ganz  entkleidet,  bei  grössern  nachdem 
das  Kleidchen ,  Hemdchen ,  Jäckchen  nach  oben  zurückgeschlagen  wor- 
den ist,  so  darauf  gelegt,  dass  das  nasse  Tuch  um  Brust  und  Bauch  um- 
geschlagen werden  kann ;  sofort  wird  das  wollene  Tuch  auch  noch  um- 
gewickelt ,  so  dass  das  letztere  das  erstere  überall  genau  bedeckt  und 
das  Ende  des  wollenen  Tuches  wird  sorgfaltig  durch  sog.  englische  Si- 
cherheitsnadeln fixirt.  Nirgends  darf  das  nasse  Tuch  unter  dem  wollenen 


ö 


780  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

vorkommeu,  es  muss  jenes  überall  vom  letztern  sorgfältig  bedeckt  sein. 
Dann  wird  das  Kleidchen  wieder  angezogen,  event.  zurückgeschlawen • 
man  überzeuge  sich ,  dass  es  nicht  nass  geworden ,  in  welchem  Fall  es 
gewechselt  werden  müsste.  In  dieser  Einwicklung  bleibt  Patient  2 
Stunden  ;  dann  wird  er  ausgewickelt ,  abgetrocknet  und  so  liegen  ge- 
lassen ,  bis  nach  '/s  bis  1  Stunde  dieselbe  Procedur  wiederholt  wird. 
Wir  lassen  diese  Einwicklungen  Tag  und  Nacht  gleichmässig  fort  ma- 
chen und  bestimmen  meist,  wie  viele  bis  zum  nächsten  Besuch  gemacht 
sein  müssen.  Wenn  die  Temperaturen  aussergewöhnlich  hohe  sind,  las- 
sen wir  die  Einwicklungen  rascher  auf  einander  folgen,  so  dass  zwischen 
je  zwei  Einwicklungen  nur  '/■*  Stunde  oder  gar  kein  Zeitraum  liegt; 
lassen  dieselben  auch  schon  nach  ]  ^2  oder  nach  je  einer  Stunde  er- 
neuern. Gewöhnlich  lassen  wir  frisches  Brunnenwasser  zum  Eintauchen 
nehmen  ;  für  schwächliche  Kinder  empfiehlt  sich  auch  stubengestandenes 
Wasser.  Hohes  Fieber  bei  kräftiger  Constitution  gestattet  auch  Eiswasser 
zu  nehmen ,  wie  wir  in  solchen  Fällen  dann  auch  ein  dickeres  grösseres 
Tuch  ,  breiter  zusammengefaltet ,  so  dass  es  von  der  Axillargegend  bis 
über  die  Mitte  der  Oberschenkel  hinabreicht ,  wählen.  Die  Arme  blei- 
ben immer  uneingewickelt.  Sind  —  was  oft  schon  nach  wenigen  Tagen 
sich  einstellt  —  die  Kräfte  etwas  reducirt ,  der  Puls  weich ,  lassen  wir 
gleich  nach  jeder  Einwicklung  ' '/^  —  1  Theelöffel  kräftigen  Wein,  am 
liebsten  Spanischen  oder  Ungarwein  mit  etwas  Wasser  gemischt  rei- 
chen. Feruer  muss  dafür  Sorge  getragen  werden,  dass  die  Extremitäten 
nicht  kühl  werden. 

Sowie  das  Fieber  erheblich  remittirt,  lassen  wir  auch  längere  Pau- 
sen zwischen  den  Einwicklungen  eintreten ,  so  dass ,  wenn  Morgens  die 
Temperatur  nur  noch  37  oder  38,0  beträgt,  nicht  mehr  gewickelt  wird ; 
wenn  .sie  auf  38,6  ansteigt ,  lassen  wir  wieder  3stündlich ,  wenn  sie  39 
erreicht  hat,  2stündlich  die  Involution  erneuern. 

lieber  den  Erfolg  der  Einwicklungen  zu  sprechen  ist  ziemlich  über- 
flüssig. Dass  sie  die  Temperatur  herabsetzen,  weist  jede  Curve  mit  hin- 
reichender Zahl  von  Messungen  nach.  Dass  sie  auf  den  örtlichen  Process 
wohlthätig  einwirken,  die  täglich  zu  machende  Beobachtung:  das  Kind 
athmet  langsamer,  ruhiger,  tiefer ;  es  hustet  seltener  als  vorher,  schläft 
ein ,  ist  ruhig  und  schläft  oft  von  einer  Einwicklung  zur  andern ,  nach- 
dem es  vorher  nicht  10  Minuten  hatte  schlafen  können.  Die  pleuritischen 
Schmerzen  lassen  nach:  kurz  der  allgemeine  Zustand  ist  entschieden  viel 
besser ;  und  auch  örtlich  muss  eine  wohlthätige  Wirkung  Statt  gefunden 
haben.  Dass  die  tiefen  Inspirationsbewegungen,  welche  Patient  macht, 
wenn  das  kalte  nasse  Tuch  umgeschlagen  wird ,  das  kräftige  Schreien, 
das  dabei  öfter  zu  Stande  kommt,  im  Stande  sind,  Schleim  aus  den  Luft- 


Oscar  Wy  SS,  Catarrhalpneunionie.    Therapie.  781 

wegen  herauszubefördern  sowie  auch  Atelectasen  zu  zerstören ,  unter- 
liegt keinem  Zweifel.  Und  da  im  Beginn  der  Krankheit  wie  auch  mehr- 
mals späterhin  die  entzündlichen  Infiltrate  in  Form  von  Atelectasen 
beginnen,  so  muss  durch  Beseitigung  jener  auch  die  Pneumonie  in  ihrer 
Ausbreitung  beschränkt  werden. 

Ist  das  Fieber  entschieden  im  Abnehmen  begriffen ,  und  steigt  es 
Abends  nur  noch  auf  38,5 ,  während  es  Morgens  normal  ist ,  kann  man 
die  Einwicklungen  weglassen.  Wir  lassen  aber  gern  Nachmittags  und 
Abends  noch  je  eine  3 — 4  Stunden  liegende  nur  um  den  Thorax  gelegte 
Einwicldung  appliciren ,  weil  es  uns  scheint ,  dass  sie ,  in  dieser  protra- 
liirten  Form  angewendet ,  die  Resorption  des  pneumonischen  Infiltrates 
befördere.  Sie  wirken  hier  also  wie  die  mancherorts  beliebten  Cataplas- 
men.  Bei  dem  sehr  wenig  fieberhaften  Verlauf  z.  B.  gewisser  Keuch- 
hustenpneumonien  beobachten  wir  ein  ganz  analoges  Verfahren. 

Jürgensen  empfiehlt  zur  Behandlung  der  catarrhalischen  Kin- 
derpneumonie  laue  Bäder  von  20 — 24°  R.  von  20 — 25  Minuten;  gleich 
nach  dem  Bade  erfolgt  eine  kalte  Begiessung ;  10 — 20  Liter  kaltes  Was- 
ser werden  rasch  in  Cmdickem  Strahl  über  den  Hinterkopf  auf  die  Ge- 
gend der  MeduUa  oblongata  gegossen ,  wc^  möglich  auf  jene  Stelle  ,  die 
vom  kalten  Wasserstrahle  getroffen  sofort  tiefe  dyspnoetische  Inspira- 
tionsbewegungen hervorruft. 

Diese  warmen  Bäder  mit  kalten  Begiessungen  haben  wir  vielfach 
angewendet,  jedocli  nur  Gebrauch  davon  gemacht,  wenn  die  Cyanose 
immer  stärker  und  stärker ,  die  Apathie  merklich  wurde  ,  Trachealras- 
seln,  oder  gar  Erscheinungen  von  Lungenödem  sich  einstellten  :  als  ein 
Mittel ,  das  das  schwindende  Bewusstsein  wiederkehren  machte ,  einen 
mächtigen  Reiz  auf  das  Centralnervensystem  ausübte.  Wir  empfehlen 
das  Verfahren  für  Fälle  letzterer  Art  unbedingt ;  als  Methode  auch  für 
leichtere  Fälle  zu  weiterer  Prüfung. 

Application  von  Eisblasen  auf  die  Brust  haben  wir  versucht ,  sind 
aber  davon  zurückgekommen ,  weil  sie  ganz  andere  Wirkung  entfalten 
als  die  Einwicklung :  wohl  örtlich  eutzündungswidrig  einwirken ,  aber 
den  obgeschilderten  wotlthätigen  Einfluss  auf  das  Allgemeinbefinden 
vermisst  man  ;  der  Widerwille  dagegen  ist  selbst  bei  grössern  Kindern 
so  gross ,  dass  wir  meist  von  ihrem  Gebrauch  abstehen  mussten. 

Chinin  und  salicylsaures  Natron  pflegen  wir  häufig  anzuwenden ; 
bei  hohem  Fieber  unterstützen  sie  Wirkung  der  Kälte.  Wir  empfehlen 
die  Darreichung  des  einen  wie  des  andern  Medicamentes  in  einmaliger 
grosser  Gabe  im  Tag,  wie  es  H  a  g  e  n  b  a  c  h  angewandt  hat  (Natr.  sali- 
cyl.  0,5—3  gramraes,  Chinin  0,3  bis  1,0  grammes). 

Auf  sorsrfältige  Ernährung  des  Kranken  ist  bei  diesem  Leiden  ein 


7g2  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

grosses  Gewicht  zu  legen.  Milch,  oder  wenn  sie  als  solche  nicht  genom- 
men wird,  mit  einer  Spur  Caffe,  Eiehelkaffe  oder  etwas  Cacao  vermischt, 
nahrhafte  Suppen  (Haler-  und  Gerstensuppe  ,  Bouillon  mit  Ei  u.  s.  w.) 
in  protrahirten  Fällen  Liebig's  kalt  bereitete  Fleischbrühe  (gehacktes 
Fleisch  mit  Wasser  und  einigen  Tropfen  Salzsäure  unter  öfterem  Um- 
schütteln 2  Stunden  stehen  gelassen,  colirt,  etwas  gesalzen  kalt  getrun- 
ken), gehacktes  rohes,  oder  gebratenes  feinzerkleinertes  Fleisch,  Wein, 
Malzextract.  Für  ganz  kleine  Kinder  sorge  man  für  eine  ihren  Verdau- 
ungswerkzeugen zusagende  Nahrung ,  Milch  oder  Milch  mit  einem  ge- 
ringen Zusatz  von  Gersten-  oder  Hafer-  oder  Linsenmehl ,  v.  Liebig's 
Kiudernahruug  (Malzextract)  oder  Liebig'sche  Kindersuppe ,  temporär 
auch  Nestle's  Mehl  oder  ein  ähnliches  zuverlässiges  Präparat :  um  die 
Kräfte  zu  halten,  die  Abmagerung  hinauszuschieben.  Des  Weines  wurde 
oben  schon  gedacht ;  mau  lasse  ihn  reichlich  und  nicht  zu  selten  darreichen. 

Man  berücksichtige  wohl  die  Complicationen.  Bei  Pleuritis  haben 
wir  bei  Kindern  nie  Blutentziehuugen  machen  lassen ;  die  Eisblase  ge- 
nügt ;  in  Fällen ,  wo  letztere  nicht  geduldet  werden ,  wählten  wir  sorg- 
fältig ausgerungene  sehr  gut  applicirte  oft  erneuerte  Eiscompressen. 

Bei  Laryngitis  catarrhalis  lassen  wir  hydropathische üm- 
•schläge  stündlich,  weun  nöthig  ',i;stündlich  appliciren ;  intern  das  früher 
erwähnte  Ipecac.  inf.  mit  oder  oder  Kali  chloricum,  das  wir  auch  iürsich 
ordiniren.  Warme  Dämpfe,  event.  Inhal.itionen  mit  den  früher  zu  die- 
sem Zweck  empfohlenen  Salzlösungen  sind  ausserdem  nützlich. 

Von  andern  Complicationen  ist  selir  wohl  die  Diarrhoe  zu  berück- 
sichtigen, da  sie  die  Patienten  sehr  herunterbringt. 

In  der  chronischen  Form  der  Bronchopneumonie  ist  das  oft  wochen- 
lang täglich  oder  nach  mehreren  fieberfreien  Tagen  immer  wiederkeh- 
rende Fieber  durch  Chinin,  salicylsaures  Natron,  Bäder,  Ein  Wicklungen 
zu  bekämpfen ;  nebenbei  sorge  man  für  genügende  Ernährung. 

Lst  nach  Ablauf  aller  Fiebererscheinnngen  auf  der  Brust  noch  eine 
Infiltration  vorhanden ,  deren  Resorption  zögert ,  oder  es  hat  das  Kind 
sich  nicht  ordentlich  erholt ,  obwohl  die  physikalische  Untersuchung 
keine  Anomalien  mehr  erkennen  lässt,  so  ist  alles  Gewicht  auf  eine  gute 
Ernährung,  möglichst  continuirlichen  Aufenthalt  in  milder  reiner  freier 
Luft,  auf  regelmässige  Bewegung  ohne  Ermüdung  zu  legen.  Solche 
Kinder  darf  man  ärztlicherseits  ja  nicht  zu  früh  als  geheilt  erklären, 
und  vorzeitig  sich  selbst  überlassen,  oder  in  die  Spiel-  oder  andere 
Schule  gehen  lassen.  Vorerst  müssen  sie  bei  der  objeetiven  Untersuch- 
ung gänzlich  unverdächtig  und  was  Körpergewicht  und  Körperfülle  be- 
trifft ,  als  völlig  retablirt  anerkannt  werden.  Um  diesen  Zweck  zu  er- 
reichen, lasse  man  streng  durchgeführte  Milchkuren,  besonders  mit 


Oscar  Wyss,  Catarrlialpneumonie.    Therapie.  783 

Ziegenmilch  machen  ;  K o  u m  i s  s c iir  e n,  von  denen  u.  a.  von  Wider- 
hof  er  in  Wien  laut  mündlicher  Mittheilung  sehr  gute  Erfolge  sah, 
sind  leider  nur  an  wenigen  Orten  und  nur  Begüterten  möglich. 

Es  ist  Usus,  solche  Patienten  in  der  besser  situirten  Ciasse  zum 
Schluss  ihrer  Cur  Emser-,  Selterser-,  Obersalzbrunn-,  auch  Rippoldsauer- 
wasser,  Enghien,  auch  Vichy- Wasser  trinken  zu  lassen,  um  »resorbirend« 
einzuwirken.  Wenn  diese  Wasser  mit  warmer  Milch  getrunken  werden, 
so  kommt  wohl  die  Wirkung  der  letztern  ebenso  sehr  in  Betracht  und 
einen  wesentlichen  Vortheil  sehen  wir  in  einer  solchen  Cur  darin ,  dass 
Patient  so  lange  er  das  Wasser  trinkt ,  immer  noch  vom  Publikum  als 
Patient  angesehen  und  daher  sorgfältiger  behandelt  und  geschont  wird ; 
namentlich  auch  seine  Diät  überwacht  wird.  Bei  anämischen  Kindern 
verdienen  die  eisenhaltigen  Natronsäuerlinge  den  Vorzug. 

Grösseres  Gewicht  legen  wir  auf  einen  hinreichend  lange  Zeit  an- 
dauernden Landaufenthalt ,  eventuell  einen  Climawechsel,  ein  Postulat, 
das  heutzutage  ja  auch  für  den  Unbemittelten  gemacht  werden  kann. 
Leicht  und  rationell  verbindet  sich  ein  solcher  Aufenthalt  mit  der  Milch- 
cur.  Erforderlich  ist  geschützte  Lage  des  Ortes,  besonders  gegen  Nord- 
ost ,  um  möglichst  den  Aufenthalt  im  Freien  von  früh  bis  Abends  zu 
ermöglichen.  Ln  flachen  Lande,  besonders  aber  in  den  Gebirgsgegenden 
bestehen  bald  im  Walde  bald  in  Wiesenthälern  Curanstalten  zu  diesem 
Zwecke.  Die  Schweiz  ist  reich  gesegnet  mit  Orten,  die  sich  ad  hoc  vor- 
züglich eignen  ;  man  vermeide  nur  den  Winden  esponirte  Orte.  Für 
die  Frühjahrs-  und  Herbstmonate  eignen  sich  die  geschützten  Orte  am 
Vierwaldstetter  See :  Gersau  (443  Meter  üb.  Meer) ,  Vitznau,  sowie  die 
am  Genfersee  Montreux,  Vevay,  auch  Bex,  Aigle  bes.  für  den  Herbst  (bis 
und  mit  November).  Im  Sommer  sind  etwas  höher  liegende  subalpine 
und  alpine  Orte  vorzuziehen,  wie  Interlaken  (568  Meter  hoch),  Toggen- 
burg (650  Meter),  Ct.  Appenzell  (Heiden  806  Meter,  Gais  934),  Kloen- 
thal  (Vorauen  828,  Richisau  1070  Meter),  Giessbach  (780  Met.),  Seewis 
(900  M.) ,  Seelisberg  (801  M.) ,  Engelberg  (1019  M.) ,  Glion  (914  M.), 
an  der  Ijenk  (1075  M.).  Bei  noch  bestehenden  Infiltraten  sind  Weissen- 
burg  (896  Meter),  das  bei  gutem  Zustande  der  Digestionsorgane  in 
seiner  äusserst  geschützten  Lage ,  in  seiner  herrlichen  Tannenwaldluft 
und  seiner  gypshaltigen  Therme  noch  besondere  Vorzüge  vereinigt,  so- 
wie die  höher  gelegenen  alpinen  Curorte :  Rigi  Klösterli  1300  Meter, 
Beatenberg  1147  M.,  Klosters  1205,  sowie  Davos  (1556)  zu  empfehlen. 
Letzterer  Curort,  der  bekanntlich  auch  im  Winter  frequentirt  ist,  eignet 
sich  ebenso  gut  für  Kinder  mit  chronischen  Lungenfiltraten ,  als  auch 
für  Erwachsene. 


Die  Limgenscliwindsiicht 


Dr.  Oscar  Wyss. 

Unter  dem  Begriif  der  Phthisis  pulmonum  vereinigt  man  zur  Zeit 
jene  Lungeuerkrankungen ,  welche  in  Folge  chronisch  entzündlicher 
Vorgänge  zu  einer  allmählig  um  sich  greifenden  Zerstörung  des  Lungen- 
gewebes führen ;  eine  Affection ,  die  mit  progressiver  Abmagerung  des 
ganzen  Körpers  und  sehr  häufig  mit  andern  localen  oder  Allgemeiner- 
krankungen sich  vergesellschaftend,  in  der  Regel  tödtlich  endet. 

Während  der  letzten  Decennien  hat  der  Begriff  »Phthisis«  viel- 
fache Wandelungen  erlitten ;  man  suchte  zu  einer  gewissen  Zeit  dieses 
Wort  namentlich  vom  pathologisch-anatomischen  Standpuncte  aus  durch 
die  genaueren  Bezeichnungen  der  zur  Phthise  führenden  pathologisch- 
anatomischen Vorgänge  zu  ersetzen,  ja  das  Wort  Phthise  kam  geradezu 
in  Misscredit  und  man  zog  es  vor,  nur  von  chronischer  Pneumonie,  von 
käsiger  Pneumonie,  von  Tuberculose  etc.  zu  sprechen.  So  hohe  Berech- 
tigung alle  diese  und  noch  viele  andere  Bezeichnungen  für  die  Patho- 
logie und  Pathogenese  der  chronischen  Lungenerkrankungen  haben,  so 
sehr  müssen  wir  vom  Standpuncte  des  practischen  Aerztes  aus  doch  an 
dem  klinischen  Begriff  der  »Phthise«  festhalten.  Es  schliesst  dies  eine 
genauere  Definition  der  Art  des  Zustandekommens,  sowie  des  anatomi- 
schen Verhaltens  im  einzelnen  Falle  durchaus  nicht  aus. 

Aetiologie. 

Während  heutzutage  die  Phthisis  pulmonum  in  Städten  und  an 
Orten  mit  lebhafter  Industrie  zwischen  dem  20.  und  35.  Lebensjahre 
die  häufigste  Todesursache  abgibt ,  tritt  sie  im  Kindesalter  als  causa 
mortis  sehr  bedeutend  zurück.  Jene  Fälle,  in  denen  die  Symptome  und 
der  Verlauf,  sowie  auch  der  pathologisch-anatomische  Befund  entspre- 
chend demjenigen  bei  der  Lungenphthise  der  Erwachsenen  ist,  werden 
um  so  seltener,  je  jünger  die  Erkrankten  sind;  erst  vom  8.  bis  10.  Jahre 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Aetiologie.  785 

ab  kommen  öfters  Erkrankungen  vor  mit  einem  ganz  ähnlichen  Sym- 
ptomencomplex  und  Krankheitsverlauf  wie  beim  Erwachsenen.  Da- 
gegen ist  das  Alter  unter  dem  5.  Jahre  von  einer  Form  der  Phthisis 
heimgesucht ,  die  in  ihrem  Beginn  als  Catarrhalpneumonie ,  in  ihrem 
Verlauf  als  käsige  lobäre  oder  lobuläre  Pneumonie  bezeichnet  werden 
muss ,  manchmal  auch  sich  mit  Miliartuberculose  combinirt ,  so  dass  die 
Bezeichnung  dieser  Fälle  als  Tuberculose  im  weitern  Sinne  des  Wortes, 
ihre  Subsumirung  unter  den  Begrifi  der  Phthi.sis  vollkommen  gerecht- 
fertigt erscheint. 

In  dieser  Weise  sind  die  Zahlen  aufzufassen,   die  die  Literatur  be- 
züglich   der   Frequenz   der   Tubereulose   oder    Phthisis    der  Lungen    der 
Kinder  aufweist,  nämlich  die  von  Gerhardt  notirten  Zahlen,  dass  unter 
1000  Todesfälle  durch  Phthisis  kommen  auf  die  Jahre 
0—  5  :  50  bis  60  Fälle, 

lO-lölj^  20-30     „ 

dagegen  aufd.  15—25  Jahre 


25Z35  }  J*"  200-250  Fälle. 


Marc  d'Espine  fand  unter  375  Tuberculosen  bei  Kindern 
von     0 —  5  Jahren  40  d.  i.  Vo    der  Fälle, 
„       5—10       „       21    „  „    Vis     „        „ 

„       lU       10  „  iiO     „     „       /t6       „  ,, 

Innerhalb  der  ersten  5  Lebensjahre  vertheilen  sich  die  Todesfälle  so, 
dass  das  erste  Jahr  stärker  belastet  erscheint,  als  die  folgenden,  obwohl 
ja  sonst  Bronchitis  und  Pneumonie  beim  Säugling  weniger  oft  vorkommt 
als  später. 

Auf  das  1.  Jahr  fallen  20  Phthisistodesfälle, 

11       I)     i^-      II        !i       Ib-    ly  )i 

„       „     3.      „        „       16     20  „ 

n         II      *•       II   l  f; 7 

p-  f      .1  J         '  II 

II         II      ''•        II 

In  England  kamen  anno  1859  vor :  Todesfälle  an  Phthise 

im  1.  Lebensjahre     20, 

II    ^-  11  l-'i 

II    "^-  II  '' 

4  4 

II    5-  II  ■*■ 

In  London  kamen  anno  1849  u.  51  bis  53  vor: 

im  1.  Lebensjahre    20. 

II    2.  „  19, 

I,    3.  „  12, 

II    4.  „  7, 

II    5.  „  5. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dass  die  Frequenz  der  Phthisis  im  Kindesalter 
an  verschiedenen  Orten  ganz  ausserordentlich  verschieden  ist.    Bei  uns 

RA 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


7g5  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     bunge. 

in  Zürich  ist  so  selten,  dass  wir  von  intra  vitam  sicher  diagnosticirbaren 
Phthisen  im  Kindesalter  mit  nachweisbaren  Excavationen  bei  einer  aus- 
gedehnten ärztlichen  Thätigkeit,  Poliklinik,  Kinderspital  und  Privat- 
praxis in  den  letzten  9  Jahren  bloss  etwa  jährlich  einen  Fall  gesehen 
haben;  imd  selbst  wenn  wir  jene  Fälle  hinzurechnen ,  in  denen  intra 
vitam  käsige  Pneumonie  diagnosticirt  wurde  und  erst  bei  der  Section 
Ideine  Excavationen  aufgefunden  wurden  (es  waren  das  alles  ganz  kleine 
Kinder) ,  so  stellt  sich  diese  Ziffer  noch  nicht  auf  das  doppelte.  Selbst- 
verständlich hier  abgesehen  von  der  genuinen  Tuberculose  und  der  lo- 
bulären, käsigen  Pneumonie  ohne  Zerfall  des  Lungengewebes,  die  auch 
bei  uns  häufig  genug  vorkommt.  Steffen  scheint  in  Stettin  häufiger 
Fälle  »chronischer  Tuberculose«  zu  beobachten  Gelegenheit  zu  haben; 
auch  Steiner  in  Prag  kam  diese  Aflection  viel  häufiger  zu  Gesichte. 

Die  Phthisis  der  Kinder  wird  in  ihrer  Frequenz  beeinflusst  durch 
climatische  Verhältnisse.  Jene  glücklichen  Regionen,  die  den  Erwach- 
senen Immunität  gewähren  (Island,  Kirghisen-Steppe ,  Mexico,  Inneres 
von  Aegypten,  Costa  Rica ,  Pei'u ,  die  Hochgebirgsthäler  der  Schweiz  u. 
a.  0.)  garantiren  diese  auch  der  Kiuderwelt ;  wobei  jedoch  nicht  zu  ver- 
gessen ist,  dass  nach  Dr.  M  ü  1 1  e  r's  Arbeit  diese  Immunität  nur  so  weit 
SCeht,  als  »der  Hauch  der  Grüfte  nicht  hinaufreicht  in  die  reinen  Lüfte« ; 
so  lang  als  nicht  Fabriken  und  andei'e  industrielle  Anlagen ,  Uebervöl- 
kerung  der  Orte  und  der  Wohnräume  u.  dgl.  ni.  die  Athmungsluft  ver- 
pesten. Dass  sie  in  Städten  häufiger  sei  als  auf  dem  Lande ,  in  Gegen- 
den mit  viel  Industrie  öfter  als  in  Ackerbau  oder  Viehzucht  treibenden 
Districten  ist  unzweifelhaft.  Begreiflich  auch ,  dass  gerade  die  Phthisis 
der  Kinder  eine  Krankheit  der  Armen  ist ;  der  Kinder  von  Arbeiterfa- 
milien ,  die  in  Fabrikstädten  und  Orten  mit  lebhafter  Industrie  dicht 
gedrängt  in  engen  Räumen  beisammen  A\'ohnen,  denen  oft  nur  ein 
Raum  zum  Wohnen,  Kochen,  Schlafen  und  zuweilen  noch  zum  Arbeiten 
zu  Gebote  steht ;  in  dem  vielleicht  nicht  die  Familie  bloss,  sondern  auch 
noch  Schlafgäste  oder  Hausthiere  ihre  Nachtherljerge  haben. 

Ein  ferneres  sehr  wichtiges  ätiologisches  Moment  der  Kinderphthisis 
ist  die  Erblichkeit,  die  Heredität;  ein  ätiologisches  Moment,  das 
nicht  dem  Arzte  bloss ,  sondern  auch  dem  beobachtenden  Laien  sich 
deutlich  genug  tagtäglich  aufs  Neue  als  solches  erweist.  Welcher  Arzt 
hat  nicht  in  seiner  Praxis  Familien  oder  richtiger  Reste  von  solchen,  in 
denen  ein  Kind  nach  dem  andern  an  dieser  Krankheit  gestorben  ist? 
Zwar  räumt  gerade  in  dieser  Hinsicht  die  Tuberculose,  zumal  die  acute 
miliare  der  Lungen  und  des  Gehirns  resp.  der  Gehirnhäute  am  meisten 
unter  den  Kindern  mancher  Familien  auf;  aber  auch  die  chronische 
Phthise  haben  wir  meist  bei  Kindern  beobachtet ,  deren  Eltern ,  bald 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Aetiologie.  787 

beide,  bald  bloss  der  Vater  oder  bloss  die  Mutter  an  Scbwindsucht  litten 
oder  gestorben  waren. 

Die  Heredität  macht  sich  aber,  wie  Rühle  (Lungenschwindsucht 
zu  Ziemssens  Handbuch  V.  2.  Thl.  H.  Aufl.  p.  12)  gewiss  mit  allem 
Recht  hervorhebt ,  auch  dadurch  geltend  ,  dass  manchmal  nur  eine  ge- 
wisse »Schwächlichkeit«  ,  manchmal  eine  Anomalie  im  Bau  des  Thorax 
oder  seiner  Contenta  oder  in  deren  Ernährung  ererbt  wird ;  manchmal 
es  sich  um  eine  vererbte  »Kränklichkeit«  d.  h.  Disposition  auf  leichte 
Reize  stark  zu  reagiren ,  also  eine  grosse  Vulnerabilität  (Scrophulose) 
handelt ,  die  vererbt  wird.  Freilich  kann  unter  antihygienischen  Ver- 
hältnissen dieser  Zustand  auch  sich  ent\jickeln  ,  also  die  Scrophulose 
erworben  werden ;  gewisse  Krankheiten  können  denselben  Erfolg  haben, 
zumal  wenn  es  sich  um  sehr  chronische  Leiden  handelt  (Knocheneite- 
rungen u.  dgl.). 

Dass  die  Phthisis  schon  innerhalb  der  ersten  drei  Lebensmonate  vor- 
kommt ,  erwähnt  F.  Weberin  Kiel  (Beiträge  zur  pathologischen  Ana- 
tomie der  Neugebornen  1851 — 54.  II.  Bd.  64),  der  bei  Kindern  inner- 
halb dieses  Alters  grosse  Cavernen  sah,  die  fast  einen  halben  Lungen- 
lappen einnahmen;  und  zwar  fand  er  die  grössten  Excavationen  im  Un- 
terlappen ,  dessen  übriger  Theil  mit  Miliartuberkeln  durchsetzt  war. 
Ferner  hat  E.  Demme  (Bericht  des  .lenner' sehen  Kiuderspitales  in  Bern, 
1875,  pag.  25  u.  24)  einen  Fall  von  Phthise :  erbsen-  bis  haselnussgrosse 
Cavernen  im  linken  obern  Lappen  nebst  käsigen  Heerden  bei  einem  5 
Monat  alten  Mädchen  beobachtet,  sowie  einen  solchen  bei  einem  blos  12 
Tage  alten  beschrieben.  Bei  letzterem  fand  er  Verkäsung  der  Bronchial- 
drüsen, käsige  Heerde  in  beiden  Lungen,  im  rechten  untern  Lungenlap- 
pen mehrere  Cavernen  von  der  Grösse  einer  Erbse  bis  zu  der  eines  Pfir- 
sichkernes. Letzteres  sind  Veränderungen,  von  denen  man  sich  gewiss 
fragen  darf,  ob  sie  wirklich  sich  in  den  12  Lebenstagen  gebildet  haben, 
oder  ob  sie  nicht  schon  intrauterin,  wenn  auch  uicht  ausgebildet,  so 
doch  in  ihren  ersten  Anfängen  vorhanden  waren. 

H  e  n  o  c  h  beobachtete  häutig  Kinderphthisen.  In  seinen  „Beiträgen" 
von  1861  gibt  er  an,  öfter  grosse  Cavernen  im  zartesten  Alter  gesehen 
zu  haben,  und  er  beschreibt  dort  eine  taubeneigrosse  Caverne  in  der  Mitte 
des  obern  Lappens  bei  einem  4  Monat  alten  Knaben ,  sowie  eine  wall- 
nussgrosse  frische  Caverne  bei  einem  3jährigen  Mädchen.  In  den  1868 
erschienenen  Beiträgen  berichtet  er  von  mehreren  Fällen  von  Hämoptysis 
bei  Kindern  im  Alter  von  2V2  bis  5  Jahren;  in  den  Charite - Annalen 
1874.  p.  583  u.  a.  einen  Pbthisis-Pall  bei  einem  7  Monat  alten  Mädchen. 

Unser  eigener  kleinster  phthisischer  Patient  war  ein  im  Alter  von 
33  Wochen  gestorbener  Junge,  der  eine  Caverne  von  2  Gm.  Durchmesser 
m  der  rechten  käsig  infiltrirten  Lungenspitze  zeigte.  Bei  einem  anderen 
im  Lauf  des  2.  Lebensjahres  Verstorbenen  lag  die  pflaumengrosse  Ca- 
verne in  der  Mitte  des  rechten  Oberlappens,  bei  einem  1  Jahr  11  Mo- 
nate alten  Mädchen  gleichfalls  im  rechten  obern  Lappen,  bei  einem  2j ahn- 
ten Knaben  ein  kirschkeragrosser  Hohlraum  im  rechten  Unterlappen  u.  s.w. 
"  50  * 


78g  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

J.  Steiner  in  Prag  hatte  über  ein  ungleich  grösseres  Beobachtungs- 
material  über  Phthisis  bei  Kindern  zu  verfügen:  auch  hier  machte  sich 
zweifellos  der  nachtheilige  Einfluss  der  grossen  Stadt  geltend.  Er  gibt 
an,  in  52  genau  verzeichneten  Fällen  16mal  die  reine  aus  Pneumonie 
und  Bronchitis  hervorgegangene  Forin,  ISnial  die  tuberculöse  und  18mal 
die  gemischte  Form  ,  d.  h.  chronische  Pneumonie  und  Knötchenbildung 
neben  einander,  ohne  dass  mit  Bestimmtheit  entschieden  werden  konnte, 
welche  die  prknäre  und  welche  die  secundäre  Veränderung  war,  gesehen 
zu  haben  (Compendium  1.  Aufl.  1872  p.  180).  Bei  Steiners,  Stef- 
fen's  und  andern  Publikationen  sind  jedoch  Tubereulose,  Miliartuber- 
culose,  disseminirte  Tuberculöse  (käsige  Pneumonie)  und  chrouische 
Phthise  mit  Cavernenbildung ,  nicht  auseinandergehalten ,  wie  wir  heut- 
zutage es  wünschen  müssen;  wir  können  daher  aus  ihren  Mittheilungen 
nur  so  viel  entnehmen,  dass  Tuberculöse  und  käsige  Alveolitis  in  einem 
viel  frühem  Alter  häufiger  zur  Beobachtung  gelangt,  als  Phthise  im  en- 
gem Sinne:  Steiner  und  Neureutter  sahen  Tuberculöse  bei  8  bis 
16wöehigen  Kindern,  Kitter  bei  einem  35,  bei  einem  85  Tage  alten. 
Nach  dem  Bericht  des  Petersburger  Erziehungshauses  1857  bei  3  Wochen, 
bei  2,  3,  5  und  12  Monat  alten;  Steffen's  jüngster  Patient  war  3 
Wochen;  unser  eigner  jüngster  6  Wochen.  Unter  79  Tuberculosen  sah 
Steffen  27  acute,  53  chronische,  und  zwar  vertheilten  diese  sich  auf 
die  verschiedenen  Jahre  des  jugendlichen  Alters  wie  folgt: 
Es  kamen  auf  das  Alter  V.  0—  1  Jahr  5  acute    4  chronische  Tuberculosen, 


1-  3 

Tl 

9 

» 

18 

3-  6 

^^ 

5 

?5 

10 

6—  9 

» 

4 

« 

9 

9-12 

n 

3 

7J 

7 

über  12 

n 

1 

51 

4 

Unter  diesen  waren  21  Knaben,  31  Mädchen;  es  scheinen  also  etwas  mehr 
Mädchen  zu  erkranken.  Es  stimmt  diese  Zitier  auch  mit  den  Angaben 
anderer  Beobachter. 

Ob  und  in  welcher  Häufigkeit  Verunreinigungen  der  Luft  bei  dem 
Zustandekommen  der  Kinderphthise  eine  Rolle  spielen ,  lässt  sich  zur 
Zeit  nicht  genau  sagen,  da  exacte  Nachweise  fehlen.  Die  Staubinhala- 
tionskrankheiten  der  Gewerbe  fehlen  noch.  Die  verunreinigte  Luft  der 
unventilirteu  Wohn-  und  Schlafräume  ,  die  verdorbene  Luft  der  Schul- 
stuben legt  gewiss  häufig  genug  den  Grund  zu  einer  Phthise ;  die  aber 
in  den  wenigsten  Fällen  noch  im  Verlauf  der  Kinderjahre  zum  Tode 
führt,  sondern  nach  jahrelangem  Schlummern  erst  zwischen  dem  15.  u. 
35.  Jahr  den  fatalen  Ausgang  bedingt.  Wir  unsererseits  zweifeln  nicht 
daran,  dass  der  Grund  zu  mancher  Phthise  des  Jünglingsalters  schon  im 
schulpflichtigen  Alter  oder  sogar  schon  vorher  gelegt  wurde.  Vielfach 
mag  es  sich  auch  bloss  um  indirecte  Begründung  der  Krankheit  handeln, 
nämlich  um  Beförderung  von  Anämie,  von  Scrophulose:  also  um  die 
Herstellung  eines  Bodens ,  auf  dem  die  Schwindsucht  bei  der  ersten, 
besten  eintretenden  Gelegenheitsursache  Wurzel  fassen,  eventuell  rasch 


Oscar  Wyss,    Lungenschwindsucht.     Aetiologie.  789 

sich  entwickeln  kann.  Auch  steht  es  trotz  der  vielen  Experimente  noch 
nicht  fest ,  ob  Genuss  der  Milch  perlsüchtiger  Kühe  in  der  That  beim 
Menschen  Lungentuberkulose  erzeugte  ;  immerhin  spricht  alle  Wahr- 
scheinlichkeit dafür  und  wird  es  Aufgabe  der  Aerzte  sein,  diesen  Punct 
mehr  zu  berücksichtigen  als  bisher. 

Wir  verweisen  hier  im  weitern  auf  die  Bemerkungen,  die  wir  über 
die  Aetiologie  und  Prophylaxe  der  Catarrhalpneumonie  gemacht,  sowie 
auf  die  ebenso  schön  als  wahr  geschriebene  Arbeit  R  ü  h  1  e's  (Ziemssen's 
Hdbch.). 

Bekanntlich  kommt  in  dem  Alter  zwischen  10.  und  25.  Jahr  häufis 
Lungenphthise  als  causa  mortis  zur  Beobachtung  bei  solchen,  die  an  c  o  n- 
genitaler  Pulmonalstenose  litten ,  so  dass  ein  ätiologischer  Zu- 
sammenhang zwischen  letzterer  und  ersterer  nicht  negirt  werden  kann. 
Die  Mehrzahl  dieser  Fälle  gehört  allerdings  erst  dem  Alter  jenseits  des 
15.  Jahres  an;  doch  finden  wir  beiStölker  (Diss.  über  angeborne Ste- 
nose der  Arteria  pulmonalis.  Bern  1864)  4  Fälle  von  Pulmonalstenose 
zwischen  dem  5.  bis  11.  Jahr,  die  mit  Lungenphthisis  sich  combirt  haben ; 
ein  eben  solcher  ist  bei  Rokitansky ,  Defecte  der  Scheidewände  des 
Herzens,  Wien  1875,  erzählt.  Bei  dem  jüngsten  Patienten,  einem  5''/4- 
jährigen  Mädchen,  bei  Stölker  Fall  55  von  Dr.  Lexis  fanden  sich  im 
rechten  Mittellappen  nur  einige  Tuberkeln ;  bei  einem  8jährigen  Mädchen 
(von  Stölker,  Fall  80  von  S  h  e  a  r  m  a  n  n) ,  das  an  Hämoptoe  gelitten 
hatte,  graue  durch  die  Lunge  zerstreute  Tuberkeln  ;  bei  einem  11jährigen 
Knaben  (von  Stölker,  Fall  102  von  v.  Dusch)  Lungentuberculose, 
in  dem  Rokitansky'schen  Falle,  einem  11jährigen  Mädchen  Lungentu- 
berculose mit  Erweichung,  und  im  Fall  101  bei  Stölker  (Beobachter 
L  e  Pr  ag  e)  einem  11jährigen  Mädchen,  das  vor  3  Jahren  Masern  durch- 
gemacht hatte,  fand  mau  in  den  Lungen  Cavernen :  hinreichende  Anhalts- 
puncte  für  die  Annahme ,  dass  alle  jene  die  Phthisis  der  Erwachsenen 
characterisirenden  Veränderungen  auch  bei  der  Phthise,  die  bei  Kindern 
im  Gefolge  der  congenitalen  Pulmonalstenose  vorkommt,  sich  finden. 

Es  scheint ,  dass  auch  die  S  y  p  h  i  1  i  s  Ursache  der  Kinderphthisis 
werden  kann.  Diesbezügliche  Mittheilungen  liegen  von  v.  Engert, 
sowie  bes.  von  Thoresen  (Schmidt's  Jahrbücher  7.  H.  1875)  vor. 
Doch  erklärt  letzterer  die  Tuberkelablagerungen  in  den  Lungen  syphi- 
litischer Kinder  für  sehr  selten. 

Die  Frage ,  warum  die  Phthisis  sich  vorwiegend  in  den  Lvmgen- 
spitzen  entwickle,  fällt  für  das  kindliche  Alter  weniger  ins  Gewicht, 
weil  wir  auch  in  andern  Lungenabschnitten  häufig  Excavationen  sich 
entwickeln  sehen  ,  während  die  obern  Abschnitte  frei  bleiben.  Uns 
scheint  für  das  vorwiegende  Erkranken  der  Lungenspitzen  in  der  Phthise 


790  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

die  Art  und  Weise  der  Einmündung  der  Bronchien  dieses  Luugenab- 
schnittes  in  den  Hauptbronchus  von  Wichtigkeit  zu  sein.  Da  die  Ein- 
mündung der  aus  der  Lungenspitze  in  den  Hauptbronchus  einfülireudeii 
Bronchien  in  einem  stumpfen,  höchstens  in  einem  rechten  Winkel  Statt 
findet,  so  wird  eine  Behinderung  des  Austrittes  der  Luft  und  damit 
natürlich  auch  des  Bronehial-Secretes  in  diesen  Abschnitten  8tatt  finden 
müssen :  denn  der  Luftstrom,  der  aus  dem  LTnterlappen  durch  den  Haupt- 
Ijrouchus  nach  oben  fliesst ,  trifft  den  aus  der  Lungenspitze  herabkom- 
menden unter  einem  stmnpfen  Winkel,  d.  h.  in  entgegengesetzter  Bich- 
tung.  Ersterer  Strom  ist  der  stärkere ,  und  wird  dem  letztern  ein  be- 
merkenswerthes  Hinderniss  in  den  Weg  legen.  Die  aus  dem  obem 
Theile  des  Oberlappens  kommenden  Bronchien  sind  ferner  enger  und 
kürzer ;  sie  verästeln  sich  rascher ;  haben  ein  breites,  aber  kurzes  Wurzel- 
gebiet ,  mit  wenigen  parallel  sondern  viel  mehr  divergent  verlaufeuden 
Bronchien,  als  in  den  iintern  Lungenabschnitten.  Schon  innerhalb  der 
Lungenspitze  wird  durch  diese  meist  recht-  [oder  doch  nahezu  recht-] 
winklige  Einmündung  der  mittlem  Bronchien  die  Litensität  des  Ex- 
spirationsstroms  gebrochen.  Diese  Intensität  ist  aber  auch  desshalb 
geringer,  weil  das  Lultquantum,  welches  in  das  Gewebe  des  obern  Theiles 
des  Oberlappens  einströmt,  ein  geringeres  ist,  als  dasjenige  der  untern 
Abschnitte  und  diesem  Theile  also  ein  relativ  geringeres  Quantum  von 
Exspirationsluft  und  also  von  Expulsivkraft  zu  Gebote  steht  als  andern. 
Andere  Momente  wirken  unterstützend.  Wird  die  Spitze  pneu- 
monisch infiltrirt,  kann  eine  Retention  des  Secretes  in  den  Bronchien, 
Bronchiectasenbildung,  Suppuration  in  Folge  Liegenbleibens  von  Secret 
in  den  Bronchien  etc.  leichter  zu  Stande  kommen  ,  als  anderorts  in  der 
Lunge,  wo  bei  heftigen  Hustenstössen,  durch  welche  rasch  und  viel  Luft 
durch  die  grössern  Bronchien  getrieben  wird ,  und  wo  in  parallel  oder 
doch  in  mit  diesen  Bronchien  in  derselben  Richtung  verlaufenden  be- 
nachbarten Bronchien ,  die  hier ,  in  Folge  peripheren  Lungencollapses 
oder  in  Folge  einer  Infiltration  der  diesen  Bronchien  entsprechenden 
Läppchen  stagnirende  Luft  auch  mitgerissen  wird ,  und  in  Folge  dieser 
Luf'tverdünuung  zweifellos  Secretpfröpf'e  in  den  davon  abgehenden  Bron- 
chien, vielleicht  sogar  Inhalt  aus  den  Alveolen  aspirirt  und  ausgetrieben 
wird.  Ganz  anders  in  der  Spitze  der  Lunge.  Da  wird  durch  den  Hu- 
stenstoss ,  den  von  unten  heftig  nach  oben  gepressten  Luftstrom  wegen 
der  ungünstigen  Einmündungsrichtung  eher  Secret  noch  fester  in  den 
Bronchus  gepresst;  und  in  der  Spitze  wird,  wenn  die  grossen  Bronchien 
frei  sind,  die  Ausflussströmung  der  Luft  .so  geschwächt,  dass  von  einer 
Aspiration  von  Secret  aus  den  luftleer  gewordenen  Partien  keine  Rede 
sein  kann. 


Oscar  Wy SS,  Lungenschwinclsuclit.    Pathologische  Anatomie.        791 

öleichwolil  ist  die  Lungenspitze  für  pneiunonische  Infiltration  bei 
acuten  und  chronischen  Erkrankungen  der  Bronchien  prädisponirt :  denn 
ein  Entzündungsprocess,  der  sich  von  der  Trachea  aus  nach  allen  Eich- 
tungen hin  im  Bronchialbaum  gleichmässig  ausbreitet ,  erreicht  in  der 
Spitze  wegen  der  hier  grössern  Kürze  der  Bronchien  zuerst  die  Bron- 
chiolen und  Alveolen,  daher  hier  zuerst  Bronchiolitis  und  Alveolitis  sich 
entwickelt ;  und  wenn,  wie  R  ü  h  1  e  glaubt,  auch  intra  vitam  die  Lungen- 
spitzen ähnlich  wie  in  cadavere  häufig  [dass  dies  bei  stark  fieberhaften, 
bei  bedeutenden  Schwächezuständen ,  Herzschwäche  etc.  Statt  hat ,  be- 
weist die  Hypostase  und  hypostatische  Pneumonie]  anämischer  sind  als 
andere  Lungenabschnitte ,  so  würde  das  auch  die  grosse  Neigung  zur 
Verkäsung  der  Spitzeninfiltrate  erklären. 

Endlich  können  die  —  bei  Kindern  wenigstens  —  so  regelmässig 
sich  im  Gefolge  einer  Bronchitis  entwickelnden  Bronchialdrüsenschwel- 
lungen  die  Lumina  der  Bronchien  sowohl  als  auch  die  Getässe  im  Lun- 
genhylus  —  ob  vielleicht  ganz  besonders  die  Bronchialarterien  ?  —  com- 
primiren  und  so  eine  gewisse  Lungenparthie  in  ihrer  normalen  oder  in 
ihrer  durch  Entzündungsvorgänge  alterirten  Ernährung  stören.  Wir 
fanden  öfter  solche  Verengerungen  durch  Compression  Seitens  vergrös- 
serter  Drüsen  an  Bronchien,  die  aus  der  Lungenspitze  herkamen. 

Pathologische  Anatomie. 

Die  Lungen  der  an  Phthisis  gestorbenen  Kinder  zeigen  Verände- 
rungen ,  die  zum  Theil  rein  entzündlichen  Ursprungs  sind  und  grosse 
Mannigfaltigkeit  bieten  bezüglich  der  Ausbreitung  und  der  regressiven 
Metamorphose ,  die  diese  Entzündungsproducte  eingegangen  sind ,  zum 
Theil  sind  dieselben  auch  infectiösen  Ursprungs ,  seltener  sind  sie  auf 
eine  umschriebene  Stelle  beschränkt ,  sondern  durchsetzen  alsdann  die 
ganze  Lunge. 

Regelmässig  resultirt  die  Phthisis  aus  pneumonischen  Vorgängen, 
und  zwar  hauptsächlich  aus  solchen ,  die  man  als  Catarrhalpneumonie 
bezeichnen  muss.  Besonders  bei  altern  Kindern  sind  es  die  Oberlappen, 
die ,  in  solcher  Weise  erkrankt ,  anstatt  zur  Genesung  zu  führen ,  der 
Zerstörung  anheimfallen.  Das  pneumonische  Infiltrat  wird  anstatt  sich 
zu  resorbireii,  anämisch,  trocken,  entartet  unvollständig  fettig,  wandelt 
sich  um  in  einen  nur  noch  sehr  langsam  sich  verkleinernden ,  zuletzt 
auf  einem  gewissen  Volumen  persistirenden  Heerd,  der  gegen  das  um- 
liegende Lungengewebe  scharf  abgegränzt  und  von  einer  weichen  ge- 
fässreichen  Bindegewebsschicht  umgeben  ist.  Diese  Verkleinerung 
kommt  wahrscheinlich  weniger  durch  Resorption  von  histologischen 
Elementen  der  Exsudatmasse,  als  vielmehr  durch  Wasserresorption,  Auf- 


792  Krankheiten  der  Athinungsorgane.     Lunge. 

saugung  von  Salzen  und  von  Fett  zu  Stande.  Die  Grösse  dieser  Heerde 
schwankt  von  der  eines  Apfels  und  mehr  bis  zu  der  einer  Erbse,  ihre 
Consistenz  ist  ziemlich  fest,  brüchig,  derb;  ihre  Schnittfläche  glatt, 
weiss  oder  mit  einem  Stich  ins  gelbliche,  trocken,  matt. 

In  vielen  Fällen  findet  man  an  der  Oberfläche  dieser  käsigen  Heerde 
eine  mehr  oder  minder  grosse  Zahl  von  Tuberkeln ,  die  am  dichtesten 
gedrängt  unmittelbar  an  der  Oberfläche  des  Knotens  sitzen  ;  sparsamer 
und  kleiner  werden ,  je  weiter  sie  davon  entfernt  sind.  Es  ist  dies  eine 
locale  durch  die  Lymphbahnen  vermittelte  Tuberculose  (locale  Infection). 

Wenn  bei  dem  in  käsige  Metamorphose  übergegangenen  pneumo- 
nischen Infiltrat  die  Wasserresorption  nur  unvollständig  Statt  findet, 
so  bilden  sich  Erweichungsheerde  darin,  meist  kleinere ,  seltener  grös- 
sere [wallnuss-  bis  hühnereigrosse]  Hohlräume ,  die  mit  dem  Product 
des  erweichten  und  zerfallenen  Gewebes ,  nämlich  mit  rahmähnhcher, 
puriformer  Materie ,  erfüllt  sind.  Diese  Erweichungsheerde  pflegen  in 
der  Mitte  des  Infiltrates  zu  liegen ;  gewöhnlich  in  der  Nähe  eines  oder 
mehrerer  Bronchien,  deren  Wand  schliesslich  mit  in  den  Zerstörungs- 
process  hineingezogen  wird.  Wird  die  Wand  eines  Bronchus  durch- 
brochen und  entleert  sich  der  Inhalt  des  Erweich ungsheerdes  durch 
letzteren  nach  aussen,  so  tritt  Luft  in  die  Excavation  und  dieselbe  stellt 
alsdann  eine  sog.  Caverne  dar ;  einen  Hohlraum  mit  unregelmässigen, 
zerklüfteten  ,  im  fortschreitenden  Zerfall  begriflenen  Wandungen.  Die 
Dimensionen  dieser  Cavernen  pflegen  unbedeutende  zu  sein  ;  meist  hasel- 
nuss-  bis  pflaumengross ;  doch  sah  F.  Weber  (in  Kiel)  bei  Kindern, 
die  das  Alter  von  3  Monaten  noch  nicht  erreicht  hatten,  auch  grosse, 
nahezu  einen  halben  Lungenlappen  einnehmende  Cavernen  (s.  o.).  Der 
Sitz  dieser  Hohlräume,  die  man  viel  häufiger  bei  Kindern  von  0  bis  2 
Jahren  antrifi't  als  bei  altern  — ■  ist  nach  demselben  Autor  bei  Kindern 
von  weniger  als  3  Monaten  besonders  in  den  ünterlappen ;  im  Alter  bis 
zum  2.  bis  3.  Jahr  haben  wir  die  Excavationen  im  Oberlappen  ebenso 
häufig,  oder  um  etwas  weniger  häufiger  in  den  obern  Lappen  als  in  den 
untern  gesehen.  Wahrscheinlich  zufällig  war  in  unsern  Beobachtungen 
bei  kleineren  Kindern  die  rechte  Lunge  weit  häufiger  Sitz  der  Erkran- 
kung als  die  linke. 

Neben  diesen  käsigen  pneumonischen  Infiltraten ,  die  zum  Zufall 
führten ,  findet  man  regelmässig  andere  Heerde ,  in  denen  noch  keine 
Cavernen  gebildet  sind  ;  seltener  solche  ,  in  denen  eine  beginnende  Ca- 
vernenbildung  vorliegt.  Ausserdem  sind  gewöhnlich  frischere  pneumo- 
nische Infiltrate  oder  disseminirte ,  in  den  verschiedensten  Stadien  der 
Entwicklung  begriff'ene  Tuberkeln  vorhanden. 

Pleuritische  Auflagerungen ,  bald  auch  feste ,  bald  lockere ,  mehr 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Pathologische  Anatomie.        793 

sträng-  oder  bandförmige  Verwachsungen  verkleben  gewöhnlich  die 
Pleura  pulmonalis  mit  der  Pleura  costalis  oder  diaphragmatica.  Bron- 
chialdrüsenschwellung  meist  in  grösserer  Ausdehnung  mit  käsigen  Ein- 
lagerungen von  verschiedener  Grösse  bis  ganz  verkäste  Drüsen  finden 
sich  regelmässig ;  auch  solche  mit  erweichtem  Centrum,  oder  Erweichung 
in  ausgedehnterem  Grade  zuweilen  mit  Perforation  in  die  Trachea  oder 
einen  grossen  Bronchus,  nicht  allzu  selten  auch  in  den  Oesophagus. 
Die  Pigmentirung  dieser  Drüsen  fehlt  bei  Jüngern  Kindern  oft ,  und  ist 
bei  altern  nie  so  bedeutend  wie  bei  Erwachsenen.  Regelmässig  sind  die 
Drüsen  an  der  Bifurcation  der  Trachea,  ferner  sehr  häufig  die  Drüsen 
im  Lungenhylus,  oft  auch  die  Trachealdrüsen,  meist  auf  der  einen  Seite 
mehr  als  auf  der  anderen  intumescirt  und  verändert,  wie  eben  angegeben 
worden  ist ;  zuweilen  trifft  man  nur  im  einen  Lungenhylus  geschwellte 
käsige  Drüsen,  im  andern  nicht.  Wenn  in  einer  Lunge  ein  käsiger 
Heerd,  eine  chronische  Pneumonie  vorliegt,  fehlen  sie  nie. 

Die  Frage ,  ob  die  Pneumonien  ,  die  diese  käsige  Umwandlung  er- 
leiden, die,  wie  die  altern  Autoren  sagten,  »tuberculisiren«  oder  »sich 
tuberculös  umwandeln«,  von  vorneherein  den  Keim  der  Tuberciüisirung 
in  sich  tragen ,  ob  sie  von  vorneherein  gewisse  Eigenthümlichkeiten  in 
histologischer  oder  chemischer  Beziehung  besitzen ,  die  sie  von  den  ge- 
wöhnlichen, jene  Veränderungen  nicht  eingehenden  Pneumonien  unter- 
scheiden, wissen  wir  zur  Zeit  noch  keineswegs  sicher.  Lange  Zeit  wurde 
nach  Virchow's,  Reinhard  t's  u.  a.  Vorgang  angenommen,  jede 
Pneumonie  könne  wie  jedes  Entzündungsproduct  überhaupt  verkäsen. 
Erst  Rindfleisch  griff  die  frühere  Lehre  wieder  auf,  indem  er  die 
scrophulöse  Entzündung  als  eine  besondere  Form  der  Entzündung  auf- 
fasst,  die  sich  nicht,  wie  die  Alten  glaubten,  durch  eine  besondere  Schärfe 
im  Blutwasser,  nicht  wie  Länne  c  lehrte,  durch  ihre  Genese  aus  Tu- 
berkelmasse, nicht  wie  A  n  d  r  a  1  behauptete,  durch  Eindickung  des  flüs- 
sigen Entzündungsproductes ,  auch  nicht  bloss  durch  vorwiegenden 
Zellenreichthum  des  Exsudates  (Virchow)  characterisire ,  sondern  die 
durch  ihren  Gehalt  an  »grossen  Zellen«  ,  an  sog.  Riesenzellen,  die  aus 
emigrirten  farblosen  Blutkörperchen  entstehend,  möglichst  viel  Eiweiss- 
substanzen  in  sich  aufnehmen ,  eine  besondere  Eigenthümlichkeit  be- 
sitze. Daneben  hält  auch  Rindfleisch  für  wichtig:  die  Masse  der 
Zellen  des  Entzündungsproductes,  ihr  Haften  im  Bindegewebe,  ihre  be- 
deutende Hinfälligkeit.  Als  Ursache  dieser  Eigenschaften  bezeichnet  er 
eine  gewisse  Unzulänglichkeit  der  Ernährungseinrichtungen  des  scro- 
phulösen  Organismus. 

So  viel  steht  fest,  dass  wir  die  Ursache  für  die  käsige  Umwandlung 
weniger  in  dem  ätiologischen  Moment  der  Entzündung,  als  vielmehr  im 


794  Ki-anklieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Indi\äcluum  selbst  zu  suchen  halben.  Wir  sehen  Masernpneumonien  bei 
gewissen  Kindern  rasch  und  günstig  verlaufen ,  während  sie  bei  andern 
käsig  werden  ,  zu  Phthise ,  zu  Tubercnlose  und  zum  Tode  führen.  Die 
letzteren  Vorkommnisse  sind  keineswegs  nur  auf  solche  Kinder  be- 
schränkt, deren  Ernährungszustand  vorher  schlecht  war,  oder  die  der 
Pflege  entbehrten.  Die  Erfahrung ,  dass  sog.  scrophulöse  Kinder  eher 
Masernpneumonien  mit  Ausgang  in  Verkäsung  und  Tuberculose  bekom- 
men, ist  bekannt ;  ebenso  dass  ganz  besonders  Kinder  tuberculöser  El- 
tern dieser  Krankheit  verfallen.  Es  fehlt  noch  der  exacte  histologische 
Nachweis,  warum  dies  Statt  hat.  Eine  einschlägige  Beobachtung,  die 
wir  selbst  machten ,  scheint  uns  so  wichtig  zu  sein ,  dass  wir  ihrer  hier 
erwähnen.  Ein  2  .Jahre  alter  Knabe ,  dessen  Vater  eben  an  Phthisis 
pnlmon.  gestorlwn  war ,  erkrankte  an  Masern  mit  Pneumonie  und  starb 
am  15.  Tage  nach  dem  Beginn  der  Masern  [13  Tage  nach  dem  Beginn 
der  Eruption].  Die  Section  ergab  den  gewöhnlichen  Befund  der  Mor- 
l)illenpneumonie :  beiderseits  frische  Infilti'ation ,  besonders  in  den  hin- 
tern Theilen  der  Unterlappen.  Bei  der  microscopischen  Untersuchung 
ergab  sich  aber  ein  von  andern  Masernpneumonien -abweichender  Be- 
fund :  nämlich  die  Anwesenheit  zahlreicher  reticulirter  Miliartuberkel 
in  dem  pneumonisch  infiltrirten  Gewebe.  Im  übrigen  Körper  waren 
bei  der  Section  nirgends  Tuberkeln  gefunden  worden.  Wir  können  den 
Beweis  nicht  leisten ,  dass  nicht  schon  vor  der  morbillösen  Erkrankung 
eine  Miliartuberkulose  bestand,  doch  ist  dies  sehr  unwahrscheinlich;  da 
Patient  vorher  keine  Krankheitserscheinungen  gezeigt  hatte  und  alle 
Miliartuberkeln  gleiche  Grösse  und  gleiche  Entwicklung,  nirgends 
Symptome  einer  Degeneration  zeigten  und  weder  ein  käsiger  Heerd 
noch  anderweitige  Miliartuberkeln  im  Körper  sich  vorfanden.  Wenn 
aber  die  Miliartuberkeln  sich  erst  gleichzeitig  mit  der  Entzündung  bil- 
deten, muss  dies  wohl  als  ein  so  typischer  Fall  von  »tuberculöser  Ent- 
zündung« in  seinem  ersten  Stadium ,  wie  er  schöner  kaum  beobachtet 
werden  kann ,  bezeichnet  werden ;  und  dass  eine  derartige  mit  massen- 
haften Tuberkeln  durchsetzte  pneumonische  Infiltration  ebenso  leicht 
»tuberculisiren«  werde,  wie  eine  tuberculose  Lymphdrüse,  versteht  sich 
von  selbst.  — 

Anders  gestaltet  sich  der  Befund  bei  der  Phthisis  mitCaver- 
nenbildung  bei  älteren  Kindern.  Das  Bild  ist  hier  mehr  das 
der  entsprechenden  Erkrankung  beim  Erwachsenen.  Namentlich  in  den 
obern  Lappen  finden  sich  hühnereigrosse  —  bald  grössere,  bald  kleinere 
Cavernen.  Diese  liegen  bald  dicht  unter  der  Pleura  pulmonalis,  so  ober- 
flächlich, dass  ihre  Abgränzung  nach  aussen  beim  Loslösen  der  Lunge 
aus  dem  Thorax  einreisst ;  bald  aber  sitzen  sie  auch  tiefer  im  Innern  des 


Oscar  Wy SS,  Lungenschwindsucht.    Pathologische  Anatomie.       795 

Gewebes.  Ihre  Wandungen  zeigen  dieselbe  Beschaffenheit  wie  beim 
Erwachsenen.  Bei  frischen  Hohlräumen  unregelmässige  fetzige ,  zer- 
klüftete ,  missfarbige  graue  Wandungen ;  nach  längerem  Bestehen  da- 
gegen ist  die  Innenwand  des  Hohlraums  geglättet ,  ganz  oder  stellen- 
weise von  einer  dünnen  Schicht  Graulationsgewebes,  der  sog.  Membrana 
pyogena  ausgekleidet.  Grössere  Leisten  und  Prominenzen  auf  der  in- 
nem  Oberfläche  der  Caverne ,  auch  ebensolche  Brücken ,  die  sich  von 
einer  Wand  nach  der  andern  ,  zumal  in  der  Richtung  von  innen  nach 
aussen  hinüberspannen ,  bedingen  bald  eine  unregelmässige  sinuöse  Ge- 
stalt, bald  unvollständige  Trennung  in  zwei  oder  mehrere  bis  zahlreiche 
Abschnitte  der  Caverne.  Die  genannten  Leisten  sind  üeberreste  oblite- 
rirter  Brouchien  und  Gefässe.  In  diese  Hohlräume  münden  die  Bron- 
chien mit  scharf  abgeschnittenen  Wandungen  ein.  Wir  sahen  neben 
solchen  exquisiten  Cavernen  in  der  gleichen  Lunge ,  aber  in  einem  an- 
dern Lappen  z.  B.  im  untern  ,  wenn  die  Caverne  im  obern  sass  ,  Bron- 
chiectasen.  Ausserdem  sind  die  verschiedenartigsten  anderweitigen 
Lungenveränderungen  vorhanden :  chronische  interstitielle  Pneumonie, 
käsige  lobuläre  Pneumonie  und  die  damit  verwandten  Processe  wie  Peri- 
bronchitis  ,  käsige  Lobärpneumonie  ,  frische ,  lobuläre ,  besonders  sog. 
gelatinöse  Pneumonie,  Desquamativpneumonie,  Miliartuberculose. 

Es  ist  hier  der  Ort,  diese  verschiedenen  Vorgänge  in  Kürze  zu  cha- 
racterisiren.  Leider  sind  wir  nicht  in  der  Lage,  mit  Sicherheit  angeben 
zu  können,  welche  Rolle  sie  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  Phthisis 
der  Kinder  spielen;  wir  können  nur  constatiren,  dass  wir  sie  häufig  in 
verschiedener  Ausbreitung  bei  Obductionen  finden.  Dass  indess  die  in- 
terstitielle Pneumonie  als  ein  allmählig  aus  einer  andern  Form  von 
Lungenentzündung  hervorgegangener  Process  aufzufassen  ist ,  die  kä- 
sige Lobulär-  und  Lobärpneumonie  am  häufigsten  die  Ausgangspuncte 
der  Cavernen  sind ,  während  die  Miliartuberculose  als  ein  Secundärzu- 
stand  aufzufassen  sei ,  unterliegt  keinem  Zweifel. 

Die  o-elatinöse  Pneumonie  kommt  unzweifelhaft  bei  altern 
und  Jüngern  Kindern  vor.  Sie  characterisirt  sich  macroscopisch  durch 
das  relativ  blasse ,  graue  oder  röthlich  graue  gallertähuliche  gleichsam 
ödematöse  Infiltrat ,  das  in  der  Folge  sehr  rasch  und  sehr  häufig  der 
Fettentartung  und  Verkäsung  anheimfällt.  Diese  Form  ist  uns  als  die 
typische  Form  der  Desquamativpneumonie  B  u  h  1  s  erschienen  ,  indem 
in  der  That  die  Alveolen  hier  mit  epithelialen  Elementen  vollgestopft 
sind.  Nicht  allein  in  Form  von  grossen  Infiltraten,  sondern  auch  in  der 
lobulären  Form  beobachteten  wir  solche  Infiltrationen ,  die  hauptsäch- 
lich, wir  können  nicht  sagen  ganz  ausschliesslich  Epithelwucherung  der 
Alveolen  sich  gebildet  hatten. 


79(3  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

In  ähnlicher  Weise  trifft  mau  auch  bei  Kinderu  die  sog.  peribron- 
chitischen  Heerde,  d.  h.  lobuläre  Infiltrate ,  die  ihre  Entstehung  der  di- 
rect  vom  Bronchus  aus  auf  die  umliegenden  Alveolen  übergreifenden 
Entzündung  verdanken :  ein  Vorgang ,  den  wir  auch  bei  der  Masern- 
pneumonie  beobachtet  haben.  Buhl  bezsichuet  diese  Form  der  Ent- 
zündung um  die  Bronchien  als  Peribronchitis  nodosa  (1.  c.  p.  85)  und 
wenn  Fettdegeneratiou,  Anämie,  Necrose  in  diesen  Heerden  auftritt,  als 
Peribronchitis  nodosa  necrotica ,  oder  wenn  sie  käsig  degenerirt,  als 
Peribronchitis  nodosa  caseosa,  die  weiter  um  sich  greifend  zur  lobulären 
necrosirenden  und  käsigen  Pneumonie  führt.  Wenn  diese  peribronclii- 
tischen  Heerde  zur  Vereiterung  gelangen,  so  resultirt  B  u  h  1  s  Peribron- 
chitis purulenta  ,  eine  Form  der  Peribronchitis ,  die  häufig  zur  Caver- 
nenbildung  führt,  und  die  Buhl  als  die  perniciöseste  bezeichnet.  Und 
das  mit  vollem  Recht !  Denn  hier  trifft  man  post  mortem  sehr  zahl- 
reiche kleinere  und  grössere  Exeavatiöneu ,  welche  gewöhnlich  in  grös- 
serer Zahl  in  dem  afficii-ten  Lungenabschnitte  liegen,  die  allmählig  sicli 
vei-grössernd  confluiren ,  und  zu  jenen  completen  Zerstörungen  ganzer 
Lungenlappen  führen. 

Im  Gefolge  der  Caries  der  Hals-  und  Brustwirbelsäule  entwickelt 
sich  öfters  eine  Form  von  Phthisis,  die  von  dem  Hineindringenvon 
Senkungsa  bscessen  der  Wirbelsäule  in  die  Lunge  hinein 
h  e  r  r  ü  h  r  t.  Zwar  können  unter  günstigen  Verhältnissen  solche  Abscesse 
sich  in  die  Lunge  hineinsenken,  ohne  deren  Gewebe  in  erheblichem  Grade 
zu  alteriren  :  nach  vorheriger  Verwachsung  der  Pleura  pulm.  mit  der  ent- 
sprechenden Stelle  der  Pleura  parietalis  gelangen  sie  ins  Lungengewebe 
hinein,  dieses  einfach  auseinander  drängend ;  der  Abscess  bleibt  abge- 
schlossen, scharf  begränzt,  von  einer  Bindegewebshülle,  an  welche  nach 
aussen  lufthaltiges  normales  oder  nahezu  normales  Parenchym  stösst.  Sol- 
che Abscesse  können  im  Innern  der  Lunge  eindicken  und  verkäsen;  die 
Fistel  nach  oben  d.  h.  gegen  die  Wirbelsäule  hin  kann  sich  schliessen,  so 
dass  der  abgekapselte  Abscess  nach  allen  Seiten  hin  abgegränzt  erseheint 
und  in  diesem  abgekapselten  Zustand  ohne  weitern  Nachtheil  für  die 
Umgebung  liegen  bleibt.  Oder  aber  er  dringt  nach  unten  weiter,  zer- 
stört die  Bronchien  ,  perforirt  in  diese  und  so  etablirt  sich  eine  Fistel 
zwischen  dem  Wirbelsäulenabscess  und  den  Luftwegen.  Oft  kommen 
auch  bei  letzterem  Ereigniss  keine  weitern  Lungenveränderungen  zu 
Stande ;  sehr  oft  aber  auch  alle  Formen  der  chronischen  und  acuten  ent- 
zündlichen Vorgänge. 

Eine  solche  Lunge  ist  z.  B.  mit  der  Thoraxwand  durchweg  fest  ver- 
wachsen ;  es  findet ,  zumal  gegen  die  Wirbelsäule  hin ,  sich  an  irgend 
einer  Stelle  ein  abgekapseltes  Eiterdepot,  das  von  der  Wirbelsäule  her- 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Pathologische  Anatomie.        797 

stammt ;  das  einerseits  den  Weg  nach  dem  kranken  cariösen  Wirbel  hin, 
andererseits  nach  der  Lnnge  resp.  dem  Bronchialbaum  hin  communicirt. 
Starke  bindegewebige  Schwarten  verkleben  die  bei  den  Pleurablättern. 
Die  Lunge  ist  voluminös  ,  schwer ;  im  einen  Lappen  z.  B.  vollkommen 
luftleer,  sehr  derb,  blutarm.  Die  Schnittfläche  des  Organs  ist  blass  blau- 
roth  ;  stellenweise  mit  zahlreichen  besonders  cylindrischen  Bronchiecta- 
sien ,  die  mit  Eiter  erfüllt  sind ,  und  deren  Schleimhaut  dunkelroth  in- 
jicirt  erscheint.  Zwischen  den  Bronchien  und  den  Getässlumiua  ziehen 
sich  in  verschiedenen  Richtungen  Züge  und  Stränge  eines  bald  mehr 
weissen,  bald  mehr  grauen,  derben  Bindegewebes  ,  an  welche  sich  noch 
Reste  vom  wirklichen  Lungengewebe  anschliessen.  Diese  letzteren  be- 
sitzen ein  gleichmässiges  glattes  Aussehen,  sind  weich  und  schlag',  von 
grauer  Farbe ,  durchzogen  von  feinen  rothen  Gefässen  ;  mehr  gegen  die 
Obei-fläche  hin  erscheint  dieses  Gewebe  mehr  in  toto  geröthet,  mit  zahl- 
reichen eingestreuten  minimalen  weissen  oder  gelblichen  Puncten ,  die 
stellenweise  auch  fehlen  oder  nur  randständig  in  den  Läppchen  vorhan- 
den sind ,  während  das  Centrum  ein  gleichmässiges  graurothes  Gewebe 
darstellt  (interstitielle  und  parenchymatöse  Entzündung). 

In  andern  Lappen  dersell>en  Lunge  finden  sich  wallnuss-  und  da- 
rüber grosse  Cavernen  mit  unebener  Innenfläche ,  communicirend  mit 
einem  oder  mehrern  Bronchien  ;  daneben ,  selbst  im  gleichen ,  nament- 
lich aber  auch  in  anderen  Lappen  zuweilen  cylindrische  und  sackförmige 
Bronchiectasen,  die  durch  die  interstitielle  Pneumonie  und  den  Schwund 
des  Lungengewebes  hervorgerufen  wurden.  Kleinere ,  selbst  grössere 
Stückchen  cariöser  Wirbel  fanden  wir  öfter  in  Cavernen  und  Bronchien 
solcher  Lungen. 

Diese  Veränderungen  fanden  wir  beschränkt  auf  die  eine  Lunge, 
in  andern  Fällen  aber  in  beiden  Lungen.  Die  Oberlappen  waren  meist 
ausgedehnter  zerstört  als  die  untern.  Tuberculose  fehlte  in  den  Fällen 
mit  bedeutenderen  Excavationen  meistens,  dagegen  war  öfter  Amyloid- 
degeneration  vorhanden. 

Gewiss  dürfen  durchaus  nicht  alle  diese  Veränderungen :  Bronchi- 
ectasie,  chronische  Pneumonie,  Lungencirrhose  etc.  dem  Begriif  der 
Phthise  subsumirt  werden ;  aber  wir  haben  sie  neben  wirklicher  Caver- 
nenbildung  wiederholt  beobachtet  und  müssen  ihrer  desshalb  hier  aus- 
führlicher gedenken ,  weil  sie  mit  zum  Gesammtbild  dieser  Form  von 
Lungenphthise  nach  Caries  vertebrae  gehören. 

Als  eine  Form  der  Phthisis  pulmonum  wird  ferner  die  Tuberculose 
der  Lungen  aufgeführt ,  und  weil  mit  und  neben  phthisischen  Verän- 
derungen so  ausserordentlich  häufig  Tuberculose  sich  findet,  muss  ihrer 
hier  erwähnt  werden,  obwohl  sehr  betont  werden  muss ,  dass  diese  Pro- 


798  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Lunge. 

cesse  streng  auseinander  gehalten  werden  müssen.  Die  Tuberculose  der 
Alten  zerfällt  nach  unsern  heutigen  Begriffen  in  die  acute  Miliartuber- 
culose  und  die  sogen,  disseminirte  Tuberculose  —  und  die  locale  Tuber- 
culose. Nach  der  gewöhnlichen  jetzt  herrschenden  Auffassung  ist  die 
disseminirte  Tuberculose  eigentlich  kein  tubeixulöser  Process,  sondern 
als  lobuläre  käsige  Catarrhalpneumonie  (einfache  und  käsige ,  dissemi- 
nirte Alveolitis  und  Peribronchitis)  aufzufassen  und  daher  anderswo 
einzurubriciren.  Und  in  der  That  deutet  die  nicht  scharf  runde  Gestalt, 
sondern  vielmehr  unregelmässig  zackige  Form  ,  die  oft  ausgesprochene 
Traubenform ,  indem  kleinste  kuglige  Infiltrate  (in  die  Alveolen)  wie 
zusammengeballt  oder  auf  einem  Stiele  aufsitzen  ,  darauf  hin,  dass  diese 
»Carshwellgrapes« ,  nach  Colberg's  und  Anderer  Untersuchungen, 
auch  mit  Berücksichtigung  ihrer  histologischen  Structur  als  lobidär 
pneumonische  Heerde  zu  bezeichnen  sind,  die  allerdings  das  mit  den  Tu- 
berceln  gemein  haben  ,  dass  sie  früh  zur  käsigen  Umwandlung  hinnei- 
gen ,  entschiedene  Tendenz  zu  degenerativem  Zerfall  besitzen. 

Rindfleisch  spricht  neuestens  diese  Knoten  als  »specifisch  tu- 
berculose Infiltrate«  an,  und  zwar  gestützt  auf  ihren  histologischen  Bau. 
So  sehr  wir  dieses  Resultat  R  i  n  d  f  le  i  s  c  h's  begrüssen  als  einen  ivesent- 
lichen  Schritt  zum  richtigeren  Verständniss  dieser  so  oft  mit  der  Tuber- 
culosis miliaris  coufundirten  und  allerdings  auch  oft  gleichzeitig  damit 
vorkommenden  Erkrankung,  müssen  wir  doch  die  Tuberculosis  genuina 
von  dieser  tuberculösen  Bronchopneumonie  =  lobulären  käsigen  Pneu- 
monie durchaus  trennen.  Diese  tuberculose  Pneumonie  ist  sehr  häufig  der 
Ausgangspunet  der  Phthise,  niemals  aber  ist  es  die  miliare  Tuberculose, 
die  vielmehr  nur  als  Terminalprocess  das  Krankheitsbild  abschliesst. 

Der  eben  erwähnte  Process,  dessen  Anfangsstadien  allerdings  rich- 
tiger unter  die  Catarrhalpneumonie  ,  dessen  Endstadium  aber  doch  dem 
Begriff  der  Phthise  subsumirt  werden  muss ,  ist  gänzlich  verschieden, 
hinsichtlich  seiner  Genese  von  der  eigentlichen  Tuberculose ,  Miliartu- 
berculose ,  Granulie. 

Die  Tuberculose  der  Lungen  tritt  wie  im  üljrigen  Körper  in  2 
Formen  auf;  1)  als  locale,  durch  die  Lymphgefässe  .sich  verbreitende, 
und  schliesslich  allerdings  auch  so  die  ganze  Lunge  mehr  oder  minder 
vollständig  durchsetzende  Erkrankung ,  und  2)  als  acute  (embolische) 
allgemeine  Tuberculose.  Mitunter  sind  zweifellos  beide  Vorgänge  neben 
einander  vorhanden. 

Die  locale  Tuberculose  findet  sich  am  schönsten  in  der  Umgebung 
käsiger  im  Lungenparenchym  .sitzender  Heerde ,  die  bald  von  einer  Ma- 
.sern- ,  bald  von  einer  Keuchhustenpneumonie  herrühren ,  vermuthlich 
auch  andern  Ursprungs  sein  kann ;  in  den  genannten  Krankheiten  eut- 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Pathologische  Anatomie.        799 

standene  Pneumonien  haben  wir  vom  Anfang  bis  zum  Ende  verfolgt. 
Im  Lungengewebe,  oder  in  dessen  nächster  Nähe  sitzende  käsige  Lymph- 
drüsen, eingedickte  Pleuraexsudate  geben  in  gleicher  Weise  Veranlas- 
sung zur  Entstehung  solcher  localer  Resorptionstuberculose. 

Die  genannten  Heerde  sind  an  ihrer  Oberfläche  mehr  oder  minder 
dicht  besetzt  mit  Tuberkeln  und  auch  in  das  benachbarte  Lungenge- 
webe  hinein  ziehen  sich  ganze  Reihen,  förmliche  Stränge  vom  Ceutrum 
nach  der  Peripherie  hin  immer  kleiner  werdender  Tuberkeln.  Die  grö.ss- 
ten,  ältesten  in  der  Nähe  des  Heerdes  sind  gelb  trocken  vei'käst,  die  ent- 
ferntem zeigen  im  Centrum  weisse  Verfärbung ,  Opacität ,  beginnende 
Verkäsung,  die  entferntesten  sind  noch  grau  gelatinös.  Der  Lappen,  in 
dem  der  käsige  Heerd  sitzt  (es  ist  keineswegs  blos  die  Lungenspitze, 
wir  trafen  solche  auch  im  untern  Theil  des  obern  Lappens ,  im  untern 
selbst  dicht  ül^erm  Zwerchfell ,  sowie  auch  im  mittlem  Lappen) ,  pflegt 
auch  im  übrigen  Theil  mit  Tuberkeln  durchsetzt  zu  sein ;  die  übrigen 
Lappen  manchmal  gleichmässig  und  sparsam ,  manchmal  theilweise, 
manchmal  auch  gar  nicht  von  Knötchen  durchsäet.  Wiederholt  trafen 
wir  bei  Kindern,  die  zufällig  an  einer  acuten  Krankheit  gestorben  sind, 
z.  B.  einer  acuten  croupösen  Pneumonie  ,  eine  ganz  umschriebene  locale 
Tuberculose  der  Lunge  oder  der  Pleura. 

Die  typische  Form  der  acuten  Miliartuberculose  der  Lungen  ist 
eine  durch  den  Blutstrom  vermittelte  Erkrankung.  Die  zahllosen  Knöt- 
chen, welche  das  Luugengewebe  in  allen  seinen  Theilen  ziemlich  gleich- 
mässig durchsetzen ,  sind  gleich  gross ,  in  der  Färbung  ziemlich  gleich : 
bald  sind  alle  gleichmässig  grau  gelatinös ,  oder  ihr  Centrum  i.st  bereits 
weiss ,  anämisch ,  trocken  und  um  die  Peripherie  noch  grau ;  oder  das 
Knötchen  ist  zum  grössten  Theile  ti-ocken ,  weisslich  geworden,  oder  es 
zeigt  ein  gelbes  Centrum.  Unzweifelhaft  gibt  es  auch  Fälle,  in  denen 
verschiedene  »Schübe«  von  Tuberkeleruptionen  Statt  hatten:  wo  also 
verschieden  alte ,  in  den  verschiedenen  Stadien  der  regressiven  Meta- 
morphose befindliche  Knötchen  gefunden  werden. 

Der  Weg ,  auf  welchem  das  die  Tuberkeleruption  hervorrufende 
Seminium  in  die  Blutlmhn  hineingelangt ,  ist  in  einer  geringeren  Zahl 
von  Fällen  direct ,  häufiger  indirect  durch  die  Lymphbahn.  Aus  den 
käsigen  Erweichungsheerden  gelangt  der  Brei  der  erweichten  Käse- 
heerde in  die  Blutbahn ,  dadurch ,  dass  eine  dem  Heerde  benachbarte 
Venenwand  durchbrochen  wird.  Dass  dieser  Vorgang  viel  häufiger  sei, 
als  man  bisher  annahm,  hat  H  ü  g  u  e n  i  n  (Corrsp.Bl.  f  Schweizer  Aerzte 
1876.  362  u.  ff.)  gezeigt.  Wir  selbst  haben  keine  Belege  für  diesen  In- 
fectionsmodus ,  halten  jedoch  denjenigen,  den  wir  schon  anno  1868 
(Sitzungen  med.  cbirurg.  Gesellschaft  des  Cant.  Zürich,  12.  Oct.  1868) 


800  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

als  den  häufigsten  bezeichneten,  für  gewöhnlicher.  Derselbe  besteht  darin, 
dass  das  Seminium  aus  den  Käseheerden  in  die  Lymphgeiässe  gelangt,  in 
die  Lymphgefässstäiume  transportirt  wird  und  aus  diesen  schliesslicli  in 
die  Blutbahn  bald  durch  den  Ductus  thoracicus,  bald  auch  durch  andere 
Lymphgefässstämme  (Truncus  lymphatic. axillaris  et  jugularis  sinist.)  hin- 
einkommt. Die  bes.  nach  Tuberculose  ni  Peritonealsack  bes.  tuberculöser 
Peritonitis  im  Ductus  thoi-acicus  nicht  selten  vorkommenden  Miliar- 
tuberkeln scheinen  uns  zu  Gunsten  dieser  Auffassung  zu  sprechen. 

Von  anderweitigen  Vorkommnissen  in  den  Leichen  an  Phthisis 
pulmonum  gestorbener  Kinder  sind  folgende  hervorzuheben:  Bei  jenen 
Jüngern  Kindern  mit  Cavernen  im  käsig  pneumonischen  Infiltrat  neben 
mehr  oder  weniger  ausgedehnter  Lymph-  (bes.  Bronchial-  u.  Tracheal-) 
drüsenentartung  sehr  oft,  jedoch  nicht  immer,  Miliartuberculose  der 
Lungen,  der  Pleuren,  der  Leber,  Milz,  Nieren;  zuweilen  auch  im  Peri- 
toneum, in  den  Meningen:  abgekapselte  eitrige  Pleuraexsudatreste  ne- 
ben schwartiger  Pleuraverdickung.  Häufig  tuberculose  Darmgeschwüre 
im  Ileum  und  .Jejunum  mit  Tulierculose  der  Mesenterialdrüsen ;  catar- 
rhalische ,  seltener  tuberculose  Magengeschwüre. 

Bei  altern  an  Phthisis  gestorbenen  Kindern  pflegt  die  Abmagerung 
sehr  viel  beträchtlicher  zu  sein  ;  bald  ohne ,  bald  mit  Hydrops  des  Ge- 
sichtes, der  Gliedmassen,  des  Cavum  peritonei  und  der  Pleuren.  Neben 
den  oben  angeführten  Vorkommnissen  sahen  wir:  Verengerungeines 
Bronchus  durch  eine  denselben  von  aussen  her  comprimirende  Bron- 
chialdrüse ;  ferner  Miliartuberkeln ,  Geschwüre  der  Bronchialschleim- 
haut ,  (letztere  in  den  grössern  Bronchien) ;  chronische ,  diffuse  Laryn- 
gitis mit  Pharyngitis  ;  ferner  ödematöse  Schwellung  der  Darmschleim- 
haut,  Amyloiddegeneration  der  Magen-  und  Darmschleimhaut;  follicu- 
läre  Geschwüre  im  Colon ;  grössere  Geschwüre  bes.  im  Colon  descendens 
und  Rectum,  Diphtheritis  des  Colons.  Sodann  Amyloiddegeneration  der 
Leber,  der  Milz,  der  Nieren. 

Auch  Ijei  der  auf  Wirljelcaries  mit  Senkungsabscessen  in  die  Lun- 
gen hinein  stattfindenden  Phthise  sahen  ^vir  extreme  Abmagerung, 
Bronchialdrüsenschwellung  und  Verkäsung ,  ausgedehnte  feste  Ver- 
wachsungen der  Lungen  mit  der  Pleura  costalis  ,  diaphragmatica  und 
pericardialis ;  gänzliche  Erfüllung  der  Bronchien  mit  Eiter,  Lungenödem 
in  den  noch  erhalt^en  Lungenabschnitten.  Ferner  Hypertrophie  des 
rechten  Ventrikels  si  einem  Fall  von  sehr  langer  Dauer ;  Amyloid- 
leber,  Amyloidmilz.  Einmal  eine  sog.  scrophulöse  Milz  (Wunder- 
lich), Ascites.  Neben  der  Wirbelsäulencaries  auch  Caries  corp.  sterni, 
Vereiterung  der  Verbindung  zwischen  Manubrium  und  Corpus  sterni, 
käsige  Heerde  im  Innern  des  Femurkopfes,  Coxitis  (Caries  coxae). 


Oscar  Wyss,  LungenschwindsucM.     Symptomatologie.  801 

Symptomatologie. 

Wie  aus  dem  Mitgetheilten  erliellt,  ist  der  Begriff  »Plithise«  aller- 
dings ein  Sammelplatz  verschiedener  pathologischer  Processe,  die  nur  das 
Gemeinsame  haben  ,  dass  ihr  Endresultat  ein  ähnliches  oder  gleiches 
ist.  Es  wird  daher  auch  das  klinische  Bild  ein  mannigfaltiges  sein ;  um 
so  mannigfaltiger,  je  mehr  wir  die  verschiedenen  ätiologischen  Momente 
und  die  verschiedenen  Altersstufen  auseinander  halten. 

Vom  klinischen  Standpuncte  aus  sind  wir  genöthigt ,  4  Formen  zu 
unterscheiden ,  von  denen  einige  insofern  eine  Verwandtschaft  besitzen, 
als  aus  der  einen  Form  später  die  andere  hervorgehen  kann  oder  zu  der 
einen  die  andere  sich  hinzugesellen  kann.  Sie  können  aber  auch  für  sich 
bestehen.     Wir  unterscheiden  also: 

1)  die  chronische  Spitzeninfiltration,  käsige  Bronchopneumonie, 

2)  die  chronische  disseminirte  destruirende  Lobulärinfiltration,  kä- 
sige lobuläre  Pneumonie,  sog.  chronische  disseminirte  Tuberculose ;  kä- 
sige Alveolitis,  Peribronchitis  in  ihren  verschiedenen  Formen, 

3)  die  Phthisis  mit  nachweisbaren  Cavernen, 

4)  die  Miliartuberculose  (genuine  Tuberculose). 

Die  im  Kindesalter  häufigste  Form  der  Phthisis  ist  die  aus  C  a- 
t  a  r  r  h  a  1  p  n  e  u  m  0  n  i  e  h  e  r  v  0  r  g  e  h  e  n  d  e  und  unter  dem  Bilde  dieser 
Krankheit  verlaufende.  Ihre  grösste  Frequenz  fällt  auf  die  ersten  Le- 
bensjahre, 0  bis  5  Jahr. 

1)  Die  chron  ische  Spitzeninfiltration  (chron.  Spitzen- 
pneumonie).  Eine  Affection,  die  vollkommen  als  Analogon  der  chroni- 
schen Spitzenpneumonie  der  Erwachsenen  ,  wie  sie  R  ü  h  1  e  feststellt, 
aufzufassen  ist.  Dieselbe  ist  regelmässig  einseitig ,  bedingt  eine  Däm- 
pfung des  Percussionsschalls  in  der  Fossa  supraclavicularis ,  die  bei  be- 
trächtlicherer Ausdehnung  bis  in  die  Fossa  infraclavicularis  hinabreicht. 
Oft  ist  die  Dämpfung  hinten  ,  in  der  Fossa  supraspinata  resp.  infraspi- 
nata  deutlicher  ;  oft  auch  sowohl  hinten  als  auch  vorn.  Je  intensiver  die 
Dämpfung,  desto  wahrscheinlicher  der  Process.  Vermehrtes  Resistenz- 
gefühl lässt  sich  vorn  unter  der  Clavicula,  hinten  namentlich  nach  aus- 
sen in  der  Fossa  supra-  und  infraspinata  constatiren.  Die  Auscultation 
lässt  bei  geringerer  Dämpfung  bald  abgeschwächtes,  bald  auch  ver- 
schärftes Athemgeräusch,  namentlich  verstärkte  und  verlängerte  Exspi- 
ration erkennen  ;  bei  intensiver  und  ausgebreiteter  Dämpfung  besteht 
meist  hohes  scharfes  Bronchialathmen.  Rhonchi  sind  keineswegs  con- 
9tant ,  oft  fehlend  oft  vorhanden :  trocknes  Knacken  bis  zu  feinblasigen 
klingenden  Rhonchis. 

Diese  Affection  kann  fortschreitend  in  die  folgende  Form  über- 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  51 


802  Krankheiten  der  Athniungsorgane.     Lunge. 

gehen.  Sie  bildet  sich  aber  auch  häufig  unter  günstigen  übrigen  Ver- 
hältnissen allmählig  zurück  und  geht  in  Heilung  über.  Selbstverständ- 
lich sind  alsdann  oft  die  Symptome  der  Schrumpluug  der  erkrankten 
Limgenspitze  die  Folge :  an  der  betroSeneu  Seite  werden  die  Clavicular- 
gruben  abgeflacht ,  die  über  der  Clavicula  liegenden  Theile  der  Brust- 
wand sogar  eingezogen  ,  sie  bleiben  beim  Inspirium  mehr  liegen  als  die 
der  gesunden  Seite.  Mitunter  sind  auch  Schmerzen  an  der  Stelle  vor- 
handen ,  die  auf  pleuritische  Adhäsionen  zurückgeführt  werden  müssen. 
In  Folge  der  Schrumpfung  und  Retraction  des  Lungengewebes  kommt 
es  zuweilen  auch  zur  Bronchiectasenbildung. 

Fleischmann  bezeichnet  als  Symptome,  welche  die  chronisclie 
Spitzenpneumonie  der  Kinder  sehr  häufig  begleiten,  folgende :  einseitige 
Anschwellung  der  Lymphdrüsen  des  Halses ,  Nackens  und  der  ünter- 
kiefergegend ,  sofern  andere  Ursachen  einer  Schwellung  dieser  Drüsen 
ausgeschlossen  werden  können,  wie  Pharyngitis,  Zahnperiostitis,  Ecceme 
etc.;  gewisse  hartnäckige  Formen  der  Conjunctivitis  scrophulosa;  Ec- 
ceiubildung  der  einen  Gesichts-  oder  Kopfhälfte,  die  sich  durch  ihre 
Hartnäckigkeit  auszeichnen ;  flüchtige  umschriebene  Erytheme ,  z.  TL 
auf  Druck  hervortretend  (Trousseau'sche  Flecke,  die  unserer  Ansicht 
nach  für  dieses  Leiden  ebenso  wenig  characteristisch  sind ,  wie  für  tu- 
berculöse  Meningitis) ;  intermittirende  Neurosen  des  Sympathicus  an 
einer  Kopf  half  te  mit  P]rhöhung  der  Hauttemperatur,  rothe  lieisse  Ohr- 
mvrschel  auf  der  erkrankten  Seite  ;  einige  Neuralgien  im  Bereich  des 
Trigeminus  und  Neurosen  des  Oculomotor.  und  vagus. 

Bei  dieser  Affection  ,  zu  deren  Entstehung  beim  Erwachsenen  die 
Stauliinhalationskrankheiten  ein  wichtiges  ätiologisches  Moment  dar- 
stellen ,  lallt  das  ätiologische  Moment  der  Heredität  etwas  mehr  in  die 
Waagschale ;  sie  steht  ferner  in  unverkennbarem  ursächlichem  Convex 
mit  chronischen  Eiterungen  ,  namentlich  mit  Caries :  scrophulöser  Ca- 
ries  der  Fuss-  und  Handknoehon,  Tumor  albus  genu,  Coxitisetc.  Wenn 
es  gelingt,  durch  örtliche  Behandlung  oder  vielleicht  auch  durch  chirur- 
gischen Eingriff  die  Knocheneiterung  zu  beseitigen,  so  ist  Aussicht  auch 
auf  die  Heilung  der  Lungenalfektion  vorhanden ,  sofern  diese  gewisse 
Grade  noch  nicht  erreicht  hat. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel ,  dass  diese  chronische  Spitzen- 
pneumonie der  Kinder  in  eben  geschilderten  Fällen  eine  »scrophulöse 
Pneumonie«  darstellt,  mit  allen  jenen  Eigenschaften ,  wie  sie  Rind- 
fleisch neuerdings  so  hübsch  gezeichnet  hat ;  dass  aber  in  den  in  Ge- 
nesung endenden  Fällen  das  gilt,  was  Rindfleisch  p.  219  sagt:  näm- 
lich dass  es  zu  einer  Schrumpfung  der  Infiltrate  kommen  Icönne ,  ver- 
bunden mit  einer  Gefässneubilduug,  welche  zwar  nicht  tief  in  das  Infil- 


Oscar  Wyss,  LungenschwindsnoM.     Symptomatologie.  803 

trat  eindringe ,  um  so  dichter  aber  dasselbe  umspinnt  und  umschliesst, 
so  dass  dadurch  eine  fortgesetzte ,  wenn  auch  vielleicht  nur  schwache 
Ernährung  desselben  möglich  wird. 

Viele  der  Veränderungen  in  den  Lungenspitzen ,  die  man  bei  Ob- 
ductionen  als  zufällige  Befunde  trifft ,  und  die  bald  nur  in  einer  nar- 
bigen Verdickung  und  Einziehung  der  Pleura  der  Lungenspitze,  bald  in 
einer  Bindegewebsschwiele  im  Lungengewebe,  Kalkconcremente  etc. 
datiren  wohl  von  solchen  geheilten  Spitzeninfiltrationen  her. 

2)  Die  chronische  disseminirte  destruirende  Lo- 
bularinfiltrati  on  [chronische  disseminirte  Tuberculose ;  käsige 
Alveolitis;  Peribronchitis  in  ihren  verschiedenen  Formen].  In  einer 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  verläuft  jedoch  die  Pneumonia  scrophulosa 
in  anderer  Weise.  Mit  acutem  oder  subacutem  Beginn  und  den  Sym- 
ptomen der  Catarrhalpneumonie  da  sowohl  wie  im  weitern  Verlauf  per- 
sistirt  die  einmal  gesetzte  Infiltration ,  mit  allen  den  ihr  zukommenden 
physikalischen  Symptomen  kürzere  oder  längere  Zeit  hindurch.  Bald 
in  einem  obern  Lappen,  mehr  nach  vorn ,  oder  in  einem  untern  Lappen 
mehr  nach  hinten,  in  der  Regel  einerseits  ist  die  manchmal  unbedeu- 
tende, manchmal  auch  recht  beträchtliche  Dämpfung  mit  Bronchial- 
athmen ,  Verstärkung  des  Stimmfremitus ,  mit  klingenden  Rasselge- 
räuschen, an  den  übrigen  Stellen  des  Thorax  sehr  häufig  mit  begleiten- 
dem diffusem  Bronchialcatarrh  nachweisbar.  Neben  diesen  örtlichen 
Veränderungen  bestehen  wichtige  anderweitige  Symptome  wie:  1)  All- 
gemeine Abmagerung,  die  rasche,  unaufhaltsame  Fortschritte  macht. 
2)  Husten,  der  verschieden  ist ;  bald  häufig  und  heftig  anfallsweise  auf- 
tritt, bald  unbedeutend,  kurz  trocken  ist.  3)  Fieber,  gewöhnlich  von 
bedeutender  Intensität,  langer  Dauer ,  unregelmässigem  Typus.  Die 
Pulsfrequenz  ist  Morgens  und  Abends  gesteigert  über  120,  bis  auf  ISO 
Schläge;  auch  die  Respiration  ist  immer  beschleunigt,  die  Tempe- 
ratur jedoch  sinkt  in  den  Nacht-  und  Morgenstunden  aufs  Normale, 
in  den  Mittags-  und  Abendstunden  steigt  sie  bald  weniger  bald  mehr 
über  die  Norm.  Es  resultirt  so  eine  Curve  mit  bedeutenden  Tem- 
peraturdifferenzen zwischen  Morgen  und  Abend  ;  ab  und  zu  oder  auch 
zuweilen  während  längerer  Zeit  mit  sog.  Typ.  inversus ,  d.h.  hohen 
Morgen-  und  niedrigen  Abendtemperaturen.  Aber  in  andern  Fällen  ist 
die  Temperatur  auch  am  Morgen  nicht  regelmässig  niedrig ;  zuweilen 
zwischen  38  und  39  ,  und  die  Temperatur  ist  Abends  nur  um  weniger 
höher.  Bei  im  Laufe  des  Tages  und  in  der  Nacht  öfters  vorgenommenen 
Messungen  ergibt  die  Tagescurve  gleichfalls  keinen  bestimmten  Typus, 
keine  bestimmte  Tagescurve.  Im  Allgemeinen  allerdings  Sinken  der 
Temperatur  in  den  Nacht-  und  den  Morgenstunden ,  Aufsteigen  der- 


804  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

selben  gegen  Mittag  oder  Abend.  Die  Gipfel  der  Tagescurve  fallen  mit- 
unter schon  auf  die  Mittagsstunde ,  mitunter  auch  erst  auf  die  Nacht. 
Häufig  beobachtet  man  nach  längerer  Dauer  des  Fiebers  subnormale 
Temperaturen  (z.  B.  35"  im  Rectum)  zumal  am  Morgen,  während  an 
manchen  Tagen  der  Thermometer  bloss  37,5  bis  38"  erreicht;  an  an- 
dern aber  wieder  höher  ansteigt. 

Zu  diesen  Symptomen  gesellen  sich  Störungen  der  Verdauung, 
mangelhafter  Appetit ,  gesteigerter  Durst ,  Anfangs  unbedeutendere, 
später  schwerere  Diarrhöe  mit  schleimigen  selbst  blutig  gesprenkelten 
Stühlen.  Während  im  Anfang  Diät  und  Medicamente  einen  unverkenn- 
baren Einfluss  auf  diese  Durchfälle  ausüben ,  ist  zuletzt  alles  Regimen 
und  alle  Therapie  ohnmächtig.  Sehr  oft  bestehen  oder  stellen  sich 
Lymphdrüsenanschwellungen  am  Halse  längs  der  Sternocleidomastoidei, 
oder  in  der  Unterkiefergegend,  im  Nacken,  in  der  Axilla  ein ;  chronische 
Otorrhöe  und  eitrige  Coryza ,  immer  recidivirende  Eczeme,  Furunkeln, 
Petechien,  circumscripte  Hautgangrän,  Decubitus :  endlich  Convulsionen, 
Stokes'sche  Respiration ,  bald  längere  bald  kürzere  Zeit  vor  den  Exitus 
lethalis. 

In  einer  geringern  Anzahl  von  Fällen  ist  die  Infiltration  auf  einen 
grössern  oder  kleinern  Lungenabschnitt  beschränkt  geblieben.  Häufiger 
finden  sich  neben  einem  grössern  Heerde  oder  auch  ohne  einen  solchen 
zahlreiche  lobuläre  käsige  Heerde  von  Haselnuss-  bis  Linsengrösse  vor, 
die  in  beiden  Lungen  zerstreut  sitzen ;  oder  aber  es  besteht  umschrie- 
bene oder  allgemeine  Miliartuberculose  der  Lungen. 

3)Dieausgebi]detePhthisis  p  u  1  ra  o  n  u  m  bedingt  bei  Kin- 
dern von  6  bis  12  Jahren  ein  ganz  analoges  Bild  wie  beim  Erwachsenen. 
Es  sind  zwar  selten  wie  bei  Erwachsenen  über  das  normale  Körpermaas 
hinausgewachsene ,  sondern  ebenso  häufig  in  Folge  früherer  Kränklich- 
keit in  der  Entwicklung  zurückgebliebene  magere  Grestalten  mit  dünner, 
zarter,  durchsichtiger  Haut,  die  bläuliche  Venen  durchschimmern  lässt, 
auf  der  im  Gesicht  sich  das  leicht  wechselnde  rothe  Colorit  der  Wangen 
scharf  abhebt.  Die  stark  hervortretenden ,  ausdrucksvoller!  Augen ,  die 
von  langen  ,  oft  auch  in  Folge  langdauernder  oder  vielleicht  noch  be- 
stehender, Entzündungen  der  Follikel  sparsam  gewordenen  Wimpern 
beschattet  sind ,  der  in  Folge  jenes  Vorganges  immer  noch  lebhaft  in- 
jicirte  Saum  der  Augenlider,  sind  Erscheinungen ,  die  bei  solchen  Pa- 
tienten oft  beim  ersten  Blick  auffallen.  Der  sog.  Habitus  phthisicus, 
der  indess  erst  bei  altern  Kindern  vom  8.  Jahre  ab  zur  völligen  Ent- 
wcklung  kommt ,  ist  öfter  in  typischer  Form  ausgebildet.  Ein  langer, 
magerer  Hals  mit  vorspringenden  Mm.  sternocleidomastoidei ,  oft  auch 
deutlich  sichtbaren  Mm.  Scaleni,  ist  nach  unten  begränzt  durch  die  stark 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsuclit.     Symptomatologie.  805 

vorspringenden  Clavikeln ,  nach  unten  und  aussen  durch  die  vertieften 
coneaven  Fossae  supraclaviculares,  von  denen  gewöhnlich  die  eine  mehr 
eingezogen  erscheint  als  die  andere.  Der  Brustkorb  ist  auffallend  mager, 
schmal ;  sein  Sternovertebraldurchmesser  ist  gering,  seine  Länge,  Rich- 
tung von  oben  nach  unten ,  um  so  bedeutender ;  er  scheint  immerzu  in 
der  extremsten  Exspirationsstellung  zu  verharren.  Die  Rippen  springen 
vor  und  sind  weit  auseinander  gerückt ,  die  Infraclaviculargruben  sind 
vertieft  und  lireit.  Häufig  ist  auch  die  Infraclaviculargrube  der  einen 
Seite  mehr  abgeflacht  als  auf  der  andern ;  und  die  Bewegungen  des  Tho- 
rax ,  die  am  ganzen  Thorax,  ganz  besonders  in  den  obern  Theilen  auf- 
fallend gering  sind ,  scheinen  auf  einer  Seite  oft  nahezu  ganz  zu  fehlen. 
Die  Respiration  ist  eine  vorwiegend  diaphragmatische.  Von  der  Rück- 
seite betrachtet  bietet  sich  ein  ganz  analoger  Anblick ;  Abmagerung, 
namentlich  auch  der  Musculatur ,  stark  vorspringende  Schulterblätter, 
die  nach  rückwärts  flügeiförmig  abstehen,  weil  die  Schultern  nach  vorne 
hin  hängen. 

In  frühen  Stadien  der  Erkrankung  fällt  das  Resultat  der  objectiven 
Untersuchung  verschieden  aus.  Noch  ergibt  die  Inspection  keinen  Un- 
terschied in  der  Configuration  der  Supra-  und  Infraclaviculargegend ; 
dagegen  ist  der  Percussionsschall  auf  der  erkrankten  Seite  höher,  leerer, 
kürzer  und  das  Percussionsresistenzgefühl  beträchtlicher  als  auf  der  an- 
dern Seite,  eine  Veränderung,  die  bald  nur  über  dem  Schlüsselbein,  bald 
auch  nur  unterhalb  desselben ,  bald  mehr  nach  innen  gegen  den  Ster- 
nalrand  hin ,  bald  mehr  nach  aussen  in  der  Axilla  oder  aber  überall 
constatirt  werden  kann.  Oft  ist  vorn  keine  Differenz ,  wohl  aber  eine 
solche  hinten  in  der  Fossa  supra-  oder  infraspinata  constatirbar.  Ist 
die  eine  Fossa  supraclavieularis  abgeflacht  oder  eingezogen ,  so  pflegen 
Percussionsdifferenzen  seltener  zu  fehlen  ,  und  wären  sie  vielleicht  auch 
nur  der  Art ,  dass  der  sonore  Schall  auf  der  erkrankten  Seite  um  1  bis 
niehrei'e  Cm.  weniger  die  Clavicula  nach  oben  überragt,  als  auf  der  an- 
deren Seite  (Spitzenschrumpfung)  und  die  Percussionsresistenz  gemehrt 
erschiene. 

Beim  Auscultiren  hört  man  über  der  erkrankten  Stelle  Anomalien 
vom  normalen  Vesiculärathmen  :  rauhes,  verschärftes  Athmen,  besonders 
verlängertes  oder  verschärftes  Exspirationsgeräusch  oder  saccadirtes 
Athmen  oder  abgeschwächtes  Respirationsgeräusch  ;  diese  Veränderun- 
gen sind  bald  nur  vorn  ,  bald  nur  hinten  ,  oder  aber  an  loeiden  Stellen 
Torhanden.  Ferner  sind  Rhonchi  zuweilen  hörbar ;  namentlich  feinbla- 
sige, trockene,  seltener  feuchte,  auch  Knistern  ;  öfter  auch  bloss  ein  ver- 
einzeltes Knacken  bei  tiefern  Inspirationen.  Abnorme  laute,  in  Folge 
Verdichtung  des  Lungeugewebes  sehr  stark  fortgeleitete  Herztöne ,  zu- 


goß  Krankheiten  der  Atbniungsorgane.    Lunge. 

weilen  auch  eiu  systolisches  Geräusch  über  der  Lungenspitze  sind 
Symptome ,  die  im  ersten  Stadium  der  Phthise  sich  auch  bei  Kindern 
constatiren  lassen. 

Im  weitern  Verlauf  nimmt  die  Dämpfung  des  Percussionsschalls 
an  Extensität  und  Intensität  zu ;  auch  in  der  Fossa  inf raspinata  tritt 
deutliche  Dämpfung  auf;  es  besteht  an  der  Stelle,  wo  früher  mu- ver- 
schärftes Exspirium  hörbar  war,  nun  deutliche  bronchiale  Exspiration; 
auch  die  Inspiration  wird  bronchial  und  Rhonchi ,  die  jetzt  wahrzuneh- 
men sind,  sind  klingend. 

In  einer  spätem  Zeit ,  in  der  die  Lungenveränderungen  noch  wei- 
tere Fortschritte  gemacht  haben ,  wird  an  der  Stelle  über  oder  dicht 
unter  der  Clavicula ,  wo  früher  Mattigkeit  vorhanden  war ,  wieder  ein 
hellerer,  tympanitischer  Schall  bemerkt;  an  einer  scharf  umschriebenen 
Stelle  ist  die  Tympanie  sogar  sehr  hell,  hoch  ;  beim  Oeffnen  und  Schlies- 
sen  des  Mundes  und  der  Nase  häufig,  beim  Wechsel  zwischen  Sitzen  und 
Liegen  seltener,  seine  Schallhöhe  wechselnd;  in  einigen  Fällen  —  je 
nach  der  Einmündungssteile  des  Bronchus  in  die  Caverne  —  ist  der 
Schall  beim  Oeffnen  und  Schliessen  des  Mundes  deutlicher  oder  nur  beim 
Sitzen ,  in  andern  nur  beim  Liegen  constatirbar ;  oder  ein  Hustenstoss 
und  dadurch  herbeigeführtes  Freiwerden  des  verstopften  Bronchus  lässt 
das  vorher  fehlende  Symptom  des  Schallwechsels  auftreten.  Bei  etwas 
stärkerer  Percussion  ist  häufig  das  Geräusch  des  gesprungenen  Topfes 
(»Schättern«)  hörbar.  Ringsum  diese  Stelle  ist  der  Schall  mehr  oder  min- 
der in-  und  extensiv  gedämpft ;  vielleicht  schon  eine  Dämpfung  in  deran- 
dersseitigen  bis  dahin  gesund  gewesenen  Lungenspitze  vorhanden.  Das 
aufgelegte  Ohr  constatirt  reichlicheres  Rasseln ;  feuchtes ,  verschieden 
grossblasiges,  klingendes  und  nicht  klingendes  durch  Husten stösse  oft 
seine  Beschaffenheit  änderndes  Rasseln.  Wenn  die  Rhonchi  durch  Hu- 
sten etwas  entfernt  werden  ,  oder  wenn  sie  von  vorne  herein  nicht  so 
zahlreich  waren ,  ist  nun  lautes  amphorisches  Athmen  über ,  unter  der 
Clavicula  und  vielleicht  auch  der  Spina  scapulae  hörbar.  In  den  untern 
Lungenpartien  pflegt  oft  auch  ein  diffuser  Catarrh  der  Bronchien  vor- 
handen zu  sein;  oft  ohne  oft  mit  Symptomen  einer  Infiltration. 

Diese  localen  Symptome  sind  von  den  bekannten  Allgemeinerschei- 
nungen begleitet:  Fieber,  das  jeden  Abend  exacerbirt ,  auf  38,5  bis  40°, 
auch  darüber  ansteigt ,  Morgens  remittirt ,  so  dass  oft  genug  die  Früh- 
temperatur normal  ist.  Typus  inversus  ist  bei  vorgeschrittener  Krank- 
heit mitunter  vorhanden,  ebenso  subnormale  Temperaturen.  Bei  kleinern 
Kindern  fehlt  nicht  ganz  selten  nach  H  e  no  ch  s  und  anderer  Angaben 
das  Fieber  vollständig.  Durch  Husten  wird  ein  schleimig-eiteriges  Spu- 
tum mit  weissen  käseähnlichen  Bröckeln,  die  sich  auf  dem  Boden  des 


Oscar  Wyss,  Lungeniscbwindsucht.     Symptomatologie.  807 

Spuckglases  sammeln ,  entfernt.  In  späterer  Zeit  erscheinen  die  Sputa 
geballt,  grünlich,  seltener  blutstreifig  gefärbt.  Gewöhnlich  ist  die 
Quantität  der  Sputa  gering ,  weil  die  meisten  verschluckt  werden.  Wie 
bei  Erwachsenen  findet  man  elastische  Fasern  darin.  Die  Blutbeimen- 
gungen zum  Auswurf  kommen  zuweilen  auch  in  früherer  Zeit  der  Krank- 
heit vor  und  sind  namentlich  nach  Henoch's  Angaben  keineswegs  so 
ausserordentlich  selten:  er  sah  (Beiträge  1868  p.  222)  Hämoptysis  im 
Alter  von  2'/2 ,  3^3 ,  3'/-i ,  4  und  5  Jahren,  wobei  der  Blutauswurf  bei 
heftigen  Hustenanfällen  in  kleinen  Mengen  ,  nämlich  etwa  1  Theelöfiel 
voll  herausbefördert  wurde.  Bald  war  das  Blut  rein ,  bald  mit  Schleim 
und  Eiter  vermischt.  Nur  einmal  sah  Henoch  profuse  Hämoptoe. 
St  ein  er 's  jüngste  Hämoptoiker  waren  3  Jahre  alt.  Unsere  eigenen 
Erfahrungen  sind  ziemlich  gleichlautend  :  meistens  Expectoration  klei- 
nerer, dem  übrigen  Auswurf  beigemengter  Blutmengen  als  häufigeres 
Vorkommniss ;  nur  einmal  sahen  wir  bei  einem  etwas  über  1  Jahr  alten 
Kinde  eine  profuse,  lethal  endigende  Hämoptoe ,  welche  in  Folge  eines 
Brechactes  eintrat.  Dem  Kinde  war  wegen  diffuser  Bronchitis  capil- 
laris  neben  rechtsseitiger  Spitzeninfiltratiou  ein  Emeticum  verordnet 
worden ;  nach  dem  ersten  Erbrechen  schon  kam  ein  Hustenanfall,  durch 
den  massenhaft  hellrothes  Blut  aus  Mund  und  Nase  herausbef'ördert 
wurde,  und  ehe  wir  zu  dem  Pat.  gelangten,  war  er  todt.  Die  Section 
wies  in  der  rechten  Spitze  ein  käsig  pneumonisches  Infiltrat  nach ,  in 
dessen  Mitte  eine  mit  den  Bronchien  communicirende  wallnussgrosse 
Caverne  in  der  Nähe  eines  aneurysmatisch  erweiterten  Astes  der  Pul- 
monalarterie  lag.  Letzterer  war  in  erstere  hineingeplatzt.  Aehnliche 
Beobachtungen  machte  Ras  müssen:  bei  einem  S'/sjährigen  Kind  sah 
er  Bersten  eines  1  Cm.  langen  Aneurysma  eines  Zweiges  der  Arter.  pul- 
monal, neben  käsiger  Pneumonie,  Peribronchitis,  Miliarbuberculose  der 
Lungen  und  übrigen  Organe.  Ferner  sah  er  bei  einem  6jähr.  neben 
Drüsenvereiterung  eine  Caverne  in  der  rechten  Lunge,  die  mit  dem 
Bronchus  und  der  Arteria  pulmonalis  communicirte. 

Henoch  sah  auch  einen  7  Monat  alten  Knaben  drei  Monate  lang 
graugelbe  eiterige  fötide  Sputa  expectoriren  ;  ferner  fötiden  Atliem  und 
fötides  zwetschgenbrühartiges  Sputum  wie  bei  Lungengangrän.  Wir 
selbst  haben  fötides  Sputum  im  Kindesalter  nur  bei  Lungengangrän  und 
bei  Bronchiectasen  mit  Bi-onchitis  putrida  beobachtet. 

Kalkconcretionen  sind  auch  von  Kindern  ausgehustet  worden. 
Kühle  erwähnt  eines  Kindes,  das  an  einem  kirschgrossen  Concrement, 
welches  aus  einer  Bronchialdrüse  herstammend  in  den  Bronchus  per- 
forirte  und  im  Larynx  stecken  blieb,  erstickte. 

4)DieMiliartuberculose  der  Lungen  ist  die  am  schwie- 


gQg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

rigsten  zu  diagnosticireude  und  daher  am  häufigsten  intra  vitam  ver- 
kannte Form.  Sehr  häufig  machen  die  Tausende  von  miliaren  Knötchen 
in  den  Lungen  gar  keine  örtlichen  Symptome ;  zuweilen  vielleicht  leiclite 
Circulationsstörungen.  Die  physikalische  Untersuchung  des  Thorax  er- 
gibt gar  keine  Anomalie  ;  in  manchen  Fällen  lässt  sich  wohl  ein  diffuser 
Bronchialcatarih  nachweisen  ,  der  alsdann  auch  die  leichte  Beschleuni- 
gung der  Respiration  erklärt,  die  vorhanden  ist,  wo  er  fehlt,  ist  man 
leicht  geneigt  und  berechtigt,  diese  Respirationsbeschleunigung  auf  das 
vorhandene  Fieber  zu  schieben.  Gar  häufig  müssen  uns  andere  Momente 
leiten  und  das  sind: 

1.  Die  sorgfältigste  Berücksichtigung  der  Anamnese.  Ueljerall  da, 
wo  frühere  Luugenaffektionen  —  es  brauchen  durchaus  nicht  bloss 
Spitzenaffectionen  zu  sein  —  bestanden  haben  ,  deren  Resorption  eine 
verzögerte  war ,  wo  von  da  her  oder  unabhängig  davon  ein  chronischer 
Brouchialcatarrh ,  vielleicht  mit  Bronchialdrüsenschwellung  und  nach- 
folgender Verkäsung  dieser  sich  entwickelte ,  wo  Lymphdrüsenschwel- 
lungen und  Verkäsung  am  Halse  oder  der  Submaxillargegend  im  Ge- 
folge von  Eczemen,  Augen-  ,  Nasen-,  Pharynx-,  Kiefer-  und  Ohrener- 
krankungen oder  anderswo,  z.  B.  im  Mesenterium  (chronische  Enteritis), 
oder  wo  sehr  langsam  sich  resorbirende  Exsudate  in  der  Bauchhöhle, 
event.  auch  Reste  solcher  in  der  Pleura,  Knochen-  oder  Gelenkaffectionen 
vorliegen  oder  vorgelegen  haben ,  muss  man  die  Resorption  käsiger  er- 
weichter Massen  als  sehr  naheliegendes  ätiologisches  Moment  der  Er- 
krankung betrachten. 

Schwer  in  die  Wagschale  fällt  ferner  schon  vor  der  acuten  Erkran- 
kung Statt  gehabte  allmälige  Abmagerung,  die  ohne  bekannte  Ursache, 
vielleicht  trotz  reichlicher  Nahrungseinfuhr,  trotz  guter  Verdauung 
rapide  Fortschritte  machte.  Wenn  dieses  selbe  Symptom  nur  noch  in 
heftigerem  Grad  während  der  Krankheit  sich  geltend  macht ,  ist  es  um 
so  bedeutungsvoller. 

2.  Der  Nachweis  einer  acuten  Miliartuberculose  in  andern  Organen: 
mit  unumstösslicher  Sicherheit  kann  das  nur  durch  den  Nachweis  von 
Miliartuberkeln  durch  den  Augenspiegel  in  der  Chorioidea  geschehen. 
Fehlen  der  Tuberkeln  in  den  Adeidiäuten  beweist  nichts  dagegen.  Ziem- 
lieh  sicher  ist  ferner  in  einer  grossen  Zahl  von  Fällen  der  Nachweis 
einer  Meningitis  tuberculosa ;  doch  ist  Erinnerung  zu  bringen,  dass  viele 
acute  Lungentuberculosen  ohne  Meningitis ,  viele  Meningiten  tubercu- 
löser  Natur  ohne  Lungentuberculose  verlaufen.  Weit  unsicherer  ist  der 
Nachweis  einer  Miliartuberculose  anderer  Organe.  In  der  Haut  kommen 
sie  selten  vor  und  erscheinen  als  lichenähnliche  Knötcheu.  Im  Perito- 
neum machen  .sie  sehr  oft  keine  Symptome  (um  so  geringere ,  je  jünger 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Verlauf  und  Dauer.  809 

das  Kind  ist) ;  in  Leber ,  Nieren  keine ,  in  der  Milz  Schwellung  des  Or- 
gans, Vergrössei'ung  der  Milzdämpfiing. 

3.  Es  bestellt  Fieber,  bedeutende  Pulsbeschleunigung,  erhöhte 
Temperatur.  Letztere  ist  sehr  verschieden  ;  in  manchen  Fällen  längere 
Zeit  hindurch  hoch,  in  andern  stark  remittirend,  in  noch  andern,  zumal 
bei  kleinen  Kindern  auch  vollkommen  normal.  Zuweilen  hat  das  Fieber 
Aehnlichkeit  mit  demjenigen  bei  Typhus  und  da  auch  im  Säuglingsalter 
Typhuserkrankungen  mit  Milzschwellung  etc.  nicht  fehlten ,  so  ist  in 
solchen  Fällen  nur  der  Verlauf  und  eventuell  die  Aetiologie  maasgebend, 
ob  man  es  mit  dem  einen  oder  andern  Leiden  zu  thun  habe.  Zuweilen 
spricht  die  Irregularität  der  Temperaturcurve,  das  plötzliche  Remittiren 
ohne  Besserung  der  übrigen  Krankheitssymptome  früh  schon  gegen  Ty- 
phus. Der  Milztumor  beweist  so  zu  sagen  gar  nichts  für  die  vorliegende 
Frage;  doch  wäre  sicheres  Fehlen  desselben  zu  verwerthen. 

Von  Seiten  der  Respirationsorgane  wären  also  nur  zu  nennen 
als  oft  bei  Miliartubercnlose  der  Lungen  vorhandeue  Erscheinungen : 
Leichte  oder  erhebliche  Cyanose  des  Gesichts ;  kühle  Extremitäten,  sub- 
jective  Beklemmung  (sogar  Orthopnoe),  Beschleunigung  der  Respiration, 
erschwerte  Inspiration ,  verschärftes  vesiculäres  Athmen  zuweilen  mit 
Pfeifen  und  Schnurren ,  späterhin  auch  mit  reichlicheren  Rhonchi  ver- 
bunden. Husten  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  vorhanden ,  in  einzelnen 
andern,  da  wo  z.  B.  gleichzeitig  die  Meningen  afficirt  sind,  kann  es  auch 
fehlen. 

Verlauf  und  Dauer. 

Der  Verlauf  ist  zum  Theil  im  obigen  bereits  geschildert;  die  An- 
fangssymptome bleiben  häufig  unberücksichtigt  und  erst  wenn  die  Ab- 
magerung so  rasche  und  bedeutende  Fortschritte  macht,  wenn  das  Fieber 
sich  steigert,  wenn  die  Verdauungsstörungen  immer  mehr  hervortreten, 
dann  erst  wird  oft  von  den  Angehörigen  der  Patient  als  solcher  ange- 
sehen. Wenn  sich  der  Process  an  eine  acute  Erkrankung  anschliesst, 
kommt  zuweilen  eine  Zeit  vollständiger  Genesung  ;  Wochen  lang  scheint 
die  Gesundheit  ungestört  zu  sein  ;  inmierhin  berichtet  darüber  die  Mut- 
ter in  der  Mehrzahl  mit  einem  Zusätze :  aber  der  Appetit  hatte  sich  doch 
nicht  so  ganz  wiederhergestellt ;  das  Aussehen  des  Kindes  war  etwas 
blasser,  etwas  verändert  geblieben,  die  Körperfülle  war  etwas  geringer, 
die  frühere  Lel)haftigkeit  war  nicht  wieder  da,  oder  es  persistirte  ra- 
scheres Ermüden  oder  auch  ein  auffallend  stilles  ruhiges  Verhalten ;  ein 
leichter  Husten  bestand  immer,  kurz  es  war  irgend  ein  »etwas«,  das  dem 
sorgsamen  Blicke  der  Mutter  nicht  entging  und  sie  mit  Recht  mit  Be- 
sorgniss  für  die  Zukunft  erfüllte.     Dort  wo  das  Leiden  nicht  auf  eine 


810  KranMieiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

acute  Erkrankung  folgte,  stellen  sich  diese  Symptome  ganz  allmälig  ein 
und  es  können  Tage,  selbst  Wochen  vergehen,  ohne  dass  es  dem  Arzte 
gelingt,  örtlich  etwas  aufzufinden. 

Die  Dauer  der  4  verschiedenen  Formen  ist  sehr  different.  Während 
die  ac\\te  Miliartubercnlose  von  wenigen  Tagen  bis  zu  3—6  Wochen 
schwankt,  ist  die  Dauer  der  käsigen  Bronchopneumonie  länger,  1  bis  3 
Monate,  selten  länger.  Das  chronische  Spitzeninfiltrat  hat  keine  genau  zn 
begränzende  Dauer;  es  besteht  zuweilen  Wochen  lang  und  länger,  um 
dann  in  diese  oder  jene  andere  Form  oder  in  Heilung  überzugehen.  Die 
Phthise  mit  Cavernenbildung  verläuft  unendlich  verschieden  :  beim  halb- 
jährigen Kinde  haben  wir  sie  in  6  Wochen,  beim  2jährigen  in  2'/2  Mo- 
naten ,  beim  10jährigen  in  P/4  Jahren  tödtlich  verlaufen  .sehen;  und 
wir  behandeln  jetzt  ein  l.Sjähriges  Mädchen  mit  Cavernen,  dessen  Krank- 
heitsbeginn in  das  7.  Leben.sjahr  auf  eine  Masernpneumonie  zurück  da- 
tirt  wird.  Immer  im  Sommer  war  Patient  unter  Zuhilfeualune  aller 
möglichen  Hülfamittel,  Aufenthalt  im  Gebirge  ,  in  sulpalpinen  Thälern 
besser ,  eine  Zeitlang  fast  genesend ,  immer  im  Winter  kehrte  Husten, 
Aufswurf,  Abmagerung  wieder ,  bis  endlich  der  verflossene ,  der  allerbö- 
seste  von  allen  ,  neben  extremster  Abm  agerung  Fieber  und  Hämoptoe 
brachte. 

Mächtig  wird  der  ungünstige  Ausgang  beschleunigt  durch  die  Com- 
plicationen  von  Seite  der  Digestionsorgane,  der  Nieren,  Amyloiderkran- 
kung  und  ungünsiige  Hereditäts-  und  äussere  Verhältnisse. 

Diagnose. 

Da  die  einzelnen  Formen  der  Kinderphthise  selbst  in  ihren  End- 
stadien sehr  differente  anatomische  Befunde  zeigen ,  und  die  Sym- 
ptome in  ähnlicher  Weise  verschiedene  sind,  so  können  wir  daher  nicht 
von  einem  characteristischen  Symptom  oder  einer  typischen  Gruppe  von 
Erscheinungen  sprechen.  Dass  das  Leiden  ein  chronisches  ist,  einen 
schleichenden  Verlauf,  der  über  Wochen,  in  manchen  Fällen  selbst  über 
Jahre  sich  erstreckt,  besitzt,  ist  bereits  betont.  Einzig  die  Miliartuber- 
cnlose kann  unter  Umständen  ganz  acut  sich  entwickeln  und  .so  ver- 
laufen. Allen  Formen  kommen  die  Symptome  der  chronischen  eventuell 
auch  acut  fortschreitender  Abzehrung  zu.  Das  Fett  des  Unterhautbin- 
degeweljes  ,  sowie  die  Muskulatur  schwindet  mehr  und  mehr  ,  die  Haut 
wird  schlaff,  die  Epidermis  trocken,  rimzlig,  schilfert  sich  ab.  Die 
Haare  erscheinen  auf  der  atrophischen  Haut  oft  excessiv  entwickelt,  so 
besonders  an  der  Stirn  ,  an  den  Uhren  ,  den  Wangen  ,  am  Rücken,  auch 
an  den  Extremitäten.  Dieses  Symptom  der  Abmagerung  bekommt  na- 
türlich nur  dann  hohe  Wichtigkeit,  wenn  jede  andere  Ursache  der  Erna- 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Diagnose.  811 

tiation :  chronische  Diarrhoee  oder  eine  andere  ernste  AfiPection  der  Di- 
gestionsorgane ,  eine  Knocheneiterung ,  ein  Nierenleiden  u.  dgl.  ausge- 
schlossen werden  kann. 

Ein  weiteres  wichtiges  Symptom  ist  das ,  eiuzehieu  Formen  in  hö- 
herem ,  andern  in  geringerem  Grade  zukommende  Fieber ;  als  dessen 
bedeutsamstes  Characteristicum  die  starken  unregelmässigen  Tages- 
schwankungeu  ,  die  zeitweisen  starken  Abend-Exacerbationen  und  un- 
regelmässigen Morgen-Remissionen ,  der  zuweilen  auftretende  Typus 
inTersus,  das  durchaus  nicht  regelmässige  Ansteigen  des  Tagesmaximum 
an  einer  gewissen  Tagesstunde  und  in  einer  Anzahl  von  Fällen  auch 
das  Wechseln  subnormaler  Temperaturen  mit  noi-malen  oder  nur  wenig 
übernormalen  Abendtemperaturen  bezeichnet  werden  darf.  Die  unruhi- 
gen Nächte,  der  constant  frequente  kleine  Puls,  der  Nachweis  eiternder 
oder  einfach  geschwellter  indolenter,  käsig  entarteter  Lymphdrüsen  am 
Halse,  über  den  Clavikeln,  oder  in  einer  der  beiden  Axillae,  der  Nach- 
weis vorgekommener  oder  bestehender  scrophulöser  und  tuberculöser 
Erkrankungen  bei  den  Eltern  oder  in  der  Familie :  alles  das  sind  Puncto, 
die  bei  der  Diagnose  schwer  in  die  Wage  fallen. 

Auf  eine  c  h  r  o  n  i  s  c  h  e  P  n  e  u  m  o  n  i  e  d  e  r  L  u  n  g  e  n  s  p  i  t  z  e  wird 
man  dann  die  Diagnose  stellen,  wenn  man  bei  einem  Leiden  mitschlep- 
pendem Verlauf,  den  oben  geschilderten  Allgemeinsymptomen,  mit  tro- 
ckenem kurzem  Hüsteln  oder  heftigem  quälendem  erschöpfendem  Husten 
in  der  einen  Fossa  supra-  oder  auch  noch  infraclavicularis  rcsp.  -spinata 
oder  Axilla  den  Percussionsschall  gedämpfter  findet,  als  er  auf  der  andern 
Seite  an  der  entsprechenden  Stelle  ist ;  die  untern  Theile  der  Lunge  frei 
sind  ;  abgeschwächtes  Respirationsgeräusch  oder  verschärftes  Exspirium, 
saccadirtes  Athmen,  oder  bronchiales  Athmen,  Bronchophonie,  klingen- 
des Rasseln  oder  Knisterrasseln ,  verstärkter  Stimmfremitus  wären  wei- 
tere wichtige  Argumente  für  die  Annahme  einer  Spitzeninfiltration. 

Ob  Excavationen  vorliegen,  darüber  gibt  die  Beschaffenheit 
des  Sputums  wegen  der  Schwierigkeit  seiner  Beschaffung  selten  Auf- 
schluss;  nur  bei  altern  Kindern  ist  dies  zu  erlangen  (Sputum  nummu- 
latum  ;  elastische  Form  Hämoptoe).  Um  so  wichtiger  ist  also  die  genaue 
Feststellung  des  objectiven  Bestandes.  Indess  lässt  auch  die  Percussion 
sehr  oft  im  Stich,  da  der  Nachweis  tympanitischen  Schalls  an  einer  Stelle 
am  Thorax,  wo  Lungengewebe  liegt,  die  Aenderung  des  Höhe-  und  VöUe- 
wechsels  dieses  Schalls  beim  Sitzen  und  Liegen,  beim  Oeffnen  und 
Schliessen  .von  Mund-  und  Nasenöffnung ,  und  namentlich  Constatirung 
des  letzteren  Symptoms  nur  in  der  einen  Körperlage  der  Patienten,  fer- 
ner der  Nachweis  von  Schättern  (Geräusch  des  gesprungenen  Topls)  bei 
Kindern  unter  2  Jahren  (und  wie  oft  noch  bei  4  —6jährigen !)  theils 


812  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 


1 


unmöglich  ist ,  theils  gar  nichts  beweist,  weil  Tympanie  und  Schättern 
sehr  oft  am  rhachitischen  Thorax  bei  normalen  Lungen  erzeugt  werden 
kann  ;  die  andern  Symptome  wie  Gerhard  t'scher  ,  W  i  n  t  r  i  c  h  scher 
und  unterbrochener  Win  trieb  'scher  Schallwechsel  (Gerhardt)  be- 
halten jedoch  ihren  gewohnten  hohen  Werth. 

Nicht  unwichtiger  sind  die  Resultate  der  Auscultation :  die  Be- 
schafEenheit  des  Bronchialathmens  ,  Aenderung  ■  der  Höhe  des  Athem- 
geräusches  beim  Oeffnen  und  Schliessen  von  Nase  und  Mund,  der  Nach- 
weis von  amphorischem  Athmen  (metamorjjhosirendem  Athmen)  und 
der  Rasselgeräusche:  grossblasiges  und  feinblasiges  klingendes  Rasseln 
und  metallischer  Beiklang  der  Rasselgeräusche. 

Bei  der  disseminirten  käsigen  Lobulärpneimionie  mit  oder  ohne  wirk- 
liche MiliartubercLilose  ergibt  die  physikalische  Untersuchung  bald  gar 
keine  Anomalie  durch  die  Percussion,  bald  auf  der  einen  oder  andern  Seite 
leichte  Dämpfung  oder  leichte  Tympanie ;  die  Auscultation  die  Symptome 
eines  diffusen  Catarrhs  oder  der  Lobulärpneumonie.  Hier  ist  der  Verlauf, 
das  beträchtlichere  und  anhaltendere  Fieber,  die  zunehmende  Abmagerung 
von  Wichtigkeit.  Oft  ist  in  solchen  Fällen  die  Aetiologie:  das  Auftre- 
ten dieser  Erkrankung  nach  acuter  Bronchitis  ,  im  Gefolge  der  Masern, 
oder  eines  Keuchhustens ,  seltener  des  Scharlachs  oder  der  Varicellen, 
wichtig.  Diese  letzte  Form  kann  auch  unter  Umständen  mit  Typhus 
abdominalis  verwechselt  werden  ;  ja  wenn  Patient  erst  spät  in  Beobach- 
tung gelangt,  wenn  3 — 4  Wochen  unbeachtet  verflossen,  so  ist  es  zu- 
weilen sehr  schwer  und  selbst  unmöglich,  zur  richtigen  Diagnose  zu  ge- 
langen. Die  nachträgliche  (freilich  alsdann  oft  nur  lückenhaft  noch  zu 
erlangende)  genaue  Anamnese,  Art  und  Weise  des  Beginns  und  der  Auf- 
einanderfolge der  Symptome  sind  hier  wichtig :  Fehlen  des  Hustens  und 
anderer  Erscheinungen  von  Seiten  des  Athmungsapparates ,  heftiges, 
am  Morgen  nicht  nachlassendes  Fieber  in  dieser  Zeit,  Durchfall  in  die- 
ser selben  Zeit,  Roseola-Exanthem  Ende  der  ersten  und  Anfangs  der 
zweiten  Woche,  spontaner  Nachlass  des  Fiebers  in  der  3.  oder  4.  Woche 
würden  für  Typhus ;  gegen  Typhus  dagegen  das  in  der  3.  oder  4.  Krank- 
heitswoche erst  heftiger  werdende  Fieber,  stärkeres  Befallensein  der 
obern  Theile  der  Lunge  als  der  hintern  untern  Lungenabschnitte. 
Bei  von  vornherein  ärztlich  beobachteten  Fällen  würde  das  frühzeitige 
Vorhandensein  des  Milztumors  (in  der  ersten  Krankheitswoche) ,  der 
Meteorismus  abdominis,  das  Ileocöcalgurren,  die  Form  der  Temperatur- 
curve ,  selbst  in  der  3.  bis  5.  Woche  noch  die  Tagesfluctuationen  der 
Temperatur  (regelmässiges  Ansteigen  in  den  spätem  Vormittags-  oder 
frühem  Nachmittagsstunden,  Sinken  in  den  Abendstunden  beim  Typhus, 


Oscar  Wyss,  Limgenscliwindsucht.     Prognose.  813 

dagegen  irreguläre  Schwankungen  bei  Phthise)  —  kurz  die  Betrach- 
tung des  ganzen  Kranklieitsbildes  als  Anhaltspuuct  dienen  können. 

In  vielen  Fällen  sind  jedoch  die  Ergebnisse  der  physikalischen 
Untersuchung  zuverlässiger,  lassen  sich  deutlich  Infiltrate  nachweisen, 
bald  einseitig,  bald  beiderseits,  was  die  Diagnose  sehr  erleichtert. 

Weit  schwieriger  ist  die  Diagnose  auf  Miliartuberculose  der  Lun- 
gen. Es  ist  hier  das  Hauptgewicht  auf  die  Anamnese  und  Aetiologie, 
auf  den  rapiden  Verlauf,  die  rasch  progredirende  Abmagerung,  die  zwar 
oft  leichten  aber  doch  gewöhnlich  vorhandenen  Respirationsstörungen, 
Cyanose,  diffuse  Bronchitis,  Dyspnoe,  die  oft  nicht  in  Einklang  mit  dem 
objectiven  Befund  zu  bringen  ist,  und  ganz  besonders  auf  den  Nachweis 
anderweitiger  Tuberculoseeruptionen  im  Körper  (Cliorioidealtubercu- 
lose,  Meningaltuberkeln)  zu  legen  sein. 

Erschwert  wird  die  Diagnose  ferner  dort ,  wo  sich  eine  beträcht- 
lichere exsudative  Pleuritis  hinzugesellt,  wo  von  früher  her  ein  Hydro- 
cephalus  chronicus  oder  acutus  vorliegt.  Auch  hier  fallen  die  angeführten 
Merkmale  in  die  Wagschaale. 

Obwohl  nach  B  u  c  h  a  n  a  n  Tuberculose  der  Bronchialdrüsen  mit 
^:6  aller  Fälle  von  Lungentuberculose  vorkommt,  trifft  mau  doch  in  '/e 
aller  Fälle  von  Bronchialdrüsentuberculose  diese  für  sich.  Für  diese 
sprechen  :  Dämpfung  des  Percussionsschallsüber  dem  Manubrium  sterni ; 
ein  keuchendes  oder  pfeifendes  Geräusch  in  der  Nähe  der  Bifurcation 
der  Trachea  (Druckverengerung  des  Bronchus) ,  mehr  rechterseits  als 
links,  weil  rechts  die  Drüsenschwellung  beträchtlicher  zu  sein  pflegt  als 
links ;  auf  der  entsprechenden  Seite :  Tuberculose  der  Lymphdrüsen  über 
der  Clavicula  und  am  Halse. 

Prognose. 

Die  Prognose  der  Phthisis  im  Kindesalter  ist  nicht  günstiger  zu 
nennen,  als  diejenige  der  Erwachsenen;  und  in  jenen  Fällen,  m  denen 
Zerstörungsvorgänge  ,  Excavationen  diagnosticirbar  geworden  sind  ,  ist 
sie  geradezu  ganz  schlecht.  Uns  ist  kein  Fall  von  Heilung  von  Cavernen 
bei  Kindern  bekannt ;  doch  ist  eine  solche  nicht  undenkbar,  da  ja  nach 
Lungengangrän  und  Lungenabscess  Heilung  vorgekommen  ist. 

Spitzeninfiltrate  bieten  unter  Umständen  noch  günstigere  Pro- 
gnose ;  doch  fallen  hier  auch  eine  Reihe  von  zu  berücksichtigenden  Mo- 
menten in  Betracht.     Es  ist  wichtig  : 

1)  Die  Heredität.  Waren  oder  sind  die  Eltern  oder  nur  das  eine 
derselben  phthisisch  oder  sonst  schwächlich  oder  leidend  (Anämie,  Scro- 
phulosis,Caries  etc.,  constitut.  Syphilis)  oder  zur  Zeit  der  Zeugung 
schon  bejahrt,  so  trübt  dies  die  Prognose  in  hohem  Grade.     Ebenso  ist 


814  Krankheiten  der  Athniungsorgane.     Lunge. 

Phthise  der  Grosseltern,  oder  anderer  Familienglieder  bei  Integrität  der 
Eltern  ominös. 

2)  Die  neben  der  Lungenaffection  vorhandenen  anderweitigen  Er- 
krankungen im  Körper  :  Chronische  Eiterungen  besonders  der  Wirbel- 
säule, an  Gelenken,  Knochen,  bedingen  eine  weit  schlechtere  Prognose, 
zumal  dann  ,  wenn  die  Eiterung  nicht  durch  einen  chirurgischen  Ein- 
griff (Resection,  Auslöö'elung ,  Amputation)  gehoben  werden  kann. 
Ist  dies  der  Fall  und  die  Erkrankung  der  Lunge  nicht  allzu  vorge- 
schritten, so  ist  die  Aussicht  auf  Heilung  nicht  ganz  hoffnungslos. 
Ferner  ist  prognostisch  sehr  schlecht:  Albuminurie  ,  andauernde  Diar- 
rhoe, Leber-  und  Milzschwellung  ,  Amyloidentartung. 

3)  Die  äusseren  Verhältnisse ,  unter  denen  Patient  sich  befindet; 
im  engen  feuchten  ,  dumpfen  luf't-  und  lichtarnien  städtischen  Wohn- 
raum, zumal  Kellerlokal  sind  die  Aussichten  weit  schlechter,  als  unter 
günstigeren  hygieinischen  Verhältnissen.  Auch  die  Jahreszeit  ist  von 
Bedeutung:  wenn  Patient  täglich  für  8 — 10  Stunden  in  die  Sonne  ge- 
bracht werden  kann,  ist  die  Aussicht  auf  Genesung  weit  grösser,  als 
wenn  er  immer  aufs  Zimmer  angewiesen  ist. 

4)  Die  Ausdehnung  des  örtlichen  Processes  (s.  oben),  Cavernen, 
bedeutende  Ausdehnung  des  Infiltrates,  starker  diffuser  und  persistenter 
ßronchialcatarrh ,  andauerndes  heetisches  Fieber,  das  in  Verbindung 
mit  persistenter  Respirationsbeschleunigung  oder  bedeutenderer  Dys- 
pnoe, Cyanose,  die  aus  dem  objectiven  Befund  allein  sich  nicht  hinläng- 
lich erklärt,  machen  die  Prognose  schlecht. 

Prophylaxis  und  Therapie. 

Kaum  von  einer  andern  Krankheit  wie  der  Phthisis  pulmonum  gilt 
in  so  hohem  Grade  das  Wort  Prevention  is  better  than  eure.  Denn  in 
der  That  kann  durch  hygieinische  ,  prophylactische  Massregeln  bei  zu 
Phthisis  Disponirten  sehr  vieles  gethan  werden,  vor  dem  Beginn,  im  Be- 
ginn und  in  vielen  Fällen  auch  noch  während  der  ersten  Zeit  der  Krank- 
heit ,  während  in  den  späteren  Stadien  des  Leidens  man  zur  Zeit  leider 
sich  nur  auf  eine  Palliativbehandlung  beschränken  muss. 

Die  Prophylaxe  hat  schon  vor  der  Geburt  zu  beginnen.  Gewiss 
sollte  bei  der  Eheschliessung  mehr  als  jetzt  geschieht,  in  Fällen  wo  die 
zu  Verehelichenden  aus  einer  phthisisch,  tuberculös  oder  scrophulös  be- 
lasteten Familie  stammt ,  oder  wo  auch  nur  der  leichteste  Verdacht  auf 
ein  chronisches  Lungenleiden  sich  aufdrängen  sollte,  der  Arzt  zu  Rathe 
gezogen  werden.  Besser  eine,  wie  Rühle  richtig  sagt,  ja  doch  am  Ende 
transitorische ,  Gemüthsbewegung  ,  als  die  durch  lange  Jahre  hindurch 
sich  schleppende  sorgenvolle  Abwechselung  von  Hoffen  und  Bangen  im 


Oäcar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Prophylaxis  und  Therapie.      815 

Kranksein  und  Nichtgesundsein  der  Betroffenen  selbst  oder  ihrer  Nach- 
kommen ,  die  nach  jahrelangem  ja  oft  jahrzehntelangem  Ringen  nach 
Gesundheit  schliesslich  doch  mit  dem  Zugrundegehen  der  ganzen  Fa- 
milie endet.  Stellt  sich  bei  der  Mutter  während  der  Gravidität  ein  Lun- 
gencatarrh  ein  ,  darf  dieser  nie  unterschätzt  werden ,  im  Interesse  ihrer 
selbst  sowohl  als  auch  im  Interesse  der  Frucht. 

Ganz  ebenso  wichtig  ist  jede  andere,  das  Allgemeinbefinden  der  Mut- 
ter alterireude  Gesundheitsstörung.  Verdauungsstörungen,  Blutverluste, 
Anämie,  Infectionskrankheiten,  Nahrungsmangel,  Kummer  und  Sorgen, 
übermässige  Anstrengungen,  schlechte  äussere  Verhältnisse,  und  so  viele 
andere  Momente  noch  werden  zu  Quellen  einer  schon  bei  der  Geburt 
oder  erst  später  sich  geltend  machenden  Schwächlichkeit  des  Kindes, 
die  sich  erhaltend  bald  im  Lauf  der  Kinderjahre  Ijald  erst  später  ihre 
schlimmen  Folgen  hat.  Wenn  nach  der  Geburt  die  tuberculöse  Mutter 
aus  selbstverständlichen  Gründen  im  eigenen  Interesse ,  wie  auch  im 
Interesse  des  Kindes,  weil  der  Keim  der  Tuberculöse  möglicherweise  erst 
durch  die  Milch  übertragen  werden  könnte ,  nicht  stillen  kann ,  so  tre- 
ten, da  ja  nur  an  wenigen  bevorzugten  Orten  die  Beschaffung  einer 
brauchbaren  Amme ,  und  auch  hier  nur  für  die  kleine  Zahl  der  Kinder 
der  sehr  Begüterten  möglich  ist,  wieder  die  zahllosesten  Geiahren  und 
Missstände  der  künstlichen  Ernährung  entgegen.  Wie  wenigen  ist  die 
Garantie  der  Abstammung  der  Milch  von  gesunden,  nicht  perlsüchtigen 
Kühen  gegeben  !  Wie  wenigen  kann  eine  frische,  unverfälschte,  nicht 
abgerahmte,  nicht  gewässerte  Milch  verschafft  werden  !  und  wenn  das : 
wie  viele  oder  wie  wenige  vielmehr  sind  in  solchen  Verhältnissen ,  dass 
wir  bei  deren  Berücksichtigung  nicht  sagen  müssen :  es  ist  ein  Wunder, 
dass  die  Kindermortalität  nicht  noch  viel  grösser  ist!  Die  Pflege  der 
Säuglinge  ist  nahezu  überall  heutzutage  eine  mangelhafte  und  wird 
nicht  besser  werden,  bis  die  Mutter  wieder  das  Ziel,  ihrem  Kinde  Mutter 
im  wahrsten  vollsten  Sinne  zu  sein,  als  ihre  höchste  Lebens-Aufgabe  be- 
trachten wird. 

Die  Zeit  des  Säuglingsalters  legt  den  Grund  zur  Pvliachitis  und  den 
damit  verbundeneu  Vorbildungen  des  Brustkorbes,  wie  der  Entwicklung 
chronischer  Pharynx-  und  Tracheobronchialcatarrhen ,  die  für  die  Ent- 
stehung acuter  und  chronischer  Bronchialdrüsen-  und  Lungenerkrankun- 
gen so  wichtig  sind.  Sie  legt  den  Grund  zur  chronischen  resp.  tuberculösen 
Mesenterialdrüsenschwellung ,  Enteritis  ulcerosa  etc. ,  in  deren  Gefolge 
Lungentuberculose  so  oft  aultritt.  Sie  legt  freilich  oft  auch  den  Grund 
zu  einer  später  lange  persistireuden  Verdauungsschwäche ,  Neigungen 
zu  Digestionsstörungen ,  die  von  Anämie  etc.  gefolgt  sind. 

Ins  zweite  Kindesalter  erst  fallen  die  zahllosen  Erkrankungen  der 


32 ß  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Luftwege,  welclie  zum  Theil  den  Grund  zu  einer  in  der  spätem  Zeit  sich 
entwickelnden  Phthise  legen :  die  Maseru- ,  Keuchhusten- ,  Rubeolen-, 
Scharlach-  und  andere  Epidemien ;  die  Grippe,  die  chron  ischenCatarrhe 
der  Nase ,  des  Larynx ,  der  Trachea  und  Bronchien ,  die  namentlich  bei 
Rhachitischen  und  Scrophulösen  nicht  weichen  wollen,  die  bei  letzteren 
nach  unten  sich  fortpflanzend  zuletzt  zu  käsigen  Bronchial-  und  Tra- 
chealdrüseuerkrankungen ,  zu  käsigen  Pneumonien  führen.  Zwar  sind 
auch  hier  die  Erkrankungen  der  Verdauungsorgane ,  chronische  Ente- 
ritis ,  (ulcerose ,  tuberculose ,  foUiculäre)  mit  Mesenterialdrüsenerkran- 
kung  noch  recht  häufig,  zweifellos  im  Zusammenhang  mit  dem  zu  frühen 
oder  zu  plötzlichen  Nahrungswechsel ,  den  manchmal  allzu  grossen  Zu- 
muthungen  ,  die  dem  kindlichen  Verdauungsapparat  gemacht  werden. 

In  dieser  Zeit  sind  zahlreiche  Fälle  der  Kinderphthise  durch  un- 
günstige Wohnungsverhältnisse  :  enge  ,  unveutilirte  luft-  und  lichtlose 
und  dazu  noch  übervölkerte  mit  Ofeurauch  und  Kohlendunst,  mit  Petro- 
leum- oder  Ligroiuequalm ,  mit  Tabaks-  oder  Cigarreuduft  und  andern 
von  am  Ofen  trocknenden  Windeln  und  Wasche-  und  Kleidungsstücken 
herrührenden  »flüchtigen«  Substanzen  erfüllte  Wohn-  und  Schlafräume 
bedingt.  Die  Feuchtigkeit  der  letztern  schadet  hauptsächlich  dadurch, 
dass  die  Ventilation  durch  die  Wände  aufgehoben  ist ;  doch  wohl  auch 
durch  die,  in  der  feuchten  Binnenluft  üppige  Vegetation  niederer  Orga- 
nismen. Neue  Häuser  sind  ungesund  wegen  der  mangelhaften  Wand- 
(Poren-)  Ventilation ,  die  in  Folge  zu  grossen  Wassei'gehaltes  und  Ver- 
schluss der  Poren  bei  leichter  Zunahme  der  Wandfeuchtigkeit  durch 
Witterungseinflüsse  oder  durch  Schuld  der  Insassen,  besonders  mangel- 
haftes Oeffnen  der  Fenster,  so  häufig  unmöglich  ist.  Der  Aufenthalt  auf 
der  Gasse,  im  Freien  während  der  bessern  Jahreszeit  ist  für  solche  Kin- 
der das  einzige  Rettungsmittel.  Oft  wird  der  Gesundheitszustand  für 
dieselben  durch  den  Schulbesuch ,  d.  h.  die  täglich  erzwungene  Beweg- 
ung im  Freien  (Schulweg)  von  günstigem  Einfluss.  Dass  bei  altern  Kin- 
dern die  Schulluft ,  wenn  die  Schulzeit  länger,  anstrengender  geworden 
ist,  auch  ihren  schädlichen  Einfluss  entfalte,  ist  oben  bereits  urgirt,  zu- 
mal in  Organismen ,  die  durch  eine  unvollständig  geheilte  Luugenaffec- 
tion  noch  vulnerabler  geblieben  sind  als  andere ,  vorher  gesunde. 

Neben  der  verdorbenen  ,  allzu  kohlensäurereichen  Schulstubenluft, 
sind  es  auch  die  stundenlang  ununterbrochen  ruhige  Körperstelhmg,  das 
stark  nach  vorn  übergebeugte  Sitzen  mit  Compression  des  Brustkorbes 
und  gänzlich  mangelhaften  Ausdehnung  der  Lunge  beim  Athmen ,  die 
fehlende  Muskelübung ,  was  dem  in  diesen  Jahren  noch  so  rasch  wach- 
senden Körper  des  Kindes  Schaden  bringt.  Diese  Nachtheile  sollten  in 
der  Zeit  ausserhalb  der  Schule  nicht  dadurch  befördert,  gesteigert  wer- 


Oscar  Wyss,  Limgenscliwindsucht.     Prophylaxe  und  Therapie.      817 

den ,  dass  es  aus  der  Sclnüstube  nur  nach  Hause  gehen  soll ,  um  dort 
noch  einmal  eben  so  lang  wie  in  der  Schule  in  der  dumpfen  Stube  bis 
in  die  späten  Nachtstunden  hinein  sich  an  den.  Schreibtisch  setzen  soll, 
um  die  Schulaufgaben  zu  absolviren.  Alle  Hausaufgaben  ,  sofern  sie 
schriftliche  sind,  sollten  aus  der  Schule  verbannt  werden  und  die  Schüler 
gehalten  sein,  im  Freien  sich  zu  tummeln  und  nach  Herzenslust 
Muskel-  und  Athemgymnastik  zu  treiben.  Unter  Umständen  muss  das 
auch  in  geordneter,  methodischer  Weise  geschehen;  dann,  wenn  es  sich 
um  Kränkliche  handelt,  wenn  ein  schädliches  »zu  viel«  vermieden  wer- 
den soll.  Da  sind  methodisches  Tiefathmen ,  Freiübungen ,  Stabturnen, 
Fechtübungen,  Hantelübungen,  Uebungen  mit  dem  elastischen  Strang, 
sog.  Armstärker ,  BaiTenübungeu ,  Uebungen  an  der  liegenden  Leiter 
(Hangübungen) ,  vorsichtig  später  auch  Laufübungen  und  Singübungen 
am  Platze. 

Es  passt  im  fernem  hier  alles  das ,  was  wir  früher  über  die  Pro- 
phylaxe der  Katarrhalpneumonie  gesagt  haben ;  wir  verweisen  desshalb 
auf  pag.  773  u.  ff. 

Ein  zweites  weites  Feld  der  Prophylaxe  vor  der  Phthise  besteht  in 
der  möglichst  sorgfältigen  Behandlung  aller  jener  Krankheitsprocesse, 
welche  den  Grund  zu  einer  Scrophulose  legen  können ,  oder  deren  wei- 
tere Ausbildung  fördern  können ,  also  die  Bekämpfung  der  Scrophulose 
selbst.  Man  berücksichtige  alle  jene  leichtern  und  schwerern  Hautaus- 
schläge ,  Eczeme ,  Liehen,  Vaccine  u.  s.  w.,  Verletzungen ,  Catarrhe  der 
Schleimhäute  bes.  des  Auges,  der  Nase,  der  Ohren,  des  Pharynx,  alle 
spontanen  oder  traumatischen  Entzündungen  der  Gelenke  [zumal  des 
Knies,  des  Ellenbogens ,  des  Fuss-  und  Hüftgelenks] ,  der  Knochen  (Pe- 
riostitis, Ostitis,  Spina  ventosa,  Caries,  Necrose),  zumal  der  Wirbel,  der 
Hand-  und  Fussknochen ,  der  Pars  petrosa  des  Schläfenbeins,  Necrose, 
Caries  nach  acuter  Otitis ,  z.  B.  im  Gefolge  von  Maseru  und  Scharlach, 
der  Nasenknochen,  Ozaena  etc  ,  die  so  ausserordentlich  häufig  im  Anfang 
ignorirt ,  erst  berücksichtigt  werden  ,  wenn  lange  Eiterung  und  bedeu- 
tende Knochenzerstörung,  ausgedehnte  geschwollene  Lymphdrüsenreihen 
von  dem  erkrankten  Organ  nach  dem  Truucus  hingehen,  vielleicht  auch 
schon  Eiterungen  der  Drüsen  oder  käsige  Degenerationen  in  denselben 
vorhanden  sind.  Genau  dasselbe  gilt  von  entsprechenden  Erkrankungen 
innerer  Organe :  Tracheal-  und  Bronchialdrüsenschwellungen  und  Ent- 
artungen nach  chronischen  Laryngeal-  ,  Tracheal-  und  Bronchial  -  Ca- 
tarrhen ,  Pneumonien ,  Pleuriten.  Dass  die  chirurgische  Behandlung  in 
vielen  solchen  Zuständen  weit  mehr  nützt,  als  alles  andere ,  ist  nicht  zu 
bestreiten ;  zumal  wenn  es  sich  um  Knochen-  und  Gelenkserkrankungen 
handelt ;  aber  auch  die  Chirurgie  reicht  in  zahlreichen  Fällen  nicht  aus; 

52 

Haudb.  d.  KinderkrankheUen.    III.  2. 


gjg  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

da  wo  Rücken-  und  Kopf  knochen,  tiefliegende  Drüsen  Sitz  der  Erkran- 
kung sind,  steht  sie  vor  einem  Noli  me  tangere,  nnd  wir  müssen  nach 
althergebrachter  Art  mi^  entsprechender  weniger  eingreifender  örtlicher 
Behandlung  und  daneben  durch  Allgemeinbehandlung  sehen,  was  erreicht 
werden  kann.  Zweckmässig  construirte  eiweissreiche  Nahrung ,  beste- 
hend aus  viel  Milch,  Eiern,  leicht  verdaulichem  Fleisch  (besonders  Kalb- 
fleisch und  Geflügel,  überhaupt  weissem  Fleisch),  weniger  Amylaceen; 
möglichst  continuirlicher  Aufenthalt  in  frischer  Luft,  bei  Husten  nur  in 
der  Sonne  uud  in  geschützter  Lage,  ferner  Bäder,  mit  oder  ohne  Zusatz 
von  Kochsalz  oder  Seesalz,  Mutterlauge,  sowae  den  verschiedenen  Volks- 
mitteln, wie  Wallnussblätter-  und  Wallnussschalenabkochungen,  Lohbä- 
der, Kräuterbäder  u.  dgl.  sind  hier  indicirt.  Von  Innern  Mitteln  stehen 
Leberthran,  Eisen-  und  Kalkpräparate,  jedes  für  sich  oder  einzelne  in  Ver- 
bindung oben  an.  Vom  Oleum  jecoris  Aselli  ziehen  wir  die  reinen  Sorten 
vor,  sie  werden  nicht  nur  lieloer  genommen,  sondern  auch  leichter  ertragen, 
ohne  die  Verdauung  zu  stören,  und  sind  nicht  weniger  wirksam  als  die 
ordinäre  Sorte.  Für  ihren  Gebrauch  muss  immer  ungestörte  Verdauung, 
ungestörter  Appetit  und  kein  Durchfall  vorausgesetzt  werden  können; 
ferner  darf  kein  Fieber  vorhanden  sein ,  der  Process  muss  also  nicht 
mehr  im  Fortschreiten  begriffen  sein.  Eisenhaltiger  Leberthran  ist 
theils  käuflich,  theiis  einfach  darzustellen :  Ol.  jecoris  depurat.  150.  PW. 
limat.  pulv.  4.  M.  DS.  1 — 2  Thee-  resp.  Kinderlöfl'el  per  Tag,  nach 
dem  Einnehmen  umzuschüttein.  Die  Verbindung  des  Ol.  jecoris  mit 
Kalkwasser  ist  in  neuerer  Zeit  lebhaft  empfohlen  worden ;  ebenso  die- 
jenige von  Ol.  jecoris  mit  Kalium  jodatum. 

Von  Eisenpräparaten,  die  bei  bestehender  Anämie  den  Vorzug  ver- 
dienen ,  sind  nur  die  leichtest  verdaulichen  zu  wählen :  Ferrum  oxyda- 
tum  sacharatum  solubile ,  Ferr.  pyrophosphoricum ,  Ferrum  lacticuui, 
Ferr.  oxydalato-oxydatum  (Eisenmoor) ,  Ferrum  hydrogenio  reductuni, 
Ferrum  carbonicum  sacharatum ,  Citras  ammonii  cum  ferro ,  Ferrum 
pyrophosphoricum  cum  ammouio ;  ferner  die  Tinctura  ferri  pomata  mit 
Syrup.  Sachari  ^  'ji  bis  1  Theelöfi'elweise  2— 3mal  im  Tag. 

Das  Jodeisen  wird  gewöhnlich  als  Syrupus  ferri  jodati  verordnet; 
wir  verschreiben  Ferr.  sulfuric.  crystallis.  mit  Kai.  jodat.  äa  2,0  auf  Aq. 
und  Syr.  Sach.  aa  50,0  Theelöffelweise  ein-  bis  zweimal  täglich.  Auch 
das  jodeisenhaltige  Malzextract  ist  empfehlenswerth. 

Von  den  Kalkpräparateu  sind  Aqua  Calcis  (bes.  in  Milch),  Calcaria 
phosphorica,  Calcaria  hypophosphorosa ,  C.  carbonica,  auch  Calcium 
chloratum  die  gebräuchlichen. 

In  dieser  Weise  wird  man  auch  jene  Kinder  zu  behandeln  haben, 
iK'i  denen  eine  Spitzeninfiltration  sich  nachweisen  lässt ;  wo  das  Fehlen 


Oscar  Wyss,  Lungenscliwindsucht.     Prophjdaxe  und  Therapie.      819 

von  Fieber ,  der  örtliche  Befund  keine  Anhaltspuncte  für  die  Annahme 
eines  Fortschreitens  des  Processes  geben.  Manche  Aerzte  halten  viel 
auf  die  örtliche  Applikation  von  Derivantien  und  Resorljentien :  Be- 
streichen der  der  Lungenaffectiou  entsprechenden  Tlioraxoberfläche  mit 
Jodtinctur,  die  Anwendung  von  Vesicantien,  die  Einreibung  von  Croton- 
öl,  von  Pustelsalbe.  Wir  erwarten  nichts  von  allen  diesen  schmerz- 
haften und  oft  gefährlichen  Curen ;  ausser  etwa  der  Trae  jodi ,  von  der 
ein  Theil  verdampft  und  inhalirt  unter  Umständen  ebenso  resorlnrend 
wirken  kann ,  wie  das  Oleum  terebinthinae  im  Stokes'schen  Liniment, 
das  auf  den  Thorax  eingerieben  wurde.  Gewiss  sind  kräftige  gute  Nah- 
rung und  Athem-  und  die  Brustmuskulatur  kräftigende  Muskelübungen, 
Landluft,  Aufenthalt  an  der  See,  im  Wald,  zumal  im  Tannen-  und 
Fichtenwald ,  im  Gebirge  weit  bessere  Resorbentien ,  und  es  werden 
solche  Curen  zweifellos  unterstützt  durch  den  Genuss  eines  Natron-  oder 
auch  gewisser  kalkhaltiger  Mineralwässer.  So  sind  empfehlenswerth 
Curen  in  Ems,  Lippspringe,  Ober-Salzbrunn,  Reinerz,  Neuenahr,  Weis- 
senburg  (Ct.  Bern),  Rippoltsau ,  Petersthal  u.  a.  ui.  Solche  climatische 
Curen  sollten  nicht  nur  8  bis  14  Tage  sondern  immer  mehrere  Wochen 
eventuell  Monate  lang  fortgesetzt  werden ;  woljei  natürlich  andere  Orte 
im  Hochsonmier,  andere  im  Herbst  und  Frühjahr,  andere  im  Winter  in 
Betracht  kommen.  Li  der  Schweiz  finden  wir  für  die  Monate  Ende  .Juni 
bis  Mitte  Sept.  die  geschützten  Alpenthäler,  die  früher  pag.  783  genannt 
wurden ,  für  besser  als  Bergspitzen  oder  Kämme ;  für  die  Monate  Sept. 
bis  Ende  October ,  April  bis  Ende  Juni  die  Ufer  des  Genfer  Sees  incl. 
Bex,  diejenigen  des  Vierwaldstättersees  ,  der  italiänischen  Seen ;  ihnen 
gleichzustellen  wären  wohl  Meran,  Bozen,  Arco. 

Für  den  Winter  würden  in  erster  Linie  Davos,  in  zweiter  Montreux 
und  die  Ufer  der  Seen  jenseits  der  Alpenkette  zu  empfehlen  sein ;  bei  zarter 
Constitution,  Neigung  zu  immer  wieder  recidivirenden  Catarrhen  ist  der 
Aufenthalt  in  derRiviera  vorzuziehen.  Durch  Milchcuren  werden  solche 
Land-  und  Luftcuren  sehr  wesentlich  unterstützt  und  daher  gewöhnlich 
damit  verbunden.  Auch  von  Koumyscuren  ,  sofern  ein  wirklicher  Kou- 
mys  erhältlich  ist ,  sind  gute  Erfolge  beobachtet  worden.  Wir  halten 
aber  einen  Erfolg  für  illusorisch ,  wenn  das  Präparat  in  der  Stulie  ge- 
trunken wird  zu  einer  Zeit,  wo  Ausgang  ins  Freie  nicht  möglich  ist. 

Besteht  ein  abendlich  recidivirendes  jedoch  nicht  sehr  bedeutendes 
Fieber,  steigt  die  Temperatur  an  einzelnen  Abenden  auf  38,  an  andern 
auf  39 ,  und  dann  wieder  nicht  über  die  Norm ,  so  ist  aus  der  Diät  alles 
irgendwie  schwerer  verdauliche,  z.  B.  Rindfleisch,  auszuschliessen  ;  lasse 
zeitweis  Nachmittags  oder  auf  den  Abend  1—2  hydropathische  Ein- 
wicklungen  machen,  man  gebe  grosse  Gaben  Natron  salicyl.  oder  Chinin 
"  52* 


820  Krankheiten  der  Athmnngsorgane.    Lunge. 

in  spätem  Vor-  oder  frühem  NacliQiittagsstunden  oder  Chinin  in  klei- 
nem Gaben  0,2  —  0,3  zweimal  pro  die;  Decoctuni  oder  Extractum  cliiiiae, 
Säuren;  lasse  in  dieser  Zeit  Ferrum,  Ol.  jecoris  u.  dgl.  weg;  doch  kami 
Eisen  mit  Chinin  in  kleinerer  Gabe  auch  solchen  Patienten  noch  ge- 
geben werden. 

Für  solche  Patienten  ist  ein  passendes  Roborans  das  Malzextract, 
und  zwar  so  lang  Fieber  besteht,  am  liebsten  das  einfache,  später  das 
Kalk-  oder  das  Eisenhaltige.  Wein  halten  wir  theelöifelweise  gegeben 
ebenso  wenig  contraindicirt  als  Zucker  ;  es  ist  bei  guter  Verdauung  Un- 
garwein, spanischer  Wein,  stärkerer  Rheinwein,  bei  Neigung  zu  Diar- 
rhoe dagegen  Portwein  ,  Bordeaux ,  Veltliner  vorzuziehen. 

Ist  das  Fieber  ein  regelmässig  wiederkehrendes  hohes  oder  ein  coa- 
tinuirliches  mit  kurzen  Remissionen  ,  so  ist ,  sofern  die  Kräfte  des  Pa- 
tienten es  gestatten,  energisch  dagegen  anzukämpfen.  Kalte,  2stündhcli 
bis  stündlich  wiederholte  hydropathische  Einwicklungen,  kalte  bis  laue, 
eventuell  auch  warme  Bäder ,  oder  warme  allmälig  abgekühlte  Bäder 
sind  in  erster  Linie  zu  empfehlen.  Doch  sind  die  Fälle  häufig  genug,  wo 
man  aus  diesem  oder  jenem  Grunde  (u.  a.  wegen  Eccem-  oder  Pustel- 
bildung auf  der  Haut  des  Rumpfes,  so  weit  die  Einwicklungen  reichten) 
die  Hydrotherapie  verlassen  muss.  Mau  behilft  sich  dann  am  besten 
mit  einer  regelmässig  am  spätem  Vormittag  (oder  auf  den  Abend)  ge- 
reichten grössern  Gabe,  je  nach  dem  Alter,  bei  altern  Kindern  bis  auf 
1,0  bis  2,0  gramms  steigenden  salicylsauren  Natrons  oder  einer  dem 
Alter  entsprechenden  Dosis  Chinins. 

Besteht  starke  diffuse  Bronchitis,  kann  man  daneben  je  nach  Um- 
ständen Inf.  ipecacuauhae  ,  Liq.  ammonii  anisat.  oder  Ammon.  chlorat., 
eine  Natr.  bicarb.  haltende  Lösung  oder  ein  entsprechendes  Mineral- 
wasser nehmen  lassen.  Besteht  nur  lästiger  trockner  Husten,  wird  Mor- 
phium oder  (_)piimi  in  dem  Alter  entsprechender  Gabe  ordinirt. 

Sind  Cavernen  nachweisbar,  so  bleibt  sich  die  Therapie  im  ganzen 
ziemlich  gleich  ;  bei  reichlicher  Secretion  wird  man  Adstringentienoder 
Balsamica ,  bei  fötidem  Sputum  :  Oleum  terebinthinae ,  Oleum  Cadi-ln- 
halationen ,  Theerwasserinhalationen  (letzteres  eventuell  auch  innerlich 
zu  gebrauchen) ,  sehr  verdünnte  Carbol-  und  Thymoleinathmuugen  an- 
wenden. Bei  Hämoptoe  ist  die  absoluteste  Ruhe,  intern  und  örtlich  Eis, 
sulicutane  Injection  oder  der  interne  Gebrauch  von  Extract.  secales  cor- 
nuti  oder  Ergotiu  oder  Acidum  sclerotinicum  zu  empfehlen ;  doch  be- 
hält das  altbewährte  Acidum  Halleri,  Acid.  Sulf.  dilut.,  das  Acid.  phos- 
phoricum daneben  immer  noch  seine  Berechtigung  ;  ebenso  Infusum  se- 
cales  cornuti  ohne  oder  mit  Alaun ;  und  Morphium. 

Cavernen  und  selbst  Hämoptoe  sind  für  das  Kindesalter  keine  ah« 


Oscar  Wyss,  Lungenschwindsucht.     Prophylaxe  und  Therapie.       821 

solute  Contraindicationen  gegen  Gebirgs-  selbst  Hocbgebirgscuren  (Da- 
ves, Weissenbiu-g,  Ctn.  Appenzell),  sofern  die  Lage  des  gewählten  Ortes 
eine  geschützte  ist. 

Bei  Pneumothorax  ist  eine  symptomatische  Behandlung  indicirt ; 
Ruhe ,  Eis ,  Narcotica ;  nur  bei  chronischen  Fällen  und  Integrität  der 
andern  Lunge  muss  die  Frage  der  Function  und  Aspiration  sowie  der 
Incision  und  Drainage  des  Pleurasacks  ventilirt  werden. 

Ihre  besondere  Berücksichtigung  verlangen  die  Störungen  von  Sei- 
ten des  Digestionsapparates.  Auch  die  leichtesten  Symptome  von  Dys- 
phyxie  sind  zu  beachten.  Noch  sorgfältigere  Auswahl  der  Nahrungs- 
mittel ,  kohlensaure  Alkalien  ,  nach  der  Mahlzeit  etwas  Pepsin  (Pepsi- 
num  germanicum  solubile)  mit  3 — 5  Tropfen  Salzsäure  in  2  Esslöffel 
Wasser  gelöst ,  0,3 — 0,5  oder  auch  blos  Acidum  hydrochlor. ,  Amara 
(Nux  vomica ,  Gentiana ,  Extract.  chinae)  würden  in  solchen  Fällen  am 
Platze  sein  ;  wo  Erbrechen  oder  Uebelkeit  vorhanden ,  der  Genuss  eines 
Natronsauerwassers,  Selterser-,  Sulzmatter-,  Giesshübler-,  Passugger-, 
Vichy- Wasser  u.  a.  m. ;  oder  Natr.  bic.  in  Solution,  Saturationen  ;  oder 
Bismuthum  nitric.  in  kleineu  Gaben,  Kreosot.  Ist  die  Milch  die  Ursache 
der  Magenstörung  (Uebelkeit ,  Druck) ,  so  lasse  man  sie  mit  einem  der 
genannten  Säuerlinge  oder  mit  Natron  bicarbon.  genicssen.  Stellt  sich 
Durchfall  ein ,  ist  dessen  sorgfältige  Hebung  gleichfalls  indicirt ;  be- 
steht er  längere  Zeit ,  so  ist  es  oft  sehr  schwer ,  ihn  zu  bemeistern ,  und 
doch  ist  er  für  die  ganze  Oekonomie  des  Organismus  sowohl  als  auch 
für  das  Fortschreiten  der  Lungenaffection  von  Wichtigkeit.  Richtige 
Auswahl  der  Diät  ist  auch  hier  wieder  das  erste.  Wenn  die  Milch  die 
Diarrhoee  befördert,  lasse  man  Aqua  Calcis  eventuell  Cacao,  Eichelkaf- 
fee, Gerstenschleim  zusetzen  oder  koche  sie  mit  etwas  Gerstenmehl, 
Hafermehl  oder  Linsenmehl.  Obst,  Gemüse  lasse  man  bei  Seite ;  ersetze 
sie  durch  kräftige  Fleischbrühe ,  Fleischextractlösung ,  Fleischpepton, 
Fleischpepton  mit  Cacao ,  das  mit  Wasser  sowohl  als  auch  mit  Milch 
gekocht  gerne  genommen  wird. 

Medicamentös  sind  Opium  in  Pulver  oder  schleimiger  Mixtur,  Bis- 
muthum subnitricura,  Tannin ,  Extract.  ligni  Canipechiani ,  Decoct.  Ra- 
tanhiae,  Decoct.  rad.  Colomljo  zu  empfehlen  ;  auch  wir  haben  von  gros- 
sen Gaben  von  Salzsäure  in  schleimigem  Vehikel  noch  guten  Erfolg  ge- 
sehen, wo  alles  andere  im  Stich  Hess. 

Wenn  Oedeme,  Ascites  ,  Hydrops  auch  anderer  Körperhöhlen  vor- 
liegen, gelingt  es  bisweilen  durch  reichlichen  Milchgenuss  die  Diurese 
so  zu  steigern  und  die  Ernährung  soweit  zu  bessern ,  dass  die  Oedeme 
wieder  theilweise,  selbst  ganz  verschwinden.  Warme  Bäder,  Einwick- 
lungen,  Schwitzeulassen  unterstützen  diese  Intentionen,  während  nach 


822  Krankheiten  der  Atbmvingsorgane.     Lunge. 

uiisern  Erfahrungen  Pilocarpin  wegen  seiner  unangenehmen  Nebenwir- 
kungen gerade  in  solchen  Fällen  sehr  grosse  Vorsicht  erheischt. 

Die  Nachtschweisse  sind  bei  Kindern  selten  so  lästig,  dass  sie  Ver- 
anlassung zu  therapeutischen  Eingriffen  geben  ;  Mineralsäuren  dürften 
meist  hinreichen ,  sie  zu  mildern ;  es  wird  empfohlen ,  sie  zu  diesem 
Zweck  in  kaltem  Salbeithee  zu  ordiniren.  Kalte  Abreibungen,  kalte 
Waschungen  event.  Douchen  könnten  in  zweiter  Linie  versucht  werden 
und  erst  in  letzter  Instanz  Extract.  Belladonnae  oder  in  minimalster 
Dosis,  \'io  bis  höchstens  '/s  Milligram  das  Atropin. 

Nierenaffectiouen,  Amyloiddegeneration  von  Niere,  Leber,  Milz  u, 
a.  Organe  bedingen  unsers  Erachtens  keine  besondere  Lulication  als  et 
wa  Unterhaltung  der  Diurese  (Milch,  Liq.  Kali  acetici,  Tart.  boraxat 
etc.)  und  dass  mau  solche  Kranke  nicht  mit  weiten  Reisen  nach  entb 
genen  Curorten  zweck-  und  nutzlos  quält :  ein  Grundsatz ,  der  auch  bei 
ausgedehnter  Erkrankung  beider  Lungen,  liei  starkem  Fieber  mit  rasch 
sich  ausbildender  Abmagerung  und  sichern  Diagnose  oder  starkem  Ver- 
dacht auf  Miliartuberculose  befolgt  werden  sollte. 

Literatur. 

Die  Lehr-  und  Handbücher  von  Rilliet  und  Barthez,  Gerhardt, 
Steiner  u.  a.  m,  —  Dr.  W  e  i  s  s,  Phthisis  nach  Masern,  Journ.  f.  Kdrkrkhtii 
V.  Behr.  u.  Hildebrdt,  Bd.  12.  S.  49  u.  50.  --  E  n  g  e  r  t,  Tuberc.  u.  Scrophulos. 
f Eccem  als  Ursache ;  Heredität  v.  d.  Elt. ;  Tub.  mit  Syphilis.]  Behr.  u.  Hildebi. 
Journal  18.58.  30.  p.  331.  Chronische  Pneum.  im  Kindesalter  cod.  loc.  1858.31. 
p.  305.  —  Luzsinski,  Jahresber.  des  öftentl.  Kreisinst.  Mariahilf  ett.  cod. 
loc.  1859.  83.  p.  401.  —  Bouchut,  über  die  granulöse  u.  tubercnlöse  Pneu- 
monie der  Kinder  cod.  loc.  (Ref.)  1860.  35.  288.  Bouchut,  über  die  chron. 
Congestion  der  Lungen,  die  für  Phthi-sis  im  ersten  Grade  gehalten  werden  kann, 
eod.  L  41.  p.  258.  —  Henoch,  Beiträge  1.  1861  und  II.  1868.  —  Steiner 
u.  Neureutter,  Prager  Vierteljahrschrift  XXII.  1865  2.  Bd  31.  —  Georg 
Buchanan,  M.  D.  Drei  Vorlesungen  über  die  Diagnose  u.  Behandlung  der 
Lungcnkrkhtn  bei  Kindern.  Lancet  Jan.  ii.  Febr.  1868.  p.  113  ff.  —  Abeliii: 
Mittheilungen  aus  der  Kinderklinik  im  AUgem.  Kinderhaus  in  Stockholm  1868. 
Behr.  u.  Hildebr,  Journ.  1870.  39.  p.  423.  --  R  a  s  m  u  s  e  n,  On  haemoptysis  in 
ehildren,  illustrated  by  2  cases  Med.  T.  et  Gaz.  1871  Sept.  2,  u.  16.  p.  277. 
349.  —  Dr.  H  a  p  p  e  Ölde.sloe  ,  über  käsige  Pneumonie.  Rostocker  Nat.forsch. 
Versammig.  1871.  —  Henoch,  Charite' -  Annalen  pro  1874.  T.  Bd.  p.  583. 
—  Thoresen,  Phthisis  pulmon.  im  Zusammenhang  mit  Syphilis.  Jahrb.  f 
Kdrheilkde  IX.  442  —  D  e  m  m  e  ,  Bericht  des  Jennerschen  Kinderspitals  f.  d. 
J.  1875.  —  Reimer,  path.  anat.  Mittheilungen.  Jahrbuch  f.  Kdrkrkhtn  X. 
p.  221  u.  ff.  1876.  —  F  1  ei  s  ch  m  a  n  n,  zur  chron.  Spitzenpneumonie  der  Kin- 
der. Wiener  med.  Presse  1876.  20.  —  E.  Smith,  the  wa.sting  diseases  of 
ehildren,  1870. 

Weitere  Literat,  siehe  bei  Rühle  in  Ziemssens  Handbuch  und  bei  Fränkel 
dieser  Bd.  I.  Abthlg.  p.  153. 


Der  hämorrhagische  Infarct 


Prof.  Dr.  C.  Gerhardt. 


Literatur. 

C.  M.  Billard,  Traitd  des  maladies  des  enfans.  Par.  1833.  S.  529.  — 
F.  Barrier,  Traitii  pratiqiie  des  maladies  de  Tenfance.  Par.  1842.  T.  I. 
S.  289  u.  304.  -  A.  Bednar,  Die  Krankheiten  der  Neugeborenen  und  Säug- 
linge. Wien  1850.  III.  S.  70.  —  L  ö  s  o  h  n  e  r,  Pyleplilebitis,  Icterus  etc.  Jahrb. 
f.  Kinderheilkunde  IL  p.  140  u.  IV.  p.  66.  —  F.  Weber,  Beiträge  zur  path. 
Anatomie  der  Neugeborenen  IL  S.  50.  Kiel  1852.  —  Rilliet  etBarthez 
Bd.  IL  S.  289.  —  K  ö  s  1 1  i  n.  Die  pathologischen  Veränderungen  in  den  Lungen 
der  Neugeborenen.  Arch.  L  phys.  Heilkde  XIII.  2.  1854.  —  Langen  b eck, 
Thrombose  des  oberen  Sichelblutleiters ,  metastatischer  Abscess  in  der  Lunge. 
Journ.  f.  Kdrkrkhtn  1861.  S.  75.  —  C.  Raucbfuss,  lieber  die  Lungener- 
weichung der  Säuglinge.  Journ.  f.  Kinderkrhtn  1859.  —  Id.,  Ueber  Thrombose 
des  Ductus  art.  Botalli.  Virch.  Arch.  Bd.  XVII.  S.  386.  —  Id.,  Ein  Fall  von 
Verstopfung  der  Lungenarterie  eines  4  W.  alten  Kindes.  Ibid.  S.  474.  —  Id., 
Zur  Casuistik  der  Gefässversohliessungen.  Virch,  Arch.  XVIII.  S.  537.  —  A. 
Steffen,  Klinik  der  Kinderkrankheiten  Bd.  I.  Lief.  IL  Berl.  1865.  S.  388 
u.  f.  —  W  e  i  0  k  e  r  t ,  Diphtheritis  und  Pneumonia  haemorrhagica  bei  einem 
7  Tage  alten  Kinde.  Jahrb.  f.  Kinderheilkde  III.  332.  —  Reimer,  Beitrag 
zur  Diagnose  der  Phlebitis  und  Thrombose  des  Sin.  cavernosus  durae  matris  bei 
Kindern.  Jahrbuch  f.  Kinderkrankheiten  Bd.  IV.  S.  352.  —  C.  G  e  r  h  a  r  d  t. 
Der  hämorrhagische  Infarkt.  Sammlung  klinischer  Vorträge  von  R.  Volkmann 
Nr.  91.  —  J.  Cohnheim  u,  M.  Litten,  Ueber  die  Folgender  Embolie  der 
Lungenarterie.  Virchow's  Archiv  Bd.  65.  S.  99.  —  L.  A  t  k  i  n  s  ,  Ueber  Gan- 
graena  pulmonum  bei  Kindern.     Diss.     Zürich  1872. 

Allgemeines. 

Nachdem  L  a  e  n  n  e  c  den  hämorrhagischen  Infarkt  Ijeschrieljen 
hatte ,  wurde  er  bei  Kindern  sehr  früh  schon  von  Denis  und  Billard 
berücksichtigt  und  nachgewiesen.  Später  scheint  er  ziemlich  in  Ver- 
gessenheit gekommen  zu  sein  ,  bis  er  durch  die  Arbeit  von  K  ö  s  1 1  i  n 
und  durch  eine  Reihe  vortrefflicher  Abhandlungen  von  Rauchfuss 
wieder  zu  Ehren  gebracht  wurde.  Letzterem  war  es  namentlich  auch 
möglich ,  die  inzwischen  erschienenen  Forschungen  V  i  r  c  h  o  w  's  über 
Thrombose  und  Embolie  für  die  Verwerthung  seiner  an  einem  gross- 
artigen Material  gesammelten  Beobachtungen  hereinzuziehen.     Dem 


g24  Kianklieiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

entsprechend  hat  die  Krankheit  in  der  Klinik  der  Kinderkrankheiten 
von  A.  Steffen  unter  dem  Namen:  circumscripte  Pneumonie  auf  dem 
Wege  der  Gefässe ,  also  durch  Embolie  oder  Bepticämie  entstanden  — 
eine  recht  eingehende  Besprechung  gefunden.  Wenn  man  die  pädia- 
trische Literatur  durchmustert,  so  findet  man  eine  ziemlich  grosse  Zahl 
von  Einzelbeobachtungen  vor.  Man  findet  besondere  Entstehungsweisen, 
die  mit  der  Schliessung  der  Fötalwege  im  Zusammenhange  stehen  und 
einen  bedeutsamen  Einfluss  auf  die  Entstehung  des  sonst  im  Kindesalter 
so  seltenen  Pneumothorax  vor.  Die  Diagnose  allerdings  erscheint  weit 
schwieriger  als  bei  Erwachsenen,  schon  weil  die  wichtige  Form  des 
blutigen  Auswurfes  fehlt ,  weil  die  Anfangssjmptome  verwischt  sind, 
weil  man  nicht  nur  wie  bei  Erwachseneu  von  Pneumonie,  sondern  aucli 
von  Atelektase  zu  unterscheiden  hat.  ludess  sind  doch  so  manche  An- 
haltspunkte zur  erfolgreichen  Verwerthung  der  in  neuerer  Zeit  begrün- 
deten diagnostischen  Regeln  gegeben  und  lässt  sich  hofien,  dass  bei  all- 
gemeinerer Beachtung  dieser  Krankheitsibrm  auch  die  diagnostischen 
Schwierigkeiten,  die  sie  bietet,  öfter  üljerwunden  w^erden. 

Anatomisclie  Verhältnisse  und  Pathogenese. 

Der  hämorrhagische  Infarkt  findet  sich  häufiger  an  der  Peripherie 
als  im  Inneren  der  Lunge,  gehört  mehr  den  Unterlappen  als  den  oberen 
an  und  betrifft  häufiger  die  rechte  als  die  linke  Seite.  Letztere  Angabe 
findet  sich  schon  bei  Billard  vor.  Die  an  der  Peripherie  der  Lunge 
bilden  vorwiegend  keilförmige  Heerde  mit  breiter ,  convexer  von  einem 
Faserstoffnetz  bedeckter  Basis  an  der  Pleura,  indess  die  Spitze  dem  Hilus 
der  Lunge  zugekehrt  ist.  Seltener  sitzen  unter  der  Pleura  Platten  oder 
unregelmässige  Knollen ,  wie  .sich  letztere  öfter  im  Inneren  der  Lunge 
vorfinden.  Der  Umfang  des  Infarktes  ist  hie  und  da  sehr  gering,  dem 
einer  Erbse  oder  eines  Kirschkernes  gleich ,  kann  aber  auch  bis  zu  fast 
dem  vollen  Umfange  eines  Lappens  heranwachsen.  Das  Gewebe  ist  auf 
dem  Schnitte  dunkelschwarzroth ,  glatt ,  fest ,  luftleer ,  an  der  Grenze 
luftarm.  Nur  wenig  blutige  Flüssigkeit  lässt  sich  abstreichen.  Die  Be- 
grenzung ist  im  Anfange  difl'us,  ein  blutiges  Oedem  macht  den  Ueber- 
gang  zum  gesunden  Gewebe.  In  der  Mitte  des  Infarktes  oder  an  der 
Spitze  des  Keiles ,  den  er  bildet ,  findet  sich  gewöhnlich  ein  verstopfter 
Lungenarterienast.  Seinen  Inhalt  bildet  gewöhnlich  ein  derbes,  ver- 
färbtes  Blutgerinnsel ,  das  manchmal  den  Wänden  anhaftet  oder  auch 
schon  in  der  Mitte  zu  einem  puriformen  Brei  erweicht  ist.  Das  Gerinn- 
sel lässt  sehr  oft  durch  abgerissene  Flächen  ,  dadurch  dass  es  auf  einer 
Bifurkationsstelle  reitet  oder  durch  zusammengerollte  oder  wie  ein  Fa- 
den aufgewickelte  Beschaffenheit  seine  embolische  Abstammung  er- 


Gerhardt,  Der  hämorrhagische  Infarkt.     Anat.  Verhältnisse.         825 

kennen.  Jüngere  Schichten  können  sich  schon  bei  Lebzeiten  um  den 
eigentlichen  Embolus  angelagert  haben.  Anderemale  sind  mehrere  Aeste 
der  Pulmonalarterie  so  gleichmässig  mit  Gerinnseln  ausgegossen ,  dass 
deren  autochthone  Entstehung  wahrscheinlich  wird. 

Der  Infarkt  grenzt  sich  bei  längerem  Bestände  schärfer  ab.  Seine 
anfänglich  schwarzrothe  Farbe  wird  mehr  grauroth,  blassroth,  der  Um- 
fang vermindert  sich ,  der  Schnitt  wölbt  sich  weniger  hervor  und  zeigt 
ein  trockeneres  oder  doch  saftärmeres  Aussehen.  Unter  günstigen  Um- 
ständen findet  von  da  aus  eine  ununterbrochene  Schrumpfung  statt ,  so 
dass  er  schliesslich  einen  gelbweissen  harten  kleinen  Knoten  unter  der 
eingezogenen  Pleurafläche  bildet.  War  dei-  Embolus  septisch  inficirt  und 
war  er  nicht  in  eine  wahre  Endarterie  gerathen  (C  o  h  n  h  e  i  m),  so  wandelt 
sich  der  Krankheitsheerd  in  einen  Abscess  oder  Brandheerd  um.  Derartige 
eiterige  Metastasen  in  der  Lunge  sind  im  Kindesalter  durchaus  nicht 
selten  beobachtet,  so  beschreibt  Langen b eck  einen  abscedirenden 
Lifarkt  der  Lunge ,  der  von  einer  Sinusthrombose  her  embolisch  ent- 
standen war ,  F.  W  e  b  e  r  schildert  eine  Brandhöhle ,  die  inmitten  hä- 
morrhagischer Infarkte  bis  zur  Pleura  reichte.  Solche  Höhlen  können 
durchbrechen  und  Pneumothorax  verursachen,  wie  dies  Rauch fuss 
von  einem  2wöchentlichen  Kinde  beschrieb,  das  seine  Lungen  -  Emljoli 
aus  dem  thrombosirten  Ductus  arteriosus  Botalli  entnommen  hatte. 
Auch  der  einfache  Zerfall  des  infarcirten  Gewebes  ohne  Eiterbildung 
und  ohne  jauchige  Produkte  scheint  öfter  im  Kindesalter  vorzukonnnen. 
So  fanden  R  i  1 1  i  e  t  und  B  a  r  t  h  e  z  bei  einer  Variolaleiche  eine  Caverne 
mit  geruchlosem  Inhalte  ,  aus  einem  Infarkt  hervorgegangen ,  einzelne 
Fälle  von  Rauch  fuss  und  von  Barrier  weisen  ähnlichen  Befund 
auf.  Die  aus  einem  Intarkt  hervorgegangene  Höhle,  gleichgültig  ob  sie 
Eiter,  Brandjauche  enthält,  oder  aus  einfacher  Erweichung  hervorging, 
kann  ihren  Inhalt  durch  einen  Bronchus  entleeren  und  zur  Abgrenzung, 
Reinigung  ,  Schrumpfung  und  Heilung  gelangen ,  oder  sie  nach  Nekro- 
tisirung  und  Durchbrechung  der  Pleura  zum  Pneumothorax  führen,  oder 
durch  Blutung  oder  bei  den  erstgenannten  durch  septische  Infectiou 
kann  der  tödtliche  Ausgang  erfolgen. 

Die  Pleura  wird  bei  allen  peripher  sitzenden  Infarkten  in  Mit- 
leidenschaft gezogen,  einfachsten  Falles  geschieht  es  durch  Ablagerung 
eines  Faserstoffbelages  auf  ihre  trübe  und  geröthete  Olaerfläche.  Wo 
der  Infarkt  sehr  massig  ist,  oder  wo  die  entzündete  Pulmonalpleura  mit 
der  gegenüberliegenden  costalen  verwächst,  bleibt  es  hiebei.  Oder  aber 
ein  reichlicher  trüb  seröser  Erguss  tritt  hinzu.  An  der  zurückgescho- 
benen Lunge  Icönnen  deformirende  pleuritische  Vorgänge  Platz  greifen, 
die  oft  zu  seltsamen  Umrollungen  und  sonstigen  Formveränderungen 


826  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

des  infarcirten  unteren  Randes  Veranlassung  geben.  So  sah  ich  wieder- 
holt ein  Stück  der  Costaloberfläche  der  Lunge  auf  die  Superficies  dia- 
phragmatica  ,  da  wo  sie  durch  einen  zerfulleuden  Infarkt  durchbrochen 
war,  mittelst  Einrollung  des  Randes  herangezogen  und  aufgelöthet.  Für 
die  Entstellung  des  Pneumothorax  im  Kindesalter  scheint  der  Infarkt 
eine  bedeutsamere  Rolle  zu  spielen  als  die  Lungenphthise. 

Die  meisten  Fälle  von  hämorrhagischem  Infarkt  entstehen  durch 
Embolie.  Man  findet  in  den  Leichen  dann  auch  diejenigen  thrombo- 
tischen Veräuderungen  ,  durch  die  das  embolische  Material  geliefert 
wurde.  In  dieser  Beziehung  hat  das  früheste  Kindesalter  Manches  eigen- 
thümliche  aufzuweisen.  Vor  Allem  gehört  dahin  die  Thrombose  des 
arteriellen  Ganges ,  die  nach  zwei  verschiedenen  Seiten  hin  ihre  embo- 
lischen Geschosse  werfen  kann,  in  das  Aortengebiet  und  in  den  kleinen 
Kreislauf.  Rauchfuss  fand  unter  1800  Sectionen  von  Säuglingen 
siebenmale  Verstopfung  der  Pulmonalarterie ,  davon  viermale  emboli- 
scher Natur,  hievon  wiederum  zweimale  durch  Emboli  aus  dem  Ductus 
Botalli.  Kommt  es  zur  Zeit,  wo  der  Gang  sich  schliessen  sollte,  ano- 
maler Weise  zur  Thrombenbildung,  so  sollte  man  erwarten,  dass  auf  der 
Aortenseite  des  Ganges  die  Verhältnisse  hiefür  günstiger  seien ,  denn 
wo  der  Gang  nur  theilweise  ofi'en  bleibt,  ist  dies  gerade  in  der  Regel  an 
seinem  Aortenende  der  Fall.  Die  Verschleuderung  von  Thromben  wird 
aber  doch  leichter  nach  dem  Pulmonalgebiete  hin  stattfinden.  Die 
Thrombenbildung  wird  nothwendig  eine  Verzögerung  des  Schliessungs- 
vorganges mit  sich  bringen.  Inzwischen  erlangt  der  linke  Ventrikel 
und  der  Aortendruck  das  Uebergewicht ,  und  wenn  eine  Strömung  in 
dem  Gange  noch  oder  wieder  stattfinden  sollte ,  so  muss  sie  von  links 
uiich  rechts  hinüber  gehen  und  auch  in  dieser  Richtung  den  Lauf  von 
Thrombusbröckeln  bestimmen. 

Die  marantische  Thromljose  von  Säuglingen  kommt  hauptsächlich 
unter  dem  Einflüsse  des  Brechdurchfalles  zu  Stande ,  durch  Eindickung 
des  Blutes  verursacht.  Sie  hat  andere  Lieblingssitze  ,  als  die  maranti- 
sche Thrombose  der  Erwachsenen.  Während  es  für  letztere  hauptsäch- 
lich die  rechtsseitigen  Herzhöhlen ,  die  Venen  der  unteren  Extremität 
und  die  Geflechte  um  Uterus  und  Prostata  sind ,  muss  man  bei  Neuge- 
borenen und  Säuglingen  die  H  i  r  n  s  i  n  u  s  und  die  N  i  e  r  e  n  v  e  n  e  oben 
anstellen.  Es  liegt  nahe,  einen  Theil  dieser  Diff'erenz  aus  der  vorwal- 
tenden Horizontallage  zu  erklären  ,  während  später  bei  häufigerer  ver- 
tikaler Stellung  die  Venen  der  unteren  Extremität  nach  und  nach  er- 
weitert werden.  An  den  Genitalorganen  fehlt  noch  jene  Dilatation  der 
Venen ,  die  später  aus  functionellen  Hyperämieen  hervorgeht.  In  der 
That  finden  sich  Embolieen  mit  den  zugehörigen  Infarkten  von  Hirn- 


Gerhardt,  Der  hiimorrhagisclie  Infarkt.     Anat.  Verhältnisse,  827 

sinusthrombose  abstammend  verzeichnet  bei  L  a  n  g  e  n  b  e  c  k  ,  Rauch- 
fuss,  Reimer  u.  A.  Wenn  ich  nun  auch  von  der  Nierenvenenthrom- 
bose, die  sich  immer  mehr  als  ein  häufiger  Befund  bei  marantischen 
Säuglingen  herausstellt  (vergl.  die  Arbeiten  von  0.  Po  Hak,  Parrot 
und  Hutinel),  keine  direkten  Beobachtungen  über  Embolie  der  Pul- 
monalarterie,  die  von  da  her  abstammte,  beibringen  kann,  so  möchte  ich 
doch  auf  eine  Stelle  bei  Bednar  hinweisen,  von  der  schon  Beckmann 
in  seiner  bahnbrechenden  Arbeit  über  Nierenvenenthrombose  die  Ver- 
mnthung  aussprach ,  dass  sie  sich  auf  dieses  Verhältniss  beziehe.  Viel- 
leicht seien  die  Pfropfe  in  den  Gefässen  übersehen  worden.  Die  Stelle 
lautet:  »Die  Hämorrhagie  der  einen  oder  der  anderen  Niere  entweder 
in  den  Pyramiden  oder  in  den  Nierenkelchen ,  zuweilen  neben  Hämor- 
rhagie der  Lunge  ergänzt  in  seltenen  Fällen  den  Befund  der  au  Brech- 
durchfall verstorbenen  Säuglinge.« 

Ausser  diesen  beiden  finden  wir  von  embolisirenden  marantischen 
Thrombosen  im  Kindesalter  erwähnt :  solche  aus  dem  rechten  Herzen, 
einmal  aus  dem  Ventrikel ,  einmal  aus  dem  Vorhofe  bei  Rauchfuss, 
aus  dem  rechten  Herzohr  bei  Billroth,  aus  dem  rechten  Ventrikel 
bei  Stur ges,  aus  der  Vena  cava  infer.  bei  Wyss,  aus  der  Cruralvene 
(Lös  ebner). 

Auch  die  Thrombosen  ,  die  mit  entzündlichen  und  traumatischen 
Veränderungen  an  den  Gefässwandungen  in  Beziehung  stehen,  haben 
bei  Neugeborenen  einige  besondere  Entstehungsweisen.  So  erwähnt 
K  ö  s  1 1  i  n  braune  pyämische  Lungenerweichung ,  die  er  von  Verände- 
rungen der  Venae  diploeticae  bei  Kephalhämatoni  ableitet.  Bednar 
erwähnt  unter  den  Ursachen  von  Lungenmetastasen  Caput  succedaneum, 
und  ebenso  wie  Köstlin  Phlebitis  umbilicalis.  Auch  Vereiterung  des 
subcutanen  Bindegewebes  in  Folge  des  Erysipels  und  bösartige  Formen 
von  Variola  ,  selbst  Vaccina  werden  öfter  beschuldigt.  Ein  im  Gefolge 
von  Variola  entstandener  erweichter  hämorrhagischer  Infarkt  wird  von 
Rilliet  und  Barthez  erwähnt.  Besondere  Bedeutung  ist  in  der 
Richtuno-  noch  beizumessen  der  Caries  des  Felsenbeines ,  wie  sie  sich  so 
oft  aus  Otorhoe  entwickelt.  Die  hier  in  Frage  kommende  Thrombose 
des  Sinus  transversus  ist  um  so  wichtiger,  weil  sie  direkt  an  die  Jugu- 
larvene  bereits  anstösst ,  sich  in  sie  fortsetzen  kann ,  und  weil  es  sich 
meist  um  Krankheitsformen  handelt ,  die  in  ihren  Anfängen  aufmerk- 
sam behandelt  nicht  zu  so  schlimmen  Ausgängen  geführt  hätten.  Rechts- 
seitige Endocarditis  kommt  seltener  in  Frage ,  doch  mag  ein  Fall  von 
Hennig  dafür  angeführt  werden. 

Unstreitig  entsteht  nicht  bei  jeder  Embolie  ein  blutiger  Infarkt. 
Es  kann  sich  um  capilläre  Embolieen  handeln ,  deren  Folgen  sich  nur 


828  Krankheiten-  der  Athmnngsorgane.     Lunge. 

microscopiscli  abspielen ,  oder  um  grobe  Massen ,  die  angenblicldichen 
Tod  znr  Folge  haben.  Im  Kindesalter  ist  dies  kaum  beobachtet.  Aber 
auch  sonst  findet  sich  bei  marantischen ,  blutarmen  Individuen  nicht 
selten  hinter  dem  Emliolus  nur  eine  schlaffe  graurothe  Hepatisation, 
Oedem  der  Lunge,  selbst  ziemlich  unverändertes  Lungengewebe. 

Anderseits  kommt  hämorrhagischer  Infarkt  vor  ohne  Embolie, 
durch  autochtone  Thrombose  dÄ-  Lungenarterie  bedingt.  Hierhin  ge- 
hören namentlich  Fälle  von  Compression  der  Lunge  und  ihrer  Gefässe 
z.  B.  durch  Plinaufdrängung  des  Diaphragraa's  oder  durch  iutrathora- 
cische  Geschwülste.  Auch  die  zahlreichen  weisslichrothen  Infarkte, 
welche  man  bei  Sectionen  leukämiekranker  Kinder  oft  in  grosser  Zahl 
antriift,  machen  oft  den  Eindruck,  als  ob  sie  mehr  von  Anhäufung 
weisser  Blutzellen  und  örtlicher  Verstopfung  der  Gefässe  herrührten. 

Krankheitszeichen. 

Die  Vorakte  Ijlutiger  Infarkte  sind  meisteutheils  Thrombose  und 
Embolie. 

Die  Symptome  der  Thrombose  können  für  einzelne  Formen  gut 
ausgesprochen  sein ,  so  für  die  Verstopfung  der  Hirnsinus ,  der  Crural- 
vene  ;  für  Thrombose  des  rechten  Herzens  sind  die  Symptome  selten  klar; 
für  die  des  arteriösen  Ganges  kennt  man  kein  Symptom. 

Bei  Erwachsenen  ist  der  Akt  der  Embolie  in  grössere  Lungenar- 
terienäste bezeichnet  durch  Frost,  Ohnmacht,  Athemnoth,  blasses  blei- 
farbenes Aussehen ,  bei  Kindern  findet  man  nur  selten  einen  Anfall  von 
Athemnoth  oder  Schwäclieanwandlung  gut  ausgeprägt ,  dagegen  ist  das 
veränderte  Aussehen  schon  öfter  den  Beobachtern  aufgefallen.  Dass  die 
Embolie  eine  solche  kurzdauernde  und  nicht  sehr  hoch  gehende  Tempe- 
ratursteigerung auch  bei  Kindern  mit  sich  bringen  kann ,  wie  sie  bei 
Erwachsenen  öfter  aber  keineswegs  constant  vorkommt ,  lässt  sich  von 
vorneherein  nicht  bezweifeln,  wenn  auch  der  Beleg  erst  noch  an  klaren 
Einzelfällen  zu  erbringen  sein  wird. 

Der  Infarkt  selb.st  bewirkt  Athemnoth,  die  in  den  nächsten 
Tagen  sich  rasch  mindern  oder  in  Folge  hinzutretender  pleuritischer 
Vorgänge  andauern  und  einen  ähnlichen  Charakter  annehmen  kann  wie 
bei  croupöser  Pneumonie :  kurze ,  oberflächliche ,  von  Schmerz  unter- 
Ijrochene  Athemzttge,  bei  trockenem  leerem  Husten.  Unter  den  phy- 
sikalischen Zeichen  stellen  sich  zuerst  grobblasige  Rasselgeräu- 
sche ,  die  man  an  dem  unteren  hinteren  Theile  der  Unterlappen ,  meist 
rechts  findet  und  an  der  Stelle  der  Rasselgeräusche  entwickelt  sich  im 
Laufe  einiger  Tage  eine  verschieden  umfängliche  Dämpfung  des  Per- 
cussionsschalles  mit  Verstärkung  der  Stimmvibrationen  und  vielleicht 


Gerhardt,  Der  hämorrhagische  Infarkt.     Behandlung.  829 

auch  bronchialem  Athmen.  Je  nach  Umständen  können  pleuritische, 
Höhlen-  oder  Pneumothorax-Symptome  im  weiteren  Verlaufe  hinzutre- 
ten. Von  der  Dämpfung  des  Infarktes  giebt  bereits  Billard  ausführ- 
lich an,  dass  man  sie  das  Kind  frei  in  der  Luft  haltend  leise  percutirend 
am  Rücken  und  den  Seiten  der  Brust  suchen  müsse.  Wenn  der  Aus- 
wurf bei  den  Krankheiten  der  Athmuugsorgane  kleiner  Kinder  meist 
mangelt ,  namentlich  bei  der  Pneumonie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  auf 
dies  werthvoUe  Zeichen  meist  verzichtet  werden  muss,  so  verhält  es  sich 
heim  blutigen  Infarkte  kaum  anders.  Doch  sind  in  einzelnen  Fällen  ver- 
einzelte blutige  Sputa  beobachtet  Avorden,  so  von  K  östlin  bei  einem 
16  Tage  alten  Kinde. 

Im  Ganzen  muss  man  zugestehen,  dass  im  Kindesalter  die  Sym- 
ptome unvollständiger  und  undeutlicher  entwickelt  zu  sein  pflegen  als 
bei  Erwachsenen ,  so  dass  die  Diagnose  gar  oft  zwischen  Atelektase, 
Pneumonie  und  Infarkt  schwanken  wird.  Den  ungleich  seltener  vor- 
kommenden Infarkt  wird  mau  von  jenen  häufiger  vorkommenden  Zu- 
ständen hauptsächlich  von  folgenden  Gesichtspunkten  aus  unterscheiden 
können.  Die  Erscheinungen  setzen  acut  ein,  mit  der  Embolie  tritt  eine 
bedeutende  Verschlimmerung  des  ganzen  Befindens  und  Erschwerung 
der  Respiration  ein ,  ähnlich  wie  bei  einer  Pneumonie.  Dagegen  ist 
höchstens  im  ersten  Anfange,  sicher  nicht  mehr  in  den  nächsten  Tagen 
der  fortdauernden  Erkrankung  der  Verlauf  fieberhaft.  Während  die 
Krankheit  sich  so  fieberlos  hinschleppt ,  entwickeln  sich  pleuritische 
Symptome ,  namentlich  frequentes ,  kurzes  Atlimen  ,  unterbrochener 
Schrei,  abgebrochener  sichtlich  schmerzhafter  Husten.  Atelektase 
bringt  dergleichen  nicht  mit  sich.  Wenn  auch  die  Kleinheit  des  Pulses 
und  die  Cyanose  sich  ähnlich  wie  bei  Atelektase  gestalten  können ,  so 
kommt  doch  oft  bei  zerfallenden  Infarlcten  eine  icterische  Hautfärbung 
vor,  die  wieder  mehr  den  pneumonischen  Verhältnissen  sich  nähert. 
Während  die  Atelektase  langsam  wächst  und  vielleicht  nach  längerer 
Zeit  durch  das  Hinzutreten  bronchopneumonischer  Prozesse  fiel)erhaft 
wird ,  entsteht  die  Dämpfung  des  Infarktes  zwar  aucli  langsam  uud  bil- 
det sich  dann  langsam  zurück,  aber  sie  ist  höchstens  im  Beginne  fieber- 
haft, später  nicht.  Am  ersten  kann  man  dann  die  Diagnose  mit  einiger 
Sicherheit  stellen ,  wenn  die  embolische  Quelle  zuvor  zu  erkennen  oder 
doch  zu  vermiithen  war. 

Behandlung. 
Die  in  Rede  stehende  Krankheit  ist  bisher  meistens  als  unerwar- 
teter Befund  in  Kinderleichen  getroffen  worden.     Von  einer  ausgebil- 
deten Therapie  kann  darum  nicht  die  Rede  sein.     Man  wird  im  ersten 


830  Krankheiten  der  Athmungsoigane.     Lunge. 

embolischen  Zeiträume  der  heftigen  Dysjjuoe  gegenüber  narcotische 
Mittel  anwenden  und  Excitantien,  also  Of)ium ,  Morphin  in  kleineu  Do- 
sen und  daneben  Wein,  Campher,  Ammoniakalieu,  Moschus.  Von  Blut- 
entziehungen ,  die  bei  Erwachsenen  wegen  starker  Cyanose  indicirt  sein 
können ,  wird  man  bei  Kindern  kaum  Gebrauch  machen.  Im  weiteren 
Verlaufe  wird  man  sich  auf  die  Vorsorge  für  gute  Ernährung ,  reine 
Athmungsluft  und  ein  tonisches,  antiseptisches  Verfahren  verlegen 
müssen,  ausgehend  von  der  Ueberzeugung  ,  dass  die  Hauptgefahr  durch 
den  embolischen  Act  bedingt  wird,  dass  der  Infarkt  an  und  für  sich  heilt 
und  höchstens  noch  durch  septischen  Zerfall  weitere  Gefahren  bedingen 
kann. 


L  u  n  g-  e  n  g  a  11  g  r  ä  11 

von 

Prof.  0.  Kohts. 

Literatur. 

Archives  de  medecine,  aoüt  et  septembre  1843.  D.  II.  .385,  III.  .54.  — 
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makdie  et  de  la  gangrene  spontanee  chez  l'enfant  par  le  docteur  Boudet.  — 
Traite'  clinique  et  pratique  des  Bialadies  des  enfants  par  Mm.  E.  Barthez  et 
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von  Vogel  1876.  pag.  261.  —  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie  der  Neu- 
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spital in  Prag,  mitgetheilt  in  dem  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde  4.  pag.  122. 
Löschner.  —  Journal  für  Kinderkrankheiten  von  B  e  h  r  e  n  d  und  Hilde- 
brand XXXVI.  pag.  75.  —  Bulletins  de  la  societe'  anatomique  de  Paris  1837. 
pag.  18,  1840.  pag.  299,  1843  pag.  42,  1844.  pag.  265,  18,50.  pag.  176,  1854. 
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bücher 46-47.  pag.  287.  52-53.  pag.  166.  54—55.  pag.  33.  57.  pag.  60.  103. 
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der  gesammten  Medicin  von  Can  statt  und  Eisenmann  1845.  3.  B.  pag.  347. 
1843.  3.  B.  pag.  354.  1844.  pag.  614.  1846.  3.  B.  pag.  219.  1865.  3.  B.  pag.  272. 
1870.  pag.  125.  —  Heiclelberger  Annalen  XII.  I.  1846.  —  Prager  Vierteljahr- 
schrift  XXI.  1864.  pag.  92.  IV.  Band.  Pädiatrische  Mittheiluugen  aus  dem 
Franz-Josef  Kinderspitale  zu  Prag  von  Dr.  Steiner  und  Dr.  N  e  u  r  e  u  1 1  e  r 
und  Fischöl,  Prager  Vierteljahrschrift  1847.  —  Klinik  der  Kinderkrankheiten 
von  Dr.  A.  Steffen.  II.  Band.  Berlin  1869.  —  üeber  Gangraena  pulmonum 
bei  Kindern  von  Louisa  Atkins  aus  London.  Inaugural-Dissertfition.  Zürich 
1872.  —  Casper's  Wochenschrift  No.  18.  —  Deutsche  Klinik  15-17.  1859.— 
De  la  gangrene  du  ponmon.     These  de  Paris  18-10.  pag.  14.   par  Lauren  ce. 

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332  Krankheiten  der  Athraungsorgane.     Lunge. 

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Die  Lungengangräii  im  Kindesalter  hat  erst  durch  Boiidet  uud 
namentlich  durch  B  ar  th  ez  und  Rill  iet  eine  genaue  Bearbeitung  er- 
fahren. Tau  p  in  und  Tour  des  bringen  den  Lungenbrand  mit  der 
Gangrän  des  Mundes  in  Zusanunenliang ;  B  o  u  d  e  t,  der  5  Fälle  beobach- 
tet hat ,  macht  auf  den  scorbutischen  Charakter  dieser  Krankheit  auf- 
merksam, und  Barrier  wie  West  haben  je  nur  einen  Fall  von  Lun- 
gengangrän  bei  Kindern  gesehen. 

Der  Fall  von  West  betrifft  ein  3j übriges  Miidclien,  das  in  seinem 
2ten  Leben^.jahre  eine  heftige  Lungenentzündung  überstand,  und  am  4. 
Februar  1843  wieder  anfing  zu  husten  und  kurz  zu  athmen. 

Auf  den  Gebrauch  von  0,03  C'alomel  uud  Pulv.  Doweri,  3stündlich 
verordnet,  sowie  nach  Applikation  von  4  Blutegeln  unter  der  rechten 
Scapula  trat  vorübergehende  Besserung  ein.  Nach  10  Tagen  ge- 
sellte sich  Noma  hinzu,  die  ülceration  des  Zahnfleisches  griff  auf  die 
Palten  der  Unterlippe  über.  Drei  Schneidezähne  fielen  aus,  und  unter 
sich  allmiihüg  entwickelndem  CoUaps  starb  das  Kind,  19  Tage  nach  dem 
Beginn  der  Krankheit.  Bei  der  Sektion  fand  man  die  rechte  Lunge  mit 
Ausnahme  des  oberen  inneien  fiandes  des  lechten  Oberlajspens,  der  em- 
physemafüs  war,  vollständig  hepatisirt.  In  dem  Oberlappen  bemerkte 
man  nach  dem  Einschnitt  eine  unregelniässige  Höhle  in  der  Grösse  eines 
Hühnereies,  nach  verschiedenen  Richtungen  von  Bronchien  und  Gefässen 
durchkreuzt,  biosgelegt,  die  eine  schmutzig  gelbgraue,  äusserst  stinkende 
Masse  enthielt,  und  in  welche  nekrotische  Geweb.sfetzen  hineinhingen. 
Das  umgebende  Parenehym  und  auch  andere  Theile  des  Lappens  zeigten 
einen  hohen  Grad  purulentei  Infiltration,  der  untere  Lappen  enthielt 
ebenfalls  eine  kleine  Caverne ,  die  etwas  gelben ,  weniger  übelriechenden 
Eiter  enthielt. 

Nach  der  Autfassung  von  W  est  war  die  Lungengangrän  von  einer 
eigenthümlichen  Alteration  des  Blutes  abhängig,  und  er  stützt  diese  An- 
nahme durch  die  Thatsache ,  dass  der  Lungenlirand  häufiger  zu  Pneu- 
monie bei  exanthematischeui  Fieber  als  zu  idiopathischer  Lungenentzün- 
dung hinzutritt. 

Bednar  hat  in  der  Findelanstalt  zu  Wien  nur  2raal  Lungenbrand 
beobachtet.  In  dem  ersten  Falle  handelte  es  sich  um  ein  3  Monate  altes 
Mädchen ,  das  an  Caries  des  Felsenlieins  und  an  katarrhalischer  Pneu- 
monie litt.  Bei  der  Autopsie  fand  man  die  oberen  Lungenlappen  blass, 
voluminös,  blutleer;  in  den  unteren  theils  katarrhalisch  verdichtetes  Ge- 
webe, theils  lobuläre,  mit  stinkender  missfarbiger  Flüssigkeit  infiltrirte 
Stellen,  in  den  Bronchien  gelblich  grünen,  stinkenden  Schleim.  Der 
zweite  Fall  betriflt  ein  2  Monate  altes  Kind  mit  hereditärer  Syphilis, 
bei  welchem  im  Verlauf  einer  heftigen  Otorrhoe  mit  consekutiver  Caries 
des  Felsenbeins  der  äussere  Gehörgang  gangränös  wurde,  und  wo  man 
bei  der  Sektion  einen  grossen  Theil  des  linken   oberen  Lappens  morscb, 


Kohts,  Lungengangrän.  833 

bräunlich,  missfarbig,  von  einer  liriiunlicben,  trüben  Serosität  erfüllt  vor- 
fand, dei-  den  rharakteristisclien  Geruch  des  Lungengangrän  darbot. 

Hennig's  eigene  Beobachtungen  über  Lungengangrän  beziehen  sich 
auf  ein  Mädchen  von  2  Jahren ,  welches  nach  Masern  unter  fieberhaften 
Erscheinungen  eine  Verdichtung  des  linken  unleren  Lungenlappens  und 
Intestinalkatarrh  zurückbehielt,  und  zu  Grunde  ging,  ohne  iro  Leben  Sym- 
ptome der  Lungengangrän  darzubieten. 

Bei  der  Obduktion  constatirte  er  difi'usen  Lungenbrand  links  hinten 
unten,  dui-chsprengt  mit  käsigen  Heerden  circumscripter  Pneumonie.  In 
der  rechten  Lunge  Bronchiolitis ,  Oedem ,  chronische  Tuberculose.  Die 
Lungenpleureu  Ijeiderseits  waren  fast  vollständig  mit  den  Costalpleuren 
verwachsen. 

Vogel  beobachtete  einmal  einen  Fall ,  in  welchem  ein  14jähriger 
Knabe  Lungengangrän  accjuirirte,  nachdem  beim  Lachen  eine  Grasähre 
in  den  Larynx  gelangt  war.  Kach  einigen  Tagen  stellten  sich  die  Sym- 
ptome einer  Pneumonie  ein,  das  Fieber  wurde  unregelmässig,  und  nach 
Expektoration  von  stinkendem  Auswurf  mit  Lungenfetzen  war  die  Dia- 
gnose auf  Lungenbrand  gesichert.  Der  Patient  hustete  Monate  lang  stin- 
kende Massen  aus,  und  erst  nach  6  Jahren  war  von  der  Caverne,  die 
sich  im  Laufe  der  Krankheit  entwickelt  hatte  ,  kaum  noch  etwas  nach- 
weisbar. 

Eine  ähnliche  Beobachtung  besitzen  wir  von  Dr.  A.  Eothmund: 
Ein  16jähriger  gesander  Knabe  verschluckte  am  21.  September  1853  eine 
Aehre  von  hordeum  murinum.  Einige  Minuten  nachher  entstand  Wür- 
gen und  Erstiekungsangst;  dann  trat  aber  wieder  Erleichterung,  und 
erst  am  folgenden  Tage  ein  Sstündiger  Frost  mit  folgender  Hitze  und 
Erbrechen  ein.  In  der  Nacht  vom  5ten  zum  6ten  Oktober  entleerte  der 
Patient  unter  anstrengendem  Husten  eine  widerlich  riechende,  mehr  als 
2  Quart  betragende  Flüssigkeit ,  mit  grünen  Fasern  durchsetzt ,  durch 
Mund  und  Nase.  Am  nächsten  Tage  constatirte  man  Dämpfung  in  der 
Mammargegend  von  2V2".  Puls  124,  cavernüses  Athmen.  Am  7ten  Ok- 
tober erfolgte  eine  neue  Expektoration  stinkender  Massen  mit  Pflanzen- 
fasern vermischt.  Bis  zum  Jahre  1854  wurden  öfters  stinkende  Massen 
ausgehustet,  und  nach  einem  längeren  Aufenthalt  in  einem  milden  Klhna 
hatte  sich  der  Patient  im  Jahre  1855  vollständig  erholt. 

Lungenbrand  durch  das  Verschlucken  eines  circa  IV2  Cent,  laugen, 
und  circa  V2  Cent,  breiten  Knochenstücks  beobachtete  ich  in  der  hiesigen 
Kinderklinik  bei  einem  6  Jahre  alten  Mädchen.  Nach  Expektoration  des 
Knochens  nach  10  Monaten,  erholte  sich  das  Kind  allmählig,  und  es  trat 
vollständige  Heilung  ein. 

Casuistische  Beiträge  .sind  von  Weber,  Lös  ebner,  Langen- 
beck  in  Gottingen,  Chavignez,  Hersert,  Tonne,  Stohlmann, 
Sainet,  Blin,  Macheuaud,  Sturges,  M.  Lepine,  Louisa 
Atkins  u.  A.  geliefert  worden. 

Ausführliche  Monographien  über  die  Lungengangrän  der  Kinder  exi- 
stiren  von  Barthez  und  Rilliet,  Steiner  und  N  e  u  r  e  u  1 1  er  und 
A.  Steffen. 


53 

Haodb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


m  Alter 

von    9  Jahren  2, 

^i       » 

»    10 

»       2, 

»       » 

»    12 

»       2, 

»        » 

»    13 

»        1, 

»        » 

»    15 

»       1. 

834  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Vorkommen  und  Aetiologie. 

Die  Lungengangrän  kommt  schon  in  den  ersten  Lebensjahren  vor. 
Bednar  constatirte  sie  bei  einem  2-  und  einem  3monatlichen  Kinde. 
Boudet's  Beobachtungen  beziehen  sich  auf  Kinder  zwischen  dem  2ten 
und  12ten  Lebensjahre.  Barthez  und  Rilliet  beobachteten  Lmigen- 
braud  bei  Kindern  von  2 ','2  bis  15  Jahren,  nach  dem  6ten  Lebensjahre 
häufiger  als  vor  demselben ;  unter  den  18  Fällen  vertheilte  sich  die  Lun- 
gengangrän  hinsichtlich  des  Alters  folgendermassen  : 
Im  Alter  von  2 '/z  Jahren  1, 
»       »       »      3  »         2, 

»       »       »      4  »         2, 

»       »        »      5  »         1, 

»       »        »      6  »         2, 

»       »        »      8  »         2, 

Unter  den  von  Steiner  und  N  e  u  r  e  u  1 1  e  r  citirten  Fällen  war  das 
jüngste  Kind  4  Monate,  das  älteste  12  Jahre  alt.    F  i  s  chel  fand  unter 
SO  Fällen ,  von  denen  25  in  der  Irrenanstalt ,  55  im  allgemeinen  Kran- 
kenhaus zu  Prag  behandelt  wurden  ,  Lungengangrän 
im  Alter  von    2  Jahren  Imal, 
»        »        »11        »        1   » 
»       »       »    16       »       2  » 
Unter  60  Fällen  von  Lungen brand,  die  Lebert  zusammengestellt  hat, 
(darunter  32  eigener  Beobachtung)  kamen  auf  das  1  —  lOte  Jahr  6,  auf 
das  11 — 20te  4  und  die  grösste  Häufigkeit  fällt  auf  das  20 — 30te  Jahr. 
Eine  Statistik  von  L au r eure  aus  Pariser  Spitälern  ergiebt  unter 
63  Kranken ,  die  an  Lungengangrän  litten, 

im  Alter  von    1  — 10  Jahren   1, 
»       »       »     10—20       »       5, 
und  am  häufigsten  wurde  die  Krankheit  zwischen  dem  20ten  und  ROten 
Jahre  beobachtet. 

Steffen  hat  auf  das  Exakteste  3  Fälle  von  Lungenbrand  bei  Mäd- 
chen  im  Alter  von  4,  5  und  13  Jahren  mitgetheilt,  und  während  meiner 
Thätigkeit  an  der  Strassburger  Kinderklinik  hatte  ich  fünfmal  Gelegen- 
heit, Lungenbrand  bei  einem  8  Monate  alten  Kinde,  bei  einem  3-,  6-  und 
14jährigeu  Mädchen,  ferner  bei  einem  4jährigen  Knaben  zu  beobachten. 
Der  Lungenbrand  ist  immer  ein  secundärer  Process ,  und ,  wie 
Cohen  in  seiner  Dissertation  »Die  Aetiologie  des  Lungenbrandes«  ganz 
besonders  hervorhebt,  muss  vorher  stets  ein  anderer  primärer  putrider 
Process  im  Organismus  vorhanden  sein.  Fälle  von  genuiner  Pneumonie, 
die  in  Gangrän  endeten,  sind  bei  Kindern  nicht  beobachtet  worden,  und 


4 


Kohts,  Lungengangrän.     Vorkommen  und  Aetiologie.  835 

es  lässt  sich  annehmen ,  dass  Lungengangrän  stets  durch  Fäulnisserre- 
ger zu  Stande  konamt,  die  in  die  Lunge  eingeführt  werden.  Dabei  wer- 
den  die  Fäuhiisskeinie  entweder  mit  dem  Beginn  des  zur  Nekrose  füh- 
renden Processes  in  der  Lunge  abgesetzt,  oder  sie  sind  schon  vorher  vor- 
handen, wie  in  dem  von  Cohen  mitgetheilten  Falle  (cf.  loc.  p.  19). 
Die  Einführung  von  Fäulnisskeimen  findet  statt : 

1)  Durch  die  Gefässe ,  und  zwar  durch  septische  Embolieen  (viel- 
leicht durch  parasitäre  Embolieen  und  Embolieen  durch  Mikrobakte- 
rien),  oder  durch  makroskopisch  nicht  nachweisbare  Einfuhr  von  Fäul- 
nisserregeru  aus  andern  bösartigen  Eiterheerden ,  —  durch  infectiöse 
Embolie  von  Capillaren  ,  vielleicht  in  seltenen  Fällen  auch  ohne  solche. 

2)  Durch  die  Bronchien,  indem  die  in  dieselben  hinein  gelangten 
Körper  eine  septische  Entzündung  erregen  ,  oder,  indem  die  durch  Em- 
bolieen bedingten  Nekrosen  des  Lungenparenchyms  unter  dem  Einfluss 
eines  in  den  Bronchien  schon  vorhandenen  putriden  Materials  brandig 
werden  (Cohen). 

Resorption  von  jauchigen,  septischen  Stoifen,  sei  es  durch  die  Ge- 
fässe oder  die  Luftwege,  findet  man  namentlich  bei  Pyämie,  bei  cariösen 
Processen  im  Knochen,  nach  Infectionskraukheiten,  wie  Scharlach,  Ma- 
sern, Pocken,  Typhus,  Erysipelas ,  und  am  häufigsten  bei  Gangrän  oder 
Diphtherie  anderer  Organe.  Schon  B  oud  e  t  macht  auf  die  Complica- 
tion  der  Gangraena  pulmonum  mit  Gangrän  anderer  Organe  aufmerk- 
sam ,  und  zwar  constatirt  er  die  Lungenaffection  complicirt  mit : 
Gangrän  des  Oesophagus  1  Mal, 

»         des  Zahnfleisches  und  des  Oesophagus  1     » 
»         des  Mundes  1     » 

»         der  Wange 
»         des  Zahnfleisches 
»         der  Zunge 
»         des  Gaumens 
»         des  Gaumens  und  der  Submaxillar.        1    » 
Unter  18  Fällen  constatirten  Bart hez  und  Ri Hie t  gleichzeitig 
mit  Lungenbraud 
Gangrän  des  Mundes  ^  ^^'^^ 

»        des  Oesophagus  ^    * 

»         des  Larynx  und  Pharynx  1     * 

»         der  Brouchialdrüsen  und  der  Pleura  1     » 

»         der  Bronchialdrüsen,  der  Pleura  u.  des  Oesophagus  1     » 
»         der  Pleura  1    * 

Nach  den  Zusammenstellungen  von  Cohen  scheinen  die  Infections- 
kraukheiten mit  Ausnahme  des  Erysipels  und  der  Diphtheritis ,  viel- 

53* 


1 


83G  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

leicht  der  malignen  Endokarditis  und  Osteomyelitis ,  dann  Lnngengan- 
grän  im  Gefolge  zu  haben,  wenn  anderweitige  septische  Heerde  bestehen. 
Freilich  fehlen  bei  Luugengangrän  nach  Masern ,  Scharlach ,  Typhus 
auch  häufiger  die  geforderten  Bedingungen. 

Von  16  Patienten,  die  B  a  r  t  h  e  z  und  R  i  1 1  i  e  t  an  Luugengangrän 
behandelten,  war  dieselbe  mit  andern  Krankheiten  complicirt,  und  zwar 
folgendermassen  (1.  c.)  : 

16  Fälle  von  Lungengangrän  bei  Masern  mit  und  ohne  Pneumonie    3  Mal, 
mit  Pocken 

,,     Scharlach       

„     typhöser  Enteritis        

„     akuter  Tuberkulose  mit  Darmentzündung 

„     allgemeiner  vmd  partieller  Tuberkulose  mit  u.  ohne  Pneumonie 

„     Dannentzündung  und  allgemeinem  Collaps 

„     chronischer  Meningitis 

„     Typhus     

„     Bronchitis 

„     Pleuropneumonie .     . 

Die  Krankheiten,  in  deren  Verlauf  Steiner   und  Neureutter 
bei  24  Fällen  Lungenbrand  beobachteten,  sind,  der  Häufigkeit  nach  ge- 
ordnet ,  folgende  (1.  c.) : 
Lymphdrüseutuberkulose  mit  oder  ohne  chronisi'hc  Darjukafarrh     5    „ 

Typhus        3    „ 

Follikularkatarrh  und  Dysenterie 3    „ 

chronische  Bronchopneumonie ,   Darmkatarrh  und  Lymplidrüsen- 

hyperplasie        3    „ 

Bronchitis,  Bronchieefasie ,  Üarmkatarrh .     2    „ 

Morbilli       ......     2    „ 

Variola 1     j, 

Skarlatina 1     ^^ 

(Jaries  des  Felsenbeins,  Thrombose  des  Sinus  transversus,  eitrige 

Meningitis,  ohroni.'-cher  Darmkatarrh 1     „ 

Caries  des  Fussgelenks,  Lymiilidrüseutnberkulose      ....     1     „ 
Lymphdrüsen-  und  Lungentuberkulose,    Meningitis  fuberculosa, 
Furunculosis ,  Darmkatarrh     ....  1     „ 

Summa    24    „ 
Unter  5  von  mir  behandelten  Fällen  war  Lungenbrand  complicirt 
mit  allgemeiner  Tuberculose  und  verkästen  Bronchialdrüsen  Imal,  mit 
Diphtheritis  Imal ,  Caries  des  Felsenbeins  Imal ,  Coxitis  und  secuudäre 
Thrombose  Imal. 

Bei  cariöser  Otorrhoe  kommt  es  relativ  häufig  vor ,  dass  sich  Lun- 
gengangrän  entwickelt ,  ohne  dass  man  im  Staude  ist ,  den  Lifections- 
heerd  zu  eruireu,  von  dem  aus  kleine  Embolien  in  die  Lungen  eingeführt 
winden.  Nach  Ley  d  en  '  s  Annahme  handelt  es  sich  in  solchen  Fällen 
um  nicht  nachweisbare  Metastasen  aus  Thrombosen  der  Felsenbein venen, 


Kohts,    Lungengangi-än.     Vorkommen  und  Aetiologie.  837 

und  diese  Ansicht  findet  eine  Stütze  durch  zwei  Beobachtunsen  Trau- 
be's,  wo  die  Infection  auf  dem  von  Leyden  angenommenen  Wege 
vorkam  (Deutsche  Klinik  1853.  Nro.  37.  p.  409).  Bei  deutlichem  In- 
farct  in  den  Lungen  und  Lungengangrän,  waren  wandständige  Throm- 
bosen in  der  gleichnamigen  Vena  jugularis  vorhanden.  Lungenbrand 
bei  Caries  des  Felsenbeins,  Thrombose  des  Sinus  transversus  und  eitrige 
Meningitis  wurde  auch  von  Steiner  und  Neureutter  beobachtet, 
und  ich  selbst  behandelte  in  diesem  Jahre  in  der  Kinderklinik  ein  Mäd- 
chen von  14  Jahren,  das  an  Caries  des  Felsenbeins  mit  consecutiver  Lun- 
gengangrän litt,  bei  welchem  man  nach  dem  Tode  im  Sinus  transversus 
dexter  eiterig  zerfallene  Thrombusmassen  vorfand,  die  exquisit  stinkend 
waren ,  und  wo  sich  deutliche  Spuren  von  Entzündung  und  Verdickun- 
gen der  Sinus- Wandungen  bis  an  und  in  die  Jugularis  nachweisen  Hes- 
sen (s.  Krankengeschichte). 

Volkmann  nimmt  an,  dass  bei  Caries  des  Felsenbeines  durch  Her- 

abfliessen  der  Jauche  aus  der  Tuba  in  den  Rachen  und  in  die  Luftröhre 

Lungengangrän  zu  Stande  komme. 

Zuweilen  werden  die  ätiologischen  Momente  für  den  Lungenbrand 
dunkel  bleiben ;  es  liegt  dabei  näher ,  den  Fäulnissprocess  dem  Einfluss 
der  athmosphärischen  Luft  zuzuschreiben ,  als  sich  mit  der  Annahme 
einer  gangränösen  Diathese  älterer  Autoren  zu  begnügen  (Laurence 
p.  24). 

Verschluckte  Fremdkörper ,  Grasähren  (R  o  t  h  m  u  n  d  -  V  o  g  e  1), 
Knochenstücke  (Leyden),  ein  verschluckter  Kirschkern,  (Jaffe), 
ein  Fischwirbel  (Laurence)  können  ebenfalls  zur  Entstehung  des 
Lungenbrands  beitragen.  Lungengangrän  nach  Perforation  von  Bron- 
chialdrüsen ist  von  Barthez  und  Rilliet  (c.  1.  pag.  409.  Tome  IL 
1861)  und  von  mir  beobachtet  worden  (Conf.  Krankengeschichte  4.). 

Es  handelt  sich  um  ein   Sjähriges  Kind,   welches   im  Verlauf   einer 
allgemeinen  Tuberculose  Lungengangrän  acquirirte.     Die  beiden  Pleura- 
blätter waren  durch  dicke  und  feste  tuberculose  Einlagerungen  verwach- 
sen. Nach  Trennung  dieser  Adhäsionen  gelangt  man  mehr  an  der  Wurzel 
der  Bronchien  auf  eine  Drüse,  die  der  inneren  Oberfläche  der  Lunge  an- 
liegt.   Beim  Aufschneiden  sieht  man  eine  grosse  Höhle,  deren  Wandun- 
gen schwärzlich  sind,    und  welche  einen   gangränösen  Geruch  verbreiten. 
Diese  Caverne ,    welche  ungefähr  4  Centimeter  rnisst ,    communicirt  oben 
nach  der  Bifurcation  zu  mit  dem  linken  Bronchus,  nach  unten  geht  sie 
in  eine  tuberculose  und  zur  Hälfte  erweichte  Bronchialdrüse  über. 
Lungenbrand  nach  einfacher  Contusion  des  Brustkorbes  ,  wie  von 
Grolding,  .Stokes,  Grisolle,  Schroedervan  der  Kolk,  Four- 
net  und  neuerdings  L e y d e n  berichtet  wird,  ist  bisher  bei  Kindern 
nicht  zur  Beobachtung  gekommen.     Ebenso  ist  es  nicht  bekannt,  dass 
im  kindlichen  Alter  Lungengangrän  durch  Perforation  der  Lunge  vom 


g38  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Oesophagus  her ,  durch  Abscesse  und  Jaucheheerde  in  der  Brust-  oder 
Bauchhöhle  entstanden  ist. 

Beim  Durchgehen  der  in  der  Literatur  verzeichneten  Fälle  sehen 
wir,  dass  der  Lungenbrand  sonst  nur  im  Verhuif  von  Krankheiten  auf- 
tritt, welche  den  Ernährungsstand  herabsetzen  ,  und  die  Blutbildung  in 
sehr  schwächender  Weise  beeinträchtigen.  St  ef  f  en  knüpft  daran  die 
Hypothese,  dass  unter  eintretendem  Collaps,  bei  geringereu  Excursionen 
des  Thorax  und  mangelhafter  Expansion  der  Lungen  ,  endlich  bei  der 
Schwächung  der  Herzaction  die  Möglichkeit  zu  Thrombosen  in  den  Lun- 
gen gegeben  ist,  die  ebenso  wie  ausgebreitete  capilläre  Embolieen  Gan- 
cfrän  des  betreffenden  Gefässbezirks  nach  sich  ziehen  können. 

Malariasiechthum  ,  acute  Exantheme  ,  Typhus ,  Tubei'culose ,  lang- 
dauerude  Darmaffection ,  chronische  Bronchitis  sind  die  hier  vorzugs- 
weise zu  erwähnenden  Leiden ,  welche  prädisponirende  Momente  abge- 
ben. Der  schädliche  Einfiuss  schlechter,  unreinlicher,  feuchter,  mangel- 
haft ventilirter  Wohnungen,  schlechter  Nahrung  lässt  sich  nicht  läug- 
uen.  In  besseren  Familien  Ijei  entsprechender  Pflege  und  Behandlung 
wird  Gangraena  pulmonum  nur  ganz  ausnahmsweise  beobachtet. 

Die  Lungengangrän  und  Tuberculose  schliesseu  sich  keineswegs 
aus,  wie  von  manchen  Autoren  behauptet  wird.  Unter  den  von  Bar- 
th ez  und  Rilliet  beobachteten  17  Fällen  bestand  lOmal  Tuberculose, 
und  in  der  Mehrzahl  der  von  Steiner  und  N  e  u  r  e  u  1 1  e  r  behandelten 
Patienten  bestand,  wenn  auch  keine  ausgebreitete  Lungentuberculose, 
so  doch  ziemlich  weit  gediehene  Drüsentuberculose. 

Das  männliche  Geschlecht  scheint  zu  dieser  Krankheit  mehr  zu  in- 
cliniren  als  das  wei))liche ,  wie  wenigstens  aus  den  Beobachtungen  von 
Steiner  und  N  e  u  r  e  u  1 1  e  r  und  Rilliet   und  B  a  r  t  h  e  z  hervorgeht. 

Die  bei  weitem  grösste  Zahl  der  von  Lungenbrand  befallenen  Kin- 
der fällt  in  die  Zeit  der  ersten  sechs  Lebensjahre,  was  ohne  Zweifel  mit 
der  Thatsache  übereinstimmt ,  dass  die  secundäre  Pneumonie  in  den  er- 
sten Leben.sjahren  viel  häufiger  vorkommt,  als  in  den  späteren  (Steiner, 
Neur  eutt  er). 

Zur  Illustration  der  ätiologischen  Momente  und  des  Verlaufs  der 
Liuigengangräne  lasse  ich  in  kurzem  Auszug  die  Krankengeschichten 
von  4  Patienten  folgen  ,  die  in  der  hiesigen  Kinderklinik  zur  Beobach- 
tung kamen. 

1.  Cholesteatom  im  rechten  Ohr.  —  Entzündung  und  Verdickung  der 
Sinuswandungen  bis  in  die  Ve.  jugularis.  —  Caries  des  Felsenbeins.  — 
Pyäniie.  —  Lungengangrän.  —  Latenter  Verlauf. 

Catharina    Hecht ,     14    Jahre    alt ,     wurde    am    29.    August    1876 
auf  die  Kinderklinik   gebracht,    und   die  Angehörigen    gaben   dabei   an. 


Kohts,  Limgengangrän.     Vorkommen  und  Aetiologie.  839. 

dass  die  Patientin  von  jeher  ein  scliwUchliches  Kind  gewesen  sei ,  und 
häufig  an  Drüsenansehwellungen  gelitten  habe,  die  öfters  Incisionen  noth- 
wendig  machten.  Seit  langer  Zeit  soll  ein  Ausfluss  aus  dem  rechten  Ohr 
bestehen.  Vor  8  Tagen  sei  sie  plötzlich  sehr  matt  geworden,  hätte  über 
heftige  Kopfschmerzen  geklagt,  und  sei  ausser  Stande  gewesen,  zu  gehen 
und  mit  dem  Kopfe  vor  Schmerzen  irgend  eine  Bewegung  zu  machen. 
Sie  hätte  keinen  Appetit ,  viel  Durst  und  grosse  Hitze  am  Abend  be- 
kommen, und  seit  jener  Zeit  wären  diese  Symptome  stets  dieselben  ge- 
blieben. ~  Husten  hätte  sie  nie  gehabt. 

Am  29/8. ,  unmittelbar  nach  ihrer  Aufnahme  in  das  Spital, 
hatte  die  Patientin  einen  starken  Prost ,  der  ungefähr  '/^  Stunde  an- 
dauerte. 

Status  praesens  am  30  /  8. :  P.  ist  ein  ziemlich  kräftig  ent- 
wickeltes Mädchen,  mit  starkem  Panniculus  adiposus,  massig  kräftiger 
Musculatur.  Das  Gesicht  voll,  die  Wangen  geröthet,  Lippen  eher  blass, 
Temperatur  39,4,  Puls  124  von  massiger  Spannung,  deutlich  dicrot.  Re- 
spiration 36.  Gesichtsausdruck  leidend.  Das  Sensorium  ist  etwas  benom- 
men. Schlaf  ziemlich  gut.  Die  subjectiven  Beschwerden  beziehen  sich  auf 
heftige  Kopfschmerzen,  die  nicht  genau  localisirt  werden.  Die  P. 
nimmt  active  Rückenlage  ein,  der  Kopf  ist  nach  rechts  geneigt.  In  der 
Nähe  des  linken  Unterkieferwinkels  befindet  sich  eine  Narbe,  und  rechts 
am  Halse  und  unterhalb  des  rechten  Ohres  sind  mehrere  Narben  sicht- 
bar. Aus  dem  rechten  Ohr  fliesst  eine  massig  reichliche  eiterige  übelrie- 
chende Flüssigkeit.  Beim  Aufsitzen  der  P.  Ijleibt  der  Kopf  nach 
der  rechten  Seite  geneigt ;  active  Bewegungen  können  mit  demselben 
nicht  ausgeführt  werden.  Auf  Geheiss,  mit  dem  Kopfe  Seitwärts  oder 
Drehbewegungen  auszuführen,  dreht  P.  den  ganzen  Körper  nach  rechts, 
während  die  Haltung  des  Kopfes  unverändert  bleibt. 

Die  Haut  am  Rumpfe  von  etwas  gelblicher  Färbung,  ist  heiss 
und  trocken  anzufühlen.  Oedeme  oder  Exantheme  sind  nicht  vorhanden. 
Vonseiten  der  Respirationsorgane  nichts  Abnormes.  Kein  Husten, 
kein  Au  s  wurf. 

Die  Zunge  ist  stark  weisslich  belegt,  an  den  Rändern  roth,  und  wird 
zitternd  herausgestreckt.  Appetit  nicht  vorhanden,  kein  Erbrechen.  Das 
Abdomen  ist  etwas  aufgetrieben,  bei  Palpation  nicht  schmerzhaft.  Keine 
Roseola.  Der  vordere  Milzrand  ist  durchzufühlen.  Im  Laufe  des  Tages 
erfolgten  5  Stühle  von  diarrboischer  gelblicher  Beschaffenheit.  Der  Urin 
etwa  200  Cc.  von  röthlich  bi'auner  Farbe,  ist  ziemlich  klar;  das  speci- 
fische  Gewicht  1015.  Reaction  sauer ;  kein  Albumen.  Die  P.  hatte  nun 
in  den  nächsten  Tagen  ein  unregelmässiges  Fieber,  das  zwischen  37,8 
bis  40  schwankte ,  der  Ausfiuss  aus  dem  rechten  Ohr  wurde  ziemlich 
beträchtlich  uud  sehr  üljelriechend  ,  die  Respiration  war  etwas  beschleu- 
nigt, 32—36;  wurde  zuweilen  durch  Hustenstüsse  unterbrochen,  ohne 
dass  etwas  expectorirt  wurde,  und  nachdem  am  2ten  November  aus  dem 
rechten  Ohr  eine  ziemlich  starke  Blutung  stattgefunden  hatte,  bekam 
die  P.  einen  heftigen  Schüttelfrost,  der  c.  Va  Stunde  dauerte.  Dieser 
Prost  wiederholte  sich  am  3/9.  und  zweimal  am  4/9.  Die  Temperatur 
war  an  diesen  Tagen  am  Morgen  37,9,  Abends  39,5,  zur  Zeit  des  Schüt- 
telfrostes 40,  und  39,9.  Der  Puls  schwankte  zwischen  116  und  132,  die 


840  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Lunge. 

Respiration  zwischen  32  —  36.  Das  Sensorium  war  am  4/9.  sehr  benom- 
men, die  Otorrhoe  war  stark,  foetid ,  und  bei  der  Untersuchung  der 
Brustorgane  eonstatirte  ich  hinten  rechts  in  der  Fossa  supraspinata,  und 
tinterhalb  der  Spina  scapulae  bronchiales  Exspirationsgeriiusch ;  in  den 
unteren  Lungenparthien  links  war  das  Athmungsgeriiusch  aligeschwäuht, 
hin  und  wieder  durch  Rasselgerilusche  verdeckt.  Tn  den  nächsten  Tagen 
wiederholten  sich  die  Schüttelfröste,  die  Temperatur  schwankte  zwischen 
39,9  und  41 ,  der  Puls  zwischen  124 — 136,  die  Respiration  zwischen 
36—40.  Kein  Sputum,  kein  foetor  ex  ore.  Dabei  bestanden  während 
der  ganzen  Zeit  Diarrhoeeu,  der  Urin  enthielt  niemals  Albumen.  Die 
Therapie  mit  Chinin,  salicj^lsaurem  Natron  und  Natr.  acetic.  5  :  180  (2- 
stündlich  1  Esslöffel)  hatten  gar  keinen  Erfolg.  Am  12/9.  107a  Uhr 
Morgens  erfolgte  der  Tod. 

Obduction  am  12/9.     (Dr.  Pri  edlä  nd  er.) 

Musculatur  dunkelbraun ,  Magen  durch  Luft  stark  ausgedehnt. 
Kleine  Ecchymosen  im  Pericardium.  Im  rechten  Pleuraraum  befinden 
sich  geringe  Mengen  eines  exquisit  stinkenden  Exsudats.  Der  untere 
Lappen  der  rechten  Lunge  ist  luftleer ,  infiltrirt,  von  Erbsen-  bis  Wall- 
nussgrossen  Abscessen  durchsetzt.  Die  Wandung  der  Abscesse  ist  stark 
missfarben,  zum  Theil  fetzig.  Die  Schleimhaut  der  Bronchien  ist  stark 
geröthet.  Eme  der  zuführenden  Arterien  ist  von  zerfallenem  thromboti- 
schen Material  gefallt.  Um  diese  Stelle  herum  ein  erweichter  Abscess. 
Der  obere  Theil  des  oberen  Lappens  ist  derb  infiltrirt,  zeigt  starkes 
Oedem  und  reichlichen  Blutgehalt;  an  der  vorderen  Spitze  befindet  sich 
ein  kleiner  jauchiger  Abscess.  Die  linke  Lunge  ist  frei.  Rechts  neben 
der  Submaxillaris  nach  innen  und  unten  befindet  sich  ein  Haselnuss- 
grosser  mit  intensiv  trübem  und  stinkendem  Eiter  erfüllter  Abscess.  Die 
Wände  desselben  sind  sehr  missfarben.  Die  Vena  jugularis  ist  in  der 
Nähe  des  Abscesses  mit  fest  anhaftenden  Tbromliusmassen  durchsetzt  und 
vollständig  obliterirt.  Die  Carotis  ist  unverändert.  Am  Kehlkopf  und  an 
dei  Basis  der  Arytänoidknor]  lel  ein  tiefes  necrotisches  Ulcus.  Die  Milz 
ist  sehr  gross,  mit  dem  Zwerchfell  verwachsen,  Follikel  gross,  pulpa 
blass. 

In  den  Nieren  diffuse  Trübung  der  Rindensubstanz;  starke  Füllung 
der  Venae  stellatae.    Pigmentirung  der  Peyer'schen  pläc^ues. 

In  der  Gegend  der  Sehnerven  befindet  sich  eine  eitrige  Schwarte, 
die  sich  am  Austritt  des  7— 8tcn  Nervenpaares  verdickt.  Im  Sinus  lon- 
gitudinalis  grosse  speckhäutige  und  dunkele  Gerinnungen.  Ebenso  be- 
merkt man  im  Sinus  transversus  sinister  Gerinnungen.  Von  der  Kreu- 
zungsstelle a,n  bis  in  die  Nähe  des  Schläfenbeins  ebenfalls  ein  Gerinnsel, 
das  im  weiteren  Verlauf  eiterig  zerfällt. 

Die  Aussenfläche  der  Dura  ist  intact ;  nach  hinten  vom  Poms  acu- 
sticus  internus  ist  die  Dura  in  der  Ausdehnung  von  c.  1  Centimeter 
durch  einen  Abscess  hervorgewölfit. 

Am  stärksten  ist  der  eiterige  Zerfall  des  Thronibus  im  Sinus  am  Po- 
ramen lacerum,  wo  sich  auch  die  Abscesse  befinden.  An  dieser  Stelle  ist 
eine  Membran  nicht  mehr  zu  constatiren,  sondern  die  rauhe  Knochen- 
wand des  Foramen  lacerum  liegt  blos.  —  Schon  3  Centimeter  vom  Po- 
ramen  lacerum   ist   die  Sinuswand    verloren   gegangen,    hier    stösst  der 


Kohts,    Limgengangrän.     Vorkommen  und  Aetiologie.  841 

schmutzig  verfärbte  Knochen  an  den  Thrombus  an.  Die  eiterig  zerfallene 
Thrombusmasse  ist  exquisit  stinkend,  die  oben  erwähnten  Abscesse  an 
der  Submaxillaris  setzen  sich  hinten  vom  absteigenden  Ast  des  Ober- 
kiefers bis  in  die  Flügelganmengrube  hinein  fort.  Ausserdem  befindet 
sich  hinter  dem  Meatus  auditorius  externus  ein  Abscess,  der  in  die  Pau- 
kenhöhle hineinführt. 

Hechtes  Felsenbein:  (Dr.  Kuhn).  Der  knorpelige  Theil  des  äusseren 
Gehörganges  ist  normal;  am  Ende  desselben,  also  gleich  beim  Beginn  des 
Meatus  osseus  führt  eine  Centimeter  breite,  1  Centim.  Iiohe  Oeft'nung  in 
eine  geräumige  Knochenhöhle,  die  durch  die  Zerstörung  der  vorderen 
und  unteren  knöchernen  Gehörswand  direct  mit  der  Unterkiefergelenks- 
grube^  communicirt,  nach  hinten  den  horizontalen  Theil  des  Processus 
mastoideus  vollständig  einnimmt,  und  densellien  bereits  nach  vorn  per- 
forirt  hat ;  nach  innen  und  vorn  dehnt  sich  der  Hohlraum  bis  unter  das 
papierdünn  gewordene  Tegmen  tympani  aus ,  nach  hinten  und  oben 
schhesslich  besteht  ein  Knochendurchbruch,  der  nach  der  hinteren  Schä- 
delgrube in  den  Sinus  transversus  direct  mündet.  Die  perforirte  Kno- 
chenstelle ist  von  zackigen  Bändern  umgeben,  und  l)esitzt  die  Grösse 
einer  kleinen  Bohne.  Die  knöcherne  Halbrinne  des  Sinus  ist  in  ihrem 
hinteren  Abschnitte  cariös  angefresssen .  und  es  lassen  sich  durch  den 
ganzen  Smus  hindurch  deutliche  Spuren  von  Entzündung  und  Verdickung 
der  Sinuswandungen  bis  an  und  in  die  Jugularis  nachweisen. 

Die  einzelnen  Theile  der  Paukenhöhle  sind  vollständig  zerstört,  we- 
der Knöchelchen  noch  Muskeln  vorhanden;  die  Labyrinthen  wand  jedoch 
völlig  intact;  der  knöcherne  Tubenabschnitt  mit  der  Knochenhöhle  eben- 
falls verschmolzen. 

Im  Inneren  dieser  grossen  Ijlasenförmigen  Knochenhöhle  liegen  zahl- 
reiche Massen  einer  schmutzig  weissen  käsigen  Substanz,  die  unter  dem 
Microscop  neben  zahlreichen  Detrituselementen  noch  sehr  deutlich  die 
characteristischen  grossplattigen  Zellen  des  Cholesteatoms  mit  starker  Cho- 
lestearinbeimengung  erkennen  lässt. 

2.  Coxitis.  —  Resectio  coli,  femoris.  —  Thrombose.  —  Hämoptoe, 
foetor  ex  ore ,  Lungengangrän ,  lethaler  Exitus  (Beobachtung  aus  der 
Klinik  des  Herrn  Prof.  Dr.  Lücke): 

Wilhelmine  Dolch,  von  schwächlicher  Constitution,  3  Jahre  alt,  litt 
an  einer  Coxitis  dextra,  deretwegen  am  18.  Mai  1876  die  Eesection  des 
Hüftgelenks  unmittelbar  unter  dem  Trochanter  vorgenommen  wurde. 
Nach  der  Operation  hatte  das  Kind  vier  Tage  lang  ein  massiges  Fieber 
und  war  dann  bis  zum  15.  Juni  fieberfrei.  Von  diesem  Tage  an  verlor 
die  kleine  F.  den  Appetit ,  kam  täglich  mehr  herunter  und  die 
Granulationen  wurden  schlaif.  Am  26.  Juni  fing  das  Kind  an  zu  fiebern, 
und  es  stellte  sich  Husten  ein ;  am  28.  Juni  erfolgte  eine  ziemlich 
starke  Hämoptoe  (4  bis  5  Esslöflel) ,  die  sich  am  5.  Juli  wiederholte. 
Unmittelbar  daniach  wai  das  Kind  sehr  angegriffen,  hatte  starke  Dys- 
pnoe, und  autfallend  erschien  der  äusserst  stinkendeGeruch 
aus  dem  Munde.  Unter  zunehmendem  CoUaps  starii  das  Kind  am  10. 
Juli.  Die  Autopsie  wurde  am  11/7.  von  Prof.  v.  Reckling hausen 
gemacht    und    aus    dem    Sectionsprotocoll    ist   folgendes    hervorzuheben : 


842  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Ausserordentlich  starke  Abmagerung,  Ecchymosen  am  Arm,  kein  Icterus, 
zahli-eiche  kleine  Ecchymosen  am  Bauch.  Das  Zwerchfell  steht  rechts 
höher  als  links.  Beide  Lungen  sind  total  adhärent,  namentlich  die  rechte. 
Beim  Abheben  der  Thoraxwand  entleert  sicli  eine  Caverne  der  rechten 
Lunge,  in  welcher  sich  ein  gangränös  riechendes  Fluidum  von  grauer 
Farbe  vorfindet ,  das  theils  schwärzliche ,  theils  weissliche  Flocken  ent- 
hält. Das  Herz  ist  ziemlich  klein,  in  demselben  klumpig  geronnenes  Blut 
ohne  Speckhaut.  Li  der  Vena  jugularis  int.  sin.  befindet  sich  eine  feste 
dunkelrothe  Thrombusmasse,  in  der  Vena  subclavia  dext.  ist  ein  weicher 
ThL'ombus  voihanden,  dem  sich  ein  weisslicher  derber  Thrombus  in  der 
Vena  anonyma  anschliesst;  letztere  ragt  noch  in  die  Vena  cava  superior 
hinein.  Die  Vena  subclavia  sinistra  wird  ebenfalls  durch  einen  Thrombus 
ausgefüllt.  In  der  rechten  Art.  pulmonalis  liemerkt  mau  einen  Throm- 
bus, der  das  Lumen  nicht  vollständig  ausfüllt  und  sich  nach  der  früher 
erwähnten  Höhle  fortsetzt  und  sich  hier  ramificirt.  Kleine  Knötchen  an 
Pleura  pulmonalis  und  costalis.  In  der  Basalpartie  des  rechten  Unter- 
lappens  liefindet  sich  ein  gangränöser  Heerd.  Die  Cavernen  sind  mit 
jauchigen  Massen  erfüllt,  die  Thromben  erscheinen  nicht  gangränös.  Im 
oberen  Theile  des  linken  Unterlappens  sieht  man  kleine  kirschkerngrosse 
Höhlen  und  kleine  Heerde  schieferiger  Induration  ohne  evidente  käsige 
Einlagerung.  Die  Bronchialdrüsen  sind  stark  vergrössert,  und  zeigen  zum 
Theil  käsige  Degeneration.  Im  Sinus  transversus  sinister  Tbrombose. 
Die  Eesectionshöhle  ist  mit  granulirendem  Gewebe  ausgekleidet,  der 
Knochen  ist  mit  Granulationen  bedeckt,  nach  innen  zu  liegt  der  ßand 
l-dos  ;  der  obere  ßand  der-  Hüftgelenkspfanue  ist  zerstört,  der  Knochen 
ist  so  verdünnt ,  dass  an  einer  Stelle  die  Sonde  in  die  WeichtLeile  des 
Beckens  eindringt.  An  der  grossen  Schamlippe  befindet  sich  eine  mit  der 
ßesectionshöhle  communicirende  Oeifnung ,  durch  welche  sich  ein  Kathe- 
ter einführen  lässt. 

3.  Lungengangrän  durch  ein  ver.schlucktes  Knochenstück  bedingt.  — 
Exjoectoration  des  Knochens  nach  10  Monaten.  —  Ausgang  desLungen- 
hrandes  m  Abscess.  —  Genesung. 

Alma  Diemer,  6  Jahre  alt,  war  früher  stets  gesund,  und  über 
ihren  jetzigen  Zustand  machte  dre  Mutter  folgende  Angaben.  Im  August 
1875  verschluckte  die  Patientin  ein  Knochenstückchen,  worauf  sie  sofort 
tief  blau  Uli  Gesicht  wurde,  und  ein  sehr  heftiger  Hustenanfall  erfolgte, 
so  dass  die  Eltern  meinten,  das  Kind  würde  ersticken.  Nach  einigen 
Tagen  erholte  sich  das  Kind  wieder ,  und  über  den  weiteren  Verlaut 
werden  von  der  Mutter  nur  spärliche  Angaben  gemacht.  Das  Kind  hu- 
stete seit  jener  Zeit  viel  und  heftig ;  in  der  ersten  Zeit  soll  auch  Blut 
im  Auswurf  gewesen  sein,  doch  ist  über  die  Menge  und  Beschaffenheit 
desselben,  sowie  über  etwaige  Fiebererseheinungen  nichts  zu  eruiren.  - 
Aerztlich  behandelt  wurde  das  Kind  nicht.  —  Nach  einem  nicht  genau 
zu  bezeichnenden  Zeitraum,  nach  c.  8  Wochen,  fiel  den  Eltern  auf,  dass 
der  Athem  des  Kindes  einen  excjuisit  stinkenden,  „ashaften"  Geruch  ver- 
breitete ,  auch  wurde  der  Auswurf,  der  stets  sehr  reichlich  gewesen  sein 
soll,  übelriechend,  etwa  wie  faules  Fleisch.  Der  Husten  war  fortgesetzt 
heftig  und   exacerl_>irte   namentlich   des  Abends   und  Nachts.    Das  Kind 


Kohts,  Lungengangrän.     Vorkommen  und  Aetiologie.  843 

fieberte  dabei  stark ,  schwitzte  sehr  viel ,  und  magerte  zum  Scelet  ab. 
In  einem  Hustenanfall  wurde  im  Mai  1876  der  Knochen  ausgehustet. 
Derselbe  war  1  Va  Centimeter  lang  und  Va  Cent,  breit  und  glich  einem 
necrotischen  Knochenstück.  Seitdem  erholte  sieh  das  Kind  wieder,  bekam 
guten  Appetit,  und  die  Kräfte  nahmen  sichtlich  zu.  Der  Husten  bestand 
aber  weiter  fort,  der  Auswu.rf  war  stinkend,  von  dicker  schleimiger  Be- 
schaffenheit und  gellilicher  Farbe.  Der  übele  Geruch  aus  dem  Mundo 
beim  Athmen ,  und  der  reichliche  stinkende  Auswurf  bewog  die  Eltern, 
in  der  hiesigen  Poliklinik  im  Decembor  ärztlichen  Eath  einzuholen.  — 
Bei  der  Untersuchung  fand  man  das  Kind  von  blühendem  Aussehen, 
keinen  Foetor  ex  ore;  bei  der  Untersuchung  des  Thorax  war  in  den  un- 
teren Parthieen  rechts  eine  geringe  Retraction  nachweisbar,  von  der  Mitte 
der  Scapula  an  constatirte  man  eine  geringe  Dämpfung ,  in  deren  Aus- 
dehnung abgeschwächtes  Respirationsgeräusch  zu  hören  war.  Beim  Hu- 
sten hörte  man  zuweilen  consonirendes  Rasseln,  und  im  Exspirium  einen 
amphorischen  Hauch.  —  Da  von  der  Mutter  auf  das  entschiedenste  an- 
gegeben wurde,  dass  der  Athem  und  der  Auswurf  des  Kindes  zuweilen 
die  ganze  Stube  verpeste,  wurde  neben  den  diätetischen  Vorschriften  die 
Inhalation  von  Benzin  empfohlen.  —  Im  Februar  1877  nahm  ich  die 
kleine  Patientin  in  die  Kinilerklinik  auf,  und  constatirte  hier,  dass  der 
reichliche  Auswurf,  der  nur  bei  grosser  Aufregung  des  Kindes,  bei  for- 
cirtem  Husten  und  Schreien  ganz  plötzlich  in  grösseren  Mengen  (2 — 3 
Esslöffel  voll)  entleert  wui'de ,  nicht  mehr  fötide  war.  Bei  der  micro- 
scopischen  Untersuchung  fand  ich  zu  wiederholten  Malen  elastische  Fa- 
sern aus  dem  Lungengewebe.  Bei  roljorirender  Diät  nahmen  die  Kräfte 
der  P.  zu,  der  Auswurf  wurde  seltener  und  in  geringeren  Massen,  nicht 
stinkend  entleert,  und  Mitte  März  konnte  die  kleine  P.  als  vollständige 
Eeconvalescentin  nach  Hause  entlassen  werden. 

4.  Lungengangrän  bei  einem  Smonatlichen  Kinde.  —  Uebelrie- 

hende  eiterige  Sputa.  —  Allgemeine  Tuberculose.  —  Schwellung  und 

äsige  Degeneration  der  Broucbialdrüsen. 

Pauline  Asum,  8  Monate  alt,  soll  angeblich  seit  mehreren  Wochen 
krank  sein  und  viel  gehustet  haben,  wobei  häufig  ein  reichliches,  sehr 
übelriechendes  Sputum  entleert  wurde.  Am  12tenJuni  1876  sah  ich  das 
Kind  in  der  Medicinischen  Poliklinik,  und  beim  Husten,  lieim  Umlagern 
des  Kindes  auf  den  Bauch  ,  um  die  hinteren  Parthieen  des  Thorax  zu 
untersuchen,  endlich  beim  Herabdrücken  der  Zunge  mit  dem  Spatel  kam 
aus  dem  Munde  eine  reichliche  Menge  Eiter,  der  eine  exquisit  stinkende 
Beschaffenheit  hatte.  Am  14ten  Juni  wurde  das  Kind  in  die  Kinder- 
klüiik  aufgenommen,  und  dabei  folgender  Status  notirt. 

Das  Kind,  schlecht  entwickelt,  atrophisch,  liegt  mit  weit  geöffnetem 
Munde  und  etwas  nach  hinten  gezogenem  Kopfe  auf  dem  Rücken.  Bis- 
weilen erfolgt  Husten  ohne  Expectoration ,  und  nur  beim  Herunter- 
drücken der^Zunge  mit  einem  Spatel  wird  c.  1  Theelöftel  reinen  Eiters 
entleert,  der  einen  etwas  übelen  Geruch  darbot.  Die  Hauttemperatur 
nicht  erhöhl,  Puls  164.  —  Die  Haut  ist  blass,  trocken  welk,  zeigt  keine 
Oedeme,  das  Gesicht  ist  leicht  gedunsen,  nicht  cyanotisch.  Die  Unter- 
suchuno- des  Pharynx   ergiebt   weder  bei  der  Inspection  noch   Palpation 


g44  Krankheiten  der  Athmimgsorgane.    Lunge. 

etwas  Almormee ;  eine  Prominenz  an  der  hinteren  Eachenwand  lässt  sich 
nicht  wahrnehmen.  Der  Geruch  aus  dem  Munde  ist  sauer,  nicht  übel- 
riec-hend.  —  Die  Zunge  ist  ein  wenig  belegt,  der  Leib  etwas  autgetrie- 
ben,  keine  Durchfallet  Der  Thorax  ist  ziemlich  gut  entwickelt;  in  den 
unteren  Parthieen  bei  der  Inspiration  geringe  Einziehungen  sichtbar; 
keine  Differenz  zwischen  beiden  Thoraxhälften.  Die  Respiration  ist  ober- 
flächlich ,  80  in  der  Minute.  Bei  der  Percussion  ist  der  Schall  rechts  in 
der  Hohe  der  vierten  Eippe  höher  wie  links,  und  leicht  tympanitisch, 
und  an  den  hinteren  Parthieen  ist  der  Percussionsschall  rechts  unterhalb 
der  Spina  scapulae  bis  zum  Ripjienrand  höher  und  kiu-zer  als  auf  den 
entsprechenden  Parthieen  links.  In  der  Ausdehnung  der  geringen  Dämp- 
fung, hinten  rechts,  hört  man  bronchiales  Athmen  und  sehr  reichliches 
consonirendes ,  mittelgrossblasiges  und  grossblasiges  Rasseln.  Bei  der 
Untersuchung  hustet  das  Kind  bisweilen  puren  Eiter  aus,  der  jedoch 
nicht  übelriechend  ist. 

Ordo:  Weinj  und  Terpenthin-Inhalationen. 

Am  16ten  Juni  erfolgte  der  Tod,  nachdem  kurz  vorher  blutig  lin- 
girter  Schleim  expectorirt  war.  Beim  Reinigen  und  Waschen  des  Kindes 
läuft  aus  der  Nase  reines,  dunkelroth  gefärbtes  Blut. 

Obduction.     (Prof.  v.  R  eck  ling  h  au  s  en.) 

Der  linke  Pleurasack  enthält  wenige  Tropfen  klarer  Flüssigkeit.  Die 
linke  Lunge  ist  wenig  adhärent.  Die  rechte  Lunge  ist  adhärent;  in  den 
Verwachsungen  zahlreiche  Knötchen,  die  zu  grösseren  Plaques  zusam- 
mengeschmolzen sind.  Bei  Eröffnung  des  Thorax  kommt  man  rechts  in 
einen  hlihnereigrossen  Heerd,  der  mit  grünlichem  stinkendem  Eiter  ge- 
füllt ist.  —  Die  Trachea  und  der  Oesophagus  bieten  nichts  Abnormes. 
Im  Rachen  leichte  Röthung  der  Schleimhaut.  In  den  Bronchien  wird  die 
Röthung  stärker;  auf  dem  Kelildeckel  kleine  Körnchen  und  leichte 
Schwellung  der  Ligamenta  ary-epiglottica,  im  Larynx  und  Trachea  leichte 
Röthung,  in  den  Bronchien  kleine  Defecte.  Die  Höhle  rechts  geht  offen- 
bar in  die  Lunge  hinein  oder  spitzt  sich  gegen  den  Hilus  zu.  Die  Höhle 
ist  mit  einer  Membran  ausgekleidet,  zeigt  eine  balkige  Beschaffenheit, 
und  von  der  eben  erwähnten  Zuspitzung  hängt  in  die  Hölile  ein  Büschel 
ranieficirter  Stränge  hinein,  etwa  Gefässe  oder  Bronchialäste  darstellend. 
An  der  vorderen  Wand  befindet  sich  zwischen  Balken  kalkiges  Material. 
Neben  den  Gefässbüscheln  au  der  Spitze  der  Höhle  bemerkt  man  einen 
käsigen  gelbweissen  Knoten  von  eiförmiger  Gestalt ,  3  Mm.  breit  und  4 
Mm.  lang,  etwas  zerbröckelnd,  etwa  aussehend  wie  eine  käsige  Bron- 
chialdrüse. Von  der  Stelle  der  Zuspitzung  gelangt  man  nicht  direct  in 
einen  Bronchus  hinein,  indessen  stehen  die  Bronchien  hier  mehr  wie  ge- 
wöhnlich in  Communication ;  ob  durch  neugeschaffte  Oeffnungen,  lässt 
sich  nicht  constatiren.  Die  Höhle  macht  den  Eindruck ,  als  wenn  sie 
zwischen  zwei  Lappen  läge.  Der  obere  rechte  Lungenlappen  ist  luftleer; 
das  Gewebe  ist  von  weisslichen  Heerdchen  durchsetzt,  welche  die  Grösse 
und  Ausdehnung  von  bronchopneumonisehen  Heerden  haben.  Die  Drüsen 
au  der  Bifurcationsstelle  sind  stark  geschwollen,  dick,  durchweg  kSsig 
metamorphosirt.  Neben  der  rechten  Lungenspitze  Ijefiuden  sich  auch  kä- 
sige Drüsen.  Im  Herzbeutel  leicht  trübe  Flüssigkeit;  auf  dem  visceralen 
Blatt,  sowie  auf  den  grossen  Gelassen  lagern  weisse  vorspringende  Kno- 


Kohts,  Lungengangrän.     Vorkommen  und  Aetiologie.  845 

ten,  zum  Theil  zu  Plaques  confluirend.  Im  Herzen  dickes  geronnenes 
Blut.  —  Adliären/.  der  Milz  mit  dem  Zwerchfell,  in  den  Adhäsionen  so- 
wie auf  der  ÜberHiielie  und  auf  der  Schnittfläche  spärliche  Tuberkel. 
Einzelne  Knötchen  an  der  Niere.  Erweichung  des  Fundus  des  Magens; 
kleine  hämorrhagische  Erosionen  daran  wahrzunehmen.  Leber  schlaff,  an 
der  Serosa  einzelne  Tuberkel ,  auf  der  Schnittfläche  spärliche  Knötchen, 
die  schwer  zu  erkennen  sind,  weil  hier  zahlreiche  Flecke  von  rother  Be- 
schaffenheit existiren.  An  den  Mesenterialdrüsen  hier  und  da  weisse 
Knötchen.  Im  Netz  ziemlich  zahlreiche  transparente  Tuberkel.  Im  Darm 
wenig  breiiger  Inhalt;  derselbe  ist  im  Ileum  ziemlich  dick,  dagegen  im 
Colon  ascendens  sehr  dünn.  Hier  und  da  leichte  Eöthung  von  Peyer' sehen 
Pläc|ues  im  Ileum.  Mehr  an  den  äusseren  Schichten  der  Darmwand 
befinden  sich  spärliche  Knötchen.  An  den  unteren  Theilen  des  Ileums 
etwas  stärkere  Eöthung  der  Peyer'schen  Plaques. 

Bei  der   microscopischeu  Untersuchung    des  Cavernen-Inhalts    konn- 
ten keine  Leptothrix-Pilze  nachgewiesen  werden. 

Im  ersten  Falle  bestanden  keine  Symptome,  die  auf  eine  Gangraeiia 
pulmonum  hindeuteten.  Das  14jälirige  Mädchen ,  das  von  Jugend 
auf  an  Erscheinungen  der  Scrophulose  litt ,  starb  im  Monat  September 
unter  den  Symptomen  der  Pyämie.  Foetor  ex  ore  und  ein  putrider 
Auswurf  war  niemals  vorhanden.  Der  gangränöse  Process  in  den  Lun- 
gen verlief  latent ,  nur  bei  der  Autopsie  fand  man  in  den  eiterig  zerfal- 
lenen ,  exquisit  stinkenden  Thrombus  -  Massen  die  Quelle  der  in  der 
rechten  Lunge  befindlichen  jauchigen  Abscesse.  Ln  2ten  Falle  stellte 
sich  bei  einem  dreijährigen  Mädchen,  6  Wochen  nach  einer  Hüftgelenks- 
resection  (am  18.  Mai  1877)  reichliche  Hämoptoe  ein.  Dieselbe  wieder- 
holte sich  und  am  5ten  Juli  fiel  bei  dem  Kinde  der  äusserst  stinkende 
Geruch  aus  dem  Munde  auf.  Unter  zunehmendem  Collaps  starb  das 
Kind  am  lOten  Juli  1877.  Bei  der  Obduction  finden  sich  im  oberen  und 
unteren  Lungenlappen  rechterseits  je  eine  Caverne ,  die  mit  jauchigen 
Massen  gefüllt  waren.  Die  Thromben  im  Sin.  transvers.  sin. ,  in  der 
Vena  jugularis  int.  sin.,  in  der  Vena  subclavia  dextr.  et  sinistr. ,  in  der 
V.  anonyma,  sowie  in  der  Art.  pulm.  dextr.  waren  nicht  gangränös.  Es 
lässt  sich  annehmen ,  dass  die  schwächliche  Constitution  und  der  her- 
untergekommene Zustand  des  Kindes  ein  prädisponirendes  Moment  für 
die  Entwickelung  der  Lungengangräne  abgab.  Li  ähnlicher  Weise 
sehen  wir,  dass  sich  bei  dem  Smonatlichen  Kinde  (s.  Fall  4)  bei  allge- 
meiner Tuberculose  und  käsig  degenerirten  Bronchialdrüsen,  von  denen 
eine  Drüse,  3  Mm.  breit  und  4  Mm.  lang,  in  die  gangränöse  Höhle  hin- 
einreichte, Lungenbrand  entwickelte.  Der  Foetor  ex  ore ,  die  übelrie- 
chenden Sputa  in  Verbindung  mit  der  Dämpfung  hinten  rechts  unter- 
halb der  Spina  scapulae  und  die  hier  wahrnehmbaren  auscultatorischen 
Erscheinungen ,  als   bronchiales  Athmungsgeräusch  und  grossblasiges 


g46  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

Rasseln  Hessen  schon  während  des  Lebens  die  Diagnose  auf  Limgen- 
gangrän  stellen.  Der  4te  Fall  endlich  (s.  Fall  3.)  betrifft  ein  ßjähriges 
Mädchen,  das  ein  Kuochenstüclc  verschluckt  hatte  und  8  Wochen  später 
nach  AiTSsagen  der  Eltern  exquisit  stinkende  Sputa  entleerte.  Zelin 
Monate  später  hustete  das  Kind  das  1 V2  Centimeter  lange  und  '/s  Centi- 
nieter  In-eite  Knochenstück  aus,  und  1 1  Monate  später  war  das  Kind  als 
vollständig  reconvalescent  zu  betrachten. 

Die  Diagnose  der  Luugengangrän  stützte  sich  auf  den  üblen  Ge- 
ruch aus  dem  Munde ,  den  putriden  Auswurf  und  die  zuweilen  auftre- 
tende Hämoptoe  bei  physicalisch  nachweisbaren  Veränderungen  in  den 
Lungen ,  bei  Ausschluss  etwaiger  gangränöser  Processe  in  anderen 
Organen.  Leptothrix- Pilze  konnten  bei  dem  Smonatlichen  Kinde  weder 
im  Sputum  noch  p.  m.  in  dem  Inhalt  der  Caverue  aufgefunden  werden. 
Der  Verlauf  dieser  Krankheitsfälle  entspricht  der  Ijekannten  Thatsaclie, 
dass  die  Gangraena  pulmon. ,  welche  durch  Verschlucken  von  Fremd- 
körpern bedingt  ist,  eine  relativ  günstige  Prognose  bietet,  während  die 
metastatische  Lungengangrän  und  der  Lungenbrand  ,  welcher  bei  her- 
untergekommenen ,  tuberculösen  und  cachectischen  Kindern  zur  Ent- 
wickeluug  kommt,  in  kurzer  Zeit  lethal  endet. 

Pathologische  Anatomie. 

Die  Lungengangrän,  welche  zuerst  von  Bay  1  e  als  ulceröse Phthise 
beschrieben  ist ,  theilt  man  nach  L  a  e  n  n  e  c  in  die  circumscripte  und 
diffuse  Form.  Diese  Eintheilung  entspricht  der  lobulären  und  lobären 
Pneumonie  der  Kinder.  L a  e n n e c,  A  n  d r a  1  und  Cruveilhier  haben 
uns  in  anatomischer  Beziehung  die  besten  Beschreiljungen  des  umschrie- 
benen Lungenbrands  gegeben.  Eine  genaue  Beschreibung  des  diffusen 
Brandes  verdanken  wir  S  c  h  r  ö  d  e  r  v  a  n  d  e  r  K  o  1  k.  In  der  Mehrzahl 
der  Fälle  kommt  der  diffuse  Brand  durch  Confluiren  kleiner  Brand- 
heerde  zu  Stande,  und  ist  dann  häufig  über  den  grössten  Theil  eines  Lun- 
genlappens oder  selbst  über  eine  ganze  Lunge  verbreitet.  Die  circum- 
scripte Form  tritt  gewöhnlich  in  kleinen  bronchopneumonischen  Heer- 
den  auf ,  in  deren  Centrum  sich  eine  putride,  stinkende  Flüssigkeit  be- 
findet, welche  eine  röthlich  bis  dunkelbraune  Farbe  zeigt ,  oder  welche 
von  eitriger  Beschaffenheit  ist.  Bei  Kindern  hat  die  Lungengangräu  eine 
grössere  Tendenz,  sieh  zu  generalisiren,  als  bei  Erwachseneu  (Boudet). 

Bei  frischer  Lungengangrän  findet  man  das  Gewebe  feucht,  leicht 
zerreisslich ,  von  geringer  Consistenz.  Die  Farbe  des  Brandheerdes  ist 
anfangs  dunkelrothbraun  bis  schwärzlich  und  kann  allmählich  ins  grün- 
liche bis  schmutzigweisse  übergehen.  Mit  der  beginnenden  Erweichung 
kommt  es  zu  putridem  Zerfall  des  Gewebes,  und  über  die  Schnittfläche 


Kohts,  Lungengangrän.     Pathologische  Anatomie.  847 

ergiesst  sich  eine  grüne  schmutzige  Flüssigkeit,  die  einen  aashaften 
fötiden  Geruch  verbreitet.  Das  umgebende  Gewebe  ist  in  der  Regel 
mehr  oder  weniger  geröthet,  serös  infiltrirt ,  oder  befindet  sich  in  grös- 
serer oder  geringerer  Ausdehnung  im  Zustande  der  Hepatisation.  C  r  u- 
V  e  i  1  h  i  e  r  bezeichnet  die  seröse  Infiltration  als  brandiges  Oedem  und 
vergleicht  es  der  ödematösen  Anschwellung  brandiger  Extremitäten. 
Zuweilen  sind  embolische  Brandheerde  scharf  umgrenzt  und  von  an- 
scheinend gesundem  Gewebe  umgeben.  Laennec  unterscheidet  beim 
Lungenbrand  erstens  die  frische  Mortification  oder  den  gana'ränösen 
Schorf,  zweitens  den  schmelzenden  Sphacelus  oder  feuchten  Brand  und 
drittens  das  Stadium  der  Höhlenbildung  durch  Erweichung  und  Aus- 
stossung  der  gangränösen  Partie. 

Stösst  sich  der  ßrandschorf  los ,  so  ist  er  von  einer  eitei-igen  jau- 
chigen  Flüssigkeit  umgeben ,  welche  von  dem  nicht  afficirten  Gewebe 
durch  eine  schmutzig  grüngefärbte  lockere  pseudomembranöse  Schicht 
abgesperrt  wird  (s.  Hasse  pag.  305).  In  anderen  Fällen  kommt  es 
nicht  zur  Abstossung  des  Brandschorfes,  die  gangränöse  Masse  liegt 
mitten  in  der  gebildeten  Höhle,  welche  mit  einzelnen  Fetzen  des  um- 
gebenden Lungenparenchyms  in  Verbindung  steht. 

Die  Arterien  um  solche  Brandhöhlen  sind  theils  obliterirt,  zum 
Theil  sind  sie  bei  vorgeschrittenen  Processen  mehr  oder  weniger  zer- 
stört, oder  man  beobachtet  Arterienäste,  die  imverletzt  durch  die  Brand- 
höhle verlaufen.  Unter  solchen  Verhältnissen  kann  es ,  wenn  die  Ar- 
terien angefressen  werden,  zu  Hämorrhagien  in  den  Brandheerd  oder 
selbst  zu  tödtlichen  Blutungen  kommen.  Zuweilen  beobachtet  man  in 
den  Gelassen  septische  Embolien.  Liegt  der  gangränöse  Heerd  in  der 
Nähe  der  Pleura ,  so  kommt  es  entweder  zu  Verwachsung  der  Pleura 
pulmonalis  und  costalis  oder  die  Brandjauche  pei'forirt  durch  die  Pleura- 
höhle, und  es  kommt  zu  Empyem,  Pyopneumothora  xoder  selbst  zu  tödt- 
lichen Blutungen  in  das  Cavum  Pleurae.  Barthez  und  Rilliet  re- 
feriren  einen  Fall  Chav ig nier's,  in  welchem  die  Gangrän  sich  von 
der  Pleura  auf  die  Intercostalmuskeln  verbreitet  hatte  und  in  zwei  von 
Behier  und  Boudet  veröffentlichten  Fällen  hatte  der  subpleural  ge- 
legene gangränöse  Heerd  Verlöthung  der  Pleura  und  Perforation  des 
Oesophagus  herbeigeführt. 

Selbst  wenn  die  Brandheerde  aber  auch  nicht  in  der  Nähe  der 
Pleura  costalis  liegen ,  findet  man  anatomisch  häufig  die  Zeichen  einer 
Pleuritis  imd  nach  Cruveilhier  (Lib.  XI.  PI.  4)  ist  bei  diflusem 
Brande  in  dem  Cavum  Pleurae  immer  ein  Exsudat  von  missfarbiger 
eiteriger  Flüssigkeit  vorhanden.  Sehr  selten  greift  die  Lungengangrän 
auf  das  Mediastinum  posticimi  über.    Hat  der  Lungenbrand  sich  be- 


848  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

grenzt,  so  findet  man  eine  mit  Pseudomembranen  umschlossene  Höhle, 
deren  Wände  dunkelroth  oder  späterbin  mehr  gelblich  weiss,  ziemlich 
fest  sind ,  und  welche  an  ein  weicheres  missfarbiges  sehr  feuchtes  Ge- 
webe angrenzen.  Es  kann  lange  Zeit  vergehen,  ehe  die  Pseudomembran, 
welche  die  entzündliche  Höhle  auskleidet ,  fester  wird.  Dieselbe  be- 
kommt, wie  C  r  u  V  e  i  1  h  i  e  r  sich  in  einem  Falle  überzeugt  bat  (Lib.  III, 
PI.  2),  eigene  Gefässe. 

Bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  des  jauchigen  Materials  in 
den  Bi-andhöhlen  findet  man  sehr  oft  die  von  Virchow  zuerst  ent- 
deckten Margarinsäurenadeln ,  die  übrigens  überall  vorkommen ,  wo  es 
sich  um  faulige  Zersetzung  thierischer  Substanzen  handelt  und  Vib- 
rionen,  Bacterien  und  Lepthotrix  pulmonalis,  die  vonLeyden  und 
Jaffe  zuerst  genauer  beschrieben  sind. 

In  Folge  der  fortwährenden  Berührung  mit  den  zersetzten  Stoffen 
sind  die  Bronchialverästelungen  nicht  allein  in  unmittelbarer  Nähe  des 
Brandheerdes ,  sondern  auch  entfernt  erkrankt.  Die  Schleimhaut  er- 
scheint geröthet ,  geschwellt ,  gelockert,  das  Lumen  ist  zuweilen  erwei- 
tert und  mit  putriden  Massen  angefüllt ,  oder  die  perforirte  Brouchial- 
wandung  communicirt  mit  der  nahe  gelegenen  Brandhöhle.  Die  Bronchi- 
ectasien  können  einen  solchen  Grad  erreichen,  dass  sie  grosse  mit  Jauche 
gefüllte  Säcke  bilden,  in  deren  Umgebung  das  Lungenparenchym  hepa- 
tisirt  erscheint,  oder  bereits  brandig  zerfallen  ist.  Die  Bronchialdrüsen 
zeigen  meistentheils ,  zumal  wenn  andere  Lungenaffectionen  vorange- 
gangen sind,  Veränderungen ;  sie  erscheinen  vergrössert  und  hyperämisch, 
zuweilen  fettig  degenerirt ,  oder  sie  sind  selbst  von  Gangrän  ergriffen. 
Zu  erwähnen  ist  noch  ,  dass  sieh  bei  Complication  von  Lungeutubercu- 
lose  mit  Lungenbrand  in  den  tul^erculösen  Cavernen  öfters  brandige  Ver- 
jauchung mit  Gewebsneci'osen  vorfinden.  Das  Coiucidiren  des  Lungen- 
brandes mit  der  Gangrän  anderer  Organe  ist  schon  bei  Besprechung  der 
ätiologischen  Momente  hervorgehoben  worden. 

Hinsichtlich  des  Sitzes  der  Lungengangrän  diiferiren  die  Angaben 
von  Boudet,  Barthez  und  Rilliet  von  denen  St  ein  er 's  und 
N  e  u  r  e  u  1 1  e  r's,  und  mit  Sicherheit  lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob  die 
rechte  oder  linke  Lunge  mehr  zur  Entstehung  des  Lungenbrandes  dis- 
ponirt. 

Unter  16  Fällen  von  Barlhez  und  Killiet  war  lOmal  die  rechte, 

4mal  die  linke  Lunge  afficirt.  Diese  Zusammenstellung  stimmt  mit  denen 

von  Labert,  der  unter  64  Beobaclitungeu  die  rechte  33,  die  linke  Lunge 

21mal  betbeiligt  fand  (3:2). 

Nach  Barthez  und  Eilliet  ist  der  Digestionstractus  ziemlich  oft 

betheiligt  (unter  17  Fällen  9mal)    und  es  ist  wohl  möglich,   dass  durch 


Kohts,  Lungengangrän.     Symptomatologie.  849 

das  Verschlucken  gangränöser  Massen   Entzündungen   und   C!atarrhe   der 
Dai-mschleimhaut  entstehen. 

Tome  eonstatirte  bei  einem  einjährigen  Kinde,  das  an  Lungen- 
gangrän litt,  p.  mortem  eine  pseudomembranöse  Enteritis  (Bulletins  de 
Paris  1844.  pag.  265). 

Symptomatologie. 

In  den  meisten  Fällen  existiren  keine  charakteristischen  Symptome 
für  Lungenbrand,  und  vorangehende  oder  concomitirende  Luugenaftec- 
tiouen,  wie  Bronchitiden,  Lungenentzündungen,  Tuberculose,  Lifarcte, 
pleuritische  Exsudate  etc.  verdecken  das  eigentliche  Kraukheitsbild. 
Ueber  die  Menge  wie  über  die  dreischichtige  Beschaffenheit  der  Sputa, 
sowie  über  Parenchymfetzen ,  wie  sie  L  e  y  d  e  n  bei  Lungengangrän  Er- 
wachsener beschreibt,  existiren  keine  bestimmten  Angaben ;  nach  meinen 
Beobachtungen  wird  gar  nichts ,  oder  nur  sehr  wenig  expectorirt.  Das 
Sputum  ist  übelriechend.  Ist  der  Process  zum  Stillstand  gekommen,  so 
lässt  das  Fieber  nach ,  die  Patienten  fangen  an  sich  zu  erholen  und  der 
ganze  Ernährungszustand  nimmt  zu.  Am  spätesten  hört  die  übelrie- 
chende Beschaffenheit  des  Sputums  auf,  imd  selbst  wenn  die  Patienten 
sich  vollständig  in  der  Reconvalescenz  befinden,  und  das  gute  Aussehen 
des  Patienten  kaum  auf  eine  so  schwere  vorangegangene  Erkrankung 
hindeutet ,  ist  die  Expectoration  häufig  noch  Monate  lang  fütide.  All- 
mählich nimmt  der  Auswurf  eine  mehr  schleimig  -  eiterige  Beschaffen- 
heit an,  die  Menge  wird  geringer,  der  übele  Geruch  hört  auf,  der  Husten 
ist  weniger  quälend ,  und  die  Patienten  können  vollständig  gesund 
werden. 

Das  Allgemeinbefinden  leidet  in  allerkürzester  Zeit.  Die  Patienten 
verfallen  sehr  schnell,  die  Gesichtsfarbe  nimmt  eine  fahle,  zuweilen  eine 
ins  gelblich  gehende  Beschafi'enheit  an.  Bei  vollständiger  Appetitlosig- 
keit und  starkem  Durstgefühl ,  unter  fieberhaften  Bewegungen  leidet 
schnell  die  Ernährung  mid  der  Kräftezustand.  Sehr  bald  stellt  sich  Ab- 
magerung und  Collaps  ein ,  der  in  vielen  Fällen  ziemlich  rapid  zum 
lethalen  Exitus  führt.  Meist  besteht  Fieber  und  zwar  remittirendes 
Fieber  mit  wechselnden  Exacerbationen  und  Remissionen ,  das  bei  klei- 
nem frequentem  Pulse  und  hektischen  Schweissen  schnellen  Verfall  der 
Kräfte  veranlasst.  Der  Puls  ist  bei  Patienten  von  1—3  Jahren  oft  kaum 
fühlbar ,  die  Herztöne  werden  schwächer.  Zu  den  begleitenden  Sym- 
ptomen gehört  ein  quälender  Husten,  der  zuweilen  allerdings  auch  fehlen 
kann,  in  anderen  Fällen  jedoch  selbst  so  heftig  wird,  dass  er  Keuch- 
hustenparoxysmen  gleicht.  Die  Dyspnoe  ist  von  der  Ausbreitung  des 
Lungenbrandes  und  den  begleitenden  Complicationen  von  Seiten  der 
Lunge  und  der  Pleura  abhängig.  Die  physikalische  Untersuchung  bietet 

54 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III,  2. 


850  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

für  Lnngengangräu  keine  sicheren  Anhaltspunkte  und  lässt  auf  die  Art 
der  Erkrankung  jedenfalls  keinen  Schluss  zu.  Kleine  gangränöse  Heerde, 
welche  in  Verheilung  übergehen,  führen  zu  keinem  partiellen  Einsinken 
der  Brustwand.  Zuweilen  weist  die  putride  Beschaffenheit  des  punc- 
tirten  pleuritischen  Exsudats  darauf  hin ,  dass  es  sich  gleichzeitig  um 
Lungengangrän  handelt. 

Complicationen  und  Ausgänge. 

Wie  schon  vorher  erwähnt ,  ist  die  Lnngengangräu  stets  ein  se- 
cundärer  Process ,  und  so  findet  man  zunächst  die  zu  Grunde  liegenden 
Lungenkrankheiten  in  den  verschiedenen  Stadien  ihrer  Entwickelung. 
Dieselben  können  mit  ihren  Symptomen  so  prävaliren ,  dass  die  gleich- 
zeitig bestehende  Lungengangrän  vollständig  latent  verläuft.  Schreitet 
der  gangränöse  Process  nach  der  Peripherie  fort,  so  bilden  sich 
pleuritische  Exsudate,  oder  es  kommt  zur  Perforation  der  Pleura 
costalis,  zu  Pyopneumo-  oder  Hematothorax ,  die  in  kürzester  Zeit 
den  Tod  nach  sich  ziehen.  Die  Lungengangrän  kann  aber  auch  auf 
den  Oesophagus  übergehen  und  so  eine  Commuuicatiou  zwischen  der 
Speiseröhre  und  dem  Brandheerde  herstellen.  B  e  h  i  e  r  erwähnt  einen 
Fall,  wo  das  Kind  anfangs  schwärzliche  exquisit  stinkende  Sputa  hatte, 
die  in  dem  Momente  verschwanden ,  wo  die  Stuhlgänge  dieselbe  Farbe 
des  Auswurfes  und  denselben  aashaften  Geruch  annahmen.  Auch  B  o  u- 
d  e  t  beschreibt  einen  Fall ,  wo  die  Lungengangrän  auf  den  Oesophagus 
übergegangen  war.  Das  Uebergreifen  des  Lungenbrandes  auf  die  In- 
tercostalmuskeln  ist  einmal  von  C  h  a  v  i  g  n  e  z  beobachtet  worden. 
Durch  Arrosion  der  nicht  obliterirten  Gefässe  kommt  es  zuweilen 
zu  mehr  oder  weniger  starker  Hämoptoe ,  die  den  Tod  der  Patienten 
beschleunigt.  B  a  r  t  h  e  z  und  R  i  1 1  i  e  t  beobachteten  unter  1 6  Fällen 
4mal  Hämoptysis,  während  Steiner  und  N  e  u  r  e  u  1 1  e  r  dieselbe  unter 
24  Fällen  niemals  auftreten  sahen.  Unter  5  Patienten,  die  ich  im 
Verlauf  der  letzten  Jahre  an  Lungeugangrän  behandelte ,  befand  sich 
ein  kleines  Mädchen ,  das  nach  einer  Resectio  colli  femoris  durch  Ver- 
raittelung  von  Thrombosen  Lungengangrän  acquirirte  und  zu  wieder- 
holten Malen  reichliche  Hämoptoe  hatte.  Ferner  kommen  Entzün- 
dungen und  Erweichung  des  Digestionstractus  vor ,  und  Imal  beobach- 
teten Barthez  und  Rilliet  einen  Fall  von  Lungengangrän,  der  mit 
chronischer  Meningitis  complicirt  war. 

Der  Ausgang  der  Lungengangrän  ist  in  den  meisten  Fällen  tÖdt- 
licli.  Es  kommt  stets  zum  lethalen  Exitus  ,  wenn  infectiöse  Embolien 
von  irgend  einem  Jaucheheerde  in  die  Lungen  abgegeben  wurden,  wäh- 
rend nach  Infectionskrankheiten ,  wo  es  sich  nur  um  kleine  minimale 


Kohts,  Lungengangrän.     Prognose.  851 

Brandheerde  handelt ,  es  zur  Genesung  kommen  kann.  Nach  einer  ge- 
fälligen Mittheilung  des  Herrn  Prof.  Kussmaul  will  ich  bemerken, 
dass  bei  einem  vierjährigen  Knaben ,  der  an  Masern  erkrankt  war,  circa 
14  Tage  nach  der  Eruption  des  Exanthems  nach  vorausgegangenen 
Symptomen  einer  diffusen  Bronchitis,  plötzlich  ein  lebhaftes  Fieber  auf- 
trat und  der  kleine  Patient  einen  aashail  stinkenden  Athem  bekam,  ohne 
dass  etwa  Gangrän  des  Mundes  ,  des  Pharynx  oder  des  Larynx  vorlag. 
Nach  einigen  Tagen  1  iess  das  Fieber  bereits  nach,  die  fötide  Exspiration 
verlor  sich  bereits  nach  fünf  Tagen,  und  in  Zeit  von  6  Wochen  war  voll- 
ständige Genesung  eingetreten. 

Am  relativ  günstigsten  verläuft  die  Lungengangrän,  welche  nach 
Verschlucken  von  Fremdkörpern  entstanden  ist,  vorausgesetzt,  dass  die- 
selben im  Verlauf  der  Krankheit  während  des  Hustens  expectorirt  wurden. 

Der  diffuse  Brand  endet  immer  tödtlich.  Der  Tod  erfolgt  plötzlich, 
oder  die  Krankheit  kann  sich  einige  Wochen  hinziehen  und  unter  hek- 
tischen Erscheinungen  den  lethalen  Exitus  herbeiführen.  Plötzliche 
Perforationen  der  Pleura,  die  Entwickelung  von  Pyopneumothorax  und 
Hämoptoe  beschleunigen  das  Ende.  Haben  sich  im  Verlauf  der  Lungen- 
gangrän Bronchiectasien  entwickelt,  deren  Wandungen  mit  von  Gangrän 
ergriffen  wurden,  so  scheint  selbst  nach  Heilung  des  Lungenbrandes 
eine  grosse  Neigung  zu  Recidiveu  zu  bestehen. 

Prognose. 

Für  die  diifuse  Lungengangrän  ist  die  Prognose  geradezu  schlecht, 
für  die  circumscripte  Form  ist  sie  an  und  für  sich  ungünstig ,  doch  sind 
einige  Fälle  von  Heilung  vorgekommen. 

Die  Prognose  für  Lungenbrand ,  der  durch  septische  Infection  be- 
dingt war,  ist  absolut  schlecht.  Putride  Bronchitis ,  Bronchiectasien, 
vorausgegangene  Infectionskrankheiten ,  welche  den  allgemeinen  Er- 
nährungszustand beeinträchtigt  haben ,  ferner  Pneumonie ,  Pleuritis, 
Pyopneumothorax,  Perforationen  nach  anderen  Organen,  z.  B.  nach  den 
Intercostahnuskeln  und  dem  Oesophagus  zu,  Hämoptoe,  Diarrhöen  u. 
s.w.  gestalten  die  Prognose  stets  sehr  ungünstig.  Von  Steffen  ist  nur 
ein  Fall  bekannt ,  wo  sich  bei  einer  derben ,  pneumonischen  Infiltration 
des  rechten  unteren  Lappens  nach  fünf  Wochen  Lungengangrän  ent- 
wickelte, die  in  Heilung  überging,  insofern  nämlich  der  brandige  Fötor 
der  Sputa  und  des  Athems  allmählich  vollkommen  geschwunden  war, 
und  der  Auswurf  nicht  mehr  elastische  Fasern  und  keine  Bruchstücke 
von  Alveolargerüst  enthielt.  S  t  o  h  1  m  a n  n  berichtet  von  einem  zwölf- 
jährigen Knaben ,  welcher  bei  bestehender  Infiltration  der  rechten  un- 
teren Lunn-enhälfte,  Lungenbrand  mit  reichlich  stinkendem  Auswurf 
°  54* 


852  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

acqnirirte,  und  nach  dem  Gebrauch  von  Chlorwasser  und  Decoctuni 
chinae  in  Zeit  von  3  Wochen  Reconvalescent  wurde. 

B  a  r  t  h  e  z  und  Rilliet,  Steiner  und  N  e  u  r  e  u  1 1  e  r  haben  kei- 
nen Fall  von  Lungenbrand  in  Heilung  üljergehen  sehen.  B  o  u  d  e  t  be- 
obachtete bei  Lungengangrän  nach  Masern  stets  den  lethalen  Exitus 
während  in  dem  mir  von  Prof.  Kussmaul  mitgetheilten  Falle  Heilung 
eintrat. 

Die  relativ  günstigste  Prognose  gestatten  die  Fälle,  wo  der  gangrä- 
nöseste Process  durch  Verschlucken  von  Fremdkörpern  eingeleitet 
wurde.  So  hat  Vogel  bei  einem  vierzehnjährigen ,  R  o  t  h  m  n  u  d  bei 
einem  sechszehnjährigen  Knaben  vollständige  Heilung  constatirt,  wo 
die  Gangrän  durch  das  Verschlucken  einer  Grasähre  bedingt  war.  Ich 
selbst  habe  ein  sechszehnjähriges  Mädchen  in  Behandlung  gehabt ,  wo 
die  Lungengangrän  durch  das  Verschlucken  eines  1  '/2  Centim.  langen 
Knochens  entstanden  war ,  und  wo  nach  Expectoration  desselben  nach 
10  Monaten  die  Kräfte  zunahmen,  und  Heilung  erfolgte. 

Selbst,  wenn  bei  Nachlass  des  Fiebers  und  bei  Abnahme  des  fotiden 
Athenis  und  des  putriden  Auswurfes  sich  das  Aussehen  der  Patienten 
bessert  und  der  Kräftezustand  hebt,  ist  die  Prognose  nicht  absolut  gün- 
stig zu  stellen ,  da  Recidive  eintreten  können  oder  sich  leicht  Erkran- 
kungen der  Bronchialdrüsen,  der  Bronchien  oder  des  Lungenparenchyms 
liinzugesellen ,  die  das  Leben  der  Patienten  bedrohen. 

In  den  ersten  Lebensjahren  führt  die  Lungengangrän ,  wenigstens 
nach  den  vorliegenden  Beobachtungen  stets  zum  lethalen  Exitus. 

Diagnose. 

Charakteristische  physikalische  Zeichen  für  den  Lungenbrand  exi- 
stiren  nicht.  Die  fötide  Exspiration,  der  übelriechende  Auswurf  in  Ver- 
bindung mit  dem  ziemlich  schnellen  CoUaps ,  dem  hohen  oder  remitti- 
renden  Fieber  sind  es  vorzüglich  ,  welche  zur  Annahme  einer  Lungen- 
gangrän berechtigen.  Selbstverständlich  sind  daljei  stets  gangräne  Pro- 
cesse  anderer  Organe,  wie  des  Mundes,  Pharynx,  Larynx  und  Oesopha- 
gus durch  genaue  Untersuchung  auszuschliessen. 

Verwechselungen  mit  putrider  Bronchitis  oder  Bronchiectasie,  mit 
Stagnation  des  sich  zersetzenden  Secrets  können  allerdings  vorkommen, 
doch  ist  hervorzuheben  ,  dass  diese  Affektionen  während  des  Lebens  bei 
Kindern  sehr  selten  beobachtet  werden,  und  an  und  für  sich  die  Infil- 
trationszustände  der  Lunge ,  ferner  die  schnelle  Bildung  von  Excava- 
tionen  mit  ihren  bekannten  physikalischen  Zeichen ,  wie  wir  sie  bei  der 
Gangrän  finden,  bei  den  erstgenannten  Krankheiten  sich  nur  in  den  sel- 
tensten Fällen  entwickeln. 


Kohts,    Lungengangrän.     Therapie.  853 

Steffen  behauptet,  dass  in  zweifelhaften  Fällen  das  Vorhanden- 
sein von  elastischen  Fasern  und  namentlich  von  Bruchstücken  von  Al- 
veolen mit  Sicherheit  für  Gangrän  der  Limgen  entscheidet. 

Das  Auftreten  einer  Hämoptoe ,  die  bei  intensivem  Poetor  ex  ore 
stattfindet,  kann  als  Hilfsmittel  zur  Fixirung  der  Diagnose  herange- 
zogen werden ,  da  bei  putrider  Bronchitis  nur  selten  und  nur  ganz  ge- 
ringe Blutungen  vorkommen,  und  bei  der  Gangrän  des  Mundes  (Bar- 
thez  und  Rilliet)  ebenfalls  keine  Hämorrhagien  stattfinden.  Die  Ge- 
fässe  sind  in  letzterem  Falle  obliterirt,  während  man  bei  Lungengangrän 
mit  Höhlenbildung  öfters  bei  der  Autopsie  Gefässe  vorfindet ,  die  voll- 
ständig intact  die  Cavernen  durchziehen.  Werden  diese  Gefässe  arrodirt, 
so  treten  lebensgefährliche  Blutungen  auf. 

Das  hauptsächlichste  Zeichen ,  welches  also  auf  Lungengangrän 
hinweist ,  ist  die  fötide  Beschaffenheit  der  Exspiration  resp.  des  Aus- 
wurfs. Diese  Symptome  können  aber  auch  fehlen  und  es  ist  ausserdem 
zu  berücksichtigen ,  dass  die  fragliche  Putrescenz  auch  von  einer  Gan- 
grän des  Mundes,  des  Pharynx,  des  Larynx ,  der  Nase,  der  Bronchien 
oder  des  Oesophagus  abhängen  kann.  Beachtung  verdient  nament- 
lich das  Sputum ,  das  bei  der  geringen  Expectoration  des  Kindes  aller- 
dings nur  selten  Gegenstand  genauerer  Untersuchung  wird.  Der  Aus- 
wurf hat  eine  schmutzig ,  grünlich  gelbe  Farbe ,  und  enthält  zuweilen 
blutige  Beimengungen,  und  man  kann  in  den  schmutzig,  gelblich  weis- 
sen breiigweichen  Pfropfen  von  Hirsekorn-  bis  Senfkorn-  oder  selbst 
Bohnengrösse  mit  glatter  Oberfläche  und  von  vorzugsweise  ül)lem  Ge- 
rüche (L  e  y  d  e  n)  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  Fettsäurenadeln 
nachweisen.  Elastische  Fasern  und  Bruchstücke  von  Alveolen  findet 
man  nur  in  den  Fällen,  wo  die  Gangrän  noch  nicht  zu  weit  vorgeschrit- 
ten ist. 

Therapie. 

Die  Therapie  ist  in  vielen  Fällen  vollständig  machtlos.  Zuweilen 
kann  es  gelingen,  durch  geeignete  diätetische  Vorschriften  und  Medica- 
mente die  Leiden  der  Patienten  zu  verringern  resp.  den  gangränösen 
Process  zur  Heilung  zu  bringen.  In  erster  Linie  lasse  man  die  Patien- 
ten, die  mit  Lungengangrän  behaftet  sind,  in  gut  ventilirten  Zimmern 
im  Bette  liegen.  Für  grösste  Reinlichkeit ,  häufiges  Fortschaffen  der 
Excrete  aus  dem  Krankenzimmer  und  für  Desinfection  *)  des  Auswurfs 
muss  möglichst  gesorgt  werden,  und  dabei  muss  man  versuchen ,  durch 


*)  Der  brandif^e  Geruch  ist  nach  Steffen's  Erfahrung   am    besten  durch 
Verdampfung  von  Chlorkupferspiritus  zu  unterdrücken. 


854  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

kräftige  Nahrung  den  Ernährungszustand  der  Patienten  zu  heben.  Zu 
letzterem  Zweck  empfiehlt  sich  namentlich  die  Darreichung  des  Beeftea 
(Vs  Kilo  gänzlich  von  Fett  befreites  Fleisch  wird  fein  gehackt,  etwa 
15 — 20  Minuten  in  \''2  Kilo  kaltes  Wasser  gelegt,  dieser  Brei  sodann 
über  schwachem  Kohlenfeuer  langsam  zum  Kochen  gebracht,  etwas  ge- 
salzen ,  einen  Augenblick  schnell  aufgekocht  und  dann  durch  ein  Tuch 
rasch  durchgeseit) ,  ferner  von  Fleischbrühe,  Milch,  Eier  etc.  Diese  Be- 
handlung wird  unterstützt  durch  Amara  und  Touica  (Gentiana,  Quassia, 
Trifol.  fibr. ,  China  und  Eisen). 

Die  Behandlung ,  welche  gegen  den  gangränösen  Process  in  den 
Lungen  gerichtet  ist ,  besteht  vor  allen  Dingen  in  der  Darreichung  von 
desiuficirenden  Mitteln,  namentlich  Acid.  carb.  (Leyden)  0,1—0,5 
:  100,0  und  Aqua  Creosoti  4 — 6mal  täglich  theelöffel weise  zu  geben. 
Empfohlen  ist  auch  Ol.  thereb.,  das  zu  0,5—1,0—2,0  auf  100,0  Aq.  de- 
still, mittels  eines  Pulverisateurs  fünf  bis  zehn  Minuten  gestäubt  wer- 
den kann,  oder  welches  man  einfach  einathmen  lässt ,  indem  man  einige 
Theclöö'el  davon  auf  warmes  Wasser,  oder  ein  Kamilleninfus,  oder  end- 
lich nach  L  e  b  e  r  t  auf  ein  Stück  Filz  giesst.  0  p  p  o  1  z  e  r  lässt  ein  Infus, 
tur.  ]iini  von  15,0  auf  180,0  inhaliren  ;  Trousseau  empfiehlt  Inha- 
lationen von  Tannin,  Gerhardt  von  Eisenchlorid  (1,0  —  10,0; 
500,0).  Von  den  sonstigen  desiuficirenden  Mitteln  ist  nach  den  Erfah- 
rungen Leydens  die  Anwendung  von  starken  Weinen,  namentlich 
von  üngarweiu,  und  Chinin  in  grösseren  Dosen  (Binz)  empfehdens- 
werth. 

Symptomatisch  verordne  man  bei  cpiälendem  Husten  ganz  kleine 
Dosen  von  narcotischen  Mitteln,  (Syr.  morph.,  Syr.  opiat.,Chloralhydrat) 
ohne  jedoch  dadurch  die  Expectoration  zu  lieeinträehtigen ;  das  Fieber 
versuche  man  durch  Chinin-  oder  Salycilpräparate  herabzusetzen.  Bei 
intercurrenten  Magen-  und  Darmcatarrhen  ist  mit  Berücksichtigung 
des  Umstandes,  dass  dieselljen  vielleicht  durch  Verschlucken  der  putri- 
den Sputa  entstanden  sind,  die  Darreichung  von  Carbolsäure  in  \'2— l'/o 
Lösung,  und  später  der  Amara  empfehlenswerth.  Hinsichtlich  der  son- 
stigen therapeutischen  Mittel ,  welche  bei  Lungengangrän  zur  Anwen- 
dung kommen  können,  verweise  ich  auf  die  Abhandlungen  über  Lungen- 
gangrän von  Leyden  und  Hertz,  hinsichtlich  der  Behandlung  der 
compiicirenden  Krankheiten,  wie  Hämoptoe,  Pleuritis,  Pyopneumothorax 
auf  die  bezüglichen  Abschnitte  dieses  Handbuches. 


Echinococcus  der  Lungen 


Professor  Dr.   0.  Kohts. 

Literatur. 

Archiv  general  de  M^d.  Sept.  185.5.  Vogla.  —  Jahresbericht  von  V  i  r- 
chow  und  Hirsch  1855.  Bd.  IV.  34o.  —  Schmidt's  Jahrbücher  1860.  pag.  190. 

—  Traite  des  entozoaires  et  des  maladies  vermineuses  etc.  par  Davaine.  Paris 
1860.  pag.  41'2  und  pag.  449.  —  H.  Roger,  Soc.  med.  des  Höp.  gaz.  hebd. 
VIII.  42.  pag.  677  1861.  —  Die  menschlichen  Parasiten  und  die  von  ihnen 
herrührenden  Krankheiten  von  Rudolf  Leuckart.  Leipzig  1863.  —  Journal 
für  Kinderkrankheiten,  herausgegeben  von  Dr.  Fr.  Behrend  und  Dr.  A.  H  i  1- 
d  ehr  and.  Erlangen  1865.  —  Darbez,  Tun.  med.  1866,  117.  —  Prof.  Ce- 
sare  Fe  derlei,  Liv.  clin.  di  Bologna  VII.  11.  12.  1868.  —  Jahresbericht  von 
Virchow  und  Hirsch  1868.  Bd.  II.   150.   -   Virchow's  Archiv    Bd.  '27.  232. 

—  Wolf,  Dissertation.    Breslau  1869.  —    Berliner  klinische  Wochenschrift  1871. 

—  Klinik  der  Brustkrankheiten  von  Dr.  Herrn.  L  e  b  e  r  t.  11.  Band.  Tübingen 
1874.  pag.  665.  —  Lehrbuch  der  Kinderkrankheiten  von  Dr.  Carl  G  er  h  ar  dt. 
Tübingen  1875.  —  Handbuch  der  speciellen  Pathologie  und  Therapie  von 
Ziemsse  n.  III.  Band.  1876.  Heller,  Invasionskrankheiten  S.  348.^  — 
Die  Echinococcen-Krankheit  von  Dr.  Albert  N  ei  s  s  er.  Berlin  1877.  —  Echino- 
coccus pulmonis  bei  einem  5jährigen  Kind.  Casuistische  Mittheilung  von  Dr. 
Töplitz.  —  Berliner  klinische  Wochenschrift  1877.  No.  24. 

Die  Acephalocysten  oder  Hydatidencysten ,  die  sich  am  hiiufig.sten 
in  der  Jugend  und  im  mittleren  Alter  entwickeln ,  kommen  nur  aus- 
nahmsweise bei  Kindern  vor  ,  und  von  Davaine  und  H.  Roger  sind 
nur  wenige  Beispiele  von  Hydatidenbildung  im  Respirationsapparat  bei 
Kindern  erwähnt. 

Die  Echinococcen  der  Lungen  entwickeln  sich  entweder  ursprüng- 
lich in  den  Lungen ,  sie  Icönnen  durch  Eml.olien ,  namentlich  von  den 
Lebervenen  aus  zu  Stande  kommen  ,  oder  sie  dringen  von  der  Nachbar- 
schaft ,  namentlich  von  der  convexen  Fläche  der  Leiter  in  die  Respira- 
tionsorgane ein.  Für  den  primären  Sitz  dieser  Parasiten  in  dem  Lungen- 
parenchym spricht  nicht  nur  die  ausserordentliche  Häufigkeit  der  Hä- 
moptysen, sondern  auch  die  Analogie  mit  anderen  Organen,  wie  Leber, 
Milz,  Nieren,  Muskeln,  Drüsen,  Herz,  Gehirn,  wo  sich  gleichfalls  inner- 
halb des  Parenchyms,  und  nicht  an  den  Hüllen  derartige  Erkrankungen 
vorfinden. 


856  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 


I 


Der  Echinococcus  findet  sich  meisteutheils  in  den  Unterlappen,  sel- 
tener in  den  oberen  Parthieen  der  Lungen  vor.  In  den  von  Davaine 
und  Roger  mitgetheilteu  Fällen  handelte  es  sich  um  Echinoccen  der 
rechten  Luuge. 

Die  Cysten  können  einfachig  und  multiloculär  sein. 

Ueber  die  Aetiologie  und  die  Entwickelung  des  Echinococcus  lassen 
sich  Ids  jetzt  keine  bestimmten  Anhaltspunkte  finden ,  und  nach  Le- 
be rt  kann  man  nur  annehmen,  dass  das  Zusammenleben  der  Menschen 
mit  Hunden,  oder  der  nicht  seltene  Genuss  von  Hundefleisch  in  Zusam- 
menhang mit  dieser  Erkrankung  gebracht  werden  muss.  Hiemit  in  Ein- 
klang stehen  die  Beobachtungen  in  Island  und  in  Victoria  an  der  austra- 
lischen Küste ,  wo  man  in  den  zahlreichen  Schäferhunden  die  Haupt- 
träger der  Echinococcusverbreitung  sucht. 

Nach  L  e  b  e  r  t  gehen  den  Hunden  häufig  diese  Würmer  ab,  welche 
in  der  Nähe  der  Menschen  bleiben ,  so  dass  aus  ihnen  dann  durch  Zer- 
setzung der  Thiere  die  befruchteten  Eier  frei  werden ,  welche  mm  mit 
der  Luft ,  mit  dem  Wasser  etc.  in  Berührung  kommen  ,  und  so  in  den 
menschlichen  Organismus  gelangen. 

Die  pathologisch -anatomischen  Zustände  zeigen  im  Ver- 
gleich zu  Erwachseneu  keine  wesentliche  Difl^erenz. 

Die  Echinococcen  besitzen  eine  dünnere  Anlage  der  Bindegewebs- 
umhüUung  als  in  anderen  Organen ,  und  diesem  Umstand  ist  es  wahr- 
scheinlich zuzuschreiben,  dass  gerade  hier  die  Mutterblasen  eine  beson- 
dere Grösse  erreichen  (Neisser).  In  deu  bei  Kindern  beobachteten 
Fällen  von  Lungen-Echinococcen  war  das  in  der  Umgebung  der  Blasen 
In'fiiidliche  Parenchym  im  Zustand  chronisch  entzündlicher  Verdichtung. 
Eigentliche  Lungengangrän  hat  man  bisher  bei  der  Autopsie  nicht  con- 
statirt.  Die  Bronchialschleimhaut  ist  öfters  geschwollen,  die  Bronchien 
sind  7Aiweilen  durch  Ulcerationen  perforirt,  und  es  findet  auf  diese  Weise 
zwischen  der  Cyste  und  der  Trachea  eine  Communication  Statt.  —  Die 
Gefässe  können  arrodirt  und  perforirt  werden ,  und  bei  gleichmässiger 
Perforation  der  Luftwege  kommt  es  zur  Hämoptoe.  In  Folge  des  steten 
Druckes  entwickeln  sich  in  der  Umgebung  chronisch  entzündliche  Zu- 
stände ,  die  namentlich  zu  Adhäsionen  der  Pleurablätter  führen.  Per- 
forationen der  Lungenechinococcen  in  das  Pericard,  das  Cavum  pleurae, 
endlich  in  die  Bauchhöhle  sind  bei  Kindern  bisher  nicht  beobachtet 
worden. 

In  dem  von  Davaine  mitgetheilten  Falle  (s.  p.  412)  constatiiie 
man  bei  der  Autopsie  im  oberen  rechten  Lappen  eine  grosse  Hydatiden- 
cyste,  deren  an  und  für  sich  dünne  und  zarte  Wandungen  von  verdich- 
tetem Lungengewebe  mngeben  waren.  Die  Höhle  enthielt  eine  opake 
wässerige  Flüssigkeit ,  Echinococcusmembranen   und   einen  ähnlichen  In- 


Kohts,  Echinococcxis  der  Lungen.     Symptomatologie.  857 

halt,  wie  man  ihn  bei  tuberculösen  Cavernen  findet.  Die  Höhle  commu- 
nicirte  mit  dem  Bronchus  der  rechten  Lunge. 

Symptomatologie.  Die  Symptome  beim  Echinococcus  der 
Lungen  sind  localer  und  allgemeiner  Natur;  sie  sind  abhängig  von  den 
in  den  Lungen  gesetzten  Störungen ,  die  als  Infiltrationen ,  pleuritische 
Ergüsse,  Pyopneumothorax  etc.  (E.Hertz)  auftreten,  und  von  dem  da- 
bei bestehenden  meist  hectischen  Fieber.  Die  Cysten  sind  an  und  für 
sieb  nicht  schmerzhaft;  bei  der  Autopsie  findet  man  zuweilen  einge- 
kapselte Säcke,  die  nie  Veranlassung  zu  Klagen  gaben. 

Die  Krankheit  bietet  in  ihrem  Verlauf  öfter  grosse  Aehnlichkeit 
mit  Lungenschwindsucht ,  und  expectorirte  Echinococcus-Membranen 
sind  es  häufig  allein,  die  eine  Differentialdiagnose  zwischen  Tuberculose 
und  Ecchinococcus  der  Lungen  zulassen.  Die  Patienten  leiden  an  tro- 
ckenem keuchenden  Husten  ,  oder  an  Hustenparoxysmen ,  wie  man  sie 
bei  Pertussis  beobachtet.  Zuweilen  werden  spontan,  oder  auf  ein  Brech- 
mittel, wie  in  dem  Rog  ersehen  Falle,  schleimig  eiterige  Sputa  ent- 
leert ,  die  mit  Hydatydentrümmern  gemischt  sind.  Daneben  bestehen 
Schmerzen  in  der  entsprechenden  Thoraxhälfte ,  es  stellt  sich  Dyspnoe, 
selbst  Orthopnoe  ein ,  zuweilen  ist  nur  die  Lage  auf  der  kranken  Seite 
möglich  ,  und  unter  Zunahme  der  Respirationsfrequenz  kommen  öfters 
Erstickungsanfälle  vor.  Tritt  hectisches  Fieber  auf,  so  magern  die  Pa- 
tienten schnell  ab  ,  das  Gesicht  nimmt  eine  blasse  fahle  Beschaffenheit 
an ,  und  selbst  der  Geübtere  kann ,  zumal  wenn  der  Echinococcus  die 
Lungenspitze  einnimmt,  fälschlich  zur  Annahme  einer  Lungenphthise 
verleitet  werden.  In  anderen  Fällen  können  Schmerzen  in  der  Seite  eine 
Pleuritis  vortäuschen  (s.  Roger  pag.  288). 

Die  physicalische  Untersuchung  ergiebt  Veränderungen,  die  von 
dem  Sitz  und  der  Grösse  der  Echiuococcenblasen  abhängig  sind ,  und 
welche  von  gleichzeitig  vorhandenen  Infiltrationszuständen  und  etwaigen 
Ergüssen ,  die ,  sei  es  durch  Berstuug  des  Sackes  oder  durch  secundäre 
Pleuritis  bedingt ,  in  bekannter  Weise  mannigfach  modificirt  werden. 
Die  ergriffene  Brusthälfte  bewegt  sich  weniger  als  die  gesunde  Seite, 
bei  beträchtlicher  Grösse  erscheinen  die  Intercostalräume  hervorge- 
wölbt, und  zwar  entsprechend  den  Blasen  unregelmässig  hervorgewölbt, 
die  Percussion  ergiebt  eine  geringe  oder  vollständige  Dämpfung ,  und 
bei  der  Auscultation  kann  man  abgeschwächtes  Vesiculärathmen  oder 
auch  bronchiales  Athmen  wahrnehmen  ,  dem  öfters  accidentelle  Respi- 
rationsgeräusche beigemengt  sind.  Zuweilen  ist  kein  Athmungsgeräusch 
vorhanden.  Das  bekannte  Hydatidenschnurren  (fremissement  hytadique) 
hat  man  in  den  bisher  beobachteten  Lungenechinococcen  bei  Kindern 
nicht  constatiren  können.   Ebenso  wenig  hat  man  bis  jetzt  bei  Kindern 


858  Krankheiten  der  Athinungsorgane.     Lunge. 

Eccbinococcenblasen  von  so  beträclitliclier  Grösse  beobachtet ,  die  zu 
erheblicher  Herabdrängung  des  Zwerchfells ,  und  zur  Verschiebung  an- 
derer Organe,  wie  der  Leber  imd  des  Herzens  ,  Veranlassung  gaben. 

Die  D  i  a  g  n  0  s  e  ist  in  den  meisten  Fällen  ungemein  schwierig  und 
nur  das  Vorhandensein  von  Hydatiden-Trümmern ,  Scolices  oder  Häk- 
chen im  Auswurf,  oder  in  der  durch  Probepunction  nach  aussen  gelang- 
ten Flüssigkeit ,  lässt  mit  Sichei'heit  die  Echinococcenkrankheit  erken- 
nen. Der  Nachweis  von  Zucker  im  Sputum  kann  für  die  Diagnose 
werthvüll  sein  (N  e is s e  r).  Von  Roger  wird  hervorgehoben ,  dass  die 
andauernde  und  sich  häufig  wiederholende  Entleerung  von  Echinococcen- 
bestandtheilen  annehmen  lässt,  dass  es  sich  um  eine  multiloculäre  Cyste 
handelt.  Communicirt  der  Echinococcensack  mit  einem  Bronchus,  so 
existirt  eine  Verbindung  mit  der  äusseren  Luft  und  man  muss  dieselben 
stethoscopischen  Erscheinungen  haben  wie  bei  tuberculösen  Caveruen, 
Umstände,  auf  die  schon  Laennuec  und  später  D  a  v  a  i  n  e  aufmerksam 
gemacht  haben.  —  Diese  Erscheinungen  fehlen  in  den  beiden  von  Ro- 
ger mitgetheilten  Fällen.  Dieser  Autor  glaubt  das  Fehlen  des  Ath- 
mungsgeräusches  an  der  Brouchialfistel  durch  die  Annahme  erklären 
au  können ,  dass  die  Hydatide  sich  ursprünglich  in  der  Brustwand  ge- 
bildet hat  oder  von  der  Leber  ausgegangen  war.  »Unter  solchen  Um- 
ständen nämlich  ist  die  nach  dem  Bronchus  führende  Fistel  enger ,  län- 
ger und  l)uchtiger  und  folglich  nicht  so  geeignet  für  Erzeugung  beson- 
derer Geräusche.« 

Die  entleerten  Membranen  haben  eine  glatte  durchscheinende,  perl- 
mutterartige Fläche  und  werden  öfters  zusammen  mit  ziemlich  reich- 
lichem Eiter  expectorirt ;  bei  der  Probepunktion  verstopfen  sie  zuweilen 
den  Troicart,  und  die  mikroskopische  Untersuchung  der  kleinen  Fetzen 
lässt  bei  der  eigenthümlichen  Streifung  und  Schichtung  mit  Leichtig- 
keit den  Ursprung  derselben  erkennen.  In  manchen  Fällen  dürfte  ein 
gleichzeitig  bestehender  Leljerechiuococcus  auch  die  von  Seiten  der 
Lungen  auftretenden  Symptome  feststellen  und  zur  Diagnose  beitragen. 
Hinsichtlich  der  difPerentiellen  Momente,  die  etwaigen  Verwechselungen 
von  Lungenechinococcen  mit  Pleuritis,  Hydrothorax,  Neubildungen  zu- 
lassen ,  verweise  ich  auf  die  Arbeit  von  Hertz  (Parasiten  der  Lungen, 
Handbuch  der  speciellen  Pathologie  und  Therapie  v.  Ziemssen,  5. 
Band  1874,  pag.  443),  und  will  nur  noch  zur  Unterscheidung  der  Hyda- 
tidenmasse  in  den  Lungen  von  einem  festen  Tumor  in  denselben  oder 
von  einer  geschlossenen  Höhle  mit  Flüssigkeit  in  oder  auf  den  Lungen, 
die  Merkmale  erwähnen ,  welche  von  V  i  g  1  a  ganz  besonders  hervorge- 
holjen  sind.  Die  anamnestischen  Momente,  der  langsame  Gang,  die  all- 
mähliche Zunahme  der  Dyspnoe ,  die  eigenthümliche  Dämpfung  bei  der 


Kohts,  Echinococcus  der  Lungen.     Verlauf  und  Ausgang.  85'9 

Percussion ,  die  Unregelmässigkeit  des  Tumors ,  das  häufige  Fehlen  der 
Aegophonie  und  des  »pustenden  Geräusches«,  und  endlich  im  höchsten 
Nothfalle,  wenn  Ansammlung  von  Flüssigkeit  constatirt  ist,  der  Probe- 
einstich, werden  die  Diagnose  sichern. 

Die  Hauptuuterschiede  des  Echinococcus  der  Lunge  von  der  Miliar- 
tuberculose  und  der  chronischen  Lungenschwindsucht  hat  F  e  d  e  r  i  c  i 
in  einer  besonderen  Tabelle  zusammengestellt.  Nach  ihm  entwickelt 
sich  der  Echinococcus  langsam ,  mit  gleichmässiger  Zunahme  der  Er- 
scheinungen. Die  D3'spnoe  bildet  entsprechend  den  ausgebreiteten  Ver- 
änderungen der  Lunge,  ohne  vorangegangenen  Catarrh  oder  Husten  das 
Hauptsymptom.  Es  besteht  ein  constanter  fixer  Schmerz,  und  der  häu- 
figste Sitz  des  Echinococcus  ist  an  der  Lungenbasis.  Bei  der  Miliartu- 
berculose  besteht  Dyspnoe ,  die  von  quälendem  trockenem  Husten  be- 
gleitet ist.  Die  Patienten  haben  ein  continuirliches  oder  abendliches 
Fieber ,  der  Verlauf  ist  mei.st  acut ,  der  häufige  vSitz  ist  an  der  Lungen- 
spitze und  die  Patienten  haben  keine  oder  nur  hin  und  wieder  auftre- 
tende Schmerzen,  die  verschiedentlich  localisirt  werden.  Bei  der  chro- 
nischen Lungenschwindsucht  findet  man  entsprechend  den  Lifiltrations- 
erscheinungen  geringe  Dyspnoe,  häufige  Catarrhe  mit  täglichem  Husten. 
Der  Verlauf  ist  unregelmässig,  mit  wechselnden  Fieber- Remissionen, 
und  die  Schmerzen  sind  nicht  fix  und  treten  mit  wechselnder  Inten- 
sität auf.   Der  häufigste  Sitz  ist  an  der  Spitze  der  Lungen. 

\'  e  r  1  a  u  f  vi  n  d  Ausgang.  Nach  Küchenmeister  kommt 
ein  Sechstel  aller  Todesfälle  des  Echinococcus  überhaupt  auf  den  Echi- 
nococcus der  Lunge,  und  nach  D  a  v  a  i  n  e  starben  ^,3  aller  damit  behaf- 
teten Patienten.  Li  den  von  Roger  mitgetheilten  Fällen  trat  bei 
einem  achtjährigen  Knaben  nach  mehrmaliger  Entleerung  von  Hyda- 
tiden,  vermischt  mit  einer  Masse  stinkenden  Eiters,  nach  fünf  Jahren 
vollständige  Heilung  ein,  während  ein  15jähriges  Mädchen  unter  hek- 
tischen Erscheinungen  zu  Grunde  ging. 

Der  von  Davaine  mitgetheilte  Fall  (Sonnie-Moret) ,  welcher  ein 
kleines  Mädchen  von  11  Jahren  betrifft,  starb  intercurrent  an  Cholera; 
bei  der  Autopsie  fand  man  im  rechten  oberen  Lungenlappen  eine  Echi- 
nococcuscyste ,  deren  Wandung  eine  Linie  dick  war. 

Analog  dem  Roger'schen  Falle  ist  von  Toeplitz  (s.  Berliner 
kl.  Wochenschrift  1877.  Nro.  24)  ein  Lungenechinococcus  bei  einem 
5jährigen  Kinde  beschrieben  worden. 

Paul  T. ,  5  Jahre  alt ,  früher  stets  gesund  ,  erkrankte  Weihnachten 
1875  ohne  nachweisbare  Veranlassung  an  Fieber  und  Husten.  Das  Fie- 
ber verschwand,  der  Husten  persistirte  jedoch,  und  Anfangs  März  1876 
wurde  bei  einem  heftigen  Hustenparoxysmus  unter  gefahrdrohenden  Suf- 
focations-Erscheinungen  eine  gelblich   weisse   Membran   expectoi-irt ,   die 


860  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Lunge. 

mit  blutigem  Schleim  bedeckt  war,  auf  die  noch  einige  blutige  Sputa 
folgten.  Derartige  Hustenanfälle  mit  Expectoration  von  Membranen  wie- 
derholten sich  im  Ganzen  6mal,  zuletzt  am  30.  Mai,  und  ausserdem  trat 
zu  wiederholten  Malen  vorübergehende  Hiimoptoe  auf.  Bei  der  am  lOten 
April  1876  vorgenommenen  Untersuchung  war  der  Status  praesens  fol- 
gender. Kr;iftig  gebautes  Kind ,  Hauttemperatur  normal,  Puls  144,  Ath- 
mungsfrecjuenz  40  in  der  Minute,  keine  Betheiligung  der  accessoriseben 
Hülfsmuskeln.  Der  Thorax  breit,  gut  gewölbt,  erscheint  rechterseits  stär- 
ker hervorgewölbt  als  links.  Der  Percussionsschall  ist  rechts  hinten  von 
der  Spitze  an  gedämpft,  und  na"h  unten  zu  absolut  gedämpft.  Vom 
rechts  von  der  5ten  Rippe  bis  zum  Eiiipenrand  Dämpfung.  DerSpitzen- 
stoss  liegt  1,5  Ctm.  links  von  der  Mammillarlinie.  —  in  der  Ausdehnung 
der  Dämpfung  abgeschwächtes  Athmungsgeräusch ;  rechts  verminderter 
Pectoralfremitus.  —  Die  Leber  zeigt  normale  Grenzen.  Die  microscopi- 
sche  Untersuchung  der  5  Centimeter  langen  und  3  Centimeter  breiten 
Membran  ergiebt  eine  structurlose  hyaline  BeschaÖ'enheit ,  an  den  Rän- 
dern aber  den  geschichteten  Bau  der  Echinococcus  -  Bälge.  Haken  und 
Scolices  waren  nicht  vorhanden.  Nach  mehrwöchentlichem  Aufenthalt  auf 
dem  Lande  unter  dem  Gebrauch  von  Jodkalium  trat  Besserung  ein;  die 
physicalischen  Erscheinungen  sind  nach  zwei  Monaten  dieselben  wie  bei 
der  ersten  Untersuchung. 

Anamnestisch  erfährt  man,  dass  die  Eltern  des  Kindes  vor  einem 
Jahre  einen  Hund  besessen  haben,  mit  dem  das  Kind  viel  gespielt  habe, 
Einen  vierten  Fall  von  primärem  Lungenechinococcus  erwähnt  Jor- 
dan (cit.  in  dem  Jahresbericht  von  Yirchow  und  Hirsch  1855.  Bd. 
IV.  pag.  343)  bei  einem  12jährigen  Kinde;  über  den  Verlauf  und  Aus- 
gang ist  nichts  bekannt. 

Von  den  3  in  die  Lunge  perforirten  Fällen  von  Leberechinoeoccus 
sind  zwei  geheilt,  einer  gestorben  (c.  Toeplitz).  Bei  einem  lOjährigen 
Kinde  (Hill  de  Dumfries,  cit.  Davaine,  1.  c.  449)  und  einem  13- 
jährigen  (Greenhow,  cit.  Jahresbericht  von  Virchow  und  Hirscb 
1868,  Bd.  IL  150)  trat  Heilung  ein.  Finsen  (Virchow's  Arcliiv 
1863.  Bd.  27  S.  232)  berichtet,  dass  ein  Ujähriges  Mädchen  einen  Mo- 
nal-.  nach  der  Eröffnung  des  Hydatidensacks  starb ,  als  sie  plötzlich  eine 
Menge  serösen  Eiters  auszuhusten  anfing.  Bei  der  Sedion  fand  sich  eine 
fiugergrosse  C)effnung  vom  Hydatideusack  in  die  Lunge  hinauf. 

Fälle,  in  denen  Echrnococeen  in  der  Leber  und  Lunge  bei  einem  9- 
und  einem  14jährigen  Kinde  vorkommen,  sind  von  Wolf  und  Darbe z 
beschrieben  worden;  gleichzeitiges  Vorkommen  von  Echinococcen  in  Ge- 
hirn, Leber  und  Bauchfell  ist  von  Beccjuerel  und  Seguin  (cit.  Da- 
vaine 1.  c.  652)  bei  einem  13jährigen  Kinde  constatirt  worden. 

Die  Echinococcenerkrankung  der  Luuge  kann  ganz  latent  ver- 
laufen, der  Wurm  kann  absterben,  und  ganz  zufällig  findet  man  bei  der 
Section  verödete  Hydatidencysten.  Zuweilen  werden  die  Membranen 
expectorirt,  es  kommt  zur  Heilung,  oder  es  bildet  sich  ein  der  Tuber- 
culose  ähnlicher  Zustand  aus ,  der  unter  cachectischen  Erscheinungen, 
Abmagerung,  Schweissen,  bei  reichlichem  Auswurf  und  Diarrhoeen  zum 
letalen  Exitus  führt.   Ausgänge,  wie  sie  von  Hertz  bei  Lungenechino- 


Kolits,  Echinococcus  der  Lungen.     Therapie.  861 

coccen  Erwachsener  zusammengestellt  sind,  Perforation  durch  die  Brust- 
wand, durch  das  Diaphragma  in  den  Darmcanal  und  die  Blase,  in  die 
Pleura-  und  Bauchhöhle  oder  in  das  Pericardium  sind  bei  Kindern  Ijis- 
her  nicht  beobachtet  worden. 

Die  Prognose  ist  selbst  in  den  Fällen  ,  wo  der  Cysteninhalt  ex- 
pectorirt  wird,  wo  er  sich  nach  aussen  entleert,  immerhin  sehr  dubiös, 
da  man  mit  Sicherheit  nicht  bestimmen  kann ,  ob  die  Cyste  schrumptt, 
vollständig  verödet  und  da  man  über  die  Ausdehnung  desselben  keinen 
sicheren  Anhaltspunkt  hat.  Bei  schneller  Zunahme  des  Echinococcen- 
sackes,  oder  beim  Auftreten  hektischer  Erscheinungen  gestaltet  sich  die 
Prognose  noch  ungünstiger. 

Therapie.  Die  Anwendung  von  Kochsalz  in  Form  von  Bädern 
und  Inhalationen  (L  a  e  n  n  e  c  -  F  e  d  e  r  i  c  i)  verspricht  kaum  einen  Er- 
folg, und  unter  den  vielen  empfohlenen  Mitteln  sind  vielleicht  die  Queck- 
silbersalze und  Jodkalium  zu  nennen ,  die  in  einzelnen  Fällen  einen  ge- 
wissen Werth  haben  können.  Roger  empfiehlt,  von  der  Voraus- 
setzung ausgehend ,  dass  nach  Ausstossung  der  Hydatiden  durch  die 
Bronchien  Selbstheilung  vorkommt ,  abzuwarten  und  einfache  Alittel, 
wie  Inhalationen  von  Campher ,  Jod ,  oder  beruhigende  Agentien  zur 
Milderung  der  Schmerzen  zu  verordnen.  Der  Husten  darf  dabei  nicht 
unterdrückt  werden ,  da  derselbe  zur  Expectoration  der  Membranen  etc. 
nothwendig  ist.  Unter  den  parasitären  Mitteln  sind  die  Inhalationen 
von  Benzin  und  Terpentin  erwähnenswerth. 

Wölbt  der  Echinococcussack  die  Intercostalräume  hervor,  wird 
trotz  der  etwa  vorhandenen  Expectoration  der  Tumor  nicht  kleiner, 
sondern  bleibt  er  stationär,  oder  wird  er  etwa  noch  grösser,  entwickelt 
sich  unter  hektischem  Fieber  hochgradige  Dyspnoe,  so  erscheint  es  ge- 
boten ,  die  Punktion  zu  machen ,  oder  eventuell  bei  Verwachsung  des 
Sackes  zu  incidiren,  und  Lugol'sche  Lösung  zu  injiciren.  Eine  Bronchial- 
fistel contraindicirt  nicht  die  Operation  und  hindert  auch  nicht  die  Hei- 
lung (Davaine). 

Die  elektrische  Behandlung  kann  in  Frage  kommen,  ist  jedoch 
bisher  bei  Echinococcus  der  Lungen  nicht  angewandt  worden. 

Die  Therapie  hat  ausserdem  die  Aufgabe ,  symptomatisch  zu  ver- 
fahren ,  die  Schmerzen  zu  lindern  ,  durch  zweckmässige  Medicamentc 
und  durch  geeignete  diätetische  Massregeln  die  Dyspnoe  zu  verringern, 
endlich  durch  eine  tonisirende  Behandlung  den  Kräftezustand  der  Pa- 
tienten zu  heben. 


DIE 

KRANKHEITEN  DER  PLEURA 


VON 


Dk,  OTTO  LEICHTENSTERN, 

PEOFESSOE  IN  TÜBINGEN. 


Pleuritis. 

Literatur. 

1)  Pathologische  Anatomie  und  Physiologie. 

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2)  Aetiologie,  Symptomatologie,  Therapie. 

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Pathologische  Anatomie. 
Die  pathologisch  -anatomischen  Vorgänge  Ijei  der  Pleuritis 
der  Kinder  unterscheiden  sich,  soweit  dieselben  bekannt  sind,  nicht  von 
denen  der  Erwachsenen. 

Die  Entzündung  der  Pleura  zeichnet  sich  macroscopisch  durch 
eine  Reihe  von  Veränderungen  verschiedenen  Grades  aus.  In  den  leich- 
testen Graden  zeigt  die  Serosa  eine  weniger  glänzende ,  trübe  und  we- 
niger glatte  Beschaffenheit.    Sie  erscheint  geröthet,  und  man  kann  mit 

55* 


868  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

blossem  Auge  die  stärkere  Injection  der  subseröseii  Gefässstämmchen 

unterscheiden. 

Weiterhin  erhält  die  seröse  Oberfläche  ein  mehr  oder  minder  zart 

filziges  Aussehen ;  sie  ist  aufgelockert  und  gesch^vellt. 

üebergehen  wir  zunächst  die  feineren  anatomischen  Vorgänge ,  die 

diesen  Veränderungen  zu  Grunde  liegen,  so  führt  ein  Schi'itt  weiter  zur 

Essudation.    Diese  präsentirt  sich  uns  theils  als  mehr  oder  minder 

reichliches  flüssiges  Exsudat,   theils  als  sogenanntes  plastisches, 

f  as  erstof  figes. 

Die  ein  grob  filziges  Ansehen  darbietende,  rauhe  und  tmcken  glän- 
zende Pleura  ist  mit  einem  zarten  i\j:ifluge  niembranartig ,  band-  oder 
fadenförmig  angeordneten  Paserstoffexsudates  Ijedeckt.  Dasselbe  liegt 
liald  locker  auf,  so  dass  es  in  Membranen  abgezogen  werden  kann,  bald 
fester. 

Der  Exsudatfaserstoff  schliesst  in  seinem  schwammig  weichen  Ge- 
lüste zahlreiche  junge  ßundzellen  ein.  Ob  Faserstoff  und  Zellen  schlecht- 
hin Abkömmlinge  des  Blutes  sind  (Rindfleisch),  ob  nicht  auch  das 
Bindegewebe  der  Serosa  eine  wesentliche  Rolle  bei  der  Entstehmig  dieses 
Exsudates  spielt  (Virchow),  ist  eine  immer  noch  nicht  entschiedene 
Frage.  Soviel  steht  fest,  dass  bei  den  nun  folgenden  Vorgängen  der  ad- 
häsiven Pleuritis  das  Bindegewebe  und  die  Gefässe  der  Serosa  sowohl, 
als  auch  der  Faserstoff-Anflug ,  welcher  diese  bedeckt ,  eine  wichtige 
Rolle  spielen. 

Einmal  ist  es  das  Bindegewebe  der  Serosa  selljst ,  das  in  der  Form 
embryonalen  Bindegewebes  wuchert  und  organisationsfähiges  Keimge- 
webe liefert.  Dieses  erscheint  in  F'orm  paiiillenartiger  Granulationen, 
kleiner  Zotten,  in  welche  sich  neugebildete  zarte  Capillaren  erbeben. 
Alier  auch  der  die  Zellen  einschliessende  zarte  Paserstoff -Anflug  („des- 
moider  Faserstoff-'  Buhl)  ist  proliferationsfähig  und  gewinnt  die  phy- 
siologische Dignität  des  Keimgewebes.  Die  Zellen  werden  spindelförmig, 
das  von  dem  Bindegewebe  der  Serosa  und  das  vom  Faserstoffexsudat 
producirte  Keimgewebe  stossen  aneinander  und  verschmelzen ;  die  neuge- 
bildeten Gefässe  in  den  Granulationen  der  Serosa  setzen  sich  auch  in 
das  sich  organisirende  Paserstoffexsudat  hinein  fort.  Der  schliessliche 
Ausgang  ist  Bildung  fertigen  Bindegewebes. 

Üeberträgt  man  den  für  eine  der  serösen  Flächen  geschilderten  Vor- 
gang in  ganz  analoger  Weise  auf  die  gegenüberliegende,  mit  der  sie  in 
Contakt  steht ,  so  geht  daraus  Verklebung,  später  solide  V e r- 
wachsung  der  Pleura  pulmonalis  mit  der  Pleura  parietalis  hervor. 
Diese  Verwachsung  ist  entweder  eine  direkte  (so  besonders  an  den  Lun- 
genspitzen) oder  eine  indirekte,  d.  h.  sie  wird  durch  faden-,  band-  oder 
membranartige  Bindegewebs' irücken  vermittelt.  Bleibt  die  Bindegewebs- 
bildung auf  eines  der  serösen  Blätter  beschränkt,  ohne  dass  es  zu  Ad- 
häsion kommt,  so  entstehen  Verdickungen  der  Pleura,  oft  mehrere  Linien 
dicke  Bindegewebsschwarten  ,  welche  in  Farbe  und  Derbheit  die  Eigen- 
schaften des  Narbengewebes  darljieten.     In  den  bindectewebigen  Pseudo- 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura     Path.  Anatomie.        8(59 

membranen  werden  sowohl  Gefässe  ,    als   auch  Nerven ,    zuweilen   seihst 
glatte  Muskelfasern  angetroffen. 

Die  Bindegewebs  -  Adhäsionen  sind  ,  so  lange  sie  jung  sind ,  leicht 
dehnbar  und  werden  daher  besonders  über  Lungentheilen ,  welche  eine 
ausgiebige  respiratorische  Bewegung  mitmachen  ,  oft  zerrissen  oder  zu 
langen  Bändern  und  Strängen  ausgezogen. 

Die  Ausdehnung,  in  welcher  die  Pleura  entzündet  angetroffen  ^^^rd, 
ist  eine  sehr  verschiedene,  bald  umschriebene ,  so  bei  Infarkten,  lobulä- 
ren Pneumonien,  metastatischen  Abscessen  etc.,  bald  eine  mehr  minder 
diffuse,  so  besonders  bei  der  primären  Pleuritis,  bei  der  Pleuritis  nach 
Scharlach ,  Masern  etc.  Jede  auch  noch  so  umschriebene  Pleuritis  kann 
sich,  durch  Fortpflanzung  des  entzündlichen  Processes,  über  eine  grössere 
Fläche  der  Pleura  verbreiten. 

Wenden  wir  uns  zum  flüssigen  Exsudate. 
Es  erscheint  in  seiner  einfachsten  Form  als  seröses,  als  eine  voll- 
kommen klare,  eiweissreiche  Flüssigkeit  von  hellgelber,  zuweilen  schwach 
grünlicher  Farbe.  Die  Exsudatmengen  sind  sehr  verschieden.  Mei- 
stens enthält  die  Flüssigkeit  fetzige,  oft  fadenförmige  Flocken,  »F  i  b  r  i  n- 
coagula«,  wir  sprechen  dann  von  s e r  o  -  f i b r i n ö s  e m  Exsudate. 

Die  M  a  X  i  m  a  1  -  M  6  n  g  e  n  flüssigen  Exsudates  ,  welche  bei  Kin- 
dern angpfroffen  werden ,  sind  natürlich  der  verschiedenen  Capacität  des 
kindlichen  Thorax  in  verschiedenen  Lebensaltern  entsprechend,  sehr  ver- 
schieden. 

Die  seröse  Flüssigkeit  der  Pleuritis  ist  wohl  hauptsächlich  ein  Pro- 
dukt der  Transsudation  von  Serum  aus  dem  Blute.  Diese  Transsudaiicn 
findet  an  der  entzündeten  Pleuraparthis  statt,  wo  die  Gefässe  erweitert, 
in  Proliferation  begriffen  und  die  Endothelien  abgelöst  sind.  Die  Exsu- 
dation ist  daher,  was  die  in  einer  gewissen  Zeit  abgesonderten  Flüssig- 
keitsmengen betrifft,  nicht  allein  der  Intensität,  sondern  auch  der  Exten- 
sität des  entzündlichen  Processes  proportional.  Jedenfalls  spielen  bei  der 
Transsudation  auch  die  Lympbgefässe  eine  Kolle.  Sie  liegen  als  ober- 
flächliches Stratum  dicht  unter  dem  Epithel ,  diesem  näher  als  die  Blut- 
capillaren  (Wagner,  D  y  b  k  o  w  s  k  y)  und  communiciren  durch  soge- 
nannte Stomata  —  Lücken  in  einschichtigen  Plattenendothel  —  juit  dem 
Pleura-Raume  (ß  e  c  k  1  i  n  g  h  a  u  s  e  n).  Die  Lympbgefässe  zeigen  sich 
bei  Pleuritis  verändert,  erweitert  und  enthalten  eine  klare  an  körper- 
lichen Elementen  sehr  arme  seröse  Flüssigkeit. 

Zuweilen  fand  Wagner  Balken  des  Exsudatfaserstoffes  in  die 
Lymphgefässe  hineinragen,  zuweilen  Fibrincylinder  als  Abgüsse  der 
Lympbgefässe.  Die  Exsudation  ist  im  Anfange  wohl  der  Hauptsache 
nach  ein  Filtrationsprocess ,  bald  aljev  wird  die  diosmotische  und  resor- 
birende  Thätigkeit  angeregt.  Je  nachdem  das  eine  oder  andere  prävalirt, 
verhält  sich  das  Exsudat  qualitativ  und  ciuantitativ  verschieden.  Es  ist 
selbstverständlich ,  dass  das  Exsudat  steigt ,  wenn  mehr  transsudirt  als 
resorbirt  wird.  Prävuliren  die  diosmotischen  Kräfte,  so  werden  Salz  und 
Wasser  schneller  abgeführt,  als  das  schwer  difiundirende  Eiweiss  und 
die  Exsudate  werden  dadurch  besonders  albuminreich  (Hopp  e).     Ueb- 


870  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

rigens  liängt,  wie  nacli  analogen  Erfahrungen  geschlossen  werden  darf 
der  Eiweissgehalt  auch  von  der  Essndationsgeschwindigkeit  ab,  J3ei  ein- 
facher, nicht  entzündlicher  Transsudat  ion ,  Hydrops  pleurae ,  ist  der  Er- 
guss  gewöhnlich  Eiweiss-ärmer  und  nähert  sich  dem  Eiweissgelialte 
des  Lymphseruins ;  bei  entzündlichen  Exsudaten  ist  der  Eiweisscrelialt 
grösser,  dem  des  Blutserums  genähert.  Der  Schluss,  den  Manche  hieraus 
zogen  ,  dass  bei  einfacher  nicht  entzündlicher  Ti'anssudation  der  Erguss 
hauptsächlich  der  Lymphe,  bei  Pleuritis  dagegen  dem  Blute  entstamme 
ist  durchaus  nicht  beweiskräftig. 

Bei  der  Wiederaufsaugung  von  Exsudaten  sind  neben  den  diosmi- 
renden  Vorgängen  wohl  hauptsächlich  die  resorbirenden  Kräfte  der  Lymph- 
geiässe  thätig. 

Alle  die  hier  in  Betracht  gezogenen  Vorgänge  eröffnen  ein  weites 
Feld  noch  ungelöster  Fragen. 

Was  den  Eiweissgehalt  der  serösen  Transsudate  und  Exsudate 
anlaugt,  so  steht  derselbe  meistens  in  der  Mitte  zwischen  dem  Albu- 
mingehalt des  Lymphserums  (2—3  p.  Ct.)  und  des  Blutserums  (8  —  9 
p.  Ct.J.  Die  hin  und  wieder  anzutretfende  Angabe,  dass  pleuritische  Ex- 
sudate zuweilen  selbst  grösseren  Albumingehalt  zeigten ,  als  das  Blut- 
serum ,  muss  ich  auf  Grund  eigener ,  zahlreicher  Erfahrungen  und  der 
mir  bekannten  Analysen  Anderer*)  als  irrig  bezeichnen.  Als  böcbsten 
Werth  in  den  von  mir  untersuchten  serösen  Exsudaten  fand  ich  7,5  p. 
Ct.  Albumin  bei  einem  specifischen  Gewicht  von  1027 ;  als  niedersten 
Werth  3,8  p.  Ct.  Albumin  bei  1013  sp.  Gew.  In  den  meisten  Pilllea 
schwankte  das  specif.  Gewicht  zwischen  1015—1023,  der  Albumingehalt 
zwischen  4 — 6  p.  Ct.  Das  .specifische  Gewicht  des  Blutserums  1028  habe 
ich  nie  von  Exsudaten  erreicht  gefunden. 

Dagegen  kommen  seröse  Pleura-Transsudate  (hydropischer  Natur) 
vor,  welche  noch  weniger  Albumin  (!  p.  Ct.)  und  ein  specifisches  Ge- 
wicht von  nur  1009  aufweisen.  In  solchen  Fällen  ist  sicher  auch  dei' 
Alliumingehalt  des  Blut-  und  Lyraphserums  pathologisch  erniedrigt. 

Mehu,  der  wohl  die  grösste  Zahl  von  Transsudaten  und  Exsudaten 
(142  Fälle)  untersucht  hat ,  sagt .  dass  ein  specif.  Gewicht  unter  1015 
auf  einfaches  Transsudat,  ein  sp.  G.  über  1018  auf  Ex.sudat,  d.  h.  ent- 
zündliche Pleuraaffektion  schliessen  lasse.  Ich  kann  mich  dieser  Schluss- 
folgerung Mehu's  anschliessen,  jedoch  mit  dem  Zusätze,  dass  zuwei- 
len rein  hydropische  Ergüsse  vorkommen  (z.B.  bei  HerzfehlernJ,  welche 
ein  hohes  specifisches  Gewicht  (1020—1023)  und  dem  entsprechenden 
Albumingehalt  darbieten.  Kichtiger  ist  es  also,  sich  so  auszudrücken: 
Ist  das  specif.  Gewicht  —  bei  dessen  Bestimmung  immer  auch  die  Tem- 
peratur der  Flüssigkeit  zu  berücksichtigen  ist  —  unter  1015,  so  spricht 
diess  für  nicht  entzündlichen  ,  hydropischen  Erguss  ,  und  zwar  um  so 
sicherer,  je  mehr  das  specif.  Gewicht  unter  diese  Grenze  sinkt.  Lst  das 
specif.  Gewicht  aber  höher,  so  kommt  diess  ebensowohl  bei  Pleara-Ex- 
sudaten  als  auch  zuweilen  bei  einfachen  hydropischen  Transsuda- 
ten vor. 

*)  Vergl.  hierüber  Kühne,    phys.  Chem.   S.  268.  —  F.  Hoppe ,   1.  c.  - 
Mehu,  1.  c.  —  C.  Schmidt,  Z.  Charakt.  d.  epid.  Cholera  1850. 


Leich teils tern,  Krankheiten  der  Pleura.     Path.  Anatomie.  871 

In  dein  Maasse,  als  das  seröse  Exsudat  zellen reicher  wird,  ver- 
liert es  die  klare,  durchsichtige  Beschaffenheit,  wird  trübe  (serös- 
eitriges Exsudat),  bis  endlich  durch  fortgesetzte  Zunahme  der  Zellen 
rein  eitrige  Exsudate ,  mit  zuweilen  rahmartiger  Consi.stenz  des  Eiters 
zu  Stande  kommen  (Empyem,  Pyothorax). 

Die  Frage  nach  der  Herkunft  der  E  i  t  e  r  k  8  r  p  e  r  c  h  e  ii  in 
eitrigen  Exsudaten  ist  immer  noch  nicht  endgültig  entschieden.  Jeden- 
falls handelt  es  .=^ieh  in  erster  Linie  um  Auswanderung  zahlloser  farbloser 
Zellen  aus  den  erweiterten  und  zum  Theil  neugebildeten  CapiUaren  der 
Pleura  und  der  Pseudomembranen.  Andere  nehmen  noch  eine  Vermeh- 
rung der  auisge wanderten  Zellen  durch  Theilung  oder  selbst  endogene 
Zellenbildung  an,  insbesondere  aber  eine  Proliferation  der  Bindegewebs- 
zellen der  eitrig  infiltrirten  Pleura.  Die  enormen  Mengen  von  Eiterkör- 
perchen  bei  rasch  wachsenden ,  massenhaften ,  eitrigen  Pleura- Ergüssen 
sind  mit  der  Auswanderuugstheorie  allein  nur  schwer  vereinbar ,  selbst 
dann ,  wenn  wir  den  Bildungsstätten  der  weissen  Blutkörperchen  ,  der 
Milz ,  den  Lymphdrüsen  und  adenoiden  Organen  eine  enorm  vermehrte 
Thätigkeit  und  gewissermassen  einen  regulirenden  Einfluss  auf  die  An- 
zahl der  weissen  Blutkörperchen  im  Blute  zuschreiben. 

Nicht  allein  das  bisher  seröse  Exsudat  wird  eitrig  ,  die  eitrige 
Infiltration  betrifft  auch  die  Serosa,  die  Pseudomembranen  und 
selbst  die  Fibrincoagula.  Die  eitrig  infiltrirtePleura  erscheint 
verdickt  und  aufgelockert,  die  Pseudomembranen  werden  gelblich ,  sind 
weich,  die  Fibrin- Coagula,  von  Eiterzellen  reichlich  durchsetzt,  sind 
uicht  mehr  von  der  soliden  B eschaffenheit ,  wie  früher,  sie  schmelzen 
ein ,  um  sich  in  der  Flüssigkeit  oft  gänzlich  aufzulösen ;  manchmal  ge- 
winnen sie  durch  schleimig  fettige  Degeneration  ein  gallertartiges  An- 
sehen. Die  ganze  Pleurafläche  ist  in  solchen  Fällen  einer  Eiter  produ- 
cirenden,  granulirenden  Wundfläche  zu  vergleichen ;  sie  stellt  eine  klein- 
hügelige  Fläche  von  jungem,  eitrig  infiltrirtem  Bindegewebe  dar,  eine 
sogenannte  pyogene  Membran. 

Während  seröse,  sero-fibrinöse  und  selbst  serös-purulente  Exsudate 
erfahrungsgemäss  vollkommen  resorbirt  werden  können,  stehen  der  Re- 
sorption grösserer  eitriger  Exsudate  ebenso  unüberwindliche  Hinder- 
nisse entgegen  ,  wie  der  spontanen  Resorption  des  Eiters  in  grösseren 
subcutanen  Abscessen.  Entleerung  des  Eiters  auf  künstlichem 
oder  spontanem  Wege  ist  die  conditio  sine  c^ua  nonder 
Heilung.  Der  Aufbruch  des  Empyems  nach  aussen  geschieht  entweder 
durch  einen  Intercostalraum  oder  in  die  Bronchien  der  comprimirten 
Lunge  und  zwar  auf  die  gleiche  Weise,  wie  der  spontane  Aufbruch  eines 
Zellgewebs-Abscesses.  An  einer  umschriebenen  Stelle  wird  die  Lunge 
oder  es  werden  'üe  Weichtheile  eines  Interccstal-Raumes  ulcerös  zer- 
stört durch  eitrige  Infiltration  und  Schmelzung  der  Gewebe.    Setzt  sich 


872  Krankheiten  der  Athuiungsorgane.    Pleuritis. 

der  üleerationsprocess  auf  das  Periost  nud  den  Knochen  einer  oder  meh- 
rerer Rippen  fort,  so  entsteht  Caries  derselben. 

In  höchst  seltenen  Ausnahmefällen  findet  der  Durchliruch  des  Empvems 
in  die  Bauchhöhle  f H  a  y  d  e  n  ,  E  r  m  a  n  ,  L  a  v  e  r  a  n)  statt,  oder  in  das 
ZeUgewebe  des  hinteren  Mediastinums  und  von  da  m  das  retronerito- 
neale  Zellgewebe.  In  letzterem  Falle  kann  das  Empyem  zu  einem  soge- 
nannten Congestionsabscesse,  der  in  der  Lumbal-Region  neben  der  Wir- 
belsäule zum  Vorschein  kommt,  Veranlassung  geben. 

ßestirende  kleinere  Eiterheerde  bleiben  mitunter  licim  Heiluncsvor- 
gauge  zurück ,  eingeschlossen  von  den  dicken  Bindegewebsschwarten  der 
Pulmonal-  und  Costalpleura.  Diese  Eiterresiduen  können  auf  dem  Weo« 
der  Wasserresorption  und  fettigen  Degeneration  verkäsen,  durch  Ee.sorp- 
tion  auch  der  fettigen  Bestandtheile  verkalken.  Ob  solche  restirende 
Käseheerde  an  und  für  sich  im  Stande  sind,  Tuberculose  zu  ver- 
anlassen, ob  es  hiezix  nicht  vielmehr  im  Voraus  eines  besonderen,  in- 
fectiüsen  Käses  oder  wenigstens  der  tulierculösen  Diathese  bedarf,  ist 
eine  oiiene  Frage,  die  ich  für  meinen  Theil  lieber  mit  der  letzteren  als" 
ersteren  Annahme  beantworten  möchte. 

Ist  der  Aufbruch  des  Empyems  erfolgt,  so  schickt  sich  die  von  dem 
Exsudatdruck  betreite  Pleurafläche ,  welche  eine  grosse  granulirende 
Wunde  darstellt,  zur  Heilung  an ,  ganz  in  der  gleichen  Weise  wie  eine 
eröffnete  Abscess- Höhle.  Nur  die  Schwierigkeiten  der  Heilung  sind 
wegen  der  Resi.stenz  der  Wandungen  grösser.  Der  Heilungsvorgang 
vollzieht  sich  durch  Bildung  fertigen  Bindegewebes,  das  alle  Charaktere 
und  Eigenschaften,  insbesonders  auch  das  ni  ä  c  h  t  i  g  e  C  o  n  t  r  a  k  t  i  o  n s- 
vermögeu  des  Narben-Bindegewebes  darbietet.  Es  entstehen  dicke, 
derbe  Schwielen  und  Schwarten.  In  dem  Maasse,  als  der  Eiter  abfliesst, 
kehren  vor  Allem  die  verdrängten  Organe ,  das  Mediastinum  mit  dem 
Herzen,  das  Zwerchfell  mit  den  anliegenden  Bauchorganen ,  die  stark 
ausgedehnte  Brustwand  wieder  in  ihre  Normallage  zurück.  Dies  ist 
gewissermassen  das  erste  Stadium  der  Heilung ,  an  welchem  die  lange 
Zeit  comprimirte  Lunge  nur  zu  einem  sehr  geringen  Theil  durch  Wie- 
derentfaltuug-  Antheil  nimmt.  Die  ofPene  Abscesshöhle  verkleinert  sich 
im  zweiten  Stadium  der  Heilung  noch  weiter  durch  den  concen iri- 
schen Zug,  welchen  das  sich  contrahirende ,  mehr  und  mehr  in  festes 
Narbengewebe  übergehende  Bindegewebe  der  Abscesshöhle  ausübt.  Aus 
diesem  Grunde  wird  die  Empyemhöhle ,  wie  ich  mich  wiederholt  über- 
zeugte ,  im  weiteren  Verlaufe  immer  mehr  kugelförmig  und  verkleinert 
sich,  diese  Form  beibehaltend.  In  dem  Maasse,  als  sich  die  Höhle  ver- 
kleinert, wird  der  Eiter  verdrängt.  Der  concentrische  Zug  der  die  kug- 
lige  Empyemhöhle  auskleidenden  Narbenmassen  dehnt ,  soweit  es  mög- 
lich ist,  die  Lunge  wieder  aus,  zieht  das  Mediastinum  mit  dem  Herzen 
herbei ,  zieht  das  Zwerchfell  mit  der  Leber  (oder  dem  Magen)  herauf, 


Leichtenstern,  Krankheiton  der  Pleura.     Path.  Anatomie.  873 

zieht  die  Thoraxseite  ein  (R e  t  r  e c  i  s  s  e  m  e  n  t  t  h  o  r  a  c i  q u  e).  Je  ge- 
ringer der  Widerstnnd ,  den  in  solchen  Fällen  die  comprimirte  Lunge 
ihrer  Wiederentfaltiuig  entgegensetzt,  um  so  geringgradiger  wird  die 
Thoraxdifformität,  je  weniger  die  Lunge  ausdehnungsfähig,  um  so  mehr 
verkleinert  sich  die  Empyemhöhle  mit  Hilfe  der  Thoraxwandungen,  und 
der  zur  Raumerfüllung  herbeigezogenen  übrigen  Begrenzungen  der 
Höhle,  des  Mediastinums  und  Zwerchfells.  Ein  Theil  des  Raumes  wird 
auch  durch  die  dicken ,  derben  Narbenmassen ,  durch  das  zu  Schwielen 
erhärtende  Bindegewebe  ausgefüllt.  Verschliesst  sich  die  Oeffnung  der 
Empyemhöhle  vorzeitig ,  so  sistirt  der  Heilungsvorgaug ,  denn  die  Re- 
sorptionsthätigkeit  ist  eben,  wie  in  Abscesshöhlen  gewöhnlich,  nur  eine 
sehr  geringe.  Der  Heilungsvorgang  in  den  geschilderten  Fällen  —  an- 
dere werden  wir  sogleich  kennen  lernen  —  erfolgt  einzig  und  all- 
ein durch  den  mächtigen  Contraktionszug  des  fertigen, 
zu  Narbengewebe  schrumpfenden  Bindegewebes  der 
Pleura-Granulationsfläche.  Für  die  zahlreichen  Fälle,  wo 
Empyeme  bei  permanent  offen  erhaltener  Thoraxfistel  mit  sehr  erheb- 
lichem Retrecissement  ausheilen ,  gibt  es  in  der  That  keine  andere  Er- 
klärung ;  ganz  auf  dieselbe  Weise  heilen ,  wie  zahlreiche  Erfahrungen 
lehren,  Empyeme,  welche  nach  den  Lungen  durchgebrochen  sind. 

Ein  anderer  Heilvorgang  ist  die  Resorption.  Sie  kommt  nur 
bei  serösen  und  serofibrinösen ,  etwa  auch  noch  bei  seropurulenten  Ex- 
sudaten vor.  Ist  die  Lunge  unter  den  4  Wandungen  des  Exsudates 
(Brustkorb,  Mediastinum,  Lunge  und  Zwerchfell)  die  nachgieljigste ,  so 
dehnt  sie  sich  iinter  dem  Einflüsse  des  negativen  Resorptionsdruckes 
(des  Reisorptionszuges) ,  unterstützt  von  den  inspiratorischen  Kräften, 
die  auf  sie  einwirken,  allmählig  wieder  vollkommen  aus. 

Complicirter  werden  die  Verhältnisse ,  wenn  die  Bedingungen  zur 
Resorption  erst  spät  auftreten ,  niichdem  die  Lunge  längere  Zeit  com- 
primirt  und  durch  bindegewebige  Induration  oder  straffe  Verwachsung 
so  hochgradig  verändert  ist,  dass  sie  von  einem  gewissen  Grad  der  Wie- 
derausdehnung au ,  der  weiteren  Entfaltung  unüberwindliche  Hinder- 
nisse entgegenstellt.  Auch  in  diesen  Fällen  wird ,  wie  beim  Empyem 
geschildert ,  der  Thorax  eingezogen  (Retrecissement) ,  die  Wirbelsäule 
nach  der  gesunden  Seite  (scoliotisch)  ausgebeugt,  die  Rippen  treten  ein- 
ander näher ,  Zwerchfell  und  Mediastinum  werden  herangezogen  ,  alles 
dies,  um  den  Raum  auszufüllen,  welchen  das  iu  die  Blut-  imd  Lymph- 
gefässe  zurückkehrende  Exsudat  vorher  einnahm. 

Wenn  von  den  Kräften  die  Eede  ist,  welche  diese  Thorax-Missstal- 
tung  und  diese  Verziehungserscheinungen  bewirken,  so  wird  fast  nur 
vom    Atmosphiireudruck    gesprochen ,    der    die   Entstehung   eines    leeren 


874  Krankheiten  der  Athmungsorganc.     Pleuritis. 

Raumes  nicht  zulasse  und  daher  die  Thoraxwandung  eindrücke.  Die 
primär  wirksame  Kraft  beim  Retrecissement  ist  der  Resorptionszu« 
oder  die  ansaugende  Kraft  der  Lymph-  iind  Blutgefässe.  Dieser  Resorp. 
tion.vzug  macht  es  müglich,  dass  der  atmosphärische  üeherdruck  die  Tho- 
rax Wandung  eindrückt. 

Der  Resorptionszug  ist  es,  welcher  die  Lunge  allmählig  wieder  ent- 
faltet, der  die  Widerstände  ülierwindet,  welche  die  Wandungen  der  Es- 
sudathöhle  ihrer  gegenseitigen  Annäherung  heim  Retrecissement  entge- 
gensetzen. Dieser  Resorptionszug  oder  negative  Druck  correspondirt,  was 
Kraftmaass  betrifft,  mit  dem  positiven  Exsudaiionsdruck,  der  den 
Thorax  erweitert,  die  Lunge  comprimirt,  die  Nachbarorgane  verdrängt. 

Die  Ursachen ,  von  welchen  die  Entstehung  eines  serösen  oder 
eitrigen  Exsudates  abhängt,  sind  verschieden.  In  vielen  Fällen,  z.  B. 
l)cim  Durchbruch  einer  Caverne ,  eines  Abscesses  der  Lunge  oder  der 
Nachbarschaft  in  die  Pleura,  bei  Pyämie ,  Infectionskrankheiten  etc.  ist 
die  Pleuritis  von  Anfang  an  eine  eitrige  (primär-eitrige  PI.) ,  in  andern 
F'ällen  verwandelt  sich  ein  seröses  Exsudat  spontan  oder  auf  bekannte 
Veranlassung  hin  in  ein  eitriges  (secundär-  eitrige  PI.).  Eitrige  Exsu- 
date ))leiben  oft  längere  Zeit  stationär,  ohne  irgend  welche  Veränderung 
zu  erleiden.  Gerathen  aber  auf  irgend  einem  Wege  von  aus.sen  her 
Fäulnisselemente,  Spaltpilze  (Schizomyceten)  in  das  eitrige  Exsudat,  so 
können  sie  sich  (bei  der  Temperatur  und  schwach  alkalischen  Reaction 
derNährflüssigkeit)  vermehren  und  zu  Zersetzung,  zu  aramoniakalischer 
Fäulni.ss  Veranlassung  geben.  Wir  haben  dann  ein  jauchiges  Ex- 
sudat. Zuweilen,  wie  z.  B.  bei  Pleuritis  in  Folge  einer  jauchigen  Lun- 
gen-Emljolie,  führt  die  Veranlassung  zur  Pleuritis  gleichzeitig  auch  die 
Bedingungen  zur  Jauchung  mit  sich  (primär -jauchige  PL).  Das  jau- 
chige Exsudat  zeichnet  sich  durch  fötiden  Geruch,  missfarbene,  grau- 
grüne Beschaffenheit  aus.  Beim  Brand  der  Pleura  wird  diese  in  eine 
missfarbene,  zottig-flottirende,  pulpöse  Masse  verwandelt. 

Blutungen  in  das  Gewebe  der  Pleura  und  in  pleuritische  Pseu- 
domembranen treffen  wir  nicht  selten  als  punktförmige  oder  grösser- 
flecldge  Ecchymosen  an.  Blutungen  in  die  Exsudate  (hämorrha- 
gisches Exsudat)  finden  per  rexim  oder  per  diapedesim  statt.  Nur 
im  ersteren  Falle  sind  Blutcoagula  und  grössere  Blutmengen  vorhanden. 

Hämorrhagische  Exsudate  sind  im  Kiudesalter  nach  den  überein- 
stimmenden Erfahrungen  der  Autoren  ausserordentlich  selten  (Ziemä- 
s  e  n  1.  c.  37).  Sie  wurden  indessen  sowolil  bei  mit  Puerperalfieber  in- 
ficiiten  Neugeljornen  (Hervieux,  Steffen),  als  auch  bei  den  hämor- 
rhagischen Fomen  acuier  Exantheme  (Gerhardt),  bei  Comphcation 
der  Pleuritis  durch  hämorrhagische  Diathese  beoliachtet. 

Wenden  wir  uns  zur  Betrachtung  der  anatomischen  Veränderun- 
gen,    welche    andere   Organe   bei  Pleuritis   erleiden,    so   interessirt 


L  eicht  ensterii,  Krankheiten  der  Pleura.     Aetioloffie. 


87f 


uns  vorzugsweise  das  Verhalten  der  Lungen.  Tn  dem  Maasse  als 
das  pleuritische  Exsudat  anwächst,  retrahirt  sich  die  Luuo-e  ihrem 
Elasticitätsbestreben  folgend.  Hat  sie  das  Maximum  der  spontanen  Ke- 
traktion  erreicht  und  steigt  das  Exsudat  weiter,  so  wird  die  Luuo-e 
comprimirt,  bei  sehr  grossen  Exsudaten  bis  zu  dem  Grade,  dass  sie 
einen  welken  flachen  Kuchen  darstellt,  der  blutarm  und  luftleer  ist,  sich 
lederartig  zähe  schneidet  und  eine  bleigraue  oder  schwarze  Durch- 
schnittsfläche  zeigt.  Ist  die  Lunge  nirgends  mit  der  Costalpleura  ver- 
wachsen ,  so  wird  sie  zuerst  von  unten  nach  aufwärts  gedrängt ,  später, 
wenn  das  Exsudat-Niveau  über  die  Höhe  der  Lungenwurzel  sich  erhebt, 
von  allen  Seiten  gegen  ihren  Befestigungsort,  die  Lungenwurzel  zu 
comprimirt.  Sie  liegt  dann  als  flacher  Kuchen  dem  Mediastinum  und 
der  Wirbelsäule  an. 

Aetiologie. 

Man  pflegt  die  Pleuritis  vom  ätiologischen  Standpunkte  aus  einzu- 
theilen  in  eine  primäre  (idiopathische)  und  eine  secundäre  (deu- 
teropathische).  Zu  ersterer  rechnet  man  die  Fälle,  wo  die  Pleuritis  ein 
bis  dahin  gesundes  Individuum  ohne  bekannte  Ursache  befällt.  In 
manchen  dieser  Fälle  Avird  »Erkältung«  als  Ursache  beschuldigt ;  man 
hat  daher  diesen  primären  Pleuritiden  auch  den  nichtssagenden  Namen 
der  »rheumatischen«  verliehen. 

Ziemss  en  konnte  unter  54  Fällen  von  Pleuritis  bei  Kindern  nicht 
ein  einziges  Mal,  He  noch  unter  ebenso  vielen  Fällen  nur  einmal  Er- 
kältung als  nächste  Veranlassung  zur  Pleuritis  nachweisen.  Andei-e, 
welche  weniger  skeptisch  in  der  Anamnese  verfuhren  ,  kamen  zii  der 
entgegengesetzten  Meinung ,  dass  Erkältung  eine  sehr  häufige  Ursache 
der  Pleuritis  sei ,  besonders  bei  Individuen  mit  erhöhter  Disposition  zu 
derselben,  bei  Reconvalescenteu  von  schweren  fieberhaften  Krankheiten, 
Phthisikern,  Morb.  ßrightii  Kranken  etc. 

Die  Eintheilung  der  Pleuritis  in  eine  primäre  und  secundäre  ist  im 
Einzelfalle  am  Krankenbette  häufig  nicht  durchführbar.  Dieselbe  un- 
bekannte Ursache ,  welche  eine  primäre  Pleuritis  bei  einem  bis  dahin 
kerngesunden  Individuum  hervorruft,  vermag  diess  auch  bei  einem  Herz- 
kranken ,  Phthisiker,  Nierenkranken,  bei  einem  Reconvalescenteu  von 
einer  schweren  fieberhaften  Krankheit.  Es  kann  in  diesen  Fällen  die 
Pleuritis  aber  auch  eine  secundäre  sein,  d.  h.  Bedingungen  haben,  welche 
mit  der  bestehenden  oder  vorausgegangenen  Krankheit  in  irgend  einem, 
freilich  nicht  nachweisbaren  Causalzusammenhange  stehen.  Umgekehrt 
kann  uns  eine  Pleuritis  als  primäre  imponiren,  weil  wir  die  vorhandene, 
zuweilen  grob  anatomische  Ursache  (z.  B.  Neubildungen  der  Pleura, 


g7ß  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Echinococcns  -  Cysten  derselben)  nicht  zu  erkennen  vermögen.  So  ver- 
hült  es  sich  hänfig  bei  der  Pleuritis ,  welche  Individuen  mit  »liitentert 
Tuberculose  befällt;  die  für  xn-imär  gehaltene  Pleuritis  ist  hier  oft  die 
erste  nachweisbare  anatomische  Localisation  der  Allgemeinerkrankuiiff. 
Zu  deu  Pleuritiden  mit  bekannter  Aetiologie  gehören  die  trau- 
matischen. Nicht  allein  die  perforirenden  Brustwunden  und  die  von 
Rippenbruch  gefolgten  Traumen  des  Thorax  führen  zu  umschriebener 
oder  exsudativer  Pleuritis  ,  auch  stärkere  C  o  u  t  u  s  i  o  u  e  n  o  h  n  e  R  i  p- 
pen  b  ruch  haben  eine  solche  zuweilen  zur  Folge. 

Unter  den  s  c  c  u  n  d  ä  r  e  n  Pleuritiden  sind  jene  am  Läufigsten,  wo 
die  Erkrankung  der  Pleura  von  Kiankheiten  des  Lungengewebes  ihren 
Ausgang  nimmt.  Jede  L  un  g  e  n  e  r  k  r  a  nku  n  g  kann  Pleuritis  er- 
zeugen, wenn  sie  sich  bis  an  die  Pleura  fortsetzt.  Die  Portpflan- 
zung entzündlicher  Proces.se  von  der  Lunge  auf  die  Pleura 
ist  die  hiiufigste  Ursache  von  Pleuritis.  Bald  resultirt  hieraus  nur  eine 
umschriebene  trockne ,  bald  eine  diffuse  exsudative  Pleuritis.  In  dieser 
Hinsicht  sind  namhaft  zu  machen :  die  Lungenentzündung  (die  croupBse, 
katarrhalische ,  die  acute  und  chronische  interstitielle) ,  die  ver- 
schiedenartigen entzündlichen  und  nicht  entzündlichen  Processe  bei  der 
Tuberculose  und  Lungen-Phthise ,  ferner  hämorrhagische  Inl'arkte,  Lun- 
genabscesse,  metastatische  und  pyiimische  Abscesse,  Gangriln  der  Lunge, 
Neubildungen  bes.  Tuberkeln  der  Pleura,  Blutungen  in  das  Gewebe  der- 
sellsen  oder  in  das  Cavum  pleurae. 

Entzündliche  Processe  in  der  Nachbarschaft  der  Pleura  erregen  oe- 
cundäre  Pleuritis  (Pi.  ex  contiguo).  So  führt  Pericarditis,  Mediastinitis, 
Rippen-Caries ,  Peripleuritis ,  zu  secundärer  Pleuritis,  Phlegmonen  des 
Halszellgewebes  ,  z.  B.  nach  Operationen  am  Halse,  nach  Traeheotomie, 
oder  bei  eitriger  Lymphadenitis  führen  bald  durch  Fortpflanzung  ent- 
zündlicher Processe,  bald  durch  Eitersenkung  zu  secundärer  eitriger  Pleu- 
ritis; ebenso  Congestions- Abscesse  der  Wirbelsäule.  Perforation  des  kreb- 
sigen Oesophagus  oder  eines  Speiseröhrendivertikels  hat  secundäre  eitrige, 
zuweilen  jauchige  Pleuritis  zur  Folge. 

Unter  den  entzündlichen  Processen,  welche  von  der  Bauchhöhle  aus 
durch  Fortpflanzung  Pleuritis  erzeugen,  steht,  was  Häufigkeit  anlangt, 
obenan  die  auih  im  Kindesalter  nicht  seltene  chronische  exsudative  Pe- 
ritonitis. Abscesse,  Echinococcus- Cy.sten  der  Leber,  peri.splenitische  und 
Milz-Aliscesse ,  Nieren- Ali,see.sse.  Retroperitoneal- Abscesse  nafh  Typhlitis 
und  Perityphlitis  führen  nach  Lurchbruch  in  den  Pleuraraum  zu  secun- 
därer Pleuritis. 

Endlich  kennen  wir  eine  Reihe  acuter  und  chronischer  Krankheiten, 
welche  erfahrungsgemäss  nicht  selten  Pleuritis  im  Gefolge  haben.  Oben- 
an steht  der  Morb.  Brightii ,  der  acute  sowohl ,  wie  er  nach  Scharlach 
im  Kindesalter  so  häufig  ist ,  als  auch  der  chronische  ;  ferner  der  acute 
Gelenkrheumatismus,  Typhus,  Masern,  Variola. 

Zu  den  secundären  Pleuritiden  rechnen  wir  die  bei  Pyämie  und 
Septichämie,  bei  Neugebornen  z.  B.  in  Folge  jauchiger  Umbilical-Phle- 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Aetiologie. 


877 


bitis  vorkommenden,  ferner  die  Pleuritis  bei  puerperaler  Infection  Neu- 
geborner ,  deren  Mütter  vor  der  Geburt  mit  dem  Virus  des  Puerperal- 
fiebers inficirt  worden  waren  (F.  Weber). 

Nicht  unerwähnt  will  ich  lassen,  dass  auch  längere  Zeit  bestehende 
hydropische  Pleura-Transsudate  (liydrothorax)  zuweilen  ohne  jegliche 
bekannte  Ursache ,  spontan  und  allmählig  den  subinflammatorischen 
Charakter  annehmen  und  zu  secundärer  Pleuritis  mit  serös-faserstoifi- 
gem  Exsudate  führen. 

Man  hat  den  begünstigenden  Einfluss  der  Kulte  auf  Entstehung  von 
primärer  Pleuritis  auch  dadurch  zu  beweisen  gesucht,  dass  ludn  auf  die 
grössere  Häufigkeit  derselben,  in  der  kalten  Jahreszeit 
hinwies.  Das  bis  jetzt  vorliegende  statistische  Material  ist  unzureichend, 
diese  Frage  sicher  zu  entscheiden.  Hierzu  bedürfte  es  vor  Allem  einer 
strengeren  Unterscheidung  zwischen  primären  und  secundären  Pleuritiden. 
Die  zahlreichen  Fälle  von  chronisch-exsudativer  Pleuritis  und  Empyem, 
welche  in  den  Tabellen  enthalten  sind,  werden  auf  den  Monat  berechnet, 
in  welchem  solche  Kranke  in  die  Hospitäler  eintraten  oder  starben,  nicht 
aber  auf  den  Monat,  wo  die  Erkrankung  ihren  Anfang  nahm.  Folgende 
Zahlen  nähern  sich  wohl  noch  am  meisten  der  Wahrheit ;  ihre  Ueberein- 
sticamung  spricht  dafür. 


Januar  bis 
März.        [ 


April  bis 
Juni. 


.]uli  bis      Oktober  bis 
Süi^tcmber,     Dezember. 


London,  1840-54.     2090  Todesfälle  | 

von  Pleuritis  aller  Lebensalter  .  |  28,9 
London,  1849—53.     794   Todesfälle 

von  Pleuritis  aller  Lebensalter    .  31,3 

C.  Genf,  72  Todesfälle  von  Pleuritis 

aller  Lebensalter 34,7 

H.  Ziemsse n,    54   Erkrankungsfalle 

V.  primärer  Pleuritis  der  Kinder         53,7 


26,8 
26,7 
26,4 
20,3 


18,2 
18,8 
20,8 
13 


26,1 

23,2 
18,1 
13 


h  ä  u- 


Aus  der  bisher  vorliegenden  Statistik  ergiebt  sich  somit: 

1)  Pleuritis  kommt  im  Frühjahr   und  Winter 
f  i  g  e  r  vor,  als  im  Sommer  und  Herbst. 

Reihen  wir  hieran  einige  andere  Momente,  welche,  als  zur  Kran  k- 
heits-Disposition  gehörig,  im  Kapitel  der  Aetiologie  behandelt  zu 
werden  pflegen. 

Was  das  Geschlecht  betrifft,  so  widersprechen  sich,  wie  bei  der 
Kleinheit  der  vei-wendeteu  Statistiken  nicht  anders  zu  erwarten  i.st ,  die 
Angaben  verschiedener  Avrtoren.  Barthez  und  Rill  i et  (1.  c.  p.  578) 
trennen  primäre  und  secundäre  Pleuritiden;  während  an  letzterer  beide 
Geschlechter  in  gleichem  Verhältnisse  participiren ,  ergiel)t  sich  für  er- 
stere  ein  bedeutendes  Ueberwiegen  der  Knaben.  Rechne  ich  die  Zahlen 
von  Barthez  und  Rilliet,  Ziemssen  und  Steffen  zusammen,  so 
erhalte  ich  auf  103  Knaben  68  Mädchen,  also  60  p.  Ct.  zu  40  p.  Ct. 
Ich  halte  dieses  Verhältniss,  durch  die  Kleinheit  der  Statistiken  bedmgt, 
für   entschieden    unrichtig.     Das    Folgende    dürfte    der   Wahrheit   näher 

kommen. 

Fasse  ich  die  sämmtlichen  Tabellen,  wie  sie  in  Oesterlen's  Hdb. 


878  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

d.  med.  Stat.  (1865  S.  575)  angeführt  sind,  zusammen  *),  so  vertheilen 
sich  6488  Todesfälle  an  Pleuritis  aller  Lebensalter  auf  3751  Männer 
und  2737  Weiher;  also  5  7.8  p.  Ct.  zu  42,2  p.  Ct.  Berechnet  man 
diese  Todesfalle  an  Pleuritis  auf  je  100,000  Einwohner  männlichen  und 
ebensoviele  weiblichen  Geschlechtes,  so  ergibt  sich  ausnahmslos  ein  Plus 
der  Männer. 

Vergleichen  wii'  hiemit  die  Statistik,  welche  ich  den  ärztlichen  Be- 
richten des  k.  k.  allgemeinen  Krankenhauses  zu  Wien  vom  Jahre  1858 
bis  1874**)  entnahm.  Es  kommen  auf  2880  Pleuritis- und  Empyemkranke 
Männer,  1278  Weiber;  da  aber  die  Zahl  der  aufgenommenen  Männer  in 
diesem  Zeiträume  232,840,  die  der  Weiber  135,708  beträgt,  so  kommen 
auf  100  Männer  78  Weiber  oder  es  erkrankten  an  Pleuritis  und  Empyem 
55,5  p.  Ct.  Männer,  44,5  p.  Ct.  Weiber. 

Betrachten  wir  das  Kindesalter  (bis  zum  15.  Lebensjahr)  für 
sich  allein,  so  treffen  wir  Lieim  Vergleich  der  einzelnen  Lebens- 
jahre in  der  Mehrzahl  ein  Plus  der  Knaben.  Aus  den  oben  angefükrten 
Tabellen  bei  Oesterlen  ergiebt  sich  für  das  Alter  von  0—15  Jahren 
Folgendes:  662  Todesfälle  an  Pleuritis  vertheilen  sich  auf  359  Knaben, 
303  Mädchen;  also  54  pCt.  zu  4  6  p.  Ct.  Die.ses  Verhältniss  ist  be- 
•stimmt  zuverlässiger ,  als  das  in  den  Lehrbüchern  der  Pädiatrik  cursi- 
rende,  unbedeutenden  Statistiken  entnommene.     AVir  sagen  daher: 

2)  Knaben  erkranken  etwas  häufiger  an  Pleuritis 
als  Mädchen. 

Was  das  Vorkommen  der  Pleuritis  in  den  einzelnen  L  e- 
bensjahren  der  Kindheit  betriff"! ,  so  sind  wir  hierülier  noch 
viel  weniger  im  Stande  sichere  Angaben  zu  machen,  als  über  die  im 
Vorhergehenden  betrachteten  Verhältnisse.  Die  kleinen,  sich  vielfach  wi- 
dersprechenden, aber  in  den  Lehi'büchern  der  Pädiatrik  stets  wiederkeh- 
i-enden  Statistiken  sind  aus  nahe  liegenden  Gründen  zur  Entscheidung 
der  gestellten  Frage  völlig  ungenügend.  Daher  die  entgegengesetzten 
Angaben,  dass  Pleuritis  im  Säuglingsalter  oder  vor  dem  5.  Lebensjahre 
ausserordentlich  selten  sei  (Barrier)  und  umgekehrt,  dass  sie  in  diesem 
Alter  häufiger  sei  als  in  den  übrigen  Kinde.sjahren  (Baron,  Abelin). 

Die  Erfahrung  beschäftigter  Kinderärzte,  auch  wenn  sie  nicht  in 
statistischer  Form  uns  vor  Augen  treten,  wiegen  hier  schwerer,  als  die 
Zufälligkeiten  ausgesetzten  unlaedeutendeii  Statistiken ,  die  wir  besitzen. 
Barthez  und  Piilliet,  Bouchut,  C  h.  West,  Gerhardt  sprechen 
sich  übereinstimmend  dahin  aus ,  dass  p  r  i  m  ä  r  e  Pleuritis  im  ersten 
Lebensjahre  seltener  vorkommt,  als  in  der  späteren  Kindheit.  Ueberein- 
stimmend  ergiebt  sich  ferner  aus  Ziemssen's  und  Steffen's Statistik 
primärer  Pleuritiden  (zusammen  110  Fälle),  dass  diese  jenseits  des  10. 
Lebensjahres  (bis  zum  15.)  seltener  vorkommen,  als  im  ersten  Lebens- 
Decennium. 

Hiemit  stimmen  auch  die,  auf  die  alisolute  Zahl  der  Lebenden  in 
diesen  Altersklassen   berechneten  Mortalitätstafeln    Englands.     Aus  den- 


*)  London:    1849,  1851-.53,  1858,  1849.     England:    1849.  1851-  53.  1858, 
1859.     C.  Genf:  1838-55. 

**)  exclusive  Jahrgang  1871,  der  mir  fehlte. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Aetiologie.  879 

selben  ergiebt  sich  ferner,  dass  rlie  Todesfalle  an  Pleuritis  im  Kindes- 
alter  seltener  sind,  als  in  den  mittleren  nnd  höheren  Altersklassen.  Die 
Zahlen,  aus  welchen  sich  diese  Thatsache  ableiten  lässt,  sind  derart, 
dass  sie  auch  ohiie  Berücksichtigung  der  Zahl  der  Lebenden  in  den  ver- 
schiedenen Altersklassen,  die  gezogene  Schlussfolgerung  erlauben.  Ich 
verzichte  daher  auf  die  Mittheilung  von  Zahlen;  wer  die  Berechnung 
anstellen  will ,  den  verweise  ich  auf  die  Tabellen  S.  158  und  576  in 
Oesterlen's  medie.  Statistik.  Nur  ein  Beispiel:  die  Anzahl  der  Le- 
benden in  der  Altersklasse  von  0—5  und  von  30—40  Jahren  beträgt 
annähernd  das  Gleiche.  Die  Anzahl  der  innerhalb  8  Jahren  in  England 
an  Pleuritis  verstorbenen  Kinder  von  0 — 5  Jahren  ist  241 ;  die  im  glei- 
chen Zeitraum  an  Pleuritis  verstorbenen  Erwachsenen  im  Alter  von 
SO — 40  Jahren  Ijetragen  362.  Wir  können  somit  das  Bisherige  zusam- 
menfassend sagen  : 

3)  Die  Pleuritis  kommt  im  Kindesalter  seltener 
vor,  als  in  den  mittleren  und  höheren  Altersklassen. 

4)  Primäre  Pleuritis  kommt  im  ersten  Lel^ensjahre 
seltener  vor  als  in  der  spätem  Kindheit;  sie  ist  ferner 
vom  10.  Lebe  nsj  ahre  au  bis  zum  15.  seltener,  als  im  ersten 
Lebens-Decennium. 

Nimmt  man  die  secundären  Pleuritiden  hinzu,  so  wird  das  erste 
Lebensjahr  etwas  stärker  belastet  durch  die  von  puerperaler  Infectiou 
und  von  Umbilical-Phlebitis  herrührenden  secundären  Pleuritiden.  Da 
aber  Masern  und  Scharlach  im  ersten  Lebensjahre  selten  sind,  so  auch 
die  diesen  Erkrankungen  ziemlich  häufig  nachfolgenden  secundären  Pleu- 
ritiden. Die  Häufigkeit  der  secundären  Pleuritiden  in  den  ersten  drei 
Lebensjahren  wird  ferner  gesteigert  durch  die  auf  Katarrhalpneumonie 
folgende  Pleuritis.  Sowie  wir  die  secundären  Pleuritiden  hinzunehmen, 
werden  die  Verhältnisse  noch  verwickelter-,  und  man  sieht  ein ,  dass  aus 
diesem  Grunde  jede  Statistik,  die  nicht  sorgfältig  auswählt,  in  ihrem 
Werthe  sehr  herabgedrückt  wird.  Cli.  West  hält  gewiss  mit  Recht  die 
secuudäre  Pleuritis  in  den  ersten  5  Lebensjahren  für  jnindestens  ebenso 
häufig  als  in  den  späteren  Abschnitten  des  kindlichen  Alters;  ebenso 
sprechen  sich  B  a  r  t  h  e  z  und  R  i  1 1  i  e  t  aus. 

Die  primäre  Pleuritis  betrifft  in  der  grössten  Mehrzahl  der  Fälle 
nur  eine  Seite.  Das  Gleiche  gilt  von  den  secundären  Pleuritiden,  wenn 
auch  unter  diesen  einige  sind,  wie  die  auf  Pyämie ,  Septichämie,  puer- 
perale Infeetion  und  auch  die  auf  Katarrhalpneirmonie  folgenden,  welche 
gerne  doppelseitig  auftreten. 

Die  p  r  i  m  ä  r  e  Pleuritis  kommt  etwas  häufiger  auf  der  linke  n 
als  rechten  Seite  vor*j.  Fasse  ich  die  von  ßarthez  und  Rilliet, 
Ziemssen,  Steffen,  Bednar  und  Henoch  publicirten  Stati- 
stiken zusammen,  so  erhalte  ich  341  Fälle.  Von  diesen  sind  161  links- 
seitige (4  7  p.  Ct.),  139  rechtsseitige  (40,7  p.  Ct.)  und  41  beiderseitige 
12,3  p.  Ct.)  Pleuritiden. 

Die  Berichte  des  k.  k.  allg.  Krankenhauses  in  Wien  vom  Jahre 
1758—74  (exclus.  Jahrg.  1871)  enthalten  3623  dem  Sitze  nach  bekannte 


*)  Diese  Thatsache  war  bereits  V  a  1  .s  a  1  v  a  und  B  o  n  n  e  t  bekannt. 


Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Pleuritiden;  davon  treffen  18-17  (51  p.  Ct.)  auf  die  linke,  1621  (44,7 
p.  Ct.  auf  die  rechte,  155  (4,3  p.  Ct.)  auf  beide  Seiten. 

Es  muss  zwar  zugegeben  werden,  dass  alle  dietie  Statistiken  primKre 
und  secundäre  Pleuritiden  gemischt  enthalten.  Nichtsdestoweniger  ist 
aber  der  Schluss,  den  wir  hinsichtlich  des  Sitzes  der  primären  Pleuritis 
zogen,  gerechtfertigt.  Das  Folgende  mag  diess  zeigen.  Die  auf  Katar- 
rhalpneumonie folgenden  Pleuritiden  sind,  wie  die  Katarrhalpneumonien 
selbst,  häufig  doppelseitig;  kommt  es  zu  grösseren  Ergüssen,  was  beson- 
ders in  den  lentescirenden  Formen  der  Katarrhalpneumonie  vorkommt, 
immerhin  aber  selten  ist ,  so  kann  diese  Pleuritis  ebensogut  eine  recht- 
wie  linkseitige  sein.  Eine  Präponderanz  der  Seite  existirt  für  diese  Fälle 
nicht.  Häufiger  als  die  Katarrhalpneuraonie  führt  die  croupöse  Pneu- 
monie zu  Pleuritis  mitEvguss.  Beim  Erwachsenen  ereignet  sich  diess  in 
etwa  5  p.  Ct.  der  Fälle.  Die  croupöse  Pneumonie  ist  aber  sowohl  beim 
Erwachsenen  als  auch  bei  Kindern  häufiger  rechts  als  links  (vergl. 
B  a  r  t  h  e  z  und  R  i  1 1  i  e  t,  Z  i  e  m  s  s  e  n  u.  A.)  Demgemäss  wird  auch 
bei  secundärer  Pleuritis  nach  croupöser  Pneumonie  erstere  häufiger  rechts- 
als  linksseitig  sein.  Da  nun  auch  alle  üljrigeu  secundären  Pleuritiden 
eine  Prädilection  der  linken  Seite  nicht  involviren,  so  dürfen  wir  die  ge- 
fundenen unterschiede  in  den  gemischten  Statistiken  als  solche  ansehen, 
die  vorzugsweise  durch  die  primären  Pleuritiden  hervorgerufen  sind.  Wir 
sagen  daher : 

5)  Die  pi'iiiiäre  Pleuritis  kommt  etwas  häufiger  auf 
der  linken  als  rechten  Seite  vor;  sie  ist  ferner,  ebenso  wie 
die  secundäre  Pleuritis  ungleicli  häufiger  ein-  als  dop- 
pelseitig. 

Pathologie. 

K  r  a  n  k  li  e  i  t  s  1j  i  1  (1  und  K  r  a  n  k  li  e  i  t  s  v  e  r  1  a  u  f.    A  u  s  g  ä  n  g  e  und 
Dauer.    0  o  m  p  1  i  c  a  t  i  o  n  e  u. 

Das  Kranklieit.sbild  der  Pleuriti-s  bietet  ausserordentliche  Verschie- 
denheiten dar.  Diese  betreti'en  in  erster  Linie  den  Beginn  derEr- 
kraukun  g.  Schildern  wir  die  Extreme  in  dieser  Hinsicht,  die  acute 
und  die  schleichende  Form,  die  Zwischenformen  (subacuten  Fälle)  er- 
geben sich  dann  von  selbst.  Bei  der  acuten  Form  beginnt  die  Krankheit 
in  stürmischer  Weise  mit  allen  Erscheinungen,  welche  auf  eine  acute 
Entzündung  der  Lunge  oder  der  Pleura ,  was  um  diese  Zeit  gewöhnlich 
noch  nicht  zu  entscheiden  ist,  hinweisen.  Hohes  Fieber  und  dadurch 
Ijedingte  Erscheinungen  von  Seite  des  Pulses,  der  Respiration,  der  Kör- 
perwärme ,  des  Gehirnes  (Convulsionen ,  Eklampsien) ,  bei  älteren  Kin- 
dern auch  Frosterscheinungen,  ferner  Kurzathmigkeit  und  stechende 
Seitenschmerzen,  kurze  schmerzhafte  Hustonstösse ,  Unruhe  und  Schlaf- 
losigkeit eröffnen  die  Scene.  Hält  sich  die  anfängliche  Temperatur- 
steigerung annähernd  auf  der  gleichen  Höhe  und  zögert  die  Exsudation, 
so  können  Tage  vergehen  bis,  besonders  bei  Kindern,  die  Diagnose  Pleu- 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  881 

ritis  oder  Pneumonie  zur  Entscheidung  reift.  Pleuritisches  Reiben  kann 
um  diese  Zeit  differential  -  diagnostisch  nur  dann  von  Bedeutung  sein, 
wenn  es  über  eine  grössere  Strecke  des  Thorax  ausgedehnt  wahr- 
genommen wird,  und  gleichzeitig  eine  Dämpfung  dieser  Stelle  fehlt. 
Alsbald,  für  gewöhnlich  schon  nach  3—4  Tagen,  machen  sich  die  cha- 
rakteristischen Zeichen  eines  Flüssigkeits  -  Ergusses  in  den  Pleuraraum 
(Näheres  hierüber  in  der  Symptomatologie)  geltend ;  die  Temperatur  des 
Kranken  zeigt  morgendliche  Remissionen ,  später  Intermissionen ,  wäh- 
rend bald  mehr ,  bald  minder  erhebliche  abendliche  Steigerungen  fort- 
bestehen.  Im  günstigen  Falle  hört  die  Exsudation ,  nachdem  sie  viel- 
leicht einen  mittleren  Stand  erreicht  hat,  auf,  es  erfolgt  Resorption  ; 
das  Fieber  und  die  davon  abhängigen  zahlreichen  Erscheinungen  ver- 
lieren sich  allmählig,  ebenso  die  Dyspnoe,  der  Schmerz,  die  Schlaflosig- 
keit und  Unruhe.  In  2  — 4  Wochen  kann  völlige  Wiedergenesuug  ein- 
getreten sein ,  wobei  oft  gerade  der  letzte  Rest  des  Exsudates  am  hart- 
näckigsten der  Resorption  widersteht. 

Ein  so  günstiger  Ausgang  in  relativ  kurzer  Zeit  wird,  was  die 
Gutartigkeit  der  Erkrankung  anlangt,  nur  noch  von  jenen  Fällen  über- 
troifen,  wo  es  überhaupt  nicht  zu  nachweisbarer  Exsudation  kommt,  wo 
die  vielleicht  unter  stürmischen  Erscheinungen  in  Scene  tretende  Pleu- 
ritis eine  trockene  bleibt ,  die  schon  nach  wenigen  Tagen  in  Heilung 
übergeht. 

Die  Exsudation,  die  wir  in  dem  eben  gezeichneten  Krankheitsbilde 
bis  zu  mittlerer  Grösse  anwachsen  Hessen,  kann  eine  sehr  rapide  sein, 
so  dass  innerhalb  weniger  Tage  fast  der  ganze  Pleuraraum  von  Exsudat 
erfüllt  ist ;  oder  was  häufig  vorkommt ,  die  Exsudation  hält  wohl  meh- 
rere Tage  inne ,  unter  Abnahme  der  schwersten  Krankheitssymptorae, 
um  plötzlich  wieder  zu  beginnen  und  bis  zu  extremen  Graden  fortzu- 
schreiten. In  solchen  Fällen  kommt  es  aus  Gründen,  die  wir  später  ent- 
wickeln werden,  zu  den  höchsten  Graden  von  Dyspnoe  und  Cyanose,  zu 
den  bekannten  Folgen  der  CO2  -  üeberladung  des  Blutes,  zu  Ermüdung, 
später  Lähmung  des  Athmungs  -  Centrums ,  welche  unter  Unzählig- 
werden der  Herzschläge  sufibcatorischen  (asphyktischen)  Tod  zur  Folge 
hat.  Der  Troikart  wirkt  in  solchen  Fällen  ,  bei  rapid  ansteigenden  Ex- 
sudaten, oft  lebensrettend. 

Ungleich  häufiger  als  die  soeben  geschilderten  Verlaufsarten  sind 
die  Fälle,  wo  nach  stürmischem  Beginne  und  nach  Tagen  schwerer  Er- 
krankung die  Exsudation  stille  steht,  die  Krankheitserscheinungen  sich 
massigen,  aber  die  Resorption  ausbleibt.  Abendliche  Fiebererschei- 
nungen bestehen  fort.  Die  Resultate  der  Untersuchung,  von  8  zu  8 
Tagen  mit  einander  verglichen,  zeigen  vielleicht  sogar  eine  allmählige 

Handb.  d.  Kinderkraukheitcu.    III.  2,  ^" 


382  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

Zunahme  des  Exsudates.  Diese  verschleppten  oder  chronisch  gewordenen 
Fälle  einer  in  ihrem  Beginne  acuten  exsudativen  Pleuritis  sind  die  häu- 
figsten. Ihre  Ausgänge  sind  verschieden.  Im  günstigsten  Falle  kommt 
es  zuspäter,  aUmähliger  Resorptio  n  ,  mi  t  voll  iger  W  i  e- 
derentfaltung  der  Lunge,  nachdem  die  Kinder  durch  das  inter- 
mittirende  Fieber  hochgradig  entkräftet  und  abgemagert  sind.  Oder: 
die  Resorption  erfolgt  zwar ,  indess  zu  einer  Zeit ,  wo  die  lange  compri- 
inirte,  bindegewebig  indurirte ,  derb  verwachsene  Lunge  nur  zu  einem 
vielleicht  geringen  Theil  wieder  entfaltungsfähig  ist.  Es  kommt  zu  den 
schon  früher  erwähnten  Erscheinungen  des  Retrecissement  tho- 
raci  que.  Die  Thoraxseite  sinkt  ein,  die  Rippen  treten  einander  näher, 
zuweilen  sogar  übereinander ,  die  Wirbelsäule  wird  nach  der  gesunden 
Seite  convex  ausgebeugt ,  die  Schulter  mit  dem  weiter  abstehenden 
Schulterblatte  tritt  tiefer,  Herz  und  Mediastinum  sowie  das  Zwerchfell 
werden  herbeigezogen ,  Alles  diess ,  um  den  Raum  zu  erfüllen ,  welchen 
das  in  die  Lj-mph-  und  Blutgefässe  zurückkehrende  Exsudat  vorher  ein- 
nahm. Oder  endlich:  das  chronisch  seröse  Exsudat  wird  eitrig,  es 
kommt  zur  Bildung  eines  Empyems ,  eines  Pyothorax.  Damit  sind  die 
Aussichten  auf  spontane  Resorption  vernichtet.  Heilung  ist  auf  dem 
oben  (S.  871)  geschilderten  Wege  nur  möglich  nach  spontaner  oder 
künstlicher  Entleerung  des  Eiters ,  der  bald  durch  den  Intercostalraum 
nach  aussen  bricht  (Empyema  necessitatis) ,  bald  durch  die  Bronchien 
der  comprimirten  Lunge.  Der  Verlauf  des  Empyems  ist  stets  ein  chro- 
nischer. Das  remittirende  oder  intermittirende  Fieber ,  das  die  chroni- 
sche exsudative  Pleuritis  zu  begleiten  und  mit  dem  Eintritt  des  Em- 
pyems häufig  noch  gesteigert  aufzutreten  pflegt,  consumirt  die  Körper- 
krilfte  und  führt  zu  den  extremsten  Graden  von  Abmagerung,  zum  Tode 
durch  Marasmus. 

Der  Schilderung  dieser  acut  auftretenden,  acut,  subacut  oder  chro- 
nisch verlaufenden  Pleuritiden  lassen  wir  eine  hinsichtlich  ihres  Be- 
ginnes total  verschiedene  Form  folgen,  welche  wir  die  sohl  eich  ende 
nennen.  Die  Krankheit  beginnt  hier  so  allmälilig,  mit  so  geringfügigen 
Erscheinungen,  dass  zur  Zeit,  wo  der  Kranke  in  Behandlung  tritt,  häufig 
der  Anfangstermin  der  Erki-ankung  nur  annähernd  bestimmt  werden 
liaiui. 

Die  ersten  Erscheinungen ,  welche  bei  Kindern  beobachtet  werden, 
sind  unbedeutendes ,  oft  wenig  beachtetes  Hüsteln ,  massige,  hie  und  da 
auftretende  Schmerzen  im  Rücken  oder  an  der  Seite ,  Appetitmangel, 
lilasses  kränkelndes  Aussehen,  Abmagerung,  trauriges  niedergeschla- 
genes Wesen,  Dyspnoe  beim  Laufen,  unruhiger  Schlaf,  hin  und  wieder 
Frösteln ;  die  nie  ganz  fehlenden  Fiebererscheinungen  sind  so  unbe- 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  883 

deutend,  das.s  sie  den  Angehörigen  unbemerkt  bleiben.  Häufig  ist  es 
die  Befürchtung  einer  drohenden  »Auszehrung«,  welche  die  Angehö- 
rigen der  Kinder  veranlasst,  diese  dem  Arzte  vorzuführen. 

Bei  der  Untersuchung  ist  man  überrascht,  ein  oft  massenhaftes,  die 
ganze  Brusthälfte  erfüllendes  Exsudat  anzutreffen. 

Z  i  e  m  s  j^  e  n  erzilhlt ,  dass  ilun  zweimal  Kinder  mit  abundantem 
Exsudate  zur  Beobachtung  kamen,  deren  anscheinendes  Wohlbefinden 
mit  ihren  Klagen  über  Mattigkeit  u.  s.  w.  den  Eltern  so  wenig  in  Ein- 
klang zu  stehfu  schienen,  dass  letztere  „)Schulkrankheit"  vermutheteu. 
Untersucht  man  die  Falle  dieser  Art  genauer,  so  wird  man  abendliche 
Temperatursteigerungen  massigen  Grades  wohl  selten  vermissen. 

In  einem  Falle,  den  ich  beobachtete,  war  die  Temperatursteige- 
rung nur  alle  zwei  bis  drei  Tage  beobachtet  worden  und  hatte  den  Ver- 
dacht auf  Intermittens  erweckt,  wesswegen  der  Kranke  bereits  22  Grm. 
Chinin  verabreicht  erhalten  hatte.  Gerade  in  solchen  Fallen  feiert  die 
physikalische  Diagnostik  ebenso  leichte  als  eklatante  Triumphe,  indem 
zwei  bis  drei  Percussionsschläge  genügen,  um  die  Pleuritis,  die  man 
fiiiher  wohl  eine  PI.  occulta,  clandestina,  latens,  insidiosa,  notha  oder 
spuria  nannte ,  zu  erkennen.  Diese  schleichende  Form  kommt  sowohl 
piimar  vor  ,  als  auch  secundUr  ,  nach  überstandener  Pneumonie  ,  nach 
Keuchhusten ,  Masern  und  anderen  Infectionskrankheiten. 

Eine  imischriebene  Pleuritis ,  primäre  sowohl  wie  secundäre  ,  kann 
als  sogenannte  PI.  sicca  verlaufend  in  12 — 24  Stunden  bereits  ihr  Ende  er- 
reicht haben.  Fälle  derart,  wo  unter  Fiebererscheinungen,  Seitenstechen 
und  Husten  eine  scheinbar  ernste  Erkrankung  einsetzt,  deutliches  pleu- 
ritisches  Reiben  vernommen  wird  ,  und  nach  12 — 24  Stimden  vollstän- 
dige Restitutio  ad  integrum  eingetreten  ist ,  werden  sowohl  im  Kindes- 
alter als  auch  bei  Erwachsenen  beobachtet.  Zuweilen  freilich  ist  eine 
solche  Euphorie  nur  eine  subjective  und  die  schleichende,  anfangs  un- 
merkliche Exsudation  schliesst  sich  an  das  acute  Stadium  an. 

Von  so  flüchtiger  Dauer  und  untergeordneter  Bedeutung  sind  lüiufig 
die  trockenen  Pleuritiden,  welche  zu  Pneumonie,  zu  Infarkten  hinzu- 
treten. Bei  Emphysematikern  hal.ie  ich  sehr  oft  umschriebene ,  trockne 
Pleuritiden  mit  unzweifelhaftem  pleuritischem  Eeiben  beobachtet,  die 
ohne  Fiebererscheinungen  auf  Anordnung  Priessnitz'scher  Umschlage  nach 
12 — 24  Stunden  abgelaufen  waren.  Auch  bei  Tuberculosen  ereignen  sich 
solche  flüchtige  (a  b  o  r  t  i  v  e)  Pleuritiden  ,  die  an  und  füi-  sich  von  ge- 
ringer Bedeutung  sind,  nicht  selten. 

Nach  dieser  Schilderung  des  verschiedenartigen  Krankheitsver- 
laufes, den  die  Pleuritis  zu  nehmen  pflegt,  erübrigt  noch,  einzelne 
Folgen  und  Ausgänge  schärfer  ins  Auge  zu  fassen,  insbesondere 
aber  die  Fraee  zu  beantworten:  In  welcher  Weise  beeinflussen 
grössere  pleuritische  Exsudate  den  R  esp  irations-  und 
Circulationsapparat,  welche  Folgen  gehen  aus  dieser 
Einwirkung  für  den  respiratorisch  en  Gas  au  Staus  ch,  für 

56* 


gg4  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

die  Circulation-des  Blutes  im  kleinen  und  grossen  Kreis- 
laufe, für  die  Herza  rbeit  hervor ;  in  welcher  W  eise  wirkt 
ferner  ausser  diesen  durch  den  Exsudatdruck  gesetzten  Veränderungen 
auch  noch  das  die  acute  exsudative  Pleuritis  begleitende  Fieber? 

Wir  wählen  als  Beispiel,  an  dem  wir  die  schädlichen  Einwirkungen 
auf  Respirations-  und  Circulationsapparat  deduciren  wollen ,  einen  Fall 
von  acuter  Pleuritis  mit  rasch  ansteigendem  Exsudate. 

1.  Das  Exsudat  verhindert  di  e  respiratorischen  Ex- 
cursionen  der  betreffenden  Thoraxhälfte  und  Lunge, 
comprimirt  letztere  und  verkleinert  so  die  athmende 
Gesammtoberfläche. 

Durch  die  theilweise  comprimirte  Lunge  fliegst  immer  noch  Blut  aus 
dem  rechten  Ventrikel  in  den  linken  Yorhof  hinüber;  da  in  der  com- 
primirten  Lunge  wegen  Mangels  genügender  Athmungsexcursionen  der 
respiratorische  Ga.saustausch  schwer  darniederliegt,  so  fliesst  auf  diesem 
Wege  grossentheils  venöses  Blut  nach  dem  linken  Vorhof.  Schon  hier- 
aus kann  unter  Umstunden  eine  geringe  CO'  Vermehrung  des  arteriellen 
Blutes  resultiren. 

2.  D  i  e  V  e  r  k  1  e  i  n  e  r  u  n  g  d  e  r  a  t  h  m  e  n  d  e  n  G  e  s  a  m  m  t  o  b  e  r- 
fläche  d  u  r  c  h  L  u  n  g  e  n  c  0  m  p  r  e  s  s  i  o  n  hat  u  n  g  e  n  ü  g  e  n  d  e  V  e  n- 
tilation  des  Blutes,  vermehrt  e  CO^ -Ansammlung  im  ar- 
teriellen und  V  enösen  B  lute  zur  Folge. 

Die  Kohlensiiurevermehrung  im  Blute  wird  ausserdem  noch  etwas 
gesteigert  1)  durch  die  CO'  vermehrende  Wirkung  des  Fiebors,  2) 
durch  die  UO'  Mengen,  welche  liei  der  gesteigerten  Thätigkeit  der  Ath- 
mungsmuskeln  gebildet  werden. 

Mit  der  CO^-Vermehrung  des  Blutes  treten  aber  auch  compen- 
sirende  Einflüsse  in  Thätigkeit: 

3.  Die  00 --An Sammlung  im  Blute  reizt  das  in  derMe- 
dulla  gelegene  Athmungscentrum  zu  vermehrter  Thä- 
tigkeit. Häufigere  und  tiefe  reAthemzüge  sind  dieFolge 
h  i  e  v  o  n. 

4.  Mit  der  Compression  einer  Lunge  wird  das  dieser 
angehörige  Gefässgebiet  der  Pulmon  ar  -  Ar  ter  ie  com- 
primirt und  bei  totaler  Lungen -Compression  mehr  oder 
minder  vollständig  verschlossen. 

Dem  Abfluss  des  Blutes  aus  dem  rechten  Herzen  in  den  linken  Vor- 
hof stehen  durch  diese  erhebliehe  Verkleinerung  (VersehmHleruugj  der 
Allflussbahn,  deren  Querschnitt  fast  um  die  Hälfte  verringert  wurde,  er- 
heblich gesteigerte  Widerstände  im  Wege. 

5.  VollkommeueCompensation  de rCirculation  tritt 
ein,  wenn  der  recht e  Ventrikel  dieselbe  Quantität  Blut 
wie  früher  in  der  gleichen  Zeit  durch  das  fast  um  die 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Pathologie.  885 

Hälfte  verkleinerte  (verschmälerte)  pulmonale  Gefäss- 
gebiet  in  den  linken  Vorhof  treibt. 

Geschieht  diess ,  so  hat  die  Arbeitsgrüsse  des  rechten  Ventrikels 
(=^V2pv'-|-ph)  zugeuommen,  weil  die  Grüsse  ph,  die  zur  Ueberwindung 
der  Widerstände  geleistete  Arbeit,  erheblich  grösser  geworden  ist. 

Ist  der  normal  dicke  rechte  Ventrikel  im  Stande, 
diese  oft  sehr  rasch  an  ihn  herantretende  Steige- 
rung der  Arbeitsg rosse  zu  leisten?  Die  Antwort  muss 
selbstverständlich  und  erfahrungsgemäss  verschieden,  fiir  manche  Fälle  je- 
denfalls bejahend  gegeben  werden.  In  dem  Maasse,  als  das  rechte  Herz 
die  gesteigerte  Arbeit  biuifig  leistet,  h  y  p  e  r  t  r  o  p  h  i  r  t  es  ( A  r  b  e  i  t  s- 
h  y  p  e  r  t  r  0  p  h  i  e)  ;  die  Anzahl  und  der  Querschnitt  der  contraktilen 
Elemente  nimmt  zu  und  damit  auch  die  Leistungsfähigkeit;  ist  der 
Ventrikel  hypertrophisch  geworden ,  so  leistet  er  die  Aufgabe  leichter, 
denn  es  ti'ifft  nun  bei  Leistung  derselben  Arbeitsgrösse  wie  vorher  auf 
1  ü  Mui.  des  Muskelcjuerschnittes  ein  geringerer  ßruchtheil  der  gelei- 
steten Arbeitsgrösse.  Bliebe  die  Hypertrophie  aus ,  so  würde ,  da  die 
Ermüdung  mit  der  Belastung  bekanntlich  steigt,  und  zwar  viel  rascher 
als  die  Belastung,  sehr  bald  Insufficienz  mit  ihren  Folgen  zu  Tage  treten. 
Es  ist  nun  auch  einleuchtend,  dass,  je  rascher  die  Widerstände  anwach- 
sen, je  schneller  die  Compression  erfolgt,  je  rapider  das  Exsudat  ansteigt, 
um  so  ungünstiger  die  Verhältnisse  liegen.  Geschieht  die  Compression 
allmählig,  sIeigt  das  Exsudat  langsam,  so  steigen  auch  die  Widerstände 
im  Pulmonalkreislauf  allmählig  und  der  rechte  Ventrikel  hat  Zeit,  durch 
allmählige  Hypertrophie  den  wachsenden  Ansprüchen  oder  Widerständen 
mit  wachsender  Hypertrophie  zu  begegnen. 

6.  Die  Steigerung  der  Arbeitsgrösse  und  die  Hyper- 
trophie des  rechten  Herzens  ist  aber  nicht  allein  für  die 
Compensation  der  Circulation,  die  normalmässige  Fül- 
lung des  linken  Herze nsvon  grösster  Bedeutung,  von 
fast  ebenso  grosser  für  den  respiratorischen  Gasaus- 
tausch in  den  Lungen. 

Wenn  der  rechte  Ventrikel  dieselbe  Quantität  Blut  in  dersel!.ien 
Zeit  durch  die  eine  noch  durchlässige  Lunge  nach  dem  linken  Herzen 
liefern  soll,  so  kann  diess  geschehen  entweder  durch  eine  um  das  Dop- 
pelte gesteigeiie  Strömungsgeschwindigkeit ,  oder  bei  gleichbleibender 
Stromschnelle  durch  eine  eben  so  beträchtliche  Erweiterung  der  noch 
functionirenden  und  offenen  Pulmonalgefässbahn ,  oder  endlich  dadurch, 
dass  beide  Einflüsse  sich  zweckmässig  verbinden  und  zusammenwirken. 
Dieser  letztere  (combiniiie)  JModus  der  Compensation  findet  statt;  er  ist 
weitaus  der  günstigste  unter  den  möglichen  Fällen,  günstig  sowohl  für 
den  Ventrikel  und  seine  zu  leistende  Arbeitsgrösse,  als  auch  günstig  für 
die  Zwecke  des  respiratorischen  Gasaustausches. 

7.  Die  Elasticität  und  Dehnbarkeit  der  Pulmonal- 
Gefässe  erleichtert  dem  rechten  Herzen  wesentlich  die 
gesteigerte  Arbeit. 


886  Ki-ankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Ein  sehr  einfacber  und  lehrreicher  Versuch  zeigt  diess.  Lässt  man 
unter  ganz  gleichen  Verhiiltnisseu  dieselben  Druckkräfte  stossweise  wir- 
ken auf  ein  dehnbar  elastisches  und  ein  starres  Eohr,  in  welchem  sonst 
ganz  gleiche  Widerstände  vorhanden  sind ,  so  fliesst  durch  das  dehnbare 
Eohr  in  der  Zeiteinheit  bedeutend  ruehr  Flüssigkeit  als  durch  das  starr- 
wandige. 

Die  Blutgefässe  der  Lunge  setzen  ihrer  Mehr  au  s- 
dehnung  einen  relativ  g  e  r  i  n  g  e  n  W  i  d  e  r  s  t  au  d  entgegen, 
weil ,  vermöge  der  eigenthümlichen  anatomischen  Anordnung  der  Blut- 
gefässe in  den  Lungen,  jener  Widerstand,  welchen  die  die  Gefässe  umge- 
henden Gewebe  der  Mehrausdehnung  entgegensetzen,  hier  geringer  ist, 
als  anderswo  im  Körper. 

Mit  der  Mehrausdehnung  der  Gefässe  der  einen  noch  funetioni- 
renden  Lunge  wächst  die  respirirende  Oberfläche  derselben,  welche  dem 
Querschnitt  sämmtlicher  Capillaren  proportional  ist.  Diese  Vergrösserung 
der  respirirenden  Oberfläche  erleiolitert  die  Bedingungen  des  respiratori- 
schen Gaswechsels  und  vermindert  dadurch  die  gesteigerte  Arbeit  der 
Athemmuskeln,  welche,  ohne  diese  Vergrösserung  der  respirirenden  Ober- 
fläche, eine  für  die  Dauer  unerträglich  hohe  Mehrleistung  zu  vollführen  hätten. 

Der  rechte  Ventrikel  hält  der  elastischen  Kraft,  mit  welcher  die  er- 
weiterten Pulmonalgefässe  in  ihre  Ruhelage  zurückstreben,  das  Gleicb- 
gewicht  und  leistet  ceteris  paribus  schon  dadurch  erhöhte  Arbeit.  Wäre 
die  Ausdehnungsfähigkeit  der  Lungengefässe  eine  unbegrenzte,  so 
würde  es  zur  vollständigen  Gonipensation  genügen  ,  wenn  die  Ventrikol- 
kraft  um  so  viel  wachsen  würde,  dass  sie  im  Stande  wäre,  die  Gefäss- 
bahn  der  einen  Lunge  um  das  Doppelte  zu  erweitern.  Dann  würde 
durch  die  eine  Lunge  dieselbe  Menge  Blut  in  der  gleichen  Zeit  mit  der- 
selben Geschwindigkeit  strömen,  als  vorher  durch  beide  Lungen.  Aber 
eine  solche  Ausdehnung  um  das  Doppelte  findet  nicht  statt  uud  wäre 
auch  für  den  respiratorischen  Zweck ,  mit  Hinsieht  auf  das  räumliche 
Verhalten  der  Capillaren  zum  Flächen-  und  Cubikraum  der  Alveolen  nicht 
günstig.  Was  also  durch  Erweiterung  des  verengten  Strombettes  nicht 
geleistet  werden  kann,  wird  auf  anderem  Wege,  durch  eine  Zunahme 
der  Strömungsgeschwindigkeit  compensirt.  Wenn  dieselbe  Quan- 
tität Blut  in  derselben  Zeit  durch  eine  engere  Röhre  ausströmen  soll, 
so     muss     nach     hydraulischen     Gesetzen     die     Geschwindigkeit 

=  -^1  wachsen,  und  diess  ist  unter  den  angezogenen  Verhältnissen 
r-TT/  "      "^ 

nur  möglich  durch  eine  Steigerung  der  Triebkraft  (der  Ar- 
beit) des  rechten  Herzens.  Bezeichnet  man  mit  h  die  Druckkraft, 
mit  g  die  Geschwindigkeit,  mit  w  die  Widerstände,  so  sind  in  dem  von 
uns  betrachteten  Falle  vollständiger  Compensation  sämmtliche  Glieder 
des  Ausdruckes  h=g-|-w  grösser  geworden. 

8.  Die  Compensation  des  Circula tionshindernisses 
wird  vom  rechten  Ventrikel  sfeleistet  durch  eine  solche 
Erhöhung  der  Triebkraft  (A  r  b  ei  tsg  rosse) ,  welche  im 
Standeist,  nicht  allein  die  vermehrten  Widerstände  im 
kleinen  Kreislauf  zu  überwinden,  .sondern  auch  dieStrö- 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  887 

mungsgeschwindigkeit  des  Blutes  in  den  Pulmonal-Ge- 
fässen  entsprechen  d  zn  steigern,  und  zwar  so  zu  steigern, 
dass  der  linlie  Ventrikel  dieselbe  Quantität  Blut  in  der 
gleichen  Zeit  zugeführt  erhält,  wie  früher. 

9.  DieCompensation  aber  ist  eine  vollständige,  wenn 
1)  durch  die  eine  nicht  comprimirte  Lunge  dieselbe 
QiiantitätBlut  in  der  selben  Zeit  nach  dem  linkenHerzen 
hinüberfliesst,  wie  vorher  durch  beide  normale  Lungen, 
und  wenn  2)  d  i  e  De  carboni  sat  ion  dieses  Blutes  in  den 
Lungen  (durch  häufigere  und  tiefere  Athenizüge)  ganz 
in  derselben  genügenden  Weise  erfolgt,  wie  unter  nor- 
malen Verhältnissen. 

Wir  haben  bei  der  bisherigen  Betrachtung  der  CorDpensation  der  Cir- 
culation  und  Respiration  nach  Ausschaltung  einer  Lunge  und  Compres- 
sion  ihrer  Gefässe  einen  Faktor  gänzlich  ausser  Acht  gelassen,  nämlich 
die  Frequenz  der  Herzcontraktionen. 

Mehrere  Einflüsse  wirken  zusammen ,  um  in  Fällen  von  Pleuritis 
mit  rasrh  steigendem  Exsudate  die  Anzahl  der  Herzcontraetionen  zu  ver- 
mehren. Einmal  ist,  wie  physiologische  Erfahrungen  lehren,  schon  die 
Steigerung  der  Frequenz  und  Tiefe  der  Athemzüge 
an  und  für  sieh  von  einer  vermehrten  Schlagfolge  des  Herzens  gefolgt, 
sodann  wirkt  in  gleichem  Sinne  das  die  Pleuritis  begleitende  Fieber; 
endlich  hat  die  Vermehrung  des  Widerstandes  im  kleinen 
Kreislauf,  die  Drucksteigerung  in  der  auf  die  Hälfte  verschmälerten 
Lungenblutbahn  Vermehrung  der  Zahl  der  Herz-Contraktionen  zur  Folge. 
Eine  massige,  gewisse  Grenzen  nicht  überschreitende  Zunahme 
der  Frequenz  der  Herzschläge  ist  bei  rasch  anstei- 
genden, die  Lunge  com  primir  enden  Exsudaten  häufig 
von  Vortheil,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  Da  bei  Aeuderuu- 
gen  in  der  Häufigkeit  der  Herzschläge  innerhalb  gewisser  Grenzen  die 
Dauer  der  Systole  ziemlich  constant  bleibt,  so  kommt  die  Verkürzung 
der  ganzen  Herzaktion  bei  rascherer  Schlagfolge  desselben  ausschliesslich 
auf  den  diastolischen  Zeitraum ;  die  kürzer  dauernde  Diastole  hat  aber 
geringere  Füllung  des  Ventrikels  zur  Folge,  und  die  Folge  hievon  ist, 
dass  die  E  i  n  z  e  1  contraktion  des  Ventrikels  nun  weniger  Arbeit  leistet; 
die  Grösse  p,  die  Menge  des  durch  eine  Contraktion  aufgeworfenen  Blu- 
tes ist  in  der,  die  Arbeitsgrösse  (k)  bestimmenden  Gleichung  k=ph, 
kleiner  geworden.  Dagegen  erleidet  die  miuutliche  Arbeitsgrösse  des 
Herzens  mit  der  Zunahme  der  Schlagfolge  desselben  häufig  keine  Ver- 
änderung; die  Menge  des  in  1'  von  dem  rechten  Herzen  nach  dem  hn- 
ken  gelieferten  Blutes  kann  die  gleiche  sein  bei  grösserer  wie  bei  ge- 
ringerer Frequenz  der  Herzcontraktionen.  Es  fragt  sich  daher,  wie  die 
grössere  Frequenz  unter  Umständen  doch  von  Vortheil  sein  kann ,  ob- 
wohl die  minutliche  Gesammtarbeitleistung  ganz  die  gleiche  ist,  wie  bei 
selteneren  Herzschlägen.  Einige  Erfahrungen  aus  der  Muskelphysiologie 
beantworten  diese  Frage.  Ein  Muskel  ermüdet  sehr  rasch,  wenn  die  Last, 
welche  er   auf   eine  gewisse  Höhe  zu  heben  hat,   dem   überhaupt  mög- 


888  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

liehen  Maximum  sich  nähert.  Es  kann  der  rechte  Ventrikel  sogar  unver- 
mögend sein,  dasselbe  Gewicht  Blut  (Q),  wie  früher,  durch  die  auf  die 
Hälfte  reducirte  Pulmonalgefässbahn  zu  treiben,  wohl  aber  im  Stande 
sein,  in  der  gleichen  Zeit  öfter  kleinere  Quantitäten  q,  (q-|-q=Q),  nach 
dem  linken  Ventrikel  zu  liefern.  Es  ist  für  die  Ermüdung  eines  arbei- 
tenden Muskels  dui-ohaus  nicht  gleichgiltig ,  ob  er  innerhalb  einer  ge- 
wissen Zeit  eine  Last  Q ,  welche  seine  Masimalleistung  darstellt ,  auf 
eine  bestimmte  Höhe  h  bringt ,  oder  ob  er  in  der  gleichen  Zeit  mehr- 
mals eine  kleinere  Last  q  (q-)-q=Q)  auf  dieselbe  Höhe  h  hebt.  Die  Er- 
müdung fällt  im  letzteren  Falle  häufig  geringer  aus  als  im  ersteren. 

Ueberschreitet  aber,  wie  in  sehr  vielen  Fällen,  die  Frequenz  der 
Herzschläge  eine  gewisse  Grenze,  so  sinken  die  Contraktionskräfte  rasch, 
weil  zwischen  je  zwei  Zuckungen  eine  zu  kurze  Zeit  der  Erholung  —  zu 
kurz  für  die  Abfuhr  der  Ermüdungsprodukte  —  übrig  bleibt.  Wir  wis- 
sen femer  auch,  dass  bei  einer  so  excessiven  Beschleunigung  der  Schlag- 
folge des  Herzens  die  Ausgiebigkeit  der  Ventrikel-Contraktionen  eine 
geringe  ist,  dass  dabei  l.>esonders  die  Dauer  der  Diastole  sehr  rasch  ab- 
nimmt, so  dass  trotz  sehr  häufigen  Contraktionen  die  Menge  des  in  einer 
bestimmten  Zeit  in  Aorta  und  Pulmonalis  getriebenen  Blutes  erheblich 
abnimmt.  Dadurch  wird,  wie  die  Erfahrungen  im  Fiebei',  die  Versuche 
nach  Vagus-Durchsclmeidung  lehren,  die  Kreislaufszeit  herabgesetzt,  die 
Blutgesehwindigkeit  vermindert,  die  Circulation  verlangsamt,  CO'  im 
Blute  angesammelt. 

Fragen  wir ,  findet  eine  so  vollkommene  Compensatiou  der  Circu- 
lation und  Respiration,  wie  wir  sie  im  Vorhergehenden  schilderten ,  bei 
Lnngen-Compression  durch  acut  anwachsende  Exsudate  statt,  so  muss 
die  Antwort  lauten : 

In  den  seltensten  Fällen  in  so  vollkommener  Weise ,  wie  wir  es 
schilderten.  Meist  ist  das  rechte  Herz  unter  solchen  Umständen  der  er- 
heblich vermehrten  Aufgabe  nii  ht  vollkommen  gewachsen,  die  Fül- 
lung des  linken  Ventrikels  geschieht  weniger  ergiebig,  der  Druck  im 
Aortensystem  sinkt,  das  Venensystem  wird  blutreicher,  der  Druck  daselbst 
steigt.  Dadurch  werden  die  Druckunterschiede  geringer  und  nach  hydrau- 
lischen Gesetzen  ist  Circulationsverlangsamung  die  weitere  wichtige  Folge. 
Si.hon  diese  hat  an  und  für  sich  CO'  Ueberladung  des  Blutes  zur  Folge, 
und  diese  wird  noch  dadurch  gesteigert,  dass  auch  die  gesteigerte  Fre- 
qufU',  und  Tiefe  der  Athemzüge  nicht  genügt,  das  in  der  gleichen  Zeit, 
wie  früher  ,  in  geringei-er  Quantität  und  mit  gesteigerter  Stromschnelle 
dui'ch  die  Lungen  circulirende  Blut  genügend  zu  decarbonisiren.  Wie 
unter  solchen  Umständen  durch  Insufficienz  des  Hertens  und  der  Respi- 
ration der  Tod  durch  Asphyxie  erfolgt,  brauchen  wir  nicht  weiter  aus- 
zuführen. Die  Compensation  der  Circulation  und  Respiration  genügt  aber 
in  zahlreichen  anderen  Fällen,  um  wenigfstens  einen,  die  Bedingungen  des 
Lebens  ermöglichenden,  längere  Zeit  stationären  Zustand  von 
mangelhafter  Entkohlung  des  Blutes,  von  arterieller 
Oligämie  und  venöser  Hyperämie  herbeizuführen.  Wird  das 
Exsudat  chi-onisch,  sinkt  dann  das  Fieber ,  tritt  allmählig  compensirende 
Hypertrophie  des  rechten  Herzens  ein,   so  nähert  sich  auch  der  Zustand 


L  eichten  st  er  11,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie. 

mehr  und  mehr  der  vollkommenen  Compensation:  die  Cyanose  und  Dys- 
pnoS  wird  geringer,  der  Puls  wieder  kräftiger,  die  Harnsekretion  reich- 
licher ,  kurz ,  das  schwere  Symptomenbild ,  das  wir  soeben  andeuteten, 
verschwindet ,  wie  uns  die  Beobachtung  von  Kranken  mit  enormen  chro- 
nischen Pleuraexsudaten  lehrt ,  die  oft  in  der  Ruhe  weder  cyanotisch 
noch  dyspnoetisch  sind. 

Von  ausserordentlicli  grosser  Bedeutung  ist  die  Frage :  Welche 
Umstände  sind  es,  die  das  Zustandekommen  der  Compen- 
sation verhindern  oder  doch  erheblich  erschweren.  Die  Be- 
antwortung dieser  Frage  liefert  uns  wichtige  ther  ap  eutische  Tn- 
dicationen  und  zwar  solche,  denen  wir  nachkommen,  die  wir  praktisch 
realisiren  können. 

1.  In  erster  Linie  nennen  wir  das  Fieber. 

Es  steigert  die  CO'  Menge  des  Blutes  und  stellt  an  die,  ohnediess  durch 
Lungencompression  erheblich  behinderte  Eespiration  neue  gesteigerte  An- 
sprüche. Das  bei  acuter  Pleuritis  mit  rasch  steigendem  Exsudate  vor- 
handene Fieber  ist  meist  ein  continuirliches.  Die  compensatorische  Hy- 
pertrophie und  Mehrleistung  des  rechten  Ventrikels  ,  die  wir  soeben  als 
zur  Compensation  nothwendig  anführten  und  ins  Detail  analysirten,  fin- 
det während  des  hoben  Fiebers  nicht  statt;  im  Gegentheil  wird  die 
Triebkraft  des  Herzens  durch  die  mit  dem  Fieber  einhergehende  paren- 
chymatöse Degeneration  des  Herzmuskels  herabgesetzt ;  das  Fieber 
ist  es  also,  was  häufig  dadurch  die  Erscheinungen  der 
Herz-Insufficienz  herbeiführt,  dass  es  das  Zustande- 
kommen der  comp  e  n  s  ator  i  schenHer  zhy  pertrophie  nicht 
allein  verhindert,  sondern  geradezu  gegentheilig  die 
Herzkraft  schwächt.  Das  fieberermattende  Herz  kann  die  verstärk- 
ten Widerstände  im  kleinen  Kreislauf  nicht  überwinden;  es  kommt  (durch 
Residualblut)  zu  Dilatation  des  rechten  Herzens,  zu  Stauung  des  Blutes 
in  den  Venen,  zu  geringer  Füllung  des  linken  Herzens,  zu  Verlangsa- 
mung der  Circulation ,  zu  mangelhafter  respiratorischer  Entkohlung  des 
Blutes,  zu  C0=  Anhäufung  im  Blute,  zum  Tode  durch  Asphyxie. 

Sinkt  dagegen  das  Fieber,  wird  es  remittirend  oder  intermittirend, 
tritt  die  Pleuritis  in  das  Stadium  der  chronischen,  temporär-fieberlosen 
Exsudation  ein,  so  bessern  sich  die  Bedingungen  der  Circulation  und 
Eespiration,  obwohl  Alles  andere,  namentlich  die  Grösse  des  Exsudates, 
sich  gleich  bleibt;  und  zwar  desshalb  stellt  sich  diese  Besserung  ein, 
weil  mit  dem  Nachlass  des  Fiebers  die  Bedingungen  für  das  Zustande- 
kommen der  Hypertrophie  und  compensatorischen  Mehrleistung  des  rech- 
ten Ventrikels  eintreten. 

Wir  haben  oben  die  schleichende  Form  von  exsudativer  Pleu- 
ritis geschildert  und  gesehen,  dass  dabei  oft  enorme  Exsudate  entstehen 
mit  totaler  Compression  der  Lunge  ohne  schwere  Dyspnof  oder  Cyanose, 
ohne  Erscheinungen  von  Herz-  und  Athmungs-Insuffieienz.  Der  Grund 
dieses  Uerhaltens  liegt  darin,  dass  1)  das  Exsudat  nur  sehrallmäh- 
lig  anwächst;  dann  hat  das  rechte  Herz,  wie  wir  oben  weiter  ausführ- 
ten, Zeit,    den  wachsenden  Widerständen  durch  allmählige  Hypertrophie 


890  Krankheiten  der  Athmungaorgane.     Pleuritis. 

und  compensatorische  Melu-leistung  zu  begegnen ;  2)  entstellen  und  ver- 
laufen diese  schleichenden  Pleuritideu ,  wenn  auch  kaum  jemals  voll- 
kommen fieheifrei ,  so  doch  mit  geringiügigem ,  intermittirendeni  Fie- 
ber; das  Zustandekommen  der  coiiiiiensatorischen  Herzlij-pertrophie  wird 
somit  in  keinem  Augenblick  des  Verlaufes  durch  Fieber  aufgehalten  oder 
gar  verhindert.  Die  beiden  genannten,  wichtigen  Punkte  werden  für  ge- 
wöhnlich gar  nicht  hervorgehoben,  wenigstens  nicht  gebührend  gewür- 
digt. Dagegen  ist  eine  andere  Erklärung  sehr  beliebt  und  gilt  als  voll- 
kommen ausreichend.  Man  sagt:  Individuen  mit  chronischer,  stationärer, 
exsudativer  Pleuritis  sind  abgemagert,  blutarm,  von  geringerem  Körper- 
gewicht; sie  haben  ein  geringeres  0  Bedürfniss  und  liefern  geringere 
CO''  Mengen ;  um  diese  geringeren  CU'  Mengen  durch  die  Respiration 
fortzuschatfen ,  genügt  die  eine  Lunge  ohne  gesteigerte  Athemthätigkeit. 
Dieser,  zum  allgemein  gebrauchten  Schlagwort  gewordenen  Erkläning 
liegt  ein  wahres  Verhälluiss  zu  Grunde*). 

Es  wäre  aber  ein  Leichtes  zu  zeigen ,  dass  Diejenigen ,  welche  sich 
mit  der  zuletzt  erwähnten  Erklärung  allein  befriedigen,  zahlreiche  Mo- 
mente übersehen,  die  im  Stande  sind,  den  supponirten  günstigen  Einfluss 
der  geringeren  absoluten  GO"-Menge  Blutarmer  wesentlich  herabzu- 
setzen. Der  Raum  gestattet  es  nicht,  diesen  Gegenstand  hier  eingehend 
zu  erörtern.  Ich  erinnere  in  Kürze  nur  daran,  dass  ein  blutarmes,  ent- 
kräftetes oder  ein  chlorotisches  Individuum ,  wenn  es  von  einem  rasch 
ansteigenden  Exsudat  laefallen  wird,  gewiss  nicht  günstiger  daran  ist,  als 
ein  gesundes  mit  einem  normalen  Blutgehalt  und  entsprechend  höherer 
Maxim  al-Leistungsfähigkeit  des  Herzens. 

2.  Pleu ritische  Exsudate,  welche  bis  zur  totalen  Re- 
traktion oder  Com  pressi  on  einerLunge  geführt  haben, 
heben  die  Circulationsbef Order nde  ansaugende  Wir- 
kung auf,  die  normalerweise  von  der  ausgespannten  und 
athmenden  Lunge  auf  die  intrathoracischen  Venenstäm- 
me  und  das  Herz  ausgeübt  wird. 

Ueber  die  Grösse  des  Einflusses,  welchen  diese  ansaugende  Kraft  auf 
die  Venen  und  Arterien  des  Thorax  ausübt,  namentlicli  aber  über  die 
daraus  hervorgehenden  in-  und  exspiraturischen  Druckschwankungen  im 
Aorten-System  herrschen,  wie  ich  aus  verschiedenen  irrigen  Angaben 
noch  der  jüngsten  Zeit  ersehe,  häufig  fehlerhafte  Vorstellungen**). 

Diese  ansaugende  Kraft   wirkt  hauptsächlich  auf  das  Blut  in 

*)  Claude  B  e  r  n  a  r  d  ,  Lecons  sur  les  effets  de  substances  toxiques.  Par. 
1857.  S.  122. 

**)  Dass  selbst  Physiologen  über  diese  Verhältnisse  z.  Theil  unrichtige 
Vorstellungen  haben,  geht  deutlich  hervor,  wenn  wir  die  richtige  Darstellung 
dieser  Verhältnisse  in  W  u  n  d  t's  Lehrb.  d.  Physiolog.  (3.  Aufl.  S.  315)  ver- 
gleichen mit  den  diametral  entgegengesetzten  Angaben  in  der  von  Gruen- 
h  a  g  e  n  neu  bearbeiteten  (3.  Aufl.  des  Funk  e'schen  Lehrb.  d.  Physiolog.  1.  Bd. 
S.  110.  Vergl.  besonders  die  Auslegung  der  Curve  Fig.  58  bei  Wundt  und 
Fig.  15  bei  G  r  u  e  n  h  a  g  e  n.  Vergleiche  ferner :  V  o  1  k  m  a  n  n  ,  Hämodyna- 
mik, S.  318 ,  wo  sogar  die  günstige  Wirkung  der  Inspiration  auf  die  Blutbe- 
wegung in  den  Venen  in  Zweifel  gezogen  wird.  Ibidem  S.  349.  Ferner  Va- 
lentin, Pathol.  d.  Blut.  I.  S.  352.  Die  zuverlässigsten  Aufschlüsse  verdanken 
wir  den  bahnbrechenden  Untersuchungen  von  Ludwig,  Müller's  Arch.  1847. 
S.  242  und  Einbrodt,  Moleschott's  Unters.  Bd.  VIL  1860.  S.  312. 


Leichtenstern,  Kranklieiten  der  Pleura.     Pathologie.  89 1 

den  grossen  intrathoracischen  Venenstämmen  ein,  befördert  und  be- 
schleunigt das  Einströmen  desBlutes  aus  den  grossen 
Venen  in  den  Thorax  und  in  das  rechte  Herz.  Die  ansau- 
gende Kraft  der  Lungen  wirkt  aber  auch  auf  das  Herz,  sie  befördert 
die  diastolische  Ausdehnung  der  Ventrikel  und  Vorböfe ;  sie  begünstigt 
so  die  Füllung  des  rechten  Herzens,  dadurch  aber  auch  die  Füllung  des 
linken  Herzens. 

Die  gleiche  inspiratorische  Ansaugekraft  wirkt  natürlich  auch  auf 
die  Arterien  im  Thorax  ein,  sucht  sie  zu  erweitern  und  das  Blut  der- 
selben im  Thorax  zurückzuhalten.  Wenn  aber  die  ansaugende  Kraft  auf 
das  Blut  in  den  Venen  ungleich  stärker  einwirkt,  als  auf  das  Blut  in 
den  Arterien,  wenn  der  „Nutzeffekt"  im  ersteren  Falle  grösser  ist  als 
im  letzteren,  so  bat  diess  darin  seinen  C4rund,  dass  die  dünnwandigen, 
schlaiferen  Venen,  deren  Wandungen  ein  viel  geringeres,  der  Saugkraft 
entgegenwirkendes  elastisches  Contraktionsvermögen  besitzen,  der  ansau- 
genden Kraft  eben  desshalb  auch  geringere  Widerstände  ent- 
gegensetzen,  als  die  dickwandigen  mit  einem  viel  grösseren  ela- 
stischen Contraktionsvermögen  ausgestatteten  Arterien.  Die  ansau- 
gende Kraft  der  Lungen  ülrt  also  einen  grösseren  Nutzeffekt  auf  die 
Venen  aus,  weil  sie  geringere  Widerstände  leisten  als  auf  die  Arterien. 
Bei  der  Einwirkung  derselben  Kraftgrösse  auf  die  Arterien  geht  der 
grösste  Theil  der  inspiratorischen  Saugkraft  nicht  in  eine  Bewegung  der 
Arterienwand  über,  sondern  in  ein  der  Ueberwindung  der  Widerstände 
äquivalentes  Wärmecjuantum.  Der  Nutzeffekt  einer  Kraft  hängt  stets 
auch  von  den  zu  überwindenden  Widerständen  ab.  Wenn  die  dünne 
Wandung  der  intrathoracischen  Venen  gespannt  ist  durch  einen  — 0,1 
bis  — 0,6  Mm.  Hg  betragenden  Druck,  die  dicke  Aortenwandung  da- 
gegen durch  einen  im  Mittel  auf  -|-  130  Mm.  Hg  belaufenden  Druck, 
so  ist  das  Eesultat  einer  gleich  grossen,  in  gleicher  Weise  auf 
beide  Gefässe  einwirkenden  Saugkraft  von  9  Mm.  Hg  bei  ruhiger  In- 
spiration selbstverständlich  verschieden.  —  Die  relativ  geringe  ansau- 
gende Kraft  auf  die  Arterien  kommt  im  Momente  der  kräftigen  Ventri- 
kular-Systole  —  Aortendiastole  —  kaum  in  Betracht,  kann  aber  die 
Arteriodiastole  nur  begünstigen;  sie  wirkt  aber  hemmend  auf  die 
für  die  Zwecke  des  Kreislaufes  sehr  wichtige  elastische  Contraktion  der 
Arterien,  die  Arteriosystole;  sie  wirkt  also  in  diesem  Momente  etwas 
hemmend  auf  die  Geschwindigkeit  des  Ausströmens  des  Arterienblutes 
aus  dem  Thorax ;  der  Effekt  —  Nutz  efiekt  kann  man  es  nicht  nennen  — 
ist  aber  aus  den  angeführten  Gründen  nur  ein  sehr  geringer,  und  kommt 
überhaupt  nur  bei  forcirter  Inspiration  in  Betracht,  wenn  die  An- 
saugekraft auf  30—40  Mm.  Quecksilber  steigt. 

Es  ist  zweifellos,  dass  die  ansaugende  Kraft,  welche 
bei  ruhiger  Inspiration  auf  die  intrathoracischen 
Venen  und  Arterienstämme  ausgeübt  wird,  von  un- 
gleich grösserem  Einfluss  auf  den  Blut  ström  in  den 
Venen  ist,  welchen  sie  Ijeschlcunigt  und  befördert, 
als  auf  die  Arterien,  d  e  r  e  n  A  r  t  e  ri  o  d  i  ast  o  1  e  un  d  Ar- 
te r  i  o  s  y  s  t  o  1  e  dadurch  nur  in  u  n  e  r  h  e  b  1  i  c  h  e  m  G  r  a  d  e  b  c- 
einflusst  wird. 


g()2  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

3.  Grosse  pleuritische  Exsvidate  üben  einen  nacli- 
t heiligen  Druck  auf  die  intrathoracischenGefässstäm- 
me,  besonders  die  leichter  comp rimir baren  Venenstäm- 
me aus,  erschweren  die  Diastole  der  Vorhöfe  und  Ven- 
trikel, behindern  den  Eintritt  desVenenblutesinden 
Thorax  und  die  Füllung  des  rechten  Herzens  und  ver- 
ringern auf  diesem  Wege  auch  die  Füllung  des  linken 
Ventrikels.  Der  D  ruck  in  den  Venen  des  g  rossen  Kreis- 
laufes steigt,  der  arterielle  Mitteldruck  sinkt  und  in 
Folge  dieser  Ab  nähme  der  Druck  unterschiede  sinkt  die 
Circulationsgesch  windigkeit. 

Dass  der  Bxsudatdruck  grosser  pleuritiscber  Ergüsse  grösser  ist  als 
der  Atmospliärendrufk,  ist  bekannt;  die  Punktion  lehrt,  dass  grosse  Ex- 
sudate mit  Gewalt  nach  aussen  drängen  und  die  Gefahr  des  Luftein- 
trittes aus  diesem  Grunde  —  im  Anfang  der  Punktion  —  nicht 
existirt  *). 

Eine  zwar  naheliegende,  aber  wie  mir  scheint,  nie  l)eriicksichtigte 
Thatsaohe  ist  folgende:  Es  ist  hinsichtlich  der  eben  angeführten  Circula- 
tionshemmenden  Einflüsse  grosser  pleuritischer  Exsudate  durchaus  nicht 
gleichgiltig,  ob  das  Exsudat  auf  der  rechten  oder  linken  Seite  seinen 
Sitz  hat.  Die  einfache  Berücksichtigung  der  anatomischen  Lagever- 
hältnisse der  Brusteingeweide  lehrt**)  ganz  unzweifelhaft,  dass  die  so 
wichtige  ansaugende  Wirkung  auf  die  Venenstiimme  (Cava  superior  und 
inferior) ,  feiner  die  ansaugende  Wirkung  auf  den  rechten  Vorhof  und 
die  rechte  Kammer  vorzugsweise  und  überwiegend  von  der  rechten 
Lunge  ausgeht,  wähi-end  die  aspirirende  Kraft  der  linken  Lunge  haupt- 
sächlich auf  die  in  den  linken  Vorhof  einmündenden  Lungenvenen  wirkt 
nnd  die  Diastole  des  linken  Vorhofs  und  Ventrikels  begünstigt. 

Grosse  Exsudate  der  rechten  Seite,  deren  Exsudatdruck  den  At- 
mosphärendruck übersteigt,  wirken  vorzugsweise  comprimirend  auf  die 
grossen  Venenstiimme,  besonders  die  Cava  superior***),  in  etwas 
weniger  nachtheiligem  Grade  auch  auf  die  Cava  inferior  (da  das  kurze 
thoracische  Endstück  derselben  gleich  nach  dem  Durchtritt  durch  das 
Poramen  ciuadriluterum  in  den  rechten  Vorhof  übergeht) ;  sie  wirken  fer- 


*)  Den  circulationsstörenden  Einfluss  der  Compression,  welchen  grosse 
pleuritische  Ergüsse  auf  die  Venen  und  das  Herz  ausüben,  ersehen  wir  zuweilen 
sehr  deutlich  aus  folgendem  Verhalten.  Zuweilen  nimmt  nach  der  Punktion 
eines  Einpj'ems,  ohne  dass  die  Lunge  sich  im  Geringsten  verändert  oder  wieder 
ausgedehnt  hätte,  der  Druck  im  Aortensystem  zu,  die  Harnsecretion  wird  ver- 
mehrt. Hier  hat  sich  durch  die  Punktion  nichts  geändert,  als  dass  der  posi- 
tive, über  den  Atmosphärendruck  gesteigerte  Exsudatdruck,  welcher  den  Zu- 
fluss  des  Venenblutes  und  die  normalmässige  Füllung  des  rechten  und  linken 
Herzens  verhinderte,  durch  die  Punktion  entfernt  wurde. 

**)  Siehe  z.B.  B  r  a  u  n  e,  Taf.  IX.  XHI,  Luschka,  Taf.  IV.,  Rüdinger- 
Taf.  X.  C,  Taf.  IV.  V.  VI.  IX,  B,  X.  D ,  ferner  besonders  die  schönen  Abbil, 
düngen  von  P  i  r  o  g  o  f  f  TL  6,  2 ;  4,  1 ;  6,  1  ;  7,  2. 

***)  Daher  erklärt  sich  auch  die  bei  grossen  rechts  seitigen  Exsudaten 
wiederholt  gemachte  Beobachtung,  dass  das  Gesicht  ödematös  und  unverhält- 
nissmässig  stark  cyanotisch  angetroffen  wurde. 


Lei'Chtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  893 

ner  comprimirend  auf  den  dünnwandigeu  rechten  Vorliof  und  Ventrikel, 
deren  diastolische  Ausdehnung  sie  erschweren.  Grosse  I  i  n  k  s  seitige  Ex- 
sudate comprimiren  zwar  den  linken  Vorhot'  und  den  dickwandigen  lin- 
ken Ventrikel,  hemmen  die  diastolische  Ausdehnung  desselben ;  aber  die 
Füllung  dieser  Herzabschnitte  wird  dadurch  wenig  alterirt,  da  sie  vor- 
zugsweise von  der  Füllung  des  rechten  Herzens  abhängt;  ferner  üben 
linksseitige  Exsudate  keinen  so  erheblichen  Druck  auf  die  Venen  aus, 
wie  rechtsseitige ;  denn  wenn  sie  auch  das  Mediastinum  mit  den  Gefäss- 
stämmen  und  dem  Herzen  nach  rechts  drängen''*),  so  heben  sie  doch 
nie  —  auch  wenn  sie  geringe  Eetraktion  der  rechten  Lunge  veranlassen 
sollten  —  die  ansaugende  Wirkung  der  letzteren  auf  die  Venenstämme 
(bes.  Cava  superior)  und  auf  das  rechte  Herz  auf.  Grosse  Exsudate 
der  rechten  Seite  wirken  ceteris  paribus  ungleich  mehr 
Circulations- störend  als  ebenso  grosse  Exsudate  der  lin- 
ken Seite.  Ich  kann  es  nicht  anders  als  für  ein  Glück  ansehen,  dass 
rechtsseitige  Exsudate  —  laut  unserer  obigen  Statistik  —  etwas  sel- 
tener sind  als  linksseitige,  noch  mehr  aber  für  ein  Glück,  dass  grosse, 
eine  ganze  ErusthUlfte  erfüllende  Exsudate  recbterseits  viel  seltener 
sind  als  auf  der  linken  Seite ,  was  feststeht ,  obgleich  ich  es  statistisch 
nicht  beweisen  kann. 

Indess  hat  der  Organismus  auch  Einrichtungen,  um  die  nachthei- 
ligen Folgen  des  Exsudatdruckes,  welcher  bei  rechtsseitigen  Ergüssen  auf 
der  Vena  cava  superior  und  inferior  und  auf  dem  rechten  Herzen  lastet 
und  das  Einströmen  des  Veuenblutes  in  den  Thorax  hindert,  theilweise 
zu  com!  ensiren.  Das  Hinderniss,  das  dadurch  dem  Ausströmen  des  Blu- 
tes aus  dem  Ende  der  elastischen  Röhren-Leitung  entgegensteht,  kann 
überwunden  werden,  durch  eine  Steigerung  der  Vis  a  tergo,  der  Druck- 
kraft des  linken  Ventrikels.  Ganz  in  der  gleichen  Weise  nur  noch  viel 
leichter  wird  durch  Hypertrophie  und  Mehrleistung  des  rechten  Herzens 
das  Hinderniss  compensirt,  das  bei  linksseitigen  Ergüssen  durch  den  po- 
sitiven Bxsudatdruck  der  Diastole  des  linken  Vorhofes  und  Ventrikels 
entgegensteht. 

Der  Exsudatdruck  ist  unter  der  Voraussetzung  gleicher  Exsudat- 
mengen grösser  Ijei  acuter  Exsudation  als  bei  chronischer ,  stationärer. 
Die  nachtheiligen  Folgen  des  Exsudatdruckes  auf  Gefässe  und  Herz  sind 
folglich  grösser  bei  acuten  als  bei  gleich  grossen  chronischen  Exsudaten. 
Jede  elastische  Membran  oder  Platte  nämlich,  welche  einige  Zeit  durch 
grössere  Gewichte  gespannt  erhalten  ist,  verliert  mit  der  Dauer  der 
Spannung  an  Elasticität  und  es  sind  nun  geringere  Gewichte  im  Stande, 
die  elastische  Membran  in  der  gleichen  Ausdehnung  zu  erhalten.  Der 
positive  Exsudationsdruck  bei  acuten  rasch  steigenden  Exsudaten  hat 
die  erheblichen  Widerstände  zu  besiegen,  welche  die  elastischen  Thorax- 
waudungen,  Mediastinum  und  Zwerchfell  ihrer  Verdrängung  entgegen- 


*)  Ueber  die  vermeintliche  von  grossen  linksseitigen  Ergüssen  ausgeübte 
totale  Compression  der  unteren  Hohlader  siehe  unten  bei  den  plötzhchen  Todes- 
fällen durch  Pleuritis. 


894  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Pleuritis. 

setzen.  Hat  aber  die  Ektasie  des  Thorax  und  die  Verdrängung  längere 
Zeit  gedauert ,  so  ist  die  Kraft ,  mit  welcher  die  verdrängten  Wan- 
dungen in  ihre  frühere  Lage  zurückstreben  —  ihre  Elasticitätsgrösse 
—  geringer ;  der  Exsudatdruck  ist  damit  geringer ,  obwohl  die  Ex- 
sudatmenge die  gleiche  geblieben  ist.  Auch  auf  diesem  Wege  wird 
die  Gefahr  acuter  Exsudate  grösser ,  als  die  gleich  grosser  chronischer. 

.Je  rapider  das  Exsudat  ansteigt  und  die  Lunge  comprimirt ,  um  so 
mehr  nähert  sich  der  dadurch  hervorgerufene  schwere  Symptomen- 
complex  den  Erscheinungen  der  embolischen  Verstopfung  eines  der  bei- 
den Hauptäste  der  Pulmonalis.  Reicht  die  Kraft  des  rechten  Ventrikels 
nicht  aus,  die  vermehrten  W^iderstände  im  kleinen  Kreislauf  dauernd  zu 
überwinden  (Ö.  885),  so  erfolgt  der  Tod  durch  Insufficienz  des 
rechten  Herzens  und  der  Respiration  unter  steigernder  CO'- 
Vermehrung  und  0-Verarmung  des  Blutes  (Asphyxie) ;  dazu  kommt 
noch  die,  die  Herz-Insufficienz  steigernde  Wirkung  des  Fiebers,  und 
der  nachtheilige  Druck,  den  besonders  rechtsseitige  Ergüsse  auf  die 
(»•rossen  Venenstämme  und  das  rechte  Herz  ausüben;  dadurch  wird  die 
diastolische  Füllung  des  rechten  und  somit  auch  des  li  nken Herzens 
erschwert,  arterielle  Anämie  mit  Druckabnahme  in  den  Arterien,  ve- 
nöse Blutüberfüllung  mit  Druckzunahme  in  den  Venen  hervorgerufen; 
Verminderung  der  Druckunterschiede  verlangsamt  die  Circulation  und 
steigert  die  CO^-Ansammlung  im  Blute.  Die  arterielle  Anämie  des  Ge- 
hirnes  und  des  Herzens  ist  von  secundärer  Bedeutung. 

Steigt  dagegen  das  Exsudat  langsam,  so  kann  durch  allmählige  Hy- 
pertrophie des  rechten  Herzens  die  Mehrleistung  desselben  für  die 
Dauer  ermöglicht  werden  ;  der  Gefässquerschnitt  der  nicht  comprimirten 
Lunge  wird  grösser  und  es  entwickelt  sich  ein  stationärer  Zustand  von 
mehr  oder  minder  vollständiger  Compensation  der  circulatorischen  und 
respiratorischen  Hindernisse,  am  ehesten  dann,  wenn  von  Seite  des  Fie- 
bers dem  Herzen  keine  Gefahren  erwachsen  und  der  Exsudatdruck  kein 
excessiver  wird.  Diese  vollkoimuene  Compensation  kommt  bei  links- 
seitigen Exsudaten  leichter  zu  Stande  als  bei  rechtsseitigen. 

Sehen  wir  ab  von  den  Fällen ,  wo  eine  secundäre  Pleuritis  tödtet 
durch  die  Veränderungen,  welche  die  primäre  Erkrankung  gesetzt  hat, 
ferner  von  den  Fällen ,  wo  eine  hinzutretende  Tuberculose  ,  chronische 
Pneumonie,  Nierendegeneration,  oder  wo  nach  eröffnetem  Empyem  Py- 
ämie  oder  Verjauchung  und  Septichämie  zum  Tode  führen ,  so  bleibt 
noch  übrig,  der  Todesursachen  bei  chronischen  Exsudaten  und  Em- 
pyemen zu  gedenken.  Hier  treten  unter  dem  Einflüsse  des  »consu- 
mirenden«  Fiebers  und  der  mangelhaften  Ernährung 
(des  mangelnden  Wieder  er  Satzes)  eine  Reihe  schwerer 


Leichtens  tern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  895 

Veränderungen  im  Blute,  in  den  Säften  und  Piirenchy- 
m  e  n  d  e  r  V  e  r  s  c  h  i  e  d  e  n  e  n  0  r  g  a  n  e  auf ,  die  wir  mit  dem  Ausdruck 
Entkräftung,  Marasmus  zusammenfassen.  Der  Tod  erfolgt,  wenn  die 
zum  Leben  notliwendige  Summe  von  Organfunctionen  unter  eine  ge- 
wisse Grösse  sinkt.  Häufig  treten  auch  hier  unter  den  Termiualerschei- 
nungeu  die  der  Degeneration  und  Insufficienz  des  Herzens  am  meisten 
in  den  Vordergrund ,  die  Zeichen  mangelhafter  Circnlation  und  Respi- 
ration, Cyanose,  Dj'spnoe,  Lungenödem  und  Embolie,  Venenthrombose, 
Hydrops  und  Anderes. 

Unter  den  Ausgängen  des  Empyems  haben  wir  die  spontane  Per- 
foration nach  aussen  durch  den  lutercostalraum  (E.  necessitatis)  oder 
in  die  Lungen  (Bronchien)  hervorgehoben.  Wie  sich  dieser  Durchbruch 
vollzieht ,  ist  von  uns  im  anatomischen  Theil  geschildert  worden.  We- 
niger bekannt ,  ja  von  Manchen  irriger  Weise  bestritten  ist  die  That- 
sache ,  dass  der  Durchbruch  des  Empyemes  in  die  Lungen 
ein  häufiges,  freilich  oft  übersehenes  Vorkommniss  ist. 
Da  hierüber  noch  manche  fehlerhafte  Angaben  cursiren ,  will  ich  auf 
den  Gegenstand  in  Kürze  eingehen  und  das  Verhalten  schildern,  das  ich 
bei  mehreren  Kranken  mit  nach  den  Bronchien  durchgebrochenem  Em- 
pyem beobachten  konnte. 

Zuweilen  erfolgt  der  Durchbruch  des  Empyemes  plötzlich  und  unter 
so  in  die  Augen  springenden  Erscheinungen,  dass  sowohl  vom  Arzte,  wie 
auch  vom  Patienten  das  eingetretene  Ereigniss  sofort  erkannt  wu'd. 
Während  eines  heftigen  Hustenanfalles  werden  plötzlich  reichliche,  eitrige, 
conflnirende  Sputa  ausgehustet,  wobei  die  ersten  Sputa  oft  eine  geringe 
blutige  Beimischung  (in  Streifenform)  erkennen  lassen.  Auf  diesen  plötz- 
Uehen  Eiterauswurf,  als  ein  bis  dahin  nicht  vorhandenes  Symptom, 
macht  oft  der  Kranke  von  selbst  aufmerksam ;  häufig  kann  daher  auch 
aus  der  Anamnese  noch  der  Termin  des  Durchbruches  festgestellt  werden. 
Der  Eiterauswurf  pflegt  im  Anfange,  gleich  nach  erfolgtem  Durch - 
bruch  ein  sehr  reiclilicher  zu  sein ;  ich  sah  in  einem  Falle  binnen  1 
Stunde  gegen  '/■•  Liter  entleert  werden.  Aber  schon  in  den  nächsten 
Stunden  nach  dem  Durchbruch  mässigt  sich  derAuswui-f;  er  erfolgt  von 
nun  an  ganz  allmählig,  und  gewinnt  wegen  des  längeren  Verweilens  in 
den  Bronchien  häufig  alle  Charaktere  eines  dünneitrigen  Sputum  numu- 
lare,  eines  Sputums,  wie  es  gelegentlich  auch  bei  der  bronchorrhoischen 
Form  der  chronischen  Bronchitis,  bei  Bronchiectasien ,  bei  Phthisikern 
wahrgenommen  wird.  Fülle  dieser  Art  werden  häufig  verkannt;  man 
schliesst  aus  dem  eilrigen  Sputum  fälschlich  auf  einen  das  Empyem  be- 
gleitenden Bronchialkatarrh  mit  reichlicher  Eiterabsondej'ung.  Während 
dieser  allmähligen  Expectoration  eitriger  Sputa  wird  die  Empyemhöhle 
allmählig  kleiner ,  die  Lunge  dehnt  sich  wieder  aus ,  oder  es  entsteht 
Retrecissement  *) .     Ich  bin  der  fasten  Ueberzeugung ,  dass  in  allen  Fäl- 


*)  Interessante  Falle   dieser  Art   aus   der   Kinderpraxis   bei   E.   He  noch, 


ggß  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

len,  wo  man  ein  sicher  constatirtes  Empyem  allmählig,  und  angeblich 
ohne  Durchbruch  nach  aussen,  vermeintlich  durch  „Resorption"  heilen 
sah,  es  sich  um  eine  ganz  allmählige  und  unbeachtet  gebliebene  Expec- 
toration  des  Empyemeiters  handelte,  wobei  die  eröffnete  und  sich  lang- 
sam entleerende  Abscess-Höhle  jenen  Heilvorgang  durchmadite,  den  wir 
oben  (S.  872)  ausführlicher  schilderten.  In  z;;hlreichen  dieser  Fälle  von 
Durchbruch  des  Empyemes  nach  der  Lunge  kommt  es  während  des  gan- 
zen Verlaufes  der  Heilung  niemals  zu  nachweisbarer  Ansammlung 
von  Luft  im  Pleura-Raume  ,  niemals  zu  Pyopneumotborax. 

Es  ist  diess  eine  längst  bekannte,  nicht  erst  duich  Traube  wieder 
ans  Licht  gezogene  Thatsache,  die  in  sehr  einfachen  Verhältnissen  ihren 
Grund  hat. 

Im  Momente  des  Durchbruches  des  Eiters  nach  den  Lungen  kann 
Luft  ebensowenig  eindringen  als  im  Momente  der  Function  eines  grossen 
pleuritischen  Exsudates.  Der  hohe,  den  atmosphärischen  übersteigende 
Exsudatdruck,  oder  was  das  Gleiche  ist,  die  Kraft,  mit  welcher  die  ver- 
drängten Wandungen  der  Enipyemhühle  in  ihre  normale  Lage  zuvück- 
streben,  ist  so  gross,  dass  wohl  Eiter  durch  die  Perforations-Oeffnung 
hinausgedrängt  wird,  aber  keine  Luft  eindringen  kann.  Mässigt  sich 
nach  der  ersten  Entleerung  von  Eiter  der  Exsudatdruck,  so  dass  er  dem 
atmosphärischen  annähernd  gleich  wird,  so  wird  nun  bei  heftigen  Hu- 
stenbewegungen die  Empyemliöhle  allerdings  verkleinert,  Eiter  in  die 
Bronchien  getrieben,  aber  die  dabei  zum  Auswurf  kommenden  Eiter- 
mengen sind  doch  nur  gering  —  wie  die  ICrfahrung  lehrt  —  und  mit 
der  auf  den  exspiratorisclien  Hustenstoss  folgenden  Inspiration  sinken 
auch  die  dünnen  Eiter-Säulen  in  den  kleinen  Bronchien  wieder  zurück. 
Der  Eiterauswurf  ist  spärlich  und  hält  gleichen  Schritt 
mit  der  allmähligen  Verkleinerung  der  heilenden  Abscess- 
(Empyem-)  Höhle.  Es  wird  nur  soviel  expektorirt ,  als  die  Empyem- 
liöhle auf  dem  Wege  der  Heilung  (S.  872)  kleiner  wird. 

Unter  solchen  Umständen  kommt  es  vor ,  dass  die  entleerten  Sputa 
einen  üblen  Geruch  annehmen,  ebenso  wie  bei  putrider  (foetider)  Bron- 
chitis. Wir  dürfen  daraus  noch  nicht  auf  „Verjauchung"  des  Empyemes 
schliessen.  In  zweien  dieser  von  mir  beobachteten  Fälle  *)  wurde  durch 
den  Eintritt  dieses  Ereignisses  die  Ausheilung  der  Erapyemhöhle  in  kei- 
ner Weise  aufgehalten  ;  beide  Kranken  verliessen  vollkommen  geheilt  und 
mit  beträchtlichen  Gewichtsz.unahmen  das  Hospital  **).  Es  schemt  diese 
durch  Spaltpilze  hervoi-gerufene  Zersetzung  des  Eiters  nicht  in  die  Tiete 
des  Empyems  zu  dringen,  sondern  nur  jene  Eiterparthieen  zu  betreffen, 
welche  bis  in  die  Bronchien  hinaufgestiegen  dort  stagnnen.  Da  aber 
gerade  diese  Eiterparthien  alsbald  zur  Expektoration  gelangen,  so  findet 


1.  c.  S.  211  ff.  Steffen,  1.  c.  L  S.  99.  —  Barthez  u.  Rilliet,  1.  c.I.  S.  622. 
—  Berg,  Journ.  f.  Kinderkrankh.  v.  Beirrend  1858.  l.  167.  -  Wietfeld, 
Deutsch.  Klin.  1862.  50. 

*)  Sie  wurden   auf  der  Tübinger  medic.  Klinik  (1871   u.  1872)  beob- 
achtet. _ 

**)  Bei  einem  dieser  Kranken  (Fassnaoht)  dauerte  der  putride  Eiter- 
Auswurf  über  '/4  Jahr.  Während  desselben  nahm  der  Kranke  bedeutend  an 
Gewicht  zu. 


Leiohtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  897 

eine  Verbreitung  der  Spaltpilze  in  die  Tiefe  des  Empyemes  nicht 
statt.  Uebrigeus  lehrt  die  Erfahrung,  dass  selbst  Abscesshöhlen  mit 
übelriechendem  Eiter  heilen  können,  ohne  dass  Septiehämie  daraus 
hervorginge.  Damit  soll  natürlich  nicht  geläugnet  werden,  dass  auf  dem 
geschilderten  Wege  nicht  doch  zuweilen  Verjauchung  des  Empyemeiters, 
und  schwere ,  tödtliche  Gefahren  hervorgehen ;  besonders  dann ,  wenn 
die  jauchige  Zersetzung  weiter  fortschreitet  und  zu  einer  Zeit  eintritt,  wo 
die  Erapyem-Eitermasse  noch  eine  beträchtliche  ist. 

In  anderen  und  zwar  selteneren  Fällen  führt  der  Durchbruch  des 
Empyem's  zu  Pyo-Pneumothorax.  Diess  unter  Anderem  dann,  wenn 
der  Durchbruch  unmittelbar  in  einen  grösseren  Bronchus  hinein  statt- 
findet. Durch  kräftige  Hustenbewegungen  kann  nun  so  viel  Eiter  ex- 
pektorirt  werden ,  dass  die  nachfolgende  inspiratorische  Erweiterung  des 
Thorax  nothwendig  Luft  herbeiziehen  (ansaugen)  muss,  welche  den  vor- 
her vom  Eiter  erfüllten  Raum  einzunehmen  hat.  Es  handelt  sich  aber 
selbstverständlich  auch  in  diesen  Fällen  nur  um  geringe,  eben  nachweis- 
bare Luftmengen.  Grösser  sind  diese,  wenn  die  Perforation  eines  Em- 
pyemes in  eine  Lunge  erfolgt,  die  nicht  total  comprimirt,  sondern  we- 
nigstens zum  Theil  noch  retractionsfähig  ist.  Erfolgt  der  Durchbruch, 
so  retrahirt  sich  die  Lunge  und  der  dadurch  frei  werdende  Raum  wird 
von  Luft  eingenommen. 

Wer  die  Casuistik  des  Empyems  seit  Einführung  der  sogenannten 
capillaren  Thoracocenthese ,  des  Hohlnadelstiches  mit  Aspiration  ge- 
nauer einsieht,  wird  finden,  dass  der  spontane  Durchbruch  des  Empyems 
in  die  Lungen  autfallend  häufig  wenige  Stunden  oder  1  —  3  Tage  nach 
Vornahme  dieser  Operation  beobachtet  wurde.  Bei  einem  17jährigen 
Kranken  der  hiesigen  meclicinischen  Klinik  wurde  ein  rechtsseitiges  Em- 
pyem imnktirt  und  durch  Aspiration  eine  Eitermenge  von  500  C.C  ent- 
leert. 36  Stunden  später  erfolgt  plötzlich  spontaner  Durchbruch  in  die 
Bronchien  und  Luftzutritt  zum  Empyem,  Pyopneumothorax.  Die  Ab- 
seesshöhle  verkleinerte  sich  von  da  ab  allmählig  und  der  Kranke  ver- 
liess  völlig  wiederhergestellt  das  Hospital.  Unzweifelhaft  hat  in  diesem 
Falle  die  Aspiration  den  Durch lirueh  des  Empyems  in  die  Lungen ,  der 
wahrscheinlich  schon  vorbereitet  war,  beschleunigt,  und  zwar  dadurch, 
dass  die  Aspiration  einen  erheblichen  Zug  an  dem  Lungengewebe  (incl. 
der  in  Ulceration  befindlichen  Durchbruchsstelle)  ausübte  und  einen  ne- 
gativen Druck  in  der  Erapyemhöhle  hinterliess.  Es  ist  in  einem  solchen 
Falle  auch  leicht  erkläiiich,  dass  der  Durchbruch  von  Lufteintritt  in  die 
Empyemhöhle  —  wo  ja  ein  negativer  Druck  herrschte  —  gefolgt  sein 
musste. 

Zu  den  häufigsten  Ausgängen  der  Pleuritis  gehören  mehr  oder 
minder  ausgedehnte  Verwachsungen  der  Pleura  pulmonalis  mit 
der  Pleura  parietalis,  ferner  0  b  1  i  t  e  r  a  t  i  o  n  d  e  r  c  o  m  p  1  e  m  e  n  t  ä  r  e  n 
Pleura -Räume  durch  Verwachsung  der  Pleura  diaphragmatica  mit 
der  Pleura  costalis.  Es  ist  unzweifelhaft ,  dass  manche  der  Beschwer- 
den, welche  nach  überstandener  Pleuritis  noch  lange  Zeit  zurückbleiben, 
z.  B.  Schmerzen  und  Hemnisse  beim  tiefen  Inspiriren ,  oder  beim  Hu- 

Haadb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  57 


898  KranHieiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

sten  und  Niesseu,  Kiirzathmigkeit  bei  verliältnissmässig  geringer  kör- 
perlicher Anstrengung,  zum  Theil  auch  von  den  Adhäsionen  herrühren 
können. 

Die  Verwachsung  lässt  sich  mitunter  sicher  diagnosticiren ,  dann 
nämlich,  wenn  sie  die  Luugenränder  betrifft.  Die  percussorisch  leicht 
nachweisbare  normale  respiratorische  Mobilität  derselben  ist  aufge- 
hoben ,  was  besonders  leicht  an  der  Lungenlebergrenze  und  Herz-Lün- 
gengrenze  (an  der  Incissura  cardiaca  pulmonis  sinistri)  zu  constatiren  ist. 

Je  umfangreicher  und  derber  die  Verwachsungen ,  um  so  bedeu- 
tungsvoller sind  sie.  Ist  eine  ganze  Lunge  von  einer  derben,  schwie- 
ligen Bindegewebs-Kapsel  umschlossen  und  allseitig  verwachsen  —  ein 
gewöhnliches  Verhalten  beim  Retrecissement ,  so  lehrt  meist  schon  die 
blosse  Inspection  des  Thorax ,  dass  die  Athmungsexcursionen  der  kran- 
ken Seite  geringer  sind.  Da  in  solchen  Fällen  ausser  dem  Athemvo- 
lumen,  der  Ventilationsgrösse,  gleichzeitig  auch  die  athmende  Oberfläche 
der  verwachsenen  Lunge  geringer  ist ,  so  leuchtet  ein  ,  dass  eine  so  all- 
seitig verwachsene  Lunge  für  den  respiratorischen  Gasaustausch  we- 
niger leistet,  als  die  Lunge  der  gesunden  Seite,  die  somit  eine  vicarii- 
rende  Mehrleistung  zum  Zwecke  der  Compensation  zu  leisten  hat.  Zu- 
nahme der  Frequenz  und  Tiefe  der  Athemzüge ,  rasches  Ausserathem- 
kommen  bei  relativ  geringen  körperlichen  Anstrengungen  ist  die  Folge 
davon.  Eine  so  innig  und  allseitig  verwachsene  Lunge  übt  ferner  keine 
oder  nur  mehr  eine  sehr  geringe  ansaugende  Wirkung  auf  die  intratho- 
racischen  Gefässstämme  und  das  Herz  aus.  Es  fällt  somit  jener  circu- 
lationsbefördernde  Einfluss  hinweg,  welchen  die  Aspirationskraft  der 
normalen  Lungen  besonders  auf  die  Venen  und  die  Diastole  der  Ven- 
trikel ausübt.  Blutmenge  und  Blutdruck  wird  geringer  im  Aorten-, 
grösser  im  Venensystem,  die  Circulation  wird  verlangsamt,  die  CO'- 
Ansammlung  im  Blute  nimmt  zu,  Cyanose  und  Dyspnoe,  später,  wenn 
Herzdegeneration  hinzutritt,  Hydrops  folgen  daraus.  Compensation  ist 
nur  möglich  durch  eine  gesteigerte  Thätigkeit  des  linken  Ventrikels, 
welche  die  gestörten  Druckunterschiede  zwischen  Arterien  und  Venen 
—  welche  die  Stromschnelle  bedingen  —  wiederherzustellen  im  Stande 
ist,  dann  wird  trotz  der  fehlenden  Ansaugekraft  wieder  ebenso  viel  Blut 
in  der  gleichen  Zeit  wie  früher  nach  dem  rechten  Herzen  geliefert. 
Diese  Mehrleistung  wird  vom  linken  Ventrikel  vollführt,  der  desshalb 
auch  ,  in  dem  Maasse ,  als  er  längere  Zeit  gesteigerte  Arbeit  verrichtet, 
hypertrophirt. 

ümseliriebene  Verwachsungen   können   zu  umschriebenem  vicariiren- 

dem  Emphysem  in  der  Nac^hbarscbaft  der  Adlui&ion  Veranlassung  geben. 

Ausgedehnte  Verwachsungen  der  Lunge  mit   der  Plem-a,   besonders 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  899 

neben  Esiträcissement  und  bindegewebiger  Obliteration  des  Pleuraraumes 
disponiren  in  hohem  Grade  zu  chronischer  Pneumonie  mit  Ausgang  in 
Verkiisung  und  Destruction,  oder  zu  chronisch  -  intersi  itieller  Pneumonie 
mit  Bildung  von  Bronchieotasien  und  ihren  anderen  Folgen. 

üeber  die  plötzlichen  Todesfälle  bei  pleuritisclien 

Exsudaten. 

Bei  pleuritischen  Exsudaten  werden  zuweilen  plötzliche  Todesfälle 
beobachtet.  Da  die  in  der  Literatur  enthaltenen  zahlreichen  Fälle  aus- 
nahmslos Erwachsene  betreffen,  so  will  ich  hier  auf  die  Ursachen  dieser 
Erscheinung  nicht  näher  eingehen ;  ich  verweise  auf  eine  diesem  Gegen- 
stand gewidmete  Arbeit  von  mir ,  die  im  Deutschen  Archiv  für  klin. 
Medicin  demnächst  erscheinen  wird.  Ich  hebe  in  gedrängter  Kürze  nur 
folgende  Punkte  hervor : 

1.  Bei  grossen  Ex.sudaten,  rechtsseitigen  sowohl  wie  linksseitigen, 
ist  die  Füllung  des  linken  Herzens  behindert  und  geschieht  unvoll- 
ständig, aus  Gründen,  die  wir  oben  ausführlich  betrachtet  haben.  Es 
besteht  arterielle  Anämie.  Alles ,  was  in  einem  solchen  Falle  den  be- 
hinderten Eintritt  des  Venenblutes  in  den  Thorax  und  das  rechte  Herz 
temporär  noch  mehr  zu  behindern  vermag  (ein  länger  dauernder  Hu- 
stenparoxj'smus  ,  Pressbewegungen  beim  Stuhlgang  ,  beim  Heben  einer 
schweren  Last,  heftige  Brechbewegungen  etc.),  ist  im  Stande,  eine  plötz- 
liche Steigerung  der  Anämie  des  linken  Herzens ,  eine  schwere  Hirn- 
und  Herz- Anämie  hervorzurufen  ,  die  bald  nur  einen  Ohnmachtsanfall, 
zuweilen  den  plötzlichen  Tod,  besonders  bei  leicht  erschöpf'baren  Herzen, 
zur  Folge  hat.  Auch  ein  plötzliches  Aufrichten  aus  der  horizontalen  in 
die  aufrechte  Körperstellung ,  rasches  Aufsitzen  im  Bette  kann  in  sol- 
chen Fällen  von  arterieller  Anämie  und  leichter  Erschöpfbarkeit  des 
Herzens,  eine  plötzliche  Steigerung  der  arteriellen  Hirnanämie ,  einen 
Ohnmachtsanfall  oder  selbst  den  Tod  (Malmsten,  Daga)  hervorrufen. 

Weit  mehr  Anklang  als  die  angeführte  'und  die  im  Nachfolgenden 
zu  schildernden  Ursachen  des  plötzlichen  Todes  bei  grossen  pleuriti- 
schen Exsudaten  hat  in  letzter  Zeit  ein  anderer  Erklärungsversuch  ge- 
funden. Man  sagt:  Wenn  ein  grosser  linksseitiger  Erguss  das  Media- 
stinum mit  dem  Herzen  weit  nach  links  verdrängt,  so  erleidet  die  un- 
tere Hohlader  eine  mehr  oder  minder  hochgradige  winklige  Knickung, 
mit  der  Spitze  des  Knickungswinkels  nach  links.  AVird  nun  diese  durch 
den  Exsudatdruck  hervorgerufene  bleibende  Knickung  durch  eine  zu- 
fällige, wenn  auch  ganz  vorübergehende  Ursache,  wie  z.  B.  „eine  hastige 
Körperbewegung"  oder  „einen  Husteuanfall"  noch  vermehrt,  so  kann  das 
Lumen  der  unteren  Hohlader  daduixh  plötzlich  vollkommen  verlegt  und 
eine  tödtliche  Blutleere  des  linken  Herzens  erzeugt  werden.  Wir  geben 
zu,  dass  eine  solche  plötzliche  totale  Alikniekung   der  unteren  Hohlader 

57* 


900  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

dadurch,  dass  sie  den  Blut-Zufluss  aus  einem  der  beiden  Venenhaupt- 
stämme  zum  rechten  und  linken  Herzen  aufhebt,  eine  tödtliche  Blutleere 
des  letzteren  herbeiführen  kann;  ein  heftiger  Hustenparoxysmus,  eine 
schwere  Pressanstrengung  freilich  wird  ergiebiger  wirken,  da  sie  den 
Blutstrom  in  den  beiden  Hauptstammen  hemmt.  Es  fragt  sich  nur: 
1)  kommt  eine  so  erhebliche  Knickung  der  unteren  Hohlader  bei  abun- 
danten  linksseitigen  Ergüssen  überhaupt  vor?  2)  giebt  es  Momente, 
welche  eine  plötzliche  totale  Knickung  herbeiführen  können?  3)  sind 
Fälle  bekannt,  wo  eine  solche  plötzliche  Abknickung  Ursache  des  plötz- 
lichen Todes  bei  linksseitigen  Ergüssen  wurde? 

Wir  müssen  sämmtliche  drei  Fragen  mit  einem  entschiedenen  Nein 
beantworten.  Da  ich  die  experimentellen  Beweise  für  die  Richtigkeit 
dieser  iSTegation  an  einem  anderen  Orte  ausführlich  brmgen  werde,  so 
hebe  ich  hier  nur  ganz  cursorisch  folgende  Abstractionen  aus  den  Ver- 
suchen hervor: 

Wir  können  uns  das  Mediastinum  mit  Allem  was  dazu  gehört  als 
eine  ebene  Platte  vorstellen,  welche  vertikal  und  sagittal  durch  den 
Thorax  gerichtet  ist. 

In  dieser  Eliene  verläuft  auch  die  Vena  cava  superior  und  inferior, 
die  wir  uns  zunächst  einmal  als  vertikale  Säule  für  sich  vorstellen  wollen ; 
die  Puncta  fixa  dieser  Säule  sind  die  Apertura  thoracis  superior  und 
das  Foramen  quadrilaterum.  Indem  ein  grosses  linksseitiges  Exsudat  die 
liake  Zwerchfellshälfte  als  den  am  leichtesten  verdrängbaren  Theil  in  er- 
giebiger Weise  nach  abwärts  drängt  und  erheblich  belastet ,  wird  die  ver- 
tikale Säule  ebenso  wie  die  ganze  mediastinale  Platte  bedeutend  in  der 
Vertikalen  gespannt  und  so  der  W'iderstand,  welchen  dieselbe  einer 
seitlichen  Verdrängung  entgegensetzt,  erheblich  gesteigert. 

Eine  solche,  zwischen  zwei  Fixationspunkten  ausgespannte,  elastische 
Säule  oder  Platte  ist  natürlich  in  der  Mitte  zwischen  beiden  Fixations- 
punkten am  meisten,  am  ergieljigsten  dislocirbar.  Wird  das  Mediastinum 
mit  den  grossen  Gelassen  so  weit  als  möglich,  bis  zum  „Verdräng- 
ungs-Maximum" nach  rechts  verdrängt,  so  beschreibt  es  der  Gestalt 
nach  einen  Bogen  (  mit  der  Convexität  nach  rechts;  die  in  der  Mitte 
zwischen  den  beiden  Fixationspunkten  unserer  Säule  (Apertura  thoracis, 
Forameu  quadrilaterum)  gelegenen  Theile  werden  am  meisten  verdrängt. 
Man  kann  sich  durch  geeignete  Versuche  leicht  überzeugen,  dass  von 
einer  rechtwinkligen  Knickung  des  Bruststückes  der  Cava  inferior  (d. 
h.  rechtwinklig  zur  Längsachse  des  Bauchstückes  derselben)  nicht  die 
Rede  sein  kann.  Es  kommt  noch  etwas  Anderes  hinzu,  was  gewöhnlich 
ganz  üliersehen  wird.  Auch  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  sind 
nicht  alle  Theüe  des  Mediastinums  in  gleichem  Grade  verschiebbar.  Am 
verschiebbarsten  .sind  die  vorderen  Theile;  daher  sehen  wir,  dass  die  me- 
diane vordere  Dämpfungsgrenze  bei  linksseitigem  Exsudate  den  rechten 
Sternalrand  oft  um  3  Querfinger  nach  rechts  überschreitet;  hinten 
dagegen  schneidet  die  mediane  Dämpfungsgrenze  stets  mit  der  Wir- 
belsäule ab.  Dis  hintere  Mediastinum  mit  der  Aorta  thoracica,  der  Spei- 
seröhre, Trachea  ist  am  wenigsten  verschiebbar.  Je  weiter  also  ein  Punkt 
der  mediastinalen  Platte  auf  dieser  nach  hinten  zu  gelagert  ist,  eine  um 
t.0  geringere  Verdrängung  erleidet  derselbe,    um  so  frühzeitiger  erreicht 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Pathologie.  901 

derselbe  sein  Verdrängungsmaximnm.  Die  Cava  inferior  liegt  bereits  ziem- 
lich weit  nach  Mnten,  \mä  gehört  beinahe  schon  dem  hinteren  Media- 
stinum an.  Sie  erreicht  daher  sehr  bald  ihr  Verdrängungsmaximnm, 
frühzeitiger,  als  die  weiter  vorne  gelagerte  obere  Hohlader. 

Die  ganze  Vei-änderung ,  welche  die  Vena  cava  inferior  bei  der  ma- 
ximalen Verdrängung  des  Mediastinums  nach  rechts  erleidet,  l.iesteht 
1)  in  einer  stärkeren  Spannung  der  Venenwand  in  der  Richtung 
ihrer  Längsaxe,  2)  darin,  dass  die  Vene  vom  Foramen  ciuadrilaterum  aus 
zum  rechten  Vorhof  nicht  wie  normal  etwas  medianwärts  geneigt,  son- 
dern etwas  nach  rechts  geneigt  verläuft.  Hat  das  Mediastinum  sein 
Verdrängungsmaximum  erreicht,  so  ist  der  Herzkegel  noch 
einer  weiteren  Dislocation  nach  rechts  fähig.  Der  Herzkegel  bewegt  sich 
pendeiförmig  um  die  Herzbasis  (Ursprung  der  Cava  superior,  inferior, 
Aorta  und  Paknonalis)  als  Punctum  fixum  oder  Drehpunkt.  Den  weite- 
sten Weg  legt  dabei  das  Ende  des  Pendels,  die  Herzspitze,  zurück.  Diese 
wandert  mitunter  ganz  nach  rechts  herüber  und  schlägt  in  der  rechten 
Mamillar-Linie  an.  Bei  dieser  Ueberwanderung  der  Herzspitze  (und  des 
Herzkegels)  von  rechts  nach  links  l>ewegt  sich  der  Herzkegel 
vor  der  Vena,  cava  inferior  vorbei;  es  ist  total  falsch  zu  glau- 
ben, der •  Herzkegel  werde  auf  die  Cava  inferior  hinaufgeschoben,  com- 
primire  diese  von  links  her  und  knicke  sie.  Es  ist  wahrlich  ein  Leichtes, 
sich  von  dieser  fehlerhaften  Vorstellung  durch  Vei'suche  an  der  Leiche 
zu  befreien.  Bei  dieser  Ueberwanderung  des  Herzkegels  von  links  nach 
rechts ,  vor  der  Cava  inferior  vorbei,  erfährt  die  linke  Seitenwand  der- 
selben eine ,  wie  Versuche  lehren ,  geringgradige  spiralige  Drehung  von 
links  hinten  nach  rechts  vorne,  um  die  Längsaxe  des  Gefässes.  Diese 
spiralige  Drehung  ist  aber  desshalb  eine  geringe,  weil  gerade  die  linke 
8eitenwand  der  unteren  Hohlader  in  der  Eichtung  ihrer  Längsaxe  ge- 
spannt i.st  (s.  o.) ;  das  Lumen  der  Vene  wird  dadurch,  wegen  der  Weite 
desselben  nur  in  ganz  geiingem  Grade  verengt. 

Die  ganze  Veränderung,  welche  sich  also  selbst  bei  den  extremsten 
Graden  von  Verschieljung  des  Mediastinums  und  Herzens  nach  rechts  an 
der  Cava  inferior  geltend  macht,  besteht  darin,  dass  1)  die  Vene  in  ihrer 
Längs-Kichtung  gespannt  wird ;  2)  dass  sie  vom  Poramen  quadrilatej-um 
aus  zum  rechten  Vorhof  nicht  wie  normal  medianwärts ,  sondern  etwas 
nach  rechts  geneigt  verläuft,  ohne  jedoch  „geknickt"  zu  werden ;  3)  dass 
die  Venen- Wandung  eine  geringe ,  das  Lumen  in  unerheblichem  Grade 
beeinträchtigende  spiralige  Drehung  von  links  hinten  nach  rechts  vorne 
erfährt. 

Würde  eine  der  Exsudatmenge  ]iroportionale  seitliche  Knickung  der 
Cava  inferior  durch  linksseitige  Exsudate  vorkommen,  so  müssten  noth- 
wendig  die  Fälle  nicht  selten  sein,  wo  sich  dann  auch  die  Zeichen  der 
partiellen  Knickung  und  Verlegung  der  unteren  Hohlader  geltend  mach- 
ten: ausser  Leberschwellung,  die  bei  rechts-  wie  linksseitigen  Exsudaten 
als  Folge  der  allgemeinen  Sta,uung  häufig  vorkommt,  Oedem  der  Unter- 
extremitäten, Ascites,  ja  hin  und  wieder  wohl  auch  die  bekannten  Sym- 
ptome der  partiellen  Obturation  der  Cava  inferior*).     Ein   solches  Vor- 


*)  Anastomosen   zwischen   Vena    epigastrica  superior   und  inferior ,   zwi- 


902  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

kommen  habe  ich  in  zahlreichen  Fällen  von  enormen  linksseitigen  Ex- 
sudaten mit  Verdrängung  des  Herzens  weit  naeh  rechts  hin,  nie  nach- 
weisen können  und  auch  nie  beschrieben  gefunden. 

Noch  grösser  werden  die  SchwierigUeiten,  wenn  man  die  plötz- 
lichen Todesfälle  von  einer  plötzlichen  Abknickung  der  Cava  her- 
leiten will.  Wenn  der  extremste,  überhaupt  mögliche  C4rad  von 
Verdrängung  des  Mediastinums  und  Herzens,  wie  Erfahrungen  lehren, 
häufig  chronisch  fortbesteht,  ohne  die  germgsten  Erscheinungen  von 
behinderter  Circulation  der  unteren  Hohlader  hervorzurufen ,  so  fällt  an 
und  für  sich  der  Begriff  einer  Steigerung  der  Knickung  bis  zm-  to- 
talen hinweg. 

Die  Möglichkeit  dersellDen  abei'  auch  zugegeben,  so  verstehe  ich  doch 
nicht,  welche  Momente  im  Stande  sein  sollten,  eine  plötzliche  Ab- 
knickung und  damit  plötzlichen  Tod  herbeizuführen*). 

Fragen  wir  endlieh,  ist  eine  plötzliche  seitliche  Abknickung  der 
Cava  inferior  als  Ursache  plötzlicher  Todesfälle  bei  linksseitigen  Pleura- 
ergüssen anatomisch  sicher  nachgewiesen  worden,  so  muss  auch  diese 
Frage  mit  einem  entschiedenen  Nein  beantwortet  werden**). 

2.  Für  einzelne  Fälle  plötzlichen  Todes  bei  pleuritischen  Exsu- 
daten müssen  wir  uns  vorderband  damit  begnügen  ,  dass  wir  sagen :  der 
plötzliche  Herztod  ist  eine  Folge  der  Degeneration  und  Muskulär- 


schen  V.  thoracica  longa  und  seitlichen  Zweigen  der  Vena  epigastrica  in- 
ferior (externa) ,  zwischen  V.  thorac.  longa  und  Eami  anteriores  der  Venae 
lumbales  und  der  Vena  ileolumbaJis. 

*)  Man  sagt:  ein  heftiger  Hustenparoxysmus  könne  diess  bewirken.  Wir 
werden  an  einem  anderen  Orte  die  Grundlosigkeit  dieser  '\''ermuthung  beweisen. 
Noch  weniger  erfindlich  ist  mir,  wie  die  plötzliche  seitliche  Knickung  durch 
»eine  hastige  Körperbewegung     herbeigeführt  werden  soll. 

**)  Ein  solcher  anatomischer  Beweis  ist  durchaus  nicht  zu  leicht  zu  liefern, 
wie  Manche  glauben.  Die  Verhältnisse  an  der  Cava  inferior  und  dem  rechten 
Vorhof,  wie  sie  Bartels  in  einem  Falle  von  tödtlichem  Pyopneumothorax  — 
zu  den  plötzlichen  Todesfällen  ist  dieser  Fall  gewiss  nicht  zu  rechnen  — 
in  der  Leiche  vorfand,  sind  nicht  im  Stande  zu  beweisen,  dass  die  vermu- 
thete  Knickung  während  des  Lebens  bestand  und  LTrsache  des  Todes  wurde, 
und  namentlich  nicht  im  Stande  zu  beweisen,  dass  der  rechte  Vorhof,  der 
doch  vor  der  Cava  inferior  liegt,  während  des  Lebens  das  Foramen  quadri- 
laterum  »von.  links  her«  verlegt  habe.  Vergl.  auch  Braune,  Topogr.  anat. 
Atlas.     Text  z.  Taf.  XIV. 

Man  ist  soweit  gegangen ,  dieser  »Knickungstheorie«  zu  Lieb  den  durch 
die  Casuistik  der  plötzlichen  Todesfälle  als  total  irrig  bewiesenen  Satz  aufzu- 
stellen :  plötzliche  Todesfälle  bei  Pleuritis  kämen  nur  bei  sehr  grossen  und  nur 
bei  links  seitigen  Ergüssen  vor !  Ich  bin  weit  entfernt,  zu  läugnen ,  dass  die 
Verdrängung  des  Herzens  und  der  grossen  Gefässe  (der  Aorta,  Pulmonalis,  der 
Cava  superior  und  insbesonders  auch  der  Cava  inferior)  bei  linksseitigen  Er- 
güssen nachtheilig  auf  die  Circulation  einwirke;  insbesonders  sind  es  grosse 
rechts  seifige  Exsudate,  welche  einen  sehr  erheblichen  positiven  Druck  direkt 
auf  Cava  superior,  inferior,  den  rechten  Vorhof  und  Ventrikel  ausüben  und  da- 
durch die  Circulation  sehr  erschweren.  Aber  der  Beifall  und  Anklang,  den  die 
erörterte  Knickungstheorie  in  einseitiger  Weise  gefunden  hat,  erscheint  mir  ein 
kritikloser.  Hätte  man  die  besonders  in  den  letzten  Jahren  durch  zahlreiche 
Mittheilungen  besonders  franz.  Autoren  ansehnlich  vermehrte  Casuistik  der 
plötzlichen  Todesfälle  bei  Pleuritis  gebührend  berücksichtigt,  so  würde  man,  wie 
ich  glaube,  der  erörterten  Knickungstheorie  keine  so  ausgedehnte  Giltigkeit  und 
Bedeutung,  wie  es  noch  in  jüngster  Zeit  geschah,  zugestanden  haben. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Pathologie.  903 

lasufficienz  des  Herzens.  Wir  sind  in  diesen  Fällen  ebenso  wenig ,  wie 
in  verschiedenen  anderen  Fällen  von  acutem  Herztod ,  im  Stande ,  die 
Veranlassung  oder  nächste  Ursache  des  plötzlichen  Eintrittes  der 
Herzparalyse  anzugeben. 

Hierher  rechne  ich  auch  die  Fälle ,  wo  der  Tod  in  acuter  Weise 
unter  den  Erscheinungen  eines  Lungenödems  erfolgte. 

3.  Als  eine  häufige  Ursache  des  plötzlichen  Todes  bei  Pleuritis 
ist  die  Embolieder  Pulmona  r -Arterie  hervorzuheben. 

Bei  grossen  pleuritischen  Exsudaten,  welche  eine  Lunge  und  deren 
Gefässe  total  comprimiren,  kommt  es,  wie  überall,  wo  der  Kreislauf  er- 
hehlich  verlangsamt  und  die  Herzkraft  insufficient  ist,  gerne  zu  Gerin- 
nungen, Thrombenbildung  im  rechten  Herzen,  besonders  gerne  im  rechten 
Vorhof,  im  Herzohr.  Wird  ein  grösserer  Thrombus  von  hier  losgerissen 
und  gelangt  er  in  einen  grösseren  Pulmonalast  der  noch  allein  thätigen, 
gesunden  Lunge,  so  ist  der  plötzliche  Tod  durch  arterielle  Anämie  leicht 
zu  erklären.  Wiederholt  sah  man  den  plötzlichen  Tod  durch  Embolie  der 
Pulmonal- Arterie  erfolgen ,  unmittelbar  oder  alsbald  nach  der  Punction 
und  Aspiration  des  Ergusses.  Ich  erkläre  diess  so  :  Durch  die  Entleerung 
des  Exsudates  wurde  der  Druck  auf  die  Lunge  vermindert  oder  aufge- 
hoben, die  Cireulation  durch  die  vorher  total  comprimirte  Lunge  wieder 
freigegeben,  der  Kreislauf  dadurch  erheblich  erleichtert  und  beschleunigt. 
Der  kräftige  Blutstrom,  der  nun  wieder  einsetzte,  war  im  Stande,  die 
vorhandenen  Herz-Thromben  zu  unterwühlen,  aufzulockern,  abzureissen. 
In  anderen  nicht  seltenen  Fällen  ging  die  Thrombenbildung  höchst 
wahrscheinlich  von  der  comprimirten  Lunge  aus.  In  den  noch  strecken- 
weise offenen  Gefässen  der  comprimirten  Lunge  bildeten  sich  Thromben, 
die  durch  Apposition  neuer  Fibrinschichten  wuchsen  und  alhnählig  bis 
in  den  gemeinschaftlichen  Stamm  der  Pulmonalis  hineinragten.  Wurde 
nun  die°  Spitze  des  Thrombus  von  dem  Blutstrome  abgebröckelt  und  in 
einen  der  Hauptäste  der  Pulmonalis  der  gesunden  Lunge  verschleppt, 
so  erfolgte  plötzlicher  Tod. 

4.  In  einer  nicht  geringen  Zahl  von  Fällen  erfolgte  der  plötzliche 
Tod  durch  Embolie  der  Arteria  pro  fossa  Sylvii  oder  einer 

anderen  Hirnarterie. 

Der  Embolus  stammt  in  diesen  Fällen  entweder  aus  der  comprimir- 
ten Lunge,  in  deren  Venen  sich  Thromben  bildeten,  oder  von  dem  lin- 
ken Vorhofe,  wo  durch  Circulationsverlangsamung,  vielleicht  auch  durch 
den  von  linksseitigen  Ergüssen  auf  ihn  ausgeübten  Druck  veranlasst, 
Thromben  entstanden.  Einen  Fall  dieser  Art  habe  ich  bei  emem  Kranken 
mit  in  Heilung  begriffenem  Empyem  beobachtet. 

Zu  den  im  Kindesalter  häufigen  Ausgängen  der  Pleuritis  gehört 
die  E  i  n  z  i  e  h  u  n  g  (Depression,  Retraction)  des  T  h  o  r  a x ,  das  R  e  t  r  e- 
cissement  (Laennec).  Dasselbe  erreicht  bei  der  Elasticität  und 
Nachgiebigkeit  des  kindlichen  Thorax  oft  erhebliche  Grade. 

Die  Erfahrung  lehrt  aber  auch,  dass  das  im  kindlichen  Alter 


904  Krankheiten  der  Atbmungsorgane.    Pleuritis. 

erworhene  Retrecissement ,  wegen  des  uocli  nicht  vollendeten  Waclis- 
thumes  des  Thorax  und  der  Lungen ,  im  Laufe  von  Jahren  sich  leichter 
und  häufiger  wieder  ausgleicht  als  beim  Erwachsenen. 

Je  nach  dem  ausserordentlich  verschiedenartigen  Verlauf,  welchen 
die  acute  primäre  Pleuritis  nimmt  —  trockene  Pleuritis ,  Exsudation, 
Empyembildung,  Perforation  desselben  etc.  — ,  ist  die  Dauer  des  Pro- 
cesses  eine  höchst  verschiedene,  variirend  zwischen  wenigen  Stunden 
und  Jahren.  Rechnen  wir  auch  die  Folgen  und  Nachkrankheiten  hinzu 
—  ausgedehnte  Verwachsungen ,  Retrecissement ,  Herzhypertrophie, 
chronische  Pneumonie ,  Tuberculose  etc.  —  so  wird  die  durch  Pleuritis 
hervorgerufene  Krankheitsdauer  noch  mehr  verlängert;  es  werden  ana- 
tomische Zustände  gesetzt ,  welche ,  wie  das  Retrecissement,  bis  in  ein 
späteres  Alter  der  völligen  Ausgleichung  entbehren;  der  viele  Jahre 
nach  überstandener  Pleuritis  erfolgende  Tod  durch  Herzdegeneration, 
Amyloiddegeneration  der  Nieren ,  Tuberculose ,  chronische  Pneumonie 
steht  oft  mit  der  überstandenen  Grundkrankheit ,  der  Pleuritis ,  in  ur- 
sächlichem Zusammenhange. 

Symptome.    Diagnose. 

Verhalten  der  Körperwärme.  In  den  acut  auftretenden 
Fällen  primärer  Pleuritis  spielt  das  Fieber  eine  wesentliche  Rolle  im 
Krankheitsbilde.  Der  Temperaturverlauf  bei  Kindern  kann  in  den  er- 
sten Tagen  der  acuten  Pleuiutis  ganz  derselbe  sein ,  nach  Litensität  und 
Continuität  der  Temperatursteigerung,  wie  bei  croupöser  eventuell  katar- 
rhalischer Pneumonie.  Temperaturen  von  40"  und  darüber  sind  nichts 
ungewöhnliches.  Intensive  Frostanfälle  sind  selten,  üeber  Frieren  klagen 
ältere  Kinder.  Bei  weniger  stürmischem  Anfang  sind  auch  die  Tempe- 
raturen weniger  hoch,  niederer  z.  B.  als  in  der  croupösen  Pneumonie; 
sie  schwanken  zwischen  38,5 — 39, .5 ,  ebenso  wie  diess  auch  bei  der  Ka- 
tarrhal -  Pneumonie  langsameren  Verlaufes  der  Fall  ist.  Aus  der  Be- 
trachtung der  initialen  Fiebercurve  kann  die  Diagnose  Pleuritis  niemals 
gestellt  werden.  Das  Fieber  ist  ein  atypisches.  Hat  es  als  mehr  oder 
minder  hohe  Contiuua  mehrere  Tage  angedauert,  zieht  sich  die  Krank- 
heit in  die  Länge,  kommt  es  zu  Exsudation  und  zu  einem  chronischen 
Verlauf,  so  pflegt  das  Fieber  sich  immer  mehr  dem  Typus  der  Febris 
hectica  zu  nähern.  Die  Morgen  -  Remissionen  werden  ergiebiger,  es 
kommt  zu  morgendlicher  Apyrexie ,  Abends  steigt  die  Temperatur  oft 
mit  ausserordentlicher  Regelmässigkeit  wieder  an,  aber  selten  bis  zu  den 
hohen  Fiebergraden  des  Initialstadiums. 

Es  kommen  Fälle  von  chronisch  exsudativer  Pleuritis  vor,  mit  sta- 
tionär gewordenem  Exsudat,  die  oft  längere  Zeit  hindurch  ganz  fieberlos 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.   905 

verlaufen.  Fortgesetzte,  mehrmals  täglich  angestellte  Messungen  lehren, 
dass  übrigens  aueh  in  diesen  Fällen  zeitweise  auftretendes  Fieber  selten 
vermisst  wird. 

Umschriebene ,  trockene,  alsbald  in  Resorption  ausgehende  Pleuri- 
tiden  verlaufen  bei  Erwachsenen,  z.  B.  Emphysematikern,  nicht  selten 
vollkommen  fieberlos;  ob  diess  in  gleicher  Weise  auch  bei  Kindern 
vorkommt,  die  zu  Fieberbeweguugen  so  leicht  geneigt  sind,  vermag  ich 
nicht  anzugeben. 

Kann  die  genaue  Beachtung  des  F  i  e  b  e  r  Verlaufes  zur  ünterscbei- 
dung  seröser  und  eitriger  Ergüsse  führen?  Mit  Gewissheit  nie.  Fol- 
gende Thatsachen  sind  indess  von  Werth  und  rechtfertigen  gegebenen 
Falles  den  Gedanken  an  Eitrigwerden  des  Exsudates:  1)  Das  Fieber  zeigt 
sowohl  bei  chronisch-serösen  als  eitrigen  Ergüssen  den  Typus  der  Hec- 
tica;  die  abendliche  Temperatursfeigerung  pflegt  heim  Empyem  inten- 
siver zu  sein,  die  Temperatur  steigt  Abends  rascher  (zuweilen  unter 
Frösteln)  an.  2)  Morgen-Intermissionen  mit  subnormalen  Tempe- 
raturen und  profusen  Seh  weissen  sind  beim  Empyem  häufiger,  als 
bei  einfachen  serösen  Ergüssen.  3)  Längere  Zeit  fortgesetzter  vollkom- 
men fieberloser  Verlauf  S])richt  gegen  Empyem  und  für  seröses  Exsudat ; 
plötzlich  auftretende,  vielleicht  mit  Frösten  einhergehende,  hohe  Fieber- 
erscheinungen nach  längerem  fieberlosen  Verlaufe  müssen  den  Gedanken 
an  Eitrigwerden  Iiesonders  dann  erwecken ,  wenn  die  Fieberbewegung 
nicht  mit  einer  Zunahme  des  Exsudates  verbunden,  und  auch  keine  an- 
dere Ursache  (Complication)  für  dieselbe  aufzufinden  ist. 

G  e  h  i  r  n  e  r  s  c  h e  i  n  u  n  g  e  n.  Die  durch  das  Fieber  hervorgerufe- 
nen Störungen  der  Gehirnfunctionen  pflegen  im  Kindesalter 
sehr  ausgeprägt  zu  sein.  Der  erhöhten  Reizbarkeit  entsprechend  können 
relativ  niedere  Fieber -Temperaturen,  welche  beim  Erwachsenen  kaum 
Störungen  veranlassen,  zu  Convulsionen,  eklamptischen  Anfällen,  Zähne- 
knirschen ,  Strabismus ,  Aufschreien  ,  zu  hochgradiger  Aufregung  und 
Unruhe,  Schlaflosigkeit,  zu  Bewusstlosigkeit  und  Delirien  führen. 

Ausser  durch  das  Fieber  werden  Störungen  in  den  Gehirnfunc- 
tionen auch  hervorgerufen  durch  die  C  0  ^  U  e  b  e  r  1  a  d  u  n  g  d  e  s  B 1  u- 
tes,  eine  Folge  der  arteriellen  Anämie  und  venösen  Hyperämie ,  der 
verlangsamten  Circulation  ,  Folgen  der  Compression  der  Lunge  (s.  o.). 
Auch  die  CO^  Vermehrung  und  Sauerstoifverarmung  des  Blutes  wirkt 
anfangs  reizend,  später  lähmend  auf  die  nervösen  Centra.  Coma,  Sopor, 
Unzähligwerden  der  Herzschläge  (durch  Vagus-Lähmung),  Verlangsa- 
mung der  vorher  dyspnoetisch  vermehrten  Athemzüge  gehen  schliess- 
lich daraus  hervor.  Bei  sehr  acut  ansteigenden  Exsudaten  gehen  Kinder 
zuweilen  unter  den  Symptomen  der  Erstickung,  unter  »Erstickung.?- 
krämpfen«  zu  Grunde. 

Klao-en  über  Kopfschmerzen,  apathisches,  trauriges  Wesen,  Müdig- 


90(3  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

keit  und  Unlust  zum  Spielen,  zu  körperlicher  Bewegung,  Neigung  zu 
Schlaf  sind  häufige  Initialerscheinuugen. 

V  e  r  d  a  u  u  n  g  s  a  p  p  a  r  a  t.  Die  durch  das  F  i  e  b  e  r  bewirkten  Stö- 
rungen der  Verdauung  sind  bei  Kindern  hervorstechender  als  bei  Er- 
wachseneu. Gänzlicher  Apetitverlust  und  Nahrungsverweigerung ,  Er- 
brechen und  Durchfälle  sind  bei  acuter  Pleuritis  der  Kinder  etwas  sehr 
häufiges. 

Die  Zunge  ist  meist  belegt ,  der  Durst  gesteigert. 

Der  K  r  ä  f  t  e  z  u  s  t  a  n  d  und  die  A 1)  m  a  g  e  r  u  n  g  der  Kranken  hän- 
gen wesentlich  ab  von  der  Dauer  der  Erkrankung  und  dem  Verhal- 
t  e  n  des  Fiebers.  Es  ist  bekannt ,  wie  rasch  selbst  wohl  genährte 
Kinder  unter  dem  Einflüsse  eines  hohen  Fiebers  abmagern.  Bei  lange 
dauernder  chronischer  Pleuritis  beobachtet  man  die  höchsten  Grade  all- 
gemeiner Abmagerung.  Die  Haut  wird  blass,  welk,  schmutzig  grau,  er- 
hobene Falten  gleichen  sich  nur  langsam  aus  ;  der  durch  das  Exsudat 
ektatische  Thorax  steht  in  scharfem  Contrast  zu  der  skelettartigen  Ab- 
magerung der  Extremitäten  und  des  Gesichtes ;  besteht  gleichzeitig  ve- 
nöse Stauung,  so  zeichneu  sich  die  Venen  als  blaue  Stränge  auf  der  ab- 
gemagerten Haut  ausnehmend  deutlich  ab. 

Herpes  hibialis ,  nasalis  wird  bei  acuter  Pleuritis  mitunter  beob- 
achtet. 

Harn  Sekretion.  Verschiedene  Factoren  wirken  zusammen  und 
veranlassen  bei  acuter  exsudativer  Pleuritis  eine  Verminderung  der 
Harnmenge;  dahin  gehört  das  Fieber  mit  seiner  gesteigerten  Perspi- 
ration, die  Exsudation,  welche  wenigstens  bei  rapid  ansteigenden 
Ergüssen  in  Betracht  kommt  ;  endlich  die  durch  das  pleuritisohe  Exsu- 
dat herbeigeführte  G  i  r  c  u  1  a  t  i  o  n  s  s  t  ö  r  u  n  g ;  in  Folge  der  Compres- 
sion  einer  Lunge  kommt  es  zu  mangelhafter  Füllung  des  linken  Her- 
zens, zu  Druckabnahme  im  Aortensys  tem,  in  den  Glomerulis,  zu  Ver- 
minderung der  Harnmenge.  Dieser  Einflups  wird  um  so  erheblicher,  je 
rascher  das  Exsudat  ansteigt.  (S.  885  .)  Hat  sich  einmal  bei  chronischen 
Exsudaten  Compensation  durch  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels 
eingestellt,  so  nimmt  auch  mit  der  normalmässigen  Füllung  des  linken 
Herzens  der  Druck  im  Ao  rten-Systeme  wieder  zu ;  daher  die  alltägliche 
Erfahrung,  dass  selbst  von  Kranken  mit  abundanten  Exsudaten  normale 
Harnmengen  entleert  werden. 

Bei  acuter  Entstehung  massenhafter  Exsudate  nimmt  nicht  allein 
die  Harnmeiige  ab,  auch  die  Menge  der  in  24  Stunden  ausgeschiedenen 
Harnbestandtheile ,  insbesonders  der  Ghloride,  wird  erheblich  ver- 
mindert. Doch  ist  zu  berücksichtigen ,  dass  meistens  auch  die  Chlor- 
zufuhr in  solchen  Fällen  geringer  ist.     Die  HarnstofFmenge  hängt  von 


Leichten stern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     907 

sehr  verschiedenen  complicirten  Einflüssen  (Fieber,  Nahrungsaufnahme 
und  Assimilation  etc.)  ab. 

Geringe  Mengen  von  Eiweiss  können  als  Fieberwirkung  oder  als 
Folgen  der  venösen  Stauiing  gedeutet  werden  ;  anhaltender  und  beträcht- 
licher Eiweissgehalt  weist  auf  tiefer  greifende,  parenchymatöse  Degenera- 
tion, oder  bei  länger  bestehendem  Empyem  auf  Amyloiddegeneration  hin. 

Hört  das  Fieber  auf,  so  nimmt  die  Harnmenge  zu;  aus  zwei 
Gründen:  einmal  weil  die  Fieberwirkung  auf  die  Harnsecretion  aufhört, 
sodann,  weil  mit  dem  Aufhören  des  Fiebers  die  compeusatorische  Mehr- 
leistung und  Hypertrophie  des  rechten  Herzens  ermöglicht  wird.  Es  ist 
eine  alte  Erfahrung,  dass  die  Function  und  Entleerung  pleuritischer  Ex- 
sudate Steigerung  der  Harnmenge  zur  Folge  hat.  Es  geschieht  diess  be- 
kanntermas.?en  desshalb ,  weil  der  naehtheilige  Druck  des  Exsudates  auf 
die  Lungen ,  auf  die  grossen  Venenstämme  des  Thorax ,  auf  das  Herz 
hinwegfiiUt,  weil  die  Füllung  des  rechten  und  linken  Herzens  dadurch 
erleichtert,  die  Circulation  beschleunigt,  der  Blutdruck  im  Aorten-System 
gesteigert  wird.  Aus  den  gleichen  Gründen  steigt  natürlich  auch  die 
Hammenge ,  wenn  die  spontane  Resorption  beginnt. 

Man  hat  früher  bei  Erklärung  des  verschiedenen  Verhaltens  dei' 
Harnmengen  ein  viel  zu  grosses  Gewicht  auf  das  Exsudat  als  solches  ge- 
legt. Man  sagte:  Während  der  Exsudation  sinkt  die  Harnmenge,  weil 
Wasser  aus  dem  Blut  foitgeht,  umgekehrt  steigt  die  Harnmenge  bei  der 
Resorption,  weil  Wasser  wieder  aufgenommen  wird. 

Ohne  läugnen  zu  wollen ,  dass  auf  diesem  Wege,  durch  ein  rapides 
Ansteigen  und  durch  schnelle  Resorption  die  Hammenge  beeinflusst  wird, 
ist  es  doch  ein  Leichtes  zu  zeigen,  dass  von  ungleich  grösserer  Bedeu- 
tung in  dieser  Hinsicht  die  geschilderten  circulatorischen  Vorgänge  sind, 
die  mangelhafte  oder  vollständige  Füllung  des  linken  Ventrikels,  die 
Druckalinahme  oder  Druckzunahme  im  Aortensystem. 

Bei  Bestimmungen  der  Harnmengen  und  des  specifischen  Gewichtes 
ist  gebührende  Rücksicht  darauf  zu  nehmen,  dass  die  Harnmenge  der 
Kinder  schon  normal  geringer  ist  als  der  Erwachsenen.  Das  Gleiche  gilt 
vom  specifischen  Gewichte.  Ein  solches  von  1015  bei  Kindern  unter  4 
Jahren  zeigt  bereits  eine  höhere  Concentration  des  Harnes  an,  und  eine 
Hammenge  von  1000  darf  in  diesem  Alter  bereits  als  eine  vermehrte 
angesehen  werden. 

Ziems  sen  beobachtete  bei  einem  4jährigen  Mädchen,  während  das 
Exsudat  stieg,  eine  tagliche  Harnmenge  von  50—55  CG. ,  nach  Beginn 
der  Resorption  eine  24stündige  Hai-umenge  von  500  C.C. 

Erscheinungen  von  Seite  des  Circulationsappara- 
1 6  s.  Die  P  u  1  s  f  r  e  c|  u  e  n  7,  ist  bei  acuter  fieberhafter  Pleuritis  der  Tem- 
peratursteigeri^ng  entsprechend  vermehrt.  Bei  der  leichten  Erregbar- 
keit des  kindlichen  Herzens  ist  die  Bedeutung  der  Pulsfrequenz  im 
Fieber  lange  nicht  von  der  Bedeutung,  wie  beim  Erwachsenen.  Selbst 
eine  sehr  hohe  Pulsfrequenz  darf  hier  an  und  für  sich  noch  nicht  als 
gefahrdrohendes  Zeichen  angesehen  werden.    Man  muss  immer  berück- 


908  Ka-ankheiten  der  Atlimungsorgane.    Pleuritis. 

sichtigen,  dass  die  normale  Pulsfrequenz  bei  Kindern  ,  besonders  in  den 
ersten  5  Lebensjahren  eine  beträchtlich  grössere  ist,  als  beim  Erwach- 
senen. Eine  excessive  Pulsfrequenz,  oder  Verlaugsamung  der  fühlbaren 
Radialpulse  bei  enorm  gesteigerter  Schlagfolge  des  Herzens  (»Asysto- 
lie«) ,  ünregelraässigwerden  der  Pulse  (P.  inaequalis  quoad  volumen  et 
quoad  tempus)  sind  auch  beim  Kinde  die  Zeichen  von  Herz-Insufficienz. 
Der  Puls  ist  klein  ,  seine  Welle  niedrig  ,  um  so  mehr ,  je  mangel- 
hafter die  Füllung  des  linken  Ventrikels ,  je  insufficienter  die  Herzthä- 
tigkeit. 

Bei  chronischen  ,  pleuritischen  Exsudaten  mit  völliger  Compensa- 
tion  des  Circnlationshiudernisses  genügen  oft  geringe  körperliche  Be- 
wegungen, um  die  in  der  Ruhe  normale  Pulsfrequenz  erheblich  zu  stei- 
gern. Die  Compensation  ist  wohl  in  der  Ruhe  ausreichend,  gerätli  aber 
in  Unordnung  und  wird  insufficient ,  wenn  die  Ansprüche  au  das  Herz 
nur  um  Weniges  weiter  gesteigert  werden. 

In  zwei  Fällen  von  grossen  pleuritischen  B.xsudaien ,  beidesmal  der 
rechten  Seite,  habe  ich  mich  von  dem  Vorhandeusein  des  Pulsus  pa- 
radox us  (eine  Bezeichnung ,  die  mir  nicht  glücklich  gewählt  zu  sein 
scheint)  überzeugt.  Liess  ich  die  Kranken  willkührlich  sehr  tief  inspi- 
riveu ,  so  wurde  der  Radialpuls ,  wie  diess  zuweilen  auch  bei  Gesunden, 
(nur  in  geringerem  Grade)  constatirt  werden  kann,  bis  zum  Unfüblbar- 
werden  klein,  während  die  Frequenz  der  Herzcontraktionen  im  Anfange 
der  Einathnumg  zunahm ,  bei  der  Exspiration  wurden  die  Pulse  grösser 
und  langsamer.  Die  Ansaugekrai't  der  tiefen  Inspiration  hemmte  den 
Austritt  des  Arterienblutes  aus  dem  Thorax,  während  gleichzeitig  wegen 
des  Constanten  Druckes  des  rechtsseifigen  Exsudates  auf  die  Vena  cava 
superior  und  inferior  die  Blutliewegung  in  diesen  durch  die  Inspiration 
nur  wenig  gefördert  wurde.  Die  grosse  inspiratorische  Ansaugekraft  der 
linken  Lunge  hemmte  ferner  die  Systole  des  linken  Ventrikels,  um  so 
mehr,  je  weniger  kräffig  dersellie  war.  Die  Systole  wurde  dadurch  un- 
vollständig und  der  Blutdruck  im  Aortensystem  inspiratorisch  geringer. 
Bei  der  Exspiration  fiel  die  ansaugende  Wirkung  auf  Herz  und  Aorta 
weg  und  das  während  der  vorausgegangenen  Inspiration  im  Thorax  zu- 
rückgehaltene ,  gesfaute  Blut  wurde  nun  während  der  Exspiration  aus- 
getrieben und  steigerte  im  Anfang  der  Exspiration  den  Blufdruck.  Lässt 
man  aber  in  einem  solchen  Falle  die  Exspiration  willkührlich  verlängern, 
oder  lässt  man  willkührlich  auf  der  Höhe  der  Inspiration  den  Atbem 
innehalten,  so  beobachtet  man,  wie  ich  mich  in  einem  dieser  Fälle  aufs 
Deutlichste  überzeugte,  ein  erhebliches  Kleinerwerden  der  Pulse*). 


*)  Ich  habe  heute,  am  Tage,  wo  ich  diess  schreibe,  die  sphygmographische 
Curve  eines  Kranken  der  hiesigen  medicini.schen  Klinik  mit  einem  enormen 
pleuritischen  Exsudate  der  linken  Seite  aufgenommen,  die  Curve  zeigt  ein  deut- 
liches Ansteigen  des  Druckes  im  Verlauf  der  Inspiration;  während  der 
Exspiration  sinkt  der  Blutdruck.  Das  Maximum  des  Druckes  fällt  in  den 
Anfang  der  Exspiration.  Ich  glaube  ,  dass  der  Grund  der  Erscheinung  darin 
beruht,   dass   die  Inspiration   wohl   fördernd    auf  den  Kreislauf  in  den  Venen 


L  e  i  eil  t  e  11  s  t  e  1-  n,  Krankheiten  der  Pleura.     Symptome.  Diagnose.      909 

Die  Zeichen  der  Insufficienz  der  Herztliätigkeit  machen  sich  gel- 
tend in  geringer  Füllung  des  linken  Herzens,  in  arterieller  Anämie  nnd 
venöser  Hyperämie,  in  mehr  oder  minder  hochgradiger  Cyanose. 
Mit  dem  Nachlass  der  Herzkraft  treten  Oedeme  auf,  am  frühesten  nach- 
weisbar in  der  Knöchelgegend.  Höhere  Grade  von  Circulationsverlang- 
samung  haben  zuweilen  Thrombenbildung  in  der  Cruralis  zur  Folge. 

Liegen  Kranke  mit  grossem  pleuritischen  Exsudate  anhaltend  auf 
der  kranken  Seite ,  so  wird  diese  beim  Auftreten  von  Oedemen  in  Folge 
mangelhafter  Circulation  häufig  ödematös,  ebenso  wie  auch  das  Bein 
jener  Seite ,  auf  welcher  der  Kranke  liegt ,  stärker  ödematös  ist  als  das 
andere. 

Von  dem  auf  diese  Weise  entstehenden  Oedem  der  kranken  Brust- 
hälfte verschieden  ist  ein  anderes ,  sogenanntes  entzündliches ,  häufig 
mit  Röthe  und  Schmerzhaftigkeit  einhergehendes,  meist  umschriebenes, 
das  der  Perforation  des  Empyemes  vorauszugehen  pflegt.  Andere  be- 
haupten, dass  Oedem  einer  Brusthälfte  ein  Zeichen  von  Empyem  über- 
haupt sei  und  nur  dabei  vorkomme.  Das  Oedem  der  kranken  Brust- 
hälfte hat  zuweilen  seinen  Grund  in  einem  Druck  auf  die  Vena  azygos 
und  hemiazygos.  Da  die  Vena  azygos  (welche  die  hemiazygos  aufnimmt) 
sich  dicht  über  den  rechten  Bronchus  hinweg  — ■  »auf  ihm  reitend«  — 
in  die  Cava  superior  einsenkt ,  so  ist  leicht  einzusehen ,  dass  besonders 
rechtsseitige  Ergüsse  einen  nachtheiligen  Druck  auf  sie  ausüben 
können. 

Lage  der  Kranken.  Gerade  bei  Kindern  zeigt  sich  oft  recht  deut- 
heh  ,  wie  instinktiv  stets  jene  Lage  eingenommen  wird,  in  der  bei  g  e- 
ringster  Schmerzhaftigkeit  die  Befriedigung  des 
Athembedürfnisses  am  leichtesten  von  Statten  geht.  »Die 
Lage  wird  anfangs  durch  den  Schmerz  bestimmt ,  später  durch  das  Ex- 
sudat« ,  sagt  Skoda,  der  diese  Verhältnisse  so  klar  auseinandergesetzt 
hat,  dass  ich  nichts  hinzuzufügen  wüsste.  Bei  grossen  Exsudaten  ist  die 
Lage  auf  der  kranken,  der  physiologisch  unnützen  Seite  die  Regel.  Die 
■Befriedigung  des  Athembedürfnisses  erheischt  diese  Lage.  Noch  häufi- 
ger nehmen  die  Kranken  besonders  bei  mittelgrossen  Exsudaten  die 
Rückenlage  ein,  mit  geringer  Neigung  des  Rumpfes  nach  der  kran- 
ken Seite.  In  dieser  Lage  können  auch  die  vorderen  Parthien  der  kran- 
ken Thoraxseite  noch  mitathmeu  und  es  ist  bekannt ,  dass  diese  ergie- 
bigere Excursionen  ausführen,  als  die  dorsalen.  Kranke  mit  sehr  gros- 
sem pleuritischen  Exsudate  liegen  aber  auch  desshalb  auf  der  kranken 


wirkt,  weil  die  Ansaugekraft  der  rechten  Lunge  erhalten  ist,  dagegen  nicht 
hindernd  auf  den  Blutlauf  in  den  Arterien ,  welche  sowohl  bei  In-  als  Exspi- 
ration von  dem  linksseitigen  Exsudat  gleichmässig  belastet  sind. 


910  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Seite,  weil  so  der  Respirationerschwerende  Druck  des  Exsudates  auf  das 
Mediastinum  und  Herz,  und  damit  mittelbar  auf  die  noch  thätige  Lunge 
am  Geringsten  ausfällt. 

Bei  acuter,  trockner,  schmerzhafter  Pleuritis  ist  das  Verhalten 
hinsichtlich  der  Lage  des  Kranken  ein,  wie  ich  immer  noch  fand,  durch- 
aus regelloses. 

Traube  giebt  an,  dass  Kranke  mit  acuter  trockner  Pleuritis  auf 
der  gesunden  Seite  liegen  und  zwar  desshalb,  weil  bei  dieser  Lage  der 
Blutstrom  in  den  Venen  der  entzündeten  Pleura  begünstigt  und  der 
Schmerz  geringer  wird  ;  also  ähnlich,  warum  auch  ein  Finger  mit  schmerz- 
haftem PanaratJun:  hoch  gehalten  zu  werden  pflegt. 

Diese  geistreiche  Erklärung  hat  gewiss  für  viele  Fälle  Gültigkeit. 
In  anderen  Fällen  von  acuter  trockner  Pleuritis  wird  der  Schmerz  vor- 
zugsweise oder  einzig  und  allein  durch  die  Athmuug  ausgelöst.  Solclie 
Kranke  liegen,  wie  ich  mich  wiederholt  überzeugte,  auf  der  ki-anken 
Seite.  Indem  sie  diese  durch  die  Last  des  Thorax  beschweren,  ven-ingern 
sie  die  respiratorischen  Excursionen  der  kranken  Seite  und  damit  auch 
den  Schmerz. 

Erscheinungen  von  Seite  des  Respirations-Appa- 
rates. Eine  Fülle  der  wichtigsten  Symptome  bei  Pleuritis  bietet  uns 
der  Respirationsapparat  dar. 

Wir  rechnen  hieher  selbstverständlich  auch  die  Erscheinungen  vou 
Seite  der  Inspection,  Mensuration,  Percussion,  Palpation  und  Ausculta- 
tion.     Wir  wollen  diese  Symptome  der  Reihe  nach  betrachten. 

1)  Athemf  requenz.  In  allen  acuten  Fällen  von  Pleuritis,  be- 
sonders bei  rasch  ansteigenden  Exsudaten ,  ist  die  Athemfrequeiiz  be- 
schleunigt, es  besteht  Dyspnoe.  Diess  ist  eine  Folge  zum  geringeren 
Theil  des  Fiebers ,  zum  grössten  Theil  der  localen  Vorgänge.  In  dem 
Maasse  als  das  Exsudat  ansteigt ,  wird  die  respirirende  Oberfläche  nicht 
allein  verkleinert  durch  Retraktion  und  Compression  der  Lunge,  auch  die 
respiratorischen  Excursionen  der  kranken  Seite  werden  geringer  und  ver- 
mindern die  Ventilationsgrösse  des  oberhalb  des  Exsudates  gelegenen 
noch  lufthaltigen  Lungenrestes.  Compensation  ist  nur  möglich  durch  Er- 
höhung der  Ventil atorischen  Function  der  gesunden  Lunge,,  durch  eine 
Zunahme  der  Zahl  und  Tiefe  der  Athemzüge.  —  Bei  acuter  trockner 
Pleuritis  hindert  der  Schmerz  sehr  häufig  tiefere  Inspirationen  ;  es  muss 
daher  durch  eine  Zunahme  der  Zahl  der  Athemzüge  compensirt  werden, 
was  an  Tiefe  derselben  verloren  geht. 

Wird  das  Exsudat  chronisch  und  lässt  das  Fieber  nach ,  so  mässigt 
sich  allmählig  die  Dyspnoe ,  obwohl  die  Compression  der  Lunge  nach 
wie  vor  die  gleiche  bleibt.  Es  hängt  diess  zusammen  mit  der  durch  die 
Mehrleistung  des  rechten  Ventrikels  erzielten  allmähligen  Compensation 
des  Circulationshindernisses  im  kleinen  Kreislauf,  mit  der  Abnahme  der 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     911 

Organparenchyme  und  der  Blutmasse  durch  die  Abmagerung,  Verhält- 
nisse, die  wir  im  Vorhergehenden  ausführlich  besprochen  haben  (S.  890). 

Mit  der  Zunahme  der  Dyspnoe ,  welche  besonders  bei  rasch  anstei- 
genden Exsudaten  gesunder  kräftiger  Kinder  extreme  Grade  erreichen 
kann ,  treten  der  Reihe  nach  die  auxiliaren  Athem-Muskeln  in  ange- 
strengteste Thätigkeit  (Orthopnoe). 

Langsamerwerden  der  Athemzüge  bei  Zunahme  der  Cyanose  deu- 
tet auf  Ermüdung  des  Athemcentrums  hin.  unter  solchen  Umständen 
kann  gegen  das  Lebensende  periodisch  intermittirende  Respiration  — 
sogenanntes  Cheyne-Stocke'sches  Phänomen  zu  Stande  kommen. 

2)  Athemtypus  und  Excursionen.  Eine  sofort  in  die 
Augen  springende  Erscheinung  bei  grossen  Exsudaten  ist ,  dass  sich  die 
kranke  Seite  an  den  respiratorischen  Excursionen  des  Thorax  nicht 
mehr  betheiligt,  dass  sie  mehr  oder  minder  vollständig  stille  steht.  Ist 
das  Exsudat  ein  mittelgrosses ,  so  bewegen  sich  wohl  noch  die  oberen 
Parthien  der  kranken  Seite  (reiner  »Supracostal- Typus«  der  Respira- 
tion), während  die  unteren  respiratorisch  unthätig  sind. 

Wenn  grosse  Exsudate  eine  Zwerchfellshälfte  soweit  nach  abwärts 
gedrängt  haben,  wie  dieselbe  bei  einer  tiefen  Inspiration  normalerweise 
zu  stehen  pflegt,  so  ist  ein  Herabsteigen  des  Zwerchfelles  bei  der  inspi- 
ratorischen Contraktion  desselben  nicht  mehr  möglich,  und  es  findet 
nun  inspiratorische  Einziehung  der  den  costalen  Ursprüngen  des  Zwerch- 
felles entsprechenden  Parthien  des  Rippenbogens  statt. 

Eine  verminderte  respiratorische  Thätigkeit  der  kranken  Lunge  tref- 
fen wir  aber  nicht  allein  bei  Exsudaten ,  sehr  häufig  auch  bei  acuter, 
trockner,  schmerzhafter  Pleuritis  an.  Der  Kranke,  der  bei  jeder  Inspira- 
tion heftig  stechende  Schmerzen  empfindet,  sucht  die  ki'anke  Seite  mög- 
lichst zu  schonen  und  besonders  vor  den  Athmungsexcursionen  zu  be- 
wahren ;  er  erreicht  diess  durch  eine  wiUkührliche  Scoliose  mit  Auskrüm- 
mung nach  der  gesunden  Seite.  Er  ahmt  dabei  den  Heilung8vorgang 
beim  Eetrecissement  nach,  nähert  die  Kippen,  beschwert  die  ki'anke  Seite 
und  hindert  ihre  respiratorischen  Excur.sionen.  Ja  Erwachsene  oder  äl- 
tere Kinder  stemmen  zuweilen  die  Hand  mit  Gewalt  in  die  Seite  (Bauch- 
seitengegendj ,  um  auch  die  Excursionen  des  Zwerchfelles  möglichst  zu 
hindern. 

Auch  beim  Retrecissement ,  bei  erheblichen  Pleuraverwachsungen, 
bei  Obliteration  des  Pleuraraumes  und  Obsolescenz  der  Complementär- 
ßäume  athmet  die  kranke  Seite  oft  merklich  weniger  als  die  gesunde. 

Grosse  pleuritische  Exsudate  der  linken  Seite  verdrängen  das  Zwerch- 
fell soweit,  dass  dieses  convex  in  die  Bauchhöhle  hineinragt.  Dann  sieht 
man  folgende  interessante  Erscheinung  beim  Athmen :  Bei  jeder  Inspi- 
ration werden  die  Bauchdecken  unmittelbar  unter  dem  linken  Rippen- 
bogen eingezogen ,  während  die  symmetrischen  Stellen  der  rechten  Bauch- 


912  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

hälfte  wie  normal  inspiratorisch  vorgewöllit  werden.  Die  Erklärung  dieser 
paradoxen  Erscheinung  liegt  auf  der  Hand. 

Es  ist  in  hohem  Grade  interessant,  dass  das  von  grossen  linkssei- 
tigen Exsudaten  convex  nach  unten  vorgewölbte  Zwerchfell  diese  Stellung 
oft  noch  längere  Zeit  beibehält ,  wenn  auch  das  Exsudat  um  die  Hälfte 
und  noch  mehr  resorliirt  wurde.  Ein  solcher  Fall  befindet  sicli  zur  Zeit 
auf  hiesiger  med.  Klinik.  Das  früher  enorme  linksseitige  Exsudat  ist  bis 
auf  ein  noch  restii'endes  Viertheil  resorbirt ;  dennoch  ist  das  Zwei'chfell 
noch  convex  vorgewölbt,  die  Dämpfung  reicht  bis  an  den  Eippenbogen- 
rand,  die  Milz  ist  noch  leicht  palpabel  und  die  eben  beschriebene  pa- 
radoxe Abdominal-Respiration  der  linken  oberen,  hypochondrischen  Bauch- 
gegend ist  noch  ausserordentlich  deutlich  wahrzunehmen. 

3)  Husten  kommt  bei  einfacher,  d.  h.  nicht  durch  Bronchial-  und 
Lungenerkrankungen  complicirter  Pleuritis  vorzugsweise  im  acuten 
Stadium  vor.  Der  Husten  ist  kurz,  schmerzhaft.  Der  reflektorisch  Hu- 
sten erregende  Reiz  entsteht  häufig  auf  der  Höhe  oder  gegen  Ende  der 
Inspiration ,  die  dann  plötzlich  coupirt  in  die  exspiratorische  Hustenhe- 
wegung  übergeht.  Die  Erklärung  des  Hustens  bei  acuter  Pleuritis  ist 
einfach ;  man  darf  nur  nicht  die  sich  widersprechenden  Husten-Experi- 
mente an  Kaninchen  und  Hunden  als  das  Entscheidende  in  diese  Frage 
hereintragen. 

Der  Husten  fördert  bei  Pleuritis  unter  der  vorhin  gemachten  Vor- 
aussetzung keine  Sputa  zu  Tage. 

Hinsichtlich  der  eitrigen  Sputa  beim  Empyema  intus  perforatmii 
verweise  ich  auf  S.  896.  Auf  die  »seroalbuminöse«  Expectoration  der 
Franzosen  nach  Thoracocentese  werden  wir  später  zu  sprechen  kommen. 

4)  Der  S  e  i  t  e  n  s  c  h  m  e  r  z.  Ein  sehr  gewöhnliches  Symptom  bei 
acuter  Pleuritis  ist  stechender  (seltener  drückender)  Schmerz  auf 
der  kranken  Seite.  L  a  e  n  n  e  c  und  G  e  r  h  a  r  d  t  haben  Fälle  beobachtet, 
wo  bei  Pleuritis  einer  Seite  der  Schmerz  auf  der  anderen  empfunden 
wurde.  Für  dieses  jedenfalls  höchst  seltene  Vorkommen  scheint  mir 
noch  keine  befriedigende  Eiklärung  gefunden  zu  sein. 

Der  Schmerz  ist  häufig  blos  ein  iiaspiratorischer ,  nimmt  oft  wäh- 
rend der  Inspiration  alimählig  zu,  oder  erscheint  plötzlich  inmitten  die- 
ser Athemphase,  die  dann  —  bei  Kindern  oft  sichtlich  —  plötzlich  inne- 
hält und  jäh  abgehrochen  wird.  Der  Schmerz  ist  in  anderen  Fällen  mehr 
continuirlich ,  sowohl  in-  wie  exspiratorisch. 

Am  seltensten  sind  die  Pulle ,  wo  der  Schmerz  blos  exspiratorisch 
ist;  ich  habe  diess  in  exquisiter  Weise  in  einem  Falle  von  Rippenbruch 
beobachtet  und  halte  das  Symptom  von  nur  allein  exspiratori- 
sehem  Schmerz  unter  Umständen  selbst  für  die  Differentialdiagnose 
zwischen  Pleuritis,  Myorexis  und  Kippenbruch  von  Werth. 

Husten,  Schreien,  Pressen,  Niessen  und  alle  forcirten  Exspirtitions- 


Leich  tenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.   Diagnose.     913 

bewegungen  erzeugen  oder  vermehren  gemeinhin  den  Schmerz  ;  oft  auch 
das  Sprechen ,  daher  die  Sprache  coupirt ,  häsitirend. 

Geht  die  acute  Pleuritis  in  Exsudation  über ,  so  vermindern  sich 
die  Schmerzen  ;  neue  Exacerbationen  rufen  sie  wieder  zurück. 

Auf  die  Ursache  des  Schmerzes  bei  Pleiuitis  näher  einzugehen,  ist 
hier  nicht  der  Ort.  Entzündete  Organe  sind  schmerzhaft,  am  meisten, 
wenn  sie  bewegt  und  gedrückt  werden.  Die  mit  der  Respiration  einher- 
gehende Verschiebung  der  entzündeten  Pleurablatter  au  einander ,  die 
Spannung  (Dehnung)  derselben  besonders  auf  der  Höhe  der  Inspiration, 
—  und  gerade  in  diesem  Momente  erfolgt  oft  der  Schmerz  —  der  po- 
sitive Druck  während  der  Exspiration,  —  besonders  bei  forcirten  Aus- 
athembewegungen  —  diess  Alles  steigert  den  Schmerz.  Ebenso  wirkt 
zuweilen  auch  der  Druck  in  die  Intercostalräume.  Continuirlicher  Schmerz 
wird  mitunter  durch  Druck  gemildert,  —  z.  B.  Kopfschmerz  durch  eine 
straff  angezogene  Binde.  Auch  einzelne  Pleuritis  -  Kranke  lieben  den 
Druck  und  comprimiren  absichtlich  die  kranke  Seite. 

Der  Schmerz  fehlt  bei  trockner  Pleuritis  zuweilen  gänzlich.  So  ver- 
hält es  sich  z.  B.  sehr  oft  bei  der  trocknen  Pleui'itis,  die  sich  nach  der 
Lösung  einer  croupösen  Pneumonie  einstellt,  oder,  wenn  nach  Resorption 
eines  Exsudates  die  rauhen  Pleurablätter  sich  wieder  lierühren;  trotz 
des  lauten,  vielleicht  fühlbaren  pleuritischen  Reibens  ist  doch  kein 
Sehmerz  vorhanden.  Diess  gebe  ich  Jenen  zu  bedenken,  welche  immer 
nur  von  der  Reibung  der  rauhen  Flächen  als  Ursache  des  Schmer- 
zes reden. 

Die  Reibung  der  rauhen  Flächen  kann  den  Schmerz  steigern  und 
thut  es  gewiss  oft ;  aber  nicht  an  und  für  sich.  Der  Hauptvorgang,  wel- 
cher den  Schmerz  verursacht,  beruht  in  den  veränderten  jdiysikalischen 
Bedingungen  des  entzündeten  Gewebes,  wahrscheinlich  auch  in  entzünd- 
lichen Veränderungen  der  Nerven  selbst. 

5)  Räumliche  oder  A  u  s  d  e  h  n  u  n  g  s  v  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  e  der 
kranken  Thoraxseite.  Störung  der  Symmetrie  beider 
Brusthälften.     Haltung  des  Kranken. 

Zu  den  augenfälligsten  Erscheinungen  bei  grossen  pleuritischen  Ex- 
sudaten gehört  ausser  dem  Athmungsstillstand  der  kranken  Seite  die 
grössere  Ausdehnung  derselben,  welche  sowohl  bei  Betrach- 
tung des  Thorax  von  vorne,  als  von  hinten  leicht  zu  erkennen  ist.  Klei- 
ner ,  volumenärmer  und  eingezogen  erscheint  die  Seite  beim  Heilungs- 
d.  h.  Resorptions- Vorgange  imd  gleichzeitigen  Retre'cissement.  Hier 
kann  es  vorkommen ,  dass  die  kranke  Thoraxseite  von  vorne  betrachtet 
noch  grösser  erscheint ,  während  sie  von  hinten  gesehen  sich  bereits 
merklich  kleiner  präsentirt ;  aber  auch  das  Umgekehrte  findet  statt. 

Mit  der  durch  massenhafte  Brgü,<se  hervorgerufenen  Ektasie  einer 
Thoraxhälfte  ändert  sich  die  Haltung  des  Kranken,  seiner  Wirbelsäule  und 
Schulter  Diess  ist  gerade  bei  Kindern  oft  sehr  gut  zu  beobachten.  Lässt 
man  sie  aufstehen  imd  gehen,  so  findet  sofort  eine  Verkrümmung  der 
Wirbelsäule   des    kleinen  Patienten    statt   und   zwar  mit   der  Conve.Kitat 

Handb.  (1.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


914  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

nach  der  kranken  Seite;  die  Schulter  dieser  Seite  tritt  höher,  die  der 
gesunden  tiefer,  der  Kopf  wü-d  nach  letzterer  geneigt.  Die  Kindei- 
gehen mit  schiefer  Haltung  des  Kumpfes  und  Neigung  desselben  nach 
der  gesunden  Seite ;  diese  Seoliose  ist  eine  rein  willkührliche  und  in- 
stinktive ;  ihre  Erklärung  liegt  nahe,  und  ich  habe  nie  noch  an  eine  an- 
dere gedacht,  als  daran,  dass  die  Kinder,  um  den  durch  das  Exsudat 
seitlich  verrückten  Schwerpunkt  des  Rumpfes  wieder  in  die  Mittellinie 
zu  bringen,  instinktiv  nach  der  gesunden  Seite  sieh  neigen  und  dabei 
nothwendiger  Weise  die  Wirbelsäule  nach  der  kranken  Seite  convex 
krümmen. 

Dass  es  sich  so  verhält,  zeigt  sich ,  wenn  wir  die  Kinder  wieder  in 
das  Bett,  in  die  liegende  Haltung  zurückl)riugen.  Nun  hört  die  seitliehe 
Verkrümmung  der  Wirbelsäule  auf,  weil  eben  keine  Autfordeiung  mehr 
besteht,  den  Schwerpunkt  des  Thorax  in  die  vom  Scheitel  zur  Pusssohle 
gerichtete  Vertikale  einzustellen. 

Dauert  aber  eine  solche  Willkühr-Scoliose  ,  wie  wir  sie  eben  schil- 
derten, längere  Zeit  an,  und  diess  ist  der  Fall  bei  Kindern,  welche  mit 
grossem  chronischem  Exsudat  die  meisten  Stunden  des  Tages  ausser  Bett 
zuliringen,  so  wird  sie,  wie  jede  habituelle  fehlerhafte  Haltung,  perma- 
nent und  der  Ausgleich  derselben  ist  dann  auch  in  der  liegenden  Hal- 
tung des  Kranken  nicht  mehr  ganz  möglich. 

Die  Seoliose  mit  Auskrümmung  nach  der  kranken  Seite  und  Hoch- 
stand der  Schulter  derselben  kommt  ausser  auf  die  genannte  Weise  noch 
auf  eine  andere  zu  Stande.  Schon  Krause  (1843)  hat  hierauf  aufmerk- 
sam gemacht.  Bei  sehr  grossen  Ergüssen  nimmt  der  Thorax  nicht  allein 
in  der  horizontalen  Circumferenz  an  Ausdehnung  zu,  sondern  auch  in 
der  Richtung  von  oben  nach  unten ;  letzteres  geschieht  durch  das  Herab- 
treten des  Zwerchfelles ,  sodann  aber  auch  durch  eine  möglichst  ergie- 
bige inspiratorische  Stellung  der  obersten  Rippen;  diese  werden  durch 
den  Ex^udatdruck  um  ebenso  viel  geholfen ,  als  sie  durch  die  Inspira- 
tions-Muskeln gehoben  werden  können;  damit  ist  nothwendig  ein  Hüher- 
stehen  der  betreuenden  Schulter,  und  eine  leichte  scoliotische  Verkrüm- 
mung mit  der  Convexität  nach  der  kranken  Seite  verbunden:  man  ver- 
suche nur  bei  ßuhighaltung  einer  Thoraxhälfte  mit  der  anderen  mög- 
lichst tief  zu  inspiriren ,  und  man  wird  finden ,  dass  dabei  sofort  die 
betreffende  Schulter  in  die  Höhe  tritt  und  die  Wirbelsäule  in  der  erwähn- 
ten Weise  sehwach  gekrümmt  wird*)! 

Um  üljer  den  Grad  der  Mehr.iusdehnung  der  kranken  Seite  noch 
näheren  Aufschluss  zu  erhalten,  nimmt  man  die  Messung  mittelst  des 
Tastercirkels ,  des  Bandmaasses  oder  noch  besser  mit  dem  Cyrtometer 
vor.  Messungen  dieser  Ai-t,  wenn  mit  den  nöthigen  Cautelen,  insbeson- 
dere immer  in  der  gleichen  Stellung  des  Kranken  vorgenommen,  haben 
einigen  Werth,  liesonders  in  Hinsicht  auf  die  früher  constatirten  und 
die  später  zu  erwaiienden  Volumenverhältnisse  der  kranken  Seite.  Da- 
bei ist  zu  Ijeachten,  dass  die  rechte  Thoraxseite  in  der  Regio  inframam-" 


*)  Diese  beiden  einfachen  Erklärungen  sind  vollkommen  hinreichend. 
Fe  r  b  e  r  hat  in  neuester  Zeit  noch  eine  andere,  höchst  gekünstelte  construirt, 
die  schon  desshalb  unnöthig,  weil  sie  unrichtig  ist. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     915 

malis  nicht  allein  beim  Erwachsenen,  sondern  noch  viel  mehr  bei  kleinen 
Kindern,  eine  etwas  grössere  Ciroumferenz  darbietet  als  die  linke. 

Die  Thorax-Missstaltung  beim  Eetreeissement  besteht  in  Verkleine- 
rung und  Einziehung  der  kranken  Seite;  die  Eippen  treten  einander 
näher,  bis  sie  sich  bei-ühren,  zuweilen  selbst  daehziegelförmig  decken; 
die  Wirbelsäule  wird  convex  nach  der  gesunden  Seite  ausgekrümmt,  die 
Schulter  und  Soapula  sinken  tiefer;  letztere  steht  flügeltormig  ab,  der 
Kopf  wird  etwas  nach  der  kranken  Seite  geneigt.  Die  Einziehung  geht, 
wie  schon  erwähnt,  nicht  immer  an  allen  Punkten  der  Gircumferenz 
gleichmässig  von  Statten.  Oft  ist  vorne  bereits  Eetrecissement  durch 
muldenfönniges  Einsinken  der  unteren  Thoraxparthie  —  der  Regio  mam- 
malis  und  inframammalis  —  erkennbar,  während  hiirten  noch  Mehraus- 
dehnung der  kranken  Seite  besteht  und  umgekehrt.  Diese  verschieden- 
artigen Diilbrmitäten  anschaulich  zu  machen ,  dazu  dient  der,  ideale 
Durchschnitte  gebende,  Cyrtometer. 

Eine  weniger  bekannte  Thatsache,  die  ich  durch  Darlegung  mehrerer 
Cyrtometermessungen  leicht  beweisen  könnte,  ist  die,  dass  mit  dem  Ein- 
tritt des  Retrecissement  die  Gircumferenz  der  gesunden  Seite  nicht  allein 
relativ,  sondern  absolut  grösser  wird.  Die  Cyrtometercurve ,  welche  wir 
nun  aufnehmen ,  verhält  sich  gerade  umgekehrt  zur  Zeichnung  ,  welche 
wir  bei  demselben  Kranken  auf  der  Höhe  des  Exsudates  entwarfen,  und 
es  lässt  sich  leicht  zeigen,  dass  die  gesunde  Seite  durch  das  ßetrecisse- 
ment  absolut  etwas  umfangreicher  geworden  ist.  Die  Ursache  hieven 
liegt  auf  der  Hand. 

6)  P  e  r  c  u  s  s  i  0 11.  Bei  der  Percussioii  des  kindlichen  Thorax  sind 
es  gewisse  technische  Cautelen ,  von  deren  Berücksichtigung  das  Resul- 
tat, die  Erkenntuiss  der  krankhaften  Veränderungen  wesentlich  abhängt. 
Wie  es  beim  Erwachsenen  zahlreiche  Verhältnisse  giebt ,  wo  nur  eine 
diesen  angemessene  zarte,  leise  Percussion  sichere  Resultate  liefert, 
so  ist  es  noch  viel  mehr  bei  der  Percussion  am  kindlichen  Thorax  der 
Fall.  Bei  der  Biegsamkeit  und  geringen  Dicke  der  percutirten  Brust- 
wand, bei  der  Kleinheit  des  Raumes,  dem  die  Ausdehnung  der  Infiltrate 
und  Exsudate  proportional  ist,  führt,  wie  die  Praxis  lehrt,  nur  eine 
leise  Percussion  mit  kurzen  zarten  Anschlägen  zum  Ziele. 

Mancherlei  andere  Punkte  sind  zu  berücksichtigen.  Vor  Allem  die 
Haltung  der  kleinen  Patienten  während  der  Percussion.  Sitzt  das  Kind 
auf  dem  Arme  der  Mutter ,  die  den  angelehnten  Kopf  fixirt ,  so  wird 
häufig  die  von  der  Mutter  abgeweudete  Seite  stärker  ausgewölbt,  die 
Wirbelsäule  nach  dieser  Seite  hin  convex ,  die  andere  Seite  dagegen  et- 
was eineezogen.  Irrthümer  können  daraus  bei  der  Percussion  hervor- 
gehen.  Es  ist  oft  zweckmässig,  die  Percussion  in  verschiedener  Haltung 
des  Kindes  vorzunehmen.  Geduld  und  Geschick  führen  auch  bei  den 
ärgsten  Schreihälsen  zum  Ziele.  Während  forcirter  Exspirationen  beim 
Schreien  und  Brüllen  wird  der  Percussionsschall  über  dem  stark  ge- 

58* 


916  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 

spannten  Thorax  und  Lungengewebe  kürzer,  gedämpfter,  aus  mehreren 
Gründen,  auf  die  näher  einzugehen  hier  nicht  der  Ort  ist. 

Im  Beginne  der  Pleuritis,  so  lange  noch  kein  Exsudat  und  desshalb 
auch  noch  keine  Retraktion  der  Lunge  zugegen ,  ist  der  Percussions- 
schall  unverändert. 

Andere  finden  schon  bei  „trockner"  Pleuritis  den  Sehall  verändert, 
etwas  voller,  langsamer  verklingend,  dem  tympanitischen  genähert.  Ich 
habe  das  Gleiche  wiederholt  im  Beginne  einer  Pleuritis  nachweisen  kön- 
nen, nahm  aber  unter  solchen  Umständen  stets  geringe  Lungen- Retrac- 
tion  als  Ursache  des  veränderten  Schalles  an,  und  sah  darin  das  erste 
Zeichen  einer,  wemi  auch  durch  Percussion  noch  nicht  nachweisbaren 
Exsudation. 

Pleuritische  Exsudate  bewirken  erst  dann  deutliche  Schalldämpf- 
ung, wenn  sie  eine  gewisse  Grösse  erreicht  haben.  Es  ist  selbstverständ- 
lich, dass  die  geringste  Exsudatmenge,  welche  durch  Dämpfung  nach- 
weisbar, bei  Kindern  eine  ganz  andere  ist,  als  bei  Erwachsenen.  100  C.C. 
Exsudat  bei  einem  einjährigen  Kinde  können  schon  eine  stattliche  Däm- 
pfung bewirken,  während  sie  beim  Erwachsenen  des  Nachweises  spotten. 
Es  kommt  ferner  ausser  auf  die  Menge  auch  noch  auf  die  Lage  des  Exsu- 
dates an.  Bei  Verwachsungen  der  Lunge,  Obliteration  der  Complemen- 
tär-Räume  ,  Absackung  der  Exsudate  kommt  es  vor ,  dass  geringfügige 
Exsudatmengen  Dämpfung  geben,  weil  sie  in  grösserer  Flächenaus- 
dehnung Thoraxwandständig  sind. 

Die  Frage,  wo  erscheint  die  Dämpfung  zuerst,  ist  identisch  mit  der: 
wo  sammeln  sich  Exsudate  zuerst  an?  Die  einfache  Antwort  lautet:  In 
den  abhängigsten  Parthien  des  Pleuraraumes.  Welches  nun  diese  sind, 
ist  natürlich  bedingt  von  der  Lage ,  die  der  Kranke  zur  Zeit  der  Exsu- 
dation einnimmt.  Meist  liegt  er  um  diese  Zeit  zu  Bette  und  zwar ,  wie 
wir  sahen,  in  der  Rückenlage  mit  geringer  Neigung  des  Rumples  nach 
der  Ijranken  Seite.  Daher  sammeln  sich  die  Exsudate  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  zuerst  hinten  an  imd  werden  durch  Dämpfung  daselbst  nach- 
weisbar *).  Steigt  das  Exsudat  in  dieser  Lage  allmählig  an ,  so  behält 
es  selbstverständlich,  wenn  Verwachsungen  der  Lunge  nicht  hindernd  da- 
zwischen treten,  sein  horizontales  Niveau  bei.  Das  Exsudat- Niveau  reicht 
—  wenn  wir  den  Kranken  aufrecht  sitzend  untersuchen  —  von  hinten 
oben  nach  vorne  unten.  Das  Exsudat  kann  hinten  in  der  Höhe  der  Spina 
scapulae  stehen  ,  während  es  vorne  nur  bis  zur  5.  oder  4.  Rippe  reicht. 
Weniger  stark  geneigt  d.  h.  der  Horizontalen  mehr  geneigt  verlauft  das 


*)  Beim  Nachweise  sehr  geringer  Dämpfungen  Hinten-Unten  iat  im- 
mer zu  berücksichtigen,  dass  die  hintere  untere  Schallgrenze  auf  der  rechten 
Seite  unter  normalen  Verhältnissen  häufig  um  Daumen  bis  '2  Fingerbreiten 
höher  steht,  als  auf  der  linken  Seite. 


Leichtenstern,  Kranklieiteia  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.    917 

Exsudat-Niveau  des  sitzend  untersuchten  Kranken,  wenn  dieser  in  Folge 
der  Orthopnoe  während  der  Exsudation  mehr  aufrecht  im  Bette  sass,  als 
lag.  Diese  Begrenzung  des  Exsudates  durch  eine  Linie,  welche  von  hin- 
ten oben  nach  vorne  unten  verläuft,  ist  weitaus  die  häufigste,  weil  eben 
die  Kranken  während  der  Exsudation  im  Bett  zu  liegen  pflegen. 

Bei  der  schleichenden  Form  (S.  882)  der  Pleuritis  dagegen  gehen 
die  Kranken,  während  das  Exsudat  allmählig  entsteht  und  ansteigt,  um- 
her. Wo  sammelt  sich  nun  das  Exsudat  zuerst  an  ?  Wieder  an  der  tief- 
sten Stelle  des  Pleuraraums.  Welche  ist  diess  ?  Darüber  herrschen 
verschiedene ,  zum  Theil  irrige  Meinungen  und  Vorstellungen.  Die 
tiefste  Stelle  des  Pleuraraumes  liegt  beim  aufrecht  stehenden  Menschen 
meistens  in  der  mittleren  und  hinteren  Axillar-Linie  *).  Von  hier 
steigt  die  untere  Pleura-Grenze  in  ihrem  Verlaufe  gegen  die  Wirbel- 
säule wieder  allmählig  an.  Hier  also  in  der  mittleren  und  hinteren 
Axillar-Linie,  in  dem  Räume  zwischen  unterem  Pleurarand 
und  Lungeuran  d  (im  sogenannten  complementären  oder 
auch  »halbmondförmigen«  Räume)  ist  häufig  die  erste  Dämpfung  zu 
constatiren,  namentlich  bei  Kranken,  welche  imihergehen  oder  aufrecht 
sitzen,  während  das  Exsudat  gebildet  wird. 

Wie  ich  aus  einer  jüngst  erschienenen  Mono- 
graphie über  Pleuritis  ersehe,  herrschen  über  die  Ge- 
stalt, Ausdehnung  und  Grenzen  der  Pleura  Comple- 
mentärräume  (des  »halbmondförmigen  Raumes«)  hin 
und  wieder  noch  irrige  Vorstellungen  **).  Ich  habe 
mir  daher  die  nebenstehende  Figur  beizufügen  erlaubt. 

ab  Rippenbogenrand. 

de  Pleurarand. 

ef  Lungenrand.  Der  vertikal  schraf'firte  Raum, 
der  in  der  Zeichnung  etwas  zu  schmal  ausgefallen  ist, 
ist  der  halbmondförmige  oder  besser  der  complemen- 
täre  Pleuraraum. 

Dieser  Complementärraum  —  in  welchem  nor- 
malerweise Pleura  diaphragmatica  und  costalis  sich 
berühren  —  ist  für  die  Diagnose  besonders  kleinerer 
Pleuraergüsse  von  grosser  Bedeutung,  übrigens  nur 
auf  der  linken  Seite  verwerthbar,  da  er  nur 
auf  dieser  normalerweise  tympan.  oder  nicht  tym- 


*)  Unter  hinterer  Axillarlinie    verstehe    ich    die   vom  hinteren  Rande  der 
Achselhöhle  (latissimus  dorsi)  nach  abwärts  gezogene  Senkrechte. 

**)  Z.  B.   die   fehlerhafte   Darstellung   bei   F  er  her,    D.   phys.    bympt.   d. 
Pleuritis  exsudat.  S.  44  oben. 


Hl 


918  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pleuritis. 


pan.  Mageu-Darmton  gibt.    Auf  der  i-echten  Seite  ist  vom  Complemeu- 
tärraum  kein  diagnostischer  Aufsclilnss  zu  gewinnen,  da  hinter  ihm  die 

Leber  thorax-wandständig  ist.    Rechtsseitige  Ergüsse    machen  sich 
daher  stets  zuerst  durch  eine  Dämpfung  hinten-unten  bemerkbar. 

Wie  icli  mich  durch  Untersuchung  mehrerer  Leichen  überzeugte, 
ist  der  in  der  Axillarlinie  gelegene  Punkt  des  Pleurarandes  nicht 
immer  der  tiefste.  Es  kommt  vor,  etwa  in  '/i  der  Fälle,  dass  der  Pleu- 
rarand  in  seinem  Verlaufe  von  der  Axillar-Linie  zur  Wirbelsäule  noch 
mehr  abfallt,  so  dass  der  tiefste  Punkt  des  Complementärraumes  hinten 
neben  der  Wirbelsäule  gelegen  ist.  In  einem  solchen  Falle  findet  die  erste 
Ansammlung  von  Exsudat  hinten  unten  statt ,  auch  dann ,  wenn  der 
Kranke  zur  Zeit  der  Exsudation  umhergieng;  sehr  frühzeitig  aber  wird 
bei  weiterer  Exsudation  die  Flüssigkeit  sieh  auch  nach  den  in  der  Axil- 
lar-Linie gelegenen  Parthien  des  Complemenfärraumes  ausbreiten. 

Steigt  das  Exsudat,  während  der  Kranke  sitzt  oder  umhergeht, 
höher  und  höher ,  so  trifft  man ,  bei  Untersucliung  des  Kranken  in 
sitzender  Stellung  ,  das  Exsudat-Niveau  horizontal  verlaufend  au ,  d.  h. 
die  hintere  Exsudatgrenze  steht  ebenso  hoch ,  als  die  vordere  ;  die  Per- 
cussion  weist  eine  den  Thorax  horizontal  umziehende  Grenze  nach. 

Sammelt  sich  das  Exsudat  an  ,  während  der  Kranke  habituell  die 
volle  Seitenlage  einnimmt ,  so  trifft  man  das  Exsudat  -  Niveau  in  der 
Axillar-Linie  am  höchsten  stehend  an,  und  die  Exsudatgrenze  fällt  von 
hier  aus  sowohl  nach  vorne  als  nach  hinten  etwas  ab.  Auch  von  diesem 
seltenen  Vorkommen  habe  ich  mich  überzeugt. 

Dieselben  Momente,  von  welchen  die  Niveau- Verhältnisse  des  an- 
steigenden Exsudates  abhängen,  bestimmen  auch  das  Verhalten  der  Ex- 
sudatgrenzen bei  der  Resorption.  Auch  hier  kommt  alles  auf  die  Lage 
des  Kranken  an.  Der  complementäre  Pleura-Sinus  ist  der  Ort,  welchen 
das  wieder  in  das  Blut  und  in  die  Lymphgefässe  zurückkehrende  Ex- 
sudat zuletzt  verlässt.  Da  der  Kranke  gegen  Schluss  der  Resorption 
meist  längere  Zeit  ausser  Bett  zuzubringen  pflegt ,  so  erklärt  es  sich, 
dass  zuweilen  der  letzte  Exsudatrest  im  Complementärraum  in  der 
Seiten  gegen  d  des  Thorax  —  da  wo  der  Pleurarand  am  tiefsten  steht 
—  angetroffen  wird. 

Die  Thatsaehe,  auf  welche  Damoiseau  zuerst  aufmerksam  ge- 
macht, dass  die  Exi-udatgrenze,  welche  wir  durch  Percussion  feststellen, 
zuweilen  keine  gerade  Linie  darstellt,  sondern,  namentlich  in  der  Seiten- 
gegend des  Thorax  C'urven  oder  Wellen  bildet,  hat  ihre  volle  Richtig- 
keif. Weniger  Einstimmigkeit  als  über  die  Thatsaehe  selbst  herrscht  über 
die  Deutung  derselben.  Ich  habe  diese  Curven  fast  immer  nur  da  nach- 
weisen können,  wo  das  Exsudat  in  Resorption  begriffen  war,  und  er- 
kläre ich  sie  so :  Wenn  die  Lunge  bei  Resorption  des  Exsudates  sich  all- 
mählig  wieder  ausdehnt ,  diese  Ausdehnung  nicht  an  allen  Punkten 
gleichmässig    von  Statten  geht ,    weil    einzelne  Parthien  leichter  andere 


Leichtenstein,  Kranklieitt-n  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     919 

schwerer  entfaltbar  sind,  so  rückt  der  Rand  der  sich  wieder  ausdehnenden 
Lunge  nicht  an  allenPunkten  gl  e  i  chm  ä  s  s  i  g  nach  unten, 
sondern  an  einzelnen  rascher  als  an  anderen.  Auch  frühzeitig,  während 
der  Resorption  sich  bildende  Yerklebungen  und  Adhäsionen  können  das 
Zimickbleiben  einzelner  Luugenparthien  veranlassen  und  die  Wiederent- 
faltuug  derselben  gegenüber  benachbarten  Parthien  verspäten. 

Am  häufigsten  ist  eine  grosse  Doppelcurve  zugegen,  deren  Wellen- 
thal vorne  in  der  Mamillar-  und  Parastemal-Linie,  deren  WellenVierg  in 
der  Axillar-Linie  gelegen  ist.  Es  hängt  diess  damit  zusammen,  dass  der 
Lungenrand  vorne  sich  viel  schneller  wieder  entfaltet  als  in  der  Axillar- 
Linie,  und  zwar  desshalb,  weil  die  inspiratorische  Excursion  des  Thorax 
und  damit  der  Zug  auf  die  Lunge  vorne  stärker  ist  als  in  der  Axillar- 
gegend. 

In  dem  Maasse ,  als  das  Exsudat  ansteigt ,  r  e  t  r  a  h  i  r  t  sich  die 
Lunge,  ihrem  Elasticitätsbestreben  folgend.  Hat  sie  das  Maximum  der 
spontanen  Retraction  erreicht,  so  wird  sie  durch  weiteres  Ansteigen  des 
Exsudates  comp  r im  irt.  Nimmt  der  Flüssigkeits-Erguss  noch  mehr 
zu,  so  wird  die  comprimirte  Lunge  immer  mehr,  schliesslich  ganz  Ton 
der  Thoraxwand  nh  und  gegen  die  Lnngenwurzel ,  an  das  Mediastinum 
und  in  den  Winkel  zwischen  diesem  und  der  Wirbelsäule  gedrängt. 
Die  Verdrängung  findet  natürlich  von  unten  nach  oben  statt ;  die 
letzte  Stelle ,  wo  bei  sehr  massenhaften  Ergüssen  die  Lunge  noch 
Thorax  wandständig  zu  sein  pflegt,  ist  Vorne,  die  Regio  supra-  und  infra- 
clavicularis.  Dieses  Verhalten  erklärt  sich  uns  leicht,  wenn  wir  durch 
einen  liegend  gedachten  Thorax  ideale  horizontale  Ebenen  legen  ,  wie 
sie  das  steigende  Exsudatniveau  darstellt.  Die  genannte  Region  ist 
jene,  welche  in  der  Rückenlage  am  höchsten  steht. 

In  einem  Falle  von  totaler  Abdrängung  der  Lunge  fand  ich  längs 
der  Wirbelsäule  parallel  mit  dieser  einen  etwa  3  Querfinger  breiten  Strei- 
fen, der  von  der  Luugenwur/.el  an  nach  abwärts  reichte  und  leeren  tym- 
panitischen  Schall  gab.  Es  ist  mir  nicht  zweifelhaft,  dass  hier  die  Lunge 
hinten  unten  schon  vorher  adhärent  war. 

Eine  noch  wenig  bekannte  Thatsache ,  von  welcher  ich  mich  bereits 
in  4  Fällen  vollkommen  sicher  überzeugte,  ist  folgende.  Wenn  ein  sehr 
grosses,  die  ganze  Thoraxhälfte  erfüllendes  und  überall  absolute 
Dämpfung  gebendes  Exsudat  zur  Resorption  sich  anschickt,  so  ist  die 
erste  kleine  Stelle,  welche  wieder  gedämpft  tympanitischen  Schall 
giebt,  die  Gegend  in  der  Höhe  des  3.  oder  4.  Brustwirbels  paraverte- 
bral,  die  Gegend  also  der  Lungenwurzel.  Es  ist  eben  diese  Stelle  unter 
allen  anderen  Thoraxstellen  am  nächsten  an  der  Lungenwurzel  gelegen, 
und  hier  wird  auch  die  Lunge,  welche  sich  von  ihrer  Wurzel  als  Centrum 
centrifugal  wieder  ausdehnt,  zuerst  wieder  die  Thoraxwandung  berühren. 
Die  weitere  Ausdehnung  erfolgt  von  da  ab  nicht  gloichmässig  nach  allen 
Seiten,  sondejn  in  der  Richtung  nach  aufwärts  und  vorne.  Die  obersten 
und  vordersten,  die  zuletzt  comprimirten  Parthien  werden  auch  zuerst 
wieder  frei  und  lufthaltig,  was,  abgesehen  von  der  Wirkung  der  Schwer- 


920  KranMieiteii  der  Athnmngsoi'gane.    Pleuritis. 


1 


kraft  auf  das  Exsudat  und  abgesehen  von  dem  zuerst  sich  wieder  ein- 
stellenden Supracostal- Typus  der  Respiration  auch  darin  seinen  Grund 
hat,  dass  die  oberen  zuletzt  comprimirien  Partbien  unter  allen  Abschnit- 
ten der  Lunge  am  wenigsten  lang  comprimirt  waren  und  daher  auch  am 
leichtesten  wieder  entfaltbar  sind. 

Wechseln  Exsudate  bei  Lagewechsel  des  Kranken 
ihre  Lage?  In  einer  grossen  Zahl  von  Fällen  fehlt  jeder  Niveauwech- 
sel  der  Flüssigkeit  bei  Lageveriinderung.  Ich  habe  Kranke  mit  einem 
hinten  bis  zur  Spina  scapulae  und  vorne  bis  zur  5.  Rippe  reichenden 
Exsudate  den  ganzen  Tag  über  ausser  Bett  zubringen  sehen,  ohne  dass 
die  Flüssigkeitsgrenze,  welche  Morgens  notirt  worden  war,  auch  nur  die 
geringste  Verschiebung  Abends  gezeigt  hätte.  Schon  Scoda  (1843)  er- 
klärte dieses  Verhalten,  indem  er  annahm,  dass  an  der  Exsudatgrenze, 
da,  wo  Lungen  und  Costal-Pleura  einander  berühren,  Verklebungen,  Ad- 
häsionen vorhanden  sind,  welche  Niveauveränderungen  nicht  geslatten. 
Anderseits  aber  kommen  Fälle  vor,  wo  das  Exsudat  deutlich  nachweis- 
liaren  Niveau-Wechsel  eingeht,  unter  der  Voraussetzung  jedoch,  dass 
man  den  Kranken  längere  Zeit,  zuweilen  selbst  mehrere  Stunden  auf- 
recht sitzen  lässt.  Ein  vollkommen  horizontaler  Verlauf  der  Grenze  stellt 
sich  auch  dann  gewöhnlich  nicht  ein.  Etwas  schneller  —  aber  auch  oft 
erst  nach  längerem  Aufsitzen  —  vollzieht  sich  dieser  Niveauwechsel  bei 
Transsudaten. 

Es  kann  uns  dieser  langsam  sich  vollziehende  Niveauwechsel  nicht 
wundern,  wenn  wir  bedenken,  dass  ein  solcher  Lagewechsel  der  Flüssig- 
keit nur  dadurch  erfolgen  kann,  dass  vorne,  durch  das  Hinauftreten 
der  Flüssigkeit ,  lufthaltige  Lungenparthien  comprimirt  und  verdrängt, 
hinten  dagegen  comprimirte  luftleere  Partbien  wieder  etwas  ausge- 
dehnt und  lufthaltig  werden  müssen,  was  immerhin  einige  Zeit  erfor- 
dert; diese  Zeit  wird  um  so  länger  sein,  wenn  noch  dazu  Verklebnngen 
vorerst  gelöst  werden  müssen.  Die  Dauer,  innerhalb  welcher  sich  dieser 
Niveauwechsel  vollzieht,  hängt  natüj'lich  nicht ,  wie  F  e  r  b  e  r  meint,  von 
der  Zähigkeit  und  Klebrigkeit  des  Exsudates  ab  (!).  Die  überhaupt  hier 
vorkommenden  Consistenz-Unterschiede  sind  geringe,  und  die  durch  diese 
bedingten  Zeitditferenzen  im  Niveauwechsel  belaufen  sich  auf  wenige 
Secunden! 

Qualitäten  d  es  P  er  cu  ssi  oils  -  Seh  alles.  Wir  stellen  den 
aus  der  pliysikalisclien  Diagnostik  bekannten  Satz  au  die  Spitze :  Die 
normal  im  Thorax  ausgespannte  Lunge  giebt  einen  nicht  klingenden 
Schall,  die  aus  dem  Cadaver  herausgenommene  fällt,  ihrem  Elasticitäts- 
bestreben  folgend  zusammen  und  gibt  nun  percutirt  einen  klingenden 
(tympanitischen)  Schall.  Dieser  ist  um  so  tiefer,  je  grösser  der  per- 
cutirte  Lappen ;  kleinere  Abschnitte  der  zusammengefallenen  Lunge 
geben  einen  höheren  Schall. 

Die  Lunge,  oberhalb  pleuritischer  Exsudate  percutirt,  zeigt  das 
gleiche  Verhalten.  Sammelt  sich  ein  Flüssigkeitserguss  im  Pleuraräume 
au,  so  retrahirt  sich  die  Lunge  mehr  und  mehr  und  zwar  die  ganze 
Lunge,  weil  die  elastischen  Elemente  der  gesammten  Lunge  alle  mit 


Leichte nstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     921 

einander  in  Verbindung  stehen  und  alle  die  zahllosen  Bläschen  einen 
gemeinschaftlichen  Ausführiingsgang  besitzen.    Es  verhält  sich  wie  in 
einer  Luft  aufgetriebenen  Blase;  wenn  wir  sie  anstechen,  gerathen  alle 
Theile  der  Blasenwand  in  Bewegung  und  nähern  sich  einander.    Die 
retrahirte  Lunge  giebt  daher  oberhalb  kleinerer  und  niittelgrosser  Ex- 
sudate einen  eigenthümlieh  vollen  d.  h.  langsamer  verklingenden ,  tief 
tympanitischeu  Schall  und  dieser  ist  selbst  in  grösserer  Entfernuug  ober- 
halb des  Exsudates  z.  B.  infraclavicular  deutlich  nachweisbar.    Je  mehr 
das  Exsudat  steigt ,  um  so  kleiner  wird  der  Luftraum ,  um  so  höher 
khngend  der  Schall.    Bei  sehr  grossen  Exsudaten ,  wobei  nur  mehr  iu- 
fraclavicular  Lunge  anliegt,  ist  der  Schall  hoch  tympanitisch  und  durch 
Membranschwingungen  nicht  mehr  verunreinigt ,  schön  klingend.    Es 
ist    der    weiche    Klang    abgegrenzter    Luftmassen.      Manche,    welche 
mit   der  Benennung  Metallklang  sehr  freigebig   sind,    nennen    einen 
solchen    Klang    fälschlich    »metallisch«.    —    Wird    die    Lunge   noch 
mehr  comprimirt,  so  geht  das  Klingende  allmählig  verloren,  der  Schall 
wird  succftssive  leerer ,  d.h.  kürzer,    gedämpfter  und  dabei  natürlich 
klangärmer.    Ist  die  Compression  so  weit  gediehen,  dann  kann  zuweilen 
Schallwechsel  beim  Oeffnen  und  Schliessen  des  Mundes  —  wenn  wir 
infraclavicular  percutiren  —  coustatirt  werden.    Der  Schall  wird  etwas 
höher  und  heller ,  klingender  beim  geöffneten  Munde ,  etwas  tiefer,  ge- 
dämpfter und  weniger  oder  gar  nicht  mehr  Idingend  beim  geschlossenen 
Munde.    Es  hat  diess  in  der  percussorischen  Erschütterung  der  Broncho- 
trachealen  Luftsäule    durch    die    comprimirte  Lunge  hindurch  seinen 

Grund. 

Oberhalb  sehr  grosser  pleuritischer  Ergüsse,  wobei  die  Lunge 
nur  mehr  supra-  und  infraclavicular  in  einer  geringen  Strecke  Thorax- 
wandständig  ist,  beobachtet  man  nicht  selten  die  bekannte,  interessante 
Erscheinung,  dass  der  bei  ruhiger  Eespiration ,  besonders  während 
der  Exspiration  schön  klingende,  helle  Percussionsschall  im  Verlaufe 
einer  tieferen  Inspiration  erheblich  kürzer,  gedämpfter  und  weniger  khn- 
gend, ja  zuweilen  fast  vollkommen  leer  wird.  Nach  meinen  nicht  spar- 
liehen üeobachtungen  solcher  E'älle  besteht  die  Veränderung,  welche  der 
Percussionsschall  während  der  tiefen  Inspiration  erleidet,  hauptsächlich 
in  einer  Aenderung  der  Intensität;  der  Schall  wird  kürzer,  ge- 
dämpfter und  verliert  wie  immer  dabei  sein  tympaniti- 
sches  Timbre  Ich  habe  dieses  Phänomen  stets  nur  bei  sehr  mas- 
senhaften Ergüssen  angetroffen,  in  Fällen,  wo  das  Zwerchfell  convex 
nach  unten  voivetrieben  bis  an  den  Rippenbogenrand  und  darüber  hin- 
aus dislocirt  war.  Man  sagte,  der  Schall  der  kleinen,  mfraclavikular  noch 
percutirbaren  Lungenparthie  wird  desshalb  bei  tiefer  Inspiration  weniger 
klino-end  weil  dabei  die  Lungenmembran  wieder  so  stark  gespannt  wird, 
dass°sie'nun,  wie  die  normal  ausgespannte  Lunge ,  mcht  klingenden 
Schall    o-iebt.     Ich  halte    das  Zustandekommen   einer  so  starken  mspira- 


922  Kraaklieiten  der  Atlimungsorgane.    Pleuritis. 

torischen  Spannung  des  noch  lufthaltigen  Lungenrestes  unter  solchen 
Umständen  füi-  eine  pure  Unmöglichkeit.  Wer  sich  die  Mühe  nimmt, 
eine  Lunge  soweit  aufzublasen,  bis  sie  nicht  klingenden  Schall  giebt, 
erfährt,  wie  sehr  dabei  die  Spannung  des  Gewebes  gesteigert  werden 
muss.  Und  wenn  ich  selbst  die  Entstehung  des  nicht  klingenden  SchaUes 
durch  die  inspiratorische  Spannung  des  Lungenrestes  zugeben  wollte, 
so  ist  damit  noch  nicht  erklärt,  warum  der  Schall  gleichzeitig  auch  er- 
heblich kürzer  und  gedämpfter  wird ;  die  stark  aufgeblasene  Lunge 
schallt  ja  doch  mindestens  ebenso  intensiv,  wie  die  coUabirte  !  Die  Er- 
scheinung beiTiht  auf  einer  ganz  anderen,  bisher  vernachlässigten  Ursache. 
Contrahirt  sich  unter  den  angegebenen  Verhältnissen,  bei  sehr  grossem 
Exsudate  —  und  nur  da  wird  die  geschilderte  Erscheinung  beobachtet  — 
das  convex  nach  unten  vorgewölbte  Zwerchfell  inspiratorisch,  so  drängt 
es  das  Exsudat  in  die  Höhe;  dieses  steigt  höher,  drängt  die  Lunge  mo- 
mentan von  der  Thoraxwand  ab  und  compriniirt  sie  (vergl.  S.  911); 
der  Schall  wird  durch  die  Z.wischenlagerung  dieses  Dämpfers  und  durch 
die  Compression  kürzer,  erheblich  gedämpft  und  verliert  natürlich  auch 
au  tympanitischem  Timbre.  —  Schon  Schuh  hat  richtig  erkannt,  dass 
bei  sehr  grossen  Exsudaten  mit  convexer  Vorwolbung  des  Zwerchfelles 
jede  tiefe  Inspiration  das  Exsudat  in  die  Höhe  drängt  und  unter  stär- 
keren Druck  setzt ;  er  erschloss  diess  daraus ,  dass  zuweilen  bei  Thora- 
cocenthese  die  Flüssigkeit  lebhafter  ausströmt  im  Momente  der  Inspiration, 
dagegen  zurückgeb alten  wird  bei  der  Exspiration. 

Auch  ich  habe  mich  einmal  bei   der  Punktion   eines   Exsudates  von 
diesem  paradoxen  Verhalten  überzeugt. 

Bei  Percussion  der  Lunge  oberhalb  pleuritischer  Exsudate  ist  hin 
und  wieder  das  Geräusch  des  gesprungenen  Topfes  (bruit  du 
pot  feie)  zu  constatiren.  Es  ist  bekannt,  wie  leicht  dasselbe  bei  schreien- 
den Kindern  von  allen  Thoraxparthieen  aus  erzeugt  werden  kann.  Die 
Biegsamkeit  und  Impressionabilität  des  kindlichen  Thorax  erleichtert 
das  Zustandekommen  der  Erscheinung  in  hohem  Grade.  Das  Bruit  du 
pot  feie  oberhalb  pleuraler  Ergüsse  wird  fast  ausnahmslos  nur  infra- 
clavicular  angetroffen.  Es  ist  bald  trocken,  zischend,  bald  feucht,  cpiat- 
schend,  zuweilen  exquisit  klingend  ;  zwar  nie  metallisch  Idingend,  nä- 
hert es  sich  doch  mitunter  diesem  Klange  und  kann  »Metalloid«  ge- 
nannt werden.  Es  hat  in  solchen  Fällen  die  grösste  Aehnlichkeit  mit 
dem  Geräusch  und  Klang,  der  entsteht ,  wenn  wir  rasch  über  die  cy- 
lindrische  Höhlung  eines  Schlüssels  hinwegblasen,  und  es  ist  mir  nicht 
zweifelhaft,  dass  das  Phänomen  ganz  in  ähnlicher  Weise  auch  im  Thorax 
entsteht,  durch  schräges  (percussorisches)  Angeblasenwerden  eines  grös- 
seren Bronchus  oder  der  bronchotrachealen  Luftsäule ,  wobei  ein  zi- 
schendes Geräusch  entsteht  und  durch  gleichzeitige  Resonanz  desselben 
in  dem  cylindrischen  Lufträume  der  Bronchien  der  das  Geräusch  be- 
gleitende Klang. 

Die   Entstehungsweise  des  Bruit  du  pot  feie   habe   ich   früher  em- 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     923 

mal  an  einem  anderen  Orte   ansführlicli    erörtert*).     Seitdem   ist  nichts 
Neues  mehr  zu  diesem  Gegenstand  hinzugekommen. 

Immer  noch  liest  man  die  falsche  Ansicht,  das  Geräusch  „entstehe 
durch  die  retraetive  Ersehlafiung  des  Lungengewelies".  Ich  will  nicht 
beanstanden,  dass  die  damit  vielleicht  verbundene  Entspannung  und 
grössere  Impressionabilität  der  Thoraxwand  das  Zustandekommen  des 
Phänomens  begünstige,  ist  ja  bekannt,  dass  dasselbe  während  der  Inspi- 
ration nur  schwer,  leicht  dagegen  im  Momente  der  Exspiration  hervor- 
gerufen wird.  Je  grösser  das  durch  die  Percussion  verdrängte  Luftquan- 
tum, um  so  leichter  entsteht  ceteris  paribus  das  Geräusch  (daher  meist 
eine  starke  Percussion  angewendet  wird).  —  Kann  das  im  Momente  der 
Einwäitsschwingung  der  Thoraxplatte  in  Folge  der  Percussion  verdrängte 
Luftc|uantum,  wie  in  der  normalen  Lunge,  nach  allen  Seiten  durch  die 
zahllosen  Ausführungsgänge  leicht  entweichen,  so  entsteht  niemals  eine 
stärkere  Pressung  der  Luft  und  die  Bewegung  derselben  vollzieht 
sich  geräuschlos. 

Sind  dagegen  wie  bei  Katarrh,  bei  partieller  Infiltration,  bei  par- 
tieller Compression  der  Lunge  durch  ein  pleuritisches  Exsudat  zahlreiche 
Ausführungsgänge  verschlossen,  andere  partiell  obturirt  oder  wie  liei  Ex- 
sudat spaltartig  verengert,  so  entsteht  im  Momente  der  Percussion  zwi- 
schen den  verengten  Parthien  der  Ausführungsgänge  und  der  nach  ein- 
wärts schwingenden  percutirten  Brustplatte  eine  starke  Pressung  der 
Luft;  diese  entweicht  nun  durch  die  verengten  Stellen  mit  einem  zischen- 
den Geräusch,  dem  Bruit  du  pot  Mi.  Je  grösser  das  durch  die  Ein- 
wärtsschwingung der  Thoiaxplatte  verdrängte  Luftquantum  im  Verhält- 
niss  zur  Enge  der  noch  vorhandenen,  nicht  verlegten  Ausführungsgänge, 
um  so  intensiver  und  höher  wird  das  Stenosengeräusch.  Dieses  Geräusch 
wird  häufig  durch  Resonanz  in  der  Bronchotrachealen  Luftsäule  verstärkt 
und  desshalb  erst  deutlich  hörbar  bei  geöffnetem  Munde.  (Jeder  gut 
wirkende  Resonanzraum  muss  Oeönungen  haben!)  —  Bei  einem  schreien- 
den Kinde  betindet  sich  die  Luft  zwischen  Glottis  und  Brustwand  be- 
reits in  Pressung;  daher  hat  das  plötzliche  Einwärtsschwingen  der  per- 
cutirten Brustplatte  ein  zischendes  Entweichen  der  Luft  durch  die  ver- 
engte Glottis  zur  Folge. 

Gavernen  mit  sehr  vielen  und  weiten  Ausführungsgängen  geben  kein 
Bruit  du  pot  feie,  solche  mit  nur  wenigen  und  engen  geben  das  Ge- 
räusch. 

Die  Percussion  giebt  uns  ierner  Aufscliluss  über  die  durch  das  Ex- 
sudat hervorgerufene  Verdrängung  der  Nachbar  organ  e.  Es 
mag  daher  die  Beschreibung  der  Verdrängungs  -  Symptome  hier  Platz 

finden. 

Unter  den  durch  das  Exsudat  verdrängten  Organen  nehmen  die 
Lungen  den  ersten  Platz  ein.  Ihr  elastisches  Contraktionsbe.streben 
setzt  dem  Ansteigen  des  Exsudates  nicht  nur  keinen  Widerstand  ent- 
gegen, befördert  vielmehr  im  Anfang  die  Exsudation  und  kommt  dem  Ex- 


*)  Deutsche  Khnik  1873.  S.  A.  38-43. 


924  Krankheiten  der  Atlmiungsorgane.    Pleuritis. 

sudationsdrucke  zu  Hilfe.  So  lange  die  Lunge  retraktionsfäliig  ist,  d.  h.  so 
lange  sie  noch  die  Tendenz  hat,  sich  spontan  zu  verkleinern,  kann  der 
Exsudatdruek  auf  die  Lunge  nicht  über  den  atmosphärischen  steigen.  Da- 
gegen wirken  die  Exsudate  alsbald  durch  ihre  Schwere;  wir  müssen 
den  Boden-  und  Seitendruck  dabei  unterscheiden.  Der  Schwere  fol- 
gend, sammelt  sich  das  Exsudat  in  der  abhängigsten  Parthie  desPleura- 
cavums,  im  sogenannten  Complementärraum  an,  und  drängt  hier  (durch 
sein  Gewicht)  das  Zwerchfell  von  der  Brustwand  ab.  Je  höher  der  FIüs- 
sigkeitserguss  steigt,  um  so  grösser  wird  der  Druck  auf  das  Zwerchfell ; 
er  ist  bei  aufrechter  Körperstellung  =  Q,.  h.  d ,  wobei  Q  den  Flächen- 
Lihalt  des  Zwerchfelles ,  h  die  Höhe  des  Exsudates  (wobei  es  nach  hy- 
draulischen Gesetzen  gleichgültig  ist,  ob  sich  das  Exsudat  nach  aufwärts 
verjüngt,  d.h.  spitz  zuläuft  oder  nicht),  endlich  d  das  Gewicht  der 
Raumeiuheit  der  Exsudatflüssigkeit  bedeutet.  Steigt  das  Exsudat  höher 
an,  so  wird  nicht  allein  der  Bodendruck  immer  grösser,  auch  die  Seiten- 
wandungen des  Exsudates  kommen  unter  einen  successive  höheren  Seiten- 
druck. Jeder  Punkt  der  Seitenwand  nämlich  hat  einen  um  so  grösseren 
Druck  auszuhalten,  je  tiefer  er  unter  dem  Exsudat-Niveau  gelegen  ist. 
Steht  dieses  nahe  an  der  Clavicula,  so  kann  man  jenen  Antheil  von 
Seitendruck  annähernd  berechnen,  welchen  z.  B.  das  Herz  (einzig  und 
allein  durch  die  Schwere  der  Flüssigkeit)  trifft*).  Die  Exsudatwan- 
dungen (Thorax,  Mediastinum,  Zwerchfell  und  Lunge)  werden  natürlich 
so  lange  verdrängt ,  bis  der  Gegendruck  derselben  so  gross  ist ,  als  der 
Exsudatdruck.  Der  Gegendruck  wird  bei  Verdrängung  des  Zwerchfelles 
gebildet  durch  den  Widerstand  dieses  Organes  selbst  und  durch  den 
Widerstand  der  Organe  und  Wandungen  der  Bauchhöhle ;  bei  Verdrän- 
gung des  Mediastinums  und  der  Thoraxwandungen  ist  der  Gegendruck 
proportional  der  Elasticitätsgrösse  dieser  Organe ;  diese  wächst  in  dem 
Maasse  ,  als  die  Ausdehnung  zunimmt.  Diejenigen  Exsudatwandungen, 
welche  den  geringsten  Widerstand  leisten  und  den  grössten  Druck  er- 
fahren, werden  natürlich  am  ergiebigsten  dislocirt.  Daher  wird,  beson- 
ders wenn  der  Kranke  sitzt  oder  umhergeht ,  das  Zwerchfell  zuerst  und 
am  meisten  verdrängt,  das  Mediastinum  früher  als  die  seitliche  Thorax- 
wand, die  Intercostalräume  früher  als  die  Rippen.  Liegt  der  Kranke 
fortwährend  auf  dem  Rücken,  so  wird  nachweislich  die  hintere  Thorax- 
wand früher  ausgedehnt  als  die  seitliche  und  vordere.  Der  Exsudat- 
druck hebt  die  Rippen  und  bringt  sie  in  die  inspiratorische  Stellung; 
er  leistet  dabei  die  gleiche  mechanische  Arbeit,  wie  die  vereinigte  Thä- 


*J  Ueber    das  Resultat   solcher   Berechnungen   werde   ich   nach   Ahschluss 
einiger  Experimente  an  der  Leiche  Näheres  demnächst  veröffentlichen. 


Leichtenstern,  Erankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     925 

tigkeit  der  Inspiratioiis-Mviskeln.  Bei  Besprechung  dieser  Verhältnisse 
und  Aufstellung  von  »  Verdrängungsscalen  «  hat  man  merkwürdiger- 
weise gänzlich  die  Wirkung  der  Schwere  übersehen. 

Die  Verdrängung  des  Mediastinums  und  Herzens  macht  folgende 
Symptome.  Die  Exsudatsdämpfung  vorne  übersehreitet  den  gleichseitigen 
Sternalrand,  später  das  Sternum  und  setzt  sich  auf  die  gesunde  Seite 
fort.  Bei  sehr  hochgradigen  linksseitigen  Ergüssen  habe  ich  wiederholt 
folgenden  Verlauf  der  vorderen  Exsudatgrenze  gefunden  :  die  Linie  ver- 
lief von  der  Ärticulatio  sternoclavicularis  sinistra  zum  Sterualende  des 
2.  Rippenknorpels,  von  da  zum  Parasternalpunkt  des  4.  Rippenknorpels, 
von  da  bis  in  die  Mamillar-Linie  des  5.  Intercostalraumes.  Natürlich 
wird  dieser  schräge  Verlauf  durch  die  gleichzeitige  Verdrängung  des 
Herzens  nach  rechts  bewirkt ,  sowie  dadurch ,  dass  das  von  der  oberen 
Thoraxapertur  zum  Zwerchfell  verlaufende  Mediastinum  (das  Zellgewebe 
mit  den  grossen  Gefässen ,  die  mediastinalen  Pleurablätter)  —  wie  jede 
zwischen  2  Fixationspunkteu  ausgespannte  Membran  oder  Platte,  in  der 
Mitte  am  meisten  dislocirbar  ist.    (Vergi.  S.  900.) 

Eine  erhebliche  Verdrängiing  des  hinteren  Mediastinums  findet  nie- 
malt, statt.    Niemals  habe  ich  hinten  nelien  der  Wirbelsäule  die  Dämpf- 
ung auf  die  gesunde  Seite  sich  fortsetzen  sehen.    Das  straii'e  Zellgewebe 
mit  den  hier  gelegenen  Organen  (Aorta  descendens,  Trachea,  Oesophagus) 
gestattet  keine  Dislocation.  Auch  ist  mir  kein  Fall  bekannt,  dass  je  Dys- 
phagie bei  grossen  linksseitigen  Ergüssen  beobachtet  worden  wäre. 
Von  grösstem  Interesse  ist  die  Verdrängung   des  Herzens.     Wir 
können  uns  kurz  fassen,  da  wir  bereits  oben   (S.  901)  den  Gegenstand 
berührt  haben.  Rechtsseitige  Ergüsse  drängen  das  Herz  in  dem  Maasse 
nach  links,  -als  sie  das  Mediastinum  verdrängen.    Die  Herzspitze  kommt 
weiter  nach  links  bis  in  die  Mamillar-Linie  und  noch  darüber  hinaus  zu 

liegen. 

Eine  viel  bedeutendere  Dislocation  erfährt  das  Herz  bei  linkssei- 
tigen Ergüssen.  Wir  unterscheiden  der  Uebersicht  halber  zwei  Sta- 
dien: l)'das  Herz  wandert  nach  rechts  in  dem  Maasse  als  das  Mediasti- 
num dahin  verdrängt  wird :  die  Herzspitze  schlägt  in  der  linken  Paraster- 
nal-Linie,  oder  am  linken  Sternalrande  an.  Wenn  das  Mediastinum  und 
mit  ihm  die  grossen  Gefässstämme,  Cava  superior  und  inferior,  Aorta, 
Pulmonalis,  Lungenvenen  das  Maximum  ihrer  Verdrängung  erreicht 
haben ,  so  ist  2)  der  Herzkegel  für  sich  noch  einer  weiteren  Dislocation 
iähiü-.  Der  Herzkegel  bewegt  sich  pendeiförmig  um  die  Herzbasis  (Cava 
superior  und  inferior,  Aorta  und  Pulmonalis)  als  Punctum  fixum  oder 
D  r  e  h  p  u  nk  t.  Den  grössten  Weg  legt  natürlich  die  Herzspitze ,  das 
Ende  des  Pendels  ,  zurück.  Der  Herzspitzenstoss  fehlt  im  2.  Akte,  bei 
der  Ueberwanderung  des  Herzkegels  nach  rechts,  bald  gänzlich  oder  fin- 


926  Krankheiten  der  Atlnnungsorgane.    Pleuritis. 

det  sich  im  Epigastrium  dicht  am  Proc.  xiphoideus.  Wandei't  die  Herz- 
spitze noch  weiter  nach  rechts  herüber ,  so  kommt  sie  in  die  rechte  Pa- 
rasternal- ,  in  extremen  Fällen  von  üislocation  sogar  in  die  rechte  Ma- 
millar-Linie  zu  liegen.  Nun  verlauft  die  Längsaxe  des  Herzens  von  der 
Basis  zur  Spitze  von  innen  oben,  nach  rechts  unten,  aussen.  Die  Herz- 
spitze schlägt  in  der  rechten  Mamillar-Linie  an.    (Vergl.  S.  901.) 

Mit  der  geschilderten  Dislocation  des  Herzens  nach  rechts  geht  eine 
innige  Adpression  des  Herzens  an  die  Brustwand  einher ;  noch  ehe  die 
Herzspitze  nach  rechts  übergewandert  ist,  zeichnet  sich  die  Herzbeweg- 
una:  durch  Pulsationen  im  3.  und  4.  rechten  Intercostalraum  ab. 
Herzgeräusche  habe  ich  dabei  nicht  wahrgenommen.  Dagegen  überzeugt 
man  sich  leicht,  dass  die  Herztöne  viel  lauter  rechts  als  links  vom  Ster- 
num  wahrnehmbar  sind. 

Verdrängung  der  Leber.  Die  Leber  ist  bei  sehr  grossen,  die 
Circulation  erheblich  störenden  pleuritischen  Exsudaten  —  rechtssei- 
tigen sowohl  wie  linksseitigen  —  vergrössert,  befindet  sich  im  Zustande 
der  hyperämischen  Stauungsleber.  Sie  fühlt  sich  daher  eigeuthümlich 
fest  und  prall  an.  Grosse  linksseitige  Ergüsse  drängen  den  linken  Leber- 
lappen nach  abwärts  und  die  gesammte  Leber  etwas  nach  Rechts ;  das 
Organ  wird  etwas  in  der  Quere  zusammengedrückt. 

Bei  Verdrängung  der  Leber  durch  ein  rechtsseitiges  Exsudat  betrifft 
die  Dislocation  hauptsächlich  den  rechten  Leberlappen.  Dabei  macht  das 
Organ  als  CTanzes  eine  geringe  Drehung  um  eine  ideale  Axe,  die  wir  uns 
in  der  Richtung  von  Vorne  nach  Hinten  etwa  zwischen  rechten  und 
linken  Lappen  hindurch  gelegt  denken  können.  Die  Leber  wird  dadurch 
schräg  gestellt.  Der  rechte  Lappen  wandert  nach  ab-  und  einwärts,  der 
linke  Lappen  begiebt  sich  in  die  Höhe  und  ebenfalls  medianwärts, 
so  dass  die  Stelle,  wo  der  scharfe  Rand  des  linken  Lappens  den  Rippen- 
bogenrand  schneidet ,  näher  der  Mittellinie,  z.  B.  in  die  linke  Sternal- 
randlinie,  zu  liegen  kommt.  Der  linke  Lappen  drängt  bei  dieser  Rota- 
tion der  Leber  das  Zwerchfell  hin  und  wieder  sogar  etwas  in  die  Höhe  (bei 
mittelgrossen  Exsudaten) ;  di  e  Herzspitze  kommt  dann,  wie  Skoda  schon 
1841  gezeigt  hat,  um  einen  Intercostalraum  höher,  in  den  4.  zu  liegen. 
Wächst  aber  das  rechtsseitige  Exsudat  noch  mehr  an,  drängt  es  das  Me- 
diastinum noch  weiter  nach  links,  so  findet  Herzdislocation  nach  Aussen 
statt;  das  Herz  wird  auf  der  von  innen  nach  aussen  abfallenden  Zwerch- 
fellsfläche nach  Links  dislocirt ,  und  nun  kommt  selbstverständlich  die 
Herzspitze  lun  einen  Intercostalraum  tiefer  zu  liegen  als  normal.  Auch 
hiervon  finden  wir  in  der  physikalisch  diagnostisch  vorzüglich  ausge- 
arbeiteten Casuistik  von  Skoda  und  Schuh  (1841)  treffliche  Bei- 
spiele.   Bei  so  bedeutender  Verdrängung  des  Mediastinums  nach  hnks 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     927 

wird  aber  auch  der  linke  Lappen  nach  aliwärts  dislocirt  und  die  vorhin 
geschilderte  Schrägstellung  der  Leber  nimmt  wieder  ab. 

Sehr  erheblich  ist  aber  diese  ganze  Kot;ition  nicht,  sie  erscheint  häu- 
fig grösser,  weil  venös  hyperämische  Schwellung  des  Organes  regelmässig 
concurrirt.  Man  vergisst  ferner,  dass  die  Leber  nicht  allein  durch  Biinder 
befestigt,  sondei-n  auch  durch  straffes  Bindegewebe  unmittelbar  an  das 
Diaphragma  (längs  des  oberen  stumpfen  Bandes  des  rechten  Lappens)  an- 
gelöthet  ist*),  ferner,  dass  auch  die  in  die  Vena  cava  inferior  unmittel- 
bar unterhalb  des  Poramen  qnadrilaterum  sich  ergiessendeu  kurzen  Le- 
ber-Venenstamme  eine  erhebliche  Rotation  nach  keiner  Richtung  zulassen. 
Ob  diese  Gefässe  in  Folge  der  Leberdislocation  bei  grossen  rechtsseitigen 
Ergüssen  zuweilen  verengt  werden,  ist  nicht  bewiesen.  Bedeutende 
Leberhyperämie  und  Ascites  wäre  die  Folge  davon. 

Die  Verdrängung  des  Zwerchfelles  nach  abwärts  kann  einen  so  be- 
deutenden Grad  erreichen,  dass,  wie  Skoda  bereits  1841  gezeigt  hat, 
das  Zwerchfell  convex  in  die  Bauchhöhle  vorspringt.  Wir  können  diese 
Inversion  des  Zwerchfelles  bei  linksseitigen  Exsudaten  schon  früh- 
zeitig mit  Sicherheit  nachweisen.  Dadurch  nämlich,  dass  die 
Exsudatdänrpfung  dieGrenzen  des  Pleurarandes  (de  in  Fig. 
S.  917)  nach  abwärts  überschreitet,  dass  sich  die  Däm- 
pfung bis.  an  den  Rip  penb  og  e  nran  d  (ab)  fortsetzt  oder 
denselben  sogar  noch  um  3 — 4Finger  breit  üb  e  rschr  eite  t. 
In  solchen  Fällen  fühlt  man  aber  auch  nicht  selten  das  invertirte  Zwerch- 
fell als  glatten  wurstförmig  abgerundeten  Wulst  unterhalb  des  Rip])en- 
bogenrandes,  ein  Verhalten,  das  Stockes  bereits  (1842)  richtig  er- 
kannt und  gedeutet  hat. 

Eine  so  erhebliche  Verdrängung  des  Zwerchfelles  nach  unten  hat 
auf  der  linken  Seite  Dislocation  der  Milz  und  zwar  in  der  Rich- 
tung nach  vorn  und  unten  zur  Folge.  Die  Milz  tritt  unter  dem 
ßippeubogenrande  hervor,  überschreitet  denselben  und  wird  sowohl  per- 
cutirbar ,  als  besonders  auch  deutlich  fühlbar.  In  4  Fällen  habe  ich 
mich  bei  grossen  linksseitigen  Ergüssen  von  diesem  Verhalten  der  Milz 
überzeugt,  die  in  einem  auf  der  hiesigen  medicinischen  Klinik  beobach- 
teten Falle  beinahe  nach  allen  Richtungen  umgreifbar,  zwischen  Nabel 
und  Spina  ossis  ilei  anterior  superior  lag ,  mit  dem  Längsdurchmesser 
von  hinten  oben  nach  vorne  unten  gerichtet. 

Eine  sehr  erhebliche  Dislocation  der  Milz  nach  vorne  und  unten  de- 
monstriite  Herr  Prof.  Liebermeister  vor  wenigen  Tagen  in  seiner 
Klinik  bei  einem  Kranken  mit  enormem  linksseitigem  Pleuraerguss**). 


*)  Luschka,  Anat.  d.  Bauches  S.   244. 

**)  Die  regelmässige  Verdrängung  der  Milz  nach  vorne  und  unten  war 
bereits  1841  Skoda  und  Schuh  bekannt.  (Oesterr.  med.  Jahrb.  1841.  Jan. 
Febr.) 


928  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

In  seltenen.  Ausualimefiillen  wird  die  Milz  nicht  nach  vorue,  sondern 
nach  hinten  gedrängt ;  sie  entgeht  dann  meist  dem  Nachweis  durch  Per- 
cussion,  indem  sie  vertikal  mit  ihrem  Liingsdurchmesser  der  Wirbelsäule 
parallel  gestellt,  weder  von  der  Exbudat- noch  Nierendämpfung  mit  Sicher- 
heit unterschieden  werden  kann. 

Die  nach  vorne  dislocuie  Milz  berührt  sehr  häufig  mit  ihrem  oberen 
Rande  (Marge  crenatus)  den  scharfen  Leberrand  des  linken  Lappens. 

Auscultation  und  Palpation.  Die  Auscultation  hat  bei 
Kindern  häufig  ihre  Schwierigkeiten.  Weniger  hinderlich  ist  oft  das 
Schreien,  denn  es  giebt  Gelegenheit,  das  Verhalten  der  Stimme  (beson- 
ders die  Bronchoplionie)  kennen  zu  lernen,  und  zwischen  den  exspirato- 
rischen  Explosionen  erfolgen  doch  zeitweise  tiefe  Inspirationen  ,  die  das 
Bronchialathmen  und  die  anderen  Respirationsgeräusche  deutlich  her- 
vortreten lassen.  Hinderlich  sind  die  oft  stürmischen  und  gewaltsamen 
Bewegungen,  mit  welchen  sich  die  Kinder  gegen  das  Anlegen  des  Ohres 
oder  Stethoscopos  sträuben.  Ganz  besonders  erschwert  ist  dadurch  die 
Wahrnehmbarkeit  des  p  1  e  u  r  i  t  i  s  c  h  e  n  Reibens.  Die  forcirten, 
jähen  Inspirationen  der  geängstigten  Kinder  gelten  zu  so  lauten  Ath- 
mungs-  und  Nebengeräuschen  Veranlassung,  dass  jedes  weniger  laute 
Reiben  dadurch  verdeckt  wird ;  und  bei  der  Exspiration  ist  dieses  wegen 
des  Schreiens  nicht  zu  erkennen.  Nur  in  diesen  ,  zuweilen  unüberwind- 
lichen Schwierigkeiten  liegt  die  Ursache  der  weitverbreiteten  Meinung 
unter  den  Kinderärzten ,  dass  in  diesem  Alter  pleuritisches  Reiben  viel 
seltener  sei  als  bei  Erwachsenen.  Bei  älteren  und  verständigen  Kindern, 
die  auf  Geheiss  langsamer  und  tiefer  oder  oberflächlicher  athmen,  ist  es 
ein  Leichtes ,  selbst  die  zartesten  Reibegeräusche  zu  vernehmen  und  sie 
von  ähnlich  gearteten  knisternden  Geräuschen  in  den  Lungen  zu  unter- 
scheiden. 

Reiben  wird  sowohl  im  Anfang  der  Pleuritis  gehört,  wenn  die  frisch 
entzündeten  rauhen  und  trockenen  Pleuratiächeu  sich  aneinander  ver- 
schieben, als  auch  im  Stadium  der  Resorption,  wenn  die  rauhen  Pleura- 
blätter sich  wieder  berühren. 

Der  Charakter  des  Reibens  Ist  verschieden;  bald  leise  nach  Art  eines 
sanften  Anstreifens,  bald  fcliabend ,  bald  knirrscliend  oder  selbst  grob 
knarrend.  Es  ist  meist  sowohl  in-  als  re.spiratorisch.  und  schon  dadurch 
von  Knisterrasseln  gewöhnlich  leicht  zu  unterscheiden.  Häufig  ist  das  ex- 
spiratoribche  Reiben  lauter  und  intervallenreicher  und  zwar  desshalb, 
weil  der  Druck  der  sich  reibenden  Flächen  auf  einander  im  Momente 
der  E.xspLration  grösser  ist  als  bei  der  Inspiration.  Das  Reiben  ist  meist 
saceadirt ;  weil  eben ,  wenn  rauhe  Flächen  sich  aneinander  verschieben, 
die  Verschiebung  nicht  an  allen  Punkten  gleichmässig  erfol.gt,  nicht  jeder 
Punkt  der  einen  Fläche  jeden  Punkt  der  anderen  mit  gleicher  Geschwin- 
digkeit passirt;  da  wo  grössere  Rauhigkeiten  —  Wellenberge  —  aufein- 
ander treffen,    findet  ein  kurzer  Aufenthalt   statt;   die   bewegende  Kraft 


Leiohtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.   Diagnose.     929 

staut  sich  an,  bis  sie  gross  genug  ist,  das  Hinderniss  „mit  einem  Rucke" 
zu  überwinden;  daher  das  „Kuekweise"  des  pleuralen  Reibens.  Aus  dem 
gleichen  Grunde  schleppt  das  Reilien  zuweilen  der  Exspiration  nach.  Das 
Stethüscop  hat  vor  dem  direkt  angelegten  Ohr  in  vielen  Fällen  von  leisem, 
namentlich  umschriebenem  Reiben  unbedingt  den  Vorzug.  Wer  gegen 
diese  Thatsache  ankämpft,  bevreist  nur,  dass  er  sie  nicht  kennt. 

An  der  Herz  -  Lungengrenze  vernimmt  man  zuweilen  bei  Pleuritis 
sicca  (der  linken  Seite)  Reibegeräusche,  welche  nicht  allein  mit  der  Ath- 
mung  synchron  sind,  sondern  auch  bei  suspendirter  Athmung  durch  die 
Bewegungen  des  Herzens  hervorgerufen  werden.  Letztere  Reibegeräusche 
sind  stets  leise  und  von  nur  kurzer  Dauer,  bald  nur  systolisch  oder  dia- 
stolisch, bald  beides  zugleich.  Oft  vernimmt  man  während  der  Exspira- 
tion, ein  andermal  auch  während  der  Lispiration ,  eine,  deutlich  von  den 
Herzcontractionen  abhängige,  mit  diesen  synchrone  periodische  Verstärkung 
des  Reibens.  Die  differentialdiagnostische  Frage :  Pleuritis  mit  Herzsysto- 
lischem  extrapericardialem  Reiben ,  oder:  Pleuritis  mit  geringgradiger 
Pericarditis  ex  contiguo ,  ist  häufig  nicht  mit  Sicherheit  zu  ntscheiden. 
Auscultatorische  Pinessen  helfen  uns  thatsächüch 'nicht  über  die  Schwie- 
rigkeit der  Entscheidung  hinweg. 

Das  Athemgeräuscli  bei  pleuritischen  Exsudaten  verhält  sieh  ver- 
schieden. Bald  ist  es  ganz  aufgehoben,  bald  mehr  minder  abgeschwächt 
und  unbestimmt,  bald  deutlich  bronchial.  Wovon  diese  Verschiedenheit 
abhängt,  lehrt  uns  die  Beobachtung  verschieden  grosser  Exsudate. 

Bei  sehr  grossen  pleuritischen  Exsudaten  wird  man  Bronchialath- 
men  niemals  vermissen.  Hier  ist  die  Lunge  bis  an  die  Lungenwurzel 
hin  gänzlich  comprimirt ,  liegt  vielleicht  als  welker  Lappen  dem  Me- 
diastinum an  ;  zwischen  dem  Hauptbronchus  und  den  grossen  Bronchial- 
stämmen einerseits,  und  dem  an  die  Brustwand  angelegten  Ohr  anderseits 
befindet  sich  das  homogene  Medium  des  flüssigen  Exsudates,  welches 
das  in  der  Trachea  und  den  grossen  Bronchien  entstehende  Bronchial- 
athmen  unverändert,  nur  etwas  abgeschwächt,  an  das  Ohr  leitet. 

Nehmen  wir  aber  ein  mittelgrosses  Exsudat  an  ,  so  kann  Verschie- 
denes eintreten.  1)  Der  Fall,  dass  zwischen  der  Lungenwurzel  und  dem 
auscultireuden  Ohr  eingeschaltet  ist:  a)  total  comprimirtes  Lungenge- 
webe und  b)  das  flüssige  Exsudat.  In  einem  solchen  Falle  werden  wir  ab- 
geschwächtes Bronchialathmen  hören ,  abgeschwächt ,  weil  das  in  den 
Bronchien  entstehende  klingende  Athmen  durch  zwei  Medien  von  sehr 
verschiedenartigem  Aggregatzustande  (dishomogene  Medien)  hindurch- 
ging, ehe  es  an  unser  Ohr  gelangte.  2)  Der  Fall,  dass  zwischen  Lungen- 
wurzel und  unserem  Ohr  eingeschaltet  ist  a)  eine  Parthie  noch  luft- 
haltigen, retrahirten  Lungengewebes,  b)  eine  Schichte  total  compri- 
mirten  Lungengewebes  und  c)  das  flüssige  Exsudat.  Beim  Durchgang  des 
Athemgeräusches  durch  drei  so  verschiedenartige  Medien  findet  entwe- 
der eine  so  erhebliche  Schallschwächung  statt ,  dass  überhaupt  Nichts 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.     III.  2.  59 


930  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

mehr  gehört  wird  (aufgehobenes  Athmen) ,  oder  wenn  noch  ein  leises 
Atheuigeräiisch  gehört  wird ,  so  kann  dasselbe  nicht  mehr  bronchial 
sein ;  denn  das  in  den  Bronchien  entstandene  klingende  Athmen  ist  auf 
dem  Wege  von  den  grossen  Bronchien  zu  unserem  Ohr  durch  eine  Par- 
thie  (a)  noch  lufthaltigen ,  wenn  auch  retrahirten  Lungengewebes  hin- 
durch gegangen  *).  Das  sehr  abgeschwächte  Athmen  ist  in  solchen 
Fällen  unbestimmt  oder  sogar  dem  vesiculären  genähert. 

JReines  metallisches  Athmen  wird  niemals  durch  pleuriti- 
sche  Exsudate  hervorgerufen.  Dagegen  wird  das  Bronchial-Athmen  zu- 
weilen —  besonders  bei  sehr  grossen  Exsudaten,  wenn  wir  infraclavicular 
auskultiren  —  hoch  klingend,  und  gewinnt  die  weiche  Klangfarbe  abge- 
grenzter, tönender  Luttsäulen.  Bin  solches  Athmen  wird  von  Vielen 
mit  Unrecht  schon  metallisch  genannt**);  es  hat  grosse  Aehnliclikeit 
mit  dem  Klange,  der  entsteht,  wenn  man  über  ein  kleines  Arzneifliischcheu 
oder  über  ein  ßeagensgias  leise,  schräg  hinwegbläst.  Es  entsteht  wohl 
auch  auf  diese  Weise,  indem  die  in  die  comprimirte  Lunge  sich  er- 
streckenden B)-onchien  von  dem  in  die  gesunde  Lunge  stürzenden  Luft- 
strom schräge  angeblasen  werden.  Nennt  man  dieses  hohe  klingende 
und  langsam  verklingende  Athmen  ***)  „amphorisch",  so  ist  nichts  da- 
gegen einzuwenden,  nur  muss  man  dann  zwischen  amphorischem  und 
metallischem  Athmen  noch,  weiter  unterscheiden.  Nur  letzteres  ist  sicheres 
Hohlramu  (Cavernen)  Zeichen. 

In  zahlreichen    anderen   Fällen   hat  das  Bronchial  -  Athmen  den 
hauchenden  Charakter  ,   den  H,  Oh  oder  Tracheal  -  Timbre.    Diess  ist 


*)  Die  normal  lufthaltige  Lunge,  dieser  eigenthümlich  schwammige,  porös 
gebaute  Körper  dämpft  nicht  allein  den  durchtretenden  Schall ,  sondern  ver- 
nichtet auch  das  Klingende  desselben.  Wenn  man  Schall ,  der  in  einem  ans 
stossenden  Zimmer  entsteht,  unhorbar  machen  oder  dämpfen  will ,  so  schaltet 
man  zwischen  die  Thüre  keinen  festen  oder  flüssigen  Körper,  sondern  einen 
dishomogenen,  porösen  Körper  (Sägemehl,  eine  Matraze  und  AehnlichesJ  ein. 
M;ni  könnte  theoretisch  richtig  auch  Lungengewebe  einschalten;  wir  wür- 
den dann  die  im  anderen  Zimmer  gesprochenen  Worte  nicht  blos  gedämpft, 
sondern  auch  ohne  jede  Articulation  und  ohne  jeden  Klang  hören  ;  wir  würden 
/..  B.  nicht  mehr  erkennen  ,  wer  im  anderen  Zimmer  spricht.  Ich  habe  schon 
vor  Jahren  mit  Herrn  Dr.  Sattler  zahlreiche  Versuche  in  dieser  Rich- 
tung angestellt ;  wir  Hessen  mittels  eines  Waldenburg'schen  Apparates  Gase 
durch  Kautschukröhren  strömen;  das  Geräusch,  das  dabei  entsteht,  ist  ganz 
ebenso  wie  Bronchialathmen.  Legten  wir  dann  verschiedene  poröse  Körper  auf 
die  Röhre,  z.  B.  eine  Lunge,  so  vernahmen  wir  das  bronchiale  Röhrengeräusch 
weniger  deutlich  und  weniger  klingend ,  mehr  schlürfend  als  hauchend ;  abec 
v  e  s  i  c  u  1  ä  r  e  s  Athmungsgeräusch  kommt  auf  diese  Weise  nie  zu  Stande ;  ich 
muss  daran  festhalten ,  den  V  e  s  i  k  e  1  n  der  Lunge  bei  Entstehung 
des  vesiculären  Inspirationsgeräusches  einen  wesentlichen 
activen  Antheil  zuzusprechen.  Noch  verschiedene  andere  Gründe, 
die  ich  hier  nicht  anführen  will,  sprechen  hiefür,  so  besonders  der  Umstand, 
dass  normalerweise  bei  Inspiration  lautes  Vesiculärathmen  zu  hören  ist ,  wäh- 
rend die  Exspiration  nur  als  ein  kurzes,  leises  Schlürfen  erscheint. 

**)  Vergl    die  interessanten  Fälle  bei  Barthez  n.  Rilliet  I.e.  S.  555if. 
***)  Dasselbe  hat   häufig    etwas  »Sausendes«    neben  dem  Klange,    was 
iunner  bei  schrägem  Anblasen  (z.  B.  bei  der  Flöte  oder  in  den  oben  angefiüirten 
Beispielen)  zugegen  ist. 


Leiohtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     931 

dann  der  Fall,  wenn  das  in  der  Trachea  und  den  grossen  Bronchien  vor- 
handene klingende  Athmen  direkt  von  den  Bronchialstämmen  der  Lun- 
genwnrzel  aus  durch  das  Exsudat  hindurch  an  unser  Ohr  üljertragen 
wird.  In  wieder  anderen  Fällen  hat  das  Bronchial-Athmen  den  exqui- 
siten N  a  s  a  1  -  Timbre.  Wir  werden  auf  denselben  sogleich  zurück- 
kommen. 

Die  S  t  i  ni  m  e  verhält  sich  ganz  ebenso  wie  das  Athmungsgeräusch ; 
sie  ist  bald  ganz  aufgehoben ,  bald  sehr  al>geschwächt  und  unbestimmt, 
bald  ist  die  Stimme  bronchial  oder  klingend.  Die  Verschiedenheit  des 
Verhaltens  beruht  auf  den  gleichen  Verhältnissen  ,  die  wir  soeben  als 
Ursache  des  aufgehobeneu,  abgeschwächten  und  unbestimmten,  und  des 
klingenden  Athmens  kennen  gelernt  haben. 

Die  Stimme  hat  ebenso  wie  das  Athmen  den  Traoheal-Charakter  (d. 
h.  sie  klingt  ebenso,  wie  wenn  wir  die  Trachea  auskultiren)  dann,  wenn 
die  in  die  Irachea  und  die  grossen  Bronchialstämme  sieh  fortpflanzenden 
Stimmlaute  von  der  Lungenwurzel  aus  direkt  durch  das  Exsudat  an  un- 
ser Ohr  dringen.  In  anderen  Fallen  hat  die  Stimme  ebenso  wie  das  Ath- 
men den  exquisit  näselnden  Charakter,  den  Nasal- Timbr  e. 
Laennec  hat  diese  Stimme  sehr  richtig  mit  einem  bestimmten  Namen, 
dem  der  Aegophonie  bezeichnet  und  nur  darin  geirrt,  dass  er  sie  als 
pathognomonisch  für  pleuritisches  Exsudat  hinstellte. 

Woher  kommt  der  Nasal-Timbre  der  Stimme  und  des  Bronchial- 
Athmens?  Dass  er  nicht  in  der  Trachea  und  den  grossen  Bronchien  ent- 
steht, bedarf  kaum  der  Erwähnung;  die  Stimme  müsste  sonst  immer 
näselnd  sein,  so  oft  sie  bronchial  ist;  und  dass  sie  diess  nicht  ist,  da- 
von kann  man  sich  durch  Auscultation  der  Trachea  ülierzeugen. 

Der  Nasal-Timbre  entsteht ,  wie  sich  durch  ebenso  einfache ,  als 
schlagende  Experimente  mit  Kautsehoukröhren  zeigen  lässt,  nur  allein 
dann,  wenn  die  Stimmlaute  durch  sp  alt  artig  verengte,  einander 
genäherte  Eöhrenwandungen  hindurch  geht,  ebenso  wie  auch 
unsere  Stimme  nur  dann  näselnd  wird,  wenn  wir  den  Luftstrom  beim 
Sprechen  durch  die  Nase  gehen  lassen  und  dabei  die  Nasenwände  durch 
Compression  einander  noch  mehr  nähern.  Bei  croupöser  Pneumonie  z.  B. 
sind  zahlreiche  Bronchien  durch  das  zwischenliegende  voluminöse  Inh  trat 
seithch  zusammengedrängt ,  spaltartig  comprimirt,  daher  der  näselnde 
Timbre  des  Bronchialathmens  und  der  Bronchophonie.  Beim  pleuritiscben 
Exsudate  sind  eben^lls  zahlreiche  Bronchien  durch  Compression  spalt- 
artig vetengt.  Geht  der  Schall  durch  diese  hindurch,  so  hört  man  nä- 
selnde Bronchophonie  und  näselndes  Bronchialatlimen.  Smd  aber  die 
Bronchien  total  verschlossen,  und  findet  die  üeberleitung  der  Stimm- 
laute  direkt  von  den  grossen  Bronchialstämmen  durch  das  E.xsudat  zu 
unserem  Ohr  statt,  so  ist  die  Stimme  einfach  bronchophonisch  d.  h.  ohne 
Nasaltimbre.  Letzterer  sagt  uns  somit  immer,  dass  die  Stimmlaute  oder 
das  Athmungsgeräusch  auf  ihrem  Wege  von  der  Trachea  und  den  gros- 
sen Bronchien  zum  Ohr  durch  spalt  artig  verengte  Bronchien  hmdurch- 
gecranaen  ^ind.  -  Man  frage  sich  nur,  auf  welche  andere,  als  die  ge- 
schüde^rte  Weise  der  Nasal-Timbve  des  Athemgeräusches  und  der  Stimme 

59* 


932  KranMieiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

entstehen  könnte,  und  mau  wird  zugeben  müssen,  dass  diess  auf  andere 
Weise  nicht  wohl  möglich  ist. 

Ein  bisher  meines  Wissens  ganz  üljerseheuer  Puniit  ist  folgender: 
Die  spaltartige  Verengerung  der  Bronchien  und  der  dadurch  hervorge- 
rufene Nasal-Timbre  der  Stimme  trägt  wesentlich  dazu  bei,  den  fühl- 
baren Peoto  ralfremitus  bei  Pneumonie  zu  verstärken.  Man  berühre 
nur  die  Nase  ,  während  man  z.  B.  französische  Nasenlaute  ausspricht, 
das  Erzittern,  der  Fremitus  ist  dabei  sehr  stark.  Singt  man  in  ein  Kaut- 
schoukrohr  hinein,  so  fühlt  man  nur  ^ehr  schwaches  Erzittern  der  Wände, 
sowie  man  aber  an  einer  Stelle  die  Köhre  spaltartig  comprimirt,  wird 
der  fühlbare  Fremitus  daselbst  erheblich  gesteigert. 

Der  physikalische  Grund  liegt  nahe.  Auch  bei  Pneumonie  ist  der 
Stimmfremitus  zuweilen  nicht  verstärkt ;  das  sind  immer  auch  Fälle,  wo 
die  Stimme  keinen  Nasaltimbre  zeigt ;  da  wo  dieser  zugegen  ist,  ist  der 
Fremitus  stets  sehr  lebhalt. 

Der  Pectoralfremitus  ist  aufgehoben  oder  erheblich  abge- 
schwächt. Ausnahmen  sind  sehr  selten  und  kommen  nur  dann  vor, 
wenn  die  Lunge  z.  B.  hinten-unten  adhärent ,  vom  Exsudate  gegen  die 
Thoraxwand  comprimirt  wird.  Dann  kann  der  Pectoralfremitus  sogar 
verstärkt  sein.  Auch  grössere  bandtörmige  oder  membranöse  Adhäsionen, 
welche  zwischen  der  an  die  Lungenwurzel  comprimirten  Lunge  und 
einem  Punkt  der  Thoraxwandung  segelartig  straff  ausgespannt  sind  *), 
können  die  Stimmvibrationen  gut  leiten  und  zu  umschriebenem  Fremitus 
Veranlassung  geben. 

Man  kann  die  Frage  aufwerfen,  warum  ist  dei-  Stimmfremitus  auf- 
gehoben oder  abgeschwächt,  während  doch  gleichzeitig  starker  Nasal- 
Timbre  der  Stimme,  Aegophouie  vernommen  wird?  Die  Antwort  lautet, 
weil  die  dazwischengelagerte  Flüssigkeit  die  Schwingungen  so  dämpft, 
dass  sie  nicht  mehr  von  den  Tastnerven,  wohl  aber  noch  von  unserem 
Trommelfell  percipirt  werden.  Ein  hübscher  Versuch,  welcher  die  Ver- 
schiedenheit dieser  Verhältnisse  bei  Pneumonie  und  Pleuritis  klarlegt, 
ist  folgender:  Wenn  man  auf  den  Rand  eines  hölzernen  mit  Wasser  ge- 
füllten Gefässes  eine  angeschlagene  Stimmgabel  aufsetzt ,  so  fühlt  man 
längs  des  ganzen  Eandes  deutlich  das  durch  die  Stimmgabelschwing- 
ungen hervorgerufene  Erzittern.  Taucht  man  dagegen  die  Hand  ins  Was- 
ser ,  so  fühlt  man  nicht  die  geringsten  Erzitterungen.  Wenn  man  da- 
gegen,  während  die  am  Rande  aufge.'ietzte  StiuAigabel  .schwingt,  ein 
Stethoscop  in  das  Wasser  taucht  und  auscultirt,  so  vei-uimmt  man  aus- 
serordentlich laut  den  Stimmgabelton ,  lange  noch  ,  nachdem  er  in  der 
Luft  längst  ausgeklungen  hat. 

Oberhalb  des  pleuritischen  Exsudates  ist  das  Athmungsgeräusch 
bald  bronchial  (durch  Compression  solidificirte  Lunge !) ,  bald  unbe- 
stimmt, bald  vesiculär.    Knisternde ,  subcrepitirende  oder  auch  feuchte. 


"J  Vergl.   die   hübschen  Abbildungen  bei  Pirogoff,    IL  6,  2,   II,  18,  1 
und  bei  Braune. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.    Diagnose.     933 

meist  nicht  klingende  Rasselgeräusche  werden  häufig  angetroffen.  Der 
Pectoralfremitus  oberhalb  des  Exsudates  ist  bald  normal  stark,  bald 
stärker  als  an  der  symmetrischen  Stelle  der  gesunden  Seite.  Es  kommen 
aber  auch ,  wie  ich  mich  bestimmt  überzeugt  habe ,  Fälle  vor ,  wo  der 
Pectoralfremitus  oberhalb  von  Exsudaten  (in  Folge  starker  Bron- 
chitis und  Sekretverstopfung  der  grösseren  Luftäste)  abgeschwächt  ist ; 
dann  vollzieht  sich  der  üebergang  vom  aufgehobenen  Pectoralfremitus 
des  Exsudates  zum  intensiven  der  wandständigen  Lunge  ebenso  all- 
raählig,  wie  der  üebergang  vom  absolut  gedämpften  zum  intensiven 
Percussionsschall.  Li  solchen  Fällen  unterstützt  uns  der  Stimmfremitus 
in  der  Bestimmung  der  Exsudatgrenze  nicht.  In  anderen  dagegen,  wo 
eine  Zone  von  sehr  abgeschwächtem  Pectoralfremitus  unmittelbar 
an  eine  solche  von  intensivem  Fremitus  grenzt,  ist  dieser  ein  vorzüg- 
liches Mittel  zur  Grenzbestimmung,  das  häufig  viel  sichereren  Auf- 
schluss  giebt  als  die  Percussion.  Man  palpire  zum  Zwecke  der  Grenz- 
bestimmung  leise,  mit  dem  Ulnarrande  des  kleinen  Fingers,  während 
die  übrigen  Fingersich  gegenseitig  berühren,  so  wie  es  Wintrich 
gelehrt  hat  und  es  seitdem  gelehrt  wird. 

Differentialdiagnostisch  ist  der  Satz  von  Wichtigkeit:  Ist  der  Pecto- 
ralfremitus verstärkt ,  so  ist  Lungenverdichtung  mit  Bestimmheit  anzu- 
nehmen. Abschwächung  derselben  kommt  ebensowohl  bei  Verdichtung 
(z.  B.  bei  totaler  Obturation  grösserer  zuführender  Bronchien  durch 
Schleim  etc.)  ,  als  auch  stets  bei  Exsudaten  vor ;  im  ersten  Falle  ist 
die  Abschwächung  meist  vorübergehend  (temporär) ,  im  letzten  Falle  ist 
sie  permanent. 

Es  ist  bekannt ,  dass  die  hohe  Kinderstimme  zur  Erzeugung  des 
Pectoralfremitus  weniger  geeignet  ist,  als  die  Brummstimme  der  Männer; 
bekannt  ferner ,  dass  unter  normalen  Verhältnissen  der  Pectoralfremitus 
auf  der  rechten  Seite,  ich  möchte  sagen  ausnahmslos,  etwas  stärker  ist 
(Verhältniss  oft  1:2)*)  als  links.  Die  grössere  Weite  des  rechten  Bi-on- 
chus,  der  eine  fast  geradlinige  Fortsetzung  der  Trachea  ist,  während  der 
schmälere  linke  Bronchus  mehr  rechtwinklig  abgeht ,  ist  die  Ursache 
hiervon.  Bei  difficiler  Prüfung  ist  es  gut,  beim  Vergleich  symmetrischer 
Thoraxstellen  stets  auch  das  gleiche  Wort  —  in  England  ist  ninety-nine 
gebräuchlich  —  aussprechen  zu  lassen. 

Die  Palpation  gibt  uns  ferner  Aufschluss  über  eine,  zuweilen  wich- 
tige Erscheinung ,  nämlich  das  Verstrichensein  oder  die  stärkere 
Vorwölbung  der  Intercostalräume. 

Es  ist  oft  weniger  das  Verstrichensein,  das  auffällt,  als  vielmehr  ein 
erheblich  vermehrter  Widerstand,  der  sich  geltend  macht,  wenn  man  die 


*)  Die  Methode,  der  ich  mich  bediente ,  dieses  Verhältniss  in  Zahlen  aus- 
zudrücken, bestand  darin,  dass  ich  die  Entfernungen  bestimmte,  bis  zu  welchen 
der  Pectoralfremitus  sich  fühlbar  fortpflanzte.  Auch  die  Intensität  des  Pectoral- 
fremitus an  verschiedenen  Thoraxstellen  habe  ich  auf  diese  Weise  bestimmt. 


934  Krankheiten  der  Atbmungsorgane.    Pleuritis. 

Intercostalräume  der  kranken  Seite  einzudrücken  versucht.  Man  erreicht 
diess  auf  der  gesunden  Seite  viel  leichter,  mit  viel  geringerem  Wider- 
stände und  in  viel  ergiebigerer  Weise. 

Die  Palpation  giebt  uns  ferner  die  Annäherung  der  Eippen  beim 
Retrecissement  zu  erkennen. 

Der  Percussions- Widerstand,  d.  h.  der  Widerstand,  welchen  der  per- 
cutirende  und  der  als  Plessimeter  dienende  percutirte  Finger  beim 
Klopfen  fühlt,  ist  über  Exsudaten  ebenso  wie  auch  über  dichten  Infiltra- 
ten erheljlich  grösser  als  über  der  normalen  lufthaltigen  Lunge.  Pneu- 
monie und  Pleuritis  durch  den  verschiedeneu  Percussionswiderstand  zu 
unterscheiden,  muss  ich  der  individuellen  Kunstfertigkeit  und  dem  über- 
feinerten Tastgefühl  Anderer  überlassen.  Noch  einen  Schritt  weiter,  und 
wir  stehen  wider  vor  den  Piorry'schen  Finessen,  und  unterscheiden  wie- 
der Herz-,  Lelier-,  Milz-Exsudat-Infiltratdämpfungen  mit  Hilfe  der  „pal- 
patoi'ischen  Percussion"  ! 

Bei  acuter  trockener  Pleuritis  ist  häufig  Schmerzhaftigkeit  bei 
Druck  in  d i e I n t e r c o s t a  1  r ä u  m e  zugegen.  Bei  Pleuritis diaphrag- 
matica  soll  die  »Pression  abdominale«  Bichat's,  d.  h.  ein  tiefer  Druck 
in  die  Gegend  dicht  unterhalb  des  Rippenbogens  besonders  schmerzhaft 
sein  (V). 

Ein  wichtigeres  Zeichen,  das  uns  die  Palpation  liefert,  ist  das  Fühl- 
barsein pleuritischen  Reil^ens.  Vor  Verwechsl ung  mit  fühl- 
barem Rasseln  muss  man  besonders  in  der  Kiuderpraxis  auf  der  Hut 
sein ! 

Ueber  die  Thoraxmissstaltung  beim  Retrecissement  haben  wir  be- 
reits oben  das  Wichtigste  auseinandergesetzt.  Es  erübrigt  noch ,  die 
dabei  vorkommenden  Erscheinungen  von  Seite  des  Zwerchfelles,  des" 
Mediastinums  und  Herzens  zu  erwähnen.  Alle  diese  Organe  werden 
ebenso  wie  die  Brustwand  herbeigezogen ,  um  den  Raum  zu  erfüllen, 
welchen  das  in  die  Blut-  und  Lymphgefässe  zurückkehrende  Exsudat 
verlässt.  Das  Herz  wird  oft  erheblich  dislocirt ;  bei  linksseitigem  Re- 
trecissement habe  ich  die  Herzspitze  in  der  mittleren  Axillarlinie  an- 
schlagen gesehen.  Das  Zwerchfell  wird  heraufgezogen,  mit  ihm  die 
Leber  oder  der  Magen  und  die  Milz.  Das  Mediastinum  wird  herbeige- 
zogen ,  so  dass  die  Percussions  -  Grenze  zwischen  der  gesunden  und  der 
kranken  Seite  längs  des  Sternalrandes  der  letzteren  verläuft,  denselben 
zuweilen  sogar  noch  überschreitet.  Der  Schall,  den  die  einge- 
zogene Seite  bei  Percussion  gibt ,  ist  weniger  intensiv  ,  als  der  der  ge- 
sunden Brusthälfte.  Nicht  allein ,  dass  der  Exsudatrest  noch  Schall 
dämpfend  wirkt ,  auch  die  von  dicken  Bindegewebsschwarten  umklei- 
dete, verdichtete  Lunge  gibt  einen  weniger  hellen ,  häufig  leer  tympa- 
nitischen  Schall. 

Ich  kann  den  von  W  o  i  1 1  e  z  aufgestellten  Satz  unterschreiben,  dass 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Plevira.    Symptome.    Diagnose.     935 

sich  mitunter  als  erstes  Zeichen  der  begonnenen  Resorption  eine  durch 
Mensuration  nachwei.sbare  Circumferenzahnalime  der  ektatischen  Thorax- 
seite geltend  macht,  während  die  percussorisohen  Grenzen  des  Exsudates 
sich  gleich  geblieben  sind. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  jene  Organe  am  ersten  wieder  in  ihre 
Ruhelage  zurückkehren,  welche,  wie  die  Rippen,  das  grösste  Retraktions- 
bestreben  haben.  Wie  mit  einem  Schlage  ändert  sich  zuweilen  das  schwere 
Ivrankheitsbild  der  acuten  exsudativen  Pleuritis.  Die  C'irculation  wird 
wieder  geordneter,  der  Puls  kräftiger,  die  Cyanose  verschwindet,  die  Dys- 
pnoe mässigt  sich  und  doch  ist,  wie  die  Percussion  lehrt ,  das  Ex- 
sudat-Niveau unveränderlich  das  gleiche  wie  vorher.  JVIan  könnte  die 
Besserung  einzig  und  allein  auf  Rechnung  des  Fieber-Nachlasses  setzen. 
Gewiss  nicht  mit  Unrecht!  Aber  doch  würde  man  dabei  einen  wesent- 
licLen  Faktor  der  eingetretenen  Besserung  übersehen!  Die  Resorption  hat 
begonnen,  wenn  auch  die  percussorisohen  Exsudatgrenzen  die  gleichen  sind 
wie  vorher,  der  nachtheilige  Druck  auf  das  Herz  und  die  grossen  Gefässe 
ist  geringer  geworden,  und  wesentliche  Hindernisse  der  Circulation  halien 
sich  theilweise  vermindert.  Würde  man  genaue  Thoraxmessungen  ange- 
stellt haben  ,  so  könnte  man  sich  leicht  überzeugen  ,  dass  die  Ciroum- 
ferenz  der  kranken  Seite  geringer  geworden,  während  alle  anderen  Ver- 
hältnisse, die  Percussionssymptome ,  die  Verdrängvingserfcch einungen  des 
Herzens,  des  Mediastinums  und  des  Zwerchfelles  sich  gleich  geblieben  sind. 

Bei  linksseitigem  Empyema  necessitatis ,  welches  einen  Intercostal- 
raum  durch  Verdrängung  der  Rippen  erweitert  und  die  Weichtheile  des- 
selben in  grösserer  Ausdehnung  corrodirt  und  theilweise  durchbrochen 
hat,  beobachtet  man  mitunter  an  der  zu  Tage  liegenden,  fluctuirenden, 
subcutanen  Eitergeschwulst  von  den  Herzbewegungen  abhängige  Pul- 
sationen, oder  vielmehr  Ondulationen  mit  herzsystolischer  Verstärkung. 
(Empyema  pulsans.)  In  solchen  Fällen,  wo  der  subcutane  Ab- 
scess  mit  dem  Pyothorax  direkt  communicirt,  erzeugt  jede  Exspiration, 
besonders  aber  forcirte  Ausathembewegungen  wie  Husten,  Pressen ,  eine 
deutliche  Spannungszunahme  der  Abscesswand ,  jede  Inspiration  eine 
Spannungsverminderung.  Aber  auch  das  Umgekehrte  kann  vorkommen, 
wenn  das  Empyem  abundant  und  das  convex  nach  unten  voigewölbte 
Zwerchfell  bei  jeder  Inspiration  höher  tritt.  —  Die  Unterscheidung  eines 
pulsirenden  Empyemes  von  einem  Aneurysma  bietet  keine  Schwierig- 
keiten dar.  Abgesehen  davon,  dass  an  der  Thoraxstelle,  wo  Empyeme 
gewöhnlich  durchbrechen,  Aneurysmen  so  gut  wie  nie  beobachtet  wer- 
den, kann  sich  Jeder  leicht  die  diesbezüglichen  difl'erentialdiagnostischen 
Zeichen  construiren. 

Die  Differentialdiagnose  zwischen  serösen  und  eitrigen  Ergüssen 
haben  wir  oben  bereits  kurz  berührt.  Die  Unterscheidung  wird  auf  voll- 
kommen gefahrlose  Weise  gema.  ht  durch  eine  Probepunktion  mit  des- 
inficirtem,  capiUarem  Troikart. 

Ich  habe  mich  zu  gleichem  Zwecke  einer  gewöhnlichen,  gut  schlies- 
senden,  desinficirten  Pravaz'schen  Spritze  bedient.  In  englischen  Kinder- 
hospitälern sah  ich  diese  Probepunktion  selbst  zur  Unterscheidung  zwi- 
schen Pleuritis  und  Pneumonie  ausführen. 


936  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis, 

Guido  B  a  c  c  8 1 1  i  *)  hat  zur  Unterscheidung  zwischen  reinen  serösen 
und  zellenreichen  Exsudaten  die  Durchleitung  der  Flüsterstimme  (Pecto- 
riloquie  aphone  ou  aphonic|ue)  benutzt.  Rein  seröse  Exsudate  sollen  die 
Flüsterstimnie  gut  durehleiten,  zelleni'eiche  dagegen  nicht.  Trotz  der  zu- 
stimmenden Urtheile  fi-anzösischer  Autoren  halte  ich  die  Akten  Uher  die 
Brauchbarkeit  dieser  Methode  noch  keineswegs  geschlossen. 

Ueber  die  I  n  t  e  n  s  i  t  ä  t  s  Veränderung,  welche  der  Percussions- 
scball  bei  Durchleitung  durch  Exsudate,  Infiltrate,  die  normale  Lunge  etc. 
erfährt ,  habe  ich  schon  vor  Jahren  öfters  Versuche  angestellt.  Jüngst 
sind  ähnliche  Versuche  auch  von  anderer  Seite  angestellt ,  dabei  aber 
der  grobe  Fehler  begangen  worden .  dass  man  in  gewöhnlicher 
Weise  percutirte,  (hinten  percutirte ,  vorne  ausoultirte)  und  die  Intensi- 
tät des  durchgeleiteten  Schalles  beider  Seiten  verglich.  Nun  giebt  aber 
eben  die  kranke  Seite  einen  anderen  Schall,  als  die  gesunde!  Die  erste 
Bedingung  ist:  Gleichheit  des  Schalles  nach  Intensität  und  son- 
stigen Eigenschaften  auf  beiden  Seiten.  Diess  habe  ich  erreicht  durch 
Anwendung  der  Plessimeter-Stiibchen-Percussion,  wobei  ich  dicke  Ples- 
simeter benützte  und  leise  percutirte.  Für  die  Mittheilung  der  Resultate 
dieser  Untersuchungen  ist  hier  nicht  der  Ort. 

Therapie. 

Viele  der  acuten  trockenen  Pleuritiden  gehen  ohne  jede  besondere 
Therapie  bei  einfacher  Bettruhe  und  Fieberdiät  in  Genesung  über.  Hat 
man  dabei  durch  Application  eines  Priessnitz'schen  Umschlages  oder 
durch  zweckmässige  Darreichung  von  Opiaten  die  Schmerzen  des  Kran- 
Icen  gelindert ,  um  so  besser.  Auch  Fälle ,  die  unter  hohen  Fieberer- 
scheinungen in  stürmischer  Weise  ihren  Anfang  nahmen,  gehen  auf 
diese  Weise  oft  gegen  Erwarten  schnell  in  Heilung  über. 

Als  Hauptindikationeu  liegen  bei  acuter  Pleuritis  vor:  Die  ent- 
zündlichen Vorgänge  auf  der  Pleura  zu  massigen  und  zu  heben,  der 
Exsudation  vorzubeugen ;  sodann  die  symptomatischen  Indicationen,  das 
Fieber  und  die  davon  drohenden  Gefahren  zu  be,seitigen,  den  Schmerz 
zu  lindern. 

In  früherer  Zeit  galt  der  Hauptangriff  von  Seite  der  Therapie  den 
localen  Vorgängen.  Der  ganze  antiphlogistische  Heilapparat  wurde 
in  Gang  gesetzt,  »um  die  Entzündung  zu  massigen«,  ihrer  Weiterver- 
breitung vorzubeugen.  Man  suchte  das  Ilebel  an  der  Wurzel  zu  fassen, 
die  Pleuritis  als  solche  aufzuheben.  Unstreitig  ein  theoretisch  richtiges 
Bestreben !  Schade  nur,  dass  die  Mittel  sich  als  imzureichend  erwiesen, 
die  Entzündung  zu  bemeistern,  und  dass  einige- derselben  —  wieder 
Aderlass   und   wiederholte   örtliche   Blutentziehungen   — 


*J  Sulla  transmissione  dei  suoni  attraverso  i  liquidi  endopleurici.    Estratto 
dair  Arch.  di  Med.  Chir,  ed  Igiene.     1875.  Disp.  VII.  e  VIII. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie.  937 

nicht  allein  hinter  der  gestellten  Aufgabe  zurückblieben,  sondern 
andere,  schwere  Gefahren  herbeiführten.  Indem  die  Pleuritis  wie 
gewöhnlich  nach  dem  Aderlasse  fortdauerte,  oder  alsbald  wieder 
exacerbirte  und  ihren  Verlauf  verfolgte,  betraf  sie  nun  ein  geschwächtes, 
blutärmeres  Individuum,  mit  geringerer  Widerstandskraft,  dessen  Herz 
den  vermehrten  Aufgaben  der  Circulation  (S.  885)  weniger  gewachsen, 
den  Gefahren  des  Fiebers  und  der  Herzinsufficienz  leichter  unterlag. 
Ich  will  hier  nicht  auf  eine  Kritik  des  Aderlasses  und  der  örtlichen 
Blutentziehung  bei  der  Pleuritis  der  Kinder  eingehen ,  ich  berufe  mich 
auf  das,  was  Z  i  e  m  s  s  e  n  *)  über  diesen  Gegenstand  geschrieben,  und  auf 
die  unübertreffliche  Klarlegimg  des  Werthes  und  der  Folgen  des  Ader- 
lasses in  der  Pneumonie  von  J  ü  r  g  e  n  s  e  n  **). 

Der  Aderlass  und  die  örtlichen  Blut entziehungen 
beiderPleuritis  derKinder,  vorgenommen  in  der  Ab- 
sicht, die  entzündlichen  Vorgänge  dadurch  zu  bemei- 
stern,  sind  unbedingt  zu  verwerfen. 

In  der  gleichen  Absicht ,  gegen  die  Entzündung  selbst  zu  wirken, 
wird  die  Kälte  und  das  C  a  1  0  m  e  1  angewendet.  Beide  Mittel  haben 
vor  den  eben  genannten  den  Vorzug,  dass  sie  auch  für  den  Fall,  dass 
sie  wenig  oder  nichts  nützen,  doch  keinen  Schaden  stiften.  Dass  der  ent- 
zündliche Process  durch  Kälte  gemindert  und  rückgängig  wird,  mag  für 
seltene  Fälle  richtig  sein;  dass  das  Calomel  „entzündungswidrig"  wirkt, 
ist  Glaubenssache. 

Die  therapeutische  Aufgabe,  den  örtlichen  Entzündungsprocess 
aufzuheben,  hat  wenig  Aussicht  auf  Erfolg.  Wir  werden  natürlich 
Alles  vom  Kranken  ferne  halten,  was  die  Entzündung  inöglicherweise 
steigern  könnte ,  strenge  Bettruhe  anordnen ,  für  gleichmässige  Tem- 
peratur, gute  Luft,  angemessene  Diät  etc.  sorgen. 

Die  Application  der  Eisblase ,  das  Calomel  innerlich  können  ver- 
sucht werden. 

Vermögen  wir  die  Entzündung  als  solche  nicht  aufzuheben,  so  sind 
wir  doch  im  Stande,  den  Folgen  derselben  entgegenzuwirken,  insbeson- 
dere auch  jenen,  welche  gefahrbringend  sind.  Dahin  gehört  bei  acuter 
Pleuritis  das  Fieber  mit  seinen  schädlichen  Wirkungen  auf  das  Herz, 
ferner  das  Exsudat  ^  mit  seinem  nachtheiligen  Druck  auf  die  Lungen, 
den  Pulmonalkreislauf  und  das  Herz. 

Das  Fieber  bei  Pleuritis  war  von  jeher  ein  Hauptangriffspunkt 
der  Therapie ;  der  alte  antiphlogistische  Heilapparat,  der  Aderlass ,  die 
örtlichen  Blutentziehmigen,  L  a  e  n  n  e  c's  Tartarus  stibiatus  Mixtur,  das 


*\  Pleuritis  u.  Pneumonie  im  Kindeaalter  1862.  S.  126  —  128. 
**    Ziemssen's  Hdb.  d.  sp.  Path,  u.  Therap.  V.  Bd.  IL  2.  Aufl.  S.  191-193. 


938  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Calomel,  Nitruui  etc.  waren  ebenso  sehr  gegen  das  Fieber  gerichtet,  als 
gegen  den  örtlichen  Entzündungsprocess.  »Bei  sehr  hohem  Fieber  und 
rapid  aiisteigeudeni  Exsudat«  räth  Fränt  z  el  noch  in  jüngster  Zeit  die 
Vornahme  der  Yenäsection !  Ich  kann  mich  mit  diesem  Rathe  nicht  einver- 
standen erklären  nnd  halte  den,  in  der  Aljsicht,  das  Fieber  zu  vermindern, 
unternommenen  Äderlass  aus  den  gleichen  Gründen  und  ebenso  ver- 
werflich, wie  dieVenäsection  zur  Mässigung  des  entzündlichen  Processes*). 

Mit  der  besseren  Einsicht  in  die  Gefahren  des  Fiebers  machte  sich 
auch  in  den  Indicationen  und  der  Methode  der  Antipyrese  ein  wesent- 
licher Fortschritt  geltend.  Es  ist  nicht  unsere  Aufgabe,  einen  Krankeai 
mit  acuter  Pleuritis  durch  fortwährende  Verabreichung  von  Antipyre- 
ticis  oder  immer  wieder  repetirte  kalte  Bäder  vollkommen  fieberlos  zu 
erhalten ,  als  vielmehr  eine  hohe  Continua  als  solche  nicht  länger  an- 
dauern zu  lassen.  Wir  suchen  das  continuirliche  Fieber  in  ein  remitti- 
rendes  oder  intermittirendes  zu  verwandeln,  dem  längeren  Verweilen 
des  Kranken  auf  hohen  Temperaturgraden  vorzubeugen.  Wir  folgen 
damit  der  praktischen  Erfahrung,  die  uns  lehrt,  dass  ein  intermittiren- 
des Fieber  lange  ohne  wesentliche  Gefahren  ertragen  wii'd ,  dass  da- 
gegen eine  hohe  Continua  die  Erscheinungen  der  Herz-Insufficienz  schon 
nach  kürzerer  Dauer  im  Gefolge  hat. 

Auch  hinsichtlich  der  Wirkungsfähigkeit  und  der  Wirkungsgrösse 
der  Mittel,  mit  welchen  wir  zu  rechnen  haben,  ist  durch  die  exakten, 
auf  zahllose  Experimente  am  Krankenbette  gestützten  Untersuchungen 
der  Neuzeit  ein  wesentlicher  Fortschritt  angebahnt  worden.  Die  That- 
sachen  ,  welche  wir  Brand,  Bartels  und  J  ü  r  g  e  n  s  e  n  hinsichtlich 
der  Wirkung  der  k  a  1 1  e  n  Bäder,  L  i  e  b  e  r  m  e  i  s  t  e  r  ü  her  die  anti- 
pyretische Wirkung  des  Chinins,  Buss  über  die  von  ihm  entdeckte, 
sichere  und  gefahrlose  Wirkung  der  Salicyl  säure  verdanken,  haben 
der  antipyretischen  Methode  einen  festen  Untergrund  verschafft.  Die 
Einwände ,  welche  hin  und  wieder  noch  gegen  die  Wirkungsfähigkeit 
dieser  Mittel  geltend  gemacht,  die  Befürchtungen,  welche  hinsichtlich 
der  Gefahren  derselben  geäussert  werden ,  beruhen  auf  Mangel  an  Er- 
fahrung ,  zuweilen  sind  sie  nichts  Anderes,  als  der  Protest  der  Bequem- 

*)  Vergleichen  wir  damit  die  Vorschriften  einer  Autorität  der  illteren 
Schule  (Barthez):  »Die  Entzündung  der  Serosa  erfordert  (necessite)  die  Ent- 
ziehung einer  gewissen  Quantität  Blut.  Das  antiphlogistische  Verfahren  hat 
sich  nach  dem  Alter,  Krilftezustand  des  Kranken,  nach  der  Intensität  und  Form 
der  Entzündung  zu  richten.  Bei  Kindern  von  2  —  6  -Jahren  setzt  man  3—6 
Blutigel  in  die  leidende  Seite ,  bei  älteren  Kindern  macht  man  einen  Äderlass 
von  'ti— 3  Paletten.  Im  Nothfall ,  wenn  Schmerz  und  Dyspnoe  sich  nicht  ver- 
mindern, wiederholt  man  die  Blutentziehung.  Dieselbe  wird  bei  hohem  Fieber 
und  schwerer  Dyspnoe  unterstützt  durch  eine  Tart.  stibiat.  Mixtur,  oder  durch 
die  2stündliche  Darreichung  von  Calomel  in  der  Einzeldosis  von  0,05.« 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie.  939 

lichkeit,  welche  ungern  von  der  alten  gemächliclien  Schablone  abweicht. 

In  den  meisten  Fällen  von  Pleuritis  lässt  das  Fieber  nach  wenigen 
Tagen  spontan  nach ,  wird  remittirend  oder  intermittirend.  Für  eine 
grosse  Zahl  dieser  Fälle  besteht  zu  keiner  Zeit  die  Indication  zu  ener- 
gischer Antipyrese.  Die  »milden«  Antif ebrilia ,  das  Caloniel,  Nitrum 
oder  die  stärkere  Digitalis  werden  in  solchen  Fällen  oft  angewendet;  und 
ihnen  zu  Gute  rechnet  man  dann  den  spontanen  Nachlass  des  Fiebers. 

In  anderen  Fällen  hält  das  Fieber  als  höhere  Continua  längere  Zeit 
an,  zieht  sich  über  den  dritten  und  vierten  Tag  hinaus  fort,  macht  keine 
Miene  zu  spontaner  Remission.  Nun  darf,  wenn  nicht  andere  dringendere 
Indicationen,  z.  B.  von  Seite  des  rapid  steigenden  Exsudates  concurrireu, 
mit  der  Antipyrese  nicht  länger  gezögert  werden.  Auch  Solche ,  die 
sich  von  der  durch  Nichts  zu  ersetzenden  vortheilhaften  Wirkung  des 
kalten  Bades  bei  Behandlung  des  Abdominaltyphus  überzeugt  haben, 
scheuen  häufig  vor  der  Kaltwasserbehandlung  der  acuten  Pleuritis  zu- 
rück. Ich  halte  diese  Befürchtung,  welche  besonders  das  schnellere  An- 
steigen des  Exsudates  im  Auge  hat,  für  nicht  begründet.  Eine  andere 
Frage  ist  die :  darf  man  Pleuritiker  mit  hohem  continuirlichem  Fieber 
und  gleichzeitiger  schwerer  Dyspnoe  und  Cyanose  kalt  baden?  Die 
Cyanose  und  Dyspnoe,  sowie  namentlich  der  Puls  lehren  uns  in  solchen 
Fällen ,  dass  die  Herz-  und  Athmungsthätigkeit  insufficient  sind  ,  dass 
besonders  auch  das  Herz  nicht  im  Stande  ist,  die  gesteigerten  Wider- 
stände im  kleinen  Kreislauf,  hervorgerufen  durch  die  Lungencompres- 
sion,  zu  überwinden;  oft  ist  diese  Insufficienz  hauptsächlich  durch  das 
Fieber  bedingt,  welche  das  Zustandekommen  der  compensatorischen 
Thätigkeitssteigerung  des  Herzmuskels  verhindert.  Hier  gelten  hin- 
sichtlich der  Anwendung  der  kalten  Bäder  die  gleichen  Vorsichtsmass- 
i-ugeln ,  welche  liei  Behandlung  der  croupösen  Pneumonie  mit  kalten 
Bädern  berücksichtigt  werden  müssen,  wenn  man  vor  unliebsamen  Zwi- 
schenfällen bewahrt  bleiben  will.  Die  Beachtung  des  Pulses  neben  der 
Fiebercurve  muss  hier  eindringlichst  empfohlen  werden,  und  der  auf  ein 
grosses  Beobachtuugsmaterial  gestützte  Eath  Jürgensens,  den  er 
für  die  Behandlung  der  Pneumonie  mit  kalten  Bädern  gibt,  nämlich  mit 
Reizmitteln  unter  solchen  Umständen  nicht  zu  sparen,  muss  für  die 
Kaltwasserbehandlung  der  Pleuritis  in  vollstem  Umfange  anerkannt 
und  zur  Regel  erhoben  werden.  —  An  die  kalten  Einwicklungen,  die 
allmählig  abgekühlten  Vollbäder  Ziemssen's,  die  20—30  Minuten 
dauernden  lauen  Bäder  von  20—24"  R.  in  den  frühen  Morgenstunden, 
wiesie  Jürgen  sen*)  empfiehlt,  möchteich,  als   auf  mildere  Proce- 

*)  1.  c.  S.  177. 


940  Krantheiten  der  Athmtingsorgane.    Pleuritis. 

dnren ,  wenigstens  für  die  ersten  Badeversuche ,  in  Kürze  erinnern. 
Ich  finde  es  vollkommen  gerechtfertigt ,  dass  man  in  Fällen  von 
acuter  Pleuritis  mit  den  ausgeprägten  Erscheinungen  der  Herz-Insuffi- 
cienz ,  das  Fieber  auf  andere  Weise  als  durch  kalte  Bäder ,  aus  einem 
continuirlichen  in  ein  remittirendes  zu  verwandeln  vorzieht.  Am  besten 
empfiehlt  sich  hiezu  das  Chinin,  angewendet  in  grossen  Dosen  und  mit 
Intervallen  von  mindestens  48  Stunden;  in  zweiter  Linie  die  Salicyl- 
säure  als  Natronpräparat.  Beide  Mittel  lassen  sich  in  zweckmässiger 
Weise  und  völlig  gefahrlos  alternirend  in  24stündigen  Intervallen  an- 
wenden. Wiederholte  kleine  Dosen  von  Chinin  und  Salicylsäure  sind 
antipyretisch  so  gut  wie  wirkungslos. 

Die  Dosis  von  Chininum  sulphurieum ,  welche  nothwendig  ist  zur 
Hervorbringung  einer  genügenden  antiiiyretisclien  Wirkung,  beträgt  0,2 
bis  0,5  Gm.  bei  1 — 2jährigen,  0,5 — 0,1  Gm.  bei  3jährigen,  1 — 1,5  Gm. 
bei  6  —  10jährigen  Kindern.  Vom  Natron  salicylicum  genügen  1,5—8,0 
Gm.,  je  nach  dem  Alter. 

Ueber  die  Art  der  Anwendung  dieser  Mittel  7Aim  Zwecke  einer  er- 
giebigen Antipyrese,  über  Dosirung,  Zeit  der  Darreichung,  Wiederholung 
der  Gaben  verweise  ich  auf  das,  was  über  den  gleichen  Gegenstand  in 
verschiedenen  Kapiteln  dieses  Handbuches  bereits  ausführlich  erörtert 
wurde. 

Vrgl.  ferner  L  i  e  li  e  r  m  e  i  s  t  e  r,  Hdb.  d.  Path.  u.  Ther.  d.  Fiebers, 
S.  641-644.  —  Jürgensen,  Pneumonie  I.e.  S.  179—83.  —  E.  Ha- 
genbach,  Jahrb.  f.  Kinderheilk.  N.  F.  V.  S.  181.  —  C.  Binz,  ibid.  I. 
—  G.  i]  ayer,  ibid.  VI.  271. 

Die  Digitalis  in  antipyretischen  Dosen  anzuwenden, 
scheue  ich  mich,  besonders  in  Krankheiten,  wie  bei  Pleuritis,  wo  das 
Herz  zur  Ueberwindung  von  Kreislaufshindernissen  Maximal-Arbeit  zu 
leisten  hat  und  jede  Verminderung  der  Leistungsfähigkeit  schwere 
Gefahren  mit  sich  führt.  Ich  berufe  mich  hier  auf  die  gewichtige  Auto- 
rität .Türgensen's*).  Dageg(3n  spielt  die  Digitalis,  in  klemen  Dosen, 
am  besten  im  Infus,  vorsichtig  und  unter  steter  Beachtung  des  Pulses 
angewendet,  die  Rolle  eines  mächtigen  Herz-Stimulans,  da.s,  wenn  die 
Zeichen  von  Herz-Insufficienz,  mangelhafte  Füllung  des  arteriellen,  Blut- 
anhäufung im  venösen  System,  auftreten,  oft  gute  Dienste  leistet,  indem 
es  wie  bei  Mitralklappenfehlern  und  Herzdegeneration,  die  gestörte  Com- 
pensation  wiederiler^tellt  und  sie  las  zum  Eintritt  der  compensatorischen 
Herzhypertrophie  oder  des  Exsudatstillstandes  und  Fiebernachlasses  auf- 
recht erhält. 

Der  antipyretische  Effekt  des  besonders  in  der  Kinderpraxis  so  be- 
liebten Calomels  soll  nicht  geläugnet  werden,  —  worin  die  „umstim- 
mende" Wirkung  desselben  beruhen  soll,  verstehe  ich  nicht  —  aber  die 
Besiegung  höherer  Fiebergi-ade  wird  von  diesem  Mittel  niemals  mit  Si- 
cherheit erwartet  werden  dürfen.  Das  Gleiche  gilt  vom  Nitrum,  den 
Säuren,  und  von  dem,  weil  Herzgift,  zu  verwerfenden  Brechweinstein. 

*)  i.  c.  S.  183. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Therapie.  941 

Von  dem  Augenblicke  an ,  wo  das  Fieber  spontan  remittirt ,  oder 
wie  bei  chronischer  exsudativer  Pleuritis  intermittirt  und  als  Febris 
hectica  verläuft,  sind  die  direkten,  unmittelbaren  Wirkungen  des  Fiebers 
auf  das  Herz  —  vorausgesetzt,  dass  dieses  nicht  extreme  Grade  erreicht 
—  von  geringerer  Bedeutung ,  grösser  dagegen  die  Gefahren,  weiche 
aus  der  durch  das  Fieber  bedingten  schweren  Ernährungsstörung, 
aus  der  C  0  n s  u  m  p  t  i  0  n  der  Körperbestaudtheile  erwachsen,  Gefahren, 
die  mittelbar  auch  dem  Herzen  drohen. 

Die  Febris  hectica  durch  Antipyretica  auf  die  Dauer  zu  beseitigen, 
ist  erfahrungsgemäss  nicht  ausführbar,  wiewohl  es  Fälle  giebt, 
wo  eine  zeitweise  verabreichte  antipyretische  Ghinindosis  das  Fieber 
auf  mehrere  Tage  —  wie  die  Betrachtung  mancher  Fiebercurven 
lehrt  —  mässigt ;  wir  erfüllen  die  Indication ,  das  chronische ,  inter- 
mittirende,  die  Körperparenchynie  allmählig  verzehrende  Fieber  zu  be- 
kämpfen auf  andere  Weise ,  indem  wir  der  Entzündungs-Localität ,  dfem 
»Fieberheerd« ,  der  exsudativen  Pleuritis  unser  Augenmerk  zu- 
wenden. 

Es  ist  eine  durch  unzählige  Erfahrungen  bestätigte  Thatsache,  dass 
das  Aufhören  des  Fiebers,  die  Hebung  des  Appetites  und  Bess  e- 
rung  der  Ernährung  und  der  Beginn  der  Resorption  zeit- 
lich zu  coincidiren  pflegen.  Welche  von  diesen  drei  Erscheinungen  ist 
die  primäre ,  die  die  anderen  nach  sich  zieht  ?  Wenn  wir  wissen ,  an 
welcher  Stelle  dieser  Circulus  vitiosus  von  der  Natur  durchbrochen  zu 
fl'erden  pflegt,  so  zeigt  uns  diess  die  Richtung  an,  in  welcher  auch  unser 
therapeutisches  Thun  die  Hebel  ansetzen  muss. 

1)  Es  ist  Erfahrungsthatsache,  dass  häufig  unmittelbar  nach  der 
operativen  Behandlung  pleuritischer  Ergüsse  das  Fieber  abfallt,  und 
damit  der  Appetit  und  Ernährungszustand  der  Kranken  sich  rasch  und 
wesentlich  bessert.  Hierauf  gestützt  glaube  ich  ,  dass  häufig  auch  bei 
der  Spontanheilung  pleuritischer  Exsudate  jene  uns  unbekannten  Ver- 
änderungen in  dem  Gewebe,  den  Blut-  und  Lymphgefä.ssen  der  entzün- 
deten Pleura ,  welche  die  Resorpti  on  bedingen  und  einleiten,  das 
Primäre  sind,  dem  Fiebernachlass  und  Besserung  der  Ernährung  nach- 
folgen. Diess  giebt  uns  einen  Fingerzeig,  wo  wir  anzufassen  haben, 
um  den  aus  den  genannten  3  Gliedern  bestehenden  Circulus  vitiosus  zu 
durchbrechen.  Wir  haben  den  Beginn  der  Resorption  anzu- 
streben. 

2)  Wir  beobachten  aber  auch  Fälle,  wo  als  erstes  Zeichen  der  Bes- 
serung Abnahme  des  Fiebers  und  Besserung  des  Ernährungszustandes 
beobachtet  wird,  während  die  percussorischen  Exsudatgrenzen,  die  Tho- 
rax-Circuniferenzen  in  den  verschiedensten  Horizontalen  gemessen ,  die 


942  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Verdrängungssymptome  noch  längere  Zeit  sich  vollkommen  gleich 
bleiben.  Später  erst  beginnt  auch  die  Resorption  merkbar  zu  werden. 
In  diesen  Fällen  ist  allerdings  der  Fiebernachlass  die  erste  wahrnehm- 
bare Erscheinung ;  aber  die  Ursachen  dieses  Fiebernachlasses  beruhen 
in  Nichts  Anderem,  als  in  dem  Eintreten  jener  uns  unbekannten  Ver- 
änderungen des  Entzündungsheerdes,  von  welchen ,  wie  wir  eben  sahen, 
auch  die  Resorption  abhängt.  Diese  Veränderungen  waren  um  diese 
Zeit  noch  nicht  stark  genug ,  um  die  Resorption  merklich  in  Gang  zu 
setzen  ,  wohl  aber  stark  genug  ,  um  einen  Nachlass  des  Fiebers  zu  be- 
dingen. Die  thei'apeutische  Indication  ,  welche  aus  dieser  Erfahrungs- 
thatsache  hervorgeht ,  wäre:  jene  uns  unbekannten  Veränderungen  im 
Entzthidungsheerde  (Fieberheerde)  herbeizuführen,  von  welchen  der 
Fiebernachlass  und  die  Resorption  abhängen.  Da  wir  aber  zu  diesem 
Zwecke  keine  anderen  Mittel  kennen,  als  jene,  welche  auf  die  Beförde- 
rung der  Resorption  abzielen,  so  fällt  diese  therapeutische  Indication 
mit  der  zuerst  genannten,  die  Resorption  anzustreben,  zusammen. 

Dass  nur  jener,  durch  spontane  Veriindeiungen  im  Entzündungs- 
heerde  hervorgerufene  Fiebernachlass  es  ist,  der  als  Heilung  verkünden- 
der Vorläufer  der  Resorption  betrachtet  werden  darf,  lehrt  die  Erfah- 
rung ;  wenn  wir  auf  künstlichem  Wege  durch  Antipyretica  das  hektische 
Fieber  auch  häufig  und  durch  fortgesetzte  Gaben  selbst  auf  längere  Zeit 
unterbrechen,  so  erzielen  wir  damit  doch  in  den  seltensten  Füllen  einen 
günstigen  Einfluss  auf  die  Resorption  des  Exsudates. 

Endlich  kommen  3)  Fälle  vor,  wo  das  Fieber  und  das  Exsudat-Ni- 
veau sich  wochenlang  vöUii;  gleichbleiben,  wo  es  aber  trotz  des  Fie- 
bers durch  zweckmässige  Diät ,  durch  eine  consequente  Milch-  und 
Leberthrankur  gelingt,  den  Ernährungszustand  des  Kranken  zu  bessern. 
Nicht  selten  sehen  wir  in  diesen  Fällen  den  allmähligen  Fiebernachlass 
und  den  Beginn  der  Resorption  nachfolgen. 

Aus  dieser  Erfahrungsthatsache  geht  eine  zweite  wichtige  Indi- 
cation hervor,  nämlich  den  Ernährungszustand  des  Kranken  ni  ö  g- 
li  chst  zu  heben  und  zu  bessern. 

Unter  den  genannten  drei  Gliedern  des  Circulus  vitiosus  hängen 
zwei  aufs  allerinnigste  zusammen  ,  das  F  i  e  b  e  r  und  die  E  r  n  ä  h  r  u  n  g. 
Wäre  das  Fieber  nicht ,  .so  würde  die  Abmagerung  und  der  Kräftever- 
fall nicht  7,n  Stande  kommen ,  wäre  das  Fieber  nicht ,  so  Hesse  sich  der 
Organverlust  decken ,  der  Ernährungszustand  leicht  bessern  und  heben. 
Von  diesem  Gesichtspunkt  aus,  zum  Zweck  der  Ernährung,  wäre  es  beim 
hektischen  Fieber  vortheilhaft ,  zeitweise  längere  Unterbrechungen 
des  Fiebers  durch  Antipyretica  eintreten  zu  lassen  ;  die  Ausführung  ist 
möglich,  aber  alle  die  wirksamen  und  in  wirksamen  Dosen  verabreichten 
Antipyretica  erzeugen  gewöhnlich  stärkere  Appetitlosigkeit ;  und  bis 


L  e  i  c  h  t  e  n  s  t  e  r  n,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie.  943 

sich  der  Appetit  bessert ,  ist  auch  die  Wirkung  der  Antipyretica  ver- 
flogen. Ein  neuer  Circulus  vitiosus !  Ich  glaube,  wir  müssen  darauf 
verzichten,  durch  Antipyretica  die  Ernährung  fördern  zu  wollen,  und 
die  Aufgabe  vielmehr  dahin  präcisiren,  trotz  des  vorhandenen  hekti- 
schen Fiebers,  gegen  das  wir  nun  einmal  nicht  autkommen  können,  den 
Ernährungszustand  des  Kranken  zu  heben.  Wir  erreichen  diess  durch 
eine  zwecltmässige  roborirende  Diät.  Von  der  richtigen  Einsicht  in 
den  Nähr-  und  Verdauungs-Werth  der  einzelnen  Nahrungsmittel  hängt 
hier  Alles  ab ;  Vieles  aber  auch  von  der  Zubereitung ,  der  Abwechslung 
der  Speisen,  von  verständiger  Berücksichtigung  individueller  Neigungen 
und  Abneigungen,  von  der  autoritativen  Strenge  und  Bestimmtheit,  mit 
welcher  der  Arzt  seine  Anordnungen  bis  ins  Detail  hinein  trifft  und 
über  ihrer  Ausführung  wacht. 

Zu  den  souveränsten  Mitteln  —  obendrein  im  Kindesalter!  —  ge- 
hört die  Milch.  Ich  habe  einen  Kranken  (Erwachsenen)  mit  nach  den 
Lungen  durchgebrochenem  Empyem  unter  einer  consequenten  Milch- 
behandlung innerhalb  dreier  Monate  um  27  %  an  Gewicht  zunehmen 
sehen.  Wird  Leberthran  ertragen ,  so  kann  dieser  —  in  steigender 
Dosis  bis  zu  G  — 10  Löffeln  im  Tage  verabreicht  —  den  günstigen  Ein- 
fluss  der  Milchkur  unterstützen. 

Wird  Milch  nicht  ertragen,  so  ist  man  auf  die  Zufuhr  anderer  Nah- 
rungsmittel beschränkt,  auf  die  verschiedenen  Plei&chsorten,  in  zweck- 
mässiger Zubereitung  und  mit  Abwechslung ,  auf  Milchspeisen ,  Eier, 
künstliche  Peptone ,  Nestle'sche  Kindernahrung  etc.  Die  vorzügliche, 
ernährende  Wirkung  rohen  geschabten  Rindfleisches  ,  mit  Tokajer- Wein 
theelöflfelweise  verabreicht,  halie  ich  besonders  bei  kleinen  Kindern  hoch 
schätzen  gelernt. 

Eine  Reihe    von  anderen  Mitteln  wirkt  Apetitanregend    und  unter- 
stützt   unsere     Ernährungsversuche ;    dahin    gehören     starke    Rothweme, 
gutes  starkes  Bier,  Fleischbrühen,  verschiedene  Arzneimittel,  wie  Chinin 
in  kleinen  Dosen,  Rheum.,  die  Tinct.  amara,  das  Extr.  Chinae  composii., 
Eisenpräparate  u.  A.    Zu  den  auf  die  Hebung  des  Ajietites  und  Ernäh- 
rungszustandes abzielenden  Mitteln    rechne  ich  Bäder  (mit  aromatischen 
Zusätzen  oder  mit  Kochsalz),  Seebäder,  crute  Luft,  Aufenthalt  im  Freien 
bei  guter  Witterung,  Wechsel  des  Aufenthaltortes,  Landlutt,  Aufenthalt 
in  einem  Alpenkurort  (Engellierg,  Stachelberg  etc.) ,  Ueberwinterung  in 
klimatischen  Kurorten  u.  A. 
Wenden  wir  uns  zu  der  ersterwähnten  Indication,  die  R  e  s  o  r  p  t  i  o  u 
d  e  s  E X  s  u  d  a  t  e  s  a  n  z  u  r  e  g  e  n.    Alles  was  die  Ernährung  des  Kranken 
bessert,  befördert  auch  die  Resorption.    Die  eben  gegebenen  diätetischen 
Vorschriften  sind  daher  auch  ResorptionsbefiJrdernde.    Namentlich  ist 
hier  noch  einmal  der  Milch ,  des  Leberthranes ,  des  Eisens  zu  gedenken. 
Die  von   Laennec    vorgeschlagene  Einreibung   mit  Ung.  cinereum, 
nach  Art  einer  förmlichen  Schmierkur  abwechselnd  an  verschiedenen  Kür- 


944  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

perstellen  eingerieben,  halte  ich  besonders  in  der  Kinderpraxis  für  ganz 
verwerflich.  Auch  von  den  verschiedenen  Hautreizen  (trocknen  Schröpf- 
köpfen, Siuapismen,  Vesicatoren)  «ist  weder  als  entzünduugswidrigen  noch 
Kesorptionsbefördernden  Mitteln  etwa.s  zu  erwarten.  Der  Sinapismus  hat 
sich  besonders  in  der  Kinderpraxis  eine  Stelle  unter  den  „Hausmitteln" 
erworben.  Er  wirkt  zuweilen  Schmerz-stillend  im  acuten  Initialstadium 
der  Pleuritis,  ist  aber  durch  andere  Mittel  leicht  ersetzlicb.  Die  früher 
übliche  Methode,  ein  grosses  Vesicans  ülier  die  ganze  Brusthälfte  zu  legen, 
muss  als  eine  barbarische,  höchst  schmerzvolle  fiebersteigernde  verworfen 
werden.  Barthez  und  Rilliet  sahen  überdies«  keine  günstigen  Er- 
folge dabei. 

Beliebt  und  bis  vor  Kurzem  vielfach  empfohlen  sind  Jod-Bepinse- 
lungen der  kranken  Seite.  Ihr  Nutzen  erscheint  mindestens  zweifelhaft, 
die  Möglichkeit  zu  schaden  liegt  nahe.  Eines  noch  grösseren  Eufes  er- 
freuen sich  die  Jodmittel  innerlich  als  Jod  -  .Jodkali  -  Mixtur ,  Jodsoda- 
Wasser  (Heilbrunn  und  Krankenbeil  in  Bayern,  Hall  in  Oesterreich  etc.) 
und  um  die  roborirende  Wirkung  des  Eisens  damit  zu  verbinden,  das 
auch  von  Ziems sen  *)  warm  empfohlene  J  o  d  e  i  s  e  n.  Auf  die  jod- 
und  bromhaltigen  Kochsalz-Bäder  möge  hier  noch  in  Kürze  hingewiesen 
sein. 

Als  Kesorptionsbeförderndes  Mittel  steht  in  hohem  Ansehen  die 
W  ä  r  m  e.  Wir  wenden  sie  an  in  Form  Priessnitz'scher  Umschläge,  oder 
noch  wirksamer  von  Gataplasmen.  Die  Furcht,  ein  seröses  Exsudat  da- 
durch eitrig  zu  machen  ,  darf  uns  in  der  Anwendung  derselben  nicht 
beirren. 

Von  den  diaphoretischen  Mittebi  sind  warme  Bäder  (28 — 
29°  R.)  von  'A — Vastündiger  Dauer  mit  nachfolgender  Einpackung  zum 
Schwitzeulassen,  wie  Ziems  sen  versichert,  oft  von  unverkennbarem 
Nutzen.  Chronisches  Exsudat  mit  Abwesenheit  von  Fieber  ist  auch  hier, 
wie  in  so  vielen  der  im  Vorhergehenden  geschilderten  Proceduren  und 
Mittel  die  stringente  Voraussetzung  ihrer  Anwendung.  Die  Folia  Jabo- 
randi  habe  ich  bei  pleuritischen  Exsudaten  nie  angewandt,  sie  werden 
von  Einigen  warm  empfohlen. 

Von  den  Diureticis  habe  ich  mich  wiederholt  des  Liquor  Kali 
acetici  bedient,  ohne  einen  wesentlichen  Nutzen  bemerkt  zu  haben. 
Das  Gleiche  dürfte  von  anderen  diuretischen  Mitteln  und  Proceduren 
(Einverleibung  reichlicher  Quantitäten  destillirten  Wassers,  von  Selterser- 
Wasser  mit  Milch,  Tartar.  boraxat.,  Squilla  etc.)  gelten.  Die  Indication 
zur  Anwendung  der  Digitalis  habe  ich  oben  kurz  berührt. 

Fräntzel  hat  „den  glänzendsten  Frfolg"  in  Bezug  auf  Steigerung 
der  Diurese  und  Resorption  vom  Gebrauche  des  China  decoctes  mit  Kah 
aceticum  gesehen. 

Was  die  von  M.  Baron  in  der  e.xsudativen  Pleuritis  der  Kinder 
dringend  empfohlenen  Abführmittel  anlangt,  die  in  Fräntzel**) 
neuerdings  einen    begeisterten  Lobredner   fanden,   so   trete   ich   der  An- 


*)  1.  c.  S.  138. 

*)  1.  c.  S.  399.  401. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie.  945 

fcicht  Zienissen's  bei,  der  ihnen  wenig  Nutzen  und  häufig  Schaden  zu- 
spricht.    Der  gleichen  Ansicht  sind  Krause  u.  A. 

Der  Schroth'.schenKur,  oder  Durstkuren,  welche  darauf  ausgehen, 
eine  Concentration  den  Blutserums  herbeizuführen  und  dadurch  die  Di- 
fusionsgeschwindigkeit  zwischen  Blut  und  Exsudat  zu  erhöhen,  möchte 
ich,  besonders  im  Kindesalter,  selbst  bei  der  sorgfaltigsten  üeberwach- 
ung  von  Seiten  des  Arztes,  ein  „non  licet"  entgegenhalten. 

Von  den  meisten  der   im  Vorhergehenden   augeführten  Arzneimittel 
und  Kuren  gilt,    da.ss  sie  überhaupt  nur  bei  chronischem,    stationär  ge- 
wordenem Exsudate,  wenn  das  Fieber  nachgelassen  hat,  in  Frage  kom- 
men können.   Alle  Arzneimittel  ferner,  welche  der  wichtigsten  Indicat  ion  bei 
chronischen  Exsudaten,  der  Besserung  des  Ernährungszustandes  des  Kranken 
durch  Apetitverderbniss  entgegenwirken  ,  sind  unbedingt  zu  verwerfen. 
Die  wichtige  Indication  der  S  c  h  m  e  r  z  s  t  i  1 1  u  n  g  bei  acuter  Pleu- 
ritis kann  auf  verschiedene  Weise  erfüllt  werden.    Die  Kälte,  in  Form 
kalter  Umschläge  oder  der  Eisblase  angevf endet,    wird  von  manchen 
Kranken  nicht  ertragen ;  sie  erregt  Husten  und  steigert  dadurch  den 
Schmerz.    In  anderen  Fällen  ist  diess  nicht  der  Fall,  und  die  Kälte  wirkt, 
wie  Ziemssen*)    an    zahlreichen  Beobachtungen   zeigt,    vorzüglich 
schmerzlindernd.    Zu  den  schmerzstillenden  Mitteln  gehören  ferner  der 
Sinapismus  und  besonders  die  Priessnitz 'sehen  Umschläge ;  nur  in  den 
seltensten  Fällen  sind  Narkotica  nöthig. 

Die  Anwendung  der  Letzteren  im  Kindesalter,  besonders  im  1.  Lebens- 
jahre erfordert  die  grösste  Vorsicht  in  der  Dosirung  und  sorgfältige 
Uebervvachung  der  V\^irkung.  Doch  gehen  Jene  zu  weit,  welche  auf  An- 
wendung dieser  Mittel  im  ersten  Lebensjahre  gänzlich  und  principiell 
verzichten.  Einzeldoseu  von  ä — 2 7^  Milligramm  von  Morphium  aceticum, 
mit  Vorsicht  wiederholt,  sind,  wieZiemssen  mitKecht  den  zu  Furcht- 
samen entgegenhält ,  völlig  gefahrlos. 

Die  Indication  zur  Anwendung  stärkerer  Reizmittel  wird  her- 
beigeführt durch  das  Auftreten  von  Zuständen  schwerer  Herz-  Insuffi- 
cienz  mit  CoUaps,  durch  Ohnmachts- Aufalle. 

Sind  die  Kranken  soweit,  dass  sie  sich  ausser  Bett  bewegen  oder 
ins  Freie  gehen  dürfen ,  so  versäume  man  nicht ,  auch  hinsichtlich  der 
Kleidung  (Tragen  von  Flanell  -  Unterjacken  !)  zweckmässige  Anord- 
nungen zu  ertheilen,  und  den  Aufenthalt  im  Freien  von  der  Witterung 
(der  Temperatur  und  Windrichtung)  abhängig  zu  machen. 

Eine  vor.^ichtig  und  rationell  geleitete  Heil-Gymnas  tik  ist  in 
Fällen,  von  chronischem  Reträcissement  thoracique,  besonders  bei  Kindern, 
die  schönsten  Eesultate  zu  erzielen  im  Staude,  üeber  den  Zeitpunkt, 
wo  mit  der  Gymnastik  zu  beginnen  ist,  über  die  Art  und  Weise,  wie 
dieselbe  eingeleitet  werden  soll  —  Turnen,  schiefer  Sitz,  Streckbett  etc. 
—  lehrt  die  Orthopädie  das  Nähere. 

*)  1.  c.  S.  129.  133. 

Handb.  d.  Kinderlcr.-inUheitrn.     III.   2,  Ol) 


946  Krankheiten  der  Atlimuiigsoigane.    Pleuritis. 

Oft  führen  die  im  Vorhergehenden  geschilderten  therapeutischen 
Massregeln  nicht  zum  erwünschten  Ziel.  Das  Exsudat  -  Niveau  bleibt 
Wochen  hindurch  unverrückt  annähernd  das  gleiche,  das  hektische 
Fieber  dauert  fort,  und  unter  seinem  Einflüsse  sinkt  die  Ernährung  und 
der  Kräftezustand  des  Kranken  von  Woche  zu  Woche.  Unter  diesen, 
sowie  noch  verschiedenen  anderen  Umständen  macht  sich  die  Indication 
zur  operativen  Eu  tfern  ung  des  Pleuraexsudates  immer 
dringender  geltend.  ;iil  umF 

Nicht  leicht  ist  über  die  Zulässigkeit  und  Dringlichkeit-,  üher  die 
ludicationen ,  Vortheile  und  Gefahren,  über  die  bei  der  Ausführung  zu 
verfolgende  Methode  einer  Operation  grössere  Discussion  gepflogen 
worden,  als  über  die  Thoracocentese  bei  pleuritischen  Exsudaten.  Es 
liegt  nicht  im  Plane  dieses  Handbuches ,  die  in  einer  grossen  Casuistik, 
in  ausserordentlich  zahlreichen  Abhandlungen  und  Journalaufsätzen 
vorliegende  Frage  nach  allen  Seiten  eingehend  zu  erörtern. 

Auf  die  Geschichte  der  Operation  können  wii'  hier  nicht  näher  ein- 
gehen ,  obwohl  es  sich  verlohnen  würde ,  dieselbe  überall  an  die  Spitze 
zu  steUen ;  ist  doch  noch  vor  wenigen  Jahren  ein  längst  bekanntes ,  auf 
hiesiger  medicinischer  Klinik  schon  1872  geübtes  Verfahren ,  die  von 
B  0  w  d  i  t  c  h  (1852),  D  i  e  u  1  a  f  o  y  (1869)  angegebene  Aspiration  mit  An- 
wendung capillarer  Troikarts  oder  Hohlnadeln,  als  eine  neue  Methode 
Ijeschiieben  worden. 

Das  Verdienst,  die  operative  Behandlung  der  Pleura-Exsudate,  welche 
Hippocrates  bereits  bekannt  war,  und  von  den  Chirurgen  aller 
Zeiten  nach  verschiedenen  Methoden  ,  meistens  durch  I  n  o  i  s  i  o  n  aus- 
geführt wurde,  zu  grösserer  Anerkennung  und  Verl.ireitung  gebracht  und 
der  Anwendung  des  Troikart's  endgiltig  Eingang  verschafft  nu  haben, 
gebührt  unstreitig  T  r  o  u  s  s  e  a  u  *)  (1840)  und  Reybard**)  (1841). 
In  Frankreich  wich ,  seit  T  r  o  s  s  e  a  u '  s  Initiative  ,  die  Frage  nach 
den  Indicationen    und  Methoden   der  Opei'ation  nicht  mehr   von  der  Ta- 


*)  Journ.  de  med.  Nov.  1840. 

**)  Gaz.  nie'd  de  Paris  1841.3.4.  Er  gebrauchte  zuerst  eine  Ventil- 
k  a  n  ü  1  e,  mit  welcher  ein  Stück  nassen,  zusammengedrückten  Darmes  in  Ver- 
bindung gesetzt  wurde.  T  r  o  u  s  s  e  a  u  bediente  sich  erst  später  der  gleichen 
Methode.  • 

Den  Geschichtschreiberu  der  Thoracocentese  nicht  bekannt  ist  der  folgende, 
historisch  wichtige  Punkt :  Schon  1842  construirte  Sno  w  (Lond.  med.  Gaz.  Jan.) 
einen  Troikart  mit  Hahn.  Nach  dem  Einstiche  wurde  das  Stilet  hinter  den 
Hahn  zurückgezogen,  -  eine  Marke  bezeichnete  diese  Stelle  —  der  Hahn  ge- 
schlossen, das  Stilet  gann  ausgezogen,  eine  elastische  Röhre  angesetzt  und  nun 
mit  einer  der  Magenpumpe  ähnlich  construirten  Spritze  die  Flüssigkeit  ausge- 
zogen. Auch  Schuh  (1841)  bediente  .sich  einer  Spritze,  wenn  die  Kxsudat- 
flüssigkeit  nicht  freiwillig  folgte.  Guerin  legte  bereits  1839  der  Akademie 
eme  Arbeit  über  die  »subcutane  Thoracocentese -<  vor.  Der  Apparat  bestand 
aus  einem  durch  Hahn  verschliessbaren  Troikart  und  einer  Spritze,  welche  ab- 
wechselnd die  Aspiration  und  Evacuation  gestattete.  Der  Hahn  wurde  ge- 
schlossen, wenn  das  Stilet  liinter  denselben  zurückgezosren  war.  Guerin  heilte 
von  11  Fällen  8! 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie. 


947 


gesordnung  der  Tersohiedenen  medicinischen  Societäten  *).  In  Deutschland 
folgten  Skoda  und  Schuh  (1841),  welche  die  Operation  mit  dem  be- 
kannten Trog-Troikart  in  zahlreichen  Füllen  ausführten,  aber  ungünstige 
Resultate  erzielten  **).  In  England  erhoben  sich  gegen  die  gering.schatzigen 
Aeusserungen  H.  Bennet's  (1843)  über  die  Thoracocenteso  H.  M. 
Hughes  und  E.  C  o  c  k  (1843)  ebenso  vorsichtige ,  als  beredte  Ver- 
theidiger  der  Operation. 

Ein  wesentlicher  Fortschritt  in  der  Function  pleuritischer  Ergüsse 
wurde  1852  durch  den  Bostoner  Arzt  B  o  w  d  i  t  c  h  in  die  Praxis  einge- 
führt ,  die  Aspiration  mittels  einer  der  Magenpumpe  ähnlich  con- 
struirten  Spritze ,  unter  Anwendung  c  a  p  i  1 1  a  r  e  r  T  r  o  i  k  a  r  t  s  ***). 
Die  Methode  von  Bowditch  gelangte  durch  die  ausgezeichneten  Ar- 
beiten D  i  e  ulafo  y' s  (1869)  in  Frankreich,  ßasmussen's  (1870) 
in  Dänemark,  Mayne's  (1871)  in  England  zu  allgemeiner  Verbreitung 
und  Anerkennung.  Verschieilenaitige  zweckmässige  Modificationen  hin- 
sichtlich der  Construktion  der  Aspirations-Apparate  sowie  der  capillaren 
Troikarts  folgten  dem  Bekanntwerden  der  B  o  w  d  i  t  c  h'schen  Me- 
thode t). 

In  der  Tübinger  medicinischen  Klinik  hat  Prof. 
Liebermeister  die  Aspiration  mit  Anwendung  ca- 
pillarer  Hohlnadeln  (zuerst  1872)  eingeführt.  Er  Hess 
mehrere,  verschieden  (74—3  Mm.)  dicke,  6 — 8  Cm. 
lange  Hohlnadeln  —  denen  der  Pravaz'schen  Spritze  ganz 
ähnlich  —  anfertigen.  Eine  der  Magenpumpe  gleich 
construirte,  nur  viel  kleinere  Pumpe  aus  Metall  (später 
aus  Glas)  wurde  mit  der  Hohlnadel  durch  einen  Gum- 
mischlauch (mit  eingeschaltetem  Glasfenster)  in  Ver- 
bindung gesetzt.     Siehe  die  beigegebene  Abbildung. 

Die  etwa  100  Gnu.  fassende  gläserne  Spritze  mit 
Fassung  und  Stempel  von  Messing  besitzt  einen  doppelt 
durchbohrten  Hahn.  Die  eine  Bohrung  verbindet  den 
Körper  der  Spritze  durch  ein  Kautschoukrohr  mit  der 
Hohlnadel  und  dient  zur  Aspiration.  Ist  die  Spritze 
gefüllt,  so  dreht  man  den  Hahn.     Nach  einer  Viertels- 


*)  Society  de  möd.,  S.  des  höp.,  S.  me'd.  de  Paris,  Acad.  de  me'd.  etc.    Vergl. 
das  Literaturverzeiohniss. 

**)  Von  13  Patienten  Skoda's  starben  7  bald  nach  der  Operation,  nur  4 
genasen.  H  a  m  i  1 1  o  n  -  R  o  e  (1844)  stellte  eine  Statistik  aller  vom  .Jahre  1831 
in  England  bekannt  gewordenen  Thoracentesen  zusammen ;  auf  28  günstige 
11  tödtliche  Fälle.  —  Davies  veröfi'entlicht  in  der  Lond.  med.  Gaz.  1S34  be- 
reits 16  von  ihm  ausgeführte  Operationen  pleurit.  Exsudate  mittels  Incision. 

'*')  Auch  hier  pflegen,  ausser  der  obengenannten  (S.  946  Anmerk.)  Notiz, 
folgende  historische  Punkte  vernachlässigt  zu  werden:  Schon  184'.^  verwendeten 
die  Engländer  zur  Probepunktion  dünne  gei'innte  Explorativ  -  Nadeln  und 
»häufig  genügte  eine  solche  Nadel,  um  beträchtliche  Exsudatmengen  ausfliessen 
zu  lassen«  (Prichard,  Lond,  med.  gaz  1842.  Apr.).  —  1843  verwendete 
Cock  (ibid.)  den  Nadeltroikart  von  Babington  zur  Punktion.  Cock's 
Troikart  hatte  einen  Durchmesser  von  '/i^  Zoll  =  1  Linie.  Schon  Cock  rühmt 
die  Vortheile  seines  Instrumentes ,  »das  wegen  seiner  Kleinheit  fast  keinen 
Schmerz   verursacht.« 

t)  Potain  und   Ras  müssen   bedienten    sich    einer    dicken    gläsernen 

60* 


948  Krankheiten  der  Athmuiigsorgane.    Pleuritis. 

drehung  communicirt  die  zweite  Bohrung  mit  einem  seitlich  abgehenden 
Ansatz-Stück,    das  zur  Evacuation    dient.     Dieser   höchst   einfache,   dem 
B  0  w  d  i  t  c  h' sehen  nachgebildete  Apparat  (Figur)  hat  bei  häufig  wieder- 
holter Anwendung  stets  allen  Anforderungen  genügt.    Solche  einfache 
Apparate*)  sind  dem  praktischen  Arzte  anr  meisten  zu  empfehlen. 
lu  dem  Maasse  als  die  Operatioiismetliode  vereinfacht ,  die  Geiahr 
des  Lufteintrittes  in  ihrem  Wesen  erkannt  und  vermeiden  gelernt  wurde, 
nahm  das  Vertrauen  zur  Operation  rasch  überhand.     Die  beiden  wich- 
tigsten Fortschritte  ,  die  in  dieser  Hinsicht  gemacht  wurden ,  sind  fol- 
gende :   1)  erkannte  man  ,  dass  sich  die  Entleerung  pleuritischer  Exsu- 
date ,  seröser  sowohl  wie   auch  vieler  eitrigen ,  erreichen  lässt  durch 
Aspiration  mit  dünnen,  cap  illaren  T  roikarts  und  Hohl- 
nadeln, eine  Operation,  zu  welcher  sich  wegen  der  Geringfügigkeit 
des  operativen  Eingriffes  und  des  dabei  stattfindenden  Schmerzes  Arzt 
und  Patient  leicht  entschliessen ;  2)  wurde  erkannt,  dass  die  so  gefttrch- 
tete  Gefahr  des  Lufteintrittes  **)  in  Nichts  Anderem  beruht,  als  in  dem 
Eintritte  septificirender  oder  Fäulniss-Elemente ,  der  in  der  Luft  ent- 
haltenen Spaltpilze. 

Diess  gab  den  Anstoss  zu  sorgsamer  Desinficir  un  g  der 
Hohlnadeln  und  T  roikarts,  ein  Umstand,  der  die  von  dieser 
Seite  drohenden  Gefahren  der  Operation  glücklich  umgehen  lehrte. 

Den  Ort  der  Punktion  anlangend,  so  kann  dieser  verschieden  ge- 
wählt werden.  B  o  w  d  i  t  c  h ,  dem  aui  Grund  seiner  ausserordentlich 
zahlreichen   Erfahrungen    ein    competentes    Urtheil    zukommt,    empfiehlt 


Flasche ,  in  -welcher  die  Luft  durch  eine  in  Verbindung  gesetzte  Luftpumpe 
verdünnt  wurde.  —  Die  Frage ,  ob  eine  capillare  Hohlnadel  den  Vorzug 
verdiene ,  oder  ein  capilliirer  Troikart ,  halte  ich  für  nicht  ganz  gleichgültig. 
Die  Befürchtung,  dass  mittels  der  Nadel  Verletzungen  der  Lunge  hervor- 
gerufen werden  könnten,  ist  irrelevant.  Dagegen  begegnete  es  mir  einmal  bei 
Anwendung  der  Hohlnadel  ,  dass  sie  während  des  Durchtrittes  durch  die  Haut 
ein  Fcttklümpchen  des  Panniculus  adiposus  mitriss ,  welches  die  Lichtung  ver- 
stopfte. Ein  solches  Vorkommniss  ist  hei  Anwendung  des  Potain  'sehen  oder 
F  r  il  n  t  z  e  l'schen  Troikarts  unmöglich 

*)  Instrumentenmacher  K  a  t  s  c  h  in  München  liefert  einen  sehr  brauch- 
baren und  solid  gearbeiteten  Apparat  dieser  Art  (angegeben  von  Tutschek 
1S73)  in  Etui  um  den  Preis  von  'Zi  Mark.  Aehnliche  Apparate  trifft  man  in 
allen  Instrumenten-Catalogen  angegeben. 

**J  Diese  Gefahr  ist  =  0,  wenn  während  des  Einstechens  der  Nadel  durch 
Zurückziehen  des  Spritzenstempels  Luft  Verdünnung  erzeugt  und  eine  aspirirende 
Y/irkung  ausgeübt  wird.  In  vielen  Fällen,  bei  gro.^sen  Exsudaten  ist  Luftein- 
tritt im  Anfang  der  Operation  ohnediess  unmöglich,  weil  der  Exsudatdruck 
den  atmosphärischen  übertrifft.  —  Ueber  die  Art  und  Weise ,  wie  die  in  die 
Pleurahöhle  gedrungene  Luft  schädlich  wirkt,  herrschten  früher  die  sonderbar- 
sten Vorstellungen.  Man  glaubte,  dass  die  eingedrimgene,  kalte  Luft  bei  ihrer 
Erwärmung  und  Ausdehnung  durch  Druck  schädlich  wirke  Es  wurde  daher 
»in  der  Nähe  des  Kranken  ein  Glutfeuer  unterhalten« !  Von  der  dadurch  er- 
zeugten Luftverdünnung  versprachen  sich  Manche  sogar  die  Unmöglichkeit  des 
Lufteintrittes!  Viele  hielten  den  Alles-Zerstörer  Sauerstoff  für  das  »schädliche 
Princip«  der  eingedrungenen  Luft.  Der  Erste,  welcher  auf  P  a  s  t  eur's  _Ver- 
.suche  hinweisend  die  lichtige  Auffassung  dieser  Verhältnisse  lehrte,  war  Poggiale. 


L  e  i  c  1 1  e  n  s  fc  e  r  n,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie.  949 

auffallender  Weise  den  9.— 10.  lutercostal-Raum  an  der  Thorax-Rück- 
seite als  Einstichsort.  Ich  würde  dabei  weniger  die  Verletzung  des 
Zwerchfelles  fürchten,  als  die  gewiss  nahe  liegende  Möglichkeit  der  Ver- 
legung der  Nadelspitze  durch  das  an  diese  sich  anlegende  Zwerchfell. 
Dass  man  nicht  zu  hoch,  an  der  Exsudatgrenze  punktirt,  ist  selbst- 
verständlich. Am  meisten  empfiehlt  sich  wohl  die  Seitengegend  des  Tho- 
rax, zwischen  vorderer  und  hinterer  Axillar-Linie ,  die  Höhe  des  5. — 7. 
Intercostalraumes.  Man  vermeidet  den  unteren  Rand  einer  Rippe. 
Chloroform  ist  total  unnöthig,  locale  Anästhesirung  entbehrlich. 
Verschiebung  der  Haut  vor  dem  Einstechen  ist  bei  capillarer  Tho- 
racocenthese  unnöthig. 

Während  der  Aspiration  kommt  es  in  höchst  seltenen  Fällen  einmal 
vor,  dass  die  Hohlnadel  (siehe  S.  948  Anmerkung)  durch  ein  Pibrinflöck- 
chen  verstopft  wird.  Zuweilen  handelt  es  sich  nur  u"m  ein  Bedecktwer- 
den der  Nadelöffnung  von  einem  solchen  Coagulum,  und  eine  kleine  Be- 
wegung der  Nadel  genügt,  um  ihr  Lumen  wieder  frei  zu  machen.  Bei 
verstopftem  Troikart  kann  Ausziehen  desselben  und  Wiederholung  der 
Operation  an  einer  anderen  Stelle  nothwendig  werden.  Ein  solches  Vor- 
kommen kann  vermieden  werden  durch  Anwendung  des  Potain'schen  *) 
oder  Präntzel'schen  Troikarts**). 

Die  Aspiration  wird  fortgesetzt,  solange  sich  Flüssigkeit,  ohne  zu 
grosse  Kraftanstrengung,  leicht  aspiriren  lässt.  Gewaltsames  Vorgehen 
ist,  wie  überall,  zu  vermeiden.  Dennoch  darf  rmd  soll  ein  gewisser  Zug 
auf  das  Exsudat  und  die  V^^andungen  der  Exsudathöhle  ausgeübt  wer- 
den. Da  dieser  Zug  (oder  negative  Druck)  auch  nach  Entfernung  der 
Kanüle  noch  fortdauert ,  so  ist  er  von  Vortheil  für  die  Wiederausdeh- 
nung der  Limge ,  für  die  allmählige  Dehnung  und  Zerreissung  von  Ad- 
häsionen. 

Gegen  Ende  der  As])iration  fühlt  man  zuweilen  deutliches  Knirschen 
oder  Crepitiren  an  der  Kanüle  ,  was  davon  herkommt ,  dass  die  convex 
nach  abwärts  vorgewölbte,  wieder  ausgedehnte  Lunge  (dabei  können  die 
percussorischen  Grenzen  sich  gleich  geblieben  sein  !)  oder  das  emporge- 
stiegene Zwerchfell  die  Kanüle  berühren.  —  Häufig  treten  gegen  Ende 
der  Operation  stechende  Schmerzen  und  Husten  ein. 

In  den  seltensten  Fällen  ist  eine  besondere  Nachbehandlung  noth- 
wendig. Ein  Heftpflasterstreifen  auf  die  kleine  Stichwunde  gelegt  ist  für 
den  Kranken  angenehmer. 

Gegen  heftige  Schmerzen  nach  der  Punktion  Opiate,  am  besten  eine 
Morphin-Tnjection.  Traube  räth  dringend,  eine  Eisblase  auf  die  Stioh- 
stelle  zu  legen.  Sie  kann  in  den  meisten  Fällen  sehr  wohl  entbehrt 
werden. 

Ausnahmsweise  hat  man  nach  der  Punktion  und  Aspiration  eine 
Blutunr'  in  das  Exsudat  —  vielleicht  mujper  Diapedesim)  erfolgen  sehen, 


»)  Instrumenten  -  Catalog  von   Wind  1er  (Berlin,   Dorotheenstr.  No.  3.) 
^^' „j°ßgj.i.  kKn.  Wochschrift  1874.  S.  134.  Beschreibung  u.  Figur. 


950  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

unter  den  gleichen  Umständen  auch  Ecchymosen  der  Pleura  angetroffen. 

"Von  Zerreissung  der  Lunge  in  Folge  der  Aspiration  eines  serösen 
pleuritischen  Exsudates  ist  mir  kein  Beispiel  aus  der  Literatur  bekannt. 
Wird  dagegen  ein  Empyem  aspirirt,  das  bereits  Vorbereitungen  für  den 
Durchbrueh  in  die  Lungen  getroft'en  hat  (Corrosion  und  Ulceration  an 
einer  umschriebenen  Stelle  der  Pleura  pulmonalis) ,  so  kami  der  er- 
hebliche Zug ,  welchen  die  Aspiration  ausülit  oder  hinterlSsst ,  den 
Durchbruch  herbeiführen  oder  ahn  wenigstens  beschleunigen.  Solche 
Fälle  sind  in  der  Literatur  vorhanden  (Krause  1843  1.  r.  ,  H.  Gou- 
rand*),  aber  bisher  falsch  gedeutet  worden.  Einen  interessanten  Fall 
dieser  Art  habe  ich  auf  der  hiesigen  medicinischen  Klinik  beobachtet 
und  oben  (S.  897)  in  Kürze  mitgetheilt. 

Unter  den  unmittelbar  oder  alsbald  auf  die  Aspiration  pleuritischer 
Exsudate  folgenden  Ereignissen  sind  noch  einige  andere ,  mitunter  ge- 
fahrvolle ,  zu  erwähnen.     Dahin  gehören : 

1)  Embolien  der  Pulmoual-Arterie.  Die  Erklärung  für  das  Zustan- 
dekommen derselben  haVie  ich  oben  ('S.  903)  gegeben. 

2)  Eine  Eeihe  von  Veränderungen ,  die  meistens  nur  in  der  sich 
wieder  entfaltenden,  von  der  Compression  befreiten  Lunge  auftreten,  zu- 
weilen aber  auch ,  wie  ich  besonders  betonen  muss ,  die  gesunde  Lunge 
betreffen. 

Diese  Veränderungen  bestehen  in  Verschiedenem :  a)  in  einem  0  e- 
d  e  ni  der  von  dem  Exsudatdruck  befreiten  Lunge,  das  sich  in  reichlichen 
feuchten  Rasselgeräuschen,  tympanitischem  Percu.?sionsschall,  ankündigt 
und  zu  der,  von  französischen  Autoren  so  vielfach  discutirten,  Expeeto- 
ration  söro-albumineuse  Veranlassung  gibt,  b)  in  einer  entzündlichen 
ödematösen  Infiltration  („seröse  Pneumonie",  „Congestion  screuse 
du  poumon")  der  Lunge  mit  Fieber ,  Dämpfung  des  tympanitischen 
Schalles  und  Expektoration  zäher,  viscider  den  pneumonischen  ähnlicher, 
aber  nicht  sanguinolenter  Sputa;  c)  in  einer  schlaffen,  Croup  Ösen 
Pneumonie  mit  den  meisten  physikalischen  Zeichen  derselben,  und 
mit  Expektoration  exquisiter  pneumonischer,  insbesondere  auch  sanguino- 
lenter Sputa.  Das  Oedem,  meist  nur  auf  die  Lunge  der  leidenden  Seite 
beschränkt,  wird  zuweilen  ein  allgemeines  und  dadurch  tödtlich  (D  u- 
m  0  n  t  p  a  1 1  i  e  r) ;  auch  die  schlalfe  croupöse  Lrfiltration  nach  Thoraco- 
centese  liefällt  mitunter  einen  Lappen  der  gesunden  Seile. 

3)  Lungenlilutungen  meist  unerheblichen  Cirades  und  ohne  schlimme 
Folgen.  Einen  Fall  von  Blutung  aus  einer  Caveme  der  comprimii-ten 
Lunge,  die  8  Stunden  nach  der  Thoracocentese  eintrat  und  den  Tod  zur 
Folge  hatte,  beobachtete  Fräntzel. 

Zuweilen  steigt  nach  der  Punktion  und  Aspiration  das  Fieber  aufs 
Neue  wieder  an.  Ist  diese  Fiebersteigerung  nur  eine  transitorische,  auf 
die  ersten  Tage  nuch  der  Operation  beschränkt,  so  ist  sie  u-relevant;  ist 
sie  aber  der  Ausdruck  einer  durch  die  Operation  herbeigeführten  Exa- 
cerliation  der  Pleuritis,  welche  zu  neuer  Exsudation  führt,  und  das  alte 


*)  Der   Fall    betrifft    ein    4'/2.jähriges    Mädchen.      Vollkommene   Heilung. 
Gaz.  des  höp.  1867. 


Leichtenstern,  Kraakheiten  der  Pleura.     Therapie.  951 

Flüssigkeits-Niveau  alsbald  wieder  herstellt,  so  hat  die  Thoracocenthese 
nicht  genützt,  vielmehr  durch  das  Fieber,  das  sie  hervorrief,  nur  geschadet. 
In  seltenen  Fallen  kommt  es  vor,  dass  ein  vorher  seröses  Exsudat 
in  Folge  der  Punktion  eitrig  wird  ,  trotz  der  sorgfältigsten  Desinfection 
der  Instrumente.  Dagegen  glaube  ich  nicht,  dass,  Desinfection  vorausge- 
setzt, jemals  das  Jauchigwerden  eines  eitrigen  Exsudates  dadurch  herbei- 
geführt wird.  Die  beste  Art  der  Desinfection  ist  wohl  die ,  dass  man 
die  Nadel  oder  den  Troikart  über  einer  Flamme,  oder  in  siedendem  Wasser 
erhitzt,  sie  dann  sofort  in  Carbolöl  ta.ucht,  und  aus  dieser  erst  unmit- 
telbar vor  der  Operation  herausnimmt. 

Die  im  VorliergelieiKlen  bescliriebenen  Gefahren  und  üblen  Folgen 
der  Thoracocentese  werden  in  höhst  seltenen  Fällen  beobachtet  und 
sind  nicht  im  Stande ,  den  hohen  Werth  eines  Operationsverfahrens  zu 
verringern ,  das  in  geeigneten  Fällen  und  auf  sorgfältige  Weise  ausge- 
führt, das  bedrohte  Leben  zu  erhalten  und  die  Gesundheit  vrieder  zu 
bringen  im  Stande  ist.  Eine  Mahnung  geht  aber  daraus  hervor,  einmal 
nicht  blindlings  jedes  Exsudat  anzapfen  zu  wollen,  sondern  auch  hier 
von  gewissen,  gleich  näher  zu  betrachtenden  Indicatiouen  das  operative 
Einschreiten  abhängig  zu  machen,  sodann  bei  der  Aspiration  sich  jedes 
gewaltsamen  Vorgehens  zu  enthalten,  und  diese  nicht  weiter  zu  treiben, 
als  die  Exsudatflüssigkeit  sich  leicht  aspiriren  lässt.  Die  Entleerung 
der  gesammten  Exsudatmenge  darf  nicht  als  nothwendig  zii  erfüllende 
Aufgabe  angesehen  werden,  zumal  die  Operation  so  einfache  und  wenig 
schmerzhafte  ist ,  dass  der  wiederholten  Vornahme  derselben  Nichts  im 
Wege  steht. 

Eine  andere  Frage  ist  die :  hat  auch  bei  constatirtem  Empyem 
der  Versuch,  mittels  capilhirer  Thoracocentese  und  Aspiration  die  Ent- 
fernung des  Exsudates  und  die  Heilung  der  Empyemhöhle  herbeizufüh- 
ren, Aussicht  auf  Erfolg?  Die  Frage  muss  nach  dem  gegenwärtigen 
Stande  der  Erfahrungen  für  einzelne  Fälle  mit  einem  entschiedenen  Ja 
beantwortet  werden.  Die  Empyemhöhle  heilt  bei  wiederholter  Function 
und  Aspiration  des  Eiters  allmählig  ganz  in  der  gleichen  Weise ,  wie 
auch  jede  andere  Abscesshöhle  durch  subcutane  Aspiration  unter  Um- 
ständen zur  Heilung  geljracht  werden  kann.  Eigene  Beobachtungen 
und  zahlreiche  f]rfahrungen  der  letzten  Jahre  haben  diess  bestätigt. 
Meistens  freilich  sind  mehrmals  wiederholte  Functionen  nothwendig.  — 
Anderseits  giebt  es  zahlreiche  Fälle  von  Empyem  ,  wo  wir  auf  dem  ge- 
zeiclmeten  Wege  nicht  zum  Ziel  gelangen ,  wo  das  hektische  Fieber 
trotz  der  wiederholten  Aspirationen  fortdauert ,  und  die  Kräfte  consu- 
mirt.  In  .solchen  Fällen  darf  nicht  lange  mit  der  R  a  d  i  c  a  1  o  p  e  r  a  t  i  o  n 
gezögert  werden.  Das  Gleiche  ist  der  Fall,  wenn  das  Empyem  sich  an- 
schickt ,  spontan  nach  aussen  durchzubrechen  (Empyema  necessitatis), 


952  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.    Pleuritis. 

oder  wenn  Verjauchung  z.  B.  in  Folge  eines  Durchbruches  nach  den 
Lungen,  eintritt. 

Unter  solchen  Umständen  ist  nm-  mehr  die  Radicaloperation  des 
Empyemes,  die  Incision  mit  oder  ohne  Rippenresection  —  in  den  mei- 
sten Fallen  wird  letztere  wohl  zu  umgehen  sein  —  am  Platze.  Ueher 
die  Ausführung  der  Operation  in  Chlorofonnnarkose  uud  unter  Lister- 
schen  Cautelen,  über  die  Entleerung  und  Reinigung  der  Abscesshöhle, 
über  die  zweckmässigste  Art  des  Verbandes  (Lister'scher  Verband !),  über 
die  Ai-t  und  Weise  der  täglich  vorzunehmenden  Ausspülung  und  Rei- 
nigung der  Empyemhöhle  (Nelaton'sche  Katheter,  Canule  ii  double  cou- 
rant,  Irrigateure  etc.).  über  Ausspülung  mit  Jodkali,  Kali  hjpermangan. 
Lösungen  etc.  siehe  die  Lehrbücher  der  Chirurgie.  —  Bei  der  Ausspülung 
eines  rechtsseitigen  Empyems  mittels  eines  Irrigateurs  sah  ich  auf  der 
Münchner  chirurgischen  Klinik  einmal  eine  schwere,  beinahe  tödtliche 
Syncope  entstehen*).  Es  ist  beim  Ausspülen  darauf  zu  achten,  den  Druck 
in  der  Empyemhöhle  nicht  plötzlich  rasch  ansteigen  zu  lassen  und  nicht 
direkt  gegen  das  Herz  zu  spritzen.  Man  vermeide  die  Anwendung  kal- 
ten Wassers. 

Wir  fassen  schliesslich  die  Indicationen  zur  operativen  Behand- 
lung pleuritischer  Ergüsse  in  folgende  Punkte  zusammen. 

1)  Die  Operation  ist  dringend  angezeigt  und  erfüllt  die  Indicatio 
vitaliö  in  den  Fällen ,  wo  ein  rasch  ansteigendes  Exsudat  (sei  es 
bei  acuter  oder  bisher  chronisch  verlaufener  Pleuritis)  zu  den  schweren 
Erscheinungen  der  Insufficienz  des  Herzens  und  der  Athmung  führt  und 
Erstickungsgefahr  oder  Herztod  droht.  .Je  intensiver  die  Dyspnoe  und 
Cyanose,  je  ausgeprägter  die  Erscheinungen  der  mangelhaften  Füllung 
des  arteriellen  Systemes  (Kleinheit  und  Frec^uenzzunahme  des  Pulses, 
Oligurie),  je  höher  dabei  noch  das  Fieber  ist,  um  so  rascher  entschliesse 
man  sich  zur  Operation. 

Ein  sehr  ähnliches  Symptomenbild  von  Herz-Insufficienz  kommt 
aber  auch  bei  acuter  h  o  c  h  f  i  e  b  e  r  h  a  f  t  e  r  Pleuritis  mitunter  vor ,  zu 
einer  Zeit,  wo  das  Exsudat  eben  nachweisbar,  noch  sehr  geringfügig  ist. 
Hier  ist  das  hohe  Fieber  die  Ursache  der  Herzinsufficienz.  Antipy- 
retica  und  Reizmittel  sind  am  Platze  ,  nicht  aber  die  Thoracocentese, 
v/elche  höchstens  einige  CC  Flüssigkeit  entleeren,  zur  Besserung  des  Zu- 
standes  aber  nichts  beitragen  würde. 

Nicht  die  Grösse  des  Exsudates  giebt  uns  die  Indication  zur 
Thoracocentese,  sondern  die  Folgen  desselben  auf  Circulatiou  und 
Respiration. 

Es  ist  bekannt,  dass  gerade  bei  Kindern  abundante  Ergüsse  oft 
ebenso  rasch,  als  sie  .sich  bildeten,  wieder  resorbirt  werden.  Die 
spontane  Resorption  massenhafter ,  eine  ganze  Brusthällte  erfüllender 

*)  Der  Fall  betraf  einen  Typhus-Reconvalescenten  mit  Empyem. 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.     Therapie.  953 

Exsudate  kommt  besonders  im  Kindesalter  nicht  selten  vor;  ich  habe 
solche  Beobachtungen  wiederholt  an  Kindern ,  in  zwei  Fällen  aber 
selbst  an  50  —  60jährigen  Kranken  der  hiesigen  medicinischen  Klinik 
gemacht. 

Die  Erscheinungen  von  Herz-  und  Athmungs-Insufficienz  machen 
sich  geltend ,  wenn  zu  einem  vielleicht  nur  mittelgrossen  Exsudat  der 
einen  Seite ,  exsudative  Pleuritis  der  anderen  oder  eine  croupöse  Pneu- 
monie der  gesunden  Lunge  hinzutritt.  Auch  in  diesen  Fällen  wird  die 
Thoracocenthese  zur  Indicatio  vitalis. 

Ein  Fall  dieser  Art  befindet  sich  zur  Zeit  auf  der  hiesigen  medici- 
nischen Klinik ,  ein  Kranker  mit  abundantem  linksseitigem  Erguss ,  zu 
welchem  eine  croupöse  Pneumonie*)  des  ganzen  rechten  Dnterlappens 
hinzutrat.  Prof.  Liebermeister  wiederholte  3mal  kurz  hinterein- 
ander die  Punction  des  sich  immer  rasch  wieder  ansammelnden  Exsudates 
und  erzielte  vollständige  Heilung.  Ohne  die  operative  Behandlung  wäre 
dieser  Kranke  sicher  verloren  gewesen. 

2)  Die  Operation  ist  bei  c  h  r  o  n  is  c  h  e  n  Exsudaten  indicirt,  wenn 
es  nicht  gelingt ,  das  die  Körperkräfte  consumirende  Fieber  zu  heben, 
die  Resorption  in  Qaug  zu  bringen.  Thermometer  und  Wage  geben  die 
entscheidenden  Anhaltspunkte.  Lehrt  die  Betrachtung  der  Fiebercurve, 
dass  das  hektische  Fieber  anhaltend  sich  gleichbleibt ,  zeigt  die  Wage, 
dass  das  Gewicht  des  Kranken  von  Woche  zu  Woche  abnimmt ,  ergiebt 
ferner  die  Percussion  und  Mensuration  keinerlei  Abnahme  des  Exsuda- 
tes, so  ist  mit  der  Operation  nicht  lange  zu  zögern.  Die  Chancen  der- 
.selben  sind  um  so  günstiger ,  je  besser  dabei  noch  der  Ernährungszu- 
stand des  Kranken  ist. 

Es  kommen  aber  auch  Fälle  von  chronischem ,  stationärem  Exsu- 
date vor ,  mit  vollständiger  Compensation  des  Circulations-  und  Respi- 
rations-Hindernisses;  die  Kranken  sind  ganz  oder  lieinahe  fieberlos, 
nicht  cyanotisch,  in  der  Ruhe  nicht  dyspnoetisch ;  ihr  Apetit  ist  gut  und 
die  Wage  lehrt,  dass  der  Kranke  allmählig  an  Gewicht  zunimmt.  In 
solchen  Fällen  kann  sehr  wohl  mit  der  Thoracocentese  hingewartet 
werden,  auch  wenn  das  Exsudat  lange  Zeit  hindurch  den  gleichen  Stand 
beibehält.  Ich  halte  es  für  einen  Fehler ,  dass  man  bei  Erörterung  der 
Indicationen  zur  Thoracocentese  immer  ein  so  grosses  Gewicht  auf  die 
Dauer  der  Lungencompression  legt.  Hieraus  allein  erwächst  memals 
die  Indication  zur  Thoracocentese;  immer  sind  es  die  viel  wichtigeren 
Punkte,  das  Fieber,  der  Kräftezustand,  die  Erscheinungen  von  Seite  des 


*)  Mit  allen  Erscheinungen  der  croupösen  Pneumonie,  absoluter  Dämpfung, 
Bronchialathmen,  blutigen  vi.ciden  Sputi«  S md  solche  Pneumomen  mcht  hm 
und  wieder  embolischer  Natur?     Vergl.  S.  903  und  950. 


954  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pleuritis. 

Herzens  (der  Circulatioii)  und  der  Atlimung ,  welche  die  Indicatiou  ab- 
geben, leb  will  nicht  läugnen,  dass  in  Fällen  von  chronisch-stationärer, 
fieberloser ,  exsudativer  Pleuritis  mit  vollkommener  Corapensatioü  des 
Circulations-  und  Atbmungshindernisses  ein  Zeitpunkt  kommt,  wo  man 
des  langen  Einwartens  müde  in  der  Punktion  das  einzige  wirksame  Mittel 
zur  Wiederherstellung  des  Kranken  erblickt  und  zur  Operation  schreitet, 
nach  welcher  die  Resorption  des  Exsudatrestes  mitunter  auffallend 
rasch  erfolgt.  Aber  hier  ist  es  nicht  die  Dauer  der  Lungencompression, 
sondern  die  Dauer  der  Krankheit  als  solcher,  welche,  weil  sie  auf  kei- 
nem anderen  Wege  zum  Ende  zu  führen  ist,  die  Indicatiou  zur  Thora- 
cocentese  abgiebt ;  diese  Indication  besteht ,  obwohl  die  Circulations- 
und  Respirationshindernisse  compensirt  sind,  der  Kräftezustand  sich 
allmählig  gehoben  hat  und  vielleicht  vollkommene  Fieberlosigkeit  zu- 
gegen ist.  Die  Operation  ist  eben  dss  einzige  noch  bekannte  Mittel  zur 
Befreiung  des  Kranken  von  seinem  Exsudate. 

3)  Die  operative  Behandlung  ist  jederzeit  und  unbedingt  indicirt, 
wenn  man  sich  von  der  C4egenwart  eines  eitrigen  Exsudates  über- 
zeugt hat.  Das  Empyem  ist  Nichts  Anderes  als  ein  grosser  Abscess; 
dass  ein  solcher  nur  heilt ,  wenn  dem  Eiter  Abfluss  verschafft  wird,  ist 
bekannt.  Spontane  Resorption  tritt  hier  niemals  ein ;  die  vermeintHch 
hieher  gerechneten  Fälle  waren  Empyeme ,  die  nach  innen  durchgebro- 
chen unter  allmähliger  Eiterentleerung  per  Sputa  heilten  (S.  895).  Wir. 
ahmen  in  einem  solchen  Falle  durch  die  Operation  die  Naturheilung 
nach,  die  beim  Abscess  keinen  anderen  Weg  kennt,  als  den  des  Auf- 
bruches. Die  Operation  ist  um  so  dringender  angezeigt ,  wenn  hohes 
hektisches  Fieber  Ijesteht ,  und  der  Kräfteverfall  des  Kranken  sich  von 
Woche  zu  Woche  in  einer  Gewichtsabnahme  desselben  documentirt. 
Man  versuche  zuerst  durch  capiiläre  Thoracocentese  zum  Ziel  zu  ge- 
langen ;  ob  diess  gelingen  wird ,  zeigt  sich  schon  nach  der  ersten  oder 
zweiten  Punktion.  Lässt  nach  derselben  das  Fieber  nach ,  bessert  sich 
der  Appetit  und  Kräftezustand,  nimmt  das  Gewicht  zu,  dehnt  sich  viel- 
leicht sogar  die  Lunge  merklich  aus,  so  ist  Aussicht  vorhanden,  auf 
diesem  milderen  Wege  durch  wiederholte  Functionen  (Legroux  punk- 
tirte  bei  einem  6jährigen  Kinde  24mal) ,  ohne  Radicaloperation,  die 
Heilung  zu  bewerkstelligen.  Hat  aber  die  ein-  bis  zweimal  vorgenom- 
mene Function  und  Aspiration  den  geschilderten  Einfluss  auf  Fieber, 
Ernährungszustand  etc.  nicht ,  so  säume  man  nicht  lange  und  schreite 
zur  Radicaloperation.  Das  Gleiche  ist  der  Fall  beim  Empyema  neces- 
sitatis. 

Ist  das  Empyem  nach  den  Lungen  durchgebrochen ,  so  macht  sich 
auch  dieser  Vorgang,  wie  jede  Eröffnung  der  Abscesshöhle,  häufig  durch 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.  Abscedirende  Peripleuritis.    955 

einen  Nachlass  des  Fiebers  bemerkbar  ;  der  Appetit  nimmt  zu,  die  Kräfte 
werden  besser,  der  Empyemeiter  wird  durch  Expectoratiou  allmählig  ent- 
leert (S.  895).  Man  störe  diesen  Heilvorgang  nicht  durch  eine  voreilige 
Operation.  Ich  habe  von  G  Kranken  mit  nach  den  Lungen  durchge- 
brochenem Empyem  4  unter  beträchtlicher  Gewichtszunahme  vollkom- 
men heilen  sehen.  Mit  Unrecht  wird  die  Perforation  des  Empyemes  in  die 
Lungen  so  sehr  gefürchtet.  —  Hat  aber  der  Durchbruch  nach  den  Lungen 
hohes  Fieber  mit  Frösten  zu  Folge ,  treten  die  Erscheinungen  der  Ver- 
jauchung ein ,  so  operire  mau  radikal  und  so  bald  wie  möglich.  Die 
Reinigung  und  Säuberung  der  Empyemhöhle  ist  das  Einzige ,  was  in 
einem  solchen  Falle  noch  retten  kann. 

In  Fällen  von  nach  den  Lungen  durchgebrochenem  Empyem  wer- 
den zuweilen  die  Sputa  fötid.  Daraus  darf  nicht  an  und  für  sich  auf 
Putrescenz  des  Empyemes  geschlossen  werden.  (Vergl.  d.  S.  896  hier- 
über Gesagte.) 


Abscedirende  Peripleuritis. 

Phlegmone    endotlioracica    (mihi). 

Literatur.  Wunderlich,  Arch.  d.  Heilk.  1861.  IL  Jahrg.  1.  Hft. 
-  Billroth,  Arch.  f.  klin.  Chirurg.  IL  Bd.  1.  u.  2.  Hft.  18G1.  —  C.  Rörig, 
Deutsch.  Klin.  18ii'2.  a5.  40.  Suadicani,  Diss.  inaug.  Kiel  1865.  —  Le- 
plat,  Gaz.  des  höp.  186G.  32.  —  Caspari,  Berl.  klin.  Wochensch.  1867.  — 
Croskery,  Dubl.  Journ.  1866.  Febr.  —  Banks,  Dubl.  Journ.  18G8.  Nov.  — 
Bartels,  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  1874.  13.  Bd.  S.  21.  —  F.  Riegel,  ibid. 
1877.  19.  Bd.  S.  5.51.  —  Vergl.  auch  Moutard-Martin,  Gaz.  des  hop. 
1856.  126.  u.  Arch.  ge'ner.  1856. 

Die  Differentialdiagnose  zwischen  einem  pleuritischen  Exsudate  (Em- 
pyem) und  einer  peripleuritischen  Phlegmone  kann  unter  Umständen  von 
praktischer  Wichtigkeit  sein.  Ich  halte  es  daher  für  angezeigt,  auf  diesen 
Gegenstand  in  Kürze  einzugehen.  Hinsichtlich  der  Details  verweise  ich 
auf  die  angegebene  Literatur. 

Der  Sitz  der  peripleuritisclien  Phlegmone  ist  das  kurze ,  straffe 
Zellgewebe,  welches  zwischen  der  Aussenfiäche  der  Pleura  costalis  einer- 
seits, den  Eippen  und  Intercostalmuskeln  anderseits  gelagert,  die  ganze 
innere  Brustwand  auskleidet.  Dieses  Zellgewebe,  dem  Hyrtl  den  Na- 
men der  F  a  s  c  i  a  e  n  d  o  t  h  o  r  a  c  i  c  a  gab ,  ist  von  Luschka  einge- 
hend untersucht  worden  *).  Letzterer  hat  besonders  auch  die  Gegenwart 
dieser  Pascie  zwischen  der  Costal-Pleura  und  den  Rippen  nachgewiesen. 


*)  Denkschrift  d.  k.  k.  Akad.  17.  Bd. 


95(3  Krankheiten  der  Atlimmigsorgane.     Peripleuritis. 

Wir  müssen  Verschiedenes  auseinanderhalten ,  was ,  wie  ich 
finde ,  nicht  immer  hinreichend  geschah. 

1)  I'as  beschriebene  endothoracische  Zellgewebe  zwischen  Pleura 
parietalis  und  der  inneren  Brustwand  wird  in  seltenen  Fällen  zum  Aus- 
gangspunkt einer  p  r  i  m  ä  r  e  n  umschriebenen  Entzündung  und  Vereite- 
rung. Meistens  fehlt  der  Nachweis  jedes  bekannten  ätiologischen  Mo- 
mentes. Die  bisher  bekannt  gewordenen  Fälle  —  und  auch  ich  könnte 
die  Zahl  derselben  um  einen  der  eigen'in  Beobachtung  vermehren  —  be- 
treffen fast  ausnahmslos  Erwachsene.  In  einzelnen  dieser  Fälle  gingen 
Trau  m  e  n  voraus. 

2)  Die  Entzündung  und  Vereiterung  des  endotlioracischen  Zellge- 
webes ist  eine  s  e  c  u  n  d  ii  r  e.  Der  entzündliche  Process  wird  durch  ver- 
schiedenartige Ursachen  angeregt : 

a)  Ein  Empyem  corrodirt  und  perforirt  die  Costalpleura ,  der  Eiter 
infiltrirt  allmählig  mehr  und  mehr  das  endothoracische  Zellgewebe,  regt 
active  Entzündung  an  und  ruft  Phlegmone  endothoracica  hervor.  Be- 
sonders sind  es  kleine  Empyem-Reste  ,  wie  sie  zurückbleiben  nach  der 
vermeintlichen  Heilung  und  oberflächlichen  Vernarbung  eines  operirten 
oder  spontan  aufgebrochenen  Empyemes ,  oder  eines  solchen ,  das  nach 
den  Lungen  durchgebrochen ,  sich  durch  diese  grösstentheils  ent- 
leert hatte.  Während  die  Empjremhöhle  ausheilt  und  zu  derber,  dick- 
schwartiger Verwachsung  der  Pleurablätter  führt,  wird  der  restirende 
Empyemeiler  in  Jas  endothoracische  Zellgewebe  vei'drängt  und  ruft  hier 
durch  Eitermfection  eine  selbstsländige  Phlegmone  hervor.  Es  ist  diess 
in  der  That  ein  freilich  prekärer  Heiluugsprocess  kleiner  Erapyemreste ; 
diese  heilen,  während  das  endothoracische  Zellgewebe  zum  Eiterdepot 
wird.  Ich  habe  einen  exquisiten  Fall  dieser  Art  beobachtet,  der  gar 
keine  andere  Deutung  zulässt. 

In  diesem  von  mir  beoliachteten  Falle  bestund  liei  der  Section  fol- 
gendes :  Von  dem  endothoracischen  Abscesse  aus  führten  3 ,  wahrschein- 
lich mehrere  Fistelgänge  durch  die  dicken  sehnigen  Bindegewebsschwar- 
ten  der  untrennbar  verwachsenen  Pleura  eostalis  und  pulnionalis  hin- 
durch in  den  cirrhotisch  geschrumpften,  grösstentheils  luftleeren,  auf  '/i> 
seines  Normal- Volumens  reducirten  Unterlappen.  Diese  Fisteln  waren 
Eiter-erfüUt  und  führten  bis  in  die  Bronchien  der  lufthaltigen  Lunge. 
Der  Kranke  warf  täglich  mehrere  dicke  Eiterballen  aus  von  dem  Charak- 
ter consistenlen  Zellgewcbseiters. 

b)  Ein  Rippenbruch,  Rippen- Caries  hat  Phlegmone  resp.  Eiterin- 
filtration des  endothoracischen  Zellgewebes  zur  Folge.  Bei  Rippencaries 
vollzieht  sich  dieser  Process  der  Eiterinfiltration  und  Eitersenkung  oft 
schleichend  und  allmählig ;  es  ist  dann  nach  bekannten  Analogien  die 
Bezeichnung  eines  „endothoracischen  Congestionsabscesses"  erlaubt. 

c)  Wir  haben  primär  eine  Phlegmone  des  tief  liegenden  Zellge- 
webes zwis.;hen  den  Muskeln  (Pectoralis  major  und  minor,  serratus  an- 
ticus  magnus)  einerseits  und  der  äusseren  Brustwand  (Rippen,  Inter- 
eostales)  anderseits.  Der  phlegmonöse  Entzündungsprocess  setzt  sich  auf 
das  endothoracische  Zellgewebe  fort  und  bringt  Vereiterung  desselben, 
endothoracische  Abscesse  zu  Wege.  Der  primäre  Entzündungsprocess 
des  submusculären  Zellgewebes  wird  angei'egt  durch  Traumen,  Wunden 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.  Abscedirende  Peripleuritis.     ;'l57 

(bes.  Schusswunden) ,  durch  Vereiterung  tief  liegender  Lymphdrüsen, 
durch  Eippeubruch,  Kippencaiies,  Congestionsabscesse  der  Hals-  und 
oberen  Brustwirlielsäule  etc. 

Man  ersieht  hieraus,  dass  sehr  verschiedenartige  Prooesse  zu  endo- 
thoracischer  Phlegmone  und  Abseessbildung  führen.  Die  Insherige  Ca- 
suisük  ist  viel  zu  sehr  von  einei-  bestimmten  auf  Autoritätsglauben  ge- 
stützten Auffassungsweise  orcupirt  und  darnach  —  sine  ira  et  studio  — 
zugeschnitten. 

Die  Differentialdiagnose  dieser  verschiedenartigen  Vorgänge ,  die  zu 
endothoracischer  Phlegmone  führen,  will  ich  hier  nicht  geben,  nur  Eini- 
ges noch  über  die  primäre  peripleuritische  Phlegmone  anführen.  Man 
bewundert  ihre  geringe  Neigung,  nach  der  Pleurahöhle  durchzubrechen. 
Sie  giebt  eben  frühzeitig  zu  einer  schleichenden  plastischen  Entzündung 
der  unmittelbar  anliegenden  Pleura  costalis ,  zu  derber  schwieliger  Ver- 
wachsung dersell>en  mit  der  Pleura  pulmonalis,  zu  circumscripter  Obli- 
teration  der  Pleurahöhle  Veranlassung.  Regelmässig  dagegen  durch- 
bricht der  subpleurale  Absce&s  die  Weichtheile  eines  oder  sellist  meh- 
rerer Intercostalräume ,  ruft  eitrige  Infiltration  und  umschriebene  secun- 
dSre  Phlegmone  des  submusculären  Zellgewebes  hervor;  von  hier  aus 
setzt  sich  der  entzündliche  Process,  dem  intermusculären  Zellgewelie  fol- 
gend in  das  subcutane  fort  und  bildet  hier  einen ,  zuweilen  mehrere 
distmkte,  schliesslich  nach  aussen  aufbrechende  Abscesse.  Von  den  cu- 
tanen  Aufbruchstellen  aus  gelangt  mau  durch  eiterinfiltrirte  oft  vielfach 
verschlungene  Fistelkaniile  in  die  geräumige  endothoracische  Abscesshöhle. 
Durch  die  Eiterung  wird  die  Pleura  parietalis  von  den  Rippen  und  In- 
tercostalräumen  abgelöst,  zuweilen  das  Periost  einet  oder  mehrerer  Rip- 
pen corrodirt ,  Caries  derselben  verursacht. 

Die  Differentialdiagnose  zwischen  einem  endothoracischen  (peripleu- 
ritischen)  Abscess  und  einem  kleinen  oder  mittelgrossen  Empyem  kann 
grosse  Schwierigkeiten  bereiten,  nämlich  dann,  wenn  jener  seinen  Sitz 
an  den  untersten  Thoraxparthien  hat,  da,  wo  auch  pleuritische  Exsudate 
ihren  Ausgang  nehmen.  Leicht  zu  stellen  ist  die  Diagnose,  wenn,  wie 
in  einem  °von  Bartels  beobachteten  Falle,  der  peripleurale  Abscess 
höher  oben  am  Thorax  seinen  Sitz  hat.  Die  Gegenwart  von  normalem 
Lungenschall  und  von  Vesiculär-Athmen  unterhalb  der  nach  allen  Seiten 
hin  Teicht  abgrenzbaren  Dämpfung  des  endothoracischen  Abscesses  ist  für 
diesen  neijen "anderen  Zeichen  nahezu  sicher  l^eweisend.  Keine  Verwechs- 
lung ist  ferner  möglich,  wenn  die  Dämpfungsgrenze,  wie  diess  nur  bei 
Exsudaten  statt  bat,  den  Thorax  horizontal  oder  xon  vorn  nach  hinten 
abfallend  in  seiner  ganzen  Au!,dehnung  umzieht.  Dagegen  kommen  hmten 
unten,  oder  in  der  Seitengegend  des  Thorax  abgesackte  kleine  Empyeme 
vor  (Reste  eines  pleuritischen  Exsudates,  das  später  purulent  wurde), 
deren  Begrenzung  von  der  lufthaltigen  Lunge  sich  ganz  analog  den  Con- 
touren  eines  periplern-itischen  Abscesses  verhalten  kann. 

Mitunter  sind  die  Erscheinungen  derart,  dass  die  Differentialdiagnose 
schlechterdings  unmöglich  ist,  in  anderen  Fällen  ist  diese  leicht.^  Diffe- 
rentialdiagnostisch sind  folgende  Punkte  von  grosser ,  freilich  mcht  im- 
mer entscheidender  Wichtigkeit :  Das  Empyem  dehnt  die  sämmtlichen 
Intercostalräume  eines  bestimmten  Tborax-Bezirkes  gleichinässig  aus,  der 


958  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Hj-drothorax. 


1 


peripleuritiselie  Al-iscess  häufiger  nur  einen  Intercostalr;iuui,  während  die 
angrenzenden  einander  genilliert  werden. 

Das  Klaffen  eines  Intercostalrauine.s  spricht  für  peripleui'itischen 
Ahscess ;  das  Empyema  necessitatis  Ijricht  ge\vijhnlich  mit  einer  grösseren, 
direkt  in  die  Empyemhöhle  führenden  Oeffnung  nach  aussen  auf;  der 
peripleuritische  ALiscess  führt  mitunter  zu  mehrfachen  Aufbrüchen  und 
complicirten  Fistelgängen;  der  Empyemeiter  ist  dünner,  specifisch  leich- 
ter, der  Eiter  des  endothoracischeu  Abscesses  ist  von  dicker  rahmartiger 
Consistenz,  vom  Charakter  des  Zellgewebbeiters  ;  die  unterste  Grenze  des 
Empyemes  wird  stets  von  der  unteren  Pleuragrenze  gebildet,  der  pe- 
ripleuvale  Aliscess  kommt  sowohl  hier,  als  auch  höher  am  Thorax  vor 
und  ist  im  letzten  Falle  allseits  von,  normalen  Percussionsschall  mid 
normales  Vesiculär-Athmen  gebendem  Lungengewebe  umgeben;  das  Em- 
pyem hat  häufig,  der  peripleurale  Abscess  niemals  eine  horizontale  den 
ganzen  Thorax  umziehende  Dämpfungsgrenze ;  das  Fielier  kann  sich  bei 
beiden  gleich  verhalten;  häufig  wiederholte  Schüttelfröste  sprechen  mehr  für 
endothoracischeu  Abscess.  Zu  peripleuralem  Abscess  gesellt  sich,  wie  zu 
anderen  chronischen  Eiterungen  mit  Stagnation  des  Eiters,  zu  Gonge, 
stiousabscessen ,  zu  Garies  etc.  chronische  Nephritis  gerne  hinzu.  Albu- 
min im  Harn  ist  daher  ein  nicht  seltener  Befund. 

Die  Therapie  ist  der  Hauptsache  nach  eine  chirurgische.  Forlge- 
setztes Gataplasmiren,  wenn  Fluctuation  bemerkbar  wird,  möglichst  früh- 
zeitio-e  ergiebige  Incision ,  Drainagebehandlung ,  Reinigung  der  Abscess- 
höhle  durch  häufig  wiederholtes  Ausspülen  mit  antiseptischen  Lösungen, 
Lister'scher  Verliand  etc.  Bin  wesentliches  Augenmerk  ist  auf  die  Heb- 
ung des  Ernährungszustandes  des  Kranken  zu  richten. 

Hydrothorax. 

Z  i  e  m  s  s  e  n.  D.  Punktion  d.  Hydrothorax.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Mediz. 
V.  Bd.  S.  4.57. 

Der  Hydrothorax  besteht  in  der  Ansammlung  eines  serösen  T  r  ans- 
sudates  in  der  Pleurahöhle.  Dasselbe  hat  die  Eigenschaften  hydro- 
pischer  Ergüsse  und  steht,  was  seinen  Gehalt  an  festen  Bestandtheilen 
und  iusbesonders  an  Eiweiss  betrifft,  dem  Lymphserum  näher  als  dem 
Blutserum,  ist  übrigens  eiweissreicher  als  das  Bindegewebstranssudat, 
das  Oedeni-\Misser.  Die  Flüssigkeit  ist  vollkommen  klar,  hell  grünlich 
gelb,  von  1009  —  1012  S.  G.  und  einem  Albumin-Gehalt  von  2— 3  p.  Ct. 
(Siehe  Näheres  hierüber  S.  870.) 

Die  Pleura  erscheint  makroscopisch  intakt,  zeigt  insbesonders  keine 
entzündlichen  Veränderungen.  Zu  länger  dauerndem  chronischem  Hy- 
drothorax treten  zuweilen  subinflammatorische ,  schleichende  entzünd- 
liche Processe  der  Pleura  hinzu.    Vergl.  S.  877. 

Aetiologie.  1)  Die  häufigste  Ursache  des  Hydrothorax  sind 
Jvreislanfsstör  ung  en,  Herz-  und  Lungenkrankheiten,  welche  die 


Leichteiis  tern,  Krankheiten  der  Pleura.  Hydrotliorax.  059 

Ueberfühnmg  des  Blutes  von  dem  rechten  nach  dem  linken  Herzen  be- 
hindern, oder,  wie  bei  primärer  Herzdegeneration,  den  Druck  und  die 
Blutfülluug  des  arteriellen  Systemes,  in  Folge  mangelhafter  Herzkraft, 
beträchtlich  herabsetzen.  Dann  entsteht  Anämie  mit  Druck  -  Abnahme 
im  arteriellen,  Hyperämie  mit  Druckzunahme  im  venösen  System.  Eine 
gewöhnliche  Folge  hievon  sind  hydropische  Ergüsse  ins  Unterhautzell- 
gewebe und  in  die  serösen  Säcke.  Der  Hydrothorax  ist  eine  Theiler- 
scheinuug  des  Hydrops  universalis.  Ich  verweise  hinsichtlich  desselben 
auf  die  betreffenden  Kapitel  der  Herz-  und  Lungenkrankheiten. 

2)  Hydrothorax  als  Begleiter  anderer  hydropischer  Ergüsse  kommt 
ferner  in  Zuständen  vor,  die  wir  mit  dem  Ausdruck  Hyd  rämi  e  zu- 
sammenfassen. Dahin  gehört  der  Hydrothorax  bei  sehr  blutarmen,  in 
ihrem  Ernährungszustände  heruntergekommenen  Individuen,  nach  lang- 
wierigen Durchfällen,  bei  chronischer  Dysenterie,  bei  Scropliulose,  Leu- 
kämie ,  Intermittens  -  Cachexie  u.  s.  w.  In  manchen  dieser  Fälle  con- 
currirt  gleichzeitige  Herzschwäche  wesentlich  beim  Zustandekommen 
der  Oedeme ,  des  Hydrothorax.  Der  Hydrothorax  beim  Morb.  Brightii, 
im  Kindesalter  so  häufig  nach  Scharlach,  beruht,  wie  andere  hydropische 
Erscheinungen  bei  dieser  Krankheit,  zumTheil  auf  Hydräuiie,  zum  nicht 
geringen  Theil  sind  subinflammatorische  Processe  in  der  Pleura  mit  im 
Spiel.  Die  Transsudate  bei  Morb.  Brightii  zeichnen  sich  daher  auch 
durch  einen  durchschnittlich  höheren  Albumingehalt  vor  den  reinen 
Stauungstranssudaten  aus. 

3)  Kommen  seltene  Fälle  vor ,  wo  der  Hydrothorax  die  Folge  von 
Compress  ion  gewisser  Venen  oder  Ly  mph  gefäss stamme 
ist.  (Venae  mammariae  internae,  Vena  azygos ,  hemiazygos  inferior  et 
superior,  Ductus  thoracicus  major  et  minor  s.  dexter.)  Je  nachdem  die 
Compression  den  Ductus  thoracicus  major  oder  den  minor  betrifft,  kann 
man  verschiedene  Erscheinungen  c o  n  s  t  r  u  i  r  e  n,  doppelseitigen  Hydro- 
thorax und  Hydrops  universalis  im  ersteren  Fall,  rechtsseitigen  Hydro- 
thorax mit  Oedem  nur  der  rechten  Oberextremität  ira  letzteren  Fall. 
Die  Compression  wird  meistens  ausgeübt  von  intrathoracischen  Neo- 
plasmen, Mediastinaltumoren,  Aneurysmen. 

4)  In  Fällen  von  sogenanntem  essentiellen  Hydrops ,  d.  h.  von  Hy- 
drops ohne  jede  bekannte  Ursache,  kann  auch  Hydrothorax  als  Theil- 
erscheinung  auftreten. 

Diagnose.  F  r  ä  n  t  z  e  1  und  Andere  geben  an ,  dass  der  Hydro- 
thorax stets  doppelseitig  und  nur  dann  auf  eine  Seite  beschränkt  sei, 
wenn  der  andere  Brustfellsack  durch  allseitige  Verwachsungen  der 
Pleurablätter  verödet  sei.  Diess  ist  unrichtig.  Der  Hydrothorax  ist 
häufig  nur  einseitig  und  betrifft  dann  stets  jene  Seite,  auf  welcher  der 


960  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Hydrothorax. 

Kranke  anhaltend  zu  liegen  pflegte.  Man  kann  sich  in  solchen 
Fällen  von  Hydrothorax  überzeugen ,  dass ,  v.enn  der  Kranke ,  ans 
irgend  einem  Grunde ,  die  bisherige  Seitenlage  aufgiebt  und  sich 
habituell  auf  die  andere  lagert,  der  Hydrothorax  der  epistatischen  Seite 
allmählig  verschwindet ,  während  die  nun  hypostatische  Seite  Sitz  des 
Hydrothorax  wird.  Der  Hydrothorax  ist  m  e  i  s  t  e  n  s  doppelseitig,  regel- 
mässig aber  auf  einer  Seite  und  zwar  auf  jener,  nach  welcher  geneigt 
der  Kranke  zu  liegen  pflegt ,  hochgradiger  als  auf  der  anderen.  Bei 
reiner  Rückenlage  des  Kranken  ist  der  Hydrothorax  immer  doppel- 
seitig und  das  B'lüssigkeits  -  Niveau  steht  beiderseits  annähernd  gleich 
hoch. 

Wir  diagnosticiren  Hydrothorax  und  nicht  pleuritisches  Exsudat 
durch  die  Combination  einer  Reihe  von  Momenten,  von  welchen  jedes 
einzelne  für  sich  nicht  im  Stande  ist,  die  Differeutialdiagnose  zu  sichern ; 
anderseits  muss  zugegeben  werden ,  dass  alle  Momente,  welche  für  Hy- 
drothorax sprechen,  auch  einmal  beim  Exsudat  zusammentreffen  können. 
Die  Differeutialdiagnose  ist  häufig  ohne  praktischen  Werth  und  ich 
möchte  ganz  besonders  daran  erinnern ,  dass  ein  länger  bestehender 
Hydrothorax  nicht  selten  zu  subinflammatorischen  Vorgängen  auf  der 
Pleura  führt,  ebenso  ^vie  diess  auch  beim  Ascites  vorkommt. 

Wenn  der  Erguss  fieberlos  ,  ohne  Schmerzen  entsteht ,  wenn  er 
beiderseits  hinten-unten  anfängt  und  gleiches  Niveau  haltend  allmählig 
ansteigt,  oder  wenn  der  Erguss  nur  auf  jener  Seite  sich  kenntlich  macht, 
auf  welcher  der  Kranke  anhaltend  zu  liegen  pflegt,  so  werden  wir  Hy- 
drothorax diagnosticiren,  zumal  bei  einem  Kranken,  der  andere  hydro- 
pische  Erscheinungen  darbietet,  oder  an  einer  Krankheit  (Herz-,  Lim- 
gen-Afiektiou)  leidet,  die  ertahrnngsgemäss  Hydrothorax  häufig  im  Ge- 
folge hat.  Im  Falle  der  Thoracocentese  können  die  physikalischen  und 
chemischen  Eigenschatten  der  entleerten  Flüssigkeit  für  die  DifPerential- 
Diagnose  entscheidend  sein.    (Vergl.  S.  870.) 

Der  Satz ,  dass  die  Verdrängungserscheinungen  beim  Hydrothorax 
geringgradiger  sind  als  beim  pleuritischen  Exsudat  hat  seine  Richtig- 
keit ,  besonders  mit  Rücksicht  auf  die  Intercostalräume  und  die  Ver- 
drängung des  Mediastinums.  Dagegen  wird  die  Lunge  leicht  verdrängt 
und  ebenso  wie  beim  pleuritischen  Exsudat  oft  vollkommen  comprimirt. 
Auch  das  Zwerchfell  mit  der  Leber  wird  durch  Pleura-Hj'drops  oft  weit 
nach  abwärts  gedrängt.  Der  Grund  der  geringeren  Verdrängung  der 
Nachljarorgane  beim  Hydrothorax  liegt  hauptsächlich  darin  ,  dass  hier 
der  Transsudations-Druck  kein  so  erheblicher  ist,  wie  beim 
pleuritischen  Exsudate,  so  dass  der  Widerstand  der  Thoraxwand,  des 
Mediastinums,  der  Organe  und  Wandungen  der  Bauchhöhle  alsbald  dem 


Leichtenstern,  Krankheiten  der  Pleura.    Haematothorax.  961 

Transsudations-Drucke  das  Gleichgewicht  halten.  Ein  weiterer  jeden- 
falls nur  untergeordneter  Grund  liegt  vielleicht  darin ,  dass  die  Inter- 
costal  -  Muskeln  bei  Pleuritis  an  der  benachbarten  Entzündung  Theil 
nehmen,  »serös  infiltrirt«  werden  und  dadurch  an  Resistenzfähigkeit  ein- 
büssen.  Dieselbe  Veränderung  trifft  zwar  auch  das  Zwerchfell,  ist  aber 
selbstverständlich  für  den  Grad  der  Verdrängung  desselben  ohne  Bedeu- 
tung ;  erst  dann ,  wenn  das  convex  nach  unten  vorgewölbte  Zwerchfell 
in  seine  Normallage  zurückkehren  soll,  kann  die  Functionsschwäche  des 
Zwerchfellmuskels  als  ein  Verzögerungsmoment  der  Rückkehr  in  Be- 
tracht kommen. 

Therapie.  Die  Therapie  des  Hydrothorax  ist  in  den  meisten 
Fällen  identisch  mit  der  Behandlung  des  Grundleidens.  Gelingt  es 
durch  Digitalis-Darreichung  oder  auf  anderem  Wege  die  Herzkraft  zu 
vermehren,  den  Druck  und  Blutgehalt  im  Aorten-Systeme  zu  steigern, 
den  Druck  und  die  BlutüberfüUung  im  venösen  Systeme  zu  verringern, 
so  verschwinden  die  hydropischen  Erscheinungen  und  mit  ihnen  auch 
der  Hydrothorax.  Unter  Umständen  kann  es  von  grosser  Wichtigkeit 
sein ,  den  hydropischen  Pleuraerguss  durch  capillare  Thoracocentese  zu 
entfernen ;  denn  er  verringert  durch  Compression  der  Lungen  die  ath- 
mende  Oberfläche ,  steigert  durch  Compression  zahlreicher  Pulmonalge- 
fässe  die  Schwierigkeiten  der  Circulation,  beeinträchtigt  die  Füllung  des 
linken  Ventrikels  ,  vermehrt  die  Widerstände  im  kleinen  Kreislauf  und 
die  Insufficienz  des  rechten  Herzens.  Nach  Vornahme  der  Thoracocentese 
in  solchen  Fällen  sieht  man  oft,  dass  die  vorher  vergebens  und  er- 
folglos angewendeten  Mittel,  wie  die  Digitalis,  ihre  volle  Wirkung  ent- 
falten. 

Haematothorax. 

Der  Hämothorax,  die  Ansammlung  von  Blut  im  Pleuraräume,  muss 
von  der  Pleuritis  oder  dem  Hydrothorax  mit  hämorrhagischem  Exsudat 
unterschieden  werden.  Er  ist  am  häufigsten  die  Folge  von  Traumen, 
(einer  perforirenden  Brustwuude,  eines  Rippenbruches,  einer  Contusion 
mit  Lungen- und  Pleurazerreissung  etc.)  oder  von  berstenden  A  n  e  u- 
r  y  s  m  e  n.     Letztere  kommen  im  Kindesalter  nicht  vor. 

Der  traumatische  Hämothorax  ist  meist  gleichzeitig  ein  Pneumo- 
thorax (Hämato-Pneumothorax).  Das  in  die  Pleura  ergossene  Bhit  ruft 
für  gewöhnlich  nur  dann  Pleuritis  hervor,  wenn  gleichzeitig  Entzün- 
dungserreger (Fäulnisserreger,  Fremdkörper  etc. . .  .)  in  die  Pleurahöhle 
eingedrungen  sind.  Blut  wird,  wie  Wint rieh's  Versuche  lehren,  ohne 
weitere  Folgen  resorbirt. 

Handb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2. 


962  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Pneumothorax. 

Die  Behandlung  hat  die  Stillung  der  Blutung  zur  Aufgabe. 
(Morphiuminjectionen  ,  um  die  möglichste  Ruhe  des  blutenden  Theiles 
herbeizuführen,  ergiebige  Anwendung  der  Kälte.)  Ueber  die  Unterbin- 
dung, ümstechung,  Compression  einer  blutenden  Intercostal- Arterie 
bei  penetrirenden  Brustwunden  siehe  die  Lehrbücher  der  Chirurgie. 

Die  operative  Eröffnung  der  Pleurahöhle  kommt  bei  kleineren  Blu- 
tungen ebensowenig  in  Frage,  wie  bei  kleinen  Exsudaten.  Bei  grösseren 
Blutungen  (z.  B.  durch  berstende  Aneurysmen)  kann  drohende  Suffoca- 
tion  zur  Incision  auffordern.  Auch  dann  ist  diese  ein  zweischneidiges, 
öfter  Schaden  als  Nutzen  stiftendes  Mittel ,  indem  sie  die  Blutung  aufs 
Neue  anregen  und  zu  letalen  Graden  steigern  kann,  ohne  dass  man  durch 
die  Operation  im  Stande  wäre ,  an  die  blutende  Stelle  selbst  heranzu- 
kommen. 

Pneumothorax. 

Literatur:  B  a  r  t  h  e  z  u.  R  i  11  i  e  t  .  1.  c.  I.  p.  602  ff.  —  Steffen, 
1.  c.  I.  S.  93  ff.  -  Gelmo,  Jahrb.  f.  Kinderheilk.  IV.  S.  135.  -  H.  Roger, 
rUnion  1865.  —  Betreffs  der  physikalischen  Symptome  verweise  ich  auf  die 
Lehrbücher  der  phys.  Diagnostik.  Gas-Analysen:  Leconte  u.  Demar- 
quay,  Gaz.  hebdom.  lit^GS.  X.  7.  —  Dressler,  Prag.  med.  Wochenschr. 
1864.  33.  —  A.  Ewald,  Reichert's  u.  Du  Bois-Reymond's  Arch.  1873.  H.  0.  - 
Siehe  auch  die  Literatur  d.  Pleuritis. 

Aetiologie. 

Der  Pneumothorax ,  die  Ansammlung  von  Gas  in  der  Pleurahöhle, 
eine  im  Kindesalter  selten  vorkommende  Krankheit ,  hat  sehr  verschie- 
denartige Entstehungsursachen.    Die  hauptsächlichsten  derselben  sind: 

1 )  Entzündliche  P  r  o  c  e  s  s  e  in  den  Lungen ,  welche  durch 
u  1  c  e  r  a  t  i  V  e  Zerstörung  oder  Schmelzung  der  Pleura 
pulmonalis  zum  Gasaustritt  in  die  Pleurahöhle  Veranlassung  geben. 
Hierher  gehören  die  verschiedenartigen  chronisch-pneumonischen  Vor- 
gänge, welche  zu  Destruction  mit  Bildung  vonCavernen,  Vomiken,  oder 
zur  eitrigen  Schmelzung  des  Infiltrates  führen,  die  lobulär-eitrigen  oder 
-käsigen  Pneumonien ,  wie  sie  im  Kindesalter  als  Ausgänge  der  Katar- 
rhalpneumonie besonders  nach  Masern  so  häufig  sind,  eitrige  oder  gan- 
gränöse Lungen-Embolie ,  metastatische  und  andere  Lungenabscesse, 
Lungengangrän. 

2)  Empyeme,  welche  nach  der  Lunge  durchbrechen.  (Näheres 
hierüber  S.  896.) 

3)  Traumen.  Wir  rechnen  hieher  auch  jenen  Pneumothorax,  der 
in  höchst  seltenen  Fällen  bei  Tussis  convulsiva  ,  als  Folge  sehr  stürmi- 
scher Hustenparoxysmen  beobachtet  wird.     Dem  Luftaustritt  in  die 


Lei  cht enster  n,  Krankheiten  der  Pleura.    Pneumothorax.  963 

Pleurahöhle  geht  in  diesen  Fällen  interlobuläres ,  subpleurales  Emphy- 
sem voraus.    Die  Rupturstelle  ist  wohl  meist  am  oberen  Lappen. 

Pneumothorax  durch  penetrireude  Brustwunden  erzeugt  ist  im  Kin- 
desalter selbstverständlich  eine  ausserordentliche  Seltenheit.  Am  ehe- 
sten kommt  noch  das  operative  Trauma  einer  ungeschickt  ausgeführten 
Thoracocentese  als  Ursache  eines  traumatischen  Pneumothorax  vor. 

Selten  sind  auch  die  Fälle,  wo  in  Folge  von  Contusio  thoracis 
(Sturz,  Verschüttung,  Ueberfahrenwerden)  Pneumothorax  entsteht.  Die 
Contusion  als  solche  genügt ,  auch  ohne  das  Mittelglied  einer  ßippen- 
haktur ,  Pleurazerreissung  mit  Luftaustritt ,  Pneumothorax  hervorzu- 
rufen. 

Man  hat  bis  in  die  jüngste  Zeit  angenommen,  dass  in  seltenen  Fäl- 
len auch  eine  spontane  Gasentwicklung  aus  faulenden  Empyemen  zu 
Pneumothorax  Veranlassung  gelten  könne.  Es  ist  höchst  unwahrschein- 
lich, dass  diess  je  vorkommt.  Die  Fälle ,  auf  welche  man  sich  in  dieser 
Hinsicht  beruft ,  lassen  sehr  wohl  eine  andere  Deutung  zu.  Dagegen 
entsteht  Pneumopyothorax  beim  Durchbruch  eines  Gas-haltigen  peri- 
typhlitischen Abscesses  in  die  Brusthöhle. 

Anatomisclier  Befund. 

Der  anatomische  Befund  beim  Pneumothorax  ist  verschieden  je 
nach  der  Natur  des  primären  Leidens,  das  ihn  veranlasst. 

Ist  die  Spannung  der  Luft  eine  grosse,  wie  beim  totalen  Pneumo- 
thorax ,  so  entweicht  sie  beim  Anstechen  der  Brust  mit  einem  kurzen, 
zischenden  Geräusch.  Man  findet  die  Lunge  zusammengefallen  oder 
comprimirt ,  als  einen  welken ,  luftleeren  Lappen  an ,  der  dem  Media- 
stinum und  der  Wirbelsäule  anliegt.  In  anderen  Fällen ,  z.  B.  wenn 
die  Lunge  vielseitig  verwachsen  ist,  oder  wenn  ein  abgesacktes  Empyem 
in  die  Lunge  durchbricht ,  ist  der  Pneumothorax  von  Anfang  an  ein 
circumscripter ,  abgesackter;  die  Quantität  und  Spannung  der  Luit  ist 
dann  oft  eine  so  geringe ,  dass  die  Sektion  die  Existenz  eines  Pneumo- 
thorax aus  leicht  begreiflichen  Gründen  nicht  mit  Sicherheit  zu  beweisen 
vermao- ;  die  während  des  Lebens  constatirten  physikalisch  -  diagnosti- 
schen Symptome  wiegen  in  einem  solchen  Falle  oft  schwerer. 

Der  Pneumothorax  führt  um  so  sicherer  zu  Pleuritis  mit  seropuru- 
lentem  oder  eitrigem  Exsudat  (Pyopneumothorax) ,  wenn  mit  dem  Ein- 
tritt der  Luft  in  den  Pleuraraum  auch  andere  Entzündungsreize  con- 
curriren,  Eintritt  von  Eiter,  von  brandigem  Cavernen-Inhalt,  von  Spalt- 
oder Fäulnisspilzen,  oder,  wie  beim  traumatischen  Pneumothorax,  einge- 
drungene Fremdkörper. 

61* 


964  KranMieiten  der  Athmungsorgane.    Pneumothorax. 

Der  Pneumothorax  ist  ein  totaler,  wenn  die  Lungen  gesund, 
nirgends  verwachsen,  retraktionsfähig  sind.  Der  vielseitigen  Adhäsionen 
wegen  ist  der  Pneumothorax  bei  chronischer  Lungenphthise,  oder  nach 
dem  Dui'chbruche  eines  Empyems  häufig  nur  ein  partieller. 

Die  Perforationsstelle  wird  nach  dem  Lufteintritt  in  die  Pleurahöhle 
in  Folge  des  CoUapses  oder  der  Compression  der  Lunge  alsbald  wieder 
verlegt  und  ist  in  der  Leiche  häufig  nicht  mehr  auffindbar. 

Die  Perforations-Stelle  der  Lungenpleura  ist,  gleich  nach  der  Ent- 
stehung des  Pneumothorax,  bei  jeder  Inspiration  für  die  Luft  durch- 
gängig, nicht  aber  bei  der  Exspiration,  wegen  ventilartigen  Abschlusses 
während  der  letzteren.  Jede  Inspiration  steigert  die  Luftmenge ;  die 
Exspiration  aber  kann  sie  nicht  nach  aussen  treiben  ;  daher  oft  die  enor- 
me Gasfülle  beim  totalen  Pneumothorax ,  daher  die  Lungencompression 
und  die  permanent  inspiratorische  Stellung ,  in  welche  die  betreffende 
Thoraxseite  successive  innerhalb  kurzer  Zeit  geräth. 

Die  Verdrängung  der  Nachbarorgane  des  Herzens,  des  Zwerch- 
felles ,  der  Leber ,  die  halbseitige  Thoraxektasie  erreicht  oft  beträcht- 
liche Grade.  Um  den  Grad  der  Diaphragma  -  Verdrängung  kennen  zu 
lernen,  ist  die  Untersuchung  derselben  von  der  Bauchhöhle  aus,  na- 
türlich vor  Eröffnung  der  Brusthöhle  vorzunehmen. 

Die  Luft  im  Pneumothorax  ist,  wenn  sie  einige  Zeit  dort  stagnirte, 
Sauerstoffarm,  CO^  und  Stickstofireich.  Dressler*)  fand  77,2  Vol.  p. 
Ct.  N,  14,7  C0^  8,1  0. 

Krankheitsbild,  Symptome  und  Ausgänge. 

Das  Kraukheitsbild  des  Pneumothorax  ist,  abgesehen  von  der  Ver- 
schiedenartigkeit des  Gruudleidens ,  hauptsächlich  davon  abhängig,  ob 
derselbe  ein  totaler  oder  ein  partieller  ist.  Gelangt  nur  ein  geringes 
Quantum  Luft  in  die  Pleurahöhle,  wie  bei  perforirendem  Empyem,  bei 
der  Operation  der  Thoracocentese ,  bei  ausgiebigen  Verwachsungen  der 
Lunge ,  so  ist  der  physikalisch  diagnostische  Nachweis  häufig  unmög- 
lich. In  solchen  Fällen  treten  keinerlei  stürmische  Erscheinungen  ein,  der 
Thorax  wird  nicht  erweitert ,  (er  kann  vielmehr  retrahirt  sein ,  wie  bei 
Phthisis  mit  Lungencirrhose) ,  auch  kommt  es  nicht  zu  Verdrängung 
der  Nachbarorgane.  Höchstens  kann  aus  den  Folgen  ,  z.  B.  aus  der 
Verjauchung  eines  Empyemes  auf  stattgehabte  Perforation  mit  Luft- 
eintritt geschlossen  werden.  Die  Wahrscheinlichkeit,  dass  Pneumotho- 
rax besteht,  wird  gross,  wenn  z.  B.  bei  einem  nach  den  Lungen  durchge- 
brocheneu Exsudate ,  während  plötzlich  reichliche  eitrige  Sputa  expek- 


*)  Prag,  medic.  Wochenschr.  1864.  33. 


L  ei  cht  enst  er  n,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.  965 

torirt  werden ,  an  der  oberen  Exsudatgrenze  heller ,  vielleicht  hoher 
tympanitischer  Schall  erscheint,  da,  wo  vorher  absolute  Dämpfung  exi- 
stirte.  Wird  diese  Stelle  sofort  gedämpft,  wenn  der  Kranke  aus  der 
sitzenden  Stellung  in  die  halbe  Rückenlage  zurückkehrt,  und  senkt  sich 
in  demselben  Momente  die  vordere  Exsudatgrenze  etwas  nach  abwärts,  so 
spricht  ein  so  prompter  Wechsel  der  Dämpfungsgrenze  in  hohem  Masse 
für  das  Vorhandensein  von  Luft  im  Pleuraräume,  besonders,  wenn  nach- 
gewiesen ist ,  dass  vorher  ein  Wechsel  der  Exsudatgrenze  beim  Liegen 
imd  Sitzen  nicht  vorhanden  war.  Absolut  sicher  wird  dieser  Schluss, 
wenn ,  wie  in  einem  von  mir  publicirten  Falle  *) ,  die  Plessimeter-Stäb- 
chenpercussion  bei  gleichzeitiger  Auscultation  metallisch  resonirenden 
Klang  erzeugt.  Andere  metallische  Phänomene  fehlen  bei  diesen  ge- 
ringen Graden  von  Pneumothorax  oft  gänzlich. 

Anders  verhält  es  sich  beim  totalen  Pneimiothorax.  Die  Erschei- 
nungen der  höchstgradigen  Dyspnoe  und  Cyanose ,  der  Kleinheit  und 
Frequenzsteigerung  des  Pulses,  der  Ausweitung  (Ektasie)  der  betreffen- 
den Thoraxseite,  der  Verdrängung  der  Nachbarorgane,  des  Herzens,  der 
Leber ,  treten  hier  in  so  stürmischer  Weise  ein  ,  dass  wir ,  wenn  diese 
Erscheinungen  plötzlich  bei  einem  Phthisiker  oder  nach  einer  schweren 
Contusion  des  Thorax  auftreten,  sofort  an  Pneumothorax  denken. 

Die  Erscheinungen  sind  um  so  stürmischer  und  schwerer,  je  ge- 
sünder die  Lunge  ist,  welche  durch  den  Eintritt  des  Pneumothorax  aus- 
ser Function  gesetzt  wird ,  sie  sind  um  so  schwerer ,  je  mehr  auch  die 
Lunge  der  anderen  Seite,  wie  z.  B.  bei  Phthisis,  verändert  und  functions- 
imfähig  ist.  Je  grösser  der  Bruchtheil  ist,  um  welchen  die  athmende  Ge- 
sammtoberfläche  durch  den  Hinwegfall  der  Function  einer  Lunge  ver- 
kleinert wird,  um  so  intensiver  ist  die  Dyspnoe,  Cyanose,  um  so  schwerer 
das  ganze  Symptomeubild. 

Nur  zwei  Beispiele  aus  meiner  Praxis  als  Belege  für  das  Gesagte: 
1)  Ein  Phthisiker,  den  ich  auf  Lind  wurm 's  Klinik  (1870)  behandelte, 
wurde  in  der  Nacht,  unmittelbar  nach  einem  Hustenanfall,  plötzlich  tief 
cyanotiseh  und  starb,  ehe  ich  noch  an  das  Krankenbett  kam.  Ich  con- 
ötatirte  an  der  Leiche  durch  Percussion  bei  gleichzeitiger  Auscultation 
die  Gegenwart  eines  rechts  seifigen  Pneumothorax.  Die  Section  be- 
stätigte diess  und  lehrte,  dass  die  linke  Lunge  hochgradig  verändert 
nur  °noch  zum  geringsten  Theil  lufthaltig  war ;  die  rechte  Lunge  war 
collabirt,  sonst  aber  mit  Ausnahme  einiger  weniger  lobulärer  käsiger  In- 
filtrationen lufthaliig  und  intakt.  2)  Bei  einem  Phthisiker  der  hiesigen 
medicinischen  Klinik  entdeckte  ich  ,  nachdem  ich  den  Kranken  mehrere 
Tage  nicht  mehr  untersucht  hatte,  einen  Pneumothorax  der  rechten 
Seite.     Der  Eintritt  desselben  war  dem  Kranken  unvermerkt   geblieben, 


*)  Berl.  klin.  Wochenschrift  1874.  üo.  40.  S.  A.  S.  4. 


966  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pneumotliorax. 

weil  die  rechte  Lunge  hochgradig  verändert,  längst  nur  mehr  sehr  un- 
vollständig functionirt  hatte.  Die  ganze  linke  Lunge  war  bei  diesem 
Kranken  normal. 

Die  nachtheilige  Beeinflussung  der  Circulation  uud  Athmung  durch 
den  Pneumothorax  ist  um  so  hochgradiger,  je  stärker  der  Druck  ist,  unter 
welchem  das  Gas  steht.  Es  gilt  hinsichtlich  dieser  Verhältnisse  das  Gleiche, 
was  wir  über  die  nachtheiligen  Folgen  des  Druckes  gi'osser  pleuritischer 
Exsudate  aut  die  Pulmonalgefässe  der  compriniirten  Lunge,  auf  das 
Herz  und  die  grossen  Gefässstämme  oben  ausführlich  erörtert  haben. 

Die  Erscheinungen  des  totalen  Pneumothorax  sind  so  ausserordent- 
lich prägnant,  dass  die  Diagnose  desselben  zu  den  leichtesten  gehört. 
Der  Anfang  der  Krankheit  ist  ein  plötzlicher.  Manche  Kranke  geben 
an ,  im  Momente  des  Luftaustrittes  die  Empfindung  gehabt  zu  haben, 
als  sei  ihnen  etwas  in  der  Brust  zerrissen.  Der  Kranke  wird  sofort  von 
einer  qualvollen  Dyspnoe  befallen ,  er  ist  cyanotisch,  der  Puls  bei  man- 
gelhafter Füllung  des  linken  Herzens  sehr  klein  und  frequent ;  arterielle 
Hirnanämie  hat  mitunter  Ohumachtsanfälle  zur  Folge;  der  Kranke  ist 
collabirt,  seine  Temperatur  meist  subnormal,  seine  Extremitäten  fühlen 
sich  ,  wegen  der  verlangsamten  Circulation ,  kühl  an.  Die  betreffende 
Thoraxseite  ist  erheblich  erweitert,  in  permanent-inspiratorischer  Stel- 
lung ;  die  Intercostalräume  sind  breit ,  verstrichen  oder  selbst  vorge- 
wölbt ;  die  kranke  Seite  ist  respiratorisch  inaktiv. 

Die  P  er  c  u  SS  ion  beim  Pneumothorax  giebt  einen  intensiven,  so- 
noren Schall.  Dieser  Schall,  gleichzeitig  neben  Ektasie  und  Athmungs- 
stillstand  der  Seite ,  ist  eigentlich  schon  bev/eisend  für  Pneumothorax. 
Der  Percussiousschall  ist  meist  nicht  klingend  ,  zuweilen  tief  tympani- 
tisch ;  ersteres  wenn  die  Thoraxwand  stark  gespannt  ist,  letzteres  wenn 
der  Luftdruck  im  Pneumothorax  dem  atmosphärischen  annähernd  gleich 
ist.  Nur  in  den  seltensten  Fällen  ist  der  gewöhnliche  Percussionsschall 
von  einem  in  die  Entfernung  vernehmbaren  metallischen  Nachklingen 
begleitet.  Diess  kommt  nur  bei  sehr  dünnwandigem  mageren  Thorax  vor. 
Legt  man  aber  das  <Jhr  an  die  Brustwand ,  während  in  gewöhnlicher 
Weise  percutirt  wird,  so  vernimmt  man  neben  dem  nicht  tympanitischen 
oder  tympanitischen  Schall  ein  deutliches  metallisches  Nachklingen. 
Noch  deutlicher  und  schöner,  zuweilen  überhaupt  erst  auf  die- 
sem Wege  nachweisbar,  wird  dieser  percussorische  Metallklang, 
wenn  man  den  Plessimeter  anlegt  und  mit  einem  harten  Holzstäbcheu 
percutirt,  während  man  gleichzeitig  auscultirt  (Plessim  et  er-Stäb- 
chenpercussion);  dann  ist  jedes  noch  so  leise  Beklopfen  des  Plessi- 
meters von  reiner  metallischer  Resonanz  begleitet. 

Hat  sich  Exsudat  zum  Pneumothorax  hinzugesellt,  so  ergibt  die 


Leichtenstorn,  Krankheiten  der  Pleura.    Symptome.  967 

Percussiou  Dämpfung  in  den  abhängigen  Tlioraxparthieen  und  zwar  eine 
in  jeder  Stellung  des  Kranken  horizontal  verlaufende  obere  Dämpfungs- 
grenze. Diese  durch  Percussion  leicht  nachweisbare  freie  Beweglichkeit 
der  Flüssigkeit  ist  eines  der  schätzbarsten  Zeichen  des  Pyopneumo- 
thorax. 

Hinsichtlich  der  durch  Percussion  und  Palpation  nachweisbaren 
Verdrängung  der  Nachbarorgane  ,  des  Herzens,  der  Leber,  gilt  das 
Gleiche ,  was  wir  oben  bei  der  Verdrängung  dieser  Organe  durch  pleu- 
ritische  Exsudate  ausführlich  erörtert  haben. 

Bei  der  A  u  s  c  u  1 1  a  t  i  o  n  ist  das  auffallendste  Zeichen  die  voll- 
ständige Abwesenheit  von  Vesiculär-Athmen.  Anstatt  dessen  vernimmt 
man  Verschiedenes.  Zuweilen  fehlt  jedes  Respirations-Geräusch.  In 
anderen  Fällen  spielt  der  Pneumothorax  die  Rolle  eines  Resonanzraumes ; 
das  in  den  grossen  Bronchien  und  in  der  benachbarten  Lunge  entste- 
hende Athmungsgeräusch  ruft  eine  schwache,  nicht  metallische,  son- 
dern einfach  klingende  Resonanz  hervor;  man  vernimmt  ein  sehr 
leises,  wie  aus  weiter  Entfernung  hergeleitetes,  seinem  Charakter  nach 
weiches  bronchiales ,  langsam  verklingendes  Athmen.  In  wieder  an- 
deren Fällen  ruft  das  benachbarte  Athmungsgeräusch  metallische 
Resonanz  hervor;  wir  hören  ein  leises ,  hohes,  metallisch  klingendes 
Athmen ,  ein  von  hohem  metallischem  Nachklingen  begleitetes  Sausen. 
In  solchen  Fällen  rufen  auch  andere  Cieräusche  und  Klänge ,  die  in  der 
Nachbarschaft  entstehen  ,  metallische  Resonanz  hervor ,  so  die  Stimme, 
der  Husten,  das  Geräusch  beim  Schlucken  von  Flüssigkeiten ,  Rasselge- 
räusche, die  in  der  benachbarten  Lunge  entstehen,  zuweilen  selbst  die 
Herztöne. 

Ist  Pyopneumothorax  zugegen,  so  ruft  die  Succussion  des  Kranken 
die  bekannten  plätschernden  Geräusche  und  Klänge,  einfach-  und  me- 
tallisch-klingende ,  hervor.  Dieselben  sind  oft  in  die  Entfernung  ver- 
nehmbar, und  der  Kranke  macht  selbst  auf  sie  aufmerksam.  Durch  lang- 
sames Hin-  und  Herwiegen  desselben  kann  man  zuweilen  grosse ,  lang- 
sam wiederkehrende  Wellen  erzeugen ;  dann  fühlt  nicht  allein  die  pal- 
pirende  Hand  das  Anschlagen  des  Wellenberges  an  den  Thorax  (Fluc- 
tuation) ,  sondern  auch  das  angelegte  Ohr  vernimmt  im  gleichen  Mo- 
mente einen  kurzen  Anschlage -Ton. 

Erwachsene  werden  auf  diese  fühlbare  Fluctuation  in  ihrer  Brust 
bei  Bewegung,  oft  von  selbst  aufmerksam,  und  schildern  das  Phänomen 
in  drastischer  Weise. 

Der  S  t  i  m  m  f  r  e  m  i  t  u  s  ist  entweder  ganz  aufgehoben  oder  doch 
erheblich  abgeschwächt. 

Bei  Auscultation  L.  H.  U.  werden  plätschernde  Geräusche  und  Klänge, 


968  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Pneumothorax. 

welche  im  Magen  entstehen,  oft  weit  hinauf  am  Thorax  wahrgenommen, 
besonders  bei  Hochstand  des  Zwerchfelles,  z.  B.  bei  linksseitiger  Lungen- 
schrumpfung, bei  Eetröcissement  nach  Pleuritis.  Es  ist  bei  einiger  Uebung 
und  Aufmerksamkeit  wohl  kaum  annehmbar,  dass  auf  diese  Weise  eine 
Verwechslung  mit  Pneumothorax  vorkommen  kann.  Schwieriger  dagegen 
ist  die  Unterscheidung  desselben  von  einer  Hernia  diaphragmatica. 

Beim  Pneumothorax  durch  ßippenbruch  entsteht  zuweilen  in  Folge 
der  gleichzeitigen  Perforation  der  Costalpleura  Haut-Emphysem,  das  sich 
binnen  Kurzem  über  eine  grosse  Strecke  des  Rumpfes  verbreiten  und  einen 
erheblichen  Grad  erreichen  kann. 

Die  Ausgänge  des  Pneumothorax  sind  verschieden  je  nach  der 
Ursache,  welche  diesen  herbeiführte. 

In  vielen  Fällen,  so  namentlich  bei  Phthisikern,  bildet  der  Pneumo- 
thorax das  letzte  Glied  einer  langen  Kette  von  Leiden.  Der  Kranke 
collabirt  und  stirbt  schon  wenige  Stunden  nach  Eintritt  des  Pneumo- 
thorax sufFocatorisch.  In  anderen  Fällen  dagegen  wird  dieser  chronisch, 
und  längere  Zeit,  selbst  ohne  erhebliche  Beschwerden  ertragen.  Diess 
ist  der  Fall,  wenn  der  Pneumothorax  jene  Lunge  ausser  Function  setzt, 
die  zur  Befriedigung  des  Athembedürfnisses  ohnediess  nur  wenig  mehr 
beigetragen  hatte.  ( Vergl.  hinsichtlich  dieses  Verhaltens  die  auf  S.  965 
beschriebenen  Fälle.) 

In  manchen  Fällen  von  traumatischem  Pneumothorax,  besonders  in 
solchen ,  die  durch  Contusion  ohne  Rippenbruch  entstanden ,  wird  zwar 
ein  sehr  ernstes  Symptomenbild,  zuweilen  selbst  die  Gefahr  der  Suffo- 
cation  und  schwerer  CoUaps  unmittelbar  hervorgerufen ;  dennoch  ist  die 
Prognose  in  diesen  Fällen  im  Allgemeinen  eine  günstige.  Die  Symptome 
von  Athmungsinsufficienz  und  gestörter  Circulation  pflegen  sich  alsbald 
zu  massigen ,  die  Resorption  macht  rasche  Fortschritte  und  oft  kommt 
es,  wie  Beobachtungen  lehren,  nicht  einmal  zur  Bildung  einer  nachweis- 
baren Exsudatmenge.  Die  Heilung  ist  eine  vollständige  und  vollzieht 
sich  in  glücklichen  Fällen  innerhalb  einer  Woche. 

In  zahlreichen  anderen  Fällen  führt  der  Pneiimothorax  zur  Bildung 
serös-eitriger  oder  rein  eitriger  Exsudate ;  die  Luft  wird  allmählig  auf- 
gesaugt, während  eitriges  Exsudat  an  deren  Stelle  tritt.  Der  Pneumo- 
thorax nach  Durchbruch  eines  Enipyemes  in  die  Lungen  oder  nach 
aussen ,  der  Pneumothorax  nach  einer  ohne  genügende  Cautelen  aus- 
geführten Thoracocentese  kann  Verjauchung  des  Empyemeiters  im  Ge- 
folge haben. 

Therapie, 

Drohende  Asphyxie  indicirt  die  Function  des  Pneumothorax  mit 
einem  capillären  Troikart.    Wir  bewerkstelligen   dadurch  zwar  nicht 


Leichtenstera,  Krankheiten  der  Pleura.    Therapie.  969 

die  Wiederausdehnung  der  zusammengefallenen  Lunge,  wir  vermin- 
dern aber  den  nachtheiligen  Druck,  welchen  die  im  Pneumothorax 
angesammelte  Luft  auf  die  Lungen  und  deren  Gefässe,  auf  das  Herz  und 
die  grossen  Gefässstämme  ausübt.  Die  Function  vermindert  die  Circu- 
lationshindernisse,  vergrössert  aber  nicht  die  athmende  Oberfläche.  In- 
dem aber  die  Function  den  grossen  intrathoracischen  Druck  aufhebt, 
vermindert  sie  die  Spannung  und  Verdrängung  der  Thoraxwand  und 
des  Zwerchfelles.  Beide  kehren  aus  ihrer  extrem-inspiratorischen  Stel- 
lung wenigstens  zum  Theil  wieder  in  ihre  Normallage  zurück ;  Thorax- 
wand und  Zwerchfell  können  nun  wieder  Athmungsexcursionen  aus- 
führen und  damit  für  die  Wiederentfaltung  der  collabirten  Lunge  wir- 
ken ,  freilich  unter  einer  Voraussetzung ,  dass  nämlich  die  Ferforations- 
stelle  der  Fleura  verklebt  ist. 

Die  Function  muss  so  oft  wiederholt  werden ,  als  sich  der  frühere 
Druck  durch  Aspiration  neuer  Gase  wiederherstellt  und  mit  Asphyxie 
droht.  Gegen  den  Collaps  und  die  Herzschwäche  sind  Reizmittel  am 
Platze. 

In  einem  Falle  von  totalem  traumatischem  Pneumothorax,  den  ich 
beobachtete,  trug  die  Anwendung  grosser  Eiscompressen  wesentlich  zur 
Erleichterung  des  Kranken  bei.  Sie  verdienen  zur  Abkühlung  der  Luft 
und  Spannungsverminderung  derselben  wenigstens  versucht  zu  werden. 

Ist  der  Pneumothorax  abgesackt ,  übt  er  keinen  besonders  nach- 
theiligen Druck  auf  Lungen  und  Herz  aus,  so  ist  auch  die  Function  nicht 
angezeigt.  Sammelt  sich  späterhin  allmählig  Exsudat  an,  in  dem  Maasse, 
als  die  Luft  resorbirt  wird ,  so  fällt  die  Indication  zur  Thoracocentese 
oder  Radicaloperation  mit  der  oben  geschilderten  des  Empyemes  zu- 
sammen. 

Ist  ein  Empyem  nach  innen  durchgebrochen  und  Luft  in  die 
Pleurahöhle  gedrungen,  so  sei  man,  wenn  nicht  Asphyxie  droht,  mit  der 
Operation  nicht  voreilig.  Die  Heilung  kann ,  wie  zahlreiche  Beobach- 
tungen lehren,  durch  allmählige  Verkleinerung  der  eröffneten  Empyem- 
höhle  mit  Verdrängung  der  Luft  und  des  Eiters,  der  expektorirt  wird, 
sicher  erfolgen.  Treten  aber  Zeichen  von  Putrescenz  des  Empyemeiters 
auf,  steigert  sich  das  Fieber ,  nimmt  der  Kräftezustand  ab  statt  zu ,  so 
zögere  man  nicht  lange  mit  der  Radicaloperation. 

Eine  wichtige  Indication  ist,  durch  zweckmässige  Darreichung  von 
Opiaten  (Morphin-Injectionen)  die  Beschwerden  des  Kranken,  die  qual- 
volle Athemnoth  desselben  zu  vermindern.  Nicht  selten  ist  diess ,  wie 
bei  Fhthisikern,  die  in  extremis  liegen,  unsere  einzige  Aufgabe. 

Wiederholt ,  z.  B.  in  Fällen  von  totalem ,  traumatischem  Pneumo- 
thorax ,  überzeugte  ich  mich ,  dass  mit  der  Beruhigung  des  Kranken 


970  Krankheiten  der  Alhmungsorgane.     Pneumotliorax. 

durch  eine  Morphin-Injection  die  zumTheil  nervöse  Präcipitation 
der  Atliemzüge  sich  mässigte,  die  Cyanose  sich  verminderte ,  der  Puls 
kräftiger  und  der  ganze  Zustand  des  Kranken  ein  besserer  w^urde. 

Neubildungen  der  Pleura. 

Unter  den  e  n  t  z  ü  n  d  1  i  cli  e  n  N^-ubildungen  der  Pleura  haben 
wir  die  fibrinösen  Verdickungen ,  die  bindegewebigen  Pseudoligamente 
und  Pseudomembranen  als  Ausgänge  der  Pleuritis  kennen  gelernt. 

Ihnen  folgen  in  der  absteigenden  Häufigkeits-Skala  die  Pleura- 
Tuberkel.  Sie  treten  entweder  als  Theilerscheinung  der  acuten  allge- 
meinen Miliar-Tuberculose  auf,  oder  secundär ,  im  Gefolge  von  Tuber- 
culose  benachbarter  Organe ,  so  besonders  der  Lungen ,  der  bronchialen 
Lymphdrüsen ,  des  Peritonemns.  Die  Pleuratuberkel  machen  keine  an- 
deren Erscheinungen  als  die  der  Pleuritis  sicca  oder  exsudativa,  die 
sie  hervorrufen.  HämoiThagische  Exsudate  sind  dabei  häufig  anzutreffen. 
Treten  Erscheinungen  von  Pleuritis  bei  einem  Kranken  mit  Lungentu- 
berculose  oder  tuberculöser  Peritonitis  auf,  so  wird  der  Schluss,  dass  die 
Pleuritis  durch  die  tuberculös-entzündlichen  Processe  in  den  Lungen  oder 
im  Peritoneum  hervorgerufen  sei ,  wohl  stets  erlaubt  sein ,  nicht  aber 
der  Schluss ,  dass  die  Pleuritis  nun  auch  mit  Tuberkelentwicklung  auf 
der  Pleura  einhergehe. 

Cysten  der  Pleura  sind  zuweilen  primär  entstanden ;  sie  stellen 
dann  meist  Lymph-Retentions-  oder  Cysticercus-Cysten  dar,  die  ob  ihrer 
Kleinheit  nie  zu  Symptomen  während  des  Lebens  Veranlassung  geben. 

Echinococcus-  Cysten  gelangen  von  der  Leber  aus ,  ent- 
weder auf  embolisehem  Wege  in  diu  Lungen  und  von  hier  in  die  Pleura, 
oder  sie  durchbrechen  das  Zwerchfell ;  die  Tochterblasen  entleeren  sich 
mit  dem  wässrigen  Inhalt  der  Mutterlilase  in  den  rechten  Pleurasack 
und  rufen  die  Symptome  eines  ))leuritischen  Exsudates  hervor.  Pri- 
märer Echinococcus  der  Lungen  und  secundär  der  Pleura  ist  selten. 
Die  Diagnose  kann  gestellt  werden ,  wenn  Trtimmer  von  der  Chitin- 
MemViran  der  Blasenwand  des  Ecchinococcus  per  Sputum  entleert  werden, 
oder  wenn  die  Punction  eines  vermeintlichen  Pleuraexsudates  ein  Eiweiss- 
freies  Pluidum,  mit  den  übrigen  microscop.  Kennzeichen  des  Echinococcus 
liefert.  Fälle  von  secundärem  Pleura-Ecchinococcus  sind  bei  einem  12  Jäh- 
rigen von  Gerhardt*),  bei  13—15  Jährigen  von  D  a  r  b  e  z  **)  und 
Roger  ***)  beobachtet  worden.  Eine  congenitale  Haar-  und  Knochen- 
cyste  der  Pleura  beschreibt  B  ü  c  h  n  e  r  f). 

Carcinome,  Sarkome,  Enchondrome  der  Pleura  gehören 
zu  den  grössten  Seltenheiten  ff) ;  sie  treten  vielleicht  niemals  primär, 
stets    secundär    im  Gefolge    von  Krebs   des   Mediastinums ,    der  Lymph- 


*)  1.  c.  S.  387. 
**)  l'Union  1866.  117. 
***)  Gaz.  hebet.  1861.  VIII.  —  Gaz.  des  hop    1861.  137. 

t)  Deutsche  Klinik  1853.  28. 

ttj  Siehe  die  Zusammenstellung  der  Casuistik   bei  A.  Steffen,    Klin.  d. 
Kinderkrankh.  IL  Bd.  S.  440  ff. 


Leichtenstern,  Krankheitender  Pleura.    Hernia  phrenica.  971 

drüsen,  der  Lungen,  des  Peritoneums,   der  Leber  etc.   auf.    Hämorrha- 
gische Transsudate  begleiten  gewöhnlicli  den  PJeurakrebs. 

Hernia  phrenica  s.  diaphragmatica. 

Leichtenstern,   in  Ziemssen's  Hdb.  d.  spec.   Path.   u.  Therap.   VII. 
Bd.  2.  S.  460.  ^ 

Die  Hernia  diapbragmatica  im  Kindesalter  ist  fast  ausnahmslos  eine 
c  0  n  g  e  n  i  t  a  1  e.  Sie  beruht  auf  angebomen  Defecten ,  auf  unvollstän- 
diger Bildung  einzelner  Theile  des  Zwerchfelles.  In  den  höchsten  Graden, 
so  besonders  bei  anencephalen ,  hemicephalen  Missgeburten  ,  fehlt  eine 
Zwerchfellshälfte,  oder  das  ganze  Zwerchfell,  von  dem  nur  einige  Eudi- 
mente  der  pars  caraosa  vorhanden  sind. 

Auch  sonst  verbindet  sich  mit  congenitalen  Zwerchfellsdefekten  Spalt- 
bildung anderer  Organe,  so  der  Lippen,  der  Kiefer,  des  Gaumens  nicht 
selten.  Die  Lücke  im  Zwerchfell  betrifft  bald  den  tendinösen  Theil,  das 
sogenannte  Speculum  Helmontii ,  bald  den  carnösen ,  bald  beide  gleich- 
zeitig. Spaltförmige  Defeote  befinden  sich  besonders  gerne  im  carnösen 
Theü. ,  z.  B.  zwischen  dem  Lumbar-  und  Costal-Theil  des  Zwerchfells- 
muskels, zwischen  der  Portio  sternalis  und  der  ersten  Costalzacke  des- 
selben. 

Bei  grös.?eren  Defekten  mit  Einlagerung  zahlreicher  Baucheinge- 
weide in  die  Brusthöhle  werden  die  sonst  wohl  gebildeten  und  kräftig 
entwickelten  Kinder  todt  oder  im  höchsten  Grade  asphyktisch  geboren, 
und  sterben  meist  wenige  Stunden  post  partum.  Ist  der  Zwerchfellsde- 
fekt geringgradig ,  sind  nur  wenige  Baucheingeweide  ektopirt ,  so  kann 
das  Leben  längere  Zeit  unter  Dyspnofe' ,  Cyanose  fortbestehen.  Ja  der 
spaltförmige  Defekt  kann  congenital  vorhanden  sein  ohne  Ektopie  von 
Baucheingeweiden ;  diese  treten  erst  später  einmal  auf  irgend  eine  Ver- 
anlassung bin  (Trauma,  Hustenparoxysmen,  stürmische  Brechbewegungen 
etc.)  in  die  Brusthöhle  und  bedingen  acute  Cyanose  und  die  schwerste  Dys- 
pnoe *).  In  den  meisten  Fällen  ist  der  Defekt  ein  totaler,  so  dass  Brust- 
und  Bauchhöhle  unmittelbar  mit  einander  communiciren ;  in  selteneren 
Fällen  ist  ein  von  Pleura  und  Peritoneum  gebildeter  Bruchsack  vorhan- 
den, der  durch  die  Zwerchfellslücke  hindurch  in  die  Brusthöhle  aufsteigt 
und  die  dahin  ektopirten  Baucheingeweide  nach  Art  eines  Bruchsackes 
allseitig  umgiebt  (Hernia  vera).  Einen  interessanten  Fall  dieser  Ai-t 
beobachtete  Feiler**)  bei  einem  8V2   Pfd.  schweren  Neugeborenen. 

Der  congenitale  Defekt  betrifft  häufiger  die  linke  als  rechte  Zwerch- 
fells -  Hälfte.  Daher  werden  Magen ,  Colon  ,  Dünndarm  ,  Milz  am  häu- 
figsten als  dislocirte  Organe  angetroffen.  Congenitale  Defekte  der  rechten 


*)  Wegscheider  und  Patsch  (Monatsschrift  f.  Geburtsk.  u.  Frauenkr. 
IX.  1857.  S.  167)  erzählen  den  Fall,  wo  ein  Sjähriger  Knabe  plötzlich  unter 
allen  Erscheinungen  der  inneren  Incarceration  erkrankte  und  zu  Grunde  ging. 
Durch  eine  congenitale  Spalte  der  linken  Zwerchfellshälfte  war  der  Magen  in 
die  Brusthöhle  getreten,  in  der  Spalte  eingeklemmt  worden  und  hatte  Peri- 
tonitis hervorgerufen.  Ueber  andere  ähnliche  Fälle  siehe  meine  Arbeit  über 
diesen  Gegenstand  1.  c.  S.  46-1. 

**)  Monatsschrift  f.  Geburtsk.  u.  Frauenkrankh.  IX.  1857.  S.  161. 


972  Krankheiten  der  Athmungsorgane.   Hernia  phrenica. 

Zwercbfellshälfte  kommen  häufiger  als  Hemiae  verae  vor  und  gehen 
dann  mit  eigenthümlicher  congenitaler  Verbildung  der  Leber  einher, 
welche  Thurmähnliche,  Rüssel-  oder  Zapfenförmige  Fortsätze  in  den  in 
der  Brusthöhle  liegenden  Bruchsack  schickt. 

Die  Diagnose  der  Zwerchfellshernie  kann   unter  günstigen  Umstän- 
den gestellt  werden. 


DIE 

EEKEAMUNGEN  DER  BRONCHIALDRÜSEN 


VON 


Dr.  W.  WIDERHOFER, 

PEOFESSOR  IN  WIEN. 


Die  Uebersclirift  dieses  Abschnittes  möge  ihre  Rechtfertigung  in 
dem  bisherigen  allgemein  üblichen  Gebrauche  finden.  — 

Diesem  zufolge  sollte  man  nur  jene  Drüsen  in  die  Besprechung 
ziehen,  die  in  nächster  Nachbarschaft  der  beiden  Hauptbronchien  und 
deren  weiterer  Verästelung  im  Lungenparenchyme  liegen.  — 

So  enge  können  jedoch  die  Gränzen  unserer  Arbeit  nicht  gesteckt 
sein.  —  Dieselbe  wäre  viel  richtiger  überschrieben  :  »Erkrankungen 
d  e  r  i  n  t  r  a  t  h  o  r  a  c  i  s  c  h  e  n  Drüsen.«  —  Freilich,  da  wir  ausschliess- 
lich nur  vom  Kindesalter  sprechen,  müssten  wir,  um  strenge  consequeiit 
zu  bleiben ,  die  Thymus  namentlich  ausschliessen. 

Alle  diese  Drüsen  stehen  in  innigster  Beziehung  zu  dem  grossen 
Lymphstamme,  viele  zu  den  grossen  Athmungscanälen  und  Blutgefässen, 
viele  und  zwar  speciell  die  Bronchial-Drüsen  zu  dem  Lungengewebe 
selbst.  Die  Folge  wird  es  lehren  ,  wie  hoch  deren  Beziehung  zu  den 
grossen  Nerven ,  die  den  Thorax  durchziehen ,  dem  Sympathicus,  Phre- 
nicus ,  vor  Allem  aber  dem  Vagus  und  seinen  Aesten  besonders  im  er- 
krankten Zustande  anzurechnen  ist,  wenn  auch  deren  nähere  Beziehung 
zu  den  übrigen  Organen  im  Brustkorbe :  Oesophagus ,  Pericardium, 
Pleura,  Zwerchfell,  Zellgewebe  etc.  .  .  .  eine  mehr  untergeordnete  Fiolle 
spielen  wird.  — 

Wer  nur  einigermassen  Kinder  am  Krankenbette  oder  noch  mehr 
am  Secirtische  studirt  hat,  dem  wird  wahrhaft  kein  Zweifel  auftauchen 
über  die  hervorragend  wichtige  Rolle ,  welche  die  Erkrankung  dieser 
Drüsen-Gruppe  in  der  Pädiatrik  beanspruchen  muss.  —  An  sich  schon 
ihre  ihnen  innewohnende  Bedeutung  für  die  Blutbereitung  im  allgemei- 
nen wäre  Grund  genug.  Ihre  Erkrankung  bringt  in  erster  Linie  leicht 
Erkrankungen  der  Lunge  mit  sich  und  'bildet  häufig  genug  den 
Ausgangspunkt  eines  deletären  Processes  für  den  ganzen  Organismus. 
Ihre  normale  Beschaffenheit  ist  der  Prüfstein,  —  fast  möchte  ich  sagen 
der  richtigste  —  für  die  Gesundheit ,  für  das  Gedeihen  und  für  die  Re- 
sistenzfähigkeit des  kindlichen  Individuums  in  allen ,  wie  immer  gear- 
teten schweren  ,  das  Leben  bedrohenden  Erkrankungen.  — 


976  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Bronchialdrüsen. 

All  diess,  um  nicht  weitläufig  zu  werden,  wird  im  Folgenden  seine 
Berücksichtigung  wenigstens  anführungsweise  finden. 

Historischer  üeberblick. 

Ganz  merkwürdiger  Weise  scheint  der  Erkrankung  der  Bronchial- 
drüsen bis  zum  Niedergange  des  vorigen  Jahrhunderts  wenig  Aufmerk- 
samkeit geschenkt  worden  zu  sein. 

Nach  den  Angaben  Barety's  mag  Lalouette  1780  der  Erste 
gewesen  sein ,  der  in  seinem  Traite  des  scrofules  der  Drüsenerkrankun- 
gen in  pathologisch  anatomischer ,  wie  symptomatischer  Beziehung  er- 
wähnt. —  Nach  den  Angaben ,  die  wir  dem  obigen  Autor  verdanken^ 
hat  dieser  in  wahrhaft  überraschender  Weise  die  Leichenbefunde,  Sym- 
ptome und  deren  Deutungen  berührt.  Er  spricht  von  geschwellten  bis 
auf  das  drei-  und  vierfache  ihres  Volumens  vergrösserten ,  entzündeten, 
indurirten  und  vereiternden  inneren  Drüsen,  besonders  Bronchialdrüsen, 
und  zwar  der  Kindheit  bis  zur  zweiten  Zahnung,  ja  selbst  von  verkrei- 
deten Drüsen. 

Er  spricht  auch  von  Abscessbildung  im  umgebenden  Zellgewebe 
mit  Entleerung  des  Eiters  in  die  Lunge ,  oder  an  deren  Oberfläche  *). 

Er  spricht  dabei  von  Veränderungen  der  Stimme,  von  Asthma,  von 
Pertussis  ähnlichem  Husten,  von  habitueller  Oppression,  Gesichtsödera, 
ja  sogar  von  Compression  der  Nerven  durch  dieselben  **). 

Rilliet,  Barthez  und  B  a  r  e  t  y  sind  darin  einig,  dass  die  ersten 
bahnbrechenden  Arbeiten  über  dieses  Capitel  noch  später  erschienen 
und  zwar  war  der  erste  unter  den  Franzosen  :  »Lebion  d  im  Jahre 
1824  mit  seiner  Inauguraldissertation:  sur  une  espece  de  phthisie  par- 
ticuliere  aux  enfants,  Paris  1824«,  unter  den  Deutschen:  Becker  mit: 
»De  glandulis  thoracis  lymphaticis  atque  Thymo  specimen  pathologicum 
Berolini  1826«. 

Sie  erhärteten  ihre  Ansichten  durch  darauf  bezügliche  interessante 
Krankenbeobachtungen  und  handelten  das  Thema  unter  dem  Namen  : 
B  r  o  n  c  h  i  a  1  p  h  t  h  i  s  e  ab.  — 

Nun  folgten  schon  Arbeit  auf  Arbeit ,  Autor  auf  Autor ,  die  alle 
speciell  anzuführen  unsere  Arbeit  zu  weit  ausdehnen  würde ;  wir  nennen 
daher  nur  als  die  für  die  Pädiatrik  hervorragendsten  die  Arbeiten  von 


*)  A  l'ouverture  des  cadavres  on  trouve  presque  toujours  les  glandes  qui 
accompagnent  la  trache'e-artere  et  ces  divisions  et  Celles  de  l'oesophage  tume- 
fi^es,  et  si  gonfle'es  que  leur  volume  excpde  trois  ou  quatrefois  celui  de  l'etat 
naturel  oder:  »Les  glandes  dures,  inegales  renferment  les  concretions  presque 
gypseuses  etc. 

**)  Le  gonfiement  des  glandes  tiraille  et  irrite  les  nerfs  qiü  s'y  distribuent 
et  les  avoisinent. 


Widerhofer,  Erkrankungen  der  Bronchialdrüsen.  977 

Rilliet  und  B  ar  t  hez  aus  den  Jahren  1840,  1842  und  1857  bis  zur 
selbstständigen  Monographie  in  ihrem  classischen  Werke  über  Kinder- 
krankheiten. 

Alle  Meister  der  pathologischen  Anatomie  zogen  die  Bronchial- 
drüsen in  das  Bereich  ihrer  Forschungen  und  so  findet  man  allerwärts 
mustergiltige  Schilderungen  bei  C  r  u  v  e  i  1  h  i  e  r ,  R  o  k  i  t  a  n  s  ky,  V  i  r- 
chow,  Buhl  etc.  .  .  . 

Es  existirt  heute  kein  Handbuch  über  Pädiatrik,  das  diesem  Capitel 
aus  dem  Wege  ginge.  Es  ist  eben  die  Bedeutung  und  Diagnose  der  Er- 
krankungen der  Bronchialdrüsen  zur  bleibenden  Studie  geworden  und 
dennoch  ist  die  klinische  Diagnostik  von  der  exacten  Lösung  ihrer  Auf- 
gabe noch  weit  entfernt  und  weiss  auf  manche  Frage  nur  ungenügend  zu 
antworten. 

Mit  der  Verweisung  auf  die  beiliegende  Bibliographie  mögen  hier 
nur  die  vollständigsten  Arbeiten  der  letzten  Decennien  ihre  Nennung 
finden. 

Als  relativ  ältestes: 

1856.  Aus  Billiet  u.  Bartliez:  Handbuch  der  Kinderkrankheiten. 
IL  Auflage.  Deutsch  v.  Hagen.  3.  Theil.  S.  727.  Tuberculose  der  Bronchial- 
drüsen. 

Es  ist  nicht  zu  verkennen ,  dass  gerade  dieses  Werk  für  die  Pädiatrik 
allerwärts  hahnbrechend  wurde. 

1808.  Löschner  inPrag:  Aus  dem  Franz-Josef-Kinderspitale  in  Prag, 
IL  Theil  1868.  —  Epidemiologische  u.  klinische  Studien  aus  dem  Gebiete  der 
Pädiatrik  in  specie  Art.  XIIL  »Die  Schwellung,  Entzündung  u.  Hyperplasie 
der  Lymphdrüsen  und  ihre  Couseciuenzen  gegenüber  der  amyloiden  Entartung, 
Scrophulose  und  Tuberculose  derselben.«  Aus  jeder  Zeile  spricht  der  erfahrene 
Kinderarzt,  wie  der  beredte  pädiatrische  Kliniker. 

1874.  Als  jüngstes:  Barety,  A. :  »De  l'Adenopathie  traoheo-hronchique 
en  general  et  en  particulier  dans  la  scrofule  et  la  phthisie  pulmonaire.«  Es 
ist  gründlich  gearbeitet,  ohne  sich  auf  das  Kindesalter  zu  beschränken  und  be- 
herrscht die  gesammte  einschlägige  französische  Literatur. 


Literatur. 


M  a  s  c  a  g  n  i's,  Paul ,  Gesch.  u.  Beschr.  der  einsaugenden  Gefässe  oder 
Saugadern  des  menschl.  Körpers.  Lateinisch  1787.  Ins  Deutsche  übertr.  v. 
Dr.  Christ.  Friedr.  Ludwig.  Leipzig  1789.  —  Cruiskshanks,  William, 
Idem.     A.  d.  Engl.     Lateinisch  1787.     Deutsch    v.  Dr.    Ludwig.     Leipzig    1789. 

—  Becker,  De  glandulis  thoracis  lymphaticis  atque  thymo  specimen.  Berol. 
1826.   —  Leblond,  These  sur  une  espece  de  phthisie  part.  aux  enfants.    1826. 

—  Rokitansky,  Lehrb.  d.  pathol.  Anatomie.  III.  Aufl.  II.  Bd.  Anomalien 
der  Lymphdrüsen."  S.  389—856.  III.  Bd.  Abnormitäten  der  Bronchialdrüsen. 
S.  100.  —  Virchow,  Die  krankh.  Geschwülste.  IL  Bd.  1864/5.  S.  370.  — 
L  a  m  b  1  u.  L  ö  s  c  h  n  e  r  ,  A.  d.  Franz  -  Josefs  Kindersp.  in  Prag  1860.  I.  Th. 
S.  243.  Taf.  20.  A.  — D.  —  Hennig,  D.  C,  Schwell,  n.  Tuberkel  der  Bronohial- 
drüsen.  Jahrb.  f.  Kinderh.  Alte  Ausg.  III.  Bd.  1.  H.  S.  19.  —  Löschner, 
Pf.,  Klin.  Fälle  a.  d.  Franz-Josef  Kindersp.  in  Prag.  Scarlatina  mit  Bronchial- 
drüsen -  Tuberculose.  Jahrb.  f.  Kinderh.  A.  Ausg.  IV.  Bd.  2.  H.  S.  119.  — 
Derselbe,  Einfluss  der  Drüsentuberculose  a.  d,  Verlauf  der  acut,  contag. 
Exantheme  in  specie  des  Scharlachs  u.  d.  T.:  Klinische  Fälle  (3  Scarlat.)  a.  d. 
Franz -Josef  Kindersp.  in  Prag.     Jahrb.    f.    Kinderh.     A.    Ausg.    IV.  Bd.    2.  H. 

Handb.  il.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  6-' 


978  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

S.  119.  —  Derselbe,  Pylephlebitis,  hochgradiger  Icterus  etc.  Alte  Bronchial- 
drüsentaberculose.  Darmhämorrhagie.  Jahrb  f.  Kinderh.  A.  Ausg.  11.  Bd. 
3.  Hft.  S.  140.  —  Derselbe,  A.  d.  Franz-Josef  Kindersp.  in  Prag.  II.  Th. 
1868.  Epideniiolog.  u.  klin.  Studien  a.  d.  Gebiete  der  Pildiatrik  in  specie  Ar- 
tikel X.  Ueber  den  Zusammenhang  des  chronischen  Darmcatarrhs  mit  Ra- 
chitis u.  Tuberculose  S.  186.  Art.  XII.  Die  Leukämie  der  Kinder  S.  229. 
Art.  XIII.  Die  Schwellung,  Entzündung  und  Hyperplasie  der  Lymphdrüsen  etc. 
S.  245.  —  B  o  u  c  h  u  t  (Paris) ,  Die  Tuberculose  der  Bronchialdrüsen  oder  die 
Mediastinal-Tuberculose.  Klin.  Mitthlgn.  Journ.  f.  Kinderkrankh.  1863.  Jahrb. 
f.  Kinderh.  A.  Ausg.  VIL  Bd.  1.  H.  Analect.  82.  —  Hauner,  Prof.,  A.  d. 
Vorträgen  im  Kinderhosp.  zu  München.  Lungenkrankheiten.  Jahrb.  f.  Kinderh. 
A.  Ausg.  V.  Bd.  3.  H.  S  138.  —  Hüben  er,  Dr.  E.,  Pathologie  u.  Therapie 
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muskeln. Berlin  1852.  —  Steiner  u.  Neureutter,  Die  Tuberculose  im 
Kindesalter.  Prager  Viertelj.  1865.  II.  Bd.  —  Babl,  Dr.,  Wien,  Ueber  Drüsen- 
scrophulose.  Wien.  med.  Wochenschr.  1863.  —  Mayr,  Eranz,  Prof.,  Die  spe- 
zielle Untersuchung  der  Brusteingeweide  bei  Kindern.  Jahrb.  f.  Kinderh.  A. 
Ausg.  V.  Bd.  Beilage.  —  Buchana n,  Dr.  Georg,  On  the  diaguosis  and  ma- 
nagement  of  lang  —  diseases  in  children  —  Seltsom.  The  Lancet  1868.  I. 
S.  113.  —  Steiner,  Prof.,  Prag,  Beitrag  zu  den  Stenosen  im  kiudl.  Alter. 
Stenose  der  Trachea  u.  des  rechten  Bronchus  etc.  Jahrb.  f.  Kinderh.  A.  Ausg. 
1865.  VIL  Bd.  2.  H.  S.  64.  —  Barth,  Dr.,  Petersburg,  Beiträge  zur  Pathologie 
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amyloide  Degeneration  (Kleinzelliges  Spindelzellensarcom).  Canstatt  1867.  S.  279. 

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Widerhof  er,  Erkrankungen  der  Bronchialdriisen.  979 

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Zur  Behandl.  der  Scrophulose  mit  klimatischen  Curen.  Jahrb,  f.  Kinderh.  VI. 
Bd.  4.  H.  S.  414.  -  Hüter,  Prof. ,  Die  Scrophulose  und  ihre  locale  Behand- 
lung als  Prophilacticum  gegenüber  der  Tuberculose.  A.  Volkmann's  Samml. 
klin.  Vortr.  Jahrb.  f.  Kinderh.  VI.  Bd.  2.  H.  Anal.  S.  214.  —  Quastalla, 
jun.,  Triest,  Ein  Fall  von  nervösem  Bronchialasthma.  Jahrbuch  f.  Kinderh. 
VII.  Bd.  2.  H.  Anal.  S.  210.  —  Coupland,  Dr.,  Durchbruch  eines  Lymph- 
drüsenabscesses  in  die  Trachea.  The  Lancet  Vol  1.  1874.  —  Vogel,  Dr.  M., 
PlötzKcher  Todesfall  in  Folge  von  Communication  eines  Bronchus  mit  der  Vena 
subclavia  dextra  vermittelst  einer  käsig  umgewrandelten  Brouchialdrüse.  Allg. 
med.  Centralzeit.  80.  1874.  —  Smith,  Eustace,  Dr.,  Zur  Diagnose  der  vergrös- 
serten  Bronchialtumoren.  The  Lancet  II.  7.  1875.  —  Thompson,  Dr.  H., 
Perforation  der  Trachea  durch  vergrösserte  käsig  degenerirte  Drüsen.  Med. 
Tim.  and  Gaz.  12/30.  1874.  —  Hervieux,  Ueber  Lungenschwindsucht  bei 
kleinen  Kindern.  Sclimidt's  Jahrbuch  75.  Bd.  S.  75.  —  Gerhard  t,  Studien 
u.  Beobachtungen    über  Stimmbandlähmung.     Virchow's  Archiv    Bd.  27.    S.  08. 

—  Riegel,  Tracheo-  u.  Bronchialstenosen  aus  Ziemssen's  Handbuch  IV.  Bd. 
2.  Hälfte.  —  Ziems  sen.  Aus  Ziemssen's  Handbuch  der  speziellen  Pathologie 
u.  Therapie  IV.  Bd.  Krankheiten  des  Respirationsapparates  I.  I.  Hälfte.  I)ie 
Neurosen  des  Kehlkopfes  S.  422.  —  L  e  r  e  b  o  u  1 1  e  t,  L. ,  Recherches  cliniques 
sur  l'ade'nopathie  bronchique  consideree  comme  Tun  des  signes  du  debut  de  la 
tuberculisation  pulmonaire.  L'union  med.  N.  60  -  63.  1874.  —  De  l'adenopathie 
bronchique.  Gaz.  hebdom.  de  med.  et  chir.  N.  42.  idem.  —  ß  a  r  e  t  y ,  A. ,  De 
l'adenopathie  tracheo-bronchique  etc.  (wie  oben).     Paris   1874. 

Siehe  weiter  noch  die  Handbücher  über  Kinderkrankheiten  von  Bednar. 
Wien  1853.  (aus  dem  Wiener  Findelhause)  Bouchut  —  West  —  Hennoch 

—  Hennig  —   Vogel  ~   Gerhardt  —  Steiner. 

Normale  Anatomie. 

Ich  bin  mir  wohl  bewusst,  dass  ich  eigentlich  hier  ein  Capitel  ein- 
schalte ,  welclie.s  in  den  Lehrbüchern  iür  Kinderheilkunde  nicht  üblich 
ist.  In  wenigen  fehlt  ein  Abschnitt  über  Erkrankungen  der  Bronchial- 
drüseu ;  doch  nirgends  findet  man  deren  beschreibende  Anato- 
m  i  e.  Bei  aller  Nachsuche  in  den  Handbüchern  über  Anatomie  war  die 
Ausbeute  eine  sehr  spärliche;  diess  der  Grund,  wesshalb  ich  sie  einem 
specielleren  Studium  unterzog  ,  dessen  Resultat  ich  hier  in  möglichster 
Kürze  mittheile.  Ich  glaube ,  dass  die  genaue  Berücksichtigung  dieser 
anatomischen  Details  imerlässlich  ist  für  die  richtige  Deutung  der  Symp- 
tomatik und  insbesonders  der  consecutiven  Zustände.  Ja  icli  hege  die 
Ueberzeugung,  dass  man  nur  durch  die  genaueste  Koiutniss  der  Verhält- 
nisse der  Drüsen  zu  den  übrigen  Organen  im  Thorax,  besonder.s  aber  zu 
den  Gefässen  und  Nerven  eine  präcisere  Diagnose  ermöglichen  wird,  als 
es  bis  jetzt  geschah. 

Der  leichteren  Uebersicht  wegen  theilen  wir  die  Oliiiidulae  in- 
trathoracicae  ein:  in  I.  Olaiululae  parietales  und  II.  Wlaudulae 
viscerales  *). 


*)  Ueber  die  normale  Anatomie  fand   ich   nur  Andeutungen  in  Becker's 


02-' 


980  Kranklieiten  der  Athmungsorgane.    Bronchialdriisen. 

Erste  Gruppe.    I.  Glandulae  intratlioracicae  parietales. 

Im  Innern  des  Thorax  (und  zwar  extra  pleuram)  findet  man  zahl- 
reiche Drüsen  —  im  Kinde  kaum  von  Linsengrösse,  meist  so  klein,  dass 
sie  minder  genauer  Untersuchung  leicht  entgehen.  — 

Nach  hinten  in  den  Tntercostalräumen  —  fast  in  jedem  eine 
bis  zwei  solcher  Drüsen  —  in  Begleitung  der  Intercostalgefässe  längs  der 
Wirbelsäule  dieser  fast  anliegend  zwischen  je  zwei  Rippen  innerlialb  der 
Gränzstränge  des  Sympathicus  —     a)  Glandulae  costo-vertebrales. 

Ebenso  nach  vorne,  doch  in  verminderter  Anzahl ,  in  den  Inter- 
costalräumen  unmittelliar  zwischen  den  Ansätzen  der  Rippenknorpel  an 
dem  Sternum  —  sie  haben  nach  aussen  als  Begleiter  die  Arteria  und 
Vena  mammaria  interna;  am  leichtesten  auffindbar  sind  sie  in  den  drei 
obersten  tntercostalräumen  —   b|  Glandulae  costo-sternales. 

Zuweilen  findet  man  bei  sorgsamer  Untersuchung  auch  noch  in  dem 
weiteren  Verlaufe  der  Intercostalräume  hie  und  da  eingelagerte  winzige 
Drüsen  —  c)  Glandulae  intercostales. 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  noch  erwähnt ,  dass-  ausserdem  am 
Pericardium  wie  am  Diaphragma  und  zwar  in  nächste)-  Umgebung  seiner 
Pforten,  sowie  weiter  zwischen  diesem  und  dem  Pericardium  diaphrag- 
maticum  meist  spärliche  Drüsen  eingelagert  sind  —  dj  Glandulae  peri- 
cardiacaej  und  e)  Glandulae  diaphragmatlcae. 

Stricte  genommen  theilweile  schon  der  nächsten  Gruppe  angehörend 
sei  hier  noch  erwähnt ,  dass  längs  dem  Oesophagus  und  namentlich  in 
seinem  unteren  Bruststücke  neben  ihm  und  auf  ihm  spärlich  oblonge 
grössere  und  im  Zellgewebe  hinter  ihm  eingestreut  zwischen  Aorta,  Azy- 
gos,  und  Ductus  lympliaticus'  selir  winzige  Drüsen  gefunden  werden :  — 
f)  Glandulae  Oesophagaeae. 

Zweite  Gruppe.  11.  Glandulae  intiathoracicae  viscerales. 
Wir  glauben  diese  eintheilen  zu  sollen : 

A)  in  Glandulae  mediastiuales  superficiales. 

Wir  verstellen  darunter  jene  Drüsen,  die  im  lockeren  Zellgewebe 
eiugel:>ettet  liegen,  theils  umnjttelbar  hinter  dem  Sternum  und  zwar  in 
der  Hölle  des  oberen  Randes  des  Manubrium  sterni  —  beiläufig  3  bis  4 
an  der  Zahl ;  sie  finden  sich  bei  Wegnahme  des  Sternums  nicht  selten 
durch  grossmaschiges  Zellgewebe  an  dasselbe  adbärent ,  fast  in  horizon- 
taler Linie  von  rechts  nach  links  (juer  gelagert ;  —  theils  liegen  sie  un- 
mittelbar vor  der  Thymus  und  den  Venis  anonymis  im  lockeren  Zellge- 
webe zwischen  den  unteren  Hörnern  der  ersteren  eingeschaltet :  a)  Glan- 
dulae retrosternales. 

An  diese  reiht  sich    zunäclist  ein  Drüsenpaquet  in  der  oberen  Brust- 


oben  citirtem  Werke,  der  gleichfalls  die  Drüsen  in  parietale  und  viscerale  ein- 
theilt :  und  bei  B  a  r  e  t  y,  er  theilt  sie  ein 

aj  in  Groupes  ganglionnaires  pretr ach  eo-b  ronohiqu  es  droit 
et  gauche 

b)  in  Groupe  intertracheo-bronchique  ou  groupes  sousbron- 
chiques  droit  et  gauche 

c)  in  Ganglions  interbronchi  qu  es, 

diesen  fügt  eraniGanglions  mammaires  internes  ou  gangliona 
retro-sternaux  et  ganglions  sus-claviculaires.  Vielleicht, 
dass  unsere  oben  durchgeführte  Beschreibung  einfacher  und  präciser  ist. 


Widerhof  er,  lüankheiten  der  Bronchialdrüsen.  981 

apertur  zwischen  dem  Bruststücke  der  Clavicula  und  der  ersten  Kippe 
gelegen.  Es  liegt  im  Confluenz  winkel  der  Vena  jugularis  in- 
terna und  Vena  subclavia  auf  dem  vorderen  Scalenus,  mithin  auch 
auf   dem   über  diesen  Muskel    hinziehenden    Nervus    phrenicus:    — 

b)  Glandulae  subclaviculares. 

Alle  obengenannten  sind  ebenso  inconstant  an  Grösse  oder  besser 
Kleinheit  wie  an  Zahl. 

An  diese  reihen  sich  —  eigentlich  nicht  mehr  in  unsere  Betrachtung 
zu  ziehen  (weil  sie  ausserhalb  des  Thorax  liegen)  —  Drüsen ,  die  vor 
-  ,  der  Trachea,  hinter  dem  Musculus  stemohyoideus  bis  gegen  die  Glan- 
1,11  dula  thyreoidea  und  selbst  bis  unter  sie  hinein  gelagert  sind,  — ■  ebenso 
inconstant  an  Grösse  und  Zahl  — .  Im  allgemeinen  ist  zu  bemerken, 
dass  sie  meist  von  wahrhaft  winziger  Grösse  im  Kindesalter  angetroffen 
werden  (deren  Schwellung  wäre  fühlbar  und  könnte  nur  Stau- 
ung   in    den   Venae    thyreoideae    bringen).      Man   könnte  sie   — 

c)  Olandulae  tracheales  superficiales  nennen. 

B)  Glandulae  mediastinales  profuudae. 

Wir  glauben  ,  um  verständlich  zu  sein ,  als  Scheidungsgränze  das 
Niveau  der  Zusammensetzung  der  Vena  cava  descendens 
aus  den  beiden  Venis  anonymis  nehmen  zu  dürfen.  Nennen 
daher:  profundae  die  hinter  der  Cava  und  den  anonymis  gelegenen 
Drüsen ,  die  sich  dergestalt  verhalten : 

An  der  rechten  Seite.  Constant  sieht  man  aus  dem 
Vereinigungs  winkel  beider  Anonymae  in  die  Cava  des- 
cendens —  Angulus  venosus  —  den  oberen  Pol  einer  Gruppe 
von  2 — 3  mindestens  Erbsen-  und  darüber  grossen  Drüsen,  die  der  h  i  n- 
teren  Hohlader  anliegen  —  über  deren  pleuralem  Ueberzuge  hier  der 
Nervus  phrenicus  verläuft  —  und  die  in  ihrem  Mittelstück  den 
rechten  Bronchus  gleich  nach  seinem  Abgange  von  der  Trachea  über- 
kreuzen. Diese  Drüsengruppe  wird  einerseits  von  der  Vena  azygos 
während  ihres  Verlaufes  zur  Vena  cava  descendens  hin  umschlungen, 
andrerseits  liegt  ihr  in  der  hinteren  Peripherie  der  Nervus  vagus 
an,  bis  zu  jenem  Punkte,  wo  er  von  der  Azygos  überkreuzt  wird  (selbst- 
verständlich überwölbt  diese  ganze  Gruppe  nach  allen  Seiten  die  Lunge), 
nachdem  bei  seinem  Eintritte  in  den  Thorax  sein  Eamus  recurrens 
die  Arteria  subclavia  umschlingt  und  in  seinem  weiteren  Ver- 
laufe an  der  rechten  Trachealseite  nach  aufwärts  zieht.  —  (Verhältnisse, 
auf  deren  Wichtigkeit  wii-  noch  z.uiückkommen  dürften.) 

An  der  linken  Seite:  trifft  man  in  einer  von  vorne  nach  hinten 
und  aussen  abfallenden  sagitlalen  Ebene  in  der  Höhe  des  2.-3.  Brustwirbels 
unmittelbar  unterhalb  der  linken  A^ena  anonyma,  auf  dem 
die  (^rossen  Gefässstäuune  überkleidendeu  pericardialen  Absclmitte  auf- 
liegend, eine  flächenartig  ausgebreitete  Drüsengruppe.  Nach  aussen  und 
vorne  tangirt  sie  der  Nervus  phrenicus,  nach  hinten  der  N.  vagus. 
Der  linke  Vagus  mit  seinem  Recurrens  verdient  hier  nähere 
"Würdigung.  Der  linke  Vagus  hält  sich  nach  seinem  Eintritte  in  den 
Brustraum  an  den  hinteren  Umfang  dieser  Drüsengruppe,  die,  wie  be- 
merkt, zwischen  Vena  anonyma  sinistra  und  dem  Endstücke  des  Aorten- 
boo-ens  (in  das  obere  Stück  des  hinteren  Mittelfellraumes   reichend)    ge- 


982  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

bettet  ist,  und  zwar  auf  so  lange,  bis  er  sich  hinter  dem  Bronchus  zum 
Oesophagus  begibt.  Indem  sein  Ramus  laryngeus  inferior  die 
Aorta  umschlingt,  muss  er,  um  in  die  Furche  zwischen  Trachea 
und  Oesophagus  nach  aufwärts  zu  gelangen,  zwischen  den  einzel- 
nen Körpern  dieser  Drüsengruppe  hindurch  passiren. 

Nach  Wegnahme  des  Herzens  und  seines  pericardialen  fibrösen  Blat- 
tes bei  Zurseitedrängung  der  Lungen  findet  man  eine  mächtige  Di-üsen- 
gruppe,  die  in  dem  dreieckigen  Räume,  den  die  in  die  beiden  Haupt- 
Vironchien  sich  theilende  Trarhea  bildet,  eingekeilt  ist.  Wir  nennen  diese 
Drüsen : 

C)  Glandulae  tracbeo-bronchiales  .seu  interbroiichiales. 

Sie  beisteht  aus  beiläufig  10 — 12  Erbsen-  und  darüber  grossen  Drü- 
sen, die  herzförmig  flächenartig  ausgebreitet  sind.  Sie  liegen  also  in  der 
Höhe  und  vor  dem  3.-5.  Brustwirbel  und  liegen  linkerseits  dem  Oeso- 
phagus auf,  auf  dem  die  durch  geflechtartige  Auflösung  des  linken  Va- 
gusstammes verlaufenden  Rami  oesophagaei  ziehen. 

Nach  vorne  sind  sie  bedeckt  von  dem  über  sie  quer  hinüberziehen- 
den Ramus  dexter  derArteriapulmonalis,  auf  seinem 
Wege  über  den  rechten  Bronchus  nach  dem  rechten  Lungenhilus  ,  wel- 
cher vor  sich  hat  das  Ursprungsslück  der  Aorta,  die  in  ihrem  aufstei- 
genden Bogen  theils  die  Drüsengruppe,  theils  den  linken  Bronchus  deckt. 

Sie  dehnen  ihre  flächenartige  Ausbreitung  nicht  selten  bis  unter  die 
hintei'e  Peripherie  der  beiden  Hauptbronchien  aus,  daher  dem  patholo- 
gisihen  Anatomen  bei  der  Section  die  verkästen  Drüsen  dieser  Gruppe 
und  zwar  oft  genug  als  die  einzigen  erkrankten  —  am  häufigsten  zuerst 
in  die  Augen  springen,  wenn  er  die  Lungen  herausholt  und  sie  nach 
der  entgegengesetzten  Thoraxhälfte  hinüberzieht.  Sie  sind  natürlich  bei 
diesem  Handgriffe  aus  ihrer  Lage  gebracht  und  präsentiren  sich  dann, 
als  wären  sie   direct  vor  der  Wirbelsäule  gelegen. 

D)  Glandulae  trachealcs  profuiidae. 

An  die  mächtige  Grupi'ie  der  inferbronchialen  Drüsen  zieht  sich 
nach  aufwärts  beiderseits  eine  aus  zahlreichen  ungefähr  Linsen- 
grossen Drüsen  fast  ununterbrochen  fortlaufende  Kette,  die  der 
Trachea  von  ihrem  Ende  bis  in  die  Höhe  des  unteren  Schilddrüsenrandes 
an  ihrer  hinteren  und  seitlichen  Peripherie ,  also  in  der  Tiefe  anliegt. 
Wir  nennen  sie  :  Glandulae  t  r  a  c  h  e  a  1  e  s  profund  ii  e.  Auf 
lieiden  Seiten  zieht  an  ihnen  herauf  der  N.  recurrens 
nervi  vagi,  linkerseits  liegt  die  Drüsenkette  auf  dem  Oesophagus 
auf. 

Nach  abwärts  von  dem  obigen  sog.  Centralstocke  der 
i  n  t  e  r  1)  r  0  n  c  h  i  a  1  e  n  Drüsen  findet  man  die : 

B)  Glandulae  broncho-pulmonales. 

Man  beobachtet  nämlich  an  der  inneren  Fläche  der  Lungen  an  ih- 
rem Hilus  prominii-end  in  variabler  Anzahl  Drüsenkörper  von  ErVisen- 
bis  Haselnussgrösse,  die  besonders  in  den  T  he  ilungs  wink  el  n  des 
Pulmonalarterienastes  und  um  das  Bintrittsstück  des  Haupt- 
bronchus  herum,  theilweise  schon  im  Lungenparenchyrae  eingebettet  sind. 
Verfolgt  man  den  Hauptbronchus  in  seinen  weiteren  Verzweigungen  in- 


Widerhofer,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  983 

nerhalL  des  Lungenparenchyms ,  so  findet  man  in  dem  Winkel  seiner 
beiden  ersten  Haupiiiste  gewöhnlich  eine  voluminösere  Drüse  eingebettet, 
indess  die  von  da  rasch  an  Caliber  almehmenden  Bronchialäste  in  ihren 
spitzeren  Winkeln  je  1  —  3  kleinere  Drüsen  bergen,  so  dass  das  ganze 
Lungengewebe  um  den  Hilus  herum  und  von  ihm  aus  bis  in  eine  an- 
sehnliche Tiefe  des  Parenchyms  (vierte  Theilung  —  Barety)  reichlich 
von  Drüsen  durchsetzt  ist. 

Die  Drüsen  des  Luugenhilus  und  die  noch  tiefer  im  Lungenparen- 
chyme  eingebetteten  zeigen  auch  im  Kindesalter  vor  allen  anderen  Grup- 
pen relativ  am  häufigsten  intensivere  Pigmentirung. 

Alle  diese  Drüsen  zeigen  im  normalen  Zustande  im  frühen  Kindes- 
alter eine  röthliche  Farbe ;  mit  ihrer  immerhin  abschätzbaren  Grössenzu- 
nahme  in  den  nächsten  Jahren  scheint  ihre  rothe  Farbe  zu  erblassen,  bis 
sie  (Quain-Hoff mann)  analog  den  Lungen  später  weisslich-grau  und 
pigmentirt  werden. 

Das  Verhalten  der  Lymphgefässe  in  den  Lungen 
und  zu  deren  Drüsen  sei  nach  Qu  ain-H  o  ff  m  ann' s  Anatomie 
hier  in  gedrängter  Kürze  skizzirt  *) :  Die  Lungen  haben  ein  oberfläch- 
liches reichliches  Lymphgefässnetz  dicht  unter  der  Pleura ,  die  tiefern 
verlaufen  mit  den  Blutgefässen  hin  zu  den  Lungenwurzeln,  passu'en  auf 
diesem  Wege  die  Glandulae  broncho  -  pulmonales  und  treffen  hier  mit 
den  oberflächlichen  zusammen.  Vereint  mit  diesen  durchdringen  sie  die 
Gl.  tracheo-bronchiales  und  bilden  jederseits  mehrere  Stämmchen ,  unter 
denen  sich  meist  ein  stärkerer  Truncus  broncho-mediastinus  befindet. 
Diese  verlaufen  längs  der  Luftliöhle  zur  unteren  Abtheilung  des  Halses 
und  münden  links  in  den  Milchbrustgang ,    rechts  in  den  Lymphstamm. 

Pathologische  Anatomie**). 

Die  Erkrankungen  der  intrathoracischen  Drüsen,  ebenso  häufig  als 
bedeutungsvoll,  bilden  durch  das  ganze  Kindesalter  hindurch  eines  der 
gewöhnlichen  Vorkommnisse  am  Obductionstische. 

Sie  erkranken  sowol  Substantiv  als  auch  consecutiv  mit 
den  Affectionen  der  Bronchien  und  des  Lungenparenchyms,  von  denen 
sie ,  wie  oben  erwähnt ,  ihre  Vasa  afferentia  beziehen. 

Zunächst  findet  man  die  Drüsen  im  Zustande  der  acuten  Hy- 
perämie —  leichte  Schwellung  —  Verfärbung  ins  Blaurothe :  bei 
allen  suffocativ  zu  Grunde  gegangeneu  Kindern  —  im  Beginne  entzünd- 
licher Processe  der  Luftwege  und  des  Lungenparenchyms  —  bei  Stau- 
ungen in  Folge  von  Lungen-  und  Herzkrankheiten. 


*)  Wer  näher  in  das  Studium  der  Lymphgefässe  der  Brust  eindringen 
will ,  dürfte  wohl  kaum  irgendwo  ausführlicheres  finden ,  als  in  dem  Pracht- 
werk'e  von  Paul  Mascagni  und  William  Cruikshank:  »Geschichte 
und  Beschreibung  der  einsaugenden  Gefässe  und  Saugadern  des  menschlichen 
Körpers,  lateinisch  17S7,  deutsch  von  Dr.  Ludwig.     Leipzig  1789. ■< 

**)  Ich  folge  hier  getreu  der  Anschauung  des  Prof.  Kund  r_a  t ,  meines 
früheren  Prosectors  im  St.  Annen  -  Kinderspitale  zu  Wien,  derzeit  Prof.  der 
path.  Anatomie  in  Graz. 


984  Ki'ankheiten  der  Athmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

Sind  diese  Zustände,  die  eine  solche  hyperämische  Schwellung  dei- 
Drüse  veranlassen  ,  vorübergehende  ,  so  kehrt  die  Drüse  zu  ihrem  Nor- 
malzustande zurück;  sind  diese  Zustände  aber  bleibende,  so  kommt  es 
zur  chronischen  Hyperämie  mit  ihren  Folgezuständen.  Die 
Tumescenz  der  Drüsen  steigert  sich  unter  Verdichtung  derselben  durch 
stärkere  Entwicklung  des  Reticulums  und  Massenzunahme  der  Lymph- 
zellen mit  Erweiterung  der  Gefässe.  Zugleich  verdichtet  sich  auch  der 
Zellstoff',  in  dem  die  Drüsen  eingebettet  sind. 

Eine  weitere  Folge  dieser  chronischen  Hyperämien  ist  die  Pig- 
meutation.  Wenn  auch  im  Allgemeinen  die  Pigmentirung  der  Bron- 
chialdrüsen nach  der  Pubertät  schon  sehr  häufig  ist,  ja  bei  Erwachsenen 
als  Regel  vorkommt  in  Folge  der  oftmaligen  Hyperämien  und  Ent- 
zündungen ,  denen  sie  bis  dahin  ausgesetzt  gewesen  sind ,  so  finden  wir 
doch  bei  Kindern,  selbst  denen,  die  sehr  häufig  Entzündungsprocesse  in 
ihren  Respirationsorganen  durchgemacht  haben,  die  Drüsen  oft  frei  von 
Pigment.  Hingegen  bei  jenen  Stauungen,  wie  sie  die  angeborenen  wni 
frühzeitig  erworbenen  Herzfehler  und  manche  Lungenkrankheiten  als 
ausgebreitete  Atelectase,  Bronchiectasie  etc.  hervorrufen,  kommt  es  oft 
frühzeitig,  ja  schon  in  den  ersten  Lebensmonaten  zu  starker  Pigmenti- 
rung mit  chronischer  Tumescenz  ,  Verdichtung  der  Drüse ,  Verdickung 
ihrer  Kapsel  und  fester  Adhärenz  an  der  Umgebung. 

Acute  Entzündung.  Bei  allen  acuten  Substanti- 
ven wie  symptomatischen  entzündlichen  Erkrankun- 
gen der  Respirationsorgane,  der  Bronchien  und  des 
Lungenparenchyms,  kommt  es  zu  entzündlichen  Ver- 
änderungen in  den  B  r o  n c h i  a  1  d  r ü s  e n. 

Die  Drüsen  werden  hyperämisch,  schwellen  an  bis  auf  das  3 — 4- 
f'ache  ihres  Volumens,  erscheinen  anfangs  dunkelgeröthet,  blauroth, 
späterhin  mit  Zunahme  der  Schwellung  röthlich-grau ,  sind  locker 
schwellend.  Es  beruht  diese  Veränderung  auf  einer  unter  Hyperämie 
eintretenden  Vermehrung  der  Ljonphkörperchen. 

Je  grösser  die  letztere  wird ,  desto  mehr  tritt  die  Hyperämie  und 
dadurch  die  dunkelrothe  Färbung  der  Drüse  zurück.  —  Die  Drüse  wird 
röthlichgrau  ,  weissröthlich.  —  Dieser  Process  verläuft  acut  und  zwar 
meist  so,  dass  mit  dem  Erlöschen  des  ihn  veranlassenden  Processes  auf 
der  Bronchialschleimhaut  oder  im  Lungenparenchyme  die  Drüse  sich 
allmählig  unter  Schwinden  der  Hyperämie  zum  normalen  Zu- 
stande involvirt.  —  Selten  und  dann  vielleicht  mehr  durch  die 
in  Folge  der  ursächlichen  Erkrankung  oder  neuer  nachfolgender  Ernäh- 
rungsstörungen auch  anderer  Organe,  —  die  zur  Tabescenz  führen, 
—  kommt  es  zu  übermässiger  Involution  der  Drüsen,  nach  solchen  acu- 


Widerhof  er,  Krankheiton  der  Bronchialdrüeen.  985 

teil  entzündlichen  Tumescenzen  zur  —  Atrophie.  Die  Drüsen  er- 
scheinen kleiner  als  normal ,  meist  schlaff  und  dunkelgeröthet. 

Selten  nimmt  die  acute  Entzündung  den  Ausgang  in  Eiterung. 
Es  treten  dann  in  der  hyperämischen  und  geschwellten  Drüse  punct- 
oder  striemenförmige  Eiterheerde  auf,  die  untereinander  confluirend 
kleine  Abscesse  bilden,  bis  endlich  eine  ganze  Drüse,  ja  mehrere  neben- 
einander liegende,  vollständig  vereitern.  Tritt  eine  solche  Vereiterung 
rasch  ein,  so  kann  es  nach  Durchbruch  der  Kapsel  zu  Entzündung  und 
Eiterung  im  umgebenden  Zellgewebe  (Mediastinitis) ,  ja  zu  conse- 
cutiver ,  eitriger  Pleuritis  und  Pericarditis ,  selbst  zur  Perforation  der 
Pleura  und  des  Pericardiums  kommen. 

In  den  meisten  Fällen  aber  schreitet  der  Eiterungsprocess  nur 
langsam  vor.  Es  findet  eine  Verdickung  der  Kapsel  und  des  umge- 
benden Zellgewebes  statt  und  es  kommt  meist  unter  Resorption  des  Ei- 
ters zu  einer  schwieligen  Schrumpfung  der  Drüse  —  in  anderen  Fällen 
unter  Eindickung  der  Eitermassen  und  Ablagerung  von  Kalksalzen  zur 
Bildung  käsiger  und  mörtelartiger  ja  kreidiger  Massen,  die  in  die 
schrumpfenden  Schwielen  eingeschlossen  sind  —  V  e  r  k  ä  s  u  n  g  — 
Verkalkung. 

Prof.  Kund  rat  gibt  diesen  Befunden  bei  kräftigen  Kindern,  ohne 
jeder  Spur  einer  scrophulösen  oder  tuberculösen  Basis  ,  obige  Deutung, 
deren  Richtigkeit  vom  klinischen  Standpiinkte  zugestimmt  werden  muss. 
Er  schliesst  damit  nicht  aus,  dass  diese  Verkäsung  der  eitrigen  Entzün- 
dungsproducte  in  den  Drüsen  auch  ohnejeder  scrophulösen-tuberculösen 
Basis  immerhin  zur  Tuberculose  führen  kann  ,  —  die  Richtigkeit  der 
jetzt  geltenden  Ansicht  über  Entwicklung  derselben  angenommen. 

Diese  schwielige  Schrumpfung  der  Drüsen  nach  acuten  Entzün- 
dungsprocessen  ,  kann  aber  überdiess  zur  Divertikel  l^ildung  am 
Oesophagus  oder  P  e  r  i  c  a  r  d  i  u  m  führen ,  wenn  eben  zuvor  die 
Drüse  durch  Verdichtung  ihres  Zellstoffbettes  mit  diesen  in  festere  Ad- 
härenz getreten  war. 

Chronische  p]ntzüudnng:  Durch  häufige  und  rasch  auf 
einander  folgende  acute  Entzündungen  —  bei  den  chronischen  Erkran- 
kungen der  Bronchien  und  Lungen  —  ferner  im  Gefolge  der  Blutstau- 
ungen (chronische  Hyperämien)  finden  sich  die  Drüsen  im  Zustande 
chronischer  Entzündung.  —  Chronischer  Tumor. 

Sie  sind  oft  bedeutend  vergrössert,  Bohnen-  Isis  Wallnuss-  und  dar- 
über gross ,  von  derber  Consistenz ,  röhlich  weiss  bis  weiss  (nur  bei  den 
von  Stauung  abzuleitenden  dunkelroth  und  pigraentirt). 

Es  beruht  dieser  Zustand  auf  einer  Massenzunahme  der  Lymphzellen 


98G  Krankheiten  der  Atlimungsorgano.     Bronchiaklrüsen. 

und  des  Bindegewebes  in  der  Capsel  und  den  Retieulis  (stellt  somit  "eine 
A rt  von  Hypertrophie  der  Drüsen  dar). 

Hier  anzureihen  sind  aber  auch  jene  hy  per  p  lasti  sehen  Zu- 
stände der  Drüsen,  wie  sie  bei  scrophulösen  Individuen,  solchen  mit 
Hydrocephakis,  Hypertrophie  des  Gehirnes  und  Rachitismus  sich  fin- 
den, wo  eine  mehr  gleichmässigere  Massenzunahme  aller  die  Drüsen  zu- 
sammensetzenden Bestandtheile  sich  findet ,  deren  Entstehung  aber  im- 
merhin durch  die  bei  solchen  Individuen  häufigen  habituellen  chroni- 
schen Catarrhe  der  Bronchialschleimhaut  und  hyperämischen  Lungen- 
zustände  (Rachitismus)  bedingt  sein  kann. 

Indem  ein  solcher  Zustand  meist  sämmtliche  Bronchialdrüsen,  die 
in  oder  ausser  dem  Lungenhilus  gelegenen,  trifft,  so  kann  derselbe  bei 
der  oft  bedeutenden  Volumszunahnie  der  Drüsen  zu  mechanischer  Be- 
hinderung der  Respiration  und  Circulation  durch  Compression  Ver- 
anlassung geben;  auch  liegt  die  Möglichkeit  vor,  dass  auf  die  gleiche 
mechanische  Weise ,  durch  Druck  auf  die  mit  den  Drüsen  durch  Ver- 
dichtung des  sie  umgebenden  Zellgewebes  in  fV'stere  Adhärenz  gekom- 
menen Nerven  Störungen  sich  einstellen. 

Aus  den  eigentlichen  chronischen  Entzündungen  der  Drüsen  bilden 
sich  überdiess  bei  langer  Dauer  durch  eine  überlegende  Zunahme  des 
Bindegewebes  —  in  Verdickung  der  Reticula  bestehend  —  unter  Ver- 
kleinerung der  Lymphräume  Indurationen  aus,  die  auch  zur 
Schrumpfung  der  Drüsen  führen  können. 

Bei  weitem  die  häufigste  und  wichtigste  pathologische  Verände- 
rung ist  aber  die  Tuberculose  der  Drüsen. 

Man  findet  in  meist  schon  bedeutend  vergrösserten,  weisslich,  weiss- 
röthiichen,  meist  derbelastischen  (hyperplastischen)  Drüsen  Heerde  von 
mattgrauem ,  halbdurchsichtigem,  homogenem  Aussehen  ohne  scharfe 
Abgränzung ,  ohne  dass  man  in  ihnen  einen  Unterschied  von  Rinden- 
und  Marksubstanz  erkennt,  wenn  sie  beide  betreffen. 

Diese  Heerde  werden  allmählig  von  den  centralen  Parthien  aus 
opak,  weiss,  gelblich,  dabei  immer  trockener  und  endlich  käsig  morsch. 
Zugleich  findet  eine  Ausbreitung  dieser  Veränderung  statt,  so  dass  im- 
ter  Volumszunahme  nach  und  nach  die  Sul^stanz  der  ganzen  Drüse  so 
umgewandelt  wird  und  endlich  die  ganze  Drüse  in  einen 
trockenen  gelben  käsigen  m  eistineinever  dickte  Kap- 
s e  1  eingehüllten  Knoten   umgewandelt  ist. 

Diese  früher  bald  für  scrophulose  bald  für  tuberculose  Entartung 
der  Drüsen  gedeutete  Veränderung  müssen  wir  nun  als  tuberculose 
ansehen,  seitdem  Schüppel  in  seinen  Untersuchungen  über  Lymph- 
drüsen-Tuberculose  den  Nachweis  lieferte,  dass  dieser  Process  immer 


Widerhof ur,  Krankheiten  der  Broncliialdrüsen.  987 

mit  einer  Entwicklung  von  Miliartuberkeln  der  Gefässe  beginnt ,  um 
welche  herum  es  dann  unter  stetiger  Ausbreitung  zur  Infiltration  der 
Drüsen ,  zur  Bildung  jener  mattgrauen  Massen  kommt.  Indem  dieses 
Infiltrat  die  Lymphbahnen  innerhalb  der  Drüse  comprimirt  und  obtu- 
rirt  und  in  gleicher  Weise  auch  die  Gelasse,  so  stellt  sich  nach  und  nach 
eine  solche  Ernährungsstörung  ein,  dass  diese  Heerde  verkäsen. 

Meist  sieht  man  den  Process  eben  in  solchem ,  weit  vorgeschritte- 
nem, zu  ausgedehnten  Infiltraten  gediehenem  Zustande,  zuweilen  aber 
neben  solchen  schon  gebildeten  Infiltraten  oder  ohne  solche,  den  Beginn 
des  Processes  durch  in  der  Drüsensubstanz  eingelagerte  Mohn-Hirse- 
korn-grosse  graue  discrete  oder  confluirende  Knötchen,  den  Miliar- 
tuberkeln in  anderen  Organen  ähnlich. 

In  letzterer  Form  kommt  der  Process  noch  am  öftesten  neben  einer 
acuten  Tuberculisirung  der  Lungen  oder  anderer  Organe,  seröser  Häute 
und  namentlich  bei  allgemeiner  Tuberculose  vor.  Am  häufigsten  aber 
sehen  wir  ihn  in  der  ersten  Form  verkäsender  Heerde  oder  ganzer  ver- 
käsender Drüsen ,  und  zwar  bei  chronischer  Tuberculose  der  Lungen 
oder  allgemeiner  chronischer  Tuberculose  und  nicht  minder  häufig  eben 
bei  Kindern  ohne  Spur  einer  solchen  Tuberculisation  in  anderen  Orga- 
nen als  primäre  Tuberculose  d  e  r  L  y  m  p  h  d  r  ü  s  e  n  gerade  an 
den  Bronchiolen. 

Immerhin  aber  betrefi'en  solche  Zustände  Kinder,  die  an  jenen  ei- 
genthümlichen,  als  Scrophulose  bekannten  Eutzündungsformen  der  Re- 
spirationsorgane ,  besonders  der  Bronchialschleimhaut  leiden ,  Entzün- 
dmigen ,  bei  denen  es  zur  Setzung  eines  sehr  zellenreichen  Infiltrates  in 
die  Schleimhaut  und  Lufträume  kommt ,  das  sehr  oft  verkäst  und  mit 
seinen  käsigen  Producten  zu  einer  Infection  jener  Drüsen  führt,  in 
welche  diese  Producte  zuerst  gelangen  und  angehalten  werden ,  den 
Lymphdrüsen  am  Lungenhilus  und  an  der  Theilungsstelle  der  Trachea. 
So  ist  es  häufig ,  dass  diese  Drüsen  zuerst  t  u  b  e  r  c ul  i  s  i  r  e  n ,  in- 
dess  die  Lungen  nur  der  Sitz  scrophulös-katarrhalischer  Processe  sind. 

Um  die  auftretenden  mit  freiem  Auge  unsichtbaren  Tuberkeln  ent- 
wickeln sich  die  mit  den  Tuberkeln  verkäsenden  Infiltrate,  durch  welche 
weitere  Massen  käsiger  Substanz  gegeben  sind,  welche  bei  der  leichteren 
Abfuhr  und  Aufnahme  durch  schon  grössere  Lymphbahnen  auch  ins 
Blut  nun  rasch  zu  einer  a  11  g  e  m  e  i  n  e  n  T  u  b  e  r  c  u  1  o  s  e  führen  können. 

Die  Häufigkeit  scrophuiös-catarrhalischer  Aäectionen  im  Kindes- 
alter ,  gerade  der  Respirationsorgaue ,  vor  allem  der  Bronchialschleim- 
haut, erklärt  auch  zugleich  die  Häufigkeit  solitärer  solcher  Tuberculi- 
sation der  Lymphdrüsen  und  ihre  p[äutigkeit  als  Grundlage  allgemeiner 
Tuberculose  beim  Kinde. 


988  Krankheiten  der  Athtüungsorgane.     Bronchial drüsen. 

Doch  führt  dieser  Znstand  von  Tuberculisation  der  Bronehialdrüsen 
nicht  immer  .zn  solchen  Folgen.  Zuweilen  jedoch,  ja  gerade  in  den 
Bi-onchialdrüsen  sehr  häufig ,  kommt  es  zu  einer  He  ilung  unter  Re- 
sorjjtion  und  Eindickung  der  käsigen  Massen ,  unter  Umwandlung  zu 
kreidigen  und  raörtelartigen  Concrementen  mit  schwieliger  Verödung 
des  Drüsenparenchymes ,  oder  wo  die  ganze  Drüse  ,  ja  ganze  Drüsenpa- 
quete  erkrankt  waren ,  mit  massiger  Schwieleubildung  um  sie  herum. 
Die  Drüsen  schrumpfen ,  verkleinern  sich  auch  manchmal ,  wenn  eben 
nnr  kleine  Heerde  erkrankt  waren,  bis  unter  das  normale  Volumen. 
Damit  ist  der  Process  nicht  nur  für  die  Drüse  ,  sondern  auch  für  den 
Gesammtorganismus  unschädlich  gemacht. 

In  anderen  Fällen  aber  kommt  es  zur  Erweichung  der  verkästen 
Drüsen  und  Drüsen  an  theile  —  zur  Phthisis  tuberculosa  der  Drü- 
sen, zur  C  a  ve  rnenbildung  ,  sowohl  an  den  im  Hilus  der  Lungen 
gelegenen  Drüsen,  —  wo  dann  die  Cavernen  Parenchymcavernen  vor- 
täuschen können,  —  als  auch  ausserhalb  um  die  Hanptlu'onchien  und 
die  Trachea  herum.  Pehr  oft  brechen  solche  Cavernen,  namentlich  häufig 
die  innerhalb  des  Lungenhilus,  aber  auch  die  ausserhalb  gelegenen ,  in 
die  Trachea  und  Bronchialstämme  durch  —  bald,  wie  anfangs,  mit  sieb- 
förmig  angeordneten  kleineren,  bald  mit  grösseren,  ja  selbst  sehr  grossen 
Lücken,  so  dass  weite  Communicationen  mit  den  Luftwegen  gesetzt  sind. 
Lidem  nun  die  Erweichung  der  verkästen  Massen  nicht  immer  vom 
Centrum  aus  gleichniässig  vorschreitet,  ja  in  manchen  Fällen  von  der 
Peripherie  aus  beginnt,  kommt  es  in  den  Cavernen  zur  Sequestration 
ganzer  verkäster  Stücke ,  die  zuweilen  bei  heftigem  Hustenstosse  durch 
die  weiten  Communicationslücken  in  die  Trachea  gelangen,  an  der 
Glottisspalte  aber  stecken  bleiben  und  so  Erstickung  herbeiführen  können. 

Eine  weitere  Folge,  die  zuweilen  eintritt,  ist,  dass  gleichzeitig  oder 
nach  der  Perforation  solcher  Drüsencavernen  in  die  Luftwege  auch  eine 
Eröffnung  von  Blutgefässen  stattfinden  kann,  und  damit  sehr 
bedeutende,  meist  durch  Suffocation,  tödtende  Blutungen  gegeben  sind. 

Die  Eröffnung  der  Gefässe  —  Lungenarterien  oder  Venen  —  findet 
entweder  unmittelbar  statt ,  oder  es  geht  ihr  eine  aneurysmatische  Er- 
weiterung des  in  die  Caverne  hinein  biossliegenden  Gefässantheils  vor- 
aus. Solche  Erweiterungen  treffen  aber  auch  Antheile  des  ganzen  Ge- 
fässrohres ,  wenn  eben  ein  solches  ringsum  von  solchen  Cavernen  aus 
freigelegt  wird,  ja  selbst  Pulmonalgefässe  erster  Ordnung  (vide  den 
später  folgenden  Krankheitsfall  aus  meinem  Spitale). 

Zu  erwähnen  sind  in  diesem  Abschnitte  noch  die  Tumoren  der 
Bronchialdrüsen  hyperplastischer  Natur ,  die  sich  bei  Leukämie 
finden. 


W  i  d  e  r  h  o f  e  r,  Krankheiten  der  Bronohialdrüsen.  989 

Ferner  betheiligen  sich  dieselben  meist  an  der  sarcomatösen 
Entartung  der  Drüsen  am  Halse;  sowie  diese,  wachsen  sie  bald  zu  der- 
beren, bald  weicheren,  langsam  oder  rasch  wuchernden  Tumoren  heran, 
die  unter  einander  confluiren,  und  bilden  grosse  lappige  Geschwülste, 
durch  welche  die  Luftwege  und  Gefässe  ,  namentlich  die  venösen  ,  com- 
primirt  und  verschoben,  selbst  die  Nerven  bis  zur  Continuitätstrennung 
gezerrt  werden  können.  Die  weicheren  Formen  dieser  Lymphosarcome 
führen  überdiess  zur  Obturation  von  Venen ,  in  die  sie  hineinwuchern, 
oder  nach  Durchbrechung  der  Kapsel  zu  ausgedehnten  Infiltrationen 
der  umgebenden  Gewebe  und  Organe ,  so  vom  Lungenhilus  aus  zur  In- 
filtration des  Parenchymes ,  der  Wände  der  Bronchien ,  welchen  sie  in 
ihren  Wegen  folgen,  sie  scheidenartig  umhüllend. 

Gelegentlich  mag  es  auch  zu  einer  carcinomatösen  Entartung 
dieser  Drüsen  kommen ,  die  aber  als  secundäre  Erkrankung  von  gerin- 
gerer Bedeutung  ist ,  besonders  im  Alter  des  Kindes.  Wichtiger  er- 
scheint ein  hypertrophischer  Zustand  der  Drüsen  wahrscheinlich  chro- 
nisch-entzündlichen Ursprungs,  wie  er  bei  Syphilis,  namentlich 
syphilitischen  Affectionen  der  Tracheal-  und  Bronchialschleimhaut  vor- 
kommt und  zu  bedeutenden  Tumoren  der  Drüsen  führen  kann ,  welche 
sich  durch  ihre  Dei'bheit  auszeichnen ,  ohne  dass  dabei  eine  sehr  bedeu- 
tende Massenzunahme  des  Bindegewebes  der  Drüse  vor  sich  geht.  Diese 
Tumoren  zeigen  keine  retrograden  Metamorphosen ;  ohne  sich  zu  än- 
dern, scheinen  sie  jahrelang  bestehen  zu  können,  ja  für  immer  oder  sich 
allmälig  oder  sehr  langsam  zurückzuljilden. 

Symptomatologie. 

Alle  Erkrankungen  der  intrathoracisclien  Drüsen,  eine  verschwin- 
dend kleine  Zahl  ausgeschlossen,  gehen  mit  mehr  minder  beträchtlicher 
Volumszunahme  einher. 

Es  muss  daher  unsere  Aufgabe  vorerst  darin  bestehen ,  jene  Sym- 
ptome zu  erörtern,  die  die  D  r  ü  s  e  n  s  c  h  w  e  1 1  u n  g  kennzeichnen. 

Wir  wollen  zuerst  nach  directen  Zeichen  suchen ;  sie  dürften 
von  der  physikalischen  Untersuchung  (Percussion ,  Auscultation  und 
Palpation)  zu  erwarten  sein.  Erst  dann  wenden  wir  uns  zu  den  con- 
secutivenZeichen,  die  daraus  resultiren,  dass  geschwollene  Drüsen 
mehr  minder  auf  alle  im  Thorax  eingelagerten  Organe  einen  Druck  aus- 
üben (in  erster  Linie  »  C  o  m  p  r  e  s  s  i  o  n  s  e  r  s  c  h  e  i  n  u  n  g  e  n  «) ,  insbe- 
sonders  auf  Luftwege,  Gefässe  und  Nerven ;  zuletzt  aber  noch  auf  man- 
nigfache andere  Art  die  benachl)arten  Organe  ins  Bereich  ihrer  Er- 
krankung ziehen  —  consecutive  Erscheinungen  in  zweiter  Linie  — , 
Folgezustände. 


990  Krankheiten  der  Athmiino-snrg-aiie.     Rrnncliinldrüsen. 

Es  wird  sich  in  folgendem  die  Erklärung  von  selljst  ergelien  ,  war- 
um wir  unter  den  directen  Zeichen  die  aus  der  Palpation  resxiltirenden 
zuletzt  stellen. 

I.  D  i  r  e  c  t  e  S  y  m  p  t  o  m  c. 

Obenan  fragen  wir  daher  nach  dem  Ergebnisse  der 
Per  cussion. 

In  dem  einen  Punkte  stimmen  alle  Autoren  übereiu ,  dass  man  bei 
der  8uche  nach  geschwellten  Bronchialdrüseu  vorwiegend  zwei  Gegen- 
den des  Thorax  zu  erforschen  hat : 

1)  die  Interscapulargegend  —  sie  entspricht  in  der  Höhe 
tles  3.-5.  Brustwirbels  eben  dem  Theilungswinkel  der  Trachea,  also 
dem  Hauptsitze  der  Drüsen ,  die  zugleich  die  mächtigsten  an  Zahl  und 
Grösse  sind  und 

2)  die  o  b  e  r  e  S  t  e  r  n  a  1  g  e  g  e  n  d  —  entsprechend  dem  Maniibrium 
sterni  und  dessen  nächsten  Seitenantheilen  in  den  drei  obersten  Inter- 
costali'äumen  bis  zur  Clavicula.  Sie  entspricht  den  parietal  anliegenden 
wie  den  ol)ertlächlichen  Mediastiual-  und  Claviculardrüsen. 

Die.  Drüsen  der  I  n  t  e  r  s  c  a  p  u  1  a  r  g  e  g  e  n  d  —  seien  sie  normal 
oder  selljst  sogar  Ijedeutend  vergrössert  —  sie  sind  und  bleiben  stets 
von  Lungensubstanz  umschlossen.  Was  man  also  percutirt,  ist  Lunge; 
und  der  Schall,  den  man  erhält,  ist  Lnngenschall.  Er  kann  also  streng 
genommen  für  die  Beschaffenheit  der  Drüsen  wenig  oder  nichts  beweisen. 

Mau  liest  bei  den  Autoren  in  dieser  Hinsicht  Angaben ,  die  sich 
ganz  und  gar  widersprechen.  Die  Erklärung  dürfte  theils  in  dem  va- 
rialjlen  Zustande  des  Lungengewebes,  theils  in  der  noch  hie  und  da  zu 
wenig  beachteten  Tastempfindung  der  gesteigerten  Resistenz  gefunden 
werden.  Sind  einmal  die  Bronchialdrüsen  tiefer  erkrankt ,  so  wird  die 
Lunge  l)ald  in  Mitleidenschaft  gezogen,  weniger  durch  Compression, 
vielmehr  und  häufiger  dui'cli  eonsecutive  entzündliche  Vorgänge  in  der 
Lunge ,  die  natürlich  deren  Luttgehalt  sehr  bald  und  zwar  auf  längere 
Zeit  hinaus  alteriren;  daher  an  dieser  Stelle  der  Percussions  -  Schall 
kürzer,  gedämpft  und  von  vermehrter  Kesistenz  sich  zeigen  wird. 

So  naheliegend  ursprünglich  der  Gedanke  sein  mag ,  dass  so  be- 
trächtliche Drüsentumoren  der  Percussion  leicht  ermittelbar  seien  und 
so  dringend  auch  die  Anforderung  an  die  Diagnostik  ist,  weil  eben  diese 
Drüsengruppen  Allen  voran  zuerst  und  in  höherem  Grade  den  Erkran- 
kungen anheimfallen,  so  muss  doch  der  Hinblick  auf  deren  anatomische 
Lagerung  unsere  Hoffnungen  sehr  herabsetzen.  Sie  sind  eben  hart  den 
Wirbelkörpern  angelagert,  gerade  in  der  Mittellinie  gelegen,  eingebettet 
zwischen  die  grossen  Gefässstämme  oder  als  pulmonale  in  die  Tiefe  des 


Wi  derliofer,  Krankheiten  der  Rroiicliialdrüsen.  901 

Lungengewebes  eingesenkt  und  so  unzugänglich  für  den  sorgsamst  per- 
cutirenden  Finger. 

Uebrigens  findet  man  bei  den  Autoren  darin  Uebereinsfimmung, 
dass  selbst  enorm  vergri')sserte  Broueliialdrüsen  der  Percnssion ,  ja  wie 
wir  später  noch  einsehen  werden,  selbst  der  Diagnostik  latent  bleiben 
können. 

Ein  sehr  Ijelehrendes  Beispiel  lieferte  mir  ein  beiläufig  9  Jahre  alter 
an  Rupia  syphilitica  leidender  Knabe.  Wir  vermutheten  Bronchialdrü- 
senschwellung.  Mein  Lehrer  Prof.  Mayr  beauftragte  mich,  den  Kranken 
sorgsamst  in  dieser  Beziehung  zu  untersuchen  Ausser  auftalüg  v  e  r- 
m  e  h  r  t_e  r  Resistenz  bei  der  Percnssion  der  Interseapulargegend 
erhielten  wir  nicht  näheren  Aufschluss  und  doch  fanden  wir  in  Sectione 
an  der  Trachealbifureation  ausser  zahlreichen  bis  auf  Walluussgrösse 
geschwellten  Drüsen  4 — 5  Drüsentumoren  von  klein  Apfelgrösse  (der  Fall 
findet  noch  bei  Syphilis  Erwähnung). 

Soviel  muss  aber  immer  zugestanden  werden,  dass  grosse  Tumoren, 
selbst  bei  unverändertem ,  wenigstens  nicht  luftleerem  Lungengewebe 
den  Percussious-Scbali  insoweit  modificireu  können,  dass  derselbe  durch 
seine  Kürze  wie  vor  Allem  durch  das  Tastgefühl  d  e  r  g  e  s  t  e  i  g  e  r  t  e  n 
Resistenz  auffällig  wird. 

Entsprechend  den  anatomischen  Verhältnissen  muss  man  a  priori 
erwarten ,  dass  die  Percussion  in  der  Regio  sternalis  superior  eher  posi- 
tive Resultate  liefern  könnte,  dass  also  hier  ein  kurzer  gedämpfter  Per- 
cussionsschall  mit  vermehrter  Resistenz  direct  von  einer  erkrankten 
Drüse  herrühren  könnte.  Es  ist  in  der  That  so.  Bei  genauer  Unter- 
suchung des  Thorax  findet  man  nicht  allzu  selten  eine  ganz  circum- 
scripte  Dämpfung,  die  augenscheinlich  einer  erkrankten  Costo-Sternal- 
Drüse  entspricht ;  ich  sah  sie  auch  ohne  nachweisbare  Erkrankung  an- 
derer oberflächlicher  Drüsen  bei  einem  sonst  gesunden  aber  zarten  Kna- 
ben durch  viele  JVIonate  unverändert  fortbestehen. 

Nicht  ungünstigere  Chancen  hat  die  Percussion  auch  bei  der  Er- 
krankung der  Subclaviculardrüsen ,  welche  selbst  eine  ziemlich  ausge- 
breitete Dämpfung  im  Bereiche  der  ersten  Rippe  hervorbringen  können  ; 
ich  möchte  fast  glauben  günstigere,  als  an  der  oberen  Brustapertur  zum 
Nachweise  der  Retrosternaldrüsen  und  der  übrigen  oberflächlichen  Me- 
diastinaldrüsen.  Auch  Bar  ety  legt  einen  besonderen  Werth  auf  die 
Gegend  der  Sterno-Clavicular-Articulation. 

Glaubt  man  durch  die  Percussion  diagnostische  Anhaltspunkte  er- 
halten zu  haben ,  so  muss  man  sich  wohl  durch  ControUe  versichern, 
dass  man  nicht  Lunge  und  Drüse  verwechselte. 

Eben  diese  Gruppen  von  Drüsen  sind  aber  solche,  die  in  der  Erkran- 
kungshäufigkeit zu  den  übrigen  weit  zurückstehen,  wenige  Fälle  ausge- 


992  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     RroncliinUlrüsen. 

nommen ,  daher  deren  Erkraiikungsiiachweis  meist  schon  iu  ein  sehr 
vorgeschrittenes  Stadium  fällt ,  demnach  bedeutend  an  Interesse  und 
Werth  für  die  Diagnose  einbüsst. 

Dem  Gesagten  ist  zu  entnehmen,  dass  die  Percussion 
nur  iu  hochgradigen  Fällen  vonBronchialdrüsensch wel- 
lung positivere  Anhaltspunkte  geben  könnte  und  dass 
diese  sich  ausser  der  beg ranzten  Kürze  des  Schalles  vor- 
wiegend durch  die  Tastempfindung  der  geste  igerten  Re- 
sistenz m  a  r  k  i  r  e  n  dürften. 

Auscultation. 

Es  gelte  als  ob  er  st  er  Grundsatz,  dass  die  geschwell- 
ten die  Luftkanäle  umgebenden  Bronchialdrüsen  vor- 
zügliche Schallleiter  für  die  in  jenen  entstehenden  Ge- 
räusche bilden. 

Damit  wäre  eigentlich  alles  gesagt.  Man  vergegenwärtige  sich 
nur  die  wahre  Sachlage. 

Die  Trachea  au  ihrer  Theilung  wie  die  grossen  Bronchien  sind  mit 
solchen  mehr  weniger  harten ,  den  Schall  gut  tortleitenden  Drüsen  um- 
geben ,  die  so  geschwellt  sein  können ,  dass  sie  beengt  im  Räume  die 
Luftkanäle  von  allen  Seiten  imischliessen  und  so  in  unmittelbare  Ver- 
bindung mit  den  Wirbelkörpern  treten.  An  diese  schliessen  sich  weiter 
die  Rippen  an  ;  wenn  gleich  deren  Schallfortleitungsvermögen  zwar 
etwas  durch  die  Gelenksverbindung  abgeschwächt  ist ,  so  ist  die  Luft  in 
dem  Athmungsrohre  doch  durch  gute  Leiter  mit  dem  Ohre  des  Auscul- 
tirenden  verbunden.  Die  ohnehin  schmächtige  wenn  auch  schlecht  lei- 
tende Rückenmusculatur  des  kindlichen  Thorax  kommt  dabei  nicht  allzu 
sehr  in  Betracht. 

So  wird  nun  das  hier  gebildete  tracheale  und  bronchiale  Geräusch 
des  Luftstromes  —  in  der  Norm  abgeschwächt  oder  gar  nicht  vernehm- 
bar —  leicht  vernommen  in  all'  seiner  Litensität  und  Schärfe ,  sowohl 
in  der  Literscapulargegend  und  zwar  in  seinem  mittleren  wie  oberen 
Theile,  als  auch  bis  in  die  Fossae  supraspinatae  fortgepflanzt. 

Aehnliche  Bedingungen  Ijestehen  auch  für  die  pulmonalen  Drüsen, 
doch  schon  verminderten  Grades ,  wenn  auch  diese  Drüsen  geschwellt 
durch  Agglomeration  ansehnliche  Paquete  bilden;  sie  stehen  an  Grösse 
den  interbronchialen  nach  und  sind  zugleich  von  mehr  minder  mächtigen 
Schichten  des  Lungengewebes  umgeben. 

Es  wird  ziemlich  allgemein  angenommen ,  dass  den  vergrösserten 
Bronchialdrüsen  ein  exquisit  bronchiales  In-  und  Exspirationsgeräusch 
in  der  nächsten  Umgebung  des  3.  Brustwirljels  entspreche.  Es  wird 
dasselbe  bald  als  verschärftes,  verlängertes,  bald  bronchiales,  dem  caver- 


W  i  d  e  r  h  o  f  e  r,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  993 

nösen  sich  näherndes  Geräusch  bezeichnet.  Dass  diess  der  Effect  der 
geschwellten  Drüsen  sein  kann ,  ist  aus  Obigem  klar ;  doch  muss  die 
Deutung  dieser  Erscheinung  wohl  immer  mit  grossem  Vorbedachte  auf- 
genommen werden,  sollen  diese  Auscultatiouszeichen  bei  Rückschlüssen 
auf  die  Bronchialdrüsen  nicht  zu  den  gröbsten  Irrthümern  führen ,  wie 
solche  jeder  Kinderarzt  als  tägliche  Vorkommnisse  zur  Genüge  kennt. 
Es  ist  auch  unmöglich ,  mit  dem  blossen  Hinweise  auf  dieses  Ausculta- 
tionsphänomen  zu  entscheiden,  ob  man  es  hier  mit  einer  Infiltration  des 
Lungeugewebes,  einem  insufficienten  Spitzenathmeu  oder  einer  Erkran- 
kung der  Drüsen  zu  thun  hat.  Die  Percussion  und  die  oftmalige  Wie- 
derholung der  Auscultation ,  wobei  erst  nach  und  nach  die  Inspiration 
ihren  wirklichen  Character  verräth,  werden  die  Controlle  üben  müssen. 

Der  Anfänger  kann  ausserdem  nicht  genug  oft  erinnert  werden, 
solche  Geräusche  ja  nicht  mit  den  höher  oben  im  Munde,  Nase,  Rachen 
erzeugten  und  fortgepflanzten  zu  verwechseln ;  es  wird  immer  nur  die 
sorgfältigste  Beachtung  aller  Nebenumstände  Aufschluss  gebend  sein. 

Was  hier  von  der  Fortleitung  der  normalen  Luftge- 
räusche  gesagt  ist,  hat  natürlich  gleich werthige  Geltung  für  die 
Stimme,  den  Husten  (durch  die  mitschwingenden  Thoraxwände 
wird  die  Stimme  deutlicher,  man  fühlt  das  durch  sie  hervorgebrachte 
Zittern  stärker. 

All  diess  gilt  nicht  minder  für  die  abnormen  Geräusche. 

Die  Angabe  der  Autoren,  dass  man  bei  Bronchialdrüsenschwellung 
in  der  Interscapulargegend  häufig  grossblasiges  Rasseln  vernehme,  findet 
seine  Autklärung  darin:  Mit  ihnen  einher  geht  oftmals  Catarrh  der 
Schleimhaut ,  nicht  nur  der  kleineren  Bronchien ,  sondern  auch  der 
grossen  Bronchien  und  der  Trachea,  und  daher  werden  auch  die  daselbst 
producirten  Rasselgeräusche  wieder  in  verstärkter  Intensität  gehört 
werden  können.  Man  kann  mit  Prof.  Mayr  sagen,  dass  diese  sonoren, 
trockenen  oder  feuchten  Rasselgeräusche  an  der  Theiiungsstelle  der 
Bronchien  fast  beständig  anwesend  sind ,  dass  sie  immer  wiederkehren, 
wenn  sie  auch  zeitweise  abnehmen  und  verschwinden,  und  besonders  bei 
verstärkter  Herzaction  zunehmen. 

Auf  den  Umstand,  dass  diese  fortgepflanzten  Geräusche  nicht  nur 
in  der  Interscapulargegend ,  sondern  auch  zugleich  vorne  in  der  oberen 
Sternalgegend  gehört  werden  müssen,  legen  QueueaudeMussy  und 
Barety  einen  besonderen  Werth,  der  auch  alle  Würdigung  verdient. 

Es  sei  schliesslich  nur  noch  eines  Unistandes  Erwähnung  gethan 
und  zwar,  dass  dem  prononcirten  lauten  Exspirium  in  der  Interscapular- 
gegend auf  beiden  Seiten  nicht  völlige  Gleichwerthigkeit  zuzuerkennen  ist. 

Durch  die  überwiegende  Weite  des  rechten  Bronchus  sind  eben  die 

Haudb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  63 


994  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

Bedingiiugen  der  Fortpflanzung  rechts  günstiger ,  daher  wir  auch  hier 
am  normalen  kindlichen  Thorax  ein;  lauteres  Exspirium  häufig  antreffen ; 
prävalirt  nun  das  besagte  Äuscultationsphänomen  linkerseits  auffällig, 
so  ist  aus  demselben  ceteris  paribus  ein  Rückschluss  auf  die  Brouchial- 
drüsenschwellung  weit  eher  gestattet. 

So  wird  auch  die  Auscultation  für  sich  allein  wohl 
nie  zu  einemunbezweifelbaren  positiven  Resultate  kom- 
men; sie  wird  aber  allerseits  gehörig  controllirt  immer- 
hin für  die  Diagnose  nicht  zu  unterschätzende  Anhalts- 
punkte bieten  können. 
P  a  1  p  a  t  i  o  n. 

Es  scheint  fast  widersinnig ,  in  einer  Abhandlung  über  intrathora- 
cische  Drüsenerkrankung  von  ihr  sprechen  zu  wollen;  in  folgendem 
dürfte  man  jedoch  seine  Meinung  modificiren. 

Es  mag  vielleicht  sogar  in  höchst  seltenen  Fällen  die  Möglichkeit 
geboten  sein,  die  direct  hinter  dem  oberen  Sternalrande  gelegenen 
Drüsen,  wie  sie  in  der  normalen  Anatomie  geschildert  sind,  zu  fühlen; 
auch  an  der  hinteren  Fläche  der  Clavicula  mag  der  tastende  Finger  viel- 
leicht irgend  einmal  eine  aus  der  Tiefe  emporragende  erkrankte  Drüse 
finden.  Sie  werden  aber  immer  seltene  Funde  und  nur  an  sehr  weit  vor- 
geschrittenen Fällen  sein. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  Drüsen  am  Halse. 

Man  wird  nicht  leicht  eine  Diagnose  auf  Bronchialdrüsenerkran- 
kung  stellen,  ohne  sich  zuvor  über  den  Zustand  der  Halsdrüsen ,  beson- 
ders der  unteren  Gruppen  instruirt  zu  haben.  Ich  stelle  die  Cervical- 
drüsen  an  Wichtigkeit  kauni  in  zweite  Linie.  Man  findet  sie  oft  in  ähn- 
licher Weise  erkrankt,  nicht  nur  hie  und  da  eine  einzelne  geschwellt, 
sondern  es  finden  sich  ganze  Gruppen  mehr  minder  vergrössert,  theils 
noch  frei,  theils  der  Umgeliung  adhäi'ent,  schmerzhaft  selljst  in  Eite- 
rung begriffen ,  oder  narbige  Einziehungen  als  sprechende  Zeugen  des 
Vergangenen. 

Analoga  über  die  Mitleidenschaft  der  benachbarten  Drüsen  findet 
man  wohl  zur  Genüge ;  man  denke  an  die  Unterkiefer-  und  oberen  Hals- 
drüsen bei  Entzündungsprocessen  im  Munde ,  Rachen ,  an  die  Inguinal- 
drüsen  bei  Mesenterialdrüsen-Tuberculose  etc.  All  das  bezweifelt  nie- 
mand.   Nur  das  Gegentheil  würde  überraschen. 

Es  muss  demnach  ein  inniger  Causalnexus  der  Bron- 
chialdrüsen mit  den  benachbarten  Drüsen  in  specie  des 
Halses  und  Nackens  bestehen. 

Obwol  dieses  Verhältniss  im  Ganzen  nicht  immer  die  verdiente 
Würdigung  gefunden,  so  wurden  doch  in  langvergangener  Zeit  die  em- 


Widerhof  er,  Krankheiten  der  Bronchialdrüaen.  995 

sigsten  Studien  darüber  gepflogen.  Man  blättere  nur  in  dem  citirten 
Werke  Mascagni's  nach  (1787)  und  man  wird  klar  erwähnt  und  ab- 
gebildet finden,  dass  zahlreiche  Lymphgefässe  die  oberflächlichen  und 
tiefergelegenen  Drüsen  des  Halses  und  Nackens  mit  den  Bronchialdrüsen 
an  der  Trachealbifurcation  in  innigste  Verbindung  bringen. 

In  unserer  anatomischen  Skizze  haben  wir  die  Glandulae  tracheales 
profundae  beschrieben  und  angegeben,  dass  sie  beiderseits  eine  unimter- 
brochen  fortlaufende  Kette  —  Drüse  an  Drüse  —  von  der  Trachealthei- 
lung an  bis  in  die  Höhe  des  unteren  Schilddrüsenrandes  bilden. 

Prof.  Riebet  (Traite  d'anatomie  medic.  chirurg.  4.  ed.  1873*) 
verlegt  den  Causalnexus  auf  die  Verbindung  der  Lymphgeiässe  der 
Pleura  mit  den  supraclaviculären  Drüsen  des  Halses.  Es  müssten  also 
insbesonders  bei  Ergriffensein  der  Pleura  die  Halsdrüsen  derselben 
Seite  vorwiegend  alterirt  sein  —  ein  Umstand,  den  ich  bis  jetzt  noch  zu 
wenig  würdigte,  um  urtheilen  zu  können. 

Aus  dem  Obigen  erhellt ,  dass  die  genaue  Untersuchung  der  ober- 
flächlichen unteren  und  auch  der  tieferen ,  noch  dem  Gefühle  zugäng- 
hchen  Drüsen  des  Halses  oftmals  ein  annäherndes  Bild  über  die  Bron- 
chialdrüsen uns  verschaffen  kann,  dass  mindestens  deren  genaue  Unter- 
suchung wol  nie  ausser  Acht  zu  lassen  ist. 

Die  benachbarten  Drüsen  der  Achselhöhle  sind  minder  von  Belange. 

In  ganz  seltenen  Fällen ,  aber  mit  um  so  mehr  Beweiskraft ,  ent- 
deckt man  geschwellte,  selbst  vereiternde  oberflächliche  Hautdrüsen  am 
Thorax. 

Es  sei  zum  Schlüsse  nur  noch  erwähnt ,  dass  so  constant  alle  diese 
benachbarten  Drüsengruppen  bei  vorgeschrittener  Bronchialdrüsen- 
tuberculose  in  Mitleidenschaft  gezogen  sind,  sie  oft  genug  bei  recenteren 
Erkrankungsprocessen  völlig  intact  bleiben. 

Wenn  wir  bei  den  einzelnen  Autoren  die  Symptomatologie  durch- 
mustern, so  finden  wir  die  verschiedenartigsten  Erscheinungen  ziemlich 
wirre  unter  einander  geworfen ,  als  da  sind :  habituelle  Dyspnoe 

—  vermindertes  Athmen  bei  der  A  us  cult  ation  —  sono- 
res tönendes  Inspirationsgeräusch  —  Adspirationser- 
scheinun  gen  —  nervöser  Husten  —  Stimm  Veränderung 

—  Asthmatische  Anfälle  etc.  —  Wir  glauben  sie  hier  unter 
den  directen  Zeichen  übergehen  zu  sollen ,  werden  sie  aber  an  jener 
Stelle  nicht  unerwähnt  lassen,  wohin  sie  uns  zu  gehören  scheinen. 

Wir  wenden  uns  also  zu  den  consecutiven  Erscheinungen. 

■")  B  a  r  e  t  y  :  L'Adenopathie  trachtSo-hronchique  etc.  pag.  54. 
'  •  63  * 


996  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

II.     Consecu tive    Symptome    in    erster    Linie    oder 
Compressious-Symptome. 

In  erster  Linie  zählen  wir  unter  diese  die  der  Compression, 
wie  sie  die  vergrösserten ,  in  ihrem  Räume  so  beengten  Drüsen ,  noth- 
weudig  auf  die  Umgehung  ausüben  müssen,  und  zwar  zeigt  sieh  am  häu- 
figsten die 

A)  C  0  m  p  r  e  s  s  i  0  n  a  u  f  d  i  e  L  u  f  t  w  e  g  e :  Trachea,  Haupt- 
bronchien und  deren  Verzweigungen. 

Eigentlich  niüssteu  wir  als  erste  Folgewirkung  die  Catarrhe  der 
Luftwege,  besonders  die  sogenannte  Tracheitis  hier  erwähnen. 

Sie  wird  später  Erwähnung  finden ,  um  sie  nicht  aus  der  Verbin- 
dung mit  der  Bedeutung  des  Hustens  zu  bringen. 

Wenn  auch  die  grössern  Luftcanäle  einen  ziemlichen  Grad  von  Re- 
sistenz besitzen ,  die  Sectionen  bringen  uns  doch  Befunde  in  verhält- 
nissniässig  reichlicher  Anzahl,  dass  vergrösserte  Drüsen  oder  ganze 
Conglomerate  dieselben  nicht  nur  umlagern ,  sondern  in  deren  Wan- 
dungen Impressionen  hervorbringen  und  durch  fortgesetzte  Entzündung 
des  umgebenden  Zellstoffes  die  innigsten  Verwachsungen  mit  ihnen  ein- 
gehen. Dadurch  müssen  die  Luftcauäle  gedrückt,  verdrängt  und  gezerrt 
werden  mit  der  nothwendigen  Folge  der  Beeinträchtigung  ihres  Lumens 
Ins  zur  auffälligen  Stenosirung ,  wozu  als  weiterer  Factor  nicht  selten 
die  Infiltration  und  Verdickung  der  Tracheal-  oder  Broiichialwandung 
kommt. 

Je  mehr  Drüsen  erkrankt  sind,  je  derl)er  ihre  Gonsistenz,  je  massiger 
ihr  Volumen,  je  länger  ihre  krankhafte  Veränderung  dauerte,  um  so 
leichter  und  um  so  hochgradiger  wird  die  Stenosirung  eintreten.  Insbe- 
sonders  werden  aber  die  chronischen  Tumoren ,  in  specie  die  sarcoma- 
tösen  und  syphilitischen  diese  Wirkung  hervorbringen,  obgleich  es  auch 
bei  der  acuten  Entzündung ,  besonders  mit  dem  Ausgange  in  Eiterung 
dazu  kommen  kann. 

Am  häufigsten ,  wenn  auch  minder  hochgradig ,  kommt  die  Steno- 
sirung zu  Stande  Ijei  ausgebreiteter  Verkäsung  der  Drüsen,  doch  können 
auch  die  einfachen  Hyperplasieen  ähnliche  Wirkungen  erzeugen.  Am 
leichtesten  werden  Drüsen  im  Lungengewebe  Bronchien  weiterer  Ord- 
nung stenosiren  oder  durch  Schrumpfung  partielle  Erweiterung  -- 
Bronchiectasie  —  nach  sich  ziehen. 

Die  Compressionsstelle  kann  ihren  Sitz  am  untersten  Abschnitte 
der  Trachea,  öfter  noch  an  der  Bifurcation  ,  oder  einem  Hauptbronchus 
oder  in  dessen  weiterer  Verzweigung  haben.  An  derselben  findet  man 
eine  einfache  Impression  bis  zur  mehr  spaltiörmigen  ,  selbst  ringförmi- 


Wider  ho f  er,  Krankheiten  der  Bronohialdrüsen.  997 

gen  Stenosirung  mit  ihren  Consequenzen  der  Bronchienerweiterung  und 
dem  Liuigenemphyseni.  Eine  völlige  Obliteration  der  Trachea  oder  eines 
Hauptbronchus  bis  zur  Undurchgängigkeit  ist  mir  nicht  bekannt. 

Es  entsteht  also  nur  die  Frage ,  wodurch  gibt  sich  eine  derar- 
tige Stenosirung  zu  erkennen? 

Sobald  einmal  durch  die  Stenosirung  ein  Hinderniss  in  dem  Haupt- 
luftstrome eingeschaltet  ist ,  so  entsteht  Dyspnoe  und  zwar  G  e  r- 
hardt'sinspiratorischeDyspnoe.  Vorzugsweise  wird  also  die 
Inspiration  behindert  sein ,  sie  wird  verlängert ,  erschwert,  gezogen,  sie 
wird  mit  einem  lauten  weithin  hörljaren,  tönenden  keu- 
chenden Geräusche  verbunden  sein ;  —  Barety's  Inspiration 
sifflante  —  mau  hört  und  fühlt  ein  deutliches  Schwirren  beim  Durch- 
tritte des  Luftstromes  durch  die  stenosirte  Stelle,  indess  die  Exspiration 
verhältnissmässig  frei,  kurz  bleibt. 

Es  findet  gerade  der  Gegensatz  zum  normalen  Respirationstypus 
statt.  Die  in  der  Norm  auf  die  Exspiration  folgende  Athmungspause  folgt 
hier  scheinbar  auf  die  Inspiration ,  aber  nur  scheinbar ,  da  die  Inspira- 
tionsmuskeln so  lange  in  ihrer  Spannung  verharren,  dass  sie  eine  Ruhe- 
pause vortäuschen  können.  Auch  diese  verlängerte  Inspiration  vermag 
den  Lutthunger  nicht  zu  stillen  und  daher  werden  durch  die  Luftver- 
dünnung im  Thorax  die  nachgiebigen  Parthieen  desselben  einsinken  — 
es  treten  A  d  s  p  i  r  a  t  i  o  n  s  p  h'ä  n  o  m  e  n  e  auf. 

Soweit  nun  haben  wir  das  Symptomenbild  völlig  analog  mit  der 
Stenose  des  Larynx  z.  B.  durch  Croup  und  für  diese  wird  es  dem  An- 
fänger primo  intuitu  auch  imponiren. 

Hören  wir  aber  dann  die  beinahe  immer  ganz  unveränderte,  oder 
doch  wenigstens  kaum  veränderte  Stimme  des  Kindes  —  sehen  wir  den 
Larynx  entgegengesetzt  kaum  nennenswerthe  Excursionen  im  Auf-  und 
Absteigen  bei  der  Respiration  machen  —  Gerhardt  —  sehen  wir 
statt  dem  nach  rückwärts  gebeugten  Kopfe  und  der  gerade  gerichteten 
Halswirbelsäule  den  Kopf  nach  vorne  geneigt  —  so  schwinden  bald  alle 
Zweifel  und  wir  sehen ,  dass  hier  die  Stenose  tiefer  sitzt ,  also  in  der 
Trachea  oder  in  einem  Bronchus.  Die  hervortretende  Einseitigkeit  der 
Symptome  wird  uns  weiter  belehren ,  falls  wir  es  nicht  mit  einer  Tra- 
cheal-  sondern  mit  einer  Broncho-Stenose  zu  thun  haben ;  diessfalls  ist 
bei  der  Inspiration  nur  an  der  kranken  Seite  Schwirren  fühlbar  und 
lautes  Schnurren  —  in  jenem  Falle  ist  beiderseits  das  vesiculäre  Athmen 
durcli  das  tracheale  gedeckt  —  jetzt  nur  an  der  kranken  Seite  mit 
vermindertem  Pectoralfremitus  —  verminderter  Expansion  der  kran- 
ken Thoraxseite,  vermehrter  der  gesunden  —  Gerhardt-Riegel*). 

»TcTerhardt:  Ueber  syphilitische  Erkrankungen  der  Luftröhre.  Deutsches 


998  Krankheiten  der  Athniungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

Von  solcher  Dyspnoe  gequält  sitzen  diese  armen  lOeiuen  meist  Tag 
und  Nacht  halbaufrecht  im  Bette ,  da  sie  liegend  den  Athem  ganz  ver- 
lieren. Doch  bleibt  es  dabei  nicht.  Wie  die  Croupkraukeu  werden  sie 
nach  und  nach  oder  ganz  plötzlich,  am  wahrscheinlichste)!  bei  vermehrter 
Schleimansammlung ,  von  den  heftigsten  SuffocationsaniUllen  ergriffen. 
Quälender  Husten  —  die  heftigste  Dyspnoe  mit  dem  bekannten  zischen- 
den Geräusche  —  die  stärksten  Adspirationserscheinungen  —  Cyanose 
an  den  Lippen  —  kalter  Schweiss  an  dem  von  Angst  verzehrten  Ge- 
sichte machen  den  kleinen  Patienten  zur  wahren  Jammergestalt.  — 
Wer  vergisst  das  Bild  eines  an  Halswirbelcaiües  leidenden  Kindes  in 
den  letzten  Lebenstagen,  —  freilich  eine  andere  Ursache,  aber  doch  die 
gleiche  Wirkung !  — 

Die  Wirkung  der  Drüsen  auf  die  Trachea  und  Bronchien  bleibt 
aber  nicht  immer  bei  der  Compression  stehen,  sondern  es  kann  noch  zur 
Perforation  derselben  kommen,  nachdem  sich  durch  Erweichung 
der  verkästen  Drüsen  die  sog.  P h  t h i s i s  t u b  e  r c u  1  o  s a  d e r  D r ü- 
sen  —  die  Caveruenbildung  entwickelte. 

Diess  ist  die  gewöhnliche  Art  der  Perforation ,  obwohl  in  ganz 
seltenen  Fällen  die  acute  Entzündung  mit  dem  Ausgange  in  Eiterung 
gleichfalls  eine  Perforation  herbeiführen  kann. 

Der  pathologische  Vorgang  ist  oben  unter  »pathologische  Anato- 
mie« abgehandelt.  Es  wäre  vielleicht  nur  über  deren  Diagnose  weniges 
beizufügen :  Liegt  eine  solche  Caverne  im  Bereiche  des  Lungengewebes, 
so  unterliegt  deren  Diagnose  den  Gesetzen  über  Höhlenbildung ;  liegt 
sie  ausserhalb,  .steht  sie  also  in  Communication  mit  der  Trachea  oder 
einem  Hauptbronchus ,  so  fehlen  uns  sichere  physikalische  Anhalts- 
punkte für  die  Diagnose  einer  solchen  wandständigen  Höhle ,  sobald  sie 
an  Grösse  nicht  gewisse  Grenzen  tibersteigt. 

Man  liest  hie  und  da,  dass  bei  heftigen  Hustenstö,ssen  seques- 
t  r  i  r  t  e  D  r  ü  s  e  n  t  r  ü  m  m  e  r  ausgeworfen  werden.  So  ist  es  auch.  Solche 
Vorkommnisse  sind  unbezweitelbar  und  ich  erinnere  mich  selbst  eines 
Falles,  wo  die  Einkeilung  eines  solchen  Drüsenfragmentes  in  die  Glottis 
den  plötzlichen  Tod  herbeiführte,  wie  es  uns  die  Obduction  lehrte.  Wie 
weit  sie  für  die  Diagnose  verwerthbar  sind,  ist  an  sich  klar. 

Wenn  man  aber  liest ,  dass  solche  Kinder  selbst  noch  vollständig 
genasen ,  nachdem  sie  mehrere  solcher  verkäster  Drüsen  ausgeworfen 
haben  (Quersant),  so  fordert  diess  doch  gar  viel  Glauben. 


Archiv  fiü-  klinische  Medizin  IL  Bd.  S.  .535.  -  Idem:  Casuistische  Mitthei- 
lungen über  Krankheiten  der  oberen  Luftwege.  .Jenenser  Zeitschrift  für  Me- 
dicin  III.  —  Riegel:  Ziemssens  Handbuch  IV.  Bd.  Verengerungen  der  Tra- 
chea und  der  Bronchien  —  Tracheostenose  —  Bronchialstenoee. 


Wider  hofer,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  999 

An  Fällen  von  Perforation  in  die  Luftwege  hat  die  Literatur  keinen 
Mangel.  Sie  waren  schon  Becker  bekannt.  Rilli  et  und  Barth ez 
beobachteten  27  Fälle,  davon  15  links,  13  rechts  gelegen  waren. 

In  jüngster  Zeit  veröffentlichte  Thomp'son  einen  Fall  von  Perfo- 
ration in  die  Trachea  an  deren  Bifurcation  (Med.  Times  et  gaz.  12.  30. 
1874).  Coup  8  1  a  n  d  ebenfalls  eine  Perforation  der  Trachea  über  dem 
linken  Bronchus  und  Entfernung  eines  käsigen  Pfropfes  (The  Lancet. 
Vol.  1.  1874).  Der  Fall  war  ausgezeichnet  durch  6  Wochen  lang  an- 
dauernde krampfhafte,  dyspnoeische,  nächtliche  Anfälle  von  grösster  In- 
tensität in  Folge  der  Compression  der  Trachea  durch  die  Drüsen. 

Schliesslich  noch  ein  paar  Worte  an  dieser  Stelle  über  die  S  t  e- 
nosen  bei  Syphilis.  So  hochgradig  auch  hier  die  Drüsentunioren 
sein  mögen  (siehe  den  bei  Percussion  erwähnten  Fall) ,  die  bedeutend- 
sten Stenosen  kommen  mehr  auf  Rechnung  der  an  der  Schleimhaut  der 
Trachea  und  Bronchien  vorfindlichen  constringirenden  syphilitischen 
Narben. 

Zur  Illustration  zwei  Fälle:  Ein  Fall  aus  meinem  Spi- 
tal e:  Mädchen,  12  Jahre,  vom  Jahre  1870*).  Symptome:  Syphili- 
tische Ulceratiouen  im  Bachen  —  Aphonie  (wegen  Larynx-Syphilis)  — 
Pertussis  ähnliche  Hustenanfälle  besonders  Nachts  —  hochgradige  dys- 
pnoeische Anfälle  —  Tod  durch  verkäsende  Pneumonie.  —  Obduction 
ergab :  Strängt urmige  Narben  an  dem  unteren  Abschnitte  der  Trachea, 
ebenso  im  linken  Bronchus  eine  Strecke  fortlaufend ,  welcher  bis  auf 
Ganskieldicke  stenosirl  ist.  Cylindrische  Erweiterung  der  Bronchien  in 
der  linken  Lunge  ebenfalls  mit  Narben,  Bronchialdrüsen  an  der  Bifurca- 
tion, im  Lungenhikis  und  weiter  sehr  derb,  stellenweise  käsig  degenerirt 
(Präparat  im  Museum  des  St.  Annenspitals  in  Wien). 

Einen  zweiten  Fall  Iiringt  unser  leider  zu  früh  verstorbener 
Freund  Prof.  Steiner  aus  Prag*).  Knabe,  12  Sahre  alt,  1864. 
Symptome:  ebenfalls  Rachen-Syphilis  —  Halsdrüsen  verkäst  —  eben- 
falls nächtlicher  quälender  Husten ,  dyspnoeische  Anfälle  wie  oben  bei 
Trachealstenose  beschrieben  —  Tod  durch  Pneumonia  dextra  —  Section: 
Untere  Hälfte  der  Trachea  durch  Narl^en  verengt.  —  Oberhalb  der  Bi- 
furcation Trachealpolyp  —  Eingang  in  den  linken  Bronchus  merklich  er- 
weitert —  rechter  Bronchus  durch  klappenartige  Schleimhautfalten  ,  so- 
wie durchNarben'stenosirt.  — Rechts  Infiltration  der  Lunge  —  Bronchien 
beiderseits  erweitert,  besonders  klaffend  rechts.  —  Bronchialdrüsen  am 
rechten  Bronchus  Wallnussgross ,  hart,  schiefergrau  pigmentirt,  käsig. 
B.  Compression  auf  die  Ge fasse. 
Ganz  analog  wie  auf  die  Luftwege  können  die  Drüseutumoren  auf 


*)  Veröffentlicht  durch  meinen  damaligen  Assistenten  Dr.  Hutten- 
brenner  »Ueber  einen  seltenen  Fall  einer  syphilitischen  Narbe  an  der  Bi- 
furcation der  Bronchien.«     Jahrbuch  für  KiBderheilkunde.     Neue  Folge   V.  Bd. 

q        TT        G        Q^ft 

'**)'Aus"dem  Franz- Josef-Kinderspitale  zu  Prag:  Ein  Beitrag  zu  den  Ste- 
nosen im  kindlichen  Alter  von  Prof.  Steiner.  Jahrbuch  für  Kinderheilkunde. 
Alte  Serie  VII.  Bd.  2.  H.  S.  64. 


1000  Krankheiten  der  Athmungsorgane.    Bronchialdrüsen. 

die  Gefässe  einwirken.  Durch  die  Behinderung  im  Räume  werden  sie 
unter  denselben  Umständen ,  wie  auf  die  Luftwege ,  Störungen  der  Cir- 
culation  herbeiführen,  durch  Verengerung  in  erster  Linie  den  Abf  luss, 
in  zweiter  Linie  den  Zuflu  SS  beeinträchtigen.  Sie  können  auch  mit 
deren  Wandungen  Verwachsungen  eingehen  mid  dadurch  aneurys- 
niatische  Erweiterungen  bedingen ,  wie  endlich  zu  P e r f o r a- 
t  i  o  n  e  n  führen ;  ja  es  kann  sogar  eine  doppeltePerforationdes 
Gefässes  und  eines  Bronchus  geschaffen  werden ,  wie  wir  Bei- 
spiele citiren  werden. 

Von  Allen  am  leichtesten  kann  sich  die  Compressiou  geltend  ma- 
chen auf  die  Vena  Cava  superior  und  der  en  Quelleng  ebiet. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  die  anatomische  Lage : 

Die  Glandulae  mediastinales  superficiales  liegen  luimittelbar  vor 
den  Venis  anouymis  einestheils ,  anderentheils  im  Confluenzwinkel  zwi- 
schen Vena  jugularis  interna  imd  Vena  subclavia.  Die  Glandulae  me- 
diastinales profundae  dextrae  liegen  unmittelbar  hinter  der  oberen  Cava 
an  ihrer  Zusammensetzung  aus  den  beiden  Anouymis  und  werden  ausser- 
dem noch  von  der  Vena  azygos  während  ihres  Verlaufes  zur  Cava  des- 
cendens  hin  umschlungen.  Die  Sinistrae  liegen  unmittelbar  unterhalb 
der  linken  Vena  anonyma. 

Wird  also  eine  Compressiou  ausgeübt ,  so  müssen  sich  die  Folgen 
im  ganzen  Quellengebiete  der  Cava  superior  geltend  machen. 

Es  werden  daher  mit  Recht  als  Stauungs  -  Symptome  angeführt : 
Sichtbare  Ausdehnung  der  oberflächlichen  Venen  im 
Gesichte,  am  Halse,  am  Thorax,  ja  selljst  an  den  oberen  Extremitäten 
—  ö  d  e  ra  a  t  ö  s  e  S  c  h  w  e  1 1  u  n  g  in  denselben  Bezirken,  vorzugsweise  im 
G esichte  —  bei  verhältnissmässig  geringfügigen  Anlässen  C  y  a  n  o  s  e,  wie 
z.  B.  beim  Schreien,  Husten,  Weinen  etc.  —  Neigung  zum  Nasen- 
Ijluten,  welches  sich  durch  besondere  Hartnäckigkeit  auszeichnet  etc. 

Es  mögen  diese  Angaben  genügen,  obwohl  sie  sich  noch  weiter  bis 
zur  T  h  r  o  m  b  e  n  b  i  1  d  u  n  g  in  den  Venen  und  Sinus  durae  matris  wie 
zu  B 1  u  t  e  r  g  ü  s  s  e  n  in  die  Arachnoidealhaut  im  extremsten  Grade  fort- 
leiten Hessen. 

Diesen  obigen  durch  die  Compressiou  bedingten  Stauungserschei- 
nungeu  wohnt  eine  gewisse  diagnostische  Kraft  inne ,  besonders  wenn 
sie  mehr  von  beschränkter  Ausdehnung  sind.  Das  einseitige 
Oedem  des  Gesichtes  —  die  einseitige  Ausdehnung  der  oberflächlichen 
Venen  —  oder  wenigstens  deren  Vorwiegen  auf  einer  Seite  —  deren 
Ausbreitung  nur  über  begrenzte  Bezirke ,  z.  B.  am  Arme ,  in  Folge  der 
Stauung  der  Siibclavia ,  am  Thorax  der  Vena  azygos  etc.  können  in  ge- 
höriger Erwägung  der  übrigen  Symptome  ,  z.  B.  der  gleichseitigen  ver- 


Widerhofer,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1001 

dächtigen  Percussious-  und  Auscultationsresultate  nicht  nur  die  Diagnose 
sicher  stellen,  ja  uns  auch  Anhaltspunkte  über  den  Sitz  der  erkrankten 
Drüsen  geben. 

Darauf  gründet  sich,  dass  die  practischen  Aerzte  das  reichliche 
Durchscheinen  der  Hautvenen  am  Thorax  nicht  gerne  sehen. 
Als  characteristisch  möchte  ich  noch  anführen  ,  dass  auch  diesen  Sym- 
ptomen, dem  Oedem ,  wie  der  Cyanose  eine  gewisse!  ntermittenz 
innewohnt,  dass  sie  erscheinen  und  verschwinden.  Sie  werden  auch  je 
nach  dem  Stande  der  allgemeinen  Anämie  variiren  und  bei  zufälligen 
Erkrankungen,  wie  Catarrhe  der  Bronchien  etc.  sich  bedeutend  steigern 
und  mit  deren  Besserung  wieder  vermindern. 

Wenden  wir  dieselben  Verhältnisse  auf  dieVenae  pulmonales 
an,  deren  Compression  am  exquisitesten  von  den  im  Luugenhilus  ge- 
lagerten Drüsen  ausgeübt  wird ,  so  werden  wir  wieder  alle  Stauungs- 
symptome von  der  Hyperämie  der  Lungen  zu  den  capillaren  Blutungen 
ins  Lungengewebe,  zu  einer  ausgedehnten  Blutung  bis  zu  den  Conse- 
quenzen  am  Halse  verfolgen  können. 

Doch  nicht  nur  die  Venen  ,  ebensogut  die  Arterie  u  und  selbst 
die  mächtigste  —  die  Aorta  wird  durch  Compression  von  solchen  Drüsen- 
tumoren leiden  können. 

Im  Abschnitte  »normale  Anatomie«  lesen  wir :  »Die  interbronchialen 
oder  tracheo- bronchialen  Drüsen  —  der  Centralstock  der  Bronchial- 
drüsen —  liegen  an  der  Biturcation  der  Trachea  in  der  Höhe  des  3. — 5. 
Brustwirbels.  Nach  vorne  sind  sie  bedeckt  von  dem  über  sie  quer  hin- 
überziehenden Ramus  dexter  der  Arteria  pulmonalis  auf 
seinem  Wege  über  den  rechten  Bronchus  nach  dem  rechten  Lungen- 
hilus,  vor  sich  das  ürsprungsstück  der  Aorta ,  die  in  ihrem  aufsteigen- 
den Bogen  theils  die  Drüsengruppe,  theils  den  linken  Bronchus  deckt.« 
Daraus  ist  zu  ersehen ,  dass  die  Pulmonalarterie  —  und  zwar  deren 
rechter  Ast  vorwiegend  —  im  Lungenhilus  wie  weiter  im  Lungenge- 
webe der  Compression  ausgesetzt  ist. 

Es  kann,  wenn  auch  in  seltenen  Fäll  en  zur  Gefässperforation 
kommen  (vide  pathologische  Anatomie)  und  ist  zugleich  eine  Commu- 
nication  durch  eine  Drüsencaverne  mit  einem  Bronchialrohre  gegeben, 
unter  dem  heftigsten  Bluterbrechen  zum  plötzlichen 
Tode. 

In  neuester  Zeit  theilte  V  o  g  1  (allgemeine  med.  Centralzeitung, 
N.  80  —  1874)  einen  Fall  mit ;  er  betraf  ein  Kind  5  Jahre  alt.  Der 
Tod  erfolgte  plötzlich  in  Folge  von  Communication  eines  Bronchus  mit 
der  Vena  subclavia  dextra  durch  verkäste  Bronchialdrüsen.  Bei  der  Sec- 
tion  fand  sich :  An  der  rechten  infiltrirten  Lungenspitze  eine  verkäste 
Drüse ,    welche    zwischen   einem    grösserea  Bronchialaste    und   der  Vena 


W02  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Broncliialdrüsen. 

subclavia  dextra  liegt.  Gefäss  und  ßronclius  von  Eiter  arrodirt  mit  bei- 
derseits unregelmässiger  Oeffnung.  Da  unter  der  Milzkapsel  sich  deut- 
liche Luftblasen  fanden  und  ähnliche  Befunde  an  der  Niere  und  Mesen- 
terium sich  fanden,  so  war  hier,  nach  des  Autors  Meinung,  der  Tod  er- 
folgt durch  Lufteintritt  vom  Bronchus  aus  in  die  Vena  subclavia. 

Unser  noch  nicht  veröffentlichter  Fall  betrifft  eine 
tödtliche  Lungen-Blutung,  bei  einem  4  Jahre  alten  Knaben ; 
derselbe  lag  in  unserem  St.  Annen-Spitale  mit  der  Diagnose  „Pleuro- 
pneumonie cum  Bronchieetasia." 

Nachts  tiat  ein  längerer  Eeizhustenanfall  auf,  in  dessen  Gefolge 
eine  abundante  Hämoptoe  und  der  Tod  (April  1875).  Die  Section  von 
Prof.  K  u  n  d  r  a  t  vollzogen  ergab  :  In  der  Lirftröhre  flüssiges  und  ge- 
ronnenes Blut.  —  Die  Luftröhrenschleünhaut  blass.  —  Beide  Lungen 
fast  im  ganzen  Umfange  mit  dei  Brustwand  durch  zarte  lamellöse  Pseu- 
domembranen verwachsen.  Der  Oberlappen  der  rechten  und  die  ganze 
linke  Lunge  mit  Ausnahme  der  ßasaltheile  starr;  die  übrigen  Antheile 
aufgedunsen,  sehr  blass,  leicht  ödematös,  in  bis  Bohnengrossen  Heerden 
lilutig  inundirt  und  roth  gefleckt,  —  die  starren  Antheile  beider  Lungen 
von  dicht  an  einander  gereihten  lobulären,  käsigen  Infiltraten  durch- 
setzt, der  rechte  Oberlappen  von  einzelnen,  der  linke  von  zahlreichen  bis 
Nussgrossen  mit  Tuberkeleiter ,  zum  Theile  aber  auch  mit  Blut  erfüll- 
ten Cavernen,  die  mit  ziemlich  grossen,  gleichfalls  Blut  führenden  Bron- 
chien communiciren. 

Am  Abgange  des  rechten  Bronchus  von  der  Tra- 
chea eine  erbseng  rosse,  fast  rundliche  Lücke,  durch 
die  man  in  eine  haselnussg rosse  mit  Blut,  gefüllte 
Caverne  gelangt,  die  die  Pleura  mediastinalis  nahe 
dem  Lungenhilus    blosslegt   und   nahezu  perforirt. 

Unterhalb  des  linken  Bronchus,  unmittelbar  an 
dessen  Theilung  und  hier  mittelst  eines  erbsengros- 
sen  Loches  mit  dem  Hauptbronchus  des  linken  Un- 
ter läpp  ens  communicirend,  eine  nussg  rosse  mit 
Blut  gefüllte  Drüsencaverne,  in  der  einwandstän- 
diges bohnengrosses  und  ein  gansfeder kielweites, 
cylindrisches,  ringsum  blossgelegtes  Aneurysma 
eines  über  r  alienfeder  kieldicken  Pulmonalastes  sich 
findet,  erste  res  durch  einen  mehrere  Millimeter  lan- 
gen  zackigen  Riss  eröffnet. 

Ueberdiess  fast  alle  Drüsen  des  Mediastinums  in  grosse  zum  Theil 
erweichte ,  verkäsende  Tumoren  umgewandelt ;  im  G  e  k  r  ö  s  e  des 
untersten  Ueums  ein  über  wallnussgrosses  verkästes  erweichendes 
Drüsenpaquet. 

Wir  haben  diesen  Fall  erwähnt,  weil  wir  ihn  durch  1)  eine  Per- 
foration des  rechten  Bronchus  und  2)  noch  durch  eine 
Perforation  e  ines  P  u  1  mon  al  aste  s  mit  aneu  ry  smatisch  er 
Erweiterung  und  C  o  mm  unication  mit  dem  Hauptbron- 
chus des  linken  Unterlappens  für  hinreichend  interes- 
sant f  an  de  n. 


Wider  ho  f  er,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1003 

C.  Compressionder  Nerven. 

Es  ist  nur  eine  miabweisliche  Consequenz,  dass  wir  analog  den  Luft- 
wegen und  Gefässen,  ebenso  Conipression  der  Nerven,  —  vor  Allem  des 
N.  vagus  und  seines  Astes  der  Recurrens  —  bei  unserem  Krank- 
heitsbilde  erwarten  müssen ,  besonders ,  wenn  wir  deren  zwischen  die 
tiefen  mediastinalen  Drüsen  eingebetteten  Verlauf  bedenken. 

Die  Sectionen  weisen  auch  in  grosser  Anzahl  Störungen  ihres  Ver- 
laufes besonders  des  Vagus  nach.  Wir  finden  ihn  theils  von  seiner  Rich- 
tung abgelenkt,  theils  sich  durch  Drttsenconglomerate  geschlängelt 
durchwinden,  theils  bis  zur  Abplattung  comprimirt,  theils  sichtbar  ver- 
dünnt ,  theils  durch  Bindegewebe  an  die  erkrankten  Drüsen  adhärent 
und  verdickt. 

Da  man  diese  Befunde  schon  lange  kannte ,  so  lag  es  nahe ,  dass 
man  gewissen  Modificationen  des  Hustens,  der  Stimme  und 
der  At hm ung  diese  Nervenstörungen  zu  Grunde  legte,  sobald  man 
kein  anderes  zureichendes  pathologisch  -  anatomisches  Substrat  finden 
konnte.  Und  in  der  That  ist  auch  heute  die  Bedeutung  der  hieher  ge- 
hörigen Nervenstörungen  noch  zu  wenig  studirt.  Nur  in  wenigen  Fällen 
kam  man  zu  einiger  Sicherheit.  Wir  sind  uns  ganz  wohl  bewusst,  hier 
nur  mangelhaftes  bringen  zu  können. 

Aus  den  obigen  Gründen  haben  wir  die  Besprechung  des  H  ustens 
hieher  verschoben  ,  obschon  wir  ihm  sonst  einen  anderen  Platz  hätten 
anweisen  müssen. 

Der  H  u  s  t  e  n  ist  ein  bei  unserer  Krankheitsform  selten  fehlendes 
Symptom,  wenn  auch  nicht  immer  ein  characteristischer  Begleiter. 

Wir  wissen ,  dass  die  Bronchialdrüsenschwelluug  sehr  oft  dem  Ca- 
tarrhe  der  Bronchialschleimhaut  ihre  unmittelbare  Entstehung ,  dessen 
häufiger  Wiederkehr  ihre  weiteren  Metamorphosen  verdankt.  Sind  die 
Drüsen  einmal  tiefer  erkrankt,  werden  sie  selbst  ihren  Reiz  auf  die 
Schleimhaut  ausüben  und  neue  Recidiven  des  Catarrhs  bedingen. 

Damit  ist  also  gesagt,  dass  der  Husten  im  Beginne  von  einem  ein- 
fach catarrhalischen  nicht  differirt ,  dass  er  wohl  vom  rauh  -  trockenen 
(ähnlich  dem  Larynxcatarrhe)  zum  lockereu,  feuchten  variiren  mag, 
sonst  aber  sicher  nichts  eigenthümliches  besitzt.  Der  auscultatorische 
Befund  in  der  Lunge  constatirt  zu  dieser  Zeit  auch  nur  Catarrh. 

Es  ist  damit  aber  auch  gesagt,  dass  er  häufig  grosse  Intervalle 
macht ;  er  kann  also  wochenlang  fehlen  ,  bei  günstiger  Jahreszeit  auch 
Monate  lang ,  oder  ist  nur  hie  und  da  als  sogenanntes  Hüsteln  vorhan- 
den ;  dann  erscheint  er  wieder  am  häufigsten  mit  recidivirender  Bron- 
chialschleimhautaffection  oder  auch  ohne  deren  Nachweis.  Nicht  mehr, 
wie   bei  gewöhnlichem  Catarrhe  wird  er   schon  nach    einigen  Tagen 


1004  Krankheiten  der  Atlimungsorgano.     Bronchialdrüsen. 

seltener,  feucht,  locker,  leicht,  sondern  bleibt  trocken,  wird  quälend  und 
wird  aUmählig,  wie  sich  der  Practiker  ganz  gut  ausdrückt,  eigenthüm- 
lich  nervös. 

Der  Husten  nimmt  jetzt  in  der  That  allmählig  einen  krampf- 
haften C  h  a  r  a  c  t  e  r  an  und  tritt  anfallsweise  auf.  Kurze  leichte 
Hustenstösse  mit  Intervallen  von  kaum  1 — 2  Secunden,  durch  10 — 15 
Minuten  andauernd ,  dabei  die  Stimme  nicht  verändert ,  keine  Athem- 
noth ,  kaum  Schleim  in  den  Bronchien ;  das  Kind  wird  nur  durch  die 
lange  Daner  —  durch  das  fortgesetzte  Hüsteln  —  gequält ;  er  heisst  bei 
un.s  :  »T  u  s  s i  s  s p  a  s  t  i  c  a  r  a c h  i  t  i  c  o r  u  m«,  weil  er  eben  der  Rachitis 
fast  ausschliesslich  eigen  ist ;  ein  Grund  mehr,  dass  er  mit  deren  Drüsen- 
hyperplasie  zusammenhängt.  Oder  es  stellt  sich  allmählig  eine  dem 
Laryngospasmus  ähnliche  lirähende  Inspiration  durch  Verengerung 
der  Glottis  ein,  oder  endlich  der  Husten  tritt  in  Anfällen  auf,  die 
eine  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  Pertussis  haben.  Dieselben 
rasch  auf  einander  folgenden  kurzen  Exspirationsstösse  mit  allerdings 
geringeren  Stauungserscheinungen  im  Gesicht«  —  die  Reprise  meist 
nur  angedeutet  oder  doch  sehr  schwach  —  nicht  gar  zu  selten  am  Ende 
das  Ei-brechen  von  Schleim  —  sind  die  Aehnlichkeits-  und  zugleich 
Unterscheidungsmerkmale  von  Pertussis.  Die  Anfälle  zeigen  auch  nicht 
dieselbe  Regelmässigkeit  in  der  Wiederkehr  wie  die  Pertussis ;  es  sind 
nur  solche  Pertussis  ähnliche  unter  den  einfach  catarrhalischen  Husten 
eingestreut ;  ebenso  fehlt  ihnen  auch  der  typische  Verlauf.  Trotz  alle- 
dem ist  zuweilen  die  Aehnlichkeit  eines  Anfalles  mit  einer  beginnenden 
Pertussis  —  also  nicht  einer  solchen  auf  ihrer  Höhe  —  doch  so  gross, 
dass  man  mit  der  Entscheidung ,  ob  man  es  mit  wirklicher  Pertussis  zu 
thun  hat  oder  nicht ,  in  manchen  Fällen  wird  zuwarten  müssen.  B  a- 
r  e  t  y  und  die  Franzosen  nennen  ihn  daher  sehr  passend  :  C  o  q  u  e  1  u- 
choide.« 

Wir  müssen  ferner  noch  hieher  zählen  jene  eigensgearteten  Fälle 
von  chronischer  Tracheitis  oder  Tracheobronchitis,  wie 
wir  sie  nicht  so  selten  bei  blassen ,  der  Drüsenschwellung  verdächtigen 
Kindern  finden,  die  zugleich  die  ersten  Zeichen  von  Rachitis  (also  schon 
im  I.Halbjahre)  oder  schon  weiter  vorgeschrittene  rachitische  Verän- 
derungen darbieten.  Man  hört  da  ebenso  wohl  bei  ruhiger  Bett- 
lage ,  als  wenn  sie  aufrecht  herumgetragen  werden ,  ein  lautes  weit- 
hin vernehmbares  Singen ,  Gimmen  ,  Rasseln  (im  höchsten  Grade  als 
Avürde  eine  Flüssigkeitssäule  auf-  und  absteigen)  in  der  Trachea,  die  auf- 
gelegte Hand  fühlt  es  leicht  —  weder  die  In-  noch  weniger  die  Exspiration 
ist  wesentlich  erschwert,  nur  massig  frequentere  Athmung  —  das  subjec- 
tive  Belinden  kaum  gestört  — .    Also  keine  wesentliche  Dyspnoe ,  keine 


Widerhofer,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1005 

stenotischen  Zeichen,  die  Stimme  intact.  Es  macht  eben  den  E  i  n  d  r  n  c  k 
verminderter  Empfindlichkeit  der  Schleimhaut,  denn  ver- 
hältnissmässig  stellt  sich  selten  Hustenreiz  ein.  Der  im  Beginne  auf- 
tretende allgemeine  Catarrh  mag  mit  Fieber  verbunden  gewesen  sein, 
später  ist  der  Zustand  fieberlos ,  dauert  durch  Wochen  fort ,  ohne  we- 
sentlich seinen  Character  zu  ändern  ,  ängstigt  mehr  die  Umgelmng  als 
das  Kind  selbst  und  schwindet  erst  langsam  mit  der  Besserung  der  Er- 
nährung und  des  Aussehens  des  Kindes.  Wenn  wir  diese  eigenthümlich 
abgeschwächte  Schleimhautempfindlichkeit  bei  der  Tracheitis  chronica 
berücksichtigen ,  so  können  wir  sie  wohl  nur  auf  eine  Störung  der 
sensiblen  Vaguszweige  beziehen.  Wenn  wir  die  verschiedenen 
Eigenthümlichkeiten  des  Hustens  berücksichtigen,  so  kann  man  nur  den 
Gedanken  begründet  finden,  dass  sich  auf  diese  Art  Störungen  im 
Gebiete  des  Vagi;sundin  specieseinesAstes  des  Recurrens 
äussern  können. 

Die  genai^e  Sonderung,  in  wie  weit  diese  Störungen  der  Reizung 
oder  Lähmung  der  einzelnen  Nervenzweige ,  in  wie  weit  allen  anderen 
mit  einhergehenden  verschiedensten  Organstörungen  augehören ,  wäre 
eben  die  Aufgabe  der  Diagnostik ,  die  hier  doppelt  erschwert  ist  durch 
das  innige  Verhältniss  des  Vagus  zum  Sympathicus  und  der  wir  heute 
nur  unvollkommen  genügen. 

Was  speciell  den  Laryngospasmus  anbelangt,  so  übersehe  ich 
wohl  nicht ,  dass  man  heute  dessen  Ursache  vorwiegend  in  der  MeduUa 
oblongata  sucht ;  aber  damit  ist  sicher  nicht  dessen  mögliche  Entstehung 
auf  reflectorischem  Wege  durch  die  Vagusbahn  eben  bei  unserer  Krank- 
heitsform in  Abrede  gestellt. 

Wir  lesen  bei  einzelnen  Autoren  von  asthmatischen  Auf  al- 
len bei  Bronchialdrüsenschwellung,  entnehmen  aber  nicht,  ob  sie  damit 
auch  in  der  That  den  Bronchienkrampf  —  die  exspiratorischu 
Dyspnoe  —  gemeint  haben. 

Wenn  Bier  m  er*) ,  der  auf  Grund  der  physiologischen  Experi- 
mente von  Williams  —  Longet—  P.  Berti:  »Dass  Galvanisation  des 
Vagus  die  Bronchialmuskeln  zur  tonischen  Contraction  bringe« ,  die 
Entstehung  des  wahren  Asthma  bronchiale  von  der  directen  Reizung 
der  Vagusäste  durch  geschwellte  Bronchialdrüsen  in  einigen  Fällen  her- 
leitet ,  so  können  wir  ihm  auch  klinisch  vom  Krankenbette  des  Kindes 
aus  nur  vollkommen  zustimmen.  Man  suche  sie  nur  bei  solchen  Kin- 
dern und  man  wird  sie ,  wenn  auch  nicht  in  der  Reinheit  und  Exquisit- 
heit, wie  bei  dem  Erwachsenen  finden.    Zudem  wird  man  auch  allen  in 


*)  Ueher  Bronchialasthma.  —  Volkmann's  Hefte  N.  12, 


870. 


1006  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

der  neueren  pädiatrischen  Literatur  beschriebenen  Fällen  von  Asthma 
bronchiale  im  Kindesalter ,  einschliesslich  der  von  Politzer*)  treff- 
lich  beschriebenen  vmd  interpretirten  Fälle  nicht  ganz  jeden  "Verdacht 
von  Bronchialdrüsenschwelluug  absprechen  können,  wenn  man  bedenkt, 
dass  sie  alle  theils  anämisch ,  theils  mit  chronischem  Eczem  und  Bron- 
chialcatarrh  behaftet ,  theils  rachitisch  waren ,  theils  von  tuberculösen 
Eltern  abstammten  (Quastalla)  **),  wenn  ich  auch  dessen  selbststän- 
diges Vorkommen  als  reine  Neurose  vollkommen  zulässig  finde,  ja  selbst 
Beispiele  anführen  könnte. 

Es  bleibt  auch  nicht  immer  bei  blossen  R  e  i  z  u  n  g  s  e  r  s  c  h  e  i- 
nungen,  es  kann  in  einzelnen  Fällen  auch  zu  exqiüsiten  Lähmungs- 
er.scheinun  gen  kommen. 

Gerhar  dt's  ***)  vortreffliche  Arbeit  über  Stimmbandlähmung 
lehrte  uns  zuerst  deren  Vorkommen  bei  Kindern  und  deren  mögliche 
Begründung  durch  Compression  des  Vagus  oder  besser  des  Recurrens 
durch  Drüsentumoren :  Eben  der  Recurrens  wird,  wenn  man  seinen  oben 
genau  beschriebenen  langen  Verlauf  in  der  Thoraxhöhle  berücksichtigt, 
sehr  leicht  dem  Drucke  oder  einer  anatomischen  Veränderung  von  Seite 
der  Drüsentumoreu  atisgesetzt  sein,  da  es  wohl  nur  der  bisherigen  man- 
gelhaften Beobachtung  zugeschrieben  werden  muss ,  dass  dessen  Para- 
lyse bei  unserem  vorgeschrittenen  Krankheitsbilde  nicht  schon  häufig 
constatirt  worden  ist.  Aus  der  anatomischen  Eigen  thümliehkeit  dee 
Verlaufes  wäre  zu  schliessen,  sagt  Z  i  e  m  ss  e  n  ff),  dass  der  linke  Recur- 
rens öfter  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden  dürfte  als  der  rechte. 

Immerhin  ist  hier  zur  Completirung  der  Symptomengruppe  un- 
seres Krankheitsbildes  noch  vielfache  Arbeit  zu  leisten ,  die  wohl  nur 
mit  Hilfe  des  Laryngoscops  erfolgreich  gelöst  werden  wird. 

Wir  lassen  am  Schi usse  noch  eine  Zusammenstellung  der 
hieher  bezüglichen  Fälle  von  Compression  und  Perfo- 
ration aus  dem  Kindesalter  folgen. 
Sie  umfassen  26  Sectionsbefunde  fft). 

*)  Politzer,  Dr.,  Ueber  das  Asthma  bronchiale.  Bronohienkrampf  im 
Kindesalter.     Jahrbuch  für  Kinderheilkunde.     Neue  Folge.     III.  Bd.  4.  Heft. 

*')  Dr.  Quastalla,  jun..  Ein  Fall  von  nervösem  Bronchialasthma.    Jahr- 
buch für  Kinderheilkunde.     Neue  Folge.     VII.  Bd.  2.  Heft. 

***)  Gerhardt,  Lehrbuch  der  Kinderkrankheiten.  '2.  Aufl.  Seite  317  über 
Stimmbandlähmung.  —  Idem,  Studien  und  Beobachtungen  über  Stimmband- 
lähmung.   Virchow's  Archiv  Bd.  XXVII.  p.  68. 

tj  Hei  fft,  Krampf  und  Lähmung  der  Kehlkopfmuskeln.  Berlin  1852. 
tt)  Z  i  e  m  s  s  e  n,  Handbuch  der  spec.  Pathologie  etc.  Kehlkopfneurose, 
ttt)  Der  weitaus  grössere  Theil  ist  der  ausserordentlich  genauen  Zusammen- 
stellung Barety's  entnommen,  natürlich  nur  der  auf  das  Kindesalter  bezüg- 
liche Theil  Barety's:  L'Adenopathie  Tracheo - Bronchique  etc.  Rösumö  ana- 
tomo-pathologique  des  observations  publiees  par  les  auteurs  ou  inödites.  Pag.  81 
bis  incl.  101. 


in 

4 

Fällen 

■}^ 

1 

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51 

6 

M 

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1 

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11 

4 
1 

Widerhofer,  Krankheiten  der  Bronohialdriisen.  1007 

a)  C  o  m  p  r  e  s  s  i  0  n  e  n. 

Compression  der  Trachea 

„  beider  Hauptbronchien 

„  des  rechten  Bronchus 

„  des  linken  Bronchus 

„  der  Vena  cava  superior 

„  c.  Haem.  arachnoid. 

„  der  Art.  pulni.  dextra 

„  der  grossen  Gefässe  (?) 

„  des  Vagus  beiderseits 

„  „       rechts 

„       links 
„  des  N.  phrenicus  dexter. 

b)  Perforationen. 

Perforation    der  Trachea 

„  beider  Hauptbronchien 

„  des  rechten  Bronchus 

„  „     linken  „ 

„  der  Art.  pulm.  dextra 

„  „       „         „       sinistra  „    3       „ 

„  der  Vena  subclavia  dextra      „    1       „ 

Es  sei  noch  erwähnt,  dass  unter  diesen  Fällen 

Compression  des  Oesophagus     Imal 
Perforation      „  „  4mal 

gefunden  wurde. 

ni.    Consecutive  Symptome  in  zweiter  Linie:  Folgezu- 
stände und  Einwirkung  auf  den  Gesammtor  gan  ismus. 

Die  erkrankten  Drüsen  machen  ihren  Einfluss  aber  auch  noch  auf 
die  übrigen  Organe  im  Thorax  einiger  Massen  geltend  und  zwar : 
auf  den  Oesophagus. 

Es  ist  wohl  begreiflich,  dass  dieser  in  Mitleidenschaft  gezogen  wer- 
den kann,  wenn  man  dessen  anatomische  Lage  unmittelbar  vor  der 
Wirbelsäule  ins  Auge  fasst.  Nichts  desto  weniger  werden  wir  Icauni  je 
oder  doch  höchst  selten  im  Kindesalter  irgend  welche  Symptome  z.  B. 
erschwerte  Deglutition,  Erbrechen  etc.  davon  herzuleiten  im  Stande  sein. 
Im  Capitel  pathologische  Anatomie  führten  wir  an ,  dass  die  Drüsen  im 
Zustande  der  Schrumpfung  zur  Divertikelbilduug  am  Oesophagus  An- 
lass  geben  können ,  ja  es  sind  bereits  4  Fälle  verzeichnet,  wo  die  er- 
weichten käsigen  Drüsen  eine  Communication  mit  dem  Oesophagus  her- 
stellten. „  ,,      ,  ,   , 

In  aUemeuester  Zeit  beobachtete   ich  einen  Fall  von  Durchbohrung 

des  Oesophao-us   mit  Communication    in    eine  Bronchialdrüsencaverne   an 

einem  6  Jah'r  alten  Mädchen,  das  an  allgemeiner  Tuberculose  starb.    Der 

Sectionsbefund  ergab:  .  j       inr     j 

Unter  der  Mitte  des  Oesophagus  findet  sich  m  semer  vordem  Wand 


1008  Krankheiten  der  Atlimungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

nach  rechts  hin  ein  ovalgebildeter  über  2  Centim  langer,  1  Centim. 
breiter  perforirende]'  Substanzverlust,  dessen  Ränder  erweicht,  mit  grau- 
schwarzen necrotischen  Gewebsfetzen  urasäumt  ist,  in  dessen  Lichtung 
ein  haselnussgrosser  necrotischer  Gewebsptropf  steckt.  Um  den  rechten 
Lungenhylus  herum  ein  sonijt  abgeschlossener  durch  den  bezeichneten 
Substanzverlust  mit  der  Speiseröhre  communicirender  Jaucheheerd  etablirt, 
der  theils  mit  flüssiger  grauschwarzei  krümliih  er  Masse,  theils  mit  Trüm- 
mern käsig  erweichten  Drüsenparenchyms  erfüllt  ist. 

auf  die  Lunge. 

Wie  wir  die  Broncliiti.?  zuweilen  als  cousecutive  Erkrankung  auf- 
fassen müssen ,  ebenso  kommt  es  im  L  u  u  g  e  n  g  e  w  e  b  e  .secuudär  zu 
Entzündungen,  die  theils  croupöser,  theils  catarrhalischer  Natur  sind. 
Durch  die  tiefere  Erkrankung  der  Bronchialdrüsen  wird  deren  Ausgang 
in  vollkommene  Lösung  schon  von  vorne  her  zweifelhaft.  Wir  finden 
demnach  als  allei-gewöhnlichste  Befunde  bei  verkäsenden  Bronchial- 
drüsen analoge  Processe  im  Lungengewebe ,  als  vor  allem :  verkäsende 
Eutzündungsproducte  mit  exc^uisitester  Luugeuphthyse  —  Tuberculose 
—  Schrumpfung  und  wie  schon  oben  erwähnt ,  vesiculäres  Emphysem 
und  Bronchiectasien 
auf  die  Pleura. 

Ebenso  wie  das  Lungengewebe  kann  die  Pleura  in  Mitleidenschaft 
gezogen  werden  als  Pleuritis ,  ja  bei  Durchbruch  von  oberflächlichen 
Drüsencavernen  kann  es  zu  Pneumothorax  kommen. 

Li  seltenen  Fällen  kann  sich  die  Entzündung  von  den  Drüsen 
auf  das  Mediastinalzellgewebe 
ausdehnen  als  Mediastinitis  (Barety)  mit  Abscessbildung ,  oder  der 
Durchbruch  einer  mit  einem  Bronclius  communicirenden  Drüsencavei'ne 
im  Mediastinalzellgewebe  kann  Veranlassung  eine»  Hautemphysems  bis 
an  Hals  und  Kopf  hinauf  werden. 

Dass  alle  diese  Zustände  endlich  in  letzter  Linie 
auf  das  Herz 
zurückwirken  müssen ,  dass  hier  die  bekannten  Polgezustände  am  Herz- 
muskel eintreten  müssen,  versteht  sich  von  selbst. 

Auch  das  P  e  r  i  c  a  r  d  i  u  m 
kann  auf  gleiche  Weise  in  Mitleidenschaft  gerathen  ,  es  kann  auch  bei 
ihm  wie  bei  dem  Oesophagus  zur  Divertikelbildung  kommen. 

Auf  den  Gesamm  tor ganismus: 

Das  allerwichtigste  und  schwerwiegendste  jedoch  bleibt  es  immer, 
dass  derlei  Kinder  mit  verkäsenden  Bronchialdrüsen  stets  der  Gefahr 
ausgesetzt  sind ,  wie  es  B  u  h  1  so  geistreich  durchgeführt  hat ,  durch 
Selbstinfection  der  acuten  Milliartuberculose  anheimzu- 
fallen.   Wir  sehen  es  ja  so  oft  im  Cadaver,  wie  der  Meningitis  tubercu- 


Widerhofer,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1009 

losa  der  Kinder  die  Broncliialdrüsen verkäsung  vorhergeht,  so  dass  diese 
fast  ausnahmslos  als  der  Infectionsheerd  betrachtet  werden  muss.  Diess 
ist  eben  die  grosse  Gefahr,  in  der  solche  Kinder  unausgesetzt  schweben, 
und  der  sie  häufig  genug  zum  Opfer  fallen. 

Sollte  unsere  Arbeit  nicht  in  fremde  Gebiete  greifen,  so  niussten 
wir  uns  beschränken,  hier  nur  Andeutungen  zu  macheu. 

Diagnose. 

Es  würde  unnütz  sein,  die  einzelnen  Symptome  nochmals  vor- 
zuführen. Wir  haben  erwähnt ,  wie  weit  selbe  für  die  Diagnose  ver- 
wendbar sind.  Wir  wiederholen  nur ,  dass  keinem  einzigen  absolut 
diagnostische  Beweiskraft  innewohnt ,  ja  dass  sie  selbst  in  voller  gegen- 
seitiger Erwägung  nur  unvollkommen  die  Diagnose  festzustellen  ver- 
mögen. 

Nur  über  die  Beschaffenheit  der  Halsdrüsen  müssen  wir 
noch  einige  Worte  hinzufügen. 

Wir  haben  ihnen  oben  eine  nicht  unwesentliche  Rolle  für  die 
Diagnose  zugeschanzt  und  heben  auch  hier  hervor,  dass  den  Schwel- 
lungen jener  Drüsengruppen,  die  vorne  am  Halse  an  der  oberen  Brust- 
apertur, besonders  zunächst  ober  der  Clavicula  gelegen  sind ,  sowie  den 
unteren  seitlichen  Nacken-  und  den  tieferen  seitlichen  Tracheal-Drüsen 
eine  nicht  zu.  verkennende  Beweiskraft  für  die  Schwellung  der  Bronchial- 
drüsen zukommt,  ja  wir  nehmen  sogar  an,  dass  der  pathologische  Zu- 
stand derselben,  —  seien  sie  acut  oder  chronisch  entzündet ,  vereiternd, 
verkäst,  oder  sarcomatös  entartet  — ,  immerhin  Schlüsse  auf  die  Gleich- 
artigkeit der  Bronchial-Drüsen  zulässt. 

Sehen  wir,  des  Beweises  wegen ,  eine  Tabelle  an ,  die  L  ö  s  c  h  n  e  r 
aulstellt  über  die  Localisation  der  Tuberculose  in  45  Sectionen  *) ,  so 
ergibt  sich:  dass  in  45  Sectionen  von  Rachitis  mit  Bronchialdrüsen- 
Tuberculose  die  Halsdrüsen  nur  13mal  frei  von  Tuberculose  gefunden 
wurden.  —  Wir  wissen  aber  auch  vom  Krankenbette  und  Sektion.stische 
her,  dass  bei  chronischen  Tumoren  dieses  Verhältniss  ebenso  häufig  ist 
—  ja,  dass  z.  B.  bei  der  Hyperplasie,  bei  Sarcose  wie  Leukämie  der 
Drüsen,  die  Bronchialdrüsen  nur  ein  Theilglied  der  allgemeinen  Drüsen- 
erkrankung bilden.  —  Andererseits  vergessen  wir  aber  auch  nicht,  dass 
wir  in  See  ionen  oft  genug  verkäste  und  tuberculose  Bronchial-Drüsen 
als  primän  Erkrankungsform  finden,  ohne  dass  am  Halse  irgend  welche 
Drüsenerkr.  ikung  constatirt  werden  könnte.     Jeder  erinnert  sich  an 


*)  L  ö  s  c  h  n  e  r,  Ueber  den  Zusammenhang  des  chronischen  Darmcatarrhs 
mit  Rachitis  und  Tuberculose  aus  dem  II.  Theile:  Aus  dem  Franz-Joseph  Kin- 
derspitale  in  Prag  868.  X.  Artikel.  Pag.  218. 

Haudb.  d.  Kinderkrankheiten.    III.  2.  o* 


1010  Krankheiten  der  Athmiuigsorgane.     Bronchialdrüsen. 

derartige  Obductioneii,  z.  B.  von  Meningitis  tuberculosa.  —  Unsere  Be- 
obachtungen am  Krankenbette  beniüssigen  uns  ja,  auch  auzuuehmeu, 
dass  eine  acute  Entzündung  zuerst  die  Bronchialdrüsen  befallen  könne, 
und  erst  später  die  oberflächlichen  Halsdrüsen  in  ihr  Bereich  gezogen 
■werden  können.  Wir  müssen  also  auch  hier  von  einem  beweiskräfti- 
geren Zusammenhange  ausser  der  blossen  Wahrscheinlichkeit  absehen. 

Da  wir  nun  grösstentheils  auf  die  Bestimmung  per  exclusionem  an- 
gewiesen sein  werden  ,  so  wird  jeder  Diagnose  ,  sobald  einmal  der  Ver- 
dacht auf  Bronchialdrüsenerkrankung  erwacht  ,  vor  Allem  die  Beant- 
wortung der  Frage  als  einer  conditio  sine  qua  non  vorausgehen  müssen : 
Bietet  die  Abstammung  des  betreffenden  Kindes  — 
dessen  Entwickelung  im  Säugling  salter  —  dessen  Ge- 
sammtconstitution  —  etwa  unmittelbar  vorhergegan- 
gene Kr  ankheite  n  ,  durch  ihre  eig  enthttmlichen  Bezie- 
hung e  n  zu  den  Drüsen  oder  —  deren  e  i  g  e  n  t  h  ü  m  1  i  c  h  e  r 
Verlauf  u  n  d  D  a  u  e  r :  irgend  welche  Anhaltspunkte,  die 
den  obigen  Verd  ach  t  begründen,  bestärken,  ja  uns  eine 
Alteration  der  Br  onchialdr  üsen  als  höchst  wahr  s che in- 
lieh,  wenn  n  i  c  h  t  g  a  r  a  1  s  f  a  s  t  n  o  t  h  w  e  n  d  i  g  e  r  f  o  1  g  e  n  d  h  i  n- 
stellen. 

Wenn  wir  erfahren,  dass  das  Kind  von  tuberculösen  Eltern  ab- 
stammt, dass  Geschwister  schon  an  Mening.  tuberc.  oder  Tuberculose 
anderer  Organe  zu  Grunde  gingen,  so  gewinnt  unser  etwaiger  Verdacht 
schon  haltbareren  Boden,  eingedenk  der  Worte  Virchow's:  »Die  Tu- 
berculose ist  nicht  erljlich  als  Krankheit ,  aber  die  Disposition ,  deren 
Träger  die  Gewebe  sind,  vererbt  sich  —  die  hereditäre  Vulnerabilität.« 
Der  Kinderarzt  wird  oft  an  den  Eltern  erschauen,  was  er  von  deren 
Kindern  zu  erwarten  hat. 

Ein  Blick  auf  die  allgemeine  C  o  n  s  t  i  t  u  t  i  o  n  des  Kindes  wird 
eruiren  müssen,  ob  Rachitis,  S  c  r  o  f  u  1  o  s  e,  der  T  u b  e  r  c u  1  o  s  e  ähn- 
liche Processe,  Syphilis  oder  Leukämie  zu  finden  sind. 

Ueber  Rachitis  wird  noch  späterhin  gesprochen. 

Dass  Symptome  von  Scrofulose  in  all  ihrer  Mannigfaltigkeit  an 
der  Haut ,  den  Schleimhäuten,  den  Drüsen  mit  ihren  verkäsenden  Heer- 
den  bis  zu  den  cariösen  Processen  am  Knochen ,  sei  es  an  der  Wirbel- 
säule, den  Röhrenknochen  oder  der  näher  gelegenen :  dem  Sternum,  den 
Rippen,  wie  der  Tuberculose  verdächtige  anderweitige  Organer- 
krankungen ,  den  ol:)igen  Verdacht  auf  das  entschiedenste  unterstützen, 
ist  au  sich  klar  und  Niemanden  unbekannt. 

Wir  nehmen  auch  keinen  Anstand,  in  diese  Gruppe,  wenn  auch  nicht 
unter  gleichem  Namen  ,  jene  Kinder  einzureihen  ,   die  schon  in  den  er- 


Widerhofer,  Krankheiten  der  Bronohialdrüsen.  1011 

sten  Lebenswochen  oder  wenigstens  ersten  Lebensmonaten  an  jenen 
Formen  von  E  c  z  e  m  erkrankten ,  welches  sich  durch  seine  besondere 
Litensität ,  durch  seine  allmälig  fortschreitende  Ausbreitung  bis  nahezu 
über  die  ganze  Köi-peroberfläche ,  durch  seine  stetigen  Recidiven  aus- 
zeichnet und  durch  seine  kaum  bezwingliche  Hartnäckigkeit  Jahre  lang 
jeder   Therapie  Hohn   spricht.     Die  Fälle  werden  höchst  seltene   zu 
nennen  sein ,    wo  nicht  die  benachbarten  Drüsen  Schwellung,  Schmerz- 
haftigkeit ,    acute  Entzündung ,    wenn  nicht    gar  Vereiterung    zeigen. 
Es  ist  ein  tägliches  Vorkommniss ,  dass  solche  Kinder ,  wenn  sie  auch 
ziemliche  Fettpolster  zeigen ,  mehr  oder  minder  durch  lange  Zeit  blass, 
anämisch  bleiben ,   eine  ganz  besondere  Vulnerabilität  zeigen ,  und  sie 
durch  lange  Zeit  fortbewahren ,  dass  bei  ihnen  Entzündungsprocesse  im 
Respirationstracte  mit  Vorliebe  jenen  eigenthümlichen  Verlauf  anneh- 
men, der  so  leicht  zur  Verkäsung  führt,  ja,   dass  der  praktische  Arzt, 
wenn  er  einen  solchen  kleinen  Patienten  au  einem  scheinbar  ganz  un- 
bedeutenden Catarrhe  der  Respirations-  oder  Digestions  -  Schleimhaut 
behandelt ,  nicht  gar  so  selten  durch  den  ganz  unerwarteten  tödtiichen 
Ausgang  überrascht  wird!    All  diese  Erscheinungen  —  die  Leichen  be- 
stätigen es  —  müssen  eben  auf  das  erkrankte  Drüsensystem  bezogen 
werden.    Es  wird  daher  in  vielen  Fällen  nicht  nutzlos  sein,  zu  erforschen, 
ob  das  fragliche  Kind  im  Säuglingsalter  nicht  au  solchem  ausgebreiteten 
Eczem ,  oder  in  späterer  Zeit  an  dem  gleichwerthigen  Eczema  impeti- 
ginosum  oder  dem  sog.  Ecthyma  gelitten  habe. 

Sind  Erscheinungen  von  Leukämie  zugegen,  so  versteht  sich  der 
Zusammenhang  von  selbst. 

Nicht  minder  bei  Syphilis.  So  untergeordnet  die  Rolle  der 
Drüsen  bei  hereditärer  Syphilis  in  den  ersten  Lebensmonaten  ist,  in  den 
späteren  Monaten  schon ,  nach  dem  ersten  Halbjahre ,  nehmen  sie  im 
Kreise  der  Erkrankung  eine  um  so  mehr  hervorragende  Stellung  ein ; 
ich  möchte  sagen ,  dass  eben  die  syphilitische  Bronchialdrüsendegene- 
ration  die  allerbedeutendsten  Tumoren  nach  den  Sarcomen  hervorzu- 
bringen im  Stande  ist.    Betreffender  Fall  ist  schon  erwähnt. 

Wir  kommen  zur  R  a  c  h  i  t  i  s.  Wer  kennt  die  Mannigfaltigkeit  der 
Krankheitsäusserungen  nicht,  so  verschieden  an  sich  und  doch  wieder 
so  gleichartig,  die  wir  Rachitis  nennen,  und  wer  kennt  sie  ohne  Drüsen- 
hyperplasie!  --  Jeder  muss  bei  dem  Worte  Rachitis  auch  schon  an 
Drüsenanomalien  denken ,  nur  der  gegentheilige  Befund  würde  über- 
raschen. Wo  fiuden  wir  ausserdem  die  schon  oben  erwähnten  nervösen 
Symptome:  »spastischer  Husten,  Laryngospasmus«,  wenn  nicht  eben  bei 
Rachitis  ?  —  Sie  ist  es ,  die  entschieden  das  grösste  Contingent  für  die 

Erkrankungen  der  Bronchialdrüsen  liefert. 

64* 


1012  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

Ausserdem  aber  kennen  wir  noch  einzelne  Krauklieitsformen ,  die 
scheinbar  ausser  Zusammenhang  mit  den  Bronchialdrüsen,  gerade  diese 
in  eine  weit  innigere  als  vielleicht  nur  zufällige  Mitleidenschaft  ziehen. 
Es  wird  daher  wohl  geboten  sein,  in  der  Anamnesis  darnach  zu  forschen, 
ob  die  eine  oder  die  andere  derselben  nicht  etwa  das  betreffende  Kind 
in  unmittelbarer  Vergangenheit  befallen  hatte.  Wir  meinen  die  Mor- 
billi und  die  Pertussis. 

Es  ist  a  priori  verständlich ,  dass  bei  beiden  :  bei  den  Morbillen 
die  intensive  catarrhalische  Erkrankung  der  Respirationsschleimhaut, 
—  bei  der  Pertussis  die  lange  Dauer  (durchschnittliche  Annahme  von  0 
Wochen)  auf  die  Bronchialdrüsen  reizend  einwirken  müssen ;  letztere  wer- 
den daher  sehr  leicht  in  den  Zustand  von  Hyperämie  und  entzündliche 
Schwellung  gelangen,  und  wie  wir  ex  cadavere  wissen,  bleiben  auch 
weitere  pathologische  Veränderungen  nicht  ausgesclilossen.  Allgemein 
liekanut  ist  die  Affinität  von  Morbilli  zur  Pertussis.  Wie  oft  befallt 
einen  Morbillenreconvalescenten  die  Pertussis  und  selbst  auf  Morbillen- 
epidemien  folgen  leicht  Pertussisepidemien.  —  Wir  kennen  aber  auch 
die  Affinität  beider  Krankheitsformen  zur  Tuberculose  und  welches  an- 
dere Organ  könnte  wohl  leichter  die  Vermittelung  besorgen ,  als  el^en 
die  Bronchialdrüsen  ? 

Die  erwähnte  entzündliclie  Schwellung  derselben  führb  in  dispo- 
nirten  Individuen  zur  Verkäsuug  und  der  Weg  zur  Tuberculose  ist  er- 
öffnet. Nicht  mit  Unrecht  betrachteten  schon  alte  Aerzte  beide  Krank- 
heitsformen als  ein  eigentliches  Reagens  auf  das  Drüsensystem  des  Kin- 
des. War  deren  Verlauf  Iiei  einem  Kinde  leicht  ohne  Coniplicationen,  so 
nahmen  sie  an,  dass  dessen  Drüsen  gesund  seien,  eben  so  gut  wussten  sie, 
dass  Kinder  mit  kranken  Bronchial-Drüsen  dieselben  kaum  ohne  Lebens- 
gefahr oder  doch  bleibender  Schädigung  ihrer  Gesundheit  durchmachen. 

Wir  haben  die  Anschauung,  die  auch  Barcty  vertritt,  schon  lange 
an  unserer  Klinik  vertheidigt ,  dass  die  abnorm  lange  Dauer  mancher 
Pertussisfälle  (nämlich  statt  6  Wochen,  z.  B.  ebousoviele  Monate)  in  der 
oben  erklärten  consecutiven  Schwellung  der  Bronchialdrüsen  begründet 
sein  müsse.  —  Wir  sehen  daher  solche  Formen  besonders  bei  zarten  vul- 
nerablen Kindern  und  bei  solchen,  bei  denen  der  Beginn  der  Krankheit 
in  den  Spätherbst  oder  Winter  fällt,  weil  eben  der  solchen  Kindern 
unentbehrliche  Luftgenuss  in  uiaserem  Clima  so  beeinträchtigt  ist ,  dass 
sich  ihre  Erholung  und  die  Abschwellung  der  Drüsen  verzögern  muss. 

.Ja  endlich  können  wir  aus  dem  eigenartigen  Verlaufe  eines  B  r  o  fl- 
eh i  a  1  c  a  t  a  r  r  h  s  nicht  vielleicht  ganz  dasselbe  folgern  ?  —  Es  ist 
in  der  That  so ;  und  hiemit  kommen  wir  eigentlich  dazu ,  das  Kran  k- 


Widerliof  er,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1013 

h  e  i  t  s  b  i  1  d  zu  zeichnen  ,  unter  welchem  sich  etwa  die  ersten  Erschei- 
nungen  der  Bronchialdrttsen  -  Schwellung  kundgeben  könnten. 

Ein  zartes ,  fein  gehäutetes ,  vielleicht  etwas  anämisches  Kind  er- 
krankt an  einem  Bronchialcatarrhe.  —  Wir  nehmen  an ,  es  zeigte  sich 
an  demselben  bis  jetzt  keine  oberflächliche  Drüsenschwellung,  aber  wir 
hören  ,  dass  es  häufig  an  ähnlichen  Catarrhen  erkrankte ,  die  stets  pro- 
trahirt  verliefen.  —  Der  Catarrh  beginnt  mit  massiger  Fiebererregung, 
und  nimmt  in  den  ersten  Tagen ,  nachdem  auch  sehr  bald  Entfieberung 
eingetreten  ist ,  seinen  normalen  Verlauf.  —  Der  Husten ,  der  schon 
feucht,  den  Charakter  der  Lösung  anzunehmen  schien,  hört  nicht  ganz 
auf,  im  Gegentheile,  er  fängt  wieder  an  trockener  zu  werden.  —  Die 
Auscultation  zeigt  nur  trockene  Geräusche,  Schnurren  etc.  .  . .  kurz,  die 
Erscheinungen  der  Schleimhautschwellung ,  höchstens  bei  forcirter  In- 
spiration hie  und  da  Rasselgeräusche.  —  So  der  Verlauf  in  der  1.  viel- 
leicht auch  2.  Woche.  —  Aber  auch  jetzt  genest  das  Kind  noch  nicht 
völlig ,  wie  zu  erwarten  stand ,  sondern  der  Husten  wird  immer  mehr 
trocken ,  geradezu  quälend ,  —  er  tritt  anfänglich  mehr  Nachts  auf, 
macht  längere  Attaquen  ,  bis  er  weiterhin  mehr  oder  weniger  anfalls- 
weise (wie  oljen  beschrieben)  auftritt.  —  Dabei  fängt  die  Esslust  des 
Kindes  an  abzunehmen  —  das  Kind  erbleicht  • —  die  oberfläch- 
lichen Halsdrüsen  beginnen  empfindlicher  zu  werden,  anzuschwellen, 
(vielleicht  unterstützt  noch  durch  begleitende  catarrhalische  Zustände 
im  Rachen)  —  eine  geringe  Abmagerung  lässt  sich  nicht  verkennen  — 
ja  selbst  die  bald  warmen  ,  bald  kühlen  Händchen  des  Kindes  erregen 
zuweilen  den  Verdacht  bei  der  Umgebung,  ob  nicht  etwa  Fieber  vorhan- 
den sei.  —  Am  Tage  findet  man  mit  dem  Thermometer  fast  nie  abnorme 
Temperatur  ,  wohl  aber  ziemlich  constant  schnelleren  Puls  ,  am  Abend 
wird  man  schon  geringe  Temperaturssteigerungen  um  0,5  bis  1,0  Grad 
über  der  Norm  constatiren. 

Die  Auscultation  wird  auch  jetzt  nichts  vom  früheren  abweichen- 
des entdecken,  wohl  aber  nicht  selten  jenes  laute  Exspirium  in  den  Lun- 
o-enspitzen ,  das  wir  als  insufficientes  Athmen  bezeichnen  und  das  uns 
von  Tao-  zu  Tag  fürchten  lässt ,  dass  wir  bald  eine  Spitzeninfiltration 
werden  nachweisen  können.  —  Die  Fiebererscheiuungen  können  wieder 
aufhören,  der  Catarrh  die  Erscheinungen  der  Lösung  zeigen,  die  Esslust 
wieder  reger  werden  ,  das  Kind  beginnt  zu  reconvalesciren ,  die  Ernäh- 
rungsstörung gleicht  sich  wieder  aus,  der  aufiallige  Verlust  des  Körper- 
gewichtes ersetzt  sich  langsam  wieder ;  und  wir  erklären  uns  dieses  un- 
deutliche Krankheitsbild  damit,  dass  der  ursprüngliche  Catarrh  die 
Bronchialdrtisen  zur  acuten   Schwellung   reizte,    dass  dieselben   aljer 


1014  Krankheiten  der  Athniungsorgane.    Bronchialdrüsen. 

nicht  alsbald  wieder  zur  Norm  zurückkehrten ,  vielleicht  schon  weitere 
Veränderungen  eingingen. 

Können  wir  all  das  mit  Bestimmtheit  feststellen  ?  Nein ;  aber  ver- 
muthen  können  wir  es  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit. 

Ich  habe  mich  damit  über  Gebühr  aufgehalten ,  ich  wollte  es  eben 
nicht  mit  Stillschweigen  übergehen ,  da  wir  dieses  unbestimmte  Krank- 
heitsbild so  unendlich  oft  zu  Gesichte  bekommen,  und  zwar  eben  zu 
einer  Zeit ,  wo  wir  weitere  Merkmale  einer  Drüsenaffection  noch  nicht 
entdecken  können. 

Aber  nicht  alle  Fälle  verlaufen  so  ,  sondern  zuweilen  beginnt  das 
exacerbirende  Fieber  sich  zu  steigern ,  der  Catarrh  sich  auszubreiten, 
die  feinsten  Bronchien  zu  ergreifen ,  es  tritt  catarrhalische  Pneumonie 
ein  ,  oder  es  kommt  zu  einer  ausgebreiteten  Infiltration  mit  unvollkom- 
mener Lösung  oder  mit  raschem  käsigen  Zerfalle.  —  Und  unter  diesem 
Bilde  verläuft  die  entzündliche  Schwellung  der  Bronchial- Drüsen  latent 
oder  wie  wir  sie  auch  nennen  können ,  die  acute  Bronchoadenitis. 

In  anderen,  und  zwar  der  weitaus  häufigeren  Fällen,  wozu  auch  in 
erster  Linie  alle  jene  Fälle  gehören  ,  wo  sie  eine  Theilerscheinung  der 
Rachitis,  der  Scrophulose,  Leukämie  etc.  .  .  .  ist,  bildet  sie  sich,  wie  wir 
uns  vorstellen  müssen,  schubweise  weiter  aus,  bis  wir  endlich  im  vorge- 
schrittenen Stadium  sie  deutlicher  markii-t  finden.  Sie  nimmt  eljen  ge- 
wöhnlich einen  chronischen  Verlauf,  dessen  Dauer  nicht  abzu- 
schätzen ist ,  jedenfalls  aber  Monate,  sell:ist  Jahre  umfassen  kann.  — 

Aus  diesem  Verlaufe  und  den  übrigen  allgemeinen  Erscheinungen, 
z.  B.  Rachitis  etc.  .  .  .  werden  wir  in  einzelnen  Fällen  einigermassen  im 
Stande  sein,  zu  bestimmen,  ob  wir  es  mit  einer  acuten  oder  chronischen 
Entzündung  zu  thun  haben  mögen  und  eben  in  den  Allgemeinerschei- 
nungen des  Organismus  wird  der  Aufschluss  zu  finden  sein,  welche  Art 
der  chronischen  Tumoren  wir  vor  uns  haben,  wenn  sie  sich  einmal  durch 
die  physicalischen  Compressions-  oder  consecutiven  Symptome  mit  grös- 
serer Wahrscheinlichkeit  verrathen  haben  werden. 

Ja  selbst  wenn  sich  die  Bronchialdrüsen-Erkrankung  schon  mit 
tiefgehender  Lungen-Erkrankung ,  z.  B.  der  Phthise  combinirt  hat ,  — 
der  absolut  sichere  Nachweis  der  ersteren  wird  dadurch  nicht  leichter 
gemacht  sein.  Wir  werden  ihre  Erkrankung,  sogar  ihre  Verkäsung 
vielleicht  als  nothwendiges  Postulat  aus  der  Erkrankung  der  Lunge 
folgern  können,  aber  mit  Bestimmtheit  diagnostiren  werden  wir  sie 
nicht.  Oder  ist  es  etwa  eine  Diagnose,  wenn  man  bei  Meningitis  tuber- 
culosa  eine  Bronchialdrüsen- Verkäsung  als  coexistirend  erklärt?  —  Es 
ist  eben  ein  fast  unumstösslich  sicheres  Postulat  —  so  häufig  ist  deren 
Combination  im  Kindesalter  —  man  wird  sich  bei  dieser  Annahme  sei- 


Widei'lioi'er,  Krankheiten  der  Broncliialdrüsen.  1015 

teil  irren,  aber  man  wird  es  nur  äusserst  selten  vermögen ,  den  wissen- 
schaftlichen Nachweis  mit  genauester  Präcision  zu  führen. 

In  jenen  Fällen ,  wo  wir  eine  Infiltration  der  Lungenspitze  vorne 
und  rückwärts  nachweisen,  und  die  Frage  zu  beantworten  ist,  ob  selbe 
von  käsigen  Bronchial-Drüsen  herstammt  oder  damit  combinirt  ist,  gibt 
B  a  r  e  t  y  *)  einen  immerhin  schätzenswerthen  Fingerzeig.  Er  sagt :  »  wenn 
die  Zeichen  der  luftleeren  Parthie  von  der  Schulterhöhe  gegen  die  Achse 
des  Körpers  hin ,  Sternum  oder  Wirbelsäule  (le  moignon  le  1  epaule  a 
Taxe  du  corps  —  Sternum  ou  rhachis  va  en  augmentant)  also  von  der 
Axillar- Linie  gegen  die  Medianlinie  an  Intensität  zunehmen:  —  so 
spricht  diess  für  die  Drüsenerkrankung.«  Wir  müssen  ihm  beistimmen 
und  bemerken  dazu  nur ,  dass  besonders  in  jenen  Fällen  von  Spitzen- 
pneumonie,  wo  die  Lösung  seitwärts  beginnt  und  fortschreitet,  während 
sie  gegen  die  Medianlinie  oder  besser  gesagt,  gegen  den  Luugenhilus  hin 
auffallend  zögert ,  oder  lange  fehlt ,  der  Verdacht  ein  um  so  berechtig- 
ter ist. 

Resumiren  wir  das  Gesagte,  so  folgt,  dass  die  Dia- 
gnose in  seltenen  Fällen  und  zwar  nur  in  den  vorge- 
schrittensten Stadien  mit  einiger  Sicherheit  festzu- 
stellen ist;  —  in  allen  übrigen  zahllosen  Fällen  werden  wir  sie  nicht 
festzustellen,  wohl  aber  zu  vermuthen  im  Stande  sein.  Aber  auch  dies 
un.sichere  Ergebniss  wird  für  jeden  Arzt  von  der  grössten  Tragweite 
für  die  Beurtheilung  aller  concurrirenden  Krankheitsformen  sein. 

In  diesem  ürtheil  über  die  Unsicherheit  der  Diagnose  stimmen 
nahezu  alle  Autoren  überein,  ich  erwähne  nur :  R  i  1 1  i  e  t  und  B  a  r  t  h  e  z, 
L  ö  s  c  h  n  e  r ,  M  a  y  r ,  Gerhardt,  B  a  r  e  t  y ,  etc 

Schliessen  wir  mit  den  Worten  Löschner's:  »Ueberhaupt  be- 
»haupten  zu  wollen,  dass  die  Diagnose  der  Schwellung,  Verdichtung 
»(Verhärtung),  Tuberculisirung  oder  Sarcosirung  der  inneren 
»Lymphdrüsen  an  und  für  sich,  wenn  sie  nicht  bereits  in  Massen 
»ei'folgt  ist,  eine  nur  theilweise  für  den  geübtesten  Beobachter,  gesi- 
»cherte  sei ,  müssen  wir  nach  unseren  Erfahrungen  durchaus  in  Zweifel 
»ziehen;  wenn  es  auch  Einzelne  gibt,  welche  behaupten ,  in  der  Dia- 
»gnostik  so  weit  gekommen  zu  sein,  und  namentlich  nur,  um  ein  Bei- 
»  spiel  anzuführen,  die  Diagnose  der  Bronchialdrüsen- Alienation  mit  Be- 
»stimmtheit  machen  zu  können  vorgeben,  selbst  dann,  wenn  dieselben 
»noch  keine  bedeutende  Höhe ,  noch  keinen  bedeutenden  Umfang  er- 
»reicht  haben.« 


*)  Barety:  L'Adenopathie  tracheo-bronchique  etc.     Pag.  227. 


1016  Kiankheiteu  der  Atlimungsorgane.    Broncliialdrüsen. 

Aetiologie. 

Nach  der  ausführlichen  Schilderung  der  Diagnose  niüssten  wir  hier 
nur  Wiederholungen  anführen,  denn  dort  sind  schon  die  Heredität, 
constitutionelle  Anlage  und  causale  Krankheiten  viel- 
fach erwähnt.  Wir  wissen,  dass  die  Bronchialdrüsenerkrankungen  vor- 
kommen: primär,  oder  secundär  im  Gefolge  der  mannigfachsten  Erkran- 
kungen, inshesonders  aller  acuten  und  chronischen  Affectionen  der  Bron- 
chien und  Lunge  und  dass  sie  in  einem  gewissenCausalnexuszu 
V  e  r  s  c  h  i  e  d  e  n  e  n  K  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n  als  den  Morbillen,  der  Pertussis  und 
dem  ausgebreiteten  Eczem  stehen  und  dass  sie  als  nie  fehlendes 
Glied  in  gewissen  constitutionellen  Anomalien  in  der  Ra- 
chitis, Syphilis,  Leukämie,  Scrophulose  und  Tuberculose  ohne  Ausnahme 
zu  finden  sind. 

Was  das  Alter  anbetrifft ,  so  ist  keine  Zeit  der  Kindheit  davon 
ausgeschlossen.  Jedes  Jahr  des  Kindesalters  hat  deren  Anomalien  in 
reicher  Fülle  aufzuweisen,  gewiss  nicht  am  wenigsten  sind  sie  schon  im 
ersten  Lebensjahre  vertreten.  Mit  dem  späteren  Kiudesalter  wird 
ihre  Häufigkeit  abnehmen ,  wol  theilweise  darin  begründet ,  dass  viele 
schon  bis  dahin  erlegen  sind.  ■ —  Wenn  auch  nur  in  seltenen  Fällen,  so 
wird  die  Verkäsung  der  Bronchialdrüsen,  wie  ich  aus  eigener  Erfahrung 
weiss ,  schon  in  den  ersten  zwei  Monaten  in  sectione  sich  finden. 

Ich  will  hier  nur  in  gedrängter  Kürze  noch  die  Feh  1  er  d  er  Er- 
nährung im  Säuglingsalter  als  eines  der  häufigsten  ätiologischen  Mo- 
mente hervorheben.  Damit  der  kindliche  Organismus  in  allen  seinen  Sy- 
stemen normal  sich  aufbaue,  ist  nicht  nur  zweclanässige  Nahrung,  son- 
dern auch  deren  wolgemessene  Quantität  nöthig. 

Fehler  in  derselben  besonders  ein  zu  viel  der  Nahrung  bringt  als 
erstes  Symptom  die  Dyspepsie ;  bei  deren  längerer  Fortdauer  unter  reich- 
licher Gasentwicklung,  Volumsvergrösserung  des  Unterleibes,  Drüsen- 
schwellung, Anämie,  Rachitis,  und  Magen-  und  Darmcatarrh  mit  häu- 
figer Recidive. 

Hiemit  sind  die  ersten  Sprossen  der  Stufenleiter  von  der  einfachen 
Hyperplasie  der  Drüsen  schon  erreicht  und  es  wird  nur  von  Zufällig- 
keiten abhängen ,  welche  weiteren  Metamorphosen  die  durch  die  un- 
zweckmässige erste  Nahrung  alienirten  Drüsen  eingehen. 

Prognose. 

Was  die  Prognose  l^etrifft  ?  —  das  Urtheil  darüber  ist  eigentlich 
mit  beredten  Worten  in  den  Sectionsprotocollen  aller  Kinderspitäler  nie- 
dergeschrieben. 


Widerliofer,  Kraaklieiten  der  Bronchialdrüsen.  1017 

Die  acute  Schwellung,  wir  wissen  ja  von  ihr ,  dass  sie  mehr 
weniger  alle  entzündlichen  Vorgänge  in  der  Bronchialschleimhaut  und 
Lunge  begleitet ,  lässt  fast  durchaus  eine  günstige  Prognose  zu.  Mit 
dem  causalen  Krankheitsprocesse  ist  auch  sie  in  vollster  Rückkehr  zur 
Norm  begriffen ,  vorausgesetzt ,  dass  wir  es  von  vorneher  mit  einem  in 
unserem  Sinne  gesunden  Kinde  zu  thun  haben;  im  Gegentheile  wird 
durch  sie  der  erste  Anstoss  zu  allen  weiteren  Metamorphosen  gegeben 
sein  können. 

Im  Begriffe  der  chronischen  S  c  h  w  e  1 1  u  n  g  ist  ohnehin  schon 
eingeschlossen ,  dass  das  Individuum  entweder  oftmals  schon  Respira- 
tionskrankheiten durchmachte,  also  wenig  Widerstandskraft  zu  besitzen 
scheint  oder  überhaupt  von  abnormer  Constitution  ist.  Selbst  da  lehrt 
die  Erfahrung,  wie  viele  Fälle  von  Rachitis ,  mildere  Formen  von  Scro- 
phulose  etc.,  trotzdem  sie  mit  chronischer  Bronchialdrüsen-Schwellung 
behaftet  waren  ,  noch  eine  relativ  günstige  Prognose  zulassen,  wenn  sie 
nur  in  den  besten  Verhältnissen  leben  und  vor  Ernährungsstörungen, 
Krankheiten  und  besonders  den  acuten  contag.  Exanthemen  verschont 
bleiben ,  da  diese  ihnen  zu  leicht  verhängnis,svoll  werden  können. 

Was  nun  die  D  r  ü  s  e  n  v  e  r  k  ä  s  u  n  g  —  (fasse man  sie  als  Tuberculose 
oder  nicht  als  solche  auf)  —  anbelangt,  für  sie  gilt  speciell  das  Eingangs 
gesprochene  Wort.  Wenn  wir  die  Sectionsprotocolle  durchmustern, 
wir  können  kaum  zögern  ,  ihnen  fast  eine  absolut  lethale  Pi'Ognose  zu- 
zuerkennen. Wie  alltäglich  ist  dieser  Befund  in  Kinderspitälern,  mögen 
die  Kinder  den  verschiedenartigsten  Krankheiten  erlegen  sein !  und  wie 
selten  die  Verkreidung  an  den  Leichen  Erwachsener!  Muss  man  nicht 
daraus  folgern,  darum:  weil  sie  eben  alle  vor  der  Pubertät  zu  Grunde 
gingen.  Löschner*)  hat  darüber  lehrreiche  Worte  der  Erfahrung 
niedergeschrieben. 

Alle  diese  Kinder  zeigen  eben  eine  überaus  grosse  Morbilität ,  sie 
besitzen  keiiie  Widerstandskraft,  erliegen  zu  leicht  jeder  heftigen  Er- 
krankung und  sind  bei  Epidemieen  besonders  von  acuten  contag.  Exan- 
themen regelmässig  die  ersten  rapid  dahingerafften  Opfer. 

Und  bleiben  sie  von  diesen  verschont,  so  bedenken  wir  nur,  dass 
sie  doch  schon  den  Heerd  der  Infection  in  sich  tragen,  fast  möchte  man 
sagen  ,  sie  haben  den  ersten  Weg  zur  Tuberculose  schon  betreten ,  der 
sie  in  allen  möglichen  Formen  nur  zu  bald  erliegen. 

Wir  haben  selbst  zugestanden,  dass  es  Fälle  geben  kann,  wo  auch 
käsige  Drüsen  noch  verkalken  können ;  diess  geschieht  aber  eben  sehr 
selten. 


*)  Löschner:    Aus  dem  Franz- Josefspitale  in; Prag.     XIII., Artikel :    Die 
Schwellung,  Entzündung  und  Hyperplasie  der  Lymphdrüsen  etc.  Seite  250. 


1018  Krankheiten  der  Atkmungsorgane.     Bronchialdrüsen. 

Die  Prognose  bei  leukämischen  und  s  a  r  c o  m  at  ö  s  e  u  Drü- 
sentumoren  stellt  sicli  von  selbst  je  nach  ihrem  Grade. 

Von  den  syphilitischen  sagten  wir  oben ,  dass  sie  oft  unbe- 
stimmt wie  lange  ohne  wesentliche  Veränderung  herumgetragen  zu  wer- 
den scheinen. 

Therapie. 

Steht  unsere  Erkrankung  in  einem  vorgerückteren  Sta- 
dium, so  ist  von  einer  Therapie  wohl  nicht  mehr  die  Rede.  In  den 
früheren  Stadien  ist  deren  Präcisirung  völlig  von  der  Diagnose  ab- 
hängig. 

Ist  dieselbe  nicht  exact  möglich,  so  sind  eben  bestimmte  therapeu- 
tische Massregelu  nicht  zu  erwarten.  Fast  schiene  es,  es  lohne  sich  kaum 
des  Wortes,  über  Therapie  zu  schreiben.  Doch  ist  es  nicht  so.  Die  Dia- 
gnose wird  uns  immerhin  Anhaltspunkte  geben,  von  denen  das  ärztliche 
Verfahren  ausgehen  kann,  und  ich  wage  es  sogar  zu  behaupten,  dass  der 
Kinderarzt  in  der  Prophylaxis  unendlich  viel  leisten  kann.  Die 
meisten  Anhaltspunkte  sind  zu  entnehmen  aus  der  Würdigung  der  all- 
gemeinen constitutionellen  Verhältnisse,  deren  Theilerscheinung  viel- 
leicht die  Drüsenkranlcheit  ist.  Nicht  minder  wird  bei  allen  solchen 
Krankheiten ,  die  wir  vermöge  ihrer  notoi-ischen  Affinität  ziuu  Drüsen- 
systeme häufig  als  causale  für  unsere  Krankheitsform  erklärten,  auf  das 
entsprechende  therapeutische  und  diätetische  Regime  zu  achten  sein. 
In  alle  diese  Punkte  näher  einzudringen  ist  uns  unmöglich  —  wir  müss- 
ten  sonst  eine  therapeutische  Abhandlung  über  Rachitis,  Skrophulose, 
Syphilis,  Anämie  etc.  schreiben  —  und  erwähnen  nur  kurz,  dass  für  un- 
sere Massnahmen  stets  die  vollste  Berücksichtigung  der 
krankhaften  constitutionellen  Verhältnisse  als  Leit- 
faden gelten  müsse. 

Haben  wir  es  z.  B.  mit  muthmasslicher  Schwellung  der  Bronchial- 
drüsen im  Säuglingsalter  zu  thun  ,  so  entspringt  sie  fast  ausschlies.slich 
der  Rachitis  und  Anämie  und  in  letzter  Linie  der  fehlerhaften  Ernäh- 
rung und  Pflege.  Die  totale  Umänderung  der  letzten  Factoren  wird  der 
Leitweg  unseres  ärztlichen  Handelns  sein  und  so  werden  wir  auf  indi- 
rectem  Wege  immerhin  auf  das  Drüsenleben  einzuwirken  vermögen. 

Haben  wir  es  mit  oft  recidivirenden  schleppenden  Bronchitiden, 
chronischen  Darmcatarrhen ,  Morbilli ,  Pertussis  etc.  zu  thun ,  so  wird 
unser  Augenmerk  stets  darauf  gerichtet  sein  müssen,  ja  kein  schwächen- 
des Verfahren  einzuführen ,  sondern  sobald  als  möglich  auf  Hebung  der 
Ernährung,  gehörige  Blutbereitung  und  Oii'culation  durch  gute  Nah- 
rung, insbesonders  gute  Luft  zu  sorgen ,  und  die  schleppende  Reconva- 


Widerhof er,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1019 

lescenz  auf  jede  Weise,  durch  kräftigendes  Verfahren,  etwa  durch  Kli- 
mawechsel etc.  so  weit  als  möglich  abzukürzen. 

Von  den  sogenannten  sp  ezifi  sehen  Mitteln  wendet  man 
das  Oleum  j  ecuris  as  elli,  das  Ei s  en  und  das  Jod  an.  Das  Le- 
berthranöl  —  seit  den  ältesten  Zeiten  sogenanntes  Volksspecificum 
gegen  Skrophulosis  —  hat  durch  seinen  üblen  Geschmack  bei  grösseren 
Kindern  eine  beschränktere  Anwendung  und  stört  nur  zu  leicht  die  Ma- 
genverdauung ,  besonders  in  warmer  Jahreszeit ,  ja  ist  bei  geschwäch- 
ter Verdauung  überhaupt  nicht  anwendbar.  Sein  Nutzen  ist  aber  in 
vielen  Fällen  nicht  zu  läugnen,  ja  im  Säuglingsalter  bei  acuter  Drüsen- 
schwellung besonders  im  Gefolge  der  Bronchitis  auf  rachitischer  Grund- 
lage wird  es  seine  Wirkung  oft  eclatant  bewähren,  wenn  die  Verdauung 
sonst  nicht  gestört  ist,  besonders  in  der  Kindern  nicht  unangeneh- 
men Form  einer  Fettemulsion ,  wie  wir  es  seit  Prof.  M  a  y  r  stets  an- 
wenden : 

Olei  jecuris  aselli.  5.00  fiat  lege  artis  cum  muc.  gummi  arab.  q.s 
Mixt,  oleosa  colat.  50.00  Syr.  spl.  5.00  S.  Tags  über  zu  nehmen. 

Es  wird  daher  viel  häufiger  an  dessen  Stelle  in  Anbetracht  der  sel- 
ten fehlenden  Anämie  Eisen  in  Anwendung  kommen. 

Könnte  man  überhaupt  von  einem  Specificum  sprechen  ,  so  dürfte 
die  Verwendung  des  Eisens  mit  Jod  noch  am  ehesten,  doch  auch 
nicht  minder  mit  Unrecht  genannt  werden.  Der  Sy  r  up  u  s  f  er  ri  j  o- 
dat.  wie  das  ferrum  jodat.  sacharatum  wird  häufig  in  Gebrauch 
gezogen.  Da,  wo  die  Drüsentumoren  Residuen,  einer  weniger  auf  rachi- 
tischem als  scrophulosem  oder  gar  syphilitischem  Boden  abgelaufene 
Erkrankung  sind  ,  ist  die  Zweckmässigkeit  des  Jod-Eisens  nicht  anzu- 
kämpfen ,  ja  selbst  einiger  Erfolg  von  vorne  herein  zu  erwarten.  Ist 
keine  Gegenanzeige  in  der  Lunge  vorhanden,  so  wird  selbst  die  interne 
Anwendung  einer  Jodquelle  mit  Molke  oder  Milch  lauwarm 
getrunken  in  Verbindung  mit  einer  Badekur,  z.  B.  Hall  in  Oberöster- 
reich ,  Kreuznach ,  Krankenheil  etc.  bei  grösseren  Kindern  ihre  ratio- 
nelle Anzeige  finden.  In  einigen  Fällen,  in  specie  bei  Syphilis,  kann  man 
J  o  d  k  a  1  i  oder  M  e  r  c  u  r  in  Gebrauch  bringen. 

B  a  r  e  t  y  gibt  der  alkoholischen  Jodtinctur  vor  allen  anderen  Jod- 
präparaten den  Vorzug ;  sie  sei  frisch  bereitet  und  nicht  sauer  und  zwar 
10 — 12  Gramm  Alkohol  a  90"  auf  1  Gramm  Jod.  Man  könnte  damit 
für  Kinder  mit  einem  Tropfen  beginnen  und  dann  allmälig  steigen.  Ich 
habe  sie  noch  nicht  versucht. 

Bei  Lymphosarkomen  wendet  man  in  neuester  Zeit  bei  Erwach- 
senen dieTinctura  Fowleri  (Billroth)  an;  wie  ich  vernahm ,  in 


1020  Krankheiten  der  Athmungsorgane.     Broncliialdrüsen. 

einem  Falle  mit  zufriedenstellendem  Erfolge.  Bei  Kindern  wol  des  Ver- 
suches -u'erth  in  nicht  zu  vorgeschrittenen  Fällen. 

Da.ss  diess  alles  in  Hintergrund  zu  stellen  ist  gegenüber  der  Be- 
friedigung aller  anderen  ärztlichen  Anforderungen  versteht  sich  von 
selbst.  —  Zweckmässige  Nahrung ,  vorwiegend  aus  Milcli  und  Fleisch, 
wobei  natürlich  eine  geringe  Menge  Amylacea  nicht  ausgeschlossen  ist, 
—  frische  gute  Luft  besonders  im  Gebirge  und  an  der  See  —  Vermei- 
dung jeder  krankmachenden  Schädlichkeit  etc.  sind  die  unabweislichen 
Anforderungen.  Hie  und  da  Anwendung  der  China  und  ihrer  Präparate. 

In  einigen  Fällen  dürfte  auch  von  einem  rationellen  hydropa- 
tisclien  Verfahren  Günstiges  zu  erwarten  sein. 

Wir  behaupteten  oben ,  dass  wir  der  Prophylaxis  eine  wich- 
tige Rolle  zuerkennen.  Wir  meinen  damit,  dass  man  in  manchen,  ja 
in  vielen  Fällen,  solche  ihrer  Alastammung  nach  verdächtige  oder  durch 
manche  Krankheiten  gefährdete ,  ja  selbst  mit  den  erfsteu  Stufen  der 
Drüsenalienation  behaftete  Individuen  bei  gehöriger,  unermüdeter  Sorg- 
falt durch  die  maucherli'i  Klippen  in  ihrer  Entwicklung  zu  gedeihlichem 
Gesundsein  hindurch  führen  kann  und  wollen  diess  in  Kürze  skizziren  : 

Falls  die  Mutter  zweifelhafter  Gesundheit  ist:  eine  kräftige  gesunde 
Amme  —  durchaus  keine  künstliche  Ernährung  —  in  den  er.sten  Le- 
bensmonaten die  .sorgfältigste  Ueberwachung  der  Verdauung ,  — 
dyspeptische  Zustände  dürfen  nicht  geduldet  virerden,  mag  das  Kind  da- 
bei auch  Fett  ansetzen,  womit  sieh  der  Laie  in  der  Regel  begnügt  ,  der 
Dyspepsie  ist  stets  auf  das  allersorgfältigste  zu  begegnen.  Sie  ist  der 
erste  Anlass  zu  den  nachfolgenden  Darmcatarrhen  und  in  ihrem  Gefolge 
ziehen  fast  unausbleiblich  Rachitis,  Anämie  und  die  ersten  Anfänge  der 
Drüsenschwellungen  einher.  —  Den  ersten  Symptomen  der  Rachitis 
mit  ihren  begleitenden  Darmcatarrhen  muss  möglichst  rasch  begegnet 
werden.  Den  Eczemen  ,  von  denen  wir  ja  sehen  ,  wie  die  benachbarten 
Drüsen  anschwellen  und  selbst  vereitern ,  muss  die  gehörige  Therapie 
zu  Theil  werden.  Man  suche  die  Ursache  aller  dieser  Entwicklungsstö- 
rungen vor  allem  in  der  Nahrung,  und  man  wird  dabei  selten  irre  gehen  ; 
in  den  meisten  Fällen  wird  man  die  IJel)erfütterung  als  die  causale  Be- 
dingung anklagen  müssen.  Im  Säuglingsalter  legt  man  den  Grund  zu 
dem ,  was  aus  dem  betreffenden  Menschen  wird  —  ein  resistentes  Indi- 
viduum, das  aus  dem  Kampfe  über  all'  die  auf  ihn  eindringenden  Schäd- 
lichkeiten siegreich  hervorgehen  wird  oder  ein  schwächliches  Wesen, 
an  dem  dui'ch  Jahre  fort  noch  Correctur  auf  Correctur  vorgenommen 
werden  muss,  um  allmählig  zu  einem  erfreulichen  Ziele  zu  kommen. 

Schon  im  ersten  Lebenssommer  soll  mit  nach  dem  Individuum  be- 
rechneter Abhärtung  begonnen  werden ,  durch  fleissigen  Luftgenuss, 


Widerhof  er,  Krankheiten  der  Bronchialdrüsen.  1021 

kühle  Waschungen  etc.  —  Jede  krankmachende  Schädlichkeit  werde 
ferne  gehalten.  —  Ich  gestehe  oifen ,  dass  ich  Kinder ,  deren  Geschwi- 
ster an  Lnngentnhercolose  oder  Lungenphthise  zu  Grnnde  gingen,  üher 
den  zweiten  Lebensmonat  hinaus,  ausser  zur  Zeit  epidemisch  herrschen- 
der Blattern,  nicht  eher  impfe ,  als  bis  sie  sich  wirklich  kräftig  ent- 
wickelt haben,  daher  meist  erst  im  zweiten  bis  dritten  Lebensjahre, 
während  ich  vor  Abschluss  des  zweiten  Lebensmonates  kein  Boden  ken 
trage.  Das  Körpergewicht  werde  regelmässig  geprüft,  jede  Ernährungs- 
störung ,  jeder  Gewichtsverlust  auf  seine  LTrsache  genau  untersuelit; 
nicht  mindere  Sorgfalt  bedarf  die  Zeit  der  Entwöhnung. 

Ist  das  Kind  über  das  erste  Lebensjahr  glücklich  hinausgebracht, 
so  treten  neue  wol  zu  beachtende  Gefahren  auf.  Die  Entwicklung  sei- 
nes Skelets  und  seiner  Musculatur  mögen  nie  ausser  Augen  gelassen 
werden. 

Gehörige  Rücksicht  auf  Körperhaltung,  Beschränkimg  des  Schul- 
besiiches  und  methodische  nicht  genug  zu  würdigende  Gymnastik  zur 
Erweiterung  seines  Thorax  und  Kräftigung  seiner  Athmungsmuskel 
werden  die  besten  leider  noch  viel  zu  wenig  lieachteten  Gegenmittel  sein. 
Nicht  mit  dem  Schulbesuche  muss  die  Gymnastik  anfangen  ,  sclioa  im 
zweiten  Jahre  kann  mit  passiver  begonnen  werden.  Eine  Hauptbedin- 
gung für  die  Entwicklung  eines  solchen  Kindes  ist  der  ununterbrochene 
Luftgenuss ;  bei  dem  harten  Winter  und  dem  oft  noch  gefährlicheren 
Frühjahre  mancher  Gegenden  ist  es  kaum  zu  umgehen  ,  solche  Kinder 
dorthin  zu  schicken,  wo  sie  tagtäglich  von  Wind,  zu  raschen  Tempora- 
turabfällen  verschont ,  einige  Stunden  in  der  freien  gesunden  Luft  sich 
bewegen  können ;  im  Sommer  Soolenbäder  im  Gebirge  oder  Auientlialt 
am  Meere,  besonders  letzteres  wird  auf  die  Entwicklung  und  Krältigung 
am  mächtigsten  einwirken.  Ich  habe  wiederholt  die  Befriedigung  ge- 
nossen ,  dass  Familien,  die  früher  ihre  Kinder  eines  nach  dem  andern 
an  Meningitis  tuberculosis  in  Folge  von  Bronchialdrüsenverkäsung  ver- 
loren, die  folgenden  erhalten  und  wenn  auch  mit  Sorgen  herauwaclisen. 
gesehen  haben. 


Register  zum  dritteu  Band. 

I.  und  IL  Abtheilung. 


Abortivpneumonie  II,  614. 
Abscedirende  catarrhalische  Pneumonie 

11,  743. 
Abscedirende  croup.  Pneumonie  II,  669. 
Absces.sus  laryngis  II,  233. 
Accessorius-Lähmung  II,  321. 
Ad.spirationsphänoraene    bei   Bronchial- 

dräsenerkrankung  II,  996. 
Anaemia  lymphatica  339. 
Anämie  181.  2.54. 
Anämie  des  Kehlkopfes  II,  94. 
Anthrax  358. 

Aphonia  paralytica  II,  331. 
Arsenik-Vergiftung  434. 
Asthma  Millari  II,  99. 
Atelektasis  II,  497.  693.  772. 
Atropinvergiftung  408. 
Bacteridien  357. 

Basedow'sehe  Krankheit  II,  396. 
Becken,  rachitisches  76. 
Bettpissen  193. 
Blut  bei  Rachitis  86. 
Bluterkrankheit  235. 
Bräune,  häutige  II,  128. 
Bronchialdrüsen,  Anatomie  II,  779. 
Bronchiaklrüsen   bei  Catarrhalpneumo- 

nie  II,  745. 
Bronchialdrüsenentzündung,acute  11,984. 
Bronchialdrüsenentzündung ,  chronische 

II,  985. 
Bronchialdrüsenerkrankungen  II,  973. 
Bronchialdrüsenschwellung  II,  318. 
Bronchiaklrüsensyphilis  II,  989. 
Bronehialdrüsenvereiterung  II,  476. 


Bronchiectasie  II,  481.  996. 
Bronchitis  II,  423. 

—  capillaris  II,  431. 

—  crouposa  II,  455. 

—  sicca  II,  434. 
Bronchopneumonie  II,  680. 
Bronchostenosis  II,  468. 
Brustspalte,  angeborene  II,  570. 
Carcinom  der  Pleura  II,  970. 
Cardialgie  bei  Chlorose  210. 
Cataract  294. 
Catarrhalpneumonie  II,  729. 

—  acute  II,  755. 

—  chronische  II,  762. 
Chlorose  196.  203. 
Chorea  5.  14. 
Choroideatuberkeln  175. 
Cicutavergiftung  433. 
Circulationsstörung  bei  Laryngostenose 

II,  80. 
Colchicinvergiftung  424. 
Coqueluchoide  II,  1004. 
Coryza  II,  10. 

—  chronica  II,  20. 
Cretinismus  und  Struma  II,  362. 
Croup  II,  95. 

—  ascendant  II,  162.  177. 

—  catarrhalisclier  II,  110. 
Crouphusten  II,  183. 
Croupstimme  II,  182. 

Cysten  des  Kehlkopfes  II,  272. 

—  der  Pleura  II,  970. 
Cytisinvergiftung  425. 
Dermoidcyste  der  Lunge  II,  567. 


Register. 


1023 


Dermoidcysten  567. 
Diabetes  insipidns  285. 

—  mellitus  269. 
Diphtherie  der  Nase  II,  18. 
Doppelmissbildung  (Respirationsorgane) 

II,  590. 
Dysphagia  laryngoparalytica  II,  328. 
Dyspnoe  bei  Laryngostenose  II,  67. 
Echinococcus  der  Lunge  II,  855. 

—  der  Pleura  970. 

—  der  Schilddrüse  II,  420. 
Embolie  232. 

Emphysema  pulmonum  II,  513. 

—  —  interstitiale  II,  534. 
Emphysem  bei  Croup  II,  166. 

—  bei  Laryngostenose  II,  78. 
Empyem  II,  871. 

—  -Operation  II,  951. 
Endokarditis  lü. 
Enuresis  193. 
Epistaxis  II,  36. 
Epithelioma  laryngis  II,  272. 
Erysipelas  und  Laryngitis  II,  108. 
Fibroma  laryngis  II,  271. 
Formfehler  der  Nase  II,  31. 
Fremdkörper  in   den  Luftwegen  II,  60. 

—  in  der  Nase  IT,  31. 
Gangrän  nach  Pneumonie  II,  671. 
Gelenkerkrankung  bei  Hämophilie  254. 
Glandulae  intrathoracicae  II,  980. 
Glycosurie  269. 

Gummigeschwulst  der  Schilddrüse  11,413. 
Hämophilie  235. 

Hämorrhagie  des  Kehlkoi^fes  II,  94. 

Hämorrhagische  Diathese  214.  328. 

Hämothorax  II,  961. 

Halsdrüsen  11,  994. 

Harn  bei  Rachitis  89. 

Harnruhr,  einfache  285. 

Hautblutung  253. 

Hernia  diaphragmatica  II,  571.  971. 

Herzerkrankung  bei  Rheumatismus  9. 

Herz,  Verdrängung  durch  Pleuraexsudat 

II,  925. 
Heterotaxie  II,  569. 
Heufieber  II,  14. 

Hirnhyperämie   bei   Pneumonie  II,  661. 
Hirnhypertrophie  92. 
Hodgkin'sche  Krankheit  339. 


Husten  bei  Bronchialdrüsenerkrankung 
n,  1003. 

—  bei  Laryngitis  11,  115. 

—  bei  Laryngostenose  II,  79. 
Hydrothorax  II,  958. 
Hyoscyaminvergiftung  421. 
Hyperämie  der  Schilddrüse  II,  352. 

—  des  Kehlkopfes  II,  94. 

Infarct ,    hämon-hagischer ,    der    Lunge 

II,  823. 
Infractionen,  rachitische  60. 
Inosit  292. 

Intestinalmykose  360. 
Intoxikationen  383. 
Karbunkel  (Milzbrand)  361. 
Katarrhalpneumonie  II,  694. 
Katheterismus  des  Kc-hlkopfes  II,  90.  222. 
Kehldeckel,  Besichtigung  II,  52. 
Kcilbeinhöhlen-Erkraukungen  II,  30. 
Knochenerkrankung,  rachitische  5-). 
Knochenmai-k  bei  Leukämie  318. 
Krebs  der  Schilddrüse  II,  -Jll. 
Laryngitis  catarrhalis  II,  95. 

—  erysipelatosa  II,  230. 

—  phlegmonosa  II,  233. 

—  submucosa  II,  226. 
Laryngosoopie  II,  48. 
Laryngospasmus  II,  1004. 
Laryngostenosis  II,  55. 

—  paralytica  II,  323. 
Laryngotracheitis  catarrhalis   acuta  U. 

99,  chronica  II,  123. 

—  fibrinosa  II,  128. 
Larynx,  Palpation  H,  53. 

Leber,  Verdrängung  bei  Pleuritis  11,  926, 
Leukämie  195.  301. 

—  Bronchialdrüsen  II,  983. 
Lobularinfiltration,   chronische,  destrui- 

rende  II,  803. 
Lungenarterie,  Obliteration  der  II,  564. 
Lungenbrand  nach  Catarrhalpneumonie 

11,  744. 

—  nach  Pneumonie  II,  671. 
Lungengangrän  II,  831. 
Lungengefässanomalieen ,      angeborene 

II,  578. 
Lungenlappen,  aecessorische  II,  572. 
Lungenschwindsucht  II,  784. 
Lungenvenen-Anomalieen  II,  589. 


1024 


Gerhardt,  Kinderkrankheiten. 


Lunge,  Verdrängung  bei  Pleuritis  II,  923. 
Lupus  laryngis  II,  259. 
Lymphdrüsen-Leukämie  316. 

—  —  Scrofulose  143. 
Lymphoma  malignum  339.  II,  59. 
Lyssa  humana  364. 

Malaria  und  Leukämie  313. 
Maserncroup  II,  153. 
Masern-Laryngitis  II,   107. 
Mediastinitis  II,  1008. 
Meliturie  269. 

Meningitis  bei  Pneumonie  II,  662. 
Miliartuberkulose     bei    Catarrhalpneu- 
monie  II,  766. 

—  der  Lungen  II.  807. 
Milz,  bei  Rachitis  87. 
Milzbrand  355. 

Milzerkrankung  bei  Leukämie  314. 
Missbildungen  der  Lunge  553. 
Morbus  maculosus  Werlhofii  210. 
Morphinvergiftung  394. 

Nabel blutung  241. 

Nasenbluten  II,  36. 

Nasenkrankheiten  II,  1. 

Nasenpolypen  II,  33. 

Nephritis  bei  Pneumonie  II,  665. 

Netzhautblutungen  bei  Polyurie  294. 

Neubildungen   des  Kehlkopfes   und  der 

Luftröhre  II,  262. 
Neubildungen  in  der  Nase  II,  33. 
Night-terrors  192. 
Nonia  nach  Pneumonie  II,  672. 
Nonnengeräusch  bei  Chlorose  209. 
Obliteration  der  Pulmonalarterie  II,  584. 
Oedema  laryngis  II,  226. 
Oesophagus-Atresie  II,  562. 
Oleandrinvergiftung  430. 
Opiumvergiftung  394. 
Osteomalacie  59. 

Otitis    bei  Catarrhalpneumonie  II,  768. 
Ozaena  laryngotrachealis  II,  121. 
Papilloma  laryngis  II,  204. 
Pectoralfremitus  bei  Pleuritis  II,  932. 
Peliosis  rheumatica  216.  228. 
Perichondritis  laryngea  II,  240. 
Perikarditis  11. 

—  bei  Catarrhalpneumonie  II,  768. 

—  bei  Pneumonie  II,  660. 
Peripleuritis,  ab.scedirende  II,  955. 


Perlsucht,  Milch  138.  168. 
Pertussis  11,  1004. 
Phlegmone  endothoracica  II,  955. 
Pleuritis  865. 

—  bei  Catarrhalpneumonie  II,  766. 

—  bei  Pneumonie  II,  658. 

—  und  Rheumatismus  12. 
Pneumonie  bei  Croup  II,  164.  195. 

—  chronische  interstitielle  II,  743. 

—  croupöse  II,  592. 

—  Recidiv  II,  667. 

—  secundäre  II,  673. 

—  und  Rheumatismus  12. 
Pneumothorax  II,  962. 
Pocken,  Laryngitis  II,  108. 
Polyurie  285. 
Pseudocroup  II,  100.  110. 
Pseudoleukämie  195.  339. 
Phthisis  bronchialis  II,  988. 

—  laryngea  II,  245. 

—  pulmonalis  II,  784.  804. 
Pulmonalstenose  II,  583. 

—  angeborene  II,  585. 
Purpura  216. 
Purpui'a  simplex  218. 
Pustula  maligna  358. 
Pyothorax  II,  871. 
Rachendiphtherie  II,  182. 
Rachitis  40. 

Rachitis  und  Leukämie  312. 
Reibegeräusch,  pleuritisches  II,  928. 
Respirationstypus  bei  Stenosen  II,  67. 
Retinitis  leukaemica  321.  332. 
Rheumatismus  acutus  3. 

—  und  Peliosis  232. 
Rhinoscopie  II,  22. 
Santonin  385. 
Schädel-Rachitis  61. 
Scharlach-Croup  II,  154. 

—  Laryngitis  II,  108. 
Schierlingvergiftung  433. 
Schilddrüsenkrankheiten  II,  339. 
Schnupfen  II,  10. 

Scoliose,  rachitische  123. 

Scrofulose  130. 

Skorbut  216.  233. 

Situs  transversus  der  Brustorgane  II,  569- 

Solaninvergiftung  422. 

Spasmus  glottidis  92.  121.  II,  281. 


Register. 


Spitzeninflltratioii,  chronische  II,  801. 
Stimmbandlähmung  II,  315. 
Stimmritzenkrampf  92.  121.  II,  281. 
Stimmvibration  bei  Pleuritis  II,  932. 
Struma  II,  318.  359. 

—  congenita  II,  387. 

—  exophthalmica  II,  396. 
Strychninvergiftung  und  Lyssa  379. 
Sympatliicusparalyse  II,  353. 
Syphilis  laryngea  II,  251. 
Syphilis  der  Trachea  II,  999. 
Taxinvergiftung  429. 

Tetanus  und  Lyssa  359. 
Tlioracentese  II,  946. 
Thorax,  rachitischer  66. 
Thyreoiditis  II,  413. 
Thyreotomie  II,  278. 
Trachea,  Divertikel  der  II,  564. 
Trachealfistel,  angeborene  II,  565. 
Tracheitis  II,  996.  1004. 


^  catarrhalis  II,  95. 
Tracheobronchitis  II,  425. 

—  acuta  II,  430. 

—  fibrinosa  IL  175. 
Tracheoskopie  II,  53. 
Tracheostenosis  II,  55. 

—  strumosa  II,  381. 
Tracheotomie  bei  Croup  II,  223. 

—  bei  Laryngostenose  II,  91. 
Transposition  der  grossen  Gefässe  II,  581. 
Tuberculose  153. 

Tuberkel  154. 

—  der  Pleura  H,  970. 
Turgescenz  der  Schilddrüse  II,  352. 
Vaccination  und  Scrofulose  138. 
Werlhofsche   Blutfleckenkrankheit  221. 
Wirbelsäule,  Rachitis  74. 
Wuthkrankheit  365. 

Zähne,  Verhalten  bei  Rachitis  64. 
Zuckerharnruhr  269. 


Berichtigungen  und  Zusätze 

zum  dritten  Band,  2.  Abtheilung. 


Seite  11 

-  17 

»  17 

»  24 

»  51 

»  68 

»  70 


22  V.  0.  statt  derselbe  1.  e  s. 

8  V.  o.     »       Friedreich-Valleix  1.  V  a  1  1  e  i  x  -  F  r  i  e  d  r  e  i  c  h. 
1 1  V.  u.  nach  und  setze  :  d  u  r  c  h. 
2  V.  o.  statt  Raghaden  1.  Rhagaden. 
7  V.  u.     »       sind  1.  ist. 
16  V.  0.     »       des  1.  d  e  r. 
14  V.  0.     »       ed  1.  cd. 
»     73  Fig.  10  statt  z  1.  r 

->  152  Z.  10  V.  0.  statt  Valentin  1.  Valentin  von. 
»  253  »       8  V.  o.     »       gewesen  zu  sein  1.  vorgelegen  zu  haben. 
»  278.  Neubildungen  des  Kehlkopfes,  Nachtrag : 

In  der  nach  Vollendung  des  Druckes  erschienenen  Monographie  von 
Paul  Bruns,  Die  Laryngotomie  etc.  Berlin  1878,  findet  sich  auf  Tabelle  I. 
eine  grosse  Zahl  von  Thyreotomien  verzeichnet,  welche  im  Abschnitt  über  Neu- 
bildungen nicht  aufgenommen  sind.  Es  sind  dies  die  Fälle  vonDurham, 
Voss,  Long,  Holmes,  Atlee,  Lewin,  Davies-Colley,  Thorn- 
ton,    Rose;    rechnet  man  dazu  noch    den  Fall  von  Wilms  (briefliche  Mit- 

Handb.  d.  Kiuderkranklieiten.    III.  2.  "" 


1026  Gerhardt,  lunderkranklieiten. 

t  heilung  an  P.  B  r  u  n  s),  so  beläuft  sich  die  Zahl  der  bis  jetzt  veröiFentlichten 
Fälle  von  Thyreotomie  im  Kindesalter  behufs  Entfernung  von  Painllomen  auf  23. 

C.  R  a  u  c  h  f  u  s  s. 
Seite  847  Z.  11  v.  u.  statt  Chavignier's  1.  Chavignez's. 

»     849  »     13  v.  o.     »       nach  meinen  Beobachtungen  1.  in  der  Regel. 

»     850  »     15  V.  o.     »       Hematothoras  1.  H  iim  a  t  o  t  h  o  r  a  x. 

»     852  >     13  V.  o.     »       sechszehnjähriges  1.  sechsjähriges. 

»     858  am  Schluss  des  Kapitels  setze :  Lepthotrix  pulmonalis  ist  nicht  immer 
vorhanden. 

»     854  Z.  15  V.  0.  statt  gestäubt  1.  z  e  r  stäubt. 

»     855  »       1  V.  o.     »       Vogla  1.  V  i  g  1  a. 


Date  Due 

Demco  293-5 

213