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Das Emphysem im Kiiidesalter
von x^
Dr. L. Fürst.
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Ueber die Pathogenese des Substantiven Lungen-Emphysems.«
Ferner sind hier die Lehrbb. u. Specialschriften über spec. Pathologie, pa-
thol. Anat. u. physik. Diagnostik zu vergleichen.
Geschiclitliclies.
Während das Bmpliy.sem der Erwachsenen unter Laennec's Vor-
gang durch Rokitansky die erste path. -anatomische , durch Skoda
die erste klinisch-diagnostische Bearbeitung erfuhr, auch die Theorieen
über die Entstehung des Emphysems im Allgemeinen bereits in den
Vierziger Jahren durch Fuchs und MendeLsohn zuerst Klärung fan-
den, lenkte sich die Aufmerksamkeit auf die specielle Form des Kinder-
Emphysems nicht viel vor der 2. Hälfte unseres .lahrhunderts. Vorzüg-
lich waren es französische Specialisten, vor Alien Guillot, Bailly,
Rilliet und Barthez, Hervieux, welche die besondere Berücksich-
tigung des Emphysems im Kindesalter anregten. Ihnen schlössen .sich
Herhardt und Hewitt mit eingehenderen Bearbeitungen an, während
andere Paediatriker, wie West (Henoch), Bouchut und Vogel dem
Emphysem der Kinder keine, oder doch nur eine sehr eingeschränkte
Berechtigung zu selbstständiger Barstellung zugestanden. Inzwischen
hutte sich auch die Lehre von dem In- und E.xspirationsdruck, und dem
mechanischen Einflüsse dieser Kräfte auf das Zustandekommen des Em-
physems überhaupt theils durch W. A. Freund, theils durch Bier-
mer's, Wintrich's und Heck er' s Beobachtungen schärfer heraus-
gebildei ; ja es hatten sich sogar die Kliniker in zwei Lager getheilt,
indem die Einen vorwiegend eine inspiratorische, die Andern eine exspi-
ratorische Entstehungstheorie für das 'Emphyseni aufstellten. Eine Mit-
telparthei nahm beide Ursachen gleichzeitig als ätiologisches Moment an.
Fürs t, Emphysem im Kindesalter. 515
während theils Kliniker, wie Hertz und zumal Steffen, dem wir
eine der eingehendsten Arbeiten über das Kinder-Emphysem verdanken,
theils Pathologische Anatomen, wie Eindfl eis eh, B i rc h - Hirsch-
feld u. A. , die nutritive Entstehung, sei es aus präformirten Anlagen
oder aus krankhaften Veränderungen des Lungengewebes als eines der
wichtigsten Momente für das Zustandekommen des Emphysems bezeich-
neten. Die bis in die Fünfziger Jahre hinein spielende Erörterung über
ein in gerichtsärztlicher Hinsicht für die Lungenprobe wichtiges Thema,
die Möglichkeit eines angeborenen oder unter der Geburt entstandenen
Emphysems, ebenso wie des Fäulniss-Emphysems wurde durch Casper's
Kritik auf ihr richtiges Maass zurückgeführt, üeber das allgemeine
Emphysem hat E o g e r besonders gute Beobachtungen veröifentlicht.
Ziemlich kümmerlich war die Therapie des Emphysems der Kinder
bis vor wenigen Jahren bestellt. Während für Erwachsene theils klima-
tische Kuren, theils pneumatische Behandlung schon vielfach empfohlen
waren, hat sich erst in neuerer Zeit das Interesse der Specialärzte auch
den emphysematösen Kindern zugewandt. Gegenwärtig dürften die Indi-
cationen theils für klünatisehe Behandlung durch Bier mann, theils
für die pneumatischen Cabinete durch Lange und v. Lieb ig, nach des
verdienten v. Vivenot Vorgange , exacter feststehen, wenngleich diese
Acten, gerade in paediatrischer Beziehung, noch nicht geschlossen sind.
Nachdem der Erfinder des transportabeln pneumatischen Apparates,
Hauke, der Art der pneumat. Behandlung eine ganz neue Eichtung
gegeben, sind durch zahlreiche Autoren, unter denen Wal den bürg,
Schnitzler, Weil und Biedert besonders hervorgehoben werden
müssen, infolge exacter Versuche gerade in den pneumatischen Appa-
raten, welche eineEinathmung verdichteter, ein Ausathmen in verdünnte
Luft gestatten , dem Heilmittelschatze so werthvolle Bereicherungen
zu Theil geworden, dass sich der Nutzen derselben für eine erfolg-
reiche Behandlung des Kinder - Emphysems bei entsprechender Vervoll-
kommnung der Technik gewiss als bedeutend erweisen wird.
Begriff und Eintlieilung.
Während man ursprünglich unter Emphysem »das Aufgeblasen-
sein eines Gewebes durch Luft« verstand, bezog man, seitdem das Lun-
gen-Emphysem genauer bekannt worden, den Ausdruck »Emphysem«
ohne weiteren Zusatz auf die Lunge in erster Linie. Die Definition des
Lungen-Emphysems der Erwachsenen als einer »bleibenden Alveolar-
Ektasie mit Elasticitätsverlust der Gewebe und Rareficirung derselben«
würde sich jedoch nicht ohne Weiteres auch auf das kindliche Lungen-
Emphysem übertragen lassen, weil hier zwei Puncte durchaus nicht im-
mer zutreffen, das Stationärwerden des Krankheitsprocesses und die
Atrophie des Lungen-Parenchyms. Alle Pädiatriker sind sich darüber
einig, dass gerade hierin der specifische Unterschied beruht und dass die
»mehr oder weniger acute, abnorm starke Erweiterung der Alveolen
durch Luft« , also gewissermaassen das erste Stadium des Emphysems
33*
51(5 Krankheiten der Atlimungsorgane. Lunge.
Erwachsener, bei Kindern die Regel ist, ein Process, der sich aber mei-
stens, nach dem Schwinden der Entstehungsnrsacheu, wieder vollständig
in den status quo znrückbildet. In den Fällen aber , wo der betr. Zu-
stand chronisch wird , indem das primäre Leiden keine oder nur eine
unvollständige Restitution gestattet, geht allerdings die Contractilität
der Alveolenwände verloren und es kann selbst bis zu einer Atrophie
derselben kommen. Immer aber sind solche Fälle von echtem Emphy-
sem beim Kinde nur Ausnahmen und nur bei älteren Kindern als Resi-
duen abgelaufener Processe zu finden , während in den allermeisten
Fällen , ehe es zu einer chronischen Alveolar-Ektasie kommt , das Kind
entweder an der dem Emphysem zu Grunde liegenden Krankheit , oder
an dem acuten Emphysem , oder an Complicationen stirbt. Die Breite
des Verlaufs, welche nothwendig ist, um von dauernden abnormen Span-
nungsverhältnissen in den Lufträumen bis zur Atrophie der Wände,
zum Zusamnieufliessen der Alveolen , zur Verödung von Capillar-Ge-
bieten und zur Bildung grösserer Hohlräume zu führen, ist beim Kinde
ganz selten gegeben. Beim Kinde ist deshalb »Vesicular-Emphysem«
nur als klinischer und gro))-anatoniischer Begriff' zu fassen , nicht aber
als histologischer. Mit den Processen, die unter den Namen von int er-
lobulär ein oder interstitiellem, unter media st i nalem sowie
subcutanem Emphysem beim Kinde vorkommen, hat jenes rein al-
veoläre Emphysem direct nichts zu thun, wiewohl es deren Zustande-
kommen vermittelt. Alle die ebengenannten Processe haben als gemein-
sames Cliaracteristicuni »Austritt von Luft aus der Lunge durch Ruptur
von Alveolen und Ansammlung der Luft in mehr oder weniger ausge-
dehnten Räumen des Zellgewebes.«
o^
Die E i n t h e i 1 u n g des Emphysems in verschiedene Arten hat
nicht selten, durch die Liebhaberei für das Systematisiren, zu nicht sehr
glücklichen Glassificirungen geführt, was um so mehr zu bedauern ist,
als gerade der Anfänger durch verschiedenartige Nomonclaturen, durch
Synonyme, sowie durch eine nicht ganz logische Aufstellung von Unter-
arten leicht irre wird. Die einfachste Eintheilung ist, wie überall,
so auch hier, die beste.
Das nächstliegende ist die Eintheilung mit Eücksicht auf die L o-
calisation. Tn dieser Beziehung ist
1 . V e s i c u 1 U r e s oder A 1 v e o 1 ä r e s E m p h y s e m xu nennen,
welches lediglich innerhalb der prä-existirenden Lufträume, der In-
fundibula und Alveolen, seinen Sitz hat.
2. Z e 11 g e w eb s-E ni p h y s e m, Lei welchem gewissennaassen eine
Extravasation der Luft stattgefunden hat, und zwar
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 517
a) Innerhalb der Pleura , als b) ausserhalb der Pleura , als
interslitielles, mediastinales,
interlobuläres und peribrouchiales Emphysem,
subpleurales Emphysem, als Unterhautzellgewebs - Emphy-
sem am Thorax, am Hals, am
Gesicht u. s. w.,
als allgemeines Emphysem.
Obgleich von allen diesen Formen des Zellgewebs - Emphysems
Fälle beobachtet worden sind, so treten dieselben doch bezüglich der
Häufigkeit sehr hinter die Fälle von Alveolar-Emphysem zurück , die
beim Kinde die gewöhnlichen sind.
Hinsichtlich der Complication mit anderen Krankheitspro-
cessen unterscheidet man ferner :
1. Reines, uncomplicirtes Emphysem , eine Bezeichnung,
der ich vor dem zu Missdeutungen verführenden Worte : „Substantielles"
oder „Substantives" Emphysem entschieden den Vorzug gebe, weil diese
gerade das Wesentliche, nämlich, dass es sich hiev um ein primäres,
selb st ständiges Leiden handelt, nicht scharf heivorheben.
2. Complioirtes Emphysem, d. h. solche Fälle, bei welchen in
secundärer Weise
entweder in Folge von Erkrankungen der Respirations-Organe die
zu. dem Vietr. Bronchialgebiet gehörigen Alveolen eniphysematös werden,
(vielfach als substantielles Emphysem bezeichnet);
oder in Folge von Ei-krankungen bestimmter Lungengebiete und
hieraus resultirender Verkleinerung der Athmungsfläche die anderen
Bronchialbezirken angehörigen Alveolen Sitz des Emphysems sind. (V i-
cariirendes, besser compensatorisches Emphysem.)
Beim Kinde gehören reine , uncomplicirte Emphyseme , wenn man
von dem auch bei intacten Lungen in der Agone entstehenden Emphy-
sem absieht, zu den Seltenheiten ; unter den complicirten aber sind die-
jenigen Emphyseme, welche in grösserer oder geringerer Entfernung
von für die Respiration unzugänglich gewordenen Lungengebieten ent-
stehen , also die sogenannten vicariirenden , die bei Weitem Häufigsten.
Ferner hat man bezüglich der Ausdehnung des emphysematösen
Processes unterschieden
1) Allgemeines und
2) Lokali sirtes, partielles Emphysem.
Es versteht sich von selbst, dass beim Kinde nur von letzterer Art
die Rede sein kann und dass von partiellen Emphysemen wiederum alle
Grade vorkommen, von der Ektasie weniger Alveolen eines Infundibu-
lums bis zum Emphysem einzelner Lobuli, mehrerer Gruppen von solchen
und selbst ganzer Lappen. Unter Umständen kann ein ganzer Lungen-
flügel ein solches vicariirendes Emphysem zeigen.
Eine sehr wichtige Unterscheidung ist endlich die nach dem V e r-
^|g Krankheiten der Atbmungsorgane. Lunge.
1 auf e, der alle Stadien , vom peracuten und acuten bis zum subacuten,
selten bis zum clironisclien Verlaufe durchmessen kann. Am häufigsten
ist das acute, entweder in di es er Form zum lethalen Ausgange, oder
ebenso rasch zu einer restitutio in integrum führende Emphysem. Auch
das s u b a eut verlaufende wird nicht gar zu selten beobachtet. Selten
ist das chronische, da das Kind die von demselben veranlassten func-
tionellen und anatomischen Störungen nur ausnahmsweise , und dann
meist nur in vorgerückteren Kinderjahren, erträgt.
Pathogenese.
Bevor wir die Entstehung des Emphysems bemi Kinde auf ihre
Ursachen hin verfolgen, müssen wir erst zu der Frage nach der Exi-
stenz des Emphysems im Kiudesalter Stellung nehmen. Wir
haljen schon gesehen, dass das Auftreten eines echten, stationären Em-
physems beim Kinde zu den Ausnahmen gehört, und dass man es hier
meist mit einem Emphysema spurium zu thun hat , d. h. mit einer vor-
wiegend acut verlaufenden Alveolar-Ektasie ohne Rareficirung des Ge-
webs.
Während West und He noch dem Emphysem gar keine beson-
dere Beschreibung widmen , es also für das Kind als nicht ervvähnens-
werth betrachten, sagen JRilliet und Barthez, dass es nur eine un-
liedeutende Rolle spiele und, da es weder ernste Zufiille, noch deutliche
Symptome darbiete , auch nicht von practischem Interesse sei. Als „bei
Kindern" selten wird es von Gerhardt und Hertz bezeichnet, wie-
wohl Letzterer, mit Leb er t, zugesteht, dass die Entstehung mancher
zur Zeit der Geschlechtsreife manifest werdender Emphyseme wohl auf
die erste Jugendzeit zu beziehen, 5—10 Jahre zurückzudatiren ist. Un-
streitig richtig hebt Biermer hervor, dass gerade die zarten Kindes-
lungen den mechanischen Dilatations-Ursachen geringeren Widei'stand
liieten, also zu Emphysem mehr disponirt sind, dass aber auch anderer-
seits bei ihnen, wegen leichterer Ausgleichung der Alveolar-Ektasie, sel-
ten bleibendes Emphysem sich findet. Als Vertreter des Extrems hin-
sichtlich der Ansichten über das Vorkommen von Kinder-Emphysem ist
Steffen anzuführen, welcher, gestützt auf die Beobachtung, dass l.iei
jungen Individuen theils in Folge der Nachgiebigkeiir der Alveolarwände
und des Thorax , theils in Folge der grösseren Reizbarkeit der Schleim-
häute kindlicher ßespirations-Organe die Prädisposition gegelien sei, das
Emphysem als „im Kindesalter ausserordentlich häufig" bezeichnet. Er
weist dabei auf die liei Hustenstijssen deutlich sichtbare Vorwöllaung, Ije-
sonders entsprechend den Lungenspitzen, hin, sowie auf die Thatsache,
dass er bei 'A der Kindersectionen Emphysem, zumal peripherisches und
marginales , vorgefunden habe und kommt zu dem Ergebnisse , dass die
meisten Krankheilen der Respirations-Organe „nie ohne vorüfiergehendes
oder bleibendes Empliysem" \ erlaufen. Unter diesen Krankheiten nennt
er an erster Stelle den Keuchhusten, während gerade von diesem Bou-
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 519
chut angiebt, dass dabei die Lungen „nur ausnahmsweise'' emphysema-
iös seien.
Die Gegensätze in den Ansichten über die Existenz des Emphysems
bei Kindern würden nicht zu vereinigen sein, wenn man nicht annehmen
wollte, dass diejenigen Autoren, welche ein Emphysem des Kindes nicht
anerkennen, dabei lediglich das echte Empli3'sem im Sinne haben, wäh-
rend die Anderen alle Grade von Lungenblähung, seien sie diagnostisch
oder auf dem Secirtisch vorgefunden, unter »Emphysem« zusammen-
fassen.
Unter den Entstehungs-Ursachen ist die zuerst von Jackson her-
vorgehobene Heredität zu erwähnen.
Es ist durch Beobachtungen erwiesen, dass in manchen Familien eine
sich forterbende Prädisposition für Emphysem besteht. Man darf das
Wesen dieser vererbten Anlage zuweilen wohl in den bereits von
Freund geschilderten (angeborenen ) Eigenthümlichkeiten im Bau der
oberen Thoraxparthien , hiiufiger vielleicht noch in congenitaler Disposi-
tion zu Katarrhen, oder, mit Hertz und Biermer, in angeb. Schwäche
und ungenügender Kesistenz des elastischen Lungengewebes suchen, An-
nahmen , die freilich mehr oder weniger hypothetisch sind. Dass eine
solche Anlage zu hereditärem Emphysem vorhanden sein muss, geht,
nach 6 e r h a r d t , aus den Fällen , wo sich ein solches um die zweite
Dentition nicht selten einstellt, hervor.
Von einem eigentlichen con genitalen Emphysem kann natür-
lich nicht die Rede sein. Das Wesen der Fötal-Lunge, welche nicht ge-
athmet hat , schliesst an sich das Emphysem aus. Etwas Anderes aber
ist es mit der Entstehung desEmphysems unter derGeburt.
Hier handelt es sich um jene seltenen Fälle , in welchen ein Kind wäh-
rend des natürlichen oder künstlichen Geburtsverlaufes vorzeitige Athem-
bewegungen gemacht hat und die Lungen unmittelbar oder in den er-
sten Stunden nach der Geburt eiuphysematös gefunden wurden.
Zwar läugnet Casper, mit Rücksicht auf den angezweifelten Werth
der forensischen Lungenprobe , ganz entschieden, dass jemals „auch nur
ein einziger gut beobachteter und zweifelloser Fall von spontan in fö-
talen Lungen entwickeltem Emphysem" beschrieben worden sei. Allein
er selbst fügt hinzu „bei ohne Kunsthülfe entwickelten Geburten'' , und
giebt darch diesen Zusntz der Möglichkeit Raum, dass bei operativem
Eingreifen die Lunge des Kindes wenigstens lufthaltig befunden werden
kann. Dass Emphysem während einer solchen Geburt erworben werden
kann, geht z. B. aus dem Falle hervor, den ()rfila*) ervsrähnt, einem
nach einer Wendung vorgefundenen Emphysem. Der Fall von Wals he
lässt es unentschieden , ob das vesiculäre und interlolmläre Emphysem,
welches bei einem Kinde zwei Stunden nach derGeburt beobachtet wurde,
einem künstlichen Eingreifen zuzuschreiben war. Ein reiner Fall von
*) Vorlesungen üb. gerichtl. Medicin, I. 321.
520 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
genuinem Emphysem, welches durch abnorm starke Insi^irationen — und
zwar durch solche, die ausdrücklich nur intrauterin stattgefunden haben
konnten — entstand, ist der bekannte Hecker'sche, der in seiner Art
ein Unicum darstellt. Hier war die Geburt nach 26stündigen Wehen, 18
Stunden nach dem Wasserabfluss und nachdeiu die Herztöne seit einer
Stunde aufgehört hatten, ohne Kun.sthülfe beendet. Das Kind war todt
o-eboren, zeigte aber bei der 6 Stunden nach dem Tode vorgenommenen
Section „deutliches Emphysem", sogar mit Zerreissung von Lungenzellen,
wie nach forcirtem Lufteinblasen. Ein Analogon bildet ein Fall von Kuge.
Ans der Seltenheit solcher Fälle ist aber jedenfalls der Rückschluss
zu ziehen , dass ein derartiges unter der Geburt acc[uirirtes Emphysem
zu den seltenen Ausnahmen gehört.
Dass die angeborene Lungen -Atelektase, wenn sie die
Respiration.sfläche partiell verkleinert, indem sie ganze Lobuli von der
Athmung ausschliesst , ein compensatorisches Emphysem erzeuge , wird
zwar von manchen Seiten behauptet. Allein die Erfahrung lehrt , dass
ohne sonstige intercurrirende Bronchial- oder Lnngenkrankheiten, wel-
che acut die Dyspnoe steigern , selten mehr als eine compensatorische
Alveolar-Elitasie zu Stande kommt, jedenfalls, weil das Athmen solcher
Kinder viel zu oberflächlich , ihr Schreien viel zu schwach ist , und sie
in Folge der Schwäche ihrer Respiration viel eher unter Cyanose zu
Grunde gehen, als dass ein echtes Emphysem sich ausbildet.
Etwas Anders gestaltet sich der Vorgang , wenn an asphyktisch
geborenen Kindern in zu forcirter Weise E i n b 1 a s u n g e n v o n L u f t
gemacht worden sind.
Es ist bekannt, dass L e r o i d'E t i o 1 1 e s der Erste war, welcher auf
dieses ätiologische Moment aufmerksam gemacht hat. Ist es auch von
manchen Seiten (Steiner, Vogel) angezweifelt worden, ob hierdurch
Emjihysem erzeugt werden könne, geben insbesondere Eilliet und
Barthez an, dass man nur inteiiobuläres Emphysem und ampullenför-
mige Auftreibung der Pleura hervorruft, so ist doch der angegebene
Gegengrund, die Lunge des Neugeborenen lasse .sich zwar durch Luft-
einblasen enorm aufblasen, aber nie zerreissen und gehe vermöge ihrer
Elabticität, sobald man sistirt, wieder auf ihr früheres Volumen zurück,
nicht stichhaltig. Nicht nur von klinischer Seite (Gerhardt, Hennio-,
Steffen), sondern auch von gerichtsärztlicher Seite ist die Möglichkeit
nachgewiesen, dass durch kräftiges, rasches Einblasen, abgesehen davon,
dass Luft in den Magen tritt, auch eine Hyperaerie der Lungen, eine
übertriebene Ektasie oft der ausgedehntesten Lungen- Aljschnitte, schliess-
lich Zerreissung von Alveolen und interloliuläres Emphysem in wenigen
Augenblicken sich hervorrufen las.sen (Gas per). Derartige Lunten zei-
gen hochgradige Blähung, blasses, blutleeres, ungleichmä'ssiges Gewebe,
hier und da Rupturen, bieten also, wenn man nicht zu sehr auf die
chronische Atrophie der Gewebe Gewicht legt, das wenigstens makros-
kopisch deutliche Bild des Emphysems.
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 521
Man hat bei Ol^ductionen in foro , besonders früher , oft die Frage
ventilirt, ob die in einer Lunge sich findende Luft nicht ein »Leichen-
Emphysem«, eine Fäulniss-Erscheinung sein könne. Hiergegen muss
zunächst eingewendet werden , dass die Lungen in Leichen , die bereits
äusserlich die höheren Fäulnissgrade zeigen, sehr häufig noch ganz wohl
erhalten sind (Gas per). Die Entstehung eines Emphysems durch
Fäulnissgase ist , wenn überhaupt , erst im Verlauf längerer Zeit zu er-
warten ; meist bleibt aber auch dann der rein cadaveröse Vorgang auf
Blähung einzelner Lungenbläschen, besonders an den Rändern, auf inter-
lobuläre und subpleurale Luftblasen beschränkt, Veränderungen, welche
nur eine äussere Aehnlichkeit mit Emphysem haben.
Ein primäres, echtes Emphysem ohne anderweitige Compli-
cationen Seitens der Respirationswege , uncomplicirtes primäres Em-
physem, wie es z. B. Wal den bürg in 3 Krankengeschichten von
9— 13jährigen Kindern schildert, ist beim Kinde jedenfalls eine grosse
Seltenheit, wie bereits oben angedeutet wurde.
Sehen wir von den schon erwähnten Fällen ab, in denen Erblich-
keit oder Geburtsverlauf einen Anhaltepunct zur Erklärung des Zustan-
dekommens bieten, so bleiben uns für die Fälle, in denen jene zwei Ur-
sachen auszuschliessen sind , nur die forcirten Athem- und heftigen
Hustenbewegungen übrig, die, nach Biermer, in plötzlicher oder doch
acuter Weise Alveolar-Ektasie und selbst interlobuläres Emphysem in
sonst nicht erkrankten Lungen hervorrufen können. Ein solches primä-
res Emphysem ist es, dem wir bei den Tracheal-Stenosen durch Fremd-
körper in sonst gesunden Kinderlungen begegnen.
Auch das so häufig in der A g o n e , also in den wenigen Stunden
vor dem Tode, acut entstehende Emphysem, ist, wenn das Kind nicht
gerade einer Luftröhren- oder Lungenkrankheit erlegen ist, als eine
primäre Alveolar-Ektasie aufzufassen. Man findet diese Veränderung
ausserordentlich häufig, besonders an den vorderen Lungenrändern bald
ohne sonstige pathologische Lungenveränderungen (Steffen), bald
nur mit anderen aus der Agone herrührenden Erscheinungen , wie Hy-
postase und Lungenödem, und vermag in solchen ziemlich reinen Fällen
nur die Dyspnoe und die terminalen Circulations - Störungen für die
Lungenblähung verantwortlich zu machen.
Ungleich durchsichtiger ist die Pathogenese des mit anderweitigen
Erkrankungen der Respirationsorgane complicirten, secundären
Emphysems , sowohl des sogen . substantiellen, als des c o m p e n-
satorischen (vicariirenden). Hier tritt uns als ursächliches Moment
eine grosse Gruppe von Krankheiten entgegen , deren Zusammenhang
mit fimctionellen Athmuugsstörungen auf der Hand liegt und deren
Nebenwirkung anerkanntermaassen beim Kinde die Alveolar-Ektasie
ir
522 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
verschiedeusteu Grades, das echte Emphysem der Lmige, das intersti
tielle, siiljpleurale , lohuläre und Zellgewebsemphysem sein kann. W
begegnen in dieser Reihe von Affectionen 1) zunächst solchen, welche
die Inspiration partiell beeinträchtigen , 2) solchen, bei denen ein Ex-
spirationshinderuiss besteht, 3) solchen , bei denen Theile des Lungen-
gewebes verdichtet sind, 4) entzündlichen Ernährungsstörungen des
Gewebes , 5) Circulationsstörungen , 6) exspiratorischen Ueberanstren-
gungen durch Husten.
Man sieht daraus leicht , dass gerade beim Kinde eine Anzahl von
Ausgangspuucten für emphysematöse Auftreibung der Lunge in den
vorwiegend dem jugendlichen Lebensalter eigenthümlichen Prädispo-
niren zu Respiratiouskrankheiten überhaupt gegeben sein muss.
Schon die Erkrankungen der gröberen Luftwege und
der Trachea, sowie der H a u p t b r o n c h i e n verdienen hier speciel-
lere Betrachtung. Li erster Linie stehen die gemeinsam zu betrachten-
den T r a c h e a 1 - und B r o n c h i a 1 - S t e n o s e u , Ijei denen der Luft-
zutritt zu der ganzen Lunge , oder zu einem grösseren Abschnitte der-
selben mehr oder weniger beeinträchtigt ist.
Seltener halten wir es hier mit einer von aussen wirkenden Com-
pression zu thun, und in sok:hen Fallen ist es die (angeborene oder früh-
zeitig entstandene) Struma, welche besonders in Kropfgegenden, nach
Gerhardt, Steiner und Biermer, fast regelmässig und schon in
den ersten Kinderjahren zu Emphysem führt. Die Compression der Luft-
röhre durch eine abnorm grosse Thymus *) und consecutives Emphysem
gelangt ebenso wie angeborene Engigkeit der Trachea (Rahn- B s eher)
ungleich seltener zur Beobachtung. In den meisten Fällen von Tracheal-
stenose hat man es mit inneren 01)turationen zu thun, vorzugsweise mit
fremden Körpern, welche durch Aspiration in die fjuftwege gelangen
und je nach ihrer Fonn und Grösse ein Respirationshinderniss abgeben.
Füllt der betr. Körper das Lumen der Trachea nur incomplet aus , so
können Abschnitte in den beiden Lungen emphysematös werden , ja es
kann selbst bis zur Ruptur des Lungengewebes kommen. Trifft die
\'erstopfung einen Haupt-Bronchus , so tritt, ebenso wie wenn ein klei-
nerer Bronchus obturirt ist, bei vollkommenem Verschluss neben Atel-
ectase des betroffenen Lungengehiets ein vicariirendes , selbst bis zum
interlobulären Grade steigendes Emphysem auf. Ist die Alisperrung der
Luft unterhalb der steno^irten Stelle unvollkommen, so kann auch nach
und nach in dem betr. Bezirke der Lunge , also hinter dem fremden
Körper, Emphysem entstehen.
Es ist ohne Weiteres verständlich , dass der verschiedene Sitz der
*) Ein von mir beobachteter Fall , in welchem ein Smonatl. gesundes
Mädchen ganz plötzlich suffocatoriscli zu Grunde gegangen war, ergab bei der
Section als einzigen Anhaltepunot für die Erstickung eine abnorm grosse Thy-
mus aber kein Emphysem,
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 523
Ektasie , einmal in benachbarten Lungen- Abschnitten , ein anderes Mal
in dem theilweise verstopften Lungengelnete selbst , auf verschiedene
Weise zu erklären ist , v.'ie wir bei einem Ueberblick über die Entste-
hungs-Theorien des Emphysems sehen werden.
Dass beim Kinde durch einen Fremdkörper schliesslich selbst ein
Emphysem der Kürperdecken entstehen und doch noch complete Rück-
bildung nach Expectoration des Gegenstandes eintreten kann , lehrt ein
von Steffen mitgetheilter Fall von vollkommener Obturation des Bron-
chialastes eines Lungenlappens durch eine Bohne.
Zu erwähnen ist noch an dieser Stelle, dass auch bei mehr oder
weniger vollkommener Compression der Trachea durch Ersticken gericht-
liche Sectionen das rasche Entstehen von vesiculiirem und interstitiellem
Emphysem nachgewiesen haben.
Eine wesentlich häufigere Gelegenheitsursache für das Emphysem
ist der Keuchhusten, der, ebenso wie der sogenannte Krampf-
husten, durch heftige, tiefe Inspirationen und durch plötzliche, hef-
tige und andauernde Exspirationen auf rein mechanische Weise zu einer
Ausdehnung der Alveolen führt.
Gehen auch die Ansichten der pädiatrischen Schiiftsteller über die
Frequenz des Emphysems bei Keuchhusten ziemlich auseinander, nament-
lich auch darüber, ob nur vorübergehende oder lileibende Eiitasie die
Folge sei, so ist doch die Thatsache selbst hinlänglich bestätigt, dass,
selbst ohne gleichzeitige Bronchitis und Bronchiektasie , eine vesiculäre
Blähung, ein ini;erstitielles und interlobuläres Emphysem durch Ruptur
von Alveolen, ein Emphysem des mediastinalen Zellgewebes, Pneumo-
thorax, emphysematöse Auftreibung des Zellgewebes der Haut am Kopf
und Hals, schliesslich selbst allgemeines Emphysem entstehen kann. Am
häuiigsten beobachtet man jedoch nur eine Ektasie der Ränder , zumal
des oberen Lappens , sowie , da der Keuchhusten selten ohne Complica-
tionen Seitens der Lunge verläuft , einzelne compensatorische Alveolar-
Ektasieen, hier und da auch Ektasieen der Alveolar-Endgänge. Dass diese
Ziistände sich , selbst wenn sie hochgradig sind, wieder vollkommen zu-
rückbilden können , darüber kann kein Zweifel sein. Klinisch lässt sich
ihr Auftreten und Verschwinden constatiren. Hingegen ist der Befund
von bleibendem, achtem Emphysem, selb.st wenn die Lungen bei der Sec-
tion als blass , weich , schwammig , voluminöser und vorgelagert (B o u-
chut) beschrieben werden, nicht die Regel, sondern die Ausnahme.
Acute Alveolar-Ektasie und ebenso acute Ruptur mit Luftaustrilt in die
Umgebung bestehen neben einander , aber die liedeutende Ausdehnmig
der Lungenbläschen giebt nur in lang dauernden Fällen Gelegenheit zu
nutritiven Verändei'ungen der Gewebe.
Der L a r y n X- und T r a c h e a 1-, sowie Bronchialcroup, sowie
die d i pht he ritischen Processe in diesen Theilen des Respirations-
Systems lassen sich, als Quellen des Emphysems, gemeinsam besprechen,
da sie in gleicher Weise obturirend auf die Lunge überhaupt , oder auf
einzelne Parthieen derselben wirken.
524 Krankheiten der Atkmungsorgane. Lunge.
Schon Gerhardt hat hervorgehoben, dass die veränderte Athmungs-
weise croupkranker Kinder es ist, hei welcher besonders die oberen vor-
deren Theile der Lunge unter angestrengten Ins^jirationen und erschwer-
ten Exspirationen eine starke Erweiterung erfahren. Wir haben es hier
effectiv mit einer acuten Lungenlilähung zu thun , und zwar theils mit
einer isrimären, theils, bei Obliteralion einzelner Bronchialgebiete, mit
einer secundären, compensatorischen Ektasie. Auch interstitielle, interlo-
buläre und sulipleurale Emphyseme kommen in hochgradigen Fällen zur
Beobachtung. Meist aber beschränkt sich die alveoläre Ektasie auf die
oberen vorderen Theile des oberen Lappens, bläht die Ränder der Lunge,
besonders in solchen Theilen, welche noch respirationsfühig sind, auf, er-
fährt aber auch nach dem günstigen Verlaufe der primären Krankheit,
nach Entleerung der Membranen oder nach allmäliger Heilung wieder
völligen Rückgang. In ungünstigen Fällen macht der rasch eintretende
Tod das Zustandekommen eines wirklichen Emphysems unmöglich und
nur in den Fällen von chronischem Bronchialcroup ist, nach Biermer,
die Möglichkeit eines substantiellen Emphysems gegeben.
Dass beim Pseudo- Croup eine analoge Erweiterung der Lun-
genbläschen nicht auftritt, bedarf kaum der Erwähnung. Ebenso findet
sich , während doch der Glottis- Verschluss bei starken Hustenparoxys-
meu Emphysem bewirkt, solches bei Spasmus glottidis nicht vor,
ein Beweis dafür, dass nicht der mechanischen Verengerung , sondern
dem gewaltsamen erhöhten Exspirations-Druck der Hauptantheil an
dem Zustandekommen des Emphysems zukommt. Von der Laryn-
gitis c a t a r r h a li s und von Neubildungen an den oberen Luft-
wegen führt Steffen an, dass sie zu Emphysem Anlass geben können ;
von erstgenannter Affection darf man aber wohl behaupten , dass eine
so hochgradige Schwellung der Stimmbänder , die chronisch die Weg-
sarakeit des Kehlkopfes bis zur Emphysembildung beeinträchtigt, beim
Kinde nicht häufig gefunden wird.
In den tieferen Bronchien und deren feineren Verzweigun-
gen verlaufende Processe sind es nicht selten, von denen emphysematöse
Veränderungen sich herschreiben. Wir haben dabei weniger jene Fälle
im Auge, in denen sich bei der Section neben Br onehiektasie auch
Emphysem vorfand. Literessanter ist jedenfalls das Vorkommen von
Emphysem bei Asthma bronchiale, auf das Bi armer, Riegel
und Biedert mit vollem Rechte hingewiesen haben.
In der That l'egegnet man ab und zu in der Kiuderpraxis solchen
Fällen, bei denen die Dyspnoe und die asthmatischen Zufälle, da son-
stige Herz- und Lungenstörungen fehlen, nur auf einen nervösen Grund,
auf spastische Contraction der Wände der feineren Bronchien zurückzu-
greifen gestatten und wo sich gleichzeitig, insbesondere während und
nach dem Anfalle, eine Lungenlilähung mit Auftreibung der Supracla-
vicular-Gegend, Verkleinerung der Herzdämpfung und Herabdränguno- des
Zwerchfells ohne Schwierigkeit nachweisen lässt. Ob jener tonische^Krampf
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 525
Ursache oder Folge des Emphysems ist, muss ich dahingestellt sein las-
sen; meist macht der ziemlich flüchtige Vorgang nur den Eindruck einer
vorwiegend inspiratorischen, akuten Alveolar-Ektasie.
Häufiger ist es die Bronchitis, und zwar die katarrhali-
sche Form mit ziemlich reichlichem Secret , zu der sich bei eiuiger-
maassen chronischem Verlaufe nur zu leicht trausitorische Alveolar-
Ektasie gesellt.
Dass es nur die von Gerhardt in den Vordergrund gestellten
mechanischen Bedingungen des im Hustenparoxysmus gesteigerten Exspi-
rationsdrucks und die Verhältnisse der Thorax-Punction siad , in Folge
deren gern Emphysem der oberen Lappen neben Atelektase der untern
bei Bronchitis auftritt, ist nicht wahrscheinlich. Gewiss verdient auch die
Verengerung des Bronchiallumens durch Secret und durch Schwellung
der Schleimhaut, auf die Steffen aufmerksam gemacht hat, als ursäch-
liches Moment Beachtung. Wir sehen, dass die Inspiration normal oder
verstärkt , die Exspiration aber insufficient ist und dass die erschwerte
Ausstossung der Lutt aus den verengerten Bronchien und Bronchiolen
zunächst eine Stauung von Luft in den Alveolen bewirkt. Dass hier-
durch das Athembedürfniss mittelst der In- und Exspiration nicht be-
friedigend gestillt werden kann , indem die kohlensäurehaltige Luft zu-
rückgehalten , die Zufuhr neuen Sauerstoffs aber durch die bereits die
Alveolen anfüllende Luft erschwert ist (Wal den bürg), so entsteht na~
turgemäss eine noch der Eückbildung fähige, später aber, nach Eintritt
entzündlicher Ernährungsstörungen stationäre Dilatation der Alveolen,
ein Emphysem , das sogar , nach B o u c h u t , interlobulär werden und
beträchtliche Grade erreichen kann , wenn die Bronchitis nicht partiell,
sondern allgemein ist. Eine Atrophie durch bleibenden Elasticitätsverlust
fehlt übrigens oft, selbst bei schweren Bronchialkatarrhen ; höchstens be-
merkt man eine vorübergehende Stauungshyperämie als Zeichen des be-
einträchtigten Lungen-Kreislaufs.
Von allen Bronchitischen Processen ist es jedenfalls der der Bron-
chitis capillaris, bei welchem es noch am Ehesten zu Emphysem
kommen kann, wie ich im Anschluss an Bierraer's iind Riegel 's
Mittheilungen bestätigen kann.
Man findet hier schon nach ziemlich kurzer Dauer des primären
Leidens eine acute Alveolarblähung vor, und zwar theüs lokalisirt an
denjenigen Lobulis, deren Bronchiolen erkrankt waren, theils vicariirend
an den vorderen Lungem-ändern und in den Lungenspitzen , wenn die
capilläre Bronchitis eine grössere Ausdehnung hatte. Da wir es hier mit
einem versehwächten Exspirationsdrucke zu thun haben, während die
Inspiration normal oder, was häufiger ist, verstärkt und angestrengt er-
folgt, so darf man in mehr trockenen Formen wohl direct eine inspira-
torische Aufblähung durch Luft, in seeretreicheren Fällen aber, mit Buhl,
eine Aspiration des katarrhalischen Productes und eine consecutive, com-
pensatorische Tnspirations-Ektasie als natürlichste Erklärung annehmen.
Mit seltener Einstimmigkeit wird von allen Seiten die k at a r r h a-
526 Krankheiten der Athmnngsorgane. Lunge.
1 i s c li e (lobuläre) Pneumonie als ein Krankheitsprocess bezeich-
net , der , wenn auch nicht stets , so doch öfters EmiDhysem im Gefolge
hat.
Hier iiegegnet uns eine rein compensatorische Alveolar-Ektasie der
verschiedensten Grade, welche in den nicht ergriffenen Stellen der umge-
benden Lungensubstanz durch inselförmige. blasse umschriebene Erhebung
über die dunkleren pneumonischen Stellen dem Secirenden bei Eröffnung
des Thorax sofort auffallt. Ein intervesiculRres Emphysem, wie es Bou-
c h u t angiebt , habe ich übrigens , wenn die lobulare Pneumonie nicht
eine Complication des Keuchhustens oder einer andern mit starkem Husten
verbundenen Primär-Erkrankung war, nicht gesehen.
Was die croupöse Pneumonie anbelangt, so bewirkt dieselbe
auf zweierlei Weise Lungenblähung. Einmal findet man bei Ivinder-
leichen in den intaeten Lungenlappeu mehr oder weniger ausgedehnte,
meist randstäudige compensatorische Ektasieen, oder ist nicht selten im
Stande , eine derartige emphysematöse Auftreibung sowohl , als auch
deren Rückgang mit dem der Pneumonie klinisch festzustellen. In an-
deren Fällen aber zeigt sich, besonders wiederum bei Sectionen, dass
eine secundäre, nicht compensatorische Alveolar-Ektasie, gerade in dem
Lungenabschuitte sich vorfindet, in welchem die Pneumonie zur Lösung
gelangt ist.
Dass hier ein Nachlass der Elasticität zurückgeblieben ist, darf man
mit grösster Walu'scheinliphkeit annehmen, zumal bisweilen gerade die
Lungenparthien, welche Sitz des entzündlichen Infiltrates, resp. der grauen
Hepatisation gewesen waren, für die Folge eine Disposition zur Ektasie
behalten.
Wie bei der Pneumonie, so wird auch bei der durch andere Ur-
sachen erworbenen Atelektase ein zuweilen recht bedeutender
Lungentheil für längere Zeit ausser Function gesetzt.
Während bei der angelxjrenen Atelektase die schwachen, geringen
Atbmungs-Exeur.'-ionen und die Thatsache, dass die Lunge niemals zu
einer vollen Entfaltung gekommen, der Körper nielit an ein bestinmites
Luftquantum gewöhnt war, iallen gegenüber der acquirirten stationären
Lungenverdichtung oder partiellem Lungencollaps diese beiden Umstände
fort. Hier war der Organismus bereits auf eine gewisse Eespirations-
Grösse sozusagen eingestelli^ und der mehr oder weniger plötzliche Aus-
fall eines Theils dersellien muss nothwendig das Athemhedürfniss steio-ern,
den Inspirationen eine grössere Intensität verleihen, welche schliesslich
nur in einer abnormen Ausdehnung der einer verdichteten Stelle anoren-
zenden Lungenparthieen supplementär zum Ausdrucke kommen kann.
Zu den verhältnissmässig seltenen Nebenbefunden der L u n g e n-
T über kul ose kindlicher Lidividuen gehört eine compensatorische
Alveolar-Ektasie.
Sie wird zwar, besonders betr. des oberen Lappens, als anatomischer
Befund angegeben, aber nur bei chronischen Infiltrationen und auso-edehn-
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 527
teren Verödvingen. Als klinisclier Befund tritt sie, selbst wenn sie er-
kannt wird, so hinter dem ursächlichen Leiden zurück, dass in der Regel
nur die Symptome des letzteren Erwähnung finden.
Von den Circulations-Störuugen iiinerliallj der Lunge ver-
ursachen zunächst solche nicht gar zu selten Alveolar-Ektasie , welche
in letzter Instanz auf einem Herzfehler beruhen.
Hier ist es jedoch fast ausschliesslich eine angeborene Anomalie, die
Persistenz in der Communication beider Herzhältten, sei es durch Offen-
bleiben des Poramen ovale , oder eine Lücke im Sepiuin ventrikulorum,
welche als Begleiterin der emphysematösen Störungen der Lunge nam-
haft zu machen ist. Ganz besonders ist es Gerhardt's Verdienst, auf
den Zusammenhang beider Att'eetionen hingewiesen , zugleich aber auch
dargethan zu haben, dass das Emphysem es ist , welches in den meisten
derartigen Fällen in primärer Weise den normalen Verschluss der totalen
Blutbahnen hindert. Entsteht a,us irgend einem Grunde in sehr früher
Zeit Emphysem, so wird durch die beeinträchtigte Wegsamkeit der Lun-
gen-Capillaren die erhöhte Spannung des Bluts in der Arteria pulmonalis
und die Steigerung des Blutdrucks im rechten Vorhofe eine natürliche
Folge sein müssen. Sobald aber noch eine offene Verliinduiig lieider Herz-
hälften , zumal als ein noch nicht geschlossenes Foramen ovale , besteht,
oder der Ductus art. Botalli noch nicht geschlossen ist, wird ein Ueber-
strömen des Blutes aus dem Anfangsstücke der Lungenarterie in die Aorta,
oder aus dem rechten in den linken Vorhof stattfinden und hierdurch
sowohl die Strömung nai^h der Lunge, als auch die Stauung in den Ge-
bieten der Körpervenen vermindert werden. Durch diese mechanische
Correctur der Blutvertheilung wird nun zwar die Cyanose hintangehalten,
allein weder das ursprüngliche Emphysem , noch das congenitale Herz-
leiden sind einer Besserung fähig, und derartige Kinder gehen desshalb,
sowie wegen des gestörten Chemismus der Blutgase in ziemlich frühen
Stadien zu Grande.
Von den L u n g e u - H ä m o r r h a g i e n , die Steffen als ätiologi-
sches Moment für Emphysem anführt , gilt, sobald sie einigermaasseu
ausgedehnt sind (in welchem Falle z. B. Rilliet und Barth ez in
wenigen Minuten acute , enorme Dilatation entstehen sahen) , dasselbe,
was von pneumon. Infiltrationen und von anderen Verdichtungen grös-
serer Lungengebiete bereits gesagt wurde , während die Anämie der
Lunge, welche H e n n i g und Z e h e t m a y e r als Ursache mancher Fälle
von Emphj'sem bezeichnen , jedenfalls nur in der chronischen mit Ma-
rasmus einhergehenden Form bei atrophischen Kindern durch die
Atrophie der Gewebe einen derartigen Effect übt.
Nächst diesen Störungen der Lunge selbst sind noch die der Pleura
als gleichzeitige klinische und Sectionsbefunde bei Emphysem zu nen-
nen, allein die Pleuritis ist nicht in allen Fällen die Ursache, sondern
zuweilen eine Complication des Emphysems.
Donders, Hertz und besonders Biermer haben auf das Eraphy-
528 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
sem nach Pleuritis aufmerksam gemacht und besonders Letzterer aus-
geführt, dass diese das primäre sei. Ein pleuritisches Exsudat, welches
die eine Lunge wesentlich comprimirl, bewirkt zunächst eine compensa-
torische Ektasie, sowohl in den oberen freien Lungenparthieen der er-
krankten, als in verschiedenen Theileu der Lunge auf der gesunden Seite.
Tritt nun, was ja bei Kindern manchmal und zwar schnell erfolgen kann,
eine Resorption des Exsudats ein, so wird die Lunge zwar wieder von
der Compression befreit, bleibt aber noch längere Zeit theils atelektatisch,
theils, wahrscheinlich in Folge einer Erschlaffung des Parenchyms oder
in Folge von Verlöthungen , zu Ektasieen disponirt.
Schliesslich ist noch als recht wichtig für die Pathogenese des Em-
physems die Thorax- Rhachitis zu bezeichnen, die durch mehr
oder weniger hochgradige Skolio-Kyphose , durch Axendrehungen der
Wirbelsäule und durch schräge Verschiebung der Rippen zu ein- oder
beiderseitigen, oft sehr bedeutenden Verbildungen und Einengungen der
Brusthöhle führt.
Dass hier zunächst der Athmungs-Meehanismus im Ganzen irregulär
und beeinträchtigt wird, ist ohne Weiteres erklärlich. Das Bedenkliche
liegt aber ganz besonders darin, dass derartige Kinder auch zu partiellen
Circulationsstörungen in der Lunge, sowie zu chronischen Katarrhen sehr
geneigt sind und dass diese beiden Momente im Verein mit dem un-
gleichen Drucke, dem die verschiedenen Theile der Lunge ausgesetzt sind,
zu einem manchmal recht hochgradigen Emphysem führen können, wenn
solche Kinder nicht an anderweitigen Störungen sterben. Meist tritt das
Emphysem hier als ein compensatorisches auf. Dass die Annahme
Freund's von einer pjiräären Ernährungsstörung der obersten ßippen,
einer Abnahme der Elasticität und starren Dilatation hier ganz ebenso
wie bei dem senilen Thorax als eine die Emphysem-Bildung beoünsti-
gende nutritive Ursache nicht ganz von der Hand zu weisen ist, muss
hervorgehoben werden.
Im Gegensatze zu der etwas complicirten Pathogenese des vesicu-
lären Emphysems, resp. der Alveolar-Ektasie ist die Entstehungsge-
schichte des interlobulären Emphysems eine unoieich einfa-
chere. Sehen wir von den schon erwähnten cadaverösen Luftansamm-
lungen im Zellgewebe ab, so ist der Ursprung wohl immer in den hefti-
gen Hustenparoxysmen , in dem abnorm stark und schnell gesteio-erteu
Exspirations-Druck zu suchen , während dessen Lungen-Bläschen «•e-
sprengt werden. Ist auch das Lungengewebe des Kindes durch seine
Elasticität im Stande , einem hohen Drucke zu widerstehen und ohne
Continuitätstrennung wieder, bei nachlassendem Drucke, sich zusanmien-
zuziehen , so bietet doch die grosse Zartheit der Alveolarwände beim
Kinde Gelegenheit zu Rupturen , wie das schon erwähnte interlobuläre
Emphysem nach heftigem Lufteinblasen bei asphyktischen Neugebo-
renen oftmals zeigt. Die Genesis des E m p h y s e m s i m s u b c u t a n e n
Zellgewebe ist, sobald einmal Luft in das subpleurale, peritracheale
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 529
und perivasculäre Zellgewebe getreten, die erste Ursache aber fortdauert,
ist, ohne Weiteres klar.
Dass die für das Emphysem der Erwachsenen aufgestellten Ent-
stehungs-Theorien für das Emphysem, bez. die Alveolar-
EktasiederKinder nur eine modificirte Geltung besitzen, liegt in
der Hauptsache an der anatomischen und physiologischen Verschieden-
heit des kindlichen Respirations- Apparates von dem Erwachsener. Die
wichtigsten Unterschiede: 1) die oberflächlichere Respiration , beson-
ders die seichtere Inspiration , 2) die grössere Engigkeit der zuführen-
den Luftwege, welche Obturationen begünstigt, 3) die grössere Elasti-
cität des Lungengewebes , welche bei nicht zu heftiger und langdauern-
der Ektasie eine Restitutio in integrum gestattet, 4) die zartere Structur
der Alveolen und deren leichte Sprengung bei Ueberausdehnung, 5) die
elastischere, nachgiebigere Beschaffenheit des Thorax, 6) die Seltenheit
primärer Nutritionsstörungen des Lungengewebes machen es begreiflich,
dass sowohl die mechanische als die nutritive Theorie beim Kinder-Em-
physem nur mutatis mutandis anwendbar ist.
Die nutritive Theorie hat in gewisser Einschränkung auch
für das Kind Gültigkeit.
Eine seniler Atrophie ähnliehe ßarefication, wie man sie beim Alters-
Bmphysem findet, sucht man zwar vergebens; sie tritt gewiss nur in
den höchsten Graden chronischer Atrophie der Kinder zu andern chroni-
schen Lungenaifectionen etc. hinzu. Allein neben dieser Form bestehen
noch andere, Anfangs vorübeigehende Störungen in der Ernährung, wie
abnorme Dilatation der Alveolarwand bei heftigem, pressendem Esspira-
tionsdriick , Schleimhauthyperämie der feineren Bronchien mit consecn-
tiver Reizung und Erschlaffung des Lungen- Parenchyms , Compression
einzelner Bezirke des Capillar-Kreislaufs besonders während forcirter Ex-
spii'ationen , Erschlaffung nach Lösung von Pneumonien , interstitielle
Entzündungen und Neubildungen — kurz , es fehlt an Gelegenheitsur-
sachen für primäre Ernährungs-Störungen bei der Kindeslunge durchaus
nicht, so sehr auch deren Frequenz der in höheren Lebensaltern nach-
steht. Hierbei wird sich, besonders wenn die Alveolar-Ektasie erst post
mortem gefunden wird, nicht immer leicht entscheiden lassen, ob die ab-
norme Ausdehnung der Alvenlenwände , die Obliteratiou der Capillaren,
die Verdünnung des interstitiellen Gewebes, die katarrhalische Affection
der Schleimhäute das Primäre waren , da die genannten Veränderungen
ebenso gut durch das Emphysem , oder gleichzeitig mit demselben ent-
stehen können. Im Ganzen und Grossen darf man behaupten, dass eine
bleibende Alveolar-Ektasie beim Kinde nur ausnahmsweise ohne nutri-
tive Störungen des Lungengewebes auftritt und dass in diesen jedenfalls eine
primäre Anlage, eine Prädisposition gegeben sein muss, welche zu den me-
chanischen Gelegenheitsursachen hinzutritt. Andernfalls wenigstens könnte
man es sich kaum erklären, warum zuweilen trotz heftiger in- oder ex-
Handb. d. Khnlerkrankheiten. III. 2. ^"l
530 Erankbeitcii der Athmungsorgane. Lunge.
sijiratorisclier Drucksteigerungen eine stationäre Lnngeubliihung vernusst
wird.
Von wesentlich höherer Bedeutung ist jedoch beim Emphysem der
Kinder die m e c h a n i s c h e T h e o r i e ; denn sie macht uns das Ent-
stehen einer solchen Dilatation klinisch begreiflich, selbst wenn ims die
pathologische Histologie im Stiche lässt. Der zuerst von Lännec auf-
getührte n e g a t i v e I n s p i r a t i o n s - D r u c k , oder der abnorme In-
spirations -Zug, wie ihn Rindfleisch treffend bezeichnet , hat beim
Kinde wegen dessen seichter Respiration überhaupt nicht die hohe Be-
deutung, wie beim Erwachseneu.
Es ist nicht zu liiugneu, dass man ab und zu die Alveolar-Ektasie
in den erkrankten Lungen- und Bronehialgebieten selbst findet, ein
Befund, der sich am ungezwungensten mit der alten Laennec'sciien An-
nahme einer Asidration von Luft trotz eines Hindernisses in den Bron-
chien, einer Schwierigkeit der exspiratorischen Ueberwindung dieses Hin-
dernisses , einer immer neuen inspiratorischen Aufblähung der Alveolen
mit ungewöhnlich gesteigerter Spannung der in denselben sich stauenden
Kesidualluft vereinigen lässt. In solchen Fällen besteht in den feinen
Verzweigungen hinter der kranken Stelle, aus denen die geschwächte,
unvollkommene Exspiration die sich ansammelnde Luft nicht genügend
austi'eibt, die von Niemeyer so genannte permanent inspiratorische Ex-
pansion. Häufiger als auf diese Weise kommt aber der negative luspi-
rations- Druck auf freien oder auf freigewordenen Lungenparthieen
zur Wirkung, also entweder an ganz gesunden, oder reconvalescenten
Alveolar-Gebieten, bei denen, vielleicht unter Concurrenz von Nutritions-
störungen, die Widerstandsfähigkeit unter der Norm ist. Hier kommt
es, wie Williams. Andral und Gairdner gezeigt haben, neben an-
derweitigen Krankheitsprocesseu in der Lunge zu einer compensatori-
schen Dilatation, besonders dann, wenn unter pathologischer Ausschaltung
eines Theils der Inspirations-Fläfhe und gleicher oder gesteigerter Inspi-
ration Ijei unveränderter Thoraxcapacilät nur zwei Wege oü'en stehen,
entweder Ektasie freier Lungenparthieen durch inspiratorischo Druck-
steigerung, oder, was allerdings auch beobachtet wird, Emsinken des
betr. Lungen- Abschnittes.
In den meisten Fällen handelt es sich aber unstreitig um einen ab-
norm gesteigerten p o s i t i v e n E x s p i r a t i o n s - D r u c k, wie dies nach
den Annahmen von Fuchs und Mendelssohn auch klinisch durch
Jenner, Graily Hewitt, v. Ziemssen, Pauvel u. A. sichero-e-
stellt worden ist. °
Alle Krankheften , welche beim Kinde mit forcirten Exspirationen
oder mit Husten-Paroxysraen verlaufen , bringen es mit sich dass an
den Stellen, wo diu Lunge bei der höchsten Ausdehnung den äerin<.sten
Widerstand findet, eine Ektasie erfolgt, da in Folgendes Gfotth: Ver-
schlusses oder der Bronchial-Stenose die Luft auf exspiratorischem Wecre
nicht genügend ausweichen kann. Wie überhaupt der kindliche Thorax
bei Lungenblähung leicht und nachgiebig der Ektasie folgt, so thut
er
Fürst, Emphj'sem im Kindesalter. 531
es um so mehr an den Stellen, an welchen sowohl der Brustkorb selbst
als die ßespirationsniuskeln der sich ausdehnenden Lunge den geringsten
Widerstand und Gegendruck finden können. Es sind diese Stellen der
geringsten Thorax-Compression (falls der Thorax nicht in Folge von ra-
chitischer Deformität abnorme Spannungs-Verhältnisse besitzt) vorwie-
gend die Lungenspitzen. Und in der That kann man nicht nur daselbst
l)ei starken Hustenanfälleu jene supraclaviculäre Blähung sehen und
fühlen, sondern man findet auch hier am häufigsten den Sitz derAlveo-
lar-Ektasie. Bei längerem Bestehen des Leidens kann man auch bei Kin-
dern deutlich wahrnelnnen, dass die Respirationsmuskeln, welche für ge-
wöhnlich l.iei der Entleerung der Alveolen nicht in Activität treten , zur
Ueberwinduug des intraalveolären Druckes mitwirken.
Gewiditige Forscher (besonders Barthez und Rilliet, Nie-
meyer, Gerhardt, Her vi eux, Roger und Steffen) sind übrigens
der Ansicht, dass nicht eine der vorgenannten Tlieorien ausreicht, um
jeden Fall von Emphysem zu erkläi-en. Man kann dieser Meinung inso-
fern auch bezüglich des Kindes beipflichten , dass , wenn auch entspre-
chend dem Krankheitscharacter der Respirations-Organe im Kindesalter
die exspiratorische Drucksteigerung den Ausgangspunct für Alveolar-
Ektasie bildet, doch in vielen Fällen gleichzeitig eine inspiratorische
Lungenblähung und ein in Ernährungsstörungen der Alveolarwände
beruhendes prädisponirendes Moment anzunehmen ist.
Pathologische Anatomie.
Wenn man den Thorax eines Kindes öffnet , das an einer Krank-
heit der Respirationsorgane gestorben ist , so findet man meistens die
Lungen vorgelagert und in einem Zustande, der auf den ersten Blick
ein Emphysem vermuthen lässt. Abgesehen davon, dass ein Theil dieser
Erscheinung auf die durch die Dyspnoe während der Agone entstan-
dene Lungenblähung zu beziehen ist, befindet .sich allerdings die Lunge
in einer partiellen Ektasie , welche makroskopisch den Eindruck echten
Emphysems macht. Es liegt dies ohne Zweifel daran , dass eine bedeu-
tendere Alveolarektasie in ihrer äusseren Erscheinung mit dem wahi-en
Emphysem übereinstimmt und dass demnach in vielen Krankenge-
schichten, wenn es sich um »Emph3'sem« im Sectionsbericht handelt,
mehr der erste Eindruck bei der Section, als die histologische Unter-
suchung massgebend gewesen ist. Diese Annahme hat gegenüber der
Häufigkeit, mit der eine Kinderlunge »emphysematös« befunden wird
und gegenüber der Seltenheit, mit der das »Emphysem« später als mi-
kroskopisches Präparat ad oculos demonstrirbar ist, gewiss eine Berech-
tigung. Die meisten derartigen Lungen, die bei der Section ein »deut-
liches Emphysem« zeigen, verlieren, selbst wenn man die prägnantesten
Stücke zum Härten einlegt, indem sie coUabireu, rasch ihren ektatischen
34*
532 Krankheiten der Athniungsorgane. Lunge.
Bau, die Luft verschwindet und der Schnitt durch die Parthieen, welche
mau bei der Section als »emphysematös« beschrieben hat, zeigt durch-
aus nicht jenen ausgeprägten Schwund, jene Atrophie und Rarefication
des Gewebes , ohne die wir uns das wahre Emphysem der Erwachsenen
garnicht vorzustellen gewohnt sind, keine scharfkantigen, leistenar-
tigen Vorsprünge, keine Verdüunmigen und Perforationen der Scheide-
wände , höchstens eine geringe Atrophie derselben und eine partielle
Obliteration der Capillaren. Die Lunge giebt unter stärkerer Vergrös-
serung nur das Bild einer etwas unregelmässigen x^lveolar-Ektasie , ge-
wissermaassen nur das des ersten Grades eines Emphysems, wie ihn
Rindfleisch schildert.
Einzelne entgegenstehende Beobachtungen, in denen sich bei Kin-
dern ein ausgeprägtes, achtes Emphysem findet, welches dem der Er-
wachsenen genau entspricht — ich erinnere an den von Rokitansky
mitgetheilten Fall, wo bei einem SjLihrigen Knaben am untern Rande
des linken obern Lungenlappens hochgradiges Emphysem sich vorfand —
sind nicht ausschlaggebend.
Man wird deshalb das Lungen-Emphysem der Kinder als patholo-
gisch-anatomischen Begriff in der Regel nur im makroskopische)! Sinne
gelten lassen können.
Die Lungen erscheinen aufgeblüht, oft stark vergrössert, besonders
an den vorderen Rändern, wo sie den Herzbeutel z. Th. überragen. Sie
fallen nicht zusammen. Entsprechend den Rippen zeigen sie nicht selten,
zumal an verdichteten Stelleu der Lunge, Eindrücke, von gelblich-grauer
Färbung, während sich besonders an den 3 bis 4 oberen Rippen die In-
tercostalräume blau-roth und erhaben an der Lunge manifestiren. Es
ist dies eine Erscheinung, auf die Steffen aufmerksam gemacht hat
und die einen Beweis mehr dafür giebt , dass die obersten Lungenpar-
thien der intensivsten alveolären Spannung ausgesetzt sind. Die Ränder
der Lunge sind verdickt, abgerundet oder allgestumpft. Die Lunge hat
an den emphysematüsen Stellen ein blasseres, weiss-gelbliches, zuweilen
marmorirtes Aussehen, wobei die einzelnen Grenzen der Lobuli, je älter
und pigmentreieher die Lunge ist, desto mehr, sich scharf markiren.
Einzehie Stellen sind zuweilen blasig vorgeljuchtet ; es sind dies solche,
bei denen mehrere ausgedehnte Alveolarräume confluirt sind oder bei
denen unter HustenanfuUen eine Ruptur der Alveolen in das subpleu-
rale Zellgewebe erfjlgt war. Die Palpation ergiebt ein elastisches, wei-
ches Gefühl, das „an ein mit Luft gefülltes, flaumiges Kissen erinnert".
Eindrticke gleichen sich schwer aus. Beim Einschneiden entweicht die
Luft „mit einem zischenden oder knisternden" schwachen Geräusch und
die betr. Stelle sinkt nur langsam zusammen.
Gewöhnlich sind es nm- bestimmte Regionen der Lunge, welche diese
Eigenschaften darbieten. Die Lungenspitzen, die vorderen Lungenränder,
ülserhaupt die obei-flächlichen Parthien sind der Lielilingssitz; doch fin-
det man gerade beim vicariirenden Emphysem zuweilen unregelmässig
um die erkrankten Regionen vertheilte hanfkorn- bis crbsengrosse Heerde.
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 533
Zuweilen ist nur ein Lobulus betroffen , zuweilen finden sich mehrere
Lobuli, unter scharfer Abhebung von der Umgebung, ausgedehnt; die
benachbarten Gebiete ers(;heinen dann bläulich-roth, vertieft, die emphy-
sematösen blassroth, erhaben. Selten ist ein ganzer Luugenlappen, noch
seltener (bei Obturation eines Hauptbronchus) eine ganze Lunge befallen.
Ein über die ganze Lunge verbreitetes Emphysem ist nur bei acuter
hochgradiger Tracheal-Stenose zu finden.
Dem makroskopischen Befunde steht der mikroskopische wesent-
lich nach.
Ich habe an verschiedenen Kinderlungen , die aus Sectionen nach
Atelektasis pulmonum congenita und acquisita, Keuchhusten, chronischer
katarrhalischer Pneumonie, Broncbiektasie und käsiger Tuberkulose her-
rührten und un frischen Zustande deutliche emphysematöse Parthieen
annehmen Hessen, gerade an diesen Stellen , nach dem Härten und zwar
an soi'gsam ausgeführten Schnitten, bei denen das Auspressen von Luft
thunlichst vermieden wurde , ein ausgeliildetes Emphysem nicht finden
können. Was ich sah, waren mehr oder weniger ausgedehnte, aber nicht
eimnal hochgradig ektatische Alveolen , die eher , nach dem Entweichen
der Residualluft coUabirt waren und nur hier und da eine Verdünnung
der Wand und eine unbedeutende Ausgleichung der vorspringenden Septa
zeigten. Von einer beträchtlichen Erweiterung der Alveolen, von Atrophie
und Schwund der Septa, von einer ausgedehnteren Confluenz derselben
habe ich mich an dem mir zur Verfügung stehenden Material von Kin-
dersectionen nicht überzeugen können. Ich kann danach nur Vogel,
Steiner und Anderen beistimmen , dass das ächte Emphysem Ijei Kin-
dern nicht oder nur ganz selten anzutreffen ist. Was man findet, ist
eine mehr oder weniger anhaltende , sich leicht ausgleichende Lungen-
blähung, die nur vorübergehend zu einem Verluste der Elasticität und
Contractilität führt, aber nicht eine bedeutendere Rarificirung des Gewe-
bes veranlasst. Ich verweise zur Erläuterung des Gesagten auf die Ab-
bildung, welche Thierfelder in seinem Atlas der Pathol. Histologie
1. Lief., Taf. 6. Fig. 4 giebt. Es handelt sich daselbst um Atelektase
mit Emphysem bei einem zwölf wöchentlichen Kuide. Zwischen die atel-
ektatischen Stellen sind emphysematöse eingesprengt, allein diese Alveolen
sind nur partiell erweitert, nahezu rund; etwas scharflinige Septa und
verdünnte Ränder sind alles, was analog dem Altersemphysem erscheint.
Man hat es also jedenfalls nur mit einem Anfangsstadiura des Emphy-
sem, mit einem Vieginnenden Vereinfachungs-Process der Lungenstructur
(Rindfleisch), der beim Kinde nicht bis zur Perforation und Schwund
der Septa führt , zu thun. Hierzu gesellt sich eine Undurchgängigkeit,
Atrophie und Obliteration der in den Bezirk der Ektasie fallenden H a a r-
gefässe, bei längerer Dauer vielleicht noch ein Fortschreiten der Ver-
ödung auf Arterien und Venen, mit Anastomosenbildung. (Eine Capil-
lar-Erweiterung, wie sie Oertel angiebt, habe ich nicht gesehen.) Fer-
ner kommt es, besonders dann, wenn mit chronischen Circulations- und
Ernährungsstörungen fortgesetzte Husten-Paroxysmen verbunden waren,
zu sackigen Bronchiektasien, welche unmittelbar an die durch Ver-
streichen mehrerer Alveolensepta entstandenen sackig-buchtigen Hohl-
534 Krankheiten der Athmungsorgaue. Lunge.
räume sich schliessen können. Mit zunehmenden Circulation.sstockungen
wird natürlich auch eine grössere Raretieation der Alveolar- Wände zu be-
obachten sein. Das sind aber, die Kupturen aligerechnet, die ausgepräg-
testen Bilder der Alveolar-Ektasie bei Kindern.
Als c 0 n s e c u t i V e Zustände, hervorgerufen durch die Verrin-
gerung der Cajjillarbahnen im Bereich der Art. pulmonalis findet man
übrigens Stauungen in diesem und im rechten Ventrikel , selten hei
Kindern Herzdilatation, aber häufig wiederum venöse Stauungen und
Cyanose. Ob Entzündungen der Bronchien und des Parenchyms das
secimdäre sind, oder ob sie, ebenso wie die Bronchialkatarrhe und capil-
läi-en Bronchitiden , die man gleichfalls neben der Alveolarblähung bei
Sectionen öfters findet, die Ursache dieser Letzteren sind, muss meistens
dahingestellt bleiben. Ein entschiedener Folgezustand des asthmatischen
Athmens ist die Hypertrophie der Respirations-Muskeln; auch die Vor-
treibung der oberen Thoraxparthieen, die peripneumonische Furche ent-
sprechend der Zwerchfell-Insertiou , sowie compensirende Deviationen
der Wirbelsäule findet man nach schwereren Graden chronischer Al-
veolar-Ektasie. Ein fassförmiger Thorax wird höchstens bei älteren
Kindern zuweilen beobachtet.
Das 1 n t e r s t i t i e 1 1 8 E ni p h y s e m , unter welcher Bezeichnung
man die Formen des interlobuläreu subpleuralen, mediastinalen etc.
Emphysems am Leichtesten zusammenfassen kann , zeigt sich ungemein
variabel.
In den geringsten Graden, bei denen aber auch nichts als eine
durch abnormen Exspirationsdruek erfolgte Ruptur von Alveolen statt-
gefunden hat, zeigen sich, entsprechend den Grenzen der Lobuli, dicht
unter der Lungen-Oberüäche verschiedene grosse Luftbläschen. Sie sind
nieist reihenweise angeordnet, längs der Interstitien verschiebbar, und er-
strecken sich hier und da auch, im Verlaufe der interalveolären Zelhre-
websräume etwas in die Tiefe der Lunge. Meist ist es der vordere Rand
des oberen Lappens, wo derartige Luftblasen sich finden. Beim Anstechen
der durch die Pleura schimmernden Bläschen collabireu dieselben in ei-
nigem Umfange em Beweis ihres Zusammenhangs. Es sind dies also
nur sackige, perlschnurartige Ausbuchtungen, die in Form und Ausdeh-
nung ganz von den Zellgewebslücken abhängen. In höheren Graden
entstehen dur.h Conflnenz grössere Blasen unter der Pleura ein sub-
pleurales Eniphysem, welches nicht mit dem cadaverösen zu vm-wechseln
ist^ Auch fiese grosseren Blasen, welche die Pleura in grösserer Aus-
dehnung abheben können, sind verschiebbar. Dass sie die Pleura sCn-
ätervoi " CT ''r ^"■^^^^^"f^'l Pneumothorax bewirken, k mnt
selten voi. Ihi Anwachsen Ins zu grossen, das Lungengewebe verdrän
genden gefässführenden Blasen soll, nach RiUiet und Ba thez
möglich sein. jj * i i n e z ,
Schwerere Fälle von interstitiellem Emphysem wie m=,„ ■
weilen bei Keuchhusten antrifft, sind die, wo, LcSptr vrid:;
F ü 1- s t, Emphysem im Kindesalter. 535
besonder« von der Lungenwur/el aus, Luft in das Zellgewelie des Me-
diastinums tritt. Tlicils der Uebergang in's Pericardium, tlieils das Fort-
schreiten in den Zellgewebsräumen längs der Bronchien, aufwärts nelien
der Trachea und dem Oes>ophagus bis in das subcutane Zellgewebe des
Halses macht diese Ausdehnung des Emphysems zu einer bedeutenden
Complication , welche man bei dem gedunsenen Aussehen der Kindes-
leiolie kaum ülwrsehen kann.
)Schritt das E m p h y s e m d e s U n t e r h a u t z e 1 1 g e w e b e s durch
stetige Erneuerung von Hustenpai'oxysmen und Lungenrupturen noch
weiter fort, so findet man ein subcutanes E m p h y s e m am Gesicht,
am behaarten Theil des Kopfes, am Rumpfe.
Dies „allgemeine Emphysem", auf das Hervieux und Roger
ganz besonders eingehende Bescln-eibung verwandt haben , ist nach An-
gabe des Letzteren zuweilen die Folge eines einzigen Hustenstosses. Sein
Ausgangspunkt ist am häufigsten die Stelle der Pleura, wo sich deren
Visceralljlatt in das Costalblatt umwandelt , oder die Umgebung der
Trachea.
Symptome und Diagnose.
Die schart ausgesprochenen Krankheitszeichen, wie sie dem echten
substantiellen Emphysem .der Erwachsenen eigen sind , erwartet mau
l:)ei dem der Kinder, beziehentlich bei der hochgradigen Alveolar-Ek-
tasie derselben, vergeblich, während die geringeren Grade einer solchen
Ektasie im Leben geradezu symptomlos, überhaupt nur bei der Section
zu diagnosticiren sind. Ja in manchen Fällen kann sogar ein genuines
Emphysem von grosser Ausdehnung , wie St effen durch Sectionsbe-
funde nachgewiesen hat, ohne functionelle Symptome verlaufen , wenn
es nach nur wenigtägiger Krankheit oder in der Agone entstanden war.
Ist die Alveolar-Ektasie, besonders bei grösseren Kindern, stationär und
chronisch geworden , sind die befallenen Lungengebiete nicht zu klein,
so ist eine Diagnose eher möglich, vorausgesetzt, dass die Symptome der
primären Krankheit die des Emphysems nicht verdecken oder beein-
flussen. Letzteres aber ist (je jünger das Kind, desto mehr) der Fall,
so dass , da ohnehin bei der Kleinheit des kindlichen Thorax und der
Spärlichkeit pathognomonischer Zeichen die klinische Feststellung nicht
leicht fällt , eine sichere Diagnose des Emphysems hier recht bedeuten-
den Schwierigkeiten begegnet. Li manchen Fällen ist es geradezu un-
möglich, bei der mannigfachen Complication mit anderweitiger Lungeu-
und Bronchial-Erkraukung die Ektasie rein zu demonstriren , so dass
manche Pädiatriker, wie Vogel uudBouchut, die Diagnose üljer-
haupt, andere aber, wie Gerhardt und Steffen, wenigstens eine Er-
kennung im Säuglingsalter negiren. Fasst man die Lungenblähung und
das Lungenomphysem hinsichtlich des durch beide Aft'ectionen gemein-
536 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
sam venirsacliten Symptomen - Complexes zusammen , so ergeben sich
etwa folgende Anhaltepuucte für die Diagnose:
Der Thorax zeigt bei jüngeren Kindern niemals, bei älteren nur
ausnahmsweise die Fassform, die man bei erwachsenen Emphysemalikern
autritft. Eine ausgesprochene Form-Anomalie des Thorax tritt überhaupt
nur nach liingerer Dauer des Pi'ocesses auf, und ist , da dieser beim
Kinde eben acuter und rascher zu verlaufen pflegt, nicht immer zu er-
warten. Nur bei gleichzeitiger Deformität durch Rachitis und abnorm
trüher Ossificirung kommt eine Thoraxform nicht selten zu Stande,
welche an die „Fassform'' erinnert und zugleich der Lehre von der star-
ren Dilatation eine .Stütze bietet. Hingegen ist ein ziemlich constanter
Befund, auf den bereits Gerhardt aufmerksam gemacht hat, die weite
Form des Brustkastens, zmual die Dilatation im Sterno-Vertebiral-Dureh-
messer. Absolute Maasse lassen sich bei der Variabilität des noch im
Wachsthum begriffenen Skeletts in dieser Beziehung nicht gut geben,
zumal es bei einer solchen Formveranderung mehr auf die relativen
Verhältnisse der Durchmesser ankommt. Die Erweiterung des Brustkor-
bes betritrt besonders die oberen Parthien , wo nicht blos der sternover-
tebrale, sondern auch die schrägen Durchmesser vergrössert sind. Manch-
mal smd die Supraclavicular-Gegenden permanent vorgetrieben. Unter-
halb der 4. Rippe kann der Brustraum kleiner als normal gefunden
werden (Steffen). Entsprechend der Zwerchfell-lnsertion fällt, beson-
ders wenn eine chronische Alveolar-Ektasie mit Dyspnoe das Kind in
den ersten Leben.sjahrcn betrotfen hatte, wo die noch dünnen, nachgie-
bigen Rippen dem Zuge des herabsteigenden Zwerchfells dauernd folgen,
die als „peripneumonische Furche" bekannte inspiratorische Einziehung
auf, unterhalb welcher sich alsdann die unteren Thorax-Parthieen wint
hch und schaufeiförmig nach aussen gerichtet zu präsentiren pfleo-en
und zwar mit um so kleinerem Winkel, je schärfer die Einziehung war
Der Thorax zeigt fast nirgends eine Immobilität, wie .sie beim Emphysem
Erwachsener angetroffen wird, da nur das Athmen des gesunden Kindes
cm vorwiegend diaphragmatisches, das des emphysemkösen mehr ein
Rippenathmen ist. Die Intercostalräume sind weiter, flacher, aber nicht
vorgetrieben, da sie der Ausdehnung in Folge kräftigerer Contraction
der [ntercostal-Muskeln Widerstand leisten. Bei der Inspiration wölben
sich aber die Zwischenrippenräume unter Umständen vor, indem sich zu-
gleich die oberen Parthien des Thorax stärker ausdehnen • bei der Ex-
spii-ation hingegen sinken die ui,eren Parthien ein, während die unteren
vortreten (b efteii). Ich habe im Gegensatze hierzu eine exspiratorische
Aufblähung besonders der obersten Lungenparthien in dem Acromial-
fheile der Supraclavicular-Gegend so oft bei heftigen Hastenparoxysmen
beobachtet dass ich , wenig.stens für dieses Symptom, die Eigenschaft
emes cha^-akterrstischen Zeichens der stärkeren Lungenkähun >bei Kh >
dem m Anspruch nehmen möchte. Bei längerer Dauer behält der Tho
rax permanent eme Inspirations-Stellung, der Hals verktir7t ^irh ,r.iA
Respirations-Hülfsmu,skeln (Stemocleid.miastoidei , Scaleni u s T
den zufolge vermehrter Action gespannt , hypertrophisch ' " ^-' ^'^''
Was den Typus der Respiration anbetrifft s'n «p«,i,- i , t
Athmung auffallend angestrengt, dyspnoisch, in liaL'aSmtkch
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 537
bisweilen sogar von suffocatorischen Erscheinungen Ijegleitet. Selbst in
Asthma-freien Augenblicken dauert dif Erschwerung des Athmens fort.
Die DyspnoS wird durch Complication mit Pneumonie und capillärer
Bronchitis gesteigert; sie ist, besonders in höheren Graden des Emphy-
sems, exspiratoriscU. Aber auch wenn die Dyspnoe noch fehlt, ist, wie
Waidenburg gezeigt hat, die Exspiration schon insuffieient , während
die Inspiration noch normal , oder selbst übemormal , erst später secun-
där verringert ist. Auf diesem Missverhältniss zwischen In- und Exspi-
ration beruht gerade die frühzeitige Erkennung lieginnenden Lungen-
emphysems dirrch das Pneumatometer, die wir, methodisch ausgeführt,
Wal den bürg verdanken. Während dies von ihm angegebene Mano-
meter bei gesunder Lunge einen nonnalerweise grösseren Druck bei der
Exspiration zeigt, als bei der Inspiration, sinkt, je mehr die Lungen-
Elasticität durch permanente Alveolar-Ektasie nachlässt, der Exspirations-
druck gegenüber dem Inspirationsdruck , eine Umkehrung der normalen
Verhältnisse , die bei Steigerung des Asthma und bei der hierdurch zu-
nehmenden Lungenblähung immer schärfer hervortritt. Das Emphysem
der Agone ist nur auf diese Weise zu ei'klären. Bei dieser Dyspnoe
bewegen die Auxiliar-Muskeln den Thorax in toto auf und ab, der Hals
verkürzt sich, der Kopf neigt etwas nach vorn, Husten fehlt öfters. Je
mehr die Lunge durch primäre oder complicatorische Leiden an Eespi-
rationsfläche eingebüsst hat , desto deutlicher ist die Athmungs-Insuffi-
cienz ; bleibt eine solche Insufficienz nacli Primärleiden zurück , so kann
mau fast sicher eine partiell emphysematöse Ausdehnung diagnosticiren.
Leider setzt die Anwendung des Pneumatometers voraus , dass der Pa-
tient genügende Selbstbeherrschung und Willenskraft besitzt und man
muss desshalb auf dies wichtige diagnostische Mittel bei jüngeren Kin-
dern verzichten , indem man sich an die gröberen Störungen des Eespi-
rations-Typus hält. Uebrigens darf man nicht vergessen, dass dieser
Typus mit zunehmenden Jahren je nach dem Geschlechte des Kindes
Aenderungen erfährt , indem beim Mädchen die mittleren , oberen Par-
thien des Thorax , beim Knaben die untern die grösste Erweiterung des
Querschnitts erfahren ( V i e r o r d t , S i b s o n , Riegel).
Die Percuss ions-Erscheinungen, die man beim Emphysem
der Erwachsenen zu finden gewohnt ist, kann man beim Kindes-Empliy-
sem in der Regel nicht, oder nur unvollkommen ausgesprochen nach-
weisen. Es liegt dies theils an der Kleinheit des kindlichen Thorax und
an dem Mitschwingen anderer Luftschichten, als die untersuchten, theils
an der Beeinträchtigung des Schalls durch Nachbarorgane oder durch
luftleere Parthieen der Lunge. Hierzu kommt die durch die Dyspnoe
gesteigerte Unruhe und Angst der schon gewöhnlich bei physikalischer
Untersuchung niclit ruhigen Kinder. Kurz , es ist oft , selbst wenn an-
dere Symptome für Emphysem sprechen , schwer und erst nach wieder-
holten Untersuchungen möglich , Percussions - Symptome festzustellen.
Auch dann aber ist der Character des Schalls viel weniger von Bedeu-
tung, als die Ausdehnung. Im Allgemeinen ist der Schall heller, etwas
lauter, als auf normaler Kinderlunge, besonders oberhalb der Schlüssel-
beine, wo sich die Alveolar-Ektasie noch am leichtesten in dieser Weise
markirt. Zuweilen ist der Ton auch als voller zu bezeichnen; nicht zu
538 Krankheiten der Athmuny:sorgane. Lunge
selten hat er einen lympanitisclien Beiklang, der aber je nach dem Grade
der intraalveoläven Spannung wechselt und auch , trotz Emphysems,
fehlen kann. Hinten, besonders unten, ist der Ton stets weniger hell,
ja zuweilen gedämpft , während der tynipanitische Schall am häufigsten
in der Sterual- und Clavieulargegend sieh findet, also entsprechend den
vorderen Lungenrändern und den Lungenspitzen, die auch, wie man sich
in lethalen Fällen kurze Zeit nachher bei dei Section überzeugen kann,
Sitz der Ektasie sind. Ob dieser tympanitische Schall von der Spannung
oder von der Kelaxation des Lungengewebes herrührt, niuss hier unent-
schieden lileiben. Den Bierra er'schen Sohachtelton , welcher tief, sonor
und etwas tympanitisch ist , zu hören , gelingt nur in hochgradigen
Fällen und liei älteren Kindern. Eine Eesonanz halte ich nur bei rachi-
tischem Thorax an stärker gewölbten, starren Parthien bisher an Kindern
hören können, niemals über den ganzen Thorax verbreitet. Da der Cha-
rakter des Schalls je nach begleitenden Lunge.n-Afieetionen , besonders
nach der grösseren oder geringeren AnfüUung der Bronchien mit Secret,
M^echselt, auch bei der In- und Exspiration manchmal einen verschieden-
artigen Bindruck macht, so thut man gut, sowohl bei dem Ein-, als bei
dem Ausathmen zu percutiren und dies zu verschiedenen Zeiten zu wie-
derholen. Benachbarte pneumonische und atelektatische Stellen dämpfen
den hellen Percussionsschall , während gerade um solche Parthien, die
sich, nach Lösung einer Compression oder Exsudatiou, wieder mit Luft
füllen, aber noch schlaff sind , zuweilen neben der Aufhellung des Per-
russionssehalles sich ein schwach tympanitischer Beiklang ergiebt. Die von
<ierhardt gegebene Vorschrift, nur mit und auf dem Pinger zu per-
cutiren, habe ich, gerade wenn es .sich um Nachweis emphysematöser
Stellen neben gedämpften oder leeren Parthieen handelte, stets ausser-
ordentlich bewährt gefunden, wie denn überhaupt diese Percussion bei
der Kinderlunge , zumal wenn es sich um gleichzeitige Feststellung der
Resistenz handelt, nicht genug geübt werden kann.
Zur Bestimmung der Lungengrenzen beim Emphysem der Kinder
kann man gleichfalls luir durch vorsichtige, liei In- und Exspiration an
den Grenzen wiederholt controlirte Finger-Percussion gelangen. Die
obere Lungengrenze ist stets eine höhere, wenn nicht, permanent, so
doch während der Exspirationen und Husten.stösse. Die vorderen inneren
Grenzen der beiden Lungen sind nicht zu bestimmen, da diese meist ge-
blähten Lungenränder sich berühren. Die untere Grenze ist beiderseits
cmc tiefere, so dass, besonders nach längerem Bestehen, unter Abflachung
der Zwerchfellkuppel die Leber heraVigedrängt und ihre Dämpfuno- tiefer
und m der Ausdehnung geringer ist. Wie die obere phonometrische
Grenze der Leber, so ist auch die des Herzens herabgerückt, theils durch
Leberlagerung desselben, theils durch Herabdrängen des Herzens, dessen
Spitzenstoss man alsdann tiefer und mehr nach aussen findet- bis zu
einer epigastrischen Pulsation habe ich es aber beim Kinde nur aus-
nahmsweise kommen sehen. Die Herzdämpfung ist auch durch Ueber-
dcckung von den Seiten her entschieden verkleinert, ja sie kann in
manchen PLillen ganz oder vorüljergehend verschwinden ; durch vorsieh
tiges Percutiren erkennt man sie aber meistens auch dann noch an dem
weniger lauten und hellen Schalle der lietreffenden Recrion Ist der tie
Fürst, Emphysem im Kindcsalter. 5o9
feve Stand des Zwerchfells nicht stationär , so gelingt es doch bei den
Exspirations-Anstrengungen, ein Heranrücken nachzuweisen. Die hintere
untere Lungengrenze ist selten in bemerkbarem Grade heraligeriiekt. Im
Ganzen muss man also sagen , dass die percutorisch festzustellenden
Lungengrenzen den Typus tiefer Inspiration darbieten und dass die Ex-
cursionen beim In- und Exspirium verringert, bei heftigen Exspira+ions-
Paroxysraen (Hustenj aber, unter Zunahme der Lungenblähung zuweilen
an eine weitere Grenze hinausverlegt sind ; die Ausdehnung ist grösser,
die Ausdehnungsfähigkeit geringer (Gerhardt).
Die A u s c u 1 1 a t i 0 n ergiebt sehr wenig Characteristisches. Neben
den vom Bronchialkatarrh herrührenden , mehr in den unteren Parthien
und hinten bemerkbaren Easselgeräusohen findet man über den emphy-
sematösen Stellen meist ein verschwächtes Vesieulär-Athmen ; das Inspi-
rium ist, nach Gertz, verlängert und von einem zischenden Geräusche
begleitet, das Exspirium, bes. bei Bronchialstenose, langgedehnt, bei
gleichzeitigem Bronehial-Asthma. pfeifend, „jiemend." Die Respirations-
Geräusche sind überhaupt erheblich verstärkt, so dass es bei der gleich-
zeitigen Anwesenheit aller möglichen Complicationen Seitens des ge-
sammten Inspirations- Apparates im einzelnen Falle nur uuter besonders
glücklichen Umständen möglich ist, die genannten Symptome streng auf
Emphysem zu beziehen. Meistens ist durch fortgeleitete Geräusche aus
den an die Alveolar-Ektasie grenzenden Lungengebieten das Geräusch in
den gelilähten Stellen übertönt. Sind jedoch die Complicationen gering,
voi' Allem die katarrhalischen, ist zwischen verdichteten und ektatischen
Lobulis eine scharfe Grenze und sind diese beiden Regionen nicht zu
klein , so darf man Itei einem grösseren , verständigen Kinde wohl auf
ein zuverlässiges Ergebuiss der Auscnltation hoffen; andernfalls schwerlich.
Der Pectoral-Fremitus ist erhalten, im Gegensatz zum Pneumothorax.
Es ist natürlich, dass bei der Beeinträchtigung des Capillar - Kreislaufs
in den Lungen Stauuugs-Symptome in der Pulmonal - Arterie,
im Herzen und in den Gebieten der grossen Körpervenen erwartet wer-
den müssen. Und in der That findet man beim Emphysem der Kinder,
neben der sehr erklärlichen Verschwächung des Arterien - Pulse» und
einer collateralen Hyperämie gesunder Lungengebiete eine Reihe von
Stairungs-Erscheinungen , die meist der Verkleinerung der Eespirations-
fläche proportional sind. Der zweite Pulmonalton ist verstärkt und auf
diese Accentuation muss man, besonders wenn sie nach dem Verschwin-
den des primären Krankbeitsprocesses dauernd zurückbleiVit, achten. Das
Herz nimmt verhältnissmässig selten bei Kindern an den Folgen der
Stauung theil, wahrscheinlich, weil diese eine genügend lange Stauung
überhaupt selten ertragen. Dilatation , excentrische Hypertrophie des
rechten Ventrikels, Klappenstörungen findet man nicht oft in solchen
Fällen, eher bei ganz jungen Kindern Offenbleilien des Foramen ovale
und des Ductus arteriosus Botalli durch den erhöhten Drirck im Gebiete
der Lungen- Arterie. Der Heizstoss ist diffus und verschwächt; an der
Mitralis tritt zuweilen ein anämisches Afterger.iusch auf (Gerhardt).
Die Töne sind etwas deuthcher, verstärkter (Steffen). Die Venen
zeigen eine zunehmende Stauung und Erweiterung; besonders bemerkt
man dies an der Jugularis, an den Hautvenen des Kopfes und der Brust.
540 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Unter yleichzeitiger Abnahme des Gaswechsels iu der Lunge bildet sich
Cyanose, die man an den Kuppen der Finger und Zehen, an den Lippen
und Schleimhäuten zuerst bemerkt. Die allgemeinen Symptome
sind spärlich. Die Ernährung ist gesunken, das Gesicht ist meist blass,
etwas gedunsen. Die Extremitäten fühlen sich kühl an. Das Kind ge-
räth leicht in Schweiss und wird selbst bei geringen körperlichen An-
strengungen dyspnoisch.
Es ist nach alledem selbstredend, dass der ganze Symptoinen-Com-
plex ein nicht immer scharf ausgeprägter ist , dass man in einzelnen
Fällen, unter Zuhülfenahme der Anamnese und Berücksichtigung des
Verlaufs die Diagnose mit ziemlicher Sicherheit auf Alveolar-Ektasie
stellen kann , während man allerdings kaum zu entscheiden vermag, ob
man Luugeublähuiig oder echtes Emphysem vor sich hat.
Mit Pneumothorax kann man selbst eine acute Alveolar-Ektasie
nicht verwechseln, da hier die Intercostalräume einer Seite vorgetrieben,
gespannt, die Inspirations-Excursionen aufgehoben sind; der fehlende
Fremitus und der metallische Percussionsschall sind nur dem übrigens
sehr plötzlich entstehenden Pneumothorax eigen.
Mit Bronchial- Asthma ist, wenn man die percutorischen Zeichen
sorgsam beachtet , eine Verwechselung nicht gut möglich , da es keine
Dilatation der Lungengrenzen, keine Verdeckung und Verdrängung der
Nachbar-(^rgane bewirkt. Nur darf man nicht vergessen , dass es sich
zu Bronchitis, der treuen Begleiterin des Emphysems, in Folge der Stö-
rung des At Innungsdrucks, wie Biermer gezeigt hat, leicht hinzu-
gesellt.
Sonst hat die Differential-Diagnose auf angeborene Herzanomalien,
auf erworbene Klappenfehler (Mitralis-Insufficienz) , auf Aneurysmen
Rücksicht zu nehmen.
Interlobuläres und subpleurales Em physem ist nicht
zu diagnosticiren.
Mediastinales Emphysem soll sich, nach Steffen , durch
plötzliches Auftreten, acute Steigerung der Athmungs-Insufficienz, rasche
venöse Stauung, Cyanose, Sopor und leichte Convulsionen kundgeben.
Das subcutane Emphysem entsteht meist erst nach länger
dauerndem Lungenemphysem , gewöhnlich unter einem Keuchhusten-
Aufall. Die plötzlich auftretende Schwellung des subcutanen Zellstoffs
am Halse, im Gesicht, am Capillitium, am Rumpfe ist durch ihre weiche
Beschaffenheit, ihr elastisches, flaumenkissenartiges Gefühl, ihre Blässe,
ihre rasche Verbreitung characteristisch.
Verlauf.
Man darf annehmen , dass die Alveolar-Ektasie gewöhnlich acut
verläuft, während das vesiculäre Emphysem mit seinen characteristischen
Eigenschaften, wenn es z. B. nach Keuchhusten , oft nach sehr langem
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 541
Verlaufe desselben entstand, stationär werden und auf viele Jahre sich
erstrecken kann. In dieser Hinsicht darf man Hertz Recht geben, der
darauf hinweist , dass man gar nicht so selten in der Lage ist , in mitt-
leren Jahren ein Emphysem zu constatiren , welches sich ))ei aufmerk-
samer Anamnese auf einen jugendlichen Keuchhusten oder eine Bron-
chitis chronica in seiner ersten Entstehung zurückführen lässt. Es ist
eben im Auge zu behalten, dass, sobald durch eine chronische Lungen-
blähung Alterationen der Ernährung im Lungengewebe , Compression
der Capillaren und Anspannung der Alveolenwände gegeben war , zur
Atrophie und zum Gewebsschwuiid nur ein Schritt ist und dass die
Grenze zwischen beiden Processen sich nicht feststellen lässt.
Ich erinnere in dieser Beziehung nur an die Fälle, wo dem Emphy-
sem rachitische Thorax-Deformitäten, pleuritische Adhäsionen, bleibende
Lungenverdiclitungen — kurz Processe zu Grunde liegen, die man als
irreparabel bezeichnen darf. In solchen Fällen macht die Alveolar-Ektasie,
nach jahrelangem Bestände , durch nutritive Störungen der Lungensub-
stanz alle Stadien bis zum echten, chronischen Emphysem durch, ohne
dass die Kranken desshalb immer sehr frühzeitig zu Grunde gehen. Hier
war die Grundursache eine permanent wirkende , unveründerhche und
damit ist auch die Analogie mit dem senilen , starren Thorax und mit
dem Typus des Athmens alter Emphysematiker bei rachitischen Kin-
dern mit Emphysem, wie Killiet und Barthez recht treffend be-
merken , eine aufi'allende.
Der Umstand , dass die Alveolar-Ektasie bei Kindern nur selten
stationär wird , bringt es übrigens mit sich , dass Stauungshyperämien
in der Leber und Milz, stärkere Entartungen des Herzens, Albuminurie
und Hydrops bei Kindern als Folgen des Emphysems kaum zur Beob-
achtung kommen.
Fast immer ist der Verlauf schon deshalb a c u t, weil die leichteren
Grade von Lungenblähung in Folge der grossen Elasticität des kind-
lichen Lungengewebes noch nach Wochen vollkommen spurlos wieder
verschwinden , sobald die primäre Krankheit sich ausgleicht. Es tritt
also hier in verhältnissmässig kurzer Zeit Spontan- Heilung ein, ent-
weder total, oder mit einer Elasticitäts- Verminderung, die allerdings
für die Folge bei Katarrhen , Husten u. s. w. die betr. Stelle wieder zu
Ektasieen disponirt. Das Rückgängig - Werden beobachtet man am
Frappantesten bei Keuchhusten. Aber auch bei den Lungen Neuge-
borener, denen bei Belebungs- Versuchen die Atelektase in Ektasie um-
gewandelt worden ist, kann selbst eine stationär , chronisch zurückblei-
bende emphysematöse Auftreibung emphyseniatöser Lungenparthien,
sich noch nach Jahren vollständig zur Norm zurückbilden , so dass man
von solchen Kindern , die überraschend schnell eine bleibende Lungen-
542 Krankheiten der Athmungsorgane. Lnnge.
bläliung acquirirt hatten, nacli Jahren nur noch Wenige mit Emphysem
antrifl't (Gerhardt).
Bilden sich die ursächlichen Krankheiten nur langsam oder gar
nicht zurück , bleiben Verdichtimgen in der Lunge zurück , werden die
Bronchialkatai'rhe chronisch , besteht eine bleibende Stenose oder ein
dauernder Hustenreiz , so ist der Verlauf meist in acuter Form u n-
g ü n s t i CT.
Alle sclion olien augefiihrleu S^ymptome nelimen zu, besonders die
Erscheinungen und Folgen der Respiralions-Insuf fielen z und des gestörten
Pulnaonal-Kreislaufs. Athenmoth, Unruhe, Angstgefühl steigern sich, zu-
mal bei Bewegungen; nifht selten gesellt sich Asthma bi-onchiale hinzu.
In anderen Fällen sind es die Husten-Erscheinungen, die durch Unter-
haltung der begleitenden Laryngitis und Bronchitis, sowie durch gehin-
derte Expectoration der Secrete überhand nehmen. Häufig begünstigen
coUaterale Hyperämieen in der Lunge das Zustandekommen intercur-
rirender Bronchialkatarrhe, Pneumonieen und Oedeme. Inzwischen hat
durch die gestörte Decarljonisation des Blutes die Ernährung im Allge-
meinen gelitten; die Kinder werden magerer, schwächer. Die Stauungs-
Ersobeinungen treten als Cyanose, Hirnödem, Hydrops der Ventrikel,
selten als Oedera des übrigen Körpers, deutlicher hervor und unter Sopor
und (Jon\riil,sionen erfolgt der Tod.
Es bleiljt in solchen Fällen oft schwer, zu entscheiden, ob die Kin-
der dem Emphysem oder der primären Krankheit erlegen sind.
Zellgewebs- und allgemeine Körper Emphyseme
können sich nur nach Aufhören der primären Krankheit, welche die
Alveolarektasie veranlasste, bessern, sind dann aljer totaler Rückbildung
fähig.
Complicationen.
Es ist schon erwähnt worden , dass das Emphysem bei Kindern
selten uncomplicirt ist; ja man kann fast behaupten, dass es nur als
Complication zu anderen Krankheiten hinzutritt. Mag man nun das
Emphysem als complicirt oder complicirend auffassen , so ist doch so
viel thatsächlich, dass sowohl klinisch als pathologisch-anatomisch noch
anderweitige krankhafte Processe, besonders im Respirations-Apparate
beobachtet werden, Processe, die nur in der Minderzahl erst durch das
Emphysem hervorgerufen sind, meist die primäre Krankheit repräsen-
tiren.
Als Vorlauter des Emphysems haben wir schon folgende Compli-
cationen kennen gelernt : Angeborene oder erworbene Atelektase Pneu-
monien, Tracheal- und Bronchialkatarrh, capiUäre Bronchitis, Asthma
bronchiale, angeborene Misslnldungen des Herzens und der grossen Ge-
fässe, besonders Offenbleiben fötaler Blutbahnen.
Fürst, Empliysora im Kindesaltci-. 54o
Gleichzeitige , resp. consecutive Complicationen sind Herz-Hyper-
trophie , Klappenfehler und alle Folgen von Stauung in den Körper-
Venen.
Dass , wie R, o k i t a n s Ir y zuerst verniuthete , das Emphysem und
die miliare Tuberkulose sich ausschliessen , hat sich nicht bestätigt.
Klinische Beobachtungen constatiren das gleichzeitige Vorkommen bei-
der Aflectionen bei Kindern und kann ich nach mir vorliegenden Prä-
paraten auch pathologisch - anatomisch dem gleichzeitigen Vorkommen
zustimmen. Doch muss ich S teffen Recht geben , dass die Parthieen,
in denen die Capillaren nicht durch die Alveolar -Ektasie comprimirt
sind, vorwiegend der Sitz von Miliar-Tuberkeln sind.
Prognose.
Im Allgemeinen ist die Prognose des Vesicular - Emphysems bei
Kindern, sobald dasselbe sich noch im Stadiuni der Alveolar - Ektasie
befindet , keine ungünstige. Bei Nachlass der causalen Momente und
nicht zu langer Dauer kann man auf eine nahezu normale Retraction
der dilatirten Lungengebiete, bei vollkommener Heilung der primären
Krankheit sogar auf eine complete Restitutio in integrum aucli an den
stark geblähten Lol^iulis rechnen. War jedoch der Bestand ein chroni-
scher, wirkten die Exspirations-Stösse bei heftigeren Hustenkrankheiten
lange Zeit, ist überhaupt der ganze Kräftezustand reducirt, so muss man
die Prognose , wenigstens quoad valetudinem completam , weniger gün-
stig stellen , während sie quoad vitam immer noch ziemlich günstig ist,
da hier die Ausgleichungsfähigkeit noch zur Verlängerung des Lebens,
wenn auch unter zeitweiliger Dyspnoe, beiträgt.
Specieller richtet sich die Prognose: 1) nach dem Älter des Kindes.
Je jünger es ist, desto rascher ist der Heilungsveiiauf oder der letale
Ausgang; je älter es ist, desto eher wird der Verlauf langsam, chro-
nisch und das Emphysem stationiirr, ohne darum zum Tode zu führen.
— 2) Nach dem Verlauf. Hier ist ein acuter Verlauf zwar im jün-
geren Kindesalier und bei ausgebreiteten Complicationen etwas bedenk-
lich, allein das Slationärwerden giebt wiederum desshallj eine ungünstige
Prognose, selbst bei alleren Kindern, weil derartige Patienten beim Hin-
zutreten anderweitiger Erkrankungen von Seiten der Respirations-Organe
rasch und in bedenklichem Grade dyspnoisch werden . überhaupt mehr
Prädisposition zu Katarrhen Ijehalten. — 3) Nach der primären
Krankheit. Je chronischer , ausgebreiteter , cousumirender dieselbe ist,
desto ungünstiger gestaltet sich die Prognose für das Emphysem. Im
Gegensatze hierzu darf man , selbst liei ausgebreiteten Lungenstörungen
die Prognose günstiger stellen, wenn dieselben sich rasch und glatt aus-
gleichen. — 4) Nach der Ausdehnung der Ektasie. Eine -beträcht-
liche Ausbreitung bietet schon an sich eine ungünstige Prognose; noch
mehr ist dies aber der Fall, wenn die Grenzen des geblähten Lungen-
544 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Gebietes rasch und auffallend sich erweitern. Besonders verhängnissvoll
ist es in dieser Hinsicht, wenn das compensatorisehe Emphysem in acuten
Nachschüben Strecken ergreift, die bis dahin noch respirationsfähig waren.
5) Nach den complicireud e n und secundäreu Krankheiten. Ma-
chen dieselben übeihaupt eine gänzliche Wiederherstellung der normalen
Eespiration unmöglich , so ist auch die Aussicht auf Heilung des Em-
physems eine geringe. Ebenso wenn bereits Kohlensäure-Intoxication,
Entkräftung , Störung der Darm-Functionen , hochgradige Cyanose sich
eingestellt haben.
Das in der A g o n e entstehemie Emphysem kann den lethalen Aus-
gang nur be.sclilemiigen. Das am häufigsten zur Beobachtung kom-
mende Emphysem, nämlich das nach K e uchhusten , bildet sich in
vielen Fällen wieder, mit dessen Ablauf, zurück.
Zellgewebs-Emphyseme sind, da sie nur von Alveolar- Rup-
tur herrühren können, stets schwere Erscheinimgen.
Eine schärfere Feststellung der Prognose mit Hülfe der Pneuma-
tometrie , welche eine Verringerung der Lungencapacität und des Ex-
spirations-Druckes schon frühzeitig wahrnehmen lässt, vermag man nur
bei grösseren Kindern auszuführen.
Behandlung.
Während man in der pneumatischen Methode endlich ein souverai-
nes Mittel zur Behandlung von nicht allzu vorgeschrittenen Emphy-
semen Erwachsener gefunden hat , i.st die gleiche Behandlung des Kin-
der-Emphysems aus Gründen, die vorzugsweise in der Schwierigkeit zu-
verlässiger technischer Ausführung liegen, noch jetzt eine unvoll-
kommene.
Es sind dies nur äussere Hindernisse, die gewiss noch überwunden
werden, so dass ein sachlicher Grand, der gegen eine erfolgreiche Be-
handlung des Kmder-Emi.hysems geltend gemacht werden könnte, letzt,
nachdem die pneumatische Behandkuigs-Methode in ihren Technicismen
und m ihrem Efiect genauer liekannt ist , kaum noch vorlieo-t Es ist
nur noch eine Fmge der Zeit, wann man in der Lage sein wird, das
Emphysem einer Kinderlunge, sobald man es rechtzeitig diagnosticirt hat,
wieder zu beseitigen.
Der Ansicht Vogel's, dass keine Diagnose und demnach auch
keine Therapie beim Kinder-Emphysem möglich sei, lässt sich in dieser
.strengen Fassung nicht beipflichten, mindestens nicht für die einfache
Alveolar-Ektasie ohne grössere Gewebs-Störnngen. Nur das ausgebil-
dete ächte Emphysem ist nicht zurückzubilden ; aber auch hier isfnoch
durch zweckmässige pneumatische Behandlung eine Linderung der Sym-
ptome und eine Verlängerung des Lebens zu erreichen - und solches
Emphysem ist beim Kinde selten.
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 545
Die Schwierigkeiten der Behandlung liegen beim
Kinde zunächst darin, dass in der That derProcess nicht so frühzeitig
erkannt wird , als es wünschenswerth ist, um die Elasticität der Lunge
wieder zu gewinnen. Sodann sind es die mehr oder weniger schweren
primären Krankheiten und Complicationen, welche in ihrem acuten Ver-
laufe und ihrer Beeinträchtigung des noch wenig widerstandsfähigen
Organismus dem Erfolge einer auf die Lungenblähung gerichteten The-
rapie hindernd im Wege stehen. Schliesslich ist die Ungeschicklich-
keit kleinerer Kinder, ihre Unruhe und ihr Widerstand gegenüber allen
ihnen ungewohnten mechanischen Behandlungen , sowie die Schwierig-
keit, sie zu genau regulirten, ergiebigen In- und Exspirationen zu brin-
gen , nicht gering anzuschlagen.
Aus Alledem kann man schon den Fingerzeig entnehmen, dass man
nicht früh genug , besonders in Krankheiten , welche mit Alveolar-Ek-
tasie zu verlaufen pflegen , prophylaktisch wirken kann , und dass
man andererseits, wenn man die Lungenblähung constatiren kann, keine
Zeit verlieren darf , um etwas gegen ein Stationärwerden derselben zu
thun. In ersterer Hinsicht liegt die Indicat ion vor , die Grund-
Leiden energisch und umsichtig zu behandeln, vor allen Dingen Ath-
mungs-Hindernisse zu beseitigen , katarrhalische Secretionen und Hu-
stenreize zu mildern, da diese genannten Momente die Entstehung einer
Alveolar -Ektasie notorisch begünstigen. Ist aber eine solche ein-
getreten, dann richtet sich die Indication darauf, die gestörten Ver-
hältnisse der In- und Exspiration und Lungencapacität auszugleichen,
und zwar einzig und allein auf dem Wege der pneumatischen Methode,
da alle andern Experimente , insbesondere mannigfache Expectorantien
und Brechmittel niemals einen radikalen Erfolg haben und nur Zeit
verlieren lassen , während begleitende Zustände , wie Atelektase, Bron-
chialkatarrhe u. s. w. , auf pneumatischem Wege gleichzeitig mit ge-
bessert, andere, welche mit Inspirations - Dyspnoe verbunden sind,
(Croup , Bronchitis capillaris , u. s. w.) in ihren Folgen erheblich ge-
mildert werden.
Immerhin wird man aber bei den primären Leiden an eine andere,
als pneumatische Behandlung, je nach der Natur des ursächlichen
Leidens , zunächst denken , um in erster Linie den Causal-Indica-
t i 0 n e n zu genügen.
Man wird also, was hier nicht weiter ausgeführt werden kann , bei
Atelektasen auf eine baldige Entfaltung der betr. Lungenpartbien, bei
Katarrhen auf eine Bekämpfung des Stationärwerdens und auf Vermin-
derung des Secretes , sowie auf Verhütung von Kecidiven , bei Larynx-,
Tracheal- und Bronohial-Stenosen durch Croup, Seorete , fremde Körper
etc. darch mö.^iiclist schnelle Wiederherstellung der Wegsamkeit , bei
HanJb. d. Kindcrkraukheitoii. III. 2. 'jö
546 Erankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Keuchhusten und sonstigen Husten- Anfallen durch thunlichstes Coupiren
derselben - kurz bei allen Primärleiden auf die Momente hmwu-ken
müssen , die erfahrungsgemäss das Entstehen von Alveolar-Ektasie be-
günstigen. Man wird bei einer Pneumonie, bei einer Pleuritis aut voU-
ständigste Rückbildung achten und in jedem Falle von Erkrankung der
Eespii-ations-Organe daran denken müssen, dass eine permanente emphy-
sematöse Blähung sowohl in den betroffenen als in den benachbarten
Lungengebieten eüi tritt, wenn man nicht bei Zeiten einer Verminderung
der vitalen Lungen-Capacität , einer Insufficienz der Respiration und
einer stärkeren Dyspnoe vorbeugt. Das kann man aber nur durch sorg-
samste medicamentöse und diätetische Behandlung der Primär-Krank-
heiteu und durch häufiges Controliren der Lunge erreichen. So hat man
bei Thorax-Racliitis auf Beseitigung der Deformität hinzustreben, da
ohne derartige frühzeitige orthopädische Behandlung das Emphysem kaum
zu vermeiden ist. Besteht eine congenitale Tracheo-Stenose , wie bei
Struma, so ist natürlich gegen diese die therapeutische Thätigkeit zu-
nächst zu richten.
Ist man ausser Stande , der Indicatio morbi zu genügen , so thut
man jedenfalls gut, die Indicatio s y m p t o m a t i c a im Auge zu be-
halten und diejenigen Symptome anzugreifen, vi^elche die gewöhnlichste
Ursache der Lungenblähdng sind : den Katarrh und den Husten.
In ersterer Hinsicht sind Inhalatiiinen von Alkalien (Natr. bicarb.
und Kochsalz) mittelst eines Inhalations-Apparates mit doppeltem Gum-
mi-Gebläse , Einathmungen von salz- oder Kiefernül-lialtiger Luft (Ol.
Terebinth. und Pini) , sei es in grösseren Inhalations-Salons (Reichen-
haU) , in Nadelholzwäldern , an Gradir- Werken oder am Meeresstrande,
alkalisch- und saliniseh-muriatische Mineralwässei- eic. von gutem Er-
folge. Für andere Fälle eignen sich wiederum die Expectorautien zu
zeitweisem Gebrauche (Inf. Ipecacuanli., Liqu. Ammon. a.nis). Sehr em-
pfehlenswerth sind auch kalte, spirituüse Waschungen und Abreibungen
von Hals , Brust und Rücken , theils um durcli reflectorisclien Reiz die
Expectoration zu befördern, theils um gegen neue Erkältungen abzuhär-
ten. Reine, aber tempeiirte, staub- und rauchfreie Luft, Schutz vor
rauhen, trockenen Winden, massiges Warmhalten der Brust durch Fla-
nell unterstützen die Beseitigung des Katarrhs. Der Hustenreiz wird,
wenn er ohne starke Secretion besteht, durch Einathmung von Wasser-
dämpfen, durch Inhalation der Infuse von Hyoscyamus , Belladonna,
Stramonium, durch Räucherung mit Salpeterpapier weniger sicher, hin-
gegen wiederum erfolgreicher durch innerliche Mittel (Narcotica, Aqu.
laurocerasi m. Morphium, Belladonna - Essenz etc.) herabgesetzt;
feuchtes, mildes, keinen grellen Temperatur-Schwankungen ausgesetztes
Kluna, besonders beim Wmter- Aufenthalt, dabei kräftige, roborirende
Diät, alles dies verringert, durch Milderung des Hustens, 'den Exspira-
tions-Ueberdruck und die stets drohende Neigung zu Lungenblähung.
Ist Keuchhusten das Grundleiden, so ist besonders für zarte^inder der
rasche Klimawechsel, und zwar in eine nicht reizende, aber etwas feuchte
und tonisirende Luft, das beste Prophylacticum gegen secundäres Em-
physem.
F ü r s t, Emphysem im Kindesalter. 547
Ist jedoch die Alveolar -Ektasie, oder gar das Emphy-
sem bereits ausgebildet, so kann eine wirksame Therapie direct
gegen dasselbe nur dann möglich sein , wenn der Schwund des Lungen-
gewebes noch nicht in irgend beträchtlicherem Grade ausgebildet , son-
dern der ganze Vorgang noch auf Elasticitäts-Einbusse beschränkt ist,
demnach so frühzeitig, wie nur thunlich. Nur dann also, wenn die Lun-
genblähung noch nicht zu lange besteht , darf man hoffen , sie direct
wieder zur Retraction zu bringen.
Der einzig rationelle Weg, der zur Erreichung dieses Zieles gegen-
wärtig betreten werden kann , ist die insbesondere durch Hanke be-
gründete, durch W a 1 d e n b u r g, S c h n i t z 1 e i , Lange, v. L i e b i g,
Jj i e d e r t u. A. vervollkommnete pneumatische Behandlung,
wodurch sich die Genannten ein nicht geringes Verdienst um dieses Ge-
biet der Therapie erworben haben.
Die Functionsfläche der Lunge iat, bei gleichzeitiger Ueberausdeh-
nung der Lunge, verringert. Die andauernde, sich wiederholende Dila-
tation muss nach und nach die Elasticität des Parenchyms beeinträch-
tigen, späterhin dasselbe zur Atrophie bringen, oder doch die Ernährung
desselben stören. Hieran schliesst sich die Schwierigkeit, selbst unter
willkührlicher Anstrengung der Respirations-Muskeln die Lunge zu voll-
kommener Ketraction zu bringen und bei der Vergrösserung des Raumes
für die Eesidual-Luft eine vollständige Ventilation der Lunge herbei-
zuführen. Wie die Luft, so stagnirt auch das Secret in den Bronchial-
End- Verzweigungen und erhöht dadurch wiederum die Ektasie. Die vi-
tale Capacität der Lunge, die beim Kinde überhaupt nicht bedeutend
ist, erscheint, indem auch die E.Kspiration und Thorax-Contraction insut-
ficient sind, gesunken und ist unter dem v.m W i n t r i c h (Vergl. Bd. I.
S. ] 32 dieses Handbuchs) gefundenen Mittelwerthe. Das Pneumatometer
W a 1 d e n b u r g ' s *J zeigt, wenn die Kinder überhaupt zum vorschrift-
mässigen In- und Exspiiiren verständig und geschickt genug sind , ge-
ringere Werthe , während in der Norm die pneumatometrische Druck-
kraft, vielleicht in Folge der leichteren Beweglichkeit und grösseren
Elasticität des Thorax, beim Kinde relativ hoch ist, so dass sie an die
niedrigen Werthe Erwachsener heranreicht ( W a 1 d e n b u r g). Das ge-
steigerte aber nicht befriedigte Inspirations - Bedürfniss führt zu einer
inspiratorischen Dyspnoe (Lufthunger) und nach einiger Zeit gesellen
sich, als consecutive Zustände, zuweilen noch eine Deformität des Thorax
(retr&issement thoraciquej in Folge partieller Einsenkungen und Vor-
buchtungen hinzu, ferner alle die oben genannten Folge-Erscheinungen.
Die pneumatische Behandlung bewirkt nun durch Verdün-
nung und Verdichtung der Athmungsluft eine directe Besserung aller
erwähnten Erscheinungen. Sie verwendet:
1) Verdichtete Luft zur Beseitigung der Inspiration s-
Insufficienz und bewirkt dadurch eine Erhöhung des n e g a-
») Original-Verfertigung b. Patz u. Flor, Berlin, Unter den Linden, Nr. 14.
35*
548 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
tiven Inspirationsdruckes, sowie die Zuführung eines grös-
seren Luftquantums.
2) Verdünnte Luft zur Beseitigung der E x s p i r a ti o n s-
Insufficienz, und steigert hierdurch den positiven Ex-
s p i r a t i 0 n s - D r u c k , so dass ein grösseres Luftquantum entleert
wird.
.Jeder diesei- beiden Inspirations-Acte für sich wird also, unter regel-
mässigem Altemiren und unter genauer Regulirung des Plus- oder Mi-
nus-Druckes zu unterstützen sein. Diese Aufgabe haben theils pneu-
matische Cabinete, theils pneumatische transportable Apparate zu erfüllen
gesucht und zwar mit verschieden glücklichem Erfolge. Die pneuma-
tischen Cabinete, wie solche zu Reichenhall, Ems, Nizza u. s. w.
bestehen, sind gewissermaassen Bäder in comprimirter Luft, in welchen
vor Allem der negative Inspirations - Druck erhöht und dadurch der
Lunge mehr Luft zugeführt, freilich auch Dilatation begünstigt wird,
wie sich an der mühsameren Exspiration erkennen liisst. Um diese zu
erleichtern und den positiven Exspirations - Druck zu steigern, müssen
die Ausathmungen in relativ dünnere oder in absolut verdünnte Luft
erfolgen, welche Neuerungen man, wenigstens durch Ausathmen in
die atmosphärische Luft, bereits eingeführt hat. Diese wirken aber,
wie Waiden bürg gezeigt hat, infolge der hohen, nicht regulirbaren
Dmckdifl'erenz bedenklich und man kann deshalb , was K n a u t h e mit
Recht hervorhebt, statt dieser intensiven und schnellen Druckverminde-
rung nur einen allmälig absteigenden Druck zur Beförderung der Lungen-
Retraction empfehlen, zumal bei der zarteren Constitution der Kinder.
Diese sollte man also im pneumatischen Cabinete nur dann, behufs Re-
stitution einer Alveolar-Ektasie athmen lassen, wenn bei diesen Sitzungen
nicht nur die Inhalation der comprimirten Luft, sondern auch der Grad
der Luftverdünnung, in welche die Exspiration erfolgt, genau festzu-
stellen ist. Andernfalls wird man nur eine mechanische Erweiterung der
Lunge, allerdings mit tieferer, ergiebigerer Insniration, aber schwerlich
Heilung einer chronischen Lungenblähung erzielen. Es ist anzunehmen,
dass die pneumatischen Cabinete, wenn sie diese Einrichtung nicht aus-
führen, und nicht durch technische Vervollkommnung noch die genaue
Regulirung des Exspirations - Druckes erreichen, von den transportabeln
Apparaten eine schwere Concurrenz erfahren werden.
Vorläufig entsprechen die transportabeln pneumatischen
Apparate in hohem Grade dieser Aufforderung, indem sie in promp-
ter, zuverlässiger, genau regulii'barer Weise In- und Exspiration ermög-
lichen, wenn auch nachweislich durch Entweichen eines Theils der den
Apparaten entströmenden Luft Fehlerquellen entstehen. Der verbes.serte
Waiden burg'sche Apparat*), die von Schnitz 1er angegebene Mo-
dification desselben**), der Weil'sche***) und der von Bi'edertt) an-
gegebene sind gegenwärtig die einzigen Apparate, welche in Bezug auf
*) Berlin, bei Windler. Dorotheenstr. 3.
**) Wien, Ijei W. J. Hauck, Wieden, Kettenbriickengasse 20.
**) Berlin, bei Messter, Friedrichsstr. 99.
t) G. H. Jochem in Worms a/Rh.
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 549
practische Brauchbarkeit, Transportfähigkeit und auf Verdichtung und
Verdünnung der Luft in constanten Verhältnissen in Frage kommen
können. Alles Nähere über diese Apparate findet man in Knauthe's
Schrift (s. 0. Literatur), sowie in Waldenburg's und Biedert's Ar-
beiten. Hier .sei nur so viel erwähnt, dass die betr. Apparate eine alter-
njrende, constante Dichtigkeit der Luft für jede Phase der Respiration
und damit die Möglichkeit geben, in einer genau zu bestimmenden, dem
individuellen Fall angepassten Weise die Athmungsstörung zu heben.
Inwieweit diese an Erwachsenen constatirte Thatsache sich auf die
Alveolar-Ektasie der Kinder übertragen lässt , darüber fehlen noch ge-
nügende Versuchs-Reihen. Da aber thatsächlich die Exspiration in
verdünnte Luft das bietet , was beim Emphysem fehlt (K u a u t h e) , da
sie das »specifische mechanische Antidot« (Waiden bürg), das »ei-
gentliche Heilmittel« (Biedert) des Emphysems ist, so kann man in
Zukunft nur sein Augenmerk darauf richten , durch welche technische
Vorrichtung es zu ermöglichen wäre , dies so wichtige therapeutische
Hülfsmittel nicht nur grösseren, verständigen, sondern auch kleineren
Kindern zugänglich zu machen.
Hanke, der verdienstvolle Begründer der Pneumato-Therapie, hebt
treffend hervor, dass die nachgiebige ßrustwand des kindlichen Thorax
eine günstige Vorbedingung, die Engigkeit der kindlichen Luftwege eine
dringliche Indication abgiebt. Die von ihm zur Hebung der Schwierig-
keiten angegebene selbstregulirende Vorrichtung hat sich bisher nicht
bewährt. Ebensowenig sind die von Hanke erfundenen Auskunftsmittel,
der pneumatische Panzer (Wiener Med. Presse , 1874. Nro. 34
und 36) und die pneumatische Wanne*) (Strick er 's Jahrb.
d. Med., Wien, 1877, 1. Heft, auch Knauthe 1. c.) über das Stadium
der Versuche hinausgekommen, obgleich sie es gewiss werth sind, be-
sonders bei kleinen Kindern häufiger erprobt zu werden. Diese Vor-
richtungen, welchen das Princip zu Grunde liegt, ohne weiteres Zuthun
der Kinder den Luftdruck ausserhalb des Thorax und iimerhalb der
Lunge entsprechend zu regeln , sind sehr sinnreich erdacht , indem sie
den Körper , zumal den Brustkorb , hermetisch mit einem Panzer um-
geben , innerhalb dessen man die Luftschicht beliebig verdünnen und
comprimiren kann , so dass im ersteren Falle der intrapulmonäre , im
anderen der extra-thoracische Druck üljerwiegt. Dass eine solche Vor-
richtung, falls sie sich practisch bewährt, für kleine Kinder nutzbringend
sein mag , muss man zugeben , da die Sitzung nicht durch die Um-uhe
des Kindes erschwert werden kann. Misslich ist nur, dass ein regelmäs-
siges Alterniren bei In- und Exspiration bis jetzt nicht möglich und man
daher genüthigt ist, eine Zeitlang beide Inspirationsacte unter Luftver-
dünnung , dann wieder eine Anzahl Athemzüge unter Luftverdichtung
vorzunehmen, was in beiden Fällen Nachtheile im Gefolge hat und den
etwa erreichten Nutzen wieder aufhebt. Verstärkung der Ektasie, er-
*J Die betr. Apparate sind von Richard Manch, Wien, III, Apostelgaase 14
zu beziehen.
550 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Schwerte Esspiration , Dj-spnoe , Apuoö, Cireulations-Störungen können
hierdurch bei zarten, jungen Kindern, wie Hanke selbst gesteht, ein-
treten und der von ihm beigefügte Trost „dass das Kind immerhin,
wenn es nur in einer Keibe von stufenweise ansteigenden Inspirations-
Acten bis zur völligen Entfaltung seiner Lungen athmet, doch zu dem
befriedigenden Gefühl der vollendeten Eespiration gelangt", hat nur für
manche Fälle (Atelektase , Laryngo- und Broncho-Stenose durch Croup,
Eachitischer Thorax) begrenzte Geltung. So lange man den oben aufge-
stellten Indicationen für die In- und E.xspirations-Phase nicht genügen
kann , wirkt ein solcher Apparat nur unvollkommen ; er kann nur zur
Erleichterung der Inspirations-Dyspnoe beitragen und die AnfüUung der
Lungen mit sauerstoffhaltiger Luft befördern. Für grössere Kinder wer-
den die oben angeführten transportabeln Apparate mit gutem Erfolge
angewendet, wenn Mundstücke und Masken genau passen.
Als C a u t e 1 e n beachte man :
1) Die Sitzungen sind bei Kindern nicht zu häufig und nicht zu an-
haltend vorzunehmen.
2) Die Druckdifferenzen dürfen nur allmählig und vorsichtig se-
.steigert und verringert werden.
3) Da verdünnte Luft ein starkes , dynamisches Reizmittel für die
Lunge ist , so sind acut entzündliche Processe von der pneuma-
tischen Behandlung auszu.schliessen.
Letzterer Punct bildet also eine wichtige Contra-Indication
gegen die pneumatische Behandlung des betr. Falles.
Die c u r a t i V e W i r k u n g der rationell durchgeführten pneuma-
tischen Behandlung ist eine augenfällige und bleibende.
Die Einathmung der comprimirten Luft erweitert luftleere Lungen-
und emgesunkene Thoraxparthieen, erhöht die vitale Capacität, stillt das
Inspu-ations-Bedürfniss und verbessert die Lungenventilation so, dass
eine reichere Zufuhr von Sauerstoff, eine gründlichere Ausspülung der
Kohlensäure, also ein durchgreifenderer Gas- Austausch ermöglicht wird.
Im Gegensatze hierzu bewirkt die Ausathmung in verdünnte Luft eine
percutorisch nachweisbare Verkleinerung des Lungenvohnnens (und zwar
für die Dauerj selbst bei stnrker Dilatation. Die Elasticität der Lunge
und des Thorax nehmen zu, ja selbst beginnende Nutritionsstörungen
können sich wie mau annehmen darf, noch ausgleichen (z. B. Capillar-
Compression). Durch die Erleichterung der Exspiration wea-den nicht nur
jene schweren Symptome der Dyspnoe, das Asthma, gehoben, sondern
wird auch die Expectoration erleichtert. Audi durch die Exspiration in
verdünnte Luft wird der Gasaustausch completer, indem die Lungenven-
tilation sich hebt und die angestaute Residualluft (die mehr als in ge-
sunden Lungen beträgt) entfernt wird. Als günstige weitere Pollen der
pneumatisc-hen Therapie bei Lungenblähung und beginnendem Emphysem
smd herzuheben: Verbesserung der Stoffwechsels, der Anämie de TlT
rax-Deformitäten, Freierweiden der Circulation Heilunö ? /^
Bronchialkatarrhe und Verminderung der Dil^° kion fu fokhfn" '"'""
Fürst, Emphysem im Kindesalter. 551
Was specielle Grundleiden oder Complicationen des Emphysems
anbelangt, so hat die pneumatische Therapie schon manche Erfolge zu
verzeichnen, indem Lungenblähnng nach Asphyxie, Atelectasis cong.
und acquisita, Thorax - Rachitis , Inspirations- Dyspnoe bei Croup
(Hauke), Asthma bronchiale (Biermer) , Ektasieen nach Keuchhu-
sten und Bronchialkatarrhen (Lange, W a 1 d e n b u r g , v. L i e b i g)
theils gebessert, theils geheilt wurden, sobald die primären Krankheiten
sich zurückbildeten.
Hierbei muss noch bemerkt werden , dass , nach W a 1 d e n b u r g,
bei Emphysem ohne Bronchitis und Asthma sich vorwiegend die Aus-
athmungen in verdünnte Luit, bei gleichzeitiger Bronchitis mit Inspi-
rationen comprimirter Luft , bei Asthma , letztere während des Anfalls,
in den freien Intervallen die üblichen In- und Exspirationen empfehlen,
dass ferner , nach Lange, warme Bäder und kalte Douchen die pneu-
matische Behandlung sehr unterstützen.
Für manche Fälle, in denen man einen pneumatischen Apparat
nicht zur Verfügung hat , empfiehlt sich die von Gerhardt empfoh-
lene Compressions-Methode; dieselbe erfüllt die Indication,
durch mechanische Verengerung des Thorax-Raums während der Ex-
spiration die vitale Capacität zu vergrössern und die Herausbeförderung
der Sputa zu erleichtern.
Man hat diese Compression des sehr nachgiebigen kindlichen Brust-
korbs nur mit Vorsicht und mit sorgsamer Berücksichtigung der Indi-
viduen und Complicationen auszuführen. Geyer empfahl, als constan-
teren Ersatz derselben ein elastisches Hemd; es ist einleuchtend , dass
dies nur zur Erschwerung des Inspiriums führen kann.
Die k 1 i m a t i s c h e B e h a D d 1 u n g kann sich ziivörderst nur ge-
gen die Complicationen und Grundleiden des Emphysems richten.
So wird man (nach Bier mann) bei chronischen Bronchialkatarrhen
mit trockenem, starkem Husten und sparsamen, zähen Secreten niedrig
gelegene feuchte Orte für die Zeit, in welcher die Wärme an denselben
1(2—16° beträgt, in Vorschlag bringen, insbesondere Meeresküsten. Dass
die verdünnte Luft auf Anhöhen die Ventilation in der Lunge bessert,
die Exspirations-Insufficienz mindert, die Contraction des Lungengewebes
hebt, ist nicht zu läugnen. Der Nachtheil liegt aber, bei einem Höhen-
Kurorte (für Kinder gewiss noch mehr als für Erwachsene) in der Per-
manenz der umgebenden Luftverdünnung, wodurch grössere Expansion
der Blutgase, häufigere, mühsamere, weniger tiefe und den Sauerstoff-
Hunger nicht genug befriedigende Inspiration, stärkere Wasser- Ausschei-
dung aus den Lungen, Erhöhung der Herzaction und die z. Th. schweren
Folgezustände solcher Alterationen unausbleiblich sind. So verführerisch
es daher auf den ersten Blick scheint, für ein Kind, welches nach irgend
einer schweren Krankheit ein Emphysem zurückbehalten hat, einen kli-
552 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
matischen Kurori zu rathen, so schwer ist die richtige Wahl eines sol-
chen, welcher dü-ect auf das Emphysem wirkt.
Dass man bei Behandlung des Emphysems anch dessen Folgezu-
stände (Anämie , Dannleiden, chronische Bronchialkatarrhe, Asthma,
Stauungs-Erscheinungen) , sowie constitutionelle Leiden (besonders Ra-
chitis) für sich bekämpfen muss , versteht sich von selbst.
Das Zellgewebs-Emphysem kann als inter lobuläres oder
mediastinales oder subpleurales bei der Therapie nicht in Frage kom-
men, da es nicht klinisch diagnosticirbar ist. Gegen das subcutane Em-
physem hat man als Symptomaticum Compressiv- Verbände , trockene
Schröpfköpfe , Einstiche mit dem Troicart empfohlen.
Missbildun^en der Lunge
von
Dl. L. Fürst.
Literatur.
Ausser den entwickelungsgeschichtlichen, anatomischen und pathologisch-
anatomischen Werken von v. IJär, Bischoff, Förster, Gegenbaur, His, Kölliker,
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Vorbemerkungen.
In dem gesamiiiten Gebiete der Lehre von den Missbildungen haben
die der Lunge bisher nur wenig Beachtung gefunden , obgleich sie bei
der Wichtigkeit des Respirations-xlpparates für den Körper nicht ohne
practische Bedeutung sind und jedenfalls für den Pädiatriker einen mehr
als morphologischen Werth haben. Wir werden uns bei dem Ueberblick
über dies teratologische Special-Gebiet überzeugen, dass zwar die höhe-
reu Grade von Missbildungen der Piespirations-Organe theils au sich,
theils wegen anderweitiger Missbildungen die Lebensfähigkeit der Neu-
geborenen ausschliessen , und , wie Ft i e g e 1 *) sich äussert , nur anato-
*) Ziemssen's Handb. d. spec. Pathol. u. Ther. Bd. IV. 2 Hälfte (S
13 tf.). ^
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 555
misches Interesse haben , dass aber in leichteren Formen eine Lebens-
fähigkeit von Tagen und Monaten , in manchen eine Lebensdauer von
Jahrzehnten thatsächlich beobachtet , ja in einzehien das Leben über-
haupt nicht beeinträchtigt wird. In solchen Fällen vrird gemeiniglich
erst durch auffallende Störungen der Respiration die Aufmerksamkeit
auf angeborene Anomalien gelenkt oder durch einen zufälligen Befund
bei der klinischen Untersuchung , resp. bei der Section das Vorhanden-
sein derselben bemerkt. Die Missbildungen der Respirations-Organe
verdienen daher , wenn sie auch verhältnissmässig selten sind , von Sei-
ten des Kinderarztes mehr Beachtung , als man ihnen — wie aus dem
Mangel einer systematischen , die betr. Casuistik übersichtlich zusam-
menfassenden Bearbeitung geschlossen werden darf — bisher geschenkt
hat. Ich sage absichtlich nicht »Lunge«, da ich gleich im Voraus, bei
der gemeinsamen Genese der Trachea , der Hauptbronchien und der
Lunge, die Betrachtung der Missbildungen dieser genannten Theile als
zusammengehörig und nur gewaltsam trennbar hinstellen möchte. Alles
was unterhalb des Larynx dem Respirations-Apparat angehört , ent-
wickelt sich , ebenso wie die Pulmonal-Gefässbahn und die von den
Pleuren, den Rippen und dem Zwerchfell gebildete Hülle in einer von
einander so abhängigen, sich gegenseitig so stark beeinflussenden Weise,
dass es unmöglich ist, sich von Missbildungen der Lunge isolirt ein
klares Bild zu machen, ohne gleichzeitig die Störungen in der Entwick-
lung des betr. Blutgefäss-Bezirks und der Brusthöhle im Auge zu be-
halten. Die Casuistik zeigt, dass diese Wechselwirkung eine sehr mäch-
tige ist , und dass jedenfalls die Entwickelungsphasen der Respirations-
Organe, des Gefässsystems und der Thorax-Höhle nicht nebeneinander
verlaufen, sondern in einander übergreifen. Tritt nach einer Richtung
eine Störung ein , so verursacht diess in den anderen Theilen eine Ano-
malie , sei es hinsichtlich der Form oder Grösse , der Structur oder der
Lage.
Die angeborenen Missbildungen des Respirations- Apparates bieten,
selbst wenn man die offenbar durch totale Krankheiten bewirkten aus-
scheidet, noch immer zahlreiche Fälle , in denen man wenig oder nichts
findet, was als Spur eines Krankheitsvorgangs gedeutet werden kann.
Diese Fälle von reinen Missbildungen weisen mit Nothwendigkeit dar-
auf hin, bis auf Weiteres lediglich in Störungen der ersten Anlage und in
Hemmnissen ihrer Fortentwickelung das ätiologische Moment zu suchen.
Eintheihing.
Von dem Grundsatze ausgehend, dass die Missbildungen des Respi-
rations-Apparates, soweit dieselben nicht augenfällige Effecte krank-
556 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
liafter Processe sind , sich eng an die normalen Entwickelungs-Phasen
anscbliessen und hinsichtlich ihrer Entstehungszeit mit diesen coindi-
ciren, ist eine Systematik auf genetischer Basis die allein richtige. Sind
wir auch noch nicht in der Lage, für jede Bildungshemmung Zeit und
Art der Entstehung festsetzen zu können , so muss doch in jedem ein-
zelnen Falle der leitende Faden in dem Bestreben gesucht werden , der
Anomalie auf ihren Ausgangspunkt hin nachzuspüren. Hierbei ergiebt
sich von selbst von Zeit zu Zeit ein Seitenblick auf analoge Formen,
welche die vergleichende Anatomie der Respirations-Organe — gewis-
sermassen als niedere Entwicljelungsstufen und als Zustände, welche
mit embryonalen menschlichen Athmungs-Organen Analogien bieten —
uns an die Hand giebt.
Casuistik.
I. Fälle, welche auf mangelnder oder unvollkommener
Anlage der Respirations-Organe beruhen.
Wenn wir von dem totalen oder partiellen Mangel in der Anlage
der Respirations-Organe absehen, wie man ihn in Verbindung mit stärk-
sten anderweitigen Missbildungen antrifft, so ist vollständiger
Mangel beider Lungen etwas seltenes.
Förster giebt an , dass selbst bei vorhandenem Herzen ein solch
absoluter Mangel nur bei nicht lebensfähigen , mit zahlreichen schweren
Defecten versehenen Missgeburten vorkommt. So berichten Klein und
Od hell US von Acephalen, bei denen sich im Thorax statt der Lungen
wiissrige Flüssigkeit fand und I senf lamm beobachtete einen Ersatz
der Lungen durch schleimige Masse. Ein Fall von E ö d e r e r , den
Meckel citirt, bot „statt der Lungen dichtes mit Gallert getränktes
Zellgewebe. Der Kehlkopf endete blind. Von Luftrühre war keine Spm-
vorhanden; ebensowenig von einer Lungenarterie." Das Herz war ziem-
lich ausgebildet. Hier scheint schon der Mangel der Anlage kein com-
pleter gewesen zu sein ; aus dem Vorderdarm hatte sich zwar eine ein-
fache nnneuförmige Ausbuchtung (His) gebildet, die Anlage des Kehl-
kopfes; allem weiter nach dem Schwanzende war jene „hohle Ausstül-
pung (V. B a e r) anstatt sich gabiig zu theilen und Anfangs als „doppelte
Rmne .später als getrenntes Doppelrohr die Anlage der Hanptbronchi
und der Lungen zu bdden, nicht erfolgt oder sehr frülueitig zu Grunde
gegangen. Es war also hier nur zu einem bbnd endenden Kehlkopf ge-
kommen; alles übrige fehlte. ^ ^
Häufiger ist schon bei sonst nicht allzu missbildeten Früchten ein
partieller Mangel der Anlage des Re,spirationsapparates. Wenn die
Lichtung der nnnenförmigen Anlagen von Hauptbronchus und Lungen
sich in ungleichem Maasse entwickelt , wenn insbesondere von Haus aus
emes der beiden seitlichen Epithelialrohre durch ungenügende AusstS
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 557
pung des Schlundes unvollkommen ausgebildet ist und damit die Anlage
der Luftröhren-Hauptäste, sowie der Lungen einseitig in höherem oder
geringerem Grade unterbleibt, so muss das Resultat nothwendig Man-
gel oder unvollkommene Entwickelung einer Lunge
sein.
Derartige Fälle sind nicht gar zu selten beobachtet worden (Geof-
f'roy Sa in t - Hilaire). Mangel der rechten Lunge beschrieben
Autoren wie Haber lein, Maschka, Sömmering, Stein, Ri-
V i ö r e , Mangel der linken Pozzi, Haber lein, Meokel, Hey-
felder und Bell.
Derartige Fälle bieten manches Literessante. Zunächst sieht man,
dass von einer ausgesprochenen Prädisposition der linken Seite , wie sie
Fleischmann annimmt, nicht die Rede ist; sodann, dass diese Ano-
malie, worauf schon Förster aufmerksam gemacht hat, bei sonst wohl-
gebautem Thorax und übrigens gut gestaltetem Körper vorkommen
kann.
Die Fälle , welche ich eben erwähnte , sind kurz folgende :
Haber lein: Rechte Lunge und zugehörige Bronchien f e h-
1 e n d („blos Wasser"). Linke Lunge abnorm gross, den Thorax aus-
füllend. Beide Hauptbronchi und alle Pulmonalgefässe gingen in diese
Lunge.
Sömmering: Die rechte Lunge fehlte durchaus.
Maschka: Rechte Lunge fehlend. Rechter Bronchus nur durch
ein erbsengrosses abgeschlossenes Säckchen angedeutet. Rechte Pleura-
höhle nur vom Herzen ausgefüllt. Rechtss. Pulmonalgefässe fehlend.
Linke Lunge nur aus 1 Lappen bestehend, von normalem Gewebe. Das
Kind war Anfangs des 7. Monats geboren und lebte 2 Stunden.
Stein: Sechswöchentliches, cyanotisch geborenes Kind. Rechte
Lunge ganz fehlend. Vom unteren Bronchus nur ein Rudiment vor-
banden. Rechtsseitige Pulmonal-Gefässe fehlend. Offenes Septum ventri-
culorum. Linke Lunge , unter Verschluss der Art. pulm. über der
Basis cordis durch den weiten Duct. Botalli mit Blut versorgt.
Riviere: Rechte Lunge fehlend.
Pozzi: Linke Lunge fehlend. Rechte stark vergrössert.
Haber lein: Bei einem 20jährigen Menschen, der an fortdauernden
Athembeschwerden gelitten, fand sich die linke Lunge fehlend;
die betr. Hälfte der Brusthöhle war ganz „mit Wasser" gefüllt. Rechte
Lunge die ungetheilte Art. pulmonalis aufnehmend. Das Herz stand
„ganz grade".
Meckel, der übrigens auch diesen Fall ohne Neimung Haber-
lein's anführt, citirt ferner*) einen Fall von Mangel der linken Lunge
mit Schädel- imd Gaumenspalte etc.
Heyfelder theilte auf der Stuttgarter Naturfor.schervers. (1834)
einen Fall mit, in welchem ein Kind angeborene Cyanose und Mangel
der linken Lunge darbot.
*) Path. Anat. I. 477. Nach d. Mus. d. Heilk. Zürich 1794. Bd. 2. S. 204.
558 Erankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Bell: Linke Lunge fehlend. Die betr. Pleuraliöhle mit Was-
ser gefüllt. Rechte Lunge vergrössert. - Ausserdem wird noch ein-
seitiger Mangel der Lunge, als von P 1 o u q u e t beobachtet, erwähnt.
Diese Fälle, die eine Analogie in der Verkümmerung und dem
Schwunde einer Lunge bei den Schlangen, schlangenartigen Sauriern
und Cöcilien besitzen, zeigen zunächst, dass mit dem Mangel der Anlage
einer Lunge zugleich eine v i c a r i i r e n d e H y p e r t r o p h i e d e r v o r-
h au denen verbunden ist, eine Compensation, die an sich von prac-
tischer Bedeutung sein kann, da sie dem Individuum eine grössere Le-
bensfähigkeit garantirt. Sodann ist der fötale Hydrothorax (För-
ster) auf der Seite des Defectes hervorzuheben, den man nicht als Exsu-
dat im pathologischen Sinne (fötale Entzündung), sondern nur als Trans-
sudat (Hydrops e vacuo) aufzufassen hat. Für die richtige Deutung
solcher Fälle als Mangel der primären Anlage spricht unbedingt, dass
der Bronchus der kranken Seite, wenn er nicht ganz fehlt, blind
endigt, oder dass er in anderen Fällen gleichfalls in die z u r A u s-
b i 1 d u n g gelangte L u'n g e (der gesunden Seite) mündet; ferner
beweist das Fehlen derPu Im onal-Ge fasse der defecten Seite und
das ungetheilte Eintreten der Arteria pulmonalis in d i e g e s u n d e
Lunge, dass hier Fehler in der ersten Anlage vorliegen. Schliesslich
ist es von Wichtigkeit, dass trotz Defect einer ganzen Lunge eine Le-
bensdauer bis zu 20 Jahren beobachtet worden ist, wenn auch meist
unter Bestehen von Dyspnoe, dass also die Prognose gar nicht so
ungünstig ist. Für die Diagnose sind nur die Cyanose, die Athembe-
schwerden, event. vielleicht einseitiger Hydrothorax als Anhaltepunkte
zu verwerthen, wenngleich durch Pozzi und Förster Fälle constatirt
sind, wo niemals Athembeseh werden bestanden.
Wenn die Anlage des Respirations-Apparates im Anfangsstück
der Ausbuchtung und am gabiig sich theilenden Endstück desselben ge-
nügend vorhanden ist, im mittleren Vereinigungsstück aber, welches
sich zu einem hohlen Stiele (Luftröhre) gestaltet, fehlt oder sehr früh-
zeitig wieder verkümmert, so entsteht Mangel, oder rudimentäre
E n t w i c k e 1 u n g d e r T r a c h e a.
Die erste Ausstülpung des Schlundes , mag sie nun von Anfang an
paarig sem (v. Baer, Rathke) und erst im weiteren Verlaufe, nach-
dem die zweifache Einmündung in die Speiseröhre (Biso ho ff) con-
flmrt ist, zu dem einfachen Kehlkopf verschmelzen, oder mag sie, wie
Eemak annimmt, von Anfang an als einfache hohle Auftreibung exi-
stn-en, führt m solchen Fällen zur Bildung eines normalen Kehlkopfes.
Nicht minder IS die zweifache Anlage der Bronchien und Lungen, völ-
lig von der Lichtung des Verdauungsrohres getrennt, als Doppelrobr
lel-lw"''!, ' ^'f'^'^^S^^ Ende vorhanden, also das Bildungsma-
tenal für die erwähnten Organe gegeben. Allein das Zwischenglied,
Fürst, MissbilduEgen der Lunge etc. 559
die Anlage der Luftröhre, fehlt oder ist u nvollkorDmen, theils
hinsichtlich der Grösse, theils hinsichtlich der specielleren Gestaltung, be-
sonders der Knorpelringbildung, welche, nach K ö 1 1 ik er, um die 8. — 9.
Woche beginnt. Diese, wie man annehmen darf, Anfangs doppelte An-
lage der Luftröhre kann also entweder durch Mangel des betr. Blastems
gänzlich fehlen oder doch sehr l:iald verkümmern und nun zu bleiljenden
Missbildungen führen.
Anomalien im Bau der Trachea, insbesondere in der Form des
Querschnitts, der bis zum 4. Monat oval, breitgedrückt, jilatt, erst spä-
ter rund erscheint, ferner in der Bildung der aus Querstreifen (R a t h k e
und Valentin) entstehenden, vielleicht aus 2 verschmelzenden sym-
metrischen Hälften hervorgehenden Knorpelringe sind mehr Anomalien
des secundären Wachsthums, als Mängel der primären Anlage.
Ein Fehlen der Trachea hat Blanchot beobachtet. Die
Lunge sass dem Kehlkopf unmittelbar auf. Häufiger ist natürlich das
Fehlen der Trachea mit gleichzeitigem Lungenmangel, wie man es al^er
nur bei anderweitigen grösseren Missbildungen findet. Meekel. Klein,
Harless, Gilibert, Collomb haben Fälle von mehr oder weni-
ger complicirtem Luftröhren-Mangel beschrieben. Zu kurze Luft-
röhre erwähnen Riegel und Fleisch mann; letzterer bezeichnet
diese Missbildung als Reptilien - ähnlich. Ausserdem führt Riegel an,
dass Fälle von abnormer Engigkeit, Gestalt und Grösse
der Trachea vorkommen ; angeborene Kleinheit führt
ß i r c h- H ir schf e 1 d an. Von Anomalieen der Trach ealknorpel
nennt Riegel Mangel und üeberzahl, sowie eine partielle
Erweiterung der Trachea, die er als Bronchocele bezeichnet.
Für alle diese Anomalien der Luftröhre habe ich, wenn ich die Compli-
cation mit anderweitigen hochgradigen Missbildungen ausschliesse, keine
Beispiele in der Literatur aufgefunden. Von Bedeutung ist jedoch ein
Fall von Mangel beider H a u p 1 1) r o n c h i, den G u r 1 1 bei einer
missbildeten Katze fand. Die Luftröhre des einen Thieres theilte sich
normal und führte zu einem Lungenpaare. An der Luftröhre des andern
Thieres fehlten die Hauptbronchi, wodurch die L u n g e n
ausser Communication mit der Trachea waren. Hier
war offenbar die Anlage der Tracheal- Verzweigungen erst späier, nach
Ausbildung der Lungen, untergegangen. Die isolirte Lunge wurde von
einer kleinern Arterie versorgt. Atresie oder verkümmerte Anlage der
Trachea können sich diagnostisch nur durch angeborene Dys- oder
ApnoS manifestiren. Die Prognose ist in den Fällen hochgradiger
Stenose ungünstig.
Eine echte Hypertrophie der Lungen ist, meines Wissens,
ebenso wie eine Vermehrung der Lungenzahl nicht bekannt.
Eher kommt es vor, dass die primäre Lungenanlage in frühen Stadien
wieder verkümmert und dass eine abnorme K 1 e i n h e i t d e r L u n-
gen gefunden wird, welche man nicht als Atrophie bezeichnen kann,
da hier keine Gewebs-Veränderung, sondern nur eine unvollkommene
5gQ Krankheiten der Athmuugsorgaue. Lunge.
EntWickelung vorliegt. Sieht man von Fällen ab, in denen walu^chein-
lich nur Atelectase vorlag, so ist freilich die Zahl der hierher gehörigen
Beispiele cr8riii*J'
B r"o d i r und C o 11 0 m b sollen bei Föten Lungen von nur V» der
natürlichen Grösse gefunden haben; Otto sah bei emem reifen Kinde
die Lunge auf '/i der normalen Grösse reducivt.
Die verringerte Lungencapacität wird durch mangelhafte Ausdeh-
nung des Thorax und durch Kurzathmigkeit zum Ausdrucke kommen*)
und nur selten eine voraussichtlich günstige Prognose gestatten.
Die unvollkommene Anlage der Pleurahöhlen und des
M e d i a s t i n a 1 r a u m s verdient an dieser Stelle mit einigen Worten
Erwähnung.
Während Anfangs die Lungen noch frei in der Bauchhöhle zu lie-
gen scheinen (wie dies bei den Amphibien, Eidechsen und Schlangen
wirklich der Fall ist) , zeigt sich schon am 35. Tage , dass sie , von den
Eingeweiden getrennt, vom Zwerchfell umschlossen sind. Anfangs ist
dieses noch ein hohler, trichterförmiger, die Lungen umgebender Sack;
erst wenn Ende des 2. Monats die wachsenden Lungen höher in die ver-
grösserte Brusthöhle hinaufsteigen , nimmt das Zwerchfell mehr die Ge-
stalt einer horizontalen zart-membranösen Sclieidewand an. Um die Zeit
der erfolgenden Schliessung der vorderen Mittellinie des Körpers erfolgt,
nach A m m o n, diese Bildung des Diaphragma, indem sich zugleich von
der Peripherie aus die Muskelschicht in dasselbe begiebt. In der 10.
Woche erscheint, wie K ö 1 1 i k e r angiebt, die Pleura deutlich als seröse
Haut.
Man darf annehmen, dass Defecte der Pleuren, desMe-
d i a s t i n n m und des Zwerchfells etwa innerhalb der ersten 8
Wochen entstehen müssen und dass unvollkommene Entwickelung der
ersten Anlagen derartigen Missbildungeu zu Grunde liegen.
Su erwähnt Rokitansky „partiellen Mangel der Pleu-
ra" bei Zwerchfelldefect, und Meckel Fälle von Klein, Lamüre,
Superville, Vogli, Gilibert, Cooper und Le Cat, sowie eigene
Beobachtungen von Mangel des Zwerchfells. Ob ein Fehlen des
Mediastinums und hierdurch eine Verschmelzung der Lungen -An-
lagen möglich ist, wie sie Diemerbrock beobachtet haben will, ist
nicht authentisch erwiesen.
Die mangelnde oder frühzeitig zu Grunde gegangene Anlage der
Lunge selbst kann noch zu einer partiellen Missbildung hinsichtlich der
*) B a r 1 0 w berichtet über Fälle von unvollkommener Ent-
wickelung der Lungen im jugendlichen Alter, die, mit Leberverfrösse-
rung, Engbrüstigkeit, Respirations-lnsufficienz verbunden im 10 -11 Jahre
durch Dyspnoe, Husten und Palpitatioren sich markirten, im 16 -20 unter
Oedem tödthch endeten Die Sectionen ergaben kleine, unvollkommen aus-
bliiS "''^'''^^ ^^^^'^ ^' ^«'=1^*«^ Herz hypertrophisch. Leber gross,
F ü r s t, Missbilduiigen der Lunge etc. 561
Form und Structiir führen. Aehnliches bietet die Vereinfachung des
letzten, beträchtlich ausgedehnten Abschnittes der langgestreckten
Schlangenlunge in seinem Bau ; hier verliert auch der nicht mehr für
die Respiration thätige Termin al-Theil seine Lungenstructur.
IL F ä 1 1 e V 0 n p e r s i s t i r e n d e r C o m m u n i c a t i o n der ersten
Anlage der Kespi rationsor gane mit anderen inneren
Organen oder mit der Körperoberfläche.
a) Persistiren de C'ommunic ation mit dem Vorderdarm.
Die Entstehung der ersten Anlage des Respiratious- Apparates als
eine wahrscheinlich von Anfang an hohle Ausljuchtung der vorderen
Fläche des Schlundes , die ursprüngliche Rinnenform , bei welcher die
Verbindung mit dem Darm eine völlig offene ist und die selbst nach
ODarmroln-.
Trachea.
vollendetem Abschluss der Trachea noch geringe äussere Scheidung in
Folge der noch längere Zeit beiden Epithelialrohren gemeinsamen Mus-
kel- und Gefäss-Hülle, diese Uebergangsstufen, die besonders H i s klar-
gestellt hat , bringen es mit sich , dass Störungen dieses Vorganges zu
einer abnormen und bleibenden Verbindung beider Hohlräume, sowie zu
partiellen Obliterationen führen können. An dem vierwöchentlichen
Embryo fand K ö 1 1 i k e r, obschon beide Epithelialrohre getrennt waren,
die Faserhülle beider Kanäle noch zu einer einfachen Wand verbunden,
woraus man den Schluss ziehen darf, dass Communikationen der Höhlen
in dem »primären Wachsthum« der Anlagen (His) ihre Entstehung
finden müssen.
Die Casuistik bietet für diese Uebergangsstadien mehrfache Belege
in einer nicht geringen Mamiigfaltigkeit. P^ine offene, rinnenför-
mige Verbindung der Trachea mit dem Oesophagus, wohl
das früheste hierher gehörige Stadium , ist nur hei stark missgebildeten
Thiereu, und zwar bei Doppel-Missbildungen beobachtet worden.
G u V 1 1 fand Verbindung der Luftröhre mit dem
Schlünde zu einem e i n f a c h e u E o h r e bei thierischen Doppel-
Missbildungen. Auch citirt er, nach B a r k o w, einen Fall, in wekhem
die doppelten Luftröhren hinten mit den Speiseröhren communicirten,
die weiter unten einfach wurden. Mayer beobachtete an einer Dop-
pelmissbilduno- des Lammes auch C o mm u n i c a t i o n der hinten
gespalten'en Luftröhre mit dem Schlund; hierbei war die
Luftröhre oben einfach, unten doppelt.
Derartigen vollen Communicationen, die am Menschen nicht be-
obachtet worden sind , stehen solche M i s s b i 1 d u n g e n zunächst , bei
welchen nur eine theilweise Coramun i cation beider Hohl-
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2.
562
Krankheiten der Athmungsorgane. Limge.
lg; A t r e s i e
räume stattfindet. Am häufigsten ist in dieser Beziehun^
des Oesophagus und Commuuication des oberen btucks des-
selben mit der Luftröhre, eine Anomalie , wie sie von Martin zu-
erst, später von Scholl er, Ma seh ka und Perier beschrieben
worden ist. Ich führe diese Fälle kurz an, weil sie seltene und dabei
doch merkwürdig übereinstimmende Beobachtungen sind.
Martin: Bei einem 36 Stmiden nach der Geburt gestorbenen Kinde
ging der Schlund in eine nur wenige Linien lange blinde Speise-
röhre über. Die Luftröhre zeigte uiunittelbar über dem Ursprung
der Bronchien eine Oeffnung, die in den untern Theil der
Speiseröhre führte.
Schöller: Ein wohlgebildetes Kind, welches nach 4 Tagen unter
Athembeschwerden. Erstickungszufallen und Ausstossen des Genossenen
zu Mund und Nase starb, zeigte bei der Section Folgendes: Oeso-
phagus oberhalb der Hälfte der Trachea sackförmig blind endi-
gend. Das Lumen dieses obliterirten Eohres war um das Doppelte
erweitert, die Wandung beträchtlich verdickt. Im Grunde des Bliiid-
sackes lag rechterseits ein wenige Linien grosser, ovaler, grauer Fleck,
der aus vielen, kleinen, knorpelartigen, wärzchenförmigen Gebilden zu-
sammengesetzt war. Ungefähr 3 — 4 Linien unterhalb dieses blinden
> Sackes mündet der vom Magen aus in die
Höhe steigende, normal beschaffene untere
Theil des Oesophagus dicht oberhalb
der Bifurcations - Stelle in die Trachea
mit ovaler, glattrandiger Oeffnung. Von
dieser bis zum Blindsack zog sich ein run-
des, compactes Fleischbündel.
(VergL Fig. 1.)
. Maschka: Oesophagus nur bis zui-
Mitte durchgängig, dann blindsackartig
endigend. Das untere Stück, welches
wieder durchgängig war, communicirte
mit der Luftröhre.
Piirier: Atresie des oljeren Thei-
les der Speiseröhre. Einmündung
ihres unteren T h e i 1 e s in die Tra-
chea, entsprechend der Bifurcations - Stelle.
Im Anhang hierzu ist noch folgender be-
sondere Fall zu erwähnen:
M a r r i g u e s : Die Speiseröhre verlor
sich am hinteren und oberen Theile der Brust-
höhle in einer kleinen Anzahl häutiger, an
die ]3rustwirbel gehefteter, zellgewebsartiger
Bälge, die sich von der Speiseröhre aus auf-
blasen Hessen,
icheint eine Missbildung vorgelegen zu halien, die man als
Unicum ansehen darf, nämlich: C o m m u n i c a t i o n des oblite-
rirten Oesophagus mit derhoehgradigverkümmertenLuno-e.
Fig. 1. T.= Trachea. 0. =
Oesophagus. A. = Atresia.
<J. = Communication.
Hier
Fürst, Missbildungen der Lunge etc.
563
Andererseits ist auch , während in den bisherigen Fällen das u n-
t e r h al b der Atresie gelegene Stück der Speiseröhre mit der Luftröhre
comimmicirte, ein Fall beobachtet worden, in welchem diese Communi-
cation oberhalb der imwegsamen Stelle bestand.
Vrolik nach Tilanus. Bin Kind, das am 5. Tage gestorlien
^var, nachdem es von Geburt an alles Genossene, mit Schleim und Luft-
blasen gemischt, wieder herausgebracht hatte,
ergab folgenden Sectionsbefund. Der Oeso-
phagus verengerte sich etwas unterhalb des
Isthmus faueium fast zu einem Blindsack,
von dem nur eine für einen dünnen elasti-
schen Katheter durchgängige OeÖ'nung in
das untere, wieder weitere Stück führte,
das bis in den Magen wegsam war. Vor
der erwähnten Stenose führt eine ovale Cnm-
munication in die Trachea.
(Vergl. Fig. 2.)
Ausserdem sollen noch Communicatio-
nen beider Röhren von F 1 e i s c h m a n n,
Lehmann, AI b'^e r s und Hörn beob-
achtet worden sein; im letztgenannten Falle
endigte zugleich der Oesophagus in einen
„cul de sac".
Dass in allen den genannten Fällen „. „ „ m ,
° Flg. 2. T. = Trachea. 0. =
gleichzeitig Stenose oder selbst vollkommene Oesophagus. C = Communica-
Atresie des Oesophagus in Verbindung mit *'^°°' ^- ~ Ventnculus.
der abnormen Persistenz der Tracheal-Communication gefunden wurde,
ist wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass das zur völligen Trennung
beider Schläuche herangezogene Bildungsmaterial an der unrichtigen
Stelle zur Verwendung gelangte, den Oesophagus obliterirte und dafür an
der vorderen Wand desselben fehlte. Ein Theil des auf dem Boden des
Blindsackes übrig gebliebenen Bildungsmaterials war als effectiver, un-
verwendbarer Ueberschuss in dem Scholl er'schen Falle als ein Häuf-
chen harter, wärzchenähnlicher Gebilde (vergl. Fig. 1. Atresie) noch zu
bemerken. Doch will ich es dahin gestellt sein lassen, was das Primäre
war , der unvollkommene Abschluss der hinteren Trachealwand oder
die Vorlagerung des Speiseröhren-Lumens durch Aberration von Bla-
stem. Zur Annahme einer Atresie durch fötale Entzündung drängt in
diesen Fällen Nichts.
Literessant ist in dem Schöller 'sehen Fall die excentrische Hy-
pertrophie des Oesophagus-Theils oberhalb der Obliteration , eine Er-
scheinung, die ausserordentlich an gleiche Vorgänge bei Darm-Stenosen
erinnert.
Die Stelle der persistirenden Gommunication scheint keine be-
36*
564 Krankheiten der Athmuugsorgane. Lunge.
stimmte zu sein , da eine solche sowohl in der Höhe des Schlundes , als
in der der Bifurcation vorgefunden wurde. Auäällig ist, dass meistens
das Oesophagus-Stück unterhalb der Atresie mit der Luftröhre in
Verbindung blieb, ein Umstand, für den mir eine Erklärung lehlt. Dass
immer nur der Oesophagus und nie die Trachea obliterirt war , ist un-
schwer dadurch zu erklären, dass letztere durch die Spannung der Knor-
pelringe schon frühzeitig einer Verschliessung des Lumens widersteht,
während die schlaffe, nachgiebige Speiseröhre einem Verlöthungs- oder
Compressions- Vorgänge weit leichter unterliegt. Bekannt ist es ja,
dass die Compressions-Stenosen der Trachea , deren Analogie mit der
Arterie (im Gegensatze zu der Venen-ähnlichen Weichheit des Oeso-
phagus) in früherer Zeit durch den Namen Arteria aspera für Luftröhre
bezeichnet wurde, schon einen längeren und stärkeren Druck (durch
Strumen, Cysten-Hygrome etc.) voraussetzen, ehe die pars cartilaginosa
der Luftröhre nachgiebt. Anders ist es mit der zarteren , dünnen pars
merabranaeca der Trachea , die dem Oesophagus zugewandt ist. Nicht
nur, dass diese platte, schlaffe Rückwand, wie wir sahen , leichter Bil-
dungs-Defecten unterworfen ist; sie ist es auch, die vermöge der Nach-
giebigkeit ihrer wenig resistenten Muskelfasern und ihres leicht aus-
emanderweichenden elastischen Fasergewebes zu Divertikel - Bilduncf
neigt
Em solches Divertikel d e r T r a c h e a beobachtete M e c k e 1.
In der Gegend des 5. und 6. Knorpelrings besass die Trachea ein nach
hinten abgehendes Divertikel von ■/. Zoll Durchmesser, das dünn ge-
stielt und durch eine feine Oeffnung mit der Trachea in Verbindung war.
bs ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses Divertikel alsResiduum
einer n i c h t v o 1 1 kom m e n v e r s c h w u n d e n e n C o m m u n i-
c a 1 1 0 u anzusehen ist.
Die Symptome, welche für angeborene Atresie des Oesophagus
und Communication mit der Trachea sprechen,, sind : Ausstossen und Er-
brechen des Genossenen unter Vermischung mit Luftblasen, Erstick-
ungszufalle, Athembeschwerden, Unfähigkeit zum Schreien.
nach w "° t'"'' ''\'^''f'^''' ungünstig; derartige Kinder sterben
sch^iid. ist. Die Persistenz ^: :.^::^:::^:z!:::::z
Fürst, Missbildungen der Lungo etc.
565
Fig. 3. Fibröse Verbindung des
(oblit.) Oesophagus mit der
Trachea.
Von der hinteren Wand der
Letzteren ging, etwa 1 Cm. über derBi-
furcation (mit der Abbildung stimmt dies
nicht überein), ein fibröser Strang
ab, der in das obere obliterirte Ende
des Oesophagus überging. Es be-
stand hier also eine solide Verschmel-
zung der obliterirten Speiseröhre mit der
Luftröhre.
(Vergl. Fig. 3.)
Pagenstecher*): Die Speise-
röhre war als abgerundeter B 1 i n d-
sack verschlossen. Das untere,
vom Magen aufsteigende Stück mün-
detefrei indieBrusthöhle. Zwi-
schen diesen beiden Enden der Speise-
röhre bestand eine bandartige, aus Zollge-
webe und L'ängsfasern bestehende Brücke,
welche zugleich eine innige Verbindung mit der Luftröhre bewirkte.
In beiden Füllen war also , neben der bandartigen Communication
zwischen Trachea und Oesophagus eine Atresie und hochgradige Ver-
kümmerung des Letzteren vorhanden.
b) P ersistirend e Communication mit den Kiemenbogen.
Bei mangelhaftem Verschluss der 3. oder 4. Kiemenspalte und per-
sistirender Communication mit dem obersten Theile der Schlund- und
Luftröhren-Anlage entsteht, indem sich die Schlundbogen bis auf einen
restirenden, fistelähnlichen Kanal normal weiter fortbilden, die voll-
kommene T r a c h e a 1 - F i s t e 1 , ein Vorgang , dessen Zustandekom-
men ohne Schwierigkeit zu verstehen ist , wenn man die offene Verbin-
dung , wie sie Anfangs besteht , berücksichtigt.
Die Verbindung des Vorderarms mit der Aussenfläche des Körpers
ist Anfangs eine sehr vollkommene. Am wenigsten ergiebig ist sie an
der 4. Spalte. Da, wie ßemak gezeigt hat, diese Schlundspalten von
innen nach aussen durchbrechen, so dass sie von der Innenhaut des
Schlundes ausgekleidet sind, ebenso aber, von hinten nach vorn vor-
rückend, die zwischen den Spalten gelegene Masse der Schlundwand
diese Kiemenspalten umwächst (Kölliker), so leuchtet ein, dass bei
der weiteren Ausbildung des Halses ab und zu eine solche Kiemenspalte
nicht vollständig wieder verschwindet, wenn, besonders zwischen der 3.
und 4. Spalte das für den 4. Kiemenbogen bestimmte, vorn verdünnt
auslaufende Material nicht völlig ausreicht, oder sonst ein Hindemiss
des completen Verschlusses besteht. Es wird alsdann dieser spaltenför-
mio-e Gang in leichteren Fällen an der Haut als Grube sich markiien,
in schwereren Fällen einen Canal von einiger Tiefe bilden, in den com-
*) Vergl. Ammon Taf. VIII. Fig. 14.
566 Ki-ankheiten der Atliniungsoi-gane. Lunge.
pletesten eine .virkliche Verbmduny mit dem obersten Tlieil der Trachea
besitzen.
Bei der wesentlich überwiegenden Grös.se der 1. und 2. Kiemeu-
spalte ist es begreiflich , dass im Ganzen Schlundfistehi häufiger sind,
als Trachealfisteln (Hen nig) und dass wiedernm die Fistula tracheae
congenita meist nur incomplet ist, d. h. nicht Ijis in die Trachea reicht,
was dann richtiger als Fistula colli coug. bezeichnet würde. Diese Ano-
malie, welchezuerst von Dzondi und Ascherson wissenschaftlich
bearbeitet worden ist, findet sich meist nur einseitig , und zwar vorwie-
gend rechts (Riegel), selten beiderseitig, dann aber symmetrisch.
Die Diagnose ist nicht zu schwer. Wenige Cm. über dem Sterno-
clavicular-Gelenk, zuweilen etwas höher und entfernter von der Median-
linie, meistens in dem Winkel, den die innere Portion des Sternocleido-
mastoideus mit dem 8ternal-Ende des Schlüsselbeins bildet, findet sich
eine feine , mit etwas gewulstetem , leicht geröthetem Kande versehene
Oeffnung , aus der zuweilen ein Tröpfchen zäher , heller Schleim , dem
bei completeu Trachealfisteln Luftbläschen beigemischt sind, zumal auf
Druck hervorquillt. Selten findet man mehrere solche Oeffnungen über-
einander , die dann mehreren Kiemenspalten entsprechen. Bei Sondi-
rung mit einer feinen Borste ergiebt sich nur in Ausnahmefällen eine
nachweisbare Verbindung mit der Luftröhre. Meist endigt der fistulöse
Gang blind (cystös, Riegel) imd zwar um so wahrscheinlicher, je wei-
ter seitlich die Oeffnung gelegen ist, während, je näher sie der Mittel-
linie liegt , die Communication mit der Trachea eher zu erwarten ist.
Ein recht kl.irer Fall von incompleter Tracheal-Pistel,
den Z e i s beschrieben hat, sei hier kurz erwähnt : Ein 5—6 Monate altes
Kind zeigte an der linken Seite des HaJses, nahe am Sternal-Ende der
Clavicula, eine kleine Gesehwulst. Bei Druck entleerte sich eitrige
Flüssigkeit aus der sehr feinen Oeffnung. Die Wände des Fistelkanals
Hessen sich durchfühlen. Eine feine Sonde drang nur 7.. Zoll nach dem
Innern des Halses zu ein. Luftaustritt aus der betr. Oeffnung war nicht
zu bemerken. Die Sec-
tio n ergab ein cystöses
Ende des Fistelgangs un-
ter der Cutis. Keine
Communication mit der
Trachea.
Ich füge , da diese
Fig. 4. Incomplete TrachealfisteL l?"^ "^f™ Kinderarzte am
haufagsten begegnet, die
betr. Abliildung bei. (Vergl. Fig. 4.)
Bei der Diagnose ist zu berücksichtigen, dass ein von einer
Lymphdrüsen- Abscedirung zurückgebliebener, fistulöser Gang, der noch
jahrelang fortsecernirt, einen ähnlichen Eindruck machen kann. Pro-
Fürs t, Missbildungen der Lunge etc. 567
g 11 o s t i s c h ist diese Missbildung nicht ungünstig ; meist erfolgt die
Heilung spontan.
c) Residuen einer Coimuuuica tio n der Haut- Anlagen mit
den Anlagen des E espirations- Api3 arates.
Das Vorkommen von D e r m o i d - C y s t e n in der Lunge , resp. in
der Brusthöhle, wie solches durch einige Beobachtungen sicher gestellt
ist , vermag man nicht anders als durch ein Zurückgehen auf eine sehr
frühzeitige embryonale Entwickelungsstufe zu deuten.
Die mir bekannt gewordenen Fälle sind kurz folgende :
Mohr. Am 18. Decbr. 1838 wurde auf die Medicinische Klinik
zu Würzbui'g ein 28jaliriges weibliches Individuum aufgenommen, das
seit 14 Jahren an einer „Brustkrankheit" gelitien hatte. Die Diagnose
war unsicher. Man nahm ein „fremdes Product" im linken Lungenflügel
an. Seit Beginn obiger Krankheit hatte Patientin wiederholt ganze Büschel
gekräuselter rother Haare ausgehustet ; auch in der Klinik wiederholte sich
dies bis zu ihrem Tode. Die Section(15. März 1839) ergab, dass sich, als
man das Sternum und die angrenzenden Eippen entfernen wollte, durch
Zerreissung des Lungenparenchyms, und zwar der mit der Brustwand
verwachseneu linken Lunge mehrere grosse hohle Knoten öftneten.
Diese Knoten, worunter Ijesonders zwei über liühnereigrosse , sassen in
der Lungenspitze, communiciiten untereinander, und hatten eine mem-
branöse Wand, die mit l'/^ — 2Va" langen Haaren besetztwar. Die
Höhlen enthielten Büschel von zahlreichen freiliegenden Haaren und eine
eiweissartige, flüssige Masse. Kölliker und Virchow, welche llJahre
später das in der Wüizburger Sammlung befindliche Präparat ausfülu-
licher beschrieben, fanden, „dass die Cystenwand ganz wie die äussere
Haut gebaut war. Sie zeigte Epidermis, Cutis und Papillen,
Panniculus adiposus, Haare mit normalen Bälgen, grosseTalg-
und normale Schweissdrüsen."
Salomonsen. Eine am 7. Decbr. 1861 in seine Behandlung ge-
kommene 24jährige Dienstmagd hatte schon lange an Husten und Brust-
beschwerden gelitten. Unter Hämoptoe und Phthisis ging sie zu Grunde.
Bei der Section fand man, dass ein kleiner Bronohialast, welcher
einwärts gegen den Hilus der Lunge, dicht beim vorderen Rande des-
selben, führte, am Ende zu einer taubeneigrossen Dermoid-Cyste
ausgedehnt war. In die Höhle derselben ragten 2 nnssförmige, knotige
Verdickungen der Cystenwand. Letztere zeigte Epithel, Corium,
Talgdrüsen, Haarsäcke mit feinen Haaren, Bindegewebe,
Fett und etwas Knochengewebe. Die Cyste hatte sich von der
Pleura aus, dicht am vorderen Lungenrande, entwickelt und in
den erweiterten Bronchialast geöflnet.
Cloütta (Zürich): Ein 20jähriges an Lungen-Tuberkulose leidendes
Mädchen hatt,e häufig einen reichlichen Auswurf von Haaren. Die Sec-
tion zeigte an der Innenfläche des unteren Lappens der linken
Lunge einen grossen, mit Haaren und schmierigem Fett gefüllten Sack.
5(38 Ki-anklieiten der Athmungsorgane Lunge.
Derselbe bestand aus 2 Abtheilungeii , von denen die kleinere (apfel-
grosse) nur zu Vs ibres Volumens in das Lungengew ebe ragte.
Die Wandungen der Cyste waren dick und Ijestanden aus einem festen,
fasrigen Gewebe, welches Knorpel, Knochenstücke (aber keine Zähne)
enthielt. Die innere Auskleidung der Höhle war uneben, bestand aus
condylomatösen Wucherungen und dicken Strängen und war mit Haaren
besetzt. Die Cyste conmnmicirte mit einer Lungen-Caverne.
Diese drei Fälle *) zeigen manches üebereinstimmeiide. In allen
hatte die Affection weibliche Individuen befallen und, was zunächst für
die Prognose von Bedeutung ist, das Leben erst nach Jahren (im 3.
Jahrzehnt) ernstlich bedroht , indem secuudäre Lungenphthise eintrat.
In allen Fällen war die Cyste von der Pleura costalis oder pulmonalis,
sowie von dem mediastinalen Bindegewebe ausgegangen und erst nach
und erst nachher in das Lungen-Gewebe hineingewachsen, dasselbe in
mehr oder weniger ausgedehnter Weise destruirend. Diese AnomaHe
Ijot ferner als ein sehr interessantes Symptom (neben chronischem
eitrigem Auswurf, Husten und Brustschmerz) Haar- Auswurf. Die roth-
liche Farbe der Haare entsprach dem Befund bei den meisten Dermoid-
cysten. Aus alledem geht hervor, dass sie eine practische Bedeutung hat.
Uu-e Erklärung ist nicht anders möglich, als dass man annimmt,
noch ehe der Verschluss der Pleura-Hühle complet erfolgt war, seien
Elemente der oberen, animalen Schicht, nämlich des Hornblattes und der
oberen Seitenplatte mit den Theilen der unteren vegetativen Schicht,
welche zui- Bildung der Pleurahöhle beitragen, verschmolzen, analog, wie
diese Aberration bei Bildung der Dermoid-Cysten des Ovariums zu den-
ken ist. Da sowohl archiblastische Anlagen (Epithehen, Haare, Drüsen),
als auch parablastische (Bindegewebe [Fett], Knorpel- und Knochenge-
webe, Zähne) in diesem Einschmelzungsvorgange an eine falsche Stelle
geriethen , so kann man hier nur an eine sehr frühzeitige Heterotopie
denken , die aus der Zeit der ersten Gliederung der Embryonal -Anlage
datirt. Mit Waln-scheinlichkeit ist es die Medianlinie, die, indem sich
die Brusthöhle hier schliesst, die Pforte bietet, durch welche derartige,
dann an der inneren Brustwand ihrer specifischen Tendenz gemäss fort-
wuchernde heterogene Elemente hereingezogen werden.
m. Angeborene Lage- Anomali en der Lunge.
aj Bei normalem Verschluss der Brusthöhlt
_ Die symmetrische Anlage der Lungen zu Ijeiden Seiten der Axe
zeigt erst in der 8. Woche, nach K ö 1 1 i k e r, eine Differenz, indem nun-
mehr die Bildung und bestimmte Ausprägung der Hauptlappen erfolgt,
deren Andeutung am Lnde des 1. Monats erst schwach war Die drei-
lappige rechte, die zweilappige linke Lunge lassen sich je'tzt deutlich
*) Neben denen S. noch Beobachtungen von Münz und M
uret citirt.
Fürs t, Missbildungen der Lunge etc.
569
unterscheiden. Nicht selten findet man aber eine Inversio lateralis,
entweder nur an der Lunge, oder gleichzeitig an anderen Organen
der Pleuroperitoneal-Höhle.
Die zuerst von R i o 1 an , später von M e c k e 1 und vielen Anderen
beschriebene seitliche Umkehrung der Brusteingeweide, welcher G e o f-
froy St. Hilaire den Namen Heterotaxie gab , geht mit einer voll-
ständigen , der veränderten Lage angemessenen Umänderung der Form
und Anordnung , im Uebrigen aber mit intacter Beschaffenheit der Or-
gane selbst einher, so dass man in der That die gewonnene Ansicht mit
einem »Spiegelbild« des normalen Situs vergleichen kann. Diese Miss-
bildung ist nicht gerade häufig, aber insofern von geringem Literesse,
als trotz der Transposition bis in's hohe Alter ein ungestörtes Wohlbe-
finden bestehen kann (vergl. Morand's 72jährigen Invaliden) und die
Anomalie , wenn keine Veranlassung zu klinischer Untersuchung (wo-
bei sich die Anomalie durch Auscultation und Percussion nachweisen
lässt) gegeben war, gewöhnlich im Leben übersehen und nur bei der
Section entdeckt wird , also keine ungünstige Prognose bietet.
Einige Fälle seien zur Illustration des Gesagten angeführt.
Förster. Ein von einer 24jähvigen Frauensperson herrührendes
Präparat, welches sich in der Pathol.-anat. Sammlung zu Würzburg be-
findet (X. 2589), zeigt Trans-
position der GefässstUmme,
Eechtslage der Trachea, drei-
fache Lappung der linken,
zweifache der rechten Lunge.
(Vergl. Fig. 5.).
B. Schnitze (Diagnose
im Leben) : Bei einem 31-
jährigen Frauenzimmer fand
man vor dem Sternura links
bis zum Knorpel der 5. Rippe
Lungenton , dessen Grenze,
den oberen Rand der 6. Rippe
passirend, nach aussen etwas
abwärts verlief. Rechts
ging der Lungenton bis zum
3. Litercostalraume herab. In der Höhe des 4. Intercostalraums links
lag der (hj'pertrophische) Pulmonal- Ventrikel. Die Pulmonaltöne waren
im 2. Intercostalraume, 1" rechts vom Sternalrand hörbar. Den Spitzen-
stoss konnte man im 5. unteren Intercostalraume fühlen.
Gewöhnlich ist in solchen Fällen auch die Anordnung der Bron-
chialäste und Gefässstämme der Umlagerung entsprechend gerändert,
so dass die Lungenarterie von der linken Kammer ausgeht und die Lun-
genveuen in den rechten Vorhof münden.
Die Inversion kann auf die Lunge beschränkt sein ; meist ist sie
Fig. 5. Förster, Situs transversus der
Brustorgane.
570 Krankheiten der Atimungsorgane. Lunge.
mit allgemeinem Situs trausv. combinirt. Letztere o hu e gleichzeitige
Inversion der Lungen hat Desruelles beobachtet.
Die Trachea, welche vor dem Oesophagus imd etwas nach
rechts zu liegen pflegt (vergl. Braun e's Topogr.-Anat. Atl. Leipz.
1875. Taf. VIII.), ist in Fällen von Transpositio pulmonum nach links
gerückt.
b) Bei mangelhaftem Verschluss der Brusthöhle.
Ein solcher ungenügender Verschluss kann auf zweierlei Art statt-
finden , einmal durch ungenügende Verschmelzung der Bedeckungen
nach der Bauchseite des Embryo zu , das andere Mal durch unvollkom-
mene Ausbildung des Zwerchfells. Im ersteren Falle communicirt das
Innere der Thoraxhöhle , ähnlich wie die Peritonealhöhle bei tiefer ge-
legener Spaltbildung, mit einem vom Amnion gebildeten Sack, während
bei Defect des Diaphragma die Brust- und Abdominal-Höhle in Com-
munication treten.
Bei der angeborenen Brustspalte kommt es zwar in den mei-
sten Fällen nur zu einer Ektopia cordis, doch haben Prochaska,
Fleischmann, Meckel, L ach m und, Vrolik in derartigen
Fällen auch Ektopia pulmonum (Luugenbrüche) beobachtet,
wenngleich eine Vorlagerung der Lungen, wie Förster mit Recht
hervorhebt, selten ist, gegenüber dem Vorfall des Herzens. Die Dia-
gnose ergiebt sich schon durch Inspection und Pal patiou ; die Pro-
gnose ist natürlich absolut ungünstig. Selbst bei bedeutenden Spal-
ten bleiben, diesem Autor zufolge, die Lungen gewöhnlich in der Brust-
höhle und in ihrer Lage.
Einen prägnanten Fall,
den Vrolik abbildet, füge
ich in der Zeichnung bei,
(vergl. Fig. 6.) , wenngleich
es sich hier zunächst ma
Bauehspalte handelt. Die
linke Lunge liegt, gemeinsam
mit Herz, Magen, Darm und
Leber frei; das Mediastinum
ist, wie gewöhnlich in solchen
Fällen, defect.
Ist keine eigentliche Brust-
spalte, sondern nur eine häu-
tig überkleidete Fissura sterni
vorhanden , so fehlt jede Ek-
topie der Lungen.
Bei Zwerchfell-De-
Fig.
0. P.
L. :=
s. = Pulmo sin. H. =; Hepar.
Lien. V. ^^ Ventriculus.
F ü r s t , Missbildungen der Lunge etc.
571
f e c t e n , die zuweilen eine bedeutende Communication der Brust- und
Bauchhöhle darstellen , participirt theils die Lunge activ an einer Her-
nia diaphragmatica , indem sie, sogar mit dem Herzen, in die Bauch-
höhle übertreten kann (Velpeau), theils erfährt die Lunge passiv eine
Lageveränderung durch die in die Brusthöhle übergetretenen Därme.
Bin solcher Fall von Dislocation und Compression der
Lungen sei als Paradigma hier angeführt.
V r ol i k. Bei einem Kinde,
welches 12 Tage lang unter
Dyspnofi gelebt hatte , fanden
sieh bei der Section die Dünn-
därme durch eine Zwerrhfell-
Hernie in die rechte Pleura-
höhle dislocirt. Sie hatten die
rechte Ijunge comprimirt und
nach aufwärts gedrängt, das Me-
diastinum und Herz aber nach
links verschoben.
(Vergl. Fig. 7.)
Dass bei Doppel Missbil-
dungen die Lage- Anomalie der
Lunge eine höchst bedeutende
sein kann, sei im Anschluss hier
an nur beiläufig erwähnt. S e r-
res beschreibt einen solchen Fall, bei welchem zwar die Respirations-
organe doppelt, aber sämmtlich in der Brust des Trägers gelegen waren,
da der Parasit keine Brusthöhle besass. Was die P r o g n o s e anbelangt,
so ist die Lebensdauer bei allen derartigen , durch Defecte veranlassten
Lageveränderungen , selbst wenn sonst keine Missbildungen vorhanden
sind, gewöhnlich nur unbedeutend. Die Diagnose ist nur aus der mit
hochgradiger Dyspnoe verbundenen Verdrängung der Lunge zu ge-
winnen.
,-c
Fig. 7. P. s.
P. d. = Pulmo sin. u. dextr.
C. --= Cor.
IV. Mangelhafte weitere Ausbildung der Respira-
tionsorgane.
a) Excessive Missbildungen.
Was zunächst die Trachea betrifft , so kann man wohl über das
Vorkommen einer Verdoppelung bei eiuköpfigen Doppelmonstren kurz
hinweggehen. Wichtiger ist die Theilung der Trachea in drei
H auptbronchi, die, während bei den Cetaceen ein vor der Bifurca-
tion abgehender 3. (zu der rechten Lunge führender) Bronchus vor-
kommt , beim Menschen ungewöhnlich ist.
Dennoch erwähnen Riegel, Cruveilhier, Albers, Sandi-
572 Ki-ankheiten der Athmungsorgane. Lnngc.
fort diese Anomalie und L e u d e t führt speciell einen Fall an , in
welchem der obere La p p e n der rechten Lunge 2 Bronchien er-
hielt.
Die Lunge zeigt Bildungs-Excesse meist hinsichtlicli der Lap-
pun g, die grosse Variationen darbietet, von der Andeutung überzäh-
liger Lappen durch tiefere Theilungsfnrchen eines Lappens Geof f r oy
St. Hilaire, Meckel, Förster) bis zm- Bildung von 7 Lappen
(F 1 e i s c h m a n n). So bat zuweilen die linke Lunge , ebenso wie die
rechte, 3 Lappen (G e o f f r o y St. H i 1 a i r e, S ö m m e r i n g, M e c k el),
oder der untere Lappen der rechten Lunge ist getheilt (Meckel). Ein
anderes Mal waren »bei einem selir grossen Manne« die Lungen beider-
seits in 4 Lappen getheilt (Mol in et ti). Abnorm tiefe Einschnitte
der Lappen hat Förster besonders an den unteren Lungenlappen be-
obachtet; Fleisch mann fand überzählige Lappung meist rechts.
Hieran schliessen sich die accessori sehen Lun gen 1 app en,
welche als isolirte Gebilde beschrieben worden sind. Einen über-
zähligen Spitzenlappen erwähnt Collins; ebenso sind aber
überzählige Lappen an der Basis beobachtet worden.
Rokitansky beschrieb folgendes Präparat, (aus dem path.-anat.
Institut zu Wien) , herrührend von der Leiche eines Smonatl. weibl.
Kindes : Im linken Pleurasäcke lagert, zwischen die Basis der nor-
mal gestalteten, zweilappigen Lunge und das Zwerchfell eingeschaltet, ein
Stampfer, eonischer accessorischer Lmigenlappen, der ohne jeden Bron-
chus und demgemäss ohne Zusammenhang mit der Tra-
chea ist. Zwei Arterien, die aus der Aorta thoracica kommen, treten
in diesen völlig isolirten Lappen ein, und zwar von einer etwas dickeren,
der Wirbelsäule zugekehrten Stelle des Basalrandes. Hier tritt eine
Vene heraus, welche über die 10. Rippe an die Wirbelsäule und sofort
üliei' diese nach der Azygos heraufsteigt. Nerven vom Aortengeflecht.
Rektorzik: Bei einem 14tägigen Mädchen zeigte sich im untern
Abschnitt der linken Thoraxhälfte ein unten concaver, oben und seit-
lich convexer, bliiulich-rother, mit der betr. Lunge in keiner Verbindung
stehender Lappen. Dieser Lobulus inferior accessorius erhielt in der Höhe
des 10. Brustwirbels aus der Aorta thoracica, vor dem Ursprung der 7.
Intercnstal- Arterie , eine 2 Cm. lange Arterie, welche am Innern Rande
der concaven Fläche in dies Lungenstück trat und sich daselbst ver-
ästelte. Ebendaselbst trat eine Vene heraus, die sich mit der Hemiazygos
vereinigte. Die Pleura umhüllte die Gefässe und den Lappen taschen-
artig. Uebrigens war in diesem abgetrennten Stück Lungenparenchym
ein System von verzweigten Canaliculis aeriferis mit unvollkommener
Alveolenbildung vorhanden.
Man hat es ohne Zweifel in solchen Fällen, die selten sind (Rek-
torzik's Angabe, ein accessorischer zungenförmiger Lappen ander
hintern Basalfläche der Lunge sei fast constant und in 80 "jo der Leichen
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 573
anzutreffen , bedarf noch der Bestätigung) mit sehr frühzeitigen Ab-
sehnürungen , möglicherweise durch Pleurafalten , zu thun.
Eine angeborene Verlängerung der L u n g e n s u 1) s t a n z
län gs de r Luftröhre hat Guldberg gesehen.
Die Lunge eines 30jähiigen Mädchens zeigte rechterseits vielfache
l^leuritische Adhäsionen und zugleich eine l'/i — 2" breite Verlängerung
der Lungen.substanz von der Spitze der rechten Lunge aus längs der
Trachea hinauf bis zur Mitte der Glandula tyreoidea. Der rechte Haupt-
bronchus gab unmittelbar an seinem Ursprünge einen Seitenzweig an
jene Verlängerung ab. — Die linke Lunge war normal.
Es ist nicht anders möglich, als dass diese abnorme Ausziehung der
Lungensubstanz zu einem sehr ungewöhnlichen accessorischen Lappen
in den ersten Fötal-Monaten erfolgt ist. — Ueljerzählige Lappungen
sind sjTiiptomlos und beeinträchtigen weder das Wohlbefinden noch die
Lebensdauer.
Excessive Ausbildung des Lungenparenchyms der-
art , dass die Lungenzellen, besonders an der Oberfläche, stark vergrös-
sert (Haselnuss- bis Stachelbeer-gross) waren, wollen Morgagni und
Baillie beobachtet haben. Es ist anzunehmen, dass hier Verwechse-
lung mit subpleuralem Emphysem oder cystösen Degenerationen vorlag.
Doch kommt auch grobblasiger Bau vor. (s. u.)
Abnorme Duplicaturen der Pleura erwähnt Förster.
Als sehr selten bezeichnet Rokitansky derartige Duplicaturen der
Costal-Pleura. Ein Fall verdient hier Erwähnung.
Kokitansky: Die Pleura bildete in der stumpfen Spitze des
Pleurasackes eine von oben und aussen nach ab- und einwärts
hängende Falte, die an ihrem freien Rande die Vena azygos aufnahm
und in einer überzähligen, den oberen Lungenlappen
trennenden Incisur lagert."
Dieser Fall lehrt uns, dass die Abtrennung eines Stückes Lungen-
substanz durch eine scharfe Pleurafalte möglich und dass die oben aus-
gesprochene Erklärung des Entstehens accessorischer Lungenlappen
richtig ist. Auch hier spielte die mitbetheiligte Vena azygos eine Rolle,
die, vielleicht in Folge frühzeitiger Adhäsionen der Lunge und der Tho-
raxwand (Birch-Hir Sehfeld) beim Descensus coixlis nicht hinter
die Lungen gelangen konnte und dadurch ein Lungenstück abschnürte.
b) M i s s b i 1 d u n g e n durch V e r k ü m m e r u n g.
Beginnen wir hier wieder mit der Trachea, so ist A t r e s i e der-
selben, resp. der beiden Bronchi , ungenügende Theilung, ab-
norme K rümmung, Confluenz mehrerer Knorpel, normahj
Längs- und Quer Spaltung von Riegel erwähnt.
574 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Angeborene Stenose der Trachea mit consecutiver ab-
normer Ausdeliuung der Lungen hat Rah n- Esc her beobachtet.
Der Fall betraf einen Knaben, der von Geburt an Atbembescbwer-
nen hatte und in der 22. Woche einer Darmerkranbung erlag. Ausser
dem Kehlkopf wai'en die 3 obersten Einge der Luftröhre auffallend en-
ger, überhaupt aber die ganze Trachea bis zur Bifuiration von gerin-
oerem Kaliber. Die Lungen zeisteu o-robzelligen Bau.
Die V erklimme r laugen der Lunge selbst nöthigen ims zu
einem kurzen Rückblick auf die Entwickelung der Lungen.
Wir müssen uns erinnern, dass die.selben wahrscheinlich von Anfang
an hohle Ausstülpungen, einfache längliche Säckchen (Kölliker) dar-
stellen und dass sowohl ihre äussere L a p p u n g als auch ihre i n-
n e r e Ausbildung erst nach und nach auftreten, sobald sich jedes
Lungensäckchen in einen kurzen Stiel (Bronchus) und in ein erweitertes
Ende (Lunge) geschieden hat. W^ährend die andern Drüsen Anfangs so-
lid sind , dann erst Höhlungen erhalten , sind die sprossenartigen Aus-
stülpungen des Epithelrobrs der Lungen - Anlage , indem sie stets
von der mitwuchernden Faserschicht umgeben bleiben, von An-
fang an hohl, und vermehren sich durch kolbige Ausläufer zu dentri-
tisch verzweigten Kanälchen. In Folge dieser Knospung und Verästelung
prägen sich zunächst in der 8. Woche Hauptlappen aus , denen im 3.
Monat die Anlagen der primitiven Drüsenbläschen folgen. Jedes dieser
Drüsenbläschen zeigt immer wieder dieselbe Anordnung , innen das (ar-
chiblastische) Epithel , aussen die (parablastische) Paserhülle ; den Kitt
dieses Systems von Hohlräumen, bildet das interstitielle Fa.sergewebe.
Mit Vermehrung der Drüsenbläschen, die durch wiederholte Spro.ssung
des Epithelrohrs erfolgt, bietet nach und nach die Lungen-Oberfläche
das bekannte polygonale Bild. Im 4.-5. Monat hat dann die Intensität
der Sprossung nachgelassen; die neuen Bläschen und Bronchialästclieii
werden kleiner, die Epitbelsprossen dünner. Eist im 6. Monat ist dieses
Wachsthum in seinem ausseien Bau abgeschlossen ; die Vermehrung der
Hohlräume, das Wachsthum und die Epithelauskleidung der Luftzellen,
die Vergrösserung der einzelnen, isolirten Lä))p(;hen , die Verringeruiif;
der Anfangs noch hochgradigen Communikation der einzelnen Lungen-
bläschen — kurz, die innere Fortentwickelung der Lungen- Anlage ist
die Aufgabe der 3 letzten Fötal-Monate. in denen es auch (nachEathke)
zuerst möglich wird, die Lungenzellen aufzul^lasen. Wie man sieht,
macht also vom 6. Monate an die Lunge Stadien durch, welche lebhaft
an die innere Lungen-Überfläche niederer Thiere erinnert, an die weni-
ger Oberfläche darluetende, daher auch weniger Blutgefässe führende
Lunge der Perennibranchiaten , des Triton und anderer Salamander, bei
welchen statt vollständiger Septa nur wenig vorspringende maschenartig
angeordnete Leistchen und Bälkchen die einzelnen EndrUume trennen und
demnach weite Communicationen bestehen (Gegenbaur). Derartige un-
vollkommene innere Ausbildung der Lungen ist anolog frühen embryo-
nalen Stufen.
Von den durch fötale Krankheiten (Pleuritis, Hydrothorax, Trans-
sudate) sowie durch Compression (bei Herzvergrösserung, Geschwülsten,
Fürst, Missbildungen der Lunge. 575
Hernia diaphragmatis) verursachten Verkilmmeruiigen , als unechten
Missbiklnngen , absehend, findet man als wahre Bildungshenimung zu-
nächst abnorme Kleinheit der Lungen (Fleischmann), eine
Anomalie, welche lediglich eine ungenügende Fortentwickelung des nor-
mal augelegten Organs darstellt. Dieser Verkümmerung in toto steht
die partielle e i n s e i t i g e V e r k ü m m e r u n g , wie sie besonders
von Förster und Ponfick beobachtet worden ist, gegenüber.
Förster: Bei einem todtgeborenen , gleichzeitig mit Mikrophthal-
mie behafteten Kinde war die linke Lunge auf ein äusserst klei-
nes Rudiment reducirt, in welches der sehr verkleinerte linke
Bronchus und die ebenfalls sehr e n g en Lungengefässe führten. Die
Lunge lag der Wirbelsiiule an. Die Pleura-Hölile war, der Verkümme-
rung der Lunge entsprechend, kleiner.
Ponfick: Ein 5 Tage nach der Geburt unter Cyanose und Dys-
pnoe verstorbenes Mädchen zeigte ausser starker Hypertrophie des rech-
ten Ventrikels, Eechtslagerung des Herzens, offenem Foraraen ovale, of-
fener Communication im Septum ventriculorum und Verengerung des
rechten Theils der Art. pulmonalis nach Aligang des Duet. art. Botalli
an dem weiten, cyliudrischen , rechten normalen Bronchus eine ganz
rudimentäre Lunge. Dies Rudiment war abgeplattet, einförmig,
derbfleisehig , von grau-röthlichem Durchschnitt und umgeben von einer
dichten, weissen Kapsel. Der Bronchialstamm Hess sich ein Stück hinein
verfolgen und entsendete einige kleine Seitenäste , die sich bald in dem
dichten , völlig luftleei-en Gewebe verloren. Letzteres ergab alveoläre
Structur mit starker Verbreiterung und Sklerosirung der Scheidewände.
Alveolarlumina im Verhältniss sehr klein, nicht selten dicht mit kleinen
Rundzellen angefüllt. Im Uebrigen war die rechte Pleura- Höhle
ganz von einem röthlichgelben, lockeren,
saftigen, gallertigen Gewebe (zellenreiches
Schleimgewebe mit reichlich ein-
gesprengten Fettträubchen) ausgefüllt.
Pleura und s u b p 1 e u r a 1 e s Lun-
gengewebe zeigten derbes , verfilztes
Fasergewebe. Gefässe weit ; die Wan-
dungen derselben verdickt, sklerotisch. An ^
der Eintrittsstelle des (daselbst etwas ein-
geschnürten) Bronchus kein Gefäss.
(Vergl. Fig. 8.)
Es ist Nichts Anderes anzunehmen, Fig- 8. Primäre Atrophie einer
als dass es sich in solchen Fällen um ' '
eine primäre Atrophie handelt , die mit grösster Wahrscheinlichkeit
eine Entwickelungshemmung der ursprünglich normal angelegten Lunge
durch ungenügende Entwickelung oder frühzeitige Verkümmerung der
Pulmonal- Gefässe der betr. Seite darstellt. Es wird hierdurch die betr.
Lunge , sobald einmal ihre Ernährung leidet , zu einem, dem Bronchus
aufsitzenden, mehr oder weniger soliden Körper. Die betr. Thoraxhälfte
576 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
aber füllt sich, wenn sie nicht ebenfalls verkümmert, mit luxiirirendem
Gewebe ans.
Dass, wie Förster sagt, in Fällen von abnorm kleinem, kurzem
Thorax sich auch Verkleinerung der Lunge finden umss, ist eigentlich
selbstredend. Ein Fall, den Otto beschreibt, und in dem jede Lunge
aus 3 rundlichen Körperchen von der Grösse des dritten Theiles einer
Daumenlänge bestand , gehört wahrscheinlich auch hierher.
Als Symptom könnte höchstens angeborene Dyspnoe in Ver-
Ijindung mit halbseitigem leerem Tone in Frage kommen; die Pro-
gnose ist jedenfalls ungünstig. Bei einer Bildungshemmnng im
weiteren Ausbau der Lunge können besonders drei Fälle ein-
treten :
L U n g e n ü g e 11 d e L a p p u n g , eine Verkümmerung, die natür-
lich auf die Zeit vor der 8. Woche des Embryonal-Lebens zurückzube-
ziehen ist.
Derartige Fälle sind nicht gar zu selten ; einige Beispiele seien liier
angeführt. — Meckel. Die rechte Lunge bestand nur aus 2 Lappen
(Förster giebt zugleich Fälle an, in denen der S.Lappen „nurschwacli
angedeutet" ist). — K w i a t o w s k y. Bei einem einjährigen Knaben,
der nach zweimonatlicher Krankheit (Gyanose und Dyspnoe) starb, fand
sich die rechte Lunge nur zweilappig (vergb Meckel). — Maschka
fand die linke Lunge nur aus 1 Lappen bestehend (der Fall ist bereits
oben aus anderem Grunde mitgetheilt). — Blanchot fand bei einem
Akephalus die Lunge gar nicht in Lappen getheilt. — F o u r n i e r.
Die linke Lunge eines 30jährigen Soldaten war zu einem einzigen Lap-
pen verschmolzen. — Förster bestätigt den zeitweiligen Befund von
nur 2 Lajipen an der rechten Lunge.
Alle derartigen Fälle entziehen sich im Leben der Diagnose.
Für die Prognose sind sie ohne Bedeutung.
2. Ueberwuchern der Faserschicht und Unter gang,
resp. Verkümmerung des Epithelrohrs sowie der Hohl-
r ä u m e.
Es muss in solchen Fällen anstatt eines Systems von Bronchialver-
zweigungen und Alveolen eine spongiöse oder solide , selbst compacte
Masse entstehen , die respirationsunfähig ist und nicht mehr , oder nur
in unvollkommener Weise noch Lungenstructur darbietet , wenngleich
die äussere Form der Lungen noch leidlich erhalten sein kann. Eine
derartige Anomalie kommt meist mit anderweiten, höheren Missbildun-
gen vereint vor.
Vrolik fand bei einem Akephalus statt der Lungen 2 spongiöse
Körper, welche von der Form der Lungen waren, aber keine Gefässver-
theilung zeigten. Sie waren von Pleura bedeckt und durch eine Binde-
gewebswand von einander geschieden.
Purst, Missbildungen der Lunge etc.
577
die Fig. 9. P. d. u. s. -- Pulmo dext.
u. sin. D. = Diaphragma.
(Vergl. Fig. 9.)
Ein Fall, welchen R a h n - E s c h e r
belichtet und als „angeborene compacte
luftleere Beschaffenheit" der rechten Lunge
bezeichnet, ist mit Wahrscheinlichkeit
keine Missbildung, sondern das Resultat
von Atelectase und Pneumonie ; hingegen
gehören hierher die von Meckel und
La Cat beobachteten Fälle, wo die
Lunge eine Zellgewebs-Masse , resp. ein
weisses, schwammiges Gebilde darstellte.
Bircli Hirsclifeld sucht
Verkümmerung einzelner Lungenlai^pen
zu einem schwieligen Bindegewebe auf Obliteration des betr.
Haupt-Bronchus zurückzufühi-en.
3. ü e b e r w u c h e r n des E p i t h e 1 r o h r s und Zunahme der
Hohlräume unter Verkümmerung des Fasergeweb es.
Es entstehen auf diese Weise statt der normalen Lunge blasige,
cystöse Körper mit verhältnissmässig dünnen Wandungen , in
manchen Fällen aber Gebilde von grobzelligem, cavernösem
Bau, der sich wenigstens einigermassen der Lungenstructur nähert.
Auch hier muss man von zweifelhaften Fällen, die als subpleurales
Emphysem gedeutet werden können , ganz absehen , wie z. B. von dem
ßahn-E s eh e r'schen Falle, in welchem sich unier der Pleur. pulm.
an der rechten Lungenspitze eine wallnussgrosse Blase , von kleineren
umgeben, fand. (Der Fall betraf ein 2V2Jähriges Mädchen, welches nach
Ütägigen croup-artigen Husten- und Erstickungs-Erscheinungen gestor-
ben war.)
In anderen Fällen ist jedoch Bronchiektasie und Emphysem ent-
schieden auszuschliessen und die Cy stenbildu ug nur als Entwicke-
lungshemmung (Gerhardt, Kessler) anzusehen, Fälle, die aller-
dings selten sind.
H. Meyer. Bei einem fünfmonatlichen. Fötus enthielt der obere
Lappen der rechten Lunge eine wallnussgrosse, dünne Blase
mit wiissriger Flüssigkeit. Nach der Lungenwurzel hin mündeten zahl-
reiche Bronchialäste in diesen Hohlraum. Aehnlichc, verschieden grosse,
nur durch dünne Scheidewände getrennte Blasen , die zum Theil in der
ganzen übrigen Lunge verstreut waren , eommunieirten gleichfalls mit
Bronchialästen.
Zwischen solchen mit einander oder mit den Bronchien in Ver-
bindung stehenden multiplen Cysten ist natürlich das Bindegewebe
schon wesentlich reducirt. In noch höheren Graden schwindet dasselbe
gänzlich und es bleibt eine Form zurück, welche mehr an die oben er-
wähnten Thierlungen-Typen erinnert, bei denen statt ausgehilde-
riaüdb. d. K-laderkranlcheiton. III. 2 »j7
578 Krankheiten der Atbmungsorgano. Lunge.
ter Septa nur balkenartige Leisten an der Wand des
Hohlraums sich hinziehen.
Barth oliuus. Der obere Lappen der linken Lunge Lildete einen
fibrinijsen, krfthaltigeu Sack , der innen masohenartig verbundene talUge
Vorsprünge und Bindegewebsstrünge enthielt und nut den !>ronc'hien
counuunicirte.
Li noch ausgebikleteren Graden bildet 1 Lappen oder sell)st die
ganze Lung e nur noch eine grosso Cyste mit glatten Wänden.
Nie. Fontanus. Bei einem 4jahrigen unter Cyanose gestorbenen
Knaben fand sich „.statt der fehlenden Lungen" (?) eine mit Luft
erfüllte, mit kleinen Gefiissen versehene häutige Blase, die mit der Luft-
röhre communicirte.
Valisneri. Bei einem Akephalus fand sich eine einlach blasige
Lunge ohne Lappen.
Winslow beschrieb (nach Meckel) eine einblasige, durchsichtige
Lunge.
Cjstöse Missbildungen eines Theils der Lunge zu diagnosti-
ciren, dürfte kaum möglich sein, da Dyspnoe, Cyanose und partielle
Dämpfung eher auf andere pathol. Processe zu beziehen sind. Das Le-
lien ist nur bei grösseren Cysten unbedingt beeinträchtigt.
Li den höhsten Formen findet man üljcrhaupt nichts mehr von
Lunge , sondern den Thoraxraum nur mit amorphen festeren oder flüs-
sigeren Massen ausgefüllt. (Vergl. die vollkommenen Lungen-Defecte.)
Im Anschluss hieraji sei noch erwähnt , dass auch das Zwercb-
f eil allein, wie Meckel nachgewiesen hat, grössere die Respirations-
Organe direct beeinflussende Verkümmerungen erfahren kann.
So sah Mery dasselbe zu einer unförmlichen Masse verbildet; Od-
helius besclu'eibt ein vollkommen häutiges Zwerchfell, Isenflamm
eines mit sehr spärlicher Muskulatur. In einem Fall von Büttner
fehlte der mittlere, sehnige Theil.
V. Anomale Anlage und Ausbildung der Lungen-
ge fasse.
&
ver
o
Bei Betrachtung der Missbildungen des Respirations - Apparates
■dienen die Missbildungen der Pulmonal - Gefasse ohne Zweifel eine
ganz besondere Beachtung. Der Zusammenhang zwischen den den Lun-
genkreislauf bildenden Gefässen und der normalen oder abnormen Ent-
wickelung und Ausbildung der Lungen -Anlagen ist naheliegend und
eine Verkümmerung oder Beeinträchtigung der Letzteren belAnoma-
lieen der ernährenden Gefasse zuweilen unvermeidbar , wenn nicht an
Stelle der Letzteren frühzeitig eine Collateral - Gefässbahn sich bildet.
Irlierzu kommt, dass diese Geläss-Anomalieen nicht blos ein morpholo-
Fürs t, Missbildungen der Lunge etc. 579
gisches , bez. entwickelungsgeschiclitliches Interesse haben , sondern
auch, da die betr. Individuen zuweilen in ihrer Lebensdauer nicht un-
bedingt benachtheiligt sind, klinisches Interesse darbieten.
1. Mangel der Anlage der Lun g en- Art erie.
Es wird sich zwar in manchen Fällen, wo man kein Rudiment einer
Lungen- Arterie vorfindet, nicht entscheiden lassen, ob man es mit einem
reinen Defect oder mit einem sehr frühzeitigen L^ntergange der ersten
Anlagen zu thun hat. Doch darf man sich, bei dem Fehlen von Resten
der Arteria pulmonalis, wie sie in Gestalt von soliden Strängen vor-
konnnen, für die erstere Annahme entscheiden.
Bigger fand bei einem ö'/a Monate alten Kinde vollkommenes
Fehlen der Lungen- Ai-terie. Sept. ventr. offen. Aorta aus beiden Ven-
trikeln entspringend und einen Lungenast abgebend.
G. Smith berichtet über einen gleichen Befund bei einem Smonat-
lichen cyanotischen Kinde.
Crisp erwähnt einen Fall von Fehlen der Art. pulm. bei einem
12jähr. cyanotischeu Mädchen. Sept. ventr. offen, For. ov. geschl. 4 Pul-
monal-Venen mündeten in den linken Vorhof. (In welcher Weise hier
der Collateral-Kreislauf sich angeordnet hatte, findet sich nicht ange-
geben.)
Herholdt beschreibt einen FaU , der einen 'A Stunde nach der
Geburt gestorbenen Knaben betraf. Art. pulm. fehlend. Der offene Duot.
art. ßotalli gab 2 Lungenarterien ab, dann war er obliterirt. Die Lun-
genvenen mündeten in den unteren Vorhof (Transposition).
In allen diesen Fällen ist kein Residuum einer Lungenarterie er-
wähnt ; die anderweitige Versorgung der Lunge erfolgt , wenn über-
haupt , aus dem Aorton-Gebiete durch anomale Zweige. Je ergiebiger
diese compensatorische Versorgung und je geringer die Defecte im
Septum cordis sind , desto massiger ist die Cyanose imd desto günstiger
auch verhältnissmässig die Prognose.
2. Anomale Localisation der P ulm onal- Gef äs fS-
Anlagen.
Wir haben in solchen Fällen Situs-Anomalieen vor ims, die sich
von dem Ursprünge bis zum End- Verlaufe der Arteria pulmonalis er-
strecken und z. Th. isolirt für sich zur Beobachtung gelangen , z. Th.
mit gleichzeitigen Anomalieen des Herzens, welche nicht directen Bezug
zu dem Lungenkreislauf haben. Die Fälle, in welchen Abnormitäten
des Ursprungs , des Abganges vom Herzen vorliegen , sind nicht völlig
von denen der Inversion (Transposition) zu trennen. Vielmehr liegt die
Sache so, dass mit letzterer immer eine Ursprungs-Anomalie verbunden
sein muss, während diese auch ohne Transpo.sition vorkommen kann
87 *
580 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
und meist durch gänzlichen Mangel der Anlage einer normalen ^ragen-
arterie oder durch Unwegsamkeit des normalen Weges aui coliaterale
Weise sich im Embryoual-Leben herausbildet, indem vorhandene andere
Bahnen vicariirend eintreten und die Lunge versorgen. Dabei ist je-
doch die anomale Localisation der Lungen-Gefässe in den vorwiegenden
Fällen entschieden ein ursprünglicher Fehler der Anlage und nur die
mehr oder weniger vollkommene Correctur dieses Fehlers eine Leistung
der .späteren Entwickelung.
a) A b n 0 r m e r U r s p r u n g.
Meckel fülu-t 2 Fälle an, in welchen die Lungenarterie aus der
von beiden Kammern abgehenden Aorta entsprang; in einem Falle nor-
mal weites Kaliber, Sept. atr. und ventr. fehlend, im anderen offenes
Sept. ventriculorum. — Farre: Beide Lungenäste entsprangen
einzeln aus der Aorta, die von beiden Kammern abging. Sept. atr,
und ventr. fehlten. Das Kind wurde 79 Stunden alt und litt an Dyspnoe,
— Wilson: Die Lungen- Art erie war ein enger Ast der Aorta.
Alles Uebrige wie bei Farre. Das Kind lebte 7 Tage unter Cyanose.
— Stande rt: Die einen kleinen Zweig bildende Lungen-Arterie
entsprang der Aorta. Auch hier waren alle übrigen Verhält-
nisse wie in dem Farre'schen Falle. Das Kind wurde 10 Tage alt und
war cyanotisch. Das Herz war einfach; statt des Septum bestand ein
rudimentäres Muskelband. — Tiedemann: Ein am 9. Tage gestor-
benes, nicht cyanotisehes Kind hatte zwar ein Herz mit 2 Vorkammern
und 2 Kammern. Die Pulmonal-Aeste entsprangen aus
der Aorta, die aus beiden Kammern hervorging. For. oval, und Sept,
ventr. offen. — Im Ar eh. gen. (Febr. 18J3) wii-d ein Fall mitgetheilt,
der ein lltägiges Kind betraf. Das Herz war einfach. Aus dem
gemeinsamen Ventrikel entsprangen Aorta und Art. pul ni,
mit zwei geschiedenen OefFnungeu. Keine Cyanose. — Tiedemann
berichtet ferner von einem lljiihrigen cyanotis^hen Knaben, dessen Herz
2 Vorkammern, aber nur 1 Kammer besass. Aus dieser entsprangen,
mit getremrten Oeifuungen, Aorta und Art. pulmonalis. — Mauran:
Ein Kind von 16'/= Monat hatte ein Herz mit einfacher Vorkammer und
Kammer. Aus letzterer entsprangen getrennt Aorta und Lungenarterie;
diese war verschlossen, der Duct. Bot. aber olfen. — Helmstedt
theilt einen Fall mit, in welchem die L u ng e n - Arte rie aus einer
mit dem rechten Ventr. communicirenden muskulösen Höhle (Co-
nus arteriosus?) entsprang. Sept. ventr. offen, For. ov. und Duct. llot,
geschlossen. — J. M a r s h a 1 1 berichtet von einem ähnlichen Befunde
bei einem 23jährigen Men.schen. — Ramsbotham. Bei einem lOtä-
gigen cyanotischen Kinde fand sich ein einfaches Herz und nur eine dem
gemeinsamen Ventrikel entspringende Aorta. — Diese schickte einen Ast
„in derEichtung des Duct. Botalli" ab (jedenfalls diesen selbst), der
die Lunge mit zwei Aesten versorgte. — K e r k r i n o- sah bei
einem dreimonatlichen Kinde die r e c h t e H e r z k a m m e r doppelt
(überzähliger Ventrikel); aus jeder Abtheilung eine Lungenarterie
entspringend. Beide verlmnden sich dicht darüber in einem o-er^einsamen
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 581
Tiuncus. — Chevers erwähnt , dass nicht nur erweiterte Bronchial-
Aeste , sondern auch Aeste aus der Subclavia und Aorta für die
Art. pulmonalis vicariiren. — Otto führt an, dass ein grosser Ast
aus der Aorta in der Gegend des 6. Eüc kenwirbels in die rechte
Lunge eintrat und dass auch kleinere Aeste vom P e r i c a r d i u m in
die Lunge traten. — M o n g a r s sah (bei Verkleinerang des linken
Astes der Art. pul m.) einen Ast von der Bauch -Aorta in
Begleitung des Oesophagus das Zwerchfell passiren und in der Brust-
höhle sich in zwei Zweige theilen , welche die unteren Lungenlappen
versorgten iind in der Lunge mit den Zweigen der Art. pulm. commu-
nicirten. — Gamage berichtet über einen Fall von Ursprung der Art.
pulm. aus dem Arcus aortae.
Es gellt aus allen derartigen Fällen hervor, dass einerseits ein voll-
ständiger Defect oder eine hochgradige Verkümmerung der Lungen-
arterie das Aortengebiet zur Aushülfe heranzieht, und zwar zuweilen
auf grossen Umwegen , dass aber anderseits Anonialieen des Herzens
(Mangel des Septum, abnormer Ur.sprung der Aorta, anomale Abschlies-
sung des Con. art. pulmon. , Bildung eines doppelten Ventrikels zu Ur-
sprungs-Abweichungen für die Lungen - Arterie Veranlassung geben.
Die betr. Individuen leben , trotz eines collateralen Kreislaufs , durch-
schnittlich nur kürzere Zeit (1 — 2 Wochen) unter Dyspnoe und Cya-
nose ; selten erreichen sie — und selbst dann immer leidend — ein Alter
bis in die zwanziger Jahre.
b) Transposition der Anlagen der grossen Gefässe.
Das Offenbleiben der grossen Gefässstämme auf einer früheren Ent-
wickelungsstufe ist es, was, nach H. Meyer, zu dieser Anomalie Ver-
anlassung giebt.
Dieselbe entsteht hiernach zu einer Zeit, in welcher der Truncus
communis arteriosus sich bildet (Rathke, Turner), das Septum atrio-
rum noch ein leichter Saum, das Sept. ventr. aber meist schon vollendet
ist, während die spiralige Drehung der Gefässstämme noch nicht, oder
in abnormer Rotation des Embryo (v. B a e r) stattgefunden hat. Viel-
leicht, dass auch die Drehung des Nabelstranges, wie Virchow ver-
muthet, und die durch die Lage der Nabelvenen lieeinflusste Oertlich-
keit der Leberanlage mit der Entstehung der Trausposition in Verbin-
dung zu bringen ist.
Es besteht schon normaler Weise beim Fötus ein Missverhältniss in
der Füllung beider Vorhöfe; der linke Vovhof erfährt von Seiten der
Lungenvenen nur eine ungenügende Füllung ; zur Vervollständigung der-
selben muss, da der Blutdruck sich auszugleichen strebt, aus dem rech-
ten Vorhof in den linken Blut überströmen; hierdurch bleibt bis zur
Geburt das For. oval, offen. In den Kammern ist die Füllung beider-
seits gleich und desshalb keine Ursache für das Ueberströmen , für das
Offenbleiben des Sept. ventr. gegeben; dasselbe wird, wie jede unbe-
nutzte Gefässbahn obliterirt, sich normal schliessen. Sobald nach der Ge-
burt das Blut aus dem vordem Vorhof in die Lungen strömt und sich
582 Krankheiten der Atlimungsorgano. Lunge.
der linke Vorhof durch die Lungenvenen stärker füllt, erhöht sich der
Blutdruck hier und im Aorteugebiete ; die Ursache für das Ueherstrümen
durch das For. ovale fällt weg ; dasselbe schliesst sich , ebenso wie dei
Duct Botalli Bei anoeborener Kleinheit oder Stenose der Art. piilmo-
nalis aber, sowie bei Transposition der Gefässstännne bleibt der Druck
in Folf'e des permanenten Missverhältnisses der Füllung der Vorhufe, in
diesen" verschieden. Man findet desshalb meist ein offenes For.
ovale, auch nach der Geburt. Ein Offenbleiben des Sept.
ventr. ist durch einfache, uncomplicirte Transposition an sich nicht
gegeben; doch kommt es als zufällige Complieation häufig zur Beob-
achtung.
In manchen Fällen findet man eine congenitale Stenose des Pulmo-
nal-Ostiums, als Effect einer fütalen Endocarditis, die Transposition der
grossen Gefässstämme complicirend (Virchow); bei solchen Missbilduii-
gen treten dann dauernd anomale Druckverhältnisse und deren Folgen
in den Vordergrund. Virchow unterscheidet eine mediane Transposi-
tion der Arterien-Ostien (in der Richtung von vom nach hinten) und
eine seitliche Transposition der Vorhöfe bei normaler Lage der Ventrikel.
H. Meyer. Bei einem Kinde, welches am Ende der 4. Woche un-
ter Cyanose starb, fand sich der Ursprung der Art. pulm. im lin-
ken Ventrikel, der dünnwandiger als der rechte war. For. ov. offen.
Herz bedeutend vergrössert. Zwischen der Bifurcation der Arteria pul-
monalis Abgang des Ductus Brt. Botalli.
Vircliow fand in einem Falle neben Ijeiderseits zweilappiger Lunge
und überwiegender Grösse der rechten Lunge, zugleich mit Stenose des
Pulmonal-Ostiums und Divertikelbildung am Conus art. pulm. die Ar-
te r i a ]3 u 1 m o n a 1 i s zwar aus dem rechten Ventrikel kommend aber
nach hinten gelegen; die Lungenvenen mündeten rechts in
den einfachen Vorhof.
J. Cookie sah bei einem 2'/:) Jahre alten Knaben, der an Cya-
nose, Husten und Kurzathmigkeit gestorlien war, die Lungenarterie
aus dem vordem Theile des linken Ventrikels entspringen.
Zahlreiche Fälle von T r a n s p o s i t i o n der grossen Grefässstämmc
hat H. Meyer (a. a. U.) zu.sammenge,stellt und zwar
I. Mit (J f f e n b 1 e i b e n des F o r a m e n ovale (Lebensdauer
35 Stunden bis 2'/-! Jahrj.
n. M i t g 1 e i c h z e i t i g e r U n v o 1 1 s t ä n d i g k e i t des Sep:
tum V e n t r i (• u 1 0 r u m (Lebensdauer bis 19 .Jahre).
IlL M i t F e h 1 e r n i n d e r W e g s a m k e i t d e r A r t e r i e n-
stämme und der Ostien der Herzkammer.
Die Traiispositiou lässt sich höchstens durch die veränderte Loca-
lisation der Arterien-Töne nachweisen , abgesehen von den auscultato-
rischen und klinischen Zeichen , welche die In.sufficienz der Septa be-
dingt und welche nur als Complieation anzusehen .sind. Die Prognose
ist nicht ungün.stig , sobald diese Complieation fehlt. Aber selbst mit
derselben kann sich — freilich unter Dyspnoe und Cyanose — die Le-
1 lensdauer auf Jahre erstrecken.
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 583
c) Abnorme T h e i 1 ii n g der A r t e r i a p u 1 m o n a 1 i s.
Eine anffalleiicl niedrige Tlieilung der Lirngenartenen hat Oh e-
vers beobachtet; sie erfolgte dicht über dem Ursprung. Eine ähnliche
Beobachtung machte Cassan. Bloxham fand bei einem 3jährigen
Kinde den Stamm der Lungenarterie kaum 1 Linie lang (gleichzeitig
Engigkeit der Art. pulm.).
Chevers erwähnt einen Fall von Abgang einer Subclavia aus
der Pulraonalarterie ; Langstaf f und Krey sig beschreiben je 1 Fall, in
welchen die Art. pulm. Stamm der Aorta descendens war. Es ist einleuch-
tend , dass in solchen Füllen keine abnonne Theilung, kein überzähliger
Ast der Lungenarterie vorlag, sondern lediglich ein partielles Vicariiren
derselben für die Aorta, meist unter Vermittelung des persistirenden
Ductus Botalli.
Fälle von mehr oder weniger a n o m a 1 e m V e r 1 a u fe der Lungen-
Arterie sind als Symptom- und bedeutungslose Varietäten zu betrachten.
3. Anomale weitere Ausbildung der ersten Anlage der
Lungeugefässe.
Eine ganze Anzahl von Fällen zeigt das Gemeinsame, dass zwar die
äussere Form der Pulmonalgefässe normal angelegt ist, dass ihr Ur-
sprung, ihre Lage regelmässig sind, aber ihr Lumen mehr oder weniger
obliterirt, sei es durch ursprünglich zu enge Anlage, sei es durch pa-
thologische Stenosirung während des frühesten FiJtallebens. In allen
diesen Fällen ist der Kreislauf durch die Lungen beeinträchtigt und
demzufolge einmal die Bildung von Collateral-Gefässbahnen , sodann
aber die Stauung im rechten Ventrikel mit all ihren Rückwirkungs-Er-
scheinungen gegeben.
a) Allgemeine Engigkeit im Kaliber der Lungen-
Arterie.
Wir haben in solchen Fällen nur eine totale oder partiell eine Seite
betreffende Verjüngung des Lumens der Art. pulm. vor uns, eine Ano-
malie, die schon mit ziemlich grossen Störungen verbunden sein kann.
G. Kessler: Ein Mädchen starb, nachdem es unter asphyctischen
Erscheinungen und Cyanose monatelang gelitten hatte. Bei der Section
fand sich, dass die linke Art. pulm. 4 Mm. kleiner im Durch-
messer war, als die rechte. Der Duct. Bot. war bis auf eine punkt-
förmige Oeff'nung geschlossen. Die rechte Lunge übrigens normal.
Otto und Faire fanden in je 1 Falle die Art. pulm. verengt.
Die Gaz. med. (Febr. 1845) berichtet von einem 6jährigen Knaben,
diT cyanotisch war und bei dem sich verkleinerte Art. pulm. mit
offenem For. ovale und rudimentärem Sept. ventr. vorfand.
Peacock fand bei einem lOvvöchentlichen , wenig cyanotischcu
Kinde die Lungen-Arterie sehr engen Kalibers. Das For. ov. offen.
584 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Mougai-s fand (in dem schon oben citivten Falle) den Unken Ast
der Art. pnlm. kleiner.
Die Symptome bestehen iu Cyanose, asphyctischen Zufällen^ Kurz-
athmigkeit, ohne Zweifel auch in veränderten auskultatorischen Zeichen
in der Art. pulm. und im rechten Ventrikel, worüber leider nichts ange-
geben ist. Die Prognose ist quoad vitam et valetudinem ziemlich
ungünstig, weil die Folgen der Stauung im rechten Ventrikel nicht
ausbleiben.
b) Totale Obliteration der Lungen -Arter ie.
Ist das Lumen schon bei der ersten Anlage der Lungen-Arterie
sehr eng, so ist die Möglichkeit einer vollkommenen Verschliessuiig
naheliegend.
Eine f5olche complete Atresie beobachtete Stein in dem oben be-
reits ciürten Falle. Zahlreiche Fülle von Obliteration hat H. Meyer zu-
sammengestellt, meist von completem Verschluss und Verkümmerung zu
soliden, faden- oder strangförmigen Rudimenten. Schliessen wir hier die-
jenigen Fälle aus, von denen Meyer selbst annimmt, dass sie dm-cli
fötale Erkrankung zu erklären sind , so bleiben noch sehr viele übrig, die
alle Stadien der Stenosiiung und Solidification, aber keinen Anhaltspunkt
eines ätiologischen Momentes darl^ieten, also mit Wahrscheinlichkeit Bil-
dungsfehler sind. Zuweilen findet sich in diesen Fällen eine Anomalie
an den Klappen, eine Transposition der grossen Gefässstamme, ein ab-
normer Ursprung der Art. pulm. , sonst aber keine Anomalie an dieser,
dagegen meist otienes For. ov. , fehlendes oder unvollkommenes Sept.
ventriculorum.
Landouzy fand bei der Section eines 8jähr. Mädchens, das seit
Jahren an Cyanose, Dyspnoe u. s. w. erkrankt war, eine fast völlig
obliterirte Lungen-Arterie von nur 3 Mm, Lumen. Nur 2 Val-
vulae sigm. ; For. ov. otFen, Sept. ventr. unvollkommen. R. Ventr. hyper-
trophisch. — H. Meyer. Bei einem IV/i Jahre alten Mädchen, das
mit Cyanose und Dyspnoe gestorben war, fand sich die aus dem oberen
Theile des Conus arteriosus entspringende Art. pulm. auffallend
eng. Sie besass nur 2 Semilunarklappen. Die Lunge wurde durch 2
auffallend grosse Bronchial- Arterien versorgt, von denen die linke aus
der Subclavia, die rechte sus dem Arcus aortae entsprang. Die Aorta
trat aus dem rechten Ventrikel hervor. For. ov. offen, ebenso das Sept.
ventr. Der Duct, art. Bot. war lang, dünn, in der Mitte obliterirt. -
W. Hunt er fand bei einem IStägigen cyanotischen Kinde die Lungen-
Arterie wie in einen festen Strand umgewandelt. Sept. ventr. und Dutt.
Bot. offen. — Hodgson sah Aehnliches bei einem Vtägigen Kinde. —
S. Weiss: Bei einem 6jährigen Knaben, der an Cyanose°und Dyspnoii
gelitten hatte, fand sich die Art. pulm. kaum bleistiftdick. Die Oeffnung
in dem Cstium war nur von der Grü.sse eines Stecknadelknopfcs. (Schwie-
lige Verdickungen in der Umgeljung dieses Ostiums macheu es wahr-
scheinlich, dass hier Karben vorliegen, welche von einer vor dem 2 Pö-
talmonate stattgehabten Endo- und Myocarditis heiTühren.) CoUateral
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 585
sendete die Aorta thoracica mehrere starke Zweige an die Lungen-Basi«
und in die Lunge.
Aehnliche Obliterationen beschieiben Ramsbotham, Babington.
Dass alle derartigen Stenosirungen aus einer frühen Embryonal-
Zeit datiren, dass es sich um eine sehr frühzeitige Atrophie des 4. und
5. Gefässbogenpaares (Turner) handelt, geht besonders daraus her-
vor , dass in den meisten Fällen von Obliteration der Lungen - Arterie
das Septum ventriculorum , das in der 2. Hälfte des 2. Monats vollstän-
dig ist, Defecte darbietet. Da ein nachträgliches Sprengen desselben
nicht vorkommt, sondern höchstens eine Verdrängung nach links durch
den stärkeren Blutdruck bewirkt wird (wodurch das Septum unter die
Aorten-Mündung gelangt und die Aorta mit beiden Kammern zugleich
in Communication tritt) , so kann , wie H. Meyer nachgewiesen hat,
wenji man eine Communication beider Ventrikel findet , die hemmende
Ursache nur vor der 6. Woche in Wirksamkeit gewesen sein. Die
Enge der Lungenarterien-Bahn ist das Primäre; etwaige Bildungshem-
mungen (Oeffnung im Sept. ventr. , Offenbleiben des For. ov., des Duct.
Bot., Dilatation der vicariirenden Arteriae bronchiales, abnormer Ui'-
sprung der Aorta) sind das Secundäre (H. Meyer) ; die Ursache dieser
Anomalieen ist, wie übrigens bereits 1844 Aberle nachgewiesen hat,
nur das durch die Lungenarterien-Stenose gestörte Gleichgewicht des
Drucks in beiden Herzhälfteu.
Die Lebensdauer der betr. Individuen ist meist sehr beeinträchtigt
(sie beträgt höchstens wenige Jahre) , und die Gesmidheit durch die
dyspnoischen und suffocatorischen Erscheinungen, durch die Cyanose
fast immer gestört , da die Entlastung des Lungenarterien-Gebiets von
ihrem üeberdrucke theils durch die Lücken in den Septis , theils liurch
compensatorische arterielle Versorgung der Lungen nicht genügt , um
die Stauung hintanzuhalten und da die Cyanose mit ihren Folgen für
die Ernährung unvermeidlich ist.
c) Partielle Stenose resp. Obliteration der Lungen-
Arterie.
Die angeborene Verengung, resp. Verschliessung der Lungen- Ar-
terie kann sich auf einzelne Theile derselben beschränken. Je stärker
diese Stenosirung ist , desto mehr wird das Aortengebiet zur Bildung
eines CoUateral-Kreislaufs verwendet , bis schliesslich in den höchsten
Graden ausschliesslich von diesem aus die Ernährung der Lunge er-
folgt, meist so, dass die normalen Bronchialzweige wesentlich verstärkt
sind und der Ductus art. Botalli , indem er offen bleibt , den Blutzufluss
zur Lunge vermittelt und das obliterirte Stück der Arteria pulmonalis
5J50 Ki-anliheiten der Athmungsorgane. Lnnge.
bis zu seiner Einmündung z. Th. ersetzt. Zuweilen sind diese Verenge-
rungen des Lumens einfach auf Anoraalieen des Conus arteriosus
der Pulmonal- Arterie zurückzuführen, welcher — wie dies H.
Meyer beschrieben hat — von dem Haupttheile des rechten Ventrikels
durch eine schwielige Masse (Residuum fötaler Endocarditis ?) abge-
schnürt , die Stenose der Lungenarterien-Bahn zur Folge hat.
AehiiHrhe Abschnürung des Conus arterinsus bietet der oliige
Fall von Weiss dar, sowie ein Fall von Cläre, in welchem bei emem
l'Jiährigen cyanotischen Manne sioh der rechte Voibof stark erweitert,
da's Pulmonal-Ostiuni stark verengt fand. Es führte in eine kleine Kam-
mer (den aligeschnürten Conus arteriosus), aus der auch die Aorta ent-
sprang. Die °Bronchialarterien waren ungewöhnlich gross, das For. ovale
stand offen.
Die D iagn ose einer Stenose am Ostium der Art. pulm. wird, ab-
gesehen von den Stauungserscheinungen und der Dyspnoe von dem sy-
stolischen Geräusche an dieser Stelle abhängen. Die Prognose bleibt,
selbst wenn die Individuen die Kinderzeit überstehen , ungünstig.
In andern Fällen ist es das 0 s t i u m a r t e r i o s u m seilest , insbe-
sondere der Klappen- Apparat, wo die Stenose ihren Sitz hat.
Weniger sind hier Klappen-Defecte zu nennen, als abnorme Configura-
tionen und degenerative Missgestaltungen der Serailunar-KIappen, wie
warzige , knotige Erhebungen , Excrescenzen , Verschmelzungen bis auf
eine kleine Oeffnung , rudimentäre Verkümmerungen , schwielige Ver-
dickungen , welche theils an und für sich , theils durch Einschnürung
über den verbildeten Klappen (Pulteney, Marshall), theils auch
durch membranöse Brücken und Bandmassen die Wegsamkeit beein-
trächtigen.
Cruveilhier, Craigie, Sandifort, Hein, Louis, Chevers
und viele Andere haben derartige Fälle beschrieben, und vor Allem hat
JH. Meyer die reiche Literatur hierüber zusammengestellt. Aus einer
Betrachtung der betreffenden Fälle geht freilich hervor, dass die oben
erwähnten pathologischen Veränderungen der Klappen und die liieraus
resultirende Pulmonal-Steno.se meistens Effect von fötaler Endocarditis,
resp. Endarteriitis sind. Reine, unzweifelhaft auf gestörter Entwickelung
beruhende Missbildungen sind die Minderzahl.
Die Lebensdauer beträgt (nach Meyer) bis 57 Jahre, ist also kaum
gestört, wenn die Obliteration nicht zu hochgradig ist. Der 2. Pulmo-
nalton muss iu solchen Fällen durch ein Geräusch überdeckt sein , das
möglicherweise auch während der Systole des Herzens fortdauert, ana-
log, wie bei andern Klappen-Stenosen.
Um hier gleich die an der Lungenarterie vorkommenden Kl ap-
pen-Anomalieen anzuschlie.ssen , die wirkliche Bildungshemmun-
gen, resp. excessive Missbildungen darstellen, so finden sich nach beiden
Fürst, Missbi] düngen der Lunge etc. 587
Richtnugen hin Beispiele in der Litteratur. Diese Fehler der Entwicke-
lung sind meist nicht mit Rtenosirung des Lumens verbunden und be-
einträchtigen auch nur ausnahmsweise die Lebensdauer. In manchen
Fällen besteht eine Verminderung der K 1 a p p e n z a h 1.
Zwei Semilnr.ar-Klappen beobacLitcteii H. Meyer (in dem oben
beschriebenen Falle), Landouzy und Weiss (desgl.); feiner Win-
trich (mit Stenose der Art. pulm.), Eibes, Eückert, Caillot, Pa-
lois, Sandifort, Taylor, Oldham, Graves (bei einem 66jäh-
rigen Manne). Ob hier, wie u. A. Clievers vermuthet, eine Klappe
durch fötale Entzündung und Eesorption geschwunden ist, muss sehr
dahingestellt bleiben ; viel wahrscheinlicher ist eine Bildungs-Anomalie,
besonders dann , wenn anderweitige Krankheitsresiducn fehlen. Nur
eine Klappe fand Luithlen bei einem 36jährigen, nicht cyano tischen
Manne. Alle derartigen Klappen-Mängel sind meist Symptom- und be-
deutungslos , da die vorhandenen Klappen noch genügenden Verschluss
bewirken .
Vom gänzlichen Fehlen der Klappen berichtet Chevers
nach F a V e 1 1.
Ein 8j ähriger cyanotischer Knabe zeigte bei der Section zwischen
rechter Vorkammer und der kaum wallnussgrossen rechten Kammer keine
Communication. Im linken Ventrikel dicht hinter dei Mitralis eine Oeff-
nung im Septum , welche in die Wurzel der aller Klappen ent-
behrenden Pulmonalarterie führte. Für diese Klappen fun-
girte z. Th. die Mitralis.
Hier fehlt jeder g e n ü g e n d e Verschluss ; es wird also auch die
Stauung im rechten Ventrikel, nebst ihren Folgen nicht ausbleiben und
die Prognose demzufolge bei völligem Defect der Klappen wesentlich
schlechter. Das höchste beobachtete Lebensalter war
bei 2 Klappen 66 Jahre,
bei 1 » 36 Jahre,
bei totalem Klappenmangel 8 Jahre.
Auch von angeborener Vermehrung der K 1 a p p e n z a h 1 existiren
Beispiele.
So sah T h 0 m p s 0 n 4 , T o d d 5 Klappen.
Factische Stenosir un gen und völlige Obliterationen finden sich
ferner im Anfangsstück der Arteria pulmo nalis.
Farre und Mauran fanden dasselbe „blind", Peacock sah die
Mündung der Lungenarterie sehr verengt; das Septum ventric. war man-
gelhaft mid die Aorta entsprang hauptsächlich aus dem rechten Ven-
trikel. Ebenso war in dem Falle von Huss die Mündung der Art. pulm.
bei einem 6jährigen cyanotischen Knaben verengt. Der rechte Ventrikel
war vergrössert. Das Per. ov. war geschlossen; das Sept. ventr. offen.
Der Duct. art. Bot, fehlte ganz.
Zuweilen reicht die ünwegsamkoit der Lungenarterie weiter
und zwar über den Anfang derselben hinaus bis an die Abgangs-
5gg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
stelle des Ductus art eriosus Bot alli, theils gleichzeitig mit
Klappeu-Anomalieeu (W a U a ch , S p i 1 1 a) , theils ohne solche.
J Wallach sah bei einem 13jährigen, von Gehurt an cyanoti-
sehen Knaben, der au Katarrhen. Dyspnofe-, Lungeublutungen etc ge-
storben war, eine verküuuuerte Lungen- Arterie , die aus einem durch
Muskelbalken ziemlich geschlossenen Conus und mit fest membranös,
kuppellormig verschmolzenen Klappen als diumhäutiger Kanal entsprang,
und zwar mit einem Lumen von 2 Mm. Durehmesser. Die Arterie gmg,
gabiig getheUt (aber blutleer, faltig und dünn) weiter; der rechte Zweig
Hess sich bis in die Lunge verfolgen, der linke nicht. Die Einmündungs-
stellen der Lungenvenen waren klein, der rechte Ventrikel erweitert.
Die Lungen waren klein, blutarm.
Spitta beobachtete bei einem 40jährigen cyanotiscben Knaben eine
Stenosirung der Lungen-Arterie durch eine cpier über den Klappen ver-
laufende Membran, die eine Linie dick und in der Mitte spaltfürmig
durchbohrt war. For. ov. offen. Eechtes Herz, besonders der Vorhof,
hypertrophisch.
Ohne gleichzeitige Klappen-Anomalieen wurde Obliteration der
Art. pulm. selbst bis zur Theilungsstelle mehrfach beobachtet.
Parre. Bei einem 4wöchentl. cyanotiscben Kinde war die Art.
pulm. bis zur Theilung geschlossen. Die Lunge wurde vom Duct. art.
Bot. gespeist. Die Aorta entsprang aus beiden Ventrikeln.
M a u r a n (s. oben) ; Lungenarterie verschlossen ; Duct. art. Bot. offen.
H 0 w s h i p. Bei einem ömonatl. cyanotiscben Kinde war die Art.
pulm. bis zum Duct. Bot. unwegsam. Beide Vorkammein communicirten
mit der aus dem rechten Ventrikel entspringenden Aorta.
S p i 1 1 a 1. Bin 23tägiges Kind mit Cyanose bot Unwegsamkeit der
Lungenarterie Ids zum Duct. art. Bot. dar. Sept. ventr. oifen.
Chambers: Bin 9 — lOjähriger cyanotischer Knabe zeigte Ver-
schluss des untern Theils der Luugenarterie. In den oberen offenen Theil
mündeten Aeste der (aus der rechten Herzkammer entspringenden) Aorta.
Sept. ventr. offen.
Wie man .sieht , kommen derartige Individuen nur selten über das
Kindesalter hinaus und bieten fast immer neben Dyspnoe , chronischen
Katarrhen und Lungenblutungen Cyanose dar, weil die frühzeitige Ob-
literation des Stammes der Lungen- Arterie theils .eine nur höchst un-
vollkommene Versorgung der Lunge mit Blut , theils eine fötale Miss-
bildung des Herzens (unvollständige Bildung des Septum ventr. , Offen-
bleiben des For. ovale , anomalen Ursprung der Aorta aus dem rechten
oder aus beiden Ventrikeln) bewirkt, hierdurch aber die Bilduno- eines
rein arteriellen Blutes unmöglich macht. Die Versoro-uno- der Lun^e
durch den Ductus arteriosus Botalli, sowie die compensatorische Erwei-
terung der Bronchialarterien veriuag zwar die Ernährung der Lungen
zu vermitteln, aber den Lungenkreislauf und die Vermitteluno- des Gas-
Aufstansches nicht zu ersetzen. Nur der höhere Druck in dem rechten
Fürst, Missbildungen der Lunge etc. 589
Ventrikel ist es , der auf mechanischem Wege verringert werden kann,
indem durch Verschiebung und Offenbleiben der Septa ein Ueberströmen
in den Aorten-Kreislauf und dadurch eine Ausgleichung der Spannuug
bewirkt , der Duct. art. Botalli aber durch Umkehruug der Strömung
aus der Aorta in die Pulmonalis offen erhalten wird.
Angeborene Erweiterung der Luugen- Ar terien
kommt höchst selten vor.
Ebenezer Smith sah dieselbe bei einem cyanot. Neugeborenen mit
geschlossenem For. ovale, Canton bei einem 2tägigen Kinde mit ange-
borener VerSchliessung der Aorta.
d) Anomalien der L u n g e n - V e n e n.
Gegenüber den Missbildungen der Lungen- Arterie treten die der
Lungen-Venen sehr an Bedeutung zurück und werden nur in Verbin-
dung mit Anomalieen der Lungenarterie und des Herzens angetroffen.
Dass bei mehr oder weniger ausgedehnter Obliteration der Pulmonal-
Arterie der Lungenkreislauf überhaupt verkümmert und demzufolge
auch die Lungen- Venen nur unvollkommen entwickelt sind , ist selbst-
verständlich. Ebenso dass bei vollkommener Transposition der grossen
Gefässstämme die Lungenvenen in den rechten Vorhof müudeu. Inte-
ressante Ausnahmen bieten die FäUe von unvollkommener Trausposi-
tion , in denen nur die Mündung der Lungenvenen eine seitliche Um-
kehrung erfahren hat.
So mündeten in dem obigen Virchow 'sehen Falle die Lungen-
venen rechts in den einfachen Vorhof, während die Art. pulm. weiter
nach hinten aus dem rechten Ventrikel entsprang. In dem Falle von
Peacock mündeten die Lungenvenen in den rechten Vorhof; auch
hier war der Ursprung der Lungen-Arterie im rechten Ventrikel. Im
H erhol dt' sehen Falle fand eine gleiche Einmündung statt, wählend
gleichzeitig vollständiger Defect der Lungen-Arterie vorlag. Besonders
eigenthümlieh ist der Fall von Eaoul-Chassinat, in welchem die
Venen dei rechten Lunge in die Vena cava inf. mündeten.
VL Anomale Anlage und Entwickelung des Respira-
tions-Apparates in Verl) in düng mit anderweitigen
M i s s b i 1 d u n g e n.
Dass in Fällen von hochgradiger Verkümmerung einer einfachen
Frucht auch die Respirations-Organe entweder total oder grösstentheils
fehlen, ist eine schon von Me ekel und Fleischmann hervorgeho-
bene , von Förster, Gurlt und Anderen bestätigte Thatsache. Die
Brust- und Uuterleibshöhle finden sich oft nicht geschieden , erstere
theils von LTnterleibsorganen, theils von abnormen Substanzen (flüssigen
oder festen) erfüllt , selten Lungen enthaltend. Der Thorax ist
590
Krankheiten der Athmungäorgane.
rudimentär. A c e p h a 1 e n mid A c a r d i a c i bieten in dieser Beziehung
ein ziemlich übereinstimmendes Bild. _
Zu linden sind Lungen oder deren Rudimente, bei solclien Miss-
bildungen, woTheile des Kopfs vorhanden sind; sehr klem smd me
meist, wenn sie liei Brustspalte freüiegen. , , j
Auf was dieser constante Lungen-Mangel beruht, ob er durch das
Ueberwiegen des ausgebildeten Zwillings und secundäre Verkümme-
rung, oder durch ursprünglichen Mangel nnd primäre Atrophie der An-
lagen bedingt ist, ward noch nicht festgestellt.
Bei Doppel- Missbildungen kommen alle Stadien der Ver-
kümmerung vor, wie sich am deutlichsten aus lieifolgender Tabelle er-
sehen lässt, die vorwiegend Thier-Missbildungen umfasst:
Verhaltender Respir.-Organe bei Doppel-Miss-
bildnngen.
A. Vollkommene Verdoppelung d. lie sp. - 0 r g a ne.
Luflrühreu. Lungen. , , 1-,. -, , . T^li^,.,
2. 4, Sternopagus (Lancerea uxj *J. (Vergl. Fig. 11.) ihoui-
copagus (Förster). . , ,■ tt
2 4. Thoracopagus Xiphopagus (Vrolik)«'). Auch die Herzen
doppelt. (Vergl. Fig. 10.)
2. 4. Octopus biauritus (Gurlt). 2 Lungen ausser Verbindung
m. d. Luftröhre.
2 4. 1 Paar Lungen kleiner (Barkow).
2'. 4. Dicephalus bihimbalis a. bispinalis (Gu rlt). Die einander
zunächst liegenden Lungen kleiner.
B. Unvollkommene Vcrdopp. d. Resp.-Organe.
Diprosopus sejunctus (Gurlt). Diceph. biatlanlicns (Spü-
ring). Diceph. subbidorsual. (Wolff).
Tetrascelus symphyoceph. (Gurlt). Die 3. Lunge erhielt
v. jeder Luftröhre 1 Ast.
Heterodidymus octipes emprosthomelophorus (G u r 1 1). 1
Luftr. zu 1, 1 zu 2 Lungen. Jede Lunge in 4 Lappen
getheilt.
Diceph. bispinal. (Faust).
Luftröhre ob. einf. , hinten gespalt. u. m. dem Schlünde
verbunden, unten doppelt (Mayer).
Luftr. nur theilw. doppelt (Diprosoii. pejunot. , Diceph. bi-
atlanticus u. subbicollis) (Gurlt, Meckel).
Larynx confluirt. Herz doppelt (Prosopothoracopagus , Ro-
senstiel).
Der einf. Luftröhre entspringen 4 Bronchi. Tetrachirus sym-
phyoceph. (Gurlt).
Diprosopus sejunct. , Heterodidymus , Tetrascelus bifacial.
(Gurlt).
Thoracopagus parasiticus (Förster).
*) [naohBroca] Die Herzen waren zu einem einfachen verschmolzen, das
2 Lungenart. aussandte. Die unt. Hälfte d. Herzens enthielt 2 nur unvoUk.
getrennte Ventr., die gleichzeitig den Pulmonal- und Aortenkreislauf versorgten.
**) In d. gemeins. Thoraxhöhle lagen beide Herzen, deren jedes 1 bedeu-
tende Art. pulm. abgab , je für 1 Lungenpaar. 1 Duct. art. Botalli mündete
in den beiden Herzen gemeinsamen Aorten-Stamm.
2.
3.
2.
0
rJ.
2.
3.
2.
2.
2.
4.
2.
2.
2.
2.
1.
4.
1.
2.
1.
2.
Fürst, Missbildungen der Lunge etc,
591
Dem Parasiten fehlt meist das ganze Respirationssystem , gleich-
viel, ob die beiden Thoraxhöhlen confluirt oder getrennt sind. Meist
ist auch die Brusthöhle des Parasiten rudimentär.
Fig. 10. A. = Aorta. A. p. = Art. pulm. D. a. B. = Ductus art. Bot. C.
a. = Cor. ant. C. p. = Cor. post. P. a. u. P. p. = Pnlni. ant. u. post.
Fig. 11. A. = Aorta. P. d. u. s. = Pulmo dext. u. sin. V. S. C. = Vena
Cava sin.
Dass alle diese Missbildungen , sobald das Respirations-System des
einen Individuums unvolllcommen entwickelt i.st, Lebensuniahigkeit zur
Folge haben, ist selb.stredend.
Croupöse Pneuinouie
Prof. L. Thomas.
Vgl. die Literaturzusammenstellung am Anfang des Artikels:
»Croupöse Pneumonie« im 5. Band von Ziemsseu's Handbuch der spe-
cielleu Pathologie imd Therapie, von .Jttrgensen; unter den Werken
über Kinderkrankheiten s. besonders die von Bar tliez imdRilliet,
Steffen, G e r h a r d t, S t e i n e r, V o g e 1. Die einzelnen Aufsätze und
grösseren Abhandlungen, die über croupöse Pneumonie der Kinder han-
deln, gebe ich in der folgenden alphabetischen Zusammenstellung, um
die Auffindung eines literarischen Nachweises zu erleichtern : im Ori-
ginal , wo ich dieses selbst einsehen konnte , die übrigen in dem betref-
fenden Auszugsjournal. Die Abkürzungen für letztere , wie Schmidt's
Jahrbücher, die Jahresberichte von Canstatt und Virchow-Hirsch, Jour-
nal für Kinderkrankheiten, Jahrbuch für Kinderheilkunde, die Oester-
reichische Zeitschrift für Kinderheilkunde, das Oesterreichische Jahr-
buch für Pädiatrik u. s. w. werden leicht verständlich sein.
Abelin, J. f. Kkh. 43. p. 445. .55. p. 91. — Adams, J. f. Kkli. 3.
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Zur Perc. , Ausc. u. Phonometrie. Stuttg. 1877. p. 274 und Med. Diagnostik.
Stuttgart 1877. p. 128. — Bamberger, Schm. Jb. 113. p. 348. — Banze,
Jb. f. Khkde 1873. VI. p. 336. — Bardenhewer, Berl. kl. Wsehr. 1877.
p. 597. — Baron, J. f. Ekh. 1. p. 20. u. 18. p. 243. — Barrier, Schm. Jb.
36. p. 371. — Bartels, D. Arch. f. klin. Med. 1874. XIII. p. 33. — Barthez,
J. f. Kkh. 17. p. 311. 19. p. 239. 39. p. 94. Schm. .Tb. 115. p. 57. Ost. Jber.
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— Hervieux, Schm. Jb. 123. p. 312. 135. p. 168. Jbch f. Khkde 1865. VIL
p. 79 d. Anal. J. f. Kkh. 21. p. 1. — Heschl, Pr. Vjschr. 51. p. 1. — Hillier,
V.-H. Jber. 1868. IL p. 645. 647. — Hirschsprung, V.-H. Jber. 1873. IL
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Bayr. Intell. 1876. p. 527. — Hood, J. i. Kkh. 5. p. 192. 198. — v. Hütten-
brenner, Jbch f Khkde 1872. V. p. 206. — Imbert-Gourbeyre, Schm.
Jb. 85. p. 182. — Immer mann n. Heller, D. Arch. f. kL Med. 1869. V.
p. 1. — Irvine, BerL kUn. Wschr. 1876. p. 468. — Jacobi, J. L Kkh. 42.
p. 447. 56. p. 259. — Jenni, Schw. Ztschr. f. Med. 1850. p. 165. — Jensen,
Memorab. 1868. p. 50. — Jürgensen, Volkm. Samml. kl. Vortr. No. 45. —
Jurasz, Berl. kl. Wschr. 1874. p. 197. - Käseler, Diss. Berl. 1835. —
Kaiser, Schm. .Jb. 50. p. 201. — Kaulich, Pr. Vjschr. 69. p. 94. — Ker-
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Int. 1858. p. 405. — Key, V.-H. Jber. 1869. L p. 232. — Kiderlin, Bayr.
Intell. 1861. p. 600. — Kiemann, Pr. Vjschr. 99. p. 72. — Kindervater,
Schm. Jb. 34. p. 153. — Klinger, Bayr. Intell. 1874. p. 321. — Kluge u.
Froriep, Schm. Jb. 10. p. 193. — Knoll, These de Strasb. 1869. — Kö-
ring, Diss. Greifsw. 1863. — Köstlin, Arch. f. pliys. Heilk. 1849. VHL
p. 154. 1854. XIII. p. 185. 391. — Krabler, Greifsw. med. Beitr. 1864. II.
p. 101 d. Ber. — Krause, Diss. Lpzg 1868. — Krembs, Diss. Greifsw.
1858. — Kreuser, Schm. Jb. 41. p. 313. Arch. f. phys. Heilk. 1843.11. p. 45U.
— Kübel, Würt. Corr. 1848. p. 189. — Küstner, Arch. f. Gynäk. 1877. XL
p. 256. - Laudy, J. f. Kkh. 3. p. 95. — Laveran, V.-H. Jber. 1875. IL
p. 201. — Lawrence, Cst. Jber. 1842. L p. 501. — Lebert, BerL klm.
Wschr. 1871. p. 518. — Legendre u. Bailly, J. f. Kkh. 3. p. 273. — Le-
Handb. d. Kiaderkrankheiten. III. 2. 3o
159.
J. f.
842.
— V.
28. p
. 293.
, Schm. Jb.
Berl.
1861.
Berl.
1868.
.576.
1875.^
594 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
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3. f. Kkh. 12. p. 42. - West, Cst. Jber. 1843. IV. p. 361. L f. Kkh. 11.
p. 111. 34. p. 168. 46. p. 70. — Widerhofer, Jbch f. Khkde 1866. VIII.
p. 194. N. F. VL 1873. p. 18. — Wi 1 1 i ch, die acute Pn. etc. Erlangen 1850.
p. 72. — Wood, J. f. Kkh. 40. p. 87. — Wrany, Pr. Vjschr. 95. p. 8. —
Wunderlich, C, Dis,s. Tüb. 1858. - Zehetmayer, Pr. Vjschr. 13.
p. 45 d. An. — Ziemssen, H., Pleuritis u. Pneum. Berl. 1862. Greifsw. med.
Beitr. 1863. L p. 211. 234. p. 72 d. Ber. — Ziemssen, W., D. Klin. 1857.
Monatsbl. p. 45. Pr. Vjschr. 58. p. 1. Arch. f. phys. Heilk. 1857. p. 398. —
Zwerina, Cst. Jber. 1844. IV. p. 613.
Unter croupöser nach Vircliow richtiger fibrinöser Pneumonie
versteht man diejenigen Arten der Lungenentzündung, bei welcher ma-
kroskopisch die Schnittfläche des afficirten Lungenabschnittes in eigen-
thümlicher Weise gekörnt ist , die mikroskopische Untersuchung aber
die Anwesenheit eines fibrinösen Exsudates in den Alveolen ergiebt.
Es entsteht dasselbe stets in akuter Weise.
Geschichtliches.
Die Geschichte der croupösen Pneumonie der Kinder ist ver wickelter
als die der Erwachsenen. Nachdem bis in den Anfang dieses Jahrhun-
derts hinein unter den verschiedenen alcuten mit Fieber und Brust-
sclimerzen verlaufenden Brustaffektionen eigentlich gar keine Trennung
vorgenommen worden war, so dass schliesslich die Ausdrücke »Pneu-
monie«, »Peripneumonie«, »Pleuritis« so ziemlich als Synonyma galten,
trennte man seit der unbestrittenen Herrschaft der anatomischen Schule
zwar definitiv die verschiedenen hierher gehörigen gröberen Störungen,
unterschied aber keineswegs auch sofort die verschiedenen Formen der
Kinderpneumonie. Es sind daher die Statistiken und selbst viele ana-
tomische Beschreibungen nicht gut verwerthbar , insofern es sich um
die Feststellung der Verhältnisse gerade der croupösen Pneumonie han-
delt. Zunächst trennte man die angeborene (Jörg) und erworbene
Atelektase der Lungen vom Pneumoniebegriffe ab, indem man die Fähig-
keit des atelektatischen Gewebes erkannte, vom zuführenden Bronchus
her aufgeblasen zu werden , was bei der Pneumonie unmöglich war.
Insbesondere lernte man die bei Catarrh der feinsten Bronchien und
gleichzeitiger Lungenhyperäniie sich einstellenden luftleeren »carnificir-
38*
596 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
ten« oder einfach »congestionirten« Partieen von pneumonischen unter-
scheiden und trennte schliesslich auch Bronchopneumonie und croupöse
Pneumonie. Freilich war es nicht leicht, gerade diesen letzten eut-
•scheidenden Schritt zu thun, weniger weil bedeutende anatomische Hin-
dernisse im Wege gestanden hätten — diese überwand die mikroskopi-
sche Forschung — als deshalb, weil die klinischen Symptome dem
Versuche einer solchen Trennung gegenüber sich ottmals höchst schwie-
rig zeigten. In der That wurde daher auch der Vorschlag gemacht,
unter Beiseitelassung der Resultate histologischer Studien, die Einthei-
lung der akuten Kinderpneumonieen in croupöse und katarrhalische, zu
denen im Laufe der Zeit noch die eigenartige durch Gefässveränderun-
gen bewirkte metastatische Pneumonie gekommen war, fallen zu lassen
und statt dessen nach Umfang und Verbreitung des Processes , als kli-
nisch leichter erkennbarer Grössen, eine difiuse und circumscripte Pneu-
monie zu unterscheiden. Allein der Versuch einer derartigen Einthei-
lung missglückte ; nach wie vor wurde an der Trennung der obenge-
nannten Erkrankuugsformen, als anatomisch wohl characterish'ter aku-
ter Entzündungsprocesse des Lungenparenchyms , festgehalten und die-
selbe mit der Zeit immer entschiedener auch auf dem rein klinischen
Gebiet durchzuführen gestrebt. Ohne besondere Bedeutung für die
akute Kinderpneimionie ist die seltene akute interstitielle Entzündung
des Lungengewebes.
Aetiologie.
Die croupöse Pneumonie ist eine ziemlich häufige Krankheit des
Kindesalters. Genauere Zifiern anzugeben ist so lange nicht möghcli,
als wir nicht eine bessere Morbilitätsstatistik der Kinderkrankheiten
überhaupt besitzen, und in einer solchen die croupöse Entzündung von
den übrigen Pneumonieformen scharf getrennt wird. Oefters werden
von den verschiedenen Schriftstellern croupöse und katarrhalische Pneu-
monie so zusammengeworfen, dass das beschriebene Krankheitsbild
weder zur einen noch anderen Form passt und jedenfalls in vieler Hin-
sicht nicht im Geringsten dem entspricht, was wir über die croupöse
Pneumonie als sicher festgestellt wissen. Insbesondere ist jede Statistik,
die eine bedeutende Mortalität der Kinderpneumonie ero-iebt drino-end
verdächtig , sich im Wesentlichen wenigstens auf croupöse Pneunionie
nicht zu beziehen. Ich halte es daher für eine ziemlich überflüssige
Mühe , jetzt schon eine durch der Literatur entnommene Zifiern illu-
strirte Darstellung dieser Verhältnisse zu o-eben.
Unsere Krankheit kommt unter allen°Breitegraden vor; continen-
tales Khma schemt ihr Auftreten mehr zu begünstigen als Küstenklima.
Thomas, Croupösc Pneumonie. Aetiologie. 597
Sie ist wohl überall in den Winter- und besonders Frühjahrsinonatcn
am häufigsten. Diess stimmt mit den Erfahrungen der meisten Autoren
über die grössere Frequenz der Pneumonia crouposa der Erwachsenen
in den genannten Jahreszeiten üljerein. Schon diese Thatsache berech-
tigt zu der Annahme, dass das Herrschen rauher Winde, die es ja be-
kanntlich auch im Herbst überall giebt , von massgebendem Einfluss
auf die Häufigkeit der croupösen Kinderpneumonie in der Gesammtbe-
völkerung nicht sein kann. Schwer zu entscheiden ist , ob nicht trotz-
dem die durch diese Winde leicht herbeigeführte Möglichkeit einer
»Erkältung« vielleicht öfters im Einzelfall von dem behaupteten Ein-
fluss gewesen ist ; denn dass sich eine croupöse Pneiunonie unmittelbar
an intensive Erkältungen, z. B. im kalten Bad, bei Aufenthalt in kalter
Luft in leicht bekleidetem Zustande, zumal mit erhitztem Körper, u. s.
w. anschliessen kann , scheint mir durch die Praxis so weit als möglich
sichergestellt , obschon B. H e i d e n h a i n dieselbe durch Einathmung
kalter Luft experimentell nicht zu erzeugen vermochte (Virchow's
Arch. LXX. p. 441). Andererseits steht durch die Erfahrungen der
Aerzte in nördlichen und hochgelegenen Gegenden fest, dass hohe und
anhaltende Kälte, mit und ohne Wind, ohne entschiedenen Einfluss
auf die Pneiimoniefrequenz im Grossen ist ; für eine beträchtliche Zahl
Erwachsener ergiebt sich dies insbesondere recht hübsch aus den Beob-
achtungen bei den Nordpolexpeditionen. Indessen folgt ja aus der That-
sache des Aufenthaltes in einem kalten Klima keineswegs die Nothwen-
digkeit, dass man sich erkälten und dadurch erkranken müsse. Gewöh-
nung an den Aufenthalt in frischer Luft vermindert jedenfalls auch bei
Kindern die Disposition zu croupöser Pneumonie , die übrigens keines-
wegs mit der Disposition zu Catarrh der Luftwege zusammentrifft ; um-
gekehrt scheint auch bei Kindern das Eingesperrtsein in engen schlecht
gelüfteten Zimmern ihr Auftreten zu begünstigen. Leider lässt sich
aber der Einfluss aller dieser Verhältnisse zur Zeit noch nicht durch
sichere Zahlen erweisen.
Sehr zweifelhaft ist die Genese der croupösen Pneumonie durch kal-
ten Trunk (cf. Traube, Charite Ann. 1874, I. p. 276), auch mecha-
nische Reizung der Brouchialschleimhaut durch fremde Körper hat sie
kaum jemals herbeigeführt.
Petters führt das innerhalb fünf Jahren viermalige pneumonische
Erkranken eines Lackirers auf dessen Beschäftigung in einem 65" ß.
warmen Trockenraume zurück.
Die besonderen Umstände, welche bei Erwachsenen eine grössere
Häufigkeit der croujDÖsen Pneumonie beim männlichen Geschlecht be-
dingen, fallen für das Kindesalter meistentheils weg; nach den vorhan-
denen mangelhaften Statistiken erkranken indessen Knaben im AUge-
598 Krankheiten der Athmungsorgane. Lvinge.
meinen docli noch etwas ologleich nur unbedeutend öfter als Mädchen.
Nur Steiner berichtet von einer grösseren Differenz (blO und 390).
Die Zahl der in der Poliklinik wie der besseren Privatpraxis behan-
delten schwächlichen pneumonischen Kinder ist entschieden weit be-
deutender als die kräftiger gleichaltriger Individuen ; Reconvalescenz
von schweren Krankheiten und hierdurch bedingter Schwächezustand
schien mir geradezu vielfach die Disposition zu croupöser Pneumonie zu
bedingen , mindestens bedeutend zu erhöhen. Ich glaube daher , dass
Schwächlichkeit, Rhachitis, Scrofulose, Neigung zu Darmkatarrhen ein
die Geneigtheit zu dieser Erkrankung wesentlich steigerndes Moment
ist. Manche glauben , dass die Kinder brustkranker Eltern besonders
disponirt seien (z. B. Luzsinsky).
Einmaliges üeberstehen der Krankheit steigert die Disposition zu
wiederholter gleichartiger Erkrankung desselben oder eines anderen
Lungenabschnittes in entschiedenster Weise , und zwar ganz besonders
bei schwächlichen Kindern. Jeder beschäftigte Arzt kann die Richtig-
keit dieses Satzes , für den auch die verschiedensten Autoren eintreten,
bezeugen. Zwar vermindert sich im Allgemeinen mit zunehmender
Thätigkeit die gesteigerte Disposition schon erkrankt Gewesener , doch
werden einzelne Fälle erwähnt, in welchen 6 — 8mal Lungenentzündung
während der Kindheit überstanden worden ist. Uebrigens soll damit
nicht gesagt sein, dass das zweit- und mehrmalige Erkranken an Pneu-
monie eine alltägliche Erscheinung sei ; die meisten meiner Kranken
waren zum ersten Male ergriffen.
Entgegengesetzt der vielfach gelesenen älteren Angabe , nach wel-
cher croupöse Pneumonie bei Kindern geradezu selten sein soll , bricht
sich in der Neuzeit immer mehr die Ansicht Bahn , dass sie häufiger
als bei Erwachsenen sei (W. Thomas). Auch ich muss dieselbe auf
Grund reichlicher ärztlicher Erfahrung vertreten : unsere Krankheit
ist eine der häufigsten schweren Affektionen der Kindheit. Der
Grund solch veränderter Anschauungen liegt ohne Zweifel nur in
der jetzt gründlicheren und verallgemein erteren Untersuchung der Brust
kranker Kinder. Unter besonderen Umständen erkranken mitunter so-
gar Neugeborene an croupöser Pneumonie , im Allgemeinen ist dieselbe
aber innerhalb der Säuglingsperiode eine noch seltene Affection, gewiss
hauptsächlich nur desswegen , weil kleine gegen äussere Einflüsse nur
wenig vnderstandsfähige Kinder solchen nicht preisgegeben werden.
Mit dem zweiten Halbjahr scheinen sich aber bereits die Fälle zu meh-
ren, jedenfalls nehmen sie im zweiten und dritten Jahre zu und erreichen
(mit dem Aufhören einer übermässig sorgfältigen Ueberwachunfr vor
Thomas, Croupösc Pneumonie. Pathologio. 599
äusseren Schädlichkeiten I^ei nur massiger Widerstandsfähigkeit) ihr
Maximum vom vierten bis siebenten Jahre.
Die gediegene Kräftigkeit des späteren Kindesalters vermindert die
Neigung zu erkranken überhaupt und so auch die Disposition zu Pneu-
monie , welche erst dann wieder steigt , nachdem die Pubertätsperiode
wesentlich erhöhte und oft übermässige Anforderungen an die indivi-
duelle Leistungsfähigkeit gestellt hat. Dem entsprechend wird nunmehr
das vorhandene Maass von Kräften , wenn schon grösser als in den spä-
teren Kindesjahren , dennoch leichter und öfter als in diesen erschöpft :
die Frequenz der croupösen Pneumonie und, um es schon jetzt zu sagen,
ihre Schwere und Gefahr für das Leben nehmen deutlich zu.
Pathologie.
Anatomische Verhältnisse.
Die wesentlichste anatomische Veränderung der croupösen Pneu-
monie ist die Erfüllung des Lumens der Lungenalveolen mit einem fibri-
nösen Exsudat, welches ihren Wandungen fest anhaftet und ein durch
meistens ausserordentlich feine Fäden gebildetes Netzwerk darstellt.
Die Maschen dieses Netzwerks sind durch zahlreiche rothe und beson-
ders weisse Blutzellen erfüllt, welche mitunter so dichtgedrängt stehen,
dass das Netzwerk erst nach ihrer Entfernung durch Auspinseln des
mikroskopischen Präparates deutlich hervortritt. Das Epithel der Al-
veolen ist meistens wohl erhalten ; ihre Capillaren sind auf der Höhe
der Krankheit strotzend mit Blut erfüllt. Das interstitielle Lungenge-
webe ist gewöhnlich nur wenig Ijetheiligt , höchstens etwas ödematös
oder, wenn überhaupt, so doch nur leicht mit emigrirteu Rundzellen
durchsetzt. Li der Regel aber sind die feinsten und feineren Bronchien
durch solide Fibrinpfröpfe verstopft , indem sich der fibrinerzeugende
Process von den Alveolen her continuirlich auf sie fortsetzt. Dagegen
sind die grösseren Bronchien bei normalem Verlaufe der Pneumonie gar
nicht in Mitleidenschaft gezogen: es wird eben die croupöse Pneumonie
nur vom respiratorischen , nicht vom nutritiven Gefässapparat be-
herrscht. Pulmonalarterie und Bronchialarterien besitzen nur sehr spär-
liche capillare anastomotische Verbindungen und es kann daher die
Aflection im Gebiete der ersteren ganz wohl isolirt bleiben. Etwas sehr
Characteristisches für die croupöse Pneumonie liegt endlich darin , dass
sie nur selten ohne Zusammenhang kleine Theile der Lunge (Steiner,
Taube), meist einen ganzen Lungenlappen oder überhaupt grösseren
zusammenhängenden Lungenabschnitt gleichmässig betrifft.
V i r c h 0 w sagt von unserer Form der Pneumonie in den neuen
600 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Chariteamalen für 1875, II. p. 739: „Nach dem Vorgänge der Wiener
Schule hat man sie lange die croupöse Pneumonie genannt. Ich halte
diese Bezeichnung für falsch. Diejenige Pneumonie welche bei wut
lichem Croup, also hauptsächlich bei Kindern, aufaut.eten pflegt bringt
entweder überhaupt keine fibrinösen Absätze m die Alveolen oder die-
selben treten doch gegen die zelligen Anhäufungen bei Weitem m den
Hintergrund. Die.se Pneum.mie gehört also der katarrhalischen Form an.
Hat aber ii-gend eine Pneumonie den Anspruch, croupös genannt zu wer-
den, so ist es doch gewiss die bei wirklichem Croup, vv eiche in so gros-
ser Häufigkeit vorkommt. Die gewöhnliche Pneumonie der Erwachsenen
aber unterscheidet sich von dem Croup durch den sehr wichtigen Um-
stand, dass die fibrinöse Essudation nicht rein ist, dass der Initialvor-
gang vielmehr ein hämorrhagischer ist. Nicht nur die Anfangssputa sind
blutig, sondern auch die Anfangshepatisation ist roth, d. h. blutig. Das
spätere fibrinöse Material ist also kein reines Product der Exsudation,
sondern es wird erst gelb, und es nimmt erst nach und nach den soge-
nannten rein fibrinösen Charakter an in der eigentlichen (gelben) Hepa-
tisation, indem die Blutkörperchen sich auflösen und der Blutfarbstoff
sich metamorphosirt. Nichts der Art findet bei Croup statt: hier haben
wir es mit einer wirklichen Pibrinexsudation zu thun. Aus diesem
Grunde nenne ich schon seit langer Zeit denjenigen Process, welcher die
eigentliche (gelbe) Hepatisation hervorbringt, fibrinöse Pneumonie.
Wenn ich ihn nicht hämorrhagische Pneumonie nenne, so geschieht es,
weil dieser Name in höherem Maasse den metastatischen Formen zu-
kommt , welche mit eigentlichen hämorrhagischen Herden beginnen,"
Natürlich kann der Streit um den rechten der Afiektion gebühren-
den Namen nur von anatomischer Seite entschieden werden und es mag
daher hier genügen, die im höchsten Maasse beachtenswerthe Ansiebt
Virchow's mit seinen eigenen Worten wiedergegeben zu haben. Mir
sei es erlaubt, hier den eingebürgerten Namen „croupöse Pneumonie"
beizubehalten.
Ausbildung , Bestehen und Rückbildung dieses Entzündungspro-
cesses haben zur Annahme mehrerer Stadien der croupösen Pneumonie
geführt. Im Stadium der entzündli ch en Anschoppu ng ist die
ergriffene Lungenpartie voluminöser, derber, dunkelgeröthet , von tei-
giger Consistenz , ihr Luftgehalt ist vermindert oder auch schon gänz-
lich geschwunden ; das Gewebe kni.stert daher beim Einschneiden kaum
ein wenig oder gar nicht und von der Schnittfläche läuft mehr oder
weniger getrübtes blutiges Serum ab. Die mikroskopische Untersu-
chung ergiebt starke Capillarhjperämie mit Austritt rother und weisser
Blutzellen in das Innere der Alveolen. Allmählich sammelt sich in die-
sen ein immer zellenreicheres Exsudat und zugleich mehr und mehr
Fibrin an , so dass der Luftgehalt des betreffenden Lungenabschnittes
völlig verloren geht und .sein Umfang ein sehr beträchtlicher, seine
Consistenz leberartig derb wird: das zweite, das in seinem histologi-
schen Verhalten oben geschilderte charakteristische Stadium der ro-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 601
then Hepatisation, ist mm fertig. Eine hepatisirte Partie ist be-
deutend geschwollen, so dass die Rippen an ihrer Oberfläche öfters fur-
chenartige Eindrücke hervorrufen *) ; ihre Schnittfläche lässt eine deut-
liche, bei Kindern doppelt so feine Körnung als bei Erwachsenen er-
kennen , welche dadurch entsteht , dass die durch das Exsudat prall ge-
füllten Alveolen wegen Erhaltenbleiben eines Theiles der Elasticität
des Gewebes als feinste Körnchen (von 0,07 — 0,11 Mm. Durchmesser
nach Damaschino p. 13) über die Schnittfläche hervortreten; die
von dieser abfliessende Flüssigkeit ist zäher und trüber als im ersten
Stadium , mitunter rahmartig. Allmählich findet nun der Uebergang
in das dritte Stadium , das der gelben oder grauen Hepatisa-
tion, statt. Charakterisirt ist dasselbe durch den Nachlass der Blutüber-
füllung der Capillaren , welcher an den verschiedenen Stellen dieser
entzündeten Lungenpartie verschieden ausgeprägt ist, so dass die Schnitt-
fläche alle Nuancen zwischen Roth , Blassroth, Blassgrau, Graugelblich
und Gelblich darbieten und ihr Aussehen ein sehr buntes sein kann. Die
von ihr abfliessende Flüssigkeit ist mehr oder weniger gi-auröthlich oder
milchig. In den Bronchien finden sich festere graue oder lockere gelbliche
Pfropfe und allmählich auch eitriger Inhalt. Dies histologische Bild wird
ausser durch den Nachlass der Hyperämie der Capillaren , die sogar in
Oligämie übergehen kann, noch weiter durch die viel grössere Menge der
farblosen Zellen bestimmt, welche die rothen jetzt bereits mehr oder
minder entfärbten Blutzellen ganz verdecken und zu immer reichlicherer
Entstehung von Fibrin Veranlassung geben , so dass dieses schliesslich
die Alveolen fast allein erfüllt und nur einzelne mehr oder weniger in-
takte Zellen in ihm eingeschlossen bleiben ; Abstreichen der körnigen
Schnittfläche lässt eine Menge aus Fibrin bestehender Alveolenabgüsse
sichtbar werden. Rasch beginnt nun aber eine allmählich immer voll-
ständigere Fettmetamorphose der noch vorhandenen Zellen , besonders
auch der Alveolarepithelien, die nach Buhl oft in zusammenhängenden
Stücken von der Innenwand der Alveolen abgehoben werden und so zu-
gleich eine Loslösung der bis dahin fest haftenden Fibrinpfröpfe gestat-
ten, sowie sofort auch der Zerfall des Fibrins zu einer fein moleculären
Masse. Die Lunge verliert hierdurch allmählich an Derbheit, sie wird
weicher und mehr oder weniger brüchig. Schliesslich, im Stadium der
Resolution der Pneumonie, hört die Auswanderung weisser Blutzellen
ganz auf und sind die durch Auspinselung als im Wesentlichen intakt
erkennbaren Alveolen von einer emulsionsartigen Flüssigkeit unvoll-
*) Virchow sah dies »verhältnissmässig häufig an vollkommen lufthal-
tigen Lungen von jungen Kindern« (Canst. Jher. 1852. II. p. 41); dsgl. Hennig
an den gesunden Lungentheilen des Pneumonikers (Lehrb. 3. Aufl. p. 299).
602 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
ständig erfüllt, nach deren Expektoration oder Resorption, die durch
den allmählichen Wiedereintritt der normalen Blut- und Saftbewegung
ermöglicht wird , sie für die Athmungsluft wieder zugänglich werden,
womit dann nach und nach auch die alte Elasticität des Lungengewebes
wiederkehrt und damit die Heilung vollständig wird.
Vermuthlich sind in den a bh e i 1 e n d e n Fällen die gröberen wie
die feineren anatomischen Veränderungen nicht in dem Maasse ent-
wickelt wie in jenen Fällen, die zur Section gelangen. So mag es viel-
leicht oft bei leichtem Verlaufe der croupösen Pneumonie , wie er bei
Kindern häufig stattfindet , gar nicht einmal an allen Stellen zu einer
entschiedenen Hepatisation des Gewebes mit körnigem Gefüge der
Schnittfläche , sondern wohl öfter nur zu einer sogenannten schlaffen
ödemähnlichen Infiltration mit spärlichem mehr serösem und zellenar-
mem Alveoleninhalt kommen, bei der die Elasticität des Lungengewebes
nicht wesentlich verändert sein dürfte. Unter solchen Verhältnissen
muss der Heilungsprocess entschieden erleichtert sein.
Taube (I.e. p. 15) beschrieb eine lobuläre croupöse Pneu-
monie, die nach Masern aufgetreten war und sich durch ihren Reichthum
an rothen Blutzellen im Alveoleninhalt auszeichnete; der Fall war durch
die grosse Verbreitung des Processes interessant. Vgl. übrigens Bayer,
Arch. d. Heilk. IX. p. 90. Lorey (Frankf. Jber. für 1873) veröffent-
lichte einen Fall von „weisser Hepatisation" der rechten Lunge bei einem
iV-jährigen scrofulösen Mädchen, dessen Alveolen vollständig mit weis-
sen ßlutzellen angefüllt waren ; das Kind war wahrscheinlich leukämisch,
ßautenberg läugnet in einer vorläufigen Mittheilung das regel-
mässige Vorkommen des fibrinösen Exsudats in den Alveolen bei rother
und grauer Hepatisation, während er es in lobuläien „katarrhalischen"
Heerden in deutlichster Weise gefunden habe. Er giebt daher nicht zu,
dass eine scharfe Trennung der croupösen und katarrhalischen Pneu-
monie existire , und legt das Hauptgewicht bei der Eiutheilung dersel-
ben auf das ätiologische Moment. Eitter pflichtet dieser Anschauung,
welche namentlich für das früheste Kiudesalter die einzig richtige sein
könne, vollkommen bei. Vgl. Bayers und Henoch's Ansichten.
Zuweilen entwickelt sich aus der Hepatisation der als eitrige In-
fi 1 1 r a t i o n bezeichnete Zustand. Nach ß i r c h - H i r s c h f e 1 d nimmt
hierbei die Menge der Eiterzellen im Linern der Alveolen zu , die Zwi-
schensubstanz wird völlig flüssig , in dem perivasculären und peribron-
chialen Bindegewebe der Septa erkennt man stärkere Lrfiltration durch
Rundzellen. Die Schnittfläche der noch immer voluminöseren Lunge
bekommt eine mehr gleichmässig graugelhe Färbung und lässt reich-
lichen rahmartigen Eiter abstreifen, ihre Granulirung tritt zurück; das
Lungengewebe ist ausserordentlich brüchig und reisst beim Heraus-
nehmen leicht ein. Immerhin ist indessen unter Fettentartung und Re-
sorption des Exsudates Heilung möglich , wenn schon dieselbe längere
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 603
Zeit in Anspruch nimmt, als bei normalem Ablauf der Pneumonie, und
insbesondere die volle Elasticität des Lungengewebes nur langsam sich
wiederherstellt.
Selten steigert sich die eitrige Infiltration zur wirklichen A b s c e s s-
bildung , indem die Zelleninfiltration im interalveolären Gewebe zu-
nimmt und dieses schliesslich zerfällt, wodurch (einzelne oder zahlreiche)
mit nekrotischen Gewebsmassen und Eiter erfüllte Höhlen entstehen.
Durch Zusammenfiiessen kleiner Herde kann sich auch die ganze eitrig
infiltrirte Lungenpartie in einen grossen Abscess verwandeln. Blutun-
gen erfolgen durch Erosion der Gefässe der betroffenen Partieen nur
ausnahmsweise. Lidessen ist die Art und Weise der Entwicklung des
Lungenabscesses aus der croupösen Pneumonie noch nicht sicher beob-
achtet worden und daher noch einigermassen strittig. Wie Chomel
gezeigt hat , können inmitten grauer Hepatisation einzelne Stellen
durch die Manipulationen bei der Autopsie so gezerrt und gedrückt
werden, dass sie zerreissen und fälschlich als Abscesshöhlen erscheinen.
Nach Tr aub e geht dem Lungenabscess stets eine mehr oder weniger
ausgebreitete Nekrose vorher , und zwar ist diese entweder durch die
Compression bedingt , welche die capillaren Gefässe durch ein in die
Alveolen abgesetztes Exsudat oder Extravasat erfahren , oder sie hat
ihren Grund in einer absoluten Verstopfung eines oder mehrerer grös-
serer arterieller Gefässe — eine Ansicht, welche L e y d e n als die wahr-
scheinlichste erscheint. Das nekrotische Gewebe wirkt gleichsam als
fremder Körper und erregt Entzündung und Eiterung in seiner Um-
gebung, so dass sich eine mit nekrotischen Fetzen gefüllte Eiterhöhle
bildet, die je nach ihrer oberflächlichen oder tieferen Lage früher oder
später durchbricht: in einen Bronchus, in die Pleurahöhle, oder nach
vorheriger Verlöthung der Pleurablätter sogar direkt nach aussen. End-
lich kann sich der Abscess durch schwieliges Bindegewebe abkapseln
oder eindicken und verkalken. — Aus croupöser Pneumonie entwickelt
sich übrigens der Lvuigeuabscess bei Kindern ungemein viel seltener als
aus den anderen Pneumonieformen derselben.
Sehr selten schliesst sich an das Stadium der rothen , weniger sel-
ten an das der grauen Hepatisation Lungen b r a n d an , und zwar
kann dersellje diffus oder circumscript auftreten. Kommt es nämlich in
einem umfänglicheren oder beschränkteren Gefässgebiete anstatt nur
zur verlangsamteu Blutbewegung der Entzündung vielmehr zur Stock-
ung und Thrombose, so sind die nächsten Folgen dieses Zustandes Auf-
hören der Ernährung im betreffenden Gebiete und Zerfall des ganzen
Gewebes sammt Infiltrat zu einer braunschwarzen Masse mit Brandge-
ruch und entsprechenden Zersetzungsprodukten , wie moleculärem Fett,
604 Krankheiten der Athmungsorgaiie. Lunge.
Cholestearin und Blutkrystallen, sowie Bildung von Pilzen unter dem
Einflüsse der atniospliäriscben Luft. Auch werden mitunter einzelne
kleinere oder grössere zusaminenhängende Lungenpartieen Sequester-
artig losgestoss°en inmitten dieses Breies gefunden (H üttenbrenner).
Unter demarkirender Eiterung und Bindegewebsneubilduug können die
brandigen Massen bei massiger Grösse des Brandherdes abgekapselt und
so unsdiädlich gemacht oder allmählig ausgestossen werden, worauf re-
lative Heilung gleichwie bei der Abscessbildung zu Stande kommen
kann.
Endlich kann, wiewohl selten, aus der Hepatisation auch Verkä-
sung des Exsudats und I n d u r a t i 0 n der Lunge hervorgehen. Erstere
schliesst sich entweder unmittelbar an das dritte Stadium an, indem eine
Atrophie des ursprünglich ergossenen oder nur unvollkommen verän-
derten Exsudates eintritt , oder es werden auch die Alveolen , nachdem
die Resolution begonnen hat, von Neuem mit ausgewanderten Zellen an-
gefüllt, die später verkäsen. Auf ähnliche Weise kann Induration der
Lunge herbeigeführt werden , indem das mit Rundzellen durchsetzte
Gewebe der Alveolarscheidewände sammt dem Lihalte der Alveolen eine
bindegewebige Umwandlung eingeht. Beide Processe können auch, ehe
sie vollständig ausgebildet sind, sich conibiniren.
Die nicht infiltrirten Abschnitte der Lunge sind in
der Regel etwas gebläht und coUabiren desshalb beim Eröffnen des Tho-
rax eljensowenig wie die infiltrirten ; sie sind meist ödematös und stär-
ker bluthaltig als normal. Nicht selten zeigen sie bei Sectionen kleine
Liselu von beginnender lobulärer Infiltration.
Die betreffenden Bronchialdrüsen sind leicht geschwollen
und geröthet.
Regelmässig bietet die Pleura über den infiltrirten Partieen Ver-
änderungen dar und heisst die Krankheit desshalb auch Pleuropneu-
monie. In geringeren Graden zeigt sich Hyperämie mit Ekchymosen-
bildung und leichter Trübung, in höheren starke Verdickung, Auflage-
rung von Pseudomembranen und Absonderung einer grösseren oder ge-
ringeren Menge eines klaren oder mehr oder weniger zellenreichen und
trüben mit Pibrinflocken reichlich versehenen flüssigen Exsudates. In
sehr intensiven Fällen breitet sich der Pleuraprocess auch über die
Grenzen der Lungeninfiltration hin aus und schreitet selbst bis zur
Costalpleura fort , so dass ausgedehnte Verklebung der Pleurablätter
die Folge ist.
Bei Besprechung der anatomischen Veränderungen muss auch des
Umfanges und des Sitzes der befallenen Lungenpartieen gedacht
werden. Die Zusammenstellung derselben ist bei Kindern besonders
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 605
kleineren, mitunter sehr schwierig, weil sehr häufig nicht genau gesagt
werden kann, ob eine erkrankte Stelle von geringem Umfang dem oberen
oder unteren (beziehentlich mittleren) Lappen angehört, und überhaupt
manche Fälle in eine Statistik nur als unsichere einbezogen za werden
vermögen, auch sich beim Genesenden die "wenig bedeutende Erkrankung
nicht zweifellos als Pneumonie feststellen lässt. Dessgleichen bietet die
Differentialdiagnose zwischen croupöser und einer anderen Fonn der
Pneumonie mitunter unbesiegbare Schwierigkeiten, und endlich ergeben
sich Unsicherheiten oft genug hinsichtlich der bei einer guten Statistik
nöthigen Angabe , ob ein Lappen total oder partiell ergriifen ist , ob
ausser dem unzweifelhaften Ergriffensein der einen Lungenpartie auch
noch ein anderer Abschnitt afficirt ist oder nicht. Alle solche zweifel-
haften Angaben resultiren zum guten Theil aus der erfreulichen That-
sache, dass die croupöse Pneumonie unter der Kinderwelt verhältniss-
mässig wenige Opfer fordert und daher wenig Gelegenheit zu anatomi-
schen Untersuchungen, die in gewisser Hinsicht allein Beweiskraft
haben können, vorhanden ist. Hierbei ist aber wiederum als störender
Umstand zu verzeichnen , dass die Mortalität der Pneumonieen der
oberen Lappen und der doppelseitigen und umfänglicheren Affektionen
eine bedeutendere ist , als die der einfachen f-'neumouieen eines unteren
Lappens, welche weitaus die häufigsten sind. Im Allgemeinen ergeben
die Zusammenstellungen dieselben Thatsachen , die von der Pneumonie
der Erwachsenen bekannt sind, nämlich dass die rechte Lunge öfter be-
fallen wird als die linke , und ein unterer Lappen öfter erkrankt als ein
oberer. Indessen ergeben die Zahlen eines Autors auch einmal das be-
deutende Ueberwiegen des linken unteren Lappens , oder zeigen den
rechten oberen Lajipen öfter afficirt , während das isolirte seltenere Be-
fallensein des linken oberen Lappens feststehen dürfte. Ebenso selten
findet eine totale Affektion einer Brusthälfte oder eine gekreuzte Pneu-
monie oder ein Ergriffensein beider unterer oder beider oberer Lappen
statt.
Die Leichen erscheinen bei Tod durch primäre croupöse Pneu-
monie meistens gut genährt, cyanotisch, mit starken Todtenflecken ; die
Todtenstarre ist hochgradig. Die grossen Körpervenen und das rechte
Herz sind mit Blut überfüllt , das linke und die Arterien sind ziemlich
leer. Blutreich sind in der Regel auch der Inhalt der Schädelhöhle wie
die Organe der Bauchhöhle. Insbesondere sind manchmal Leber und
Milz auffallend blutreich und zumal letztere ist nicht selten deutlich
vergrössert, ihr Gewebe weicher, ihre Kapsel gespannt. In den Nieren
findet sich mitunter Schwellung der Rindensubstanz mit Harnkanälchen-
katarrh, selbst leichte Grade von Fettdegeneration , zumal in Combina-
ß06 Krankheiten der Athmungsorgane. Lnnge.
tion mit der gleichen Affektiou der Leber und des Herzens ; in solchen
Fällen erscheinen wohl auch Trübungen der Pia , ja sogar eitrige Me-
ningitis.
Infektiosität.
Den Zusammenhang aller dieser complicatorischen Störungen sucht
man immer mehr und mehr in der zur Zeit noch hypothetischen infek-
tiösen Natur der croupösen Pneumonie, welche von anatomischer Seite
neuerdings ganz besonders vonKlebs betont worden ist, ohne dass
sich seine Ansichten bis jetzt allgemeine Anerkennung zu erringen ver-
mocht hätten.
Es fand derselbe (Arch. f. exper. Path. 1875. IV. p. 420) imBron-
chialsecret pueumonisclier Lungen, ausser zelligen Elementen in den ver-
schiedensten Stadien fettiger Degeneration, oder seltener auch unverän-
derten Lymph- und Eiterkörperchen , zusammenhängenden Massen von
Bronehialflimmerepithelien, rothen Blutzellen und eigenthümlichen (Ty-
rosin ?)-Krystallen auch ganz regelmässig Monaden. In ausserordent-
licher Menge waren dieselben oft im frischen Präparat enthalten, in an-
deren Fällen aber, beim alleinigen Vorhandensein unbeweglicher Körnchen
konnte man sie nur dann von den übrigen Körnermassen unterscheiden,
wenn sie sicli zu mehreren in Reihen angeordnet fanden. In allen Füllen
aber gelang es, bei weiterer passender Cultur die beweglichen Formen
der Monaden zur Anschauung zu bringen.
Allerdings ist es bisher noch nicht gelungen, mittelst dieses Stoßes
zumal bei gehöriger Isolirung desselben, hei gesunden Individuen, z. B,
gewissen Thieren, die an croupöser Pneumonie zu erkranken vermögen,
eine solche zu erzeugen : indessen müssen wir gestehen, dass dies Probe-
stück auch andere Pilzkeime, die sogenannten Contasia animata un-
zweifelhaft contagiöser Krankheiten, noch nicht abgelegt haben. Na-
türlicherweise wäre aber anzuerkennen, dass, wenn Fälle unzweifelhafter
Contagiosität der croupösen Pneumonie des Menschen bei primärem
Auftreten derselben sich nachweisen lassen sollten, die Fra"-e der Infek-
tiosität derselben im Princip gelöst wäre , und mache ich in dieser Be-
ziehung auf die nachher anzuführenden in ter essanten Be-
obachtung e n noch ganz besonders aufmerksam ,
Betrachten wir kurz die Gründe, welche für die infektiöse Natur
der croupösen Pneumonie angeführt zu werden pfleo'en.
Schon von Alters her sind die Aerzte auf einen verschiedenen Ver-
lauf unserer croupösen Pneumonie aufmerksam gewesen und haben den
damals herrschenden Anschauungen gemäss gewöhnliche oder stlienische
und asthenische Pneumonieen unterschieden ; letzterer Ausdruck ist noch
in jüngster Zeit von Leichtenstern zur Bezeichnung desselben Be-
grÜTes gebraucht worden. Man unterschied zwischen s^olchen Pneumo-
meen, welche durch individuelle Eigenthümlichkeiten den später genauer
Fürst, MissbilduDgen der Lunge etc. G07
zu besprechenden asthenischen Charakter erhalten, und zwischen solchen,
welche zu gewissen Zeiten und an gewissen Orten bei kräftigen wie
schwächlichen Subjekten diesen Charakter zeigen (L.'s individuell- und
primär-asthenische Pn.). Solche eigenthümliclie epidemisch verbreitete
und endemische Pneumonieen sind es nun besonders, welche schon früher
den Gedanken erweckt haben, dass eine allgemein verbreitete Krankheits-
ursache, deren Natur man sich nach den herrschenden medicinisohen
Ansichten in verschiedener Weise vorgestellt hat , sie erzeuge. Freilich
würde die Bedeutung derartiger Epidemieen von asthenischer Pneumonie
einigermassen erschüttert, wenn auch Elpidemieen und Endemieen mit
dem gewöhnlichen Primärverlauf constatirt würden: indessen bliebe ja
dann der Ausweg offen, zweierlei specifische verwandte Ursachen anzu-
nehmen , die eine für die gewöhnliche , die andere für die asthenische
Form. Eine besondere Berücksichtigung scheint mir nun aber in dieser
Beziehung der Umstand zu verdienen, dass fast üljerall in den Epide-
mieberichten nur des gehäuften, nicht des alleinigen Vorkommens sog.
asthenischer Fälle gedacht ist, dass diese überall mit gewöhnlichen Pneu-
monieen mehr oder weniger untermischt sind , und zwar nicht nur in
der Weise , dass etwa die kräftigen Personen auf geviföhnlirhe Art , die
schwächlichen nach Art der asthenischen Form erkrankten. Nehmen wir
nun noch hinzu , dass allerlei Uebergänge von der einen zur anderen
Fonn existiren, sowie dass die histologisclien Veränderungen der Lungen
bei der gewöhnlichen und asthenischen Form vollkommen identisch sind,
so ergiebt sich doch wohl nur eine sehr geringe WahrscheinUchkeit da-
für, dass man auf diesem Wege zu einer klaren Erkenntniss der Natur
der Pneumonie gelangen werde.
Was ferner den Grmid anlangt, dass die Entstehung der croupösen
Pneumonie am besten durch eine Infektion erklärt werde, da sonst den
verschiedenartigsten zufälligen Gelegenheitsursachen in den einzelnen
Fällen ein und derselbe Effekt zugeschrieben werden müsse, was nicht
wohl möglich sei, so ist darauf hinzuweisen, dass ja die Nothwendigkeit
einer durchaus gleichartigen Genese durch nichts begründet wird, und
dass ja a priori gewiss auch verschiedenartige ursäcliliche Momente in
einer gewissen Richtung wirksam gedacht werden können. Allerdings
könnte man sich vorstellen, dass die Lungenhyperämie, welche Folge
einer Erkältung oder Erhitzung, oder eines Tiauioa der Brustwand, oder
einer andersartigen Erkrankung der Nachbarschaft, zumal der benach-
barten Abschnitte der Lunge, oder des Reizes eines fremden Körpers im
Bronchiallumen, oder einer vorübergehenden Paralyse der Thoraxwan-
dungen (I r v i n e) ist, unter bestimmten Verhältnissen der individuellen
Disposition zu dem charakteristischen anatomischen Verhalten der crou-
pösen Pneumonie führte. Indessen gebe ich gern zu, dass ein nunmehr
noch weiter hinzutretendes specifisch - infektiöses Agens am einfachsten
den unter allen diesen verschiedenartigen Verhältnissen gleichmässigen
und Constanten Charakter der Entzündung erklären würde.
Es wird sodaim noch der später zu erwähnende typische dem Ver-
laufe der Infektionskrankheiten entsprechende Verlauf der croupösen
Pneumonie als Beweis ihrer infektiösen Natur angeführt. In dieser Hin-
sicht ist aber zu erwähnen, dass wir noch bei keiner Infektionskrankheit
608
Krankheiten der Atbmiingsorgane. Lunge.
etwas Genaueres darüber wissen , inwiefern der mein- oder weniger
typische Verlauf normaler Fälle durch die infektiöse Natur der Krajik-
heit bedingt i«t , dass es, zu geschweigen vom gesunden so doch un
kranken Oroanismus jedenfalls typische Vorgänge selbst bei Ausschluss
jedes Verdachtes einer Infektion giebt, und dass daher der Mechanismus
des typischen Verlaufs der Infektionskrankheiten möglicherweise nur
nebensächlich mit der Infektion zusammenhängt. Auch kann ja der
typische Verlauf ziemlich leicht durch zahlreiche untergeordnete und
jedenfalls nichtinfektiöse Vorgänge modificirt oder gänzlich verwischt
"werden ; die Infect Ion an sich beherrscht also den Krankheitsverlauf nicht
vollkommen.
Wenn schliesslich darauf hingewiesen wird , dass das Fieber und
niclit der lokale Process in den Lungen die erste Krankheitserscheinung
sei, was doch der Fall sein müsse, wenn ein örtlich wirkender Reiz die
Krankheitsursache sei , so ist zu erwidern, dass Fieber doch keinenfalls
nur durch Infektion hervorgerufen wird, und dass noch Niemand beim
Pnemnoniker den Anfang des lokalen Processes direkt beobachtet hat,
also etwas Positives und Unanfechtbares über die genannte Gleichzeitig-
keit oder Nichtgleichzeitlgkelt nicht angeführt werden kann. Uebrigens
vermochte Raul ich (1. c. p. 80) in selteneren Fällen die Pneumonie
bereits nachzuweisen, ehe deutliche Fiebererseheiuungen vorhanden waren;
obiger Satz ist also nicht allgemein giltig. Auch die unter Umständen
sehr ditferente Intensität des Fiebers und des lokalen Processes beweist
Nichts für die infektiöse Natur der Krankheit. Wer hätte noch nicht
irgend einen geringfügigen örtlichen Process mit einem intensiven Fieber
beobachtet !
Es dürfte hiernach also die infektiöse Natur der croupösen Pneu-
monie, so wahrscheinlich sie nach manchen Gründen auch sein möchte,
doch keineswegs für erwiesen gelten.
Es sei mir noch gestattet, ein wenig auf einzelne Ansichten über
die Pathogenese der croupösen Pneumonie einzugehen. So haben
Anhänger der Infektionstheorie ausgesprochen , dass dieselbe die „bei
weitem häufigsten" rechtseitigen Affektionen am besten erkläre, insofern
das durch die Athmungsluft in die Lungen gelangende specifisohe Gift
der bekannten Verhältnisse des rechten Bi-onchus wegen seinen Weg vor-
zugsweise in die rechte Lunge fände. Indem ihm daselbst im Gewebe
ein günstiger Nährboden erwüchse, erzeuge es die anatomischen Verän-
derungen. Diese Anschauung erklärt ebensowenig das docli ganz gewöhn-
liche Beschränktbleilsen der Atfektion auf einen einzigen Lappen, als sie
em Licht auf den plötzlichen Abschluss des Processes, die Pseudokrisen
und manches Andere nicht Aveniger Wichtige wirft. Die Anhänger der
Nerventbeorie haben die Vorstellung, dass die entzündlichen Erschei-
nungen in Folge der Reizung eines Isestimmt lokalisirten centralen Ap-
parates und deshalb innerhalb eines bestimmten peripheren Nervenge-
bietes aufträten, ähnlich wie wir gewisse charakteristische Vorgängerin
der Haut (Zoster, roseolöse, vesiculöse, bullöse, auch pustulöse "For-
men, verschiedene Formen des Erythem und auch des Eezem) in be-
stimmten Nervengebieten sich abwickeln sehen. In neuester Zeit liest
Thomas, Croupöse Pnenmonie. Pathologie. 609
man freilicli mit Bezug hierauf die Behaujjtung, dass gerade diese Eigen-
thümlichkeit Beweis flu- die infektiöse Natur auch dieser Vorgiinge sei.
Vor Allem kommt es meiner Ansicht nach in Betreff der frag-
lichen Infektiosität der croupösen Pneumonie aiif zahlreiche und genaue
Beobachtungen an , und mag daher hier auf deren dringende Nothwen-
digkeit , insbesondere auch auf solche über endemische und epidemische
Kinderpneumonie, nachdrücklich hingewiesen werden.
Von specielleu Beobachtungen über contagiöse oder m i a s-
matische Genese und Verbreitung der croupösen Pneumonie, sowie
über endemische iind epidemische Verhältnisse derselben führe
ich folgende an.
Schroter veröffentlichte sechs zu zweien zusammengehörige Fälle,
in denen die zweite Erkrankung schon wenige Tage nach Beginn der
Erkrankung des ersten Falles (Ehegatten u. s. w.) in pneumoniefreier
Umgebung auftrat und erklärt hierbei das „Contagium'' der Pneumonie
für ein sehr schwaches nur bei anhaltender inniger Berührung wirk-
sames , dessen Uebertragung nur auf der Höhe der Krankheit zu ge-
schehen scheine ; H e n n i g sah einen Knaben mehrmals einige Tage
nach seinem Vater gleichwie diesen an croupöser Pneumonie erkranken;
H a r d w i ch e beschrieb drei Erkrankungsreihen, in denen ein contagiöser
Ursprung unabweislich zu sein scheint; Thoresen und laut seiner
Angabe B e n t z e n haben ähnliche Reihen beobachtet , die sie zur An-
nahme einer massigen Contagiosität der croupösen Pneumonie führten ;
Fischer hat zwei zusammenwohnende Kinder binnen 8 Tagen er-
kranken sehen; M e r z tah drei, Ad. M ü 1 1 e r (D. Arch. f. kl. Med. 1878.
XXI. p. 127) fünf Fälle in einer Familie binnen drei Wochen etc. Cour-
V 0 i s i e r beobachtete gruppenweises Auftreten und mehrfaches Vorkom-
men in gleichem Hause ; H ä g 1 e r und viele Andere sahen die Krank-
heit in gehäuften Fällen in dem einen Dorfe, während die Nachbarorte
ganz oder fast ganz frei blieben. F u c k e 1 machte die eigenthümliche
Beobachtung , dass die Pneumonie in Ortschaften fast fehlte , in denen
sie vor einem Jahre häufig gewesen war, so dass also gewissermassen
damals eine für die Zukunft schützende Durchseuchung staltgefunden zu
haben schien. Viele gedenken in neuerer Zeit mehr oder weniger ver-
breiteter Pneumonieepidemieen, z.B. Courvoisier, Hägler, Baas,
Schroter, Thoresen, Grimshaw, Moore, Herr (s. Nie-
m€yer-Seitz, Lehrb. y. Aufl. I. p. 172). Hägler und K 1 e b s
erwähnen eine besondere Art derselben als besonders beweisend für die
miasmatisch-infektiöse Natur der Pneumonie, nämlich die „Alpenstich"-
Epidemieen, welche in einzelnen Theilen der Schweiz besonders häufig
seien (cf Lebert, Klin. d. Brustkkh. I. p. 603; Feierabend, der
Alpenstich in der Schweiz, Wien 1866), während z. B. Jenni, der in
derselben prakticirte, binnen 17 Jahren keine derartige Affektion erlebt
hat ; es wäre wünschenswerth, dass hierüber ausführliche Beobachtungen
veröffentlicht würden. Eine kleine Notiz bringt Steiger (Schweiz.
Corrbl. 1872. II. p. 562). Ich unterlasse weitere Angaben, da .sich die-
selben im Wesentlichen doch nicht auf Kinderpneumonie beziehen würden.
Handb. d, Kinderkrankheiten. III. 2. 39
gjQ Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Verl aufs arte 11.
Die croupöse Pneumonie der Kinder ist wie die der Erwachsenen
theils eine primäre, theils eine secmidäre Affektion. Betrachten wir zu-
nächst den N ormalver lauf der primären genuinen Pneu-
monie.
Mitten in völliger Gesundheit , oder während des Bestehens eines
unbedeutenden insbesondere fieberlosen ein Gefühl von Kranksein nicht
erzeugenden Leidens, entsteht gänzlich ohne nachweisbare Veranlas-
sung oder kurze Zeit nach einer deutlich erkennbaren Gelegenlieitsur-
.sache, insbesondere einer intensiven Erkältung, ein Symptomencomplex,
dessen auffallendste Erscheinungen Fieber, Brustschmerzen und Er-
brechen sind.
Das Fieber wird bei älteren Kindern sehr gewöhnlich, bei jüngeren
selten mit einem Schüttelfrost in ähnlicher Intensität und Dauer wie
beim Erwachsenen eingeleitet ; bei jüngeren beginnt es in der Regel mit
Frösteln und Kaltwerden der peripheren Theile ohne Zähneklappern
und Schütteln , bei kleinen Kindern mit den gleichen Erscheinungen
unter öfterem Hinzutreten eines gewöhnlich kurzen eklamptischen An-
falles. Frösteln wie Schüttelfrost werden von schwerem Krankheitsge-
fühl, bläulicher Verfärliuug der Haut und der Lippen, Zittern, Dehnen
und Strecken, Gähnen , bei kleinen Kindern von Wimmern u. s. w. be-
gleitet, rasch folgt auf sie starke Hitze und beziehentlich Schweiss. Es
röthen sich nun die Wangen , die Conjunctiven werden iiijicirt, die Au-
gen glänzend , es tritt schon jetzt Dyspnoe und Nasenflügelathmen ein.
Mitunter kommt es auch zu mehr oder weniger heftigem Nasenbluten.
Die Eigenwärme, die vor Beginn der deutlichen Fiebersymptome meist
gar nicht oder höchstens nur ganz wenig und erst kurze Zeit vorher
gestiegen gewesen war, steigt mit Eintritt der intensiveren Liitialsym-
ptome erheblich und gewinnt rasch eine Ijeträclitliche Höhe , 40 " und
darüber ; dem entsprechend steigt auch die Pulsfrequenz , dabei ist der
Puls etwas gespannter und voller.
Die Seitenschmerzen, in der Regel stechend , nicht immer über der
afficirten Stelle oder nur auf der kranken Seite, sind eine sehr coustantc
Anfangserscheinung, die selten fehlt. Sie treten häufig schon beim Ath-
nien auf , steigern daher seine schon in Folge des Fiebers vermehrte
Frequenz, und machen das Inspirium unterbrochen und oberflächlich.
Besonders empfindlich sind sie beim Husten , den die Kinder vergebhch
zu unterdrücken versuchen ; das Gesicht wird dabei schmerzhaft ver-
zogen, die Kleinen stöhnen und jammern und schreien oft einen Moment
lang laut , wenn die Hustenstösse immer und immfr sich wiederholen.
Thomas, Cronpöse Pneumonie. Pathologie. 611
ümherwerfen findet dabei selten statt; meistens wird instinktiv eine
gewisse dem Nebenstehenden unbequem erscheinende bald zusammen-
gekauerte bald gerade Rückenlage mit , der Dyspnoe wegen , langge-
strecktem Halse eingehalten und eine jede Aenderung derselben höchst
unangenehm empfunden. Ganz junge Kinder wollen ruhig getragen
oder auf demSchooss der Pflegerin gehalten sein, und haben es am lieb-
sten , wenn dabei Kopf und Rumpf recht imterstützt werden. Nicht
selten werden von den Kindern die Schmerzen in den oberen Theil des
Bauchs verlegt.
Erbrechen tritt besonders bei kleinen Kindern in Begleitung von
Convulsionen im Anfange der Erkrankung ijfters auf, seltener zeigt es
sieh bei grösseren Kindern , deren Leiden mit Frost ähnlich wie bei Er-
wachsenen eingeleitet wird. Es ist mitunter heftig und erscheint mehr-
mals hinter einander; das Erbrochene besteht im Anfang aus genos-
senen Speisen , nicht selten schliesst sich aber auch galliges Erbrechen
an. Oefters ist es eine Zeit lang von heftigem Würgen begleitet oder
durch dasselbe ersetzt. In der Regel hört es schon im Laufe des ersten
Kraukheitstages auf.
Nach diesen Liitialerscheinungen entwickelt sich, im Allgemeinen
ohne erhebliche Remissionen , das Bild der schweren Krankheit rasch.
Unter heftigem nur ausnahmsweise auf kurze Zeit nachlassendem Fieber
und entschiedenem Krankheitsgefühl erscheinen früher oder später nun-
mehr die lokalen Symptome auf der Brust ; die Untersuchung ergiebt
sie selten schon am ersten , meist aber vom zweiten oder dritten Tage
an. Meistentheils quält die Kleinen ein durch die Schmerzen, die er her-
vorruft oder steigert, sehr lästiger Husten : dabei tritt das Oppressions-
gefühl allmählich stärker hervor und es erscheint stärkere Dyspnoe, als
sie der Intensität des Fiebers entsprechen würde ; Auswurf ist selten
vorhanden und noch seltener , fast nur bei älteren Kindern , rostfarben
und zähe oder überhaupt blutig ; meist wird , wenn überhaupt expecto-
rirt wird , nur etwas uncharakteristischer oder mit Blutstreifchen ver-
sehener Schleim herausgebracht. Kleinere Kinder expectoriren gar
nichts , sondern verschlucken alle Sputa. Mitunter zeigt sich in dieser
Zeit lästiges Herzklopfen , über welches bei älteren Kindern auch wohl
subjektive Klagen laut werden. Der Puls ist frequent und härtlich; 140
und darüber sind nicht ungewöhnliche Zahlen, bei kleinen Kindern kann
die Frequenz der Herzcontractionen bei entsprechend beträchtlichem
Fieber bis zu 170 , 180 , ja darüber, selbst bis zu 200 Schlägen in der
Minute steigen. Häufig treten auf der Höhe der Krankheit bei anhal-
tendem beträchtlichem Fieber auch Kopfsymptome auf, mindestens
mehr oder weniger heftige Kopfschmerzen sowie wesentlich gestörter
39*
ß-^2 Krankheiten der Atbmungsorgane. Lunge,
Schlaf ; nicht selten brechen anch Delirien von verschiedener Intensität
und Reichlichkeit aus, bald den ganzen Verlaut hindurch, liald nur in
der Exacerbationszeit des Fiebers. Der Appetit liegt gänzlich darni^
der ; eine Neigung zu Verstopfung pflegt sich einzustellen. Die Speichel-
secretion ist vermindert ; Trockenheit im Munde, heftiger Durst, KlageD
über Leibweh, dessen Begründung aber meist wohl nur im Zustande der
Brust gesucht werden dürfte, Uebelkeit und Aufstossen sind häufige Er-
scheinungen. Der Harn ist spärlich und wird , concentrirt wie er ist,
nicht selten unter brennenden Schmerzen entleert. Dieses Krankheits-
bild kann unter massigen Schwankungen zwischen zeitweiligen Besse-
rungen und Verschlimmerungen , die im Allgemeinen der Fieberinten-
sität entsprechen, mehrere Tage anhalten ; während dieser Zeit vervoll-
ständigen sich die lokalen Erscheinungen, bis etwa am vierten oder
fünften Tage, seltener erst später oder schon früher, die Zeichen einer
lobären Infiltration in vollkommenster Weise vorhanden sind.
In normalen Fällen zeigt sich nun früher oder später ein Nachlass
der Fiebersymptome , nicht leicht vor dem fünften Tage, am häufigsten
zwischen diesem und dem siebenten. Die Haut wird feuchter, sie ver-
liert das Brennendheisse , und auch die hochgesteigerte Eigenwärme
lässt ein wenig nach. Der Husten wird etwas lockerer, die Seitenschnier-
zen sind erträglicher , der Kranke schläft etwas , er delirirt nicht mehr,
und nimmt etwas Nahrung zu sich. Dabei verändern sich die lokalen
Erscheinungen auf der Brust nicht oder es zeigt sich eine unbedeutende
Veränderung , bald eine kleine Zu- , bald auch eine entschiedene Ab-
nahme insbesondere der Dämpfung ; letzteres besonders dann , wenn die
Entzündung sich frühzeitiger vollkommen ausgebildet gehabt und dieses
Stadiimi des Nachlasses eher l^egonnen hatte. Nicht leicht stellen sich
aber die Zeichen eines bedeutenderen Rückganges des Lokalprocesses
jetzt schon ein.
Dieses vorbereitende Stadium erhält nun aber in den meisten Fällen
rasch, seltener etwas langsamer seinen Abschluss mit dem Ausbruch
eines reichlichen Schweissos ; derselbe erfolgt meistentheiJs Abends oder
Nachts und ist augeusclieinlich von einer Besserung auch der übrigen
A^erhältnisse begleitet. Kopfweh und Delirien hören auf, der Hiisteo
wird trockener und leichter , die Schmerzhaftigkeit verliert sicli. Oft
schlafen die Kranken , die bis dahin hustend und ühev Schmerzen stöh-
nend nur kurze Stunden hindurch sich des Schlafes erfreut hatten, zum
ersten Male ruhig ein und erwachen erst dann wieder, nachdem das ge-
sammte Krankheitsbild ein anderes geworden ist. In Schweiss gebadet
und unter fortwährend von der Stirn rinnenden Tropfen erkaltet^der bis
dahin heisse Körper des kleinen Kranken , manchmal so übermässig,
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 613
dass Stirn, Nase, Ohren nnd Extremitäten die Kälte des CoUapses zeigen
und die Pfleger in lebhafte Besorgniss gerathen. Die unerwartet einge-
tretene Kühle , der tiefe Schlaf und die durch ihn bedingte Theilnahm-
losigkeit, der gläserne Blick, der bei dem aus dem schlaftrunkenen Zu-
stande Erweckten sich zeigt, die mitunter noch vorhandenen Delirien und
Hallucinationen , vielleicht auch unwillkürliche Entleerungen — kurz
die dem Anschein nach in vieler Hinsicht ungünstige Veränderung aller
Krankheitserscheinungen , und besonders ihr Erscheinen in schnellem
Sturm, rückt dem Laien die Möglichkeit eines bald bevorstehenden leta-
len Ausganges so vor Augen, dass sein Drängen um rasche Hilfe gerade
in dieser Periode sehr gerechtfertigt erscheinen muss. Glücklicherweise
kann der kundige trotz der aufregenden Scene ruhig untersuchende Arzt
bald beruhigen , findet er doch in dieser Periode das Fieber geschwun-
den , Puls und Eigenwärme zur Norm zurückgekehrt , die lokalen Er-
scheinungen nicht selten bereits in entschiedenem Rückgange. Noch
einige Stunden ruhigen Schlafes nebst Vermeidung grösseren Wärme-
verlustes , und auch dem Laien iiit die entschiedene Wendung zum Bes-
seren klar geworden , denn er steht am Bette des offenbar in die Gene-
sungsperiode eingetretenen Kindes.
Manchmal macht sich in dieser Periode starkes Nasenbluten in sehr
unangenehmer Weise bemerklich.
In den nächstfolgenden Tagen verschwinden allmählich, neben er-
halten bleibender Normaltemperatur, die im Laufe der febrilen Periode
entstandenen Krankheitsprodukte, oft schon im Laufe der ersten Woche
nach der Defervescenz bis auf einen geringen Rest. Es pflegt dieser Pro-
cess von Husten mit etwas lockerem Auswurfe, den man indessen bei
kleinen Kindern so wenig wie auf der Höhe der Krankheit zu Gesichte
bekommt, begleitet zu werden ; öfter hört man auf der Luftröhre etwas
Rasseln. Die Respirationsfrequenz ist dabei normal oder nahezu normal,
die Seitenschmerzen sind geschwunden. Auch der Appetit kehrt zurück
und bessert sich von Tage zu Tage ; die Kräfte heben sich rasch ; alle Funk-
tionen kommen wieder in Ordnung und schon nach kurzer Zeit erinnert
Nichts als der mehr und mehr verschwindende Rest des früheren lokalen
Befundes, wegen dessen noch einige Vorsicht in Betreif des Aufstehens
geboten ist, an die übei'standene schwere Krankheit.
Nicht immer ist der Verlauf der primären croupösen Pneumonie
der geschilderte ziemlich schwere : es giebt auch vielfach Fälle mit
leichterem Verlauf, geringeren lokalen Beschwerden , massiger
Dyspnoe, fehlenden Kopfsymptomen. Die Intensität des Fiebers braucht
dabei nicht ebenfalls nur gering zu sein, öfters aber ist sie dem massigen
Verlaufe entsprechend ebenfalls massig. Auch seine Dauer ist meistens
gj4 Ki-ankheiten der Athmungsorgaue. Lunge.
eine kürzere , so dass der Cyclus der Krankheit in vier bis fünf Tagen
beendet ist. Die Recouvalesceuz, bei Kindern schon ohnehin von rasche-
rem Verlauf als bei Erwachsenen , geht in derartigen Fällen besonders
rasch vor sich, und sehr oft sind die Kräfte der Kleinen schon wenige
Tage nach dem Schlüsse des Fiebers so weit hergestellt, dass sie sicli
ganz munter ausser Bett aufzuhalten vermögen.
Hat sich in diesen leichten Fällen die Infiltration noch gerade wie
in den schwereren zur regelmässigen Zeit eingestellt und in normaler
Art und Weise als Lobäraifektion ihren Ablauf genommen , so kommen
doch auch hin und wieder unter den Kindern , älteren wie jüngerer,
Fälle von A b o r t i v p n e u m o n i e vor. In diesen erscheinen die cha-
rakteristischen Zeichen einer wenig umfänglichen Infiltration bald nach
dem Beginne eines mehr oder minder intensiven Fiebers , ihre Weiter-
entwicklung wird indessen durch den schon am Ende des ersten bis
spätestens dritten Fiebertag erfolgenden definitiven Abfall der erhöhteo
Eigenwärme abgeschnitten. Cf. Fisch l 1. c. Solche Fälle kommen
auch bei Personen vor , die ein andermal eine gewöhnliche Pneumonie
von normaler Dauer überstanden hatten.
Umgekehrt giebt es nicht selten auch Fälle mit schwererem
p r 0 1 r a h i r t e m und insbesondere gern saccadirt weiterschrei-
t e n d e m Verlauf. Statt der wegen vollständiger Ausbildung der Infil-
tration am fünften oder spätestens sechsten Tage erwarteten Krise er-
scheint vielleicht am nächsten Tage eine zweite verdächtige Stelle in
einer bis dahin gesunden Lungen^Dartie , die allmählich zur vollen Infil-
tration sich weiter entwickelnd den Schluss des Fiebers hinausschiebt,
Dieselbe facht gewöhnlich von Neuem heftige lolcale Beschwerden an,
bewirkt eine erhebliche Steigerung der Schmerzen, des Hustens und der
Dj'spuoe, und erschwert dadurch den weiteren Verlauf. Unangenehmer
aber ist noch , dass durch eine solche Verlängerung der Krankheit der
Ins dahin vielleicht noch leidlich erhalten gebliebene Appetit leicht
gänzlich vernichtet und damit die dem Herzen wie allen übrigen Orga-
nen durch langsame Erschöpfung drohende Gefahr erheblich gesteigert
wird. Die unliebsamste Erscheinung solcher protrahirter Pneumonieen
ist also die während ihres Verlaufs sich rascher oder langsamer ausbil-
dende Schwäche , und wenn auch günstigen Falls vorher gesunde uDii
kräftige Kinder schliesslich noch in normaler Weise defervesciren, so
wird doch die durch den langgedehnten Verlauf herbeigeführte hoch-
gradige Anämie leicht Veranlassung einer sehr verzögerten und durch
intercurrente Zufälle aller Art gestörten Reconvaleseeuz.
Im Allgemeinen lässt sich der Satz aussprechen , dass die Affek-
tionen der Oberlappen und zweilappige Pneumonieen einen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 615
schwereren und protrahirteren Verlauf als die ein lappigen und die
der U n t e r 1 a p p e n besitzen.
Eine Uebersicht derjenigen Kinderpneumonieen, deren Verlauf dem
Typus der genuinen croupösen Pneumonie, wie er in seiner mittel-
schweren und leichteren , sowie in der saccadirt fortschreitenden Form
geschildert wurde, in wesentlichen Punkten nicht entspricht, also ge-
wissermassen ein anomaler ist, scheint mir folgende Kategorieen zu
verlangen.
Erstens eine Form, welche hauptsächlich jüngere Kinder bis etwa
zum dritten Jahre hinauf zu betreffen scheint und wesentlich mit
Brustsymptomen verläuft. Die Kinder sind bis zur Erkrankung
gesund oder höchstens mit einem leichten fieberlosen Katarrh behaftet;
ihre Krankheit beginnt nicht allzu plötzlich mit remittirendem massi-
gem allmählich aber steigendem und schliesslich unter Umständen recht
hohem und continuirlichem Fieber ; die Localisation erscheint langsam
nach dem Beginn des Fiebers und breitet sich nach und nach auf beiden
Seiten aus , ohne die Grenzen der einzelnen Lappen zu beachten ; es
treten die Zeichen eines ein- oder doppelseitigen pleuritischen Ergusses,
vielleicht auch einer Pericarditis hervor , und so erliegen die Kleinen
am Ende der ersten oder in der zweiten Woche bei verschiedengradigem
Fieber, unter beträchtlicher Dyspnoe und allmählich zunehmendem Ras-
seln (Lungenödem), theils der grossen Verbreitung der Pneumonie, theils
den Complicationen. Die Section ergiebt ausser den fibrinösen Auf-
lagerungen und den Ergüssen in die serösen Höhlen ai^ch wohl Leber-
mid MiJzschwellung und parenchymatöse Nephritis massigen Grades.
Insofern die Resj^irationssymptome während des Krankheitsveidaufes
bei dieser Form entscliieden vorherrschen , dürfte sie am zweckmässig-
sten, sofern ein Name überhaupt nothwendig erschiene, die pektorale
Form der primären anomalen Kinderpneumonie genannt werden.
Bei einer zweiten Form ist schon wegen des Hustens und der Dys-
pnoe die Pneumonie , welche bei kleineren Kindern weniger scharf als
bei älteren auf einen einzigen Lappen begrenzt zu sein pflegt, allerdings
nicht zu übersehen , indessen sind doch gastrische Erscheinun-
gen erheblicherer Art von Anfang an vorhanden und machen
sich während des Verlaufes fortwährend in unliebsamer Weise geltend.
Häufiges Erbrechen und gänzlicher Appetitverlust, insbesondere aber
anhaltende Diarrhoe bedingen selbst bei massig bleibendem Fieber all-
mählich eine so bedeutende Schwäche , dass das Leben ernstlich in Ge-
fahr schwebt und die Kinder, wenn die kritische Entscheidung des Fie-
bers ausbleibt , durch sie schliesslich zu Grunde gehen. Ist aber die
Defervescenz eingetreten, so schwinden die gasterointestinalen Ersohei-
gjg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
nungeu und eine nacli Dauer und Intensität des abgelaufenen Processes
nielir oder weniger rasche Reconvalescenz stellt die Gesundheit wieder
her. Es wäre dies die gastrische Form der obengenannten Pneunio-
nieart. Icterus ist hierbei selten ; ich habe ihn bei einer solchen Pneu-
monie des Kindesalters einmal beobachtet ; eine mit Icterus verbundene
derartige Pneumonie könnte altem Gebrauche gemäss gastrisch-biliös
oder biliös heissen.
Eine dritte Form ist die nervöse oder cerebrale, die mit
schweren Hirnerscheinungen verlaufende und seit Ri Hie t und Bar-
th e z häufig auch G e h i r n p n e u m o n i e genannte Form. Sie wird
von diesen Autoren in die beiden Unterarten der eklamptischen und
meniugealen Form getrennt ; letztere zerfallen sie wieder in eine koma-
töse und delirirende Species. Die convulsivische Form soll besonders
kleinen zumal zahnenden Kindern zukommen, die komatöse Kinder von
2 — 5 und die delirirende Form ältere Kinder betreffen. Da die Autoren
die Convulsionen der eklamptischen Form nicht in bestimmte Bezie-
, hungen zu einem eigenthümlicheu Krankheitsverlauf bringen , sondern
sie einfach annehmen , wenn irgendwann während der Pneumonie aus
irgend welcher Ursache intercurrente Convulsionen auftreten , so ist es
kaum nöthig, auf sie weiter Rücksicht zu nehmen.
In der That scheint ein uncomplicirter nur durch wiederholte Convul-
sionen ausgezeichneter Verlauf der Kinderpneumonie mindestens selten zu
sein (Henoch I.e. 1866 p. 114); ich erinnere mich nicht, einen solohenFall
beobachtet zu haben ; der von Z i e m s s e n (Pleur. u. Pneum. p. 194)
erwähnte sechsmonatliche Knabe war, zumal während der Zeit der in-
tensivsten Krämpfe entschieden komatös; ebenso verhielt sich der tödt-
lich verlaufene Fall von Politzer (Jbch. f. Khkde. N. F. JV. p. 310),
in dem die Convulsionen mehrere Tage hindurch sich wiederholten; bei
Baas's (1. c. p. 279) Mädchen waren die mehrtägigen Convulsionen
mit Delirien verbunden ; Aehnliches beobachtete ß e i s 1 a n d.
Die Symptome der meniugealen Formen , Unruhe, Somnolenz und
Koma mit und ohne Strabismus, Delirien, Kopfweb mit Erbrechen u. s. w.
verwischen durch ihre Mannichfaltigkeit und Intensität die Symptome
der Pneumonie, ihr Verlauf ist minder regelmässig als der der gewöhn-
lichen Form und ihre Gefahr viel grösser. Die Neuzeit hat als wich-
tigste Ursache dieser intensiven Hirnsymptome die übermässig hochge-
steigerte Eigenwärme kennen gelernt , während in zweiter Linie eine
besondere Disposition der Individuen zu nervösen Störungen von Be-
deutung ist ; ausserdem mögen dieselben hin und wieder im Wesent-
lichen durch wirkliche Complicationen , wie Meningitis , Otitis u. a. m.
bedingt sein.
In einem von Lewisson veröffentlichten übrigens sehr anomal
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 617
verlaufenden Falle glaubte Henoch die vorhandene Herzschwiiclie als
Ursache der Nervenerscheinungen anschuldigen zu sollen.
Bei allen diesen nervösen Formen treten die lokalen Erscheinungen
der Pneumonie zurück ; insbesondere erscheinen die anatomischen Ver-
änderungen erst später, manchmal erst ungewöhnlich spät am vierten
oder fünften Krankheitstage. Auch nachdem .sie ausgebildet sind,
pflegen in einem Theile der Fälle die Brustsymptome keineswegs die
Rolle zu spielen wie in den gewöhnlichen Fällen , sondern immer noch
die Nervenzufälle die auffälligste Erscheinung zu bilden, während aller-
dings in vielen anderen Beobachtungen die letzteren mit dem Nachweis-
barwerden der Infiltration sofort sich vermindert oder ganz aufgehört
haben. —
Es sei mir gestattet, im Anschluss an die Beschreibung dieser ano-
malen Formen des Pueumonieverlaufes auf das ätiologische Gebiet zu-
rückzukehren und die Frage nach der Genese derselben .kurz zu er-
örtern. Vorausgeschickt mag werden , dass sie mir nur vereinzelt , nie
in epidemischer Verbreitung vorkamen , und dementsprechend nur eine
bedeutende Minderzahl der von mir beobachteten Pneumoniefälle bil-
den. Ausserdem möchte ich hervorheben , dass derartige anomale Fälle
nur gemischt mit gewöhnlichen Pneumonieen gesehen werden, die gar
nichts Besonderes darbieten. Dies Durcheinandervorkommen scheint
mir ziemlich entschieden gegen eine besondere Pneumonienrsache für
die Minderzahl zu sprechen , um so mehr , als auch die Aetiologie der
betreffenden Fälle durchaus nichts Eigenthümliches und Gemeinsames
darbot, was sie vor den übrigen ausgezeichnet hätte.
Offenbar könnte der geschilderte Symptomencomplex darauf hin-
weisen, dass wir es hier mit sogenannten asthenischen Pneumonien
(vgl. besonders Leichten stern, Volkm. Sammig. klin. Vortr. Nr. 82)
zu thun hätten. Und obgleich die Symptomatologie derselben noch min-,
der bestimmt ist als ihre Aetiologie, so muss doch die Beantwortung der
Frage versucht werden , wie sich die Kinder in dieser Beziehung ver-
halten.
Als Eigenthümliehkeiten der asthenischen Pneumonieen gesunder
kräl'tiger Erwachsener werden von Ij eichten stern folgende ange-
geben : Sie beginnen häufig mit ein- bis mehrtägigen schweren „Pro-
dromen", welche mit den Initialsymptomen akuter Infektionskrankheiten
fast vollständig übereinstimmen und daher oft den Ausbruch eines Ty-
phus vermuthen lassen, bis die entzündlichen Erscheinungen in den Lun-
gen die Krankheit als Pneumonie kennzeichnen. Insbesondere fehlt der
Schüttelfrost häufig , viel öfter als bei der gewöhnlichen Form der pri-
mären croupösen Pneumonie, und folgen auf ihn, wenn er vorhanden ist,
die lokalen Krankheitserscheinungen weit weniger rasch als bei dieser.
Die Infiltration erscheint oft nur in einem Theil eines Lappens, entweder
der Peripherie, oder sie ist eine centrale und eine Zeit lang gar nicht
618
Krankheiten der Athmungsoigaiie. Lunge.
iiachwei.^l.ai-; auf den zuerst befallenen Bezirk kann sie sich entweder
bescliränken oder ^-on ihm aus allmählich auf weitere Lungenpartieen
ausdehnen; dabei sind die Oberlappen häufiger als die Unterlappen be-
fallen und Doppelseitigkeit der Affektion nichts Seltenes. Asthenische
Pneuraoiiieen sind oft mit pleuritischen Ergüssen combinirt, gehen in der
Mehr/ahl der Fälle mit ungewöhnlich hohem Fieber und ungewöhnlich
schwerer Prostration, mit frühzeitigem Delirium und Coma, kleinem fre-
quentem Pulse, mit Trockenheit der Jluud- und IJachenhöhle und Fuligo
der Zähne (typhöse, typhoide Pneumonie) einher; auch hind sie durch
Anschwellungen von Leber und Milz, nicht selten höheren Grades, durch
Allaiminurier durch bedeutende gastrische und intestinale Erscheinungen,
besonders auch Icterus (gastrische und biliöse Pneumonie), sowie durch
parenchymatöse Degenerationen der verschiedensten inneren Organe aus-
gezeiclniet. Selten kommen secundäre Entzündungen anderer Organe wie
Parotitis, Thyreoiditis, Zellgewebsentzündung u. s. w. vor. Diesen viel-
fachen Verlaufseigenthümlichkeiten entspricht auch im Gegensatz zui- ge-
wöhnlichen Pneumonie eine beträchtlich höhere Mortalität. — Sehr oft
sollen an Orten und zu Zeiten, wo derartige „primär" asthenische Pneu-
monieeii herrsclien, auch die leichtesten Fälle die eine oder andere der-
jenigen Verlaufs- und Symptomeneigenthümlichkeiten darbieten, welche
die schweren Fälle charakterisiren.
In der That entsprechen also hiernach die Eigenthümlichkeiten der
bezeichneten Categorien der Kinderpneumonie denjenigen , welche als
charakteristisch für die durch ihr epidemisches und endemisches Auf-
treten ausgezeichneten primären asthenischen Pneumonieen betrachtet
werden. Aber keineswegs ist man desshalb berechtigt, für diese Fälle —
selbst zugegelien, dass die croupöse Pneumonie eine Infedionskrank-
heit , was ja sehr wahrscheinlich — eine b e s o n d e r e specifischc
Krankheitsursache anzuirehmen. Persönlich habe ich über Pneumonie-
e p i d e m i e e n keine Erfahrung , meine aber , dass sich die in den Be-
schreibungen solcher geschilderten Eigenthümlichkeiten durch eine Ver-
änderung der individuellen Disposition zur Genüge erklären Hessen. Es
kommen ja auch in leichten Scharlachepidemieen, untermischt mit vielen
normalen leichten, einzelire schwere Fälle von eigenthümlichem anomalem
Verlaufe vor, einem eigenthümlicheren Verlaufe, als ihn die Pneumo-
nieen je darbieten, und umgekehrt finden sich in einer schweren Schnr-
lachepidemie einzelne gairy. leichte Fälle: soll desshalb die Scharlricli-
ursache bei beiden Aii.en von Fällen eine verschiedene sein? Die
wesentlichen anatomischen Störungen sind hier vae dort identisch. Und
warum sollten die in meinem Beobachtungsgebiet eine lange Reihe von
Jahren hindurch durchaus nur sporadischen durch einen einigermassen
abweichenden Verlauf ausgezeichneten Fälle von Pneumonie nicht auf
die gleiche Krankheitsursache zurückgeführt werden können? Eine
ätiologische Besonderheit kommt ihnen ja augenscheinlich nicht zu, und
un Uebrigen sind sie nur durch eine grössere Neigung zu Complicationen
und eine grössere Mortalität ausgezeichnet.
Sind es aber individuelle Momente, welche die Eigenthümlichkeiten
der genannten Pneumoniefoi-men der Kinder höchst wahrscheinlich ver-
anlassen, so dürfte es sich auch der Mühe verlohnen in Betracht zu
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. (319
ziehen , ob etwa irgendwelche Beziehungen dieser Fülle zu den von
Leichtenstern sogenannten individuell asthenischen Pneumonieen
bestehen. Bekanntlich bezieht derselbe die Besonderheiten des Verlaufs,
welche die eroupösen Pneumonieen der Anämischen, Herzkranken, Em-
physematösen , Siiufer, Greise u. s. w. in der Bieget darbieten, auf eine
Herzdegeneration, Ich bin nicht in der Lage , diese Hypothese durch
meine Beobachtungen stützen zu können , abgesehen natürlich von den
rein secundären Pneumonieen im Verlaufe der verschiedensten akuten
schweren Krankheiten. Viele der in der poliklinischen Praxis behandelten
bis zur Erkrankung gesunden pneumonischen Kinder waren insbesondere
anämisch und scrofulös , ohne dass der Pneumonieverlauf beziehentlich
die Eeconvalescenz irgend etwas erhebliches Besondere zumal auf eine
Herzstörung Zurückzuführende dargeboten hätte. Es liegt ja gewiss nahe,
die bei derartigen Personen, wie Kranken, Schwächlichen, Inficirten, vor-
handenen Organstörungen als Ursache der Besonderheiten des Pneumo-
nieverlaufes anzuscliuldigen . und es ist gar nicht zu verwundern , dass
hierbei besonders an das Hevz gedacht worden ist als an ein Organ,
dessen normale Fuuctionirung unter allen Umständen für den ganzen
Körper von äusserster Wichtigkeit sein muss und das gerade durch eine
pneumonische Infiltration erheblich belastet wird, wie Jürgensen in
überzeugender Weise demonstrirte. Soll der Kreislauf unier diesen er-
schwerenden Umständen intakt bleiben, so muss das Herz mehr arbeiten ;
und vorausgesetzt , dass es mehr arbeitet , so muss diese Mehrleistung,
in Betreff welcher es wahrscheinlich von keiner Seite her unterstützt
wird , es um so leichter in seiner Organisation und damit auch seiner
Punktionirung zu schädigen im Stande sein, als es ohnehin schon durch
die Temperatursteigerung wie durch die verminderte Zuiuhr von Er-
nähningsmaterial , die nothwendigen Folgen der fieberhaften Krankheit,
entschieden geschädigt wird. Leidet aber das Herz wesentlich Noth, be-
ziehentlich sind die Cjewebe in Folge der Respirationsstörung mit Koh-
lensäure überladen, so muss auch die Leistungsfälligkeit der einzelnen
Organe leiden; wird hierdurch ihre normale Thätigkeit vermindert, sinkt
die Funktionirung gewisser zum Leben wichtiger Organe unter ein ge-
wisses Minimum herab , so ist nothwendige Folge , dass das bis dahin
normale Krankheitsbild durch neue Symptomencomplexe mehr oder we-
niger erheblich modificirt und complicirt wird. Gewiss kann man also
gewisse während des Höhestadiums der eroupösen Pneumonie zu beob-
achtende anomale Erscheinungen wenigstens theilweise auf das Herz
zu beziehen sich veranlasst fühlen; anders aber ist es mit den Initial-
symptomen, bei deren Eintritt das Herz öfters gewiss nicht bereits in
einem dem ähnlichen Zustande sich befinden dürfte, in dem es später
bei der Section gefunden wird oder den man nach mehrtägiger Dauer
der Entzündung vei-muthen kann. Schon die Initialsymptome der sog.
individuell asthenischen Pneumonieen sind aber bekanntlich abweichend
vom gewöhnlichen Verlauf! Ich glaube daher, dass die Ursachen der er-
wähnten Anomalieen mehr in der Veränderung der Gesammtconstitution
als in der nur eines einzigen obgleich noch so wichtigen Organs gesucht
werden müssen ; jedenfalls dürften sich die zahlreichen Abweichungen vom
Normalverlauf nicht von einem einzigen Punkte aus erklären lassen.
ß20 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Wenn man nach einem intensiven und vielfach comijlicirten Krankheits-
verlauf .schliesslich Ijei der Section ein vielleicht nur partiell und massig
entartetes Herz findet, so kann man desshalb doch nicht berechtigt sein,
dasselbe ohne Weiteres zur direkten oder indirekten Erklärung der ver-
schiedensten Krankheitssymptome herbeizuziehen ; zum Mindesten dürfte
im Einzelfall der Nachweis dieser Berechtigung sehr schwierig und kaum
je in erschöpfender Weise zu führen sein. —
Endlich will ich noch der erratischen Form der Kinderpneu-
monie gedenken , die von Manchen auch mit dem Erysipel verglichen
und daher erysipelatöse Pneumonie genannt wurde. In reinen Fällen
beginnt und verläuft sie in der Regel mit heftigem, bald continuir-
lichem, bald unregelmässig .remittirendem Fieber; wo die Remis-
sionen einen mehr regelmässig intermittirenden Charakter annehmen
pflegt Malaria im Spiele zu sein. Der lokale Process tritt gewöhnlich
langsam an einer wenig umfänglichen Stelle hervor und entwickelt sich
hier, während er sich allmählich auf das benachbarte Lungengewebo
ausbreitet , oder auch wohl auf die andere Seite überspringt , zur voll-
kommenen Hepatisation , die allmählich fortschreitet. So bietet sich
schliesslich das eigenthümliche Bild dar, dass in einem späteren Stadium
der Krankheit entstehende , ausgebildete und in entschiedenster Rück-
bildung begriffene Infiltrationsherde gleichzeitig vorhanden sind ; am
Schlüsse der Pneumonie kann sich zeigen , dass vielleicht nur ein be-
schränkter Theil aller athmungsfähigen Substanz ganz frei geblieben
ist. Nach einer rapiden oft erst ziemlich spät erscheinenden Entfiebe-
rung pflegt die Reconvalescenz ziemlich rasch zur vollkommenen Ge-
nesung zu führen.
Aber nicht nur überhaupt, sondern auch in den einzelnen Ab-
schnitt en des Kin desalters bietet der Verlauf der Pueun.onie
beachtenswerthe Eigenthümlichkeiten. Der im Anfang geschilderte ein-
fache uncomplicirte schwere oder mittelschwere Verlauf der Krankheit
zeigt sich besonders bei älteren Kindern , obwohl er auch bei den klei- '
neren bis zum zweiten und dritten Jahre hinab nicht selten ist. Die
croupose Pneumonie der jüngeren Kinder von etwa der Mitte des ersten
Jahres an erscheint öfter in der abgehandelten durch excedirende
Symptome verschiedener (Jrgane ausgezeichneten Form. Die gleichen
Eigenthümlichkeiten hat auch die der jüngsten Kinder aufzuweisen;
eine weitere Besonderheit dieser Fälle liegt aber in der auch bei ein-
fachem \ erlaufe gewöhnlich sehr schweren Störung der Respiration.
Die Ursache hiervon ist eine dreifache: zuerst die gewöhnliche, das
durch das pneumonische Exsudat selbst gesetzte Circulationshinderniss,
sodann d,e häufige Atelektase des Lungengewel^es , welche sich bei den
wenig energischen Atüembewegungen der durch heftiges Fiebe
ber u. s. w.
Thomas, Croupöse Pneumonie. Pathologie. 62
schwer angegriffenen Kinder besonders leicht ausbildet, und endlich das
diese Lebensperiode auszeichnende Offenstehen der fötalen Wege, /Aimal
des Foranien ovale. Vielleicht könnte, wenn durch zu reichliches Ex-
sudat der Eintritt des Blutes in die Lungencapillaren erschwert wird,
der Druck im rechten Ventrikel und Vorhof steigen und der beim Ge-
hörnen vorhandene grössere Druck im linken Herzen vermindert wer-
den. Bei allzu beträchtlichem Missverhältnisse würde nun aber ein
Ueberfliessen des Blutes aus dem rechten in den linken Vorhof statt-
finden und damit allmählich eine ungenügende Arterialisation des Ge-
sammtblutes herbeigeführt , oder wenigstens die durch die Pneumonie
bewirkte Kohlensäureüberladung desselben wesentlich gesteigert, damit
aber Ernährung und Funktionirung aller Organe , zumal des Herzens
selbst, aufs Schwerste beeinti'ächtigt werden. Berücksichtigen wir nun
noch die grosse Zartheit des Organismus der Neugebornen, die jede
Affektion schlecht ertragen und zumal den Folgen des Fiebers sowie
der Inanition so leicht erliegen , die Neigung zu schweren Nervenzu-
fällen , welche oft gänzlich unerwartet dem Leben ein Ende machen,
endlich die Häufigkeit eines plötzlichen Collapses bei ihnen überhaupt,
so darf es nicht Wunder nehmen , wenn die Pneumonie derselben durch
besonders schwere Symptome aller Art und eine gi-osse Mortalität bei
oft unerwartet frühem Eintritte des Todes vor derjenigen älterer Kinder
sich auszeichnet. Ihr Verlauf ähnelt insofern einigermassen dem der
Greisenpneumonie.
In den ziemlich seltenen ungünstig verlaufenden Fällen
primärer croupöser Pneumonie älterer Kinder ist entweder das Fieber
von Anfang an äusserst hochgradig und durch stürmische Nerven-
symptome eingeleitet, oder der lokale Process auf den Lungen, der
dann gewöhnlich in den oberen Lappen seinen Sitz hat, von ungewöhn-
licher Intensität, oder es ist seine Verbreitung über einen gro.ssen Theil
des Lungengewebes eine allzubeträchtliche ; der Tod kann dann theils
eine Folge der Hyperpyrese sein, theils durch Erstickung eintreten, und
zwar unter Umständen schon recht zeitig , sogar am ersten Krankheits-
tage, erfolgen. Oder es besteht von Anfang an , oder stellt sich bald
nach Beginn der Krankheit bereits eine Complication , wie intensive
Bronchitis, Pleuritis, Peri- und Endocarditis, Meningitis, Nephritis, ein
stai-ker Gastrointestinalkatarrh u. s. w. ein , deren Symptome das Bild
unter Umständen so verändern können, dass dieselbe nur von einem ge-
übten Untersucher im Leben erkannt , oft genug erst bei der Section
entdeckt wird. Die Dauer der Krankheit ist in solchen Fällen eine ver-
schiedene, gewöhnlich aber kurze, und richtet sich nach Intensität und
Bedeutung der Complication. Oder es verzögert sich die Defervescenz
g22 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
und Lösung des Exsudats so lange, bis der kindliche Organismus durch
das andauernde Fieber und die consecutive Ernährungsstörung erschöpft
ist, dies ganz besonders bei der saccadirt fortschreitenden und erysipelas-
artig wandernden Form: der Tod tritt dünn mit oder ohne stürmische
Erscheinungen (Convulsioneu , Herzinsufficienz, Lungenödem) am Ende
der zweiten oder in der dritten Woche ein. Oder es gelangt die pneu-
monische Verdichtung gar nicht zur Lösung und Resorption , sondern
führt früher oder später durch eitrige Lihltration , Abscessbildung,
Brand, Verkäsung, gewöhnlich unter Hinzutritt weiterer Störungen der
Brustorgane (Bronchiolitis, katan-halische Pneumonie, Lungenödem,
Pleuritis und Pericarditis, Pneumothorax und Emp3'em, Phthise), oder
von Aligemeinstörungen (Septikämie, Pyämie, Miliartuberculose) zum
Tode. Endlich können jederzeit schwere intercurrente völlig unerwartet
auftretende Zufälle, insbesondere nervöser Art (Louis 1. c), dem Le-
ben ein Ende machen.
Säuglinge werden mitunter allein durch die Dyspnoe und zumal,
wenn noch etwas Coryza vorhanden ist, dadurch in Lebensgefahr ge-
bracht, dass sie am genügenden Saugen verhindert sind (West, L c. 34.
p. 174). Werden sie nicht rechtzeitig aufpassende Weise ernährt, so
können .sie der Inanition erliegen , ohne dass Umfang und Art der In-
filtration eine besondere Gefahr für das Leben bewirkt hätten. Indessen
gehen sie und kleinere Kinder überhaupt auch leichter durch die oben
angeführten Verhältnisse , ihrer weit geringeren Widerstandsfähigkeit
gegen Krankhcitseinfiüsse wegen, zu Grunde; insbesondere werden
Bronchitis, Pleuritis, Meningitis, Dannlcatarrh und Herzschwäche , we-
niger das bei ihnen gewöhnlidi raindei- intensive Fieljer zur Todesur-
sache.
Symptomatologie.
Betrachten wir nun die einzelnen Krankheitserscheinungen bei der
croupösen Pneumonie der Kinder.
P r o d r 0 m e. Prodromale Symptome fehlen in der grossen Mehr-
zahl der Fälle vollständig. Lidessen giebt es nicht ganz selten Fälle,
zumal bei jüngeren Kindern, in welchen die Pneumonie , ähnlich wie
auch hie und da bei Erwachsenen , durch geringfügige andersartige
Krankheitserscheinungen von verschiedener Art eingeleitet wird: so
besonders durch leichte Katarrhe der oberen Luftwege, des Rachens,
des Magens und Darms. Ihre Dauer vor Beginn der Pneumonie ist ge-
wöhnlich eine nur kurze ; sie gehen ihr um einen oder zwei, seltener
um mehrere Tage voraus. Selten sind sie von leichten , vielleicht nur
abendlichen Fiebererscheinungen begleitet , meist ganz fieberlos. Man
Thomas, Croupöse Pneumonie. Sj'mptomatologie. 623
darf diese leichten in lockerem und mehr zufälligem Zusammenhang
mit der Pneumonie stehenden und wie gesagt nur in der entschiedenen
Minderzahl der Fälle vorhandenen Krankheitserscheinungen nicht mit
denjenigen verwechseln, welche zwischen dem deutlichen Beginn des
pneumonischen Fiebers und dem Zeitpunkt erscheinen , an welchem die
pneumonische Verdichtung nachweisbar wird. Sie verschwinden ge-
wöhnlich während des folgenden schweren Krankheitsbildes oder be-
wirken vielleicht eine geringe Modificatian der Sj'mptome der Pneu-
monie, seltener dauern sie in der einen oder anderen Weise bis in die
Reconvalescenz hinein selbststäiidig iort.
Da sich die Pneumonie nicht selten unmittelbar an eine nachweis-
liche entschiedene Schädlichkeit anschliesst, eine längere „ hicubations-
periode'' wie bei den akuten Exanthemen also fehlt, so ist das Voraus-
gehen solcher leichter Prodrome vielleicht dadurch zu erklib'en, dass
während ihres Bestehens, und zumal wenn sie etwas Fieber verursachen,
der Organismus empfindlicher und seine Disposition zu weiterer inten-
siver Erkrankung, also auch nu Pneumonie, gesteigert ist. Es erscheint
die letztere daher unter solchen Umständen, sobald sich zufälligerweise
eine ihrer Gelegenheitsursachen geltend macheu kann. Weit einfacher
wäre die Erklärung dieser leichten örtlichen Störungen , wenn die in-
fektiöse Natur der Pneumonie unzweifelhaft feststände und iln- daher
auch ein dem Beginn der entschiedenen Symptome einige Zeit voraus-
gehendes Incubationsstadium zugeschrieben werden müsste: bekanntlich
zeichnet sich dieses bei den Infektionskrankheiten oft genug durch ört-
liche und allgemeine Störungen, jedoch nur leichtester Art, aus. Sind
dieselben intensiver entwickelt , so dürfte die Ansicht gerechtfertigter
.sein, dass die Pneumonie secundär auftrete.
Fieber. Mag die Pneumonie wie bei Erwachsenen mit Schüttel-
frost oder Frösteln, oder mit Krämpfen und Erbrechen beginnen, im-
mer steigt während dieser intensiven Initialerscheinungen, deren Dauer
gewöhnlich nur eine kurze , etwa halb- bis einstüudige ist , die Eigen-
wärme rapid, sei es, dass sie unmittelbar vorher bei vollständiger Ge-
sundheit normal war, sei es, dass eine langsame geringfügige Erhebung
aus irgendwelchem Grunde schon eine kurze Zeit vorher begonnen
hatte. In der Regel ist die Temperatur schon vor dem Froststadium
ein wenig gestiegen imd bezeichnet der Schüttelfrost oder der Krampf-
anfall nur die Periode ihrer rapiden Zunahme und damit des deutlichen
Beginns der Krankheit. Sobald auf diese Weise eine bedeutende Fieber-
höhe, 40" und darüber, erreicht ist, weicht der Frost einem anhaltenden
starken Hitzegefühl , während dessen die Haut trocken ist oder zeit-
weilig leicht schwitzt, und es beginnt nunmehr eine mehrtägige Fieber-
periode , in deren Verlauf sich die Lokalaffektion in den Lungen deut-
lich entwickelt. Die Temperatur erreicht Abends auch in leichteren
Fällen in der Achselhöhle 40", während sie in den schwereren bis nahe
524 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
31141° heranreicht oder diesen Grad sogar an einzelnen Tagen über-
steigt; Morgens steht sie auf 39"— 39 ",5, in schweren Fällen etwas
höher, wenigstens an den meisten Tagen. Nur Säuglinge haben manch-
mal auch in solchen ein nur massiges Fieber. Bei Rectummessuugen,
die zu praktisch-ärztlichen Zwecken am zweckmässigsten mittelst eines
am länglichen Quecksilberbehälter eingeölten, auf etwa 2" über den zu
erwartenden Grad (vorsichtig !) erwärmten und rasch durch den Sphincter
hindurch eingeführten Thermometers vorgenommen werden, ergiebt
sich ein um einige Zehntel, durchschnittlich etwa 0'',5 höherer Tempe-
ratnrgrad. Die Tagesremission fallt auf die frühen Morgenstunden und
ist in leichten Fällen von längerer, in schweren von kürzerer Dauer;
während das Ansteigen zur neuen abendlichen Exacerbation in ersteren
vielleicht erst Mittags beginnt, findet es in letzteren schon in den ersten
Vormittagstunden statt, und es kann daher in ihnen vielleicht bereits
Mittags die Maximaltemperatur des Tages erreicht sein. Ausserdem er-
giebt sich öfters eine kleine Schwankung in den Stunden vor Eintritt
der Nacht.
Der regelmässige Verlauf des Fiebers auf dem Höhestadium der
Pneumonie erleidet nun theils durch intercurreute stärkere Steigerun-
gen, besonders aber durch dergleichen Senkungen nicht selten eine
Unterbrechung.
Höchste Temperaturwerthe werden in der Regel nur einmal , bald
mehr im Anfang der Krankheit, bald erst gegen deren Ende hin, am
häufigsten in den mittleren Tagen des Höhestadiums , selten mehrmals
erreicht. Mitunter tritt eine enorme mit dem sonstigen Verlaufe durch-
aus contrastirende Temperatur gleich im Anschluss an das luitialsta-
dium und zumal einen intensiven Schüttelfrost oder ■Kranipfanfall ein,
Oder es erscheint eine solche unerwartete Steigerung zu iro-endwelcher
späteren Zeit , in.sbesondere in der Nähe der Krise , welche sich unmit-
telbar an die in diesem Falle »perturbatio critica« genannte und in der
Regel kurzdauernde Erhebung anschliessen kann. Am häufigsten zeigt
sich aber die Temperaturacme , welche übrigens fast nur in schweren
Fällen ausgesprochener ist , zwischen dem dritten und fünften Tag in
der Form einer andauernden durch mehr oder minder vollständiges
Ausfallen der Remissionen ausgezeichneten beträchtlicheren Steigerung,
und zwar schliesst sie sich gern unmittelbar an bedeutende Rückgänge
der Temperatur an.
Wodurch diese intercurrenten bedeutenden Steigeruno-en bedingt
smd, ist nicht unmer leicht einmsehen. Manchmal sind es wahrschein-
lichervveise Zufälligkeiten verschiedener Art, die in den Verhältnissen des
pnemnonischen Lungenabschnittes ihre Erklärung nicht ünden, z. B. Vei-
stoptung, eme Indigestion, ein unzweckmässiges Verhalten des Kranken
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie.
625
überhaupt; manchmal mögen sie aber auch durch rapide Entwicklung
oder Zunahme des Lokalprocesses und gleichgradige Steigerung des Stoff-
wechsels veranlasst werden ; endlich könnten sie durch unmotivirte re-
lativ escessive zeitweilige Behinderung des Wärmeabflusses bedingt sein.
Bei kurzer Dauer sind sie im Allgemeinen ziemlich bedeutungslose Stö-
rungen des Normalverlaufs der Krankheit ; länger anhaltende pflegen da-
gegen ernste Verwicklungen und Störungen desselben anzuzeigen.
Nicht minder interessant sowie praktisch wichtig ist die Thatsache,
dass sich während des im Wesentlichen anhaltenden Fiebers der crou-
pösen Pneumonie in vielen Einzelfällen gewöhnlich an Stelle der nor-
malen Morgenremission unerwarteterweise kurze tiefe Temperatursen-
kungen einstellen , welche , insofern sie bis zur Norm oder wenigstens
bis in ihre Nähe, ja sogar noch unter sie hinabreichen, den Anschein
erwecken , als 0I3 der gesammte Fieberverlauf abgeschnitten und eine
kritische Beendigung desselben eingetreten sei. Indessen steigt nach
wenigstündigem Verweilen in solchen Tiefen die Eigenwärme ziemlich
rasch zur alten Fieberhöhe wieder empor , gewöhnlich ohne , seltener
unter leichtem Frösteln oder vorübergehendem convulsivischem Zucken,
entsprechend der Geschwindigkeit der neuen Temperatursteigerung.
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Späte aber complete Krise, die zh subnormaler Temperatur führt. Zwei Tage
zuvor Scheinabfall. Aus Gerhardt's Lehrb. d. Kkh. 3. Aufl. p. 362.
Man bezeichnet derartige Intermissionen im Fieberverlauf als Pseudo-
krisen oder )Scheinabfälle ; sie stellen sich, wenn überhaupt, gewöhnlich
nur einmal , seltener an zwei oder mehreren auf einander folgenden
Tagen ein. Im letzteren Fall gewinnt der Temperaturgang eine An-
näherung an den intermittirenden Fiebertypus , wie er im ausgespro-
chensten Maasse bei Malariafiebern vorhanden ist , unterscheidet sich
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 40
g26 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
aber von demselben hinreichend durch die geringeren Temperaturhöhen,
die bei ihm erreicht werden , sowie durch das langsamere nicht paro-
xysmusartige Ansteigen und AbfoUen ; jedenfalls kann ein derartiger
Verlauf bei Pneumonie vorhanden sein , ohne dass Malaria irgendwie
concurrirt. Oefter ist die Pseudokrise nur rudimentär vorhanden, näm-
lich nur durch eine, beziehentlich mehrere ungewöhnlich grosse Re-
missionen angedeutet, die die Temperatur aber nur bis auf eine massige
Fieberhöhe, nicht bis zur Norm hinaljdrücken ; auch können derartige
Remissionen neben einer wirklichen Intermission an einem früheren
oder späteren Tage erscheinen. Sie finden sich bald im Anfang , bald
gegen das Ende der Pneiimonie.
Die Entwicklung des Lokalprocesses wird durch initiale Pseudo-
krisen in der Hegel etwas verzögert; eine Aendermig im Piebertypus
der folgenden Krankheitsperiode bewn-ken sie aber uothwendigerweise
nicht, so dass die nächsten Exacerljationen und Remissionen ganz nacli
Art der der Pseudokrise vorhergellenden verlaufen können. An und tiii-
sich beweist also das Erscheinen solcher grösserer Remissionen nichts Be-
sonderes für die Nähe der Krise, und man darf nur insofern auf die-
selbe einigermassen sclilisssen, als diese intercurrenten Rückgänge der
Temperatur am Schlüsse der feljrilen Periode der croupösen Pneumonie
etwas häufiger als im Anfange derselben sind.
Immerhin zeigt die croupöse Pneumonie während des Höhesta-
diiims, also etwa bis zum 4. bis 7. Tage , in den schwersten Fällen bis
vielleicht zur Mitte der zweiten Woche , oft genug einen Temperatur-
gang mit regelmässigen im Wesentlichen gleich grossen Exacerbationen
und Remissionen, wenn auch nicht ganz in so gleichmässiger Weise wie
beim normalen Typhus. In anderen Fällen aber ist eine massige Nei-
gung zum continuirlichen Steigen oder Sinken der Exacerbations- und
Remissionswerthe ausgeprägt, manchmal auch ein wechselndes Ver-
lialten. Deutet daher unter Umständen selbst unmittelbar vor der Krise
möglicherweise Nichts den in Bälde bevorstehenden completen Um-
schwung der Fieberverhältnisse au, so gehen anderemale dieser Periode
eine oder mehrere grössere Remissionen oder Pseudokrisen ohne oder
mit Verminderung der Exacerbationswerthe voraus — kurz es findet
eine präparatorische Abnahme der Temperatur statt, die im einfachsten
Falle von einer grösseren Remission aus direkt zur Krise führt. End-
lich kann derselben auch, und zwar im Gefolge jedes möglichen Fieber-
grades , entschiedene Zunahme des Fiebers in der Form einer soge-
nannten Perturbatio critica (richtiger also praecritica) vorausgehen.
Mit dem Anfang der Krise ändert sich sofort das ganze Bild des
Fiebers. Entweder ist die Defervescenz eine rapide: in ununterbroche-
nem Zuge sinkt die Temperatur binnen weniger Stunden , gewöhnlich
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 627
unter starkem Schweisse , zur Norm herab. Oder die Defervescenz ge-
schieht absatzweise, indem nach mehrstündigem n)ässigem Sinken eine
kurze Pause eintritt, in welcher sogar eine neue kleine Steigerung ein-
treten kann und der etwa vorhandene Schweiss aufhört , worauf dann
das Sinken in ähnlichem oder andersartigem Zuge wie vorher weiter
fortschreitet. Mit oder ohne eine derartige Pause wird schliesslich
binnen nahezu 24 bis 36 Stunden die Norm erreicht und zwar in der
Regel vom Abend bis zum nächsten Abend oder auch darauf folgenden
Morgen : die intercurrenten kleinen Steigerungen pflegen dann auf die
zweite Hälfte der ersten Nacht beziehentlich den nächsten Abend zu
fallen. Das Sinken hört auf, nachdem entweder hochnormale (ca. 38"
bei Rectummessungen) oder normale oder subnormale (unter 36^,8)
Werthe erreicht sind ; letztere wie erstere schliessen sich nicht selten
an vorhergegangene hohe Fiebergrade und rapide Temperaturabfälle
an , ohne dass eine bestimmte Regel in dieser Beziehung existirte. Es
kann unter solchen Umständen eine Temperatursenkung um 5 — 6 Grade
stattfinden , während sie in gewöhnlichen Fällen nur etwa 3 — -4 Grade
beträgt.
Die ältere schon von verschiedenen Autoren zurückgewiesene An-
sicht , derzufolge die Krise ausschliesslich oder wenigstens am öftersten
an den ungeraden Tagen , die daher die kritischen hiessen , stattfände,
entbehrt auch nach den Beobachtungen im kindlichen Alter der Begrün-
dung vollständig. Am häufigsten findet das Fieber bei croupöser Pneu-
monie der Kinder zwischen dem fünften und achten Tage seinen Ab-
schluss , ohne einen derselben irgendwie besonders zu bevorzugen ; in
leichten und abortiven Fällen kann der entschiedene Temperaturabfall
schon vom zweiten bis vierten, in schweren und mehrlappigen Pneumo-
nieen auch noch nach dem achten Tage stattfinden und dabei in dieser
Zeit gerade so wie zum gewölmlichen Termine verlaufen.
Das weitere Verhalten der Eigenwärme richtet sich im Wesent-
lichen nach dem Verhalten der Localafi'ektion. Fing diese schon wäh-
rend der Krise an sich zurückzubilden und erleidet dieser Process keine
Störung, so bleibt die entweder unmittelbar oder erst unter ein- bis
mehrtägigen kleinen Schwankungen nach unten oder oben (bei voraus-
gegangener subfebriler oder beziehentlich unternormaler Temperatur)
erreichte Normalwärme erhalten, und tritt bald auch in den vollen
Tagesverlauf der Norm wieder ein. Verzögert sich aber die Rückbil-
dung des Localprocesses etwas, so kommen zunächst noch mehrere Tage
hindurch unregelmässige meist kleine Schwankungen , in deren Verlauf
wohl auch einmal die Norm wieder etwas überschritten wird, und dann
erst, nachdem die Störung beseitigt ist, die Schwankungen der Normal-
temperatur.
Wenn auch die febrile Periode der meisten croupösen Kinderpneu-
40 *
528 Ki-anldieiten der Athmungsorgane. Lunge.
monieen in kritischer Weise endigt , so Icommeu doch nicht ganz selten
Fälle vor, in welchen die Defervescenz eine langsamere ist und in der
Form der Lysis stattfindet. Es sind insbesondere complicirte und son-
stige schwere Fälle mit anomaler Abwicklung des Loealprocesses , zu-
mal unvollständiger Resolution des Exsudats , in denen wir diesem Ab-
schlüsse begegnen. Die Temperatur sinkt hierbei von höheren oder
mittleren Fiebergraden durch allmähliche Verminderung der Exacer-
bationen und Remissionen im Laufe mehrerer Tage oder einer bis an-
derthalber Woche zur Norm herab, indessen können auch alle sonstigen
der Form der protrahirten Krise sich anlehnenden Entfieberungsarten
vorkommen. In der Regel ist in solchen Fällen das Höhestadium pro-
trahirt , oft über mehrere Wochen ausgedehnt , und zwar so , dass die
höheren Temperaturen des Normalverlaufs der Pneumonie nur i m An
fang dei' Krankheit bestehen und später mehr einem massigen remitti-
renden Fieber Platz machen ; einzelne beträchtliche Exacerbationen
imd tiefere intercurrente Remissionen werden zu verschiedenen unregel-
mässigen Zeiten auch hier beobachtet. Ebenso unterscheidet sich aucb
der nachherige Gang der Temperatur bis zur vollen Genesung nicht von
demjenigen, welcher nach der Krise beobachtet wird.
Nicht ganz selten kommen bei den empfindlichen kindlichen Re-
convalescenten massige oder stärkere ephemeraartige und rasch Tor-
übergehende oder auch etwas protrahirtere Temperatursteigerungen in
Folge der verschiedensten Anlässe vor.
Der tödtliche Ausgang der croupösen Pneimionie kann im Auschluss
an ein besonders hochfebriles erstes Stadium der Pneumonie erfolgen.
Die Temperatur zeigt hierbei ein verschiedenartiges Verhalten. Ent-
weder steigt sie mit unbedeutenden morgenlichen Remissionen Tag für
Tag langsam immer höher, bis eine unter Nervensymptomen schwerster
Art auftretende Terminalsteigerung bis weit in hyperpyretische Werthe
hinein das Ende herbeiführt , mit und ohne anatomische Complication
von Seiten des Nervensystems. Oder sie schwankt in den Tagen vor
dem Tode zwischen leicht- und hochfebrilen Graden, wobei das Ende in
gleichen Graden ohne entschiedene Terminalsteigerung erfolgen kann,
und zwar bei steigender oder fallender Temperatur, bei vorhandenen
oder fehlenden Nervensymptomen. Oder endlich erscheint die Agonie
nach protrahirtem Verlauf und zeitweilig ermässigten Temperaturen
bei den verschiedensten selbst subnormalen Graden, mit oder ohne finalen
Warmeexcess und letzterenfalls im Wesentlichen suffocatorisch, je nach
dem Grade der Consimaption des Organismus und der Betheiligung des
Nervensystems. Im Allgemeinen aber sind, wie später gezeigt werden
soJl, unglückliche Ausgänge der croupösen Pneumonie bei Kindern selten,
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 629
Andere Allgemeinsymptome als die Verhältnisse der
Eigenwärme sind bei Kinderpneumouie bis jetzt noch wenig oder nicht
studirt worden. Für Erwachsene besitzen wir die treffliche Arbeit von
Hup pert und Rieseil (Arch. d. Heilk. 1869. X. p. 330), in welcher
mit Bezug auf einen 25j. Mann über den Stickstoffumsatz bei Pneumonie
gehandelt und berechnet wird, dass derselbe in 5 Fiebertagen etwa
21,2''/o seines Fleisches verlor. Die Rechnung ist durch tägliche Be-
stimmungen des Körpergewichts controlirt, aus denen hervorgeht , dass
eine wesentliche Zunahme desselben erst in der Zeit der vollen Recon-
valescenz stattfand. Es entspricht dieser Beobachtung einigermassen
die Angabe von Thaon (1. c), welcher fand, dass bei croupös-pneumo-
nischen Kindern die Gewichtsabnahme ebenso lange wie das Fieber
dauert, sich in der Defervescenz noch steigert (heftige Schweisse mögen
dies bewirken) und nicht aufliört, so lange noch Zeichen von Infiltration
vorhanden sind.
Auch die übrigen besseren Untersuchungen der Produkte des Stoff-
wechsels Pneumonischer , wie sie insbesondere die Neuzeit zu Tage ge-
fördert hat, basiren meistentheils auf Beobachtungen Erwachsener und
müssen daher übergangen werden.
Ist auch im Allgemeinen die croupöse Pneumonie der Kinder eine
nicht minder schwere Affektion als die der Erwachsenen , zumal wenn
sie die oberen Lappen befallen hat, heftiges und anhaltendes Fieber
bewirkt und blutarme sehr junge und schwächliche Individuen betrifft,
tritt insbesondere sofortige Bettlägerigkeit fast regelmässig ein, so giebt
es doch mitunter auch Fälle, in denen der Kräftezustand durch die Er-
krankung nur in massigem Grade alterirt wird. So berichtet z. B. C.
Wunderlich von einem 13j. Knaben mit Pn. d. inf. , der nach einem
Sinken seiner Achselhöhlentemperatur von 40,9 auf 38,8 am 5. Krank-
heitstage das Hospital ohne Erlaubniss verliess und trotzdem bald dar-
auf genas. In der Reconvalescenz kehren die Kräfte bei Kindern in der
Regel bald zurück , sofern die Pneumonie nicht allzu schwer gewesen
war ; es zeigt sich dies insbesondere durch das rasche Verlassen des Bettes
nach Beendigung des Fiebers.
Symptome von Seiten der Respirationsorgane und
insbesondere örtliche Veränderungen. Wir erkennen die
Anwesenheit des pneumonischen Processes in den Lungen aus gewissen
Veränderungen , welche sich bei der Untersuchung des Thorax und des
Thoraxinhaltes ergeben. Es kann dieselbe allerdings zumal im Anfang
der Krankheit resultatlos bleiben; meist sind jedoch wenigstens einige
Abnormitäten auch schon in dieser Zeit nachweisbar. Jedenfalls spricht
der Umstand , dass öfter gleichzeitig mit den ersten febrilen auch ort-
630 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
liehe Symptome auftreten, dafür , dciss der lokale Process gleich im Au-
fang der Krankheit erscheinen kann , obgleich er nicht immer schou
sofort, insbesondere durch akustische Phänomene, nachweisbar ist.
Um die Untersuchung der Brust des Kindes mit der nothwendigen
Genauigkeit ausführen zu können, ist die Einhaltung gewisser Vorsicbts-
niassregeln duri_-haus nothweudig.
Bei der Percussion entkleidet man den (Oberkörper des Kranken
vollständig und bi-ingt ihn in die zweckmässigste Lage : es ist dies eine
durchaus sehlaflfe und gleichmässige, mit leicht erhöhtem Halse und Kopfe
bei Untersuchung der Vorderfläche des Kumpfes, während bei der des
Rückens dieser leicht gekrümmt wird (wenigstens darf eine gewaltsame
Streckung nicht stattfinden), die Arme leicht gekreuzt und die Scaijulae
dadurch etwas von der Wirbelsäule entfernt werden müssen. Kleinste
Kinder legt man einfach auf den Bauch.
Je kleiner das Kind ist, um so sanfter muss percutirt werden, schon
damit das Kind nicht schmerzhaft berührt wird und durch Schreien und
Unruhe die Untersuchung stört. Ob man al;j Unterlage das Plessimeter
oder den Finger benutzt, ist ziemlich gleichgiltig : ich ziehe im Allge-
meinen ein (gut schwingendes Elfenbein-) Plessimeter desshalb vor, weil
es eine gleichmässigere Unterlage abgiebt als der Finger, welcher sich
wiederum vertieften Intercostalräumen und sonstigen (insbesondere bei
Ehachitis) abnormen Einsenkungen oder Vortreibungen, die freilich iintei-
allen Umständen das Percussionsresultat trüben, besser anpasst. Die
Hauptsache aber ist eine solche Ausführung der Percussion, dass jedes-
mal nur der zu untersuchende Lungcnabsehnitt und zwar mö>ilichst
\'ollkommen in Schwingungen versetzt wird ; man percutire also °weder
zu leise, damit mehr als die Thoraxwand, noch zu stark, damit nicht
der ganze Thoraxinhalt gleichzeitig oder gar auch noch der Inhalt der
Bauchhöhle mit erschüttert werde. Wie beim Erwachsenen müssen beide
Seiten genau mit einander verglichen werden; wenn dies aus irgend
emem Grunde nicht möglich ist, so bedenke man, dass stärkere Spannung
der Muskeln der einen Seite, Compression der gedrückten Seite bei Sei-
tenlage oder z. B. beim ängstlichen Anpressen des Kindes an die Brust
der Mutter u. s w., kurz jede ungleichmässige Lagerung oder Stellung
irgendwie Dämpfung, und mitunter recht bedeutende, macht. Man muss
daher durch Untersuchung beider Seiten in versehiedenen Stellungen den
hierdurch bewirkten Fehler zu corrigiren suchen. Auch lebhaftes Ge-
schrei erzeugt durch bedeutende Steigerung des intrathoracischen Ex.spi-
ra lonsdrucks Dampfung; ist dasselbe nicht zu stillen, so percutire man
•dicD^fn ' r r' Tf ""^^'"''^ cler Inspiration getroffen werde;
iJ2'l ^r T^- t'"' ^«^'^^^^""den sein, wenn ihre einzig
LhVjw r ^Tn l"^'" w""'"' ^^""""""" ''' Tboraxinhaltes beim Ge-
schrei war. In gleicher Weise nachtheilig wirkt Anspannuncx der Bauch-
TLlTn "das: r'rt'^"^^^-"' -^^^ '^^^ ^-^^^^ msbesonTere i
zu denken dass durch das Pressen die Leber stark in die Brusthöhle
hinein gedrängt werden kann. Niemals vergesse man ale dt Hau
regel, nämlich dass eine einmalige Unter^uchuno- =,nf • i w ■
zu Täuschungen führen kann und daher „thT • T ""' ^"''
ö diiii una aalier nicht genügt : man percutire
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 631
also zu verschiedenen Tageszeiten und in verschiedenen Lagen des Kin-
des , um seinen Befund vollkommen sicher zu stellen.
Während die A u s c u 1 1 a t i o n grösserer Kinder in der Kegel so
anstandslos wie bei Erwachsenen vor sich gebt, wird sie bei kleineren
öfters ganz wesentlich durch Unruhe und Wider.setzlichkeit, durcli Pres-
sen und Geschrei, durch Schmerzen beim Athmen, sowie überhaupt auch
ohne dies Alles durch oberflächliche und unregelmässige Athmung und
gänzliches Anhalten des Atliems gestört. Lässt sich ein Säugling dann
untersuchen , wenn er seine Nahrung erhält , so ist dies für Vornahme
der Percussion ganz passend ; die Auffassung der Athemgeräusche hin-
gegen wird zu dieser Zeit durch die unregeimässigen Athembewegungeu
und das Mundgeräusch lieim Saugen einigermassen beeinträchtigt. Ganz
kleine Kinder auscultirt man daher am besten , wenn sie vollkommen
ausgestreckt auf einem Polster liegen, während bei älteren in der Eegel
die sitzende Stellung auf dem Schoosse der Mutter die zusagendste ist.
Nun lehrt die Erfahrung , dass bei zweckmässiger Stellung des Kindes
die Auseultation des Kückens am wenigsten aufregend wirkt; man be-
ginne daher mit dieser die ganze Untersuchung , auscultire sonach die
seitlichen Partieen und die Vorderfläche des Thorax und lasse nunmehr
erst die den Kranken meist unangenehme Percussion folgen. So hat man
vielleicht wenigstens bei der Auscultation ein brauchbares Untersuchungs-
resultat gewonnen. Diese geschieht am besten unmittelbar unter leichtem
Anlegen des Ohres an die entblösste Brust, da dasselbe nicht dräckt,
sich der Brustwand gut aupasst, den häufigen Bewegungen des Kindes
leicht folgt , und so überhaupt , worauf hier viel ankommt , einen weit
rascheren Ueljerlilick ermöglicht, als das Stethoskop. Indessen darf es
die empfindlichen Kleinen nicht durch Kälte überraschen; in diesem Falle,
sowie wenn denselben ein Bart durch seine Spitzen unangenehm wäre,
ist die Auscultation durch das festangedrückte Hemd vorzuziehen.
Jedenfalls muss das Ohr an ein und derselben Stelle so lange verweilen,
bis man sich von der Beschaffenheit der Athemgeräusche bei In- und
Exspiration möglichst genau überzeugt hat. Bei Auscultation der Vor-
derfläehe der Brust thut man gut , wenn man den Kindern den zur
Seite und wo möglich der Mutter zugewandten Kopf fixiren lässt, da-
mit das Haupthaar des Arztes das Gesicht des Kindes nicht berührt
und letzteres der Untersuchung nicht mit den Augen zu folgen vermag ;
geborene Schreihälse reagiren freilich gegen alle solche kleinen Kunst-
griffe nicht, und muss man sich daher bei ihnen öfters mit einem un-
sicheren und zweifelhaften Resultat begnügen.
Das Vesiculärathmen ist bei Säuglingen unter normalen Verhältnissen
nur massig scharf und stark, während es bei gesunden kräftigen Kindern
schon vom zweiten Jahre an jenen ausgezeichnet schlürfenden Charakter
erhält, der ihm einen besonderen Namen, den des puerilen Vesiculärath-
mens, verschafft hat. Solch pueriles Athmen ist vorzüglich in den mitt-
leren Theilen der Brust vorn wie hinten, am stärksten über der dünnen
elastischen Vorderfläche, zu hören, während sich seine Intensität gegen
die Basis hin etwas vermindert. In den oberen Theilen tritt der scharfe
Charakter, zumal bei jüngeren Kindern, öfters nicht rein hervor, inso-
fern an denselben Stellen auch unter ganz normalen Verhältnissen das
632
Kiankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
klangreiche hauchende Eespirationsgeräusch der oberen Luftwege, also
Bronchialathmen, sehr deutlich vernehmlmr zu sein pflegt. Bei vor Un-
ruhe und Aufregung keuchenden Kindern kann das Bronchialathmen so
stark werden, dass es das Vesiculärathmen fast vollkommen überdeckt
und über seine gewöhnlichen Grenzen hinaus bis zur Mitte oder sogw
noch bis in die untere Hälfte des Thorax hineinreicht, hier indessen mit
abnehmender Intensität , so dass das Vesiculärathmen neben ihm deut-
lich zu hören ist. Wie überall tritt das Bronchialathmen zunächst bei
einem verlängerten Exspirium hervor, während daneben der vesieuläre
Charakter des Inspirium noch ganz rein erhalten bleiben kann. Uebri-
o-ens ist neben der bieträchtlichen Intensität des Vesiculärathmens auch
die grosse Elasticität des kindlichen Thorax die Ursache davon, dass ein
selbstverständlich abgeschwächtes Athmungsgeräusch vorn wie hinten bis
weit in den Unterleib hinein vernehmbar zu sein pflegt. In hohem Grade
störend sind bei der Auscultation kleiner Kinder das Geschrei und die
groben in Mund-, Nasen- und Rachenhöhle entstehenden Rasselgeräusche,
zumal wenn beide Uebelstände gleichzeitig vorhanden sind , so dass die
Perception des Vesiculärathmen manchmal kaum in den dui-ch ein tiefes
Inspirium ausgefüllten Geschreipausen möglich ist. Man muss unter sol-
chen Umständen das auscultirende Ohr ruhig an der Brust lassen, weil
schliesslich doch noch vielleicht ein erkennbares Inspirationsgeräusch er-
scheint, und sich den unreinen dumpfen gleichsam verschleierten Cha-
raktei' des normalen Stimmgeräusches genau einprägen. Durch die glei-
chen Momente kann aber auch die richtige Deutung eines pathologischen
Befundes noch besonders erschwert sein. So pflegen Rasselgeräusche, die
in den oberen Luftwegen entstehen, ganz ausserordentlich zu geniren,
weniger dadurch, dass sie sich überhaupt bis auf die Lungen verbreiten,
als dadurch, dass sie den Ursprung echter Lungengeräusche verdunkeln.
Man untersuche daher in zweifelhaften Fällen stets auch Nase, Kehlkopf
und Trachea, und vergleiche die Qualität des hier und auf den Lungen
hörbaren Easselns. Knisterrasseln u. dgl. entsteht natürlich nur in den
kleineren Schallräumen des Lungengewebes , während die alleinige An-
wesenheit grober schnurrender und grosshlasiger Rasselgeräusche auf den
Lungen mit grösster Wahrscheinlichkeit für Fortleitung von den oberen
Partieen spricht. Femer beachte man bei der Nothwendigkeit, die Tho-
raxstimme emes schreienden Kindes deuten zu müssen, dass bei diesen
über infiltrirten Stellen ein gellendes helles Geschrei gehört wird, welches
scheinbar umnittelbar unter dem auscultirenden Ohr entsteht und oft
von solcher Intensität ist, dass dem Horchenden die Ohren schmerzen,
Endlich ist die grössere Elasticität des kindlichen Thorax bei einseitiger
Infiltration des oberen wie unteren Lappens öfters Veranlassung einer
sehr bedeutenden Verbreitung des Bronchialathmens und der Rasselge-
räusche auf die andere gesunde Seite, so dass man geneigt sein könnt«,
auch diese für erkrankt zu halten. In solchen Fällen auscultire man
daher nicht nur neben der Wirbelsäule und in der Nähe des Stemums,
sondern zumal auf der gesunden Seite auch über den seitlichen Abschnit-
ten, unter sorgfältiger Beachtung des etwa hier gleichzeitig vorhandenen
Vesiculärathmens. Es ist diese Regel natürlicherweise niclt minder bei
der Auscultation der Spitzen zu berücksichtigen , wenn dort etwa ohne
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 633
Lungenveränderungen in Folge rliachitisclier Deformitäten und stärkerer
Lymphdrüsengescliwülste ungewöhnlich starkes und verbreitetes Bron-
chialathmen zu hören sein sollte.
Noch nothweudiger als bei der Percussion ist die bei dieser be-
sprochene Lagerung und Haltung bei der Inspection und besonders
bei der Mensur ation mittelst Messband, Tasterzirkel und Cyrtometer,
wenigstens wenn es sich um eine genaue Untersuchung handelt. Da
nun aber während der Darier einer solchen kleine Kinder trotz aller
Bemühungen nur selten still sitzen und liegen, so ist bei diesen wenig-
stens der Werth beider Untersuchungsmethoden ein beschränkter. Jeden-
falls ist bei Verwerthung der Messungsresultate zu beachten , dass die
rechte Seite auch bei Kindern ein wenig umfänglicher als die linke ist
(bei älteren Kindern um 0,5 — l,5Ctm. nach Ziemssen), und dass dieser
Unterschied schon bei kleinen Kindern dann auflallig hervorzutreten pflegt,
wenn das Volumen der Leber ein beträchtliches ist. Ausserdem wird
das Untersuchungsergebniss unter Umständen sehr liedeutend durch zu-
fällige chronische Anomalieen des Thorax und seines Inhaltes beeinflusst,
z. B. durch rhachi tischen Bau , der zu Deformitäten aller Art führt,
durch Abweichungen der Wirbelsäule, Beste alter Pleuritis, Vergrösse-
rung des Herzens, Ausdehnung des Magens u. s. w. , und bleibt daher,
da man nur in den seltensten Fällen vor der akuten Erkrankung zur
Vergleichung untersucht haljen dürfte , fast stets mehr odei- weniger
zweifelhaft. Bei der Inspection der Athembewegungen kleinster Kinder
beachte -man, dass schon normalerweise bei kräftiger Zwerchfellscontrac-
tion eine leichte Einziehung an der Insertionslinie desselben vorhanden
sein kann.
Die Palp ation des Thorax, welche ebenfalls Entblössung desselben
erfordert, ist theils zur Beurtheilung des Modus der Athembewegungen,
theils des Stimmfremitus wegen von Bedeutung. Leider sind aber in
Krankheiten höchstens ältere Knaben zum genügend lauten Sprechen und
Singen zu veranlassen, während die Stinmi Vibrationen am Thorax kleinerer
Kinder fast nur wahrgenommen werden, wenn dieselben heftig schreien
und sich in einem zu genauerer Untersuchung, insbesondere hinsichtlich
der sehr wünschenswerthen exakten Vergleichung der Intensität der bei-
derseitigen Vilirationen, wenig geeigneten Zustande befinden. Man muss
daher bei kranken Kindern meistentheils auf die aus dieser Methode sich
ergebenden Aufschlüsse verziehten. Wo die Untersuchung gut durchführ-
bar ist, bedenke man, dass die Vibrationen in den oberen Partieen und
auf der rechten Seite stärker als unten rind links sind und auch durch
Verstopfung des Bronchiallumens verloren gehen können.
Die Percussion und Auscultation ergeben je uacb der Art
und Weise der Ausbildung der Infiltration verschiedene Zeichen für
Anwesenheit des pneumonischen Exsudats in den afficirten, sowie Zei-
chen secundärer Veränderungen in den benachbarten Lungenpartieen.
Der normale, nichttympanitische Percussion sschall wird im
Beginn der Pneumonie gewöhnlich bald tympanitisch , und zwar bald
helltympanitisch (wenn auch nicht in dem Grade hell, wie die leicht in-
634 Krankheiten der Atlimungsorgane. Lunge.
filtrirte Lunge ausserhalb des Thorax, befreit von dem dämjjfendeu Eiu-
flusse der Brustwand, schwingt), bald gedämpft tympanitisch ; seltener
erscheint eine zunächst geringe Dämpfung ohne tympanitischeu Bei-
klang , die auch bei allmählicher Zunahme denselben nicht erlangt. In
leichten und kurzdauernden Fällen und besonders wenn die Pneumonie
auf einen Theil eines Lappens , zumal die centrale Partie desselben be-
schränkt bleibt , kann tympanitischer Schall oder leichte Dämpfung
durch den ganzen Krankheitsverlauf hindurch erhalten bleiben , wäh-
rend in den schwereren Fällen früher oder später ein rein und starlc
gedämpfter Schall über den afficirten Partieen fast regelmässig vorhan-
den ist. Der Zeitraum , innerhalb welches diese Umänderung vor sich
geht, ist sehr verschieden und richtet sich nach verschiedenen Mo-
menten , insbesondere nach Umfang und Sitz der Pneumonie und nach
der Litensität des Processes: einiges hierauf Bezügliche ist bereits bei
Besprechung der Verlaufsmodificationen der Krankheit im Allgemeinen
erwähnt worden. In vielen normal verlaufenden Fällen treten der tym-
panitische Schall oder die leichte Dämpfung rasch , vielleicht schon am
ersten Tage, ein; jedenfalls ist dies in den Abortivpneumonieen der
Fall. "Während nun aber in diesen letzteren der Krankheitsprocess,
ohne zu völliger Auslnldung zu gelangen , mit dem Verschwinden des
Fiebers am zweiten oder dritten Tage wieder rückgängig wird , ent-
wickelt sich bei dem gewöhnlichen intensiveren Verlauf mehr oder we-
niger rasch diu volle Dämpfung. Im Allgemeinen lässt sich vermu-
then , dass je rascher dieser Uebergang, der die Vervollständigung der
Infiltration anzeigt, stattfindet, um so früher auch das Fieber endigen
und die Rückbildungsperiode des Exsudats beginnen wird.
In den meisten Fällen pflegt eine verbreitete deutliche und reine
Dämpfung etwa am dritten , spätestens vierten Tage , tympanitischer
Schall zu dieser Zeit aber nur noch partiell vorhanden zu sein , wenn
er überhaupt noch persistirt, was allerdings in dieser Weise bei Kindern
nicht selten, jedenfalls häufiger als bei Erwachsenen, der Fall ist.
Uebrigens zeigt die Dämpfung , auch wenn sie verhältnissmässig stark
ist, immer noch einen leisen tympanitischeu Beiklang, sofern die Bron-
chien nicht verstopft sind und eine genügende Menge Luft enthalten.
Jedenfalls hört man unter diesen Umständen bei Auscultation der Tra-
chea und des Kehlkopfs tympanitischeu Schall, wenn die infiltrirte Par-
tie percutirt wird; derselbe verändert seine Höhe mit Oeifnen und
Schliessen des Mundes.
Manchmal kann es nun aber vorkommen , dass ein in Folge einer
ausgebildeten Infiltration gedämpfter Schall , ohne dass nach den aus-
cultatorischen und sonstigen Symptomen beginnende Rückbildung des
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 635
pneumonischen Processes anzunehmen ist, wieder deutlich tympanitisch
wird. Es wird dies unter zweierlei Verhältnissen beobachtet. Erstens
kann, jedoch nur bei älteren Kindern (bei kleineren sind die räumlichen
Verhältnisse zu gering), im oberen vollständig infiltrirten Lappen tym-
panitischer Schall dadurch entstehen , dass der Percussionsstoss durch
die Infiltration hindurch ungewöhnlich leicht auf die Luftsäule der
Trachea und grossen Bronchien übertragen und somit die Luftsäule
dieser Hohlräume in Eigenschwingungen versetzt wird. Der unter
diesen Umständen resultirende tympanitische Schall ändert seine Ton-
höhe bei Herstellung oder Aulhebung der Communication der Luftsäule
mit der äusseren Luft*); er zeigt also Wintrich'scheu Schallwechsel.
Beim weiten Oeffnen des Mundes beziehentlich Herausstrecken der
Zunge, damit die Communication eine recht ausgedehnte werde, wird er
höher , beim Schliessen von Mund und Nasenöffnungen tiefer. Er ist
besonders ausgezeichnet in der Nähe des Manubrium sterni auf der linken
Seite und namentlich bei Erwachsenen wahrnehmbar und heisst hier
gewöhnlich Williams'scher Trachealton. Zweitens tritt aber tympa-
nitischer Schall an Stelle des stark gedämpften auch über Lungenpar-
tieen und unter Verhältnissen auf, in welchen von wesentlich alleinigem
Schwingen der Bronchial- und Trachealluft nicht die Rede sein kann,
und dementsprechend auch ein Schallhöhewechsel wie der eben ange-
führte nicht stattfindet. So z. B. über den unteren Lappen oder den
seitlichen Partieen des Thorax. Benachbarte Stellen, wie die infiltrirten
Partieen des rechten oberen und mittleren Lappens , können unter sol-
chen Umständen auch in ganz auffälliger Weise eine verschiedene Höhe
des tympanitischen Schalles zeigen. Vermuthlich ist derselbe in solchen
Fällen durch den Nachlass der abnorm starken Spannung des entzün-
deten luftleer gewordenen Gewebes in Folge des Verschwiudens der
bedeutenden Capillarhyperämie entstanden, und es haben vielleicht
Schwingungen der Luftsäule innerhalb der Bronchien der infiltrirten
Partie nur einen gewissen Antheil daran. Ln Allgemeinen hängt die
Höhe des tympanitischen Schalles einer Infiltration von der Grösse und
dem Durchmesser der betreffenden Partie, beziehentlich von ihrer Span-
nung ab; je umfänglicher und je weniger gespannt dieselbe ist, um so
tiefer, und umgekehrt, je kleiner und gespannter, um so höher ist der
Schall. Ausserdem ist die Spannung der Thoraxwand , kaum aber die
*) Beiläufig mag hier darauf hingewiesen werden, dass jeder Schall über
den Lungen, auch der dumpfste , etwas lauter erscheint, wenn man den Mund
weit öffnen lasst. Diese Zunahme der Intensität bedingt aber noch nicht einen
Tonhöhewechsel, weder beim nichtympanitischen noch beim tympanitischen
Schall.
ß3ß Ki-ankheiten der Atbmungsorgane. Lunge.
Respirationspliase vou massgebendem Einfliiss. Die Dauer des tympa-
nitischeu Schalles unter den genannten Verhältnissen ist gewöhnlich
eine ziemlich kurze, manchmal hält er indessen Tage lang an. Im er-
steren Falle mag sein zeitweiliges Verschwinden mitunter auf Ver-
stopfung der Brouchien oder wenigstens Erschwerung des Luftwechsels
in denselben beruhen ; im letzteren dürfte , sofern neue Dämpfung sich
anschliesst , dieselbe durch Zunahme der Spannung in Folge reicMiclier
weiterer Exsudation ius Innere der Alveolen oder ins Interalveolargewebe
bedingt sein , wenn sie nicht etwa einfach Folge der gleich anzuführen-
den extrapulmonalen Bedingungen und demzufolge eine ziemlich zufal-
lige Erscheinung ist.
Der auf dem Höhestadium der Pneumonie entsprechend der voll-
kommenen Ausbildung der Infiltration vorhandene deutlich gedämpfte
Schall verharrt gewöhnlich in ziemlich coustauter Weise noch mebere
Tage, nachdem er sich ausgebildet hatte. Bei complicatorischer inten-
siver Bronchitis mit reichlichem Secret oder etwas dichter werdender
Infiltration kann er ein wenig intensiver , beim Erbleichen der rotlieu
Hepatisation durch Nachlass der Capillarhyperämie ein wenig scliwäclier
werden , und , zmnal iil^er den unteren Lappen , mit Veränderung des
Luftgehaltes der Bauchorgane eine zeitweilig wechselnde Stärke zeigen,
Indessen wird nicht selten auch noch nach dem vierten Tage eine solche
Zunahme der Dämpfung beobachtet, dass diesellje nahezu in leeren
Schall übergehen kann. Es kommen hierbei wohl stets andere Umstände
in Frage, als eine massige Zunahme der intraalveolären Exsudation;
z. B. eine weitere Einbusse der infiltrirten Stelle an Elasticität, als Folge
der Durchtränkung des Lungengerüstes und des interalveolären Ge-
webes mit Exsudat, Bildung pleuritischer Schwarten oder Flüssigkeits-
erguss in die Pleuni Kühle , stärkere Spannung der Thoraxwandung bei
Zunahme ihres Inhaltes , intensive Verstopfung der Bronchien mit Se-
cret, zumal fibrinösem, u. s. w.
Die Rüclikehr des tympanitischen Schalls an Stellen, die bisher
volle Dämi)fuug ergeben hatten , seine zunehmende Helligkeit iu jenen
Gegenden , wo er auf dem Höhestadium der Krankheit erhalten geblie-
ben war, beziehentlich Wiedereintritt einer nur leichten Dämpfung, be-
zeichnen den Eintritt der Pneumonie in das Resolutionsstadium. Die
Beziehungen desselben zum Fieberverlauf können sich verschiedenartig
gestalten: es kann die Lösung des Exsudats nämlich vor, mit und nach
der Krise beginnen.
Dass sie vor der Krise bereits beginnt, ist eine nicht seltene Er-
scheinung , obschon es sehr selten ist , dass dies bereits mehrere Tage
vorher stattfindet. Ein frühzeitiger Eintritt giebt sich gewöhnlich auf
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 637
die Weise kund , dass die bis dahin vollständige Dämpfung einen Tag
vor der Defervescenz einen leicht tympanitischen Beiklang bekommt.
Oefter zeigt sich dasselbe erst während der Krise , noch öfter schliesst
sich diese Erscheinung an die vollendete Krise an , und zwar entweder
unmittelbar an dieselbe oder, was wiederum seltener ist, nach einer ein-
bis mehrtägigen Pause , innerhalb welcher der Schall ganz ebenso ge-
dämpft bleiben kann, wie während der Fieberperiode. Ist die Resolution
einmal eingeleitet, so macht sie in der Regel rasche Fortschritte, sofern
die Pneumonie uncomplicirt ist und der Verlauf bis dahin ein normaler
war. Schon nach einigen Tagen haben gewöhnlich Dämpfung und tym-
panitischer Schall bedeutend abgenommen, oder ist letzterer sogar wie-
der geschwunden, und es erinnert vielleicht nur noch eine geringfügige
Dämpfung daran, dass noch vor wenigen Tagen eine schwere Entzün-
dung das Leben bedrohte. Binnen einer Woche oder wenig darüber
pflegt selbst eine ziemlich schwei-e Kinderpneumonie gänzlich oder bis
auf ein Minimum resorbirt zu sein. Im Allgemeinen geht also die Re-
solution beim Kinde rascher als beim Erwachsenen vor sich: es lässt
sich dies theils durch die oft geringere Intensität des pneumonischen
Processes im kindlichen Körper , theils durch die in demselben beste-
hende grössere Geschwindigkeit des Stoffwechsels und die hierdurch
wesentlich erleichterte Restitution eines erkrankten Gewebes erklären.
Nun sind aber noch einige specielle Punkte zu berücksichtigen.
Je kleiner das Kind , um so schwächer ist der normale Lungenschall,
zumal bei wohlgenährten Kindern mit dicker allgemeiner Decke. Pcr-
cutirt man nun bei solchen nur ein wenig stärker, so verleiht die Mit-
schwingung der lufthaltigen Baucheingeweide, zumal wenn sie stark
mit Gas aufgetrieben sind und das Zwerchfell hochgestellt haben , dem
Schall einen tympanitischen Beiklang von oft unangenehmer Stärke, ja
es kann .sogar deutlicher Metallklang gehört werden. Unter allen Um-
ständen trübt ein stark gefüllter Magen, insbesondere auch unmittelbar
nach der Nahrungsaufnahme , das Percussionsresultat , insofern er das
Zwerchfell in die Höhe drängt und vermöge seines Luftgehalts durch tym-
panitischen, seiner Ingesta wegen durch gedämpften Schall, störend auf
den Schall seiner Nachliarschaft einwirkt. Weiterhin ist Iseachtenswerth,
dass die croupöse Kinderpneumonie nicht immer so lobär verläuft, wie
die der Erwachsenen fast regelmässig, so dass die Percussion daher öfter
Infiltrate kennen lehrt , die den Grenzen der einzelnen Lappen nicht
folgen. Oft sind nur grössere Herde auf der einen Seite allein , oder
diese neben einer lobären Pneumonie der anderen Seite vorhanden ; oder
die Grenzlinie des oberen und unteren Lappens am Rücken (in der Norm
vom 4. Brustwirbel ab schräg nach unten und aussen) wird nicht
ggg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
eingehalten , wenn z. B. nur die untere Hälfte eines Unterlappens in-
filtrirt ist u. s. w. Auch bei grösseren Kindern stört bei partieller In-
filtration eines solchen (mit unvollkommener und zumal leicht tympa-
nitischer Dämpfung) öfters der gleichzeitig erzeugte tympanitische Bauch-
schall oder dumpfe Leber- , weniger der Milzschall, das Percussionsre-
sultat. Aehnliche Erwägungen ergeben sich bei Betrachtung des Ver-
hältnisses einer partiellen Spitzeninfiltration zu den benachbarten tym-
panitisch schallenden Halsorganeu.
Erwähnt muss noch werden , dass bei Kindern bei Pereussion der
obersten Luugenpartieen und zumal der Gegend neben dem Manuhrium
sterni sehr gewöhnlich das sog. Mtinzenklirren oder der Ton des ge-
sprungenen Topfes gehört wird. Bekanntlich ist dies aber nicht nur
bei pneumonischen, sondern auch bei vollkommen gesunden Kindern in
der Nähe des Manuhrium sterni der Fall (F r i e d r e i c h, Würzb. Verh.
1857. VII. p. 97, fand es bei 46 gesunden Kindern 26mal: 14mal auf
beiden Seiten und zwar 5mal gleich stark, 8mal nur links, 4mal nur
rechts) , und erklärt sich also nicht durch die Pneumonie, sondern mir
durch die beträchtliche Elasticität des kindlichen Thorax, welche zumal
bei flacher Vorderfläche gestattet , dass die in Folge des Percussions-
stosses und der dadurch bewirkten Depression der Brustwand plötzlich
verdichtete Bronchial- und Trachealluft durch die Stimmritze, auch die
beim Geschrei verengte, gewaltsam entweicht. Besonders deutlich ver-
nehmbar ist das Geräusch unter solchen Umständen bei weit geöfi'netem
Munde. Auf der linken Seite scheint es häufiger als rechts vorzukom-
men, weil hier die Luft, des Herzens wegen, in anderer Richtung als in
der der Trachea weniger ausweichen kann ; Friedreich fUnd es rechts
besonders in der Nähe der Leber in der mittleren Brustgegend.
Die Auscultation ergiebt im Anfang der Pneumonie ein ver-
schwächtes Vesiculärathmen, theils überall auf der kranken Seite, und
dann meist nur Folge der Beschränkung der Athmungsbewegungeu auf
derselben wegen der durch sie verursachten Schmerzen , theils an der
entzündeten Stelle allein. In diesem letzteren Falle ist gewöhnlich das
Exspirium verlängert und mitunter, keineswegs regelmässig, gleichzeitig
em schwaches trockenes Knistern zu vernehmen ; seltener ist ein rauhes
verschärftes Athmungsgeräusch hörbar. Mit dem Nachweisbarwerden
der Infiltration durch die Pereussion wird nun aber das charakteristi-
sche schlürfende vesiculäre Geräusch undeutlicher und macht immer
m^hr und mehr emem hauchenden Athmen Platz. Schliesslich gewinnt
das Hauchen an Klang und wird zum Bronchialathmen, wenn, mit voll-
ständiger Ausbildung der Infiltration, die Luftsäule der Bronchien von
starrem eme weit bessere Reflexionsfähigkeit ihrer Wandungen vermit-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 639
telndem Gewebe umgeben und dadurch zur Erzeugung ihres Eigentons
geeigneter wird. Da durch den Verlust des Luftgehaltes die Leitungs-
fähigkeit des gleichmässig und compakt gewordenen Lungengewebes für
Schallwellen gesteigert und gleichzeitig das Vesiculärathmen vernichtet
worden ist , so tritt das Bronchialathmen in der Regel in vortrefflicher
Weise in die Erscheinung. Besonders laut wird es vernommen, wenn
der Percussionsschall tympanitisch ist, und besitzt es dann auch die Ton--
höhe des betreffenden tympanitischen Schalls, ein Beweis dafür, dass
die von der Stimmritze her fortgepflanzten Schallwellen innerhalb der
Bronchien ganz ebenso wie der Percussionsschall im Stande sind , das
durch die Art der Infiltration vorzüglich schwingungsfähige Gewebe in
regelmässige Schwingungen zu versetzen. Der musikalische Charakter
des Bronchialathmens wird aber hier nicht durch die Weite der Luftschall-
räume allein, wie beim rein gedämpften Schall , sondern ganz besonders
durch die in eigenthümlicher Weise schwingungsfähige ganz oder fast
ganz luftleere Masse bestimmt, welche obige Räume umgiebt. Lifiltra-
tion und Bronchialluft schwingen als Ganzes ; die gute Leitungsfähig-
keit des gleichmässig compakten Gewebes trägt das Ihrige dazu bei, um
den Schall an der Thoraxwand in bedeutender Stärke ankommen , das
Bronchialathmen also bedeutend laut erscheinen zu lassen. Weniger
laut pflegt es dagegen über Infiltrationen zu sein, welche den sogenann-
ten »rein gedämpften«, in Wirklichkeit aber (schon wegen der Schwin-
gungen der Bronchialluft ; indessen dürfte öfters vielleicht auch das
Gewebe selbst ein wenig mit in Frage kommen) nicht völlig klanglosen
Schall bei der Percussion geben. An Stelle solcher reiner Dämpfungen
ist das Gewebe viel weniger schwingungsfähig und daher wohl der kräf-
tige Percussionsstoss , nicht aber das relativ schwache Geräusch an der
Stimmritze geeignet , Eigenschwingungen in demselben hervorzurufen.
Diese Schwingungen sind aber um-egelmässige und ihr Effect daher im
Wesentlichen Geräusch und nicht Ton , nicht ein tympanitischer , son-
dern ein gedämpfter Schall ; das compakte Gewebe der Infiltration wirkt
hier wesentlich nur als Leiter des Bronchialathmens und bestimmt
keineswegs seine Tonhöhe.
Die Rückbildungsperiode der Pneumonie kann unter Umständen
mit einer Verstärkung des Bronchialathmens eingeleitet werden. Es
ist dies nämlich dann der Fall , wenn der Percussionsschall im Beginn
der Rückbildung durch Abnahme der Spannung des entzündeten Ge-
webes über demselben tympanitisch wird ; das unter diesen Umständen
besser schallleitende Medium zwischen Thoraxwand und Bronchiallich-
tung lässt die in letzterer erzeugten Schallwellen viel weniger abge-
schwächt als zur Zeit der Dämpfung an erstere gelangen, und vermehrt
640
Krankheiten der Atlimungsorgane. Lunge.
sie vielleiclit sogar unter Umständen durch Eigenschwingungen. Diese
interessante Periode dauert aber niemals lange, die Lösung des Exsudats
macht in der Regel rasche Fortschritte und vernichtet mit der Gleich-
mässigkeit der Infiltration auch das Brouchialathmen. Da dieser Pro-
cess o-ewöhnlich etwas verschiedenartig fortschreitet, so wird das Bron-
chialathmen zunächst nur noch an einzelnen Stellen seiner bisherigen
Ausbreitung vernommen ; mit der allgemeineren und immer voUstän-
dio-eren Wiederzugänglichkeit der Alveolen und Bronchialenden für
Luft jedoch schwindet es mehr und mehr und macht zunächst dem hau-
chenden, schliesslich dem vesiculären Athmen Platz. In dieser Zeit
stellt sich auch häufig wieder Knistern ein , die Crepitatio redux der
älteren Diagnostiker , das seither als pathognomonisches Zeichen der
Pneumonie betrachtet wurde : es pflegt beim Uebergange des Hauchens
in das normale Schlürfen zu beginnen und erst dann zu verschwinden,
wenn das Vesiculärathmen vollständig ausgebildet ist. Seine Hörbar-
keit erstreckt sich nicht selten über die folgenden ein bis zwei Wochen,
jedenfalls also über eine viel längere Zeit als in der Entwicklungsperiode
der Pneumonie ; indessen kann es auch von kurzer Dauer sein und fehlt
oft genug. Wenn vorhanden steigt es gewöhnlich rasch zu seinem Ma-
ximum an , verharrt auf demselben manchmal einige Tage, und verliert
sich sodann langsamer als es gekommen. In der Regel existirt zu dieser
Zeit nur echtes inspiratorisches Knistern ; es kommt indessen dasselbe
trockene Geräusch auch während der Exspiration sicher vor. Das in-
spiratorische Knistern entsteht bekanntlich dadurch, dass der zu den
Alveolen wieder vordringende iuspiratorische Luftstrom in zahlreichen
feinsten Bronchien, deren Wandungen durch das zähe Exsudat mit ein-
ander verklebt sind , die Verklebungsflächen gleichzeitig von einander
trennt; sein exspiratorisches Auftreten dürfte aber wohl dadurch be-
dingt sein , dass die während kräftiger Inspirationen in die Alveolen
eingedrungene Luft in denselben , durch rasche Wiederverklebung der
kaum getrennten Bronchialflächen, abgesperrt wird, und erst durch ge-
waltige Exspirationsstösse, welche eben das Knistern hervorrufen, wie-
der nach aussen gelangt. Eine solche rasche Wiederverklebung wird
aber theils durch unkräftige Exspirationen ermöglicht , theils kann sie
die Folge völliger Aufhebung der Athmung durch zufällige Verstopfung
der Mündung eines Bronchiolus mittelst eines Schleimpfropfes sein, der
aus benachbarten Gebieten dorthin geschleudert worden war. Exspira-
torisches Knistern ist übrigens viel seltener als inspiratorisches und nur
bei gewaltsamen Exspirationen vorhanden. Die letzten Reste des Kni-
stern können bei älteren Kindern , ähnlich wie bei Erwachsenen, neben
übrigens völlig wiederhergestellter Gesundheit vorkommen und also als
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symijtomatologie. 641
letztes Zeichen an die überstandene Pneumonie erinnern ; sie finden sich
dann nur bei einzelnen tiefen Inspirationen. Manche, wie z. B. E.
Smith (V.-H. Jber. 1874. II. p. 840) wollen das Knistern nur au der
Peripherie der Infiltration , nicht neben Bronchialathmen wahrgenom-
men haben.
Rasselgeräusche fehlen entschieden in vielen Fällen von croupöser
Kinderpneumonie gänzlich und sind, wenn vorhanden, oft nur sog. tro-
ckene, seltener feuchte. Bemerkenswerth ist, dass die feuchten bei dem
geringeren Durchmesser der Bronchien jedenfalls feiner oder, wie man
gewöhnlich sagt, kleinblasiger als die in den entsprechenden Luftschall-
räumen bei Erwachsenen entstehenden sind, während feinstblasige Ras-
selgeräusche allerdings wegen Verstopfung der feinsten Bronchien auf
dem Höhestadium der Pneumonie wenigstens fehlen müssen. Keinen-
falls darf man einzig und allein wegen Anwesenheit ziemlich kleinblasi-
ger Rasselgeräusche Bronchiolitis und katarrhalische Pneumonie statt
der croupösen diagnosticireu. Sehr häufig entstehen die, welche man
über den Lungen hört, gar nicht in dem kranken Lungenabschnitt, son-
dern in den oberen Luftwegen , und werden von hier aus auf jene fort-
geleitet, üeber Infiltrationen sind sie selbstverständlich von hellerem
Klang als über normalem Lungengewebe , indessen reicht ihre Hellig-
keit nicht an die des »klingenden« Rasseins über Cavernen heran. In
solchen Fällen , welche auf der Höhe der Krankheit durch feuchte Ras-
selgeräusche ausgezeichnet sind , hört man im Stadium der Resolution
öfters ein feineres dumpfes in- und exspiratorisches Rasseln (Knister-
rasseln), in der Regel neben gröberen Rasselgeräuschen.
Die artikulirte Stimme ist nur bei älteren Kindern zur Beurthei-
lung einer Pneumonie zii verwerthen , und auch hier nur in beschränk-
ter Weise , theils weil sie meistens zu schwach ist (man entziehe daher
Jas nicht auscultirende Ohr anderen Schallwahrnehmungen), theils dess-
halb , weil bei der leichteren Fortpflanzung laryngealer u. s. w. zumal
durch Dyspnoe verstärkter Geräusche auf die oberen Lungenabschnitte
schwer zu entscheiden ist, ob die Hörbarkeit der Stimme durch eine In-
filtration bedingt beziehentlich erleichtert ist oder nicht. Auch aus dem
durch das Schreien erzeugten Geräusch am Thorax lassen sich nur grobe
Veränderungen erschliessen.
Ausnahmsweise sind dem Knistern sehr ähnliche, aber gröber, mehr
knatternd klingende Reibungsgeräusche in der Reconvalescenz der Pneu-
monie zu hören. Sie sind natürlich Folge der die Pneumonie begleiten-
den Pleuritis. Ihre Dauer ist eine kurze.
Die Bedeutung der Palpation für die Kinderpneumonie ist
keine grosse, wenigstens hinsichtlich des Stimmfremitus. Derselbe ist
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. *'■
(54-2 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
beim Sprechen fast nur bei älteren Knaben mit genügend lauter mid
tiefer Stimme, und auch bei diesen weit mangelhafter als bei Erwach-
senen nachweisbar ; bei den Anderen verhindert Scheu und Schwäche
die Wahrnehmbarkeit gänzlich. Allerdings sind beim Geschrei kleiner
Kinder die Vibrationen am Thorax öfters zu fühlen , ihre Intensität ist
aber meistens so minimal, dass schon deshalb , abgesehen von sonstigen
Störungen, ein sicheres auf g e n a u e V e r g 1 e i c h u n g b e i d e r S e i t e n
b a s i r t e s Urtheil nur ausnahmsweise zu gewinnen ist. Im Allgemeinen
sind die Vibrationen bei pneumonischen Kindern normal stark oder un-
bedeutend verschwächt oder auch (bei lautem tympauitischem Schiill)
etwas verstärkt, bedeutend verschwächt oder ganz aufgehoben bei Bron-
chialverstopfung und pleuritischem Exsudat. Vgl. B aas 1. c. p. 298.
Valleix (1. c.) giebt an, dass ihm in einem sehr schwierigen Falle
bei einem 1 '/Jährigen Kinde trotz dessen Unruhe allein aus derStimm-
vil-iration Aut'scbluss über Natur und Sitz des Leidens geworden sei, in-
dem er deren Verstärkung über der bepatisirteu Stelle deutlich wahr-
nahm. Nach Z i e m s s e n (PI. u. Pn. p. 238J ist dieselbe eines der
werthvoUsten Symptome zur Unterscheidung von Pneumonie und pleu-
ritischem Exsudate ; nach Vogel (1. c.) lässt sich durch sie „zurNoth"
auch lobuläre Pneumonie erkennen (eine Erkenn tniss, welche Mayr!
— vd. Anm. zu V.'s Aufsatz 1. c. p. 98 nicht gelungen istj.
Nicht unwichtig dagegen für die Praxis , unentbehrlich für eine
wissenschaftliche Beobachtung ist die Inspection des Thorax. Eine
Verminderung der Athembewegungen auf der kranken Seite wird bei
ausgezeichneten Infiltrationen , zumal der Oberlappen , und bei heftiger
Schmerzhaftigkeit nur selten vermisst werden. Dabei pflegt der Re-
spirationstypus nur bei stärkerer Dyspnoe aus jedweder Ursache inso-
fern abgeändert zu sein, als hierdurch eine Inanspruchnahme beziehent-
lich gesteigerte Thätigkeit der accessorischen Inspirationsmuskeln ver-
anlasst wird. In diesem Falle bewirken auch laei älteren Kindern die
gewaltsamen Zwerchfellcoutractionen in Folge der Nachgiebigkeit der
unteren Kippen und Rippenknorpel eine gürtelförmige Verengerung der
Thoraxbasis mit Einziehungen der Intercostalräume jener Gegend , ent-
sprechend der Insertionslinie der Zwerchfellfasern (Flankenschlagen).
Es tritt dieser Muskel aber trotz solcher Einziehungen deutlich herab,
die epigastrische und Oberbauchgegend treibt sich also deutlich vor,
sinkt nicht ein wie ])ei Croup , an den sich Anfanger unter diesen Um-
ständen häufig erinnert glauben.
Die Mensuration ergiebt bei ausgedehnteren Infiltrationen zu-
mal der Unterlappen , rechts besonders in Verbindung mit Pneumonie
des Mittellappens (Ziemssen) eine deutliche Zunahme des Thorax-
umfanges wie Durchmessers. Massige Infiltrationen zumal der Oberlap-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 643
pen aber bedingen eine solche nicht , M'egen der gleichzeitigen Retrac-
tion des benachbarten Gewebes. Indessen ist eine hinlänglich genaue
Bestimmung fast nur bei älteren Kindern durchführbar, da sich jüngere
einer dessfallsigen Untersuchung durch Widerspenstigkeit und Nicht-
verharren in schlaffer und gleichmässiger Haltung und Athmung zu ent-
ziehen pflegen. Vgl. Ephraimsohn, D. Klin. 1857. IX. p. 71.
Noch einige Worte über die vergleichende thermometrische
Untersuchung beider Achselhöhlen bei einseitigen Entzündungen der
Lunge.
Schon bei Priedleben (1. c. p. 169), der aber thermometrische
Jilessungen noch nicht angestellt hat, liest man, dass die Haut der Seite
der Pneumonie oder bei doppelseitiger Pneumonie die Haut des ganzen
Thorax sich stets heisser anfühle als die der übrigen Körpertheile ; üb-
rigens sei das Phänomen nichts Neues und führe er es nur an, weil er
es in allen Fällen bestätigt gefunden habe. Lepine (Gaz. med. de Paris
1871 p. 440) macht nun gelegentlich einer Mittheilung von Landrieux,
der diese Ansicht bestätigt, darauf aufmerksam, dass er sich schon 1868
(ibid. Nr. .36, 44) öfters vom Gegentheil überzeugt habe. Neuerdings
verötfentlichte Wegscheider (Virch. Arch. 69 p. 178), dass sich bei
Erwachsenen in der Kegel auf der erkrankten Seite während des Höhe-
stadiums ein geringes Plus ergebe.
Während die croupöse Pneumonie bei Erwachsenen in der Regel
rein lobär verläuft , ist bei Kindern partielles Befallen werden
eines Lappens (nach den Erscheinungen glaubt man dann häufig eine
centrale Pneumonie diagnosticiren zu sollen) und Uebergreifen der
Pneumonie auf benachbarte Lungenabschnitte in vollkommener oder
unvollkommener Weise eine sehr gewöhnliche Erscheinung. Es kann
daher nicht auffallen, wenn mau bei ihnen die Zeichen einer unvollkom-
men entwickelten oder ganz rudimentären Pneumonie, wie beschränkten
tympanitischen Schall oder leichte Dämpfung mit etwas trockenem Kni-
stern oder Knisterrasseln oder Bronchialathmen , oder auch wohl nur
ein beschränktes Hauchen oder bronchiales Exspirium ohne jede weitere
Anomalie als einzigen Ausdruck der pneumonischen Erkrankung findet,
oder wenn man den gleichen Zeichen in der Umgebung einer charakte-
ristischen lobären Affektion begegnet. Manchmal bilden sich in solchen
Fällen die Symptome dieser Hauptaffektion gegen den Schluss der Fie-
berwoche hin zurück , während die der rudimentären Affektion zuneh-
men und so der Anschein erzeugt wird , als ob die Pneumonie nach Art
eines Wandererysipels sich auszubreiten beginne: indessen macht in
der Regel die definitive Defervescenz früher oder später allen solchen
Vermuthungen ein Ende.
Ebenso unbedeutende oder noch geringfügigere Affektionen von
ganz beschränktem Umfange können in schweren Fällen schliesslich
41*
g^^ Krankheiten der Atlimungsorgane. Lunge.
auf der ursprünglich niclitafficirteuSeite aiütreten , mit oder
ohne etwas gröberen Katarrh. Eine etwaige Weiterentwicklung wird
durch die kritische Entscheidung des Fiebers abgeschnitten.
Die Rückbildung solcher abortiver Herde ist eine rapide und geht
auf dieselbe Weise vor sich wie bei der Hauptaffektion.
Die Respirationsfrequenz steigt sofort mit dem Beginn der
Krankheit und erreicht rasch eine bedeutende Höhe. Besonders be-
trächtlich ist sie bei den jüngeren Kindern, während ältere auch in die-
ser Beziehung mehr die Verhältnisse der Erwachsenen darbieten. Unter
gleichen Verhältnissen können jene 70—80, diese 40 Athemzüge in der
Minute darbieten.
Fünf in der verschiedensten Weise ineinander greifende und sicli
gegenseitig beeinflussende Momente sind es , welche die gesteigerte Re-
spirationsfrequenz bewirken : das Fieber , die Verkleinerung der Ath-
mungsfläche durch den örtlichen Process auf den Lungen , die weitere
Erschwerung der Athmung durch mehr oder weniger zufällige consecu-
tive Störungen , der Zustand des Nervensystems und endlich der des
Herzmuskels. Mit der Tempei'atursteigerung steigt sofort auch die Zahl
der Athemzüge, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob eine Affektion der
Athemorgane vorhanden ist oder nicht , nur in Folge der Reizung des
Respirationscentrums durch die höhere Eigenwärme. Heftig fiebernde
Kinder mit gesunden Lungen können so eine beträchtlichere Respira-
tionsfrequenz besitzen als Erwachsene mit einer umfangreichen Pneu-
monie ; das Kind ist in dieser Beziehung weit erregbarer als der Mensch
in den kräftigen Mannesjahren. Sehr deutlich ergiebt sich die Abhän-
gigkeit der Respirations- von den Temperaturzahlen aus den Beobach-
tungen zur Zeit der Pseudokrisen im Verlaufe der Pneumonie, oder auch
schon durch eine genaue Vergleichung der Remissions- und Exacerba-
tionszeiten ; am klarsten geht es aber daraus hervor, dass in der Regel
am Schlüsse der Krise , trotzdem der Umfang der Infiltration sich noch
nicht im Mindesten verändert hat, mit der Temperatur auch die Respi-
rations l'requenz auf die Norm gesunken ist. Indessen wird dieser gün-
stige Effekt der Defervescenz oft genug durch erhebliche weitere Stö-
rungen mehr oder weniger vereitelt. Solche Störungen können entwe-
der schon vor der Pneumonie vorhanden gewesen sein , z. B. Anämie,
chronische Affektionen der Lungen und des Herzens , oder , was der bei
weitem häufigere Fall ist , sie haben sich erst während der Krankheits-
dauer entwickelt und schon zur Zeit des Fiebers die Respirationsfre-
quenz bedeutend beeinflusst, wie Pleuritis, Bronchitis, übermässig hef-
tige Brustschmerzen, Meteorismus. Durch diese theilweise comphcato-
rischen Affektionen kann ebenso wie durch eine ungewöhnlich umfang-
Thomas, Croupose Pneumonie. Symptomatologie. 645
reiche Infiltration die Respirationsfrequenz nicht nur auf dem Höhesta-
dium des Fiebers zu einer ganz ausserordentlichen Höhe gesteigert,
sondern auch Veranlassung gegeben werden , dass sie auch nach der
Defervescenz eine Zeit lang auf einer beträchtlicheren Ziffer verharrt.
In solchen schweren Fällen sind daher bei kleinen Kindern Respira-
tionsziffern von 70 — 80, ja sogar bis 100 (Jurasz) in der Fieberpe-
riode , 40 — 50 in der Zeit der Krise und gleich nachher, nichts Unge-
wöhnliches , während ältere Kinder unter denselben Verhältnissen etwa
15 — 25 Athemzüge weniger darbieten ; erst die volle Reconvalescenz
bringt die normalen Respirationszahlen. Verläuft die Pneumonie letal,
so bleibt die Athemfrequenz jedenfalls eine beträchtlich hochgesteigerte,
auch wenn die Temperatur einen Rückgang zeigen sollte , ja sie steigt
sogar noch weiter bis auf 90 — 100 und mehr Züge. Indessen pflegen
auch hier die enormen Ziffern , wie sie die katarrhalische Pneumonie
bisweilen bietet, nicht erreicht zu werden, ausser etwa bei einem unge-
wöhnlichen Temperaturexcess.
Im Allgemeinen bleibt der Athmungstypus bei einfacher und
einseitiger croupöser Pneumonie der normale, und ist nur insofern ver-
ändert , als die kranke Seite , ohne dass die Intercostalmuskeln über der
afficirten Partie etwa gelähmt würden , weniger athmet; erst nach dem
Hinzutreten eines weiteren die Kohlensäureausscheidung hemmenden
Momentes (und dadurch hervorgerufener entschiedener Dyspnoe wie bei
der Bronchopneumonie) verwandelt sich der Typus , insofern nunmehr
die accessorischen Inspirationsmuskeln in Thätigkeit treten und gewöhn-
lich auch eine inspiratorische Hebung der Mm. levatores alae nasi, das
sog. Nasenflügelathmen, eintritt. Meistentheils ist die Inspiration unter
solchen Umständen oberflächlicher als in der Norm, und je mehr sie es
ist, um so frequenter muss die Athmung werden. Weiterhin ist bei
sehr ausgebreiteter Infiltration, complicatorischer Bronchitis oder Pleu-
ritis, heftigen Brustschmerzen, auch die Exspiration öfters gedehnt,
durchaus oder nur am Schlüsse ächzend , stöhnend und kreischend , und
nicht selten bedeutend länger als die oberflächliche Inspiration. Kom-
men nun aber noch heftiges Fieber (cf. Riegel, Athembewegungen ;
p. 138), sowie insbesondere schwere Cerebralsymptome hinzu , so bleibt
es nicht Ijei einer Veränderung des Athmungstypus , sondern es kann
auch der Rhythmus der Respiration verändert werden, und zwar wird er
unregelmässig. Es geschieht dies theils dadurch, dass In- und Exspira-
tion durch ungleiche kleine Stillstände während ihrer Dauer unterbro-
chen sind, theils durch ungleiche Pausen zwischen den einzelnen Athem-
zügen, theils durch beides zusammen. Selbstverständlich muss dies Alles
zugleich einen sehr bedeutenden Einfluss auf die Ziffer der Respirations-
646 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
frequenz ausüben. Unregelmässig und röchelnd im höchsten Maasse,
sowie äusserst frequent wird die Athmung bei bevorstehendem letalem
Ausgang der Pneumonie. Rehn (1. c. 1871) hat vom zweiten Tag vor
dem Tode an sogar das eigenthümliche nach verschieden grossen voll-
ständigen Pausen an- und abschwellende sog. C heyne-Stokes'scLe
Athmen beobachtet; ebenso Bierbaum (1. c. p. 43), Jürgensen
(1. c. p. 134) und B aa s (1. c. p. 314). Dagegen wird die Respiration bei
normaler Abwicklung des Processes, in der Zeit der Lösung der Pneumonie,
nicht nur langsamer, sondern auch gleichmässiger , ruhiger und tiefer.
Kommen auch in der Regel gesteigerte Athmungsfrequenz und
Gefühl der Dyspnoe zusammen vor, so sind doch beide nicht notliwen-
digerweise mit einander verbunden. Gerade bei Kindern sind Fälle
nicht .selten , wo letzteres in ungewöhnlichem Grade vorhanden ist, ob-
wohl die Respiratiousfrequenz entsprechend dem massigen objektiven
Befund nur unbedeutend gestiegen war, und umgekehrt. Ersteres ist
insbesondere bei heftigen Brustschmerzen , das Letztere bei intensiven
Störungen des Nervensystems , z. B. Sopor , Delirien u. s. w. der Fall.
Die Symptome der Herzschwäche , welche ja auch vom bedeutendsten
Einflüsse auf die Funktionsfähigkeit des Nervensystems ist , verlaufen
sehr gewöhnlich nicht nur mit beträchtlicher Athemfrequenz , sondern
es pflegt dabei auch die Dyspnoe eine hochgradige zu sein. Die höheren
Grade der Dyspnoe werden in der Regel von Cyanose, coupirter Sprache,
starkem Nasenflügelathmen , ängstlichem Gesichtsausdruck, starken in-
spiratorischen Einziehungen der unteren Thoraxapertur begleitet; alle
diese Erscheinungen lassen mit der Krise nach oder hören ganz auf.
Husten fehlt bei Kinderpueumonie nur ganz selten , am ehesten
bei der cerebralen Form; keineufalls entspricht seine Intensität dem
Umfang der Infiltration. Gewöhnlich ist er schon vom Beginn der
Krankheit an vorhanden , selten erscheint er erst nach einigen Tagen,
im späteren Verlaufe und am Schlüsse der Pneumonie wird er fast nie-
mals vermisst. Er ist durch die Schmerzen , welche er hervorruft und
steigert , eines ihrer lästigsten Symptome , ganz besonders auch für die
kleinen Kinder, deren ausserordentliche Beschwerden sich fast nie durch
lautes Geschrei , sondern durch Weinen und Wimmern , durch ängst-
liches Verziehen des Gesichtes bei den kurzen Hustenstössen zu erken-
nen geben. Der Schmerzen wegen ist er meist kurz , gewissermassen
stossend , coupirt, und wird so viel als möglich unterdrückt, wenigstens
in den ersten Tagen, später pflegt er leichter und lockerer zu sein. Im
Anfang ist er gewöhnlich trocken ; selbst wenn etwas Secret vorhanden
ist , wird es doch selten nach oben befördert , weil das Kind die durch
die Expektoration des zähen Schleimes hervorgerufenen heftigen Schmer-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. G47
zen scheut ; häuft sich schliesslich aber eine grössere Menge Secret an,
so können äusserst empfindliche Hustenparoxysmen eintreten, welche
mit Würgen und Erbrechen enden ; bei besonderer Zähigkeit und Reich-
lichkeit des Secrets kommen selbst Erstickungsanfälle vor. Schon wäh-
rend der Krise pflegt der Husten erheblich leichter und lockerer zu wer-
den , einige Tage später seine Schmerzhaftigkeit vollkommen verloren
zu haben , und im Anfang oder wenigstens im Verlaufe der dritten
Krankheitswoche gänzlich zu verschwinden: dies wenigstens in den
meisten Fällen, in denen die Heilung eine vollständige ist und eine chro-
nische Störung sich nicht anschliesst. Endet die Pneumonie mit dem
Tod, so kann der Husten bis zum Ende in quälendster Weise fortbestehen.
Auswurf fehlt bei der Pneumonie wie bei den anderen Affektio-
nen der Respirationsorgane der Kinder in der Regel vollkommen, zwei-
felsohne nicht etwa deshalb , weil Nichts expektorirt , sondern weil
alles Expektorirte verschluckt wird ; indessen haben B a r t h e z und
Rilliet pneumonischen Auswurf niemals im Erbrochenen oder in den
Stuhlgängen gefunden. Es sind fast nur grössere Kinder, welche Sputa
zu Tage fördern, deren Beschaffenheit sich oft in keiner Weise von denen
der Erwachsenen unterscheidet (cf. Damasch inop. 88) ; H a u n e r sah
solche einmal bei einem 4j. Mädchen. Bei kleinen Kindern findet man
eine derartige Expektoration selten als zufällige besonders durch
Würgen und Erljrechen veranlasste Erscheinung. Nach meinen in dieser
Beziehung spärlichen Beobachtungen kann ich einen geringeren Blutge-
halt , also eine hellere Färbimg der Sputa anerkennen , nicht aber zu-
«•eben^ dass die Sputa jüngerer Pneumoniker , wie man hin und wieder
liest, nur blutstreifig oder gänzlich blutfrei seien. Wenn solche expek-
torirt werden sollten , so dürften sie wohl stets einem complicirenden
Catarrh der oberen Luftwege entstammen , nicht der Pneumonie ange-
hören. Nur in der Reconvalescenz ist der Auswurf blutfrei und schlei-
migeitrig , gerade wie bei den Erwachsenen , immer vorausgesetzt , dass
er wie früher nicht gäirzlich fehlt.
Der Sitz der Brustschmerzen wird nur von älteren Kindern
mit einiger Zuverlässigkeit und zwar in der Regel entsprechend der af-
ficirten Lungenpartie angegeben, oder als Seitenschmerz bezeichnet.
Von kleineren Kindern aber wird der Schmerz sehr gewöhnlich in die
Oberbauchgegend oder den Leib überhaupt verlegt , bald mehr in die
Mitte, bald auf die kranke Seite ; es findet sich eine solche Angabe nicht
nur beim Sitz der Infiltration an der Lungenbasis , sondern auch bei
Pneumonie der Oberlappen. Vielleicht ist es öfter die Zernmg der In-
sertionsstellen der Bauchmuskeln bei heftigem Husten, welche die
Schmerzen hervorruft, und weniger die Bewegung der entzündeten Par-
gj^g Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
tieeu bei der Inspiration; indessen mag auch Beides zusammen die
Schmerzen bedingen (cf. Baas p. 282). Dass sie so oft von den Kleiueu
in den Bauch verlegt werden, ist zum Theil vielleicht auch die Folge da-
von, dass diese öfter im Leib als anderswo Schmerzen haben und sich so
über den Sitz der Brustschmerzen täuschen. Jedenfalls muss sich der
Kinderarzt dieser eigenthümlichen Erscheinung bewusst sein, und ebenso
mag er des Umstandes gedenken , dass allzu kräftige Percussion eine
Steigerung des Schmerzes herbeiführen kann.
Das Geschrei kleiner pneumonischer Kinder ist theils dieser
Schmerzen, theils der Dyspnoe wegen nie laut und andauernd, sondern
mehr ein kurz abgesetztes oft unterdrücktes Wimmern , Stöhnen und
Aechzen, wie ja denn auch aus gleichem Grunde die Sprache der älteren
Kranken coupirt ist. Es ist dies in hohem Grade charakteristisch und
diagnostisch wichtig. Thränen erscheinen dabei erst beim Nachlass der
Krankheit.
Die Lage der Kranken im Bett ist einigermassen verschieden.
Immer kann man annehmen , dass diejenige gewählt wird , in der die
Athmung am besten von Statten geht, in der die Dyspnoe am meisten
erleichtert wird und der Husten am wenigsten genirt — wenn die Wahl
irgend freisteht. Säuglinge und Wickelkinder liegen meist auf dem
Rücken in gestreckter Lage. Aeltere Kinder liegen in der Regel unbe-
weglich auf der schmerzenden, meistens also der pneumonisch afficirten
Seite, weil dieselbe in dieser Lage fixirt ist und sie so mit den gesunden
Theilen am besten atlimen können; die Wirbelsäule ist hierbei auf der
gesunden Seite etwas convex. Nur wenn durch diese Seitenlage der
Schmerz in Folge des Druckes gesteigert wird , ziehen sie die Lage auf
der gesunden Seite oder die gerade Rückenlage vor. In letzterer Lage
besonders pflegen sich die Kranken zu dehnen und zu strecken, sich mit
dem Kopfe etwas in die Höhe zu richten und denselben nach hinten zu
halten, auch die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen , um Luft
zu bekommen. Auch kleinere Kinder liegen, wenn sie können, am hel)-
sten in einer eigeuthümlich gekrümmten Lage auf der Seite ; alle fixiren
dieselbe der Schmerzen wegen ganz besonders beim Husten mit den
Händen und vermeiden ängstlich jede Bewegung. Kleine Kinder blicken
ängstlich umher und scheuen jede Annäherung Fremder an ihr Bett,
weil diese sie aus ihrer relativen Ruhe aufscheuchen möchten. Dabei
sind ihre Mundwinkel schmerzlich nach abwärts verzogen, was dem Ge-
sicht in Verbindung mit den weiten Nasenlöchern und den Bewegungen
der Nasenflügel beim Athmen einen ganz eigenthümlichen Ausdruck
verleiht.
Indenvon der Entzündung nicht ergriff enenLungen-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 649
abschnitten ist gewöhnlicli irgendwelche Veränderung nicht nach-
weisbar. Bei beträchtlicher Anschwellung der infiltrirten Partie und
grossem Umfang der Infiltration kann im benachbarten Lungengewebe
durch Compression ein tympanitischer oder massig gedämpfter Percus-
sionsschall und verschwächtes Vesiculärathmen hervorgebracht werden,
zumal wenn ein massiger Flüssigkeitserguss in die Pleurahöhle statt-
gefunden hat. Die Symptome der Compression sind ganz besonders
über den oberen Lappen deutlich , wenn die unteren stark verdichtet
sind ; Compression der unteren Lappen durch die infiltrirten oberen
findet sich seltener. Natürlich können nur in der Nähe der Lifiltration
gelegene Lungenabschnitte comprimirt werden. Eine anderweitige Ge-
legenheit zu Compression gesunder Lungenpartieen ist nach meinen Er-
fahrungen auch bei Kindern durch reichliche pericardiale Ergüsse ge-
geben; dieselben comprimireu wesentlich den linken unteren Lappen.
Ueber völlig intaktem Gewebe, zumal auf der der Lifiltration entgegen-
gesetzten Seite, hört man häufig ein schärferes Athemgeräusch als in
der Norm, selten schwache katarrhalische Erscheinungen.
Ob auch bei croupöser Pneumonie in Folge des ßespirationshinder-
nisses und besonders bei heftigem Geschrei, also vielleicht in der Recon-
valescenz, allgemeines Hautemphyöem durch Lvmgenzerreissung ent-
stehen könne, wie Roger, G u ill o t und 0 z a n a m ( Canst. Jber. 1 853 IV.
p. oOl und 1854 IV. p. 253) für akute Brustalfektionen angeben, ist
mir nicht bekannt.
Die Schleimhaut der oberen Luftwege ist bei croupöser Pneu-
monie nicht oder nur nach Art eines leichten oberflächlichen Katarrhs
afficirt ; mitunter besteht etwas Heiserkeit. Diese Störungen geben sich
durch grobe Rasselgeräusche und Husten zu erkennen , erstere schwin-
den gewöhnlich rasch. Nicht selten zeigen Kinder im Anfang etwas
Nasenbluten.
Circulationsorgane. Die Herz aktion ist bei der Pneumonie
wie bei anderen fieberhaften Krankheiten gesteigert, zumal im Anfang
und bei hohem Fieber , so lange die Herzkraft intakt ist. Li schweren
Fällen, insbesondere bei doppelseitiger Pneumonie , kann es zu einer
massigen Ausdehnung des rechten Ventrikels kommen. Die Ausculta-
tion ergiebt gewöhnlich reine Töne, seltener ein leichtes Hauchen neben
den ersten Ventrikeltönen, zumal links ; eine deutliche Verstärkmig des
zweiten Pulmonaltons wird nicht wahrgenommen.
Wichtiger sind die Erscheinungen von den Gefässen. Während
der intensiven Liitialsymptome ist der Arterienpuls öfters eine
kurze Zeit hindurch klein und härtlich , gewinnt aber nach Erreichung
der Constanten Temperatur des Höhestadiums auch bei jungen Kindern
sofort an Völle, ohne übrigens jemals eine solche Spannung (Celerität)
ß^Q Krankheiten der Atbmimgsorgane. Lunge.
zu zeigen wie beim Erwachsenen. Auch deutlicher Dicrotismus , deu
man nach der Temperaturhöhe zu urtheilen in der Zeit der Abnahme
der Spannung vielleicht erwarten dürfte, erscheint nur selten. Nach
mehrtägigem heftigem Fieber verliert der Puls in der Regel an Härte
und zeigt manchmal sogar trotz ziemlich hochgradiger Temperaturstei-
o-erung eine entschiedene Weichheit, insbesondere kurz vor der Krise,
so dass man bei charakteristischem Hervortreten dieser Eigen thümlicli-
keit die baldige Entfielierung vorausbestimmen kann. Noch weicher
pflegt er dann während und nach der Krise zu sein ; öfter ist er in dieser
Periode sogar abnorm klein und schwach , Ijesouders wenn die Eigen-
wärme zu CoUapstemperaturen hinabgesunken ist. In der Nähe des
Todes wird der Puls immer kleiner und schliesslich fadenförmig. Ent-
sprechend der hochgesteigerten Temperatur ist die Pulsfrequenz eben-
falls eine sehr beträchtliche, zumal bei jüngeren Kindern. Aeltere
haben bei hochfebriler Temperatur 120—140 Schläge, jüngere nicht
leicht unter 160, und sehr gewöhnlich zeigen unter diesen Verhältnissen
die all erjüngsten, unter 1-2 Jahren, 170— 180, ja bis 200 Schlägein
der Minute. So lange die Herzkraft intakt ist und besondere die Puls-
frequenz in eigenthümlicher Weise beeinflussende Momente fehlen,
steigt und sinkt dieselbe mit der Temperatur, so dass die Differenz zwi-
schen Exacerlmtion und Remission etwa 10 — 20 Schläge betragen kann.
Eine abnorm niedrige, d. h. normale oder nahezu normale Pulsfrequenz
neben hochgesteigerter Temperatur, wie z. B. beim Typhus, kommt bei
Pneumonie zumal kleiner Kinder nicht leicht vor.
Das eben Gesagte ist jedoch nicht so zu verstehen, dass man die
thermometrische Untersuchung durch die Zählung der Pulsfrequenz zu
ersetzen und durch letztere allein diejenige Sicherheit in der Beurihei-
lung des Falles zu erlangen im Stande wäre , wie sie durch jene ge-
wannen wird. Schon die ausserordentliche psychische Erreglmrkeit des
Kindes, unter deren Einfluss nicht selten mit dem Anldick des sich mit
ihm beschäftigenden Arztes die Pulsfrequenz erheblich steigen kann,
hindert eine l.iesondere Berücksichtigung der letzteren. Wäre man also
auch mit den individuellen Ursachen der Pulszahlen eines Kindes genau
vertraut, so würde dennoch die Verwerthung der Pulsfrequenz statt der
Temperatur nicht möglich sein. Nur die Bestimmung der Eigenwärme
lässt ein sicheres Ui-theil über die Höhe des Fiebers gewinnen; der vor-
sichtige Therapeut wird sie daher in allen, auch in den leichten Fällen
vornehmen, und in schweren ist sie ganz unerlässlich.
In schweren Fällen pflegt die Pulsfrequenz beträchtlicher gestei-
gert zu sein , als in leichteren mit der gleichen Temperaturhöhe. Die
bevorstehende Defervescenz giebt sich manchmal nicht nur durch den
Verlust der Härte des Pulses, sondern auch durch eine präparatorische
Abnahme seiner Freciuenz zu erkennen. Jedenfalls sinkt dieselbe mit
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 651
der kritischeil Beendigung des Fiebers bis auf die normalen Pulszahlen
des betreffenden Kindes, also je nach dem Alter auf 90 — 110 Schläge,
selten — und dies ist eine auch sonst , z. B. bei Icterus , hervortretende
Eigenthümlichkeit des Kindes — wesentlich tiefer. Im Allgemeinen
folgen die Pulszahlen auch hier der Temperatur: bleibt diese hochnor-
mal, so sind auch jene wesentlich höher als in der Nähe der Collaps-
werthe. Indessen pflegen ausgesprochene Collapse, auch solche mit
niedriger Eigenwärme , eine beträchtliche Pulsfrequenz zu zeigen , und
zwar neben elender Beschaffenheit der Einzelschläge. Auch in der
Pseudokrise der Fieberacme pflegt die Pulsfrequenz minder zu fallen als
in der wahren Krise, und zwar bei gleichen Temperaturwertheu. Neue
Steigerungen der Temperatur nach der Krise bedingen manchmal un-
verhältnissmässige Steigerungen der Pulsfrequenz. Gegen den Tod hin
pflegt dieselbe zu steigen , und zwar mitunter in recht erheblicher und
auffälliger Weise, fast ganz ohne Rücksicht auf die Temperaturschwan-
kuugen. Anderemal bleibt indessen die Pulsfrequenz bis wenige Stun-
den vor dem Tod im bisherigen normalen Verliältniss zur Temperatur-
höhe. Selbstverständlich muss bei der beträchtlichen Steigerung der
Respirationsfrequenz und der minder beträchtlichen der Pulsfrequenz
das normale Verhältniss beider (1 : 4,.5) abgeändert werden. Im Allge-
meinen entspricht der Steigerung dereinen eine verliältuissmässig gleich-
artige auch der anderen von beiden: jüngere Kinder und schwere Fälle
zeigen für beide höhere Ziffern als ältere Kinder und leichte Fälle.
Leichte Irregularität des Pulses wird bei einzelnen pneumonischen Kin-
dern, die im Norjnalzustaude solche nicht zeigten, auf dem Höhestadium
beobachtet, zumal bei hochgradiger Dyspnoe. Häufiger und ausgespro-
chener pflegt dieselbe während und besonders nach der Defervescenz zu
sein; He noch (Beitr. 1868. p. 166) fand sie hier einige Tage lang
bei einem 4j. Knaben nur beim Aufsitzen, nicht aber in der Rückenlage.
Sie verschwindet mit dem Schlüsse der Reconvalescenz.
Geringe Cyanose ist häufig, starke selten, und zwar nur bei sehr
umfänglichen Infiltrationen. Ausnahmsweise sind dann auch die Ve-
nenstämme am Halse so ausgedehnt , dass man respiratorische Bewe-
gungen und Undulation an ihnen erkennt. In solchen Fällen findet sich
wohl auch Oedem der unteren Extremitäten.
Verdauungsorgane. Magen und Darm. Die Appetitlosig-
keit ist bei Kindern , zumal kleinen und in schweren Fällen überhaupt,
gar nicht selten eine absolute über das gewöhnliche Maass des Fiebers
weit hinausreichende. So nothwendig es auch erscheinen muss , dem
beinahe erschöpften schwer fiebernden Organismus etwas Nahrung zu-
zuführen, alle Versuche der besorgten Eltern uiisslingen. Zuweilen mag
g52 Krankheiten der Athmimgsorganc. Lunge.
dies Folo-e der Furcht vor Verschlucken imd dem sich daran ansclilies-
seuden schmerzhaften Husten , zuweilen Folge der Dyspnoe sein, die
continuirlich auch den Mund zum Athemholen zu brauchen zwingt und
ihn so dem Kaugeschäft entzieht ; allein nicht selten werden auch flüs-
sige Nahrungsmittel, wie Milch, Eiwasser, selbst verdünnter Wein ener-
gisch und beharrlich zurückgewiesen , während der Durst durch reines
Wasser reichlich gestillt wird. Es besteht dann ein entschiedener Ma-
gen- mid Darmkatarrh (Lebert [Brustkkh. Lp. 673] und Jürgensen
fanden bei Erwachsenen öfter auch Hämorrhagie der Scheimhaut und
des submucösen Gewebes; vgl. Barthez u. Rilliet 1. c. I. p. 588),
eine .Steigerung der bei Fieber constanten Erkrankung der Verdauungs-
organe. Seltener bleibt der Appetit gut (Steiner 1. c. 82. p. 34;
Baasl. c. p. 292).
Erbrechen ist im Anfange der Kinderpneumonie zumal bei kleinen
Kindern, eine sehr gewöhnliche durch centrale Vagusreizung veranlasste
Erscheinung und fördert , wenn intensiv und häufig , nicht nur Magen-
inhalt , sondern oft genug auch Galle nach aussen, setzt sich aber nur
ausnahmsweise in eine spätere Zeit fort. Wenn es in dieser auftritt und
nicht etwa durch expektorireude und andere Medikamente oder schäd-
liche Ingesta , wie sie kranke Kinder häufig erhalten , bedingt wird, ist
seine Ursache bald der eben erwähnte Magenkatarrh, Ijald heftiger Hu-
sten und die mühsame unter Würgen stattfindende Expektoration des
zähen Secrets, bald endlich Hirnreizung, wie vorzugsweise in den über-
haupt durch schwere Nervensymptome ausgezeichneten Fällen.
Magen- und Leibweh werden häufig geklagt. Zum Theil sind die
betreffenden Schmerzen falsch gedeutete Brustschmerzen , zum Theil
aber gewiss durch die Störung der Bauchorgane bedingt.
Die Stuhlentleerung ist öfter eine träge und verlangt therapeuti-
sche Regelung. Gar nicht selten aber bestehen auch bei grösseren,
öfter bei kleinen Kindern , und zwar besonders in der durch bcträcM-
lichcre Litestinalaffektion überhaupt ausgezeichneten Form der Pneu-
monie, spontane massige Diarrhöen. Die Entleerungen sind gallenarm
und schleimig.
M u n d- und R a c h e n h ö h 1 e zeigen öfters geringe katarrhalische
Reizung und selbst Schlingbeschwerden sind mitunter vorhanden. Bei
kleinen Kindern besonders kommt es leicht zur Soorentwicklung, wenn
die mit geschwollenen Papillen bedeckte, an den Rändern rothe, in der
Mitte stark belegte Zunge und die Mundhöhle üljerhaupt nicht rein ge-
halten werden ; auch Foetor ex ore kann auf diese Weise entstehen.
Bei der verminderten Speichelsecretion zeigt die Mundschleimhaut hier
wie in allen schweren Krankheiten eine grosse Neigung zum Austrock-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 653
nen ; der Durst ist meist bedeutend. Säuglingen ist durch die trockene
Zunge das Saugen sehr erschwert.
Die Leber ist bei Kinderpneumonie meist nicht anders afficirt,
als dass sie in schweren Fällen durch Stauung etwas anschwillt. Die
Galle ist hell, Icterus selten und sein Verlauf ein milder.
Das Pancreas pflegt keine Veränderungen zu zeigen.
Die Milz, im Sectionsfalle nicht selten unerheblich vergrössert, ist
in gleicher Weise afficirt auch im Leben mitunter nachweisbar , sofern
ihre genaue Untersuchung überhaupt möglich ist.
Nervensystem. Schwere Nervensyniptome können bei Pneu-
monie unter verschiedenen Verhältnissen auftreten.
Zunächst erscheint sehr gewöhnlich , wenigstens bei kleinen Kin-
dern , im Anfang der Pneumonie neben einer rapiden Steigerung der
Eigenwäi'me ein eklamptischer Anfall von ver.schiedener Dauer , mit
und ohne Erbrechen, mit oder ohne nachfolgende Bewusstlosigkeit. Er
dürfte Theilerscheinung eines allgemeinen Arterienkrampfes sein und
wiederholt sich nur selten. Aehnliche Zufälle folgen auf Pseudokrisen.
Sodann führt wie in jeder anderen fieberhaften Krankheit auch bei
der Kinderpneumonie die genügend hoch gesteigerte Eigenwärm«; Ner-
vensymptome herbei. Da Affektionen der Oberlappen mit stärkerem
Fieber zu verlaufen pflegen als solche der Unterlappen , so sind es be-
sonders erstere , welche von Nervensymptomen begleitet sind. Kopf-
weh, Schwindel (das Kind glaubt zu fallen und hält sich fest), Ohnmachts-
anfälle beim Aufrichten, Lichtscheu, Sinnesstörungen , Reizljarkeit und
Zanksucht, oder massige Apathie, Schlaflosigkeit, Unruhe, Aufschreien,
leichte Delirien sind die Folgen verhältnissmässig massigen aber anhal-
tenden Fiebers , während sich starkes durch andauernde Störungen des
Bewusstseins, stärkste Aufregung, lebhafte Delirien und Hallucinationen,
Fluchtversuche , ja wirkliche maniakalische Anfälle , beschränkte iVIus-
kelkrämpfe (Auge, Nacken, Arme, Zähneknirschen) oder allgemeine
Convulsionen , soporöse Zustände , ja wirkliches Coma mit unwillkür-
lichen Entleerungen oder Harnretention zu erkennen giebt. Es mag
sein , dass unter solchen Umständen bei derartigen Zufällen auch Cir-
culationsstörungen im Hirn und Kohlensäurenarkose mit concurriren ;
der Beweis aber für die wesentliche Abhängigkeit solcher Symptome
von der hochgradigen Steigerung der Eigenwärme liegt in dem Effekt
energischer Wärmeentziehungen und den Beobachtungen bei spontanem
raschem Absinken der Temperatur: mit dem Aufhören des hochfebrilen
Zustandes hören die Nervensymptome meistentheils sofort auf. Vor
dem spontanen Absinken können sie bei einer hochfeln-ilen Perturbatio
critica noch recht hochgradig entwickelt sein.
g5^ Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Da indessen die Störung der Funktion, welche das Fieber bewirkt,
zunächst durch eine materielle Veränderung des Gewebes veranlasst sein
dürfte, so kann es nicht auffallen, wenn in einzelnen Fällen motorisclie,
sensible, sensorische und psychische Anomalieen von grösserer oder ge-
rino-erer Bedeutung , längerer oder kürzerer Dauer an dasselbe sich an-
schliessen. Ich habe auch nach schweren Kinderpneumonieen wieder-
holt solche Störungen beobachtet ; wenn sie nach anderen Krankheiteu
(Scharlach , Typhus) öfter sich finden , so werden wir die Ursache hier-
von mit Recht in der längeren Dauer des hochfebrilen Zustandes bei
denselben suchen dürfen. Ueber das Vorkommen von Kinderlähmung
nach Pneumonie vgl. Leyden, Klin. d. Rückenmarkskkh. IL p. 564,
Reflexlähmung nach ihr sah S i n k 1 e r.
Auch das rasche Verschwinden des pneumonischen Fiebers kann
zu leichten oder auch vorübergehend Besorgniss erweckenden Altera-
tionen der Hirnfunktion bei Kindern Anlass geben , wenn schon icii
einen maniakalischen Anfall, wie er im Anschlass an die Defervescenz
bei Erwachsenen mitunter auftritt, noch nicht beobachtet habe. Nächste
Ursache der Störung dürfte die durch die Krankheit (mittelst Fieber,
Inanition , Blut- und Säfteverlusten) herbeigeführte Erschöpfung, cha-
rakterisirt durch subnormale Temperatur, Herzschwäche und Hirn-
anämie sein; schwere Nervensj'niptomo brauchen im Verlaufe der fe-
brilen Periode nicht bestanden zu haben.
Tbore (Ic.) beobaclitete einen 5jährigen Knaben, dessen Pneumonie
sich rascli gebessert hatte. Bald nach der Krise ward er jedorh Nachts
durch heftige Gesichts- und Geluirshalluciuationen ausserordentlich auf-
geregt: er sah Ratten und Katzen, Personen, die durch die Mauern
drangen, um ihn mit/.uneluuen, und andere Schreckt iilder. Auf 0,03 Extr,
opii ziemlich ruhiger lag, doch brachte die nächste Nacht neue jedocli
weniger intensive Ei-scheinungen gleicher Art. Nunmehr ungestörte Ge-
nesung.
Die liochfebrile Temporatursteigerung , eine besondere Erregbar-
keit des kindlichen Nervensystems und eine eigenthümliche individuelle
Disposition mögen auch in den meisten der sogenannten »Gehirnpneu-
monieen« der Kinder Veranlassung zu den schweren nervösen Störungen
bei denselben sein. In anderen Fällen aber ist die Ursache derselben in
wirklichen anatomischen Veränderungen der Centralorgane, wie eitriger
Meningitis, Encephalitis u. s. w. zu suchen. Steiner machte in dieser
Beziehung auch auf Otitis interna aufmerksam und hob hervor, dassdie
Hirnsymptome öfter als reflektirte aufzufassen sein möchten. Jür-
gen sen konnte Insolation als Ursache der.selben anschuldigen, eine
Erfahrung, die recht gut zu der häufigen armenärztlichen Beobachtung
stimmt , nach welcher bei fiebernden Kindern die nervösen Störungen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 655
weichen oder sich wenigstens vermindern , nachdem der Kopf der Ein-
wirkung der strahlenden Wärme eines Ofens entzogen und dem Kranken
der Wärmeverlust durch Leitung und Strahlung erleichtert worden ist.
Vielleicht hat es sich hier um eine aktive Hirnhyperämie gehandelt.
Eine ältere von Hüttenbrenner von Neuem acceptirte Ansicht er-
Idärt dieselbe bei Pn. lob. sup. durch Compression der grossen Körper-
venenstämme von Seiten des Exsudats. In anderen mag der noch hy-
pothetische Infektionszustand, auch Acetonämie (Kau lieh), in Frage
kommen. Endlich bleiben aber noch Fälle übrig , in welchen die Ner-
vensymptome mit dem erst zu später Zeit erfolgenden Nachweisbar-
werden der Lokalatfektion trotz Fortdauer des unter Umständen be-
trächtlichen Fiebers sofort verschwinden oder wenigstens sehr wesent-
lich sich ermässigen. Es ist dies insbesondere bei Affektionen der Ober-
lappen der Fall. Die Hirnsymptome erhalten hier den Charakter in-
tensiver Prodromalerscheinungen eines ungewöhnlich spät auftretenden
und manchmal auch ungewöhnlich schwach entwickelten Lokalprocesses.
Sinnesorgane. Flimmern und Schwarzwerden vor den Augen,
Ohrensausen, Hyperästhesie und Anästhesie des Gehörsinns wie der
Haut, Störungen des Geruchsinns dürfte in vielen Fällen rein centralen,
nicht peripheren Ursprungs sein, und die gewöhnliche Störung des Ge-
ächmacksinns nur der Aifektion der Verdauungsorgane ihre Genese
verdanken. Indessen kommen auch seltene Fälle von Pneumonie vor,
in welchen zu den verschiedensten Zeiten des Verlaufes anatomische
Veränderungen der Sinnesorgane sich kenntlich machen.
Auge. Nach Seidel's (1. c.) Bericht zeigte ein ISjähriger Knabe
schon am ersten Kraukheitstage seiner Pneumonia sinistra superior Am-
blyopie und erblickte insbesondere alle Gegenstände bunt geriindert. Die
Untersuchung ergab die Pupillen sehr weit, den Opticus beiderseits na-
mentlich in der Mitte geröthet, von der Netzhaut nicht scharf abge-
grenzt, die ganze Retina floiartig getrübt, die Arterien schwach, die
Venen sehr stark gefüllt. Alle diese Verilnderungen bildeten sich im
Laufe der nächsten 4—5 Wochen vollständig zurück. Ueljrigens hatte
schon Sichel (Schm. .Jb. 114 p. 233) ähnliche Fälle bei Erwachsenen
beobachtet und die Sehstörung auf Stauung des Blutes im Gehirn durch
behinderte Entleerung der Vena cava superior und consecutive Altera-
tion des Opticusursprungs zurückgeführt. Auch Hirnanämie und gleich-
zeitige arterielle Anämie der ßetina können transitorische Sehstörungen,
zumal in der Eeconvalescenz bewirken (Gräfe, Henoeli laut Stei-
ner's Compendium). — Mitunter findet sich, auch ohne complicirende
Himaffektion, Ungleichheit der Pupillen (R o g u e, J. f. Khkde N. F. V. p.453).
Ohr. Steiner (Jbch. f Khkde. N. F. IL) beobachtete 16 Fälle,
in welchen den schweren Cerebralsymptomen bei Spitzeupueumonie (und
zwar Erbrechen, einem Wechsel von Somnolenz und Unruhe, Delirien,
Kopfweh, getrübtem oder aufgehobenem Bewusstsein) eine eitrige Otitis
656
Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
zu eirunde lag und diese Symptome mit dem Eintritt eines eitrigen
Obrenflusses regelmässig verschwanden. Er referirt, dass ihm Streek-
eisen schon 1863 zwei Knochenpräparate dieser Art demonstrirt und
ihn auf diesen Gegenstand aufmerksam gemacht habe. Seine Fälle be-
trafen zumeist Kinder im Alter von 5—10 Jahren, welche früher nie-
mals an Ohrenentzündung gelitten hatten, auch nicht scrofulös , sondeni
kräfticr und gesund waren. Die Otitis war lOmal einseitig, besonders
rechts" (entsprechend der Thatsache, dass auch die Spitzenpneumonie öfter
rechts als links vorkommt) , 6mal doppelseitig ; sie heilte nicht immev
gut ab, sondern ward mehrmals chronisch und führte zu Schwerhörigkeit
und sell-ist zu Caries des Schläfenbeins. Steiner hält die Pneumonie
wie die Otitis für Cotjffekte ein und derselben Ursache, der Erkaltung,
Nase. Des im Laufe der ersten Woche öfter erscheinenden bald
initialen bald pro- oder epikritischen oder kritischen Nasenblutens ist
bereits bedacht worden. Etwas Secretion der im Anfang des Fiebers ohne
Complication meist trockenen Nase wird man um die Zeit der Deferves-
cenz selten vermissen, öfter stellt sich in dieser Zeit auch Niesen ein.
Haut. Die Haut nimmt in verschiedeuer Weise am pneuDwni-
sehen Processe Antheil.
Im Beginne der Krankheit zeigt sich oft eine ganz auffällige Blässe
der cfesammten Haut, zumal im Gesicht, mit oder ohne Convulsionen;
bei nachfolgender starker Temperatursteigerung wird nicht selten , ge-
wissermassen als Reaktionserscheinung auf diese durch Arterienkrampl
entstandene Blässe ein verbreitetes oder circumscriptes und auf einzelne
Körpertheile (Arm , Brust , Ohren u. s. w.) bescliräuktes Erythem von
kurzer Dauer beobachtet. Bekanntlich kommt ein solches auch häufig
bei Kindern vor , die trotz heftigen Fiebers in dicke Federbetten einge-
hüllt wurden. Bartliez und Rilliet sahen manchmal statt eines
Erythems isolirte über die Oberfläche des Körpers zerstreute grössere
Flecke, die eine Verwechslung mit Masern möglich machten.
Im Verlaufe der Pneumonie findet sich recht häufig eine umschrie-
bene Waugenröthe, bald auf beiden, bald nur auf der einen Wange , je-
doch nicht so regelmässig auf der Seite der Infiltration , dass man be-
stimmte durch die Nerven vermittelte Beziehungen zwischen beiden
Afi'ektionen vermuthen müsste. Vielleicht ist sie öfter nur einfache
Folge der Seitenlage. Ferner erscheint mitunter ein oder mehrere
Tage lang, in letzterem Falle bis zur {Krise anhaltend und fort-
während sich erneuernd , ein Erythem oder ein Roseola- und Urticaria-
ausschlag, ausnahmsweise auch eine Eruption von Pemphigus (Jür-
gen s e n, J u r a s z, V f.), von' Bläschen, von Acne (bei älteren Kindern),
von Purpura (Luzsinsky 1. c. 32. p. 261). Jürgensen (1. c. p. 120)
sah einmal unter den ungünstigsten Wohnungsverhältnissen multiple
circumscripte Hautgangrän. Weit häufiger als derartige Affektionen
sind die Herpeseruptionen , obgleich dieses Exanthem bei Kinderpneu-
Tliomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 657
monie nach meinen Beobachtungen wenigstens entschieden nicht so
häufig wie bei pneumonischen Erwachsenen vorkommt (vgl. L e o n-
hardi 1. c. p. 383). Dies ist auffällig, wenn man die beträchtliche
Häufigteit des Herpes im kindlichen Lebensalter überhaupt bedenkt.
Uebrigens ist der Herpes bei älteren Kindern öfter als bei jüngeren vor-
handen. Er erscheint gewöhnlich in zerstreuten grösseren oder klei-
neren Gruppen in der Mundgegend , besonders am Saume des Rothen,
oder auch in einiger Entfernung davon auf der Lippenhaut ; sodann an
den Nasenöffnungen , dem Septum und auf dem Nasenrücken , an den
Augenlidern und Ohren, sowie schliesslich an jeder beliebigen Stelle des
Gesichtes ; hie und da sieht man sogar eine rudimentäre ähnliche Affek-
tion am Gaumen und an sonstigen Theilen der Mundhöhle. Interessant
ist sein Vorkommen als symptomatisches Exanthem bei Pneumonie auch
an anderen Körperstellen , z. B. der Glutäalgegend , dem After , den
Extremitäten ; insbesondere fand ich ihn wiederholt am After, und zwar
u. a. hier bei verschiedenen Anfällen desselben Kindes. Er erscheint in
der Regel doppelseitig und , wenn einseitig , ganz ohne Rücksicht auf
die Seite der Pneumonie , vom ersten oder wenigstens zweiten Tage an
bis zum Schlüsse des Fiebers , nur selten gelangt er erst nach der Krise
zum Ausbruch. Nach den Erfahrungen bei ErT\ achsenen bevorzugt er
die leichteren (günstig verlaufenden) Fälle ; für Kinder fehlt eine ge-
naue Statistik, doch glaube ich nach einem ungefähren Ueberschlag
nicht, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen schweren und leichten
Fällen zu constatiren sein wird. Zoster sah ich nie die Pneumonie
compliciren. Cyanotische Hautfärbung ist in schweren Fällen eine ge-
wöhnliche Er.scheinung , dagegen scheint Icterus selten bei pneumoni-
schen Kindern vorzukommen.
Während der kritischen Periode besonders kommt es zu heftigen
Schweissen und in deren Folge wohl auch hie und da einmal zu Miliaria-
eruptiouen , nach ihr erscheint mitunter Furunculosis und verbreitete
Acne, selten Herpes.
' Vor dem letalen Ausgang können unter dem Einflüsse beträcht-
licher UeberfüUung der Hautvenen Ekchymosen und Purpuraflecke be-
obachtet werden (West, J. f. Kkh. 11. p. 117).
Harnorgane. Die Nieren zeigen im Sectionsfall venöse Hyper-
ämie zumal bei Thoraxdifformitäten ; Schwellung der Rinde und fettig-
körnige Degeneration der Harnkauälchenepithelien sind eine nicht sel-
tene Erscheinung und finden sich, nach den Symptomen zu urtheilen,
auch in genesenden Fällen öfters. Nierenkelche , Ureteren , Harnblase
sind nur ganz selten afficirt.
Der Harn ist spärlich, dunkel, von hohem specifischem Gewicht
42
Haadb. d. Kinderkrankheiten. III. 2.
gjg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
(1020 — 1030), stark sauer. Er lässt häufig, besonders in der Zeit der
Defervescenz , ein Sediment von saurem harnsaurem Natron , das be-
kannte ziegelmehlartig gefärbte Sedimentum lateritium, fallen, was
sich nach Scheube (Arch. d. Heilk. 1876. XVII. p. 204) durch seinen
reichlichen Gehalt au Harnsäure wie an Säure überhaupt erklärt. Die
quantitativen Verhältnisse der einzelnen Harnbestandtheile sind die-
selben wie bei Erwachseneu : Harnstoff, Harnsäure, Kali sind vennelirt,
Phosphorsäure (Zülzer, Charite Ann. 1874, I. p. 683), Natron und
Chlor vermindert. Die Menge der Chloride scheint mir nach vielfachen
Proben (ohne Controle durch genaue Analysen) bei Kindern nicht so
beträchtlich wie bei Erwachsenen aljzunehmen, obgleich eine bedeutende
Abnahme unverkennbar ist. Geringe Mengen Eiweiss und einzelne
Cylinder mit intakten oder degenerirten Epithelien und Blutzellen wer-
den auf der Höhe des Fiebers in schweren Fällen nicht selten ausge-
schieden , aber nur ausnahmsweise sind die Zeichen der Nephritis par-
enchymatosa Beweise für einen intensiven Process in den Nieren.
Complicationen. Die wichtigsten Complicationen der cron-
pösen Pneumonie sind Pleuritis , Bronchitis , Pericarditis , Meningitis,
Magendarmkatarrh nebst Folgen, Nephritis.
Die Pleuritis, jederzeit bei Pneumonie vorhanden, darf dann als
Complication betrachtet werden , wenn sie besondere Symptome verur-
sacht und dadurch den Verlauf der Pneumonie wesentlich ändert. Es
ist dies ziemlich häufig der Fall und geschieht insbesondere dann, wenn
sich, unter Ausbreitung der Entzündung vom betheiligten Theil der
Pulmonalpleura auf die gesammte Pleura, auch ihr Costalblatt, ein
reichliches Exsudat in der Pleurahöhle ansammelt. Meistens ist das-
selbe serofibrinöser, selten eitriger Natur. Bei doppelseitiger Pneumonie
kann es ein- oder doppelseitig auftreten , bei einseitiger auch auf der
pneumoniefreien Seite erscheinen. Nachweisbar ist es ausser in diesem
letzteren Falle selbstverständlich am besten Ijei Pneumonie der Ober-
lappen , weil es dann , bisherige Integrität der Pleurahöhle und genü-
gende Reichlichkeit vorausgesetzt , unterhalb der Infiltration sich an-
sammeln und eine besondere Dämpfung bewirken muss , die erst bei
beträchtlicherem Umfange sich mit der pneumonischen Dämpfung ver-
einigt; ich weiss nicht , warum diese von Traube (Ges. Abhaudl.H.
p. 2.52) erörterte Thatsache vielfach als besondere Eigenthümlichkeit
der Oberlappenpneumonie vermerkt wird. Bei Infiltration des Unter-
lappens modificirt das Pleuraexsudat nur den Symptomencomplex der
Pneumonie und ist, wenn wie gewöhnlich nicht besonders reichlicb,
nicht ganz leicht mit Sicherheit zu diagnosticiren. Es vermehrt die
Dämpfung und verwischt die Grenzlinie zwischen den beiden Lappen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 659
der Lunge, vermindert die Stimmvibration, fixirt die kranke Seite bei
der Athmung in höherem Grade , bewirkt bei genügender Grösse Ver-
drängungssymptome, wie sie der einfachen Pneumonie nicht zukommen,
verschwächt aber zumal bei kleinen Kindern das bis zur Basis hörbar
bleibende Bronchialathmen in der Regel nur wenig ; dabei sind die
Brustschmerzen meist intensiver und jedenfalls von längerer Dauer, die
Dyspnoe stärker , die Sprache coupirter , das Geschrei kläglicher. Die
Zeichen des pleuritischen Ergusses erscheinen in der Regel erst nach
mehrtägigem Bestehen der Pneumonie, mitunter nehmen sie in gleichem
Maasse zi;, wie die der Pneumonie abnehmen und treten so allmählich
in den Vordergrund des Krankheitsbildes. Im Allgemeinen richtet sich
der Verlauf der durch Pleuritis complicirten Pneumonie auch bei Kin-
dern darnach, welche von beiden Aö'ektionen die überwiegende gewor-
den ist. Ueberwiegt die Pneumonie (Pleuropneumonie) und bildet sich
-das pneumonische Exsudat in normaler Weise zurück, was in der Regel
durch die Pleuritis nicht verhindert wird, so erscheint die kritische De-
fervescenz zur gehörigen Zeit und in gehöriger Weise, und es beginnt
-nach ihr die Resorption der Produkte beider Affektioneu ; vielleicht er-
innern allein Reibungsgeräusche in der Reconvalescenzperiode an die
:dagewesene Complication. Gewinnt aber diese die Oberhand (Pneumo-
pleuritis), so kann sich ein mehrfaches Verhalten einstellen. Entweder
steigt das Fieber sehr bedeutend und führt theils direkt , theils durch
;die unter solchen Umständen sich sehr intensiv entwickelnde Local-
atfektion, zunächst in Folge besonders mangelhafter Decarbonisation des
Blutes und Herzschwäche, unerwartet rasch zum Tode. Oder es ermäs-
sigt sich das Fieber nach kurzer Dauer eines hochfebrilen Zustandes auf
den bei einfacher Pleuritis gewöhnlichen Grad, dauert in solcher Stärke
noch eine verschieden lange Zeit hindurch fort und verschwindet erst
allmählich unter Resorption des Exsudates , während mittlerweile auch
die Pneumonie unvermerkt zur Abheilung gelangt war. Jedenfalls ist
in diesem Falle die Genesung eine langsame und schwierige. Endlich
kann der weitere Verlauf auch durch die verschiedenartigen anderen
Ausgänge der Pneumonie wie der Pleuritis (Empyem , Pneumothorax,
Durchbruch des Eiters in die Lunge mit den weiteren Folgen eines
Lungenabscesses , interstitielle Bindegewebswucherungen in der Lunge
nebst Folgen u. s. w.) , sowie durch den Eintritt der an Verkäsung und
anvollständige Resorption des pleuritischen Exsudates sich anschliessen-
den Krankheitszustände (Phthisis, Miliartuberkulose) ein sehr verschie-
denartiger sein.
\. Verstopfung der kleinsten Bronchien mit solidem (Dama-
■'schino p. 17), also nicht hohlem, fibrinösem Exsudat bei erhaltenem
42*
660 Kranklieiten der Athmungsorgane. Lunge.
Epithel gehört zu den normalen anatomischen Veränderungen bei crou-
pöser Pneumonie ; allenfalls sind die kleineren Bronchien etwas ge-
röthet, während die Hauptbronchien und oberen Luftwege ganz oder
fast ganz frei bleiben. Es darf daher nur eine Affektion dieser und eine
intensivere Entzündung der Bronchiolen mit Absonderung eines ge-
wohnlichen oder eitrigen Exsudats als Complication betrachtet werden.
Sie giebt sich durch heftigeren Husten, verschiedenartige Rasselge-
räusche und grössere Athmungsbeschwerden , als sie die einfache crou-
pöse Pneumonie begleiten, zu erkennen. Ganz selten setzt sich die fibri-
nöse Exsudation bis in die grossen Bronchien des afficirten Lungen-
stückes fort und verstopft ihr Lumen mehr oder weniger vollständig,
was , nebenbei gesagt , nicht etwa als Complication der Pneiunonie mit
idiopathischer fibrinöser Bronchitis aufzufassen ist (vgl. G rancher
Gaz. med. de Paris 1878. p. 46). In den meisten Fällen complicirender
Bronchitis handelt es sich nur um einen einfachen aber verbreiteten und
auch auf die gesunden Lungenabschnitte ausgedehnten katarrhalischen
Process und können bei demselben auch Luftröhre und Kehlkopf in
Mitleidenschaft gezogen werden. Dann entstehen je nach der Intensität
des lokalen Processes mehr oder weniger ernste Beschwerden , insbe-
sondere die bekannten Folgen der Bronchiolitis, mit Einschluss der
Bronchopneumonie (cf. Henoch, Berl. kl. Wschr. 1866. p. 112), oder
die Zeichen der Laryuxstenose u. s. w., Pericbondritis laryngea (s. Ger-
hardt 1. c. 3. Aufl. p. 357) , und es kann so sogar der Tod unter äus-
serster Dyspnoe und Stauungssymptomen von Seiten der verschieden-
sten Orgaue herbeigeführt werden. Durch geringfügige Bronchitis wird
der typische Verlauf der croupösen Pneumonie nicht oder kaum ein
wenig , durch intensive Processe aber jedenfalls verändert : das Fieber
wird mehr ein remittirendes , die Krise bleibt aus oder ist nur unvoll-
kommen, die Resorption des Exsudates findet nur partiell statt, es
kommt zu weiteren Complicationen von Seiten anderer Orgaue und
schliessen sich gern Nachkrankheiten an. Leichte acute prodromale
und initiale Bronchitiden können während der Ausbildung und des Ver-
laufes der Pneumonie unvermerkt zur Heilung gelangen , so dass über
vollkommen infiltrirten Partieen , die vorher reichliche Rasselgeräuscie
gezeigt hatten, reines Bronchialathmen zu vernehmen ist.
Selten zeigt sich im Verlaufe der Pneumonie Hämoptoe, wie
dies Schütz (D. Ztschr. f. pr. Med. 1874. L p. 258) bei einem 7j.
Knaben in stärkerem Maasse sah; das Kind starb.
Von den Her z af f ektionen dürfte Pericarditis, zumal
neben stärkerer Pleuritis , öfter als Complication der Kinderpneumonie
vorkommen , als sie durch die Untersuchung entdeckt wird. Bei ge-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 661
nauem Anscultiren hört man nicht selten ganz leichte schabende Ge-
räusche , die indessen bei Abwesenheit aller anderen Zeichen für jetzt
wie für später nur mehr den Verdacht auf Pericarditis zu begründen
vermögen. In intensiven Fällen findet man ein deutliches Reibungso-e-
rausch oder eine entsprechend ausgedehnte Dämpfung, stärkere Füllung
der Halsvenen und deutliche Cyanose , der Puls ist kleiner und etwas
irregulär, die Dyspnoe und Schmerzhaftigkeit stärker. Pericarditis kann
schon in den ersten Tagen der Pneumonie ohne Rücksicht auf deren
Sitz auftreten und modificirt deren Krankheitsbild , wenn sie massig
bleibt, nicht; intensivere Affektionen aber verhindern eine rasche und
vollständige Defervescenz und führen leicht weitere Complicationen her-
bei. In Fällen , die aus irgendwelchem Grunde , besonders durch Pleu-
ritis, in früher Krankheitsperiode tödtlich verlaufen , ist sie ein nicht
seltener Sectionsbefund ; das Exsudat ist dabei gewöhnlich sehr reich-
lich, serofibrinös oder eitrig. Bei Eintritt der Genesung wird entweder
die vollkommene Norm wiederhergestellt , oder es kommt zu partieller
Verwachsung beider Blätter oder zur gänzlichen Obliteration des Herz-
beutels mit ihren dauernden Folgen für die Circulation. E n d o c a r-
ditis ist bei kindlichen Pneumonikern nur selten, meistens neben
Pericarditis, vorhanden ; sie kündigt sich durch die gewöhnlichen Zei-
chen an und modificirt den Verlauf der Pneumonie je nach ihrer Form
und Intensität in verschiedenartiger Weise, z. B. durch Embolieen.
Auch Myocarditis kommt, und zwar unter den gleichen Verhält-
nissen, selten vor. Dagegen sind Structuranomalieen der Muskelfasern
des Herzens in tödtlichen Fällen eine ziemlich häufige Erscheinung, und
dürfte sich aus den Spnptomen der Herzschwäche neben Modificationen
der Töne die Annahme ihrer Anwesenheit auch in genesenden Fällen
rechtfertigen lassen.
Unter den Complicationen von Seiten des Nervensystems sind
die häufigsten dieHyperämieen des Hirns und der Hirnhäute ; sie
sind theils alleinige Erkrankung , theils mit anderweitigen Affektionen
derselben Theile , als Oedem der Hirnhäute, intrameningealen Extra-
vasaten, sowie capillären Apoplexieen des Hirns verbunden. Allerdings
dürften öfters diese Blutüberfüllungen nicht viel mehr als eine aus den
letzten Stunden des Lebens herrührende Stauungserscheinung sein,
keinenfalls sind indessen alle Fälle auf diese Weise zu beurtheilen. Ins-
besondere wird man gewiss nicht oft irren , wenn man bei geringeren
Graden einzelner Symptome, als deren anatomische Grundlage man
schliesslich in den schwersten tödtlichen Fällen Meningitis entdeckt, in
minder schweren und genesenden Fällen und zumal im Anfang der
schweren Hirnsymptome, das Vorstadium der Meningitis , die arterielle
gg2 Krankheiten der Athmungsorgaue. Lunge.
Hyperämie des Schädelinlialtes und ihre unmittelbarsten Folgen, anzu-
nehmen sich berechtigt glaubt. Dabei verkenne ich natürlicherweise
nicht, dass diese Symptome theilweise eine grosse Aehnliclikeit und so-
gar völlige Uebereinstimmung mit denjenigen trüber (p. 653) aufge-
führten besitzen können, welche Folge hochgesteigerter Eigenwäniie
sind eine Genese , die möglicherweise dadurch leicht erkannt werden
kann , dass diese Erscheinungen verschwinden , wenn die Temperatur
während des Verlaufes der Pneumonie aus irgendwelchem Grunde sich
bedeutend erniedrigt. Uebrigens können auch beide Momente , Fieber
wie örtliche Entzündung, an der Entstehung der Hirnsymptome bethei-
ligt sein und die letztere daher von demjenigen gänzlich übersehen wer-
den , der auf die febrile Genese ein gar zu grosses Gewicht legt. Die
Zeichen der Hirnhyperämie stellen sich vorzugsweise bei Affektioneu
der Oljerlappen und zwar bald im Beginn der Erkrankung ein , oder
kurze Zeit darnach, oder erst einige Tage später, nachdem die Infiltra-
tion entschieden nachweisbar geworden ist , oder sich vollständig her-
gestellt hat. Man hat in diesen letzteren Fällen gemeint, dass ein
Druck des durch die Infiltration angeschwollenen Lungenspitzenab-
schnittes auf die grossen Venen in der oberen Thoraxapertur an der
Entstehung der Hirnstörung mitbetheiligt sein möchte; von anderer
Seite (Laver an) wird auf Veränderungen im Gebiete des Halssym-
pathikus, die auf ähnliche Weise hervorgerufen sein möchten, aufmerk-
sam gemacht. Nicht selten schwinden in genesenden Fällen die betref-
fenden Hirnsymptome in der Nähe der Krise oder mit derselben , imd
bleibt mit Ausnahme des Umstaudes , dass die Defervescenz etwas ver-
zögert wird , der typische Verlauf der Pneumonie ungestört. In tödt-
lichen Fällen kann eine Hirnhyperämie das aus anderen Ursachen nicht
abzuwendende Ende beschleunigen , auch ohne dass es zur Entwicklung
einer Meningitis kommt ; bei intensiver Entwicklung führt sie sogar
den Tod direkt herbei (cf. Ger hardt, Lehrb. d. Kdrkkh. 1861. p. 207),
Meningitis kann in dreierlei Formen zur croupösen Pneumonie
hinzutreten : als einfache entzündliche Meningitis , als infektiöse Cere-
brospinalmeningitis, endlich als granulöse Basilarmeningitis.
Die erstere Form ist eine Folge der gesteigerten Hyperämie des
Schädel Inhaltes und erscheint daher bei ähnlichem Verlaufe nur etwas
später als diese. Das Exsudat , bei kleinen Kindern meist eiteriger,
selten, wie mehr bei älteren, hämorrhagischer oder seröser Natur, ist
auf der Convexität wie der Basis vorhanden , auf ersterer insbesondere
neben den Gefässen und zwischen den Gyris abgelagert; öfter, zumal
bei Kindern mit nicht geschlossenem Schädel, ist ein Erguss in die
Seitenventrikel voi'handen. Auch besteht mitunter Hirnsinusthrom-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 663
bose ; selten sind die Spinalmeningen mit afiicirt. Die Entwicklung der
Hyperämie zur Entzündung kündigt sich in der Regel durch weit in-
tensivere Symptome au, als sie der einfachen akuten Congestion zukom-
men. Solche meningitische Symptome sind intensives Kopfweh, bei
kleinen Kindern eintöniges Wimmern und Aechzen und zeitweiliges
lautes Aufschreien, schmerzhafter Gesichtsausdruck, Hyperästhesie gegen
Sinnesempfindungen aller Art und schliesslich Sinneslähmung, Nacken-
starre, Trismus, paralytischer und spastischer Strabismus, fixe Parallel-
stellung der Bulbi , ungleiche , besonders ungleich erweiterte Pupillen,
die ophthalmoskopischen Zeichen einer Neuritis optica und Retinitis,
auch serös-eitrige Infiltration des Orbitalzellgewebes und Exophthalmus,
Chorioiditis und Iritis , mehr oder weniger verbreitete Facialislähmung
und Facialiskrampf, Tremor, Zähneknirschen, selbst verbreitete convul-
sivische Anfälle , Parese und Paralyse der Schlingmuskeln , schwerste
Schlaflosigkeit und Aufregung mit Hallucinationen und Delirien hef-
tigster Art bis zu äusserster Apathie, Betäubung und Coma, im Anfange
heftiges Erbrechen, Irregularität und Verlangsamung von Puls und
Respiration bei Fortdauer hohen Fiebers , Retentio urinae und hart-
näckige Verstopfung bei eingesunkenem Leib , ja selbst verschiedenar-
tige Steifigkeit des Rumpfes, Hemi- uud Paraparesen ; die letzteren Er-
scheinungen besonders dann , wenn die Entzündung auf die Spinalme-
uingen übergreift. Insbesondere sprechen die intensiveren peripherischen
Reizungs- und die Lähmungssyraptome , die Erscheinungen des Hirn-
drucks, sowie der abnorme Augenspiegelbefund für allgemeine Menin-
gitis der Basis wie der Convexität , zumal bei niedriger Eigenwärme,
während psychische Symptome allein in Verbindung mit hoher Tem-
peratur die Möglichkeit einer rein febrilen Genese nicht völlig aus-
schliessen. Hier ist indessen zu bedenken , dass auch bei jungen Kin-
dern mit offenen Fontanellen und nichtverwachsenen Schädelknochen
der Verlauf nur durch schwere psychische Symptome ausgezeichnet sein
kann, abgerechnet etwa reflektorisch erregte Krampfanfälle und sonstige
motorische Reizungssymptome von geringerer Bedeutung, die wie Ver-
drehen der Augen, lokale Zuckungen u. s. w. auch auf unbedeutende
Veranlassungen hin bei Gesunden oder an leichtesten Störungen Lei-
denden vorkommen. Ja Mauthner (J. f. Kkh. 20. p. 268) verlor so-
gar einmal ein Smonatliches Kind an rechtseitiger Pleiiropneumonie,
welches , trotzdem »im Leben nichts von Hirnzufällen zu beobachten
gewesen war«,ü"ber beiden Hemisphären eine »pseudomembranöse lauch-
grüne Exsudatschichte« zeigte. Abgesehen von diesen Fällen beherr-
schen die complicatorischen meningitischen Erscheinungen in der Regel
das gesammte Krankheitsbild der Pneumonie und führen rasch bei jed-
gß4 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
weder Ausbildung derselben zum Tode ; je zarter das Kind , um so
schneller erscheint der finale CoUaps.
In dem grossen Epidemiezuge , den die Cerebrospiualmeuiugitis im
Anfange der sechziger Jahre begann , ist sie auch als Complication der
croupösen Pneumonie aufgetreten , allerdings im Allgemeinen ziemlich
selten, indessen befiel sie auffälligerweise an manchen Orten, wie z. B.
in Erlangen nach den Mittheilungeu von Immermann und Heller
sowie Maurer, mit eigenthümlicher Vorliebe gerade die pneumoni-
schen Kranken. Die Affektion erscheint in der Regel nicht gleich am
Anfang , sondern erst nach verschieden langem uud wenigstens mehr-
tägigem Verlaufe der Pneumonie, und zwar in möglicherweise ganz
normalen Fällen. Die bis dahin unruhigen Kinder werden mit ihrem
Eintritt immer ruhiger und apathischer , somnolenter und schliesslich
comatös; .sie athmen weniger frequeut, aber irregulär; gleichzeitig oder
bald darauf kommen heftige klonische , seltener tonische , allgemeine
oder auf eine Körperseite oder nur einzelne Theile beschränkte Krämpfe
von verschiedener Dauer, Intensität und Localisation , und wiederholen
sich in verschiedener Häufigkeit bis zum Tode. Bei Kindern mit noch
nicht geschlossener Fontanelle pflegt dieselbe gespannt , zum Theil
hochgradig gespannt zu sein , entsprechend dem massenhaften serös-
eitrigen Exsudat an der gesammten Peripherie des Hirns , beziehentheh
in den Ventrikeln. Unter hochgradiger Steigerung der Körperwärme
kommt es wohl ausnahmslos zum letalen Ausgang , gewöhnlich nach
zwei bis drei Tagen, seltener rascher oder langsamer.
In seltenen Fällen, bei schwächlichen Kindern insbesondere phthi-
sischer Abstammung, entsteht wohl auch im Verlaufe der croupösen
Pneumonie die laugsamer aber ebenso sicher zum Tode führende gra-
nulirte Meningitis , theils isolirt , theils als Theilerscheinuug einer all-
gemeinen Miliartuberculose. Ihr Verlauf hat nichts Eigenthümhches
(vgl. den Fall von Seur, J. f. Kkh. .57. p. 351).
Von den Complicationen der V e r d a u u n g s o r g a n e müssen die-
jenigen katarrhalischen und andersartigen Affektionen ausgenommen
werden , welche in früherer Zeit , als man den Pneumonikern Meveur
sowie schleimhautreizende Medikamente (Brechweinstein u. a.) in gros-
sen Mengen verabreichen zu mü.ssen glaubte, künstlich erzeugt wurden.
Bei kleinen Kindern beginnen öfters im unmittelbaren Anschluss
au die luitialerscheiuuugen der Pneumonie oder entstehen bald nachher
die Symptome eines Mag endarmkatarr hs, reichliches anhaltendes
Erbrechen mit Diarrhoe und Leibschmerzen, und werden unter Um-
ständen so intensiv, dass sie sogar die LungenafFektion zu maskiren, den
Fiebergang zu verändern und die Defervescenz hinauszuschieben ver-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 665
mögen ; aucli sind kleine Kinder durch diese Affektion in hohem Grade
gefährdet und können ihr sogar bei massiger Intensität der Pneumonie
erliegen.
Von Leber affektionen kommt fast nur die Stauungshyperämie mit
ihren unter Umständen beträchtlichen Folgen als Complication der
Pneumonie vor ; sie giebt sich nicht immer allein durch ihre örtlichen
direkten Zeichen, sondern mitunter auch durch eine stärkere als IjIos
minimale Gelbfärbung der Conjunctiva wie der Haut zu erkennen.
Dieses Verhalten findet nicht nur bei älteren Kindern, sondern auch bei
Säuglingen statt, wie Steiner (Comp. 1872. p. 171) berichtet. Etwas
Anderes scheint S t e f f e n (Klin. d. Kdrkkh. I. p. 200) gesehen zu haben,
der im Beginne der »Cerebralpneumonie« eines 9j. Knaben, welche
im linken unteren Lappen in sonst regelmässiger Weise verlief, deut-
liche Erscheinungen von »intensiver Leberhyperämie« beobachtete. Ent-
schiedener Icterus , immer nur Folge eines gleichzeitigen Katarrhs des
Auslührungsganges der Galle , ist jedenfalls eine nicht allzu häufige
Complication der Kinderpneumonie und selten — eine bei der Häufig-
keit der Magendarmaffektionen ziemlich auffallende Erscheinung — von
grösserer Intensität. Uebrigens pflegt er von Nerven- und anderen
schweren Symptomen , wie öfters bei Erwachsenen , nicht begleitet und
ohne Einfluss auf die Dauer der Pneumonie zu sein. Eine Pulsverlang-
samung wird er hier ebenso wenig herbeiführen , als er dies bei ein-
fachem Erscheinen im Kindesalter , mit Ausnahme etwa der ältesten
Kinder, thut.
Obgleich parenchymatöse Nephritis im Verlaufe der croupösen
Pneumonie ziemlich oft auftritt, und zwar als Folge andauernd hoch-
gesteigerter Eigenwärme, so ist sie doch nur selten als Complication zu
betrachten, insofern besondere Krankheitssymptome ausser den bei der
Untersuchung des Harnes sich ergebenden in der Regel wenig inten-
siven Krankheitszeichen (Harnkanälchenkatarrh) gewöhnlich fehlen.
Uebrigens werden leichte Schmerzen in der Nierengegend der heftigen
Brustschmerzen und des ungenügenden Localisationsvermögens der Kin-
der wegen gewiss oft übersehen. Einfache geringfügige Albuminurie
hat meistentheils keine besondere Bedeutung ; sie ist Folge der Stau-
ungshyperämie der Nieren, welche während des Verlaufes der Pneu-
monie entsteht. Nur bei sehr reichlicher Albuminurie oder entschie-
dener Hämaturie muss die Nephritis als Complication aufgefasst wer-
den ; etwaige hydropische Erscheinungen, in der Regel leichtester Art,
dürfen dann gewiss auch mit Recht als ihre Folge gelten. Bei exces-
siver Intensität der Nephritis können der typische Verlauf der Pneu-
monie und ihre Fieberverhältnisse gestört werden. Es ist wünschens-
ßßQ Kranklieiten der Athmungsorgane. Lunge.
werth, dass besonders bei epidemiscbem Auftreten der Pneumonie dieser
Affektion mehr Beachtung geschenkt werde, als bisher, wie denn über-
haupt die epidemischen Pneumonieen ganz besonders durch die Häufig,
keit ihrer Complicatiouen ein sehr interessantes und zum eingehenden
Studium geeignetes Kapitel abgeben dürften.
Als Complicationen von Seiten der Haut dürften zum Theil schon
die p. 656 genannten Affektionen betrachtet werden, welche dort auf-
o-eführt sind , weil sie sich innerhalb des regelmässigen Verlaufes der
Pneumonie zu entwickeln pflegen. Von sonstigen Affektionen ist das
Anasarka hervorzuheben , welches , in gleichem Maasse einflusslos wie
obige Hautleiden , bei anämischen Kindern während der febrilen Pe-
riode an verschiedenen Körpertheilen (Gesicht, untere Extremitäten
u. s. w.), ohne jedwede Zeichen von Nierenerkrankung sich entwickeln
kann, und in der Periode der Aderlässe wegen Pneumonie häufiger war
als jetzt. Eine seltene Complication — bei Disponirten vielleicht durch
starke Cougestionsröthe der Wangen veranlasst - ist Gesichtserysipel;
es verzögert sein Erscheinen während der febrilen Periode der Pneu-
monie die Defervescenz.
Von den Affektionen der Sinnesorgane, die gewiss auch als
Complicationen gelten dürfen, habe ich das Nöthige schon oben (p. 655)
gesagt. Ich erwähne hier nur im Anschluss an eine neueste Mittheilung
von Schreiber (D. Arch. i. klin. Med. 1878. XXI. 1. p. 56), dass
schon Jäger die für Pueumonie nicht charakteristische Stauungshy-
perämie des Auges gesehen hat.
In eigenthümlicher Weise kann Malariainfektion den pneumo-
nischen Process compliciren , insofern die Infiltration gerade während
der Anfälle, welche gewöhnlich schwer sind , erheblich zunimmt. Da
mir Beobachtungen über den Verlauf solcher Fälle bei Kindern nicht
zu Gebote stehen, so verweise ich des Näheren wegen auf Griesinger,
Infektionskkh. 2. Aufl. p. 54 und Hertz, Ziemss. Path. II. 2. 2. Aufl.
p. 818; es ist indessen fraglich, ob derartige Lungenentzündungen
croupöser Natur sind. Diejenigen mit Malaria complicirten Pneumo-
nieen, welche Bohu (Jbch f. Khkde 1873. VI. p. 138) beobachtete, für
deren croupöse Natur aber freilich beim Mangel von Sectionsf allen auch
nicht vollkommene Garantie geleistet werden kann, waren »von vorn-
herein physikalisch klare Entzündungen der Lunge, welche entweder
von Anfang an im typischen, täglichen oder tertianen, Wechsel aller
Erscheinungen verliefen , oder bei welchen sich derselbe erst im wei-
tei-en Verlaufe in auffälliger Weise bemerklich machte. »Der Anfall
begann mit Frost und war durch starke Steigerung der Hitze, Aufregung,
vermehrte Dyspnoe , quälenden Hustenreiz und Seitenstiche, blutigen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 667
Auswurf ausgezeichnet, von welchen Erscheinungen die meisten vorher
sehr gemindert oder zum Theil schon verschwunden waren ; ein reich-
licher Schweiss machte oft den Beschluss. Die physikalischen Zeichen
an der Lunge erhielten sich im Gleichen während des Aufalles, oder die
Dämpfung erschien stärker und das Bronchialathmen vollkommener.
Niemals sah B. einen tödtlichen Ausgang, und fand einigemal bestätigt,
was Wunderlich angiebt , dass die Anfälle nach zwei bis drei Paro-
xysmen spontan schwächer geworden waren und der intermittirende
Charakter sich von selbst verwischte. Meistens war diese Wahrneh-
mung durch eine frühzeitige Verabfolgung von Chinin verhindert. So
stellte sich Interniittens und Pneumonie meistens als einfache Compli-
cation dar , und es blieb nur zweifelhaft , welche von beiden Erkran-
kungen die hinzugetretene war. Andremal schien die Pneumonie unter
dem Einflüsse des en- und epidemischen Wechselfiebers einen inter-
oder remittirenden Verlauf einzuschlagen , wie solcher in Sumpfgegen-
den oder zur Zeit ausgedehnter Wechselfieberepidemieen auch vielen
anderen Krankheiten eigen zu sein pflegt.
Die Erwähnung andersartiger Complicationen dürfte nur von Werth
für die Pneumonie der Erwachsenen, nicht der Kinder sein ; wenigstens
finde ich an den betrefi'enden Orten nicht ausdrücklich der Kinder ge-
dacht. Ich übergehe sie daher ebenso wie die ganz zufälligen Affek-
tionen, die hin und wieder einmal eine Complication bildeten.
Recidive. unter einem Recidiv der croupösen Pneumonie ver-
stehe ich jede neue croupös-pneumonische Affektion, welche beginnt,
bevor die erste Pneumonie ihren gesetzmässigen Abschluss gefunden
hat. Es darf also ein Recidiv nur da angenommen werden, wo die Rück-
bildung des vorhergegangenen wesentlichen Krankheitsprocesses voll-
kommen sichergestellt ist. Dies ist aber dann der Fall, wenn nicht nur
unzweideutige akustische Zeichen die begonnen habende Resorf)tiou an-
zeigen , sondern auch eine vollständige Entfieberung stattgefunden und
mindestens so lange angehalten hat, dass eine Pseudokrise ausgeschlossen
ist. Indessen ist auf die vorherige Entfieberung nur bei normalem
Krankheitsverlauf besonderes Gewicht zu legen und dieselbe in solchen
Fällen weniger zu betonen, deren febriles Stadium einzig und allein
durch eine hinzugetretene Complication übermässig verlängert wird,
während sich die ursprüngliche Affektion in entschiedener Rückbildung
befindet. War daher dieselbe noch gar nicht in die Rückbildungspe-
riode eingetreten , als die neue Affektion begann , so handelt es sich
nicht um ein Recidiv , sondern, je nach den Umständen, um eine sacca-
dirt fortschreitende , gewöhnlich mehrlappige , oder auch wohl um eine
intermittirende Pneumonie ; existiren zur Zeit der neuen Affektion ir-
668 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
gendwelche wesentliche Krankheitserscheinungen von der vorherge-
gangenen Störung nicht mehr, so ist eine neue primäre Pneumonie Tor-
handeu ; hat aber endlich die Rückbildung der Entzündungsreste einen
anomalen Verlauf genommen, bei welchem niemals eine vollständige
Wiederherstellung des früheren Gesundheitszustandes zu erwarten steht,
und erfolgt nunmehr eine neue Entzündung, so ist diese ebenfalls als
ein neuer Anfall der croupösen Pneumonie, jedoch secundärer Natur, zu
betrachten. Der Willkür bei Beantwortung der Frage , ob etwas Re-
cidiv sei oder nicht , dürfte also nach der obigen Definition und Ausein-
andersetzvmg nur ein sehr geringer Spielraum verbleiben , nämlich nur
insofern, als weder der Anfang der Rückbildung eines gesetzten Exsudats
noch der Anfang einer etwaigen anomalen Umwandlung desselben, weil
beide ja nur nach klinischen Momenten beurtheilt werden können, eine
vollkommen scharfe Zeitbestimmung erlauben , und ferner bei nur ge-
ringer Abweichung der Dauer der intercurrenten Temperatursenkung
von der Dauer einer Pseudokrise die Annahme einer solchen nicht im-
mer gänzlich ausgeschlossen erscheinen könnte.
Nach dieser strengen Anschauung vom Recidiv der croupösen Pneu-
monie sind derartige Affektionen eine entschieden seltene Erscheinung,
ßinz (Beob. zur inn. Klin. p. 131) ist der Einzige , der, soweit ich die
pädiatrische Literatur durchgesehen habe, eine solche Beobachtung ver-
öffentlicht hat ; übrigens besteht auch hier noch ein geringer Verdacht
dafür, dass es sich nur um eine ungewöhnlich rasch der ersten folgende
neue Affektion gehandelt habe. Der Fall ist um so interessanter, als es
sich um eine binnen 14 Tagen zw ei mal in derselben Lungenpartie,
dem rechten unteren Lappen, recidivirende Pneumonie handelte; sie
betraf einen 3j. Knaben, der vollständig genas. Die analoge Beobach-
tung machte Jürgensen (Ziemss. Hdbch V. 2. Aufl. p. 154) bei einem
Erwachsenen.
Aehnliche Fälle berichteten und nannten zum Theil Eecidiv: Fried-
leben (Arch. f. phys. Heilk. VI. p. 175), Witt ich (1. c. p. 87), He-
noch (Beil. kl. Wsehr. 1866 p. 114 und Beitr. z. Khkde. 1868 p. 168),
Tordeus (1. c). Es sind Fälle, in denen der zweite Anfall so kurze
Zeit nach dem ersten auftritt, dass theilweise wenigstens die Eeconva-
lescenz unmöglich schon abgeschlossen sein und der alte Kräftezustand
sich noch nicht wiederhergestellt haben konnte. Indessen ist es jeden-
falls wahrscheinlich , dass sich die lokalen Veränderungen beim Erschei-
nen des zweiten Anfalles vollständig resorbirt hatten, ja zum Theil ist
dies ausdrücklich bemerkt : es handelte sich also nicht um ein eigent-
liches Recidiv im obigen Sinne, sondern um einen ganz kurze Zeit nach
dem ersten erschienenen neuen Anfall. Immerhin ist dessen so baldiges
Auftreten interessant genug, um die Veröffentlichung der Fälle zu recht-
fertigen. Die zweite Affektion betraf im Fall von Tordeus die gleiche,
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 669
bei Henoch und Wittich eine andere Lungenpartie als die zuerst
befallene, und verlief unter den gewöhnlichen Symptomen günstig.
Ausgänge. In den allermeisten Fällen endet die primäre crou-
pöse Kinderpneumonie in vollkommene Genesung, und zwar gewöhn-
lich innerhalb zwei bis vier Wochen , von denen der vierte bis dritte
Theil auf die febrile Periode fällt , während schwerste Pneumonieen die
doppelte Zeit zur Heilung beanspruchen können. Verhältuissniässig
selten wird durch einen sehr protrahirten Verlauf der Verdacht der
Entwicklung von Nachkrankheiten erregt. Insbesondere sind es von
nichtcomplicirten AfFektionen mitunter Pneumonieen der Oberlappen,
welche sich durch eine zweiwöchentliche und längere Fieberdauer aus-
zeichnen können , trotzdem aber innerhalb der nächsten ¥/ochen , also
weit langsamer als gewöhnlich, vollkommen verschwinden. Vgl. Buhl,
Mittheil, aus d. path. Instit. zu Münch. Stuttg. 1878. p. 182. Com-
plicationen verlängern die Krankheitsdauer meistentheils beträchtlich.
Der tödtliche Ausgang erfolgt zu sehr verschiedenen Zeiten.
Allerdings kann er auch bei bis dahin ganz gesunden und nicht etwa
nur den jüngsten Kindern durch, allzu bedeutende Ausdehnung der
Pneumonie und schwere Complicationen sehr rasch, schon innerhalb des
ersten Krankheitstages (Friedleben, Arcli. f. phys. Heilk. VI. p. 176)
herbeigeführt werden, indessen tritt er in der ßegel erst in der zweiten
oder selbst der dritten Woche ein ; ja er kann unter den gleich nachher
anzuführenden Verhältnissen noch weit später beobachtet werden. Seine
nächsten Veranlassungen sind Herzinsufficienz und Kohlensäureintoxi-
cation, beziehentlich schwerste Störungen des Nervensystems.
Verzögert sich die Defervescenz , ohne dass die Krankheit dem le-
talen Ende zustrebt und ohne dass sich mittlerweile Complicationen ein-
gestellt haben , oder entsteht im Anschluss an eine krisisartige Tempe-
raturabnahme sofort eine neue Temperatursteigerung, so kommen die
selteneren Ausgänge der croupösen Pneumonie in Frage.
Zunächst der A b s c e s s. Charakteristische Merkmale für densel-
ben ergeben sich nur ausnahmsweise durch die Kennzeichen der Höhlen
im Luns'engewebe ; meistentheils beweisen die akustischen Phänomene
nur das Verharren einer sehr dichten Infiltration in demselben Entwick-
lungsgrade wie zur Zeit der Hepatisation. Direkt kann daher der Lun-
genabscess, im Falle seines Durchbruches in die Bronchien, nur durch die
Untersuchung des Auswurfs nachgewiesen werden , welche bekanntlich
leider bei Kindern, zumal den kleinen, selten möglich ist. Insbesondere
wäre auf plötzliches Erscheinen grösserer Eitermassen von normalem
oder fauligem und süsslich-fadem Geruch (Senator, Ctrlztg. 1877. 77)
mit makro- oder mikroskopischen Pareuchymfetzen oder wenigstens
670
Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
elastischen Fasern zu achten , wie sie durch rasche Entleerungen eines
luufangreicheu Abscesses in die Bronchien hervorgerufen zu werden
pflegen.
Henoch (Berl. kl. Wsehr. 1877. 31. p. 454) sah Lungenabscess bei
einem 7jährigen Kind trotz der am 7. Tage eingetretenen Krise sich ent-
wickeln ; es kam von Neuem hohes Fieher mit hektischem Charakter und
erst vier Wochen später die Entleerung einer enormen Eitermenge, da-
mit aber schnelle und vollständige Genesung. Nach Mayr (Jbch. f,
Khkde. 1862. V.Beil, p. 25) wurde der Lungenabscess nur bei grösseren
Kindern nach lange bestehenden umschriebeuen Hepatisationen gefunden;
Duo'uet und Damaschino (1. c. p. 15) beobachteten ihn bei einem
dreij'äln'igen Kinde ; indessen sind diese wie die Angaben anderer Au •
toren, z. B. MüUer's (1. c. p. 376) zu wenig genau, als dass jeder
Zweifel , ob wirklich croupöse Pneumonie in Abscedirung überging, ge-
hoben wäre.
Da mir also die genaueren einschlägigen Verhältnisse für die Kin-
derpneumonie zu wenig studirt erscheinen, so verweise ich in Betreff
der Einzelheiten auf die in dieser Beziehung l;iei Erwachsenen gemachten
Erfahrungen (vgl. Leyden, Volkm. Sammig. klin. Vortr. 114), von
denen sie sich kaum unterscheiden dürften.
Nicht immer bricht der Abscess nach den Bronchien durch , was,
die seltenere Verkreidung ausgenommen , immerhin das Günstigste ist,
sondern es kann der Eiter auch in die Pleurahöhle gelangen und Em-
pyem, Pneumothorax u. s. w., ja schliesslich eine Thoraxfistel bedingen,
oder er perforirt ins Pericardium mit dem Ausgang in tödtliche Peri-
carditis, oder ins Mediastinum und erzeugt einen Congestionsabscess,
oder es kann sogar nach vorausgegangener Verklebung der Pleurablätter
das Zwerchfell durchbohrt werden und die Krankheit mit Peritonitis
enden — verschiedene Möglichkeiten, welche sich bald schon im Leben
nach den entsprechenden Symptomen vermuthen oder sicher bestimmen
lassen , bald erst auf dem Sectionstische erkannt werden. Hat sich der
Eiter, ohne sich zu zersetzen , vollständig in die Bronchien entleert und
die Entzündung aufgehört , so coUabirt die Abscesshöhle , welche sict
bei ungefähr Wallnussgrösse durch die bekannten Cavernensymptome
zu erkennen gab , ihre Wandungen verwachsen, und es kann auf diese
Weise der Process zur relativen Heilung gelangen , so dass die Unter-
suchung nach Resorption des pneumonischen Exsudats keine oder nur
unerhebliche Abnormitäten , wie leichte Dämpfung , schwächeres Vesi-
culärathmen, Retraction der betreffenden Seite u. s. w. nachweist. Das
Fieber, welches bei Beginn der Abscessbildung noch beträchtliche Exa-
cerbationen mit ziemlich tiefen Remissionen erkennen lässt, vermindert
sich nach Eröffnung des Abscesses und verschwindet unter lysisartigen
Schwankungen. Der im Anfange des Processes besonders heftige Hu-
sten ei-mässigt sich während der Abheilung desselben ebenso wie die
T h 0 m a s, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 671
durch ihn bedingten und gesteigerten Brustschmerzen. So kann unter
diesen günstigsten umständen, selten vor der vierten bis fünften Woche
der Krankheit , endlich auch nach vollständigem Schwinden jeder Fie-
berbewegung der Appetit zurückkehren, der Kräftezustand sich bessern
und allmählich die volle Genesung eintreten.
Nach M a y r bleibt in diesem Falle immer ein Zweifel , ob nicht
abgesacktes Empyem mit Perforation in die Lunge vorhanden gewesen
ist. Scbon C anstatt (Path. 2. Aufl. III. 1. p. 248) bat darauf auf-
merksam gemacht, dass man nicht Empyem und seine Ausgänge mit
pneumonischen Abscessen verwechseln dürfe.
Ein ebenso seltener Ausgang der primären croupösen I\inderpneu-
monie wie der Lungenabscess, mit dem er nicht selten verwechselt wor-
den sein mag, ist der Lungenbrand. Seine Allgemeinsymptome un-
terscheiden sich nicht wesentlich von den eben angefülirten , nur pflegt
das Fieber intensiver und beziehentlich langwieriger, die Puls- und Ke-
spirationsfrequenz bedeutender , die Schwäche grösser zu sein. Voll-
kommen charakteristisch ist allein der fötide Geruch der Lungenexha-
lation sowohl wie des etwa vorhandenen aus missfarbigen pflaumen-
musartigen schwarz- und grünlich-bräunlichen Massen (putrides Lun-
gengewebe, theilweise noch in Zusammenhang, zersetztes Blut, Detritus,
elastische Fasern, Fettsäure- und Tripelphosphatkrystalle, Fäulniss-
und andere Pilze) bestehenden Auswurfs ; indessen kann dieser Geruch
bei Mangel einer Communication des Brandherdes mit den Bronchien
auch fehlen. Eine Perforation desselben nach verschiedenen Richtungen
hin, in Folge dessen Pneumothorax u. s. w., kann ebenso wie beim Abs-
cess eintreten. Heilung ist nur bei sehr beschränktem Umfang des
Brandes und vollständiger Entfernung der fauligen Produkte möglich ;
indessen kommt es ziemlich zeitig zum tödtlichen Ausgang. (S. Z i e m s-
sen, I.e. p. 260: Reimer, Jbch. f. Khkde. 1876. X. p. 267 ; Fet-
ter s, Pr. Vjschr. 49 p. 197; Hayes, V.-H. Jber. 1874 IL p. 842;
V. Hüttenbrenner, Jbch. f. Khkde. N. F. V. p. 208. 210); endlich
Oest. Ztschr. f. Khkde. 1856 I. 7. H. p. 316.)
Wenn die Pneumonie in chronische Lungenaf fektion en
übergeht, kann das Fieber in ermässigtem Grade und wechselnder Weise
fortbestehen , oder auf normale oder ziemlich normale Zahlen rascher
oder langsamer herabgehen ; in letzterem Falle zeigt es eine grosse
Neigung zu erneutem Auflodern , auf einen oder wenige Tage oder auf
kürzere Zeit , nach den verschiedensten Fiebertypen — kurz es bildet
sich allmählich ein Fieberverlauf wie bei subakuten und chronischen
phthisischen Processen heraus. Die Zeichen der Lifiltration bestehen
hierbei unverändert weiter , oder es wird das Exsudat partiell resorbirt,
während die Untersuchung an anderen Stellen die Fortdauer des alten
672 Krankheiteil der Athmungsorgane. Lunge.
und bald genug auch schon die Entwicklung eines neuen interstitiellen
Processes beurkundet. Dieser verläuft unter den manuicbfaltigen Sym-
ptomen der Phthise , unter Umständen auch nach Art der Induration
mit Bronchiektasieenbildung und allmählichem Einsinken der Brust-
wand ; ersteres mehr bei Affektionen der über-, letzteres bei solchen der
Unterlappen. Beides kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert wer-
den. Es findet sich ein solcher Ausgang weit weniger bei vollkommen
gesunden und kräftigen Kindern gesunder , als bei zarten und schwäch-
lichen phthisischer Eltern. Uebrigens kann auch bei unvollkommener
Resorption relative Genesung eintreten und das Kind wieder ein blühen-
des Aussehen gewinnen (v. Dusch, 1. c. p. 61). Buhl läugnet bis auf
die neueste Zeit (1. c, s. p. 669) die Möglichkeit dieses Ausganges der
croupösen Pneumonie auf das Allerbestimmteste.
Nachkraukheiten. Diese können durch die eben erörterten
Verhältnisse (Complicationen aller Art, abnorme Ausgänge) in der man-
nigfachsten Weise hervorgerufen werden, sie können sich aber auch di-
rekt an die Pneumonie anschliessen. Selbstverständlich ist dies vor-
zugsweise bei anämischen und schwächlichen Kindern der Fall.
Mitunter ist Noma im Gefolge der primären Pneumonie vorge-
kommen, und zwar in der 2. — 5. Woche, fast stets mit tödtlichem Aus-
gang. Vielleicht mag die Schuld hiervon hauptsächlich die in früherer
Zeit übliche allzusehr schwächende antijihlogistische Behandlung und
die Quecksilbertherapie tragen, wenigstens scheint diese Affektion in der
neueren Zeit weit seltener geworden zu sein.
Es gedenken dieser Nachkrankheil besonders und berichten Beob-
achtungen B a r t h e z und R i 11 i e t (1. c. p. 588\ H e n o c h (Beitr. i.
Klikde. 1861 p. 50), u. A. Clever sah einen lljülirigeu Knaben mit
Noma nacli sehr schwerer doppelseitiger Pneumonie genesen, trotzdem
vor und während der Entwicklung der IV2 Zoll im Durchmesser hal-
tenden brandigen Stelle grosse scrofulöse Drüseuabscesse der Hals- und
Nackengegend reichliche Eiterverluste bewirkten und schliesslich noch
ein 15 Linien langer Theil des Unterkiefers in semer ganzen Dicke, mit
drei Zähnen und dem Foramen maxillare inferius, durch die in der Nähe
des Mundwinkels perforirte Wange entfernt werden musste; natüriict
hinterblieb partielle Trigeminuslähmung.
Uebermässig reichliche Blutungen, vielleicht die Folgen einer
hämorrhagischen Diathese, sahen Barthez und Rilliet (1. e. p. 588)
als Todesm-sache bei einem dreijährigen sehr kräftigen Knaben, welcher
zuerst eine liukseitige Pneumonie und sodann ein rechtseitiges sehr aus-
gebreitetes Eecidiv bekam ; am 22. Krankheitstage trat kaum zu stü-
lendes Nasenbluten ein und am Abend erfolgte auf weiteres reichliches
Blutbrechen der Tod. Die Section ergab ausserordentlich reichliche Hü-
morrhagieen in der Schleimhaut des Magens, Dünn- und Dickdarms.
Mitunter kommt es nach Pneumonie zu vielfältigen Absc essen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 673
und Furunkeln, zum Theil im Anschlüsse an Decubitus und sonstige
zufällige Eiterungen.
Nach L e y d e n (Klin. d. Rmrkskkh. II. p. 564) legen verschiedene
Autoren Gewicht darauf , dass dem Eintritt der Kinderlähmung eine
Pneumonie vorausgegangen sei ; S i n k 1 e r beobachtete Reflexlähmung
nach solcher.
Bei Malariainficirten kann I n t e r m i 1 1 e n s als Nachkrankheit
auftreten , insofern die Disposition dazu auch durch Ueberstehen einer
schvperen Pneumonie nicht getilgt wird (vgl. Griesinger, Infektions-
kkh. 2. Aufl. p. 30).
Anschlussweise mag hier die Angabe von Fried leben (1. c. p.
178) Platz finden, welcher der Häufigkeit eines ein- oder mehrfachen
Zahndurchbruches sowie eines auffälligen Längenwachsthums der Kin-
der nach Pneumonie gedenkt. Valenta berichtet über einen im 11.
Jahre an Hirnabscess gestorbenen Knaben mit Pulnionalstenose , dass
derselbe seit einer im 8. Jahre überstandenen Pleuropneumonie ein be-
deutend besseres Befinden als früher gezeigt haben soll.
S e c u n d ä r e Pneumonie. Allerdings kann die croupöse Pneu-
monie auch bei Kindern zu den verschiedenartigsten akuten und chro-
nischen Krankheiten hinzutreten, indessen ist dies gewiss nicht so häu-
fig der Fall , wie die Autoren , zumal die älteren , berichten , welche die
fragliche Form zweifelsohne öfters mit anderen Arten von Lungenent-
zündung verwechseln und zusammenwerfen. Da die secundäre Pneu-
monie weit öfter zum Tode führt , als die primäre Form , und daher bei
ihr viel reichlichere Gelegenheit zu anatomischen Forschungen gegeben
ist als bei dieser , so dürfte in Betreff der Häufigkeit und anderer Ver-
hältnisse von der weiteren Forschung genügende Aufkläriing baldigst
zu erwarten sein.
Die histologischen Veränderungen sind bei der secundären crou-
pösen Pneumonie mit Ausnahme des ümstandes, dass sich ihr Exsudat
öfter durch Fibrinarmuth (Z i e m s s e n, T a u b e, B a y e r ; cf. p. 602) aus-
zeichnet, die gleichen wie bei der primären Form. Verschiedenheiten er-
geben sich hinsichtlich des Sitzes und Umfanges der Störung , hinsicht-
lich der Zeit, welche die Entwickkmg des Processes in Anspruch nimmt,
und endlich hinsichtlich der Ausgänge. Noch weniger nämlich als bei
der primären Kinderpneumonie beschränkt sich der Process auf einen
einzigen Lappen , den er in seiner Totalität ergreift , sondern ist sehr
häufig doppelseitig ; nicht selten befällt er in verschiedener Weise meh-
rere Lappen hinter einander oder sogar gleichzeitig , und zwar in den
intensivsten Fällen in solcher Ausdehnung , dass die Lunge fast total
erkranken kann. Jedenfalls sind inseif örmige Verdichtungen von ge-
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 4<j
(374 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
ringem Umfange bei der secundären Pueiimouie etwas sehr Gewöhn,
liches. Nicht selten verstreicht eine ausserordentlich kurze Zeit, zwei
Tage , selbst weniger als ein Tag , bis zur Entwicklung der grauen He-
l^atisation , eine Thatsache , welche hinlänglich sichergestellt ist durch
Fälle, bei welchen der Section eine genaue Beobachtung im Leben vor-
ausgegangen war ; andererseits kann die Entzündung auch ungewöhn-
lich lange im Anschoppungsstadium verharren. Endlich kommt es bei
secundärer Pneumonie jeder Art nicht nur bei weitem öfter als bei pri-
märer Pneumonie zum letalen Ausgang, sondern es ist auch die Häufig-
keit des Lungenabscesses und besonders des Lungenbraudes (nach Ty-
phus und akuten Exanthemen), unter Um -ständen auch des Ueberganges
in chronische Lungenaffektionen , bei ihr erheblich bedeutender.
Der Einfluss der secundären croupöseu Pneumonie auf den Sym-
ptomencomplex der ursprünglichen Krankheit ist ein verschiedener, je
nachdem die letztere ohne Fieber verläuft oder von Fieber begleitet ist.
Nach meinen Erfahrungen wird bei fieberlosem Verlauf derselben
das Erscheinen der Pneumonie regelmässig dadurch gekennzeichnet, dass
Fieber auftritt. Indessen entspricht diese Angabe nicht dem, was man
hin und wieder bei den Schriftstellern liest , welche für die secundäre
croupöse Kinderpneumonie unter besonderen Umständen, und insbeson-
dere auch , wenn sie Terminalaffektion ist , zumal Ijci schwächlichen
heruntergekommenen Kindern, bei Scleroderma neonatorum, Hirnkrank-
heiten u. s. w. die Möglichkeit eines völlig oder nahezu fieberlosen Ver-
laufes zulassen. Zur Controle dieser Behauptung mangelt mir das Be-
olaachtungsmaterial ; aus manchen literarischen Notizen scheint mir aber
allerdings hervorzugehen , dass die in Rede stehende Pneumonieform,
welche zwar in dem Kapitel »croupöse Pneumonie« erwähnt, an der be-
treffenden Stelle alaer nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wird, gar
keine croupöse Pneumonie ist , beziehentlich dass die letztere öfters mit
anderen Pneumonieformen verwechselt wird. Genaue histologische Un-
tersuchungen über diesen Punkt würden sehr wünschenswerth sein,
insbesondere hinsichtlich des Scleroderma, einer bekanntlich gewöhnhch
mit stark subnormalen Temperaturen verlaufenden Krankheit, bei der
der Wärmehaushalt ganz eigenthümliche Verhältnisse darbietet, die
eine einfache Beurtheilung nicht zulassen. Auftreten, Qualität, Inten-
sität und Dauer der übrigen Symptome sowohl wie der Eigenwärme
richten sich im Wesentlichen nach Ausbreitung, Complicationeu und
Ausgang der Pneumonie und weichen nicht wesentlich ab von dem Ver-
halten , welches bei primärer Pneumonie stattfindet. Im Allgemeinen
lässt sich nur angeben , dass das Fieber bei massiger Höhe öfter ein re-
mittirendes ist und lytische Beendigung zeigt, wenn es nicht unter ver-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Symptomatologie. 675
schiedengradiger Steigerung langsamer oder rascher zum Tode führt.
Dyspnoe und Pulsfrequenz sind dabei öfters liöher als es der Erhebung
der Eigenwärme entspricht ; auch die Schmerzhaftigkeit und die Cyanose
ist oft bedeutend und, zumal bei Lungen- und Herzkianken, eine grosse
Neigung zu CoUaps vorhanden. Unveränderlich sind natürlich die aku-
stischen Zeichen, die wichtigsten Stützen der Diagnose.
Sehr verschiedenartig ist der Symptomenconiplex der Pneumonie,
wenn dieselbe zu einer fieberhaften Krankheit hinzutritt. Mitunter,
nämlich bei geringem oder selbst bei massigem umfang der Störung und
andererseits heftigem primärem Fieber, sind sie so geringfügig, dass die
Atfektion einzig und allein durch die Percussion und Auscultation er-
kannt werden kann ; es fehlen dann sogar stärkere Dyspnoe , Husten
und Schmerzen. Audremal ist der Verlauf der secundären Pneumonie
ein äusserst stürmischer und führt unter hohem Fieber, stärksten Brust-
beschwerden und rapider Steigerung der Pulsfrequenz zum letalen Col-
laps, und ist die Affektion in diesem Falle also Terminalpneumonie
Pneumonieen von mittlerer Intensität verändern häufig die Fiebercurve
der primären Krankheit , weniger dann , wenn deren Verlauf ohnehin
ein intensiver und einer weiteren Steigerung ohne sofortige Lebensge-
fahr nicht fähig ist, als dann, wenn ihr Fieber remittirt und die Dureh-
schnittshöhe der Tagestemperatur allmählich abnimmt. Bei fehlendem
Initialfrost erscheint dann sofort der continuirliche Piebertypus mit
hohen Exacerbations- und Remissionswerthen ; im Heilungsfalle fällt
das Fieber allmählich wieder in den früheren remittirenden Typus zu-
rück. Ob in solchen mittelschweren Fällen die übrigen Symptome ent-
sprechend ihi-er Bedeutung bei primärem Verlauf hervortreten, hängt
im Wesentlichen von der Qualität und Intensität der Symptome der ur-
sprünglichen Krankheit , sowie davon ab , ob gleichzeitig noch weitere
Complicationen erscheinen und welches der Ausgang der Pneumonie ist.
Im Allgemeinen wird deren Erscheinen durch ziemlich auffällige, ja so-
gar ganz unverhältnissmässige Zunahme der Dyspnoe und des Hustens
angezeigt, auch erscheint bei älteren Kindern, welche Sputa auswerfen,
gewöhnlich Blut in denselben. In günstigen Fällen verschwinden diese
Symptome mit dem Nachlasse der durch sie hervorgerufenen Fieber-
steigerung allmählich , in der Regel weit langsamer als bei primärer
Pnuemonie.
Eine genauere Erörterung der sehr verschiedenartigen Verhältnisse
der einzelnen Krankheiten nach dem Hinzutreten der croupösen Pneu-
monie gehört nicht hierher, sondern zur Besprechung dieser Krankhei-
ten. Indessenmusswiederholt werden: das Material ist hinsichtlich aller
dieser Fragen noch wenig gesichtet, und es sind insbesondere durchgrei-
43*
g76 Krankheiten der Atliniungsorgane. Lunge.
fende histologische Untersnchimgen zur Feststellung der croupösen Na-
tur der secundären Pneumonie uöthig. Gewiss ist sehr häufig nicht
croupöse, sondern Bronchopneumonie oder Atelektase die hinzutretende
Affektion. Ich unterlasse desshalb ein näheres Eingehen auf die Lite-
ratur und zähle nur kurz die wichtigsten Krankheiten auf , welche sich
erfahrungsgemäss öfter mit croupöser Pneumonie bei Kindern compli-
ciren, beziehentlich einige seltenere, welche dies nach den Angaben der
nebenstehenden Autoren thaten. Von fieberhaften Krankheiten sind
besonders anzuführen : Abdominal- und exan thematischer Typhus
(R a u t e n b e r g) , Recurrens (K e r n i g) , Scharlach , Masern , Pocken
(Reimer; einen eigenthümlichen Fall sah Bamberger, s. Schm.
.Jb. 113 p. 349), Erysipelas, Croup und Diphtheritis , Pyämie, Gelenk-
rheumatismus, Cerebrospinalmeningitis (Fuckel), Malaria, Bronchitis,
Pleuritis, phthisische Processe , Psoitis (Witt mann), Osteomyelitis
(N e u r e u 1 1 e r und S a 1 m o n). Von fieberlosen Krankheiten nenne ich
die chronischen scrofulösen Affektionen mit den geschwollenen und mehr
oder weniger verkästen Lymphdrüsen , chronische Bronchial- und Lun-
genafi'ektionen , wie Induration (Heschl), chronische Affektionen der
Verdauungsschleimhaut , Rhachitis , Herzkrankheiten (B i n z) ; endlich
finden sich Notizen über ihr Auftreten bei selteneren Fällen, wie bei
Larynxtumor mit Emphysem (R ehn), Scleroderma (Gerhardt, Stei-
ne r), Nephritis (Reimer), Diabetes insipidus und hochgradiger An-
ämie (Bleuler). In der Reconvalescenz von Keuchhusten sah ich einen
Fall von croupöser Kinderpneumonie tödtlich enden.
Diagnose.
Die Diagnose der einfachen primären croupösen Pneumonie ist bei
älteren Kindern nur dann etwas schwieriger als durchschnittlich bei
Erwachsenen, wenn schwere Nervensymptome von Anfang an das Krank-
heitsbild beherrschen , ohne dass die akustischen Zeichen der Lolcalaf-
fektion sich einstellen. Fangen diese einmal an , im Verlaufe einer
akuten, laut regelmässiger thermometrischer Unter.suchung sehr ent-
schieden fieberhaften, mit Seitenschmerzen , Husten und Dyspnoe ver-
bundenen Krankheit nachweisbar zu werden , und hat eine hinlänglich
oft wiederholte genaue Percussion und Auscultation erwiesen , dass die
Lunge vorher ganz gesund war , so ist der Fall , spätestens einige Tage
nach seinem Beginn, sofort genügend klar. Wer also gut diagnosticiren
will, muss fleissig Thermometer und Plessimeter brauchen und im Aus-
cultiren geübt sein ; leistet der Arzt dieses , so wird er finden , dass das
Geständniss J. Frank 's — die Lungenentzündung der Kinder ver-
stecke sich oft unter so trügerischen Symptomen , dass man bei Sectio-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 677
uen zuweilen zu seinem grossen Erstaunen die Lunge hepatisirt finde,
während man im Leben etwas ganz Anderes vor sich zu haben geglaubt
habe — für die heutige Zeit nicht mehr anwendlaar ist. Damals freilich
mag »manches Kind laut Todtenschein an .... entschlummert sein,
das in der That einer nicht erkannten Pneumonie zum Opfer fiel«
(Nath 1. c. p. 20). Noch weiter wird aber die Diagnose sichergestellt,
wenn es, wie z. B. Damasch ino (1. c. p. 65 u. 88) gelingt, Auswurf
zu Gesicht zu bekommen, welcher durch inniges Gemenge von Blut mit
glasigem Schleim charakteristisch rostfarben und zähe ist und insbeson-
dere die verzweigten Fibrinabgüsse der feinsten Bronchien enthält, die
bei Erwachsenen so gewöhnlich sich finden. Es würde sich hieraus die
croupöse Natur der Lifiltration beinahe zur Evidenz ergeben ; denn wenn
auch die rostfarbene »pneumonische« Beschaffenheit des Auswurfs nicht,
wie früher behauptet ward, ein pathognomonisches Zeichen der croupösen
Pneumonie darstellt — ich selbst sah solchen bei zweifelloser Litegrität
der Lungen in einem Fall von Katarrh der Highmorshölile mehrere Tage
hindurch ; nach F i s c h 1 (Pr. Vjschr. 132 p. 83) kommen Sputa crocea auch
im Anfang der käsigen Pneumonie vor — , so dürfte man doch schwerlich
irren, wenn man sich bei Bestimmung der croupösen Natur einer nach-
gewiesenermassen frischen Infiltration der Lunge auf sie stützt. Leider
ist man aljer iDei dem fast stetigen Fehlen dieses diagnostisch wichtigen
Krankheitsijroduktes lediglich auf die übrigen Symptome angewiesen.
In Fällen, welche aus irgend welchem Grunde während der febrilen Pe-
riode zweifelhaft bleiben , entscheidet die rapide und definitive Defer-
vescenz zu Gunsten der croupösen Pneumonie.
Bei kleinereu Kindern ist die Diagnose erheblich schwieriger. Hier
fehlen die subjektiven Angaben fast vollständig, Sputa kommen dem
Arzt nur höchst selten zu Gesicht. Treten nun aber, wie besonders im
Anfang der Krankheit , die durch die Funktionsstörung der Respira-
tionsorgane bedingten Symptome zurück, ist z. B. der Husten nur un-
bedeutend und die gesteigerte Respirationsfrequenz scheinbar genügend
durch das vorhandene Fieber erklärbar, und wird etwa die Aufmerksam-
keit des Arztes auch noch durch gastrische , Nerven- und andere Sym-
ptome von der Brust abgelenkt, so kann es nicht Wunder nehmen,
wenn der weniger Erfahrene eine Pneumonie Tage lang mit den ver-
schiedenartigsten febrilen Krankheiten verwechselt. Es gilt dies ganz
besonders für die Pneumonie der Oberlappen , die in der Regel etwas
später als die der Unterlappen nachweisbar und besonders schwierig da
entdeckt wird , wo sie nur eine partielle ist. Nach Stephenson las-
sen bei umschriebenen Spitzenpneumonieen die akustischen Symptome
bis zum fünften Tage auf sich warten. Da hilft nichts weiter als eine
678 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
consequeut Tag für Tag wiederholte genaue Untersuchung der Lungen,
und es mag hier auf deren absohite Nothwendigkeit, will man nicht den
imaugenehmsten Täuschungen unterliegen, nachdrücklichst aufmerksam
gemacht sein. Bleiben nun aber auch noch die akustischen Zeichen aus
irgendwelchem Grunde zweifelhaft, so kann nur der Verlauf der Krank-
heit im Allgemeinen, insbesondere derjenige des Fiebers, die Diagnose
soweit als möglich sicher stellen.
Selbstverständlich ermöglicht in Fällen von Abortiv- und sehr ra-
pid , z. B. in der Form eines eintägigen Fieberanfalles , verlaufender
Pneumonie, wenn die Sputa fehlen, eine genaue Untersuchung der Brust
imd die sorgfältige Beachtung des Verhaltens des Fiebers (Eigenwärme,
Puls) allein die Diagnose. So war es in dem Fall von F i s c h 1 (Prag,
med. Wschr. 1877 p. 970).
Eins der wichtigsten Momente bei der Diagnose der Pneumonie ist
die Kenntniss des Umstaudes, ob eine bei der ersten Untersuchung wahr-
zunelmiende Dämpfung als Zeichen der sich entwickelnden Infiltration
zu deuten oder auf eine ehr o nisch e Stör un g zu beziehen ist.
Die Entscheidung hierüber ist insbesondere bei kleinen Kindern oft
ziemlich schwierig ; sie kann erleichtert werden , wenn eine genaue
Anamnese vorliegt, welche entweder auf eine früher dagewesene Brust-
affektion bestimmt hinweist oder dieselbe ausschliesst.
Verhältnissmässig leicht ist die Diagnose der Störung , wenn sich
die Dämpfung in der Gegend der Unterlappen findet. Von chronischen
Affektionen können hier fast nur Lungen- und Pleuraaffektionen , be-
zieheutlich deren Reste in Frage kommen, Störungen, die sich beim
Kinde mehr als beim Erwachsenen durch eine verschieden starke Re-
traction der betreffenden Seite kund zu geben pflegen, wenn der Process
irgend intensiv war. Auch die Chronicität einer derartigen Affection
weist vielleicht auf eine secundäre Blähung der gesunden Lungenpartieen
hin ; auch lässt sich möglicherweise die Affektion durch gewisse auscul-
tatorische Phänomen (verschwächtes Athmen bei alter Pleuritis, hellere
Rasselgeräusche bei Bronchiektasenbildung) erkennen. Solche Zeichen
lehlen bei einer primären in der Entwicklung begriffenen Pneumonie.
Schwieriger ist die Diagnose, wenn sich die fragliche Dämpfung
im Bereiche der Oberlappen befindet. Ausser den chronischen Lungen-
störungen, deren wichtigste Symptome eben genannt wurden, bewirken
ältere Dämpfung hauptsächlich die bei Kindern so häufigen und theil-
weise so ausserordentlich grossen Lymphdrüsentumoren , sodann ander-
weitige Mediastinalgeschwülste, eine ungewöhnlich lange, nämlich bis
zum Alter von einigen .Jahren , persistente , dabei oft vergrösserte und
jedenfalls schwellfähige Thymus, Congestions- und andere Abscesse u. s. w.
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 679
Die durch vergrösserte und entartete Lymphdrüsen hervorgerufene stär-
kere oder schwächere Dämpfung findet sich zum Unterschied von der ver-
breiteten Dämpfung der croupösen Pneumonie gev.-öhnlich innerhalb eines
scharf abgegrenzten Bezirkes, bald an der Rückenfläche (Fossa supraspi-
nata, obere Hälfte der luterscapulargegend), bald ander Vorderfläcbe (Ma-
nubrium und oberer Theil des Corpus sterni, Infra-, auch Supraclavicular-
gegend) des Thorax. Bei genügender Stärke der Dämpfung, d. i. wenn die
Drüsen tumoren bis zurBrust wand reichen, zeigt sich über ihr sehr gewöhn-
lich Bronchialathmen oder wenigstens bronchiales Exspirium als Folgeer-
scheinung der erleichterten Fortpflanzung der Geräusche aus den grossen
Luftwegen , während bei kleineren Geschwülsten und geringeren Däm-
pfungen wenig Veränderung des Athemgeräusches bemerklich ist ; tro-
ckene, besonders schnurrende Rasselgeräusche fehlen in solchen Fällen
selten. Abgesehen von anamnestischen Momenten ist die Unterschei-
dung dieser chronischen A Sektionen von einer primären croupösen
Pneumonie erleichtert, wenn gleich im Anlange des fieberhaften Zu-
standes eine Dämpfung gefunden wird, also zu rasch und vielleicht auch
zu vorgeschritten für eine akute Verdichtung , sowie wenn sich an an-
deren Körpertheilen, zumal dem Halse, grössere Drüsengeschwülste fin-
den , oder überhaupt Zeichen einer chronischen constitutionellen Stö-
rung erkennbar sind. Ausserdem ist zu berücksichtigen , dass unter
Umständen durch Druck grösserer Drüsenpackete , sowie anderer Tu-
moren, Abscesse des Mediastinums u. s. w. auf die oberen Luftwege,
sowie die grossen Venenstämme der oberen Thoraxapertur Erscheinungen
hervorgerufen werden , welche , wie Trachealstenose , Ueberfülluug der
Venenstämme der oberen Körperhälfte nebst Folgen, der primären crou-
pösen Pneumonie, zumal der beginnenden, vollkommen fremd sind.
Bei kleinsten Kindern können dem minder Geübten und Erfahrenen
sogar ganz ander«artige Aflektionen Verlegenheiten bereiten. Laut dem
Zeugnisse von H e r v i e u x (J. f. Kkh. 42 p. 386) führe ich bedeutende
Herzdilatation, die Leber als Inhalt der Brusthöhle bei Zwerchfellhernien
u. s. w. an und erinnere an den interessanten Fall von Atrophie einer
Lunge , den P o n f i c k (Virch. Arch. 50. p. 633) secirte. Ueberhaupt
muss — als nebensächliches Moment wenig.stens — beachtet werden,
dass zumal beim jungen Kind die Herzdämpfung relativ etwas breiter
als beim Erwachsenen ist und die Leberdämpfung ein wenig höher stellt.
Ich weiss es, dass insbesondere dieser letztere Punkt dem Ungeübten
grosse diagnostische Schwierigkeiten bereiten kann, erfahrt es ja doch
jeder Kliniker hinlänglich beim Unterricht; indessen halte ich des-
halb keineswegs den Standpunkt von Vogel für berechtigt , welcher,
wie un .Jbch. f. Khkde. 1858 I. p. 92 u. 93, so noch in der 1876 er-
schienenen 7. Auflage seines Lehrbuchs p. 248, mit klaren Worten das
übereinstimmend in der Literatur als häufig bezeichnete
Vorkommen der Pneumonie im rechten Unterlappen auf eine Verwechs-
(580 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
lung mit der beim Pressen beraufrückenden Leberdämpfung sowie der
durcb dasselbe bewirkten Veränderung des Lungenscballs zurückführt.
Ein bedeutendes Hinderniss der Diagnose der croupösen Pneumonie
ist bei kleinen Kindern oftmals die gro sse Verbreitung des fort-
gepflanzten Broncbialath mens, zumal wenn dieselben aus ir-
gendwelcher Ursache frequenter und heftiger respiriren. Manchmal ist
es in auffälligster Weise fast ganz auf die eine, der bekannten Verhält-
nisse des rechten Bronchu.s wegen besonders die rechte Seite beschränkt,
und auf der entgegengesetzten gar nicht oder nur in einem kleinen Be-
zirk der inneren Suprascapulargegend nachweisbar. Man muss diese
Thatsache kennen, um nicht bei dem Verdacht einer Dämpfung, wie er
unter physiologischen Verhältnissen durch ungleichmässige Haltung
u. s. w. der zu untersuchenden Kinder entstehen kann , irrigerweise des
gleichzeitigen Bronchialathmens wegen eine Pneumonie zu diagnosti-
ciren. Im Allgemeinen wird eine solche auszuschliessen sein , wenn das
Bronchialathmen , das mitunter bis zur Mitte des Rückens , ja sogar
noch weiter hinabreicht , überall gleichmässig den Klang und die Ton-
höhe des trachealen Geräusches zeigt , oder wenn in seinem Bereiche
überall etwas Vesiculärathmen durchhörbar ist. Unter Umständen ist
es schwer, einem Irrthum in dieser Beziehung zu entgehen. Wegen der
Verbreitung des Bronchialathmens am Rücken vgl. Lippe, D. Arch.
f. kl. Med. 1872. IX. p. 549.
Ebenso darf man sich nicht durch intensives auf die andere Seite
fortgepflanztes Bronchialathmen einseitiger Pneumonie verleiten lassen,
eine doppelseitige Affektion zu diagnosticiren.
Hat es sich nun aber herausgestellt , dass die vorhandenen akusti-
schen Veränderungen auf der Anwesenheit einer frischen entzündhchen
Affektion beruhen , so sind der Möglichkeiten nur noch wenige. Die
wichtigsten Brustaffektionen, welche in Frage kommen, sind ausser der
croupösen Pneumonie die katarrhalische Form derselben , die infiltrirte
Tuberkulose (Buhl's genuine Desquamativpneumonie) und, besonders
wenn es sich um eine Att'ektion der Basis handelt, die Pleuritis.
Die Bronchopneumonie ist selten auf eine Seite beschränkt,
sondern meist von Anfang an doppelseitig , oder lässt sich wenigstens
bald nach dem Auftreten der Verdichtung auf der einen Seite auch anf
der anderen nachweisen. Dabei ist der Process in der Rerrel auf beiden
Seiten in verschiedener Weise entwickelt. Gewöhnlich ist nur ein
grösserer oder kleinerer Theil der ünterlappen befallen, während Ober-
und Mittellappen gänzlich frei bleiben oder sich höchstens im späteren
Verlaufe intensiver Fälle in massigem Grade betheiligen. Da die Bron-
chopneumonie aus der Bronchiolitis hervorgeht , so sind in der Regel
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 681
über den infiltrirten wie nichtinfiltrirten Partieen reichliche besonders
klein- doch auch grossblasige Rasselgeräusche zu hören, wie sie bei ein-
facher croupöser Pneumonie nicht vorzukommen pflegen ; mitunter wird
durch dieselben das Bronchialathmen ganz verdeckt. Am intensivsten
und meistens auch etwas klingend sind sie an der Basis der Lmige.
Croupöse Entzündung kann hiernach nur dann mit Bronchopneiunonie
verwechselt werden, wenn sie beide oder wenigstens einen Unterlappen
betrifft und durch einen stärkeren Bronchialkatarrh complicirt wird ;
ein gänzliches Fehlen kleinblasiger Piasseigeräusche, bei ihr so gewöhn-
lich , kommt bei Bronchopneumonie nie vor. In Fällen , welche wegen
Vorhandenseins einiger Rasselgeräusche und Doppelseitigkeit der crou-
pösen Infiltration einigermassen zweifelhaft bleiben müssen, entscheiden,
insofern genügend zuverlässige Daten vorliegen , die Art des Beginns
und der weitere Verlauf der Krankheit. Hat die Pneumonie, ohne dass
ihr die Erscheinungen der Bronchitis vorausgingen , plötzlich mit hef-
tigem Fieber angefangen und ist schon nach einigen Tagen eine um-
fangreiche Infiltration vorhanden , so ist die katarrhalische Form un-
wahrscheinlich. Weiterhin ist das Hauptgewicht auf die Art und Weise
der Ausbreitung der Verdichtung, sovvde das Verhalten des Fiebers zu
legen. Wächst die Infiltration langsam von unten nach oben, ohne den
Lappengrenzen zu folgen, lässt sie also die dem Oberlappen angehörige
Achselhöhlengegend frei , ist dabei das Fieber minder hochgradig und
remittirend, und endet es nicht in kritischem Zuge, sondern allmählich
nach Art der Lysis , während sich die Lungenveränderungen langsam
zurückbilden, so ist Bronchopneumonie zu diagnosticiren ; das entgegen-
gesetzte Verhalten ist für die croupöse Form charakteristisch. Hier-
nach dürften vielleicht nur jene seltenereu Fälle zweifelhaft bleiben, wo
sich im Verlaufe der vielleicht nur partiellen croupösen Pneumonie des
einen ünterlappens verbreitete Bronchitis und katarrhalische Pneumonie
der anderen (z. B. H enoch, Berl. klin. Wsclir. 1866. p. 112) , ja viel-
leicht sogar derselben Seite hinzugesellen, eine Corabination, welche nur
bei sorgfältiger Beobachtung des Verlaufes und mit Berücksichtigung
der soeben erwähnten Momente richtig erkannt werden, und deren Ver-
kennen daher nicht besonders auffallen kann. Jedenfalls meine ich
nicht, dass man um solcher seltener Fälle willen , die man vielleicht als
Zwischenformen zwischen croupöser und Bronchopneumonie betrachten
könnte , die strenge Unterscheidung beider Formen schon m den ge-
wöhnlichen Beobachtungen für unmöglich erklären sollte. Man kann
die Unmöglichkeit allenfalls für rudimentäre Fälle beider, msbesondere
für einseitige Bronchopneumonie, nicht aber für solche mit ausgebil-
deter örtlicher Störung zugeben , mit Ausnahme der eben besprochenen
(382 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Combination mit mangelhafter oder zu spät begonnener Beobachtung.
Uebrigens zeigt die Bronchopneumonie im Allgemeinen schon eine weit
grössere Cyanose und Dyspnoe , sowie einen weicheren meist auch viel
Irequenteren Puls, als die cronpöse Form.
PhthisischeProcesse können durch ihren Beginn besonders
dann eine croupöse Pneumonie vortäuschen, wenn sie bei bisher Gesun-
den oder wenigstens nach vorausgegangenem fieberlosem Zustande uuter
lebhaftem Fieber auftreten und die Zeichen der Verdichtung, zumal im
Oberlappen nur einer Seite, baldigst erscheinen (Buhl's genuine Des-
quamativpneumonie). Die unterscheidenden Momente sind thcils der
Aetiologie, theils der Symptomatologie zu entnehmen. Hereditäre phtlii-
sische Anlage, Zeichen einer stärkeren Skrofulöse, insbesondere verbrei-
tete Lymphdrüsengeschwülste , chronischer Bronchialkatarrh geben
schon von vornherein eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die
Verdichtung croupüser Natur nicht sein dürfte , und zwar um so mehr,
wenn sie sich auch ungewöhnlich langsam ausbreitet. Weiterhin wird
diese Ansicht bestätigt, wenn das Fieber massig bleibt und öfters eine
Neigung zu grösseren Remissionen zeigt, sowie ganz besonders dann,
wenn es ü))er die Zeit hinaus dauert , in welcher selbst eine ungewöhn-
lich verzögerte Krise bei croupöser Pneiuuonie hätte eintreten müssen,
Der weitere Veidauf ist ganz derjenige, welchen die letztere zeigt, wenn
sie anomalerweise in Phthisis übergeht. Schliesslich kann die Diagnose
insbesondere dadurch sichergestellt werden , dass sich Zeichen von Ver-
dichtung in dem bisher nicht afficirt gewesenen Oberlappen nachweisen
lassen, oder dass-Höhlensyraptome auftreten.
Bei dieser Gelegenheit mag nochmals des Umstandes gedacht wer-
den , dass bei Kindern croupöse Pneumonieen der Oberlappen vorkom-
men, welche, obwohl ihr Fieber in ermässigter Intensität sich zwei Wo-
chen (Buchanan,.J. f. Kkh. 52. p. 11.5) und länger (Buhl) hinausziehen
kann, trotzdem in volle Genesung übergehen und dadurch ihre nicht-
phthisische Natur beurkunden. So sah Trousseau (laut Dama-
schino, 1. c. p. 89, wahrscheinlich im Journ. de med. 1844; aphor. 71)
in einem Fall »la maladie se prolonger pendant deux mois sur un sujet
non tuberculeux.« Und Damaschino berichtet von einem 7'/sj.
Kinde, bei welchem die Zeichen der Infiltration des rechten Unter-
lappens erst sechs Wochen später als das Fieber , und zwar vollständig,
verschwanden ; das Kind blieb gesund. Man verzweifele daher nicht bei
Verzögerung der Abheilung. Auch bei Pneumonieen einer ganzen
Lunge und doppelseitigen Pneumonieen pflegt die Resorption wesent-
lich verlangsamt zu sein (Barth ez, J. f. Kkh. .39. p. 97. u. A.).
Die Differentialdiagnose des pleuritischen Exsudates und
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 683
der croupösen Pneumonie kommt natürlicherweise fast nur in Betreff
der AfFektionen der Unterlappen in Betracht ; wegen primärer Pneu-
monie eines Oberlappens würde sich höchstens dann eine Schwierigkeit
ergeben, wenn der unterste Theil der Pleurahöhle durch feste alte Ver-
wachsung der Pleurablätter obliterirt wäre und die Zeichen des Er-
gusses sich daher nur oberhalb der Verwachsungsgrenze einzustellen
vermöchten. Sie ist im Kindesalter weit schwiei-iger, als man nach den
Erfahrungen bei Erwachsenen vermuthen sollte. Während bei der
Pneumonie der letzteren charakteristische Sputa fast niemals fehlen und
andererseits über ihrem Pleuraexsudat starke Dämpfung (» leerer «
Schall), Abschwächung des Athemgeräusches, der Stimme und der Stimm-
vibrationen des Thorax in einer die Diagnose fast vollkommen sicher-
stellenden Weise vorhanden zu sein pflegen , ist dies Alles beim Kinde
ganz anders. Hier fehlen die Sputa meist gänzlich, hier sind die Stimm-
vibrationen ihrer Schwäche und anderer Umstände wegen nur ausnahms-
weise verwerthbar , hier wird die Dämpfung , welche selbst ein relativ
hochgradiges Exsudat giebt , der absoluten Kleinheit des Thorax und
grossen Nähe der lufthaltigen Bauchorgane wegen niemals sehr stark,
und ist das Bronchialathraen, wenigstens bei frisch entstandener Afiek-
tion mit dem gewöhnlich dünnflüssigen serösen Exsudat, gewöhnlich
überall in beträchtlicher Intensität vernehmbar. Zur Stellung einer
sicheren Diagnose ist man daher auf die übrigen Krankheitszeichen an-
gewiesen.
Zweierlei ist es , was der Diagnostiker bei der Möglichkeit einer
croupösen Pneumonie in Betreff der Pleuritis zu erörtern hat. Es han-
delt sich nämlich nicht nur einfach um die Unterscheidung von Pneu-
monie und Pleuritis , sondern , zumal in einer späteren Zeit der Krank-
heit vielmehr darum, zu bestimmen, ob die Pneumonie allein vorhanden
oder durch ein pleuritisches Exsudat complicirt ist. Um den letzteren
Fall frühzeitig und sicher entscheiden zu können, ist eine genaue Beob-
achtung des Kranken von Anfang an durchaus nothwendig ; für die
spätere Zeit des febrilen Stadium ist die Bestimmung des pleuritischen
Exsudats nur bei so erheblicher Grösse desselben möglich , dass es selb-
ständig auf den Symptomencomplex der Pneumonie einvnrken kann ;
bei massiger Grösse pflegt es erst in der Reconvalescenz erkannt zu
werden , sofern seine Resorption langsamer als die der Pneumonie vor
sich geht.
Ein sehr wichtiges Moment zur Unterscheidung von Pneimionie
und Pleuritis kann eine aufmerksame Beobachtung im Anfange der
Krankheit ergeben. Steigt eine verhältnissmässig ziemlich starke Däm-
pfung, oberhalb derer ein tympanitischer Saum sich findet, oder wenig-
(384 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
stens finden kann, allmählich, beziehentlich an der Vorder- und Rücken-
fläche des Thorax in gleichmässiger Weise in die Höhe , so ist Pleuritis
vorhanden ; ist dagegen der Schall in einem grösseren Bezirke von An-
fang an gleichmässig abnorm , zuerst tympanitisch , später immer ge-
dämpfter, so ist Pneumonie wahrscheinlicher, und ganz besonders ist sie
es dann , wenn die oljere Grenzlinie der Dämpfung den Lappen grenzen
folgt. Vielleicht wird im letzteren Fall auch feines echtes Knistern an-
fänglich im ganzen Bereiche , späterhin besonders an der Grenze der
Dämpfung, oder ein zuerst über dem oberen Abschnitt des Unterlappens
— am beweisendsten entfernt von der Lungenwurzel — erscheinendes
deutliches Bronchialathmen die Wagschale zu Gunsten der Pneumouie
sinken machen. Wenn Rasselgeräusche im Bereiche der Dämpfung vor-
handen sind, so spricht dies eher für Pneumonie als für Pleuritis; in-
dessen muss hier bedacht werden, dass das pleuritische Reiben bei Kin-
dern (es kommt bei diesen im Anfang der Pleuritis sicher vor), ein
feineres imd gleicbniässigeres , also viel weniger rauhes holperndes Ge-
räusch als bei Erwachsenen darstellt, auch sein Klang ein den kindlichen
Rasselgeräuschen oft ziemlich ähnlicher ist — man möge also genau zu-
hören ! Uebrigens ist bekanntlich im Anfang der Pneumonie das Rei-
bungsgeräusch kaum jemals vorhanden und stört daher kaum die Ent-
scheidung über die Natur der auscultatorischen Phänomene.
Das eben besprochene Bi'onchialathmen, wenn es in beschränktem
Umfange an einer höher oben und entfernt von Lungenwurzel und Wir-
belsäule gelegenen Stelle, also besonders in der Achselhöhle,
erscheint , — natürlich ohne dass in den untersten Theilen eine erheb-
liche Diimpfung mit abgeschwächtem Athmen vorhanden ist — ist von
grosser Bedeutung für die frühzeitige Diagnose der cronpösen Pneumonie.
Auch der Kinderarzt muss auf die Anwesenheit eines solchen sein ganz
besonderes Augenmerk richten. Es erklärt sich aus der öfters zuerst in
den seitlichen Abschnitten der Lunge erscheinenden intensiven Verdich-
tung und ist also vorzugsweise liald nach Deginu der Krankheit bemerk-
bar. Bei pleuritischem Exsudat pflegt das Bronchialathmen (natürUeher-
weise unter der Voraussetzung einer solchen Flüssigkeitsmenge, dass
durch Compression des Lungengewebes überhaupt Bronchialathmen er-
zeugt weiden kann) zuerst mehr in der Nähe der Wirbelsäule, nach der
Lungenwnrzel hin , aufzutreten, beziehentlich am stärksten zu sein.
Ich muss noch einmal auf die bei erwachsenen Pleuritikern so be-
trächtliche Abschwächung der Athemgeräusche zurückkommen. Im
Bereiche massiger frischer Exsudate ist nämlich oft genug ein ziemlich
starkes Bronchialathmen zu hören , dessen Intensität anscheinend voll-
kommen mit dem pneumonischen übereinstimmt. Nun lehrt aber dem
Geübten eine genaue Beobachtung bei exquisiter Pneumonie , dass das-
selbe bei gleicher Athemtiete hier in der Regel doch noch lauter ver-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. g85
uehmbar ist. Ganz entschieden spricht also nur eine ausserordentliche
auch bei ruhigem Athmen auffällige Deutlichkeit des Bronchialathniens
im Bereiche einer Dämpfung an der Lungenbasis für Pneumonie, wäh-
rend eine massige Lautheit bei ihr wie bei Pleuritis , und besonders in
der durch ein pleuritisches Exsudat complicirten Form der Pneumonie
vorkommen kann. Diese verschiedenartige Intensität der den Bronchien
entstammenden Geräusche ist auch an der Stimme , beziehentlich dem
Geschrei kleiner Kinder meistens leicht zu erkennen. Die Beurtheiluno-
des höheren oder niederen Grades der Lautheit erfordert freilich das
Einhalten gewisser selbstverständlicher Cautelen und
üebung.
Es kommen ganz selten Fälle von Pneumonie vor, ^vo wegen ziem-
lich bedeutender oder nahezu vollkommener Verstopfung der Bronchien
mit dickeitrigem oder besonders fibrinösem Exsudat das Bronchialath-
men sehr bedeutend verschwächt oder nahezu aufgehoben ist, ohne dass
die Pneumonie durch ein pleuritisches Exsudat complicirt wird. Wird
hiernach schon ein wichtiges Symptom der Pneumonie nach Art des-
jenigen Verhaltens modificirt , welches man bei Pleuritis zu sehen ge-
wohnt ist, so wächst die Pleuritisähnlichkeit noch weiter dadurch , dass
mit der zunehmenden Verdrängung der Luft auch der Percussionsschall
an Diunpfheit zunimmt. Aufschluss über die pneumonische Natur der
Affektion kann hier die Gestalt der Dämpfung, sofern sie der Grenzlinie
des oberen und unteren Lappens folgt, und , wenigstens bei einlappiger
Infiltration , ihr Mangel an der Vorderfläche des Thorax , sowie endlich
der Umstand geben, dass, genügenden Umfang der Dämpfung voraus-
Igesetzt, eine Verdrängung der benachbarten Organe, zumal des Herzens,
vermisst wird.
Ueberhaupt ist in irgend zweifelhaften Fällen das Hervortreten
aller Symptome, welche die Anwesenheit einer Pleuritis mit grösserem
oder serinwerem Grade von Wahrscheinlichkeit darthun , wie insbeson-
dere der ebengenannten Verdrängungserscheinungen , der Erweiterung
des Thorax, der Verstreichung der Intercostalräume, auch der Verschie-
bung des Mediastinum nach der gesunden Seite hin, schliesslich der Ab-
schwächung der Stimme — beziehentlich des Geschreis — und der
Stimmvibrationen (vgl . B a c c e 1 1 i in Sulla trasmissione dei suoni attra-
verso i liquidi endopleurici di differente natura. Roma 1877, und P.
Niemeyer, Phys. Diagn. Erl. 1874. p. 283) sorgfältig zu beachten.
Bei Pneumonie der Oberlappen gedenke man des Umstandes , dass
eine an der Basis entstehende Dämpfung durch Ansammlung von Flüs-
sigkeit in der Pleurahöhle bedingt sein kann , und diagnosticire daher
ggg Krankheiten der Atlrmungsorgane. Lunge.
eine neue Infiltration im Unterlappen nur nach sorgfältiger Abwägung
der dafür sprechenden Gründe.
Sehr schwierig ist die Diagnose einer Pneumonie des Oberlappens,
welche zu einer mit pleuritischem Exsudat, zumal in reichlicherer Meuge,
complicirten Pneumonie des Unterlappens hinzutritt. Vielleicht ermög-
licht eine genaue oft wiederholte Beobachtung der örtlichen Verände-
rungen (rasches Entstehen beziehentlich Zunahme einer Dämpfung über
dem Oberlappen und Bronchialathmen ohne oder ohne entsprechende
Zunahme der Verdrängungserscb einungen, ausgedehntes Knistern im
Anfang des Processes und Fortdauer starken mit der Annahme einer
Compression des Ol^erlappens nicht verträglichen Bronchialathmens)
den Nachweis dieser interessanten Verwicklung.
Ein sehr wichtiges Moment für die fragliche Diagnose , insbeson-
dere zur Bestimmung der Anwesenheit einer reinen oder durch ein pleii-
ritisches Exsudat complicirten Pneumonie bietet die Beobachtung des
für beide Fälle oben (p. 623 und 659) ausführlich erörterten Tempe-
raturganges. Betrachten wir daher hier nur noch zum Vergleich das
ziemlich verschiedenartige Verhalten der Eigenwärme bei reiner pri-
märer Pleuritis der Kinder. In den meisten Fällen ist bei ihr das Fieber
massig, ziemlich regelmässig remittirend und ohne Neigung zu kriti-
scher Beendigung ; nach ein- bis mehrwöcheutlicher Dauer neigt es
unter allmählicher Abnahme der Tagesexacerbationen der Norm zu,
während auch die Lokalveränderungen abheilen. Ausnahmsweise ist es
in intensiven Fällen nach einem rapiden Beginn in der ersten Zeit der
Krankheit hoch , gleich dem der Pneumonie (Zie nassen 1. c. p. 51),
und ermässigt sich später auf die gewöhnlichen Zahlen ; indessen habe
ich andererseits auch Fälle mit rasch anwachsendem Exsudat bei nahezu
normaler Temperatur entstehen sehen. Auf diese Thatsachen gründen
sich die folgenden diagnostischen Sätze : In Fällen, in welchen die Dia-
gnose zwischen Pleuritis und croupöser Pneumonie schwankt, ist erstere
wahrscheinlicher als letztere, wenn das Fieber von Anfang an niedrig
oder wenigstens nicht anhaltend hoch ist. Hohe TemperaturzifPern in-
nerhalb der ersten Tage einer in besagter Weise zweifelhaften entzünd-
lichen Brustaffektion sprechen mehr für reine oder durch Pleuritis com-
plicirte Pneumonie, als für reine Pleuritis. Durch eine in solchen Fällen
zur gehörigen Zeit erfolgende kritische Beendigung des Fiebers wird
die croupöse Pneumonie sicher erwiesen und jeder Zweifel darüber be-
seitigt, als ob dasselbe lediglich Folge eines pleuritischen Exsudates ge-
wesen sei; möglich wäre höchstens neben der Pneumonie ein gering-
fügiges rasch und günstig ablaufendes den Gang der Temperatur also
nicht beeinflussendes Exsudat. Dagegen lässt lytischer Fieberschluss
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 687
nach vorausgegangenem hohem Fieber die Entscheidung zwischen einer
durch eine beträchtliche Pleuritis complicirten Pneumonie und reiner
Pleuritis noch offen , sofern andere Eventualitäten ausgeschlossen sind.
Im Allgemeinen ist daher , da croupöse Pneumonie der Kinder einfach
und günstig zu verlaufen pflegt, einfache Pleuritis derselben aber selten
hohes Fieber macht, bei den entsprechenden akustischen Veränderungen
neben hohem regelmässigem und kritisch endigendem Fieber sicher auf
das Dasein einer croupösen Pneumonie zu rechnen.
Bleibt die Diagnose eines Falles aber auch trotz Berücksichtigung
aller lokalen und febrilen Momente zweifelhaft , so kann unter Umstän-
den der Abheilungsprocess die Entscheidung zwischen Pneumonie und
Pleuritis bringen. Die Dämpfung der ersteren vermindert sich nämlich
mit der fortschreitenden Lösung des Infiltrats in ziemlich gleichmäs-
siger Weise überall , während der Percussionsschall über dem pleuriti-
schen Exsudat durch allmähliches Tiefertreten der oberen Dämpfungs-
grenze heller zu werden pflegt. Dem entsprechend rückt auch das
stärkste Bronchialathmen herab und verliert langsam an Intensität,
während es bei Pneumonie in der Regel rasch uud gleichmässig ver-
schwindet.
Abgesackte pleuritische Exsudate unterscheiden sich von Pneimio-
nie theils durch das geringfügige oder ganz fehlende Fieber, theils
durch die für letztere ungewöhnliche Constanz der akustischen Erschei-
nungen.
Bei Beurtheilung der etwa nach rechts verschobenen rechten Herz-
grenze eines Pneumonischen denke man auch an die besonders bei
gleichzeitiger Pleuritis vorhandene Möglichkeit einer Pericarditis.
Dessgleichen erinnere man sich, wenn den Herzbewegungen synchroni-
sche Reibungsgeräusche in der Herzgegend vernommen werden , dass
dieselben auch extrapericardialen, nämlich pleuritischen Ursprungs sein
können.
Da die bei Pneumonie vorhandenen Schmerzen zumal von kleinen
Kindern öfter in den Leib verlegt werden , so könnte unter Umständen
auch einmal eine Verwechslung derselben mit Peritonitis stattfin-
den. Ganz besonders wäre dies möglich, wenn heftiges Fieber und, der
Schmerzen und der Auftreibung des Leibes wegen , frequente Respira-
tion , vielleicht auch zufällig etwas Husten vorhanden wäre , welcher
ebenso wie bei Pneumonie die Schmerzen steigert und desswegen unter-
drückt zu sein pflegt. Abgesehen vom Mangel der akustischen und
anderen Zeichen der Pneumonie (man bedenke, dass bei hohem Zwerch-
fellstand auch die Leberdämpfung hochgerückt ist) und vom Vorhan-
densein derjenigen der Peritonitis kann die richtige Diagnose schon
ggg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
durch die Lage des Kindes mit möglichst erschlafften Bauchdecken und
ano-ezogenen Schenkeln , die Nichtbehiuderimg der Exspiration (lautes
Geschrei) , aber bedeutende Behinderung der Inspiration durch die in-
spiratorische Spannung der Bauchdecken, erschlossen werden. Ausser-
dem pflegt Druck die Leibschmerzen bei Peritonitis in weit höherem
Grade zu steigern als dies bei Pneumonie geschieht.
Mit Meningitis ist die Pneumonie oft genug verwechselt wor-
den imd Barthez und Rilliet, welche, nachdem sie 1838 (Pneumo-
nie p. 98) nur einen derartigen Fall gesehen und sehr wenige beschrie-
ben gefunden hatten , in der zweiten Ausgabe ihres berülimten Werkes
(1861) die Form der sog. Hirupneumonie aufstellten, sagen, dass dies
geradezu bei allen derartigen Kranken, die sie in fremder Praxis sahen,
der Fall gewesen sei. Schon Fried leben (Arch. f. phys. Heilk. 1847
VL p. 29) hatte auf solche Verwechslungen aufmerksam gemacht, in-
sofern tüchtige Aerzte einfache Pneumonie der Ober- wie ünterlappen
für »Hydrocephalus« angesehen hatten. Die Möglichkeit eines Irrthums
liegt besonders für den vor , der bei Anwesenheit von Hirnsymptouien,
zumal wiederholten Convulsionen mit Sopor (Politzer, Jbch. f. Khkde.
N. F. IV. p. 310) oder mit Delirien sofort an greifbare anatomische
Veränderungen des Schädelinhalts denkt — ein negatives Sectionsresul-
tat bringt z. B. Damaschino (1. c. p. 134) im Fall eines nach zehn-
tägiger Krankheit gestorbenen Knaben mit rechtseitiger Oberlappen-
Pneumonie — , der nicht so oft als nur immer möglich untersucht, ins-
besondere thermometrische Messungen für überflüssig hält, und nicht
genau genug auf die Zeichen der besonders bei Spitzenpneumonieen häu-
fig sehr langsam hervortretenden lokalen Veränderungen achtet. Gerade
die Spitzenpneumonieen sind es aber , welche am meisten zu schweren
Hirnsymptomen Anlass geben. Die Momente , auf welche die Unter-
scheidung zwischen Pneumonie und Meningitis sich zu stützen hat, sind
theils allgemeine, theils lokale.
Was die allgemeinen Symptome anlaugt , so sind die wichtigsten
diejenigen , welche das Fieber bewirkt. Z i e m s s e n (1. c. p. 250) hat
auf das von dem bei Pneumonie durchaus abweichende Verhalten der
Eigenwärme aufmerksam gemacht , welches die Basilarmeningitis dar-
bietet. Ich kann auf Grund meiner Beobachtungen seine Angaben, dass
bei dieser Afiektion die Temperatur nur ausnahmsweise ihre bei Pneu-
monie gewöhnliche Höhe (40 " und darüber) erreiche , vielmehr sich
zwischen 38,5 " und 40 " unter geringeren oder grösseren Schwankun-
gen zu bewegen pflege , nicht nur bestätigen , sondern noch dahin er-
weitern , dass viel öfter nicht einmal derartige Höhen, sondern nur ge-
ringes Fieber oder nahezu Normaltemperatur während des ganzen oder
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose.
wenigstens grössten Theiles des Verlaufs der Meningitis beobachtet wer-
den ; ausserdem fehlt bei dem regelmä.ssigen letalen Ausgang der Me-
ningitis basilaris natürlicherweise jede Andeutung eines typischen Fie-
berschlusses. Auch die übrigen Formen der Meningitis, soweit sie pri-
mär sind oder wenigstens im Gefolge fieberloser Leiden auftreten , ver-
laufen mit solch irregulärem nur zeitweilig beträchtliche oder sogar
hyperpyretische Höhen erreichendem Fieber, mit Ausnahme der pri-
mären allgemeinen Meningitis, die unter einer oft enormen Temperatur-
Steigerung rasch zum Tode zu führen pflegt. Durch ein unregelmässiges
atypisches massig hohes und remittirendes Fieber zeichnet sich auch die
Cerebrospinalmeningitis der Kinder aus, diejenige Form , welche noch
am ehesten zur Genesung führt , so dass nicht mit unrecht behauptet
werden darf, dass rasch entstandenes und regelmässig verlaufendes con~
tinuirliches oder höchstens durch Pseudokrisen unterbrochenes Fieber,
wie bei Pneumonie , geradezu jede Form der Meningitis ausschliesse.
Uebrigens haben schon Barthez und Rilliet (1. c. 1855. I. p. 585)
die Bedeutung der »Wärme« für die Differentialdiagnose beider Krank-
heiten erkannt.
Selbstverständlich lässt auch der Puls der Meningitis das dem ty-
pischen Fieberverlaut bei Pneumonie entsprechende typische Verhalten
vermissen. Seine Frequenz ist , zumal in späteren Stadien der Krank-
heit , noch abweichender als es der Temperaturhöhe angemessen wäre ;
eine zeitweise abnorm niedrige Frequenz (Hirndruck) wechselt mit
einer ausserordentlich gesteigerten und zwar kann erstere bei erhöhter,
letztere bei normaler oder nicht entsprechend erhöhter Temperatur
vorkommen. Ausserdem erfolgen die einzelnen Herzcontractionen, zumal
bei abnorm niedriger Frequenz , sehr gewöhnlich in unregelmässiger
Aufeinanderfolge und sind von ungleicher Grösse. Es ergeben sich also
auch in dieser Beziehung Unterschiede genug zwischen croupöser Pneu-
monie mit meningitischen Symptomen und Meningitis.
Auch die Ernährungsverhältnisse bieten bemerkenswerthe Ver-
schiedenheiten. Meningitis folgt bei Kindern sehr gewöhnlich aut aller-
lei chronische Störungen (Lymphdrüseninfiltrationen verschiedener Par-
tieen, Otitis, raannichfache scrofuiöse Processe), welche unter dem Ein-
flüsse einer constitutionellen die Ernährung herabsetzenden Anomalie
entstanden sind , und , obschon in der Regel fieberlos verlaufend , durch
ihre Anwesenheit die Ernährung in verschiedener Weise noch weiter
beeinträchtigen. Nun ist allerdings die croupöse Pneumonie keine
Krankheit, welche nur kräftige und gesunde , und die Meningitis keine,
welche nur geschwächte und decrepide Kinder befällt — tritt ja doch
gerade die epidemische Cerebrospinalmeningitis mit Vorliebe bei Ge-
Haadb. d. Kmdcrkrankheiten. III. 2. 44
690 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
snnrlen auf — ; indessen scliliesst sich doch gerade die verbreitetste
Form der Meningitis, die basilare , so häufig an einen Zustand schlech-
ter Ernährung der Kinder an, dass schon daraus mit bei Anwesenheit
von Symptomen , welche der sog. Hirupneumonie ähnlich sind , die Na-
tur der Krankheit erschlossen werden kann.
Aber auch die örtlichen Symptome bieten Verschiedenheiten , auf-
fallend genug , um die reinen Formen beider Krankheiten in der Regel
mit Leichtigkeit unterscheiden zu können. So beginnt die »Hirnpneu-
monie« gern mit allgemeinen Convulsionen , selbst bei grösseren Kin-
dern, während dieselben bei Meningitis erst später , gegen den letalen
Ausgang hin, einzutreten pflegen. Ferner sind Kopfschmerzen, Erbre-
chen und Sopor (vgl. Barthez und Rilliet 1. c. p. 582) in der Re-
gel bei Meningitis viel intensiver als bei dieser Form der Pneumonie.
In.sbesondere ist aber daran festzuhalten, dass deren weitere Symptome,
welche Meningitis vortäuschen könnten, fast nur psychische sind, wäh-
rend idiopathische Meningitis ausser diesen auch motorische , sensible
u. s. w. Erscheinungen hervorruft. Dabei sind die pneumonischen Hirn-
symptome grossentheils nur Folge der hochgesteigerten Eigenwärme
und schwinden daher oder vermindern sich wenigstens sofoi't mit einem
spontanen Sinken (Flamm , Diss. Tüb. 1865. p. 44) oder der künstli-
chen Herabsetzung derselben, einem Eingi-ifl', welcher also nicht nur in
therapeutischer Beziehung bedeutungsvoll sein kann.
Indessen gelie i''h gern zu , dass einzelne motorische u. s. w. Sym-
ptome auch bei Pneumonie vorkommen können. So gedenkt z. 13. Rogue
ungleicher Pupillen bei einseitigen Lungenaff'ektionen ; dessgleiclien finflen
sich mitunter Nackenstarre und sonstige beschränkte Mnskelsteifigkeiten
liei ihr vor, auch ohne dass eine Hirncomplication liesteht. Es ist also
nur eine Mehrzahl von verschiedenartigen Herdsyniptomen mit der An-
nahme einer einfachen Pneumonie unverträglich.
Schwieriger ist die Unterscheidung der reinen Meningitis und der
mit Meningitis complicirten Pneumonie , wenn diese Complication aus-
nahmsweise schon bald nach Beginn der Pneumonie auftritt und auch
die genaueste Untersuchung die örtlichen Zeichen der letzteren nicht
erkennen lässt. Erwägt man aber , dass in diesem Stadium der Krank-
heit das heftige Fieber und die diesem angemessene Pulsfretjuenz gegen
Meningitis sprechen, beide dagegen sehr wohl mit Pneimionie vereinbar
.sind , so wird man beim Auftreten irgendwelcher der Pneumonie Ter-
dächtiger Zeichen , insbesondere einer über febrile Herde hinaus gestei-
gerten Piespirationsfrequenz und öfteren Hustens, zunächst an diese
denken. Bleibt man ausserdem des Umstandes eingedenk, daiss Menin-
giti.s erst bei ausgebildeter Pneumonie oder wenigstens nicht gleich im
Anfange derselben hinzuzutreten pflegt, da.ss ihre örtlichen Zeichen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 691
(vgl. p. 663) in der Regel also erst einem ausgeprägten Symptomenbild
sich hinzumischen , so wird die Unterscheidung beider Krankheitszu-
stäude nicht mehr allzu bedeutenden Schwierigkeiten begegnen können.
Für die Diagnose der complicatorischen Cerebrospinalmeningitis
ist nach Maurer (1. c.) ganz besonders der Umstand in Betracht zu
ziehen , dass es vorzugsweise kleinste Kinder sind , die mit croupöser
Pneumonie behaftet an dieser Complikation erkranken. Auch bei ihnen
ist der eben erörterte Punkt , das späte Erscheinen der meningitischen
Symptome , von Wichtigkeit , und beansprucht unter den letzteren die
vermehrte Spannung und dadurch bewirkte Formveränderung der Fon-
tanelle eine grössere Bedeutung. Einigermassen kann auch Schmerz-
haftigkeit, welche durch Druck aut die Wirbelsäule des Pneumonischen
hervorgerufen wird und selbst bei massigem Coma sich bemerklich
macht , auf die Diagnose hinweisen. Gefördert wird dieselbe jedenfalls
durch die Aetiologie , wenn eine Epidemie von Cerebrospinalmeningitis
im Orte besteht oder wenigstens sporadische Erkrankungen vorgekom-
men sind.
Den in diagnostischer Hinsicht sehr interessanten Fall eines — fi'ei-
lich 16jährigeii — Knaben, de.ssen Section ausser doppelseitiger Spitzen-
pneumonie nur Oedem der Hirnhäute, Nichts im Rüekenmarkskaual er-
gab, und der nach sechstägiger Krankheit gestorben war, berichtet Li n-
gen (Pet. med. Ztschr. 1865. IX. p. 318). Vollkommene Steifigkeit des
Kückens und Nackens , unbewegliche im Knie gebeugte Beine , enorme
Hyperästhesie der stark schwitzenden kühlen Haut , lebhafteste Schmer-
zen beim Versuch des Lagevveehsels, heftiges Kopfweh und stärkste Be-
nommenheit, kleiner frequenter Puls, Maugel des Hustens Hessen trotz
frequenter Eespiration die Lungenentzündung völlig übersehen und die
Diagnose auf Cerebrospinalmeningitis epidemica stellen. Ich erwähne den
Fall seines für die Kinderpneumonie ausseroidentlichen Interesse halber.
Endlieh Ivommt noch, für die ersten Tage wenigstens, die Diagnose
einiger akuter Krankheiten, insbesondere der für die Pathologie
des Kindes so wichtigen akuten Exantheme, in Betracht. Scharlach und
Pocken, letztere natürlich fast nur bei Ungeimpften, mitunter auch Ma-
sern , beginnen nämlich in intensiven Fällen öfters in gleicher Weise
wie die croupöse Pneumonie mit heftigem Fieber und Erbrechen, und
dem entsprechend bei älteren Kindern unter Frost , bei jüngeren unter
Convulsionen ; gleichzeitig sind überall Hirnsymptome verschiedener
Art vorhanden. Die Diagnose ist besonders dann erschwert und die
Krankheit mit Pneumonie zu verwechseln, wenn die Eruption sich ver-
zögert und die charakteristischen Prodromalsymptome nicht in auffäl-
liger Weise hervortreten ; erleichtert ist sie , wenn eine Epidemie der
betreffenden Affektion besteht und die febril Erkrankten die fragliche
Disposition besitzen. Gesichert wird die Diagnose einestheils durch die
44*
(392 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
charakteristischeu Prodromalsymptome oder die Eruption, welclie beim
Scliarlacli am frühesten zu erwarten ist , andererseits durch die Zeichen
der pneumonischen Lokalerkrankung , sofern sie allein auftreten und
nicht etwa eine (sehr seltene) Complication des Prodromalstadiums der
betreffenden Exantheme anzeigen. Auch andere mit intensivem Fieber
und ohne vollkommen charakteristische Lokalsymptome beginnende
Störungen, wie Abdominaltyphus, schwere Magendarmaffektiouen, Herz-
entzündungen, selbst ephemeraartig verlaufende fieberhafte Afiektionen,
können so eine Zeit lang für Pneumonie imponiren. Umgekehrt täu-
schen mitunter Pneumonieen , welche unter Diarrhoeen beginnen, der
durch ihr heftiges Fieber hervorgerufenen Nervensymptome wegen, eine
kurze Zeit lang Ijis zum Nachweis der Localisation einen Typhus vor
(typhöse Pneumonie, Pneumotyphus). Ebenso kann initiales Erythem
Irrthümer veranlassen (Hillier).
Die Diagnose der verschiedenen Ausgänge der Pneumonie muss
sich an die Diagnose der ursprünglichen Krankheit anlehnen. Ob in
einem bestimmten Falle der Lungenabscess , Lungenbrand u. s. w. aus
croupöser Pneumonie hervorgegangen ist oder nicht, lässt sich nicht an
besonderen der betreffenden Form eigenthümlichen Symptomen erken-
nen. Auf die Diagnose der betreffenden Zustände selbst kann an diesem
Orte nicht eingegangen werden.
Bei secundäre r Pneumonie, welche zu fieberhaften Krankheiten
hinzutritt , kann die Diagnose nur durch die akustischen Zeichen , viel-
leicht auch durch die Sputa gemacht werden , während Fieber, Husten
und Dyspnoe meist nur die Bedeutung haben, dass sie zur genauen ört-
lichen Untersuchung auffordern. Bei vorherigem fieberlosem Verlaui
sind die Allgemeinsymptome diagnostisch wichtiger , ähnlich wie bei
primärer Pneumonie. Unter allen Umständen ist es nothwendig, des
p. 077 aufgeführten Satzes eingedenk zu bleiben , dass pathognomoni-
sche Sputa nicht existiren , eine Wahrheit , im Anschluss an welche ich
hier nur hervorheben möchte , dass es auch untrügliche akustisclie
Zeichen für croupöse Pneumonie nicht giebt. Ich sage dies mit beson-
derer Beziehung auf das Knistern , dem öfters eine solche Bedeutung
zugeschrieben wurde. Es scheint nachgewiesen , dass , abgesehen von
feinsten bei Kindern oft sehr ähnlich klingenden Rasselgeräuschen, ein
derartiges Geräusch auch durch subpleurales Emphysem in Folge von
Lungenruptur (0 z an a m 1. c. p. 51) erzeugt werden kann.
Schwieriger noch als die Diagnose der Pneumonie überhaupt ist in
solchen Fällen, zumal wenn Bronchialkatarrh vorhanden , die Diagnose
des croupösen Charakters der secundären Pneumonie. Im Allgemeinen
gelten die oben (p. 680) angegebenen Regeln, im Speciellen müssen die
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 693
anatomischen Erfahrungen über das Vorkommen oder Nichtvorkommen
der croupösen Pneumonie neben den betreffenden Krankheiten gebüh-
rend berücksichtigt werden. Ich erinnere in dieser Beziehung insbeson-
dere an Masern und Keuchhusten, deren complicatorische Pneumonieen
in der Regel (cf. Taube 1. c.) anderer als croupöser Natur sind.
Wenn die croupöse Pneumonie eine Infektionskrankheit ist , so
wird es höchst wahrscheinlich auch zu ihr gehörige Fälle geben, welche
mit einem charakteristischen Fieber , jedoch ohne j e d w e d e E x s u-
dation in die Alveolen verlaufen , analog den sicher constatirten Fäl-
len akuter Exantheme ohne Exanthem. Baas (1. c. p. 313) neigt sich
der Annahme zu, dass solche Pneumonieen vorkommen. Ihre Diagnose
würde selbstverständlich nur auf ätiologischem Wege möglich sein,
da lokale Krankheitszeichen , wenn solche nachgewiesen werden könn-
ten (partielles Knistern oder sonstige akustische Anomalieen , blutige
Sputa), nicht auf diese Form, sondern auf eine höchst partielle (B a a s 1. c),
vielleicht centrale, oder auf eine Abortivpneumonie (p. 614) hinweisen
würden. So lange daher die infektiöse Natur der Pneumonie noch nicht
erwiesen ist, wird auch die Deutung derartiger neben charakteristischen
Fällen vorkommender Fälle — scheinbar essentieller Fieber — zu wün-
schen übrig lassen.
Wäre die Existenz einer solchen Pneumonieform erwiesen, so wür-
den auf gleiche Weise auch manche uumotivirte Fieberanfälle in der
Reconvalescenzperiode der croupösen Pneumonie erklärt werden kön-
nen ; sie wären dann vielleicht manchmal als Recidive ohne Localisation
aufzufassen.
Besonders schwierig ist die Erkennung der croupösen Pneumonie
der N e u g e b o r e n e n u n d S ä u g 1 i n g e. Im Allgemeinen muss auch
hier daran festgehalten werden , dass eine primäre akute mit beträcht-
lichem Fieber verlaufende und bei Mangel wesentlicher katarrhalischer
Erscheinungen lobäre Lungenaffektion wahrscheinlich croupöser Natur
ist; denn dass solche Fälle vorkommen , ist unzweifelhaft. Kommt der
Fall zur Sektion, so entscheidet die Anschwellung, die feinstgranulirte
Schnittfläche und die fibrinöse Pleuritis , vor Allem aber die mikrosko-
pische Untersuchung.
Es sei gestattet, hier anhangsweise in möglichster Kürze derjenigen
Affektionen zu gedenken , mit welchen die croupöse Pneumonie ^ eines
sehr jungen Kindes vei-wechselt werden könnte, beziehentlich, wie ich
auf Grund meiner literarischen Forschungen annehmen muss, sehr häufig
verwechselt worden ist, und dabei besonders die anatomischen Unter-
schiede hervorzuheben. Solche AiFektionen sind :
1. Die angeborene Atelektase. Bleiben Lungenabschnitte Wo-
chen- und monatelang im Fötalzustande, so verlieren sie ihre gleich-
ßg^ Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
massig livaunrothe und erlangen allmählich eine schmutzige schliesslicli
hell violette Farbe; ohne brüchig oder zerreisslich zu sein, werden sie
bald so trocken und blutarm, dass ihre glatte nicht granulirte Schnitt-
fläche nur aut Druck eine geringe blutig-seröse Flüssigkeit ergiebt; auch
gelingt das Aufblasen der festen zähen unelastischen und durch ihr Ein-
gesunkensein gegen die Umgebung scharf ausgezeichneten Stellen mit
der Zeit immer unvollständiger. Dabei sind die Alveolen wie beim Pö-
tus coUabu't und vollkommen leer. Solche luftleere Partieen collabu'ten
Lungengewebes finden sich besonders in den hinteren unteren Theilen
der Unterlappen in zerstreuter inselformiger Verbreitung; es kann sich
jedoch auch ein umfänglicherer Lungenabschnitt, ja selbst eine ganze
Luntre in diesem Zustande befinden. Durch Abwechseln luftleerer und
lufthaltiger Stellen bekommt die Lunge ein eigentbümliches maimorivtes
Aussehen. Die angeborene Atelektase kommt in Folge mangelnder Ener-
gie der Respirationsbewegungen bei schwächlichen frühgeborenen oder
während der Gelmrt durch Blutungen, Kopfverletzungen u. s. w. erheb-
lich geschädigten Kindern, sowie bei Aspiration fremdartiger Substanzen
wie Schleim, Meeonium u. a. in die Luftwege vor. Sie können zum Of-
fenbleiben der fötalen Wege und secundären Herzaffektionen Veranlas-
sung geben.
2. Die erworbene Atelektase und Katarrhalpneumonie.
Wird im Verblüff- einer intensiven Bronchitis das Lumen der kleinen
Bronchien mit Schleim v(■r^topft, so wird die hinter dem Schleimpfropf
abgesperrte Luft schliesslich resorliirt, sofern sie nicht etwa theilweise
durch übermässig heftige Exspirationen, wie gewaltsame Hustenstösse,
dunh das Hinderniss hindurch gedrängt wird. Ist die Resorption aber
vollendet und hat nicht mittlerweil' die Inspirationskraft durch die
•schwere Krankheit überhaupt wesentlich abgenommen, so muss bei der
inspiratorischen Ausdehnung der lufthaltigen Lungenpartieen in die funk-
ticmelljn wie nutritiven Capillaren der atelektatisch gewordenen Theile
Blut einströmen: Folge dieser Blutülierfüllung ist theils ein Durchtritt
von Blutzellen in die Alveolen, beziehentlich ein Extravasat in diesellien,
theUs eine entzündliche Durchtränkung des Lungengewebes. Als Endre-
sultat dieser Processe (congestive, hämorrhagische Atelektase) ergiebt
sich also schliesslich katarrhalische Pneumonie. Ihr Ausgangspunkt, ein
verstopfter Bronchus, bedingt für sie die loljuläre Fonn der Entzündung;
gab die Verstopfung zahlreicher zumal grösserer Bronchien Anlass zur
Entstehung vieler benachbarter lobulärer Herde, so kann hierdurch das
Aussehen einer scheinbar lobären Affektion hervorgerufen und so das
Vorhandensein einer croupösen Pneumonie vorgetäuscht werden (genera-
lisirte lobuläre und pseudololiäre Pneumonie) ; doch findet dies im Gan-
zen selten statt. Nur bei stärkeren Graden derselben ist die Pleura leicht
getrübt oder etwas Flüssigkeit in der Pleurahöhle vorhanden. Ein we-
sentlich entscheidendes Moment für die makroskopische Betrachtung liegt
in der entschieden nichtgranulirten Schnittfläche, in der Anwesenheit
reichlichen eitrigen Schleimes in den Bronchien , zumal denen der infil-
trirten Partie, sowie in atelektatiscben aufblasefahigen Gewebspartieen,
in der UmgeViung der letzteren .sowohl wie innerhalb der gesunden oder
wenigstens nur partiell ergriffenen Lungenabschnitte. Die katarrhahscbe
Thomas, Croupöse Pneimionie. Diagnose. 695
Pneumonie kann dieselben Farben und Consistenzvei-änderungen daiineten
wie die croupöse und gestattet ebensowenig wie diese die Aufldasung.
Pavlovsky macht darauf aufmerksam, dass bei ganz jungen Kin-
dern trotz ungenügender Nahrungszufuhr durch Anwesenheit der patho-
logischen Exsudate eine Gewichtszunahme herbeigeführt werden könne,
die mit Abheilung der Pneumonie wieder verschwinde.
Als eine besondere Art der katarrhalischen Pneumonie kann die
Fremdkürperpneumonie gelten. Wird sie durch feste nichtinfektiöse in
die Luftwege gelangte Substanzen hervorgerufen, so zeichnet sie sich vor
der gewöhnlichen difl'usen Form inslsesondere dadurch aus , dass sie auf
einen bestimmten Lungenalischnitt beschränkt ist, und, da in der Regel
das Leben auch im Falle dei- Nichtexpektoration des Fremdköipers lange
Zeit erhalten Ideibt , die bei kurzem Verlaufe meistens nicht erreichten
Endstadien des Processes liei ihr ausgezeichnet in die Erscheinung treten.
Anders ist es, wenn zersetzungsfähige Nahrungsstoffe oder in die T.uft-
wege hinabgeflossene jauchige Secrete einer kranken Mund- und Eachen-
höhle den Ausgangspunkt der Erkrankung bilden; es erscheinen dann
mehr oder weniger ausgedehnte diffuse und zur brandigen Zerstörung
neigende Infiltrate. Auf ähnliche Weise entsteht die Pneumonie in sol-
chen rasch tödtlichen Fällen Neugeborner, wie sie neuerdings Küstner
beschrieben hat. Auch in diesen fanden sich, nachdem bei der Geburt in
Zersetzung begriffenes Fruchtwasser aspirirt worden und das Kind rasch
erlegen war, neben serofibrinüser Pleuritis ausgedehnte Lungeninfiltra-
tionen, und zwar erschienen die Alveolen und kleinen Bronchien mit
einer feinkörnigen Masse angefüllt, welche neben den bei raschem Tcde
natürlich nur in geringer Menge voi'handenen Entzündungsprodukten
ganz enorme Mengen kugelförmiger Bakterien darbot. (Vgl. die Mitthei-
lungen von Martin und Förster in Würzb. med. Ztschr. 1860 I. p.
216). Den analogen Sectionsbefund einer akuten infektiösen Pleuropneu-
monie erhielt v. Hecker in einem binnen 48 Stunden tödtlichen Fall,
in welchem ein durch Kaiserschnitt ausserhalb der inficirten Anstalt ex-
traliirfes Kind in dieselbe verbracht worden war und hier vermuthlieh
mittelst der Athmungsluft die infektiösen Elemente aufgenommen hatte.
(IJeberhaupt erlagen daselbst unter 281 meist innerhalb der ersten 14
Tage nach der Geburt gestorbenen Kindern 19, gleich 7 pCt., der Pleuro-
pneumonie.)
3. Die Carnification. Dieselbe kann nur dann Anlass zur Ver-
wechslung mit croupöser Pneumonie geben , wenn man Krankheitsver-
lauf und Verhalten der Lungensubstanz bei der Section nicht gehörig
berücksichtigt. Durch Alles, was die Lunge in grösserer Ausdehnung
comprimirt, insbesondere ein reichliches pleuritisches Exsudat, verlieren
die Alveolen ihren Luftgehalt ; hierdurch gewinnt die Lunge ein schlaffes
fleischartiges Aussehen, wenn ihr ßlutgehalt der normale ist, während
bedeutendere Hyperämie zur Zeit der Compression ein dunkelblaurothes
milzähnliches Aussehen verleiht (Splenisation). Die collabirten Stellen
lassen sich, zum Unterschiede von hepati.sirten , künstlich aufblasen,
leichter oder schwerer, je nach der Dauer der Compression. Bei allzu-
lano-er Dauer derselben tritt jedoch irreparable Verödung ein: das Lun-
geno-ewebe ist dann dichter und von blassem oder graulichem pigmen-
696 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
tirtem Aussehen , schliesslich wird es aber ledevartig fest und verliert
seine Struetur vollkommen.
4. Die Int erl obulär pue umon ie. Sie ist nach R. Maier(pei's.
Mitth.) eine nicht seltene Affekiion jüngerer Kinder, von mir aber auf
dem Sectionstische nur einmal bei einem 4monatl. Madchen nach drei-
wöchentlicher pneumonischer Erkrankung, die durch mittelstarkes Fieber
und massige katarrhalische Symptome ausgezeichnet wnr , besonders in
den unteren Luppen, neben doppelseitiger intensiver serofibrinBsei' Pleu-
ritis und Pericarditis (vgl. Weber. Virch. Arch. VI. p. 101) gesehen
worden. College Mai er constatirte die Affektion der Erkrankung des
interlobulären Bmdegewebes ohne wesentliches Ergriffensein der Alveo-
len. Die ergriffenen Partieen waren geschwollen und zeigten eine roth-
braune ziemlich glatte und gleichmässige Schnittfläche.
5. Die embolische Pneumonie, beziehentlich der hämorrhagi-
sche Infarkt. Zwar fehlen bei Kindern diejenigen Ursachen, die hei Er-
wachsenen am häufigsten zu EmViolie der Lungenarterie Anlass geben,
theilweise fast vollständig, indessen sind dafür andere, wie ausgedehnte
Eiterungen, und zumal bei den kleinsten Kindern, theils die Gerirmiingen
im Ductus Bofalli (Rauchfuss, Virch. Arch. XVII. p. 376), theils die
verschiedenen Naiielaffektionen vorhanden, und die embolische Pneumonie
daher keine Seltenheit. Bei einigenuassen grösserem Umfang und be-
sonders tiei complicatorischem Plüssigkeitsei'guss in den Pleuraraum ist
während des Lebens eine Verwechslung mit croupöser Pneumonie ganz
wohl möglich, wenn man nur die vorhandenen lokalen Erscheinungen in
Rechnung zieht und das Fehlen des Auswurfs berücksichtigt; es sind
daher bei der Diagnose auch die Symptome der übrigen Organe und die
Zufälle, unter denen die Erscheinungen der Pneumonie hervortraten, so-
wie insbesondere die veranlassenden Momente zu beachten. Die Prognose
ist gewöhnlich ungünstig, zumal bei den reichlichen Complicationen, welche
bei ganz jungen nabelkranken Kindern einzutreten pflegen ; im Sections-
falle sichern die höchst ('harakteristischen Leichenerscheinungen die Dia-
gnose sofort.
6. Die Hypostase. Je weniger das schwache Herz und die
schwache Athmungsmuskulalur eines schwächlichen Neugeborenen, zu-
mal nach vorausgegangener schwerer anderweitiger Erkrankung, im
Stande ist, den Lungenkreislauf in genügender Weise in Gang zu er-
halten, um so leichter kommt es zur Blutübeifüllung der tiefstgelegenen
hinteren Abschnitte der Unterlappen und in Folge davon zu einer meist
gering ausgebildeten Entzündung derselben. Die Entzündung tritt um
so leichter ein , wenn gleichzeitig noch eine Capillärbronchitis dieser
Theile besieht und das zähe Bronchialsecret sich besonders in den be-
zeichneten Partieen anhäuft; es entsteht dann eine Verdichtung des Lun-
gengewebes, die liald mehr die Charaktere der KataiThalpneumonie oder
Atelektase, bald mehr nur die einer hypostatischen Blutübeifüllung der
Alveolarcapillaren mit einigem Austritt von klebrigem Serum und Zellen
in das Lumen der Alveolen besitzt. Wenn nun unter besonderen Ver-
hältnissen, z. B. bei anhaltender einseifiger Seitenlage, die gewöhnlich
doppelseifige Hypostase nur einen Lappen betrifft, so ist im Leben eine
Verwechslung mit partieller lobärer croupöser Pneumonie möglich — ab-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 697
gesehen davon, dass diese letztere auch doppelseitig vorkommen kann.
7. Eine besondere Art von Pleuropneumonie der Neugeborenen ist
von Buhl unter dem Namen der acuten purulenien Inter-
lobular p n e u m o n i e genauer beschrieben vsrorden. Kommt sie auch
unter anderen Veihältnissen im Kindesalter veie bei Erwachsenen vor,
so erscheint sie doch am häufigsten und charakteristischsten , und nach
zahlreichen Erfahrungen in einer Epidemie ziemlich regelmässig bei den
Kindern puerperal erkrankter Mütter, so dass sie gewiss nicht mit Un-
recht als Folge von „pyämischer" Infektion angesehen wird. Die Kin-
der werden zum kleinen Theil todt geboren, oder sterben im Falle der
Erkrankung (nach oder auch schon vor der Geburt) meistens bis zum
dritten, am häufigsten am zweiten Lebenstag. Als ihren Ausgangspunkt
betrachtet Buhl eine sulzig-seröse Infiltration des Bindegewebes am
Nabel, oie sich von hier aus längs der Gefässe zur Brustaorta und zum
mediastinalen Bindegewebe verbreitet und von diesem aus insbesondere
längs der Bronchialarterien zur Lungenwurzel und zwischen die Lobi
und Lobuli der Lungen hinein fortschreitet. Tritt der Tod im frühesten
Stadium ein , so kann die Section nur Hyperämie des Interlobulärge-
' webes ergeben; je später er erfolgt, um so ausgesprochener pflegen Ei-
' terung und Verjauchung desselben zu sein. Im ausgel)ildeten Zustande
■ sind die infiltrirten Partieen luftleer , von dunkelrother Ins schmutzig-
bräunlicher Farbe ; weiterhin werden sie allmählich brüchigei' und wei-
cher, bei eitrig-jauchiger Schmelzung selbst ausserordentlich weich ; von
der nichtgranulirten Schnittfläche quillt eine trübe liräunliche Flüssig-
keit, die ausser feinsten Molekülen auch Kürnerzellen und Reste zerstörter
1 Blut- und EiterzeUen, selten sogar feine Krystallnadelbüschel enthält,
i- Befallen sind hauptsächlich die unteren Lappen, und zwar pflegt die Af-
I fektion in der Gegend der Lungenwurzel am entwickeltsten zu sein und
sich von hier aus nach vorn und oben hin allmählich in luftärmeres
ödematöses Gewebe zu verlieren ; selten sind mehr isolirte und circum-
scripte Infiltrate vorhanden. Die Infiltration betrifft im Wesentlichen das
interlobuläre Gewebe und nicht die Alveolen, die durch das interalveo-
läre und subpleurale Exsudat mehr oder weniger comprimirt werden und
deren Epithelien in Folge dessen degeneriren; auch können sie etwas
hyperämiscb und mit serös-blutigem Transsudate erfüllt sein. Der Pleu-
raüberzug ist trüb, klebrig, gequollen, brüchig, leicht abziehbar, und
zeigt eine gitterförmige durch die gelb und grau infiltrii'ten Lobulärin-
terstitien bewirkte Zeichnung; an der Stelle von .Jaucheherden kann er
blasig emporgehoben sein. In beiden oder nur einer Pleurahöhle befin-
det sich ein trübes serös-blutiges mehr oder weniger übelriechendes Ex-
sudat, meist nur in geringer Menge und daher ohne deutliche Erschei-
nungen von Compression des Lungengewebes. Die Schleimhaut der Luft-
wege ist gewöhnlirh durch blutige difl'use Imbibition missfarbig, mit
blutigem und eitrig-jauchigem Schleim lielegt. Nach solchen Untersuch-
ungsergebnissen besteht also in dieser Erkrankungsform der Neugebo-
renen keinenfalls croupöse Pneumonie, wie in früherer Zeit vielfach an-
genommen worden ist , sondern , insofern die Exsudate dem Zuge der
interlobulär und subpleural sich ausbreitenden Lym])hgefässe tolgen, eine
lymphangioitische Interlobulärpneumonie. Ausserdem kommen mitunter
698 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
auch diffuse oder nach Alt keilförmiger hämorrhagischer Infarkte circum-
Scripte Blutaustritte ins Lungengewebe vor. Aber auch die übrigen Or-
gane zeigen in der Regel Anomalieen. Insbesondere häufig sind wie-
darum Blutaustritte und zwar an den allerverschiedensten Stellen; so
den serösen Häuten , wie den Pleuren , dem Herzlieutel , den weichen
Hirnhäuten , auch den Plexus chorioidei der Hirnventrikel ; ferner auf
der Verdauungs- und anderen Schleimliäuten mit und ohne Geschwürs-
bildung; im Bindegewebe, zumal dem des Mediastinum, in der Nieren-
kapsel, im Bndocardium mit blutiger Imbibition der Ivlappensub.stanz.
Endlich bestehen auch häufig degenerative Processe in den Geweben der
verschiedensten inneren Organe, des Hirns, des Herzens, der Leber, Mit
Nieren u. s. w. , und kann in deren Folge selbst Erweichung derselben
eintreten. — Der kurze Krankheitsverlauf zeichnet sich durch intensive
Cyanose, frequente Respiration, rasche Gewichtsabnahme und überhauiit
rapiden Verfall aus ; der Tod ist ofl'enbar theils Folge der Respirations-
störung, theils der Infektion.
Die Buhl'sche Affektion der Neugeborenen liegt offenbar auch den
Beschreibungen zu Grunde, welclie Hüter, Schidler, Köstlin, We-
ber, Zehetmayer und Andere, zum Theil unter dem Namen der
braunen Erweichung, gegeVjen haben. Nur in Kleinigkeiten weichen die
Krankheitsbilder dieser Autoren ab , was sich theilweise durch den ver-
schiedenen Charakter der Epidemieen, theilweise auch durch Einraengung
einzelner nicht hierher g(;höriger (z. B. genesener) Fälle erklären ma^'.
Von Allen wird auf den bedeutenden Livor und die grosse Schwäche
aufmerksam gemacht, die die Neugeborenen sofort zeigen, so dass sie
anfangs öfter scheintodt waren ; die gewöhnlichen Zeichen der Pneumo-
nie fehlten entweder ganz oder waren nur schwach entwickelt, insbeson-
dere war das Fieber, wenn überhaupt vorhanden, gering. Einzelne Mütter
von nach der Geburt erkrankten Kindern waren ülirigens und l)lieben ge-
sund; vermut blich hatten sich die Kinder mit dem in den Gebärloliali-
täten reichlich vorhandenen Gift einei besonders grossen Disposition wegen
sofort inficirt, wäLrend die mangelnde Disposition der Wöchnerin diese
vor Krankheit geschützt hatte. (Sefter zeigen die Herde in den Lungen
eine versehiedengradige Entwicklung zwischen Anschoppung und Ver-
jauchung; Schidler und Zehetmayer bemerken ein besonderes Er-
grift'ensein der linken Lunge, Hüter Blutungen in Gallenblase und
Bauchhöhle, in Wirljelkanal . Uterus und Panimetrium, sowie Erweicli-
ung des Gehirns und der Nebennieren, Köstlin dasselbe sowie Ent-
zündungen in der Tunica vaginalis des Hodens , der Thymus und Thy-
reoidea, dem Herzfleisch, endlich Blutungen in die Blasenschleimhaut umi
Magengeschwüre.
8. Das Lunge nsyphilom. Mit diesem scheint eine Vervvechslunj.'
kaum denkbar und ist doch in früherer Zeit öfter vorgekommen. Wegen
grosser Verbreitung der Aflektion in den Lungen gehen die Küider mei-
stens schon bei der Geburt oder bald nachher zu Grunde; indessen kom-
men nicht selten auch Fälle vor, wo die im Anfang massige Infiltration
erst später zum Tode führt Natüi-licherweise wird man stets, wenn ein
hereditär syphilitisches Kind Lungensymptome darbietet, zunächst an
Syphilom denken, und eine andere Diagnose, wie die der croupö.sen Pneu-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Diagnose. 699
monie, erst dann stellen, wenn charakteristische Zeichen für dieselbe
vorhanden sind. Die anatomischen Eigciithümlichkoiten des Syphilom sind
von E. Wagner (Arch. d. Heilk. IV. p. 356) und Birch-Hirschf eld
trefflich geschildert worden und brauchen hier nicht näher erörtert zu
werden; bemerken möchte ich nur, dass sich schon bei äusserlicher Be-
trachtung der Lunge der Unterschied desselben von der oroupösen Pneu-
monie dadurch ergiebt, dass die Pleura nicht nach Art der letzteren ent-
zündet ist, sowie dass die Verbreitung der Neubildung auf Ober- wie
Schnittfläche niemals lobuläre ]3egrenzung erkennen lässt; auch verleiht
dieselbe der Lunge ein festes und compaktes Gefüge, nicht das schlaffe
und pappige der Atelektase.
Eine besondere Form syphilitischer Lungenerkrankung bei Neuge-
borenen scheint die Epithelialinduration Forst er 's zu sein. F. stellt
dieselbe mit dem „Lungenepitheliom" von Lorain und Eobin zusam-
men , deren in späterer Zeit allerdings ebensowenig wie der seinigen
mehr gedacht wird, und welches W a g n e r für syphilitisch erklärt (Arch.
d. Heilk. IV. p. 360). Förster (Würzb. med. Ztschr. IV. p. 5) sab
bei zwei syphilitischen Neugeborenen, die wenige Tage nach der Geljuit
starben, Lungen, welche im Wesentlichen das Aussehen der lobulären
Bronchopneumonie hatten, zumal Bronchitis bestand: neben lufthaltigen
Partieen lagen blaurothe harte mit glatter saftloser Schnittfläche. Die
Alveolen waren mit kleinzelligem Plattenepithel von regelmässiger An-
ordnung , das sich auch in die kleinen Bronchien hinein fortsetzte , voll-
ständig angefüllt ; an einzelnen Stellen zeigten die Epithelien beginnende
Fettdegeneration, so dass es nicht zweifelliaft scheint, dass bei längerem
Leben Verkäsung habe eintreten können.
Es ist selbstverständlich , dass syphilitische Kinder , welche nicht
gleich nach der Geburt sterben, schliesslich bei der Section auch anders-
artige als syphilitische Lungenerkrankungen darbieten können.
Ich glaube, dass al)gesehen von ganz seltenen Fällen angeborner
Geschwülste sich alle bei Neugeborenen zu beobachtenden Lungenafi'ek-
tionen unter die angeführten Rubriken einfügen lassen ; nur muss man
gehörig beachten, dass zu allen AfiFektionen Oedem hinzutreten und das
anatomische Bild einigermassen verändern kann : es ist hier übrigens
viel seltener als bei Erwachsenen und kann sich in dem weichen und
zarten Gewebe in eigenthümlicher Form darstellen (K ö s 1 1 i n 1. c. XIII.
p. 203).
Ungewöhnliches Aussehen der kranken Lungen kann auch durch die
Entwicklung von Soorpilzen hervorgerufen werden, die nach Birch-
Hirschfeld öfter in den Bronchialenden und Alveolen pneumonischer
Kinderlungen vorkommen und möglicherweise in ursächlichem Zusam-
menhang mit der Entstehung der Pneumonie hie und da stehen mögen ;
die durch sie bedingten Knötchen erinnern in ihrem äusseren Aussehen
an disseminirte Tuberkel.
Selbstverständlich wird man nicht erwarten dürfen , dass die zwei-
fellose Bestimmung aller ungenau beschriebenen Fälle möglich sein
wei'de, da zu derselben eine eingehende mikroskopische Untersuchung
durchaus verlangt werden muss. Bei älteren Beobachtungen ist aber
700 Ki-ankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
scliou die makroskopische Beschreibung oft äusserst mangelhaft. .Jeden-
falls lässt sich nur so viel mit Recht behaupten , dass die aus früherer
Zeit in die neuere Literatur übergegangene Annahme ein er ziem-
liehen Häufigkeit der croupösen Pneumonie bei jung,
sten Kindern und sogar bei T odt gebor euen j ed er fak-
tisch e n Grundlage entbehrt. Ich Ijefinde mich hinsichtlicl
dieses Satzes in l^emerkenswerther Uebereinstimmung mit meinem leider
zu früh gestorbenen Freunde 0. Bayer, dem Assistenten E. Wag-
ner's, welcher (Arch. d. Heilk. 1868. IX. p. 89) bekennt, dass ilm
weder aus eigenen Erfahrungen noch aus der Literatur ein Fall einer
festgestellten (d.h. anatomisch) zweifellos croupösen Pneumonie der er-
sten Lebensjahre bekannt geworden sei. Auch Vogel (Lehrb. 7. Aufl.
p. 245) findet die lobäre croupöse Pneumonie im Säuglingsalter »merk-
würdig selten« , desgleichen T r o us s e a u.
Eine sichere Deutung solcher Fälle, wie z. B. des Ryan'snhen, in
dem bei einem im Alter von fünf Wochen gestorljenen Kinde kleine
Körnchen oder Zellen die Alveolen erfüllten und die zurückgelagerien
unelastischen festen Lungen, auf deren Schnittfläche das gewöhnliche blu-
tige Serum fehlte , total und in Stücke geschnitten unter.sanken, sclieiBt
mir nicht gegeben werden zu können. Vielleicht handelte es sich hier
wie in ähnlich be.schriebenen Fällen Hermann's, Greenfield's,
Schröder van der Kolk's u. A. um Syphilom.
Eine eigenthüinliche Pneumonie beobachtete Hervieux bei einem
am 7. Tage an eitriger Pleuritis gestorbenen Neugeborenen. Es zeigten
nämlich nur die oberflächlichen unmittelbar unter der Pleura gelegenen
Schichten die Charaktere der croupösen Pneumonie, während die tieferen
atelektatisch waren; die Entzündung (er nennt sie Pn. hypopleuritique)
schien sich also von der Pnlmonalpleura aus auf die Lunge fortgepflanzt
zu haben. Im Leben liestand hauptsächlich hochgradige Cyanose. Ganz,
dassellje scheint Skoda beobachtet zu haben, wenn er, ohne Eücksicht
auf Kinder, laut Referat (Med. Jahrb. 1867. XITL p. 50 d. Fachb.) sagt:
„Bei Pleuritis der Pulmonalpleura ist Schwellung und reichliche Secre-
tion der benachbarten Bronchialschleimhaut nicht selten , wodurch die
Auscultationserscheinungen und Sputa dieselben sind wie bei Pneumonie.
Uas Secret um ein entstehendes Infiltrat ist sehr häufig gleich im Be-
ginne ein entzündliches Blutzellen führendes . . ."
Prognose.
Bei der Beurtheilung der Prognose der croupösen Pneumonie ist
das wichtigste Moment der vorherige Gesundheitszustand des Kranken,
in zweiter Linie kommt die Therapie in Frage. Von dieser handele ich
im folgenden Abschnitt.
Die einfache croupöse Pneumonie eines bis zu dieser Erkrankung
gesunden und kräftigen Kindes führt nur ausnahmsweise zum Tode, ja
Thomas, Croupöse Pneumonie. Prognoi3e. 701
lelbst eine gewisse Schwächlichkeit , wie sie unter der armen Bevölke-
rung so häufig gefunden wird , verschlechtert die Prognose nicht we-
isntlich. Unter vielen Hunderten von Fällen croupöser Pneumonie,
Nehhe ich in dreizehnjähriger umfassender poliklinischer und Privat-
jraxis behandelt habe , ist mir bei primärem Auftreten der Krankheit
caum ein einziger Todesfall vorgekommen *).
Gleiche oder ähnliche Erfahrungen haben verschiedene andere Au-
toren gemacht; bei den wenigen Todesfallen, welche sie beobachteten,
bemerken sie theilweise ausdi'ücklic.h, dass sie durch C(jmjjiieationen her-
vorgerufen worden waren. So sahen laut Grisoile (2. Aufl. p. 516)
ßufz und Gerhard auf 40 Kinder zwischen 6 und 12 J. einen Tod-
ten; Barthez auf 212 zwischen 2 und 15 J. zwei; Ziemssen auf
201 bis zum 16. J. sieben; Jürgensen auf 171 der ersten 10 Jahre
vier; Trousseau sagt, dass er niemals ein Kind an echter lobiirer
Pneumonie verloren habe (Med. Klinik. Deutsche Ausg. IL p. 410);
S ahmen hatte unter circa 60 Kindern drei Todte; Bleuler unter 31
Kranken von 1 — 20 Jahren einen ; in der Heidelberger Poliklinik star-
ben von 28 Kindern bis 15 Jahren nach v. Dusch keins, von 102 Kin-
dern bis zu 10 Jahren nach Jurasz (1. c. p. 215) fünf; Puckel's
34 bis 10jährige und 9 bis 20jährige Kranke genasen sämmtlich ; W.
Thomas in Ohrdrufl' (Virch.-Hirsch's Jber. 1871 I. p. 260) hatte auf
310 Kranke bis zu 20 Jahren vier, Rietz bei 35 Kranken zwei Todte.
Aehnliche Re.sultate geben viele Andere an, deren Zahlen indessen zu
klein sind , als dass nicht Zufälligkeiten bei ihnen im Spiele gewesen
sein könnten. Die Thatsaohe selbst wird von den verschiedensten Kinder-
ärzten anerkannt und dürfte daher genügend feststehen, um den Wider-
spruch einiger Autoren ertragen zu können. Nach Barthez (J. f Kkh.
39 p. 94) soll zuerst Legendre anf die gute Prognose der primären
croupösen Kinderpneumonie aufmerksam gemacht haben.
Auf Grund solcher Erfahrungen dürfte daher der Ausspruch ge-
rechtfertigt sein, dass die primäre croupöse Pneumonie unter den
schweren Erkrankungen des Kindesalters diejenige ist,
welche die günstigste Prognose gestattet. Waren die Erschei-
aungen auch noch so dringend , bei einem vorher gesunden Kinde tritt
mit fast absoluter Sicherheit Genesung ein , wenn die Krankheit ein-
fach verläuft. Ganz entgegengesetzt verhalten sich bekanntlich die
Pneumonieen des vorgerückten Lebensalters.
Bei Durchsicht der Literatur in Betreff dieses Punktes ergeben sich
ausserordentlich widersprechende Angaben. Der Grund hiervon ist der,
dass früher alle möglichen akuten Pneumonieformen confundirt und höch-
*) Nur in der Dissertation meines ehemaligen Assistenten Dr. Krause
finde ich p. 5 eines gestorbenen .5jährigen Knaben mit primärer croupöser
Pneumonie gedacht; ich kann zur Zeit nicht sagen, um welchen Fall es sich
handelte und wie die näheren Verhältnisse desselben waren. Uebngens ist es
gewiss nur Zufall, dass ich jedenfalls eine Reihe von Jahren hindurch keinen
Todesfall bei croupöser und entschieden primärer Kinderpneumonie hatte.
702 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
stens die ganz entschieden secundären Pneumonieen abgetrennt wurden.
Bedenkt man aber die sehr beträchtliche Moi'talität der Bronrhopneu-
monie zumal bei jüngeren Kindern, sowie den Umstand, dass Simglinoe
mit ihren verschiedenartigen Entzündungsformen in sehr wechselndem
Procentsatz bei den einzelnen Statistiken betheiligt sind und eine solcle
wegen der bei ihnen besonders häufigen Todesfälle ganz erheblich vev-
schlechtem können, so werden die älteren ausserordentlich differenten
Angaben erklärlich. Jetzt, wo man immer mehr und mehr sich berntttt,
nur die reine primäre Form in die bezügliche Statistik aufzunehmen und
insbesondere die Bronchopneumonie aus dem Collectivbegriff „primäre
Pneumonie" ausscheidet, ergeben sich daher sehr viel günstigere Morta-
litätszififeru für die unter dieser Rubrik aufgeführten Fälle, welcbe
durchaus oder wenigstens grösstentheils der eroupösen Pneumonie ange-
hören.
Die im Allgemeinen günstige Prognose kann durch einzelne Ver-
hältnisse etwas modificirt werden.
In der Regel nimmt man an , dass das Lebensalter einen bedeuten-
den Einfluss auf die Prognose .besitze und insbesondere diejüngeren Kin-
der sehr erheblich gefährdet seien. So hält z. B. noch 1874 Lebert
(1. c. p. 721) die lobäre Pneumonie im kindlichen Alter für um so ge-
fährlicher, je jünger das Kind ist ; die seltenen Fälle im ersten Lebens-
jahre nähmen oft einen tödtlichen Ausgang und auch im zweiten sei die
Prognose noch sehr bedenklich, bessere sich aber von Jahr zu Jahr, bis
endlich vom fünften Jahre an der Verlauf meistentheils ein günstiger
sei. Steiner und Neureu tter (Pr. Vjschr. 82. p. 42) sagen, dass
die Prognose der Säuglingspneumonie , »in welcher Form sie auch auf-
treten möge«, immer mindestens zweifelhaft zu stellen sei. Und solcher
Aussprüche könnte ich noch viele anführen. Ich will nicht im Minde-
sten läugnen , dass eine schwere Erkrankung wie die Pneumonie bei
jüngeren Kindern auf weit weniger Widerstandsfähigkeit trifft als bei
älteren und daher bei ihnen eine weit ernstere Bedeutung besitzt. In-
dessen möchte ich auf meine und vieler Anderer Erfahrungen aufmerk-
sam machen. Wie sich aus meinen obigen Worten ergiebt, habe ich
einen derartigen ungünstigen Einfluss nicht nachweisen können : es ge-
nasen bei mir nicht nur die zahlreichen Kinder aus den ersten Lebens-
jahren ausserhalb der Säuglingsperiode, sondern auch alle pneumoni-
schen Säuglinge ; der letzteren Zahl ist allerdings nur gering.
Auch der Einfluss des Sitzes und der Ausdehnung der Pneumonie
auf ihre Gefährlichkeit tritt im kindlichen Lebensalter zurück. Ist auch
nicht zu läugnen , dass Pneumonieen der Oberlappen und sehr
dehnte Affektionen , erstere wegen ihrer längeren Dauer und gi
Neigung zu Complicationen, letztere aus gleicher Ursache und wegen
der bedeutenderen Gefahr der Kohlensäureintoxication, einen schwe-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Prognose. 703
•eren die Kräfte viel mehr consumirendeii Verlauf und desshalb eine
,veit ernstere Prognose besitzen als Pneumonieen eines Unterlappens und
ibortivpneumonieen, so nehmen doch auch solche schwere Fälle in der
Regel noch einen günstigen Ausgang , wenn nur das Kind Torher ge-
;und und kräftig war und die Behandlung rationell ist. Unter diesen
Bedingungen macht es nichts Besonderes mehr aus, ob die Affektion
las Oberlappens diesen ganz oder nur zum Theil oder noch ein Stück
les Unterlappens hinzu befallen hat, ob Hirnsymptome vorhanden sind
)der fehlen, ob Husten und Seitenschmerzeu mehr oder weniger belästi-
gen. Ich differire auch in dieser Beziehung mit Lebert, der Oberlap-
jen- und doppelseitige Pneumonieen bei Kindern für noch gefährlicher
ils im mittleren Lebensalter erklärt (1. c. p. 726), desgleichen mit Bar-
;hez, dessen zwei einzige Todesfälle unter 212 Krauken sich unter der
iahl der 13 doppelseitigen Pneumonieen ereigneten, während Ziems-
äen und Gerhardt eine besondere Gefährlichkeit derselben nicht an-
srkennen.
Dagegen ist ein etwaiger Einfluss des Geschlechtes der Kranken
sowie der Jahreszeit auf die Prognose der Pneumonie der Kinder nicht
festzustellen, oder doch ein so minimaler, dass er vernachlässigt werden
kann (Steffen u. A.; W.Thomas hatte auf 127 bis zehnjährige
Knaben einen, auf 91 Mädchen drei Todte ; Winterfälle sind im Allge-
meinen die schlimmeren). Ueber epidemisch verbreitete Pneumonieen,
deren Prognose ungünstiger sein soll, habe ich keine Erfahrungen ;
nach Lebert kann sie unter den gesunden und kräftigen Bewohnern
der Alpen »selbst im jungen und mittleren Alter« ein Drittel der Be-
fallenen und mehr hinwegraffen. Dagegen hatte Merz (1. c.) in seiner
Winterepidemie unter 9 Kindern zwischen 1 und 5 Jahren nur einen
Todesfall, unter älteren keinen; ebensowenig Schroter (1. c.) , der in
einer Frühlingsepidemie 40 6 — 12jährige Kinder behandelte.
Nicht unwichtig sind die äusseren Verhältnisse der Kranken, theils
desshalb, weil, je besser sie sind, um so leichter eine rationelle Therapie
ermöglicht wird, theils wegen ihres Einflusses auf Ernährung und Kräf-
tigkeit beim Eintritt in die Pneumonie. Es pflegen indessen nur ent-
schieden missliche Umstände, wie Mangel jeder Pflege, schlechteste
Constitution des Erkrankten, exquisit rhachitischer sehr enger und ver-
unstalteter Thorax u. s. w. Todesfälle direkt herbeizuführen.
Weit wichtiger als Sitz und Ausdehnung der Pneumonie ist für
ihre Prognose die Höhe des Fiebers , die Beschaffenheit der Herzfunk-
tion , und das Vorhandensein oder Fehlen wichtiger Complicationen.
Je höher die Eigenwärme ist und je anhaltender die hohe Tempe-
ratur besteht , um so zweifelhafter jnuss auch beim kräftigen Kind die
704 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Proo^nose gestellt werden. Nicht desshalb, weil der kindlicte Organis-
mus bei Pneumonie nicM auch einmal ein beträchtliches Fieber auszu-
halten vermöchte , wenn seine Dauer nicht übermässig laug ist — fe
Beweis für seine Leistuugstähigkeit ist ja durch unzählige Beispiele ge-
liefert — , sondern desshalb , weil ein allzu schwerer hochfebriler Vcn
lauf auch reich an Verwicklungen aller Art zu sein pflegt und ein ein-
mal complicirter Fall oft genug auch grosse Neigung zu weiteren Com-
plicatiouen zeigt. Jede anhaltend hochgesteigerte Temperatur ist daher
ein verdächtiges Symptom ; sie muss für um so gefahrlicher gelten , je
länger sie dauert. Hält sie in schweren Fällen über die geM'öhnliche
Zeit der Krise an und steigt vielleicht sogar ihr Tagesmittel , so wird
die Prognose mit jedem folgenden Fiebertage in rascher Progression be-
denklicher , und schon vor , noch mehr jenseit der Mitte der zweiten
Woche kann sie unter solchen Umständen entschieden ungünstig sein,
Dagegen kann man Hofl^nung haben , wenn , obschon recht spät , die
Temperatur sich etwas ermässigt und morgenliche Remissionen eintre-
ten , da hierdurch bewiesen wird , dass der frühere hochfebrile Typus
eine Veränderung zum Bessern erlitten hat. Man verzweifele daher auch
nicht , wenn bei sonst nicht ungünstigeren Verhältnissen in dieser
Krankheitsperiode auch einmal eine beträchtlichere Temperatursteige-
rung eintritt, sondern erinnere sich, dass eine solche die Bedeutung
einer Perturbatio critica besitzen kanu.
Sehr viel günstiger sind die Aussichten aber sofort, wenn mit oder
ohne eine solche intercurrente Steigerung die Temperatur anhaltend
und gleichmässig zu sinken beginnt , weil damit die Hoffnung des un-
mittelbaren Bevorstehens der Krise erweckt wird, der Krise, welche
aufs Rascheste den denkbar günstigsten Umschwung im ganzen Krank-
heitsverlauf hervorbringt. »In solchen Stunden«, sagt Ziemssen
treffend , »lernt man den Werth des Thermometers erkennen als eines
Hilfsmittels , welches uns inmitten oft recht lebhafter innei'er und äus-
serer Stürme so unfehlbar sicher zu einer untrüglichen Prognose ge-
leitet.« Mitunter ist die Temperaturerniedrigung das einzige Zeichen
der eingetretenen Besserung und dann natürlich von um so höherem
Werth , andermal gehen ihrem Beginn andere Zeichen der Besserung
voraus, wie eine massige Verminderung der Pulsfrequenz, ein Ausbruch
von Schweiss auf der vorher glühend heissen constant trockenen Haut,
eine wesentliche Verminderung der höchst lästigen suljjektiven Sym-
ptome und Abnahme der objektiven Krankheitserscheinungen. Uebri-
gens bedenke man, dass sich in schweren Fällen die Krise nicht äusserst
rapid in einem einzigen Niedergang zu vollenden braucht, sondern dass
geringfügige intercurrente Steigerungen während derselben und ein
Thomas, Croupöse Pneumonie. Prognose. 705
protrahirter Verlauf etwas ganz Gewöhnliches sind. Ist aber die Eigen-
wärme in spontaner Entwicklung der Krise, also ohne antipyretischen
Eingriff, einmal auf der Norm oder noch besser etwas darunter ange-
langt, und verharrte sie auf solcher länger als die Dauer einer pseudo-
kritischeu Fieberintermission beträgt, so ist die günstige Prognose trotz
aller vielleicht scheinbar entgegenstehender Momente von Seiten an-
derer Organe als gesichert zu betrachten. Nur in den allerseltensten
Fällen wird berichtet, dass die Rückbildung des Exsudats Störungen er-
litt, trotzdem die Eigenwärme nach der Krise in einem uncomplicirten
Falle einige Tage lang auf normalem Stande verharrt hatte.
Die Krise ist bei ünterlappenpneumonieen in der zweiten Hälfte
der ersten Woche, bei Affektionen des Oberlappens am Schlüsse der er-
sten oder Beginn der zweiten Woche zu erwarten , bei naehrlappigen
Pneumonieen kann sie sich noch um einige weitere Tage verzögern. Es
giebt keine »kritischen« Tage, d.h. die kritischen wie die sonstigen
Fiebernachlässe fallen nicht auf bestimmte Krankheitstage.
Zweitens ist von besonderer Wichtigkeit die Integrität der Aktion
des Herzens. Seine Leistungsfähigkeit wird in der Pneumonie in hohem
Grade beansprucht. Durchaus richtig sagt L e y d e n (Beitr. z. Path. d.
Jet. Berl. 186G. p. 137): »Die Widerstände, welche die Lungeninfil-
tration dem rechten , das Fieber dem linken Herzen entgegensetzt , er-
fordern eine erhöhte Leistung dieses Organs , und es ist bekannt , dass
der Tod in der Pneumonie in der Regel unter den Erscheinungen der
Paralysis cordis und des Lungenödems erfolgt.« Die Wichtigkeit dieses
Punktes ist neuerdings ganz besonders durch Jürgensen betont wor-
den. Hiernach ist es aber erklärlich , dass sehr junge anämische und
schwächliche Kinder mit leichter erschöpf barer Herzkraft bei gleicher
Schwere der Pneumonie den bei dieser Krankheit einwirkenden schäd-
lichen Momenten leichter erliegen als kräftige. Schon aus diesem
Grunde sind auch bei Kindern alle secundären Pneumonieen , zumal
wenn sie sehr heruntergekommene, längere Zeit Fiebernde, Herzkranke
betreffen, ganz besonders gefährdet.
Endlich ist das Auftreten von Complicationen von entschiedenster
Bedeutung für den Ausgang der Pneumonie. Wenn auch nicht alle
Complicationen das Leben in dem Grade bedrohen wie Meningitis , so
weisen doch ganz entschieden intensive Bronchitis , Pleuritis , Darm-
katarrh u. s. w. auf eine bedeutende Gefahr für dasselbe hin , zumal bei
kleinen Kindern. Secundäre und complicirte Pneumonieen sind natür-
lich die gefährlichsten. Auch im günstigsten Falle verzögert die Com-
plication die Herstellung des Kranken, oft genug hindert sie die völlige
Haadb. d. Kinderkrankheiten. HI, 2. 45
706 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Heilung durch Hinterlassen mehr oder minder bedeutender Nach-
krankheiten.
Bei nichtcomplicirter primärer croupöser Pneumonie ist aber die
Prognose nicht nur quoad vitam sehr günstig , sondern auch quoad va-
letudinem completam. In den allermeisten Fällen verschwinden die
anatomischen Veränderungen vollständig und rasch, und es hinterbleibt
nur eine gewisse Disposition zu neuer gleichartiger Erkrankung; in-
dessen tritt auch diese nur Ijei wenigen Kindern stärker hervor und ver-
mindert sich in der Regel rasch mit dem zunehmenden Alter. Wenn
man hin und wieder die ausserordentliche Geneigtheit zu neuer Erkran-
kung betonen hört , so dürfte sich dies weniger auf croupöse als auf
Katarrhalpneumonie beziehen. Ebenso muss ich annehmen , dass diese
mit croupöser Pneumonie verwechselt werde , wenn ich die Bemerkung
lese , dass sich an die letztere chronische Krankheitszustände in den
Lungen sehr häufig anschlössen — ist ja doch die DifFerentialdiagnose
zwischen beiden Affektionen nicht immer leicht und einfach zu stellen
und mögen ja desshalb manche Fälle wesentlich einseitiger Broncho-
pneumonie, bei nur geringfügigen Herden der anderen Seite, irriger-
weise als croupöse angesehen worden sein. Nur in den seltenen Fällen,
in welchen sich direkt an einen Verlauf, der sich in Nichts vom Krank-
heitsverlauf der croupösen Pneumonie unterscheidet, bei unvollkomme-
ner oder gänzlich unterbleibender Resorption des gesetzten Exsudates,
ein chronischer Erkrankungsprocess in den Lungen anschliesst , ist die
Prognose ungünstig , indem unter derartigen Verhältnissen höchstens
ein Zustand relativer Genesung und auch dieser nur selten , meistens
früher oder später, spätestens binnen einiger Jahre, der Ausgang in den
Tod zu erwarten ist. In ähnlicher Weise ungünstig ist die Prognose ,
bei Ausgang in Lungenbrand, und tritt das Ende bei demselben sogar
weit rascher , meist in unmittelbarem Anschlüsse an das erste Stadium
der Krankheit ein. Günstiger sind die Aussichten bei Ausgang in Lun-
genabscess , insbesondere wenn sich nicht eine allzu ausgedehnte Höiile
bildet. Etwas Genaueres als das , dass das Leben bei diesem erhalten
und die frühere Gesundheit in nahezu vollkommener Weise wiederher-
gestellt werden kann , lässt sich bei dem spärlichen vorliegenden Beob-
achtungsmaterial nicht angeben.
Die Prognose der secundären Pneumonie ist nicht nur durch die
für die primäre Pneumonie erörterten Verhältnisse , sondern selbstver-
ständlich noch ganz besonders durch die Prognose der primären Kranlc-
heit bedingt. Ist diese günstig , so bedroht die hinzugetretene Pneu-
monie das Leben nicht nothwendigerweise; sind die durch die Primär-
affektion bedingten Veränderungen, zunächst wenigstens, ohne erheb-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Prognose. 707
liehen Einflnss auf Lebensdauer und Wohlbefinden , wie z. B. bei scro-
fulösen Drüsentumoren, auch solchen im Innern der Brusthöhle, so kann
die neue Affektion nur die Bedeutung einer vorübergehenden Compli-
cation besitzen und ihre Prognose sogar noch ziemlich ebenso günstig
wie die der primären Pneumonie sein. Letztere wird aber sofort ausser-
ordentlich verschlechtert, wenn die primäre Krankheit den Organismus
schon heruntergebracht hat , die Verdauungsfähigkeit höchst mangel-
haft und zu dem Allem noch heftiges Fieber beim Erscheinen der Pneu-
monie vorhanden ist ; in einem solchen Falle wird die Pneumonie öfters
Tenninalaffektion. Indessen kann sie in solchen Störungen auch bei
vorhandener und fortbestehender Fieberlosigkeit den Tod unmittelbar
herbeiführen. Es sind aber nicht nur akute schwere Krankheiten,
welche in solcher höchst ungünstiger Weise durch Pneumonie l^eein-
flusst werden , sondern auch chronische Kachexieen , insbesoirdere here-
ditäre Syphilis, mitunter auch Rhachitis und intensive Scrofulose.
»Glücklicherweise für den Arzt,« sagt Na th, »giebt es nicht lauter
solche secundäre und Schwächepneumonieen der Kinder, bei denen man
schon im Voraus den Todtenschein ausfüllen könnte.«
Was die prognostische Bedeutung von einzelnen Verhält-
nissen und Symp tom en anlangt , so ist ausser dem, was in dem
■joeben geschlossenen Abschnitte erörtert wurde, noch besonderer Er-
wähnung Folgendes werth :
Ein Missverhältniss zwischen Temperatursteigerung und Pulsfre-
quenz ist nicht erwünscht. Besteht bei hochgradiger Eigenwärme eine
mittlere Pulsfrequenz , so ist der Fall günstiger , als wenn neben mäs-
äiger Temperatursteigerung eine hohe Pulsfrequenz vorhanden i.st.
üebergrosse Schwäche sowie Hirn- und Herzcomplicationen sind die
Umstände , welche das normale Verhältniss zwischen Eigenwärme und
Pulsfrequenz am häufigsten verändern. Bedeutendere Unregelmässig-
keit des Pulses auf der Höhe des Fiebers ist ungünstig.
Alle Zeichen von Herzinsufficienz (elender Puls, grosse Blässe, kühle
Peripherie) verschlechtern die Prognose ganz wesentlich.
Unregelmässige Athmungsbewegungen und übermässig gesteigerte
ßespirationsfrequenz , zumal wenn sie mit grossem Dyspnoegefühl,
Cyanose und Schwellung der peripheren Venen, Nasenflügelathmen und
angestrengteren Bewegungen der Inspirationsmuskeln verbunden ist,
äind üble Zeichen. Noch übler ist es, wenn gleichzeitig Rasselgeräusche,
äumal reichliche feuchte, über den nichtinfiltrirten Lungenpartieen
und grösseren Luftwegen hörbar sind.
Haemoptoe im Verlaufe der Pneumonie und gänzliches Aufhören
des Hustens, zumal bei vorhandenem Katarrh sind von übler Vorbedeu-
45*
703 KraiLkheiten der Athmungsorgane. Lunge.
tung. Uebermässig heftige Schmerzen sind auch in prognostischer B^
Ziehung unerwünscht.
Das Erscheinen eines Herpes , der bei Erwachsenen mit Freuden !
begrüsst wird , kann auch bei Kindern als ein günstiges prognostisclies
Zeichen betrachtet werden.
Im Allgemeinen sind Nervensymptome nur dann von ungünstiger
Bedeutung , wenn sie auf Herderkraukuugen oder verbreitete entzünd-
liche Processe hinweisen, nicht aber, wenn sie einfach Folge des Fiebeis
sind. Am günstigsten sind einfache Delirien und ein massig soporöset
Zustand, sowie jegliche Abwesenheit lokaler motorischer Störungen.
Beim Erscheinen von Hirnsymptomen letzterer Art ist es zweckmässig,
sich über die Prognose erst nach ein- bis mehrtägiger Beobachtung aus-
zusprechen und in dieser Zeit die Brust fleissig zu untersuchen, da öfter
erst nach längerem Verlaufe der Krankheit die Infiltration nachweiskr
wird. Einfache Pneumonie ist am wahrscheinlichsten , wenn die Hirn-
Symptome zeitig, Pneumonie mit Meningitis , wenn sie in charakteristi-
scher Weise spät erscheinen ; die Prognose ist daher im ersten Falle trotz
noch so grosser Intensität meist günstig , im letzteren meist ungünstig.
Indessen können in seltenen Fällen auch in später Periode der Krank-
heit, am Ende des Fiebers und sogar nach der Krise — mit oder ohif
Fieberrelaps — , schwere und nichtsdestoweniger unschädliche Hirn-
symptome zu einer frülizeitig nachweisbar gewordenen einfachen Pneu-
monie hinzutreten, wie z. B. bei Leon hardi (D. Klin. 1859. 39).
Anhaltende Diarrhöen sind, zumal bei kleinen Kindern, eine in
hohem Grade zu Befürchtungen Anlass gebende Erscheinung.
Ueberhaupt ist Alles nicht erwünscht , was eine Abweichung vom
normalen Verlaufe der Pneumonie bedingt, insofern es den betreffende«
Fall erschwert , seine Dauer verlängert und zu Störungen anderer Or-
gane sowie eventuell zu Nachkrankheiten Veranlassung giebt. Ebenso
unangenehm sind neue Fiebersteigerungen nach der Krise.
Wie in jeder Kinderkrankheit so denke man auch bei croupöser
Pneumonie an unvorhergesehene Zufälle , die plötzlichen Tod bedingen
können.
Solch ein Fall ist nach Louis berichtet im Journal für Kinder-
krankheiten 34 p. 169. Ein 4jähriges Mädchen erkrankte 36 Stunde»
nach einem rasch vorübergehenden convulsivischen Anfall mit den ge-
wöhnlichen Symptomen einer linkseitigen ünterlappenpneumonie, welciie
am fünften Tage zur Entfieberung unter Besserung aUer Erscheinunger.
gelangt war, als in der folgenden Nacht Verwirrtheit auftrat, das KinJ
plötzlich zu sprechen aufhörte und verschied ; eine Hirn- oder sonstig'
Veränderung, welche diesen Zufall hätte erklären können, ward nicin
gefunden.
Thomas, Cronpöse Pneumonie. Prognose. 709
Es hat sich mir der Gedanke aufgedrängt, dass die so ausserordent-
lich günstige Prognose der primären einfachen und uncomplicirten
cronpösen Pneumonie der Kinder wesentlich Folge eines besonderen
ümstandes sein müsse , und dass derselbe auch auf den Ausgang vieler
Fälle von secundärer Pneumonie einen wesentlichen Einfluss ausübe.
Allgemein anerkannt dürfte die Thatsache sein , dass gesunde Kinder
dohem Fieber weniger leicht erliegen als Erwachsene, und dass bei
ihnen die schwersten Krankheitserscheinungen oft überraschend schnell
Bineui normalen Verhalten Platz machen. Die Erklärung hierfür ist
theilweise gewiss im Verhalten des Herzens zu suchen , welches bei den
Kindern eine grössere Widerstandsfähigkeit zeigt und weniger leicht
erschöpft wird, als besonders bei den älteren Personen. Es ist mir nun
sehr wahrscheinlich , dass die Ursache dieser Eigenthümlichkeit eine
anatomische ist und grosseiitheils auf der relativ bedeutenderen
Kräftigkeit des kindlichen rechten Ventrikels gegenüber
der des Erwachsenen beruht. Bekanntlich besteht beim Neugeborenen
iein erheblicher Unterschied in der Dicke der Wandung beider Ven-
trikel, vielmehr stellt sich ein solcher ganz allmählich erst beim älteren
Kinde und besonders in der Pubertätsperiode heraus. So hat z. B. B e-
le ke (Die anat. Grundl. d. Constitanom. Marburg 1878. p. 86) Herzen
ron Kindern aus den ersten Monaten gemessen , bei denen es mitunter
schwer war, den rechten vom linken Ventrikel zu unterscheiden , und
B i z 0 1 fand (laut H e n 1 e, Gefässlehre, 2. Aufl. Braunschw. 1876. p. 46)
die Mächtigkeit der Muskulatur an der Basis des linken und rechten
Ventrikels bei Kindern zwischen 1 und 4 Jahren im Mittel zu 6,5 und
6,2 Millimeter, während sie bei Erwachsenen links über das Doppelte
mehr als rechts betrug. Es muss daher vorausgesetzt werden, dass auch
dieLeistungsfähigkeit des kindlichen rechten Ventri-
kels grösser als diejenige beim Erwachsenen ist. Wenn
also in Betreff des Ausganges der Pneumonie auf die Energie des Her-
zens , insbesondere (wegen des durch das pneumonische Exsudat veran-
lassten Circulationshindernisses) auf diejenige des rechten Ventrikels
überhaupt Gewicht gelegt werden muss — und beides scheint zweifellos
— so kann es nicht allzu auffällig sein , wenn ceteris paribus die Mor-
talität der Pneumonie beim Kinde geringer als beim Erwachsenen ist.
Nach Beneke's hochinteressanten Untersuchungen ist fast regel-
mässig beim Kind der Umfang der Pulmonalarterie etwas grösser als
der der Aorta, während beim Erwachsenen das Umgekehrte in Folge
von Zunahme der letzteren in der Pubertätsperiode stattfindet. Ausser-
dem geht aus dessen Mittheilungen hervor , dass das Herz des jungen
Kindes — auf 100 Ctm. Körperlänge berechnet — annähernd ein Vo-
lumen von 40—50 Cc, und zwar annähernd gleich verlheilt auf beide
ijij^Q Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Hälften, das Herz des vollkommen entwickelten Körpers ein solches von
150—190 Cc. , wesentlich durch die kräftige Entwicklixng des linken
Ventrikels besitzt. Es ist hiernach der arterielle Blutdruck beim Kinde
wahrscheinlich geringer als beim Erwachsenen. Ferner dürfte wolil mii
Sicherheit angenommen werden, dass der relativ kräftigere rechte Yen.
trikel des Kindes einen grösseren Theil zur Arbeitsleistung des gesamni.
ten Herzens, welches den entsprechenden Blutdruck erhält, beiträgt, als
der relativ weniger kräftige rechte Ventrikel des Erwachsenen. Wem
nun auch nach den experimentellen Untersuchungen von Liclitheim
(Die Störungen des Lungenkreislaufs etc. Breslau 1876 p. 20), welcher
den arteriellen Druck nicht im Mindesten sinken sah , trotzdem minde-
stens dreiviertel des gesammten Gefässgebietes der Lungenarterie (durcl
Unterbindung des linken Hauptstarames und reichliche Paraffinpfropf.
enibolieen im rechten) ausgeschaltet worden waren , die direkte Bela-
stung des 1 echten Ventrikels durch das pneumonische Exsudat keines-
wegs sehr bedeutend sein kann, so ist es doch gewiss nicht gleichgiltig,
ob ein kräftiger oder ein unkräftiger Ventrikel das Blut vorwärts treibt
Ohne Zweifel wird der erstere , wenn schwächende Momente, z. B. Fie-
ber und Inanition , auf ihn einwirken , ceteris paribus schwerer und
später erlahmen, als der letztere. Demgemäss wird lieim Kind Genesung
noch in Füllen von solcher Intensität und Dauer erfolgen können, te
beim Erwachsenen das Maass der Herzkraft und der bei ihm ebenfalls
verminderten Lungenelasticität nicht mehr zugereicht hätte , Circulation
und Ernährung l)is zur Krise in genügendem Stande zu erhalten.
Aber, und wenn die Verhältnisse noch bei weitem günstiger wären,
niemals dürfen wir vergessen , dass der Pneumoniker trotz alledem eio
schwerer Kranker ist, niemals uns darauf verlassen, dass kein Zwischen-
fall den normalen Ablauf des typischen Krankheitsbildes stören werde,
Selbst beim günstigsten Normalverlauf ist es unmöglich , Garantie zu
leisten , dass nicht irgend ein unerwartetes Ereigniss denselben unter-
breche und die gefährlichsten Zufälle hervorrufe, sei es eine neue Pneu-
monie, die selbst unmittelbar vor, ja sogar nach regelrecht vollendeter
Krise eintreten kann, oder ein plötzlich entstehender Collaps, oder eine
Complication ernstester Art. Der vorsichtige Arzt ist daher stets auf
seiner Hut und überwacht jedes Symptom auf das Sorgfältigste.
Therapie.
Gewiss ist es eine der wichtigsten Aufgaben des Arztes , Kranlf-
heiten zu verhüten. Ist eine Prophylaxis der croupösen Pneumonie
möglich ? Wenn sie eine Infektionskrankheit ist, so muss vorzugsweise
durch Besserung der hygieinischen Verhältnisse viel zu erreichen sein.
Ausserdem haben wir aber gesehen, dass die croupöse Pneumonie zu
einem nicht unbedeutenden Theil solche Kinder belallt, welche, obschon
im Wesentlichen gesund, einer gewissen Schwächlichkeit und Blutar-
muth wegen geringere Widerstandsfähigkeit gegen äussere Einflüsse
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 711
besitzen , welche , wenn sie auch vielleicht nicht direkt die Krankheit
hervorrufen , doch als Hilfsmomente ihre Entstehung begünstigen. Es
sind dies insbesondere thermische Einflüsse und die Einathmung ver-
dorbener Luft. Man suche daher vorsorglich die Kinder zu kräftigen
und abzuhärten, indem man sie, ohne zu übertreiben , aus einer gut ge-
lüfteten reinlichen Wohnung fleissig ins Freie schickt und sie körper-
liche Hebungen vornehmen lässt, ihre gesammte Haut täglich mit kal-
tem Wasser in Berührung bringt , sie nicht allzu warm , jedoch immer
der Witterung entsprechend , kleidet und ordentlich nährt. Solch eine
körperliche Erziehung ist das beste Vorbauungsmittel gegen Krankheit
überhaupt, und erkranken die Kinder dennoch an Pneumonie, so wer-
den sie, mit einem gesunden kräftigen Körper in dieselbe eintretend, sie
leichter überstehen und rascher und vollständiger genesen als im Zu-
stande der Schwächlichkeit.
In früherer Zeit stellte man dem Arzt die Aufgabe, die Pneumonie
möglichst in ihrer Entwicklung aufzuhalten, und wenn er sie
in einer frühen Krankheitsperiode erkannt hatte, so richtete man an ihn
die Anforderung , dass er sie c o u p i r e. Man verwandte in dieser
Absicht Aderlässe und örtliche Blutentziehungen durch Blutegel und
Schröpf köpfe , ferner die ableitende Methode mittelst Brech- und Ab-
führmitteln (Tartarus emeticus, Calomel) , sodann Alterantia und Anti-
plastica, endlich, wenigstens theilweise zu diesem Zwecke, Kalisalze imd
narkotische Herzgifte (Digitalis , Veratrin) ; das Nähere hierüber s. in
Köhler's Handbuch der speciellen Therapie, 3. Aufl. 1867. I. p. 771.
Insbesondere galt eine Zeit lang die Unterlassung der Blutentziehungen
als eine der ärgsten Unterlassungssünden , die der Arzt begehen könne.
Leider hatte ein derartiges eingreifendes Verfahren auch in der Kinder-
praxis Eingang gefunden (Z i e m s s e n 1. c. p. 264) und ich stehe nicht
an, die Ueberzeugung auszusprechen, dass die beträchtliche Sterblich-
keit der primären Pneumonie besonders der kleineren Kinder , von wel-
cher aus früherer Zeit berichtet ^\'ird , theilweise auf Rechnung dieser
Eingriffe zu setzen ist, deren Intensität keineswegs immer den be-
schränkten Kräften des Kindes angemessen gewesen sein dürfte. Heute
gehören alle solchen Eingriffe zu den überwundenen Standpunkten,
wenigstens in Deutschland , weil man weiss , dass es nicht möglich ist,
selbst beim Gebrauch der eingreifendsten und scheinbar energischsten
Methoden, auch nicht der zuletzt versuchten Antipyretica (Chinin, Ve-
ratrin , Salicylsäure) , den Entzündungsprocess in den Lungen in seiner
normalen Entwicklung aufzuhalten, und dass insbesondere alle Versuche
mittelst der oben erwähnten Mittel und Methoden den Organismus nur
schädigen und ihm die Widerstandsfähigkeit gegen die schwere Krank-
712 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
heit rauben. Allerdings hat es den Beobachtern aus der Zeit der Cou-
pirungsversuche vielleicht öfters geschienen , als sei etwas Erhebüclies
durch ihr Verfahren genützt , insbesondere der Verlauf der Krauklieit
abgekürzt worden, indessen ist ein sicherer Beweis hierfür im Einzelfall
nicht zu erbringen. Bedenkt man nämlich, dass es Abortivpneumonieeii
giebt, dass der Entzündungsprocess in jedem Stadium spontan abschlies-
sen kann, und überlegt man , dass die Krankheit trotz frühzeitiger iinj
energischer Anwendung sogenannter coupirender Methoden in der ReH
ungestört ihren weiteren Verlauf nimmt , so wird man zu dem ScUusse
gelangen , dass es . wenn einmal ausnahmsweise die beabsichtigte Wir-
kung eingetreten zu sein scheint , wahrscheinlicher ist , die Unterbre-
chung des Processes habe nur zufälligerweise post hoc und nicht propter
hoc stattgefunden. Gestehen wir daher wenigstens die hinlänglich con-
statirte Nutzlosigkeit der Coupirungsversuche zu und bestrebenwir
uns dafür, gegen die Er scheinungen der Pneumonie das
Möglichste zu leisten.
Durchaus irrig ist die Ansicht derjenigen, welche meinen, Jer
Normalverlauf einer Krankheit, welche, wie die Pneumonie, die Bedin-
gungen zur Genesung in sich trägt , dürfe nicht gestört werden ; ein
Einschreiten sei erst dann nothwendig , wenn die Krankheit aus ihrem
Rahmen herausträte und ihre Erscheinungen eine übermässige Inten-
sität zu zeigen begännen. Wer die Grenzlinien seines Einschreitens so
weit steckt , kann leicht in die Lage kommen , erst dann handeln zu
wollen, wenn es zu spät ist. Jedes Krankheitssymptora , gleichviel ob
schwach oder stark entwickelt, ist eine Abweichung vom Normalzu-
stand und muss daher bekämpft werden , und zwar um so energischer,
je ernster seine Bedeutung für den Ausgang der Störung ist. Je nied-
riger das Maass ist, auf das es herabgedrückt, oder je rascher es voll-
ständig beseitigt wird, um so geringer wird die Gefahr der Krankheit
für den Organismus , um so früher ist der Eintritt der Genesung zu er-
warten.
Die Grundsätze , welche bei Behandlung pneumonischer Kranker ia
Frage kommen, sind seit einigen Jahren besonders ausführlich und ein-
dringlich von Jürgen sen, für ein grösseres Publikum zuerst auf der
Naturtorscherversammlung zu Rostock 1871 entwickelt worden. Ich
verweise hiuMchtlich derselben auf den 45. der Volkmann'schen Samm-
lung klmischer Vorträge, sowie auf den betreffenden Abschnitt im 5. Band
von Ziemssens Pathologie.
Immeristesdie wichtigste Aufgabe für den Arzt, den Tod seines
K r a n k e n z u V e r h ü t e n. Es mag daher hier vor Allem die Frage
beantwortet werden : Woran stirbt der Pneumoniker ?
Wenn die croupöse Pneumonie eine Infektionskrankheit ist, so
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 713
werden, wie bei den anderen Infektionskrankheiten, z. B. bei Scharlach,
Pocken, seltener Masern u. a., Fälle vorkommen, in welchen der Kranke
einer allzu intensiven Infektion erliegt. Es giebt sich eine solche durch
intensivstes Fieber, abnorme Entwicklung der wesentlichen Krankheits-
produkte und frühzeitige complicatorische AfFektionen der verschieden-
sten übrigen Organe, endlich durch abnormes Ergriffensein der automa-
tischen Centren und allgemeine Ernährungsstörungen zu erkennen ; man
vermuthet dann eine Blutvergiftung.
Vielleicht empfiehlt es sich schon auf Grund dieser Erwägung die
viel gebrauchten desinficirenden Antipyretica, von denen später die Eede
sein wird, ferner die Sulfite (Polli) und Hyposulfite , die Sulfocarho-
late, die Carbolsäureinjektionen (Kunze, D. Ztschr. f. pr. Med. 1874 I.
p. 139) und ähnliche Mittel in geeigneten grösseren Dosen beim Beginn
der Pneumonie , zumal bei epidemischem Auftreten derselben , zu ver-
suchen.
Fälle obiger Art sind bei croupöser Pneumonie gewiss selten ; viel-
leicht gehört der von Friedleben 1. c. p. 176 beschriebene, binnen
kaum 24 Stunden tödtliche eines bis dahin gesunden 5j. Knaben hierher.
Nur bei sehr bedeutendem Umfange der Pneumonie , nicht bei der
gewöhnlichen einlappigen oder wenig beträchtlicheren Ausbreitung
derselben, kann ungenügender Gasaustausch in den Lungen zur Todes-
ursache werden. Sofort nach der Krise , auch wenn der exsudaterfüllte
.■Lungenabschnitt noch vollständig funktionsunfähig ist, sehen wir die
bis dahin frequente Respiration sich verlangsamen, ja vielleicht gänz-
lich normal werden und Nichts den Ausfall einer so beträchtlichen
Athmungsfläche andeuten. Diese Beruhigung der Respiration beweist,
dass die allein funktionirenden Lungenpartieen unter den gegebenen
Verhältnissen vollständig im Stande sind, das Sauerstoff bedürfniss zu
decken. Uebrigens ist der Einfluss des Ausfalles einer gewissen Menge
Lungensubstanz vor der Defervescenz schwierig zu beurtheilen , da im
Fieber auch ein gesteigertes Sauerstoffbedürfniss in Frage kommen
dürfte.
Drittens kann die Pneumonie wie jede andere fieberhafte Krank-
heit durch das Fieber , d. h. durch die Intensität und Dauer der hoch-
gesteigerten Eigenwärme tödten. Es wird in diesem Falle der letale
Ausgang in letzter Instanz durch Paralyse des Centralnervensystems,
d. h. vorzugsweise durch Erlahmung der wichtigen in der Medulla ob-
longata gelegenen automatischen Centren , wodurch insbesondere Ath-
mungs- und Herzinsufficienz entsteht, herbeigeführt.
Endlich ist zur Erklärvmg des Todes durch einfache nicht compli-
cirte Pneumonie das Circulationshinderniss in Berücksichtigung zu
ziehen , welches durch das pneumonische Exsudat geschaffen wird. Es
i7][4 Krankheiten der Athmiingsorgane. Lunge.
ist dasselbe bei einer so wichtigen Affektion des Thoraxinnern weit be-
deutender, als bei irgend einer Entzündung ausserhalb des Thorax.
Denn das pneumonische Exsudat stört nicht nur direkt die CireulatioD,
indem es durch seinen Druck auf die Capillaren das Blut verhindert, die
entzündete Lungenpartie mit genügender Geschwindigkeit zu passiren,
sondern insbesondere indirekt auch dadurch , dass es die Lunge verhiii'
dert , ihren vollen und so ausserordentlich wichtigen Beitrag zur h
standhaltung der Circulation zu leisten; jedenfalls dürfte die Seite dei
entzündeten Partie hierzu wenig brauchbar sein , theils wegen des In.
filtrats , theils wegen der Schmerzen beim tiefen Athmen. Die Aus-
gleichung dieser Circulationsstörung ist auf keine andere Weise mög-
lich als dadurch, dass das gesammte Herz, vorzugsweise aber der rechte
Ventrikel, mehr Arbeit leistet als in der Norm.
Wir erkennen hieraus, dass die Schädigung, welche durch eine
croupöse Pneumonie dem übrigen Organismus zugefügt wird, ganz be-
sonders dasHerz belastet. Es wird ja demselben nicht nur durcli
die Lungenstörung direkt mehr Arbeit aufgebürdet , sondern auch in-
direkt durch das in ihrer Folge entstehende Fieber; denn jede EÄ
hung der Eigenwärme bev/irkt eine Verstärkung und Beschlemiigung
der Contraetioneu des Herzens. Keinenfalls ist aber im Todesfalle die
durch das Fieber bedingte höhere Inanspruchnahme der Herzthätigkeit
allein Ursache des letalen Ausganges einer Pneumonie. Es wird dies
durch die auffallende Thatsache l)ewiesen , dass der Typhuskranke mit
seiner hochgesteigerten Eigenwärme mehrere Wochen hintereinander
existirt und schliesslich genest , während der Pneumonische bei gleich
hohem und anhaltendem oder vielleicht sogar etwas niedrigerem Fieber
zu erliegen pflegt , wenn sich dasselbe nicht wenigstens bald nach Be-
ginn der zweiten Woche zur Besserung anschickt. Es muss hier also
ausser dem Fieber noch ein anderes Moment wirksam sein, und das wich-
tigste von den in Frage kommenden Verhältnissen ist eben das Circu-
lationshinderniss , welches bei Pneumonie von weit wesentlicherer Be-
deutung ist als dasjenige, welches die typhöse Localstörung im grossen
Kreislauf erzeugt.
Es würde nun jedenfalls das gesunde Herz des Pneumonikers dieser
erhöhten Inanspruchnahme leicht genügen können , wenn es sich unter
normalen Ernährungsverhältnissen befände, und demnach seine durch
die vermehrte Arbeit bewirkte Schädigung leicht ausgeglichen zu wer-
den vermöchte. In dieser Beziehung befindet sich indessen der Pneu-
monische unter den ungünstigsten Verhältnissen. Nicht nur, dass wie
bei allen anderen Fieberkranken das Fieljer ein Darniederliegen der
Verdauung bewirkt und dadurch die Ernährung des reichlichster Nah-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 715
rungszufuhr so bedürftigen Herzens direkt erschwert , nicht nur , dass
es eine Degeneration seiner Fasern in Folge der Erhöhuns der Eigen-
wärme hervorruft , sondern es kommt hier auch noch ausserdem die so
wesentliche Erschwerung des Gasaustausches in den Lungen und die
daraus resultirende allmähliche Sauerstoffverarmung und Kohlensäure-
Überladung des Blutes in Betracht. Indessen wird durch diese Momente
nicht nur die Ernährung des Herzens geschädigt, sondern auch die aller
übriger Organe. Hierdurch entsteht aber ganz besonders in zweifacher
Hinsicht eine Rückwirkung auf das Herz. Erstens wird dessen Bela-
stung dadurch von Neuem gesteigert , dass mehr als andere auch die
Athemmuskeln unter der allgemeinen Ernährungsstörung leiden , und
somit der restirende Antheil der Respiration an der Erhaltung der Cir-
culation noch weiter heraljgesetzt wird. Zweitens, und dies ist meiner
Meinung nach das Wichtigere, leidet auch das Nervensystem, leiden die
so wichtigen Centren innerhalb der Medulla oblongata, von denen
nicht nur die Thätigkeit der Athmungs- wie der Gefässmuskeln und
die Ernährung aller Organe , sondern auch ganz besonders Thätigkeit
und Ernährung des Herzens geregelt und beeinflusst wird. Alle Um-
stände weisen also darauf hin, dass bei Pneumonie vorzugsweise das
Herz in seiner zur Erhaltung des Lebens so nothwendigeu Funktion be-
einträchtigt ist. Nur in diesem Sinne kann ich die volle Richtigkeit
des von Jürgensen allzu exclusiv hingestellten Satzes, dass die Pneu-
monietodten durch Lisufficienz des Herzens zu Grunde gegangen seien,
anerkennen. Eine direkte Folge dieser Herzinsufficienz , und zwar spe-
ciell der Erlahmung des linken Ventrikels , während der rechte fort-
arbeitet , ist nach Cohnheim's experimentellen Untersuchungen
(Sitzgsber. d. Ges. f. vat. Cult. vom 7. Dec. 1877) das — bei tödtlicher
croupöser Pneumonie ziemlich häufige — terminale Lungenödem.
Nicht minder wichtig für den Ausgang der Pneumonie als die Er-
haltung der Circulation ist die der Athmung. Sie wird beim Pneu-
moniker schwer geschädigt nicht sowohl durch das pneumonische Ex-
sudat an und für sich , welches den Gasaustausch in den aificirten Lun-
genpartieen aufhebt — nach der Krise kann, bei vollständig intakter
Infiltration , die Respiration gauz ruhig sein — als vielmehr durch die
Erschöpfung des Nervensystems , beziehentlich des Athmungscentrums
im verlängerten Mark. Diese ist nicht minder direkte wie indirekte
Folge des Fiebers , direkt wegen der andauernd hochgesteigerten Tem-
peratur , indirekt wegen der febrilen Ernährungsstörung und der Stö-
rung in der Mischung der Blutgase ; möglicherweise wird sie auch durch
Anhäufung besonders deletär wirkender infektiöser Stoffe erzeugt. Bei
dem innigen Ineinandergreifen aller Funktionen, welche von dieser
716 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Partie des Centralnervensystems aus geregelt werden , ist im Einzelfall
der Antheil, der einer jeden von ihnen bei der schliessliehen Erlahmung
zukommt, schwer abzumessen ; vielleicht ergäbe genaue Beobachtung
des Agonisirenden Material zur Entscheidung dieser Frage.
Von geringerer Bedeutung , aber keineswegs völlig zu vernachläs-
sigen, ist die Störung der anderweitigen Funktionen des Nervensystems,
iusljesondcre derjenigen des Grosshirns , sowie die Störung der Ernäh-
rung und Funktionirung der übrigen Organe.
Als Resultat dieser Erwägungen für die Therapie ergiebt sich, dass
der Pneumonische am zweckmässigsten behandelt wird , wenn man sein
Fieber so früh und so viel als möglich ermässigt und
seine Ernährung auf einem möglichst guten Stande er-
hält. Bei der schon von Politzer (Jahrb. f. Khkde 1865. p. 44) so
treffend hervorgehobenen leichteren Erlahmung des kindlichen Nerven-
systems und der dadurch bedingten Neigung zu Adynamie, Erschöpfung
und Collapsus ist es ganz besonders wichtig , dass man schon frühzeitig
beim pneumonischen Kind alle Symptome beginnender Schwäche mi
Erschlaffung bekämpft, dadurch aber die Lähmung seiner nervosa
Centralorgane, zumal des Respirationscentrums und damit der Athmungs-
thätigkeit, verhütet und sein Herz in den Stand setzt, die durch die
Entzündung bewirkte Circulationserschwerung bis zum Eintritt der
Krise zu ertragen. Darf man doch gerade beim Kind mit seinem regeren
Stoffwechsel hoffen , dass mit der durch das Schwinden des Fiebers be-
zeichneten günstigen Wendung der Krankheit auch bald ein funktions-
tüchtigerer Zustand aller Organe des Körpers herbeigeführt und Erho-
lung eintreten werde.
Zunächst ist also zu erörtern , auf welche Weise am besten gegen
das Fieber des pneumonischen Kindes eingewirkt wird. Genügend
überzeugt von der Unzulänglichkeit seiner Behandlung mit Digitalis
und örtlichen Blutentziehungen und aufmerksam gemacht durch die be-
deutenden Erfolge der Kaltwassertherapie , wie sie bei meinem Eintritt
in die selbständige Praxis in nachdrücklichster Weise von Brand,
später von Steffen (Jbch f. Khkde 1866. VIII. 4. p. 161), sodann be-
sonders von Bartels und Jürgensen, Liebermeister undHa-
genbach, Ziemssen und Immer mann gelehrt wurden , habe ich
mich bald dieser Methode bei Behandlung meiner Fiebernden und so
auch meiner pneumonischen Kinder bedient. Ihr glaube ich grossen-
theils die günstigen Resultate verdanken zu sollen, welche ich erlangte.
In Tausenden von Fällen fieberhafter Krankheiten habe ich mich ins-
besondere von dem Nutzen der Bäder überzeugt ; sie sind in meiner
Praxis allmählich so eingebürgert worden, dass mir ein stärkeres Wider-
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 717
streben nur ausnahmsweise begegnet. Man muss nur einigemal in ecla-
tanten Fällen das veränderte Befinden eines vor dem Bade slühend
heissen Kindes nach demselben beobachtet haben, um sich enthusiastisch
zu der durch nichts Anderes vollständig zu ersetzenden Kaltwasserbe-
handlung hingezogen zu fühlen.
Pneumonie an sich giebt , wie durch die Thatsachen , in grösserer
Zahl zuerst aus der Liebermeiste r'schen Klinik (Major, F i s m e r)
publicirt, hinlänglich bewiesen ist, nicht die geringste Contraindication
gegen Kaltwasserbehandlung, insbesondere gegen Bäder. Man kann in
jedem Lebensalter baden , thut aber gut , die gegen alle starken Erre-
gungen der sensibeln Nerven so ausserordentlich empfindlichen und zu
Reflexkrämpfen geneigten Kinder, zumal die kleineren, nicht unmittel-
bar aus dem warmen Bett in ein kaltes Bad zu stecken , sondern die
Temperatur des Badwassers allmählich durch Zuschütten kalten Wassers
zu vermindern (Ziemssen), und, unter Verzichtleistung auf eine stär-
kere initiale reflektorische Erregung des Athmungscentrums und den
grösstmöglichen Badeeffekt überhaupt, die Baddauer zur Erreichung
eines ähnlichen entsprechend zu verlängern. Bei jungen Kindern darf
die schliessliche Badwärme nicht so niedrig wie bei älteren sein ; wie
weit man sie zu erniedrigen hat , richtet sich nach der Höhe der herab-
zusetzenden Eigenwärme ; bei hohem Fieber kann man auch bei ihnen
dreist auf 25" C. , vorsichtig noch weiter herabgehen. Die Dauer des
Bades darf nicht allzu kurz sein, weil man sonst Gefahr läuft, eine nutz-
lose Procedur vorgenommen zu haben ; bestimmte Regeln hierüber an-
zugeben ist nur für den individuellen Fall möglich. Im Allgemeinen
sind fünf Minuten für ein kühles Vollbad schwer fiebernder kleiner,
zehn bei grösseren Kindern nicht zu viel. Uebrigens findet bekanntlich
die wesentlichste Herabsetzung der Körperwärme nicht unmittelbar
nach dem Bad , sondern erst eine halbe Stunde und länger nach ihm
statt. Je rascher die Temperatur nach dem Bad wieder ansteigt und je
höhere Grade sie nachher erreicht , um so öfter müssen die Bäder wie-
derholt werden, damit ihr wichtigster Zweck, die Erhaltung der Körper-
wärme auf einem niederen Grade , und damit die möglichste Verhinde-
rung der durch allzu hoch gesteigerte Eigenwärme nothwendig ent-
stehenden, möglicherweise dauernd nachtheilig wirkenden Organschä-
digungen (z. B. Disposition zu Convulsionen , Schwäche der Intelligenz)
erreicht werde. Wenn die Temperatur des Rectum 39,5 erreicht hat,
ist das Bad wünschenswerth, wenn sie 40" beträgt, nothwendig. Wo
äussere Umstände nicht öftere Wärmeentziehungen trotz deren Noth-
wendigkeit gestatten, sollten wenigstens zwei, und zwar dann möglichst
kühle Bäder, bei etwas älteren Kindern mit kalten Uebergiessungen ver-
718 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
bunden , täglich verabreicht werden ; am zweckmässigsten würden die-
selben Mittags und Abends zu geben sein. In diesem Falle applicire
man aber in der Zwischenzeit ohne Rücksicht auf die Temperaturhöhe
also schon unter 39" — übrigens ohne dem Kranken die Zeit des Schla-
fes zu verkümmern — ganz besonders fleissig kalte Umschläge über den
grösseren Theil des Körpers , und nehme , mindestens alle Stunden, all-
gemeine kalte Einwicklungen vor, deren Anwendung sich überhaupt
bei stärkeren Fiebergraden sehr empfiehlt, um die Steigerung der Hitze,
soviel als es nur irgend sein kann , zu verzögern. Dasselbe muss sehr
energisch dann geschehen, wenn Bäder aus inneren oder äusseren Grün-
den unmöglich sein sollten ; in leichten Fällen genügt dies Verfahren
wohl auch allein. Wenn die Kinder nach einer besonders längeren Bad-
dauer über Frost klagen oder gar klappern, so frottire man sie etwas;
direkte Zufuhr von Wärme darf nur dann stattfinden , wenn unvorsich-
tigerweise durch zu niedrige Temperatur oder zu lange Dauer des Bades
allzu stark abgekühlt und demgemäss die Innentemperatur allzu tief
herabgesetzt worden sein sollte. Der Rath von J ü r g e n s e n , vor und
nach dem Bade Wein zu reichen, ist vortrefflich ; eine nicht übermässige
Dreistigkeit in der Darreichung starken und reinen Weines schadet
den Kindern nichts, auch ganz junge vertragen ihn gut.
Ich muss gestehen , dass ich die Kaltwasserbehandlung weitaus für
die beste antipyretische Methode bei Kindern halte und sie der Dar-
reichung innerer Mittel entschieden vorziehe. Sie erfüllt bei richtiger j
Ausführung ihren Zweck, die Eigenwärme des Fiebernden auf mög-
lichst niederen wenig schädlichen Graden zu halten, soweit dieser Zweck
überhaupt erreichbar ist, vollkommen, und zwar ohne die Funktion der
Verdauungsorgane irgendwie zn belästigen. Dass dies nach den obigen
Ausführungen ganz besonders wichtig ist, liegt auf der Hand. Ich
komme daher auf die Kaltwasserbehandlung immer und immer wieder
zurück, wenn etwa zwischendurch gegebene Antipyretica sich als unge-
nügend erweisen. Desshalb bin ich aber keineswegs der Ansicht, dass
man die letzteren ganz entbehren könne. Es giebt Fälle von intensivem
Fieber, in welchen durch Anwendung der Kälte in den allein möglieben
Formen die Temperatur nicht niedrig zu bekommen oder wenigstens zu
erhalten ist , und der überaus lästigen Proceduren wegen nebenbei der
Gebrauch der Antipyretica dringend nothwendig erscheint, um die
Pflege zu vereinfachen. Unter Umständen treten sie aber auch ganz an
Stelle der Kälte , nämlich dann , wenn diese trotz aller Vorsichtsmass-
regeln Collaps erzeugt oder wesentliche örtliche Nachtheile herbeiführt,
oder aus sonstigen mehr äusserlichen Gründen ausgesetzt werden muss.
Aus diesen Angaben geht nun aber hervor, dass ich von den innerlichen
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 719
Antipyreticis überhaupt fast nur in schweren und desshalb natürlicher-
weise .schlecht tractablen Fällen , gewöhnlich neben äusserlicheu Wär-
meentziehungen , welche das Fieber in ungenügender Weise herabmin-
derten und allzu häufig nothwendig erschienen, Gebrauch gemacht habe ;
was ich in Nachstehendem angebe , bezieht sich also nicht auf leichte
Fälle mit massigem Fieber. Am meisten habe ich von den betreffenden
Medicamenten Chinin und salicylsaures Natron angewandt.
Chinin ist theuer , wird seines bitteren Geschmackes wegen vom
Kind im Allgemeinen nur äusserst ungern genommen , daher öfter un-
vollständig geschluckt und nur theilweise oder ganz erbrochen. Es ist
schon richtig, dass in manchen Fällen das Erbrechen bei späteren Dosen
aufhört, noch öfter aber wird sein Fortgebrauch wegen der permanen-
ten Widerwärtigkeiten geradezu verweigert, vom Kranken wie von den
Pflegern , so dass man wohl oder übel auf das Mittel verzichten muss.
Am praktischsten ist die innerliche Darreichung einer concentrirten
Lösung (etwa 1:10) des salzsauren Chinins in Verbindung mit einem
Corrigens ; sie mag immer gewählt werden, wo die Anwendung des Mit-
tels nothwendig scheint und Magendarmkatarrh nicht vorhanden ist.
Ungern entschloss ich mich einigemal zu der unsicheren Clysmaform ;
Chinininhalationen (Gerhardt) habe ich nicht angewandt. Ich habe
besonders vor der Salicylperiode oft genug selbst jungen Kindern
Grammdosen gegeben, wenn sie heftig fieberten und die Kaltwasserbe-
handlung aus irgendwelchem Grunde nicht hinreichend war, kann aber
nicht saoen, dass ich in diesen natürlich obstinateren Fällen, auch wenn
nicht gebrochen wurde, mit der antifebrilen Wirkung sehr zufrieden zu
sein Veranlassimg hatte. In leichteren Fiebern tritt dieselbe natürlich
leichter ein als bei Pneumonie, indessen wird man in solchen auf sie —
die ich also keineswegs läugne — bei Anwendung von Wärmeentzie-
bungen nur ausnahmsweise zu reflektiren nothwendig halben. Die Dosen
(6—8 Gran pro die), von denen Politzer (Jahrb. f Khkde. 1863. VI.
p. 241) bei Besprechung der Chinintherapie in der Kinderpneumonie
sagt, dass »kein sichereres und schneller wirkendes« Mittel zur Besei-
tigung der febrilen Reizung existire , sind zu klein für schwere fieber-
hafte Zustände. In solchen kann man Kindern immerhin mehr als einen
Gramm innerhalb kurzerZeit, beziehentlich pro die , geben ; v i e 1
mehr zu brauchen verbietet sich aber theils durch die vielleicht unge-
fährlichen, aber jedenfalls höchst lästigen und beunruhigenden Resorp-
tionserscheinungen, welche die fortgesetzte Darreichung schon mittlerer
Dosen wesentlich erschweren, theils durch die Erwägung, dass dann das
Mittel direct schaden, ja sogar den Tod herbeiführen kann (vergl.
Schlossberger, Würt. Corr. 1843. XIII. p. 2, sowie Binz und
720 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Heubach , Arcli. f. exper. Patli. V. 1); eine sichere Beurtheilung der
Grösse der im speciellen Fall für das hochfiebernde Kind geeigneten
Maximalgabe ist unmöglich. Die Resorptiouserscheinungen (Ohren-
sausen , Schwindel , Schwerhörigkeit u. s. w.) sind besonders unange-
nehm beim täglichen Gebrauch grösserer Dosen , so dass der Rath ge-
geben wurde , solche nur alle 48 Stunden anzuwenden — freilich ver-
zichtet man dann am freien Tage auf die Beeinflussung des Fiebers durcli
dasselbe. Für die Privatpraxis ist es ein Vorzug des Chinin vor den
Salicylsäurepräparaten , dass seine Wirkung auch bei grösseren Dosen
nicht übei-mässig stürmisch zu erfolgen pflegt und daher r a p idester
Collaps und andere beunruhigende Erscheinungen in der Regel ausblei-
ben ; leider sind solche unangenehme Zustände nicht gänzlich ausg^
schlössen. Ich habe solche wenig erfreuliche Erfahrungen schon mit den
Dosen , mit welchen man gewöhnlich operirt und die ich auf die Em-
pfehlung von Wachsmuth (Arch. d. Heilk. 1863) anwandte, ver-
schiedene Male gemacht, und würde daher nur im äussersten Nothfall,
beim intensivsten und auf keine andere Weise wirksam zu bekämpfei'
den Fieber und bei durchaus herzkräftigen Kranken zu den maximal«
Dosen J ü r g e n s e n ' s (bis 5 ,0 ! für Erwachsene), übrigens zu die-
sen lieber als zu den entsprechenden salicylsauren Natrons, greifen.
Keinenfalls — dies zu beachten ist dringend nothwendig — darf bei
Anwendung stärkerer Chinindosen , zumal bei kleineren Kindern , der
Gebrauch kräftiger Stimulantien , insbesondere guten Weines, unte^
lassen werden.
Salicylsaures Natron habe ich in den letzten Jahren , sclio«
seines niedrigeren Preises wegen , mit Vorliebe , weit öfter als Chinin,
angewandt. Allerdings macht es in den zur Erzielung einer antipyre-
tischen Wirkung nöthigen grossen Dosen ebenfalls Uebelkeit und an-
dere unangenehme Erscheinungen und wird nach wiederholter Darrei-
chung auch bei Zusatz der besten Corrigentien (Succus liquiritiae, Pfei-
fermünze, Zimmet) gewöhnlich ebenso mit Widerwillen zurückgewiesen.
indessen zeigt es im Allgemeinen doch entschieden eine kräftigere ubI
raschere Wirkung auf die Temperatur als Chinin und ist diesem dabei
in mancher Beziehung vorzuziehen. In der Regel findet seine WirkuD?
unter Ausbruch eines intensiven Schweisses statt und sind desshalb kräf-
tige Stimulantien bei der m Folge dessen mitunter entstehenden sek
bedeutenden Abkühlung prophylaktisch erforderlich. Ich habe, um der
Uebelkeit und dem Erbrechen möglichst entgegenzuwirken, gewöhnlicb
mehrere kleinere Dosen in rascher Aufeinanderfolge gegeben und so &
bei hohem resistentem Fieber nöthige Gesammtdose (bei Säugling™
1 Gramm, bei jungen Kindern 1,5 — 3 Gramm, bei älteren 4—5 Gramm;
Thomas, Croupöae Pneumonie. Therapie. 721
im besten in einer concentrirten Lösung) innerhalb ungefähr zwei Stun-
ien verbraucht. Die Herabsetzung der Temperatur — bis auf normale
md selbst unternormale Grade — geschieht, soweit sich dies auf Grund
Poliklinischer Beobachtungen beurtheilen lässt, wegen rascher Resorp-
;ion des Mittels (Balz, Arch. d. Heilk. 1877. XVIII. p. 63) innerhalb
curzer Zeit, etwa zweier Stunden ; erneutes Ansteigen pflegt der künst-
ichen Remission ziemlich rasch, jedenfalls etwas rascher als bei Chinin-
febrauch, zu folgen. Es stimmen hiermit die in Kinderheilanstalten
■Gewonnenen Erfahrungen von Demme, Hagenbach u. A. überein.
riCine nach Wiederherstellung der alten Fieberhöhe bald gereichte neue
'v)ose kann kleiner als die erste sein und trotzdem denselben Effekt wie
lie frühere erzeugen, weil das Mittel cumulative Wirkung besitzt, offen-
lar in Folge seiner nachgewiesenermassen (Balz) sehr langsamen Aus-
cheidung. Ungünstige Nebenwirkungen auf andere Organe als den
lagen , insbesondere auf Nieren und Hirn , mit Ausnahme einer gewis-
en psychischen Unruhe , sah ich beim Gebrauch mittlerer Dosen nie-
lals. Uebermässige Dosen lähmen das Respirationscentrum sowie das
lerz und müssen daher gemieden werden , ganz besonders in der Zeit
nd bei den Anzeichen des spontanen Fieberabfalles.
Calomel (vgl. Binz im ersten Bande dieses Handbuches p. 443)
.abe ich bei pneumonischen Kindern nur in kleinen Dosen zum Zwecke
er Stuhlentleerung angewandt und kann daher von erheblichen anti-
.yretischen Effekten desselben nicht berichten. -ledenfalls bewirkt das
'littel bei Kindern ganz gewöhnlich eine Herabsetzung des Fiebers,
renn man es obiger Indication wegen benutzt ; den Weitergebrauch des-
elben zum Zwecke der Antipyrese kann ich aber nicht empfehlen.
Digitalis ratlie ich fiebernden Pneumonischen nur bei uuver-
lältnissmässig gesteigerter Pulsfrequenz in dem Alter entsprechenden
orsichtigen Gaben und zwar nur so lange zu geben , bis die erwünscht
cheinende wesentliche Herabsetzung derselben beginnt. Die Tagesdose
luss bei Kindern etwa um die Hälfte kleiner als bei Erwachsenen sein
ind richtet sich natürlich, bei der bekannten Verschiedenheit der Wirk-
amkeit der Digitalispräparate , nach den bei diesen gemachten Erfali-
•ungen. Vorsicht ist besonders in der Nähe der Krise zu empfehlen ;
)ei unregelmässigen und hinsichtlich der Frequenz in kurzen Perioden
ehr wechselnden Pulsen muss das Mittel schleunigst ausgesetzt werden.
Ueber Veratri n Wirkung bei Kindern habe ich keine Erfah-
■ungen. (Vgl. St Öhr, Würzb.Ztschr.1866. VII. p. 108; ferner s. Ed-
;ar, Pleischmann, Hamon, Jacobi, Kiemann, Trapen ard,
iv^o 0 d.) Ich kann nicht dazu rathen, Mittel anzuwenden , welche wie
[ieses oder der Brechweinstein (Her ard, Union med. 1847. 127—131)
46
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2.
722 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
dadurch wirken, dass sie durch Herabsetzung der Erregbarkeit des Her-
zens und der Medulla oblongata CoUaps erzeugen. Ausserdem haben
beide lästige Nebeneifekte , indem sie Erbrechen und Durchfall bewir-
ken und dadurch ganz wesentlich die Ernährung des der Nahruiigszn-
l'uhr so sehr Bedürftigen hindern ; sie sind desshalb meiner Ansicht nach
ganz besonders beim Kinde zu scheuen. Indessen haben auch diese Be-
handlungsmethoden geeignete Fälle , d. h. genügend widerstandsfähigp
Kranke , die dabei genasen , und daher Lobredner gefunden.
Was das diätetische Verhalten des pneumonischen Kindes
anlangt, so ist es selbstverständlich, dass man es unter allen Umständen
im Bett hält und nicht üljermässig zudeckt , ihm durcb zweckmässigf
Ventilation des nicht grell beleuchteten und möglichst geräumigen
Krankenzimmers den Aufenthalt in einer reinen von üblen Gerüchen
möglichst freien Luft verschafft, sowie Haut und Mundhöhle reinlich
hält, imd ihm nach Belieben zur Stillung des Durstes frisches Wasser
giebt: geringe säuerliche oder bei Durchfall schleimige Zusätze zu dem-
selben sind erlaubt. Kühlhalten der Athemluft und des Getränkes wW
einigermassen auch den Hauptzweck der sonstigen Therapie , die Ver-
minderung der hochgesteigerten Eigenwärme , mit erreichen helfen,
In Betrefft der Zufuhr eigentlicher NahrungsstofFe zum Ersatz der (krcli
das Fieber in erhöhtem Maasse consumirten Körperbestandtheile müs-
sen wir berücksichtigen , dass erfahrungsgemäss die Verdauungsfuni-
tionen im Fieber darniederliegen. Alle Nahrungsmittel aber, welche
nicht verdaut und resorbirt werden , verursachen Beschwerden , indem
sie abnorme Herabsetzungen eingehen, zu Magen- und Darmkatarrh
Anlass geben , und durch Auftreibung des Leibes in Folge von Gasent-
wicklung die ohnehin erschwerte Respiration noch mehr belästigen.
Verbietet sich somit die Zufuhr reichlicherer Mengen von Eiweisssub-
stanzen, besonders schwerer verdaulicher Art, wie Koch- und Bratfleiscb,
gekochtem Eiereiweiss, und von Fetten schon von selbst, so soH'raansie
noch weniger Kindern , welche sie instinktiv zurückzuweisen pflegen,
trotz mangelnden Appetites gewaltsam aufzuzwingen versuchen. An-
ders ist es mit Milch , mit Gallerten, Obst- und mehligen Suppen, Sap-
pen mit Ei und Eierwasser, schleimigen Getränken, Zucker, besonders
Traubenzuckermischimgen , Peptonlösungen (A damkiewicz), die in
massigen Mengen und zumal unter Zusatz von Fleischbrühe , Wein u.
s. w. genossen , sowohl nähren als auf mehr oder minder angenehme
Weise das Bedürfniss nach Flüssigkeit befriedigen helfen. Die Ingestion
solcher Substanzen in angemes.sener Menge muss man nach Möglich-
keit l^efördern, und durch sie dem fiebernden Organismus seine Verluste
wenigstens einigermassen zu ersetzen suchen. Sellistverständlich 'd
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 723
irch Empfehlung eines derartigen Regime nicht ausgeschlossen , dass
an, selbst auf die Gefahr hin, das Fieber etwas zu steigern, dem Nah-
ingsbedürfnisse eines pneumonischen Kindes nachgiebt. wenn dasselbe
isnahmsweise einmal grösseren Appetit zeigen und genügende Ver-
luungsfähigkeit besitzen sollte ; denn ebensowenig wie man durch
tutentziehung und schwächende Behandlung die Entstehung des pneu-
onischen Exsudats verhindern oder verzögern kann , ebensowenig ist
an auch im Stande, seine Intensität und Verbreitung durch Nahrungs-
fuhr zu steigern. Auf jeden Fall wird man aber durch angemessene
ifuhr von Nahrung, am zweckmässigsten und nach Liebermeister
■folgreichsten während der künstlichen Fieberre- und Intermissionen
ler während der natürlichen Remissionen der croupösen Pneumonie,
e Gefahr eines ungünstigen Ausganges vermindern und die Reconva-
scenz abkürzen. Eine sehr zweckmässig die Verdauung erleichternde
assnahme dürfte die Darreichung von einem bis einigen Tropfen höchst
;rdünnter Salzsäure zu jeder Mahlzeit sein ; insbesondere wird die Ver-
raung der Gelatine durch Säurezusatz gefördert (U f f e 1 m a n n, D. Arch.
kl. Med. 1877. XX. p. 566). Vgl. auch Buss, Fieber. Stuttg. 1878.
Eine wichtige Frage bei Behandlung pneumonischer Kinder ist
e, ob man ihnen Alcoholica reichen soll oder nicht. In gewöhnlichen
•nfachen Fällen kann es sich nur um die Darreichung guten Bieres
ler besonders reinen Weines handeln. Ich glaube , dass letzterer bei
,..sher gesunden kräftigen Kindern mit uncomplicirter einlappiger
neumonie gänzlich unnöthig, in massiger Menge und gehörig verdünnt
oer auch unschädlich ist und daher ganz wohl erlaubt werden kann.
ei weniger widerstandsfähigen Kranken mit schwererem Pneumouie-
.erlaufe mag Wein aber ganz wohl schon von Anfang der Krankheit
:.a in massiger Gabe genommen werden ; er ist hier ein treffliches Mit-
;1 zur Unterstützung der Herzthätigkeit , deren Beeinflussung sich be-
3its wenige Minuten nach seiner Incorporation zu erkennen giebt. Die
[auptsache ist, dass auf einmal immer nur massige, nicht zu grosse und
esshalb zu stark anregende Mengen genommen werden, theils desshalb,
?eil auf Ueberreizung Schwäche und unter Umständen selbst Lähmung
)lgt, theils damit nicht durch frühzeitige Gewöhnung an grössere Dosen
ie Möglichkeit verscherzt werde, mit solchen im Falle der Noth etwas
ästen zu können. Inwiefern durch Alcoholica auch ein gewiss er-
wünschter Nähreffekt erzielt werden kann, darüber vgl. Binz im 1.
iande p. 449 und Marvaud (Les Aliments d'epargne. Paris 1874.
'. 243) ; bei uns kommt in dieser Beziehung besonders auch gutes Bier
1 Betracht.
Sehr wichtig werden aber die Alcoholica und die übrigen Stimu-
46*
i^oj^ Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
lantien , wenn sich trotz der prophylaktischen Antipyrese im Verlauif
der Pneumonie deutliche Zeichen von Herzschwäche, als kleine
Puls, autfallende Blässe der Schleimhäute , cyauotische Färbung, nt.
gleiche Wärmevertheiluug, kühle Peripherie bei heissem Rumpf u.s. v
einstellen. Schon die Alten wandten unter solchen Umständen Excitau-
tien an, und verständige Aerzte , wie Posner, lehrten ihren Gebraucl
bei Lungenentzündung selbst in jener traurigen Periode der Therapie,
in welcher man (Cst. Jber. 1844. IV. p. 613) selbst dreimonatlicheii
pneumonischen Kindern wiederholt zur Ader Hess und Nougeboreii.
schröpfte (Hervieux, J. f. Kkh. 21 p. 5) — eine Periode, um demi
Beseitigung, in Deutschland wenigstens und für die Pädiatrik, sid
Z i e ms s e n ein wesentliches Verdienst erworben hat *). Gelegentlicl
mag da bemerkt werden, dass noch 1869 von französischer Seite (Kuol!
1. c.) Aderlässe für pneumonische Kinder , wenigstens für über zweijäl-
rige, empfohlen worden sind; ja B o uch u t wünscht sogar noch M
(V.-H. Jber. II. p. 616) allgemeine und lokale Bluteutziehungen bei
chronischer seeundärer Lungenverdichtung verwendet zu sehen! Be-
kanntlich ist auch in Italien die Behandlung der Pneumonie mit »
derholten Aderlässen noch heute an der Tagesordnung , während Eng-
land ganz entgegengesetzte Maximen verfolgt. Besonders geeignet fe
die Anwendung der Stimulantien sind ausgebreitete, zumal doppeiseitii'i
(Terrier) und asthenische (Marvaud) Pneunionieen ; jejüngerd
widerstandsfähiger ceteris paribus die Kinder sind, für um so notliweii-
diger dürfen sie gelten. Es muss hier starker edler Wein jeder Art, od«
Champagner, Cognak u. s. w. , letzterer etwas mit Wasser verdünnt,!«
grösserer Menge und zwar in dem Maasse gereicht werden, dass die Herz-
thätigkeit möglichst energisch bleibt. Vor massigen Intoxicationser-
scheinuugen, die übrigens erfahruugsgemäss unter solchen Umständen
nicht leicht eintreten , braucht man sich nicht zu fürchten — sie sinil
das kleinere Uebel. Ueberdies sind sie, wenigstens bei raangey«
Hirncomplication , ungefährlich und können sogar bekanntlich (Bin!)
zur Steigerung etwaiger gleichzeitig erstrebter antipyretischer Effekte
*) Man muss über die Widerstandsfähigkeit erstaunen, vermöge welcl«
Kinder derartige Eingriffe ausgehalten haben. Besonders charakteristisch scheint
mir der allerdings vielleicht nicht eigentlich hierher gehörige Fall eines 5j.
Knaben mit »Pneumonie der rechten Lunge und des linken unteren Lappeoj'
zu sein, dessen Krankengeschichte E p t i n g erzilhlt. Derselbe erkrankte, nadi-
dem ihm möglicherweise Tags vorher eine Bohne in die Luftwege gelangt wa';
seine Pneumonie verlief mit hohem Fieber , sehr gesteigerter Pulsfrequenz m
grosser Dyspnoe. Er bekam zweimal (8 resp. G) Blutegel , ward wegen w-
stickungsantallen mit grosser Schwierigkeit und unter starkem Biiitvertate,
ohne dass ein fremder Körper erlangt ward, tracheotomirt und genas trotzdei«
rasch, oljwohl er durch die erst spät und langsam zur Heilung sieb anschickeniie
Wunde noch erhebliche Säfteverluste erlitten haben mag.
T b 0 m a s, Croupöse Pneumonie. Therapie. 725
jitragen. Indessen werden dem Alter angemessene öfter, ungefähr alle
lunden wiederholte Dosen alkoholischer Reizmittel ihren Zweck schon
füllen , ohne dass man die Kinder der Gefahr stärkerer Intoxication
issetzt. Die Hauptsache dabei ist immer, dass reines fuselfreies Ge-
iuk in Anwendung gezogen wird. Auch reiner starker Kaffee und
lee mögen , bei vorhandener wie bei drohender Herzschwäche, neben-
i — unter Berücksichtigung des Umstandes , dass sie Schlaflosigkeit
sengen — gebraucht werden. Von den übrigen Stimulantien ver-
ende ich am liebsten den Campher in der Form der subcutanen In jek-
)n (1 : 4 Ol. amygd. oder Aether) , um den Magen für die unter diesen
tnständen besonders nothwendigen Nahrungsmittel zi; reserviren. Bei
[gleich vertheilter Wärme leisten die bei Pneumonie , zumal der Kin-
r , schon seit alter Zeit empfohlenen warmen Bäder ausgezeichnete
enste. Uebrigens vermeide man bei Herzschwäche langes Aufsitzen-
iseu ; am zweckmässigsten werden Ohnmächten durch andauernde Ho-
.ontallage verhütet. Alles kommt darauf an, Herz und Hirn durch die
imulantien leistungsfähig und besonders die Thätigkeit des ersteren
lange in möglichst intaktem Zustande zu erhalten, bis die Krise das
ausserordentlich schädliche febrile Element beseitigt und weiterhin
nstigere Ernährungsbedingungen ermöglicht. Jürgensen sagt in
;ser Beziehung ganz richtig, dass es da, wo Reizmittel dringend
thig sind , eine obere Grenze für dieselben nicht geben darf. Wie
en schon erörtert, müssen die Stimulantien insbesondere beim Ge-
auch energischer Antipyretica Anwendung finden. Unter Umständen
id sie auch noch nach der Krise bei stark gesunkener Herzthätigkeifc
rzere oder längere Zeit hindurch nothwendig.
Werthvoll sind in mehr oder weniger plötzlich sich einstellenden
)llapszu ständen mit stockender Respiration auch solche
imulantien , durch welche vermittelst der Nerven des Geruchsorgans
Ifactorius und besonders Trigeminus) eine Erregung des Athmungs-
atrums bewirkt wird. Durch wiederholte Entwicklung von starken
echmitteln, Ammoniakdämpfen u. s. w. vor der Nasenöffnung können
ergische Respirationsbewegungen ausgelöst und das schwindende Be-
isstsein zurückgebracht, damit aber kostbare Stunden gewonnen wer-
n ; denn immer darf man , wenn das Leben nur bis zum Beginne der
risis erhalten bleibt, hoffen , dass der durch diese herbeigeführte gün-
ge Umschwung aller Verhältnisse die Krankheit zu einem glück-
hen Ausgang bringen werde.
In dieser Beziehung ist eine Krankengeschichte von Eü hie (Günzb.
Ztschr. 18.52. IIT. p. 358), einen 25jähngen Mann betreffend, sehr lehr-
reich, besonders auch insofern, als nach K.'s Darstellung der Herzstoss
726 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
bis einige Stunden wenigstens vor der fast letalen Katastrophe kiüfti,
o-elilieben war, die Respiration aber trotz gestiegener und regelmiissig,,
Pulsfrequenz sich auffallend verlangsamt und verflacht hatte. Als.,
ziemlich i s o 1 i r t e Lähmung der Respiration, welclk
aber auf kniffige Reize wieder in Gang kommt, und Ausgang in Ge-
nesung.
Diese im Allgemeineu durclizufübrende Behandlungsweise der croii-
pösen Pneumonie erfordert einige Modificationen und Zuthaten bein
Hervortreten gewisser Symptome.
Da schwere Hirnsymptome meist nur Folge hochgesteigerter Eigen-
wärme sind, so treibe man bei ihnen besondei's fleissig Antipyrese, ivo
möglich nur durch äussere Mittel , da die inneren Antipyretica mit-
unter selbst Anlass zu unangenehmen Hirnerscheinungen sind. Aus-
serdem applicire man öfter kalte Umschläge auf den Kopf , ohneiili-
i-igens des Umstandes zu vergessen , dass die Hirnsymptojne auch Folgt
einer Complication sein können , welche vielleicht einer besonderen Be-
handlung bedarf. Ist letzteres nicht der Fall, so wird vermuthlich ei«
entschiedener antipyretischer Erfolg die Hirnsymptome sofort zmi
Schwinden bringen. Hirnsymptome aus Intoxication mit Narcoticis oder
innerlich gereichten Antipyreticis , vielleicht Folge einer Idiosynkrasie,
verlangen das Weglassen des betreffenden Mittels ; solche ausSchwäck
wie sie theils durch andauei-nde Schlaflosigkeit bedingt sind, insbeson-
dere aber — in sehr schweren Fällen — nach der Klüse auftreten, pdf
gen theils Ruhe und Schlaf herbeiführenden Mitteln , welche dem Hirn
sich zu erholen gestatten , theils , nämlich bei gleichzeitigem Coilaps,
den Reizmitteln zu weichen.
Brustsclimerzen, welche in stärkerem Maasse belästigen, muss rtw
durch lokale Kälteapplieationen , z. B. Eisbeutel , oft gewechselte kalte
Tücher, oder auch Priessnitz'sche feuchtwarme Umschläge, ferner
trockene Schröpf köpfe , Senfteige, überhaupt flüchtige Hautreize , aich
lokale Anaesthetica , zu ermässigen streben, eine Blutentziehung, die
Anwendung der höchst unbequemen , ja selbst nachtheiligen Blasen-
pflaster u. s. w. aber unterlassen. Bei nicht zu beträchtlichem Fieber
mögen auch Cataplasmen versucht werden ; dieselben sind ungeeignet,
wenn häufig gebadet werden muss. Ist Alles erfolglos und ein Narco-
ticum nicht contraindicirt , wie z. B. durch reichliches Bronchialsecret,
so gebe man es , jedoch in vorsichtigster Weise , mit Aufmerksamkeit
die individuell geeignete (A b el i n) manchmal erstaunlich geringfügige
Dosis heraussuchend und dabei des Umstandes gedenkend , dass Kinder
höhere Dosen der Narcotica überhaupt schlecht zu ertragen pflegen;
die Influenzirbarkeit ist zumal bei jungen Kindern oft so gross, das
schon ganz unbedeutende Mengen, z. B. ein Tropfen Opiumtinctur,
Thomas, Croupöse Pneumonie. Therapie. 727
,iefste Narkose und Schlimmeres bewirken. Binz (I. p. 440) empfiehlt
oesonders Chloralhydrat — früher waren nach Baumgärt ner's
Vorgang eine Zeit lang Chloroform- und Aethereinatlimungen au der
Tagesordnung ; ich habe mich nie gescheut, Morphium., wo- es dringend
DÖthig erschien, anzuwenden. Aelteren Kindern kann man auch eine
mbcutane Injection machen. Auch gegen allzu heftigen und häufigen
Hustenreiz sind nicht nur Narcotica, sondern auch Kälte und Hautreize
geeignete Mittel. Oft verwundert man sich zu sehen, wie rasch und be-
deutend alle lokalen Beschwerden mit der Erzielung eines allgemeinen
antipyretischen Effektes sich vermindern , und wird daher schon ihret-
wegen sich bestreljen , einen solchen herbeizuführen. Das Gleiche gilt
für allzustarke Dyspnoe , ausser wenn dieselbe nur Folge einer compli-
catorischen intensiven Bronchitis ist und daher besondere Massnahmen
nothwendig macht. Sollte sich der Gebrauch von Expektorantien als
wünschenswerth erweisen , so lasse man öfters trinken , am besten Sel-
terserwasser unter Zusatz von .heissem Wasser oder Milch mit etwas
Zucker ; magenreizende Medikamente möchten die Verdauung stören.
Einer heftigen und anhaltenden Diarrhoe begegnet man , ausser
durch zweckmässige Diät , Weglassen aller süssen und säuerlichen Ge-
tränke und Vermeidung allzuvielen Trinkens überhaupt , durch Priess-
nitz'sche Umschläge auf den Leib , allgemeine Einpackungen und Ab-
reibungen — also Massnahmen, die zugleich auch eine bedeutende Ein-
wirkung auf das Fieber besitzen. Im Nothfalle kann man ebenso wie
bei ungewöhnlich lange anhaltendem und intensivem Erbrechen kleine
Dosen Opium oder Morphium anwenden, theils innerlich, theils in
schleimigen Klystieren.
Ein durch Eiterauswurf sicher nachgewiesener Lungenabscess
könnte die Erleichterung der Expektoration durch Brechmittel noth-
wendig machen. Er verlangt ebenso wie der Ausgang in Brand mög-
lichste Ventilation sowie Beseitigung des Geruchs und Besserung der
lokalen Verhältnisse durch Anwendung von antiseptischen Inhalationen
und innerlichen Gebrauch des Terpentinöls (einige Tropfen pro die, in
Milch oder süssem Schleim). Beide Arten des Ausgangs der Pneumonie
erfordern übrigens gleich dem in eine chronische Lungenaffektion, des-
sen Vorkommen Buhl neuerdings wieder (Mittheüg. aus d. pathol. Inst.
Stuttg. 1878 p. 174—194; s. auch: Lungenentzdg. u. s. w. 12 Briefe.
2. Aufl. 1873. p. 24 und vgl. E. Wagner, Arch. d. Heilk. 18G6. VII.
p. 504) auf das Bestimmteste läugnet und dessen Annahme er nur als
Consequenz einer falsch gestellten Diagnose betrachtet, als therapeuti-
sche Massnahmen ganz l;)esonders möglichste Beseitigung des Fiebers
und Erhaltung eines guten Ernährungszustandes.
■728 Kranklieiteii der Athmungsorgane. Lunge.
Ganz dasselbe — beide Momente sind ja die Grnndzüge der Pneu-
moniebehandlung — ist auch bei den complicirten und secundären Pneu-
monieeu, welche sämmtlich , sofern sie nicht rasch tödten , einen verzö-
gerten Verlauf besitzen, zu beachten. Wegen der besonderen Behand-
lung der Complicationen , beziehentlich der primären Störungen, z«
welchen die croupöse Pneumonie hinzutritt , muss auf die betreffenden
Abschnitte des Handbuchs verwiesen werden.
Mit der Krisis hebt sich in der Regel der Appetit rasch und es
steht dann Nichts mehr im Wege , das gesteigerte Nahrungsbedürfniss
zu befriedigen. Gewöhnlich kehren die Kräfte bald zurück und verlan-
gen die Kinder stürmisch aus dem Bett, oft noch zu einer Zeit, in wel-
cher die Zeichen der Infiltration beinahe intakt sind. Man mache es
sich zum Gesetz, das Verlassen des Bettes nicht eher zu gestatten, als
bis die Heilung der Pneumonie durch die vollständige Resorption des
Exsudates gesichert ist. Der Fortgebrauch kräftiger Alcoholica und die
Anwendung von Eisenpräparaten sowie des Leberthrans werden dieRe-
convalescenz beschlemiigen. Nach vollkommener Genesung müssen die
Alcoholica aber wegbleiben ; gesunden Kindern Wein zu geben ist un-
zweckmässig.
Nach Ablauf der Pneumonie muss längere Zeit hindurch
ein vorsichtiges Verhalten wegen der Gefahr der Recidive beobachtet
werden. Am meisten werden dieselben sowie etwaige Nachkrankheiten,
welche sich bei schwächlichen Kindern auschliessen könnten, durch das
prophylaktische Verfahren verhindert , welches ich im Anfange dieses
Abschnittes erörtert habe. Insbesondere darf das wünschenswerthe
Warmhalten, das Vermeiden von Erkältungen , was im Anfang der Re-
convalesceuz jedenfalls zweckmässiger als ein muthwilliges Sichderkälte-
aussetzen ist, nicht in ein äng.stliches Zuwarmhalten ausarten, und jeden-
falls nicht über die Zeit hinaus fortgesetzt werden , in welcher nicht
eiumal mehr ein Rest eines Symptoms auf die überstandene Erkrankung
hinweist und der Körper des Kindes wieder in den Vollbesitz seiner
früheren Kraft gelangt ist.
Die Catarfhalpneumoiiie
von
Professor Dr. Oscar Wyss.
Mit 8 Holzsclinitten.
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f. K. 1875 (Bd. 8.) p. 255. — Reiner, path.-anat. Mittheil. Jahrb. f. K. 1876.
Bd. 10. p. 270.
730 Krankheiten der Atbmungsorgane. Lunge.
Definition.
üuter catarrhalischer Limgenentzündung , Pneumonia catarrhalis,
Bronchopneumouie oder lobulärer Pneumouie verstellt man jene Formen
der Limgenentzündimg , die im Gefolge von acuten oder chronisclien
Entzündungen der Bronchien auftreten; die an vielfachen circmn-
Scripten Stellen des Lungengewebes sich entwickeln und erst nach ail-
luähliger Ausbreitung einen grössern Theil der Lunge occupiren; die
durch ihren weniger scharf markirten Beginn , ihren meist mehr pro-
trahirten Verlauf, ihre grosse Schwankungen zeigende , z. Tb. sehr uu-
regelmässige Fiebercurve und die relativ geringern örtlichen Symptome
sich von der acuten sog. croupösen Pneumonie ziemlich scharf abgrämen.
Pathologisch - anatomisch characterisirt sich die catarrhalische Pneu-
monie durch den Sitz und die Ausbreitung der Entzündung, indem ihre
Prädilectionsstellen die untern und hintern Abschnitte der Lunge sind;
durch das zerstreute lobuläre inselförniige Auftreten der Entzündungs-
heerde, das Fehlen von Faserstoffnetzen in den Alveolen, das Vorhan-
densein von massenhaften lymphatischen Zellen in letztern , während
anfangs nur die gequollenen (und gewucherten V) Alveoiarepitheliensicli
darin nachweisen lassen.
Geschichte.
Obwohl die Zustände , die wir catarrhalische Pneumonie nennen,
schon den Aerzten voriger Jahrhunderte vorkamen, lernte man sie doch
erst im dritten und vierten Jahrzehnd unsers Säculums anatomisch,
symptomatisch und genetisch genauer kennen und sie von den schwe-
ren Bronchialcatarrhen einerseits , von der croupösen Pneumonie ande-
rerseits, wie auch von andern Vorgängen im Lungen sjewebe , wie vom
Collaps desselben, der Atelectase, dem Oedem u. a. m. als eine Krank-
heit für sich abtrennen. Sydenham bezeichnete unsere Kranicheit
sowie die schwerern Catarrhe als Pneumonia notha, als falsche Pneu-
monie. B o e r h a V e und van S w i e t e n hoben den schleichenden Ciia-
racter dieser Vorgänge hervor. Dass Morgagni epist. XX. 15. ein
14 Tage altes Kind mit doppelseitiger Catarrhalpneumonie der hintern
untern Lappen secirte, ist zweifellos ; aber er hob eine Differenz gegen-
über der gewöhnlichen Pneumonie durchaus nicht hervor. CiiUen be-
tonte die grosse Variation der Symptome beim gleichen Individnum;
P. Frank und Pinel hielten die Peripneumonia notha blos für einen
Catarrh der Bronchien ; L a e nn e c subsumirte sie dem Catarrhe souf-
focant , erwähnte indess bereits kleiner diffuser Heerde pneumouischfr
Infiltration dabei.
A. G. Richter sagte 1813 von der Peripneumonia notha, sie ge-
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Definition. 731
höre unter die lymphatischen Entzündungen ; mehr die Bronchialdrüsen
und überhaupt das ganze ßronchialsystem, weniger das System der Blut-
gefässe sei ergriffen. Sie stehe dem Catarrh sehr nahe ; greife nur noch
mehr wie dieser in die eigentliche Lungensubstanz hinein ; entstehe
vielleicht von einem noch reizendem schärferen Stoffe. Die Krankheit
entsteht nach Richter nur bei Leuten mit einer sogenannten »schlei-
michten BriTstconstitution « , daher am häufigsten bei alten Leuten , bei
Kindern etc. Auch was Richter sonst noch über diese Krankheit an-
gibt, trifft auf die Pneumonia catarrhalis so genau zu, dass angenommen
werden muss, er habe die Krankheit bereits von andern abgetrennt. Er
warnt u. a. bei der Behandlung vor grossen Aderlässen und empfiehlt
Brechmittel, Wärme, reizende Expectorantien.
Anno 1823 erschien in Frankreicli die erste Monographie über die
Pneumonie des enfants. Leger besclirieb vier Formen der Pneumonie
latente aigue, unter denen entschieden die von ihm am besten characte-
risirte und wichtigste die Pneumonie nach Masern ist. Leger's Be-
schreibung fehlen leider jedoch zwei sehr wichtige Puncte, nämlich die
genauere Feststellung der physikalischen Symptome und die anatomi-
sche Begi'ündung.
Lanoix, der zwei Jahre später die Kinderpneumonie mit jener
der Greise verglich , erwähnte zuerst der mamelonirten Hepatisation,
also der Eigen thümlichkeit des »lobulären« Infiltrates, sowie der »Gra-
nulationen der vesiculären Pneumonie, die oft Tuberkelgranulationen«
vortäuschen. Letztere Affection hielt er jedoch für ein Resultat der
chronischen Bronchitis.
Breton schilderte 1828 die lobuläre Pneumonie als eine lange
dauernde Krankheit mit unbestimmten Symptomen , die oft in Abscess
ende und sich schwer von tuberculüser Phthise unterscheide. Burnet
1833, de la Berge 1834 behandelten denselben Gegenstand; ersterer
wies auf die Möglichkeit des Ausgangs der lobulären Pneumonie in In-
duration hin , letzterer auf den verschiedenen klinischen Verlauf und
daher auch verschiedene Behandlung.
Zu gleicher Zeit machte M. Gerhardt Erfahrungen über die
Kinderpneumonie bekannt. Er unterschied 2 Gruppen von Fällen :
solche bei Kindern über 6 Jahren und solche bei Kindern darunter. Er-
stere Krankheit sei wenig gefährlich , befalle vorher gesunde Kinder ;
letztere sei ominöser , betreffe vorher kranke Kinder von 2 — 6 Jahren ;
diese letztere Angabe bezieht sich offenbar auf die Catarrhalpneumonie.
Die klinischen Symptome dieses letztern Leidens indess ignorirte er ;
Hess sich auch nicht auf dessen Diagnose ein. — Von B o u d i n's, Ru fz's
und Valleix's Arbeiten hat die letztere deshalb Bedeutung , weil V.
732 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
gleichzeitig die allgemeinen und örtliclien Symptome und die anatomi-
schen Veränderungen berücksichtigt.
Während in allen diesen Schriften die Kinderpneumonie in ziem-
lich unbestimmter Weise als eine besondere Krankheit aufgefasst wurde,
verschieden nach dem Alter oder dadurch , dass sie in lobulärer Fom
auftrete, traten Ende der dreissiger Jahre RiUiet vmd Barthezmit
ihren verschiedenen Publicationen über diesen Gegenstand hervor. Sie
stellten die Ansicht auf, die sich auf zahlreiche exacte klinische und
anatomische Thatsachen stützte, dass man in jeder Periode des Kindes-
alters zwei Formen von Liingenentzündung zu unterscheiden habe, näm-
lich die lol^äre, die vollkommen analog der Pneumonie der Erwachsenen
sei und die lobuläre , die constant mit der Bronchitis in engem Convex
stehe. Durch Fortschreiten der anfangs umschriebenen, an zahlreichen
Stellen localisirten Entzündung, können die zwischen den zuerst in-
filtrirten Partien liegenden lufthaltigen Lungenabschnitte allmählig
infiltrirt werden, und so die generalisirte lobuläre Pneumonie entstehen.
R i 1 1 i e t und B a r t h e z stellten die Symptome , den Verlauf, die ana-
tomischen Veiänderungen dieser Ki-aukheit fest; wiesen nach, dass sie
im Gegensatz zur lobären Pneumonie fast immer eine secundäre Krank-
heit sei ; dass weniger das Alter als vielmehr die Form der Krankheit
es sei, was ihr anatomische und klinische Eigenthümlichkeiten verleihe.
Einen weitern wichtigen Beitrag zur Kenntniss der lobulären Pneu-
monie lieferten ferner L e g e n d r e und B a i 1 1 y durch den Nachweis,
dass durch Lufteinblasen in die Bronchien atelectatisches Lungengewebe
wieder lufthaltig gemacht werden könne , pneumonisch infiltrirtes da-
gegen nicht.
Nachdem so in Frankreich die Grundzüge der Lehre unserer Krank-
heit geschaffen wurden, förderten deutsche Aerzte deren genauere Kennt-
niss. Zwar schrieben um die gleiche Zeit, z. Th. auch schon früher
K e r k r i g , H u f e 1 a n d , S u c c o w darüljer ; schilderte letzterer beson-
ders ihre Symptome , aber ohne pathologisch - anatomische Studien,
.J ö r g's Entdeckung und genaue Beschreibung der Atelectase förderte
die Lehre von der catarrhalischen Pneumonie in sehr hohem Grade. Die
Schriften von Seif f er t und von Gruse machten — neben Ueber-
setzungen der Arbeiten der französischen Forscher — die Catarrhal-
pneumonie auch den Aerzten Deutschlands bekannt. Doch sind von
grösserer Bedeutung erst spätere Arbeiten der Deutschen, die in kurzer
Zeit die noch fehlenden Puncte in der Lehre der Catarrhalpneumonie
ergänzten. Steiner beschrieb die gröbere pathologische Anatomie, die
Aetiologie und die Complicationen, gestützt auf ein grosses pathologisch-
anatomisches Material. Bartels bereicherte die Lehre von der Ma-
Oscar Wyss, Catarrbalpneumome. Ursachen. 733
sernpneumonie mit wichtigen Beobachtungen und Erfahrungen in Be-
zug auf Symptomatologie , pathologische Anatomie und ganz besonders
die Therapie. Z i e in s s e n verdanken wir zwei sehr schöne Arbeiten
über diesen Gegenstand ; namentlich exacte Studien über den Tempe-
raturverlauf, durch die der Unterschied zwischen croupöser und catar-
rhalischer Pneumonie sehr scharf klinisch definirt wurde. Thomas
und seine Schüler machten sich in gleicher Weise um die Thermometrie
unserer Krankheit verdient. Steffen hat weitere klinische Beiträge
über unser Leiden geliefert ; er suchte neuerdings in einer Arbeit über
Streifenpneumonie einen Theil der catarrhalischen Pneumonien unter
diesem Namen zu sammeln und als besondere Form hinzustellen. Der
Versuch Rautenberg' s, die Grenze zwischen catarrhalischer und
croupöser Pneumonie fallen zu machen, muss als verunglückt bezeichnet
werden, da Rautenberg selbst am Schluss seiner Arbeit die Kinder-
pneumonie in zwei Gruppen eintheilt , deren eine genau der acuten sog.
croupösen , die zweite genau der sog. catarrhalischen Pneumonie ent-
spricht. Gewiss ist richtig , dass es vom anatomischen Sprachgebrauch
aus besser wäre, statt des Ausdruckes Catarrhalpneumonie die Bezeich-
nung »lobuläre« Pneumonie zu wählen ; weil, wie schon Rill i et und
Barthez wussten, man zuweilen in deu lobulär pneumonisch infiltrirten
Partien die histologischen Charactere des croupösen Exsudates findet.
Da aber die Bezeichnung Catarrhalpneumonie ganz und gar nicht aus-
schliesst, dass ausnahmsweise auch Fibrinnetze in den Alveolen vorkom-
men, da wie R. ferner richtig hervorhebt , nicht alle grössern Infiltrate
bei der Catarrhalpneumonie aus successive entstandenen lobulären Heer-
den entstanden sind, sondern diese Bezeichnung eben nur involvirt, dass
ein Catarrh oder eine Entzündung der Bronchien voraufgegangen sei,
so behalten wir diese Bezeichnung in der Folge bei und sehen keinen
Grund ein, ihn in »secundäre Pneumonie« umzuwandeln.
Die Histologie der Catarrhalpneumonie wurde in den letzten Jahren
wiederholt Gegenstand eingehendem Studiums; es waren Bartels,
Colberg, Ziemssen, Damaschino, Buhl, die die Angaben
früherer Untersucher theils bestätigten , theils erweiterten ; während
Fried lande r und 0. Frey auf experimentellem Wege bedeutsame
Resultate bezüglich der Histologie und Pathogenese mittheilten.
Ursachen.
Der Ausgangspunct der catarrhalischen Pneumonie ist die voraus-
gegangene Entzündung der Bronchien. Alle jene Momente, welche
Bronchitis , zumal Entzündung der feinsten Bronchien erzeugen , geben
auch die Veranlassung zu der in Rede stehenden Form der Lungenent-
734 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Zündung. Dass ein directes Fortschreiten des entzündlichen Processes
von der Bronchialwand auf die Lungenalveolen Statt hat, ist unzweifel-
haft; und zwar findet dieses Fortschreiten meist in absteigender Rich-
tung , von den grossen Bronchien auf die feinen und feinsten , auf die
Bronchiolen und endlich auf die Alveolen Statt. So beginnt die Krank-
heit in der That häufig an der äussersten Peripherie des Bronchial-
baums, subpleural. Aber die Entzündung pflanzt sich, freilich nicht mit
der gleichen Häufigkeit , auch von grössern Bronchien auf benachbarte,
der Bronchialwand anliegende Alveolen aus und bilden sich hier kleine,
den Bronchien aufsitzende oder sie umschliessende Entzündungsheerde
(Peribronchitische Heerde).
Die Aetiologie der Catarrhalpneumonie coincidirt in der That mit
derjenigen der Bronchitis. In jenen Jahreszeiten, jenen Monaten, welche
sich durch das häufigere Auftreten der Bronchitis catarrhalis auszeich-
nen , kommen auch die meisten Catarrhalpneumonien vor. Am selten-
sten kommt sie in den Monaten Juni bis October, am häufijgsten in
den spätem Winter- und den ersten Frühlingsmonaten (Januar bis
April) vor.
Mit andern Worten : die athmosphärischen Einflüsse, zumal Ein-
wirkung kalter feuchter Luft, grosse Temperaturschwankungen der Luft,
dann namentlich, wenn sie einen durch den Winter, speciell den Aufent-
halt im geschlossenen Wohnraum geschwächten Körper treffen , rufen
unsere Krankheit hervor.
Aber alle anderen ätiologischen Momente der acuten und chroni-
chen Bronchial catarrhe fallen hier ferner in Betracht, so in erster Linie
die mit Catarrhen coniplicirten Lifectionskrankheiten. Unter diesen
spielen die Masern , der Keuchhusten , die Dipbtheritis die wichtigste
Rolle; es kommen aber auch in Betracht Scharlach, Pocken, Typhus,
sogar Dysenterie , die zwar seltener aber doch immerhin zuweilen sich
mit Catarrhalpneumonie compliciren.
In zweiter Linie stehen gewisse Allgemeinkrankheiten , die zu Ca-
tarrhen und catarrhalischer Pneumonie disponiren, namentlich desshalb,
weil bei diesen die Bronchitis häufiger auftritt, häufiger recidivirt, chro-
nisch wird und schliesslich sich die Entzündung aufs Lungenparenchym
ausdehnt. Die wichtigsten dieser Krankheiten sind die Rhachitis, die
Scrophulosis, die Atrophia infantum und die Tuberkulose. Es sind die Fälle
nicht so sehr selten , wo eine allgemeine oder circumscripte Tubercu-
lose vorliegt, ohne oder auch mit Lungentuberculose, wo aber die Haupt-
veränderung in der Lunge nicht Miliartuberculose, sondern Cat.-Pn. ist.
Drittens sind Ursachen der Catarrhal-Pneuraonie anderweitige
Noxen , namentlich die Einwirkung heftiger Reize auf die Bronchial-
Oscar Wyss, Catarrlialpneximonie. Ursachen. 735
Schleimhaut oder auf die Alveolarwand , so der Contact mit gewissen
Gasen, Ammoniakgas, Chlorgas, Säuredämpfe etc. einerseits , anderseits
gewisse Staubsorten , namentlich jene, deren Staubpartikel mit Spitzen
und scharfen Kanten versehen sind (sehr feiner Eisen- und Stahlstaub)
oder gewisse vegetabilische Staubsorten ; besonders gefährlich fand ich
den Staub von mit Arsenhaltigen Anilinfarben gefärljter Wolle oder
Kleiderstoffen; ferner alle jene Fremdkörper, die aus dem Verdauungs-
apparat herstammen (Mundsecret, Speisepartikel, grössere in die Bron-
chien gelangte Fremdkörper wie Fischgräten, Aehren etc.) oder solche,
die aus dem Nasopharyngealraum oder dem Kehlkopf oder Trachea as-
pirirt werden (Gangränöse und Diphtheritische Massen , Croup - Mem-
branen, Eiter, Jauche, Knorpelstückchen etc.), wie sie bei Diphtheritis
oder Croup , bei Noma , Perichondritis laryngea in die Luftwege gelan-
gen und die durch ihi-e mechanische , chemische oder inficirende (septi-
sche) Reizung oder dadurch, dass sie die Bronchien obstruiren, Bron-
' chitis und lobuläre Pneumonie erzeugen. Man hat ferner Catarrlial-
■ Pneumonie nach ausgedelmten Körperverbrenuungen beobachtet.
Dass der Zahnungsprocess mit unter die für Catarrhalische Pneu-
monie disponirenden Vorgänge gehört, ist uns unzweifelhaft. Zwar ruft
er allerdings nicht direct die Pneumonie hervor, sondern indirect ver-
: mittelt durch die so oft während des Zahndurchbruchs sich einstellende
Coryza , Laryngitis , Tracheobronchitis und die folgende Bronchiolitis.
Prädisponirend sind ferner Schwäche des Lidividuums überhaujjt,
Schwäche besonders der Uespirationsorgane , Schwäche der Atheui))e-
wegungen , Kohlensäureüberladung des Blutes. Dabei sei jedoch nicht
gesagt, dass die Catarrhalpneumonie blos kachectische Kinder befalle.
Steffen sah unter 72 Erkrankten 18 gut genährte, 8 mittelmässig
und 46 schlecht genährte. Im fernem ungünstige hygieinische Verhält-
nisse, schlechte, durch Kohlensäure und namentlich mit organischen
Substanzen, mit Stauli, impräguirte Luft, wie sie so häufig während der
rauhern Jahreszeit in den mangelhaft ventilirten Wohnräumen der
Proletarier wie auch der sog. gebildeten Classe gefunden wird. Ganz
besonders schädlich wirkte in dieser Hinsicht die Luft älterer Spitäler
imd Findelhäuser wie in Paris u. a. a. 0., wo die Sterblichkeit der Kin-
der an dieser Krankheit eine ganz enorme war. In unseren neueren
Kinderspitälern ist diese Krankheit , die Pneumonie der Kachectischen,
unbekannt.
Dass permanente Rückenlage , mangelhafte Pflege, namentlich das
Liegen in nassen Windeln , mangelhafte Bedeckung mit zur Entwick-
lung und Ausbreitung der Krankheit beitragen , indem sie Catarrhe in
ihrer Entwicklung begünstigen , ist imzweifelhaft. Dass die Catarrha-
736 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
lische Pneumonie uns Aerzten viel häufiger in der ärmeren Population,
häufiger in der poliklinischen als in der Privatpraxis vorkommt, ist aus
dem Angeführten leicht erklärlich. Sie fehlt aber in den höheren Stän-
den nicht und wird bei diesen sogar nicht selten geradezu in ihrer Ent-
stehung begünstigt durch die mangelhafte oder unzweckmässige Mode-
Bekleidung der Kinder : übermässiges Behängen gewisser Körpertheile
(Brust, Bauch) mit Kleidern, während andere (Arme, Beine oft von der
Mitte der Oberschenkel , oder doch vom obern Rande der Kniee an bis
zu den Knöcheln) frei bleiben — eine Bekleidung, die gar nicht etwa
nur an den heissen Sommertagen , sondern häufig noch an kalten Octo-
ber- und November-Morgen oder - Abenden Dank der Gedankenlosig-
keit oder Unverstand der Mutter oder Wärterin beibehalten wird. Dass
auch tibelangewandte Abhärtungscuren mit Veranlassung zu Catarrhal-
Pneumonie geben können, ist auch unsere üeberzeugung.
Von Bedeutung ist ferner das Lebensalter. Je jünger das Kind,
desto mehr besteht die Disposition zu dieser Form der Erkrankung,
Gleichwohl ist sie innerhalb der ersten 6 Lebensmonate seltener , zwei-
felsohne aus gleichem Grunde , den Biermer anführt zur Erldärung
der in diesem Alter selteneren Bronchitis : weil die Kinder mehr ge-
schont werden. Dass in dieser Zeit im Gegentheil Catarrhe , die von
oben nach unten hinabsteigen, leicht Pneumonie erzeugen, beweisen die
leider gerade in diesem Alter so häufig zu beobachtenden Keuchhusten-
Pneumonieen. Dasselbe Individuum erkrankt leicht im Lauf der Zeil zu
wiederholten Malen an Catarrhalpneumouie ; wir können die Angabe
Steften's (Klinik d. K. L p. 255) bestätigen; auch -wir sahen diese
Krankheit beim gleichen Kinde im Gefolge eines acuten Catarrhs, der
von den oberen Luftwegen nach unten sich ausbreitete, zu wiederholtem
Male auftreten ; und zwar wiederholt ziemlich, einmal ganz genau nach
Jahresfrist.
Anatomie.
Wenn ein an catarrhalischer Pneumonie erkranktes Kind schon
wenige Tage nach Beginn der Erkrankung stirbt , so findet man , wie
ich nach selbst obducirten Fällen mit Bartels angeben muss;
Schlecht retrahirte Lungen , mit blassen emphysematösen Rän-
dern ; gewisse Lungenpartien , namentlich die hinteren Abschnitte der
ünterlappen, mitzu auch noch der Oberlappen sowie einzelne umschrie-
bene Stellen nach vorn , namentlich die unteren Lungenränder , ferner
häufig die Lingula des linken oberen Lappens unter das übrige Niveau
der Oberfläche zurückgesunken, scharf begränzt, und von dunkelvioletter
oder röthlich-blauer bis stahlblauer Farbe. Diese Stellen sind weich,
knistern auf Druck und beini Durchschneiden nicht. Die Schnittflüche
Oscar Wyss, Catarrhalpneumoiiie. Anatomie. 737
sinkt etwas zurück , ist vollkommen glatt , glänzend , scliwarzrotli , ent-
leert auf Druck Blut, dem keine Luftbläschen beigemischt sind. Bläst
man Luft in die zuführenden Bronchien , so füllt sich das Gewehe wie-
der völlig mit Luft ; es wird hellroth und lässt sich entweder in nichts
als durch die etwas beträchtlichere Hyperämie vom übrigen normalen
Lungenparenchym unterscheiden ; oder aber das Aufblasen findet an
einzelnen Stellen schwerer Statt und das aufgeblasene Gewebe fühlt sich
auffallend starr an ; dies geschieht namentlich hinten unten , wo der
Process offenbar seinen Anfang genommen hatte. Ja die Luft dringt
hier an einigen Stellen gar nicht mehr ins Lungenparenchym ein ; die
Partie bleibt unverändert. Beim genaueren Zusehen unterscheidet sich
letzterer Abschnitt auch schon durch seine übrige Beschaffenheit von
den aufblasbaren Stellen : das Gewebe ist brüchiger, die von der Schnitt-
fläche auf Druck ausfliessende Flüssigkeit ist nicht reines Blut, sondern
ist trülje , immerhin noch überwiegend aus Blut , zum Theil aber auch
aus Eiterkörperchen, bestehend. Die Schnittfläche ist nicht mehr spie-
gelglänzend, sondern etwas matt; sie sinkt nicht zurück, sondern bleibt
stehen ; springt sogar schon etwas über die umliegenden Theile der
Schnittfläche vor ; ihre Farbe ist nicht mehr schwarzroth, sondern zeigt
einen Stich ins Bräunliche. Auf der Oberfläche der Lunge, unter der
Pleura punkt- bis mm, und darüber grosse Ecchymosen.
Die Bronchien, die zu dem so veränderten Lungengevvebe führen,
zeigen intensive Hj^perämie , bis in die feinsten Verzweigungen hinein.
Sie enthalten einen zähen glasigen, an anderen Stellen eitrigen Schleim,
erscheinen eng oder von gewöhnlichem Lumen.
Jene coUabirten hyperämischen Luiigenpartien bezeichnet man, so
lange sie nicht die zuletzt erwähnten Veränderungen (Unfähigkeit des
Wiederaufblasens, grössere Brüchigkeit, trübe Gewebsflüssigkeit, matte
Schnittfläche) bieten, alsAtelectasen und versteht darunter einfach
mechanisch veränderte, collabirte, des Luftgehalts der Alveolen be-
raubte und stark hyperäniische Stellen. Gewöhnlich findet man sie auch
noch in späteren Krankheitsstadien in ganz frischem Zustand neben al-
tern pneumonischen Heerden und andern pathologischen Processen in
der Lunge. Sie entsprechen gewöhnlich Abschnitten, deren Bronchial-
lumen durch Secret , Eiter , Oroupmembranen u. a. m. verstopft sind.
Sie sind in der That in einer überwiegend grossen Mehrzahl von Fällen,
wo wir sie zu Gesicht bekommen, nicht entzündlichen Ursprungs; und
bilden sich zurück, ohne in Entzündungsheerde überzugehen. Aber in
andern Fällen, im Beginn einer Entzündung des Lungengewebes stellen
die Atelectasen den ersten Anfang des Entzündungsprocesses dar , ein
Vorgang , der freilich nur selten zu unserer Besichtigung kommt , und
Haadb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 47
738 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
der in seinem Wesen ganz entschieden vollkommen anderer Natur ist
als der nicht entzündliche passive Lnngencollaps. Die mikroskopische
üntersuchnng gibt hier frühzeitig DiÜ'erenzen.
Häufiger und daher bekannter ist das Bild der sog. pnemuoiiisclien
Anschoppung (enguement), wo man in den hintern untern Lappen seit-
lich neben der Wirbelsäule serös durchtränkte, sehr blutreiche, schwere,
brüchige Stellen des Lungengewebes findet. Solcher in der Entstehung
IjegriiFener Infiltrate findet man Ijei der Catarrhalischen Pneumonie ge-
wöhnlich eine grössere Anzahl, die mit Vorliebe in den hintern imd un-
tern Abschnitten der Lunge localisirt sind. Daneben aber sitzen fast
immer noch andere iufiltrirte Inseln im Gewebe , die ein weiter fortge-
schrittenes Stadium des pneumonischen Processes darstellen.
Die ausgebildeten inselförmigen lobulär-pneumonisclienHeerde er-
scheinen als '/■! his 2 — 3 und mehr Centimeler im Durchmesser habende,
rundliche , bis vielgestaltige , lappige und traubenf örmige , derbe , feste
Knoten , die in sehr verschiedener Zahl , von 3 — 4 bis zu Hunderten,
gewöhnlich um so kleiner je zahlreicher sie sind, im normalen oderin-
jicirten lufthaltigen Lungengewelje sitzen , oft in grösster Zahl dicht
unter der Oberfläche , über die sie etwas zu prominiren pflegen , jedoch
auch disseminirt im Lungengewebe sich finden. Die Mehrzahl sitzt in
den untern Lappen , nach unten , hinten ; dann in den hintern Theilen
der Oberlappen , in der Lingula , auch in den Lungenspitzen. Auf der
Schnittfläche sind die frischen Knoten matt, dunkelbraunroth,inahagoni-
holzfarben ; zeigen keine oder nur andeutungsweise Granulationen, sind
aber auch nicht vollkommen glatt, nicht spiegelgläuzend wie die atel-
ectatischen Stellen. Sie sind ziemlich trocken, auf Druck entleert sich
von der Schnittfläche nichts; nur aus den durchschnittenen Bronchial-
lumina fliesst dünnes eitriges Secret aus, kleine excidirte Stückchen
sinken im Wasser sofort unter ; Luft in sie einzublasen ist uinnöglich.
— 1 >iese Heerdhepatisationen orblassen in der Folge vom Centrum aus;
anfangs sieht man eine difl'use blasserrothe oder ins Graue spielende
Verfärbung, oder ein scharf umschriebenes aus runden scharfbegräuzten
weissen oder gelblichweissen punctgrossen Knötchen zusammengesetz-
tes traubenförmiges Centrum wird sichtbar : die zuerst infiltrirten Läpp-
chen , die zuerst die Umwandlung des regressiven Stofi'wechsels durch-
machen.
Im weitern Verlaufe der Krankheit werden unter Umständen die
beschriebenen pneumonischen Heerde grösser; wenn sie von vorneher-
ein in grösserer Zahl vorhanden waren , rücken sie sich dadurch immer
näher , dass das zwischen ihnen befindliche lufthaltige Lungengewebe
mehr und mehr inflltrirt wird , bis schliesslich eine ausgedehnte , einen
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Anatomie. 739
grossen Theil eines Lungenlappens bis zuletzt einen ganzen Lappen
und darüber einnehmende pneumonische Infiltration zu Stande kommt.
Bei der ersten Betrachtung ist ein derartig afficirter Lungenabschnitt
ziemlich gleich einem genuin acut - croupös - pneumonisch infiltrirten
Lappen. Aber die aufmerksamere Betrachtung gestattet keine Ver-
wechslung. Immer noch erkennt man bei der generalisirten oder lo-
bären Form der Catarrhalpneumonie das Characteristische der Broncho-
pneumonischen Infiltration : man sieht in dem dunkel- bis blaurothen
infiltrirten Gewebe Läppchen , infiltrirte Lungenacini, die schon blass,
anämisch , trockner , weisslich geworden sind , ferner auch solche , Ijei
denen die beginnende Fettentartung sich durch die gelblichweisse Fär-
bung verräth und neben diesen am frühesten infiltrirten finden sich
später erkrankte blutreichere weichere, weiter an der Peripherie der In-
filtration situirte Acini. Es gelingt demnach leicht , hier das verschie-
dene Alter des Infiltrates an den verschiedenen Stellen nachzuweisen.
Diese generalisirten catarrhalischen Pneumonien finden sich meist
beiderseits und vorwiegend häufig in den hintern und untern Lvmgen-
abschnitten ; zuweilen auch ausgedehnt über die vordem Partien der
untern Lappen oder über die hintern Abschnitte der Oberlappen ; in
den obern Lappen findet man daneben zerstreute lobuläre Heerde , bald
in grösserer Zahl, bald nur vereinzelt. Die vordem Lungenabschnitte
«eigen neben dem vesiculären , die Lungenränder ganz besonders stark
betrefii'enden Emphysem häufig auch sog. subpleurales und interstitielles
(oder interlobuläres) Emphysem : grosse , kirschkern- bis mandelgrosse,
oft auch noch grössere lufterfüllte Hohlräume, die entstanden sind dui'ch
Zerreissung von Alveolen und Austritt von Luft ins Bindegewebe resp.
unter die Pleura, also Emphysembildung im wahren Sinne des Wortes,
nicht bloss Alveolarectasie.
' Daneben trifft man seltener im Lungengewebe , sehr häufig (bei
Pertussis- und Masernpneumonien constant) unter der Pleura pulmonalis
punctförniige Ecchymosen ; nur ausnahmsweise finden sich grössere
Blutextravasate vor. Die Ecchymosen sind auch in der Umgebung der
Melectasen ziemlich constant. Sie erstrecken sich von der Lungenolier-
fläche immer etwas ins Gewebe hinein. Die Bronchien zeigen constant
die Symptome einer diffusen Entzündung. In den frühesten Stadien der
Masernpneumonie ist intensive Röthung der Bronchialschleimhaut vor-
lianden und ihre Oberfläche ist in den Bronchien 2. imd 3. Ordnung mit
«ähem glasigem Schleim in den feinsten Bronchien bedeckt. In den spä-
Lern Stadien persistirt die Injection nicht mehr überall, findet sich aber
immerhin noch anzweifelhaft vor; die Schleimhaut ist geschwellt, stel-
lenweise in Längsfalten gelegt. Das Lumen des Bronchus ist mit eitrigem
47*
740 Krankheiten der Atlimungsorgane. Lunge.
Schleim oder auch mit rahmähnlichem Eiter mehr oder weniger ganz
eriüUt; und nach längerem Bestehen der Krankheit sind die Broncliien
ganz besonders die der untern Lungenlappen regelmässig in verschieden
hohem Grade erweitert; ja mitunter lassen sich colossale Erweiterungen
bis zu Federkiel- und selbst Bleistiftdicke noch an Bronchien dicht uuter
der Lungeuoberfläche nachweisen. Dabei ist deren centrales Ende gegen
den Bronchialbaum hin ausserordentlich viel kleiner , nämlich von ge-
wöhnlichen Dimensionen. Diese Ectasien sind nicht immer cylindrische,
wir haben im obern Lappen auch spindelförmige und sackförmige ge-
sehen. In diesen Ectasien findet man luftleeres schleimig - eitriges Se-
cret, in welchem das Microscop Eiterkörperchen, Schleim und Flimmer-
epithel erkennen lässt. In spätem Stadien der Krankheit dickt i
Secret ein , so 'dass es als eine wurstförmige zusammenhängende '.
aus dem Bronchus herausgehoben oder durch den Wasserstrahl heraus-
gespült werden kann. Die Wandungen der ectasirten Bronchien sind
bedeutend verdünnt; die der übrigen Bronchien dagegen in Folge der
entzündlichen Infiltration verdickt , so dass sie über die Schnittfläche
vorragen und als starre Vorragungen bemerkbar sind.
Bei sämmtlichen Formen der Catarrhalpneumonie wiederholt sich
im Ganzen und Grossen dasselbe Bild. Einige Unterschiede finden im-
merhin statt ; so ist das Emphysem bei der Keuchhusteupneumonie ge-
wöhnlich sehr stark; man findet bei dieser Pneumonie nach mehr-
wöchentlicher Dauer nachZiemssen regelmässig im Lungengewebe
dicht unter der Pleura gelbweisslich'e Knötchen , die durch ihre Farbe
sich von dem dunklen Gewebe sowie durch ihre Prominenz scharf ab-
heben, und die sich als erweiterte mit Bronchialsecret erfüllte Alveolen
erweisen. Während letzteres Anfangs eine weisse milchähnliche Flüs-
sigkeit darstellt, wandelt es sich später durcli Inspissation in eine käse-
ähnliche festere Masse um. —
Die Pneumonie bei kachectischen Kindern zeigt häufig weniger
feste Infiltration und eine gleichmässigere Färbung ; bei der Pneumonie
der Rhachitischen zuweilen auch, während andere Male die lobuläre
Beschaffenheit hier geradezu typisch ausgeprägt ist. Bei Pneumouien
lihachitischer haben wir häufiger als bei andern abgekapselte eitrige
pleuritische Exsudate, meist von geringer Au.sdehnung und zwiscben dem
untern Lappen und der Thoraxwand, oder untern Lappen, Wirbelsäule
und Diaphragma , auch zwischen dem mittlem und untern Lappen be-
obachtet.
Bei kachectischen Kindern beobachtet man namentlich neben altern
pneumonischen Veränderungen zuweilen auch oifenbar recenten, kurz
vor dem Exitus lethalis entstandene Infiltrate, die die Charactere der
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Anatomie. 741
sog. gelatinösen Pneumonie der Erwachsenen tragen : mit röthlichgrauer
glänzender Schnittfläche , stark serös durchtränktem , weichem, gallert-
ähnlichem Gewebe.
Microscopisches Verhalten.
Die histologischen Verhältnisse sind von Bartels, Ziemssen,
Buhl, Damaschino, Friedländer eingehend untersucht worden ;
wir haben , soweit es uns möglich war , auch selbst eine ziemliche Zahl
catarrhalisch - pneumonisch erkrankter Lungen microscopisch unter-
sucht. Da allen histologischen Untersuchungen an menschlichen Ga-
davern entnommenen Gewebstheilen einerseits die genaue Bestimmung
des Alters des pathologischen Vorgangs abgeht , andererseits die Prä-
parate meist schon gewisse Fäulnissveränderimgen eingegangen zu sein
pflegen, so schicken wir die Schilderung der histologischen Verhältnisse,
wie sie durch Fried länder und Frey durch Thier versuche festge-
stellt sind, voraus.
Kurze Zeit nach der Durchschneidung der Vagi vgl. pag. 746 u. fF. findet
mau nach ersterem schon Infiltration des Lungengewebes mit blutigem Se-
rum und zwar sind die feinem Bronchien und die Alveolen die Theile, in
denen dieses enthalten ist. In den Alveolen findet sich eine krümelige Masse,
mit mehr oder weniger zahlreichen rothen Blutkörperchen. Die Alveolar-
epithelien sind gec|uollen (Folge der Wirkung des entzündlichen Oedems
im Alveolus, nicht direote Folge des Entzündungsreizes), umgewandelt in
kuglige , stark granulirte , am Eande leicht gezähnte Zellen mit einem
oder zwei hellen Kernen mit deutlichen Nucleolis. Diese Zellen liegen
der Alveolarwand theils wie ein reguläres Epithel dicht nebeneinander
auf, theils sind sie zerstreut.
Kurze Zeit später erweist sich das die Bronchien und die Gefässe
begleitende interstitielle Bindegewebe verdickt, von Lymphzellen infiltrirt.
Ausser den obgenannten Bestandtheilen reichliche Lymphzellen im Innern
des Alveolus und Anhäufung von Lymphzellen in den Blutgefässen der
afficirten Parthie, so zwar, dass die Hälfte des Inhaltes der kleinen Ar-
terien und Venen aus weissen Blutkörperchen zu bestehen scheint.
Im weitem Verlauf ist der ganze Alveolus von Lymphzellen aus-
gefüllt, von denen ein Theil bereits Fetttröpfchen eingelagert zeigt; die
sparsamer und zerstreut vorhandenen Alveolarepithelien sind stärker,
fettig entartet, z. Th. in dicht mit Fetttropfen erfüllte Fettkörnchen-
kugeln übergegangen. In den kleinen Gefässen fast nur noch weisse
Blutkörperchen, welche dicht gedrängt neben einander das Gefässlumen
nahezu ausfüllen. An Pinselsolmitten liess sich ab und zu auch jetzt
noch das continuirliche Alveolarepithel, dessen Zellen etwas getrübt, ge-
schwellt erschienen, darstellen.
Bei längerer Dauer fand Frey auch Theilnahme des interstitiellen
Bindegewebes an dem Entzündungsprocesse.
Genau dasselbe Bild findet man bei der catarrhalischen Pneumonie
Y42 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
des Kindes. Da wo der Process ganz frisch ist , noch nicht zu völligem
Verschwinden des Liiftgehaltes geführt hat, besteht Quellung und Trü-
bung des Alveolarepithels , das als grosse , ovale Zelleuauskleidung des
Alveolus erscheint : Füllung der Capillaren mit rothen Blutkörperchen,
Bald auffallend reichliches Auftreten von weissen Blutkörperchen in
den kleinen Blutgefässen (Stase) , dann Auftreten farbloser Zellen im
Alveolus (Auswanderung) und damit Hand in Hand Fortschreiten der
Fettiufiltration (Degenerativvorgaug) in den Alveolarepithelien. Fort-
schreiten der Anfüllung de-: Alveolus mit lymphatischen Zellen und bei
längerem Bestehen des Processes Infiltration des Bindegewebes längs
der Gefässe und Bronchien , zuletzt auch Infiltration der Alveolarwan-
dungen selbst : diffuse eiterige Infiltration des ganzen Lungengewebes.
Von anderweitigen Veränderungen haben wir noch hinzuweisen
auf die weiter unten zu erwähnenden Bacteriencolonien (cf. p. 750 u. ff).
Ausgänge des catarrhalisch-pneumonischen In-
filtrates.
Die Resorption des catarrhalisch-pneumonischen Infiltrates findet
zwar langsamer aber Avahrscheinlich in analoger Weise statt-, wie die
der croupösen Pneumonie: durch Verfettimg des in den Alveolus ge-
setzten Entzündungsproducts , Zerfall der Zellen , Bildung einer Emul-
sion und Resorption dieser durch Blut und Lymphgetässe , zum Theil
wohl auch Herausschaffung durch Expectorantien.
Mitunter aber bleiben die Entzündungsproducte liegen. Sie erregen
bald Entzündungs- bald degenerative Vorgänge in den Septa, überhaupt
dem ganzen entzündeten Gev\'eb.stheil und es resultirt einer der folgen-
den Ausgänge
1) Verkäsung. 3) Chronische interstitielle Pneumonie.
2) Abscedirung. 4) Lungengangrän.
Die häufigste Umwandlung des nicht resorbirten catarrhaliscli-
pneumonischen Infiltrates ist die k ä s i g e M c t a m o r p h o s e. Nach-
dem das Infiltrat immer derber und fester infiltrirt worden, wird die
afficirte Stelle durch Compression der Capillaren mehr und mehr anä-
misch, sowie trockener ; eine Umwandlung, die erst das Centrum, allinühhg
die ganze infiltrirte Partie erleidet und durch die schliesslich ein fester
harter Knoten von glatter, weisser oder gelblich weisser völlig trockner
Schnittfläche resultirt ; eine Masse , die ohne Blutgefäs.«e , ohne Ernäh-
rung , ohne Stoffwechsel als Fremdkörper im Lungengewebe liegt und
durch anfangs weiches vascularisirtes, später derberes Bindegewebe ab-
gekapselt wird. Wenn nur ein einziger oder vei-einzelte solcher Knoten
vorhanden sind, ist eine vollständige Abkapselung solcher Knoten mög-
Oscar Wyss, CatarrhalpucumoniB. Anatomie. 743
lieh. Im weitern Verlaufe lagern sich in die Kapsel, später auch ins In-
nere des Heerdes Kalksalze ab und kann unter Umständen schliesslich
nichts als ein Kalkconcrement die Stelle bezeichnen , wo der Eutzün-
dungsprocess stattgefunden hatte. Sind aber zahlreiche käsige Heerde
in der Lunge vorhanden, so erliegt der Patient dem Fieber und der Ab-
magei'ung, die diese Umwandlung begleiten. Dabei gehen nicht selten
in einem oder niehrern der käsigen Heerde weitere Vorgänge vor sich :
so Zerfall des Knotens in seinem Centrum in eine puriforme Masse, die
liegen bleibt oder die sich, nachdem sich eine Perforation in einen nahen
Bronchus gebildet hat, in diesen ergiesst, worauf der Hohlraum sich mit
Luft füllt und eine sog. Lungencaverne darstellt. Solche Cavernen sind
bald vereinzelt , hold mehrfach vorhanden ; man findet sie häufiger in
den Oberlappen als in den untern. Das jüngste Kind, bei dem wir eine
solche Caverne von 2 Cm. Durchmesser im rechten Oberlappen sahen,
war 31 Wochen alt. Dieselbe war im Lauf einer 6 Wochen dauernden
Erkrankung des Kindes entstanden.
Die käsige L^mwandlung des pneumonischen Infiltrates kommt so-
wohl bei der lobulären wie auch bei der lobären Form vor. Wir fanden
sie an allen Stellen des Lungengewebes, über dem Zwerchfell, im obern
Theil des untern Lappens, im mittlem wie im obern Lappen ; nach Ma-
seru- wie nach Keuchhustenpneumonie ; entschieden häufiger bei sog.
scrophulösen Kindern, in Familien, in denen hereditäre Tuberculose oder
Syphilis vorkommt (scrophulöse Pneumonie siehe liei Phthisis).
Entschieden sehr viel seltener als Caveruenbildung durch Zerfall
verkäsender Heerde kommt directe A b s c e d i r u n g des pneumonischen
Infiltrats vor. Die Erweichung beginnt im Centrum der infiltrirten
Lungenläppchen , als kleine punctförmige Abscesse , grains purulents
(Damasch in o) , die als gelbe oder graue Puncte erscheinen und die
angestochen einen Tropfen Eiters entleeren. Die kleine Höhle ist zu-
nächst von einer gelblichen brüchigen , weiterhin von einer rothen cou-
sistentern Schicht entzündeten Lungengewebes umgeben. Ausserdem
findet man auch grössere Abscesse, die durch eiterige Schmelzung des
Luugengewebes zu Stande gekommen sind. Steffen beobachtete bei
generalisii ter lobulärer Masernpneumonie Abscedirung ; solche Abscesse,
die dicht unter der Pleura lagen , durchbohrten die letztere und veran-
lassten Pneumothorax (vgl. Steffen, Klinik d. Kdkh. I. p. 96 u. 268).
Ein weiterer Ausgang ist derjenige in chronische intersti-
tiell e P n e u ra o n i e, die in 2 Formen vorkommt. Die eine, häufigere
namentlich in den Oberlappen zu beobachtende , führt zu einer starken
narbigen Retraction der Lungenspitze , die mit narbigen Verdickungen
der Pleura pulmonalis, Einziehungen der Pleura , bald festeren flächen-
744 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
haften, bald mehr ligamentösen oder fadenförmigen Verwachsungen zwi-
schen Lungenspitze und Brustwand führt. Auf der Schnittfläche durch die
retrahirte Partie der Lunge findet sich eine Stelle im Lungengewebe,
die bald eine der früher beschriebenen Ausgänge der Catarrhalpneu-
monie, wie einen käsigen Heerd, oder einen kleinen Hohlraum mit milcli-
oder mörtelähnlichem Inhalt, in dessen Inhalt oder in dessen Wan-
dungen vielleicht auch Kalksalze abgelagert sind , oder eine vollständig
verkalkte Masse, oder auch nur eine bohnen- bis wallnussgrosse , derbe,
aus festem sehnenähnlich hartem Bindegewebe bestehende Stelle bildet,
in deren Umgebung die Symptome einer umschriebenen Cirrhose vor-
handen sind , bald auch gar nichts mehr von einem derartigen Reste.
In der Umgebung oben erwähnter Heerde , oder die ganze Narbe stellt
ein derbes festes weisses oder durch eingelagertes Pigment grau bis
stellenweise schwarz gefärbtes callöses Gewebe dar, von dem aus radiäre
Züge nach allen Richtungen hin , nach oben bis zur Pleuraoberfläche
gehen. Zwischen den einzelnen Zügen liegen etwas weichere bald schwarz
pigmentirt, bald durch injicirte Capillaren zinnoberroth erscheinende
Bindegewebsmassen — oder wiederum normales lufthaltiges Lungenge-
webe , das zum Theil blass , zum Theil pigmentirt ist. Alle diese ver-
schiedenen Gewebe, deren Färbung so sehr verschieden — weiss, schwarz,
roth, grau — dazwischen bläuliche und braunrothe Partien — und scharf
gegeneinander abgegränzt sind , bedingen oft ein höchst zierliches Bild,
Ganz analog erscheinen ausgebreitetere, z. B. einen ganzen Uuter-
oder Oberlappen in Beschlag nehmende chronische interstitiell pneu-
monische Processe. Der so afficirte Lungenlappen ist voluminös, schwer,
fest und derb ; der Finger erzeugt mit Mühe Zerreissung des Gewebes.
Auf dem Durchschnitt zeigt es eine hellgraue oder blass graurothe Fär-
bung; bei genauerem Zusehen ein sehr buntes zierliches Aussehen.
Kreuz und quer verlaufen die glänzend weissen, durch feine und gröbere
schwarze Einlagerungen hier grau, dort schwarz gefleckt erscheinenden
neugebildeten cirrhotischen Biudegewebszüge und zwischen diesen die
letzten Andeutungen des degenerirten Lungengewebes als gelbliche oder
graubraune zum Theil durch Geiässinjection zinnoberroth, auch braun-
roth erscheinende Gewebspartien.
In den cirrhotischen Lungenpartien sind die Bronchien gewöhnlich
in massigem Grade cylindrisch ectasirt. Diese Ectasie betrifft oft alle Bron-
chien eines Lappens, zuweilen so extensiv, dass auf der Schnittfläche die
Lmnina der anscheinend übermässig zahlreichen Bronchien dicht neben
einander liegend ein grobsiebformiges durchlöchertes Gewebe darstellen.
Als weniger selten als manche andere müssen wir nach eigenen
Erfahrungen den Ausgang in L u n g e n b r a n d, in Gangraena pulmonum
Oscar Wy SS, Catarrhalpneumonie. Anatomische Veränderungen. 745
bezeichnen , und zwar ist dieser Ausgang am häufigsten in der Masern-
und in der Fremdkörperpneumonie zu beobachten. Bei der Masern-
pneumonie befällt er jüngere decrepide Kinder. Er tritt hier in der lo-
bulären , multiplen Form auf , so dass mehrfache umschriebene Brand-
heerde entsprechend vorher lobulär pneumonischen Heerden vorliegen.
Die afficirten Stellen sind im Anfang des gangränösen Proeesses noch
fest, eigenthümlich schmutzig braun verfärbt , trocken ; sie erweichen
dann offenbar rasch imd erscheinen alsdann in die bekannte braungraue
bis schwärzliche weiche zerreissliche , mazerirtem Zunder ähnliche fö-
tide Masse verwandelt ; die Pleura ist mit af'ficirt , an der dem Heerd
entsprechenden Stelle graubraun bis schwärzlich verfärbt, etwas einge-
sunken , nach gewisser Zeit scharfe Demarkation zeigend. Wir fanden
die gangränöse Zerstörung so weit gediehen, dass nach der Incision sich
nach Entleerung reichlicher Jauche mit Gewebsfetzen eine unregelmäs-
sige mit fetzigen Wandungen versehene Höhle darbot, die aber, wie der
ganze Process keine Symptome, die die Diagnose intra vitam stellen
Hessen , erzeugten , weil eine Communication zwischen den Bronchien
und der Brandhöhle [wie wir das bei einer traumatischen Pneimionie
des rechten Oberlappens eines 4jährigen Knaben gesehen haben, wo wir
die Diagnose auf eine brandige Caverne gestellt hatten] nicht bestand.
Einfache wie jauchige Pleuritis begleitet gewöhnlich den Process , den
wir besonders in den Unterlappen sahen.
Andere anatomisclie Veränderungen.
Ziemlich constante "Veränderungen bieten bei der Catarrhalpneu-
monie die Bronchialdrüsen und Trachealdrüsen. Zur Zeit
des Bestehens des acuten oder exacerbirenden Catarrhs schwellen sie
an ; man findet sie bei frühzeitig zur Obduction gelangten Masernpneu-
monien erheblich (z. B. an der Bifurcation der Trachea bis zu Kasta-
niengrösse) vergrössert, weich, injicirt, blassroth bis dunkel violettroth,
succulent. Sie bleiben längere Zeit hindurch geschwellt , können aber,
wenn sie nicht wieder einfach abschwellen, alle jene Veränderungen er-
leiden wie die Lungeninfiltrate: Verkäsung, Vereiterung [hiebei zu-
weilen Perforation in die Bronchien , die Trachea sowie auch in den
Oesophagus] , Gangränescenz [wobei wir gleichfalls Durchbruch in die
Speiseröhre und in die grossen Luftwege sahen] ; späterhin auch Ver-
kalkung. Die käsige Entartung betrifft bald die ganze Drüse, bald
auch nur einen Theil derselben.
Die Pleura ist häufig ecchymosirt; zeigt — nach unsern Befun-
den nahezu regelmässig — Fibrinbeschläge , meist circumscript über
einzelnen Knoten, einen Lappen oder über eine ganze Lunge ausgedehnt ;
74(3 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
die umschriebeueu Auflagerungen keineswegs immer nur hinten und
unten. Seltener sind es zottige eitrig infiltrirte bis Mm. dicke Auflage-
rungen, meist dünne zarte, oft blos flordünne sammetähnliche Bescliläoe,
die die spiegelglatte Pleura matt und leicht rauh machen. Eitrige Ex-
sudate sind nicht häufig vorhanden, jedoch, selbst grosse Empyeme, die
den ganzen Thoraxraum einnehmen, Mediastinum und Zwerchfell stark
verdrängen, keineswegs selten.
Die Lungenge fasse sind nur in Ausnahmsfällen alterirt ; wir
fanden bei Lungengangrän nach Masern wiederholt Thrombosirung der
Art. pulmonalis. Steiner beobachtete ausserdem Embolie der Lun-
genarterie und bezeichnete sie einmal als ätiologisches Moment der
Pneumonie. Wir besitzen eine eigene analoge Beobachtung : nach Throm-
bose der Vv. mesenterii und des Beckens bei colossalen Mesenterial-
drüsengeschwülsten (Tuberculose) mit Thrombose des untern Theils der
V. Cava midtiple Embolien in die Art. pulmonalis mit secundären lobu-
lär pneumonischen z. Tb. gangränösen Heerden in den Lungen und
rechtsseitigem Pneuiaothorax.
Selten sind Erkrankungen des Herzens und des Herzbeutels. Wir
sahen villöse Pericarditis nach Pneumonie bes. bei Rhachitis und nach
Masern. Gerhardt machte analoge Erfahrungen ; Stoffe n sah Hy-
drops pericardii.
Von übrigen Veränderungen im Körper , die mit dem pneumoni-
schen Process in Zusammenhang stehen, sind zu nennen: Hyperämie
des Hirns und seiner Häute ; Hydrocephalus , Capillarapoplexien , Me-
ningitis suppurativa. Wir sahen gleichzeitig mit Masernpneumonie
entstehen und später wohl im Zusammenhang mit der Pneumonie zum
Tode führen, auch Otitis und Necrose eines Theils des Felsenbeins.
Ferner Leberhyperämie, Muscatleber, Fettleber, auch inselförmige
umschriebene Verfettungen. Acuter und chronischer Darmcatarrh, Peri-
tonitis, Fettniere, Amyloidniere , Amyloidmilz. Sodann Miliartuber-
culose bald weniger, bald vieler Organe. — Geringe Symptome von Stase
der Haut in Folge der Anämie , Abmagerung, Oedeme in den chronisch
verlaufenen Fällen.
Pathogenese.
Traube hat zuerst anno 1846, gestützt auf zahlreiche Experi-
mente, in seiner Arbeit »Die Ursachen und die Beschaffenheit derjenigen
Veränderungen , welche das Lungenparenchym nach Durchschneidung
der Nervi vagi erleidet«, die Ansicht ausgesprochen, dass die schon vor
ihm von R eid zuerst als Pneumonie erkannte, von L o ng et als Todes-
ursache der vagotomirteu Thiere bezeichnete Lungen affection als acute
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Pathogenese. 747
Bronchopneumonie zu bezeichnen sei. Als Ursache dieser Entzündung
erklärte er das Hineingelangen von Mundflüssigkeit in die Luftwege.
Diese Ansicht wurde in der Folge wiederholt angegriffen ; jedoch die
beiden neuesten und gründlichsten Untersuchungen von C. Fried-
länder und von Otto Frey haben zum gleichen Endresultat geführt.
0. F r e y 's in H e r m a n n 's Laboratorium sorgfältig ausgeführte Expe-
rimente , combinirt mit exacter Untersuchung der Lungenveränderung,
wobei ganz besonders die histologischen Veränderungen sorgfältig con-
statirt wurden, haben folgendes ergeben.
Nach Durchschneidung beider Vagi gehen Sängethiere in kurzer
Zeit unter einer acuten lobulären Bronchopneumonie zu Grunde. Diese
wird durch die in Folge der gleichzeitigen Lähmungen im Pharynx und
Oesophagus durch den gelähmten Larynx in die Luftwege hinabfliessende
Mundflüssigkeit hervorgerufen. Denn 0. Frey fand in den Luftwegen
aller auf jene Weise operirten Thiere constant Muudschleim, zuweilen
auch Speisereste in den Bronchien vor. Wurde das Eindringen dieser
Noxen in den Respirationsapparat verhütet , so trat auch keine Pneu-
monie ein, trotzdem die Vagusdurchschneidung genau wie in den andern
Fällen ausgeführt worden war. Keiner der von andern Forschern als
Ursache der Vaguspneumouie beschuldigten Momente , wie die Veren-
gerung der Stimmritze (Mendelssohn 1845) und die daraus resul-
tirenden Veränderungen im Athmungsrhy tmus , Schliessungsunfähig-
keit der Stimmbänder, die Lähmung der Herz- und Lungenäste der
Nervi vagi , — wobei bald dem Verlust der Sensibilität der Bronchial-
schleimhaut und daraus rasch resultirenden Verstopfung der Bronchien
durch Secret (Magendie 1816, Brächet 1836), bald der Lähmung
der Bronchialmusculatur (Longe t 1840), bald der Paralyse der vaso-
motorischen Lungennerven (Legallois 1812, Magendie 1816,
Schiff 1847, W undt 185.5) , bald auch nur dem veränderten Respi-
rationstypus überhaupt (Reid 1839, A rnsb er ger 1856, Claude
Bernard 1858, z. Th. auch Boddaert), sowie endlich dem Einfluss
des Vagus auf's Herz, Vermehrung der Herzschläge (Fowelin 1851),
Circulationsstörungen in Verbindung mit andern Momenten (Boddaert),
Lungenhyperämie, die die Lunge gegen traumatische Einflüsse, z.B.
den Reiz der Mundflüssigkeit empfindlich mache (Genzmer 1874) —
können nach 0. F r e y's zahlreichen , gut übereinstimmenden Experi-
menten die wirklichen Ursachen der Vaguspneumouie sein. Da Frey
auch den nachtheiligen Einfluss des Eindringens von Nahrungsbe-
standtheilen (wenigstens von Grünfutter) bei Thieren nicht als Ursache
dieser Pneumonie gelten lassen kann , so bleibt allerdings als ätiolo-
gisches Moment nur die Mundflüssigkeit übrig , deren continuirliches
748 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
oder richtiger gesagt deren immer wiederholtes Hineindringen in die
Luftwege schliesslich die Entzündung bedingt. Experimente in dieser
Richtung ohne Vagussection hlos durch wiederholtes Einbringen von
Mundflüssigkeit gaben positive Resultate, zumal dann, wenn die Aspira-
tion derselben in die feinsten Bronchien hinein durch Verengerung der
Trachea befördert wurde, also die Bedingungen ähnlich denen nach Vagus-
section, die durch die doppelseitige 8timml)andlähmung ja auch eineLa-
ryngostenose und Begünstigung der Aspiration bedingt, gemacht wurden.
Diese Thierversuche haben für die Pathogenese der uns beschäfti-
genden Krankheit grossen Werth. Einmal verdanken wir ihnen die
exactesteu Nachweise der pathologisch anatomischen Veränderungen
(F r i e d 1 ä n d e r , Frey), worüber bereits oben p. 741 referirt fl^u'de ;
andererseits geht aus ihnen unwiderlegbar hervor, wie schädlich gewisse
auf die Bronchialschleimhaut einwirkende Einflüsse sind, die wir Aerzie
noch nicht hinreichend gewürdigt haben. Wenn das Mundsecret rascher
als gewisse Speisepartikel Lungenentzündungen zu erzeugen im Stande
ist , wird es bei der sogenannten Schluckpneumonie gewiss die Haupt-
i-olle spielen.
Wir haben zwar Ijis dato in früher Zeit des Lebens nur ein
ein-
ziges Mal im Gefolge einer chronischen Laryngitis, die zu Schlussunfähig-
keit der Glottis bei einem Kinde geführt hatte, die Schluckpneumonie nie
in reiner Form beobachtet. Der in die Luftwege gelangte Speichel wird
hier ebenso wichtig oder wichtiger gewesen sein, als die Milch, das Brot,
der Brei, der viel seltener diesen falschen Weg einschlug und jedesmal zu
heftigem Husten reizte und von welchen Bestandtheilen wir im Lungenge-
webe, wie in den Bronchien bei der Obduction zwar fanden, aber zu unserem
Erstaunen nur so unbedeutende und seltene Partikelchen, dass wir sehr
zweifelhaft wurden , ob dieselben wirklich als Ursache der ausgebrei-
teten exquisitest lobulären Pneumonie bezeichnet werden dürfen. Und
doch lag dem Verlaufe und dem anatomischen Befunde nach zu urthei-
len genau der nämliche Vorgang in der Lunge vor, wie wir ihn bei Er-
wachsenen , z. B. einem Falle vollständiger Zerstörung der Epiglottis
durch Syphilis neben andern tiefgehenden ülcerationen an der Glottis,
die einen sehr unvollständigen Abschluss der Larynxhöhle nach oben
während des Schlingactes mit jedesmaligem Verschlucken beim Schlin-
gen bedingten , gesehen haben.
In ähnlicher Weise dürfte das Mundsecret eine Bedeutung für die
Entstehung der Krankheit bekommen, wo, wie nach Diphtheritis oder
im Gefolge von Hirnkrankheiten oder auch in Folge grösster allgemei-
ner Schwäche mangelhafte Livervation des Pharynx und Larynx und
Verirren von Mundsecret wie von Speisen in die Luftwege Statt hat:
Oscar Wyss, Catarrhalpneumome. Pathogenese. 749
und so sich also gewisse lobuläre Formen erklären Hessen, z. B. manche
Fälle der Pneumonia cachecticorum , einzelner Pneumonien bei Typhus
u. dgl. Die Annahme, dassbei Respirationshinderuisseu, z. B. bei Croup
und Diphtherie des Pharynx und Larynx neben losgelösten aspirirten
diphtheritischen und croupösen Auf- und Einlagerungen, die unzweifel-
haft, wenn in die Lungen gelangt, daselbst Entzündungen erzeugen, aus-
serdem auch Mundsecret in die Lungen aspirirt mit als Entzündungs-
erreger auf letztere wirke , dürfte nach diesen Erfahrungen kaum mehr
als zweifelhaft zurückgewiesen werden können. Ohne Zweifel wirkt die
Laryngostenose , zumal wenn sie mit gleichzeitiger Selilussunfähigkeit
der Glottis und schweren Schlingstörungen einhergeht, schädlicher auf
das Lungengewebe ein , dadurch , dass die Möglichkeit resp. Unwahr-
scheinlichkeit der Aspiration von Mundflüssigkeit im Lungengewebe vor-
liegt, als durch die allgemein doch so ge fürchtete Atelectasenbilduug,
die 0. Frey selten nach Tracheostenose sah und von der er nach Thier-
versuchen behauptet, sie gebe nicht Veranlassung zur Entstehung einer
wirklichen Pneumonie : eine Ansicht, die jedoch mit den Erfahrungen
nicht weniger Aerzte — zu denen auch wir uns rechnen müssen — nicht
coincidirt.
Wenn ferner 0. Frey bei seinen Versuchen fand , dass stätig
neben der Pneumonie eine sehr intensive Bronchitis einhergieng, wenn
er die ausgebildetste Bronchitis in Fällen vorfand, wo die Lunge erst in
ihren ersten Entzündungsstadien (cf. z. B. pag. 176) — makroscopisch
und microscopisch nachgewiesen — sich befand , so werden wir an der
hergebrachten Ansicht festhalten dürfen , dass die Annahme der Fort-
pflanzung des Entzündungsprocesses von der Bronchialschleimhaut aus
auf die Alveolarwand gestattet sei , selbst wenn wir zugeben , dass , wie
Buhl mit unbezweifelbarem Recht behauptet, die Alveolen keine
Schleimhaut, wie die Bronchien besitzen. Unzweifelhaft findet die Ent-
zündung der endständig und in möglichst gerader Richtung den Bron-
chien aufsitzenden Alveolengruppen , zuerst Statt ; daher die ersten In-
filtrate meist direct unter der Pleura sich finden. Die dazwischen lie-
genden füllen sich nach und nach ; doch spielt hier das stärkere Er-
griS'ensein eines Abschnittes des Bronchialbaumes eine wesentliche
Rolle. Besonders intensive Entzündung eines bestimmten grösseren
Bronchus und in der Folge auch seiner Verzweigungen führt zu einem
grösseren lobulären Infiltrate.
Die Entzündung greift aber bei unserer Krankheit von den Bron-
chien aus auch direct von der bindegewebigen Adventitia auf die dem
Bronchus aussen aufliegenden, ihn umschliessenden Alveolen über. Wir
haben diesen Vorgang z. B. sehr schwer bei Masernpneumonie beob-
^ö"
750
Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
achtet. Man bezeichnet diesen Vorgang als Peribronchitis , eine Be-
zeichnung , die leider nicht ganz unzweideutig ist.
Wenn wir oben sagten, die Versuche 0. Frey 's beweisen, dass
die Vagus-Pneumonie sich an die gleichzeitig vorhandene Bronchitis
anreihe, so drängt sich die weitere Frage auf, ob das Mundsecret nicht
auch auf die Alveolarwand direct als Entzündungsreiz einwirke, eine
Frage , die zur Zeit nicht beantwortet werden kann , weil der Einfluss
des Muudsecrets auf die Lungen isolirt, ohne die Bronchiolen, nicht un-
tersucht werden kann. Da 0. Frey nur selten Mundflüssigkeit (Miind-
pflasterepithelzellen) im Innern der Alveolen gefunden hat, wird die
Lungenentzündung meist nur secundär auf die Bronchitis gefolgt sein.
Wie verhalten sich die Alveolen zu anderen Entzündungserregern?
Buhl, Eberth u. A. haben bei der Diplitheritispneumonie in
den Alveolen reichliche Colonien von Micrococcen gefunden , ein Be-
fund , den wir wiederholt bei diphtheritischer Pneumonie der Erwach-
senen wie auch bei der leider so häufigen Pneumonie nach Pharyngo-
laryngitis diphtheritica der Kinder zu constatiren Gelegenheit hatten.
Selbst in Stellen der Lunge, die macroscopisch das Bild der Atelectase
boten, fanden wir die Alveolen mit Bacteriencolonien erfüllt. Zweifel-
los ist jedoch die Pneumonie der an Diphtheritis Erkrankten nicht im-
mer eine exclusive mycotische ; denn während bei manchen derartigen
Lungen Alveolen von Bacterien erfüllt sind, trifft man eine grosse Zahl
anderer, in denen die Alveolen blos mit Eiterkörperchen erfüllt er-
scheinen, und in noch andern — freilich seltenern — trifft man bald
reichlichere, derbere, bald sparsame nur ausdünnen, langen, wenig
verfilzten Filiriufädeu gebildete Faserstoffnetze. Li den weniger voll-
ständig infiltrirten Lungenabschnitten fanden wir auch deutlich erhal-
tenes Alveolarepithel, das bei vollständiger fester Hepatisation degenerirt
Fig. 1.
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Pathogenese.
751
und zerfällt. Seine Darstellung gelingt alsdann häufig nicht mehr. Mag
also eine durch diphtheritische Infection der Lungen Ijedingte Pneumonie
immerhin vorkommen , so geht unsere Ansicht doch dahin , dass nicht
jede bei Pharyngolarjngitis diphtheritica (diphtheritischem Croup) vor-
kommende Lungenentzündung auch eine diphtheritische sei. Diesen Satz
wird man um so mehr aufrecht zu halten in der Lage sein , wenn man
sich an den günstigen Ausgang solcher Pneumonien bei diphtheritischen
Kindern erinnert.
Buhl gibt an (p. 18 1. c.) , er habe ausser bei Lifluenza auch bei
Masern Heerde in den Lungen gesehen, die ein Nest aus Schizomyceten-
formen oder Pilzen enthalten. »Ihre Umgebung«, fügt er bei, »ist reich
mit Blut injicirt und mit Blutextravasaten versehen« etc.
Wir können durch eigene wiederholte microscopische Untersuch-
ungen dies Vorkommen von Bacteriencolonien in der Lunge von Masern-
kranken mit Pneumonie bestätigen. Wir fanden die Bacterienhauf'en in
den Alveolen , im Lumen der feinen Bronchien , im Linei'u von Blutge-
fässen (Fig. 1) , und namentlich auch in der Umgebung der letztern in
dichtgedrängten Gruppen in den Blutgefässen aufsitzenden Hohlräumen
— zweifellos in Lymphräumen (Fig. 2). Dies trafen wir in Lungenab-
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schnitten, in denen die Lifiltration noch in ihren frühen Stadien sich
befand ; wo das grossplattige ovale Alveolarepithel in regelmässiger un-
unterbrochener Schicht noch den Alveolus austapezirte , die Blutgefösse
des Alveolus dilatirt waren : ein Befund, der darauf hindeutet, dass diese
Bacterienhaufen wohl ein Irritament darstellen können , das aber im
weitern Verlauf der Krankheit — wenn die Alveolen sich mit Eiter-
körperchen erfüllt haben , durch den Uebergang der Bacterien in die
752
Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
lympliatisclien Zellen und in die Alveolarepithelien wieder aus dein
histologischen Bilde wegfallen kann.
Ganz analoge Verhältnisse bestehen beim Keuchhusten. Auch hier
trafen wir in unvollständig infiltrirten Lungenpartien Bacteriencolo-
nien, die nahezu den ganzen Alveolus ausfüllten. (Fig. 3.) Wenn wir
Fig- 3. berücksichtigen, dass
auch bei Variola para-
sitäre Knoten in deiij
Lungen von N. Iva-
n 0 w s k i (Med.Centrbl.
187G p. 788) aufgefun-!
den worden sind, welche
den Heerden von catar-
rhalischer Pneumonie
ähnlich sahen, wenn wir
uns der kleinen gan-
gränösen Heerde bei
Typhus, in denenB uh 1
Zoogloeamassen noch
im angrenzenden Lun-
gengewebe, in den ei-
gentlichen Heerden da-
gegen wirkliche Fadenpilze sah , ferner gewisser Pneumonien Neuge-
borner, von denen Eb er th nachwies, dass die Alveolen bloss durch
Bacteriencolonien und einige zerstreute Epithelien erfüllt sind , wenn
wir erwähnen, dass wir in den lobulären Gangränlieerden bei Masern-
pneumonie gleichfalls dichteste Imprägnation sämmtlicher Gewebstlieile
mit Bacterien beobachteten : so wird man nicht umhin können , diesen
kleinen Krankheitserregeru, deren Naturgeschichte zwar erst in den er-
sten Stadien sich befindet, eine wichtige Kolle in der Pathogenese unseres
Leidens einzuräumen. Doch ist zur Zeit noch nicht zu bestimmen, ob,
die Eigenthümlichkeiten , die die Pertussispneumonie im Vergleich zuf
Masernpneumonie etc. bietet, durch die Verschiedenheit dieser Gebilde
oder durch die Verschiedenheit in der Natur und Verlauf des Catarrhs
oder der Entzündung, die sie erregen, oder der begleitenden Krankheit
oder ob durch noch andere Momente zu erklären sei.
Eine der auffälligsten und vielfach discutirten Lungenveränderun-
gen , die man bei catarrhalischer Pneumonie trifft , ist die Atelectasen-,
bikUmg. Mau erklärte sich deren Zustandekommen so: Das Lumen der
feinern Bronchien ist in Folge der entzündlichen Schwellung der Schleim-
haut bedeutend verengt. Durch den abgesonderten Schleim und Eiter
Oscar Wyss, Catarrhalpneiimonie. Pathogenese. 753
wird dasselbe, wenn dieses Secret eine gewisse Massenhaftigkeit er-
reicht hat, völlig verstopft. Durch die Inspirationshewegungen wird
der Schleim aus weitern Theilen des Bronchialrohi-es gegen enoere hin
aspirirt ; dadurch ein so fester Verschluss des Bronchialrohrs erzielt
dass keine Luft zwischen Propf und Bronchialwand in die hinter dem
Pfropf liegenden abgeschlossenen Lobuli hineingelangt. Bei der Exspi-
ration dagegen wird der Propf wieder etwas hinausgetrieben ; ein Theil
der rückständigen Luft wird anfangs noch bei gewöhnlicher Exspira-
tion , später nur noch bei forcirtem Exspirium , Hustenstössen , ausge-
trieben , bis zuletzt ein Luftresiduum bleibt , das abgeschlossen wird.
In diesem Lungenabschnitt tritt Hj^perämie des Gewebes , starke Fül-
lung der Alveolargefässe, Resorption der abgeschnürten Luftpartie, Col-
laps des Lungengewebes , Atelectase ein.
Bartels hat , weil er richtig beobachtete , dass in den früheren
Stadien der Bronchopneumonie die Menge des Secretes in den Bron-
chien keine so beträchtliche ist, wie man doch finden niüsste, wenn Ob-
struction des Lumens durch Schleim die Ursache der Dyspnoe wäre, die
Ansicht ausgesprochen, neben der Schwellung der Schleimhaut falle auch
die gesteigerte Thätigkeit der Bronchialmusculatur, d. h. ein Bronchial-
krampf , in Betracht. Von Seite des Klinikers muss unsers Erachtens
dieses Moment als ein wesentliches betrachtet werden, trotzdem die Phy-
siologen grosse Schwierigkeit zu haben scheinen, mit Vermeidung aller
Fehlerquellen unzweifelhaft die Functionen der Bronchialmusculatur
nachzuweisen (vgl. Otto Frey 1. c. pag. 107 u. ff.). Dehn wenn der zu
einer Atelectase führende Bronchus verengt, aber frei von Schleim oder
Eiter ist, kann letzterer nicht die Ursache der Atelectase sein ; und wenn
bei einer acuten diffusen Bronchitis oder Bronchopneumonie im Stadium,
wo die Schleimsecretion noch gering ist, ein die Gesammtkörpermuscu-
latur also auch die Bronchialmusculatur erschlaffen machendes Emeti-
cum gereicht wird , und nach dieser Wirkung trotzdem nur wenig
Schleim aus den Bronchien entleert worden war, mit einem Schlag die
Dyspnoe nachlässt, was man ja nicht so selten zu beobachten Gelegen-
heit hat, so wird man unwillkürlich zu der Annahme geführt, dass nicht
die Verstopfung , sondern die durch den Entzündungsreiz bedingte
krampfhafte Contraction der Bronchien eine wichtige Eolle spiele.
Wir läu2nen durchaus nicht, dass Atelectase auch durch Obstruction
von Bronchien durch Schleim , Eiter etc. zu Stande komme ; sahen wir
doch erst neulich einen nahezu ganzen Lungenlappen atelectatisch, weil
die zuführenden Bronchien von ausserordentlich dicken z. Th. soliden
Fibrinabgüssen bis in die feinen Verzweigungen hinein geradezu »aus-
gegossen« war, wodurch ein vollständiger Verschluss der Bronchien he-
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 4ö
754 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
dingt wurde. In andern Fällen trafen wir aber auch Injection der Bron-
chien durch zweifellos aspirirtes wie in loco entstandenes Secret als Ur-
sache der Atelectnsie. Wir halten aber dafür, dass diese beiden Mo-
mente , ersteres die Bronchialschleimhautschwelhmg und Bronchi^j-
krampf mehr im Beginn , letzteres die Bronchialverstopfung mehr im
Verlauf, die Atelectasen erzeugen.
Aus diesen atelectatischen Partien gehen aber, wie Bartels,
Ziemssen u. A. annehmen, Entzündungen direct hervor. Aufdje
Hyperämie und den Collaps folgt die seröse Durchleuchtung des Ge-
webes , die lettige Degeneration der Alveolarepithelien , eine Wuche-
rung der Gewebselemente. Zugegeben, dass das Schicksal der Atela;-
tasüu häufig ein dem eben geschilderten Vorgang entsprechendes sej,
können wir nach unsern pathologisch anatomischen Erfahrungen sowi^
nach dem klinischen Verlauf der Krankheit diesen Gang keinesw^
als den ausschliesslichen bezeichnen. In einer gewissen Zahl von Fällep
mag sich die Atelectase in einen lobulären Entzündungsheerd lunwan-
deln ; in einer andern Zahl dehnt sich , nachdem der Bronchialkranipf
verschwunden , der obturirende Propf durch Resorption dünner gewoi[-
den und ausgehustet wurde , das Lungengewebe wieder durch eindrin-
gende Luft aus. ,. I
Das Emphysem , das in den obern und vordem Lungenabschnitten
catarrhalisch pneumonischer Lungen vorkommt , rührt wesentlich von
der forcirten Exspiration her ; es ist desshalb auch beim Keuchhustep
ganz Ijesonders stark entwickelt und erklärt sich auch , warum bei die-
ser Krankheit besonders häufig das sog. interstitielle Emphysem i|i
Folge der heftigen Hustenpai-oxysmen Zerreissung von Alveolen TOr-
kommt. Ob die Ecchymosen die nämliche Ursache haben, ist fraglip)),
doch wahrscheinlich. ij
Symptome.
Die Erscheinungen der Catarrhalpneumonie gestalten sich vei;-
schieden, je nachdem ein vorher kräftiges, die volle Reactionsfdhigkeit
besitzendes Kind davon ergriffen wird, oder ob dasselbe durch Inanition,
voraufgegangene lange oder schwere Krankheit geschwächt , hinfä%
energielos geworden ist ; ferner ob .sie sich rasch entwickelt , schpejl
über einen gewissen Lungenbezirk ausbreitet oder ob der Beginn lail?f
sam schleichend, die Ausbreitung ganz allmählig erfolgt. Es ist äalß^if
naturgemäss, zwei Formen, nämlich eine acute und eine chronische Cfr
tarrhalpneumonie zu unterscheiden ; jedoch muss man sich der Th%
Sache bewusst sein , dass zwischen den beiden Typen der KraiikteJI
wie sie geschildert werden , alle möglichen Uebergänge vorkommen.
Oscar "Wyss, Catarrhalpneumonie. Symptome. 755
/(HimI.Ij. Acute Form der Catarrh alpn en moni e.
Wenn der Pneumonie ein acuter Catarrh der Luftwege , oder Ma-
sern , oder Diphtheritis des Pharynx und Larynx , voraufging , ist der
Beginn gegenüber dem primären Leiden meist ziemlich scharf markirt.
"' Rasch auftretendes Fieber oder wenn vorher bereits Fieber vor-
handen war, Steigerung desselben, Temperatursteigerung auf 39 bis 40"
G. im Rectum, Zunahme der Herzbewegungen, auf 140 bis 160 Pulse
in der Minute, heisse , brennende , trockene Haut , echauffirtes Gesicht,
Kopfweh, bezeichnen den Eintritt der neuen Krankheit : Symptome, die
in einzelnen Fällen plötzlich , in andern mehr allmälig im Verlauf von
zwei bis drei Tagen in Scene treten. Die erheblich beschleunigte Re-
spiration , das Oberflächliche der Athemzüge , die Mitaction der auxi-
liären Respirationsmuskeln , das lebhafte Spielen der Nasenflügel , das
ängstliche schmerzhafte Verziehen des Gesichts beim Husten , das Ver-
meiden tieferer Inspirationen lassen deutlich eine ernste Erkrankung der
intrathoracischen Respirationsorgaue erkennen. Diese Symptome blei-
ben in den folgenden Tagen im Ganzen und Grossen unverändert. Die
Respirationsfrequenz bleibt auf 50, CO bis 80 , selten darüber , und ver-
hält sich zur Pulsfrequenz im characteristischen Missverhältniss ; an-
statt wie 1:4 ist das Verhältniss wie 1:3, wie 1:2, selten wird die
Respiration noch häufiger. Das Athmen ist öfter geräuschvoll , von
Stöhnen, Seufzen, auf Distanz hörbarem Rasseln aus dem Pharynx oder
Larynx und Trachea begleitet.
Der Husten ist im Vergleich zu seiner Beschaffenheit, wie er vor-
her bestand, gewöhnlich verändert. Er ist seltener und trockener, kür-
zer geworden ; er wird, wenn er sich einstellt, unterdrückt; bringt die
Kleinen häufig zum Weinen. In andern Fällen dagegen stellt er sich
häufiger ein als früher ; ein beständiger Hustenreiz plagt alsdann den
Kranken, der in doppelter Weise davon afficirt wird ; erstens macht ihm
der Husten Schmerz und zweitens stört er ihn im Schlafe , so dass die
Kinder besonders dadurch missvergnügt und verdriesslich werden. Mit-
unter tritt er auch in lästigen '/2 bis 1 Stunde lang immer und immer
sich wiederholenden Hustenanfallen auf ; Paroxysmen , die zwar an die
Keuchhustenattaquen erinnern, aber doch ohne Reprise verlaufen. Die
Keuchhustenparoxysmen cessiren in vielen Fällen , wenn sich im Ver-
lauf des Keuchhustens eine Pneumonie entwickelt ; in andern dagegen
bleiben sie unverändert. Bekommt ein Keuchhusten-Kind Masern , so
Üleibeh die Pertussisanfälle sehr oft weg ; stellen sich aber wieder ein,
v^eün nach den Masern Pneumonie auftritt. Mitunter tritt in Folge des
ieftigen Hustens Erbrechen ein.
Wie das Husten so ist auch das Sprechen erschwert ; kurz , ab-
48
*
Y5Q [frankheiten der Athmungsorgane Lunge.
gebrochen , öfters leise ; bei Larynxaffcctioii sowie bei grösserm Sinken
der Kräfte kommt Heiserkeit , Aphonie vor. ,i ;,|
Sputa werden in der Regel keine zu T;ige bei^irdert. Tii|dpn er-
sten Tagen ist die Secretion ofPenbar gering ; spätei' hi)rt mau \mmM
sten lockerere Goränsche aus dem Larynx , so dass offenbar lii'inli«
Schleim ans den Luftwegen in den Pharynx hinaui'geschafft wird , von
dort aber in den Oesophagus gelangt. Bei altern Kindern gelangt man
ab und zu dazu, ein Sputum zu Gesicht zu bekommen; es sieht sclii(^-
mig eitrig aus, zuweilen mit Blutstreifen vermisciit. Bei KeucWuistcn
hat man sieh daran zu erinnern, dass blutige Sputa auch ohi'i^ ;f'i'f'T
nie vorkommen, die Quelle der Blutung ge>yöhnlich die P|iar^iix-'j Mu4-
oder Nasenhöhle ist. . ■ . ,, , . ,,,,,1 . ,1
Das Verhalten der Kranken ist im Ganzen und Grossen ein fuhiges;
sie behalten am Uebsten Rückenlage inne; Lageveränderung, Berfili-
rung des Thorax , namentlich Druck auf die Unterbrustgegend scteint
oft schmerzhaft zu sein. Auch besteht oft spontane Schmerzhaftigkeit
auf der einen Seite oder im Epigastrium oder in den Hypochondrien,
Manche Kranke schlafen die meiste Zeit, zwar leise und unruhig, sta-
chen häufig auf, bald unter plötzlichem Aufschreien , bald auch durph
den Husten. Andere sind verdriesslich , werfen sich im Bette uinher;
die Individualität spielt hier eine grosse Rolle. Das anfangs fieberliäil
geröthete Gesicht wird deutlicher cyanotisch, namentlich Lipperj, Wan-
gen, Schleimhäute, was um so auffallender wird , wenn die übrige Ge-
sichtshaut blass wird oder auch noch an der Cyanose participirt , livor
der Nase, der Ohren, des Kinns sich einstellt. Alsdann ist auch das Ge-
sicht etwas gedunsen , leicht ödematös ; die Conjunctivae secerniren
reichlich , die Pupille ist leicht erweitert , die Augen erscheinen
glänzend
Erscheinungen von Seiten des Nervensystems pflegen zi( lehlen.
Noch am ehesten bei catarrhalischer Masernpneumonie trifft man im
Beginn sehr heitiges Kopfweh, heftige Delirien, selbst einen oder ejmge
eclamptische Anfälle haben wir gesehen ; einmal auch Frost. r
Die Lippen werden trocken, oft rissig, mit bräunlichen Krustenle-
legt, durch Klauben der Kleinen an den Lippen entstehen oft oberfliicli-
liehe Ulcerationen, die sich unter Umständen mit diphtheritischeni p
lag überziehen und sehr leicht bluten und schmerzhaft sind. Die Zunge
ist nicht selten trocken, an den Zähnen gleichfalls oft blutiges vertrop-
netes Secret , zumal wenn Stomatitis vorhanden ist. Herpes labiaK
nasalis ist selten. Das Schlingen ist erschwert. Dargereichte Flüs-
sigkeit , zumal kaltes Wasser wird gern genommen ; selten verlangt.
Der Appetit in der Regel gleich null ; selbst Milch , Suppe refiisirt Pa-
Oscar Wy SS, Catarrhalpncumonie. Symptome. 757
tient, der nur Wasser nimmt. Der Stuhl ist zuweilen diarrhoisch , zu-
weilen retardirt.
Die Untersuchung des Thorax ergibt trotz der schweren Lungen-
erkrankung und der erheblichen Dyspnoe häufig nur geringe objectiv
nachweisbare Veränderungen. Bei Betrachtung des entWössten Brust-
', icorbes fällt wohl auf, dass trotz der energischen Mitwirkung des Msc.
sternocleidoraast. imd der Mm. Scaleni der Thorax nur wenig erweitert
wird rund dies läUt um so mehr auf, je jünger der Patient, je mehr der
Thori^x Symptome von florider Bhachitis bietet. Die oberste Partie bis
'zuri'.'|{ippe wird leidlich bei jeder Inspiration gehoben ; aber schon der
'T^iiil sowie die untern sinken bei jeder Inspiration tief ein und die
Elppeh'v'on der ' i. ab bleiben ruhig liegen trotz der nicht geringen
Kraftanstrengung der Patienten. Die Gegend des Zwerchfells zwischen
■' 61^^. Rippe vom Knorpel der 7. Rippe an in horizontaler Richtung
■'S "aussen und etwas nach unten dicht über der Lebergrenze wird ein-
gezogen, unter Umständen tief eingezogen, so dass bei der Inspiration
'' eike bedeutende Verengerung des untern Thoraxraums (Folge der Con-
■■'traction des an seinen Ursprungsstellen in Folge der Weichheit der
Thoraxwandungen nicht gehörig fixirten, dagegen eher im Centrum ten-
"'clnieum fixirten und im Auf- und Absteigen durch den bei Rhachitischen
■ gew. Meteorismus intestinor. behinderten Diaphragmas) zu Stande kommt.
So wenig als gewöhnlich durch die Adspection der Brust Unter-
"Äde in der Ausdehnung und Ausdehnungsfähigkeit der beiden Tho-
"raxliälftenconstatirbarsind, ebensowenig gelingt das durch Mensura-
" tion oder mit Hülfe des Cyrtometers. In zweifelhaften Fällen hat der
exacte Nachweis dieser Thatsache nicht geringen Werth.
' Die Percussion des Thorax ist , obwohl sie bei unserer Krankheit
häuficr «reringfügige und selbst zweifelhafte Resultate gibt , für die Er-
l^ennung derselben doch vom grössten Werth. Selten, nur in den ganz
"acut beginnenden Fällen gelingt es schon innerhalb der ersten 24 bis
'"48 Stunden, an einer umschriebenen Stelle eine deutliche Dämpfung des
'"Schalls nachzuweisen. Gewöhnlich gelingt das erst am 3. bis 4. zuwei-
len sogar erst am 5. bis 6. Tage ; in vereinzelten Fällen, bei tiefliegen-
■ 'äm'bde^ sehr kleinen Infiltraten überhaupt nicht. Denn bekanntlich
■ bedarf es' einer mindestens 3 Cm. in der Fläche und 2-3 Cm. in der
Dicke messenden Verdichtung, um durch Percussion nachgewiesen
fwe^dleii zii'können: eine Dimension, die keineswegs immer von den lo-
^'^Ä 'pneumonischen Heerden erreicht wird. In solchen Fallen mit
'"tleinen Infiltraten weist gleichwohl die Percussion wichtige Verande-
"'cuÄ-nach: Tympanie, bald mehr bald weniger deutlich ausgespro-
'^ietnauf der einen oder andern Seite; leichte diffuse Percussionsunter-
nTi ,, ,
758 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
schiede : Veräuderungen, die namentlich dann Bedeutung erlangen, wenn
sie sich unter unseren Augen entwickelten und ihr weiteres Schicksal
verfolgt wird. Tritt Dämpfung am Thorax auf, so ist diese sehr häufig
hinten unten , seitlich von der Wirbelsäule bis zum Angulus costarum;
am Diaphragma in sehr verschiedener Ausdehnung nach oben sich eN
streckend , bald bis zum Angulus inferior scapulae , bald bis zur Fossa
infraspinata vorhanden. Bald ist die Dämpfung blos auf der einen baM
auf beiden constatirbar ; im letztern Fall seltener beiderseits von glei-
eher Ausdehnung, sondern öfter auf der einen Seite ausgedehnter als'
auf der andern.
Sehr oft , namentlich in deu acuten Formen der Catarrhalpnenmo'-'
nie, zumal in jener nach acuter Laryngoti-acheobronchitis fanden wit
die Dämpfung in der Fossa supraspinata oder in der infraspinata, und
die untern Lungentheile frei. In andern Fällen gelingt es an ändert
als an den angeführten Stellen Infiltrationsheerde nachzuweisen ; so z.
B. in der einen Lunge hinten unten , in der andern hinten oben eine
Dämpfung zu constatiren ; oder neben einer Dämpfung hinten , in der
• andern Lunge eine solche vorn. Bei ausgedehnter Infiltration hinten
ist die Tympanie vorn gewöhnlich vorhanden , ähnlich wie bei crouj^
pöser Pneumonie. hir.-,'i] 0T>iij)ri
Ein sehr wichtiges Symptom ist ferner der Nachweis des veniiehr-
ten Resistenzgefühls , das der percutirende Finger während des Percil-
tirens des Thorax über der infiltrirten Stelle wahrnimmt. Es ist hiebei
nicht nöthig, dass man sich ausschliesslich der Percussion mittelst Fin-
ger auf Finger bediene ; auch bei der Plessimeterpercussion fühlt man
die vermehrte Resistenz über der infiltrirten Stelle deutlich. Doch ist
nicht zu läugnen, dass durch die Percussion von Finger auf Finger nicht
lilos der active, sondern auch der passive Finger das Gefühl des grossen
Widerstandes erkennen lässt und man so zu sagen doppelt fühlt. Frei-
lich geschieht eines auf Kosten des andern : legt man den passiven Fiü'-
ger weniger fest auf, so fühlt der active weniger deutlich die Resistenz-
veränderung; legt man ihn aber fester auf, so büsst er in Folge des
kräftigen Drucks momentan einen Theil der Empfinduugsfahigkeit für
feinere tactile Eindrücke ein. Auch bei der Hammerpercussion lässt
sich die Resistenzveränderung nachweisen , jedoch fiel uns hiebei —
vielleicht auch in Folge weniger grosser Uebung — bei geringen Un-
terschieden die Constatirung dieser schwerer als bei Fingerpereüssion.
Der Nachweis der Resistenzveränderung fällt um so leichter aus, je aus-
gedehnter, je dicker und je dichter infiltrirt die afficirte Lungenpartie
ist. Sie lässt sich selbstverständlich für alle Stellen am Thorax verwe^
then, am besten für die mit sparsamen Weichtheilen bedeckten hintern
Oscar Wyss, C'atarrhalpneumonie. Symptome. 759
und seitlichen Theile ; aber auch oben hinten, selbst in der Fossa infra-
und supraspinata leistet sie unserer Ansicht eher mehr als die Percus-
sion im gewöhnlichen Sinne. Es ist ein Verdienst W. E b s t e i n ' s , in
neuerer Zeit wieder auf dieses Symptom als auf eine besondere Methode,
die »palpatorische Percus.sion« hingewiesen zu haben.
Dass die circuläre oder die den Thorax gürtelförmig umspannende
Pneumonie , wie Jürgen sen angibt, bedeutende Vorzüge vor der ge-
wöhnlichen besitze, haben wir nicht gefunden. Gegen den Vorwurf,
als percutire man die Kinderbrustkorbe gewöhnlich nur vorn und hin-
ten in einer Linie, müssen wir entschieden remonstriren. Hat doch
Griesinger schon in seiner Klinik immer bei Thoraxuntersuchungen
darauf hingewiesen , dass man es nie unterlassen solle, ausser der Voi"-
der- vmd Rückseite des Thorax auch die Axillargrube und die Axillar-
gegend nach vorn und nach hinten , sowie die Theile unterhalb davon
sorgfältig zu percutiren und auscultiren und ist die methodische Ver-
gleichung des Percussionsschalls in den Papillär- und Parastei'nallinien
bis zum Sternum, den der Paraxillaris und vordem und hintern Axillar-
linie, der Scapularlinie und einwärts der Scapulae etc. eine von allen or-
dentlichen Aerzten geübte Untersuchungsmethode , die entschieden ge-
nauere Resultate liefert , als diese circuläre Percussion.
Die P a 1 p a t i o n ist im Ganzen und Gi-ossen nicht von sehr gros-
ser Bedeutung ; denn seine Abweichungen von der Norm sind in der
Catarrhalpneumonie gering und inconstant. Bei grössern Infiltraten ist
er mitunter verstärkt, sofern die Bronchien nicht viel Secret enthalten ;
sind sie verstopft, gilt von ihm das Gegentheil. Rasselgeräusche, Schnur-
ren, Pfeifen , die man am kindlichen Thorax durch die aufgelegte Hand
leicht wahrnimmt , sollen bei Infiltration des Lungenparenchyms ver-
schwinden.
-j., Um so bedeutungsvoller ist wiederum die Auscultation. Regel-
mässig bestehen schon vorher die Symptome eines diffusen Bronchialca-
tarrhes : verschiedene Rasselgeräusche in verschiedener Ausbreitung, diu
bald das übrige Respirationsgeräusch ganz verdecken , bald rauhes oder
stellenweise verschärftes vesiculäres Athmen erkennen lassen. Sind die
Rasselgeräusche so vorwiegend , dass sie die eigentlichen Respiratious-
geräusche verdecken , so berücksichtige man diese möglichst genau ;
wenn an einer Stelle immer feiner und feinerblasige Rhonchi bis schliess-
lich Knisterrasselgeräusche hörbar werden oder wenn klingende (cou-
sonirende) Rhonchi percipirt werden — und das ist keineswegs so sehr
selten — , beweisen diese Symptome die Affection der Alveolen, die sich
ausbildende Infiltration und sind um so werthvoUer, wenn die Percus-
sion noch negative oder dubiöse Resultate ergab. Abgeschwächt- oder
7(30 Krankheiten der Athmiingsorgane. Lunge.
AiifgehobeDsein des vesiculären Atliniens ist wichtig ; auch dauu, wenn
es nur durch Bronchialobturatiou Ijedingt sein sollte. Bronchiale Exspi-
ration , bronchiales Athmen üljerhaupt ist oit frühzeitig iji der Fossa
supraspinata — indess nur beweisend , wenn in der äussern Hälfte der-
selben gehört , weil es in der Innern auch durch geschwellte Broncliial-
driisenpaquete fortgeleitet sein kann — und infraspinata , sowie in der
Gegend des Angulus inf. scapulae und nach aussen davon constatirbar,
Bei Infiltraten unterhalb der Clavikeln hört man ausserdem die Herai"!
stösse abnorm stark fortgeleitet. ,<,'
' ' lih weiteren Verlaufe der Krankheit nehmen die örtlichen Ver-
änderungen namentlich vom 3. — 4. Tage an au Extensität und Inten-
sität zit; in jenen Fällen, die ungünstig verlaufen, nehmen sie oft sehr'
bedeutende Grade an, so dass der eine oder die beiden Unterlappen ganz,
häufig noch ein oder Ijeide Oberlappen theilweise nach rückwärts infil-i
trirt erscheinen. Weniger gross ist die Ausbreitung in jenen, die gün-
stig verlaufen. Beim Ausgang in Genesung tangt häufig schon am -
3. — 4. Tag , meist am 5. — 6. Tag oft auch später das Fieber an Mor-i
gens bedeutend zu remittiren , wenn es nicht schon von Anfang an im-
mer remittirend war ; es werden auch die Abendtemperaturen niedri-
ger , oder die Temperatur erreicht wohl noch im Lauf des Tages be-
trächtliche Höhe, aber nur für kürzere Zeit. Der Puls wird langsamer,
die Respiration leichter , der Husten häufiger , lockerer ; Patient wird
theilnehmender , spricht wieder, oder greift wieder nach seinen 'Spiel-
sachen , wenn auch anfangs nur vorübergehend. Milch , Suppe werden
nicht mehr refusirt , vielleicht schon Brod verlangt : der Appetit stellt
sich wieder ein. Der Schlaf wird ruhiger, tief, gewöhnlich mit nÄssi-
gem Schweiss verbunden ; die Urinsecretion ist reichlich. Im Lauf von
2 - 3 — 5 Tagen vollzieht sich die Entfieljernng lytisch ; bei längerer,;!
Dauer des Fiebers sinkt die Temperatur auch noch langsamer ; gleich-
zeitig fimgeu die örtlichen Symptome au ganz allmählig zurückzugehen.
Das Bronchialathmen , die klingenden Rasselgeräusche schwinden , die
Dämpfung hellt sich auf — doch sind bis zum Schwinden des letzten
Restes der Dämpfung mitunter Wochen lang erforderlieh — , und es
folgt eine selten rasche , sondern gewöhnlich eine im Verhältniss mM
Dauer und Extensität der Krankheit auffallend langsame Reconvales-
cenz. Husten und Rasseln auf der Brust persistiren in der Regel noch
länger , bessern sich aber allmälig auch mit der Reconvalescenz.
Wenn in diesen im Beginn acuter verlaufenden Fällen von Catar-
rhalpneumonie im Verlauf der Krankheit das Fieber zwar remittirt,
aber immer wieder exacerbirt, imd wenn die Exacerbationen sowohl hin-
sichtlich ihrer Höhe als auch ihrer Dauer sich gleich bleiben , die sub-;m
0 s c a r W y s s, Catarrhalpneumonie. Symptome. 761
jectiven und objectiven Erscheinungen ebenfalls persistiren oder gar
zunehmen , so ist wohl die Prognose schlecht , aber es kann bei grösse-
ren , oder nicht schon allzu sehr reducirten Kindern die Heilung nach
Wochen doch noch eintreten. (Uebergang in die chronische Form.)
Jüngere Kinder, namentlich solche unter einem Jahre, sowie vorher er-
heblich geschwächte, collabiren frühzeitiger, die Cyanose des Gesichts
nimmt zu, nicht blos Wangen und Lippen , sondern auch Ohren, Nase,
Kinn werden blau und kühl, die oberflächlichen Venen füllen sich stär-
ker und schimmern deutlich durch die Haut hindurch ; das Gesicht wird
bleich , bleifarben , leichte umschriebene Oedeme stellen sich im Ge-
sicht, oft auch an Händen und untern Extremitäten ein; Apathie, auf-
fallende Ruhe , beständiger Schlummer und Nachlass des Hustens ma-
chen den Angehörigen den Eindruck , es sei besser geworden : aber der
äusserst frequente , kaum mehr fühlbare Puls , die grosse Hinfälligkeit,
die leichten Zuckungen in Augen- und Mundmuskeln, denen niitzu auch
über die Körpermuskeln verbreitetere Convulsionen folgen, beweisen
dem Arzte hinlänglich die Schwere der Situation. In diesem Zustand
erfolgt der Tod bald während eines convulsivischen Anfalls plötzlich
und unerwartet, bald auch im ruhigen Coma.
Bei altern resistentem Kindern tritt ein ähnlicher Zustand ein,
wenn die Krankheit fatalen Ausgang nimmt. Doch ist bei diesen trotz
der Apathie und Gleichgültigkeit eine nicht verkennbare Unbehaglich-
keit und Unruhe vorhanden ; sie werfen sich im Schlafe hin und her,
zerkratzen sich, wimmern und stöhnen in kurzen Intervallen. Schleim-
rasseln in den grossen Luftwegen wird hörbar , weil die Massen nicht
mehr ausgehustet werden können ; und auch nicht mehr herunterge-
schluckt werden, selbst wenn es gelingt, sie in den Pharynx zu bringen.
Bisweilen gesellen sich noch Symptome von Seiten des Gehirns dazu :
zeitweises Aufschreien, Zähneknirschen, Strabismus, unregelmässige Re-
spiration , so dass das Athnien in regelmässigen Intervallen aussetzt,
nach Vi bis '/2 Minute schwach , dann immer stärker , rascher, tiefer,
selbst keuchend einstellt und dann wieder allmälig schwächer werdend
wieder aufhört, bis nach '/4— '/» Minute dasselbe Spiel sich wiederholt.
Ich habe hiebei schon vor derLeube'scben Bekanntmachung die rhyth-
mischen Bewegungen an der Pupille, Verengerung aufs Minimum in der
athemlosen Pause, Erweiterung bis zum Maximum in der Zeit der tiefsten
Inspirationen , sowie auch Pulsveränderung (Steigen und Sinken der
Pulsfrequenz beobachtet. (Cheine-Stockesche Respiration.) Dass letz-
teres Symptom wie die erstem vom Hirn resp. Medulla ausgehen, unter-
liegt keinem Zweifel, nur sind sie keineswegs immer die Folge einer
eincretretenen Meningitis, sondern von Circulationsstörungen , wie auch
7(32 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
das Hirnödem , das mau als ätiologisches Moment dieser Symptome ai
bezeichnen pflegt.
2. Chronische Form der Ca t a r rh alp n e umonie.
Wenn sich catarrlialische Pneumonie im Verlaufe eines chronischen
Bronchialcatarrhs oder Keuchhustens entwickelt , so ist ihr erster Be-
ginn in der Regel nicht scharf festzustellen , weil alle Symptome, sub-
jective wie objective, so langsam, allniählig sich einfinden, dass deren
Eintritt leicht übersehen wird. Die Symptome, welche den Eltern des
Patienten auffallen , sind gar oft erst die der ausgebreiteten Catarrhal-
pneumonie oder ihrer Folgezustände. Es gilt dies um so mehr, je jünger
das Individuum , je mehr geschwächt es durch vorausgegangene Krank-
heiten ist. Nicht selten wird der Arzt erst sub finem vita zu solchen
Kranken gerufen , und wenn er die ausgebreitete Pneumonie entdeckt,
schlimme Prognose stellt , so wird ihm feierlich verkündet : bis heute
habe dem Kinde weiter nichts gefehlt , als der einige Zeit lang beste-
hende Husten.
Meistens markirt sich der Eintritt der Pneumonie in .solchen Fällen
durch Fieber, das anfangs nur scheinbar im Verlauf mehrerer Tage be-
trächtlichere Höhe, 39 bis 40" und darüber erreicht, das Morgens re-
mittirt , Abends, mitunter auch zu andern Tageszeiten, exacerbirt. Es
ist unregelmässig, behält keinen bestimmten Typus inne; bei kleinen
Kindern kann es auch vollkommen fehlen. Auch subnormale Tempe-
raturen kommen vor. Steffen (Jahrbuch für Kinderheilkunde Vlll.
255 ff.) legt auf das plötzliche Sinken der Temperatur unter die Norm
im Beginn dieser Pneumonien geradezu einen Werth , indem er ver-
sichert, bei kranken Kindern in den ersten Lebensjahren, bei denen er
plötzlich subnormale Temperatur auftreten sah , habe er regelmässig
Dämpfung auf der Hinterfläche der Lunge gefunden. Die auffallendsten
weitern Symptome sind die rasch fortschreitende Abmagerung, die
grosse Hinfälligkeit, der müde und matte Gesichtsausdruck, die hoch-
gradige Gleichgültigkeit und Theilnahmslosigkeit , die livide Farbe, die
in Verbindung mit der schnellen und oberflächlichen Respiration sowie
dem frequenteia kleinen Puls deutlich genug auf eine schwere Lungen-
afiection hinweist. Gleichwohl ergibt die Percussion vorn öfters noch
ganz normalen vollen Schall , öfter mehr oder weniger deutliche Tyin-
panie, seltener relative bis absolute Dämpfung in verschiedener Aus-
dehnung. Hinten unten, wo die Lifiltration bei dieser Form derCa-
tarrhalpneumonie gewöhnlich localLsirt ist, fehlt Dämpfung des Schalls
selten ; wird aber wegen der gleichmässigen Ausbreitung der Infiltration
sowie weil sich über den nicht völlig iniiltrirten Theilen tympanitischer
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Symptome,
763
Schall findet, leicht übersehen, zumal wenn der Patient klein und sehr
unruhig ist. Auch die Resultate der percutorischen Palpation sind hier
öfter zweifelhaft wegen der unvollständigen Infiltration des Lungenge-
webes. Um so wichtiger ist hier die Auscultation , durch die zwar bei
sehr kleinen und schwachen hinlälligen Kindern auch häufig Nichts als
massenhaftes feuchtes Rasseln gehört wird. Aber theils beim gewöhn-
lichen Athmen , theils bei zufälligen tiefern Inspirationsbewegungen
(Schreien, Husten) hört man Knisterrasselgeräusche oder einzelne klin-
gende Rhonchi, seltener auch einen bronchialen Hauch : Auhaltspuncte,
die für die Diagnose in Verbindung mit den andern Symptomen , viel-
leicht auch noch in Verbindung mit dem gelegentlich deutlich gefühlten
Stimmfremitus für die Erkennung der Krankheit genügen.
Der weitere Verlauf ist , wenn nicht über kurz oder lang der Tod
eintritt, ein protrahirter. Mehrere Wochen hindurch persistirt der
Husten, die Dyspnoe, das Fieber, das wohl zu manchen Tageszeiten
schwindet , zu andern aber besonders Abends wiederkehrt. Auch die
physikalischen Symptome bleiben im ganzen und grossen dieselben, oder
es breiten sich die Symptome der Infiltration weiter aus. Tritt Genesung
ein, ist gewöhnlich der Nachlass des Fiebers das erste entschieden gün-
stige Symptom, sofern auch Abnahme der Pulsfrequenz, Verlangsamung
Fiff. 4. Ciirve I.
F. H. .5jährio-er, Knabe, Pneumonie cat . sin. sup. Beginn der j:>rjirankLing mit
"acuter Coryza, folgender Laryngitis, dann Pneumonie.
764
Krankheiten der Atlimungsorganc. Lunge.
Fig. 5. Curve II.
M. Sp. 3jährigerKnalje, Pneumonie cat.
acut. (dxt. Eup.J.
des Atlimens, damit einhergeht.
Wenn aber mit dem Nachlasse
Hitze der Puls frequenter
scliwächer wird , Collapsersi
nnngen auftreten, die Extremil
kühl und bläulich werden , Om
Wancccn ebenso sich verhalten,)
Husten schwindet , die Zunge I
cken wird, .Apathie , comatöser!
stand mit Unruhe, Jactationen
einstellen, tritt der Tod unter i
demselben Bilde auf, wie S. 760
761 geschildert worden ist. Aij
ohne Sinken der Temperatur kom-
men solche Zustände vor, wo Pat.
plötzlich Convulsionen der Extre-
mitäten und Körpermuskulatur be-
kommt , Streckkrampf mit Oeffnen
des Mundes , Verdrehen der Augen
sich einstellt. Der Anfall schwindet,
das Bewusstsein kehrt zurück. Aber
Ijald kehren die Convulsionen wie-
der, persistiren dann länger; der
Ivopf ist nach hinten tibergebeugt,
die Nackenmusculatur hart, straff,
der Mund steht offen, der Gesicbts-
ausdruck ist stark stier ; die Pupillen
ziemlich weit, reagiren nicht; es
icsteht Schielen. Ab und zutreten
Zuckungen in den Annen auf, die
später continuirlich werden, stun-
denlang andauern können, bis end-
lich der Tod der Jammerscene ein
Ende macht.
Das Verhalten der Tem-
per a t u r ist in der Catarrhalpneu-
monie keineswegs ein für alle Pallß
typisches , und man findet nament-
lich dann sehr geringe üeberein-
stimmung der Curven, wenn Dian
solche von Catarrhalpneumonie
überhaupt vergleicht. Nur das ha-
Oscar Wyss, CatarrhalpiiciDjionie. Symptome.
Fisf. 6. Cui-ve lir.
765
P. M. lOjiihriger Knabe, Pneumonia p. morbill.
ben die meisten Curven gemeinsam, dass das Fieber ein am Morgen niebr
oder weniger stark remittirendes am Abend exacerbirendes ist. vgl.
Curve I. Die Entfieberung findet allmählig statt, ähnlich wie beim Ab-
dominaltyphus, cf. Curve I. u. II. Dieser Form der Catarrlialpneumo-
nie nach Catarrhen der obern Luftwege am nächsten steht die Masern-
pneumoniecurve', Curve III; auch seltenere Keuchhustencurven, wie
z. B. die in Curve IV mitgetheilte. Auch manche Catan-halpneumonien
der Rhachitischen erinnern lebhaft an leichte Typhuscurven , bei denen
,jim Stadium der Continua continens stärkere Remissionen als gewöhn-
lich stattfinden. Andere, wie Curve V sind dagegen irregulär, atypisch.
Auch die schwerern Keuchhustenpneumonien lassen den erwähnten Ty-
pus nicht mehr erkennen. Entweder verläuft die Krankheit — doch ist
das selten der Fall — ganz fiebei-los , was bei sehr schwächlichen anä-
Fig. 7. Curve IV.
C. K. S'/vjähriger Knate, Pertussis pneumonie. Ausgang.
766 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
mischen und sehr jungen Kindern vorkommt , oder die Curve zeigt bei
hohen Temperaturen bald keine, bald geringe, bald stärkere Remissionen
ohne irgend eine Regelmässigkeit.
Compllcationen.
Wir haben der Complicationen der Catarrhalpneumonie schon oben
bei Besprechung der pathologisch - anatomischen Verhältnisse gedacht,
weil in der That die meisten als Befunde der Section bezeichnet werden
müssen , die man intra vitam nicht immer diagnosticirt hatte. Es gilt
dies von der häufigsten Complication , der Pleuritis sicca, die man
zwar in manchen Fällen aus der grossen Schmerzhaftigkeit des Hustens,
Stichen beim tiefen Athemholen etc. , der localen Empfindlichkeit, sel-
tener aus Reibegeräusch zu diagnosticiren in der Lage ist. Auch ge-
ringe pleuritische Exsudate sind leicht zu übersehen. Anders verhalten
sich die massigen , sehr rasch sich entwickelnden , häufig den ganzen
Thorax ausfüllenden serösen und eitrigen Exsudate, die, mit
allen characteristischen Symptomen versehen , leicht zu erkennen sind.
Wir sahen solche nach Masernpueumonie sowohl als auch nach im Ge-
folge einfacher Bronchitiden entstandenen Catarrhalpneunionieen ; auch
kleinere umschriebene eiterige Exsudate kommen besonders bei rhachi-
tischen Kindern nicht selten vor. Auch jene grossen Exsudate sahen
wir günstig verlaufen ; z. Tb. wurden wir zur Function und Aspiration,
mehrmals auch zur Incision — mit dem besten Erfolge — veranlasst,
während kleine umschriebene eiterige Exsudate zweifellos mit zum un-
günstigen Exitus beigetragen haben mögen.
Pneumothorax sah Steffen in Folge Abscedirung , wir in
Folge von Lungengangrän nach Catarrhalpneumonie.
Laryngitis crouposa,die sich im Verlauf einer Catarrhal-
pneumonie entwickelte, beobachtete Steffen; ebenso Diphtheritis fau-
cium. Wir haben diese Complication gleichfalls im Verlauf von Keuch-
hustenpneumonien sich entwickeln gesehen.
M i 1 i a r t u b e r c u 1 0 s e ist eine der gewöhnlichsten Complicationen
der chronisch verlaufenden zumal der verkäsenden Catarrhalpneumonie;
in solchen Fällen oft die Rolle eines Terminalprocesses spielend und in
sehr verschiedener Weise im Körper verbreitet zu beobachten : am ge-
wöhnlichsten als Localtuberculose um den oder die verkästen Heerde in
der Lunge ; oder als diffuse Lungentuberkulose ; oder man findet in der
Lunge gar keine Tuberkeln, sondern nur der catarrhalisch-pneumonische
Process , aber Miliartuberculose der Gehirnhäute oder der ünterjeibs-
organe, oder beides zusammen. Es ist uns unbegreiflich , wie Steffen
die Diagnose dieser Tuberculose »leicht« nennen kann ; selbst wenn es
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Complicationen.
Flg. 8. Curve "V.
767
H. K. 2jähriges Mädchen. Pertussispneumome
768 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
gelingen würde, Chorioirlealtuberkeln nachzuweisen, oder die Symptome
der Meningitis tubereulosa unzweifelhaft wären , würde die Diagnose
der Lungentuberculose immerhin zweifelhaft bleiben. Denn wenn in
der Lunge ein alter pneumonischer Heerd existirt , ob noch objectiv
nachweisbar oder nicht — und es tritt bei zunehmendem Marasmus
irreguläres Fieber mit Dyspnoe, den Symptomen eines frischen diffusen
jedoch kein grosses Exsudat setzenden Lungenerkranknng auf, kann
das ebenso gut eine frische Lobulärpneumonie wie eine Miliartuberculose
sein, und — .selbst am Leichentische fällt die Unterscheidung, ob
dieser ob jener Proce.ss, oder ob beides zusammen vorliegen, unter Um-
ständen nicht leicht. Wir befinden uns also in vollkommener Ueberein-
stimmungen mit J ü r g e n s e n.
Ebenso wie die Tuberculose der Lunge eigentlich nicht eine Com-
plication, sondern vielmehr einen Folgezustand der Catarrhalpneumonie
darstellt , ebenso ist die Tuberculose des Gehirns sowohl wie auch die
der Hirnhäute eine Consequenz, die wir leider nur zu häufig nach Ma-
sern- und Keuchhustenpneumonien auftreten sehen. Wir dürfen nach
unsern Erfahrungen geradezu von Epidemien (sit venia verbo) von Me-
ningitis tubereulosa nach Masemepidemien sprechen. Allerdings ist der
Zeitraum, der von der Pneumonie bis zur terminalen Meningitis ein sehr
verschieden langer; 6 — 8 Wochen bis 1 Jahr und darüber.
Pericarditis haben wir einmal neben Catarrhalpneumonie nach
chronischer Bronchitis und linksseitiger Pleuritis bei einem 20 Wochen
alten Kinde diagnosticirt (pericardiales Reiben) und durch die Section
bestätigt ; andere Mal bei der Obduction gefunden ; das eine Mal bei
einer Masernpneumonie. Steffen und Steiner haben gleiche Erfah-
rungen gemacht.
Noma des Gesichts, das übrigens auch die catarrhalische Pneu-
monie veranlassen kann , Noma genitalium wurde ebenfalls beobachtet
(von Steffen, Steiner, auch von uns).
Otitis mit nachfolgender Perforation des Tympanum ist eine sehr
unangenehme Complication der Masernpneumonie, weil sie oft mit be-
deutenden Zerstörungen des Knochens mit secundären Drüsenschwel-
lungen , Abscedirungen der letztern , wie auch mit Abscessbildung am
Processus mastoideus verbunden vorkommt. Genau genommen ist diese
Otitis vielmehr eine Folge desselben Catarrhs der obern Luftwege, der
zur Catarrhalpneumonie Veranlassung gab, aber sie findet sich eben
häufig neben unserer Krankheit und reducirt die Patienten in hohem
Grade, verzögert die Reconvalescenz. Einmal sahen wir nach einer
solchen Masern-Otitis mit Necrose des Knochens Lähmung der Facialis,
die wieder zurückgieng; häufiger bleibt die so entstandene Paralyse.
Oscar Wyss, Catarrlialpneumonie. Complicationen. 769
Bei einem 3jährigen Knaben, der 3 Wochen vorher Masern überstanden
hatte und der wegen chronischer Pneumonie in Behandlung trat, sahen
wir eine mehrstündige Rhinorhagie, die zu stillen zwar gelang, auf die
aber doch nach einigen Stunden der Tod eintrat. Wir fanden bei der
Section auch innerliche Blutungen: besonders in ödematöse pleuritische
Verwachsungen der rechten lobulär pneumonisch infiltrirten Lunge ; die
Bronchien blutf'rei.
Wir haben ferner bei der Obduction eines 6 Monate alten sehr stark
rhachitischen Mädchens , das an Pertussispneumonie starb , 7 offenbar
ungleich alte Rippenfracturen gefunden , die hinlänglich die excessive
Empfindlichkeit dieser Patientin gegen Bei'ührungen des Thorax er-
klärten. Wir haben seither auch bei einem Fall von Bronchitis diffusa
eines sehr stark rhachitischen Knaben , bei der ebenfalls sehr grosse
EDipfindlichkeit des Thorax gegen Berührung vorhanden war, aus den
entsprechenden Callus-Verdickungen der Rippen an winklig gebogenen
Stellen in Heilung begriffene Rippenfracturen diagnosticirt. Bei er-
sterem Pat. war sicher jede andere traumatische Veranlassung für die
Fracturen ausser den Hustenparoxysmen auszuschliessen ; dagegen waren
diese letztern ausserordentlich häufig und heftig.
Prognose.
Die Prognose ist im Ganzen und Grossen eine sehr ernste, die Mor-
tahtät eine hohe. Zwar scheint unzweifelhaft die Mortalität von neuern
Beobachtern geringer angegeben als die älterer; und es lässt sich ziem-
lich genau sagen woher ; einmal verläuft die Krankheit zu gewissen Zeiten
schlimmer als zu andern , ferner wird seit Einführung der Thermometrie
häufig die Diagnose auf Catarrhalpneumonie gestellt, wo sie früher nur
auf Bronchitis gestellt wurde ; und endlich hat unzweifelhaft die Um-
wälzung in der Therapie einen wohlthätigen Einfluss gehabt. Zu letz-
terer Annahme wird man imwillkürlicli durch die traurigen Zahlen aus
den 30er Jahren aus Paris , als die Therapie in Venäsection und Stiru-
dines, Tartarus emeticus etc. bestand, gedrängt. Die Sterblichkeit
schwankt zwischen ^3 und ^/s der Erkrankten , wenn wir absehen von
Trousseau und Valleix.
Es starben an Catarrhalpneumonie :
Zahl der Er-
krankten.
. nach Valleis ... 128
» Trousseau . . 22
» Bouchut ... 55
> Bartels ... 67
i> Ziemssen . j ,^ .jj,^^ 98
» Barrier .".'.' 61
> Steffen ."■.'. 66
» Stiebel ... 16 »
» PfeUsticker . . 32 9
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 4»
im-ßnsii
Zahl der
Todesfalle.
■i'l
Bemerkungen.
127
(iO
22
Morbillenpneumon.^, ,_
33
29
Morbülenpneumon.
36
, -Aiiiii-f
48
I
35
. IJ.,.
770 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Das Alter der Erkrankten ist von sehr hoher Bedeutung. Je jünger
das Kind , desto geringer die Aussicht , die Krankheit zu überstehen.
Einzelne Autoren, z. ß. Bartels sahen alle innerhalb des 1. Lebens-
jahres an catarrhalischer Masernpueumonie Erkrankten sterben. Ziems-
s e n verlor nur die H ä 1 f t e ; wie bei S t e ff e n sieb das Verhältniss ge-
staltete, ist leider nicht zu ersehen, da auf p. 343 mehr als im Alter bis
zum 1. Jahr Verstorben angegeben werden (19), als sich Kranke im
1. Jahr in Behandlung befanden laut pag. 2.53 nämlich 16, ein offen-
barer Irrthum. Unzweifelhaft geht jedoch aus St effen 's Tabelle die
grössere Mortalität im frühen Kindesalter hervor.
Erkrankten im 1. Jalir 14*) (?) gestorben 19
» X. 2. » 17*) » 7
» » 3. » 17*) » 5
» » 4. » 7 *) » 2
» > 5. » 5 » 1
» » 6. » 1 »1
» » 7. » 1*) » 0
» » 8. » 3 » 0
> » 9. » 0 »0
» » 10. » 1 »0.
Von sehr grosser Bedeutung ist ferner die Primärkrankheit für den
Verlauf und Ausgang. Von Z i e m s s e n und Steffen liegen folgende
Zahlen vor :
Es sind nach Ziemssen nach Steffen
gestorben an Masernpneumonie ..... 11 5
genesen an » 32 1
gestorben an Pneumonie nach Bronchitis ... 14 14
genesen an » » » . . 18 41
gestorben an Pertussispneumonie 12 8
genesen an » » 11 2
Unsere Erfahrungen reihen sich mehr denjenigen Ziemssen's
an ; wir müssen die Keucbhustenpneumonie als die , welche die schlech-
teste Prognose gibt , bezeichnen ; und ganz besonders gilt von dieser,
dass die Prognose mit jedem Semester, um das das Kind jünger ist, umso
schlechter wird. Auch uns gab die Masernpneumonie nicht so schlechte
Prognose wie Steffen, dem übrigens darüber zu kleine Zahlen vorlagen.
Dass Variolapneumonie bei Kindern ganz schlechte Prognose bietet,
muss auch ich nach den sehr wenigen eigenen Erfahrungen darüber be-
stätigen. Die Pneumonie bei Diphtheritischen ist wohl keine angenehme
Complication, aber wir glauben, dass in vielen Fällen weniger die Pneu-
monie als vielmehr die diphtheritische Allgemeininfection oder der
Bronchialcroup das tödtliche Ende herbeiführt. Wir sahen eine grös-
sere Anzahl tracheotomirter Diphtheritiskinder trotz der hinzugekom-
menen Pneumonie genesen.
Die Körperbeschaffenheit und Constitution ist von nicht geringer
*) Diese Zahlen sind nach den von Steffen pag. 842 erwähnten aus-
geschlossenen Fällen reducirt.
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Diagnose. 771
Bedeutung. Wenn Jürgen sen den Gegensatz zwischen fetten und
kräftigen Kindern als von hoher Bedeutung hervorhebt, können wir ihm
nur beistimmen ; gar oft sind schlecht genährte Kinder zäher als fette,
aber anämische von schlaffer Constitution. Acuten wie chronischen
Processen erliegen letztere viel früher. Tuberculose, Scrophulose, here-
ditäre Syphilis , Anämie der Eltern resp. der Familie trüben iu hohem
Grade die Aussicht, weit mehr als Pflege, hygienische Verhältnisse, die
indess auch wesentlich in die Wagschale fallen. Rhachitis trübt die
Prognose sowohl wegen der Beschaffenheit des Thorax , die zu Atelec-
tasenbildung und weiterer Ausbreitung des Processes disponirt , wie
auch wegen der Hartnäckigkeit , mit der bei rhachitischen Kindern der
Catarrh persistirt.
Der Ansicht .J ü r g e n s e n's, dass die grössere Acuität eo ipso auch
grössere Gefahren mit sich bringe, können wir uns nicht unbedingt an-
schliesseu; denn die acutesten Lobulärpneumonien, die nach Masern,
bieten unendlich viel bessere Prognose, als die latenten und lentesciren-
den Keuchhustenpneumonieu. Momentan bringt wohl der sehr acute Be-
ginn Gefahren mit sich ; aber die Zahl der in den ersten Tagen sterben-
den ist viel unbedeutender, als die der nach Wochen zu Grunde gehenden.
Je ausgebreiteter d. h. an je zahlreichern Stellen die Pneumonie
localisirt ist , desto gefährlicher ist die Erkrankung. Grössere lobäre
Infiltrationen, so lange sie nicht auf beide Lungen ausgedehnt sind, sind
weniger gefährlich.
Hand in Hand mit starker Ausbreitung des Processes , zahlreichen
Infiltraten geht gewöhnlich sehr hohes und sehr lange andauerndes
Fieber, das einerseits fortwährendes Fortschreiten des Processes an-
deutet, desshalb ein bedenkliches Zeichen ist, andererseits die Kräfte
consumirt , vielleicht die Constitution so schädigt , dass in der Folge
leichter Verkäsung des Exsudates eintritt.
Ungünstig ist ferner : Plötzliches Sinken der Temperatur mit hoher
Pulsfrequenz und Verfall der Kräfte (was z. B. bei sich entwickelnder
Lungengangrän vorkommt). Unregelmässigwerden des Pulses, lang-
same Respiration l^ei hohem Puls, Aussetzen des Athmens, Cheyne-
Stokes'sche Respiration wie andere Gehirnerscheinungen; namentlich
ecclamptische Anfälle im Verlauf der Pneumonie ; Delirien, die im Ver-
lauf sich einstellen ; Sopor, Apathie, Verschwinden des Hustens bei fre-
quenter oberflächlicher Respiration und Schwinden des Pulses.
Diagnose.
Die Diagnose der Catarrhalpneumonie gründet sich auf den Nach-
weis einer vorausgegangenen ursächlichen Bronchialaffection, das erheb-
49*
772 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
liehe Missverhältniss zwischen Puls und Respiration , die beträchtUche
Dyspnoe , das Fieber , den Nachweis einer Infiltration des Lungenge-
webes an einer oder mehreren umschriebenen Stellen , dem überwiegend
häufigen Auftreten der Infiltration in den hintern mitern Lungeuab-
schnitten , den protrahirten Verlauf , das lytische Sinken der Körper-
temperatur beim Uebergaug in Genesung.
Die Diagnose gegenüber der Bronchitis capillaris gründet
sich — wenn die physikalische Untersuchung keine Anhaltspuncte für
die Diagnose einer Infiltration gibt — auf das Verhalten der Tempe-
ratur des Körpers. Weder eine einmalige Temperatursteigerung auf
39 noch auf 40 beweist im gesetzten Fall die Entwicklung der Pneu-
monie ; wohl aber ist der weitere Verlauf, das Andauern des fieberhaften
Zustandes von Bedeutung. Wenn die Temperatur über mehr als 24
oder gar mehr als 48 Stunden sich zwischen 39 und 40" oder darüber
erhält, und andere Ursachen für die Temperatursteigerung wie ein
acutes Exanthem, Angina, Otitis media etc. ausgeschlossen werden
können , so spricht dies für Pneumonie und gegen blosse Bronchitis.
Diagnose gegenüber der Atelectase. Atelectase kann Dämpfung
des Percussionsschalls, Tympanie desselben, aufgehobenes abgeschwäch-
tes sowie bronchiales Athnien bedingen ; auch Knistern durch Eindringen
der Luft bei tiefer Inspiration in collabirte Partien. Kleine Atelectasen
sind direct nicht diagnosticirbar, indirect nur aus den übrigen Verhält-
nissen wie aus schwacher oberflächlicher Respiration, kleinem Puls, Cya-
nose u. dgl. Sie bedingen kein Fieber ; doch kann welches vorhanden sein,
entweder dem Primärprocess oder einer begleitenden Affection zugehö-
rend. Bei sehr grossen Atelectasen kann unter sonst günstigen Verhält-
nissen (ruhigem Verhalten des Pat.) zur Diagnose verwerthet werden : der
Nachweis des geringern Umfangs der einen Thoraxhälfte gegenüber der
andern ; vielleicht auch die verminderte Beweglichkeit dieser Brustseite,
der etwas höhere Zwerchfellstand auf der betroffenen Seite. Mit eines
der wichtigsten aller Symptome ist das plötzliche Verschwinden aller
dieser Symptome durch Wiedereintritt der Luft in die collabirten Theile,
das Aufgehobenwerdeu der Atelectase durch tiefe Inspirationsbewe-
gungen , die bald durch forcirte tiefe Inspiration , bald durch kräftigen
Husten, bald durch den Brechact bedingt werden.
Die Diagnose von croupöser (acuter) Pneumonie gründet
sich auf die Art des Beginnes, der bei der croupösen momentan ist; den
continuirlichen Fieberverlauf mit kritischem Ende bei Pneumonia crou-
posa, die raschere Entwicklung und bedeutendere Ausdehnung, das Fehlen
der catarrhalischen Symptome Seitens der Bronchien schon im Beginn.
Für die Diagnose von Pleuritis, gegenüber der Catarrhalpneuraonie
Oscar Wys3, Catarrhalpneumonie. Prophylaxis. 773
sind auch für kleinere abgesackte Heerde, Form und Bewegung des
Thorax, genaue Mensuration , ob Dilatation der Thoraxseite, oben viel-
leicht Retraction (wenn vorher schon ein Theil des Exsudates resorbirt
worden), Verdrängungen der Brustorgane oder einer Hälfte des Zwerch-
fells, vorhanden, die leitenden Momente.
Diagnose von T u Ij e r k u 1 o s e. Wenn die Pneumonie auf Masern oder
acute Bronchitis folgt , während Keuchhusten sich einstellte und keine
fieberhafte Krankheit der Respirationsorgane in früherer Zeit durch-
gemacht worden ist, keine Residuen einer chronischen Entzündung,
keine Lymphdrüsenschwellung, keine Scrophulose vorliegt , ist die An-
wesenheit von Tuberculose schon anamnestisch nicht wahrscheinlich.
Wie früher erwähnt, ist jedoch bei der chronischen Catarrhalpneumonie
das Hinzutreten von Miliartuberculose ebenso häufig und eben so schwer
zu erkennen, wie die Tuberculose ohne Pneumonie, vgl. übrigens hier-
über bei der Diagnose der Phthisis.
Prophylaxis.
Die Lehre von der Verhütung der catarrhalischen Pneumonie zer-
fällt in zwei Theile. Sie betrifft: 1) die Verhütung des Catarrhs und
2) wenn eine Bronchitis vorliegt , die Verhütung der Ausbreitung der
Entzündung auf die Alveolen.
Die Verhütung der Bronchitis , die hier in Betracht kommt , liegt
zum Theil in der Prophylaxis grösserer Infections- und constitutioneller
Krankheiten. Unser Augenmerk muss in erster Linie darauf gerichtet
sein, Keuchhusten , Masern , Diphtheritis bei Kindern unter 2 Jahren,
ganz besonders bei Kindern miter einem Jahre zu verhüten. Dass das
dringend nöthig ist , lehrt ein Blick auf die pag. 770 mitgetheilte Ta-
belle, sowie auf die eigene Erfahrung jedes Arztes ; dass es sehr häufig
möglich ist, ist unbestreitbar. Sofortige vollständigste Separation sol-
cher Kinder von an der gen. Lifectionskrankheit erkrankten Geschwi-
stern, so dass absolut kein, weder directer noch indirecter Verkehr zwi-
schen gesunden und kranken besteht , möchten wir als vielfach erfüll-
bare Aufgabe hinstellen ; und diese Separation hat so lange zu bestehen,
als irgend eine Möglichkeit der Ansteckung vorhanden ist. Leider ist
zur Zeit an eine Ausrottung der epidemischen Kinderkrankheiten aus
den Schulen noch nicht zu denken. Aeltere Kinder, die durch Rhachitis,
Scrophulose oder irgend ein anderes acutes oder chronisches Leiden sehr
geschwächt sind und die durch Erkrankung an Bronchopneumonie vor-
aussichtlich schwer bedroht würden , sind natürlich Jüngern Kindern
gleich zu stellen. Ferner muss die Rhachitis für sich wohl berücksich-
tigt, und sowie sich Symptome derselben einstellen , in Behandlung ge-
774 Krankheiten der Athmnngsorgane. L\inge.
nommen und geheilt werden ; denn nicht blos sind rhachitische Kinder
viel mehr durch die Catarrhalpneumonie gefährdet , sondern auch weit
mehr als andere dafür disponirt.
Im fernem muss gegen die Disposition für catarrhalische Erkran-
kungen überhaupt angekämpft werden. Damit kann mau nicht früh
genug beginnen ; und zwar unserer Ansicht nach am einfachsten und
sichersten dadurch , dass man so zeitig als möglich die Kinder an den
Aufenthalt im Freien gewöhnt; dass man nicht, nachdem sie Mo-
nate lang constant in der Stube eingepfercht waren , sie beim ersten
sonnigen Merztag einen Spaziergang machen lässt, bei dem sie sich dann
allerdings sehr oft einen Schnupfen holen , um dessetwillen ein neuer
'/jjähriger Zimmerarrest folgt , bis es draussen »ganz schön warm« ge-
worden ist. Täglich muss das kleine Kind ins Freie getragen werden,
täglich muss es, wenn älter geworden, spazieren gehen , und zwar nicht
für eine halbe Stunde , sondern für mehrere Stunden ; je länger desto
besser. In der günstigem Jahreszeit sei seine Heimat nicht die Stube,
sondern der Garten, der Hof, eventuell die Gasse. Die Kinder der Klein-
bauern , deren Mutter nicht Zeit hatte zu Haus zu bleiben , um sie zu
pflegen, sondern sie schon in den Windeln mit auf den Acker trug, wo
sie vom Morgen bis Abends blieben , sind viel gesunder und kräftiger
geblieben , als die der reichen Bäuerin , die immer zu Hause blieb oder
Leute genug hatte, um ihre Kleinen vor jedem kalten Lüftchen zu
schützen ; sie sind gesünder auch als die Stadtkinder , denen zu Hause
nichts abgieng : die aber doch fast immer husten und mit Catarrhen be-
haftet sind. Noch so energische Ventilation der Wohnräume ersetzt
nicht die Luft im Freien ; indess , muss man von zwei Uebeln wählen,
so wird man doch nach dem kleineren greifen.
In zweite Linie erst können wir die jetzt so beliebte Abhärtungs-
methode der Haut mit Wasser in gesunden Tasen der Kinder setzen.
Dass in der frühesten Kindheit das regelmässige, allmählig kühler ge-
gebene Bad, dass kalte Abwaschungen des ganzen Körpers, einmal Mor-
gens ausgeführt , dass kalte Begiessungen mit nachfolgender energi-
scher trockner Abreibung des Körpers die Thätigkeit der Haut, dieGe-
fässthätigkeit des ganzen Körpers mächtig anregen und nützlich seien,
wer wollte das läugnen? Aber dass dadurch allein Kinder schwächli-
cher oder auch kräftiger Eltern vor immer und immer recidivirenden
Catarrhen gefeit seien , das können wir nimmermehr zugeben. Wir
haben in unserer Praxis eine Reihe Familien, in denen diese Proceduren
gewissenhaft Jahre lang ausgeführt wurden und von einzelnen müssen
wir sagen : Sie haben nicht so viel genützt, als man zu erwarten berech-
tigt war ; wohl aber haben die Catarrhe aufgehört, als die Hydrothera-
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Therapie. 775
pie der Gesunden aufhörte. Wir meinen also: man wähle sich die Fälle
sorgfältig aus , die man auf diese Weise abhärten will , überwache sie
wohl und setze die Methode der Abhärtung durch Hydrotherapie nicht
ä tout prix durch.
Dass man bei Masern- und Keuchhustenkranken etc. die Entwick-
lung der Pneumonie durch schlechte Ventilation der Zimmer , unreine,
namentlich mit Krankheitsproducten erfüllte , stagnirende Luft begün-
stige, ist nach unserer üeberzeugung vollkommen richtig. Besser die
Kranken in kalter Luft liegen lassen, als in schlechter, verdorbener
warmer ; besser Luftzug als Miasmen , Zersetzungsproducte organischer
Stoffe, Kohlensäure. Wie schlecht die Luft in unsern Wohn- und
Schlafräumen , imsern Häusern überhaupt ist , erfahren wir erst durch
die — zur Zeit ja so einfache — Untersuchung auf ihren Kohlensäuren-
gehalt. (Vgl. Lunge, G., zur Fi-age der Ventilation mit Beschreibung
des minimetrischen Apparates zur Bestimmung der Luftverunreinigung,
Zürich 1877 , in dem Verfasser ein Verfahren der Kohlensäurebestim-
mung beschreibt, das so einfach, so rasch ausgeführt werden kann, dass
»der minimetrisehe Apparat» in jedes Arztes Händen sein sollte.)
Therapie.
Da bei der Catarrhalpneumonie die Bronchitis das während des
Vorhandenseins der erstem immer noch fortbestehende und neue Heerd-
erkrankungen veranlassende Moment ist, so bildet die Therapie der
Bronchitis immer einen ebenso wesentlichen Bestandtheil der Behand-
lung, wie deren Folgezustände, die Atelectase und die Pneumonie. Der
Tod erfolgt in den acut und snbacut verlaufenden Fällen unter den
Symptomen der Kohlensäureintoxication, ist also durch die sehr bedeu-
tende Beeinträchtigung der Function der Lunge herbeigeführt. Ob
nun im concreten Falle der Verengerung der Bronchien in Folge der
beträchtlichen Schleimhautschwellung und Secretanhäufung oder der
Infiltration des Lungenparenchyms oder den gleichzeitig vorhandenen
Collaps des Lungengewebes oder der secundären Erschlaffung des Herz-
muskels der Hauptautheil an dem Exitus lethalis zuzuschreiben sei,
scheint uns oft sehr schwierig zu entscheiden zu sein ; doch in einer
Zahl von Fällen möglich , namentlich bei Vergleichung des Verlaufes
mit dem Obductionsbefund. Dass das Fieber einen ferneren bedeutungs-
vollen Factor darstellt, der namentlich auf die Function des Herzens
und der Respirationsmuskeln influirt , wird Niemand läugnen wollen.
Es werden sich demnach bei den acuten Pneumonien unsere therapeu-
tischen Maasnahmen rubriciren lassen in :
1) Behandlung der Bronchitis,
Y'j'g Krankheiten der Atkmungsorgane. Lunge.
2) Bekämpfung der örtlichen Entzündung,
3) Bekämpfung des Fiebers
4) Erhaltung der Kräfte.
Die Behandlung der Bronchitis acuta oder der exacerbirenden Bron-
chitis chronica, die zur Pneumonie zu führen droht oder schon dazu ge-
führt hat, besteht in Folgendem : 1) Aufenthalt in einem möglichst ge-
räumigen , hellen , leicht ventilirbaren — wo möglich nicht blos mit
einem Fenster versehenen Zimmer ; am besten einem solchen , das auf
2 Seitenwänden Fenster hat, also die gründlichste Ventilation gestattet.
So sehen allerdings meist die Räumlichkeiten , in die wir — auch in
sog. guteu Familien — ^ zum Patienten geführt werden, nicht aus; es
ist gewöhnlich ein »warmes Zimmerchen« neben der Küche, das in den
Hof hinaus sieht, das zwar mitunter etwas feucht ist und nach Küchen-
dampf riecht, wo die Pflegerin des Kleinen mit dem letztern ihren Auf-
enthalt ungestört und ruhig hat. In solchen Fällen ist unsere erste
That die Inspection der ganzen Wohnung, das Resultat das Ausräumen
der Tische etc. im Salon , der ja regelmässig sonnig, hell, geräumig
ist und eventuell nur geheizt sein muss , um die geeigneten Erforder-
nisse für unsern Patienten zu bieten — und da hinein lassen wir den
Kleinen bringen. Dieses Vorgehen hat den Erfolg gehabt, dass in den
aufgeklärten Familien unserer Praxis längst schon das vom Baumeister
zum Salon bestimmte grösste sonnigste Zimmer der Wohnung als Schlaf-
zimmer eingeräumt wurde — und nicht zum Nachtheil meiner Clien-
ten ! Ob das Krankenzimmer gross sei oder klein, zweckmässig ist's im-
mere in Fenster, selbstverständlich in möglichster Entfernung vom Kran-
ken beständig offen zu lassen ; in kühlerer Jahreszeit werde sowohl behufs
Ventilation als auch Erwärmung im Ofen öfters Feuer gemacht, und die
Temperatur einerseits durch Oeffnen der Fenster in regelmässigen Zwi-
schenräumen , andererseits Unterhaltung des Feuers im Ofen regulirt
und die Temperatur durch ein in der Mitte des Zimmers oder in der
Nähe des Bettes des Patienten frei, nicht an einer Wand aufgehängtes
Thermometer controlirt und auf 12 — 14 " R. erhalten. Meistens, und
zwar ganz besonders bei erschwerter Expectoration , ist es nöthig , die
Luft im Zimmer feucht zu erhalten , was durch Hinstellen mehrerer
flacher mit Wasser gefüllter Teller, von denen, falls Feuer im Ofen ge-
macht wird , einige auf letzterem placirt sind, geschieht. Genügt das
nicht, so lassen wir in die Nähe des Bettchens, zu beiden Seiten und
oben grosse Gefässe mit kochendem Wasser hinstellen und letzteres er-
neuern ; die Imprägnirung der Luft durch im Kochen erhaltenes Wasser
(Placiren des kochenden Theekessels neben dem Bettchen des Patienten)
ist, wenn stärkere Dyspnoe in Folge reichlichen zähen Secretes vorhan-
Oscar Wyss, Catarrhalpneumonie. Therapie. 777
den ist , zweckmässig ; hat aber die nnangenehme Nebenwirkung der
Luttverderbniss durch das Kochfeuer. Unter Umständen empfiehlt sich
das » Dampfzelt « J ü r g e n s e n s. Man sieht nach solchen Inhala-
tionen feuchter Luft gewöhnlich die Expectoration erleichtert, die Re-
spiration in der Folge besser. Bei grössern Kindern nützen unter ähn-
lichen Umständen Inhalationen mit dem Zerstäubungsapparat, sie sind
aber, wenn heftiges Fieber, pleuritische Schmerzen, häufiger Husten be-
steht, bald so unbeliebt, dass man davon zurückkommt. Wir können in
solchen Fällen empfehlen, doch den Inhalationsapparat anzuwenden , so
zwar, dass der Dampfstrom einfach gegen Mund und Nase der Patienten
hingerichtet wird. Wenn so auch nur wenig Dampf durch die Nase
oder den zufällig offenen Mund hineingelangt, so wird die Respirations-
luft dadurch doch sehr feucht erhalten und es kann dieses Verfahren
auch bei kleinen Kindern , die noch nicht im Stande sind , lege artis zu
inhaliren, angewendet werden. Dass sie vortrefflich wirken , sehen wir
im Kinderspital fast alltäglich : hier lassen wir die tracheotomirten
Kinder consequent durch die Canüle regelmässige Inhalationen selbst
im Schlaf machen , die Kinder bleiben liegen und es wird der Zerstäu-
bungskegel so auf die Oeffnung der Canüle gerichtet , dass der Dampf
inspirirt wird. Gleichzeitig ist das Zimmer mit Wasserdampf erfüllt,
der im Winter der Dampflieizung entnommen wird. Weil, wenn eine
Pneumonie vorhanden ist , Inhalationen zerstäubter Medicamente ihre
Schwierigkeiten haben , lassen wir die sonst bei Bronchitis von uns an-
gewendeten Inhalationen mit Kalichloricum 2°/o, Natr. chloratum 1 "/o,
Natr. phosphoricum 5''/o und Natr. bicarbonic. 1 bis 2''/o selten machen.
Innerlich lassen wir gewöhnlich im Beginn ein Infus, ipecacuanhae
aus 0,1 (bei Kindern von 1 Jahr) bis 0,3 (bei Kindern von 5 Jahren) auf
100 Grammes mit Syr. Sach. 20,0 2stündlich 1 Kinderlöffel voll neh-
men. Nach einigen Tagen, 3—4 Tagen, lassen wir je nach Umständen
die Ipecacuanha ganz weg, oder repetiren mit Zusatz von 1 — 2 Gramms
Liq. Kali carbonic. oder geben diesen allein in versüsstem Wasser ; oder
statt dessen eine Lösung von Natr. bicarbonic. 0,5 bis 1,0 auf 100. Spä-
terhin besteht unsere innere Medication aus Liq. ammon. anisat. 1,0 auf
100, oder bei stärkerer Schleimansammlung in den Bronchien , bei ir-
gendwelchen Andeutungen und zunehmender Schwäche : Ammonium
carbonicum 1,0 auf 100 2stündlich bis stündlich einen Kinderlöffel. Ist
die Expectoration trotz den voraufgegangenen Bemühungen eine müh-
same oder erfolglose, lassen wir, namentlich bei Kindern über 1 Jahr gerne
Senegadecoct. mit Liq. amm. anisat. oder Ammon. carbon. gebrauchen,
ersteres bei Kindern von 3—5 Jahren zu 5,0 : 100 mit 1—2 Grammes
Liq. amm. anis. oder 1,0 Ammon. carbonic. stündlich 1 KinderlöfFel.
778 Kranklieiten der Athmungsorgane. Lunge.
Neben diesen starken reizenden Expectorantien lassen wir fast im-
mer gleichzeitig Wein in dem Alter entsprechender Gabe, gewöhnlich
*/2 Theelöffel 2- bis Sstündlich , bei besserem Zustand der Kräfte auch
nur dreimal per Tag reichen ; ausnahmsweise ordinirten wir Acidum
benzoicum, oder Campher.
Von Brechmitteln machen wir selten Gebrauch , obwohl wir zu-
geben, dass am rechten Orte angewandt, sie gerade bei dieser Krankheit
lebensrettend sein können. Im Beginn, zumal wenn derselbe sehr acut
ist , massenhaftes feinblasiges und grobblasiges Rasseln über die ganze
Brust verbreitet hörbar ist , heftige Dyspnoe bei einem kräftigen Kinde
vorliegt: da wirkt ein Emeticum häufig wundervoll; keineswegs blos
vorübergehend, sondern nachhaltig. Wir glauben den günstigen Erfolg
in solchen Fällen in dem Wiederaufgeblähtwerden atelectatischer Stellen
suchen zu müssen. Ist aber die pneumonische Infiltration bereits sehr
ausgedehnt , so ist es begreiflich , dass , auch wenn ein Theil der Luft-
wege wieder freier wird , atelectatische Stellen beim Brechact in Folge
der tiefen Inspirationen sich mit Luft gefüllt haben und nun der Ath-
mung wieder zugängig sind , die Resj)irationsoberfläche doch reducirt
bleibt und — der Zustand sich in der Folge wieder verschhmmert.
Wir wenden gewöhnlich Ipecacuanha an , und zwar immer in Infus,
(1 : .50) ; ausnahmsweise mit etwas Brechweinstein oder Viuum stibia-
tum. Warnen müssen wir vor der Anwendung des Brechweinsteins in
Pulverform : wir sahen nach einem solchen von einer geübten Spitals-
wärterin wohl zu rasch gegebenen , d. h. nicht aufgelösten Brechpulver
Verschorfung und beginnende Geschwürsbildung vom Fundus ventriculi
gegen die grosse Curvatnr hin ! Von der subcutanen Anwendung des
Apomorphin sind wir — obwohl wir es bei Kindern wiederholt bei
Bronchitis capillaris und catarrhalischer Pneumonie applicirt haben —
seit den Mittheilungen von D a v i d*) vollständig zurückgekommen. Wenn
der Brechact völlig vorbei ist , lassen wir gewöhnlich ein leichtes Reiz-
mittel, gew. Liq. amm. anisat. 1 : 100 Thee- bis Kinderlöffelweise reichen.
Dies ist unsere gewöhnliche Therapie gegen die die Catarrhalpneu-
monie begleitende Bronchitis, man kann sagen auch ein Theil der The-
rapie jener selbst. Ueber das neuerdings auch gegen acute Bronchitis
empfohlene Ol. terbenthinae (Inhalation; innerlicher Gebrauch von
3— 4mal täglich 5 Tropfen in Milch; Jürgensen) haben wir keine
Erfahrung ; haben es aber bei chronischer und namentlich bei fötider
Bronchitis der Kinder mit bestem Erfolge angewandt.
Mit Digitalis , Veratrin , Mercurialien , Antimonialien, Vesicantien
*j Contribution a l'etude phy.siologique du chlorhydrate d'apomorphiiie
par Charles David. Züricher Diss, 1875.
Oscar Wyss, Catarrhalpneumoaie. Therapie. 779
die Kinder zu quälen halten wir für unverantwortlich ; Blutentziehungen
regelmässig heutzutag bei der Kinderpneumonie anzuwenden, für einen
Kuustfehler. Sinapismen sind unschuldig und mögen gegen pleuri-
tische Schmerzen besonders in Form von Senfpapier mitunter gut sein.
Nur in seltenen Fällen, aber doch ab und zu machen wir vom Mor-
phium (event. Opium) Gebrauch ; dann nämlich, wenn ein lästiger Reiz-
husten, durch den nichts expectorirt wird , vorhanden ist, der die Kin-
der Nachts nicht schlafen lässt, auch den Tag über anhält, so dass Ruhe,
Schlaf unmöglich ist, trotzdem oft geradezu Müdigkeit, Verlangen nach
Schlaf da ist. Bei altern Kindern — nie unter 2 Jahren — bei guten
Kräften, bei fehlender UeberlüUung der feinen Bronchien in irgend wie
erheblicher Ausdehnung, namentlich wenn die untern Partien frei sind,
geben wir Abends ein Minimum 0,00.3 — 0,00.5 Morphium.
Weniger als alles andere dagegen möchten wir das kalte Wasser
bei der Catarrhalpneumonie missen. Auch da ist apiaiov [jir^v Ooop!
Bartes hat sich ein unsterbliches Verdienst erworben, indem er zuerst
den deutschen Aerzten in streng wissenschaftlich begründeter Weise
zeigte , wie sehr die Therapie der Catarrhalpneumonie Noth litt und
nicht minderes Lob kommt seinem Nachfolger in diesem Kampfe,
Z i e m s s e n , zu.
Wir wendeten bis dato immer noch vorzüglich die hydropathischen
Einwicklungen an, von denen wir behaupten müssen, dass sie beiden oben
angeführten Indicationen 2 und .3 vollkommen genügen ; nämlich dass sie
örtlich wie allgemein antiphlogistisch wirken. Wir lassen, wenn Fieber
vorhanden ist , regelmässig 2stündlich eine neue Einwicklung machen ;
lassen letztere modificiren je nach der Fieberhöhe einerseits und dem
Krältezustand andererseits. Die von uns befolgte Methode ist folgende:
Ein 6 — Sfaches zusammengefaltetes Tuch, am liebsten nicht zu feine
Leinwand oder derbes Baumwollzeug von band- bis doppelthandbreite
wird in kaltes Wasser eingetaucht, ausgewunden, so dass es nicht mehr
tropft und dann auf einem 4— Stach aber um zwei bis drei Querfinger
breiteren zusammen gefaltenen wollenen Tuch (Flanell, Molton, ein Shawl,
eine kleine Bettdecke) ausgebreitet, so dass das trockene wollene Tuch
oben und unten um je 2—3 Querfinger über das nasse vorragt. Nun wird
das Kind, kleinere Kinder am besten ganz entkleidet, bei grössern nachdem
das Kleidchen , Hemdchen , Jäckchen nach oben zurückgeschlagen wor-
den ist, so darauf gelegt, dass das nasse Tuch um Brust und Bauch um-
geschlagen werden kann ; sofort wird das wollene Tuch auch noch um-
gewickelt , so dass das letztere das erstere überall genau bedeckt und
das Ende des wollenen Tuches wird sorgfaltig durch sog. englische Si-
cherheitsnadeln fixirt. Nirgends darf das nasse Tuch unter dem wollenen
ö
780 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
vorkommeu, es muss jenes überall vom letztern sorgfältig bedeckt sein.
Dann wird das Kleidchen wieder angezogen, event. zurückgeschlawen •
man überzeuge sich , dass es nicht nass geworden , in welchem Fall es
gewechselt werden müsste. In dieser Einwicklung bleibt Patient 2
Stunden ; dann wird er ausgewickelt , abgetrocknet und so liegen ge-
lassen , bis nach '/s bis 1 Stunde dieselbe Procedur wiederholt wird.
Wir lassen diese Einwicklungen Tag und Nacht gleichmässig fort ma-
chen und bestimmen meist, wie viele bis zum nächsten Besuch gemacht
sein müssen. Wenn die Temperaturen aussergewöhnlich hohe sind, las-
sen wir die Einwicklungen rascher auf einander folgen, so dass zwischen
je zwei Einwicklungen nur '/■* Stunde oder gar kein Zeitraum liegt;
lassen dieselben auch schon nach ] ^2 oder nach je einer Stunde er-
neuern. Gewöhnlich lassen wir frisches Brunnenwasser zum Eintauchen
nehmen ; für schwächliche Kinder empfiehlt sich auch stubengestandenes
Wasser. Hohes Fieber bei kräftiger Constitution gestattet auch Eiswasser
zu nehmen , wie wir in solchen Fällen dann auch ein dickeres grösseres
Tuch , breiter zusammengefaltet , so dass es von der Axillargegend bis
über die Mitte der Oberschenkel hinabreicht , wählen. Die Arme blei-
ben immer uneingewickelt. Sind — was oft schon nach wenigen Tagen
sich einstellt — die Kräfte etwas reducirt , der Puls weich , lassen wir
gleich nach jeder Einwicklung ' '/^ — 1 Theelöffel kräftigen Wein, am
liebsten Spanischen oder Ungarwein mit etwas Wasser gemischt rei-
chen. Feruer muss dafür Sorge getragen werden, dass die Extremitäten
nicht kühl werden.
Sowie das Fieber erheblich remittirt, lassen wir auch längere Pau-
sen zwischen den Einwicklungen eintreten , so dass , wenn Morgens die
Temperatur nur noch 37 oder 38,0 beträgt, nicht mehr gewickelt wird ;
wenn .sie auf 38,6 ansteigt , lassen wir wieder 3stündlich , wenn sie 39
erreicht hat, 2stündlich die Involution erneuern.
lieber den Erfolg der Einwicklungen zu sprechen ist ziemlich über-
flüssig. Dass sie die Temperatur herabsetzen, weist jede Curve mit hin-
reichender Zahl von Messungen nach. Dass sie auf den örtlichen Process
wohlthätig einwirken, die täglich zu machende Beobachtung: das Kind
athmet langsamer, ruhiger, tiefer ; es hustet seltener als vorher, schläft
ein , ist ruhig und schläft oft von einer Einwicklung zur andern , nach-
dem es vorher nicht 10 Minuten hatte schlafen können. Die pleuritischen
Schmerzen lassen nach: kurz der allgemeine Zustand ist entschieden viel
besser ; und auch örtlich muss eine wohlthätige Wirkung Statt gefunden
haben. Dass die tiefen Inspirationsbewegungen, welche Patient macht,
wenn das kalte nasse Tuch umgeschlagen wird , das kräftige Schreien,
das dabei öfter zu Stande kommt, im Stande sind, Schleim aus den Luft-
Oscar Wy SS, Catarrhalpneunionie. Therapie. 781
wegen herauszubefördern sowie auch Atelectasen zu zerstören , unter-
liegt keinem Zweifel. Und da im Beginn der Krankheit wie auch mehr-
mals späterhin die entzündlichen Infiltrate in Form von Atelectasen
beginnen, so muss durch Beseitigung jener auch die Pneumonie in ihrer
Ausbreitung beschränkt werden.
Ist das Fieber entschieden im Abnehmen begriffen , und steigt es
Abends nur noch auf 38,5 , während es Morgens normal ist , kann man
die Einwicklungen weglassen. Wir lassen aber gern Nachmittags und
Abends noch je eine 3 — 4 Stunden liegende nur um den Thorax gelegte
Einwicldung appliciren , weil es uns scheint , dass sie , in dieser protra-
liirten Form angewendet , die Resorption des pneumonischen Infiltrates
befördere. Sie wirken hier also wie die mancherorts beliebten Cataplas-
men. Bei dem sehr wenig fieberhaften Verlauf z. B. gewisser Keuch-
hustenpneumonien beobachten wir ein ganz analoges Verfahren.
Jürgensen empfiehlt zur Behandlung der catarrhalischen Kin-
derpneumonie laue Bäder von 20 — 24° R. von 20 — 25 Minuten; gleich
nach dem Bade erfolgt eine kalte Begiessung ; 10 — 20 Liter kaltes Was-
ser werden rasch in Cmdickem Strahl über den Hinterkopf auf die Ge-
gend der MeduUa oblongata gegossen , wc^ möglich auf jene Stelle , die
vom kalten Wasserstrahle getroffen sofort tiefe dyspnoetische Inspira-
tionsbewegungen hervorruft.
Diese warmen Bäder mit kalten Begiessungen haben wir vielfach
angewendet, jedocli nur Gebrauch davon gemacht, wenn die Cyanose
immer stärker und stärker , die Apathie merklich wurde , Trachealras-
seln, oder gar Erscheinungen von Lungenödem sich einstellten : als ein
Mittel , das das schwindende Bewusstsein wiederkehren machte , einen
mächtigen Reiz auf das Centralnervensystem ausübte. Wir empfehlen
das Verfahren für Fälle letzterer Art unbedingt ; als Methode auch für
leichtere Fälle zu weiterer Prüfung.
Application von Eisblasen auf die Brust haben wir versucht , sind
aber davon zurückgekommen , weil sie ganz andere Wirkung entfalten
als die Einwicklung : wohl örtlich eutzündungswidrig einwirken , aber
den obgeschilderten wotlthätigen Einfluss auf das Allgemeinbefinden
vermisst man ; der Widerwille dagegen ist selbst bei grössern Kindern
so gross , dass wir meist von ihrem Gebrauch abstehen mussten.
Chinin und salicylsaures Natron pflegen wir häufig anzuwenden ;
bei hohem Fieber unterstützen sie Wirkung der Kälte. Wir empfehlen
die Darreichung des einen wie des andern Medicamentes in einmaliger
grosser Gabe im Tag, wie es H a g e n b a c h angewandt hat (Natr. sali-
cyl. 0,5—3 gramraes, Chinin 0,3 bis 1,0 grammes).
Auf sorsrfältige Ernährung des Kranken ist bei diesem Leiden ein
7g2 Kranklieiten der Athmungsorgane. Lunge.
grosses Gewicht zu legen. Milch, oder wenn sie als solche nicht genom-
men wird, mit einer Spur Caffe, Eiehelkaffe oder etwas Cacao vermischt,
nahrhafte Suppen (Haler- und Gerstensuppe , Bouillon mit Ei u. s. w.)
in protrahirten Fällen Liebig's kalt bereitete Fleischbrühe (gehacktes
Fleisch mit Wasser und einigen Tropfen Salzsäure unter öfterem Um-
schütteln 2 Stunden stehen gelassen, colirt, etwas gesalzen kalt getrun-
ken), gehacktes rohes, oder gebratenes feinzerkleinertes Fleisch, Wein,
Malzextract. Für ganz kleine Kinder sorge man für eine ihren Verdau-
ungswerkzeugen zusagende Nahrung , Milch oder Milch mit einem ge-
ringen Zusatz von Gersten- oder Hafer- oder Linsenmehl , v. Liebig's
Kiudernahruug (Malzextract) oder Liebig'sche Kindersuppe , temporär
auch Nestle's Mehl oder ein ähnliches zuverlässiges Präparat : um die
Kräfte zu halten, die Abmagerung hinauszuschieben. Des Weines wurde
oben schon gedacht ; mau lasse ihn reichlich und nicht zu selten darreichen.
Man berücksichtige wohl die Complicationen. Bei Pleuritis haben
wir bei Kindern nie Blutentziehuugen machen lassen ; die Eisblase ge-
nügt ; in Fällen , wo letztere nicht geduldet werden , wählten wir sorg-
fältig ausgerungene sehr gut applicirte oft erneuerte Eiscompressen.
Bei Laryngitis catarrhalis lassen wir hydropathische üm-
•schläge stündlich, weun nöthig ',i;stündlich appliciren ; intern das früher
erwähnte Ipecac. inf. mit oder oder Kali chloricum, das wir auch iürsich
ordiniren. Warme Dämpfe, event. Inhal.itionen mit den früher zu die-
sem Zweck empfohlenen Salzlösungen sind ausserdem nützlich.
Von andern Complicationen ist selir wohl die Diarrhoe zu berück-
sichtigen, da sie die Patienten sehr herunterbringt.
In der chronischen Form der Bronchopneumonie ist das oft wochen-
lang täglich oder nach mehreren fieberfreien Tagen immer wiederkeh-
rende Fieber durch Chinin, salicylsaures Natron, Bäder, Ein Wicklungen
zu bekämpfen ; nebenbei sorge man für genügende Ernährung.
Lst nach Ablauf aller Fiebererscheinnngen auf der Brust noch eine
Infiltration vorhanden , deren Resorption zögert , oder es hat das Kind
sich nicht ordentlich erholt , obwohl die physikalische Untersuchung
keine Anomalien mehr erkennen lässt, so ist alles Gewicht auf eine gute
Ernährung, möglichst continuirlichen Aufenthalt in milder reiner freier
Luft, auf regelmässige Bewegung ohne Ermüdung zu legen. Solche
Kinder darf man ärztlicherseits ja nicht zu früh als geheilt erklären,
und vorzeitig sich selbst überlassen, oder in die Spiel- oder andere
Schule gehen lassen. Vorerst müssen sie bei der objeetiven Untersuch-
ung gänzlich unverdächtig und was Körpergewicht und Körperfülle be-
trifft , als völlig retablirt anerkannt werden. Um diesen Zweck zu er-
reichen, lasse man streng durchgeführte Milchkuren, besonders mit
Oscar Wyss, Catarrlialpneumonie. Therapie. 783
Ziegenmilch machen ; K o u m i s s c iir e n, von denen u. a. von Wider-
hof er in Wien laut mündlicher Mittheilung sehr gute Erfolge sah,
sind leider nur an wenigen Orten und nur Begüterten möglich.
Es ist Usus, solche Patienten in der besser situirten Ciasse zum
Schluss ihrer Cur Emser-, Selterser-, Obersalzbrunn-, auch Rippoldsauer-
wasser, Enghien, auch Vichy- Wasser trinken zu lassen, um »resorbirend«
einzuwirken. Wenn diese Wasser mit warmer Milch getrunken werden,
so kommt wohl die Wirkung der letztern ebenso sehr in Betracht und
einen wesentlichen Vortheil sehen wir in einer solchen Cur darin , dass
Patient so lange er das Wasser trinkt , immer noch vom Publikum als
Patient angesehen und daher sorgfältiger behandelt und geschont wird ;
namentlich auch seine Diät überwacht wird. Bei anämischen Kindern
verdienen die eisenhaltigen Natronsäuerlinge den Vorzug.
Grösseres Gewicht legen wir auf einen hinreichend lange Zeit an-
dauernden Landaufenthalt , eventuell einen Climawechsel, ein Postulat,
das heutzutage ja auch für den Unbemittelten gemacht werden kann.
Leicht und rationell verbindet sich ein solcher Aufenthalt mit der Milch-
cur. Erforderlich ist geschützte Lage des Ortes, besonders gegen Nord-
ost , um möglichst den Aufenthalt im Freien von früh bis Abends zu
ermöglichen. Ln flachen Lande, besonders aber in den Gebirgsgegenden
bestehen bald im Walde bald in Wiesenthälern Curanstalten zu diesem
Zwecke. Die Schweiz ist reich gesegnet mit Orten, die sich ad hoc vor-
züglich eignen ; man vermeide nur den Winden esponirte Orte. Für
die Frühjahrs- und Herbstmonate eignen sich die geschützten Orte am
Vierwaldstetter See : Gersau (443 Meter üb. Meer) , Vitznau, sowie die
am Genfersee Montreux, Vevay, auch Bex, Aigle bes. für den Herbst (bis
und mit November). Im Sommer sind etwas höher liegende subalpine
und alpine Orte vorzuziehen, wie Interlaken (568 Meter hoch), Toggen-
burg (650 Meter), Ct. Appenzell (Heiden 806 Meter, Gais 934), Kloen-
thal (Vorauen 828, Richisau 1070 Meter), Giessbach (780 Met.), Seewis
(900 M.) , Seelisberg (801 M.) , Engelberg (1019 M.) , Glion (914 M.),
an der Ijenk (1075 M.). Bei noch bestehenden Infiltraten sind Weissen-
burg (896 Meter), das bei gutem Zustande der Digestionsorgane in
seiner äusserst geschützten Lage , in seiner herrlichen Tannenwaldluft
und seiner gypshaltigen Therme noch besondere Vorzüge vereinigt, so-
wie die höher gelegenen alpinen Curorte : Rigi Klösterli 1300 Meter,
Beatenberg 1147 M., Klosters 1205, sowie Davos (1556) zu empfehlen.
Letzterer Curort, der bekanntlich auch im Winter frequentirt ist, eignet
sich ebenso gut für Kinder mit chronischen Lungenfiltraten , als auch
für Erwachsene.
Die Limgenscliwindsiicht
Dr. Oscar Wyss.
Unter dem Begriif der Phthisis pulmonum vereinigt man zur Zeit
jene Lungeuerkrankungen , welche in Folge chronisch entzündlicher
Vorgänge zu einer allmählig um sich greifenden Zerstörung des Lungen-
gewebes führen ; eine Affection , die mit progressiver Abmagerung des
ganzen Körpers und sehr häufig mit andern localen oder Allgemeiner-
krankungen sich vergesellschaftend, in der Regel tödtlich endet.
Während der letzten Decennien hat der Begriff »Phthisis« viel-
fache Wandelungen erlitten ; man suchte zu einer gewissen Zeit dieses
Wort namentlich vom pathologisch-anatomischen Standpuncte aus durch
die genaueren Bezeichnungen der zur Phthise führenden pathologisch-
anatomischen Vorgänge zu ersetzen, ja das Wort Phthise kam geradezu
in Misscredit und man zog es vor, nur von chronischer Pneumonie, von
käsiger Pneumonie, von Tuberculose etc. zu sprechen. So hohe Berech-
tigung alle diese und noch viele andere Bezeichnungen für die Patho-
logie und Pathogenese der chronischen Lungenerkrankungen haben, so
sehr müssen wir vom Standpuncte des practischen Aerztes aus doch an
dem klinischen Begriff der »Phthise« festhalten. Es schliesst dies eine
genauere Definition der Art des Zustandekommens, sowie des anatomi-
schen Verhaltens im einzelnen Falle durchaus nicht aus.
Aetiologie.
Während heutzutage die Phthisis pulmonum in Städten und an
Orten mit lebhafter Industrie zwischen dem 20. und 35. Lebensjahre
die häufigste Todesursache abgibt , tritt sie im Kindesalter als causa
mortis sehr bedeutend zurück. Jene Fälle, in denen die Symptome und
der Verlauf, sowie auch der pathologisch-anatomische Befund entspre-
chend demjenigen bei der Lungenphthise der Erwachsenen ist, werden
um so seltener, je jünger die Erkrankten sind; erst vom 8. bis 10. Jahre
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Aetiologie. 785
ab kommen öfters Erkrankungen vor mit einem ganz ähnlichen Sym-
ptomencomplex und Krankheitsverlauf wie beim Erwachsenen. Da-
gegen ist das Alter unter dem 5. Jahre von einer Form der Phthisis
heimgesucht , die in ihrem Beginn als Catarrhalpneumonie , in ihrem
Verlauf als käsige lobäre oder lobuläre Pneumonie bezeichnet werden
muss , manchmal auch sich mit Miliartuberculose combinirt , so dass die
Bezeichnung dieser Fälle als Tuberculose im weitern Sinne des Wortes,
ihre Subsumirung unter den Begrifi der Phthi.sis vollkommen gerecht-
fertigt erscheint.
In dieser Weise sind die Zahlen aufzufassen, die die Literatur be-
züglich der Frequenz der Tubereulose oder Phthisis der Lungen der
Kinder aufweist, nämlich die von Gerhardt notirten Zahlen, dass unter
1000 Todesfälle durch Phthisis kommen auf die Jahre
0— 5 : 50 bis 60 Fälle,
lO-lölj^ 20-30 „
dagegen aufd. 15—25 Jahre
25Z35 } J*" 200-250 Fälle.
Marc d'Espine fand unter 375 Tuberculosen bei Kindern
von 0 — 5 Jahren 40 d. i. Vo der Fälle,
„ 5—10 „ 21 „ „ Vis „ „
„ lU 10 „ iiO „ „ /t6 „ ,,
Innerhalb der ersten 5 Lebensjahre vertheilen sich die Todesfälle so,
dass das erste Jahr stärker belastet erscheint, als die folgenden, obwohl
ja sonst Bronchitis und Pneumonie beim Säugling weniger oft vorkommt
als später.
Auf das 1. Jahr fallen 20 Phthisistodesfälle,
11 I) i^- II !i Ib- ly )i
„ „ 3. „ „ 16 20 „
n II *• II l f; 7
p- f .1 J ' II
II II ''• II
In England kamen anno 1859 vor : Todesfälle an Phthise
im 1. Lebensjahre 20,
II ^- 11 l-'i
II "^- II ''
4 4
II 5- II ■*■
In London kamen anno 1849 u. 51 bis 53 vor:
im 1. Lebensjahre 20.
II 2. „ 19,
I, 3. „ 12,
II 4. „ 7,
II 5. „ 5.
Es ist unzweifelhaft, dass die Frequenz der Phthisis im Kindesalter
an verschiedenen Orten ganz ausserordentlich verschieden ist. Bei uns
RA
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2.
7g5 Krankheiten der Athmungsorgane. bunge.
in Zürich ist so selten, dass wir von intra vitam sicher diagnosticirbaren
Phthisen im Kindesalter mit nachweisbaren Excavationen bei einer aus-
gedehnten ärztlichen Thätigkeit, Poliklinik, Kinderspital und Privat-
praxis in den letzten 9 Jahren bloss etwa jährlich einen Fall gesehen
haben; imd selbst wenn wir jene Fälle hinzurechnen , in denen intra
vitam käsige Pneumonie diagnosticirt wurde und erst bei der Section
Ideine Excavationen aufgefunden wurden (es waren das alles ganz kleine
Kinder) , so stellt sich diese Ziffer noch nicht auf das doppelte. Selbst-
verständlich hier abgesehen von der genuinen Tuberculose und der lo-
bulären, käsigen Pneumonie ohne Zerfall des Lungengewebes, die auch
bei uns häufig genug vorkommt. Steffen scheint in Stettin häufiger
Fälle »chronischer Tuberculose« zu beobachten Gelegenheit zu haben;
auch Steiner in Prag kam diese Aflection viel häufiger zu Gesichte.
Die Phthisis der Kinder wird in ihrer Frequenz beeinflusst durch
climatische Verhältnisse. Jene glücklichen Regionen, die den Erwach-
senen Immunität gewähren (Island, Kirghisen-Steppe , Mexico, Inneres
von Aegypten, Costa Rica , Pei'u , die Hochgebirgsthäler der Schweiz u.
a. 0.) garantiren diese auch der Kiuderwelt ; wobei jedoch nicht zu ver-
gessen ist, dass nach Dr. M ü 1 1 e r's Arbeit diese Immunität nur so weit
SCeht, als »der Hauch der Grüfte nicht hinaufreicht in die reinen Lüfte« ;
so lang als nicht Fabriken und andei'e industrielle Anlagen , Uebervöl-
kerung der Orte und der Wohnräume u. dgl. ni. die Athmungsluft ver-
pesten. Dass sie in Städten häufiger sei als auf dem Lande , in Gegen-
den mit viel Industrie öfter als in Ackerbau oder Viehzucht treibenden
Districten ist unzweifelhaft. Begreiflich auch , dass gerade die Phthisis
der Kinder eine Krankheit der Armen ist ; der Kinder von Arbeiterfa-
milien , die in Fabrikstädten und Orten mit lebhafter Industrie dicht
gedrängt in engen Räumen beisammen A\'ohnen, denen oft nur ein
Raum zum Wohnen, Kochen, Schlafen und zuweilen noch zum Arbeiten
zu Gebote steht ; in dem vielleicht nicht die Familie bloss, sondern auch
noch Schlafgäste oder Hausthiere ihre Nachtherljerge haben.
Ein ferneres sehr wichtiges ätiologisches Moment der Kinderphthisis
ist die Erblichkeit, die Heredität; ein ätiologisches Moment, das
nicht dem Arzte bloss , sondern auch dem beobachtenden Laien sich
deutlich genug tagtäglich aufs Neue als solches erweist. Welcher Arzt
hat nicht in seiner Praxis Familien oder richtiger Reste von solchen, in
denen ein Kind nach dem andern an dieser Krankheit gestorben ist?
Zwar räumt gerade in dieser Hinsicht die Tuberculose, zumal die acute
miliare der Lungen und des Gehirns resp. der Gehirnhäute am meisten
unter den Kindern mancher Familien auf; aber auch die chronische
Phthise haben wir meist bei Kindern beobachtet , deren Eltern , bald
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Aetiologie. 787
beide, bald bloss der Vater oder bloss die Mutter an Scbwindsucht litten
oder gestorben waren.
Die Heredität macht sich aber, wie Rühle (Lungenschwindsucht
zu Ziemssens Handbuch V. 2. Thl. H. Aufl. p. 12) gewiss mit allem
Recht hervorhebt , auch dadurch geltend , dass manchmal nur eine ge-
wisse »Schwächlichkeit« , manchmal eine Anomalie im Bau des Thorax
oder seiner Contenta oder in deren Ernährung ererbt wird ; manchmal
es sich um eine vererbte »Kränklichkeit« d. h. Disposition auf leichte
Reize stark zu reagiren , also eine grosse Vulnerabilität (Scrophulose)
handelt , die vererbt wird. Freilich kann unter antihygienischen Ver-
hältnissen dieser Zustand auch sich ent\jickeln , also die Scrophulose
erworben werden ; gewisse Krankheiten können denselben Erfolg haben,
zumal wenn es sich um sehr chronische Leiden handelt (Knocheneite-
rungen u. dgl.).
Dass die Phthisis schon innerhalb der ersten drei Lebensmonate vor-
kommt , erwähnt F. Weberin Kiel (Beiträge zur pathologischen Ana-
tomie der Neugebornen 1851 — 54. II. Bd. 64), der bei Kindern inner-
halb dieses Alters grosse Cavernen sah, die fast einen halben Lungen-
lappen einnahmen; und zwar fand er die grössten Excavationen im Un-
terlappen , dessen übriger Theil mit Miliartuberkeln durchsetzt war.
Ferner hat E. Demme (Bericht des .lenner' sehen Kiuderspitales in Bern,
1875, pag. 25 u. 24) einen Fall von Phthise : erbsen- bis haselnussgrosse
Cavernen im linken obern Lappen nebst käsigen Heerden bei einem 5
Monat alten Mädchen beobachtet, sowie einen solchen bei einem blos 12
Tage alten beschrieben. Bei letzterem fand er Verkäsung der Bronchial-
drüsen, käsige Heerde in beiden Lungen, im rechten untern Lungenlap-
pen mehrere Cavernen von der Grösse einer Erbse bis zu der eines Pfir-
sichkernes. Letzteres sind Veränderungen, von denen man sich gewiss
fragen darf, ob sie wirklich sich in den 12 Lebenstagen gebildet haben,
oder ob sie nicht schon intrauterin, wenn auch uicht ausgebildet, so
doch in ihren ersten Anfängen vorhanden waren.
H e n o c h beobachtete häutig Kinderphthisen. In seinen „Beiträgen"
von 1861 gibt er an, öfter grosse Cavernen im zartesten Alter gesehen
zu haben, und er beschreibt dort eine taubeneigrosse Caverne in der Mitte
des obern Lappens bei einem 4 Monat alten Knaben , sowie eine wall-
nussgrosse frische Caverne bei einem 3jährigen Mädchen. In den 1868
erschienenen Beiträgen berichtet er von mehreren Fällen von Hämoptysis
bei Kindern im Alter von 2V2 bis 5 Jahren; in den Charite - Annalen
1874. p. 583 u. a. einen Pbthisis-Pall bei einem 7 Monat alten Mädchen.
Unser eigener kleinster phthisischer Patient war ein im Alter von
33 Wochen gestorbener Junge, der eine Caverne von 2 Gm. Durchmesser
m der rechten käsig infiltrirten Lungenspitze zeigte. Bei einem anderen
im Lauf des 2. Lebensjahres Verstorbenen lag die pflaumengrosse Ca-
verne in der Mitte des rechten Oberlappens, bei einem 1 Jahr 11 Mo-
nate alten Mädchen gleichfalls im rechten obern Lappen, bei einem 2j ahn-
ten Knaben ein kirschkeragrosser Hohlraum im rechten Unterlappen u. s.w.
" 50 *
78g Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
J. Steiner in Prag hatte über ein ungleich grösseres Beobachtungs-
material über Phthisis bei Kindern zu verfügen: auch hier machte sich
zweifellos der nachtheilige Einfluss der grossen Stadt geltend. Er gibt
an, in 52 genau verzeichneten Fällen 16mal die reine aus Pneumonie
und Bronchitis hervorgegangene Forin, ISnial die tuberculöse und 18mal
die gemischte Form , d. h. chronische Pneumonie und Knötchenbildung
neben einander, ohne dass mit Bestimmtheit entschieden werden konnte,
welche die prknäre und welche die secundäre Veränderung war, gesehen
zu haben (Compendium 1. Aufl. 1872 p. 180). Bei Steiners, Stef-
fen's und andern Publikationen sind jedoch Tubereulose, Miliartuber-
culose, disseminirte Tuberculöse (käsige Pneumonie) und chrouische
Phthise mit Cavernenbildung , nicht auseinandergehalten , wie wir heut-
zutage es wünschen müssen; wir können daher aus ihren Mittheilungen
nur so viel entnehmen, dass Tuberculöse und käsige Alveolitis in einem
viel frühem Alter häufiger zur Beobachtung gelangt, als Phthise im en-
gem Sinne: Steiner und Neureutter sahen Tuberculöse bei 8 bis
16wöehigen Kindern, Kitter bei einem 35, bei einem 85 Tage alten.
Nach dem Bericht des Petersburger Erziehungshauses 1857 bei 3 Wochen,
bei 2, 3, 5 und 12 Monat alten; Steffen's jüngster Patient war 3
Wochen; unser eigner jüngster 6 Wochen. Unter 79 Tuberculosen sah
Steffen 27 acute, 53 chronische, und zwar vertheilten diese sich auf
die verschiedenen Jahre des jugendlichen Alters wie folgt:
Es kamen auf das Alter V. 0— 1 Jahr 5 acute 4 chronische Tuberculosen,
1- 3
Tl
9
»
18
3- 6
^^
5
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10
6— 9
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4
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9
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3
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7
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n
1
51
4
Unter diesen waren 21 Knaben, 31 Mädchen; es scheinen also etwas mehr
Mädchen zu erkranken. Es stimmt diese Zitier auch mit den Angaben
anderer Beobachter.
Ob und in welcher Häufigkeit Verunreinigungen der Luft bei dem
Zustandekommen der Kinderphthise eine Rolle spielen , lässt sich zur
Zeit nicht genau sagen, da exacte Nachweise fehlen. Die Staubinhala-
tionskrankheiten der Gewerbe fehlen noch. Die verunreinigte Luft der
unventilirteu Wohn- und Schlafräume , die verdorbene Luft der Schul-
stuben legt gewiss häufig genug den Grund zu einer Phthise ; die aber
in den wenigsten Fällen noch im Verlauf der Kinderjahre zum Tode
führt, sondern nach jahrelangem Schlummern erst zwischen dem 15. u.
35. Jahr den fatalen Ausgang bedingt. Wir unsererseits zweifeln nicht
daran, dass der Grund zu mancher Phthise des Jünglingsalters schon im
schulpflichtigen Alter oder sogar schon vorher gelegt wurde. Vielfach
mag es sich auch bloss um indirecte Begründung der Krankheit handeln,
nämlich um Beförderung von Anämie, von Scrophulose: also um die
Herstellung eines Bodens , auf dem die Schwindsucht bei der ersten,
besten eintretenden Gelegenheitsursache Wurzel fassen, eventuell rasch
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Aetiologie. 789
sich entwickeln kann. Auch steht es trotz der vielen Experimente noch
nicht fest , ob Genuss der Milch perlsüchtiger Kühe in der That beim
Menschen Lungentuberkulose erzeugte ; immerhin spricht alle Wahr-
scheinlichkeit dafür und wird es Aufgabe der Aerzte sein, diesen Punct
mehr zu berücksichtigen als bisher.
Wir verweisen hier im weitern auf die Bemerkungen, die wir über
die Aetiologie und Prophylaxe der Catarrhalpneumonie gemacht, sowie
auf die ebenso schön als wahr geschriebene Arbeit R ü h 1 e's (Ziemssen's
Hdbch.).
Bekanntlich kommt in dem Alter zwischen 10. und 25. Jahr häufis
Lungenphthise als causa mortis zur Beobachtung bei solchen, die an c o n-
genitaler Pulmonalstenose litten , so dass ein ätiologischer Zu-
sammenhang zwischen letzterer und ersterer nicht negirt werden kann.
Die Mehrzahl dieser Fälle gehört allerdings erst dem Alter jenseits des
15. Jahres an; doch finden wir beiStölker (Diss. über angeborne Ste-
nose der Arteria pulmonalis. Bern 1864) 4 Fälle von Pulmonalstenose
zwischen dem 5. bis 11. Jahr, die mit Lungenphthisis sich combirt haben ;
ein eben solcher ist bei Rokitansky , Defecte der Scheidewände des
Herzens, Wien 1875, erzählt. Bei dem jüngsten Patienten, einem 5''/4-
jährigen Mädchen, bei Stölker Fall 55 von Dr. Lexis fanden sich im
rechten Mittellappen nur einige Tuberkeln ; bei einem 8jährigen Mädchen
(von Stölker, Fall 80 von S h e a r m a n n) , das an Hämoptoe gelitten
hatte, graue durch die Lunge zerstreute Tuberkeln ; bei einem 11jährigen
Knaben (von Stölker, Fall 102 von v. Dusch) Lungentuberculose,
in dem Rokitansky'schen Falle, einem 11jährigen Mädchen Lungentu-
berculose mit Erweichung, und im Fall 101 bei Stölker (Beobachter
L e Pr ag e) einem 11jährigen Mädchen, das vor 3 Jahren Masern durch-
gemacht hatte, fand mau in den Lungen Cavernen : hinreichende Anhalts-
puncte für die Annahme , dass alle jene die Phthisis der Erwachsenen
characterisirenden Veränderungen auch bei der Phthise, die bei Kindern
im Gefolge der congenitalen Pulmonalstenose vorkommt, sich finden.
Es scheint , dass auch die S y p h i 1 i s Ursache der Kinderphthisis
werden kann. Diesbezügliche Mittheilungen liegen von v. Engert,
sowie bes. von Thoresen (Schmidt's Jahrbücher 7. H. 1875) vor.
Doch erklärt letzterer die Tuberkelablagerungen in den Lungen syphi-
litischer Kinder für sehr selten.
Die Frage , warum die Phthisis sich vorwiegend in den Lvmgen-
spitzen entwickle, fällt für das kindliche Alter weniger ins Gewicht,
weil wir auch in andern Lungenabschnitten häufig Excavationen sich
entwickeln sehen , während die obern Abschnitte frei bleiben. Uns
scheint für das vorwiegende Erkranken der Lungenspitzen in der Phthise
790 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
die Art und Weise der Einmündung der Bronchien dieses Luugenab-
schnittes in den Hauptbronchus von Wichtigkeit zu sein. Da die Ein-
mündung der aus der Lungenspitze in den Hauptbronchus einfülireudeii
Bronchien in einem stumpfen, höchstens in einem rechten Winkel Statt
findet, so wird eine Behinderung des Austrittes der Luft und damit
natürlich auch des Bronehial-Secretes in diesen Abschnitten 8tatt finden
müssen : denn der Luftstrom, der aus dem LTnterlappen durch den Haupt-
Ijrouchus nach oben fliesst , trifft den aus der Lungenspitze herabkom-
menden unter einem stmnpfen Winkel, d. h. in entgegengesetzter Bich-
tung. Ersterer Strom ist der stärkere , und wird dem letztern ein be-
merkenswerthes Hinderniss in den Weg legen. Die aus dem obem
Theile des Oberlappens kommenden Bronchien sind ferner enger und
kürzer ; sie verästeln sich rascher ; haben ein breites, aber kurzes Wurzel-
gebiet , mit wenigen parallel sondern viel mehr divergent verlaufeuden
Bronchien, als in den iintern Lungenabschnitten. Schon innerhalb der
Lungenspitze wird durch diese meist recht- [oder doch nahezu recht-]
winklige Einmündung der mittlem Bronchien die Litensität des Ex-
spirationsstroms gebrochen. Diese Intensität ist aber auch desshalb
geringer, weil das Lultquantum, welches in das Gewebe des obern Theiles
des Oberlappens einströmt, ein geringeres ist, als dasjenige der untern
Abschnitte und diesem Theile also ein relativ geringeres Quantum von
Exspirationsluft und also von Expulsivkraft zu Gebote steht als andern.
Andere Momente wirken unterstützend. Wird die Spitze pneu-
monisch infiltrirt, kann eine Retention des Secretes in den Bronchien,
Bronchiectasenbildung, Suppuration in Folge Liegenbleibens von Secret
in den Bronchien etc. leichter zu Stande kommen , als anderorts in der
Lunge, wo bei heftigen Hustenstössen, durch welche rasch und viel Luft
durch die grössern Bronchien getrieben wird , und wo in parallel oder
doch in mit diesen Bronchien in derselben Richtung verlaufenden be-
nachbarten Bronchien , die hier , in Folge peripheren Lungencollapses
oder in Folge einer Infiltration der diesen Bronchien entsprechenden
Läppchen stagnirende Luft auch mitgerissen wird , und in Folge dieser
Luf'tverdünuung zweifellos Secretpfröpf'e in den davon abgehenden Bron-
chien, vielleicht sogar Inhalt aus den Alveolen aspirirt und ausgetrieben
wird. Ganz anders in der Spitze der Lunge. Da wird durch den Hu-
stenstoss , den von unten heftig nach oben gepressten Luftstrom wegen
der ungünstigen Einmündungsrichtung eher Secret noch fester in den
Bronchus gepresst; und in der Spitze wird, wenn die grossen Bronchien
frei sind, die Ausflussströmung der Luft .so geschwächt, dass von einer
Aspiration von Secret aus den luftleer gewordenen Partien keine Rede
sein kann.
Oscar Wy SS, Lungenschwinclsuclit. Pathologische Anatomie. 791
öleichwolil ist die Lungenspitze für pneiunonische Infiltration bei
acuten und chronischen Erkrankungen der Bronchien prädisponirt : denn
ein Entzündungsprocess, der sich von der Trachea aus nach allen Eich-
tungen hin im Bronchialbaum gleichmässig ausbreitet , erreicht in der
Spitze wegen der hier grössern Kürze der Bronchien zuerst die Bron-
chiolen und Alveolen, daher hier zuerst Bronchiolitis und Alveolitis sich
entwickelt ; und wenn, wie R ü h 1 e glaubt, auch intra vitam die Lungen-
spitzen ähnlich wie in cadavere häufig [dass dies bei stark fieberhaften,
bei bedeutenden Schwächezuständen , Herzschwäche etc. Statt hat , be-
weist die Hypostase und hypostatische Pneumonie] anämischer sind als
andere Lungenabschnitte , so würde das auch die grosse Neigung zur
Verkäsung der Spitzeninfiltrate erklären.
Endlich können die — bei Kindern wenigstens — so regelmässig
sich im Gefolge einer Bronchitis entwickelnden Bronchialdrüsenschwel-
lungen die Lumina der Bronchien sowohl als auch die Getässe im Lun-
genhylus — ob vielleicht ganz besonders die Bronchialarterien ? — com-
primiren und so eine gewisse Lungenparthie in ihrer normalen oder in
ihrer durch Entzündungsvorgänge alterirten Ernährung stören. Wir
fanden öfter solche Verengerungen durch Compression Seitens vergrös-
serter Drüsen an Bronchien, die aus der Lungenspitze herkamen.
Pathologische Anatomie.
Die Lungen der an Phthisis gestorbenen Kinder zeigen Verände-
rungen , die zum Theil rein entzündlichen Ursprungs sind und grosse
Mannigfaltigkeit bieten bezüglich der Ausbreitung und der regressiven
Metamorphose , die diese Entzündungsproducte eingegangen sind , zum
Theil sind dieselben auch infectiösen Ursprungs , seltener sind sie auf
eine umschriebene Stelle beschränkt , sondern durchsetzen alsdann die
ganze Lunge.
Regelmässig resultirt die Phthisis aus pneumonischen Vorgängen,
und zwar hauptsächlich aus solchen , die man als Catarrhalpneumonie
bezeichnen muss. Besonders bei altern Kindern sind es die Oberlappen,
die , in solcher Weise erkrankt , anstatt zur Genesung zu führen , der
Zerstörung anheimfallen. Das pneumonische Infiltrat wird anstatt sich
zu resorbireii, anämisch, trocken, entartet unvollständig fettig, wandelt
sich um in einen nur noch sehr langsam sich verkleinernden , zuletzt
auf einem gewissen Volumen persistirenden Heerd, der gegen das um-
liegende Lungengewebe scharf abgegränzt und von einer weichen ge-
fässreichen Bindegewebsschicht umgeben ist. Diese Verkleinerung
kommt wahrscheinlich weniger durch Resorption von histologischen
Elementen der Exsudatmasse, als vielmehr durch Wasserresorption, Auf-
792 Krankheiten der Athinungsorgane. Lunge.
saugung von Salzen und von Fett zu Stande. Die Grösse dieser Heerde
schwankt von der eines Apfels und mehr bis zu der einer Erbse, ihre
Consistenz ist ziemlich fest, brüchig, derb; ihre Schnittfläche glatt,
weiss oder mit einem Stich ins gelbliche, trocken, matt.
In vielen Fällen findet man an der Oberfläche dieser käsigen Heerde
eine mehr oder minder grosse Zahl von Tuberkeln , die am dichtesten
gedrängt unmittelbar an der Oberfläche des Knotens sitzen ; sparsamer
und kleiner werden , je weiter sie davon entfernt sind. Es ist dies eine
locale durch die Lymphbahnen vermittelte Tuberculose (locale Infection).
Wenn bei dem in käsige Metamorphose übergegangenen pneumo-
nischen Infiltrat die Wasserresorption nur unvollständig Statt findet,
so bilden sich Erweichungsheerde darin, meist kleinere , seltener grös-
sere [wallnuss- bis hühnereigrosse] Hohlräume , die mit dem Product
des erweichten und zerfallenen Gewebes , nämlich mit rahmähnhcher,
puriformer Materie , erfüllt sind. Diese Erweichungsheerde pflegen in
der Mitte des Infiltrates zu liegen ; gewöhnlich in der Nähe eines oder
mehrerer Bronchien, deren Wand schliesslich mit in den Zerstörungs-
process hineingezogen wird. Wird die Wand eines Bronchus durch-
brochen und entleert sich der Inhalt des Erweich ungsheerdes durch
letzteren nach aussen, so tritt Luft in die Excavation und dieselbe stellt
alsdann eine sog. Caverne dar ; einen Hohlraum mit unregelmässigen,
zerklüfteten , im fortschreitenden Zerfall begriflenen Wandungen. Die
Dimensionen dieser Cavernen pflegen unbedeutende zu sein ; meist hasel-
nuss- bis pflaumengross ; doch sah F. Weber (in Kiel) bei Kindern,
die das Alter von 3 Monaten noch nicht erreicht hatten, auch grosse,
nahezu einen halben Lungenlappen einnehmende Cavernen (s. o.). Der
Sitz dieser Hohlräume, die man viel häufiger bei Kindern von 0 bis 2
Jahren antrifi't als bei altern — ■ ist nach demselben Autor bei Kindern
von weniger als 3 Monaten besonders in den ünterlappen ; im Alter bis
zum 2. bis 3. Jahr haben wir die Excavationen im Oberlappen ebenso
häufig, oder um etwas weniger häufiger in den obern Lappen als in den
untern gesehen. Wahrscheinlich zufällig war in unsern Beobachtungen
bei kleineren Kindern die rechte Lunge weit häufiger Sitz der Erkran-
kung als die linke.
Neben diesen käsigen pneumonischen Infiltraten , die zum Zufall
führten , findet man regelmässig andere Heerde , in denen noch keine
Cavernen gebildet sind ; seltener solche , in denen eine beginnende Ca-
vernenbildung vorliegt. Ausserdem sind gewöhnlich frischere pneumo-
nische Infiltrate oder disseminirte , in den verschiedensten Stadien der
Entwicklung begriff'ene Tuberkeln vorhanden.
Pleuritische Auflagerungen , bald auch feste , bald lockere , mehr
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Pathologische Anatomie. 793
sträng- oder bandförmige Verwachsungen verkleben gewöhnlich die
Pleura pulmonalis mit der Pleura costalis oder diaphragmatica. Bron-
chialdrüsenschwellung meist in grösserer Ausdehnung mit käsigen Ein-
lagerungen von verschiedener Grösse bis ganz verkäste Drüsen finden
sich regelmässig ; auch solche mit erweichtem Centrum, oder Erweichung
in ausgedehnterem Grade zuweilen mit Perforation in die Trachea oder
einen grossen Bronchus, nicht allzu selten auch in den Oesophagus.
Die Pigmentirung dieser Drüsen fehlt bei Jüngern Kindern oft , und ist
bei altern nie so bedeutend wie bei Erwachsenen. Regelmässig sind die
Drüsen an der Bifurcation der Trachea, ferner sehr häufig die Drüsen
im Lungenhylus, oft auch die Trachealdrüsen, meist auf der einen Seite
mehr als auf der anderen intumescirt und verändert, wie eben angegeben
worden ist ; zuweilen trifft man nur im einen Lungenhylus geschwellte
käsige Drüsen, im andern nicht. Wenn in einer Lunge ein käsiger
Heerd, eine chronische Pneumonie vorliegt, fehlen sie nie.
Die Frage , ob die Pneumonien , die diese käsige Umwandlung er-
leiden, die, wie die altern Autoren sagten, »tuberculisiren« oder »sich
tuberculös umwandeln«, von vorneherein den Keim der Tuberciüisirung
in sich tragen , ob sie von vorneherein gewisse Eigenthümlichkeiten in
histologischer oder chemischer Beziehung besitzen , die sie von den ge-
wöhnlichen, jene Veränderungen nicht eingehenden Pneumonien unter-
scheiden, wissen wir zur Zeit noch keineswegs sicher. Lange Zeit wurde
nach Virchow's, Reinhard t's u. a. Vorgang angenommen, jede
Pneumonie könne wie jedes Entzündungsproduct überhaupt verkäsen.
Erst Rindfleisch griff die frühere Lehre wieder auf, indem er die
scrophulöse Entzündung als eine besondere Form der Entzündung auf-
fasst, die sich nicht, wie die Alten glaubten, durch eine besondere Schärfe
im Blutwasser, nicht wie Länne c lehrte, durch ihre Genese aus Tu-
berkelmasse, nicht wie A n d r a 1 behauptete, durch Eindickung des flüs-
sigen Entzündungsproductes , auch nicht bloss durch vorwiegenden
Zellenreichthum des Exsudates (Virchow) characterisire , sondern die
durch ihren Gehalt an »grossen Zellen« , an sog. Riesenzellen, die aus
emigrirten farblosen Blutkörperchen entstehend, möglichst viel Eiweiss-
substanzen in sich aufnehmen , eine besondere Eigenthümlichkeit be-
sitze. Daneben hält auch Rindfleisch für wichtig: die Masse der
Zellen des Entzündungsproductes, ihr Haften im Bindegewebe, ihre be-
deutende Hinfälligkeit. Als Ursache dieser Eigenschaften bezeichnet er
eine gewisse Unzulänglichkeit der Ernährungseinrichtungen des scro-
phulösen Organismus.
So viel steht fest, dass wir die Ursache für die käsige Umwandlung
weniger in dem ätiologischen Moment der Entzündung, als vielmehr im
794 Ki-anklieiten der Athmungsorgane. Lunge.
Indi\äcluum selbst zu suchen halben. Wir sehen Masernpneumonien bei
gewissen Kindern rasch und günstig verlaufen , während sie bei andern
käsig werden , zu Phthise , zu Tubercnlose und zum Tode führen. Die
letzteren Vorkommnisse sind keineswegs nur auf solche Kinder be-
schränkt, deren Ernährungszustand vorher schlecht war, oder die der
Pflege entbehrten. Die Erfahrung , dass sog. scrophulöse Kinder eher
Masernpneumonien mit Ausgang in Verkäsung und Tuberculose bekom-
men, ist bekannt ; ebenso dass ganz besonders Kinder tuberculöser El-
tern dieser Krankheit verfallen. Es fehlt noch der exacte histologische
Nachweis, warum dies Statt hat. Eine einschlägige Beobachtung, die
wir selbst machten , scheint uns so wichtig zu sein , dass wir ihrer hier
erwähnen. Ein 2 .Jahre alter Knabe , dessen Vater eben an Phthisis
pnlmon. gestorlwn war , erkrankte an Masern mit Pneumonie und starb
am 15. Tage nach dem Beginn der Masern [13 Tage nach dem Beginn
der Eruption]. Die Section ergab den gewöhnlichen Befund der Mor-
l)illenpneumonie : beiderseits frische Infilti'ation , besonders in den hin-
tern Theilen der Unterlappen. Bei der microscopischen Untersuchung
ergab sich aber ein von andern Masernpneumonien -abweichender Be-
fund : nämlich die Anwesenheit zahlreicher reticulirter Miliartuberkel
in dem pneumonisch infiltrirten Gewebe. Im übrigen Körper waren
bei der Section nirgends Tuberkeln gefunden worden. Wir können den
Beweis nicht leisten , dass nicht schon vor der morbillösen Erkrankung
eine Miliartuberkulose bestand, doch ist dies sehr unwahrscheinlich; da
Patient vorher keine Krankheitserscheinungen gezeigt hatte und alle
Miliartuberkeln gleiche Grösse und gleiche Entwicklung, nirgends
Symptome einer Degeneration zeigten und weder ein käsiger Heerd
noch anderweitige Miliartuberkeln im Körper sich vorfanden. Wenn
aber die Miliartuberkeln sich erst gleichzeitig mit der Entzündung bil-
deten, muss dies wohl als ein so typischer Fall von »tuberculöser Ent-
zündung« in seinem ersten Stadium , wie er schöner kaum beobachtet
werden kann , bezeichnet werden ; und dass eine derartige mit massen-
haften Tuberkeln durchsetzte pneumonische Infiltration ebenso leicht
»tuberculisiren« werde, wie eine tuberculose Lymphdrüse, versteht sich
von selbst. —
Anders gestaltet sich der Befund bei der Phthisis mitCaver-
nenbildung bei älteren Kindern. Das Bild ist hier mehr das
der entsprechenden Erkrankung beim Erwachsenen. Namentlich in den
obern Lappen finden sich hühnereigrosse — bald grössere, bald kleinere
Cavernen. Diese liegen bald dicht unter der Pleura pulmonalis, so ober-
flächlich, dass ihre Abgränzung nach aussen beim Loslösen der Lunge
aus dem Thorax einreisst ; bald aber sitzen sie auch tiefer im Innern des
Oscar Wy SS, Lungenschwindsucht. Pathologische Anatomie. 795
Gewebes. Ihre Wandungen zeigen dieselbe Beschaffenheit wie beim
Erwachsenen. Bei frischen Hohlräumen unregelmässige fetzige , zer-
klüftete , missfarbige graue Wandungen ; nach längerem Bestehen da-
gegen ist die Innenwand des Hohlraums geglättet , ganz oder stellen-
weise von einer dünnen Schicht Graulationsgewebes, der sog. Membrana
pyogena ausgekleidet. Grössere Leisten und Prominenzen auf der in-
nem Oberfläche der Caverne , auch ebensolche Brücken , die sich von
einer Wand nach der andern , zumal in der Richtung von innen nach
aussen hinüberspannen , bedingen bald eine unregelmässige sinuöse Ge-
stalt, bald unvollständige Trennung in zwei oder mehrere bis zahlreiche
Abschnitte der Caverne. Die genannten Leisten sind üeberreste oblite-
rirter Brouchien und Gefässe. In diese Hohlräume münden die Bron-
chien mit scharf abgeschnittenen Wandungen ein. Wir sahen neben
solchen exquisiten Cavernen in der gleichen Lunge , aber in einem an-
dern Lappen z. B. im untern , wenn die Caverne im obern sass , Bron-
chiectasen. Ausserdem sind die verschiedenartigsten anderweitigen
Lungenveränderungen vorhanden : chronische interstitielle Pneumonie,
käsige lobuläre Pneumonie und die damit verwandten Processe wie Peri-
bronchitis , käsige Lobärpneumonie , frische , lobuläre , besonders sog.
gelatinöse Pneumonie, Desquamativpneumonie, Miliartuberculose.
Es ist hier der Ort, diese verschiedenen Vorgänge in Kürze zu cha-
racterisiren. Leider sind wir nicht in der Lage, mit Sicherheit angeben
zu können, welche Rolle sie in der Entwicklungsgeschichte der Phthisis
der Kinder spielen; wir können nur constatiren, dass wir sie häufig in
verschiedener Ausbreitung bei Obductionen finden. Dass indess die in-
terstitielle Pneumonie als ein allmählig aus einer andern Form von
Lungenentzündung hervorgegangener Process aufzufassen ist , die kä-
sige Lobulär- und Lobärpneumonie am häufigsten die Ausgangspuncte
der Cavernen sind , während die Miliartuberculose als ein Secundärzu-
stand aufzufassen sei , unterliegt keinem Zweifel.
Die o-elatinöse Pneumonie kommt unzweifelhaft bei altern
und Jüngern Kindern vor. Sie characterisirt sich macroscopisch durch
das relativ blasse , graue oder röthlich graue gallertähuliche gleichsam
ödematöse Infiltrat , das in der Folge sehr rasch und sehr häufig der
Fettentartung und Verkäsung anheimfällt. Diese Form ist uns als die
typische Form der Desquamativpneumonie B u h 1 s erschienen , indem
in der That die Alveolen hier mit epithelialen Elementen vollgestopft
sind. Nicht allein in Form von grossen Infiltraten, sondern auch in der
lobulären Form beobachteten wir solche Infiltrationen , die hauptsäch-
lich, wir können nicht sagen ganz ausschliesslich Epithelwucherung der
Alveolen sich gebildet hatten.
79(3 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
In ähnlicher Weise trifft mau auch bei Kinderu die sog. peribron-
chitischen Heerde, d. h. lobuläre Infiltrate , die ihre Entstehung der di-
rect vom Bronchus aus auf die umliegenden Alveolen übergreifenden
Entzündung verdanken : ein Vorgang , den wir auch bei der Masern-
pneumonie beobachtet haben. Buhl bezsichuet diese Form der Ent-
zündung um die Bronchien als Peribronchitis nodosa (1. c. p. 85) und
wenn Fettdegeneratiou, Anämie, Necrose in diesen Heerden auftritt, als
Peribronchitis nodosa necrotica , oder wenn sie käsig degenerirt, als
Peribronchitis nodosa caseosa, die weiter um sich greifend zur lobulären
necrosirenden und käsigen Pneumonie führt. Wenn diese peribronclii-
tischen Heerde zur Vereiterung gelangen, so resultirt B u h 1 s Peribron-
chitis purulenta , eine Form der Peribronchitis , die häufig zur Caver-
nenbildung führt, und die Buhl als die perniciöseste bezeichnet. Und
das mit vollem Recht ! Denn hier trifft man post mortem sehr zahl-
reiche kleinere und grössere Exeavatiöneu , welche gewöhnlich in grös-
serer Zahl in dem afficii-ten Lungenabschnitte liegen, die allmählig sicli
vei-grössernd confluiren , und zu jenen completen Zerstörungen ganzer
Lungenlappen führen.
Im Gefolge der Caries der Hals- und Brustwirbelsäule entwickelt
sich öfters eine Form von Phthisis, die von dem Hineindringenvon
Senkungsa bscessen der Wirbelsäule in die Lunge hinein
h e r r ü h r t. Zwar können unter günstigen Verhältnissen solche Abscesse
sich in die Lunge hineinsenken, ohne deren Gewebe in erheblichem Grade
zu alteriren : nach vorheriger Verwachsung der Pleura pulm. mit der ent-
sprechenden Stelle der Pleura parietalis gelangen sie ins Lungengewebe
hinein, dieses einfach auseinander drängend ; der Abscess bleibt abge-
schlossen, scharf begränzt, von einer Bindegewebshülle, an welche nach
aussen lufthaltiges normales oder nahezu normales Parenchym stösst. Sol-
che Abscesse können im Innern der Lunge eindicken und verkäsen; die
Fistel nach oben d. h. gegen die Wirbelsäule hin kann sich schliessen, so
dass der abgekapselte Abscess nach allen Seiten hin abgegränzt erseheint
und in diesem abgekapselten Zustand ohne weitern Nachtheil für die
Umgebung liegen bleibt. Oder aber er dringt nach unten weiter, zer-
stört die Bronchien , perforirt in diese und so etablirt sich eine Fistel
zwischen dem Wirbelsäulenabscess und den Luftwegen. Oft kommen
auch bei letzterem Ereigniss keine weitern Lungenveränderungen zu
Stande ; sehr oft aber auch alle Formen der chronischen und acuten ent-
zündlichen Vorgänge.
Eine solche Lunge ist z. B. mit der Thoraxwand durchweg fest ver-
wachsen ; es findet , zumal gegen die Wirbelsäule hin , sich an irgend
einer Stelle ein abgekapseltes Eiterdepot, das von der Wirbelsäule her-
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Pathologische Anatomie. 797
stammt ; das einerseits den Weg nach dem kranken cariösen Wirbel hin,
andererseits nach der Lnnge resp. dem Bronchialbaum hin communicirt.
Starke bindegewebige Schwarten verkleben die bei den Pleurablättern.
Die Lunge ist voluminös , schwer ; im einen Lappen z. B. vollkommen
luftleer, sehr derb, blutarm. Die Schnittfläche des Organs ist blass blau-
roth ; stellenweise mit zahlreichen besonders cylindrischen Bronchiecta-
sien , die mit Eiter erfüllt sind , und deren Schleimhaut dunkelroth in-
jicirt erscheint. Zwischen den Bronchien und den Getässlumiua ziehen
sich in verschiedenen Richtungen Züge und Stränge eines bald mehr
weissen, bald mehr grauen, derben Bindegewebes , an welche sich noch
Reste vom wirklichen Lungengewebe anschliessen. Diese letzteren be-
sitzen ein gleichmässiges glattes Aussehen, sind weich und schlag', von
grauer Farbe , durchzogen von feinen rothen Gefässen ; mehr gegen die
Obei-fläche hin erscheint dieses Gewebe mehr in toto geröthet, mit zahl-
reichen eingestreuten minimalen weissen oder gelblichen Puncten , die
stellenweise auch fehlen oder nur randständig in den Läppchen vorhan-
den sind , während das Centrum ein gleichmässiges graurothes Gewebe
darstellt (interstitielle und parenchymatöse Entzündung).
In andern Lappen dersell>en Lunge finden sich wallnuss- und da-
rüber grosse Cavernen mit unebener Innenfläche , communicirend mit
einem oder mehrern Bronchien ; daneben , selbst im gleichen , nament-
lich aber auch in anderen Lappen zuweilen cylindrische und sackförmige
Bronchiectasen, die durch die interstitielle Pneumonie und den Schwund
des Lungengewebes hervorgerufen wurden. Kleinere , selbst grössere
Stückchen cariöser Wirbel fanden wir öfter in Cavernen und Bronchien
solcher Lungen.
Diese Veränderungen fanden wir beschränkt auf die eine Lunge,
in andern Fällen aber in beiden Lungen. Die Oberlappen waren meist
ausgedehnter zerstört als die untern. Tuberculose fehlte in den Fällen
mit bedeutenderen Excavationen meistens, dagegen war öfter Amyloid-
degeneration vorhanden.
Gewiss dürfen durchaus nicht alle diese Veränderungen : Bronchi-
ectasie, chronische Pneumonie, Lungencirrhose etc. dem Begriif der
Phthise subsumirt werden ; aber wir haben sie neben wirklicher Caver-
nenbildung wiederholt beobachtet und müssen ihrer desshalb hier aus-
führlicher gedenken , weil sie mit zum Gesammtbild dieser Form von
Lungenphthise nach Caries vertebrae gehören.
Als eine Form der Phthisis pulmonum wird ferner die Tuberculose
der Lungen aufgeführt , und weil mit und neben phthisischen Verän-
derungen so ausserordentlich häufig Tuberculose sich findet, muss ihrer
hier erwähnt werden, obwohl sehr betont werden muss , dass diese Pro-
798 Krankheiten der Atlimungsorgane. Lunge.
cesse streng auseinander gehalten werden müssen. Die Tuberculose der
Alten zerfällt nach unsern heutigen Begriffen in die acute Miliartuber-
culose und die sogen, disseminirte Tuberculose — und die locale Tuber-
culose. Nach der gewöhnlichen jetzt herrschenden Auffassung ist die
disseminirte Tuberculose eigentlich kein tubeixulöser Process, sondern
als lobuläre käsige Catarrhalpneumonie (einfache und käsige , dissemi-
nirte Alveolitis und Peribronchitis) aufzufassen und daher anderswo
einzurubriciren. Und in der That deutet die nicht scharf runde Gestalt,
sondern vielmehr unregelmässig zackige Form , die oft ausgesprochene
Traubenform , indem kleinste kuglige Infiltrate (in die Alveolen) wie
zusammengeballt oder auf einem Stiele aufsitzen , darauf hin, dass diese
»Carshwellgrapes« , nach Colberg's und Anderer Untersuchungen,
auch mit Berücksichtigung ihrer histologischen Structur als lobidär
pneumonische Heerde zu bezeichnen sind, die allerdings das mit den Tu-
berceln gemein haben , dass sie früh zur käsigen Umwandlung hinnei-
gen , entschiedene Tendenz zu degenerativem Zerfall besitzen.
Rindfleisch spricht neuestens diese Knoten als »specifisch tu-
berculose Infiltrate« an, und zwar gestützt auf ihren histologischen Bau.
So sehr wir dieses Resultat R i n d f le i s c h's begrüssen als einen ivesent-
lichen Schritt zum richtigeren Verständniss dieser so oft mit der Tuber-
culosis miliaris coufundirten und allerdings auch oft gleichzeitig damit
vorkommenden Erkrankung, müssen wir doch die Tuberculosis genuina
von dieser tuberculösen Bronchopneumonie = lobulären käsigen Pneu-
monie durchaus trennen. Diese tuberculose Pneumonie ist sehr häufig der
Ausgangspunet der Phthise, niemals aber ist es die miliare Tuberculose,
die vielmehr nur als Terminalprocess das Krankheitsbild abschliesst.
Der eben erwähnte Process, dessen Anfangsstadien allerdings rich-
tiger unter die Catarrhalpneumonie , dessen Endstadium aber doch dem
Begriff der Phthise subsumirt werden muss , ist gänzlich verschieden,
hinsichtlich seiner Genese von der eigentlichen Tuberculose , Miliartu-
berculose , Granulie.
Die Tuberculose der Lungen tritt wie im üljrigen Körper in 2
Formen auf; 1) als locale, durch die Lymphgefässe .sich verbreitende,
und schliesslich allerdings auch so die ganze Lunge mehr oder minder
vollständig durchsetzende Erkrankung , und 2) als acute (embolische)
allgemeine Tuberculose. Mitunter sind zweifellos beide Vorgänge neben
einander vorhanden.
Die locale Tuberculose findet sich am schönsten in der Umgebung
käsiger im Lungenparenchym .sitzender Heerde , die bald von einer Ma-
.sern- , bald von einer Keuchhustenpneumonie herrühren , vermuthlich
auch andern Ursprungs sein kann ; in den genannten Krankheiten eut-
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Pathologische Anatomie. 799
standene Pneumonien haben wir vom Anfang bis zum Ende verfolgt.
Im Lungengewebe, oder in dessen nächster Nähe sitzende käsige Lymph-
drüsen, eingedickte Pleuraexsudate geben in gleicher Weise Veranlas-
sung zur Entstehung solcher localer Resorptionstuberculose.
Die genannten Heerde sind an ihrer Oberfläche mehr oder minder
dicht besetzt mit Tuberkeln und auch in das benachbarte Lungenge-
webe hinein ziehen sich ganze Reihen, förmliche Stränge vom Ceutrum
nach der Peripherie hin immer kleiner werdender Tuberkeln. Die grö.ss-
ten, ältesten in der Nähe des Heerdes sind gelb trocken vei'käst, die ent-
ferntem zeigen im Centrum weisse Verfärbung , Opacität , beginnende
Verkäsung, die entferntesten sind noch grau gelatinös. Der Lappen, in
dem der käsige Heerd sitzt (es ist keineswegs blos die Lungenspitze,
wir trafen solche auch im untern Theil des obern Lappens , im untern
selbst dicht ül^erm Zwerchfell , sowie auch im mittlem Lappen) , pflegt
auch im übrigen Theil mit Tuberkeln durchsetzt zu sein ; die übrigen
Lappen manchmal gleichmässig und sparsam , manchmal theilweise,
manchmal auch gar nicht von Knötchen durchsäet. Wiederholt trafen
wir bei Kindern, die zufällig an einer acuten Krankheit gestorben sind,
z. B. einer acuten croupösen Pneumonie , eine ganz umschriebene locale
Tuberculose der Lunge oder der Pleura.
Die typische Form der acuten Miliartuberculose der Lungen ist
eine durch den Blutstrom vermittelte Erkrankung. Die zahllosen Knöt-
chen, welche das Luugengewebe in allen seinen Theilen ziemlich gleich-
mässig durchsetzen , sind gleich gross , in der Färbung ziemlich gleich :
bald sind alle gleichmässig grau gelatinös , oder ihr Centrum i.st bereits
weiss , anämisch , trocken und um die Peripherie noch grau ; oder das
Knötchen ist zum grössten Theile ti-ocken , weisslich geworden, oder es
zeigt ein gelbes Centrum. Unzweifelhaft gibt es auch Fälle, in denen
verschiedene »Schübe« von Tuberkeleruptionen Statt hatten: wo also
verschieden alte , in den verschiedenen Stadien der regressiven Meta-
morphose befindliche Knötchen gefunden werden.
Der Weg , auf welchem das die Tuberkeleruption hervorrufende
Seminium in die Blutlmhn hineingelangt , ist in einer geringeren Zahl
von Fällen direct , häufiger indirect durch die Lymphbahn. Aus den
käsigen Erweichungsheerden gelangt der Brei der erweichten Käse-
heerde in die Blutbahn , dadurch , dass eine dem Heerde benachbarte
Venenwand durchbrochen wird. Dass dieser Vorgang viel häufiger sei,
als man bisher annahm, hat H ü g u e n i n (Corrsp.Bl. f Schweizer Aerzte
1876. 362 u. ff.) gezeigt. Wir selbst haben keine Belege für diesen In-
fectionsmodus , halten jedoch denjenigen, den wir schon anno 1868
(Sitzungen med. cbirurg. Gesellschaft des Cant. Zürich, 12. Oct. 1868)
800 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
als den häufigsten bezeichneten, für gewöhnlicher. Derselbe besteht darin,
dass das Seminium aus den Käseheerden in die Lymphgeiässe gelangt, in
die Lymphgefässstäiume transportirt wird und aus diesen schliesslicli in
die Blutbahn bald durch den Ductus thoracicus, bald auch durch andere
Lymphgefässstämme (Truncus lymphatic. axillaris et jugularis sinist.) hin-
einkommt. Die bes. nach Tuberculose ni Peritonealsack bes. tuberculöser
Peritonitis im Ductus thoi-acicus nicht selten vorkommenden Miliar-
tuberkeln scheinen uns zu Gunsten dieser Auffassung zu sprechen.
Von anderweitigen Vorkommnissen in den Leichen an Phthisis
pulmonum gestorbener Kinder sind folgende hervorzuheben: Bei jenen
Jüngern Kindern mit Cavernen im käsig pneumonischen Infiltrat neben
mehr oder weniger ausgedehnter Lymph- (bes. Bronchial- u. Tracheal-)
drüsenentartung sehr oft, jedoch nicht immer, Miliartuberculose der
Lungen, der Pleuren, der Leber, Milz, Nieren; zuweilen auch im Peri-
toneum, in den Meningen: abgekapselte eitrige Pleuraexsudatreste ne-
ben schwartiger Pleuraverdickung. Häufig tuberculose Darmgeschwüre
im Ileum und .Jejunum mit Tulierculose der Mesenterialdrüsen ; catar-
rhalische , seltener tuberculose Magengeschwüre.
Bei altern an Phthisis gestorbenen Kindern pflegt die Abmagerung
sehr viel beträchtlicher zu sein ; bald ohne , bald mit Hydrops des Ge-
sichtes, der Gliedmassen, des Cavum peritonei und der Pleuren. Neben
den oben angeführten Vorkommnissen sahen wir: Verengerungeines
Bronchus durch eine denselben von aussen her comprimirende Bron-
chialdrüse ; ferner Miliartuberkeln , Geschwüre der Bronchialschleim-
haut , (letztere in den grössern Bronchien) ; chronische , diffuse Laryn-
gitis mit Pharyngitis ; ferner ödematöse Schwellung der Darmschleim-
haut, Amyloiddegeneration der Magen- und Darmschleimhaut; follicu-
läre Geschwüre im Colon ; grössere Geschwüre bes. im Colon descendens
und Rectum, Diphtheritis des Colons. Sodann Amyloiddegeneration der
Leber, der Milz, der Nieren.
Auch Ijei der auf Wirljelcaries mit Senkungsabscessen in die Lun-
gen hinein stattfindenden Phthise sahen ^vir extreme Abmagerung,
Bronchialdrüsenschwellung und Verkäsung , ausgedehnte feste Ver-
wachsungen der Lungen mit der Pleura costalis , diaphragmatica und
pericardialis ; gänzliche Erfüllung der Bronchien mit Eiter, Lungenödem
in den noch erhalt^en Lungenabschnitten. Ferner Hypertrophie des
rechten Ventrikels si einem Fall von sehr langer Dauer ; Amyloid-
leber, Amyloidmilz. Einmal eine sog. scrophulöse Milz (Wunder-
lich), Ascites. Neben der Wirbelsäulencaries auch Caries corp. sterni,
Vereiterung der Verbindung zwischen Manubrium und Corpus sterni,
käsige Heerde im Innern des Femurkopfes, Coxitis (Caries coxae).
Oscar Wyss, LungenschwindsucM. Symptomatologie. 801
Symptomatologie.
Wie aus dem Mitgetheilten erliellt, ist der Begriff »Plithise« aller-
dings ein Sammelplatz verschiedener pathologischer Processe, die nur das
Gemeinsame haben , dass ihr Endresultat ein ähnliches oder gleiches
ist. Es wird daher auch das klinische Bild ein mannigfaltiges sein ; um
so mannigfaltiger, je mehr wir die verschiedenen ätiologischen Momente
und die verschiedenen Altersstufen auseinander halten.
Vom klinischen Standpuncte aus sind wir genöthigt , 4 Formen zu
unterscheiden , von denen einige insofern eine Verwandtschaft besitzen,
als aus der einen Form später die andere hervorgehen kann oder zu der
einen die andere sich hinzugesellen kann. Sie können aber auch für sich
bestehen. Wir unterscheiden also:
1) die chronische Spitzeninfiltration, käsige Bronchopneumonie,
2) die chronische disseminirte destruirende Lobulärinfiltration, kä-
sige lobuläre Pneumonie, sog. chronische disseminirte Tuberculose ; kä-
sige Alveolitis, Peribronchitis in ihren verschiedenen Formen,
3) die Phthisis mit nachweisbaren Cavernen,
4) die Miliartuberculose (genuine Tuberculose).
Die im Kindesalter häufigste Form der Phthisis ist die aus C a-
t a r r h a 1 p n e u m 0 n i e h e r v 0 r g e h e n d e und unter dem Bilde dieser
Krankheit verlaufende. Ihre grösste Frequenz fällt auf die ersten Le-
bensjahre, 0 bis 5 Jahr.
1) Die chron ische Spitzeninfiltration (chron. Spitzen-
pneumonie). Eine Affection, die vollkommen als Analogon der chroni-
schen Spitzenpneumonie der Erwachsenen , wie sie R ü h 1 e feststellt,
aufzufassen ist. Dieselbe ist regelmässig einseitig , bedingt eine Däm-
pfung des Percussionsschalls in der Fossa supraclavicularis , die bei be-
trächtlicherer Ausdehnung bis in die Fossa infraclavicularis hinabreicht.
Oft ist die Dämpfung hinten , in der Fossa supraspinata resp. infraspi-
nata deutlicher ; oft auch sowohl hinten als auch vorn. Je intensiver die
Dämpfung, desto wahrscheinlicher der Process. Vermehrtes Resistenz-
gefühl lässt sich vorn unter der Clavicula, hinten namentlich nach aus-
sen in der Fossa supra- und infraspinata constatiren. Die Auscultation
lässt bei geringerer Dämpfung bald abgeschwächtes, bald auch ver-
schärftes Athemgeräusch, namentlich verstärkte und verlängerte Exspi-
ration erkennen ; bei intensiver und ausgebreiteter Dämpfung besteht
meist hohes scharfes Bronchialathmen. Rhonchi sind keineswegs con-
9tant , oft fehlend oft vorhanden : trocknes Knacken bis zu feinblasigen
klingenden Rhonchis.
Diese Affection kann fortschreitend in die folgende Form über-
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 51
802 Krankheiten der Athniungsorgane. Lunge.
gehen. Sie bildet sich aber auch häufig unter günstigen übrigen Ver-
hältnissen allmählig zurück und geht in Heilung über. Selbstverständ-
lich sind alsdann oft die Symptome der Schrumpluug der erkrankten
Limgenspitze die Folge : an der betroSeneu Seite werden die Clavicular-
gruben abgeflacht , die über der Clavicula liegenden Theile der Brust-
wand sogar eingezogen , sie bleiben beim Inspirium mehr liegen als die
der gesunden Seite. Mitunter sind auch Schmerzen an der Stelle vor-
handen , die auf pleuritische Adhäsionen zurückgeführt werden müssen.
In Folge der Schrumpfung und Retraction des Lungengewebes kommt
es zuweilen auch zur Bronchiectasenbildung.
Fleischmann bezeichnet als Symptome, welche die chronisclie
Spitzenpneumonie der Kinder sehr häufig begleiten, folgende : einseitige
Anschwellung der Lymphdrüsen des Halses , Nackens und der ünter-
kiefergegend , sofern andere Ursachen einer Schwellung dieser Drüsen
ausgeschlossen werden können, wie Pharyngitis, Zahnperiostitis, Ecceme
etc.; gewisse hartnäckige Formen der Conjunctivitis scrophulosa; Ec-
ceiubildung der einen Gesichts- oder Kopfhälfte, die sich durch ihre
Hartnäckigkeit auszeichnen ; flüchtige umschriebene Erytheme , z. TL
auf Druck hervortretend (Trousseau'sche Flecke, die unserer Ansicht
nach für dieses Leiden ebenso wenig characteristisch sind , wie für tu-
berculöse Meningitis) ; intermittirende Neurosen des Sympathicus an
einer Kopf half te mit P]rhöhung der Hauttemperatur, rothe lieisse Ohr-
mvrschel auf der erkrankten Seite ; einige Neuralgien im Bereich des
Trigeminus und Neurosen des Oculomotor. und vagus.
Bei dieser Affection , zu deren Entstehung beim Erwachsenen die
Stauliinhalationskrankheiten ein wichtiges ätiologisches Moment dar-
stellen , lallt das ätiologische Moment der Heredität etwas mehr in die
Waagschale ; sie steht ferner in unverkennbarem ursächlichem Convex
mit chronischen Eiterungen , namentlich mit Caries : scrophulöser Ca-
ries der Fuss- und Handknoehon, Tumor albus genu, Coxitisetc. Wenn
es gelingt, durch örtliche Behandlung oder vielleicht auch durch chirur-
gischen Eingriff die Knocheneiterung zu beseitigen, so ist Aussicht auch
auf die Heilung der Lungenalfektion vorhanden , sofern diese gewisse
Grade noch nicht erreicht hat.
Es unterliegt keinem Zweifel , dass diese chronische Spitzen-
pneumonie der Kinder in eben geschilderten Fällen eine »scrophulöse
Pneumonie« darstellt, mit allen jenen Eigenschaften , wie sie Rind-
fleisch neuerdings so hübsch gezeichnet hat ; dass aber in den in Ge-
nesung endenden Fällen das gilt, was Rindfleisch p. 219 sagt: näm-
lich dass es zu einer Schrumpfung der Infiltrate kommen Icönne , ver-
bunden mit einer Gefässneubilduug, welche zwar nicht tief in das Infil-
Oscar Wyss, LungenschwindsnoM. Symptomatologie. 803
trat eindringe , um so dichter aber dasselbe umspinnt und umschliesst,
so dass dadurch eine fortgesetzte , wenn auch vielleicht nur schwache
Ernährung desselben möglich wird.
Viele der Veränderungen in den Lungenspitzen , die man bei Ob-
ductionen als zufällige Befunde trifft , und die bald nur in einer nar-
bigen Verdickung und Einziehung der Pleura der Lungenspitze, bald in
einer Bindegewebsschwiele im Lungengewebe, Kalkconcremente etc.
datiren wohl von solchen geheilten Spitzeninfiltrationen her.
2) Die chronische disseminirte destruirende Lo-
bularinfiltrati on [chronische disseminirte Tuberculose ; käsige
Alveolitis; Peribronchitis in ihren verschiedenen Formen]. In einer
grossen Mehrzahl der Fälle verläuft jedoch die Pneumonia scrophulosa
in anderer Weise. Mit acutem oder subacutem Beginn und den Sym-
ptomen der Catarrhalpneumonie da sowohl wie im weitern Verlauf per-
sistirt die einmal gesetzte Infiltration , mit allen den ihr zukommenden
physikalischen Symptomen kürzere oder längere Zeit hindurch. Bald
in einem obern Lappen, mehr nach vorn , oder in einem untern Lappen
mehr nach hinten, in der Regel einerseits ist die manchmal unbedeu-
tende, manchmal auch recht beträchtliche Dämpfung mit Bronchial-
athmen , Verstärkung des Stimmfremitus , mit klingenden Rasselge-
räuschen, an den übrigen Stellen des Thorax sehr häufig mit begleiten-
dem diffusem Bronchialcatarrh nachweisbar. Neben diesen örtlichen
Veränderungen bestehen wichtige anderweitige Symptome wie: 1) All-
gemeine Abmagerung, die rasche, unaufhaltsame Fortschritte macht.
2) Husten, der verschieden ist ; bald häufig und heftig anfallsweise auf-
tritt, bald unbedeutend, kurz trocken ist. 3) Fieber, gewöhnlich von
bedeutender Intensität, langer Dauer , unregelmässigem Typus. Die
Pulsfrequenz ist Morgens und Abends gesteigert über 120, bis auf ISO
Schläge; auch die Respiration ist immer beschleunigt, die Tempe-
ratur jedoch sinkt in den Nacht- und Morgenstunden aufs Normale,
in den Mittags- und Abendstunden steigt sie bald weniger bald mehr
über die Norm. Es resultirt so eine Curve mit bedeutenden Tem-
peraturdifferenzen zwischen Morgen und Abend ; ab und zu oder auch
zuweilen während längerer Zeit mit sog. Typ. inversus , d.h. hohen
Morgen- und niedrigen Abendtemperaturen. Aber in andern Fällen ist
die Temperatur auch am Morgen nicht regelmässig niedrig ; zuweilen
zwischen 38 und 39 , und die Temperatur ist Abends nur um weniger
höher. Bei im Laufe des Tages und in der Nacht öfters vorgenommenen
Messungen ergibt die Tagescurve gleichfalls keinen bestimmten Typus,
keine bestimmte Tagescurve. Im Allgemeinen allerdings Sinken der
Temperatur in den Nacht- und den Morgenstunden , Aufsteigen der-
804 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
selben gegen Mittag oder Abend. Die Gipfel der Tagescurve fallen mit-
unter schon auf die Mittagsstunde , mitunter auch erst auf die Nacht.
Häufig beobachtet man nach längerer Dauer des Fiebers subnormale
Temperaturen (z. B. 35" im Rectum) zumal am Morgen, während an
manchen Tagen der Thermometer bloss 37,5 bis 38" erreicht; an an-
dern aber wieder höher ansteigt.
Zu diesen Symptomen gesellen sich Störungen der Verdauung,
mangelhafter Appetit , gesteigerter Durst , Anfangs unbedeutendere,
später schwerere Diarrhöe mit schleimigen selbst blutig gesprenkelten
Stühlen. Während im Anfang Diät und Medicamente einen unverkenn-
baren Einfluss auf diese Durchfälle ausüben , ist zuletzt alles Regimen
und alle Therapie ohnmächtig. Sehr oft bestehen oder stellen sich
Lymphdrüsenanschwellungen am Halse längs der Sternocleidomastoidei,
oder in der Unterkiefergegend, im Nacken, in der Axilla ein ; chronische
Otorrhöe und eitrige Coryza , immer recidivirende Eczeme, Furunkeln,
Petechien, circumscripte Hautgangrän, Decubitus : endlich Convulsionen,
Stokes'sche Respiration , bald längere bald kürzere Zeit vor den Exitus
lethalis.
In einer geringern Anzahl von Fällen ist die Infiltration auf einen
grössern oder kleinern Lungenabschnitt beschränkt geblieben. Häufiger
finden sich neben einem grössern Heerde oder auch ohne einen solchen
zahlreiche lobuläre käsige Heerde von Haselnuss- bis Linsengrösse vor,
die in beiden Lungen zerstreut sitzen ; oder aber es besteht umschrie-
bene oder allgemeine Miliartuberculose der Lungen.
3)Dieausgebi]detePhthisis p u 1 ra o n u m bedingt bei Kin-
dern von 6 bis 12 Jahren ein ganz analoges Bild wie beim Erwachsenen.
Es sind zwar selten wie bei Erwachsenen über das normale Körpermaas
hinausgewachsene , sondern ebenso häufig in Folge früherer Kränklich-
keit in der Entwicklung zurückgebliebene magere Grestalten mit dünner,
zarter, durchsichtiger Haut, die bläuliche Venen durchschimmern lässt,
auf der im Gesicht sich das leicht wechselnde rothe Colorit der Wangen
scharf abhebt. Die stark hervortretenden , ausdrucksvoller! Augen , die
von langen , oft auch in Folge langdauernder oder vielleicht noch be-
stehender, Entzündungen der Follikel sparsam gewordenen Wimpern
beschattet sind , der in Folge jenes Vorganges immer noch lebhaft in-
jicirte Saum der Augenlider, sind Erscheinungen , die bei solchen Pa-
tienten oft beim ersten Blick auffallen. Der sog. Habitus phthisicus,
der indess erst bei altern Kindern vom 8. Jahre ab zur völligen Ent-
wcklung kommt , ist öfter in typischer Form ausgebildet. Ein langer,
magerer Hals mit vorspringenden Mm. sternocleidomastoidei , oft auch
deutlich sichtbaren Mm. Scaleni, ist nach unten begränzt durch die stark
Oscar Wyss, Lungenschwindsuclit. Symptomatologie. 805
vorspringenden Clavikeln , nach unten und aussen durch die vertieften
coneaven Fossae supraclaviculares, von denen gewöhnlich die eine mehr
eingezogen erscheint als die andere. Der Brustkorb ist auffallend mager,
schmal ; sein Sternovertebraldurchmesser ist gering, seine Länge, Rich-
tung von oben nach unten , um so bedeutender ; er scheint immerzu in
der extremsten Exspirationsstellung zu verharren. Die Rippen springen
vor und sind weit auseinander gerückt , die Infraclaviculargruben sind
vertieft und lireit. Häufig ist auch die Infraclaviculargrube der einen
Seite mehr abgeflacht als auf der andern ; und die Bewegungen des Tho-
rax , die am ganzen Thorax, ganz besonders in den obern Theilen auf-
fallend gering sind , scheinen auf einer Seite oft nahezu ganz zu fehlen.
Die Respiration ist eine vorwiegend diaphragmatische. Von der Rück-
seite betrachtet bietet sich ein ganz analoger Anblick ; Abmagerung,
namentlich auch der Musculatur , stark vorspringende Schulterblätter,
die nach rückwärts flügeiförmig abstehen, weil die Schultern nach vorne
hin hängen.
In frühen Stadien der Erkrankung fällt das Resultat der objectiven
Untersuchung verschieden aus. Noch ergibt die Inspection keinen Un-
terschied in der Configuration der Supra- und Infraclaviculargegend ;
dagegen ist der Percussionsschall auf der erkrankten Seite höher, leerer,
kürzer und das Percussionsresistenzgefühl beträchtlicher als auf der an-
dern Seite, eine Veränderung, die bald nur über dem Schlüsselbein, bald
auch nur unterhalb desselben , bald mehr nach innen gegen den Ster-
nalrand hin , bald mehr nach aussen in der Axilla oder aber überall
constatirt werden kann. Oft ist vorn keine Differenz , wohl aber eine
solche hinten in der Fossa supra- oder infraspinata constatirbar. Ist
die eine Fossa supraclavieularis abgeflacht oder eingezogen , so pflegen
Percussionsdifferenzen seltener zu fehlen , und wären sie vielleicht auch
nur der Art , dass der sonore Schall auf der erkrankten Seite um 1 bis
niehrei'e Cm. weniger die Clavicula nach oben überragt, als auf der an-
deren Seite (Spitzenschrumpfung) und die Percussionsresistenz gemehrt
erschiene.
Beim Auscultiren hört man über der erkrankten Stelle Anomalien
vom normalen Vesiculärathmen : rauhes, verschärftes Athmen, besonders
verlängertes oder verschärftes Exspirationsgeräusch oder saccadirtes
Athmen oder abgeschwächtes Respirationsgeräusch ; diese Veränderun-
gen sind bald nur vorn , bald nur hinten , oder aber an loeiden Stellen
Torhanden. Ferner sind Rhonchi zuweilen hörbar ; namentlich feinbla-
sige, trockene, seltener feuchte, auch Knistern ; öfter auch bloss ein ver-
einzeltes Knacken bei tiefern Inspirationen. Abnorme laute, in Folge
Verdichtung des Lungeugewebes sehr stark fortgeleitete Herztöne , zu-
goß Krankheiten der Atbniungsorgane. Lunge.
weilen auch eiu systolisches Geräusch über der Lungenspitze sind
Symptome , die im ersten Stadium der Phthise sich auch bei Kindern
constatiren lassen.
Im weitern Verlauf nimmt die Dämpfung des Percussionsschalls
an Extensität und Intensität zu ; auch in der Fossa inf raspinata tritt
deutliche Dämpfung auf; es besteht an der Stelle, wo früher mu- ver-
schärftes Exspirium hörbar war, nun deutliche bronchiale Exspiration;
auch die Inspiration wird bronchial und Rhonchi , die jetzt wahrzuneh-
men sind, sind klingend.
In einer spätem Zeit , in der die Lungenveränderungen noch wei-
tere Fortschritte gemacht haben , wird an der Stelle über oder dicht
unter der Clavicula , wo früher Mattigkeit vorhanden war , wieder ein
hellerer, tympanitischer Schall bemerkt; an einer scharf umschriebenen
Stelle ist die Tympanie sogar sehr hell, hoch ; beim Oeffnen und Schlies-
sen des Mundes und der Nase häufig, beim Wechsel zwischen Sitzen und
Liegen seltener, seine Schallhöhe wechselnd; in einigen Fällen — je
nach der Einmündungssteile des Bronchus in die Caverne — ist der
Schall beim Oeffnen und Schliessen des Mundes deutlicher oder nur beim
Sitzen , in andern nur beim Liegen constatirbar ; oder ein Hustenstoss
und dadurch herbeigeführtes Freiwerden des verstopften Bronchus lässt
das vorher fehlende Symptom des Schallwechsels auftreten. Bei etwas
stärkerer Percussion ist häufig das Geräusch des gesprungenen Topfes
(»Schättern«) hörbar. Ringsum diese Stelle ist der Schall mehr oder min-
der in- und extensiv gedämpft ; vielleicht schon eine Dämpfung in deran-
dersseitigen bis dahin gesund gewesenen Lungenspitze vorhanden. Das
aufgelegte Ohr constatirt reichlicheres Rasseln ; feuchtes , verschieden
grossblasiges, klingendes und nicht klingendes durch Husten stösse oft
seine Beschaffenheit änderndes Rasseln. Wenn die Rhonchi durch Hu-
sten etwas entfernt werden , oder wenn sie von vorne herein nicht so
zahlreich waren , ist nun lautes amphorisches Athmen über , unter der
Clavicula und vielleicht auch der Spina scapulae hörbar. In den untern
Lungenpartien pflegt oft auch ein diffuser Catarrh der Bronchien vor-
handen zu sein; oft ohne oft mit Symptomen einer Infiltration.
Diese localen Symptome sind von den bekannten Allgemeinerschei-
nungen begleitet: Fieber, das jeden Abend exacerbirt , auf 38,5 bis 40°,
auch darüber ansteigt , Morgens remittirt , so dass oft genug die Früh-
temperatur normal ist. Typus inversus ist bei vorgeschrittener Krank-
heit mitunter vorhanden, ebenso subnormale Temperaturen. Bei kleinern
Kindern fehlt nicht ganz selten nach H e no ch s und anderer Angaben
das Fieber vollständig. Durch Husten wird ein schleimig-eiteriges Spu-
tum mit weissen käseähnlichen Bröckeln, die sich auf dem Boden des
Oscar Wyss, Lungeniscbwindsucht. Symptomatologie. 807
Spuckglases sammeln , entfernt. In späterer Zeit erscheinen die Sputa
geballt, grünlich, seltener blutstreifig gefärbt. Gewöhnlich ist die
Quantität der Sputa gering , weil die meisten verschluckt werden. Wie
bei Erwachsenen findet man elastische Fasern darin. Die Blutbeimen-
gungen zum Auswurf kommen zuweilen auch in früherer Zeit der Krank-
heit vor und sind namentlich nach Henoch's Angaben keineswegs so
ausserordentlich selten: er sah (Beiträge 1868 p. 222) Hämoptysis im
Alter von 2'/2 , 3^3 , 3'/-i , 4 und 5 Jahren, wobei der Blutauswurf bei
heftigen Hustenanfällen in kleinen Mengen , nämlich etwa 1 Theelöfiel
voll herausbefördert wurde. Bald war das Blut rein , bald mit Schleim
und Eiter vermischt. Nur einmal sah Henoch profuse Hämoptoe.
St ein er 's jüngste Hämoptoiker waren 3 Jahre alt. Unsere eigenen
Erfahrungen sind ziemlich gleichlautend : meistens Expectoration klei-
nerer, dem übrigen Auswurf beigemengter Blutmengen als häufigeres
Vorkommniss ; nur einmal sahen wir bei einem etwas über 1 Jahr alten
Kinde eine profuse, lethal endigende Hämoptoe , welche in Folge eines
Brechactes eintrat. Dem Kinde war wegen diffuser Bronchitis capil-
laris neben rechtsseitiger Spitzeninfiltratiou ein Emeticum verordnet
worden ; nach dem ersten Erbrechen schon kam ein Hustenanfall, durch
den massenhaft hellrothes Blut aus Mund und Nase herausbef'ördert
wurde, und ehe wir zu dem Pat. gelangten, war er todt. Die Section
wies in der rechten Spitze ein käsig pneumonisches Infiltrat nach , in
dessen Mitte eine mit den Bronchien communicirende wallnussgrosse
Caverne in der Nähe eines aneurysmatisch erweiterten Astes der Pul-
monalarterie lag. Letzterer war in erstere hineingeplatzt. Aehnliche
Beobachtungen machte Ras müssen: bei einem S'/sjährigen Kind sah
er Bersten eines 1 Cm. langen Aneurysma eines Zweiges der Arter. pul-
monal, neben käsiger Pneumonie, Peribronchitis, Miliarbuberculose der
Lungen und übrigen Organe. Ferner sah er bei einem 6jähr. neben
Drüsenvereiterung eine Caverne in der rechten Lunge, die mit dem
Bronchus und der Arteria pulmonalis communicirte.
Henoch sah auch einen 7 Monat alten Knaben drei Monate lang
graugelbe eiterige fötide Sputa expectoriren ; ferner fötiden Atliem und
fötides zwetschgenbrühartiges Sputum wie bei Lungengangrän. Wir
selbst haben fötides Sputum im Kindesalter nur bei Lungengangrän und
bei Bronchiectasen mit Bi-onchitis putrida beobachtet.
Kalkconcretionen sind auch von Kindern ausgehustet worden.
Kühle erwähnt eines Kindes, das an einem kirschgrossen Concrement,
welches aus einer Bronchialdrüse herstammend in den Bronchus per-
forirte und im Larynx stecken blieb, erstickte.
4)DieMiliartuberculose der Lungen ist die am schwie-
gQg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
rigsten zu diagnosticireude und daher am häufigsten intra vitam ver-
kannte Form. Sehr häufig machen die Tausende von miliaren Knötchen
in den Lungen gar keine örtlichen Symptome ; zuweilen vielleicht leiclite
Circulationsstörungen. Die physikalische Untersuchung des Thorax er-
gibt gar keine Anomalie ; in manchen Fällen lässt sich wohl ein diffuser
Bronchialcatarih nachweisen , der alsdann auch die leichte Beschleuni-
gung der Respiration erklärt, die vorhanden ist, wo er fehlt, ist man
leicht geneigt und berechtigt, diese Respirationsbeschleunigung auf das
vorhandene Fieber zu schieben. Gar häufig müssen uns andere Momente
leiten und das sind:
1. Die sorgfältigste Berücksichtigung der Anamnese. Ueljerall da,
wo frühere Luugenaffektionen — es brauchen durchaus nicht bloss
Spitzenaffectionen zu sein — bestanden haben , deren Resorption eine
verzögerte war , wo von da her oder unabhängig davon ein chronischer
Brouchialcatarrh , vielleicht mit Bronchialdrüsenschwellung und nach-
folgender Verkäsung dieser sich entwickelte , wo Lymphdrüsenschwel-
lungen und Verkäsung am Halse oder der Submaxillargegend im Ge-
folge von Eczemen, Augen- , Nasen-, Pharynx-, Kiefer- und Ohrener-
krankungen oder anderswo, z. B. im Mesenterium (chronische Enteritis),
oder wo sehr langsam sich resorbirende Exsudate in der Bauchhöhle,
event. auch Reste solcher in der Pleura, Knochen- oder Gelenkaffectionen
vorliegen oder vorgelegen haben , muss man die Resorption käsiger er-
weichter Massen als sehr naheliegendes ätiologisches Moment der Er-
krankung betrachten.
Schwer in die Wagschale fällt ferner schon vor der acuten Erkran-
kung Statt gehabte allmälige Abmagerung, die ohne bekannte Ursache,
vielleicht trotz reichlicher Nahrungseinfuhr, trotz guter Verdauung
rapide Fortschritte machte. Wenn dieses selbe Symptom nur noch in
heftigerem Grad während der Krankheit sich geltend macht , ist es um
so bedeutungsvoller.
2. Der Nachweis einer acuten Miliartuberculose in andern Organen:
mit unumstösslicher Sicherheit kann das nur durch den Nachweis von
Miliartuberkeln durch den Augenspiegel in der Chorioidea geschehen.
Fehlen der Tuberkeln in den Adeidiäuten beweist nichts dagegen. Ziem-
lieh sicher ist ferner in einer grossen Zahl von Fällen der Nachweis
einer Meningitis tuberculosa ; doch ist Erinnerung zu bringen, dass viele
acute Lungentuberculosen ohne Meningitis , viele Meningiten tubercu-
löser Natur ohne Lungentuberculose verlaufen. Weit unsicherer ist der
Nachweis einer Miliartuberculose anderer Organe. In der Haut kommen
sie selten vor und erscheinen als lichenähnliche Knötcheu. Im Perito-
neum machen .sie sehr oft keine Symptome (um so geringere , je jünger
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Verlauf und Dauer. 809
das Kind ist) ; in Leber , Nieren keine , in der Milz Schwellung des Or-
gans, Vergrössei'ung der Milzdämpfiing.
3. Es bestellt Fieber, bedeutende Pulsbeschleunigung, erhöhte
Temperatur. Letztere ist sehr verschieden ; in manchen Fällen längere
Zeit hindurch hoch, in andern stark remittirend, in noch andern, zumal
bei kleinen Kindern auch vollkommen normal. Zuweilen hat das Fieber
Aehnlichkeit mit demjenigen bei Typhus und da auch im Säuglingsalter
Typhuserkrankungen mit Milzschwellung etc. nicht fehlten , so ist in
solchen Fällen nur der Verlauf und eventuell die Aetiologie maasgebend,
ob man es mit dem einen oder andern Leiden zu thun habe. Zuweilen
spricht die Irregularität der Temperaturcurve, das plötzliche Remittiren
ohne Besserung der übrigen Krankheitssymptome früh schon gegen Ty-
phus. Der Milztumor beweist so zu sagen gar nichts für die vorliegende
Frage; doch wäre sicheres Fehlen desselben zu verwerthen.
Von Seiten der Respirationsorgane wären also nur zu nennen
als oft bei Miliartubercnlose der Lungen vorhandeue Erscheinungen :
Leichte oder erhebliche Cyanose des Gesichts ; kühle Extremitäten, sub-
jective Beklemmung (sogar Orthopnoe), Beschleunigung der Respiration,
erschwerte Inspiration , verschärftes vesiculäres Athmen zuweilen mit
Pfeifen und Schnurren , späterhin auch mit reichlicheren Rhonchi ver-
bunden. Husten ist in der Mehrzahl der Fälle vorhanden , in einzelnen
andern, da wo z. B. gleichzeitig die Meningen afficirt sind, kann es auch
fehlen.
Verlauf und Dauer.
Der Verlauf ist zum Theil im obigen bereits geschildert; die An-
fangssymptome bleiben häufig unberücksichtigt und erst wenn die Ab-
magerung so rasche und bedeutende Fortschritte macht, wenn das Fieber
sich steigert, wenn die Verdauungsstörungen immer mehr hervortreten,
dann erst wird oft von den Angehörigen der Patient als solcher ange-
sehen. Wenn sich der Process an eine acute Erkrankung anschliesst,
kommt zuweilen eine Zeit vollständiger Genesung ; Wochen lang scheint
die Gesundheit ungestört zu sein ; inmierhin berichtet darüber die Mut-
ter in der Mehrzahl mit einem Zusätze : aber der Appetit hatte sich doch
nicht so ganz wiederhergestellt ; das Aussehen des Kindes war etwas
blasser, etwas verändert geblieben, die Körperfülle war etwas geringer,
die frühere Lel)haftigkeit war nicht wieder da, oder es persistirte ra-
scheres Ermüden oder auch ein auffallend stilles ruhiges Verhalten ; ein
leichter Husten bestand immer, kurz es war irgend ein »etwas«, das dem
sorgsamen Blicke der Mutter nicht entging und sie mit Recht mit Be-
sorgniss für die Zukunft erfüllte. Dort wo das Leiden nicht auf eine
810 KranMieiten der Athmungsorgane. Lunge.
acute Erkrankung folgte, stellen sich diese Symptome ganz allmälig ein
und es können Tage, selbst Wochen vergehen, ohne dass es dem Arzte
gelingt, örtlich etwas aufzufinden.
Die Dauer der 4 verschiedenen Formen ist sehr different. Während
die ac\\te Miliartubercnlose von wenigen Tagen bis zu 3—6 Wochen
schwankt, ist die Dauer der käsigen Bronchopneumonie länger, 1 bis 3
Monate, selten länger. Das chronische Spitzeninfiltrat hat keine genau zn
begränzende Dauer; es besteht zuweilen Wochen lang und länger, um
dann in diese oder jene andere Form oder in Heilung überzugehen. Die
Phthise mit Cavernenbildung verläuft unendlich verschieden : beim halb-
jährigen Kinde haben wir sie in 6 Wochen, beim 2jährigen in 2'/2 Mo-
naten , beim 10jährigen in P/4 Jahren tödtlich verlaufen .sehen; und
wir behandeln jetzt ein l.Sjähriges Mädchen mit Cavernen, dessen Krank-
heitsbeginn in das 7. Leben.sjahr auf eine Masernpneumonie zurück da-
tirt wird. Immer im Sommer war Patient unter Zuhilfeualune aller
möglichen Hülfamittel, Aufenthalt im Gebirge , in sulpalpinen Thälern
besser , eine Zeitlang fast genesend , immer im Winter kehrte Husten,
Aufswurf, Abmagerung wieder , bis endlich der verflossene , der allerbö-
seste von allen , neben extremster Abm agerung Fieber und Hämoptoe
brachte.
Mächtig wird der ungünstige Ausgang beschleunigt durch die Com-
plicationen von Seite der Digestionsorgane, der Nieren, Amyloiderkran-
kung und ungünsiige Hereditäts- und äussere Verhältnisse.
Diagnose.
Da die einzelnen Formen der Kinderphthise selbst in ihren End-
stadien sehr differente anatomische Befunde zeigen , und die Sym-
ptome in ähnlicher Weise verschiedene sind, so können wir daher nicht
von einem characteristischen Symptom oder einer typischen Gruppe von
Erscheinungen sprechen. Dass das Leiden ein chronisches ist, einen
schleichenden Verlauf, der über Wochen, in manchen Fällen selbst über
Jahre sich erstreckt, besitzt, ist bereits betont. Einzig die Miliartuber-
cnlose kann unter Umständen ganz acut sich entwickeln und .so ver-
laufen. Allen Formen kommen die Symptome der chronischen eventuell
auch acut fortschreitender Abzehrung zu. Das Fett des Unterhautbin-
degeweljes , sowie die Muskulatur schwindet mehr und mehr , die Haut
wird schlaff, die Epidermis trocken, rimzlig, schilfert sich ab. Die
Haare erscheinen auf der atrophischen Haut oft excessiv entwickelt, so
besonders an der Stirn , an den Uhren , den Wangen , am Rücken, auch
an den Extremitäten. Dieses Symptom der Abmagerung bekommt na-
türlich nur dann hohe Wichtigkeit, wenn jede andere Ursache der Erna-
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Diagnose. 811
tiation : chronische Diarrhoee oder eine andere ernste AfiPection der Di-
gestionsorgane , eine Knocheneiterung , ein Nierenleiden u. dgl. ausge-
schlossen werden kann.
Ein weiteres wichtiges Symptom ist das , eiuzehieu Formen in hö-
herem , andern in geringerem Grade zukommende Fieber ; als dessen
bedeutsamstes Characteristicum die starken unregelmässigen Tages-
schwankungeu , die zeitweisen starken Abend-Exacerbationen und un-
regelmässigen Morgen-Remissionen , der zuweilen auftretende Typus
inTersus, das durchaus nicht regelmässige Ansteigen des Tagesmaximum
an einer gewissen Tagesstunde und in einer Anzahl von Fällen auch
das Wechseln subnormaler Temperaturen mit noi-malen oder nur wenig
übernormalen Abendtemperaturen bezeichnet werden darf. Die unruhi-
gen Nächte, der constant frequente kleine Puls, der Nachweis eiternder
oder einfach geschwellter indolenter, käsig entarteter Lymphdrüsen am
Halse, über den Clavikeln, oder in einer der beiden Axillae, der Nach-
weis vorgekommener oder bestehender scrophulöser und tuberculöser
Erkrankungen bei den Eltern oder in der Familie : alles das sind Puncto,
die bei der Diagnose schwer in die Wage fallen.
Auf eine c h r o n i s c h e P n e u m o n i e d e r L u n g e n s p i t z e wird
man dann die Diagnose stellen, wenn man bei einem Leiden mitschlep-
pendem Verlauf, den oben geschilderten Allgemeinsymptomen, mit tro-
ckenem kurzem Hüsteln oder heftigem quälendem erschöpfendem Husten
in der einen Fossa supra- oder auch noch infraclavicularis rcsp. -spinata
oder Axilla den Percussionsschall gedämpfter findet, als er auf der andern
Seite an der entsprechenden Stelle ist ; die untern Theile der Lunge frei
sind ; abgeschwächtes Respirationsgeräusch oder verschärftes Exspirium,
saccadirtes Athmen, oder bronchiales Athmen, Bronchophonie, klingen-
des Rasseln oder Knisterrasseln , verstärkter Stimmfremitus wären wei-
tere wichtige Argumente für die Annahme einer Spitzeninfiltration.
Ob Excavationen vorliegen, darüber gibt die Beschaffenheit
des Sputums wegen der Schwierigkeit seiner Beschaffung selten Auf-
schluss; nur bei altern Kindern ist dies zu erlangen (Sputum nummu-
latum ; elastische Form Hämoptoe). Um so wichtiger ist also die genaue
Feststellung des objectiven Bestandes. Indess lässt auch die Percussion
sehr oft im Stich, da der Nachweis tympanitischen Schalls an einer Stelle
am Thorax, wo Lungengewebe liegt, die Aenderung des Höhe- und VöUe-
wechsels dieses Schalls beim Sitzen und Liegen, beim Oeffnen und
Schliessen .von Mund- und Nasenöffnung , und namentlich Constatirung
des letzteren Symptoms nur in der einen Körperlage der Patienten, fer-
ner der Nachweis von Schättern (Geräusch des gesprungenen Topls) bei
Kindern unter 2 Jahren (und wie oft noch bei 4 —6jährigen !) theils
812 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
1
unmöglich ist , theils gar nichts beweist, weil Tympanie und Schättern
sehr oft am rhachitischen Thorax bei normalen Lungen erzeugt werden
kann ; die andern Symptome wie Gerhard t'scher , W i n t r i c h scher
und unterbrochener Win trieb 'scher Schallwechsel (Gerhardt) be-
halten jedoch ihren gewohnten hohen Werth.
Nicht unwichtiger sind die Resultate der Auscultation : die Be-
schafEenheit des Bronchialathmens , Aenderung ■ der Höhe des Athem-
geräusches beim Oeffnen und Schliessen von Nase und Mund, der Nach-
weis von amphorischem Athmen (metamorjjhosirendem Athmen) und
der Rasselgeräusche: grossblasiges und feinblasiges klingendes Rasseln
und metallischer Beiklang der Rasselgeräusche.
Bei der disseminirten käsigen Lobulärpneimionie mit oder ohne wirk-
liche MiliartubercLilose ergibt die physikalische Untersuchung bald gar
keine Anomalie durch die Percussion, bald auf der einen oder andern Seite
leichte Dämpfung oder leichte Tympanie ; die Auscultation die Symptome
eines diffusen Catarrhs oder der Lobulärpneumonie. Hier ist der Verlauf,
das beträchtlichere und anhaltendere Fieber, die zunehmende Abmagerung
von Wichtigkeit. Oft ist in solchen Fällen die Aetiologie: das Auftre-
ten dieser Erkrankung nach acuter Bronchitis , im Gefolge der Masern,
oder eines Keuchhustens , seltener des Scharlachs oder der Varicellen,
wichtig. Diese letzte Form kann auch unter Umständen mit Typhus
abdominalis verwechselt werden ; ja wenn Patient erst spät in Beobach-
tung gelangt, wenn 3 — 4 Wochen unbeachtet verflossen, so ist es zu-
weilen sehr schwer und selbst unmöglich, zur richtigen Diagnose zu ge-
langen. Die nachträgliche (freilich alsdann oft nur lückenhaft noch zu
erlangende) genaue Anamnese, Art und Weise des Beginns und der Auf-
einanderfolge der Symptome sind hier wichtig : Fehlen des Hustens und
anderer Erscheinungen von Seiten des Athmungsapparates , heftiges,
am Morgen nicht nachlassendes Fieber in dieser Zeit, Durchfall in die-
ser selben Zeit, Roseola-Exanthem Ende der ersten und Anfangs der
zweiten Woche, spontaner Nachlass des Fiebers in der 3. oder 4. Woche
würden für Typhus ; gegen Typhus dagegen das in der 3. oder 4. Krank-
heitswoche erst heftiger werdende Fieber, stärkeres Befallensein der
obern Theile der Lunge als der hintern untern Lungenabschnitte.
Bei von vornherein ärztlich beobachteten Fällen würde das frühzeitige
Vorhandensein des Milztumors (in der ersten Krankheitswoche) , der
Meteorismus abdominis, das Ileocöcalgurren, die Form der Temperatur-
curve , selbst in der 3. bis 5. Woche noch die Tagesfluctuationen der
Temperatur (regelmässiges Ansteigen in den spätem Vormittags- oder
frühem Nachmittagsstunden, Sinken in den Abendstunden beim Typhus,
Oscar Wyss, Limgenscliwindsucht. Prognose. 813
dagegen irreguläre Schwankungen bei Phthise) — kurz die Betrach-
tung des ganzen Kranklieitsbildes als Anhaltspuuct dienen können.
In vielen Fällen sind jedoch die Ergebnisse der physikalischen
Untersuchung zuverlässiger, lassen sich deutlich Infiltrate nachweisen,
bald einseitig, bald beiderseits, was die Diagnose sehr erleichtert.
Weit schwieriger ist die Diagnose auf Miliartuberculose der Lun-
gen. Es ist hier das Hauptgewicht auf die Anamnese und Aetiologie,
auf den rapiden Verlauf, die rasch progredirende Abmagerung, die zwar
oft leichten aber doch gewöhnlich vorhandenen Respirationsstörungen,
Cyanose, diffuse Bronchitis, Dyspnoe, die oft nicht in Einklang mit dem
objectiven Befund zu bringen ist, und ganz besonders auf den Nachweis
anderweitiger Tuberculoseeruptionen im Körper (Cliorioidealtubercu-
lose, Meningaltuberkeln) zu legen sein.
Erschwert wird die Diagnose ferner dort , wo sich eine beträcht-
lichere exsudative Pleuritis hinzugesellt, wo von früher her ein Hydro-
cephalus chronicus oder acutus vorliegt. Auch hier fallen die angeführten
Merkmale in die Wagschaale.
Obwohl nach B u c h a n a n Tuberculose der Bronchialdrüsen mit
^:6 aller Fälle von Lungentuberculose vorkommt, trifft mau doch in '/e
aller Fälle von Bronchialdrüsentuberculose diese für sich. Für diese
sprechen : Dämpfung des Percussionsschallsüber dem Manubrium sterni ;
ein keuchendes oder pfeifendes Geräusch in der Nähe der Bifurcation
der Trachea (Druckverengerung des Bronchus) , mehr rechterseits als
links, weil rechts die Drüsenschwellung beträchtlicher zu sein pflegt als
links ; auf der entsprechenden Seite : Tuberculose der Lymphdrüsen über
der Clavicula und am Halse.
Prognose.
Die Prognose der Phthisis im Kindesalter ist nicht günstiger zu
nennen, als diejenige der Erwachsenen; und in jenen Fällen, m denen
Zerstörungsvorgänge , Excavationen diagnosticirbar geworden sind , ist
sie geradezu ganz schlecht. Uns ist kein Fall von Heilung von Cavernen
bei Kindern bekannt ; doch ist eine solche nicht undenkbar, da ja nach
Lungengangrän und Lungenabscess Heilung vorgekommen ist.
Spitzeninfiltrate bieten unter Umständen noch günstigere Pro-
gnose ; doch fallen hier auch eine Reihe von zu berücksichtigenden Mo-
menten in Betracht. Es ist wichtig :
1) Die Heredität. Waren oder sind die Eltern oder nur das eine
derselben phthisisch oder sonst schwächlich oder leidend (Anämie, Scro-
phulosis,Caries etc., constitut. Syphilis) oder zur Zeit der Zeugung
schon bejahrt, so trübt dies die Prognose in hohem Grade. Ebenso ist
814 Krankheiten der Athniungsorgane. Lunge.
Phthise der Grosseltern, oder anderer Familienglieder bei Integrität der
Eltern ominös.
2) Die neben der Lungenaffection vorhandenen anderweitigen Er-
krankungen im Körper : Chronische Eiterungen besonders der Wirbel-
säule, an Gelenken, Knochen, bedingen eine weit schlechtere Prognose,
zumal dann , wenn die Eiterung nicht durch einen chirurgischen Ein-
griff (Resection, Auslöö'elung , Amputation) gehoben werden kann.
Ist dies der Fall und die Erkrankung der Lunge nicht allzu vorge-
schritten, so ist die Aussicht auf Heilung nicht ganz hoffnungslos.
Ferner ist prognostisch sehr schlecht: Albuminurie , andauernde Diar-
rhoe, Leber- und Milzschwellung , Amyloidentartung.
3) Die äusseren Verhältnisse , unter denen Patient sich befindet;
im engen feuchten , dumpfen luf't- und lichtarnien städtischen Wohn-
raum, zumal Kellerlokal sind die Aussichten weit schlechter, als unter
günstigeren hygieinischen Verhältnissen. Auch die Jahreszeit ist von
Bedeutung: wenn Patient täglich für 8 — 10 Stunden in die Sonne ge-
bracht werden kann, ist die Aussicht auf Genesung weit grösser, als
wenn er immer aufs Zimmer angewiesen ist.
4) Die Ausdehnung des örtlichen Processes (s. oben), Cavernen,
bedeutende Ausdehnung des Infiltrates, starker diffuser und persistenter
ßronchialcatarrh , andauerndes heetisches Fieber, das in Verbindung
mit persistenter Respirationsbeschleunigung oder bedeutenderer Dys-
pnoe, Cyanose, die aus dem objectiven Befund allein sich nicht hinläng-
lich erklärt, machen die Prognose schlecht.
Prophylaxis und Therapie.
Kaum von einer andern Krankheit wie der Phthisis pulmonum gilt
in so hohem Grade das Wort Prevention is better than eure. Denn in
der That kann durch hygieinische , prophylactische Massregeln bei zu
Phthisis Disponirten sehr vieles gethan werden, vor dem Beginn, im Be-
ginn und in vielen Fällen auch noch während der ersten Zeit der Krank-
heit , während in den späteren Stadien des Leidens man zur Zeit leider
sich nur auf eine Palliativbehandlung beschränken muss.
Die Prophylaxe hat schon vor der Geburt zu beginnen. Gewiss
sollte bei der Eheschliessung mehr als jetzt geschieht, in Fällen wo die
zu Verehelichenden aus einer phthisisch, tuberculös oder scrophulös be-
lasteten Familie stammt , oder wo auch nur der leichteste Verdacht auf
ein chronisches Lungenleiden sich aufdrängen sollte, der Arzt zu Rathe
gezogen werden. Besser eine, wie Rühle richtig sagt, ja doch am Ende
transitorische , Gemüthsbewegung , als die durch lange Jahre hindurch
sich schleppende sorgenvolle Abwechselung von Hoffen und Bangen im
Oäcar Wyss, Lungenschwindsucht. Prophylaxis und Therapie. 815
Kranksein und Nichtgesundsein der Betroffenen selbst oder ihrer Nach-
kommen , die nach jahrelangem ja oft jahrzehntelangem Ringen nach
Gesundheit schliesslich doch mit dem Zugrundegehen der ganzen Fa-
milie endet. Stellt sich bei der Mutter während der Gravidität ein Lun-
gencatarrh ein , darf dieser nie unterschätzt werden , im Interesse ihrer
selbst sowohl als auch im Interesse der Frucht.
Ganz ebenso wichtig ist jede andere, das Allgemeinbefinden der Mut-
ter alterireude Gesundheitsstörung. Verdauungsstörungen, Blutverluste,
Anämie, Infectionskrankheiten, Nahrungsmangel, Kummer und Sorgen,
übermässige Anstrengungen, schlechte äussere Verhältnisse, und so viele
andere Momente noch werden zu Quellen einer schon bei der Geburt
oder erst später sich geltend machenden Schwächlichkeit des Kindes,
die sich erhaltend bald im Lauf der Kinderjahre Ijald erst später ihre
schlimmen Folgen hat. Wenn nach der Geburt die tuberculöse Mutter
aus selbstverständlichen Gründen im eigenen Interesse , wie auch im
Interesse des Kindes, weil der Keim der Tuberculöse möglicherweise erst
durch die Milch übertragen werden könnte , nicht stillen kann , so tre-
ten, da ja nur an wenigen bevorzugten Orten die Beschaffung einer
brauchbaren Amme , und auch hier nur für die kleine Zahl der Kinder
der sehr Begüterten möglich ist, wieder die zahllosesten Geiahren und
Missstände der künstlichen Ernährung entgegen. Wie wenigen ist die
Garantie der Abstammung der Milch von gesunden, nicht perlsüchtigen
Kühen gegeben ! Wie wenigen kann eine frische, unverfälschte, nicht
abgerahmte, nicht gewässerte Milch verschafft werden ! und wenn das :
wie viele oder wie wenige vielmehr sind in solchen Verhältnissen , dass
wir bei deren Berücksichtigung nicht sagen müssen : es ist ein Wunder,
dass die Kindermortalität nicht noch viel grösser ist! Die Pflege der
Säuglinge ist nahezu überall heutzutage eine mangelhafte und wird
nicht besser werden, bis die Mutter wieder das Ziel, ihrem Kinde Mutter
im wahrsten vollsten Sinne zu sein, als ihre höchste Lebens-Aufgabe be-
trachten wird.
Die Zeit des Säuglingsalters legt den Grund zur Pvliachitis und den
damit verbundeneu Vorbildungen des Brustkorbes, wie der Entwicklung
chronischer Pharynx- und Tracheobronchialcatarrhen , die für die Ent-
stehung acuter und chronischer Bronchialdrüsen- und Lungenerkrankun-
gen so wichtig sind. Sie legt den Grund zur chronischen resp. tuberculösen
Mesenterialdrüsenschwellung , Enteritis ulcerosa etc. , in deren Gefolge
Lungentuberculose so oft aultritt. Sie legt freilich oft auch den Grund
zu einer später lange persistireuden Verdauungsschwäche , Neigungen
zu Digestionsstörungen , die von Anämie etc. gefolgt sind.
Ins zweite Kindesalter erst fallen die zahllosen Erkrankungen der
32 ß Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Luftwege, welclie zum Theil den Grund zu einer in der spätem Zeit sich
entwickelnden Phthise legen : die Maseru- , Keuchhusten- , Rubeolen-,
Scharlach- und andere Epidemien ; die Grippe, die chron ischenCatarrhe
der Nase , des Larynx , der Trachea und Bronchien , die namentlich bei
Rhachitischen und Scrophulösen nicht weichen wollen, die bei letzteren
nach unten sich fortpflanzend zuletzt zu käsigen Bronchial- und Tra-
chealdrüseuerkrankungen , zu käsigen Pneumonien führen. Zwar sind
auch hier die Erkrankungen der Verdauungsorgane , chronische Ente-
ritis , (ulcerose , tuberculose , foUiculäre) mit Mesenterialdrüsenerkran-
kung noch recht häufig, zweifellos im Zusammenhang mit dem zu frühen
oder zu plötzlichen Nahrungswechsel , den manchmal allzu grossen Zu-
muthungen , die dem kindlichen Verdauungsapparat gemacht werden.
In dieser Zeit sind zahlreiche Fälle der Kinderphthise durch un-
günstige Wohnungsverhältnisse : enge , unveutilirte luft- und lichtlose
und dazu noch übervölkerte mit Ofeurauch und Kohlendunst, mit Petro-
leum- oder Ligroiuequalm , mit Tabaks- oder Cigarreuduft und andern
von am Ofen trocknenden Windeln und Wasche- und Kleidungsstücken
herrührenden »flüchtigen« Substanzen erfüllte Wohn- und Schlafräume
bedingt. Die Feuchtigkeit der letztern schadet hauptsächlich dadurch,
dass die Ventilation durch die Wände aufgehoben ist ; doch wohl auch
durch die, in der feuchten Binnenluft üppige Vegetation niederer Orga-
nismen. Neue Häuser sind ungesund wegen der mangelhaften Wand-
(Poren-) Ventilation , die in Folge zu grossen Wassei'gehaltes und Ver-
schluss der Poren bei leichter Zunahme der Wandfeuchtigkeit durch
Witterungseinflüsse oder durch Schuld der Insassen, besonders mangel-
haftes Oeffnen der Fenster, so häufig unmöglich ist. Der Aufenthalt auf
der Gasse, im Freien während der bessern Jahreszeit ist für solche Kin-
der das einzige Rettungsmittel. Oft wird der Gesundheitszustand für
dieselben durch den Schulbesuch , d. h. die täglich erzwungene Beweg-
ung im Freien (Schulweg) von günstigem Einfluss. Dass bei altern Kin-
dern die Schulluft , wenn die Schulzeit länger, anstrengender geworden
ist, auch ihren schädlichen Einfluss entfalte, ist oben bereits urgirt, zu-
mal in Organismen , die durch eine unvollständig geheilte Luugenaffec-
tion noch vulnerabler geblieben sind als andere , vorher gesunde.
Neben der verdorbenen , allzu kohlensäurereichen Schulstubenluft,
sind es auch die stundenlang ununterbrochen ruhige Körperstelhmg, das
stark nach vorn übergebeugte Sitzen mit Compression des Brustkorbes
und gänzlich mangelhaften Ausdehnung der Lunge beim Athmen , die
fehlende Muskelübung , was dem in diesen Jahren noch so rasch wach-
senden Körper des Kindes Schaden bringt. Diese Nachtheile sollten in
der Zeit ausserhalb der Schule nicht dadurch befördert, gesteigert wer-
Oscar Wyss, Limgenscliwindsucht. Prophylaxe und Therapie. 817
den , dass es aus der Sclnüstube nur nach Hause gehen soll , um dort
noch einmal eben so lang wie in der Schule in der dumpfen Stube bis
in die späten Nachtstunden hinein sich an den. Schreibtisch setzen soll,
um die Schulaufgaben zu absolviren. Alle Hausaufgaben , sofern sie
schriftliche sind, sollten aus der Schule verbannt werden und die Schüler
gehalten sein, im Freien sich zu tummeln und nach Herzenslust
Muskel- und Athemgymnastik zu treiben. Unter Umständen muss das
auch in geordneter, methodischer Weise geschehen; dann, wenn es sich
um Kränkliche handelt, wenn ein schädliches »zu viel« vermieden wer-
den soll. Da sind methodisches Tiefathmen , Freiübungen , Stabturnen,
Fechtübungen, Hantelübungen, Uebungen mit dem elastischen Strang,
sog. Armstärker , BaiTenübungeu , Uebungen an der liegenden Leiter
(Hangübungen) , vorsichtig später auch Laufübungen und Singübungen
am Platze.
Es passt im fernem hier alles das , was wir früher über die Pro-
phylaxe der Katarrhalpneumonie gesagt haben ; wir verweisen desshalb
auf pag. 773 u. ff.
Ein zweites weites Feld der Prophylaxe vor der Phthise besteht in
der möglichst sorgfältigen Behandlung aller jener Krankheitsprocesse,
welche den Grund zu einer Scrophulose legen können , oder deren wei-
tere Ausbildung fördern können , also die Bekämpfung der Scrophulose
selbst. Man berücksichtige alle jene leichtern und schwerern Hautaus-
schläge , Eczeme , Liehen, Vaccine u. s. w., Verletzungen , Catarrhe der
Schleimhäute bes. des Auges, der Nase, der Ohren, des Pharynx, alle
spontanen oder traumatischen Entzündungen der Gelenke [zumal des
Knies, des Ellenbogens , des Fuss- und Hüftgelenks] , der Knochen (Pe-
riostitis, Ostitis, Spina ventosa, Caries, Necrose), zumal der Wirbel, der
Hand- und Fussknochen , der Pars petrosa des Schläfenbeins, Necrose,
Caries nach acuter Otitis , z. B. im Gefolge von Maseru und Scharlach,
der Nasenknochen, Ozaena etc , die so ausserordentlich häufig im Anfang
ignorirt , erst berücksichtigt werden , wenn lange Eiterung und bedeu-
tende Knochenzerstörung, ausgedehnte geschwollene Lymphdrüsenreihen
von dem erkrankten Organ nach dem Truucus hingehen, vielleicht auch
schon Eiterungen der Drüsen oder käsige Degenerationen in denselben
vorhanden sind. Genau dasselbe gilt von entsprechenden Erkrankungen
innerer Organe : Tracheal- und Bronchialdrüsenschwellungen und Ent-
artungen nach chronischen Laryngeal- , Tracheal- und Bronchial - Ca-
tarrhen , Pneumonien , Pleuriten. Dass die chirurgische Behandlung in
vielen solchen Zuständen weit mehr nützt, als alles andere , ist nicht zu
bestreiten ; zumal wenn es sich um Knochen- und Gelenkserkrankungen
handelt ; aber auch die Chirurgie reicht in zahlreichen Fällen nicht aus;
52
Haudb. d. KinderkrankheUen. III. 2.
gjg Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
da wo Rücken- und Kopf knochen, tiefliegende Drüsen Sitz der Erkran-
kung sind, steht sie vor einem Noli me tangere, nnd wir müssen nach
althergebrachter Art mi^ entsprechender weniger eingreifender örtlicher
Behandlung und daneben durch Allgemeinbehandlung sehen, was erreicht
werden kann. Zweckmässig construirte eiweissreiche Nahrung , beste-
hend aus viel Milch, Eiern, leicht verdaulichem Fleisch (besonders Kalb-
fleisch und Geflügel, überhaupt weissem Fleisch), weniger Amylaceen;
möglichst continuirlicher Aufenthalt in frischer Luft, bei Husten nur in
der Sonne uud in geschützter Lage, ferner Bäder, mit oder ohne Zusatz
von Kochsalz oder Seesalz, Mutterlauge, sowae den verschiedenen Volks-
mitteln, wie Wallnussblätter- und Wallnussschalenabkochungen, Lohbä-
der, Kräuterbäder u. dgl. sind hier indicirt. Von Innern Mitteln stehen
Leberthran, Eisen- und Kalkpräparate, jedes für sich oder einzelne in Ver-
bindung oben an. Vom Oleum jecoris Aselli ziehen wir die reinen Sorten
vor, sie werden nicht nur lieloer genommen, sondern auch leichter ertragen,
ohne die Verdauung zu stören, und sind nicht weniger wirksam als die
ordinäre Sorte. Für ihren Gebrauch muss immer ungestörte Verdauung,
ungestörter Appetit und kein Durchfall vorausgesetzt werden können;
ferner darf kein Fieber vorhanden sein , der Process muss also nicht
mehr im Fortschreiten begriffen sein. Eisenhaltiger Leberthran ist
theils käuflich, theiis einfach darzustellen : Ol. jecoris depurat. 150. PW.
limat. pulv. 4. M. DS. 1 — 2 Thee- resp. Kinderlöfl'el per Tag, nach
dem Einnehmen umzuschüttein. Die Verbindung des Ol. jecoris mit
Kalkwasser ist in neuerer Zeit lebhaft empfohlen worden ; ebenso die-
jenige von Ol. jecoris mit Kalium jodatum.
Von Eisenpräparaten, die bei bestehender Anämie den Vorzug ver-
dienen , sind nur die leichtest verdaulichen zu wählen : Ferrum oxyda-
tum sacharatum solubile , Ferr. pyrophosphoricum , Ferrum lacticuui,
Ferr. oxydalato-oxydatum (Eisenmoor) , Ferrum hydrogenio reductuni,
Ferrum carbonicum sacharatum , Citras ammonii cum ferro , Ferrum
pyrophosphoricum cum ammouio ; ferner die Tinctura ferri pomata mit
Syrup. Sachari ^ 'ji bis 1 Theelöfi'elweise 2— 3mal im Tag.
Das Jodeisen wird gewöhnlich als Syrupus ferri jodati verordnet;
wir verschreiben Ferr. sulfuric. crystallis. mit Kai. jodat. äa 2,0 auf Aq.
und Syr. Sach. aa 50,0 Theelöffelweise ein- bis zweimal täglich. Auch
das jodeisenhaltige Malzextract ist empfehlenswerth.
Von den Kalkpräparateu sind Aqua Calcis (bes. in Milch), Calcaria
phosphorica, Calcaria hypophosphorosa , C. carbonica, auch Calcium
chloratum die gebräuchlichen.
In dieser Weise wird man auch jene Kinder zu behandeln haben,
iK'i denen eine Spitzeninfiltration sich nachweisen lässt ; wo das Fehlen
Oscar Wyss, Lungenscliwindsucht. Prophjdaxe und Therapie. 819
von Fieber , der örtliche Befund keine Anhaltspuncte für die Annahme
eines Fortschreitens des Processes geben. Manche Aerzte halten viel
auf die örtliche Applikation von Derivantien und Resorljentien : Be-
streichen der der Lungenaffectiou entsprechenden Tlioraxoberfläche mit
Jodtinctur, die Anwendung von Vesicantien, die Einreibung von Croton-
öl, von Pustelsalbe. Wir erwarten nichts von allen diesen schmerz-
haften und oft gefährlichen Curen ; ausser etwa der Trae jodi , von der
ein Theil verdampft und inhalirt unter Umständen ebenso resorlnrend
wirken kann , wie das Oleum terebinthinae im Stokes'schen Liniment,
das auf den Thorax eingerieben wurde. Gewiss sind kräftige gute Nah-
rung und Athem- und die Brustmuskulatur kräftigende Muskelübungen,
Landluft, Aufenthalt an der See, im Wald, zumal im Tannen- und
Fichtenwald , im Gebirge weit bessere Resorbentien , und es werden
solche Curen zweifellos unterstützt durch den Genuss eines Natron- oder
auch gewisser kalkhaltiger Mineralwässer. So sind empfehlenswerth
Curen in Ems, Lippspringe, Ober-Salzbrunn, Reinerz, Neuenahr, Weis-
senburg (Ct. Bern), Rippoltsau , Petersthal u. a. ui. Solche climatische
Curen sollten nicht nur 8 bis 14 Tage sondern immer mehrere Wochen
eventuell Monate lang fortgesetzt werden ; woljei natürlich andere Orte
im Hochsonmier, andere im Herbst und Frühjahr, andere im Winter in
Betracht kommen. Li der Schweiz finden wir für die Monate Ende .Juni
bis Mitte Sept. die geschützten Alpenthäler, die früher pag. 783 genannt
wurden , für besser als Bergspitzen oder Kämme ; für die Monate Sept.
bis Ende October , April bis Ende Juni die Ufer des Genfer Sees incl.
Bex, diejenigen des Vierwaldstättersees , der italiänischen Seen ; ihnen
gleichzustellen wären wohl Meran, Bozen, Arco.
Für den Winter würden in erster Linie Davos, in zweiter Montreux
und die Ufer der Seen jenseits der Alpenkette zu empfehlen sein ; bei zarter
Constitution, Neigung zu immer wieder recidivirenden Catarrhen ist der
Aufenthalt in derRiviera vorzuziehen. Durch Milchcuren werden solche
Land- und Luftcuren sehr wesentlich unterstützt und daher gewöhnlich
damit verbunden. Auch von Koumyscuren , sofern ein wirklicher Kou-
mys erhältlich ist , sind gute Erfolge beobachtet worden. Wir halten
aber einen Erfolg für illusorisch , wenn das Präparat in der Stulie ge-
trunken wird zu einer Zeit, wo Ausgang ins Freie nicht möglich ist.
Besteht ein abendlich recidivirendes jedoch nicht sehr bedeutendes
Fieber, steigt die Temperatur an einzelnen Abenden auf 38, an andern
auf 39 , und dann wieder nicht über die Norm , so ist aus der Diät alles
irgendwie schwerer verdauliche, z. B. Rindfleisch, auszuschliessen ; lasse
zeitweis Nachmittags oder auf den Abend 1—2 hydropathische Ein-
wicklungen machen, man gebe grosse Gaben Natron salicyl. oder Chinin
" 52*
820 Krankheiten der Athmnngsorgane. Lunge.
in spätem Vor- oder frühem NacliQiittagsstunden oder Chinin in klei-
nem Gaben 0,2 — 0,3 zweimal pro die; Decoctuni oder Extractum cliiiiae,
Säuren; lasse in dieser Zeit Ferrum, Ol. jecoris u. dgl. weg; doch kami
Eisen mit Chinin in kleinerer Gabe auch solchen Patienten noch ge-
geben werden.
Für solche Patienten ist ein passendes Roborans das Malzextract,
und zwar so lang Fieber besteht, am liebsten das einfache, später das
Kalk- oder das Eisenhaltige. Wein halten wir theelöifelweise gegeben
ebenso wenig contraindicirt als Zucker ; es ist bei guter Verdauung Un-
garwein, spanischer Wein, stärkerer Rheinwein, bei Neigung zu Diar-
rhoe dagegen Portwein , Bordeaux , Veltliner vorzuziehen.
Ist das Fieber ein regelmässig wiederkehrendes hohes oder ein coa-
tinuirliches mit kurzen Remissionen , so ist , sofern die Kräfte des Pa-
tienten es gestatten, energisch dagegen anzukämpfen. Kalte, 2stündhcli
bis stündlich wiederholte hydropathische Einwicklungen, kalte bis laue,
eventuell auch warme Bäder , oder warme allmälig abgekühlte Bäder
sind in erster Linie zu empfehlen. Doch sind die Fälle häufig genug, wo
man aus diesem oder jenem Grunde (u. a. wegen Eccem- oder Pustel-
bildung auf der Haut des Rumpfes, so weit die Einwicklungen reichten)
die Hydrotherapie verlassen muss. Mau behilft sich dann am besten
mit einer regelmässig am spätem Vormittag (oder auf den Abend) ge-
reichten grössern Gabe, je nach dem Alter, bei altern Kindern bis auf
1,0 bis 2,0 gramms steigenden salicylsauren Natrons oder einer dem
Alter entsprechenden Dosis Chinins.
Besteht starke diffuse Bronchitis, kann man daneben je nach Um-
ständen Inf. ipecacuauhae , Liq. ammonii anisat. oder Ammon. chlorat.,
eine Natr. bicarb. haltende Lösung oder ein entsprechendes Mineral-
wasser nehmen lassen. Besteht nur lästiger trockner Husten, wird Mor-
phium oder (_)piimi in dem Alter entsprechender Gabe ordinirt.
Sind Cavernen nachweisbar, so bleibt sich die Therapie im ganzen
ziemlich gleich ; bei reichlicher Secretion wird man Adstringentienoder
Balsamica , bei fötidem Sputum : Oleum terebinthinae , Oleum Cadi-ln-
halationen , Theerwasserinhalationen (letzteres eventuell auch innerlich
zu gebrauchen) , sehr verdünnte Carbol- und Thymoleinathmuugen an-
wenden. Bei Hämoptoe ist die absoluteste Ruhe, intern und örtlich Eis,
sulicutane Injection oder der interne Gebrauch von Extract. secales cor-
nuti oder Ergotiu oder Acidum sclerotinicum zu empfehlen ; doch be-
hält das altbewährte Acidum Halleri, Acid. Sulf. dilut., das Acid. phos-
phoricum daneben immer noch seine Berechtigung ; ebenso Infusum se-
cales cornuti ohne oder mit Alaun ; und Morphium.
Cavernen und selbst Hämoptoe sind für das Kindesalter keine ah«
Oscar Wyss, Lungenschwindsucht. Prophylaxe und Therapie. 821
solute Contraindicationen gegen Gebirgs- selbst Hocbgebirgscuren (Da-
ves, Weissenbiu-g, Ctn. Appenzell), sofern die Lage des gewählten Ortes
eine geschützte ist.
Bei Pneumothorax ist eine symptomatische Behandlung indicirt ;
Ruhe , Eis , Narcotica ; nur bei chronischen Fällen und Integrität der
andern Lunge muss die Frage der Function und Aspiration sowie der
Incision und Drainage des Pleurasacks ventilirt werden.
Ihre besondere Berücksichtigung verlangen die Störungen von Sei-
ten des Digestionsapparates. Auch die leichtesten Symptome von Dys-
phyxie sind zu beachten. Noch sorgfältigere Auswahl der Nahrungs-
mittel , kohlensaure Alkalien , nach der Mahlzeit etwas Pepsin (Pepsi-
num germanicum solubile) mit 3 — 5 Tropfen Salzsäure in 2 Esslöffel
Wasser gelöst , 0,3 — 0,5 oder auch blos Acidum hydrochlor. , Amara
(Nux vomica , Gentiana , Extract. chinae) würden in solchen Fällen am
Platze sein ; wo Erbrechen oder Uebelkeit vorhanden , der Genuss eines
Natronsauerwassers, Selterser-, Sulzmatter-, Giesshübler-, Passugger-,
Vichy- Wasser u. a. m. ; oder Natr. bic. in Solution, Saturationen ; oder
Bismuthum nitric. in kleineu Gaben, Kreosot. Ist die Milch die Ursache
der Magenstörung (Uebelkeit , Druck) , so lasse man sie mit einem der
genannten Säuerlinge oder mit Natron bicarbon. genicssen. Stellt sich
Durchfall ein , ist dessen sorgfältige Hebung gleichfalls indicirt ; be-
steht er längere Zeit , so ist es oft sehr schwer , ihn zu bemeistern , und
doch ist er für die ganze Oekonomie des Organismus sowohl als auch
für das Fortschreiten der Lungenaffection von Wichtigkeit. Richtige
Auswahl der Diät ist auch hier wieder das erste. Wenn die Milch die
Diarrhoee befördert, lasse man Aqua Calcis eventuell Cacao, Eichelkaf-
fee, Gerstenschleim zusetzen oder koche sie mit etwas Gerstenmehl,
Hafermehl oder Linsenmehl. Obst, Gemüse lasse man bei Seite ; ersetze
sie durch kräftige Fleischbrühe , Fleischextractlösung , Fleischpepton,
Fleischpepton mit Cacao , das mit Wasser sowohl als auch mit Milch
gekocht gerne genommen wird.
Medicamentös sind Opium in Pulver oder schleimiger Mixtur, Bis-
muthum subnitricura, Tannin , Extract. ligni Canipechiani , Decoct. Ra-
tanhiae, Decoct. rad. Colomljo zu empfehlen ; auch wir haben von gros-
sen Gaben von Salzsäure in schleimigem Vehikel noch guten Erfolg ge-
sehen, wo alles andere im Stich Hess.
Wenn Oedeme, Ascites , Hydrops auch anderer Körperhöhlen vor-
liegen, gelingt es bisweilen durch reichlichen Milchgenuss die Diurese
so zu steigern und die Ernährung soweit zu bessern , dass die Oedeme
wieder theilweise, selbst ganz verschwinden. Warme Bäder, Einwick-
lungen, Schwitzeulassen unterstützen diese Intentionen, während nach
822 Krankheiten der Atbmvingsorgane. Lunge.
uiisern Erfahrungen Pilocarpin wegen seiner unangenehmen Nebenwir-
kungen gerade in solchen Fällen sehr grosse Vorsicht erheischt.
Die Nachtschweisse sind bei Kindern selten so lästig, dass sie Ver-
anlassung zu therapeutischen Eingriffen geben ; Mineralsäuren dürften
meist hinreichen , sie zu mildern ; es wird empfohlen , sie zu diesem
Zweck in kaltem Salbeithee zu ordiniren. Kalte Abreibungen, kalte
Waschungen event. Douchen könnten in zweiter Linie versucht werden
und erst in letzter Instanz Extract. Belladonnae oder in minimalster
Dosis, \'io bis höchstens '/s Milligram das Atropin.
Nierenaffectiouen, Amyloiddegeneration von Niere, Leber, Milz u,
a. Organe bedingen unsers Erachtens keine besondere Lulication als et
wa Unterhaltung der Diurese (Milch, Liq. Kali acetici, Tart. boraxat
etc.) und dass mau solche Kranke nicht mit weiten Reisen nach entb
genen Curorten zweck- und nutzlos quält : ein Grundsatz , der auch bei
ausgedehnter Erkrankung beider Lungen, liei starkem Fieber mit rasch
sich ausbildender Abmagerung und sichern Diagnose oder starkem Ver-
dacht auf Miliartuberculose befolgt werden sollte.
Literatur.
Die Lehr- und Handbücher von Rilliet und Barthez, Gerhardt,
Steiner u. a. m, — Dr. W e i s s, Phthisis nach Masern, Journ. f. Kdrkrkhtii
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Der hämorrhagische Infarkt. Sammlung klinischer Vorträge von R. Volkmann
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Lungenarterie. Virchow's Archiv Bd. 65. S. 99. — L. A t k i n s , Ueber Gan-
graena pulmonum bei Kindern. Diss. Zürich 1872.
Allgemeines.
Nachdem L a e n n e c den hämorrhagischen Infarkt Ijeschrieljen
hatte , wurde er bei Kindern sehr früh schon von Denis und Billard
berücksichtigt und nachgewiesen. Später scheint er ziemlich in Ver-
gessenheit gekommen zu sein , bis er durch die Arbeit von K ö s 1 1 i n
und durch eine Reihe vortrefflicher Abhandlungen von Rauchfuss
wieder zu Ehren gebracht wurde. Letzterem war es namentlich auch
möglich , die inzwischen erschienenen Forschungen V i r c h o w 's über
Thrombose und Embolie für die Verwerthung seiner an einem gross-
artigen Material gesammelten Beobachtungen hereinzuziehen. Dem
g24 Kianklieiten der Athmungsorgane. Lunge.
entsprechend hat die Krankheit in der Klinik der Kinderkrankheiten
von A. Steffen unter dem Namen: circumscripte Pneumonie auf dem
Wege der Gefässe , also durch Embolie oder Bepticämie entstanden —
eine recht eingehende Besprechung gefunden. Wenn man die pädia-
trische Literatur durchmustert, so findet man eine ziemlich grosse Zahl
von Einzelbeobachtungen vor. Man findet besondere Entstehungsweisen,
die mit der Schliessung der Fötalwege im Zusammenhange stehen und
einen bedeutsamen Einfluss auf die Entstehung des sonst im Kindesalter
so seltenen Pneumothorax vor. Die Diagnose allerdings erscheint weit
schwieriger als bei Erwachsenen, schon weil die wichtige Form des
blutigen Auswurfes fehlt , weil die Anfangssjmptome verwischt sind,
weil man nicht nur wie bei Erwachseneu von Pneumonie, sondern aucli
von Atelektase zu unterscheiden hat. ludess sind doch so manche An-
haltspunkte zur erfolgreichen Verwerthung der in neuerer Zeit begrün-
deten diagnostischen Regeln gegeben und lässt sich hofien, dass bei all-
gemeinerer Beachtung dieser Krankheitsibrm auch die diagnostischen
Schwierigkeiten, die sie bietet, öfter üljerwunden w^erden.
Anatomisclie Verhältnisse und Pathogenese.
Der hämorrhagische Infarkt findet sich häufiger an der Peripherie
als im Inneren der Lunge, gehört mehr den Unterlappen als den oberen
an und betrifft häufiger die rechte als die linke Seite. Letztere Angabe
findet sich schon bei Billard vor. Die an der Peripherie der Lunge
bilden vorwiegend keilförmige Heerde mit breiter , convexer von einem
Faserstoffnetz bedeckter Basis an der Pleura, indess die Spitze dem Hilus
der Lunge zugekehrt ist. Seltener sitzen unter der Pleura Platten oder
unregelmässige Knollen , wie .sich letztere öfter im Inneren der Lunge
vorfinden. Der Umfang des Infarktes ist hie und da sehr gering, dem
einer Erbse oder eines Kirschkernes gleich , kann aber auch bis zu fast
dem vollen Umfange eines Lappens heranwachsen. Das Gewebe ist auf
dem Schnitte dunkelschwarzroth , glatt , fest , luftleer , an der Grenze
luftarm. Nur wenig blutige Flüssigkeit lässt sich abstreichen. Die Be-
grenzung ist im Anfange difl'us, ein blutiges Oedem macht den Ueber-
gang zum gesunden Gewebe. In der Mitte des Infarktes oder an der
Spitze des Keiles , den er bildet , findet sich gewöhnlich ein verstopfter
Lungenarterienast. Seinen Inhalt bildet gewöhnlich ein derbes, ver-
färbtes Blutgerinnsel , das manchmal den Wänden anhaftet oder auch
schon in der Mitte zu einem puriformen Brei erweicht ist. Das Gerinn-
sel lässt sehr oft durch abgerissene Flächen , dadurch dass es auf einer
Bifurkationsstelle reitet oder durch zusammengerollte oder wie ein Fa-
den aufgewickelte Beschaffenheit seine embolische Abstammung er-
Gerhardt, Der hämorrhagische Infarkt. Anat. Verhältnisse. 825
kennen. Jüngere Schichten können sich schon bei Lebzeiten um den
eigentlichen Embolus angelagert haben. Anderemale sind mehrere Aeste
der Pulmonalarterie so gleichmässig mit Gerinnseln ausgegossen , dass
deren autochthone Entstehung wahrscheinlich wird.
Der Infarkt grenzt sich bei längerem Bestände schärfer ab. Seine
anfänglich schwarzrothe Farbe wird mehr grauroth, blassroth, der Um-
fang vermindert sich , der Schnitt wölbt sich weniger hervor und zeigt
ein trockeneres oder doch saftärmeres Aussehen. Unter günstigen Um-
ständen findet von da aus eine ununterbrochene Schrumpfung statt , so
dass er schliesslich einen gelbweissen harten kleinen Knoten unter der
eingezogenen Pleurafläche bildet. War dei- Embolus septisch inficirt und
war er nicht in eine wahre Endarterie gerathen (C o h n h e i m), so wandelt
sich der Krankheitsheerd in einen Abscess oder Brandheerd um. Derartige
eiterige Metastasen in der Lunge sind im Kindesalter durchaus nicht
selten beobachtet, so beschreibt Langen b eck einen abscedirenden
Lifarkt der Lunge , der von einer Sinusthrombose her embolisch ent-
standen war , F. W e b e r schildert eine Brandhöhle , die inmitten hä-
morrhagischer Infarkte bis zur Pleura reichte. Solche Höhlen können
durchbrechen und Pneumothorax verursachen, wie dies Rauch fuss
von einem 2wöchentlichen Kinde beschrieb, das seine Lungen - Emljoli
aus dem thrombosirten Ductus arteriosus Botalli entnommen hatte.
Auch der einfache Zerfall des infarcirten Gewebes ohne Eiterbildung
und ohne jauchige Produkte scheint öfter im Kindesalter vorzukonnnen.
So fanden R i 1 1 i e t und B a r t h e z bei einer Variolaleiche eine Caverne
mit geruchlosem Inhalte , aus einem Infarkt hervorgegangen , einzelne
Fälle von Rauch fuss und von Barrier weisen ähnlichen Befund
auf. Die aus einem Intarkt hervorgegangene Höhle, gleichgültig ob sie
Eiter, Brandjauche enthält, oder aus einfacher Erweichung hervorging,
kann ihren Inhalt durch einen Bronchus entleeren und zur Abgrenzung,
Reinigung , Schrumpfung und Heilung gelangen , oder sie nach Nekro-
tisirung und Durchbrechung der Pleura zum Pneumothorax führen, oder
durch Blutung oder bei den erstgenannten durch septische Infectiou
kann der tödtliche Ausgang erfolgen.
Die Pleura wird bei allen peripher sitzenden Infarkten in Mit-
leidenschaft gezogen, einfachsten Falles geschieht es durch Ablagerung
eines Faserstoffbelages auf ihre trübe und geröthete Olaerfläche. Wo
der Infarkt sehr massig ist, oder wo die entzündete Pulmonalpleura mit
der gegenüberliegenden costalen verwächst, bleibt es hiebei. Oder aber
ein reichlicher trüb seröser Erguss tritt hinzu. An der zurückgescho-
benen Lunge Icönnen deformirende pleuritische Vorgänge Platz greifen,
die oft zu seltsamen Umrollungen und sonstigen Formveränderungen
826 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
des infarcirten unteren Randes Veranlassung geben. So sah ich wieder-
holt ein Stück der Costaloberfläche der Lunge auf die Superficies dia-
phragmatica , da wo sie durch einen zerfulleuden Infarkt durchbrochen
war, mittelst Einrollung des Randes herangezogen und aufgelöthet. Für
die Entstellung des Pneumothorax im Kindesalter scheint der Infarkt
eine bedeutsamere Rolle zu spielen als die Lungenphthise.
Die meisten Fälle von hämorrhagischem Infarkt entstehen durch
Embolie. Man findet in den Leichen dann auch diejenigen thrombo-
tischen Veräuderungen , durch die das embolische Material geliefert
wurde. In dieser Beziehung hat das früheste Kindesalter Manches eigen-
thümliche aufzuweisen. Vor Allem gehört dahin die Thrombose des
arteriellen Ganges , die nach zwei verschiedenen Seiten hin ihre embo-
lischen Geschosse werfen kann, in das Aortengebiet und in den kleinen
Kreislauf. Rauchfuss fand unter 1800 Sectionen von Säuglingen
siebenmale Verstopfung der Pulmonalarterie , davon viermale emboli-
scher Natur, hievon wiederum zweimale durch Emboli aus dem Ductus
Botalli. Kommt es zur Zeit, wo der Gang sich schliessen sollte, ano-
maler Weise zur Thrombenbildung, so sollte man erwarten, dass auf der
Aortenseite des Ganges die Verhältnisse hiefür günstiger seien , denn
wo der Gang nur theilweise ofi'en bleibt, ist dies gerade in der Regel an
seinem Aortenende der Fall. Die Verschleuderung von Thromben wird
aber doch leichter nach dem Pulmonalgebiete hin stattfinden. Die
Thrombenbildung wird nothwendig eine Verzögerung des Schliessungs-
vorganges mit sich bringen. Inzwischen erlangt der linke Ventrikel
und der Aortendruck das Uebergewicht , und wenn eine Strömung in
dem Gange noch oder wieder stattfinden sollte , so muss sie von links
uiich rechts hinüber gehen und auch in dieser Richtung den Lauf von
Thrombusbröckeln bestimmen.
Die marantische Thromljose von Säuglingen kommt hauptsächlich
unter dem Einflüsse des Brechdurchfalles zu Stande , durch Eindickung
des Blutes verursacht. Sie hat andere Lieblingssitze , als die maranti-
sche Thrombose der Erwachsenen. Während es für letztere hauptsäch-
lich die rechtsseitigen Herzhöhlen , die Venen der unteren Extremität
und die Geflechte um Uterus und Prostata sind , muss man bei Neuge-
borenen und Säuglingen die H i r n s i n u s und die N i e r e n v e n e oben
anstellen. Es liegt nahe, einen Theil dieser Diff'erenz aus der vorwal-
tenden Horizontallage zu erklären , während später bei häufigerer ver-
tikaler Stellung die Venen der unteren Extremität nach und nach er-
weitert werden. An den Genitalorganen fehlt noch jene Dilatation der
Venen , die später aus functionellen Hyperämieen hervorgeht. In der
That finden sich Embolieen mit den zugehörigen Infarkten von Hirn-
Gerhardt, Der hiimorrhagisclie Infarkt. Anat. Verhältnisse, 827
sinusthrombose abstammend verzeichnet bei L a n g e n b e c k , Rauch-
fuss, Reimer u. A. Wenn ich nun auch von der Nierenvenenthrom-
bose, die sich immer mehr als ein häufiger Befund bei marantischen
Säuglingen herausstellt (vergl. die Arbeiten von 0. Po Hak, Parrot
und Hutinel), keine direkten Beobachtungen über Embolie der Pul-
monalarterie, die von da her abstammte, beibringen kann, so möchte ich
doch auf eine Stelle bei Bednar hinweisen, von der schon Beckmann
in seiner bahnbrechenden Arbeit über Nierenvenenthrombose die Ver-
mnthung aussprach , dass sie sich auf dieses Verhältniss beziehe. Viel-
leicht seien die Pfropfe in den Gefässen übersehen worden. Die Stelle
lautet: »Die Hämorrhagie der einen oder der anderen Niere entweder
in den Pyramiden oder in den Nierenkelchen , zuweilen neben Hämor-
rhagie der Lunge ergänzt in seltenen Fällen den Befund der au Brech-
durchfall verstorbenen Säuglinge.«
Ausser diesen beiden finden wir von embolisirenden marantischen
Thrombosen im Kindesalter erwähnt : solche aus dem rechten Herzen,
einmal aus dem Ventrikel , einmal aus dem Vorhofe bei Rauchfuss,
aus dem rechten Herzohr bei Billroth, aus dem rechten Ventrikel
bei Stur ges, aus der Vena cava infer. bei Wyss, aus der Cruralvene
(Lös ebner).
Auch die Thrombosen , die mit entzündlichen und traumatischen
Veränderungen an den Gefässwandungen in Beziehung stehen, haben
bei Neugeborenen einige besondere Entstehungsweisen. So erwähnt
K ö s 1 1 i n braune pyämische Lungenerweichung , die er von Verände-
rungen der Venae diploeticae bei Kephalhämatoni ableitet. Bednar
erwähnt unter den Ursachen von Lungenmetastasen Caput succedaneum,
und ebenso wie Köstlin Phlebitis umbilicalis. Auch Vereiterung des
subcutanen Bindegewebes in Folge des Erysipels und bösartige Formen
von Variola , selbst Vaccina werden öfter beschuldigt. Ein im Gefolge
von Variola entstandener erweichter hämorrhagischer Infarkt wird von
Rilliet und Barthez erwähnt. Besondere Bedeutung ist in der
Richtuno- noch beizumessen der Caries des Felsenbeines , wie sie sich so
oft aus Otorhoe entwickelt. Die hier in Frage kommende Thrombose
des Sinus transversus ist um so wichtiger, weil sie direkt an die Jugu-
larvene bereits anstösst , sich in sie fortsetzen kann , und weil es sich
meist um Krankheitsformen handelt , die in ihren Anfängen aufmerk-
sam behandelt nicht zu so schlimmen Ausgängen geführt hätten. Rechts-
seitige Endocarditis kommt seltener in Frage , doch mag ein Fall von
Hennig dafür angeführt werden.
Unstreitig entsteht nicht bei jeder Embolie ein blutiger Infarkt.
Es kann sich um capilläre Embolieen handeln , deren Folgen sich nur
828 Krankheiten- der Athmnngsorgane. Lunge.
microscopiscli abspielen , oder um grobe Massen , die angenblicldichen
Tod znr Folge haben. Im Kindesalter ist dies kaum beobachtet. Aber
auch sonst findet sich bei marantischen , blutarmen Individuen nicht
selten hinter dem Emliolus nur eine schlaffe graurothe Hepatisation,
Oedem der Lunge, selbst ziemlich unverändertes Lungengewebe.
Anderseits kommt hämorrhagischer Infarkt vor ohne Embolie,
durch autochtone Thrombose dÄ- Lungenarterie bedingt. Hierhin ge-
hören namentlich Fälle von Compression der Lunge und ihrer Gefässe
z. B. durch Plinaufdrängung des Diaphragraa's oder durch iutrathora-
cische Geschwülste. Auch die zahlreichen weisslichrothen Infarkte,
welche man bei Sectionen leukämiekranker Kinder oft in grosser Zahl
antriift, machen oft den Eindruck, als ob sie mehr von Anhäufung
weisser Blutzellen und örtlicher Verstopfung der Gefässe herrührten.
Krankheitszeichen.
Die Vorakte Ijlutiger Infarkte sind meisteutheils Thrombose und
Embolie.
Die Symptome der Thrombose können für einzelne Formen gut
ausgesprochen sein , so für die Verstopfung der Hirnsinus , der Crural-
vene ; für Thrombose des rechten Herzens sind die Symptome selten klar;
für die des arteriösen Ganges kennt man kein Symptom.
Bei Erwachsenen ist der Akt der Embolie in grössere Lungenar-
terienäste bezeichnet durch Frost, Ohnmacht, Athemnoth, blasses blei-
farbenes Aussehen , bei Kindern findet man nur selten einen Anfall von
Athemnoth oder Schwäclieanwandlung gut ausgeprägt , dagegen ist das
veränderte Aussehen schon öfter den Beobachtern aufgefallen. Dass die
Embolie eine solche kurzdauernde und nicht sehr hoch gehende Tempe-
ratursteigerung auch bei Kindern mit sich bringen kann , wie sie bei
Erwachsenen öfter aber keineswegs constant vorkommt , lässt sich von
vorneherein nicht bezweifeln, wenn auch der Beleg erst noch an klaren
Einzelfällen zu erbringen sein wird.
Der Infarkt selb.st bewirkt Athemnoth, die in den nächsten
Tagen sich rasch mindern oder in Folge hinzutretender pleuritischer
Vorgänge andauern und einen ähnlichen Charakter annehmen kann wie
bei croupöser Pneumonie : kurze , oberflächliche , von Schmerz unter-
Ijrochene Athemzttge, bei trockenem leerem Husten. Unter den phy-
sikalischen Zeichen stellen sich zuerst grobblasige Rasselgeräu-
sche , die man an dem unteren hinteren Theile der Unterlappen , meist
rechts findet und an der Stelle der Rasselgeräusche entwickelt sich im
Laufe einiger Tage eine verschieden umfängliche Dämpfung des Per-
cussionsschalles mit Verstärkung der Stimmvibrationen und vielleicht
Gerhardt, Der hämorrhagische Infarkt. Behandlung. 829
auch bronchialem Athmen. Je nach Umständen können pleuritische,
Höhlen- oder Pneumothorax-Symptome im weiteren Verlaufe hinzutre-
ten. Von der Dämpfung des Infarktes giebt bereits Billard ausführ-
lich an, dass man sie das Kind frei in der Luft haltend leise percutirend
am Rücken und den Seiten der Brust suchen müsse. Wenn der Aus-
wurf bei den Krankheiten der Athmuugsorgane kleiner Kinder meist
mangelt , namentlich bei der Pneumonie in der Mehrzahl der Fälle auf
dies werthvoUe Zeichen meist verzichtet werden muss, so verhält es sich
heim blutigen Infarkte kaum anders. Doch sind in einzelnen Fällen ver-
einzelte blutige Sputa beobachtet Avorden, so von K östlin bei einem
16 Tage alten Kinde.
Im Ganzen muss man zugestehen, dass im Kindesalter die Sym-
ptome unvollständiger und undeutlicher entwickelt zu sein pflegen als
bei Erwachsenen , so dass die Diagnose gar oft zwischen Atelektase,
Pneumonie und Infarkt schwanken wird. Den ungleich seltener vor-
kommenden Infarkt wird mau von jenen häufiger vorkommenden Zu-
ständen hauptsächlich von folgenden Gesichtspunkten aus unterscheiden
können. Die Erscheinungen setzen acut ein, mit der Embolie tritt eine
bedeutende Verschlimmerung des ganzen Befindens und Erschwerung
der Respiration ein , ähnlich wie bei einer Pneumonie. Dagegen ist
höchstens im ersten Anfange, sicher nicht mehr in den nächsten Tagen
der fortdauernden Erkrankung der Verlauf fieberhaft. Während die
Krankheit sich so fieberlos hinschleppt , entwickeln sich pleuritische
Symptome , namentlich frequentes , kurzes Atlimen , unterbrochener
Schrei, abgebrochener sichtlich schmerzhafter Husten. Atelektase
bringt dergleichen nicht mit sich. Wenn auch die Kleinheit des Pulses
und die Cyanose sich ähnlich wie bei Atelektase gestalten können , so
kommt doch oft bei zerfallenden Infarlcten eine icterische Hautfärbung
vor, die wieder mehr den pneumonischen Verhältnissen sich nähert.
Während die Atelektase langsam wächst und vielleicht nach längerer
Zeit durch das Hinzutreten bronchopneumonischer Prozesse fiel)erhaft
wird , entsteht die Dämpfung des Infarktes zwar aucli langsam uud bil-
det sich dann langsam zurück, aber sie ist höchstens im Beginne fieber-
haft, später nicht. Am ersten kann man dann die Diagnose mit einiger
Sicherheit stellen , wenn die embolische Quelle zuvor zu erkennen oder
doch zu vermiithen war.
Behandlung.
Die in Rede stehende Krankheit ist bisher meistens als unerwar-
teter Befund in Kinderleichen getroffen worden. Von einer ausgebil-
deten Therapie kann darum nicht die Rede sein. Man wird im ersten
830 Krankheiten der Athmungsoigane. Lunge.
embolischen Zeiträume der heftigen Dysjjuoe gegenüber narcotische
Mittel anwenden und Excitantien, also Of)ium , Morphin in kleineu Do-
sen und daneben Wein, Campher, Ammoniakalieu, Moschus. Von Blut-
entziehungen , die bei Erwachsenen wegen starker Cyanose indicirt sein
können , wird man bei Kindern kaum Gebrauch machen. Im weiteren
Verlaufe wird man sich auf die Vorsorge für gute Ernährung , reine
Athmungsluft und ein tonisches, antiseptisches Verfahren verlegen
müssen, ausgehend von der Ueberzeugung , dass die Hauptgefahr durch
den embolischen Act bedingt wird, dass der Infarkt an und für sich heilt
und höchstens noch durch septischen Zerfall weitere Gefahren bedingen
kann.
L u n g- e n g a 11 g r ä 11
von
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pag. 18, 1840. pag. 299, 1843 pag. 42, 1844. pag. 265, 18,50. pag. 176, 1854.
pag. 169, 1864. (MachenaudJ 1869. (M. Le'pine). — Sohmidt's Jahr-
bücher 46-47. pag. 287. 52-53. pag. 166. 54—55. pag. 33. 57. pag. 60. 103.
pag. 220. 1872. pag. 239. 1873. pag. 108. — Jahresbericht über die Fortschritte
der gesammten Medicin von Can statt und Eisenmann 1845. 3. B. pag. 347.
1843. 3. B. pag. 354. 1844. pag. 614. 1846. 3. B. pag. 219. 1865. 3. B. pag. 272.
1870. pag. 125. — Heiclelberger Annalen XII. I. 1846. — Prager Vierteljahr-
schrift XXI. 1864. pag. 92. IV. Band. Pädiatrische Mittheiluugen aus dem
Franz-Josef Kinderspitale zu Prag von Dr. Steiner und Dr. N e u r e u 1 1 e r
und Fischöl, Prager Vierteljahrschrift 1847. — Klinik der Kinderkrankheiten
von Dr. A. Steffen. II. Band. Berlin 1869. — üeber Gangraena pulmonum
bei Kindern von Louisa Atkins aus London. Inaugural-Dissertfition. Zürich
1872. — Casper's Wochenschrift No. 18. — Deutsche Klinik 15-17. 1859.—
De la gangrene du ponmon. These de Paris 18-10. pag. 14. par Lauren ce.
— Die Aetiologie des Lungenbrandes. Inaugural - Dissertation von Gustav
Cohen. Strassburg 1876. — lieber Lungenbrand von Prof. E. Leyden.
Sammlung klinischer Vorträge, herausgegeben von Richard Volkniann. No. 10.
— Medicinische Centralzeitung 1866. No. 27. (Jaffe). — Lancet 1848. pag. 2.
— Dubl. quaterly Journal 1850. Fall I. — Expe'rience I. pag. 327. Fall 4. Paris
1838. — Grisolle, traite de la pneumonie. Paris 1841. pag. 315. — Anato-
raische Beiträge der Krankheiten der Circulations- und Respirationsorgane von
Dr. Carl Eduard Hasse. Leipzig 1841. pag. 300-307. — V i rc h o w's Archiv
V. pag. 275. — Handbuch der speciellen pathologischen Anatomie von Dr. Aug.
332 Krankheiten der Athraungsorgane. Lunge.
Forst er. Leipzig 18.54. pag. 16.5. — Andral, Clin. me'd. Tom. Tu. obs.
64. - Handbuch der acuten Infectionakrankheiten. IL Theil von Ziemssen
pag. 88 und pag. 263. 1874. — Lungenbrand von H e r t z._ Handbuch der
Krankheiten des Respirationsapparats IL herausgegeben von Ziemssen 1874.
Die Lungengangräii im Kindesalter hat erst durch Boiidet uud
namentlich durch B ar th ez und Rill iet eine genaue Bearbeitung er-
fahren. Tau p in und Tour des bringen den Lungenbrand mit der
Gangrän des Mundes in Zusanunenliang ; B o u d e t, der 5 Fälle beobach-
tet hat , macht auf den scorbutischen Charakter dieser Krankheit auf-
merksam, und Barrier wie West haben je nur einen Fall von Lun-
gengangrän bei Kindern gesehen.
Der Fall von West betrifft ein 3j übriges Miidclien, das in seinem
2ten Leben^.jahre eine heftige Lungenentzündung überstand, und am 4.
Februar 1843 wieder anfing zu husten und kurz zu athmen.
Auf den Gebrauch von 0,03 C'alomel uud Pulv. Doweri, 3stündlich
verordnet, sowie nach Applikation von 4 Blutegeln unter der rechten
Scapula trat vorübergehende Besserung ein. Nach 10 Tagen ge-
sellte sich Noma hinzu, die ülceration des Zahnfleisches griff auf die
Palten der Unterlippe über. Drei Schneidezähne fielen aus, und unter
sich allmiihüg entwickelndem CoUaps starb das Kind, 19 Tage nach dem
Beginn der Krankheit. Bei der Sektion fand man die rechte Lunge mit
Ausnahme des oberen inneien fiandes des lechten Oberlajspens, der em-
physemafüs war, vollständig hepatisirt. In dem Oberlappen bemerkte
man nach dem Einschnitt eine unregelniässige Höhle in der Grösse eines
Hühnereies, nach verschiedenen Richtungen von Bronchien und Gefässen
durchkreuzt, biosgelegt, die eine schmutzig gelbgraue, äusserst stinkende
Masse enthielt, und in welche nekrotische Geweb.sfetzen hineinhingen.
Das umgebende Parenehym und auch andere Theile des Lappens zeigten
einen hohen Grad purulentei Infiltration, der untere Lappen enthielt
ebenfalls eine kleine Caverne , die etwas gelben , weniger übelriechenden
Eiter enthielt.
Nach der Autfassung von W est war die Lungengangrän von einer
eigenthümlichen Alteration des Blutes abhängig, und er stützt diese An-
nahme durch die Thatsache , dass der Lungenlirand häufiger zu Pneu-
monie bei exanthematischeui Fieber als zu idiopathischer Lungenentzün-
dung hinzutritt.
Bednar hat in der Findelanstalt zu Wien nur 2raal Lungenbrand
beobachtet. In dem ersten Falle handelte es sich um ein 3 Monate altes
Mädchen , das an Caries des Felsenlieins und an katarrhalischer Pneu-
monie litt. Bei der Autopsie fand man die oberen Lungenlappen blass,
voluminös, blutleer; in den unteren theils katarrhalisch verdichtetes Ge-
webe, theils lobuläre, mit stinkender missfarbiger Flüssigkeit infiltrirte
Stellen, in den Bronchien gelblich grünen, stinkenden Schleim. Der
zweite Fall betriflt ein 2 Monate altes Kind mit hereditärer Syphilis,
bei welchem im Verlauf einer heftigen Otorrhoe mit consekutiver Caries
des Felsenbeins der äussere Gehörgang gangränös wurde, und wo man
bei der Sektion einen grossen Theil des linken oberen Lappens morscb,
Kohts, Lungengangrän. 833
bräunlich, missfarbig, von einer liriiunlicben, trüben Serosität erfüllt vor-
fand, dei- den rharakteristisclien Geruch des Lungengangrän darbot.
Hennig's eigene Beobachtungen über Lungengangrän beziehen sich
auf ein Mädchen von 2 Jahren , welches nach Masern unter fieberhaften
Erscheinungen eine Verdichtung des linken unleren Lungenlappens und
Intestinalkatarrh zurückbehielt, und zu Grunde ging, ohne iro Leben Sym-
ptome der Lungengangrän darzubieten.
Bei der Obduktion constatirte er difi'usen Lungenbrand links hinten
unten, dui-chsprengt mit käsigen Heerden circumscripter Pneumonie. In
der rechten Lunge Bronchiolitis , Oedem , chronische Tuberculose. Die
Lungenpleureu Ijeiderseits waren fast vollständig mit den Costalpleuren
verwachsen.
Vogel beobachtete einmal einen Fall , in welchem ein 14jähriger
Knabe Lungengangrän accjuirirte, nachdem beim Lachen eine Grasähre
in den Larynx gelangt war. Kach einigen Tagen stellten sich die Sym-
ptome einer Pneumonie ein, das Fieber wurde unregelmässig, und nach
Expektoration von stinkendem Auswurf mit Lungenfetzen war die Dia-
gnose auf Lungenbrand gesichert. Der Patient hustete Monate lang stin-
kende Massen aus, und erst nach 6 Jahren war von der Caverne, die
sich im Laufe der Krankheit entwickelt hatte , kaum noch etwas nach-
weisbar.
Eine ähnliche Beobachtung besitzen wir von Dr. A. Eothmund:
Ein 16jähriger gesander Knabe verschluckte am 21. September 1853 eine
Aehre von hordeum murinum. Einige Minuten nachher entstand Wür-
gen und Erstiekungsangst; dann trat aber wieder Erleichterung, und
erst am folgenden Tage ein Sstündiger Frost mit folgender Hitze und
Erbrechen ein. In der Nacht vom 5ten zum 6ten Oktober entleerte der
Patient unter anstrengendem Husten eine widerlich riechende, mehr als
2 Quart betragende Flüssigkeit , mit grünen Fasern durchsetzt , durch
Mund und Nase. Am nächsten Tage constatirte man Dämpfung in der
Mammargegend von 2V2". Puls 124, cavernüses Athmen. Am 7ten Ok-
tober erfolgte eine neue Expektoration stinkender Massen mit Pflanzen-
fasern vermischt. Bis zum Jahre 1854 wurden öfters stinkende Massen
ausgehustet, und nach einem längeren Aufenthalt in einem milden Klhna
hatte sich der Patient im Jahre 1855 vollständig erholt.
Lungenbrand durch das Verschlucken eines circa IV2 Cent, laugen,
und circa V2 Cent, breiten Knochenstücks beobachtete ich in der hiesigen
Kinderklinik bei einem 6 Jahre alten Mädchen. Nach Expektoration des
Knochens nach 10 Monaten, erholte sich das Kind allmählig, und es trat
vollständige Heilung ein.
Casuistische Beiträge .sind von Weber, Lös ebner, Langen-
beck in Gottingen, Chavignez, Hersert, Tonne, Stohlmann,
Sainet, Blin, Macheuaud, Sturges, M. Lepine, Louisa
Atkins u. A. geliefert worden.
Ausführliche Monographien über die Lungengangrän der Kinder exi-
stiren von Barthez und Rilliet, Steiner und N e u r e u 1 1 er und
A. Steffen.
53
Haodb. d. Kinderkrankheiten. III. 2.
m Alter
von 9 Jahren 2,
^i »
» 10
» 2,
» »
» 12
» 2,
» »
» 13
» 1,
» »
» 15
» 1.
834 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Vorkommen und Aetiologie.
Die Lungengangrän kommt schon in den ersten Lebensjahren vor.
Bednar constatirte sie bei einem 2- und einem 3monatlichen Kinde.
Boudet's Beobachtungen beziehen sich auf Kinder zwischen dem 2ten
und 12ten Lebensjahre. Barthez und Rilliet beobachteten Lmigen-
braud bei Kindern von 2 ','2 bis 15 Jahren, nach dem 6ten Lebensjahre
häufiger als vor demselben ; unter den 18 Fällen vertheilte sich die Lun-
gengangrän hinsichtlich des Alters folgendermassen :
Im Alter von 2 '/z Jahren 1,
» » » 3 » 2,
» » » 4 » 2,
» » » 5 » 1,
» » » 6 » 2,
» » » 8 » 2,
Unter den von Steiner und N e u r e u 1 1 e r citirten Fällen war das
jüngste Kind 4 Monate, das älteste 12 Jahre alt. F i s chel fand unter
SO Fällen , von denen 25 in der Irrenanstalt , 55 im allgemeinen Kran-
kenhaus zu Prag behandelt wurden , Lungengangrän
im Alter von 2 Jahren Imal,
» » »11 » 1 »
» » » 16 » 2 »
Unter 60 Fällen von Lungen brand, die Lebert zusammengestellt hat,
(darunter 32 eigener Beobachtung) kamen auf das 1 — lOte Jahr 6, auf
das 11 — 20te 4 und die grösste Häufigkeit fällt auf das 20 — 30te Jahr.
Eine Statistik von L au r eure aus Pariser Spitälern ergiebt unter
63 Kranken , die an Lungengangrän litten,
im Alter von 1 — 10 Jahren 1,
» » » 10—20 » 5,
und am häufigsten wurde die Krankheit zwischen dem 20ten und ROten
Jahre beobachtet.
Steffen hat auf das Exakteste 3 Fälle von Lungenbrand bei Mäd-
chen im Alter von 4, 5 und 13 Jahren mitgetheilt, und während meiner
Thätigkeit an der Strassburger Kinderklinik hatte ich fünfmal Gelegen-
heit, Lungenbrand bei einem 8 Monate alten Kinde, bei einem 3-, 6- und
14jährigeu Mädchen, ferner bei einem 4jährigen Knaben zu beobachten.
Der Lungenbrand ist immer ein secundärer Process , und , wie
Cohen in seiner Dissertation »Die Aetiologie des Lungenbrandes« ganz
besonders hervorhebt, muss vorher stets ein anderer primärer putrider
Process im Organismus vorhanden sein. Fälle von genuiner Pneumonie,
die in Gangrän endeten, sind bei Kindern nicht beobachtet worden, und
4
Kohts, Lungengangrän. Vorkommen und Aetiologie. 835
es lässt sich annehmen , dass Lungengangrän stets durch Fäulnisserre-
ger zu Stande konamt, die in die Lunge eingeführt werden. Dabei wer-
den die Fäuhiisskeinie entweder mit dem Beginn des zur Nekrose füh-
renden Processes in der Lunge abgesetzt, oder sie sind schon vorher vor-
handen, wie in dem von Cohen mitgetheilten Falle (cf. loc. p. 19).
Die Einführung von Fäulnisskeimen findet statt :
1) Durch die Gefässe , und zwar durch septische Embolieen (viel-
leicht durch parasitäre Embolieen und Embolieen durch Mikrobakte-
rien), oder durch makroskopisch nicht nachweisbare Einfuhr von Fäul-
nisserregeru aus andern bösartigen Eiterheerden , — durch infectiöse
Embolie von Capillaren , vielleicht in seltenen Fällen auch ohne solche.
2) Durch die Bronchien, indem die in dieselben hinein gelangten
Körper eine septische Entzündung erregen , oder, indem die durch Em-
bolieen bedingten Nekrosen des Lungenparenchyms unter dem Einfluss
eines in den Bronchien schon vorhandenen putriden Materials brandig
werden (Cohen).
Resorption von jauchigen, septischen Stoifen, sei es durch die Ge-
fässe oder die Luftwege, findet man namentlich bei Pyämie, bei cariösen
Processen im Knochen, nach Infectionskraukheiten, wie Scharlach, Ma-
sern, Pocken, Typhus, Erysipelas , und am häufigsten bei Gangrän oder
Diphtherie anderer Organe. Schon B oud e t macht auf die Complica-
tion der Gangraena pulmonum mit Gangrän anderer Organe aufmerk-
sam , und zwar constatirt er die Lungenaffection complicirt mit :
Gangrän des Oesophagus 1 Mal,
» des Zahnfleisches und des Oesophagus 1 »
» des Mundes 1 »
» der Wange
» des Zahnfleisches
» der Zunge
» des Gaumens
» des Gaumens und der Submaxillar. 1 »
Unter 18 Fällen constatirten Bart hez und Ri Hie t gleichzeitig
mit Lungenbraud
Gangrän des Mundes ^ ^^'^^
» des Oesophagus ^ *
» des Larynx und Pharynx 1 *
» der Brouchialdrüsen und der Pleura 1 »
» der Bronchialdrüsen, der Pleura u. des Oesophagus 1 »
» der Pleura 1 *
Nach den Zusammenstellungen von Cohen scheinen die Infections-
kraukheiten mit Ausnahme des Erysipels und der Diphtheritis , viel-
53*
1
83G Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
leicht der malignen Endokarditis und Osteomyelitis , dann Lnngengan-
grän im Gefolge zu haben, wenn anderweitige septische Heerde bestehen.
Freilich fehlen bei Luugengangrän nach Masern , Scharlach , Typhus
auch häufiger die geforderten Bedingungen.
Von 16 Patienten, die B a r t h e z und R i 1 1 i e t an Luugengangrän
behandelten, war dieselbe mit andern Krankheiten complicirt, und zwar
folgendermassen (1. c.) :
16 Fälle von Lungengangrän bei Masern mit und ohne Pneumonie 3 Mal,
mit Pocken
,, Scharlach
„ typhöser Enteritis
„ akuter Tuberkulose mit Darmentzündung
„ allgemeiner vmd partieller Tuberkulose mit u. ohne Pneumonie
„ Dannentzündung und allgemeinem Collaps
„ chronischer Meningitis
„ Typhus
„ Bronchitis
„ Pleuropneumonie . .
Die Krankheiten, in deren Verlauf Steiner und Neureutter
bei 24 Fällen Lungenbrand beobachteten, sind, der Häufigkeit nach ge-
ordnet , folgende (1. c.) :
Lymphdrüseutuberkulose mit oder ohne chronisi'hc Darjukafarrh 5 „
Typhus 3 „
Follikularkatarrh und Dysenterie 3 „
chronische Bronchopneumonie , Darmkatarrh und Lymplidrüsen-
hyperplasie 3 „
Bronchitis, Bronchieefasie , Üarmkatarrh . 2 „
Morbilli ...... 2 „
Variola 1 j,
Skarlatina 1 ^^
(Jaries des Felsenbeins, Thrombose des Sinus transversus, eitrige
Meningitis, ohroni.'-cher Darmkatarrh 1 „
Caries des Fussgelenks, Lymiilidrüseutnberkulose .... 1 „
Lymphdrüsen- und Lungentuberkulose, Meningitis fuberculosa,
Furunculosis , Darmkatarrh .... 1 „
Summa 24 „
Unter 5 von mir behandelten Fällen war Lungenbrand complicirt
mit allgemeiner Tuberculose und verkästen Bronchialdrüsen Imal, mit
Diphtheritis Imal , Caries des Felsenbeins Imal , Coxitis und secuudäre
Thrombose Imal.
Bei cariöser Otorrhoe kommt es relativ häufig vor , dass sich Lun-
gengangrän entwickelt , ohne dass man im Staude ist , den Lifections-
heerd zu eruireu, von dem aus kleine Embolien in die Lungen eingeführt
winden. Nach Ley d en ' s Annahme handelt es sich in solchen Fällen
um nicht nachweisbare Metastasen aus Thrombosen der Felsenbein venen,
Kohts, Lungengangi-än. Vorkommen und Aetiologie. 837
und diese Ansicht findet eine Stütze durch zwei Beobachtunsen Trau-
be's, wo die Infection auf dem von Leyden angenommenen Wege
vorkam (Deutsche Klinik 1853. Nro. 37. p. 409). Bei deutlichem In-
farct in den Lungen und Lungengangrän, waren wandständige Throm-
bosen in der gleichnamigen Vena jugularis vorhanden. Lungenbrand
bei Caries des Felsenbeins, Thrombose des Sinus transversus und eitrige
Meningitis wurde auch von Steiner und Neureutter beobachtet,
und ich selbst behandelte in diesem Jahre in der Kinderklinik ein Mäd-
chen von 14 Jahren, das an Caries des Felsenbeins mit consecutiver Lun-
gengangrän litt, bei welchem man nach dem Tode im Sinus transversus
dexter eiterig zerfallene Thrombusmassen vorfand, die exquisit stinkend
waren , und wo sich deutliche Spuren von Entzündung und Verdickun-
gen der Sinus- Wandungen bis an und in die Jugularis nachweisen Hes-
sen (s. Krankengeschichte).
Volkmann nimmt an, dass bei Caries des Felsenbeines durch Her-
abfliessen der Jauche aus der Tuba in den Rachen und in die Luftröhre
Lungengangrän zu Stande komme.
Zuweilen werden die ätiologischen Momente für den Lungenbrand
dunkel bleiben ; es liegt dabei näher , den Fäulnissprocess dem Einfluss
der athmosphärischen Luft zuzuschreiben , als sich mit der Annahme
einer gangränösen Diathese älterer Autoren zu begnügen (Laurence
p. 24).
Verschluckte Fremdkörper , Grasähren (R o t h m u n d - V o g e 1),
Knochenstücke (Leyden), ein verschluckter Kirschkern, (Jaffe),
ein Fischwirbel (Laurence) können ebenfalls zur Entstehung des
Lungenbrands beitragen. Lungengangrän nach Perforation von Bron-
chialdrüsen ist von Barthez und Rilliet (c. 1. pag. 409. Tome IL
1861) und von mir beobachtet worden (Conf. Krankengeschichte 4.).
Es handelt sich um ein Sjähriges Kind, welches im Verlauf einer
allgemeinen Tuberculose Lungengangrän acquirirte. Die beiden Pleura-
blätter waren durch dicke und feste tuberculose Einlagerungen verwach-
sen. Nach Trennung dieser Adhäsionen gelangt man mehr an der Wurzel
der Bronchien auf eine Drüse, die der inneren Oberfläche der Lunge an-
liegt. Beim Aufschneiden sieht man eine grosse Höhle, deren Wandun-
gen schwärzlich sind, und welche einen gangränösen Geruch verbreiten.
Diese Caverne , welche ungefähr 4 Centimeter rnisst , communicirt oben
nach der Bifurcation zu mit dem linken Bronchus, nach unten geht sie
in eine tuberculose und zur Hälfte erweichte Bronchialdrüse über.
Lungenbrand nach einfacher Contusion des Brustkorbes , wie von
Grolding, .Stokes, Grisolle, Schroedervan der Kolk, Four-
net und neuerdings L e y d e n berichtet wird, ist bisher bei Kindern
nicht zur Beobachtung gekommen. Ebenso ist es nicht bekannt, dass
im kindlichen Alter Lungengangrän durch Perforation der Lunge vom
g38 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Oesophagus her , durch Abscesse und Jaucheheerde in der Brust- oder
Bauchhöhle entstanden ist.
Beim Durchgehen der in der Literatur verzeichneten Fälle sehen
wir, dass der Lungenbrand sonst nur im Verhuif von Krankheiten auf-
tritt, welche den Ernährungsstand herabsetzen , und die Blutbildung in
sehr schwächender Weise beeinträchtigen. St ef f en knüpft daran die
Hypothese, dass unter eintretendem Collaps, bei geringereu Excursionen
des Thorax und mangelhafter Expansion der Lungen , endlich bei der
Schwächung der Herzaction die Möglichkeit zu Thrombosen in den Lun-
gen gegeben ist, die ebenso wie ausgebreitete capilläre Embolieen Gan-
cfrän des betreffenden Gefässbezirks nach sich ziehen können.
Malariasiechthum , acute Exantheme , Typhus , Tubei'culose , lang-
dauerude Darmaffection , chronische Bronchitis sind die hier vorzugs-
weise zu erwähnenden Leiden , welche prädisponirende Momente abge-
ben. Der schädliche Einfiuss schlechter, unreinlicher, feuchter, mangel-
haft ventilirter Wohnungen, schlechter Nahrung lässt sich nicht läug-
uen. In besseren Familien Ijei entsprechender Pflege und Behandlung
wird Gangraena pulmonum nur ganz ausnahmsweise beobachtet.
Die Lungengangrän und Tuberculose schliesseu sich keineswegs
aus, wie von manchen Autoren behauptet wird. Unter den von Bar-
th ez und Rilliet beobachteten 17 Fällen bestand lOmal Tuberculose,
und in der Mehrzahl der von Steiner und N e u r e u 1 1 e r behandelten
Patienten bestand, wenn auch keine ausgebreitete Lungentuberculose,
so doch ziemlich weit gediehene Drüsentuberculose.
Das männliche Geschlecht scheint zu dieser Krankheit mehr zu in-
cliniren als das wei))liche , wie wenigstens aus den Beobachtungen von
Steiner und N e u r e u 1 1 e r und Rilliet und B a r t h e z hervorgeht.
Die bei weitem grösste Zahl der von Lungenbrand befallenen Kin-
der fällt in die Zeit der ersten sechs Lebensjahre, was ohne Zweifel mit
der Thatsache übereinstimmt , dass die secundäre Pneumonie in den er-
sten Leben.sjahren viel häufiger vorkommt, als in den späteren (Steiner,
Neur eutt er).
Zur Illustration der ätiologischen Momente und des Verlaufs der
Liuigengangräne lasse ich in kurzem Auszug die Krankengeschichten
von 4 Patienten folgen , die in der hiesigen Kinderklinik zur Beobach-
tung kamen.
1. Cholesteatom im rechten Ohr. — Entzündung und Verdickung der
Sinuswandungen bis in die Ve. jugularis. — Caries des Felsenbeins. —
Pyäniie. — Lungengangrän. — Latenter Verlauf.
Catharina Hecht , 14 Jahre alt , wurde am 29. August 1876
auf die Kinderklinik gebracht, und die Angehörigen gaben dabei an.
Kohts, Limgengangrän. Vorkommen und Aetiologie. 839.
dass die Patientin von jeher ein scliwUchliches Kind gewesen sei , und
häufig an Drüsenansehwellungen gelitten habe, die öfters Incisionen noth-
wendig machten. Seit langer Zeit soll ein Ausfluss aus dem rechten Ohr
bestehen. Vor 8 Tagen sei sie plötzlich sehr matt geworden, hätte über
heftige Kopfschmerzen geklagt, und sei ausser Stande gewesen, zu gehen
und mit dem Kopfe vor Schmerzen irgend eine Bewegung zu machen.
Sie hätte keinen Appetit , viel Durst und grosse Hitze am Abend be-
kommen, und seit jener Zeit wären diese Symptome stets dieselben ge-
blieben. ~ Husten hätte sie nie gehabt.
Am 29/8. , unmittelbar nach ihrer Aufnahme in das Spital,
hatte die Patientin einen starken Prost , der ungefähr '/^ Stunde an-
dauerte.
Status praesens am 30 / 8. : P. ist ein ziemlich kräftig ent-
wickeltes Mädchen, mit starkem Panniculus adiposus, massig kräftiger
Musculatur. Das Gesicht voll, die Wangen geröthet, Lippen eher blass,
Temperatur 39,4, Puls 124 von massiger Spannung, deutlich dicrot. Re-
spiration 36. Gesichtsausdruck leidend. Das Sensorium ist etwas benom-
men. Schlaf ziemlich gut. Die subjectiven Beschwerden beziehen sich auf
heftige Kopfschmerzen, die nicht genau localisirt werden. Die P.
nimmt active Rückenlage ein, der Kopf ist nach rechts geneigt. In der
Nähe des linken Unterkieferwinkels befindet sich eine Narbe, und rechts
am Halse und unterhalb des rechten Ohres sind mehrere Narben sicht-
bar. Aus dem rechten Ohr fliesst eine massig reichliche eiterige übelrie-
chende Flüssigkeit. Beim Aufsitzen der P. Ijleibt der Kopf nach
der rechten Seite geneigt ; active Bewegungen können mit demselben
nicht ausgeführt werden. Auf Geheiss, mit dem Kopfe Seitwärts oder
Drehbewegungen auszuführen, dreht P. den ganzen Körper nach rechts,
während die Haltung des Kopfes unverändert bleibt.
Die Haut am Rumpfe von etwas gelblicher Färbung, ist heiss
und trocken anzufühlen. Oedeme oder Exantheme sind nicht vorhanden.
Vonseiten der Respirationsorgane nichts Abnormes. Kein Husten,
kein Au s wurf.
Die Zunge ist stark weisslich belegt, an den Rändern roth, und wird
zitternd herausgestreckt. Appetit nicht vorhanden, kein Erbrechen. Das
Abdomen ist etwas aufgetrieben, bei Palpation nicht schmerzhaft. Keine
Roseola. Der vordere Milzrand ist durchzufühlen. Im Laufe des Tages
erfolgten 5 Stühle von diarrboischer gelblicher Beschaffenheit. Der Urin
etwa 200 Cc. von röthlich bi'auner Farbe, ist ziemlich klar; das speci-
fische Gewicht 1015. Reaction sauer ; kein Albumen. Die P. hatte nun
in den nächsten Tagen ein unregelmässiges Fieber, das zwischen 37,8
bis 40 schwankte , der Ausfiuss aus dem rechten Ohr wurde ziemlich
beträchtlich uud sehr üljelriechend , die Respiration war etwas beschleu-
nigt, 32—36; wurde zuweilen durch Hustenstüsse unterbrochen, ohne
dass etwas expectorirt wurde, und nachdem am 2ten November aus dem
rechten Ohr eine ziemlich starke Blutung stattgefunden hatte, bekam
die P. einen heftigen Schüttelfrost, der c. Va Stunde dauerte. Dieser
Prost wiederholte sich am 3/9. und zweimal am 4/9. Die Temperatur
war an diesen Tagen am Morgen 37,9, Abends 39,5, zur Zeit des Schüt-
telfrostes 40, und 39,9. Der Puls schwankte zwischen 116 und 132, die
840 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Respiration zwischen 32 — 36. Das Sensorium war am 4/9. sehr benom-
men, die Otorrhoe war stark, foetid , und bei der Untersuchung der
Brustorgane eonstatirte ich hinten rechts in der Fossa supraspinata, und
tinterhalb der Spina scapulae bronchiales Exspirationsgeriiusch ; in den
unteren Lungenparthien links war das Athmungsgeriiusch aligeschwäuht,
hin und wieder durch Rasselgerilusche verdeckt. Tn den nächsten Tagen
wiederholten sich die Schüttelfröste, die Temperatur schwankte zwischen
39,9 und 41 , der Puls zwischen 124 — 136, die Respiration zwischen
36—40. Kein Sputum, kein foetor ex ore. Dabei bestanden während
der ganzen Zeit Diarrhoeeu, der Urin enthielt niemals Albumen. Die
Therapie mit Chinin, salicj^lsaurem Natron und Natr. acetic. 5 : 180 (2-
stündlich 1 Esslöffel) hatten gar keinen Erfolg. Am 12/9. 107a Uhr
Morgens erfolgte der Tod.
Obduction am 12/9. (Dr. Pri edlä nd er.)
Musculatur dunkelbraun , Magen durch Luft stark ausgedehnt.
Kleine Ecchymosen im Pericardium. Im rechten Pleuraraum befinden
sich geringe Mengen eines exquisit stinkenden Exsudats. Der untere
Lappen der rechten Lunge ist luftleer , infiltrirt, von Erbsen- bis Wall-
nussgrossen Abscessen durchsetzt. Die Wandung der Abscesse ist stark
missfarben, zum Theil fetzig. Die Schleimhaut der Bronchien ist stark
geröthet. Eme der zuführenden Arterien ist von zerfallenem thromboti-
schen Material gefallt. Um diese Stelle herum ein erweichter Abscess.
Der obere Theil des oberen Lappens ist derb infiltrirt, zeigt starkes
Oedem und reichlichen Blutgehalt; an der vorderen Spitze befindet sich
ein kleiner jauchiger Abscess. Die linke Lunge ist frei. Rechts neben
der Submaxillaris nach innen und unten befindet sich ein Haselnuss-
grosser mit intensiv trübem und stinkendem Eiter erfüllter Abscess. Die
Wände desselben sind sehr missfarben. Die Vena jugularis ist in der
Nähe des Abscesses mit fest anhaftenden Tbromliusmassen durchsetzt und
vollständig obliterirt. Die Carotis ist unverändert. Am Kehlkopf und an
dei Basis der Arytänoidknor] lel ein tiefes necrotisches Ulcus. Die Milz
ist sehr gross, mit dem Zwerchfell verwachsen, Follikel gross, pulpa
blass.
In den Nieren diffuse Trübung der Rindensubstanz; starke Füllung
der Venae stellatae. Pigmentirung der Peyer'schen pläc^ues.
In der Gegend der Sehnerven befindet sich eine eitrige Schwarte,
die sich am Austritt des 7— 8tcn Nervenpaares verdickt. Im Sinus lon-
gitudinalis grosse speckhäutige und dunkele Gerinnungen. Ebenso be-
merkt man im Sinus transversus sinister Gerinnungen. Von der Kreu-
zungsstelle a,n bis in die Nähe des Schläfenbeins ebenfalls ein Gerinnsel,
das im weiteren Verlauf eiterig zerfällt.
Die Aussenfläche der Dura ist intact ; nach hinten vom Poms acu-
sticus internus ist die Dura in der Ausdehnung von c. 1 Centimeter
durch einen Abscess hervorgewölfit.
Am stärksten ist der eiterige Zerfall des Thronibus im Sinus am Po-
ramen lacerum, wo sich auch die Abscesse befinden. An dieser Stelle ist
eine Membran nicht mehr zu constatiren, sondern die rauhe Knochen-
wand des Foramen lacerum liegt blos. — Schon 3 Centimeter vom Po-
ramen lacerum ist die Sinuswand verloren gegangen, hier stösst der
Kohts, Limgengangrän. Vorkommen und Aetiologie. 841
schmutzig verfärbte Knochen an den Thrombus an. Die eiterig zerfallene
Thrombusmasse ist exquisit stinkend, die oben erwähnten Abscesse an
der Submaxillaris setzen sich hinten vom absteigenden Ast des Ober-
kiefers bis in die Flügelganmengrube hinein fort. Ausserdem befindet
sich hinter dem Meatus auditorius externus ein Abscess, der in die Pau-
kenhöhle hineinführt.
Hechtes Felsenbein: (Dr. Kuhn). Der knorpelige Theil des äusseren
Gehörganges ist normal; am Ende desselben, also gleich beim Beginn des
Meatus osseus führt eine Centimeter breite, 1 Centim. Iiohe Oeft'nung in
eine geräumige Knochenhöhle, die durch die Zerstörung der vorderen
und unteren knöchernen Gehörswand direct mit der Unterkiefergelenks-
grube^ communicirt, nach hinten den horizontalen Theil des Processus
mastoideus vollständig einnimmt, und densellien bereits nach vorn per-
forirt hat ; nach innen und vorn dehnt sich der Hohlraum bis unter das
papierdünn gewordene Tegmen tympani aus , nach hinten und oben
schhesslich besteht ein Knochendurchbruch, der nach der hinteren Schä-
delgrube in den Sinus transversus direct mündet. Die perforirte Kno-
chenstelle ist von zackigen Bändern umgeben, und l)esitzt die Grösse
einer kleinen Bohne. Die knöcherne Halbrinne des Sinus ist in ihrem
hinteren Abschnitte cariös angefresssen . und es lassen sich durch den
ganzen Smus hindurch deutliche Spuren von Entzündung und Verdickung
der Sinuswandungen bis an und in die Jugularis nachweisen.
Die einzelnen Theile der Paukenhöhle sind vollständig zerstört, we-
der Knöchelchen noch Muskeln vorhanden; die Labyrinthen wand jedoch
völlig intact; der knöcherne Tubenabschnitt mit der Knochenhöhle eben-
falls verschmolzen.
Im Inneren dieser grossen Ijlasenförmigen Knochenhöhle liegen zahl-
reiche Massen einer schmutzig weissen käsigen Substanz, die unter dem
Microscop neben zahlreichen Detrituselementen noch sehr deutlich die
characteristischen grossplattigen Zellen des Cholesteatoms mit starker Cho-
lestearinbeimengung erkennen lässt.
2. Coxitis. — Resectio coli, femoris. — Thrombose. — Hämoptoe,
foetor ex ore , Lungengangrän , lethaler Exitus (Beobachtung aus der
Klinik des Herrn Prof. Dr. Lücke):
Wilhelmine Dolch, von schwächlicher Constitution, 3 Jahre alt, litt
an einer Coxitis dextra, deretwegen am 18. Mai 1876 die Eesection des
Hüftgelenks unmittelbar unter dem Trochanter vorgenommen wurde.
Nach der Operation hatte das Kind vier Tage lang ein massiges Fieber
und war dann bis zum 15. Juni fieberfrei. Von diesem Tage an verlor
die kleine F. den Appetit , kam täglich mehr herunter und die
Granulationen wurden schlaif. Am 26. Juni fing das Kind an zu fiebern,
und es stellte sich Husten ein ; am 28. Juni erfolgte eine ziemlich
starke Hämoptoe (4 bis 5 Esslöflel) , die sich am 5. Juli wiederholte.
Unmittelbar daniach wai das Kind sehr angegriffen, hatte starke Dys-
pnoe, und autfallend erschien der äusserst stinkendeGeruch
aus dem Munde. Unter zunehmendem CoUaps starii das Kind am 10.
Juli. Die Autopsie wurde am 11/7. von Prof. v. Reckling hausen
gemacht und aus dem Sectionsprotocoll ist folgendes hervorzuheben :
842 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Ausserordentlich starke Abmagerung, Ecchymosen am Arm, kein Icterus,
zahli-eiche kleine Ecchymosen am Bauch. Das Zwerchfell steht rechts
höher als links. Beide Lungen sind total adhärent, namentlich die rechte.
Beim Abheben der Thoraxwand entleert sicli eine Caverne der rechten
Lunge, in welcher sich ein gangränös riechendes Fluidum von grauer
Farbe vorfindet , das theils schwärzliche , theils weissliche Flocken ent-
hält. Das Herz ist ziemlich klein, in demselben klumpig geronnenes Blut
ohne Speckhaut. Li der Vena jugularis int. sin. befindet sich eine feste
dunkelrothe Thrombusmasse, in der Vena subclavia dext. ist ein weicher
ThL'ombus voihanden, dem sich ein weisslicher derber Thrombus in der
Vena anonyma anschliesst; letztere ragt noch in die Vena cava superior
hinein. Die Vena subclavia sinistra wird ebenfalls durch einen Thrombus
ausgefüllt. In der rechten Art. pulmonalis liemerkt mau einen Throm-
bus, der das Lumen nicht vollständig ausfüllt und sich nach der früher
erwähnten Höhle fortsetzt und sich hier ramificirt. Kleine Knötchen an
Pleura pulmonalis und costalis. In der Basalpartie des rechten Unter-
lappens liefindet sich ein gangränöser Heerd. Die Cavernen sind mit
jauchigen Massen erfüllt, die Thromben erscheinen nicht gangränös. Im
oberen Theile des linken Unterlappens sieht man kleine kirschkerngrosse
Höhlen und kleine Heerde schieferiger Induration ohne evidente käsige
Einlagerung. Die Bronchialdrüsen sind stark vergrössert, und zeigen zum
Theil käsige Degeneration. Im Sinus transversus sinister Tbrombose.
Die Eesectionshöhle ist mit granulirendem Gewebe ausgekleidet, der
Knochen ist mit Granulationen bedeckt, nach innen zu liegt der ßand
l-dos ; der obere ßand der- Hüftgelenkspfanue ist zerstört, der Knochen
ist so verdünnt , dass an einer Stelle die Sonde in die WeichtLeile des
Beckens eindringt. An der grossen Schamlippe befindet sich eine mit der
ßesectionshöhle communicirende Oeifnung , durch welche sich ein Kathe-
ter einführen lässt.
3. Lungengangrän durch ein ver.schlucktes Knochenstück bedingt. —
Exjoectoration des Knochens nach 10 Monaten. — Ausgang desLungen-
hrandes m Abscess. — Genesung.
Alma Diemer, 6 Jahre alt, war früher stets gesund, und über
ihren jetzigen Zustand machte dre Mutter folgende Angaben. Im August
1875 verschluckte die Patientin ein Knochenstückchen, worauf sie sofort
tief blau Uli Gesicht wurde, und ein sehr heftiger Hustenanfall erfolgte,
so dass die Eltern meinten, das Kind würde ersticken. Nach einigen
Tagen erholte sich das Kind wieder , und über den weiteren Verlaut
werden von der Mutter nur spärliche Angaben gemacht. Das Kind hu-
stete seit jener Zeit viel und heftig ; in der ersten Zeit soll auch Blut
im Auswurf gewesen sein, doch ist über die Menge und Beschaffenheit
desselben, sowie über etwaige Fiebererseheinungen nichts zu eruiren. -
Aerztlich behandelt wurde das Kind nicht. — Nach einem nicht genau
zu bezeichnenden Zeitraum, nach c. 8 Wochen, fiel den Eltern auf, dass
der Athem des Kindes einen excjuisit stinkenden, „ashaften" Geruch ver-
breitete , auch wurde der Auswurf, der stets sehr reichlich gewesen sein
soll, übelriechend, etwa wie faules Fleisch. Der Husten war fortgesetzt
heftig und exacerl_>irte namentlich des Abends und Nachts. Das Kind
Kohts, Lungengangrän. Vorkommen und Aetiologie. 843
fieberte dabei stark , schwitzte sehr viel , und magerte zum Scelet ab.
In einem Hustenanfall wurde im Mai 1876 der Knochen ausgehustet.
Derselbe war 1 Va Centimeter lang und Va Cent, breit und glich einem
necrotischen Knochenstück. Seitdem erholte sieh das Kind wieder, bekam
guten Appetit, und die Kräfte nahmen sichtlich zu. Der Husten bestand
aber weiter fort, der Auswu.rf war stinkend, von dicker schleimiger Be-
schaffenheit und gellilicher Farbe. Der übele Geruch aus dem Mundo
beim Athmen , und der reichliche stinkende Auswurf bewog die Eltern,
in der hiesigen Poliklinik im Decembor ärztlichen Eath einzuholen. —
Bei der Untersuchung fand man das Kind von blühendem Aussehen,
keinen Foetor ex ore; bei der Untersuchung des Thorax war in den un-
teren Parthieen rechts eine geringe Retraction nachweisbar, von der Mitte
der Scapula an constatirte man eine geringe Dämpfung , in deren Aus-
dehnung abgeschwächtes Respirationsgeräusch zu hören war. Beim Hu-
sten hörte man zuweilen consonirendes Rasseln, und im Exspirium einen
amphorischen Hauch. — Da von der Mutter auf das entschiedenste an-
gegeben wurde, dass der Athem und der Auswurf des Kindes zuweilen
die ganze Stube verpeste, wurde neben den diätetischen Vorschriften die
Inhalation von Benzin empfohlen. — Im Februar 1877 nahm ich die
kleine Patientin in die Kinilerklinik auf, und constatirte hier, dass der
reichliche Auswurf, der nur bei grosser Aufregung des Kindes, bei for-
cirtem Husten und Schreien ganz plötzlich in grösseren Mengen (2 — 3
Esslöffel voll) entleert wui'de , nicht mehr fötide war. Bei der micro-
scopischen Untersuchung fand ich zu wiederholten Malen elastische Fa-
sern aus dem Lungengewebe. Bei roljorirender Diät nahmen die Kräfte
der P. zu, der Auswurf wurde seltener und in geringeren Massen, nicht
stinkend entleert, und Mitte März konnte die kleine P. als vollständige
Eeconvalescentin nach Hause entlassen werden.
4. Lungengangrän bei einem Smonatlichen Kinde. — Uebelrie-
hende eiterige Sputa. — Allgemeine Tuberculose. — Schwellung und
äsige Degeneration der Broucbialdrüsen.
Pauline Asum, 8 Monate alt, soll angeblich seit mehreren Wochen
krank sein und viel gehustet haben, wobei häufig ein reichliches, sehr
übelriechendes Sputum entleert wurde. Am 12tenJuni 1876 sah ich das
Kind in der Medicinischen Poliklinik, und beim Husten, lieim Umlagern
des Kindes auf den Bauch , um die hinteren Parthieen des Thorax zu
untersuchen, endlich beim Herabdrücken der Zunge mit dem Spatel kam
aus dem Munde eine reichliche Menge Eiter, der eine exquisit stinkende
Beschaffenheit hatte. Am 14ten Juni wurde das Kind in die Kinder-
klüiik aufgenommen, und dabei folgender Status notirt.
Das Kind, schlecht entwickelt, atrophisch, liegt mit weit geöffnetem
Munde und etwas nach hinten gezogenem Kopfe auf dem Rücken. Bis-
weilen erfolgt Husten ohne Expectoration , und nur beim Herunter-
drücken der^Zunge mit einem Spatel wird c. 1 Theelöftel reinen Eiters
entleert, der einen etwas übelen Geruch darbot. Die Hauttemperatur
nicht erhöhl, Puls 164. — Die Haut ist blass, trocken welk, zeigt keine
Oedeme, das Gesicht ist leicht gedunsen, nicht cyanotisch. Die Unter-
suchuno- des Pharynx ergiebt weder bei der Inspection noch Palpation
g44 Krankheiten der Athmimgsorgane. Lunge.
etwas Almormee ; eine Prominenz an der hinteren Eachenwand lässt sich
nicht wahrnehmen. Der Geruch aus dem Munde ist sauer, nicht übel-
riec-hend. — Die Zunge ist ein wenig belegt, der Leib etwas autgetrie-
ben, keine Durchfallet Der Thorax ist ziemlich gut entwickelt; in den
unteren Parthieen bei der Inspiration geringe Einziehungen sichtbar;
keine Differenz zwischen beiden Thoraxhälften. Die Respiration ist ober-
flächlich , 80 in der Minute. Bei der Percussion ist der Schall rechts in
der Hohe der vierten Eippe höher wie links, und leicht tympanitisch,
und an den hinteren Parthieen ist der Percussionsschall rechts unterhalb
der Spina scapulae bis zum Ripjienrand höher und kiu-zer als auf den
entsprechenden Parthieen links. In der Ausdehnung der geringen Dämp-
fung, hinten rechts, hört man bronchiales Athmen und sehr reichliches
consonirendes , mittelgrossblasiges und grossblasiges Rasseln. Bei der
Untersuchung hustet das Kind bisweilen puren Eiter aus, der jedoch
nicht übelriechend ist.
Ordo: Weinj und Terpenthin-Inhalationen.
Am 16ten Juni erfolgte der Tod, nachdem kurz vorher blutig lin-
girter Schleim expectorirt war. Beim Reinigen und Waschen des Kindes
läuft aus der Nase reines, dunkelroth gefärbtes Blut.
Obduction. (Prof. v. R eck ling h au s en.)
Der linke Pleurasack enthält wenige Tropfen klarer Flüssigkeit. Die
linke Lunge ist wenig adhärent. Die rechte Lunge ist adhärent; in den
Verwachsungen zahlreiche Knötchen, die zu grösseren Plaques zusam-
mengeschmolzen sind. Bei Eröffnung des Thorax kommt man rechts in
einen hlihnereigrossen Heerd, der mit grünlichem stinkendem Eiter ge-
füllt ist. — Die Trachea und der Oesophagus bieten nichts Abnormes.
Im Rachen leichte Röthung der Schleimhaut. In den Bronchien wird die
Röthung stärker; auf dem Kelildeckel kleine Körnchen und leichte
Schwellung der Ligamenta ary-epiglottica, im Larynx und Trachea leichte
Röthung, in den Bronchien kleine Defecte. Die Höhle rechts geht offen-
bar in die Lunge hinein oder spitzt sich gegen den Hilus zu. Die Höhle
ist mit einer Membran ausgekleidet, zeigt eine balkige Beschaffenheit,
und von der eben erwähnten Zuspitzung hängt in die Hölile ein Büschel
ranieficirter Stränge hinein, etwa Gefässe oder Bronchialäste darstellend.
An der vorderen Wand befindet sich zwischen Balken kalkiges Material.
Neben den Gefässbüscheln au der Spitze der Höhle bemerkt man einen
käsigen gelbweissen Knoten von eiförmiger Gestalt , 3 Mm. breit und 4
Mm. lang, etwas zerbröckelnd, etwa aussehend wie eine käsige Bron-
chialdrüse. Von der Stelle der Zuspitzung gelangt man nicht direct in
einen Bronchus hinein, indessen stehen die Bronchien hier mehr wie ge-
wöhnlich in Communication ; ob durch neugeschaffte Oeffnungen, lässt
sich nicht constatiren. Die Höhle macht den Eindruck , als wenn sie
zwischen zwei Lappen läge. Der obere rechte Lungenlappen ist luftleer;
das Gewebe ist von weisslichen Heerdchen durchsetzt, welche die Grösse
und Ausdehnung von bronchopneumonisehen Heerden haben. Die Drüsen
au der Bifurcationsstelle sind stark geschwollen, dick, durchweg kSsig
metamorphosirt. Neben der rechten Lungenspitze Ijefiuden sich auch kä-
sige Drüsen. Im Herzbeutel leicht trübe Flüssigkeit; auf dem visceralen
Blatt, sowie auf den grossen Gelassen lagern weisse vorspringende Kno-
Kohts, Lungengangrän. Vorkommen und Aetiologie. 845
ten, zum Theil zu Plaques confluirend. Im Herzen dickes geronnenes
Blut. — Adliären/. der Milz mit dem Zwerchfell, in den Adhäsionen so-
wie auf der ÜberHiielie und auf der Schnittfläche spärliche Tuberkel.
Einzelne Knötchen an der Niere. Erweichung des Fundus des Magens;
kleine hämorrhagische Erosionen daran wahrzunehmen. Leber schlaff, an
der Serosa einzelne Tuberkel , auf der Schnittfläche spärliche Knötchen,
die schwer zu erkennen sind, weil hier zahlreiche Flecke von rother Be-
schaffenheit existiren. An den Mesenterialdrüsen hier und da weisse
Knötchen. Im Netz ziemlich zahlreiche transparente Tuberkel. Im Darm
wenig breiiger Inhalt; derselbe ist im Ileum ziemlich dick, dagegen im
Colon ascendens sehr dünn. Hier und da leichte Eöthung von Peyer' sehen
Pläc|ues im Ileum. Mehr an den äusseren Schichten der Darmwand
befinden sich spärliche Knötchen. An den unteren Theilen des Ileums
etwas stärkere Eöthung der Peyer'schen Plaques.
Bei der microscopischeu Untersuchung des Cavernen-Inhalts konn-
ten keine Leptothrix-Pilze nachgewiesen werden.
Im ersten Falle bestanden keine Symptome, die auf eine Gangraeiia
pulmonum hindeuteten. Das 14jälirige Mädchen , das von Jugend
auf an Erscheinungen der Scrophulose litt , starb im Monat September
unter den Symptomen der Pyämie. Foetor ex ore und ein putrider
Auswurf war niemals vorhanden. Der gangränöse Process in den Lun-
gen verlief latent , nur bei der Autopsie fand man in den eiterig zerfal-
lenen , exquisit stinkenden Thrombus - Massen die Quelle der in der
rechten Lunge befindlichen jauchigen Abscesse. Ln 2ten Falle stellte
sich bei einem dreijährigen Mädchen, 6 Wochen nach einer Hüftgelenks-
resection (am 18. Mai 1877) reichliche Hämoptoe ein. Dieselbe wieder-
holte sich und am 5ten Juli fiel bei dem Kinde der äusserst stinkende
Geruch aus dem Munde auf. Unter zunehmendem Collaps starb das
Kind am lOten Juli 1877. Bei der Obduction finden sich im oberen und
unteren Lungenlappen rechterseits je eine Caverne , die mit jauchigen
Massen gefüllt waren. Die Thromben im Sin. transvers. sin. , in der
Vena jugularis int. sin., in der Vena subclavia dextr. et sinistr. , in der
V. anonyma, sowie in der Art. pulm. dextr. waren nicht gangränös. Es
lässt sich annehmen , dass die schwächliche Constitution und der her-
untergekommene Zustand des Kindes ein prädisponirendes Moment für
die Entwickelung der Lungengangräne abgab. Li ähnlicher Weise
sehen wir, dass sich bei dem Smonatlichen Kinde (s. Fall 4) bei allge-
meiner Tuberculose und käsig degenerirten Bronchialdrüsen, von denen
eine Drüse, 3 Mm. breit und 4 Mm. lang, in die gangränöse Höhle hin-
einreichte, Lungenbrand entwickelte. Der Foetor ex ore , die übelrie-
chenden Sputa in Verbindung mit der Dämpfung hinten rechts unter-
halb der Spina scapulae und die hier wahrnehmbaren auscultatorischen
Erscheinungen , als bronchiales Athmungsgeräusch und grossblasiges
g46 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
Rasseln Hessen schon während des Lebens die Diagnose auf Limgen-
gangrän stellen. Der 4te Fall endlich (s. Fall 3.) betrifft ein ßjähriges
Mädchen, das ein Kuochenstüclc verschluckt hatte und 8 Wochen später
nach AiTSsagen der Eltern exquisit stinkende Sputa entleerte. Zelin
Monate später hustete das Kind das 1 V2 Centimeter lange und '/s Centi-
nieter In-eite Knochenstück aus, und 1 1 Monate später war das Kind als
vollständig reconvalescent zu betrachten.
Die Diagnose der Luugengangrän stützte sich auf den üblen Ge-
ruch aus dem Munde , den putriden Auswurf und die zuweilen auftre-
tende Hämoptoe bei physicalisch nachweisbaren Veränderungen in den
Lungen , bei Ausschluss etwaiger gangränöser Processe in anderen
Organen. Leptothrix- Pilze konnten bei dem Smonatlichen Kinde weder
im Sputum noch p. m. in dem Inhalt der Caverue aufgefunden werden.
Der Verlauf dieser Krankheitsfälle entspricht der Ijekannten Thatsaclie,
dass die Gangraena pulmon. , welche durch Verschlucken von Fremd-
körpern bedingt ist, eine relativ günstige Prognose bietet, während die
metastatische Lungengangrän und der Lungenbrand , welcher bei her-
untergekommenen , tuberculösen und cachectischen Kindern zur Ent-
wickeluug kommt, in kurzer Zeit lethal endet.
Pathologische Anatomie.
Die Lungengangrän, welche zuerst von Bay 1 e als ulceröse Phthise
beschrieben ist , theilt man nach L a e n n e c in die circumscripte und
diffuse Form. Diese Eintheilung entspricht der lobulären und lobären
Pneumonie der Kinder. L a e n n e c, A n d r a 1 und Cruveilhier haben
uns in anatomischer Beziehung die besten Beschreiljungen des umschrie-
benen Lungenbrands gegeben. Eine genaue Beschreibung des diffusen
Brandes verdanken wir S c h r ö d e r v a n d e r K o 1 k. In der Mehrzahl
der Fälle kommt der diffuse Brand durch Confluiren kleiner Brand-
heerde zu Stande, und ist dann häufig über den grössten Theil eines Lun-
genlappens oder selbst über eine ganze Lunge verbreitet. Die circum-
scripte Form tritt gewöhnlich in kleinen bronchopneumonischen Heer-
den auf , in deren Centrum sich eine putride, stinkende Flüssigkeit be-
findet, welche eine röthlich bis dunkelbraune Farbe zeigt , oder welche
von eitriger Beschaffenheit ist. Bei Kindern hat die Lungengangräu eine
grössere Tendenz, sieh zu generalisiren, als bei Erwachseneu (Boudet).
Bei frischer Lungengangrän findet man das Gewebe feucht, leicht
zerreisslich , von geringer Consistenz. Die Farbe des Brandheerdes ist
anfangs dunkelrothbraun bis schwärzlich und kann allmählich ins grün-
liche bis schmutzigweisse übergehen. Mit der beginnenden Erweichung
kommt es zu putridem Zerfall des Gewebes, und über die Schnittfläche
Kohts, Lungengangrän. Pathologische Anatomie. 847
ergiesst sich eine grüne schmutzige Flüssigkeit, die einen aashaften
fötiden Geruch verbreitet. Das umgebende Gewebe ist in der Regel
mehr oder weniger geröthet, serös infiltrirt , oder befindet sich in grös-
serer oder geringerer Ausdehnung im Zustande der Hepatisation. C r u-
V e i 1 h i e r bezeichnet die seröse Infiltration als brandiges Oedem und
vergleicht es der ödematösen Anschwellung brandiger Extremitäten.
Zuweilen sind embolische Brandheerde scharf umgrenzt und von an-
scheinend gesundem Gewebe umgeben. Laennec unterscheidet beim
Lungenbrand erstens die frische Mortification oder den gana'ränösen
Schorf, zweitens den schmelzenden Sphacelus oder feuchten Brand und
drittens das Stadium der Höhlenbildung durch Erweichung und Aus-
stossung der gangränösen Partie.
Stösst sich der ßrandschorf los , so ist er von einer eitei-igen jau-
chigen Flüssigkeit umgeben , welche von dem nicht afficirten Gewebe
durch eine schmutzig grüngefärbte lockere pseudomembranöse Schicht
abgesperrt wird (s. Hasse pag. 305). In anderen Fällen kommt es
nicht zur Abstossung des Brandschorfes, die gangränöse Masse liegt
mitten in der gebildeten Höhle, welche mit einzelnen Fetzen des um-
gebenden Lungenparenchyms in Verbindung steht.
Die Arterien um solche Brandhöhlen sind theils obliterirt, zum
Theil sind sie bei vorgeschrittenen Processen mehr oder weniger zer-
stört, oder man beobachtet Arterienäste, die imverletzt durch die Brand-
höhle verlaufen. Unter solchen Verhältnissen kann es , wenn die Ar-
terien angefressen werden, zu Hämorrhagien in den Brandheerd oder
selbst zu tödtlichen Blutungen kommen. Zuweilen beobachtet man in
den Gelassen septische Embolien. Liegt der gangränöse Heerd in der
Nähe der Pleura , so kommt es entweder zu Verwachsung der Pleura
pulmonalis und costalis oder die Brandjauche pei'forirt durch die Pleura-
höhle, und es kommt zu Empyem, Pyopneumothora xoder selbst zu tödt-
lichen Blutungen in das Cavum Pleurae. Barthez und Rilliet re-
feriren einen Fall Chav ig nier's, in welchem die Gangrän sich von
der Pleura auf die Intercostalmuskeln verbreitet hatte und in zwei von
Behier und Boudet veröffentlichten Fällen hatte der subpleural ge-
legene gangränöse Heerd Verlöthung der Pleura und Perforation des
Oesophagus herbeigeführt.
Selbst wenn die Brandheerde aber auch nicht in der Nähe der
Pleura costalis liegen , findet man anatomisch häufig die Zeichen einer
Pleuritis imd nach Cruveilhier (Lib. XI. PI. 4) ist bei diflusem
Brande in dem Cavum Pleurae immer ein Exsudat von missfarbiger
eiteriger Flüssigkeit vorhanden. Sehr selten greift die Lungengangrän
auf das Mediastinum posticimi über. Hat der Lungenbrand sich be-
848 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
grenzt, so findet man eine mit Pseudomembranen umschlossene Höhle,
deren Wände dunkelroth oder späterbin mehr gelblich weiss, ziemlich
fest sind , und welche an ein weicheres missfarbiges sehr feuchtes Ge-
webe angrenzen. Es kann lange Zeit vergehen, ehe die Pseudomembran,
welche die entzündliche Höhle auskleidet , fester wird. Dieselbe be-
kommt, wie C r u V e i 1 h i e r sich in einem Falle überzeugt bat (Lib. III,
PI. 2), eigene Gefässe.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des jauchigen Materials in
den Bi-andhöhlen findet man sehr oft die von Virchow zuerst ent-
deckten Margarinsäurenadeln , die übrigens überall vorkommen , wo es
sich um faulige Zersetzung thierischer Substanzen handelt und Vib-
rionen, Bacterien und Lepthotrix pulmonalis, die vonLeyden und
Jaffe zuerst genauer beschrieben sind.
In Folge der fortwährenden Berührung mit den zersetzten Stoffen
sind die Bronchialverästelungen nicht allein in unmittelbarer Nähe des
Brandheerdes , sondern auch entfernt erkrankt. Die Schleimhaut er-
scheint geröthet , geschwellt , gelockert, das Lumen ist zuweilen erwei-
tert und mit putriden Massen angefüllt , oder die perforirte Brouchial-
wandung communicirt mit der nahe gelegenen Brandhöhle. Die Bronchi-
ectasien können einen solchen Grad erreichen, dass sie grosse mit Jauche
gefüllte Säcke bilden, in deren Umgebung das Lungenparenchym hepa-
tisirt erscheint, oder bereits brandig zerfallen ist. Die Bronchialdrüsen
zeigen meistentheils , zumal wenn andere Lungenaffectionen vorange-
gangen sind, Veränderungen ; sie erscheinen vergrössert und hyperämisch,
zuweilen fettig degenerirt , oder sie sind selbst von Gangrän ergriffen.
Zu erwähnen ist noch , dass sieh bei Complication von Lungeutubercu-
lose mit Lungenbrand in den tul^erculösen Cavernen öfters brandige Ver-
jauchung mit Gewebsneci'osen vorfinden. Das Coiucidiren des Lungen-
brandes mit der Gangrän anderer Organe ist schon bei Besprechung der
ätiologischen Momente hervorgehoben worden.
Hinsichtlich des Sitzes der Lungengangrän diiferiren die Angaben
von Boudet, Barthez und Rilliet von denen St ein er 's und
N e u r e u 1 1 e r's, und mit Sicherheit lässt sich nicht entscheiden, ob die
rechte oder linke Lunge mehr zur Entstehung des Lungenbrandes dis-
ponirt.
Unter 16 Fällen von Barlhez und Killiet war lOmal die rechte,
4mal die linke Lunge afficirt. Diese Zusammenstellung stimmt mit denen
von Labert, der unter 64 Beobaclitungeu die rechte 33, die linke Lunge
21mal betbeiligt fand (3:2).
Nach Barthez und Eilliet ist der Digestionstractus ziemlich oft
betheiligt (unter 17 Fällen 9mal) und es ist wohl möglich, dass durch
Kohts, Lungengangrän. Symptomatologie. 849
das Verschlucken gangränöser Massen Entzündungen und C!atarrhe der
Dai-mschleimhaut entstehen.
Tome eonstatirte bei einem einjährigen Kinde, das an Lungen-
gangrän litt, p. mortem eine pseudomembranöse Enteritis (Bulletins de
Paris 1844. pag. 265).
Symptomatologie.
In den meisten Fällen existiren keine charakteristischen Symptome
für Lungenbrand, und vorangehende oder concomitirende Luugenaftec-
tiouen, wie Bronchitiden, Lungenentzündungen, Tuberculose, Lifarcte,
pleuritische Exsudate etc. verdecken das eigentliche Kraukheitsbild.
Ueber die Menge wie über die dreischichtige Beschaffenheit der Sputa,
sowie über Parenchymfetzen , wie sie L e y d e n bei Lungengangrän Er-
wachsener beschreibt, existiren keine bestimmten Angaben ; nach meinen
Beobachtungen wird gar nichts , oder nur sehr wenig expectorirt. Das
Sputum ist übelriechend. Ist der Process zum Stillstand gekommen, so
lässt das Fieber nach , die Patienten fangen an sich zu erholen und der
ganze Ernährungszustand nimmt zu. Am spätesten hört die übelrie-
chende Beschaffenheit des Sputums auf, imd selbst wenn die Patienten
sich vollständig in der Reconvalescenz befinden, und das gute Aussehen
des Patienten kaum auf eine so schwere vorangegangene Erkrankung
hindeutet , ist die Expectoration häufig noch Monate lang fütide. All-
mählich nimmt der Auswurf eine mehr schleimig - eiterige Beschaffen-
heit an, die Menge wird geringer, der übele Geruch hört auf, der Husten
ist weniger quälend , und die Patienten können vollständig gesund
werden.
Das Allgemeinbefinden leidet in allerkürzester Zeit. Die Patienten
verfallen sehr schnell, die Gesichtsfarbe nimmt eine fahle, zuweilen eine
ins gelblich gehende Beschafi'enheit an. Bei vollständiger Appetitlosig-
keit und starkem Durstgefühl , unter fieberhaften Bewegungen leidet
schnell die Ernährung mid der Kräftezustand. Sehr bald stellt sich Ab-
magerung und Collaps ein , der in vielen Fällen ziemlich rapid zum
lethalen Exitus führt. Meist besteht Fieber und zwar remittirendes
Fieber mit wechselnden Exacerbationen und Remissionen , das bei klei-
nem frequentem Pulse und hektischen Schweissen schnellen Verfall der
Kräfte veranlasst. Der Puls ist bei Patienten von 1—3 Jahren oft kaum
fühlbar , die Herztöne werden schwächer. Zu den begleitenden Sym-
ptomen gehört ein quälender Husten, der zuweilen allerdings auch fehlen
kann, in anderen Fällen jedoch selbst so heftig wird, dass er Keuch-
hustenparoxysmen gleicht. Die Dyspnoe ist von der Ausbreitung des
Lungenbrandes und den begleitenden Complicationen von Seiten der
Lunge und der Pleura abhängig. Die physikalische Untersuchung bietet
54
Handb. d. Kinderkrankheiten. III, 2.
850 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
für Lnngengangräu keine sicheren Anhaltspunkte und lässt auf die Art
der Erkrankung jedenfalls keinen Schluss zu. Kleine gangränöse Heerde,
welche in Verheilung übergehen, führen zu keinem partiellen Einsinken
der Brustwand. Zuweilen weist die putride Beschaffenheit des punc-
tirten pleuritischen Exsudats darauf hin , dass es sich gleichzeitig um
Lungengangrän handelt.
Complicationen und Ausgänge.
Wie schon vorher erwähnt , ist die Lnngengangräu stets ein se-
cundärer Process , und so findet man zunächst die zu Grunde liegenden
Lungenkrankheiten in den verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung.
Dieselben können mit ihren Symptomen so prävaliren , dass die gleich-
zeitig bestehende Lungengangrän vollständig latent verläuft. Schreitet
der gangränöse Process nach der Peripherie fort, so bilden sich
pleuritische Exsudate, oder es kommt zur Perforation der Pleura
costalis, zu Pyopneumo- oder Hematothorax , die in kürzester Zeit
den Tod nach sich ziehen. Die Lungengangrän kann aber auch auf
den Oesophagus übergehen und so eine Commuuicatiou zwischen der
Speiseröhre und dem Brandheerde herstellen. B e h i e r erwähnt einen
Fall, wo das Kind anfangs schwärzliche exquisit stinkende Sputa hatte,
die in dem Momente verschwanden , wo die Stuhlgänge dieselbe Farbe
des Auswurfes und denselben aashaften Geruch annahmen. Auch B o u-
d e t beschreibt einen Fall , wo die Lungengangrän auf den Oesophagus
übergegangen war. Das Uebergreifen des Lungenbrandes auf die In-
tercostalmuskeln ist einmal von C h a v i g n e z beobachtet worden.
Durch Arrosion der nicht obliterirten Gefässe kommt es zuweilen
zu mehr oder weniger starker Hämoptoe , die den Tod der Patienten
beschleunigt. B a r t h e z und R i 1 1 i e t beobachteten unter 1 6 Fällen
4mal Hämoptysis, während Steiner und N e u r e u 1 1 e r dieselbe unter
24 Fällen niemals auftreten sahen. Unter 5 Patienten, die ich im
Verlauf der letzten Jahre an Lungeugangrän behandelte , befand sich
ein kleines Mädchen , das nach einer Resectio colli femoris durch Ver-
raittelung von Thrombosen Lungengangrän acquirirte und zu wieder-
holten Malen reichliche Hämoptoe hatte. Ferner kommen Entzün-
dungen und Erweichung des Digestionstractus vor , und Imal beobach-
teten Barthez und Rilliet einen Fall von Lungengangrän, der mit
chronischer Meningitis complicirt war.
Der Ausgang der Lungengangrän ist in den meisten Fällen tÖdt-
licli. Es kommt stets zum lethalen Exitus , wenn infectiöse Embolien
von irgend einem Jaucheheerde in die Lungen abgegeben wurden, wäh-
rend nach Infectionskrankheiten , wo es sich nur um kleine minimale
Kohts, Lungengangrän. Prognose. 851
Brandheerde handelt , es zur Genesung kommen kann. Nach einer ge-
fälligen Mittheilung des Herrn Prof. Kussmaul will ich bemerken,
dass bei einem vierjährigen Knaben , der an Masern erkrankt war, circa
14 Tage nach der Eruption des Exanthems nach vorausgegangenen
Symptomen einer diffusen Bronchitis, plötzlich ein lebhaftes Fieber auf-
trat und der kleine Patient einen aashail stinkenden Athem bekam, ohne
dass etwa Gangrän des Mundes , des Pharynx oder des Larynx vorlag.
Nach einigen Tagen 1 iess das Fieber bereits nach, die fötide Exspiration
verlor sich bereits nach fünf Tagen, und in Zeit von 6 Wochen war voll-
ständige Genesung eingetreten.
Am relativ günstigsten verläuft die Lungengangrän, welche nach
Verschlucken von Fremdkörpern entstanden ist, vorausgesetzt, dass die-
selben im Verlauf der Krankheit während des Hustens expectorirt wurden.
Der diffuse Brand endet immer tödtlich. Der Tod erfolgt plötzlich,
oder die Krankheit kann sich einige Wochen hinziehen und unter hek-
tischen Erscheinungen den lethalen Exitus herbeiführen. Plötzliche
Perforationen der Pleura, die Entwickelung von Pyopneumothorax und
Hämoptoe beschleunigen das Ende. Haben sich im Verlauf der Lungen-
gangrän Bronchiectasien entwickelt, deren Wandungen mit von Gangrän
ergriffen wurden, so scheint selbst nach Heilung des Lungenbrandes
eine grosse Neigung zu Recidiveu zu bestehen.
Prognose.
Für die diifuse Lungengangrän ist die Prognose geradezu schlecht,
für die circumscripte Form ist sie an und für sich ungünstig , doch sind
einige Fälle von Heilung vorgekommen.
Die Prognose für Lungenbrand , der durch septische Infection be-
dingt war, ist absolut schlecht. Putride Bronchitis , Bronchiectasien,
vorausgegangene Infectionskrankheiten , welche den allgemeinen Er-
nährungszustand beeinträchtigt haben , ferner Pneumonie , Pleuritis,
Pyopneumothorax, Perforationen nach anderen Organen, z. B. nach den
Intercostahnuskeln und dem Oesophagus zu, Hämoptoe, Diarrhöen u.
s.w. gestalten die Prognose stets sehr ungünstig. Von Steffen ist nur
ein Fall bekannt , wo sich bei einer derben , pneumonischen Infiltration
des rechten unteren Lappens nach fünf Wochen Lungengangrän ent-
wickelte, die in Heilung überging, insofern nämlich der brandige Fötor
der Sputa und des Athems allmählich vollkommen geschwunden war,
und der Auswurf nicht mehr elastische Fasern und keine Bruchstücke
von Alveolargerüst enthielt. S t o h 1 m a n n berichtet von einem zwölf-
jährigen Knaben , welcher bei bestehender Infiltration der rechten un-
teren Lunn-enhälfte, Lungenbrand mit reichlich stinkendem Auswurf
° 54*
852 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
acqnirirte, und nach dem Gebrauch von Chlorwasser und Decoctuni
chinae in Zeit von 3 Wochen Reconvalescent wurde.
B a r t h e z und Rilliet, Steiner und N e u r e u 1 1 e r haben kei-
nen Fall von Lungenbrand in Heilung üljergehen sehen. B o u d e t be-
obachtete bei Lungengangrän nach Masern stets den lethalen Exitus
während in dem mir von Prof. Kussmaul mitgetheilten Falle Heilung
eintrat.
Die relativ günstigste Prognose gestatten die Fälle, wo der gangrä-
nöseste Process durch Verschlucken von Fremdkörpern eingeleitet
wurde. So hat Vogel bei einem vierzehnjährigen , R o t h m n u d bei
einem sechszehnjährigen Knaben vollständige Heilung constatirt, wo
die Gangrän durch das Verschlucken einer Grasähre bedingt war. Ich
selbst habe ein sechszehnjähriges Mädchen in Behandlung gehabt , wo
die Lungengangrän durch das Verschlucken eines 1 '/2 Centim. langen
Knochens entstanden war , und wo nach Expectoration desselben nach
10 Monaten die Kräfte zunahmen, und Heilung erfolgte.
Selbst, wenn bei Nachlass des Fiebers und bei Abnahme des fotiden
Athenis und des putriden Auswurfes sich das Aussehen der Patienten
bessert und der Kräftezustand hebt, ist die Prognose nicht absolut gün-
stig zu stellen , da Recidive eintreten können oder sich leicht Erkran-
kungen der Bronchialdrüsen, der Bronchien oder des Lungenparenchyms
liinzugesellen , die das Leben der Patienten bedrohen.
In den ersten Lebensjahren führt die Lungengangrän , wenigstens
nach den vorliegenden Beobachtungen stets zum lethalen Exitus.
Diagnose.
Charakteristische physikalische Zeichen für den Lungenbrand exi-
stiren nicht. Die fötide Exspiration, der übelriechende Auswurf in Ver-
bindung mit dem ziemlich schnellen CoUaps , dem hohen oder remitti-
renden Fieber sind es vorzüglich , welche zur Annahme einer Lungen-
gangrän berechtigen. Selbstverständlich sind daljei stets gangräne Pro-
cesse anderer Organe, wie des Mundes, Pharynx, Larynx und Oesopha-
gus durch genaue Untersuchung auszuschliessen.
Verwechselungen mit putrider Bronchitis oder Bronchiectasie, mit
Stagnation des sich zersetzenden Secrets können allerdings vorkommen,
doch ist hervorzuheben , dass diese Affektionen während des Lebens bei
Kindern sehr selten beobachtet werden, und an und für sich die Infil-
trationszustände der Lunge , ferner die schnelle Bildung von Excava-
tionen mit ihren bekannten physikalischen Zeichen , wie wir sie bei der
Gangrän finden, bei den erstgenannten Krankheiten sich nur in den sel-
tensten Fällen entwickeln.
Kohts, Lungengangrän. Therapie. 853
Steffen behauptet, dass in zweifelhaften Fällen das Vorhanden-
sein von elastischen Fasern und namentlich von Bruchstücken von Al-
veolen mit Sicherheit für Gangrän der Limgen entscheidet.
Das Auftreten einer Hämoptoe , die bei intensivem Poetor ex ore
stattfindet, kann als Hilfsmittel zur Fixirung der Diagnose herange-
zogen werden , da bei putrider Bronchitis nur selten und nur ganz ge-
ringe Blutungen vorkommen, und bei der Gangrän des Mundes (Bar-
thez und Rilliet) ebenfalls keine Hämorrhagien stattfinden. Die Ge-
fässe sind in letzterem Falle obliterirt, während man bei Lungengangrän
mit Höhlenbildung öfters bei der Autopsie Gefässe vorfindet , die voll-
ständig intact die Cavernen durchziehen. Werden diese Gefässe arrodirt,
so treten lebensgefährliche Blutungen auf.
Das hauptsächlichste Zeichen , welches also auf Lungengangrän
hinweist , ist die fötide Beschaffenheit der Exspiration resp. des Aus-
wurfs. Diese Symptome können aber auch fehlen und es ist ausserdem
zu berücksichtigen , dass die fragliche Putrescenz auch von einer Gan-
grän des Mundes, des Pharynx, des Larynx , der Nase, der Bronchien
oder des Oesophagus abhängen kann. Beachtung verdient nament-
lich das Sputum , das bei der geringen Expectoration des Kindes aller-
dings nur selten Gegenstand genauerer Untersuchung wird. Der Aus-
wurf hat eine schmutzig , grünlich gelbe Farbe , und enthält zuweilen
blutige Beimengungen, und man kann in den schmutzig, gelblich weis-
sen breiigweichen Pfropfen von Hirsekorn- bis Senfkorn- oder selbst
Bohnengrösse mit glatter Oberfläche und von vorzugsweise ül)lem Ge-
rüche (L e y d e n) bei der mikroskopischen Untersuchung Fettsäurenadeln
nachweisen. Elastische Fasern und Bruchstücke von Alveolen findet
man nur in den Fällen, wo die Gangrän noch nicht zu weit vorgeschrit-
ten ist.
Therapie.
Die Therapie ist in vielen Fällen vollständig machtlos. Zuweilen
kann es gelingen, durch geeignete diätetische Vorschriften und Medica-
mente die Leiden der Patienten zu verringern resp. den gangränösen
Process zur Heilung zu bringen. In erster Linie lasse man die Patien-
ten, die mit Lungengangrän behaftet sind, in gut ventilirten Zimmern
im Bette liegen. Für grösste Reinlichkeit , häufiges Fortschaffen der
Excrete aus dem Krankenzimmer und für Desinfection *) des Auswurfs
muss möglichst gesorgt werden, und dabei muss man versuchen , durch
*) Der brandif^e Geruch ist nach Steffen's Erfahrung am besten durch
Verdampfung von Chlorkupferspiritus zu unterdrücken.
854 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
kräftige Nahrung den Ernährungszustand der Patienten zu heben. Zu
letzterem Zweck empfiehlt sich namentlich die Darreichung des Beeftea
(Vs Kilo gänzlich von Fett befreites Fleisch wird fein gehackt, etwa
15 — 20 Minuten in \''2 Kilo kaltes Wasser gelegt, dieser Brei sodann
über schwachem Kohlenfeuer langsam zum Kochen gebracht, etwas ge-
salzen , einen Augenblick schnell aufgekocht und dann durch ein Tuch
rasch durchgeseit) , ferner von Fleischbrühe, Milch, Eier etc. Diese Be-
handlung wird unterstützt durch Amara und Touica (Gentiana, Quassia,
Trifol. fibr. , China und Eisen).
Die Behandlung , welche gegen den gangränösen Process in den
Lungen gerichtet ist , besteht vor allen Dingen in der Darreichung von
desiuficirenden Mitteln, namentlich Acid. carb. (Leyden) 0,1—0,5
: 100,0 und Aqua Creosoti 4 — 6mal täglich theelöffel weise zu geben.
Empfohlen ist auch Ol. thereb., das zu 0,5—1,0—2,0 auf 100,0 Aq. de-
still, mittels eines Pulverisateurs fünf bis zehn Minuten gestäubt wer-
den kann, oder welches man einfach einathmen lässt , indem man einige
Theclöö'el davon auf warmes Wasser, oder ein Kamilleninfus, oder end-
lich nach L e b e r t auf ein Stück Filz giesst. 0 p p o 1 z e r lässt ein Infus,
tur. ]iini von 15,0 auf 180,0 inhaliren ; Trousseau empfiehlt Inha-
lationen von Tannin, Gerhardt von Eisenchlorid (1,0 — 10,0;
500,0). Von den sonstigen desiuficirenden Mitteln ist nach den Erfah-
rungen Leydens die Anwendung von starken Weinen, namentlich
von üngarweiu, und Chinin in grösseren Dosen (Binz) empfehdens-
werth.
Symptomatisch verordne man bei cpiälendem Husten ganz kleine
Dosen von narcotischen Mitteln, (Syr. morph., Syr. opiat.,Chloralhydrat)
ohne jedoch dadurch die Expectoration zu lieeinträehtigen ; das Fieber
versuche man durch Chinin- oder Salycilpräparate herabzusetzen. Bei
intercurrenten Magen- und Darmcatarrhen ist mit Berücksichtigung
des Umstandes, dass dieselljen vielleicht durch Verschlucken der putri-
den Sputa entstanden sind, die Darreichung von Carbolsäure in \'2— l'/o
Lösung, und später der Amara empfehlenswerth. Hinsichtlich der son-
stigen therapeutischen Mittel , welche bei Lungengangrän zur Anwen-
dung kommen können, verweise ich auf die Abhandlungen über Lungen-
gangrän von Leyden und Hertz, hinsichtlich der Behandlung der
compiicirenden Krankheiten, wie Hämoptoe, Pleuritis, Pyopneumothorax
auf die bezüglichen Abschnitte dieses Handbuches.
Echinococcus der Lungen
Professor Dr. 0. Kohts.
Literatur.
Archiv general de M^d. Sept. 185.5. Vogla. — Jahresbericht von V i r-
chow und Hirsch 1855. Bd. IV. 34o. — Schmidt's Jahrbücher 1860. pag. 190.
— Traite des entozoaires et des maladies vermineuses etc. par Davaine. Paris
1860. pag. 41'2 und pag. 449. — H. Roger, Soc. med. des Höp. gaz. hebd.
VIII. 42. pag. 677 1861. — Die menschlichen Parasiten und die von ihnen
herrührenden Krankheiten von Rudolf Leuckart. Leipzig 1863. — Journal
für Kinderkrankheiten, herausgegeben von Dr. Fr. Behrend und Dr. A. H i 1-
d ehr and. Erlangen 1865. — Darbez, Tun. med. 1866, 117. — Prof. Ce-
sare Fe derlei, Liv. clin. di Bologna VII. 11. 12. 1868. — Jahresbericht von
Virchow und Hirsch 1868. Bd. II. 150. - Virchow's Archiv Bd. '27. 232.
— Wolf, Dissertation. Breslau 1869. — Berliner klinische Wochenschrift 1871.
— Klinik der Brustkrankheiten von Dr. Herrn. L e b e r t. 11. Band. Tübingen
1874. pag. 665. — Lehrbuch der Kinderkrankheiten von Dr. Carl G er h ar dt.
Tübingen 1875. — Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie von
Ziemsse n. III. Band. 1876. Heller, Invasionskrankheiten S. 348.^ —
Die Echinococcen-Krankheit von Dr. Albert N ei s s er. Berlin 1877. — Echino-
coccus pulmonis bei einem 5jährigen Kind. Casuistische Mittheilung von Dr.
Töplitz. — Berliner klinische Wochenschrift 1877. No. 24.
Die Acephalocysten oder Hydatidencysten , die sich am hiiufig.sten
in der Jugend und im mittleren Alter entwickeln , kommen nur aus-
nahmsweise bei Kindern vor , und von Davaine und H. Roger sind
nur wenige Beispiele von Hydatidenbildung im Respirationsapparat bei
Kindern erwähnt.
Die Echinococcen der Lungen entwickeln sich entweder ursprüng-
lich in den Lungen , sie Icönnen durch Eml.olien , namentlich von den
Lebervenen aus zu Stande kommen , oder sie dringen von der Nachbar-
schaft , namentlich von der convexen Fläche der Leiter in die Respira-
tionsorgane ein. Für den primären Sitz dieser Parasiten in dem Lungen-
parenchym spricht nicht nur die ausserordentliche Häufigkeit der Hä-
moptysen, sondern auch die Analogie mit anderen Organen, wie Leber,
Milz, Nieren, Muskeln, Drüsen, Herz, Gehirn, wo sich gleichfalls inner-
halb des Parenchyms, und nicht an den Hüllen derartige Erkrankungen
vorfinden.
856 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
I
Der Echinococcus findet sich meisteutheils in den Unterlappen, sel-
tener in den oberen Parthieen der Lungen vor. In den von Davaine
und Roger mitgetheilteu Fällen handelte es sich um Echinoccen der
rechten Luuge.
Die Cysten können einfachig und multiloculär sein.
Ueber die Aetiologie und die Entwickelung des Echinococcus lassen
sich Ids jetzt keine bestimmten Anhaltspunkte finden , und nach Le-
be rt kann man nur annehmen, dass das Zusammenleben der Menschen
mit Hunden, oder der nicht seltene Genuss von Hundefleisch in Zusam-
menhang mit dieser Erkrankung gebracht werden muss. Hiemit in Ein-
klang stehen die Beobachtungen in Island und in Victoria an der austra-
lischen Küste , wo man in den zahlreichen Schäferhunden die Haupt-
träger der Echinococcusverbreitung sucht.
Nach L e b e r t gehen den Hunden häufig diese Würmer ab, welche
in der Nähe der Menschen bleiben , so dass aus ihnen dann durch Zer-
setzung der Thiere die befruchteten Eier frei werden , welche mm mit
der Luft , mit dem Wasser etc. in Berührung kommen , und so in den
menschlichen Organismus gelangen.
Die pathologisch -anatomischen Zustände zeigen im Ver-
gleich zu Erwachseneu keine wesentliche Difl^erenz.
Die Echinococcen besitzen eine dünnere Anlage der Bindegewebs-
umhüUung als in anderen Organen , und diesem Umstand ist es wahr-
scheinlich zuzuschreiben, dass gerade hier die Mutterblasen eine beson-
dere Grösse erreichen (Neisser). In deu bei Kindern beobachteten
Fällen von Lungen-Echinococcen war das in der Umgebung der Blasen
In'fiiidliche Parenchym im Zustand chronisch entzündlicher Verdichtung.
Eigentliche Lungengangrän hat man bisher bei der Autopsie nicht con-
statirt. Die Bronchialschleimhaut ist öfters geschwollen, die Bronchien
sind 7Aiweilen durch Ulcerationen perforirt, und es findet auf diese Weise
zwischen der Cyste und der Trachea eine Communication Statt. — Die
Gefässe können arrodirt und perforirt werden , und bei gleichmässiger
Perforation der Luftwege kommt es zur Hämoptoe. In Folge des steten
Druckes entwickeln sich in der Umgebung chronisch entzündliche Zu-
stände , die namentlich zu Adhäsionen der Pleurablätter führen. Per-
forationen der Lungenechinococcen in das Pericard, das Cavum pleurae,
endlich in die Bauchhöhle sind bei Kindern bisher nicht beobachtet
worden.
In dem von Davaine mitgetheilten Falle (s. p. 412) constatiiie
man bei der Autopsie im oberen rechten Lappen eine grosse Hydatiden-
cyste, deren an und für sich dünne und zarte Wandungen von verdich-
tetem Lungengewebe mngeben waren. Die Höhle enthielt eine opake
wässerige Flüssigkeit , Echinococcusmembranen und einen ähnlichen In-
Kohts, Echinococcxis der Lungen. Symptomatologie. 857
halt, wie man ihn bei tuberculösen Cavernen findet. Die Höhle commu-
nicirte mit dem Bronchus der rechten Lunge.
Symptomatologie. Die Symptome beim Echinococcus der
Lungen sind localer und allgemeiner Natur; sie sind abhängig von den
in den Lungen gesetzten Störungen , die als Infiltrationen , pleuritische
Ergüsse, Pyopneumothorax etc. (E.Hertz) auftreten, und von dem da-
bei bestehenden meist hectischen Fieber. Die Cysten sind an und für
sieb nicht schmerzhaft; bei der Autopsie findet man zuweilen einge-
kapselte Säcke, die nie Veranlassung zu Klagen gaben.
Die Krankheit bietet in ihrem Verlauf öfter grosse Aehnlichkeit
mit Lungenschwindsucht , und expectorirte Echinococcus-Membranen
sind es häufig allein, die eine Differentialdiagnose zwischen Tuberculose
und Ecchinococcus der Lungen zulassen. Die Patienten leiden an tro-
ckenem keuchenden Husten , oder an Hustenparoxysmen , wie man sie
bei Pertussis beobachtet. Zuweilen werden spontan, oder auf ein Brech-
mittel, wie in dem Rog ersehen Falle, schleimig eiterige Sputa ent-
leert , die mit Hydatydentrümmern gemischt sind. Daneben bestehen
Schmerzen in der entsprechenden Thoraxhälfte , es stellt sich Dyspnoe,
selbst Orthopnoe ein , zuweilen ist nur die Lage auf der kranken Seite
möglich , und unter Zunahme der Respirationsfrequenz kommen öfters
Erstickungsanfälle vor. Tritt hectisches Fieber auf, so magern die Pa-
tienten schnell ab , das Gesicht nimmt eine blasse fahle Beschaffenheit
an , und selbst der Geübtere kann , zumal wenn der Echinococcus die
Lungenspitze einnimmt, fälschlich zur Annahme einer Lungenphthise
verleitet werden. In anderen Fällen können Schmerzen in der Seite eine
Pleuritis vortäuschen (s. Roger pag. 288).
Die physicalische Untersuchung ergiebt Veränderungen, die von
dem Sitz und der Grösse der Echiuococcenblasen abhängig sind , und
welche von gleichzeitig vorhandenen Infiltrationszuständen und etwaigen
Ergüssen , die , sei es durch Berstuug des Sackes oder durch secundäre
Pleuritis bedingt , in bekannter Weise mannigfach modificirt werden.
Die ergriffene Brusthälfte bewegt sich weniger als die gesunde Seite,
bei beträchtlicher Grösse erscheinen die Intercostalräume hervorge-
wölbt, und zwar entsprechend den Blasen unregelmässig hervorgewölbt,
die Percussion ergiebt eine geringe oder vollständige Dämpfung , und
bei der Auscultation kann man abgeschwächtes Vesiculärathmen oder
auch bronchiales Athmen wahrnehmen , dem öfters accidentelle Respi-
rationsgeräusche beigemengt sind. Zuweilen ist kein Athmungsgeräusch
vorhanden. Das bekannte Hydatidenschnurren (fremissement hytadique)
hat man in den bisher beobachteten Lungenechinococcen bei Kindern
nicht constatiren können. Ebenso wenig hat man bis jetzt bei Kindern
858 Krankheiten der Athinungsorgane. Lunge.
Eccbinococcenblasen von so beträclitliclier Grösse beobachtet , die zu
erheblicher Herabdrängung des Zwerchfells , und zur Verschiebung an-
derer Organe, wie der Leber imd des Herzens , Veranlassung gaben.
Die D i a g n 0 s e ist in den meisten Fällen ungemein schwierig und
nur das Vorhandensein von Hydatiden-Trümmern , Scolices oder Häk-
chen im Auswurf, oder in der durch Probepunction nach aussen gelang-
ten Flüssigkeit , lässt mit Sichei'heit die Echinococcenkrankheit erken-
nen. Der Nachweis von Zucker im Sputum kann für die Diagnose
werthvüll sein (N e is s e r). Von Roger wird hervorgehoben , dass die
andauernde und sich häufig wiederholende Entleerung von Echinococcen-
bestandtheilen annehmen lässt, dass es sich um eine multiloculäre Cyste
handelt. Communicirt der Echinococcensack mit einem Bronchus, so
existirt eine Verbindung mit der äusseren Luft und man muss dieselben
stethoscopischen Erscheinungen haben wie bei tuberculösen Caveruen,
Umstände, auf die schon Laennuec und später D a v a i n e aufmerksam
gemacht haben. — Diese Erscheinungen fehlen in den beiden von Ro-
ger mitgetheilten Fällen. Dieser Autor glaubt das Fehlen des Ath-
mungsgeräusches an der Brouchialfistel durch die Annahme erklären
au können , dass die Hydatide sich ursprünglich in der Brustwand ge-
bildet hat oder von der Leber ausgegangen war. »Unter solchen Um-
ständen nämlich ist die nach dem Bronchus führende Fistel enger , län-
ger und l)uchtiger und folglich nicht so geeignet für Erzeugung beson-
derer Geräusche.«
Die entleerten Membranen haben eine glatte durchscheinende, perl-
mutterartige Fläche und werden öfters zusammen mit ziemlich reich-
lichem Eiter expectorirt ; bei der Probepunktion verstopfen sie zuweilen
den Troicart, und die mikroskopische Untersuchung der kleinen Fetzen
lässt bei der eigenthümlichen Streifung und Schichtung mit Leichtig-
keit den Ursprung derselben erkennen. In manchen Fällen dürfte ein
gleichzeitig bestehender Leljerechiuococcus auch die von Seiten der
Lungen auftretenden Symptome feststellen und zur Diagnose beitragen.
Hinsichtlich der difPerentiellen Momente, die etwaigen Verwechselungen
von Lungenechinococcen mit Pleuritis, Hydrothorax, Neubildungen zu-
lassen , verweise ich auf die Arbeit von Hertz (Parasiten der Lungen,
Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie v. Ziemssen, 5.
Band 1874, pag. 443), und will nur noch zur Unterscheidung der Hyda-
tidenmasse in den Lungen von einem festen Tumor in denselben oder
von einer geschlossenen Höhle mit Flüssigkeit in oder auf den Lungen,
die Merkmale erwähnen , welche von V i g 1 a ganz besonders hervorge-
holjen sind. Die anamnestischen Momente, der langsame Gang, die all-
mähliche Zunahme der Dyspnoe , die eigenthümliche Dämpfung bei der
Kohts, Echinococcus der Lungen. Verlauf und Ausgang. 85'9
Percussion , die Unregelmässigkeit des Tumors , das häufige Fehlen der
Aegophonie und des »pustenden Geräusches«, und endlich im höchsten
Nothfalle, wenn Ansammlung von Flüssigkeit constatirt ist, der Probe-
einstich, werden die Diagnose sichern.
Die Hauptuuterschiede des Echinococcus der Lunge von der Miliar-
tuberculose und der chronischen Lungenschwindsucht hat F e d e r i c i
in einer besonderen Tabelle zusammengestellt. Nach ihm entwickelt
sich der Echinococcus langsam , mit gleichmässiger Zunahme der Er-
scheinungen. Die D3'spnoe bildet entsprechend den ausgebreiteten Ver-
änderungen der Lunge, ohne vorangegangenen Catarrh oder Husten das
Hauptsymptom. Es besteht ein constanter fixer Schmerz, und der häu-
figste Sitz des Echinococcus ist an der Lungenbasis. Bei der Miliartu-
berculose besteht Dyspnoe , die von quälendem trockenem Husten be-
gleitet ist. Die Patienten haben ein continuirliches oder abendliches
Fieber , der Verlauf ist mei.st acut , der häufige vSitz ist an der Lungen-
spitze und die Patienten haben keine oder nur hin und wieder auftre-
tende Schmerzen, die verschiedentlich localisirt werden. Bei der chro-
nischen Lungenschwindsucht findet man entsprechend den Lifiltrations-
erscheinungen geringe Dyspnoe, häufige Catarrhe mit täglichem Husten.
Der Verlauf ist unregelmässig, mit wechselnden Fieber- Remissionen,
und die Schmerzen sind nicht fix und treten mit wechselnder Inten-
sität auf. Der häufigste Sitz ist an der Spitze der Lungen.
\' e r 1 a u f vi n d Ausgang. Nach Küchenmeister kommt
ein Sechstel aller Todesfälle des Echinococcus überhaupt auf den Echi-
nococcus der Lunge, und nach D a v a i n e starben ^,3 aller damit behaf-
teten Patienten. Li den von Roger mitgetheilten Fällen trat bei
einem achtjährigen Knaben nach mehrmaliger Entleerung von Hyda-
tiden, vermischt mit einer Masse stinkenden Eiters, nach fünf Jahren
vollständige Heilung ein, während ein 15jähriges Mädchen unter hek-
tischen Erscheinungen zu Grunde ging.
Der von Davaine mitgetheilte Fall (Sonnie-Moret) , welcher ein
kleines Mädchen von 11 Jahren betrifft, starb intercurrent an Cholera;
bei der Autopsie fand man im rechten oberen Lungenlappen eine Echi-
nococcuscyste , deren Wandung eine Linie dick war.
Analog dem Roger'schen Falle ist von Toeplitz (s. Berliner
kl. Wochenschrift 1877. Nro. 24) ein Lungenechinococcus bei einem
5jährigen Kinde beschrieben worden.
Paul T. , 5 Jahre alt , früher stets gesund , erkrankte Weihnachten
1875 ohne nachweisbare Veranlassung an Fieber und Husten. Das Fie-
ber verschwand, der Husten persistirte jedoch, und Anfangs März 1876
wurde bei einem heftigen Hustenparoxysmus unter gefahrdrohenden Suf-
focations-Erscheinungen eine gelblich weisse Membran expectoi-irt , die
860 Krankheiten der Athmungsorgane. Lunge.
mit blutigem Schleim bedeckt war, auf die noch einige blutige Sputa
folgten. Derartige Hustenanfälle mit Expectoration von Membranen wie-
derholten sich im Ganzen 6mal, zuletzt am 30. Mai, und ausserdem trat
zu wiederholten Malen vorübergehende Hiimoptoe auf. Bei der am lOten
April 1876 vorgenommenen Untersuchung war der Status praesens fol-
gender. Kr;iftig gebautes Kind , Hauttemperatur normal, Puls 144, Ath-
mungsfrecjuenz 40 in der Minute, keine Betheiligung der accessoriseben
Hülfsmuskeln. Der Thorax breit, gut gewölbt, erscheint rechterseits stär-
ker hervorgewölbt als links. Der Percussionsschall ist rechts hinten von
der Spitze an gedämpft, und na"h unten zu absolut gedämpft. Vom
rechts von der 5ten Rippe bis zum Eiiipenrand Dämpfung. DerSpitzen-
stoss liegt 1,5 Ctm. links von der Mammillarlinie. — in der Ausdehnung
der Dämpfung abgeschwächtes Athmungsgeräusch ; rechts verminderter
Pectoralfremitus. — Die Leber zeigt normale Grenzen. Die microscopi-
sche Untersuchung der 5 Centimeter langen und 3 Centimeter breiten
Membran ergiebt eine structurlose hyaline BeschaÖ'enheit , an den Rän-
dern aber den geschichteten Bau der Echinococcus - Bälge. Haken und
Scolices waren nicht vorhanden. Nach mehrwöchentlichem Aufenthalt auf
dem Lande unter dem Gebrauch von Jodkalium trat Besserung ein; die
physicalischen Erscheinungen sind nach zwei Monaten dieselben wie bei
der ersten Untersuchung.
Anamnestisch erfährt man, dass die Eltern des Kindes vor einem
Jahre einen Hund besessen haben, mit dem das Kind viel gespielt habe,
Einen vierten Fall von primärem Lungenechinococcus erwähnt Jor-
dan (cit. in dem Jahresbericht von Yirchow und Hirsch 1855. Bd.
IV. pag. 343) bei einem 12jährigen Kinde; über den Verlauf und Aus-
gang ist nichts bekannt.
Von den 3 in die Lunge perforirten Fällen von Leberechinoeoccus
sind zwei geheilt, einer gestorben (c. Toeplitz). Bei einem lOjährigen
Kinde (Hill de Dumfries, cit. Davaine, 1. c. 449) und einem 13-
jährigen (Greenhow, cit. Jahresbericht von Virchow und Hirscb
1868, Bd. IL 150) trat Heilung ein. Finsen (Virchow's Arcliiv
1863. Bd. 27 S. 232) berichtet, dass ein Ujähriges Mädchen einen Mo-
nal-. nach der Eröffnung des Hydatidensacks starb , als sie plötzlich eine
Menge serösen Eiters auszuhusten anfing. Bei der Sedion fand sich eine
fiugergrosse C)effnung vom Hydatideusack in die Lunge hinauf.
Fälle, in denen Echrnococeen in der Leber und Lunge bei einem 9-
und einem 14jährigen Kinde vorkommen, sind von Wolf und Darbe z
beschrieben worden; gleichzeitiges Vorkommen von Echinococcen in Ge-
hirn, Leber und Bauchfell ist von Beccjuerel und Seguin (cit. Da-
vaine 1. c. 652) bei einem 13jährigen Kinde constatirt worden.
Die Echinococcenerkrankung der Luuge kann ganz latent ver-
laufen, der Wurm kann absterben, und ganz zufällig findet man bei der
Section verödete Hydatidencysten. Zuweilen werden die Membranen
expectorirt, es kommt zur Heilung, oder es bildet sich ein der Tuber-
culose ähnlicher Zustand aus , der unter cachectischen Erscheinungen,
Abmagerung, Schweissen, bei reichlichem Auswurf und Diarrhoeen zum
letalen Exitus führt. Ausgänge, wie sie von Hertz bei Lungenechino-
Kolits, Echinococcus der Lungen. Therapie. 861
coccen Erwachsener zusammengestellt sind, Perforation durch die Brust-
wand, durch das Diaphragma in den Darmcanal und die Blase, in die
Pleura- und Bauchhöhle oder in das Pericardium sind bei Kindern Ijis-
her nicht beobachtet worden.
Die Prognose ist selbst in den Fällen , wo der Cysteninhalt ex-
pectorirt wird, wo er sich nach aussen entleert, immerhin sehr dubiös,
da man mit Sicherheit nicht bestimmen kann , ob die Cyste schrumptt,
vollständig verödet und da man über die Ausdehnung desselben keinen
sicheren Anhaltspunkt hat. Bei schneller Zunahme des Echinococcen-
sackes, oder beim Auftreten hektischer Erscheinungen gestaltet sich die
Prognose noch ungünstiger.
Therapie. Die Anwendung von Kochsalz in Form von Bädern
und Inhalationen (L a e n n e c - F e d e r i c i) verspricht kaum einen Er-
folg, und unter den vielen empfohlenen Mitteln sind vielleicht die Queck-
silbersalze und Jodkalium zu nennen , die in einzelnen Fällen einen ge-
wissen Werth haben können. Roger empfiehlt, von der Voraus-
setzung ausgehend , dass nach Ausstossung der Hydatiden durch die
Bronchien Selbstheilung vorkommt , abzuwarten und einfache Alittel,
wie Inhalationen von Campher , Jod , oder beruhigende Agentien zur
Milderung der Schmerzen zu verordnen. Der Husten darf dabei nicht
unterdrückt werden , da derselbe zur Expectoration der Membranen etc.
nothwendig ist. Unter den parasitären Mitteln sind die Inhalationen
von Benzin und Terpentin erwähnenswerth.
Wölbt der Echinococcussack die Intercostalräume hervor, wird
trotz der etwa vorhandenen Expectoration der Tumor nicht kleiner,
sondern bleibt er stationär, oder wird er etwa noch grösser, entwickelt
sich unter hektischem Fieber hochgradige Dyspnoe, so erscheint es ge-
boten , die Punktion zu machen , oder eventuell bei Verwachsung des
Sackes zu incidiren, und Lugol'sche Lösung zu injiciren. Eine Bronchial-
fistel contraindicirt nicht die Operation und hindert auch nicht die Hei-
lung (Davaine).
Die elektrische Behandlung kann in Frage kommen, ist jedoch
bisher bei Echinococcus der Lungen nicht angewandt worden.
Die Therapie hat ausserdem die Aufgabe , symptomatisch zu ver-
fahren , die Schmerzen zu lindern , durch zweckmässige Medicamentc
und durch geeignete diätetische Massregeln die Dyspnoe zu verringern,
endlich durch eine tonisirende Behandlung den Kräftezustand der Pa-
tienten zu heben.
DIE
KRANKHEITEN DER PLEURA
VON
Dk, OTTO LEICHTENSTERN,
PEOFESSOE IN TÜBINGEN.
Pleuritis.
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Pathologische Anatomie.
Die pathologisch -anatomischen Vorgänge Ijei der Pleuritis
der Kinder unterscheiden sich, soweit dieselben bekannt sind, nicht von
denen der Erwachsenen.
Die Entzündung der Pleura zeichnet sich macroscopisch durch
eine Reihe von Veränderungen verschiedenen Grades aus. In den leich-
testen Graden zeigt die Serosa eine weniger glänzende , trübe und we-
niger glatte Beschaffenheit. Sie erscheint geröthet, und man kann mit
55*
868 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
blossem Auge die stärkere Injection der subseröseii Gefässstämmchen
unterscheiden.
Weiterhin erhält die seröse Oberfläche ein mehr oder minder zart
filziges Aussehen ; sie ist aufgelockert und gesch^vellt.
üebergehen wir zunächst die feineren anatomischen Vorgänge , die
diesen Veränderungen zu Grunde liegen, so führt ein Schi'itt weiter zur
Essudation. Diese präsentirt sich uns theils als mehr oder minder
reichliches flüssiges Exsudat, theils als sogenanntes plastisches,
f as erstof figes.
Die ein grob filziges Ansehen darbietende, rauhe und tmcken glän-
zende Pleura ist mit einem zarten i\j:ifluge niembranartig , band- oder
fadenförmig angeordneten Paserstoffexsudates Ijedeckt. Dasselbe liegt
liald locker auf, so dass es in Membranen abgezogen werden kann, bald
fester.
Der Exsudatfaserstoff schliesst in seinem schwammig weichen Ge-
lüste zahlreiche junge ßundzellen ein. Ob Faserstoff und Zellen schlecht-
hin Abkömmlinge des Blutes sind (Rindfleisch), ob nicht auch das
Bindegewebe der Serosa eine wesentliche Rolle bei der Entstehmig dieses
Exsudates spielt (Virchow), ist eine immer noch nicht entschiedene
Frage. Soviel steht fest, dass bei den nun folgenden Vorgängen der ad-
häsiven Pleuritis das Bindegewebe und die Gefässe der Serosa sowohl,
als auch der Faserstoff-Anflug , welcher diese bedeckt , eine wichtige
Rolle spielen.
Einmal ist es das Bindegewebe der Serosa selljst , das in der Form
embryonalen Bindegewebes wuchert und organisationsfähiges Keimge-
webe liefert. Dieses erscheint in F'orm paiiillenartiger Granulationen,
kleiner Zotten, in welche sich neugebildete zarte Capillaren erbeben.
Alier auch der die Zellen einschliessende zarte Paserstoff -Anflug („des-
moider Faserstoff-' Buhl) ist proliferationsfähig und gewinnt die phy-
siologische Dignität des Keimgewebes. Die Zellen werden spindelförmig,
das von dem Bindegewebe der Serosa und das vom Faserstoffexsudat
producirte Keimgewebe stossen aneinander und verschmelzen ; die neuge-
bildeten Gefässe in den Granulationen der Serosa setzen sich auch in
das sich organisirende Paserstoffexsudat hinein fort. Der schliessliche
Ausgang ist Bildung fertigen Bindegewebes.
Üeberträgt man den für eine der serösen Flächen geschilderten Vor-
gang in ganz analoger Weise auf die gegenüberliegende, mit der sie in
Contakt steht , so geht daraus Verklebung, später solide V e r-
wachsung der Pleura pulmonalis mit der Pleura parietalis hervor.
Diese Verwachsung ist entweder eine direkte (so besonders an den Lun-
genspitzen) oder eine indirekte, d. h. sie wird durch faden-, band- oder
membranartige Bindegewebs' irücken vermittelt. Bleibt die Bindegewebs-
bildung auf eines der serösen Blätter beschränkt, ohne dass es zu Ad-
häsion kommt, so entstehen Verdickungen der Pleura, oft mehrere Linien
dicke Bindegewebsschwarten , welche in Farbe und Derbheit die Eigen-
schaften des Narbengewebes darljieten. In den bindectewebigen Pseudo-
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura Path. Anatomie. 8(59
membranen werden sowohl Gefässe , als auch Nerven , zuweilen seihst
glatte Muskelfasern angetroffen.
Die Bindegewebs - Adhäsionen sind , so lange sie jung sind , leicht
dehnbar und werden daher besonders über Lungentheilen , welche eine
ausgiebige respiratorische Bewegung mitmachen , oft zerrissen oder zu
langen Bändern und Strängen ausgezogen.
Die Ausdehnung, in welcher die Pleura entzündet angetroffen ^^^rd,
ist eine sehr verschiedene, bald umschriebene , so bei Infarkten, lobulä-
ren Pneumonien, metastatischen Abscessen etc., bald eine mehr minder
diffuse, so besonders bei der primären Pleuritis, bei der Pleuritis nach
Scharlach , Masern etc. Jede auch noch so umschriebene Pleuritis kann
sich, durch Fortpflanzung des entzündlichen Processes, über eine grössere
Fläche der Pleura verbreiten.
Wenden wir uns zum flüssigen Exsudate.
Es erscheint in seiner einfachsten Form als seröses, als eine voll-
kommen klare, eiweissreiche Flüssigkeit von hellgelber, zuweilen schwach
grünlicher Farbe. Die Exsudatmengen sind sehr verschieden. Mei-
stens enthält die Flüssigkeit fetzige, oft fadenförmige Flocken, »F i b r i n-
coagula«, wir sprechen dann von s e r o - f i b r i n ö s e m Exsudate.
Die M a X i m a 1 - M 6 n g e n flüssigen Exsudates , welche bei Kin-
dern angpfroffen werden , sind natürlich der verschiedenen Capacität des
kindlichen Thorax in verschiedenen Lebensaltern entsprechend, sehr ver-
schieden.
Die seröse Flüssigkeit der Pleuritis ist wohl hauptsächlich ein Pro-
dukt der Transsudation von Serum aus dem Blute. Diese Transsudaiicn
findet an der entzündeten Pleuraparthis statt, wo die Gefässe erweitert,
in Proliferation begriffen und die Endothelien abgelöst sind. Die Exsu-
dation ist daher, was die in einer gewissen Zeit abgesonderten Flüssig-
keitsmengen betrifft, nicht allein der Intensität, sondern auch der Exten-
sität des entzündlichen Processes proportional. Jedenfalls spielen bei der
Transsudation auch die Lympbgefässe eine Kolle. Sie liegen als ober-
flächliches Stratum dicht unter dem Epithel , diesem näher als die Blut-
capillaren (Wagner, D y b k o w s k y) und communiciren durch soge-
nannte Stomata — Lücken in einschichtigen Plattenendothel — juit dem
Pleura-Raume (ß e c k 1 i n g h a u s e n). Die Lympbgefässe zeigen sich
bei Pleuritis verändert, erweitert und enthalten eine klare an körper-
lichen Elementen sehr arme seröse Flüssigkeit.
Zuweilen fand Wagner Balken des Exsudatfaserstoffes in die
Lymphgefässe hineinragen, zuweilen Fibrincylinder als Abgüsse der
Lympbgefässe. Die Exsudation ist im Anfange wohl der Hauptsache
nach ein Filtrationsprocess , bald aljev wird die diosmotische und resor-
birende Thätigkeit angeregt. Je nachdem das eine oder andere prävalirt,
verhält sich das Exsudat qualitativ und ciuantitativ verschieden. Es ist
selbstverständlich , dass das Exsudat steigt , wenn mehr transsudirt als
resorbirt wird. Prävuliren die diosmotischen Kräfte, so werden Salz und
Wasser schneller abgeführt, als das schwer difiundirende Eiweiss und
die Exsudate werden dadurch besonders albuminreich (Hopp e). Ueb-
870 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
rigens liängt, wie nacli analogen Erfahrungen geschlossen werden darf
der Eiweissgehalt auch von der Essndationsgeschwindigkeit ab, J3ei ein-
facher, nicht entzündlicher Transsudat ion , Hydrops pleurae , ist der Er-
guss gewöhnlich Eiweiss-ärmer und nähert sich dem Eiweissgelialte
des Lymphseruins ; bei entzündlichen Exsudaten ist der Eiweisscrelialt
grösser, dem des Blutserums genähert. Der Schluss, den Manche hieraus
zogen , dass bei einfacher nicht entzündlicher Ti'anssudation der Erguss
hauptsächlich der Lymphe, bei Pleuritis dagegen dem Blute entstamme
ist durchaus nicht beweiskräftig.
Bei der Wiederaufsaugung von Exsudaten sind neben den diosmi-
renden Vorgängen wohl hauptsächlich die resorbirenden Kräfte der Lymph-
geiässe thätig.
Alle die hier in Betracht gezogenen Vorgänge eröffnen ein weites
Feld noch ungelöster Fragen.
Was den Eiweissgehalt der serösen Transsudate und Exsudate
anlaugt, so steht derselbe meistens in der Mitte zwischen dem Albu-
mingehalt des Lymphserums (2—3 p. Ct.) und des Blutserums (8 — 9
p. Ct.J. Die hin und wieder anzutretfende Angabe, dass pleuritische Ex-
sudate zuweilen selbst grösseren Albumingehalt zeigten , als das Blut-
serum , muss ich auf Grund eigener , zahlreicher Erfahrungen und der
mir bekannten Analysen Anderer*) als irrig bezeichnen. Als böcbsten
Werth in den von mir untersuchten serösen Exsudaten fand ich 7,5 p.
Ct. Albumin bei einem specifischen Gewicht von 1027 ; als niedersten
Werth 3,8 p. Ct. Albumin bei 1013 sp. Gew. In den meisten Pilllea
schwankte das specif. Gewicht zwischen 1015—1023, der Albumingehalt
zwischen 4 — 6 p. Ct. Das .specifische Gewicht des Blutserums 1028 habe
ich nie von Exsudaten erreicht gefunden.
Dagegen kommen seröse Pleura-Transsudate (hydropischer Natur)
vor, welche noch weniger Albumin (! p. Ct.) und ein specifisches Ge-
wicht von nur 1009 aufweisen. In solchen Fällen ist sicher auch dei'
Alliumingehalt des Blut- und Lyraphserums pathologisch erniedrigt.
Mehu, der wohl die grösste Zahl von Transsudaten und Exsudaten
(142 Fälle) untersucht hat , sagt . dass ein specif. Gewicht unter 1015
auf einfaches Transsudat, ein sp. G. über 1018 auf Ex.sudat, d. h. ent-
zündliche Pleuraaffektion schliessen lasse. Ich kann mich dieser Schluss-
folgerung Mehu's anschliessen, jedoch mit dem Zusätze, dass zuwei-
len rein hydropische Ergüsse vorkommen (z.B. bei HerzfehlernJ, welche
ein hohes specifisches Gewicht (1020—1023) und dem entsprechenden
Albumingehalt darbieten. Kichtiger ist es also, sich so auszudrücken:
Ist das specif. Gewicht — bei dessen Bestimmung immer auch die Tem-
peratur der Flüssigkeit zu berücksichtigen ist — unter 1015, so spricht
diess für nicht entzündlichen , hydropischen Erguss , und zwar um so
sicherer, je mehr das specif. Gewicht unter diese Grenze sinkt. Lst das
specif. Gewicht aber höher, so kommt diess ebensowohl bei Pleara-Ex-
sudaten als auch zuweilen bei einfachen hydropischen Transsuda-
ten vor.
*) Vergl. hierüber Kühne, phys. Chem. S. 268. — F. Hoppe , 1. c. -
Mehu, 1. c. — C. Schmidt, Z. Charakt. d. epid. Cholera 1850.
Leich teils tern, Krankheiten der Pleura. Path. Anatomie. 871
In dein Maasse, als das seröse Exsudat zellen reicher wird, ver-
liert es die klare, durchsichtige Beschaffenheit, wird trübe (serös-
eitriges Exsudat), bis endlich durch fortgesetzte Zunahme der Zellen
rein eitrige Exsudate , mit zuweilen rahmartiger Consi.stenz des Eiters
zu Stande kommen (Empyem, Pyothorax).
Die Frage nach der Herkunft der E i t e r k 8 r p e r c h e ii in
eitrigen Exsudaten ist immer noch nicht endgültig entschieden. Jeden-
falls handelt es .=^ieh in erster Linie um Auswanderung zahlloser farbloser
Zellen aus den erweiterten und zum Theil neugebildeten CapiUaren der
Pleura und der Pseudomembranen. Andere nehmen noch eine Vermeh-
rung der auisge wanderten Zellen durch Theilung oder selbst endogene
Zellenbildung an, insbesondere aber eine Proliferation der Bindegewebs-
zellen der eitrig infiltrirten Pleura. Die enormen Mengen von Eiterkör-
perchen bei rasch wachsenden , massenhaften , eitrigen Pleura- Ergüssen
sind mit der Auswanderuugstheorie allein nur schwer vereinbar , selbst
dann , wenn wir den Bildungsstätten der weissen Blutkörperchen , der
Milz , den Lymphdrüsen und adenoiden Organen eine enorm vermehrte
Thätigkeit und gewissermassen einen regulirenden Einfluss auf die An-
zahl der weissen Blutkörperchen im Blute zuschreiben.
Nicht allein das bisher seröse Exsudat wird eitrig , die eitrige
Infiltration betrifft auch die Serosa, die Pseudomembranen und
selbst die Fibrincoagula. Die eitrig infiltrirtePleura erscheint
verdickt und aufgelockert, die Pseudomembranen werden gelblich , sind
weich, die Fibrin- Coagula, von Eiterzellen reichlich durchsetzt, sind
uicht mehr von der soliden B eschaffenheit , wie früher, sie schmelzen
ein , um sich in der Flüssigkeit oft gänzlich aufzulösen ; manchmal ge-
winnen sie durch schleimig fettige Degeneration ein gallertartiges An-
sehen. Die ganze Pleurafläche ist in solchen Fällen einer Eiter produ-
cirenden, granulirenden Wundfläche zu vergleichen ; sie stellt eine klein-
hügelige Fläche von jungem, eitrig infiltrirtem Bindegewebe dar, eine
sogenannte pyogene Membran.
Während seröse, sero-fibrinöse und selbst serös-purulente Exsudate
erfahrungsgemäss vollkommen resorbirt werden können, stehen der Re-
sorption grösserer eitriger Exsudate ebenso unüberwindliche Hinder-
nisse entgegen , wie der spontanen Resorption des Eiters in grösseren
subcutanen Abscessen. Entleerung des Eiters auf künstlichem
oder spontanem Wege ist die conditio sine c^ua nonder
Heilung. Der Aufbruch des Empyems nach aussen geschieht entweder
durch einen Intercostalraum oder in die Bronchien der comprimirten
Lunge und zwar auf die gleiche Weise, wie der spontane Aufbruch eines
Zellgewebs-Abscesses. An einer umschriebenen Stelle wird die Lunge
oder es werden 'üe Weichtheile eines Interccstal-Raumes ulcerös zer-
stört durch eitrige Infiltration und Schmelzung der Gewebe. Setzt sich
872 Krankheiten der Athuiungsorgane. Pleuritis.
der üleerationsprocess auf das Periost nud den Knochen einer oder meh-
rerer Rippen fort, so entsteht Caries derselben.
In höchst seltenen Ausnahmefällen findet der Durchliruch des Empvems
in die Bauchhöhle f H a y d e n , E r m a n , L a v e r a n) statt, oder in das
ZeUgewebe des hinteren Mediastinums und von da m das retronerito-
neale Zellgewebe. In letzterem Falle kann das Empyem zu einem soge-
nannten Congestionsabscesse, der in der Lumbal-Region neben der Wir-
belsäule zum Vorschein kommt, Veranlassung geben.
ßestirende kleinere Eiterheerde bleiben mitunter licim Heiluncsvor-
gauge zurück , eingeschlossen von den dicken Bindegewebsschwarten der
Pulmonal- und Costalpleura. Diese Eiterresiduen können auf dem Weo«
der Wasserresorption und fettigen Degeneration verkäsen, durch Ee.sorp-
tion auch der fettigen Bestandtheile verkalken. Ob solche restirende
Käseheerde an und für sich im Stande sind, Tuberculose zu ver-
anlassen, ob es hiezix nicht vielmehr im Voraus eines besonderen, in-
fectiüsen Käses oder wenigstens der tulierculösen Diathese bedarf, ist
eine oiiene Frage, die ich für meinen Theil lieber mit der letzteren als"
ersteren Annahme beantworten möchte.
Ist der Aufbruch des Empyems erfolgt, so schickt sich die von dem
Exsudatdruck betreite Pleurafläche , welche eine grosse granulirende
Wunde darstellt, zur Heilung an , ganz in der gleichen Weise wie eine
eröffnete Abscess- Höhle. Nur die Schwierigkeiten der Heilung sind
wegen der Resi.stenz der Wandungen grösser. Der Heilungsvorgang
vollzieht sich durch Bildung fertigen Bindegewebes, das alle Charaktere
und Eigenschaften, insbesonders auch das ni ä c h t i g e C o n t r a k t i o n s-
vermögeu des Narben-Bindegewebes darbietet. Es entstehen dicke,
derbe Schwielen und Schwarten. In dem Maasse, als der Eiter abfliesst,
kehren vor Allem die verdrängten Organe , das Mediastinum mit dem
Herzen, das Zwerchfell mit den anliegenden Bauchorganen , die stark
ausgedehnte Brustwand wieder in ihre Normallage zurück. Dies ist
gewissermassen das erste Stadium der Heilung , an welchem die lange
Zeit comprimirte Lunge nur zu einem sehr geringen Theil durch Wie-
derentfaltuug- Antheil nimmt. Die ofPene Abscesshöhle verkleinert sich
im zweiten Stadium der Heilung noch weiter durch den concen iri-
schen Zug, welchen das sich contrahirende , mehr und mehr in festes
Narbengewebe übergehende Bindegewebe der Abscesshöhle ausübt. Aus
diesem Grunde wird die Empyemhöhle , wie ich mich wiederholt über-
zeugte , im weiteren Verlaufe immer mehr kugelförmig und verkleinert
sich, diese Form beibehaltend. In dem Maasse, als sich die Höhle ver-
kleinert, wird der Eiter verdrängt. Der concentrische Zug der die kug-
lige Empyemhöhle auskleidenden Narbenmassen dehnt , soweit es mög-
lich ist, die Lunge wieder aus, zieht das Mediastinum mit dem Herzen
herbei , zieht das Zwerchfell mit der Leber (oder dem Magen) herauf,
Leichtenstern, Krankheiton der Pleura. Path. Anatomie. 873
zieht die Thoraxseite ein (R e t r e c i s s e m e n t t h o r a c i q u e). Je ge-
ringer der Widerstnnd , den in solchen Fällen die comprimirte Lunge
ihrer Wiederentfaltiuig entgegensetzt, um so geringgradiger wird die
Thoraxdifformität, je weniger die Lunge ausdehnungsfähig, um so mehr
verkleinert sich die Empyemhöhle mit Hilfe der Thoraxwandungen, und
der zur Raumerfüllung herbeigezogenen übrigen Begrenzungen der
Höhle, des Mediastinums und Zwerchfells. Ein Theil des Raumes wird
auch durch die dicken , derben Narbenmassen , durch das zu Schwielen
erhärtende Bindegewebe ausgefüllt. Verschliesst sich die Oeffnung der
Empyemhöhle vorzeitig , so sistirt der Heilungsvorgaug , denn die Re-
sorptionsthätigkeit ist eben, wie in Abscesshöhlen gewöhnlich, nur eine
sehr geringe. Der Heilungsvorgang in den geschilderten Fällen — an-
dere werden wir sogleich kennen lernen — erfolgt einzig und all-
ein durch den mächtigen Contraktionszug des fertigen,
zu Narbengewebe schrumpfenden Bindegewebes der
Pleura-Granulationsfläche. Für die zahlreichen Fälle, wo
Empyeme bei permanent offen erhaltener Thoraxfistel mit sehr erheb-
lichem Retrecissement ausheilen , gibt es in der That keine andere Er-
klärung ; ganz auf dieselbe Weise heilen , wie zahlreiche Erfahrungen
lehren, Empyeme, welche nach den Lungen durchgebrochen sind.
Ein anderer Heilvorgang ist die Resorption. Sie kommt nur
bei serösen und serofibrinösen , etwa auch noch bei seropurulenten Ex-
sudaten vor. Ist die Lunge unter den 4 Wandungen des Exsudates
(Brustkorb, Mediastinum, Lunge und Zwerchfell) die nachgieljigste , so
dehnt sie sich iinter dem Einflüsse des negativen Resorptionsdruckes
(des Reisorptionszuges) , unterstützt von den inspiratorischen Kräften,
die auf sie einwirken, allmählig wieder vollkommen aus.
Complicirter werden die Verhältnisse , wenn die Bedingungen zur
Resorption erst spät auftreten , niichdem die Lunge längere Zeit com-
primirt und durch bindegewebige Induration oder straffe Verwachsung
so hochgradig verändert ist, dass sie von einem gewissen Grad der Wie-
derausdehnung au , der weiteren Entfaltung unüberwindliche Hinder-
nisse entgegenstellt. Auch in diesen Fällen wird , wie beim Empyem
geschildert , der Thorax eingezogen (Retrecissement) , die Wirbelsäule
nach der gesunden Seite (scoliotisch) ausgebeugt, die Rippen treten ein-
ander näher , Zwerchfell und Mediastinum werden herangezogen , alles
dies, um den Raum auszufüllen, welchen das iu die Blut- imd Lymph-
gefässe zurückkehrende Exsudat vorher einnahm.
Wenn von den Kräften die Eede ist, welche diese Thorax-Missstal-
tung und diese Verziehungserscheinungen bewirken, so wird fast nur
vom Atmosphiireudruck gesprochen , der die Entstehung eines leeren
874 Krankheiten der Athmungsorganc. Pleuritis.
Raumes nicht zulasse und daher die Thoraxwandung eindrücke. Die
primär wirksame Kraft beim Retrecissement ist der Resorptionszu«
oder die ansaugende Kraft der Lymph- iind Blutgefässe. Dieser Resorp.
tion.vzug macht es müglich, dass der atmosphärische üeherdruck die Tho-
rax Wandung eindrückt.
Der Resorptionszug ist es, welcher die Lunge allmählig wieder ent-
faltet, der die Widerstände ülierwindet, welche die Wandungen der Es-
sudathöhle ihrer gegenseitigen Annäherung heim Retrecissement entge-
gensetzen. Dieser Resorptionszug oder negative Druck correspondirt, was
Kraftmaass betrifft, mit dem positiven Exsudaiionsdruck, der den
Thorax erweitert, die Lunge comprimirt, die Nachbarorgane verdrängt.
Die Ursachen , von welchen die Entstehung eines serösen oder
eitrigen Exsudates abhängt, sind verschieden. In vielen Fällen, z. B.
l)cim Durchbruch einer Caverne , eines Abscesses der Lunge oder der
Nachbarschaft in die Pleura, bei Pyämie , Infectionskrankheiten etc. ist
die Pleuritis von Anfang an eine eitrige (primär-eitrige PI.) , in andern
F'ällen verwandelt sich ein seröses Exsudat spontan oder auf bekannte
Veranlassung hin in ein eitriges (secundär- eitrige PI.). Eitrige Exsu-
date ))leiben oft längere Zeit stationär, ohne irgend welche Veränderung
zu erleiden. Gerathen aber auf irgend einem Wege von aus.sen her
Fäulnisselemente, Spaltpilze (Schizomyceten) in das eitrige Exsudat, so
können sie sich (bei der Temperatur und schwach alkalischen Reaction
derNährflüssigkeit) vermehren und zu Zersetzung, zu aramoniakalischer
Fäulni.ss Veranlassung geben. Wir haben dann ein jauchiges Ex-
sudat. Zuweilen, wie z. B. bei Pleuritis in Folge einer jauchigen Lun-
gen-Emljolie, führt die Veranlassung zur Pleuritis gleichzeitig auch die
Bedingungen zur Jauchung mit sich (primär -jauchige PL). Das jau-
chige Exsudat zeichnet sich durch fötiden Geruch, missfarbene, grau-
grüne Beschaffenheit aus. Beim Brand der Pleura wird diese in eine
missfarbene, zottig-flottirende, pulpöse Masse verwandelt.
Blutungen in das Gewebe der Pleura und in pleuritische Pseu-
domembranen treffen wir nicht selten als punktförmige oder grösser-
flecldge Ecchymosen an. Blutungen in die Exsudate (hämorrha-
gisches Exsudat) finden per rexim oder per diapedesim statt. Nur
im ersteren Falle sind Blutcoagula und grössere Blutmengen vorhanden.
Hämorrhagische Exsudate sind im Kiudesalter nach den überein-
stimmenden Erfahrungen der Autoren ausserordentlich selten (Ziemä-
s e n 1. c. 37). Sie wurden indessen sowolil bei mit Puerperalfieber in-
ficiiten Neugeljornen (Hervieux, Steffen), als auch bei den hämor-
rhagischen Fomen acuier Exantheme (Gerhardt), bei Comphcation
der Pleuritis durch hämorrhagische Diathese beoliachtet.
Wenden wir uns zur Betrachtung der anatomischen Veränderun-
gen, welche andere Organe bei Pleuritis erleiden, so interessirt
L eicht ensterii, Krankheiten der Pleura. Aetioloffie.
87f
uns vorzugsweise das Verhalten der Lungen. Tn dem Maasse als
das pleuritische Exsudat anwächst, retrahirt sich die Luuo-e ihrem
Elasticitätsbestreben folgend. Hat sie das Maximum der spontanen Ke-
traktion erreicht und steigt das Exsudat weiter, so wird die Luuo-e
comprimirt, bei sehr grossen Exsudaten bis zu dem Grade, dass sie
einen welken flachen Kuchen darstellt, der blutarm und luftleer ist, sich
lederartig zähe schneidet und eine bleigraue oder schwarze Durch-
schnittsfläche zeigt. Ist die Lunge nirgends mit der Costalpleura ver-
wachsen , so wird sie zuerst von unten nach aufwärts gedrängt , später,
wenn das Exsudat-Niveau über die Höhe der Lungenwurzel sich erhebt,
von allen Seiten gegen ihren Befestigungsort, die Lungenwurzel zu
comprimirt. Sie liegt dann als flacher Kuchen dem Mediastinum und
der Wirbelsäule an.
Aetiologie.
Man pflegt die Pleuritis vom ätiologischen Standpunkte aus einzu-
theilen in eine primäre (idiopathische) und eine secundäre (deu-
teropathische). Zu ersterer rechnet man die Fälle, wo die Pleuritis ein
bis dahin gesundes Individuum ohne bekannte Ursache befällt. In
manchen dieser Fälle Avird »Erkältung« als Ursache beschuldigt ; man
hat daher diesen primären Pleuritiden auch den nichtssagenden Namen
der »rheumatischen« verliehen.
Ziemss en konnte unter 54 Fällen von Pleuritis bei Kindern nicht
ein einziges Mal, He noch unter ebenso vielen Fällen nur einmal Er-
kältung als nächste Veranlassung zur Pleuritis nachweisen. Andei-e,
welche weniger skeptisch in der Anamnese verfuhren , kamen zii der
entgegengesetzten Meinung , dass Erkältung eine sehr häufige Ursache
der Pleuritis sei , besonders bei Individuen mit erhöhter Disposition zu
derselben, bei Reconvalescenteu von schweren fieberhaften Krankheiten,
Phthisikern, Morb. ßrightii Kranken etc.
Die Eintheilung der Pleuritis in eine primäre und secundäre ist im
Einzelfalle am Krankenbette häufig nicht durchführbar. Dieselbe un-
bekannte Ursache , welche eine primäre Pleuritis bei einem bis dahin
kerngesunden Individuum hervorruft, vermag diess auch bei einem Herz-
kranken , Phthisiker, Nierenkranken, bei einem Reconvalescenteu von
einer schweren fieberhaften Krankheit. Es kann in diesen Fällen die
Pleuritis aber auch eine secundäre sein, d. h. Bedingungen haben, welche
mit der bestehenden oder vorausgegangenen Krankheit in irgend einem,
freilich nicht nachweisbaren Causalzusammenhange stehen. Umgekehrt
kann uns eine Pleuritis als primäre imponiren, weil wir die vorhandene,
zuweilen grob anatomische Ursache (z. B. Neubildungen der Pleura,
g7ß Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Echinococcns - Cysten derselben) nicht zu erkennen vermögen. So ver-
hült es sich hänfig bei der Pleuritis , welche Individuen mit »liitentert
Tuberculose befällt; die für xn-imär gehaltene Pleuritis ist hier oft die
erste nachweisbare anatomische Localisation der Allgemeinerkrankuiiff.
Zu deu Pleuritiden mit bekannter Aetiologie gehören die trau-
matischen. Nicht allein die perforirenden Brustwunden und die von
Rippenbruch gefolgten Traumen des Thorax führen zu umschriebener
oder exsudativer Pleuritis , auch stärkere C o u t u s i o u e n o h n e R i p-
pen b ruch haben eine solche zuweilen zur Folge.
Unter den s c c u n d ä r e n Pleuritiden sind jene am Läufigsten, wo
die Erkrankung der Pleura von Kiankheiten des Lungengewebes ihren
Ausgang nimmt. Jede L un g e n e r k r a nku n g kann Pleuritis er-
zeugen, wenn sie sich bis an die Pleura fortsetzt. Die Portpflan-
zung entzündlicher Proces.se von der Lunge auf die Pleura
ist die hiiufigste Ursache von Pleuritis. Bald resultirt hieraus nur eine
umschriebene trockne , bald eine diffuse exsudative Pleuritis. In dieser
Hinsicht sind namhaft zu machen : die Lungenentzündung (die croupBse,
katarrhalische , die acute und chronische interstitielle) , die ver-
schiedenartigen entzündlichen und nicht entzündlichen Processe bei der
Tuberculose und Lungen-Phthise , ferner hämorrhagische Inl'arkte, Lun-
genabscesse, metastatische und pyiimische Abscesse, Gangriln der Lunge,
Neubildungen bes. Tuberkeln der Pleura, Blutungen in das Gewebe der-
sellsen oder in das Cavum pleurae.
Entzündliche Processe in der Nachbarschaft der Pleura erregen oe-
cundäre Pleuritis (Pi. ex contiguo). So führt Pericarditis, Mediastinitis,
Rippen-Caries , Peripleuritis , zu secundärer Pleuritis, Phlegmonen des
Halszellgewebes , z. B. nach Operationen am Halse, nach Traeheotomie,
oder bei eitriger Lymphadenitis führen bald durch Fortpflanzung ent-
zündlicher Processe, bald durch Eitersenkung zu secundärer eitriger Pleu-
ritis; ebenso Congestions- Abscesse der Wirbelsäule. Perforation des kreb-
sigen Oesophagus oder eines Speiseröhrendivertikels hat secundäre eitrige,
zuweilen jauchige Pleuritis zur Folge.
Unter den entzündlichen Processen, welche von der Bauchhöhle aus
durch Fortpflanzung Pleuritis erzeugen, steht, was Häufigkeit anlangt,
obenan die auih im Kindesalter nicht seltene chronische exsudative Pe-
ritonitis. Abscesse, Echinococcus- Cy.sten der Leber, peri.splenitische und
Milz-Aliscesse , Nieren- Ali,see.sse. Retroperitoneal- Abscesse nafh Typhlitis
und Perityphlitis führen nach Lurchbruch in den Pleuraraum zu secun-
därer Pleuritis.
Endlich kennen wir eine Reihe acuter und chronischer Krankheiten,
welche erfahrungsgemäss nicht selten Pleuritis im Gefolge haben. Oben-
an steht der Morb. Brightii , der acute sowohl , wie er nach Scharlach
im Kindesalter so häufig ist , als auch der chronische ; ferner der acute
Gelenkrheumatismus, Typhus, Masern, Variola.
Zu den secundären Pleuritiden rechnen wir die bei Pyämie und
Septichämie, bei Neugebornen z. B. in Folge jauchiger Umbilical-Phle-
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Aetiologie.
877
bitis vorkommenden, ferner die Pleuritis bei puerperaler Infection Neu-
geborner , deren Mütter vor der Geburt mit dem Virus des Puerperal-
fiebers inficirt worden waren (F. Weber).
Nicht unerwähnt will ich lassen, dass auch längere Zeit bestehende
hydropische Pleura-Transsudate (liydrothorax) zuweilen ohne jegliche
bekannte Ursache , spontan und allmählig den subinflammatorischen
Charakter annehmen und zu secundärer Pleuritis mit serös-faserstoifi-
gem Exsudate führen.
Man hat den begünstigenden Einfluss der Kulte auf Entstehung von
primärer Pleuritis auch dadurch zu beweisen gesucht, dass ludn auf die
grössere Häufigkeit derselben, in der kalten Jahreszeit
hinwies. Das bis jetzt vorliegende statistische Material ist unzureichend,
diese Frage sicher zu entscheiden. Hierzu bedürfte es vor Allem einer
strengeren Unterscheidung zwischen primären und secundären Pleuritiden.
Die zahlreichen Fälle von chronisch-exsudativer Pleuritis und Empyem,
welche in den Tabellen enthalten sind, werden auf den Monat berechnet,
in welchem solche Kranke in die Hospitäler eintraten oder starben, nicht
aber auf den Monat, wo die Erkrankung ihren Anfang nahm. Folgende
Zahlen nähern sich wohl noch am meisten der Wahrheit ; ihre Ueberein-
sticamung spricht dafür.
Januar bis
März. [
April bis
Juni.
.]uli bis Oktober bis
Süi^tcmber, Dezember.
London, 1840-54. 2090 Todesfälle |
von Pleuritis aller Lebensalter . | 28,9
London, 1849—53. 794 Todesfälle
von Pleuritis aller Lebensalter . 31,3
C. Genf, 72 Todesfälle von Pleuritis
aller Lebensalter 34,7
H. Ziemsse n, 54 Erkrankungsfalle
V. primärer Pleuritis der Kinder 53,7
26,8
26,7
26,4
20,3
18,2
18,8
20,8
13
26,1
23,2
18,1
13
h ä u-
Aus der bisher vorliegenden Statistik ergiebt sich somit:
1) Pleuritis kommt im Frühjahr und Winter
f i g e r vor, als im Sommer und Herbst.
Reihen wir hieran einige andere Momente, welche, als zur Kran k-
heits-Disposition gehörig, im Kapitel der Aetiologie behandelt zu
werden pflegen.
Was das Geschlecht betrifft, so widersprechen sich, wie bei der
Kleinheit der vei-wendeteu Statistiken nicht anders zu erwarten i.st , die
Angaben verschiedener Avrtoren. Barthez und Rill i et (1. c. p. 578)
trennen primäre und secundäre Pleuritiden; während an letzterer beide
Geschlechter in gleichem Verhältnisse participiren , ergiel)t sich für er-
stere ein bedeutendes Ueberwiegen der Knaben. Rechne ich die Zahlen
von Barthez und Rilliet, Ziemssen und Steffen zusammen, so
erhalte ich auf 103 Knaben 68 Mädchen, also 60 p. Ct. zu 40 p. Ct.
Ich halte dieses Verhältniss, durch die Kleinheit der Statistiken bedmgt,
für entschieden unrichtig. Das Folgende dürfte der Wahrheit näher
kommen.
Fasse ich die sämmtlichen Tabellen, wie sie in Oesterlen's Hdb.
878 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
d. med. Stat. (1865 S. 575) angeführt sind, zusammen *), so vertheilen
sich 6488 Todesfälle an Pleuritis aller Lebensalter auf 3751 Männer
und 2737 Weiher; also 5 7.8 p. Ct. zu 42,2 p. Ct. Berechnet man
diese Todesfalle an Pleuritis auf je 100,000 Einwohner männlichen und
ebensoviele weiblichen Geschlechtes, so ergibt sich ausnahmslos ein Plus
der Männer.
Vergleichen wii' hiemit die Statistik, welche ich den ärztlichen Be-
richten des k. k. allgemeinen Krankenhauses zu Wien vom Jahre 1858
bis 1874**) entnahm. Es kommen auf 2880 Pleuritis- und Empyemkranke
Männer, 1278 Weiber; da aber die Zahl der aufgenommenen Männer in
diesem Zeiträume 232,840, die der Weiber 135,708 beträgt, so kommen
auf 100 Männer 78 Weiber oder es erkrankten an Pleuritis und Empyem
55,5 p. Ct. Männer, 44,5 p. Ct. Weiber.
Betrachten wir das Kindesalter (bis zum 15. Lebensjahr) für
sich allein, so treffen wir Lieim Vergleich der einzelnen Lebens-
jahre in der Mehrzahl ein Plus der Knaben. Aus den oben angefükrten
Tabellen bei Oesterlen ergiebt sich für das Alter von 0—15 Jahren
Folgendes: 662 Todesfälle an Pleuritis vertheilen sich auf 359 Knaben,
303 Mädchen; also 54 pCt. zu 4 6 p. Ct. Die.ses Verhältniss ist be-
•stimmt zuverlässiger , als das in den Lehrbüchern der Pädiatrik cursi-
rende, unbedeutenden Statistiken entnommene. AVir sagen daher:
2) Knaben erkranken etwas häufiger an Pleuritis
als Mädchen.
Was das Vorkommen der Pleuritis in den einzelnen L e-
bensjahren der Kindheit betriff"! , so sind wir hierülier noch
viel weniger im Stande sichere Angaben zu machen, als über die im
Vorhergehenden betrachteten Verhältnisse. Die kleinen, sich vielfach wi-
dersprechenden, aber in den Lehi'büchern der Pädiatrik stets wiederkeh-
i-enden Statistiken sind aus nahe liegenden Gründen zur Entscheidung
der gestellten Frage völlig ungenügend. Daher die entgegengesetzten
Angaben, dass Pleuritis im Säuglingsalter oder vor dem 5. Lebensjahre
ausserordentlich selten sei (Barrier) und umgekehrt, dass sie in diesem
Alter häufiger sei als in den übrigen Kinde.sjahren (Baron, Abelin).
Die Erfahrung beschäftigter Kinderärzte, auch wenn sie nicht in
statistischer Form uns vor Augen treten, wiegen hier schwerer, als die
Zufälligkeiten ausgesetzten unlaedeutendeii Statistiken , die wir besitzen.
Barthez und Piilliet, Bouchut, C h. West, Gerhardt sprechen
sich übereinstimmend dahin aus , dass p r i m ä r e Pleuritis im ersten
Lebensjahre seltener vorkommt, als in der späteren Kindheit. Ueberein-
stimmend ergiebt sich ferner aus Ziemssen's und Steffen's Statistik
primärer Pleuritiden (zusammen 110 Fälle), dass diese jenseits des 10.
Lebensjahres (bis zum 15.) seltener vorkommen, als im ersten Lebens-
Decennium.
Hiemit stimmen auch die, auf die alisolute Zahl der Lebenden in
diesen Altersklassen berechneten Mortalitätstafeln Englands. Aus den-
*) London: 1849, 1851-.53, 1858, 1849. England: 1849. 1851- 53. 1858,
1859. C. Genf: 1838-55.
**) exclusive Jahrgang 1871, der mir fehlte.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Aetiologie. 879
selben ergiebt sich ferner, dass rlie Todesfalle an Pleuritis im Kindes-
alter seltener sind, als in den mittleren nnd höheren Altersklassen. Die
Zahlen, aus welchen sich diese Thatsache ableiten lässt, sind derart,
dass sie auch ohiie Berücksichtigung der Zahl der Lebenden in den ver-
schiedenen Altersklassen, die gezogene Schlussfolgerung erlauben. Ich
verzichte daher auf die Mittheilung von Zahlen; wer die Berechnung
anstellen will , den verweise ich auf die Tabellen S. 158 und 576 in
Oesterlen's medie. Statistik. Nur ein Beispiel: die Anzahl der Le-
benden in der Altersklasse von 0—5 und von 30—40 Jahren beträgt
annähernd das Gleiche. Die Anzahl der innerhalb 8 Jahren in England
an Pleuritis verstorbenen Kinder von 0 — 5 Jahren ist 241 ; die im glei-
chen Zeitraum an Pleuritis verstorbenen Erwachsenen im Alter von
SO — 40 Jahren Ijetragen 362. Wir können somit das Bisherige zusam-
menfassend sagen :
3) Die Pleuritis kommt im Kindesalter seltener
vor, als in den mittleren und höheren Altersklassen.
4) Primäre Pleuritis kommt im ersten Lel^ensjahre
seltener vor als in der spätem Kindheit; sie ist ferner
vom 10. Lebe nsj ahre au bis zum 15. seltener, als im ersten
Lebens-Decennium.
Nimmt man die secundären Pleuritiden hinzu, so wird das erste
Lebensjahr etwas stärker belastet durch die von puerperaler Infectiou
und von Umbilical-Phlebitis herrührenden secundären Pleuritiden. Da
aber Masern und Scharlach im ersten Lebensjahre selten sind, so auch
die diesen Erkrankungen ziemlich häufig nachfolgenden secundären Pleu-
ritiden. Die Häufigkeit der secundären Pleuritiden in den ersten drei
Lebensjahren wird ferner gesteigert durch die auf Katarrhalpneumonie
folgende Pleuritis. Sowie wir die secundären Pleuritiden hinzunehmen,
werden die Verhältnisse noch verwickelter-, und man sieht ein , dass aus
diesem Grunde jede Statistik, die nicht sorgfältig auswählt, in ihrem
Werthe sehr herabgedrückt wird. Cli. West hält gewiss mit Recht die
secuudäre Pleuritis in den ersten 5 Lebensjahren für jnindestens ebenso
häufig als in den späteren Abschnitten des kindlichen Alters; ebenso
sprechen sich B a r t h e z und R i 1 1 i e t aus.
Die primäre Pleuritis betrifft in der grössten Mehrzahl der Fälle
nur eine Seite. Das Gleiche gilt von den secundären Pleuritiden, wenn
auch unter diesen einige sind, wie die auf Pyämie , Septichämie, puer-
perale Infeetion und auch die auf Katarrhalpneirmonie folgenden, welche
gerne doppelseitig auftreten.
Die p r i m ä r e Pleuritis kommt etwas häufiger auf der linke n
als rechten Seite vor*j. Fasse ich die von ßarthez und Rilliet,
Ziemssen, Steffen, Bednar und Henoch publicirten Stati-
stiken zusammen, so erhalte ich 341 Fälle. Von diesen sind 161 links-
seitige (4 7 p. Ct.), 139 rechtsseitige (40,7 p. Ct.) und 41 beiderseitige
12,3 p. Ct.) Pleuritiden.
Die Berichte des k. k. allg. Krankenhauses in Wien vom Jahre
1758—74 (exclus. Jahrg. 1871) enthalten 3623 dem Sitze nach bekannte
*) Diese Thatsache war bereits V a 1 .s a 1 v a und B o n n e t bekannt.
Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Pleuritiden; davon treffen 18-17 (51 p. Ct.) auf die linke, 1621 (44,7
p. Ct. auf die rechte, 155 (4,3 p. Ct.) auf beide Seiten.
Es muss zwar zugegeben werden, dass alle dietie Statistiken primKre
und secundäre Pleuritiden gemischt enthalten. Nichtsdestoweniger ist
aber der Schluss, den wir hinsichtlich des Sitzes der primären Pleuritis
zogen, gerechtfertigt. Das Folgende mag diess zeigen. Die auf Katar-
rhalpneumonie folgenden Pleuritiden sind, wie die Katarrhalpneumonien
selbst, häufig doppelseitig; kommt es zu grösseren Ergüssen, was beson-
ders in den lentescirenden Formen der Katarrhalpneumonie vorkommt,
immerhin aber selten ist , so kann diese Pleuritis ebensogut eine recht-
wie linkseitige sein. Eine Präponderanz der Seite existirt für diese Fälle
nicht. Häufiger als die Katarrhalpneuraonie führt die croupöse Pneu-
monie zu Pleuritis mitEvguss. Beim Erwachsenen ereignet sich diess in
etwa 5 p. Ct. der Fälle. Die croupöse Pneumonie ist aber sowohl beim
Erwachsenen als auch bei Kindern häufiger rechts als links (vergl.
B a r t h e z und R i 1 1 i e t, Z i e m s s e n u. A.) Demgemäss wird auch
bei secundärer Pleuritis nach croupöser Pneumonie erstere häufiger rechts-
als linksseitig sein. Da nun auch alle üljrigeu secundären Pleuritiden
eine Prädilection der linken Seite nicht involviren, so dürfen wir die ge-
fundenen unterschiede in den gemischten Statistiken als solche ansehen,
die vorzugsweise durch die primären Pleuritiden hervorgerufen sind. Wir
sagen daher :
5) Die pi'iiiiäre Pleuritis kommt etwas häufiger auf
der linken als rechten Seite vor; sie ist ferner, ebenso wie
die secundäre Pleuritis ungleicli häufiger ein- als dop-
pelseitig.
Pathologie.
K r a n k li e i t s 1j i 1 (1 und K r a n k li e i t s v e r 1 a u f. A u s g ä n g e und
Dauer. 0 o m p 1 i c a t i o n e u.
Das Kranklieit.sbild der Pleuriti-s bietet ausserordentliche Verschie-
denheiten dar. Diese betreti'en in erster Linie den Beginn derEr-
kraukun g. Schildern wir die Extreme in dieser Hinsicht, die acute
und die schleichende Form, die Zwischenformen (subacuten Fälle) er-
geben sich dann von selbst. Bei der acuten Form beginnt die Krankheit
in stürmischer Weise mit allen Erscheinungen, welche auf eine acute
Entzündung der Lunge oder der Pleura , was um diese Zeit gewöhnlich
noch nicht zu entscheiden ist, hinweisen. Hohes Fieber und dadurch
Ijedingte Erscheinungen von Seite des Pulses, der Respiration, der Kör-
perwärme , des Gehirnes (Convulsionen , Eklampsien) , bei älteren Kin-
dern auch Frosterscheinungen, ferner Kurzathmigkeit und stechende
Seitenschmerzen, kurze schmerzhafte Hustonstösse , Unruhe und Schlaf-
losigkeit eröffnen die Scene. Hält sich die anfängliche Temperatur-
steigerung annähernd auf der gleichen Höhe und zögert die Exsudation,
so können Tage vergehen bis, besonders bei Kindern, die Diagnose Pleu-
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 881
ritis oder Pneumonie zur Entscheidung reift. Pleuritisches Reiben kann
um diese Zeit differential - diagnostisch nur dann von Bedeutung sein,
wenn es über eine grössere Strecke des Thorax ausgedehnt wahr-
genommen wird, und gleichzeitig eine Dämpfung dieser Stelle fehlt.
Alsbald, für gewöhnlich schon nach 3—4 Tagen, machen sich die cha-
rakteristischen Zeichen eines Flüssigkeits - Ergusses in den Pleuraraum
(Näheres hierüber in der Symptomatologie) geltend ; die Temperatur des
Kranken zeigt morgendliche Remissionen , später Intermissionen , wäh-
rend bald mehr , bald minder erhebliche abendliche Steigerungen fort-
bestehen. Im günstigen Falle hört die Exsudation , nachdem sie viel-
leicht einen mittleren Stand erreicht hat, auf, es erfolgt Resorption ;
das Fieber und die davon abhängigen zahlreichen Erscheinungen ver-
lieren sich allmählig, ebenso die Dyspnoe, der Schmerz, die Schlaflosig-
keit und Unruhe. In 2 — 4 Wochen kann völlige Wiedergenesuug ein-
getreten sein , wobei oft gerade der letzte Rest des Exsudates am hart-
näckigsten der Resorption widersteht.
Ein so günstiger Ausgang in relativ kurzer Zeit wird, was die
Gutartigkeit der Erkrankung anlangt, nur noch von jenen Fällen über-
troifen, wo es überhaupt nicht zu nachweisbarer Exsudation kommt, wo
die vielleicht unter stürmischen Erscheinungen in Scene tretende Pleu-
ritis eine trockene bleibt , die schon nach wenigen Tagen in Heilung
übergeht.
Die Exsudation, die wir in dem eben gezeichneten Krankheitsbilde
bis zu mittlerer Grösse anwachsen Hessen, kann eine sehr rapide sein,
so dass innerhalb weniger Tage fast der ganze Pleuraraum von Exsudat
erfüllt ist ; oder was häufig vorkommt , die Exsudation hält wohl meh-
rere Tage inne , unter Abnahme der schwersten Krankheitssymptorae,
um plötzlich wieder zu beginnen und bis zu extremen Graden fortzu-
schreiten. In solchen Fällen kommt es aus Gründen, die wir später ent-
wickeln werden, zu den höchsten Graden von Dyspnoe und Cyanose, zu
den bekannten Folgen der CO2 - üeberladung des Blutes, zu Ermüdung,
später Lähmung des Athmungs - Centrums , welche unter Unzählig-
werden der Herzschläge sufibcatorischen (asphyktischen) Tod zur Folge
hat. Der Troikart wirkt in solchen Fällen , bei rapid ansteigenden Ex-
sudaten, oft lebensrettend.
Ungleich häufiger als die soeben geschilderten Verlaufsarten sind
die Fälle, wo nach stürmischem Beginne und nach Tagen schwerer Er-
krankung die Exsudation stille steht, die Krankheitserscheinungen sich
massigen, aber die Resorption ausbleibt. Abendliche Fiebererschei-
nungen bestehen fort. Die Resultate der Untersuchung, von 8 zu 8
Tagen mit einander verglichen, zeigen vielleicht sogar eine allmählige
Handb. d. Kinderkraukheitcu. III. 2, ^"
382 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Zunahme des Exsudates. Diese verschleppten oder chronisch gewordenen
Fälle einer in ihrem Beginne acuten exsudativen Pleuritis sind die häu-
figsten. Ihre Ausgänge sind verschieden. Im günstigsten Falle kommt
es zuspäter, aUmähliger Resorptio n , mi t voll iger W i e-
derentfaltung der Lunge, nachdem die Kinder durch das inter-
mittirende Fieber hochgradig entkräftet und abgemagert sind. Oder:
die Resorption erfolgt zwar , indess zu einer Zeit , wo die lange compri-
inirte, bindegewebig indurirte , derb verwachsene Lunge nur zu einem
vielleicht geringen Theil wieder entfaltungsfähig ist. Es kommt zu den
schon früher erwähnten Erscheinungen des Retrecissement tho-
raci que. Die Thoraxseite sinkt ein, die Rippen treten einander näher,
zuweilen sogar übereinander , die Wirbelsäule wird nach der gesunden
Seite convex ausgebeugt , die Schulter mit dem weiter abstehenden
Schulterblatte tritt tiefer, Herz und Mediastinum sowie das Zwerchfell
werden herbeigezogen , Alles diess , um den Raum zu erfüllen , welchen
das in die Lj-mph- und Blutgefässe zurückkehrende Exsudat vorher ein-
nahm. Oder endlich: das chronisch seröse Exsudat wird eitrig, es
kommt zur Bildung eines Empyems , eines Pyothorax. Damit sind die
Aussichten auf spontane Resorption vernichtet. Heilung ist auf dem
oben (S. 871) geschilderten Wege nur möglich nach spontaner oder
künstlicher Entleerung des Eiters , der bald durch den Intercostalraum
nach aussen bricht (Empyema necessitatis) , bald durch die Bronchien
der comprimirten Lunge. Der Verlauf des Empyems ist stets ein chro-
nischer. Das remittirende oder intermittirende Fieber , das die chroni-
sche exsudative Pleuritis zu begleiten und mit dem Eintritt des Em-
pyems häufig noch gesteigert aufzutreten pflegt, consumirt die Körper-
krilfte und führt zu den extremsten Graden von Abmagerung, zum Tode
durch Marasmus.
Der Schilderung dieser acut auftretenden, acut, subacut oder chro-
nisch verlaufenden Pleuritiden lassen wir eine hinsichtlich ihres Be-
ginnes total verschiedene Form folgen, welche wir die sohl eich ende
nennen. Die Krankheit beginnt hier so allmälilig, mit so geringfügigen
Erscheinungen, dass zur Zeit, wo der Kranke in Behandlung tritt, häufig
der Anfangstermin der Erki-ankung nur annähernd bestimmt werden
liaiui.
Die ersten Erscheinungen , welche bei Kindern beobachtet werden,
sind unbedeutendes , oft wenig beachtetes Hüsteln , massige, hie und da
auftretende Schmerzen im Rücken oder an der Seite , Appetitmangel,
lilasses kränkelndes Aussehen, Abmagerung, trauriges niedergeschla-
genes Wesen, Dyspnoe beim Laufen, unruhiger Schlaf, hin und wieder
Frösteln ; die nie ganz fehlenden Fiebererscheinungen sind so unbe-
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 883
deutend, das.s sie den Angehörigen unbemerkt bleiben. Häufig ist es
die Befürchtung einer drohenden »Auszehrung«, welche die Angehö-
rigen der Kinder veranlasst, diese dem Arzte vorzuführen.
Bei der Untersuchung ist man überrascht, ein oft massenhaftes, die
ganze Brusthälfte erfüllendes Exsudat anzutreffen.
Z i e m s j^ e n erzilhlt , dass ilun zweimal Kinder mit abundantem
Exsudate zur Beobachtung kamen, deren anscheinendes Wohlbefinden
mit ihren Klagen über Mattigkeit u. s. w. den Eltern so wenig in Ein-
klang zu stehfu schienen, dass letztere „)Schulkrankheit" vermutheteu.
Untersucht man die Falle dieser Art genauer, so wird man abendliche
Temperatursteigerungen massigen Grades wohl selten vermissen.
In einem Falle, den ich beobachtete, war die Temperatursteige-
rung nur alle zwei bis drei Tage beobachtet worden und hatte den Ver-
dacht auf Intermittens erweckt, wesswegen der Kranke bereits 22 Grm.
Chinin verabreicht erhalten hatte. Gerade in solchen Fallen feiert die
physikalische Diagnostik ebenso leichte als eklatante Triumphe, indem
zwei bis drei Percussionsschläge genügen, um die Pleuritis, die man
fiiiher wohl eine PI. occulta, clandestina, latens, insidiosa, notha oder
spuria nannte , zu erkennen. Diese schleichende Form kommt sowohl
piimar vor , als auch secundUr , nach überstandener Pneumonie , nach
Keuchhusten , Masern und anderen Infectionskrankheiten.
Eine imischriebene Pleuritis , primäre sowohl wie secundäre , kann
als sogenannte PI. sicca verlaufend in 12 — 24 Stunden bereits ihr Ende er-
reicht haben. Fälle derart, wo unter Fiebererscheinungen, Seitenstechen
und Husten eine scheinbar ernste Erkrankung einsetzt, deutliches pleu-
ritisches Reiben vernommen wird , und nach 12 — 24 Stimden vollstän-
dige Restitutio ad integrum eingetreten ist , werden sowohl im Kindes-
alter als auch bei Erwachsenen beobachtet. Zuweilen freilich ist eine
solche Euphorie nur eine subjective und die schleichende, anfangs un-
merkliche Exsudation schliesst sich an das acute Stadium an.
Von so flüchtiger Dauer und untergeordneter Bedeutung sind lüiufig
die trockenen Pleuritiden, welche zu Pneumonie, zu Infarkten hinzu-
treten. Bei Emphysematikern hal.ie ich sehr oft umschriebene , trockne
Pleuritiden mit unzweifelhaftem pleuritischem Eeiben beobachtet, die
ohne Fiebererscheinungen auf Anordnung Priessnitz'scher Umschlage nach
12 — 24 Stunden abgelaufen waren. Auch bei Tuberculosen ereignen sich
solche flüchtige (a b o r t i v e) Pleuritiden , die an und füi- sich von ge-
ringer Bedeutung sind, nicht selten.
Nach dieser Schilderung des verschiedenartigen Krankheitsver-
laufes, den die Pleuritis zu nehmen pflegt, erübrigt noch, einzelne
Folgen und Ausgänge schärfer ins Auge zu fassen, insbesondere
aber die Fraee zu beantworten: In welcher Weise beeinflussen
grössere pleuritische Exsudate den R esp irations- und
Circulationsapparat, welche Folgen gehen aus dieser
Einwirkung für den respiratorisch en Gas au Staus ch, für
56*
gg4 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
die Circulation-des Blutes im kleinen und grossen Kreis-
laufe, für die Herza rbeit hervor ; in welcher W eise wirkt
ferner ausser diesen durch den Exsudatdruck gesetzten Veränderungen
auch noch das die acute exsudative Pleuritis begleitende Fieber?
Wir wählen als Beispiel, an dem wir die schädlichen Einwirkungen
auf Respirations- und Circulationsapparat deduciren wollen , einen Fall
von acuter Pleuritis mit rasch ansteigendem Exsudate.
1. Das Exsudat verhindert di e respiratorischen Ex-
cursionen der betreffenden Thoraxhälfte und Lunge,
comprimirt letztere und verkleinert so die athmende
Gesammtoberfläche.
Durch die theilweise comprimirte Lunge fliegst immer noch Blut aus
dem rechten Ventrikel in den linken Yorhof hinüber; da in der com-
primirten Lunge wegen Mangels genügender Athmungsexcursionen der
respiratorische Ga.saustausch schwer darniederliegt, so fliesst auf diesem
Wege grossentheils venöses Blut nach dem linken Vorhof. Schon hier-
aus kann unter Umstunden eine geringe CO' Vermehrung des arteriellen
Blutes resultiren.
2. D i e V e r k 1 e i n e r u n g d e r a t h m e n d e n G e s a m m t o b e r-
fläche d u r c h L u n g e n c 0 m p r e s s i o n hat u n g e n ü g e n d e V e n-
tilation des Blutes, vermehrt e CO^ -Ansammlung im ar-
teriellen und V enösen B lute zur Folge.
Die Kohlensiiurevermehrung im Blute wird ausserdem noch etwas
gesteigert 1) durch die CO' vermehrende Wirkung des Fiebors, 2)
durch die UO' Mengen, welche liei der gesteigerten Thätigkeit der Ath-
mungsmuskeln gebildet werden.
Mit der CO^-Vermehrung des Blutes treten aber auch compen-
sirende Einflüsse in Thätigkeit:
3. Die 00 --An Sammlung im Blute reizt das in derMe-
dulla gelegene Athmungscentrum zu vermehrter Thä-
tigkeit. Häufigere und tiefe reAthemzüge sind dieFolge
h i e v o n.
4. Mit der Compression einer Lunge wird das dieser
angehörige Gefässgebiet der Pulmon ar - Ar ter ie com-
primirt und bei totaler Lungen -Compression mehr oder
minder vollständig verschlossen.
Dem Abfluss des Blutes aus dem rechten Herzen in den linken Vor-
hof stehen durch diese erhebliehe Verkleinerung (VersehmHleruugj der
Allflussbahn, deren Querschnitt fast um die Hälfte verringert wurde, er-
heblich gesteigerte Widerstände im Wege.
5. VollkommeueCompensation de rCirculation tritt
ein, wenn der recht e Ventrikel dieselbe Quantität Blut
wie früher in der gleichen Zeit durch das fast um die
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 885
Hälfte verkleinerte (verschmälerte) pulmonale Gefäss-
gebiet in den linken Vorhof treibt.
Geschieht diess , so hat die Arbeitsgrüsse des rechten Ventrikels
(=^V2pv'-|-ph) zugeuommen, weil die Grüsse ph, die zur Ueberwindung
der Widerstände geleistete Arbeit, erheblich grösser geworden ist.
Ist der normal dicke rechte Ventrikel im Stande,
diese oft sehr rasch an ihn herantretende Steige-
rung der Arbeitsg rosse zu leisten? Die Antwort muss
selbstverständlich und erfahrungsgemäss verschieden, fiir manche Fälle je-
denfalls bejahend gegeben werden. In dem Maasse, als das rechte Herz
die gesteigerte Arbeit biuifig leistet, h y p e r t r o p h i r t es ( A r b e i t s-
h y p e r t r 0 p h i e) ; die Anzahl und der Querschnitt der contraktilen
Elemente nimmt zu und damit auch die Leistungsfähigkeit; ist der
Ventrikel hypertrophisch geworden , so leistet er die Aufgabe leichter,
denn es ti'ifft nun bei Leistung derselben Arbeitsgrösse wie vorher auf
1 ü Mui. des Muskelcjuerschnittes ein geringerer ßruchtheil der gelei-
steten Arbeitsgrösse. Bliebe die Hypertrophie aus , so würde , da die
Ermüdung mit der Belastung bekanntlich steigt, und zwar viel rascher
als die Belastung, sehr bald Insufficienz mit ihren Folgen zu Tage treten.
Es ist nun auch einleuchtend, dass, je rascher die Widerstände anwach-
sen, je schneller die Compression erfolgt, je rapider das Exsudat ansteigt,
um so ungünstiger die Verhältnisse liegen. Geschieht die Compression
allmählig, sIeigt das Exsudat langsam, so steigen auch die Widerstände
im Pulmonalkreislauf allmählig und der rechte Ventrikel hat Zeit, durch
allmählige Hypertrophie den wachsenden Ansprüchen oder Widerständen
mit wachsender Hypertrophie zu begegnen.
6. Die Steigerung der Arbeitsgrösse und die Hyper-
trophie des rechten Herzens ist aber nicht allein für die
Compensation der Circulation, die normalmässige Fül-
lung des linken Herze nsvon grösster Bedeutung, von
fast ebenso grosser für den respiratorischen Gasaus-
tausch in den Lungen.
Wenn der rechte Ventrikel dieselbe Quantität Blut in dersel!.ien
Zeit durch die eine noch durchlässige Lunge nach dem linken Herzen
liefern soll, so kann diess geschehen entweder durch eine um das Dop-
pelte gesteigeiie Strömungsgeschwindigkeit , oder bei gleichbleibender
Stromschnelle durch eine eben so beträchtliche Erweiterung der noch
functionirenden und offenen Pulmonalgefässbahn , oder endlich dadurch,
dass beide Einflüsse sich zweckmässig verbinden und zusammenwirken.
Dieser letztere (combiniiie) JModus der Compensation findet statt; er ist
weitaus der günstigste unter den möglichen Fällen, günstig sowohl für
den Ventrikel und seine zu leistende Arbeitsgrösse, als auch günstig für
die Zwecke des respiratorischen Gasaustausches.
7. Die Elasticität und Dehnbarkeit der Pulmonal-
Gefässe erleichtert dem rechten Herzen wesentlich die
gesteigerte Arbeit.
886 Ki-ankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Ein sehr einfacber und lehrreicher Versuch zeigt diess. Lässt man
unter ganz gleichen Verhiiltnisseu dieselben Druckkräfte stossweise wir-
ken auf ein dehnbar elastisches und ein starres Eohr, in welchem sonst
ganz gleiche Widerstände vorhanden sind , so fliesst durch das dehnbare
Eohr in der Zeiteinheit bedeutend ruehr Flüssigkeit als durch das starr-
wandige.
Die Blutgefässe der Lunge setzen ihrer Mehr au s-
dehnung einen relativ g e r i n g e n W i d e r s t au d entgegen,
weil , vermöge der eigenthümlichen anatomischen Anordnung der Blut-
gefässe in den Lungen, jener Widerstand, welchen die die Gefässe umge-
henden Gewebe der Mehrausdehnung entgegensetzen, hier geringer ist,
als anderswo im Körper.
Mit der Mehrausdehnung der Gefässe der einen noch funetioni-
renden Lunge wächst die respirirende Oberfläche derselben, welche dem
Querschnitt sämmtlicher Capillaren proportional ist. Diese Vergrösserung
der respirirenden Oberfläche erleiolitert die Bedingungen des respiratori-
schen Gaswechsels und vermindert dadurch die gesteigerte Arbeit der
Athemmuskeln, welche, ohne diese Vergrösserung der respirirenden Ober-
fläche, eine für die Dauer unerträglich hohe Mehrleistung zu vollführen hätten.
Der rechte Ventrikel hält der elastischen Kraft, mit welcher die er-
weiterten Pulmonalgefässe in ihre Ruhelage zurückstreben, das Gleicb-
gewicht und leistet ceteris paribus schon dadurch erhöhte Arbeit. Wäre
die Ausdehnungsfähigkeit der Lungengefässe eine unbegrenzte, so
würde es zur vollständigen Gonipensation genügen , wenn die Ventrikol-
kraft um so viel wachsen würde, dass sie im Stande wäre, die Gefäss-
bahn der einen Lunge um das Doppelte zu erweitern. Dann würde
durch die eine Lunge dieselbe Menge Blut in der gleichen Zeit mit der-
selben Geschwindigkeit strömen, als vorher durch beide Lungen. Aber
eine solche Ausdehnung um das Doppelte findet nicht statt uud wäre
auch für den respiratorischen Zweck , mit Hinsieht auf das räumliche
Verhalten der Capillaren zum Flächen- und Cubikraum der Alveolen nicht
günstig. Was also durch Erweiterung des verengten Strombettes nicht
geleistet werden kann, wird auf anderem Wege, durch eine Zunahme
der Strömungsgeschwindigkeit compensirt. Wenn dieselbe Quan-
tität Blut in derselben Zeit durch eine engere Röhre ausströmen soll,
so muss nach hydraulischen Gesetzen die Geschwindigkeit
= -^1 wachsen, und diess ist unter den angezogenen Verhältnissen
r-TT/ " "^
nur möglich durch eine Steigerung der Triebkraft (der Ar-
beit) des rechten Herzens. Bezeichnet man mit h die Druckkraft,
mit g die Geschwindigkeit, mit w die Widerstände, so sind in dem von
uns betrachteten Falle vollständiger Compensation sämmtliche Glieder
des Ausdruckes h=g-|-w grösser geworden.
8. Die Compensation des Circula tionshindernisses
wird vom rechten Ventrikel sfeleistet durch eine solche
Erhöhung der Triebkraft (A r b ei tsg rosse) , welche im
Standeist, nicht allein die vermehrten Widerstände im
kleinen Kreislauf zu überwinden, .sondern auch dieStrö-
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 887
mungsgeschwindigkeit des Blutes in den Pulmonal-Ge-
fässen entsprechen d zn steigern, und zwar so zu steigern,
dass der linlie Ventrikel dieselbe Quantität Blut in der
gleichen Zeit zugeführt erhält, wie früher.
9. DieCompensation aber ist eine vollständige, wenn
1) durch die eine nicht comprimirte Lunge dieselbe
QiiantitätBlut in der selben Zeit nach dem linkenHerzen
hinüberfliesst, wie vorher durch beide normale Lungen,
und wenn 2) d i e De carboni sat ion dieses Blutes in den
Lungen (durch häufigere und tiefere Athenizüge) ganz
in derselben genügenden Weise erfolgt, wie unter nor-
malen Verhältnissen.
Wir haben bei der bisherigen Betrachtung der CorDpensation der Cir-
culation und Respiration nach Ausschaltung einer Lunge und Compres-
sion ihrer Gefässe einen Faktor gänzlich ausser Acht gelassen, nämlich
die Frequenz der Herzcontraktionen.
Mehrere Einflüsse wirken zusammen , um in Fällen von Pleuritis
mit rasrh steigendem Exsudate die Anzahl der Herzcontraetionen zu ver-
mehren. Einmal ist, wie physiologische Erfahrungen lehren, schon die
Steigerung der Frequenz und Tiefe der Athemzüge
an und für sieh von einer vermehrten Schlagfolge des Herzens gefolgt,
sodann wirkt in gleichem Sinne das die Pleuritis begleitende Fieber;
endlich hat die Vermehrung des Widerstandes im kleinen
Kreislauf, die Drucksteigerung in der auf die Hälfte verschmälerten
Lungenblutbahn Vermehrung der Zahl der Herz-Contraktionen zur Folge.
Eine massige, gewisse Grenzen nicht überschreitende Zunahme
der Frequenz der Herzschläge ist bei rasch anstei-
genden, die Lunge com primir enden Exsudaten häufig
von Vortheil, und zwar aus folgenden Gründen: Da bei Aeuderuu-
gen in der Häufigkeit der Herzschläge innerhalb gewisser Grenzen die
Dauer der Systole ziemlich constant bleibt, so kommt die Verkürzung
der ganzen Herzaktion bei rascherer Schlagfolge desselben ausschliesslich
auf den diastolischen Zeitraum ; die kürzer dauernde Diastole hat aber
geringere Füllung des Ventrikels zur Folge, und die Folge hievon ist,
dass die E i n z e 1 contraktion des Ventrikels nun weniger Arbeit leistet;
die Grösse p, die Menge des durch eine Contraktion aufgeworfenen Blu-
tes ist in der, die Arbeitsgrösse (k) bestimmenden Gleichung k=ph,
kleiner geworden. Dagegen erleidet die miuutliche Arbeitsgrösse des
Herzens mit der Zunahme der Schlagfolge desselben häufig keine Ver-
änderung; die Menge des in 1' von dem rechten Herzen nach dem hn-
ken gelieferten Blutes kann die gleiche sein bei grösserer wie bei ge-
ringerer Frequenz der Herzcontraktionen. Es fragt sich daher, wie die
grössere Frequenz unter Umständen doch von Vortheil sein kann , ob-
wohl die minutliche Gesammtarbeitleistung ganz die gleiche ist, wie bei
selteneren Herzschlägen. Einige Erfahrungen aus der Muskelphysiologie
beantworten diese Frage. Ein Muskel ermüdet sehr rasch, wenn die Last,
welche er auf eine gewisse Höhe zu heben hat, dem überhaupt mög-
888 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
liehen Maximum sich nähert. Es kann der rechte Ventrikel sogar unver-
mögend sein, dasselbe Gewicht Blut (Q), wie früher, durch die auf die
Hälfte reducirte Pulmonalgefässbahn zu treiben, wohl aber im Stande
sein, in der gleichen Zeit öfter kleinere Quantitäten q, (q-|-q=Q), nach
dem linken Ventrikel zu liefern. Es ist für die Ermüdung eines arbei-
tenden Muskels dui-ohaus nicht gleichgiltig , ob er innerhalb einer ge-
wissen Zeit eine Last Q , welche seine Masimalleistung darstellt , auf
eine bestimmte Höhe h bringt , oder ob er in der gleichen Zeit mehr-
mals eine kleinere Last q (q-)-q=Q) auf dieselbe Höhe h hebt. Die Er-
müdung fällt im letzteren Falle häufig geringer aus als im ersteren.
Ueberschreitet aber, wie in sehr vielen Fällen, die Frequenz der
Herzschläge eine gewisse Grenze, so sinken die Contraktionskräfte rasch,
weil zwischen je zwei Zuckungen eine zu kurze Zeit der Erholung — zu
kurz für die Abfuhr der Ermüdungsprodukte — übrig bleibt. Wir wis-
sen femer auch, dass bei einer so excessiven Beschleunigung der Schlag-
folge des Herzens die Ausgiebigkeit der Ventrikel-Contraktionen eine
geringe ist, dass dabei l.>esonders die Dauer der Diastole sehr rasch ab-
nimmt, so dass trotz sehr häufigen Contraktionen die Menge des in einer
bestimmten Zeit in Aorta und Pulmonalis getriebenen Blutes erheblich
abnimmt. Dadurch wird, wie die Erfahrungen im Fiebei', die Versuche
nach Vagus-Durchsclmeidung lehren, die Kreislaufszeit herabgesetzt, die
Blutgesehwindigkeit vermindert, die Circulation verlangsamt, CO' im
Blute angesammelt.
Fragen wir , findet eine so vollkommene Compensatiou der Circu-
lation und Respiration, wie wir sie im Vorhergehenden schilderten , bei
Lnngen-Compression durch acut anwachsende Exsudate statt, so muss
die Antwort lauten :
In den seltensten Fällen in so vollkommener Weise , wie wir es
schilderten. Meist ist das rechte Herz unter solchen Umständen der er-
heblich vermehrten Aufgabe nii ht vollkommen gewachsen, die Fül-
lung des linken Ventrikels geschieht weniger ergiebig, der Druck im
Aortensystem sinkt, das Venensystem wird blutreicher, der Druck daselbst
steigt. Dadurch werden die Druckunterschiede geringer und nach hydrau-
lischen Gesetzen ist Circulationsverlangsamung die weitere wichtige Folge.
Si.hon diese hat an und für sich CO' Ueberladung des Blutes zur Folge,
und diese wird noch dadurch gesteigert, dass auch die gesteigerte Fre-
qufU', und Tiefe der Athemzüge nicht genügt, das in der gleichen Zeit,
wie früher , in geringei-er Quantität und mit gesteigerter Stromschnelle
dui'ch die Lungen circulirende Blut genügend zu decarbonisiren. Wie
unter solchen Umständen durch Insufficienz des Hertens und der Respi-
ration der Tod durch Asphyxie erfolgt, brauchen wir nicht weiter aus-
zuführen. Die Compensation der Circulation und Respiration genügt aber
in zahlreichen anderen Fällen, um wenigfstens einen, die Bedingungen des
Lebens ermöglichenden, längere Zeit stationären Zustand von
mangelhafter Entkohlung des Blutes, von arterieller
Oligämie und venöser Hyperämie herbeizuführen. Wird das
Exsudat chi-onisch, sinkt dann das Fieber , tritt allmählig compensirende
Hypertrophie des rechten Herzens ein, so nähert sich auch der Zustand
L eichten st er 11, Krankheiten der Pleura. Pathologie.
mehr und mehr der vollkommenen Compensation: die Cyanose und Dys-
pnoS wird geringer, der Puls wieder kräftiger, die Harnsekretion reich-
licher , kurz , das schwere Symptomenbild , das wir soeben andeuteten,
verschwindet , wie uns die Beobachtung von Kranken mit enormen chro-
nischen Pleuraexsudaten lehrt , die oft in der Ruhe weder cyanotisch
noch dyspnoetisch sind.
Von ausserordentlicli grosser Bedeutung ist die Frage : Welche
Umstände sind es, die das Zustandekommen der Compen-
sation verhindern oder doch erheblich erschweren. Die Be-
antwortung dieser Frage liefert uns wichtige ther ap eutische Tn-
dicationen und zwar solche, denen wir nachkommen, die wir praktisch
realisiren können.
1. In erster Linie nennen wir das Fieber.
Es steigert die CO' Menge des Blutes und stellt an die, ohnediess durch
Lungencompression erheblich behinderte Eespiration neue gesteigerte An-
sprüche. Das bei acuter Pleuritis mit rasch steigendem Exsudate vor-
handene Fieber ist meist ein continuirliches. Die compensatorische Hy-
pertrophie und Mehrleistung des rechten Ventrikels , die wir soeben als
zur Compensation nothwendig anführten und ins Detail analysirten, fin-
det während des hoben Fiebers nicht statt; im Gegentheil wird die
Triebkraft des Herzens durch die mit dem Fieber einhergehende paren-
chymatöse Degeneration des Herzmuskels herabgesetzt ; das Fieber
ist es also, was häufig dadurch die Erscheinungen der
Herz-Insufficienz herbeiführt, dass es das Zustande-
kommen der comp e n s ator i schenHer zhy pertrophie nicht
allein verhindert, sondern geradezu gegentheilig die
Herzkraft schwächt. Das fieberermattende Herz kann die verstärk-
ten Widerstände im kleinen Kreislauf nicht überwinden; es kommt (durch
Residualblut) zu Dilatation des rechten Herzens, zu Stauung des Blutes
in den Venen, zu geringer Füllung des linken Herzens, zu Verlangsa-
mung der Circulation , zu mangelhafter respiratorischer Entkohlung des
Blutes, zu C0= Anhäufung im Blute, zum Tode durch Asphyxie.
Sinkt dagegen das Fieber, wird es remittirend oder intermittirend,
tritt die Pleuritis in das Stadium der chronischen, temporär-fieberlosen
Exsudation ein, so bessern sich die Bedingungen der Circulation und
Eespiration, obwohl Alles andere, namentlich die Grösse des Exsudates,
sich gleich bleibt; und zwar desshalb stellt sich diese Besserung ein,
weil mit dem Nachlass des Fiebers die Bedingungen für das Zustande-
kommen der Hypertrophie und compensatorischen Mehrleistung des rech-
ten Ventrikels eintreten.
Wir haben oben die schleichende Form von exsudativer Pleu-
ritis geschildert und gesehen, dass dabei oft enorme Exsudate entstehen
mit totaler Compression der Lunge ohne schwere Dyspnof oder Cyanose,
ohne Erscheinungen von Herz- und Athmungs-Insuffieienz. Der Grund
dieses Uerhaltens liegt darin, dass 1) das Exsudat nur sehrallmäh-
lig anwächst; dann hat das rechte Herz, wie wir oben weiter ausführ-
ten, Zeit, den wachsenden Widerständen durch allmählige Hypertrophie
890 Krankheiten der Athmungaorgane. Pleuritis.
und compensatorische Melu-leistung zu begegnen ; 2) entstellen und ver-
laufen diese schleichenden Pleuritideu , wenn auch kaum jemals voll-
kommen fieheifrei , so doch mit geringiügigem , intermittirendeni Fie-
ber; das Zustandekommen der coiiiiiensatorischen Herzlij-pertrophie wird
somit in keinem Augenblick des Verlaufes durch Fieber aufgehalten oder
gar verhindert. Die beiden genannten, wichtigen Punkte werden für ge-
wöhnlich gar nicht hervorgehoben, wenigstens nicht gebührend gewür-
digt. Dagegen ist eine andere Erklärung sehr beliebt und gilt als voll-
kommen ausreichend. Man sagt: Individuen mit chronischer, stationärer,
exsudativer Pleuritis sind abgemagert, blutarm, von geringerem Körper-
gewicht; sie haben ein geringeres 0 Bedürfniss und liefern geringere
CO'' Mengen ; um diese geringeren CU' Mengen durch die Respiration
fortzuschatfen , genügt die eine Lunge ohne gesteigerte Athemthätigkeit.
Dieser, zum allgemein gebrauchten Schlagwort gewordenen Erkläning
liegt ein wahres Verhälluiss zu Grunde*).
Es wäre aber ein Leichtes zu zeigen , dass Diejenigen , welche sich
mit der zuletzt erwähnten Erklärung allein befriedigen, zahlreiche Mo-
mente übersehen, die im Stande sind, den supponirten günstigen Einfluss
der geringeren absoluten GO"-Menge Blutarmer wesentlich herabzu-
setzen. Der Raum gestattet es nicht, diesen Gegenstand hier eingehend
zu erörtern. Ich erinnere in Kürze nur daran, dass ein blutarmes, ent-
kräftetes oder ein chlorotisches Individuum , wenn es von einem rasch
ansteigenden Exsudat laefallen wird, gewiss nicht günstiger daran ist, als
ein gesundes mit einem normalen Blutgehalt und entsprechend höherer
Maxim al-Leistungsfähigkeit des Herzens.
2. Pleu ritische Exsudate, welche bis zur totalen Re-
traktion oder Com pressi on einerLunge geführt haben,
heben die Circulationsbef Order nde ansaugende Wir-
kung auf, die normalerweise von der ausgespannten und
athmenden Lunge auf die intrathoracischen Venenstäm-
me und das Herz ausgeübt wird.
Ueber die Grösse des Einflusses, welchen diese ansaugende Kraft auf
die Venen und Arterien des Thorax ausübt, namentlicli aber über die
daraus hervorgehenden in- und exspiraturischen Druckschwankungen im
Aorten-System herrschen, wie ich aus verschiedenen irrigen Angaben
noch der jüngsten Zeit ersehe, häufig fehlerhafte Vorstellungen**).
Diese ansaugende Kraft wirkt hauptsächlich auf das Blut in
*) Claude B e r n a r d , Lecons sur les effets de substances toxiques. Par.
1857. S. 122.
**) Dass selbst Physiologen über diese Verhältnisse z. Theil unrichtige
Vorstellungen haben, geht deutlich hervor, wenn wir die richtige Darstellung
dieser Verhältnisse in W u n d t's Lehrb. d. Physiolog. (3. Aufl. S. 315) ver-
gleichen mit den diametral entgegengesetzten Angaben in der von Gruen-
h a g e n neu bearbeiteten (3. Aufl. des Funk e'schen Lehrb. d. Physiolog. 1. Bd.
S. 110. Vergl. besonders die Auslegung der Curve Fig. 58 bei Wundt und
Fig. 15 bei G r u e n h a g e n. Vergleiche ferner : V o 1 k m a n n , Hämodyna-
mik, S. 318 , wo sogar die günstige Wirkung der Inspiration auf die Blutbe-
wegung in den Venen in Zweifel gezogen wird. Ibidem S. 349. Ferner Va-
lentin, Pathol. d. Blut. I. S. 352. Die zuverlässigsten Aufschlüsse verdanken
wir den bahnbrechenden Untersuchungen von Ludwig, Müller's Arch. 1847.
S. 242 und Einbrodt, Moleschott's Unters. Bd. VIL 1860. S. 312.
Leichtenstern, Kranklieiten der Pleura. Pathologie. 89 1
den grossen intrathoracischen Venenstämmen ein, befördert und be-
schleunigt das Einströmen desBlutes aus den grossen
Venen in den Thorax und in das rechte Herz. Die ansau-
gende Kraft der Lungen wirkt aber auch auf das Herz, sie befördert
die diastolische Ausdehnung der Ventrikel und Vorböfe ; sie begünstigt
so die Füllung des rechten Herzens, dadurch aber auch die Füllung des
linken Herzens.
Die gleiche inspiratorische Ansaugekraft wirkt natürlich auch auf
die Arterien im Thorax ein, sucht sie zu erweitern und das Blut der-
selben im Thorax zurückzuhalten. Wenn aber die ansaugende Kraft auf
das Blut in den Venen ungleich stärker einwirkt, als auf das Blut in
den Arterien, wenn der „Nutzeffekt" im ersteren Falle grösser ist als
im letzteren, so bat diess darin seinen C4rund, dass die dünnwandigen,
schlaiferen Venen, deren Wandungen ein viel geringeres, der Saugkraft
entgegenwirkendes elastisches Contraktionsvermögen besitzen, der ansau-
genden Kraft eben desshalb auch geringere Widerstände ent-
gegensetzen, als die dickwandigen mit einem viel grösseren ela-
stischen Contraktionsvermögen ausgestatteten Arterien. Die ansau-
gende Kraft der Lungen ülrt also einen grösseren Nutzeffekt auf die
Venen aus, weil sie geringere Widerstände leisten als auf die Arterien.
Bei der Einwirkung derselben Kraftgrösse auf die Arterien geht der
grösste Theil der inspiratorischen Saugkraft nicht in eine Bewegung der
Arterienwand über, sondern in ein der Ueberwindung der Widerstände
äquivalentes Wärmecjuantum. Der Nutzeffekt einer Kraft hängt stets
auch von den zu überwindenden Widerständen ab. Wenn die dünne
Wandung der intrathoracischen Venen gespannt ist durch einen — 0,1
bis — 0,6 Mm. Hg betragenden Druck, die dicke Aortenwandung da-
gegen durch einen im Mittel auf -|- 130 Mm. Hg belaufenden Druck,
so ist das Eesultat einer gleich grossen, in gleicher Weise auf
beide Gefässe einwirkenden Saugkraft von 9 Mm. Hg bei ruhiger In-
spiration selbstverständlich verschieden. — Die relativ geringe ansau-
gende Kraft auf die Arterien kommt im Momente der kräftigen Ventri-
kular-Systole — Aortendiastole — kaum in Betracht, kann aber die
Arteriodiastole nur begünstigen; sie wirkt aber hemmend auf die
für die Zwecke des Kreislaufes sehr wichtige elastische Contraktion der
Arterien, die Arteriosystole; sie wirkt also in diesem Momente etwas
hemmend auf die Geschwindigkeit des Ausströmens des Arterienblutes
aus dem Thorax ; der Effekt — Nutz efiekt kann man es nicht nennen —
ist aber aus den angeführten Gründen nur ein sehr geringer, und kommt
überhaupt nur bei forcirter Inspiration in Betracht, wenn die An-
saugekraft auf 30—40 Mm. Quecksilber steigt.
Es ist zweifellos, dass die ansaugende Kraft, welche
bei ruhiger Inspiration auf die intrathoracischen
Venen und Arterienstämme ausgeübt wird, von un-
gleich grösserem Einfluss auf den Blut ström in den
Venen ist, welchen sie Ijeschlcunigt und befördert,
als auf die Arterien, d e r e n A r t e ri o d i ast o 1 e un d Ar-
te r i o s y s t o 1 e dadurch nur in u n e r h e b 1 i c h e m G r a d e b c-
einflusst wird.
g()2 Kranklieiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
3. Grosse pleuritische Exsvidate üben einen nacli-
t heiligen Druck auf die intrathoracischenGefässstäm-
me, besonders die leichter comp rimir baren Venenstäm-
me aus, erschweren die Diastole der Vorhöfe und Ven-
trikel, behindern den Eintritt desVenenblutesinden
Thorax und die Füllung des rechten Herzens und ver-
ringern auf diesem Wege auch die Füllung des linken
Ventrikels. Der D ruck in den Venen des g rossen Kreis-
laufes steigt, der arterielle Mitteldruck sinkt und in
Folge dieser Ab nähme der Druck unterschiede sinkt die
Circulationsgesch windigkeit.
Dass der Bxsudatdruck grosser pleuritiscber Ergüsse grösser ist als
der Atmospliärendrufk, ist bekannt; die Punktion lehrt, dass grosse Ex-
sudate mit Gewalt nach aussen drängen und die Gefahr des Luftein-
trittes aus diesem Grunde — im Anfang der Punktion — nicht
existirt *).
Eine zwar naheliegende, aber wie mir scheint, nie l)eriicksichtigte
Thatsaohe ist folgende: Es ist hinsichtlich der eben angeführten Circula-
tionshemmenden Einflüsse grosser pleuritischer Exsudate durchaus nicht
gleichgiltig, ob das Exsudat auf der rechten oder linken Seite seinen
Sitz hat. Die einfache Berücksichtigung der anatomischen Lagever-
hältnisse der Brusteingeweide lehrt**) ganz unzweifelhaft, dass die so
wichtige ansaugende Wirkung auf die Venenstiimme (Cava superior und
inferior) , feiner die ansaugende Wirkung auf den rechten Vorhof und
die rechte Kammer vorzugsweise und überwiegend von der rechten
Lunge ausgeht, wähi-end die aspirirende Kraft der linken Lunge haupt-
sächlich auf die in den linken Vorhof einmündenden Lungenvenen wirkt
nnd die Diastole des linken Vorhofs und Ventrikels begünstigt.
Grosse Exsudate der rechten Seite, deren Exsudatdruck den At-
mosphärendruck übersteigt, wirken vorzugsweise comprimirend auf die
grossen Venenstiimme, besonders die Cava superior***), in etwas
weniger nachtheiligem Grade auch auf die Cava inferior (da das kurze
thoracische Endstück derselben gleich nach dem Durchtritt durch das
Poramen ciuadriluterum in den rechten Vorhof übergeht) ; sie wirken fer-
*) Den circulationsstörenden Einfluss der Compression, welchen grosse
pleuritische Ergüsse auf die Venen und das Herz ausüben, ersehen wir zuweilen
sehr deutlich aus folgendem Verhalten. Zuweilen nimmt nach der Punktion
eines Einpj'ems, ohne dass die Lunge sich im Geringsten verändert oder wieder
ausgedehnt hätte, der Druck im Aortensystem zu, die Harnsecretion wird ver-
mehrt. Hier hat sich durch die Punktion nichts geändert, als dass der posi-
tive, über den Atmosphärendruck gesteigerte Exsudatdruck, welcher den Zu-
fluss des Venenblutes und die normalmässige Füllung des rechten und linken
Herzens verhinderte, durch die Punktion entfernt wurde.
**) Siehe z.B. B r a u n e, Taf. IX. XHI, Luschka, Taf. IV., Rüdinger-
Taf. X. C, Taf. IV. V. VI. IX, B, X. D , ferner besonders die schönen Abbil,
düngen von P i r o g o f f TL 6, 2 ; 4, 1 ; 6, 1 ; 7, 2.
***) Daher erklärt sich auch die bei grossen rechts seitigen Exsudaten
wiederholt gemachte Beobachtung, dass das Gesicht ödematös und unverhält-
nissmässig stark cyanotisch angetroffen wurde.
Lei'Chtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 893
ner comprimirend auf den dünnwandigeu rechten Vorliof und Ventrikel,
deren diastolische Ausdehnung sie erschweren. Grosse I i n k s seitige Ex-
sudate comprimiren zwar den linken Vorhot' und den dickwandigen lin-
ken Ventrikel, hemmen die diastolische Ausdehnung desselben ; aber die
Füllung dieser Herzabschnitte wird dadurch wenig alterirt, da sie vor-
zugsweise von der Füllung des rechten Herzens abhängt; ferner üben
linksseitige Exsudate keinen so erheblichen Druck auf die Venen aus,
wie rechtsseitige ; denn wenn sie auch das Mediastinum mit den Gefäss-
stämmen und dem Herzen nach rechts drängen''*), so heben sie doch
nie — auch wenn sie geringe Eetraktion der rechten Lunge veranlassen
sollten — die ansaugende Wirkung der letzteren auf die Venenstämme
(bes. Cava superior) und auf das rechte Herz auf. Grosse Exsudate
der rechten Seite wirken ceteris paribus ungleich mehr
Circulations- störend als ebenso grosse Exsudate der lin-
ken Seite. Ich kann es nicht anders als für ein Glück ansehen, dass
rechtsseitige Exsudate — laut unserer obigen Statistik — etwas sel-
tener sind als linksseitige, noch mehr aber für ein Glück, dass grosse,
eine ganze ErusthUlfte erfüllende Exsudate recbterseits viel seltener
sind als auf der linken Seite , was feststeht , obgleich ich es statistisch
nicht beweisen kann.
Indess hat der Organismus auch Einrichtungen, um die nachthei-
ligen Folgen des Exsudatdruckes, welcher bei rechtsseitigen Ergüssen auf
der Vena cava superior und inferior und auf dem rechten Herzen lastet
und das Einströmen des Veuenblutes in den Thorax hindert, theilweise
zu com! ensiren. Das Hinderniss, das dadurch dem Ausströmen des Blu-
tes aus dem Ende der elastischen Röhren-Leitung entgegensteht, kann
überwunden werden, durch eine Steigerung der Vis a tergo, der Druck-
kraft des linken Ventrikels. Ganz in der gleichen Weise nur noch viel
leichter wird durch Hypertrophie und Mehrleistung des rechten Herzens
das Hinderniss compensirt, das bei linksseitigen Ergüssen durch den po-
sitiven Bxsudatdruck der Diastole des linken Vorhofes und Ventrikels
entgegensteht.
Der Exsudatdruck ist unter der Voraussetzung gleicher Exsudat-
mengen grösser Ijei acuter Exsudation als bei chronischer , stationärer.
Die nachtheiligen Folgen des Exsudatdruckes auf Gefässe und Herz sind
folglich grösser bei acuten als bei gleich grossen chronischen Exsudaten.
Jede elastische Membran oder Platte nämlich, welche einige Zeit durch
grössere Gewichte gespannt erhalten ist, verliert mit der Dauer der
Spannung an Elasticität und es sind nun geringere Gewichte im Stande,
die elastische Membran in der gleichen Ausdehnung zu erhalten. Der
positive Exsudationsdruck bei acuten rasch steigenden Exsudaten hat
die erheblichen Widerstände zu besiegen, welche die elastischen Thorax-
waudungen, Mediastinum und Zwerchfell ihrer Verdrängung entgegen-
*) Ueber die vermeintliche von grossen linksseitigen Ergüssen ausgeübte
totale Compression der unteren Hohlader siehe unten bei den plötzhchen Todes-
fällen durch Pleuritis.
894 Krankheiten der Atlimungsorgane. Pleuritis.
setzen. Hat aber die Ektasie des Thorax und die Verdrängung längere
Zeit gedauert , so ist die Kraft , mit welcher die verdrängten Wan-
dungen in ihre frühere Lage zurückstreben — ihre Elasticitätsgrösse
— geringer ; der Exsudatdruck ist damit geringer , obwohl die Ex-
sudatmenge die gleiche geblieben ist. Auch auf diesem Wege wird
die Gefahr acuter Exsudate grösser , als die gleich grosser chronischer.
.Je rapider das Exsudat ansteigt und die Lunge comprimirt , um so
mehr nähert sich der dadurch hervorgerufene schwere Symptomen-
complex den Erscheinungen der embolischen Verstopfung eines der bei-
den Hauptäste der Pulmonalis. Reicht die Kraft des rechten Ventrikels
nicht aus, die vermehrten W^iderstände im kleinen Kreislauf dauernd zu
überwinden (Ö. 885), so erfolgt der Tod durch Insufficienz des
rechten Herzens und der Respiration unter steigernder CO'-
Vermehrung und 0-Verarmung des Blutes (Asphyxie) ; dazu kommt
noch die, die Herz-Insufficienz steigernde Wirkung des Fiebers, und
der nachtheilige Druck, den besonders rechtsseitige Ergüsse auf die
(»•rossen Venenstämme und das rechte Herz ausüben; dadurch wird die
diastolische Füllung des rechten und somit auch des li nken Herzens
erschwert, arterielle Anämie mit Druckabnahme in den Arterien, ve-
nöse Blutüberfüllung mit Druckzunahme in den Venen hervorgerufen;
Verminderung der Druckunterschiede verlangsamt die Circulation und
steigert die CO^-Ansammlung im Blute. Die arterielle Anämie des Ge-
hirnes und des Herzens ist von secundärer Bedeutung.
Steigt dagegen das Exsudat langsam, so kann durch allmählige Hy-
pertrophie des rechten Herzens die Mehrleistung desselben für die
Dauer ermöglicht werden ; der Gefässquerschnitt der nicht comprimirten
Lunge wird grösser und es entwickelt sich ein stationärer Zustand von
mehr oder minder vollständiger Compensation der circulatorischen und
respiratorischen Hindernisse, am ehesten dann, wenn von Seite des Fie-
bers dem Herzen keine Gefahren erwachsen und der Exsudatdruck kein
excessiver wird. Diese vollkoimuene Compensation kommt bei links-
seitigen Exsudaten leichter zu Stande als bei rechtsseitigen.
Sehen wir ab von den Fällen , wo eine secundäre Pleuritis tödtet
durch die Veränderungen, welche die primäre Erkrankung gesetzt hat,
ferner von den Fällen , wo eine hinzutretende Tuberculose , chronische
Pneumonie, Nierendegeneration, oder wo nach eröffnetem Empyem Py-
ämie oder Verjauchung und Septichämie zum Tode führen , so bleibt
noch übrig, der Todesursachen bei chronischen Exsudaten und Em-
pyemen zu gedenken. Hier treten unter dem Einflüsse des »consu-
mirenden« Fiebers und der mangelhaften Ernährung
(des mangelnden Wieder er Satzes) eine Reihe schwerer
Leichtens tern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 895
Veränderungen im Blute, in den Säften und Piirenchy-
m e n d e r V e r s c h i e d e n e n 0 r g a n e auf , die wir mit dem Ausdruck
Entkräftung, Marasmus zusammenfassen. Der Tod erfolgt, wenn die
zum Leben notliwendige Summe von Organfunctionen unter eine ge-
wisse Grösse sinkt. Häufig treten auch hier unter den Termiualerschei-
nungeu die der Degeneration und Insufficienz des Herzens am meisten
in den Vordergrund , die Zeichen mangelhafter Circnlation und Respi-
ration, Cyanose, Dj'spnoe, Lungenödem und Embolie, Venenthrombose,
Hydrops und Anderes.
Unter den Ausgängen des Empyems haben wir die spontane Per-
foration nach aussen durch den lutercostalraum (E. necessitatis) oder
in die Lungen (Bronchien) hervorgehoben. Wie sich dieser Durchbruch
vollzieht , ist von uns im anatomischen Theil geschildert worden. We-
niger bekannt , ja von Manchen irriger Weise bestritten ist die That-
sache , dass der Durchbruch des Empyemes in die Lungen
ein häufiges, freilich oft übersehenes Vorkommniss ist.
Da hierüber noch manche fehlerhafte Angaben cursiren , will ich auf
den Gegenstand in Kürze eingehen und das Verhalten schildern, das ich
bei mehreren Kranken mit nach den Bronchien durchgebrochenem Em-
pyem beobachten konnte.
Zuweilen erfolgt der Durchbruch des Empyemes plötzlich und unter
so in die Augen springenden Erscheinungen, dass sowohl vom Arzte, wie
auch vom Patienten das eingetretene Ereigniss sofort erkannt wu'd.
Während eines heftigen Hustenanfalles werden plötzlich reichliche, eitrige,
conflnirende Sputa ausgehustet, wobei die ersten Sputa oft eine geringe
blutige Beimischung (in Streifenform) erkennen lassen. Auf diesen plötz-
Uehen Eiterauswurf, als ein bis dahin nicht vorhandenes Symptom,
macht oft der Kranke von selbst aufmerksam ; häufig kann daher auch
aus der Anamnese noch der Termin des Durchbruches festgestellt werden.
Der Eiterauswurf pflegt im Anfange, gleich nach erfolgtem Durch -
bruch ein sehr reiclilicher zu sein ; ich sah in einem Falle binnen 1
Stunde gegen '/■• Liter entleert werden. Aber schon in den nächsten
Stunden nach dem Durchbruch mässigt sich derAuswui-f; er erfolgt von
nun an ganz allmählig, und gewinnt wegen des längeren Verweilens in
den Bronchien häufig alle Charaktere eines dünneitrigen Sputum numu-
lare, eines Sputums, wie es gelegentlich auch bei der bronchorrhoischen
Form der chronischen Bronchitis, bei Bronchiectasien , bei Phthisikern
wahrgenommen wird. Fülle dieser Art werden häufig verkannt; man
schliesst aus dem eilrigen Sputum fälschlich auf einen das Empyem be-
gleitenden Bronchialkatarrh mit reichlicher Eiterabsondej'ung. Während
dieser allmähligen Expectoration eitriger Sputa wird die Empyemhöhle
allmählig kleiner , die Lunge dehnt sich wieder aus , oder es entsteht
Retrecissement *) . Ich bin der fasten Ueberzeugung , dass in allen Fäl-
*) Interessante Falle dieser Art aus der Kinderpraxis bei E. He noch,
ggß Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
len, wo man ein sicher constatirtes Empyem allmählig, und angeblich
ohne Durchbruch nach aussen, vermeintlich durch „Resorption" heilen
sah, es sich um eine ganz allmählige und unbeachtet gebliebene Expec-
toration des Empyemeiters handelte, wobei die eröffnete und sich lang-
sam entleerende Abscess-Höhle jenen Heilvorgang durchmadite, den wir
oben (S. 872) ausführlicher schilderten. In z;;hlreichen dieser Fälle von
Durchbruch des Empyemes nach der Lunge kommt es während des gan-
zen Verlaufes der Heilung niemals zu nachweisbarer Ansammlung
von Luft im Pleura-Raume , niemals zu Pyopneumotborax.
Es ist diess eine längst bekannte, nicht erst duich Traube wieder
ans Licht gezogene Thatsache, die in sehr einfachen Verhältnissen ihren
Grund hat.
Im Momente des Durchbruches des Eiters nach den Lungen kann
Luft ebensowenig eindringen als im Momente der Function eines grossen
pleuritischen Exsudates. Der hohe, den atmosphärischen übersteigende
Exsudatdruck, oder was das Gleiche ist, die Kraft, mit welcher die ver-
drängten Wandungen der Enipyemhühle in ihre normale Lage zuvück-
streben, ist so gross, dass wohl Eiter durch die Perforations-Oeffnung
hinausgedrängt wird, aber keine Luft eindringen kann. Mässigt sich
nach der ersten Entleerung von Eiter der Exsudatdruck, so dass er dem
atmosphärischen annähernd gleich wird, so wird nun bei heftigen Hu-
stenbewegungen die Empyemliöhle allerdings verkleinert, Eiter in die
Bronchien getrieben, aber die dabei zum Auswurf kommenden Eiter-
mengen sind doch nur gering — wie die ICrfahrung lehrt — und mit
der auf den exspiratorisclien Hustenstoss folgenden Inspiration sinken
auch die dünnen Eiter-Säulen in den kleinen Bronchien wieder zurück.
Der Eiterauswurf ist spärlich und hält gleichen Schritt
mit der allmähligen Verkleinerung der heilenden Abscess-
(Empyem-) Höhle. Es wird nur soviel expektorirt , als die Empyem-
liöhle auf dem Wege der Heilung (S. 872) kleiner wird.
Unter solchen Umständen kommt es vor , dass die entleerten Sputa
einen üblen Geruch annehmen, ebenso wie bei putrider (foetider) Bron-
chitis. Wir dürfen daraus noch nicht auf „Verjauchung" des Empyemes
schliessen. In zweien dieser von mir beobachteten Fälle *) wurde durch
den Eintritt dieses Ereignisses die Ausheilung der Erapyemhöhle in kei-
ner Weise aufgehalten ; beide Kranken verliessen vollkommen geheilt und
mit beträchtlichen Gewichtsz.unahmen das Hospital **). Es schemt diese
durch Spaltpilze hervoi-gerufene Zersetzung des Eiters nicht in die Tiete
des Empyems zu dringen, sondern nur jene Eiterparthieen zu betreffen,
welche bis in die Bronchien hinaufgestiegen dort stagnnen. Da aber
gerade diese Eiterparthien alsbald zur Expektoration gelangen, so findet
1. c. S. 211 ff. Steffen, 1. c. L S. 99. — Barthez u. Rilliet, 1. c.I. S. 622.
— Berg, Journ. f. Kinderkrankh. v. Beirrend 1858. l. 167. - Wietfeld,
Deutsch. Klin. 1862. 50.
*) Sie wurden auf der Tübinger medic. Klinik (1871 u. 1872) beob-
achtet. _
**) Bei einem dieser Kranken (Fassnaoht) dauerte der putride Eiter-
Auswurf über '/4 Jahr. Während desselben nahm der Kranke bedeutend an
Gewicht zu.
Leiohtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 897
eine Verbreitung der Spaltpilze in die Tiefe des Empyemes nicht
statt. Uebrigeus lehrt die Erfahrung, dass selbst Abscesshöhlen mit
übelriechendem Eiter heilen können, ohne dass Septiehämie daraus
hervorginge. Damit soll natürlich nicht geläugnet werden, dass auf dem
geschilderten Wege nicht doch zuweilen Verjauchung des Empyemeiters,
und schwere , tödtliche Gefahren hervorgehen ; besonders dann , wenn
die jauchige Zersetzung weiter fortschreitet und zu einer Zeit eintritt, wo
die Erapyem-Eitermasse noch eine beträchtliche ist.
In anderen und zwar selteneren Fällen führt der Durchbruch des
Empyem's zu Pyo-Pneumothorax. Diess unter Anderem dann, wenn
der Durchbruch unmittelbar in einen grösseren Bronchus hinein statt-
findet. Durch kräftige Hustenbewegungen kann nun so viel Eiter ex-
pektorirt werden , dass die nachfolgende inspiratorische Erweiterung des
Thorax nothwendig Luft herbeiziehen (ansaugen) muss, welche den vor-
her vom Eiter erfüllten Raum einzunehmen hat. Es handelt sich aber
selbstverständlich auch in diesen Fällen nur um geringe, eben nachweis-
bare Luftmengen. Grösser sind diese, wenn die Perforation eines Em-
pyemes in eine Lunge erfolgt, die nicht total comprimirt, sondern we-
nigstens zum Theil noch retractionsfähig ist. Erfolgt der Durchbruch,
so retrahirt sich die Lunge und der dadurch frei werdende Raum wird
von Luft eingenommen.
Wer die Casuistik des Empyems seit Einführung der sogenannten
capillaren Thoracocenthese , des Hohlnadelstiches mit Aspiration ge-
nauer einsieht, wird finden, dass der spontane Durchbruch des Empyems
in die Lungen autfallend häufig wenige Stunden oder 1 — 3 Tage nach
Vornahme dieser Operation beobachtet wurde. Bei einem 17jährigen
Kranken der hiesigen meclicinischen Klinik wurde ein rechtsseitiges Em-
pyem imnktirt und durch Aspiration eine Eitermenge von 500 C.C ent-
leert. 36 Stunden später erfolgt plötzlich spontaner Durchbruch in die
Bronchien und Luftzutritt zum Empyem, Pyopneumothorax. Die Ab-
seesshöhle verkleinerte sich von da ab allmählig und der Kranke ver-
liess völlig wiederhergestellt das Hospital. Unzweifelhaft hat in diesem
Falle die Aspiration den Durch lirueh des Empyems in die Lungen , der
wahrscheinlich schon vorbereitet war, beschleunigt, und zwar dadurch,
dass die Aspiration einen erheblichen Zug an dem Lungengewebe (incl.
der in Ulceration befindlichen Durchbruchsstelle) ausübte und einen ne-
gativen Druck in der Erapyemhöhle hinterliess. Es ist in einem solchen
Falle auch leicht erkläiiich, dass der Durchbruch von Lufteintritt in die
Empyemhöhle — wo ja ein negativer Druck herrschte — gefolgt sein
musste.
Zu den häufigsten Ausgängen der Pleuritis gehören mehr oder
minder ausgedehnte Verwachsungen der Pleura pulmonalis mit
der Pleura parietalis, ferner 0 b 1 i t e r a t i o n d e r c o m p 1 e m e n t ä r e n
Pleura -Räume durch Verwachsung der Pleura diaphragmatica mit
der Pleura costalis. Es ist unzweifelhaft , dass manche der Beschwer-
den, welche nach überstandener Pleuritis noch lange Zeit zurückbleiben,
z. B. Schmerzen und Hemnisse beim tiefen Inspiriren , oder beim Hu-
Haadb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 57
898 KranHieiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
sten und Niesseu, Kiirzathmigkeit bei verliältnissmässig geringer kör-
perlicher Anstrengung, zum Theil auch von den Adhäsionen herrühren
können.
Die Verwachsung lässt sich mitunter sicher diagnosticiren , dann
nämlich, wenn sie die Luugenränder betrifft. Die percussorisch leicht
nachweisbare normale respiratorische Mobilität derselben ist aufge-
hoben , was besonders leicht an der Lungenlebergrenze und Herz-Lün-
gengrenze (an der Incissura cardiaca pulmonis sinistri) zu constatiren ist.
Je umfangreicher und derber die Verwachsungen , um so bedeu-
tungsvoller sind sie. Ist eine ganze Lunge von einer derben, schwie-
ligen Bindegewebs-Kapsel umschlossen und allseitig verwachsen — ein
gewöhnliches Verhalten beim Retrecissement , so lehrt meist schon die
blosse Inspection des Thorax , dass die Athmungsexcursionen der kran-
ken Seite geringer sind. Da in solchen Fällen ausser dem Athemvo-
lumen, der Ventilationsgrösse, gleichzeitig auch die athmende Oberfläche
der verwachsenen Lunge geringer ist , so leuchtet ein , dass eine so all-
seitig verwachsene Lunge für den respiratorischen Gasaustausch we-
niger leistet, als die Lunge der gesunden Seite, die somit eine vicarii-
rende Mehrleistung zum Zwecke der Compensation zu leisten hat. Zu-
nahme der Frequenz und Tiefe der Athemzüge , rasches Ausserathem-
kommen bei relativ geringen körperlichen Anstrengungen ist die Folge
davon. Eine so innig und allseitig verwachsene Lunge übt ferner keine
oder nur mehr eine sehr geringe ansaugende Wirkung auf die intratho-
racischen Gefässstämme und das Herz aus. Es fällt somit jener circu-
lationsbefördernde Einfluss hinweg, welchen die Aspirationskraft der
normalen Lungen besonders auf die Venen und die Diastole der Ven-
trikel ausübt. Blutmenge und Blutdruck wird geringer im Aorten-,
grösser im Venensystem, die Circulation wird verlangsamt, die CO'-
Ansammlung im Blute nimmt zu, Cyanose und Dyspnoe, später, wenn
Herzdegeneration hinzutritt, Hydrops folgen daraus. Compensation ist
nur möglich durch eine gesteigerte Thätigkeit des linken Ventrikels,
welche die gestörten Druckunterschiede zwischen Arterien und Venen
— welche die Stromschnelle bedingen — wiederherzustellen im Stande
ist, dann wird trotz der fehlenden Ansaugekraft wieder ebenso viel Blut
in der gleichen Zeit wie früher nach dem rechten Herzen geliefert.
Diese Mehrleistung wird vom linken Ventrikel vollführt, der desshalb
auch , in dem Maasse , als er längere Zeit gesteigerte Arbeit verrichtet,
hypertrophirt.
ümseliriebene Verwachsungen können zu umschriebenem vicariiren-
dem Emphysem in der Nac^hbarscbaft der Adlui&ion Veranlassung geben.
Ausgedehnte Verwachsungen der Lunge mit der Plem-a, besonders
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 899
neben Esiträcissement und bindegewebiger Obliteration des Pleuraraumes
disponiren in hohem Grade zu chronischer Pneumonie mit Ausgang in
Verkiisung und Destruction, oder zu chronisch - intersi itieller Pneumonie
mit Bildung von Bronchieotasien und ihren anderen Folgen.
üeber die plötzlichen Todesfälle bei pleuritisclien
Exsudaten.
Bei pleuritischen Exsudaten werden zuweilen plötzliche Todesfälle
beobachtet. Da die in der Literatur enthaltenen zahlreichen Fälle aus-
nahmslos Erwachsene betreffen, so will ich hier auf die Ursachen dieser
Erscheinung nicht näher eingehen ; ich verweise auf eine diesem Gegen-
stand gewidmete Arbeit von mir , die im Deutschen Archiv für klin.
Medicin demnächst erscheinen wird. Ich hebe in gedrängter Kürze nur
folgende Punkte hervor :
1. Bei grossen Ex.sudaten, rechtsseitigen sowohl wie linksseitigen,
ist die Füllung des linken Herzens behindert und geschieht unvoll-
ständig, aus Gründen, die wir oben ausführlich betrachtet haben. Es
besteht arterielle Anämie. Alles , was in einem solchen Falle den be-
hinderten Eintritt des Venenblutes in den Thorax und das rechte Herz
temporär noch mehr zu behindern vermag (ein länger dauernder Hu-
stenparoxj'smus , Pressbewegungen beim Stuhlgang , beim Heben einer
schweren Last, heftige Brechbewegungen etc.), ist im Stande, eine plötz-
liche Steigerung der Anämie des linken Herzens , eine schwere Hirn-
und Herz- Anämie hervorzurufen , die bald nur einen Ohnmachtsanfall,
zuweilen den plötzlichen Tod, besonders bei leicht erschöpf'baren Herzen,
zur Folge hat. Auch ein plötzliches Aufrichten aus der horizontalen in
die aufrechte Körperstellung , rasches Aufsitzen im Bette kann in sol-
chen Fällen von arterieller Anämie und leichter Erschöpfbarkeit des
Herzens, eine plötzliche Steigerung der arteriellen Hirnanämie , einen
Ohnmachtsanfall oder selbst den Tod (Malmsten, Daga) hervorrufen.
Weit mehr Anklang als die angeführte 'und die im Nachfolgenden
zu schildernden Ursachen des plötzlichen Todes bei grossen pleuriti-
schen Exsudaten hat in letzter Zeit ein anderer Erklärungsversuch ge-
funden. Man sagt: Wenn ein grosser linksseitiger Erguss das Media-
stinum mit dem Herzen weit nach links verdrängt, so erleidet die un-
tere Hohlader eine mehr oder minder hochgradige winklige Knickung,
mit der Spitze des Knickungswinkels nach links. AVird nun diese durch
den Exsudatdruck hervorgerufene bleibende Knickung durch eine zu-
fällige, wenn auch ganz vorübergehende Ursache, wie z. B. „eine hastige
Körperbewegung" oder „einen Husteuanfall" noch vermehrt, so kann das
Lumen der unteren Hohlader daduixh plötzlich vollkommen verlegt und
eine tödtliche Blutleere des linken Herzens erzeugt werden. Wir geben
zu, dass eine solche plötzliche totale Alikniekung der unteren Hohlader
57*
900 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
dadurch, dass sie den Blut-Zufluss aus einem der beiden Venenhaupt-
stämme zum rechten und linken Herzen aufhebt, eine tödtliche Blutleere
des letzteren herbeiführen kann; ein heftiger Hustenparoxysmus, eine
schwere Pressanstrengung freilich wird ergiebiger wirken, da sie den
Blutstrom in den beiden Hauptstammen hemmt. Es fragt sich nur:
1) kommt eine so erhebliche Knickung der unteren Hohlader bei abun-
danten linksseitigen Ergüssen überhaupt vor? 2) giebt es Momente,
welche eine plötzliche totale Knickung herbeiführen können? 3) sind
Fälle bekannt, wo eine solche plötzliche Abknickung Ursache des plötz-
lichen Todes bei linksseitigen Ergüssen wurde?
Wir müssen sämmtliche drei Fragen mit einem entschiedenen Nein
beantworten. Da ich die experimentellen Beweise für die Richtigkeit
dieser iSTegation an einem anderen Orte ausführlich brmgen werde, so
hebe ich hier nur ganz cursorisch folgende Abstractionen aus den Ver-
suchen hervor:
Wir können uns das Mediastinum mit Allem was dazu gehört als
eine ebene Platte vorstellen, welche vertikal und sagittal durch den
Thorax gerichtet ist.
In dieser Eliene verläuft auch die Vena cava superior und inferior,
die wir uns zunächst einmal als vertikale Säule für sich vorstellen wollen ;
die Puncta fixa dieser Säule sind die Apertura thoracis superior und
das Foramen quadrilaterum. Indem ein grosses linksseitiges Exsudat die
liake Zwerchfellshälfte als den am leichtesten verdrängbaren Theil in er-
giebiger Weise nach abwärts drängt und erheblich belastet , wird die ver-
tikale Säule ebenso wie die ganze mediastinale Platte bedeutend in der
Vertikalen gespannt und so der W'iderstand, welchen dieselbe einer
seitlichen Verdrängung entgegensetzt, erheblich gesteigert.
Eine solche, zwischen zwei Fixationspunkten ausgespannte, elastische
Säule oder Platte ist natürlich in der Mitte zwischen beiden Fixations-
punkten am meisten, am ergieljigsten dislocirbar. Wird das Mediastinum
mit den grossen Gelassen so weit als möglich, bis zum „Verdräng-
ungs-Maximum" nach rechts verdrängt, so beschreibt es der Gestalt
nach einen Bogen ( mit der Convexität nach rechts; die in der Mitte
zwischen den beiden Fixationspunkten unserer Säule (Apertura thoracis,
Forameu quadrilaterum) gelegenen Theile werden am meisten verdrängt.
Man kann sich durch geeignete Versuche leicht überzeugen, dass von
einer rechtwinkligen Knickung des Bruststückes der Cava inferior (d.
h. rechtwinklig zur Längsachse des Bauchstückes derselben) nicht die
Rede sein kann. Es kommt noch etwas Anderes hinzu, was gewöhnlich
ganz üliersehen wird. Auch in der Richtung von vorn nach hinten sind
nicht alle Theüe des Mediastinums in gleichem Grade verschiebbar. Am
verschiebbarsten .sind die vorderen Theile; daher sehen wir, dass die me-
diane vordere Dämpfungsgrenze bei linksseitigem Exsudate den rechten
Sternalrand oft um 3 Querfinger nach rechts überschreitet; hinten
dagegen schneidet die mediane Dämpfungsgrenze stets mit der Wir-
belsäule ab. Dis hintere Mediastinum mit der Aorta thoracica, der Spei-
seröhre, Trachea ist am wenigsten verschiebbar. Je weiter also ein Punkt
der mediastinalen Platte auf dieser nach hinten zu gelagert ist, eine um
t.0 geringere Verdrängung erleidet derselbe, um so frühzeitiger erreicht
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 901
derselbe sein Verdrängungsmaximnm. Die Cava inferior liegt bereits ziem-
lich weit nach Mnten, \mä gehört beinahe schon dem hinteren Media-
stinum an. Sie erreicht daher sehr bald ihr Verdrängungsmaximnm,
frühzeitiger, als die weiter vorne gelagerte obere Hohlader.
Die ganze Vei-änderung , welche die Vena cava inferior bei der ma-
ximalen Verdrängung des Mediastinums nach rechts erleidet, l.iesteht
1) in einer stärkeren Spannung der Venenwand in der Richtung
ihrer Längsaxe, 2) darin, dass die Vene vom Foramen ciuadrilaterum aus
zum rechten Vorhof nicht wie normal etwas medianwärts geneigt, son-
dern etwas nach rechts geneigt verläuft. Hat das Mediastinum sein
Verdrängungsmaximum erreicht, so ist der Herzkegel noch
einer weiteren Dislocation nach rechts fähig. Der Herzkegel bewegt sich
pendeiförmig um die Herzbasis (Ursprung der Cava superior, inferior,
Aorta und Paknonalis) als Punctum fixum oder Drehpunkt. Den weite-
sten Weg legt dabei das Ende des Pendels, die Herzspitze, zurück. Diese
wandert mitunter ganz nach rechts herüber und schlägt in der rechten
Mamillar-Linie an. Bei dieser Ueberwanderung der Herzspitze (und des
Herzkegels) von rechts nach links l>ewegt sich der Herzkegel
vor der Vena, cava inferior vorbei; es ist total falsch zu glau-
ben, der • Herzkegel werde auf die Cava inferior hinaufgeschoben, com-
primire diese von links her und knicke sie. Es ist wahrlich ein Leichtes,
sich von dieser fehlerhaften Vorstellung durch Vei'suche an der Leiche
zu befreien. Bei dieser Ueberwanderung des Herzkegels von links nach
rechts , vor der Cava inferior vorbei, erfährt die linke Seitenwand der-
selben eine , wie Versuche lehren , geringgradige spiralige Drehung von
links hinten nach rechts vorne, um die Längsaxe des Gefässes. Diese
spiralige Drehung ist aber desshalb eine geringe, weil gerade die linke
8eitenwand der unteren Hohlader in der Eichtung ihrer Längsaxe ge-
spannt i.st (s. o.) ; das Lumen der Vene wird dadurch, wegen der Weite
desselben nur in ganz geiingem Grade verengt.
Die ganze Veränderung, welche sich also selbst bei den extremsten
Graden von Verschieljung des Mediastinums und Herzens nach rechts an
der Cava inferior geltend macht, besteht darin, dass 1) die Vene in ihrer
Längs-Kichtung gespannt wird ; 2) dass sie vom Poramen quadrilatej-um
aus zum rechten Vorhof nicht wie normal medianwärts , sondern etwas
nach rechts geneigt verläuft, ohne jedoch „geknickt" zu werden ; 3) dass
die Venen- Wandung eine geringe , das Lumen in unerheblichem Grade
beeinträchtigende spiralige Drehung von links hinten nach rechts vorne
erfährt.
Würde eine der Exsudatmenge ]iroportionale seitliche Knickung der
Cava inferior durch linksseitige Exsudate vorkommen, so müssten noth-
wendig die Fälle nicht selten sein, wo sich dann auch die Zeichen der
partiellen Knickung und Verlegung der unteren Hohlader geltend mach-
ten: ausser Leberschwellung, die bei rechts- wie linksseitigen Exsudaten
als Folge der allgemeinen Sta,uung häufig vorkommt, Oedem der Unter-
extremitäten, Ascites, ja hin und wieder wohl auch die bekannten Sym-
ptome der partiellen Obturation der Cava inferior*). Ein solches Vor-
*) Anastomosen zwischen Vena epigastrica superior und inferior , zwi-
902 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
kommen habe ich in zahlreichen Fällen von enormen linksseitigen Ex-
sudaten mit Verdrängung des Herzens weit naeh rechts hin, nie nach-
weisen können und auch nie beschrieben gefunden.
Noch grösser werden die SchwierigUeiten, wenn man die plötz-
lichen Todesfälle von einer plötzlichen Abknickung der Cava her-
leiten will. Wenn der extremste, überhaupt mögliche C4rad von
Verdrängung des Mediastinums und Herzens, wie Erfahrungen lehren,
häufig chronisch fortbesteht, ohne die germgsten Erscheinungen von
behinderter Circulation der unteren Hohlader hervorzurufen , so fällt an
und für sich der Begriff einer Steigerung der Knickung bis zm- to-
talen hinweg.
Die Möglichkeit dersellDen abei' auch zugegeben, so verstehe ich doch
nicht, welche Momente im Stande sein sollten, eine plötzliche Ab-
knickung und damit plötzlichen Tod herbeizuführen*).
Fragen wir endlieh, ist eine plötzliche seitliche Abknickung der
Cava inferior als Ursache plötzlicher Todesfälle bei linksseitigen Pleura-
ergüssen anatomisch sicher nachgewiesen worden, so muss auch diese
Frage mit einem entschiedenen Nein beantwortet werden**).
2. Für einzelne Fälle plötzlichen Todes bei pleuritischen Exsu-
daten müssen wir uns vorderband damit begnügen , dass wir sagen : der
plötzliche Herztod ist eine Folge der Degeneration und Muskulär-
schen V. thoracica longa und seitlichen Zweigen der Vena epigastrica in-
ferior (externa) , zwischen V. thorac. longa und Eami anteriores der Venae
lumbales und der Vena ileolumbaJis.
*) Man sagt: ein heftiger Hustenparoxysmus könne diess bewirken. Wir
werden an einem anderen Orte die Grundlosigkeit dieser '\''ermuthung beweisen.
Noch weniger erfindlich ist mir, wie die plötzliche seitliche Knickung durch
»eine hastige Körperbewegung herbeigeführt werden soll.
**) Ein solcher anatomischer Beweis ist durchaus nicht zu leicht zu liefern,
wie Manche glauben. Die Verhältnisse an der Cava inferior und dem rechten
Vorhof, wie sie Bartels in einem Falle von tödtlichem Pyopneumothorax —
zu den plötzlichen Todesfällen ist dieser Fall gewiss nicht zu rechnen —
in der Leiche vorfand, sind nicht im Stande zu beweisen, dass die vermu-
thete Knickung während des Lebens bestand und LTrsache des Todes wurde,
und namentlich nicht im Stande zu beweisen, dass der rechte Vorhof, der
doch vor der Cava inferior liegt, während des Lebens das Foramen quadri-
laterum »von. links her« verlegt habe. Vergl. auch Braune, Topogr. anat.
Atlas. Text z. Taf. XIV.
Man ist soweit gegangen , dieser »Knickungstheorie« zu Lieb den durch
die Casuistik der plötzlichen Todesfälle als total irrig bewiesenen Satz aufzu-
stellen : plötzliche Todesfälle bei Pleuritis kämen nur bei sehr grossen und nur
bei links seitigen Ergüssen vor ! Ich bin weit entfernt, zu läugnen , dass die
Verdrängung des Herzens und der grossen Gefässe (der Aorta, Pulmonalis, der
Cava superior und insbesonders auch der Cava inferior) bei linksseitigen Er-
güssen nachtheilig auf die Circulation einwirke; insbesonders sind es grosse
rechts seifige Exsudate, welche einen sehr erheblichen positiven Druck direkt
auf Cava superior, inferior, den rechten Vorhof und Ventrikel ausüben und da-
durch die Circulation sehr erschweren. Aber der Beifall und Anklang, den die
erörterte Knickungstheorie in einseitiger Weise gefunden hat, erscheint mir ein
kritikloser. Hätte man die besonders in den letzten Jahren durch zahlreiche
Mittheilungen besonders franz. Autoren ansehnlich vermehrte Casuistik der
plötzlichen Todesfälle bei Pleuritis gebührend berücksichtigt, so würde man, wie
ich glaube, der erörterten Knickungstheorie keine so ausgedehnte Giltigkeit und
Bedeutung, wie es noch in jüngster Zeit geschah, zugestanden haben.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Pathologie. 903
lasufficienz des Herzens. Wir sind in diesen Fällen ebenso wenig , wie
in verschiedenen anderen Fällen von acutem Herztod , im Stande , die
Veranlassung oder nächste Ursache des plötzlichen Eintrittes der
Herzparalyse anzugeben.
Hierher rechne ich auch die Fälle , wo der Tod in acuter Weise
unter den Erscheinungen eines Lungenödems erfolgte.
3. Als eine häufige Ursache des plötzlichen Todes bei Pleuritis
ist die Embolieder Pulmona r -Arterie hervorzuheben.
Bei grossen pleuritischen Exsudaten, welche eine Lunge und deren
Gefässe total comprimiren, kommt es, wie überall, wo der Kreislauf er-
hehlich verlangsamt und die Herzkraft insufficient ist, gerne zu Gerin-
nungen, Thrombenbildung im rechten Herzen, besonders gerne im rechten
Vorhof, im Herzohr. Wird ein grösserer Thrombus von hier losgerissen
und gelangt er in einen grösseren Pulmonalast der noch allein thätigen,
gesunden Lunge, so ist der plötzliche Tod durch arterielle Anämie leicht
zu erklären. Wiederholt sah man den plötzlichen Tod durch Embolie der
Pulmonal- Arterie erfolgen , unmittelbar oder alsbald nach der Punction
und Aspiration des Ergusses. Ich erkläre diess so : Durch die Entleerung
des Exsudates wurde der Druck auf die Lunge vermindert oder aufge-
hoben, die Cireulation durch die vorher total comprimirte Lunge wieder
freigegeben, der Kreislauf dadurch erheblich erleichtert und beschleunigt.
Der kräftige Blutstrom, der nun wieder einsetzte, war im Stande, die
vorhandenen Herz-Thromben zu unterwühlen, aufzulockern, abzureissen.
In anderen nicht seltenen Fällen ging die Thrombenbildung höchst
wahrscheinlich von der comprimirten Lunge aus. In den noch strecken-
weise offenen Gefässen der comprimirten Lunge bildeten sich Thromben,
die durch Apposition neuer Fibrinschichten wuchsen und alhnählig bis
in den gemeinschaftlichen Stamm der Pulmonalis hineinragten. Wurde
nun die° Spitze des Thrombus von dem Blutstrome abgebröckelt und in
einen der Hauptäste der Pulmonalis der gesunden Lunge verschleppt,
so erfolgte plötzlicher Tod.
4. In einer nicht geringen Zahl von Fällen erfolgte der plötzliche
Tod durch Embolie der Arteria pro fossa Sylvii oder einer
anderen Hirnarterie.
Der Embolus stammt in diesen Fällen entweder aus der comprimir-
ten Lunge, in deren Venen sich Thromben bildeten, oder von dem lin-
ken Vorhofe, wo durch Circulationsverlangsamung, vielleicht auch durch
den von linksseitigen Ergüssen auf ihn ausgeübten Druck veranlasst,
Thromben entstanden. Einen Fall dieser Art habe ich bei emem Kranken
mit in Heilung begriffenem Empyem beobachtet.
Zu den im Kindesalter häufigen Ausgängen der Pleuritis gehört
die E i n z i e h u n g (Depression, Retraction) des T h o r a x , das R e t r e-
cissement (Laennec). Dasselbe erreicht bei der Elasticität und
Nachgiebigkeit des kindlichen Thorax oft erhebliche Grade.
Die Erfahrung lehrt aber auch, dass das im kindlichen Alter
904 Krankheiten der Atbmungsorgane. Pleuritis.
erworhene Retrecissement , wegen des uocli nicht vollendeten Waclis-
thumes des Thorax und der Lungen , im Laufe von Jahren sich leichter
und häufiger wieder ausgleicht als beim Erwachsenen.
Je nach dem ausserordentlich verschiedenartigen Verlauf, welchen
die acute primäre Pleuritis nimmt — trockene Pleuritis , Exsudation,
Empyembildung, Perforation desselben etc. — , ist die Dauer des Pro-
cesses eine höchst verschiedene, variirend zwischen wenigen Stunden
und Jahren. Rechnen wir auch die Folgen und Nachkrankheiten hinzu
— ausgedehnte Verwachsungen , Retrecissement , Herzhypertrophie,
chronische Pneumonie , Tuberculose etc. — so wird die durch Pleuritis
hervorgerufene Krankheitsdauer noch mehr verlängert; es werden ana-
tomische Zustände gesetzt , welche , wie das Retrecissement, bis in ein
späteres Alter der völligen Ausgleichung entbehren; der viele Jahre
nach überstandener Pleuritis erfolgende Tod durch Herzdegeneration,
Amyloiddegeneration der Nieren , Tuberculose , chronische Pneumonie
steht oft mit der überstandenen Grundkrankheit , der Pleuritis , in ur-
sächlichem Zusammenhange.
Symptome. Diagnose.
Verhalten der Körperwärme. In den acut auftretenden
Fällen primärer Pleuritis spielt das Fieber eine wesentliche Rolle im
Krankheitsbilde. Der Temperaturverlauf bei Kindern kann in den er-
sten Tagen der acuten Pleuiutis ganz derselbe sein , nach Litensität und
Continuität der Temperatursteigerung, wie bei croupöser eventuell katar-
rhalischer Pneumonie. Temperaturen von 40" und darüber sind nichts
ungewöhnliches. Intensive Frostanfälle sind selten, üeber Frieren klagen
ältere Kinder. Bei weniger stürmischem Anfang sind auch die Tempe-
raturen weniger hoch, niederer z. B. als in der croupösen Pneumonie;
sie schwanken zwischen 38,5 — 39, .5 , ebenso wie diess auch bei der Ka-
tarrhal - Pneumonie langsameren Verlaufes der Fall ist. Aus der Be-
trachtung der initialen Fiebercurve kann die Diagnose Pleuritis niemals
gestellt werden. Das Fieber ist ein atypisches. Hat es als mehr oder
minder hohe Contiuua mehrere Tage angedauert, zieht sich die Krank-
heit in die Länge, kommt es zu Exsudation und zu einem chronischen
Verlauf, so pflegt das Fieber sich immer mehr dem Typus der Febris
hectica zu nähern. Die Morgen - Remissionen werden ergiebiger, es
kommt zu morgendlicher Apyrexie , Abends steigt die Temperatur oft
mit ausserordentlicher Regelmässigkeit wieder an, aber selten bis zu den
hohen Fiebergraden des Initialstadiums.
Es kommen Fälle von chronisch exsudativer Pleuritis vor, mit sta-
tionär gewordenem Exsudat, die oft längere Zeit hindurch ganz fieberlos
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 905
verlaufen. Fortgesetzte, mehrmals täglich angestellte Messungen lehren,
dass übrigens aueh in diesen Fällen zeitweise auftretendes Fieber selten
vermisst wird.
Umschriebene , trockene, alsbald in Resorption ausgehende Pleuri-
tiden verlaufen bei Erwachsenen, z. B. Emphysematikern, nicht selten
vollkommen fieberlos; ob diess in gleicher Weise auch bei Kindern
vorkommt, die zu Fieberbeweguugen so leicht geneigt sind, vermag ich
nicht anzugeben.
Kann die genaue Beachtung des F i e b e r Verlaufes zur ünterscbei-
dung seröser und eitriger Ergüsse führen? Mit Gewissheit nie. Fol-
gende Thatsachen sind indess von Werth und rechtfertigen gegebenen
Falles den Gedanken an Eitrigwerden des Exsudates: 1) Das Fieber zeigt
sowohl bei chronisch-serösen als eitrigen Ergüssen den Typus der Hec-
tica; die abendliche Temperatursfeigerung pflegt heim Empyem inten-
siver zu sein, die Temperatur steigt Abends rascher (zuweilen unter
Frösteln) an. 2) Morgen-Intermissionen mit subnormalen Tempe-
raturen und profusen Seh weissen sind beim Empyem häufiger, als
bei einfachen serösen Ergüssen. 3) Längere Zeit fortgesetzter vollkom-
men fieberloser Verlauf S])richt gegen Empyem und für seröses Exsudat ;
plötzlich auftretende, vielleicht mit Frösten einhergehende, hohe Fieber-
erscheinungen nach längerem fieberlosen Verlaufe müssen den Gedanken
an Eitrigwerden Iiesonders dann erwecken , wenn die Fieberbewegung
nicht mit einer Zunahme des Exsudates verbunden, und auch keine an-
dere Ursache (Complication) für dieselbe aufzufinden ist.
G e h i r n e r s c h e i n u n g e n. Die durch das Fieber hervorgerufe-
nen Störungen der Gehirnfunctionen pflegen im Kindesalter
sehr ausgeprägt zu sein. Der erhöhten Reizbarkeit entsprechend können
relativ niedere Fieber -Temperaturen, welche beim Erwachsenen kaum
Störungen veranlassen, zu Convulsionen, eklamptischen Anfällen, Zähne-
knirschen , Strabismus , Aufschreien , zu hochgradiger Aufregung und
Unruhe, Schlaflosigkeit, zu Bewusstlosigkeit und Delirien führen.
Ausser durch das Fieber werden Störungen in den Gehirnfunc-
tionen auch hervorgerufen durch die C 0 ^ U e b e r 1 a d u n g d e s B 1 u-
tes, eine Folge der arteriellen Anämie und venösen Hyperämie , der
verlangsamten Circulation , Folgen der Compression der Lunge (s. o.).
Auch die CO^ Vermehrung und Sauerstoifverarmung des Blutes wirkt
anfangs reizend, später lähmend auf die nervösen Centra. Coma, Sopor,
Unzähligwerden der Herzschläge (durch Vagus-Lähmung), Verlangsa-
mung der vorher dyspnoetisch vermehrten Athemzüge gehen schliess-
lich daraus hervor. Bei sehr acut ansteigenden Exsudaten gehen Kinder
zuweilen unter den Symptomen der Erstickung, unter »Erstickung.?-
krämpfen« zu Grunde.
Klao-en über Kopfschmerzen, apathisches, trauriges Wesen, Müdig-
90(3 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
keit und Unlust zum Spielen, zu körperlicher Bewegung, Neigung zu
Schlaf sind häufige Initialerscheinuugen.
V e r d a u u n g s a p p a r a t. Die durch das F i e b e r bewirkten Stö-
rungen der Verdauung sind bei Kindern hervorstechender als bei Er-
wachseneu. Gänzlicher Apetitverlust und Nahrungsverweigerung , Er-
brechen und Durchfälle sind bei acuter Pleuritis der Kinder etwas sehr
häufiges.
Die Zunge ist meist belegt , der Durst gesteigert.
Der K r ä f t e z u s t a n d und die A 1) m a g e r u n g der Kranken hän-
gen wesentlich ab von der Dauer der Erkrankung und dem Verhal-
t e n des Fiebers. Es ist bekannt , wie rasch selbst wohl genährte
Kinder unter dem Einflüsse eines hohen Fiebers abmagern. Bei lange
dauernder chronischer Pleuritis beobachtet man die höchsten Grade all-
gemeiner Abmagerung. Die Haut wird blass, welk, schmutzig grau, er-
hobene Falten gleichen sich nur langsam aus ; der durch das Exsudat
ektatische Thorax steht in scharfem Contrast zu der skelettartigen Ab-
magerung der Extremitäten und des Gesichtes ; besteht gleichzeitig ve-
nöse Stauung, so zeichneu sich die Venen als blaue Stränge auf der ab-
gemagerten Haut ausnehmend deutlich ab.
Herpes hibialis , nasalis wird bei acuter Pleuritis mitunter beob-
achtet.
Harn Sekretion. Verschiedene Factoren wirken zusammen und
veranlassen bei acuter exsudativer Pleuritis eine Verminderung der
Harnmenge; dahin gehört das Fieber mit seiner gesteigerten Perspi-
ration, die Exsudation, welche wenigstens bei rapid ansteigenden
Ergüssen in Betracht kommt ; endlich die durch das pleuritisohe Exsu-
dat herbeigeführte G i r c u 1 a t i o n s s t ö r u n g ; in Folge der Compres-
sion einer Lunge kommt es zu mangelhafter Füllung des linken Her-
zens, zu Druckabnahme im Aortensys tem, in den Glomerulis, zu Ver-
minderung der Harnmenge. Dieser Einflups wird um so erheblicher, je
rascher das Exsudat ansteigt. (S. 885 .) Hat sich einmal bei chronischen
Exsudaten Compensation durch Hypertrophie des rechten Ventrikels
eingestellt, so nimmt auch mit der normalmässigen Füllung des linken
Herzens der Druck im Ao rten-Systeme wieder zu ; daher die alltägliche
Erfahrung, dass selbst von Kranken mit abundanten Exsudaten normale
Harnmengen entleert werden.
Bei acuter Entstehung massenhafter Exsudate nimmt nicht allein
die Harnmeiige ab, auch die Menge der in 24 Stunden ausgeschiedenen
Harnbestandtheile , insbesonders der Ghloride, wird erheblich ver-
mindert. Doch ist zu berücksichtigen , dass meistens auch die Chlor-
zufuhr in solchen Fällen geringer ist. Die HarnstofFmenge hängt von
Leichten stern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 907
sehr verschiedenen complicirten Einflüssen (Fieber, Nahrungsaufnahme
und Assimilation etc.) ab.
Geringe Mengen von Eiweiss können als Fieberwirkung oder als
Folgen der venösen Stauiing gedeutet werden ; anhaltender und beträcht-
licher Eiweissgehalt weist auf tiefer greifende, parenchymatöse Degenera-
tion, oder bei länger bestehendem Empyem auf Amyloiddegeneration hin.
Hört das Fieber auf, so nimmt die Harnmenge zu; aus zwei
Gründen: einmal weil die Fieberwirkung auf die Harnsecretion aufhört,
sodann, weil mit dem Aufhören des Fiebers die compeusatorische Mehr-
leistung und Hypertrophie des rechten Herzens ermöglicht wird. Es ist
eine alte Erfahrung, dass die Function und Entleerung pleuritischer Ex-
sudate Steigerung der Harnmenge zur Folge hat. Es geschieht diess be-
kanntermas.?en desshalb , weil der naehtheilige Druck des Exsudates auf
die Lungen , auf die grossen Venenstämme des Thorax , auf das Herz
hinwegfiiUt, weil die Füllung des rechten und linken Herzens dadurch
erleichtert, die Circulation beschleunigt, der Blutdruck im Aorten-System
gesteigert wird. Aus den gleichen Gründen steigt natürlich auch die
Hammenge , wenn die spontane Resorption beginnt.
Man hat früher bei Erklärung des verschiedenen Verhaltens dei'
Harnmengen ein viel zu grosses Gewicht auf das Exsudat als solches ge-
legt. Man sagte: Während der Exsudation sinkt die Harnmenge, weil
Wasser aus dem Blut foitgeht, umgekehrt steigt die Harnmenge bei der
Resorption, weil Wasser wieder aufgenommen wird.
Ohne läugnen zu wollen , dass auf diesem Wege, durch ein rapides
Ansteigen und durch schnelle Resorption die Hammenge beeinflusst wird,
ist es doch ein Leichtes zu zeigen, dass von ungleich grösserer Bedeu-
tung in dieser Hinsicht die geschilderten circulatorischen Vorgänge sind,
die mangelhafte oder vollständige Füllung des linken Ventrikels, die
Druckalinahme oder Druckzunahme im Aortensystem.
Bei Bestimmungen der Harnmengen und des specifischen Gewichtes
ist gebührende Rücksicht darauf zu nehmen, dass die Harnmenge der
Kinder schon normal geringer ist als der Erwachsenen. Das Gleiche gilt
vom specifischen Gewichte. Ein solches von 1015 bei Kindern unter 4
Jahren zeigt bereits eine höhere Concentration des Harnes an, und eine
Hammenge von 1000 darf in diesem Alter bereits als eine vermehrte
angesehen werden.
Ziems sen beobachtete bei einem 4jährigen Mädchen, während das
Exsudat stieg, eine tagliche Harnmenge von 50—55 CG. , nach Beginn
der Resorption eine 24stündige Hai-umenge von 500 C.C.
Erscheinungen von Seite des Circulationsappara-
1 6 s. Die P u 1 s f r e c| u e n 7, ist bei acuter fieberhafter Pleuritis der Tem-
peratursteigeri^ng entsprechend vermehrt. Bei der leichten Erregbar-
keit des kindlichen Herzens ist die Bedeutung der Pulsfrequenz im
Fieber lange nicht von der Bedeutung, wie beim Erwachsenen. Selbst
eine sehr hohe Pulsfrequenz darf hier an und für sich noch nicht als
gefahrdrohendes Zeichen angesehen werden. Man muss immer berück-
908 Ka-ankheiten der Atlimungsorgane. Pleuritis.
sichtigen, dass die normale Pulsfrequenz bei Kindern , besonders in den
ersten 5 Lebensjahren eine beträchtlich grössere ist, als beim Erwach-
senen. Eine excessive Pulsfrequenz, oder Verlaugsamung der fühlbaren
Radialpulse bei enorm gesteigerter Schlagfolge des Herzens (»Asysto-
lie«) , ünregelraässigwerden der Pulse (P. inaequalis quoad volumen et
quoad tempus) sind auch beim Kinde die Zeichen von Herz-Insufficienz.
Der Puls ist klein , seine Welle niedrig , um so mehr , je mangel-
hafter die Füllung des linken Ventrikels , je insufficienter die Herzthä-
tigkeit.
Bei chronischen , pleuritischen Exsudaten mit völliger Compensa-
tion des Circnlationshiudernisses genügen oft geringe körperliche Be-
wegungen, um die in der Ruhe normale Pulsfrequenz erheblich zu stei-
gern. Die Compensation ist wohl in der Ruhe ausreichend, gerätli aber
in Unordnung und wird insufficient , wenn die Ansprüche au das Herz
nur um Weniges weiter gesteigert werden.
In zwei Fällen von grossen pleuritischen B.xsudaien , beidesmal der
rechten Seite, habe ich mich von dem Vorhandeusein des Pulsus pa-
radox us (eine Bezeichnung , die mir nicht glücklich gewählt zu sein
scheint) überzeugt. Liess ich die Kranken willkührlich sehr tief inspi-
riveu , so wurde der Radialpuls , wie diess zuweilen auch bei Gesunden,
(nur in geringerem Grade) constatirt werden kann, bis zum Unfüblbar-
werden klein, während die Frequenz der Herzcontraktionen im Anfange
der Einathnumg zunahm , bei der Exspiration wurden die Pulse grösser
und langsamer. Die Ansaugekrai't der tiefen Inspiration hemmte den
Austritt des Arterienblutes aus dem Thorax, während gleichzeitig wegen
des Constanten Druckes des rechtsseifigen Exsudates auf die Vena cava
superior und inferior die Blutliewegung in diesen durch die Inspiration
nur wenig gefördert wurde. Die grosse inspiratorische Ansaugekraft der
linken Lunge hemmte ferner die Systole des linken Ventrikels, um so
mehr, je weniger kräffig dersellie war. Die Systole wurde dadurch un-
vollständig und der Blutdruck im Aortensystem inspiratorisch geringer.
Bei der Exspiration fiel die ansaugende Wirkung auf Herz und Aorta
weg und das während der vorausgegangenen Inspiration im Thorax zu-
rückgehaltene , gesfaute Blut wurde nun während der Exspiration aus-
getrieben und steigerte im Anfang der Exspiration den Blufdruck. Lässt
man aber in einem solchen Falle die Exspiration willkührlich verlängern,
oder lässt man willkührlich auf der Höhe der Inspiration den Atbem
innehalten, so beobachtet man, wie ich mich in einem dieser Fälle aufs
Deutlichste überzeugte, ein erhebliches Kleinerwerden der Pulse*).
*) Ich habe heute, am Tage, wo ich diess schreibe, die sphygmographische
Curve eines Kranken der hiesigen medicini.schen Klinik mit einem enormen
pleuritischen Exsudate der linken Seite aufgenommen, die Curve zeigt ein deut-
liches Ansteigen des Druckes im Verlauf der Inspiration; während der
Exspiration sinkt der Blutdruck. Das Maximum des Druckes fällt in den
Anfang der Exspiration. Ich glaube , dass der Grund der Erscheinung darin
beruht, dass die Inspiration wohl fördernd auf den Kreislauf in den Venen
L e i eil t e 11 s t e 1- n, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 909
Die Zeichen der Insufficienz der Herztliätigkeit machen sich gel-
tend in geringer Füllung des linken Herzens, in arterieller Anämie nnd
venöser Hyperämie, in mehr oder minder hochgradiger Cyanose.
Mit dem Nachlass der Herzkraft treten Oedeme auf, am frühesten nach-
weisbar in der Knöchelgegend. Höhere Grade von Circulationsverlang-
samung haben zuweilen Thrombenbildung in der Cruralis zur Folge.
Liegen Kranke mit grossem pleuritischen Exsudate anhaltend auf
der kranken Seite , so wird diese beim Auftreten von Oedemen in Folge
mangelhafter Circulation häufig ödematös, ebenso wie auch das Bein
jener Seite , auf welcher der Kranke liegt , stärker ödematös ist als das
andere.
Von dem auf diese Weise entstehenden Oedem der kranken Brust-
hälfte verschieden ist ein anderes , sogenanntes entzündliches , häufig
mit Röthe und Schmerzhaftigkeit einhergehendes, meist umschriebenes,
das der Perforation des Empyemes vorauszugehen pflegt. Andere be-
haupten, dass Oedem einer Brusthälfte ein Zeichen von Empyem über-
haupt sei und nur dabei vorkomme. Das Oedem der kranken Brust-
hälfte hat zuweilen seinen Grund in einem Druck auf die Vena azygos
und hemiazygos. Da die Vena azygos (welche die hemiazygos aufnimmt)
sich dicht über den rechten Bronchus hinweg — ■ »auf ihm reitend« —
in die Cava superior einsenkt , so ist leicht einzusehen , dass besonders
rechtsseitige Ergüsse einen nachtheiligen Druck auf sie ausüben
können.
Lage der Kranken. Gerade bei Kindern zeigt sich oft recht deut-
heh , wie instinktiv stets jene Lage eingenommen wird, in der bei g e-
ringster Schmerzhaftigkeit die Befriedigung des
Athembedürfnisses am leichtesten von Statten geht. »Die
Lage wird anfangs durch den Schmerz bestimmt , später durch das Ex-
sudat« , sagt Skoda, der diese Verhältnisse so klar auseinandergesetzt
hat, dass ich nichts hinzuzufügen wüsste. Bei grossen Exsudaten ist die
Lage auf der kranken, der physiologisch unnützen Seite die Regel. Die
■Befriedigung des Athembedürfnisses erheischt diese Lage. Noch häufi-
ger nehmen die Kranken besonders bei mittelgrossen Exsudaten die
Rückenlage ein, mit geringer Neigung des Rumpfes nach der kran-
ken Seite. In dieser Lage können auch die vorderen Parthien der kran-
ken Thoraxseite noch mitathmeu und es ist bekannt , dass diese ergie-
bigere Excursionen ausführen, als die dorsalen. Kranke mit sehr gros-
sem pleuritischen Exsudate liegen aber auch desshalb auf der kranken
wirkt, weil die Ansaugekraft der rechten Lunge erhalten ist, dagegen nicht
hindernd auf den Blutlauf in den Arterien , welche sowohl bei In- als Exspi-
ration von dem linksseitigen Exsudat gleichmässig belastet sind.
910 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Seite, weil so der Respirationerschwerende Druck des Exsudates auf das
Mediastinum und Herz, und damit mittelbar auf die noch thätige Lunge
am Geringsten ausfällt.
Bei acuter, trockner, schmerzhafter Pleuritis ist das Verhalten
hinsichtlich der Lage des Kranken ein, wie ich immer noch fand, durch-
aus regelloses.
Traube giebt an, dass Kranke mit acuter trockner Pleuritis auf
der gesunden Seite liegen und zwar desshalb, weil bei dieser Lage der
Blutstrom in den Venen der entzündeten Pleura begünstigt und der
Schmerz geringer wird ; also ähnlich, warum auch ein Finger mit schmerz-
haftem PanaratJun: hoch gehalten zu werden pflegt.
Diese geistreiche Erklärung hat gewiss für viele Fälle Gültigkeit.
In anderen Fällen von acuter trockner Pleuritis wird der Schmerz vor-
zugsweise oder einzig und allein durch die Athmuug ausgelöst. Solclie
Kranke liegen, wie ich mich wiederholt überzeugte, auf der ki-anken
Seite. Indem sie diese durch die Last des Thorax beschweren, ven-ingern
sie die respiratorischen Excursionen der kranken Seite und damit auch
den Schmerz.
Erscheinungen von Seite des Respirations-Appa-
rates. Eine Fülle der wichtigsten Symptome bei Pleuritis bietet uns
der Respirationsapparat dar.
Wir rechnen hieher selbstverständlich auch die Erscheinungen vou
Seite der Inspection, Mensuration, Percussion, Palpation und Ausculta-
tion. Wir wollen diese Symptome der Reihe nach betrachten.
1) Athemf requenz. In allen acuten Fällen von Pleuritis, be-
sonders bei rasch ansteigenden Exsudaten , ist die Athemfrequeiiz be-
schleunigt, es besteht Dyspnoe. Diess ist eine Folge zum geringeren
Theil des Fiebers , zum grössten Theil der localen Vorgänge. In dem
Maasse als das Exsudat ansteigt , wird die respirirende Oberfläche nicht
allein verkleinert durch Retraktion und Compression der Lunge, auch die
respiratorischen Excursionen der kranken Seite werden geringer und ver-
mindern die Ventilationsgrösse des oberhalb des Exsudates gelegenen
noch lufthaltigen Lungenrestes. Compensation ist nur möglich durch Er-
höhung der Ventil atorischen Function der gesunden Lunge,, durch eine
Zunahme der Zahl und Tiefe der Athemzüge. — Bei acuter trockner
Pleuritis hindert der Schmerz sehr häufig tiefere Inspirationen ; es muss
daher durch eine Zunahme der Zahl der Athemzüge compensirt werden,
was an Tiefe derselben verloren geht.
Wird das Exsudat chronisch und lässt das Fieber nach , so mässigt
sich allmählig die Dyspnoe , obwohl die Compression der Lunge nach
wie vor die gleiche bleibt. Es hängt diess zusammen mit der durch die
Mehrleistung des rechten Ventrikels erzielten allmähligen Compensation
des Circulationshindernisses im kleinen Kreislauf, mit der Abnahme der
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 911
Organparenchyme und der Blutmasse durch die Abmagerung, Verhält-
nisse, die wir im Vorhergehenden ausführlich besprochen haben (S. 890).
Mit der Zunahme der Dyspnoe , welche besonders bei rasch anstei-
genden Exsudaten gesunder kräftiger Kinder extreme Grade erreichen
kann , treten der Reihe nach die auxiliaren Athem-Muskeln in ange-
strengteste Thätigkeit (Orthopnoe).
Langsamerwerden der Athemzüge bei Zunahme der Cyanose deu-
tet auf Ermüdung des Athemcentrums hin. unter solchen Umständen
kann gegen das Lebensende periodisch intermittirende Respiration —
sogenanntes Cheyne-Stocke'sches Phänomen zu Stande kommen.
2) Athemtypus und Excursionen. Eine sofort in die
Augen springende Erscheinung bei grossen Exsudaten ist , dass sich die
kranke Seite an den respiratorischen Excursionen des Thorax nicht
mehr betheiligt, dass sie mehr oder minder vollständig stille steht. Ist
das Exsudat ein mittelgrosses , so bewegen sich wohl noch die oberen
Parthien der kranken Seite (reiner »Supracostal- Typus« der Respira-
tion), während die unteren respiratorisch unthätig sind.
Wenn grosse Exsudate eine Zwerchfellshälfte soweit nach abwärts
gedrängt haben, wie dieselbe bei einer tiefen Inspiration normalerweise
zu stehen pflegt, so ist ein Herabsteigen des Zwerchfelles bei der inspi-
ratorischen Contraktion desselben nicht mehr möglich, und es findet
nun inspiratorische Einziehung der den costalen Ursprüngen des Zwerch-
felles entsprechenden Parthien des Rippenbogens statt.
Eine verminderte respiratorische Thätigkeit der kranken Lunge tref-
fen wir aber nicht allein bei Exsudaten , sehr häufig auch bei acuter,
trockner, schmerzhafter Pleuritis an. Der Kranke, der bei jeder Inspira-
tion heftig stechende Schmerzen empfindet, sucht die ki'anke Seite mög-
lichst zu schonen und besonders vor den Athmungsexcursionen zu be-
wahren ; er erreicht diess durch eine wiUkührliche Scoliose mit Auskrüm-
mung nach der gesunden Seite. Er ahmt dabei den Heilung8vorgang
beim Eetrecissement nach, nähert die Kippen, beschwert die ki'anke Seite
und hindert ihre respiratorischen Excur.sionen. Ja Erwachsene oder äl-
tere Kinder stemmen zuweilen die Hand mit Gewalt in die Seite (Bauch-
seitengegendj , um auch die Excursionen des Zwerchfelles möglichst zu
hindern.
Auch beim Retrecissement , bei erheblichen Pleuraverwachsungen,
bei Obliteration des Pleuraraumes und Obsolescenz der Complementär-
ßäume athmet die kranke Seite oft merklich weniger als die gesunde.
Grosse pleuritische Exsudate der linken Seite verdrängen das Zwerch-
fell soweit, dass dieses convex in die Bauchhöhle hineinragt. Dann sieht
man folgende interessante Erscheinung beim Athmen : Bei jeder Inspi-
ration werden die Bauchdecken unmittelbar unter dem linken Rippen-
bogen eingezogen , während die symmetrischen Stellen der rechten Bauch-
912 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
hälfte wie normal inspiratorisch vorgewöllit werden. Die Erklärung dieser
paradoxen Erscheinung liegt auf der Hand.
Es ist in hohem Grade interessant, dass das von grossen linkssei-
tigen Exsudaten convex nach unten vorgewölbte Zwerchfell diese Stellung
oft noch längere Zeit beibehält , wenn auch das Exsudat um die Hälfte
und noch mehr resorliirt wurde. Ein solcher Fall befindet sicli zur Zeit
auf hiesiger med. Klinik. Das früher enorme linksseitige Exsudat ist bis
auf ein noch restii'endes Viertheil resorbirt ; dennoch ist das Zwei'chfell
noch convex vorgewölbt, die Dämpfung reicht bis an den Eippenbogen-
rand, die Milz ist noch leicht palpabel und die eben beschriebene pa-
radoxe Abdominal-Respiration der linken oberen, hypochondrischen Bauch-
gegend ist noch ausserordentlich deutlich wahrzunehmen.
3) Husten kommt bei einfacher, d. h. nicht durch Bronchial- und
Lungenerkrankungen complicirter Pleuritis vorzugsweise im acuten
Stadium vor. Der Husten ist kurz, schmerzhaft. Der reflektorisch Hu-
sten erregende Reiz entsteht häufig auf der Höhe oder gegen Ende der
Inspiration , die dann plötzlich coupirt in die exspiratorische Hustenhe-
wegung übergeht. Die Erklärung des Hustens bei acuter Pleuritis ist
einfach ; man darf nur nicht die sich widersprechenden Husten-Experi-
mente an Kaninchen und Hunden als das Entscheidende in diese Frage
hereintragen.
Der Husten fördert bei Pleuritis unter der vorhin gemachten Vor-
aussetzung keine Sputa zu Tage.
Hinsichtlich der eitrigen Sputa beim Empyema intus perforatmii
verweise ich auf S. 896. Auf die »seroalbuminöse« Expectoration der
Franzosen nach Thoracocentese werden wir später zu sprechen kommen.
4) Der S e i t e n s c h m e r z. Ein sehr gewöhnliches Symptom bei
acuter Pleuritis ist stechender (seltener drückender) Schmerz auf
der kranken Seite. L a e n n e c und G e r h a r d t haben Fälle beobachtet,
wo bei Pleuritis einer Seite der Schmerz auf der anderen empfunden
wurde. Für dieses jedenfalls höchst seltene Vorkommen scheint mir
noch keine befriedigende Eiklärung gefunden zu sein.
Der Schmerz ist häufig blos ein iiaspiratorischer , nimmt oft wäh-
rend der Inspiration alimählig zu, oder erscheint plötzlich inmitten die-
ser Athemphase, die dann — bei Kindern oft sichtlich — plötzlich inne-
hält und jäh abgehrochen wird. Der Schmerz ist in anderen Fällen mehr
continuirlich , sowohl in- wie exspiratorisch.
Am seltensten sind die Pulle , wo der Schmerz blos exspiratorisch
ist; ich habe diess in exquisiter Weise in einem Falle von Rippenbruch
beobachtet und halte das Symptom von nur allein exspiratori-
sehem Schmerz unter Umständen selbst für die Differentialdiagnose
zwischen Pleuritis, Myorexis und Kippenbruch von Werth.
Husten, Schreien, Pressen, Niessen und alle forcirten Exspirtitions-
Leich tenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 913
bewegungen erzeugen oder vermehren gemeinhin den Schmerz ; oft auch
das Sprechen , daher die Sprache coupirt , häsitirend.
Geht die acute Pleuritis in Exsudation über , so vermindern sich
die Schmerzen ; neue Exacerbationen rufen sie wieder zurück.
Auf die Ursache des Schmerzes bei Pleiuitis näher einzugehen, ist
hier nicht der Ort. Entzündete Organe sind schmerzhaft, am meisten,
wenn sie bewegt und gedrückt werden. Die mit der Respiration einher-
gehende Verschiebung der entzündeten Pleurablatter au einander , die
Spannung (Dehnung) derselben besonders auf der Höhe der Inspiration,
— und gerade in diesem Momente erfolgt oft der Schmerz — der po-
sitive Druck während der Exspiration, — besonders bei forcirten Aus-
athembewegungen — diess Alles steigert den Schmerz. Ebenso wirkt
zuweilen auch der Druck in die Intercostalräume. Continuirlicher Schmerz
wird mitunter durch Druck gemildert, — z. B. Kopfschmerz durch eine
straff angezogene Binde. Auch einzelne Pleuritis - Kranke lieben den
Druck und comprimiren absichtlich die kranke Seite.
Der Schmerz fehlt bei trockner Pleuritis zuweilen gänzlich. So ver-
hält es sich z. B. sehr oft bei der trocknen Pleui'itis, die sich nach der
Lösung einer croupösen Pneumonie einstellt, oder, wenn nach Resorption
eines Exsudates die rauhen Pleurablätter sich wieder lierühren; trotz
des lauten, vielleicht fühlbaren pleuritischen Reibens ist doch kein
Sehmerz vorhanden. Diess gebe ich Jenen zu bedenken, welche immer
nur von der Reibung der rauhen Flächen als Ursache des Schmer-
zes reden.
Die Reibung der rauhen Flächen kann den Schmerz steigern und
thut es gewiss oft ; aber nicht an und für sich. Der Hauptvorgang, wel-
cher den Schmerz verursacht, beruht in den veränderten jdiysikalischen
Bedingungen des entzündeten Gewebes, wahrscheinlich auch in entzünd-
lichen Veränderungen der Nerven selbst.
5) Räumliche oder A u s d e h n u n g s v e r h ä 1 1 n i s s e der
kranken Thoraxseite. Störung der Symmetrie beider
Brusthälften. Haltung des Kranken.
Zu den augenfälligsten Erscheinungen bei grossen pleuritischen Ex-
sudaten gehört ausser dem Athmungsstillstand der kranken Seite die
grössere Ausdehnung derselben, welche sowohl bei Betrach-
tung des Thorax von vorne, als von hinten leicht zu erkennen ist. Klei-
ner , volumenärmer und eingezogen erscheint die Seite beim Heilungs-
d. h. Resorptions- Vorgange imd gleichzeitigen Retre'cissement. Hier
kann es vorkommen , dass die kranke Thoraxseite von vorne betrachtet
noch grösser erscheint , während sie von hinten gesehen sich bereits
merklich kleiner präsentirt ; aber auch das Umgekehrte findet statt.
Mit der durch massenhafte Brgü,<se hervorgerufenen Ektasie einer
Thoraxhälfte ändert sich die Haltung des Kranken, seiner Wirbelsäule und
Schulter Diess ist gerade bei Kindern oft sehr gut zu beobachten. Lässt
man sie aufstehen imd gehen, so findet sofort eine Verkrümmung der
Wirbelsäule des kleinen Patienten statt und zwar mit der Conve.Kitat
Handb. (1. Kinderkrankheiten. III. 2.
914 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
nach der kranken Seite; die Schulter dieser Seite tritt höher, die der
gesunden tiefer, der Kopf wü-d nach letzterer geneigt. Die Kindei-
gehen mit schiefer Haltung des Kumpfes und Neigung desselben nach
der gesunden Seite ; diese Seoliose ist eine rein willkührliche und in-
stinktive ; ihre Erklärung liegt nahe, und ich habe nie noch an eine an-
dere gedacht, als daran, dass die Kinder, um den durch das Exsudat
seitlich verrückten Schwerpunkt des Rumpfes wieder in die Mittellinie
zu bringen, instinktiv nach der gesunden Seite sieh neigen und dabei
nothwendiger Weise die Wirbelsäule nach der kranken Seite convex
krümmen.
Dass es sich so verhält, zeigt sich , wenn wir die Kinder wieder in
das Bett, in die liegende Haltung zurückl)riugen. Nun hört die seitliehe
Verkrümmung der Wirbelsäule auf, weil eben keine Autfordeiung mehr
besteht, den Schwerpunkt des Thorax in die vom Scheitel zur Pusssohle
gerichtete Vertikale einzustellen.
Dauert aber eine solche Willkühr-Scoliose , wie wir sie eben schil-
derten, längere Zeit an, und diess ist der Fall bei Kindern, welche mit
grossem chronischem Exsudat die meisten Stunden des Tages ausser Bett
zuliringen, so wird sie, wie jede habituelle fehlerhafte Haltung, perma-
nent und der Ausgleich derselben ist dann auch in der liegenden Hal-
tung des Kranken nicht mehr ganz möglich.
Die Seoliose mit Auskrümmung nach der kranken Seite und Hoch-
stand der Schulter derselben kommt ausser auf die genannte Weise noch
auf eine andere zu Stande. Schon Krause (1843) hat hierauf aufmerk-
sam gemacht. Bei sehr grossen Ergüssen nimmt der Thorax nicht allein
in der horizontalen Circumferenz an Ausdehnung zu, sondern auch in
der Richtung von oben nach unten ; letzteres geschieht durch das Herab-
treten des Zwerchfelles , sodann aber auch durch eine möglichst ergie-
bige inspiratorische Stellung der obersten Rippen; diese werden durch
den Ex^udatdruck um ebenso viel geholfen , als sie durch die Inspira-
tions-Muskeln gehoben werden können; damit ist nothwendig ein Hüher-
stehen der betreuenden Schulter, und eine leichte scoliotische Verkrüm-
mung mit der Convexität nach der kranken Seite verbunden: man ver-
suche nur bei ßuhighaltung einer Thoraxhälfte mit der anderen mög-
lichst tief zu inspiriren , und man wird finden , dass dabei sofort die
betreffende Schulter in die Höhe tritt und die Wirbelsäule in der erwähn-
ten Weise sehwach gekrümmt wird*)!
Um üljer den Grad der Mehr.iusdehnung der kranken Seite noch
näheren Aufschluss zu erhalten, nimmt man die Messung mittelst des
Tastercirkels , des Bandmaasses oder noch besser mit dem Cyrtometer
vor. Messungen dieser Ai-t, wenn mit den nöthigen Cautelen, insbeson-
dere immer in der gleichen Stellung des Kranken vorgenommen, haben
einigen Werth, liesonders in Hinsicht auf die früher constatirten und
die später zu erwaiienden Volumenverhältnisse der kranken Seite. Da-
bei ist zu Ijeachten, dass die rechte Thoraxseite in der Regio inframam-"
*) Diese beiden einfachen Erklärungen sind vollkommen hinreichend.
Fe r b e r hat in neuester Zeit noch eine andere, höchst gekünstelte construirt,
die schon desshalb unnöthig, weil sie unrichtig ist.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 915
malis nicht allein beim Erwachsenen, sondern noch viel mehr bei kleinen
Kindern, eine etwas grössere Ciroumferenz darbietet als die linke.
Die Thorax-Missstaltung beim Eetreeissement besteht in Verkleine-
rung und Einziehung der kranken Seite; die Eippen treten einander
näher, bis sie sich bei-ühren, zuweilen selbst daehziegelförmig decken;
die Wirbelsäule wird convex nach der gesunden Seite ausgekrümmt, die
Schulter und Soapula sinken tiefer; letztere steht flügeltormig ab, der
Kopf wird etwas nach der kranken Seite geneigt. Die Einziehung geht,
wie schon erwähnt, nicht immer an allen Punkten der Gircumferenz
gleichmässig von Statten. Oft ist vorne bereits Eetrecissement durch
muldenfönniges Einsinken der unteren Thoraxparthie — der Regio mam-
malis und inframammalis — erkennbar, während hiirten noch Mehraus-
dehnung der kranken Seite besteht und umgekehrt. Diese verschieden-
artigen Diilbrmitäten anschaulich zu machen , dazu dient der, ideale
Durchschnitte gebende, Cyrtometer.
Eine weniger bekannte Thatsache, die ich durch Darlegung mehrerer
Cyrtometermessungen leicht beweisen könnte, ist die, dass mit dem Ein-
tritt des Retrecissement die Gircumferenz der gesunden Seite nicht allein
relativ, sondern absolut grösser wird. Die Cyrtometercurve , welche wir
nun aufnehmen , verhält sich gerade umgekehrt zur Zeichnung , welche
wir bei demselben Kranken auf der Höhe des Exsudates entwarfen, und
es lässt sich leicht zeigen, dass die gesunde Seite durch das ßetrecisse-
ment absolut etwas umfangreicher geworden ist. Die Ursache hieven
liegt auf der Hand.
6) P e r c u s s i 0 11. Bei der Percussioii des kindlichen Thorax sind
es gewisse technische Cautelen , von deren Berücksichtigung das Resul-
tat, die Erkenntuiss der krankhaften Veränderungen wesentlich abhängt.
Wie es beim Erwachsenen zahlreiche Verhältnisse giebt , wo nur eine
diesen angemessene zarte, leise Percussion sichere Resultate liefert,
so ist es noch viel mehr bei der Percussion am kindlichen Thorax der
Fall. Bei der Biegsamkeit und geringen Dicke der percutirten Brust-
wand, bei der Kleinheit des Raumes, dem die Ausdehnung der Infiltrate
und Exsudate proportional ist, führt, wie die Praxis lehrt, nur eine
leise Percussion mit kurzen zarten Anschlägen zum Ziele.
Mancherlei andere Punkte sind zu berücksichtigen. Vor Allem die
Haltung der kleinen Patienten während der Percussion. Sitzt das Kind
auf dem Arme der Mutter , die den angelehnten Kopf fixirt , so wird
häufig die von der Mutter abgeweudete Seite stärker ausgewölbt, die
Wirbelsäule nach dieser Seite hin convex , die andere Seite dagegen et-
was eineezogen. Irrthümer können daraus bei der Percussion hervor-
gehen. Es ist oft zweckmässig, die Percussion in verschiedener Haltung
des Kindes vorzunehmen. Geduld und Geschick führen auch bei den
ärgsten Schreihälsen zum Ziele. Während forcirter Exspirationen beim
Schreien und Brüllen wird der Percussionsschall über dem stark ge-
58*
916 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
spannten Thorax und Lungengewebe kürzer, gedämpfter, aus mehreren
Gründen, auf die näher einzugehen hier nicht der Ort ist.
Im Beginne der Pleuritis, so lange noch kein Exsudat und desshalb
auch noch keine Retraktion der Lunge zugegen , ist der Percussions-
schall unverändert.
Andere finden schon bei „trockner" Pleuritis den Sehall verändert,
etwas voller, langsamer verklingend, dem tympanitischen genähert. Ich
habe das Gleiche wiederholt im Beginne einer Pleuritis nachweisen kön-
nen, nahm aber unter solchen Umständen stets geringe Lungen- Retrac-
tion als Ursache des veränderten Schalles an, und sah darin das erste
Zeichen einer, wemi auch durch Percussion noch nicht nachweisbaren
Exsudation.
Pleuritische Exsudate bewirken erst dann deutliche Schalldämpf-
ung, wenn sie eine gewisse Grösse erreicht haben. Es ist selbstverständ-
lich, dass die geringste Exsudatmenge, welche durch Dämpfung nach-
weisbar, bei Kindern eine ganz andere ist, als bei Erwachsenen. 100 C.C.
Exsudat bei einem einjährigen Kinde können schon eine stattliche Däm-
pfung bewirken, während sie beim Erwachsenen des Nachweises spotten.
Es kommt ferner ausser auf die Menge auch noch auf die Lage des Exsu-
dates an. Bei Verwachsungen der Lunge, Obliteration der Complemen-
tär-Räume , Absackung der Exsudate kommt es vor , dass geringfügige
Exsudatmengen Dämpfung geben, weil sie in grösserer Flächenaus-
dehnung Thoraxwandständig sind.
Die Frage, wo erscheint die Dämpfung zuerst, ist identisch mit der:
wo sammeln sich Exsudate zuerst an? Die einfache Antwort lautet: In
den abhängigsten Parthien des Pleuraraumes. Welches nun diese sind,
ist natürlich bedingt von der Lage , die der Kranke zur Zeit der Exsu-
dation einnimmt. Meist liegt er um diese Zeit zu Bette und zwar , wie
wir sahen, in der Rückenlage mit geringer Neigung des Rumples nach
der Ijranken Seite. Daher sammeln sich die Exsudate in der Mehrzahl
der Fälle zuerst hinten an imd werden durch Dämpfung daselbst nach-
weisbar *). Steigt das Exsudat in dieser Lage allmählig an , so behält
es selbstverständlich, wenn Verwachsungen der Lunge nicht hindernd da-
zwischen treten, sein horizontales Niveau bei. Das Exsudat- Niveau reicht
— wenn wir den Kranken aufrecht sitzend untersuchen — von hinten
oben nach vorne unten. Das Exsudat kann hinten in der Höhe der Spina
scapulae stehen , während es vorne nur bis zur 5. oder 4. Rippe reicht.
Weniger stark geneigt d. h. der Horizontalen mehr geneigt verlauft das
*) Beim Nachweise sehr geringer Dämpfungen Hinten-Unten iat im-
mer zu berücksichtigen, dass die hintere untere Schallgrenze auf der rechten
Seite unter normalen Verhältnissen häufig um Daumen bis '2 Fingerbreiten
höher steht, als auf der linken Seite.
Leichtenstern, Kranklieiteia der Pleura. Symptome. Diagnose. 917
Exsudat-Niveau des sitzend untersuchten Kranken, wenn dieser in Folge
der Orthopnoe während der Exsudation mehr aufrecht im Bette sass, als
lag. Diese Begrenzung des Exsudates durch eine Linie, welche von hin-
ten oben nach vorne unten verläuft, ist weitaus die häufigste, weil eben
die Kranken während der Exsudation im Bett zu liegen pflegen.
Bei der schleichenden Form (S. 882) der Pleuritis dagegen gehen
die Kranken, während das Exsudat allmählig entsteht und ansteigt, um-
her. Wo sammelt sich nun das Exsudat zuerst an ? Wieder an der tief-
sten Stelle des Pleuraraums. Welche ist diess ? Darüber herrschen
verschiedene , zum Theil irrige Meinungen und Vorstellungen. Die
tiefste Stelle des Pleuraraumes liegt beim aufrecht stehenden Menschen
meistens in der mittleren und hinteren Axillar-Linie *). Von hier
steigt die untere Pleura-Grenze in ihrem Verlaufe gegen die Wirbel-
säule wieder allmählig an. Hier also in der mittleren und hinteren
Axillar-Linie, in dem Räume zwischen unterem Pleurarand
und Lungeuran d (im sogenannten complementären oder
auch »halbmondförmigen« Räume) ist häufig die erste Dämpfung zu
constatiren, namentlich bei Kranken, welche imihergehen oder aufrecht
sitzen, während das Exsudat gebildet wird.
Wie ich aus einer jüngst erschienenen Mono-
graphie über Pleuritis ersehe, herrschen über die Ge-
stalt, Ausdehnung und Grenzen der Pleura Comple-
mentärräume (des »halbmondförmigen Raumes«) hin
und wieder noch irrige Vorstellungen **). Ich habe
mir daher die nebenstehende Figur beizufügen erlaubt.
ab Rippenbogenrand.
de Pleurarand.
ef Lungenrand. Der vertikal schraf'firte Raum,
der in der Zeichnung etwas zu schmal ausgefallen ist,
ist der halbmondförmige oder besser der complemen-
täre Pleuraraum.
Dieser Complementärraum — in welchem nor-
malerweise Pleura diaphragmatica und costalis sich
berühren — ist für die Diagnose besonders kleinerer
Pleuraergüsse von grosser Bedeutung, übrigens nur
auf der linken Seite verwerthbar, da er nur
auf dieser normalerweise tympan. oder nicht tym-
*) Unter hinterer Axillarlinie verstehe ich die vom hinteren Rande der
Achselhöhle (latissimus dorsi) nach abwärts gezogene Senkrechte.
**) Z. B. die fehlerhafte Darstellung bei F er her, D. phys. bympt. d.
Pleuritis exsudat. S. 44 oben.
Hl
918 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
pan. Mageu-Darmton gibt. Auf der i-echten Seite ist vom Complemeu-
tärraum kein diagnostischer Aufsclilnss zu gewinnen, da hinter ihm die
Leber thorax-wandständig ist. Rechtsseitige Ergüsse machen sich
daher stets zuerst durch eine Dämpfung hinten-unten bemerkbar.
Wie icli mich durch Untersuchung mehrerer Leichen überzeugte,
ist der in der Axillarlinie gelegene Punkt des Pleurarandes nicht
immer der tiefste. Es kommt vor, etwa in '/i der Fälle, dass der Pleu-
rarand in seinem Verlaufe von der Axillar-Linie zur Wirbelsäule noch
mehr abfallt, so dass der tiefste Punkt des Complementärraumes hinten
neben der Wirbelsäule gelegen ist. In einem solchen Falle findet die erste
Ansammlung von Exsudat hinten unten statt , auch dann , wenn der
Kranke zur Zeit der Exsudation umhergieng; sehr frühzeitig aber wird
bei weiterer Exsudation die Flüssigkeit sieh auch nach den in der Axil-
lar-Linie gelegenen Parthien des Complemenfärraumes ausbreiten.
Steigt das Exsudat, während der Kranke sitzt oder umhergeht,
höher und höher , so trifft man , bei Untersucliung des Kranken in
sitzender Stellung , das Exsudat-Niveau horizontal verlaufend au , d. h.
die hintere Exsudatgrenze steht ebenso hoch , als die vordere ; die Per-
cussion weist eine den Thorax horizontal umziehende Grenze nach.
Sammelt sich das Exsudat an , während der Kranke habituell die
volle Seitenlage einnimmt , so trifft man das Exsudat - Niveau in der
Axillar-Linie am höchsten stehend an, und die Exsudatgrenze fällt von
hier aus sowohl nach vorne als nach hinten etwas ab. Auch von diesem
seltenen Vorkommen habe ich mich überzeugt.
Dieselben Momente, von welchen die Niveau- Verhältnisse des an-
steigenden Exsudates abhängen, bestimmen auch das Verhalten der Ex-
sudatgrenzen bei der Resorption. Auch hier kommt alles auf die Lage
des Kranken an. Der complementäre Pleura-Sinus ist der Ort, welchen
das wieder in das Blut und in die Lymphgefässe zurückkehrende Ex-
sudat zuletzt verlässt. Da der Kranke gegen Schluss der Resorption
meist längere Zeit ausser Bett zuzubringen pflegt , so erklärt es sich,
dass zuweilen der letzte Exsudatrest im Complementärraum in der
Seiten gegen d des Thorax — da wo der Pleurarand am tiefsten steht
— angetroffen wird.
Die Thatsaehe, auf welche Damoiseau zuerst aufmerksam ge-
macht, dass die Exi-udatgrenze, welche wir durch Percussion feststellen,
zuweilen keine gerade Linie darstellt, sondern, namentlich in der Seiten-
gegend des Thorax C'urven oder Wellen bildet, hat ihre volle Richtig-
keif. Weniger Einstimmigkeit als über die Thatsaehe selbst herrscht über
die Deutung derselben. Ich habe diese Curven fast immer nur da nach-
weisen können, wo das Exsudat in Resorption begriffen war, und er-
kläre ich sie so : Wenn die Lunge bei Resorption des Exsudates sich all-
mählig wieder ausdehnt , diese Ausdehnung nicht an allen Punkten
gleichmässig von Statten geht , weil einzelne Parthien leichter andere
Leichtenstein, Kranklieitt-n der Pleura. Symptome. Diagnose. 919
schwerer entfaltbar sind, so rückt der Rand der sich wieder ausdehnenden
Lunge nicht an allenPunkten gl e i chm ä s s i g nach unten,
sondern an einzelnen rascher als an anderen. Auch frühzeitig, während
der Resorption sich bildende Yerklebungen und Adhäsionen können das
Zimickbleiben einzelner Luugenparthien veranlassen und die Wiederent-
faltuug derselben gegenüber benachbarten Parthien verspäten.
Am häufigsten ist eine grosse Doppelcurve zugegen, deren Wellen-
thal vorne in der Mamillar- und Parastemal-Linie, deren WellenVierg in
der Axillar-Linie gelegen ist. Es hängt diess damit zusammen, dass der
Lungenrand vorne sich viel schneller wieder entfaltet als in der Axillar-
Linie, und zwar desshalb, weil die inspiratorische Excursion des Thorax
und damit der Zug auf die Lunge vorne stärker ist als in der Axillar-
gegend.
In dem Maasse , als das Exsudat ansteigt , r e t r a h i r t sich die
Lunge, ihrem Elasticitätsbestreben folgend. Hat sie das Maximum der
spontanen Retraction erreicht, so wird sie durch weiteres Ansteigen des
Exsudates comp r im irt. Nimmt der Flüssigkeits-Erguss noch mehr
zu, so wird die comprimirte Lunge immer mehr, schliesslich ganz Ton
der Thoraxwand nh und gegen die Lnngenwurzel , an das Mediastinum
und in den Winkel zwischen diesem und der Wirbelsäule gedrängt.
Die Verdrängung findet natürlich von unten nach oben statt ; die
letzte Stelle , wo bei sehr massenhaften Ergüssen die Lunge noch
Thorax wandständig zu sein pflegt, ist Vorne, die Regio supra- und infra-
clavicularis. Dieses Verhalten erklärt sich uns leicht, wenn wir durch
einen liegend gedachten Thorax ideale horizontale Ebenen legen , wie
sie das steigende Exsudatniveau darstellt. Die genannte Region ist
jene, welche in der Rückenlage am höchsten steht.
In einem Falle von totaler Abdrängung der Lunge fand ich längs
der Wirbelsäule parallel mit dieser einen etwa 3 Querfinger breiten Strei-
fen, der von der Luugenwur/.el an nach abwärts reichte und leeren tym-
panitischen Schall gab. Es ist mir nicht zweifelhaft, dass hier die Lunge
hinten unten schon vorher adhärent war.
Eine noch wenig bekannte Thatsache , von welcher ich mich bereits
in 4 Fällen vollkommen sicher überzeugte, ist folgende. Wenn ein sehr
grosses, die ganze Thoraxhälfte erfüllendes und überall absolute
Dämpfung gebendes Exsudat zur Resorption sich anschickt, so ist die
erste kleine Stelle, welche wieder gedämpft tympanitischen Schall
giebt, die Gegend in der Höhe des 3. oder 4. Brustwirbels paraverte-
bral, die Gegend also der Lungenwurzel. Es ist eben diese Stelle unter
allen anderen Thoraxstellen am nächsten an der Lungenwurzel gelegen,
und hier wird auch die Lunge, welche sich von ihrer Wurzel als Centrum
centrifugal wieder ausdehnt, zuerst wieder die Thoraxwandung berühren.
Die weitere Ausdehnung erfolgt von da ab nicht gloichmässig nach allen
Seiten, sondejn in der Richtung nach aufwärts und vorne. Die obersten
und vordersten, die zuletzt comprimirten Parthien werden auch zuerst
wieder frei und lufthaltig, was, abgesehen von der Wirkung der Schwer-
920 KranMieiteii der Athnmngsoi'gane. Pleuritis.
1
kraft auf das Exsudat und abgesehen von dem zuerst sich wieder ein-
stellenden Supracostal- Typus der Respiration auch darin seinen Grund
hat, dass die oberen zuletzt comprimirien Partbien unter allen Abschnit-
ten der Lunge am wenigsten lang comprimirt waren und daher auch am
leichtesten wieder entfaltbar sind.
Wechseln Exsudate bei Lagewechsel des Kranken
ihre Lage? In einer grossen Zahl von Fällen fehlt jeder Niveauwech-
sel der Flüssigkeit bei Lageveriinderung. Ich habe Kranke mit einem
hinten bis zur Spina scapulae und vorne bis zur 5. Rippe reichenden
Exsudate den ganzen Tag über ausser Bett zubringen sehen, ohne dass
die Flüssigkeitsgrenze, welche Morgens notirt worden war, auch nur die
geringste Verschiebung Abends gezeigt hätte. Schon Scoda (1843) er-
klärte dieses Verhalten, indem er annahm, dass an der Exsudatgrenze,
da, wo Lungen und Costal-Pleura einander berühren, Verklebungen, Ad-
häsionen vorhanden sind, welche Niveauveränderungen nicht geslatten.
Anderseits aber kommen Fälle vor, wo das Exsudat deutlich nachweis-
liaren Niveau-Wechsel eingeht, unter der Voraussetzung jedoch, dass
man den Kranken längere Zeit, zuweilen selbst mehrere Stunden auf-
recht sitzen lässt. Ein vollkommen horizontaler Verlauf der Grenze stellt
sich auch dann gewöhnlich nicht ein. Etwas schneller — aber auch oft
erst nach längerem Aufsitzen — vollzieht sich dieser Niveauwechsel bei
Transsudaten.
Es kann uns dieser langsam sich vollziehende Niveauwechsel nicht
wundern, wenn wir bedenken, dass ein solcher Lagewechsel der Flüssig-
keit nur dadurch erfolgen kann, dass vorne, durch das Hinauftreten
der Flüssigkeit , lufthaltige Lungenparthien comprimirt und verdrängt,
hinten dagegen comprimirte luftleere Partbien wieder etwas ausge-
dehnt und lufthaltig werden müssen, was immerhin einige Zeit erfor-
dert; diese Zeit wird um so länger sein, wenn noch dazu Verklebnngen
vorerst gelöst werden müssen. Die Dauer, innerhalb welcher sich dieser
Niveauwechsel vollzieht, hängt natüj'lich nicht , wie F e r b e r meint, von
der Zähigkeit und Klebrigkeit des Exsudates ab (!). Die überhaupt hier
vorkommenden Consistenz-Unterschiede sind geringe, und die durch diese
bedingten Zeitditferenzen im Niveauwechsel belaufen sich auf wenige
Secunden!
Qualitäten d es P er cu ssi oils - Seh alles. Wir stellen den
aus der pliysikalisclien Diagnostik bekannten Satz au die Spitze : Die
normal im Thorax ausgespannte Lunge giebt einen nicht klingenden
Schall, die aus dem Cadaver herausgenommene fällt, ihrem Elasticitäts-
bestreben folgend zusammen und gibt nun percutirt einen klingenden
(tympanitischen) Schall. Dieser ist um so tiefer, je grösser der per-
cutirte Lappen ; kleinere Abschnitte der zusammengefallenen Lunge
geben einen höheren Schall.
Die Lunge, oberhalb pleuritischer Exsudate percutirt, zeigt das
gleiche Verhalten. Sammelt sich ein Flüssigkeitserguss im Pleuraräume
au, so retrahirt sich die Lunge mehr und mehr und zwar die ganze
Lunge, weil die elastischen Elemente der gesammten Lunge alle mit
Leichte nstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 921
einander in Verbindung stehen und alle die zahllosen Bläschen einen
gemeinschaftlichen Ausführiingsgang besitzen. Es verhält sich wie in
einer Luft aufgetriebenen Blase; wenn wir sie anstechen, gerathen alle
Theile der Blasenwand in Bewegung und nähern sich einander. Die
retrahirte Lunge giebt daher oberhalb kleinerer und niittelgrosser Ex-
sudate einen eigenthümlieh vollen d. h. langsamer verklingenden , tief
tympanitischeu Schall und dieser ist selbst in grösserer Entfernuug ober-
halb des Exsudates z. B. infraclavicular deutlich nachweisbar. Je mehr
das Exsudat steigt , um so kleiner wird der Luftraum , um so höher
khngend der Schall. Bei sehr grossen Exsudaten , wobei nur mehr iu-
fraclavicular Lunge anliegt, ist der Schall hoch tympanitisch und durch
Membranschwingungen nicht mehr verunreinigt , schön klingend. Es
ist der weiche Klang abgegrenzter Luftmassen. Manche, welche
mit der Benennung Metallklang sehr freigebig sind, nennen einen
solchen Klang fälschlich »metallisch«. — Wird die Lunge noch
mehr comprimirt, so geht das Klingende allmählig verloren, der Schall
wird succftssive leerer , d.h. kürzer, gedämpfter und dabei natürlich
klangärmer. Ist die Compression so weit gediehen, dann kann zuweilen
Schallwechsel beim Oeffnen und Schliessen des Mundes — wenn wir
infraclavicular percutiren — coustatirt werden. Der Schall wird etwas
höher und heller , klingender beim geöffneten Munde , etwas tiefer, ge-
dämpfter und weniger oder gar nicht mehr Idingend beim geschlossenen
Munde. Es hat diess in der percussorischen Erschütterung der Broncho-
trachealen Luftsäule durch die comprimirte Lunge hindurch seinen
Grund.
Oberhalb sehr grosser pleuritischer Ergüsse, wobei die Lunge
nur mehr supra- und infraclavicular in einer geringen Strecke Thorax-
wandständig ist, beobachtet man nicht selten die bekannte, interessante
Erscheinung, dass der bei ruhiger Eespiration , besonders während
der Exspiration schön klingende, helle Percussionsschall im Verlaufe
einer tieferen Inspiration erheblich kürzer, gedämpfter und weniger khn-
gend, ja zuweilen fast vollkommen leer wird. Nach meinen nicht spar-
liehen üeobachtungen solcher E'älle besteht die Veränderung, welche der
Percussionsschall während der tiefen Inspiration erleidet, hauptsächlich
in einer Aenderung der Intensität; der Schall wird kürzer, ge-
dämpfter und verliert wie immer dabei sein tympaniti-
sches Timbre Ich habe dieses Phänomen stets nur bei sehr mas-
senhaften Ergüssen angetroffen, in Fällen, wo das Zwerchfell convex
nach unten voivetrieben bis an den Rippenbogenrand und darüber hin-
aus dislocirt war. Man sagte, der Schall der kleinen, mfraclavikular noch
percutirbaren Lungenparthie wird desshalb bei tiefer Inspiration weniger
klino-end weil dabei die Lungenmembran wieder so stark gespannt wird,
dass°sie'nun, wie die normal ausgespannte Lunge , mcht klingenden
Schall o-iebt. Ich halte das Zustandekommen einer so starken mspira-
922 Kraaklieiten der Atlimungsorgane. Pleuritis.
torischen Spannung des noch lufthaltigen Lungenrestes unter solchen
Umständen füi- eine pure Unmöglichkeit. Wer sich die Mühe nimmt,
eine Lunge soweit aufzublasen, bis sie nicht klingenden Schall giebt,
erfährt, wie sehr dabei die Spannung des Gewebes gesteigert werden
muss. Und wenn ich selbst die Entstehung des nicht klingenden SchaUes
durch die inspiratorische Spannung des Lungenrestes zugeben wollte,
so ist damit noch nicht erklärt, warum der Schall gleichzeitig auch er-
heblich kürzer und gedämpfter wird ; die stark aufgeblasene Lunge
schallt ja doch mindestens ebenso intensiv, wie die coUabirte ! Die Er-
scheinung beiTiht auf einer ganz anderen, bisher vernachlässigten Ursache.
Contrahirt sich unter den angegebenen Verhältnissen, bei sehr grossem
Exsudate — und nur da wird die geschilderte Erscheinung beobachtet —
das convex nach unten vorgewölbte Zwerchfell inspiratorisch, so drängt
es das Exsudat in die Höhe; dieses steigt höher, drängt die Lunge mo-
mentan von der Thoraxwand ab und compriniirt sie (vergl. S. 911);
der Schall wird durch die Z.wischenlagerung dieses Dämpfers und durch
die Compression kürzer, erheblich gedämpft und verliert natürlich auch
au tympanitischem Timbre. — Schon Schuh hat richtig erkannt, dass
bei sehr grossen Exsudaten mit convexer Vorwolbung des Zwerchfelles
jede tiefe Inspiration das Exsudat in die Höhe drängt und unter stär-
keren Druck setzt ; er erschloss diess daraus , dass zuweilen bei Thora-
cocenthese die Flüssigkeit lebhafter ausströmt im Momente der Inspiration,
dagegen zurückgeb alten wird bei der Exspiration.
Auch ich habe mich einmal bei der Punktion eines Exsudates von
diesem paradoxen Verhalten überzeugt.
Bei Percussion der Lunge oberhalb pleuritischer Exsudate ist hin
und wieder das Geräusch des gesprungenen Topfes (bruit du
pot feie) zu constatiren. Es ist bekannt, wie leicht dasselbe bei schreien-
den Kindern von allen Thoraxparthieen aus erzeugt werden kann. Die
Biegsamkeit und Impressionabilität des kindlichen Thorax erleichtert
das Zustandekommen der Erscheinung in hohem Grade. Das Bruit du
pot feie oberhalb pleuraler Ergüsse wird fast ausnahmslos nur infra-
clavicular angetroffen. Es ist bald trocken, zischend, bald feucht, cpiat-
schend, zuweilen exquisit klingend ; zwar nie metallisch Idingend, nä-
hert es sich doch mitunter diesem Klange und kann »Metalloid« ge-
nannt werden. Es hat in solchen Fällen die grösste Aehnlichkeit mit
dem Geräusch und Klang, der entsteht , wenn wir rasch über die cy-
lindrische Höhlung eines Schlüssels hinwegblasen, und es ist mir nicht
zweifelhaft, dass das Phänomen ganz in ähnlicher Weise auch im Thorax
entsteht, durch schräges (percussorisches) Angeblasenwerden eines grös-
seren Bronchus oder der bronchotrachealen Luftsäule , wobei ein zi-
schendes Geräusch entsteht und durch gleichzeitige Resonanz desselben
in dem cylindrischen Lufträume der Bronchien der das Geräusch be-
gleitende Klang.
Die Entstehungsweise des Bruit du pot feie habe ich früher em-
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 923
mal an einem anderen Orte ansführlicli erörtert*). Seitdem ist nichts
Neues mehr zu diesem Gegenstand hinzugekommen.
Immer noch liest man die falsche Ansicht, das Geräusch „entstehe
durch die retraetive Ersehlafiung des Lungengewelies". Ich will nicht
beanstanden, dass die damit vielleicht verbundene Entspannung und
grössere Impressionabilität der Thoraxwand das Zustandekommen des
Phänomens begünstige, ist ja bekannt, dass dasselbe während der Inspi-
ration nur schwer, leicht dagegen im Momente der Exspiration hervor-
gerufen wird. Je grösser das durch die Percussion verdrängte Luftquan-
tum, um so leichter entsteht ceteris paribus das Geräusch (daher meist
eine starke Percussion angewendet wird). — Kann das im Momente der
Einwäitsschwingung der Thoraxplatte in Folge der Percussion verdrängte
Luftc|uantum, wie in der normalen Lunge, nach allen Seiten durch die
zahllosen Ausführungsgänge leicht entweichen, so entsteht niemals eine
stärkere Pressung der Luft und die Bewegung derselben vollzieht
sich geräuschlos.
Sind dagegen wie bei Katarrh, bei partieller Infiltration, bei par-
tieller Compression der Lunge durch ein pleuritisches Exsudat zahlreiche
Ausführungsgänge verschlossen, andere partiell obturirt oder wie liei Ex-
sudat spaltartig verengert, so entsteht im Momente der Percussion zwi-
schen den verengten Parthien der Ausführungsgänge und der nach ein-
wärts schwingenden percutirten Brustplatte eine starke Pressung der
Luft; diese entweicht nun durch die verengten Stellen mit einem zischen-
den Geräusch, dem Bruit du pot Mi. Je grösser das durch die Ein-
wärtsschwingung der Thoiaxplatte verdrängte Luftquantum im Verhält-
niss zur Enge der noch vorhandenen, nicht verlegten Ausführungsgänge,
um so intensiver und höher wird das Stenosengeräusch. Dieses Geräusch
wird häufig durch Resonanz in der Bronchotrachealen Luftsäule verstärkt
und desshalb erst deutlich hörbar bei geöffnetem Munde. (Jeder gut
wirkende Resonanzraum muss Oeönungen haben!) — Bei einem schreien-
den Kinde betindet sich die Luft zwischen Glottis und Brustwand be-
reits in Pressung; daher hat das plötzliche Einwärtsschwingen der per-
cutirten Brustplatte ein zischendes Entweichen der Luft durch die ver-
engte Glottis zur Folge.
Gavernen mit sehr vielen und weiten Ausführungsgängen geben kein
Bruit du pot feie, solche mit nur wenigen und engen geben das Ge-
räusch.
Die Percussion giebt uns ierner Aufscliluss über die durch das Ex-
sudat hervorgerufene Verdrängung der Nachbar organ e. Es
mag daher die Beschreibung der Verdrängungs - Symptome hier Platz
finden.
Unter den durch das Exsudat verdrängten Organen nehmen die
Lungen den ersten Platz ein. Ihr elastisches Contraktionsbe.streben
setzt dem Ansteigen des Exsudates nicht nur keinen Widerstand ent-
gegen, befördert vielmehr im Anfang die Exsudation und kommt dem Ex-
*) Deutsche Khnik 1873. S. A. 38-43.
924 Krankheiten der Atlmiungsorgane. Pleuritis.
sudationsdrucke zu Hilfe. So lange die Lunge retraktionsfäliig ist, d. h. so
lange sie noch die Tendenz hat, sich spontan zu verkleinern, kann der
Exsudatdruek auf die Lunge nicht über den atmosphärischen steigen. Da-
gegen wirken die Exsudate alsbald durch ihre Schwere; wir müssen
den Boden- und Seitendruck dabei unterscheiden. Der Schwere fol-
gend, sammelt sich das Exsudat in der abhängigsten Parthie desPleura-
cavums, im sogenannten Complementärraum an, und drängt hier (durch
sein Gewicht) das Zwerchfell von der Brustwand ab. Je höher der FIüs-
sigkeitserguss steigt, um so grösser wird der Druck auf das Zwerchfell ;
er ist bei aufrechter Körperstellung = Q,. h. d , wobei Q den Flächen-
Lihalt des Zwerchfelles , h die Höhe des Exsudates (wobei es nach hy-
draulischen Gesetzen gleichgültig ist, ob sich das Exsudat nach aufwärts
verjüngt, d.h. spitz zuläuft oder nicht), endlich d das Gewicht der
Raumeiuheit der Exsudatflüssigkeit bedeutet. Steigt das Exsudat höher
an, so wird nicht allein der Bodendruck immer grösser, auch die Seiten-
wandungen des Exsudates kommen unter einen successive höheren Seiten-
druck. Jeder Punkt der Seitenwand nämlich hat einen um so grösseren
Druck auszuhalten, je tiefer er unter dem Exsudat-Niveau gelegen ist.
Steht dieses nahe an der Clavicula, so kann man jenen Antheil von
Seitendruck annähernd berechnen, welchen z. B. das Herz (einzig und
allein durch die Schwere der Flüssigkeit) trifft*). Die Exsudatwan-
dungen (Thorax, Mediastinum, Zwerchfell und Lunge) werden natürlich
so lange verdrängt , bis der Gegendruck derselben so gross ist , als der
Exsudatdruck. Der Gegendruck wird bei Verdrängung des Zwerchfelles
gebildet durch den Widerstand dieses Organes selbst und durch den
Widerstand der Organe und Wandungen der Bauchhöhle ; bei Verdrän-
gung des Mediastinums und der Thoraxwandungen ist der Gegendruck
proportional der Elasticitätsgrösse dieser Organe ; diese wächst in dem
Maasse , als die Ausdehnung zunimmt. Diejenigen Exsudatwandungen,
welche den geringsten Widerstand leisten und den grössten Druck er-
fahren, werden natürlich am ergiebigsten dislocirt. Daher wird, beson-
ders wenn der Kranke sitzt oder umhergeht , das Zwerchfell zuerst und
am meisten verdrängt, das Mediastinum früher als die seitliche Thorax-
wand, die Intercostalräume früher als die Rippen. Liegt der Kranke
fortwährend auf dem Rücken, so wird nachweislich die hintere Thorax-
wand früher ausgedehnt als die seitliche und vordere. Der Exsudat-
druck hebt die Rippen und bringt sie in die inspiratorische Stellung;
er leistet dabei die gleiche mechanische Arbeit, wie die vereinigte Thä-
*J Ueber das Resultat solcher Berechnungen werde ich nach Ahschluss
einiger Experimente an der Leiche Näheres demnächst veröffentlichen.
Leichtenstern, Erankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 925
tigkeit der Inspiratioiis-Mviskeln. Bei Besprechung dieser Verhältnisse
und Aufstellung von » Verdrängungsscalen « hat man merkwürdiger-
weise gänzlich die Wirkung der Schwere übersehen.
Die Verdrängung des Mediastinums und Herzens macht folgende
Symptome. Die Exsudatsdämpfung vorne übersehreitet den gleichseitigen
Sternalrand, später das Sternum und setzt sich auf die gesunde Seite
fort. Bei sehr hochgradigen linksseitigen Ergüssen habe ich wiederholt
folgenden Verlauf der vorderen Exsudatgrenze gefunden : die Linie ver-
lief von der Ärticulatio sternoclavicularis sinistra zum Sterualende des
2. Rippenknorpels, von da zum Parasternalpunkt des 4. Rippenknorpels,
von da bis in die Mamillar-Linie des 5. Intercostalraumes. Natürlich
wird dieser schräge Verlauf durch die gleichzeitige Verdrängung des
Herzens nach rechts bewirkt , sowie dadurch , dass das von der oberen
Thoraxapertur zum Zwerchfell verlaufende Mediastinum (das Zellgewebe
mit den grossen Gefässen , die mediastinalen Pleurablätter) — wie jede
zwischen 2 Fixationspunkteu ausgespannte Membran oder Platte, in der
Mitte am meisten dislocirbar ist. (Vergi. S. 900.)
Eine erhebliche Verdrängiing des hinteren Mediastinums findet nie-
malt, statt. Niemals habe ich hinten nelien der Wirbelsäule die Dämpf-
ung auf die gesunde Seite sich fortsetzen sehen. Das straii'e Zellgewebe
mit den hier gelegenen Organen (Aorta descendens, Trachea, Oesophagus)
gestattet keine Dislocation. Auch ist mir kein Fall bekannt, dass je Dys-
phagie bei grossen linksseitigen Ergüssen beobachtet worden wäre.
Von grösstem Interesse ist die Verdrängung des Herzens. Wir
können uns kurz fassen, da wir bereits oben (S. 901) den Gegenstand
berührt haben. Rechtsseitige Ergüsse drängen das Herz in dem Maasse
nach links, -als sie das Mediastinum verdrängen. Die Herzspitze kommt
weiter nach links bis in die Mamillar-Linie und noch darüber hinaus zu
liegen.
Eine viel bedeutendere Dislocation erfährt das Herz bei linkssei-
tigen Ergüssen. Wir unterscheiden der Uebersicht halber zwei Sta-
dien: l)'das Herz wandert nach rechts in dem Maasse als das Mediasti-
num dahin verdrängt wird : die Herzspitze schlägt in der linken Paraster-
nal-Linie, oder am linken Sternalrande an. Wenn das Mediastinum und
mit ihm die grossen Gefässstämme, Cava superior und inferior, Aorta,
Pulmonalis, Lungenvenen das Maximum ihrer Verdrängung erreicht
haben , so ist 2) der Herzkegel für sich noch einer weiteren Dislocation
iähiü-. Der Herzkegel bewegt sich pendeiförmig um die Herzbasis (Cava
superior und inferior, Aorta und Pulmonalis) als Punctum fixum oder
D r e h p u nk t. Den grössten Weg legt natürlich die Herzspitze , das
Ende des Pendels , zurück. Der Herzspitzenstoss fehlt im 2. Akte, bei
der Ueberwanderung des Herzkegels nach rechts, bald gänzlich oder fin-
926 Krankheiten der Atlnnungsorgane. Pleuritis.
det sich im Epigastrium dicht am Proc. xiphoideus. Wandei't die Herz-
spitze noch weiter nach rechts herüber , so kommt sie in die rechte Pa-
rasternal- , in extremen Fällen von üislocation sogar in die rechte Ma-
millar-Linie zu liegen. Nun verlauft die Längsaxe des Herzens von der
Basis zur Spitze von innen oben, nach rechts unten, aussen. Die Herz-
spitze schlägt in der rechten Mamillar-Linie an. (Vergl. S. 901.)
Mit der geschilderten Dislocation des Herzens nach rechts geht eine
innige Adpression des Herzens an die Brustwand einher ; noch ehe die
Herzspitze nach rechts übergewandert ist, zeichnet sich die Herzbeweg-
una: durch Pulsationen im 3. und 4. rechten Intercostalraum ab.
Herzgeräusche habe ich dabei nicht wahrgenommen. Dagegen überzeugt
man sich leicht, dass die Herztöne viel lauter rechts als links vom Ster-
num wahrnehmbar sind.
Verdrängung der Leber. Die Leber ist bei sehr grossen, die
Circulation erheblich störenden pleuritischen Exsudaten — rechtssei-
tigen sowohl wie linksseitigen — vergrössert, befindet sich im Zustande
der hyperämischen Stauungsleber. Sie fühlt sich daher eigeuthümlich
fest und prall an. Grosse linksseitige Ergüsse drängen den linken Leber-
lappen nach abwärts und die gesammte Leber etwas nach Rechts ; das
Organ wird etwas in der Quere zusammengedrückt.
Bei Verdrängung der Leber durch ein rechtsseitiges Exsudat betrifft
die Dislocation hauptsächlich den rechten Leberlappen. Dabei macht das
Organ als CTanzes eine geringe Drehung um eine ideale Axe, die wir uns
in der Richtung von Vorne nach Hinten etwa zwischen rechten und
linken Lappen hindurch gelegt denken können. Die Leber wird dadurch
schräg gestellt. Der rechte Lappen wandert nach ab- und einwärts, der
linke Lappen begiebt sich in die Höhe und ebenfalls medianwärts,
so dass die Stelle, wo der scharfe Rand des linken Lappens den Rippen-
bogenrand schneidet , näher der Mittellinie, z. B. in die linke Sternal-
randlinie, zu liegen kommt. Der linke Lappen drängt bei dieser Rota-
tion der Leber das Zwerchfell hin und wieder sogar etwas in die Höhe (bei
mittelgrossen Exsudaten) ; di e Herzspitze kommt dann, wie Skoda schon
1841 gezeigt hat, um einen Intercostalraum höher, in den 4. zu liegen.
Wächst aber das rechtsseitige Exsudat noch mehr an, drängt es das Me-
diastinum noch weiter nach links, so findet Herzdislocation nach Aussen
statt; das Herz wird auf der von innen nach aussen abfallenden Zwerch-
fellsfläche nach Links dislocirt , und nun kommt selbstverständlich die
Herzspitze lun einen Intercostalraum tiefer zu liegen als normal. Auch
hiervon finden wir in der physikalisch diagnostisch vorzüglich ausge-
arbeiteten Casuistik von Skoda und Schuh (1841) treffliche Bei-
spiele. Bei so bedeutender Verdrängung des Mediastinums nach hnks
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 927
wird aber auch der linke Lappen nach aliwärts dislocirt und die vorhin
geschilderte Schrägstellung der Leber nimmt wieder ab.
Sehr erheblich ist aber diese ganze Kot;ition nicht, sie erscheint häu-
fig grösser, weil venös hyperämische Schwellung des Organes regelmässig
concurrirt. Man vergisst ferner, dass die Leber nicht allein durch Biinder
befestigt, sondei-n auch durch straffes Bindegewebe unmittelbar an das
Diaphragma (längs des oberen stumpfen Bandes des rechten Lappens) an-
gelöthet ist*), ferner, dass auch die in die Vena cava inferior unmittel-
bar unterhalb des Poramen qnadrilaterum sich ergiessendeu kurzen Le-
ber-Venenstamme eine erhebliche Rotation nach keiner Richtung zulassen.
Ob diese Gefässe in Folge der Leberdislocation bei grossen rechtsseitigen
Ergüssen zuweilen verengt werden, ist nicht bewiesen. Bedeutende
Leberhyperämie und Ascites wäre die Folge davon.
Die Verdrängung des Zwerchfelles nach abwärts kann einen so be-
deutenden Grad erreichen, dass, wie Skoda bereits 1841 gezeigt hat,
das Zwerchfell convex in die Bauchhöhle vorspringt. Wir können diese
Inversion des Zwerchfelles bei linksseitigen Exsudaten schon früh-
zeitig mit Sicherheit nachweisen. Dadurch nämlich, dass die
Exsudatdänrpfung dieGrenzen des Pleurarandes (de in Fig.
S. 917) nach abwärts überschreitet, dass sich die Däm-
pfung bis. an den Rip penb og e nran d (ab) fortsetzt oder
denselben sogar noch um 3 — 4Finger breit üb e rschr eite t.
In solchen Fällen fühlt man aber auch nicht selten das invertirte Zwerch-
fell als glatten wurstförmig abgerundeten Wulst unterhalb des Rip])en-
bogenrandes, ein Verhalten, das Stockes bereits (1842) richtig er-
kannt und gedeutet hat.
Eine so erhebliche Verdrängung des Zwerchfelles nach unten hat
auf der linken Seite Dislocation der Milz und zwar in der Rich-
tung nach vorn und unten zur Folge. Die Milz tritt unter dem
ßippeubogenrande hervor, überschreitet denselben und wird sowohl per-
cutirbar , als besonders auch deutlich fühlbar. In 4 Fällen habe ich
mich bei grossen linksseitigen Ergüssen von diesem Verhalten der Milz
überzeugt, die in einem auf der hiesigen medicinischen Klinik beobach-
teten Falle beinahe nach allen Richtungen umgreifbar, zwischen Nabel
und Spina ossis ilei anterior superior lag , mit dem Längsdurchmesser
von hinten oben nach vorne unten gerichtet.
Eine sehr erhebliche Dislocation der Milz nach vorne und unten de-
monstriite Herr Prof. Liebermeister vor wenigen Tagen in seiner
Klinik bei einem Kranken mit enormem linksseitigem Pleuraerguss**).
*) Luschka, Anat. d. Bauches S. 244.
**) Die regelmässige Verdrängung der Milz nach vorne und unten war
bereits 1841 Skoda und Schuh bekannt. (Oesterr. med. Jahrb. 1841. Jan.
Febr.)
928 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
In seltenen. Ausualimefiillen wird die Milz nicht nach vorue, sondern
nach hinten gedrängt ; sie entgeht dann meist dem Nachweis durch Per-
cussion, indem sie vertikal mit ihrem Liingsdurchmesser der Wirbelsäule
parallel gestellt, weder von der Exbudat- noch Nierendämpfung mit Sicher-
heit unterschieden werden kann.
Die nach vorne dislocuie Milz berührt sehr häufig mit ihrem oberen
Rande (Marge crenatus) den scharfen Leberrand des linken Lappens.
Auscultation und Palpation. Die Auscultation hat bei
Kindern häufig ihre Schwierigkeiten. Weniger hinderlich ist oft das
Schreien, denn es giebt Gelegenheit, das Verhalten der Stimme (beson-
ders die Bronchoplionie) kennen zu lernen, und zwischen den exspirato-
rischen Explosionen erfolgen doch zeitweise tiefe Inspirationen , die das
Bronchialathmen und die anderen Respirationsgeräusche deutlich her-
vortreten lassen. Hinderlich sind die oft stürmischen und gewaltsamen
Bewegungen, mit welchen sich die Kinder gegen das Anlegen des Ohres
oder Stethoscopos sträuben. Ganz besonders erschwert ist dadurch die
Wahrnehmbarkeit des p 1 e u r i t i s c h e n Reibens. Die forcirten,
jähen Inspirationen der geängstigten Kinder gelten zu so lauten Ath-
mungs- und Nebengeräuschen Veranlassung, dass jedes weniger laute
Reiben dadurch verdeckt wird ; und bei der Exspiration ist dieses wegen
des Schreiens nicht zu erkennen. Nur in diesen , zuweilen unüberwind-
lichen Schwierigkeiten liegt die Ursache der weitverbreiteten Meinung
unter den Kinderärzten , dass in diesem Alter pleuritisches Reiben viel
seltener sei als bei Erwachsenen. Bei älteren und verständigen Kindern,
die auf Geheiss langsamer und tiefer oder oberflächlicher athmen, ist es
ein Leichtes , selbst die zartesten Reibegeräusche zu vernehmen und sie
von ähnlich gearteten knisternden Geräuschen in den Lungen zu unter-
scheiden.
Reiben wird sowohl im Anfang der Pleuritis gehört, wenn die frisch
entzündeten rauhen und trockenen Pleuratiächeu sich aneinander ver-
schieben, als auch im Stadium der Resorption, wenn die rauhen Pleura-
blätter sich wieder berühren.
Der Charakter des Reibens Ist verschieden; bald leise nach Art eines
sanften Anstreifens, bald fcliabend , bald knirrscliend oder selbst grob
knarrend. Es ist meist sowohl in- als re.spiratorisch. und schon dadurch
von Knisterrasseln gewöhnlich leicht zu unterscheiden. Häufig ist das ex-
spiratoribche Reiben lauter und intervallenreicher und zwar desshalb,
weil der Druck der sich reibenden Flächen auf einander im Momente
der E.xspLration grösser ist als bei der Inspiration. Das Reiben ist meist
saceadirt ; weil eben , wenn rauhe Flächen sich aneinander verschieben,
die Verschiebung nicht an allen Punkten gleichmässig erfol.gt, nicht jeder
Punkt der einen Fläche jeden Punkt der anderen mit gleicher Geschwin-
digkeit passirt; da wo grössere Rauhigkeiten — Wellenberge — aufein-
ander treffen, findet ein kurzer Aufenthalt statt; die bewegende Kraft
Leiohtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 929
staut sich an, bis sie gross genug ist, das Hinderniss „mit einem Rucke"
zu überwinden; daher das „Kuekweise" des pleuralen Reibens. Aus dem
gleichen Grunde schleppt das Reilien zuweilen der Exspiration nach. Das
Stethüscop hat vor dem direkt angelegten Ohr in vielen Fällen von leisem,
namentlich umschriebenem Reiben unbedingt den Vorzug. Wer gegen
diese Thatsache ankämpft, bevreist nur, dass er sie nicht kennt.
An der Herz - Lungengrenze vernimmt man zuweilen bei Pleuritis
sicca (der linken Seite) Reibegeräusche, welche nicht allein mit der Ath-
mung synchron sind, sondern auch bei suspendirter Athmung durch die
Bewegungen des Herzens hervorgerufen werden. Letztere Reibegeräusche
sind stets leise und von nur kurzer Dauer, bald nur systolisch oder dia-
stolisch, bald beides zugleich. Oft vernimmt man während der Exspira-
tion, ein andermal auch während der Lispiration , eine, deutlich von den
Herzcontractionen abhängige, mit diesen synchrone periodische Verstärkung
des Reibens. Die differentialdiagnostische Frage : Pleuritis mit Herzsysto-
lischem extrapericardialem Reiben , oder: Pleuritis mit geringgradiger
Pericarditis ex contiguo , ist häufig nicht mit Sicherheit zu ntscheiden.
Auscultatorische Pinessen helfen uns thatsächüch 'nicht über die Schwie-
rigkeit der Entscheidung hinweg.
Das Athemgeräuscli bei pleuritischen Exsudaten verhält sieh ver-
schieden. Bald ist es ganz aufgehoben, bald mehr minder abgeschwächt
und unbestimmt, bald deutlich bronchial. Wovon diese Verschiedenheit
abhängt, lehrt uns die Beobachtung verschieden grosser Exsudate.
Bei sehr grossen pleuritischen Exsudaten wird man Bronchialath-
men niemals vermissen. Hier ist die Lunge bis an die Lungenwurzel
hin gänzlich comprimirt , liegt vielleicht als welker Lappen dem Me-
diastinum an ; zwischen dem Hauptbronchus und den grossen Bronchial-
stämmen einerseits, und dem an die Brustwand angelegten Ohr anderseits
befindet sich das homogene Medium des flüssigen Exsudates, welches
das in der Trachea und den grossen Bronchien entstehende Bronchial-
athmen unverändert, nur etwas abgeschwächt, an das Ohr leitet.
Nehmen wir aber ein mittelgrosses Exsudat an , so kann Verschie-
denes eintreten. 1) Der Fall, dass zwischen der Lungenwurzel und dem
auscultireuden Ohr eingeschaltet ist: a) total comprimirtes Lungenge-
webe und b) das flüssige Exsudat. In einem solchen Falle werden wir ab-
geschwächtes Bronchialathmen hören , abgeschwächt , weil das in den
Bronchien entstehende klingende Athmen durch zwei Medien von sehr
verschiedenartigem Aggregatzustande (dishomogene Medien) hindurch-
ging, ehe es an unser Ohr gelangte. 2) Der Fall, dass zwischen Lungen-
wurzel und unserem Ohr eingeschaltet ist a) eine Parthie noch luft-
haltigen, retrahirten Lungengewebes, b) eine Schichte total compri-
mirten Lungengewebes und c) das flüssige Exsudat. Beim Durchgang des
Athemgeräusches durch drei so verschiedenartige Medien findet entwe-
der eine so erhebliche Schallschwächung statt , dass überhaupt Nichts
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 59
930 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
mehr gehört wird (aufgehobenes Athmen) , oder wenn noch ein leises
Atheuigeräiisch gehört wird , so kann dasselbe nicht mehr bronchial
sein ; denn das in den Bronchien entstandene klingende Athmen ist auf
dem Wege von den grossen Bronchien zu unserem Ohr durch eine Par-
thie (a) noch lufthaltigen , wenn auch retrahirten Lungengewebes hin-
durch gegangen *). Das sehr abgeschwächte Athmen ist in solchen
Fällen unbestimmt oder sogar dem vesiculären genähert.
JReines metallisches Athmen wird niemals durch pleuriti-
sche Exsudate hervorgerufen. Dagegen wird das Bronchial-Athmen zu-
weilen — besonders bei sehr grossen Exsudaten, wenn wir infraclavicular
auskultiren — hoch klingend, und gewinnt die weiche Klangfarbe abge-
grenzter, tönender Luttsäulen. Bin solches Athmen wird von Vielen
mit Unrecht schon metallisch genannt**); es hat grosse Aehnliclikeit
mit dem Klange, der entsteht, wenn man über ein kleines Arzneifliischcheu
oder über ein ßeagensgias leise, schräg hinwegbläst. Es entsteht wohl
auch auf diese Weise, indem die in die comprimirte Lunge sich er-
streckenden B)-onchien von dem in die gesunde Lunge stürzenden Luft-
strom schräge angeblasen werden. Nennt man dieses hohe klingende
und langsam verklingende Athmen ***) „amphorisch", so ist nichts da-
gegen einzuwenden, nur muss man dann zwischen amphorischem und
metallischem Athmen noch, weiter unterscheiden. Nur letzteres ist sicheres
Hohlramu (Cavernen) Zeichen.
In zahlreichen anderen Fällen hat das Bronchial - Athmen den
hauchenden Charakter , den H, Oh oder Tracheal - Timbre. Diess ist
*) Die normal lufthaltige Lunge, dieser eigenthümlich schwammige, porös
gebaute Körper dämpft nicht allein den durchtretenden Schall , sondern ver-
nichtet auch das Klingende desselben. Wenn man Schall , der in einem ans
stossenden Zimmer entsteht, unhorbar machen oder dämpfen will , so schaltet
man zwischen die Thüre keinen festen oder flüssigen Körper, sondern einen
dishomogenen, porösen Körper (Sägemehl, eine Matraze und AehnlichesJ ein.
M;ni könnte theoretisch richtig auch Lungengewebe einschalten; wir wür-
den dann die im anderen Zimmer gesprochenen Worte nicht blos gedämpft,
sondern auch ohne jede Articulation und ohne jeden Klang hören ; wir würden
/.. B. nicht mehr erkennen , wer im anderen Zimmer spricht. Ich habe schon
vor Jahren mit Herrn Dr. Sattler zahlreiche Versuche in dieser Rich-
tung angestellt ; wir Hessen mittels eines Waldenburg'schen Apparates Gase
durch Kautschukröhren strömen; das Geräusch, das dabei entsteht, ist ganz
ebenso wie Bronchialathmen. Legten wir dann verschiedene poröse Körper auf
die Röhre, z. B. eine Lunge, so vernahmen wir das bronchiale Röhrengeräusch
weniger deutlich und weniger klingend , mehr schlürfend als hauchend ; abec
v e s i c u 1 ä r e s Athmungsgeräusch kommt auf diese Weise nie zu Stande ; ich
muss daran festhalten , den V e s i k e 1 n der Lunge bei Entstehung
des vesiculären Inspirationsgeräusches einen wesentlichen
activen Antheil zuzusprechen. Noch verschiedene andere Gründe,
die ich hier nicht anführen will, sprechen hiefür, so besonders der Umstand,
dass normalerweise bei Inspiration lautes Vesiculärathmen zu hören ist , wäh-
rend die Exspiration nur als ein kurzes, leises Schlürfen erscheint.
**) Vergl die interessanten Fälle bei Barthez n. Rilliet I.e. S. 555if.
***) Dasselbe hat häufig etwas »Sausendes« neben dem Klange, was
iunner bei schrägem Anblasen (z. B. bei der Flöte oder in den oben angefiüirten
Beispielen) zugegen ist.
Leiohtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 931
dann der Fall, wenn das in der Trachea und den grossen Bronchien vor-
handene klingende Athmen direkt von den Bronchialstämmen der Lun-
genwnrzel aus durch das Exsudat hindurch an unser Ohr üljertragen
wird. In wieder anderen Fällen hat das Bronchial-Athmen den exqui-
siten N a s a 1 - Timbre. Wir werden auf denselben sogleich zurück-
kommen.
Die S t i ni m e verhält sich ganz ebenso wie das Athmungsgeräusch ;
sie ist bald ganz aufgehoben , bald sehr al>geschwächt und unbestimmt,
bald ist die Stimme bronchial oder klingend. Die Verschiedenheit des
Verhaltens beruht auf den gleichen Verhältnissen , die wir soeben als
Ursache des aufgehobeneu, abgeschwächten und unbestimmten, und des
klingenden Athmens kennen gelernt haben.
Die Stimme hat ebenso wie das Athmen den Traoheal-Charakter (d.
h. sie klingt ebenso, wie wenn wir die Trachea auskultiren) dann, wenn
die in die Irachea und die grossen Bronchialstämme sieh fortpflanzenden
Stimmlaute von der Lungenwurzel aus direkt durch das Exsudat an un-
ser Ohr dringen. In anderen Fallen hat die Stimme ebenso wie das Ath-
men den exquisit näselnden Charakter, den Nasal- Timbr e.
Laennec hat diese Stimme sehr richtig mit einem bestimmten Namen,
dem der Aegophonie bezeichnet und nur darin geirrt, dass er sie als
pathognomonisch für pleuritisches Exsudat hinstellte.
Woher kommt der Nasal-Timbre der Stimme und des Bronchial-
Athmens? Dass er nicht in der Trachea und den grossen Bronchien ent-
steht, bedarf kaum der Erwähnung; die Stimme müsste sonst immer
näselnd sein, so oft sie bronchial ist; und dass sie diess nicht ist, da-
von kann man sich durch Auscultation der Trachea ülierzeugen.
Der Nasal-Timbre entsteht , wie sich durch ebenso einfache , als
schlagende Experimente mit Kautsehoukröhren zeigen lässt, nur allein
dann, wenn die Stimmlaute durch sp alt artig verengte, einander
genäherte Eöhrenwandungen hindurch geht, ebenso wie auch
unsere Stimme nur dann näselnd wird, wenn wir den Luftstrom beim
Sprechen durch die Nase gehen lassen und dabei die Nasenwände durch
Compression einander noch mehr nähern. Bei croupöser Pneumonie z. B.
sind zahlreiche Bronchien durch das zwischenliegende voluminöse Inh trat
seithch zusammengedrängt , spaltartig comprimirt, daher der näselnde
Timbre des Bronchialathmens und der Bronchophonie. Beim pleuritiscben
Exsudate sind eben^lls zahlreiche Bronchien durch Compression spalt-
artig vetengt. Geht der Schall durch diese hindurch, so hört man nä-
selnde Bronchophonie und näselndes Bronchialatlimen. Smd aber die
Bronchien total verschlossen, und findet die üeberleitung der Stimm-
laute direkt von den grossen Bronchialstämmen durch das E.xsudat zu
unserem Ohr statt, so ist die Stimme einfach bronchophonisch d. h. ohne
Nasaltimbre. Letzterer sagt uns somit immer, dass die Stimmlaute oder
das Athmungsgeräusch auf ihrem Wege von der Trachea und den gros-
sen Bronchien zum Ohr durch spalt artig verengte Bronchien hmdurch-
gecranaen ^ind. - Man frage sich nur, auf welche andere, als die ge-
schüde^rte Weise der Nasal-Timbve des Athemgeräusches und der Stimme
59*
932 KranMieiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
entstehen könnte, und mau wird zugeben müssen, dass diess auf andere
Weise nicht wohl möglich ist.
Ein bisher meines Wissens ganz üljerseheuer Puniit ist folgender:
Die spaltartige Verengerung der Bronchien und der dadurch hervorge-
rufene Nasal-Timbre der Stimme trägt wesentlich dazu bei, den fühl-
baren Peoto ralfremitus bei Pneumonie zu verstärken. Man berühre
nur die Nase , während man z. B. französische Nasenlaute ausspricht,
das Erzittern, der Fremitus ist dabei sehr stark. Singt man in ein Kaut-
schoukrohr hinein, so fühlt man nur ^ehr schwaches Erzittern der Wände,
sowie man aber an einer Stelle die Köhre spaltartig comprimirt, wird
der fühlbare Fremitus daselbst erheblich gesteigert.
Der physikalische Grund liegt nahe. Auch bei Pneumonie ist der
Stimmfremitus zuweilen nicht verstärkt ; das sind immer auch Fälle, wo
die Stimme keinen Nasaltimbre zeigt ; da wo dieser zugegen ist, ist der
Fremitus stets sehr lebhalt.
Der Pectoralfremitus ist aufgehoben oder erheblich abge-
schwächt. Ausnahmen sind sehr selten und kommen nur dann vor,
wenn die Lunge z. B. hinten-unten adhärent , vom Exsudate gegen die
Thoraxwand comprimirt wird. Dann kann der Pectoralfremitus sogar
verstärkt sein. Auch grössere bandtörmige oder membranöse Adhäsionen,
welche zwischen der an die Lungenwurzel comprimirten Lunge und
einem Punkt der Thoraxwandung segelartig straff ausgespannt sind *),
können die Stimmvibrationen gut leiten und zu umschriebenem Fremitus
Veranlassung geben.
Man kann die Frage aufwerfen, warum ist dei- Stimmfremitus auf-
gehoben oder abgeschwächt, während doch gleichzeitig starker Nasal-
Timbre der Stimme, Aegophouie vernommen wird? Die Antwort lautet,
weil die dazwischengelagerte Flüssigkeit die Schwingungen so dämpft,
dass sie nicht mehr von den Tastnerven, wohl aber noch von unserem
Trommelfell percipirt werden. Ein hübscher Versuch, welcher die Ver-
schiedenheit dieser Verhältnisse bei Pneumonie und Pleuritis klarlegt,
ist folgender: Wenn man auf den Rand eines hölzernen mit Wasser ge-
füllten Gefässes eine angeschlagene Stimmgabel aufsetzt , so fühlt man
längs des ganzen Eandes deutlich das durch die Stimmgabelschwing-
ungen hervorgerufene Erzittern. Taucht man dagegen die Hand ins Was-
ser , so fühlt man nicht die geringsten Erzitterungen. Wenn man da-
gegen, während die am Rande aufge.'ietzte StiuAigabel .schwingt, ein
Stethoscop in das Wasser taucht und auscultirt, so vei-uimmt man aus-
serordentlich laut den Stimmgabelton , lange noch , nachdem er in der
Luft längst ausgeklungen hat.
Oberhalb des pleuritischen Exsudates ist das Athmungsgeräusch
bald bronchial (durch Compression solidificirte Lunge !) , bald unbe-
stimmt, bald vesiculär. Knisternde , subcrepitirende oder auch feuchte.
"J Vergl. die hübschen Abbildungen bei Pirogoff, IL 6, 2, II, 18, 1
und bei Braune.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Symptome. Diagnose. 933
meist nicht klingende Rasselgeräusche werden häufig angetroffen. Der
Pectoralfremitus oberhalb des Exsudates ist bald normal stark, bald
stärker als an der symmetrischen Stelle der gesunden Seite. Es kommen
aber auch , wie ich mich bestimmt überzeugt habe , Fälle vor , wo der
Pectoralfremitus oberhalb von Exsudaten (in Folge starker Bron-
chitis und Sekretverstopfung der grösseren Luftäste) abgeschwächt ist ;
dann vollzieht sich der üebergang vom aufgehobenen Pectoralfremitus
des Exsudates zum intensiven der wandständigen Lunge ebenso all-
raählig, wie der üebergang vom absolut gedämpften zum intensiven
Percussionsschall. Li solchen Fällen unterstützt uns der Stimmfremitus
in der Bestimmung der Exsudatgrenze nicht. In anderen dagegen, wo
eine Zone von sehr abgeschwächtem Pectoralfremitus unmittelbar
an eine solche von intensivem Fremitus grenzt, ist dieser ein vorzüg-
liches Mittel zur Grenzbestimmung, das häufig viel sichereren Auf-
schluss giebt als die Percussion. Man palpire zum Zwecke der Grenz-
bestimmung leise, mit dem Ulnarrande des kleinen Fingers, während
die übrigen Fingersich gegenseitig berühren, so wie es Wintrich
gelehrt hat und es seitdem gelehrt wird.
Differentialdiagnostisch ist der Satz von Wichtigkeit: Ist der Pecto-
ralfremitus verstärkt , so ist Lungenverdichtung mit Bestimmheit anzu-
nehmen. Abschwächung derselben kommt ebensowohl bei Verdichtung
(z. B. bei totaler Obturation grösserer zuführender Bronchien durch
Schleim etc.) , als auch stets bei Exsudaten vor ; im ersten Falle ist
die Abschwächung meist vorübergehend (temporär) , im letzten Falle ist
sie permanent.
Es ist bekannt , dass die hohe Kinderstimme zur Erzeugung des
Pectoralfremitus weniger geeignet ist, als die Brummstimme der Männer;
bekannt ferner , dass unter normalen Verhältnissen der Pectoralfremitus
auf der rechten Seite, ich möchte sagen ausnahmslos, etwas stärker ist
(Verhältniss oft 1:2)*) als links. Die grössere Weite des rechten Bi-on-
chus, der eine fast geradlinige Fortsetzung der Trachea ist, während der
schmälere linke Bronchus mehr rechtwinklig abgeht , ist die Ursache
hiervon. Bei difficiler Prüfung ist es gut, beim Vergleich symmetrischer
Thoraxstellen stets auch das gleiche Wort — in England ist ninety-nine
gebräuchlich — aussprechen zu lassen.
Die Palpation gibt uns ferner Aufschluss über eine, zuweilen wich-
tige Erscheinung , nämlich das Verstrichensein oder die stärkere
Vorwölbung der Intercostalräume.
Es ist oft weniger das Verstrichensein, das auffällt, als vielmehr ein
erheblich vermehrter Widerstand, der sich geltend macht, wenn man die
*) Die Methode, der ich mich bediente , dieses Verhältniss in Zahlen aus-
zudrücken, bestand darin, dass ich die Entfernungen bestimmte, bis zu welchen
der Pectoralfremitus sich fühlbar fortpflanzte. Auch die Intensität des Pectoral-
fremitus an verschiedenen Thoraxstellen habe ich auf diese Weise bestimmt.
934 Krankheiten der Atbmungsorgane. Pleuritis.
Intercostalräume der kranken Seite einzudrücken versucht. Man erreicht
diess auf der gesunden Seite viel leichter, mit viel geringerem Wider-
stände und in viel ergiebigerer Weise.
Die Palpation giebt uns ferner die Annäherung der Eippen beim
Retrecissement zu erkennen.
Der Percussions- Widerstand, d. h. der Widerstand, welchen der per-
cutirende und der als Plessimeter dienende percutirte Finger beim
Klopfen fühlt, ist über Exsudaten ebenso wie auch über dichten Infiltra-
ten erheljlich grösser als über der normalen lufthaltigen Lunge. Pneu-
monie und Pleuritis durch den verschiedeneu Percussionswiderstand zu
unterscheiden, muss ich der individuellen Kunstfertigkeit und dem über-
feinerten Tastgefühl Anderer überlassen. Noch einen Schritt weiter, und
wir stehen wider vor den Piorry'schen Finessen, und unterscheiden wie-
der Herz-, Lelier-, Milz-Exsudat-Infiltratdämpfungen mit Hilfe der „pal-
patoi'ischen Percussion" !
Bei acuter trockener Pleuritis ist häufig Schmerzhaftigkeit bei
Druck in d i e I n t e r c o s t a 1 r ä u m e zugegen. Bei Pleuritis diaphrag-
matica soll die »Pression abdominale« Bichat's, d. h. ein tiefer Druck
in die Gegend dicht unterhalb des Rippenbogens besonders schmerzhaft
sein (V).
Ein wichtigeres Zeichen, das uns die Palpation liefert, ist das Fühl-
barsein pleuritischen Reil^ens. Vor Verwechsl ung mit fühl-
barem Rasseln muss man besonders in der Kiuderpraxis auf der Hut
sein !
Ueber die Thoraxmissstaltung beim Retrecissement haben wir be-
reits oben das Wichtigste auseinandergesetzt. Es erübrigt noch , die
dabei vorkommenden Erscheinungen von Seite des Zwerchfelles, des"
Mediastinums und Herzens zu erwähnen. Alle diese Organe werden
ebenso wie die Brustwand herbeigezogen , um den Raum zu erfüllen,
welchen das in die Blut- und Lymphgefässe zurückkehrende Exsudat
verlässt. Das Herz wird oft erheblich dislocirt ; bei linksseitigem Re-
trecissement habe ich die Herzspitze in der mittleren Axillarlinie an-
schlagen gesehen. Das Zwerchfell wird heraufgezogen, mit ihm die
Leber oder der Magen und die Milz. Das Mediastinum wird herbeige-
zogen , so dass die Percussions - Grenze zwischen der gesunden und der
kranken Seite längs des Sternalrandes der letzteren verläuft, denselben
zuweilen sogar noch überschreitet. Der Schall, den die einge-
zogene Seite bei Percussion gibt , ist weniger intensiv , als der der ge-
sunden Brusthälfte. Nicht allein , dass der Exsudatrest noch Schall
dämpfend wirkt , auch die von dicken Bindegewebsschwarten umklei-
dete, verdichtete Lunge gibt einen weniger hellen , häufig leer tympa-
nitischen Schall.
Ich kann den von W o i 1 1 e z aufgestellten Satz unterschreiben, dass
Leichtenstern, Krankheiten der Plevira. Symptome. Diagnose. 935
sich mitunter als erstes Zeichen der begonnenen Resorption eine durch
Mensuration nachwei.sbare Circumferenzahnalime der ektatischen Thorax-
seite geltend macht, während die percussorisohen Grenzen des Exsudates
sich gleich geblieben sind.
Es ist selbstverständlich, dass jene Organe am ersten wieder in ihre
Ruhelage zurückkehren, welche, wie die Rippen, das grösste Retraktions-
bestreben haben. Wie mit einem Schlage ändert sich zuweilen das schwere
Ivrankheitsbild der acuten exsudativen Pleuritis. Die C'irculation wird
wieder geordneter, der Puls kräftiger, die Cyanose verschwindet, die Dys-
pnoe mässigt sich und doch ist, wie die Percussion lehrt , das Ex-
sudat-Niveau unveränderlich das gleiche wie vorher. JVIan könnte die
Besserung einzig und allein auf Rechnung des Fieber-Nachlasses setzen.
Gewiss nicht mit Unrecht! Aber doch würde man dabei einen wesent-
licLen Faktor der eingetretenen Besserung übersehen! Die Resorption hat
begonnen, wenn auch die percussorisohen Exsudatgrenzen die gleichen sind
wie vorher, der nachtheilige Druck auf das Herz und die grossen Gefässe
ist geringer geworden, und wesentliche Hindernisse der Circulation halien
sich theilweise vermindert. Würde man genaue Thoraxmessungen ange-
stellt haben , so könnte man sich leicht überzeugen , dass die Ciroum-
ferenz der kranken Seite geringer geworden, während alle anderen Ver-
hältnisse, die Percussionssymptome , die Verdrängvingserfcch einungen des
Herzens, des Mediastinums und des Zwerchfelles sich gleich geblieben sind.
Bei linksseitigem Empyema necessitatis , welches einen Intercostal-
raum durch Verdrängung der Rippen erweitert und die Weichtheile des-
selben in grösserer Ausdehnung corrodirt und theilweise durchbrochen
hat, beobachtet man mitunter an der zu Tage liegenden, fluctuirenden,
subcutanen Eitergeschwulst von den Herzbewegungen abhängige Pul-
sationen, oder vielmehr Ondulationen mit herzsystolischer Verstärkung.
(Empyema pulsans.) In solchen Fällen, wo der subcutane Ab-
scess mit dem Pyothorax direkt communicirt, erzeugt jede Exspiration,
besonders aber forcirte Ausathembewegungen wie Husten, Pressen , eine
deutliche Spannungszunahme der Abscesswand , jede Inspiration eine
Spannungsverminderung. Aber auch das Umgekehrte kann vorkommen,
wenn das Empyem abundant und das convex nach unten voigewölbte
Zwerchfell bei jeder Inspiration höher tritt. — Die Unterscheidung eines
pulsirenden Empyemes von einem Aneurysma bietet keine Schwierig-
keiten dar. Abgesehen davon, dass an der Thoraxstelle, wo Empyeme
gewöhnlich durchbrechen, Aneurysmen so gut wie nie beobachtet wer-
den, kann sich Jeder leicht die diesbezüglichen difl'erentialdiagnostischen
Zeichen construiren.
Die Differentialdiagnose zwischen serösen und eitrigen Ergüssen
haben wir oben bereits kurz berührt. Die Unterscheidung wird auf voll-
kommen gefahrlose Weise gema. ht durch eine Probepunktion mit des-
inficirtem, capiUarem Troikart.
Ich habe mich zu gleichem Zwecke einer gewöhnlichen, gut schlies-
senden, desinficirten Pravaz'schen Spritze bedient. In englischen Kinder-
hospitälern sah ich diese Probepunktion selbst zur Unterscheidung zwi-
schen Pleuritis und Pneumonie ausführen.
936 Kranklieiten der Athmungsorgane. Pleuritis,
Guido B a c c 8 1 1 i *) hat zur Unterscheidung zwischen reinen serösen
und zellenreichen Exsudaten die Durchleitung der Flüsterstimme (Pecto-
riloquie aphone ou aphonic|ue) benutzt. Rein seröse Exsudate sollen die
Flüsterstimnie gut durehleiten, zelleni'eiche dagegen nicht. Trotz der zu-
stimmenden Urtheile fi-anzösischer Autoren halte ich die Akten Uher die
Brauchbarkeit dieser Methode noch keineswegs geschlossen.
Ueber die I n t e n s i t ä t s Veränderung, welche der Percussions-
scball bei Durchleitung durch Exsudate, Infiltrate, die normale Lunge etc.
erfährt , habe ich schon vor Jahren öfters Versuche angestellt. Jüngst
sind ähnliche Versuche auch von anderer Seite angestellt , dabei aber
der grobe Fehler begangen worden . dass man in gewöhnlicher
Weise percutirte, (hinten percutirte , vorne ausoultirte) und die Intensi-
tät des durchgeleiteten Schalles beider Seiten verglich. Nun giebt aber
eben die kranke Seite einen anderen Schall, als die gesunde! Die erste
Bedingung ist: Gleichheit des Schalles nach Intensität und son-
stigen Eigenschaften auf beiden Seiten. Diess habe ich erreicht durch
Anwendung der Plessimeter-Stiibchen-Percussion, wobei ich dicke Ples-
simeter benützte und leise percutirte. Für die Mittheilung der Resultate
dieser Untersuchungen ist hier nicht der Ort.
Therapie.
Viele der acuten trockenen Pleuritiden gehen ohne jede besondere
Therapie bei einfacher Bettruhe und Fieberdiät in Genesung über. Hat
man dabei durch Application eines Priessnitz'schen Umschlages oder
durch zweckmässige Darreichung von Opiaten die Schmerzen des Kran-
Icen gelindert , um so besser. Auch Fälle , die unter hohen Fieberer-
scheinungen in stürmischer Weise ihren Anfang nahmen, gehen auf
diese Weise oft gegen Erwarten schnell in Heilung über.
Als Hauptindikationeu liegen bei acuter Pleuritis vor: Die ent-
zündlichen Vorgänge auf der Pleura zu massigen und zu heben, der
Exsudation vorzubeugen ; sodann die symptomatischen Indicationen, das
Fieber und die davon drohenden Gefahren zu be,seitigen, den Schmerz
zu lindern.
In früherer Zeit galt der Hauptangriff von Seite der Therapie den
localen Vorgängen. Der ganze antiphlogistische Heilapparat wurde
in Gang gesetzt, »um die Entzündung zu massigen«, ihrer Weiterver-
breitung vorzubeugen. Man suchte das Ilebel an der Wurzel zu fassen,
die Pleuritis als solche aufzuheben. Unstreitig ein theoretisch richtiges
Bestreben ! Schade nur, dass die Mittel sich als imzureichend erwiesen,
die Entzündung zu bemeistern, und dass einige- derselben — wieder
Aderlass und wiederholte örtliche Blutentziehungen —
*J Sulla transmissione dei suoni attraverso i liquidi endopleurici. Estratto
dair Arch. di Med. Chir, ed Igiene. 1875. Disp. VII. e VIII.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Therapie. 937
nicht allein hinter der gestellten Aufgabe zurückblieben, sondern
andere, schwere Gefahren herbeiführten. Indem die Pleuritis wie
gewöhnlich nach dem Aderlasse fortdauerte, oder alsbald wieder
exacerbirte und ihren Verlauf verfolgte, betraf sie nun ein geschwächtes,
blutärmeres Individuum, mit geringerer Widerstandskraft, dessen Herz
den vermehrten Aufgaben der Circulation (S. 885) weniger gewachsen,
den Gefahren des Fiebers und der Herzinsufficienz leichter unterlag.
Ich will hier nicht auf eine Kritik des Aderlasses und der örtlichen
Blutentziehung bei der Pleuritis der Kinder eingehen , ich berufe mich
auf das, was Z i e m s s e n *) über diesen Gegenstand geschrieben, und auf
die unübertreffliche Klarlegimg des Werthes und der Folgen des Ader-
lasses in der Pneumonie von J ü r g e n s e n **).
Der Aderlass und die örtlichen Blut entziehungen
beiderPleuritis derKinder, vorgenommen in der Ab-
sicht, die entzündlichen Vorgänge dadurch zu bemei-
stern, sind unbedingt zu verwerfen.
In der gleichen Absicht , gegen die Entzündung selbst zu wirken,
wird die Kälte und das C a 1 0 m e 1 angewendet. Beide Mittel haben
vor den eben genannten den Vorzug, dass sie auch für den Fall, dass
sie wenig oder nichts nützen, doch keinen Schaden stiften. Dass der ent-
zündliche Process durch Kälte gemindert und rückgängig wird, mag für
seltene Fälle richtig sein; dass das Calomel „entzündungswidrig" wirkt,
ist Glaubenssache.
Die therapeutische Aufgabe, den örtlichen Entzündungsprocess
aufzuheben, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Wir werden natürlich
Alles vom Kranken ferne halten, was die Entzündung inöglicherweise
steigern könnte , strenge Bettruhe anordnen , für gleichmässige Tem-
peratur, gute Luft, angemessene Diät etc. sorgen.
Die Application der Eisblase , das Calomel innerlich können ver-
sucht werden.
Vermögen wir die Entzündung als solche nicht aufzuheben, so sind
wir doch im Stande, den Folgen derselben entgegenzuwirken, insbeson-
dere auch jenen, welche gefahrbringend sind. Dahin gehört bei acuter
Pleuritis das Fieber mit seinen schädlichen Wirkungen auf das Herz,
ferner das Exsudat ^ mit seinem nachtheiligen Druck auf die Lungen,
den Pulmonalkreislauf und das Herz.
Das Fieber bei Pleuritis war von jeher ein Hauptangriffspunkt
der Therapie ; der alte antiphlogistische Heilapparat, der Aderlass , die
örtlichen Blutentziehmigen, L a e n n e c's Tartarus stibiatus Mixtur, das
*\ Pleuritis u. Pneumonie im Kindeaalter 1862. S. 126 — 128.
** Ziemssen's Hdb. d. sp. Path, u. Therap. V. Bd. IL 2. Aufl. S. 191-193.
938 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Calomel, Nitruui etc. waren ebenso sehr gegen das Fieber gerichtet, als
gegen den örtlichen Entzündungsprocess. »Bei sehr hohem Fieber und
rapid aiisteigeudeni Exsudat« räth Fränt z el noch in jüngster Zeit die
Vornahme der Yenäsection ! Ich kann mich mit diesem Rathe nicht einver-
standen erklären nnd halte den, in der Aljsicht, das Fieber zu vermindern,
unternommenen Äderlass aus den gleichen Gründen und ebenso ver-
werflich, wie dieVenäsection zur Mässigung des entzündlichen Processes*).
Mit der besseren Einsicht in die Gefahren des Fiebers machte sich
auch in den Indicationen und der Methode der Antipyrese ein wesent-
licher Fortschritt geltend. Es ist nicht unsere Aufgabe, einen Krankeai
mit acuter Pleuritis durch fortwährende Verabreichung von Antipyre-
ticis oder immer wieder repetirte kalte Bäder vollkommen fieberlos zu
erhalten , als vielmehr eine hohe Continua als solche nicht länger an-
dauern zu lassen. Wir suchen das continuirliche Fieber in ein remitti-
rendes oder intermittirendes zu verwandeln, dem längeren Verweilen
des Kranken auf hohen Temperaturgraden vorzubeugen. Wir folgen
damit der praktischen Erfahrung, die uns lehrt, dass ein intermittiren-
des Fieber lange ohne wesentliche Gefahren ertragen wii'd , dass da-
gegen eine hohe Continua die Erscheinungen der Herz-Insufficienz schon
nach kürzerer Dauer im Gefolge hat.
Auch hinsichtlich der Wirkungsfähigkeit und der Wirkungsgrösse
der Mittel, mit welchen wir zu rechnen haben, ist durch die exakten,
auf zahllose Experimente am Krankenbette gestützten Untersuchungen
der Neuzeit ein wesentlicher Fortschritt angebahnt worden. Die That-
sachen , welche wir Brand, Bartels und J ü r g e n s e n hinsichtlich
der Wirkung der k a 1 1 e n Bäder, L i e b e r m e i s t e r ü her die anti-
pyretische Wirkung des Chinins, Buss über die von ihm entdeckte,
sichere und gefahrlose Wirkung der Salicyl säure verdanken, haben
der antipyretischen Methode einen festen Untergrund verschafft. Die
Einwände , welche hin und wieder noch gegen die Wirkungsfähigkeit
dieser Mittel geltend gemacht, die Befürchtungen, welche hinsichtlich
der Gefahren derselben geäussert werden , beruhen auf Mangel an Er-
fahrung , zuweilen sind sie nichts Anderes, als der Protest der Bequem-
*) Vergleichen wir damit die Vorschriften einer Autorität der illteren
Schule (Barthez): »Die Entzündung der Serosa erfordert (necessite) die Ent-
ziehung einer gewissen Quantität Blut. Das antiphlogistische Verfahren hat
sich nach dem Alter, Krilftezustand des Kranken, nach der Intensität und Form
der Entzündung zu richten. Bei Kindern von 2 — 6 -Jahren setzt man 3—6
Blutigel in die leidende Seite , bei älteren Kindern macht man einen Äderlass
von 'ti— 3 Paletten. Im Nothfall , wenn Schmerz und Dyspnoe sich nicht ver-
mindern, wiederholt man die Blutentziehung. Dieselbe wird bei hohem Fieber
und schwerer Dyspnoe unterstützt durch eine Tart. stibiat. Mixtur, oder durch
die 2stündliche Darreichung von Calomel in der Einzeldosis von 0,05.«
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Therapie. 939
lichkeit, welche ungern von der alten gemächliclien Schablone abweicht.
In den meisten Fällen von Pleuritis lässt das Fieber nach wenigen
Tagen spontan nach , wird remittirend oder intermittirend. Für eine
grosse Zahl dieser Fälle besteht zu keiner Zeit die Indication zu ener-
gischer Antipyrese. Die »milden« Antif ebrilia , das Caloniel, Nitrum
oder die stärkere Digitalis werden in solchen Fällen oft angewendet; und
ihnen zu Gute rechnet man dann den spontanen Nachlass des Fiebers.
In anderen Fällen hält das Fieber als höhere Continua längere Zeit
an, zieht sich über den dritten und vierten Tag hinaus fort, macht keine
Miene zu spontaner Remission. Nun darf, wenn nicht andere dringendere
Indicationen, z. B. von Seite des rapid steigenden Exsudates concurrireu,
mit der Antipyrese nicht länger gezögert werden. Auch Solche , die
sich von der durch Nichts zu ersetzenden vortheilhaften Wirkung des
kalten Bades bei Behandlung des Abdominaltyphus überzeugt haben,
scheuen häufig vor der Kaltwasserbehandlung der acuten Pleuritis zu-
rück. Ich halte diese Befürchtung, welche besonders das schnellere An-
steigen des Exsudates im Auge hat, für nicht begründet. Eine andere
Frage ist die : darf man Pleuritiker mit hohem continuirlichem Fieber
und gleichzeitiger schwerer Dyspnoe und Cyanose kalt baden? Die
Cyanose und Dyspnoe, sowie namentlich der Puls lehren uns in solchen
Fällen , dass die Herz- und Athmungsthätigkeit insufficient sind , dass
besonders auch das Herz nicht im Stande ist, die gesteigerten Wider-
stände im kleinen Kreislauf, hervorgerufen durch die Lungencompres-
sion, zu überwinden; oft ist diese Insufficienz hauptsächlich durch das
Fieber bedingt, welche das Zustandekommen der compensatorischen
Thätigkeitssteigerung des Herzmuskels verhindert. Hier gelten hin-
sichtlich der Anwendung der kalten Bäder die gleichen Vorsichtsmass-
i-ugeln , welche liei Behandlung der croupösen Pneumonie mit kalten
Bädern berücksichtigt werden müssen, wenn man vor unliebsamen Zwi-
schenfällen bewahrt bleiben will. Die Beachtung des Pulses neben der
Fiebercurve muss hier eindringlichst empfohlen werden, und der auf ein
grosses Beobachtuugsmaterial gestützte Eath Jürgensens, den er
für die Behandlung der Pneumonie mit kalten Bädern gibt, nämlich mit
Reizmitteln unter solchen Umständen nicht zu sparen, muss für die
Kaltwasserbehandlung der Pleuritis in vollstem Umfange anerkannt
und zur Regel erhoben werden. — An die kalten Einwicklungen, die
allmählig abgekühlten Vollbäder Ziemssen's, die 20—30 Minuten
dauernden lauen Bäder von 20—24" R. in den frühen Morgenstunden,
wiesie Jürgen sen*) empfiehlt, möchteich, als auf mildere Proce-
*) 1. c. S. 177.
940 Krantheiten der Athmtingsorgane. Pleuritis.
dnren , wenigstens für die ersten Badeversuche , in Kürze erinnern.
Ich finde es vollkommen gerechtfertigt , dass man in Fällen von
acuter Pleuritis mit den ausgeprägten Erscheinungen der Herz-Insuffi-
cienz , das Fieber auf andere Weise als durch kalte Bäder , aus einem
continuirlichen in ein remittirendes zu verwandeln vorzieht. Am besten
empfiehlt sich hiezu das Chinin, angewendet in grossen Dosen und mit
Intervallen von mindestens 48 Stunden; in zweiter Linie die Salicyl-
säure als Natronpräparat. Beide Mittel lassen sich in zweckmässiger
Weise und völlig gefahrlos alternirend in 24stündigen Intervallen an-
wenden. Wiederholte kleine Dosen von Chinin und Salicylsäure sind
antipyretisch so gut wie wirkungslos.
Die Dosis von Chininum sulphurieum , welche nothwendig ist zur
Hervorbringung einer genügenden antiiiyretisclien Wirkung, beträgt 0,2
bis 0,5 Gm. bei 1 — 2jährigen, 0,5 — 0,1 Gm. bei 3jährigen, 1 — 1,5 Gm.
bei 6 — 10jährigen Kindern. Vom Natron salicylicum genügen 1,5—8,0
Gm., je nach dem Alter.
Ueber die Art der Anwendung dieser Mittel 7Aim Zwecke einer er-
giebigen Antipyrese, über Dosirung, Zeit der Darreichung, Wiederholung
der Gaben verweise ich auf das, was über den gleichen Gegenstand in
verschiedenen Kapiteln dieses Handbuches bereits ausführlich erörtert
wurde.
Vrgl. ferner L i e li e r m e i s t e r, Hdb. d. Path. u. Ther. d. Fiebers,
S. 641-644. — Jürgensen, Pneumonie I.e. S. 179—83. — E. Ha-
genbach, Jahrb. f. Kinderheilk. N. F. V. S. 181. — C. Binz, ibid. I.
— G. i] ayer, ibid. VI. 271.
Die Digitalis in antipyretischen Dosen anzuwenden,
scheue ich mich, besonders in Krankheiten, wie bei Pleuritis, wo das
Herz zur Ueberwindung von Kreislaufshindernissen Maximal-Arbeit zu
leisten hat und jede Verminderung der Leistungsfähigkeit schwere
Gefahren mit sich führt. Ich berufe mich hier auf die gewichtige Auto-
rität .Türgensen's*). Dageg(3n spielt die Digitalis, in klemen Dosen,
am besten im Infus, vorsichtig und unter steter Beachtung des Pulses
angewendet, die Rolle eines mächtigen Herz-Stimulans, da.s, wenn die
Zeichen von Herz-Insufficienz, mangelhafte Füllung des arteriellen, Blut-
anhäufung im venösen System, auftreten, oft gute Dienste leistet, indem
es wie bei Mitralklappenfehlern und Herzdegeneration, die gestörte Com-
pensation wiederiler^tellt und sie las zum Eintritt der compensatorischen
Herzhypertrophie oder des Exsudatstillstandes und Fiebernachlasses auf-
recht erhält.
Der antipyretische Effekt des besonders in der Kinderpraxis so be-
liebten Calomels soll nicht geläugnet werden, — worin die „umstim-
mende" Wirkung desselben beruhen soll, verstehe ich nicht — aber die
Besiegung höherer Fiebergi-ade wird von diesem Mittel niemals mit Si-
cherheit erwartet werden dürfen. Das Gleiche gilt vom Nitrum, den
Säuren, und von dem, weil Herzgift, zu verwerfenden Brechweinstein.
*) i. c. S. 183.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Therapie. 941
Von dem Augenblicke an , wo das Fieber spontan remittirt , oder
wie bei chronischer exsudativer Pleuritis intermittirt und als Febris
hectica verläuft, sind die direkten, unmittelbaren Wirkungen des Fiebers
auf das Herz — vorausgesetzt, dass dieses nicht extreme Grade erreicht
— von geringerer Bedeutung , grösser dagegen die Gefahren, weiche
aus der durch das Fieber bedingten schweren Ernährungsstörung,
aus der C 0 n s u m p t i 0 n der Körperbestaudtheile erwachsen, Gefahren,
die mittelbar auch dem Herzen drohen.
Die Febris hectica durch Antipyretica auf die Dauer zu beseitigen,
ist erfahrungsgemäss nicht ausführbar, wiewohl es Fälle giebt,
wo eine zeitweise verabreichte antipyretische Ghinindosis das Fieber
auf mehrere Tage — wie die Betrachtung mancher Fiebercurven
lehrt — mässigt ; wir erfüllen die Indication , das chronische , inter-
mittirende, die Körperparenchynie allmählig verzehrende Fieber zu be-
kämpfen auf andere Weise , indem wir der Entzündungs-Localität , dfem
»Fieberheerd« , der exsudativen Pleuritis unser Augenmerk zu-
wenden.
Es ist eine durch unzählige Erfahrungen bestätigte Thatsache, dass
das Aufhören des Fiebers, die Hebung des Appetites und Bess e-
rung der Ernährung und der Beginn der Resorption zeit-
lich zu coincidiren pflegen. Welche von diesen drei Erscheinungen ist
die primäre , die die anderen nach sich zieht ? Wenn wir wissen , an
welcher Stelle dieser Circulus vitiosus von der Natur durchbrochen zu
fl'erden pflegt, so zeigt uns diess die Richtung an, in welcher auch unser
therapeutisches Thun die Hebel ansetzen muss.
1) Es ist Erfahrungsthatsache, dass häufig unmittelbar nach der
operativen Behandlung pleuritischer Ergüsse das Fieber abfallt, und
damit der Appetit und Ernährungszustand der Kranken sich rasch und
wesentlich bessert. Hierauf gestützt glaube ich , dass häufig auch bei
der Spontanheilung pleuritischer Exsudate jene uns unbekannten Ver-
änderungen in dem Gewebe, den Blut- und Lymphgefä.ssen der entzün-
deten Pleura , welche die Resorpti on bedingen und einleiten, das
Primäre sind, dem Fiebernachlass und Besserung der Ernährung nach-
folgen. Diess giebt uns einen Fingerzeig, wo wir anzufassen haben,
um den aus den genannten 3 Gliedern bestehenden Circulus vitiosus zu
durchbrechen. Wir haben den Beginn der Resorption anzu-
streben.
2) Wir beobachten aber auch Fälle, wo als erstes Zeichen der Bes-
serung Abnahme des Fiebers und Besserung des Ernährungszustandes
beobachtet wird, während die percussorischen Exsudatgrenzen, die Tho-
rax-Circuniferenzen in den verschiedensten Horizontalen gemessen , die
942 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Verdrängungssymptome noch längere Zeit sich vollkommen gleich
bleiben. Später erst beginnt auch die Resorption merkbar zu werden.
In diesen Fällen ist allerdings der Fiebernachlass die erste wahrnehm-
bare Erscheinung ; aber die Ursachen dieses Fiebernachlasses beruhen
in Nichts Anderem, als in dem Eintreten jener uns unbekannten Ver-
änderungen des Entzündungsheerdes, von welchen , wie wir eben sahen,
auch die Resorption abhängt. Diese Veränderungen waren um diese
Zeit noch nicht stark genug , um die Resorption merklich in Gang zu
setzen , wohl aber stark genug , um einen Nachlass des Fiebers zu be-
dingen. Die thei'apeutische Indication , welche aus dieser Erfahrungs-
thatsache hervorgeht , wäre: jene uns unbekannten Veränderungen im
Entzthidungsheerde (Fieberheerde) herbeizuführen, von welchen der
Fiebernachlass und die Resorption abhängen. Da wir aber zu diesem
Zwecke keine anderen Mittel kennen, als jene, welche auf die Beförde-
rung der Resorption abzielen, so fällt diese therapeutische Indication
mit der zuerst genannten, die Resorption anzustreben, zusammen.
Dass nur jener, durch spontane Veriindeiungen im Entzündungs-
heerde hervorgerufene Fiebernachlass es ist, der als Heilung verkünden-
der Vorläufer der Resorption betrachtet werden darf, lehrt die Erfah-
rung ; wenn wir auf künstlichem Wege durch Antipyretica das hektische
Fieber auch häufig und durch fortgesetzte Gaben selbst auf längere Zeit
unterbrechen, so erzielen wir damit doch in den seltensten Füllen einen
günstigen Einfluss auf die Resorption des Exsudates.
Endlich kommen 3) Fälle vor, wo das Fieber und das Exsudat-Ni-
veau sich wochenlang vöUii; gleichbleiben, wo es aber trotz des Fie-
bers durch zweckmässige Diät , durch eine consequente Milch- und
Leberthrankur gelingt, den Ernährungszustand des Kranken zu bessern.
Nicht selten sehen wir in diesen Fällen den allmähligen Fiebernachlass
und den Beginn der Resorption nachfolgen.
Aus dieser Erfahrungsthatsache geht eine zweite wichtige Indi-
cation hervor, nämlich den Ernährungszustand des Kranken ni ö g-
li chst zu heben und zu bessern.
Unter den genannten drei Gliedern des Circulus vitiosus hängen
zwei aufs allerinnigste zusammen , das F i e b e r und die E r n ä h r u n g.
Wäre das Fieber nicht , .so würde die Abmagerung und der Kräftever-
fall nicht 7,n Stande kommen , wäre das Fieber nicht , so Hesse sich der
Organverlust decken , der Ernährungszustand leicht bessern und heben.
Von diesem Gesichtspunkt aus, zum Zweck der Ernährung, wäre es beim
hektischen Fieber vortheilhaft , zeitweise längere Unterbrechungen
des Fiebers durch Antipyretica eintreten zu lassen ; die Ausführung ist
möglich, aber alle die wirksamen und in wirksamen Dosen verabreichten
Antipyretica erzeugen gewöhnlich stärkere Appetitlosigkeit ; und bis
L e i c h t e n s t e r n, Krankheiten der Pleura. Therapie. 943
sich der Appetit bessert , ist auch die Wirkung der Antipyretica ver-
flogen. Ein neuer Circulus vitiosus ! Ich glaube, wir müssen darauf
verzichten, durch Antipyretica die Ernährung fördern zu wollen, und
die Aufgabe vielmehr dahin präcisiren, trotz des vorhandenen hekti-
schen Fiebers, gegen das wir nun einmal nicht autkommen können, den
Ernährungszustand des Kranken zu heben. Wir erreichen diess durch
eine zwecltmässige roborirende Diät. Von der richtigen Einsicht in
den Nähr- und Verdauungs-Werth der einzelnen Nahrungsmittel hängt
hier Alles ab ; Vieles aber auch von der Zubereitung , der Abwechslung
der Speisen, von verständiger Berücksichtigung individueller Neigungen
und Abneigungen, von der autoritativen Strenge und Bestimmtheit, mit
welcher der Arzt seine Anordnungen bis ins Detail hinein trifft und
über ihrer Ausführung wacht.
Zu den souveränsten Mitteln — obendrein im Kindesalter! — ge-
hört die Milch. Ich habe einen Kranken (Erwachsenen) mit nach den
Lungen durchgebrochenem Empyem unter einer consequenten Milch-
behandlung innerhalb dreier Monate um 27 % an Gewicht zunehmen
sehen. Wird Leberthran ertragen , so kann dieser — in steigender
Dosis bis zu G — 10 Löffeln im Tage verabreicht — den günstigen Ein-
fluss der Milchkur unterstützen.
Wird Milch nicht ertragen, so ist man auf die Zufuhr anderer Nah-
rungsmittel beschränkt, auf die verschiedenen Plei&chsorten, in zweck-
mässiger Zubereitung und mit Abwechslung , auf Milchspeisen , Eier,
künstliche Peptone , Nestle'sche Kindernahrung etc. Die vorzügliche,
ernährende Wirkung rohen geschabten Rindfleisches , mit Tokajer- Wein
theelöflfelweise verabreicht, halie ich besonders bei kleinen Kindern hoch
schätzen gelernt.
Eine Reihe von anderen Mitteln wirkt Apetitanregend und unter-
stützt unsere Ernährungsversuche ; dahin gehören starke Rothweme,
gutes starkes Bier, Fleischbrühen, verschiedene Arzneimittel, wie Chinin
in kleinen Dosen, Rheum., die Tinct. amara, das Extr. Chinae composii.,
Eisenpräparate u. A. Zu den auf die Hebung des Ajietites und Ernäh-
rungszustandes abzielenden Mitteln rechne ich Bäder (mit aromatischen
Zusätzen oder mit Kochsalz), Seebäder, crute Luft, Aufenthalt im Freien
bei guter Witterung, Wechsel des Aufenthaltortes, Landlutt, Aufenthalt
in einem Alpenkurort (Engellierg, Stachelberg etc.) , Ueberwinterung in
klimatischen Kurorten u. A.
Wenden wir uns zu der ersterwähnten Indication, die R e s o r p t i o u
d e s E X s u d a t e s a n z u r e g e n. Alles was die Ernährung des Kranken
bessert, befördert auch die Resorption. Die eben gegebenen diätetischen
Vorschriften sind daher auch ResorptionsbefiJrdernde. Namentlich ist
hier noch einmal der Milch , des Leberthranes , des Eisens zu gedenken.
Die von Laennec vorgeschlagene Einreibung mit Ung. cinereum,
nach Art einer förmlichen Schmierkur abwechselnd an verschiedenen Kür-
944 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
perstellen eingerieben, halte ich besonders in der Kinderpraxis für ganz
verwerflich. Auch von den verschiedenen Hautreizen (trocknen Schröpf-
köpfen, Siuapismen, Vesicatoren) «ist weder als entzünduugswidrigen noch
Kesorptionsbefördernden Mitteln etwa.s zu erwarten. Der Sinapismus hat
sich besonders in der Kinderpraxis eine Stelle unter den „Hausmitteln"
erworben. Er wirkt zuweilen Schmerz-stillend im acuten Initialstadium
der Pleuritis, ist aber durch andere Mittel leicht ersetzlicb. Die früher
übliche Methode, ein grosses Vesicans ülier die ganze Brusthälfte zu legen,
muss als eine barbarische, höchst schmerzvolle fiebersteigernde verworfen
werden. Barthez und Rilliet sahen überdies« keine günstigen Er-
folge dabei.
Beliebt und bis vor Kurzem vielfach empfohlen sind Jod-Bepinse-
lungen der kranken Seite. Ihr Nutzen erscheint mindestens zweifelhaft,
die Möglichkeit zu schaden liegt nahe. Eines noch grösseren Eufes er-
freuen sich die Jodmittel innerlich als Jod - .Jodkali - Mixtur , Jodsoda-
Wasser (Heilbrunn und Krankenbeil in Bayern, Hall in Oesterreich etc.)
und um die roborirende Wirkung des Eisens damit zu verbinden, das
auch von Ziems sen *) warm empfohlene J o d e i s e n. Auf die jod-
und bromhaltigen Kochsalz-Bäder möge hier noch in Kürze hingewiesen
sein.
Als Kesorptionsbeförderndes Mittel steht in hohem Ansehen die
W ä r m e. Wir wenden sie an in Form Priessnitz'scher Umschläge, oder
noch wirksamer von Gataplasmen. Die Furcht, ein seröses Exsudat da-
durch eitrig zu machen , darf uns in der Anwendung derselben nicht
beirren.
Von den diaphoretischen Mittebi sind warme Bäder (28 —
29° R.) von 'A — Vastündiger Dauer mit nachfolgender Einpackung zum
Schwitzeulassen, wie Ziems sen versichert, oft von unverkennbarem
Nutzen. Chronisches Exsudat mit Abwesenheit von Fieber ist auch hier,
wie in so vielen der im Vorhergehenden geschilderten Proceduren und
Mittel die stringente Voraussetzung ihrer Anwendung. Die Folia Jabo-
randi habe ich bei pleuritischen Exsudaten nie angewandt, sie werden
von Einigen warm empfohlen.
Von den Diureticis habe ich mich wiederholt des Liquor Kali
acetici bedient, ohne einen wesentlichen Nutzen bemerkt zu haben.
Das Gleiche dürfte von anderen diuretischen Mitteln und Proceduren
(Einverleibung reichlicher Quantitäten destillirten Wassers, von Selterser-
Wasser mit Milch, Tartar. boraxat., Squilla etc.) gelten. Die Indication
zur Anwendung der Digitalis habe ich oben kurz berührt.
Fräntzel hat „den glänzendsten Frfolg" in Bezug auf Steigerung
der Diurese und Resorption vom Gebrauche des China decoctes mit Kah
aceticum gesehen.
Was die von M. Baron in der e.xsudativen Pleuritis der Kinder
dringend empfohlenen Abführmittel anlangt, die in Fräntzel**)
neuerdings einen begeisterten Lobredner fanden, so trete ich der An-
*) 1. c. S. 138.
*) 1. c. S. 399. 401.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Therapie. 945
fcicht Zienissen's bei, der ihnen wenig Nutzen und häufig Schaden zu-
spricht. Der gleichen Ansicht sind Krause u. A.
Der Schroth'.schenKur, oder Durstkuren, welche darauf ausgehen,
eine Concentration den Blutserums herbeizuführen und dadurch die Di-
fusionsgeschwindigkeit zwischen Blut und Exsudat zu erhöhen, möchte
ich, besonders im Kindesalter, selbst bei der sorgfaltigsten üeberwach-
ung von Seiten des Arztes, ein „non licet" entgegenhalten.
Von den meisten der im Vorhergehenden augeführten Arzneimittel
und Kuren gilt, da.ss sie überhaupt nur bei chronischem, stationär ge-
wordenem Exsudate, wenn das Fieber nachgelassen hat, in Frage kom-
men können. Alle Arzneimittel ferner, welche der wichtigsten Indicat ion bei
chronischen Exsudaten, der Besserung des Ernährungszustandes des Kranken
durch Apetitverderbniss entgegenwirken , sind unbedingt zu verwerfen.
Die wichtige Indication der S c h m e r z s t i 1 1 u n g bei acuter Pleu-
ritis kann auf verschiedene Weise erfüllt werden. Die Kälte, in Form
kalter Umschläge oder der Eisblase angevf endet, wird von manchen
Kranken nicht ertragen ; sie erregt Husten und steigert dadurch den
Schmerz. In anderen Fällen ist diess nicht der Fall, und die Kälte wirkt,
wie Ziemssen*) an zahlreichen Beobachtungen zeigt, vorzüglich
schmerzlindernd. Zu den schmerzstillenden Mitteln gehören ferner der
Sinapismus und besonders die Priessnitz 'sehen Umschläge ; nur in den
seltensten Fällen sind Narkotica nöthig.
Die Anwendung der Letzteren im Kindesalter, besonders im 1. Lebens-
jahre erfordert die grösste Vorsicht in der Dosirung und sorgfältige
Uebervvachung der V\^irkung. Doch gehen Jene zu weit, welche auf An-
wendung dieser Mittel im ersten Lebensjahre gänzlich und principiell
verzichten. Einzeldoseu von ä — 2 7^ Milligramm von Morphium aceticum,
mit Vorsicht wiederholt, sind, wieZiemssen mitKecht den zu Furcht-
samen entgegenhält , völlig gefahrlos.
Die Indication zur Anwendung stärkerer Reizmittel wird her-
beigeführt durch das Auftreten von Zuständen schwerer Herz- Insuffi-
cienz mit CoUaps, durch Ohnmachts- Aufalle.
Sind die Kranken soweit, dass sie sich ausser Bett bewegen oder
ins Freie gehen dürfen , so versäume man nicht , auch hinsichtlich der
Kleidung (Tragen von Flanell - Unterjacken !) zweckmässige Anord-
nungen zu ertheilen, und den Aufenthalt im Freien von der Witterung
(der Temperatur und Windrichtung) abhängig zu machen.
Eine vor.^ichtig und rationell geleitete Heil-Gymnas tik ist in
Fällen, von chronischem Reträcissement thoracique, besonders bei Kindern,
die schönsten Eesultate zu erzielen im Staude, üeber den Zeitpunkt,
wo mit der Gymnastik zu beginnen ist, über die Art und Weise, wie
dieselbe eingeleitet werden soll — Turnen, schiefer Sitz, Streckbett etc.
— lehrt die Orthopädie das Nähere.
*) 1. c. S. 129. 133.
Handb. d. Kinderlcr.-inUheitrn. III. 2, Ol)
946 Krankheiten der Atlimuiigsoigane. Pleuritis.
Oft führen die im Vorhergehenden geschilderten therapeutischen
Massregeln nicht zum erwünschten Ziel. Das Exsudat - Niveau bleibt
Wochen hindurch unverrückt annähernd das gleiche, das hektische
Fieber dauert fort, und unter seinem Einflüsse sinkt die Ernährung und
der Kräftezustand des Kranken von Woche zu Woche. Unter diesen,
sowie noch verschiedenen anderen Umständen macht sich die Indication
zur operativen Eu tfern ung des Pleuraexsudates immer
dringender geltend. ;iil umF
Nicht leicht ist über die Zulässigkeit und Dringlichkeit-, üher die
ludicationen , Vortheile und Gefahren, über die bei der Ausführung zu
verfolgende Methode einer Operation grössere Discussion gepflogen
worden, als über die Thoracocentese bei pleuritischen Exsudaten. Es
liegt nicht im Plane dieses Handbuches , die in einer grossen Casuistik,
in ausserordentlich zahlreichen Abhandlungen und Journalaufsätzen
vorliegende Frage nach allen Seiten eingehend zu erörtern.
Auf die Geschichte der Operation können wii' hier nicht näher ein-
gehen , obwohl es sich verlohnen würde , dieselbe überall an die Spitze
zu steUen ; ist doch noch vor wenigen Jahren ein längst bekanntes , auf
hiesiger medicinischer Klinik schon 1872 geübtes Verfahren , die von
B 0 w d i t c h (1852), D i e u 1 a f o y (1869) angegebene Aspiration mit An-
wendung capillarer Troikarts oder Hohlnadeln, als eine neue Methode
Ijeschiieben worden.
Das Verdienst, die operative Behandlung der Pleura-Exsudate, welche
Hippocrates bereits bekannt war, und von den Chirurgen aller
Zeiten nach verschiedenen Methoden , meistens durch I n o i s i o n aus-
geführt wurde, zu grösserer Anerkennung und Verl.ireitung gebracht und
der Anwendung des Troikart's endgiltig Eingang verschafft nu haben,
gebührt unstreitig T r o u s s e a u *) (1840) und Reybard**) (1841).
In Frankreich wich , seit T r o s s e a u ' s Initiative , die Frage nach
den Indicationen und Methoden der Opei'ation nicht mehr von der Ta-
*) Journ. de med. Nov. 1840.
**) Gaz. nie'd de Paris 1841.3.4. Er gebrauchte zuerst eine Ventil-
k a n ü 1 e, mit welcher ein Stück nassen, zusammengedrückten Darmes in Ver-
bindung gesetzt wurde. T r o u s s e a u bediente sich erst später der gleichen
Methode. •
Den Geschichtschreiberu der Thoracocentese nicht bekannt ist der folgende,
historisch wichtige Punkt : Schon 1842 construirte Sno w (Lond. med. Gaz. Jan.)
einen Troikart mit Hahn. Nach dem Einstiche wurde das Stilet hinter den
Hahn zurückgezogen, - eine Marke bezeichnete diese Stelle — der Hahn ge-
schlossen, das Stilet gann ausgezogen, eine elastische Röhre angesetzt und nun
mit einer der Magenpumpe ähnlich construirten Spritze die Flüssigkeit ausge-
zogen. Auch Schuh (1841) bediente .sich einer Spritze, wenn die Kxsudat-
flüssigkeit nicht freiwillig folgte. Guerin legte bereits 1839 der Akademie
eme Arbeit über die »subcutane Thoracocentese -< vor. Der Apparat bestand
aus einem durch Hahn verschliessbaren Troikart und einer Spritze, welche ab-
wechselnd die Aspiration und Evacuation gestattete. Der Hahn wurde ge-
schlossen, wenn das Stilet liinter denselben zurückgezosren war. Guerin heilte
von 11 Fällen 8!
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Therapie.
947
gesordnung der Tersohiedenen medicinischen Societäten *). In Deutschland
folgten Skoda und Schuh (1841), welche die Operation mit dem be-
kannten Trog-Troikart in zahlreichen Füllen ausführten, aber ungünstige
Resultate erzielten **). In England erhoben sich gegen die gering.schatzigen
Aeusserungen H. Bennet's (1843) über die Thoracocenteso H. M.
Hughes und E. C o c k (1843) ebenso vorsichtige , als beredte Ver-
theidiger der Operation.
Ein wesentlicher Fortschritt in der Function pleuritischer Ergüsse
wurde 1852 durch den Bostoner Arzt B o w d i t c h in die Praxis einge-
führt , die Aspiration mittels einer der Magenpumpe ähnlich con-
struirten Spritze , unter Anwendung c a p i 1 1 a r e r T r o i k a r t s ***).
Die Methode von Bowditch gelangte durch die ausgezeichneten Ar-
beiten D i e ulafo y' s (1869) in Frankreich, ßasmussen's (1870)
in Dänemark, Mayne's (1871) in England zu allgemeiner Verbreitung
und Anerkennung. Verschieilenaitige zweckmässige Modificationen hin-
sichtlich der Construktion der Aspirations-Apparate sowie der capillaren
Troikarts folgten dem Bekanntwerden der B o w d i t c h'schen Me-
thode t).
In der Tübinger medicinischen Klinik hat Prof.
Liebermeister die Aspiration mit Anwendung ca-
pillarer Hohlnadeln (zuerst 1872) eingeführt. Er Hess
mehrere, verschieden (74—3 Mm.) dicke, 6 — 8 Cm.
lange Hohlnadeln — denen der Pravaz'schen Spritze ganz
ähnlich — anfertigen. Eine der Magenpumpe gleich
construirte, nur viel kleinere Pumpe aus Metall (später
aus Glas) wurde mit der Hohlnadel durch einen Gum-
mischlauch (mit eingeschaltetem Glasfenster) in Ver-
bindung gesetzt. Siehe die beigegebene Abbildung.
Die etwa 100 Gnu. fassende gläserne Spritze mit
Fassung und Stempel von Messing besitzt einen doppelt
durchbohrten Hahn. Die eine Bohrung verbindet den
Körper der Spritze durch ein Kautschoukrohr mit der
Hohlnadel und dient zur Aspiration. Ist die Spritze
gefüllt, so dreht man den Hahn. Nach einer Viertels-
*) Society de möd., S. des höp., S. me'd. de Paris, Acad. de me'd. etc. Vergl.
das Literaturverzeiohniss.
**) Von 13 Patienten Skoda's starben 7 bald nach der Operation, nur 4
genasen. H a m i 1 1 o n - R o e (1844) stellte eine Statistik aller vom .Jahre 1831
in England bekannt gewordenen Thoracentesen zusammen ; auf 28 günstige
11 tödtliche Fälle. — Davies veröfi'entlicht in der Lond. med. Gaz. 1S34 be-
reits 16 von ihm ausgeführte Operationen pleurit. Exsudate mittels Incision.
'*') Auch hier pflegen, ausser der obengenannten (S. 946 Anmerk.) Notiz,
folgende historische Punkte vernachlässigt zu werden: Schon 184'.^ verwendeten
die Engländer zur Probepunktion dünne gei'innte Explorativ - Nadeln und
»häufig genügte eine solche Nadel, um beträchtliche Exsudatmengen ausfliessen
zu lassen« (Prichard, Lond, med. gaz 1842. Apr.). — 1843 verwendete
Cock (ibid.) den Nadeltroikart von Babington zur Punktion. Cock's
Troikart hatte einen Durchmesser von '/i^ Zoll = 1 Linie. Schon Cock rühmt
die Vortheile seines Instrumentes , »das wegen seiner Kleinheit fast keinen
Schmerz verursacht.«
t) Potain und Ras müssen bedienten sich einer dicken gläsernen
60*
948 Krankheiten der Athmuiigsorgane. Pleuritis.
drehung communicirt die zweite Bohrung mit einem seitlich abgehenden
Ansatz-Stück, das zur Evacuation dient. Dieser höchst einfache, dem
B 0 w d i t c h' sehen nachgebildete Apparat (Figur) hat bei häufig wieder-
holter Anwendung stets allen Anforderungen genügt. Solche einfache
Apparate*) sind dem praktischen Arzte anr meisten zu empfehlen.
lu dem Maasse als die Operatioiismetliode vereinfacht , die Geiahr
des Lufteintrittes in ihrem Wesen erkannt und vermeiden gelernt wurde,
nahm das Vertrauen zur Operation rasch überhand. Die beiden wich-
tigsten Fortschritte , die in dieser Hinsicht gemacht wurden , sind fol-
gende : 1) erkannte man , dass sich die Entleerung pleuritischer Exsu-
date , seröser sowohl wie auch vieler eitrigen , erreichen lässt durch
Aspiration mit dünnen, cap illaren T roikarts und Hohl-
nadeln, eine Operation, zu welcher sich wegen der Geringfügigkeit
des operativen Eingriffes und des dabei stattfindenden Schmerzes Arzt
und Patient leicht entschliessen ; 2) wurde erkannt, dass die so gefttrch-
tete Gefahr des Lufteintrittes **) in Nichts Anderem beruht, als in dem
Eintritte septificirender oder Fäulniss-Elemente , der in der Luft ent-
haltenen Spaltpilze.
Diess gab den Anstoss zu sorgsamer Desinficir un g der
Hohlnadeln und T roikarts, ein Umstand, der die von dieser
Seite drohenden Gefahren der Operation glücklich umgehen lehrte.
Den Ort der Punktion anlangend, so kann dieser verschieden ge-
wählt werden. B o w d i t c h , dem aui Grund seiner ausserordentlich
zahlreichen Erfahrungen ein competentes Urtheil zukommt, empfiehlt
Flasche , in -welcher die Luft durch eine in Verbindung gesetzte Luftpumpe
verdünnt wurde. — Die Frage , ob eine capillare Hohlnadel den Vorzug
verdiene , oder ein capilliirer Troikart , halte ich für nicht ganz gleichgültig.
Die Befürchtung, dass mittels der Nadel Verletzungen der Lunge hervor-
gerufen werden könnten, ist irrelevant. Dagegen begegnete es mir einmal bei
Anwendung der Hohlnadel , dass sie während des Durchtrittes durch die Haut
ein Fcttklümpchen des Panniculus adiposus mitriss , welches die Lichtung ver-
stopfte. Ein solches Vorkommniss ist hei Anwendung des Potain 'sehen oder
F r il n t z e l'schen Troikarts unmöglich
*) Instrumentenmacher K a t s c h in München liefert einen sehr brauch-
baren und solid gearbeiteten Apparat dieser Art (angegeben von Tutschek
1S73) in Etui um den Preis von 'Zi Mark. Aehnliche Apparate trifft man in
allen Instrumenten-Catalogen angegeben.
**J Diese Gefahr ist = 0, wenn während des Einstechens der Nadel durch
Zurückziehen des Spritzenstempels Luft Verdünnung erzeugt und eine aspirirende
Y/irkung ausgeübt wird. In vielen Fällen, bei gro.^sen Exsudaten ist Luftein-
tritt im Anfang der Operation ohnediess unmöglich, weil der Exsudatdruck
den atmosphärischen übertrifft. — Ueber die Art und Weise , wie die in die
Pleurahöhle gedrungene Luft schädlich wirkt, herrschten früher die sonderbar-
sten Vorstellungen. Man glaubte, dass die eingedrimgene, kalte Luft bei ihrer
Erwärmung und Ausdehnung durch Druck schädlich wirke Es wurde daher
»in der Nähe des Kranken ein Glutfeuer unterhalten« ! Von der dadurch er-
zeugten Luftverdünnung versprachen sich Manche sogar die Unmöglichkeit des
Lufteintrittes! Viele hielten den Alles-Zerstörer Sauerstoff für das »schädliche
Princip« der eingedrungenen Luft. Der Erste, welcher auf P a s t eur's _Ver-
.suche hinweisend die lichtige Auffassung dieser Verhältnisse lehrte, war Poggiale.
L e i c 1 1 e n s fc e r n, Krankheiten der Pleura. Therapie. 949
auffallender Weise den 9.— 10. lutercostal-Raum an der Thorax-Rück-
seite als Einstichsort. Ich würde dabei weniger die Verletzung des
Zwerchfelles fürchten, als die gewiss nahe liegende Möglichkeit der Ver-
legung der Nadelspitze durch das an diese sich anlegende Zwerchfell.
Dass man nicht zu hoch, an der Exsudatgrenze punktirt, ist selbst-
verständlich. Am meisten empfiehlt sich wohl die Seitengegend des Tho-
rax, zwischen vorderer und hinterer Axillar-Linie , die Höhe des 5. — 7.
Intercostalraumes. Man vermeidet den unteren Rand einer Rippe.
Chloroform ist total unnöthig, locale Anästhesirung entbehrlich.
Verschiebung der Haut vor dem Einstechen ist bei capillarer Tho-
racocenthese unnöthig.
Während der Aspiration kommt es in höchst seltenen Fällen einmal
vor, dass die Hohlnadel (siehe S. 948 Anmerkung) durch ein Pibrinflöck-
chen verstopft wird. Zuweilen handelt es sich nur u"m ein Bedecktwer-
den der Nadelöffnung von einem solchen Coagulum, und eine kleine Be-
wegung der Nadel genügt, um ihr Lumen wieder frei zu machen. Bei
verstopftem Troikart kann Ausziehen desselben und Wiederholung der
Operation an einer anderen Stelle nothwendig werden. Ein solches Vor-
kommen kann vermieden werden durch Anwendung des Potain'schen *)
oder Präntzel'schen Troikarts**).
Die Aspiration wird fortgesetzt, solange sich Flüssigkeit, ohne zu
grosse Kraftanstrengung, leicht aspiriren lässt. Gewaltsames Vorgehen
ist, wie überall, zu vermeiden. Dennoch darf rmd soll ein gewisser Zug
auf das Exsudat und die V^^andungen der Exsudathöhle ausgeübt wer-
den. Da dieser Zug (oder negative Druck) auch nach Entfernung der
Kanüle noch fortdauert , so ist er von Vortheil für die Wiederausdeh-
nung der Limge , für die allmählige Dehnung und Zerreissung von Ad-
häsionen.
Gegen Ende der As])iration fühlt man zuweilen deutliches Knirschen
oder Crepitiren an der Kanüle , was davon herkommt , dass die convex
nach abwärts vorgewölbte, wieder ausgedehnte Lunge (dabei können die
percussorischen Grenzen sich gleich geblieben sein !) oder das emporge-
stiegene Zwerchfell die Kanüle berühren. — Häufig treten gegen Ende
der Operation stechende Schmerzen und Husten ein.
In den seltensten Fällen ist eine besondere Nachbehandlung noth-
wendig. Ein Heftpflasterstreifen auf die kleine Stichwunde gelegt ist für
den Kranken angenehmer.
Gegen heftige Schmerzen nach der Punktion Opiate, am besten eine
Morphin-Tnjection. Traube räth dringend, eine Eisblase auf die Stioh-
stelle zu legen. Sie kann in den meisten Fällen sehr wohl entbehrt
werden.
Ausnahmsweise hat man nach der Punktion und Aspiration eine
Blutunr' in das Exsudat — vielleicht mujper Diapedesim) erfolgen sehen,
») Instrumenten - Catalog von Wind 1er (Berlin, Dorotheenstr. No. 3.)
^^' „j°ßgj.i. kKn. Wochschrift 1874. S. 134. Beschreibung u. Figur.
950 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
unter den gleichen Umständen auch Ecchymosen der Pleura angetroffen.
"Von Zerreissung der Lunge in Folge der Aspiration eines serösen
pleuritischen Exsudates ist mir kein Beispiel aus der Literatur bekannt.
Wird dagegen ein Empyem aspirirt, das bereits Vorbereitungen für den
Durchbrueh in die Lungen getroft'en hat (Corrosion und Ulceration an
einer umschriebenen Stelle der Pleura pulmonalis) , so kami der er-
hebliche Zug , welchen die Aspiration ausülit oder hinterlSsst , den
Durchbruch herbeiführen oder ahn wenigstens beschleunigen. Solche
Fälle sind in der Literatur vorhanden (Krause 1843 1. r. , H. Gou-
rand*), aber bisher falsch gedeutet worden. Einen interessanten Fall
dieser Art habe ich auf der hiesigen medicinischen Klinik beobachtet
und oben (S. 897) in Kürze mitgetheilt.
Unter den unmittelbar oder alsbald auf die Aspiration pleuritischer
Exsudate folgenden Ereignissen sind noch einige andere , mitunter ge-
fahrvolle , zu erwähnen. Dahin gehören :
1) Embolien der Pulmoual-Arterie. Die Erklärung für das Zustan-
dekommen derselben haVie ich oben ('S. 903) gegeben.
2) Eine Eeihe von Veränderungen , die meistens nur in der sich
wieder entfaltenden, von der Compression befreiten Lunge auftreten, zu-
weilen aber auch , wie ich besonders betonen muss , die gesunde Lunge
betreffen.
Diese Veränderungen bestehen in Verschiedenem : a) in einem 0 e-
d e ni der von dem Exsudatdruck befreiten Lunge, das sich in reichlichen
feuchten Rasselgeräuschen, tympanitischem Percu.?sionsschall, ankündigt
und zu der, von französischen Autoren so vielfach discutirten, Expeeto-
ration söro-albumineuse Veranlassung gibt, b) in einer entzündlichen
ödematösen Infiltration („seröse Pneumonie", „Congestion screuse
du poumon") der Lunge mit Fieber , Dämpfung des tympanitischen
Schalles und Expektoration zäher, viscider den pneumonischen ähnlicher,
aber nicht sanguinolenter Sputa; c) in einer schlaffen, Croup Ösen
Pneumonie mit den meisten physikalischen Zeichen derselben, und
mit Expektoration exquisiter pneumonischer, insbesondere auch sanguino-
lenter Sputa. Das Oedem, meist nur auf die Lunge der leidenden Seite
beschränkt, wird zuweilen ein allgemeines und dadurch tödtlich (D u-
m 0 n t p a 1 1 i e r) ; auch die schlalfe croupöse Lrfiltration nach Thoraco-
centese liefällt mitunter einen Lappen der gesunden Seile.
3) Lungenlilutungen meist unerheblichen Cirades und ohne schlimme
Folgen. Einen Fall von Blutung aus einer Caveme der comprimii-ten
Lunge, die 8 Stunden nach der Thoracocentese eintrat und den Tod zur
Folge hatte, beobachtete Fräntzel.
Zuweilen steigt nach der Punktion und Aspiration das Fieber aufs
Neue wieder an. Ist diese Fiebersteigerung nur eine transitorische, auf
die ersten Tage nuch der Operation beschränkt, so ist sie u-relevant; ist
sie aber der Ausdruck einer durch die Operation herbeigeführten Exa-
cerliation der Pleuritis, welche zu neuer Exsudation führt, und das alte
*) Der Fall betrifft ein 4'/2.jähriges Mädchen. Vollkommene Heilung.
Gaz. des höp. 1867.
Leichtenstern, Kraakheiten der Pleura. Therapie. 951
Flüssigkeits-Niveau alsbald wieder herstellt, so hat die Thoracocenthese
nicht genützt, vielmehr durch das Fieber, das sie hervorrief, nur geschadet.
In seltenen Fallen kommt es vor, dass ein vorher seröses Exsudat
in Folge der Punktion eitrig wird , trotz der sorgfältigsten Desinfection
der Instrumente. Dagegen glaube ich nicht, dass, Desinfection vorausge-
setzt, jemals das Jauchigwerden eines eitrigen Exsudates dadurch herbei-
geführt wird. Die beste Art der Desinfection ist wohl die , dass man
die Nadel oder den Troikart über einer Flamme, oder in siedendem Wasser
erhitzt, sie dann sofort in Carbolöl ta.ucht, und aus dieser erst unmit-
telbar vor der Operation herausnimmt.
Die im VorliergelieiKlen bescliriebenen Gefahren und üblen Folgen
der Thoracocentese werden in höhst seltenen Fällen beobachtet und
sind nicht im Stande , den hohen Werth eines Operationsverfahrens zu
verringern , das in geeigneten Fällen und auf sorgfältige Weise ausge-
führt, das bedrohte Leben zu erhalten und die Gesundheit vrieder zu
bringen im Stande ist. Eine Mahnung geht aber daraus hervor, einmal
nicht blindlings jedes Exsudat anzapfen zu wollen, sondern auch hier
von gewissen, gleich näher zu betrachtenden Indicatiouen das operative
Einschreiten abhängig zu machen, sodann bei der Aspiration sich jedes
gewaltsamen Vorgehens zu enthalten, und diese nicht weiter zu treiben,
als die Exsudatflüssigkeit sich leicht aspiriren lässt. Die Entleerung
der gesammten Exsudatmenge darf nicht als nothwendig zii erfüllende
Aufgabe angesehen werden, zumal die Operation so einfache und wenig
schmerzhafte ist , dass der wiederholten Vornahme derselben Nichts im
Wege steht.
Eine andere Frage ist die : hat auch bei constatirtem Empyem
der Versuch, mittels capilhirer Thoracocentese und Aspiration die Ent-
fernung des Exsudates und die Heilung der Empyemhöhle herbeizufüh-
ren, Aussicht auf Erfolg? Die Frage muss nach dem gegenwärtigen
Stande der Erfahrungen für einzelne Fälle mit einem entschiedenen Ja
beantwortet werden. Die Empyemhöhle heilt bei wiederholter Function
und Aspiration des Eiters allmählig ganz in der gleichen Weise , wie
auch jede andere Abscesshöhle durch subcutane Aspiration unter Um-
ständen zur Heilung geljracht werden kann. Eigene Beobachtungen
und zahlreiche f]rfahrungen der letzten Jahre haben diess bestätigt.
Meistens freilich sind mehrmals wiederholte Functionen nothwendig. —
Anderseits giebt es zahlreiche Fälle von Empyem , wo wir auf dem ge-
zeiclmeten Wege nicht zum Ziel gelangen , wo das hektische Fieber
trotz der wiederholten Aspirationen fortdauert , und die Kräfte consu-
mirt. In .solchen Fällen darf nicht lange mit der R a d i c a 1 o p e r a t i o n
gezögert werden. Das Gleiche ist der Fall, wenn das Empyem sich an-
schickt , spontan nach aussen durchzubrechen (Empyema necessitatis),
952 Krankheiten der Atlimungsorgane. Pleuritis.
oder wenn Verjauchung z. B. in Folge eines Durchbruches nach den
Lungen, eintritt.
Unter solchen Umständen ist nm- mehr die Radicaloperation des
Empyemes, die Incision mit oder ohne Rippenresection — in den mei-
sten Fallen wird letztere wohl zu umgehen sein — am Platze. Ueher
die Ausführung der Operation in Chlorofonnnarkose uud unter Lister-
schen Cautelen, über die Entleerung und Reinigung der Abscesshöhle,
über die zweckmässigste Art des Verbandes (Lister'scher Verband !), über
die Ai-t und Weise der täglich vorzunehmenden Ausspülung und Rei-
nigung der Empyemhöhle (Nelaton'sche Katheter, Canule ii double cou-
rant, Irrigateure etc.). über Ausspülung mit Jodkali, Kali hjpermangan.
Lösungen etc. siehe die Lehrbücher der Chirurgie. — Bei der Ausspülung
eines rechtsseitigen Empyems mittels eines Irrigateurs sah ich auf der
Münchner chirurgischen Klinik einmal eine schwere, beinahe tödtliche
Syncope entstehen*). Es ist beim Ausspülen darauf zu achten, den Druck
in der Empyemhöhle nicht plötzlich rasch ansteigen zu lassen und nicht
direkt gegen das Herz zu spritzen. Man vermeide die Anwendung kal-
ten Wassers.
Wir fassen schliesslich die Indicationen zur operativen Behand-
lung pleuritischer Ergüsse in folgende Punkte zusammen.
1) Die Operation ist dringend angezeigt und erfüllt die Indicatio
vitaliö in den Fällen , wo ein rasch ansteigendes Exsudat (sei es
bei acuter oder bisher chronisch verlaufener Pleuritis) zu den schweren
Erscheinungen der Insufficienz des Herzens und der Athmung führt und
Erstickungsgefahr oder Herztod droht. .Je intensiver die Dyspnoe und
Cyanose, je ausgeprägter die Erscheinungen der mangelhaften Füllung
des arteriellen Systemes (Kleinheit und Frec^uenzzunahme des Pulses,
Oligurie), je höher dabei noch das Fieber ist, um so rascher entschliesse
man sich zur Operation.
Ein sehr ähnliches Symptomenbild von Herz-Insufficienz kommt
aber auch bei acuter h o c h f i e b e r h a f t e r Pleuritis mitunter vor , zu
einer Zeit, wo das Exsudat eben nachweisbar, noch sehr geringfügig ist.
Hier ist das hohe Fieber die Ursache der Herzinsufficienz. Antipy-
retica und Reizmittel sind am Platze , nicht aber die Thoracocentese,
v/elche höchstens einige CC Flüssigkeit entleeren, zur Besserung des Zu-
standes aber nichts beitragen würde.
Nicht die Grösse des Exsudates giebt uns die Indication zur
Thoracocentese, sondern die Folgen desselben auf Circulatiou und
Respiration.
Es ist bekannt, dass gerade bei Kindern abundante Ergüsse oft
ebenso rasch, als sie .sich bildeten, wieder resorbirt werden. Die
spontane Resorption massenhafter , eine ganze Brusthällte erfüllender
*) Der Fall betraf einen Typhus-Reconvalescenten mit Empyem.
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Therapie. 953
Exsudate kommt besonders im Kindesalter nicht selten vor; ich habe
solche Beobachtungen wiederholt an Kindern , in zwei Fällen aber
selbst an 50 — 60jährigen Kranken der hiesigen medicinischen Klinik
gemacht.
Die Erscheinungen von Herz- und Athmungs-Insufficienz machen
sich geltend , wenn zu einem vielleicht nur mittelgrossen Exsudat der
einen Seite , exsudative Pleuritis der anderen oder eine croupöse Pneu-
monie der gesunden Lunge hinzutritt. Auch in diesen Fällen wird die
Thoracocenthese zur Indicatio vitalis.
Ein Fall dieser Art befindet sich zur Zeit auf der hiesigen medici-
nischen Klinik , ein Kranker mit abundantem linksseitigem Erguss , zu
welchem eine croupöse Pneumonie*) des ganzen rechten Dnterlappens
hinzutrat. Prof. Liebermeister wiederholte 3mal kurz hinterein-
ander die Punction des sich immer rasch wieder ansammelnden Exsudates
und erzielte vollständige Heilung. Ohne die operative Behandlung wäre
dieser Kranke sicher verloren gewesen.
2) Die Operation ist bei c h r o n is c h e n Exsudaten indicirt, wenn
es nicht gelingt , das die Körperkräfte consumirende Fieber zu heben,
die Resorption in Qaug zu bringen. Thermometer und Wage geben die
entscheidenden Anhaltspunkte. Lehrt die Betrachtung der Fiebercurve,
dass das hektische Fieber anhaltend sich gleichbleibt , zeigt die Wage,
dass das Gewicht des Kranken von Woche zu Woche abnimmt , ergiebt
ferner die Percussion und Mensuration keinerlei Abnahme des Exsuda-
tes, so ist mit der Operation nicht lange zu zögern. Die Chancen der-
.selben sind um so günstiger , je besser dabei noch der Ernährungszu-
stand des Kranken ist.
Es kommen aber auch Fälle von chronischem , stationärem Exsu-
date vor , mit vollständiger Compensation des Circulations- und Respi-
rations-Hindernisses; die Kranken sind ganz oder lieinahe fieberlos,
nicht cyanotisch, in der Ruhe nicht dyspnoetisch ; ihr Apetit ist gut und
die Wage lehrt, dass der Kranke allmählig an Gewicht zunimmt. In
solchen Fällen kann sehr wohl mit der Thoracocentese hingewartet
werden, auch wenn das Exsudat lange Zeit hindurch den gleichen Stand
beibehält. Ich halte es für einen Fehler , dass man bei Erörterung der
Indicationen zur Thoracocentese immer ein so grosses Gewicht auf die
Dauer der Lungencompression legt. Hieraus allein erwächst memals
die Indication zur Thoracocentese; immer sind es die viel wichtigeren
Punkte, das Fieber, der Kräftezustand, die Erscheinungen von Seite des
*) Mit allen Erscheinungen der croupösen Pneumonie, absoluter Dämpfung,
Bronchialathmen, blutigen vi.ciden Sputi« S md solche Pneumomen mcht hm
und wieder embolischer Natur? Vergl. S. 903 und 950.
954 Krankheiten der Athmungsorgane. Pleuritis.
Herzens (der Circulatioii) und der Atlimung , welche die Indicatiou ab-
geben, leb will nicht läugnen, dass in Fällen von chronisch-stationärer,
fieberloser , exsudativer Pleuritis mit vollkommener Corapensatioü des
Circulations- und Atbmungshindernisses ein Zeitpunkt kommt, wo man
des langen Einwartens müde in der Punktion das einzige wirksame Mittel
zur Wiederherstellung des Kranken erblickt und zur Operation schreitet,
nach welcher die Resorption des Exsudatrestes mitunter auffallend
rasch erfolgt. Aber hier ist es nicht die Dauer der Lungencompression,
sondern die Dauer der Krankheit als solcher, welche, weil sie auf kei-
nem anderen Wege zum Ende zu führen ist, die Indicatiou zur Thora-
cocentese abgiebt ; diese Indication besteht , obwohl die Circulations-
und Respirationshindernisse compensirt sind, der Kräftezustand sich
allmählig gehoben hat und vielleicht vollkommene Fieberlosigkeit zu-
gegen ist. Die Operation ist eben dss einzige noch bekannte Mittel zur
Befreiung des Kranken von seinem Exsudate.
3) Die operative Behandlung ist jederzeit und unbedingt indicirt,
wenn man sich von der C4egenwart eines eitrigen Exsudates über-
zeugt hat. Das Empyem ist Nichts Anderes als ein grosser Abscess;
dass ein solcher nur heilt , wenn dem Eiter Abfluss verschafft wird, ist
bekannt. Spontane Resorption tritt hier niemals ein ; die vermeintHch
hieher gerechneten Fälle waren Empyeme , die nach innen durchgebro-
chen unter allmähliger Eiterentleerung per Sputa heilten (S. 895). Wir.
ahmen in einem solchen Falle durch die Operation die Naturheilung
nach, die beim Abscess keinen anderen Weg kennt, als den des Auf-
bruches. Die Operation ist um so dringender angezeigt , wenn hohes
hektisches Fieber Ijesteht , und der Kräfteverfall des Kranken sich von
Woche zu Woche in einer Gewichtsabnahme desselben documentirt.
Man versuche zuerst durch capiiläre Thoracocentese zum Ziel zu ge-
langen ; ob diess gelingen wird , zeigt sich schon nach der ersten oder
zweiten Punktion. Lässt nach derselben das Fieber nach , bessert sich
der Appetit und Kräftezustand, nimmt das Gewicht zu, dehnt sich viel-
leicht sogar die Lunge merklich aus, so ist Aussicht vorhanden, auf
diesem milderen Wege durch wiederholte Functionen (Legroux punk-
tirte bei einem 6jährigen Kinde 24mal) , ohne Radicaloperation, die
Heilung zu bewerkstelligen. Hat aber die ein- bis zweimal vorgenom-
mene Function und Aspiration den geschilderten Einfluss auf Fieber,
Ernährungszustand etc. nicht , so säume man nicht lange und schreite
zur Radicaloperation. Das Gleiche ist der Fall beim Empyema neces-
sitatis.
Ist das Empyem nach den Lungen durchgebrochen , so macht sich
auch dieser Vorgang, wie jede Eröffnung der Abscesshöhle, häufig durch
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Abscedirende Peripleuritis. 955
einen Nachlass des Fiebers bemerkbar ; der Appetit nimmt zu, die Kräfte
werden besser, der Empyemeiter wird durch Expectoratiou allmählig ent-
leert (S. 895). Man störe diesen Heilvorgang nicht durch eine voreilige
Operation. Ich habe von G Kranken mit nach den Lungen durchge-
brochenem Empyem 4 unter beträchtlicher Gewichtszunahme vollkom-
men heilen sehen. Mit Unrecht wird die Perforation des Empyemes in die
Lungen so sehr gefürchtet. — Hat aber der Durchbruch nach den Lungen
hohes Fieber mit Frösten zu Folge , treten die Erscheinungen der Ver-
jauchung ein , so operire mau radikal und so bald wie möglich. Die
Reinigung und Säuberung der Empyemhöhle ist das Einzige , was in
einem solchen Falle noch retten kann.
In Fällen von nach den Lungen durchgebrochenem Empyem wer-
den zuweilen die Sputa fötid. Daraus darf nicht an und für sich auf
Putrescenz des Empyemes geschlossen werden. (Vergl. d. S. 896 hier-
über Gesagte.)
Abscedirende Peripleuritis.
Phlegmone endotlioracica (mihi).
Literatur. Wunderlich, Arch. d. Heilk. 1861. IL Jahrg. 1. Hft.
- Billroth, Arch. f. klin. Chirurg. IL Bd. 1. u. 2. Hft. 18G1. — C. Rörig,
Deutsch. Klin. 18ii'2. a5. 40. Suadicani, Diss. inaug. Kiel 1865. — Le-
plat, Gaz. des höp. 186G. 32. — Caspari, Berl. klin. Wochensch. 1867. —
Croskery, Dubl. Journ. 1866. Febr. — Banks, Dubl. Journ. 18G8. Nov. —
Bartels, Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1874. 13. Bd. S. 21. — F. Riegel, ibid.
1877. 19. Bd. S. 5.51. — Vergl. auch Moutard-Martin, Gaz. des hop.
1856. 126. u. Arch. ge'ner. 1856.
Die Differentialdiagnose zwischen einem pleuritischen Exsudate (Em-
pyem) und einer peripleuritischen Phlegmone kann unter Umständen von
praktischer Wichtigkeit sein. Ich halte es daher für angezeigt, auf diesen
Gegenstand in Kürze einzugehen. Hinsichtlich der Details verweise ich
auf die angegebene Literatur.
Der Sitz der peripleuritisclien Phlegmone ist das kurze , straffe
Zellgewebe, welches zwischen der Aussenfiäche der Pleura costalis einer-
seits, den Eippen und Intercostalmuskeln anderseits gelagert, die ganze
innere Brustwand auskleidet. Dieses Zellgewebe, dem Hyrtl den Na-
men der F a s c i a e n d o t h o r a c i c a gab , ist von Luschka einge-
hend untersucht worden *). Letzterer hat besonders auch die Gegenwart
dieser Pascie zwischen der Costal-Pleura und den Rippen nachgewiesen.
*) Denkschrift d. k. k. Akad. 17. Bd.
95(3 Krankheiten der Atlimmigsorgane. Peripleuritis.
Wir müssen Verschiedenes auseinanderhalten , was , wie ich
finde , nicht immer hinreichend geschah.
1) I'as beschriebene endothoracische Zellgewebe zwischen Pleura
parietalis und der inneren Brustwand wird in seltenen Fällen zum Aus-
gangspunkt einer p r i m ä r e n umschriebenen Entzündung und Vereite-
rung. Meistens fehlt der Nachweis jedes bekannten ätiologischen Mo-
mentes. Die bisher bekannt gewordenen Fälle — und auch ich könnte
die Zahl derselben um einen der eigen'in Beobachtung vermehren — be-
treffen fast ausnahmslos Erwachsene. In einzelnen dieser Fälle gingen
Trau m e n voraus.
2) Die Entzündung und Vereiterung des endotlioracischen Zellge-
webes ist eine s e c u n d ii r e. Der entzündliche Process wird durch ver-
schiedenartige Ursachen angeregt :
a) Ein Empyem corrodirt und perforirt die Costalpleura , der Eiter
infiltrirt allmählig mehr und mehr das endothoracische Zellgewebe, regt
active Entzündung an und ruft Phlegmone endothoracica hervor. Be-
sonders sind es kleine Empyem-Reste , wie sie zurückbleiben nach der
vermeintlichen Heilung und oberflächlichen Vernarbung eines operirten
oder spontan aufgebrochenen Empyemes , oder eines solchen , das nach
den Lungen durchgebrochen , sich durch diese grösstentheils ent-
leert hatte. Während die Empjremhöhle ausheilt und zu derber, dick-
schwartiger Verwachsung der Pleurablätter führt, wird der restirende
Empyemeiler in Jas endothoracische Zellgewebe vei'drängt und ruft hier
durch Eitermfection eine selbstsländige Phlegmone hervor. Es ist diess
in der That ein freilich prekärer Heiluugsprocess kleiner Erapyemreste ;
diese heilen, während das endothoracische Zellgewebe zum Eiterdepot
wird. Ich habe einen exquisiten Fall dieser Art beobachtet, der gar
keine andere Deutung zulässt.
In diesem von mir beoliachteten Falle bestund liei der Section fol-
gendes : Von dem endothoracischen Abscesse aus führten 3 , wahrschein-
lich mehrere Fistelgänge durch die dicken sehnigen Bindegewebsschwar-
ten der untrennbar verwachsenen Pleura eostalis und pulnionalis hin-
durch in den cirrhotisch geschrumpften, grösstentheils luftleeren, auf '/i>
seines Normal- Volumens reducirten Unterlappen. Diese Fisteln waren
Eiter-erfüUt und führten bis in die Bronchien der lufthaltigen Lunge.
Der Kranke warf täglich mehrere dicke Eiterballen aus von dem Charak-
ter consistenlen Zellgewcbseiters.
b) Ein Rippenbruch, Rippen- Caries hat Phlegmone resp. Eiterin-
filtration des endothoracischen Zellgewebes zur Folge. Bei Rippencaries
vollzieht sich dieser Process der Eiterinfiltration und Eitersenkung oft
schleichend und allmählig ; es ist dann nach bekannten Analogien die
Bezeichnung eines „endothoracischen Congestionsabscesses" erlaubt.
c) Wir haben primär eine Phlegmone des tief liegenden Zellge-
webes zwis.;hen den Muskeln (Pectoralis major und minor, serratus an-
ticus magnus) einerseits und der äusseren Brustwand (Rippen, Inter-
eostales) anderseits. Der phlegmonöse Entzündungsprocess setzt sich auf
das endothoracische Zellgewebe fort und bringt Vereiterung desselben,
endothoracische Abscesse zu Wege. Der primäre Entzündungsprocess
des submusculären Zellgewebes wird angei'egt durch Traumen, Wunden
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Abscedirende Peripleuritis. ;'l57
(bes. Schusswunden) , durch Vereiterung tief liegender Lymphdrüsen,
durch Eippeubruch, Kippencaiies, Congestionsabscesse der Hals- und
oberen Brustwirlielsäule etc.
Man ersieht hieraus, dass sehr verschiedenartige Prooesse zu endo-
thoracischer Phlegmone und Abseessbildung führen. Die Insherige Ca-
suisük ist viel zu sehr von einei- bestimmten auf Autoritätsglauben ge-
stützten Auffassungsweise orcupirt und darnach — sine ira et studio —
zugeschnitten.
Die Differentialdiagnose dieser verschiedenartigen Vorgänge , die zu
endothoracischer Phlegmone führen, will ich hier nicht geben, nur Eini-
ges noch über die primäre peripleuritische Phlegmone anführen. Man
bewundert ihre geringe Neigung, nach der Pleurahöhle durchzubrechen.
Sie giebt eben frühzeitig zu einer schleichenden plastischen Entzündung
der unmittelbar anliegenden Pleura costalis , zu derber schwieliger Ver-
wachsung dersell>en mit der Pleura pulmonalis, zu circumscripter Obli-
teration der Pleurahöhle Veranlassung. Regelmässig dagegen durch-
bricht der subpleurale Absce&s die Weichtheile eines oder sellist meh-
rerer Intercostalräume , ruft eitrige Infiltration und umschriebene secun-
dSre Phlegmone des submusculären Zellgewebes hervor; von hier aus
setzt sich der entzündliche Process, dem intermusculären Zellgewelie fol-
gend in das subcutane fort und bildet hier einen , zuweilen mehrere
distmkte, schliesslich nach aussen aufbrechende Abscesse. Von den cu-
tanen Aufbruchstellen aus gelangt mau durch eiterinfiltrirte oft vielfach
verschlungene Fistelkaniile in die geräumige endothoracische Abscesshöhle.
Durch die Eiterung wird die Pleura parietalis von den Rippen und In-
tercostalräumen abgelöst, zuweilen das Periost einet oder mehrerer Rip-
pen corrodirt , Caries derselben verursacht.
Die Differentialdiagnose zwischen einem endothoracischen (peripleu-
ritischen) Abscess und einem kleinen oder mittelgrossen Empyem kann
grosse Schwierigkeiten bereiten, nämlich dann, wenn jener seinen Sitz
an den untersten Thoraxparthien hat, da, wo auch pleuritische Exsudate
ihren Ausgang nehmen. Leicht zu stellen ist die Diagnose, wenn, wie
in einem °von Bartels beobachteten Falle, der peripleurale Abscess
höher oben am Thorax seinen Sitz hat. Die Gegenwart von normalem
Lungenschall und von Vesiculär-Athmen unterhalb der nach allen Seiten
hin Teicht abgrenzbaren Dämpfung des endothoracischen Abscesses ist für
diesen neijen "anderen Zeichen nahezu sicher l^eweisend. Keine Verwechs-
lung ist ferner möglich, wenn die Dämpfungsgrenze, wie diess nur bei
Exsudaten statt bat, den Thorax horizontal oder xon vorn nach hinten
abfallend in seiner ganzen Au!,dehnung umzieht. Dagegen kommen hmten
unten, oder in der Seitengegend des Thorax abgesackte kleine Empyeme
vor (Reste eines pleuritischen Exsudates, das später purulent wurde),
deren Begrenzung von der lufthaltigen Lunge sich ganz analog den Con-
touren eines periplern-itischen Abscesses verhalten kann.
Mitunter sind die Erscheinungen derart, dass die Differentialdiagnose
schlechterdings unmöglich ist, in anderen Fällen ist diese leicht.^ Diffe-
rentialdiagnostisch sind folgende Punkte von grosser , freilich mcht im-
mer entscheidender Wichtigkeit : Das Empyem dehnt die sämmtlichen
Intercostalräume eines bestimmten Tborax-Bezirkes gleichinässig aus, der
958 Krankheiten der Athmungsorgane. Hj-drothorax.
1
peripleuritiselie Al-iscess häufiger nur einen Intercostalr;iuui, während die
angrenzenden einander genilliert werden.
Das Klaffen eines Intercostalrauine.s spricht für peripleui'itischen
Ahscess ; das Empyema necessitatis Ijricht ge\vijhnlich mit einer grösseren,
direkt in die Empyemhöhle führenden Oeffnung nach aussen auf; der
peripleuritische ALiscess führt mitunter zu mehrfachen Aufbrüchen und
complicirten Fistelgängen; der Empyemeiter ist dünner, specifisch leich-
ter, der Eiter des endothoracischeu Abscesses ist von dicker rahmartiger
Consistenz, vom Charakter des Zellgewebbeiters ; die unterste Grenze des
Empyemes wird stets von der unteren Pleuragrenze gebildet, der pe-
ripleuvale Aliscess kommt sowohl hier, als auch höher am Thorax vor
und ist im letzten Falle allseits von, normalen Percussionsschall mid
normales Vesiculär-Athmen gebendem Lungengewebe umgeben; das Em-
pyem hat häufig, der peripleurale Abscess niemals eine horizontale den
ganzen Thorax umziehende Dämpfungsgrenze ; das Fielier kann sich bei
beiden gleich verhalten; häufig wiederholte Schüttelfröste sprechen mehr für
endothoracischeu Abscess. Zu peripleuralem Abscess gesellt sich, wie zu
anderen chronischen Eiterungen mit Stagnation des Eiters, zu Gonge,
stiousabscessen , zu Garies etc. chronische Nephritis gerne hinzu. Albu-
min im Harn ist daher ein nicht seltener Befund.
Die Therapie ist der Hauptsache nach eine chirurgische. Forlge-
setztes Gataplasmiren, wenn Fluctuation bemerkbar wird, möglichst früh-
zeitio-e ergiebige Incision , Drainagebehandlung , Reinigung der Abscess-
höhle durch häufig wiederholtes Ausspülen mit antiseptischen Lösungen,
Lister'scher Verliand etc. Bin wesentliches Augenmerk ist auf die Heb-
ung des Ernährungszustandes des Kranken zu richten.
Hydrothorax.
Z i e m s s e n. D. Punktion d. Hydrothorax. Deutsch. Arch. f. klin. Mediz.
V. Bd. S. 4.57.
Der Hydrothorax besteht in der Ansammlung eines serösen T r ans-
sudates in der Pleurahöhle. Dasselbe hat die Eigenschaften hydro-
pischer Ergüsse und steht, was seinen Gehalt an festen Bestandtheilen
und iusbesonders an Eiweiss betrifft, dem Lymphserum näher als dem
Blutserum, ist übrigens eiweissreicher als das Bindegewebstranssudat,
das Oedeni-\Misser. Die Flüssigkeit ist vollkommen klar, hell grünlich
gelb, von 1009 — 1012 S. G. und einem Albumin-Gehalt von 2— 3 p. Ct.
(Siehe Näheres hierüber S. 870.)
Die Pleura erscheint makroscopisch intakt, zeigt insbesonders keine
entzündlichen Veränderungen. Zu länger dauerndem chronischem Hy-
drothorax treten zuweilen subinflammatorische , schleichende entzünd-
liche Processe der Pleura hinzu. Vergl. S. 877.
Aetiologie. 1) Die häufigste Ursache des Hydrothorax sind
Jvreislanfsstör ung en, Herz- und Lungenkrankheiten, welche die
Leichteiis tern, Krankheiten der Pleura. Hydrotliorax. 059
Ueberfühnmg des Blutes von dem rechten nach dem linken Herzen be-
hindern, oder, wie bei primärer Herzdegeneration, den Druck und die
Blutfülluug des arteriellen Systemes, in Folge mangelhafter Herzkraft,
beträchtlich herabsetzen. Dann entsteht Anämie mit Druck - Abnahme
im arteriellen, Hyperämie mit Druckzunahme im venösen System. Eine
gewöhnliche Folge hievon sind hydropische Ergüsse ins Unterhautzell-
gewebe und in die serösen Säcke. Der Hydrothorax ist eine Theiler-
scheinuug des Hydrops universalis. Ich verweise hinsichtlich desselben
auf die betreffenden Kapitel der Herz- und Lungenkrankheiten.
2) Hydrothorax als Begleiter anderer hydropischer Ergüsse kommt
ferner in Zuständen vor, die wir mit dem Ausdruck Hyd rämi e zu-
sammenfassen. Dahin gehört der Hydrothorax bei sehr blutarmen, in
ihrem Ernährungszustände heruntergekommenen Individuen, nach lang-
wierigen Durchfällen, bei chronischer Dysenterie, bei Scropliulose, Leu-
kämie , Intermittens - Cachexie u. s. w. In manchen dieser Fälle con-
currirt gleichzeitige Herzschwäche wesentlich beim Zustandekommen
der Oedeme , des Hydrothorax. Der Hydrothorax beim Morb. Brightii,
im Kindesalter so häufig nach Scharlach, beruht, wie andere hydropische
Erscheinungen bei dieser Krankheit, zumTheil auf Hydräuiie, zum nicht
geringen Theil sind subinflammatorische Processe in der Pleura mit im
Spiel. Die Transsudate bei Morb. Brightii zeichnen sich daher auch
durch einen durchschnittlich höheren Albumingehalt vor den reinen
Stauungstranssudaten aus.
3) Kommen seltene Fälle vor , wo der Hydrothorax die Folge von
Compress ion gewisser Venen oder Ly mph gefäss stamme
ist. (Venae mammariae internae, Vena azygos , hemiazygos inferior et
superior, Ductus thoracicus major et minor s. dexter.) Je nachdem die
Compression den Ductus thoracicus major oder den minor betrifft, kann
man verschiedene Erscheinungen c o n s t r u i r e n, doppelseitigen Hydro-
thorax und Hydrops universalis im ersteren Fall, rechtsseitigen Hydro-
thorax mit Oedem nur der rechten Oberextremität ira letzteren Fall.
Die Compression wird meistens ausgeübt von intrathoracischen Neo-
plasmen, Mediastinaltumoren, Aneurysmen.
4) In Fällen von sogenanntem essentiellen Hydrops , d. h. von Hy-
drops ohne jede bekannte Ursache, kann auch Hydrothorax als Theil-
erscheinung auftreten.
Diagnose. F r ä n t z e 1 und Andere geben an , dass der Hydro-
thorax stets doppelseitig und nur dann auf eine Seite beschränkt sei,
wenn der andere Brustfellsack durch allseitige Verwachsungen der
Pleurablätter verödet sei. Diess ist unrichtig. Der Hydrothorax ist
häufig nur einseitig und betrifft dann stets jene Seite, auf welcher der
960 Krankheiten der Athmungsorgane. Hydrothorax.
Kranke anhaltend zu liegen pflegte. Man kann sich in solchen
Fällen von Hydrothorax überzeugen , dass , v.enn der Kranke , ans
irgend einem Grunde , die bisherige Seitenlage aufgiebt und sich
habituell auf die andere lagert, der Hydrothorax der epistatischen Seite
allmählig verschwindet , während die nun hypostatische Seite Sitz des
Hydrothorax wird. Der Hydrothorax ist m e i s t e n s doppelseitig, regel-
mässig aber auf einer Seite und zwar auf jener, nach welcher geneigt
der Kranke zu liegen pflegt , hochgradiger als auf der anderen. Bei
reiner Rückenlage des Kranken ist der Hydrothorax immer doppel-
seitig und das B'lüssigkeits - Niveau steht beiderseits annähernd gleich
hoch.
Wir diagnosticiren Hydrothorax und nicht pleuritisches Exsudat
durch die Combination einer Reihe von Momenten, von welchen jedes
einzelne für sich nicht im Stande ist, die Differeutialdiagnose zu sichern ;
anderseits muss zugegeben werden , dass alle Momente, welche für Hy-
drothorax sprechen, auch einmal beim Exsudat zusammentreffen können.
Die Differeutialdiagnose ist häufig ohne praktischen Werth und ich
möchte ganz besonders daran erinnern , dass ein länger bestehender
Hydrothorax nicht selten zu subinflammatorischen Vorgängen auf der
Pleura führt, ebenso ^vie diess auch beim Ascites vorkommt.
Wenn der Erguss fieberlos , ohne Schmerzen entsteht , wenn er
beiderseits hinten-unten anfängt und gleiches Niveau haltend allmählig
ansteigt, oder wenn der Erguss nur auf jener Seite sich kenntlich macht,
auf welcher der Kranke anhaltend zu liegen pflegt, so werden wir Hy-
drothorax diagnosticiren, zumal bei einem Kranken, der andere hydro-
pische Erscheinungen darbietet, oder an einer Krankheit (Herz-, Lim-
gen-Afiektiou) leidet, die ertahrnngsgemäss Hydrothorax häufig im Ge-
folge hat. Im Falle der Thoracocentese können die physikalischen und
chemischen Eigenschatten der entleerten Flüssigkeit für die DifPerential-
Diagnose entscheidend sein. (Vergl. S. 870.)
Der Satz , dass die Verdrängungserscheinungen beim Hydrothorax
geringgradiger sind als beim pleuritischen Exsudat hat seine Richtig-
keit , besonders mit Rücksicht auf die Intercostalräume und die Ver-
drängung des Mediastinums. Dagegen wird die Lunge leicht verdrängt
und ebenso wie beim pleuritischen Exsudat oft vollkommen comprimirt.
Auch das Zwerchfell mit der Leber wird durch Pleura-Hj'drops oft weit
nach abwärts gedrängt. Der Grund der geringeren Verdrängung der
Nachljarorgane beim Hydrothorax liegt hauptsächlich darin , dass hier
der Transsudations-Druck kein so erheblicher ist, wie beim
pleuritischen Exsudate, so dass der Widerstand der Thoraxwand, des
Mediastinums, der Organe und Wandungen der Bauchhöhle alsbald dem
Leichtenstern, Krankheiten der Pleura. Haematothorax. 961
Transsudations-Drucke das Gleichgewicht halten. Ein weiterer jeden-
falls nur untergeordneter Grund liegt vielleicht darin , dass die Inter-
costal - Muskeln bei Pleuritis an der benachbarten Entzündung Theil
nehmen, »serös infiltrirt« werden und dadurch an Resistenzfähigkeit ein-
büssen. Dieselbe Veränderung trifft zwar auch das Zwerchfell, ist aber
selbstverständlich für den Grad der Verdrängung desselben ohne Bedeu-
tung ; erst dann , wenn das convex nach unten vorgewölbte Zwerchfell
in seine Normallage zurückkehren soll, kann die Functionsschwäche des
Zwerchfellmuskels als ein Verzögerungsmoment der Rückkehr in Be-
tracht kommen.
Therapie. Die Therapie des Hydrothorax ist in den meisten
Fällen identisch mit der Behandlung des Grundleidens. Gelingt es
durch Digitalis-Darreichung oder auf anderem Wege die Herzkraft zu
vermehren, den Druck und Blutgehalt im Aorten-Systeme zu steigern,
den Druck und die BlutüberfüUung im venösen Systeme zu verringern,
so verschwinden die hydropischen Erscheinungen und mit ihnen auch
der Hydrothorax. Unter Umständen kann es von grosser Wichtigkeit
sein , den hydropischen Pleuraerguss durch capillare Thoracocentese zu
entfernen ; denn er verringert durch Compression der Lungen die ath-
mende Oberfläche , steigert durch Compression zahlreicher Pulmonalge-
fässe die Schwierigkeiten der Circulation, beeinträchtigt die Füllung des
linken Ventrikels , vermehrt die Widerstände im kleinen Kreislauf und
die Insufficienz des rechten Herzens. Nach Vornahme der Thoracocentese
in solchen Fällen sieht man oft, dass die vorher vergebens und er-
folglos angewendeten Mittel, wie die Digitalis, ihre volle Wirkung ent-
falten.
Haematothorax.
Der Hämothorax, die Ansammlung von Blut im Pleuraräume, muss
von der Pleuritis oder dem Hydrothorax mit hämorrhagischem Exsudat
unterschieden werden. Er ist am häufigsten die Folge von Traumen,
(einer perforirenden Brustwuude, eines Rippenbruches, einer Contusion
mit Lungen- und Pleurazerreissung etc.) oder von berstenden A n e u-
r y s m e n. Letztere kommen im Kindesalter nicht vor.
Der traumatische Hämothorax ist meist gleichzeitig ein Pneumo-
thorax (Hämato-Pneumothorax). Das in die Pleura ergossene Bhit ruft
für gewöhnlich nur dann Pleuritis hervor, wenn gleichzeitig Entzün-
dungserreger (Fäulnisserreger, Fremdkörper etc. . . .) in die Pleurahöhle
eingedrungen sind. Blut wird, wie Wint rieh's Versuche lehren, ohne
weitere Folgen resorbirt.
Handb. d. Kinderkrankheiten. III. 2.
962 Krankheiten der Athmungsorgane. Pneumothorax.
Die Behandlung hat die Stillung der Blutung zur Aufgabe.
(Morphiuminjectionen , um die möglichste Ruhe des blutenden Theiles
herbeizuführen, ergiebige Anwendung der Kälte.) Ueber die Unterbin-
dung, ümstechung, Compression einer blutenden Intercostal- Arterie
bei penetrirenden Brustwunden siehe die Lehrbücher der Chirurgie.
Die operative Eröffnung der Pleurahöhle kommt bei kleineren Blu-
tungen ebensowenig in Frage, wie bei kleinen Exsudaten. Bei grösseren
Blutungen (z. B. durch berstende Aneurysmen) kann drohende Suffoca-
tion zur Incision auffordern. Auch dann ist diese ein zweischneidiges,
öfter Schaden als Nutzen stiftendes Mittel , indem sie die Blutung aufs
Neue anregen und zu letalen Graden steigern kann, ohne dass man durch
die Operation im Stande wäre , an die blutende Stelle selbst heranzu-
kommen.
Pneumothorax.
Literatur: B a r t h e z u. R i 11 i e t . 1. c. I. p. 602 ff. — Steffen,
1. c. I. S. 93 ff. - Gelmo, Jahrb. f. Kinderheilk. IV. S. 135. - H. Roger,
rUnion 1865. — Betreffs der physikalischen Symptome verweise ich auf die
Lehrbücher der phys. Diagnostik. Gas-Analysen: Leconte u. Demar-
quay, Gaz. hebdom. lit^GS. X. 7. — Dressler, Prag. med. Wochenschr.
1864. 33. — A. Ewald, Reichert's u. Du Bois-Reymond's Arch. 1873. H. 0. -
Siehe auch die Literatur d. Pleuritis.
Aetiologie.
Der Pneumothorax , die Ansammlung von Gas in der Pleurahöhle,
eine im Kindesalter selten vorkommende Krankheit , hat sehr verschie-
denartige Entstehungsursachen. Die hauptsächlichsten derselben sind:
1 ) Entzündliche P r o c e s s e in den Lungen , welche durch
u 1 c e r a t i V e Zerstörung oder Schmelzung der Pleura
pulmonalis zum Gasaustritt in die Pleurahöhle Veranlassung geben.
Hierher gehören die verschiedenartigen chronisch-pneumonischen Vor-
gänge, welche zu Destruction mit Bildung vonCavernen, Vomiken, oder
zur eitrigen Schmelzung des Infiltrates führen, die lobulär-eitrigen oder
-käsigen Pneumonien , wie sie im Kindesalter als Ausgänge der Katar-
rhalpneumonie besonders nach Masern so häufig sind, eitrige oder gan-
gränöse Lungen-Embolie , metastatische und andere Lungenabscesse,
Lungengangrän.
2) Empyeme, welche nach der Lunge durchbrechen. (Näheres
hierüber S. 896.)
3) Traumen. Wir rechnen hieher auch jenen Pneumothorax, der
in höchst seltenen Fällen bei Tussis convulsiva , als Folge sehr stürmi-
scher Hustenparoxysmen beobachtet wird. Dem Luftaustritt in die
Lei cht enster n, Krankheiten der Pleura. Pneumothorax. 963
Pleurahöhle geht in diesen Fällen interlobuläres , subpleurales Emphy-
sem voraus. Die Rupturstelle ist wohl meist am oberen Lappen.
Pneumothorax durch penetrireude Brustwunden erzeugt ist im Kin-
desalter selbstverständlich eine ausserordentliche Seltenheit. Am ehe-
sten kommt noch das operative Trauma einer ungeschickt ausgeführten
Thoracocentese als Ursache eines traumatischen Pneumothorax vor.
Selten sind auch die Fälle, wo in Folge von Contusio thoracis
(Sturz, Verschüttung, Ueberfahrenwerden) Pneumothorax entsteht. Die
Contusion als solche genügt , auch ohne das Mittelglied einer ßippen-
haktur , Pleurazerreissung mit Luftaustritt , Pneumothorax hervorzu-
rufen.
Man hat bis in die jüngste Zeit angenommen, dass in seltenen Fäl-
len auch eine spontane Gasentwicklung aus faulenden Empyemen zu
Pneumothorax Veranlassung gelten könne. Es ist höchst unwahrschein-
lich, dass diess je vorkommt. Die Fälle , auf welche man sich in dieser
Hinsicht beruft , lassen sehr wohl eine andere Deutung zu. Dagegen
entsteht Pneumopyothorax beim Durchbruch eines Gas-haltigen peri-
typhlitischen Abscesses in die Brusthöhle.
Anatomisclier Befund.
Der anatomische Befund beim Pneumothorax ist verschieden je
nach der Natur des primären Leidens, das ihn veranlasst.
Ist die Spannung der Luft eine grosse, wie beim totalen Pneumo-
thorax , so entweicht sie beim Anstechen der Brust mit einem kurzen,
zischenden Geräusch. Man findet die Lunge zusammengefallen oder
comprimirt , als einen welken , luftleeren Lappen an , der dem Media-
stinum und der Wirbelsäule anliegt. In anderen Fällen , z. B. wenn
die Lunge vielseitig verwachsen ist, oder wenn ein abgesacktes Empyem
in die Lunge durchbricht , ist der Pneumothorax von Anfang an ein
circumscripter , abgesackter; die Quantität und Spannung der Luit ist
dann oft eine so geringe , dass die Sektion die Existenz eines Pneumo-
thorax aus leicht begreiflichen Gründen nicht mit Sicherheit zu beweisen
vermao- ; die während des Lebens constatirten physikalisch - diagnosti-
schen Symptome wiegen in einem solchen Falle oft schwerer.
Der Pneumothorax führt um so sicherer zu Pleuritis mit seropuru-
lentem oder eitrigem Exsudat (Pyopneumothorax) , wenn mit dem Ein-
tritt der Luft in den Pleuraraum auch andere Entzündungsreize con-
curriren, Eintritt von Eiter, von brandigem Cavernen-Inhalt, von Spalt-
oder Fäulnisspilzen, oder, wie beim traumatischen Pneumothorax, einge-
drungene Fremdkörper.
61*
964 KranMieiten der Athmungsorgane. Pneumothorax.
Der Pneumothorax ist ein totaler, wenn die Lungen gesund,
nirgends verwachsen, retraktionsfähig sind. Der vielseitigen Adhäsionen
wegen ist der Pneumothorax bei chronischer Lungenphthise, oder nach
dem Dui'chbruche eines Empyems häufig nur ein partieller.
Die Perforationsstelle wird nach dem Lufteintritt in die Pleurahöhle
in Folge des CoUapses oder der Compression der Lunge alsbald wieder
verlegt und ist in der Leiche häufig nicht mehr auffindbar.
Die Perforations-Stelle der Lungenpleura ist, gleich nach der Ent-
stehung des Pneumothorax, bei jeder Inspiration für die Luft durch-
gängig, nicht aber bei der Exspiration, wegen ventilartigen Abschlusses
während der letzteren. Jede Inspiration steigert die Luftmenge ; die
Exspiration aber kann sie nicht nach aussen treiben ; daher oft die enor-
me Gasfülle beim totalen Pneumothorax , daher die Lungencompression
und die permanent inspiratorische Stellung , in welche die betreffende
Thoraxseite successive innerhalb kurzer Zeit geräth.
Die Verdrängung der Nachbarorgane des Herzens, des Zwerch-
felles , der Leber , die halbseitige Thoraxektasie erreicht oft beträcht-
liche Grade. Um den Grad der Diaphragma - Verdrängung kennen zu
lernen, ist die Untersuchung derselben von der Bauchhöhle aus, na-
türlich vor Eröffnung der Brusthöhle vorzunehmen.
Die Luft im Pneumothorax ist, wenn sie einige Zeit dort stagnirte,
Sauerstoffarm, CO^ und Stickstofireich. Dressler*) fand 77,2 Vol. p.
Ct. N, 14,7 C0^ 8,1 0.
Krankheitsbild, Symptome und Ausgänge.
Das Kraukheitsbild des Pneumothorax ist, abgesehen von der Ver-
schiedenartigkeit des Gruudleidens , hauptsächlich davon abhängig, ob
derselbe ein totaler oder ein partieller ist. Gelangt nur ein geringes
Quantum Luft in die Pleurahöhle, wie bei perforirendem Empyem, bei
der Operation der Thoracocentese , bei ausgiebigen Verwachsungen der
Lunge , so ist der physikalisch diagnostische Nachweis häufig unmög-
lich. In solchen Fällen treten keinerlei stürmische Erscheinungen ein, der
Thorax wird nicht erweitert , (er kann vielmehr retrahirt sein , wie bei
Phthisis mit Lungencirrhose) , auch kommt es nicht zu Verdrängung
der Nachbarorgane. Höchstens kann aus den Folgen , z. B. aus der
Verjauchung eines Empyemes auf stattgehabte Perforation mit Luft-
eintritt geschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Pneumotho-
rax besteht, wird gross, wenn z. B. bei einem nach den Lungen durchge-
brocheneu Exsudate , während plötzlich reichliche eitrige Sputa expek-
*) Prag, medic. Wochenschr. 1864. 33.
L ei cht enst er n, Krankheiten der Pleura. Symptome. 965
torirt werden , an der oberen Exsudatgrenze heller , vielleicht hoher
tympanitischer Schall erscheint, da, wo vorher absolute Dämpfung exi-
stirte. Wird diese Stelle sofort gedämpft, wenn der Kranke aus der
sitzenden Stellung in die halbe Rückenlage zurückkehrt, und senkt sich
in demselben Momente die vordere Exsudatgrenze etwas nach abwärts, so
spricht ein so prompter Wechsel der Dämpfungsgrenze in hohem Masse
für das Vorhandensein von Luft im Pleuraräume, besonders, wenn nach-
gewiesen ist , dass vorher ein Wechsel der Exsudatgrenze beim Liegen
imd Sitzen nicht vorhanden war. Absolut sicher wird dieser Schluss,
wenn , wie in einem von mir publicirten Falle *) , die Plessimeter-Stäb-
chenpercussion bei gleichzeitiger Auscultation metallisch resonirenden
Klang erzeugt. Andere metallische Phänomene fehlen bei diesen ge-
ringen Graden von Pneumothorax oft gänzlich.
Anders verhält es sich beim totalen Pneimiothorax. Die Erschei-
nungen der höchstgradigen Dyspnoe und Cyanose , der Kleinheit und
Frequenzsteigerung des Pulses, der Ausweitung (Ektasie) der betreffen-
den Thoraxseite, der Verdrängung der Nachbarorgane, des Herzens, der
Leber , treten hier in so stürmischer Weise ein , dass wir , wenn diese
Erscheinungen plötzlich bei einem Phthisiker oder nach einer schweren
Contusion des Thorax auftreten, sofort an Pneumothorax denken.
Die Erscheinungen sind um so stürmischer und schwerer, je ge-
sünder die Lunge ist, welche durch den Eintritt des Pneumothorax aus-
ser Function gesetzt wird , sie sind um so schwerer , je mehr auch die
Lunge der anderen Seite, wie z. B. bei Phthisis, verändert und functions-
imfähig ist. Je grösser der Bruchtheil ist, um welchen die athmende Ge-
sammtoberfläche durch den Hinwegfall der Function einer Lunge ver-
kleinert wird, um so intensiver ist die Dyspnoe, Cyanose, um so schwerer
das ganze Symptomeubild.
Nur zwei Beispiele aus meiner Praxis als Belege für das Gesagte:
1) Ein Phthisiker, den ich auf Lind wurm 's Klinik (1870) behandelte,
wurde in der Nacht, unmittelbar nach einem Hustenanfall, plötzlich tief
cyanotiseh und starb, ehe ich noch an das Krankenbett kam. Ich con-
ötatirte an der Leiche durch Percussion bei gleichzeitiger Auscultation
die Gegenwart eines rechts seifigen Pneumothorax. Die Section be-
stätigte diess und lehrte, dass die linke Lunge hochgradig verändert
nur °noch zum geringsten Theil lufthaltig war ; die rechte Lunge war
collabirt, sonst aber mit Ausnahme einiger weniger lobulärer käsiger In-
filtrationen lufthaliig und intakt. 2) Bei einem Phthisiker der hiesigen
medicinischen Klinik entdeckte ich , nachdem ich den Kranken mehrere
Tage nicht mehr untersucht hatte, einen Pneumothorax der rechten
Seite. Der Eintritt desselben war dem Kranken unvermerkt geblieben,
*) Berl. klin. Wochenschrift 1874. üo. 40. S. A. S. 4.
966 Krankheiten der Athmungsorgane. Pneumotliorax.
weil die rechte Lunge hochgradig verändert, längst nur mehr sehr un-
vollständig functionirt hatte. Die ganze linke Lunge war bei diesem
Kranken normal.
Die nachtheilige Beeinflussung der Circulation uud Athmung durch
den Pneumothorax ist um so hochgradiger, je stärker der Druck ist, unter
welchem das Gas steht. Es gilt hinsichtlich dieser Verhältnisse das Gleiche,
was wir über die nachtheiligen Folgen des Druckes gi'osser pleuritischer
Exsudate aut die Pulmonalgefässe der compriniirten Lunge, auf das
Herz und die grossen Gefässstämme oben ausführlich erörtert haben.
Die Erscheinungen des totalen Pneumothorax sind so ausserordent-
lich prägnant, dass die Diagnose desselben zu den leichtesten gehört.
Der Anfang der Krankheit ist ein plötzlicher. Manche Kranke geben
an , im Momente des Luftaustrittes die Empfindung gehabt zu haben,
als sei ihnen etwas in der Brust zerrissen. Der Kranke wird sofort von
einer qualvollen Dyspnoe befallen , er ist cyanotisch, der Puls bei man-
gelhafter Füllung des linken Herzens sehr klein und frequent ; arterielle
Hirnanämie hat mitunter Ohumachtsanfälle zur Folge; der Kranke ist
collabirt, seine Temperatur meist subnormal, seine Extremitäten fühlen
sich , wegen der verlangsamten Circulation , kühl an. Die betreffende
Thoraxseite ist erheblich erweitert, in permanent-inspiratorischer Stel-
lung ; die Intercostalräume sind breit , verstrichen oder selbst vorge-
wölbt ; die kranke Seite ist respiratorisch inaktiv.
Die P er c u SS ion beim Pneumothorax giebt einen intensiven, so-
noren Schall. Dieser Schall, gleichzeitig neben Ektasie und Athmungs-
stillstand der Seite , ist eigentlich schon bev/eisend für Pneumothorax.
Der Percussiousschall ist meist nicht klingend , zuweilen tief tympani-
tisch ; ersteres wenn die Thoraxwand stark gespannt ist, letzteres wenn
der Luftdruck im Pneumothorax dem atmosphärischen annähernd gleich
ist. Nur in den seltensten Fällen ist der gewöhnliche Percussionsschall
von einem in die Entfernung vernehmbaren metallischen Nachklingen
begleitet. Diess kommt nur bei sehr dünnwandigem mageren Thorax vor.
Legt man aber das <Jhr an die Brustwand , während in gewöhnlicher
Weise percutirt wird, so vernimmt man neben dem nicht tympanitischen
oder tympanitischen Schall ein deutliches metallisches Nachklingen.
Noch deutlicher und schöner, zuweilen überhaupt erst auf die-
sem Wege nachweisbar, wird dieser percussorische Metallklang,
wenn man den Plessimeter anlegt und mit einem harten Holzstäbcheu
percutirt, während man gleichzeitig auscultirt (Plessim et er-Stäb-
chenpercussion); dann ist jedes noch so leise Beklopfen des Plessi-
meters von reiner metallischer Resonanz begleitet.
Hat sich Exsudat zum Pneumothorax hinzugesellt, so ergibt die
Leichtenstorn, Krankheiten der Pleura. Symptome. 967
Percussiou Dämpfung in den abhängigen Tlioraxparthieen und zwar eine
in jeder Stellung des Kranken horizontal verlaufende obere Dämpfungs-
grenze. Diese durch Percussion leicht nachweisbare freie Beweglichkeit
der Flüssigkeit ist eines der schätzbarsten Zeichen des Pyopneumo-
thorax.
Hinsichtlich der durch Percussion und Palpation nachweisbaren
Verdrängung der Nachbarorgane , des Herzens, der Leber, gilt das
Gleiche , was wir oben bei der Verdrängung dieser Organe durch pleu-
ritische Exsudate ausführlich erörtert haben.
Bei der A u s c u 1 1 a t i o n ist das auffallendste Zeichen die voll-
ständige Abwesenheit von Vesiculär-Athmen. Anstatt dessen vernimmt
man Verschiedenes. Zuweilen fehlt jedes Respirations-Geräusch. In
anderen Fällen spielt der Pneumothorax die Rolle eines Resonanzraumes ;
das in den grossen Bronchien und in der benachbarten Lunge entste-
hende Athmungsgeräusch ruft eine schwache, nicht metallische, son-
dern einfach klingende Resonanz hervor; man vernimmt ein sehr
leises, wie aus weiter Entfernung hergeleitetes, seinem Charakter nach
weiches bronchiales , langsam verklingendes Athmen. In wieder an-
deren Fällen ruft das benachbarte Athmungsgeräusch metallische
Resonanz hervor; wir hören ein leises , hohes, metallisch klingendes
Athmen , ein von hohem metallischem Nachklingen begleitetes Sausen.
In solchen Fällen rufen auch andere Cieräusche und Klänge , die in der
Nachbarschaft entstehen , metallische Resonanz hervor , so die Stimme,
der Husten, das Geräusch beim Schlucken von Flüssigkeiten , Rasselge-
räusche, die in der benachbarten Lunge entstehen, zuweilen selbst die
Herztöne.
Ist Pyopneumothorax zugegen, so ruft die Succussion des Kranken
die bekannten plätschernden Geräusche und Klänge, einfach- und me-
tallisch-klingende , hervor. Dieselben sind oft in die Entfernung ver-
nehmbar, und der Kranke macht selbst auf sie aufmerksam. Durch lang-
sames Hin- und Herwiegen desselben kann man zuweilen grosse , lang-
sam wiederkehrende Wellen erzeugen ; dann fühlt nicht allein die pal-
pirende Hand das Anschlagen des Wellenberges an den Thorax (Fluc-
tuation) , sondern auch das angelegte Ohr vernimmt im gleichen Mo-
mente einen kurzen Anschlage -Ton.
Erwachsene werden auf diese fühlbare Fluctuation in ihrer Brust
bei Bewegung, oft von selbst aufmerksam, und schildern das Phänomen
in drastischer Weise.
Der S t i m m f r e m i t u s ist entweder ganz aufgehoben oder doch
erheblich abgeschwächt.
Bei Auscultation L. H. U. werden plätschernde Geräusche und Klänge,
968 Krankheiten der Athmungsorgane. Pneumothorax.
welche im Magen entstehen, oft weit hinauf am Thorax wahrgenommen,
besonders bei Hochstand des Zwerchfelles, z. B. bei linksseitiger Lungen-
schrumpfung, bei Eetröcissement nach Pleuritis. Es ist bei einiger Uebung
und Aufmerksamkeit wohl kaum annehmbar, dass auf diese Weise eine
Verwechslung mit Pneumothorax vorkommen kann. Schwieriger dagegen
ist die Unterscheidung desselben von einer Hernia diaphragmatica.
Beim Pneumothorax durch ßippenbruch entsteht zuweilen in Folge
der gleichzeitigen Perforation der Costalpleura Haut-Emphysem, das sich
binnen Kurzem über eine grosse Strecke des Rumpfes verbreiten und einen
erheblichen Grad erreichen kann.
Die Ausgänge des Pneumothorax sind verschieden je nach der
Ursache, welche diesen herbeiführte.
In vielen Fällen, so namentlich bei Phthisikern, bildet der Pneumo-
thorax das letzte Glied einer langen Kette von Leiden. Der Kranke
collabirt und stirbt schon wenige Stunden nach Eintritt des Pneumo-
thorax sufFocatorisch. In anderen Fällen dagegen wird dieser chronisch,
und längere Zeit, selbst ohne erhebliche Beschwerden ertragen. Diess
ist der Fall, wenn der Pneumothorax jene Lunge ausser Function setzt,
die zur Befriedigung des Athembedürfnisses ohnediess nur wenig mehr
beigetragen hatte. ( Vergl. hinsichtlich dieses Verhaltens die auf S. 965
beschriebenen Fälle.)
In manchen Fällen von traumatischem Pneumothorax, besonders in
solchen , die durch Contusion ohne Rippenbruch entstanden , wird zwar
ein sehr ernstes Symptomenbild, zuweilen selbst die Gefahr der Suffo-
cation und schwerer CoUaps unmittelbar hervorgerufen ; dennoch ist die
Prognose in diesen Fällen im Allgemeinen eine günstige. Die Symptome
von Athmungsinsufficienz und gestörter Circulation pflegen sich alsbald
zu massigen , die Resorption macht rasche Fortschritte und oft kommt
es, wie Beobachtungen lehren, nicht einmal zur Bildung einer nachweis-
baren Exsudatmenge. Die Heilung ist eine vollständige und vollzieht
sich in glücklichen Fällen innerhalb einer Woche.
In zahlreichen anderen Fällen führt der Pneiimothorax zur Bildung
serös-eitriger oder rein eitriger Exsudate ; die Luft wird allmählig auf-
gesaugt, während eitriges Exsudat an deren Stelle tritt. Der Pneumo-
thorax nach Durchbruch eines Enipyemes in die Lungen oder nach
aussen , der Pneumothorax nach einer ohne genügende Cautelen aus-
geführten Thoracocentese kann Verjauchung des Empyemeiters im Ge-
folge haben.
Therapie,
Drohende Asphyxie indicirt die Function des Pneumothorax mit
einem capillären Troikart. Wir bewerkstelligen dadurch zwar nicht
Leichtenstera, Krankheiten der Pleura. Therapie. 969
die Wiederausdehnung der zusammengefallenen Lunge, wir vermin-
dern aber den nachtheiligen Druck, welchen die im Pneumothorax
angesammelte Luft auf die Lungen und deren Gefässe, auf das Herz und
die grossen Gefässstämme ausübt. Die Function vermindert die Circu-
lationshindernisse, vergrössert aber nicht die athmende Oberfläche. In-
dem aber die Function den grossen intrathoracischen Druck aufhebt,
vermindert sie die Spannung und Verdrängung der Thoraxwand und
des Zwerchfelles. Beide kehren aus ihrer extrem-inspiratorischen Stel-
lung wenigstens zum Theil wieder in ihre Normallage zurück ; Thorax-
wand und Zwerchfell können nun wieder Athmungsexcursionen aus-
führen und damit für die Wiederentfaltung der collabirten Lunge wir-
ken , freilich unter einer Voraussetzung , dass nämlich die Ferforations-
stelle der Fleura verklebt ist.
Die Function muss so oft wiederholt werden , als sich der frühere
Druck durch Aspiration neuer Gase wiederherstellt und mit Asphyxie
droht. Gegen den Collaps und die Herzschwäche sind Reizmittel am
Platze.
In einem Falle von totalem traumatischem Pneumothorax, den ich
beobachtete, trug die Anwendung grosser Eiscompressen wesentlich zur
Erleichterung des Kranken bei. Sie verdienen zur Abkühlung der Luft
und Spannungsverminderung derselben wenigstens versucht zu werden.
Ist der Pneumothorax abgesackt , übt er keinen besonders nach-
theiligen Druck auf Lungen und Herz aus, so ist auch die Function nicht
angezeigt. Sammelt sich späterhin allmählig Exsudat an, in dem Maasse,
als die Luft resorbirt wird , so fällt die Indication zur Thoracocentese
oder Radicaloperation mit der oben geschilderten des Empyemes zu-
sammen.
Ist ein Empyem nach innen durchgebrochen und Luft in die
Pleurahöhle gedrungen, so sei man, wenn nicht Asphyxie droht, mit der
Operation nicht voreilig. Die Heilung kann , wie zahlreiche Beobach-
tungen lehren, durch allmählige Verkleinerung der eröffneten Empyem-
höhle mit Verdrängung der Luft und des Eiters, der expektorirt wird,
sicher erfolgen. Treten aber Zeichen von Putrescenz des Empyemeiters
auf, steigert sich das Fieber , nimmt der Kräftezustand ab statt zu , so
zögere man nicht lange mit der Radicaloperation.
Eine wichtige Indication ist, durch zweckmässige Darreichung von
Opiaten (Morphin-Injectionen) die Beschwerden des Kranken, die qual-
volle Athemnoth desselben zu vermindern. Nicht selten ist diess , wie
bei Fhthisikern, die in extremis liegen, unsere einzige Aufgabe.
Wiederholt , z. B. in Fällen von totalem , traumatischem Pneumo-
thorax , überzeugte ich mich , dass mit der Beruhigung des Kranken
970 Krankheiten der Alhmungsorgane. Pneumotliorax.
durch eine Morphin-Injection die zumTheil nervöse Präcipitation
der Atliemzüge sich mässigte, die Cyanose sich verminderte , der Puls
kräftiger und der ganze Zustand des Kranken ein besserer w^urde.
Neubildungen der Pleura.
Unter den e n t z ü n d 1 i cli e n N^-ubildungen der Pleura haben
wir die fibrinösen Verdickungen , die bindegewebigen Pseudoligamente
und Pseudomembranen als Ausgänge der Pleuritis kennen gelernt.
Ihnen folgen in der absteigenden Häufigkeits-Skala die Pleura-
Tuberkel. Sie treten entweder als Theilerscheinung der acuten allge-
meinen Miliar-Tuberculose auf, oder secundär , im Gefolge von Tuber-
culose benachbarter Organe , so besonders der Lungen , der bronchialen
Lymphdrüsen , des Peritonemns. Die Pleuratuberkel machen keine an-
deren Erscheinungen als die der Pleuritis sicca oder exsudativa, die
sie hervorrufen. HämoiThagische Exsudate sind dabei häufig anzutreffen.
Treten Erscheinungen von Pleuritis bei einem Kranken mit Lungentu-
berculose oder tuberculöser Peritonitis auf, so wird der Schluss, dass die
Pleuritis durch die tuberculös-entzündlichen Processe in den Lungen oder
im Peritoneum hervorgerufen sei , wohl stets erlaubt sein , nicht aber
der Schluss , dass die Pleuritis nun auch mit Tuberkelentwicklung auf
der Pleura einhergehe.
Cysten der Pleura sind zuweilen primär entstanden ; sie stellen
dann meist Lymph-Retentions- oder Cysticercus-Cysten dar, die ob ihrer
Kleinheit nie zu Symptomen während des Lebens Veranlassung geben.
Echinococcus- Cysten gelangen von der Leber aus , ent-
weder auf embolisehem Wege in diu Lungen und von hier in die Pleura,
oder sie durchbrechen das Zwerchfell ; die Tochterblasen entleeren sich
mit dem wässrigen Inhalt der Mutterlilase in den rechten Pleurasack
und rufen die Symptome eines ))leuritischen Exsudates hervor. Pri-
märer Echinococcus der Lungen und secundär der Pleura ist selten.
Die Diagnose kann gestellt werden , wenn Trtimmer von der Chitin-
MemViran der Blasenwand des Ecchinococcus per Sputum entleert werden,
oder wenn die Punction eines vermeintlichen Pleuraexsudates ein Eiweiss-
freies Pluidum, mit den übrigen microscop. Kennzeichen des Echinococcus
liefert. Fälle von secundärem Pleura-Ecchinococcus sind bei einem 12 Jäh-
rigen von Gerhardt*), bei 13—15 Jährigen von D a r b e z **) und
Roger ***) beobachtet worden. Eine congenitale Haar- und Knochen-
cyste der Pleura beschreibt B ü c h n e r f).
Carcinome, Sarkome, Enchondrome der Pleura gehören
zu den grössten Seltenheiten ff) ; sie treten vielleicht niemals primär,
stets secundär im Gefolge von Krebs des Mediastinums , der Lymph-
*) 1. c. S. 387.
**) l'Union 1866. 117.
***) Gaz. hebet. 1861. VIII. — Gaz. des hop 1861. 137.
t) Deutsche Klinik 1853. 28.
ttj Siehe die Zusammenstellung der Casuistik bei A. Steffen, Klin. d.
Kinderkrankh. IL Bd. S. 440 ff.
Leichtenstern, Krankheitender Pleura. Hernia phrenica. 971
drüsen, der Lungen, des Peritoneums, der Leber etc. auf. Hämorrha-
gische Transsudate begleiten gewöhnlicli den PJeurakrebs.
Hernia phrenica s. diaphragmatica.
Leichtenstern, in Ziemssen's Hdb. d. spec. Path. u. Therap. VII.
Bd. 2. S. 460. ^
Die Hernia diapbragmatica im Kindesalter ist fast ausnahmslos eine
c 0 n g e n i t a 1 e. Sie beruht auf angebomen Defecten , auf unvollstän-
diger Bildung einzelner Theile des Zwerchfelles. In den höchsten Graden,
so besonders bei anencephalen , hemicephalen Missgeburten , fehlt eine
Zwerchfellshälfte, oder das ganze Zwerchfell, von dem nur einige Eudi-
mente der pars caraosa vorhanden sind.
Auch sonst verbindet sich mit congenitalen Zwerchfellsdefekten Spalt-
bildung anderer Organe, so der Lippen, der Kiefer, des Gaumens nicht
selten. Die Lücke im Zwerchfell betrifft bald den tendinösen Theil, das
sogenannte Speculum Helmontii , bald den carnösen , bald beide gleich-
zeitig. Spaltförmige Defeote befinden sich besonders gerne im carnösen
Theü. , z. B. zwischen dem Lumbar- und Costal-Theil des Zwerchfells-
muskels, zwischen der Portio sternalis und der ersten Costalzacke des-
selben.
Bei grös.?eren Defekten mit Einlagerung zahlreicher Baucheinge-
weide in die Brusthöhle werden die sonst wohl gebildeten und kräftig
entwickelten Kinder todt oder im höchsten Grade asphyktisch geboren,
und sterben meist wenige Stunden post partum. Ist der Zwerchfellsde-
fekt geringgradig , sind nur wenige Baucheingeweide ektopirt , so kann
das Leben längere Zeit unter Dyspnofe' , Cyanose fortbestehen. Ja der
spaltförmige Defekt kann congenital vorhanden sein ohne Ektopie von
Baucheingeweiden ; diese treten erst später einmal auf irgend eine Ver-
anlassung bin (Trauma, Hustenparoxysmen, stürmische Brechbewegungen
etc.) in die Brusthöhle und bedingen acute Cyanose und die schwerste Dys-
pnoe *). In den meisten Fällen ist der Defekt ein totaler, so dass Brust-
und Bauchhöhle unmittelbar mit einander communiciren ; in selteneren
Fällen ist ein von Pleura und Peritoneum gebildeter Bruchsack vorhan-
den, der durch die Zwerchfellslücke hindurch in die Brusthöhle aufsteigt
und die dahin ektopirten Baucheingeweide nach Art eines Bruchsackes
allseitig umgiebt (Hernia vera). Einen interessanten Fall dieser Ai-t
beobachtete Feiler**) bei einem 8V2 Pfd. schweren Neugeborenen.
Der congenitale Defekt betrifft häufiger die linke als rechte Zwerch-
fells - Hälfte. Daher werden Magen , Colon , Dünndarm , Milz am häu-
figsten als dislocirte Organe angetroffen. Congenitale Defekte der rechten
*) Wegscheider und Patsch (Monatsschrift f. Geburtsk. u. Frauenkr.
IX. 1857. S. 167) erzählen den Fall, wo ein Sjähriger Knabe plötzlich unter
allen Erscheinungen der inneren Incarceration erkrankte und zu Grunde ging.
Durch eine congenitale Spalte der linken Zwerchfellshälfte war der Magen in
die Brusthöhle getreten, in der Spalte eingeklemmt worden und hatte Peri-
tonitis hervorgerufen. Ueber andere ähnliche Fälle siehe meine Arbeit über
diesen Gegenstand 1. c. S. 46-1.
**) Monatsschrift f. Geburtsk. u. Frauenkrankh. IX. 1857. S. 161.
972 Krankheiten der Athmungsorgane. Hernia phrenica.
Zwercbfellshälfte kommen häufiger als Hemiae verae vor und gehen
dann mit eigenthümlicher congenitaler Verbildung der Leber einher,
welche Thurmähnliche, Rüssel- oder Zapfenförmige Fortsätze in den in
der Brusthöhle liegenden Bruchsack schickt.
Die Diagnose der Zwerchfellshernie kann unter günstigen Umstän-
den gestellt werden.
DIE
EEKEAMUNGEN DER BRONCHIALDRÜSEN
VON
Dr. W. WIDERHOFER,
PEOFESSOR IN WIEN.
Die Uebersclirift dieses Abschnittes möge ihre Rechtfertigung in
dem bisherigen allgemein üblichen Gebrauche finden. —
Diesem zufolge sollte man nur jene Drüsen in die Besprechung
ziehen, die in nächster Nachbarschaft der beiden Hauptbronchien und
deren weiterer Verästelung im Lungenparenchyme liegen. —
So enge können jedoch die Gränzen unserer Arbeit nicht gesteckt
sein. — Dieselbe wäre viel richtiger überschrieben : »Erkrankungen
d e r i n t r a t h o r a c i s c h e n Drüsen.« — Freilich, da wir ausschliess-
lich nur vom Kindesalter sprechen, müssten wir, um strenge consequeiit
zu bleiben , die Thymus namentlich ausschliessen.
Alle diese Drüsen stehen in innigster Beziehung zu dem grossen
Lymphstamme, viele zu den grossen Athmungscanälen und Blutgefässen,
viele und zwar speciell die Bronchial-Drüsen zu dem Lungengewebe
selbst. Die Folge wird es lehren , wie hoch deren Beziehung zu den
grossen Nerven , die den Thorax durchziehen , dem Sympathicus, Phre-
nicus , vor Allem aber dem Vagus und seinen Aesten besonders im er-
krankten Zustande anzurechnen ist, wenn auch deren nähere Beziehung
zu den übrigen Organen im Brustkorbe : Oesophagus , Pericardium,
Pleura, Zwerchfell, Zellgewebe etc. . . . eine mehr untergeordnete Fiolle
spielen wird. —
Wer nur einigermassen Kinder am Krankenbette oder noch mehr
am Secirtische studirt hat, dem wird wahrhaft kein Zweifel auftauchen
über die hervorragend wichtige Rolle , welche die Erkrankung dieser
Drüsen-Gruppe in der Pädiatrik beanspruchen muss. — An sich schon
ihre ihnen innewohnende Bedeutung für die Blutbereitung im allgemei-
nen wäre Grund genug. Ihre Erkrankung bringt in erster Linie leicht
Erkrankungen der Lunge mit sich und 'bildet häufig genug den
Ausgangspunkt eines deletären Processes für den ganzen Organismus.
Ihre normale Beschaffenheit ist der Prüfstein, — fast möchte ich sagen
der richtigste — für die Gesundheit , für das Gedeihen und für die Re-
sistenzfähigkeit des kindlichen Individuums in allen , wie immer gear-
teten schweren , das Leben bedrohenden Erkrankungen. —
976 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
All diess, um nicht weitläufig zu werden, wird im Folgenden seine
Berücksichtigung wenigstens anführungsweise finden.
Historischer üeberblick.
Ganz merkwürdiger Weise scheint der Erkrankung der Bronchial-
drüsen bis zum Niedergange des vorigen Jahrhunderts wenig Aufmerk-
samkeit geschenkt worden zu sein.
Nach den Angaben Barety's mag Lalouette 1780 der Erste
gewesen sein , der in seinem Traite des scrofules der Drüsenerkrankun-
gen in pathologisch anatomischer , wie symptomatischer Beziehung er-
wähnt. — Nach den Angaben , die wir dem obigen Autor verdanken^
hat dieser in wahrhaft überraschender Weise die Leichenbefunde, Sym-
ptome und deren Deutungen berührt. Er spricht von geschwellten bis
auf das drei- und vierfache ihres Volumens vergrösserten , entzündeten,
indurirten und vereiternden inneren Drüsen, besonders Bronchialdrüsen,
und zwar der Kindheit bis zur zweiten Zahnung, ja selbst von verkrei-
deten Drüsen.
Er spricht auch von Abscessbildung im umgebenden Zellgewebe
mit Entleerung des Eiters in die Lunge , oder an deren Oberfläche *).
Er spricht dabei von Veränderungen der Stimme, von Asthma, von
Pertussis ähnlichem Husten, von habitueller Oppression, Gesichtsödera,
ja sogar von Compression der Nerven durch dieselben **).
Rilliet, Barthez und B a r e t y sind darin einig, dass die ersten
bahnbrechenden Arbeiten über dieses Capitel noch später erschienen
und zwar war der erste unter den Franzosen : »Lebion d im Jahre
1824 mit seiner Inauguraldissertation: sur une espece de phthisie par-
ticuliere aux enfants, Paris 1824«, unter den Deutschen: Becker mit:
»De glandulis thoracis lymphaticis atque Thymo specimen pathologicum
Berolini 1826«.
Sie erhärteten ihre Ansichten durch darauf bezügliche interessante
Krankenbeobachtungen und handelten das Thema unter dem Namen :
B r o n c h i a 1 p h t h i s e ab. —
Nun folgten schon Arbeit auf Arbeit , Autor auf Autor , die alle
speciell anzuführen unsere Arbeit zu weit ausdehnen würde ; wir nennen
daher nur als die für die Pädiatrik hervorragendsten die Arbeiten von
*) A l'ouverture des cadavres on trouve presque toujours les glandes qui
accompagnent la trache'e-artere et ces divisions et Celles de l'oesophage tume-
fi^es, et si gonfle'es que leur volume excpde trois ou quatrefois celui de l'etat
naturel oder: »Les glandes dures, inegales renferment les concretions presque
gypseuses etc.
**) Le gonfiement des glandes tiraille et irrite les nerfs qiü s'y distribuent
et les avoisinent.
Widerhofer, Erkrankungen der Bronchialdrüsen. 977
Rilliet und B ar t hez aus den Jahren 1840, 1842 und 1857 bis zur
selbstständigen Monographie in ihrem classischen Werke über Kinder-
krankheiten.
Alle Meister der pathologischen Anatomie zogen die Bronchial-
drüsen in das Bereich ihrer Forschungen und so findet man allerwärts
mustergiltige Schilderungen bei C r u v e i 1 h i e r , R o k i t a n s ky, V i r-
chow, Buhl etc. . . .
Es existirt heute kein Handbuch über Pädiatrik, das diesem Capitel
aus dem Wege ginge. Es ist eben die Bedeutung und Diagnose der Er-
krankungen der Bronchialdrüsen zur bleibenden Studie geworden und
dennoch ist die klinische Diagnostik von der exacten Lösung ihrer Auf-
gabe noch weit entfernt und weiss auf manche Frage nur ungenügend zu
antworten.
Mit der Verweisung auf die beiliegende Bibliographie mögen hier
nur die vollständigsten Arbeiten der letzten Decennien ihre Nennung
finden.
Als relativ ältestes:
1856. Aus Billiet u. Bartliez: Handbuch der Kinderkrankheiten.
IL Auflage. Deutsch v. Hagen. 3. Theil. S. 727. Tuberculose der Bronchial-
drüsen.
Es ist nicht zu verkennen , dass gerade dieses Werk für die Pädiatrik
allerwärts hahnbrechend wurde.
1808. Löschner inPrag: Aus dem Franz-Josef-Kinderspitale in Prag,
IL Theil 1868. — Epidemiologische u. klinische Studien aus dem Gebiete der
Pädiatrik in specie Art. XIIL »Die Schwellung, Entzündung u. Hyperplasie
der Lymphdrüsen und ihre Couseciuenzen gegenüber der amyloiden Entartung,
Scrophulose und Tuberculose derselben.« Aus jeder Zeile spricht der erfahrene
Kinderarzt, wie der beredte pädiatrische Kliniker.
1874. Als jüngstes: Barety, A. : »De l'Adenopathie traoheo-hronchique
en general et en particulier dans la scrofule et la phthisie pulmonaire.« Es
ist gründlich gearbeitet, ohne sich auf das Kindesalter zu beschränken und be-
herrscht die gesammte einschlägige französische Literatur.
Literatur.
M a s c a g n i's, Paul , Gesch. u. Beschr. der einsaugenden Gefässe oder
Saugadern des menschl. Körpers. Lateinisch 1787. Ins Deutsche übertr. v.
Dr. Christ. Friedr. Ludwig. Leipzig 1789. — Cruiskshanks, William,
Idem. A. d. Engl. Lateinisch 1787. Deutsch v. Dr. Ludwig. Leipzig 1789.
— Becker, De glandulis thoracis lymphaticis atque thymo specimen. Berol.
1826. — Leblond, These sur une espece de phthisie part. aux enfants. 1826.
— Rokitansky, Lehrb. d. pathol. Anatomie. III. Aufl. II. Bd. Anomalien
der Lymphdrüsen." S. 389—856. III. Bd. Abnormitäten der Bronchialdrüsen.
S. 100. — Virchow, Die krankh. Geschwülste. IL Bd. 1864/5. S. 370. —
L a m b 1 u. L ö s c h n e r , A. d. Franz - Josefs Kindersp. in Prag 1860. I. Th.
S. 243. Taf. 20. A. — D. — Hennig, D. C, Schwell, n. Tuberkel der Bronohial-
drüsen. Jahrb. f. Kinderh. Alte Ausg. III. Bd. 1. H. S. 19. — Löschner,
Pf., Klin. Fälle a. d. Franz-Josef Kindersp. in Prag. Scarlatina mit Bronchial-
drüsen - Tuberculose. Jahrb. f. Kinderh. A. Ausg. IV. Bd. 2. H. S. 119. —
Derselbe, Einfluss der Drüsentuberculose a. d, Verlauf der acut, contag.
Exantheme in specie des Scharlachs u. d. T.: Klinische Fälle (3 Scarlat.) a. d.
Franz -Josef Kindersp. in Prag. Jahrb. f. Kinderh. A. Ausg. IV. Bd. 2. H.
Handb. il. Kinderkrankheiten. III. 2. 6-'
978 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
S. 119. — Derselbe, Pylephlebitis, hochgradiger Icterus etc. Alte Bronchial-
drüsentaberculose. Darmhämorrhagie. Jahrb f. Kinderh. A. Ausg. 11. Bd.
3. Hft. S. 140. — Derselbe, A. d. Franz-Josef Kindersp. in Prag. II. Th.
1868. Epideniiolog. u. klin. Studien a. d. Gebiete der Pildiatrik in specie Ar-
tikel X. Ueber den Zusammenhang des chronischen Darmcatarrhs mit Ra-
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Art. XIII. Die Schwellung, Entzündung und Hyperplasie der Lymphdrüsen etc.
S. 245. — B o u c h u t (Paris) , Die Tuberculose der Bronchialdrüsen oder die
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Stenose der Trachea u. des rechten Bronchus etc. Jahrb. f. Kinderh. A. Ausg.
1865. VIL Bd. 2. H. S. 64. — Barth, Dr., Petersburg, Beiträge zur Pathologie
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VII. Bd. 2. H. Anal. S. 210. — Coupland, Dr., Durchbruch eines Lymph-
drüsenabscesses in die Trachea. The Lancet Vol 1. 1874. — Vogel, Dr. M.,
PlötzKcher Todesfall in Folge von Communication eines Bronchus mit der Vena
subclavia dextra vermittelst einer käsig umgewrandelten Brouchialdrüse. Allg.
med. Centralzeit. 80. 1874. — Smith, Eustace, Dr., Zur Diagnose der vergrös-
serten Bronchialtumoren. The Lancet II. 7. 1875. — Thompson, Dr. H.,
Perforation der Trachea durch vergrösserte käsig degenerirte Drüsen. Med.
Tim. and Gaz. 12/30. 1874. — Hervieux, Ueber Lungenschwindsucht bei
kleinen Kindern. Sclimidt's Jahrbuch 75. Bd. S. 75. — Gerhard t, Studien
u. Beobachtungen über Stimmbandlähmung. Virchow's Archiv Bd. 27. S. 08.
— Riegel, Tracheo- u. Bronchialstenosen aus Ziemssen's Handbuch IV. Bd.
2. Hälfte. — Ziems sen. Aus Ziemssen's Handbuch der speziellen Pathologie
u. Therapie IV. Bd. Krankheiten des Respirationsapparates I. I. Hälfte. I)ie
Neurosen des Kehlkopfes S. 422. — L e r e b o u 1 1 e t, L. , Recherches cliniques
sur l'ade'nopathie bronchique consideree comme Tun des signes du debut de la
tuberculisation pulmonaire. L'union med. N. 60 - 63. 1874. — De l'adenopathie
bronchique. Gaz. hebdom. de med. et chir. N. 42. idem. — ß a r e t y , A. , De
l'adenopathie tracheo-bronchique etc. (wie oben). Paris 1874.
Siehe weiter noch die Handbücher über Kinderkrankheiten von Bednar.
Wien 1853. (aus dem Wiener Findelhause) Bouchut — West — Hennoch
— Hennig — Vogel ~ Gerhardt — Steiner.
Normale Anatomie.
Ich bin mir wohl bewusst, dass ich eigentlich hier ein Capitel ein-
schalte , welclie.s in den Lehrbüchern iür Kinderheilkunde nicht üblich
ist. In wenigen fehlt ein Abschnitt über Erkrankungen der Bronchial-
drüseu ; doch nirgends findet man deren beschreibende Anato-
m i e. Bei aller Nachsuche in den Handbüchern über Anatomie war die
Ausbeute eine sehr spärliche; diess der Grund, wesshalb ich sie einem
specielleren Studium unterzog , dessen Resultat ich hier in möglichster
Kürze mittheile. Ich glaube , dass die genaue Berücksichtigung dieser
anatomischen Details imerlässlich ist für die richtige Deutung der Symp-
tomatik und insbesonders der consecutiven Zustände. Ja icli hege die
Ueberzeugung, dass man nur durch die genaueste Koiutniss der Verhält-
nisse der Drüsen zu den übrigen Organen im Thorax, besonder.s aber zu
den Gefässen und Nerven eine präcisere Diagnose ermöglichen wird, als
es bis jetzt geschah.
Der leichteren Uebersicht wegen theilen wir die Oliiiidulae in-
trathoracicae ein: in I. Olaiululae parietales und II. Wlaudulae
viscerales *).
*) Ueber die normale Anatomie fand ich nur Andeutungen in Becker's
02-'
980 Kranklieiten der Athmungsorgane. Bronchialdriisen.
Erste Gruppe. I. Glandulae intratlioracicae parietales.
Im Innern des Thorax (und zwar extra pleuram) findet man zahl-
reiche Drüsen — im Kinde kaum von Linsengrösse, meist so klein, dass
sie minder genauer Untersuchung leicht entgehen. —
Nach hinten in den Tntercostalräumen — fast in jedem eine
bis zwei solcher Drüsen — in Begleitung der Intercostalgefässe längs der
Wirbelsäule dieser fast anliegend zwischen je zwei Rippen innerlialb der
Gränzstränge des Sympathicus — a) Glandulae costo-vertebrales.
Ebenso nach vorne, doch in verminderter Anzahl , in den Inter-
costalräumen unmittelliar zwischen den Ansätzen der Rippenknorpel an
dem Sternum — sie haben nach aussen als Begleiter die Arteria und
Vena mammaria interna; am leichtesten auffindbar sind sie in den drei
obersten tntercostalräumen — b| Glandulae costo-sternales.
Zuweilen findet man bei sorgsamer Untersuchung auch noch in dem
weiteren Verlaufe der Intercostalräume hie und da eingelagerte winzige
Drüsen — c) Glandulae intercostales.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt , dass- ausserdem am
Pericardium wie am Diaphragma und zwar in nächste)- Umgebung seiner
Pforten, sowie weiter zwischen diesem und dem Pericardium diaphrag-
maticum meist spärliche Drüsen eingelagert sind — dj Glandulae peri-
cardiacaej und e) Glandulae diaphragmatlcae.
Stricte genommen theilweile schon der nächsten Gruppe angehörend
sei hier noch erwähnt , dass längs dem Oesophagus und namentlich in
seinem unteren Bruststücke neben ihm und auf ihm spärlich oblonge
grössere und im Zellgewebe hinter ihm eingestreut zwischen Aorta, Azy-
gos, und Ductus lympliaticus' selir winzige Drüsen gefunden werden : —
f) Glandulae Oesophagaeae.
Zweite Gruppe. 11. Glandulae intiathoracicae viscerales.
Wir glauben diese eintheilen zu sollen :
A) in Glandulae mediastiuales superficiales.
Wir verstellen darunter jene Drüsen, die im lockeren Zellgewebe
eiugel:>ettet liegen, theils umnjttelbar hinter dem Sternum und zwar in
der Hölle des oberen Randes des Manubrium sterni — beiläufig 3 bis 4
an der Zahl ; sie finden sich bei Wegnahme des Sternums nicht selten
durch grossmaschiges Zellgewebe an dasselbe adbärent , fast in horizon-
taler Linie von rechts nach links (juer gelagert ; — theils liegen sie un-
mittelbar vor der Thymus und den Venis anonymis im lockeren Zellge-
webe zwischen den unteren Hörnern der ersteren eingeschaltet : a) Glan-
dulae retrosternales.
An diese reiht sich zunäclist ein Drüsenpaquet in der oberen Brust-
oben citirtem Werke, der gleichfalls die Drüsen in parietale und viscerale ein-
theilt : und bei B a r e t y, er theilt sie ein
aj in Groupes ganglionnaires pretr ach eo-b ronohiqu es droit
et gauche
b) in Groupe intertracheo-bronchique ou groupes sousbron-
chiques droit et gauche
c) in Ganglions interbronchi qu es,
diesen fügt eraniGanglions mammaires internes ou gangliona
retro-sternaux et ganglions sus-claviculaires. Vielleicht,
dass unsere oben durchgeführte Beschreibung einfacher und präciser ist.
Widerhof er, lüankheiten der Bronchialdrüsen. 981
apertur zwischen dem Bruststücke der Clavicula und der ersten Kippe
gelegen. Es liegt im Confluenz winkel der Vena jugularis in-
terna und Vena subclavia auf dem vorderen Scalenus, mithin auch
auf dem über diesen Muskel hinziehenden Nervus phrenicus: —
b) Glandulae subclaviculares.
Alle obengenannten sind ebenso inconstant an Grösse oder besser
Kleinheit wie an Zahl.
An diese reihen sich — eigentlich nicht mehr in unsere Betrachtung
zu ziehen (weil sie ausserhalb des Thorax liegen) — Drüsen , die vor
- , der Trachea, hinter dem Musculus stemohyoideus bis gegen die Glan-
1,11 dula thyreoidea und selbst bis unter sie hinein gelagert sind, — ■ ebenso
inconstant an Grösse und Zahl — . Im allgemeinen ist zu bemerken,
dass sie meist von wahrhaft winziger Grösse im Kindesalter angetroffen
werden (deren Schwellung wäre fühlbar und könnte nur Stau-
ung in den Venae thyreoideae bringen). Man könnte sie —
c) Olandulae tracheales superficiales nennen.
B) Glandulae mediastinales profuudae.
Wir glauben , um verständlich zu sein , als Scheidungsgränze das
Niveau der Zusammensetzung der Vena cava descendens
aus den beiden Venis anonymis nehmen zu dürfen. Nennen
daher: profundae die hinter der Cava und den anonymis gelegenen
Drüsen , die sich dergestalt verhalten :
An der rechten Seite. Constant sieht man aus dem
Vereinigungs winkel beider Anonymae in die Cava des-
cendens — Angulus venosus — den oberen Pol einer Gruppe
von 2 — 3 mindestens Erbsen- und darüber grossen Drüsen, die der h i n-
teren Hohlader anliegen — über deren pleuralem Ueberzuge hier der
Nervus phrenicus verläuft — und die in ihrem Mittelstück den
rechten Bronchus gleich nach seinem Abgange von der Trachea über-
kreuzen. Diese Drüsengruppe wird einerseits von der Vena azygos
während ihres Verlaufes zur Vena cava descendens hin umschlungen,
andrerseits liegt ihr in der hinteren Peripherie der Nervus vagus
an, bis zu jenem Punkte, wo er von der Azygos überkreuzt wird (selbst-
verständlich überwölbt diese ganze Gruppe nach allen Seiten die Lunge),
nachdem bei seinem Eintritte in den Thorax sein Eamus recurrens
die Arteria subclavia umschlingt und in seinem weiteren Ver-
laufe an der rechten Trachealseite nach aufwärts zieht. — (Verhältnisse,
auf deren Wichtigkeit wii- noch z.uiückkommen dürften.)
An der linken Seite: trifft man in einer von vorne nach hinten
und aussen abfallenden sagitlalen Ebene in der Höhe des 2.-3. Brustwirbels
unmittelbar unterhalb der linken A^ena anonyma, auf dem
die (^rossen Gefässstäuune überkleidendeu pericardialen Absclmitte auf-
liegend, eine flächenartig ausgebreitete Drüsengruppe. Nach aussen und
vorne tangirt sie der Nervus phrenicus, nach hinten der N. vagus.
Der linke Vagus mit seinem Recurrens verdient hier nähere
"Würdigung. Der linke Vagus hält sich nach seinem Eintritte in den
Brustraum an den hinteren Umfang dieser Drüsengruppe, die, wie be-
merkt, zwischen Vena anonyma sinistra und dem Endstücke des Aorten-
boo-ens (in das obere Stück des hinteren Mittelfellraumes reichend) ge-
982 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
bettet ist, und zwar auf so lange, bis er sich hinter dem Bronchus zum
Oesophagus begibt. Indem sein Ramus laryngeus inferior die
Aorta umschlingt, muss er, um in die Furche zwischen Trachea
und Oesophagus nach aufwärts zu gelangen, zwischen den einzel-
nen Körpern dieser Drüsengruppe hindurch passiren.
Nach Wegnahme des Herzens und seines pericardialen fibrösen Blat-
tes bei Zurseitedrängung der Lungen findet man eine mächtige Di-üsen-
gruppe, die in dem dreieckigen Räume, den die in die beiden Haupt-
Vironchien sich theilende Trarhea bildet, eingekeilt ist. Wir nennen diese
Drüsen :
C) Glandulae tracbeo-bronchiales .seu interbroiichiales.
Sie beisteht aus beiläufig 10 — 12 Erbsen- und darüber grossen Drü-
sen, die herzförmig flächenartig ausgebreitet sind. Sie liegen also in der
Höhe und vor dem 3.-5. Brustwirbel und liegen linkerseits dem Oeso-
phagus auf, auf dem die durch geflechtartige Auflösung des linken Va-
gusstammes verlaufenden Rami oesophagaei ziehen.
Nach vorne sind sie bedeckt von dem über sie quer hinüberziehen-
den Ramus dexter derArteriapulmonalis, auf seinem
Wege über den rechten Bronchus nach dem rechten Lungenhilus , wel-
cher vor sich hat das Ursprungsslück der Aorta, die in ihrem aufstei-
genden Bogen theils die Drüsengruppe, theils den linken Bronchus deckt.
Sie dehnen ihre flächenartige Ausbreitung nicht selten bis unter die
hintei'e Peripherie der beiden Hauptbronchien aus, daher dem patholo-
gisihen Anatomen bei der Section die verkästen Drüsen dieser Gruppe
und zwar oft genug als die einzigen erkrankten — am häufigsten zuerst
in die Augen springen, wenn er die Lungen herausholt und sie nach
der entgegengesetzten Thoraxhälfte hinüberzieht. Sie sind natürlich bei
diesem Handgriffe aus ihrer Lage gebracht und präsentiren sich dann,
als wären sie direct vor der Wirbelsäule gelegen.
D) Glandulae trachealcs profuiidae.
An die mächtige Grupi'ie der inferbronchialen Drüsen zieht sich
nach aufwärts beiderseits eine aus zahlreichen ungefähr Linsen-
grossen Drüsen fast ununterbrochen fortlaufende Kette, die der
Trachea von ihrem Ende bis in die Höhe des unteren Schilddrüsenrandes
an ihrer hinteren und seitlichen Peripherie , also in der Tiefe anliegt.
Wir nennen sie : Glandulae t r a c h e a 1 e s profund ii e. Auf
lieiden Seiten zieht an ihnen herauf der N. recurrens
nervi vagi, linkerseits liegt die Drüsenkette auf dem Oesophagus
auf.
Nach abwärts von dem obigen sog. Centralstocke der
i n t e r 1) r 0 n c h i a 1 e n Drüsen findet man die :
B) Glandulae broncho-pulmonales.
Man beobachtet nämlich an der inneren Fläche der Lungen an ih-
rem Hilus prominii-end in variabler Anzahl Drüsenkörper von ErVisen-
bis Haselnussgrösse, die besonders in den T he ilungs wink el n des
Pulmonalarterienastes und um das Bintrittsstück des Haupt-
bronchus herum, theilweise schon im Lungenparenchyrae eingebettet sind.
Verfolgt man den Hauptbronchus in seinen weiteren Verzweigungen in-
Widerhofer, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 983
nerhalL des Lungenparenchyms , so findet man in dem Winkel seiner
beiden ersten Haupiiiste gewöhnlich eine voluminösere Drüse eingebettet,
indess die von da rasch an Caliber almehmenden Bronchialäste in ihren
spitzeren Winkeln je 1 — 3 kleinere Drüsen bergen, so dass das ganze
Lungengewebe um den Hilus herum und von ihm aus bis in eine an-
sehnliche Tiefe des Parenchyms (vierte Theilung — Barety) reichlich
von Drüsen durchsetzt ist.
Die Drüsen des Luugenhilus und die noch tiefer im Lungenparen-
chyme eingebetteten zeigen auch im Kindesalter vor allen anderen Grup-
pen relativ am häufigsten intensivere Pigmentirung.
Alle diese Drüsen zeigen im normalen Zustande im frühen Kindes-
alter eine röthliche Farbe ; mit ihrer immerhin abschätzbaren Grössenzu-
nahme in den nächsten Jahren scheint ihre rothe Farbe zu erblassen, bis
sie (Quain-Hoff mann) analog den Lungen später weisslich-grau und
pigmentirt werden.
Das Verhalten der Lymphgefässe in den Lungen
und zu deren Drüsen sei nach Qu ain-H o ff m ann' s Anatomie
hier in gedrängter Kürze skizzirt *) : Die Lungen haben ein oberfläch-
liches reichliches Lymphgefässnetz dicht unter der Pleura , die tiefern
verlaufen mit den Blutgefässen hin zu den Lungenwurzeln, passu'en auf
diesem Wege die Glandulae broncho - pulmonales und treffen hier mit
den oberflächlichen zusammen. Vereint mit diesen durchdringen sie die
Gl. tracheo-bronchiales und bilden jederseits mehrere Stämmchen , unter
denen sich meist ein stärkerer Truncus broncho-mediastinus befindet.
Diese verlaufen längs der Luftliöhle zur unteren Abtheilung des Halses
und münden links in den Milchbrustgang , rechts in den Lymphstamm.
Pathologische Anatomie**).
Die Erkrankungen der intrathoracischen Drüsen, ebenso häufig als
bedeutungsvoll, bilden durch das ganze Kindesalter hindurch eines der
gewöhnlichen Vorkommnisse am Obductionstische.
Sie erkranken sowol Substantiv als auch consecutiv mit
den Affectionen der Bronchien und des Lungenparenchyms, von denen
sie , wie oben erwähnt , ihre Vasa afferentia beziehen.
Zunächst findet man die Drüsen im Zustande der acuten Hy-
perämie — leichte Schwellung — Verfärbung ins Blaurothe : bei
allen suffocativ zu Grunde gegangeneu Kindern — im Beginne entzünd-
licher Processe der Luftwege und des Lungenparenchyms — bei Stau-
ungen in Folge von Lungen- und Herzkrankheiten.
*) Wer näher in das Studium der Lymphgefässe der Brust eindringen
will , dürfte wohl kaum irgendwo ausführlicheres finden , als in dem Pracht-
werk'e von Paul Mascagni und William Cruikshank: »Geschichte
und Beschreibung der einsaugenden Gefässe und Saugadern des menschlichen
Körpers, lateinisch 17S7, deutsch von Dr. Ludwig. Leipzig 1789. ■<
**) Ich folge hier getreu der Anschauung des Prof. Kund r_a t , meines
früheren Prosectors im St. Annen - Kinderspitale zu Wien, derzeit Prof. der
path. Anatomie in Graz.
984 Ki'ankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
Sind diese Zustände, die eine solche hyperämische Schwellung dei-
Drüse veranlassen , vorübergehende , so kehrt die Drüse zu ihrem Nor-
malzustande zurück; sind diese Zustände aber bleibende, so kommt es
zur chronischen Hyperämie mit ihren Folgezuständen. Die
Tumescenz der Drüsen steigert sich unter Verdichtung derselben durch
stärkere Entwicklung des Reticulums und Massenzunahme der Lymph-
zellen mit Erweiterung der Gefässe. Zugleich verdichtet sich auch der
Zellstoff', in dem die Drüsen eingebettet sind.
Eine weitere Folge dieser chronischen Hyperämien ist die Pig-
meutation. Wenn auch im Allgemeinen die Pigmentirung der Bron-
chialdrüsen nach der Pubertät schon sehr häufig ist, ja bei Erwachsenen
als Regel vorkommt in Folge der oftmaligen Hyperämien und Ent-
zündungen , denen sie bis dahin ausgesetzt gewesen sind , so finden wir
doch bei Kindern, selbst denen, die sehr häufig Entzündungsprocesse in
ihren Respirationsorganen durchgemacht haben, die Drüsen oft frei von
Pigment. Hingegen bei jenen Stauungen, wie sie die angeborenen wni
frühzeitig erworbenen Herzfehler und manche Lungenkrankheiten als
ausgebreitete Atelectase, Bronchiectasie etc. hervorrufen, kommt es oft
frühzeitig, ja schon in den ersten Lebensmonaten zu starker Pigmenti-
rung mit chronischer Tumescenz , Verdichtung der Drüse , Verdickung
ihrer Kapsel und fester Adhärenz an der Umgebung.
Acute Entzündung. Bei allen acuten Substanti-
ven wie symptomatischen entzündlichen Erkrankun-
gen der Respirationsorgane, der Bronchien und des
Lungenparenchyms, kommt es zu entzündlichen Ver-
änderungen in den B r o n c h i a 1 d r ü s e n.
Die Drüsen werden hyperämisch, schwellen an bis auf das 3 — 4-
f'ache ihres Volumens, erscheinen anfangs dunkelgeröthet, blauroth,
späterhin mit Zunahme der Schwellung röthlich-grau , sind locker
schwellend. Es beruht diese Veränderung auf einer unter Hyperämie
eintretenden Vermehrung der Ljonphkörperchen.
Je grösser die letztere wird , desto mehr tritt die Hyperämie und
dadurch die dunkelrothe Färbung der Drüse zurück. — Die Drüse wird
röthlichgrau , weissröthlich. — Dieser Process verläuft acut und zwar
meist so, dass mit dem Erlöschen des ihn veranlassenden Processes auf
der Bronchialschleimhaut oder im Lungenparenchyme die Drüse sich
allmählig unter Schwinden der Hyperämie zum normalen Zu-
stande involvirt. — Selten und dann vielleicht mehr durch die
in Folge der ursächlichen Erkrankung oder neuer nachfolgender Ernäh-
rungsstörungen auch anderer Organe, — die zur Tabescenz führen,
— kommt es zu übermässiger Involution der Drüsen, nach solchen acu-
Widerhof er, Krankheiton der Bronchialdrüeen. 985
teil entzündlichen Tumescenzen zur — Atrophie. Die Drüsen er-
scheinen kleiner als normal , meist schlaff und dunkelgeröthet.
Selten nimmt die acute Entzündung den Ausgang in Eiterung.
Es treten dann in der hyperämischen und geschwellten Drüse punct-
oder striemenförmige Eiterheerde auf, die untereinander confluirend
kleine Abscesse bilden, bis endlich eine ganze Drüse, ja mehrere neben-
einander liegende, vollständig vereitern. Tritt eine solche Vereiterung
rasch ein, so kann es nach Durchbruch der Kapsel zu Entzündung und
Eiterung im umgebenden Zellgewebe (Mediastinitis) , ja zu conse-
cutiver , eitriger Pleuritis und Pericarditis , selbst zur Perforation der
Pleura und des Pericardiums kommen.
In den meisten Fällen aber schreitet der Eiterungsprocess nur
langsam vor. Es findet eine Verdickung der Kapsel und des umge-
benden Zellgewebes statt und es kommt meist unter Resorption des Ei-
ters zu einer schwieligen Schrumpfung der Drüse — in anderen Fällen
unter Eindickung der Eitermassen und Ablagerung von Kalksalzen zur
Bildung käsiger und mörtelartiger ja kreidiger Massen, die in die
schrumpfenden Schwielen eingeschlossen sind — V e r k ä s u n g —
Verkalkung.
Prof. Kund rat gibt diesen Befunden bei kräftigen Kindern, ohne
jeder Spur einer scrophulösen oder tuberculösen Basis , obige Deutung,
deren Richtigkeit vom klinischen Standpiinkte zugestimmt werden muss.
Er schliesst damit nicht aus, dass diese Verkäsung der eitrigen Entzün-
dungsproducte in den Drüsen auch ohnejeder scrophulösen-tuberculösen
Basis immerhin zur Tuberculose führen kann , — die Richtigkeit der
jetzt geltenden Ansicht über Entwicklung derselben angenommen.
Diese schwielige Schrumpfung der Drüsen nach acuten Entzün-
dungsprocessen , kann aber überdiess zur Divertikel l^ildung am
Oesophagus oder P e r i c a r d i u m führen , wenn eben zuvor die
Drüse durch Verdichtung ihres Zellstoffbettes mit diesen in festere Ad-
härenz getreten war.
Chronische p]ntzüudnng: Durch häufige und rasch auf
einander folgende acute Entzündungen — bei den chronischen Erkran-
kungen der Bronchien und Lungen — ferner im Gefolge der Blutstau-
ungen (chronische Hyperämien) finden sich die Drüsen im Zustande
chronischer Entzündung. — Chronischer Tumor.
Sie sind oft bedeutend vergrössert, Bohnen- Isis Wallnuss- und dar-
über gross , von derber Consistenz , röhlich weiss bis weiss (nur bei den
von Stauung abzuleitenden dunkelroth und pigraentirt).
Es beruht dieser Zustand auf einer Massenzunahme der Lymphzellen
98G Krankheiten der Atlimungsorgano. Bronchiaklrüsen.
und des Bindegewebes in der Capsel und den Retieulis (stellt somit "eine
A rt von Hypertrophie der Drüsen dar).
Hier anzureihen sind aber auch jene hy per p lasti sehen Zu-
stände der Drüsen, wie sie bei scrophulösen Individuen, solchen mit
Hydrocephakis, Hypertrophie des Gehirnes und Rachitismus sich fin-
den, wo eine mehr gleichmässigere Massenzunahme aller die Drüsen zu-
sammensetzenden Bestandtheile sich findet , deren Entstehung aber im-
merhin durch die bei solchen Individuen häufigen habituellen chroni-
schen Catarrhe der Bronchialschleimhaut und hyperämischen Lungen-
zustände (Rachitismus) bedingt sein kann.
Indem ein solcher Zustand meist sämmtliche Bronchialdrüsen, die
in oder ausser dem Lungenhilus gelegenen, trifft, so kann derselbe bei
der oft bedeutenden Volumszunahnie der Drüsen zu mechanischer Be-
hinderung der Respiration und Circulation durch Compression Ver-
anlassung geben; auch liegt die Möglichkeit vor, dass auf die gleiche
mechanische Weise , durch Druck auf die mit den Drüsen durch Ver-
dichtung des sie umgebenden Zellgewebes in fV'stere Adhärenz gekom-
menen Nerven Störungen sich einstellen.
Aus den eigentlichen chronischen Entzündungen der Drüsen bilden
sich überdiess bei langer Dauer durch eine überlegende Zunahme des
Bindegewebes — in Verdickung der Reticula bestehend — unter Ver-
kleinerung der Lymphräume Indurationen aus, die auch zur
Schrumpfung der Drüsen führen können.
Bei weitem die häufigste und wichtigste pathologische Verände-
rung ist aber die Tuberculose der Drüsen.
Man findet in meist schon bedeutend vergrösserten, weisslich, weiss-
röthiichen, meist derbelastischen (hyperplastischen) Drüsen Heerde von
mattgrauem , halbdurchsichtigem, homogenem Aussehen ohne scharfe
Abgränzung , ohne dass man in ihnen einen Unterschied von Rinden-
und Marksubstanz erkennt, wenn sie beide betreffen.
Diese Heerde werden allmählig von den centralen Parthien aus
opak, weiss, gelblich, dabei immer trockener und endlich käsig morsch.
Zugleich findet eine Ausbreitung dieser Veränderung statt, so dass im-
ter Volumszunahme nach und nach die Sul^stanz der ganzen Drüse so
umgewandelt wird und endlich die ganze Drüse in einen
trockenen gelben käsigen m eistineinever dickte Kap-
s e 1 eingehüllten Knoten umgewandelt ist.
Diese früher bald für scrophulose bald für tuberculose Entartung
der Drüsen gedeutete Veränderung müssen wir nun als tuberculose
ansehen, seitdem Schüppel in seinen Untersuchungen über Lymph-
drüsen-Tuberculose den Nachweis lieferte, dass dieser Process immer
Widerhof ur, Krankheiten der Broncliialdrüsen. 987
mit einer Entwicklung von Miliartuberkeln der Gefässe beginnt , um
welche herum es dann unter stetiger Ausbreitung zur Infiltration der
Drüsen , zur Bildung jener mattgrauen Massen kommt. Indem dieses
Infiltrat die Lymphbahnen innerhalb der Drüse comprimirt und obtu-
rirt und in gleicher Weise auch die Gelasse, so stellt sich nach und nach
eine solche Ernährungsstörung ein, dass diese Heerde verkäsen.
Meist sieht man den Process eben in solchem , weit vorgeschritte-
nem, zu ausgedehnten Infiltraten gediehenem Zustande, zuweilen aber
neben solchen schon gebildeten Infiltraten oder ohne solche, den Beginn
des Processes durch in der Drüsensubstanz eingelagerte Mohn-Hirse-
korn-grosse graue discrete oder confluirende Knötchen, den Miliar-
tuberkeln in anderen Organen ähnlich.
In letzterer Form kommt der Process noch am öftesten neben einer
acuten Tuberculisirung der Lungen oder anderer Organe, seröser Häute
und namentlich bei allgemeiner Tuberculose vor. Am häufigsten aber
sehen wir ihn in der ersten Form verkäsender Heerde oder ganzer ver-
käsender Drüsen , und zwar bei chronischer Tuberculose der Lungen
oder allgemeiner chronischer Tuberculose und nicht minder häufig eben
bei Kindern ohne Spur einer solchen Tuberculisation in anderen Orga-
nen als primäre Tuberculose d e r L y m p h d r ü s e n gerade an
den Bronchiolen.
Immerhin aber betrefi'en solche Zustände Kinder, die an jenen ei-
genthümlichen, als Scrophulose bekannten Eutzündungsformen der Re-
spirationsorgane , besonders der Bronchialschleimhaut leiden , Entzün-
dmigen , bei denen es zur Setzung eines sehr zellenreichen Infiltrates in
die Schleimhaut und Lufträume kommt , das sehr oft verkäst und mit
seinen käsigen Producten zu einer Infection jener Drüsen führt, in
welche diese Producte zuerst gelangen und angehalten werden , den
Lymphdrüsen am Lungenhilus und an der Theilungsstelle der Trachea.
So ist es häufig , dass diese Drüsen zuerst t u b e r c ul i s i r e n , in-
dess die Lungen nur der Sitz scrophulös-katarrhalischer Processe sind.
Um die auftretenden mit freiem Auge unsichtbaren Tuberkeln ent-
wickeln sich die mit den Tuberkeln verkäsenden Infiltrate, durch welche
weitere Massen käsiger Substanz gegeben sind, welche bei der leichteren
Abfuhr und Aufnahme durch schon grössere Lymphbahnen auch ins
Blut nun rasch zu einer a 11 g e m e i n e n T u b e r c u 1 o s e führen können.
Die Häufigkeit scrophuiös-catarrhalischer Aäectionen im Kindes-
alter , gerade der Respirationsorgaue , vor allem der Bronchialschleim-
haut, erklärt auch zugleich die Häufigkeit solitärer solcher Tuberculi-
sation der Lymphdrüsen und ihre p[äutigkeit als Grundlage allgemeiner
Tuberculose beim Kinde.
988 Krankheiten der Athtüungsorgane. Bronchial drüsen.
Doch führt dieser Znstand von Tuberculisation der Bronehialdrüsen
nicht immer .zn solchen Folgen. Zuweilen jedoch, ja gerade in den
Bi-onchialdrüsen sehr häufig , kommt es zu einer He ilung unter Re-
sorjjtion und Eindickung der käsigen Massen , unter Umwandlung zu
kreidigen und raörtelartigen Concrementen mit schwieliger Verödung
des Drüsenparenchymes , oder wo die ganze Drüse , ja ganze Drüsenpa-
quete erkrankt waren , mit massiger Schwieleubildung um sie herum.
Die Drüsen schrumpfen , verkleinern sich auch manchmal , wenn eben
nnr kleine Heerde erkrankt waren, bis unter das normale Volumen.
Damit ist der Process nicht nur für die Drüse , sondern auch für den
Gesammtorganismus unschädlich gemacht.
In anderen Fällen aber kommt es zur Erweichung der verkästen
Drüsen und Drüsen an theile — zur Phthisis tuberculosa der Drü-
sen, zur C a ve rnenbildung , sowohl an den im Hilus der Lungen
gelegenen Drüsen, — wo dann die Cavernen Parenchymcavernen vor-
täuschen können, — als auch ausserhalb um die Hanptlu'onchien und
die Trachea herum. Pehr oft brechen solche Cavernen, namentlich häufig
die innerhalb des Lungenhilus, aber auch die ausserhalb gelegenen , in
die Trachea und Bronchialstämme durch — bald, wie anfangs, mit sieb-
förmig angeordneten kleineren, bald mit grösseren, ja selbst sehr grossen
Lücken, so dass weite Communicationen mit den Luftwegen gesetzt sind.
Lidem nun die Erweichung der verkästen Massen nicht immer vom
Centrum aus gleichniässig vorschreitet, ja in manchen Fällen von der
Peripherie aus beginnt, kommt es in den Cavernen zur Sequestration
ganzer verkäster Stücke , die zuweilen bei heftigem Hustenstosse durch
die weiten Communicationslücken in die Trachea gelangen, an der
Glottisspalte aber stecken bleiben und so Erstickung herbeiführen können.
Eine weitere Folge, die zuweilen eintritt, ist, dass gleichzeitig oder
nach der Perforation solcher Drüsencavernen in die Luftwege auch eine
Eröffnung von Blutgefässen stattfinden kann, und damit sehr
bedeutende, meist durch Suffocation, tödtende Blutungen gegeben sind.
Die Eröffnung der Gefässe — Lungenarterien oder Venen — findet
entweder unmittelbar statt , oder es geht ihr eine aneurysmatische Er-
weiterung des in die Caverne hinein biossliegenden Gefässantheils vor-
aus. Solche Erweiterungen treffen aber auch Antheile des ganzen Ge-
fässrohres , wenn eben ein solches ringsum von solchen Cavernen aus
freigelegt wird, ja selbst Pulmonalgefässe erster Ordnung (vide den
später folgenden Krankheitsfall aus meinem Spitale).
Zu erwähnen sind in diesem Abschnitte noch die Tumoren der
Bronchialdrüsen hyperplastischer Natur , die sich bei Leukämie
finden.
W i d e r h o f e r, Krankheiten der Bronohialdrüsen. 989
Ferner betheiligen sich dieselben meist an der sarcomatösen
Entartung der Drüsen am Halse; sowie diese, wachsen sie bald zu der-
beren, bald weicheren, langsam oder rasch wuchernden Tumoren heran,
die unter einander confluiren, und bilden grosse lappige Geschwülste,
durch welche die Luftwege und Gefässe , namentlich die venösen , com-
primirt und verschoben, selbst die Nerven bis zur Continuitätstrennung
gezerrt werden können. Die weicheren Formen dieser Lymphosarcome
führen überdiess zur Obturation von Venen , in die sie hineinwuchern,
oder nach Durchbrechung der Kapsel zu ausgedehnten Infiltrationen
der umgebenden Gewebe und Organe , so vom Lungenhilus aus zur In-
filtration des Parenchymes , der Wände der Bronchien , welchen sie in
ihren Wegen folgen, sie scheidenartig umhüllend.
Gelegentlich mag es auch zu einer carcinomatösen Entartung
dieser Drüsen kommen , die aber als secundäre Erkrankung von gerin-
gerer Bedeutung ist , besonders im Alter des Kindes. Wichtiger er-
scheint ein hypertrophischer Zustand der Drüsen wahrscheinlich chro-
nisch-entzündlichen Ursprungs, wie er bei Syphilis, namentlich
syphilitischen Affectionen der Tracheal- und Bronchialschleimhaut vor-
kommt und zu bedeutenden Tumoren der Drüsen führen kann , welche
sich durch ihre Dei'bheit auszeichnen , ohne dass dabei eine sehr bedeu-
tende Massenzunahme des Bindegewebes der Drüse vor sich geht. Diese
Tumoren zeigen keine retrograden Metamorphosen ; ohne sich zu än-
dern, scheinen sie jahrelang bestehen zu können, ja für immer oder sich
allmälig oder sehr langsam zurückzuljilden.
Symptomatologie.
Alle Erkrankungen der intrathoracisclien Drüsen, eine verschwin-
dend kleine Zahl ausgeschlossen, gehen mit mehr minder beträchtlicher
Volumszunahme einher.
Es muss daher unsere Aufgabe vorerst darin bestehen , jene Sym-
ptome zu erörtern, die die D r ü s e n s c h w e 1 1 u n g kennzeichnen.
Wir wollen zuerst nach directen Zeichen suchen ; sie dürften
von der physikalischen Untersuchung (Percussion , Auscultation und
Palpation) zu erwarten sein. Erst dann wenden wir uns zu den con-
secutivenZeichen, die daraus resultiren, dass geschwollene Drüsen
mehr minder auf alle im Thorax eingelagerten Organe einen Druck aus-
üben (in erster Linie » C o m p r e s s i o n s e r s c h e i n u n g e n «) , insbe-
sonders auf Luftwege, Gefässe und Nerven ; zuletzt aber noch auf man-
nigfache andere Art die benachl)arten Organe ins Bereich ihrer Er-
krankung ziehen — consecutive Erscheinungen in zweiter Linie — ,
Folgezustände.
990 Krankheiten der Athmiino-snrg-aiie. Rrnncliinldrüsen.
Es wird sich in folgendem die Erklärung von selljst ergelien , war-
um wir unter den directen Zeichen die aus der Palpation resxiltirenden
zuletzt stellen.
I. D i r e c t e S y m p t o m c.
Obenan fragen wir daher nach dem Ergebnisse der
Per cussion.
In dem einen Punkte stimmen alle Autoren übereiu , dass man bei
der 8uche nach geschwellten Bronchialdrüseu vorwiegend zwei Gegen-
den des Thorax zu erforschen hat :
1) die Interscapulargegend — sie entspricht in der Höhe
tles 3.-5. Brustwirbels eben dem Theilungswinkel der Trachea, also
dem Hauptsitze der Drüsen , die zugleich die mächtigsten an Zahl und
Grösse sind und
2) die o b e r e S t e r n a 1 g e g e n d — entsprechend dem Maniibrium
sterni und dessen nächsten Seitenantheilen in den drei obersten Inter-
costali'äumen bis zur Clavicula. Sie entspricht den parietal anliegenden
wie den ol)ertlächlichen Mediastiual- und Claviculardrüsen.
Die. Drüsen der I n t e r s c a p u 1 a r g e g e n d — seien sie normal
oder selljst sogar Ijedeutend vergrössert — sie sind und bleiben stets
von Lungensubstanz umschlossen. Was man also percutirt, ist Lunge;
und der Schall, den man erhält, ist Lnngenschall. Er kann also streng
genommen für die Beschaffenheit der Drüsen wenig oder nichts beweisen.
Mau liest bei den Autoren in dieser Hinsicht Angaben , die sich
ganz und gar widersprechen. Die Erklärung dürfte theils in dem va-
rialjlen Zustande des Lungengewebes, theils in der noch hie und da zu
wenig beachteten Tastempfindung der gesteigerten Resistenz gefunden
werden. Sind einmal die Bronchialdrüsen tiefer erkrankt , so wird die
Lunge l)ald in Mitleidenschaft gezogen, weniger durch Compression,
vielmehr und häufiger dui'cli eonsecutive entzündliche Vorgänge in der
Lunge , die natürlich deren Luttgehalt sehr bald und zwar auf längere
Zeit hinaus alteriren; daher an dieser Stelle der Percussions - Schall
kürzer, gedämpft und von vermehrter Kesistenz sich zeigen wird.
So naheliegend ursprünglich der Gedanke sein mag , dass so be-
trächtliche Drüsentumoren der Percussion leicht ermittelbar seien und
so dringend auch die Anforderung an die Diagnostik ist, weil eben diese
Drüsengruppen Allen voran zuerst und in höherem Grade den Erkran-
kungen anheimfallen, so muss doch der Hinblick auf deren anatomische
Lagerung unsere Hoffnungen sehr herabsetzen. Sie sind eben hart den
Wirbelkörpern angelagert, gerade in der Mittellinie gelegen, eingebettet
zwischen die grossen Gefässstämme oder als pulmonale in die Tiefe des
Wi derliofer, Krankheiten der Rroiicliialdrüsen. 901
Lungengewebes eingesenkt und so unzugänglich für den sorgsamst per-
cutirenden Finger.
Uebrigens findet man bei den Autoren darin Uebereinsfimmung,
dass selbst enorm vergri')sserte Broueliialdrüsen der Percnssion , ja wie
wir später noch einsehen werden, selbst der Diagnostik latent bleiben
können.
Ein sehr Ijelehrendes Beispiel lieferte mir ein beiläufig 9 Jahre alter
an Rupia syphilitica leidender Knabe. Wir vermutheten Bronchialdrü-
senschwellung. Mein Lehrer Prof. Mayr beauftragte mich, den Kranken
sorgsamst in dieser Beziehung zu untersuchen Ausser auftalüg v e r-
m e h r t_e r Resistenz bei der Percnssion der Interseapulargegend
erhielten wir nicht näheren Aufschluss und doch fanden wir in Sectione
an der Trachealbifureation ausser zahlreichen bis auf Walluussgrösse
geschwellten Drüsen 4 — 5 Drüsentumoren von klein Apfelgrösse (der Fall
findet noch bei Syphilis Erwähnung).
Soviel muss aber immer zugestanden werden, dass grosse Tumoren,
selbst bei unverändertem , wenigstens nicht luftleerem Lungengewebe
den Percussious-Scbali insoweit modificireu können, dass derselbe durch
seine Kürze wie vor Allem durch das Tastgefühl d e r g e s t e i g e r t e n
Resistenz auffällig wird.
Entsprechend den anatomischen Verhältnissen muss man a priori
erwarten , dass die Percussion in der Regio sternalis superior eher posi-
tive Resultate liefern könnte, dass also hier ein kurzer gedämpfter Per-
cussionsschall mit vermehrter Resistenz direct von einer erkrankten
Drüse herrühren könnte. Es ist in der That so. Bei genauer Unter-
suchung des Thorax findet man nicht allzu selten eine ganz circum-
scripte Dämpfung, die augenscheinlich einer erkrankten Costo-Sternal-
Drüse entspricht ; ich sah sie auch ohne nachweisbare Erkrankung an-
derer oberflächlicher Drüsen bei einem sonst gesunden aber zarten Kna-
ben durch viele JVIonate unverändert fortbestehen.
Nicht ungünstigere Chancen hat die Percussion auch bei der Er-
krankung der Subclaviculardrüsen , welche selbst eine ziemlich ausge-
breitete Dämpfung im Bereiche der ersten Rippe hervorbringen können ;
ich möchte fast glauben günstigere, als an der oberen Brustapertur zum
Nachweise der Retrosternaldrüsen und der übrigen oberflächlichen Me-
diastinaldrüsen. Auch Bar ety legt einen besonderen Werth auf die
Gegend der Sterno-Clavicular-Articulation.
Glaubt man durch die Percussion diagnostische Anhaltspunkte er-
halten zu haben , so muss man sich wohl durch ControUe versichern,
dass man nicht Lunge und Drüse verwechselte.
Eben diese Gruppen von Drüsen sind aber solche, die in der Erkran-
kungshäufigkeit zu den übrigen weit zurückstehen, wenige Fälle ausge-
992 Krankheiten der Athmungsorgane. RroncliinUlrüsen.
nommen , daher deren Erkraiikungsiiachweis meist schon iu ein sehr
vorgeschrittenes Stadium fällt , demnach bedeutend an Interesse und
Werth für die Diagnose einbüsst.
Dem Gesagten ist zu entnehmen, dass die Percussion
nur iu hochgradigen Fällen vonBronchialdrüsensch wel-
lung positivere Anhaltspunkte geben könnte und dass
diese sich ausser der beg ranzten Kürze des Schalles vor-
wiegend durch die Tastempfindung der geste igerten Re-
sistenz m a r k i r e n dürften.
Auscultation.
Es gelte als ob er st er Grundsatz, dass die geschwell-
ten die Luftkanäle umgebenden Bronchialdrüsen vor-
zügliche Schallleiter für die in jenen entstehenden Ge-
räusche bilden.
Damit wäre eigentlich alles gesagt. Man vergegenwärtige sich
nur die wahre Sachlage.
Die Trachea au ihrer Theilung wie die grossen Bronchien sind mit
solchen mehr weniger harten , den Schall gut tortleitenden Drüsen um-
geben , die so geschwellt sein können , dass sie beengt im Räume die
Luftkanäle von allen Seiten imischliessen und so in unmittelbare Ver-
bindung mit den Wirbelkörpern treten. An diese schliessen sich weiter
die Rippen an ; wenn gleich deren Schallfortleitungsvermögen zwar
etwas durch die Gelenksverbindung abgeschwächt ist , so ist die Luft in
dem Athmungsrohre doch durch gute Leiter mit dem Ohre des Auscul-
tirenden verbunden. Die ohnehin schmächtige wenn auch schlecht lei-
tende Rückenmusculatur des kindlichen Thorax kommt dabei nicht allzu
sehr in Betracht.
So wird nun das hier gebildete tracheale und bronchiale Geräusch
des Luftstromes — in der Norm abgeschwächt oder gar nicht vernehm-
bar — leicht vernommen in all' seiner Litensität und Schärfe , sowohl
in der Literscapulargegend und zwar in seinem mittleren wie oberen
Theile, als auch bis in die Fossae supraspinatae fortgepflanzt.
Aehnliche Bedingungen Ijestehen auch für die pulmonalen Drüsen,
doch schon verminderten Grades , wenn auch diese Drüsen geschwellt
durch Agglomeration ansehnliche Paquete bilden; sie stehen an Grösse
den interbronchialen nach und sind zugleich von mehr minder mächtigen
Schichten des Lungengewebes umgeben.
Es wird ziemlich allgemein angenommen , dass den vergrösserten
Bronchialdrüsen ein exquisit bronchiales In- und Exspirationsgeräusch
in der nächsten Umgebung des 3. Brustwirljels entspreche. Es wird
dasselbe bald als verschärftes, verlängertes, bald bronchiales, dem caver-
W i d e r h o f e r, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 993
nösen sich näherndes Geräusch bezeichnet. Dass diess der Effect der
geschwellten Drüsen sein kann , ist aus Obigem klar ; doch muss die
Deutung dieser Erscheinung wohl immer mit grossem Vorbedachte auf-
genommen werden, sollen diese Auscultatiouszeichen bei Rückschlüssen
auf die Bronchialdrüsen nicht zu den gröbsten Irrthümern führen , wie
solche jeder Kinderarzt als tägliche Vorkommnisse zur Genüge kennt.
Es ist auch unmöglich , mit dem blossen Hinweise auf dieses Ausculta-
tionsphänomen zu entscheiden, ob man es hier mit einer Infiltration des
Lungeugewebes, einem insufficienten Spitzenathmeu oder einer Erkran-
kung der Drüsen zu thun hat. Die Percussion und die oftmalige Wie-
derholung der Auscultation , wobei erst nach und nach die Inspiration
ihren wirklichen Character verräth, werden die Controlle üben müssen.
Der Anfänger kann ausserdem nicht genug oft erinnert werden,
solche Geräusche ja nicht mit den höher oben im Munde, Nase, Rachen
erzeugten und fortgepflanzten zu verwechseln ; es wird immer nur die
sorgfältigste Beachtung aller Nebenumstände Aufschluss gebend sein.
Was hier von der Fortleitung der normalen Luftge-
räusche gesagt ist, hat natürlich gleich werthige Geltung für die
Stimme, den Husten (durch die mitschwingenden Thoraxwände
wird die Stimme deutlicher, man fühlt das durch sie hervorgebrachte
Zittern stärker.
All diess gilt nicht minder für die abnormen Geräusche.
Die Angabe der Autoren, dass man bei Bronchialdrüsenschwellung
in der Interscapulargegend häufig grossblasiges Rasseln vernehme, findet
seine Autklärung darin: Mit ihnen einher geht oftmals Catarrh der
Schleimhaut , nicht nur der kleineren Bronchien , sondern auch der
grossen Bronchien und der Trachea, und daher werden auch die daselbst
producirten Rasselgeräusche wieder in verstärkter Intensität gehört
werden können. Man kann mit Prof. Mayr sagen, dass diese sonoren,
trockenen oder feuchten Rasselgeräusche an der Theiiungsstelle der
Bronchien fast beständig anwesend sind , dass sie immer wiederkehren,
wenn sie auch zeitweise abnehmen und verschwinden, und besonders bei
verstärkter Herzaction zunehmen.
Auf den Umstand, dass diese fortgepflanzten Geräusche nicht nur
in der Interscapulargegend , sondern auch zugleich vorne in der oberen
Sternalgegend gehört werden müssen, legen QueueaudeMussy und
Barety einen besonderen Werth, der auch alle Würdigung verdient.
Es sei schliesslich nur noch eines Unistandes Erwähnung gethan
und zwar, dass dem prononcirten lauten Exspirium in der Interscapular-
gegend auf beiden Seiten nicht völlige Gleichwerthigkeit zuzuerkennen ist.
Durch die überwiegende Weite des rechten Bronchus sind eben die
Haudb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. 63
994 Krankheiten der Atlimungsorgane. Bronchialdrüsen.
Bedingiiugen der Fortpflanzung rechts günstiger , daher wir auch hier
am normalen kindlichen Thorax ein; lauteres Exspirium häufig antreffen ;
prävalirt nun das besagte Äuscultationsphänomen linkerseits auffällig,
so ist aus demselben ceteris paribus ein Rückschluss auf die Brouchial-
drüsenschwellung weit eher gestattet.
So wird auch die Auscultation für sich allein wohl
nie zu einemunbezweifelbaren positiven Resultate kom-
men; sie wird aber allerseits gehörig controllirt immer-
hin für die Diagnose nicht zu unterschätzende Anhalts-
punkte bieten können.
P a 1 p a t i o n.
Es scheint fast widersinnig , in einer Abhandlung über intrathora-
cische Drüsenerkrankung von ihr sprechen zu wollen; in folgendem
dürfte man jedoch seine Meinung modificiren.
Es mag vielleicht sogar in höchst seltenen Fällen die Möglichkeit
geboten sein, die direct hinter dem oberen Sternalrande gelegenen
Drüsen, wie sie in der normalen Anatomie geschildert sind, zu fühlen;
auch an der hinteren Fläche der Clavicula mag der tastende Finger viel-
leicht irgend einmal eine aus der Tiefe emporragende erkrankte Drüse
finden. Sie werden aber immer seltene Funde und nur an sehr weit vor-
geschrittenen Fällen sein.
Anders verhält es sich mit den Drüsen am Halse.
Man wird nicht leicht eine Diagnose auf Bronchialdrüsenerkran-
kung stellen, ohne sich zuvor über den Zustand der Halsdrüsen , beson-
ders der unteren Gruppen instruirt zu haben. Ich stelle die Cervical-
drüsen an Wichtigkeit kauni in zweite Linie. Man findet sie oft in ähn-
licher Weise erkrankt, nicht nur hie und da eine einzelne geschwellt,
sondern es finden sich ganze Gruppen mehr minder vergrössert, theils
noch frei, theils der Umgeliung adhäi'ent, schmerzhaft selljst in Eite-
rung begriffen , oder narbige Einziehungen als sprechende Zeugen des
Vergangenen.
Analoga über die Mitleidenschaft der benachbarten Drüsen findet
man wohl zur Genüge ; man denke an die Unterkiefer- und oberen Hals-
drüsen bei Entzündungsprocessen im Munde , Rachen , an die Inguinal-
drüsen bei Mesenterialdrüsen-Tuberculose etc. All das bezweifelt nie-
mand. Nur das Gegentheil würde überraschen.
Es muss demnach ein inniger Causalnexus der Bron-
chialdrüsen mit den benachbarten Drüsen in specie des
Halses und Nackens bestehen.
Obwol dieses Verhältniss im Ganzen nicht immer die verdiente
Würdigung gefunden, so wurden doch in langvergangener Zeit die em-
Widerhof er, Krankheiten der Bronchialdrüaen. 995
sigsten Studien darüber gepflogen. Man blättere nur in dem citirten
Werke Mascagni's nach (1787) und man wird klar erwähnt und ab-
gebildet finden, dass zahlreiche Lymphgefässe die oberflächlichen und
tiefergelegenen Drüsen des Halses und Nackens mit den Bronchialdrüsen
an der Trachealbifurcation in innigste Verbindung bringen.
In unserer anatomischen Skizze haben wir die Glandulae tracheales
profundae beschrieben und angegeben, dass sie beiderseits eine unimter-
brochen fortlaufende Kette — Drüse an Drüse — von der Trachealthei-
lung an bis in die Höhe des unteren Schilddrüsenrandes bilden.
Prof. Riebet (Traite d'anatomie medic. chirurg. 4. ed. 1873*)
verlegt den Causalnexus auf die Verbindung der Lymphgeiässe der
Pleura mit den supraclaviculären Drüsen des Halses. Es müssten also
insbesonders bei Ergriffensein der Pleura die Halsdrüsen derselben
Seite vorwiegend alterirt sein — ein Umstand, den ich bis jetzt noch zu
wenig würdigte, um urtheilen zu können.
Aus dem Obigen erhellt , dass die genaue Untersuchung der ober-
flächlichen unteren und auch der tieferen , noch dem Gefühle zugäng-
hchen Drüsen des Halses oftmals ein annäherndes Bild über die Bron-
chialdrüsen uns verschaffen kann, dass mindestens deren genaue Unter-
suchung wol nie ausser Acht zu lassen ist.
Die benachbarten Drüsen der Achselhöhle sind minder von Belange.
In ganz seltenen Fällen , aber mit um so mehr Beweiskraft , ent-
deckt man geschwellte, selbst vereiternde oberflächliche Hautdrüsen am
Thorax.
Es sei zum Schlüsse nur noch erwähnt , dass so constant alle diese
benachbarten Drüsengruppen bei vorgeschrittener Bronchialdrüsen-
tuberculose in Mitleidenschaft gezogen sind, sie oft genug bei recenteren
Erkrankungsprocessen völlig intact bleiben.
Wenn wir bei den einzelnen Autoren die Symptomatologie durch-
mustern, so finden wir die verschiedenartigsten Erscheinungen ziemlich
wirre unter einander geworfen , als da sind : habituelle Dyspnoe
— vermindertes Athmen bei der A us cult ation — sono-
res tönendes Inspirationsgeräusch — Adspirationser-
scheinun gen — nervöser Husten — Stimm Veränderung
— Asthmatische Anfälle etc. — Wir glauben sie hier unter
den directen Zeichen übergehen zu sollen , werden sie aber an jener
Stelle nicht unerwähnt lassen, wohin sie uns zu gehören scheinen.
Wir wenden uns also zu den consecutiven Erscheinungen.
■") B a r e t y : L'Adenopathie trachtSo-hronchique etc. pag. 54.
' • 63 *
996 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
II. Consecu tive Symptome in erster Linie oder
Compressious-Symptome.
In erster Linie zählen wir unter diese die der Compression,
wie sie die vergrösserten , in ihrem Räume so beengten Drüsen , noth-
weudig auf die Umgehung ausüben müssen, und zwar zeigt sieh am häu-
figsten die
A) C 0 m p r e s s i 0 n a u f d i e L u f t w e g e : Trachea, Haupt-
bronchien und deren Verzweigungen.
Eigentlich niüssteu wir als erste Folgewirkung die Catarrhe der
Luftwege, besonders die sogenannte Tracheitis hier erwähnen.
Sie wird später Erwähnung finden , um sie nicht aus der Verbin-
dung mit der Bedeutung des Hustens zu bringen.
Wenn auch die grössern Luftcanäle einen ziemlichen Grad von Re-
sistenz besitzen , die Sectionen bringen uns doch Befunde in verhält-
nissniässig reichlicher Anzahl, dass vergrösserte Drüsen oder ganze
Conglomerate dieselben nicht nur umlagern , sondern in deren Wan-
dungen Impressionen hervorbringen und durch fortgesetzte Entzündung
des umgebenden Zellstoffes die innigsten Verwachsungen mit ihnen ein-
gehen. Dadurch müssen die Luftcauäle gedrückt, verdrängt und gezerrt
werden mit der nothwendigen Folge der Beeinträchtigung ihres Lumens
Ins zur auffälligen Stenosirung , wozu als weiterer Factor nicht selten
die Infiltration und Verdickung der Tracheal- oder Broiichialwandung
kommt.
Je mehr Drüsen erkrankt sind, je derl)er ihre Gonsistenz, je massiger
ihr Volumen, je länger ihre krankhafte Veränderung dauerte, um so
leichter und um so hochgradiger wird die Stenosirung eintreten. Insbe-
sonders werden aber die chronischen Tumoren , in specie die sarcoma-
tösen und syphilitischen diese Wirkung hervorbringen, obgleich es auch
bei der acuten Entzündung , besonders mit dem Ausgange in Eiterung
dazu kommen kann.
Am häufigsten , wenn auch minder hochgradig , kommt die Steno-
sirung zu Stande Ijei ausgebreiteter Verkäsung der Drüsen, doch können
auch die einfachen Hyperplasieen ähnliche Wirkungen erzeugen. Am
leichtesten werden Drüsen im Lungengewebe Bronchien weiterer Ord-
nung stenosiren oder durch Schrumpfung partielle Erweiterung --
Bronchiectasie — nach sich ziehen.
Die Compressionsstelle kann ihren Sitz am untersten Abschnitte
der Trachea, öfter noch an der Bifurcation , oder einem Hauptbronchus
oder in dessen weiterer Verzweigung haben. An derselben findet man
eine einfache Impression bis zur mehr spaltiörmigen , selbst ringförmi-
Wider ho f er, Krankheiten der Bronohialdrüsen. 997
gen Stenosirung mit ihren Consequenzen der Bronchienerweiterung und
dem Liuigenemphyseni. Eine völlige Obliteration der Trachea oder eines
Hauptbronchus bis zur Undurchgängigkeit ist mir nicht bekannt.
Es entsteht also nur die Frage , wodurch gibt sich eine derar-
tige Stenosirung zu erkennen?
Sobald einmal durch die Stenosirung ein Hinderniss in dem Haupt-
luftstrome eingeschaltet ist , so entsteht Dyspnoe und zwar G e r-
hardt'sinspiratorischeDyspnoe. Vorzugsweise wird also die
Inspiration behindert sein , sie wird verlängert , erschwert, gezogen, sie
wird mit einem lauten weithin hörljaren, tönenden keu-
chenden Geräusche verbunden sein ; — Barety's Inspiration
sifflante — mau hört und fühlt ein deutliches Schwirren beim Durch-
tritte des Luftstromes durch die stenosirte Stelle, indess die Exspiration
verhältnissmässig frei, kurz bleibt.
Es findet gerade der Gegensatz zum normalen Respirationstypus
statt. Die in der Norm auf die Exspiration folgende Athmungspause folgt
hier scheinbar auf die Inspiration , aber nur scheinbar , da die Inspira-
tionsmuskeln so lange in ihrer Spannung verharren, dass sie eine Ruhe-
pause vortäuschen können. Auch diese verlängerte Inspiration vermag
den Lutthunger nicht zu stillen und daher werden durch die Luftver-
dünnung im Thorax die nachgiebigen Parthieen desselben einsinken —
es treten A d s p i r a t i o n s p h'ä n o m e n e auf.
Soweit nun haben wir das Symptomenbild völlig analog mit der
Stenose des Larynx z. B. durch Croup und für diese wird es dem An-
fänger primo intuitu auch imponiren.
Hören wir aber dann die beinahe immer ganz unveränderte, oder
doch wenigstens kaum veränderte Stimme des Kindes — sehen wir den
Larynx entgegengesetzt kaum nennenswerthe Excursionen im Auf- und
Absteigen bei der Respiration machen — Gerhardt — sehen wir
statt dem nach rückwärts gebeugten Kopfe und der gerade gerichteten
Halswirbelsäule den Kopf nach vorne geneigt — so schwinden bald alle
Zweifel und wir sehen , dass hier die Stenose tiefer sitzt , also in der
Trachea oder in einem Bronchus. Die hervortretende Einseitigkeit der
Symptome wird uns weiter belehren , falls wir es nicht mit einer Tra-
cheal- sondern mit einer Broncho-Stenose zu thun haben ; diessfalls ist
bei der Inspiration nur an der kranken Seite Schwirren fühlbar und
lautes Schnurren — in jenem Falle ist beiderseits das vesiculäre Athmen
durcli das tracheale gedeckt — jetzt nur an der kranken Seite mit
vermindertem Pectoralfremitus — verminderter Expansion der kran-
ken Thoraxseite, vermehrter der gesunden — Gerhardt-Riegel*).
»TcTerhardt: Ueber syphilitische Erkrankungen der Luftröhre. Deutsches
998 Krankheiten der Athniungsorgane. Bronchialdrüsen.
Von solcher Dyspnoe gequält sitzen diese armen lOeiuen meist Tag
und Nacht halbaufrecht im Bette , da sie liegend den Athem ganz ver-
lieren. Doch bleibt es dabei nicht. Wie die Croupkraukeu werden sie
nach und nach oder ganz plötzlich, am wahrscheinlichste)! bei vermehrter
Schleimansammlung , von den heftigsten SuffocationsaniUllen ergriffen.
Quälender Husten — die heftigste Dyspnoe mit dem bekannten zischen-
den Geräusche — die stärksten Adspirationserscheinungen — Cyanose
an den Lippen — kalter Schweiss an dem von Angst verzehrten Ge-
sichte machen den kleinen Patienten zur wahren Jammergestalt. —
Wer vergisst das Bild eines an Halswirbelcaiües leidenden Kindes in
den letzten Lebenstagen, — freilich eine andere Ursache, aber doch die
gleiche Wirkung ! —
Die Wirkung der Drüsen auf die Trachea und Bronchien bleibt
aber nicht immer bei der Compression stehen, sondern es kann noch zur
Perforation derselben kommen, nachdem sich durch Erweichung
der verkästen Drüsen die sog. P h t h i s i s t u b e r c u 1 o s a d e r D r ü-
sen — die Caveruenbildung entwickelte.
Diess ist die gewöhnliche Art der Perforation , obwohl in ganz
seltenen Fällen die acute Entzündung mit dem Ausgange in Eiterung
gleichfalls eine Perforation herbeiführen kann.
Der pathologische Vorgang ist oben unter »pathologische Anato-
mie« abgehandelt. Es wäre vielleicht nur über deren Diagnose weniges
beizufügen : Liegt eine solche Caverne im Bereiche des Lungengewebes,
so unterliegt deren Diagnose den Gesetzen über Höhlenbildung ; liegt
sie ausserhalb, .steht sie also in Communication mit der Trachea oder
einem Hauptbronchus , so fehlen uns sichere physikalische Anhalts-
punkte für die Diagnose einer solchen wandständigen Höhle , sobald sie
an Grösse nicht gewisse Grenzen tibersteigt.
Man liest hie und da, dass bei heftigen Hustenstö,ssen seques-
t r i r t e D r ü s e n t r ü m m e r ausgeworfen werden. So ist es auch. Solche
Vorkommnisse sind unbezweitelbar und ich erinnere mich selbst eines
Falles, wo die Einkeilung eines solchen Drüsenfragmentes in die Glottis
den plötzlichen Tod herbeiführte, wie es uns die Obduction lehrte. Wie
weit sie für die Diagnose verwerthbar sind, ist an sich klar.
Wenn man aber liest , dass solche Kinder selbst noch vollständig
genasen , nachdem sie mehrere solcher verkäster Drüsen ausgeworfen
haben (Quersant), so fordert diess doch gar viel Glauben.
Archiv fiü- klinische Medizin IL Bd. S. .535. - Idem: Casuistische Mitthei-
lungen über Krankheiten der oberen Luftwege. .Jenenser Zeitschrift für Me-
dicin III. — Riegel: Ziemssens Handbuch IV. Bd. Verengerungen der Tra-
chea und der Bronchien — Tracheostenose — Bronchialstenoee.
Wider hofer, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 999
An Fällen von Perforation in die Luftwege hat die Literatur keinen
Mangel. Sie waren schon Becker bekannt. Rilli et und Barth ez
beobachteten 27 Fälle, davon 15 links, 13 rechts gelegen waren.
In jüngster Zeit veröffentlichte Thomp'son einen Fall von Perfo-
ration in die Trachea an deren Bifurcation (Med. Times et gaz. 12. 30.
1874). Coup 8 1 a n d ebenfalls eine Perforation der Trachea über dem
linken Bronchus und Entfernung eines käsigen Pfropfes (The Lancet.
Vol. 1. 1874). Der Fall war ausgezeichnet durch 6 Wochen lang an-
dauernde krampfhafte, dyspnoeische, nächtliche Anfälle von grösster In-
tensität in Folge der Compression der Trachea durch die Drüsen.
Schliesslich noch ein paar Worte an dieser Stelle über die S t e-
nosen bei Syphilis. So hochgradig auch hier die Drüsentunioren
sein mögen (siehe den bei Percussion erwähnten Fall) , die bedeutend-
sten Stenosen kommen mehr auf Rechnung der an der Schleimhaut der
Trachea und Bronchien vorfindlichen constringirenden syphilitischen
Narben.
Zur Illustration zwei Fälle: Ein Fall aus meinem Spi-
tal e: Mädchen, 12 Jahre, vom Jahre 1870*). Symptome: Syphili-
tische Ulceratiouen im Bachen — Aphonie (wegen Larynx-Syphilis) —
Pertussis ähnliche Hustenanfälle besonders Nachts — hochgradige dys-
pnoeische Anfälle — Tod durch verkäsende Pneumonie. — Obduction
ergab : Strängt urmige Narben an dem unteren Abschnitte der Trachea,
ebenso im linken Bronchus eine Strecke fortlaufend , welcher bis auf
Ganskieldicke stenosirl ist. Cylindrische Erweiterung der Bronchien in
der linken Lunge ebenfalls mit Narben, Bronchialdrüsen an der Bifurca-
tion, im Lungenhikis und weiter sehr derb, stellenweise käsig degenerirt
(Präparat im Museum des St. Annenspitals in Wien).
Einen zweiten Fall Iiringt unser leider zu früh verstorbener
Freund Prof. Steiner aus Prag*). Knabe, 12 Sahre alt, 1864.
Symptome: ebenfalls Rachen-Syphilis — Halsdrüsen verkäst — eben-
falls nächtlicher quälender Husten , dyspnoeische Anfälle wie oben bei
Trachealstenose beschrieben — Tod durch Pneumonia dextra — Section:
Untere Hälfte der Trachea durch Narl^en verengt. — Oberhalb der Bi-
furcation Trachealpolyp — Eingang in den linken Bronchus merklich er-
weitert — rechter Bronchus durch klappenartige Schleimhautfalten , so-
wie durchNarben'stenosirt. — Rechts Infiltration der Lunge — Bronchien
beiderseits erweitert, besonders klaffend rechts. — Bronchialdrüsen am
rechten Bronchus Wallnussgross , hart, schiefergrau pigmentirt, käsig.
B. Compression auf die Ge fasse.
Ganz analog wie auf die Luftwege können die Drüseutumoren auf
*) Veröffentlicht durch meinen damaligen Assistenten Dr. Hutten-
brenner »Ueber einen seltenen Fall einer syphilitischen Narbe an der Bi-
furcation der Bronchien.« Jahrbuch für KiBderheilkunde. Neue Folge V. Bd.
q TT G Q^ft
'**)'Aus"dem Franz- Josef-Kinderspitale zu Prag: Ein Beitrag zu den Ste-
nosen im kindlichen Alter von Prof. Steiner. Jahrbuch für Kinderheilkunde.
Alte Serie VII. Bd. 2. H. S. 64.
1000 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
die Gefässe einwirken. Durch die Behinderung im Räume werden sie
unter denselben Umständen , wie auf die Luftwege , Störungen der Cir-
culation herbeiführen, durch Verengerung in erster Linie den Abf luss,
in zweiter Linie den Zuflu SS beeinträchtigen. Sie können auch mit
deren Wandungen Verwachsungen eingehen mid dadurch aneurys-
niatische Erweiterungen bedingen , wie endlich zu P e r f o r a-
t i o n e n führen ; ja es kann sogar eine doppeltePerforationdes
Gefässes und eines Bronchus geschaffen werden , wie wir Bei-
spiele citiren werden.
Von Allen am leichtesten kann sich die Compressiou geltend ma-
chen auf die Vena Cava superior und der en Quelleng ebiet.
Vergegenwärtigen wir uns die anatomische Lage :
Die Glandulae mediastinales superficiales liegen luimittelbar vor
den Venis anouymis einestheils , anderentheils im Confluenzwinkel zwi-
schen Vena jugularis interna imd Vena subclavia. Die Glandulae me-
diastinales profundae dextrae liegen unmittelbar hinter der oberen Cava
an ihrer Zusammensetzung aus den beiden Anouymis und werden ausser-
dem noch von der Vena azygos während ihres Verlaufes zur Cava des-
cendens hin umschlungen. Die Sinistrae liegen unmittelbar unterhalb
der linken Vena anonyma.
Wird also eine Compressiou ausgeübt , so müssen sich die Folgen
im ganzen Quellengebiete der Cava superior geltend machen.
Es werden daher mit Recht als Stauungs - Symptome angeführt :
Sichtbare Ausdehnung der oberflächlichen Venen im
Gesichte, am Halse, am Thorax, ja selljst an den oberen Extremitäten
— ö d e ra a t ö s e S c h w e 1 1 u n g in denselben Bezirken, vorzugsweise im
G esichte — bei verhältnissmässig geringfügigen Anlässen C y a n o s e, wie
z. B. beim Schreien, Husten, Weinen etc. — Neigung zum Nasen-
Ijluten, welches sich durch besondere Hartnäckigkeit auszeichnet etc.
Es mögen diese Angaben genügen, obwohl sie sich noch weiter bis
zur T h r o m b e n b i 1 d u n g in den Venen und Sinus durae matris wie
zu B 1 u t e r g ü s s e n in die Arachnoidealhaut im extremsten Grade fort-
leiten Hessen.
Diesen obigen durch die Compressiou bedingten Stauungserschei-
nungeu wohnt eine gewisse diagnostische Kraft inne , besonders wenn
sie mehr von beschränkter Ausdehnung sind. Das einseitige
Oedem des Gesichtes — die einseitige Ausdehnung der oberflächlichen
Venen — oder wenigstens deren Vorwiegen auf einer Seite — deren
Ausbreitung nur über begrenzte Bezirke , z. B. am Arme , in Folge der
Stauung der Siibclavia , am Thorax der Vena azygos etc. können in ge-
höriger Erwägung der übrigen Symptome , z. B. der gleichseitigen ver-
Widerhofer, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1001
dächtigen Percussious- und Auscultationsresultate nicht nur die Diagnose
sicher stellen, ja uns auch Anhaltspunkte über den Sitz der erkrankten
Drüsen geben.
Darauf gründet sich, dass die practischen Aerzte das reichliche
Durchscheinen der Hautvenen am Thorax nicht gerne sehen.
Als characteristisch möchte ich noch anführen , dass auch diesen Sym-
ptomen, dem Oedem , wie der Cyanose eine gewisse! ntermittenz
innewohnt, dass sie erscheinen und verschwinden. Sie werden auch je
nach dem Stande der allgemeinen Anämie variiren und bei zufälligen
Erkrankungen, wie Catarrhe der Bronchien etc. sich bedeutend steigern
und mit deren Besserung wieder vermindern.
Wenden wir dieselben Verhältnisse auf dieVenae pulmonales
an, deren Compression am exquisitesten von den im Luugenhilus ge-
lagerten Drüsen ausgeübt wird , so werden wir wieder alle Stauungs-
symptome von der Hyperämie der Lungen zu den capillaren Blutungen
ins Lungengewebe, zu einer ausgedehnten Blutung bis zu den Conse-
quenzen am Halse verfolgen können.
Doch nicht nur die Venen , ebensogut die Arterie u und selbst
die mächtigste — die Aorta wird durch Compression von solchen Drüsen-
tumoren leiden können.
Im Abschnitte »normale Anatomie« lesen wir : »Die interbronchialen
oder tracheo- bronchialen Drüsen — der Centralstock der Bronchial-
drüsen — liegen an der Biturcation der Trachea in der Höhe des 3. — 5.
Brustwirbels. Nach vorne sind sie bedeckt von dem über sie quer hin-
überziehenden Ramus dexter der Arteria pulmonalis auf
seinem Wege über den rechten Bronchus nach dem rechten Lungen-
hilus, vor sich das ürsprungsstück der Aorta , die in ihrem aufsteigen-
den Bogen theils die Drüsengruppe, theils den linken Bronchus deckt.«
Daraus ist zu ersehen , dass die Pulmonalarterie — und zwar deren
rechter Ast vorwiegend — im Lungenhilus wie weiter im Lungenge-
webe der Compression ausgesetzt ist.
Es kann, wenn auch in seltenen Fäll en zur Gefässperforation
kommen (vide pathologische Anatomie) und ist zugleich eine Commu-
nication durch eine Drüsencaverne mit einem Bronchialrohre gegeben,
unter dem heftigsten Bluterbrechen zum plötzlichen
Tode.
In neuester Zeit theilte V o g 1 (allgemeine med. Centralzeitung,
N. 80 — 1874) einen Fall mit ; er betraf ein Kind 5 Jahre alt. Der
Tod erfolgte plötzlich in Folge von Communication eines Bronchus mit
der Vena subclavia dextra durch verkäste Bronchialdrüsen. Bei der Sec-
tion fand sich : An der rechten infiltrirten Lungenspitze eine verkäste
Drüse , welche zwischen einem grösserea Bronchialaste und der Vena
W02 Krankheiten der Athmungsorgane. Broncliialdrüsen.
subclavia dextra liegt. Gefäss und ßronclius von Eiter arrodirt mit bei-
derseits unregelmässiger Oeffnung. Da unter der Milzkapsel sich deut-
liche Luftblasen fanden und ähnliche Befunde an der Niere und Mesen-
terium sich fanden, so war hier, nach des Autors Meinung, der Tod er-
folgt durch Lufteintritt vom Bronchus aus in die Vena subclavia.
Unser noch nicht veröffentlichter Fall betrifft eine
tödtliche Lungen-Blutung, bei einem 4 Jahre alten Knaben ;
derselbe lag in unserem St. Annen-Spitale mit der Diagnose „Pleuro-
pneumonie cum Bronchieetasia."
Nachts tiat ein längerer Eeizhustenanfall auf, in dessen Gefolge
eine abundante Hämoptoe und der Tod (April 1875). Die Section von
Prof. K u n d r a t vollzogen ergab : In der Lirftröhre flüssiges und ge-
ronnenes Blut. — Die Luftröhrenschleünhaut blass. — Beide Lungen
fast im ganzen Umfange mit dei Brustwand durch zarte lamellöse Pseu-
domembranen verwachsen. Der Oberlappen der rechten und die ganze
linke Lunge mit Ausnahme der ßasaltheile starr; die übrigen Antheile
aufgedunsen, sehr blass, leicht ödematös, in bis Bohnengrossen Heerden
lilutig inundirt und roth gefleckt, — die starren Antheile beider Lungen
von dicht an einander gereihten lobulären, käsigen Infiltraten durch-
setzt, der rechte Oberlappen von einzelnen, der linke von zahlreichen bis
Nussgrossen mit Tuberkeleiter , zum Theile aber auch mit Blut erfüll-
ten Cavernen, die mit ziemlich grossen, gleichfalls Blut führenden Bron-
chien communiciren.
Am Abgange des rechten Bronchus von der Tra-
chea eine erbseng rosse, fast rundliche Lücke, durch
die man in eine haselnussg rosse mit Blut, gefüllte
Caverne gelangt, die die Pleura mediastinalis nahe
dem Lungenhilus blosslegt und nahezu perforirt.
Unterhalb des linken Bronchus, unmittelbar an
dessen Theilung und hier mittelst eines erbsengros-
sen Loches mit dem Hauptbronchus des linken Un-
ter läpp ens communicirend, eine nussg rosse mit
Blut gefüllte Drüsencaverne, in der einwandstän-
diges bohnengrosses und ein gansfeder kielweites,
cylindrisches, ringsum blossgelegtes Aneurysma
eines über r alienfeder kieldicken Pulmonalastes sich
findet, erste res durch einen mehrere Millimeter lan-
gen zackigen Riss eröffnet.
Ueberdiess fast alle Drüsen des Mediastinums in grosse zum Theil
erweichte , verkäsende Tumoren umgewandelt ; im G e k r ö s e des
untersten Ueums ein über wallnussgrosses verkästes erweichendes
Drüsenpaquet.
Wir haben diesen Fall erwähnt, weil wir ihn durch 1) eine Per-
foration des rechten Bronchus und 2) noch durch eine
Perforation e ines P u 1 mon al aste s mit aneu ry smatisch er
Erweiterung und C o mm unication mit dem Hauptbron-
chus des linken Unterlappens für hinreichend interes-
sant f an de n.
Wider ho f er, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1003
C. Compressionder Nerven.
Es ist nur eine miabweisliche Consequenz, dass wir analog den Luft-
wegen und Gefässen, ebenso Conipression der Nerven, — vor Allem des
N. vagus und seines Astes der Recurrens — bei unserem Krank-
heitsbilde erwarten müssen , besonders , wenn wir deren zwischen die
tiefen mediastinalen Drüsen eingebetteten Verlauf bedenken.
Die Sectionen weisen auch in grosser Anzahl Störungen ihres Ver-
laufes besonders des Vagus nach. Wir finden ihn theils von seiner Rich-
tung abgelenkt, theils sich durch Drttsenconglomerate geschlängelt
durchwinden, theils bis zur Abplattung comprimirt, theils sichtbar ver-
dünnt , theils durch Bindegewebe an die erkrankten Drüsen adhärent
und verdickt.
Da man diese Befunde schon lange kannte , so lag es nahe , dass
man gewissen Modificationen des Hustens, der Stimme und
der At hm ung diese Nervenstörungen zu Grunde legte, sobald man
kein anderes zureichendes pathologisch - anatomisches Substrat finden
konnte. Und in der That ist auch heute die Bedeutung der hieher ge-
hörigen Nervenstörungen noch zu wenig studirt. Nur in wenigen Fällen
kam man zu einiger Sicherheit. Wir sind uns ganz wohl bewusst, hier
nur mangelhaftes bringen zu können.
Aus den obigen Gründen haben wir die Besprechung des H ustens
hieher verschoben , obschon wir ihm sonst einen anderen Platz hätten
anweisen müssen.
Der H u s t e n ist ein bei unserer Krankheitsform selten fehlendes
Symptom, wenn auch nicht immer ein characteristischer Begleiter.
Wir wissen , dass die Bronchialdrüsenschwelluug sehr oft dem Ca-
tarrhe der Bronchialschleimhaut ihre unmittelbare Entstehung , dessen
häufiger Wiederkehr ihre weiteren Metamorphosen verdankt. Sind die
Drüsen einmal tiefer erkrankt, werden sie selbst ihren Reiz auf die
Schleimhaut ausüben und neue Recidiven des Catarrhs bedingen.
Damit ist also gesagt, dass der Husten im Beginne von einem ein-
fach catarrhalischen nicht differirt , dass er wohl vom rauh - trockenen
(ähnlich dem Larynxcatarrhe) zum lockereu, feuchten variiren mag,
sonst aber sicher nichts eigenthümliches besitzt. Der auscultatorische
Befund in der Lunge constatirt zu dieser Zeit auch nur Catarrh.
Es ist damit aber auch gesagt, dass er häufig grosse Intervalle
macht ; er kann also wochenlang fehlen , bei günstiger Jahreszeit auch
Monate lang , oder ist nur hie und da als sogenanntes Hüsteln vorhan-
den ; dann erscheint er wieder am häufigsten mit recidivirender Bron-
chialschleimhautaffection oder auch ohne deren Nachweis. Nicht mehr,
wie bei gewöhnlichem Catarrhe wird er schon nach einigen Tagen
1004 Krankheiten der Atlimungsorgano. Bronchialdrüsen.
seltener, feucht, locker, leicht, sondern bleibt trocken, wird quälend und
wird aUmählig, wie sich der Practiker ganz gut ausdrückt, eigenthüm-
lich nervös.
Der Husten nimmt jetzt in der That allmählig einen krampf-
haften C h a r a c t e r an und tritt anfallsweise auf. Kurze leichte
Hustenstösse mit Intervallen von kaum 1 — 2 Secunden, durch 10 — 15
Minuten andauernd , dabei die Stimme nicht verändert , keine Athem-
noth , kaum Schleim in den Bronchien ; das Kind wird nur durch die
lange Daner — durch das fortgesetzte Hüsteln — gequält ; er heisst bei
un.s : »T u s s i s s p a s t i c a r a c h i t i c o r u m«, weil er eben der Rachitis
fast ausschliesslich eigen ist ; ein Grund mehr, dass er mit deren Drüsen-
hyperplasie zusammenhängt. Oder es stellt sich allmählig eine dem
Laryngospasmus ähnliche lirähende Inspiration durch Verengerung
der Glottis ein, oder endlich der Husten tritt in Anfällen auf, die
eine unverkennbare Aehnlichkeit mit Pertussis haben. Dieselben
rasch auf einander folgenden kurzen Exspirationsstösse mit allerdings
geringeren Stauungserscheinungen im Gesicht« — die Reprise meist
nur angedeutet oder doch sehr schwach — nicht gar zu selten am Ende
das Ei-brechen von Schleim — sind die Aehnlichkeits- und zugleich
Unterscheidungsmerkmale von Pertussis. Die Anfälle zeigen auch nicht
dieselbe Regelmässigkeit in der Wiederkehr wie die Pertussis ; es sind
nur solche Pertussis ähnliche unter den einfach catarrhalischen Husten
eingestreut ; ebenso fehlt ihnen auch der typische Verlauf. Trotz alle-
dem ist zuweilen die Aehnlichkeit eines Anfalles mit einer beginnenden
Pertussis — also nicht einer solchen auf ihrer Höhe — doch so gross,
dass man mit der Entscheidung , ob man es mit wirklicher Pertussis zu
thun hat oder nicht , in manchen Fällen wird zuwarten müssen. B a-
r e t y und die Franzosen nennen ihn daher sehr passend : C o q u e 1 u-
choide.«
Wir müssen ferner noch hieher zählen jene eigensgearteten Fälle
von chronischer Tracheitis oder Tracheobronchitis, wie
wir sie nicht so selten bei blassen , der Drüsenschwellung verdächtigen
Kindern finden, die zugleich die ersten Zeichen von Rachitis (also schon
im I.Halbjahre) oder schon weiter vorgeschrittene rachitische Verän-
derungen darbieten. Man hört da ebenso wohl bei ruhiger Bett-
lage , als wenn sie aufrecht herumgetragen werden , ein lautes weit-
hin vernehmbares Singen , Gimmen , Rasseln (im höchsten Grade als
Avürde eine Flüssigkeitssäule auf- und absteigen) in der Trachea, die auf-
gelegte Hand fühlt es leicht — weder die In- noch weniger die Exspiration
ist wesentlich erschwert, nur massig frequentere Athmung — das subjec-
tive Belinden kaum gestört — . Also keine wesentliche Dyspnoe , keine
Widerhofer, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1005
stenotischen Zeichen, die Stimme intact. Es macht eben den E i n d r n c k
verminderter Empfindlichkeit der Schleimhaut, denn ver-
hältnissmässig stellt sich selten Hustenreiz ein. Der im Beginne auf-
tretende allgemeine Catarrh mag mit Fieber verbunden gewesen sein,
später ist der Zustand fieberlos , dauert durch Wochen fort , ohne we-
sentlich seinen Character zu ändern , ängstigt mehr die Umgelmng als
das Kind selbst und schwindet erst langsam mit der Besserung der Er-
nährung und des Aussehens des Kindes. Wenn wir diese eigenthümlich
abgeschwächte Schleimhautempfindlichkeit bei der Tracheitis chronica
berücksichtigen , so können wir sie wohl nur auf eine Störung der
sensiblen Vaguszweige beziehen. Wenn wir die verschiedenen
Eigenthümlichkeiten des Hustens berücksichtigen, so kann man nur den
Gedanken begründet finden, dass sich auf diese Art Störungen im
Gebiete des Vagi;sundin specieseinesAstes des Recurrens
äussern können.
Die genai^e Sonderung, in wie weit diese Störungen der Reizung
oder Lähmung der einzelnen Nervenzweige , in wie weit allen anderen
mit einhergehenden verschiedensten Organstörungen augehören , wäre
eben die Aufgabe der Diagnostik , die hier doppelt erschwert ist durch
das innige Verhältniss des Vagus zum Sympathicus und der wir heute
nur unvollkommen genügen.
Was speciell den Laryngospasmus anbelangt, so übersehe ich
wohl nicht , dass man heute dessen Ursache vorwiegend in der MeduUa
oblongata sucht ; aber damit ist sicher nicht dessen mögliche Entstehung
auf reflectorischem Wege durch die Vagusbahn eben bei unserer Krank-
heitsform in Abrede gestellt.
Wir lesen bei einzelnen Autoren von asthmatischen Auf al-
len bei Bronchialdrüsenschwellung, entnehmen aber nicht, ob sie damit
auch in der That den Bronchienkrampf — die exspiratorischu
Dyspnoe — gemeint haben.
Wenn Bier m er*) , der auf Grund der physiologischen Experi-
mente von Williams — Longet— P. Berti: »Dass Galvanisation des
Vagus die Bronchialmuskeln zur tonischen Contraction bringe« , die
Entstehung des wahren Asthma bronchiale von der directen Reizung
der Vagusäste durch geschwellte Bronchialdrüsen in einigen Fällen her-
leitet , so können wir ihm auch klinisch vom Krankenbette des Kindes
aus nur vollkommen zustimmen. Man suche sie nur bei solchen Kin-
dern und man wird sie , wenn auch nicht in der Reinheit und Exquisit-
heit, wie bei dem Erwachsenen finden. Zudem wird man auch allen in
*) Ueher Bronchialasthma. — Volkmann's Hefte N. 12,
870.
1006 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
der neueren pädiatrischen Literatur beschriebenen Fällen von Asthma
bronchiale im Kindesalter , einschliesslich der von Politzer*) treff-
lich beschriebenen vmd interpretirten Fälle nicht ganz jeden "Verdacht
von Bronchialdrüsenschwelluug absprechen können, wenn man bedenkt,
dass sie alle theils anämisch , theils mit chronischem Eczem und Bron-
chialcatarrh behaftet , theils rachitisch waren , theils von tuberculösen
Eltern abstammten (Quastalla) **), wenn ich auch dessen selbststän-
diges Vorkommen als reine Neurose vollkommen zulässig finde, ja selbst
Beispiele anführen könnte.
Es bleibt auch nicht immer bei blossen R e i z u n g s e r s c h e i-
nungen, es kann in einzelnen Fällen auch zu exqiüsiten Lähmungs-
er.scheinun gen kommen.
Gerhar dt's ***) vortreffliche Arbeit über Stimmbandlähmung
lehrte uns zuerst deren Vorkommen bei Kindern und deren mögliche
Begründung durch Compression des Vagus oder besser des Recurrens
durch Drüsentumoren : Eben der Recurrens wird, wenn man seinen oben
genau beschriebenen langen Verlauf in der Thoraxhöhle berücksichtigt,
sehr leicht dem Drucke oder einer anatomischen Veränderung von Seite
der Drüsentumoreu atisgesetzt sein, da es wohl nur der bisherigen man-
gelhaften Beobachtung zugeschrieben werden muss , dass dessen Para-
lyse bei unserem vorgeschrittenen Krankheitsbilde nicht schon häufig
constatirt worden ist. Aus der anatomischen Eigen thümliehkeit dee
Verlaufes wäre zu schliessen, sagt Z i e m ss e n ff), dass der linke Recur-
rens öfter in Mitleidenschaft gezogen werden dürfte als der rechte.
Immerhin ist hier zur Completirung der Symptomengruppe un-
seres Krankheitsbildes noch vielfache Arbeit zu leisten , die wohl nur
mit Hilfe des Laryngoscops erfolgreich gelöst werden wird.
Wir lassen am Schi usse noch eine Zusammenstellung der
hieher bezüglichen Fälle von Compression und Perfo-
ration aus dem Kindesalter folgen.
Sie umfassen 26 Sectionsbefunde fft).
*) Politzer, Dr., Ueber das Asthma bronchiale. Bronohienkrampf im
Kindesalter. Jahrbuch für Kinderheilkunde. Neue Folge. III. Bd. 4. Heft.
*') Dr. Quastalla, jun.. Ein Fall von nervösem Bronchialasthma. Jahr-
buch für Kinderheilkunde. Neue Folge. VII. Bd. 2. Heft.
***) Gerhardt, Lehrbuch der Kinderkrankheiten. '2. Aufl. Seite 317 über
Stimmbandlähmung. — Idem, Studien und Beobachtungen über Stimmband-
lähmung. Virchow's Archiv Bd. XXVII. p. 68.
tj Hei fft, Krampf und Lähmung der Kehlkopfmuskeln. Berlin 1852.
tt) Z i e m s s e n, Handbuch der spec. Pathologie etc. Kehlkopfneurose,
ttt) Der weitaus grössere Theil ist der ausserordentlich genauen Zusammen-
stellung Barety's entnommen, natürlich nur der auf das Kindesalter bezüg-
liche Theil Barety's: L'Adenopathie Tracheo - Bronchique etc. Rösumö ana-
tomo-pathologique des observations publiees par les auteurs ou inödites. Pag. 81
bis incl. 101.
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Widerhofer, Krankheiten der Bronohialdriisen. 1007
a) C o m p r e s s i 0 n e n.
Compression der Trachea
„ beider Hauptbronchien
„ des rechten Bronchus
„ des linken Bronchus
„ der Vena cava superior
„ c. Haem. arachnoid.
„ der Art. pulni. dextra
„ der grossen Gefässe (?)
„ des Vagus beiderseits
„ „ rechts
„ links
„ des N. phrenicus dexter.
b) Perforationen.
Perforation der Trachea
„ beider Hauptbronchien
„ des rechten Bronchus
„ „ linken „
„ der Art. pulm. dextra
„ „ „ „ sinistra „ 3 „
„ der Vena subclavia dextra „ 1 „
Es sei noch erwähnt, dass unter diesen Fällen
Compression des Oesophagus Imal
Perforation „ „ 4mal
gefunden wurde.
ni. Consecutive Symptome in zweiter Linie: Folgezu-
stände und Einwirkung auf den Gesammtor gan ismus.
Die erkrankten Drüsen machen ihren Einfluss aber auch noch auf
die übrigen Organe im Thorax einiger Massen geltend und zwar :
auf den Oesophagus.
Es ist wohl begreiflich, dass dieser in Mitleidenschaft gezogen wer-
den kann, wenn man dessen anatomische Lage unmittelbar vor der
Wirbelsäule ins Auge fasst. Nichts desto weniger werden wir Icauni je
oder doch höchst selten im Kindesalter irgend welche Symptome z. B.
erschwerte Deglutition, Erbrechen etc. davon herzuleiten im Stande sein.
Im Capitel pathologische Anatomie führten wir an , dass die Drüsen im
Zustande der Schrumpfung zur Divertikelbilduug am Oesophagus An-
lass geben können , ja es sind bereits 4 Fälle verzeichnet, wo die er-
weichten käsigen Drüsen eine Communication mit dem Oesophagus her-
stellten. „ ,, , , ,
In aUemeuester Zeit beobachtete ich einen Fall von Durchbohrung
des Oesophao-us mit Communication in eine Bronchialdrüsencaverne an
einem 6 Jah'r alten Mädchen, das an allgemeiner Tuberculose starb. Der
Sectionsbefund ergab: . j inr j
Unter der Mitte des Oesophagus findet sich m semer vordem Wand
1008 Krankheiten der Atlimungsorgane. Bronchialdrüsen.
nach rechts hin ein ovalgebildeter über 2 Centim langer, 1 Centim.
breiter perforirende]' Substanzverlust, dessen Ränder erweicht, mit grau-
schwarzen necrotischen Gewebsfetzen urasäumt ist, in dessen Lichtung
ein haselnussgrosser necrotischer Gewebsptropf steckt. Um den rechten
Lungenhylus herum ein sonijt abgeschlossener durch den bezeichneten
Substanzverlust mit der Speiseröhre communicirender Jaucheheerd etablirt,
der theils mit flüssiger grauschwarzei krümliih er Masse, theils mit Trüm-
mern käsig erweichten Drüsenparenchyms erfüllt ist.
auf die Lunge.
Wie wir die Broncliiti.? zuweilen als cousecutive Erkrankung auf-
fassen müssen , ebenso kommt es im L u u g e n g e w e b e .secuudär zu
Entzündungen, die theils croupöser, theils catarrhalischer Natur sind.
Durch die tiefere Erkrankung der Bronchialdrüsen wird deren Ausgang
in vollkommene Lösung schon von vorne her zweifelhaft. Wir finden
demnach als allei-gewöhnlichste Befunde bei verkäsenden Bronchial-
drüsen analoge Processe im Lungengewebe , als vor allem : verkäsende
Eutzündungsproducte mit exc^uisitester Luugeuphthyse — Tuberculose
— Schrumpfung und wie schon oben erwähnt , vesiculäres Emphysem
und Bronchiectasien
auf die Pleura.
Ebenso wie das Lungengewebe kann die Pleura in Mitleidenschaft
gezogen werden als Pleuritis , ja bei Durchbruch von oberflächlichen
Drüsencavernen kann es zu Pneumothorax kommen.
Li seltenen Fällen kann sich die Entzündung von den Drüsen
auf das Mediastinalzellgewebe
ausdehnen als Mediastinitis (Barety) mit Abscessbildung , oder der
Durchbruch einer mit einem Bronclius communicirenden Drüsencavei'ne
im Mediastinalzellgewebe kann Veranlassung eine» Hautemphysems bis
an Hals und Kopf hinauf werden.
Dass alle diese Zustände endlich in letzter Linie
auf das Herz
zurückwirken müssen , dass hier die bekannten Polgezustände am Herz-
muskel eintreten müssen, versteht sich von selbst.
Auch das P e r i c a r d i u m
kann auf gleiche Weise in Mitleidenschaft gerathen , es kann auch bei
ihm wie bei dem Oesophagus zur Divertikelbildung kommen.
Auf den Gesamm tor ganismus:
Das allerwichtigste und schwerwiegendste jedoch bleibt es immer,
dass derlei Kinder mit verkäsenden Bronchialdrüsen stets der Gefahr
ausgesetzt sind , wie es B u h 1 so geistreich durchgeführt hat , durch
Selbstinfection der acuten Milliartuberculose anheimzu-
fallen. Wir sehen es ja so oft im Cadaver, wie der Meningitis tubercu-
Widerhofer, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1009
losa der Kinder die Broncliialdrüsen verkäsung vorhergeht, so dass diese
fast ausnahmslos als der Infectionsheerd betrachtet werden muss. Diess
ist eben die grosse Gefahr, in der solche Kinder unausgesetzt schweben,
und der sie häufig genug zum Opfer fallen.
Sollte unsere Arbeit nicht in fremde Gebiete greifen, so niussten
wir uns beschränken, hier nur Andeutungen zu macheu.
Diagnose.
Es würde unnütz sein, die einzelnen Symptome nochmals vor-
zuführen. Wir haben erwähnt , wie weit selbe für die Diagnose ver-
wendbar sind. Wir wiederholen nur , dass keinem einzigen absolut
diagnostische Beweiskraft innewohnt , ja dass sie selbst in voller gegen-
seitiger Erwägung nur unvollkommen die Diagnose festzustellen ver-
mögen.
Nur über die Beschaffenheit der Halsdrüsen müssen wir
noch einige Worte hinzufügen.
Wir haben ihnen oben eine nicht unwesentliche Rolle für die
Diagnose zugeschanzt und heben auch hier hervor, dass den Schwel-
lungen jener Drüsengruppen, die vorne am Halse an der oberen Brust-
apertur, besonders zunächst ober der Clavicula gelegen sind , sowie den
unteren seitlichen Nacken- und den tieferen seitlichen Tracheal-Drüsen
eine nicht zu. verkennende Beweiskraft für die Schwellung der Bronchial-
drüsen zukommt, ja wir nehmen sogar an, dass der pathologische Zu-
stand derselben, — seien sie acut oder chronisch entzündet , vereiternd,
verkäst, oder sarcomatös entartet — , immerhin Schlüsse auf die Gleich-
artigkeit der Bronchial-Drüsen zulässt.
Sehen wir, des Beweises wegen , eine Tabelle an , die L ö s c h n e r
aulstellt über die Localisation der Tuberculose in 45 Sectionen *) , so
ergibt sich: dass in 45 Sectionen von Rachitis mit Bronchialdrüsen-
Tuberculose die Halsdrüsen nur 13mal frei von Tuberculose gefunden
wurden. — Wir wissen aber auch vom Krankenbette und Sektion.stische
her, dass bei chronischen Tumoren dieses Verhältniss ebenso häufig ist
— ja, dass z. B. bei der Hyperplasie, bei Sarcose wie Leukämie der
Drüsen, die Bronchialdrüsen nur ein Theilglied der allgemeinen Drüsen-
erkrankung bilden. — Andererseits vergessen wir aber auch nicht, dass
wir in See ionen oft genug verkäste und tuberculose Bronchial-Drüsen
als primän Erkrankungsform finden, ohne dass am Halse irgend welche
Drüsenerkr. ikung constatirt werden könnte. Jeder erinnert sich an
*) L ö s c h n e r, Ueber den Zusammenhang des chronischen Darmcatarrhs
mit Rachitis und Tuberculose aus dem II. Theile: Aus dem Franz-Joseph Kin-
derspitale in Prag 868. X. Artikel. Pag. 218.
Haudb. d. Kinderkrankheiten. III. 2. o*
1010 Krankheiten der Athmiuigsorgane. Bronchialdrüsen.
derartige Obductioneii, z. B. von Meningitis tuberculosa. — Unsere Be-
obachtungen am Krankenbette beniüssigen uns ja, auch auzuuehmeu,
dass eine acute Entzündung zuerst die Bronchialdrüsen befallen könne,
und erst später die oberflächlichen Halsdrüsen in ihr Bereich gezogen
■werden können. Wir müssen also auch hier von einem beweiskräfti-
geren Zusammenhange ausser der blossen Wahrscheinlichkeit absehen.
Da wir nun grösstentheils auf die Bestimmung per exclusionem an-
gewiesen sein werden , so wird jeder Diagnose , sobald einmal der Ver-
dacht auf Bronchialdrüsenerkrankung erwacht , vor Allem die Beant-
wortung der Frage als einer conditio sine qua non vorausgehen müssen :
Bietet die Abstammung des betreffenden Kindes —
dessen Entwickelung im Säugling salter — dessen Ge-
sammtconstitution — etwa unmittelbar vorhergegan-
gene Kr ankheite n , durch ihre eig enthttmlichen Bezie-
hung e n zu den Drüsen oder — deren e i g e n t h ü m 1 i c h e r
Verlauf u n d D a u e r : irgend welche Anhaltspunkte, die
den obigen Verd ach t begründen, bestärken, ja uns eine
Alteration der Br onchialdr üsen als höchst wahr s che in-
lieh, wenn n i c h t g a r a 1 s f a s t n o t h w e n d i g e r f o 1 g e n d h i n-
stellen.
Wenn wir erfahren, dass das Kind von tuberculösen Eltern ab-
stammt, dass Geschwister schon an Mening. tuberc. oder Tuberculose
anderer Organe zu Grunde gingen, so gewinnt unser etwaiger Verdacht
schon haltbareren Boden, eingedenk der Worte Virchow's: »Die Tu-
berculose ist nicht erljlich als Krankheit , aber die Disposition , deren
Träger die Gewebe sind, vererbt sich — die hereditäre Vulnerabilität.«
Der Kinderarzt wird oft an den Eltern erschauen, was er von deren
Kindern zu erwarten hat.
Ein Blick auf die allgemeine C o n s t i t u t i o n des Kindes wird
eruiren müssen, ob Rachitis, S c r o f u 1 o s e, der T u b e r c u 1 o s e ähn-
liche Processe, Syphilis oder Leukämie zu finden sind.
Ueber Rachitis wird noch späterhin gesprochen.
Dass Symptome von Scrofulose in all ihrer Mannigfaltigkeit an
der Haut , den Schleimhäuten, den Drüsen mit ihren verkäsenden Heer-
den bis zu den cariösen Processen am Knochen , sei es an der Wirbel-
säule, den Röhrenknochen oder der näher gelegenen : dem Sternum, den
Rippen, wie der Tuberculose verdächtige anderweitige Organer-
krankungen , den ol:)igen Verdacht auf das entschiedenste unterstützen,
ist au sich klar und Niemanden unbekannt.
Wir nehmen auch keinen Anstand, in diese Gruppe, wenn auch nicht
unter gleichem Namen , jene Kinder einzureihen , die schon in den er-
Widerhofer, Krankheiten der Bronohialdrüsen. 1011
sten Lebenswochen oder wenigstens ersten Lebensmonaten an jenen
Formen von E c z e m erkrankten , welches sich durch seine besondere
Litensität , durch seine allmälig fortschreitende Ausbreitung bis nahezu
über die ganze Köi-peroberfläche , durch seine stetigen Recidiven aus-
zeichnet und durch seine kaum bezwingliche Hartnäckigkeit Jahre lang
jeder Therapie Hohn spricht. Die Fälle werden höchst seltene zu
nennen sein , wo nicht die benachbarten Drüsen Schwellung, Schmerz-
haftigkeit , acute Entzündung , wenn nicht gar Vereiterung zeigen.
Es ist ein tägliches Vorkommniss , dass solche Kinder , wenn sie auch
ziemliche Fettpolster zeigen , mehr oder minder durch lange Zeit blass,
anämisch bleiben , eine ganz besondere Vulnerabilität zeigen , und sie
durch lange Zeit fortbewahren , dass bei ihnen Entzündungsprocesse im
Respirationstracte mit Vorliebe jenen eigenthümlichen Verlauf anneh-
men, der so leicht zur Verkäsung führt, ja, dass der praktische Arzt,
wenn er einen solchen kleinen Patienten au einem scheinbar ganz un-
bedeutenden Catarrhe der Respirations- oder Digestions - Schleimhaut
behandelt , nicht gar so selten durch den ganz unerwarteten tödtiichen
Ausgang überrascht wird! All diese Erscheinungen — die Leichen be-
stätigen es — müssen eben auf das erkrankte Drüsensystem bezogen
werden. Es wird daher in vielen Fällen nicht nutzlos sein, zu erforschen,
ob das fragliche Kind im Säuglingsalter nicht au solchem ausgebreiteten
Eczem , oder in späterer Zeit an dem gleichwerthigen Eczema impeti-
ginosum oder dem sog. Ecthyma gelitten habe.
Sind Erscheinungen von Leukämie zugegen, so versteht sich der
Zusammenhang von selbst.
Nicht minder bei Syphilis. So untergeordnet die Rolle der
Drüsen bei hereditärer Syphilis in den ersten Lebensmonaten ist, in den
späteren Monaten schon , nach dem ersten Halbjahre , nehmen sie im
Kreise der Erkrankung eine um so mehr hervorragende Stellung ein ;
ich möchte sagen , dass eben die syphilitische Bronchialdrüsendegene-
ration die allerbedeutendsten Tumoren nach den Sarcomen hervorzu-
bringen im Stande ist. Betreffender Fall ist schon erwähnt.
Wir kommen zur R a c h i t i s. Wer kennt die Mannigfaltigkeit der
Krankheitsäusserungen nicht, so verschieden an sich und doch wieder
so gleichartig, die wir Rachitis nennen, und wer kennt sie ohne Drüsen-
hyperplasie! -- Jeder muss bei dem Worte Rachitis auch schon an
Drüsenanomalien denken , nur der gegentheilige Befund würde über-
raschen. Wo fiuden wir ausserdem die schon oben erwähnten nervösen
Symptome: »spastischer Husten, Laryngospasmus«, wenn nicht eben bei
Rachitis ? — Sie ist es , die entschieden das grösste Contingent für die
Erkrankungen der Bronchialdrüsen liefert.
64*
1012 Krankheiten der Athmungsorgane. Bronchialdrüsen.
Ausserdem aber kennen wir noch einzelne Krauklieitsformen , die
scheinbar ausser Zusammenhang mit den Bronchialdrüsen, gerade diese
in eine weit innigere als vielleicht nur zufällige Mitleidenschaft ziehen.
Es wird daher wohl geboten sein, in der Anamnesis darnach zu forschen,
ob die eine oder die andere derselben nicht etwa das betreffende Kind
in unmittelbarer Vergangenheit befallen hatte. Wir meinen die Mor-
billi und die Pertussis.
Es ist a priori verständlich , dass bei beiden : bei den Morbillen
die intensive catarrhalische Erkrankung der Respirationsschleimhaut,
— bei der Pertussis die lange Dauer (durchschnittliche Annahme von 0
Wochen) auf die Bronchialdrüsen reizend einwirken müssen ; letztere wer-
den daher sehr leicht in den Zustand von Hyperämie und entzündliche
Schwellung gelangen, und wie wir ex cadavere wissen, bleiben auch
weitere pathologische Veränderungen nicht ausgesclilossen. Allgemein
liekanut ist die Affinität von Morbilli zur Pertussis. Wie oft befallt
einen Morbillenreconvalescenten die Pertussis und selbst auf Morbillen-
epidemien folgen leicht Pertussisepidemien. — Wir kennen aber auch
die Affinität beider Krankheitsformen zur Tuberculose und welches an-
dere Organ könnte wohl leichter die Vermittelung besorgen , als el^en
die Bronchialdrüsen ?
Die erwähnte entzündliclie Schwellung derselben führb in dispo-
nirten Individuen zur Verkäsuug und der Weg zur Tuberculose ist er-
öffnet. Nicht mit Unrecht betrachteten schon alte Aerzte beide Krank-
heitsformen als ein eigentliches Reagens auf das Drüsensystem des Kin-
des. War deren Verlauf Iiei einem Kinde leicht ohne Coniplicationen, so
nahmen sie an, dass dessen Drüsen gesund seien, eben so gut wussten sie,
dass Kinder mit kranken Bronchial-Drüsen dieselben kaum ohne Lebens-
gefahr oder doch bleibender Schädigung ihrer Gesundheit durchmachen.
Wir haben die Anschauung, die auch Barcty vertritt, schon lange
an unserer Klinik vertheidigt , dass die abnorm lange Dauer mancher
Pertussisfälle (nämlich statt 6 Wochen, z. B. ebousoviele Monate) in der
oben erklärten consecutiven Schwellung der Bronchialdrüsen begründet
sein müsse. — Wir sehen daher solche Formen besonders bei zarten vul-
nerablen Kindern und bei solchen, bei denen der Beginn der Krankheit
in den Spätherbst oder Winter fällt, weil eben der solchen Kindern
unentbehrliche Luftgenuss in uiaserem Clima so beeinträchtigt ist , dass
sich ihre Erholung und die Abschwellung der Drüsen verzögern muss.
.Ja endlich können wir aus dem eigenartigen Verlaufe eines B r o fl-
eh i a 1 c a t a r r h s nicht vielleicht ganz dasselbe folgern ? — Es ist
in der That so ; und hiemit kommen wir eigentlich dazu , das Kran k-
Widerliof er, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1013
h e i t s b i 1 d zu zeichnen , unter welchem sich etwa die ersten Erschei-
nungen der Bronchialdrttsen - Schwellung kundgeben könnten.
Ein zartes , fein gehäutetes , vielleicht etwas anämisches Kind er-
krankt an einem Bronchialcatarrhe. — Wir nehmen an , es zeigte sich
an demselben bis jetzt keine oberflächliche Drüsenschwellung, aber wir
hören , dass es häufig an ähnlichen Catarrhen erkrankte , die stets pro-
trahirt verliefen. — Der Catarrh beginnt mit massiger Fiebererregung,
und nimmt in den ersten Tagen , nachdem auch sehr bald Entfieberung
eingetreten ist , seinen normalen Verlauf. — Der Husten , der schon
feucht, den Charakter der Lösung anzunehmen schien, hört nicht ganz
auf, im Gegentheile, er fängt wieder an trockener zu werden. — Die
Auscultation zeigt nur trockene Geräusche, Schnurren etc. . . . kurz, die
Erscheinungen der Schleimhautschwellung , höchstens bei forcirter In-
spiration hie und da Rasselgeräusche. — So der Verlauf in der 1. viel-
leicht auch 2. Woche. — Aber auch jetzt genest das Kind noch nicht
völlig , wie zu erwarten stand , sondern der Husten wird immer mehr
trocken , geradezu quälend , — er tritt anfänglich mehr Nachts auf,
macht längere Attaquen , bis er weiterhin mehr oder weniger anfalls-
weise (wie oljen beschrieben) auftritt. — Dabei fängt die Esslust des
Kindes an abzunehmen — das Kind erbleicht • — die oberfläch-
lichen Halsdrüsen beginnen empfindlicher zu werden, anzuschwellen,
(vielleicht unterstützt noch durch begleitende catarrhalische Zustände
im Rachen) — eine geringe Abmagerung lässt sich nicht verkennen —
ja selbst die bald warmen , bald kühlen Händchen des Kindes erregen
zuweilen den Verdacht bei der Umgebung, ob nicht etwa Fieber vorhan-
den sei. — Am Tage findet man mit dem Thermometer fast nie abnorme
Temperatur , wohl aber ziemlich constant schnelleren Puls , am Abend
wird man schon geringe Temperaturssteigerungen um 0,5 bis 1,0 Grad
über der Norm constatiren.
Die Auscultation wird auch jetzt nichts vom früheren abweichen-
des entdecken, wohl aber nicht selten jenes laute Exspirium in den Lun-
o-enspitzen , das wir als insufficientes Athmen bezeichnen und das uns
von Tao- zu Tag fürchten lässt , dass wir bald eine Spitzeninfiltration
werden nachweisen können. — Die Fiebererscheiuungen können wieder
aufhören, der Catarrh die Erscheinungen der Lösung zeigen, die Esslust
wieder reger werden , das Kind beginnt zu reconvalesciren , die Ernäh-
rungsstörung gleicht sich wieder aus, der aufiallige Verlust des Körper-
gewichtes ersetzt sich langsam wieder ; und wir erklären uns dieses un-
deutliche Krankheitsbild damit, dass der ursprüngliche Catarrh die
Bronchialdrtisen zur acuten Schwellung reizte, dass dieselben aljer
1014 Krankheiten der Athniungsorgane. Bronchialdrüsen.
nicht alsbald wieder zur Norm zurückkehrten , vielleicht schon weitere
Veränderungen eingingen.
Können wir all das mit Bestimmtheit feststellen ? Nein ; aber ver-
muthen können wir es mit einiger Wahrscheinlichkeit.
Ich habe mich damit über Gebühr aufgehalten , ich wollte es eben
nicht mit Stillschweigen übergehen , da wir dieses unbestimmte Krank-
heitsbild so unendlich oft zu Gesichte bekommen, und zwar eben zu
einer Zeit , wo wir weitere Merkmale einer Drüsenaffection noch nicht
entdecken können.
Aber nicht alle Fälle verlaufen so , sondern zuweilen beginnt das
exacerbirende Fieber sich zu steigern , der Catarrh sich auszubreiten,
die feinsten Bronchien zu ergreifen , es tritt catarrhalische Pneumonie
ein , oder es kommt zu einer ausgebreiteten Infiltration mit unvollkom-
mener Lösung oder mit raschem käsigen Zerfalle. — Und unter diesem
Bilde verläuft die entzündliche Schwellung der Bronchial- Drüsen latent
oder wie wir sie auch nennen können , die acute Bronchoadenitis.
In anderen, und zwar der weitaus häufigeren Fällen, wozu auch in
erster Linie alle jene Fälle gehören , wo sie eine Theilerscheinung der
Rachitis, der Scrophulose, Leukämie etc. . . . ist, bildet sie sich, wie wir
uns vorstellen müssen, schubweise weiter aus, bis wir endlich im vorge-
schrittenen Stadium sie deutlicher markii-t finden. Sie nimmt eljen ge-
wöhnlich einen chronischen Verlauf, dessen Dauer nicht abzu-
schätzen ist , jedenfalls aber Monate, sell:ist Jahre umfassen kann. —
Aus diesem Verlaufe und den übrigen allgemeinen Erscheinungen,
z. B. Rachitis etc. . . . werden wir in einzelnen Fällen einigermassen im
Stande sein, zu bestimmen, ob wir es mit einer acuten oder chronischen
Entzündung zu thun haben mögen und eben in den Allgemeinerschei-
nungen des Organismus wird der Aufschluss zu finden sein, welche Art
der chronischen Tumoren wir vor uns haben, wenn sie sich einmal durch
die physicalischen Compressions- oder consecutiven Symptome mit grös-
serer Wahrscheinlichkeit verrathen haben werden.
Ja selbst wenn sich die Bronchialdrüsen-Erkrankung schon mit
tiefgehender Lungen-Erkrankung , z. B. der Phthise combinirt hat , —
der absolut sichere Nachweis der ersteren wird dadurch nicht leichter
gemacht sein. Wir werden ihre Erkrankung, sogar ihre Verkäsung
vielleicht als nothwendiges Postulat aus der Erkrankung der Lunge
folgern können, aber mit Bestimmtheit diagnostiren werden wir sie
nicht. Oder ist es etwa eine Diagnose, wenn man bei Meningitis tuber-
culosa eine Bronchialdrüsen- Verkäsung als coexistirend erklärt? — Es
ist eben ein fast unumstösslich sicheres Postulat — so häufig ist deren
Combination im Kindesalter — man wird sich bei dieser Annahme sei-
Widei'lioi'er, Krankheiten der Broncliialdrüsen. 1015
teil irren, aber man wird es nur äusserst selten vermögen , den wissen-
schaftlichen Nachweis mit genauester Präcision zu führen.
In jenen Fällen , wo wir eine Infiltration der Lungenspitze vorne
und rückwärts nachweisen, und die Frage zu beantworten ist, ob selbe
von käsigen Bronchial-Drüsen herstammt oder damit combinirt ist, gibt
B a r e t y *) einen immerhin schätzenswerthen Fingerzeig. Er sagt : » wenn
die Zeichen der luftleeren Parthie von der Schulterhöhe gegen die Achse
des Körpers hin , Sternum oder Wirbelsäule (le moignon le 1 epaule a
Taxe du corps — Sternum ou rhachis va en augmentant) also von der
Axillar- Linie gegen die Medianlinie an Intensität zunehmen: — so
spricht diess für die Drüsenerkrankung.« Wir müssen ihm beistimmen
und bemerken dazu nur , dass besonders in jenen Fällen von Spitzen-
pneumonie, wo die Lösung seitwärts beginnt und fortschreitet, während
sie gegen die Medianlinie oder besser gesagt, gegen den Luugenhilus hin
auffallend zögert , oder lange fehlt , der Verdacht ein um so berechtig-
ter ist.
Resumiren wir das Gesagte, so folgt, dass die Dia-
gnose in seltenen Fällen und zwar nur in den vorge-
schrittensten Stadien mit einiger Sicherheit festzu-
stellen ist; — in allen übrigen zahllosen Fällen werden wir sie nicht
festzustellen, wohl aber zu vermuthen im Stande sein. Aber auch dies
un.sichere Ergebniss wird für jeden Arzt von der grössten Tragweite
für die Beurtheilung aller concurrirenden Krankheitsformen sein.
In diesem ürtheil über die Unsicherheit der Diagnose stimmen
nahezu alle Autoren überein, ich erwähne nur : R i 1 1 i e t und B a r t h e z,
L ö s c h n e r , M a y r , Gerhardt, B a r e t y , etc
Schliessen wir mit den Worten Löschner's: »Ueberhaupt be-
»haupten zu wollen, dass die Diagnose der Schwellung, Verdichtung
»(Verhärtung), Tuberculisirung oder Sarcosirung der inneren
»Lymphdrüsen an und für sich, wenn sie nicht bereits in Massen
»ei'folgt ist, eine nur theilweise für den geübtesten Beobachter, gesi-
»cherte sei , müssen wir nach unseren Erfahrungen durchaus in Zweifel
»ziehen; wenn es auch Einzelne gibt, welche behaupten , in der Dia-
»gnostik so weit gekommen zu sein, und namentlich nur, um ein Bei-
» spiel anzuführen, die Diagnose der Bronchialdrüsen- Alienation mit Be-
»stimmtheit machen zu können vorgeben, selbst dann, wenn dieselben
»noch keine bedeutende Höhe , noch keinen bedeutenden Umfang er-
»reicht haben.«
*) Barety: L'Adenopathie tracheo-bronchique etc. Pag. 227.
1016 Kiankheiteu der Atlimungsorgane. Broncliialdrüsen.
Aetiologie.
Nach der ausführlichen Schilderung der Diagnose niüssten wir hier
nur Wiederholungen anführen, denn dort sind schon die Heredität,
constitutionelle Anlage und causale Krankheiten viel-
fach erwähnt. Wir wissen, dass die Bronchialdrüsenerkrankungen vor-
kommen: primär, oder secundär im Gefolge der mannigfachsten Erkran-
kungen, inshesonders aller acuten und chronischen Affectionen der Bron-
chien und Lunge und dass sie in einem gewissenCausalnexuszu
V e r s c h i e d e n e n K r a n k h e i t e n als den Morbillen, der Pertussis und
dem ausgebreiteten Eczem stehen und dass sie als nie fehlendes
Glied in gewissen constitutionellen Anomalien in der Ra-
chitis, Syphilis, Leukämie, Scrophulose und Tuberculose ohne Ausnahme
zu finden sind.
Was das Alter anbetrifft , so ist keine Zeit der Kindheit davon
ausgeschlossen. Jedes Jahr des Kindesalters hat deren Anomalien in
reicher Fülle aufzuweisen, gewiss nicht am wenigsten sind sie schon im
ersten Lebensjahre vertreten. Mit dem späteren Kiudesalter wird
ihre Häufigkeit abnehmen , wol theilweise darin begründet , dass viele
schon bis dahin erlegen sind. ■ — Wenn auch nur in seltenen Fällen, so
wird die Verkäsung der Bronchialdrüsen, wie ich aus eigener Erfahrung
weiss , schon in den ersten zwei Monaten in sectione sich finden.
Ich will hier nur in gedrängter Kürze noch die Feh 1 er d er Er-
nährung im Säuglingsalter als eines der häufigsten ätiologischen Mo-
mente hervorheben. Damit der kindliche Organismus in allen seinen Sy-
stemen normal sich aufbaue, ist nicht nur zweclanässige Nahrung, son-
dern auch deren wolgemessene Quantität nöthig.
Fehler in derselben besonders ein zu viel der Nahrung bringt als
erstes Symptom die Dyspepsie ; bei deren längerer Fortdauer unter reich-
licher Gasentwicklung, Volumsvergrösserung des Unterleibes, Drüsen-
schwellung, Anämie, Rachitis, und Magen- und Darmcatarrh mit häu-
figer Recidive.
Hiemit sind die ersten Sprossen der Stufenleiter von der einfachen
Hyperplasie der Drüsen schon erreicht und es wird nur von Zufällig-
keiten abhängen , welche weiteren Metamorphosen die durch die un-
zweckmässige erste Nahrung alienirten Drüsen eingehen.
Prognose.
Was die Prognose l^etrifft ? — das Urtheil darüber ist eigentlich
mit beredten Worten in den Sectionsprotocollen aller Kinderspitäler nie-
dergeschrieben.
Widerliofer, Kraaklieiten der Bronchialdrüsen. 1017
Die acute Schwellung, wir wissen ja von ihr , dass sie mehr
weniger alle entzündlichen Vorgänge in der Bronchialschleimhaut und
Lunge begleitet , lässt fast durchaus eine günstige Prognose zu. Mit
dem causalen Krankheitsprocesse ist auch sie in vollster Rückkehr zur
Norm begriffen , vorausgesetzt , dass wir es von vorneher mit einem in
unserem Sinne gesunden Kinde zu thun haben; im Gegentheile wird
durch sie der erste Anstoss zu allen weiteren Metamorphosen gegeben
sein können.
Im Begriffe der chronischen S c h w e 1 1 u n g ist ohnehin schon
eingeschlossen , dass das Individuum entweder oftmals schon Respira-
tionskrankheiten durchmachte, also wenig Widerstandskraft zu besitzen
scheint oder überhaupt von abnormer Constitution ist. Selbst da lehrt
die Erfahrung, wie viele Fälle von Rachitis , mildere Formen von Scro-
phulose etc., trotzdem sie mit chronischer Bronchialdrüsen-Schwellung
behaftet waren , noch eine relativ günstige Prognose zulassen, wenn sie
nur in den besten Verhältnissen leben und vor Ernährungsstörungen,
Krankheiten und besonders den acuten contag. Exanthemen verschont
bleiben , da diese ihnen zu leicht verhängnis,svoll werden können.
Was nun die D r ü s e n v e r k ä s u n g — (fasse man sie als Tuberculose
oder nicht als solche auf) — anbelangt, für sie gilt speciell das Eingangs
gesprochene Wort. Wenn wir die Sectionsprotocolle durchmustern,
wir können kaum zögern , ihnen fast eine absolut lethale Pi'Ognose zu-
zuerkennen. Wie alltäglich ist dieser Befund in Kinderspitälern, mögen
die Kinder den verschiedenartigsten Krankheiten erlegen sein ! und wie
selten die Verkreidung an den Leichen Erwachsener! Muss man nicht
daraus folgern, darum: weil sie eben alle vor der Pubertät zu Grunde
gingen. Löschner*) hat darüber lehrreiche Worte der Erfahrung
niedergeschrieben.
Alle diese Kinder zeigen eben eine überaus grosse Morbilität , sie
besitzen keiiie Widerstandskraft, erliegen zu leicht jeder heftigen Er-
krankung und sind bei Epidemieen besonders von acuten contag. Exan-
themen regelmässig die ersten rapid dahingerafften Opfer.
Und bleiben sie von diesen verschont, so bedenken wir nur, dass
sie doch schon den Heerd der Infection in sich tragen, fast möchte man
sagen , sie haben den ersten Weg zur Tuberculose schon betreten , der
sie in allen möglichen Formen nur zu bald erliegen.
Wir haben selbst zugestanden, dass es Fälle geben kann, wo auch
käsige Drüsen noch verkalken können ; diess geschieht aber eben sehr
selten.
*) Löschner: Aus dem Franz- Josefspitale in; Prag. XIII., Artikel : Die
Schwellung, Entzündung und Hyperplasie der Lymphdrüsen etc. Seite 250.
1018 Krankheiten der Atkmungsorgane. Bronchialdrüsen.
Die Prognose bei leukämischen und s a r c o m at ö s e u Drü-
sentumoren stellt sicli von selbst je nach ihrem Grade.
Von den syphilitischen sagten wir oben , dass sie oft unbe-
stimmt wie lange ohne wesentliche Veränderung herumgetragen zu wer-
den scheinen.
Therapie.
Steht unsere Erkrankung in einem vorgerückteren Sta-
dium, so ist von einer Therapie wohl nicht mehr die Rede. In den
früheren Stadien ist deren Präcisirung völlig von der Diagnose ab-
hängig.
Ist dieselbe nicht exact möglich, so sind eben bestimmte therapeu-
tische Massregelu nicht zu erwarten. Fast schiene es, es lohne sich kaum
des Wortes, über Therapie zu schreiben. Doch ist es nicht so. Die Dia-
gnose wird uns immerhin Anhaltspunkte geben, von denen das ärztliche
Verfahren ausgehen kann, und ich wage es sogar zu behaupten, dass der
Kinderarzt in der Prophylaxis unendlich viel leisten kann. Die
meisten Anhaltspunkte sind zu entnehmen aus der Würdigung der all-
gemeinen constitutionellen Verhältnisse, deren Theilerscheinung viel-
leicht die Drüsenkranlcheit ist. Nicht minder wird bei allen solchen
Krankheiten , die wir vermöge ihrer notoi-ischen Affinität ziuu Drüsen-
systeme häufig als causale für unsere Krankheitsform erklärten, auf das
entsprechende therapeutische und diätetische Regime zu achten sein.
In alle diese Punkte näher einzudringen ist uns unmöglich — wir müss-
ten sonst eine therapeutische Abhandlung über Rachitis, Skrophulose,
Syphilis, Anämie etc. schreiben — und erwähnen nur kurz, dass für un-
sere Massnahmen stets die vollste Berücksichtigung der
krankhaften constitutionellen Verhältnisse als Leit-
faden gelten müsse.
Haben wir es z. B. mit muthmasslicher Schwellung der Bronchial-
drüsen im Säuglingsalter zu thun , so entspringt sie fast ausschlies.slich
der Rachitis und Anämie und in letzter Linie der fehlerhaften Ernäh-
rung und Pflege. Die totale Umänderung der letzten Factoren wird der
Leitweg unseres ärztlichen Handelns sein und so werden wir auf indi-
rectem Wege immerhin auf das Drüsenleben einzuwirken vermögen.
Haben wir es mit oft recidivirenden schleppenden Bronchitiden,
chronischen Darmcatarrhen , Morbilli , Pertussis etc. zu thun , so wird
unser Augenmerk stets darauf gerichtet sein müssen, ja kein schwächen-
des Verfahren einzuführen , sondern sobald als möglich auf Hebung der
Ernährung, gehörige Blutbereitung und Oii'culation durch gute Nah-
rung, insbesonders gute Luft zu sorgen , und die schleppende Reconva-
Widerhof er, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1019
lescenz auf jede Weise, durch kräftigendes Verfahren, etwa durch Kli-
mawechsel etc. so weit als möglich abzukürzen.
Von den sogenannten sp ezifi sehen Mitteln wendet man
das Oleum j ecuris as elli, das Ei s en und das Jod an. Das Le-
berthranöl — seit den ältesten Zeiten sogenanntes Volksspecificum
gegen Skrophulosis — hat durch seinen üblen Geschmack bei grösseren
Kindern eine beschränktere Anwendung und stört nur zu leicht die Ma-
genverdauung , besonders in warmer Jahreszeit , ja ist bei geschwäch-
ter Verdauung überhaupt nicht anwendbar. Sein Nutzen ist aber in
vielen Fällen nicht zu läugnen, ja im Säuglingsalter bei acuter Drüsen-
schwellung besonders im Gefolge der Bronchitis auf rachitischer Grund-
lage wird es seine Wirkung oft eclatant bewähren, wenn die Verdauung
sonst nicht gestört ist, besonders in der Kindern nicht unangeneh-
men Form einer Fettemulsion , wie wir es seit Prof. M a y r stets an-
wenden :
Olei jecuris aselli. 5.00 fiat lege artis cum muc. gummi arab. q.s
Mixt, oleosa colat. 50.00 Syr. spl. 5.00 S. Tags über zu nehmen.
Es wird daher viel häufiger an dessen Stelle in Anbetracht der sel-
ten fehlenden Anämie Eisen in Anwendung kommen.
Könnte man überhaupt von einem Specificum sprechen , so dürfte
die Verwendung des Eisens mit Jod noch am ehesten, doch auch
nicht minder mit Unrecht genannt werden. Der Sy r up u s f er ri j o-
dat. wie das ferrum jodat. sacharatum wird häufig in Gebrauch
gezogen. Da, wo die Drüsentumoren Residuen, einer weniger auf rachi-
tischem als scrophulosem oder gar syphilitischem Boden abgelaufene
Erkrankung sind , ist die Zweckmässigkeit des Jod-Eisens nicht anzu-
kämpfen , ja selbst einiger Erfolg von vorne herein zu erwarten. Ist
keine Gegenanzeige in der Lunge vorhanden, so wird selbst die interne
Anwendung einer Jodquelle mit Molke oder Milch lauwarm
getrunken in Verbindung mit einer Badekur, z. B. Hall in Oberöster-
reich , Kreuznach , Krankenheil etc. bei grösseren Kindern ihre ratio-
nelle Anzeige finden. In einigen Fällen, in specie bei Syphilis, kann man
J o d k a 1 i oder M e r c u r in Gebrauch bringen.
B a r e t y gibt der alkoholischen Jodtinctur vor allen anderen Jod-
präparaten den Vorzug ; sie sei frisch bereitet und nicht sauer und zwar
10 — 12 Gramm Alkohol a 90" auf 1 Gramm Jod. Man könnte damit
für Kinder mit einem Tropfen beginnen und dann allmälig steigen. Ich
habe sie noch nicht versucht.
Bei Lymphosarkomen wendet man in neuester Zeit bei Erwach-
senen dieTinctura Fowleri (Billroth) an; wie ich vernahm , in
1020 Krankheiten der Athmungsorgane. Broncliialdrüsen.
einem Falle mit zufriedenstellendem Erfolge. Bei Kindern wol des Ver-
suches -u'erth in nicht zu vorgeschrittenen Fällen.
Da.ss diess alles in Hintergrund zu stellen ist gegenüber der Be-
friedigung aller anderen ärztlichen Anforderungen versteht sich von
selbst. — Zweckmässige Nahrung , vorwiegend aus Milcli und Fleisch,
wobei natürlich eine geringe Menge Amylacea nicht ausgeschlossen ist,
— frische gute Luft besonders im Gebirge und an der See — Vermei-
dung jeder krankmachenden Schädlichkeit etc. sind die unabweislichen
Anforderungen. Hie und da Anwendung der China und ihrer Präparate.
In einigen Fällen dürfte auch von einem rationellen hydropa-
tisclien Verfahren Günstiges zu erwarten sein.
Wir behaupteten oben , dass wir der Prophylaxis eine wich-
tige Rolle zuerkennen. Wir meinen damit, dass man in manchen, ja
in vielen Fällen, solche ihrer Alastammung nach verdächtige oder durch
manche Krankheiten gefährdete , ja selbst mit den erfsteu Stufen der
Drüsenalienation behaftete Individuen bei gehöriger, unermüdeter Sorg-
falt durch die maucherli'i Klippen in ihrer Entwicklung zu gedeihlichem
Gesundsein hindurch führen kann und wollen diess in Kürze skizziren :
Falls die Mutter zweifelhafter Gesundheit ist: eine kräftige gesunde
Amme — durchaus keine künstliche Ernährung — in den er.sten Le-
bensmonaten die .sorgfältigste Ueberwachung der Verdauung , —
dyspeptische Zustände dürfen nicht geduldet virerden, mag das Kind da-
bei auch Fett ansetzen, womit sieh der Laie in der Regel begnügt , der
Dyspepsie ist stets auf das allersorgfältigste zu begegnen. Sie ist der
erste Anlass zu den nachfolgenden Darmcatarrhen und in ihrem Gefolge
ziehen fast unausbleiblich Rachitis, Anämie und die ersten Anfänge der
Drüsenschwellungen einher. — Den ersten Symptomen der Rachitis
mit ihren begleitenden Darmcatarrhen muss möglichst rasch begegnet
werden. Den Eczemen , von denen wir ja sehen , wie die benachbarten
Drüsen anschwellen und selbst vereitern , muss die gehörige Therapie
zu Theil werden. Man suche die Ursache aller dieser Entwicklungsstö-
rungen vor allem in der Nahrung, und man wird dabei selten irre gehen ;
in den meisten Fällen wird man die IJel)erfütterung als die causale Be-
dingung anklagen müssen. Im Säuglingsalter legt man den Grund zu
dem , was aus dem betreffenden Menschen wird — ein resistentes Indi-
viduum, das aus dem Kampfe über all' die auf ihn eindringenden Schäd-
lichkeiten siegreich hervorgehen wird oder ein schwächliches Wesen,
an dem dui'ch Jahre fort noch Correctur auf Correctur vorgenommen
werden muss, um allmählig zu einem erfreulichen Ziele zu kommen.
Schon im ersten Lebenssommer soll mit nach dem Individuum be-
rechneter Abhärtung begonnen werden , durch fleissigen Luftgenuss,
Widerhof er, Krankheiten der Bronchialdrüsen. 1021
kühle Waschungen etc. — Jede krankmachende Schädlichkeit werde
ferne gehalten. — Ich gestehe oifen , dass ich Kinder , deren Geschwi-
ster an Lnngentnhercolose oder Lungenphthise zu Grnnde gingen, üher
den zweiten Lebensmonat hinaus, ausser zur Zeit epidemisch herrschen-
der Blattern, nicht eher impfe , als bis sie sich wirklich kräftig ent-
wickelt haben, daher meist erst im zweiten bis dritten Lebensjahre,
während ich vor Abschluss des zweiten Lebensmonates kein Boden ken
trage. Das Körpergewicht werde regelmässig geprüft, jede Ernährungs-
störung , jeder Gewichtsverlust auf seine LTrsache genau untersuelit;
nicht mindere Sorgfalt bedarf die Zeit der Entwöhnung.
Ist das Kind über das erste Lebensjahr glücklich hinausgebracht,
so treten neue wol zu beachtende Gefahren auf. Die Entwicklung sei-
nes Skelets und seiner Musculatur mögen nie ausser Augen gelassen
werden.
Gehörige Rücksicht auf Körperhaltung, Beschränkimg des Schul-
besiiches und methodische nicht genug zu würdigende Gymnastik zur
Erweiterung seines Thorax und Kräftigung seiner Athmungsmuskel
werden die besten leider noch viel zu wenig lieachteten Gegenmittel sein.
Nicht mit dem Schulbesuche muss die Gymnastik anfangen , sclioa im
zweiten Jahre kann mit passiver begonnen werden. Eine Hauptbedin-
gung für die Entwicklung eines solchen Kindes ist der ununterbrochene
Luftgenuss ; bei dem harten Winter und dem oft noch gefährlicheren
Frühjahre mancher Gegenden ist es kaum zu umgehen , solche Kinder
dorthin zu schicken, wo sie tagtäglich von Wind, zu raschen Tempora-
turabfällen verschont , einige Stunden in der freien gesunden Luft sich
bewegen können ; im Sommer Soolenbäder im Gebirge oder Auientlialt
am Meere, besonders letzteres wird auf die Entwicklung und Krältigung
am mächtigsten einwirken. Ich habe wiederholt die Befriedigung ge-
nossen , dass Familien, die früher ihre Kinder eines nach dem andern
an Meningitis tuberculosis in Folge von Bronchialdrüsenverkäsung ver-
loren, die folgenden erhalten und wenn auch mit Sorgen herauwaclisen.
gesehen haben.
Register zum dritteu Band.
I. und IL Abtheilung.
Abortivpneumonie II, 614.
Abscedirende catarrhalische Pneumonie
11, 743.
Abscedirende croup. Pneumonie II, 669.
Absces.sus laryngis II, 233.
Accessorius-Lähmung II, 321.
Ad.spirationsphänoraene bei Bronchial-
dräsenerkrankung II, 996.
Anaemia lymphatica 339.
Anämie 181. 2.54.
Anämie des Kehlkopfes II, 94.
Anthrax 358.
Aphonia paralytica II, 331.
Arsenik-Vergiftung 434.
Asthma Millari II, 99.
Atelektasis II, 497. 693. 772.
Atropinvergiftung 408.
Bacteridien 357.
Basedow'sehe Krankheit II, 396.
Becken, rachitisches 76.
Bettpissen 193.
Blut bei Rachitis 86.
Bluterkrankheit 235.
Bräune, häutige II, 128.
Bronchialdrüsen, Anatomie II, 779.
Bronchiaklrüsen bei Catarrhalpneumo-
nie II, 745.
Bronchialdrüsenentzündung,acute 11,984.
Bronchialdrüsenentzündung , chronische
II, 985.
Bronchialdrüsenerkrankungen II, 973.
Bronchialdrüsenschwellung II, 318.
Bronchiaklrüsensyphilis II, 989.
Bronehialdrüsenvereiterung II, 476.
Bronchiectasie II, 481. 996.
Bronchitis II, 423.
— capillaris II, 431.
— crouposa II, 455.
— sicca II, 434.
Bronchopneumonie II, 680.
Bronchostenosis II, 468.
Brustspalte, angeborene II, 570.
Carcinom der Pleura II, 970.
Cardialgie bei Chlorose 210.
Cataract 294.
Catarrhalpneumonie II, 729.
— acute II, 755.
— chronische II, 762.
Chlorose 196. 203.
Chorea 5. 14.
Choroideatuberkeln 175.
Cicutavergiftung 433.
Circulationsstörung bei Laryngostenose
II, 80.
Colchicinvergiftung 424.
Coqueluchoide II, 1004.
Coryza II, 10.
— chronica II, 20.
Cretinismus und Struma II, 362.
Croup II, 95.
— ascendant II, 162. 177.
— catarrhalisclier II, 110.
Crouphusten II, 183.
Croupstimme II, 182.
Cysten des Kehlkopfes II, 272.
— der Pleura II, 970.
Cytisinvergiftung 425.
Dermoidcyste der Lunge II, 567.
Register.
1023
Dermoidcysten 567.
Diabetes insipidns 285.
— mellitus 269.
Diphtherie der Nase II, 18.
Doppelmissbildung (Respirationsorgane)
II, 590.
Dysphagia laryngoparalytica II, 328.
Dyspnoe bei Laryngostenose II, 67.
Echinococcus der Lunge II, 855.
— der Pleura 970.
— der Schilddrüse II, 420.
Embolie 232.
Emphysema pulmonum II, 513.
— — interstitiale II, 534.
Emphysem bei Croup II, 166.
— bei Laryngostenose II, 78.
Empyem II, 871.
— -Operation II, 951.
Endokarditis lü.
Enuresis 193.
Epistaxis II, 36.
Epithelioma laryngis II, 272.
Erysipelas und Laryngitis II, 108.
Fibroma laryngis II, 271.
Formfehler der Nase II, 31.
Fremdkörper in den Luftwegen II, 60.
— in der Nase IT, 31.
Gangrän nach Pneumonie II, 671.
Gelenkerkrankung bei Hämophilie 254.
Glandulae intrathoracicae II, 980.
Glycosurie 269.
Gummigeschwulst der Schilddrüse 11,413.
Hämophilie 235.
Hämorrhagie des Kehlkoi^fes II, 94.
Hämorrhagische Diathese 214. 328.
Hämothorax II, 961.
Halsdrüsen 11, 994.
Harn bei Rachitis 89.
Harnruhr, einfache 285.
Hautblutung 253.
Hernia diaphragmatica II, 571. 971.
Herzerkrankung bei Rheumatismus 9.
Herz, Verdrängung durch Pleuraexsudat
II, 925.
Heterotaxie II, 569.
Heufieber II, 14.
Hirnhyperämie bei Pneumonie II, 661.
Hirnhypertrophie 92.
Hodgkin'sche Krankheit 339.
Husten bei Bronchialdrüsenerkrankung
n, 1003.
— bei Laryngitis 11, 115.
— bei Laryngostenose II, 79.
Hydrothorax II, 958.
Hyoscyaminvergiftung 421.
Hyperämie der Schilddrüse II, 352.
— des Kehlkopfes II, 94.
Infarct , hämon-hagischer , der Lunge
II, 823.
Infractionen, rachitische 60.
Inosit 292.
Intestinalmykose 360.
Intoxikationen 383.
Karbunkel (Milzbrand) 361.
Katarrhalpneumonie II, 694.
Katheterismus des Kc-hlkopfes II, 90. 222.
Kehldeckel, Besichtigung II, 52.
Kcilbeinhöhlen-Erkraukungen II, 30.
Knochenerkrankung, rachitische 5-).
Knochenmai-k bei Leukämie 318.
Krebs der Schilddrüse II, -Jll.
Laryngitis catarrhalis II, 95.
— erysipelatosa II, 230.
— phlegmonosa II, 233.
— submucosa II, 226.
Laryngosoopie II, 48.
Laryngospasmus II, 1004.
Laryngostenosis II, 55.
— paralytica II, 323.
Laryngotracheitis catarrhalis acuta U.
99, chronica II, 123.
— fibrinosa II, 128.
Larynx, Palpation H, 53.
Leber, Verdrängung bei Pleuritis 11, 926,
Leukämie 195. 301.
— Bronchialdrüsen II, 983.
Lobularinfiltration, chronische, destrui-
rende II, 803.
Lungenarterie, Obliteration der II, 564.
Lungenbrand nach Catarrhalpneumonie
11, 744.
— nach Pneumonie II, 671.
Lungengangrän II, 831.
Lungengefässanomalieen , angeborene
II, 578.
Lungenlappen, aecessorische II, 572.
Lungenschwindsucht II, 784.
Lungenvenen-Anomalieen II, 589.
1024
Gerhardt, Kinderkrankheiten.
Lunge, Verdrängung bei Pleuritis II, 923.
Lupus laryngis II, 259.
Lymphdrüsen-Leukämie 316.
— — Scrofulose 143.
Lymphoma malignum 339. II, 59.
Lyssa humana 364.
Malaria und Leukämie 313.
Maserncroup II, 153.
Masern-Laryngitis II, 107.
Mediastinitis II, 1008.
Meliturie 269.
Meningitis bei Pneumonie II, 662.
Miliartuberkulose bei Catarrhalpneu-
monie II, 766.
— der Lungen II. 807.
Milz, bei Rachitis 87.
Milzbrand 355.
Milzerkrankung bei Leukämie 314.
Missbildungen der Lunge 553.
Morbus maculosus Werlhofii 210.
Morphinvergiftung 394.
Nabel blutung 241.
Nasenbluten II, 36.
Nasenkrankheiten II, 1.
Nasenpolypen II, 33.
Nephritis bei Pneumonie II, 665.
Netzhautblutungen bei Polyurie 294.
Neubildungen des Kehlkopfes und der
Luftröhre II, 262.
Neubildungen in der Nase II, 33.
Night-terrors 192.
Nonia nach Pneumonie II, 672.
Nonnengeräusch bei Chlorose 209.
Obliteration der Pulmonalarterie II, 584.
Oedema laryngis II, 226.
Oesophagus-Atresie II, 562.
Oleandrinvergiftung 430.
Opiumvergiftung 394.
Osteomalacie 59.
Otitis bei Catarrhalpneumonie II, 768.
Ozaena laryngotrachealis II, 121.
Papilloma laryngis II, 204.
Pectoralfremitus bei Pleuritis II, 932.
Peliosis rheumatica 216. 228.
Perichondritis laryngea II, 240.
Perikarditis 11.
— bei Catarrhalpneumonie II, 768.
— bei Pneumonie II, 660.
Peripleuritis, ab.scedirende II, 955.
Perlsucht, Milch 138. 168.
Pertussis 11, 1004.
Phlegmone endothoracica II, 955.
Pleuritis 865.
— bei Catarrhalpneumonie II, 766.
— bei Pneumonie II, 658.
— und Rheumatismus 12.
Pneumonie bei Croup II, 164. 195.
— chronische interstitielle II, 743.
— croupöse II, 592.
— Recidiv II, 667.
— secundäre II, 673.
— und Rheumatismus 12.
Pneumothorax II, 962.
Pocken, Laryngitis II, 108.
Polyurie 285.
Pseudocroup II, 100. 110.
Pseudoleukämie 195. 339.
Phthisis bronchialis II, 988.
— laryngea II, 245.
— pulmonalis II, 784. 804.
Pulmonalstenose II, 583.
— angeborene II, 585.
Purpura 216.
Purpui'a simplex 218.
Pustula maligna 358.
Pyothorax II, 871.
Rachendiphtherie II, 182.
Rachitis 40.
Rachitis und Leukämie 312.
Reibegeräusch, pleuritisches II, 928.
Respirationstypus bei Stenosen II, 67.
Retinitis leukaemica 321. 332.
Rheumatismus acutus 3.
— und Peliosis 232.
Rhinoscopie II, 22.
Santonin 385.
Schädel-Rachitis 61.
Scharlach-Croup II, 154.
— Laryngitis II, 108.
Schierlingvergiftung 433.
Schilddrüsenkrankheiten II, 339.
Schnupfen II, 10.
Scoliose, rachitische 123.
Scrofulose 130.
Skorbut 216. 233.
Situs transversus der Brustorgane II, 569-
Solaninvergiftung 422.
Spasmus glottidis 92. 121. II, 281.
Register.
Spitzeninflltratioii, chronische II, 801.
Stimmbandlähmung II, 315.
Stimmritzenkrampf 92. 121. II, 281.
Stimmvibration bei Pleuritis II, 932.
Struma II, 318. 359.
— congenita II, 387.
— exophthalmica II, 396.
Strychninvergiftung und Lyssa 379.
Sympatliicusparalyse II, 353.
Syphilis laryngea II, 251.
Syphilis der Trachea II, 999.
Taxinvergiftung 429.
Tetanus und Lyssa 359.
Tlioracentese II, 946.
Thorax, rachitischer 66.
Thyreoiditis II, 413.
Thyreotomie II, 278.
Trachea, Divertikel der II, 564.
Trachealfistel, angeborene II, 565.
Tracheitis II, 996. 1004.
^ catarrhalis II, 95.
Tracheobronchitis II, 425.
— acuta II, 430.
— fibrinosa IL 175.
Tracheoskopie II, 53.
Tracheostenosis II, 55.
— strumosa II, 381.
Tracheotomie bei Croup II, 223.
— bei Laryngostenose II, 91.
Transposition der grossen Gefässe II, 581.
Tuberculose 153.
Tuberkel 154.
— der Pleura H, 970.
Turgescenz der Schilddrüse II, 352.
Vaccination und Scrofulose 138.
Werlhofsche Blutfleckenkrankheit 221.
Wirbelsäule, Rachitis 74.
Wuthkrankheit 365.
Zähne, Verhalten bei Rachitis 64.
Zuckerharnruhr 269.
Berichtigungen und Zusätze
zum dritten Band, 2. Abtheilung.
Seite 11
- 17
» 17
» 24
» 51
» 68
» 70
22 V. 0. statt derselbe 1. e s.
8 V. o. » Friedreich-Valleix 1. V a 1 1 e i x - F r i e d r e i c h.
1 1 V. u. nach und setze : d u r c h.
2 V. o. statt Raghaden 1. Rhagaden.
7 V. u. » sind 1. ist.
16 V. 0. » des 1. d e r.
14 V. 0. » ed 1. cd.
» 73 Fig. 10 statt z 1. r
-> 152 Z. 10 V. 0. statt Valentin 1. Valentin von.
» 253 » 8 V. o. » gewesen zu sein 1. vorgelegen zu haben.
» 278. Neubildungen des Kehlkopfes, Nachtrag :
In der nach Vollendung des Druckes erschienenen Monographie von
Paul Bruns, Die Laryngotomie etc. Berlin 1878, findet sich auf Tabelle I.
eine grosse Zahl von Thyreotomien verzeichnet, welche im Abschnitt über Neu-
bildungen nicht aufgenommen sind. Es sind dies die Fälle vonDurham,
Voss, Long, Holmes, Atlee, Lewin, Davies-Colley, Thorn-
ton, Rose; rechnet man dazu noch den Fall von Wilms (briefliche Mit-
Handb. d. Kiuderkranklieiten. III. 2. ""
1026 Gerhardt, lunderkranklieiten.
t heilung an P. B r u n s), so beläuft sich die Zahl der bis jetzt veröiFentlichten
Fälle von Thyreotomie im Kindesalter behufs Entfernung von Painllomen auf 23.
C. R a u c h f u s s.
Seite 847 Z. 11 v. u. statt Chavignier's 1. Chavignez's.
» 849 » 13 v. o. » nach meinen Beobachtungen 1. in der Regel.
» 850 » 15 V. o. » Hematothoras 1. H iim a t o t h o r a x.
» 852 > 13 V. o. » sechszehnjähriges 1. sechsjähriges.
» 858 am Schluss des Kapitels setze : Lepthotrix pulmonalis ist nicht immer
vorhanden.
» 854 Z. 15 V. 0. statt gestäubt 1. z e r stäubt.
» 855 » 1 V. o. » Vogla 1. V i g 1 a.
Date Due
Demco 293-5
213