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ribraicii Sncirrtnc et iUiärrnc |

FREDERIK MULLEr'

AMaTEKDAM^

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£n>t Mrt^ JUltet; reatv .«t. firrneioä ^idi u,

CoUektenreise

nach

'nebst einer aasfiihrlichen Darsteüong

des

Kirchen -9 Schul-, Armen- und Gefangniss- wesens beider Länder,

mit vergleichender Hinweisung

anf Deatschlandf vorzüglich Preassen,

von

Theodor FKedner,

* evangel. Pfarrer in Kauenwerth bei DüMeldorf.

3!oetttr ßani.

Nebst Kupfern und Fianen . und einer "^ritik der wichtigeten theologiechen Literatur Jlollande vom fgten Jahrhundert,

E s s e n,

bei G. D. B & d e k e r.

1831«

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Vorrede.

i^or Ober Einen Abschnitt dieses Bandes, fiber die Kritik der wichtigsten theologischen Literatur Hollands vom IQted Jahrhan* dert, habe ich hier Einiges sn bemerken.

Der Zweck des Bachs erlaubte mir nnr die wichtigste theologische Literatur anzugeben und EU beurtheilen. Ich habe daher selbst von den aufgeführten Schriftstellern nur ihre beurtheil- teU) nicht aber ihre andern Schriften angegeben, weil Zweck und Raum einen Bücherkatalog durchaus nicht £uliess.

IDas Wortt wichtigste ist freilich relatiVj und so werden vermuthlich manche hollän- ; dtsche Recensenten behaupten, dass ich

IV

noch mehrere andere Bücher, als in diese Kate- gorie gehörend, hätte angeben nnd benrtheilen müssen*

Mit der Beartheilnng selbst werden "Viele noch weniger zufrieden sein, namentlich die le- benden Schriftsteller, deren theologische Ansich- ten ich habe tadeln müsseu. Da die meisten der- selben noch am Leben sind, so begreift sich's leicht, dass Ich bei dieser Kritik viel gewagt ha- be, und mehr als jeder andere Kritiker, indem einige jener Schriftsteller, wie meine CoUektenge- schichte nachweist, persönlich meinen Gollekten- zweck freundlich gefördert haben* Diese werden mich nun, fiirchte Ich, der Undankbarkelt be- schuldigen* Es würde mir dies $ehr wehe thnn, da Ich solchen Vorwarf nicht verdiene* Mögen sie denn vor allem hier die Yer^ichemng hinneh- men, dass, wie Ich ihrer Liebe in der Collektenge- schichte nicht vergessen habe^ so auch mein Herz derselben nicht vergessen hat, noch vergessen wird! Mögen sie ferner erwägen, dass, da sie ihre Schriften und die darin enthaltenen theolo- gischen Ansichten durch den Druck der öffentli- chen Bcurtheilun^ hingegeben, ich nichts Un-

V

recbtcs gelhan habe, das3 auch ich sie öffentlich heartheilt! Am liebsten hätte ich allerdings we« gen ihrer persönlichen Beziehnng za mir sie ganz mit Stillschweigen firi)ergangen. Allein gerade dann bätte ich mich der Ungerechtigkeit gegen sie schuldig gemacht, da sie ohne Widerrede n den wichtigsten theologischen Schriftstellem Hollands gehören. Non sie also einmal der Kri- tik anheim fielen, yermocfate ich aber nichts wi- der die Wahrheit

Mögen sie mir darum meine Kritik zu gute halten!

Ja, lieben Brüder, mögen wir nns alle mehr and mehr im Licht des Evangelii prüfen, ob wir im rechten Glauben stehen, und brünstig und fortwahrend nm erleuchtete Augen des Verständ- nisses bitten, dass wir wachsen in der Gnade und Erkcnntniss nnsers Herrn und Heilandes Jesu Christi! O, dann wird £r es keinem fehlen las- sen, sondern durch seinen heiligen Geist in alle Wahrheit leiten!

Schliesslich bemerke ich noch, dass ich die Correctur jdicses Bandes nicht selbst habe be- sorgen können, daher ist wegen der sich cingc-

VI

schlichencn Druckfehler auf Eniscbuldigang An- spruch machen darf« Die sinnentstellenden unter denselben sind im angehängten Verzeichnisse berichtigt. £in besonderes Sachregister ist nicht angefertigt worden, weil das ansfiihrlicbe Inhaltsvcrzeichniss dasselbe wohl entbehr- lich machen wird.

F 1 i c d n o r.

-••

vif

f *

IbhaJlsverzeichniss

des zweiten Bandes.

MM

Seite

Cfüllektiren im Haag ..,..«^.... 1 Alte und neue Verfassung der reformirteu Kircbe.

Licht- und Schattenseiten derselben «..«•« 6 Besoldung der reformirtcn Prediger ••••*» 35 Französisch-reformirte, presbyterianisch-englische und

schottische Gemeinden «•• 36

Protestantische Gemeinden in Südniederland, Militärr

gemeinden, ost- und westindische Kirchen . 38 Verfassung der evangelisch -lutherischen Kirche . . 42 Scherelingen« Fischerei, Schule ^ Seebad daselbst . 52 Geföngniss im Haag« Niederländischer Assisenhof.

Kabinet der Seltenheiten « 58

Rjmswoud'sche Waisenstiftung. Cresellschaft zur Et-

muthigung und Unterstützung des Kriegsdienste» 62 Uebersicht des niederländischen Armenwesens ... 64 Entstehung der Armenkolonien durch die Gründung

der GeseUschaft der Wohlthätigkeit 73

Heise über die Südersee. Friesische Sprache«. Har- lingen. Künstliches Himmelsgebäude und Athenäum

zu Franeker «••• 79

Zuchthaus zu Iteeuwarden. Friesische Trachten» Torf- moore »» «. tK)

Jleschaffeuheit der freien Annenkolunien zu Frie- drichsort und M^ilhelmsort « > » ^^

VIII

, Seite

Kolonial -Erziehungsanstalt zu Watereh U7

Waisen -9 Invaliden- und Bettlerkolpnien zu Veenhui-

zen« Friesischer Bauernhof 122

Unfreie Bettlerkolonie und Strafkolonie zu Ommerschans 133 Beurtheilung der freien und unfreien Armenkolonien 141

Arnienkolonien in Südniederland 165

CoUektiren in Leiden. Rückblick auf meine Gemeinde lt)7 Lateinische Schulen «,••••••..•• 169

UniTersitäten ••••••#••• 175

Theologisches Studium. Wi^enschaftliche Studenten-

▼ereine. Theo!. Kandidaten -Examen 182

Sfldniederländische UniversitSten . . ^ . 191. Mangel specieller Seelsorge auf den preussischen Uni> lersitSten. Vorschlag zur Anstellung eines Uuiver*

sitätsseelsorgers •••••••• 192

UnYoUkommnnheit der theologisch -praktischen Bildung auf den preuss. Universitäten. Verbesserungs vor- schlage in Betreff der homiletischen Anweisung, der prakt. Schrifterklärung 4 der Anleitung zur Seelsor- ge» zur Bekanntschaft mit der kirchlichen Gesetz- gebung und Kirchenverfassung, zum Kirchengesang, zur Obern Leitung der Schule, zur Bekanntschaft mit den besten Volks>- Lesebüchern, mit der Bibel- und Missionssache. Paränetische Lectionen. Ge- schäfte des Uuiversitätsseelsorgers in Betreff der

Studirenden . « 206

Nothwendigkeit der Errichtung besonderer tbeolog. praktischer Seminare. Beschaffenheit eines solchen Seminars für unsere Rheinprovinz. Seminar für Westphalen. UnzulängUehkeit der prakt, Anleitung iler Kandidaten durch einzelne Pfarrer. Nothwendig- keit eines Uuiversitätsseelsorgers und eines Seminars 257 Merkwürdigkeiten Leidens. Militärgefängnisse. Privat- Erziehungsanstalt von de Ra.id. Mündung des Rheins in das M($er , ••.•••••»•• ^^ CoUektiren in Harlere. TKyLOnsche Stiftung. Kle- meiitar^cKulcn , , , 285

IX

8«ite

Or^aniBation des Elementarschulweieni« BesehaflCen- heit der Schulen, Lehrgegenstfinde, Lehr- uqd Le- sebücher - 292

Besoldung der Schullehrer. Schulhäuser . 308

Schullehrerseminar zu Harlenu Bildung zum Schul- amte durch Schullehrer. Concurrenzprüfungen« An- stellung der Schullehrcr* ....'•..... 312

Liciit- und Schattenseiten des niederländischen Ele- mentarschul Wesens und der Schulen, Vorzuge des preussischen ElemeDtarschnlivesens 322

Lacht- und Schattenseiten der niederlSndischen Schul- lehrerseniinare. Vergleichung der preussischen mit denselben« Besondere Rücksicht auf das zu Mors 352

Allgemeiner Unterricht von Jacotot 377

Blumengärten zu Harlem, Orgel, Kosters Denkmal < und Fest. Gang nach den Dunen ' 383

CoUektiren in Dördrecht. Merkwürdigkeiten der Stadt*

Literarische Gesellschaften. Maattchappy toi Nut van't Algemeen ''.... 300

Wasserland zwischen Dördrecht und Gorkum. Col- iektiren in Utrecht und Zeist. Akademische Merk- >vürdigkeiten. Nachrichten von Haus. Predigten LoRRERG's für meine Gemeinde ..•..,. 408

Kirchlichkeit« Predigtweise. Bybeioefeningen. Kir- chengebet. Anreden. Lehre der Prediger . . 420

Vergleichung der SEMLERschen Zeit in Deutschland mit der neuesten theol. Zeit in Holland. Aehnlich- keit Bwischen beiden 433

Kritik der nichtigsten theol. Literatur des IQten Jahr- hunderts. I. Exegetische Theologie. Van Voorst, VAN DER Palm 9 Müntinghe^ Stronck^ Bosvkld,

VAN KOOTEN, VAN IIenGEL, HeRINGA , ROYAARDS,

DK Geer < . . . 447

n. Historische Theologie« Ypcv und Dermolt^ Broes 481 Hl. Systematische Theologie. A) Dogmati k. Mün-

TTNG11E> VAN VOORST, UeRINGA, BoRGER, BrOWER 40$)

B) Moral. Clarisse, Kist 507

m <

X

Seite IV« Praktische Theologie« A) Prcdigtliteralur» Kist>

VAN »ER ROEST, VAN DKR PaLM, DERUOUT, BOR-

QER^ Wys •...•• 513

B) Katechetik. Egeuno» Prins, va» Kooyen 529

C) Pastoraltheologie. Ueringa « .^ * 335 V. Theologische Zeitschriften, yaderiandiche Lei-

ieroefmittgen , Boekzaat, Godgeleerde B^drage», .

Nieuw Chrütelyk Maandsehrift ..•..•• 530 Grosser Unglaube in der Kirche. Entstandener Kampf

gegen den Unglauben und hierdurch entstandenes

neues Leben des Glaubens. (Liturgische Formulare

8. 552. 553). Aussiebten in die Zukunft . . 54^

Jlansenisten 55U

CoUektiren in Schiedam und Delft. Merkwürdigkeiten

zu Delft 571

Die Kirchengesellschaft: Christo Sacrum 574

Abreise nach England 584

Erster Anhang. Berichtigung, die Arbeitsdnstalt zu

Brauweiler betreffend 587

Zweiter Anhang. Die Beaufsichtigung der Studirenden

auf den preuss« Universitäten betreffend . 587

Dritter Anhang« Ministerielle Verordnung über den

Bibelgebräuch in den EleHientarschulen, und Verbot

des Gebrauchs der Bibelauszügc in denselben . . 5dU

Vierter Anhang. Die Mildthäiigkeit Hollands gegen

ausländische nothleideudc Kirchen beUeffend . . uDj

Verbesserungen.

S. 49 13 V. u. lies nimmer ftatt Immer.

67 1 V. o. h Unter dieser »t Und dieser^

104 10 f, .„ l. Ommerschans st AnnerscKs&iia^

108 13 1. en reglementaire st et

111 1 y. u. 1. Ommerschans st Annerschana.

129 10 f, y> 1. welcher st welche.

9 ,, t Heerspin k st Heerspin«;«

154 12 V. o. L S. 104 st S. 114.

161 ' 13 ,, n 1. kein st keim.

6 u. 1. sowohl st sugleieh^

1Ö2 12 V. ü, 1. nun st um.

165 1 M >j l. in St. im.

' 14 M t RykcTorsel st KykeweseL.

-* 170 6 „. f, 1. sind 6 st sinds.

172 3 »9 I. Diöcesan st Diocöfcn^

1 u. L S. 5. 8t. 8.

174 1 T. o. 1. Solaren st« Slaven.

182 7 V. u. 1. brauchen st« brauchte».

202 10 », », 1. nimmermehr st immermehr.

205 «— 3 T. o. 1. manchen st manchem.

<— 207 5 » » füge nach dem Mf ort: ist hinzu: und.

213 * 9 1. that st hat

21S 6 » ,9 1. seiner st. seine.

221 13 ,> 1. beiden st bei den. 12 V. u. 1. Witzen st Sätzen.

*i3l 7 l. ohne st ihre.

237 5 V. u. 1. unwichtiger st. umichliger.

1 >, „1. sollte st sollten.

252 6 y, 1. unsere iit unseren.

205 8 ,> 1. gleichen st glücklichen.

2(>(^ IS V. ü. 1. rüstigsten st. rüstigeii:

272 3 u. ist das Wort: können wegzustreichen*

278 2 V. ü. 1. Militärgefängniss &t MiUtärgCv

i'ängnisse. J

S. 279 Z. 12 V. o. 1. Exegeteast. Exegesen.

287 7 1. Vrouwenhofje st. Vrauwenhüfjc.

288 13 >, n 1* Chamouny st. Chamoury«

294 15 » 9, 1. van st. Taan.

301 10 V. u. 1. van Da^peren^ der^eine der

Pestalozzischen Zöglinge st, Prediger

van Dapperen. <— 305 16 T. 1. raadgeringen st« raadgewingen. . 337 9 1. Beuggen st. Brüggen«

349 -. 14 T. o. 1. das 8 st. doch«

367 8 1. No. 2 6 st. No« 11 6.

. 371 3 T. o. 1. den Gemeinden st. der Gemeinde.

.. 9 ,, „1. die st« sie.

374 1 « » 1. in st- »»it.

10 ,y n Gerechtigkeit st Gereehtigung.

375 7 V. u. 1, Schülern st Schulen. •— 385 -r 1 T. durfte st durften.

389 ~. 1 I. dess st dass.

393 l5 yy 1. Verscheidenheid en st. Verschei-

denheiden. .^ 404 .. 1 ,y ,, \, unerkannte st unbekannte.

^^ 8 y, ,, 1, geschahen St. geschehen.

.— 410 3 T. u. 1. 'glattgeschnittene st. plattge- schnittene. .^ -i- 2 M L Räumen st Säumen.

412 5 T. o. 1. widerstehen st stehen«

413 .. 3 ,^ 1. den Riesenstengeln st. dem Rie-

senstengel. «- .^ 14 ,y y, 1. Ilugenhuiz st. Augenholz. *> -^ 7 V. u. 1. Koupmans st. Knupmans. 414 3 V. 1. gleichen st solchen. .. 4 n h Beusichem stBersichem. «— ^ ^ IS 9> Ittcrsuni st Ittersani« r— 415 "^ 5 99 »> 1. llarpen st .Happen.

1 u, 1. Huydekoper st. Huydcruper.

426 2 V. o. 1. währen st, während. . . 12 V. u. 1. E geling st Egelnig. 432 2 ,y 1. um st. nur.

433 10 V. 0. 1. und ihren st. in ihren.

-^ 438 4 )> »9 1. waren st. wären.

-— 441 11 99 99 1. einen st. einem.

3 >9 9, 1. PredigeriJroesstProfe&süiHrüCis

12 l. fast St. fus.

^ 448 12 V. u. 1. traditae st truditac.

453 «. 10 ^1« äiHuioavytj st iir^aioavvi^v.

459 17 1. Neologien st Neologen.

S. 459 Z. 10 V. 0. t Geiiasi st. Gehosi«

462 13 1. Raphidiin st. Kaphiden.

464 13 y^ u. 1. «charfsic&tigeB st sdiarsidiCige.

466 6 V. zu 8t. zo«

469 17 n^ den Bybel st der Bybei.

20 ,, l. Herder's st Hrrdkr'su

.. 469 4 >y Pf 1. zeigen st. zeigt

472 18 ,> 1* demselben st derselben.

17 V. u, nach: Fundament setze ein Comma.

474 17 o. ist das Wort: sich wttzastreichen

476 ^ S 1. hoffte st hofft

477 5 r. I. fein- st frei-,

9 ,, y, ist das Wort: tob wetgzastreichen.

478 17 >, 1. feine st freie.

48L 7 1. über st aber. > 489 1 ,9 » t in St. ziu

7 „1. van der Meer en st Tan der

Meeren.

503 12 9, L Engelerscheinungen st. Engel*

erscheinung.

510 5 V, u. 1. Prediger st Professor,

512 1 ,, t Prediger st Professor,

516 4 T. o. 1. wilden st milden.

534 16 V. u. 1. wieder nicht st nicht wieder.

541 3 ,, »»ist nach: eine das Wort: neue zu-

zufügen.

546 8 ,y 1. hineinflicht st. hineinfliesst.

549 2 V. o. 1. van st. vak.

13 ist nach: Unglaubens ein Comma

St. des ; zu setzen.

550 14 T. Ui ist nach: Seite das Wort: stattge-

habten zuzufügen*

564 13 99 1. worden st werden.

588 9 f, nach: Rheinprovinzen ist das Wort:

Westphalen zuzufügen.

589 1 V. o. 1. auszeichnet st. ausgezeichnet

10 V. u. 1. gebraucht st gebracht

#

Nachricht für den Bachbinder.

Das Frauen - und Männerhaus ist als Titelkupfer zum 1. Bande einzuheften. Das Zuchthaus zu €fent am Schlüsse des I. Bandes,

Das Bild von BismoA ist als Titelkupfer zum II. Bandei der Auf- und Grundriss yon den Armenkolonialhäusem zu S. O69 der Grundriss des Veenhuizer Stifts zu S. 124, das Bifd ron K18V zu 609 einzuheften.

Collcktiren im Haag,

Am 29» OcCober reiste Ich nach dem Haag, nachdem ich schon 10 Tage vorher einmal von RQtterdam ans dort gewesen , und die Cgllektensache hei einigen re- formirten Predigern vorbereitet hatte. Unter diesen nahmen sich der älteste Prediger NoORDiNK nnd Hofprediger Dbrmout meiner mit besonderer Hera« Hchkcit.an, verschafüen mir ein von allen hollän- disch- und fr anzösisch-re formirten Predi- gern der Stadt unterzeichnetes Empfehlungsschreiben^ »in ähnlicher Art, wie ich in Amsterdam und Rotter- 1 dam erhalten, sammelten für mich^ und halfen mir mit ihrem Rathe. NooRDiNK hatte schon vor meiner Ankunft IM fL bei verschiedenen Freunden gesammelt. Dem Prediger Sluiter verdankte ich eine warme Empfehlong bei dem berühmten Grafen Gtsbert Karl lAif HogendorP) welcher im Jahre 1813 mit küh- 11. 1

ner Hand die StaatsnmwälzuQg gegen die Franzosen sn Gunsten des Prinzen von Oranien geleitet hatte. Hierdurch gelang es mir, Zutritt zu dem ehrwürdigen Staatsmanne zu erhalten. £r litt sehr an der Gicht, welche ihn auch von den Staatsgeschäften, er war früher Staatsminister, sich zurück zu ziehen gezwun- gen h^tte» Er empfing mich liebreich und zeichnete 4iZ f). Ein frommer Baron, VAN BoetzelAAR, zeichnete auch 52 fl., und als ich ihm Einiges von dem Äusseren Zustande meiner Gemeinde erzählt hatte^ sagte er mich tröstend beim Abschiede mit -herzlichem Händedruck: Houdt Christus %yne Kerk in stand, 7J00 ma§ de hei tfry woeden!

Die Unterschrift YAlf Hogendorps machte mir anch bei . mehreren Ministem Bahn. Finaiuuninister £lout zeichnete sehr liebreich. Der Jnstizminister VAN Maanen beschied mich durch den Bedienten in die ^öffentliche Audienz. Ich wartete hier in einem grossen Saale zwei Stunden lang in Gesellschaft von 30 Herren, die mich verwundert anstaunten, was ein ^ Domine wohl in der Audienz des Justizministers zu thnn haben möge* Als endlich die Reihe an mich kam, vorgelassen zu werden, erstaunte der Minister nicht weniger,' da er einen Gollektanten' vor sich sah* Lächelnd sagte er: Es ist hier zwar der Ort nicht, zu coUektiren. Indess will anch ich gerne zeichnen. Es thttt mir leid , dass ich zu Hanse den Zweck Ihres Kommens nicht wusste, sonst würde ich Sie nicht hierher bemüht haben. Aber nun habe ich kein Geld 'h«i mir. O Ew. Excellenz, erwiederte ich» Ihre Un-

terschrif^ ist völlig hinreidiend. Er war jedoch nicht eher znfrieden, bis er die nnterieichneten 2ft fl. von einem Unterbeamten geliehen vnd mir gegeben hatte.

Noch mehrere andere Minister, StaatsriSthe, Kam* merherrcn und andere Grosse, so wie manche vor« nehme Damen nnterxeichneten frenndlich, nnd offen- karten zum Tbeil einen so tief christlichen Sinn , dass kh mich innigst freate, auch in dieser H6he nnd die« sem Glanz des Lebens so viele demSthige Seelen sn finden, in denen Christas herrschte. Von Baron Fa- ce L erhielt ich zugleich einen Empfehlungsbrief m leinen Bruder, der damals niederländischer Gesandter in London war« Da seit dem Tode des alten ehrwiir« digen Jo RISSEN die hochdeutsche Predigerstelle an der reformirten Gemeinde eingegangen war, eine solche aber noch an der evangelisch-lutheri- sehen Gemeinde bestand, so hielt ich in deren gros- sen schönen Kirche einfe Abendpredigt, welcher auch einige reformirte Prediger beiwohnten« Die lutheri- schen Prediger, unter ihnen besonders der menschen- freundliche Schultz, der Secretär der lutherischen ;. Synode, unterstützten mein Unternehmen in ihrer Ge- ■einde liebreich, und sowohl die Aeltesten, als die iKilonen gaben Beiträge. Auch der remonstran- tiiche Prediger, VAN DER Breggen PaAVw, ttpfahl mich bei einigen reichen und wohlthätigen Geneindsgliedem mit günstigem Erfolge. Ein 90jäh- ripr blinder Greis hatte, als ich zu ihm kam^ schon fagst eine bedeutende .Gabe für mich aurechtgelegt, «d empfing mich rait «oleher Wärme und Freude.

1

\

■4

^gleich alft brachte ich ihm ein grosses Glück« So hell fjUnd ich das, Liqht der Liebe noch in ihm leuchten, 'wenn schon das Licht der. Sonne seinen Augen nicht mehr schien« Wohl äun! Für ihn wird jetzt keine Nacht mehr sein« Er wird wandeln im Lande des Schauen» 9 wo der Herr sein ewiges Licht ist.

Im Klingelbeutel meiner der reformirten Kirchen fand man an einem IVlittwochsgottesdicnst ein Zettel- eben, wprin 38^2 Stüber eingewickelt waren, mit fol-. genden Worten: Voor de gemente i^an Kei- 'S.grsu^aerd is dit ^t^einigey kon niet meer^ •Om t^erborgen te zyn vp dexe u^ys. / Cftr.^ '^9^ ^9* ^^^ Bibi^lstelle sollte wohl mir gelten. Habe ^)ank für deine Liebe gegen Prediger und Gemeinde, du edle, unbekannte Seele! Der Herr wird auch Dir ^in I^us bauen, das ewiglich bleibet.

Besonders viele Liebe fand ich im Biirgerstande,

••unter andern bei /den Brüdern A^^ oben erwähnten

Missionärs KiCHEEER, bei der Familie JOBIS-

S E.JN '»6 , und bei vielen von deutscher Abkunflt.

So ward denn auch in der Residenzstadt die Collekte

*«iae reich gesegnete*

Ak der K^ö n i g von meinem glücklichen Collekti- reu erfahr, sagte er ;nim Minister desCultus: Wenn dieHaagjer Gemeinden so viel überflüssiges Geld für fremde -Gemeinden hatten , so brauche er wohl künftig nichts mehr aus der Staatskasse für ihre eignen Bedürf- nisse «uzuschiessen. . D^r Mim*ster bemerkte darauf» ^^s meine Gemeinde keine fremde ^u nennen sei, da sie .immer als eine der nothleidenden . ausländischen

*

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Kirchen ven Holland - Untersfutzang empfangen babe^ worauf der König sich beruhigte« Es wurde mir nach- her von Jemand der RaA gegeben, mich nun lieber möglichst bald in der Stille aus dem Haag zu machen, kh erklärte aber, dass, da ich ein gut Gewissen bei der Sache hätte , ich ruhig meine CoUekte vollenden- wurde, was ich auch ungestört that.

Von den C all ekten leiden^, deren idi auch., hier manche zu tragen hatte, thut es bei der Menge»^ von Coliektenfreuden nicht Noth , viel zu realen«. Genug, ich fand auch hier wieder bestätigt >. dass die- jenigen, welche die Menge der einheimischen Bediirf-. nisse, für die sie so viel gaben, vorwenden, um we^ nig oder nichts für ausheimische mitzutheilen , aucb. fnr die ersteren in der'^egel am wenigsten geben», vnd iass ebenso die,- welche die Gäbda ihrer Mitbürger als kärglich zu bekritteln jpflegen-, darum scHbst toichis röchHeher geben. Wie der Herr, der Knechff i^es Sprichwort sah ich häufig in^ £rfiiiluflg |(efae«.^ Wenn die Bedienten smerst den fremden JDömine, drfnrchtsToll behaadelten, so wurde, sobald sie die- Herrschaft ihn barsch abweisen sahen, auch ihr Be- tragen gegen ihn meist gewaltig verändert. Jedoch., kalte ich bisweilen den ^rost, dasJs die Bedienter^ ttdeidiger als die Herrschaft/ mein^ Fehlbitte berzJirir- Mauerten. '

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Kirchenverfassung der reformirten und der evangelisch -lutherischen Kirche.

vrleichwie das Ministerium des protesUntSschen Cnl- ftus seinen Sita im Haag bat, so versammelt sich hier auch die oberste kirchliehe Gesellscbaflsbebdrde der beiden sahlreicbsten protestantischen Confessionen, die Gcineralsyno de der Aeformirten und der Evangeiisch-Liptherischen. £s ist daher hier 3er Ort, von der KirchenverJTassnng beider Confesfionen zu reden.

!• Verfassun^''der reformirten Kirche.

Die alte Verfassung, welche vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1785 > so lange die refor- mirte Kirche Staatskirche war, sich erhielt, bestand dem Wesentlichen nach in Folgendem:

Jede Gemeinde, einige in Gelderland und Nordbrabant ausgenommen, hatte ihren Kirchen-

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rath (Kirehenrorstand , Presbjterxam) , welcher aus mehreren Aeltesten und dem oder den Predigern be- stand» Die Diakonen gehörten eigenüich nicht daxa, und worden nur. bet Berufung eines Predigers zum Beralhen und Stimmen hinzugezogen, welche Versamm- lung dann der grosse Kirchenrath hiess, wozu mei- stens auch alle gewesenen Kirchenrathsglieder , die Altäitesten und Aitdiakonen hinzutraten^ im Gegensatz gegen den kleinen oder gewöhdlieheiv Der Kirchenrath hatte die nächste Leitung der kirchli- chen Gemeindeangelegenheiten ji so wie di^ AufsiciU über die Schulen«

lyie darauf folgende KirchenbehÖrde war die Klasse (Kreissjnode) , deren jede Provini mehrere hatte, in welche sie eiugetheilt war. Die höchste Zahl der Klassen einer Provinz war 11^ z. B. in Südhol- iandy die geringste Zahl 3, z. B. in den Provinien Utrecht und Drenthe. Auch die Zahl der Gc«* meinden, die zu einer Klasse gehörten, war sehr ver#- schieden. Die Klasse von D.ordrecht in SüdhoIIaad zählte Sl Gemeinden mit 60 Predigern, die Klasse, voji \Val ehern in Seeland sogar 54 Gemeinden mit 77 Predigern, dagegen die Klasse von Kämpen m Overjssel nur 9 Gemeinden mit 12 Predigern* Di^ Klasse versammelte sich in den meisten Provinzen 9 oder 4mal phrlich, in einzelnen sogar monatlich, in einzelnen andern dagegen nur einmal^ des Jahres. Zu leder dieser Klassikalversammlungen sandte der Kir« chenrath jeder Gemeinde 1 Prediger und 1 AeUesteo

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nit Vollmachten ; in einzelnen Provinzen jedoch wur- den keine oder nur wenige Aelteste dazu gesandt. Von den Beschlüssen des Kirchenraths konnte man au die Klasse appelliren. Die Klasse hatte die obere Auf- sicht über Lehre und Leben der Prediger , Kirchenrä- the und GemeindsgHeder , hatte das Recht, die Kir- chenzucht nicht bloss durch Ausschliessung vom Abendmahle 9 sondern auch bis zur völligen AusschüeS'* sung aus der Kirchengemeinschaft zu üben, Prediger und Kirchenvorsteher zu suspendiren und abzusetzen« Auch examinirte sie die Kandidaten, besültigte den Be- ruf der neugewählten Prediger , und gab den nach ei* ner andern Gemeinde ausserhalb der Klasse Berufenen ein Zeugnis» über Reinheit der Lehre und des Leben^. .Tut die Leitung der Klassikalversaminlung wurde ein Präses, ein Assessor und ein Scriba gewählt, meist durch freie Wahl aus der Mitte der versammel- ten Predtga:*, oder auch nach einej^ gewissen Reihen- folge, welche 3 Moderatoren nur während der Daner der Versammlung fungirten, und bei jeder Klas- äikalversammlung neu gewählt worden. Zur Ausfüh- rung 'der Beschlüsse der Klasse wurden von derselben 2 bis 4, auch wohl mehrere Deputati claaais er- Irahlt, die zugleich die Visitation der Kirchen und Schulen hielten, welche letztere meistens jährlich, in einigen Provinzen alle 2 Jahre geschah, und in der Klassikalversammlung darüber Bericht abstatteten, wo sie gleich den übrigen Mitgliedern Sitz und Stimme hatten. Sie fungirten gewöhnlich 2 3 Jahre. Diese D&putäii waren bloss aus den Predigern gwählt, aus-

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genommen lu Friesland, wo neben 6 Predigern auch 6 Aelteste data erwählt worden.

In der Winteneit warde in einigen Prorinxen. deren Gemeinden weit von einander entfernt waren, nicht die vollständige Klasse , sondern nur eine soge- nannte das 8 18 contracta versammelt , welche aus den Moderatoren der ietsten Klassikalversammlung wA. einigen dazu erwählten Predigern , im Ganzen ans B 10 Mitgliedern bestand« Die meisten Klassen wa- ren in kleinere Kreise (Ringen) getheilf, welche Cintheilung jedoch fast ansschliessfich auf das beque- mere und geregeltere Wahrnehmen ^^s Dienstes in ei- ner vacanten Gemeinde von Seiten der benachbarten Prediger Bezug hatte.

Von der Entschetdang einer Klasse konnte man an die Provinzialsjnode appelliren. Diese ver- sammelte sich in jeder der 8 Provinzen jährlich ein- mal, mit Ausnahme von Drenthe, wo sie nur je- des dritte Jahr sict^ vtoammelte, und von Seeland, wo die Haltung einer Provinzialsjnode von den Pro- vinzialstaaten seit der Mitte des 17^ Jahrhunderts, in dessen erster e HäK^e sie einigemal hatte dürfen ^fy- h&Iten werden, fortdauernd untersagt blieb.

Jede Klasse der Provinz^ sandte einige Abgeord- nete ans ihrer Mitte zu dieser Sjnode, in den mei- sten Provinzen 2 Prediger und 2 Aelteste, in einigen 9 Prediger und 1 Aeltesten, in der Provinz Utrecht 3 Prediger und 2 Aelteste, in der Provinz Grö'nin- gen 3 Prediger ohne Aeltesten, ausgenommen die Klasse Groningen, welche 2 Prediger und

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i Aeltesten schickte. Die Klassen der Provinz Dren- the sandten jede drei Prediger , aber gar keinen Ael- testen. Diese Abgeordneten hatten specielle Voll mach- ten von ihren Klassen, an welche sie gebunden wa- ren, und welche sie nicht überschreiten durften.

Jede der verschiedenen Provinzialsynoden , die von Drenthe ausgenommen, beschickte die andere durch einen sogenannten Correspondenten, d* h. eines ihi'er Mitglieder, vrelcher der Schwestersynode die Beschlüsse der seinigen mittheilte, dieser die Be- schlüsse jener überbrachte, und hierdurch ein wechsel- seitiges Band kirchlicher Gemeinschaft zu unterhalten suchte.

Die Provinzialstaaten beschickten die Synode durch 1 oder 2 Abgeordnete, sogenannte CommUaa" rissen " Ihäilek , denen sich meist noch ein Abge- ordneter des Stadtmagistrats, wo die Synode gehalten Wurde, anschloss, welche bloss Zuschauer und Zuhö- rer waren, ohne eine Stimme in den Berathungen und Beschlüssen zu haben, aber darüber zu wachen hatten, dass keine dem Wohl und den allgemeinen Gesetzen des Staats zuwiderlaufende Beschlüsse gefasst würden. Indess unterblieb das Beschicken durch Kegiernngsab- geordnete häufig. Jedoch musste j,edesmal um die £r- laubniss zur Haltung der Synode bei den Provinzial- staaten nachgesucht werden. Aus der Mitte der geist- lichen Synodalglieder wurde bloss für die Dauer der Synode ein Präses, Assessor und Scriba ge- wählt« Zur Ausführung der Synodalbeschlüsse wurden einige Veputati Synodi aus der Synode gewählt,

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meistens 1 Deputatua für jede Klasse, welche geitolio- ilcli 3 Jahre lang fangirten, aoch Sits und Stimme in der Synode hatten. Die Zahl der Synodalglieder war in den verschie<denen Provinzen sehr yerschieden» In der GeldeVscben und Siidholländischen Sj- node war sie am grössten, da sie in der ersteren, aus- ser den 6 Correspondenten und den Eegierongsabge- ordne(en, 45, und in der letzteren 48 betrug« la der Utrechtschen und Drenthesch^n war sie am niedrigsten; denn in dev ersteren betrog m 1B^ und in der letzteren nur 12 Mitglieder. Der Ort der , Synode war meistens die Hauptstadt der Provinz. la einigen Provinzen wurde sie abwechselnd in den grös- seren Städten gehalten.

Die ProYinzialsjnode war der Nationalsjraodey als der höchsten Instanz, untergeordnet Diese sollte sich alle 3 Jahre versammeln , und von jeder Provin- xialsynode durch 2 Prediger und 2 Aelteste beschickt werden. Indess wurden in den 3 letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts nur 4, die letzte im Jahre 1588 gehalten; darauf erst wieder im Jahre 1618, seit wei- cher berühmten Nationalsynode keine mehr gehalten wurde. Diese letzte Synode wurde von jeder Provin- xialsynode durch 4 Prediger, und 2, auch 3 Aelteste beschickt Da aber die hier entworfene Kirchen- ordnung von keiner Provinz, als von Geldern und Utrecht angenommen wurden, so blieben die bbherigen Verschiedenheiten in der Kirchenverfassung der einzelnen Provinzen bestehen, und jede Provin- zialsTnode bildete in ihrer Provinz fortwährend die

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i Aeltesten schickte. Die Klassen der Provinz Dren- the sandten jede drei Prediger , aber gar keinen Ael- testen. Diese Abgeordneten hatten specielie Vo lim ach- ten von ihren Klassen, an welche sie gebunden wa- ren, und welche sie nicht ilberschreiten durften.

Jede der verschiedenen Provinzialsjmoden , die von Drenthe ausgenommen, beschickte die andere durch einen sogenannten Correspondenten, d* h. eines ihi'er Mitglieder, ^reicher der Schwestersynode die Beschlüsse der seinigen mittheilte, dieser die Be- schlüsse jener überbrachte, und hierdurch ein wechsel- seitiges Band kirchlicher Gemeinschaft zu unterhalten suchte.

Die Provinz iaistaaten beschickten die Synode durch 1 oder 2 Abgeordnete, sogenannte CommUaa- rUten ' PoUtiek , denen sich meist noch ein Abge- ordneter des Stadtmagistrats, wo die Synode gehalten wurde, anschloss, welche bloss Zuschauer und Zuhö- rer waren, ohne eine Stimme in den Berathungen und Beschlüssen zu haben, aber darüber zu wachen hatten, dass keine dem Wohl und den allgemeinen Gesetzen des Staats zuwiderlaufende Beschlüsse gefasst würden. Indess unterblieb das Beschicken durch Kegierungsab- geordnete häufig. Jedoch musste j,edesmal um die £r- laubniss zur Haltung der Synode bei den Provinzial- staaten nachgesucht werden. Aus der Mitte der geist- lichen Synodalglieder wurde bloss für die Dauer der Synode ein Präses, Assessor und Scriba ge- wählt«. Zur Ausführung der Synodalbeschlüsse wurden einige Deputat i Synodi aus der Synode gewählt,

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meistens 1 Deputatua für jede Klasse, welche geitöbo- iicli 3 Jahre lang fangirten, aoch Sits und Stlmrae in der Synode hatten. Die Zahl der Synodalgiieder war in den verschiedenen Provinzen sehr verschieden. Id der Geld ersehen und Südholländischen Sj- node war sie am grössten, da sie in der ersteren, aus- ser den 6 Correspondenten und den Regierangsabge- ordneten, 45, und in der letzteren 48 betrug, la der Utrechtschen und Drenthesch^n war sie am niedrigsten; denn in der ersteren betrag sie 18, und in der letzteren nur 12 Mitglieder. Der Ort der , Sjflode war meistens die Hauptstadt der Provinz. la einigen Provinzen wurde sie abwechselnd in den gWJs- seren Städten gehalten.

Die Provinzialsjnode war der Nationalsjraodey als der höchsten Instanz, untergeordnet Diese sollte sich alle 3 Jahre versammeln , und von jeder Provin- xtalsynode durch 2 Prediger und 2 Aelteste beschickt werden« Indess wurden in den 3 letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts nur 4, die letzte im Jahre 1588 gehalten; darauf erst wieder im Jahre 1618, seit wel- cher berühmten Nationalsynode keine mehr gehaltea wurde. Diese letzte Synode wurde von jeder Provin- üalsynode durch 4 Prediger, und 2, auch 3 Aelteste beschickt Da aber die hier entworfene Kirchen- ordnung von keiner Provinz, als von Geldern und Utrecht angenonunen wurden, so blieben die bisherigen Verschiedenheiten in der Kirchenverfassong der einzelnen Provinzen bestehen, und jede Provin- zialsynode bildete in ihrer Provins fortwährend die

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h((ch8te Kirchenbeh({rde in allem, was nicht die kirch« liebe Lehre betraf. *).

Die Staatsnmwälznng im Jahre 1785 durch die Franzosen, welche die alte politische Verfassung über den Hänfen warf, gab auch der so eng damit verbundenen kirchlichen einen starken Stoss. Die T^ormirte Kirche hörte nicht bloss auf, die herrschende tta sein, sondern wurde auch in Absicht der Bestrei- tung ihrer iBediiHhisse vom Staate sich selbst überlas- sen, obgleich derselbe ihre meisten Güter in Beschlag genommen hatte, so -dass mannicfa faltige Verwirrung und Unordnung einriss. Die Provinaialsynoden hörten allmählich auf, und obgleich die Kiassikalversammlun- gen fortdauerten, so konnten diese doch sowohl, we- gen ihrer mangelhaften Einrichtung, als auch wegep Mangel an aller Unterstützung von Seiten des Staats wenig ausrichten.

Nachdem das Haus Oranien im Jahre 1818 wieder zur Regierung gekommen und in derselben be-

*) Wer Mehreres über diese merkwürdige Kirchen- Verfassung lesen will, vergleiche 1) Bachiene's Kerkelyke Geographie der vereenigde Ne- d4r landen, in zieh beheizende eene Betchryvingc van den Staat der Synoden , ßÜasBen en Gemtenten der hervormde kerk in en$ vaderlamd, met ve^ byzon' derheden, versehen mit trefflieben kirchlich geo- graphischen Charten über jede Provinz. 4 Stücke in 2 Bänden« Amsterdam bei P. onder de Linden 1768. 2) Ge^chiedenis der Nederlandsthe hervormde Kerk daor YtVY en /. /. Der- MovTy 1. Theil Breda 1819 bei W. VAN Bergen et Comp, S. 337 ff. und 361 ff.

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festigt war, Hess der König im Jabre 1815 durch eine kirchliche C o mmission von 11 Predigern, dereo aas jeder der 10 Provinzen einer, nnd einer aas der französisch -reformirten Kirche war, ein Re- glement SU einer neuen Kirchenverfassung entwerfen, welche , auf den Grund der alten gebaut, sich jedoch durchs grössere Einheit nnd Kxaft auszeichnen seilte, vnd bestätigte dies Reglement unterm Jan. laiG. Biese besteht dem Wesen nach in Folgendem : Die erste kirchliche Behörde ist der Kir- chenrath, bestehend aus dem oder den Predigern der jGremeinde, ond mehreren Ael testen, weiche ans iea achtungswerthesten, kenntnissreieh- sten und yornehmsten Gemeindsgliedern zu wäh- len sind. Die Diakonen gehören nicht im engsten, aber im weiteren Sinne zum Kirchenrath. Derselbe bat die Sorge fuir den öffentlichen Gottesdienst, den christlichen Unterricht und die Aufsicht über die Ge- meindsgUeder , in Betreff weicher er die Kirchenzucht in erster Instanz nach dem darüber neu verfassten Keglement auszuüben hat

Die zweite kirchliche Behörde ist das Klassi« kalmoderamen (KloMsikaalbeatuur), welches in je- der Klasse ans einem Pipses, einem Assessor, einem Scriba und 2, 3 oder 4, je nach der Grösse der Klasse oder Menge ihrer Geistlichen, committirten Pre- digern besteht, so wie ans Einem Acltesten oder Alt- ältesten (gewesenen Aeltesten). Dieses beaufsichtigt die Gemeinden und Prediger seiner Klasse, hält die Kir- chenvisitationen ducdi 2 ans seiner Mitte dazu bevoll-

B^^w ^

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mSchtigteii Mitglieder , übt die Kircbenzncht gegen die Kircbenrathsglieder, Kandidaten und Prediger in er- ster Instanz^ und darf sie saspendiren, sorgt beson- ders für vacante Gemeinden und leitet die ßenifung des nenen Predigers ein , hat die Oberanfsicht über die Wittwenkasse der Klasse und sorgt für ünterstut- ZBOg der Predigerwittwen und Waisen, bildet endlich die. zweite Instanz für die Fälle , welche bei den Kirchenräthen in erster Instanz behandelt worden sind« Die Moderatoren versammeln sich alle 2 Monate ein- nuiL Jedoch darf der Präses anch ausserordentliche Versammlungen berufen* Daneben ist jährlich einmal eine Klassikal Versammlung, bestehend aus allen Predigern der Klasse und so viel Aeltesten, als von Alters her zur Klasse zu kommen pflegten* Diese Ver- sammlung hatte jedoch nur das Recht, zur Erwählung dt» Scriba, des Aeltesten und der zum Moderamen la kommittirenden Prediger für jeden eine Sechszahl la bestimmen , welche von dem Provinzialmode- ramen zu einer Dreizahl vermindert wird, aus wel- cher der König Einen ernennt. Dabei hat sie die Bechnung über die Klassikalwittwenkasse abzunehmen und den Schatzmeister (Qua stör) dafür zu ernen- nen* Der Aelteste bei dem Klassikalmoderamen fun- girt nur Ein Jahr, die committirten Prediger 2 Jahre, der Scriba drei. Alle können jedoch bei ihrem Ab- treten aufs neue gewählt werden* Für die Unkosten der Klt3sikalmoderamina gibt der Staat jährlich 14000 fl* Die dritte kirchliche Behörde bildet das Pro- vtnzialmoderamen (pnmndal^terkbesiuur)^ Jede

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Provinz ist nach alter Weise in Klassen vertheilt, wel- che ]edoch der Zahl nach yermindert worden sind« Der hierher gehörigen Provinzen sind statt der 9 al- ten jetzt 11 5 in folgender Rangordnung: 1) Gel- dern, 2) SiidholUnd, 3) Nordholland, 4) Seeland-, 5) Utrecht, 6) Friesland, 7) Over« yssel, 8) Groningen, 8) Nordhrabant, des- sen Gemeinden früher za den Klassen der benachbar« ten Provinzen, s. B. Geldern, geschlagen waren, 10) Drenthe, 11) Limburg, wozu alle protestan- tische GreiQeinden in SSdniederland gehören. Die Ge- meinden jeder Klasse sind in mehrere Hingen (Kreise) eingetheilt ,' welche nichts mit Lieitang der Kirchenan- gdegenheiten zu thun haben , sondern deren Prediger bestimmt sind , den Dienst bei den vacanten Gemein- den wahrzunehmen, und sich jährlich zu Zeiten ver- sammeln sollen , um sich über Seelsorge u. dgl« zn besprechen, und im Wissenschaftlichen fortzubilden, 3ede solche Ringt^ergadering (Kreisversammlung) hat sich einen Präses unter dem Namen Prätor und einen Saiba zu wählen, und jährlich dem Klassikal- moderamen über ihre Wirksamkeit Bericht abzustatten. Die höchste Zahl der Klassen ist 6, wie in Geldern und SüdhoUand, die geringste wie in Ut- recht, Overyssel und Drenthe, in Limburg sogar nur 2* Die Zahl aller Klassen ist 45, die Zahl s^er Ringe 140, die Zahl aller Gemeinden, mit In- begriff der 22 protestantischen in Südniederland, 1250, die Zahl der. Prediger 1470, und die gesammte See- .leisahl der Beformirten M00,000.

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Das Provinziaimoderamen wird dadurch ge- bildet, das8 Ein Prediger aus jeder Klasse dazn ge^ wählt wird, so wie Ein Aeltester, jedoch nur aqs Ei- ner Klas&e^ welche Klassen jährlich mit Sendung des Aeltesfen^ abwechseln. Daxa kommt überdies ein Scriba, welcher in der Regel aas den Predigern der Provinzialhauptstadt ernannt wird. Zur Wahl der Prediger und des Aeltesten, bilden die Klassikalmode- ratoren eine Sechszahi, welche .die ProviosiaUnodera'- toren in eine Dreizahl vermindern y aus welcher der Kctnig einen ernennt. Der Scriba wird von ihm ans einer, unmittelbar vom Provinziaimoderamen gebildeten Dreizahl ernannt, für einen jeden Provinzial- und Klassikalmoderator 9 auch für jedes Synodalglied wird ein. 8ecundu9 (Stellvertreter), in derselben Weise wie die, Primi^ erwählt , welcher jedoch nur bei Ver- hinderung seines Primus an dessen Stelle tritt« Aus der Mitte der geistlichen Glieder des Provinzialmodera- mens wird der Präses desselben vom König ernannt, und fungirt nur Eid Jahr* Auch der Aelteste iiiü. 'jährlich, ab, die übrigen Glieder und der Scriba alle 3 Jahre« Jedoch sind alle wieder wählbar. Der geist- liche Abgeordnete von jeder KJasse ist per se Präses, des Moderamens semer Klasse, und sein Stellvertreter der Assessor desselben.

Daa Provinziaimoderamen versammelt sich ordent-. lieb 3mal des Jahres,, im Mai^ August un<^ Octo-. ber^. und zwar in der Provinzialhauptstadt. Es schlich- tet die Streitigkeiten der . Klassikal - Moderamina und Versammlungen, prüft die tum Predigtamte sich vor-

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bereitet habenden Theologen, und gibt die Wahlfa- higkeitszengnisse, übt die Kirchenzncht gegen Kirchen* rathsgUeder, Kandidaten und Prediger bis zur Abse- tzung, welche, wenn sie wegen unsittlichen Betragens abgesetzt werden, ein solches Amt nie wieder beklei-. den dürfen , verwaltet die Provinzialwittwenkassen und bildet die zweite Instanz für die Fälle, wo das Klas« siiaimoderamen die erste Instanz war. Ist die Sache aber schon bei dieseiki in zweiter Instanz entschieden, so wird kein weiteres Appelliren zugestanden. Denn nberall gelten nor-xwei Instanzen.

Die höchste Kirchenbehö'rde ist die allge- meine Synode. Zu dieser sendet jedes Provinzial- moderamen jährlich Einen Prediger, den es aas sei- ner Mitte frei wählt» Auch erwählt Ein Provinzialmo* deramen Einen Aeltesten oder Altältesten zum Synodal- gliede, mit dessen Wahl die Provinzialmoderamina der Keihe nach jährlich abwechseln. Ueberdies hat die Synode «snen permanenten Secretär, welcher ans den Predigern im Haag, und zwar ans einer durch die Synode gebildete Dreizahl vom Könige er- nannt wird. Dieser übt einen bedeutenden Einfinss ans, da er das einzige geistliche permanente Mitglied ist. Dieses Amt bekleidet seit der ersten Synode der kenntnissreiche, vielgewandte L. J. Dermout, Hof- prediger des Königs, berühmt durch seine Kanzelbe- fcdtamkeit, so wie durch seine mit Professor Ypxt n Groningen herausgegebene, ichoii öfters erwähnte Gcidiichte der niederländischen reformirten Kirche. FcmeK.htt die Synode einen permanenten Schatz- JL 2

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meist er cQuastor), welcher stets aus den Aeltesten oder Altältesten Amsterdams in ähnlicher ^Weise wie der Secretär ernannt wird. Beide haben Sitz und Stimme gleich den andern Mitgliedern« ^

Die französisch - reformirten Gemeinden, welche wie die presbyterianisch -englischen upd schottischen den holländischen Klassen einver- leibt worden sind, schicken ).edoch jährlich ans ihrer Mitte Einen Prediger auf die Synode, der gleiche Rechte mit den andern GUedem hat. Auch die kirchliche Gommission für die protestantischen indischen Kirchen schickt Einen reformirten Prediger aus ihrer Mitte auf die Synode. Sonach besteht die Synode aus nicht mehr als sechzehn eig^tlichen Mitgliedern. Zwar ernennt auch jede der 3 reformirten theologischen Fakultäten der Universitä- ten zu Leiden, Utrecht und Groningen jährlich Einen ihrer Professoren zum Abgeordneten auf die Sy- node; allein diese haben keine mitbesc.h liessende, sondern nur eine mitberathende Stimme« Aus den abgeordneten Predigern, ernennt der König einen Präsidenten und einen Y icepräsid enten der Synode, welche aber nur. während der Sitzungen dcr*- selbcn fungiren.

Als königlicher Bevollmächtigter wohnt der Minister des protestantischen Cultus, wenn -et rcformirt ist , und nach Belleben in Beglei- lang seines Secretärs, der Synode bei, ohne jedoch an den Berathungen und Beschliisseu Theil zu nehmen« Im Fall er nicht refprmirt wäre, hat sich der König

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vorbehsiliCBf Einen ocbr mehrere refbrmirte CommU* tarissen ' JFbUifek der Sjnode beiwoliiiea iii hsseo.

Die Spkoie versammelt sich jährlich Einmal am ersten Mittwoch des Jali im II a a Keins ihrer Mit- glieder, so wenig wie die der untern Kirchenbebö'rden, sind an schriCdiche Vollmachten von ihren Com- jnittenien gfhooden, sondern jedes stimmt frei- nach sei» ner UeAerzengnng. Die Synodafglieder können za konft^eo Sjnoden wieder gewählt werden*

Die Synode Int die allgemeine Aufsicht über die Gemeinden 9 Prediger nnd nntcrn Kirchenbehörden^ die Sorge für das Wohl der reformirten Kirche iiber- Winpt, insbesondere für die Handhabung ihrer Lehre, für die Beförderung des öffentlichen Goltcsdienstes, dts Religtonsunterrichtes, der Sittlichkeit n. s. w., ver- fassi die kirchlichen Reglemcnte und Verordnungen, velche jedoch erst durch die königliche Genehmigung Gesetzeskraft erhalten, und bildet die zweite Instanz fiir die Streilfäne, welche bei dem Provinzialmodera- men als erster Instanz entschieden wurden. In den Fällen, wo die Synode die erste Instanz bildet, kann um eine IVevision ihres Urtbeils an das Cultusministe* riem appellirt werden, jedoch mit Hinterlegung von 1200 ü. bei dem Synodaischatzmeister fSr die dnrch die Revision entstellenden Kosten. Darauf beruft der Kfinig eine synodale Re visionsversammlnng, «ckhe ans 11 Gliedern besteht, dem SecretSr der Synode, zweien derjenigen Synodalglieder, welche fir das erste ürtkeii gestinnit, «nd zweien, die dat-

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gegen gestimmt haben, «und aus sechs Stellirertretern der svr Bevision nicht berufenen Synodalglieder*

Die Sjnode ist zugleich das Mittelglied, durch welches alle Erlasse des Staats an die Kirchenbehörden gelangen«

Die erste Synode hatte am 3. Juli 1816 statte und ist seither regelmissig Jedes Jahr gehalten worden.

Wenn über die Vorzüge und Mängel dieser neuen Kircbenverfassung ein griindliches Urtheil ge- fallt werden soll, so darf man ^sie nicht l>loss mit 4er alten Verfassung yergleichen, sondern muss sie zu- gleich nach den Grundsätzen der urchristlichen Pres- byterial- und Synodalverfassung ^überhaupt beurtheilen.

Die alte Verfassung war ohne äussere Einheit» da die meisten Provinzen unabhängig für sich standen als Provinzialkirchen , und jede ihre Verschiedenheiten von der andern behielt. £$ war keine allgemeine Landeskirchen Verfassung. Indess darf dieser Mangel nicht zu hoch angeschlagen werden, well den- noch eine Landeskirche bestand, indem theils die Einheit in der Kirchenlehre, und in dem Wesen der kirchlichen Verfassung, theils die fortwährende Car- respondenz der meisten Provinzialsynoden mit einander, theils die gemeinsame politische Verfassung, endlich, was nicht zu vergessen ist, die Einheit des Geistes ein fcand. der Gemeinschaft um die getrennten Provinzial- kirdien schlang. AUein immer blieb die Entbehrung grösserer äusserer Einheit ein Mangel.

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Ein aaderer Mangel war die groite Langiamkeit «ud SchwerfiÜligkctt der Klasaen und Provinsiabynoden im BeschlieMen, ein dritter die häufige Kraftlosigkeit in Ausführung der Beschlüsse, An. jenem. Mangel war zum Theil die grosse Menge der Glieder in eini- gen Proyinzialsjnoden und noch mehr in vielen Klas* sen Schuld 9 zum Theil das Gehundensein an die Vo/Zmacht der Gommittenten ; an di.esem die häufigjen Reibungen zwischen Staat und Kirche..

Diesen Mängeln hUfl die neue Kirch enverfassung allerdings ah durch grössere Einheit , Baschheit und Kraft der mehr concentrtrten , mit dem Staate genauer verbundenen, Kircheubehörden, und besitzt in diesen Poncten unbestreitbar manche Vorzüge. Indcssi ist eben sq wenig zu verkennen , dass die neue Verlas* sang mehr weltking sich um die Beförderung der £ i n- heit des Glaubens weniger bekümmert, hat, als die alte, auch die apostolischen Grundregeln einer christlichen Kirch enrerfassung minder berücksichtigt, und Ton einem Extrem der alten sich bisweilen nur entfernt hat, um in das entgegengesetzte zu fallen.

Als Beweiss diene zuerst Artikel 8& des kirchlir- eben Grundgesetzes, des oben erwähnten ^igemeen Begiemeni poar h§t Beu-tuur der Heruormde K%rk in he* Koningryk der Nederlatkden. Hier wird bei der Angabe der Art der Zusammense« hang, des Kirchenraths, dieses. Fundamentes der linhenverfassung, als Hrfordernlss zur Wahl der Ael- tetten angegeben, dass sie aus den achtungswer- thesten» kenntnissreichsten und vornehm-

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steh GIMetti diet l^f^meiii^ ttd' wählen Men. Sieber ist Aäs nicht den Gtunüsttih "iiaiefa der Apostel Welse gfelegty wenn man weltliches AhseheAf ak die erstie und wichtigste Eigenschaft an den Hansfaiilteni Gottes ver- latigty nnd hietanf mehr als atif das Gesnndsein im Glauben (vgl Tit. cap. I und tl) ächtet.

' Welcher Nachthl?il der Kirche dadorch droht, zeigte Unter ändern der im Anfang des Jahres 1825 xtt Amsterdam entstandene, viel Aufsehen erregende Streit wegen der Ernennung eii^es gewissen ungläubi- ^^ reformirtcn Gemefodegliedes, R. Bbass, zum Aeltesten iin dasigen reformirteh Kirchenrathe. Ein anderes Gemeindsglied, A, Gapadose, Dr. Med, y klagte ihn kurz vor seiner Einsetzung bei dem Kir- chenrathe äii, dass er die Grundlehreh der reformir- tcn Kirche verwerfe. Bei der darauf Vom Kirchenrathe angestellten Untersuchung ergab es sich, dass er nicht bloss die Gnadenwahl , sondern auch die Grundlehren ^t% C bristen thu ms , die Versöhnung durch Christi Ver- dienst; diiB Nöth wendigkeit der Wiedergeburt, die Dreieinigkeit elc. verworfen halte, soweit ans den vie- len in dem /Von -Dr. O APADOSE hierüber erschie- nenen Buche *) mitgeth eilten Actenstncken zu ersehen ist. Wiewohl der Kirchcnrath nun den Angeklagten

^) Omstandig verhaal van de Wederroeping der BenoC' miHfi vetn den Heer Bti Asz ah ouderHng der nederlündsche /tervormde Gemeente le Amsterdam, ^met bygero^gte Aanmerkingen , betreffende den toe- f^iand der Vaderlandsche Kerke door A, CAP AD OSE, Med, Dr, Amsterdam hy >. H, DEN OuDSS 1825.

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nir Dicht YÖllig überwiesen crklSrte, lo nahm er doch' dessen Kmennuag nrm Weitesten lurück. Dieser Streit blieb nicht ohne wohltbätigen Einfluss aaf die refor- mirte Kirche« Er lehrte auf die christlichen Er- fordernisse za dem wichtigea Ael testen -Amte wieder fltehr Acht geben, und mag wobl nicht gani ohne EinfliMfi aaf das unterm 16. Kot. 182« vom König sanctiaiiirte allgemeine Reglement für die^Zo* sammensetzang und Wirksamkeit der Kir- chen räthe geblieben sein.

Eine tweite Schattenseite der nenen Ver-^ Fassung ist, dass sie das Wesen der presbjteria- n Ischen Kirchenverfassung verletzt durch den Mangel an gehöriger Vertretung der Laien <h]rch Aelteste {Presbyter), In jeder der Kirchenbebörden ist neben 6 13 Predigern nur Ein A ehester« Die alten Klas« stkalyersammloDgen, in welchen jede Gemeinde durch Einen Geistlichen und Einen. Aeltesten auf eine gleich- massige und äcbtchristliche Weise vertreten war, •— wenigstens in den meisten Provinzen, sind in Ab- sicht ihrer BecDte gegenwärtig fast auf Null reducirt^ da sie nichts zu thun haben, als eine . Secbszahl zur Erwählung einiger Klassikalmoderatoren. zu bilden und Rechnutagen abzunehmen. Warum konnte man nicht das Wohllhätige jener KlassikalversammliiDgen in dem schwesterlich eo Zusammentreten aller Gemeinden zur Ausübung ihrer kirchlichen Rechte bebalten , und den- noch ihren. Mängeln abhelfen durch Yermebrung der Klassen und somit Verminderung der Zahl der Klassi- kalglicder, durch Entbinden derselben von den Fesseln

\

4cr Vollmachten, dorch eiä seltneres Versamnieln der Klassen und durch Anstellung eines Klassikalmodera- mens von 2 3 Gliedern, das die Klassikalbeschiasse ausführte, das Ganze regelte, und die Klasse in der Zwischenzeit vertrat? Sieht man endlich auf die Zn- sammensetzung der allgemeinen Synode« welche im Ganzen nur aus sechzehn stimmfähigen Gliedern besteht, und auf welcher 1250 Gemeinden mit 1,400,000 Seelen, (wobei die Gemeinden und die Seeleniahl des niederländischen protestantischen Ost- und Westjadiens noch nicht einmal geredtnet sind) von £inem Aeltesten vertreten werden, während in der schottischen Nationalkirche eine kleinere Zahl Gremeinden und Seelen von 89 Aeltesten vertre« ten wird, dann nimmt man aufs neue wahr, wie ein Extrem der alten Kirchenverfassung verlassen worden ist, um in der neuen zum entgegengesetzten über- zugehen« Billig hätte doch jede Provinz aufs minde- ste £inen Aeltesten senden müssen, wodurch eine Zahl von 26 Sjmodalgliedem entstanden wäre, eine gewiss nicht zu grosse Zahl. Ja wenn selbst mit Rücksicht auf die Gewohnheit bei früheren Generalsynoden jede Provinz 2 Geistlichen und 1 Aeltesten gesandt hätte, so würde eine Zahl von 36 Gliedern immer noch nicht das Maass überschritten haben. Dass auch hier ein gewisses Maass zu halten ist, und eine zu grosse Anzahl schadet, wie denn eine Zahl von 361 Syno- dalgliedern auf der (Uneral ^ j^saemhfy der schotti- schen Kirche wohl zu gross genannt werden mag, gebe ch gerne zu. Durch diesen Mangel an hinreichender

25

Anxjhl von Aeltetten in solchen wichtigen Kirchenver«

sammlangen reiait nur in leicht ein Geist der Hie.

rarcbie ein, der noch niemals weder dem Staat

noch der Kirche Christi Nutzen gebracht hat. Das«

dieser Mangel ein grosses Versehen bei der Entwer-

fnng der neoen Kirchenverfassung gewesen , fangt man

wirkUch in der reformirlen Kirche selbst xa fühlen an*

Mao gesteht, dass man es ändern würde, wenn das

Grondreglement noch einmaf xa entwerfen wäre, nnd

da diese Einsicht nnn xn spät kommt, so bat man je*

nem Mangel einigermassen bei der Zusammensetxmig

der 9j nodalen Commissie abzuhelfen gesucht, iu-

dem mau xn den 7 Gliedern, woraus sie besteht, S

Aelteste gewählt hat«

Als ein dritter Mangel der neuen Kirchenrer- iassnng ist anxnfuhren das zu schnelle Wechseln der Glieder der Kirchenbehörden. Die Sjnodalgliedeo der Präses des Provinxialmoderamens und der Aelteste bei

I

diesem, wie bei dem Klassikalmoderamen wechseln jährlich; die committirten Prediger bei dem letxteren jedes 2te Jahr und die Glieder des ersteren alle 3 Jahre. Daxn kann der Aelteste bei der Sjnode wie bei dem Provinxialmoderamen nicht einmal das nächste Jahr wieder gewählt werden , sondern es ist jedes Jahr ein neuer, weil die Provinzen und Klassen mit der Sendung desselben abwechseln. Obgleich nun die inurige Erfahrung der Jahrhunderte satbam gelehrt hat, dasi nicht bloss ein lebenslängliches, sondern audi ichon ein ▼ieljähriges Bekleiden kirchlicher Wür- den nnr ni oft eine nnchristliche, unbriiderliche (Matth

"■ * ^ ^.

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23y •) der Kirche des Herrn vcrderbliclie Herrschsucht erzeogt, denn die Herrschaft ist süss, so lehrt die Erfabrohg aof der andern Seite, das) ein so schneller Wechsel, wie der erwähnte, den Kirchen- heaa»tcn die Gelegenheit nimmt, die Gebrechen in den Gemeinden gründlich zu erkennen, und fast alle Kraft entzieht, denselben abzuhelfen. Kaum hat ein solcher Moderator diese einzusehen begonnen, kaum sich ei- nige Routine in der Greschäflsfübrnng erworben, so tritt er gerade dann, wenn er seine erlangte Einsicht und Gewandtheit zum Segen der Gemeinden anwenden könnte, schon wieder ab. Auch lässt der jährliche Wechsel die Präsidenten der Kirchenbehörden nicht das nöthige Ansehen genicsseo. Besonders nachtheilig wirkt es auf die Kirch envisitaticnen, wenn diese auf solche Weise jedesmal von neuen Moderato- ren gehalten werden, und nicht wenigstens 2- bis 3mal von denselhen. Eine 4- bis (Sjährige Daner des Amts der verschiedenen Moderatoren würde' nicht zu lang sein«

In dieser, wie in vielen andern Hinsichten hat die Presbyterial- und Sjui^odalverfassong nnsrer Provinz Jülich, Cleve, Berg, besonders nach der tieuen Revision derselben, welche die Provin- zialsjmode ta Elberfeld im J. 1820 unter Leitung nnsers ehemaligen Generalsnperintendenten R o S s (jetäst wirkliehen 04bcrkonsistorialrathes, Ijrobstes und General- superintendenlcn der Provinz Brandenburg in Berlin) mit grosser Weisheit und Umsicht besorgt hat, und wel- che ietzt zur Allerhöchsten Genehmigung vorliegt,

27

in vielen Paneten auch dieKirchenrerfassang der Graf- scliaffc Mark, wesentlicle Vonnge,

Als eia vierter Mangel kann endlich die zn grosse Langsamkeit des Geschäftsganges angeführt wer- den, welche dadurch entsteht, dass der Präsident der Synode nur während der Sitzungen derselben fungirf, so dass die in der Zwischenzeit d^ Jahres eintretenden •Synodalgeschäfte bis zur Sjnode des nächsten Jahres liegen bleiben müssen. Dieser Uebefstand ist so fühl- bar geworden, dass man demselben im Novbr. 18S7 abinhelfen gesncht hat durch Ernennung einer Syno- dalcommission, {synodale Commiaale) von Sei- ten des Königs auf Antrag der Synode. Sie besteht ans 7 Gliedern, zu welchen der Secretär der Synode und der jedesmalige Präsident derselben gehören. Von den übrigen Gliedern tritt jährlich eins ab, für wel- ches der König aus einer von der Synode vorge^hla- genen Zweizahl ein neues ernennt. 3 dieser Glieder sind, wie erwähnt, Laien - Aelteste. Die Synodalcom- mission sorgt für die Ausführung der Synodalbeschlüsse, vertritt die Synode, so lange diese nicht versammelt ist, und ist derselben verantwortlich. Die evange- lisch-lutherische Kirche hatte jenen Uebelstand vermieden , indem sie gleich bei der £ntwerfung ihrer neuen Verfassung im Jahre 1818 eine solche Synodal- commission festsetzte.

Was nun die Wirksamkeit der Synode wäh- rend der 14 Jahre ihres Bestehens betrifft, so hat sie mit rühmlichem Eifer eine würdigere und zweckmässi- gerc Einrichtung der öffentlichen Gottesdienste zu

MMHI

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IreförderB getucht durch Ennahniiiigevif ;«! die Prediger, Hin die vor der Predigt sii leiendea biblischen Ab- schnitte *) passender aosxuwä'hlen, häufiger Predigten lA Homiüenforin (hybehefming^n) zu halten ^ die Predigten und Gebete abaukiirzeu, ferner durdi Fest- setzung einer kirchlichen Frier für mehrere dem Chri- sten wichtige Tage des Jahres, welche ich oben 1. Bd. 70 angeführt habe.» «• s. w. Einzelne dieser Rath- schlSge möchten zwar nicht die Billigung eines ^eden evangelischen Christen erhalten, z. B. der, dass an hohen Festen einer der Gottesdienste fast ansschliess- lieh der Sing* und Tonkun&t gewidmet werden möge J[Tgl. 1. Bd. S. 6a); Ob die Synode gegen die Bestimmung des Gedenktages des Siegs bei Water-

"*} Die Auswahl der BibeUectioa durch den Prediger ivird für sich allein der Unaufmerksamkeit und An- dachtslosigkeit der meisten Zuhörer noch nicht gründlich steuern. Sondern das wird helfen, wenn der Prediger selbst nach dem AnCangsited den Bi- belabschnitt Torliest, wie dies auch die Prediger in derschottischen, englischen, schwedischen Kirche und in denjenigen evangelischen Gemeinden Deutschlands thun, wo eine Bibellection statt findet Dadurch würde die Lesung mehr Würde «rhalten» und wieder mehr als zum Gottesdienst selbst gehörend betrachtet werden, denn jetzt, wo bloss der Küster oder Vorsänger die Bibellection liest, meist ohne Ausdnitik und monoton, so dass in sehr vliAen Kirchen die mei«te^ Leute sich erst während der Lesens versammeln, die wenigsten nachlesen oder zuhören, und die Meinung zu herr- schen scheint, als gehöre die Bibeilectiun nicht ei- gentlich zum Gottesdienste.

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ioo zum jährlichen Betüige (1. Bd. S. 90} Yontellim- gen gemacht hat, ist mir unbekannt ' Aber gewiss ist die Unpasslichkeit dieses Siegs-, Danks- nnd Frendentages zn einem Boss- und Bettage, der doch' ein heiliger Trauer tag seui soll, so in die Augen fallend, nnd die Gefühle an einem Siegs- tage sind den Gefühlen an einem Bnsstage so entge- gengesetst, an den Gedenktagen schwerer Nieder- lagen hat man in vielen Ländern wohl Basstage gehal- ten, aber nie an einem Siegestage, dass kaum sn sweifeln ist, die Synode würde dorch einen bündigen nnd dringenden Vortrag über diesen Uebelstand ans Cnltnsministerium die Festsetzung eines passenderen Tages tum Bettage, und somit einen wirklichen jähr- lichen Buss- und Bettag, welcher für die Kirche so wohldäUg ist, in der Art, wie er in Preussen itarck die Bestimmung unsers frommen Königs besteht, erhalten haben.

Ferner ist die Thätigkeit nnd Umsicht der Synode ' in der Entwerfung mehrerer Reglemente für die inneren und äusseren Angelegenheiten der Kirche zn rühmen. Es sind deren nean :

1) für dte Prüfung und Zulassung zum Predigtamte,

2) für die Klassikalen Kosten,

3) für den Religionsunterricht,

4) für die Kirchenvisitation,

ft) für die Yacanzen ,^ so wie für die Berufung nnd

Entlassung der Prediger, 6) für die Ausübung der kirchlichen Aufsicht und

Zucht,

so

I

7) für die ZusanunensetuiBg und Wirksinikeit der Kirchenräthe»

8) für die Terwaltinig der kirchlichen Fonds und der Kosten des Gottesdienstes. Diesei Reglement ist for jeie ProFine besonders tnt^ orfen.

0) für eine allgemeine Wittwenkasse.

Durch vorstehende Reglemente ist eine wünschens- werthe Ordnung und Gleichmässigkeit in die Behand- lang der äusseren lijrchenan£elegenbeiten gekommen. Manche Bestimmungen darin möchten für nnsere deut- sche evangelische Kirche nachahmungswerth^ Anderes dagegen nicht zn billigen sein.

Im ersten Beglemeol i$t die neue Yerpflich- tangsformel auf die symbolischen Bii eher 4er joiederiäyidischen reformbten Kirche enthalten, wd-* che die S^andidaten zu unterschreiben haben , und die so viel Änstoss bei vielen Anhängern der symboUschen Bücher erregt bat« Sie heisst also : »Wir Unterzeich- ^^qete, von dem Provinzialmoderamen N. N, zum Pre- ydigtaqile in der niederländischen reforimrten Kirche „zugelassen, erklären hierdurch aufrichtig, dass wir ^das Jntere^e, sowohl des Chri&tenthumf im Allgenpei- „nen, als auch der niederländischen refonnirten Kir- „chengesellschaft insbesondere, durch Lehre und Wan- „del sorgfältig beherzigen wollen; dass iirir die Lehre, ^welche, übereinstimn^endmit Gottefrh.Wort, „in den angenommenen symbolischen Büchern der nie- „derländischen refonnirten Kirche verfasst ist , aufrich- „tig annehmen nnd herzlich glauben; dass wir dieselbe

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.{leissig lehrea and handhubea woUen, nnd diM wir ,der Beförderong religiöser Erkenntnin, chrtsdicher «SiUen, Ordoong und Eintracht uns mit allem Eifer ^befleissigen wollen, indem wir uns durch diese vnsre ^Unterschrift «u allem Vorerwähnten verpflichten, und, jfio wir befunden werden, gegen irgend einen Theil ^dieser Erklämng und dieses Verspredieas gehandelt ,yza haben, nns deshalb den Aussprüchen der bdugten «lircUichen Versammlungen unterwerfen zu wollen.*.

Dass den der Dordrechtischen Kirchenlehre nicht anKängenden reformirten Geistlichen eine offene Thnre für ihre Lehrmeinung gemacht werden sollte durch obigen Ausdruck: ^dass wir die Lehre, welche, über- einstimmend mit Gottes h. Wort in den . . symbolischen Büchern . . . verfasst ist, aufrichtig an- nehmen etc^^i liegt am Tage. Denn das Partidpium , übe rein stimmend* konnten sie sich sehr gut auf- lösen durch: insofern sie (die Lehre der symboli- schen Bücher) übereinstimmt mit Gottes h, Wort. Auch sagte mir eins der angesehensten und einfluss- reichsten Glieder der Synode hierüber : die Auflosung durch: weil, sage zu viel, die durch: insofern, sage zu wenig. Ob es aber ein Drittes hier gibt?

Den Vorwurf, welchen die Anhänger der sjrmbo- Uschen Bücher der Synode machen^ dass. sie sich 4iirch diesen Ausdruck absichtlich eine Zweideutig- keit bei dieser b. Handlung der Verpflichtong der Kandidaten erlaubt habe, kann man in JLeinem Falle nagegründet nennen (vgl. 1. Bd. S. 103. 104}»

IMMiÄläHHP

aa

Die Kandidatenprtifungy welche nach die- sem Reglement vor dem Provinzialmoderamen geschieht, möchte wohl an drei Fehlern leiden:

1) dass sie zu kurz ist, -^ sie soll /die Probepre- digt nilübt. eingerechnet, wenigstens zwei Stunden dauern -i,

2) dass die Kandidaten keine Probekatechese mit Kindern zu halten brauchen, und

3) dass sie bloss vor Predigern geschieht. Die Krfahrnug lehrt noch jetzt in der schotti- schen Nationalkirche *), sie lehrte es in unsern preussischen Provinzen Jülich, Cleve, Berg und M^ark, als die Kirchen Verfassung darin noch in ihrer unrevidirtcn Gestalt bestand , dass bei Prüfungen der Kandidaten bloss vor Predigern, welche sich vor- zugsweise in praktischer Seelsorge bewegen, in der Regel zu wenig Strenge in Absicht der wissenschaftli- chen Anforderungen statt findet, was nur zum Scha- den des theologischen Studiums gereichen kann. Auf der andern Seite ist eine Prüfung der Kandidaten vor lauter Stubengelehrten, wie sie in manchen Ländern geschieht, eben so einseitig. Beiden Mängeln ist auf eine nachahmnngswürdige Weise bei den evangelischen Kandidatenprüfungen in der Provinz Westphalen vorgebeugt. Hier werden die Kandidaten zu Mün- ster von einigen Königl. Konsistorialräthen und von einigen durch die märkische Provinzials)iiode depu- tirten erfahrnen Predigern geprüft* Die Provinzialsj-

«) S. Gbnberq's ichoti. NationaUdrohe .8. 221, 222.

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node zn Köln m diesem Jahre hat auf eine 'ilinliclie Einrichtasg des Consistorialexamens zu Coblent (lax imsre Rlieinprovioz angetragen.

Das vierte, fünfte und sechste Regleneiil» welche im Jahre 1816 zum erstenmal TerCust waren, nnä in den Jahren 1823, 1825 nnd 1826 völlig nm- gearbeitet nnd in dieser veränderten Gestalt heransge- geben irordeüL Jedoch sind nicht alle Veränderangen dann Ferbesseningen zn nennen.

Eine Verbesserung ist im vierten Reglement von der Kirchenvisitation clie Veränderung m nennen, dass die persönliche Visitation nicht jährlich, sondern jedes 8. Jahr gehalten werden soll. In den beiden andern Jahren soll die Visitation schriftlich ge- schehen. l)agegen ist eine Verschlechterung zu nennen das viel gelindere und in oberflächlicher Allge- monhot bleibende Visitatlonsfrerfahren , welches das nencfe Reglement von dem älteren unterscheidet«

Bas fünfte Reglement, für die Vacanzen, Berufungen u. S. w. enthält eine, aus * der alten Kircfaenverfassung beibehaltene sehr nützliche Einrieb- ' tnng, welche in unserer deutschen Kirche naehge* ahmt zu werden verdient. Für jede Gemeinde wird «unlieb ein benachbarter Prediger znta Consnlent derselben ernannt, der bei dem Sterben oder längerer Ktankheit oder Wegbemfung oder Suspension etc. ih- ics Predigers verpflichtet ist, ihr sogleich an Hülfe in kommen, die erste Yacanzpredigt zu halten, dem PrÜtor der Ringpergadering zur Anordnolig der Vacanspffdigten durch die Prediger des Bmg II. s

iiirtr^ 11

34.

Nachricht zu gcbm, ebenso dem Klassikalmoderaraen, ferner die Seelsorge und Katechisation der Kinder der Gemeinde wöchentlich oder zu bestimmten Zeiten zu übernehmen, die nöthigen Versammlungen des^ Kir- chenratbi zu leiten, welche ohne seine Gegenwart kei* nc Gi]ltfg)Eeit haben, kurz für das Wohl der hirten- losen Gemeinde als ihr interimistischer Seelsorger be- stens bift zur Ankunft eines neuen Predigers zu sor- gen. Für seine Bemühungen wird ihm theils von der JRingpergadering^t Afüs von der Gemeinde eine Ver- gütung gegeben.

Die Erwählung und Berufung der Prediger geschieht nfbht überall auf dieselbe Weise, meistens jedoch durch den grossen Kirch enrath.

Das sechste Beglement, für die Ausübung der kirchlichen Aufsicht und Zucht, enthält zwar (feine sehr genaue, '>fast juristisch -präcise Bestim- mung der Verfahmngsweise bei den verschiedenai In- stanzen in Betreff Aergerniss gebender Handlungen und kirchlicher Streitigkeiten; allein in Betreff der Haupt- sache hält «s sich mit unevangelischem Geiste in oher- üächlieher Allgemeinheit. Es macht keine Handlungen nabmhaft, welche als Aergernias erregend, kirchliche Rüge- verdienen, nicht einmal' solche , welche nicht bloss nach dem Worte Gottes, sondern seihst nach den Gesetaen der biirgerlicben Obrigkeit Strafe verdie- * neu, als offenbare Fleischesvergehen, Dieb- stahU Trunks&cht u. s. w. Das Zugegensein- Müssen der nn ehelichen Mutter bei der Taufe ihner Kinider und die öffentliche Vermahnung an sie^

35

woTön ich I. Bd. S. 02 spracfa, ist daher nicht sowohl Zwang, darch ein noch heslehendes Kirchengesets, wie froher, «ondem nur Zwang durch die kirchlidie Sitte, welche io vielen Gemeinden, Gott sei Dank! noeh strenger ist, als der Gei^t der neuen kirchlichen Ge-* seUgebnng«

Das siebente Reglement für die Zusammen- setzung und Wirksamkeit der Kirchenrä- t h e enthält bloss allgemeine Grundziige. Specielle Reglemente für die Kirchenräthe jeder Provinz sind gegenwärtig bei der Sjnode in Berathang.

Was die Besoldung der Prediger betrifH, so ist sie in Amsterdam 2500 fl«, in Rotterdam 2000 fl«, im Haag 1800 fl. s. w., welches xwar viel scheint, aber wegen der ausserordentlichen Theue- mng in den grossen Städten und der kostspieligen Le- bensart in Holland überhaupt auch bei grosser £in- fadihttt des Lebens bei einer grossen Familie kaum zureicht, indem die Prediger gesetzmässig keine Ac- cidenzien erbalten. In kleineren Städten und Ge- meinden ist die Besoldung geringer, auf dem Lande in vielen Orten 600 - 800 fl., in vielen aber auch noch unter 600 fl. Seit dem Jahre 1814 hat der Kö- nig viele Stellen verbessert, besonders aber die Nah- rongssorgen der Prediger, welche Kinder haben, durch £e Verordnung im Jahre 1816 vermindert, welche die Kindergelder, die früher bloss in den Provin- len Holland und Seeland üblich waren, allen reformirten Predigern zugestanden hat Hiernach er- kalten alle Predigerkinder unter 22 Jahren jährlich 25

- ' -■

36

fl* Kindergeld, die Söhne, wenn sie die lateinische Schule hesnohen, ausserdem 25 fl« jährliches Schulgeld, und wenn sie die Universität beziehen, jährlich 50 fl. Akademiegeld«

Den lutherischen und remonstrantischen Predigern ist dies^e Vergiinstigung zu TheQ ge^ worden.

Hier ist der Ort, auch £iniges über die

fransö'sisch-reformirten Gemeinden

Hollands ' IQ bemerken.

Diese Gemeinden nennen sich selbst lea Egliaes ßKalionnes, well sie ursprünglich grossentheils aus den Wallonischen Provinzen (Hennegau, Flandern und Brabant) nach Holland herübergekommjcn sind. Dies geschah luerst gleich bei dem Anfang der Refor- mation in den Niederlanden. Nach der Aufbebung des Edikts von Nantes kamen eine grosse Menge Re- formirter mit 200 Predigern aus Frankreich, welche liebreich aufgenommen wurden,' und theils neue Ge- meinden bildeten, theils mit den alten wallonischen sich vereinigten. Ums Jahr 1688 war daher die Zahl der wallonischen Gemeinden 62. Von Anfang an bil- deten sie eine eigne Synode für sich, ohne nähere Verbindung mit der holländisch - reformirten Kirche, selbst ohne Correspondenten zu deren Provinzialsjno- den SU schicken. Die Syno d alkosten u. s. be- zahlte nicht der Staat, wie bei den holländisch - refor- mirten, sondern solche bestritten sie selbst Jedoch beschickten tie alle Nationalsynoden, auch die letste

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Dordrechtsdie 9 hatten auch im Ganxen dieselbe Kir* ckonrerfMiaBg, nur da» ihre Gemeinden nicht lo Klassen getheilt wurden, und waren durch das Band schwesterlicher Gemeinschaft mit der Landeskirche rer- hnnden. Auch wurde in ihren Kirchen des Sonntags Nacbnuttags nicht über den Heideibergischen» sondern über den Genfer Katechismus Galyirs gepredigt, welchef von Anfang an bei ihnen als sym- bolisches Buch eingeführt war.

Da die wallonischen Gemeinden allmähiig an ZäU xnsammenschmolzen , und viele geringere Gemeinds* glieder die französische Sprache nicht einmal mehr ver* standen, so wurde das Bedürfniss, viele solcher Ge- meinden zu haben, immer geringer, und nur in grds* seren Stiidten erhielten sie sich in ihrer Grösse durch die Mode 9 welche seit der franzö'sischen Herrschaft bei vielen Beichen und Vornehmen einriss, znr franzö* zischen Grcmeinde zu gehören, obgleich sie selbst Hol- ländisdi-Befbrmirte waren* Der König hat daher bei der neuen kirchlichen Organisation ihre Synode au&e- hoben, welche schon seit dem Jahre IftlO nicht mehr zusammengekommen war, und die Gemeinden mit den holländisch - reformirten Klassen vereinigt» Für die hinslichen Verwa 1 tun gssa eben der walloniKheir Erchen hat er jedoch eine besondere Commission aas ihrer Mitte niedergesetzt, aus (^ Predigern und Einem Aeltesten bestehend, welche das finanzielle Interesse ihrer Gemeinden zu wahren, die zum Predigtamte in den französischen Gremeinden sich meldenden Kradida- ten ta priife6, nberhaapt die Geschäfte der Provin«

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f

zlai- md Klwikalmaderamina wabnunehinea, ond mn geiftliqbcss^ Crlied avs ihrer Mitte zur allgeiiieinen Synode sn scl^i^e^ bat.

AncH' bat der König im Jahre 1817 die Orte be- nimmt, wo künftig nur noch wallonische' Gemeinden besteben sollen. Es bleiben hiernach 22 Gemeinden mit 29 Predigern ^ nämücb : zu Amsterdam eine Gemeinde mit 4, Predigern , im Haag mit 3^ zu Rotterdam mit 3, zu Leiden mit 1 Prediger^ «tUnso an allen folgenden Orten, zu Voofburg, Utrecht, Hariem, Middelbnrg, Groningen, Dordrecht, Leeuwarden, Delft, Nymwe- gen, Arnheim, Herzogenbusch, Breda, Zie- riksee, Vlissingen, Zwoll, Scbiedam, De- Tenter und Zütpben.

Pie presbyteriauiscb -englischen und die «ch Otttscben Gemeinden sind gleich den walloni- schen den bolläpdisch - reformirten Klassen einverleibt worden. Aueb besteht überhaupt nur noch Eine der erfteren Art mit 1 Prediger, und Eine der letzteren i|ut 2 Predigern , und zwar beide zu Rotterdam.

Was die eya nge lisch en Gemeinden in Süd- niederland betrifft, so sind es meistens ursprüng- lich reformirte Gemeinden, sind afucb alle mit re- formirten Predigern besetzt, ausgenommen die deut- sche gemeinde su Masti^icbt, welche einen 1 tt- ^beriscb.en Prediger bat, und gehören auch zum Verband der reformirten Kirche^, zum Provinzial- moderamen von Limburg, wie S. :|% erwähnt

**

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-ist* Indess haben GemeindeD und Prediger den Na* Bien: reformirt, abgelegt, nndheisscn p rotes tan- tiscb, nmiassen auch unter ihren Oemeindsglicdern alle Pfoteitanten.

Die Ortsnamen der Gemeinden , deren 22 mit ^8 -Predigern sind,, heissen: Brüssel, wo zwei holländische Prediger sind, und einer, der d e u t s cli und französisch predigt, Mast rieht mit 3 hol- ländischen, einem französischen und einem deutschen (lutherischen) Prediger, Venlo, Gen- nep« Stevenswaard ^ ürmnnd> Sittard, Geul und Beck, Meerssen, Heerle, Valken- bnrg, Giilpen, Yaals, Eysden, Verviers, Gent, Maria Hoornbeke, Rongy, Dour und Antwerpen. An einigen dieser Orte muss der Prediger holländisch und deutsch, an andern holländisch und französisch, an noch andern deutsch and französisch predigen. Die Namen der zwei letzten an den 22 Gemeinden noch fehlenden Orte kann ich nicht angeben, da sie weder in dem königlichen Organisationsdekrete vom 16« Apnl 1810, noch auch in den mir vom Cultusministerium hochg^

neigt mitgetheilten statistischen Notizen angegeben sind* i Ueberdiess gibt es noch in Slidniederland 6 Gar-

nifionsprediger, stehend zu Briigge, Door-

nik, Mons, Namur, Liittich und einer im

Grosshera^ogthum. Luxeiihburg fürs dasige Militär.

Jeder derselben bedient mehrere M i H t ä r g e nue i n d e n, 1

deren jede einen l^rcheurathhal. Dlf: Prediger ]

.jmMil.

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g^Örta ni den Klassen der Provirtt Limbnrgy «nd sind in der Regel ältere erfahrene Geistlicbe. *)

-Die Oberaufsicht über die evangelischen Kif<- chen in den ost- und westindischen Koloniien Lieferlands führt eine vom König im Jahre, 1820 nie»

*) Sehr ZQ ivünschen iiäre für unsere preussische Militärgemeinden» dass %u Predigern dersel- ben auch nur ältere erfahrene Geistliche ernannt ivürden, und, nicht, wie leider die Regel ist, jun- ge» aller Amtserfahrung entbehrende Kandidaten« , Wenn diese auch in gläubigem Geiste predigen und wirken, so ist Jhre Wirksamkeit doch für die er- sten Jahre eine sehr beschränkte , ueil ihnen theils die äussere Würde, theils meistens auch di(i Ge- wandtheit und Festigkeit abgeht , welche zur spe- ciellen Seelsorge, in so schwierigen Verhältnissen, . als eine Militärgemeinde darbietet, durchaus er- forderlich sind. Kaum aber haben sie sich einige Erfahrung und Gewandtheit in diesem Wirkungs- kreise erworben, so gthen sie gewöhnlich zu Ci- ▼ilpfarrstellen ab, und es treten- neue Anfönger an ihre Stelle. Hierdurch leidet die Militärseelsorge unsäglichen Schaden. Leicht wäre diesem Uehel- Stande abzuhelfen, wenn der Staat den Gehalt der Militärpredigerstellen und ihre übrigen Verhältnisse etwas Tcrbesserte. Man würde dann erfahrene Seelsorger zu diesen Stellen ernennen können, und es würde zugleich dem zu häufigen Wechsel der- selben vorgebeugt.

Ferner würde es sehr heilsam sein, wenn die , pren SS i sehen Militärgemeinden , ebenso wie die niederländitchen, einen eignen Kirchenvor- atand hätten. Der Prediger würde dadurch eine grössere Stütze und Hülfe in seiner Wirksamkeit erhalten, und die Gemeinde sich dem Verhältniss der christlichen CirilgemeitfUen nähern.

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dergesetxte besondere kircliliche Commiialoa los 7 Predigern, wornnter stets die Secretlre der refomnTten snd der erangeliscli - Intheri« sehen Synode und der Secretifar des Proyinsial- moderamens von Siidhollind sind. Ancli ut ein remonstrantisehev Prediger darunter. Hof- prediger Dehmout ist Präsident, der latkerische Prediger Schultz Vicepräsident und der emeritirte reformirte Prediger Yerwet Secretär der Cominis* sion , welche ihren Sitx im Haag hat

Sie hat mit den indischen Kirchen xn correspoa- diren, die dahin abgehenden Prediger dnsnsegnen, die xam Predigtamte dafiir sich meldenden Kandidaten, Missionäre nnd Schallehrer in prüfen nnd einzusegnen, mit der niederländischen Bibel- nnd Missionsge- sellftcbafty so me mit den theologischen Fa* kul täten und Professoren der verschiedenen protesl antischen Universitäten , Athenäen nnd Seminare Yerbindnng sa nnterbalten, nnd von den reformirten Gliedern ans ihrer Mitte jährlich einen Deputirten snr reformirten Synode xn schicken. Daneben sind noch ausserordentliche Mitglieder oder Consulen- ten der Commission aus den theol. Fakultäten der reformirten Universitäten , aus Predigern and Aeltesten der evangelisch -lutherischen Kirche^ •US den remonstrantischen nnd tanfgesinn- ten Predigemi aus einigen GHedom der General- fftaaten, aus dem Generaldirector der mittleren und Volksschulen etc. ernannt, deren Rath in betreffenden FiUen einsuholen ist.

E^g£

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' zii

Obgleich <iie' reformirten und lutherischen Ge- meinden in d& indischen Kolonien noch nirgends, ausser auf der westindischen Insel Cura^ao verei- nigt sind, so werden doch die beiderseitigen dahin abgehenden Prediger nur proteslantischti genannt.

Nähere Auskunft über die protestantisch -kirchli- chen Angelegenheiten der Kolonien zu ei;b alten, ist mir unmöglich gewesen, da sie noch nicht geregelt sind»

II« Verfassung der evangelisch - lutheri«*

sehen Kircbc.

Die VerlFassung dieser Kirche ist durch das allge» meine Reglement vom 6. Febr. 1818 festgestellt, und in vielen Stiickeli der reformirten Kirchenverfassung nachgebildet 9 hat dagegen die oben gerügten Mängel dieser letzteren in manchen Puncten glücklich vermie- den. Ich kann mich daher bei der Darstellung dersel- ben kurz fassen, und mehr auf die Angabe ihrer Ver- fichiedenheiten von jener beschränken.

Die Zahl aller evangelisch - lutherischen Gemein- den beträgt 46, 11 Filiale nicht mitgerechnet, mit 57 Predigern, und ist in 6 Hingen abgetheilt, welche Abtheilung jedoch keinen weitern Zweck hat, als be- quemere Bedienung der vacanten Gemeinden.

Zum ersten, dem Amsterdamer King, ge- bart bloss die dasige Gemeinde.

Zum Rotte|u4amer King gehören die Ge- meinden von Rotterdam^ Dordrecht, Middel- b«rg, Vliasingen, Breda, Zieriksee, Ber- gen op Zoom, Groede und Brielie mit Hei-

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roeisl a i s. ^, Oiese letztere Bneiier Gemetndef hat «ich erst im Jahre X828 gebildet

. Zam Haager Bing gehören die Gemeinden vom Haag, yon Leiden, Delft, Gonda, Schie- dam, Woerden und Bodegra ven;

Zürn Utrecht er Ring die Gemeinde von« Ut- recht, Weespy Arnheim, Nymwegen, Her* s ogenbu^ch, Amersfort und Kuilenburg;

Zorn Harlemer Bing die Gemeinden Toa Harlem, Zaandam, Alkmaar» Hporn, Pnr- merende, Edam» Alonnikend am» ^everwyk und Byp;

Zorn G von in ger Bing die Gemeinden von Groningen, Leeuwarden, Derenter» Zwoll, Pekel-A, Eampen, Zütphen, Wildervank, Sappemeer, Harlingen, Winschoterzyl, Doesbnrg und Den ti ehem.

Die grösste aller dieser Gemeinden ist die an Amsterdam, welche an 22,000 Seelen mit $ Predi- gern ilhlt« Ihr zunächst stehen die Gemeinden im Haag nnd zu Rotterdam, deren jede 9000 See- len mit 3 Predigern hat. . Die Seelenzahl aller Ge- meinden ist 47,000.

Auch über alle evangelisch - lutherische Gemeinden ilAt ab oberste Kirchenbehdrde eine Synode.

Sie besteht aus 14 Gliedern, 7 Predigern nnd 7 Laien, von welchen letzteren 4ie Amsterdamer Gemeinde 3, die. Haager 1, die Rotierdamer 1> und die übrigen Gemeinden xosammen 2 wählen* Yen den ersteren ist einer ans der Amsterdamer Ge-

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meitide tu wSyeH, nnd einer ans jeden der übrigen 6 Ringen* Das siebente geistliche Mitglied ist der Secretär der Sjnode, welcher aus den Predigern des Haag oder der Nachbarschaft fBr 8 Jahre gewählt wird. Der jetzige Secretär ist der sehr gewandte und umsichtige Prediger im Haftg, J, Schultz, welcher seit Einführung der neuen Kirchenverfassung stets die- ses Amt bekleidet hat. Von den übrigen Synodalglie« dern treten jährlich 2 Prediger und 2 Laien ab; alle jedoch sind aofs neue wählbar. Der ordentliche Pro- fessor des theologischen Seminars cti Am- sterdam wohnt der Synode bei, jedoch ohne eine beschliessende, bloss mit einer beratfaenden Stimme. Für jede jährliche Versammlung derselben ernennt der König aus ihren geistlichen Gliedern einen Präsident «nd einen Vicepräsident. Der Minister des protestan- tischen Cultus wohnt der Sjnod,e bei , nach Belieben auch von seinem Secretär begleitet. Ueberdies kann der König noch einen oder mehrece Commissarissen' JR)läiek beiwohnen lassen, welche jedoch evangelisch- lutherischer Confession sein müssen. Die Synode ver- sammelt sich jährlich einmal am letzten Mittwoch des Mai. Die erste Synode war im' Jahre 1819.

Die Synode hat die oberste Aufsicht und Leitung der kirchlichen Angelegenheiten, verfasst die kirchli- chen Reglemente und Verordnungen, hat das Recht, die Prediger, Kandidaten und Kirchenrathsglieder ab- sQsetzen, nnd bildet die zweite Instanz für die Streit- ßllc, welche vor der Synodalcommission als er- ster Instani behandelt werden. In Fällen, wo bie

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die erste lostam badet, wird für den Appellanten» der 800 ^..iKi hinterlegen hat, In ähnlicher Art wie bei der reformirten Sjmode eine sjnodale Re- Tisions versammlang von 9 Gh'edern berufen«

Aas der Art der Zasammensetzang der Sjnode erg;ibt sich, dass die evangelisch -lutherische Kirche weislich mehrere der oben gerügten wicbtigen Fehler vermieden hat, welche bei der Zasammense- tznng der reformirten Synode begangen worden sind» Denn erstens wird sie sowohl durch eine an« gemessenere Zahl Sjnodalglieder überhaupt vertreten^ als auch ein richtigeres Verhältniss der abgeordneten Aeltesten nnd Geistlichen durch eine gleiche Zahl bei- der festgestellt Zweitens ist der Wechsel der Sy- nodalglieder nicht za schnell , indem er nicht jährlich, sondern nur jedes dritte Jahr eintritt

Die zweite evangfslisch - lutherische Kirchenbebö'r- de ist die Synodalcommission {Synodale Com*

Sie besteht aas 6 Gliedern der Synode, 3 Aelte- sten nnd 3 Predigern. Unter diesen ist der Secretär der Synode. Da die Versammlungen der Synodalcom- mission zu Amsterdam gehalten werden, and zwar Smal )äfarlich, im April, July und October, so werden zo Mitgliedern solche 3ynoda]glieder gewählt, die nicht zu weit von Amsterdam entfernt wohnen» Die Synodalcommission erwählt selbst die neuen Glie- ds. Wie oft sie wechseln, ist im Reglement nicht angegeben.

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Bi<!se Behörde föhrt die Be^cIiKisse der Sjnode aas, und behandelt* alle gewöhnlicfae ' laufende Sachen vom Schlnss einer Sjnodalversammlnng bis zuiA An- fang der nächsten, beaufsichtigt alle Gemeinden, be- sonders die vacanten, leitet di4 Berufung neuer Pre- diger, bildet die aweite Instanz für die vor dem Klr- chenrath als erster Instanz verhandelten Fälle, darf Prediger, Kandidaten und Kirchenriatbsglieder suspen- diren, und leitet die Prüfung der zum Kandidatenexa- men sich Meldenden. Zu diesen Prüfungen zieht sie jedoch noch 2 Prediger ans Amsterdam, oder dessen Nachbarschafl hinzu, welche bloss für diese Fälle Sitz nnd Stimme in der Versammlung haben« Der Präsi- dent der Sjnodalcommission ist bisher stets G. H. Lagers, Prediger zu Amsterdam, der hierdurch mit dem Secretär Schultz den wichtigsten Einfluss auf die evangelisch - lutherische Kirche ausübt. Auch bei dieser unteren Kirchenbehörde bemerkt man ein richtiges Verhältniss dto Aeltesten zu den Geistlichen in der gleiphen Anzahl beider, welches bei den re- formirt elf untern Kirchenbehörden vermisst wird*

Die dritte nnd unterste Behörde ist der Kir- chenrath einer jeden Gemeinde. Ihm kommt die Sorge für den öffentlichen Gottesdienst, den Religi- onsunterricht und ' die nächste Aufsicht über die Ge- meindsglieder und deren Gensur zu.

Der Kirchenrath besieht aus dem oder den Pre- digern, aus Aeltesten, Kirch euren tmeistem nnd Diako- . nen. Die Kirchenrentmeister (die Kirchenmeister in unsern Provinzen) haben die Aufsicht über die

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Urcblldien C^ebäade» Güter und Einkünfte» und die Verwaltong dieser letiteren« In den Gemeinden, wo nur Ein Prediger steht, gehören ausser diesem ram Kirchenrath 3 Aelteste, 3 Kirch enrentmeister nnd 3 Diaconen, in Gemeinden von 2 oder 8 Predigern, 4^ ¥on )eden, in der Gemeinde zu Amsterdam 7 Aelte- ste, 6 Kirchenrentmeister nnd 18 Diakonen. In klei- neren Creraeinden kann jedoch die Person des Aelte- sten nnd des Kirchenrentmeisters dieselbe sein. In den Filialgemeinden besteht der Kirchenrath aas 1 Aeltesten, 1 Kirchenrentmeister und 1 Diacon. Jedes Jahr scheidet ein Drittel der Kirchenrathsglieder aus, nnd wird durch neue ersetzt.

Ueberdies besteht in jeder Gemeinde noch ein grosser Kirchenrath, der aus allen dienenden (wirklich im Amt stehenden), nnd den Alt-Kirchen-

ratbsgliedern (den gewesenen iLirchenrathsgliedern) losammengesetzt ist Er ist das Wahlkollegium, das die Kirdienratbs - nnd Sjfnodalglieder, so wie die Pre« diger wählt nnd die Kirchenrechnnngen abnimmt In «inigen kleineren Gemeinden stimmen jedoch bei der Wahl des Predigers alle männliche konfirmirte Ge- meindsglieder mit

Die evangelisch - lutherische Synode hat gleich der reformirten mehrere Regiemente verfasst: 1) far die Prüfung und Zulassung zum Pre- digtamte. Hierin ist den zu Prüfenden das Halten einer Katechisation mit Kindern vorgeschrie- ben, also -der Mangel vermieden, der bei den reformirten Prüfungen, wie oben bemerkt,

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statt findet Die ansländischen Kandidaten, welche sicli etwa zu den dentsch * lutl^eri- sehen Stellen melden, deren noch 3 sind, zu Amsterdam, im Haag imd za Nymwegen, müssen zwar nicht im Seiiiinar zu Amsterdam stu- dirt hahen, sich aber derselben Prüfung unter- werfen, wie die daselbst gebildeten Theologen» Die Yerpflichtungsformel auf die symbo- lischen Bücher der lutherischen Kir- che ist ganz dieselbe, wie im reformirten Regle- ment. (Vgl. I. Bd. S. loa, 104.) 2) für den |^ el igi o ns u n terr icht. *)

^) Der kleine Katechismus Luthers ist nicht mehr . eingeführt. Jeder Prediger gebraucht einen li^ebigen Katechismus, ivodurch der ungläubigen Willkühr freilich Thor und Thüre geöffnet ist. Un- ter den im Schooss dieser evangelisch - lutherischen Kirche erschienenen Katechismen ist einer der be- rühmteren der ton J. W. Statius Mukllkii, Prediger zu Amaterdam, unter dem Titel: O«- derwyt in de^ christei$fken Godsdienst voor de Jeugd, Anäterdam bei /. van des Hey 1812. Dies Lehrbuch ist von den Herstelden wegen seines Unglaubens öffentlich angegriffen worden, weicher sich auch allerdings nicht verkennen lasst. Um nur Einiges anzuführen, so gilt dem Verfasser der Tod Christi nur als Bestätigung seiner Lehre, s. & 42 des Katechismus. Auch hält er die Wiedergeburt nicht für alle Hlenschen nothwen- dig, sondern nur für die groben Sünder, welche diese Veränderung aber selbst in sich bewirken, so dass sie in Absicht dieses neuen Herzens Schö- pfer und Geachöpf nugleieh sind. a. S. &5 des Katechismus*

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5) für die V a c a n i e n , so wie für die B e r u f a n g und Entlassang der Prediger;

4) für die Ansiibang der kirchlichen Auf- sicht and Zucht, und die Behandlang kirchlicher Anklagen und Streitigkeiten!

5) fiir die örtliche Kirchenbehörde (Kir- chenrath) ;

6) für eine allgemeine Wittwenkasse» Diese Reglemente sind den reformirten in den

meisten Stücken nachgebildet , daher in demselben la- xen, inm Theil noch laxeren Geiste verfasst. Na- nentlich ist dies bei dem fünften Reglement der Fall, wo als Erforderniss zum Kirchenrathsgliede nichti wdter angegeben ist, als dass sie aus den vornehm- sten, a cbtnngs w erthesten und passendsten ihetwaamsten) Gemeindsgliedern gewählt werden sollen, also der Reinheit der Lehre gar nicht einmal Erwäh- anug geschehen ist, gleich als hätte immer ein Apo- stel die Erfordernisse an einem Aeltesten der Gemeinde doUes angeieigt.

Im Jahre 1820 hat die Synode beschlossen, dasa am letzten Jahresabend, nnd im Jahre 1822, btt auch am C h a r f r e i t a g e ein Gottesdienst in al* len lutherischen Gemeinden, wo dies bisher noch nicht ibiich, gehalten werden solle. Da die reformirte Synode im Jahre 1819 beschlossen hatte, dass die Kirchenräthe auch die Kirchenzeugnisse anderer. Prote- rtanten an den Orten, wo diese keine eigne Gemeinden kitten» annehmen nnd ins Regist» ihrer Gemeinde-- gliedcr einschreiben sollten, so fasste die Inlheruche

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Sjnode im Jahre 1^20 einen ähnilchen gegenseitigen Beschluss.

Von dem theologischen Seminar zu Am- sterdam bemerke ich noch nachträglich, dass seit ei- nigen Jahren ancfa der evangelisch - lathensche Predi- ger Sahtorius daselbst als aasserordentiicher Professor an demselben, vorzüglich fiir die prakti- sche Theologie, angestellt ist, welcher eine mehr gläu- big« Denkweise haben soll.

Dies ist eins der Zeichen, welche nene Hoffnun- gen für eine dereinstige günstige Umänderung in dieser Kirche erregen. Bergleichen gibt es noch einige an- dere, ao niederschlagend auch manche Erscheinungen in derselben fortdauernd sind, z. 6. dass keine prote- stantische Kirchengesellschaft Hollands so wenig An- tfaeil an der Bibel- und Missionsgesellschaft bisher genommen hat, arls sie. Auf der ersten luthe- rischen S3rnode erklärten mehrere Sjnodalglieder , dass sie an der Uneinigkeit, in Hinsicht auf die Herstel- den, keinen Autbeil genommen, auch diese noch beständig als Glaubensgenossen betrachtet und behan- delt hätten. Auch hieraus ergibt ^ch, dass in einigen Predigern und Gemeinden der Geist des Glaabeus s{ch uodi lebendig eraeigt. In der Gemeinde zu Nym- wegen namentlich liimmt dieser Geist wieder kräftig iiberhmd, da der neue gläubige Prediger Westhoff auf demsetb«« Grunde fort baet^ den sein Yorgän- gerFELDHOFF gelegt hat« Dass der Geist dieser Gemeinden auf die andern evangelisch - lutherischen Gemeinden allmählig wohlthätig einwirken, dass auch

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der gläabige Geist bei der herstelden Parthei auf ihre Schwesterkirche nach und nach wieder mehr Ein- Bus8 gewinoen, und mit der Einheit im Glauben Lu' ihers dann anch die änssere Einheit bald wiederkeh- ren wird, das darf man ja mit Vertrauen mm Herrn der Kirche hoffen and erwarten.

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k-

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■.f-

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Seheveltngeh. Gefängniss im ffaag. Assisen. Rynswoud' sehe Waisenstif- tung. Qesellschajt zur Ermuthigung des Kriegsdienstes. Uebersicht des Armenwesens. Gründung der Gesell- schaft der W ohlthätigkeit.

Um auch von der Anstrengung des Gollektirens zu erholen, und den herrlichen Anblick des Meeres vx genictsen, wandelte ich an einem hellen November- morgen nach Scheveiingen, dem bekannten Fi- scherdorfe an der See. Es liegt nur Eine Stande vom Haag, und der Weg dahin führt durch Alleen und ein frenndlicbes Wäldeben. Sobald man durch die lange Hauptstrasse des Dorfs gegangen ist, und vor dasselbe hinaustritt, liegt die endlose Flüche des Oce- ans vor den staunenden Blicken, und die Seele versenket sich gerne in die Betrachtang dieses Bildes der Ewigkeit« Als ich an die See kam , fand ich die Wellen in gewaltigem Aufruhr. Ein heftiger Stnnn trieb sie bald wie grosse Hügel vor mir hin , bald warf er sie mX furchtbarem Tosen an die Küste. Auf einmal sam- melt sich halb Scbevelingen um mich her. Was ist?

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Sie sehen ihre Fischerboote in der Feme aof der ho- hen See, mid sie streben vergeblich an die Küste her- annikomaien* Oft sind sie kaam 500 Schritte vom Linde, da ergreift sie aber der Sturm wieder und wirft Bifi ebe halbe Stunde weit ia die offene See* 'dast man sie kanm mehr mit den Augen unterscheidcu kann. Bald schlagen schäumende Wogen über sie, nnd sie stSriten in tiefe Abgründe hinunter, dass mir bange um sie wurde. Allein die kühnen Schiffer hst- ten den Mast heruntergelassen , und Hessen sich ruhig im dichtrerschlossenen Schiffe umherwerfen. Bald tanaten ihre Boote wieder auf den Gipfeln der Was- scrikiigel und flogen pfeilschnell dahin. Als indess alle Tenuche, an landan, scheiterten, und die Gewalt des Windes sie imiDer wieder zurück warf, da ward es Manchen vm mich her doch auch nicht wohl ta Mathe, und Tiele Weiber und Kinder fingen an su jammern. Endlich liess die Wuth des Sturmes etwas nach, und Hess ein Boot näher herankommen. Schnell sprang ern Matrose aus demselben und brachte schwimmend ein um seinen Leib - gebundenes Seil an das^ Ufer, an welchem das Boot nun viSllig ans Land gezogen wurde. Allmählig kamen auch die andern Schiffe , und Freude sah man selbst auf den rbhesten Gesichtern* Nun wurde die Beute ans den Schiffen gethan, die breiten

k Meer hatten, die stachlichten Rochen, vielerlei Arten von Schollen, lange Ton gen, die grossen Ilommern (Scckrebse) u. s. w. Der Aasrufer ver-

. lundigte mitllerweile dem Dorf die Ankunft des Fan- ges , und versteigerte darauf am Strande die in klei«

- 'tkiä 1 . ' , ^aaW.

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nen Haufen aaf der Kfde Htgeaden Flieh« dep Bleist- bietenden. Mit grosser Hast Wtdeteitf die.- anflaUend hSssIichen Fischweiber am ihn eben Kreis i steigerten mit sichtbarer Gier , Mrfea die Fisch« ii^ ihre flachen Körbe, und eilten nnn^ mit diesen -> auf dem Kopfe^ in ihren schmutzig gelben Strohkiiten, in schwarzer Jacke, gelbec Sdhiirse und weissem Rocke nach der Stadt , um die Waare recht frisch feit bieten zu kön- nen. Andere warfen die Fische in kleine Kärmchen, vor welche 3 Hunde gespannt waren, die in raschem Laufe das Gefähr samt dem fahrenden Jungen nach der Stadt zogen»

Die Männer waren unterdess theiis nach Hause gegaagen). um sich zu erquicken, Ikeils machten sie die Schiffe wieder zu neuem Ausla«fea> fertig ,i Iheilf sasten sie ruhend am Strand, Ich nahte mich einem der letzteren, einem alten ^ treuherzigen Seemanno, und fragte ihn nach ihrer Fischerei und Lebensart* Freundlieh gab er mir dariiber ausführlichen Bescheid* Die grösseren Fischerboote, deren jedes mit Zubehör an 4000 d. kostet, und einem kleinen Kauffahrthei- schiflTe gleicht, und deren m^n 78 zählt, sind mit 6 7 Leuten bemannt . Sie fahren 6 8 Stunden weit in die See, im Sommer beim Häringsfang selbs^ bis an die englischen und schottischen Küsten. Ihre einträglichste Fangzeit ist kurz vor Ostern im Märt und April, wo sie jedesmal 2 -— 3 Tage, und kurz vor Pfingsten, wo sie 10 12 Tage auf der See bleiben. Alsdann verdienen sie wohl 10 •— > 16 jy. wöeheutlich, im Sommer wie 3 4 fl. Die

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Netse» welche 4 schwere Strogen und 2 Eisen haben, und über IM Pfand schwer tkd, lassen sie an Tancofe welche 120 Faden (zu ft Fnss) lang kind , bis auf den .Meeresgrund fallen, weil sie sonst die meisten Fische und die Hämmern nicht fangen würden. 6 Stunden bleibt das KeÜE über Bord. Beim Herausziehen finden Mch darin biiweilen an 1000 Pfand Fische , bisweitea aber aäcb imr 30 50 Pfand. Jedes Schiff hat 2 solcher Netze. Im November und December werden die Schellfische und Kabeljaue in hleinere« Schifiieny deren 10 vorhanden sind, gefangen. Für sie ist im nntem Theile des Schiffs ein grosser Behal« ter mit Lödiem, worein das Seewasser kömmt.

Von dem Erlös der Fische erhält der Rheder (der Eigenthiimcr des Schiffs) vorab 20 Procent, theils all Zinsen fär sein Kapital, dieils für die Erneuerang des Holzes am Schiff, die alle 8 9 Jahre nölhig wird. Der übrige Gewinnst wird zwischen dem Rhe- der und den Schiffern zu gleichen Hälflen getheilf, sp jedoch, dass die uuter diesen vertheilte Quoten nicht gleich sind, und der Steuermann natürlich mehr erhalt, ab der Schiffsjunge. Mit dem lOten Jahre fangeti diese das Seeleben schon an. Ihr erstes Geschäft ist, das Essen auf dem Schiff zu bereiten , worauf ale all- mählig höher steigen. Aus diesen vielen Quoten, in welche der Erlös des mühevollen, l^ärglichen Fan- ges getheilt wird, erheilet leicht, dass das Gewerbe der kühnen Fischer nicht gewinnreich ist. Dazu konat, dass bei ihrer rauhen Arbeit die Kleidung sehr schnell verschleisst, so dass sie z. B. 8 KamisÖler

.Uurrö^C*^-

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des Jahftf braacheii. Sie könoen ihre Familie daher nur kümmerlich ernähren, und ' haben im Winter oft nicht einmal gedag Kartoflela. Hierdorch herrscht grosse Armuth und Bettelei im Dorfe. Noch grösser wird die Notb solcher Familien , wenn der Hausvater in seinem Bemfe veranglückt. Beispiele hiervon sind leider nicht selten, wie mir denn erzählt wnrde, daa t Jahre Tprher hei einem heftigen Sturme 5 -<- 8 SchifTe mit der ganzen Mannschaft untergegangen seien, wodurch eine Menge Familien Schevelingens in gros- sen Jammer gesliint wurden« Zwar wurden alsbald von den piildthätigen Landslenten viele tausend Gul- den far pie gesammelt; allein wer kann das Men- sdienleben ersetzen? -—

'Des Nachmittags besuchte ich die Schule des Dorfes, welche neu gebaut und für 400 Kinder ein- gerifihtel ist, auch in Schönheit mit jeder Stadtschsle wetteifert Leider waren die Schulstunden zu Ende, Indess führte mich der freundliche Lehrer in das Lo- kal, welche^ ein einziger Saal ist. Die Einrichtung darin gefiel mif im Ganzen wohl, nur nicht das ßckandbrett (jachandbord) und das Ehrenbrett IjBerbord)^ «reiche an der Wand mit einigen Namen von Schülecn prangten, die sich rühmlich oder un- rühmlich angezeichnet hatten. Diese Namen bleiben H Tage lang, darauf stehen. Auch den Prediger des Dorfs lernte ich kennen, einen begüterten, aber auch sehr wohlthatigen Mann, welcher, sobald er von

dem Cellektenzwecke hörte, meine Gemeinde üreund-

ieh bedachte«

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AU ich im Sommer 1827 Holland besacbt«! onA auch Schevelingen wieder sah, genoss ich lugleieh die Erqnicknng eines Seebades. Ich löste eine Karte an dem Gasthans auf den Dünen , welches den Ba« depiatz gepachtet hat, für 1 fl., stieg in eine der Ba- dekotschen aof einer kleinen Leiter, welche hinter mir aufgewogen wnrde, und ward min ins Meer gefahren, ioweit his die Kader über die Hjäfie im Wasser stan- den. Dann drehte der Matrose die Kntsche nm , dass ihr Hintertheil nach der offenen See in stand , liess die Treppe herunter, und das grosse Tuch, welches nm die Kutsche gespannt ist, um den Badenden zu ver- decken, spannte das Pferd ab, und brachte es wieder an den Strand. Unterdessen entkleidete ich mich im Innern der Kntsche, wi^hes mit Stiefelknedit, Spie- geln, Handtüchern etc. versehen ist, stieg auf der Treppe in die See hinunter, deren Boden hier eben vnd sandig ist, und schwamm in der grünen, salxigea Flnth mit Wohlbehagen herum. Als ich hier nur mit dem Haupte über die Wasserfläche emporragte, vor mir den unennesslichen Ocean mit seinen hohen Wo- gen and Schiffen, hinter mir die unabsehbare Hügel- kette der Dunen; und mich als einen so kleinen Pund in dicMr grossen Schöpfung, als einen Tropfen am Eimer sah, da ergriff mich lebhaft das Gefühl der menschlichen Kleinheit und Ohnmacht, und unwill- kührlich musste ich mir zurufen: Wie gross ist Gott! .Wie klein bist du! ^— Nach einer halben ' Stade kehrte ich neugestärkt zur Kntsche zurücL Der dienstfertige Matrose, den ich unlerdess in meiner

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Nähe hatte warfen lassen, damit er, wenn ich mich im Schwimmen zo weit wagen nUkhte, mir zur Hülfe kommen könnte , holte darauf das Pferd wieder , und fuhr mich an das Land.

Hierauf besah ich das neue grosse Badehan s, das man eben im Begriff war , auf den Dünen zn er^ banen, und das 64 Badestuben enthalten sollte, sam« melte mir noch einige Muscheln am Strand und kehrte frohen Muthes nach dem Haag zurück. Beim Gehen doith Scfaevelingen bemerkte ich mehrere Laden mit aehr artigen Figuren, Matrosen, Fischweibern, YS« geln, Hunden ete«, ganz ans Muscheln verfertigt, ebenso MSfa-^und TabackskjSstchen rings mit farbigen Muscheln nnd Sbnlidien Seeprodnkten besetzt, welche von eiBii« gen Einwohnern des Dorfes in müssigen Standen zum Varkaofe Terfertigt werden.

Im Jahre 1^27 sah ich attd

das Gefängnis» im Haag.

Das Gefa'ngniss im Haag, {Iliäa vtm hurger^ fyke en müitaire f^erzekerirtg) ist för Inqoisiten und fiir Verurtheiite unter 6 Monaten bestimmt, nnd hat im Durchschnitt nur 40 Gefangene. D^e Kerker sind nicht gross , zum Tbeii im Keller. Die Gefangenen brauchen nicht zn arbeiten, auch wird für BescbäfU- gwig der zur Arbeit Willigen, deren mehrere da wa- ren, nicht gesorgt Viele der Weiber hätten gern ge- näht, entbehrten aber aller Näherei. Einige Männer nachten aus eignem Antriebe Pfeifendeckel nnd lebrfeft es andere. Klassifikation ist nicht vorhanden.

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Zwei Schwestern von 8 und 11 Jabren aus Scheve- liogen, welche Fisciie gestohlen hatten, sassen mit- tea unter den abgefeimtesten Dirnen. Die Männer dürfen taachen, auch fand ich Spielkarten auf allen Stoben 9 aber nur auf einigen die h. Schrift und an- dere £rbavungsbiicber. Schulunterricht wird nicht gegeben. Dass bei solchen Umständen das Gefängniss eine Schale des Lasters ist, wird Niemand befremden. Seit dem Jahre 1828 sind jedoch einige Verbesserun- gen eingefahrt. Die Gefangenen haben ein ganz ne», «od wie es heisst, zweckmässig erbautes Geföngnisf bezogen« Die correctionellen Gefangenen sind iroB den criminellen abgesondert. Auch ist Hoff- oang da zur Einfahrung von Arbeit und Scbulauterrieht»

Ich wünsehte der Sitzung

eines niederländischen Assisenhofes

boznwohnen, um die Abweichungen seiner Form von der französischen und rheinpreussischen ken- nen zu lernen. Durch die Gefälligkeit eines Advoka- ten im Haag wurde mein Wunsch erfüllt, und ich in eine Sitzung eingeführt, ehe noch das Publikum der^^ selben beiwohnen durfte. Ich fand den Gerichtshof' aas 4 Richtern und dem Präsidenten bestehend, welche nebst dem Procureur in derselben Weise und Tracht, wie bei den rheinischen Assisen , auf ei- ner erhöhten Bühne vor einen» halbrunden mit grünem T«ciie ansgeschlagenen Tische sassen. Die Richter fertreten die Stelle der Geschwornen, deren seil EinfiUinuig der veränderten Form keine mehr cfwihll

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werden« Zar Seite sitzt der Procnrear; auf der andern, jedoch etwas tiefer , der Gerichtsschrei- ber (gr^ff^r)* Der Ricbterbiihne gegenSber sassen, auch etwas tiefer, zwei mehrfachen Diebstahls Beschul- digte, hinter ihnen der Gerichts die ner; zu ihrer Seite, jedoch zu ebener Erde, der AdTOcat, ein grunüb erzogenes Pult vor sich habend. Er trägt kei- nen Mantel, wie die Richter und der Procureur, son- dern bloss einen kleinen Kragen und Mantel nach Art der Geistlichen. Das Zengenverhör wurde nnn ohne Zutritt des Publikums gehalten, und dies ist die iweite Abweichung in der Form. Die weiblichen Zeogen schwören mit aufgehobenen Fingern, gldch ^en Männern, nicht die Hand auf die Brust legend, wie bei uns. Nach dem Abhören der Zeugen wurden die Thtiren geöffnet, und das Publikum strömte her- ein« Der Procureur hielt seinen Anklagevortrag, wor- auf der Advocat die Angeklagten vertheidigte. Der erster e las alles eintönig ab, der letztere sprach frei, jedoch ohne Würde und KrafL Beide waren indess blutjunge Männer, so dass ich hiervon, wie überhaupt ▼on dieser Einen Sitzung keinen Schluss auf die gerichtli- che Beredsamkeit Niederlands machen kann. Die Richter traten darauf zur Berathschlagung ab; auch wir Zuhörer mussten. abtreten. Ich' konnte das Aussprechen des Ur- theils nicht abwarten, und veriiess das Gerichtsgebände. Die Gründe für die geschehene VerSnderung in der Form der Assisen, nebst Vergldchung derselben mit den rheinischen hat /^. Y.rjtN Ha mslS'^ rMLD^ Rath am ^ hohen Gerichtshof im Haag , ver^

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anlasst darch eine Erklärung des Grafen v av Ho» GS rr j}ORp in seinen Bydragtn tot de Huit" houding i^an Staat etc, fiir die Jury, wie sie in England, Frankreich und Rh einpreussen be- steht, in dem ersten Stück des von ihm herausgege- benen JÜg&meen regtagelurd Magas^n, Delft bei fF^XJD. jizZAMT 1^2B S. 75 ff. dargelegt und sich ge- gen die Rheinpreussische Jury erklärt Er war ein Oheim des gerälligen Advocateu, der mich ein- führte. Jch lernte ihn kennen, und erhielt das Heft Ton ihm mm Geschenk.

Welche Form der Assisen die bessere sei, dar- Sber masse ich mir nicht an, ein Urtheil abzugeben« Das« .die Gegenwart des Publikums bei den Zengenver- hSren in Ehebruchssachen und dgL, deren einem ich bei einem englischen Gerichtshofe beiwohnte, de- monlisirend auf Viele wirken müssen , unterliegt kei- nem ZweifeL Indess wird die öffentliche Ver- handlung in solchen Fällen , wo die Sittlichkeit ge- fährdet wird, auch an unsern rheinischen Gerichts- höfen auf den Antrag des Königl. Prokurators sus- pendirt, in Folge einer Allerhöchsten Verordnung Tom 31. Jan« 1822.

Mit der Beschreibung des Reichthums von natnr- historiscen und ethnographischen Merk- wSrdigkeiten, welche das köm'gliche Kabinet der Seltenheiten im Haag darbietet, worunter die Zimmer voll chinesischer und japanesischer Merkwürdigkeiten mich besonders anzogen, mit der Beechrabnng des Naturalienkabinets und des

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Gemäidemvseoms, in welchem die Potteri- «cben Tfaierstücke zu den trefflichsten gehören etc., kann ich mich hier nicht befassen, obgleich ich jedem Fremden, der den Haag besucht, rathen möchte, sich den Geouss , sie xn s«hen , nicht za versagen.

Ich gehe daher über so einor kurzen Darstellaag einiger besonderer Wohlthätigkeitsanstalten im Haag, und des Armenwesens im Klinigreich der Niederlande überhaupt.

Ausser den wie in allen grossen Stitdten Hollands, so auch hier vorhandenen Alt€-Frauen- und Mifin- nerhänsern, Hofjes, WaisenhS«sern etc., gibt. es hier noch eine besondere Stiftung für Wai- senmäSdchen, 4ie JRynswoudsehehehseady wel- che nur Deift und Utrecht noch mit dem Haag gemein haben. Sie hat ihren Namen von einer Fra« VON Btmswouds, welche für diese 9 Sädte 8 Mid- ch«nhänser stiftete, und dotirte, um arme Waisen- mädchen ^ welche entweder aus vornehmem Stande wären, oder sich durch besondere Anlagen auszeichne- ten, eine höhere Bildung als die gewöhnliche zu ge- ben. Je schöner der Zweck ist, den die edle Frau im Auge hatte, desto mehr bedaure ich über ihren jet- zigen Zustand das Urtheil eines sehr kompetenten hol- Tändischen Sachkenners mittheflen zu müssen, dass die Erziehung darin der Art sei, dass die Mädchen rieh wohl in äusserer Bildung, aber auch in der Koketterie and deren üblen Folgen auszeichneten«

Eine andere sehr wohlthätige Anstalt hat ihren Mitteipunct' Im Haag, nemlich:

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die Gesellschaft zar Ermuthignng und

Unterst iitxung des Kriegsdienstes

in den Niederlanden

{ßl€uU9chapj[j ter aanmoediging en ondersieuning pon d^n gewapenden dienst in de Nederlanderi^.

Sie hat sich kan nach der Schlacht von Wa- te rloo gebildet 9 nm die zunächst in den Kriegsjah- ren 1813 1815 invalid gewordenen Militärs nnd die Wittwea npd Waisen der in diesen Jahren Gefal- lenen an onterstiitien 9 auch 9 soweit der Ueberschass der Einnahme dazu in den Stand setzen würde 9 noch, die Invaliden aus früheren Kriegesjahren. Durch jähr- liche Sammlungen und Unterzeichnungen ist ihr Fonds so bedeutend gewachsen 9 dass sie nicht bloss ein beson- deres Invalidenhaus zu Leiden errichten konnte, worin gegenwärtig 117 Invaliden sind^ sondern auch ein Kapital von 29351,450 fl« anzulegen im Stande war, von dessen Zinsen, so wie von den Zinsen der durch die sogenannte Waterloo-Committ^e zu London zQ diesem Zwecke geschenkten 71,000 fl. 9 und vom Ertrag der Collekten sie jährlich mehrere Tansende dieser tapfern unglücklichen Krieger und ihrer Hinter- lassenen vom General bis zum Gemeinen herab unter- stützt. Diese Hülfeleistung ist um so wohlthätiger, weil die niederländischen Invaliden bei der gänzlichen Eulbehmngvon Invalidenhänsern, wie sie unser prens- siache Staat so reichlich darreicht 9 und bei den hSchsC geringen Pensionen dem bittersten Mangel aus- gcaeCat gewesen wXren. Erst seit einigen Jahren ist

mmmü

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eine Aniahl lavalidenfamilien vom Staate in den Ar- menkoloDien m Veenhuizen versorgt worden.

Die Zahl der unterstütEten Personen war im Jahre 1827 2178, die Ausgabe betrag 108,301 fl.» die Einnahme 87,483« Der Präsident der Hanptdirektion der Gresellschaft, welche in viele Hülfsdirektionen (eommissien und diatrietcommissien) getheilt ist, ist der Oeneral Graf Lbopold von Limburg-Sti- auM im Haag.

Um den ganzen Umfang der Wohlthätigkeitsan- sialten Niederlands und den ganzen Reichthum des mildthäUgen Sinnes seiner Bewohner besser zu würdi- gen, wird es nicht unpassend sein, hier eine

Uebersicht des niederländischen Ar«

menwesens

überhaupt zu geben, und zwar in einem Auszug aus dem Bericht über das Armenwesen im Jahre 1827, welchen der Minister des Innern den Ge^ nerälstaaten am 18. Mai 1828 vortrug, mit Einstreuung einiger Bemerkungen und Yergleichung derselben mini- steriellen Berichte über die Jahre 1825 und 1828. Der Bericht theilt sich in 3 Theile: I. Anstalten zur Ertheilung von Unterstatzung, IL Anstalten zur Verminderung der Zahl der Armen, III. Anstalten zur Verhütung der Armuth«

I. Anstalten zur Ertheilung von Un- terstützung.

1) ArmenVerwaltungen, Es sind deren im Königräch 5840. Die Zahl der von ihnen unter-

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I.

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sliifzten Personen beträgt 7559621. Das Verbält- niss der Unterstütiten xu den Einwohnern Nieder- lands ist wie 122*%oo 1000, ist jedoch in den einielnen Provinzen so verschieden, dass es in einigen wie 227^iöo «« 1000, dagegen in an- <iern wie «^Vioo *u 1000 steht

Die Gesa mm tan 8 gäbe ist 5,706,895 fl., die Gesaaunteinnahme 5,782,445 fl», worunter an iSchenknngen und Vermächtnissen 438^688 ü* (im Jahre 1826 331,934 fl.}^ 2} Gesellschaften aar Unterstützung ver- schämter Armen. Der bekannt gewordenen Gesellschaften sind 5, welche 2460 Personen un- terstützen, and 10,309 fl. dafür ausgegeben haben.

3) Gesellschaffen, die während des Win- ters Lebensmittel und Brandstoff ans- tfa eilen. Deren sind 47 und 8976 Subscriben- ten» Auch einige Gemeindekassen geben dazu Beiträge. Die Ausgabe betrug im Jahre 1827 102,210 fl. Die Zahl der Unterstützten ist unbe- kannt. Unter andern Lebensmitteln etc. sind 1,692,147 Portionen Suppe ausgetheilt worden*

4) Gesellschaften mütterlicher Wohl- thätigkeit (zur Unterstützung armer Wöchnerin- nen) gibt es 6, und zwar zu V er vi er s, Gent, Ilarlem, Rotterdam, Leiden und Gro- ningen. Sie haben 1557 Mütter unterstützt und 14,686 fl. ausgegeben.

ft) Gotteshäuser (Krankenhäuser, Alte-F'rauen- und Hännerhäuser , Waisenhäuser und dg!.) gibt IL »

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es' 745, wovon 595 ia den Städten sind. Die Bevölkerung derselben beträgt 4I9748 Personen, worunter 15,002 alte Leute, 19,291 Kinder und 7449 Kranke* Unter diesen sind 1543 Gei- steskranke (Wahnsinnige), von welchen allein bei den Einwohnern der Landgemeinde Gheci in der Provinz Antwerpen 324 untergebracht sind. Bekanntlich eignen sich diese Landleute ganz besonders s^ur Behandlung dieser Unglückli- chen, welches sowohl wie die Landluft und die ländliche Arbeit zu ihrer Genesung sehr wohlthä- tig wirkt Viele der andern Irren sind in den Armenhäusern und mit den Einwohnern derselben vermischt« Auch die iibrigen, welche in Irrenhäu- sern sind, gemessen nicht die geeignete Pflege, so dass die Regierung mit Benutzung der Erfah- rungen anderer Länder einige neue geräumige Ir- renhäuser errichten, die in vielen kleinen Anstal- ten zerstreuten Irren darip vereinigen , sie in ver- schiedene Klassen fheilen und andere Verbesse- rungen in ihrer Behandlung vornehmen will.

Im ganzen Reich gibt es GOOO Irre, worunter 3000 dürftige, welche unterhllten werden müssen. In der Provinz Antwerpen sind die meisten, wo 18 auf 10,000 Seelen kommen, in den Pro- vinzen Friesland und Luxemburg die wenig- sten, indem in ersterer 3*yioo> nnd in letzterer 2^^100 auf 10,000 Seelen kommen.

Die Gesammtausgabe der Gotteshäuser be- trog 4,249,001. f1., dieGesamrafeinnahme '

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4,2S3,249 fl. Und dieser sind an Schenkangcn und Vermächtnissen 114,061 (1. (im Jahre 1826 95,232 fl.).

7) Geseilschaft zur £rmuthigang und Un- terstützung des Kriegsdienstes s. S. 03.

8) Königliche Stiftung zu Meessen (in Westfiandern), eine Erziehungsanstalt für Tochter von invaliden oder gefallenen Militärs auf Kosten des Staats. Ihre Zahl ist 140. Die Ausgabe beträgt 21,000 fl., so dass jedes Kind ungefähr 123 fl. kostet.

«

II. Anstalten zur V^rminderang der Zahl

d e r A r m e u*

1) Armenschulen.

Schülern.

a) Oeffen tliche Armenschulen, auf Kosten der Civilgemeiudcn, gibt es

262 mit 56,950,

der Armenschüler , welche in die ge*

wohnlichen Schulen gehen, sind 88,987. Die Ausgabe für die ersteren

Schüler beträgt . . . 237,883 fl., die Ausgabe für die letzleren

Schüler beträgt . . . 133,170(1.

Summe 371,053 il.

b) Privatarmenschulcn (f'^y^c/ioÄn), welche von Gesellschaften oder Privat- lenten unterhalten werden, sind 251 mit 26,535.

Macht eine Summe von 172,472.

5

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Unter den Privatarmenschnlen sind jedock 52 Sonntagsschnlen und 28 Wartschalen (bewaarscholen) £ur Kinder unter 6 Jahren mit- begrifien.

2) Arbeitsschnlen für Mädchen gibt es 50, in welchen 2514 Mädchen sind und welche 25|287 ü» kosten*

3) Freiwillige Arbeitshäuser {u^rhplaatsen ifon üefdadighsidi s. L Bd. S. 347.

4) Zwi^ngsarbeitshäuser fiir Bettler {Bede- laar9werkhuizjBn) sind noch 6, nämlich zu Ter- kameren in Sadbrabant, zu Reckheim in limburg, su Brügge, zu Namnr, zu Bergen in Hennegan, und zu Hoogs traten in der Pro- vinz Antwerpen. Zwei zu V eere in Seeland und H o o r n in Nordholland sind im Jahre 1826 und 1827 aufgehoben und die Bettler nach den Ar* menkolonien versetzt worden, weil sie daselbst weit weniger kosten, und mit mehr Nutzen für ihr späteres Fortkommen durch Ackerbau beschäf- tigt werden können.

Die Bevölkerung der 6 Arbeitshäuser ist im Durchschnitt 2943. Die Gesammtausgabe beträgt 234,687 fl., der Ertrag aller Arbeit nur 12,460 fl., so dass nach Abzug dieser Summe jeder Kopf auf 77 fl. zu stehen kommt.

Die besteingerichteten Anstalten sind die zu Hoogstraten und Terkameren. In erste- rer sind Fabriken und viel Ackerbau, der mit grossem Erfolge getrieben wird» Auch worden

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wüste Haiden urbar gemtdit In letiterer iit ein ansgedelinter 'Gartenban, und viele, besonders Tuch - nnd Leinenmannfactaren, ancb iwel grosse Handwerksscbulen, eine Mäbscbule fdr Mädcben und eine grosse Scbnle cum Lesen etc. Jeder Kopf verdiente bier im DurcbschniU an Arbdtsiobn im Jabre 1825 18 f). 17 Cts., in Hoogstraten 12 fl. 85 Cts. ]n den übrigen Anstalten dagegen, wo kein Landban, und wenige oder keine Fabri- ken sind , betrug der Arbeitslohn für den Kopf in Brügge nar 4 fl., an Bergen 1 fl. 45 Cts^ 10 Reckheim bloss 78 Cts. und za Namnr gar nur 47 Cts. Auch kostete der Kopf, der im Dorcbschnitt in den Arbeitshäosern täglich - 16 Cts. kostete (im Jahre 1826 147yioo Cts.), in Ter- kamerea nur B^/km Cts», in Hoogstraten nicht Yiel mehr, in einer der schlechteren An- stalten sogar 28^/iQo Cts. Wieder eine Bestäti- gung meiner Bemerkung Bd. L S. 376, wie wohl- thätig nnd kostenersparend der Landban für ähnliche Anstalten, als Landarmenhäuser etc. ist. In der Anstalt zu Brügge werden einige Spitzen verfertigt nnd feine Leinwand gewebt. In Keck he im. Bergen und Namnr geschieht fast nichts als Spinnen und Stricken« Selbst an dieser Arbeit fehlt es bisweilen. Beweise genug, wie schlecht diese Anstalten eingerichtet sind, und wie sehr sie noch der Verbesserung bedürfen, wo- mit die Regierung auch gegenwärtig beschäfUgt isL Die Zahl der Bettler in den Arbeitshäosern

■~,i^V _ - . '

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und Arraeukolonien betrug im Jahre 1821 im Durcbschiütt 5454, am 1. Jan. 1828 5412. Diese Zahl der Bettler yetbält sich su der Zahl der Einwohner Kiederlatids wie 8^%oo lu tOfiOO.

5) Kolonien der Gesellschaft der Wohl- thätigkeit (Armenkolonien) s. unten.

6) Erziehiingsanstaltcn für Taabstumme sind 4| zwei za Gent, wovon 1 für die Knaben tind 1 fiir die Mädchen, eine zu Lütt ich und eine Sit. Groningen, welche zwei letztere Knaben und. Madchen aufnehmen* Die Anstalten haben znsaaimen 240 Personen, worunter die zu Gro- ningen die meisten, nämlich 158 enthält* Die Gesammtansgabe der Anstalten ist 42,085 fl., so dass jeder Lehrling 109 fl* kostet Ausser diesen gibt es im Reich noch 2166 Taubstumme, meistens zu den Armen gehörend. Daher die Bcgicrung erklärt hat, Maasregeln zur Ausdeh- nung und Vermehrung solcher Erziehungsanstalten treffen zu wollen.

7) Erziehungsanstalt fiir Blinde, zu Am- sterdam s. Bd. L S. 219.

8) Gesellschaft zur sittlichen Besserung der Gefangenen s. Bd. I. S. 233.

UL Anstalten zur Verhütung der Arniutb.

l) Leihhäuser {banhea van leeniag). Deren gibt es 106 , wovon 34 auf Rechnung von Gemeinden oder wohlthäiigen Anstalten, 74 aber verpachtet littd. Die in den ersteren im Jahre 1827 ans-

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gciichciien Kapitalien Lelni^cn 4,ttä'i,335 11.9 <lie Zahl der darm versetzten Pfandor 2,215,755, der wiedereingelöste II 2,0U,*1TI' und der verkauften 120^609. Die Zabl der Personen, welche von diesen Anstalten Gebrauch gemacht haben, ist ungefähr 128,570.

Die Gesammtausgabe beträgt 7,414,354 f1. Uieranter sind die für aufgenommene Kapitalien bezahlten Interessen mit 138,350 f]., die Verwal- tiHigskotten mit 200,312 fl., die gegen Pfänder avsgeliehenen Summen mit 7,016^038 fl., die we- gen beschädigter oder vermisster Pfänder bezahl- ten Vergütungen mit 1887 fl., die Kosten des Verkaufs von Pfändern mit 10,124 ü., und der an die Eigenthiimer bezahlte Mehrwerth der ver- kauften Pfänder mit 50,451 fl. Die Gesammt- einnahme betrug 7,576,476 (1«

Bei den 74 verpachteten Leihhäusern ist die Zahl der im Jahre 1827 versetzten Pfänder 877,385, der eingelösten 668,302, der ver- kauften 41,280. Die Zahl der Personen, welche zu diesen Anstalten ihre Zuflucht genommen ha- ben, ist ungefähr 5656. 2) Kranken- und Begräbnissladen {ziehen- £(* begrafenis-buasen) sind 413, der Thcilneh- luer daran 699025. Nur über 341 dieser Anstal- ten hat die Regierung bis jetzt Auskunft erhalten. Unterstützung haben erhalten 15,726 Personen. Die Gesammtauagabe betrug 287,914 f)., die Gesa mm t einnähme 318,114 fl.

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3) Wittwen- and Waisenfonds. Die Regie- rung kann noch nicht über alle Auskunft geben. 26 sind in den Provinsen Nordbrabant, Gel- derland, Holland, Seeland, Overys- sel und Groningen, die meisten in Amster- dam, Die Zahl der an diesen Fonds tbeilnehmen* den Personen ist wenigstens 13,000, die Pensio- nen, die sie bezahlen, betragen mehr als 225,000 iL, die Kapitalien der Fondf ungefihr 800,000 fl.

4) Sparkassen (spcuirbanheji) sind 53, der Theil- nehmer 13,332. Die meisten Sparkassen geben 4, einige 5, andere 3 Procent Die Kapitalien betragen 2,312,166 fl., dieGesammtansgabe 1,01*7,890 f)., die Gesammteinnahme 1,061,877 fl.

Nach Summimng aller Anstalten gibt es also 11,440 wohlthatige Anstalten (die Gefa'ngnissge* Seilschaft nnd die Wittwen-} und Waisenft)nda nicht mitgerechnet), und die Zahl der Personen, welche von diesen Anstalten Genuss gehabt ha» ben, ist 1,214,055. Von ihnen haben 803,704 Personen Unterstützung erhalten, 172,761 Unter-» rieht, 20,457 Arbeit, 217,133 von den Leihhäu- sern, Laden ''und Sparkassen Gebranch gemacht

Die Gesammt ausgäbe der- wohlthätigen Anstalten, «-«« die zur Yerhiitnng der Armuth ^ nicht mitgerechnet, betriig» 12,821,359 (I., die Gesammteinnahme derselben 12,94(^529 fl. Hierzu die 7,194,501 fl« gerechnet, welche die Ka- pitalien der Anstalten aar Verhütung der Armnth, so weit sie bekannt sind, btlragen, macht eine

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Summe von 209141,030 11. , sage zwanzig Mil*

lionen und 141,030 {)•

Am Schlass des Berichts sagt der Minister, dass die Regiening trachten werde, die Anstalten zur £r- theilang von Unterstützung zu yerbessern, die zur Vermindemng der Armuth auszudehnen, und die zur Verhütung der Armuth mehr zu regeln und zu ermn- tfaigen, damit ihr Einfluss sich vermehre.

Aus dem Ueberhlick, welchen der vorstehende Bericht über den Umfang des niederländischen Armen- wesena darbietet, und aus den Blicken, welche die Darstellung der Armenhäuser, Waisenhäuser etc. Bd* I. S. 188 225 in das Innere seiner einzelnen Theile thun lässt, erhellet, dass Kiederland grosse ' Unache bat, den Herrn für die Mildthätigkeit zu rüh- men, die er den Herzen seines Volks gegeben, und fiir die hohen Vorzüge, die es hierdurch vor vielen andern Völkern Kuropa's geniesst Und wenn schon diese in der neueren Zeit grossentbeils in ihren Ar- meneinrichtungen demselben rühmlich nacheifern, ja zum Tbeil mit ihm wetteifern, so bat es doch noch in der neuesten Zeit in einer seiner Armenanstalten den übrigen Völkern ein glänzendes Vorbild gegeben, ' dia lie nachzuahmen haben, ich meine in seinen

Armenkolonien.

Da diese nicht zur bloss augenblicklichen Stillung der Noth , sondern zur gründlichen Abhülfe derselben nnd lur dauernden geistigen und leiblichen Wieder- aoüriditaog der meist in beiderlei Hinsicht tiefgesunke-

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nen Armen mit grossem Erfolge dienen, und demnacli selbst in finanzieller Hinsicht dem Staate vortheilhaflie ErxiehuDgsanstalten' der Armen, Bettler und selbst vieler Sträflinge jedem Volke sich von selbst aufs drin- gendste empfehlen, wie denn nicht wenige Staaten, anch der unsrige, auf dieselben aufmerksam geworden sind, •— so ist eine etwas ausführlichere Darstellung derselben um so mehr meine Pflicht, da sich mir bei neinem Besuche derselben im Jahre 1827 mehr Gele- genheit, als vielen andern Reisenden dargeboten hat» sie in ihren YorzUgen und Mängeln genan kennen zu lernen. Ueberdiess hat mir die pernumente Commisßie der Gesellschaft der Wohithätigkelt selbst Ende Dccbr. 182d sehr wohlwollend die in Beziehung auf jene mir in einigen Puncten noch fehlende Auskunft gegeben, so dass die in der folgenden Darstellung der Kolonien gegebenen Notizen bis zum Ende des Jahres 1828 reichen.

Im Jahre 1817 gab der niederländische General J. V AN DSN Bosch in Folge der durch die Noth- jahrc 181€ und 1817 ungewöhnlich zunehmenden Ver- mehrung der Armen eine Schrift heraus *), worin er ein Miltel angab, wie den vielen Tausend Armer, man zählte bloss in den nördlichen Provinzen 72,000 arbeitsfähige, und im ganzen Königreich über 700,000

"*) Heber die Möglichkeit, die beste Art der Ausfüh- rung und die wichtigen Vortheile einer allgemei- nen Amiencinrichtung im Reich der Niederlande, Amsterdam 1817 bei /• tav »eb Utr.

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Anne, ein ehrliches Bestehen verschaff , sie zu- gleich aus ihrer tiefen sittlichen Versunlccnheit erhohen, zu einer bessern Erziehung ihrer Kinder angehalten, dadurch die Quellen der Armuth und des Elends ver- stopft, und somit den wohlhabenden Mithürgern und den Gemeinde -Armcnverwaltungen die Last der Ar- me nversorgnng gründlich erleichtert werden könnte, weiche sie bisher ohne Aussicht auf dauernde Vermin- derung der Noth getragen hatten.

Der General, welcher früher anf Java wüste Strecken darch Sclavenhände zu blühenden Pflanxnn- gen angelegt, und die Cultur seiner dasigen Güter unter Anleitung eines chinesischen Mandarins vier- ter Klasse, Tjan-Lock, welcher einer seiner Pachter und ein trefflicher Oekonom war, sehr vcr- volikommuet hatte, schlug darin vor, die grossen Haide- und Torfmoorstrecken der nördlichsten nie- derländischen Provinzen, welche noch an 800,000 Morgen davon enthalten*, durch die Hände der müssi- gea Armen, Bettler und Landstreicher in fruchtbare Kolonien zu verwandeln. Diese Art der Arbeit sei fiir sie der Fabrikarbeit weit vorzuziehen« Denn der Land- han, dessen Producte der Arbeiter nicht bloss selbst enenge, sondern auch grösstentheils selbst verbrauche, und deren Ueberschuss immer noch einen günstigen Absatz finde, fessele die Menschen zugleich mehr an den Boden, und gebe ein bleibenderes Unterkommen. Die Fabrikarheit dagegen bedürfe mehr Fleiss und Ge- schicklichkeit, als von ihnen fdr den Anfang erwartet werden könne, und müsse, wenn sie hinreichenden

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Absatz habea solle, m gleicher Gute und Wohlfeilheit, als von andern Arbeitern, geliefert werden.

Auf diese Anregung bildete sieb nun im Jahre 1818 zuerst im Haag eine Gesellschaft der Wohlthätigkeit (nhaatschappy pan u^eldadig7ieid)y am obigen Vorschlag zum Besten der Armen zu ver- wirllichen. Für die Leitung ihrer Angelegenheiten bildete sich ein Hauptausschuss {hoofdkammissle) von 12 Mitgliedern, dessen Präsidium der jüngste Sohu des Königs, Prinz Friedrich, übernahm, und dessen Sitz im Haag ist General van DEUf Bosch vrurde zum zweiten Assessor des Ausschusses ge- wählt, und zugleich zum Präsidenten eines engeren Ausschusses {permanente Kommissie) von 3 Mitgliedern, welcher die Besorgung der laufenden Sachen, die Ausführung der Beschlüsse des Hauptausschusses, und da dieser sich selten versammelte, die Hauptleitung, des Ganzen erhielt In den Städten und Dörfern suchte man Hülfsausschüsse (jsnblrommUsien^ zu bilden, welche aus 2 obrigkeitlichen Personen, 2 Geistlichen der verschiedenen Konfessionen , und 2 angesehenen Privatleuten bestanden. Jeder, der 2 fl« 60 Cts. jähr- lich beitrug, ward Mitglied der Gesellschaft. Auch wurden Ehrenmitglieder und korrespondirende Mitglie- der ernannt* Zugleich ward bestimmt, dass ein von der Gesellschaft jährlich neu zu erwählender Aufsichts- ansscbuss von 24 Mitgliedern {Komniissle uan toepoor* TZgt) jedes Jahr das Verwaltungswesen und die ganze Wirksamkeit des Hauptausschusses prüfen und revidiren solle. Der Kronprinz übernahm das Präsidium desselben.

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Im Anfange fand die Gesellschaft ausserordentli- chen Beifall, so dass im ersten Jahre über 20,000 heitragende Mitglieder waren« Anch war auf 26,000 Ellen Leinen sabscrihirt worden, um den Dcbit des von den Kolonisten zn spinnenden Garns zu versichern. Es wurde eine Haidestrecke in der Provinz Drenthe, an den Grenzen von Overyssel, unweit der Stadt Strenwjk, angekauft und im Novbr. 1818 der erste Versuch mit 50 armen Familien gemacht, für welche daselbst eben so viele Häuschen, ein Magazin, ein Spinnsaal y ein Schnihaus und 2 Unteraufseherwohnun- gen gebaut worden waren. Als der Versuch gelang, so wurde das Unternehmen weiter ausgedehnt, und mehrere Kolonien angelegt, von welchen die erste den Kamen Friedricbsort zu Ehren des durch- lauchtigen Präsidenten der Gesellschaft, und eine an- dere zu Ehren des Königs den Namen Wilhelms« ort erhielt

Im Jahre 1827 hatte ich die Freude, den edlen Stifter der Armenkolonien, General van den Boscr, im Haag kennen au lernen. Er musste sich. eben zu einer Reise nach den westindischen Kolonien fiertig machen, deren Revision ihm das Vertrauen sei- nes Königs aufgetragen hatte. Er äusserte, nur sehr nngeni von seinen lieben Kolonien zu scheiden ^ in deren Mitte er zu Friedrichsort, wo er sich ein Haas gebaut, die meiste Zeit des Jahres zugebracht und sie mit unermüdeter Thätigkeit gepflegt hatte. Mit grosser Freundlichkeit gab er mir einen Empfeh- Inogsbrief an den Adjunktdirektor des Schulunterrichtf

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in den Kolonien« van JVozüA. Nach seiner Rück- kehr aus Westindien hat ihn der König znm Gene- ralgonverneur der ostindischen Kolonien er- nannty wohin er Ende 1828 abgereist ist. Er ist auch der Verfasser eines sehr empfehlungswerlhen Werkes über die niederländischen Besitzungen in Asien, Ame- rika nnd Afrika. 2 Bände 1818.

Mit einem Empfehlungsbriefe versehen, eilte ich nun im August 1827, die Armenkolonien in den Pro- vinzen Friesland, Drenthe und Overyssel selbst SU besuchen,* auf welcher Reise meine Leser sich da- her gefallen lassen mögen, mich jetzt zu begleiten.

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Reise nach den Armenkolonien über die Süderscc. Künstliches Himmels^ gebäude zu Franeker, Zuchthaus zu Leeuwarden. Friesische Trachten. Torfmoore. Friedrichsort.

An einem scliüncu Augustabend setzte ich mich zu Amsterdam in ein SchifT, das nach Uarlingen ging, um über die Siidersee nach Friesland za fahren. Die Schiffsgesellschaft war nicht gross, auch nicht besonders anziehend. Doch bedurHe man deren anch nicht, um sich zu nnterhaltcn. Lange ergötzte ich mich an der majestätischen Hauptstadt im Hinter- gmnd, dann umgaben mich links and rechts die grü- nen Ufer der See mit ihren Weiden und Heerden, ihren Dörfern, Thürmen und Windmühlen; Mon-

nikendam und Kdam zeigten sich links, einige In- seln rechts ; Schiffe flogen an uns vorbei, Möven am- gankelten in Schaaren nnsre Segel, die BraonfiscLe erhoben sich glänzend über das Wasser, bis die ein-

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brechende DHmmernng einen dünnen, durchsichtigen Schleier über das Ganze warf. Mondeshellc bewirkte, obgleich der Mond selbst lange hinter den Wolken blieb, ein liebliches Zwielicht, das den Augen immer noch Stoff zam Schauen gab* Auf einmal stieg am fernsten Horizont etwas glühend am Himmel auf. Ist's der Mond in seiner Pracht? •— Nein, es ist der Lenchtthurm von Enkhuysen. Immer näher kommen wir ihm, sehen ihn auf der langen Erdzunge seine helle Strahlen nach allen Seiten werfen, und haben ihn endlich im Rücken* Doch die müden Au- gen begehrten Ruhe* Ich stieg in die Kajüte in mein kleines, schaukelndes Bett, und ward schnell vom Schlummer überwältigt*

Sobald ich am frühen Morgen wieder aufwachte» eilte ich aufs Verdeck* Die Scene' hatte sich verän- dert* Wir waren auf offener See. Zur Linken we- nigstens breitete sich das Meer in' unabsehbarer Ferne vor uns aus* Zur Rechten tauchten die friesischen Kü- sten in der Ferne mehr und mehr aus den Wogen empor, und schienen uns näher za schwimmen* Vor uns zeigte sich der Rumpf eines dänischen Schiffes über der Wasserfläche » das vor Kurzem von Amster- dam kommend einen Leck erhalten hatte nnd hier ge- sunken war* Das Schiffsvolk hatte sich in Boote ge- rettet, nachdem sie den Mast gekappt, und ihn, wie die Segel etc* mitgenommen hatten* Da das Schiff nur Ballast geladen hatte, so war der Schaden, ausser dem Verlust des Schiffes selbst, nicht gross gewesen* Indess war es für uns eine grosse. Erinnerung , wie

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nosicher wir anf den schwachen Brettern uher der gros- sen Tiefe schwebten, wenn nicht die Hand der AU- macht uns über derselben erhielte.

Stärker erhob sich der Wind« Brausend schlugen die Wellen äa unser Schiff. Nene Segel wurden auf- gezogen, und pfeilschnell fuhren wir Friesland ent- gegen, nnd seinen Küsten entlang, obgleich immer in hedeotendem Abstände. Nun bemerkten wir die drei- bchen Reihen grosser Pfahle von Nordhols (einer Art Tannen, die ans Norwegen und Schweden kom- men), mit welchen die Friesen mühsam die Dfer ihres niedrigen Landes gegen die Wuth der Wellen be- schütien müssen, da es weder durch Berge, noch dordi Dünen gedeckt, und sein Boden fetter Klei- gmnd ist* Eine Menge Kirchthürme ragten uns aus dem firuchtbaren, reichbevölkerten Lande entgegen, von Stavereu, Hindelopen, Workum, Bols- weri, Makkum, Franeker etc. Man machte mich aufmerksam auf die nahe Verwandtschaft der friesischen mit der englischen Sprache, wie i. B. das Wort: tjerky Kirche mit dem englischen chureh CmI dasselbe sei , indem das tj auch wie tsch ausge- ^rodien werde, und nannte noch andere Beispiele. Aach könnten die englischen Schiffer sich mit den friesischen Küstenbewohnern recht gut verständigen, •kae weiter der Andern Muttersprache xu verstehen. Interessant war es mir auch, bei meinem Aufenthalte in Fricsland m bemerken, dass die friesische Sprache, wie sie in dem angeführten und vielen andern Wör- tern den Uebergang bildet von der deutschen sur

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englischen^ sie ebenso in nicht wenigen Wörtern 4en Uebergang von der deutschen zur holländi- schen macht, und somit auf die gemeinsame Ab- ttamimuig dieser Sprachen von der deutschen hinweisf. So c. B. heisst tm Holländischen das Wort Wald: fifoudf (ßpc. u^ud)'f im Friesischen s ft^ld^ Mrobei die Ansapcflu&e des ö wie can dunkles a es dem Deutschen Rocli aiher hrmgt; englisch u^ood, <spr« wiuf). Eben fo kalt: holländisch coud, friesisch cold, englisch coidL Ebenso Stiiber holländisch: ßtidttr^ (spr. Wimper)^ friesisdi: stuuer* Ebenso: neu, hollän- disch nieutf^ friesisch ny, (spr. neu)^ englisch neu^^ (spr. IM»). Auch endigen sich viele friesische Wörter auf tf 9 wie im Altdeutschen.

Harlin^en, das Ziel unserer Fahrt, war mit meinen spitzen nnd stumpfen Thiirmen uns schon längst im Gesicht. Endlich gegen' 11 Uhr des Morgens fah- ren wir xwischen den beiden Leuchtthiirmen in den Hafen der Stadt. Es ist ein freundlicher Ort, von 6 ragten, die mit Bäumen besetzt sind, wie die liolländiscben Städte durchschnitten. Nachdem ich des Nachmittags die Stadtschule besucht hatte, fuhr icU iiiit der Schult nach Franeker. Der Weg ist angenfehsn nnd abwechselnd, fuhrt bald durch Wei- 4eB, bald dnrdi fette Kornfelder, bald an Höfen und Dörfern, bald an Kalkbrennereien von Seemuscheln ▼orhei.

Des Abends besah ich noeh an Franeker das be* rohmte künstliche Iltmm'elsgei>äude im Hause dci ScUiebten WbllkSmmers qmI Sayet&brikaoten Etsm

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EtiinoA^ welcher es lo den Jahren 17T4 « 1781 ausgedacht und verfertigt haf« Es besteht' aus 3 Thellen:

1) dem Planetarium,

2) der Himmelsfläche mit den Sonnenseigern tind

3) den Mondzcigern.

Das Planetarium ist an der flachen Decke des Wohorifflmers befindlich, wo um die Sonne die 8 Haap4>hn€ten 9 der Uranus, welcher damals noch licht entdeckt wir, ist nicht darauf befindlich, sich in verhältnissmässigen Entfernungen , nebst ihren Tra- binten, ia derselben Zeit wie am Himmel in ihren eMenlriscben Kreisen bewegen. Sonne, Hanpt- nnd Ndienplaneten sind durch kleine Kugeln vorgestellt. Aach, der Ring des Saturnus fehlt nicht Ausser- kalb dieser Kreise ist noch der Kreis der Ecliptik mit dem 12 Sternbildern, und als der ausserste ein Kreis mit den 12 Monaten, worauf auch die Tage eines jeden angegeben sind»

Der Band jedes Planetenkreises ist in Sternbil- der nnd Grade gethellt, so dass man deutlich ihre LSnge sehen kann« Auch ist ihr nächster iind fernster Pnnct von der Sonne darauf mit Bnchsta- licn. bezeichnet. Zugleich zeigt jeder Planet seine Breite an, indem nicht nur die beiden Puncte, in w^den er die Ecliptik durchschneidet, auf dem Rand abgegeben sind, sondern auch durch eine doppelte Ycrtheibng des Kreises auf dessen Süsserem Rand die nördliche, und auf dem inneren Rand die südli- che Breite zu finden ist.

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Di« ungleiche Geschwindigkeit des Laufs der Planeten ist dadurch angegeben, dass die Grade, wel- che auf dem Längenkreise jedes Planeten gezeichnet fiind^ nicht gleich gross, sondern grösser bei dem fernsten und kleiner bei dem nächsten Puncte sind, indem sie von dem ersteren zu dem letzteren Puncte in demselben Verhältnisse abnehmen, als die Ge- schwindigkeit des Planeten zunimmt. Zwischen den zwei äussersten Kreisen, dem KreLs der Ecliptik, und dem Monatenkreis, bewegt sich ein Zeiger, der dadurch' -sowohl die scheinbare Länge der Sonne, als auch die Monate und Tage angibt Der Mond bewegt sidi hier in derselben Zeit, wie am Himmel, xtm seine Axe, um die Erde und mit dieser um die Sonne. Die. übrigen Trabanten zeigen sich wohl, be- wegen sich aber nicht.

Der «weite Theil dieses beweglichen Himmels- gebäudes ist die H i m m e 1 s f 1 ä ch e {hemelsplein)^ wel- che die scheinbare Bewegung der Sonne und Fixsterne anzeigt Sie. besteht aus einer Kreisfläche von 28 Zoll im Durchmesser, und ist an der einen Wand der Stube -ai^ebcacht Die wichtigsten Sterne, welche zu >. Franeker gesehen werden können, sind darauf ge- zeichnet Der Aequator ist in Grade getheilt. Die Ecliptik, welche excenfrisch von dem Aequator ist, ond ihn durchschneidet, ist in die 12 Sternbilder :getheilt Auch ist auf der Jiimmelsiläche der M e r i d i a n , die lArendekrv4eise des Krebses und des Steinbocks und der nördliche Polarkreis. Die Himmelf fläche wird

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fQo dem Iloriionty einer Kreisfläche Ton 18 Zoll, omgebeD, der in 24 Stunden eingetheilt ist

Die Hinunelsflache dreht sich mit den Sternen In 28 Stonden, 56 Minuten und 4 Sekunden hemm, die Sonne dagegen , die aU eine kleine Kugel im Kreis der EcUptik sich bewegt, in 24 Stunden, so dass sn- glelcb die scheinbare tägliche Bewegung der Sterne und der Sonne und die jährliche Bewegung der lets- teren angezeigt wird« Auch sieht man darauf das Län- ger* und Künerwerden der Tage durch die £xcen- tricität der £cliptik von dem Aequator und der Him- melifiSche von dem Horizont

Zu beiden Seiten der Himmelsfläche sind die swei Soanenseiger, d. u Halbkreise, in deren Mittel- pvnct die Sonne als eine kleine Kugel ist, und auf deren einem der Uhrzeiger anweist, zu welcher Stunde das Jahr hindurch die Sonne aufgeht, und auf deren anderem, wann sie untergeht*

Der dritte Theil des künstlichen Himmelsge- bäades und die Mondseiger.

Eine Kreisfläche mit einem Zeiger an der Ded^e der Stube zeigt die 24 verschiedenen Mondsphasen an , wobei auch jedesmal der Abstand des Mondes voa der Sonne zn sehen ist, und die Zeit ihres Umlaufes «m die Erde (das Alter des Mondes). Eine zweite Kreisfläche an der Stubendecke zeigt den fernsten Punct des Mondes von der Erde an, wobei die Sternbilder am Rande verzeichnet sind. Eine dritte Krebfläch«^,. welche an der Wand sn sehen ist, zeigt den Abstand des Mondes von dem fernsten Punkte an. Eine ricrtc

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Kreisfläche zeigt die beiden Pancte, worin der Mond die Ecliptik durcikschneidet , an, und die nördliche Mid südliche Breite des Mondes« Eine fünfte teigt dien Abfftand des Mondes vpn dem nördlichen BtQPdisefanittspuncte (jnorderknoop) an; eine sechste dttt^liänge des Mondes auf der Ecliptik, Eine sie- b^eilJte und achte Kreisfläche an der Wand mit ei- nenii SiMidenzeiger weisen den verschiedenen Auf- uttd U B t erging des Mondes an.

Die^ ganze merkwürdige Kunstgetriebe wird dmdi IM hölzerne Räder und einen kleinen Pendel in Bewegung gesetzt , welche einmal wöchentlich auf« gtstfogtttt* werden. Alle 3 4 Jahre wird das ganze, sehv einfech zusammengesetzte fiäderwerk auseinander- gttegty um es abzustäuben und mit Baumöl einzu- schmfwreiai

kb^ sah den. damals 84jährigen Erfinder, dessen beigefugtes Bildniss wohl getroffen ist, einen sin- xagi»i aBftpmehlosen^ allgemein verehrten Greis, und konnte nicht umhin, den berechnenden Schai*&inn und dJwB fechniBche Erfindungskraft des Mannes zu bewun-» d^ern, der ohne alle gelehrte Bildung, ohne Unter- fMiC in der Sternkunde, sich durch seines Geistes Kraft so w€tt emporschwang, dass er, überdiess bloss «n d)en wtnigen Mussestunden , die sein bürgerlicher Beraf ilim übrig Hess, ein Kunstwerk zu Stande brachte, an d^am selbst Gelehrte lernen kennen. Der berühmte Plroftssor der Naturkunde zu Franeker, später zu Amsterdam, J. H. van S^vinden, gab daher schon im Jahre 1780 eine mit Begeisterung vcrfasste

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Beschreibung davon heraus, welche im Jahre 1824 sum zweitenmalc mit einigen Znsatzen und drei Rup- fertafelPs «o wie dem Blldniss Eisinga's herausgege- ben winden ist, Franeker bei T, J* TvilfSTBA. Auch- genoss der Erfinder die Ehre, dass der König der Niederlande selbst sein Kunstwerk besah, welcher es ihm nachher fiir 10,000 £1. and ftir 200 fl. Pension, welche nach seinem Tode auf seinen Sohn , und nach dessen Tode auf seinen Enkel übergeht, hat abkaufen lassen. Jedoch bleibt es noch sein Eigenthnm und in seinem Hause bis an seinen Tod. Auch hat er den untersten Grad des niederländischen Löwenordeos er-' halten. *)

*) In verflossenem Jahre hat 3 Stunden ton hier, im Dorfe llomherg, ein Drechsler Aeuer gleichfalls ohne allen gelehrten Unterricht genossen su haben, ein Planetarium zu Stande gebracht, welche« mit dem obigen yiele Aehnlichkeit hat Es ist io einem kreisrunden Kasten von etwa 3 Fuss Durch- messer ausgeführt, auf dessen oberen Fläelie sich die Planeten in ihren Bahnen bewegen. Neben die- sem befindet sich eine inwendig hohle Säule> worin dtis L'hrwerk ist, welches die Bewegung henor- bringt in seinen Leistungen kommt dieses Werk- zeug^ fast ganz mit obigem überein. In demselben ist überdies die wahre Neigung der Bahnen durch eine sehr einfache Vurricbtung herrorgebracht. Nämlidi die bewe«^Uchen messingenen Kreise, wor- auf die Plabetcn befestigt sind, haben keine Achse» sondern der Umfang eines jeden ist an verschiede- nen Puncteu auf eine Rolle gelegt , die selbst von einer kleinen auf dem Tisch befestigten Säule ge- tragen wird. Die flöhe dieser Säulen ist nicht für

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In Franeker ist auch eia sogenanntes Athe* na Hin 9 eine Universität sweiten Ranges, welche den Unvennögenden das Stndiren erleichtern soll» indem sie sie in einen Theil der Universitätswissensdiaften dnfuhrt^ so dass sie nur noch ein oder zwei Jahre auf einer der Universitiiten ersten Ranges (Leiden, Ut- recht oder Groningen) zu stndiren brauchen.

Zq diesem Zwecke sind 7 Professoren angestellt: einer fSr die reformirte Theologie, welcher die Kirchengeschichte, Hermeneutik und natür- liche Theologie liest^ einer für die Jurisprn- dens, welcher die Institutionen, Pandekten, das Maturrecht und das neuere bürgerliche Recht vorträgt; zwei iür die Medicin, deren ei- ner die Anatomie und Ph/siologie^ der andere die Boianika Chemie^ Pharmacie undmateriam medicam vovtrilgi; einer für die Philosophie und Mathematik; einer für die griechische und la- teinische Sprache und Geschichte, und einer für die morgenländischen Sprachen«

jede Rolle gleich, sondern so abgemessen, dass die durch die Mittelpnncte aller Rollen gelegte Ebene gegen die des Tisches, welche die Ecliptik dar- ■tellt, die wahre Neigung hat

Auch hat der Künstler durch einen ihm eignen» sehr einfachen Mechanismus bewirkt, dass sich die Planeten bei ihrem Umlauf um die Sonne zugleich um ihre Achse drehen , und diese stets sich selbst parallel bleibt Auch das« Aeussere dieses Werk- zeugs ist so sauber gearbeitet, das es zur Zierde jedes Zimmers dienen kann.

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Die Theotogen und Mediziner müssen noch swel Jahre, nnd die übrigen Studenten noch Ein Jahr auf einer der höheren Universitäten stodiren. Auch kön- nen sie auf dem Athenänm nicht promoviren. Die Zahl der Studirenden anf den Athenäen ist daher nicht bedeutend. In Franeker waren damals 40 Stu- denten, worunter 15 Theologen. Die Besoldung der Professoren auf den Athenäen ist nur 1600 fl., an£ den Universitäten zu Utrecht und Groningen dagegen 2200 ü., nnd zu Leiden 2800 fl.

Unglücklicher Weise war bei meiner Anwesenheit za Franeker gerade Vacanz, so dass ich wenig inter- essante Bekanntschaften machen konnte.

Auch in D eventer ist für die Provinz Over- yssel nnd in Amsterdam für die Provinz Hol- land ein solches Athenäum. Das zu Franeker wird, weil ea ehemals eine Universität war, vom Staate unierhalten, die übrigen aber von den Städten, wo sie erriditet sind. Unter dieser Bedingung haben auch die Provinzen Seeland und Nordbrabant £r- laubntss erhalten, Athenäen zu Middelburg und Breda zu errichten, haben bisher aber noch keinen Gebrauch davon gemacht, sowohl wegen der Kosten, als der Menge der schon vorhandenen gelehrten An- stalten. Ebenso ist das, welches zu Haxderwyk (Sr die Provinz Gel derland auf Kosten des Staats errichtet werden sollte, unterblieben.

Wer Näheres über die Athenäen lesen will, vgl. in dem königl* organischen Deere te über den hö- heren Unterricht vom 2. Aug. 1815 Artv36 52.

wo

Des andern Morgens (Hlhe eilte ich in einer Schult nach der Hauptstadt Fries 1 an ds, dem grossen, schöngebauten f von vielen Gragten durchschnittenen

Leenwarden»

Hier hoffte ich nicht bloss mit dem Gefaingniss der Stadt, sondern auch mit den Sitten, und der re- ligiösen und sittlichen Cultur des Landes genau be- kannt zu werden, da Suebingar, einer der Stif- ter der bolländischen Gefangnissgesellschaft, daselbst wohnt, der mich eingeladen hatte, ihn ta besuchen. Unglücklicher Weise hatte ee des Tagca vorher eine Reise nach A m st er dam^ zur Jahresversammlung der MdoJtBchappy toi nuS t^an^t Jllgemeen angetreten, so dass wir auf der See an- einander vorbeigefahren waren«

Ich besuchte daher allein das Zuchthaus da- selbst, welches zugleich ein Hma van Burgerfyhe en MiätauB perzekering ist, und ward von dem gefalli- gen Commandanten, Major Steffenson, überall herumgeführt. Es ist für 800 Gefangene eingerichtet, enthielt damals aber nur 570, worunter 179 Weiber« Die Arbeitssäle sind gross, meistens neugebaut; an einigen baute man noch« Die Hauptbeschäftigan- gen sind Spinnerei und Wollenweberei, er- sterc vorzugsweise. Für letztere arbeiten 94 Weber, welche wollene. Decken zu Pferdedecken und zu Bett- decken für die Marine verfertigen. Ueberdies gibt es 80 Schneider, welche Monturen fürs Militär machen, und einige Zimmerleute für das Bedürfniss des

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Hauses. Die Schl-afsäle sind nach dem nenen all- gemeineh Plan sehr gross, so dass 80 150 m £i^ nem Saal in Hangmatten schlafcu. Gottesdienst wird des Sontags fiir die Evangelischen von einem Ka- techisirmeister und für die Katholischen von einem Stadtgeisilichen ihrer Confession gehalten , für Männer und Weiber besonders. Bisweilen, seit dem Jahre 1829 Smal wöchentlich ,( findet Katechisation statt, auch einmal wöchentlich in dem Uuis fon ^erzekering, wo es bisher an aller geistigen Pflege gebrochen hatte« Aber noch immer ist bei dieser Masse von Gefange- aen kein Scbulu nterricbl eingeführt. Klassifi- katioa ist nicht vorhanden. Die Condnitenlisten ent- balteo bloss die Disciplinarstrafen. Alle balbe Jahre werden Prämien [an Geld ausgetheilt, und die Strafe Eines, der sich am meisten ausgezeichnet, gemildert. Die Stadt hat ein grosses prachtvolles Rathbaus. Es herrscbt viel Reichtfaum in der Stadt und auf dem. Laade, und grosser Luxus in der Kleidung der Frauen, welche in keiner Provinz so häufig völlig verschieden von einander ist, noch so treu von Geschlecht auf Geschleckt unverändert überliefert wird, ^als in Fries- ]aod *), Ein allgemeiner Schmuck aller Mädchen und

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^) Wer ein leliiendiges Bild dieser mannichfachen inter- essautea Kleidertrachteii Fricslaiuiß und der übri- gen Provinzen der nördiichea Niederlande vor Au- gen haben will, wird vollständige Befriedigung er- halten in dem Werke» welches bei E. Maaskamp EU Amsterdam erschienen ist, in holländischer und französischer Sprache, unter dem Titel: J/beel- i!iMg€H ran de KUeding, Zeden d: Getcoonten m de

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Frauen, die vornehmen neumodischen ausgenommen, ist das sogenannte Ohreisen, ein goldnes, breites Band, welches an beiden Schläfen sehr breit, am Hinterkopf schmaler^ um den Kopf getragen wird, und 100 200 ü. kostet. Selbst die Dienstmägde tragen solche, und sparen oft mehrere Jahre den Lohn, um dieses Schmuckes nicht zu entbehren. Schon im 5. bis 6. Jahre erhalten die Mädchen welche, mei- stens nur von Silber, im 12. bis 13. Jahre erhalten sie ein zweites grösseres, und im 18. bis 20« ein drit- tes, das alsdann dir das ganze Leben dauert. Arme haben welche von Silber, selbst von Kupfer oder Zinn, doch sieht man diese nicht häufig. An nebeli- gen Winterabenden geschieht es wohl auf den Stras^ sen Leeuwardens, dass den Frauen ihr Ohreisen mit der Mütze vom Kopfe abgestreift und geraubt wird. Auch begegnet solches wohl den über Feld Gehenden, daher sie selbige aus Vorsicht bei solchen Gelegenheiten meistens zu Hause lassen. Nur die Frauen und Mäd- chen der feinen Taufgesinnten tragen keine, oder höchstens kleine nach altem Stjl. Zu dem Ohr^ eisen, welches von einer grossen Musselinhaube mit feinen Spitzen bedeckt ist, tragen viele noch ein gol- denes Stirnband, jedoch in anderer Form, als die Nordholländerinhen (s. Bd. L S. 22), welches

BataafieAe RepuhUek $ mei d$n Äanvang der ntgen- tümde Eetäb ete. Es enthält 22 sehr schöne, kolo- rirte Kupfertafeln in grösstem Quartformat, mit ausführlicher holländischer und franzosischer Be- schreibung.

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mit Juwelen besetzt ist, and worin diamantene Na- deln stehen, feraer eine Halskette von Gold oder Ton Korallen mit goldenem Schloss, nnd kostbare Ohrringe, ein Kopfputz, welcher, wie man leicht begreifen wird , biswellen an 2000 fl. kostet Hierza kommen endlich noch Armbänder von Korallen mit goldenem Schiösschen. Der Kopf der Friesinnen ist gewöhnlich so rund , dass er sich der Kugelgestalt nähert. Als ich nach der Ursache fragte, sagte man mir, dass man den Mädchen in dem ersten halben Jahre den Kopf rund zu drücken pflege, weil man dies für eine Schönheit halte. Auch die Ohreisen be- fördern diese Gestalt des Kopfes.

Des Nachmittags eilte ich auf einem Postkarren Bodi bis Heerenveen, um des andern Tages frühe in den Kolonien sein zu können. Im Anfang war der ^% gut» so lange wir auf der eben im Bau begrif- fenen Landstrasse, welche über Steenwyk nach Zwoll fuhren soll, bleiben konnten. Auch die Dör- fer, durch die wir kamen, waren schön gebaut, doch schon etwas anders, als in Holland; die Kinder lachten uns freundlicher an, auch die Erwachsenen waren fröhlicher und gesprächiger, so dass ihr Cha- rakter sich schon mehr dem deutschen zn nähern schien. Bald aber kamen wir in Öde, hier stuuden- bnge Torfmoor strecken, wo kein Haus, kein Saum, kein Gesträuch zn sehen, keine lebende Stimme n hören war, als das gellende Geschrei der Kibitse, wo rechts nnd links von dem schmalen Damm, worauf wir fahren, Snmpf, Moor nnd todter, schwaner

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Wasserpfuhi mit einander abwechselten, wp nur Torf- kaufen und einzelne Strohhütten Tur die Arbeiter sich über die wüste Fläche erhoben. Noch nie hatte ich das Bild einer so traurigen Einöde, einer so unwirth« baren Wüste gesehen, daher ich herzlich froh war' als ich mit einbrechender Nacht in dem Städtchen Heerenveen anlangte.

Des andern Morgens fuhr ich nach dem noch B Standen entfernten Friedrichsort. Zuerst kamen wir durch Büsche, dann durch ein sehr freundliches Lustwäldchen ^ Oranienwoud, wo einige Keiche aas Leeu war den Landhäuser gebaut haben, darauf aber durch sandige, unfruchtbare Strecken, wo nnr hier und da etwas Buchweizen wachs, and endlich über lange, Öde Haiden« Es war daher ein lieblicher An* blick für mich| ^Is ich Huf einmal mitten in der Wü- stenei üppige Fruchtfelder vor mir sah, so weit das Auge reichte, abwechselnd mit Obstbäumen und nied- lichen Häusern, und Gärtchen vor denselben, mit Blumen bepflanzt. 'Selbst mein Fuhrmann, so sehr er unterwegs über die Kolonien räsonnirt hatte, konnte hei diesem Anblicke sich nicht der Verwunderung und des Geständnisses enthalten: Wahrlich! diese Felder können mit jeder andern Fruchtgegend wetteifern.

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Freie Kolonien zu Friedrichsort und

WilhelmsorL

Ich stieg an dem Gasthause der Kolonie zn Frle- drichsort ab, und etite darauf za dem Adjanktdlrek- tor des Scbulanterrichts, F^iN IVoii^A^ an welchen General VAN den Bosch mir den Empfehlungsbrief tnifgegeben halle. Dieser führte mich alsbald mit vie- ler Freundlichkeit in der ersten Kolonie herum.

Die Iläu&er liegen meistens einander gegeniiber an breiten Fahrwegen, welche sich rechtwinklicht durch* schneiden, dadurch grosse regelmässige Vierecke bä* den, und schon vielfach mit Obstbäumen, auch sum Theil mit andern Säumen besetzt sind. Man hatte aucli Kanäle gegraben, welche die Kolonien dorck- sduuiten, und zur leiohteren Comomoication dienein sollten. Attein sie enthalten kein Wasser, da der BodcB lu hoch liegt, und sind daher unbrauchbar«

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Die übrigen Hauser liegen immer eine Strecke von den beiden andern entfernt , weil jedes Haus das dazu gehörige Land dicht um sich herum hat Die Häuser sind einstöckig, von Backsteinen gebaut, 16 Fuss im Quadrat gross, und haben ein Dach von Schilf. (Vgl. die beigefügte Zeichnung A, und den Gmnd- riss G.) Es ist nur eine Stube darin , in welche die Hauptthure (a) von- der Seite führt, Sie ist mit ro- then Sandsteinen belegt, und hat 2 Fenster nach der Fronte (b und c), zwischen beiden steht der Tisch (d), in beiden Yorderecken ein Schrank an der Wand und zwei Bretter fiir das Küchengeräthe (e), dem Tisch gegeniiber an der Hinterwand der Heerd mit dem Ka- min (0* An der Seite, wo die Thiire ist, steht in manchen Häusern ein Bett *(m). An der einen Hinter- ecke fuhrt eine Treppe (g) auf den Söller über der Stube,- wo die Schlafstätte für die Uebrigen und 3 Bettstellen sind. Neben der Treppe fuhrt eine Thiir (h) aus der Stube in die Scheune (i), und von da in den Stall (k), wo Kaum für 2 Kiihe (1) ist. Scheune nnd Stall sind hinten am Hause angebaut, so dass sie von der Fronte des Hauses ans nicht zu sehen sind, haben Wände bloss von tannenen Brettern und eine Breite von 16, auch wohl 20 Fuss, und eine Länge von 20, auch wohl 25 Fuss.

In der zweiten Kolonie sind die Häuser be- quemer and grösser gebaut, (vgl. die beigefügte Zeichnung B and den Grandriss D) , so dass neben der Wohnstnbe (a) zwei kleinere Schlafstuben (b und c) sind. Anch ist Scheone (d) und -Stall (e), worin

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gleichfalls Ranm für 2 Kiihe (Q ist, bei vielen von Steinen, bei andern von Holz gebaut and mit dem' Hans unter Einem Dach.

Jeder Kolonist erhält wenigstens 1050 » in der Regel 1700 Ruthen Land (600 g l^nthen » 1 Mor* gen). B50 Ruthen davon sind vor seiner Ankunft schon urbar gemacht und bestellt, damit er bei seiner Ankunft etwas zu leben habe. Zugleich erhält er eine Kuh, und im zweiten Jahre , wenn sein Land mehr behaut ist, die zweite Kuh, ^- diese erhält jedoch nicht Jeder, in der neuesten Zeit nur die Wenig- sten, — und ein junges Schwein, um es zu mästen« Einzelne erhalten auch wohl noch 6 10 Schaafe»

Die Arbeit verrichtet er nach folgender Ordnung!

Jede Kolonie besteht aus 100 Familien, und ihr ist ein Unterdirektör vorgesetzt. Zugleich ist sie wieder in 4 Reviere {uyhen) abgetheilt, jede von 24 Familien, deren jedem ein Revier meist er iu^k» meester) vorsteht, wo möglich ein ehemaliger Unter* ofBzier. Jedes Revier ist wieder in 2 Abtheilungen oder Rotten (sectien) getheilt, und jede Abtheilung steht unter einem Rotten fiihrer {sectienieeater)^ dar wo möglich aus dem Bauernstande gewählt ist, und seine Abtheilung in der Feldarbeit zu unterrichten and sa beaufsichtigen hat.

Des Abends vorher holen alle Reviermeister bei dem Unterdirektor die Befehle für den folgenden Tag« Des andern Morgens um 5 Uhr im Sommer, am 8 Uhr im Winter, wird durch die Glocke das Zeichen nun Aufstehen :gegeben. Eine Stande später, i>eim

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"■''>^*'^ rb' v-Wrf>je«i-A.

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tweiten GelHate, versammeln sieb alle Männer und Jungen über 12 Jahren vor dem Hause ihres Revier- meisters, wo die Namen verlesen, nnd die Abwesen- den aufgezeichnet werden, welche für diesen Tag nun keinen Lohn verdienen.

Jeder Rottenführer führt seine Abtheilnng alsdann nach dem ihm angewiesenen Land, und la'sst sie unter seiner Aufsicht arbeiten. Der Boden in ddn freien Kolonien ist meistens sandige Haide, wo unter dem Haiderasen nur ein Paar Daumen breit Veen (torfar- tiger Boden) liegt, und dann der Sand folgt. Die. erste Arbeit der Kolonisten besteht daher im Abste- chen des Haiderasens , der aaf Haufen gesetzt wird. Darauf wird der Boden 2 Fuss. tief umgegraben, da- mit der Sand sich mit dem Veen vermische, und bleibt während des Sommers und Winters liegen. Im näch- sten Frühjahre werden die Rasen mit langsamem Feuer verbrannt und mit dem Mist untergepflügt, und der Boden besäet. Zum Pflügen wird für jede Abtheilung ein Paar Ochsen oder Pferde gehalten.

Auch alle andere Feldarbeit wird auf erwähnte Welse gemeinschaftlich verrichtet, und jedem Koloni- sten nach seinem Fleiss, indem alles per Stück gear- beitet wird, ein Taglohn dafür gegeben.

Jeder Samstag ist bloss zur Bereitung von Dün- ger bestimmt« Jede Familie muss wöchentlich 3 4 Fuder Dünger (das Fuder =«= 1000 Pfund) bereiten, indem sie einen Haufen Haiderasen an den Mistplatz setst^ welchen sie mit dem Kuh-, Schaaf- und Men- sdenmist und einem Scheffel Kalk vermengt Auf

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diese Art kann sie jeden Sommer 80 Fuder Dünger madien, der 50 Fader Koihmist gleichgerechnet wird«

In dieser Berechnung , welche man in den ersten Jahren aufstellte, hat man sich jedoch geirrt, wie die Erfahrung bald lehrte* Denn nachdem die Haidte and das Yeen der nächsten Umgegend verbraucht war, man gelte es zur Düngerbereitnng an diesem Hauptmist- stoff. Da die angelegten Kanäle wasserleer waren und blieben, so wurde es zu kostbar, die Ilaide and das Veen aus der Ferne auf der Axe za holen« Dem hier- durch entstehenden drückenden Mangel an Dunger hat man auf mancherlei Art abzuhelfen gesucht, seit dem Jahre 1827 vorzüglich dadurch , dass man , wie es in manchen Gegenden Brabants Sitte sein soll, Gin- stern (drem) unter den Roggen säet, nach geerndte- tem Roggen die Ginstern stehen lässt, welche im zwei- ten Jahre hoch aufschiessen , und darauf sie entweder noch im Herbst des zweiten , oder im Frühling des dritten Jahres unterpflügt. Für ein solches Feld hat man bei dem Besäen mit Roggen oder Flachs, oder bei dem Bepflanzen mit Kartoffeln keinen Dünger nöthig, ja es soll für mehrere Jahre hinreichend dün- gen. Da die damit seither gemachten Proben nach der Versicherung der permanenten Kommistie befrie- digend ausgefallen sind, so fängt man jetzt an," diese Weise mehr allgemein einzuführen.

Die Zqit, welche die Feldarbeit im Jon! and in der ersten Hälfte des Juli übrig lässt, wird ange- wandt, die Kolonisten Torf für den Winter stechen lu lassen, wofür ihnen ebenfalls Taglohn bezahlt wird«

7 *

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I>ie 850 900 Rathen von ihrem Lande, welche man vor ihrer Ankanft zubereitet und besteilt, werden in folgender Art bestellt:

Nämlich 50 Ruthen mit groben Küchengewächsen, , 1-00 9 y% 9 Friihkartofieln,

275 9 9 n Spätkartoffein, 455 9 9 9 Hafer oder Buchweiien, oder Spörgel (qjurry), mit Klee u. Reihgras.

Summe 880 Ruthen. Im xweiten Jahre werden 875 Ruth, mit Roggen bestellt.

125 « ,, FnihkartofTein,

250 0 0 Spätkartoffeln,

150 9 ^ Klee,

300 9 9 Gras und Heu,

100 ^ ,1 Gartengewächs.

Summe 1300 Ruthen. Im dritten Jahre werden 500 Ruth, mit Klee bestellt,

COO Roggen, 437^2 9 9 Kartoffeln, 62*4 » Stallfutter, 100 ff Gartengewächs.

Summe 1700 Ruthen.

Wo dem Kolonisten 2100 Ruthen statt 1700 ein« geränmit werden, was vielfach, ja gegenwärtig allge- mein geschieht, werden die 400 übrigen Ruthen noch mit Roggen besäet , der in den Kolonien vorzüglicfai gat geräth.

Das Roggenland wird nach geerndtetem Roggen mit Spörgel und der weissen Futterrübe (turrups)

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besäet, nm eine zweite Erndte zu erhalten, and der Garten ond ein Theil des Spätkartonellandes mit Win- terroggen, der im Frühjahr als Stallfntter dient. Nach dem Ablauf des dritten Jahres tritt ein regelmässiger Wechsel mit den Feldfrilchten ein, der sich nach den Umständen richtet Als allgemeine Regel wird festge- halten, dass für jede Familie jährlich zu ihrem Bedarf nötliig sind:

100 Ruth, für Gartengewächse n. Friihhartoffelni

200 « Spätkartoffeln,

400 , , Roggen,

600 - , Sommer- und Winterstallfutter.

Sum. 1300 Ruthen.

Das übrige Land wird angewandt, wie es (lir die Kolonisten und für die Gesellschaft am vorth eilhafte- sten ist, daher die Art des Bestellens der Felder jährlich durch einen besondern Beschluss bestimmt wird.

Die weiblichen Glieder der Familie werden in der Spinn schule, welche für jede Abtheilung in der Scheuer eines Kolonisten eingerichtet ist, im Spinnen von Flachs und Werg unterrichtet, und dürfen, wenn «ie ileissig sind, darnach zn Hause spinnen, sonst im allgemeinen Spinnsaale. Die Jungen unter IS Jahren spinnen in der Zeit, wenn die Feldarbeit sie nicht beschäftigt, Wolle. Auch die erwachsenen Kolonisten können in den 3 ersten Jahren, so lange ihr Land noch nicht völlig urbar gemacht ist, in der Winter- seit sich durch Spinnen etwas verdienen. Die Spinn- arbeit wird nach ^em Pfiind bezahlt.

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Id jedem Revier soll ein Schuhmacher .und ein Schneider sein, 2 oder 3 Strumpfstricke- rinnen, 2 oder 3 Leinennähterinnen, «in VVebcr und 2 oder 3 Wollen - Nähtefinnen. In jeder Kolonie sollen wo möglich 2 Zimmer- leate sein, 1 oder 2 Maurer, 1 Schmidt, 1 oder 2 Untmaeher n. dgl. Wenn deren unter den Ko- lonisten nicht sind, sollen welche dazu angeleitet wer- den. Die genannten Fabrikarbeiten, welche mit Eifer zunf grossen Nutzen der Kolonisten betrieben werden, sind in der letzten Zeit noch vermehrt worden mit dem Drehen beinerner Knöpfe und einer Seilerei. Ueber- haupt sollen aber alle diese Fabrikarbeiten , Flachs- spinnen ausgenommen, nur, soweit es der eigne Be- darf der Kolonisten erfordert, verrichtet werden, in- dem der Landbau die Hauptsache für sie bleiben nrass. Die Grundstoffe fiir die Fabrikarbeiten sollen allmählig in den Kolonien selbst erzeugt werden«

Bei ihrem Eintritt in die Kolonie erhält jede ge- wöhnliche Hanshaltung von der Gesellschaft vorge- «chossen: täglich 6 Pfund Brod, welches aus 25 Pfand Kartoffelmehl und 30 Pfund Boggenmehl gebacken wird, nnd wöchentlich 3 4 Scheffel Kartoffeln, so wie 25 Stiiber für Ladenwaaren, welche sie aber, am möglichem Missbrauche vorzubeugen, statt haaren Ge;l- des in Kärtchen bekommt, die in den Kolonialladen %\$ MSnie angenommen werden. Solcher Laden aind an jeder Kolonie zwei. Einen darf der Unterdirektor halten tür Vermebrang seines Gehalts, jedoch nur nach einem von der Gesellschaft festgestellten Tarife.

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Einen zweiten lasst die Gesellschaft^ damit kein La- denzwang entstehe, von einem Kolonisten oder Re- viermeister haken. Jedoch erhalten die Kolonisten auch vom Buchhalter baares Geld gegen ihr Papiergeld aasgewechselt, wenn sie ausserhalb der Kolonien La- denwaaren kaufen wollen, wozu sie Einen Tag in der Woche Erlaubniss bekommen, jedoch unter der Be- dingung, dass sie das Gekaufte bei der Rückkehr dem Reviermeister vorzeigen. Den Ilaushaltangen, worin Waisenkinder sind, werden 8 Pfund Brod statt B täglich gereicht, und y^ Pfund Fleisch oder Speck für jedes Kind. Die Kolonisten, welche Ein Jahr in der Kolo- nie sind, erhalten monatlich 8 fl. 33 Cts. für Klei- dangsstiicke.

Das den Haushaltungen Vorgeschossene wird ih- nen von dem Arbeitsverdienst abgebalten, und später, wenn sie von ihrem Lande erndten können, zum Theil von den Feldfrüchten und zum Theil von dem Tag> lohn» Dazu müssen sie noch 10 Procent von ihrem gesammten Verdienste für den Verwaltungsfonds abgeben, woraus die Beamten und das Zugvieh bezahlt werden. Der Rest des Verdienstes wird ihnen zur Hälfte ausbezahlt, und zur Hälfte gutgeschrieben, um dafür später ein Schwein, Kleidungsstücke und andere Bedürfnisse zu erlangen* So lange der Verdienst we- niger beträgt, als der Vorschuss, wird das Fehlende ihnen zur Last geschrieben, und bei der Erndte von den Fcldfrüchlen abgehalten.

Ist jedoch der geringere Verdienst Folge der Faul- heit, so wird zuerst jedem Glied der Familie ein

■■./^^»i^rz. i,-ev.*-Hht -.

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.^sdmmtes Arbeits - Pensam anfgegeben« Hiifit dies oicht, 80 versammelt der Direktor den Aufsichtsratb der Kolonie [Raad uän Ibexigt), welcher ans dem Un- lerdirektor, 2 Reviermeistem und 2 Kolonisten bestebt, zur Untersachang. Venirtheiit dieser deli Kolonisten, fo wird derselbe darch den Direktor vor eine Kommis- tion von Ehrenmitgliedern der Gesellschaft zu Steen- w yk , den sogenannten Polizeirath (Ilaad t^an PoÜcie)^ gestellt, und wenn schuldig befunden, zur Strafkolonie nach Annerschans versetzt ^

Ferner müssen die Kolonisten fährlich 60 fl. Rente bezahlen von dem Kapital, was ihr Gütchen gekostet hat Dieses, das Häuschen mit den dazu gehörigen

1700 Ruthen Land, wird auf folgende Weise ange- rechnet :

Ankauf des Landes 100 fl.

Die Gebäude 500

Hausgeräthc und Kleidung . . . 250 ^

Uebertrag 850 fl.

*) Die proTisorische Kommission Cprovisiouele Kommissie) der Gesellschaft hatte in ihrem im Jahre 1818 herausgegebenen allgemeinen Bericht S. 58 u. 00 als Strafe für die Faulen vorgeschlagen, dass man ihneq, nur Im Verhältnjss ihrer Arbeit, zu es- sen geben, und die Hartnackigen in das Haus eines der Aufseher versetEen j^olle, ivo sie so lange ar- beiten müssten, bis sie das Essen verdient hätten. Man fühlte indess bald, dass diese Strafart nicht auszuführen, "wenigstens nicht immer anzuwenden sei. Daher ist sie auch meines Wissens gar nicht in Anwendung gekommen.

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Uebertrag 850 fl.

Urbarmachung \or ihrer Ankoiift . 200

Allgemeine Vorschüsse •••.«•• 50 »

Ankauf der Kiihe 150 ^

Urbarmachung nach ihrer Ankunft 200 Ankauf von Flachs und Wolle zum Spin- nen, und Spinnlohn im ersten Jahr 200 y, Besondere Torschüsse 50

Summe 1700 fl.

Von den 1200 fl* fiir Hans, Land und Kühe be- lahlen sie die Rente von 60 fl* Die Ausgabe von 800 fl. für Hausgeräthe, Kleidungsstücke und Vorschüsse wird ihnen als Schuld zur Last geschrieben, die sie mit 25 fl. jedes Jahr abtragen müssen. Ueberdles hat jede Haushaltung jährlich 50 fl. zu dem Fonds für Feldarbeit beizutragen, woraus der Taglohn für die Feldarbeiten, welche alle yon den Kolonisten gemein- schaftlich gethan werden, bezahlt wird.

Die Kleidung, welche sie ziemlich theuer be- sahlen müssen, weil sie in den Kolonien bereitet -wird, erhalten sie sowohl dem Stoff ab dem Schnitt nach Ton der Gesellschaft, und müssen die bestimmte Form beibehalten, damit der Modesucht vorgebeugt werde. Die Farbe der Kleidung ist dunkelblau, mit einem hell- bhaen Rande. So lange sie nicht abbezahlt ist, wird Qir Zustand wöchentlich untersucht

So lange ein Kolonist noch nicht zuverlässige Be- weise von Fleiss und Sparsamkeit gegeben hat, gehört er lur dritten (letzten) Klasse, und ist verpflichtet, der Kolonialdirektion jährlich:

IQo

1) 60 fl. oder dea Werth davon fiir die Miethe des Haases und der Kiihe, und 50 fl. zu dem Fonds fiir Feldarbeit zu entrichten ;

2) 30 Scheffel Roggen einzuliefern, um 6 Pfund Brod täglich davon zu erhalfen;

3) 160 Scheffel Kartoffeln als Wintervorrath einzu- liefern, vovon ihm wöchentlich 4 Scheffel vom 1. Novbr, his 1. August gereicht werden;

4) 25 fl. zur Abbezahlung seiner Schuld zu entrichten ; 6) 10 Procent seines Verdienstes fiir den Verwal- tungsfonds ;

6) die HälHe seines Verdienstes, mit Ausnahm^ der wöchentlich ihm für Laden waaren gegebenen 25 Stüber;

7) das nöthige Saatkorn einzuliefern.

Die übrigen Feldfriichte werden zu seiner Dispo- sition gestellt.

Dieser strengen Einschränkung und Bevormundung muss sich jeder Kolonist so lange unterwerfen, bis er sich ein grösseres Vertrauen erworben hat. Sie ist nö- thig geworden durch die sittliche Beschaffenheit der meisten Familien, da di^se, seit langer Zeit in Dürf- tigkeit lebend, und vielfach durch Unordnung und Verschwendung dazm herabgesunken, nicht zu sparen, noch einzutheilen wUssten^ wenn sie über einen Werth von 200 ^ 30p fl. an Feldfnichten disponiren könn- ten, wovon sie das ganze Jahr hindurch leben sollen. Auch der Leidenschaft de« Branntweintrinkens, welcher sehr Viele qnterthan isind , soll obige £iarichtttng ent-

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gegcnwirken, so wie denn anch in keinem Laden der Kolonien Branntwein verkauft werden darf.

Die Kolonisten, welche dnrch Fleiss und gutes Be- tragen sich ein grösseres ' Vertrauen erworben haben, erhalten zur Auszeichnung eine kupferne Medaille, die an einem orangegelben Bändchen getragen wird, ond mit der UmschriA: Belohnung guten Betra* gens, so wie mit dem Namen des Trägers versehen ist, und steigen zur zweiten Klasse auf. Sie sind nur verpflichtet, die 60 fl. filr die Miethe und die 60

fl. zum Fonds für Feldarbeit zu entrichten, sodann

36 Scheffel Roggen für das Brod einzuliefern, und nachzuweisen, dass sie 160 Scheffel Kartoffeln Win» lervorrath haben, womit sie bis zur neuen Erndte der Frühkartoffeln im nächsten Jahre auskommen müssen. Kommen sie nicht damit aus, und müssen sie die Un- terstützung der Gesellschaft ansprechen, so verlieren sie die Medaille, und sinken wieder zur 3. Klasse hinab. Auch erwirbt die Medaille das Recht, an Sonn- nnd Festtagen aus der Kolonie zu gehen, ohne £r- laubniss einzuholen.

Wer einen noch grösseren Grad von Vertraoen sich errungen hat, erhält eine silberne Medaille, und steigt zur ersten Klasse auf. Er hat alsdann ' das Vorrecht, dass er sein Land nach Belieben ent- weder allein, oder gemeinschaftlich bebauen kann. Im ersten Falle isl er anch des Entrichtens der 50 fl. zum Fonds für Feldarbeit enthoben. Ueberdiei darf er je- den Tag ohne besondere Eriaobniss aus der Kolonie geben«

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Wer alle Schnlden abbezahlt hat, erhält eine g o I- d e n e Medaille, und ist von allen Kolonialbestimmnn« gen, ausser in Betreff der Kleidnng und der Erzie* liung seiner Kinder, entbanden^ so dass er wie ein gewöhnlicher Pächter behandelt wird«

Innerhalb der 11 Jahre des Bestehens der Kolo- nien haben nur 70 Kolonisten die kupferne, 28 die silberne, und einer die goldene Medaille erhal- ten« Man hat daher, da sich der aus diesem Anf- munterungssjstem erwartete grosse Nutzen nicht erge- ben hat, in der letzten Zeit mit diesen Preisverthei- langen autgehört. Nach S. 62 der ^erzameling f^an reglementaire ^ ufetten etc* sollte auch alle 14 Tage ein Fest gegeben werden, wozu die sich durch gu* tes Betragen Auszeichnenden eingeladen werden soll- ten. Indess sind diese Feste entweder gar nicht, oder nur eine kurze Zeit hindurch gehalten worden, da man auch sie ihrem Zweck nicht entsprechend fand.

Die Beförderungsmittel der sittlichen und religiösen Ersiehung der Kolonisten sind, ausser der Arbeit:

1) eine strenge Beaufsichtigung und äussere Zucht;

2) die Bestrafung der hartnäckig Schlechten;

3) die Belohnung der sich rühmlich Auszeichnenden ;

4) Beligions- und Schulunterricht.

1) Beaufsichtigung und äussere Zucht. Der Reviermeister ist gehalten, wenigstens einen um den andern Tag alle Haushaltungen seinem Reviers zu besuchen, und über Reinlichkeit und Ord- nung darin lu wachen. Der Rottenführer muss

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auf dem Felde dafür sorgen, dass von den Arbeitern nicht geflucht 9 noch sonst Ungesiemendes geredet oder gethan werde. Der Unterdirektor hat wenigstens einmal wöchentlich jede Familie za besuchen, nnd nach* snsehen, ob die Reviermeister ihre Pflicht thnn* Der Adjanktdirektor hat wenigstens alle 14 Tage alle Haushaltungen der seiner Au&icht untergebenen Kolo- Bien zu besuchen , zuzusehen , dass die Unterdirekto- Ten nicht lässig sind in ihrem Amt, und wöchentlich dem Direktor darüber schriftlichen Bericht zu erstatten. Der Direktor soll jeden Monat in jeder Kolonie eine gewisse Anzahl Familien, besonders solche, wel- che die meiste Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, beiuchen und die Unterbeamten kontrolliren*

Jeden Samstag versammelt sich ein V erwaltungs- rath, aus dem Adjunktdirektor und den Unterdirekto- ren bestehend, worin die Angelegenheiten der Kolo- nien und der einzelnen Familien berathen werden.

2) Strafen. Der Aufsichtsrath und der Polizeirath nntei suchen und bestrafen die Vergehen der Koloni- sten auf die S. 104 angegebene Weise«

3) Belohnungen. Sie finden statt durch Aufsteigen in eine höhere Klasse u. s. w., wie eben bemerkt worden ist; 4) a) Religionsunterricht. Die Protestanten zu Friedrichsort gehen lA die reformirte Kirche zu VIedder, einem ^/^ Stande davon entfernten Dorfe. Der dortige Pfarrer hilt jedoch auch des Sonntags Abends in einem Schul-

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saale einer der Kolonien fiir die Kolonisten Gottes- dienst Wöchentlich gibt er den grössten Theil ^es Jahres faindorch zweimal den Kolonisten in verschiede- nen Klassen Religionsunterricht Für die katholi- schen Kolonisten zu Friedrichsort Ist ein Kaplan des katholischen Pfarrers zu Steen^ykerWolde ei- gens von der Regierung angestellt und mit 600 fl. be- soldet« Jedoch erhält er für jede katholische Koloni- stenfamilie, die zu seiner Gemeinde gehört, von der Gesellschaft eine Zulage von iy2 fl- Für den katholi- schen Gottesdienst jst ein besonderes Gebäude zu Frie- drichsort errichtet, das zugleich zur Schule dient Auch der katholische Pfarrer zu Steenwykerwolde, dessen Kirche und Katechitationen die katholischen Ko- lonisten zu Wilhelmsort besuchen, erhält eine sol- che Zulage, desgleichen die reformirten Prediger zu Yledder und S teen wykerwolde. Die Protestan- ten zu Wilhelms ort gehen nämlich in die refor- mirte Kirche zu Steenwykerwolde, wovon sie zum Theil nur yi,., zum Theil aber auch % Stunden ent- fernt sind. Des Sonntags Abends hält in dieser Kolo- nie der Schul lehr er eine gottesdienstliche Vorlesung. Die wöchentliche Katechisation geschieht vom reformir- ten Pfarrer zu Stecnwjkerwolde in derselben Art wie von dem Pfarrer zu Vledder.

Bibeln, Gesangbücher und Traktate werden hin- reichend nnter sie vertheilt, und nach den Berichten der Geistlichen übt die Religion einen wohlthStigen Einfluss aaf ihre Sittlichkeit und Zufriedenheit Noch im letcten gedruckten Jahresberichte von 1828 S. 43

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rübint die permanente KommUsie sehr den religiösen Sinn der Kolonisten, und bemerkt, dass diejenigen un- ter ihnen, welche sich in letzterer Hinsicht besonders auszeichneten, zugleich die vergnügtesten, fle^igsten nnd gehorsamsten seien.

Die Zahl der Kolonistenfamilien zu Friedrichs- ort und Wilhelms ort ist gegenwärtig, Ende 1829, ivsammen 350, ^\t Seelenzahl 2250, worunter 1782 Protestanten, 521 Katholiken und 47 Juden. Hierunter gehören 82 Seelen den Beamtenfamilien an. Die Sterblichkeit der Bevölkerung betrug wahrend des Jahres 1827 nur 1 von 140. Seelen.

b) Schulunterricht.

In Friedrichsort nnd Wilhelmsort sind 0 Schulen mit 8 Lehrern, welche 500 Kindern Un- terricht geben. Diese gehen bis zum 13* Jahre in die Schule, ein Th eil einmal, ein Theil zweimal täglich 2 Stunden. Die älteren erhalten überdies noch eine Stunde des Abends Unterricht. Lesen, Schreiben nnd Rechnen sind die Hauptunterrichtsgegenstände. Anch vaterländische Geschichte wird gelehrt, nnd etwas Erdbeschreibung, aber keine bibli« sehe Geschichte. Seit einiger Zeit gibt es auch Sonntagsschulen, welche die Schullehrer halten und worin biblische Abschnitte gelesen und erklärt wer- den. — Die Kolonisten, welche ihre Kinder nicht fleis- sig zur Schule schicken, bekommen keinen Urlaub.

Der Adjunktdirektor VAN WoLDA hat die obere Leitnng über diese Schulen , so wie iiber die in den Kolonien za Annerschan» und Yeenhniien* Er

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ist gehalten, wenigstens einmal v5chentllch jede Schule zu besuchen, und monatlich die Schulberichte dem Di- rektor der Kolonien einzuhändigen«

Mach dem letzten Jahresberichte von 1828 sind die Schulen in blühendem Zustande, und hat sich darch die Thätigkeit des VAN WoLDA unter den Schul- lehrern ein Verein gebildet, welcher zu gewissen Zei- ten zusammen kommt, und sich die Beförderung des Schulunterrichts, so wie ihrer eignen wissenschaftlichen Bildung angelegen sein lässt.

Für die leibliche Pflege der Kolonisten sorgt ein in Friedrichs ort eigens angestellter Arzt, wo auch eine Apotheke eingerichtet ist.

Was die äusseren Verhältnisse der übrigen Kolonialbeamten betrifft, so erhält jeder Unter- direktor, ausser seiner Wohnung, einen Gehalt von 365 fl., der bis zu 500 steigen kann, und die Aussicht, einen Laden zu halten, der 300 500 fl. jährlich eintragen kann« Durch Eifer und Treue kann er zum Amt eines Adjunktdirektors der IL Klasse aufsteigen, welcher 1000 fl. Gehalt und die Aufsicht über 5 Kolonien hat. Ein Adjunktdirektor der IL Klasse kann zum Adjunktdirektor der ersten Klasse aufsteigen, welcher 1800 f). Besol- dung geniesst, und die Direktion über die Anlegung einer neuen Kolonie erhält.

Der Reviermeister erhält, ausser freier Woh- nung, für jede Haushaltung, die durch eigenen Fieiss besteht« und keine Schulden macht, wöchentlich 4 Stüber, und für eine Haushaltung mit Waisenkindern

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in gleichem Falle 6 Stiiber» so dass sein Einkommen, wenn er eifrig sein Amt thnt, an 5 6 fl. w8chen^• lieh steigen, im Gegendieil aber auch in 2 8 fl« sinken kann. Bei gutem Betragen und Handhabong der Ordnung in der Kolonie erhält er nach Einem Jahr 2 il. wöchentlich Zulage. Er hat die Anssich^ zum Unter dir ektor u. s. aufinsteigen«

Der Rottenftihi'er geniesst 12 Stabes für ]e* den Tag, an welchem e^ die Kolonisten unterrichtet Er kann zum Aufseher bei der Anlegung neüfir Kolonien aufsteigen, wo ef 5 ^^ 6 f). wöchentlich et* halt, u. s. w. zum Revier meister titd.

Der Kolonist kann zum Rottenführer beför^ dert werden, tl» s. bis zum Adjunkt direkt dr steiget!.

Auch der Buchhalter, welcher neben freier Virohnung 7 fl* wöchentlich geniesst, und deren in je-? der Kolonie eiaer zur Führung der Rechnungen ange- stellt ist, kann bis zum Adjunktdirektor steigen; ebenso der Aufseher über die Fabrikarbeil bis zum Adjunktdirektor über die Fabrikate« Auch deren befindet sich einer in jeder Kolonie, und steht unter dem Direktor der Fabrikate, wel- cher die gesammte Fabrikarbeit in den Kolonien i^eitet*

Auf diese Art ist dem Eifer ^ der Treue und dei^ Geschicklichkeit jedes Kolonisten und Beamten eine weite, günstige Aussicht geöffnet.

Die Kolonisten selbst sind theils dürftige, je-> doch bürgerlich ehrbare, den Armenverwaltungen zQf II. 8

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Litt gefallene Familien, theils Waisen- und änderte Annenkinder, z. B. Findlinge, welche von den Städ- ten ond Dörfern, die sie nnterfaalten mnssten, vermöge daes Contraktf mit der GeBelUchaft hierher geschickt worden sind. Mach diesem Contrakt übernimmt die- selbe von ihnen je 0 Waisenkinder, 6 Jahre und dar- Hber alt, welche for Eine Familie gerechnet, und ei- nem kinderlosen Ehepaare, oder einer kinderlosen Wittwe aur Erziehong sngetheilt werden, und 2 andere arme ü^amilien, , jede höchstens zu 6 Personen. Dage- gen bezahlen sie jährlich 60 fU für jedes Waisenkind, (wogegen für die beiden andern Familien nichts bezahlt wird), so lange, bis sie eine Summe von 5100 £!•, welche die Gesellschaft zum Behuf der Wohnungen, Ländereien und ersten Einrichtung der 3 Familien auf- genommen hat, also 1700 fl. (ur jede Familie^ nebst den jährlichen Zinsen von 5^4 P^ocent völlig bezahlt haben« Ebenso können auch die kontrahirenden Be- hörden, wenn sie keine Waisenkinder zu schicken ha- ben, bloss arme Familien senden, und müssen dann lur jeden Kopf einer Familie, so viele diese beim Eintritt in die Kolonie hat, jährlich 25 fl. so lange be- aahlen, bis eine Summe von 1700 fl. nebst den Zinsen von 5V2 Procent für jede Familie völlig bezahlt ist. Bagegen verbindet sich die Gresellschaft, das von ihr In Bezug auf das Gütchen einer jeden Familie aufge- Itoramene Kapital von 1700 fl. höchstens innerhalb 16 Jahren abzulösen und zu tilgen, so dass sie nach Ab- lauf dieser 16 Jahre den Kontrabenten das Eigenthums- .»redit itif diese Kolonistenwohnungen nebst den zu je-

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<ler gehörigen Ländereien von wenigstens 1650 Rnthea übergibt, rait dem Vorbehalt jedoch, dass sie (ür arme Familien oder Waisen über diese Giitchen (äö»- t^n) nur den Kolonialgesetzen gemäss disponiren, und dass die Bewohner jedes Gütchens jährlich der Gesell- schaft 50 fl» bezahlen , wofiir diese die Wohnnngsre- paraturen und Grandsteuern fortdauernd übernimmt. Den erwähnten Kolonialgesetzen zufolge dürfen die Kontrahenten die einmal eingesetzten Kolonistenfami- lien, so lange sie sich gut betragen, gegtfn ihren Wil- len nicht versetzen oder andere an ihre Stelle Hetzen^ selbst nicht nach Ablauf der 16 Jahre. WoUeü aber die Kontrahenten eine Veränderung der Familien mit deren Zustimmung vornehmen, so müssen sie zuvor das von den Abgehenden der Gesellschaft etwa noch Verschuldete bezahlen, so wie die Kosten, welche diese für die Anschaffung neuer Kleidungsstücke und Hausgeräthe hat. Sollte jedoch eine ganze Familie während der 16 Jähe aussterben, so dürfen die Kon- trahenten eine andere Familie ohne alle Vergütung an deren Stelle setzen. Auch dürfen sie sowohl vor als nach den 16 Jahren ohne Vergütung die Personenzahl der Familien vollzählig erhalten, und anstatt der ster- benden, oder 20 Jahre alt gewordenen Waisenkinder oder eignen Kinder der Kolonisten, welche beide von diesem Alter an nicht mehr bei den Aeltern blei- ben dürfen, sondern in die gewöhnliche bürgerliche Gesellschaft zurück müssen, andere Kinder oder Personen einschieben, jedoch nur mit Einwilligung der Kolonisten and der Gesellschaft« Lassen sie aber

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S Monate verlaufen , ohne eine solche Lücke aaszuHil- len, dann hat die Gesellschaft das Recht dazu» ^

*) Die oben stehende Darstellung der freien Kolo- nien ut aus der rersutmeiing van regiementaire en organieke wetten en verordeningen der Maatschappy van tVeidadigheit f Amsterdam bei J. yan der Hey 1820 y aus den huishöudelpke bepalingen voor de rrpe Kolonien volgens de jongste beeluiten der permanente . Kommissie etc. eerste Stukje , Amsterdam bei J. van DER Hey 1822, welche beide Schriften die Gesell- sehaft herausgegeben hat, so wie aus ihren gedruck- ten Jahresberichten geschöpft» und aus meiner Autopsie im JlaHre 1827, so wie aus den erwähn- ten gütigen schriftlichen Mittheilungen der perma- nente Kommietie selbst, Ende 1829, ergänzt. Sehr leid that es mir, des in Edinburg im Jahre 1828 erschienenen Werkchenjl: An aecount of the poor eohnies and agrieulturai workhouses of the benevolent Society of HoUand nicht habhaft geworden zu sein.

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Kolonial ' Erziehungsansiali zu Wate- ren. Waisen- und Bettler stif\e zu Veenhuizen.

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Hihe MTir über die Licht- und Schattenseiieo der freien Kolonien nrtheilen, wollen wir zuvor aacii die andern Kolonien der Gesellschaft darchwandem, was uns zugleich Gelegenheit geben wird, interessante Vergleichun- gen zwischen den ersteren und den letzteren anzustellen. V/ill man von Friedrichsort aus die Kolonien zn Yeenhuizen besuchen, so fuhrt der Weg dicht an der von der Gesellschaft errichteten landwirth- schaft liehen Erziehungsanstalt zu Waterea vorbei« Diese liegt 2 Stunden von Friedriebsort nnd 3 Stunden von Veenhulzen, und bietet dem Wanderer auf dem Sstündigen, fast ununterbrochen durch Öde Haiden fuhrenden Weg sogleich einen an- genehmen Unhepunkt dar. Ich vemumte nicht, die Anstalt zu besuchen, welche seit dem Jahre 1823 besteht.

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Der Umsicht der permßnenie Kommissie war es nämlich nicht entgangen, dass es der Gesellschaft bei dem grossen Umfange der Kolonien allmäblig an tüch- tigen Subjekten zn Unterdirektoren, Revier meistern u. s. w. mangeln werde« Sie fasste daher den Plan, eine Erziehungsanstalt für die fähigsten und gntgesinntesten Kinder der Kolonisten and Waisenkinder zu gründen, worin sie theoretisch und praktisch den Ackerbau er- lernten, um sie nachher zu den genannten Beamten- steilen zu befördern.

Es wyrde auf einer kleinen Anhöhe ein Gebäude fiir die Anstalt errichtet, mit einem Esssaal, 2 Schlaf- sälen, hinreichend zur Aufnahme von 65 Zöglingen, mit einer Küche, einer Wohnung für den Direktor und 2 Zimmern für Reviermeister. Das Gebäude mit den Bötbigen Wirthschaftsgebäuden für 20 Kühe und £iir die Ackergeräthschaßen steht im IMittelpunct von 100 Morgen Haideland, welches in 4 gleiche Theile Tertheilt, an den Kreuzwegen mit Kanadischen Pap- peln besetzt ist, sowohl für die Unterhaltung der An- stalt selbst, als auch zum praktischen Unterrichte im Ackerbau dienen soll, und schon zu y^ urbar ge- macht ist.

An die Spitze der Anstalt ist ein Schüler Fbl- LENBERG/6, der lange zu Hofwjl gewesen, Mül- DBR, gestellt«

lA fand 50 Zöglinge in der Anstalt, im Jahre 1828 waren deren nach dem letzten Jahresberichte 59 —, alle über 12 Jahre, alt, und ward von dem geßliigen Direktor in derselben herumgeführt. Um 5

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CJhr des Morgens stehen die Zöglinge auf, geben uach genossenem Fiiihstiicke des Sommers von 7 12 Uhr an die Feldarbeit^ rohen von 12 2, arbeiten \on 2 6 wieder anf dem Felde, nnd erbalten von 6 8 Abends Unterricht Im Winter werden 'sie auch von 6 8 des Morgens unterrichtet Im Un- terrichte sind 3 Klassen* Die erste Klasse hat Le- sen, Schreiben, Rechnen, Anfsätzemachen nnd Yerstandesiibangen. Die zweite hat theo- retischen Landban, Naturkunde, Pflanzen- kunde und Sprachknnde. Die dritte hat noch Geometrie, Chemie und Werkzeugknnde. Auch zeichnen sie nnd werden zu gymnastischen Uebungen angeleitet £iner der Schiafsäle dient als Schullokal, nachdem die Hangmatten an die Decke hinaufgezogen sind» Die Bänke sind zugleich Kasten, worin die Knaben ihre Kleider haben. Sie sind alle in blaues Tuch gekleidet. Auf den Knöpfen steht: Opt'oedlngslnstitut (Erziehungsanstalt), und in der Mitte M. f. IP. (Maatschappy fan Weldadigjieid). Um den Hut ist ein Band mit derselben Aufschrift.

Jeder Knabe erhält 38 Ruthen Land, die er für sich bearbeiten, und nach seinem Geschmack anlegen kann. Die Erzeugnisse verkauft er an den Direktor. Um Dünger zu bekommen, darf jeder einige Schafe halten, die des Tags über bei der He^e, des Nachts aber auf seinem Lande sind. Einelr derselben ist Buch- halter, ein anderer Unterdirektor, und dieser hat 2 Ileviermeister nnttr sich. Die zwei erste- ren erhallen wöchentlich 1 fl., die zwei letzteren 8 Stübr.

über den gewöhnlicbeii Verdienst« Die andern arbel« ien im AcGord, nicbt im Taglobn, um Faulheit zu verhindern, und erhalten alles bezahlt. ^3 des Ue- beryerdienstes bekommen die Knaben (ur sich, % wird als Kesenrefonds fut Krankheitszeit etc. aufgehoben. Ueber das eine der ersten zwei Drittel diiHen sie dis-* poniren , da^ andere wird bis zu ihrer Entlassung ver^ wahrt Der Unterdirektor muss für die Erhaltung der Geiäthschaften sorgen. Auck. viele andere Knaben haben ein besonderes Amt, um ihre Kräfte zu üben, und müssen darüber genaue RechensohafI geben.

Sie bleiben in der -Anstalt bis zum 21. Jahre, worauf sie entweder angestellt, oder nach ihrer bür« gerlichen Heimath entlassen werden.

Der Religionsunterricht ist dürftig. Nur Einmal wöchentlich werden sie von dem Pfarrer zu Vledder katechisirt* Des Sonntags gehen sie wohl nach Vledder in die Kirche, jedoch steht dies In ih- rem Belieben. Jeden Montag Morgen wird in der Bi-" bei oder in yAn der Palms bybel poor da Jeugd^ meistens aber in SalzmAnn's religiösen SchriflLea gelesen. Mit Bedauern bemerkte ich hieraus, wie aus manchem Andern, dass, wie sehr auch die Anstalt in ökonomischer Hinsicht ihrem Zwecke entspricht, das Christenthum hier nicht der Sauerteig ist, der die ganze Masse durchgäbret.

Die Anätzt bat für ihre Oekonomle 20 Milchkühe, 8 Pferde und 400 Schafe.

Von Wateren wanderte ich nach den Kolonien <a Veeahüizen» 3 Stunden von da. Der Weg

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nihrte vieder durch öde, menschenleere Haiden, und dieser Kontrast Hess mich desto mehr das WohlthStige der Unternehmungen der Gesellschaft fühlen , welche mehrere tausend Morgen Wiuteneien seit wenigen Jah- ren in blühende Fluren verwandelt hat. Bisweilen kam ich an einzelnen Häuschen Torbei, die mitten in der Halde lagen, von einigen wilden Bäumen umgeben* Einzelne Bauern begegneten mir, an deren Hemdkra- gen die goldenen Knöpfe nach Landessitte nicht fehl- ten, wie dürftig sie auch gekleidet, und wie grob und schmutzig die Hemden auch waren. 2 Taglöhner gin- gen an mir vorbei, jeder mit zweierlei Spaten. Ich liess sie mir zeigen. Der erste war ein Spaten far Veengrnnd. Die hintere Hälfte desselben war nn« gefähr wie unsere Spaten, breit und viereckig; aber beide Seiten nahmen nach unten hin, sich etwas ein- wärts kriimmend, gleichmässig ab, so dass sie in eine starke Spitze endigten. Der zweite war ein Spaten fär Sandgrund, ungefähr wie unsere Spaten, mit dem Cnterschiedie, dass hier nur der vordere Theil und die Rander von Eisen sind, der hintere Theil aber von hartem Holz ist. Der Stiel an beiden Spaten ist ziem» lieh kurz.

Ich durchschnitt jetzt einen Theil Frieslands, und bemerkte leicht wieder an der Sprache der Ein- wohner, dass viele ihrer Wörter der deutschen Mut- tersprache, wie oben erwähnt, ähnlicher geblieben sind, als im Holländischen. Auch sah ich iiberall die einzel- nen Bauernhöfe und ihre Aecker nach alter nieder-*

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deaUcher Sitte mit Eichenheclen und Bäumen , deren Beiserholi alle 8 - 10 Jahre gehauen wird, umgeben. Ermüdet Ton der Uaide und von Regen durch- luUst kam ich des Abends nach den

Kolonien an Veenhuizen.

* Sie bestehen aus 3 grossen Gebä'nden , gesHcliU (Stifte) genannt^ deren jedes ungefähr 10 Minuten von dem andern entfernt ist, und waren ursprünglich alle BOT Anfjoahme von Waisenkindern bestimmt.

Die Untersuchungen Yolleivhovens (s. Bd. I. S. 212) über die Ersiehung der Waisenkinder, beson- ders in dem Amst^damschen Alrooseniershaus und an- dere susammentreffende Umstände hatten das Bedürf- niss fühlbar gemacht, diese Kinder auf eine für Leib nnd Seele woblthätigere Art, als es bisher in den mei« •ten städtischen Waisenhäusern geschah, zu erziehen. Die Wohithätigkeitsgesellschaft erbot sich hierzu, und zwar auf eine für den Staat und die Cdrporationen viel wohlfeilere Weise, indem sie nur 60 fl. jährlich für jedes Waisenkind verlangte, welches bei der bis- herigen Erziehung im Durchschnitt jährlich 114 fl., und aufs wohlfeilste 100 fl. kostet. Daneben versprach sie^ zu je 6 Waisenkindern noch 2 arme Familien unent- geltlich zu übernehmen, und je 6 Waisen ein Paar kinderlose Aeltern oder eine solche Wittwe zu ihrer Erziehung beueugeben, ' Dies geschah in den freien Ko* ionien schon von der ersten Zeit an. Da aber die Zahl dec^ darauf der Gesellschaft theils von Waisen- baosregenten, vorzüglich aber vom Staate angebotenen

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Waisen zu gross wurde, nm sie allein in den frmen Kolonien unterzubringen und genug passende Pflegeal- tern für je 6 zu finden, so unternahm die Gesellschaft, 8 grosse Gebäude zu ihrer Aufnahme zu erbauen, de- ren jedes 1200 Waisen und 100 arme Familien auf- nehmen sollte. Diese letzteren, die sogenannten Ar» beitersfamilien (arbeidershuisgesuvien) sollten die Waisen in der Feldarbeit unterstützen, und die Bes- seren derselben sie verpflegen und erziehen helfen« Zugleich sollten diese Familien, welche gemeinschaft» lieh wohnen und essen, und weniger freie Disposition Sber ihren Verdienst haben, als die freien Koloni* sten, aber doch mehr als die Strafkolonisten sn Om- merschans eine Mittelklasse zwischen beiden bilden, und das Kolonislrungssjstem dadurch gewissermassen vollständig machen.

Zu diesem Zwecke wurden dOOO Morgen Haide angekauft, und ein breiter, eine Stunde langer Kanal gegraben, theils um die 3 Stifte selbst mit Wasser zu umgeben, und eine leichte Communikation mit Nach- barorten zu bewirken, thells um den dürrei| Haidebo- den sowohl zur Bewässerung als zum bequemen Trans« pOrt der Feld fruchte zu durchschneiden. Das. erste - Stift wurde im Jahre 1823 gebaut, die beiden andern im Jahre 1824.

Da das erste und dritte Stift ganz gleich einge-

I richtet sind, an Grösse sind sich alle drei gleich,

wie denn auch das zweite in Absicht der Säle, der

daiwiscbcotiegenden Aufseberstuben und Küchen auf

I dieselbe Art gebaut ist, so folgt hier eine kurze

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Beschreibung de§ dritten SlUU, wobei inao den bei- gefügten Grundrifis desselben vergleiche«

Dies Gebäude ist ein Quadrat , wovon jede Seile 461 Yi ^vLss lang ist« £s schliesst einen freien Raum ein, welcher an jeder Seite 390' in der Länge hat, mit einem Zaun eingeschlossen ist, und zum Theil ak Spielplatz der Kinder dient. Die Vorderseite des ein- stöckigen Gebäudes, in welches b der Haupteingang ist, hat 3 Hauptabtbeilungen. Die mittelste, a be- zeichnet, besteht aus 22 Wohnzimmern für Beamte« Sü^ur Linken ist der Schulsaal c, 126' lang, 16' breit; snr Rechten ein Magazinsas^i fiir Lebensmittel, d, lll' lang und 16' breit, unter welchem der Vorrathskelier ist. Darüber, unter dem Dach, ist das Kleidermaga- zin. Die 3 andern Aussenseiten des Gebäudes sind in 102 Arbeiterwohnungen vertheilt , e bezeichnet. Jede dieser Wohnungen hat 2 Schlafalcoven, jede für 2 PenPonen^ und ein Kamin. Die Innenseiten des Ge- bäudes sind in 14 Säle vertheilt. 12 derselben , f be- zeichnet, wovon jeder 96' lang, 16' breit, lO' hoch ist, sind für die Kinder zur Wohnung eingerichtet« Mädchen und Knaben sind abgesondert« Auf jedem Saale sind 80 Kinder, möglichst von gleichem Alter« ßei je 15 ist ein älteres als Führer, bei den Knaben Marienjo, bei den Mädchen M a r i n j a heissend« 2 Säle stehen unter der Aufsicht eines Saalaufsehers und seiner Frau, deren Wohnung, h bezeichnet, zwi« sehen beiden Sälen dergestalt liegt, dass diese in der- selben der Länge nach übersehen werden können. Je- des Kiad schläft in diesem Saal iq seiner Hangmatte,

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welche des Tags in die Höhe geiogen wird. Des Som- mers stehen sie um 5 Uhr, des Winters etwas spater auf, nnd nach genossenem Frühstück, wosn statt Kaf- fee oder Thee ^/^ Maass {half pirU) Milch gegeben wird, gehen nm 6 Uhr die Knaben über 12 Jahre mit ihren Marienjos aufs Feld, begleitet von den RcYier- meistern nnd den nöthigen Anfsehem, welche aus den Arbeiterfamilien genommen sind. Die Mädchen über IZ Jahren, welche znr Feldarbeit bestimmt sind, ge- hen um 6 Uhr in die Schule, und um 8 Uhr aufs Feld. Die kleineren Knaben und Mädchen werden un- terdessen ans Seilzupfen, Wollpflücken und Spinnen, die grösseren Mädchen ans Stricken und Nähen ^eseiixL Sie gehen klassenweise abwechselnd in die Schule, 2 Stun^ den des Morgens und 2 des Nachmittags. Die Knaben von 12 14 Jahren gehen 2 Stunden täglich, Sommers Ton 6 8 Abends, Winters von 6 -— 8 Morgens in die Schule. Die von 14 16 Jahren haben 3 Stunden wöchentlich, die von 16 20 Jahren 1 Stunde wöchentlich zur Wiederholung des früher Ge- lernten. Des Mittags erhalten sie zu ihrem Essen im- mer Yb Pfund Fleisch oder Speck, des Abends ein Butterbrod mit '/^ Maass Milch , so dass jedes Kind täglich Yz Pfand Brod, 3 Pfund feste Speisen, % Pfund Fleisch oder. Speck und 1 Maass Milch erhält.

Bei je 2 Kindersälen ist eine Küche, i. 2 der 14 lonem Säle, g, jeder lOO' lang und 16' breit, sind XU Arbeitssälen eingerichtet, der eine für Leinen- und WoUenweberei, der andere zur Näb- und Strickschule. Dazwischen ist der hintere Ausgang, k. Düber diesen

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SSlen i;it onter dem Dach ein dllgemeiner Arbeitssaal, 192' lang, 32' breit, aod dient zn einer Schneiderei, einer Schu&terei, für die Wollkämmer, für die Wolle- und Flachsspinner und andere Fabrtkarbeit, welche ver- schiedenen Arbeiter jedoch von einander abgesondert sind. .Das Dach ist ein gebrochnes. Um das Ge- bände geht rings ein Kanal, sowohl zur leichteren Zn- fohr, als auch zur Abschliessnng dienlich«

Für die 600 Kinder in diesem Stift sind 3 Lehrer angestellt, nnd 6 (ur das erste Stift, wo 1200 Kinder sind. Aach erhalten sie regelmässigen Religionsunter- richt von dem evangelischen und katholischen Pfarrer«

Die Disciplin wird von einem Rath, der ans dem Adjanktdirektor, den beiden Unterdirektoren nnd 2 Saalaafsehern besteht, geübt, welcher die schuldig befundenen Kinder nach einem festen Reglement straft^ nnd zuerst zu einer Verminderung der Essensportion für 1 oder mehrere Tage, oder zur Einsperrung ver- urtheilt Hilft das nicht, so wird das Kind für 1 oder mehrere Wochen auf den Disciplinarsaal gethan, wo es körperliche Züchtigung erhält. Ein Kind v. 6 9 Jahr, muss wöchent 35 Cts. verdienen,

»» yy fi 9 12 ^ ,, ,, 70 99 99 99 n i»!wl2 16 rt lfl.5 y^

„Kniibe„ 16-20 „„1„40„^ „Mädch.„ 16-20 ,,1^25„ ^ Von dem Ueberverdicnst erhalten sie V3 als Ta- schengeld, % wird für sie in die Sparkasse gethan, und % erhält die Gesellschaft für Zeiten, wo sie ih- ren Unterbilt nicht ganz verdienen können«

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Das mitttelste Stift, welches «nprungUcb auch (ur Waisen bestimmt war, mnsste jedoch znr Aa&ahme von Bettlern eingerichtet werden, weil die Zusendung von Waisen bald nach Errichtung die- ser Anstalten ins Stocken kam. Das Publikum war gros- WAtheils von Anfang schon, nnd wurde noch mehr dieser Art der Waisenerziehung abhold, theils aus al- ler Liebe zu seinen von den Yätern gestifteten und so bage mit vielen Aufopferungen erhaltenen städtischen Waisenhäusern, theils aus Erkenntniss der Mängel, wel- At die Waisenerziehung, vorzüglich in den freien Kolonien hatte, und die von der Gesellschaft selbst nicht geleugnet werden konnte, theils ans Vomrtheil gegen die Armenkolonien und aus Erbitterung über die «nianfte Art, womit von der Regierung die Kinder ans den Waisenhäusern, zu welchen sie Unterstützung gab , gegen den Willen der Regenten in die Kolonien transportirt wurden.

Die Einrichtung der Bettleranstalt, welche die innere Seite des Stifts einnimmt, ist ganz in der Weise, wie zu Ommerschans, weshalb ich die Beschrei- bvog dahin versparen will.

Die äussere Seite des Stifts bewohnen freie, und iwar Invalidenfamilien, welche der Staat hierher- geschickt hat. Auch die äussere Seite des dritten Stifts wird theils von Invalidenfamiiien, deren mit denen im 2. Stift jetzt 180 sind, theils von Arbeiterfami- lien bewohnt» Die Gesellschaft kontrahirte mit dem Staat und den Korporationen so^ dass für jedes Wai« lenkind jährlich 45 fl. bezahlt wurden, dagegen sn je

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9 Kindern 1 anne FamiKc and 3 arbeitsfähige BCttler unentgeltlich geschickt werden durften, oder dass auch bloss Bettler gesandt werden konnten^ für deren jeden aber jährlieh 35 & bezahlt werden mussten. Die freien arbeitsfähigen Familien müssen ihren Unterhalt verdie- nen. Der Ueberverdienst im Sommer wird von der Gesellschaft theilweise zurückgehalten für die Winter^ und Krankheitszeit, theilweise ihnen als Taschengeld gegeben. Da der Staat Indess , »tatt kontractmässig ^ bloss arbeitsfähige Bettler ond Waisen zu schicken^ ^ auch viele arbeitsunfähige schickte, so hat er seit dem. "jS Jahre 1827 sich verpflichtet, der Gesellschafi zur Yer^ gütung für jedes Waisenkind unter 13 Jahren jährlich 30 fl* , und für die arbeitsunfähigen Bettler und andere . erwachsene Arme d>^% £!• zu geben, und hat bestimmt^ dass künftig die Gemeinden für jedes nach den Kolo- ^ nlen gesandte Waisenkind unter 13 Jahren 45 fl* jähr«» lieh, für jedes über 13 Jahren 25 fl«, für jeden ar*-. beitsunfähigen Bettler 52^2 A*» für jeden arbeitsfähl- 2 gen 25 fl. jährlich, und für jeden kränklichen, gebrech'* I liehen oder mit unheilbarer Krankheit behafteten Bett^ 1er und Waisen jährlich 65 ü, zu bezahlen haben. Zn* gleich hat der Staat nach Aufhebung der Zwangsar* beitshäus er für Bettler zu Hoorn und Yeere die Be*. wohner derselben nach den Kolonialbettleranstalten aa . Yeenhuizen und Ommerschans .versetzt, und beide Anstalten für Staatsanstalten erklärt.

Auch in Yeenhuizen, wie in den freien Kolonien, sind Laden, wo gegen koloniales Papiergeld gekauft; werden kann. Die Fabrikarbeit ist nicht ausgedehnt.

weil Landbau immer die Hauptsache bleiben soll. Aus- ter der Spinnerei ist auch eine Weberei vorhanden, eine Gerberei^ eine Schmiede, eine Schneiderei und Schusterei, dife aber bei weitem nicht hinreichelid^ Ar- beit fiir das Bedürfniss der Anstalt liefern«

Zu jedem der 3 Stifte gehören 1000 Morgen Iläi- deland. Es sollten 60 Bauernhöfe (bouwJioepien) ^ 20 in jedem Stift, deren jeder 50 Morgen Land hätte, gebaut werden. Bis )6tzt sind aber erst 21 im Gan- len gebaut. Jeder derselben hat 16 ^ 20 Kiihe, und muss eine bestimmte Quantität Butter, Milch und But- termilch in das Stift abliefern. Die Zahl aller auf den- selben befindlichen Kühe ist 278, die der Pferde 53, und die dei* Schaafe 786. Von den 3000 Morgen Haideiand sind nngeföhr 1000 Morgen gebaut.

£ine besondere Apotheke ist fdr Veenhulzcfn ein- gerichtet, und ein eigner Apotheker und Arzt ange- itellt Auch ist eine evangelische und eine katholische Kirche gebaut, und bei jeder ein besonderer Pfarrer Vom Staate angestellt. Für die protestantische Gemeinde, welche der würdige, unerniüdlich thätige Hebrspijng^ früher reformirter Prediger zu VI ed- der, vorsteht, ist, da sie alle Protestanten der vcr- •chiedenen Confessionen umfasst, ein besonderes kirch- liches Reglement entworfen, und unter Genehmigung des Ministeriums des Cultus eingeführt worden. Die- sem zufolge hat sie auch dnen Kirchenratfa, der ans 4 Aeltesten, 4 Diakonen und 2 Kirchenmeisteru besteht, welche zur Hälfte aus den Kolonialbeamten liud znr Hälfte aus den Hausvätern der Kolonistenfa" IL 9

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milien gewählt werdeo. Unter den 3500 Bewohnern im August 1827 waren 2800 evangelisch , 700 katho- lisch. Am Ende des Jahres 1827 hatten die 3 Stifte 3590 Bewohner 9 indem das erste 1519, das aweite 1096, das dritte 975 Seelen zählte, worunter jedpch die Arbeiter- und Invalidenfamilien und die Bewoh- ner der Bauernhöfe mitbegnffen sind« Unter diesen 3590 Seelen gehörten 208 den Beamtenfämilien an.

Die Sterblichkeit betrug während des Jahres 1827 im ersten Stift 1 von 63, also die Hälfte weni- ger, als die mittlere Sterblichkeit im Königreich; im dritten Stift dagegen 1 von 11, welches der Menge der unter diesen Waisen und Findlingen befindlichen unehelichen Kindern zugeschrieben wird« Von den 1800 Waisen in beiden Stiften zusammen sterben 1 von 18. Im- zweiten Stift starb 1 von 13 Bettlern^ wdches Verhältniss man der Menge alter und gebrech- licher aus der Anstalt zu Hoorn hierher versetzten Bettler beimisst. 61 Waisen haben im Jabre 18'f7 die Stifte heimlich verlassen, wovon jedoch 19 wieder zurückgekehrt sind« Zu diesem Entlaufen haben viele Bewohner der Umgegend durch Lockung und Verlei- tung mitgewirkt. Nachdem daher die Gouverneure der Provinzen ernste Maassregeln dagegen ergriffen haben, sind im letzten halben Jahre nur 6 entlaufen, wovon 4 zurückgekehrt sind.

Nach dem letzten Jahresbericht der Gesellschaft' vom Jahre 1828 ist der Ackerbau dieser Kolonien in fortwährendem Gedeihen, auch der Eifer und die Ge- schicklichkeit der Waisen in der Arbeit in erfreulichem

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Zanehiiien, und ein grosser Thdl der freien Arbeiter- familien deissig und zufrieden^ so 6äss IS derselben im Jahre 1827 zur Belohnung für ihreil Fleiss und Wandel m die freien Kolonien versetzt worden sind. Der religiöse tind sittliche ZiisUnd det Kolonien ist biernach dnrch deti Eifer der beiden Pfarrer in einem blühenden Zustande» tind nicht weiiiger die Seholen.

Von Veenhtiizen kehrte ich nach Friedrichs- ört zurtick. Nicht weit von Veenbüizeü wurde icb auf der Halde vom Regen überrascht , nnd gezwungen, mich in einen naheliegenden friesischen Baoetn- kof zu flüchten, der Von mäch'tigen Eichen umgeben War. Ich fand die ganze Bauernfamilie, die alten Ael- tern mit Tochter, Schwiegersohn, dem kleinen Edkel, der Magd und 2 Knechten am Tisch sitzen^ die Wei- ber mit silbernen Ohreisen geschmückt, und Thee ans winzigen Tässchen trinken, wozn sie Butterbrod mit abgesottenen Kartoffeln assen. In friedlicher Eintracht liefen eine Menge Küchlein durch die Stube, junge Schwalben zwitscherten in dem Neste > und der Hand schlief an dem Heerde, auf dem das Feuer knisterte» Zwei mächtige altfränkisöhe Schränke, mit vielfachen Schnörkeln geziert, nahmen einen Theil der Stube ein, zwischen welchen an 100 porcellanene Schüsseln und Teller, mit einigen Dutzend Löffciu an der Wand zier- lich aufgestellt prunkten.

Mein Eintreten erregte ihre Aufmerksamkeit in ho- hem Grade, besonders mein Regenschirm, derglei- chen Ding sie npch nie gesehen hatten. Ich musste ihn aufspannen, und seine Beschaffenheit näher erklären.

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(i ,1 I

Sie wurden bald iuti'anlicher, nnd der Schwiegersohn fragte mich wis9begierig ^ ob in Deutschland Wiesen- oder Feldbau sei. Ich erkundigte mich näher nach ih- ren Sitten und ihrer Lebensart ^ besah ihren reinlichen, grossen Yiehstall^ in den unmittelbar aus der Stube eine Thiire fuhrt ^ da er mit dem Hause unter Einem Dache ist, nnd worin an 20 Kühe standen. Aus al- lem ergab sich, dass es fleissige, schlichte Landleute Yon altem Schrot und Korn waren. Ich fragte weiter nach Bibellesen und Ilausgottesdienst^ aber das wa- ren ihnen fremde Sachen ^ und leider fand ich, dass sie gerade im wichtigsten Puncte, im Glauben an das Wort Gottes und dessen Gebrauch, die väterliche Webe verlassen hatten. Auch hierdurch bestätigte sich die mir öfter mitgetheilte Bemerkung, dass in Fries - land vorzugsweise vor vielen andern Provinzen Hol- lands das Gift der falschen Aufklärung tief eingedrun* gen sei. Ich ermahnte sie, ihre Pflichten gegen Gott und sein Wort treuer zu erfüllen, und verliess die verwundert mir Nachstaunenden«

In Friedrichsort gab mir der gefäliige Direktor der gesammlen Kolonien, Vi ss er, der Schwager des Generals tan den ßoS€H, noch manche Auskunft über dieselben.

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Beitleransialt zu Ornmer$chans. Be urtheilung der Kolonien. Gesell schaß der Wohlthätigkeit in &üdnie- derland und ihre Kolonien^

Hierauf reiste ich über Meppel, lum Tlieil wieder

durch öde Haidestrecken, nach der Bettleranstalt

zu Ommerschans.

Sie liegt in der ProTinx Overyssel, und dient

Aeils als StraAoionie für die fanlen nnd nnordentli-

cben freien Kolonisten, theils als Aafbewahmngs - nnd

Bessernngsort der Bettler.

Das Bedürfnis«, welches nach Anlegung der freien

Kolonien sich bald zeigte, fdr die Widerstrebenden, TiiSgen und Unsittlichen unter ihren Bewohnern eine Straf- und Besserungsanstalt xu besitxen, so wie der Wunsch, dem Staate durch bürgerliche nnd sittliche Besserung der Bettler eine schwere Last absunehmen, liess die Gesellschaft im Jahre 1821 m Ommerschans,

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einem alten , verfallenen Fort , vretches mitten in ei- ner Haidegegend, jedoch von fruchtbarem Boden liegt, und welches die Regierung ihr abstand, diese unfreie Kolonie anlegen.

Das hierzu ganz ^nenerrichtete Gebäude ist in ähn- licher Art wie die Stifle zu Veenhuizen gebaut, und unterscheidet sich von denselben nur dadurch, dass es von keinen Arbeiterwohoungen an der Aussenseite, sondern von einer Mauer umgeben ist, dass es 2 Stockwerke hat, während jene nur eins haben, und dass seiqe Säle nur halb so gross, dah^r auch nur mit der Hälfte Personen bevölkert sind. Uebrigens sind die Aufseherstuben und Küchen in derselben Art zwischen den Sälen angebracht, wie zu Veenhuizen, welche Art der Einrichtung der Grundriss des III. Stifts zeigt.

Die Kolonie hat 2 Hanptabtheilungen, die Bett-i leranstalt ui|d die Strafkolonie«

Die Bcttleranst^lt hat 2 Theile, das Männer^ quartier und das W^iberquartier, deren jedes seinen besondern mit einem hölzeriien Gitter abge-p schloss^nen Hof hat, so dass die beiden Geschlechter zwar nicht zu einander kommen, aber, da bloss ein mehrere Fns« breiter Gang swiscben beiden Höfen hin- läu£t, doch einander sehen, und mit einander spre«. cken können«

Ausser dieser Ges^hlechtsabsonderung werden die Bettier nock in 5 Klassen getheilt:

1) die der Erwachsenen,

2) die der Disciplinären,

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3) die der Ileranwachseudeu {JlankomeUngen)^

4) die der Kinder, und

5) die der Kranken.

Jede Klasse wohnt in besonderen Sälen. Jeder Saal hat 42 Personen, welche des Nachts darin in Hangmatten schlafen, die des Tags in die Höhe ge- zogen werden.

1) Die Klasse der Erwachsenen.

Sic besteht sowohl hei den Männern als Weibern aus allen, die über 16 Jahre alt sind. Die erwachse- neu Männer müssen wöchentlich im Durchschnitt IV2 fl. verdienen, und zwar 120 Cts. durch. Feldarbeit und 30 Cts. durch Fabrikarbeit. Seit Atn letzteren Jahren niuss die erste Abtheilung der Männer 1 fl. 70 Cts. verdienen, die zweite 1 fl. 35 nnd die dritte 1 fl. 6 Cts. Die erwachsenen Weiber müssen im Durch- schnitt 80 Cts. durch Feldarbeit und 60 Cts, durch Fabrikarbeit verdienen. Die erste Abtheilung derselben niuss 1 fl. 51, die zweite 1 fl. 26 und die dritte 98^2 Cu. verdienen. Wenn die Jahreszeit für die Fabrik- arbeit günstiger und im Feld wenig zu arbeiten ist, so müssen sie so viel mehr durch die erstere verdienen, dass obige Summe doch immer herauskommt. Ebenso umgekehrt, wenn die Feldarbeit dringend ist. Von diesem Arbeitslohn wird ein bestimmter Theil als Re- servefonds für Krankheitszeiten zurückgehtiten, ein an- derer Thcil für den Yerwaltungsfonds , woraus die Beamten etc. bezahlt werden, ein dritter für Feuer und Licht , und ein vierter für die Kleidung. Das Uebrige ist für das Essen, welches die Verwaltuiig nach einer

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beätimqatea Speiüeopdaung für jeden Satl bereitet» Was sie über den bestimmten Arbeitslohn verdienen , wird ihnen gutgeschrieben. Sobald sie 25 fl. Ueb erver dienst haben. Wenigstens £in Jahr in der Anstalt waren und sich durch gutes Betragen auszeichnen, werden sie der Regierung zur Entlassung vorgeschlagen« Ebenso wer 12^2 fl* Ueberverdienst hat und wenigstens 2 Jahre in der Anstalt war; endlich wer 7 Jahre darin war, wenn ev auch kein Ueberverdienst hat.

2) Die Klasse der Discipiinären.

Wer durch Faulheit oder schlechtes Betragen sich auszeichnet, wird vor den DIsciplinarrath gestellt, der aus dem Direktor der Anstalt, 2 Unterdirektoren, dem Buchhalter als ProtokoUfiihrer und 2 unpartheüschen Saalaufsehem besteht, und im Fall der Schuld auf den Discipiinarsaal versetzt. Hier bekommen sie schlechter res Essen, können weniger Lohn verdienen und wer- den nicht eher in ihren gewöhnlichen Saal entlassen, bis sie 120 Cts. wöchentlich verdient und ihr Betragen geändert haben. Bei schwereren Vergehen erhalten sie, fl wie mir in den Kolonien mitgetheilt wurde, ebenso wie die Waisenkinder, Schläge mit dem Stock«

3) Die Klasse der Heranwachsenden, wel« che aus den Knaben, und im Weiberquartier aus den Mädchen von 8 16 Jahren besteht. Die Knaben müssen wöchentlich 80 Cts. durch Feldarbeit und 40 Cts. durch Fabrikarbeit verdienen , die zweite Abthei-» lung derselben jedoch nur 1 fl. 1 Ct. Die Mädchen der ersten Abtheilnng müssen 85 Cts, und die der ^weiten 15 Cts. verdienen. Sie sind in Hinsicht des

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Essens in 3 Abtheilungen vertheilt, deren jede an ei» nem besonderen Tische isst. Die von 14 - 16 Jah-* ren erhalten y^, die von 11 14 Jahren '^d und die von 8 11 Jahren die Hälfte der den Erwachsenen gegebenen Nahrang. Wer den bestifnmten Arbeitslohn nicht verdient, vrird entweder ^uf den Disciplinarsaal oder auf den I(indersaal versetzt, je nachdem Faulheit ocler körperliche Schwäche d^ran Schuld ist.

4) Die Kinderklasse.

Die Kinder unter 8 Jahren beiderlei Geschlecht^ wohnen in eine^l besopderen 3aale, unter der Auf* siebt von 2 Frafien* Die Mütter von einem oder meh- reren Kindern unter 8 Jahren dSrfen, wenn sie sicli gqt betragen, und ihren Arbeitslohn verdienen, auch auf dem Kindersaale wohnen, und werden voriugs- weise zu Aufseherinnen gewählt. Die grösseren der Kinder unter 8 Jahren müssen wöchentlich 30 Cts. durch Feldarbeit und 20 Cts. durch Fabrikarbeit ver- dienen. Die Hälfte ihres Arbeitslohnes wird für das Essen angerechnet, */* "^^ ^^^ Kindern gutgeschrie- ben, y^ erhält die Gesellschaft für Kleidung etc. Das Fehlende für die Speisung gibt die Gesellschaft, indem sie täglich 4 Cts. für jedes Kind zuschiesst.

5) Die Krankenklasse.

Der Yerwaltungsfonds gibt wöchentlich 7 fl. für den Krankensaal, und aus dem Beservefpnds jedes Kranken werden 2 Cts. wöchentlich genommen. Dazu erhält jeder, der üeberverdienst hat, davon täglich 5 Cts. Dem, der. kein üeberverdienst hat, wird diese Summe als Schuld ^^igcschriebco , die er später abzu-

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rerdicnen hat. Es wird eine besondere Krankenkost gegeben, aoch bess&e Betlnng. Für je 20 Kranke ist ein Aofwärter angestellt, welclicr aus dem Kranken- fonds V/j fl. wöchentlich erhält. *)

Die Strafkolonie nimmt einen abgesonderten Theil ^es Gebäudes ein, und bat den Zweck, die Faulen oder Unsittlichen ans dcu freien Kolonien, so wie aus den Arbeiterfamilien zu Vecnhuizen durch grös- sere Strenge und Einschränkung zu bessern. Erst nach einem 2)äLngen Aufenthalte in dieser Anstalt und nach gegebenen Beweisen von Besserung können die Straf- kolonisteu hoffen, in die freien Kolonien entlassen zu werden»

Die Hauptbeschäftigung auch zu Ommerschans ist Ackerbau* 1000 Morgen Haideland gehören dazu, wovon 700 urbar gemacht sind, und 100 zur Scbaaf- weide benutz^ werden. 18 Bauerngüter sind von der Gesellschall um die Kolonie gebaut, welche zusammen 48 Pferde, 357 Stück Hornvieh und 144t Schaafe be- sitzen. Auch viele Fabrikarbeit ist indess hier eingeführt, und mehr, als In den übrigen Kolonien, namentlich Weberei, eine Schmiede, Schreinerei, Kü- ferei, Schneiderei, Schusterei, Wagenmachcreij Spiu-

♦) Diese Einzelheiten sind aus der am U. Decbr. 1822 für die Bettleranstalt zu Vecnhuizen, welche mit der zu Ommerschans gleiche Einrichtung und Ge- setze hat, sanctiouirten ungedruckten Hausurdnung genommen, \vclche mir durch die Güte des Ad- junktdirektors zu Veenhuixen mitgetheiU worden ist

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nen von Flachs und Wolle etc., lo dass ia der Re- gel 200 Menschen damit beschäftigt sind.

Für die religiösen Bedürfnisse der Be- wohner der Ommerschans wird dadurch gesorgt, dass für die Protestanten der reformirte Prediger der ^/f^ Stunden davon entfernten Dorfgemeinde zn Avereest alle Sonn - und Feiertage einmal in der Anstalt Gottes- dienst, und einmal wöchentlich Katechisation hält. Für die Katholiken ist ein besonderer Kaplan vom Staate angestellt, der zu Ommerschans wohnt. Zur letzteren Gonfession gehören im Durchschnitt 400 , zur ersteren 800 Personen.

Für den Schulunterricht ist ein besonderer Schullehrer angestellt. Alle Kinder unter 13 Jahren, deren 100 sind, müssen die Schule besuchen. Des Abends wird den Erwachsenen, welche Lust dazu ha- ben, eine Stunde Unterricht gegeben. Eine Sonntags- schule ist hier nicht. Pas Schulhaus dient auch als Gotteshaus für beide Confesslonen, ist aber in schlech- tem Zustande, daher es die Gesellschaft ausbessern und vergrössern will.

Die SIcherheitsmaassregeln zur Verhütaog des Entlanfens der Bewohner bestehen theils in der Lage des rings verschliessbaren Gebäudes , und eines um dasselbe laufenden breiten Wasserkanales , theils darin, dass 25 Feldwächter in je 5 Minuten von einander entfernten Hütten um die Ommerschans herum Wache halten. Die Feldwächler sind theils aas den zuverlüssi- geren Bettlern, theils aus den Invaliden genommen, und haben um ihre Hütte ein Stück Land erhalten, das

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Sie bebauen und von dessen Erseagnisse sie leben. Sie sind mit Flinte und Säbel bewaffnet, dürfen aber anf die Entlaufenden nicbt scfaiessen. Der Entlaufen- den waren im Jabre 1827 68, im. Durcbschnitt nacb Angabe der permanente Komnüesie j'abrlicb 25« Sie will, um dies Verhältniss zu vermindern, kiinfUg keine Bettler mehr, sondern bloss noch rüstige Invaliden zu Feldwäcbtern anstellen.

Das Bettlerstift zu Veenbuizen ist in äbnlicber Art mit Feldwäcbtern umgeben, welche jedoch 10 Mi- nuten von einander entfernt sind, weil das Terrain hier weniger Gelegenheit zum Entfliehen gibt. Auch und der jährlich Entlaufenden hier im Durchschnitt niur 5.

Die Bevölkerung der Ommerschans betrug Ende des Jahres 1827 1279 Seelen, worunter 1006 Bettler, 87 Strafkolonisten, 102, welche auf den Bauernhöfen wohnen und 84, die den Beamten angehören.

Die Sterblichkeit betrag im Jahre 1827 1 von 19 Seelen, und speciell von den Bettlern 1 von 16, wornach unter ihnen die Sterbh'chkelt doch immer nur halb so gross ist, als in den Bettlerhäusern des Staats.

298 Bettler sind im Jahre 1827 entlassen wor-t den, wovon 49 auf den Antrag ihrer Verwandten oder Gemeindebehörden, 114, die sich unter die Kolonial- truppen anwerben liessen, und 135 auf den Antrag der Gesellschaft, weil sie nach einem jährigen Aufent- halte sich ein gutes Sittenzeugniss und über 25 fl. Ue- berverdienst erworben hatten, so dass ihnen 3935 Q. b9% Cts. bei ihrem Weggang ausbezahlt wurden, also

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29 fl. 30 Cts. für jede Person. Der rückfälligen Bettler, welche früher schon eibmal aus den Bettleran- stalten zu Ommerschans nnd Yeenhaixen entlas- sen worden waren, befanden sich in beiden Anstalten am Ende des Jahres 1821 35, welches nnter fast 800 seit den 4 Jahren 1824 bis 1827 entlassenen Bettlern sicher eine kleine Ansahl ist

Dass die Sittlichkeit nnter dieser sehr ver- wilderten Klasse Ton Menschen im Zunehmen ist, und d^r Beligions - nnd Schulunterricht wohlthätig anf sie einwirkt, bezeugt auch der letzte Jahresbericht von 1828«

Indem ich nun von dieser gewiss hinreichend aus- ftihrlichen Darstellung der Kolonien zur Benr- th eilung derselben übergehe, bedarf ich wohl nicht erst ausdrücklich die grossartige nnd rastlose Thätigkeit %n rühmen, welche der edle Stifter der Gesellschaft und sie selbst in ihrer Unternehmung bisher entwickelt haben. Die gegebene Darstellung rühmt sie von selbst. Ans eben diesem Grunde bedarf ich nicht, mich über Ihre grossherzige Menschenfreundlichkeit zu verbreiten, welche sich eine gründliche und dauernde Errettung der Masse Armen und Bettler aus ihrem leiblichen und geistlichen Elende zum Ziel ihres Wirkens gesteckt, nnd praktisch gezeigt hat, wie dies durch ibr Koloni- salionssjslera auf eine sowohl für die Unglücklichen als für den Staat selbst wohlthätigere Weise geschehen kann , als durch alle andern bisher angewandten Mittel.

£s ergibt sich daher von selbst, dass, sowohl für die ^iiederlande, wie für alle andere Länder, welche «utcr der Last von Armen und Bettlern seufzen,

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und welches Land seufzt darunter nicht?, wenn auch das eine minder als das andere » *) das Kolonisa- tionssjstem sowohl vom staatswirthschaAlichen als vom christlichen Standpancte aus höchst wichtig sein muss. Um so mehr ist es aber meine Pflicht , strenge in der Beurtheilang der ersten praktischen Ausführung dieses Systems zu sein, damit andere Länder bei der Nachahmung desselben die Mängel und Gebrechen ver-* meiden mögen, an welchen die niederländischen Ar- menkolonien noch leiden« **) Man sieht hieraus schon, dass ich nicht in den Ton unbedingten Lobens und Bewnnderns derselben einstimmen kann, der in der Denkschrift des niederländischen Bitters VOM KiacK« HOFF über dieselben herrscht« ***)

^) Die Niederlande hatten im Jahre 1821, ti'o sie 5,500,000 Seelen zählten, 753,218 Arme zu emäh-> ren, also über 14 Proeent. England hat 16 % Arme zu ernähreni Dänemark SVs %' Ganz Eu- ropa hat von 178 Millionen Ein\vohnem 17 Millio- nen, also '/lo Einwohner auf Gemeindekosten zu ernähren.

**) Meines Wissens hat noch kein anderer Staat, als Dänemark, welches die Kolonie Fredericks- gabe gegründet hat, die Armenkolonisation nach- geahmt.

***) Memoire sur tes Colontes de hicnfaisance de Frederickt" oord ei de Wortel par le Chev. J, JR. £,, de KjrcK" HOFF, Brüssel che» FR.4NK 1827. (Er besuchte die ersterc Kolonie im Jahre 1822, die letztere im Jahre 1823). Mehrere deutsche Uebersetzungen dieser Schrift sind erschienen, z. B. lieber die \Yohlthätig- keitskolonien zu Friedrichsoord und Wortel vom Kitter von Kirckhoff, übertragen von A. RuE«

i4:t

Fürs erste liegt es ichon in der Natur einer to grossartigen Unternehorang, dass sie in ibrer ersten Gesbll sich schwerlich aUbald gina Tollkommen dar- stellen wird, sondern dass manche Fehler mit unterge- laufen sein werden. Fürs iwelte spricht dafür die seit mehreren Jahren fortdanemde Vermindernng der Theil- nähme des niederländi^cben Pnbliknms an den Kolo- nien, besonders den freien nnd den Waisenstiften, wie denn in den ersten Jahren die Gesellschaft über 20,000 Mitglieder lablte, «eiche sich daraof Tast jähr- lich vermindert haben, so dass im Jahre 1826 nur 13^49 Mitglieder waren, and im letzten JahresLericble von 1828 über abermalige Abnabine derselben und über die forlnährende gäniliche Unihäligkeit vieler Suli' tommitsUn geklagt wird. Wiewohl nun nolängbar man- che Vorurtheile bei Vielen hierzu mitgewirkt haben, nnd dagegen anf der andern Seile Manche eine erhä- faete Tbeilnahme bezeigen, was namentlich mehrere belHichtliche Vermächtnisse an die Gesellschaft im Jafare 1827, worunter eins von 10,000 11. beweist, so findet (Ich doch hei nühercr Erforschung, dass nicht jeder in Betreff der Kolonien ansgesprochcner Tadel ohne Gmnd ist.

Die Kolonien theüen sieb in 3 Ilanplxweige, in die Betticranstalten, in die Waisenstifte nnd in die freien Kolonien. Keiner der dret.Zwecke,

DKA, Leipzig ILuiTNAN!« 1S28. L. Gam.b Men- schenfreund liclie Butter i. lieft Trier 1828. II. Wachs Iteitrüge znr Geschichte der Vulksbililung und Armciiiini'ge. Kassel I82U Iiei Boh.v£.

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den Aitse drei Anstalten erreichen sollten, ist Terfehlt, der eine jedoch besser nnd YolIständigeE*, als der an- dere erreicht worden*

Ohne Widerrede befriedigen die Bettleranstal- ten am meisten die an sie gemachten Ansprüche» wo- {Br schon das deutlich genug spricht, dass der Staat sie für Staatsanstalten erklärt, und öffentliche Bettler- häuser aufgehoben hat^ um die Bettler aus diesen in jene zu versetzen. Hier kosten die Bettler jährlich 35 fl., dort 77 fl. Während dort 1 von 1 stirbt» sterben hier haum halb so viele. Hier werden sie strenger zur Arbeit angehalten» und dadurch» so wie durch stren- gere Zucht mehr zur Arbeitsamkeit, zur Sparsamkeit nnd zu einem regelmässigen Leben gewöhnt. Hier ma- chen sie überdies dem Staate seine Wüsteneien urbar^ ond erwerben dadurch auch diesem einen dauernden Gewinn.

Gani ohne Mängel sind aber au<?h diese Anstalten nicht. Ein Hauptmangel in beiden ist der AI an gel an aller Klassifikation» ausser nach dem Alter und Geschlecht» welche bei der tiefen Verdorbenheit räler von diesen Sträflingen besonders nothwendig wäre. Ein zweiter Mangel ist» dass die Bettler meistens erst im Herbst nnd gegen den Winter hin entlassen wer- den» und die Subkommissien der Orte» wohin sie zu« rückkehren» sich selten um ihre Unterbringung bekün»- mern. Beides erschwert ihnen» Arbeit und Unterkom- men zu finden. Sehr wilnschenswerth ist es dabei auch» dass auch ihnen (xelegenheit gegeben werden möge, bei ihrer Entlassung in die freien Kolonien ilberzu'

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gehen, ^ wo sie alsdano einen bcson^ern Theil der- selben einnehmen könntea, wenn die andern Koloni- sten sich durch ihre Gcmeinscbaft veninehrt glaoben sollten, weil sie alsdann nicht bloss ein danenid« Unterkommen für sieb and die Ihrigen ßnden, son- dern auch dieselbe Landarbeit, die sie in der Bedler- kolonie erlernt haben. Es würde d;inn nicht gesche- hen, was jetil t. B. in Ommerschans nicht selten geschieht, dass entlassene Bettler nach knraer Zeit freiwillig wieder kommen , manche noch mit einem Theil ihres Sparpfennings , um abermalige Aufnahme bittend, weil sie keine Arbeit erhatten könnten. Aach dann erst kann mau im etgentUchen Sinne von Bettler- Kolonien sprechen. Ferner ist in Ommerschans die vielfache Comninnication Ewischen beiden Geschlech- Icrn nicht la billigen, deren nnsittliche Folgen denn anch schon nicht selten sichtbar geworden sind. End- lich ist hier bei der Menge evangelischer Bettler der Mangel eines eigens ftir sie angestellten Seelsorgers sehr fühlbar. Eine hinreichende Pflege dieser 800» grossenllieils tiefgesunkenen Seelen, die täglich des Zn- spruchcs bedürfen, kann onnifiglich darch einen Pr^ diger statt finden, der alle V^oche einmal % Stnaden weit hierher kommt, um in predigen, nnd einmal, um sn katecbisiren , nnd der diese Seelsorge, wenn er uicht seine eigne Gemeinde vernachlässigen will, nnr als Nebenamt behandeln kann,' Ancb wird sicher darch die Kicbtan siel long eines besonderen Predigers finan- siell wenig gewonnen. Redioet nun die Kosten, wel- che das Yerfolgeo, Wiedernfgrcifen nnd ZorUckbnngen II. 10

I ■■! fHi^m^m^m^^^m^m^f^la^^^mmmmi^'mmm-mam»^^^ » inn IM

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von 68 Entlaufenen, so viele waren im Jahre 1828 entflohen, betragen, während ans der Bettler- anstalt zu Yeenhuizen, wo ein besonderer Prediger angestellt ist, nur 5 entflohen, zu welchem veränder- ten Verhältniss die fortwährende wohithätige Einwir- kung desselben, wenn auch nicht alles, doch sicher Welei beigetragen hat, so werden schon diese Kosten, addirt zu der Vergütung, welche der Prediger von Avereest jährlich erhält, gewiss nahe an die Summe hinanreichen j welche die Besoldung eines besonderen Predigers kostet Uebrigens ist zu hoffen, das», da Ommerschans jetzt Staatsanstalt geworden ist, der Staat solche Besoldung nicht sparen wird«

Was die Waisenstifte zu Veenhuizen be- trifft, so ist die physische Erziehung hier in vieler Hin- sicht besser, als die der städtischen Waisenhäuser. Die Luft ist reiner, die Bewegung häufiger, die Räume mm Wohnen und Schlafen sind grösser, die Gelegen- heit zur Arbeit durch den Ackerbau mannigfaltiger, die Sterblichkeit daher auch mehr als um die Hälfte gerin- ger. Jedes Kind schläft hier allein in einer Hang- matte, welche mit einer Art dürren Seegrases als Unterlage gefüllt ist« Ob aber dies Gras, das im Sommer zwar kühlt, aber im Winter erkältet, und sich in Klumpen zusammenrollt, die beste Unterlage ist, und oh die schräge Lage des Körpers in der Hang- matte, wo die Brust zuviel auf den Unterleib drückt, nnd es im Winter an beiden Seiten des Schlafenden kalt ist, wodurch Gatarrh und Diarrhoe befördert wer- den, der Gecondheit so förderlich ist, als das Schlafen

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in Bettstellen, das ist nach dem Urtheil, welches ein sehr kompetenter Sachkenner in Yeenhuizen bei meiner dortigen Anwesenheit aussprach , sehr zu bezweifeln, £in grosser Mangel ist ferner, dass keine Klassifika- tion unter den dortigen Kindern ist. Da nun die Kin- der je 80 zusammen in einem Saale wohnen^ so findet sich hier derselbe Uebelstand wieder , das massenweise Zusammenwohnen mit seinen bösen Folgen, das mit I^echt an den städtischen Waisenhäusern getadelt wurde, und das die Gesellschaft anfangs beseitigen und in eine mehr häusliche Erziehung verwandeln wollte durch Ver- setzung der Waisen in die freien Kolonistenfamilien. Der Geist militärischer Zucht, der in allen Anstalten der Gesellschaft weht, findet sich daher auch hier, wirkt aber nicht so vortheilhaft, wie er auf die erwach- senen Bettler wirkt, auf die Erziehung der Kinder, und ganz naliirlich, weil bei dieser väterliche Liebe vorwalten soll. Auch die Strafen sind daher streng, nicht selten wird der Stock angewandt, dabei ist die Art der Anwendung der Strafen bisweilen unzweck- mässig, indem z. B. oft viele der straffälligen Kinder zugleich in dasselbe Cachot gesteckt werden. In die« scm Punkte mochte die liebevolle Aufsicht der Regen- ten und Regentinnen in vielen städtischen Waisenhäu- sern, welche den schönen Vater- und Mutterna- mcn mit so viel Recht verdienen, den Waisenstiflen den Vorrang abgewinnen. Wie man ferner in Jenen Anstalten in Absicht der Beschäftigung der Waisen das eine Extrem befolgt, dass fast alle zu Handwerken angeführt, und nur sehr wenige dem Ackerbau gewidmet

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werden, so war man in diesen Anstalten anfanglicL zum entgegengesetzten Extrem übergegangen, dass die Waisen fast ausschliesslich dem Ackerbau leben muss- ten, und nicht einmal die gewöhnlichsten Handwerke, Schneiderei, Schusterei etc., sogar nicht einmal für den Selbstbedarf getrieben wurden, um ja den Vor- wurf zu vermeiden, dass man den Handwerkern in der bürgerlichen Gesellschaft Abbruch thuc. Bloss Wolle und Flachs wurden gesponnen. Indess gestand man mir schon im Sommer 1827 bei meiner dortigen Anwesenheit, dass man fühle, darin zu weit gegangen %u sein, und einige Handwerke einzuführen anfange. Auch im Jahresbericht 1828 wird bemerkt, dass We- berei, Schneiderei, Schusterei, Färberei, Maurerei - etc. eingeführt seien, und viele Knaben grosse Ge- lehrigkeit in Handwerken bewiesen. Für solche Kna- ben wäre es das Beste, wenn die Gesellschaft sie an Waisenhäusern in Städten, wo mehr Gelegenheit zur gründlichen Erlernung vieler Handwerke ist, als das Sdft darbieten kann, gegen andere Waisen austauschte, die zum Landbau fähiger sind.

Indem wir nun zu den freien Kolonien zu Friedrichs- und Wilhelmsort übergehen, müs- sen wir in ihrer Beurthcilung ausführlicher sein, wie wir es auch in ihrer Darstellung waren. Denn unter den verschiedenen Kolonien haben sie die meiste Auf- merksamkeit des In- und Auslandes auf sich gezogen, das meiste Lob und den meisten Tadel erfahren. Ja fast alle von In- und Ausländern über die Kolonien erschienene Schriften befassen ^ich ausschliesslich mit

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diesen. Aucb Italteii sie ubiie ZvreiFcl die scImicrigsLe Aufgabe tu losen, da es hier darauf ankam, den frei- en Armen, die durch keine Gesetze des Staaln koun- ten gezwangen werden, ihre heimalfaliche Stadt mit der Haidc in vertanschen, aach nicht lur Arbeit in der Art, vile die Bettler, konnten gezwungen werden, Lnat zu machen, freiwillig diesen scheinbar wenigstens ühlen Tansch in treffen, freiwillig sich in anhaltender schwe- rer Arbeit za bequemen.

Fragen wir nnn nach dem Erfolg, den die Anle- ^ng der Kolonien hatte: in den enteo Jahren war er g!jinzend. Mehrere hundert Familien wurden hier angesiedelt und grosse Haidcfläclien nach allen Seiten in liebliche Fruchtfclder umgewandelt. Anch sparte die Gesellschad keine MÜhe, den Kolonisten hülfreich ent- gegenzukommen. Sie gab ihnen Vorschnu an Lehens- luilteln, an Kleidern, an Geräthichaften , an Vieh, ■elhst an Geld, um die kleineren Lebensbedürfnisse lu kaufen. Sie baute , als die erste Art der Kolonisten« bäuser zn wenig Raum und Bequemlichkeit in enthalten schien, eine zweite Art Iliiuser, geräumiger und be- quemer, als die erste. Sie legte Schulen, SpinosSle, Magazine an. Viele Städte beeilten sich, Verträge wegen Zusendung von Familien in schliessen. In we- nig Jahren waren 6 Kolonien angelegt, deren jede 100 Familien zu enthalten bestimmt war. 311 dersel- ben waren bereits im Jahre 1824 angesiedelt. Die öbrigen sollten in Kurzem volliählig werden. Schon dachte man an die Anlegung neuer Kolonien.

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AllinäLlich aber fing die Theilnahme des Publi- kums an zu sinken, statt zu wachsen. Nicht wienige Kolonisten liefen davon, und erfüilten die Heimath mit ihren Beschwerden über die Kolonien. Die Un- zufriedenheit mit der Gesellschaft wuchs in vielen Städ- ten, besonders durch die Wegsendung der Waisen aus ihren Waisenhäusern nach Veenhuizen (vgl. S. 114]« Die Subscribenten verminderten sich zusehends« Viele Subcommissien wurden lau, und schickten keine Fa- milien mehr, obgleich die Häuser dafür bereit stan- den« Selbst die Zahl der vorhandenen kolonistenfa- milien verminderte sich, weil viele theiis ihre Entlas- sung suchten, theiis wegliefen, so dass man die ß be- stehenden Kolonien in 3 zusammenziehen musste, was im Jahre 1826 geschah. Nicht wenige Häuser blieben leer stehen, und noch im letzten Jahresbericht von

1828 wird geklagt, dass von den für 40 Familien be- reit stehenden Häusern nur 12 durch neue Ankömm- linge besetzt worden seien* Ebenso wird darin gemel- det, dass 71 Personen im letzten Jahre aus den Ko- lonien entlaufen seien« Selbst am Ende des Jahren

1829 überstieg die Anzahl der Kolonistenfamilien nicht mehr die Zahl von 350.

Diese Thatsachen bezeugen wenigstens die Ab- nahme des äusseren Umfanges der Kolonien, die Ver- minderung der Theilnahme des niederländischen Publi- kums, und der Lust der armen Familien, Kolonisten tu werden« Wenn gleich dies letztere meistens kein gutes Zeichen fiir diese Familien selbst ist, so ist es doch auch kein gates Zeichen fiir die Kolonien, und

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die Unichen hiervon müssen , wenn incli nun Tbeil iu der Beschaßie&lieit jeno- Familien, docii nm an- dern Tbeile in der Beichaffenheit der Kolouialeioricli- tungen gesncht werden.

Die erste Ursache hiervon liegt in der in strengmilitäiischen Zncbt, welcher die freien Kolonisten unterworfen sind. Dass es n&thig war, diese Menschen, die meisleni darcb Mangel an Sparsamkeit, Ordnaog und FIdss in Armnlh gesunken waren, einer gewissen Aufsicht und einigen liescIirSfakungen in Be- treff der Arbeit and der Verwendang des Erarbeitelen an nnterwerfen, erhellet von seihst. KLen so, dau et hier schwer war, die rechte Mitte in hallen, nud In der Beschränkung der Freibett durchaus keinen Schritt weiter tu geben, als die Krreichnng der Kolonialiwe- cke absolut erforderte. Diese Mitte ist aber nicht ge- halten worden, was hei dem militärischen Stande de« Stifters freilig um so mehr tu entschuldigen ist.

fiiicbt bloss, dass sie täglich auf das Zeichen der Glocke aufstehen und an die Arbeit gehen müssen, nnd bei der von der Gesellschaft feslgesetiten Arbeit nnter steter Aufsicht sind (vgl. oben S. 91 and Miü' haudelykt bepaiM^en [Hausordnung] «w rf» vrya Ksionien, jImaUrdam i8aS S. n) *), londem diese

*) L. Gii.i. gibt düher mit Unrecht in seinen: Men- Bchenfrruntllicheii BIAttcrn I. Heft8.22, dent Oberberghauptmann S. vojt Gkounkr eina Ver- wechsflung der Strafkolonien mit den freien Schuld, wenn diesfr in seiner „Reise durch das KOnlf- reich der Niederlande", Pusau 1826, tob den

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Aufsicht erstreckt sich auch aof ihr Haus durch zu häufige und dadurch mit Recht lästige Visitationen. Nach S. 108 (vgl. HuUhoud. Beped. S. 43) hat der Revier nieister fcde Haushaltung wenigstens alle 2 Tage persönlich zu inspiciren, der Buchhalter wie der CJnterdirektor wenigstens einmal wöchentlich, der Adjunktdirektor wenigstens alle 14 Tage, und der Direktor wenigstens monatlich eine gewisse Anzahl Haushaltungen. Hiemach hat eine Familie wo* chentlich 5 Inspectionen in ihrem Hause auszustehen, in der Woche, wo der Adjunktdirektor kommt, 6, und wenn sie gerade der Besuch des Direktors trifft, 1 Inspectionen in £iner Woche. Dazu kommt, dass die Reviermeister fast alle ehemalige Unteroffiziere sind, und nicht immer die besten, sondern die selbst oft nnriihmlichen Schiffbruch im Leben gelitten haben, da

freien Kolonisten behauptet, dass sie durch die Glocke zur Arbeit gerufen ^Mürden, unter strenger Aufsicht eine bestimmte Zahl Stunden arbeiten müss- ten, durch Medaillen zur Ordnung und Thätigkeit ermuntert würden, und des Sonntags die Kolonie nicht ohne specielle Erlaubniss %-erlassen dürften. Dies finde bloss in den Strafkolonien statt. Kei- neswegs. Alle diese und noch mehr Beschränkun- gen finden in den freien Kolonien statt, wie aus meiner obigen, wörtlich aus der Hausordnung und der Verzameling van rrglsmeniaire & organieke wetten en vcrardeningen der Maatichappy pan Wel- äadigheid^ Amsterdam 1820, genommenen Darstel- lung derselben henorgeht. Gall braucht beide gedruckte Schriften nur nachzulesen, um sich von seinem Irrthum zu überzeugen.

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bei ihrer Wahl zuviel auf die Anstellangsscbeine Rück- sicht genommera wird. Ihre luspection geschieht daher nicht immer auf eine zarte nnd passende Weise , so dass die arme Familie kein noch so unschuldiges Ge« heimniss in ihrem Hause haben kann, dass der Topf in der Küche und die Kiste in der Schlafkammer vor dem Yisitiren nicht sicher sind. Die Visitation des 13uchhalters hat zwar, wie ich aus den mir schrift- lich gemachten Mittheilungen der Permanente Kommia-^ sie erfahre, jetzt aufgehört; aber dennoch sind der Visitationen immer noch zu viele«

Ferner erhält der Kolonist als Arbeitslohn nicht bloss statt haaren Geldes nur Papiergeld, was nirgends als in den Kolonialladen gilt, sondern er ist auch ge* Wissermassen gezwungen, in einem bestimmten Laden^ dem Laden seines Vorgesetzten, zu kaufen, da der Unterdirektor in jeder Kolonie einen Laden halten darf, ja diese Vergünstigung ihm gewissermassen als Besoldung angerechnet wird (vgl. oben S. 112 nnd Huishoud. BepaL 8). Zwar wird eben daselbst be- stimmt, dass, um nicht hierdurch Ladenzwang entste- hen zu lassen, in jeder Kolonie ausserdem noch ein aweiter Laden bestehen solle, wo jeder Kolonist kau- fen dürfe. Wer indess den Gang der Welt kennt, weiss, wie der arme Kolonist es als das Gerathenste ffihlen muss, sich seinen Vorgesetzten durch Besuchung seines Ladens zum Freund zu halten. Zwar ist es auch dem Kolonisten nicht unbedingt verboten, sich in einem Laden ausserhalb der Kolonien etwas zu kau- fen, es ist ihm dies sogar an Einem Tage wöchentlich

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Aufsicht erdtreckt slcii auch aof ihr Haus durch xu häufige und dadurch mit Recht lästige Visitationen. Nach S. 108 (vgl. Huiahoud. Bepal. S. 43} hat der Reviernieister Jede Haushaltung wenigstens alle 2 Tage persönlich zu inspiciren , der Buchhalter wie der Unterdirektor wenigstens einmal wöchentlich, der Adjunktdirektor wenigstens alle 14 Tage, und der Direktor wenigstens monatlich eine gewisse Anzahl Haushaltungen. Hiemach hat eine Familie wo* chentlich 5 Inspectionen in ihrem Hause auszustehen, in der Woche, wo der Adjunktdirektor kommt, 6, and wenn sie gerade der Besuch des Direktors trifft, 1 Inspectionen in Einer Woche. Dazu kommt, dass die Reviermeister fast alle ehemalige Unteroffiziere sind, nnd nicht immer die besten, sondern die selbst oA nnrUhmlichen Schiffbruch im Leben gelitten haben, da

freien Kolonisten behauptet, dass sie durch die Glocke zur Arbeit gerufen bürden ^ unter strenger AufHicht eine bestimmte Zahl Stunden arbeiten müss- len» durch Medaillen zur Ordnung und Thätigkeit ermuntert ^vürden, und des Sonntags die Kolonie nicht ohne specielle Erlaubniss verlassen dürften. Dies finde bloss in den Strafkolonien statt. Kei- neswegs. Alle diese und noch mehr Beschränkun- gen finden in den freien Kolonien statt, >vie aus meiner obigen, wörtlich aus der Hausordnung und der Verzameling van regiemeniaire cfc organieke wetten en verordeningen der 3Iaatschappy van Wel- dadig/teidj Amsterdam 1820, genommenen Darstel- lung derselben hervorgeht. Gall braucht beide gedruckte Schriften nur nachzulesen, um sich von seinem Irrthum zu überaeugen.

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bei ihrer Wahl zuviel auf die Anstellangsscbeine Rück- sicht genommera wird« Ihre luspection geschieht daher Dicht immer auf eine zarte und passende Weise, so dass die arme Familie kein noch so unschuldiges Ge« heimniss in ihrem Hause haben kann, dass der Topf in der Küche und die Kiste in der Schlafkammer vor dem Yisitiren nicht sicher sind, Die Visitation des 13uchhalters hat zwar, wie ich aus den mir schrifl-« lieh gemachten Mittheilungen der Permanente Kommie^ sie erfahre, jetzt aufgehört; aber dennoch sind der Visitationen immer noch zu viele«

Ferner erhält der Kolonist als Arbeitslohn nicht bloss statt haaren Geldes nur Papiergeld, was nirgends als in den Kolonialladen gilt, sondern er ist auch ge* Wissermassen gezwungen, in einem bestimmten Laden^ dem Laden seines Vorgesetzten, zu kaufen, da der Unterdirektor in jeder Kolonie einen Laden halten darf, ja diese Vergünstigung ihm gewissermassen als Besoldung angerechnet wird (vgl. oben S. 112 und Huishoud. BepaL 8). Zwar wird eben daselbst be- stimmt, dass, um nicht hierdurch Ladenzwang entste- hen zu lassen, in jeder Kolonie ausserdem noch ein aweiter Laden bestehen solle, wo jeder Kolonist kau- fen dürfe. Wer indess den Gang der Welt kennt, weiss, wie der arme Kolonist es als das Gerathenste fühlen muss, sich seinen Vorgesetzten durch Besuchung seines Ladens zum Freund zu halten. Zwar ist es auch dem Kolonisten nicht unbedingt verboten, sich in einem Laden ausserhalb der Kolonien etwas zu kau- fen, es ist ihm dies sogar an Einem Tage wöchentlich

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erlaubt y and er belommt alsdann hierza baares Geld. Allein er ist verpflicbtet, bei seiner Rückkehr das Ge- kaufte seiDem Beviermeister Torznzeigen (vgl. oben S. 103 und HuUkoud. Bepal. & 31). Nach einer frühe- ren Bestimmnng sollte sogar ein Aufseher ihn in die- sen Laden begleiten.

Erwägt man zu den erwähnten Beschränkungen des Kolonisten noch die, dass er nicht nach eigner Wahl sein Feld bestellen kann, dass er ausser der Last der Buckzahlung des ihm gegebenen Vorschusses und der Bezahlung der Renten fürs Haus etc. (vgl. oben S. 114) sich noch die Last gefallen lassen muss, fremde Kinder aufzuziehen, und seine eignen im 20. Jahre Ton sich in die Fremde zu treiben , gerade zu der Zeit, wo er alter und schwächer geworden, zu seiner Stutze sie am ndthigsten hat, und wo auch die Kinder in den gefährlichsten Jahren der Versuchung stehend, des Raths und der Mähe der Aeltern am meisten be- dürfen; erwägt man endlich noch die Gefahr, die ih* nen hier droht, selbst von Haus und Familie weg in die Strafkolonie versetzt zu werden, alles. Gefahren, Lasten und Freiheitsbeschränkungen, die er an seinem früheren Wohnorte nicht kannte, so wird es Niemand wundem, wenn der Kolonist bei dem geringen Ersätze, der ihm hier für jenes alles geboten wird, sich aus der Kolonie weg in die Heimath sehnt«

Denn was für Ersatz wird ihm hier dargeboten, der ihn reizen soll, Armenkolonist zu bleiben? ^- Die Gewissheit, in diesem Verhältnisse immer Arbeit und Brod zu finden? * Aber, wer die Armen kennt.

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weiss, dass sie In der Regel so ernsdich nicht an die Zukunft denken, noch denken wollen, dass sie iininer hoßen, doch wohl Unterhalt su finden, ohne dabei so anhaltende und lästige Arbeit, als die Landarbeit den Städtern dünkt, than zu müssen, ohne so streng be- aufsichtigt und controllirt zu werden, als in den Ko- lonien, und dass sie für ihr Alter um so weniger be- sorgt sind, weil der Wohlthätigkeitssinn Kiederlands und dessen viele Anstalten für alte Arme, als Alte Frauen- und Männerhäuser, Uofjes etc. ihnen Hülfe ver- bürgen« Oder etwa die Aussicht, M e d a i 1 1 e n zu erhalten und Feste mitzufeiern? Aber wir haben oben ge- sehen, wie wenig dieses gefruchtet hat. Oder die Aus- sicht, Pächter auf seinem Gütchen zu werden? Aber fürs erste entmuthigt ihn schon der Gedanke, dass er niemals das Recht erhalten wird, was jeder andere Pächter geniesst, seine Kinder bei sich zu be- halten. Fürs zweite kann er nicht eher Pächter wer- den, bis er seine Schulden an die Gesellschaft bezahlt ' bat. ]Xun gestanden mir aber die einsichtsvollsten Be- amten der Kolonie selbst, dass der Kolonist, welcher Jährlich hinreichenden Unterhalt für sich und seine Fa- milie auf dem Haideboden erwerbe, und keine neue Schulden zu den alten hinzumache, nicht zu den trä- gen Arbeitern gehöre, und dass sie mit ihm zufrieden sein müssten. Solcher Kolonisten von gewöhnlichem Fleisse gibt es nun viele; dass aber von der alten Schnld noch abgetragen wird, ist eine Seltenheit. Sehr viele im Gegentheil vergrössern jährlich ihre Schuld,

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me ich denn z. B. im Sclmldbüchlein eines Koloniitteu fand : im Jahre 1822 267 fl* Schulden, im Jahre 1824 513 fl.9 im Anfang des Jahres 1827 772 ü:, im Au- gust 1827 853 11. 2 Cts. Auch erklärten mir Manche sehr sorgenlos für die Zukunft, wenn ich allein sie in ihren Häusern besuchte: sie arbeiteten, so viel sie miissten ; im Uebrigen yerliessen sie sich auf die ge- füllten Magazine der Gesellschaft, und auf die Un- möglichkeit, jeden Trägen in die Strafkolonie zu schi- cken. —

Man ersieht hieraus, es miissen noch andere, als die bisherigen Mittel angewandt werden, wenn man mehr als gewöhnlichen Fleiss bewirken, mehr als bloss Miethlings- und Taglöhnerarbeit ton ihnen haben will» Das Mittel hierzu ist einfach s Man gebe ihnen mehr als blossen Taglohn, man gebe ihnen Liebe zn Land nnd Heerd, indem man sie nicht bloss zur Miethe darin wohnen lässt. Dann wird auch der Miethlingssidn wei«. ehern Mit Einem Wort; Man gebe ihnen eine Hei- math, nnd Aussicht auf ein Eigenthum! Wo diese beiden Antriebe irgend Kolonisten beseelten, da be- geisterten sie solche zu ungewöhnlichen Anstrengun- gen, und Hessen sie das Ziel erreichen. So lange beide den Kolonisten hier fehlen, werden diese ferne vom Ziele bleiben. Man gebe ihnen also wenigstens die Aussicht, Erbpächter zu werden, man lasse ihre Kinder bei ihnen, und erlaube, dass die Erwach- senen derselben, welche in den Kolonien zu bleiben wünschen, und sich dessen nicht unwürdig gemacht haben, unter einander heirathen; man räume ihnen^

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wenn das älterliche Haus für sie keinen Platz hat, in dessen Nähe eins der vielen Häuser ein, die jetzt leer stehen und verfallen. Man wird dann sehen , dass die Familien durch die von der Natur selbst so fest ge- kniipüen Bande der Verwandtschaft verbunden, sich weit mehr in der Arbeit gegenseitig unterstützen und dazu aufmuntern, als jetzt, wo sie alle einander fremd sich nur mit Mistrauen betrachten, einer in dem an« dern einen Spion der Gesellschaft argwöhnt, und sie daher ohne Gemeinsinn fern von einander bleiben. Man wird dann mit Verwunderung sehen, wie das Ge- fühl, das süsse Gefühl der Heimath, die Besseren zur angestrengtesten Thätigkeit spornen, sie williger zum Gehorsam gegen die -Anordnungen der Gesellschaft ma- chen, — deren oben erwähnte Freiheitsbeschränkungen freilich noch viel gemildert und gemindert werden kön- nen und müssen, -— und mehr als alles noch so strenge Controlliren und noch so anhaltende Antreiben ihren Muth und Eifer beleben wird, mit Anstrengung aller Kräfte nach dem Ziele zu streben.

Aber ist dann keine Uebervölkerung der Ko- lonien zu fürchten? -^ Diese hat die Gesellschaft al- lerdings im Anfange gefürchtet, und darum jenes Prä- servativ, die Entfernung der erwachsenen Kinder, an- gewandt, das aber schlimmer gewesen ist, als das Ue- bel selbst. Kaum wird sie das Uebel jetzt noch fürchten, da sie schon seit 6 Jahren die Kolonien sich nicht vermehren, sondern vermindern sieht« Und ist denn nicht Urbarmachung und Bevölkerung der Haiden der Zweck der Gesellschaft? Wo ist aber bei den nner-

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noesslicheii Haidestrecken, die In diesen Provinien noch vorhanden, die selbst die Kolonien noch nach allen Seiten umringen , in vielen Jahrzehnten Uebervölke- rnng xu fürchten? S. von GrouneR hält in sei- nen erwähnten Bemerkungen über die Armenkolonien swar auch jenes Präservativ für nothwendig , indem er sagt: Diirflen sich die Nachkommen der Armenkolo- nie darin heirathen und ansässig machen, so würden sie über kurz oder lang die ganze Kolonie inne haben, und man hätte zwar für die Gegenwart, aber nicht für die Zukunft gesorgt. Dabei, meint er, blieben In andern Gegenden Hollands noch Sandsteppen und Sumpfländereien genug übrig, um die Kinder der Ar- menkolonisten, welche anderwärts kein Unterkommen fänden, darauf neue Kolonien anlegen zu lassen. Diese vermehrte Urbarmachung der Haiden sei überdiess in staalEswirthschaftlicher Hinsicht zu wünschen. Auch seien jene Kinder, die auf den Haiden erzogen worden schon gewöhnt an die Anstrengungen und Besiegung der Hindernisse, welche deren Urbarmachung erfor- dere, und daher besonders dazu geeignet. -—

Aber, wenn man sie dazu besonders geeignet und die Yermehrnng der Urbarmachung wünschenswerth fin- det, wieviel natürliclter ist es dann doch, die Kinder in der Mähe der Adlern sich ansiedeln zu lassen, wo sie wechselseitig Hülfe geben und nehmen können, in der Gegend, die als ihre Heiroath ihnen besonders lieb ist, nnd wo sie mit etwas Yorschuss und Unter- stützung von Seiten der Gesellschaft sich weit leichter würden forthelfen können^ als in einer fremden Haidc-

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gegend mit doppelt soviel Vorschuss ! Denn Vorscboss müssen sie zur Ansiedelung auf llaiden doch immer haben. Wer soll ihnen den aber anderswo geben ?

Auch würde die Gesellschaft keinen besonderen Schaden von einer solchen Familien -Kolonisation ha- ben. Was hat sie jetzt für Vortheil? Sie hat die meisten Kolonisten in ihrem Schuldbuche mit grossen Vorschüssen, die sie ihnen jährlich gemacht, und von ihnen bei den bestehenden Yerhältnissen nie wieder erhält; sie muss noch jährlich diese Zuschüsse fortset- zen, so dass am Ende der 16 Jahre die laufende Schuld der meisten Kolonisten grösser sein wird, als die erste Summe von 1700 fl* Wer gibt der Gesell- schaft diese ungehenre Summe wieder? Bisher hat sie durch die immer noch bedeutenden freiwilligen Bei- träge, und die grossen Summen, welche sie vom Staate für Ueb ernahme von Waisen und Bettlern er- hielt, auch die grossen Ausfälle in den Kolonien de- cken können« Wie aber dann, wenn jene Einnahmen aufhören, die ohnedies auch jetzt grösstentheils für die Waisen- nnd Bettlerstifle selbst verwendet werden müssen?

Man möchte jedoch einwenden: Die kontrahiren- den Subkommissien , Armenverwaltungen oder andere I Behörden^ welche gegen Zahlung der 1700 fl. nach dem Verfluss der 16 Jahre das Eigenthumsrecht über die Koloriistengütchen haben, werden nicht einwilligen, dass die Kolonisten Erbpächter werden I Ich habe grosse Ursache, das Gegentheil in glauben« Denn fürt erste habeo die Kontrahenten nach 16 Jahren noch

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gtf nicht die freie Disposition über dis GStchen. Die Kolonisten -Aeltem haben, me oben bemerkt, das Recht, lebenslänglich darin za wohnen, und nur mit ihrer Einwilh'giing sich fremde Kinder zur Erziehung zutheilen zu lassen. Selbst nach der Aeltern Tode dürfen die Kontrahenten, so lange noch minderjährige Kinder da sind, nicht eine volle Familie schicken, son- dern nur die Personenzahl, Tiir die sie zuerst kontra- hirt haben, vollzählig erhalten. Bis also die alte Fa* milie theils ausgestorben, theils volljährig geworden ist, können weit mehr als 16 Jahre vergehen. Wollen die Kontrahenten aber die alte Familie auf deren Wunsch oder mit deren Einwilligung mit einer neuen vertau- schen, so müssen sie, wie oben erwähnt, die ganze Schuld der ersteren übernehmen, eine Last, die sie selten zu tragen geneigt sind. Hijerzu kommt, dass die volljährigen Kinder der Kolonisten in der Regel zunächst an ihre väterliche Heimathsorte zurückkehren, also den kontrahirenden Armenverwaltungen meistens wieder zur Unterbringung anheimfallen, welche so leicht nicht sein mag, da sie meistens bloss den Ackerbau erlernt haben, und die Ileimathsorle gewöhnlich Städte sind.

Dieser Last sind die Kontrahenten enthoben, sobald die Kolonisten Erbpächter werden. Auch wird es ih- nen, wenn das Loos der Kolonisten auf diese Weise angenehmer geworden, weit leichter werden, Armen- iamilien zur Ansiedelung in den Kolonien willig za machen, was ihnen jetzt so schwerfällt, und es wer* den nicht so viele Kolonisten aus den Kolonien nach

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ihrer alten Iletmath enllaurun, und ibncn wieder tm Versorgung anlicimfallea, als bisher Jcr Fall gewesen, Grade das bisherige Beslchea all dieser Lasten nnil , Sorgen in Absicht ihrer Ärmenkolonlstcn hat die Ar- ncnvernallungco in den meisten Städten bewogen, sich von der Thcilnahmc an den Kolonien zuriic'Kztiiiehen, niid keine neue Kolonisten mehr zu schicken, ja wohl selbst die Kolouistengillchen , worüber sie contrahlrt, im Stich zu lassen. Das Wegfallen dieser Lasten und Sorgen und die Ans steht auf eine dauernde und gÜick- licbc Versorgung ihrer Armen fainilien überwiegt daher das jetzige precäre Eigcnthumsrecht der KontrabenLen an den Kolon istengütcben soweit, dass sie keim Betlen- ken tragen werden, in eine Erbpachtnng einzuwilligen, wobei sie immer nocb Kigenlhümer bleiben, und eine jäbrlicbe, feste Kcntc für ihr angewandtes Kapital er- halten.

Nachdem ich die beiden Ilaup (gebrechen der freien Kolonien aasnibrlicher behandelt habe, brauche ich die übrigen Miingel nur tun zu berübren.

Der Kolonist hat nicht genug Miststoff für sein Land, das ist ein drittes Gebrechen. Da er jetzt meistens nur Eine Kuh erhält, so ist der Dünger hier- von nicht hinreichend fiir 2100 Kotben Land, Weil es ihm aber zugleich an Veen als Mislsloff fehlt, so bat man, wie oben bemerkt wurde, in den letzten Jah- ren allerhand Versuche gemacht, künstliche Surrogate für den animalischen Dünger «tt erballen, namentlich dnrch das Säen der Ginstern. Oh es den erwünschten Erfolg haben wird, nrnss die Erfahrung lehren. Ich

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hörte viele erfahrne holländische Landwirthe daran zwei- feln, — Warum die zweite Kuh den meisten Kolonislen vorenthalten wird, die anfangs doch für alle verspro- chen war, weiss ich uicht« Die bisherige Erfahrung der Gesellschaft, dass anch mit 2 Kühen die Kolonisten doch nicht aus den Schulden sich herausarbeiten, mag wohl dazu mitgewirkt haben* Nun wird sie, wegen der unaufhörlichen Vorschüsse an jene, meinen, von dieser Seite sparen tu müssen. Dadurch aber werden die Kolonisten noch mehr entmuthigt, und kommen noch tiefer in Schulden, weil ihr schlecht gedüngtes Land um desto weniger Erzeugnisse liefert.

Ein viertes Gebrechen besteht darin, dass der bei weitem grösste Theil der freien Kolonisten, näm- lich der evangelische Theil, nicht Seelsorge genug ge- niesst. Die Prediger zu Vledder und Steenwy- kerwolde können bei aller Thätigkeit die specielle Seelenpflege bei den Kolonisten nur in sehr geringem Grade ausüben, weil Jeder seine eigne Gemeinde von fast 800 Seelen zu bedienen hat, und von den einzel- nen Kolonisten % und %. Stunden entfernt wohnt. Grade die specielle Pflege eines treuen Seelsorgers^ welcher die höchsten und wirksamsten Motive zum Fleiss, tur Sparsamkeit, zur Zufriedenheit den einzelnen Ko- lonisten nahe brächte, welcher täglich mit väterlicher Liebe nnd Ernst unter ihnen weilte, in dessen Schoos sie ihre Klagen^ und Sorgen ausschütten könnten und würden, da sie in ihm keinen Spion der Gesellschaft argwöhnen, würde kräftiger zur Beförderung einer pflichtmäsffigea Thätigkeit wirken ^ als alle Beamten-

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Controlle, und würde manchen Aufseher ersparen. Da überdies fiir die 3 400 Katholiken in Frie- drlchsort ein besonderer katholischer Geistlicher an* gestellt ist, so verdienen auch die 1800 Protestanten wohl einen besonderen Seelsorger«

Endlich klagten mir manche einsichtsvolle Freun- de der Kolonien, dass eine kn grosse Anzahl Be- amter in den gesammten Kolonien sei. Diese geht natürlich aus dem strengmilitärischen Aufsichtssysteme hervor, wovon ich oben bereits bemerkt habe, dass es für die freien Kolonien nicht gan2 geeignet sein möge«

Die vorstehende Kritik der Kolonien henrkundet wohl deutlich genug, welchen hohen Werth ich diesen Anstalten beilege, nnd für wie wünschensWerth ich es halte, dass jeder Staat ähnliche Kolonien, mit Vermei- dung ihrer Mängel anlegen, nnd dadurch seinen Armen nnd Bettlern ein dauerndes, selbsterworbenes Brod mit Beförderung ihres Seelenwohls verschaffen möge* Auch unser Preussen hat noch unangebauete Ilaiden ge- nug in Westphalen, Niederrhein, Pommern und andern Provinzen, um solche Kolonien anzulegen^ und seine Bettler- nnd Landarmenhäuser sind vielfach noch solcostspielig) - man denke nur an die Pi^o- vinzial-Arbeitsanstalt zu Branweiler, wo ein Bettler dem Staat jährlich 66^^ Thlr. kostet, nnd 6 7 Thlr. jährlich verdient, und erreichen so unVoUkommen ihren Zweck, die Menschen gebessert der bürgerlichen Ge- sellschaft als nützliche Glieder toriickzugeben, dass sehr Vieles von jenen Anstalten Kiederlands mit gros* sem Nutzen nachgeahmt werden könnte.

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Wie in dem LAndarmenhansc zn B c n n i gh a n - sen schon manche Ideen derselben mit Erfolg benutzt worden sind, habe ich im Band I. S. 376. 377, be- merkt. Auch hier bildet freilich die Summe von 53 Thlrn., welche jeder Bettler jährlich kostet, noch einen grossen Abstand gegen die 35 fl. (19 Th. 13 Sg. 4 Pf.) der Bettlerkolonien* Mag man dieser niedrigen Summe nie in Deutschland ganz gleich kommen^ wegen de^ in Holland viel höheren Arbeitslohnes, so würde man sich derselben doch auf obige Weise sehr nähern können.

Sehr wünschenswerth wäre ferner, wenn fiir die- jenigen entlassenen Gefangenen, welche entwe- der heimathlos sind, oder in ihrer Ileimath kein Un- terkommen finden können, weil das Publikum ihrer Besserung nicht tränt, ihnen keine Arbeit gibt und Nie* mand es mit ihnen riskircn will, wodurch sie denn zn nenem Betteln oder Stehlen gleichsam gezwungen wer- den, Kolonien ähnlich denen zu Friedrichs ort er- richtet würden. Alsdann würde sowohl den arbeits- scheuen Entlassenen alle Ausflucht benommen, dass sie keine Arbeit finden könnten, als auch den arbcitslnsti- gen Gelegenheit gegeben, ihre Besserung zu bcthäli- , gen, und ehrlich ihr Brod zu verdienen. Dass die niederländische Gcfängnissgescllschaft schon längst mit einem solchen Kolonisirungsplane für Entlassene umgeht, habe ich S. 239 des 1. Bandes bemerkt.

Zur vollständigen Ucbersicht der niederländischen Armenkolonieu folge hier noch eine kurze Notiz über

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die im Süduiederiaad bestehenden« Im J. 1822 bildete sich , au%emuntert durch die Erfolge der Ko- lonien in Jen nördlichen B^vinxen, auch im Siidoie- dorland eine Gesellschaft der Wohlthätigkeit zur Anlegung von Armenkolonien. Ihr Mittelpunkt lA in Brüssel, und ihre Statuten sind dieselben, wie die der Gesclkchaflt in Mordniederland, ohne dass sie übri- gens mit dieser nähere Verbindung hat. Die Anzahl iljrcr Mitglieder war im Anfang über 13,000; gegen* wärtig schätzt man sie auf 11,000. Sie hat 2 freie Kolonien zu Wortel in der ProTini Antwerpen in einer grossen Haideßäche angelegt, worin gegenwSr-* tig 540 Seelen in 133 Häusern wohnen. Im J. 182ft legte s^e nicht weit davon sn Rjkewesel auch eine Dcttlerkolonie an, worin gegenwärtig 816 Perso- nen sind, und deren Ilauptbeschäftigung ebenfalls Be- bauung der Ilaiden ist. Auch hier gibt der Staat der Gesellschaft nur 35 fl. jährlich für jeden Bettler. Der Dircctor dieser Kolonien ist Hauptmann VAN DEir Bosch, ein Bruder des Generals. Ihr Zustand soll bUibend sein. Die Gesellschaft gibt zur grösseren Be- lanntwerdung ihrer Wirksamkeit und des Zostandes der Kolonien seit dem J. 1822 eine Zeitschrift heraus: Z,e Philanthropen recueil pubüe par ordre de la Com» jtiisslon Permanente de ia Societe de hienfaisance^ eta- hUe dans les Propinces meridionalea du Royaume des ^ayS'Bas, Bruxellee chez Weiesenbruclu Alle 2 Mo- nate erscheint ein Heft. In ähnlicher Art gibt die nörd- liche Gesellschaft seit längerer Zeit eine Zeitschrift her- aus, zuerst unter dem Titel : de Siar, seit dem J.1827

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jbc^pntcip dem Titel: Vriend des Faderlanda^ een tydachrifij toegeuyd aan den roem en de weU^ßort U€m Nederland, en in kit byzonder f>an de hidpbe- hmfügen in hetMeU^e, AflAlerdam bei /• van der Hey. Sie eotbült auch' Recensionen über andere landwirth- ichafiliche, philantropische und belletristiscbe Schriften. Nach dem ministeriellen Bericht über das Armen- weHsn im J, 1827 betrog am Ende des J. 1827 die Beyölkerang der Kolonien beider Gesellschaften «oaammen 8140 Seelen, worunter 3486 in Familien, 2078 Waisen nnd andere verlassene Kinder, nnd 2579 Bettler. Das bebaute Land betrag 3599^Vioo Bun- <J(0r«*). Die gesammten Aasgaben betrogen 1,518,415 fl«, die gesammten Einnahmen 1,578,527(1.

*) Ein Bu%der igt 700 rheinländische Quadratrutheu oder 10,000 niederländische Quadratellen.

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Kollecliren in Leiden. Rückblick auf meine Gemeinde. Lateinische Schu- len. Universitäten. Theologische Bildung auf denselben.

j^uch 111 der Universitätsstadt Leiden, wohin ich am 22. November aus dem Haag reiste» fand ich eine sehr freundliche Aufnahme. Durch meinen langen Aufent- halt in Holland war mein Zweck hier schon bekannt, und so bedurfte es, keiner langen Yorbereitong. Die Prediger, besonders PROPER, VeRwEY, Egeliug und IM o UNIER empfahlen liebreich meine Gemeinde, so dass ich in den meisten Familien, die ich besachte* gütig aufgenommen ward. Besonders erwiesen sich meh- rere reiche Frauen freigebig, nnter ihnen eine edle be- jahrte Jungfrau, welche 30 fl. gab. Als ich von ihr Abschied nehmen wollte, kamen aoch ihre 4 Mägde her- bei, und gaben jede 4 fl., darch welches Beispiel er- muntert selbst die' grade anwesende Nähterin 3 fl« bei- fügte. Einige Professoren, unter ihnen VAN VooRST

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nnd' VAii DtyfL Pai:.m, sammelt|k^ri!r meine Gemeinde unter ihre* Collegen und Freunden, und mehrere Tbeflogie Studirende eröffneten unter den Studenten eine Subscription, welche über 200 fl. betrug.

So ward ich auch hier wieder mit Liebe und Güte überhäuft, und konnte nur loben und danken. Indess wurde mir das Herz doch manchmal schwer, bei der Erinnerung an meine liebe Gemeinde, von welcher ich nun schon so lange abwesend war, und meine Besorgt- heit um ihrea Zustand wuchs mehr und mej|)r« Zwar wurde der Gottesdienst von den benachbarten Pfarrern und Kandidaten treulich verrichtet, und mein Kirchen- Torstand sandte mir wiederholt durch meine Schwester sehr beruhigende Versicherungen über den Zustand der Gemeinde, mij;;h ermunternd in dem schweren Werke .tu einer sichern Begründung ihrer Existenz fortzufah- ren. Ich fühlte freilich, dass dies nöthig sei, indess ward dadurch pieine Sorge nicht weggenommen, denn die specielle Scelcnpflege unterblieb doch fortwährend. Ich suc)i.te zu thun, was in dieser Ferne möglich war* Ich schrieb Anfang Octobers von Rotterdam aus einen Hirtenbrief an meine Gemeinde, sie zur Treue gegen ihren Heiland ermunternd und herzlich bittend um fieissigen Gebrauch der Gnadenmittel, des Worts Got* les und des Gebets, insonderheit um treue Fürbitte für ihren Hirten in der Fremde« Ich korrespondirtc mit einigen Confirmanden und Gemeindegliedern über ihren Seelenzustand , und ging, so weit ich aus der Ferne ..konnte, meiner Schwester mit Rath an die Hand, wel- che mich durc|^ treue Berichterstattung .mit den Ver«

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Lältnissen in der Gemeinde bekannt erhielt, und ndit Hülfe der Kirchenvorsteher die Pflege der Armen nnd Kranken treulich fortsetzte*

Als ich jedoch in Leiden schon den Winter her- annahen sah, und noch so manche Städte Hollands vor mir lagen, die ich zu besuchen hatte, selbst noch eine Reise nach England nöthig schien, da fühlte ich mich gedrangen, andere Maassregeln zur interimistischen Ver- sorguDg meiner Gemeinde zu treffen. Ich schrieb an einen meiner Schulfreunde im Nassauischen, Kandidat NöLL, gegenwärtig Pfarrer zu Waldbröl, ob er nicht in meiner Abwesenheit die Gemeinde zu Kai- serswerth als mein Stellvertreter weiden wolle. Er übernahm es mit der geneigten Bewilligung der kirch- lichen Behörden, und da er ordinirt war, so hatte ich die Freude, meine Gemeinde in allen pfarramtlichen Beziehungen versorgt, und selbst meinen Geschwistern daselbst eine Stütze gegeben zu sehen. Buhiger konnte ich nun den Bettelstab weiter setzen.

W'ährend ich ihn in Leiden umhertrug, benutzte

ich diesen Aufenthalt, um zugleich die Art des Stu-

dipms auf den holländischen gelehrten Schulen,

.besonders des Universitätsstudiums, näher ken-

^nep zu lernen.

Die erste gelehrte Bildung erhalten die jungen Stadirenden auf

den lateinischen Schalen,

in welche sie im lOten Jahre aus den Elementar- sch uleQ übergehen. In kleinern Städten haben die

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lateiniMhea Schulen mir Einen Lehrer, Rector ge- nannt, in grösseren vier, einen /iec/or, einen Co/zr^^^or, und 2 Prtieceptores, In Städten unter 20,000 Seelen niuss bloss der li€ct<^ Doctor Liter ar um sein, in Städten über 20,000 Seelen auch der Conrecior. In den grösseren lateinischen Schulen sinds Klassen, von wel- ] chen die Präceptoren jedoch einige zugleich unter- richten.

Die Schüler werden hier nicht so weit, als auf den«, deutschen Gymnasien gefördert, im Lateini- schen nur bis zum Virgil und HoraZy auch wohl bis zu Cioeronia Officio^ im Griechischen nur bis zum Honier, auch wohl bis zum Thucydides, Das He- bräische wird hier noch nicht gelehrt. Die iibrtgen Unterrichtsgegenstände sind: Mathematik, alte und neue Erdbeschreibung, alte und neue Ge- schichte, griechische und römische Mythologie. 4 Stunden täglich von den 5 Unterrichtsstunden in den 3 Wintermonaten und eben so viele von den 6 Lehr- stunden der übrigen 9 Monate müssen, auf die beiden .alten Sprachen verwandt werden. In der neuesten Zeit wird der Unterricht in den meisten Fächern VfAfS^ *. geführt, als früherhiu. Namentlich ist dies füi^ ditf Mathematik durch ein königliches Decret vomy^ *' September 1826 befohlen. Auch heissen die grösseren lateinischen Schulen jetzt Gymnasien. Auf den la- teinischen Schulen zu Utrecht wird seit den letzten Jahren in Folge des Vorschlags des Professors der Geschichte VAN Heusde daselbst in seinen im J. 1B28 erschieiienen : Brint^n ouer Hooger Onderwys

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der Unterricht f a c h w e i s e ertheilt, so dass nicht mehr wie früher Ein Lehrer alle Unterrichtsfächer in seiner Klasse lehrt, sondern jeder Lehrer ein besonderes Fach hat, das er durch alle Klassen unterrichtet. Auch iu Amsterdam u. a. O. wird dies bereits nachgeahmt Religionsunterricht ist von dem Lehrplane ganzlich ausgeschlossen« Eine betrübende Erscheinung In einem christlichen Lande! Wo 4 Standen täglich for Latein und Grie ethisch verwandt werden, we die hei dnische Götter lehre mit allem Fleiss ge- lehrt wird, da wird nicht Ein Wörtlein von Gott in Christo, ja nicht einmal von natürlicher Gottcser- kenntniss gelehrt, da wird zu den geistigen Büdungs« mittein einer solchen höheren Lehranstalt das geistigste, Religion, nicht gerechnet. Diese Anstalten können daher auch nicht einen Schein von Anspruch auf den Ehrennamen : christlicher Schulen machen, sondern sie entfremden vielmehr die Herzen nothwendig von I Christo und seinem Heil. Verdienen sie sonach nicht vielmehr den Namen: unchristlicher Schulen?

Welch einen grossen Vorzug hat hier wieder un- ser preussisches Vaterland durch die christliche Finorge der hohen und höchsten Sch'ulbehörden I Auf alleii unseren Gymnasien und höheren Bürgerschulen ist Religion einer der Unterrichtsgegenstände, und auf den ersteren ist zum Theil ein besonderer Religions- lehrer angestellt Auch sollen die von den Gymnasien anf die Universität abgehenden Schüler sich nach einer Verfiigaog des IVlinisterü des Gultus , Unterrichts etc. vom 28. Mai 1829 Sber ihre Religionskenntnbse einer

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besonderen schriftlichen Prüfung unterwerfen. Zu diesen Keligionsprti fangen der katholischen Schüler hat derDiöceseu-Bischof, zu denen der evangelischen Schü- ler das Consistorium einen geistlichen Commlssarius zu ernennen.

Nur ist noch zu wünschen, dass die Zahl der l\e- ^ ligionsstunden im Vergleich mit der Zahl der der la* teinischen und griechischen Sprache gewidmeten Stun- den nicht so unverhältnissmässig klein bleiben möge«*) Denn in den oberen Gymnasialklassen werden gcgeh- wärtig für die lateinische Sprache 10 12 Stun- den, für die griechische 6 8, für die ßeli-« gion aber nur 2 Stunden wöchentlich verwendet.

Wenn nämlich, was nicht geläugnct werden kann, die Religion wenigstens ein gleich wichtiges Bildungs-^ mittel, wie die lateinische und griechische Sprache fUr die Schüler dieser- Anstalten ist, wenn, was die ErCah- rung lehrt, für alle nicht Theologie Studirende mit ihrem Abgehen vom Gymnasium jeder fernere Reli- gionsunterricht ein Ende hat, mögen sie nun ins bür- gerliche Leben zurückkehren, oder die Universität be- ziehen, was selbst mit der lateinischen und griechischen

*) lieber die Nothwendigkeit, dem Religionsunterrichte mehr Raum in den Schulen zu geben, vgl. das treff- liche Buchlein des Gynmasialdirectors C. L. Ro tu in Nürnberg; Ueber Bildung durch Schulen christ- licher Staaten im Sinne der protestantischen Kirche. 1825 Nürnberg bei Schräg. Auch des Konsistorial- raths Dr. Mutzel Schrift: "EtMas über l^rediger- ^ seminarieu. S. S. Breslau Dieterici 1816*

asasaöBfii"

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Sprache nicht so der Fall ist, wenn endlich, was eben so unbestreitbar ist, Halbheit und Uiigründlichkeit der Erkenntniss in keinem geistigen Gebiete so nachthciHg auf Kopf und Merz wirkt, und so leicht aufbläht", als grade in der Religionserkenntniss, dann folgt von selbst, dasi§ zwei Stunden wöchentlich Tur einen gründlichen Religionsunterricht in den höheren Klassen der Gym- nasien, wo der Confirmandenunterricht ohnehin ge- wöhnlich schon beendigt ist, nicht hinreichen. Um eine tiefere Einsicht in die wichtigsten Bücher des und N. zu erlangen, ohne welche die christliche Glaubens - und Pflichtenlehre einer ihrer festesten StuN zen entbehrt, ist mehr Zeit, wenigstens vier Standen wöchentlich erforderlich. Auf diese Weise würde eher , eine feste religiöse üebcrzeugung herbeigeführt werden^ welche sowohl dem Schwärmen im Unglauben wie im Aberglauben wehren, den egoistischen Dünkel auf die eigne \^cishcit, der in diesen Flegeljahren des Geistes so mächtig emporstrebt, brechen, ja selbst den Fleiss nnd Elfer für alle andern Gegenstände des Gymnasial* Unterrichtes nicht wenig befördern würde, weil der re- ligiöse Jüngling aus höheren und darum stärkeren Mo- tiven fleissig ist, als der unreligiöse. Diese Früchte würden selbst diejenigen Philologen, welche dem Reli* gionsunternchte von seinen wenigen Stunden noch möglichst viel abzudringen suchen, weil sie die ihm ge- gönnte Zeit für jeden andern Unterrichlsgegenstand hes* scr augewandt glauben, auf eine ähnliche Art umstim- men, wie viele Pflanzer in den west- und ostindischea Kolonien in Absicht des Religionsuuterrichtes ihrer

•V.

175

mit den Gefühlen der Kammer, wie das Decret sich ausdrückt, dass gegenwärtig, wohl vorzüglich wegen der durch den Factionsgcist bei einem grossen Theile der Nation veranlassten Gähmng über diesen Punct,—^ kerne günstige Zeit für Feststellung eines neuen Ge- setzes hierüber sein möge«

Um jedoch den Grundsätzen von Freiheit in Ab- sicht des Unterrichts mehr Raum zu geben, sind in diesem Decrcte vorläufig einige liberalere Bestimmun- gen, zunächst das Elcmentar-Schulwesen be- frefTend, gemacht worden« In Hinsicht der Erlheilung des mittleren und höheren Unterrichts und des Haltens öffentlicher Vorlesungen bestimmt der erste Artikel des Decrets, dass, ebenso wie bei dem niede- ren Unterrichte, jeder, der die nöthigen Kenntnisse be- sitze 9 wo er sie auch erbalten haben möge, zur Leh- rerprüfung zugelassen werden solle. Die näheren Bestimmungen des Decrets hinsichtlicb des Elcmcntar- Schulwesens s. unten bei der Darstellung desselben.

Nach beendigtem Cursus auf der lateinischen Scha- le besucht der Studirendc entweder zuerst ein Athe- nänm, (s. S. 88,} oder sogleich eine

der Universitäten.*

Der Universitäten {hooge schalen, academien) sind 1', in Mordniederland drei, zu Leiden, Utrecht und pf Groningen. Die erste ist die vornehmste, auch we- gen ihres Alters, und hat mehrere Vorrechte. -

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besonderen schriftlichen Prüfung unterwerfen. Zu diesen Keligionsprti fangen der katholischen Schüler hat der Diöceseu-Bischof, zu denen der evangelischen Schü- ler das Consistorium einen geistlichen Commlssarius zu ernennen,

Nur ist noch zu wünschen, dass die Zahl der Re- ligionsstunden im Vergleich mit der Zahl der der la« teinischen und griechischen Sprache gewidmeten Stun- den nicht so unverhältnissmässig klein bleiben möge.*) Denn in den oberen Gymnasialklasscn werden gegen- wärtig fiir die lateinische Sprache 10 12 Stun- den, für die griechische 6 -^ 8, für die ßeli-« gion aber nur 2 Stunden wöchentlich verwendet.

Wenn n'amlich, was nicht geläugnct werden kann, die Religion wenigstens ein gleich wichtiges Bildungs- mittel, wie die lateinische und griechische Sprache fUr die Schüler dieser^ Anstalten ist, wenn, was die Erfah- rung lehrt, für alle nicht Theologie Studireude mit ihrem Abgehen vom Gymnasium jeder fernere Reli- gionsunterricht ein Ende hat, mögen sie nun ins bür- gerliche Leben zurückkehren, oder die Universität be- ziehen, was selbst mit der lateinischen und griechischen

*) lieber die Nothwendigkeit, dem Religionsunterrichte mehr Raum in den Schulen zu geben, vgl. das treff- liche Büchlein des Gymnasialdirectors C. L. Ro th in Nürnberg; Ueber Bildung durch Schulen Christ-» lieber Staaten im Sinne der protestantischen Kirche. 1825 Nürnberg bei Schräg. Auch des Konsistorial- raths Dr. Mutzel Schrift: Etwas über Prediger- seminarieu. S* S. Breslau Dieterici 1816«

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Sprache nicht so der Fall ist, wenn endlich, was eben so unbestreitbar ist, Halbheit und Ungründlichkeit der Erkenntnlss in keinem geistigen Gebiete so nachthcilig auf Kopf und Herz wirkt, und so leicht aufbläht", als grade in der Religionserkenntniss, dann folgt von selbst« dass zwei Stunden wöchentlich für einen gründlichen Religionsunterricht in den höheren Klassen der Gym- nasien, wo der Confirmandenunterricht ohnehin ge* wohnlich schon beendigt ist, nicht hinreichen. Um eine tiefere Einsicht in die wichtigsten Bücher des und N. T. zu erlangen, ohne welche die christliche Glaubens - und Pflichtenlehre einer ihrer festesten Stüt« zen entbehrt, ist mehr Zeit, wenigstens vier Standen wöchentlich erforderlich. Auf diese Weise würde eher eine feste religiöse Ceberzeugung herbeigeführt werden^ welche sowohl dem Schwärmen im Unglauben wie im Aberglauben wehren, den egoistischen Dünkel auf die eigne Wcislicit, der in diesen Flegel jähren des Geistes so mächtig emporstrebt, brechen, ja selbst den Fleiss nnd Elfer für alle andern Gegenstände des Gymnasial* Unterrichtes nicht wenig befördern würde, weil der re- ligiöse Jüngling aus höheren und darum stärkeren Mo-* fiven flelsslg ist, als der unreligiöse. Diese Früchte würden selbst diejenigen Philologen, welche dem Reli* gionsunternchte von seinen wenigen Standen noch mdglichst viel abzudringen suchen, well sie die ihm ge- gönnte Zeit für jeden andern Unterrichlsgegenstand bes- ser au gewandt glauben, auf eine ähnliche Art umstim- mco, wie viele Pflanzer in den west- und oslindischen Kolonien in Absicht des Religionsunterrichtes ihrer

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Slaven umgestimmt worden sind. Sie wollten bekannt- lich lange Zeit denselben keinen Religionsunterricht zu Theil werden lassen, weil auch sie die Zeit für andere Beshäfligung besser angewandt glaubten. Bald aber bemerkten sie mit Erstaunen, dass die an jenem Un- terrichte theilnehmenden Sclaven in der übrigen Zeit viel fleissiger, geduldiger und treuer arbeiteten, als je zuvor, und dadurch die Unterrichtszeit ihnen reichlich vergüteten. *)

Wer die nähern gesetzlichen Bestimmungen über die lateinischen Schulen Niederlands lesen will, s. daa königliche organische De er et aber den böheren Unterricht vom 2. August 1815 Art. 4 bis 35. Im verflossenen Jahre ist vom Könige eine Commission niedergesetzt worden, um eine Reorganisation des nie- * deren und mittleren Schulwesens einzuleiten. Auch find viele Schriflen mit Vorschlägen hierüber erschie* nen, welche aber grade den einen faulen Fleck, die Ausschliessung des Beligion<anterrichtes, gar nicht oder nur wenig berührt haben» Durch ein Beeret des Königs vom 27* Mai 1830 über den Unter- richt hat der König indess den durch die Gommission ausgearbeiteten und von dem Minister den General- staaten vorgelegten neuen Geseties^Entwurf über die- sen Gegenstand 2urückgenommen, in Uebereinstimmung

*) Das merkwürdige Zeugniss des englischen Colonial« ministers Huskisson hierüber vom 22. Sept. 1827 ■. im Basler Missionsmagazin IL Quartblheft 1830 364. vgl. S. 317 und S34. |

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mit den Gefühlen der Kamjuer, wie das Dccret sich ausdrückt, dass gegenwärtig, wohl vorzüglich wegen der durch den Factionsgeist bei einem grossen Theile der Nation veranlassten Gähmng über diesen Punct,—^ keine günstige Zeit für Feststellong eines neuen Ge- setzes hierüber sein möge«

Um jedoch den Grundsätzen von Freiheit in Ab- sicht des Unterrichts mehr Raum zu geben, sind in diesem Decrete vorläufig einige liberalere Bestimmun- gen , zunächst das Elementar-Schulwesen be- treHend, gemacht worden« In Hinsicht der Ertheilung des mittleren und höheren Unterrichts und des Haltens öffentlicher Vorlesungen bestimmt der erste Artikel des Decrets, dass, ebenso wie bei dem niede- ren Unterrichte, jeder, der die nöthigen Kenntnisse be- sitze, wo CT sie auch erhalten haben möge, zur Leh- rerprüfung zugelassen werden solle. Die näheren Bestimmungen des Decrets hinsichtlich des Elcmcntar- Schulwesens s. unten bei der Darstellung desselben.

Nach beendigtem Gursus auf der lateinischen Scha- le besucht der Studirende entweder zuerst ein Athe- nänm, (s. S. 88*} oder sogleich eine

der Universitäten."

Der Universitäten {hooge scholerty acaderruen) sind In Nordniedorland drei, zu Leiden, Utrecht und Groningen. Die erste ist die vornehmste, auch we-* gen ihres Alters, und hat mehrere Vorrechte. -

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Jede Universität ist in fünf Facultäten eingethcilt:

1) in die der reformirten Theologie,

2) Rechtsgelehrsamkeit,

3) Heilkunde,

4) Mathematik und Natnrwissenschaf*

Ml, und

5) Philosophie and Literatur.

Der Bang der Facultäten wechselt jährlich ab, so dass die, zu welcher der Rector gehört, die präsidi-* rende ist.

Von der theologischen Facnltät müssen Je- des Jahr folgende Vorlesungen gehalten werden: 1) die natürliche Theologie, welche jedoch aach von der fünften Facultät gelesen werden kann, 2) die Kirchengeschichte, 3) die Hermeneutik, 4) die Dogmatik, 5) die christliche Moral, 6) die Homiletik und Pastoralwissenschaft« Die Katechet ik fehlt ganz.

Die Professoren der Theologie sind zugleich aus- serhalb der Ferien Univ er sitätsp rediger, und erhalten dafür zusammen den Gehalt Einer Prediger- stelle«

Von der juristischen Facultät sind zn le- sen: 1) die Institutionen, 2) die Pandecten, 8) das Naturrecht, 4) das Staats " und Völker-. recht, 5) das gegenwärtige Civilrecht, 6) das ge- genwärtige Crimlualrecht. Au der Universität tu Leiden muss noch 7) die Staatengeschichte* Enropa's, 8) die Statistik und 9) die Diplo- matik gelesen werden.

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Dl« mediciaiscbe Fakultät hat iu late«: 1) die Anatomie, 9) die Physiologie,^ 3} die Pathologie, 4) das Practicnm, 5) die Pharmacie und Materiam medicam^ 6) die Chirurgie^ 7) die Geburtshiilfe, 8) die Diätetik und d\ M^did- natn politicam et foreruem.

Von der mathematischen und naturwis- senschaftlichen Fakultät muss gelesen werden:

1) die Elementarmathematik, 2) die höhere Mathematik, 3) die Mathematik auf Hydrau- lik und Wasserbaukunst angewandt, 4) die Ex- perimentalphysik, 6) die mathematische Na- tsrlehre, 6) die physische Astronomie, 7) die mathematische Astronomie verbunden mit dem Unterricht in astronomischen Beobachtungen m der Schifffahrt, 8) die Chemie, 8) die Bo- tanik und Physiologie der Pflansen, 10) die Naturgeschichte der Thiere etc. und 11) die Landwirthschaftsknnd e (landhuiaköud" kunde^y

Die philosophische und literarische Fakultät endlich muss vortragen: 1) die Logik,

2) die Metaphysik, 3) die Geschichte der Phi- los.ophie, 4) die philosophische Moral, 5) die lateinische Literatur, 6) die römischen Alterthümer, 7) die griechische Literatur, 8) die griechischen Alterthümer, 8) die he- bräische Literatur, 10) die arabische^ syri- aehe and chaldäische Literatur, 11) die )ii- diachen Alterthämer, 12) di€( allgemeine

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besonderen schriftlichen Prüfung unterwerfen. Zu diesen Keligionsprü fangen der katholischen Schüler hat derDlöcesen-Bischof, zu denen der evangelischen Schü- ler das Consistorium einen geistlichen Commlssarius zu ernennen,

Kur ist noch zu wünschen, dass die Zahl der l\e- j ligionsstunden im Vergleich mit der Zahl der der la- teinischen und griechischen Sprache gewidmeten Stun- | den nicht so unverhältnissmässig klein bleiben möge.*) Denn in den oberen Gymnasialklassen werden gegen- wärtig für die lateinische Sprache 10 12 Stun- den, für die griechische 6 8, für die Beli-> gion aber nur 2 Stunden wöchentlich verwendet.

Wenn nämlich, was nicht geläugnet werden kann, die Religion wenigstens ein gleich wichtiges Bildangs«4 mittel, wie die lateinische und griechische Sprache für die Schüler dieser- Anstalten ist, wenn, was die Erfah- rung lehrt, für alle nicht Theologie Studirende mit ihrem Abgehen vom Gymnasium jeder fernere Keli- gionsunterricht ein Ende hat, mögen sie nun ins bür-^ gerliche Leben zurückkehren, oder die Universität be- ziehen, was selbst mit der lateinischen und griechischen

*) Ueber die Nothwendigkeit, dem Religionsunterrichte mehr Raum in den Schulen zu geben, vgl. das treff- liche Büchlein des Gynmasialdirectors C. L. Roth in Nürnberg: Ueber Bildung durch Schulen christ- licher Staaten im Sinne der protestantischen Kirche. 1825 Nürnberg bei Schräg. Auch des Konsistorial- raths Dr. Mutzel Schrift: Ctwas über Trediger- semioarien. S. S. Breslau Dieterici 18lt>«

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Sprache nicht so der Fall Ist, wenn endlich, was eben so nnbcstreilbar ist, Halbheit und Ungründlichkeit der Erkenn tniss in keinem geistigen Gebiete so nachthcillg auf Kopf und llerz wirkt, und so leicht aarbläht", als grade in der Religionserkenntniss, dann folgt von selbst, dass; zwei Stunden wöchentlich für einen gründlichen Religionsunterricht m den höheren Klassen der Gym- nasien, wo der Confirmandenunterricht ohnehin ge- wöhnlich schon beendigt ist, nicht hinreichen. Um eine tiefere Einsicht in die wichtigsten Bücher des A. und N. T. zu erlangen, ohne welche die christliche Glaubens - und Pflichtenlehre einer ihrer festesten Stiit* len entbehrt, ist mehr Zeit, wenigstens vier Standen wöchentlich erforderlich« Auf diese Welse würde eher eine feste religiöse üeberzeugung herbeigeführt werden, welche sowohl dem Schwärmen im Unglauben wie im Aberglauben wehren, den egoistischen Dünkfel auf die eigne Weisheit, der in diesen Flegcljahren des Geistes so mächtig emporstrebt, brechen, ja selbst den Fleiss nnd Eifer für alle andern Gegenstände des Gymnasial- unterrichtes nicht wenig befördern würde, weil der re- ligiöse Jüngling aus höheren und daram stärkeren Mo* tiven fleissig ist, als der unreligiöse. Diese Früchte würden selbst dieienigen Philologen, welche dem Reli* gionsunterrlchle von seinen wenigen Stunden noch möglichst viel abzudringen suchen, weil sie die ihm ge- gönnte Zeit für jeden andern Unterrlchlsgcgenstand bes- ser angewandt glauben, auf eine ähnliche Art umstim- men, wie viele Pflanzer in den west- und ostindischen Kolojnlen in Absicht des Religionsunterrichtes ihrer

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Slaven rnngestimmt worden sind. Sie wollten bekannt* lieh lange Zeit denselben keinen Religionsunterricht zu Theil werden lassen, well auch sie die Zeit (ur andere Beshäfligung besser angewandt glaubten. Bald aber bemerkten sie mit Erstaunen, dasa die an jenem Un- ^ terricbte theilnehmenden Sclaven in der übrigen Zeit 1 viel fleissiger, geduldiger und tffoer arbeiteten, als je ! zuvor, und dadurcb die Unterrichtszeit ihnen reichlich i vergiitetcn. *) ' !

Wer die nähern gesetzlichen Bestimmungen iibef die lateinischen Schulen Niederlands lesen will, s. das königliche organisch e Decret über den höheren J Unterricht vom 2. August 1815 Art 4 bis 35. Im Terflossenen Jahre ist vom Könige eine Commission niedergesetzt worden, um eine Reorganisation des nie- 1 deren und mittleren Schulwesens einzuleiten. Auch ^ find viele Schriften mit Vorschlägen hierüber erschie« nen, welche aber grade den einen faulen Fleck, die Ausschliessung des Religionsanterrichtes^ gar nicht oder nur wenig berührt haben. Durch ein Decret des Königs vom 27. Mai 1830 über den Unter- richt hat der König indess den durch die Commission ausgearbeiteten und von dem Minister den GeneraU ataaten vorgelegten neuen Gesetxes^Entwurf über die- sen Gegenstand 2urückgcnonunen, in Uebereinstimmung

*) Das merkwürdige Zeugniss des englischen Colonial-> ministers Huskisson hierüber vom 22. Sept, lfi[27 * s. im Basler Missionsmagasin IL Quartklheft ^ 1830 8, 2ßL vgl. S. 317 und B34. |

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mit den Gefühlen der Kammer, wie das Decret sich ausdruckt, dass gegenwärtig, •— wohl vorzüglich wegen der durch den Factionsgeist bei einem grossen Theile der Nation veranlassten Gähmng über diesen Pnnct,—^ keine günstige Zeit für Feststellung eines neuen Ge- setzes hierüber sein möge.

Um jedoch den Grundsätzen von Freiheit in Ab- sicht des Unterrichts mehr Raum zu geben, sind in diesem Decrete vorläufig einige liberalere Bestimmun- gen, zunächst das Elementar-Schulwesen be- treffend, gemacht worden« In Hinsicht der Ertheilung des mittleren und höheren Unterrichts und des Haltens öffentlicher Vorlesungen bestimmt der erste Artikel des Decrets, dass, ebenso wie bei dem niede- ren Unterrichte, jeder, der die nöthigen Kenntnisse be- sitze, wo er sie auch erhalten haben möge, zur Leh- rerprüfung zugelassen werden solle. Die näheren Bestimmungen des Decrets hinsichtlich des Elcmentar- Schnlwesens s. unten bei der Darstellung desselben.

Nach beendigtem Cursus auf der lateinischen Schu- le besucht der Studirende entweder zuerst ein Athe- näum, (s. S. 88.) oder sogleich eine

der Universitäten.'

Der Universitäten {hooge scholen, ctcademUn) sind in Nordniedflrland drei, zu Leiden, Utrecht und Groningen» Die erste ist die vornehmste, auch we- gen ihres Alters, und hat mehrere Vorrechte. -

ÜLIÄJJJJILU.

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Jede Universität ist in fünf Facultäten eingetheilt:

1) in die der reformirten Theologie,

2) Rechtsgelehrsamkeit,

3) Heilkunde,

4) Mathematik und Natunrissenschaf*

Ml, und

5) Philosophie nnd Literatur.

Der Bang der Facult'aten wechselt jährlich ah, so das« die, zu welcher der Rector gehört, die präsidi« rende ist.

Von der theologischen Facnität mlissen Je* des Jahr folgende Vorlesungen gehalten werden: 1) die natürliche Theologie, welche jedoch ancn von der fünften Facultät gelesen werden kann, 2) die Kirchengeschichte, 3) die Hermeneutik, 4) die Dogmatik, 5) die christliche Moral, 6) die Homiletik und Pastoralwissenschaft. Die Katechetik fehlt ganz.

Die Professoren der Theologie sind zugleich aus- serhalb der Ferien Universitätsp rediger, und erhalten dafür zusammen den Gehalt Einer Prediger- stelle.

Von der juristischen Facultät sind zn le-> sen: 1) die Institutionen, 2) die Pandecten, 3) das Naturrecht, 4) das Staats '- und Völker- recht, 5) das gegenwärtige Civilrecht, 6) das ge- genwärtige Crimiualrecht. An der Universität ZVL Leiden muss noch 7) die Staatengeschicbte' Europa's, 8) die Statistik und 8) die DIplo-' matik gelesen werden.

177

Dl« mediciaisclie Fakultät hat ^u \titm 1) die Anatomi^y 9) die Physiologie,'^ 3} die Pathologie, 4) das Practicnm, 5) die Pharmacie -und McUeriam medicam^ 6) die Chirurgie« 7) die GeburtshÜlfe, 8) die Diätetik und B) M^td- nam pollticam et forensem.

Von der mathematischen und natnrwis* senschaftlichen Fakultät muss gelesen werden:

1) die Elementarmathematik, 2) die höhere Mathematik, 3) die Mathematik auf Hydran* lik und Wasserbaukunst angewandt, 4) die Ex- perimentalphysik, 6) die mathematische Na- tsrlehre, 6) die physische Astronomie, 7) die mathematische Astronomie verbunden mit dem Unterricht in astronomischen Beobachtungen m der Schifffahrt, 8) die Chemie, 8) die Bo- tanik und Physiologie der Pflansen, 10) die Naturgeschichte der Thiere etc. und 11) die Landwirthschaftskund e (landhuishöud' kunde^y

Die philosophische und literarische Fäkal tat endlich muss vortragen: 1) die Logik,

2) die Metaphysik, 3) die Geschichte der Phi- los.ophie, 4) die philosophische Moral, 5) die lateinische Literatur, 6) die römischen Alterthümer, 7) die griechische Literatur, 8) die griechischen Alterthümer, 8) die he- bräische Literatur, 10) die arabische^ syri- •ehe nnd chaldäische Literatur, 11) die iä- diechen Alterthämer, 12) di€( allgemeine

n. 12

178

G««cbichte5 13) di# vaterländische 6c- 8€liiclite, 14) die holländische Literatur lind Beredsamkeit

Die Zahl der ordentlichen Professoren ist festgesetitt

zu Leiden -— Utrecht » Groningen

hei der theol. Fakullät

4

. « 3

>• •« 3

<— jaristisehen

4

. . 3

. . 3

nedicioisdien

4

. 3

3 a

mathemat etc.

4

., .. 4

. 4

-!-* Philosoph« etc.

5

. 5

. . 5

An de» UniversilSt zu Leiden kifonen überdies noch aas serordentliche Professoren angestelk werden.

Jede Wissenschaft, welche den Gegenstand einer besonderen Vorlesung aasflsacht, mnss der Regel nacb in Einem Jahre abgehandelt werden. Auch soll, soTiel mj^lidi, in aUen Vorlesungen von den Professoren nnd von den Studenten respondirt werden.

Weil die lateinischen Schalen in Spra- chen und Wissenschaften nicht soweit fSfaren, als un- tere deutsche Gymnasien, so darf kein Stadirendcr auf der Universität eher zu den eigentlichen Fakultäts- studien übergehen, als bis er zuvor die Vorbereitnngs- Wissenschaften: Philologie, Philosophie, Ge* schichte und Mathematik noch einige, gewöhn- lich 2 Jahre stadirt und durch ein Examen den Grad eines Kandidaten der Literatur, wenn er sich zur ersten oder zweiten Fakultiit wenden will, und den Grad eines Kandidaten der Mathematik und Nä^

17a

larwiisenscliaften, wenn er ncli lor dritUn wen- det, errorbeii hat.

Philosophie wird wenig betrieben. Die künfti- gen Theologen hören meistens nnr Logik, und etwa M G [ a p h y s iV Fast alle holländische Philosophen jtnd Kklektiker. Mar Professor KiNKER in Lüttich, und der verstorbene Professor VAN Hehert waren Kan- tianer, konnten aber diese Philosophie nicbt in Aof- nahmc bringen.

Der Student, der lom Fakultätsstndinm übergegan- gen ist, muss die Theologie, oder JnrispmdenS» oder Philosophie, oder Literatur wenigtiensS Jäh* le, die Medjcin wenigstens 4 Jahre stndireu« Aach die Theologen slndiren ihr Faeh gewöhnlich 4 Jahrd.:

Auf die Promotion tum Doctor wird' hei a(- leo Fakultäten viel Werih gelegt, und manche "Vor- ruhte sind damit verbunden, so dass Viele, auch ia der Theologie, tum Doctor noch während ihrA Uoiversiüitszeit promoviren. Nur müssen sie wenigslepr Ein Jahr vorher ihr theologisches Kandidqteneiaa»^ gemadit haben. Kinc ausführliche Darstellung die«^ Eromotionen lu den verschiedenen akademischen (Ba^ ben gehört nicht in meinen Plan. Wer sie wniueh^ den muss ich auf das königliche organische Decret vom Zien Angusl 181S über den höheren tThter- ricitt Art, 77 127 verweisen, welches Decret auch iD diesem Pnnkte die Haaptqoelle Ist

Jede Torlesnng von 2 Sfamden wUchentlich wird mit U fl. , und, wenn «e mehr als iweimal in air Wodie gehallen wird, ntil 30 fl. beiablt. Jedoch kostet 12*

180

i^mt

et dum, aichti weiter^ wenn die Yorietnnf über den* jelben Gegenstand aoch länger als Ein Jahr, währt Die Hwiiisnma werden nach hesonde^^er Ueberein* hmft bezahlt.

Jeder Professor wird, sobald er 70 Jahre alt ist; ■iit Beibehaltung seines ganzen Gehaltes fdr emeriiu» erklärt, und ein neuer Professor statt seiner berufen. Indess steht es in seinem Belieben , noch Vorlesungen m halten.

Die Studenten haben bei Ihrer Aufnahme nnter die akademischen Bürger vor dem Rector bloss die Statu- tea XU unterschreiben, müssen aber bei dem Anfang eines jeden akademischen Jahres sich aufs neue in die Liste einschreiben lassen, welche Einschreibung siel» mar anf em Jahr gilt Einige Tage vor der neuen EiBSchreibnng sendet der Unirersitätssecretär dem De* kan jeder Fakultät die Liste der zu derselben gehären** den Studenten snr Circulation an die einzelnen Pro-> fessoreui welche darauf rerzeichnen, wer ihre Vorlesun- gen besucht. Welche Studenten ron keinem Professor vcneichnet sind, werden ans der Zahl der akademi- ichen Burger ausgestrichen. Eine nützliche Elnrich« lBO|^ welche wohl Nachahmung verdiente!

Zur Ermunterung in den Studien werden jähr- lich von der Universität zu Leiden 10, von der an Utrecht 6, und von der zu Groningen 6 lateini-^ icfae Preisfragen ausgeschrieben, deren beste Beant* wortnng dne goldene Medaille von BO fl. Werth^ oder daett Snant selbst erwirbt.

181

Zur UnterstStmog inner boffoiiigiToIler Sla* direnden der Tcrschiedeneu FalmltSten hat der Stui liir Leiden 30, für Utrecht 20, und fdr GrSnin* gen 20 Geldstipendien gestiftet, deren jedes ta der ersteren Universität jährlich dOO fl.» an den beiden anderen 200 fl« beträgt, und dem Fleissigen «nd siA gut Betragenden jedes Jahr anfs neue verliehen wird^ •o jedoch, dass er es längstens nur 8 Jahre hinter ein- ander geniessea kann«

Die hSchate UniTersitätsbehSrde, welcbenn- mittelbar unter dem Ministerinm des Unterricht« (lagleich dem des Innern) steh^ ist für jede Univer- aität ein CoUegiom von 5 Gnratoren, welche von Ministerio ernannt werden, und deren wenigstens 8 am der Provinz, worin die Universität liegt,, sein müssen* Die oberste Magistratsperson der Universitätsstadt ist jedesmal Mitglied des Cnratoriums. Die Gnratoren ver* aehen ihr Amt nneotgeldlich« Sie haben die oberste An&icht über die Professoren, den Unterricht, die Uni- versitätsgebäade, Kabinette etc., über die Verwaltung der Universitätsfonds , haben das Recht, die Stipen- dien zu vergeben, wobei sie jedoch die Empfehlungen iet Fakaltäten berücksichtigen sollen, haben bei einer cricdigten Professor eine Zweizahl von geeigneten Män^ nem dem Ministerio vorzuschlagen, fiberhaopt Vor- «cUäge rar Befördemng des Wohls der Universität in vnehen, nnd jährlich im Octoher anen Etat über dit ■Bthmasslichcn Kosten dersdbcB tm iblgead* Jahr •BS MiaistiriBni eimmesdeD.

182

^K zweite akademische Behörde ist der cS^tK«! « echselade und jedes Jahr aus einer andern ':<ci^-.itlaC gewählte Rector nebst dem akademischen >4J4te, der Gesammtheit aller ordentlichen Profes- wen« Ueberdles steht dem Rector, um die laufenden Sachen besorgen zu helfen und als Beirath ein engerer Ausschuss von 4 Assessoren zur Seite, deren aus den Professoren jeder Fakultät einer erwählt ^ird. Stellvertreter des Rectors ist der zuletzt abgegangene , Rector, welcher nun Prorector heisst. Der Rector mit dem Senate hat die Aufsicht aber die Sttadien und über die akademische Zucht. - Wenn in sehr wichti- gen Fällen eine gemeinschaAlIche Versammlung des Curatoriums und des akademischen Senates nöthig wird, so heisst diese Versammlung Senatus ampliaaimus, Wa$ nun insbesondere die Theologie Studio r enden betriff]^ so mussten diese bis zum J. 1820 In ihrem vorbereitenflen literacischen Curstis auch grie- chische Alterthiimer, Physik, Astronomie, philosophische Moral und holländische Gram- matik hören, welche seit dieser Zeit Ihnen aber erlas- sen sind, so dass sie bloss noch über den holländi- schen Styl und die Beredsamkeit hören müssen« Uta Vorlesung^ über die Landwirthschaft braucht- en' sie seitdem statt 2 Jahren nur 1 Jahr lang beizu- wohnen. Im ersten Jahre ihres Fakultätsstudiums hö- ren sie. natürliche Theologie, Kirchenge- schichte, Hermeneutik, Exegese des A. und Nk T«, 'spjftef,I)ogmatik, christliche Moral uad Pasioralthcologie. Auch die Nebendialectc de»

Hebriiisclieo, das Chaldäisciie, Syrische «nd ArA- bische werden voo Tiden fieissig betrieben^ dagegen die Homiletik theoretisch und practisch wenig. Zwei- mal wenigstens müssen sie sub praeside prqfiu$an gepredigt haben ^ ehe sie sich snm theologischen Kan- didatenexamen melden dürfen« Diese Predigten gesche- hen in der Woche in einer Kirche in Gegenwart des Professors und der zu dieser Zeit die Homiletik mit- besnchenden Stndirenden , nicht grade öffentlich Je- doch ladet der Predigende seine männlichen and weih- lichen Bekannten, Freunde und Gönner zur Anhönung seiner Predigt durch Einladungskarten, gewöhnlich 150 200 ein, welche er umher trägt oder schickt Erst, wenn der Theologe auf diese Art einmal gepredigt hat, worüber er ein Zeugniss erhält, darf er auch aaf be- nachbarten Dörfen» predigten, jedoch nur praesinie paatore^ was aber nicht häufig geschieht, da man ^ich auf der Universität wenig im Predigen übt. Ka- techetik wird fast gar nicht, weder theoretisch ,^ und noch weniger praktisch, betrieben, indem der Professor sie nicht mit Kindern katechisiren lässt, noch in ihrer Gegenwart Katechisation hält. Eine traurige Schatten- seite des theologischen Studiums, zum Theil Folge der Ueberschätzung der Predigt und der Greringschätiimg der Katechisation, wie dies bekanntlich auch in unsetm Deutschland zu Speners Zeit der Fall gewesen war, welcher, als er, um die Katechese wieder zu he« ben, selbst in Dresden nocb eifktg mit den Kindern katechisirte> mitleidig bespöttelt würde» dass aus einem Oberhofprediger eiaSeknlmeisttr gewordea sei.

184

Oad leider wird doch aach jetil noch die Kitecbetet wenn gleich wir ihren Werth theoretisch allgemein anerkennen mögen, bd uns in praxi vielfach Temach- iSssigt. Obiger Ansicht gemäss überlässt man in Hol* land das Katechisiren zum grossen Theiie den Kate- chisirm eiste rn, eben nicht zam Katzen der christ- Hdien Jugend, wie S. 62 65 des Bandes gezeigt worden ist Nor in Leiden pflegen einige )ange Theologen freiwillig zn dem berühmten Prediger. £ ge- ling an gehen 2 nm sich bei ihm im Katechisiren lu

Alle theologischen CoUegien werden lateinisch gdesen, nor die Homiletik und Pastocaltheo- logicj letitere las Professor VAN Voobst an Leidea nach dem deatschen Leitfaden Ivon Profies- cor Ppkiffer in Marburg, —so wie über die Mattersprache und Landwirthschaft in hol- ländischer Sprache«

Auch die theologischen Professoren fragen in al- len Vorlesungen über das Vorgetragene, in den la- teinischen lateinisch und die Stadirenden respondi- ren in gleicher Sprache» Eine nützliche, naduhmungs- werthe Einrichtung, weil hierdurch theils das so oft langweilende ununterbrochene Dociren und todte Doc- liren vermieden, theils die Verständlichkeit des Vortrags gefordert wird, theils die Aufmerbamkeit der Zuhörer and ihr Interesse an den W^issenschaßen so wie ihr Vertrauen zu dem Lehrer zunimmt

Unter, den Theologen, so wie unter den andernScu- denlen kerrsc|it gröirtentheils ein ernster Eifer im Sta-

185

dimn and anageseichnete Wissenschaftltcbkeit« DSete wird hauptsächlich befördert durch die vielen kleinen wissenschaftlichen Yereine> welche die Stu- denten, sowohl die literarischen, als auch die theologi- schen und aus andern Fakultäten sn 8 12 unter sich wöchentlich £in bis zweimal Abends halten« Hier liest abwechselnd eins der Mitglieder eine über einen selbst- gewählten. Gegenstand Terfertigte lateinische ' Abhand- lung vor, worüber nun lateinisch disputirta und sowohl äberdiese^ aU aucb über andere thesea opponirC wird« Bei solchen Vereinen können «nch einige Ehrenmitgli^ der sein, welche hlosa manbören brauchen« Audi für bebräiscbe und ^dere orientalische Spradien gibt CS solche Vereine. leb hatte iibJ« 1824 in Utrecht die Freude^ einem solcbem literarischen Vereine Ton 10 12 geistreichen jungen Theologen und Juristen (unter letz- teren war ein Sohn des Justizministers VAn Maanen), welcher jeden Dienstag Abend yon 7—10 yersammelt war, beizuwohnen« Zuerst wurden die jdcta der letzten Yersamminng vorgelesen, denn es wird ein förmliches Protokoll gefdhrt, und ein Mitglied ist zum Secretär, ein anderes zum PrSisident gewählt; -— sodann las ein wirkliches Mitglied eine lateinische Abhandlung über einen literarischen G^eustand vor^ worüber die andern Mitglieder Bemerkungen machten. Darauf wurden von einem Andern 30 Verse aus Homer erklärt; dann von einem Dritten 6 8 Thesea hingestellt, welche er Tcrtheidigte, und wogegen die Uebrigen opponirten, alles laCeiu'sGfa« Endlich warde bolländisch dedaairt ■nd imprcmsirt^ dicsü Icbtcre selbst von einem Mit«

m

gliede ia htdnischer Sprache. Allei; gesdiaU dabei in einer so wiirdigea, erasteo und wisse^schaftlidieii Wei- se, dass ich nicht umhin konnte, die Bildung solcher Vereine fiir unsere deutschen Universitäten in ahm- licher Weise zu wünschen«

In firiiherer Zeit^ wo auf den holländischea Uni- versitäten vielen Studireuden neben der gepieinscfaaft- lichen Uebung in der Wissenschaftlichkeit auch die gemeinsame Uebung in der Gottseligkeit thener war, .gab es neben den wissenschaftlich'eii ähnlidie £r- ba au Dg SV ereine unter den Studenten, wie unter andern aus des Missionärs M. G ft. V o s Leben und Schiksaleu, (aus dem Holländischen iibersetzt, Basel bei Schneider 182») 5. OB erbellet. ,,Ich £and% enShlt er darin, ,,bei meinem Studiren in Utrecht üb J. 1^1781, eine fromme Studentengesellschaft, die damals „aus 1*7 Junglingen bestand , welche feden Saäistag „Abend auisammenkamen, um mit einander in beten, „lu singen und von Herz su Herz über Gottes Wort, „ihr Seelenheil und ihre Ldbenserfahrungen re reden« „Ich ward Mitglied dieser Gesellschaft, und fand, dass „dieser Verein nicht bloss für den Abend, sondern für „die ganze folgende Woche nützlidi war^ nta auf ein- „ander Acht zu geben^ und uns gegenseitig knm Glau- „ben und zur Liebe in guten Werken zu ermuntern* ^Darbei standen die Glieder dieses Vereins in allgemei- ^ner Achtung als Jünglinge, welche die Zeit ihrer aka- „denuschen Laufbahn nützlich verwandten und sebrflcis- „sig itttdirten.'*— Jetit hüten sich die Studenten aber

187

wohl vor solchen Vereinen , denn das w'ire ia IMysli-

CUQIUS I !

Der häufige freundschaftliche Verlehr, den jeder solide Studirende mit den Professoren hahen kanji, trägt ferner nicht wenig tn der grösseren Wissenschaft- iichkeit und Bildung der Studirenden hei. Jeder Pro- fessor hat nämlich wöchentlich einen Ahend bestimmt^ wo alle mit ihm in näherer Besiehung stehend'en oder solche wünschenden S.tudenten^ besondei's von seiner Fakultät, zum Thee lu ihm kommen, lind dnige Stun- den sich vertraulich mit ihm unterhalten können« Aach auf einigen preussischen Universitäten ist gegenwärtig bei mehreren Professoren diese schdne Sitte. Mög« sie mehr und mehr sich Verbreiten 1

Den einzelnen Studirenden wird es überdies nidit schweri noch näheren Umgang mit dem einen oder dem andern Professor anzuknüpfen, auch bei gebildeten Fa- milien Zutritt zu erhalten, welches nicht wenig dazu bei- trägt^ dass die Spuren der burschikosen Rohheit bei sehr vielen Studirenden verwischt werden, und ein ed- leres Wesen ihrem Aeusseren sich aufdrückt* Daher fallen auch sehr selten Duelle unter ihnen vor, nnd dennoch wissen sie Ehre und Anstand recht gat ohne diese sündhaften subtilen Raufereien zu behaupten, wel- che so vielen deutschen Studenten zur Erhaltung ihrer burschikosen Ehre nnentbehrlich scheinen«^)

*) Auch auf den schwedischen Universitäten sind Duelle ToWig unbekannt. 8. vöW Schubert 's Schwedens Kirchen «Erfassung tod Unterrichts wese» II. Band S. 528.

18B

In kirchUcber Hinsicht werden die StodenteoL bei ihrer Ankunft aaf der Universität Glieder ihrer kon- fessionellen Gremeinde daselbst Zu diesem Zwecke bringen namentlich die reformirten Stadenten, tndi die Nichttheologen , ein Kircfaenzengniss mit, das sie dem Kirchenrath ihrer Gemeinde auf der Unhrenitit überliefern« Eine spedelle Seelsorge geniessen slt übri* gens nicht, sowenig von den Gemeindepfarrem, als tob den Universitätspredigem..

Nur Einmal im Jahr^ un Sommer^ sind Ferien, alsdani» aber 3 Monate lang. Aach Ostern und Christ- fest sbd 14 Tage frei. Es ist daher nur Ein Stadien- korsns, der durchs ganze Jahr geht. -*' Die Kosten des UniTersitäts leben* in Holland sind sehr be- dentend, sie betragen jährlich anft mindeste 000— -800 fl.y da die Ziaunermiethe, gering berechnet, 100—190 fl., und ein einfadies^ Mittagessen täglich 12 Slnber holL kostet

Da wegen dieser Theorang, wegen der hohen Kolleggelder und ins andern Ursachen, vor einiger Z&t Mangel an Theologie Studirenden eintrat, . so hat der König seit dem 1820 alle theologischen Kollegien fiel gegeben, und den Professoren eine Vergütung da- für zugestanden, so dass bloss die literarischen zn be- aahlen sind. Auch hat er für alle Predigersöhne, wel« che Theologie studiren, die jährliche Unterstütisag auf der Unifersität, deren oben Erwähiinng geschah, aof 200 fl« eriiöht

Alle Stadmaden, aach die Theologen , müsseii eilte Zcäfamg als ÜBlilBr diniieB, wtaa sie bis inoi

satten Jahre noch kein Amt laben. Da die Tkeolo- gen aber 22 Jahre alt sein müssen 9 ehe sie ein geist- liches Amt bekleiden können, so ist for sie erwirkt worden, dass sie, sobald sie das Examen eines Kan- didaten der Theologie bestanden haben, vom Militär frei sind, und den katholischen Subdiaconen gleich stehen« Dies £xamen machen sie gewöhnlich nach des ersten 2 oder 3 Jahren ihres theologischen Studiaras, ond sind dadarch gewissermassen in dea geistlichen Stand getreten, werden nicht mehr als Laien, sondern als Geistliche angesehen, und gemessen deren Rechte. Hierdurch gewinnen die Professoren denn auch noch mehr £inflass auf sie, welche nach diesem präparatorischen Examen noch bis ans Ende des Werten theologischen Jahres stadiren, und darauf ein peremptorisches Examen vor dem propincial Kerkbettuur bestehen müssen. Hier werden sie geprüft in alt- und neutestamentlicher Exe- gese, in Kirchengeschichte, Dogmatik und Dogmengeschichte, christlicher Moral, Ho- miletik und der Pastoraltheologie, und müssen eine Probepredigt halten. Dass die Katcche- tik als Prüfungsgegenstand fehlt, habe ich bereits oben bemerkt Hierin behauptet die evangelische Kirdie Deutschlands, Dänemarks*), Schwedens,

*) Nach einer KönigU Dänischen Verordnnng Ton Christian VU. unterm 5ten Oct 1702 sollen die Kandidaten djBs Predigtamts ror ihrer Beförderung «ine Sirentliche Probe ihrer GeschickUchkeit im Katechisiren in der Kirche abiegea. S.W.Fr,

190 Finalands*), und andere einen wesentUdien föf*

Auch alle practische Anleitung za der eigentlichen Seelsorge» zum Krankenbesuch s.w. fehlt grünlich, was den grossen Mangel ad Seelsorge in <^^ Gemeinden freilich erklären hilf^.

Diejenigen Kandidaten, welche zu JDoctoret' Theologiae promoviren, werden, weil sie hierfür noch ein schwereres Universitätsexamen za machen, eine Dissertation zn schreiben und zu ver(heidigen ha- ben, von dem pröpincial Kerkbestuur bloss in Dogmatik und Dogmengeschichte, christli- cher Moral, Homiletik und Pastoraltheologie geprüft.

Alle Kandidaten haben nach bestanderer Priijfonjg die oben angeführte Erklärung in Betreff der symboli- schen Bücher zu unterschreiben. Hierauf erhalten sie das Kandidatenzeugniss der Wahlfähigkeit, und naeh ge- schehener Berufung von einer Gemeinde eine s c h r i f t - liehe Bevollmächtigung zur Bedienung der Taufe «nd des h. Abendmahls, und der Wahrnebmung aller andern Theile des h. Dienstes. Eine eigentliche feier-

M Unters Magazin für Kirchengeschichte und Kir- chenrecht des Nordens I. Band IV. Stück. 348. Altena bei Hammerich 1792.

*) Heber die theoretische und practische Anweisung aar religiösen Katechetik uuf den schwedi- schen und der finnischen Universität. S. von Schubert'b Schwedens Kirch enrerfassung und Un- tariehtsweien I. Band S* 207 ff.

m

liehe Ordination, wie in unserer preaiaischen und anderen deutschen Kirchen, findet nicht statt« .(Vgl I. Band S* *I1.)

An den 3 Universitäten Siidniederlands» m Löwen, Lüttich und Gent bestehen noch keine Geologische Facultäten, da die katholischen Theologen auf den Seminarien der Bischöfe gebildet werden. 'VVeil es nicht mein Zweck ist, sie näher zu beschrei- ben, so folgt hier nur eine Uebersicht der Zahl der Stodirenden an den 6 Universitäten des Reichs vom

J^b 1827«

zu zn zn zn zn sn

Zieideu Utrecht Groningen .Löwen Iiüttich 0«ut

TheoL Stud. 158 169 92 --

Jurisprud. 191 95

Medizin 62 21

'Wissensch.iihpL 10 45

Philos. u. Lit. 167 168

Summa 588 498 287 678 506 404

Totalsumme 2961 Studirende. Im J. 1826 war die Totalsumme 2774, also im J. 1827 eine Mehrzahl von 187 Studirenden.

68

158

185

207

29

70

89

165

14

83

78

11

84

373

154'

21

m

«i«a

Mangel einer speciellen Seelsorge der Studirenden auf den preussischen Universitäten. Unvollkommenheit der theologisch ' pr,aktischen Bil- dung auf denselben. Verbesserungs^ vorschlage*

WerfcD wir nnn einen vergleichenden Blick anf an- dere dentscbe, namentlich preussische Univer- sitäten in Hinsicht der Seelen pflege der evange- lischen Studirenden überhaupt, und der praktischen Bildung der evangelischen Theologen insbesondere, so finden wir auch hier noch bedeutende Mängel und Lucken«

Eine specielle Seelsorge ist auf eine unbe- greifliche Weise bisher meines Wissens auf keiner Universität Deutschlands den evangelischen Stndi- . renden gewidmet worden, gleidi ab sei sie entweder"^ gans tSberflüssig^ öder gans unmöglich. Dass ii

I9i

von den hohen Uehorden Prcussens das Bediirfoiss einer solchen Scelsorge gefühlt wird, ergibt sich aus der Verfügung des Ministeriams der geistlichen etc. Angelegenheiten vom 29. Sept. 1827, dass alle evan- gelische Theologie Sludirende bei ihrer Meldung zum ersten geistlichen Examen nachweisen müssen, zu wel- cher Kirche sie sich auf der UniversilUt gehalten, so vfle dass sie während der akademischen Zeit das h. Abendmahl, und von welchem Pfarrer sie es empfan- gen haben.

Wenn gleich nun diese Verfügung den ihr zum Gmnde liegenden heiligen Zweck, die Studenten zu einem engeren Anschliessen an das kirchliche Gemcin- deleben, und damit zu einer näheren Verbindung mit dem Gemeindeseelsorger, zu bringen, nicht erreichen möchte, weil sie theils den grössten Theil der evange- lischen Studirenden, allen Nichttheologen, welche doch dieselben christlichen Gemeindepflichten haben*), von jener Verpflichtung ausschliesst , und dadurch bei die- sen den verderblichen Wahn, von solchen Pflichten frei zu sein, befordern hilft; theils den Theologen darch obige Vergleichuug eine Art peinlichen Gewis-

*) In Schweden muss daher nach einer Koni";!« Ver- ordnung vom 12. Nov. 176G ein Jeder, welcher nach dem Abgange von der Universität in ein Staatsamt einzutreten wünscht, auch ein Zeugniss darüber bei- bringen , dass er an der Feier des K Abeiulniahles Theil genommen habe. S. von Schuberts Soh we- dens Kirchenverfassung und Unterrichts u escn JI. Band S. 538. II. 13

194

seoszwangs auflegt, weil die kirchlichgesinnten, welche vorher aas eignem freien Herzensdrange das h, Abend- mahl feierten, nun zum Schaden ihrer Erbauung bei der Feier durch die Besorgniss gestört werden, dass Tielleicht mehr das äussere menschliche Gebot, als die Liebe zum Herrn sie treiben möge, und somit an sich irre werden: so hat man sich doch jedenfalls sehr dar- über zu freuen, dass aus dem Erlassen der Verfügung die grössere Aufmerksamkeit erhellet, welche unsere geistlichen Behörden jetzt der Befriedigung des so drin- genden Bedürfnisses einer näheren Seelsorge der Stu- direnden schenken*

Unsäglichen Abbruch hat es der Kirchlichkeit und dem Glauben in der erangelischen Kirche gethan^ dass bisher nicht bloss die Theologen, sondern auch alle andere evangelische Stndirende, welche doeh nachher in ihrem amtlichen Leben auf die Kirche wie auf den Staat einen so hochwichtigen Einfiuss ausüben, während der 3 bis 4 Jahre ihres Universitätslebens ausserhalb alles kirchlichen Gemeindeverbandes und aller regel- mässigen Seelsorge gestanden haben, also grade wäh- rend der Lebenszeit, wo das Herz am stärksten von den Leidenschaften hin und her geworfen wird, und wo der Verstand in seinem Forschen auf allen Gebie- ten des Wissens so leicht in Hinsicht des Beligiösen die Demuth verliert und dem Unglauben Raum gibt. Grade in dieser Zeit können Kopf und Herz am we- nigsten eine geistige Stütze und einen höheren Halt- punkt entbehren, welchen nur die geistliche Seelsorge auf eine so freundliche und die akademische Freiheit

m

so wenig beschränkende Welse darbietet, wie dies das eigenthümliche Verbältniss der Universitäten erfordert. Nun aber, da sie aller Stiitze nnd alles Halts von aus- sen entbehrend, und zum grössten Theile innerlich noch in der Erkenntniss des Heilsweges schwach und schwan- kend als Schafe ohne Hirten dem zügellosen Gelüsten and Vernünfteln des Herzens nnd Kopfes Preis gffgc- len werden, ist*s da ein Wunder, dass ein grosser Theil derselben sich von Christo und den .Gnadenmit- teln seiner Kirche losreisst, und in den üniversitäts- jahren nie anders von ihm hört, als wenn etwa in phi- losophischen oder geschichtlichen Vorlesungen Hinwei- langen auf das Christenthum» meist eben nicht zur Er- schütterung, sondern mehr zur Bestärkunlg ihres Un^ ^laubens, vorkommen?

Keineswegs will ich in Abrede stellen, dass auch auf nanche Studirende in jeder Fakultät die einzelnen Pro- fessoren, mit welchen sie in näherer Verbindung ste- hen, und so denn auch insbesondere die theologischen Professoren auf manche ihrer Studenten wohlthätigcn Einfluss selbst in sittlicher Hinsicht ausüben; tnd es ist SU wünschen, welchen Wunsch ich schon eben aus*- sprach, dass solche nähere Verbindung zwischen den Stadirenden und ihren Lehrern zunehmen möge. Allein dabei ist andererseits nicht zu vergessen, dass dieser wohltfaätige Einfluss sich bei den meisten hauptsächlich- aaf das Wissenschaftliche erstreckt, nnd bloss mittel- bar ftnf die Sittlichkeit wirkt durch Beförderung des ' AnstaQds and äusserer, guter Sitten; dass femer auf den Theil der Stodirenden, welche sich vom Umgang

13*

196

mit ihren Lehrern ferne halten, und das ist die grösstc Zahl, gar kein derartiger Eiafluss Statt findet."*)

*) Die Sitte, dass jeder Studirende bei dem Antritt sei- nes akademischen Studiums sich bei dem Dekan seiner Fakultät za melden und einschreiben zu lassen hat, bringt in der Keg^el wenig Nutzen, da sein Yer- hältniss zum Dekan ein äusseres uad ganz allgemei- nes bleibt, auch bei dem jährlichen Wechsel des De- kanats die Aufsicht nicht eine fortwährende, stetige ist. Die Dekanatsaufsicht könnte freilich viel Gutes wirken, wenn sie besser und mehr in der Art einge- richtet Aiäre, wie sie bei der theologischen Fa- kultät zu Halle zur Zeit A.H. Frayicke's war. Die damaligen jungen Theologen wurden ron deip Decan, bei dem sie sich meldeten, und der sie ein- schrieb, nicht bloss befragt über ihren Aufenthalt auf der Schule nnd ihre Fortschritte in den Schul- studien, sondern auch angewiesen 9 wie sie jetxt nach Beschaffenheit ihres Zwecks und ihrer Anlagen ihre Studien einznrichten, worauf sie sich besonders zu legen, wie sie ihre Zeit einzuth eilen, und was für Vorlesungen sie in dem bevorstehenden halben Jahre zu hören hätten. Zugleich waren aie aber, was vorzüglich wichtig ist, angewiesen, sich in jedem halben Jahre von neuem bei der Fakultät zu melden, um von ihren bisher gehörten CoUegien Rechenschaft zu geben, und sich dieselben aufs neue einricliten zu lassen. Jedoch wurde ihnen in der Mrahl der Collcgien eine billige Freiheit gelassen. Auch in der Zwischenzeit wurde es Jedem verstat- tet, vor dem Fakultätsconvente, wozu wö- chentlich einige Stunden im Hause des jedesmaligem Dekans ausgesetzt waren, zu erscheinen, so oft er wollte, wenn er in Absicht seines Christenthuma, seines Studirens, oder seiner äusseren Angelegenhei- ten Rath bedurfte. S^iFrjlnckkn's Stiftunges

197

Auch die bioher angestellten Uniyersitätspre- diger können die genannte verderbliche Lücke nicht

II. Bandes I. Stück S. 65. 66. Auch auf der Uni- versität zu Tübingen wird noch immer am Ende jedes akademischen Semesters zum grossen VortheLlc der Wissenschaftlichkeit eine kurze Prüfung über die gcliörte Vorlesung mit den Studirendcn jeder Fakultät vorgenommen, nicht bloss mit den Zöglin- gen des theologischen Stifts^ dessen übrige Freiheitsbeschränkupgen , soviel Löbliches es auch in seiner Einrichtung hat, ich nicht unbedingt, noch in allen ihren Theilen zur Nachahmung empfehlen möchte. Selbst die oben angeführte Einrichtung auf den holländischen Universitäten, dass allv Studirende sich am Anfang jedes akademischen Jah- res aufs neue einschreiben lassen müssen, gibt we- nigstens eine gewisse äussere fortgesetzte Controlle über sie.

Aber auf unseren preussischen und den mei- sten deutschen Universitäten ist eine solche schrankenlose Ungcbundenheit und AufgichtsloKi«>:- kcit in wissenschaftlicher und sittlicher Hinsicht, wie sie kann grösser gedacht werden kann. Hat der Student sich da einmal bei seinem Decan ge- meldet und einschreiben lassen , so braucht er nun für die 3 Jahre seines akademischen Lebens keinem Professor mehr zu Gesicht zu kommen, kann trei- ben, was er will, wenn er sich nur vor Polizeiver- gehen hütet, kann hören, was er will, kann unter- lassen zu hören, was er will, und nichts, gar nichts, als der Gedanke ans Examen, der aber oft erst ge- gen das Ende des Trienniums aus der Tiefe der Heele auftaucht, ist der Stern, der den zügellosen lidelen Burschen in seinem flotten Leben zu Zeiten lässt stille stehen, und ihn auf das Ziel und den Zweck seines Uuirersitätslebens, dann aber mei"

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aui^leD, was schon daraas hervorgeht, dais sie bloss zu gewissen Zeiten zu preaigen haben, aber durchaus auf keine Seelsorge berufen, auch gewöhnlich mit ge- lehrten Professurarbeilen überladen sind.

Wie lässt sich aber, wird man fragen, eine Theil- nahme der Studirenden an diesem kirchlichen Gemein- deverbande und Gemeindeleben, dessen segensreiche Einwirkung nicht geläugnet werden soll*}, wie lässt*

■tens zu spät, hinweist Ist's da zu verwunden, dass 80 manche die edle Zeit ihres Trienniuras nutz- los für ihren Geist und verderblich für ihr Ilen verschwenden, und alle Sorgen, Schweiss und Thrä- nen der armen für ihr Studir^ sich plagenden Ael- tern nur vergelten mit Verursachung von noch bit* terem Sorgen und Thränent Dass so viele andere nur aufs Nothdüftigste die. unentbehrlichen Brodatu- dieg treiben, sich mit Muhe durchs Examen schlep- pen, und nun Taglöhner bleiben ihr Lebenlang. Da würde die edle akademische Freiheit doch auf eine Hei dauernder und allgemeiner beglücken- de Weise, und ohne so bitteres Nach weh genossen, wenn zur Berathung und Zügelung der Unberathe- nen und Zügellosen einige Leitung und Beaufsichti- gung in dem akademischen Studium statt fönde, m ähnlicher Weise wie zu Halle unter Franckk und zu Tübingen,

*) Luther sagt hiervon in seiner Auslegocg des828ten Psalms, Walch. Ausgabe V. Theil S.1035: „Denn >,dies Wort „Gottes Gemeinde'S ist ein theuer „werthes Wort, und wer sich darinnen fünde, dai „sollte ihm billig zehnmal lieber sein, denn dass er „in der R3fiicr Bürgerschaft geschrieben wäre, welr „ches etwan ein gross herrlich Dingauf Erden war; „aber die Vernunft achtet es nicht^

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sich das Geniessea eiaer ipeciellen Seelsorge, welche als eins der heilsamsten Fdrdemngsmittel eines gottse- ligen Lebens anzuerkennen htf bewerkstelligen?

Dies lässt sich ohne grosse Schwierigkeiten in fol- gender Art einrichten. Namentlich hat sich an unserer Kheinuniversität die Einrichtung nur an das be- reits kirchenordnongsffiässig nach unserer gesegneten Presbjterialverfassung Bestehende anznschliessen.

Der Staat beauftragt nämlich einen der Pfarrer der evangelischen Gemeinde oder Gemeinden der Univer- sitätsstadt, der dazu am geeignetsten ist, mit der spe- ciellen Seelsorge aller evangelischen Studirenden. Dit Wirksamkeit dieses Universitätsseelsorgers (so möchte ich ihn am liebsten nennen, auch wohl Univer- siläts- Pastor oder Pfarrer, am wenigsten Univer- sitäts-Prediger, weil dieser Name nur einen Theil seines Amtes ausdrückt) beginnt damit, dass jeder evan- gelische Studirende bei dem Beziehen der Universität von dem Pfarrer der Gemeinde seines Gymnasial- oder sonstigen Wohnortes, zu welcher er bisher gehörte, ein Kirch enzengniss mitbringt| wie solches nach unserer Kirch enverfassnng ohnehm jedes Gemeindsglied beim Wegziehen von einem Orte zum andern zu thun gehalten ist, und wie dies auch die reformirten Stu- denten auf den holländischen Universitäten thun, - ond dies Zeugniss in den ersten Tagen nach seiner Ankunft dem Universitätsseelsorger persönlich über- reicht. Dieser nimmt ihn hiermit, indem er es in Ver-^ wahr behält, unter seine Gemeindsglieder auf. Aus dem Zeugniss und noch mehr aus der . durch es veranlass-

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teil Unterredung mit dem Studireaden über seine bis- herigen äusseren und inneren Verhältiiisse zur Kirche des Herrn ersieht der Seelsorger vorläufig, auf welcher Stufe christlicher Bildung er steht , und von welcher Seite er künftig anzufassen sein wird. Ist der Seelsor- ger ein liebevoller, milder, entschiedenglänbiger und besonnener Mann, und nur ein solcher kann diese schwierige Scelenpflege mit Seegen führen, so wird er sich schon in dieser ersten Unterredung bei Vielen ein gewisses Vertrauen erwerben, so dass sie sich freuen werden, in der neuen fremden V/elt einen väterlichen Freuud zu finden, der durch seinen amtlichen wie in- neren Beruf sich verpflichfet fühlt, ihnen in geistlichen und leiblichen Nöthen beizustehen«

Damit dies Vertrauen nun wachse, und eine wirk- liche fortdauernde Scelenpflege stattfinde, muss der Seelsorger wenigstens halbjährlich jeden Stndirenden in dessen Wohnung besuchen, wie er ja auch bei sei- nen übrigen Gemeindsgliedern nach unserer Kirchen- ordnnng jährlichen Hausbesuch zu halten hat Der Be- such ist bei den Studirenden aber halbjährlich nü- thig, weil manche nur Ein Semester auf einer Univer- sität bleiben, damit auch diese wenigstens £inMal eine vertrauliche Ansprache an ihr Herz erhalten. Dass nicht allen, ja vielleicht nicht der Mehrzahl, besonders im Anfange, diese Hansbesuche angenehm sein werden, das liegt in der Beschaffenheit des natürlichen Menr- schenherzens , und kaim daher nicht verwundern. Da aber die wenigsten, zumal in diesem jugendlichen Alter, gegen das Heilige schon verhärtet sind, so wird der

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Seelsorger vielen, selbst den Leichtsinnigeren allmäh- lich eine gewisse Achtung gegpn sich, und somit ia der Regel auch gegen die Religion^ deren Diener er ist, abnölhigen. Er wird bei ihnen den Stachel des Ge- wissens aufwecken, dadurch zu sittlichem Ernste hin- rühren, und somit ein entschiedenes Hinwenden zum Herrn vorbereiten. Er wird ihnen die Pflicht einer grös- seren Heiilgiing des Sabbathtages wichtig machen, und das Wohlthätige einer Verwendung dieses Tages nicht bloss ZU' keiner Befriedigung roher Sinncnlust, sondern auch nicht zum gelehrten Studium, vielmehr zur reli- giösen Belehrung, Erweckung und Erbauung, zurSelbst- priifung und Uebung in der Gottisellgkeit durch Hören und Lesen des göttlichen Wortes, das alsdann auch von den Theologen nur zur Erbauung, nicht zur ge- lehrten Forschung gelesen werden soll^, durch Lesen

^) So sagt A. H. Francke in der VL Lection seiner Leciiones paraeneticae S. 126 zunächst zwar in Beziehung auf die Theologen, was aber auch al- len andern Studirenden gilt, die ja ihr gelehrtes Studium die Woche über noch weit weniger, als die Theologen, oft gar nicht auf religiöse Gegenstände führt: „Weil das zwei unterschiedene Dinge sind, „Studiren und Beten, so ist es auch den Stu- „diosis der Theologie recht gut und heilsam, das» „solclie Zwischenzeiten kommen, und dass sie zu „solcher Zeit, wenn hohe Feiertage sind, einmal „von ihrem Stadiren ein wenig abgezogen werden» „Es thun auch Studiosi der Theologie da recht wohl, „dass sie so lange das Stadiren bei Seite setzen, so „lange diese Tage währen, und dass sie, wenn sol- „clie Tage gefeiert werden, an kein Studiren ge-

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lo anderen bewibrten Andachtab&cheru, als einem Abmd, Kempis, Fsnxlon, BAZTjBfty Thomas

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n

„denken, sondern dass sie ihr Hen nur dahin rich- ten, dass es auf die Weide Gottes gehen, dass es rechte Kraft des Glauhens empfahen, dass es in der Liehe Christi wachsen und sunehmen, dass es „hrünstiger in Gott werden möge; davon werden sie „gewiss einen grossen Vortheil haben. Das soll „hillig ein Studiosus der Theologie alle Sonntage „thun, dass er, wenn der Sonnabend lu Ende läuft, „sein Studiren heiseit setse, und sich su dem Sonn- „tag recht zubereite, und dann den Sonntag recht „dazu widme, dass er sein ganzes Herz in Gott eiu- „fliessen lasse, und alles, was er höret oder lieset, „dahin richte, dass er nicht gelehrter, sondern fröm- „mer und besser werden möge. Würden das Stu- „diosi wöchentlich thun, o was würden sie für einen „unsäglichen Vortheil in ihrem Christenthum daron „haben ! So aber, wenn nlan das Studiren nicht Ter- „läugnet, wenn der Sonntag herannahet, sondern „daran kleben bleibt, so dringt Gottes Wort nicht „recht ins Herz, man horchet nur in den Predigten, „wo man etwas erschnappen möge, wodurch man „gelehrter werde, und Andern dereinst wieder vor- „schwatzen könne, und so wird man vom Teufel „betrogen, dass man immermehr zu einer rechten „Kraft im Christenthum gelanget Wenn man aber „so nur drei Tage (er redete zunächst zur Vorbe- „reitung auf die Charwoche des J. 1709) nach ein- „ander auf seine Seele wendet, und sein Herz recht „mit Gott zu Tereinigen sucht, so kann man von „solchen Tagen einen rechten Vortheil haben, wie „ein dürres Erdreich, wenn ein langwieriger Regen „kommt, der nach und nach sich hineinsenket, und „dasselbe erquicket und fruchtbar macht."

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i'"*i I

Scott etc., andi religitfser und dock nnterlialtender Lesebucher, f.B« LebensbeschreibQngeii von ans« gezeichneten gottseligen Minnern, als von L0TRBB, Melai^chthoii, Bvgemhagsn» Speneh, Frait-

CKE, ZlirZENDORF, WeSLET, ChTSOSTOMUS,

Bernhard von Clairyauz, Gregor von Na- ziANz, Newton, Hailer, Moser, Howard etc., der £rzählungen der Oraoe Kmn^tfy^ von Pater Clemens u. s. w., Schuberts Altes und Neu- es, und ähnlicher Schriften, je nachdem sie grade für den Standpunkt eines Jedien liebliche und nahrhafte Speise bieten*

So wird er den einen Hilch, den andern feste Speise reichen, den willig Aufnehmenden und Geför^ derten viel, den andern nur wenig sein können; bei allen aber wird er Vater- und Mattar-Stelle an ihrem Innern Menschen vertreten, und sie, soviel an ihm is^ auferziehen helfen sn Bäumen der Gerechtigkeit

Ganz derselben Meinung war Spbner, der auf den Rath des Hofpredigers 8t oll den Soonti^ \i'ährend seines theologischen Studiams heiligte durch Enthaltung nicht bloss von aller weltlichen Ergdtz- iichkeit, sondern selbst von solchen tiieologischen Studien, die zwar gelehrter, aber nicht frömmer machten. Daher beschäftigte er sich des Sonntags nach der Theilnahme am öffentlichen Gottesdienste nur mit Lesen ascetischer Schriften, oder mit dem Aufsetzen frommer Meditationen in Prosa und Ver- sen, versanmielte auch wohl einige gleichgesinnte Freunde um sich, mit denen er geistliche Lieder sang und fromme Gespräche führte- S. Hoii- B4CHB Spenbr uud sclne Seit,

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Ferne ist es von mir, die von einer solchen Seel- sorge zu hoffenden Früchte zu übertreiben. Wer selbst eine längere Reihe von Jahren Seelsorger gewesen, weiss ja am besten, wie meist nnr der kleinere TheSL des ansgestrenten Samens dreissig-, sechzig oder hunderträltige Fracht bringt. Allein ganz ohne Frucht wird solche Seelsorge doch . nnr bei der Minderzahl bleiben, besonders wenn die Einwirkung der abwesen- den Aeltern damit Hand in Hand geht.

Mag seine väterlich - ernste Aufsicht und Zuspräche manche auch nur minder kühn machen , mit ihren Lü- sten öffentlich hervorzutreten, und mit ihrer Schande £u prahlen; mag sie manche andere zuerst nnr zu einer äusseren Kirchlichkeit führen; auch die Beförderung dieser äusseren Zucht und Sitte ist schon ein Zug des Vaters zum Sohne 9 und macht ernsteren Handrücken Bahn. Diejenigen aber, welche schon das güdgeWort Gottes geschmeckt, und Christum im Glauben ergriffen haben, deren Herz aber noch nicht fest ist, wie wird denen ein solcher Freund ihrer Seelen, ein solcher Vater in Christo so wohl thuni Wie gerne werden sie seinen Rath, seine Gemeinschaft suchen, und sich mit ihm erbauen auf ihren allerheiligsten Glauben, dass weder die lockenden Versuchungen der Welt und des Fleisches, noch der Hohn und Spott der Ungläubigen sie wird weichen lassen von dem Fels ihres Heils!

Auch in ihren irdischen Verhältnissen wird den Stndirenden die Gewissheit, sich deshalb um Rath ge- trost an ihren Seelsorger wenden zu können, sehr wohl- thätig werden. Von Manchem wird sie in leiblicher

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Noth die Verzweiflung wehren, von Manchem die Ge- fahr, sich durch niederträchtige Detriigereieii retten su wollen. Manchem Daell wird der Seelsorger durch sei- nen Einfluss und seine freundlich -ernste Vermittelung verhüten, obgleich er sow^ohl hierin als in allen anderti irdischen Beziehungen sich von christlicher Weisheit die Grenzen seines Einwirkens wird bestimmen lassen müssen, und so wird er in geistlicher und leiblicher

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Hinsicht ein Bote des Friedens für seine jugendlichen Gemeindsglieder werden.

Welchen Trost wird es endlich christlichen Acl- tern gehen, zu wissen, dass ihre Söhne auf der neuen gefährlichen Laufbahn nicht bloss Gelegenheit haben, in der Wissenschaft su wachsen, sondern auch einen Pfleger des Wachsthums in der Gottseligkeit finden, und dass sie selbst sich in Nolhrällen an diesen Mann als an ihren Stellvertreter wenden können mit ihren Bitten und Rathschlägen zum Heil ihrer Söhne!

Wenn endlich der Studirende die Universität ver- lässt, so erhält er vom Seelsorger ein neues Kirchen* zeugniss ausgestellt, worin dieser der Kirchenordnnng gemäss über sein christliches Betragen, über seine Theil- nahme am Gottesdienste und dem h. Abendmahle sich ausspricht. Hierdurch wird derselbe Zweck, den oben- erwähntes Abendmahlszeugniss erreichen soll, auf eine ganz einfache Weise, selbst ohne einen Schein von Gewissenszwang, sicherer und vollständiger erreicht, die christliche Kirchenzucht gehandhabt, und der Ge- meinde, zu welcher er von der Universität hinkommt, die Anknüpfung ihrer Aufsicht und Pflege an die an-

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mittelbar vorhergegangene möglich gemacht, so^dass der wohlthätige christliche Gemeindeverband (ur ihn ununterbrochen bleibt

Ein anderer grosser Schaden für das Reich Gottes ist die hö'chst mangelhafte und dürftige praktische Anleitung der evangelischen Theologen zu ihrem künftigen Amtsleben, besonders zu der Seelsorge auf unseren preussischen Universitäten, denn diese habe ich hier zunächst im Auge, wenn schon die meisten deutschen Schwestern denselben Mangel theilen. '

Die Zahl der ausschliesslich der gelehrten Theo« logie sich widmenden Stndlrenden ist so ausserordent- lich klein, dass unbestreitbar der Hauptzweck der theo- logischen Bildungsanstalten auf der Universität dahin jserichtet sein muss, die jungen Theologen zu tüchtigen Lehrern und Seelsorgern der christlichen Gemeinden %u erziehen. Hierzu gehört aber nicht bloss gründliche theologisch - wissenschaflliche Bildung, sondern auch gründliche praktische Anleitung zu dem praktischen Amte* Nun sind für fast alle Theologen in PreusseU' die Universitäten die einzigen Anstalten, worauf sie wie die wissenschaftliche Bildung bo auch die praktische An- latang erhalten« Denn das einzige theologische Seminar im Yaterlande, das zu Wittenberg, be- schränkt sich auf eine so kleine Anzahl ordentlicher Mitglieder,^ auf 25, und erfordert so viele Zeit, da der Cursos zweijährig ist, und die akademischen Stu- dien voriier absolvirt sein müssen, auch in der Regel dai erste Kandidaten-Examen, pro Ucentia eondonandi

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schon bestanden sein soll, verursacht dabei den ans- serordentlichen Mitgliedern, die nicht in den 25 Stipendiaten gehören, und sich selbst erhalten müssen, so viele Kosten, dass die Zahl der jene Seminarbildnng Geniessenden stets sehr gering geblieben ist, ihr £in- fluss auf die Befriedigung des allgemeinen Bedürfnisses einer mehr praktischen Bildung unserer jungen Geist« liehen nur unbedentend sein konnte.

Und wie ist nun die praktische Anleitung der Theo- logen auf der Universität zn ihrem künAigen praktischen Amte beschaffen?

Nachdem sie die zwei ersten Jahre ausschliesslich theoretisch -wissenschaftliche Studien getrieben, gelehr- te Exegese, Kirchengeschichte, Glaubens» und Sittenlehre s. w. gehört haben^ auch wohl Encj- clopädie und Methodologie, welche ihnen aber in der Kegel bloss die Methode zu einem gelehrten Studium zeigt, und Biicherkunde gibt, so wenden sie einen Theil des letzten Universitätsjahres dazu an, dem Practischen etwas näher zu riicken, hören Homiletik und Katechetik, machen auch wohl einige Predigt- und katechetische Entwürfe für diese Gollegien, wenn sie dazu aufgefordert werden, und damit beschiiessea sie ihre akademische Laufbahn und ihre Bildungsschule nun Seelsorgeramt. Einige jedoch, welche ihr künfti- ges Amt nicht so leicht nehmen, und eine praktische Vorbildung dazu höher schätzen, treten im letzten Jah- re ins homiletisch^katechetiscbe Seminar. Im- mer ist dies indess bei weitem die Minderzahl, weil es leider in ihrer WillkShr steht, ob sie es benutzen wol-

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mittelbar vorhergegangene möglich gemacht, so dass der wohlthätige christliche Gemeindeverhand für ihn ununterbrochen bleibt

Ein anderer grosser Schaden fiir das Reich Gottes ist die hö'chst mangelhafte und dürftige praktische Anleitung der evangelischen Theologen zu ihrem kiinfligen Amtsleben, besonders zu der Seelsorge auf unseren preussischen Universitäten, denn diese habe ich hier zunächst im Auge, wenn schon die meisten deutschen Schwestern denselben Mangel theilen. ^

Die Zahl der ausschliesslich der gelehrten Theo« logie sich widmenden Studlrenden ist so ausserordent- lich klein, dass unbestreitbar der Hauptzweck der theo- logischen Bildnngsanstalten auf der Universität dahin jserichtet sein muss, die jungen Theologen zu tüchtigen Lehrern und Seelsorgern der christlichen Gemeinden %u erziehen* Hierzu gehört aber nicht bloss gründliche theologisch - wissenschaftliche Bildung, sondern auch gründliche praktische Anleitung zu dem praktischen Amte. Nun sind für fast alle Theologen in Preussen- die Universitäten die einzigen Anstalten, worauf sie wie die wissenschaftliche Bildung ßo auch die praktische An- Ititang erhalten. Denn das einzige theologische Seminar im Yaterlande, das zu Wittenberg, be- schränkt sich auf eine so kleine Anzahl ordentlicher Mitglieder,^ - auf 25, *-> und erfordert so viele Zeit, da der Cnrsos zweijährig ist, und die akademischen Stu- dien vorher absolvirt sein müssen, auch in der Regel das erste Kandidaten-Examen, pro ücenUa concionandl

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schon bestanden sein soll, verursacht dabei den adft- serordentlichcn Milgliedern, die nicht in den 25 Stipendiaten gehören, und sich selbst erhalten müssen^ so viele Kosten, dass die Zahl der jene Seminarbildnng Genicssenden stets sehr gering geblieben ist, ihr Ein- fluss auf die Befriedigung des allgemeinen Bedürfnisses einer mehr praktischen Bildung unserer jungen Geist- lichen nur unbedeutend sein konnte.

Und wie ist nun die praktische Anleitung der Theo- logen auf der Universität zn ihrem kiinAigen praktischen Amte beschaffen?

Nachdem sie die zwei ersten Jahre ausschliesslich theoretisch -wissenschaftliche Studien getrieben, gelehr- te Exegese, Kirchengeschichte, Glaubens- und Sittenlehre u. s. w. gehört haben, auch wohl Encj- clop'adie und Methodologie, welche ihnen aber in der Kegel bloss die Methode zu einem gelehrten Studium zeigt, und Biicherkunde gibt, so wenden sie einen Theil des letzten Universit'atsjahres dazu an, dem Practischen etwas näher zu nicken, hören Homiletik und Katechet! k, machen auch wohl einige Predigt- nnd katechetische Entwürfe für diese Gollegien, wenn sie dazu aufgefordert werden, und damit beschliessen sie ihre akademische Laufbahn und ihre Bildungsschule sum Seelsorgeramt. Einige jedoch, welche ihr künfti- ges Amt nicht so leicht nehmen, und eine praktische Vorbildung dazu höher schätzen, treten im letzten Jah- re ins homiletisch^katechetische Seminar. Im- mer ist dies indess bei weitem die Minderzahl, weil es leider in ihrer Willkühr steht^ ob sie es benutzen wol-

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len oder nicht. Hier machen diese Seminaristen nun einige Predigtentwiirfe nnd Predigten mehr, ebenso einige Katechesen, welche einer Kritik des Professors, auch wohl einiger Seminaristen unterworfen werden, halten einige Predigten, katechisiren auch etliche Mal, wenigstens auf einigen Universitäten, jedoch kommt der grösstelheii selbst der Seminaristen gar nicht ein- mal zu diesem Kathechisiren, theils wegen ihrer Menge, (in Halle sind an 200 im Seminar), theils wegen der Seltenheit der kathechetischen Uebnngen, und hö'rea auch wohl noch einige gelehrte Vorträge über Pasto- raltheologie überhaupt, über Seelsorge, Litur- gik und dgU, mit einigen practischen Bemerkungen, Erzählung einiger Erfahrungen vermischt. Nachdem sie also einen Theil des letzten Drittels ihres Trienniums dem Praktischen gewidmet, - denn ein anderer gros- ser Theil dieses Drittels blieb den gelehrten Studien zugewendet, * kehren sie nach Hause zurück, aufs beste zugerüstet, wie sie meinen, um nun Hirten und Seelsorger von Hunderten, ja Tausenden unsterblicher Seelen, Prediger und Ausleger des göttlichen Worts für die Erwachsenen, Lehrer und Erzieher der Jugend zur Wahrheit und Gottseligkeit, Helfer der Armen, Tröster der Kranken und Sterbenden, Wächter und Pfleger der Kirche, Aufseher und Beförderer der Schule, Ausbreiter des Reiches Gottes in jedem Stand und Ver- hältniss zu sein, obgleich sie in den meisten dieser hei- ligen Geschäfte theils nicht die mindeste, theils nur sehr dürftige Erfahrung besitzen. Können wir da deren Meinung von ihrer Würdigkeit nnd Geeignetheit thei-

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len , hier wo das Unerfahren - and Unberathen - sein und der gewöhnlich damit verbundene Dünkel , keines Baths zu bedürfeo, eine Menge Mlssgriffe in der geist- lichen Leitung und Pflege herbeiführt, AL'ssgriffe, die das ewige Heil der Seelen gefährden, die mit dem Blute des Sohnes Gottes erkauft sind?

Lasset uns noch näher die gerügten grossen Män- gel unserer geistlichen Bildungsanstalten beweisen, um alsdann zu sehen, wie ihnen abzuhelfen sein möchte.

Der homiletischen Anleitung der Theolo- gen wird in den homiletisch -katechetischen Seminaren in Absicht auf das Praktische verhältnissmässig die mei- ste Zeit gewidmet. Mit der Anleitung zum Predigtma- chen wird auch die zum Predigthalten, zur Declama- tion, Actio n u. s. w. verbunden* Jedoch wird fast nnr zu synthetischen Predigten Anleitung gegeben, aoch die kleineren, gewiss aber darum nicht unwichti- gen Amtsreden, als Tauf-, Gonfirmations -, Tran- und Grabreden, so wie Leichenpredig- ten fast gar nicht berücksichtigt. Der Geistliche soll aber nicht bloss Prediger in der gewöhnlichen sjnthe- tischen Form sein, sondern auch, was hiermit gewöhn- lich nicht verbunden ist, Erklärer, Ausleger der heil. Schrift, theils durch Predigen in Homilienform, worin die holländische reformirte Kirche, wie oben erwähnt, gegenwärtig jurch Beförderung der hybeloefe-- mngen ein schönes Vorbild gibt, theils durch Auslegung cinxelner Abschnitte und Bücher des göttlichen Worts in noch einfaoherer Form 5 in den Reden, welche in denWochengottesdieosten, den sogenannten Betston-

n. 14

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den, und iu den Land «gemeinden auch in Jen sonn- tHgliclieu Nachmittagsgottesdicnsten üblich sind. Dass diese analytische Predigtweise und einfach-populäre und praktische Krklärongsart der h. Schrifl dem Chri- steuvolke ungleich grössere Bibelkenntnlss und Bibel- lust verschaff hat, so lange sie von den Geistlichen geübt wurde, und wieder verschaffen wird, wenn durch neues Aufleben und wieder allgemeiner Werden der- selben das bloss sjnthetische Predigen, wodurch die nur zu sehr herrschende Bibelunkenntniss und Bi- belunlust befordert worden, beschränkt wird *}, ist eben so unbestreitbar, als dass jene analytische Predigtweise und einfach-praktische Schriflerklärung viel schwerer anzueignen ist, als 3ie synthetische.

Hinreichende Anleitung hierzu gibt aber keines- wegs die gelehrte £xegese, welche wohl sehr nütz- lich und nölhig, aber leider in der Regel die aus- schliessliche Exegese ist, welche auf den Universitäten gelehrt wird, Hierzu ist vielmehr durchaus erforder- ]

1 *) Eia gross und herrlich Ding wirken die Bibeige- '

Seilschaften, daas sie dem Volke den Bibel- besit2 so leicht gemacht haben, und arbeiten da- durch den Geistlichen mächtig vor. Soll aber der Bibelbcsitas die rechte Frucht bringen, eine gründ-., liehe Bibelkenntnlss und Bibclbenutzung beim Volke veranlassen, namentlich auch zur Wie- ; derbelebung der Hausandacht, welche so bejam- memswerth selten ist, so müssen die Geistlichen bei dem Volke ßibellust erzeugen, und dies ge- «diielrt durch einfach - herzliche praktische Bibel - erklftrufif^

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lieh das Lehren ciaer einfachen, ganz auf das t)fakti<i sehe Leben, auf Erbanung nnd Heiligung der Herzen hinzielenden Auslegung der Schrift, welche ohne Schau- stellung philosophischer, philologischer oder theologi- scher Gelehrsamkeit, ohne Anführung der gelehrten Meinungen, Hypothesen, Citate und dgl. den Gmnd- text bloss aus sich selbst erläutert, und, nach dem Sinn und Vorbild eines Spener, FrANCKE, u. a. die Geschichten und Lehren des Textes an den Herzen der Zuhörer fruchtbar zu machen sacht. Denii sollen diese Zuhörer als künftige Prediger und Lehrei^ ihren Ge- meinden die praktischen Lehren von der Sünde uhd der Versöhnnng, dem Fleisch und dem Geist, dem Gesetz und der Gnade, der Wiedergeburt und der Heiligung, um welche sich di^ praktische Bibelauslegung als um ihre Angeln dreht, recht v6r- stätidlich^ wichtig und fruchtbar für ihre Seelen machen können, so müssen sie vorher selbst in den Geist die- ser Lehren eingedrungen sein, müssen die Wahrheit derselben an ihrem eigenen Herzen erfahren haben. Sonst bleiben auch ihnen, wenn schon sie noch so grosse Schriftgelehrten dem Buchstaben nach sein mö- gen, doch gleich dem Nicodemus jene Grandlehren des Evangelii von der Wiedergeburt s. eine Thorheit Denn der naturliche Mensöh vernimmt nichts vom Geiste Gottes. £s versteht sich demnach von selbst, dass der Schriftaasleger, der Lehrer der jungen Theologen, die umwandekde Kraft des Evangelii an sich selbst erfahren haben mnss, wenn et dessen ganze Tiefe und Herrlichkeit vor den Schiilert niit Vörlaug-»

14*

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nung seiner eignen, fleischlichen Weisheit entfalten, nnd nicht bloss ihren Kopf, sondern auch ihr Herz dafür soll gewinnen können, nnd wenn nicht die prak- tische Anslegnng sonst ein glaub - nnd kraftloises Ge- wasche werden soli^ das den Schein eines gottseligen Wesens haben mag, aber seine Kraft verläugnet. Dass dieser Schriftansleger aber dann, wenn er zugleich in einer praktisch - geistlichen Wirksamkeit nnd Seelsorge stehend die Wirkungen des Evangelii auch an andern Herten« vielfach kennen gelernt hat, mit noch weit grösserer Fülle und Umsicht seinen Schillern die rech* ten Wege, so wie die Abwege bei dem Erforschen und Auslegen des göttlichen Worts anweisen kann, wird wohl Niemand läugnen.

Keineswegs sollen bei dieser Schrifterklamng die Grundsprachen ganz bei Seite gesetzt werden. Es kann und wird bei derselben vielmehr, weil die Bibellost, welche sie erzeugt , auf einem heiligeren Grunde mht, ab die gewöhnliche anheilige, dem Unglauben Bahn machende Exegese unserer Zeit, denn wie wenige Lückb's, NfjlNders und Tholuck's gibt es noch! auch grössere Lust zum Studium des Grund- teztes hervorbringen, wie das Beispiel eines Spener's und Francke's bewiesen hat. Warum werden ihre biblische Uebungsstunden iexercäaiiones bihäcae oder coüegia &5fica)*), worin sie die älterem Studi-

•) Diese ))ibli8ehen Uebungsstunden, welch« auf Sfbnsr^s Anregung und Rath zuerst 1686 in Leipzig von den Magfstern Anton, Franckr

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rcndeu in der praktischen Schriftanslegung sich übea h'esseo, nicht wieder ins Leben gerofen? Den vnbe-

uud Schade unter den Nameu: eoiiegia pk&ohütHem begonnen wurden, -wurden darnach auf der llniTer- sität Halle (später auch in Jena) unter der Direk- tion der theologischen Fakultät gehalten. Viele Stu- denten rercin igten sich nämlich in rerschiedene kleine Gesellschaften y welche Eine oder mehrere Stunden wöchentlich zusammenkamen, um ein biblisches, nicht alizuschweres Buch, und zwar zuerst aus dem N. T., mit einander durchzulesen und zu betrachten, damit tie eine Fertigkeit erlangten, mit der heil. Schrift umzugehen. Ein akademischer Priyatdocent, oder ein Inspector vom Waisenhause führte dabei die Aufsicht, und gab Erinnerungen, wenn sie nöthig waren. Zuerst wurde der Wortrerstand erläutert, ohne jedoch bei dunkeln Stellen zu lange zu ver- weilen. Hierauf wurden die im Text liegenden theoretischen und praktischen Wahrheiten heraasge- zogen und entwickelt, bisweilen auch ein kurzer Entwurf zu einer Predigt gegeben. Alles wurde hauptsächlich auf die Erbauung gerichtet, und die theoretischen Materien beständig zur Praxif gezo- gen. Hier war nicht der Ort, in gelehrte Forschun- gen einzugehen, sondern es sollte gezeigt werden, wie jeder in einer Schriftstelle liegende Lehrpunkt zur Ermunterung und Befestigung^ im Guten^ zum Trost und zur Beruhigung diene. Eh^er hat jedes- mal den Hauptvortrag, Wenn dieser geendigt war, stand es den übrigen Mitgliedern der Gesellschaft frei, etwas zur Erklärung des Textes oder zur Er- bauung hinzuzusetzen. Man setzte voraus, dass sich jeder auf die su erläuternde Schriftstelle vorbereite. Die Uehungsstunden wurden mit einem kurzen Ge- bet angefangen und beschlossen« Alle sollten sich dazu gewöhnen, dass sie während des Vortrags und

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rechenbtrcn Segen , den sie dadarch bei Tausenden junger Theologen und £omit in Tausenden von Ge- meinden stifteten, verkennt man ja doch jetzt nicht

auch nach Endigung desselben die Zueignung der Wahrheiten auf sich selbst machten und sich prüf- teiiy wie ihr Herz dagegen gesinnt sei, ob sie da- von Test überzeugt seien, und ob sie alles so bei ■ich fanden, wie es in der h- Schrift vorgeschrieben ist. Auch die Anfängier im theologischen Studium wurden ermahnt» diese Versammlungen fleissig zu besuchen. Anfangs aber waren sie nur Zuhörer, und mussten sich erst das volle Vertrauen ihrer Lehrer und Commilitonen erworben haben» ehe sie unter die Zahl derer, die Vorträge hielten, aufge- nommen wurden. S. Francken's Stiftungen II. BcU II. Stück S. 206 209.

Auf den holländischen Universitäten gibt es, wie oben bemerkt ist, unter den Studirenden ähn- liche, bloss wissenschafdiche Vereine, welche zur Beförderung der W'issenschaftlichkeit wohlthätig w ir- ken. Wie leicht könnten da die jungen holländi- schen Theologen, denen ihr künftiges Amt, Schrift- ausleger für das Volk zu werden, wichtig ist, sol- che praktisph-^exegetische Vereine unter sich bilden, damit sie darin die Schrift ^zuerst sich selbst unter- weisen Hessen zur Seligkeit, und dann auch ihre Gemeinden desto besser dazu unterweisen könnten! Um die Aufsicht in solchen biblischen Uebungsstun- den könnten »ie einen der Professoren bitten. Frei- lich möchte sich schwerlich einer dazu willig finden, da er bei der jetzt in Holland weitverbreiteten theologischen Stimmung alsdann kaum derVerdäch- ttgni^, ein Mystiker zu sein, entgehen würde* Und wie viel Glaubensmuth gehört dasu, solches ru- hig in ertragen 1

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jiielir; den Vorwurf der Pietisterei, weichen der Meid, Widersprucbsgelfit und Unglaube jener Zeit ihnen mach- te, hat die rechtfertigende Zeit von ihnen genommen; man erkennt allgemein an, das« das Licht einer ächti- cbristllchen Pietät sie umleuchtet, gesteht ihnen da« Verdienst zu, ein neues, frisches, grünendes Leben der Gottseligkeit in vielen Ländern erweckt zu haben, und >vü lischt dies anch wohl unserer Zeit vrieder. Aber soll man beim Wünschen stehen bleiben? Kann man gute Früchte gemessen, ohne dass der gute Baum ge- pflanzt wird ? Warum wendet man die Mittel zur prakr tischen Ausbildung der Pfleger des geistlichen Lebens der Gemeinden so kümmerlich and anvollständig am statt im Geist jener Männer, so dass grade jetzt wieder von unseren Universitäten in vollem Sinne gilt, was Franck£ von den Universitäten seiner Zeit klagte: „Das ist das gemeine Uebel: was wir im Amte alle „Tage brauchen, das lernen wir nicht; denn es ist uns „zu gering; und was wir auf Universitäten gelernt ha- lben, das wissen wir hernach nicht mit NuUen zu ge- „brauchen. Auf Universitäten fasst man meistentheils ,.bloss die Anfangsgründe der göttlichen Lehre in den „Kopf, und bleibt so.cÜirr, so kraftlos, so blind und „bloss dabei, dass die GesAalt, darin das Evangelium „die Menschen versetzt, nirgends anzutreffen ist D!e „Wissenschaft wird nicht in die Praxis hineinge- ,,führt."

Dies Hineinführen der Wissenschaft in die Praxis ist aber heutzutage den theologiscbea Professoren noch viel schwerer, daher aadi noch viel seltener, ircU die

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meisten derselben bloss Stubengelehrte sind, die nie ein geistliches, praktisches Amt bekleidet haben, was in jener Zeit anders war, und die Bedürfnisse der Ge* meinden daher nur von der Studierstube kennen, also verkennen, so lange sie nicht in Demuth die ihnen bei allen Schätzen theologischen Wissens eben sowohl wie den Ungelehrten einwohnende natürliche' Blindheit nnd ErleuchtnngsbedSrftigkeit erkennen, sich zu dem wen- den , ' der auch den Weisen zur Weisheit gemacht is^ und die Theologie erst noch, wie S pener sich aus- druckt, im Lichte des h. Geistes erlernen.

Da nun ab« sehr viele derselben gleich jenen Leipziger Theologen zu FrANCKE's Zeit sich nicht dazu gesetzt glauben, dass sie die Studenten fromm, sondern nur dass sie dieselben gelehrt machen sol« len, da solche es also unter ihrer Würde halten wur- den, ein Colleg, das mit zur Erbauung diene, zu baU ten, nnd dadurch am Ende gar in den Greruch des Mjsticismus zu kommen, zumal wenn sie es mit Gebet beginnen und schliessen sollten, was so ganz gegen die Mode unserer Zeit ist, da endlich selbst von den gläu- bigen unter den gelehrten Theologen die meisten der Erfahrung einer praktisch - geistlichen Amtswirksamkeit gänzlich entbehren, so erscheint es am passendsten, wenn der Universitätsseelsorger, der natürlich ein gründlich theologisch - gebildeter Mann sein muss, nnd keine wissenschaftliche Blossen geben darf, obige biblische Uebnngsstunden leitet. Seine bestäa- dige Uehiing in praktischer Schriftanslegang anf und unter der Kam^el» in den Wochengottesdiensten und

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in der Kinderlehre , seine Bekanntscliaft mit den über die Schrift und einzehie Lehren derselben im Volk^ verbreiteten Yorortheilen, Irrthümern und Missyerständ- nissen, endlich sein durch sein Amt stets auf die An- wendung und Fruchtbarmachung der Scbrifllehren ge« richtetes Auge machen ihn zu solchem Geschäft ganx besonders geeignet

Die katechetische Anweisung der jungen Theologen wird, seit Speiver und FuAUCKE^ die ausserordentliche Wichtigkeit des katechetischen Unter- richtes für die ganze Gemeinde, nicht bloss für 'die Kinder, ins Licht gestellt, auf unsern Universitäten wohl nirgends ganz vernachlässigt Allein das Kolleg der Katechetik zu hören, gilt doch meistens als Hauptsache; die praktischen Cebungen werden in geringer Zahl an- gestellt, und nur die wenigsten der Theologen zu den- selben selbstthätig angeleitet. ^ Das Vorkatechisiren

*) Ein PreussischeB Provinzialkonsistorinm erlässt nicht selten den Examinanden aas Mitleid die Katechisation, iveil es ivahrnehmen musste, dass Viele sich an derselben jämmerlich zerplagten, und doch nicht damit zurechtkamen, indem sie häufig, ohne alle Anleitung dazu genossen zu haben, von der Universität zu*ückkehrten.

Um so noth wendiger erscheint eine bessere filn- -richtung zur Erlangung einer grosseren -Uebung und Geschicklichkeit im Katechisiren für alle Theologen. Denn die katechetische Geschicklichkeit muss eine unerlftssliche Bedingung bei jedem Examen sein. Ja es wäre sehr zu wünschen, dasa neben der von den sich bewerbenden Kandidaten bei vacanten. Ge- meinden SU haltenden Probepredigt auch eint

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des Lehrers ist gut und nöthig, «^ su Bouii wird iu einem sonntäglicheu Machmittagsgottesdienste monat- lich voip Pfarrer und Professor Sack eine öffentliche Katechisation , meist über einen Bibelabschnitt gehal- ten» -* allein die Selbstübung der Theologen im Ka- techisiren bleibt doch iiamer das Wichtigste. Dieses mUsste häufig sowohl in der Katechisirstobe, als in der Kirche geschehen*

Auf dem theologischen Seminar su Herborn, weldies ich während des Wiuterbalbjahrs 1811^ fre«* quentirte, war die zweckmässige Einrichtung, dass jeden Sonntag Abend um 5 Uhr, nach geendigter JNachmit- tagskirche, der übliche Abendgottesdienst, das sogenann- te Abendgebet, abwechselnd von einem der Semi- naristen gehalten wurde, welches Torzüglich in einer öffendichen Katechisation mit den Schulkindern über einen biblischen Abschnitt bestand. Viele erwadisene- Gemeindsglieder wohnten dem Gottesdienste mit gros- ser Aufmerksamkeit und Theilnahme bei, wie überhaupt das Volk von guten Eatechisationen mehr versteht und mehr Nutzen daraus zieht, als aus Predigten.*)

Probekate eh isati OD allgemein vorgeschrieben ^vürde, wie dies der Kreissuperintendent Pfarrer ZiLLESEN zu Wickrathberg, der neuerwäblte Generalsuperintendent unserer Provinz Jülich- Cleve-Bcrg> bereits den Kandidaten in seine Kreissynode Torgeschrieben hat,

*) So bemerkt FrangkE Lect. paraenet, IV, 227 ff.. „Die Studiosi ^verden künftig in ihrem Amte belln- „den, \%eun sie Jahr aus Jahr ein gepredigt haben,

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£ia solcher Abimdgottesdieiist jakt' Kat^tbbatton würde sehr leicht auch auf den ÜAiyersitäten, z. B. ia Boun einzurichten $ein^ und nicht bloss den Kindern

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dass die Zuhörer aus ihren Predigten, auch TOn ,,solchen Dingen, die Sie ihnen "wohl hundertmal ge- „sagt haben, se m^nig gefasirt haben, als ^enn sie „ea ihr Lebtag noch nic9it gehört hätten , und das „alles aus Mangel d-er Katechisationen. „Denn weil es mit den Predigten nicht so gehet» „wie etwa in Schulen, da man ton Zeit zu Zeit „Examina hält, so verlassen sich die Leute darauf, „wie sich etwa die Schuler-darauf verlassen und faul „werden würden, wenn kein EiEamen angestellt wür- „de. Die m'eisten Menschen haben so wenig Fas- „sungskraft, dass, wenn ein Periode gesagt ist, „sie ihn schon wieder vergessen haben; sie bekoni- „men, indem sie zuhören, fremde Gedanken und „kommen aus der Verbindung heraus. Sie erlangen „also keine rechte Einsicht in die Ordnung des „Heils. Der Prediger wird der Sache durch kein „anderes Mittel helfen und rathen können, als durch „die Katechisation. Es ist also das Vornehmste,, „nicht nur im Schulamt, sondern auch im Predigt- „anit, den Leuten den Katechismus recht zu lehren „und zn erklären. Daher ist selbst in den Predig- „ten immer auf den Katechismus Rücksicht zu neh- „men. Hätten nun Studios* Theoiogiae hier einige Jahre „zugebracht, und alle theologische CoUegia gehört, „aber nicht katechisiren gelernt, so wären sie zur „Hauptsache, die sie einst thun sollten, ungeschickt; „und dieser Mangel würde die meiste Frucht ihres „Amtes verhindern. ^.^Vpntlndige werden ihre „Gelehrsamkeit nur in so weit schätzen, als sie „brauchbar ist« und wahrer Nutzen damit ge- „schafft wird. -

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Unterricht und den Seminaristen Uebung, sondern auch den erwachsenen (jemeiudsgliedern, besonders aus dem geringeren Stande, ein neues Mittel der Belehrung und Erbauung verschafTen. Es könnte hier sowohl iiber einen Abschnitt der h. Schrift, als auch, weil die Ge- meinde unirt isty über die beiden nnübertroffenen symbolischen Katechismen, den kleinen luthe- rischen und den heidelbergischen, welche beide überhaupt mehr allgemein gebraucht werden sollten^*) katechisirt werden.

*) Es würde zur F9rienug des Glaubens unä zur Ab- 'wehrung des Unglaubens wesentlich beitragen, wenn unsere geistlichen Behörden rerordneten« dass jedem neu herauszugebenden Katecbismus die beiden symbolischen ( den Katechismen für noch nicht unirte oder noch nicht für evangelisch erklärte Ge- meinden wenigstens der eine konfessionelle symbo- lische) angehängt werden, und bei den Uauptlehren desselben die darauf Bezug habenden Stellen beider Katechismen (den Katechismen für noch nicht unir- te etc. Gemeinden die betreffenden Stellen des einen symbolischen) citirt, wie dies so einfach und schön in dem Unterb armer Katechismus geschehen ist, und auf die betreffenden Artikel der Augsburgi- schen Konfession hingewiesen werden müsste. Die Katechisnmsyerfertiger würden alsdann in Ih- rem Katechismus nicht so leicht mit Lehren, wel- che im offenbaren Widerspruche mit den symboli- schen stehen, herrortreten künnen, und selbst wenn einige derselben Unverschämtheit genug dazu be- sässen, welcher Fall nach den neueren Erfahrungen nur za denkbar ist, so könnfee das Volk alsdann doch eine Vergleichung «wischen Jenem neuen und dieaen »ymbolisohea KatechisMM anstellen, und ihm

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In der Woche körten wir Seminaristen theils den brmaligen Katechesen des Seminirdirectors mit den echumenen an, theils katechisirten wir mit densel- I In seiner Gegenwart, theils überwies er uns ein- ae verwahrloste und hinter den andern anruckgehlie- le Katechisanden, um sie privatim an unterrichten 1 ihnen nachzuhelfen. Vorsugüch dies letztere Selbst- terrichten förderte uns ia dar Kunst des Katechisi- is, und wir lernten da in 4 Wochen mehr, als in er halbjährigen akademischen Vorlesung über die techetik gelernt wird, wenn solche auch mit der tief- of Gelehrsamkeit und den glänzendsten Sätzen ge-

der Glaube nicht so leicht mehr, wie bisher , durch die ungläubigen Katechismuslehren aas den Herzen gestohlen werden.

Die DifiTerenz swisehen beiden symbolischen Ka- chiamen in der Liehre TOm heil. Abendmahle wird nicht Yerwiirea, sobald der Katechet die Lehre ge- hörig erklftrt und zeigt, wie die einfach - biblische Lehre bei den Katechismen gemeinschaftlich und ihr Vereiniguttgspunkt ist, und beide nur da, wo sie in der nftheren Bestimmung dieser Lehre weiter als die Schrift und fiber sie hinausgehen, ' sich tren- nen. Dies gibt selbst Gelegenheit zu einem Finger- zeig über das unbedingte Ansehen der h. Schrift und das bedingte der symbolischen Schriften. Ver- anstaltete man für obigen Zweck eine Stereotyp- ausgabe tou beiden Katechismen, wobei von der Heidelberger natflrlich diejenige, worin die Bi- bektellen unter den Fragen stehen, gewählt wer- den müsste, so wfirde dieser Anhang sehr wenig kosten.

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Würzt und mit Belegen und Proben von Katechesen toä allen Ländern «nd Völkern ausgestattet sein mag.

Auf ähnliche Weise miissten die jungen Theolo- gen unter der Leitung des Universitatspastors häufig la der Katechisirstube nnd in der Kirche katechisiren, auch Gelegenheit erhalten^ nach erworbener gr(>5sererUebung einzelne oder einige schwächere Schüler allein xn nn« terrichten. Diese Gelegenheit findet sich leicht, da thisila in jeder Katechumenen-Zahl mehrere hinter den andern zurückgeblieben sind, denen ein privat Kach-» üben und I<^achholen wohlthätig ist> theils auch die Armenhäuser und Gefängnisse der UniTcrsitäts-* Stadt, welche in der Regel viele von Religionskeunt-> nissen ganz entblösste Bewohner enthalten, eine für Kopf und Herz der geförderten Seminaristen wohlthä'* tige üebungsschule darbieten. £s könnte in diesen Häusern mit. der Katecbisatlon der ÜAwissenden eine kurze Morgen-* oder Abendandacht aller evan- gelischen Häuslinge verbunden werdeji, welche mit Ge- sang, Gebet und einer kurzen Anjsprache begönne, und auf gleiche Weise schlösse. Die erfahrensten Semina- risten würden unter Leitung des Universitatspastors ab- wechselnd diese mit der Katechisatipn verbundene An- dacht halten. Solches praktisches Wirken für Beleh- rang und £rbauung zugleich, welches nicht ohne heil- same, Eindrücke auf die Herzen der Häuslinge bleiben wurde, wie dies die Erfahrungen der Gefängnissgeist- lichen zu Werden, Düsseldorf, Köln, Trier etc. in Betreff der von ihnen gehaltenen täglichen Andach- ten beweisen, würde den Herzen der Semiuaristeit

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selbst grossen Segen bringen, und ihre Liebe zum Ar- beiten an den Seelen mächtig stärken.

Zur Ausübung der specicllen Seelsorge, welche Spener das Kleinod im Predigtamt nennt, erhalten die Theologen auf der Universität nicht die geringste praktische Anleitung. Sie wird als ein Theil der Pastoraltheologie im Kolleg wohl mit be- rührt, auch wohl bisweilen eine eigene Vorlesung dar- über gehalten , und manche Regeln und Rathschläge darin gegeben, manche Erfahrungen Anderer m^tge- theilty auch wohl Erfahrungen aus der eigenen ^eel- sorge, wenn sie eine solche üben, und nicht selbst un- terlassen, welches letztere bei manchen dieser Docen- ten leider wohl statt findet, wodurch thre Anweisung natürlich noch viel unfruchtbarer wird. ^ Bei diesem theoretischen Dociien verbleibt es, und grade das Wich- tigste, die praktische Anleitung unterbleibt. Eine sol- che zu ertheilen, seheint nämlich Vielen nicht bloss schwierig, sondern ganz unmöglich.

Dass Sber manche Gegenstände der Specialseelenpfle- ge z.B. über den Umgang mit den einzelnen Gemeiuds- gliedern , über die allgemeine geistliche Pflege dersel- ben nach ihren verschiedenen Bildungsstufen und See- lenzuständen etc. den jungen Theologen nur theore- tische Anweisung, durch Mittheilung von Beispielen und Erfahrungen erläutert, gegeben werden kann, erhellt von selbst Auch bei dem allgemeinen H au s b e - Buche, den der Seeko^ger mit einem Aeltesten jähr- lich nach der gesegneten Kirchenverfaissung unserer Lande in der Gemeinde hXlt, kann keiner der Theolo-

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gen sich als BeglfHer anschliessen. Und doch ist für ihn einige praktische Anleitung zu diesem eben so wich- tigen als schwierigen Theile der Seelsorge höchst wun- schenswerth* Solche erhält er nun, wenn der Univer- sitätsseelsorger auf die oben angegebene Art an ihm selbst specielle Seelsorge ansiibt, regelmässig Hausbe- lach bei ihm hält, über seinen Seelenzustand sich mit ihm unterredet, ihn väterlich ermahnt, warnt, tröstet, ihn zur fieissigcnTheilnahme an dem Gottesdienste nnd dem h. Abendmahle, zu einer würdigen Sonntagsfeier^ zur häuslichen Andacht, zum Bibellesen und Gebet er- muntert, auch nöthigenfalls mit heiligem Ernste seine Gebrechen rügt.

Mag solche specielle Pflege nnd Aufsicht auch manchem Theologen nicht sehr behagen, so wird, wenn er später selbst ins Amt tritt nnd solche Seelenpflege ansSben soll, der väterliche Ernst, die Treue nnd Furchtlosigkeit seines ehemaligen Universitätsseelsorgers Ihm dennoch ein willkommenes Vorbild für seine ei- gene Wirksamkeit sein. Da überhaupt Vorbilder mehr vrirken, als blosse Lehren, so ist es von der äusserstea Wichtigkeit, dass der Universitätspastor das Beispiel einer treuen, unermüdlichen, besonnenen und muthigen Seelsorge in seiner Gemeinde gebe, auch in anderen Pastoralbeziebungen , in Betreff seiner Handlungsweise gegen andere Konfessionen Liebe und Weisheit, und doch, wenn es gilt, zugleich entschiedene Festigkeit, u B. bei Proselytenmachereien katholischer Geistlichen in gemischten Ehen n. s. w. zeige. Der Theologe, dem solches Hndeln i^cht rerboi^en bleibt, stärkt sich

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daran für sein eigene^ künftiges Amtsleben> so wie dat ' €legentheil, das Exempel eines lässigen^ nienschenge<» falligen oder furchtsamen Universitätsseelsorgers höchst nachtheilig auf ihn einwirkt.

Ein anderer, sehr \vichtiger Theil der SpecialseeU sorge ist die Krankenpflege.

Dass die geistlichen Krankenbesuche zu den schwie- rigsten, aber auch wichtigsten Geschäften des Seelsor- gers gehören , darüber ist nur Eine Stimme *)• Als

*) Statt aller weiteren Zeugnisse hierfür wird dan Zeugniss eines so erfahrenen Seelsorgers, als t)r. L. HüFFELti, Prälatzu Karlsruhe, ist, genügen^ welches er in seinem Werke: Ueber das Wesen und den Beruf des evangelisch - christli- chen Geistlichen, I. Theil der ersten Auflage 8. 441. ablegt: „Der Krailke kann nicht tu deAi „Geistlichen gehen; er kann auch keine Kirche be-* „suchen, da Trost und Stärkung zu. holen ; es ver-* ylassen ihn auch gar leicht, besonders auf demLau^ )de, seine Freunde und Angehörigen, der nicht sei- lten trüben Laune und der unausgesetzten Pflege ,^des Leidenden müde. Und doch bedarf kein Le- „bensverhältniss so viele Geduld, so vielen Trost^ ,>so viele Stärkung, s'o vielen Glauben etc. Hier „ist also der Geistliche so recht an seiner Stelle; „hierher gehört er mit allen seinen verschiedenen „Beziehungen, als Sprecher, Liturg und Seelsorger, „und hier kann er, versteht er seine Aufgabe nur „einigermassen, unbeschreiblich viel wirken. Doch „eben hier ist auch die Probe des tüchtigen Man- „nes; die Probe des Furchtlosen, des Gläubigen, „des Liebenden, des Menschenkenners und des Pä- 5,dagogen. Eine Predigt ISsst sich allenfalls aiui >,andern Arbeiten zusammensetzen; eine Katechisa- 9,tion kann einmal nicht 8<r gaöar musterhaft sein;

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Anleitung bienu baiui dem jungen Theologen d!e An- gabe einiger theoretischen Kegeln , und die EriShlong einiger am Krankenbette gemachten Erfahrnngen wenig helfen, und eine praktische Anleitung lu Krankenbesu-, chen wird dadurch keineswegs entbehrlicli. . Es war da- her einer der pin deaideria Spsner'S, „dass den „jnngen Theologen auf der Universität luweilen Gele- „genheit verschafft würde in einer Vorübung derjeni- gen Dinge, die sie einst in ihrem Amte zu treiben „hätten , zum Unlerricbt der Unwissenden , zur Trö- „stnng der Kranken and dgl." Prahcke fiihrle dies ans, and bei der Errichtnng eines Seminar ii Itli- .nitterii ecclesiastici im J. 1714 dachte er zu- gleich daranf, den Seniioamlen Gelegenheil zu ver- schaffen, sich Pastoralkenntnisse zu erwerben, Kranke in besnchen, n. s. w., nm wenigstens einige Vor- iibuDg in allen Theilen des geistlichen Amtes zu ha- ben*).

„sm Ki^nkenbette aber gilt nur der möglichst tüch- iitige Seeborger. Daher ist nichts schwieriger un- „ter den Obliegenheiten des Geistlichen, als Ki&n- „kenbesDChe, und wer nur einige Erfahrung besitzt, „wird. dem Verfasser.zugeben, dass die erste Predigt »lange nicht so ichwer war, als der erste Kranken' '„besuch." *) S. FRiNcKKN.'a Stiftungen 11. Band II. Stück Seite 133 ~ 135. Diesa praktische Vorübung, Kranke zu besuchen, u.H. w. findet auch in den Predigerseminaren Schwedens und Finn- landB statt, welche an den Du iversi täten zu Up- aala und Abo seit 1800, und zu Lnnd seit 1809 angelegt sind. In liieselben werden die junge», i

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Diese Gelegenheit kann der Üniversitätsseelsorger den älteren Seminaristen auf etn% leichte Weise ver- schaffen. In unseren westlichen Provinzen nament- lich, wo der Seelsorger, wenn er die Kranken besucht, mehr als Freund kön^mt, und nicht in priesterlich- beichtväterlicher Weise, wie in mehreren der östli- chen Provinzen, wo darum die Krankenbesuche auch viel häufiger sind, so dass sie selbst unberufen gesche- hen, und die Angehörigen und Freunde der Krabken während des geistlichen Besuchs oft zugegen bleiben, kann der Seelsorger bei der geringeren Yolksklasse ohne Schwierigkeit sieh von einem Seminaristen als geistlichen Freunde zum Krankenbette begleiten lassen. Niemand, auch der Kranke nicht, wird daran Anstoss nehmen« Natürlich wird der Seelsorger nur mit Um- sicht und Auswahl sich begleiten lassen; denn nicht

Theologen aufgenommen, sobald sie wenigstens Ein Jahr auf der Universität zugebracht haben. Der Direktor des Seminars ist einer dei" Ptofessoren der Theologie, der Praefectus ein Geistlicher, der eine Pfarrstelle wirklich verwalten muss. ferner sind ein Adjunctus und ein Docens Lehrer daran. Hier lyerden homiletische Und katechetische Uebungen theoretisch und . praktisch gehalten. Hier wird über die kirchliche Gesetzkunde geleseu, so i^ie über die Ministertaiia, wobei der Prae- fectus einige der Theologen bei manchen Amts Ver- richtungen in seinei: Genieinde äsugegen sein lasst, auch mit ihnen Armen" und Krankenhäuser tind Gefängnisse besucht. S. von ScHUBfe:^T*s Schwe-^ dens Kirchenverfassung imd Unterrichtswesen 1. B&* S. 12. B* 292 m

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zu allen Krankenbesachen bei der geringeren Klasse ohne Ausnahme wird solche Begleitung sieh eignen. Auch versteht es sich von selbst, dass, sobald der Kranke etwas im Vertrauen dem Seeborger mittheilen will, der Begleiter sowohl wie die Angehörigen sich zurückzieht Noch weniger Hindemisse stellen sich der Begleitung eines Seminaristen bei Besudien des Seel- sorgers in den Armenspitälern, den Gefäng- nisskrankenstuben und dgL entgegen.

In der Regel hat der Begleiter nur zoiiihdren. und von dem redenden Seelsorger sn lefyieii *), Auch von den Kranken wird er lernen. Von aian- chen wird er lernen können, wie tief die Selbstgerech- tigkeit im natürlichen Menschen steckt, und wie die, die ihr ganzes Leben lang ohne Gott in der Welt ge- lebt, Christum mit ihren Sünden gekreuzigt, und ihre Jahre zum Theil sich selbst muthwillig verkürzt haben, dennoch meinen, mit ihrem unbussfertigen Herzen vor seinem Richterstuhle ohne Furcht ersdieinen zu kön- nen. Von anderen dagegen wird er lernen, welch eine unerschütterliche Seelenruhe es gibt, den Grund ge- funden zu haben , in dem der Anker der Hoffnung ewig hält, wie der feste Glaube an Christi verdienst- liches Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt auch das in seinen Sünden au& tie&te bekümmerte Herz mit einem göttlichen Trost erfüllt. Wieder von ande-

*) Nur den bewährtesten Seminaristen, welche ihn län- gere Zeit begleitet, wird der Seelsorger erlauben, 'm, einselne, namentlich langwierige Kranke bisweilen aliein xu besuchen.

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ren wlvd er lemen, wie das Herz, das keine andere GewissheU von Vergebung und ewiger Seligkeit hatj d\s die die rationalistische Weisheit gibt, im Angesicht des Todes ein ungestüm Meer ist, das nicht stille sein kann; denn es hat keinen Frieden.

Dann werden die Theologen, selbst wenn sie die Lehren eines Wegscheider und eines Dr. Paulus eingesogen haben, sobald sie noch nicht ganz verblen- det sind, fühlen, wie trostlos die naturalistischen Trost- gründe, welche sie aus Jener Exegese und Dogmatik gelernt haben, am Kranken- und Sterbebette sind, und wie deren Künste zu tröstei^, allesamt nichts helfen^ so- bald sie zuvor den Glauben an Christupa als ailgenug- samen Yersöliner and allmächtigen Mittler aus dem Her- zen gestohlen haben. Bei solchen Theologen werden jene Lehren des Unglaubens alsdann weniger Wurzeln fassen, und die unaustilgbaren ewigen Bedürfnisse aller hcilsbegierigen Seelen, die sie hier in der Erfahrung kennen lernen, und die sie befriedigen lernen sollen, werden sie jene unfruchtbaren bedenlosen Hirngespipn- ste leichter verwerfen lehren.

Nimmermehr hätte der Unglaube in der evangeli- schen Kirche so weit um sich greifen können, weder unter den theologischen Professoren noch Studirenden, wären nicht zu ersteren seit vielen Jahrzehenten meist unpraktische Stubengelehrte ernannt worden, welche al- ler geistlichen Amts-Praxis tind Seelsorge enthoben und unkundig, nicht in die Gelegenheit kamen, die Erfah- rung zu machen, wie kraftlos und ungeschickt ihre neo- logiscke W^eisheit sei, das Hungern und Dürsten dor

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Se^en nach der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, zu befriedigen^ die göttlich Bekümmerten griindiich zu trö- sten, und die Schrecken des Todes za vertreiben. Nnn sie denn nie den Widerspruch ihrer Weisheit nit den Bedürfnissen des Menschenherzens kennen lernten, wurden sie auch nicht innerlich gedrungen, sich selbst ernstlicher über die Wahrheit ihrer Lehre zu prüfen, nach einer höheren Weisheit zu suchen und darum <u beten. Vielmehr verwarfen sie , in der Eitelkeit ihres Sinnes immer mehr sich verfinsternd, den Grundsatz Luther's, „dass die wahre Theologie im Ge- , bet erlernt werden müsse^^, da sie sie längst schon aus den Büchern erstudirt zu haben meinten, schafften darum das Gebet in den Vorlesungen als eine mit ihrem Hochmuth unverträgliche Erinnerung an die menschli- ch^^ HülfsbedüriHgkeit ab, und lehrten als die neuen ontniglichen VerQu(ifl{>ropheten nun ihre, Gottes Wort und der Erfahrung widerstreitende Bücherweisheit mit absprechender Anmassung, ohne sich im Geringsten darum ?u kümmern, wie die jungea Theologen in ihrem dereinstigen praktischen Amtsleben damit zurecht kä- men, und ob nicht die armen Schafe derselben in ihrem Dürsten nach dem lebendigen Wasser verschmachten müssten, da sie sie bloss an die löchrichten Brunnen ohne Wasser führen konnten, an welche sie selbst auf der Universität geführt worden. Und wie konnten sie» welche xwie die Schlachtschaafe in solche Kollegien gin- gen, worin ihr keimender Glaube und ihre beginnende Liebe zum Heiland gemordet wurden, da sie ihn nnn von ihren Kathederpfopheten statt als den Sohn Gottesi

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und den Herzog ihrer Seligkeit, vielmehr ab einen be- triigerischen' Volkslehrer zu betrachten gelehrt worden, nvie konnten sie die Lügenhaftigkeit dieser Lehren imt- decken, da die Wissenschaft bei ihnen nicht in die Praxis geführt wurde, da sie die Bedürfnisse der Men- scbenhcrzen nicht aus Erfahrung kennen lernten, und selbst noch meistens ihre tiefere geistliche Erfahrung an ihrem eigenen Herzen zu haben, ohne irgend einer Seelsorge zu gemessen, wie Schafe ohne Hirten um- herirrten; da sie zugleich in den Jahren stehend, wo die Eigenweisheit am stärksten ist, natürlich an ■den' ^ Lebren grossen Gefallen finden mussten, welche ihrer Eitelkeit so sehr schmeicheltep , und durch deren An'« nähme sie nun über alle Weisen aller früherei^ Jahr- hunderte, ja über die Apostel und Christum' selbst er- hoben wurden«

Wenn solche Theologen nun mit ihrer Schulweis- heit ins Pfarramt traten, und die im Glauben Wanken- den stärken, die Zweifelnden beiehren, die Angefoch- tenen beruhigen, die Kranken und Sterbenden trösten sollten,* dann fanden bald diejenigen tinter ihnen, wel- che noch zu ehrlich waren, um die ihnen auf der Uni- versität empfohlene rationalistische' Doppelzüngigkeit und betrügerische materielle Accomodation ^) anzuwenden,.-^ ich kenne viele solcher WegSCHJEIDERSGHEN Schü- ler, — dass jene Schulweisheit nicht fürs Leben tauge,.

*) S. Wegsgheider'S iHfU'itttioneg Theolog. dogmat, VL Ausgabe S. X. §. 17. (Röhr's) Briefe über den Rationalisniua S. 36. 37. 57« 446 455.

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«■etiuebr dir S*elea v-«rgiAe uaiJ trostlo» macliei tlatt ■ie in heilen und zu trösten. Da kamen sie nun nach vielen inoereQ mmpfen, welche kürzer dauerten, wo ' schweres Kreoz über sie bereiobrach, welches sie gelbst dnes häheren Trostes, den sie nicht in der Weg- 5CHEIDESSCHEH Dogmatik fanden,. bedorftig machte and die Gebnrtsniehen des Denen Menschen beschleii- Digjte, endlich wieder znm Glauben an den Sohn Got- tes, empfingen das Lehen in seinem Namen, und konntea von onn an auch ihre Gemeindsglieder dam führen.

Ist es aber «änschenswerth , dass alle Seelsorger erst auf diesem laugen Umwege znm rechten Weg Lebens kommen, dass sie erst, nachdem sie Jahre lang seihst irre gelaufen, nnd Hunderte ihrer Gemeindsglie- der den Irrweg geführt and im seelenverd erb liehen Irr- thum haben dahiiK sterben lassen , nun unter tausend Gewissensbissm , Vorwürfen und Thranea über ihre frühero verkehrte Amtswirksamkeit die Wahrheit zur Gottseligkeit finden? Und wie viele Hnuderle der auf der Universilät zum Unglauben geführten Seelsorger bleiben ihr Lehen lang auf dem Irrwege, und führen weder sich noch ihre Gemeinde von der Fiusterniss nun Licht und von der Gewalt des Satans zu Gott!-^ Ist es da nicht heilige Pflicht, schoa auf der Universi- Gft dem Tieferwurieln des Unglaubens einen Damm entgegen znselzen , indem man die Theologen sowohl -, selbst Seelsorge gepiessea lässt, als auch praktisch zur % Seelsorge anfühiit? Beides wird zwar nicht Alle vom Ungltnbcn atuüdLh^ten oder ioriickbringeii , aber im»

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mer wird es auf Vide Migensrach. wirken , Vielen wird es ein Licht werden, nm die Tragfackeln der Irriehrer zu unterscheiden, Vielen einen Stachel in die Seele warfen, der sie nicht mheu Tässt, bis sie den wahren Weg und das Leben in dem gefanden haben, der al- lein der Weg, die Wahrheit und das Leben ist Zu- dem haben wir ja, Gott sei Dank! auf unseren preus- s Ischen Universitäten neben einzelnen entschieden, ungläubigen Professoren und neheu vielen Unentschie- denen doch auch auf allen diesen Bildungsanstalten manche Glaubensmänper, welche, wenn schon meiste nur theoretisch, doch aus eigener innerer ErjEahmng den Glauben an den gekreuzigten und erhöhten Sohn Gottes als den einzigen Weg des Heils lehren, da- durch dem Hinführen der Wissenschaft in die Praxis wohlthätig vorarbeiten, und der Arbeit des Unrversitäts- seelsorgers Bahn machen.

Unsere Rheinuniversität hat dabei das Glück, einen NiTZSCH zu besitzen, der neben seiner wissen- schaülichen Tiefe so viel theologisch - praktisches Talent und einen so sichern Takt in Leitung des homiletisch- katechetischen Seminars hat, dass es für das Praktisehe doppelt zu bedauern ist, dass seine Zeit zugleich so sehr vom Lehren der systematischen Theologie in An- sprach genommen , und er nicht Mit - Gemeindepfarrer ist, somit nicht mit Seelsorge üben kann.

Zur speciellen Seelsorge, wenigstens zur prakti- schen Amtswirksamkeit des Geistlichen überhaupt ge- hört nach unserer Kirchenverfassung auch noch ,

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die Armenpflege.

Dass es die Pflicht der Greistllchen ist, sich auch der leiblich Nothleldeadeo in seiner Gemeinde vorzugs- weise auzanehmen. nnd wie sehr er durch solche Fiir- sorge für die Armen sich Bahn macht zu einem erfolg« reichen Arbeiten an ihren Seelen, das ist von selbst so einleuchtend^ und durch Christi und der Apostel Lehren und Exempel, so wie durch die Erfahrung der ganzen Kirche so deutlich bewiesen, dass ich hierüber nicht weitiäqfig zu sein brauche« Aber auch zu die- sem Theile seines Berufs bedarf der Geistliche ^nicht bloss viele Liebe, sondern auch viele Weisheit nnd Umsicht, damit er fiir die einzelnen Armen weder %tL wenig, noch auch zu viel sorge, und sich eine geelg- net^ Mitwirkung; der Diakpnen verschaffe. Denn die- *se apostolische Einrichtung kann ihm zu grosser Hülfe und der Gemeinde zu ig;rossem Seegen gereichen, wenn er sie gehörig zu benutzen weiss.

Es ist daher sehr nutzlich für die jungen Theolo- gen, wenn der Universitätsseelsorger ihnen auch über diesen Zweig ihrer künftigen Wirksamkeit aus dem Schatz seiner Erfahrung Belehrungen gibt. Selbst eini- ge praktische Anleitung ist möglich, in der Art näm- lich, dass der Seelsorger bewährte Seminaristen beauf- tragt, einzelne Armen in seinem Namen zu besuchen, und ihnen etwas Unterstützung zu reichen, sich nach ihren Verhältnissen, ihrer Arbeit, dem Schulbesuch ihrer Kinder, ihrer geistigen Beschäftigung an den Sonntagen u. 9. zu erkundigen, und ihm darüber zu berichten. Hierdurch werden sie sowohl 'die grosse leibliche Noth

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und das Elend, welches oft unter den Geringen herrscht, als auch das geistliche' Elend, was sich so leicht mit der Armuth verbindet, die besonderen Fehler und La- ster, zu welchen die Armen sich yorzagsweise hinnei- gen etc., näher kennen lernen, und ihr^ Vorsicht wie ihren Eifer bei der künftigen leiblichen und geistlichen Pflege der Armen verdoppeln«

Nach Betrachtung der drei ersten Haaptgegenstände der praktischen Anleitung der Theologen, der homi- letischen und katechetischen Anweisung, sowie der Seelsorge, kommen wir zu einem vierten Ge- genstand derselben, sie nämlich bekannt zu machen mit

der kirchlichen Gesetzgebung und -Kircheq-

verfassung 'ihres Landes.

Die Nichtkenntniss der Verordnungen und Vor- schriften, welche in Bezug auf die kirchlichen und bür- gerlichen Verhältnisse bei Taufen, Proclamatio- nen, Trauungen, Beerdigungen u. s. w. zu be- achten sind, fuhrt natürlich oft deren Nichtbeachtung herbei, und dadurch Verlegenheiten und Missgriffe, Be- schwerden von Seiten der weltlichen, Verweise von Sei- ten der kirchlichen Behörden, selbst Geringschätzung des Geistlichen, besonders von weltlichen Beamten, die den Mangel der äusseren Gesetzkunde und Geschäfts- g^wandtheit hoch, freilich oft zu hoch anschlagen, üeberhaupt ist es wichtig, die Stellung des Geistlichen ' zu den weltlichen Behörden, besonders der Orlsobrig- keit den jungen Theologen klar zu macheu, damit er

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in Zukunft imnöthigen Reibongen mit derselben^ ^or^.^r^ beuge, und sieb nicht obne Noth seinen Wirkungskreu j er«chwere^ yielmebr die Hülfe derselben xor Beförde- .rang der äusseren. Sittlichkeit und £hrbarkei^, der StiUe und Ordnung wihrend der gottesdienstlichen Zeit m jj Sonn - nnd Festtagen vu s. w. sich verschafie durch da- ^ geeignetes Benehmen lind Anknüpfung, eines , wenn et möglich ist, freundlichen Verhältnisses ^mit derselben. Vielen Unannehmlichkeiten, vielen Störungen derkircb*^ liehen Ordnung und Ruhe^ vielen Hindernissen der£r- i haltung der öftentlichen Ehrbarkeit würde dadurch vor- ' gebeugt Hierzu ist aber durdians nöthig eine Kennt- ni58 der kirchlichen und polizeilichen Gesetze, welche hiertuf Bezug haben, und der vielen F^rderungs- und Hemnrangsmittel jener Ordnung und Ehrbarkeit,' wei- die die bürgerliche Ortsbehörde in ihrer fiaiid. hat» Solche Kenntniss wird dem verständigen G^tlichea sowohl eine gewisse '.Gefälligkeit, als anch leine wohl- thätige Festigkeit für den Nothfall gegen die Ortsbe- horde einflössen.

!Nieht minder nothwendig ist es, den Theologen mit der in seinem Kreise herrschenden Kirchen Ver- fassung, in nnierer Provinz mit der Presbyterial- und Synodalverfassung, gründlieh bekannt zu ma- chen. Wenik sdion die .Kunde derselben für die aus andern Gegenden, wo eine davon verschiedene Kirchen- verfassung gilt, kommenden Theologen vorzugsweise wichtig ist,, so ist sie doch den im Schoos derselben* auferzogenen Sehnen der Provinz keineswegs entbehr- lich. Mögen ihnen die Hauptumrisse derselben aiui den

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Übe» bekannt sein , m keniwtt sie doefa ichr tellca / IM Xircbenvorfassnng grÜndlicii iheoretüdi, witttade-, ' her auch n!cbt konsequent practüch tn tandhiben, u^ '' Werirten durch ihre Unknade nnd 'Unerfahrenhcit.iudit. p listen in nachfheiligen MüsgrillFen verleiteL So ut s.' / PIA, das VerhältDÜs des Pfairoi itt seinein Preabirte-' [ riam von der grüsrien Widit^fkeit. Dieses Colt^TBin Ef wirkt unmittelbarer- p^d nät s&Aa als die Orlsobrigkeit ^ r anf du geistige Wohl der Gemeiode, weshalb es iloppelt J ' nichtig istg'dass der Geistliche sich ein freundschaM- ; *!flbcs and übereinstimmendes Znsammenirirteii mit dem- j seihen m Terschaflen nnd in eilialten «nchl. Denn dne Spannung oder gar Missstimmnng iwiEchen beiden Theilen äussert leicht einen yerderblicben Einilass die kirchlichen wie die sitüicben Verhältnisse der Ge- ' mtiade, und stifrt du freadige Wirken des Geistlichen, ^ lomit seinen ögnea Triedeoi Und doch entstehen sol- At ReibimgeD nidil selten, meist ans Nichtkenatnist der eigentbümlidien Klippen, welche er in seiner Stel- lung lam Presbjteriam sn vermeiden hat.

Auch, über diese wichtige Pancte lehren nnsne Universitäten in der Begel nichts, oder' geben höch- stens ein Paar dürftige Notizen, oder einen dürren flcbematismas, der wenig hilß.

Ein fünfter, nicht nnricbtiger Gegenstand der - praktischen Bildung der Tbeologen ist

die Anleitung lam Kirchengesang. Fängt dieselbe freilich erst auf der Universität an, 10 i&t es meistens ni spät. Sie sollten billig auf den

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höheren , Bürgerschulen und Gymnasien fortwährend ; durch alle Klassen hmdorch getrieben werden, so dass sie auf der Universität nnr fortgesetzt zn werden brauchte. Denn eine lange Unterbrechntig grade in: den J&yglingsiahreu schadet hier am meisten. Be|am* nemswerth ist es doch, wie sehr der Kirchengesang. in den meisten evangelischen €remeinden damiederlieg^ ^/'dieses herrliche und mächtige Erhauadgsimttely das mit < ^ äa £ntstehnog nnd Verbreitang der evangelischen Kir« ^ . ufhB so eng verwebt, und Ihre Zierde wie ihr Ruhm i von. Anfang an gewesen ist. Jammer und Schande».' ^dass der , Kirchengesang an manchen Orten dergestalt " darniederliegt, dass einzelne katholische Gemeinden sie - jetzt darin Sbertreffen I Mag auch viele Schuld hier- von an den Schullehrern und der mangelhaAen Anlei- > long der Schuljugend zum kirchlichen Gesang liegett,^ so. würde dieselbe doch viel leichter verbessert werden können, wenn nicht so viele Geistliche des Kircheng»* > sangs unkundig wären, was wieder seinen Grund in dem * Darniederliegen des Unterrichts darin auf den höheren - Schulen und Universitäten hat

Zn hoffen ist, dass diesem Uebel bald von Seiten der Behörden Werde gesteuert, und dieser Schande ein Ende gemacht werden, um so mehr, da nach den neueren liturgischen Anordnungen in unserer preus* sischen Landeskirche dem Kirchengesang noch eine höhere Stelle, als früher gegeben worden ist

Ein sechster Gegenstand der praktischen Anlei^r tnng dar Theologen ist eine Anwranng derselben

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zur oberen Leitung der Schale oder Schulen in ihrer kiinfltigen Gemeinde.

Nach der weisen Anordnung onsers Königs ist je- der Pfarrer Präses des Schulvorstandes seiner.. Gemeinde, und hat damit die Befmfsichtignng und ob^a Leitung der Schule oder Schulen in derselbeü, weil IKIemand so viel Interesse hat, dass die Schulen blü- hen und ihren Zweck an den Kindern er^-eichen, näm- lich Pflanzstätten der Gottesfurcht . und Frömmigkeit, der Verstandes - und Herzensbildung derselben, zur jBe- * (orderung ihres zeitlichen und ewigen Wohls werden, als der Geistliche, dessen Amt gleichen Zweck nnd gleiches Ziel hat.

Will er aber gründlich auf den Lehrer und die Schule zur Förderung der Schulzwecke einwirken, so ist es durchaus nöthig, dass er das Elementarschulwe- , sen in seiner jetzigen Gestalt nach seinen Vorzügen nnd Gebrechen genau kenne, und nicht bloss literarisch, sondern aus eigener Ansicht, und, was di^ Hauptsache ist, aus eigner Uebung dasselbe zu beurtheiien ver- stehe. £ine sehr weise und wohlthälige Verfügung hat , unser Ministerium der Geistlichen etc. An- gelegenheiten in dieser Hinsicht im J. 1827 durch das Rheinische Konsistorium erlassen.*)

*) Nach dieser Verfügung Tom 19.Dec. 1827 soll künf- tig bei den geistlichen Prüfungen pro ministe- rio darauf, gesehen werden, dass die Kandidaten nicht allein über Zweck, Einrichtung und Ziel der Schulen und ihrer Arten »und Stufen , über die Be- handlung der verschiedenes Unterrichtsgegenstände

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Wie soll der Kandidat aber zu der in dieser Ver- (ugang verlangte]^ praktischen Uebung im Schulun- terricbie, wenn er nicht grade Hauslehrer wird, gelan- gen? Das ist so leicht nicht, besonders auf dem Lande» als wohl Manche glauben mögen« Aber in einer grös- seren Stadt, dergleichen doch in der Regel die Uni- versitätsstädte sind; geht es viel eher an, wird wenig- stens sehr leicht möglich, und zwar wodurch? •^— Durch Errichtung von Sonntagsschulem

In jeder Universitätsstadt, wo noch keine Sountagsschule ist, möge daher eine solche errichtet werden, und hier können die jungen Theologen unter

und ihreh Innern organischen Zusammenhang, über die nöthigen Hülfslehrmittel bei den einzelnen Lehr- gegenständen, über das Verhältniss von Unterricht und Erziehung zu einander, über Schuldisciplin und namentlich über die Verbindung der religiösen und sittlichen Bildung mit der intellektuellen, endlich über Beruf, Pflicht und Verhalten des Lehrers und des Geistlichen in Beziehung auf die Schule, rich- tige, klare und geordnete Begriffe, sondern auch zugleich selbst die erforderliche praktische Ge-i ivanätheit und Lehrfertigkeit besitzen.

Zu diesem Zwecke werden die Kandidaten aufge- fordert, künftig, besonders die Zeit zwischen der Prüfung pro liceniia und der pro miniüeri» auch zu ihrer pädagogischen Ausbildung zu benu- tzen, und sowohl durch das Studium der betreffen- den Schriften, als auch durch das Besuchen der Schullehrer -Seminarien und . vorzüglicher Schulen, durch Theilnahme an den methodologischen Lehr- Gursen, und den Lehrerconferenzen, und durch eig- nes Unterrichten sich die erforderliche Einsicht und Fertigkeit im Schnlfache zu erwerben.

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Mitwirkung des Universitätsseelsorgers und einiger ande- rer Professoren oder angesehenen Einwohner, und un- terstützt von einem oder mehreren Schullehrern , weit che die ersten Anfangsgründe des Lesens lehren, im Le- sen u, s, w. auf eine ähnliche Art, wie in den hol- ländischen Sonntagsschulen (vgl. L Band S. 268 271) unterrichten. Auf das Bedürfniss solcher Schu- len für unsere deutschen Städte habe ich ebenda- selbst hingewiesen.

Die Gelegenheit, wcjche die Theologen hierdurch erhalten, ihre armen, unwissenden Brüder eines so wichtigen Elementes geistiger Bildung, als da« Lesen ist, theilhafÜg zu machen, ihnen das Wort Gottes nahe zu bringen, und durch eine kurze Erklärung des vor- gelesenen Bibelabschnittes zugleich ihr christliches ' Ge- fühl zu wecken und zu stärken, wird nicht anders, als wohlthuend auf ihr eigenes Herz wirken.

Auch in dieser Hinsicht geben uns andere Länder bereits ein leuchtendes Vorbild. 20 junge Theologen ans dem evangelisch-theologischen Seminar in Auburn in der Provinz Neuyork haben für die Gefangenen in der Strafanstalt daselbst eine Sonntagsschule errichtet , wo sie im Lesen, Schreiben und Rechnen mit dem grössten Erfolge Unterricht geben.*)

Bei dem vielseitigen Wirkungskreise, welchen ein treuer Hirte in seiner Gemeinde für das Reich Gottes

♦> S. DiC JUHÜ8 Jahrbücher der Straf- und Besse- rungsanstalten etc. X. Heft 1829.

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findet, bedarf es nicht erst bewiesen zu werden, dass noch in gar manchen andern Punkten, als den erwähn- ten, der künftige Geistliche der Anweisung bedarf, um sie zu Förderungsmitteln des christlichen Lebens seiner Gemeinde zu benutzen.

So kann z. B. die Lesesucht, welche gegen- wärtig auch in den niederen Ständen überhand nimmt, Christo dienstbar gemacht werden, wenn der Geistliche dem Volke, besonders der Jugend nützliche > aber zu- gleich interessante Lesebücher, vorzügliph religiö- sen Inhalts, zu lesen gibt, indem er für diesen Zweck eine Gemeindebibliothek *) errichtet, und hierdurch > die giftig-süsse Speise, welche die meisten Romane -und andere Bücher der Leihbibliotheken enthalten, so viel an ihm ist, abwehrt. £s ist dies ei^ß Sache von der grössten Wichtigkeit, besonders für die Städt-Ge- mpinden, und solche, welche in der Nähe grosser, ja selbst kleinerer Städte lieged, denn in wie wenige von diesen letzteren haben nicht auch die Leihbiblio- theken schon den Weg gefunden, da leider ein für

"C) In Kngland, Schottland und Nordamerijca sind Ton eifrigen Geistlichen bei vielen Gemeinden,, auch bei vielen Sonntagsschulen solche religiöse Büchersammlungen zum Verleihen atn die Gemeind8-^> glieder und Sonntagsschüler errichtet, welche unbe* : schreiblich vielen Segen stiften. Auch die eva«*'* gelische Kirchenzeitung macht im Jahrgang* 1828 S. 840 u. a. O. auf die Wichtigkeit der £r- richtnng solcher Gemeindebihliotheken aufmerksam. Einige Prediger unserer Gebend haben bereits mehreren Jahreil einen Anfang damit gemacht.

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unsere zur Beförderung der wahren Volksbildung sonst so Ihätige Behörden unerklärlicher faktischer Mangel an aller Aufsicht über den Gebrauch der Leihbiblio- theken, die doch notorisch mit so vielen sittenverderb- lichen Büchern angefüllt sind, statt findet.

Wie soll aber der Geistliche nun die verschiede- nen Bedürfnisse der Leser auf eine stets unterhaltende und doch stets nützliche Weise befriedigen? £r kann es nur, wenn er mit der Literatur der gemeinnützlichen und religiösen Volkslesebücher bekannt geworden ist, welche Kenntniss grade bei diesem ausserordentlich unbekannten Fache schwieriger isty als man glaubt. Denn kein Professor hat ihm darüber Aufschluss gege- ben, kein theoretisches noch praktisches Colleg hat ihm darüber Belehrung verschafft. Auch hier gilt wieder das XVort FrANCKE.'s: „Was wir im Amt alle Tage brauchen, das lernen wir auf der Universität iiicht.^^ Ueber Hunderte von Büchern, welche der Theologe bei aller Wissenschafllichkeit nie in seinem Leben liest noch sieht, empfängt er Unterricht in der Encyclo- pädie und Methodologie. Aber von den Bü- diern, mit welchen er jeden Tag Hungrige in seiner Gemeinde, speisen könnte, wird ihm in keiner Vorle- sung die mindeste Nachricht.

Da bt denn wieder die Anweisung eines erfahrnen

'. JUniversitätsseelsorgers unentbehrlich, der zum . Himmelreiche gelehrt, den Jünglingen aus seinem Scha- tte Altes und Neues mittheilt» sie bekannt macht mit den besten Gebet- und Andachtsbüchern, mit

jF^len interessantesten Lesebüchern., sowohl für das

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Vo|k, als für Gebildete, endlich mit den besten der kleinen religiösen Schriftchen, der sogenannten T r ac- ta te. Hier wird er zugleich die Schärfung ihrer ür- theilskraft, wie die Erwärmung ihres Gemiitbs beför- dern, indem er ihnen solche Schriften in die Hand gibt, um sie durchzulesen und ihm ihr Urtheil darüber zu sagen, ob sie zu empfehlen seien, und für welchen Kreis von Lesern, für welche Bildungsstufe u. s. w. Dadurch wird er bei ihnen eben sowohl eine blinde - Yorliebe für, als ein blindes Yorurtheil gegen man- che Schriften und Schriftchen entfernen, das nur zu oft sich unbewusst in die Herzen einschleicht; wird ihnen deutlich machen, wie sehr eine strenge Vorsicht und Empfehlung von Büchern nöthig ist, aber wie we- nig man sich auch von vorgefassten Meinungen Ande- rer gegen manche Schriften, von deren Prüfung und resp. Empfehlung abhalten lassen darf; wird sie dar*

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auf aufmerksam machen, wie unter den kleinen reli- giösen Schriften die, welche eine geschichtliche Einkleidung haben, am liebsten gelesen werden u. s. w.

Ein anderes wichtiges Förderungsmittel des Rei- ches Gottes in den Gemeinden, welches uns die ge- genwärtige Zeit darbietet, und mit welchem der junge Theologe bekannt gemacht werden muss, ist die Ei- be 1 - uud Missionssache.

Das Interesse für diese grosse Angelegenheit hat ^ sich, Gott sei Dank I in einem sehr grossen Theile der Gemeinden wenigstens unserer Provinz als ein heiliges Feuer so weit verbreitet, dass es sich weder mit ratio- nalistischen noch jesuitischen Feuerspritz-Röhre«^.

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mehr dämpfen lässt, und dass der angehende Geistliche^ schon um nicht mit Scham als Idiot in seiner Gemein- de dazustehen, wenigstens historisch darum wissen jnuss. Denn mancher Schulknabe, mancher geringe Bauers- und Bürgersmann weiss hier zu Lande aus den Mis- sionsblättern und Missionsmagazinen mehr davon, als mancher Professor der Theologie, als manche Docen- ten der Kirchengeschichte*

Jedoch nicht als blosse kalthistorische Nachricht darf dem Theologen die heilige Ang;elegenheit nahe gebracht werden, eine Angelegenheit, welche mehr als viele andere, grade ihm, dem künftigen Verkündiger des Evangeliums, matherweckend und stärkend sein wird bei dem Hinblick auf die vielen Hindernisse, welche ihm bei der Seelsorge in seiner Gemeinde entgegen- stehen werden. Wenn er sieht, wie die Missionäre die noch viel grösseren Hindernisse auf den wilden, wü- sten Heidenfeldern durch ihren Glaubensmuth überwin- den, und, wenn auch oft durch Jahre -langes, vergeb- lich-scheinendes Arbeiten geprüft^ doch endlich die Todtengebeine seh^n lebendig werden und den Odem des Herrn sie aufrichten als neue Kreaturen ihm zum Preis, und die Jahrhunderte lang die Inseln des Mee- res bedeckende Geistesnacht sehen weichen vor der Sonne der Gerechtigkeit, wenigstens ihr Morgenroth schon sehen glänzen, und viele Heiden in ihrem Lichte wandeln, o wie wird dann auch seine Brust voll höhe- ren Vertrauens zum Herrn der Erndte schlagen, dass 4er nicht minder seinen Saamen, den er künftig im Glauben ausstreuet, werde Wachsthum und Gedeihen

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geben zn seiner Zeit, und ihm zur Seite stehen alie Tage, wenn er nur für ihn, nur für seine Ehre, nicht Tiir die eigne, arbeitet und ringet. Und noch in ei- ner andern Hinsicht wird der üniversität«seelsorger den jungen Theologen die Missionssache sehr lehrreich für ihr künftiges Wirken machen können. Er wird Ihnen aus dem Missionswerke mit lebendigen Beispielen zei- gen, wie nicht die ausgebreitetste Gelehrsamkeit, nicht das grösste Talent, nicht das heftigste Eifecn und Stür- men in eigner Kraft die grössten und bleibendsten Er- folge bei den zu Bekehren'den hervorgebracht hat, Son- dern das stille, sinnige Wirken mit unermüdeter Liebe und christlicher Weisheit, das geduldige Harren darü- ber und Beten um den Morgen- und Abendregeo^ das Aussäen vorzüglich in die Herzen der Jugend, um nicht bloss sie, sondern auch die Aeltern dadurch zu gewin- nen, und endlich das eigne Vorbild in den Tugenden, die man lehret.

Dies wird auch sie anlreiberv sich vor dem Eifern fürs Gute mit Unverstand zu hüten bei dem Eintreten in ihre Gemeinde, vor dem leidenschaftlichen gleich anfangs alles darin Aufregen- Wollen, was meist in eiU ler Selbstgefälligkeit, in zu grossem Vertrauen auf eig- ne Kraft, Beredsamkeit, Gewandtheit etc., so wie ia Unkenntniss des menschlichen Herzens seinen Grund hat. Sie werden nun mit Missions-Liebe, und Missions- Muth, aber auch Missions- Geduld und Missions- D e muth ihr Werk an den Seelen beginnen und fortsetzen, unter stetem Anfblick zu dem« von dem alle Kraft und aller Segen kommt, und dem

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alle Ehre allein gebllhrL Mögen auch bereits kleine Bibel- und Missionshül fsver eine untec den Stu- denten bestehen, und je mehrere, desto besser, obige umsichtige Belehrungen des Universitätsseelsorgers werden darum nicht unnöthig, vielmehr grade desto heilsamer sein, auf dass nicht Ueberspanntes und Schwär- merisches sich hineinmische, ujad die herrliche Sache Gottes nicht verunreiniget und verlästert werde. .

Auf welche Weise kann nun 'derUniversitätsseelsor<* ger am (üglichsten den Theologen Anweisung ertheilen in den genannten und anderen wichtigen Förderungsmit- teln des Reiches Gottes, der Kenntniss religiöser Volks- lesebücher, der Bibel- nnd Missionssach^ , in Erfor- schung der vielen Hülfsmittel , aber auch der vielen Hindernisse, welche die Eigenthümlichkeit des Univer- sitätslebens ihrem Streben, in christlicher Erkenntniss und Gottseligkeit zu wachsen, darbietet, u. s. w. ?

Die einfachste und zweckmässigste Art ist das Hal- ten paränetis ch er Lectioneii in ähnlicher Weise wie A. H. Francke.*)

*) In den paränetischen Lectionen bemühte sich Francke zu zeigen, was angehende Theologen im Chris tenth um und im Studiren an Erreichung ihres Zweckes hindere, und wie sie solche Hinder- nisse zu überwinden halten. Sie bekamen hier einp allgemeine Anleitimg zur zweckmässigen Einrichtung des ganzen theologischen Studiums , und zum Ge- brauch der dazu erforderlichen Hülfsmittel. Die meisten Erinnerungen darin waren auf Verbesserung ^ der Moralität gerichtet. Es war aber nicht die bloss äussei'lichc, noch auch die gesetzliche,

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Da iti der theologischen Encyklop'adie und Methodologie bloss Anweisung zum gelehrten

sondern die innere und eyangelische, aus dem lebendigen Glauben an Christum entspringende Sitt- lichkeit. Unbestraft blieb hier nichts von allem Fehlerhaften und Anstössigen, was er in Reden und Handlungen der Studirenden bemerkt oder vernom- jiien hatte. Er fing die Vorlesungen im J. 1093 an, noch TOr der Inauguration der Universität, und fuhr da- mit bis an seinen Tod 1727 ununterbrochen fort. Sein Sohn hat sie noch mehrere Jahre lang fortge- setzt. Der Anfang Avar klein, wie bei allen seinen Instituten. Er hielt sie damals in seinem Studir- zimmer privatim, vor einer geringen Anzahl von Zuhörern. Aber bald mussten sie bei mehreren! An- wachs der Universität, in öffentliche Vorlesungen verwandelt, und im grossen Hörsaal der theologi- schen Fakultät gehalten werden.' In der dazu be- stimmten Stunde, Dienstags von 10 11 Uhr, fie- len die übrigen theologischen Collegia aus, damit alle studirende Theologen gegenviärtig sein könn- ten; und gewöhnlich waren sie auch, besonders in den ersten Jahren, hier alle versammelt, . obgleich keiner dazu gezwungen wurde, so Avenig wie zu andern Collegien. -^ Francke redete hier so ein- dringend, so vertraulich und herzlich*, wie ein V^ter mit seinen Kindern redet (wie er selbst sich darüber ausdrückte), bisweilen freilich ernst und streng > sti;engcr, als es vielleicht ein verwöhntes Zeitalter ertragen würde, aber doch immer so, dass man sah, es sei Väterliche, die ihn dringe. Viele seiner Zuhörer haben diese Vorlesun- gen als die eigentliche Grundlage zu ihrem Glück angesehen, und das Bekenntniss abgelegt, dass sie hier zuerst zur gründlichen Herzensbesserung er- weckt, und zur nützlichen Anwendung ihrer Univer-

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»tudium und zur gelehrten Biicherkenntniss gegeben fird^ so muss hier das praktische £lement vorherr- chen. Hier müssen dem Theologen die Hinder- tisse eines fruchtbringenden theologischen Studiums

sitätszeit angeführt \«'ären. Nachdem sie Acmter erhalten und sich mehr Erfahrung erworben hatten» kam ihnen Manches von dem erst recht zu statten, Avas sie damals hörten, aber nicht ganz verstanden, oder gehörig anzuwenden wiissten. Er selbst ver- sichert, er habe von keiner akademischen Arbeit so viel A\ahren und bleibenden Segen gesehen, als von dieser. Bei der Wahl der Gegenstände seines Vor- trags band er sich an keine festgesetzte Vorschrift und Ordnung, sondern richtete sich nach dem Be- dürfniss seiner Zuhörer. Bisweilen wurden Schrift- stellen zum Grund gelegt, oder ganze biblische Bü- cher praktisch durchgegangen, z. B. die Briefe an die Römer und Hebräer; zu anderer Zeit hielt er wieder freie Vorträge über einzelne lehrreiche Ma- terien, und wenn die Sachen von der Art waren, dass eine Stunde nicht hinreichte, sie ganz zu er- schöpfen, so handelte er sie in mehreren Lectioncn nach einander ab« Hier sind einige Inhaltsanzeigen seiner paränetischen Vorträge: vom 'Selbstbe* trug; von der Menschenfurcht; für Studi- rende, die den guten W'illen haben^ ihre Studia und ihr Christenthum gottg^efällig zu führen; Anweisung, wie man sein Stu- diren recht einrichten solle; wie Studi- rende den gegenwärtigen Zustand der Kir- che recht zu erkennen und nützlich anzu- wenden haben; wie man die Jugendsünden fliehen solle; ob man die Zeit seiner Be- kehrung wissen müste; vom Separatismus u. s. w. 8. Framgkev's Stiftungen II. Band 1. Stück S. 70 -. 73.

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nai^bgewiesen werden, wie sie theils ia ihm, theils aus- ser ihm , in den akademischen Verbältnissen liegen, welche Gefahr sie seinem Geist und Gemüthe bringen; hier muss ihm gezeigt werden, wie sie vermieden oder besiegt werden können; hier muss ihm stets \*Qr'$Aoge gerückt werden das höchste Ziel seines Studiums, das Wachsen in christlicher Erkenntniss und Gottse- ligkeit, und wie daraus allein die Tüchtigkeit ent- springt, auch die Gemeinden zu solcher Erkenntniss und Gottseligkeit zu erziehen. Hier müssen ihnen die allgemeinen christlichen Bedürfnisse der Gemeinden vor Augen gehalten werden, damit sie vorzüglich das I auf der Universität erlernen, was sie alle Tage in ihrem Amte brauchen, und um weiter mit FRANC K£'s ' Worten zu reden, ihre Gelehrsamkeit nur in so weit schätzen, als sie brauchbar ist, und wahrer Nutzen ,i damit geschafft wird» Hierher gehören also ausführliche ! Belehrungen über die tägliche Hausandacht, die \ Heiligung des Sonntags, die wichtigsten An- j dachtsbüchet, sowohl für ihre eigene Erbaniii^ ^ als auch um Andern darin rathen zu können, über die zweckmässigsten Lesebücher zu einer angenehmen und doch heilsamen Unterhaltung für das Volk, wie tiir die Gebildeten, übier den Gebrauch der Trac tä- te, über die herrlichen Erfolge der Bibel- naji Missionsgesellschaften, über die Sonntagtfif schulen, Kleinkinderschulen, Armenscba- J len, Gefängnissgcsellscha ften u. s. w.j knrx über alle die praktischen Punkte, welche eine fruchtbare Wirksamkeit des Geistlichen ' in seiner Gemeinde vor-

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lereiten können, so weit sie überhaupt in eine öffent- iche Lection gehören.*)

♦) In Tübingen werden in Folge einer Konigl. Ver- ordnung auch parä netische Keden, und zwar für alle evangelische Studirende^ Avochentlich Eine Stun- de von den Professoren der Theologie, welche jähr- lich damit abwechseln, gehalten. Dr. Steudels Keden über Religion und Christenthum, mit besonderer Hinsicht auf die Bedürfnisse der Zeit, Tübingen bei H. Laupp 1820, sind solche parä - netische Keden, können aber nach dem Zwecke, den solche Reden unserer obigen Ansicht nach er- reichen sollen, nicht als Muster aufgestellt werden. Denn sie sind, des Tielen Trefflichen ungeachtet, das sie enthalten, zu wenig populär, zu sehr in das gelehrte Gewand der gewöhnlichen Vorlesungen ge- kleidet, die Darstellung leidet an SchAverfälligkeit und Steifheit, und grade das Wichtigste bei solchen Reden, die Berücksichtigung der besonderen Ver- hältnisse und Bedürfnisse der Studirenden, fehlt ganz. Auch möchte' das abwechselnde Halten dieser Reden von allein theologischen Professoren nicht wohlthätig sein. Da für diese Art Reden ane be- ^ sondere Gabe der Popularität, der Herzlichkeit, vieler christlichen Erfahrung und Menschenkennt- niss, namentlich auch Kenntniss des akademischen Lebens, viele Weisheit verbunden mit einer ent- schiedenen Glaubensklarheit und Glaubensfreudig- keit gehört, welche Eigenschaften sich nicht bei je- dem Professor der Theologie zusammenfinden, so wäre es zweckdienlicher, dass der Staat das 'Halten dieser Reden dem hierzu am besten qualificirteu Professor ausschliesslich übertrüge, nach unserer Ansicht am passendsten dem Universitätsseelsorger. Auch zeigt die Erfahrung in Tübingen, dass sol- ches Abwechseln nachtheilig wirkt, indem mancher

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wöchentlich gehalten werden. Dass, um sie auf eine anziehende und fruchtbringende Weise za halten, viele Gaben, die wir eben in der Anmerkung genannt ha- ben, erfordert werden, versteht sich von selbst; aber diese Eigenschaften haben wir ja auch gleich anfangs von einem Universitätsseelsorger verlangt«

Dieser soll zwar nicht eigentlich dociren, und kein theologischer Professor sein, denen stets noch viele gelehrte Arbeiten obliegen, wozu er keine Zeit hat. Ja es ist zu wünschen, dass ihm auch nicht einmal der Titel eines Professors gegeben werde, damit er nicht über seinen durchaus, praktischen Geschäftskreis empor- strebe, und nicht in die Versuchung komme, gelehrte Vorlesungen halten zu wollen, und sich mit gelehrtem Flitter zu umhängen, was bei so manchen Geistlichen

^^eine öffentliche Stimme geben, die sie aufruft, ihr „Streben nach Wissenschaft zum höheren Streben ,^nach Weisheit zu erheben; es muss eine öffent- „liche Stimme geben, die sie zur Weisheit ruft im ,^Nanien der Religion, die selbst die höchste „Weisheit ist; die sie zur Weisheit ruft im Namen „der Kirche, die eigentlich dazu bestimmt ist, „ihre Glieder von aller Thorheit « frei und an aller „Weisheit reich zu machen ; die sie zur Weisheit „ruft, im Namen der Freundschaft, die mir das „höchste Gut der Studirenden zum höchsten Anlie- „gen meines Herzens macht; die sie zur Weisheit „ruft im Namen meines Amtes, denn das ist der höchste Beruf des christlichen Predigers, seine Zu- „hörer zur Quelle der Weisheit ^ führen, und sie „mit dem Geiste Christi zu taufen, der ein laute- „rer Geist des Lichtes, der ein Geist aller Weis- „heit ist/*

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in Universitätsstädten der Fall ist, worunter dann das praktische Amt und namentlich die Seelsorge leidet. Gleichwohl kann ihm ja immerhin erlaubt werden, sol- che paränetische Lectionen zuerst etwa in seiner Kate- chisirstube, und bei wachsender Zahl von Zuhörern in einem akademischen Hörsaale zu halten.

Fassen wir nun die verschiedenen Geschäfte zu- sammen, welche wir vom Universitätsseelsorger ifb^r- nommen zu sehen wünschen, so gehört dazu:

1) die specielle Seelsorge aller evangeli- schen Studirenden;

2) praktische Bibelerklärung, Ein Mal wö- chentlich rdr die, welche im letzten Jahre des Triennü studiren, also das homiletisch - katecheti- sche Seminar besuchen. Djese bedürfen schon für ihre Arbeiten im Seminar der praktischen Bibeler- klärung.

3) Die praktische Anleitung zum Katechi- siren. Die Katechetik und Homiletik werde nach wie vor von den Professoren gelesen, auch die schriftlichen katechetischen und die homiletischen Uebungen im Seminar ferner von denselben ge- leitet, so dass nur in Leitung der letzteren der Universitätsseelsorger etwa einigen Anthcil erhalte* Allein die praktische Anweisung, mit den Kindern zu katecfaisiren, die Leitung der öffentlichen Sonn* tagskatechisationen der jungen Theologen mit den . Kindern in der Kirche, und die Anleitung zurHäl-^ tung der Katechisationen mid Andachten in Ar-

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menhäusern , Gerängnissen u. s. bleibt am be- sten dem Universitatsseelsorger überlassen , der auch die meiste Gelegenheit hierzu hat.

4) Die praktische Anleitung zum Kranken- besuche uiid der Armenpflege.

5) Die praktische Anleitung zum Schul- unterrichte durch Leitung von Sonntags- schulen.

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6) Parän etisch e Lectionen, wenigstens wäh- rend Eines Semesters in jedem Jahre, Ein Mal wöchentlich.

Hieraus ergibt sich, dass die Geschäfte des Uni- yersitätsseelsorgers in Bezug auf die Sfudirenden kei- neswegs gering sind^ sondern er einen grossen Theil seiner Zeit und Kraft denselben widmen muss. Seine eigene Gemeinde muss daher entweder klein sein, oder es muss ihm ein Gehülfe gegeben werden, der jedoch bloss' einen Theil der pfarramtlichen Geschäfte zu über- , nehmen hat Denn einen Theil derselben und eine Gemeindeseelsorge ausser der Seelsorge für die Stu- direnden muss er stets selbst führen, was aus dem oben Gesagten zur Genüge erhellt , indem das prakti- sche Pfarramtsleben das Element sein muss, worin er sich bewegt, welches ihm immer neue Erfahrungen darreicht, und allein die fortwährende Gelegenheit gibt, die jungen Theologen praktisch anzuleiten.

Sobald der Staat die Wichtigkeit und Nothwen- digkeit einer solchen heilsamen Einwirkung eines Uni-

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Versitätsseelsorgers auf ^die Stodirenden , insbesondere auf die Theologen, klar erkennt, wird er gewiss kei- nen Anstand nehmen, die geringen Kosten, welche eine solche Einrichtung nöthig machen wird , zu be- willigen.

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No{hwendigkcit der Eftlchtung be* sonderer theologisch - praktischer Seminare, und Beschaffenheit der- selben.

JlLs entstefat hier nuH die withtigci Frage: Wenn gleich die Anstellung eines solchen Universitätsseelsorgers nothwendig ist, wenn gleich dadurch die.praktische An« leitung der Theologen auf der Universität' wöhlthätig erweitert, auch vermieden wird, dass ihr akademische Stadium eine bloss gelehrte Richtung ^ wie bisher neh-« me, wird dadurch aber schon diejenige vollständige YorbereituDg zum Pfarramte erreiitht^ welche zu einer* gesegneten Führung desselben nöthig Ist? Ist auf dec Universität eine solche praktische Einfiihrutig jedes ein-«

k seinen Theologen in alle Theile seines künftigen Pa- ^toraliebens möglich? Lässt nickt das gelehrte theolo-* giidie Stadiom, welches auf das akademische THennxia^ TOnagsweise Ansprach hat, das praktische Studium jmI^ IL It

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der Universität stets einen sehr untergeordneten Plalz einnehmen?- Ist es nicht überhaupt ein gefährlicher nnd nachtheiliger Sprutig, Wenn der Theologe von dem akademischen Leben auf einmal in "das Kandidaten- ujid Pfarrerleben übergeht, ohne dass dieser Uebergang in eine so ganz andere Sphäre durch eine Zwischen- stufe vermittelt, und durch eine rein praktisch - theplo^ gische BildütigsäUstalt eingeleitet wird? -^

Ich kaiin nicht umhin, das entscheidende Gewicht dieser Gründe anzuerkennen^ und die Ansicht derjeni* gen zu theilen^ welche ein praktisch * geistliches Seminar, gaiiz abgeschieden von der Universität und dem Universitätsötte ^ ähnlich dem Wittetibergi-^ seh eil Predigerseminare, als vermitielüde Zwischenan- stalt zwischen dem akademischen und dem geistlichen Amtslebeil zur Yolleudung der theologischen Bildung künftiger Pfarr^eistlicheU^fiir uöthig halten«

ble Nothwendigk^it einer gediegeUen tlheologiscb-' wissetlschaf^licheii Bildung ist unbestreitbar. Der ge« ^enwärtige Umfang der theölogisched Wissenschaf^eii ist zugleich sd gross, tind ihr Studium durch die e%e*^ getischeii, patrististhen^ kifchefihistori^chea und dgL Seminare^ deren Nützlichkeit ich nicht ver^ kenne, und durch die daikiit terbüüdetieii praktiiched Arbeiten so erweitert ^ dass Von dem letzten der dm tJBijrersitatsjahre nur ein Theil zunt praktisch «> dieolögi«* . '.> «eben Studiuiu verwendet werden kann ^ was öfP^bar :j 211 wenig ist« Ferner wird an einigen unserer tJa^y^^^, sitj^ten, s. B. zu Halle und Berlin die grosse Meü^^lj 06 def Th^ologeo^ nr B o n n d|^ Kleinheit iaf4$ßlgß(Kt

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IUI I l'l I

evangelischen Gemeinde und ihr Bestehen meistens aus Gliedern der höheren Stähle 'den Universitätsseelsor^ ger hindern , alle einzelne Theologen in die verschie- denen praktischen Zweige des Pfarramts, namentlich den katechetischen 9 den Krankenbesuch n. s. w. genü- gend einführen. '

Ueberdies kann das Einführen in die Kenntniss der eigenthümlichen V^fhaltnisse der Landgcfmeinden,- welche, da diese bei weitem di(^ grösste Zahl der Ge- meinden ausmachen, unerlasslich ist, auf keiner Uni- versität bewerkstelligt werden, da hierzu nöthig ist, ihnen möglichst nahe zu stehen, gewissermasseri iri ihrer Mitte zu lei)en, und sie durch eigne Aiischanühg ken- nen zu lernen, was die Universitätsstädte nicht ztila^sen. So gibt auch für eine vollständige Pastor allehre, für das Bekanntmachen mit der Kircheriverfas- sung und kirchlichen Gesetzgebung, mit der Liiturgik, mit dem Kirchengesang und mit dem Schulunterricht die Universität weder Zeit noch Gelegenheit geiing.

Das Gefühl dieses Bediiirfnisses gat> deii Predi- gerseminären in Wittenbergi und zu H^r- born im Nassauischen ihre Entstehung. Dies Gefühl liess im verfldssetfen Jahr^ die G e nii r ä 1 s y n ö d e der Grafschaft Mark auf den Antrag des ^hrwiirdigen Ministers von Stein, und in dieseni Jahre unsere Provinzialsynode zu Köln den dringenden Wunsch zur Errichtuhg solcher Seminare für die jun- gen evangelischen Theologen unserer Provinzen aus- if redieiii

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Da hiernach zu hoffen ist, daiis unsere preass I <- seihen höchsten Behörden, welche sich grade dadurch vor denen so mancher anderer Länder auszeidhneii^ dass sie die geistigen Bedürfnisse der Zelt, sobald sie sich einmal deutlich aussprechen, gerne anerkennen und zu befriedigen suchen, auch auf die Befriedigaag die«- ses wichtigen Bedürfnisses Rücksicht nehmen werden, so scheint es nicht ungeeignet, noch einiges Nähere über die etwanige Einrichtung eines solchen Seminats, insbesondere für unsere Bheinproviös, hl« zu be- merken«

Das Seminar zn Wittenberg kann dabei in yielen, jedoch nicht in allen Hinsichten mim Master genommen werden«

Zuerst nicht in der Datier des Seminarau* fenthaltes. Da es nur für ausgezeichnete Kandidat ten 'des ganzen Reiches zur weiteren pi^ctischen und gelehrten Ausbildung dienen soll, so kann es hier'« in kein Vorbild sein für ein Provinzia 1-Semi- n a r , das alU Kandidaten der Provinz ohne Ans- nahnfie umfassen soll* Für diese ist ein zweijähri- ger Cursus am Seminar nach den drei Univ^vitätis- Jahren, die doch in Wittenberg vorausgesetzt werden» zn lang^. Selbst eine bloss vierjährige ^Studienseity^*** 3 Jahre für die Universität und Eins fürs Seminar ge* rechnet, --- wird vielen zu lang dauern, sobald auf dedi Seminar bloss die bedürftigsten, und nicht alle Seminaristen Stipendien erhalten. In diesem Falle könnte zup Noth die Üniversilätszeit auf 2*^2 Jahre be- schränkt werden. Ein Jahr fürs Seminar ist jedenfalls

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binreichend. Daim würde das Jahr auf dem Seminar den keine Unterstiitzuog erhaltenden Theologen wenig mehr kosten, als das ihnen vom akademischen TV*/«»- nium nachgelassene Semester, weil es auf ersterem wohlfeiler ist, auch Manches, jedenfalls der Unterricht frei sein wird. Nur zwei Jahre für die üniversitäts- zeit als Minimum festzusetzen, wie dies im Nassaui- sch e n der Fall ist , wo die Theologen darauf noch Ein Jahr lang das Seminar zu Herborn besuchen, ist offenbar zu wenig. Kann das akademische TVien- nitim unverkürzt festgehalten werden, dann desto besser.

Wann soll der Eintritt ins Seminar statt fin« den ? «- Am besten , in der Regel erst nach bestan- dener Prüfung pro Ucentia concionandi, wie dies Siuch in Wittenberg statt findet. Fände der £in<- tritt vor derselben statt, so würde die Vorbereitung auf diese einen grossen Theil der Zeit des Seminaristen ^egnehmen; sein Kopf und Herz wären getheilt zwi«- schen der Sorge und Arbeit fürs Examen, und zwischen den Seminarairbeiten* Er würde sich diesen demnach nicht mit ganzer Seele hingeben, was doch so sehr nö- ikig ist. Dass nach der Seminai'zeit noch das zwei- te Examen bevorsteht, wird weit weniger stören. Denn einestheils ist die Aengstlichkeit immer beim ersten Examen am lebhaftesten, anderntheils beziehen sich die Aufgaben, bei dem zweiten grossentbeils auf das Praktische.

Das Jahr, welches zwischen der ersten und zwei- ten Pirüfung verfliesst, ist also im Seminar zuzubringen.

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und gewiss nirgends zweckmässiger. Da aber viele Kandidaten dieses Jahr kostenlos für die Ihrigen als Hauslehrer oder dgl. anbringen,. so ist es um so mehr Pflicht der Billigkeit, dass wenigstens alle Nicht-Bemit- telten freie Station im Seminar haben.

Wie soll das Seminarleben beschaffen sein f. £s soll den Uebergang bilden von dem isolirien Studentenleben zu dem bürgerlichen Familienleben. Es mnss daher auch ein hä-nsliches Züsammenlebeq •ein, das sich möglichst einem ächtchristlidien Fami- lienleben nähert Wie sehr dieses bildend nnd stär» kend auf Geist -und - Gemiith ^irir^, bedarf hier nicht ercfr^^ zu werden. Schmerzlich entbehrt es der bes- ,sere Student auf der Universität, und selbst der Kan- didat lebt oft so isolirt , oder in so niederdrilckendeii Umgebungen und Verhälti|isseQ, dass d^s häusliche Se- ininarleben ibni. ^ineA grpsseii. Vorzug bietet Es ist demnach wünschenswerth , dass alle Seminaristen ge- j ilieinscb^ftlich mit dem. Direkt,or in' Einem Gebäude wohnen, wo jeder ein besonderes Zimmer ha^ und sie •^es Mittags ^meinsehafilich mit ihni essen. TSglidi findet des Morgens eine gemeinschaftliche * dAfiidie HXnsandacht, mit Vorlesung eines Abschnittes der h. Scfa^'ift und einem Gebet, statt, wie sie in jeder \ christlichen Familie seiq sollte, und wie die Seminarii* \ iten künftig sie ihren Gemeinden zu empfehlen haben. \ Ein^ oAe^ zweimal wöchentlich wird eine Abendait* dacht fgehalten, worin der Direktor eine kune auf fum Sckriftstelle gegdindett eriianliche Beirachtaii|

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hält, mit besonderer Beziehung auf die Seminaristen, vorauf mit Gebet und Gesang geschlossen wir4*

Die Zahl der für upsere Rheinprovin-z jähr- lich nölbigen Kandidaten isC ungefähr 16 -— 18. Die Zahl der Semiiiaristeii wird I^Uq böchsteiis ^ige m^br betragen.

Wie soll null die Direktion und der Unter* rieht beschaffen ^ein? > Möglichst einfach« Die Di- rektion niuss <^ine väterliche sein. £iii Direktor, zugleich der einzige ordentliche "Seminarlehrer, ist hin«^ reichend, sobald der Zweck des Seminars festgehalten wird, daßSi hier picbtPociren, picht gelehrte Fortbildung die Haupt^ach^ ist, sondern praktische Anleitung und üebung. Mag sieh hei deni Witteoberger Semi^ nar das Festhalteq der gelehrten Fortbildung als eines Hauptzweckes der Anstalt, dadurch yertheidigeii lassen, dass es kein Proviiizial.- sondern ein liandesv Seminar kt, immer leidet das Praktische darunter» wie dena dort weder praktische Anleitung ^Eum Krankenbesuchen, noch zum Schulunterrichte statt findet. Beides findet auch in Herborn nicht statt, wo da^ Praktische unter dem vielen Dociren gleichfalls leidet, welches letztere freilich die Kürze deif akademischeoi Studiums ersetzen soll *);

*) An gleichem Mangel leidet das in dem hanndvern sehen Kloster Loccum bestehende eTangelische Predigerseminar, Hospitium genannt. Unter- richt aber Kirchenverff^asujig und kirchliche Gesetzkunde wird hier nicht ertheilt, auch keine praktische Anleitung ^um Kr ankenbe Sachen«

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Sind niebrere' Haupdebrer and' Seminar, und es herrscht unter ihnen Meinnngsverschiedenheit, wohl gar Glaubensyerschicdenheit, was schwer verhätet werden kann, so wird das väterliche Verhältniss zu den Zög- lingen Temi(^tet, die Lehret werden Partheiführer, die so hdlsam wirkende Einheit des Geistes hat ein Ende, und das ganze Semlnarleben hört auf, ein- brüderliches Familienleben unter Einem Haupte und Vater zu sein. Exempla 9uni odiosa. Sonst wären deren wohl anzu- führen.

Es ist genug, dass der junge Theologe wf iet Universität oft von den entgegengesetiten Sjstemen sei- ner Professoren, wie von Winden aus den 4 verschie- denen Himmelsgegenden hin- und bei^ierissen worden. Auf dem Seminar darf kein Umtreiben toa allarlet 'Wind der Lehre mehr statt finden. Entronnen jenem Von den Stütinen der entgegenstrebe^den Meinungen

Das gelehrte Studium henrscht vor, uie denn Über- haupt der Zweck der Anstalt ist : ausgezeiphneton jungen Theologen, nachdem sie das zweite Sa^- didateqexameQ yor dem Konsistorium wohl bestan- den haben, Gelegenheit und Anleitung zu einer h6- heren -wissenschaftlichen Ausbildung, so wie prakti- 8cbe Anleitung zum Pfarramt in einem sorgenfreien lieben, gewöhnlich 2 3 Jahr^ lang zu geben. Die Seminaristen (Hospites), deren Zahl stet» nur acht ist, sind nicht gebunden in Absicht der Zeit ihres Aufenthaltes darin. Die geringe Zahl der Zöglinge verhindert einen ausgedehnteren Nutzen dieses Seminars für das Königreich Hannover* S. Allgemeine Kirchenzeitany Jahrg. 1820, Wo. 73,;

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der Hörsäle bewegten Meere findet er in diesem Frie- densoirte einen Hafen, wo er den Fnss auf den festen Boden des praktischen Lebens setet, tind wo die Nebel rationalistiscben Unglaubens oder theosophisdier Schwär- merei, welche seine Seele nmnacfateten, vor der Sonne des in Liebe thätigen Glaubens niedersinken, die ihm in dem Seminar direktor entgegenglänzt. Indem er die« sen in Francke's Sinn und Weise seine Gemeinde mit unermiidlicher Thätigkeit allenthalben erleuchten und erwärmen, die Armen, Wittwen und Waisen yct* sorgen, die Kranken und Sterbenden trösten, die Ja<i' gend unterrichten, die Schulen besuchen, die Erwach- senen auf und unter der Kanzel belehren sieht, und in Paulus Geist und Kraft, in nichts schwärmend, nir- gends stürmend, mit allem seinem Wirken nichts an* Jers erstreben, als die Sünder zu Christo dem Gekreu* zlgten hinzuführen, dass sie selig werden, indem er ihn dabei aus dem häuslichen Umgange wie aus den Se« minarvorträgen als einen griiadlich theologisch - wissen^ schaftlich gebildeten Mann erkennt, fühlt sich sein Herz voll Liebe zu einem solchen Vater in Christo hinge* zogen, und er ergreift freudig die ihm dargereichte Hand , um an seiner Seite sich zu einem glücklichen Hausvater der Gemeinde Gottes heranzubilden.

Mögen auch manche dieser eben erst von den Märkten der Gelehrsamkeit Kommenden im Anfange auf ihr vieles erworbenes Wissen stolziren, sobald der Direktor sie in den Weinberg fuhrt, den sie künftig bearbeiten sollen, und ihnen die verschiedenen Arbei- ten darin und die verschiedenen Seelenanstände der

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«*■

küafUgea Gemeindsglieder vorlegt 9' und fragt, wie der in meiner bürgerlichen Ehrbarkeit und GemeianiitiUch- keit Selbstgerechte lur Erkenntniss seiner . Sündhaftig- keit za bringen, wie der verhärtete' Gottlose zn erschüt- tern, wie der an der Gnade Gottes Verzweifelnde zooi Glauben zu führen, wie der durch schwere Yersuchun*. gen in der Heiligung Ermattende Z9 stärken, wie der Gläubige in seinen Anfechtangen zu triMea sei, s. w«, und er nun die sich reich und zosi Bimmelreich gelehrt Dünkenden heisst, aus ihrem auf der Universität gesammelten Schatze das Nötbige hevroitbon^' ach! dann werden selbst die in den akademischen Disputa- tionen rüstigen Klopffechter stocken , denn sie ziehen die Hand leer aus ihrer Scbatykammer,* nsd werden mit Scham das Bedürfnis« fühlen, äen Reichtkam Christi für sich und Andere noch in Demuth zu suchen* ^ , Ein Mann voll Glaubens, Kraft und Weisheit mnss

der Direktor sonach freilich sein, soll er den Semina-

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Visten^ Liebe und Ehrfurdit einflössen, ihnen. Vater, Lehrer und Freund im vollen Sinne sein, und fonii^ •etne Stellung zu ihrem Segen ausfüllen.

Da Dociren, wie gesagt, nicht sein Havptge« schäft sein soll, so darf er wöchentlich nidit-nebr, ak etwa folgende regelmässige Unterricbtsfitimden haboas >^ ' 1} Eine Stunde praktische BibelerklMrnng,

nndUebung der Seminaristen darin;

2) Eine Stunde Pastorallehre und Li^urgik;

3) Ein6 Stunde Unterricht über {[irchfT^nverfai- 5Ting. ■•d kirchliche Ges^Ukande, über du ^ Vedtättitw der Scbnle «ar Kireh«, nod die

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w*'mi"^»«wwn«i

Einwirkung auf Sieselbe Yon Seiten des Pfarrers, über das Abfassen von Berichten an kirdr- liehe und weltliche Behörden, über das Armen-' wesen u. $• Wt ^

4) Zwei Stunden homiletische Uebnngen, wo» yon eine für Reeension der verfassten Predigten und Amtsreden, die andere' für Uebnng im mSnd- lichen Vortrage. Homiletik so wenig, wie Ka- techetik werden hier mehr gelehrte .

5) Zwei Stunden katechetische Uebvngen, wo der Direktor theik selbst katechisirt, theils ka«^ techisiren lässt; Eine Stunde w^entlich Unter* rieht im l^lirchengesange wird durch einen Mttsiklehrer ertbeilt.

Die übrige ?eit yerwenden die Seminaristen tfaeib zur Vorbereitung auf die abwechselnd zu haltenden Predigten am Sqnntage und in der Woche, und auf ^ die abwechselnd des Sonntags Abends zu haltenden öffentlichen KatecI|isationei| mit den erwachsenen Sofanl- kindern, theils auf Privatkatechisiren mit einzelnen ih- nen überwiesenen Schülern, theils auf Besnchen dtf Elementarschulen und Unterrichten in der Sonntags- schule und iii derKIeinkinderscbule, welche letztere als eine herrliche (^flanzschule eines gottpeligen Sinnes nnd niitzlicher Kenntnisse, als ein Mchst segensreiches Erziehungs- und Vorbereit|ingsi||ittel zur Schule und Kirche an einem Seminarorte nicht fehlen darf ^ theils mit Krankenbesuchen meist in Begleitung des Direetors oder eines der andern mitwirkenden Pfarrer, theils mit ^chrifUichen Beortheihugen «widitiger theologisdher

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Schriften, mit Verfertigen von Anszfigen daraus unter Leitang da Direktors n. s. w«, theils mit freiem wis« stnsdiaftliclien Stadinm.

Wie kann aber der Direktor den Seminaristen Gelegenheit genug au predigen, zu katechisiren, und praktisdie Anleitung aur Kranken- und Armenpflege ^ebra, Irenn er nicht selbst P&rrer ist?

Allerdings muss der Direktor durchaus einen ge^ wissen Antheil am Pfarramte und der Seeisorge einer der Gemeinden des Seminarortes haben, um sowohl sribst stets im Seelsoi^rleben begriffen zu sein, als alu^h selbstständig über Predigen, Katechisiren, läran- kenbesuch etc« verfugen zu können, ohnie von der Laune der Pfarrer des Seminarortes abzuhaiigen. Allein er kann nicht alleiniger Pfarrer an einer Gemeinde sein, muss /keine Arbeit in Absicht ihres Kirchenrechnungs- wesens zu übernehmen haben, ist aiich am besten von diem Präsidium des Presbjteriums entbunden, weil das alles ihm für das Seminar zu wenig Zeit übrig liesse*

Denken wir uns einen bestimmten Ort als Semi- "narort^ so wird sich des Direktors Stellung in dieser Beziehung deutlicher entwickeln lassen.

Für unsere Rheinprovinzen möchte zum Seminar- ' orte, wohl Duisburg sich am besten eignen, wie auch unsere diesjährige Provinzialsjnode es dazu vorgeschla- gen hat Hier sind zwei evangelische Gemeinden^ wo- von die grössere zwei Kirchen und zwei Pfarrer, die kleinere eine Kirche und einen Pfarrer hat. Zugleich hat die grössere Gemeinde mehrere unweit der Stadt gelegene Fiial6^ wdd)ie den Gottesdienst und die Kin«

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derlehre in der Stadt besuchen müssen« Am elnfacb^ sten und leichtesten würde nun dem Seminardirector hier ein. Antbeil an dem Predigtamt und der Seelsor^e der grösseren Gemeinde eingeräumt werden können^ wenn ihm etwa zwei Filiale als sein geistlicher Spren-* gel überwiesen würden^ wo er als perpetuell delegirter Yicarius der Gemeinde sonntäglich an den Filialorten selbst za predigen hätte, bisweilen auch sich durch Se- minaristen vertreten lassen könnte, wo er der regel- mässige Seelsorger, Kralikenbesucher und Katechet wäre, indem die Schulkinder zur Katechisation zu ihm in dk Stadt kämen, auch hernach von ihm confirmirt wür4en« Zugleich wäre er beständiges Mitglied des Presrbyte- riums, ohne jedoch Präses desselben, wie die andern Pfarrer der Gemeinde, zu werden. Eine von den Se- minaristen zu haltende Wochenpredigt Hesse sich ferner hier leicht einrichten, Yollständig hinreichend^ Uebung im Predigen und Krankenbesuchen werden die- selben endlich dadurch erhalten, dass zwei oder drei der in der Seelsorge eifrigsten und erfahrensten Pfar- rer der Stadt und der Umgegend nach dem Vorschlag des Direktors ausgewählt und willig gemacht würden, einzelne Kandidaten zu Krankenbesuchen mitzunehmen, und ihnen Amtsreden und Predigten von Zeit zu Zeit XU überweisen, Diese Verbindung solcher würdigen Pfarrer mit dem Seminar, deren Wahl bei der gros- sen Zahl der in der nächsten Umgegend befindlichen Landgemeinden, Einer derselben wenigstens müsste Landpfarrer sein, nicht schwer wäre, würde zugleich in mancher andern Beziehung sehr wohlthätig auf die

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t>raktiscbe Ausbildang der Semioaristea wirken, wurde sie mitten in das Gemeindeleben hineinfuhren, ihneti die yieljährigen Erfahrnngen älterer Arbeiter im Wein- berg des Herrn anfsch Hessen, und ein^ von Zeit zu Zeit mit diesen Pfarrern nnd den Seminaristen vom Direk- tor zu haltehde Conferenz würde sehr anregend nnd belehrend for die letzteren wirken. Eine Gratifikation würde der Staat diesen praktischen Gehülfen mit Aecht znerkenneil*

Der Seminardirektor mnss femer bestandiges Mit- .glied der städtischen Schulcommission sein, «m hierdurch eine Mit -Aufsicht über die Schulen aus- zuüben, und den Seminäristeii zur Schnlbeaofsichtignng bessere Anleitung geben zu können.

Noch manche andere Eigeaschaften besitzt Duis- bnrg, welche es die Erreichung der Seminarswecke befördern lasseil. Dahin gehörig dass es ein Wai- senhaus hat, dessen junge Bewohner dem Seminar zum Religionsunterrichte ganz überwiesen weMeii könn- ten; dass es ein Alte Frauen- Haus besitzt, und ein Krankenhaus einzurichten im Begriff ist^ wo- durch das Feld für Krankenbesuche hinreichend erwei- tert wird; dass es innerhalb seiner Mauern noch ein dem Staate anheimgefallenes , geräumiges j mit vielen kleinen Zimmern' und einem grossen Garteii versehe- nes Kloster besitzt, welches vom Staate zum Semi- nargebäude angewiesen und eingerichtet werden könn« te; dass endlich die grössere Zahl der Einwohner «vangelisch, aber zugleich eine katholische Ge- meinde daselbst ist, eben so in seiner nächsten Umge-

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iiQDg Sich viele kathoIiscKe wie erangelische Gemein den befinden, was in der Hinsicht wichtig^ ist, dass die Se« mlnaristen für ihr künftiges Amtsleben in der Rhein- proviirz mit den Verhältnissen, Ansichten^ Yerfah« rangsweisen ete« der katholiseheil Geistlichen und Ge- meinden nicht unbekannt sein därfed« -^ Aneh ist noch zu bemeHcen, dass das evangeUsche Schvllehret- scminar zn Mdrs nur ein Paar Staiideii von Duis»

bürg entfernt, eine nähere Bel^aiintschafl mit demselben demnach für die Seminaristen leicht einzuleiteil ist.

Duisburgs überdies der vormalige Sita einer wenn auch kleinen^ doch blühenden Universität würde dadurch zugleich einci gewisse £ntschjSdigniig fnr sei« nen Vertdst erhalten ^ tini gewiss wiirdd der fiesits ei-* nes solchen Seminars in seiner Mitte di(i Evangelischen Stadtgemeinden gernE bewegen^ für den Seminardirek« tor eine praktisch -^ geistliche Wirksamkeit in der Art^ wie ob^n erwähnt ist, eininräumeit^ ohne dass sie des^ halb auf Aechte za verzichtet! brauchten, und ohne dass die Stadtpfarrei* an ihrem Crehalt^ etwas verlih>en dürf* ' ten, oder das allgemeine Aufsichtsrecht anch über die Filiale aufzugeben hätten.— Auf jeden Fall aber müss-^ te vor Errichtung des Seminars an diesem oder einem andern Orte solches geistliche Yerhältniss des Seminar-^ direktors zur Gemeinde erst von der Behörde leftge« stellt sein«

Die Kosten eines solchen Seminars, an welchem freilich wenigstens eine gewisse Zahl Freistellen creirt werden müssen ^ werden^ da nur Ein Hauptlehrer, der Direktor^ ananstellen ist| nicht sehf bedeutend sein«

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•mim

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FSr cuMtt Statt, der das geistSdie Wohl seiner Catcr- thaueo $o ernstlidi wül, danm asch (Er die gottes« dielistlicbeii und kierikaiisdieii Einriditiiiigeii des ka- tholiscben TbeOs derselben so freigebig gesorgt bat, wird der bobe Zweck, der dordi Enichtmig eines sol- dien Scainars>^(iir den CTangeliscben Tbeü seiner Uotertbanen xa ecreidien stebt, die Forcht: vor den da« mk reriiondenen Kosten gewiss weit nberwiegen. Andi werden die evangeüscben Gemeinden derProWns ans dieser Racbsicbt gerne durch eine jSbilidie KoUdi-» te dazn beisteaem.

In der Proyins WesiphaUn ist der Ort (Sr das daselbst zn erriditende tbeologbch - praktisdie Seminar gleichfalb noch nicht bestimmt Man schwankt zwi-» sehen Dortmund .nnd Soest. Für letzteren Ort mischte nicht bloss das sprechen, dass es mehr im Mit'- telponkt der Provinz liegt, was freilich nidit der Haupt - entscheidangsgmnd sein kann, sondern mehr noch der Umstand, dass hier auch das evangelische Schulleh-« rerseminar ist* Zwischen beiden Seminaren könnte dann in mehr als einer Hinsicht eine niitaliche Wech-« Seiverbindung statt finden, die Beförderung des Kir<» chengesan gs und die Ausbildung der Kandidaten darin sehr erleichtert werden, auch eine gewisse Be- kapijjHfl*^^ und Befreundung zwischeq den Zöglingen beider Seminare für die Zukunfl, wo s^ie in ihren Aem« tern sich so nahe stehen, nur sehr erspriesslich wirken : k($nnen*

Noch tiat andere Fr^ge ist endCcb in beant* Worten ( Lüsst sich die praktjsdie BHdnng der jungen ^

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Theologen nicht noch zweckmässiger und einfacher er- reichen durch Ueherweisnng der einzelnen an erfahre- ne Pfarrer, besonders auf dem Laifde, auf Ein oder einige Jahre, wo sie durch eigene Anschauung und. Uebung in den Amtsgeschäften unter Leitung der letz- teren sich praktisch ausbilden können?

Mit Lfetzterem ist seit vorigem Jahre in W ii r - t e m b e r g ein Versuch gemacht worden, wo durch eine König!. Verordnung*) verfügt worden ist, dass die Theologen statt der' früheren 5 Jahre nur 4 auf der Universität zu studiren brauchen, aber, dafür Ein Jahr zur Einübung in die kirchlichen Geschäfte und in die ganze geistliche Amtispraxis be^pnders dazu befähigten

*) Die Verordnung ist vom 13. Nov. 1829 und lautet ■wörtlich in §. 6. al^o: „Zur praktischen Vorberei- ,^tung der Kirchenamtskandidaten ivird jene der ^,Stärkc Eines Jahrescursus mit Einschluss der aus- ^,serhalb des Seminars studirenden Theologen ent- „sprechende Zahl besonders würdiger Pfarrgeistli- j^chen ausgezeichnet, welche zur Aufnahme, Beleh* „rung und Zubildung der neu angehenden Pfarrge- „hülfen ausschliesslich ermächtigt, und für ihre „diessfallsige Bemühung durch einen Kostenbeitrag „von je 100 fl. aus der Staatskasse belohnt werden. „Auch versteht es sich von selbst, da«8 diese im „Vorbereitungsjahre stehenden Pfarrgehülfen ausser „der freien Wohnung und Verkös^igung im Pfarr- „hause keine weitere Belohnung fär ihre Dienste „anzusprechen haben»''

S. Dr« Paulus Sophronizon XII. Jahrgang III. Heft S. 44*

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Pfarrern .beigegeben werden sollen, wofür diesen eine' Vergütung' von 100 £1. zu Theil wird.*)

Das Einschlagen dieses letzteren Weges fuhrt aber meiner Ceberzeugang nach nicht zu der vielseitigen Ausbildung der Theologen, welche auf einem besonde- ren Seminare erreichbar , nnd zu einer möglichst se- gepsreichen Amtswirksamkeit zu wünschen ist Fars erste findmi sich nur wenige Pfarrer, bei welchen so- wohl alle die inneren Eigenschaften, als aach die äus- seren häuslichen und Gemeindeverhältnisse sich verei- nigen, welche eine gediegene und vielseitige praktische Ausbildung junger Theologen bedingen« Zweitens werden aber selbst solche Pfarrer, wenn sie eine grös- stte Gemeinde haben, -— und grade solche Gemeinden sind doch für Kandidaten in diesem Yerhältniss vor-

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ftuziehen, in unserer Provinz durch sO' viele Amts- geschäfte in Anspruch genommen, dass sich der Kan- didat bei ihnen nur äusserlich in die kirchlichen Ger Schäfte einüben kann« Alle wissenschaftliche Weiter- bildung, welche, wenn sie auch hier mehr in den Hin- tergrund treten muss, doch nicht ganz fehlen darf, würde alsdann meist nicht mehr berücksichtigt , alle ;

*) Auch Dr. J. F* M. Schwabü empfiehlt in seiner Abhandlung: „Die wohlfeilsten und besten Predi- gerseminarien'« in ScitüDfiROFFd Jahrbüchern für Religions-^; Kirchen- und Schulwesen 42. Band 1822 S. 7 ff. eine ähnliche Anstellung der Kandidaten als Hülfsprediger. Seine Hauptgründe aber gi^en die besonderen Predigerseminare sind nur die Konten ditiser Bindchtattg, und dam die Kandidaten auf denselben keine LandwirthschafI lernen könnten.

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Anleitung zur praktischen Bibelerklärnng, Pastorallehre^ Liturgik^ kirchlichen Gesetzkunde, Berichtmai^ien 9 znr vollkommneren Ausäf beitang von Predigten tind klei- neren Amtsreden, zum Kirchengesang a* ä* fiele alsdann grösstentheils weg, theils aus Mangel an Zeit oder literarischen tifilfsmitteln öder auch Ketültnissen, oder aus Mangel an Neigung zu untetrichten.' 2uf praktischen Anleitung im Schulunterrichte fa'nde sich ebenfalls in solchen Landgemeindeii selten passende Gelegenheit.

Das bloss äusserliche Einiiben in die Amtsgeschäf- te kann aber doch nicht das Höchste der theologisch* praktischen Ausbildung für evangelische Geistliche sein. Wie viel mehr ist demnach dei^ Bildnngsgsiug auf einem besonderen Seminare vorzuziehen^ wo neben dem Einiiben in die Amtsgeschäfle auch auf die höhe- re Ausbildung des Geistes un<l Gemüths hoch stets hin- gewirkt, wo der Uebergang vom akademischen tnm ' praktisch - geistlichen Leben so leise tind leicht vermit- telt wird , in welcher Uebetgangsperiodd . d^r jüiige Theologe zugleich einen gSnstigen Ruhepunkt * findet, um eine Sichtung der gehörten verschiedenen Glau^ benssysteme vorzunehmen, und zu einer festeti Üebei*-» zeugung rdr sich zu gelangen, und wo er an dem Se-» minardirektor sowohl hierfür einen täterlichei^ Rathge^ her, als auch für alle andern oder doch die meisten pfarramtlichen Gesehäfte ein Muster findet^ nach wel< ehern er sich bilden kann!

Ehe ich diesen Abschnitt schliesse^ muss.ich aber Äoch einem Vorwurfe heg^nen , der mir etwar in Be«

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Ireff des dein Universißtsseelsorger zugewiesenen Ge- schäfiskrefies gemacht werden könnte.

Wenn nämlich ein besonderes Seminar (ur , die praktische Bildung der angehenden Geistlichen errich- tet wird , so ist es , möchte man vielleicht 'einwenden, ganz SbeMiissig, dass anch der Universitätssefelsorger jnch mit ^praktischer Anleitong derselben befasse. Als- dann wälzen bloss die specieile Seel sorge der levangelischen Stndirenden vnd die paränetischen Lectionen seine Sache; dagegen sei die prakti-^ sehe Bibelerklärnng, die praktische Anlei- tung znm Katechisiren, xnmKrankenbesnch und Schulnnterrichte ganz auf das Seminar zu versparen«

Ich kann dieser Ansicht nicht beistimmen. Die vier zuletzt genannten Zweige des Pfarramtes sind so . wichtig und schwierig, d^ss es sehr heilsam ist, wenn äie Theologen schon im letzten Jahre ihres IHsnnU auf der Universität die Uebungen darin beginnen , und dadurch kugleich abgehalten werden, den Endzweck ih- res Universitätsstudiums aus dem A^ge zu lassen, und sich dem gelehrten Studium ganz ohne !kiicksicht auf ihr künllSges Amt hinzugeben. Das Seminarleben er* illlt dadurch einen schönen Anknüpfungspunkt an das akidemisdie, und wird für sie um so wohlthätiger , da ne nicht' mehr als völlige Neulinge im Praktischen in dasselbe eintreten. Sobald die Theologen das Glück haben werden, auf besonderen Seminaren praktisch gebildet zu werden, werden sie natürlich nicht so viele Zeit auf ätf ünitcrsitäl^ unter AuldtMg der üniTcrsitätsseelsor.

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gers aafs Praktische zu rerwenclen braucben» als so lange die akademischen Jahre die alleinige Zeil sind, wo rdr die praktische Bildung etwas geschieht Da in- dess die Errichtung solcher Seminare fiir die verschie- denen Provinzen unsers Prenssens jedenfalls nur all- mählich geschehen kann, so ist es doppelt wUnschens- werth, dass die praktische Anleitung durch einen -Uni- versitätsseelsorger, der iiberdies für die Seelsor^e so noth wendig ist, recht bald eingeleitet werden möge.

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Merkwürdigkeiten Leiden's, Militär'^ gefängnisse. Privat- Erziehungsan- stalt Mündung dßs Rheins in 4asi Meer.

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Jiihe ich Luiden verliess, besah ich noch die reichen KuP^tschätze dieses berühmteij Masensitzes«

Das MuseuiQ für Naturgeschichte enthält ausser einer grossen San^n^lang ausgestopfter Thiere, wovon der Qrnithologische Theil durch den An- kauf des TEMMiNKscheci Kabinets wohl der reichste }st, eine sehr iiiteressante Sammlung von Thiersce- letteUy worunter Scetette selbst der grossesten Thie- XCf einer Riesenschlange, eines WaUQsches, eines Straus- $ißs, eines flephai^ten, eines iNashornes u. s. w*

Nicht minder sebenswerth ist das grosse anato- mische Kabine t, welches sowohl viele Scelette von ganzen Menschen aller Farben und Zonen enthält ^ aU iuch alle einseineq äussereq an<) inneren Theile des

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menschlichen Körpers» theils in Natur, in Spiritus auf- bewahrt,' theils in Wachs, sowohl in gesundem als in den verschiedensten Krankheitszuständen, alle mögliche Fötus, sehr viele Missgehurten, Mumien etc. Ein »ehr schön und zweckmässig eingerichteter anatomischer Hörsaal stösst an das Kabinet

Die Universitätsbibliothek ist bekanntlich sehr reich an gelehrten Schätzen, besonders an Hand- schriften, worunter viele seltene morgenländische. Mit besonderem Nationafatolze wurden mir die Handschrif- ten der alten holländischen Gelehrten, besonders der grossen Exegesen, Hugo Grotius, SalmA- sius, RuHNKEifiys, Scaliger, Gronoyius, Valkemaer u, s. w«, auch des ERA$MUS*gezeigt, von welchen allen die Bildnisse an der Wand hangen, so wie das des Stifters der Universität^ des Statthalters Wilhelms I, von Oramien.

Gerne hätte ich auch, wenn die Zeit es mir er- laubt hätte, das Innere des Rathhauses gesehen, be- son<Jers den berühmten Saal , wo der heldenmiithige liürgermeister der Stadt, VAN der Werff, als er im Freiheitskriege gegen die Spanier im J. 1775 die von diesen belagerte Stadt vertheidigte, die aufrühreri- schen Bürger empfing, welche ihn zwingen wollten, we- gen der bereits eingerissenen grossen Hungersnoth die Stadt zu Übergeben. Er warf seinen Degen vor sie hin, und sagte: sie möchten ihn erst verzehren; sein Leib und Leben stände ihnen zu Diensten, aber nicht seine Ehre und des Landes Wohl. Durch diese Ent- schlossenheit erschüttert zogen sie sich zurück, and bald

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darauf wurde die Stadt entsetzt. Um sie f Sr ihre Treue SU belohnen, \\t^^ Prinz Wilhelm ihnen zwischen zwei Gnadenerweisungen die Wahl, 'zwischen Zollfrei- heit auf einige Jahre und dem ßcsitz einer Universität* Sie wählten die letztere, welche auch noch in demselben Jahre 1'775 daselbst errichtet wurde.

Im J. 1827 sah ich auch den botanischen Garten, der zur Universität gehört Nach dem Rufe, welchen er hat, hatte ich mehr erwartet, als ich fand. . Er ist weder sehr gross, noch auch besonders , reich. Manche Seltenheiten und Merkwürdigkeiten von^ Pflan- zen hat er allerdings, z. B. omus eüropcieum, von J^OERHAVB gepflanzt, einen andern Baum, von LiHNE' gepflanzt, eine Büste des Professors Bb ug- MAMS, der neuerlich einen Thell des Gartens ange* legt hat etc.

Zu derselben Zeit sah ich *das grosse

Militärgefängpiss,

welches für die nördlichen Provinzen ^hier' ist, wie das für die südlichen zu Aalst in Flandern.

Es enthielt damals 575 korrektionelie Militär- «triiflUige. Die sich criminell vergangen haben, wtrden aus dem Militärdienst ausgestpssen , und den bürgerlichen Gerichten übergeben. Das Gebäude Jst * aen, geräumig, und enthält sehr grosse Säle, worunter ^ Schlafsaal für 148 Mann. Schneiderei und Schusterei fürs Militär sind die Hauptbeschäf- tigungen. In den ersten arbeiten 274, in der lelz- t«m 270 Manu. % des Arbeitsverdienstes er-

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hält der Staat; y^ bekommt der Gefangene wahrend der Haflt, und % kommt in die Ausgang skasse (/digangscas)y was ihm bei der Entlassung gegeben wird. Der Kranken waren 38. Die Kränkheitszeit wird ihnen von ihrem .Sparg^Id abgezogen , weil sie ihre Kleider in dieser Zeit nicht brauchen, indem sie Kran- kcKikleider erhalten* Das Essen der Gefangenen be- steht aus 1 Pfund Brod, um 10 Uhr Suppe, worun- ter wöchentlich 2mal. Knochensuppe, um 4 Uhr Kartof- feln. In den 4 Wintermonaten erhalten sie des Mor- gens warmes Wasser und Milch.

Den Gottesdienst für die Protestant eiii besorgt ein Prediger aus der Stadt, £ geling, wel- cher \\cichentlich Einmal Gottesdienst mit Predigt hält, -und Einmal katechisirt Den Gottesdienst für die Ka-« tholiken besorgt ein Priester, der in der Anstalt selbst wohnt. Schulr^nterricht wird gegeben, aber nur von 20 25 Mann genossen, weil die Theilnahme daran ganz in den freien Willen gestellt ist. Von Klassifikation ist keine Spur, selbst nicht einmal zwischen den Sträflingen wegen Insubordination und denen wegen piebstahls. Der Ccuihots sind bloss Oy daher in einen oft 8 zusammengesetzt werden müssen, wodurch die Strafe freilich fast ganz wegfällt. Dabei »ind sie feucht und ungesund« Conduitenlisten werden jährlich einmal eingesandt, sind aber bloss Re- gister der Disciplinarstrafen» '

Dass unter diesen Umständen der Besserungs- zweck auch hier zu den untergeordneten gehört, und

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. nur höchst unvollkommen erreicht werden kann, ergibt lieh von selbst^

Der Commandant ist ein pensionirter Oberof* fizler, wie überhaupt die Commandanten^ aller, auch der Civll-Gerängnisse solche sind.' Der Staat erspart dadurch einen Theil des Gehalts, indem er ihnen nur noch einige 100 fl, Zulage gibt« Ob solche Männer aber diesen wichtigen Posten immer ganz ausfiillea können, das ist eine andere Frage*

Wahrend . meines KoUektbrens in Leiden machte M^ einige kleine Ausfliige in die Umgegend, Zuerst besuchte ich in Gesellschaft des durch viele Schriften bekannten Literators N. vAN Kämpen, damab Lector an der Universität, jetzt Professor am Athenäum XU Amsterdam, die in der Nähe Leidens auf Nord- hey bei Yorschoten befindliche berühmte Knaben- Erziehungsanstalt eines jungen holländischen Pä- dagogen DE RaA0, eines Schülers von Niemeteiu Er hatte zu seiner Ausbildung auch die Schweiz» Paris und London besucht, sich von dort her er- neu englischeq und einen französischen Leh<* rer mitgebracht, hielt einen deutschen Lehrer zur Unterweisung dieser Sprache ^ und zum Lehren der Wissenschaften noch einige andere Lehrer, welcl^e zum Theil aus Leiden zum Unterrichtgeben hierher kamen. Zu ihpen gehörte auch mein Begleiter VAN Kam- PEN, « Das Institut fand ich, soweit ich es bei der Kürze meines Besuchs beurtheilen konnte, in vielen Stückeo sehr vorzuglich« Auch hatte es bereits einem

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bedeatenden Ruf erlangt, so dass jeder der damab da- rin befindlichen Knaben 1200 fl. jährlich bezahlte.

Mein zweiter Ansflug war nach dem KSstendorfe Katwyk op.Zee, nin die Mündung des Vater Rhein in das Meer zu sehen« Das Dorf liegt zwei Stunden von Leiden. Der Weg dahin führt idurqh das Dorf Katwyk binnen (das aq der See heisst im Gegiensatz auch wohl Katwji bniten)» und durch eine sumpfige Gegend, in deren Morästen wie In dem Sand der Du« n^n sich der kleine Rheinarm, der den alten Namen noch fuhrt, früher verlor. Vor 20 Jahren erst ist .der Kanal gegraben worden, der Ihm jetzt einen ehrenvol* len Ausgang in den Ocean bereitet. Er ist nur 40 - 50 Fuss breit und besonders merkwürdig durch die Schleusen an der Ausmundung in das Meer. Die Dunen sind daselbst durchgegräben , und vor der letz- ten Schleuse ist an den beideii Seiten des Kanals ein langer, breiter, nach torn in der Breite abnehmender Steindamm gebaut Die Schleuse selbst hat doppelte Flügelthore und 5 Bogen, welche durch hohe, nach der Seeseite scharf zulaufende Mauern mit einander verbun- den sind, woran die Wellen und Eisschollen des Mee- res sich brechen und wodurch die Bogen selbst geschützt sind* Durch die Thore, welche an der Innern Seite . geöffnet werden, wird das Wasser des Rheins in das Meer abgelassen. Indess kann kein Kahn hindurch in die See fahren, weil die Bogen zu eng sind. Somit ist hier keine Schifffahrt möglich. 5 Minuten von der Seeschleuse den Kanal aafwärt8][ist eine zweite Schleuse init drei Bogen. Fängt nun das Wasser des Meeres an«

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liöher XU stctgea» ak das Rheuiwasser, nad gegen die Seeschleose zo slormen» so werden ihre Thore ge- schlossen, so dass jetzt das Rheinwasser innerhalh bei- der Schleusen aoch steigt, ond dorch seine znsammen- ' gedrängte Masse einen sichern Sdmtswall für die Schleo- se bildet, g^en weldie das Meer yei^ebens ankämpft So bezwingt das wilde Element sich dorch sich selbst^ und ein Arm legt dem andern Ketten an.

Etwas oberhalb der zweiten Schleuse ist eine Sa- line für See salz. Ein Gradirwerk mit . Faschinen läutert das Seewasser, worauf man dieses in Kachen nach Leiden fährt, wo es gesotten wird. Das Salz- wasser ist nicht ergiebige weil das Seewasser hier so wenig salzig ist, dass nach dem Gradiren von 100 Pfd. Wasser nur 7 9 Pfd« übrig bleiben, .und daraus nur 2.^2 Pf<l« Salz nach dem Sieden gewonnen werden.

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Kollektiren in Harlem. TEYLOn'sche Stiftung. Elehteniarschulen^

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Am 16ten December Abends setzte ich mich ia' die Nachtschuit, der freundlichen Gelehrten - Stadt herzli« ches, dankbares Lebewohl sagend, nnd kam des andern Morgens früh in Hartem an»

Auch hier fand ich bei den hollandisch -re« formirten Predigern, dem gen&iithlichen Manger^ VAN Staveren, Nahuis, Kvtper, Hacke, bei dem französisch - reformirten Prediger Ser« EURIER, der früher in Hanau gestanden, und dem mennpnitischen Prediger S YBBANI)! sehr lieb- reiche Aufnahme und Unterstützung* Die ersteren ga- ben mir ein warmes Empfehlungsschreiben an ihre Ge- meinde und 50 fl. aus der Ministerialbörse, ja die £in- lelnen fügten noch Gaben für sich hinzu. Serrv- BiER liess' mich in seiner Kirche des Abends deutisch predigen, und veranlasste 9 das5 die Diakonen den Er-

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trag der bei dieser Gelegenhdt gehaltenen Kirch en- kollekte mir zugestandeli, Urelche 78 fl» 18 Stbr. be- trog« Dass viele seiner reicheren Geineindsglieder her- nach diese Gelegenheit benetzten i tun sich^ als ich sie persönlich besuchte^ des Gebens zu entziehen, mit der ri Bemerbing, dass sie schon in der Kirche gegeben,. j; daran hatte er keine Schuld. Auch Stbrandi em- pfthl mich so warm in seinem Kreise^ dass ich von '• den Reichen seiner Gemeinde meist sehr guti^ empfan- i gen Wurde. Ansgezeichnel freundlich^ ja ich kann sa- ] gen, mit vaterlidier Liebe, nahm mich der ehemalige Rathspeasionaris Hariem*s, A. VAN Zee- BER6H, ein achtzigjähriger Greis, auf, ein eben so . grosser Staatsmann, als ernster Chrisi^ welcher tar Zeit der alten Republik durch seine Geisteskraft grossen Einfluss auf die Leitung derselben ausübte. Er zeich- ' ftete für sich 80 fl«, seine Hanshalteriip 25 fl.j unä dabei bewirkte er als piäsldirender Direktor der Tet-> LO&'schen Stiftung, dass dieDirektion ISO fl* fiii' meine Gemeinde bewilligte. '

Diese berühmte Stilltung nimmt 4inter deii sahtrei« eben Priy atwohlthätigk ei t^-Anst alten Hol- land's eineil zn ausgezeichnete Platz ein, als das« ich derselben nicht mit einigen Worten erwähnen miisste.

P. Tetior van der Hülst, ein mw^ nonitischer Seidenfabrikapt zu Ha r lern, hatte, yde[ 'man erzählt, viele Jahre lang mit grossen Habsucht i BeichthSmer. äu£ Reichtbümjer ^ehäufii um sterbend dA

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einen bleibenden Namen bei der Nachwelt zu macben, und vermachte za dem Ende bei seinem Tode im J«. 1778 sein ganzes Vermögen von mehreren Millionen Gulden zur Errichtung der seinen Namen tragenden Stiflung. Seinem letzten Willen gemäss wurde zuerst, ein grosses Versorgnngshaus für 2«^ alte arme Frauen iVrauwenhofje) erbaut, worin stets eine solche Anzahl dieser Nothleidenden bis an« ihr Ende reichlich ernährt und verpflegt werden sollte« Bas Haus ist ein fürstli- ches Gebäude 5 bildet ein Viereck^ an dessen Fronte, ein prächtiges Säulenportal ist, und hat in dem inneni«- vom Hanse umschlossenen Hofraum einen herrlichen Garten. Sodann wurde dem Vermächtnis^ zufolge eine gelehrte Gesellschaft [Jiet TETZORsch GenooU schap) errichtet, und zwar mit 2 Abtheilungen, deren eine die Befö'rdernng der Theologie und des C hri stenthums, und deren andere die Vervoll- kommnung der Naturwissenschaften, Ge- schichte, Münzkunde^ schönen Künste etc» durch Ausschreibung von Preisfragen und Preis- aufgaben, und Belohnung der Preiswerke mit Me-* daillen oder Geld tum Ziel haben sollte. Zur Verbrei^. long naturwissenschafllicher Kenntnisse würde überdies ein besonderer Professor der Naturkunde (der jetzige heisst YAN MAR um) angestellt, und mit ungeheuren Kosten ein auserlesenes mineralo- gisches Kabinett eine Sammlung der trefflichsten physikalischen Instrumente, der kostbarsten, vorzugsweise naturwissenschaftlichen ch er und K up -. ferstichwerke und andere Konstseltenheiten ange«.

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darauf wurde die Stadt entsetzt. Um sie fiir ihre Treue zu belohnen, Hess Prinz WILHELM I. ihnen zwischen zwei Gnadenerweisungen die Wahl, zwischen Zollfrei- heit auf einige Jahre und dem ßesitz einer Universität. Sie wählten die letztere, welche auch noch in demselben Jahre 1'7'75 daselbst errichtet wurde*

Im J. 182^7 sah ich auch den botanischen Garten, der zur Universität gehört. Nach dem Rufe, welchen er hat, hatte ich mehr erwartet, als ich fand. Er ist weder sphr gross, noch auch besonders reich. Manche Seltenheiten und Merkwürdigkeiten von^ Pflan- zen hat er allerdings, z. B. ornus europaeum, von J^OERHAVE gepflanzt, einen andern Baum, von LiNNE' gepflanzt, eine Büste des Professors Bbug- MAJSS, der neuerlich einen Theil des Gartens ange- legt hat ßtc.

Zu derselben Zeit sah ich das grosse

Militärgefängjaiss,

welches für dre nördlichen Provinzen ^hicr ist. wie das für die südlichen zu Aalst in Flandern.

Es enthielt damals 575 korrektionelle Militär- sträflinge. Die sich criminell vergangein haben, werden aus dem Militärdienst ausgestossen , und den bürgerlichen Gerichten übergeben. Das Gebäude ist neu, geräumig, und enthält sehr grosse Säle, worunter ein Schlafsaal für 148 Mann. Schneiderei und Schusterei fürs Militär sind die Hauptbeschäf- tigungen. In den ersten arbeiten 274, in der lelz- tern 270 Mann. % des Arbeitsverdienstes er-

281

hält der Staat; y^ bekommt der Gefangene wahrend der Haft, und ^5 kommt in dieAusgangskasse {uügangscas) ^ was ihm bei der Entlassung gegeben wird. Der Kranken waren 38. Die Krankheitszeit wird ihnen von ihrem .Spargfeld abgezogen, weil sie ihre Kleider in dieser Zeit nicht brauchen, indem sie Kran- ke^kleider erhalten* Das Essen der Gefangenen be- steht aus 1 Pfund Brod, um 10 ühr Suppe, worun- ter wöchentlich 2mal Knochensnppe, um 4 ühr Kartof- feln. In den 4 Wintermonaten erhalten sie des Mor- gens warmes Wasser und Milch.

Den' Gottesdienst für die Protestant eti besorgt ein Prediger aus der Stadt, E GELING, wel- cher >\'öchentlii:h Einmal Gottesdienst mit Predigt hält, und Einmal katechisirt. Den Gottesdienst für die Ka- tholiken besorgt ein Priester, der in der Anstalt selbst wohnt. Schul u^nter rieht wird gegeben, aber nur von 20 25 Mann genossen, weil die Theilnahme daran ganz in den freien Willen gestellt ist. Von Klassifikation ist keine Spur, selbst nicht einmal zwischen den Sträflingen wegen Insubordinaäon und denen wegen Piebstahls. Der Cackots sind bloss 0^ daher in einen oft 8 zusammengesetzt werden müssen, wodurch die Strafe freilich fast ganz wegfällt. Dabei »ind sie feucht und ungesund. Conduitenlisten werden jährlich einmal eingesandt, sind aber bloss Re- gister der Disciplinarstrafen« '

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Dass unter diesen Umständen der Besserungs- zweck auch hier zu den untergeordneten gehört, und

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. nur höchst nnvoUkommen erreicht werden kann, ergibt sich von selbst*

Der Commandant ist ein pensionirter Oberof* fisier, wie ubechaupt die Commandanten Malier, auch der Civil-Gefängnisse solche sind«' Der Staat erspart dadurch einen Theil des Gehalts, indem er ihnen nur noch einige 100 fl« Zulage gibt. Ob solche Männer aber diesen wichtigen Posten immer gans ausfiillea können, das ist eine andere Frage.

Wahrend . meines Kollektirens in L e i d e n machte ich einige kleine Ausfliige in die Umgegend, Zuerst besuchte ich in Geselbchaft des durch viele Schriften bekannten Literators N, G* yAN KAmpen, damals Leetor an der Universität, jetzt Professor am Athenäum zu Amsterdam, die in der Nähe Leidens auf Nord- hey bei Yorschoten befindliche berühmte Knaben- - Erziehungsanstalt eines jungen holländischen Pä- dagogen DE RA AD, eines Schulers von Niemeter« Er hatte zu seiner Ausbildung auch die Schweiz» Paris und London besucht, sich von dort her er- nen englischeii und einen französischen Leh- rer mitgebracht, hielt einen deutschen Lehrer zur Unterweisung dieser Sprache, und zum Lehren der Wissenschaften noch einige andere Lehrer, welche zum Theil aus Leiden zum Unterricfatgeben hierher kamen. Zu ihpen gehörte auch mein Begleiter VAN Käm- pen, —« Das Institut fand ich, soweit ich es bei dar Kürze meines Besuchs beurtheilen konnte, in vielen Stiickeo ««ehr vorzuglich. Auch hatte es bereits einen

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bedentenden Ruf erlangt^ so dass jeder der damals da- rin befindlichen Knaben 1200 fl. Jährlich bezahlte.

Mein zweiter Ansflag war nach dem Kiistendorfe Katwyk op.Zee, um die Mündang des Vater Rhein in das Meer zu sehen. Das Dorf liegt zwei Standen von Leiden. l)er Weg dahin führt idurch das Dorf Katwyk binnen (das aq der See heisst im Gegiensatz auch wohl Katwyi bniten)» und durch eine sumpfige Gegend, in deren Morästen wie lo dem Sand der Du- nen sich der kleine Rheinarm, der den alten Namen noch fuhrt, früher verlor. \or 20 Jahren erst ist der Kanal gegraben worden, der ihm jetzt einen ehrenvol- len Ausgang in den Ocean bereitet Er ist nur 40 50 Fuss breit und besonders merkwürdig durch die Schleusen an der Ausmvadung in das Meer. Die Dünen siqd daselbst durchgegraben , und vor der letz- ten Schleuse ist an den beiden Seiten des Kanals ein langer, breiter, nach torn in der Breite abnehmender Steindamm gebaut Die Schleuse selbst hat doppelte Flügelthore und 5 Bogen, welche durch hohe, nach der Seeseite scharf zulaufende Mauern mit einander verbun- den sind, woran die Wellen und Eisschollen des Mee- res sich brechen und wodurch die ßogen selbst geschützt sind. Durch die Thore, welche an der innern Seite geöffnet werden, wird das Wasser des Rheins in das Meer abgelassen« Indess kann kein Kahn hindurch in die See fahren, weil die Bogen zu eng sind. Somit ist hier keine Schifffahrt möglich. 5 Minuten von der Seeschleuse den Kanal aufwärts^ist eine zweite Schleuse inlt drei Bogen. Fängt nun das Wasser des Meeres an,

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Ilöher zu steigen, als das Rhelowasser, nud gegen die Seescbleuse zu stürmen, so werden ihre Thore ge- schlossen, so dass jetzt das Rheinwasser innerhalb bei- der Schleusen auch steigt, und dorch seine zusammen- ' gedrängte Masse einen sichern Schatzwall für die Schleu- se bildet, gegen welche das Meer vergebens ankämpft ^ bezVingt das wilde- Element sich durch ;sich selbst^ und ein Arm legt dem andern Ketten an.

Etwas oberhalb der zweiten Schleuse ist, eine Sa- line für See salz. Ein Grradirwerk mit . Faschinen läutert das Seewaftser, worauf man dieses in Machen nach Leiden fährt, wo es gesotten wird. Das Salz- wasser ist nicht ergiebig^ weil das Seewasser hier so wenig salzig ist, dass nach dem Gradiren von 100 Pfd. Wasser nur 7 9 Pfd. übrig bleiben, .und daraus nur 2*72 Pf<l* Salz nach dem Sieden gewonnen werden.

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Kollektiren in Hartem. TeyLOR* sehe Stiftung. El e)nentar schulen^

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Am löten December Abends setzte ich mich m die Nachtschuit, der freundlichen Gelehrten - Stadt herzli- ches, dankbares Lebewohl sagend, and kam des andern Morgens früh in Harlem an*

Auch hier fand ich bei den holländisch -re^» fprmirten Predigern, dem geriiiithlichen Manger,

?AN Staveren, Nahuis, Kutper, Hacke,

bei dem französisch - reformirten Prediger Ser- BVRIER, der früher in Hanau gestanden, und ^ dem mennpnitischen Prediger Sybrandi sehr liebr reiche Aufnahme und Unterstützung* Die ersteren ga- ben mir ein warmes Empfehlungsschreiben an ihre Ge- meinde und 50 fl* aus der Minlsterialbcjrse, ja die Ein- zelnen fügten noch Gaben für sich hinzu* Serru- RiER Hess* mich in seiner Kirche des Abends deut:sch predigen, und veranlasste, dass die Diakonen den Er-

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trag der bei dieser Gelegenheit gehaltenen Kireben- koUekte mir zugeständen, Welche 78 fl. 18 Stbr, be- trog. Dass viele seiner reicheren Gemeindsglieder her- nach diese Gelegenheit benutzten^ nm sich^ als ich sie persönlich besnchte^ des Gebend zu entziehen, mit der Bemerkiang, dass sie schon in der Kirche gegeben, daran hatte er keine Schuld. Auch Sybrandi em- pfahl mich so warm in seinem Kreise^ dass ich von den Reichen seiner Gemeinde meist sehr gdtig empfan- gen Wurde. Ausgezeichnet frenndÜchj ja ich kann sa- gen, mit väterlicher Liebe.^ nahm mich der ehemalige Rathspensionaris Harlem's, A. VAN Zee- &ER6H, ein achtzigjähriger Greis, auf, ein eben so . grosser Staatsmann, als ernster Christ, welcher £nr Zeit der alten Republik durch seine Geisteskraft grossen Einfluss auf die Leitung derselben ausübte. Er zeich- nete für sich 80 Ü.^ seine Haushälterin^n 25 fl.^ unci dabei bewirkte er als prasidirender Direktor der Tet- loa'schen Stiftung, das£[ dieDirektion 150 fl* fit meine Gemeinde bewilligte. *

Diese berühmte Stiftung nimmt ^tinter den zahtrei« eben Pri V atw o hl t hätigk ei t^^ Anstalten Hol- landes einen zu ausgezeichneten Platz ein, als dastf ich derselben nicht mit einigen Worten erwähnen mSsste.

P. Tetlor van dea Hülst, ein men->

nonitischer Seidenfabrikant zu Ha r lern, hatte, wie.

'man erzählt^ viele Jahre lang mit grosser Habsacfat

BeichtfaSmer, Anf Reichtfaunijer gehä«fi| um sterbend sidi

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einen bleibenden Namen bei der Nachwelt zu macbeii, und vermachte za dem Ende bei seinem Tode im J«. 1778 sein ganzes Vermögen von mehreren Millionen Gulden zur Errichtung der seinen Namen tragenden Stiftung. Seinem letzten Willen gemäss wurde zuerst, ein grosses Yersorgnngshaus für 2S^ alte arme Franen iVrauwenhofje) erbaut, worin stets eine solche Anzahl dieser Nothleidenden bis an* ihr Ende reichlich ernährt und verpflegt werden sollte. Bas Haus ist ein fürstli- ches Gebäude, bildet ein Viereck, an dessen Fronte, ein prächtiges Säulenportal ist, und hat in dem innent^- vom Hanse umschlossenen Hofraum einen herrlichen Garten. Sodann wurde dem Vermächtnis» zufolge eine gelehrte Gesellschaft {Jiet TErtORech Genoot^

. schap) errichtet, und zwar mit 2 Abtheilungen ^ deren eine 4ie Beförderung der Theologie und des C hri s tenthums, und deren andere die Vervoll- kommnung der Naturwissenschaften, Ge* schichte, Münzkunde^ schönen Künste etc» durch Ausschreibung von Preisfragen und Preis- aufgaben^ und Belohnung der Preiswerke mit Me- daillen oder Geld zum Ziel haben sollte. Zur Verbrei-. fang naturwissenschaftlicher Kenntnisse wurde iiberdies ein besonderer Professor der Naturkunde (der jetzige heisst VAN Marum) angestellt, und mit ungeheuren Kosten ein auserlesenes mineralo- gisches Kabinett eine Sammlung der trefflichsten

/ physikalischen Instrumente, der kostbarsten, vorzugsweise naturwissenschaftlicheil Bücher und K u p -' . ferstichwerke und andere Knnstseltenheiten ^ge-^

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legt, wdphe noch iininer durch jährlicheD Ankauf er- weitert werden.

Das Min eralienkabinet zeichnet sich durch' die Grösse und Kostbarkeit der Exemplare von den verschiedenen edlen Metallen und Steinen aus; das physikalische durch eine riesenhafte Elektrisir- maschine, von CuTiHBERsorf in Amsterdam 1784 * ▼erfertigt, welche vier 'Batterien, jede von 25 grossen Ffauchen hat, und 'mit Einem Schlage einen Ochsen tffdtet; ferner durch einen sibirischen Ma|[n et/ der 200 Pfd. trägt, durch eine sehr künstliche Alibi Id^ung des Mont hlanc in Holz mit allen seinen Höhen und Thälern, von der Seite des Thals Chamoiay, durch ein HERSCHELsches Fernrohr, «grosse Luftpum- pen, viele Modelle von MiMilen,- Ackerban- werk zeugen \u s* w. Der Professor ist Oberaufse- her dieser Sammlungen, «und soll^nentg^ich gemein- nützliche Vorlesungen über Naturwissenschaften halten. Ferner ist ein besonderer Zeichenlehrer und Maler besoldet^ um junge Leute umsonst in diesen schönen Künsten zu unterrichten* Zur Haltung dieser yorle- sungen, «ur Aufbewahrung der Kabinette, zur Woh- nung für die verschiedenen Aufseher und zur Ver**,- sammlung der Direction ist ein grosses Gebäude er- lichtet, welches sich durch einen länglicht - runde.n, aus- serordentlich langen und hohen Saal, worin die Knnst* Sammlungen aufgestellt sind, auszeichnet. Aus Mangel' an Raum werden wenig Vorlesungen gehalten, und we- nig Gebrauch von den physikalischen Instrumenten ge- macht, jso dm üi di^er Hissicht.^e Stiftung nicht so'

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gemelnnütklich für Harlem ist, als sie seirt Ißnnte und sollte« Diesen Mangel soll jedoch abgeholfen wer- den durch Errichtung eines neuen Gebäudes. -^ Jähr- lich gibt die Stiftung überdies viele Tausend Gulden, an Arme, an Wo h Ithätigkeits - Anstalten und andere nützliche Einrichtungen. Als Napoleon einst die Stiftung besah, wollte er von van ZEEBEROHclie Beschaffenheit ihrer Fonds wissen. Dieser wich mit grosser Gewandtheit einer Antwort hierauf aus, so dass jener, der zum Glück bei guter Laune war, ihn bei dem Ohr zupilte und sagte : Alter , wenn ich es wissen . . will, so soll ich es doch wohl erfahreUi

Sehenswürdig ist ausserdem noch ein in des Pro- fessors VAN Mar UM Hause befindliches und dem- selben gehörendes Natnralienkabinet, das ziem- lich reich an ausgestopften Tbieren, Schmetterlingen, Madreporen und andern Seeg^.wächsen etc. ist.

Auch in dieser Stadt besuchte ich damals, wie auf meiner späteren Keise im J. 1827, mehrere Elemen- tarschulen. Unter ihnen gefiel mir besonders die Bürgerschale, welche 400 Kinder mit Einem . Hauptlehrer, 2 Unterlehrern und 7 jungen Gehfilfen aus der Zahl der ältesten Schiller zählt. Es herrjBchte ein offenes > heiteres und doch bescheidenes Wesen, unter den Kindern. An der Erdbeschreibung hatten sie grosse Lust, weil der Lehrer sie von Haclem au« begann, und viele Charten zeichnen Hess. Auch hier urtirde indess die Aufregung des Ehrgeizes sy- stematisch betrieben durch das nnseUge Preissy- stem, weiches ich im l. Band S. 321 - 323 näher IL 19

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beschriebÖQ habe. 30 (I.,. welche theils ans dem Schal- gelde, theils ans der CiviU Gemeindekasse flossenj^ wer- den hier jährlich xu Preisen verwendet -— Unnatürli- che Sünden waren 'auch dieser Schale .nicht fremde wie denn' der Lehrer* bei meiner Anwesenheit ein inngfcs Mädchen deshalb vornehmen mifsste.

Auch liörte ich eine Stunde dem Unterrichte des berühmten Katechisirmeisters Polmak zn^ dessen im ]. Band S. 63 erwähnt worden. Ei^ lehrte biblische Geschichte und erzählte den Kindern eben von David und Goliath. Die Anschanlichkeit, mit . welcher er den jangen Zuhörern die Geschichte vor Augen malte» die Lebendigkeit der Reden und Mimik , mit welcher er, ohne theatralisch zu übertreiben, mitten in die Hand- lung hinein versetzte, so dass man sie zu sehen und sa hören glaubte, habe ich noch nie in solcher Yollkom- menheit gesehen, und ich fühlte da recht lebhaft, was die heilige Geschichte den Kindern werden kann, wenn sie auf .eine solche nnvergessliche Weise ihrem Geiste eingeprägt wird. Die kleinere Klasse hörte bloss zv; die grössere, welche die Geschichte zum zweiten Male hörte, sdirieb: nach. In der nächsten Stunde miissen 1 oder 2 Schüler das Nachgeschriebene vorlesen, aamit die Übrigen das darin etwa Unrichtige rügen können. •*« P.OL MAN selbst war früher Maurergesell gewesen,.*^ md hat sieb durch eigenes höheres Streben so empor« gearbeltÄ

tii Härienäi befindet sich das allgemeine Scbnl^ tehrersemiaar \Kwtek9chool voor Schoohndaeitfy^ Urs) für M o r d ii ilb d e r I a n &$- and stiebt \iiitei^ der 'j

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l^itong des Direldors R J. PriVsen^ und unter der Oberaufsicht des Generalinspektors fiir den nieder;! und miitiern Unterricht A, VAN den Ende^ welcher hier wohnt.

Ehe ich jedoch das Seminar naher beschreibe» wird es geeigilet sein, eine Darstellung der Organisation und der gegei^wärfigen Beschaffenheit des nie* derlHndischen Elementarschulwesens iibcrhaupt vorangehen au lassen«

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Organisation und Be schaff enheit des niederländisch en Eiern entßrschul- Wesens.

Uas Elementarsclmlwesen Niederlands erfreat sich seit etlichen 20 Jahren einer durchgreifenden Verbesserung' in vielen Stücken durch das ganze Reich.

Die erste mächtige Anregung dazu gab die Ge- Seilschaft zum Gemeinwohl ( maatscJiappy » tot nut varCt ctlgemeen), welche seit ihrer Stiftung im X 1784 *) die Verbesserung der Schulen zu einem ihrer Hauptzwecke machte, und dafür wirkte theils durch Ein- fuhrung besserer Methoden und zweckmässigerer Schul- bücher, welche sie durch Aufgeben von Preisfragen veranlasste, vorzüglich aber durch Errichtung besonde» rer Masterschulen in den grösseren Städten auf ihre

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*) Mehreres über diese Gesellschaft und ihre ausgc* breitete Wirksamkeit s< uiili^n.

eigene Kosten. Diese Schalen heissen von der Einthei-^

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lang des Wirkungskreises der Gesellschaft in Bezirke, oder . sogenannte Departemente , Departemental- sc hui en.

Die erfolgreichen Bemühungen der Gesellschaft und anderer, um das Schulwesen, besonders durch Schriften sich verdient machender Männer, als der zwei Prediger H. NiEüWO|,D zu Warrega und H, W. C, A. VissER zu Ysbrechtum in Friesland, des Schulleh- rers H. Wester zu Oude Peckel-A in der Pro- viius Groningen^) u. a. wirkten dazu mit, i^is der Staat in den Jahren 1801, 1803 und 1806 eine nette Schulorganisation und Schulordnung**) gab,

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*) Dieser letztere zeichnete sich vor vielen andern, auch vor den beiden zuerst Genannten noch beson- ders dadurch aus, dass er in einem glaubigen Gei- ste u'irkte, Avas seine Schriften, z. B. sein Kate- chismus: EenvQudig Onderwys in de neodigsie Waar' hedcn en Pligten van den christeltfken Godsdienst voor Minkundigen y 6te Auflage, Groningen bei OoatK£NS 1 819 beweisen. Von den Schriften der beiden an- dern s. unten.

^^) Das Schulgesetz von J801 und vom 29. Jul. 1S03 verfasste vorzüglich Professor van der Palm zu Leiden, damaliger Direktor des öffentlichen Unterrichts, Das Gesetz vom 3. Apr. 1806, welches alle früheren aufgehoben hat, ist < im Ganzen nur eine Knty^ickelung des Gesetze« voa.lSOSy und den Verhältnissen im Staate mehr angepasst. Es heisst: Pnblicalie van Hau Ho9gwutgende , verteegemooordi- gende hei baiaafsch Gemeenebegi, aangaande hei iager sc/toolioezen en onderwjjf» in de baiaafgche Republiek, gcarresteerd 3. ^pr. 1806^ Haag 1806. Die allge-

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worin er die durch die Gesellschaft und andere Schul«' männer veranlassten Verbesserungen benutzte»

Nach dem Gesetz vom 3. Apr« 1806, welches das Grundgesetz des jetzigen Schulwesjcns ist, und nach den es entwickelnden Reglementen smd alle Schulen in 2 Klassen getheilt, in öffenUiche, welche gans oder zum Theil aus ößentUchen Kassen unterhalteir werden, und in Privatschulen, welche

meine Schulordnung ist vom 23« Blid 1806. - Die dem Gesetz angehfingtfcen und es nShier entwl« ckeinden Reglemente sind:

i) Reglememi voor hei lager Sck0oiwezen em Onder*

wyn;

3) VerordenimgeH op hei afnemen en afleggeft der Exa- meng vaau degenen, welke lager tmderwpi hegeren te geven ;

3) Jngtruciie der Schoalopzieners en Comminien van ondertcys,

Bine TOiläufige lni»truktion für die Distrikts- Schulaufseher und Uuterrichtscunimissionen S ü d niederlands^ nebst angehängten näheren Bestim* niungen wegen hei afnemen en afteggen der Examens^ und einer allgemeinen Schulordnung, alle drei unterm 20. Mai 1821 vom Minister des Unter- richts erlassen, enthalten in allem Wesentlichen nichts weiter, als die obigen Gesetze ^ nur in einer veränderten Zusammenstellung und mit einigen im* >vichtigen provinziellen Verschiedenheiten.

Ausserdem gibt es noch Verfügungen der einzel- nen Provinzialstaaten vom 1807, Keglemente für Stadt- und Dorfschulen, und Instruktiunen für die Schullehrer, welche alle aber nur nähere Weisungea. über die obigen Gesetze sind«

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ä) entweder vöa KirchengeselUchafien onterhalten werden^ als die Diakobieschulen, kircbUchen Wal- seiibausschulen etc., oder vod wohllhätigen Privat- gesellsglhaften , als die Departementalschulen von der Gesellschaft zum Gei^einwolil, oder von Einem oder einigen Privatleuten, welcke sich- zur Er- richtung einer Schule für ihre Kinder oder fürs gemeine Beste verbunden haben,

If) von Individuen errichtet sind aas Speculation, um daraus Gc\%inn zu ziehen, und nur durch die Bei- träge der Schüler sich erhalten«

Die Zulassung zum Schalamte erhält Keiner, der nicht '^ .

1) ein allgemeines Fähigkeltszeagniss (al- gemeene toelating tot het gei-'en uan onderwys),

2) einen speciellen Beruf oder Anstellung an einer Schule, oder wenigstens die Erlaubniss * zur Errichtung einer Schule als Privatlehrer -hat.

^ Es sind vier Klassen der Schullehrerk

Für die vierte oder niedrigste Klasse ist crr forderlich Kenntdiss des Lesens, Schreibens und des Hechnens, wenigstens bis zur Regel -de -tri.

Zur dritten Klasse bedarf es noch einer Kennt- niss des Rechnens auch mit gebrochenen Zahlen, eini- ger Bekanntschaft mit deA Elementen der. holländischen Sprache, und mit einer guten Lehrmethode.

Die zweite Klasse erfordert kunstmässiges Le- sen, eine schöne Handschrift, das theoretische und prak- tische Verstehen der Rechenkunst, der holländischen

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Sprache, einigen Begriff von der Erdbeschreibung und . Geschichte, und eine methodische Lehrwelse.

Bei der ersten Klasse muss eine genaue Kennt« niss nicht bloss der Erdbeschreibung und Geschichte, sondern auch der Naturkunde und Mathematik hinzu« kommen* Das Aufsteigen von einer niederen zu einer höheren Klasse erfordert eine neue Prüfung,

Alle Schulen sind in gewisse Schulbezirke ver- theilt, derön jedem ein Schulinspector {schoolop^ zlener) vorsteht, welcher die Schulen zu beaufsichtigen, zweimal jährlich zum wenigsten jßu besuchen, ihr Inter- esse bei den Behörden zu vertreten und auf alle Wei-« se zu fordern, die Schullehrer zum Unterricht und zur Ermuthigung zu gewissen Zeiten um sich m versam- meln, die Anlegung von Arbeits- und Indpstrieschulen zu befördern, und monatlich einen Bericht ^n. dias Mi- nisterium des Innern einzusenden hat. Zur näheren Beaufsichtigung der einzelnen Schulen in den Dörfern, Flecken und kleineren Städten ist er befugt, nach Rück- sprache mit der Ortsbehörde, einem oder einigen ihm bekannten my^erlässigen Personen ^le Lokal inspectjoa anzuvertrauen, wobei er jedoch für Alles verantwortlich bleibt« Daher ist et gar nicht verpflichtet, eine solche Lokalinspection an jedem Schulorte einzurichten. Auch ist der Pfarrer als Pfarrer keineswegs Mitglied dersel-^ ben, sondern ob er dazu mitgewählt werde, hängt ganz vom Schulinspector ab. Dieser ist aucli befugt, die zu einem Schulamte der^ untersten Klasse sich Meldendeq «5U prüfeq«

f

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Jeder Schulinspector hat im Darchscbnitt 30 40 Dörfer und Flecken unter seiner Aufsicht, und ein Ge- halt von 450 fl. Jedoch gibts auch grössere ni^d klei- nere Schulinspectionsbezirke , und darnach ein grösse- res oder geringeres Gehalt« Im ganzen Reiche sind 190 solcher Bezirke. Zu Schulinspectoren wählt man meistens Nicht -Geistliche, Kaufleute etc«, auch in Nordniederland, nicht als ob man glaubte, dass die Geistlichen dieser Provinzen dazu ungeeignet seien, sondern Wie man mir sagte, vorzüglich darum, um dann auch die katholischen Geistlichen Südniederlands von der Schulinspection abhalten zu können, denen man sie aus Furcht vor Bigotterie nicht anvertrauen mag. Sie sind auf Lebenslang angestellt. Viele der« selben haben Schullehre rv ereine, (schoohnder'^ uyzers - gesekchappen) gestiftet und halten aus eignem Antriebe mit den Lehrern monatlich Schulconfe-« r e n z e n , wozu sie vom Staate einige Geld - Unter* Stützung erhalten.

In grösseren Städten besteht in der Regel eine' Lokalschulkommission, deren' Glieder sich in die Aufsicht der verschiedenen Schulen theilen, und welche für die Stadt die Stelle des Schulinspectors ver- tritt. Jedoch ist dieser ein integrirendes Glied der Schnlcommission, obgleich nicht befugt, ihr Yorsitzer XU sein, hat allen ihren Versammlungen beizuwohnen, und den Zugang zu ihren Schulen. Die Schnlcommis- sionen sehr grosser Städte haben die Befugniss, die Schalkandidaten aller 4 Klassen zu prüfen.

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Sprache, einigen Begrijfr von der Erdbeschreibung und . Geschichte, und eine methodische Lehrwelse.

Bei der ersten Klasse ninss eine genaue Kennt* niss nicht bloss der Erdbeschreibung und Geschichte, sondern auch der Naturkunde und Mathematik hinzu« kommen* Das Aufsteigen von einer niederen zu einer höheren Klasse erfordert eine neue Prüfung,

Alle Schulen sind in gewisse Schulbe«irke ver- tbeilt, derön jedem ein Schulinspector {schoolop^ ziener) vorsteht, welcher die Schulen zu beaufsichügen, zweimal jährlich zum wenigsten ^n besuchen, ihr Inter- esse bei den Behörden zu vertreten und auf alle Wei-« se zu fördern, die Schullehrer zum Unterricht und zur Ermuthigung zu gewissen Zeiten um sich m versam- meln, die Anlegung von Arbeits- und Indpstrieschulen zu befördern, und monatlich einen Bericht ^n 4^^ Mi- nisterium des Innern einzusenden hat. Zur näheren Beaufsichtigung der einzelnen Schulen in den Dörfern, Flecken und kleineren Städten ist er befugt, nach Rück- sprache mit der Ortsbehörde, einem oder einigen ihm bekannten ^.iJiy^rlässigen Personen die Lokal inspect^on anzuvertrauen, wobei er jedoch für Alles verantwortlich bleibt« Daher ist elr gar nicht verpflichtet, eine solche Lokalinspection an jedem! Schulorte einzurichten. Auch ist der Pfarrer als Pfarrer keineswegs Mitglied dersel-» ben, sondern ob er dazu mitgewählt werde, hängt ganz vom Schulinspector ab. Dieser ist aucli befugt, die zu einem Schulamte der^ untersten Klasse sich Meldendeq zu prüfeq«

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Jeder Schulinspector hat im Darchscbnitt 30 40 Dörfer und Flecken unter seiner Aufsicht, und ein Ge- halt von 450 fl. Jedoch gibts auch grössere ni^d kld- nere Schulinspectionsbezirke , und darnach ein grösse- res oder geringeres Gehalt* Im ganzen Reiche sind 190 solcher Bezirke. Zu Schulinspectoren wählt man meistens Nicht- Geistliche , Kaufleute etc«, auch in Nordniederland, nicht als ob man glaubte, dass die Geistlichen dieser Provinzen dazu ungeeignet seien, sondern Wie man mir sagte, vorzüglich darum, um dann auch die katholischen Geistlichen Südniede.rlands von der Schulinspection abhalten zu können, denen man sie aus Furcht vor Bigotterie nicht anvertrauen mag. Sie sind auf Lebenslang angestellt. Viele der« selben haben Schullehrervereine, ischoolondep'^ uyzers - gesekchappen) gestiftet und halten aus eignem Antriebe mit den Lehrern monatlich Schulconfe-« r e n z e n , wozu sie vom Staate einige Geld - Unter^» Stützung erhalten.

In grösseren Städten besteht in der Regel eine' Lokalschulkommission, deren' Glieder sich in die Aufsicht der verschiedenen Schulen theilen, und welche für die Stadt die Stelle des Schulinspectors ver- tritt. Jedoch ist dieser ein integrirendes Glied der Schnlcommission, obgleich nicht befugt, ihr Torsitzer zu sein, hat allen ihren Versammlungen beizuwohnen, und den Zugang zu ihren Schulen. Die Schulcommis- sionen sehr grosser Städte haben die Befugniss, die Schalkandidaten aller 4 Klassen zu prüfen.

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Die Gesammüieit der Schulinspectorcn einer Pro- vrns bilden die Provinzial- Scholcommtssion. Diese Commlssion versammelt sich 3mal jährlich ia der Provinzialhaoptstadt, wobei der Goaverneor der Provibs Vorsitzer ist, emprängt di^ Berichte der einzelnen Schul- inspectoren, hält die Priifongen der Schalkandidaten, fertigt ihre Anstellangszeugnisse aus, berathschlagt über alles dem Schulwesen Nutzliche, und sendet jährlich einen Generalbericht an die ProvinziaU Verwaltungsbe- hörde und an das Ministerium des Innern« Zu einer gewissen Zeit des Jahres soll jede Provinsial - Schal- commission einen Deputirten nach der Hauptstadt des Landes schicken, nm daselbst eine General-Schal- commission Sa bilden, welche unter den Augen des Ministers des Innern über das Schulwesen des ganzen Staates berathe. Gegenwärtig findet jedoch ^eine solche Generalcommission nicht mehr Statt. In je- der Provinz wird eine Durchscbnittssumme zur Bestrei- tung der Reise- und Versammlungskosten der Schalin- spectoren angewiesen.

Ein Generalinspector steht unmittelbar un- ter dem Minister an der Spitze des ganzen Schulwe- sens, hat das ProtocoU bei der Versammlung der Ge- neralcommission zu fuhren^ mit den Provinzial - Sciml- commissionen zu correspondiren, die besseren Lehrme- thoden zu verbreiten, eine Bücherliste zum Behuf der in den Schulen zu gebrauchenden Bücher zu entwerfen*).

*l Nach dem Schulgesetz von 1806 sollen die SchuUeh- rer und Schullehreiimien keine andere |jchr* oder

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überall die Ordnung zu erhalten, und demMinbter alle zur Beförderung des Schulwesens geeigneten Maassre- geln vorzuschlagen.^

Was nun die Schulen selbst betrifllf so gehen die Schüler gewöhnlich nach dem vollendeten 5ten Jah* ' re, denn nicht der mindeste Scholzwang findet statt, auch, keine Bestimmung, bis sn welchem Lebensjahre der Schulbesuch statt finden müsse, > 3 Stunden des Vormittags und 2 Stunden des Machmittags, in die Sdiu« le, worin Knaben und Mädchen in demselben Zimmer, aber an verschiedenen Palten sitzen* Eine Abend- schule wird an den meisten OHen jeden Abend gehal- ten, an welcher sowohl die ans der Schule Entlassenen, welche sich noch weiter sa üben wünschen, als auch Jüngere, die noch Schüler sind, Theil nehmen. Jede Schule ist in 3 Klassen getheilt,. deren zwei, während der Lehrer die dritte laut untenrichtet, in den kleine- ren Schulen sich stillschweigend allein beschädigen, in den grösseren aber von erwachsenen Unterlehrern oder von kleinen aus den Schülern gewählten Schulgehülfeo ebenfalls lauten Unterricht empfangen, und zwar in der- selben Schulstube, ohne merkliche Störung. Ueber- haupt fand ich in den grossen Stadtschulen zu Rot-

Lesebücher in ihren Schulen gebrauchen y als weU che in einer von der Regierung herausgegebenen allgemeinen Bücherliste stehen. Diese er- schien zuerst 1810, ist aufs neue gedruckt 1815 un- ter dem Titel : Algemeene Boekenlyst tefi dtenste der lagere scholen in de noordelyke provincien van hei Koningrijl der Nederlanden. Haag 1815. Herausge- ber ist der Generalinspectur van den Ende.

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tcrdam, Haag und Harlem eine grosse Spannung der Aufmerksamkeit, obgleich mehrere hundert Schüler und 4 oder 5 Lehrende in demselben Saale waren, eine ausgezeichnete Ordnung und Reinlichkeit, und eine vertrauensvolle Offenheit und Freundlichkeit der Kin« der im Antworten und Fragen, dagegen in einiged Dorf- und kleineren Schulen, auch in 2 Schulen einer grossen Stadt viel Unordnung und sehr mangelhafte Beschäftigung derjenigen Klassen, die der Lehrer nicht grade selbst unterrichtete.

In jeder Schule, wo mehr als 70 Schüler sind, soll nach der allgemeinen Schulordnung ein Unterlehrer angestellt werden. Ferien sind 4 Wochen des Jahrs» und zwar während der Ost er-, Pfingst-, Kirmess- und Weihnachls-Wöche. Die Lehrgegenstände sind in den gewöhnli- chen Landschulen: 1) Lesen, weicheis nach' der Lautirmethode, und mit Hälfe verschiedener Lesemaschinen, be- sonders der Lesetafel gelehrt wird. Die Lautir- methode ist seit dem J. 181*7 ziemlich allgemein eingeführt. Früher, selbst im J, 1795 schon, mach- ten Einzelne , namentlich ein Scheither, der damals auch ein Büchlein dafiir schrieb, und ein NiEUWOin Gebrauch davon. Der Seminar- direktor P. J. pRiNSEN hat die Lehrmethode des Lesens herausgegeben *), ,

*J Unter deni Titel : Lecrwyze , om Kinderen te teeren iezen. 3te Auflage. Amsterdam van den Hey i825. Dies Buch ivird sehr viel gebraucht.

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2) S c h r e i b e B, . meist aa£ Sc^iefi»rtafelii. Ja der, mit dem Schallebrersemioär . iii |iarlem,9«0aiii* menhäageQd<eiii Sehple sah ieli, dass die Kio^f*' aiif ihren Sabsellien jedes ein kleines Damenpaltchen vor sich stehen hatten ,. dessen eifert breite Seite, ein Glasrahipen war. Anf dieses matt gesehlitti^ne Glas schrieben sie mit Speckstein, indem sie die nnter dem GljSse liegf;i|den dordischeiaenden , anf .rothes Papier jgesdiriel>enen Biiöhst^en n^^mal« ten« Diese Einrichtiuig ist jedoch (nr difi gewQhn« liehen Schalen SU kostban

3) RechnjßB, wobei- die ^ene Mat#8 - niij 6e- wichtknnde gelelvst wird^^ ni wekhein^nJESehnf in jeder Schale^ wenigstens der Prorins Gelder- land, dnrchdmn Bescbloss der. Proriniialstaalea ein Exemplar der neuen Maasse und Gewichte,»» natiwa aufgestellt ist« Nach .einer Königl. Ver- ordnung vom 12. Mov. 1827 soll dies in jeder Schule des Reichs statt fii^den. -*-* Die Zahlen-, Formen-* und Gesang- Lehre werden nach pESTALOZ^Kis^hen Grnndsätsen. gelehrt Sie wurden eingeführt durch die swei jiingen MEnner, welche von der Regierung unter König liVDiriG Napoleon SU Pestalozzi geschickt worden waren. Der voraügUchste derselben ist, gestorben. Nach diesen Grundsätxen hat PftuiaBlf ein Re- chen*bnch hei^usgegebeti^

*) Rekeuboekf ingarigi naär de tegetHMötdige b§ko€fie

dtr ncholen 3le AnflU.Iiiurleai Wed. A. Looaiss.

*

9) etwas Geometrie*), wobei mir jedoch einige Lehrer über den Mangel an Lust hierzu bei den Schülern und Aehem klagten, weil die Fortschritte

in dieser Wissenschaft nicht so sichtbar zu bemer- ken seien.

10) Vatifj'ländische Geschichte, jedoch erst seit der Wiedereinsetzung des OnANischen Fürstenhauses **)♦

Die Religion ist als Unterrichtsgegenstand ganz von den Schalen ausgeschlossen; denn die wenigen beiläufigen Bemerkungen in den Schulbüchern und dem Schulunterrichte über Gottes Eigenschaften und sein VVirken in der Matur kann Niemand einen Religions* Unterricht nennen* Auswendiglernen aus dem Kate« chismus findet eben so wenig Statt*

Die Eröffnung und der Schluss des Unterrichts ge- schieht in sehr vielen Schulen nicht mit Gebet, weil die Allgemeine Schulordnung in Art« 6 bloss vorschreibt: „Die Schulzeit soll entweder wöchentlich „oder täglich mit einem kurzen und passenden christ- ,$lichen Gebet eröffnet und geschlossen werden, und

♦) Die Anleitungen, welche Prediger van Dapperebt über die Formenlehre und die Gesanglehre geschrieben hat^ werden für die besten gehalten.

**) Nach dem Leitfadeh: Väderlandsche Geschiedenis dt 52 l^sstn voor de nederiandsche Jeugd en Stholen. 5te Auflage. Zutphen Thieme is*l7. Auch wird wohl die Körte HaAdleiding tot de beoefening der vadetiandseke getchiedenis in Leeslesjet voor de Nederiandsehe Jeugd, door Jt Am OosTKAMPf Groningen Oomkbns ge- bfaucht;

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$,soll bei dieser delegenheil auch «twas Passendes ^^können gesadgea werden.'^ Ich fand in vielen Schulen am Anfang and Schluss des Unterrichts das Gebet fehlend, in einigen begann nnd schloüs man mit Gesang ohne Gebet, in andern ipit Gebet ohne Gesang. Der Schullesebücher gibt es mancherlei. Sie sind meistens im BASEDow-philanthropinischen Geiste geschrieben, enthalten allerhand Gemeinnuttli- ches, nur nicht das NStzlichste : das christliche Ele- ment. £s werden daher ^ obgleich nach Art« 22 des Schulreglements aller Schulunterricht so eingerichtet werden soll, dass die Kinder auch zn allen bürgerli-' eben und christlichen Tagenden erzogen werden, doch in den meisten der vielgeriihmten and vielge- brauchten Lesebücher, welche ich in den Schulen fand *) , bloss die bürgerlichen Tugenden ange«

'^) Raadgewingen en o nderrigiingen voor tCinderetty ten dienste der Schalen door N, Anslyn N. Z. i * Leeshoetc. 6te und 7te Auflage > Leiden bei du Mob^ TIEB ^825, 182« und 1827, De brave Hendrik y een * ieesboekje voof jonge Kinder 4n^ door Anslyn N,Z, 9te Auflage, Leidtn hei du MoM*

TIEB 1826.

De brave Maria y een teesboekje voot Jorige Kinder eH^ door Anslyn N,Z. 7te Auflage, teid^n hei e^u Mob*

TIEB 1826* *

Vader Jakob en zyne Kindertjes, een tchoolboekje döor

M, VAN HEYNtNGFN BOSCH y 18te Auflage, Am*

tterdam bei W, BBAVMf, De kleine Kindervriend, ^eti schoölboekje voör johge Kin»

deren door M, VAN HSYNINGEN BOSCH ^ 20sl6

Auflage, Groningen bei ACHlEäBEBic 1820* II. 20 '

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priesen, als: Fleiss, Bravheit, Verschwiegenheit, Mild- thätigkeit, Reinlichkeit etc. Wer diese übe, heisst es darin wiederhplt, werde unfehlbar zeitlebens gliicklich sein. Auch wird darin häufig von braven Kindern und Menschen gesprochen, die niemals Böses thun, und der immer wiederkehrende Wahlspruch ist : Wenn nur der Wille gut ist, kann man Vieles thun« 9,lch kanti nicht" ist ein hässliches Wort. In diesem Sinne sind daher die vielen kleinen moralischen Erzählungen darin abgefasst, ohne alle Hinweisung auf den Grund und die Quelle aller sittlichen KrafL Daneben stehen Er- klärungen einiger, naturgeschichtlichen Gegenstände, und xCiniger sprachlichen Begriffe: wahr, falsch, wahrschein- lich, unwahrscheinlich etc. Schilderung derKirmess zu Amsterdam, wie schön und lustig es da zugehe, was für possierliche Affen da zu sehen seien n. s. w.,. Dar- stellung einiger allgemeinen Wahrheiten, wenn man sie so nennen kann, z.B. dass es gut sei, dass der Mensch Hunger, Durst, Schlaf und andere' leibliche Bedürfnisse habe, weil er dadurch auch das angenehme Gefühl ih- rer Befriedigung schmecke. Dabei aber nirgends Hin- weisung auf die heiligen Wahrheiten des Cbristenthoms, welche auch das kleine Kind schon ahnt und fühlt, nirgends oder nur höchst selten Rede von Christus. Die unheilbringenden Grundsätze, welche diese Kinder- schriftsteller regieren , legt einer derselben , M, v A N

t \

Voor een Kind, om zieh zehente leeren kennen y door J, fL Nilzuu'OLD, 8te Auflage, Groningen bei GROSNJEU'OtT. 1821,

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Heyningen Bosch m der Vorrede za dem- vor- letzten der in der Anmerkung angeführten Lesebücher auf ganz unzweideutige Weise offen. ,^ A 1 1 e s in die* ,,sen Kinderschriflen , sagt er> müsse seinen £in- „fluss entlehnen von dem ersten Gefühle „der menschlichen Natur, nämlich: schön ,,und hässlich, angenehm nnd unangenehm; 9,alles müsse mittelst dieses Gefühles wirken. Diese ,,Eindrücke entwickeln sich viel früher, als die Kennt- ,,nisse des Guten und Bösen. Die Kinder, die ich hier „im Auge habe, (von 5—7 Jahren) hahfn noch kei«» „nen Begriff von gut und böse , und sind noch fnr^ „keinen sittlichen Unterricht Tahig; sie fühlen nur, sie „denken, oder vielmehr schliessen noch nicht." Nach diesem Schriftsteller kommt also das Gewissen in das Kindesherz, oder erwacht darin, erst im 8ten Jahre, und das Kind soll demnach in den 7 ersten, für die geistige Bildung unaussprechlich wichtigen Jah- ren bloss mittelst der thierisch^n Triebe erzogen wer* den*).

») Als ein weiterer Beleg über den Geist dieser Schrift- steller folge hier Einiges aus dem letzten in der Anmerkung angeführten Büchlein, welches hier um so wichtiger ist, weil es zum Verfasser einen der , in der Geschichte des holländischen Volksschuhvc- sens berühmtesten Männer Jiat, welcher die erste Bahn für die neue Unternchtswcise brechen half, dem Prediger zu Warrega in Friesland, Nieu* /

WOLD.

Eine Mutter lehrt in diesem Büchlein ihr Kind im Gespräch mit ihm »einen Leib und seine Seele

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- I

Was das Gebalt der Schnllebrer betrifft, so ist dies ^ebr verscbieden* Aof dem Laude and in

kennen. S. 32 lässt der Verfasser das Kind sagen: ^Jch will aus eigner Bewegung immer Gutes ^tbun. ' Und daTon bab' ich Lob und Ehre.'^ S. 35* Mutter: ^»Kein Kind ist ohne Fehler. Und ^,Jeder muss seine eignen Fehler kennen und rer- y^essem.*^ > Miih es selbst diese Fehler yerbessert, lehrt sie iiun S. 43. Die Mutter sagt dem Kinde geine Fehler, und dann nimmt ein gutes kind auch einen festen Vorsatz, um seine Fehler zu Terbes- sem. HAber''^, sagt das Kind, „ich k»in leicht „etwas Tergessen. Ei, liebe Mutter, sei so gut, „und erinnere mich dann wieder an meine guten „Vorsätze!««

Dies ist der ganze Weg der Selbsterkenntniss und Heiligung, den der Verfasser die christlichen A ei- tern ihre Kinder beisst gehen lehren» ein Weg, der schriftwidrig Von einem falschen Punkte ausgeht, dass das Kind von Natur gut sei, schriftwidrig eine falsche Richtung nimmt, dass das Kind allein aas eigner Kraft sich selbst bessern könne, und darum auch nicht zum rechten Ziele führen kann. '— Da ist kein Hipweisen auf des Kindes srt^tliche Ohn^ macht, und das Bedürfniss der gottlichen Vergehung, kein Hinweisen weder auf Gott noch auf den Hei- land > noch auf die Nothwendigkeit eines höhere» Beistandes, obgleich das Gemüth des Kindes so fass-» bar uad empfänglieh für Christi Versöhnungslehre ist, wie Professor Borger, ^ («her ihn s. Nähe* res unten!) iip der 7ten Predigt des II, Bandes seiner Predigten so schön nachweist Vielmehr sudit der Verfasser diese Empfänglichkeit beim Kinde recht geflissentlich zu unterdrücken, und ihm seine Krone, die Demuth und Anspruchlosigkeit, i^om Haupte zu reissen^ indem er die Aleinun^ tob

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kleineren Städten erhalten sie meistens freie Wohnotfg, 50 200 f]. Besoldang und das Schulgeld von den

eignem Werthe und eigner Kraft in ihm möglichst zu steigern sucht. So lässt er S. 38« 39 die Mutter das Kind lehren: ,^l^s gibt auch eine falschiß Pe- in u t h. Man muss von sich seihst nicht zu hoch, ,>dbcr kuch nicht afu niedrig denken* Klara iivar „ein tugendhaftes Kind; aber sie ivar su niederge- „schlagen geworden durch das unnöthige Zanken y^eincf harten Meisterinn. Auch meinte sie, dass sie ,>sü fehlerhaft sei, als die Meisterinn sagte, dass sie ,,\\ äre. '^ Wie ganz entgegengesetzt lehrt die K Schrift [uuc. 18, 14. 2 Sam. 6, 22. Jes« 57, 15. ^ Pet. 5, 5. 6. Matth. 11, 29. So wird das Kind mit Gewalt vou dem Schoos seines IleiMndes ge- >vehi't^ statt zu ihm hingeführt zu werden.

Ja sogar das Denken an Gott und das ihm dan- ken, Avird, wenn es dem Kinde noch so nahe liegt, selbst ihm nahe gelegt worden ist^ doch vom Kinde abgewehrt. S. 4 freut sich das Kind seines körper- lichen Wachsens. Daraufsagt die Mutter: Aber das Wachsen ist do^h wunderlich. Wer macht dic.h wachsen? Wem musst du dafür danken!

Kind: Vater und Mutter geben mir doch das Es- sen und Trinken ; und nm Essen und Trinken wach- se ich.

Mutter: Das ist wahr; aber daa Wachsen selbst können Vater und Mutter dir nicht geben«

Kind: Wer macht mich denn wachsen t Daa möch- te ich gerne wissen. <^ Muss nun nicht Jeder Christ, selbst jeder Deist als das Natürlichste erwarte«, dass des Kindes Wissbegierde benutzt werde« um es auf seinen Schöpfer hinzuweisen? Aber nein! das Kind \%ird ohne Antwort gelassen; und muss sich am Ende mit den Worten beruhigen : Nuoj das "wkd^ man mich einst lehl'eB.

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Kiodern. In grossen Städten erhalten sie bloss das Schulgeld. Das Schulgeld selbst ist nach den Orts- verhältuisser^ sehr verschieden. Auf den Dorfern be- zahlt das Kind der untersten Klasse gewöhnlich 3 fl. des Jahrs , das der zweiten 5 fl. , und das der ersten 7 H. In den Städten steigt das jährliche Schulgeld von 10 -*- 40 ü. Die Abendschuler müssen noch beson- ders bezahlen. Bei den Armenschulen bezahlt die Armenkasse drs Schulgeld , oder entschädigt den Leh- rer dafür durch ein grösseres Gehalt. Die Schalen In den Städten 9 wo die Aeltern das Schulgeld bezahlen, heissen Bürgerschulen. •*- In den Städten und grossen Dörfern der reicheren Provinzen ist das Ge- halt überhaupt gut, in vielen Dörfern, besonders der ärmeren Provinzen, noch sehr schlecht Dazu herrscht an manchen Orten noch die Unsitte, wie ich von ei- nem Schullehrer in Gelderland hörte, dass die Lehrer ihre Geldbesoldung bei den Bauern umholen müssen , auch wohl noch gar Rundgang , um Eier, Wurst und dgl. zu empfangen, zu halten haben. In- dess wird dies von der fürs Schulwesen so thätigen Regierung mehr und mehr abgeschafft.

Leider reicht aber die Besoldung vieler Lehrer nicht zu ihrem Unterhalte aus, indem sie alles in allem . nur 100 150 fl. Einnahme haben, so dass sie einen Laden zu halten, o*der Ackerbau oder ein Handwerk lu treiben genöthigt sind. Selbst der Minister des Un- terrichts gesteht dieses in seinem am 13. Mai 1829 den Generalstaaten abgestatteten Bericht über das Schulwesen ein.

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Hieraus ergibt sich denn das Ungegriindete der Angabe der Im J. 1811 aus Auftrag der französischen Regierung die Schalen liallands besochenden berühm- ten Staatsräthe CuviER nnd Noe*!, S. 19 Ihres Be- richts über die Volksschulen : ^^dass sehr wenige Schal- „lehrer, selbst in den Dörfern, weniger als 1000 Eran- ,,ken Kinnahme hätten. ^^ Ueberhaupt ergibt sich aus diesem Bericht, wie Interessant and lehrreich er aach ist, das's die edelgesinnten Berichterstatter von den Schulen der grossen, reichen D'5'rf)sr, welche sie In den Provinzen Holland, Friesland und Groningen sahen, einen falschen Schluss aaf die übrigen Dorf- schulen machten, and. dass well die Lichtseite der hol« ländischen Schulen grade ihnen, welche nur die . französischen Yolbschalen zur Vergleichoqg hat- ten, doppelt glänzend ersdielneo mussten, sie die Schati* tenseite derselben übersahen.

Die Schnlhäaser fand ich fkst bei allen Schu- len, die ich besachte, geräumig und zweckmässig ein* gerichtet, viele gans nea gebaut, und zwar in dncr, solchen Weise, dass sie den Gemeinden und der Re« . gterung grosse Ehre machen.

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Bildung der Sehullehrer zu ihrem Amte» Weise ihrer Anstellung.

Was nun die Bildung der Schullehrer sn ärem Be* mfie betrifft, so werden sie theils auf Seminaren, theib von Schullehrern allein gebildet

Der Schnliebrerseminare gibt es xwei, eins stt Harlem fiir die nördlichen, das andere ra Lier in der Provinz Antwerpen für die südlichen Provinzen«

Beide sind in Folge des königlichen ßeschlossea vom 81. Hai 1816, und zwar das erste in demselben Jahre, das letzte im J. 1818 errichtet worden.

Das Seminar zu Harlem soll nach diesem Be« Schlüsse 25 ordentliche Zöglbge haben, von welchetf 15, jeder, ein volles Stipendium von 250 fl, jährlich, vier Jahre, ausnahmsweise 5 Jahre lang empfangen, 5 an« dere ein halbes Stipendium von 125 fl«, und die 5 übri* gen sieb auf eifgene Kosten erhatten sollen. Ueberdies

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sollen 10 junge Leute , welche schon anderwärts *die erste Lehrerbildung genossen haben, zur weiteren Aus^ bildung Ein Jahr lang den Seminarunterricht unentgelt- lich mitgeniessen y und eine Unterstiitamng TOn 100 & erhalten.

Gegenwärtig ist die Zahl der Zöglinge 40. Sie treten mit dem lOten oder I7ten Jahre ein, und be» wohnen je 2 Ein Zimmer in Privathäusern. Der Lehr- cursus ist auf 4 Jahre eingerichtet, jedoch werden die Seminaristen oft nach 3, wohl selbst 2 Jahren schoit vom Seminar genommen und angestellt, wegen des noch immer sehr drückenden Mangels an guten Leh- rern , besonders in Siidniederland. Die ersten 3 5 Monate nach dem Eintritt ins Seminar sind eine Prüfungszeit , nach deren Verlauf der Seminardi- rektor an den Generalinspektor Bericht erstattet Wer in dieser Zeit anfähig zum Schulamte aus Mangel an Talent oder dgl. befunden wird, erhält ohne Weiteres den Abschied. Besondere Erfordernisse zur Aufnahme ins Seminar sind nicht festgestellt.

Von 9 12 Uhr des Morgens und von halb d bis halb 5 des Nachmittags besuchen sie theils die Kinderschule von 40 Knaben, welche mit dem Se- minar verbunden ist, um sich darin praktisch m übeit) theils die andern städtischen Elementarschulen. Von halb 6 bis halb 8 des Abends erbalten sie Unterricht vom Seminardirektor, welcher zugleich der einzige or- dentliche Lehrer ist. Zur besseren Uebersicht der Lehrgegenstände und Seminararbeiten folge hier der Lectionsplan für die oberste Seminftrklasse*

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Montags Abends von halb 6 bis halb 8 Uhr.

1) holländische Sprachlehre mit Vorlesen von schriftlichen Aufsätzen. 2) Weltgeschichte, welche mit der vaterländischen alle 14 Tage wechselt

Dienstags Abends von halb 6 bis halb 8 Uhr. l)Rechneny 2) Schönschreiben, 3} Lesen, 4) Seelenknnde oder Zeitrechnungsknnde^.

Mittwochs Nachmittags. Von 3 4 ^r biblische Geschichte, worin alsdann die Kin- derschale zugleich Unterricht Erhält. Von 4 5 Uhr praktische nnd« von 5 6 theoretische Gesang- lehre»

Donnerstags Abends von halb 6 hls halb 8 Uhr. 1) Mathematik ä) Geometrie**). Wer hierin theoretisch nnd praktisch gute Fortschritte ge- macht hat, wird b) auch in der Algebra unterwiesaa«

2) Didaktik iondernyahunde).

Freitags Ahends von halb 6 bis halb 8 Uhr. 1) Erdbeschreibung***), Von dem zu beschrei- benden Lande müssen die Seminaristen jedesmal eine von ihnen gezeichnete Karte mitbringen. 2} Natur* l u n d e f

*) Letztere wird gelehrt nach dem T^drekenkundig Schoolboek von Tis Pblkvtyk*

•♦) Nach den Grondbeginteien der Wistunde von Stjbknstjra»

*♦'♦) Nach den Geographische Oefeningen des Seminardi- ri^ktora Psenssn,

t) Nfkch de^i JSatmtrkuHdig Schooiäoek von JBVJS* .

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Samstags Morgens von 10 bis halb 12 Uhr* 1) Singen, 2) Biblische Geschichte» Beides zugleich mit den Kinderschiilern.

Die sieb am meisten auszeichnenden Seminaristen empfangen noch Unterricht: 1) in der Kenntniss und dem Gebrauch der £rd- und Himmeiskngeln (Mittwochs Abends von 6 1 Uhr) 2) in der Moral (Mittwochs Abends von 7 bis 8 Uhr) und d) in der hochdeutschen Sprache*

Ausserdem haben die Seminaristen noch folgende Arl)eiten zn verrichten:

1) täglich wenigstens Eine Seite Schönschrift zu schreiben ;

2) jede Woche mindestens 20 Rechenaufgaben zu machen ; i

3) dem Unterrichte beizuwohnen, der in der Kin- derschule des Dienstags Vormittags in -der For- menlehre ertheilt wird;

4) aus den Büchern, wekhe ihnen zu lesen gegeben werden, Auszüge zu machen;

5) alles, was ihnen widitig erscheint und sich nicht in den gewöhnlidien Lehrbiichem findet, sich auf- zuzeichnen, und zwar in Betreff der Thecnrie der * Pädagogik und Didaktik, der biblischen Geschichte, der Moral, der Formen- und Zahlenlehre, und der Theorie und Praxis der Gesanglehre*

Ein Katechisirmeister unterrichtet 3mal wo* chentlich in der biblischen Geschichte, der Mo- ral, und die reformirten Saninaristea auch w der

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3i6

Rcligionslehre» Alle vbrigen Lebrstondeo gtbt der Direktor. Am ersten Dienstag Abend jedes Monats nach 7 Uhr versammeln sich die Seminaristen vor dem Direictor nnd dem Katechisirmeister, welche alsdann über ibr Arbeiten and Betragen im verflossenen Mo« nat lobende oder strafende Bemerkongen machen.

Maslknnlerrieht wird nicht ertheilt.

Die Zöglinge gehören tbeils der protestanti« sehen, tbeils der katholischen, tbeils der judi«^ sehen Konfession an. Vom Oktober 1816 bis da-, hin 1829 hat dies Seminar 130 Lehrer geliefert.

Das Seminar sn Lier bat bloss katholische Zöglinge, und zum Direktor Bernhai^D SchboDER aas Amsterdam. Aasser diesem hat es noch eiaeu Lehrer für die französische, und einen für die hoiräadlsche Sprache. Den Religionsunter- richt gibt ein katholischer Pfarrer der Stadt. Im Uebrigen ist das Seminar ganz wie das za H a r 1 e m . eiogerichtet.

Instructionen fiir die Seminare sind von der Regierung nicht gegeben worden, sondern dieselben sind der oberen Leitung und Aafsicht des General- inspektors untergeben y welcher mit den Directoren sich benehmend den Gang des Unterrichts jährlich re- gelt, und Einmal jedes Jahr die Seminare persönlich revidirt

Da beide Seminare jedoch den Bedarf an Scbul- lehrern bei weitem nicht befriedigen, so findet noch eine zweite 9ildungsweise zum Schalamte statt, deren ich schon im I. Band S, 320 und 321 erwät^ijt

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habe, und welches die einzige Bildungsweise ist^ die eine grosse, ja die grössere Zahl der Schallehrer ge« .niesst. Diese Jünglinge werden von einem Schulieh- rer, der sie meistens schon als Knaben unterrichtet hat, in einigen Nebenstanden täglich in den meisten Lehrgegenst'änden der Elementarschule weiter ^ so viel es derselbe vermag, unterwiesen, und zwar gewöhnlich im Lesen, Schreiben, Rechnen, der hollän- dischen Sprache, und bisweilen etwas Geschich* t e und Naturkunde, auch wohl , jedoch nicht im- mer , in biblischer Geschichte, durchaus aber nicht in der Religionslehre» Dabei werden sie in der Schule von ihm praktisch angeleitet.

Die auf den Seminaren gebildeten Schulamtskan« didaten haben bei Bewerbung um eine Schulstelle kei- nen Vorzug vor den auf die letztere Act gebildeten, sondern das Resultat der sogenannten vergleichen- den Prüfuner {p^rgelyhend Examen) entscheidet zwi- schen den Bewerbern,

Diese Concurrenz'-Priifungen, welche bei den Yacanzen aller Schulstellen in Nordnieder- land durch die Schulinspectoren angestellt, und wozu die bei der Prüfung, den Bewerbern vorzulegenden ' Aufgaben vorher im Druck bekannt gemacht werden, werden auch in Südniederland allmählig mehr Sitte.

Zur Verdeutlichung will ich di^ Aufgaben des i^rgelyhend Examen ptui mededingende onderu^yzera ncLOK eene der pijf Stadschokn Je^a GtLArENSAGS,

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gehalten den 2S. JbL lt27, weklie gedruckt vor mir liq;en, angeben. 1. Schriftliche Aafsatxe, weldie xnr Prüfung ■litxabringen seien«

1) Beweisfahrang, dass Unterricht ohne sittliche BOdang for die Gesellschaft gefährlich nnd nadi- theiljg seL

2) Eine a}grammatische9 b) logische Ana* Ijse eines Dichtverses«

8) a) Zur Prohe der Zasammenstellöng: Wie weit moss sich die Kenntniss nnd Bildung des geringeren Bofgerstandes erstrecken » nnd was moss in dieser Hinsicht von dem Lehrer in den Stadtschalen in Acht genommen, bemerkt nnd gethan werden?

6) Zar Probe des Styls: Sdiilderang des Jacob Cats aaf Zorgvliet bei dem Haag. IL 4 Bestimmte Rechnenaafgaben zu lösen* IIL Folgeude Fragen kurz za beantworten: 1} Wie nnterrichtest da die eben erst beginnenden Kinder? 2) Wie lehrst da bachstabiren ? 3) Was ist die Laotirmethode ? 4} Wie lehrst da sie lesen? 5) W'as ist gat lesen? 6) Wann beginnt dein Un- terricht im Schreiben? 7) Welches ist deine ün- terrichtsweise hierin? 8) Wann beginnt dein Un- terricht im Reebnen? 9) Welchen Gang gehst da in diesem Unterricht? 10) Wann beginnt dda Unterricht im Singen? ii) Wie lehrst da das Singen? 12) Wie lehrst da die Moral? 13) Wie lehrst da die Erdbcschreibnng? 14) Wie lehrst

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du die allgemeine Geschichte? 16) Wie lehrst du die valerländische Geschichte? 16) Wie bildest du deine Zöglinge zu braven Kindern? 17) Wie erweckst du sie zur Furcht gegen Gott, zur Ach- tung gegen den König und zur Liebe gegen das Vaterland?

Erwähnung der biblischen Geschichte und Priifung darin tehlt hiernach ganz.

Die Anstellung der Schullehrer geschah In Nordniederland bisher auf folgende Weise i Bei Erledigung einer Stelle hatte die Ortsbehörde so- gleich dem Schulinspector davon Kenntniss zu geben^ welcher sich darauf mit den das Berufungs - oder Wahl -Recht Besitzenden über die Wiederbesetzung benahm 9 und längstens 4 Wochen nach geschehener Erledigung dem Generalinspector zur Einrückung in die Schulzeitschrift: Nieuwe Bydragen etc. eineAn- liindigung der Vacanz zuschickte, welche zugleich einen Aufruf an die etwaigen Bewerber und eine Bestimmung des Tags der vergleichenden Priifung, und die hierbei zu erfüllenden Bedingungen enthielt.

Das Protokoll, welches der Schulinspector über die' darauf angestellte vergleichende Prüfung aufgenom- men, wurde von den dabei gegenwartigen Wahlberech- tigten mit unterzeichnet, und sodann nebst den auf ei- nem besonderen Blatte aufgezeichneten Bemerkungen der letzteren über den von ihnen vorzugsweise em- .

pfohlenen Kandidaten, so wie mit einem besonderen Berichte des Schnlinspectors an den Gouverneur - der Provina längstens 14 Tage nach gehaltener Pni-

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fimg gMmdt DitMT ackidtfe et mit seinem Beliebte an den Minister des Unterrichts, weldier4Sng- stens 4 Wochen damndi Anrdi den Goayemeur deü Wahlberechtigten die Airfoiisation zur Behifiii^ oder Anstellung ertbeilte.

Diese Weise der AnsteOnng grSndete sidi anf das i Sdittlgesets tron 18M ond auf mehrere Yerordnnngea ▼on 1814, 1817, 1818, 1823 nnd 1824.

Durch das K5nigL Decret vom 27. Mai 1830 (vgl. S. 174, 175«) ^hat diese Weise euuge Hodifika- ' tiooen erlitten, vomnter die wesendichste die in Art, 2 des Decrets enthaltene ist.

Hiernach will das Ministerium des Unterridits (des Innern) künftig bei Anstellung der Schallehrer bloss in solchen Fällen eingreifen, wo bei den dabei betheiligten Beamten oder Behörden Verschiedenheit der Ansichten, Beschwerden oder Bedenken obwalten« In allen anderen Fällen soll der Provinzialgonvernenr ohne Weiteres znr Bemfang oder Anstellnng überge- hen lassen, wenn die bestehenden Yer^rdnongen gehö- rig befolgt sind.

Nach Art 1 *des königl. Decrets soll die Antoxi* satiön Som Errichten von Elementarschulen künfiig in Jen Städten den städtischen nnd auf dem Lande den Ortsbehöraen unter Genehmigung der Provinsialstaaten sttstehen.

Mach Art 3 soll bei Erledigung eines Schnlin-^i; spectorats die Provinzial - Scbuleommission einen Yer^' schlag (nr die Besettnng an die ProTinzialstaalen

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ienden, welchen diese, mit .2 Pel^onen , wetiii sie irill^ tennefart ans Ministerinm des Dntemchts befördert

Nach Art 5 soll allen SchdUehrem wo möglieh eine fx^i^^ Wohnung und ein Garten^ s6 wie ein festes ' Einkommen und Schulgeld zugewiesen werden*

Nach Art 7 soll ^Minimum des festen Ein* ' kommens für die Lehrer jeder Klasse und ein Maxi- mum des Schulgeldes bestimmt, so wie die Anordnung getroffen werden, dass das Schulgeld richtig einkonunij^.

Nach Art ä soll jeder Schulamtskandidat, der die üäthigen Kenntnisse (iat, wo er sie auch Erhalten häbea taag, zur Prüfung zugelassen werden.

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Licht" und Schattenseiten der ]Ele- mentar^chulen und Schullehr er se-: minare.

Indem wir nun zur Beurtheilang dei Volkn- Schulwesens N i ed crl a n ds übergehen, können * wir nicht umhin , suei;^! unsere Freade auszusprechen über die vielen wesentlichen Yerbesserangen , welche sowohl im Aeusseren als Inneren der Schalen« beson- ders seit der Thronbesteigung des edlen oranischen Fiirstenhauses stattgefunden haben , dessen erleuchtete. Regierung unbestreitbar den grössten Antheil an die«- sen Fortschritten hat.

Südniederland steht hierin zwar immer noch weit gegen «Nordnieder I'a n d zurück. Wenn man indess bedenkt, dass dort erst seit 15, hier schon seit länger als 49 Jahren an der Veibesserung der Schnleii gearbeitet worden, dass hier ingleich die evangelisdif Refigion^ ihren wohlthätigen Einfluss auf die Sdinle«

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Itets in gewissem Grade geltend gemacht, so kann man mit den bisherigen Fortschritten des sudniederlandw sehen Schulwesens sehr zufrieden fieid« ,

Das Verhältniss beider TheÜe des Königreichs in dieser Hinsicht zu einander ersieht man aus folgenden Vergleichungszahlen) welche den tabellarischen Ueber« sichten entnommen sind« die der Minister des unter« richts seinem iiber das Schulwesen des Jahr 1825 an die Generalstaaten im 1827 erstatteten Berichte bei« genügt hat. \

Nordniederland hat 10*73 Gemeinden und im

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J. 1825 1835 Gemeindeschulen mit 196,248 Schillern«

Siidniederland hat. 2645 Gemeinden und im J. 1825 2054 Gemeindeschulen mit 178,722 Schülern.

Hierzu kommt die Zahl der Schiller auf Privat-* schulen ) in Nordniederland 53,383 9 in Südnieder« 'land 119,858, so dass die Summe aller Schüler in Nordniederland 249,631, und in Südniederland 307,580 beträgt. Hiernach kommen in erst^rem auf je 1000 Seelen 1092/^00 Schüler, und in letzterem 79^/ioo. -" Jedoch besuchen von 177,365 Kindern, welche in den kleinern Städten und Gemeinden Nordniederlands un- ter 6000 Seelen des Winters Schulunterricht empfan- gen, im Sommer nur 135,883 die Schulen, so dasä 41,482 während dieser Zeit ohne' Unterricht sind«. In Südniederland ist dies Verhältniss noch starker, ^o dass daselbst von 215,524 Winterschülern nur 84,354 des Sommers Unterricht erhalten, also 131,170 denselben

die Hälfte des Jahres hindurch entbehren.

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setzen. Die Lehrmittel sind in vielen Schulen be- deutend vermehrt worden , auch bessere L e h r m e * 1 h o d e n verbreitet , sowohl durch die beiden Schul- lehrerseminare , als auch vorzüglich durch die soge- nannten Normallectioncn (normale lessen) , wel- che nach Art unserer methodologischen Lehr- curse in den meisten Provinzen gehalten werden. Schu 1 lehrerverein e 9 welche sich zur Haltung von Schulconferenzen verbunden haben , gab es im J. 1827 364 mit 5316 Mitgliedern. In Brüssel ist auch ein solcher Verein von Lehrerinnen. Ferner haben sich mehrere Gesellschaften zur Verbesserung des Unterrichts gebildet, theils um die gegenseitige Unterrichtsmethode zu verbreiten, ^vie in Brüssel, theils um gute Schulbücher drucken zu lassen, und wohlfeil zu verkaufen und dg]., wie im. Orossherzogthum Luxemburg, und seit dem J. 1825 in der Provinz Namür. ^ Die A rmenschulen, llandwerksschulen und Mädchenschulen werden sehr vermehrt, auch erhalten die königlichen P r 1 m ä r s c h u I e n (Musterschulen), welche in Südnie- derland bestehen, eine grössere Ausdehnung, und sol- len namentlich Lehrerinnen für die Mädchenschulen bilden helfen, weshalb durch einen königl. Beschluss vom 9. Jul. 1827 20 Stipendien, für solche zu bilden- de Lehrerinnen gestiftet worden, -— Warlschulen, worin die kleinen noch nicht schulfähigen Kinder auf- bewahrt werden, sogenannte Mätressen - Schalen (be* fffacirsc/iolen) gibt es in den grösseren Städten viele, aber der eigentlichen Kleinkind er schul eh, wo

aacb dem Yorbild der englischen InfantachodU mft diesen kleinen Kindern ein Anfang in der Erziebang und dem Unterricht gemacht wird, gibt es leider noch sehr wenige, nur in Amsterdam vnd BriisseL Indess fühlt die Regierung ihren hohen Werih, vsd wirkt auf ihre Vermehrung hin *)•

Nach dem ministeriellen Berichte von 1829 haben die Gemeinden snr Verbessening des Cnterrichta im 1827 1,052,483 ff. gegeben, wovon

451,811 £!• für Bauten und Meublimng der Sdiiilen» 375,938 £1. für feste Lehrergehalte»

58,585 fl. den Lehrern aus andern Ursachen» 120,165 fl. für Heizung' und andere Aasgaben. Die Provinzialstaaten haben in demselben Jahre im diesem Zwecke gegeben 06»7O7 fl., und die Staats-^ easse 316,361 fl.» worunter

57,061 fl. für Bureaukosten der SchvlcommtsttOiieii, 30,342 fl* für Normalscbulen» 6,000 fl. für die Normaliectionen^ 6,200 fl. für die Lehrervereine, 159,578 Ifi. fdr Lehrerbesoldungen, 60,712 fl. Uiiterstüftung für Schulbauten und Repa* raturen, xh.

BÄBß fl. Gratifikationen,

*) Gine aasführlicbe Geschichte der allmähligen Ver- besserung der Schulen und des Unterrichts gekört nicht hierher. Wer sie kennen zu lernen wünscht» . den rerweise ich auf A. J. Berkhput (Predigers >u Zaandyk) Pröeve eener beknopte geichiedemSk van Aet iager oJKfcrtpyt im ong vmieritmi. Am»t^dmm

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. £ioe besondere Lichtseite der Schiiiorgttiisap*, tion ist die Einiicbtung, diss sich die Schiilconi'^ missiooeii jeder Provinz dreimal jährlich in der Proviosialhauptstadt zvl gemeinsamen Berathungen Ter>.. ^ sammelt Diese können^ nicht anders als wohltfaätig auf das Schulwesen der ganzen Provinz wiiJLen,

Eine solche Einrichtung wird in nnserm Preus- sen noch schmerzlich vermisst £iQ ähnliches Zusam-^^ qienkommen der Schnlpfleger in jedem JRegierungsbe«». airle, etwa 2mal jährlieh, um in Gemeinschaft mit dem . Kegierungs - Schulrathe das Wohl der Schulen zu he- rathen, wurde eine grössere Einheit in das Schulweseil - bringen, deren Mangel sehr nachtheilig wirkt, wiirdf kräftige Maassregeln treflea nnd ausführen lassen, uni: sowohl das in manchen Schulen vorzugsweise bestehen-r de Gute in alle übrigen zu verpflanzen, als auch ein-^ gerissene Unordnungen und Mbsbräuche abzuschaffen» würde der unbegrenzten * WiUkühr .Schranken <setzeii»T womit z. jeder einzelne Schulpfleger und jeder. Scbulvorstand beliebig Schulbücher einfuhren kann,. «^ so dass oft in B an einaiider' grenzenden Schulen. 6 versdiiedene Lesebücher eingeführt sind, und- Aeltero, 'welche mehrmals . ihren Wohnort verändern . müssen, eben so oft neue Schulbücher für {ihre Kinder anzn- . achafTcn genöthigt sind, «^ würde dm in den Schulen gegen andere vernachlässigten Unterrichtsgegenständen, a. B. dem Kirchengesang, neuen Anstess gefaen,> und sfe nach einem gemeinsamen' Pl^e betreiljito. lasten.» etc. etc«, würdt eodlidi auf .die Scha||^e-'^

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M Selbst, und dadarch auch aiiiP die SeKallelupCv und Sdinlrorsliuide neabdebeod cunwirken. ,

Die Ordnnngy Reinlichkeit, AaCmerk«« sankeit und Pffenheit dcf Schüler im Aalvraf^ tUMf ireidie ich in vielen Schalen fand, habe ich. cdMNi- |»ereits mehrmals gerahmt Auch die Gewan^dtlieit ▼on vielen ihrer Lehrer im Unterrichten und Erhalten det Ordnung erkenne ich gerne an. Indesi habe ich obd eben so wenig verschweigen können,' dast ieh ni andern Schalen viele Unordnang fand, und grossen Mangel an Gewandtheit und Geschick, die andern Bossen, welche der Lehrer n|cht eben selbst unterriieh«r täte, gehörig zu beschäftigen. Da nun gar viele Ge« ii^einden nicht im Stande öind, wenn die Zahl Ihrer Sehalkinder sich über 70 erstreckt, einen «weiten Leh- rtfpy'wie die Schulordnang vorschreibt, an besolden, so würde es für die Ordnung , wie für das Lernen der Schüler sehr wohlthätig sein, wenn das englische Mot nitOF-System der wechselseitigen Unterrichtsmetho^ de ia aosgedebiiterem .Umfange, als bisher, in den nie- derländischen Schulen benutzt würde* Benutzt, tage idi, nicht sclavisch übertragen, nicht in allen i^en TheO^ angenommen, nicht angewandt auf das Ldureii der I^iblischen Geschichte, der Religion,* der Erdbeschreibung, des Singens und dgL, Aber da es in jeder Elementarschule noch so mand» andere UntecHchtsgegenstande gibt, welche nur dmch Gedächtttisa und Uebnng suv Fertigkeit gebracht trcr«^ den, als Leaenr, »chreiben. Rechnen, Zeich«» ifii^ nnd d|^^TM».wiir(^ «ine veniialtige, seihst iA

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diesen Gegenständen nur bis za, einer gewissen Stufe sich erstreckende Anwendung des Unterrichtens durch die fähigsten Schuler die Kinder aller Klassen gleich-t massiger beschäftigen, welches doch die. wenigsten Leh- rer iiir sich allein vermögen; die Selbstthätigkcit des kindlichen Geistes würde mehr angeregt und unterhalb ten; die Kinder lernten besser verstehen, was sie ge« lernt, (docendo dlsanius) -r-^ was freilich die eitle Selbstgefölligkeit so manches Lehrers nicht einsieht der nicht fühlt , dass er bei seiner Magistralform (wie der verdienstvolle Pater GiRARD in seiner treff- lichen ersten Denkschrift über die Unterrichtsformea die Form nennt, wo der Lehrer das alleinige Orgaa des Unterrichts Ist), sehr oft von einem Theii s^ner Schüler nicht verstanden wird, da sein Unterricht nicht ihqen allen, die so^ vielfach in Fähigkeiten von einan- der abstehen, zugleich angepasst werden, und er meist nicht sie alle prüfen kann, ob sie ihn verstanden; die individuelle Anpassung des häuslichen Unterrichts vrürde mit der Lebendigkeit des öffentlichea Unter« richts verbunden; endlich, was mir der wichtigste Vpr« zug scheint, das Lehrtalent würde in den Kindern entn wickelt. Denn v aus diesen Schülern werden mit der Zeit Väter und Mütter ; diese aber sind dem Kinde von Gott als die ersten Lehrer angewiesen. Woher anders aber kommt die so verderbliche Planlosigkeit ^imd Mangelhaftigkeit in dem Erziehen und Unterrich- ten der meisten Aeltern, als weil sie selbst nicht ge- lehrt wordep siad, wi^ zu erziehen mi ^^ leh-e iren?

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Audi in den aclsten. unserer devtichen, Tor- sS^ch Landschulen, wo ja gewöhnlich doraelbe Fehler herrscht» das& der allein stehende Lehrer nicht allcto Klassen »igleich gehörig beschäftigen kann, wurde solche yernfinftige Benutzung obigen Sjstems sehr wohl- tfaätig wirken*)»— Mehrere« hierüber wird. in dem fol- genden England betreffenden Tbeile bei der Bar- slellang der LANCASTERschen und BBJ^Mciiea Schulen ▼orkommen.

Eine andere Schattenseite in den nmderlän» dischen Schulen ist 'wohl zu nennen die Vernadinissi-, gung der Formenlehre, des Singens und des Zeichnens, da sie doch so bildend auf den Ver* stand, das Gemiith und den Geschmack wirken« Da ohnehin ein Kartenaeichnen statt findet, so könnte dei; Zdchnenuntemcht. leicht mehr ausgedehnt werden.

Ein Fehler, der mehr die Schulorganisation be-« trifll, ist der, dass nicht der geringste Schulzwang« Torhanden isjt,. und somit der Schulbesuch nicht die Yolbtändigkeit wie in andern Ländern z.B. Deutsch- land, der Schwifiz u, a. erreichen kann. Die unbe- dingte Freihät, die Kinder zur Schule zu schicken, oder nicht, wird alsdann von der grossen Anzahl an- ▼eralindiger und eigennütziger Aeltern in der Regel dazu missbraucht, die Kinder mechanisch zu ihrem ir-.

f^) Auch NiEME^YBR im .11. Bande seiner BeobachtniH gen auf Reisen in und ausser Deutschland S. 1&5. 150. erklärt sich dafür, däss dies System in unam' ikehtrfer mehr benutzt >¥«rden müsse,. ab bisher ge^ . schehen. ~

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Jiscben Vortheil abzuricbten^ und roh aufwachsen zo lassen, gegen ihr eigenes und der Kinder wahres Wohl wie gegen das Wohl des Staates.

Auch in unserer Provinz ist daher seit einigen Jahren Schalzwang eingeführt worden 9 -und es ist nur zu bedauern, dass er bei weitem nicht strenge genug gehandhabt wird.

Noch zwei grössere und verderblichere Gebrechen gibt es aber, an welchen das Innere des niederländi- sehen Schulwesens leidet.

Das erste Gebrechen ist die in den meisten Schulen vorherrschende Anregung des £hrgeizes als des Haupthebels, um die ILinder zum Fleiss und guten Betragen zu vermögen. - Die gewöhnlichsten der vielen Mittel, durch welche dieser sinnliche Ehr- trieb in den Schulen übermässig genährt und gepflegt vird, die Seh and- und Ehrentafeln, die Aus- theilung von Kärtchen, um Preise erringen zu las- sen, habe ich S. 56 und im I. Band S. 321 323 angeführt. Die Gesellschaft zum Gemeinwohl liat vorzüglich dieses Preissystem ausgebildet, und durch ihre Departementalschulen über ganz Mordnieder- land verbreitet*

Dass die Aufmerksamkeit und Regsamkeit der Schüler durch dies beständige Vorhalten der Hoffnung auf äussere, sinnliche Belohnungen befördert wird, will ich nicht läugnen. Wird dadurch aber so viel gewon- nen, als der Seele des Kindes dadurch geschadet wird, dass der von Natur darin liegende unreine Funke des Ehrgeizes, statt ihn mit aller Macht zu dämpf(Hi and.

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SO ersticken, wie die Sdirift gebietet, vielmehr mit 9lU 1er Macht angefacht wird %vl einem wilden Feuer, das, alle Keime der Demnth and AnSprachlosigkeit yerseh^ rend, die ganze Seele mit Untaaterkeit füllet, an nei- disches, hoch&hrendes, eigeüsiichtiges Streben nach un discher Ehre, Genoss and Belohnung xnr Grandcfch» long seines Lebens macht, and die höheren Triehfe« dan> das Streben nach Ehre bei Gott, nach dem Bei- ftll seln^ Gewissens and nach Beförderang der Ehre seines Heilandes anterdriickt ?

S^hr wahr sagt in dieser Beziehitfig C, Zell« W£GER, Präsident der Cantonsschale yen * Appenzell aasser Rohden in seinem JNieuen Verhandlangen der schweizerischen gemeinnützigen Gesellscbaft iiber Erzie- hangswesen, Gewerbfleiss and Armenpflege HL Band ZSrich 182T S. 257 £C; „Es liegt Id der Sache, dass „das Kind dasjenige, was 'ihm als Preis des FleisseS' „and der guten Handlungen dargeboten wird, aber aU yjles hochschätze. Daher ^ wenn dem Kinde Leckerbis- „sen als Preis dargeboten werden^ so wird es gewiss „sinnlich* Eitelkeit wird bei ihm vorherrschend, wena „schöne Kleider ihm zur Belohnung gegeben werden, „Genusssucht wird die Folge sein, wena Belastigangen ^,die Begleiterinnen der Pflichttreue sind, and eben so yywerden durch Belohnungen an Geld oder Ehre dar „Geld- oder Ehrgeiz eingeprägt Ist es aber nidii „eine Sünde an deir Religion and an der Menschheltir „wenn wir alles Mögliche anwenden, diejenigen Ld- .' „denschaften dem Kinde anzuerziehen, welche von der »ReUgioQ gemiisbiUigt werden , and gegen die pt «am

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$^ganzes Leben dntch kämpfen soll? Ist das nicht eine „Inconsequenz, deren Verantwortung schwer auf nn- 9,serm Gewissen lasten soll? -Schon Locke und seit 9,ihm eine Menge Philosophen und Erzieher, haben die ,,Aeltern aufmerksam gemacht , wie sie durch ein isol- 9,ches Benehmen den Kindern die Laster und Fehler ,,lehren» Warum wollen wir denn die Schulen , diese ,,£rziehungs- Anstalten, welche auf das ganze Volk ,,wirken, zu Uebungsstätten der Leidenschaften und ,,Lehrstätten des Lasters einrichten? > Glaubt man ,,ctwa, es gebe keine andere unschuldige Mittel, die 9,Kinder zur Erfdliung ihrer Pflicht zu leiten? Man 9,versnche es, und gewiss wird sich die Gottähnlicfakeit „im Kinde aussprechen. $ollte der göttliche Stifter „unserer Religion umsonst gesagt haben: £s sei denn, „dass ihr werdet wie die Kinder, sp werdet ihr nicht „in das Himmelreich kommen? etc» Mir scheint nn« „zweideutig, dass die Belohnungen mit Geld und Ehre „den Durst nach diesen Gütern, das Princip der Nach- „eiferung, durch die ganze Erziehung durchgeführt, „jenen Geist der Unruhe in Genf wie in Frank- „reich erzeugen mussten, der in den meisten Herzen „Unzufriedenheit zurücklässt, so lange man Höhere „über sich stehen sieht Sollte daher nicht dieses 9,Princip der Nacheiferung als eine der wichtig mltwir- 9,kenden Ursachen der französischen Revolution und „der Genfischen Unruhen, jenes nngliickbringenden „Strebens, Jeden von seinem Platz zu verdrängen, um „sich an seine Stelle zu setzen, angesehen werden kön- „nen? Nac Eine Art Nacheifernng ist immer

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^nützlich, und niemab schädlich» der Nadieifeiv ^miserm Heflande ähnKch m werden. Diesen beför- ,,dere man bei den Kindern! Dieses Master der voll* ,,lommensten Tagend, der höchsten Liebe, der gr^jssten ,,Standhaftigkeit , der gänzlichen Ringebang, der nnbe« „grenzesten Pflichttreae » , der erprobtesten 'Webheiti '„dieses ist ein der Nacheiferang würdiges Beitel«. „Dieses kann man dem Kinde ohne die' geringste Ge* „fiihr als Master vorstellen, dem es nachstreben soU, „and je mehr Eifer es dabei entwickeln wird ^ desto „glücklicher wird en werden.** .

Uebereinstimmend mit diesen Ansichten von den h(khst verderblichen Wirkungen jenes Naehttferongt^ iPrincips kann ich nicht nnihin cn gestehen, dass an dtf Veiten, sehr weiten Verbreitung der Eitelkeit nnd At^ ilasdie)is nach äusserer Ehre» welche jch in Holland gefunden habe, mir dies Herrschen jenes tanlanteren Princips in den Schalen nicht wenig beigetragen xa haben scheint.

Manche Schullehrer haben auch bereits die Ter« derblichkeit dieses Princips eingesehen , nnd , wie mir mehrere derselben in Friesland und Gelder'land versicherten, dasselbe aus ihren Schulen entfiornt s Selbst in Schriften haben sich mehrere gewicht^ Stimmen dagegen erhoben. Unter ihnen hat am ünt*? , ^ten Aufsehen erregt die Schrift des um das niem* Bndische Schulwesen seit langer Zeit verdienten', aoflck schon oben erwähnten Pfarrers und Schulinspectota. H. W. d A. YissER in seiner Sehrift: Be porming itr Jetigd iioor opanfyhe m p&rgtfy/mnde Bähonmgm

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wn Straßen mti Esr ^n Schande, Amsterdam b^i P. M. Warnars 1824, Er seigt hierin den nachthel- ■ligen Eipflass dieses Systems der Aufregang des £hr^ geizes auf die Herzen der Kinder, auf ihre Sittlichkeit^ uri4 thut dar, dass eben so ungerecht sei, bei den ver^ schied^nen Anlagen der Kinder, sie mit einander, und nicht bloss mit sich selbst za vergleichen, als unver^ nünftig, ihnen Verdienest zuzuschreiben , und sie beson- derer Belohnungen vürdig zn erklären, wenn sie doch nur ihre Schuldigkeit thun, und bloss fiir sich selbst arbeiten, ohne Aufopferung für Andrer Wohl (S« 30« 31). Er thut ferner dar, dass der Stachel des Ehrgei- xes, selbst wenn nur theilweise und als blosses Hulfi- mittel angewandt, schädlich wirke, und später nicht mehr vom Lehrer nach Gefallen aus des Kindes Her- ten weggenommen und durch höhere Motive vertauscht mrerden Icönne, wenn das Herz einmal dadurch unlauter geworden sei*

Schade nur, dass er, indem er diesen ein eil ialschen Grundsatz der philanthropinischen , Schule glücklich bekämpft , ihren andern durch die Schrift und Erfahrung widerlegten Irrthum festhält, dass * des Kindes Herz von Natur gut sei, und die bösen Triebe, so auch der Trieb des Ehrgeizes erst durch -den Geist der menschlichen Gesellschaft und durch die Menschen in dasselbe gelegt wSrden (S* 37). Der Stachel der Ehrsucht sei daher im Anfang etwas ganz Fremdes fiir das Kind (S. 40) und mit seiner Natur etreitig« Das Kind brauche nur als vernünftiges und tittliches Wesen entwickelt za werden, gute Verhält-

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hisse und Exempel in seiner Jagend zn getaiesseü, so könne der Lehrer unwiderstehlich auf das Kind wirken, und es zu allem Guten und Edlen bilden (S. 79). Die Entwickelang der Liebe zu den Aeltern und dem Lehrer sei das einzige, was der Lehrer näthig habe, lu thun, am alles bei den Schülern auszurichten, alle Strafen und Belohnungen würden dadurch überflüssig (S* 90)» Er geht daher so weit, dass er zu keiner Zeit und unter keinen Verhältnissen ein Kind auch nur ror den Mitschülern öffentlich getadelt wissen will, danut sein sittliches Grefühl nicht gekränkt werde« Sondern, wenn z. B. zwei Kinder mit einander plaudern, soll der Lehrer, statt sie öffentlich zurechtzuweisen, ihnen aufgeben^ ein Gespräch niederzuschreiben, das sich auf die Plauderhaftigkeit beziehe, damit sie hierdurch ihren Fehler fühlen« Oder er schreibe, wenn ein Fehler von Mehreren begangen worden, an die Tafel die Haupt- sache, ohne specielle Anspielung auf das Geschehene, und lasse sie einen Aufsatz darüber machen (S. lOO)* So verfehlt auch er, *— ich. will nicht einmal dtf* von reden, dass diese überzarte Handlungswei^re oft nicht anwendbar ist, und viel zu viele Zeit wegnimmt den rechten Weg der Schubocht, indem er das sittliche Zartgefühl und die guten Keime des Kindes überschätzt, die in ihm liegenden bösen dagegen ver- kennt, im Widersprach mit der Schrift, dass das Diehf- ten des Herzens böse ist von Jagend auf. So fasst auch er die Kindlein nicht zu Jesu kommen^ dass dankbare Liebe zu ihrem Erlöser ihr Herz rühre, die ab der stärkste und allein bleibend anziehende Magnet sie

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2u seiner Nachfolge, und somit auch zar Tugead de^ Fleisses und des gaten Betragens treibt, ^o lässt et sie unbekannt mit i^ren gefährlichsten Feinden , den bösen Lüsten Ihres Herzens, wie mit der PlauptwafTe dagegen , mit dem Bitten um den h. Geist. So weist er sie von Christo weg, indem er sie immer nur auf sich selbst, auf Ihre eigene Kraft hinweist *).

Das zweite Hanptgebrechen, woran das In- nere des Schulwesens leidet, Ist, dass die Schulen fast alles religiösen Elementes entbehren, und aus aller, Be- ziehung tM der Kirche losgerissen sind.

Harnisch sagt: „Allgemein wird es anerlanntj dass in jeder Volksschule der Unterricht im Ghri-> stenthume der wichtigste Unterrichtsgegenstand „sei; und wer es nicht anerkennen wollte, würde sich ^^selbst schämen, so etwas auszusprechen"**)* Der

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*) Welches' die allein richtige ächulzücKt Sei, das^ dies die räterlicll-strenge Zucht nach dem Bll^ de Gottes in seiner Erziehung 'des Menschenge-, schlechts, \i'ie die h. Schrift diese offenbart, sei, wird in der trefflichen Schrift: Lehren der Erfah- rung für christliche Land- und Armenschullehrer, im IIL Bande, welcher die Schulzucht enthält^ Ton Ch. H. Zeller, Schulinspektor zu Brug- gen, aufs überzeugendste nachgewiesen,

**) Anweisung zum Unterricht im ChristentKum , voil W. HaKnisch, Direktor des SchuUehrerseminarä zu Weissenfeis. S. 1. Halle Anton 1828.— Auch in Beckedorffs Jahrbüchern des Preussischen Volksschulwesens 1825 I. Band III. Heft S. 285 heisst es: „Der Religionsunterricht ist in der Schule die Hauptsache, <' II. 22

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tiisse und Exempel in seiner Jagend zn getaiesseü, so könne der Lehrer nnwiderstehlich auf das Kind wirken, nnd es zu allem Guten und Edlen bilden (S; 79). Die Entwickelang der Liebe zu den Aeltern und dem Lehrer sei das einzige, was der Lehrer nöthig habe, in thnn, am alles bei den Schülern anszorichten, adle Strafen and Belohnungen würden dadurch iiberfi&ssig (S* 90)» Er geht daher so weit, dass er za keiner Zet und anter keinen Verhältnissen ein Kind aach nur ror den Mitschülern öffentlich getadelt wissen will, damit sein sittliches Gefühl nicht gekränkt werde« Sondern, wenn z. B, zwei Kinder mit einander plaudern, soll der Lehrer, statt sie öffentlich zurechtzuweisen, . ihnen aufgeben^ ein Gespräch niederzuschreiben, das sich auf die Planderhaftigkeit beziehe, damit sie hierdurch ihren Fehler fühlen« Oder er schreibe, wenn ein Fehler von Mehreren begangen worden, an die Tafel die Haupt- sache, ohne specielle Anspielung auf das Geschehene, nnd lasse sie einen Aufsatz darüber machen (S. 100)* So verfehlt auch er, •— ich. will nicht einmal dtf* von reden, dass diese überzarte Handlungswei^re oft nicht anwendbar ist, und viel zu viele Zeit wegnimmt den rechten Weg der Schulzocht, indem er das sittliche Zartgefühl and die guten Keime des Kindes überschätzt, die in ihm liegenden bösen dagegen ver- kennt, im Widerspruch mit der Schrift, dass das Dieb- ten des Herzens böse ist von Jugend auf. So Tasst auch er die Kindlein nicht zu Jesu kommen^ dass dankbare Liebe zu ihrem Erlöser ihr Herz rühre^ dit ab der stärkste nnd allein bleibend anziehende Magnet sie

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seiner Nachfolge, und somit auch zdr Tugead de^ eisses und des guten Betragens treibt, ^o lässt et i unbekannt mit i^ren gefährlichsten Feinden, den Isen Lüsten Ihres Herzens, wie mit der PlanptwafTe igegen , mit dem Bitten um den h. Geist. So weist

sie von Christo Weg, indem er sie immer nur auf :h seihst, auf ihre eigene Kraft hinweist *).

Das zweite Hauptgebrechen, woran das In- ire des Schulwesens leidet, ist, dass die Schulen fast les religiösen Elementes entbehren, und aus aller, Be- ehung tiu der Kirche losgerissen sind.

Harnisch sagt: „Allgemein wird es anerlanntj lass in jeder Volksschnle der Unterricht im Ghri- stenthume der wichtigste Unterrichtsgegenstand ei; und wer es nicht anerkennen wollte, würde sich lelbst schämen, so etwas auszusprechen"**)* Der

*) Welches' die allein tictitigö ächulzücKt Sei, das4 dies die räterlicllrstrenge Zucht nach dem Bil- de Gottes in seiner Erziehung 'des Menschenge- schlechts, \i'ie die h. Schrift diese offenbart, sei, wird in der trefflichen Schrift: Lehren der Erfah- rung für christliche Land - und AiiuenschuUehrer, im 111. Bande, welcher die Schulzucht enthält, Ton Ch. H. Zeller, Schulinspektor zu Brug- gen, aufs überzeugendste nachgewiesen,

**) Anweisung zUm Unterricht im ChristentKum , voil W. HaKnisCh, Direktor des Schullehrerseminarä zu Weissenfeis. S. 1. Halle Anton 1828.— Auch in Beckedorffs Jahrbüchern des Preussischen Volksschulwesens 1825 I. Band III. Heft S. 285 heisst es: >,Der Religionsunterricht ist in der Schule die Hauptsache. <' II. 22

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Geist des Unglaubens aber, der seit der französischen 'Revolution von Frankreich aus iiber so viele Länder kam 9 erkannte weder dies an, noch schämte sich, es auszusprechen. Unter dem Einfluss dieses Geistes wur- den die organischen Gesetze für das Schulwesen Hol- lands gegeben» Jammer, dass, als seit der Bestanra- tiön ein besserer Geist von der höchsten Behörde aus- ging, die Schulgesetze nicht in diesem Geiste modifl- c;irt wurden!

Wie oben bemerkt, ist nicht einmal das Gebet den Schulen für jeden Tag vorgeschrieben, geschieht daher auch in vielen Schulen nicht täglich; das. Bi- bellesen ist selbst aus den rein evangelischen Schu- len verbannt; die Scfaullesebiicher athmen meist einen nichts weniger als christlichen Geist; aus dem Katechismus darf nichts gelernt w'erdtö; Beli- gionsunterricht findet nicht statt, und biblische Geschichte nur Einmal wöchentlich , in manchen Schulen gar nicht» Wie selten diese aber auf die rechte Weise gelehrt wird^ lässt sich theils aus dem Geiste der BScher abnehmen, welche hierbei zum Leit- faden dienen, worin oft Christus bloss als der sittlich- ste Menschenfreund und der grosseste Wunderthäter dargestellt, aber seines Hauptzwecks: seiner Versöhnung der siindigen Menschheit mitGott^ gar nichts oder no^ beiläufig erwähnt wird*},, theils daraus^ das« der grösste

*) Sd fand ich es z. B. in dem vielgebrauchten Buch<f: De G0iehigäemi$ van Jest^u, eem täethoek veor Kimde' rim^ d00r J^ A, Oosi?K4MT* Groningen bei OoM" KJska 18^3«

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Theil der SchulleHrer, welche bloss Von Schullehrerii heraDgebildet werden, entweder gar nicht, oder doch nur dürftig von denselben darin unterrichtet wird, wie denn auch kein Lehrer, weder bei den vergleichenden Prüfungen, noch selbst bei dem Antritt seines ersten Schul-Amtes in der biblischen Geschichte geprüft wird. Nach Art. II. der Verordnung über die Prüfungen der Schulamtskandidateil besteht die ganze Prüfung über religiöse Gegenstande in nichtsi weiter, als dass am Schluss des Examens einige Frageü an sie gethaü werden über das Anleiten des Verstandes der Kinder zur christlichen Tugendbetrachtung^ öAet wie Art. V. in den später erschienenen Bestiniitiuiigett über die Prüfungen in Südniederland es noch schwächer ausdrückt: zur religiösen Tugend betrach^ tung, um auch die letzte Spur des Christlichen zu ver-> wischen. Dazu kommt, dass die bloss von Schulleh- rern zum Schulamte Herangebildeten , ebenso die nicht-reformirten Seminaristen zu Hartem gar keinen höheren Religionsunterricht, die reformirten Se- minaristen ihn aber nicht einmal von einem Geistlichen erhalten. Die Religion wird «o wenig in Betracht ge- zogen, dass nach dem Schulgesetze katholischem Schullehrer rein evangelischen Schulen, und um- gekehrt evangelische Lehrer rein katholischen Schulen vorgesetzt werden können, und nur die Furcht vor der öffentlichen Meinung es in det Regel nicht zulässt.

Die Losreissung der Schule von aller Verbindung mit der Kirche ist so gross, däss der Pfarrer als Pfarrei^

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nicht einmal Mitglied des Schalvoi^landes iiber sieine Pfilitschnle, viel weniger Vorsitzer des Schnlvorstandes ist, also nicht das geringste Aufsichtsrecht über die Schale hat, wenn er nicht etwa vom Schulinspector su der' von demselben, beliebig gebildeten Localschulin- fpection mit herangezogen worden ist* So darf der Yiater der Gemeinde sich nicht um die ErziehnngS'^ und Unterrichtsweise seiner Kinder in der Schale be« IcSmmem, darf sich nicht mit dem Lehrer von Amts- wegen über dessen Lehrweise benehmen , noch ihn^ mit Rath nnterstutzen, sondern muss ihm seine Kinder, für die er doch aach 'einst muss Rechenschaft geben> wäh- rend der bildsamsten Lebenszeit blindlings überlassen.

Hierzn kommt, dass die Schulinspectoren von der Regiemng in der Regel nicht ans den Pfar- rern erwählt werden, welche doch darch ihre Stellung und ihren Beruf die naturlichsten Wächter und Pfle- ger der Schulen sind, und in fast allen christlichen Upndern dafür anerkannt werden, sondern gewöhnlich ans den Kauflenten und andern gebildeten Laien, und zwar ans dem oben angeführten Grunde.

Die Regierung sah nicht ein, dass ihr Zweck, die Aufklärung des Yoiks, nHitientlich in Südnieder- liind, nicht gelingen konnte durch Veranlassung. eines soldben unnatürlichen Verhältnisses, der Losreissung der Toditer von den Brüsten der Mutter, und durch aus* schliessliche Uebergebnng derselben an einö fremde Amme. Die Erbitterung der katholischen Kirche über . eine solche Ungerechtigkeit,, und somit auch des Vol- k€S| da sie -hundert Wege hat, dessen Gemütfaer gegea

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den Staat auf^aregen,* uod ibr Widerstreben gegen die Verordnaogen desselben musste bi^rdarch wacbsen« So fand icb im J. 1827 in der katboliscbeu Scbnle lu V i l V o o r d bei, Brüssel ein gedrucktes Randscbreibeii des Scbulinspectors ) eines katboliscben Pfarrers m Lrüssel, an alle Scbollehrer seines Kreises, worin er sie. aufs nacbdnicklicbste auffordert, die Scbiiler den katboliscben Katecbismus, als Vorbereitung fiir den Re- ligtonsunterricbt der Pfarrer, auswendig lernen zu las- sen. Eine doch ypü^T^iiicbt unbillige Forderung der . Kircbe^ an die Scbule, weil das auswendig Leraen las^ sen des Katecbismus durch d^n Schullehrer kein Un- terrichten in der confessionellen Glaubenslehre ist, wel- che der Art. 23» des Schulreglements mit Recht au^ den Lehrgegenständen der Schule verweist, und weil es für den confessionellen Religionsunterricht ^er Geiste liehen sehr wohlthätig vorbereitet, wenn die Schulzeit benutzt wird, um dem grade in diesen Jahren so em- pfänglichen Gedächtnisse der Kinder jenen wichtigea Lehrstoff einzi^prägen. Als ich in Harlem diese Thatsache von Vilvoord erzählte, und fragte, ob das Schulgesetz nicht jenes Auswendiglernen Ae& Katechis-i mus in der Schule verbiete, antwortete man bejahend,^ und bemerkte, man müsse eben diese und ähnliche Ueb er tretungen des Gesetzes in Sudiiiederland ignoriren.

Keineswegs will ich mit vorstehendem Tadel einer Freiheit des Unterrichts in solcher Ausdehnung das Wort reden, wie sie die Gegner der Regierung in Südniederland,, gewiss vielfach au$ jesuitischen

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ppd demagogischen Beweggriladeo verlangt haben, dass der Staat nä'mlich alle obere Leitung: and Beanfsichti- gong des Schalwesens aus den Händen geben, und der Greistlichkeit gan^; überlassen solle« Allein, indem der Staat, wie oben bemerkt, die Grämen seiner Befagniss binsichtlicb der oberen Leitung and Beaafsichtigang überschritt^ und der Kirche alle Einwirkung und Mit- wirkong auf ihre Töchter, die Schulen, raubte, gab er der l^atholisched Geistlichkeit wenigstens zu diesem £i« nen Theil ihrer Klagen gerechten Grund, was dena auch ihren andern Klagen, selbst wenn diese onge- grfindet waren, einen Scheii) der Gerechtigkeit verlieh. 0er Artikel 6 des obea angefuhrteA königlichen Decrets über dea Unterricht vom 27. Mai 1830, des Inhalts; „dass die Kreis- und Ortsbehörden sorgen ^oUeq, das« deu Kindern in den Schutei Gelegenheit ' ^gegeben werde, ^Religionsunterricht, zu erhalten, durch ,,die oder in Auftrag der Pfarrer der Confessionen, ^,welchen sie angehören etc., und dass kein Buch, weU ,,ches einer der Confessionen, wozu die Kinder gehö-« ,,ren, Anstoi^s geben könnte, in den Schulen sein sojle'^ Isonnte obigen Klagen und Beschwerdeq natürlich nicht, ^eqügend abhelfen,

Auch iq dieser wichtigen Angelegenheit, in der l^eitung uqd Beaufsichtigung der Schulen, so wie in der Bewahrung und Pflege des religiösen Elemente« fq derseibeq erscheint deui unbefangenen vergleichen- den Beobachter die Gerechtigkeit und Weisheit unse^ to priftas^iseh^a Regierung im glänzendstea {richte.

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Ihrer Anoi'dnang zufolge ist der Pfarrer jeder Coiifession nicht bloss Mit - Scbulvorsteher , sondern auch Vorsitzer des Schulvorstandes über seine Pfs^rr- schuie, indem man anerkannte, dass der Pfarrer der natürlichste Pfleger derselben ist, und in der R«gel auch das meiste Interesse für das Gedeihen einer An- stalt bat, welche die Pflanzschule für das Christenthum und die Kirche ist, oder doch sein solK Ferner sind die Schulpfleger ( Schulinspectoren ) in der Regel aus den Pfarrern gewählt, und haben nur die Schuten ihrer eigenen Confessionen unter sich^ so dass die ka- tholischen Schulpfleger nur katholische, und die evan- gelischen nur evangelische Schulen zu beaufsichtigen haben. Wieder eine eben so gerechte, als vcmiinf* tige Scheidung, weil, wenn das christlich -religiöse Ele- ment die Schüler durchdringen soll, und sie nicht delstische Philanthropine > sondern christlich - kirchliche Erziehungsanstalten werden sollen, das -confessionelle Gepräge in denselben nicht ganz verwischt werden kann, wie denn selbst einzelne Lehrgegenstände, z, B. der Kirchengesang, confession eil verschieden sind.

Nach einer neueren 'Verfügung sollte bei den evangelischen Schulen der kirchliche Superin- tendent auch stets, der Schulpfleger seines Synodal- kreises sein. Indess war dies in unsern westlichen Pro- vinzen nicht streng ausführbar, weil nach unserer Kir- chenverfassung das Superintendenten- Amt nach eini- gen Jahren durch Wahl an einen andern Pfarrer über- geht, und es doch nifcht wünschenswerth sein konnte, das5 das Schulpflegeramt eben so oft wechsele. Denn

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Üeux erfordert, wenn es mit Segen verwallet loU, da« mau »icb lu d»ä jetzt so aosgedeht menurscholfach mit Liebe and Anstrengung werfe, ond iafarelinge Erfabrang darin sammt deneo sich nur bei einer langen Daaer des S- get'Amtcs der rechte NuUen für die Schult liuL Ferner eignet sich nicht jeder Snperic welcher lu diesem kirchlichen Amte Tüchtigkeil darnm auch schon zum Schulpfleger. Auch beide Aemler vereinigt dem Pfarrer in der I viele Zeit von seinem Pfarramte wegnehmen, daher mit Daak die Modlficirung obiger V( darch die hohe Eehörde zn eriieunen, dass betoudere ScbulpDeger LIelhen, und dieSuperlr len nur fcraft ihres kircbh'cben Amtes forlw. Nolia von dem Zustand der Schulen ihres Sjrno au durch die Schulpfleger nehmen, nnd hierdv kirchliche Bcüehung und Einwirkung der Sjn< die Schalen ihrer Kirchenge meinden bewahren.

Auch bei den katholischen Schulen Provinien i$t der Dechanl nicht immer, wei meistens, logleich SchnlpSeger, sondern dies Mch andern katholischen Pfarrern übertragen.

Femer hat wuece R^ieruug anerkannt ii (•Wten, das3 die Religion der Sauerteig st te fie jan«« Sc&nfo duehdringe. Alle Schu «•• kfc«c ieJen Vw - «bJ Nachmittag mit ( tmi G«k*l »igrfiii^<i» uJ gewAloisen wen f acUvk« 6««ckichle soll darin mehre *• ****** t*Uta^ «Kk M KirchcDg

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Unterricht ertheilt^ der Katecfiisnms darin auf- wendig gelernt werden^ nnd ia allen eva^ngeliscken Schalen das Lesen in der h. SekfiiU ein festste- hender Gegenstand sein; anch sollen Cellii.ngen im Bibelaufschlagen vorgenommen werden^ und awar die vollständige Bibel, nicht Bibelanszüges. den Kitt"- dem in die Hände gegeben werden. Das Ministe- rium des Unterrichts (damals zugleich das des Innern) hat schon unterm 18. Nov. 1814 ein Rescript über den Gebrauch der h. Schrift in den Schulen aor die Schulbehörden erlassen, worin es den hohen Wertli . der fleissigen Bibelbenutznng für alle Schulen, und die Schädlichkeit des Gebrauchs der Bibelaussiige so klap und ergreifend aqselnandersetzt, dass ich mich nicht ent- halten kann, diese merkwürdige, den christlichen Geist unserer höchsten Schulbehörde bekundende Verordnung als Anhang mitzutheilen. Dies thue ich um so lieber, da sie leider auch ifnter uns sehr wenig bekannt, tind doch so allgemein heherzigungswerth ist. Denn der Gebrauch der h. Schrift ist in manchen unserer Schu- len noch sehr spärlich, und das Blbelan&chbgen wird in sehr vielen gar nicht geübt.

Dass die h. Schrift aus allen evangelischen Schu- len Niederlands verbannt ist, bringt dem Glauben und somit auch der auf ihm ruhenden Sittlichkeit sei- ner evangelischen Bewohner nnßäglichen Schaden, der um so unabwendbarer ist , weil , wie I. £and Seite B9 bemerkt worden, kein Zwang, sich confirmiren zu las- sen, wie in Deutschland, besteht. Ein grosser Theil bleibt daher unconfirmirt, entbehrt also desiReli-

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dieses erfordert , wenn es mit Segen verwaltet werden sqK, dass man sich in das )et;st so aasgedehnte Ele- mentarschnlfacb mit LieBe nnd Anstrengung hineia- werfe, nnd jahrelange Erfahrang darin sammele, ans denen sich nor bei einer langen Dauer des Sdinlpfle* ger- Amtes der rechte Nutzen fiir die Schale i^iehen läsit. Ferner eignet sich nicht jeder Superintendent welcher zu diesem l^ircb lieben Amte Tüchtigkeit besitat^ dampd auch schqn zum Schulpfleger. Auch möchten beide Aeffiter vereinigt dem Pfarrer in der IKegel an viele 2Jeit von seinem Pfarramte wegnehmen. Es ist daher mit Dank di^ Modificirnng obiger Yerfngnng durch die hohe Behörde zu erkennen, dass nämlich besondere Schulpfleger bleiben, und die Superintenden- ten nur kraft ihres kirqhlicben Amtes fortwährende Notiz von deu^ Zustand der Schulen ibn$ Synodalkrei- ses durch die Schnlpfleger nehmen, und dadurch die kirchliche Beziebung nnd Einwirkung der Synode auf die Schulen ihrer Kiirchengemeinden bewahren*

AucI^ bei den katholischen Schulen unserer Provinzen ist der Dechant nicht immer, wenn sdion nieistens, zugleich Schulpfleger, sondern dies Amt ist a.Qch andern katholischen Pfarrern übertragen.

Ferner hat unsere Regierung anerkannt und fest« gebalten, dass die Religion der Sauerteig sein mnasy der di(i ganze Scbule durchdringe. Alle Schulen mos* sett' daher jeden Vor* und Nachmittag mit Gesang und Gebet angefangen und geschlossen werden, die biblische Geschichte soll darin mehrere Stan- den wöchentlich gelehrt, auch im Kirchengesange

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Unterricht ertheilt^ der Katec&isnms di^in aus- wendig gelernt werden^ nnd in allen evai.ngelischeii Schulen das Lesen in der h. Sei|]ri£t ein festste- hender Gegenstand sein; aach sollen Cebnngen im Bibelaufschlagen vorgenommen werden, and swar die vollständige Bibel, nicht Bibelauszüges. den Sin« dem in die Hände gegeben werden. Das Ministe- rium des Unterrichts (damals zugleich das des Innern) hat schon unterm 18. Nov. 1814 ein RescHpt über den Gebrauch der h, Schrift in den Schalen aor die Schulbehörden erlassen, worin es den hohen Werth der üeissigen Bibelbenutzung für alle Schalen, and die Schädlichkeit des Gebrauchs der Bibelaoszüge so klap und ergreifend aqseinandersetzt, dass ich mich nicht ent- halten kann, diese merkwürdige, den christlichen Geist unserer höchsten Schulbehörde bekundende Verordnung als Anhang mitzutheilen. Dies thue ich um so lieber, da sie leider auch ifnter uns sehr wenig bekannt, tind doch so allgemein beherzignngswerth ist. Denn der Gebrauch der h. Schrift ist in manchen unserer Schu- len noch sehr spärlich, und das Bibelau&chlagen wird in sehr vielen gar nicht geübt.

Dass die h. Schrift aus allen evangelischen Scha- len Niederlands verbannt ist, bringt dem Glauben und somit auch der auf ihm ruhenden Sittlichkeit sei- ner evangelischen Bewohner unsäglichen Schaden, der um so unabwendbarer ist , weil , wie 1. £and Seite B9 bemerkt worden, kein Zwang, sich confirmiren zu las- sen, wie in Deutschland, besteht. Ein grosser Theil bleibt daher anconfirmirt, entbehrt also desiReli-

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gioQsanterridifs Yon Seiten des Geistlichen, und somit alles Religionsunterrichts » da in der Schule bisher kei- ner erthellt wiurd..

Fast alles- religiösen Elementes entbehrend, statt der . Sonne der Gerechtigkeit das unreine Feuer des E^geizes zum belebenden Princip erwählend, führen hiernach die Schulen ihre Zöglinge gradeswegs dem Unglauben in die Arme, und sind fast bloss Werk- stätten, um den Verstand der Kinder zu pollren und XU dressiren für die bürgerliche Welt, fast bloss Yor- bildungsinstitute für den irdischen Erwerb« Darf dies' ,• aber der höchste Zweck sein für Institute, welche noch immer den Namen s cbristlicher Institute in Anspruch nehmen, indem sie ja auch christliche Tngendbe- trachtung lehren wollen, für Institute, welche die Bil- dung unsterblicher Seelen zum Ziel haben, deren gan- xer Bildungsgang doch eine Vorbereitung für die Ewig- keit-sein, soll, deren erster Unterricht daher auch ein Hinfuhren zu Dem bezwecken muss, der allen Aeltern und Lehrern ruft: Lasset die Kindlein xu Mit kommen!

Unbegreiflich ist es daher, dass die evangeli-* sehe Kirche Miederlands sich alle Mitwirkung auf die Schulen hat ohne alle Einrede entreissen. las- sen, und die völlige Verweltlichung dieser cbristlichea, Institute mit gleichgültigen Augen anzusehen scheint^ viel gleichgültiger mindestens als ihre katholische Scfawesterkirche, welche nicht zulassen will, dasft die Pflanxschulen der Kirche in blosse Pflanzsdiiilen üt das bürgesUiJie Leben verwandelt werden sölkok.

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Mag die letztere auch wegen mancher jesattisehen Um- triebe und des Einschiagens nnrechtlicher Wege, um Vorstehendes zu erreichen, getadelt werden müssen, darin wenigstens ist sie zu rühmen, dass sie den hoch- wichtigen Einfluss eines religiösen Schulunterrichtes auf das ganze kirchliche und bürgerliche Leben erkennt^ und sich zur Mitbeaufsichtigung der Schulen ebenso verpflichtet als berechtigt hält.

Ja, auch die Kirche hat ihre Rechte. Sie hat das unverlierbare, nie aufzugebende Recht, vom Staat * zu verlangen, dass die Schulen nicht bloss für das bür- gerliche, sondern auch für das christliche und kirchli- che Leben erziehen und vorbereiten helfen» Da aber die Festsetzung dieses Grundsatzes iili todten Ruchsta* ben des Gesetzes nichts hilft, wenn' er nicht in Ausfüh- rung gebracht wird, wie eben das niederländische Schulgesetz beweist, und überhaupt die Sorge des Staats für die Schulen weder die Fürsorge der Kirche Für dieselben je entbehrlich macht, noch sie von Ihrer Pflicht solcher Försorge entbindet, so hat die Kirchs ferner das Recht zu verlangen, dass ihr eine Aufsicht und Mitwirkung auf die Schulen eingeräumt werde. Sie hat das Recht, zu verlangen, dass ihre Kinder nicht aus Rücksicht gegen die Jud^nkinder mit Einem Stünd- lein biblischer Geschichte des Samstags für die ganze Woche abgespeist werden« Sie liat das Recht zu ver- langen, dass tägliches Gebet und Gelang die Schulzeit heilige, und dass die Milch ihries Glaubens, der Kate- chismus, den Kindern in der Schule eingeflösst werde. mm- Ferner hat die evangelische Kirche das Reefit

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ui Terlaagea» dasa' ihre Jogeiid nicht wahrendi ihrer vieljSbrigeo Scbnheit von dem Ülglichen Brod und der Sonue ihres geisClicben Lebens, von der Bibel fen gdialtea werde. Stimmen hierin die Gmnds^ti« der kadiolischen Kiiche mit denen der evangelischen mcht aasammen, so begehe man keine üngerechtigkttt gegea die letztere, am gegen die erstere nicht 19 verst^ftssen, sondern ' befriedige beide, indem man die Schulen Gonfessionsschulen sein lasset. Wo gemischte Schulen sind, da müssen die Geistlichen beider Con«» fessionen, wenn sie. nicht schlafende Miethlinge, son* dern treae Wichter der Seelen sein wollen, beständig wadien, dass ilireii Kindern nichts Conlessianswidriges darin gelehrt werde. So. wird stets gegenseitiges Miss« trauen und Argwohn rege -erhalten. Man halte daher den Gmndsatx fert, dass jede Pfarrgememde eine ei-f gene confessionelle Schule in Anspruch' nehmen dari^ und nur,, wo an einem Orte wenige Schulkinder riner Confession sind, und diese keine eigene PfarrgemeinJe ' haben, müssen sie mit der Schule der aqdern Confes- sion sich begnügen.

Diesen Grundsats hält Preussen fest, dessen ka- tholische Geistlichkeit doch grossen Theils au%ekliifee ist, als die Niederlands. Es befindet sich woU da-r . bei, und empfängt Lob von beiden Kirchen, wi^ es jeder das Ihre gibt, und das Ihre lässt, und so wohnen beide friedlich qnd freundlich neben einander. Wemm . macht es Niederland nicht eben so? A

Wo der Staat der Kirche diese ihre Rechte 9«üi^. .: da haut er sick «it dem eineo Am den todern ^M

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ond reisst seia eigenes Fundaincsil xusaininen, dt er allein auf christlichem Boden sicher mbt. "Wo er die Aufklämng des Volks bewirken an können meint durch indifferentistisches Verwischen alles christlich- kirchlichen Elements in den Schalen, and dorck Ver- wandlung derselben in blosse Verstandesbildnerinnen^ da wird er früh oder spät, meist aber za seinem nner- sefzHchen Schaden gewahr, dass eine solche AufUärong keine wötilthälig erleachtende and erwärmende Sonne ist, sondern eine Brandfackel, welche Städte und Län* der anzündet; wird gewahr, dass solche Schulen den heranwachsenden Biirger wohl den Uoterthanen - Eid können sprachlich verstehen and lesen und schreiben lehren, doch aber, um ihn halten zu lehren, das Pfle- gen eines christlichen Sinnes vonnöthen ist*

Die neueste politische Geschichte Kiederlands hat ein furchtbares Amen zu dieser Wahrheit gesagt; ich habe darum nichts weiter hinzuzusetzen»

Nur Eins muss ich in Bezug auf die evangeli* sehe Kirche Niederlands noch bemerken« £s ist unbegreiflich von ihr, dass sie namentlich die Verbau- nang der h. Sichriflt aus allen ihren Schulen hat ruhig sulassen können, da von ihnen in Beziehung anf dies Bach doch dasselbe gilt, was das oben angefahrte und als Anfang mi^etheilte Ministerialrescript von den dentschen Evangelischen sagt: „dessen (des 9,Bibelbuchs ) freien Gebrauch unsere Vorfahren sich ..und unsern Nachkommen mit ihrem Blute erstritten „haben, ond durch dessen Geist und Kraft sie selbst ^weU entfernt, Schaden daran lu nehmen, vielmehr mit

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^Geist und Kraft erfüllt 5 und reichen Segens für 3ir ,,innere8 und dadurch auch für ihr äusseres Leben ^theilhafiig geworden sind«^^ Da überdies jene Kirche weiss, dass der erangelische Christ aas seinem geisti- gen Brodschrank, dtr Bibel, nicht früh and anhaltend genug Speise nehmen k^nn, and dass die Unbekannt- i Schaft mit derselben dem Aberglanben wie dem Un-j glauben Bahn macht 9 so ist es anerklarlich, dass sie ' dennoch nicht za fühlen scheint, wie sie eben durch solches Entfemtseinlassen der Jugend von der h, Schrifi., der römisch-katholischen Kirche, über deren Prosely- tenmacherd sie so sdir klagt, gradeswegs in die Hän- de arbeitet Die.Eztreme berühren sich« | Der Unglaube und der Aberglaube sind nahe verwandt, ]a' in gewisser Hinsicht Eins. Daher hat die Erfahrung ▼ielftltig gelehrt, dass die Ungläubigen anter den Pro- testanten am leichtesten die Beute jesuitischer Proselj- tenmacher sind, theils aus Indißerentlsmus gegen die religiöse Wahrheit, theils weil sie, wenn endlich die trostlose Leere in ihrer Seele ihnen fühlbar wird, in ihrer Geistesaufgeregtheit dann geneigter sind, von dem einen Extrem sum andern überzuspringen, vom Unglau- ben zum Aberglauben^ als ihre Füsse auf den allein sichern Mittelweg des Glaubens zu richten*

Möge die evangelische Kirche Niederlands sich denn aufmachen, und sich ihrer Schuljugend erbarmen I denn es ist Zelt, and die günstige Stunde ist gekom- men« Möge die reformirte und die lutherische .^ Generalsynode' mit den übrigen protestanti- : scheifl KirebenpartheieJi sidh in christUdi - bei^

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scheiden er und freiinüthiger' Bitte ati den König verei« nigen, dass er den Pfarrern eine ähnliche Aufsicht über die Schulen, wie in unserm Preussen gestatte 5 dass er das Lesen der h. Schrift in sie einführen, und .über- haupt mehr das christliche Element sie durchdringen lasse, und mögen die Reformirten nanventlich bit- ten, dass von ihren Kindern in den Schulen ihr sym- bolischer Katechismus auswendig gelernt werde*).

Gewiss wird der edelmüthige König, der In Be- förderung alles Guten so gerne auf die Wünsche sei- ner Unterthanen Rücksicht iiii(i![äii,'-~der namentlich in Absicht des Schulwesens, ib ^ im vorigen Jahre drei Commissionen zur Revisf&ti Att Schuf^^tze ernannte, noch überdies alle ProväÜ^jlN nid StadtbehöVden ihre Wünsche in Betreff der Einrichtung des Schulwesens zu äussern aufforderte, auch die Wünsche der evange- lischen Kirche . seines Landes nicht unbeachtet lassen.

Dass Preussens evangelische Kirche die Wichtigkeit einer innigen Verbindung der Schule mit der Kirche sehr ernstlich beherzigt, hat unsere neueste Provinz iassynode zu Köln in diesem Jahre wie- der bewiesen, welche in $.26 Ihrer Verhandlungen sO"'

*) Schule und Kirche> heisst es in Beckedorffs Jahrbüchern etc. I. Band IL Heft 1825 Seite 124, gehören innig zusammen , und der Geistliche, der jene nicht als den Vjorhof für diese, als Pflanzschule für seine Gemeine und als die erste Werkstätte seines Seelsorgerberufs betrachtet, der ver- kennt seine Stellung, seine Wirksamkeit und seine Pflichten ganz und gar« . ,.■

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wohl überhaupt auf «die Wichtigkeit jenes Verhältnissea zats neue hingewiesen, als aach insbesondere mehrere Antrage lum Behnf einer noch innigeren Verbindoflg - 'der £lenientarschnlen mit der Kirche als bisher an die höchste Behörde gemacht hat.

.Mögen denn auch alle Pfarrer unserer Pro?inx mit noch innigerer Liebe die Schulen und ihre Lehrer j umfassen , damit die von denselben vielfi^h gehegten Vorurthttle gegen der Creistlichen Einwirkung auf die Sdralen verschwinde , . und beide brüderlich Hand in Hand die Kindlein m Ihrem Heilande fahren!

Was nun die ftchullfbrerseminaire Nieder^ lands betrifft, ao triffi^daa Lob^ was ich oben den ^ Lehrern gegeben «habe, sie alt, da jene grossentbeils auf ü^n gebildet woisdeo* Der bei weitem vollstän* digtire Unterricht, welc&tt den Zöglingen hier, jim Ver- gleich mit den von den einzelnen Schnllehrem Gebil- deten ertheilt wird, lässt es dringend wünschen, dass alle Schnllehrer auf solchen Anstalten möchten gebil« det werden , und dass die Regierung das. grosse Ver« dienst, welches sie durch Stiftung der beiden Seminare sich um das Schulwesen erworb^en, durch Anlegung noch einiger anderer vermehren möge.

Das erste Gebrechen hinsichtlich der Semi« nareinrichtung ist, dass in Absicht der zum Seminar sich Meldenden keine besondere Erfordernisse bestimmt sind, welche ihre Aufnahme bedingen. Die Folge hier- von ist; dass die wenigsten gehörige Vorkenntnisse be* sitzen, und Bodi weniger eine für das Seminar vorbe- reitfade Emidiung und Unterweisung emp&ngen haben.

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dass also die kostbare Seminarzeit zum Theil ihit £r<* werbaug der Kenntnisse und Bildung hingebracht wer«« , 4en muss, welche die Zöglinge schon ins Seminar h'ät^ ten mitbringen können und sollen.

Auch in nnserm Deutschland und nänienih'ch Preussen ist mdstentheils noch keine regelmässige^ Yorbereitung auf das Seminar eingerichtet, wenn schon der Aufnahme ins Seminar wohl überall eine Prüfung vorhergeht, welche gewisse Torkenntnisse zitr Bedin- gung der Aufnahme macht. Die Königl. Regierung . zu Köln hat jedoch dies Beddrfniss auf eine sehr' nachahmungswerthe Weise durch eine Verfügung von< 1. Dec. 1827 *) befriedigt. Hierin setzt sie fest , dass die zum Elementai' - Schulfach Lusttragenden sich miC vollendetem 14ten Jahre bei dem Schtilpüegei' mit deii nöthigen Zeugnissen zu melden, und eine Prüfung be-^ stehen sollen, um in die Liste der Aspiranten auf-' genommen zu werden. Die fanglich Befundenen wer«^ den darauf besonders da2u concessionirten vorzüglichen Schullehrern zur Fortbildung überwiesen , welche sie sowohl in deutschen Aufsätzen, im Rechnen, Schön-t schreiben. Zeichnen, in der Musik u. s. w. zu unter-^ richten, als auch sie in ihrer Schule praktisch anzulei-* ten haben. Auch die Ortspfarrer sollen zur Fortbil-» düng solcher Aspiranten durch Religionsunterricht etc. mitwirken. Vierteljährlich hat der Schullehrer dem Schulpfleger über den Aspiranten zu berichten. Hsft

*") S. Amtsblatt der König!. Regierung zu Köln Jahr«^ gang 1827. öOstes Stück.

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dieser im Verlauf zweier Jahre sich noch aicht als ge- eignet bewährt, so wird er von der Liste der Aspiran- ten weggestrichen. Hat er sich aber bewährt^ so wird, er auf den Antrag des Scholpflegers von der Regie- rang in die Liste der Präparanden aufgenommen, und erhält dadurch die Aussicht, ins Seminar, jedoch in der Regel nur nach 2 Jahren aufgenommen lu wer- den. Wlhrend dieser neuen Probezeit waltet nun die nnmittelbare Vorbereitung fürs Seminar vor, unter Rücksprache mit den Semtnardirectorcn, und er wird, um sich insbesondere praktisch zu üben, iint^r Aufsicht und Leitung eines bewährten Lehrers als provisorischer Unterlehrer angestellt, zu den Lehrerconferenzen cuge- 1 zogen, und erhält vom Schulpfleger passende Bücher, woraus er Auszüge zu machen und mit andern Arbei- ten de^iselben monatlich einzuliefern hat* Halbjähr- lich hat der Scbulpfleger über die Aspiradten und Prä-< paranden der Regierung zu berichten.

Aach im Herzogthum Nassau besteht von Staatswegelt eine ähnliche geregelte* Vorbereitung der Aspiranten für das Landes - Schullehrer - Seminar zu Idstein während mehrerer Jahre vor ihrer Aufnahme. Die mit deren Vorbildung beauftragten Schullehrer er-* halten dafür vom Staate eine gewisse Vergütung.

An den preussischen Schullehrerseminaren zu KSfiigsberg, Karalene, Bradnsberg, Jen-* kau, Batizlatt und Soest bestehen vorbereitende Institute^ in welchen Knaben vom früheren Alter an A nnterrichfet^' und die iium Schullehrer&tande Neigung und Geschick zeigenden specieii fur^ Seminar bis ior

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Aufoahme darein vorbereitet werden. Namentlich be«. ^ steht die ganze erste Klasse der zu Soest mit dem Seminar verbundenen Uebuügsschule aus solchen jun- gen Seminarpraparanden. Allein die hierbei fehlen- de und doch so nützliche praktische Vorbereitung als Ünterlehrer in einer Landschule, welche im Regierungs- bezirk Köln obiger Verfugung zufolge und im Nassaui* ,' sehen statt findet^ lässt sich nicht durch die Einsamm- lung mehrerei* theoretischen Kenntntsse ersetzen« Da-'' her auch) wie BECKEDORFfS Jahrbücher etc. I.Band II. Heft S. 114 berichten 5 selbst von Seiten eines deif obigen Erziehongsinstitute der Vorschlag geschehen isi^ solche Praparanden vor ihrer Aufnahme ins Seminar erst einige Jahre zu einem Oorfscbullehrer 211 thun> um sie durch ibn praktisch anzuleiten«

Möge eine bei der hohen VVichtigkeit des Ele" mentar " Schulamtes so wohlthätige Vorbereitung für das Seminar bald auch in unserm Düsseldorfer Re-« glerungsbezirke und in •allen andern Theileil unsers Staates angeordnet wei*den!

Was nun das Seminar zu HärUm insbeson'« dere betrifft 4 welches ich von den beiden allein au$ eigener Anschauung kenne 9 sd habe ich an dessen Di-« rektor, Pbinsen, einen sehr kenntnissreichen $ auch mit der deutsch en Pädagogik genau bekannten, ge- wandten und ansprachlosen Mann gefunden« So thätig er jedoch ist^ so kann^ da ei^ der einzige Lehrer ist^ mit Ausnahme des bloss in dem Einen Religionsiache^ unterrichtenden Katechisirmeisters, den 40 Seminaristeil nicht genug Unterricht ertheilt werden* D,enn 2^/i

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Stfltideii Unterricht y welche sie selbst täglich ertidicn, ist offenbar la wenig. Es ist daher ein wesentlicher Mangel sn nennen, dass nicht noch ein zweiter ordent-«* lidrer Seminarlehrer angestellt ist.

Auf manchen miserer prenssischen Seminare tcranlasst di^ knfse S^minarceit yon nur 2 Jahren, '«• B. «of dem Sedilnar zn Mors, wohl den entgegen- gesctiten Fehler, dass die Seitiinaristen sn Tiel Uitfer-% ficfatsstnnden ond tu wenig Zeit haben, den empfange« Mtti Umerriditsstoff gehörig sich sn verarbeiten, und sich dessen sn bemeistern *}. Die erste Klasse hat dort ttdi dem neuesten LectiöHspkne fSr dieses Winter- halbjahr wddientlich dt Stunden ; die zweite Klasse 48, .OfiiHibar zu viel , wenn audi jede Klasse 1-^2 det ÜEglichen Lehrstonden in der Kinderschale entweder «tfifoltirt, oder selbst nnterrichtet.

Nnr tn leidit entsteht grade ilarch diese anfge-» tila:llte, tinverdiinte Blasse Wissens i)uDlei und An- aassnng bei den jungen sich nun für gelehrt halten'^ den Leuten« « Auf dem Seminar zu Soest, wo dei* Seminarist auch auf zwei Jahre beschränkt ist^ hat die

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*} In Bezüehoüg auf die äefahr der Seminare, in 4ioU chen Fehler zu verfallen, heisst esin Beckb- O0RFF8 Jahrbüchern etc. I. Äand II. Heft 182& S. 109: „Wie dieSa(5hen jetzit stehen, ist überhaupt „weniger zu befürchten, dass die Seminarien sieh „ein zu niedriges Ziel stecken, als vielmehr^ dass „sie eine zu hohe Aufgabe nehmen, sowohl hin- ^«fiichtlich der Mannigfaltigkeit als des Maasses det i^Uflplerriahtq;efen8ähide.«<

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trste Klasse nur 34 Lehr&tunden, und die zweite 91% Stunden wöchentlich«

Sehr zu wünschen wäre daher, dass auf allen Se- minaren die Studienzeit auf 3 Jahre erweitert würde, wie dies auch bereits auf vielen preussischen Semina* ren, und in unserer Rheinproyinz jet^t aupl| zu Neii«^ wied der Fall ist.

Ein zweites Gehre ehen des Harlemer Senü* nars ist , dass die Seminaristen nicht zusammen in. £1« nem Hause unter bestandiger Aufsicht des Direktor!, sondern in Privathänsern wohnen und essen. Da fle zu einer tüohtigen Bildung nicht bloss des Unterricht!, sondern auch der Erziehung bedürfen, so wird diese letztere durch ein Zusammenwohnen in einer Art Fa-? milienleben unter der väterlichen Leitung und Auisicht des Direktors sehr erleichtert, eine auf Geist und Ge- müth derselben höchst wohlthätige Einwirkung auch ausserhalb der Unterrichtsstunden und eine möglichst zweckmässige Anwendung der Zeit veranlasst, eine heil- same Disciplin möglich, und selbst die Kosten für Wohnung und Speisung bedeutend vermindert

Fast alle unsere preu&sische Seminare haben durch die liebevolle Fürsorge der hö'chsten Behörde sich dieses Vorzugs zu erfreuen.

Ein drittes Gebrechen ist unstreitig der Man- gel von allem Unterricht in Kirchenges ang. Or- gelspiel und einem oder dem andern musikaif-i sehen Instrumente. Wie wohlthätig der Kirchen-^ gesang und das Orgelspiel auf die religiöse Erhebung und £rbauang des Herzens wirkt, brauche ich nicht

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"crit ta beweisen. Auch hat dies die reformirte Generalsjnode Niederlands selbst anerkannt, und fttcbt beides sa befördern (vgl I. Bd. S. 69). Wenn nun auch in vielen Stadtgemeinden eigene Organisten und Vorsänger ßwA, und die Katechisirmeister daselbst die Schuljugend iiti Kirchengesang unterrichten, so ist doch ia dea meisten kieioeren Dorfgemeinden dies glicht der Fall. Hier muss der Schullehrer /Organist ' und ' Yorsaoger sein , und kann er nicht der Schnljn* gend Unterricht im Kirchengesang geben, so erhält sie gar keinen. Gewiss würde der Kirchengesang sich sehr bald heben, wenn jenem Gebrechen abgeholfen würde. So lange die reformirte Synode nicht hierfiir zu wir* ken sucht, werden alle andern Bemühungen nicht das gewünschte Resultat geben. Auch würde das Ge» niesseo eines ausgedehnteren musikalischen Unterrichts den Seminaristen für ihr künftiges mühevolles Amt so* wohl viele Stärkung und Erquickung des {ßemüthes, ib 9ucb Gelegenheit zu einiger -Vermehrung ihl^es Ein« kommens verschafieu*

Auch iu dieser Hinsicht erireueu sich unsere 'prettssischen, lind wohl alle deutschen Schul* lehrerseminare eines bedeutenden Vorzugs dtirch den ausgedehnten musikalischen-Unterricht, welcher auf den- selben Jbrtheilt wird, und es ist zu hoffen, dass da- durch der Gesang in unsern Schulen und Kirchen. sich bald aus der traurigen Lage, worin er sich befinde^ erheben werde* Wie nöthig hier noch Hülfe ist, habe ich schon S^ 238 bemerkt, und damit ich nicht in die^ Min harten Urtheile als befangen und ungerecht er-

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scheinen möge, führe ich ab Zeagniss in dieser Sache noch das Urtheil an ^ das in dem zweiten Hede des ' IL Bandes neuer. Folge der Rfaeinischeni BiMtter für Erziehung und Unterricht etc. 1830 in einem Ton dem Herausgeber, Seminardirektor Dr. SiesterWbg zu' Mö'rs und dem Gesanglefarer Erk daselbst verfass- ten Aufsätze über die Vorbereitung der Schnlamts- Präparanden S. 197 steht: „In keinem Stücke steht es „in unsero Schulen schlechter, als im Gesänge.*^ Für diesen Punkt tnus^ noch kräftiger von unseren ' Schul pflegern ^ wie ich schon oben bemerkt, und voni der Regierung gewirkt werden*

In dieser Hinsicht bat die König!, Regierung zu Köln unterm 19. Jan. 182B eine trelBiche* Verfü- gung über die Gesangbildung durch die SchuU lehrer, Organisten und Cantoren erlassen*), welche eine

*) S. Amtsblatt der Kdnigl. Regierung zu Köln 1828 111. Stück. Auch das K5nigl. Konsistorium zu Müuster hat zwei treffliche Circulare den Ge- sangunterricht in den Schulen betreffend, mit be- sonderer Reziehung auf den Kirchengesang an die evangelischen Superintendenten , Schulinspectoren, Pfarrer und Schullehrer in der Provinz Westphalen unterm 1. Oct. 1822 und 28. Apr. 1825 erlassen. S. BECKEnoRFFS Jahrbücher etc. 1825 1. Band 111.. Heft S. 248 284.

Das Konsistorium , so ^vie die evangelische Sy- node in Würtemberg haben gleichfalls in den letzten Jahren mehrere sehr zweckmässige Verord- nungen zur Beförderung der kirchlichen Gesangbil- dung durch die Schullehrer und Organisten erlassen. S, M, A. Knapp's Sammlung -^er bestehenden Ver-

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allgemeine Anwendung auch auf die anderen Regiernnga- bezirke verdient Sie gibt darin kurz die beste Art der Gesangbildang in den Schulen an, bestimmt mit Weisheit die Grenzen derselben, auch in Absicht ^es inebrstimmigen Gesanges, und verbietet dem Orga? nisten die Abweichungen von der einfachen Choral- melodie, die mancherlei Verzierungen derselben, die nnnöthigen Zwischenspiele, die Tänze und Märsche beim Ausgang aus der Kirche und dgl., dem Cantor das unpassende Schreien und Verzerren der Melodie etc. Wenn beide den deshalb an sie ergangenen Aufs forderungen und Warnungen nicht Folge leisten, so ^llen sie in eine Ordnungsstrafe von 1 Thlr. verfaU len, der von ihrem Gehalte zurückbehalten und an die Kirchenkasse zu zahlen ist. Die Feststellung der Strafe soll von dem Superintendenten auf den Antrag des Pfarrers und' Kirchcnvorstand^s erfolgen. Im Wieder- holungsfälle ist die Strafe zu verdoppeln.

Ein vierte^ Gebrechen des Seminare ist iep 91 a n g e 1 alles Zfsichenunterrichts.

Ich habe oben schon als eine Schattenseite der 3chalen angemerkt, dass durchaus kein Zeichnen, ans- ser ein wenig Kartenzeichnen, darin gelehrt yrlrd. Dier se Schattenseite ist leicht zq erklären durch das gänz- liche Entferntsein des Zeichners als ünterricjitsgegenr Standes von^ Seminar. Dies jst aber ein bedeutender Mangel. Penn picht nur würde durch ^as Zeichnen,

Ordnungen für den evangelisch deutschen Schulstand Würtembergs etc. Tübingen bei L AUf p IS28 S. ^QQ Wnd 341 - 348.

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besonders wenn Naturzeichnen damit verbanden Ist, was eigentlich nie dabei fehlen sollte , der Ge- schmack der Seminaristen veredelt, sondern auch ihr Gefühl für das Schöne, besonders der Natur geweckt, und somit ihr Gemüth überhaupt gestärkt und geho- ben. Aber auch für ihre künftige Schule selbst hätten sie wesentlichen Vörtheil davon. Nicht nur würden sie den Geschmack der Schüler gleichfalls veredeln, und das Gefühl für das Schöne in ihnen wecken, sondern, ihnen auch] in der Zeichenkunst eine sehr nützliche Mitgabe für das Leben geben, da in vielen Bemfsarten der niederen Stände, besonders bei den Handwerken das Zeichnen wesentlichen Yortheil bringt. Endlich würde der Lehrer für seine Schule noch Einen Ge- winn vom Zeichenunterrichte haben, den ich nicht ganz gering anschlagen möchte« Er erhält hierdurch nSmlich Eine Gelegenheit mehr, die Klassen, welche er * nicht selbst unterrichtet, mittlerweile passend und zu- Btf,gleich angenehm zu beschäftigen, was doch für die '* meisten alleinstehenden Lehrer eine so schwierige Auf? gäbe ist. Ohnehin zeichnen nnd malen die Schüler, - besonders die kleineren, höchst gerne auf ihre Schie- fertafeln, freilich oft, während sie etwas anderes arbei- ^ ten sollten, dabei nnproportionirte , unästhetische, kurz geschmacklose Figuren , wie sich das, bei ihrem rohen G^chmack nicht anders erwarten lässt. Warum nicht ien schon in ihnen liegenden Trieb zum Zeichnen für Geschmacksbildung benntzen nnd leiten, warum mcht das Zeichnen als angenehme Abwechslung zwi-t eben zwei den Geist mehr anstrengende Unterricbts?

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gegenstände setzen j so dass jenes ihnen eine Erholung sein wird? Mag dadurch die Zeit für diese Gegen- stände etwas verkürzt werden müssen', das wird in der Regel nur Gewinn sein, weil die Kinder doch meistens . zu anhaltend mit den abstracteren Gegenständen be^ schäftigt, und dadurch erschlaffend, zum Spielen yerlei- tet werden. Man lasse sich doch mehr zum kindlichen Gemüth herab, führe das Kind mehr ins Leben, als ins todte Bücherwissen, es wird dann brauchbarer für die Welt, und die wahre Geistes - und Herzensbildung wird darunter nicht leiden *),

Unsere preussischen Schullehrerseminare ge- messen den Vorzug wenigstens, dass der Zeicbennii- terricht auf denselben nicht fehlt. Das Lehren desMä- turzeichnens bt indess vielfältig noch sehr mangelhafi^; und doch gibt grade dieses erst für Lehrer und Schil- ler bleibenden Nutzen. Ich weiss es aus eigeüe^ zchmerzlicher Erfahrung, wie wenig das bloss nack Yorlegebfättern copirende Zeichnen fürs Leben niifit' Viele Jahre lang habe ich mit Lust auf den Schales gezeichnet, unter Anleitung eines sonst sehr liebep Lehrers, der uns aber trotz alles Bitten um Matur- zeichnen nichts weiter thun Hess, als nach Vorlegebiät- ' tern copiren. Als ich nach den Universitätsjahren^

*) Viel Schönes sagt hierüber Grünewald in wk, nem trefflichen Aufsatze: Methodik des Z«i-, chenunterrichts in Volksschulen, worin auch eine kurze Anleitung; zu diesem Ufiterrichli« gibt. S. DiESTERWEG's Rheinische Blätter Af Erziehung und Unterricht, des 1. Blindes der netiflt Folge lU. Heft 1830 S. 318 - 372.

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^•Hauslehrer wurde , konnte ich meine Schüler nun auch

F auf keine andere Art zeichnen lassen^ und. noch jetzt,

•jMrenn ich aus der Natur etwas abzeichnen will, geht es

* mir sehr gebrechlich damit, Möge denn das Natur-

Baeichn^n auf unseren Seminaren recht einheimisch Wer-

r den , damit auch hierdurch die Lehrer und Schüler

r^mehr für das Leben gebildet werden!

k Ein fünftes Gebrechen ist der Mangel alles

^-Unterrichts in der Obstbaumzucht und dem Gar-

tenbau,

. Wenn sc)ion nicht in allen, so ist doch in den :.' meisten Provinzen Niederlands Ohstbaumzucht mögTicb, l ' Qod selten ist d^r Boden so unergiebig , dass nicht Gartenbau zu treiben wäre. Wie wohlthätig die An- leitung zur Obst- und Gartencnitur als Bildnngsmittel j : für SchuUehrer wirkt , wie es eine sehr heilsame Lei- |[. ,besübung verschafft, den Charakter sanfter macht, die ^Bescheidenheit befördert, von schlechter Unterhaltung ' ' abhält, und die Lehrer befähigt, diesen reichen Gewinn auf die Schulkinder übergehen zu lassen , abgesehen aelbst davon , dass es ihnen manche Ausgaben erspart, > und die auch in staatswirthschafllicher Hinsicht so wich- tige Obst- und Gartencultur verbreiten hilft, zeigt der i Irefßiche Harnisch so' deutlich, und bewährt es bei pimnen Seminaristen so sehr mit der That, dass ich i- asf seine Darstellung nur zu verweisen biauche*)« i-jj- Wie in Weissenf eis, so ist auch auf dem

^ Nassauischen Schullehrerseminar zu Idstein die »I ~

*) S* Beckedorffs Jahrbücher des Preuss. Volks«

f \ " {ichul Wesens 1825 l.^Band 111. Heft S. 216-219. V

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Anleitung der Seminaristen zur Obst- und Garteiu tor musterhaft. Sie wird hier erleichtert darcfa Verbindung des Seminars mit dem landwirthschaftlteht Institute daselbst , wo die Seminaristen noch man( andere naturwissenschaAliche Vorlesungen mit besac Jede Gemeinde im 'Nassauischen muss für ihre Sdii einen Garten zum Lehren der Obstbaumzucht und dl Gemüsebaus beschaffen.

Unsere preussische Regierung hat auf ähnllc Weise jede Scbulgemeinde einen Garten von 42 then zur Anlegung einer Obstbaumschnle ankaufen lai-j sen, und beabsichtigt, praktischeii Unterricht hiet'in (illen Schullehrerseminaren ertheilen zu lassen, Lridirj jg;eht es mit der Ausführung in unserer R h ei n p r o<^, Yinz sehr langsam, und weder in Neuwied, no«l ta Mors wird solcher noch erthellt In Mors ist läni ein Garten hierzu gekauft worden, und es ist um mehr zu wünschen, dass die Ausführung beschlei werde, weil die Gemeinden das Geld Tdr die Baum- «Schulgärten einmal ausgegeben haben, aber nicht hol fen können, dass die Lehrer durch einen vierwödieiilp'' liehen cursorischen Unterricht, wodurch sie meist blosse ! einige Handgriffe lernen, aber weder Neigung lurObst-j^ cultur, noch gründliche Kenntniss darin erhalten, den Stand gesetzt werden, ihren Kindern Lust und schick dazu einzuflö'ssen. Eine Anleitung dieser All^ muss vielmehr während des ganzem Seminarlebens dauern.

Ein solcher Unterricht der Seminaristen in Obst- und Garteneultyr würde in Nordojederlainl

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nAtr ancb in itaatsiivirthschaftlicher Hinsicht mehr Kotzea bringen^ als das Quälen der Theologen aaf den Universitäten mit der Anhörung der* Vorlesungen über iLandwirthschafty deren S. 182 erwähnt ist. ihr rechtfertigen Hesse sich ein gleiches Unterrichten Theologen bloss in der Obstbanmzucht und dem irtenbauy obgleich indessauf der Universität we- Zeit| noch in der Regel Gelegenheit dazu ist* if den theologischen Seminaren wäre es mehr l -seiner Stelle, und für solche gewiss alles Ernstes zu i&hlen.

Ein sechstes Gebrechen, und gewiss eins wichtigsten des Seminars, ist der Mangel an ge- ifigendem Religionsunterrichte. Die ka« Ikolischen und die nichtreformirten prote-* fintischen Seminaristen erhalten gar keinen Reli-> innterricht, die r.eformirten bloss von einem ;hisirmeister. Wie sehr sich auch grade der ]e^ vor andern Katechisirmeistero. auszeichnet, so kann doch , da er weder wissenschaftliche Bildung über-^ , noch gelehrten Unterricht in der Religions-r sensdiaft genossen hat, noch die Grundsprachen h. Schrift versteht, nicht den gründlichen Reli- lanterricht ertheilen, der dem Schullehrer' nötbig Wenn schon dieser den Religionsunterricht in der tie, wo er solchen gibt, nur bis zu einem gewissen le zu ertheilen hat, da der grössere Theil dessel- [ des Pfarrers Sache ist, ja, wenn er auch nur bi<* le Geschichte zn lehren hat, so muss er doch eine begrSndett und klare Religionserkenntniss^ folglich

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eine tiefe Einsicht in die fa. Schrift besitzen. Soll er< nämlich die heitige Geschichte stets mit der heiligeii Wärme, welche nur aus einer festen innern und äus- sern Ueberzengung entspringt^ seinen Kindern mittfaei« len können, so muss nicht bloss sein Herz an dieHetJ"! ligkeit und Göttlichkeit dieser höheren OfFenbaraogett | glauben, sondern er muss zugleich eine gründliche Be» lehrung über die wichtigsten Einwendungen und Zwei» fei empfangen haben, welche die Ungläubigen unter den Bibelauslegern gegen die Göttlichkeit und Glaab* Würdigkeit der heiligen Geschichte erheben^ und u&tf die Wicterlegung derselben, besonders müssen ihm* die Augen geöffnet worden sein über das feine Yerdrebei und Verfälschen des Worts Gottes, womit Jene des* sen übernatürliche Thatsachen in den Staub herabn* ziehen suchen, den Glauben der Schwachen erschüttenk* und das Gifl des Unglaubens den unwissenden Seekl einflössen^)» Dies ist um so wichtiger und unentbeb^

*) Uebereinstimmend hiermit setzt das Reglern eat^l des Schullehierseminars zu Mors über die Art %l Religionsunterrichts in §• 12 fest: Der Untern der Religion beginnt mit der biblischen Gescl und der Artweisung zur Ketintniss der h. S sowohl nach deren Inhalt i als nach den b Lebensumständen ihrer Verfasser, und geht toii sem historischen Grunde aus zu einer toUs Uebersicht und Zusammeustellung der ^e christlichen Glaubens- und Pilichtenlehre über, dass die Semiuaristen nicht nur das Fundameiit Christeilthums genau kennen lernen, sondern fähig werden, Ton ihrem Glauben ait diese sich and Andern befriedigende Rechenachaft

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lieber 9 weil grade in der jetzigen Zeil so manche ta- lentvolle, aber ungläubige Theologen und Schulmäpner sich den Schullehrerstand recht zur Beute für ihren Un« glauben ersehen haben, und mit einer gewissen herz- lichen, religiös klingenden Sprache, so wie mit bestan« digen Betheuerungen ihrer Ehrfurcht vor Mose und den Propheten , ' Christo und den Aposteln den Grund r aller Ehrfurcht vor denselben untergraben durch Be« streitung der Glaubwürdigkeit der Geschichte derselben, Wie sie die h. Schrift uns lehrt, was z. B. D IN TER . in seiner Schul lehrerbibel, einer der gefa'hr-^ liebsten und seelenverd erblichsten selch er ungläubigen Schriften, thut*).

ben, und in eigener, fester ITeberzeugung von der Wahrheit des evangelischen Glaubens künftig ihre Schüler zu einer innigen und durch das Lesen der h. Schrift begründeten Bekanntschaft mit der heil- bringenden Lehre Christi anzuleiten, und zu einem ^ ach l- christlich fronMnen Wandel nach dem Geist ^ dieser Lehre hinzuführen. S. Beckedorffs Jahr-

bücher etc. 1825 I. Band 11. Heft S. 157.

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ajjjj. *) Der feine Unglaube in dieser Schrift ist schon von ^l- mehreren Seiten sehr deutlich nachgewiesen wor-

L .( den, B. in Dn Harnisch Zeitschrift: der

Volksschullehrer 111. Band S. 32 etc., in der Evangelischen Kirchenzeitung 1828 No. 11 in dem von der Sächsischen Hauptbi- belgesellschaft unterm L Jun. 1826 erlassenen Umlaufsschreiben an ihre Zweig vereine, die D in- te Rsche SchuUehrerbihel betreffend, in Stepha- Nis Zusätzen zu Dinters Schullehrerbibel, Ham- burg 1824 u. Es bedarf dahev hier nicht von meiner Seite einer ausfuhrlichen Beweistührüng für

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Üeberdies liegt es in der Nattir der Sache » diss der religiöse Geist des Lelufers nicht bloss die Schale und alle Unterrichtsstunden^ sondern auch sein äusse^ res Leben durchdringt« Ist dieser Geist nun rechtei' Art, ist er also ein Geist erleuchteten, !u Lieb« tb'äti- gen Glaubens 5 so wird et grossen Seegen nicht bloss in^ sondern auch ausserhalb seiner Schale stiflen* Denn nicht bloss die Schüler sehen auf ihn, sondern auch die Aeltern und die ganze Gemeinde; nicht bloss die Schüler werden ihn oft um Lösung schwieriger Fragen und Zweifel in ßetreff der Schrift und dgL ange-* beU) sondern auch manche erwachsene Gemeindsglie- der. Soll er nun sowohl selbst feststehen in seinem Glauben 9 als auch seinen Schülern und Erwachsenen ein Wegweiser zur Seligkeit sein, soweit dies semAmts-^ und Christenberuf mit sich bringt, so muss er, wie oben bemerkt, eine klare und tiefe £rkenntniss der h* Schrift und ihres Heilweges besitzen.'

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Um den Seminaristen nun solchen genügenden üntcfrricht über die h, Schrift und die christliche Reli- gionslehre überhaupt zu geben , dazu ist ein Mann er- forderlich, der sich Ton Jugend auf ganz dem Studium der h. Schrift und der christlichen Religionswissenschaft gewidmet hat, und der vom Geist eines erleuchteten, festgegründeten Glaubens durchdrungen, diesen Geist des Glaubens und der liiebe zum Herrn nun auch das ganze Seminar durchdringen lässt, so dass ein dankbar-'

obige Behauptung. -< Vielleicht jedoch «n •inmß anderen Orie \¥eiteref hierüber«

ßfir^itr

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freudiges Leben in Christo die Unterrichts - wie di^ Mussezeit, die Studir- wie die Andachtsstunden dei* Zöglinge belebt, und Christi Wort ihre Richtschnur^ Christi Geist ihr Geist und ihre Kraft ist.

Aus dieser Rücksicht ist es denn auch Grundsatz unserer erleuchteten höchsten Schulbehörde: j, Jedes Seminar soll seinen eigenen Direktor haben, und zwar^ wo möglich, einen ordinirten Geistlichen; und bei den meisten ist dies schon der Fall"*). Wo dies noch nicht der Fall ist, da ist wenigstens ein Theologe als Religionslehrer an den Seminaren angestellt, -so auch in der Provinz Mied errh ein zu Neuwied^ und in der Provinz Westphalen zu Soest« Nur das evangelische Seminar unsers Düsseldorfer Re- gierungsbezirks, zu Mors, hat allein in Preussen^ und vielleicht allein unter allen Seminaren Deutsch-* lands, das Unglück, jaicht bloss keinen Geistlichcfn zum Direktor, sondern auch nicht einmal einen Theologen zum Religionslehrer zu haben« Weder der Direktor^ noch der Oberlehrer haben jemals Theologie studirt^ und doch gibt der Director allein allen Bibel - und Religionsunterricht im Seminan Dass dei'selbe viel Verdienst um manche Unterrichtsfächer^ namentlich utA Mathematik, deutsche Sprache und Geogra«', phie sich erworben hat, auch ausgezeichnete Lehrgabe besitzt, erkennt die Provinz gerne an. Aber nön oninia possumus omnes. Wer die Theologie niemals wedei*

'*) So heilst es in dem officiellen t^erichtö über did Preussischen Schullehrerseminare itiBBCKEDORFff Jahrbüchern etc. 1826 I. Bd. II. Heft S. 119.

II. 24

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auf der Universität, noch privatim studlrt, Biemals zu « stinem Hauptfach gemacht hat, und daher auch wenig- stens die eine der Grundsprachen - der h. Schrift nicht versteht, kann unmöglich die RelSgionsIehre überhaupt, jmi die Bibelkunde insbesondere so griindlich lehren, wie Mathematik^ deutsche Sprache, etc^ welche vonJu- geüd auf die Hauptricheir seines Schul - und Privatstu- dioms gewesen sind^ also unmöglich so genügend , wie cf der Standptinkt unserer Seminaristen erforderf. Die iTohe Schulbehörde hatte daher früher den Kandidat der Theologie, Vorreiter, als Oberlehrer und Re- ligionstehrer dem Direktor zur Seite gestelU, welcher auch, als ein Mann voll Glaubens und Liebe, mit gros- sem Seged auf die Seminaristen einwirkte. Nach dem frühen Tode des edlen Mannes ist die Ob^rlehrerstelie jedoch hiebt iRFieder mit einem Theologen, sondern mit Einern Lehrer, der^ früher Seminarist zu Mors gewe^ len tind liachher Mathematik stndirt hatte, besetzt. Die Prövinzialsynode zu Köln in diesem Jahire hat ikich daher verpflichtet gefühlt, im §. 26 ihrer Verhand- loiigen, das Elemeniarscbulwesen betreffend , ihren iiikhsten Orts vorzulegenden Anträgen mit besonderer ibeiiehnng auf das Seminar zu Mors den Antrag bei- tafiigeä: ,4däss det Religioüsunterricht au f d^ii Seminaren durch einen Theologen fttiieilt werde. «<

Gewiss darf tin^ere Provinzialkircbe VcrtraiiensvoU iioffed, dasji ihre unterthänige Bitte zürn Heil der Schule und Kirche recht bald gewährt^ und die Reli- gioiislehrersiellt am Seminai' mit einem gründlicbeOi

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entschieden gläubigen Theologen besetzt werde. Nur dann« kann unsere Provinzialkirche, was sie soll und will, den Glauben in der Gemeinde aufbauen, wenrii nicht der Unglaube in den Schulen gepflegt wird; Nur zu leicht geschiebt dies aber, wenn die Seminansteii nicht auf eine gründliche Weise in die Öffenbaruhgeü Gottes in Christo eingeführt werden. Nur zu leicht durchdringt die Seminaristen alsdann eiii Geist feinen DiNTERschen Unglaubens, indem sie DiNTERsch«i heidnische*) Lehr - Weise einer esoterischeü

*) Professor Ne ander sagt in seiner herrlichen Ge^ schichte der christlichen Rejigion uhd Kirche, I. Band I; Abtheilung & 8 11 von def esoterischen und exöterischeii Auffaääüngs- weise der heidnischen Religionen: ,>Mit die- ,>ser Einheitslehre (von Gottj unter den t)hilöSO- „phisch - gebildeten Heiden) war eine geii^tigöre ^,Auffassung der. ganzen Religion Verbunden, beiden „als esoterische Lehren heben der cxöteri- „schen, symbolischen Volksfeligiori. Alle reiti „geistige Religionserkehntniss betrachtete hiati nur ,>als Eigehthiim einer kleinen Zahl der G^TVeihteti „etc. Es war daher die herrschende Idee dei' den' „kendeii Mähner des Alterthums^ von der älld reli- „giöse Gesetzgebungen ausgingen j dass der Mehgä „nicht die reine > religiöse Wahrheit > sodd^rü dass „nur eine Mischung voh Dichtung iihd Wahrheit „ihr gegeben werden können um die i'eligiöseü „Ideen auf solche Weise darzusielleh , dass äie auf „die sinnlichen Menschen Eihdruck machen kotiht^n* „Der Grundsatz von eihei* sogenannten fräus ptä „war in der Gesetzgebung des Alterthtims durchaus „herrschend. Der grosse. Geschichtschreib ei* Po- >,LYBius sagt B. 16. C. 12: .> Insofern es dastU

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tmd exoterischen Religion sich ihnen dann am ncisten empfiehlt, wornach sie die vermeinte Weiibeit

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jjdient, die Frömmigkeit unter 'der Menge zu erhalt ,,ten> muM man einigen Ges<^hichtschreiberd yerzei- hen, wenn sie Wundermährchen erzählen. '^ Der ,,Geograph Strabo (s. 1, I. c. II.) meint, dass die y^Mytheuy wie für die Kinder, so auch für die Un- ^gebildeten und Unwissenden, welche wie die Kin^» ,,der seien, erfordert würden, und so auch für die- 9,jenigen, die nur äine mittelmassige Bildung hät- ^^ten; denn auch bei diesen habe die Vernunft nicht ,,Kraft genug, und sie seien noch nicht fähig, TOn „der aus den Kinderjahren mitgebrachten Gewohn- „heit sich ft>ei am machen ! ''

„Freilich eine traurige Lage des Men- „sehen, fügt Neanper hinzu, wenn der Same „des Heifigeny.der sich in dem ganzen Le* „ben nur fo^rtentwi^keln sollte, nicht „schon in das Gemüth des Kindes gestreut „werden konnte, wenn die reife Vernunft „zerstören musste, was im Kindesalter >,gepflanzt worden, wo nicht di^ heilige „Wahrheit yon dem ersten Aufstrahlen des „kindlit^hen Bewusstseins an die Grund- „lage der ganzen Lebensent Wickelung bil- „den k'onnte«''— '

Und dieselbe traurige Lage jener Heidenkinder wird noch jetzt den armen Christenkindem bereitet, dadurch, dass sie noch jetzt nach solchen heidni- schen Grundsätzen unterrichtet werden, und die Schullehrer die Rolle jener elenden heidnischen Volkstäuscher übernehmen sollen, ihnen, statt die heilige Wahrheit zur Grundlage ihrer Lebensent^ Wickelung zu geben, historische und philosophisch« Mythen für Wahrheit zu yerkaufen, so dass diese die Qifeabaituigen Gottes an die ersten Aelters

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der esoterischen Bibelerkiarung meistens wohl für sich behalten und ihrer Schuljugend bloss die exoterUche

im Paradies^ an Abraham im Haine Mamre, an Christum und die Apofttel auf dem Berg d«r Verklärung etc. -* die ihre kindliche , Seele mit an- betender Liebe und Freude erfüllt hatten, nun, wenn 9ie von der höheren Weisheit Dintbr's enttäuscht werden, die erste als ein Gedicht, die zweite als einen Irrthum, die dritte als einen Traum anse- hen lernen (s. Dinters Schullehrerbibel 1 Mos. 3 und Zugabe^ die Zugabe zu 1 Mos. 18 und Matth. 17, 2), und dadurch an allem, was der Lehrer oder Seelsorger sie aus Gottes Wort gelehrt, zweifeln und irre werden! Ja, noch traurigere Lage der armen Lehrer! Denen im Licht der D int Bu- sch en Weisheit der falsche Prophet Mahamme4 höher stehen muss, als Moses, der Prophet Got- tes; da jener ehrlich genug war, zu gestehen, dass er keine Wunder thun könne, dieser aber die über der Schlucht liegenden Steine'» die das Wasser yer- stopften, mit dem Stabe wegräumend, dies für ein im Namen Gottes gethanes Wunder aufgab (siehe DinTER'B Schullehrerbibel 2 Mos. 17, 6)> ja die- ser ihnen als ein anmassender, blutdürstiger, Got- tes Namen zur Befriedigung seiner Leidenschaften misbrauchender Demagoge erscheinen muss (siehe DiNTER's Schullehrerbibel 2 Mos. 34, 7; ygl. 32.^ 27—29). Denen der chinesische Gottesläugner, Fo,' als ein geringerer Betrüger erscheinen muss, denn der ewige Sohn Gottes. Jener enttäuschte doch wenigstens ror seinem Sterben die sein Lebenlang im Dunkeln herumgeführten Jünger, ihnen entde- ckend, dass es mit dem bisher Ton ihm Gelehrten nichts sei. Dieser aber belehrt seine Jünger nicht über ihre bei seinem früheren Unterrichte (angeb- lich) irrig und auf jtidiich-abergläubisch» Weis«

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geben 9 jedoch mit gehobenen Schulen, was I)inT£R ansdriicklich lehrt und anräth, (z« B. in seiner Schul- lehrerbibe), Zugabe zu 1 Mos. Cap.l. 8. 10 etc») und Klteren Schülern auch manches Esoterische mittheilen, and die exoteriscne Hülle weglassen.

Gdbe Gott, dass eine solche doppelte Lehrweise auf keinem unserer Sen^inare, auch nicht auf nnserm evangelischen. Seminar zu Mors, einheimisch werde!

aufgefassten Vorstellungen von der Versöhnung, der Erlangung der Gerech tigung Tor Gotl durch den Glauben, dem Dasein und der fortdauernden Wirksamkeit des Teufels, dem Weltgericht u. a. w. (s. Di:\^TER'8 Schullehrerbibel 1 Thess. 4> 15. 16 und Zugaben zum Ev. Luc. S. 53. 54. Tgl. D in- te r's Anweisung zum Gebrauch der Bibel 11. Thl. S.'66* 67.), selbst nicht nach seiner Auferstehung, selbst nicht nach seiner Himmelfahrt bei der Aus- giessung des h. Geistes. Nein, sie lehren ihre Vor« Stellungen als Christi Lehren in ihren Schriften bis an ihren Tod, bleiben getäuscht und täuschen die ganze Menschheit auf ewig, den Theil der ' Menschheit wenigstens , welcher nicht die Dreistig- keit DiNTBR's besitzt, den Grundlehrien der Apo* stel Ton der Versöhnung Christi und der Heiligung ^ ins Angesicht zu widersprechen, die Stufen der gottlichen Heilsordnung umzukehren, die Heiligung der Rechtfertigung Torhergeheii, statt nachfolgen zu lassen, das ganze Verdienst des Todes Chfisti in eine blosse Bestätigung seiner Lehre zu setzen, darauf zu behaupten, dass die Apostel ganz seine Ansicht lehrten, und die ihr entgegengesetzten bi- blischen Stellen ihr gemäss zu verdrehen. (Siehe ' DiNTlBR's Schullehrerbibel Rom. 3 > 25. 26. 28. 4y 5 8 und Zugabe zu Cap. 4. Ap. Gesch. 1^ 39^ Eph. 1, '7. Uebr. 0, 12 und 14 etc.)

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Deno die evangelische Kirche kennt keine solche 'zwie- . fache R ei i g i o a der Unmündigen and der G e -^ bildeten» keinen frommen Betrug irgend einer Art, mag er aacn Accomodation und Lehr.weis- heit tilolirt werden. Das^ Lehren solcher , doppelten Religion für die Schallehrer and für die Schalen an« tergräbt alle Wahrheit, allen Segen des Worts Goües» und alle Widuamkeit der christlichen Prediger» Mag auch der Schnllehrer in der Regel nur den sogenann- ten niedern Yol^ksglauben (die exoterische Religion) in der Schale lel^iren, sobald der Piediger aber keinen andern Glauben als dieseii auf und anter der Kanzel lehrt, so wird jener meistens denken: der Prediger accomodirt sich^ wie ich in meiner Schule, er hält die Zuhörer noch tuf «Q unmündig, dass sie der höheren Religion noch nicht fähig seien ^ ^— selten wird . er . glauben, dassf es dem Prediger Ernst damit sei, und 'er in der Aafldämng noch so weit zurückstehe, -^ und so hat fürs erste der sich höher stellende Lehrer keinen Segen Ton der Predigt, Da es aber nach * Dieters Meinung des Lehrers Pflicht ist, in den gehobenep Schulen bisweilen einige Körner der neuen höheren Lehre fallen zu lassen, aus denen diese den Schulen allmähüg weiter aufgehen so(l, da der Lehrer überdies nicht ermangeln wird, die vermeinte höhere . Weisheit (nach dem im Menschen liegenden Mitthei- lungs- Trieb) den . empfänglichen älteren Schülern und Erwachsenen mitzuth eilen , -— und welcher natürliche , Mensch ist nicht durch den- in ihm liegenden fleisch- lichen Stolz, dem iene Webho^t so sehr schmeichelt^

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empfänglich dafür? so wird gar bald der grössere Tbeil der Zuhörer sdnen bei der altgläubigen Predigt }>eharrenden Seelsorger fär einen ihnen das Bessere vvillentlich vorenthaltenden Finsterling, Heuchler u.s.w. .liallteDy und der Same Gottes fällt an. den Weg.

Das sind die Folgen , die aus jener zweiziingigen l4ebrweise entstehen, und in immer furchtbarerer Aus- dehnung entstebeii werden , wenn man sie nicht fallen lisst *— Ich könnte einen deutschen Staat nennen, in welchem solche doppelte Lehrwelse in DiifTER* #cher Manier, wenn schon ohne Dimter's Frivo-r lität, an seinem Schullehrerseminar, bereits eine furcht- bare Kirchenscheu, besonders bei den Schullehrem, btefördert hat. -:- Doch der Name ist bicr nicht oöthJ^

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Allgemeiner Unterricht i^on Jacotot.

JL/a dieser Mann, wenn schon ein geborner Franzose, doch in den Niederlanden, und zwar in Löwen seine neue Unterrichtsweise, die er Enaeignement unwersel^ allgemeinen Unterricht, nennt, gelehrt, und besonders in den ersten Jahren viel Aufsehen damit gemacht hat, so will ich hier einige Worte darüber sagen. i

Das Eigenthümliche seiner Lehrweise besteht darip^ dass binnen sechs Monaten jeder Schiller eine Spra- che, welche er wolle, vollständig bei ihm lernen sojl, wobei er nur Ein Buch brauche, und gleichviel sei es ihm , welches. * Auch lerne er hierdurch so gut denken und schreiben, wie der beste Schriftsteller, und impro- visiren, gleich dem gewandtesten Improvisator,

Die Grundsätze seines allgemeinen Unterrichts slqd in 243 kurzen unzusammenhängenden Sprächen vcr- fasst*), von welchen die wichtigsten hier folgen:

*) S. GrondstellingeH van kct (^zoogenaamd) alovioat'tend Ondcrioys van den Heer Jacotot, overgenomen uil het Fransch en tocgelicht door den Kapitcin L, F, GeeR'* l^iSG, Arnheim bei Thieme 1829.

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2. Alle Menschen Laben gleichviel Verstand. 53. Es gibt kein Genie.

50. Das Genie ist nichts anders» als^ eine grosse Ge- schicktheit zur Geduld.

4. Man ist nicht gelehrt durch das, was man ge- lernt, 'sondern durch das, was man behalten hat.

11. Setze Vertrauen in den Verstand eines Schülers, aber du kannst nie zu viel Mistraueo in sein Ge- däclitniss setzen.

85. Man behält nichts, als was man wiederholt.

26. Fange nicht mit der Sprachlehre an« Du kommst

vom Wege ab.

Daher beginnt JACOTOT den Sprachunterricht damit, dass er ganze Bücher auswendig lernen la'sst, z. B. bei dem Unterricht des Lateinifcben die Ipiiome hiaicfriae eacrae, welche er als I^eit&den gebraucht Hierbei erklärt er nichts, ausser dass er von den aus- wendig gelernten Sätzen eine Uebersetzung gibt. Das Auswendiglernen der Jfyiiome dauirt 2 Monate, worauf er mit den Schülern zum Uebersetzen und endlich zur

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Sprachlehre übergeht -^ Auf diese Art soll der Schü- ler binnen 6 Monafeq im Stande sein, alle lateinisiche Bücher gleich dem grö'ssten Gelehrten und gewandtestea ' Schrifbteller müadUch und schriftlich zu übersetzen.

7. Verstehe Ein Buch, welches es auch sei, an4 wende alle anderen darauf an. 59. Wfr sind alles im Tele^iacr.

Wer daher die 6 ersten Bücher des Telemach, ' den et- gewöhnlich zum UnterrichUbuch im Französi-<

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ftchen nimint, aaswendig könne , yerstehe alle franxösi- •che Bacher., . 39* Nichts ist in nichts. Alles ist in allem.

-Letzteres istjACOTOT's Wahlspruch. 51. Ausser unserer Muttersprache sprechen wir, wir m^en wollen, oder nicht, alle eine allgemeine Spradie, welche die Gefühle, die wir verbergen wollen, sowohl als die^ welche wir ausdrücken wol- len, Sa erkennen gibt 72, Mit der allgemeinen Sprache K^mi man alles

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' sagen,

70. In Einer Spracl^ ist ^|ie Unendlichkeit beson- derer Spracbeq.

127. Die das Frai|x($sische yersteheii| verstehen aach das Grriechisphe nnd Lateinische.

191. Wer {lin^ Sprftche kennt, weiss alles.

207. Wer sich nipbt im Stande glaubt, zu lehren, was er nicht yrdu^ yerstebt den allgemeinen Un- terricht noch liicht,

213. Die Lehrweise dea allgemeinen Unterrichts setzt in dem' Lehrer nicht mehr erlangte Kenntniss vor- ' aus, als in den^ Schiller«

116. Es ist ^enug, ein Nichtswis$er zu sein, um Leh- rer durch die Ljsbrweise des allgemeinen Unter-

' rights zu sein^

17. Der Unterricht kommt nicht vom Lehrer.

69. Im allgemeinen Unterricht ist kein guter, noch schlechter Lehrer, wenn er nur den erforderlichen Charakter besitzt. Denn der Charakter ist alles in allem.

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20. Das kleinste Kind ist im Stande, dea abstralu- sten Ausdruck zu fassen.

110. Wer 18 oder 20 Jahre gelebt hat, weiss allesi was in der Literatur ist

67, Die öffentlichen Uebnngen , die Preise der alten Lehrweise sind Beleidigungen; sind Beleidigungen für die geringere Fähigkeit der Natur, wenn die- , selbe vorhanden ist, und Belohnungen, von dem Starken nicht verdient, wenn sein Mebenbuhl^ schwach geschaffen ist.

*73. In Betreff der Wissenschaften ist alles Ueber« einkunft In dieser Welt

1. Der Mensch isi ein verniinftiges Thier, geschickt, um Aehnlichkeiten {opereenkomsien) zu fassen.

*78. Das Gute, das Böse, das Bessere sind im Zu- sammenleben Fragepunkte der Beredsamkeit

120. Der Mensch wird weder gut, noch böse gebo-< ren, wie man dies behauptet hat £r ist bald das; eine^ bald das andere. Er thut das Böse und da Gute« Wenn er standhaft wäre, würde er kein Mensch mehr sein»

123. Der Vernünftig denkende Mensch kann alles..

221. Man ist immer gelehrt genug, um sittlich w" sein. Man sündigt niemals durch Unwissenheit

24. Niemand ist vollkommen, weder im Gmten, nodi im Bösen.

25. Wir haben 4ille den Keim aller Tugenden und ' aller Untugenden.

1^21. Der allgemeine Unterricht ist die Lehrweise der. Natur.

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235. Der allgemeine Uoterricht ist eine Wohlthät.

23/4. Der allgemeine Unterricht wird nicht Wurzel

fassen.

Man ersieht aus Vorstehendem, dass JACOTOt's Sprüche theils allgemeine längst bekannte Wahrheiten, theils Halbwabte^, theils witzige Ungereimtheiten und Prahlereien enthalten. Aehnlichen Inhaltes sind seine andern Schrillen, welche zum Theil eine Art Anwei- sung zu seinem Unteiticht enthalten, z. B. Jünseigne-^ ment universell langue etrangere , Loupcun bei DJB i Paupv ^8a4y Langue materneüe etc.

So sehr auch seine Lehrweise von Professor KiN* . K£R zuv Lüttich in einem auf Befehl des Königs unterm 8. Sept. 1826 darüber ausgestellten Gutachten gelobt worden ist, so dass er voin Könige einen Orden er- f hielt, so hat seine geistvolle pädagogische Marktschreie-* \ rel doch sich nicht ausbreiten können, wie er selbst K.Jm 234sten seiner Sprüche geahnet hat. Die Resultate |r »eines bisherigen Unterrichtens während 12 13 Jah- re, welche aus Kindern eine Menge junger Gelehrten hätte liefern und alle Gegner beschämen müssen, wenn L: er das Versprochene geleistet hätte, haben den Erwar- tungen und Versprechungen keineswegs entsprochen. Die Stimmen der Prahler verstummen allmählig, und man kehrt zur alten , gründlichen Unterrichts weise - zurück *).

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*)Iii Nordniederland hatte die neue Unterrichts* weise sich nie Beifall erwerben können. Auch ha- ben melircre Schriftsteller die Grundlosigkeit der-

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So macht die Zeit das Eide ftü Schanden«

selben nachgewieaen, B. i) Tteee Briefen, het W' 'denepi en hyzonder ook de leerwyze van den Heer Jacotot beireffende^ door Rüstig, Groningen \i&. OoMKENS ,1827. 3) AanmärHngen op de Leerwyze vm den Heer JacüTOT eH zyhe iwee werken wer hei taaionderwpt, Vit het Franseh. Haag bei Kloot8 1827.— Aach Geerljno in der Toeliehting in sei* ner oben angeführten Schrift» die GrondsteiUngen des Jacotot enhaltend, kritisirt sie scharf.

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Andere Merkwürdigkeiten Harlem^s. Die Dünen. Abreise nach Dord^

recht.

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. Y V ahrend meiner Anwfisenlieit «u H a r 1 e m sah ich . noch einige Metlcwiifdigkeiten in der Stadt und ihrer Nähe. *Dürch die Güte eines grossen Bhimenhändlers ^voh deutscher Ahkunft, Schneevogt, konnte ich ' wenigstens die äusseren Einrichtungen der herühmten Harlemer Blümengarteii mit ihren vielen Treib- häusern und Beeten betrachten^ welche- letztere mit Lohe statt Mist umgeheil waren^ und die tausende Blu- menzwiebeln in den Schuhladen und Fächern sortirt sehen, von welchen vor hundert Jahren {jiia Tulpen- zwiebel mit 4 bis 5000 fl. bezahlt Wurde* An den prachtvollen Tulpen, Hjacintheii, Ranunkeln, Anemo- nen, Aurlkeln u. s. w. selbst konnte ich mich nur in Zeichnungen ergötzed. Denn der Winter ist nicht der ßlumen Freund.

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Eine andere Merkwürdigkeit der Stadt ist die be- rühmte, herrliche Orgel mit 8000 Pfeifen und 60 Registern in der grossen reformirten Kirche j die grÖ-» ste in den Niederlanden.

Eine dritte Merkwürdigkeit ist das Standbild des Harlemer Rathsherrn , Lorenz K o s t e r , auf dem Markte, welcher von den Holländern für den Er- finder der BuchdruckerkuDst gehalten wird. £r steht in seinem Rathsherrnmantel in Lebensgrösse abgebildet auf sinem erhabenen Postamente^ mit einem Lorbeer'- kranze um das Haupt, und hält in der einen ausge- streckten Hand ein grosses A, In der andern ein Buch.^ Sein Andenken wurde im J. 1823 wieder aufs glän- zendste gefeiert, und durch ein neues Denkmal, das man ihm am 10. Jul. desselben Jahres im Harlemer "Wäldchen setzte, verherrlicht Weil nämlich der Hol- länder Jacob Koning in seiner Preisschrift über die Erfindung der Buchdruckerkunst vom J. 1816 be* hauptet hatte, dass Koster sie Zwischen, den. Jahren 1420 1425 erfunden habe, so wurde das Jahr 1823 zum vierhundertjährigen Jubiläum bestimmt. Der 10. Jul. war der grosse Festlag, zu welchem viele Tausen- de aus allen Städten Hollands nach Har lern ström- ten, um das Gedächtniss ihres grossen Landsnianns za feiern. Auch ich ging von Amsterdam, wo ich damals war, zu diesem Fest nach Harlem, vorzüglich um die Eigenthümlichkeit eines holländischen Nationalfestes za' seheikk ' Schon unterwegs in der Schult umgaben mich die lebhaftesten Aeusserungen des holländischen Patrio-' tisinus, so dass kein Zweifel an Koste RS Verdieasl

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laut werden durften. Auch erzählte man alles Ernstes^ .(iass 2000 deutsche Studenten ira Anzu^g seien, um das Fest zu stören , well Holland sich Deutschlands Ruhm zueignen wolle. Allein, wenn sie es wagen sollten, würde man sie schon finden. Man erzählte das wohl mir zum Gehör, weil man an meiner Aussprache merkte^ dass ich ein Deutscher sei. Ich Hess Holland indess seinen Ruhm unbestritten^ nicht bloss, weil dies das Sicherste für mich war, sondern auch , weil ich wirklich glaube^ dass beide Länder den Ruhm dieser Erfindung theilen können, und Koster wie GüTtenberg sehr gut unabhängig von einander auf dieselbe kommen konn- ten *),

In Hartem ängelaögt, konnte ich jedoch nicht alle Theile des Festes sehen, weil ich daselbst noch ganz unbekannt war, und es mir ohne Einführung jiicht gelang, die Ungeheuern Mensch enitiassen zu durch- dringen. So kam ich z. ß. nicht in die Kirc^he , wo das Fest mit einer Rede des Professors VAN der Palm eröffnet wurde. Nachher ging der festliche^ tinabsehliche Zug mit Musik und von Militär zu Fusd find zu Pferd umgeben, vomRathhause nach dem lieb-« liehen Wäldchen vor der Stadt, das mit so vielen Land- häusern prangt. Hier soll Kost ER durch das Ein- schneiden einiger Namen in Bäume auf den Gedanken an bewegliche Lettern gekommen sein. Hier war d^-»

0 Vgl. Näheres hierüber in NiemeyEr*« Beobach- tungen auf einer Reise durch einen Theil von West- phalen und Holland. Halle Waiscnhausbuchh. 1823. IV. Beilage.. 338 ff.

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her du neue DeDkmal errichtet, das jetzt zum ersten Male den Blicken der Versammlang enthüllt, und mit einer Rede feierlich eingeweiht wurde. Das Denkmal ist Tiereckig, und nicht sehr gross. Für ein National- denkmal wenigstens scheint es mir nicht gross und wür- dig genug« Auf der ersten Seite steht: 7hr JSere ihm LAURSNg Jjnnszooji Kqstea^ JJUuindtr d$t Scmlpdrukkunst , door BurgemeeaUren en Baden di^ * Stad Haarlem <^ het tderde Eeuu^gttyde 48$3» Ob^n drüber steht ein grosses A. Auf der zweiten Seite steht : F'icit yim i4rtu9. Darüber ist ein Schwert, und über diesem ein Druckerballeu und einige Drncker-i , Werkzeuge. Auf der dritten Seite steht die Inschrift der ersten lateinisch. Auf der yierten Seite Ut der Biederländische Löwe mit Lorbeerkänzen.

Nach der Einweihung des Denkmals ]irurden im Wäldchen» ganz nahe bei dem prachtvollen Landhause des YAN HoPE^ das nachher der Kenig gekauft hat, allerhand Vergnügungen und Spiele für das Volk ver- .. anstaltet, Mastklettern, Ringen, Caroussel, Seilschwin^ . gen, Feuerwerk und dgl. An Buden und Schenken tur Erquickuog des Leibes fehlte es natürlich nichti . Auch arbeitete auf offener Strasse eine Druekerpretsc^ damit Jedermann sich von dieser nützlichen Ein^idk'» tung einen deutlichen Begriff machen könne« Des Abends war die Sudt illuminirt.

Zu den Erholungen, welche ich zu Harlem m&ß^ rend des KoUektirens genoss, gehörte auch der ÜbhT gang mijt einigen lieben, freundlichen Familien, eines Recht^gelehrteii VAN Vooast, dem Sohn des Pro«

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fessors zii Leiden, einem herzlichen, biederen Manlil^^ und seiner Frau, einer feingebildeten und liebensfrür'i digen Dame, Tochter des verstorbenen Professors Rau zu Leiden, eider Familie VAN Ingen, und zwei Brüdern Nyborg, deren einer ein Spiegdfobri^ kant war, so dass ich hier die angenehme Gelegenheit hatte, die Bereitung der Spiegel zu sehen« Beide gehörten zu der ehemals hier bestandenen, aber schon seit län- gerer Zeit erloschenen Brüdergemeinde, waren sehi^ heiteren und glaubigen Greistes, und machten niich mit ' einigen Gleichgesinnten, einer Metn'ouw VAN dei^ ^ Bosch, und einer edlen alten Jungfrau SchneE'» VOGT bekannt. In ihrer Gesellschaft erquickte sich manchmal mein Geist von den Müheii des Tags, na-» mentlich brachte ich den letzten Abend des Jahres in diesem lieblichen Kreise zu, wo wir mit einander le* send, sprechend, singend und betend der Güte unsers Gottes gedachten, die er im alten Jahre an uns bewies sen, und seinen Segen fürs neue erflehten«

Als meine Abreise herannahte^ ludett mich ^\€ .Ürüder N TBC HG ein^ noch einen Spaziergang mit ih- , nen nach den DSnen zu machen. Ich nahm die Ein- ladung mit Freuden an, um auch von dieser Seite ein^ mal das Meer «u sehen. Wir richteten unsern Weg nach der sogenannten blauen Treppe^ dein höch^ sten Gipfel der Dünen, welche sich hier in grossen it^ellenförmigen Sandbergen im Hintergründe derLaud- achaft aufthürmen. Wir kamen durch fruchtbare FeU der an vielen Landhäusern vorbei,^ dann durch das ar^ tige Dörfchen Blumenthal, das auf dem Sandboden

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der Donen treffliche Gemüse und Kartoßelti gewionf* Anch hier an der warmen Rückseite der Duneü sind noch Landhäuser mit kleinen Weinbergen. In den Dii|nen sj^lbst sind eine Menge wilder Kaninchen, wel'* jche die Küchen Harlenis bereichern. Wir klommen mühsam den steilen, hoheii Berg hinauf, rings umweht yon den Büschen des Helmgrases, worin der Wind splehe. Meifie Begleiter knachten midi aufmerksam auf den unberechenbaren Nutzen dieses unscheinbaren Gra- ses. Kein Strauch und kein anderes Gras , als dieses wächst in dem losen Sande. £s bohrt sich zuerst mit seiner kellfclrmigen Wurzel tief in die Erde, dann breitet es sich mit unzählbaren Nebenwurzeln und Fa- sern rings umher im Sande aus, so dass kein Wind es ausreissen kann. Zugleich lässt es einen hohen Busch Halme emporschiessen, und beschützt damit den Boden.9 so dass der Wind nicht den Sand herauswUh- len kann , sondern über ihn hinstreicht. Sonst hätte er längst diese Berge unhaltbaren Flugsandes wegge- \wehf, und dem Meer freien Zutritt in das niedriger 'lie- gende Land geöfftiet Wunderbare Weisheit in der Natur! Wo alle Kunst und Weisheit der Menschen keinen Damm noch Riegel bereiteti kann, da macht die gcittliche Weisheit eia verachtetes Gräschen zu einem festen Bollwerk gegen Wind und Meer. Ais wir den Berg erstiegen hatten, war der Himmel unterdes«* sen mit Wolken umzogen worden, und die fr^ie Ans^ sieht aufs weite Meer war uns genommen. Wir wnr-* den dariibet jedoch nicht verdriesslich, denn wir hatten Ja ein neues Wunder der Weisheit und Güte Gottes

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an dem Hclmgrase gesehen, dass wir uns freuen konn- . ten. Ich nahm mir einige Büsche dieses merkwürdigen (irases mit, und so kehrten wir vergnügt nach der Sladt zurück.

Am 6. Jan. 1824, Abends 9 Uhr, setzte ich mich In den Postwagen, der von Amsterdam kommend, über llarlem, Rotterdiun und Dordrecht nach Brüssel geht, und vcrlless wehmütbig das stille, freundliche Harlem, * wo ich grosse Liebe und Güte genossen lind viel edle Seelen kennen gelernt hatte, und tarn nach einer be- schwerlichen Fahrt, nachdem wir zweimal über die Maas hatten übergeschiflft werden müssen, des- andern Mor- gens um halb 7 Uhf in der von der Maas umflossenen Inselstadt Dordrecht an, deren hoher, stumpfer Thurm uns schon lange durch die blasse Morgendäm- merung entgegengeschienen hatte.

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fCollekfiren in Dordrächt. Literari-^ . sehe Gesellschaften. Mßßts^happy tot Nu^t ^ßn't Algemeen*

/Xuch in dieser alten, berühmten Stadt Sädhollands ward mir eine freund liehe und liebreiche Aufnahme zu Thell. Die reformirten Prediger Prins, van per ScHEER, vanKooten, Strqnck, Tydemann u. s. w. , besonders die beiden ersteren,^ emp&Uea meinen Zweck dringend bei ihren Gemein dsgUedern, und so fand ich «viele offene Thüren bei den Vomdir men, Wie bei den Mittelbürgern. Von diesen ward idi häufig aufs herzlichste aufgenommen, und fand bei nicht wenigen eben so viele christliche Erkenntniss, als le« bendigen Glauben, hörte auch den Namen; Vater Kl ST von vieler Lippen mit dankbarer Rührung neu« nen. Erst hierdurch lernte ich kennen, mit wekhea Sege^ diefer |;eialbte Knecht Gottes iq der h!esi|^

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Gemeinde gewirkt hatte. Er war vor 2 Jahren gestor- ben, aber sein Gedächtniss blieb im Segen.^ Denn er hatte viel gearbeitet*, und war nicht müde geworden« Mehreres über ihn s. unten.

Es sind hier 3 holländisch -reformirte Kir- chen mit 8 Predigern, 1 französisch - reformirte und 1 lutherische, jede mit 1 Prediger, auch eine jansenistisch^ Kir^rhe, so wie viele römisch-ka- . iholische Christen. .

Die grosse reformirte Kirche hat schone, weite Hallen, eine sehr grosse Orgel und eine Kanzel von feinem weissen Marmor, selbst die Treppe nicht aus- genommen. Dies Marmordenkmal ist ein Geschenk milder Frömmigkeit. Ein anderes noch bedeutenderes Geschenk solcher Mildthätigkeit besitzt die Kirche in Abendmahls- und Taufgefässen von lauterem Golde« £s sind 3 Abendmahlsschiisseln, wovon die grösste an 2 Fuss im Durchmesser hat, 2 grosse Becher, ein Abend mahlskrug, und eine TaufschUssel, alles aus fei- nem Golde, mit einfachen und schönen Verzierungen, so wie dem Wappen und Namen des Gebers« Dieser, mit Namen DiODATi, war als armer Waisenknabe im hiesigen reformirten Waisenhause erzogen, ging nach Ostindien, und erwarb sich daselbst ein ungeheu- res Vermögen, so dass er nach seiner Rückkehr im J. 1736 aus Dankbarkeit dieses Geschenk machte. Es wird über 40,000 fl. an Werth geschätzt. Den beiden andern reformirten Kirchen schenkte er silberne Abcnd- mahlsgefässe, einer Kirche im Haag aber ähnlicht Gt« fasse von Gold»

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Das H911S, in dessen Saal die berühmte Dord- rechter Synode in den J. 1618 nnd 1618 gehillai wurde, 'ist jetzt ein Wirthshaos, die J?ule, nnd hat keine Merkwürdigkeiten von jener Zeil her. Ich habe es Bidit gesehen.

Die Stadt hat ^ine herrliche Lage zur Seefahrt, daher auch Häfen genüg, und hatte früher 130 See- schiffe. Ihr Handel ist aber durch die Aufbehnng des Stapelrechts und das sich Wegziehen des Seehandek nach Brab^nt so gesunken, dass sie jetzt nur noch 5 6 Seeschiffe besitzt. Der Fischfang, besonders mit Kabliaii, ist immer noch sehr bedeutend.

Ueberbaupt herrschst ein lebendiger, tbätiger Geist unter den. Bürgern, auch viele intellectuelle Bildung:, wie dies überhaupt bei dem. Mittelstände der hollän*- di sehen Städte, und wohl in grösserem Grade, als in pnsern deutschen Städten der Fall ist Thdls rührt dies von ihrem ausgedehnten Handel, und ihrem in der Regel grösseren Wohlstande her, theils aber auch von den vielen, in den Städten befindlichen, zunächst für

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den Bürgerstand berechneten, literarischen Ge-- Seilschaften, welche eine grosse Anzahl Mitglieder, wei^t von Bürgern haben , und alle 8 oder 14 Tag« ., des Abendd, besonders im Winter, im Sommer monat« lieh, einmal, eine Versammlung halten. Hier wird eine ' Vorlesufig über historische, ökonomische, physikalische, religiöse, moralische, belletristische und dgl. C^gen-^ stände, je nachdem die Gesellschaft ihren Kreis weit ^ pder en^ gesogen hat, gebalten, «meist zwar von:~wis? -: ^enschalUicJi Gebildeten', auch wohl voq Predigern« oft

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aber auch von woh^uaterrichteten Burgern. Die Vor- lesung nimmt die meiste Zeit der Abendversammlung ein. Nach der Vorlesung werden zur Abwechslung meistens kleinere oder grössere Gedichte vorgelesen. In mancher darf auch wohl das weibliche Gcsdilecht zuhören. Fast in jeder grösseren Stadt Hollands be- stehen solche GesellscHaften , welche sich iti der Regel durch einen gewissen Wahlspruch bezeichnen. In Dordrecht besteht eine mit dem "V^ahlspruph : Vi- f^ersa, sed una, deren Versammlung ich eines Abends beiwohole. Der oben erwähnte Prediger KiST las oft darin Abhandlungen vor. In Arnheim besteht eine solche Gesellschaft mit dem Wahlspmclit Prodesse conamuTf in Rotterdam "unter dem Namens F'er* . scheidehheidan opereenstemming , welche selbst Preis- fragen ausgibt 9 in Amsterdam unter dem Namen: J^ellx meritisj deren ich schon im 1. Band S. 253 er- mähnt habe, u. s. w.

Einige dieser (Gesellschaften haben bloss Einen oder wenige Gegenstände zum Zweck, z. B. das J5a- taafsch genootsohap uan proefondertdndelyke natuur^ •lr2^/2^& (Experimental- Physik) zu Rotterdam. Sol- cher physischen Gesellschaften gibt es auch zu Ut- recht und Groningen. So gibt es zu Amster- dam eine Gesellschaft poor viterlyhe Tf^ekpreherüieldy^ 'und eine Poor Nederlandsche Ijetterhunde.

D'ass solche Gesellschaften, welche den Geist der Bürger bilden, und ihn für höhere Genüsse empfang-, lieh machen,, sehr wohlthätig wirken, wenn sie recht geleitet Mcrdei}^ und eine nützlichere Beschäftigung in

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dea »bendiichen Masiestniidca geben , aU das Silieo ja Wirthshäuaern und Kafieestabeiif ist wcAI Toa Mst klar, und es ist daher sehr sa vünschen, dass in «i- sern grösseren deutsch en Städten solches nadip- ahmt werden möge. Nor in einigen sehr grossen SÜir ten Deutschland», als Berlin n^ a. bestehen ähn- liche gemeinnStage Vorlesangen, ohne dass sich jedoch txesellschaften an diesem Zweck gebildet haben.

Der gelehrten Gesellschaften, wdchePre/s- fragen ausgeben, nnd aum Theil auch Vorlesungen ^aU I ten, gibt es nicht weniger in Holtand.' Eine derselben, die TETLoa'sche Gesellschaft sn Harlem, ha- ben wir oben schon angefahrt £ine andere, die Mol' landsche mcuUHchappy der' ftmUn^chappen ^ welche sich mdst mit Naturkunde besddfiigt, ist die älteste dersel- . ben und im J. 1758 gestiftet Kn solches Zßeu%4*9che genclot^hap der wetenechappen besteht xu Mlddel- burg, ein genootschap t^an huneten en u^etenechappen au Utrecht; eine andere Gesellschaft i^oor fraye kun- eten en u^etenschappen versammelt sich abwechselnd au Leiden, Amsterdam, Rotterdam und im Haag. Das Königliche Institut der Wissenschaften, Literatur und freien Künste hat 4 Klassen. . Die erste Klasse hat zum Gegenstand: wyi^mk na» tuur kundige u^etenechappen ^ die xweite: nederlanded» \ tacd'en htterkundei die dritte: oude talen en letfe^ reny gescJüedems en oudheidkunde^ die vierte: beeiden^ de kunsien en tonkunet. Dies Institut hat nur Glieder. ,£ine reformirt - theologische Gesellsdiaft iil^ das im J. 1785 gebildete : Haagaofie genooitcAap M ^

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verdediging pan , den chrUtefyheh godsdienst legen deszelfs hedendaagsoJis bestiyders ,' yreicbes , besonders in den früheren Jahren, viele tiireffliche Preisschrlftea geliefert bat -^ In den grossen Städten Südnleder- lands besteben viele ähnliche Gesellschaften*

Zunder Klasse der ersteren mehr für den unge- lehrten Stand errichteten Gesellschaften gehört auch die Maatschcfppy tot NiU varCt Algem§en (Gesellschaft zum Gemeinwohl), welche sowohl wegen ihres ausge- dehnten Zwecks, als auch wegen ihrer alle übrigen Gesellschaften übertrefleqde Einwirkung auf .das Volk hier etwas ausführlicher dargestellt werden muss.

Sie wurde gebildet am 19. Nov. |.'784 von einem schlichten, gläubigen Prediger der Taufgesionten , van NiEUWENHUiZEN zu Monnikendam in Verbin- dung mit einigen Freunden, weil er mit Leidwesen be- * merkt hatte, dass die meisten dieser Gesellschaften sich zu wenig um die Aufklärung und Bildung des gemei- nen Volks, welches ihrer doch am meisten bedürfte,' bekümmerten 9 und die von ihuen herausgegebenen Schriften zu wenig populär und zu theuer waren. *— Die Gesellschaft hatte zuerst ihren Sitz zu £dam, seit dem J* llSl aber zu Amsterdam.

Der Zweck der Gesellschaft ist zufolge ih- rer Grundgesetze*), (welche alle 10 Jahre revidirl wer- den, zuletzt im J, 18^5}: .

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*) Wetten der Maatschappif tot Nut van't Mgemeen, vastgesteld en verbindend verklaart in de algemeene Vergadering der Maatschappy, gehouden den 9. en }Q, 4ugnstus |83(^.

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Aufklarang und Bildung des geriugeren Volkes^ und dadurch allgemeine Sittlichkeit ia Uebereio- stidimung mit den Grundsätten der christli^ Religion zu befördern, ohhe jedoch sich in einige religiöse, oder borgerliche Streitigkeiten einzuta^ sen, und verschieden wirkend von den gelehrten Gesellschaden, welche die Gebildeten zvm Ziel baben. ^ Jeder, der 5 fl. 25 Cts. jährlich zahlt, ist Mitglied der Gesellschaft. An jedem Orte, wo wenigstens S solcher Sabscribenten sind, kann sich ein Hülfsverein, ein sogenanntes Departement bilden. Solcher Depar- temente waren im J. 1829 192 mit 13,174 Wii^itdLtvn. Auch gibt es correspondirende und Ehrenmit- glieder, Zu letzteren , welche nichts zu bezahlen brauchen, werden besonders verdienstlicbe ScHullehrer ernannt Die Central-Direction ist in Amster- dam, und besteht aus 10 Haupt -Directoren, nebst ei- nem allgemeinen SecretSr. Den 2ten Dienstag im Au- gust jedes Jahres ist die Generalversammlung A Amsterdam, welche die Gesetze zu gieben und,xaSn- detn hat, ttnd zu welcher jedes Departement 2 Abge- ordnete schicken kann. Diese haben hier desto mehr Stimmen, je mehr Mitglieder ihr Departement hat. Die hier zu berathenden Vorschläge, welchen J€des De- partement die seinigen beifügen kann, miisseii 1 Monat vor der Jahresversammlung allen Departementen^ zöge- ' schickt werden, als die sogenannten Punten van B§* schryping (Gegenstände der Zusammenberufung)» Je* des Departement kann einige Preisaufgaben, in der

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Regel zu gemeitinätzigen Schrifien, an ilie Ifjofi't)^ rectlon einsenden, woraus die Generalver>aaiail0iy<^ ann^ wählt. Die Antworten auf diese Preisfragen^ welcb# ht holländischer y französischer, englischer oder denfi^er , Sprache geschrieben sein müssen, werden von tintf Commlssion von 8 Mitgliedern geprüft. Jedes He« partement muss eine gewisse Summe jährlich in die Kasse der Haupt - Direction für die allgemeinen Auf- gaben senden. Das Uebrige der Beiträge darf es für seine besonderen Bedürfnisse verwenden.

Die Gesellschaft sucht ihren Zweck auf 3 Haupt- wegen zu erreichen:

I) durch Beförderung der Erziehung und d«s Unterrichts der Jugend, auch nach dem Abgang von der Schule; U) durch Beförderung der Bildung der Er- w achsenen; ^ III) durch öffentliches Belohnen und ehren«

volle«s Auszeichhen derer, welche be- ^ ^ sonders menschenfreundliche oder edel- müthige Thaten verrichtet haben.

In Betreff des ersten Mittels, der Verbes- serung des Unterrichtswesens , suchte sie bisher zu - wirken :

1) durch bessere Bildung der Schullehrer, und zwar

a) indem sie bessere Lehrbücher und Handbücher über die Scholgegenstähde * für sie verfassen Hess ;

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b) Bucherttminlangen zonn Lesben tut sie anlegti^i wie wenigstens das Def^artement zu Leen wer- den gethaxft hat;

c) kleine Schullehrerblldaiigsanstalteli errichtete^ wo fähige Knaben durch Schallehrer znm Sdinl- amte herangebildet wordea, so in den grossen Städten Amsterdam, Rotterdam, Har« lern, Groningen etc»;

2) durch Vierbesserang der Schnleii selbsi^

and zwar

a) darch Herausgabe besserer Lesebiicber and an« derer Schulbücher , z. B. A-B-C- Bücher^ Sprachb lieber , Rechenbücher^ holländischer Chrestomathien, solcher, welche biblische Ge- schichte, Weltgeschichte, Naturgeschichte, mo^ ralische Erzählungen und dgL enthalten,, eines > allgemeinen Gesangbuchs {nt Schulen, Schrbi-* bevorschrifien etc.;

h) durch Errichtung von Lesebibliotheken, selbst für Schulkinder, wie wenigstens zu Leeuwar-» den;

c) durch Errichtung eigener Schuleti auf Kosten der verschiedenen Departemente, daher sie auch -' Bepartementalschulen heissen. Sie soIl-> ten Musterschulen sein, und eine bessere Lehr-« weise verbreiten helfen* Sehr viele Departe* ^ mente haben solche Schulen errichtet, und diese i haben bedeutend auf das Schulwesen eitigewirkl^ wie ich schon oben bemerkte. Sodann errich' . teten auch viele Departemente oder halfen er«

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richten Armenschulen^ Zeichenschulen« Näh-, Spinn- und Strickscholen, Ar- heitsschuien, einige , auch Handwerks- schulen, Wiederholungsschnlen, in welchen letzteren die aus der Schule entlasse- nen Schiller, sowohl aus den höheren als nie- deren Ständen, in einigen wöchentlichen Abend- stunden in dem Gelernten befestigt werden durch Wiederholung desselben mit ihnen, und durch weiteren Unterricht in den verschiedenen für sie nützlichen Lehrgegenständen« Einige haben Sonntagsschulen errichtet oder un- terstützt. Zwei Departemente, die zu Brüssel und Zwoll, haben Kleinkinderschnlen errichtet, das zu Harlingen eine Seefah- rerschule, u. s. w* . In Betreff des zweiten Mittels, der Aufklä- rung und Bildung der Erwachsenen, hat die Gesell- schaft zu wirken gesucht 1) durch Herausgabe populärer Schriften über religiöse, moralische, ökonomische, naturhi- storische , physikalische und andere Gegenstände, worin denn auch die gewöhnlichsten Yorurtheile und abergläubischen Vorstellungen des Volks, z.B« gegen Kuhpockenimpfung, bestritten wer-» den , unter andern auch durch Herausgabe eines vernünftigeren Volkskalenders ^ welchei^ besonders zur Aufklärung mitgewirkt hat, eines moralischen Handbuchs fürs Militär , eines Handbuchs für den Seemann, durch Heraasgabe von Volkskalendern,

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populären ^VochenblätterD, s.'B. m Gröninfen und dgl«;

2) darch Errichtung von Lesebiblio.theken für Jünglinge, 60 wie iiir- ältere Leute^ und na Lese^esell Schaft CA;

3) durch Halten öffentlicher Vorlesangel und Reden über moralische, geschichtliche, phyA* kaiische, belletristische und ähnliche Gregenstände, besonders im Winter monatlich einmal, oder auch öfter.

Femer hat sie das Wohl des Volks zu befördern gesucht durch Errichtung von Sparkassen, und Beförderung derselben auf Veranlassung und unter Mitwirkung der Regierung* Auch haben einige Depar« temente Wittwen- und Waisenkassen für ihre Departementalschullehrer angelegt, - auch andere mild- thätige Anstalten und Gesellschaften unterstützt, u. s. w.

Das dritte Mittel der Gresellschaft, ihren Zweck zu erreichen , ist öfi)!htlicbe, möglichst auszeichnende . Belohnung edelmüthiger Thateiu Dies thut sie durch Ueberreichung von Medaillen aus Gold, Silber oder Bronze, mit oder ohne Geldgeschenk^ dieses audi ohne Medaillen^ stets aber mit einem Belohnngsschfeiben,. und zwar an Leute, welche sich hei der Rettung Noth- leidender aus Wasser oder Brand oder Schißbmch, oder bei Verschüttung In Gruben oder durch uneigtn* niltxige Versorgung eines Armen oder ^Heilung Kranken auszeichnen; Diese Ueberreichung geschieht' überdies möglichst öffentlich in Jahresversamniiangetf' oder den pepartementalyersamntlungen, oder bd andern

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oflfenütcben Gelegeabeiten mit feierlichen Anreden in Prosa pder Versen, auch wohl mit Begleitmig von Mn» sik a. s. w. Seit dem J. 1825 h^üt die Regierung aiidi die Belohining. solcher Tkaten , wo sie früher gewohnt war, Gratificationen oder andere äussere Anszeichnun* gen zu geben, der Gesellschaft überlassen, und gibt ihr zu diesem Behuf jährlich eine Summe Geldes»

Aus der vorstehenden Schilderung des Wirkens dieser durch ganz Nordniederland ausgebreiteten Gesellschaft, in SHdniederland hat sie wenig Wurzel gefasst, *— ergibt sieb: dass sie eine grosse und vielfach wohlthätige Einwirkung geiibt hat, sowohl auf Verbesserung des Schulwesens, woran sie noch vor der Regierung die Hand legte, und hernach mit dieser gemeinschaftlich, als auch auf die intellektuelle Bildung und Aufklärung des Volks überhaupt. Auch hat die Regierung dies wiederholt anerkannt, und gewiss ver« dient manche ihrer Einrichtungen auch in unserm Deutschland nachgeahmt au werden; ich bt^auche nur an die Wiederholungsschulen, an die Lesebiblio* theken u. dgl. zu erinnern* Ueberdies verdient die gros» ^ se und beharrliche Thätigkeit der Gesellschaft in ihrem ausgedehnten Greschäftsbetriebe Anerkennung.

Anderntheils dürfen jedoch auch die Schatten- seiten der Gesellschaft nicht verschwiegen werden, deren besonders zwei sind*

Die erste, S<chattenseite ist^ dasa die Anregung und Mährung des Ehrgeizes eine der Haupttriebfedern ' ist, welche die Gesellschaft zur Beförderung der Volks- bildung anwendet. Wie nnchnstüch und schädlich für

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die armeii.Sdmlkuijler diese Hsodiangsweise ist, wel- che die Ge^cBschaft in ihreo DepaiiementakcholeB vot allea iiben lasst, imd dadarch «nch in sehr viele la- dere verpSanit hal» haben wir schon oben bd Beir- theilimg des Schulwesens bemerkt. Dieselbe Anregwig und NÜbmvg dies Ehrgeues sehen wir die Geselbchtf hier ferner anwenden durch das iShrliche möglichst eclahinte ößentliche Aus'dieilen von Ehrenpreisen an die )uageren und älteren Leute, welchen durch . Gottes Gnade Muth zu einer edlen Thal geworden isU

Sehr itt bedauern .ist , dass die niederrindische Regierung nicht alles AustheHen solcher ofFentlichen Auszeichnungen fiir edle Thaten, auch für die» welche die Gesellsthaß in ihren Kreisen wahrge- nommen , als ihr Prärogativ, gleich fast allen, andern Regierungen, an sich genommen hat, statt der Gesell- schaft auch ihr Theil noch zu überlassen. Denn fürs erste passt die hohe Stellung, welche eine Staatsregie- rung nach göttlichem und menschlichem Rechte den Unterthanen gegenüber einnimmt, ungleich mehr dazu, das äussere Verdienst der Bürger im Staate durch ö'f- fentliche Auszeichnungen anzuerkennen, und weit we- niger Neid und Eifersucht wird angeregt, als wenn eine Privatgesellschaft nach ihrer Ansicht unter einige Mit- bürger Lob und Ehre austheilt« Zweitens püegt eine Regierung nicht mit dem theatralischen SchaugeprSoge die Ehrenpreise auszutheilen, wie die Gesellschaft diei thut. Drittens scheint auch die niedeiländische R^i^ rung nicht so viel Werth auf dies äussere AuaietchiieB solcher Thaten zu legen , und nicht ao viel

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deren Angabe zu bewttseo, als die GeselUchafit, da die Angaben dieser Tbaten, den Jahfesbericbten der tier Seilschaft zofolge, au ^/^ oder y^ von den Gesdlscbifts«. departementen , und nur zu % oder ^4 yon der Re- gierung sind« £$ kommt bei der GeseUscbaft selbst vor, dass, obschon sie einige Regeln zur Beortheilnng der edelmüthiigen Tbaten festgesetzt bat, docb sogar die Thäter derselben, wenn sie selbst diese anzeigen, um belohnt zu werden, wirklich auch einen Ehrenpreis empfangen, Mensdien, deren Selbst - Anzeige das Ntchtr^ Vorhandensein des £dejmuths doch deutlich genug be-: weist, um abgewiesen zu werden* Solche Selbstanzei- gen mögen freilich selten sein. Pie meisten Thäter der belohnt werdenden Th^ten hatten gewiss an nichts weniger, als an eigenes Verdienst bei ihrer That ge- dacht, vielmehr sie als blosse Pflicht erkannt. Diese, denen es für ihre Seele nun viel besser wäre, wenn man sie in dieser christlichen Bemuth Hesse gering bleiben in ihren Augen, werden aber unbarmherzig in die grosse Gesellschaft voll vornehmer Leute geschleppt, mit Musik und Jauchzen empfangen, und hören nun auf einmal verwundert, wie in pathetischer Sprache ih- nen aufs feierlichste erklärt wird, dass sie.Wohithätei: der Menschheit, aufopfernde Helden und gleich den Engeln Diener der Gottheit seien (s. Algem» Kertlag 1824 Sv 205, 24a und 1826 S* 177). Erfüllt von ih- rer sittlichen Grösse, die ihnen der Redner vordemon- strirt, und hundert Zungen bestätigt haben, nun nniss es )a doch wahr sein! kehren sie von ihrem ^renpranger nach Hause, im Stillen ihre bisher un««

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Boiniiieii>9 und dailarch die Verwettlichuag^ auch der andern Schulen überhaupt befördert hat, wie oben darüber mehr geredet worden. Beweis dafür ist-, dass sie m J. 1821 einen neuen Artikel (Art *JS) ia. ihre i ' Grvndgesetze aufgenommen ^a^, dass der Inhalt alles Schrifien, welche die Gesellschaft herausgibt, also aucb aller Schvifieii, welche bei der Aufstellung von Preis«» fragen von ihrer Seite zur Mitbewerbung an sie eilige« sandt werden, so eingerichtet sein mSssea, dass^ daraus iliieht erhelle^ zu welcher besonderen christlichen- Kir-* ' diengeseilsehaft die Verfasser derselben gehöreni .^^ . Ton B^tin der Gesellschaft an war in einem < Artikel^ Sirer Grundgesetze (Art 2) festgesetet, dass sie- sich ia keine religiöse noch bürgerliche Streitigkeiten einlassen wolle, und dies fand ailgemetn BiRigung b^ allen Un« befangenen, weil die Gesellschaft ifur auf diese .Weise den Chriisten aller versefaiedenen christlichen Qonfes- sionen nützlich sein konnte« Aber die Bestimmung^ hatte sieh auch während der 30. Jahre ihres Bestehens^ immer als wollkommen hinreichend erprobt, um in ih* - len Schriften allen Anstoss bei den verschiedenen Con- fessionen zu vermeiden. Eine noch engere Beschrän* kung der Gonfessionsfreiheit war nicht nö^ig gewor* den. Indess, die Gesellschaft fand es im J. Id21 den« noch fiir gut, obigen Artikel hinzuzusetzen, ohne die ' Kothwendigk'eit desselben nur einmal zu beweisen. . .^-i^^ Vergebens widersetzte sich das. Depar^^^ment Rot-» TJt ^terdam. im J* 1823 der Beibehaltang des neuetv Ar- J likels in einher sehr gründlichen Vorstellung an die Ge-* gjperalversammlung.. Vergebens that dasselbe dar, dass^ .

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die annen.SdmIkuider diese Ha^diangsweise Ist, vel- che die Geftettschaft in ihreo DepartemeiitakchaleB ror allen iiben ISsst, imd dadarch «ach in sehr viele lo- dere verpflanit bat, haben wir schon oben bri Bev- theilung des Schulwesens bemerku Dieselbe Anregiwg < nnd NÜbmng dies Ehrgeues sehen wir die Gesellscbsft hier ferner anwenden durch das jährliche mögUchat eclahinte ößbntliche Ansdieilen von Ehrenpreisen an die )uageren und alteren Leute, welchen durch. Gottes Gnade Math zu einer edlen Thal geworden isU |

Sehria bedauern, ist, dass die niederlSindische Regierung nicht alles Austhellen solcher öfFentlichen AusKeichnungen fiir edle Thaten, auch ftir die, welche die Geseilsthaß in ihren Kreisen wahrge- nommen, als ihr Prärogativ, gleich fast allen, andern < Regierungen, an sich genommen hat, 9tatt der Gesell- schaft auch ihr Theil noch zu überlassen* Denn fürs erste passt die hohe Stellung, welche eine Staatsregie- rung nach göttlichem nnd menschlichem Rechte den Unterthanen gegenüber einnimmt, ungleich mehr dazu» das äussere Verdienst der Bürger im Staate durch ö*f- i fentliche Auszeichnungen anzuerkennen, und weit we- i niger Neid und Eifersucht wird angeregt, als w^m eine Privatgeselbchaft nach ihrer Ansicht unter einige Mit- bürger Lob und Ehre austheilt« Zweitens püegt eine Regierung nicht mit dem theatralischen Schaugepränge die EhrenpTelse auszutheilen, wie die Oesellschaft diei thut. Dnttens scheint auch die niederländische Regi^ rung nicht so viel Werth auf dies äussere AuaieicliaeB solcher Thaten zu legen, und nicht ao viel Eifer in

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deren Angtbe za bewoi^eo, als die GeselUchaft, da die Angaben dieser Tbaten» den Jjhfesbericbten der iie* Seilschaft zufolge» an Ys oder y^ yon den Gesdlscbafts« departementen , und nur zu % oder ^4 yon der Re- gierung skid. Es kommt bet der GeseUscbaft selbst vor, dass, obschop sie einige Regeln zur Beurtheilung der edelmüthjgen Thaten festgesetzt hat, doch sogar die Thäter derselben, wenn sie selbst diese anzeigen^ um belohnt zu werden, wirklich auch einen Ehrenpreis empfangen, Menschen, deren Selbst - Anzeige das Nicht- vorhandensein des Edejmnths doch deutlich genug be- weist, um abgewiesen zu werden. Solche Selbstanzei- gen mögen freilich selten sein. Die meisten Thäter der belohnt werdenden Thaten hatten gewiss an nichts weniger, als an eigenes Verdienst bei ihrer That ge- dacht, vielmehr sie als blosse Pflicht erkannt. Diese, denen es für ihre Seele nun viel besser wäre, wenn man sie in dieser christlichen Demuth Hesse gering bleiben in ihren Augen., werden aber unbarmherzig in die grosse Gesellschaft voll vornehmer Leute geschleppt, mit Musik und Jauchzen empfangen, und hören nun auf einmal verwundert, wie in pathetischer Sprache ih- nen aufs feierlichste erklärt wird, dass sieWohlthäter der Menschheit, aufopfernde Helden und gleich den Bogein Diener der Gotthjcit seien (s. Algem. Verklag 1824 S.^205, 24a und 1826 S. 177). Erfüllt von ih'r »er sittlichen Grösse, die ihnen der Redner vordemon- strirt, und hundert Zungen bestätigt haben, nun nmss es ja doch wahr sein! kehren sie von ihrem jElhr^nj^anger nach Hause, im Stillen ihre bisher un««

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bekannfte Togend liewcmderady und sich Eiir« and Lob gebend, statt dem yoU|>riiiger alles Gutes» för das bischen Gold in der Tasche *das fressende Gift infier- aien» ein schlechter Gewinn!

'Gliicfclich ihr ntederländisc!faeB Knaben und Mäd« dien, Männer und Fraoen des vorigen Jahrhunderts, wo der edlen Tbaten nicht veniger, als im ^genwär- Itgen gcfschdien, die ihr eueres £delmaths nnbewoss^ in der niedrigen Gestnming gdassen wurdet » dass ihr Qftnntxe Knechte und Mägde seiet, und nnr euere Schnl« digkeit gethan -hättet , denen keine rauschenden Lob- preisungen den im Herzen schlummernden Giflwnrm des Hochmuths weckten, sondern die ihr euch mk dem stillen Beifall der Besseren, mit der Zufriedenheit Got- tes und eueres Gewissens begnüge» durftet! -r- Wohl auch euch unter den Jet2tlebenden, deren edle Thatea SO gliicklich smd, dem Auge der Gesellsfchaft zum Ge- meinwohl zu entgehen! Ihr werdet doch nicht in die Versndmng gefuhrt, euer Seelenwohl Jener Gemein- wohle anftuopferni

£ine zweite Schattenseite der Gesellschaft ist, dass, obgleich sie in ihren Grundgesetzen feststelli, ehie mit der christlichen Religion übereinaämmende Sittlichkeit und Volksbildung befördern zu wollen, sie d^ch das ebristUch - religiöse Element aus ihrem Wir- ken grösstentbeils^ besonders in der neueren Zeit «eirt- fernt hat, and nur eine allgemeine, bürgerliche, aal Sand gehaute Moral befördert.

Beweis dafiir ist, dass sie laus ihren DepVtemett* ladsdnilen das christliche Element meistentheils Nl^tP*

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Bommei^y und datlarch die VerweMichuBfg^ auch ifx andern Schulen überhaupt befördert hat , wie . oben darüber mehr geredet worden. Beweis dafür ki, dass sie un J, 1821 einen neuen Artilcei (Art 7.8) in. ihre Grandgesetze angenommen 4a», das» der Inhalt alles Schrifien, welche die Gesellschaft herausgibt, also aucb aller Schien, wdche bei der Anfstellung von Preis«» fragen von ihrer. Seite zur Mitbewerbung an sie eilige« sandl werden, so eingerichtet sein müssen^ dass daraus .nicht erhelle^ zn welcher besonderen christlichen- Kir-* chengeseilsehaft die Verfasser derselben gehörcBi r^ Von B^tin der Gesellschaft an war in einem < Artikel ihrer Grundgesetze (Art Ty festgesetet^ da«s sie- sich in keine religiöse noch bürgerliche Streitigkeiten einlassen wolle, und dies fand ailgemetn BiRigimg b^ allen Un« befangenen, weil die' Gesellschaft niir auf diese VVeise den Chriisten aller versefaiedenen christlichen Gonfes- sionen nützlich sein konnte« Aber die Bestimmung^ hatte sieh auch während der 30. Jahre ihres Bestehens immer als» vollkommen hinreichend erprobt, um in ih* ren Schriften allen Anstoss bei den verschiedenen Con- fessionen zu vermeiden. Eine noch engere Beschrän* kung der Gonfessionsfreiheit war nicht nÖ^ig gewor* den* Indess, die Gesellschaft fand es im J. 1821 den« noch für gut, obigen Artikel hinzuzusetzen, ohne die Kothwendigkeit desselben nur einmal zu beweisen. . ^^^ Vergebens widersetzte sich das. Departement Rot-» ^1^ t er dam. iin J* 1823 der BeibehaltuDg des neu etv Ar- tikels in eio;er sehr gründlichen Vorstellung an die Ge^ «lieralversammlung.. Vergebens, that dasselbe dar, dass^ .

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Art 2 bisher vollkommeii hinreichend gewesen sei, den Geist der Toleranz und der christlichen Bmdef' liebe anter den Mitgliedern der Gesellschaft und den Verfassern ihrer Schriften %n erltallen; vergebcttis^ieigte es, dass der neue Afäkel es der Gesellschaft unmög- lich mache, sehr allgemein nützliche moralische nnd religiöse Gegensfilnde, z. B. den Eid, in Aren Schrif- ten zn bebandeln, dass biemach fast alle reKjpö'se und moralische Gegenstande so allgemein behandelt werden mSssten, das^ man die christliche Ofienhaning fast gans unerwähnt lassen miisse , indem die Verfiesser darchaus jeden Aasdrock vermeiden sollten y der bo die beson- deren Lehren ihrer Kircbengefdbchaft aodi nur von ferne eriBoerer Vergebens, die Jahresversammlung entschied durch Stimmenntebrheit für Beibehaltung^ de» Artikels.

Wer erwa'gt, wie genau bei der kadiolucben^ nnd nocb mehr bei der evangelischen Kirche die Glanbens-^ lehren mit den PfUchtenlebren zusammenhäagen,. der wird dem Botterdamschen Departemente beipflicbten,. und erkennen^ dass beF strenger Festbaltnng des^ neuen Artikeln den Verfassern der GeselTscbaftsscbriflen nichts übrig bleibt, afs^ sieb entweder In die Tiefen dunkler Mystik «oder in die Untiefen seichter Morarscbwab«rei zff verllereur Da die Gesellschaft nun das^ erstere nicht .will, und wer kann Ihr das verargen? ^ so bleibt jhr nur das letztere übng»

Gerne glaube ich übrigens, dass: sehr viele Mil]gii(e* der der GeseTfschafl nicht einsehen, wohin solcbea fla- che Generalisiren alünählicb hinführt^ dass der dii

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zum Grund liegende Geist des. JndiflTerentisnitis und Unglaubens hierdurch einem kaUen, leeren, leblosen und alles höhere Lehea der Seele erUtdtendenPeismiit Bahn macht, der alle We&beit,. Giite and Heiligkeit Gottes in Christa wegnimmt), und. aur den freud - und friedjosen Glauben an die efgene menschliche Weisheit^ Güte und Heiligkeit und an einen todten, deistischen Gott übrig lässt«

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Wasser ' Land zwischen Dordrecht und Gorkum. Kollektiren in Utrecht und Zeist. Akademische Merkvf^ür^ digkeiten. Nachrichten i^on Haus.

Firn 24« Jaunar reiste ich von Dordredit nacli Ut- recht ab« Wir setzten zuerst über den einen Arm der Maas, und fuhren darauf fortwährend auf dem bo- hen Damm (iDeich) nach Gorkum zu. Dieser Tag tot mir das Schauspiel eines Wasser- Land es» wie ich es noch nie gesehen hatte. Viele wasserreiche Gegenden Hollands hatte, ich bisl^er schon erblickt, aber dies alles war Kleinigkeit gegen den Jetzigen An- blick. Vor uns und zu unserer Rechten nichts als Wasser. Die zwei breitströ'menden Arme der Maas waren hier oberhalb Dordrecht wieder vereinigt, and bildeten ein Meer. Nah und fern flogen die Schiffe vorüber, nah und fern glänzten die Rader der Naschen

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im besonnten Wasserstrahl, doch Land sah man nur in der Ferne* Zwar lag auch Land links zu untern Füssen« Aber was war dies fiir Land! Schwimmend im Wasser, kaum Vt Fuss hoch Sber demselben, und nur durch eine Menge breiter Wassergraben über' dem* selben erhalten, dennoch aber mit nichts anderm be- wachsen, als mit Weiden, hohem Schilfrohr und den allein auf schwimmende^ Erde gedeihenden Binsen , je- nes zu Hausdächern, dieses zu Stubenmatten von den Bewohnern gebraucht* Und wo wohnen diese? Ihre Hauschen hangen am Abhänge des Bammes, dessefr ebene Oberfläche, kaum nur 12 •-— 15 Schritte breit, zor Strasse dient. Da liegen sie hingesäet in langen Reihen an den beiden schrägen Seiten des Abhanges, wie die Schwalbennester an den Dächern kleben, und dürfen sich von ihrem Bollwerk, dem Damm, nicht entfernen. Denn so weit das Auge reicht, ist der Bo- den betruglich und fiir Gebäude verderbenbringend» So weit das Auge des Häuslers reicht? Also auch hinter ihm?- Ja, auch hinter ihm ist kein festerer Grund, keine höhere Fläche, kein fruchtbarerer Boden^ als die bewegliche Wasserfläche vor ihm, zur Rechten und zur Linken, Nur tiefer noch, als selbst die Was- serfläche vor ihm ist die Fläche hinter ihm, und wenn schon nicht so vom Wasser bedeckt, und mit grosser Mühe vor Ueberschwemmung geschützt, ist sie doch nur eine sumpfige, morastige Landschaft, mit den traurigen Weiden bedeckt, und lässt kaum hier und da durch breite Gräben sich einiges Land für Viehweiden und Hanffelder abgewinnen. iSo ist denn nur der Damm,

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der sieb gleich einer langen, schmalen Sandbank darchs , Wasserland zieht, und sein Häuschen daran des armen Häuslers fester Heimathboden. Mett und zierlich ruht die Wohnung auf dem Abhang des kleinen Berges» und obschon nirgends höher als Ein Stockwerk sich erhebend, aus Furcht, den schützenden Boden zu dru- cken, winkt sie doch dem mäden Wanderer freundlich und bequem eingerichtet entgegen« Jeder Fensterladen ist zierlich gefärbt, jede Wand reinlich angestrichen, jede Treppe mit ausgesuchten Steinen belegt, jede Strassenrinne längs dem Hause unterscheidend 70n der Strasse gepflastert« Von ferne schon schimmert das messingene Band des Fenstervorhangs entgegen , und das Auge wird von dem hellglänzenden Milcheimer angelacht« An jeder Ecke des Hauses stehen die Mäg- de geschäftig mit Tiichem und Barsten aller Art, um die Geräthschaften , die Treppe, selbst jeden brdten Stein vor dem Hause zu putzen« In behaglicher Ruhe sitst unterdessen der Hausherr an der Thüre, die irde- * ne Pfeife im Mund, Tabacksdose und Kohlenbecken vor sich , und den porcellanenen Speitopf zur Seite. Daneben ist die emsige Hausfrau, von Kindern umla- gert, in Arbeit, um das dampfende Theewasser aufzu- giessen, und die lechzenden Zungen zu laben. Nicht satt werdend, diese lieblichen Scenen anzuschauen, fuh- ren wir durch das fast Eine Stunde lange Dorf. Haus an Haus drängt sich an den beiden Seiten des Dam- mes. Wo ein Zwischenraum ist, fast ihn eine plattge- schnittene lebendige Hecke ein, und in diesen Säumen erheben sieb hohe Haufen von Schilfrohr, zur Bede->

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ckung für die eigenen und Cor fremde Hänser, Dami^ wechseln bohe Haufen ¥on Reifen aller Sorten ab, ge- schnitten ans deit ringsam wachsenden Weiden für Fassbinder und andern Gebrauch. Diese Arbeit ist eine Haoptwinterbeschäfirgang der Haasler y aner ihrer wichtigsten Erwerbseweigey und ein bedeutender Hap« delsartikel. Alle Jahre wird das Schilfrohr geschnitten, alle zwei Jahre die Binsen 9 und alle vier Jahre die Weiden. Zwischen den Holzhaufen erbeben sich hier Hnd da luftige Heuhaufen, die gegen Ende des Win* ters verkauft werden» Unter solchen Arbeiten kommt der langersehnte FruUing^ herbei, nnd der Nachen, der am Fuss eines ^den Hauses warteäd lieg^ wirdbegic* rig erstTi^en; dem» er ist de& Holländers Hans and Werkstatt, Wiese und Ackerland»

Doch das Auge wendet sich wieder in die Feme» Und was hebt sich dort mit Miihe hervor über die Wasserfläche? DanUe, wüste Eilande, durch nichts ausgezeichnet, als durch ihre weite, niedrige Fläche, und die Ruinen eines alten ^ einsamen Thurms« Und was bedeutet dieser Zeuge vergangener Zeiten? Das ist, rufen mit Einem Munde meine Reisegefährten, das ist das Haus Mervede, der einzige Ueberrest von 72 blühenden Dorfern, welche einst hier sich über die- se Fläche erhoben, aber vor 400 Jahren, im J. 1Z|21, durch eine ungeheuere Wasserfluth alle zugleich in den Abgrund versanken« Herr, wie unerforschlicb sind deine Wegef Fürwahr„ du bist ein verborgener Gott! Der an die Stelle getretene , weite See heisst der ßlesboscb. AUmäblich hat sich wieder viel Grund

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ans der Tiefe empargehobcn , and ist sn Inseln ange- wachsen, welche in Polder verwandelt dem Ackerbau aufs neue dienen. Sa kann das Meer Länder vertil- gen, und wieder neue schafiTen. Welches Menschen Hand kann seiner Gewalt stehen? So mnss denn auch der kluge Holländer mit all seiner bewundernswürdigen Wasserbaukunst doeb vor dem Elemente zittern » das er so oft siegreich bekämpft , und er zittert auch jetz^ sittert besonders in dieser Gegend aufs neue vor dem gefrässigen Wasserthier« Denn grade in diesen Stre- cken hat sich das Wasserbett der Maas und Waal durch den von den obern Flussgegenden beständig kommenden und sich hier anhäufenden Sand seit vie- len Jahren mehr und mehr erhöht, so dass das fort- während steigende Wasser immer furchtbarer die D'dm- me bedroht, und alles mit Schrecken erfüllt, da man dem Ungeheuer kein Bollwerk entgegen zu stellen webs» Doch hat der Holländer noch nicht in Verzweiflung dem Feinde den Sieg zugestanden, sondern da die Ge- fahr noch nicht ganz nahe ist, so hat man seit einigen Jahren den Riesenplan entworfen, den einen Arm der Maas durch einen Kanal von Gorkum' in die Süderse^ abzuleiten. Indess werden ungeheuere Summen zuc Ausführung erfordert.

Wir kamen darauf nach Gorkum (Gorinc/iem), einer alten, ziemlich 'grossen, nicht eben sehr merk- würdigen Stadt und Festung, und von da nach Via- nen. Unterwegs traf ich bei Lexmond das rechte Hanfland an, denn dieser wässerige Boden ist sein Element, und hier wächst er zu einer Höhe von 10 Fuss«

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Ich besah die BrechfcSttta, worin er aof eine yqii der deutschen yersduedene Weise gebrecht wird', nnd sog mir einige Hääie yon dem Biesenstengei ab, nm sie als eine Merkwürdigkeit dieser Gegend mit nachHamw sa ndunen. -— Des Abends. kam ich in Utrecht an«^ Hier kannte ich awar fastKiemand, indesjs halle der Herr schon anfs frfmndlichste vorbereitel. . Dordi jkiein langes Kollektiren in. Holland war die Sache mein ner Gemeinde anch htör bereiti bekannt, nnd der ani» gezeichnet religiöse Sinn, der hier vor nden andern- Städten herrscht, liess ste^schnell den Herxen mim bringen. JDie reformirten Prediger, nnter ihnen töT*' zugUch der edle, gemSthToUe^ for das Reich Gottae^ b^eisteite HsnEi^s, AuGXiiBOLZ, van OonoT (jetzt Professor der Theologie zn Groningen) nndPrct^ fessor HEniNGA empfahlen mich ihrer Gemeinde afeif und nnter der Kanzel , sammelten . selbst nnter sich*^ 105 fl., nnd erwiri^ten mir die Erlaabniss, im Dom eine Abenclpredigt mxl halten, welche ich am 1. Feb#* vor einer ausserordentlich zahlreichen Versammlung» worunter viele Professoren nnd Studenten, hielt. D^ Prediger der tanfgesinnten Gemeinde^ BRowEn^ Kops (zugleich Prolessor der Landwirthschaft) mid Knopmans (jetzt Professor am Seminar Amster« dam) hielten eine Kollekte in ihrer Kirche für mieh. Auch der remonstrantische Prediger, TAH Tevtem, empfing mich lidbreich. So breitete sieb schnell eine Begeisterung iiir meine Sache ausj^ wie ich jie fast nirgends, kaum in.Rotterdam . so gefundin hatte. Der Bürgermeister, VAit Doblen, machte dien

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Anfang der Unteneidmong mk 100 fl. , ein scihr rei** eher, tiefreligiöscr Privatmann BoTH Hend&iksen folgte mit einer solchen Summe nach, der edie, gleich- gesinnte TAN Bersichem mit W £1.9 der alte, sinni- ge, höchst wohlthätige VAN DER Muelen und sein Neffe mit 100 nnd mit ÜO fl«, und wenn gleich natür- lich die Summen nicht lange auf dieser Höhe blieben, so waren doch viele immer noch so bedeutend, dass ein Mann des ersten Ranges, als ich zu ihm kam, sei- nen Verdruss unverholen darüber zu erkennen gab, dass die Vorgänger alle mit grobem Geschütz geschos- sen hätten, so dass er jetzt Ehrenhalber nicht mit ei- nem Sackpuffer nachkommen dürfe, und dem gemäss 80 fl« zu zeichnen für nöthig hielt. Auch riele Damcfn empfingen mich sehr gütig, unter ihnen besonders die verwittwete Baronesse van Ittersam, eine sehr geist- nnd gemüthvoHe Frau und zärtliche Mutter, welche 6 Sohne hatte, deren 5 in der Erziehungsanstalt der Brüdergemeinde zn Neuwied gewesen, und der jüng- ste noch da war. Sie lud mich oft zum Essen ein, nnd unterhielt sich mit mir auch gerne über mein Seelsorgeramt, in Bezug auf dessen treue Verwaltung nnd daraus folgenden herrlichen Gnadenlohn sie mir die Predigt Borger 's über das Wuchern mit den Centnem, MaUh. 25, 15, besonders empfahl. Die bei- den Predigtbände desselben schenkte sie mir, mit ei- nem mütterlichen Schreiben sie begleitend« Auch noch manche Andere schenkten mir, nachdem sie die Gabe für die Gemeinde gezeichnet, wichtige theologische Schriften ihr^ vaterländischen Gelehrten. Ein junger.

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mit stiller B^eisternng fiir Chnitum erfüllter Mann« DE Geer, gab aber sein Vermögen, wie ich von an- dern börte^ 75 fit; ja, später, als ich in England war, schickte er sogar noch einmal ohne mein Wissen 100 fl. für meine Gremeinde an van Happen in Amsterdam* Der edle Gonvernenr der Provinz, tan Tutll, zeichnete ebenfalls liebreich, und gab mir noch einen Brief an Baron Fagel, den damaligen niederländi- schen Gesandten in London mit« '

In vielen Häusern kamen, wenn die Herrschaft gezeichnet hatte, Mägde und Bedienten verschämt bcr^ bei, bittend auch ihr Scherflein annehmen zu wollen. Ein alter, schlichter Bürgersmann, BoB, der lange vergebens nach meinem Logis gesucht hatte, kam eines Abends zu mir, und erzählte mir: Er habe vor einigen Tagen predigen hören über die Maria, welche die kostbare Salbe für viel Geld gekauft, und über Jesum zur Bezeugung ihrer Liebe ausgegossen habe« Da habe er bei sich gedacht : ich muss doch auch mehr Liebe für Jesum bezeigen, als bisher, und dies kann ich wohl am besten thun durch Unterstützung jener Gemeinde« Und so brachte er mir für sich und seine beiden Schwestern 36 fl. 8 Stbr« -— Ja, du einfältig liebende Seele, dein Herz bat dich nicht irre geführt Der treue Herr wird einst zu dir sprechen: Das hast du Mir ge* than! Die Studenten sanunelten unter sich, mit gleichem Eifer, wie die zu Leiden, 212 fl., für mei- ne Gemeinde, vorzüglich dazu angtfegt durch zwei jun* ge, liebe Theologen, ScHiM VAN der Loepp, aus Groningen, und HuYDEBOPBR aus Hooro, mit

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welchen ich in Gesellschaft noch einiger anderer Sin- deuten während meines Aufendialtes zu Utrecht zu Mit« tag ass, and dadurch eine eben so angenehme, als über das akademische Leben Hollands belehrende Unterhal- tung genoss« Das Collegium der reformirten Aeltestea wie der Diakonen zeichneten ebenfalls eine Summe* Einige ärmere Bürger, die ihre Gaben für zu gering hielten, um sie einzeichnen zu können, sammelten noch bei ihren Freunden in einer verschlossenen Büchse, und brachten mir das Resultat, mehr denn 30 fl» An- dere brachten mir 3, 4, 6 fl« ins Hau&, ohne ihren Namen zu nennen* Fast bei allen Predigern wurden Giaben für meine Gemeinde niedergelegt, zum Theil von lieben, christlichen Briefen begleitet Mehrmals wurden Päckchen in die Klingelbeutel der Kirchen mit derselben Bestimmung gelegt. Selbst vom benachbar- ten Dorfe Zuilen schickte eine edle Jungfrau Kühn, als sie von der Sache hörte, durch eine Freundin^ 25 fl.

Und wie viele andere Namen stehen vor meinem Geist, die Gefühle der Dankbarkeit und Liebe stets aufs neue erweckend! yan Bronckhorst, de Bracokier, Anoelkot, die Frauen Martens, VAN Beek Calkoen, v'an Barneveld, van OoRDT, « doch ich kann sie nicht alle aufzählen, die edlen Seelen, die den armen Fremdling alsFreand, als Bruder aufnahmen, um Christi willen, und keinen Dank begehrten, sondern dem Herrn allein alle Ehre nnd allen Dank gegeben wissen wollten. O Utrecht, Utrecht! möge cler Herr dafür dein Hirte sein ewig-

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Hell, und alle deine Schafe tveiden auf der grünen Aue und am frischen Wasser seines lauteren Wortes, und dich machen zu einer Stadt auf dem Berge > deren' Glaubenslichi immer heller entbrennend leuchte AU

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len im Lande, und erhelle alle Finsterniss und Schat-* ten des Todes!

Auch im benachbarten Dorfe Zeist, mehrere reiche holländische Familien wohnen, und der Sitz ei* iier blühenden Kolonie det Briidergemeinde ist^ kollektirte ich Einen Tag, und mit vielem Erfolge, weil ich theils von Utrecht aus empfohlen war, theils der holländische Prediger des Dorfes, KiST, ^in Sohn des oben erwähnten' Predigers zu Dordrecht , so wie der Prediger der Briidergemeinde, FrüAüf, mir lie- bevoll Bahn machten.

Zur Erholung von meinen Kollelteug^ngen diente mir theils der lehrreiche Umgang mit mehreren Pro* fessoren, den mir diese freundlich gewahrten, so die Professoren der Theologie Royaabds, Vaiet und Sohn,^ ersterer wegen Alters im Ruhestande, ihre KoI" legen H ERINGA und BoUmAnn, der emeritirte ^Professor VAN OoRDT, der geistvolle Professor der Geschichte, vAn HeüsdS^ welcher sich nach unserni Heeren gebildet, der herzliche Professor der Philo- sophie, Schröder, ein Deutscher von Geburt, und MOeistesverwandter der JACOBi^schen Philosophie, .theils das Besehen der akademisshen Merkwür« vdigketten.

Die Universitätsbibliothek ist in einem herrlichen Lokale, dem ehemaligen königlichen Schlosse IL 27

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aufgestellt. Sie ist noch Im Aufblühen begriffen, bat jedoch schon manche seltene Werke, z, B. den ersten Druck des PLAUT US in Folio vom J. l/i'^O, der 3400 fl. kostet. Das physische Kabipet des Professors der Medicin, Bleuland, ist äusserst seLenswerth. Hier sieht man viele, sehr künstlich aufgespannte, aus- gestopfte und in Wachs bossirte Seltenheiten, z. B. die Menschenhaut des Europäers, wie sie aus 2 Fellen besteht, der rothen und der inneren weissen, die des afrikanischen Negers aus 3, der schwarzen, der braunen und der weissen, viele Foetus, eine sehr lehr- reiche Darstellung aller inneren Theile des menschli- chen Körpers 4 einen achtjährigen Knaben und einen grossen Affen, beide ausgestopft, 'und einander gegen- übergestellt, tarn Beweis, wie auch die körperliche Con- stitution des Menschen vortrefflicher sei, als die des menschenähnlichsten Thieres, und vonNatuf allein zum Aufrechtgehen bestimmt, einen 22 Ellen langen Band- wurm, chinesische^ zwei Hand breite Schmetterlinge, surinamsche Käfer von der Grösse eines See - Krebses, eine Vögel-tÖdtende Buscbspinne, deren Leib so gross ist, wie ein Hühnerei^ merkwürdige Seelhiere, bunte Federmäntel von den Südseeinseln u. s. w.

Auch ward ich hier durch mehrere erfreuliche Nachrichten von Hause gestärkt« Bei meiner Gemeinde stand noch alles wohl, und mein Stellver treter NöLL wirkte darin mit Liebe. Auch hatte die . unermüdliche Verwendung des menschenfreundlicheo ^ Konsistorialraths Pitha;!^ zu Düsseldorf endlich hQ-' heren Ortes be\Yirkt, dass eine Zulage von 100 Thlra«

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für den Predigergehalt auf 6 Jahre bewilligt wurde. Zugleich erreichte mich hier ein Brief von einem lie- ben Uiilversitätsfreunde LorbeI^Ö, Herzogl. Nassaui- schem Rathe und Erzieher des Erbprinzen von Nassau, welcher, als er von der Noth meiner Gemeinde und meiner Kollektenreise hörte, sich von seinem liebevol- len Herzen gedrungen fühlte, 3 Predigten ^um Bested meiner Gemeinde herauszugeben*), welche Nachricht er inii' in diesem Briefe ireundlich mittheilte. Man be-> greift leicht, dass mich solche Liebe des Freundes aufs tiefste bewegen musste, wie gering ancb der Erfolg sei- ner Bemühung hätte werden mögen. Jndess ist auch dieser gesegnet worden, so da^s 215 Ü* 17 Kr. (122 Thlr. 19 Gr. 9 Pf.) der Ertrag gewesen ist, worunter' 110 f]. von einer unbekannten Gemeinde« Habe Dank^ lieber treuer Freund! Habe Dank, auch Dd^ hebe, unbekannte Gemeinde! Hast Du selbst es unmöglich gemacht, dass ich Dir unsern Dank bringe, nun, wie* bitten den Herrn, dass er für uns Dir danke, dass ec* Dein Schild sei und Dein grosser Lohn!

*) Sie sind zu Wiesbadeü in Comnüssiori bei H. Wt Ritter 1824 erschienen, Preis 8 gGr.

Das Thema der erste if Predigt ist: Sesuä CKii-« stus verleihet seinen Anhängern Friederi^ übei' Jolu 14, 27; das der z\*eiteni Wiä soll dei* Christ als Bürger der ßrde zum Bürgei' A^ä HimmelK sich bilden? über Matth. 6, 33; das dei* di'itterif üebei' die ^Erfahrung, dass der Mensch gfetteigtei' ist ^ die ^ehle^' Anderer zu bemerken i ald seine eigenen ÄU erkennen^ über Matth. 7, 3 - ö«

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Kirchlichkeit. Predigtfveise.. Kirchen- gebet. Anreden, Lehre der Pre- diger.

Auch in Utrecht hatte ich vielfaltige Gelegenheit za bemerken^ wie ein lebendiger Glaube an Christum noch dnen grossen Theil des Mittelstandes und vide Yornehmen des evangelischen Hollands durchdringt« weshalb ein stilles , kindliches Leben der Gottseligkeit noch in vielen Familien blüht.

Jt)ie grosse Kirchlichkeit des Yolks^ wovon ich L Band 38 41 gesprochen^ entsteht daher bei. einem grossen Theile desselben aus dem lebendig ge^ fühlten Bedürfnisse einer höheren Seelenspeise, und ans einer tiefen Ehrfurcht vor dem Worte Ck)ttes« Indess ist nicht zu läugnen^ dass ein anderer Theil der Kirchengänger die Kirchen blo^s deshalb fleissig be- ^ sucht, weil das Kirchengehen Mode ist, so dass ihr Ei« fer sich dann auch nur in einem fleischlichen Pardici'

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nehmen Tür einen der Prediger bekundet , ohne dass sie darum Parthei für Christum nehmen (vgl. !• Band S. 73), So erzählte mir in Utrecht eine christliche Freundin von einer s^hr weltlich - gesinnten Person, über deren Kirchlichkeit ich mich wunderte: Diese lau- fe allerdings seit einiger Zeit einem der Prediger von einer Kirche zur andern nach; wenn sie nun auch noch dazu komme, Christo nachzulaufen, so werde es wohl mit ihr stehen«

Was nun die Predigtweise der Prediger be- trifft,, so habe ich davon schon im I. Band S. 45 be- merkt, dass sie im Ganzen sich durch eine gewisse äussere Beredsamkeit und Würde auf der Kanzel aus- zeichnen, worin sie von der langsamen, feierlichen Sprache begünstigt werden« Das Exegetische macht den Haupttheil der Predigt aus, und ihre erste Abthei- lung, die F'erklaaring des Textes nach seiner engeren und weiteren Bedeutung, die Darstellung der verschie« denen Meinungen und Hjrpotbeseik der Gelehrten- dar- über, die Widerlegung derselben und die Beweisfuh- rung für die behauptete ^Bedeutung nimmt meisb'die Hälfte, auch wöhl noch mehr von der Predigtzeit weg. Hierdurch geschieht es denn nicht selten, dass einfache, deutliche, einer langen Erklärung gar nicht bedürftige Stellen durch die weitschweifige Erklärung breitgeschla- gen, und sta^tt verdeutlicht, verundeutlich t werden, dass exegetische Einzelheiten und Spitzfindigkeiten auf die Kanzel kommen, die nur auf den Katheder gehören, und eine Masse verschiedenartiger Meinungen und Hy- pothesen dem Volke aufgetischt werden, die seinen Ver-

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3tand zu sophistischen Griibeleieo führen und verwirr reo, da es, der exegetischen Vorkenntnisse entbehrend» doch nicht unter den vielen Meinungen richtig ent- scheiden kann, die «Endlich durch ein Halbwissen auf- blähen, und das Herz kalt und leer lassen.

So werden die gelehrten Ausleger bisweilen mit Namen citirt. So hörte ich einen alten Prediger zu Amsterdam bei Auslegung der Stelle £ph« 3, 19, dass ChrLstum lieb haben, viel besser sei, denn alles Wissen , . die alexandrinische Handschrift an- führen, nach welcher es heisse: die Liebe von Seiten j Christi, was vorzuziehen sei. So erstaunte ich nicht wenig, als ich einen der berühmtesten Prediger Rot* ; terdams bei der Aufzählung all der Meinqngen über Luc. 10, 42, „Eins ist INJoth*«, weitläufig auch die Meinung widerlegen hörte: Nur Eine Schussel sei ^ nothwendig. Aber mein ißrstaunen wuchs, als iclv nacb'J der Predigt ;u dem Prediger kommepd, wo mehrere ■■ andere der Zuhörer versaiqmelt w^ren, eineiq derselbea die letztere Meinung, trotz der ^o eben gehörten aus* fuhrlichen Widerlegung, angelegentlich vertheidigen sah« Ich fand hier bestätigt, dass dies gelehrte Exegesiren allerdings eine gewisse Bibelkenntniss bei den Laien befördere, aber nicht weniger ein Partheinehmen (ur die eine oder andere Ansicht und eine Disputirsndit . vrährend des Predigthörens, welche der Anwendung auf 4as eigene Herz und der Erbauung wenig Ranni lasse. '.

Das Nachtheilige dieses zu weitläufigen Exegesi«

rens hat man auch in der neuesten Zeit so deutUcI)

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oiugcsehen, dass die reformirte Generalsynode im J. 1«17 den Predigern empfohlea bat, stall der ge- wöhuliclicn synthetischen Predigten ha'aiiger Eybeloefe- ningen zu halten, d. h, Homilien über grössere Ab- schuille aus den ' wichtigsten biblischen Büchern mit kurzer Erkförung und Anwen(j[ung (vgl. S. 28)*).

Diese Empfehlung hat wohlthätig gewirkt, so dass :5eltlier viele Prediger solche ßybeloefeningen hallen, was vom Volke sehr geliebt wird. Auch hat sich, die Sitte, welche schon seit langer Zeit bei einigen gros- sen Genweindeu, welche mehrere Prediger besitzen, be- stand, dass diese sich vereinigten, um über ein Buch des A. oder N. T., der Reihe nach kursorisch auf analytische Weise 2u predigen, seitdem in einer gros-, seren Zahl von Gemeinden verbreitet.

Viele, besonders der jüngeren Prediger gefallen . sich in der neuesten Zeit sehr in Ausschmückung ihrer Predigten durch Entwerfung schöner Schilderungen und Gemälde {tafereelen) ^ wozu sie die Texte und Gegen- stande meistens aus dem A. T. nehmen, und beschäf-

*) Hofprediger Dermout hat in seiner ersten Samm- lung neuer Predigten, Haag 1823 S. 142 ff., einige treffliche Muster solcher Bybeloefeningeh geliefert. Auch Professor Herinoa hat eine Zehnzahl Dybel- oefeningen in Predigten, Amsterdam 1818 herausge- geben, Prediger van Heiningen zu Ryswyk hat über das Ev. Matth., 2 Cor. und die Apostelge- schichte, und andere über andere biblische Bücher Bybeloefemngettj jedoch nicht immer in Predigtforin, sondern bloss als kursorische Erklärung mit erbau- lichen Bemerkungen herausgegeben.

tigen hierdurch zwar di« Phantasie, besonders der Ge- bildeten und des weiblichen Geschlechts recht ange- nehm, wirken aber dadurch wenig auf gründliche Be- lehrung und Heiligung« Hierbei werden wohl selbst Gegenstände geschildert, deren Vorhandensein in Be- ziehung auf den Text noch gar nicht einn^al erwiesen ist, nur' damit die schöne Schilderung doch angebracht werden könne*).

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*) ^0 entwirft Professor van der Pa^m in einer Predigt über die Verklärung.Christi S. 6 10 des 8ten Theils seiner Predigten eine ausführliche Schilderung von der Sclibnheit der Natur auf dem Berge Tabor> Aveil der Gedanke doch g^r zu an« genehm sei, dass Christus in einem der irdischen Paradiese Canaans mit einem Besuche aus dem himmlischen Paradiese beehrt worden sei; ob- gleich er gesteht, dass die neueren Ausleger fast einstimmig, freilich ge»en seine Ansicht, den Berg Tabor nicht für den Berg der Verklärung halten.

So liefert van der Roest, sonst einer der einfacheren und gemüthlichen Prediger, und mit Kepht unter die hollglndischen Kanzelredner ersten 'Ranges gestellt (Mehreres über ihn s, unten bei der Predigtliteratur), in der Oten Predigt seiner biblischen Gemälde lon einigen lehrreichen Sterbe- fäUen etc., über den Heimgang Ilenpchs, Seite 154 167 eine dritthalb Seitep lange Schilderung von der Art seines Heimgangs, obgleich er im An- fange selbst sagt, dass Über die Art dieses Heim- gangs und über die äusseren Umstände desselben uns nichts gemeldet sei. Nach einer sehr wahr- scheinlichen Vermuthung jedoch, fügt er hinzu, sei Ilenoch weggenommen worden zur Zeit eines Auf» >f^ufs des Pöbels, der ihm das Leben nehmen \roUt

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Ueberhaupt fand ich und erklärte das oflfen einem der angesehensten, jetzt schon entschlafenen Prediger im Haag, Wt5 Jun., dass meinem ürtheile nach die Predigtweise sich zu sehr un Allgemeinen halte, zu wenig auf die speciellen Verhältnisse des Lebens , auf die besonderen Zustände des Herzens eingehe, wie denn auch fast niemals die. Verhältnisse des Sterbens berührt würden, so dass man nur zu deutlich daraus den Mangel an Kenntniss der Gemeinde und an Seel-» sorge, und an häufigem Verweilen der Prediger an Kranken - und Sterbebetten wahrnehme, Kr musste dies zugestehen.

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te, und nun schildert er umständlich, >vie die Sache ungefähr zugegangen sei. ,>Henoch fühlte sich nach ,,Tielen vergeblichen Bemühungen , seine Mitnien^ „sehen zur Bekehrung zu bringen, gednungen» nocli f^eine zu rersuchen. Von ferne die göttlichen Strafe ^ygerichte über sie kommen sehend, trat er yqll Mit« leids noch einmal vor der Menge auf, Hebend und .warnend ..v. Kr kommt ^zum Vorschein, er spricht^, „er vermahnt, er warnt, er bittet, er droht, er „weint, er weissagt ihren Untergang. Die Feind-. „Schaft gegen ihn, schon lange aufgereizt durch „seine Lehre und sein Leben, steigt nun bis auf „den höchsten Gipfel •... Man will, man kann ihn „nicht länger ertragen« Mordlust entsteht in den „erbitterten Gemüthern^ und Hammt aus Aller Augen. „Man schliesst einen Kreis um ihn, und ist bereit, „ihn anzugreifen und zu tödten. Da, voi* Aller Au- „gen, tritt Gott dazwischen, und rettet ihn aus ih- „ren Händen ..., Während er noch Thiänen ver-. „giesst über ihre Verblendung, wird er genHijiimpl „aufgenommen.** ,.,,

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Die (lebete sowohl am Ende des Eingangs aU der Predig! 1,'mä meislens viel zu lang, wahrend, be- sonders das lelilere, fast eine lialbe Stunile, uaä eal- baltea eine so weitläufige BericUterstallung an Gott, so viele Fürbitten und Danksagungen für Einzelne, welcbe, wenn auch im Eingangsgcbetc schon da gewe- ECD , doch im Sclilussgebet alle wiederholt werdea (vgl. I. Band S. 46), dass viele, selbst der andächtigen Zuhörer dadurch ermüdet werden, und manche allmäb- tig den Kopf in die llcibe recken, um tu sehen, ob . des Bctens nicht bald ein Ende werde.

Diese Scha'ltenscite der Gebete sehr vieler Predi- ger berechtigt jedoch, meiner Ansicht oacfa, noch im- luer nicht, dem holländischen Kircbengebele im Allge- meinen matte Steifheit zuzuschreiben, was Geu- BERG S. 'l03 seines Buchs: „die schoUlsche Katjonal- Lirche" thuL Denn fürs erste, wenn man einea de VriES, einen Egelmg, einen Merens*} u.a. beten btirt, so wird man von dein gläubigen. Feuer derselben gewiss nicht weniger ergriffen und erwärnf, als von dem Feuer gläubiger Betender aus einem an- dern Volke, und wird bei den Gebelen Jener keine malte Steifheit Enden. Fürs twelte muss der Nicht- Holländer, wenn er hei dem holländischen tiehele noch mehr als hei dem schottischen u. a. dieBeflexion vorherrschen, und eine gewisse ihm nicht zusagende Langsamkeit uad Gedehntheit damit verbmi>

•) Iteturmirte l'itMäiger zu Huttcrdam, Leiden und

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den sieht, den holländischen Nationalcharak* ter berücksichtigen,, dessen Eigenthümlichkeit wir da- rum noch nicht verdammen können, iieil sie nicht mit der deutschen, oder der eines andern Volkes iiber- einstimmt.

Dass obige Schattenseite iüdess wirklich vorhan-r den ist, beweist am bestea das Rundschreiben der reformirten Generals ynode vom !!• Jul. 1817, worin alle Prediger ernstlich ermahnt werden: „sich „durchgehends sorgfältig langer Gebete zu enthalten, „bei welchen die Andacht mit Mühe gespanpt und das „Herz nicht warm bleiben kann, so viel möglich Kürze „und Kraft in demselben zu vereinigen, die Fürbitten „für Kranke und J^eidende nicht zu viel zu indlvidua- „lisiren, noch in den Vor^- und Nachgebeten unnöthig „zu wiederholen etc., dass sie endlich sur Verstärkung „des Eindrucks des Gebets bei besonderen Gelegen«» „heiten und bei kurzen Gebeten die ganze Gemeinde, „Frauen wie Männer , stehend zu beten ersuchen möch* ,,ten"*).

Als den^boIländischeQ Kanzeln eigenthümlicb sind noch zu bemerken die lobpreisenden Anreden {aan8prahen)y welche die Prediger bei kirchlichen Fe- sten , B. bei den Jahresfesten - der Bibel - und Mis- sionsg^sellschaden von heiliger Stätte herab halten. So hielt der Prediger Jbei Eröffnung eines Missions- festes, dem ich in einer grossen holländischen Stadt

*) S. VAS^ DER TVüK Uandboek voor hervormde Vre- pikanten etc. S. 14Q. 150.

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beiwohnte, zuerst eine feierliche Aanspratds an die Bürgermeister y ihnen dankend für die Ehre ihrer Ge- genwart, dann au den Kirchenvorstaud , dankend für die eingeräamte Kirche, dann an die Missionsdirekto- rcn, dann an die Schatzmeister, dann an die Secretäre der Gesellschaft, dankend für ihre Wirksamkeit, dann an /die Dirigenten der Sountagsschulen , danlcend für ihre Thätigkeit, dann au die Schullehrer und Schul- lehrerinnen, daiiiwt'nd für das Einüben des Sängerchors, dann an die Kinder, dankend für ihr schönes Singeif, endlich an alle Glieder und Freunde der Missionsge- sellschaft, dankend für ihre Theilnahme und Gegen- wart, welches Bekomplimentiren und Lobpreisen in schwülstigen Phrasen fast eine halbe Stunde dauerte' und am Scbluss der Feierlichkeit vollständig wiederholt MTurde, eine Menschengefalligkeit, welche ich eines Knechtes Christi höchst, unwürdig fand an der heiUgeu Stätte, wo nur Eines Ehre wohnet.

Was die Lehre der Prediger in ihren Vorträgen betrifft, ich spreche hiier zunächst von der refoT" m i r 1 6 n K i r c h e , -^ so ist sie im Ganzen gläubig, und die Versöhnung durch Christum wird allgemda hervorgehoben. Einseitige, trockene Moralpredigten, abgerissen von aller Wurzel des Glaubens, deren man in Deutschland noch so viele hören muss, hört man hier selten. Ebenso sind die früher häufigen Predigten über abstracte dogmatische Speculationen , so wie die Polemik für die Prädeslinationslehre fast ganz ahge- koi^jmen. Nur einige alte Prediger, so wie einzebe jüngere gehen noc^ diese Bahn; die allermeisten da«

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gegen predigen gegenwärtig die Lehre von der allge-* meinen Gnade *)•

Professor vAN DER Palm drückte sich einst in einem Gespräch mit mir über das Prcyi3igen des Glau- bens in der holländischen reformirten Kirche im Vergleich mit den deutschen gläubigen Predigern folgendermassen aus: ,^ie deutschen ofTenbarungsglän- 9,bigen Theologen, besonders die von der Neologie •^^zurückgekehrten , heben meistens die einzelnen Bog- ,,men der Trlnilät, der Erbsünde, der Wiedergeburl „etc. zu sehr hervor. Wir Holländer stellen sie, ohne ),sie zu läugnen, bei unseren Predigen mehr in den ' „Hintergrund, theils, weil sie unbegreiflich, theik weil 5,die näheren Bezeichnungen und Entwickeln ngen der „ersteren Lehre ganz unbiblisch sind* Dagegen heben „wir die lifehren von der Sündenvergebung, der Ver- „söhnung, der Pfiicht, Christo göttliche Ehre zu geben, „hervor, und lehren sie am häufigsten«^'

Dies Zeugniss, dass der Mittelpunkt des christlichen Lehi'gebändes , die Yersöhnung, noch jetzt atigemein als solcher gelehrt wird, habe ich schon oben bestätigt. Indess muss ich leider auch bezeugen, dass auf das Fundament des heiligen Baues , die allgemeine Verderbtheit der menschlichen Natur und

*) Mit grossem. Eifer und Beifall vertheidigte sie der beredte Prediger Wys jun, im Haag während mei- ner dortigen Anwesenheit im Herbste i823 in einer Reihe Predigten über Rom. 9, 10 und 11, welche auch in 2 Th eilen 1824 und 1825 gedruckt erschic uen sind.

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ihre völlige Ohnmacht, sich zu erlösen, nach Art der Apostel hinzuweisen, gegenwärtig von vielen Predigern eben so sehr vernachlässigt oder vielmehr vermieden wird, aU auf die Krone deä Gebäudes, auf die Wie- dergeburt und Erneuerung durch den h. Geist und dessen Gnadenwirkungen > hinzuweisen«

£s wird zwar wohl allgemein von der menscli-> liehen ' SUndhaAigkeit und Versöhnungsbediirfligkeit auf den Kanzeln geredet, aber meistens nur In allgemei- neü Ausdrücken, und sie wird eben in den Hinter- grund gestellt, wie VAN DER Palm auch gesteht, da- bei wird sie meist viel milder und geringer dargestellt, als die h, Schrift und ihr gemäss der symbolische hei- delbergische Katechismus sie darstellt^« Dagegen wird

*) Auch die Keformatoi^eti wai'eti iQ-4j>5icht äoä Vortrags dieser Fundameatallehre des christlichen Glaubens und Lebens anderer Meinung, als van I)f!r I^aLm und seine Geistesverwandten. So sagt z.B. MeiiA^^cHTOx iii dei* ältesten Ausgabe seiner loci commuues S. 6 ff. Witembt 1621 i y^Mt/steria di- jjVinitati» rectius ador av er intus , quam vestigatieritnus, yylmmo sine magno periculo tentari nort possitnt, id yjQuod nofi raro sancti viri sunt expertu Et carne ,xßUuni Deus opti max^ induit^ ut nos ä contemplatio- y,ne majestatis siiae ad carnisf adeoque fragi'lilatis i,no8trae couteniplattonem invitafet, Proinde y,non est, cur mUlium opdraä poriämus in iocis iJlig *«• „p remis, de deo, ds unilati^ de JrinitqU dei, de tn^fsie" „riö creationis, de modo incarUaitonis, ReU- . i^quos vero locos, peäcdti vim^ legem, gratiam, gni ' i,ignorarit, non video, quomodo Christianum voeenu „Nam eJr his proprie Chriitus cognoscitur. ^ if^ Haee demunt ehristiand cögnitia est sciref ,quid

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43«

von Vielen der uns allen angeborene hohe Adel der. menschlichen Natur ofl und stark gerühmt, und diese Lehre mit hellen Farben auf den Vordergrund , ge- stellt*). Ebenso wird von Solchen auf Heiligung >vohl gedrungen, allein man hütet sich aufs ängstlich- ste, von der Wiedergeburt, der Nothwendigkeit einer ribfernatürlichen Erneuerung unseres .Sinnes und des flelssigen Bittens um die Wirkungen des h. Geistes In uns zu reden, indem man gar sehr furchtet, dadurch Schwärmerei zu, befurdern, und den Vertheidlgern der Gnadenwahl in die Hände zu wirken. Man spricht daher meist nur ganz allgemein von der Nothwendig- kelt der Besserung und des Beistandes Gottes hierzu, welcher Beistand dann so geschildert wird, dass er sich wenig oder gar nicht von dem Beistande Gottes unter- scheidet, den auch unser Körper zu seinem Wachsen und Gesundbleiben nöthig hat.

Schon aus diesen wenigen Andentungen ergibt sich^ dass bei solcher Predigtwelse die chrlstli^e ^Ver-

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lex poscat, unde faciendae legU zim, unde peccatt y,gratiam petas, quontodo lahescentem animum adversus „daemonem carnem et mündum ertgaSf quomodo afflic^ „tarn eonscie/ittnni eonsoleris,*^ '

) Calvin sagt Ittstti* HeL Christ^ Lih, l. Cap^ /. §. 2. „Der Mensch ist geneigt, sich selbst irre zu leiten, „und nichts kann ihm daher angenehmer sein, als „dass seinem llochmuth geschmeichelt werde. Da- >,rum ist, auch zu jeder Zeit Jeder, der die Vor- „treffllchkeit der menschlicben Natur gerühmt hat, „überall mit grossem Beifall der Welt empfangen „worden.**

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söhnangslehre , wenn auch noch so häufig in Wortett gelehrt und gepriesen, nothwendig verflacht und ihres wesentlichen Gehaltes, so wie ihrer beseligenden und heiligenden Wirkungen grossentheils beraubt wird, dass sonach sich ein feiner, rationalistischer Unglaube in die Kirche eingeschlichen hat, der unter dem .Aushänge^ Schild gläubiger Ausdrücke und Redensarten den Glau- ben des Volkes leise, aber desto sicherer untergrabt«

Dass solcher Unglaube, wenn er sich schon auf den Kanzeln und in der Predigtliteratur zu äussern anfangt, wo er sowohl Wegen des unter dem Volke noch verbreiteten gläubigen Sinnes , als auch wegen des selbst den Ungläubigen sich aufdrängenden Ge- fühls, dass die neologische Weisheit in ihrer Nacktheit dem Volke und der Kirche nicht fromme, nur verhüllt dargeboten wird , in der übrigen theologischen Lehr- weise und Literatur sich viel deutlicher offenbaren werde, lässt sich schon a priori schliessen. Die Er- fahrung bestätigt dies aber auch genugsam, und lehrt unwidersprechlich , dass eine SEMLERsche Zeit in der Theologie des reformirten Hollands angebro- chen ist«

Eine einfache Vergleichung der SEMLERschen .Periode in Deutschland mit dem jetzigen Zustande der reformirten Theologie Hollands, so wie. eine kurze Kritik der wichtigsten Literatur dieser letzterea im 19ten Jahrhundert ist daher hier nöthig, nur des* Beweis für solche Behauptung zu liefern.

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Fergleichung det 'SeMLBR' sehen Zeit in D eutschland mit der neuesten theologischen Zeit in Holland, Aehnlichkeit zwischen .beiden.

Um diese- Parallele auf eine faialanglich umfassendö Weise zu ziehen, mnss ich, weil dazu auch eine Ver-* gleichuDg der Ursachen des Aufkommens des Kationa- lismus in Holland mit den Ursachen hiervon in Deutschland gehört, mic erlauben, jene Semler-* sehe Periode in. Ihrer Entstehung in ihren nächsten Folgen , so weit es auf unsern Gegenstand Bezug hat5 kurz darzustellen.

Ich kann dies aber* nicht tref/endeir, ak mit den Worten des gelehrten £• B. Puset, Profefisars zu Oxford, In seiner Tortrefflichcln Schrift; Ueber die Ursachen, des deutschen Rationalismus S. 129 ff. *) darstellen,

*) Der Titel ist: HiitoHeul ßriquirp into the probable Cause» ef the Raiianaiiit Charakter iatety predomu

' II. / 28

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„Die ersten Theologen, welche durch zu aus- „schliessliches oder partheiisches Anhangen an ihren „Systemen Veranlassung gaben zur Verflachung oder „Verwerfung der christlichen Lehre, Baumgartek, „£ R N £ s T I und Michaelis, hingen selbst denselben „noch fest an, und selbt einige ihrer nächsten Schüler, „als Semler nnd MoRus, verwarfen keinen Fanda- „mentalartikel gänzlich. Der Gang, in welchem diese „Abweichung vollendet wurde, war Vielmehr der Art, „wie erwartet werden konnte von der vorhergehenden „bloss verständigen Auffassung des Christendiums, „dem stufenweisen ErtÖdten der eigenthumlich •« christ- „lichen Ideen, der unbemerkten Unterschiebung von „bloss moralischen Lehren, welche mehr oder weniger „Aehnlichkeit hatten mit denen des G bristen th ums, „welche nnn nicht länger verstanden Worden, und end- „lich von dem Verbuch, den Rationalismus zu versöh- „nen durch das Herabziehen des Ghristenthums zu sei- ner* niedrigen und fleischlichen Fahne« Die Saat ver- welkte, weil sie keine Wurzel in dem Herzen hatten ,iJeder Theologe versuchte und strebte so viel vom „Ghristenthum zu erhalten, als seine eigene alimäb-' „lig veränderte Ansicht ihn. verstehen fähig mach-* ^,te.« .

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fiant in the theology of Germany^ LondoH C, ei /, RiviNGTON 1828. Auch Ist berclts eine deutsche XJebersetzung, oder vielmehr freie Bearbeitung voii den Predigern Sander und Bialk.oblot^bi^ tfi^schieneni*

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„Gleich anhänglich an die Summe der chrlstlicheii ^J.ehre, wie ^aümgarteN^ blieb Erjnesti, selbst „in seinen späteren Jahren , als sie schon von den ^Theologen ^u einer blossen Wiederverkündigung der „natürlichen Religion nied eingerissen worden war. In ^,ihm waren jedoch die üblen Wirkungen einer bloss „äusserlichen Auffassung des Christenthums lioch sicht- y^barer. Seine Wiederbelebung der grammatischen Interpretation der h. Schrift ^ als ebtgegenge^etzt der doctrinellen , war allerdings eine grosse und sehr wohlthätige Veränderung, für welche die deutsche „Kirche ihm lange dankbar sein muss^ weil sie den „Crrundsatz der Beformätlon wieder* hergestellt hat, „dass kein menschliches Systeni, sondern das klare ^,Wort Gottes iii der Schrift die Basis tind Norm dc^ 5)Glaubens ist.**

„Jedoch zu ausschliesslich tiedactit auf die Einffüti-' „rung der klassischen Regeln der Interpretation, yer- „nachlässigte er das historische Element, und „entbehrend des Schlüssels, welcher ihm den grösseren „Reichthum der Schrift geöffnet haben würde, vergass „er, dass Jede neue Religion sich selbst eine neue „Sprache bilden muss, dass, um neue, Wahrheiten „überzubringen, Worte , die schon im Gebrauch sind,' „allerdings angewandt werden müssen ^ um sie mit den „vorherigen Ideen der Menschen zu verbinden, aber 9,dass die Bedeutung dieser Worte modificirt werden „muss , dass sie . müssen umgebildet werden , um das ,9Gepräge der neu mitgetheilten Wahrheit zu erhaI-<

28*

436

I §

„tcn*). Die "^ Anwendung der klassischen Sprache in jyseiner vollen SchSrfe auf die Urkunden des Christen-

'^) Er yergass dies zwar nicht TÖllig, denn in Part Seet, JJ. Captin. 5. 27 seiner Jnttitutio Inter- pretisN. T,, 5te Auso;abe von Ammon 1809 sagt er: ,,Non pauca tunt in kis iibris fiove d^a propter y^Hovitatem rerum; non quo novo religio tradatur, sed „guod vetera mägis penpicne et proprie et distinete „traduntur, remotit figurarum et allegoriarum umbris* „Propter quae etiam novit verbit et formit d(ee»di j,oput erat, in guibut tunt plura propter timililHdinem „aliquam accomadala rebut tradendit; §uae,ut hoc „obiter addamut, non profeeto ab iptit apottoHt inven- y,ta tunt, aut inveniri potuerunt» Majoris ingettü et „tcholae artibut tubacti hoc ett ; ted ab ipto spiritu „S, iit tuppeditata tunt, tn quo ett pertnagnum per- „borum ' divinitut intptratorum argumentum» E,r eo fgenere tunt: rs^aq^ SatfioveQtGdai ^ raQTa^og, ,ajjyg, dvayiwäv et alia,''

Bei einigen Wörtern erklärt er also eine i^ns- nahme ron den klassiiscben Intefpretationsregela für nöthig« Aber dies ^thut er theils auf eine dogma- tisch-befangene Weise, indem er solclie Wörter so- gar einer göttlichen Inspiration zuschreibt, tbeiM auf eine höchst willkührliche und unbestimmte Wdt se. Da er nän^lich nicht aus eigener Herzenserfah- rung und lebendig -gläubiger Einsicht in die christ- liche Heilsökonomie mit klarer Ueberzeugung die Ausdrucksweisen y womit die Neutestamentlichen Schriftsteller die neuen efgenthümlich- christlichen Begriffe bezeichneten, in dieser eigenthümlichen Bedeutung erkannte, so konnte er sie auch eben so wenig klar und überzeugend nachweisen. . Er snch- te sich daher mit einem Machtspruche z'n helfen, statuirte ohne Beweis einige Ausnahmen^ und lie» durch: et aUm eine unbestimBite Freiheit zur 8ta-

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„tbums konnte sie nur in ein Dokument einer bloss- „menschlichen Spekulation verwandeln. Dass Aoyog ,,bedeutet: Vernunft' nnd Weisjieit in den Klassl- »kem, war ein ganz oberflächlicher, wie ein ganz irriger ^(vrand , um vorauszusetzen, dass es ira J o h. nichis weiter Betreute, als die Weisheit der Mittheilung, die dem Menschen gemacht ist. Die Wirkung dieses Irr- thums zeigte sich in seiner vollen Verderblichkeit bc^ „seinen unmittelbaren Schülern, z. Fischer in „seinen Prolus, de tfUiis Lexicorum JV. 7!, Schleus- „NER u, a. Wiedergeburt wurde vorausgesetzt „zu bedeuten die blosse Aufnahme in eipe religiöse „(Gesellschaft, -die Lehre von den Einwirkungen „des h. Geistes wurde mehr oder weniger ein ge- „wisses Erlangen lobenswerther Eigenschaften mit, dem „(oft bloss äusserlichen) Beistand Gottes; das ev hvui „mit dem Vater: eine Einheit der Gesinnung oder des „Willens. - Ein ähnlicher Fehler, aus derselben # „Quelle entstehend, ist offenbar in Ernesti's Art, ' ^ie angenommene Lehre zu rec)itfertigen. So läs^t

tuirung noch mehrerer Ausnahmen. Aber durch sei- nen Machtspruch konnte er nicht einmal die eigenen Anhänger .seiner Interpretationsweise so wenig in Holland (wie sich unten zeigen wird) als in Deutschland bewegen, die- von ihm statuirten Ausnahmen anzunehmen, indem sie vielmehr die meisten, oder alle verwarfen* Selbst , durch sein / verlegenes, unsicheres Zugestehen von Ausnahmen beförderte er also, dass man nachher alles in«.der h. Sehrift ohne Ausnahme unter das Joch der klas- sischen Regeln zu beugen kich erlaubte.

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er in Behauptung der Inspiration 4er Bücher des A, „T. selbst die Unterstellung zu, dass sie nicht für alle ,,Menscben berechnet sein mögen , dass sie nicht ab- zweckten zur Verbesserung des menschlichen Hariens* Er erkanpte ihren temporären Werlh für die Judeo, „fühlte aber nicht ihre directe Wichtigkeit für die ,,Christen. (s. Neueste theol. Bibliothek Bd. II. S. 440 „ff. in seiner Kritik der Untersuchungen S^mi.£R's „über den Canon des A. T.). In der Schule der £r- < „fahrung LüTHER's würde* er die Analogie der vcr- „schiedenen Theile des Lebens der meisten Christen „mit den verschiedenen Stufeii des Gesetzes und des „Evangeliqms gelernt haben, er wii^'de die Notbwen- „digkeit des Gesetzes auch jetzt noch, als eiDcs Zu- „standes vorbereitender Erziehung, ^m uns zu Christo ^,zu bringen, gefühlt habend"

„S£Mi«£R verwarf auch nicht direct einen elnzi- \ „gen Fundamentalartikel; aber seine unbestimmten find j „unsichern Grundsätze, zu reformiren, legten besonders ^ „den Grund zu der .neuernden Schule. Die ßm „grosse Härte und Steifheit des alten theologischen „Systems machte die Reaction jetzt desto stärker und „zum andern Extrem sich neigend, und veraqlasste^ , „dass es das einzige Mittel, Freiheit zu erhalten, schien, „sich so weit als möglich vpn d^m alten Systeme fa „entfernen, das sie gefesselt hatte, Alle auch „im Unwesentlichen etwas Andersdenkenden wäret) < „früher verketzert worden." -^

„Die Wiederbelebung der historischen Interpre« „tation durch S EMI. ER wurde missbraucht, um nur ^

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Hi:

„AccomoJationcn Christi und der Apostel m allem „den Ungläubigen Missfallendea zu finden, und yras „bloss für die damalige Zeit und Ort und Menschen „passend gewesen und gelehrt worden wäre« Daher „auch jetzt vop Semler nicht klar, noch nach festen „Regeln unterschieden wurde zwischen dem^ was vor- „züglich für Christi Zeitgenossen gelehrt worden, und - „den für immer geltenden Wahrheiten, zwischen „menschlicher Einkleidung der Wahrheiten und we- „sentlicher Wahrheit selbst^ die Vorbindung zwischen „der jüdischen und der christlichen Offenbarung wurde „nicht gehörig beachtet Durch den Mangel an tiefe- „rer Einsicht in die Natur der Religion, uQd an le- „bendiger, persönlicher Erfahrupg der Kraft des^ Chri- „stenthum$ wurde der ewige Gegensatz zwischen oa^t^ yyunä nv^vfia in einen bloss zeitlichen Gegensatz zwi- „schen der judaisirenden engherzigen Apsicht des Cbri- * „stenthums und den freieren Ansichten Pauli verwan- ' „delt. Da einzehae Thcile des alten Systems „sich ohne biblischen Gnind fanden, wenigstens in ih- ^,rer weiteren Entwickelung, so glaubte man, alle Thei- „le desselben ^eien unbiblisch und falsch, und warf 9ialles Positive weg , so dass die Theologie nun einen „mehr kritischen und negativen , als positiven Ch^rak« „ter annahm. ^^

„Die Anhänglichkeit des Michaelis an das bestehende System, und seine Erfurcht vor Religion ist den Eindrücken zuzuschreiben, welche das Ver- „kehren mit den Pietisten auf ihn machte, mit denen „er yon seinem Vater, dem vortrefHIchen J, H. Mj-

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,,CHAELis erzogen war. Zu leichtsinnig, wie er selbst sagt , nm ihren Ton frommen Gefühls . anzunehmeo, behielt er doch eine äussere Ueberzeugnng von der »j Wahrheit des Christenthums , strebte Einwürfe dnrdi 9,neue Theorien zu beseitigen, und hielt zum grossen „Erstaunen seiner )iingeren Zeitgenossen viele Theile „des älteren Systems bis zum letzten Augenblick fest, „welche modificirt oder bei Seite gelegt worden „waren,*'

„Ueberall sind die verderblichen Folgen seiner „bloss äusserlichen Ueberzeugung sichtbar. Entblösst „von der Ueberzeugung, welche «Hein eine umfassende „Einsicht in den wesientlichen Charakter der Oflenba* „rung und die harmonische Yerbindnng ihrer verschie» .„denen Theile geben kann, hatte er keinen Führer,

. j,der ihn hätte« bemerken lassen können, was fuglich „zugelassen werden konnte, ohne Schaden für das Sy* „stem selbst. Daher widersetzte er sich oft der Ein-

'. „Wendung, statt dem Grundsatz, worauf die Einwen- „dnng gegründet war; bemühte sich, sie zu beseitigen »durch Theorien im Einklang mit bloss menschlichen »Systemen, und stärkte sie gleich sehr durch seine Zu- ^,geständnisse , wie durch seine eigenen unpassendai „und willkührliehen Vertheidigungen. Obgleich „anzuerkennen ist, dass er, auch selbst Dr. Paulus, „manche Dienste geleistet hat, indem er beitrug, die „geschichtlichen Umstände der biblischen Krzäblungea „mehr vor unsere Augen zu legen, uns mehr in die „Ljage der Zeitgenossen zu versetzen, und die Art des „Begreifens Ireniger abstract za machen. Sehr

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„grosse Nachtheile entstanden von den niedrigen An- sichten über die Personen, Thaten, Einrichtangen und Lehren der h. Schrift, denen das neue Sjrstem £nt- ,,stehnng gab« Nicht bloss die Theorien von EiCH- „HÖRN (MiCHAELis's Zögling) errichtet aof dem „vorausgesetzten menschlichen Ursprung jeder Erschei- „nung in der geoffenbarten Religion, sondern sogar „die niedrige und gemeine Geistesrichtung, mit welcher „Dr. Paulus jedes geistige und göttliche Ding in . „den Evangelien zu der Sphäre des bürgerlichen all- „täglichen Lebens erniedrigte, die niedrigen und irdi- „sehen Grundsätze, welche er ihren kandelnden Per- „sonen beilegt,^ scheinen nur die natürliche und unver- meidliche Folge dieser Ausschliessung der Religion - von Michaelis Theorien." (S. Michaelis Ein- leitung in die göttlichen Schriften des N. T. nebst Zu- sätzen zur 3tei^ Auflage).

In Holland nahm die VerSkderung der gläubig gen Ansieht in einem feinen Rationalismus bei vielen Theologen einen ähnlichen Gang wie in Deutsch- land, wenn gleich der Uebergang auf eine weit lang- ^samere, leisere und gemässigtere Weise, ganz dem ru- higeren, kälteren^ Nationalcharakter gemäss geschah.

Um die Mitte* des vorigen Jahrhunderts war die Rechtgläubigkeit in der ' reformirten Kirthe Hollands noch allgemein herrschend; allein 'das alte, theologi-

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) »W^ Nederlandera loudi^, sagt Professor Proes in seiner Schrift: Over de Engehche Kerk U. Thcü Seite 260.

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scbe System herrschte auch noch in seiner ganzen Steifheit und Härte , und die Exegese musste als Scla- vinn ihm dienen. Zugleich war, besonders durch den mehr als hundertjährigen Streit zwischen den theologi- schen Schulen des Coccejus, Voetius und Lampe befördert, ein engherziges Verketzern über meist sehr unbedeutende Abweichungen vom herrschen* den Systeme im Schwange,

A. ScHULTENS, Professor der morgenländi- schen Sprachen zu Leiden, und H. VenemA, Pro- fessor der Theologie zu Franeker, weniger dogma- tisch - befangen , hatten um diese Zeit durch ihre Vor* träge und Schriften^) die grammatische Inter- pretation der h. Schrift zu verbreiten gesucht, al- lein wegen der Macht der entgegenstehepden Vorur- theilc nur noch in kleinem Kreise wirken können. Erst, nachdem P. Ajsresch und N. S. Schroe- PER, Professoren der Theologie zu Groningen, die- ser vorzüglich in der Exegese des A. T. , jener in der des N. T. sich auszeichnend, welcher den Fussstapfen Ernesti's folgte, so wie H.A. Schuj^tens, Enkel

0 Die wichtigsten Schriften von A. Schültens sind: De utilüate linguae arabieae in interprettznda S, S. 17 061 Origines /tebrateae 17249 Und Liber Jobi, cum nova versione et commentario perjaetuo 1737» Die von Venema: Ditsertationet ad vaticinia Dm- nielis 1743 1752, Commentarius ad iibrum prophe- tiarum Jeremiae 1765, Commentarius ad Psalmti 1762 1767, Sermones academici vice cotnmeniarü ad iibrum prophetiarum Zachariae 1787, Leciionei academicae.ad Ezechielem 1790, '

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des obigen, aiidi Prefiessoe' in Leiden*) die gram- matische Auslegung gleichfalls vertfaeidigtei^ und- lehr- ten, gewann sie gegen das Ende des verfloaieNen Jahr- hunderts auf den bollindiscben Unirersitit^ freieren Raum»

Der iloUtisehe Streit, welcher sich In den tehl- ziger Jahren zwischen der prittriichen nnd' der pttrloK tischen Parthei erheb, und ganz Hi4^id leirAwBte^ ^ ^. wirkte adch auf dit mit dem Staate äl| Verbttodene >^r^ Kirche. Öle Patrioten , welche aich für die Tertheidi- ger der bürgerlichen Freiheit erllUrten, nnd* denen sich fas alle protestantische Dissenter anschlössen, un- ter weldien der Rationalismus sch^n grössere FtfH» (schritte geniacbt hatte, Sudeten auch die Bande, mit welchen das kirchliche Sjstem bisher die Freiheit der religiösen IVfeiiiungeii eingeengt, zu zerrelisen, und ei- ne unbedingte Glaubens« und I^ehrfreiheit zu erringen« Durch das engherzige Yerj^et^seni der früheren Zeil und das zu steife Beharren bei dem alten theologi- schen Systeme, auch in den biblisch nicht begründeten Nebensachen ward die Reaction, wie in Deutschland, 30 auch hier nur desto stärker, und wie Im Politischen ' die Freiheitsliebe in Freiheitsscbirärmerei ausartete»

*) Abresch'8 wiohdgates Buch {st: Pam^hta^ ßi annoiatioMum Efdi^am ^ Bpitraeot tpedmtn I -^ ///. t7e0 1790, seUi /r. $jpeHmeM, welches bis zu Ende des 7ten Cap« reiohl, gab Hering a, sein SchUier> im f. 1817 heraus. Die wichtigste Schrift Ton H. A, Schulte N8: Hei botk Job ver- iaald, met aaitmerkiimen , gab Mümtinohe ii» f, 1704 heraus.

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weil sie auf keinen festen Grundsätzen berubte, und das Wesen der wabren Frelbelt nicht kannte, so auch im Kircblicben und Religiösen. Hierzu kam, dass der französische Atheismus, der englische DcIsiuds, und der deutsche Rationalismus längst ihre Sameu- körner auf holläudischcn Boden geworfen hatten, welche still und leise emporgekeimt waren, und nun um sich wucherten. Still und leise, dem Qiarak- *er des Volkes gemäss, schritt der Unglaube nun vor- wärts, aber festen Fusses. Weil man einzelne Theile des Systems , i, B. die Prädestinationslehre in der h. Schrift nicht begründet fand, so wurde man geneigt, auch die Fundamentalichren des Christenthums zu be- zweifeln und zu bestreiten. Weil die Bibel -Auslegung sich früher über alle Regeln der Interpretation der Profan - Klassiker hinweggesetzt hatte, so sollte sie jetzt in keiner einzigen Fllnsicht mehr anders als diese be- handelt werden.

Mit jener dogmatischen Neuerung wagte ia- dess im ISten Jahrhundert noch kein reformirter Theologe offen hervorzutreten, wie Professor Ypey VIII. Tbl. seiner Kirchengeschichte des 18ten Jahrhun- derts S. 241 bezeugt*). Mit dieser exegetischen

♦) P. VA.N IIemert, früher reformirter Prediger zu Wyk, der durch neologische Schriften im Geiste Teller's sich am Ende des vorigen Jahrhunderts auszeichnete, kann nicht hierher gerechnet wecden, weil er in den achtziger Jahren, eben seiner Neo- logie wegen, öffentlich zu den Renionstranten über- trat, bei welchen er liernach Professor zu Amster* dam wurde.

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Neaening bmgegen wagte mao €9 am lo mudKger, weil. sie 9 wenn gleich nicht in ihrem ganzen Umfange richtig , doch durdi Wiederbelebung der grammati- scben Interpretation als in dieser Hinsicht wohlthatig anerkannt werden miüsste. ,

So gab J. KaiyteIiAAR, einer der einflassreich- sten politischen und lurchlichen Liberalen, der im J* 1787 s^mt reformirte Fredigerstelle niedergelegt hatte, darauf im J. 1789 der erste Herausgeber einer Hbe/alen theologischen Zeitischrift, der Vaderlandsche LetterkundB f und im J. 1796 Mitglied und einer der Stimmführer in der holländischen Nationalversammlung ■war, bei der Eröffnnijjg der Zeitschrift als Regel der Bibelauslegung an: „Die Bibel müsse ganz wie ein „menschliches Buch gelesen, erklärt und ausgelegt wer- „den. Bei ihrer Erklärung müsse man sich bloss sol- „cher Hülfsmittel bedienen, die man bei der Erklärung „aller andern alten Bücher gebrauche '^^.

Dieses Feld der Bibelaaslegung war es nnn vor- züglich, auf welchem seit dieser Zeit der Unglaube in der Theologie gepflegt worden ist, zum Theil ohne die Absicht ;der Interpreten, und sich in der Kirche um so weiter verbreitet bat, weil das Studium der historischen Theologie noch immer gegen andere Theile derselben zurückgesetzt wird, was selbst Profcs-

^) S. die Kirchengeschichte von Ypet uud Dbrmout IlL Thl. 8. 665 und 666.

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sor RoTAARDS zu Utrecht noch in der neuesten Zeit gesteht*).

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*) S. H. J. RorAARDS Orntio de TAeoiogta hütoriea, cum iaeri eodieü exegeti rite eonjüneia, noUrin potit' $imum iemporibua in Belgio excolendä, gehalten 1826 bei dem Antritt der ordentlichen Professur der Theologie, wo er S. 36 sagt: „^t (Beigae') tarnen yfin nonnullU Theotogiae kUtorieae •partibtn nou pari pfpa$im procetteruHt emm

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Kritik der (gichtigsten theologischen Literatur des mten Jahrhunderts.

J. Exegetische Theologie»

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^nter den Gel^ehrten^ welche hierin den entschieden- sten und grössten Einfluss auf die Kirche geäussert haben, und noch bis auf die neueste Zeit äussern, stehen die Professoren VAN Voorst und vAN der Palm oben an. Beide bilden in vielen Beziehungen eine interessante Parallele mit den beiden Hauptvor- bereitern des Rationalismus in Deutschland, £r- NESTi und Michaelis, namentlich .anch in der Beziehung, dass jene, wie diese, ohne ihren Willen dem Unglauben die Bahn gebrochen haben«

Johann van Voorst,

Zuerst Prediger, seit 1778 Professor der Theologie zd Franeker, seit ISIOQ zti Leiden, seit 1827 im Ruhestande, ein Mann von grosser Gelehrsamkeit, und einem milden , wohlwollenden und religiösen Charak- ter, kann in theologischer Hinsicht mit vollenl Rechte der holländische Ernesti, sowohl nach der Lichtes wie nach der Schattenseite genannt i<rerden^

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Auch er erklärt die grammatische Interpreta- tion fiir die einzig richtige, weshalb in der Bi- belauslegung Hugo Grotiüs der höchste, uner- reichte und unvergleichbare Lehrmeister sei, nach ihm aberERNESTi die erste Stelle einnehme, welchen letz- teren er als sein Vorbild anerkennt, und allen Theo- logen zu ihrem Vorbilde mit den höchsten Lobsprüchen, empfiehlt *). Auch er legt auf das Historische bei der Interpretation nicht mehr Werth , als Er^iesti **), und hält die grammatische Behandlung der h. Schrift ganz wie* der Klassiker fiir völlig hinreichend, um den oinn jener überall richtig und vollständig aufzufassen, ohne dass eine gewisse Qeistesverwandtschafl mit den Verfassern derselben, ein Durchdrungensein von dem- selben' durch den Glauben erleuchteten Geiste zu dem klaren Verständniss der Stellen^ worin die eigenthüm- lich - christlichen Heilslehren , die dem unerleuchteten -natürlichen Menschen unerkennbar und eine Thorheit sind, nöthig wäre***).

'^) S. seine akademische Oratio ^e J* A* Ernestio, optimo poit HVGONEM GbotivM duce et Magi- slro interpretum N, T., gehalten zu Leiden 1804. Und in der Vorrede zu , seinen Animadversiones de U8U verborum cum praepositionibut compozitorum in N. T. L Thl., Leiden 1818, S. 2 und 3 §agt er: yyln 6a enim sMtentia persistimus, quam javi diu pro- „fessi 8umu8, ut in Graecorum veterum Latinorumque „Iractartdis^ scHptis, ila in Sacris guogue , haue unam ifiii trudiiae doctrinae cognoscefidae et explieandae „Viani e.vploratam satis et tutam esse, qua ab inteUi- jigentia verborum ad cognitionem verum proeedatur, 9,et primas adeo interpretis N, T, partes esse in in- jyterpretatione grammatica horum librorum, et pru- yydenti subsidionttn ejus recte instUuendae usuy in qu(h y,rum nutnero accurata scientia iinguae et diciionis „Graccae horum script^trum principem teneat lo' „cum,"

♦♦) S. S. 41. 42. 63 65 der vorstehenden Oratio.

»♦*) T WESTEN sagt hierüber in dem vortrefflichen et- stcn Theile seiner Dogmatik S. 4ßl : „Die ältere

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\yenii daher auch <ir, gleich Ernesti^ dnrch eine religiöse Erziehung und friihe GewöhndiQg, den

„Dogmatik forderte Ton dem Atisleger ausser an« „dem Requisiten (Sprachkenntnissen ^ gesehichtli- ,ichen Kenntnissen etc.) vor allen, dass er vom h; „Geiste erleuchtet sei, ohne dessen Beistand man „wohl die Worte Terstehen, aber nicht den geisti« „gen Inhalt der Schrift fassen könne. Mit Hecht. ^,Denn ist ein wahres Verständniss eines Schrift- „stellers nur dadurch möglich, das^ man sich in „seine Stimmung, seinen Ideenkreis, seine Gjedan- ^.ken Und Empfindungen hinein zu rersetzen ver- „mag, und erfordert dies eine gewisse innere Ver- „wandtschaft unserer Gefühls- und Denkweise mit „der seinigen, so werden wir auch den, der Tom h. „Geiste getriebeU, schrieb^ nur dann verstellen kön- „nen, wenn wir von demselbigen Geiste erfüllet ),sind. Dies muss um so mehr gelten ^ wenn der h. „Geist es ist,, der uns eine neue Region von Innern „Wahrnehmungen und Erfahrungen eröffnet, der uns „zu einer neuen Stufe der Einsicht und Erkenntnisse „erhebt. Denn daraus folgt, dass ohne ihn uns „Vieles in der Schrift eben so unverständlich blei- >,ben muss, als etwa dem Blinden eine Hede von

^»Gegenständen des Gesichts. ^ Die Grammatik

„geberdet sich oft, als sei sie die Auslegung selbst^ „die eined höheren Geistes auch nicht entfernt be- ^,dürfte, indem sie iti ihreu Regeln allen Geist ein- ^jgefangen* zu haben glaubt. ^

„Clemens ton Al£:xandrien sagt Strotm i^VIIf s%i: „Von der Maria sagen einige, dass sie „geboren habe, und doch auch nicht^; denn sie ward ^,nach der Geburt Jungfrau befunden. So ist es mit „den göttlichen Schriften, welche die Wahrheit ge- „bären. Den gläubigen Lesern gebären sie wirk- ^,lich; die ungläubigen gehen vorüber, und gerade. ^,weiUsie die Schrift zwingen wollen> wird ihnen „nichts geboren; die Schrift ist ihnen Jungfrau ge* „blieben. "

„Luther sagt rf« arvo arhitr^ II i 424: „St d6 iyinterna claritate^ quae in cordis cognüione Sita est, yjdireris, nullus homo unum Jota in scripturis videtj »nisif qui spiritum dei habet,**

geoffenbarten christlichen Heilslehren äusserlichca GlaabeA zu schenken, bei einigen sie betrefTende«

„A. H. Francke sagt in der Vorrede zu einer »»Leipziger Ausgabe des N. T.: »»Hierbei ist ininier »«festzuhalten, dass Niemand im Verständniss der »»Schrift glücklich Sein kann» ^venn er nicht ausser »»der äussern sich auch um die innere Haushaltung

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Gottes» und zwar um diese recht eigentlich be- kümmert» so dass er nicht bloss den Buchstaben- »»sinn irgend eines einzelnen Ausspruchs ivisse» son- »»dem auch durch die mit der Schriftlesung Tcrbun. »,dene tägliche Erfahrung den wahren Sinn und die ».geistliche Anwendung des Gesetzes und Evangelii »»inne werde. Anders lesen in der Schrift die * ».fleischlichen Menschen» anders die geistlichen. Lass jene immerhin den Unterschied des A. und N. T. mit zahllosen Unterscheidungen, erklären; so lange sie den Geist der Knechtschaft nicht in »»sich selber kennen lernen > und so lange sie den »»kindlichen Sinn nicht haben» werden sie nie einen »»wahren und wirklichen Unterschied finden» 2 Kor. „1» 12. Die h. Einfalt» die Christus Matth. 11, 25, »»Paulus 1 Kor. 3, 18 priess, ist ein wichtiges ü/lit' »»tel der Auslegung. Christus sagt, dass Jeder» dem »»sie fehlt, noch in Finstemiss wandle» und vermisst - »»sie Torzüglich bei den Pharisäern, die doch Nie- „maod> was die äusserlichen Buchstaben anlangt, ,»an Schriftgelehrsamkeit übertraf« Diese Einfalt „des Sinnes steht nicht im Gegensatz mit der ^nan- »»nichfaltigen Weisheit Gottes» die an der Gemeinde »»kund werden soll» Eph. 10. > Gewisse hermc- »»neutische Regeln sind deshalb nicht zu temach- „lässigen* -* Aus unnützer Furcht vor» ich weiss »»nicht was für einer Schwärmerei benehmen und »»läugnen sie dem h. Geist diejenige Wirksamkeit « »,ab» die ihm allein und allezeit Zukommt, nämlicb »»den menschlichen .Geist mit dem göttlicKen Licht >»zu erleuchten» bei besonnener und demüthiger Er- „forschung des Wortes Gottes, f*

Auch LüCKC in seinem Grundriss der neutesta« ' mentlicheii Hermeneutik» Göttingen 1817 III. Ab- schn. $$« 57« 58, Stark in seinen Beiträgea luf Veryolikommnung der Hermeneutik, Jena 1817^ .

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Ausdrucken eme vom klassischen Sprachgebrauch ab- weichende Bedentaog annimmt, so t* B. bei Sixaioavvrj dfov, so zeigt doch seine exegetische Abhandlung dar* über*), dass er hier von dem klassischen Sprachge* brauch dämm vorzüglich abgeht , weil et" durch seineii historischen Glauben an die christliche Versöhnungs- lehre gewohnt i^t^ den eigenthiimlich - christlichen Sinn damit sd verbinden^ nnd deshalh dem Sprachgebrauch der Schrifl allein zu folgen sich bewegen lässL Da aber diese Ausnahme, die er hier von den klassischen Regeln machte bloss in seiner Subfectivitat beruht, und er das Gefühl der eigenen SiindhafUs'keit und Versöh- nungsbedürfiigkeit ^des Mangels und der Unmöglich* keit der iSut SiMtbavvri) für den Interpreten der die eigenthiimlich «christliche Versöhnungslehre enthaltendeii Stellen des N* nicht nÖtfa% achtet zum Eindringen in die Tiefe ihres Sinnes^ so folgt von selbst^ dass solche Interpreten, weldhe nicht einen historisch - Christ-» liehen Glauben in dem Umfange, wie VAN VooRSt besitzen, sich nicht werden zwingen lassen, sol<ihe will- kiihrlich gemachte Ausnahmen von den klassischen He-^ geln anzunehmen, sondern Sixaloavvfjv ^(ov eben so- wohl wie die andern Ausdrücke des N. narb den- selben erklären werden, was denn auch selbst der von VAN VooRST als unvergleichlicher Interpret gepriesene Grotiüs bei diesen Stellen nach van Voorst's

NiT^^sCB'irt seiileni äeridschreiherf aii t^rofessof DEi^BRütiK S. 86 88, Boiin 1827| so wie in seinem System der öhHstlicheii Lehre, Boriii 1829 §$• 43. 46,' OpsHAUSfcN iri den tbdologischen Stu-« dien und Kritiken II. Bd. 1V< Heft, Hamburg 1829 S. 791, und Andercj erkläreil diese Geistesver^ wandtschaft mit dem zU Ihtei*|^retirätidert für ein liothwendigeif Erfordernisef des biblischen lnter<< preten.

*) ÄHHotatioHum {h tocä tßUdd N, T* 6p^ä. iL Löideil bei HoNKOOp 181 L

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eigenem Geständnisse gethan hat*)* Hat doch schon VAN VoonsT selbst nicht alle die von seinem Lehr- meister ErnesTi als solche Aasnahmen statojrte Ans- drücke im N. T. angenommen, weil sein historisch- christlicher Glaube bereits einen etwas geringeren Um- fang hat, wie er z. H. von dem Ausdrucks dai/noviXia- ^ai, den Ermesti unbedingt unter jene Ausnahmen stellt, es nur für probabile erklärt, dass er dazQ ge- höre**), so durften natürlich diejenigen seiner Schüler und Geistesgenossen,' deren historisch - christlicher Glau- be wieder einen geringeren Umfang hatte, als der sei- nige, mit demselben Rechte noch weniger Ausnahmen von den klassischen Regeln machen, und so haben sie denn auch durch Hülfe derselben einseitigeu gramma- tischen Interpretation, eine eigenthümlich - christliche Lehre nach der andern aus der Schrifl .wegexegesirt, wie wir gleich unten sehen werden.

^) Und nicht bloss bei diesen Stellen des RÖmerhriefs, sondern auch in vielen andern Stellen desselben^ z. B. 3^ 19. '4, 25) so ivie in seinen l^fklärungen der übrigen Neütestamentlichen Bücher, Job. 1, 29. 3, e. e, 5K Epb. 2, 1: 3. 13. 16. Tit. 3, 3, zeigt sich eine solche pelagianische Ansicht von der menschlichen Natur ^ ein solches fein-* ratio nalisti^ sches Bemühen,, den Versöhnungstod Christi in eine blosse Bestätigung seiner Lehre zu verwandeln, und ein solches Verkennen der Cinristliphen Bedeu* tung des aUQ^ und nvivfJtUy des vofjiog und /o^i^, dass kein diese Bedeutung lebendig in flick erfah- ren habender christlicher Interpret jenem Manne, dessen übrige grosse Verdienste um die Exegese billig anzuerkennen sind, ein so ungemeasenes und unbedingtes Lob geben, noch ihn als den grössteii aller grossen Bibeiinterprerten zum höchsten Muster

- vorstellen kann, wie van Voor8t thut. Vgb Th OL UCK '8 Auslegung des Briefs Pauli an die Römer. H. Aufl. Berlin 1828 S. 2L

**) S. sein Compendium theologiae eMitiänae !!• AA Leiden 1814 S. 6L

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Den grossen £infla$8, den VAN Yoorst auf die hoJlSndische Exegese gehabt, «hat er fast allein durch sein vierzigjähriges theologisches Lehramt erlangt Denn seiner exegetischen Schriften sind sehr wenige und von geringem Umfange,

In den Jahren 1810 -^ 1812 gab er jinnotaticf num in loca selecta T. specl I /// heraus, Lui- den bei HoNKOOP, von welchen d?fs erste spec. über 1 Job. 3, 2 handelt, das ^iweite über Stxaioavvijv 9fov in Rom. 1, 17. 3, 21. 22. 25.^6, und 10, 3> das dritte endlich über 1 Job. 1, 1 -r-

Seine Exegese ist nicht ungläubig» wie oben schon in Bezug auf das //• tipeo. über ivxaiaovvrjv ^eov be- merkt worden ist. £r nimmt diese fiKCiioavvfjv in christlichem Sinne > aber die 99 Seiten starke Abband- luDg hält sich fast ausschliesslich an die dürre Wort- crk^rung, mit kurzer Andeutupg der darin liegende«! Begriffe, welches letztere kaqm ein Paar Seiten ein^ nimmt. In den übrigen mehr als 50 Seiten sucht er seine Worterklärung mit allen möglichen Citaten aus der Schrift und den Profanscbriftstellern zu beweisen, die Meinung aller möglichen Gelehrten» welche diese Wörter anders erklärt haben, aufs weitläufigste zu widerlegen, ohne sich auf eine ausfüihrliche Sacherklä- rung dieser Sixaioavvtjv d'eov einzulassen, ohne diese^ Grundlehre des Christenthums nur irgend , in Bezug auf den Zusammenhang mit den in Rom. 3 vorherge- benden Versen, und auf die darin enthaltene allgemei- ne Sündhaftigkeit, wodurch jene iu(moavv?jY erst, itir rechtes Licht erhält, zu entwickeln; was hier bei der Erklärung der Hauptbeweisstellen derselben Pflicht, und für jeden diese Sixouoavvjjv lebendig an ' seinem Herzen erfahren habenden Interpreten e^n^ siis^e Pflicht war.

Auf ähnliche Weise erklärt vAN VooRST im ///• spec. Xoyog ^anjg von Christof und beschränkt sich auf den 56 Seiten der Abhandlung fast aus«» schliesslich wiMer auf die Worterklärung.

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Jammer, dass so reiche Schätze exegetischen Wissens zu nichts weiter verwandt werden, als la ei- ner solchen dürren, grammatikalischen Bachstabener- klärong, um mit Francke so reden, zur Zusammen* »etzung eines solchen Todten* Gerippes, woran das Ic* bendige Fleisch fehlt, das dämm auch Niemand zam Leben führen kann. Jammer, dass den jungen Theo- logen Hollands solche todte Gelehrsamkeit als das Musterbild einer christlichen Exegese vorgehalten wird, welche dann nur geeignet ist, sie zur Erkenntniss der W^örter, aber nicht des Wortes Christi zu (übren, und aufzublähen^ statt zu bessern.

In welchem andern Geiste erklärt doch ein Tho« LUCK in seinem Gommentar des Römerbriefes die im //• apec, behandelten Stellen, ohne dabei seine reiche exegetische Gelehrsamkeit zu verläugnen!

Die zweite kleine exegetische Schrift VoohsT's heisst: /Snimadt^rsiones de usu perborüm cum prae^ positionihua compositorum in iV. 71 I. Stück, X819 JLeid^n bei LuciftMANs, II. Stück 18U.

Ausserdem bat er mehrere akademische Reden, welche sich zum TbeiJI auf Exegese beziehen, herausge- geben, z. die schon angeführte D^ ErneStio, ferner im J. 1809 eine: de popuiari religioma cJiri" stictnae dlscipUna ex Ißgitimae sacrorum Übrorum irh terprßtßtiarUß fönte prc^cipne houriendß.

Johann Heinuigh van d^r Palm, *

Professor der morgenländischen Sprachen zu Leiden, vom J. 1799 -«- 1804 Generaldirektor des öfTentlidieii Unterrichts, als welcher er sich um die neue Oi^[aiii* satioQ des Yolksscbulwesens nicht geringe Verdienste erwarb (vgl. S. ?93), seit 1805 aber wieder sein Lehr- amt bekleidend, hat durch seine ausgebreitete Gelehr- samkeit, feine ßildung, ausgezeichnete Gabe angeneh- mer Datrstellung , sowohl milndlich, als in Schrifiten, sowohl auf der Kanzel als auf dem Katheder, dorcb seine vielen, sowohl gelehrten als populären exegeti- schen Schriften, durch seine mündlichen und in vielen

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Bänden gedruckten Predigten, vor allem aber durch seine Bibelübersetzung mit Anmerkungen , auf die 6e- lehrten, wie auf die Ungelehrten, besonders der gebil- deten Klasse ausserordentlich .eingewirkt, und dadurch auf die neue Gestaltung der exegetischen und prakti- schen, 'und somit auch der übrigen Theologie ei^en noch grösseren und allgemeineren Einfluss ausgeübt, als VAN VOORST.

Sein Bibel werk, wenn gleich eines seiner späteren Werke, haben wir als das einflussreichste exegetische, und worin sich der Geist seiner Bibelauslegung am klarsten abspiegelt, zuerst zu betrachten.

Der Form nach hat es viel Aehnlichkeit mit der VON Meyer' sehen Bibelübersetzung, indem, wie hier die lutherische, so dort die im Auftrag der Dordrechtschen Sjmode verfasste, sogenannte Staa- ten-Uebersetzung dem grössten Tjbeila nacb bei- i)ehalten,' nur leise verändert, und, weii%steQ4 <ler Ab- sicht^ nach, berichtigt worden ist. Die Aiiniierkungea stehen dort, wie hier, unter dem Texte, sind aber weit ausführlicher, auch gelehrter in der Erklärung, und ohne auf Erbauung mit berechnet zu sein, fiir die ge- bildeten Leser aller Stände, bestimmt« Die kanonischen Schriften des A. und N. T. sind in gross Quart' in den Jahren 1818 1825, Leiden bei Dy Mortier in 6 Bänden erschienen« Seitdem ist auch der Ite Band, welcher von den apocrjphischen Buchern des A. T., den Sirach, das Buch der Weisheit und die Bucher der Makkabäer enthält, ans Licht getreten. Statt der Vorrede ist dem ersten Bande ein Schreiben an die reformirte Generalsynode vorgedruckt, das den Plan des Werkes enthält, und die Hoffnung ausdrückt, dass dieses an die Stelle der Staatenbi- bel treten werde, da es mit dem Bedürfniss und dem Licht unserer Zeiten mehr übereinstimme. Die- se Hoffnung hat sich indess poch nicht verwirklicht.

In Absicht, des Geistes der Bibelauslegung und seines Einflusses auf die Kirche ist eine grosse Aehn-

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UchLe?t TAN DER Palm'a mit MiGHAELls nicht ra verkennen.

^ Van der Palm halt wie Miciiaelis an der Summe der christlichen Lehre fest, und zeigt, wie die-^ ser, grosse Ehrfurcht vor Religioa, und noch grössere vor der Bibel, welche Ehrfurcht er sehr häufig und in ^en stärksten Ausdrücken erklärt, so dass er dann auch nicht in der niedrigen, plumpen, bisweilen frivolen. Weise des letzteren die Wunder und Personen der Bibel angreift« Hiervon hielt ihn schon seine feine Bildung und die ruhige Mässigung des Nationalcharak- ters aurfick« Er eifert soga^r nicht selten sehr starl^ gegen die, wie er sie nennt, unglücklichen und bemit« leidenswerthen Versuche, die biblischen Wunder natSr-r lieh zu erklären, bei Matth. 17, und Apost^ Gesch. 2, Wo er aber selbst diese Versuche maeht, da weiss er die natürliche Erklärung in den Augen der meisten Lcattr durch das Herbeiziefaeo der ^ö'ttlicheo Vorsehung zu mildern, die hier dpch unzweifeJbar mit'^ gewirkt habe, und die dann ipit hohen Worten geprier ^en wird.

In der Hauptsache iadess, in der Sucht, die Wun- der natürlich zu erklären, ist er mit Michaelis Eins; und weiin sie in den Bibelanmerkungen weniger häufig ans Licht^ tritt, weil die natürliche Erklärung darin oft i\ur leise angedeutet wird, so 'offenbart sie sich doch sehr unzweideutig bei Vergleichung der Bi- belanmerkungen mit seiner Byhel f^oor de Jtugi (Jugend), welche er fast gleichzeitig mit der BibelSbir«, Setzung successiv herausgegeben hat^. Piese Jugend« '

*) Bis jetzt sind 18 Bändchen davon erschi^n^n, vom J. Iä2i an, Leiden bei du Mortier. Die 17 ersten enthalten die Geschichte des A. T., das 18te den Anfang der Geschichte Jesu. Jedes Bändchen hat auch einen besonderen Titel: Biblische Gemäl- de aus der Geschichte der etc, Dtx grösste Theil des ersten Bändchens ist rpr. Kursem in einer deuti sehen Uebcrsetzung erschienen, unter dem Titel: lieber die Mpsaische Ersählang von der

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bibel ist eine EnShlang der biblischen Geschichte, mit einer fortlaufenden populären Erklämn^ verwebt, für Jüngere und Ungelehrte bestimmt, nad in einem so gefälligen und blühenden Stjle geschrieben, dass sie sich ein ausserordentlich grosses Publikum erworben, und selbst den Zugang zu manchen sonst die Roman- lectüre vorziehenden Gebildeten gebahnt hat« In die* ser Schrift spricht er sich viel offener ober die^Wan» der und dgL aus.

So wird, um einige- Beispiele anzuführen, von VAN DER Palm natürlich erklärt: das Sprechen der Schlange im Paradies, s. Bybel u. d. Jeugd I. S. 59, das Fliessen des Wassers aus dem Felsen, s. Ä t*. d. Jgd. V. S. 201, vgl. mit VI. S. 187, das Bleiben Mosis, Eii'i und Christi ohne Speise, 40 Tage lann, s. B. f. d. J. VI. S. 47 49, XIU. S. 108 und die Bibelanmerkungen zu 1 Kön. 19, 8 und Mattb. 4, 2, das Ausgiessen des h. Geistes auf die 70 Aeltesten, s. Bibel- anmerk. zu 4 Mos. 11, 17 -^ 25 und B* p. d. J. VI, :|,49 ff., das Sprechen der Eselinn Bileams, s. Bblanm. zu 4 Mos. 22, 28 und B. ^. d. J. VI. S. 210 f., das Speisen Elia durch die Raben, s. Bblanm. zu 1 Kön.17, 4 und B. ^. d. J. XIII. S. 78, das Tödten der 185,000 Mann Sanheribs, 8. Bblanm. an 2 Kön. 19, 35 B. i*. d. J. XV. S. 185, die Versuchung Christi durch den Teufel, 8. Bblanm. zu Mattb. 4, 3, alle Erzählungen von Besessenen im N. T., s. Bblanm. zu Mattb. 4, 24, 'Mattb. 8, 29, Marc 5, 4 8«) die Einwir-

Er-

schöpfung der Welt und dem Fall des Menschen, 1 Mos. 1 HI, von J. H. v^n per Palm etc,, durch A. v. d. Kuhlen, Wesel bei Becker 1830.

*) Bei dieser Stelle, der Austreibung der Teufel in die S&ue, sagt er: Markus scheine das Rufen der Be- sessenen V. 7 unbesweifelbar für eine ausser^re wohn- liche wundertiare Wirkung au halten. So macht er einen Unterschied zwiachen dem subjectiven

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knng des Teufels auf die Menschen, z. B. auf J 0 d a 8 , s. Bblanm. zu Luc. 22, 3 etc. etc. So sacht er die Begleitung Israels in der Wiiste durch Christum, als den geistlichen Fels , welche Paulus 1 Cor. 10, 4 lehrt, dadurch wegzubringen, dass er die Stelle for eine alte Glosse ausgibt, Bblanm. hierbei« So erklärt er die Geschichte Jona für ein lehrreiches Gedicht, Inhaltsangabe des Buchs Jona«

Wenn nun auch van der Palm einige 'Wun- der stehen l'ässt, welche Michaelis noch natürlich 'erklärt, z. B. die Geschichte von Elia Himmelfahrt, Christi Verklärung auf dem Berge, so lässt dagegen dieser auch welche stehen, woran jener seine Erklä- rungskunst versucht, z, B. Christi Versuchung vom Teufel, die Austreibung der Teufel in die Säue.' Da- rin sind aber beide wieder Eins, das Einwirken der bösen Geister auf die Besessenen mit allen Kräften aus dem ]N. T. wegzuerklären , und eine Accomodation Christi und der Apostel in dieser Hinsicht zu behaup- ten« Hierdurch besonders, dass sie in der Befangen- heit ihrer Auslegung so weit gingen, Christo und den Aposteln solche Accomodation aufzubürden, haben bei- de einer noch viel ungläubigeren Exegese, als sie selbst geäbt, Bahn gemacht, wie die Geschichte der deutschen Exegese im verflossenen Jahrhundert, und die d^r holländischen im gegenwärtigen lehrt*).

Sinn der h. Schriftsteller, und einem objectivea Sinn, was die Glaubwürdigheit Jener aufs sicherste untergräbt und eine der fruchtbarsten Quellen einer ungläubigen Bibelauslegung ist, wie auch der ge- lehrte Broes in seiner Schrift: Over de Fereeni- ging der Protestanten in de Nederlandem S. 274 er- kennt.

*) Mehrere angesehene holländbche Gelehrte haben sich daher gegen die Annahme erklärt, dass Chri- stus und die Apostel sich bei der Lehre von der Einwirkung der bösen Geister auf die Menscheu

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Greifl ferner wv der Pai^m nicht auf so plum- pe und leichtfertige Weise, wie Michaelis die llaodluogsweise der Propheten und anderer biblischen Personen, besonders des A. T. an, von einem unge- bührlichen und ohne zwingende Gründe gegen sie aus» geübten Meistern und Tadeln ist er doch auch nicht frei zu sprechen.

So tadelt er den Prophet Klias sehr ernstlich wegen der Hinrichtung der 450 Baalspriester, als we- gen einer unbarmherzigen und höchst unpolitischen Strenge, B, p* d. Jeugd XUI. S. 102, indem er gerade wie Mic{IAELIS (z. B* bei Beurtheilung der Schonung Benhadads durch Ahab) eine weltkluge Be- rechnung höher stellt, als den Gehorsam gegen (xottes Gesetz. So tadelt er den Prophet £lisa, dass er den Gehosi zu dem todten Knaben der Frau zu Sunem mit dem Stab vorausgeschickt habe, klagt ihn an, dies sei beinahe Uebermuth von prophetischem Vertrauen gewesen, obgleich in der Schrift zu dieser Anklage nicht einmal ein scheinbarer Grund zu finden ist, er habe sieb aber auch nachher in meinen Erwartungen

accomodirt hlitten, und ausgesprochen^ dass Jene« WegerkÜren dieser Lehre aus dem N. T. gewöhn- lich nur der Vorläufer von vielen andern Neologen sei. So G. H, van Senden in der Vßrdediging van Byhel en Openbaring iegen de voornaanute vroc gere en late^e bes^rpderß etc 1. Thl. 1827« MÖN- tinjohe n, Bd« seiner Parf theol, ^hrUt* thettretiea 195. 196f Kl ST Leeredenßn over vertehÜiende cnderwerpßn IL Thl, S. 0. 7. Egel in O Weg der ZaUgheid IL ThU S. 101. 102. A, Corstius u.a. Besonders aber Herinoa in seiner Preis- schrift über die Accomodation (s. unten) S* 234 248., welcher vorzüglich deutlich zeigt, wie Chri- stus und die Apostel bei solcher Accomodation nicht mehr ehrliche MS^nqer hätteii bleiben können. Wie leicht wirds doch, wenn man Christo einmal die Ehre eines ehrlichen Mannes genommen hat, ihm auch die Ehre seiner Gottheit und unserer Ver- söhnung SU nehmen!

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I m

fetäascht gesehen, s. B. v. d. J. XIIL S. 202. 203. IiciiA£f.is tadelt librigeDs diese Handlungsweise beider Propheten nicht.

So meistert er, indem er Mosis und Aaroqs Sünde, weshalb sie Kanaan nicht betreten durften, möglichst unbedeutend darstellen will , dadurch , ohne CS zu beabsichtigen, Gott selbst Er gesteht zwar xd, ihre Sünde müsse nicht gering gewesen sein, wie ge- ring sie scheinen möge; indess zweifelt er, ob bei Moses hier Unglaube statt gefunden habe, wer dem klaren Ausspruche Gottes hierüber 4 Mos. 20, IZ Glauben schenkt, kann daran nicht zweifeln, und meint, die Hauptgründe, warum Gott ihn nicht in Kanaan habe eingenen lassen, seien andere. Zur Er- oberung Kanaans sei ein besonders tapferer Feldherr nöthig gewesen, welche Eigenschaft Mos! abgegangen sei, aber nicht dem Josua. Mun hätte Mosis Ehre und die Ehrfurcht des Volks vor ihm es nicht zuge- lassen, dass ein anderer, als er selbst in den Kriegen Gottes das Heer anführt. Da er nun auf eine an« stXndi^e Weise habe Platz machen müssen, so sei dies vergehen Eines Augenblicks bloss zu Hullfe ge- nommen worden, um Gottes Plan auszuführen. Und so sei der, arme Moses eigentlich das Opfer des ver- borgenen Planes Gottes gewesen. Jedoch sei er da* durch doch zugleich vielem Unglück und Aergerniss entgangen, und wie hart es auch für ihn gewesen, die Frucht ^ller seiner Arbeit nicht sehen zu dürfen, so habe ihm Gott doch diese Entbehrung reichlich vor, in und nach dem Tode vergüten können, JS^ f^. d. J. VI. 188 -*- 190 und Yil. Tbl. seiner Predigten S. 92. 98 *).

♦) Wöjftlich heisflt es da in der Predigt über 5 Mos. 6, 20—25: „Moses wusste und fühlte es wohl, es „war Gottes Absicht Ton Anfang an nicht gewesen, „dass er das gute Land sehen sollte. Als Caleb „und Josua von denen ausgesondert wurden , wel« „che in der ^l'uste sterben mussten, war sdion Voa

46t

So weit verirrt man sich, wenn nuin weiser seid will, als Gott, nnd mit den Thatsachen*) nnd Grun-^ den, welche die Schrift bei den göttlichen Strafurthei- len darreicht, sich nicht begnügend, und die Sünde <)^s Unglaubens und Ungehorsams gegen Gott einer so schweren Strafe nicht werth haltend, zu Ehren des eigenen Scharfsinns noch andere nnd höhere Gründe auffinden will.

Die künstliche Art, womit vAN der Palm oft einen Theil eines Wunders natürlich zu erklären und es zu verkleinern sucht, aber einen andern Theil des Wunders stehen lässt, und eine natürliche Erklärung

,.Mose and Aaron stillgeschwiegen ^vorden; und der „Fehler Eines AugenbUcks wurde bloss zu Hülfe ^^ genommen, um zu offenbaren, was der Herr ^-sich Yorgenommen hatte. Durch ein geringereil »^Überhaupt, als Moses, nicht durch ihn, sondern 9,durch seinen Diener will ich das Volk nach Ca*» „naan bringen. So war er denVi in der That das, . ,,Opfer der verborgenen Absichten Gottes; aber „er brachte das Opfer gerne dem Gehorsam gegen „seinen Herrn ^ und dem Hieil des Volks, welches, „wie er wusste, allein bezweckt ward. Es mochte „denn so scheinen, dajs in ihm ein Exempel d^r „Strenge aufgestellt würde zur Abschreckung eines „widerspenstigen Volks, und zur Warnung aller' „folgenden Propheten, er sah mehr, als diesen „äusserlichen Schein, und kannte seinen Gott,

»der allein aus Liebe schlägt* Ja er, dessen gan- „zes Leben eine Kette ron Aufopferungen gewesen

»war, vermehrte gerne die Zahl jener alten Hel- den, welche, um das Glück ihres Volks, wäre

,es möglich, zu versichern , den Ruhm und die Ge«* „nugthuung aufgaben, Zeugen davon zu sein«'^

^) Die Thatsache in jener Geschichte, 'dass Moses bloss zuih Fels reden solle, worauf er sein Wasser geben werde, 4 Mos* 20, 8, verändert van d£r Palm der Art, dass, nach seiner Meinung, Moses auch wohl auf den Fels mit dem Stab habe schlagen sollen, aber nur Einnfalj Und nicht zweimal« B* V. d, J, VL S, 187.

9>^

5,^

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mit dem Uebernaturlichen za verbinden strebt, damit neben der göitiichen doch aach die eigene Weisbeit Plati finde, muss ich auch an Einem Beispiele zeigen*

Die Begebeobeit 2 Mos«^l7, 5. 6, wo Gott durcb das Schlagen Mosis mit dem Stdb Wasser aus einem Felsen gab, erklärt er also: ,,Dasä Wasser aus einem ,,Felsen fliesst, ist keine nngewö'bnlicbe Erscheinung. „In felsigen und zugleich quellreicben Gegenden lau- ^^fen die Adern der Quellen oft durch das Herx der ^ySteinfelsen hin, fiuden hier und da, oder bahnen ,,sich einen Durchgang, und stiirzen dann bisweilen „mit ganzen Strömen in breiten Wasserfällen nieder. „Dass im Thal Raphiden etwas dergleichen geschah, „war an sich selbst nicht wunderbar; es war selbst ^,nicht unwahrscheinlich, dass dies in der einen oder „andern Zeit geschehen mochte 3, wenigstens, wenn zu- „vor an diesem Ort Quellen gewesen, die nun ver« „trocknet waren« Die eine oder andere Ader konnte „sich verstopft haben, und sich nun anderswo einen „Durchgang machen | wo sie weniger Widerstand fand« „Aber dass Moses weiss, wann dies geschehen wird, „dass er den Platz weiss, wo es geschehen wird, dass „auch durch das blosse Schlagen mit seinem Stab eine „Oeffnung gebildet wird, wodurch der Bach sich kann „niederstürzen, und dass diese neue Brunnquelle reich „genug ist, um das ganze israelitische Lag;er mit all „seinem Vieh zu tränken, nein, das konnte nicht also „geschehen, oder Gott musste In Gemeinschaft stehen „mit dem grossen Gott der Natur, welcher allein alles „weiss, alles verordnet, welcher spricht, und es ist da^ „welcher gebeut, und es steht dal Besser, klarer und „göttlicher, als auf diese Weise, konnte die göttliche „Sendung Mosis nicht bestätigt werden." S. Ä f. d* /. V. S. 20e 208«

Dass diese Erklärung des Wunders mit viel Auf- wand von Kunst aufgestellt ist, indem sie auf der ei- nen Seite ein übernatiirliches Wirken Gottes nicht gera-< dezu abläugnet^ auf der andern Seite durch Uindented

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anfalle verstopfte Quelladern, denen zur Bildung eU nes Ausganges nur nachzuhelfen gewesen , natürlich zu erklären suchte wird Jedermann gerne zugestehen. Aber nun denke man sich einmal ' einen einfachen, schlichten Bibelleser, fremd jenem Suchen vieler Kün- ste 9 welcher obige Geschichte 2 Mos. 17 unbefangen liest, welcher darauf Mosen noch bei seinem Abschie- de das gottvergessene Volk unter andern grossen Wun* dern Gottes, die er ihm gethan, auch an das Wunder erinnern hött, dass Gott da, wo eitel Dürre und kein Wasser war, Wasser aus dem harten Felsen gehen Hess, 5 Mos. 8, 15, welcher weiter liest, wie ein David und andere Psalmisten dies grosse Wun- der Gottes, als einen der überzeugendsten Beweise seiner allmächtigen Hülfe, sich nnd ihrem Volke zum 'frost oft vorhalten Psalm 7», 15. 16. 20. 95, 9. 9. 105, 41« 114, 3, (wo in der ersten Stelle es heisst: Gott riss die Felsen^ und in der letzten: Gott wan- delte den Fels in Wassersee, und die Steine in Wasserbrannen), und so die Gläubigen durch alle Zeiten des A. T., so ein Jesaias, Gap. 48, 21, so ein Nehemias, Cap. 9, I5, und weiter hinab der Verfasser des Buchs der Weisheit Cap. 11, 4, welcher endlich die Erinnerung an dies Wunder selbst in die Zeit des N. T. hinübergehen und von den Aposteln den Christen empfohlen sieht, 1 Cor. 10, 4. Hebr. 3 und 4. Wird ein solcher nnbefimgener Bi- belleser aus allen diesen Stellen wohl etwas anders entnehmen, als: Dies Wunder, müsse wirklich eines der grossesten Wunder der Allmacht gewesen sein, Gott habe daher wirklich aus dem wasserlosesten Ge- genstand der Natur eine Fülle Wasseis strömen lassen durch seine Schöpferkraft, womit er* ins Dasein ruft, was nicht ist? Wird ihm wohl nur der Gedanke an alte, verstopfte Was'seradern einfallen, und an deren Aufräumung durch Mosen, von denen die Schrifl nicht nur nichts sagt, sondern durch den gan- zen Zusammenhang und alle hierauf Bezug habenden Stellen das Gegentheil sagt?

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Jatnmer, ^ass so viele i(!anst ond Make zu $öU eben nnnatarlichen I Wundererklärangen verwandt wird, welche doch xa nichts helfen ^ als. die grossen Tha-^ ten Gottes zu verkleinern, dem Christenvolk seioeti Trost) den es aus ihnen scho'pft, zo raaben, und der nngläabigsten , das Gottliche herunter in^ den Staub ziehenden Bibelauslegung vorzuarbeiten ! Denn mit demselben Rechte, mit welchem vAN DER Palm alte, verstopfte Wasseradern in den Fels hineindenkt, ohne und gegen die Anleitung der h. Schrift, mit demselben Rechte kann ein Anderer sich hinzudenken: Moses habe von selbst die verstopfte Wasserader ge- funden, und sie mit dem Stab aufgeräumt, damit Gott noch weniger ' ausserordentlich bemüht werde^ wobei doch Ehrenhalber von dem Beistande Gottes, den er uns ja auch in allen natürlichen Dingen, beim Essen und Trinken gibt, gesprochen werden kann*).

Ganz auf diesem Wege der SchrifterkläVung kommt man und ist man gekommen zur Erklärung des Todes Christi, als eines Scheintodes« ),Pass Scheintodte erst nach mehreren Tagen wieder „zun^ Leben erweckt werden, ist keine ungewöhnliche „Erscheinung* Nun ist es einigen Exegeten gegliitkt, ^,bei ihrem aufmerksamen Suchen noch eine verbocge- „ne Lebensader in dem für todt geglaubten Körpet „Christi zu finden, welche minder scharfsichtige Augen^ „den Aposteln und den Exegeten während 11 «fahrhtins' „derte entoangen war. Das schnelle Sterben und frü- „he ßegraben Christi machte solchen Scheintod schon „an sich nicht nnwahrscheinlicfa. In dem kühlen Fei*

*) Ganz 80 erklärt es denn auch z. B. Dinter seiner Schullehrerbibel zu 1 Mos* 17, 6: „Ob „das Wasser aus des Felsens Intiern floss» oder ob „Moses dort nur, da er über einer Schlucht liegen- „de Steine auf die Seite schob, unter Gottes Bek* ^stand Wasser entdeckte, -^ thut nichts zur Sachel ,, Wunder bleibts immer, ein Wunder in der Natufi »,oder in der Seele Mosisl

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),seflgraB, n&ter dem Duft der jitarken, die Lebend'* »ygeister weckenden Kräuter, und der zärtlichen Sorg- ,9falt der beiden vornehmen Freunde kam er dann 9,wieder ins Leben suriick. Dass aber alle dies^ le- 9,benerweckenden Mittel, die Grotte, die Kräuter, die ,,Freunde sich so zur rechten Zeit zusammenfanden, das ist und bleibt wunderbar, und konnte nicht gut eschehen,^ ohne Gottes besondere Fügung, und so ,,l)ieibt dieses Ereigniss also, wenn auch nicht ein „Wunder im strengten Sinne des Worts, doch im- mer eine ausserordentliche , höchst wunderbare , unter Gottes Leitung aus dem Cansalnexus der Dinge her- vorgegangene Begebenheit, die in ihrer Art und 9,Wirkung unter den vorwaltenden Umständen In der „Wellgeschichte einzig Ist"*).

Da, sieht mian denn aus der Erfahrung^ wohin die einseitige grammatische Interpretation, die sich ihre Grenzen steckt, so weit sie will, (lihrety wenn Ihr nicht als noth wendiges Erforderniss belgege-* ben ist jene oben berührte Geistesverwandt- schaft mit den Schriftstellern, jene Einfalt des Sinnes, wie sie Francke helsst, welche eine Gabe des Geistes ist, jenes wissenschaftliche Ge- wissen, wie' es MiTZSCH schön'nennt, das von oben her erleuchtet sein muss, um den Exegeten vor dem Einfluss der gelehrten Vorurtheile, und der un- lautern Triebe seiner Elgenwelsbeit zu schützen*

Jesaias, pertacdd en opgehelderd (übersetzt und erklärt) 3 Bde., Amsterdam 1805, Ist ein anderes exe- getisches Werk VAN DER Palmas« Es ist nicht ei- gentlich für Gelehrte, sondern mehr für andere gebil- dete Leser und zum Gebrauch bei dem hänsüchen Gottesdienste bestimmt In dem tJrtheil hierüber ver- einige ich mich gern mit dem Urthelle Dr. Uei^C-

*) S. (RöHR's) Briefe Über den Rationalismus S. 235 238. Dn Paulus histor. krit^ Commentar über das N. T. 111. bei Matth. 27, 50. S. 810 ff. Wko- scHEiDER's Dogmatik IL Ausgabe S. 283« 284*

IL 30

4

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sTENBCRGS der ^11. Abtheiiang des I. Tfaeils sei- ner Chrlstologic des A. T. S. 14: 9,Diese Bearbalaog „des Jesaias macht eine rühmliche Aasnahme voa den ,,neuerea Deutschen , welche alle bestimmte Weissa- „gnngen im Jesaias durch anderweitige Deutangen aas ^,dein Wege zo räumen suchen. Sie beruht auf griind- 9,licher Forschung. Zu wünschen wäre allerdings , dass „der Verfasser den Propheten mehr als Seher behan- „delt hätte. Die Inhaltsdarstellungen sind der gelua- „genste Theil des Werkes."

Salomo^ 7 Thle. 2te Ausgabe, Haag bei AljlArt 1821 1824,

von demselben, enthält die Sprüche Salomo's von Cap. 10, 1 22, le mit einer ausführlichen Erklä- rung In Form populärer moralischer Abbandlungen Izedehundige i^ertoogen) ^ deren eine sich über jeden Spruch, oder über zwei gleichlautende verbreitet. Zur Belebung des Vortrags sind biswei/en frzähiungen, Gespräche und Briefe^ die sich auf den Inhalt der Sprüche beziehen, eingeflochten. Der exegetische Theil der Erklärung ist meist sehr ausführlich,, so weit es für den Kreis ungelehrter Leser passt, und nicht sel- ten noch ausführlicher, da er auch auf die jungen Theologen als Leser rechnete. Geschichtliche und an- tiquarische Bemerkungen sind mit einem grossen Schati von Lebensweisheit darin niedergelegt, und der Styl ist, wie immer, sehr gefällig und anziehend. Kr rechnet dies \\^erk zn seinen besten Schriften. Es kam zum ersten Male während der Jabre 1809-^1819 in Form eines Wochenblatts in fortlaufenden Num- mern heraus.

Ausserdem hat er noch mehrere kleinere exegeti* sehe Schriften geschrieben, so

Ecclesiastes phUologice et critiee ilhutratus - im J. 1184,

De oratore sacro, Uterarum dipinarum, interprettf 1804, als eine akademische Bede, u, s. w.

. 467 Her'iiakn Müntimghe,

I

Professor der Theologie zu Groningen, früher zu Harderwyk, ein Schüler Schrö'der's, erst vor we- nigen Jahren gestorben, steht an Umfang und Tiefe der Gelehrsamkeit, an standhaftem Festhalten an der Summe der christlichen Glaubenslehre, an Lehrtalent und an ausgebreitetem Einflüsse auf die theologische Richtung Hollands während seiner, vjeljährigen akade- mischen Wirksamkeit keinem der beiden berühmten vorgenannten Theologen, nach, bildete vielmehr mit ihnen ein merkwürdiges Kleeblatt von Männern , weU che auf die Veränderung der Theologie ihres Volks sowohl zum Guten, als, zum Schlimmen entscheidend eingewirkt haben«

Auch er hat, wie jene beiden, grosse Aehnlich« keit mit einem auf die Umbildung der .Theologie Deutschlands zu Ende des vorigen Jahrhunderts eioflusisreichen deutschen Theologen, und zwar mit Gottfried Less.

Ausgezeichnet wie Less durch eine umfassende Kenntniss der historischen noch mehr, als der exege* tischen Theologie, nicht minder warm und kräftig in Vcrlheidigüng der positiven Heilslehre des Christen- thums, eben so liebenswürdig durch seine ti^fe Ehr* furcht vor der Schrifl , seine von anmassender Ab** sprecherei entfernte anspruchlose Bescheidenheit in Darlegung seiner theologischen Forschungen*), und seine Milde gegen Andersdenkende, war er aber auch

*) „Mit einem Herzen 'S sagt er z. B. in deit Attmer« ktingen zum I. Theil der G^scMed, d. JHeasehh^ S. 84. 85o >»das nichts als Wahrheit sucht, und „Avelches \t)r Gottes Wort bebt, auch da, wo es „mir minder verständlich ist, aber zugleich mit ei- „ner nicht geringen, hierdurch verursachten Seh üch* „ternheit, schrieb ich nieder, was man hier in Be- „treff dieser ersten Verheissung der Erlösung der „Menschheit (1 Mos. 3, 15) fwdet.«' -- Ein anderes Beispiel s, l. Tbl« 72*

80*

468,

« 1*^1 m ■■ I im^a

I

riicbt minder schwankend und unsicher, wie viel er den gegen die Festung des alten Systems anstürmen- den Rationalisten, nnbeschadet des Glaubensgebändes selbst, einräamen dürfe, und wo die Nachgiebigkeit - ein Ende haben müsse, 'Weno nicht dieses letztere selbst aufs äusserste gefährdet werden sollte, um das Hauptgebäude zu retten, gab auch er von den für un- wichtig gehaltenen Nebengebänden desselben zu viel Preis, wodurch er denn, wie Jener, ohne sein Wol- len, die Angriffe der Ungläubigen auf das Centrom selbst erleichterte.

De Psalmen y pertacdd inet aanmerkingen, gab er im J. 1792 heraus. Sein Hauptwerk aber, welches^ hierher gehört, obgleich es auch in das Gebiet der historischen Theologie fällt, ist die vom J. 1801 an erschienene

Geschiedenis der MenscTtheid naar der JByhdy 11 Thle., Amsterdam bei Allart.

Diese, seine Geschichte der Menschheit nacfi der Bibel hat insoferne Aehnlichkeit mit Hrrder's phi- losophischen Ideen zur Geschichte der Menschheit, als auch er neben der israelitischen Geschichte die intel- lektuelle, sittliche und religiöse Bildungsgeschichte der gleichzeitigen heidnischen Völker entwickelt, mit dem Unterschied, dass nicht die Philosophie, sondern die Bibel der Leitfaden seiner Untersuchungen ist.

Sein umfassender Zweck ist, um ihn mit des Ver- fassers Worten in der Einleitung des Werks anzuge- ben, der: zu untersuchen, was die biblische Geschichte nns lehrt, mit Beziehung auf den Ursprung und den stnfenweisen Fortgang der Yerstandesbildung , so wie der sittlichen und religiösen Bildung der Menschheit, und was für einen Einfluss jene biblischen Offenba- rungen darauf gehabt haben. Demnach will er nicht eine vollständige biblische Geschichte geben, sondern diese mehr voraussetzen, und nach Anleitung dersel- ben zeigen, wie die menschliche Vernunft sich von Anfang an entwickelt habe, will .den Ursprung and Fortgang der Künste und VVissenschafien, des gesell-

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schaf^lichen und bürgerlichen Lebens , 'der sittUcfaen und religiösen Entwickelung zunächst des Volkes, das einer höheren OflenbaniBg genoss, und ihres Einflus- ses auf /die Bildung anderer Völker zeigt, sodann auch den Bildungszustand dieser Mrährend der Zeit des A. Bundes lebenden Völker mit dem der Israeliten ver- gleichen* Diese Völkerbildungsgeschichte will er bis. .auf die Zeit Christi fortfuhren, zugleich dessen cigen- thiimliche Religionslehren entwickeln, und ihren £in- fluss auf die IVIenschen schildern.

Diese sich vorgeschriebene Aufgabe hat er sehr rühmlich gelöst. So hat er in diesem Werk über den Ursprung der Viehzucht, des Ackerbaues, der Obrig- keit, der Opfer, der Künste, der Abgötterei etc. viel Lehrreiches gesagt, den bürgerlichen, wissenschaftli- eben, sittlichen und religiösen Zustand Israels und der heidnischen gleichzeitigen Völker, nnd die durch alle jene Jahrhunderte fortlaufende göttliche Erziehung des Menschengeschlechts, besonders Israels, sehr schön entwickelt, mit beständiger Rücksicht auf die Einwürfe der ungläubigen Gegner. So z. B. erweist er im L Theil die unmittelbare Erziehung der ersten Menschen durch Gott, wie er sie eine Sprache gelehrt, wobei jedoch stets stufenweise Entwickelung stattgefunden, v/le man auch in der ersten Zeit scnon von einem ewigen Leben gewusst u* s. w* So ist im' HL Thell eine lehrreiche Darstellung der Sitten und Religionen der Völker Kanaans , im IV. Theil eine Darstellung und Erklärung der. wichtigsten mosaischen Gesetze, im V. Theil eine ausführliche Rechtfertigung der Besitz- nahme Kanaans von Israel , im VI. Theil viel Interes- santes über David und seine Zeit, im VII. Theil über den Geist der Propheten, im IX. und X. Theile eine geistreiche Entwickelung und Vertheldigung der eigen« thümlich - christlichen Lehren u* s. w.

Aus diesem Werke ist daher auch für uns Deu4-

' sch'e nicht wenig zu lernen, und Vieles darin einer

Uebersetzong werth, jedoch nicht alle^. Denn erstens

leidet das Werk an einer grossen Weitschweifigkeit,

470

gweitens an Unsicherheit und Inconsequenz in der^ theo- logischen Behandlang und Verthetdigung der b. Schrift, wie wir schon oben bemerkt.

Am stärksten tritt dies in der den V. Theil er- öffnenden Untersuchung über das Mythische« im A. T* hervor* Diese Abhandlung wurd^ wohl zn- nächst durch den schriftstellerischen Streit, welcher ia Holland vorzüglich während cler Jahre 1803 1809 über die biblischen Mjthen gefülArt wur4e, veranlasst, erschien im J* 1807, und sollte den Streit schlichteiii indem sie beiden Theilen etwas zugestand.

Nachdem er nämlich darin zuerst die Ansicht EiCHHOR?('s, Bauer's, Gabler's u. ß. über die biblischen Mythen bestritten, erklärt er, dass er dnige historische Mythen im A. T.' annehme, nament- lich die Erzählungen von der Schöpfung, dem Para« dies, dem Sündenfall, dem Cherub vor dem Paradies, der Sprachenverwirrung und dgl. Aach nehme er poetische Mythen an, z. B. die Beschreibung der messianischen Zeit als eines g[oldenen Zeitalters hei den Propheten. ^Indess nehme er keine philoso- phischen Mythen im A* T. an, noch weniger ei- nige Mythen im N. T. ; und nun gibt er 3 Regeln an, wornacb man nur Mythen in der Schrift annehmen dürfe.

I. Regel: Mythische Erklärungen könne man bloss zulassen in den ältesten Erzählungen der h. Scbrift. Mit der zunehmenden Bildung der Menschen und ihrer Sprache hätten auch die Mythen sich ver- mindern müssen. Daher dürfe man nicht mehr in den ' späteren Schriften des A. T. und noch Veniger im N. T. Mythen finden wollen.

Aber wo hören denn ^ie ältesten Erzählungen des A. T. auf, und wo fangen die späteren Schrif- ten desselben an? Er bestimmt darüber nichts, und setzt keine Grenze, die doch nothwendig gesetzt, wer- den müsste, um das Zuweitgehen zu vermeiden. Er selbst schwankt. So scheint er S. XLIX die ältesten Erzählungen nur auf die vor der Sündfluth ausdehnen

471

zn wollen, jedoch nimmt er selbst .nocli die Geschichte von ^ der Spracbenverwirran^ mytiscb. Auch lässt er poetische Mythen noch zur Zeit der Propheten, zu.

II. Regel: Auch bei den Erzählungen, bei wel- chen man ein mythisches Element annehme, dürfe man bloss die Einkleidung der Geschichte mythisch nehmen, nicht die Geschichte selbst.

Aber was gehurt bei solchen Erzählungen zur Ein- kleidung, zur blossen Form,, und was zur Geschichte selbst? Auch hier hat er keine Regeln der Unterschei- dung angegeben, die doch nothwendig vorhanden sein raussten, um nicht der ungebundensten Willkiihr 'iu der Bestimmung dessen, was zur Einkleidung und was zur Geschichte selbst gehöre, freien Raum zu geben. Er selbst aber handelt willkiihrlich darin.

So nimmt er mythisch, für Einkleidung bei der Geschichte des Sündenfalls an, dass eine Scnlange da- gewesen und mitgewirkt habe. Er sagt, der Teufel habe die Menschen verleitet, aber nicht unter der Ge- stalt einer Schlange, jedoch seine wahre .Gestalt ver- bergend, also wohl unter der Gestalt eines guten En- gels* Und womit beweist er diese Annahme? Diese Geschichte, meint er, sei wohl bildlich auf einem al- ten Gemälde den Nachkommen überliefert worden, und der Teufel darauf unter der Gestalt einer Schlange abgebildet gewesen. Hiervon habe der Geschichtschrei- ber seine Erzählung genommen.-— Aber diese Meinung ist doch eine puTe^ höchst willkührliche Hypothese. Dass eine Schlange, da gewesen und mitgewirkt, wird als reine Geschichte erzählt. Erlaubt er sich nun, diesen Einen historischen Zug ohne allen Beweis my- thisch zu nehmen, so darf sich jeder Andere eben so gut erlauben, 1, 2, 10 andene historische Züge der Erzählung mythisch zu nehmen*)« ' Auf ähnliche

*) Aus diesen Gründen erklärt sich auch Professor Heringa für den buchsläblich -geschichtlichen Sinn dieser Erzählung. S. seine Preisschrift über die Accomodation Christi und der Apostel S. 207.

474

Verhiaring can t Cor. XV ^ Dordrecht 179«.

der Brief aan de Gcdaüers^

Dordrecht 1802.

Briepen aan de TkessalanUxn^

Dordrecht 1803«

—'9 Cor. I—F.9 Dordrecht 1804.

. Brief aan de Romeinen^ 2 Thle^

Dordrecht 1805.

* KolosserSy Dord«

recht 1808.

Efesersy Dordrecht

1809. ^ / Brief aan de CorinthierSy

2 Thle., Dordrecht 1810.

Tydmeter, 4 Thle. Dordrecht 1818.

Kr nimmt unter den neueren Exegelen Hollands nicht die geri'agste Stelle ein, und hat sich durch sei- | ne grossen 9 exegetischen, auch chronologischen Kennt- nisse, sein scharfsinniges, offc sehr gesundes CJrtheil, seine Unabhängigkeit von dein kirchTichen System in der Interpretation, seinen exegetischen Takt und seine \ grosse Gabe populärer Erklärung und Rntwickelung , Aes Schriflsinnes grossen Kinfluss auf das gebildete Publikum und die Theologen seines Landes ausgeübt.

Obgleich er aber eine gewisse äussere Rechtgläu- , bigkeit zeigt, so dringt er doch in die Kigenthiimlich- keit der christlichen Heilslehren von der Rechtferti- gung, der Wiedergeburt, den Wirkungen des L Gei- stes u. s. w. nicht ein, sondern verflacht sie durch ge- i zwungene Erklärungen, und weil er das neue höhere Lebensprincip des Ghristenthums nicht in sich erfah- ren, so läugnet er es ab, erklärt es für Schwärmerd, und sucht es wcgzuexegesiren.

. Ein prüfender Blick in seine Erklärung des Galt« | terbriefes wird den Geist seiner Exegese hinreicheod ! kennen lehren. Sie ist, wie seine übrigen Schriften für Ungelehrte geschrieben, enthält jedoch nach der in Holland beliebten Weise eine sehr ausführliche Auslegung mit Angabe der Gründe für dieselbe.

tu

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S. 182 gibt er zu, dass das Leiden nnd Sterben Christi von Paulo als der einzige Grund der Seligkeit gepredigt worden, S. 338, 339 setzt er die Rechtferti- gung des Sünders darch Christnm, nicht in eine sitt- liche Besserung desselben, der Lehre Christi gemäss, wodurch er erst vor Gott ~ gerechtfertigt ^erde, und spricht viel von der Nothwendigkeit -des Glaubens an Christum zur Rechtfertigung des Sünders, Dessen un- geachtet sucht er die Bedeutung des Todes Christi zu verflachen, indem er die Lehre von der gesetzlichen Werkgerechtigkeit bloss temporell und äusserlich nimmt, das: unter dem Fluch des Gesetzes sein (3, 10) fiir nichts weiter erklärt, als unter dem Joch, dem harten Regiment des mos. Gesetzes sein \

S. 200. 201), das: Christus ward ein Fluch ür uns (3, 13) erklärt: Christus ward als ein Ge- *

bängter nach dem Gesetz für einen Verbannten, Ex- communicirten erklärt, hierdurch denn auch von der Verbindlichkeit des Gesetzes, unter der er durch seine judische Abkunft war, befreit, erlöst, und nun werden alle Juden -Christen, welche Gemeinschaft mit ihm als einem Verbannten halten, und dadurch mit in den Bann kommen, dadurch eben so von der Verbindlich- keit des Gesetzes erlöst. (S. 209 213).

Den Glauben an Christum e^egesirt er oft /* weg, indem er martq /qlotov stets erklärt durch: ^

Lehre Christi, die neue Glaubensökonomie, das Chri- stenthum,< im Gegensatz gegen die alte Gesetzökono- mie, das Judenthum «(S. 129 131. 241. 342) so z. B. 2, 16. 20. 3, 22, und behauptet, dass mtnig nur in den Fällen, wo /^torog durch iv oder hg^ oder int damit verbunden sei, Glaube an Chri- stum heisse. Hierüber tadelt und widerlegt ihn selbst VAN VooRST in Spec, aU. Annot. in loca seK N, T, S. 81.

Den h. Geist, der so oA und ausdrucklich als die unzertrennliche Mitgabe des Glaubens allen an Christum wahrhaft Glaubenden ohne Ausnahme ver« sprochen wird, erklärt er für den Geist der Wau-

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willkiihrllche Weise erklärt er den Cherub vor dem Paradiese fiir Donner und Bliti, und ist geneigt, die £rz'ahlung von der Erschaffung des Weibes für ein Traamgesiehts Adams zu halten , s. w.

lU. Regel: Man dürfe keine Mythen annehmen tki Sachen, welche mit dem Plan der göttlichen Offen- barung unmittelbar zusammenhängen, z. IL die Ver- heissungeo an die Erzväter, welche auf den Messias hinweisen, die Offenbarungen an Moses und die Pro- pheten , welche sich auf die Staats « oder Keligions- Einrichtungen Israels beziehen, die Wunder, von aus- serordentlichen Gesandten Gottes verrichtet etc., weil sonst alles Ansehen der göttlichen Offenbamng völlig verloren ginge«

Aber hängt der Siindenfall nicht mit dem Plan - der göttlichen Offenbarung auch unmittelbar zusam- men? Bezieht sich nicht das ganze Erlösungswerk und alle Vorbereitungsanstalten des A. zn derselben auf ihn? Warum nimmt* er denn doch den Siindenfall fiir eine historische Mjthe?

Somit bedenkt er nicht, dass er zuerst das Anse- hen der göttlichen OfTenbarun^ untergräbt; indem er aus ihrem Fundament ihrer historischen Glaubwürdig- keit Einen Stein herausnimmt durch Annahme von historischen Mythen, ohne zwingende Gründe da- für beizubringen, und ohne feste Kesseln und Grenzen für dies Verfahren anzuweisen 9 ja, dass er damit den andern Auslegern selbst den Weg zeigt, noch mdre- Te herauszunenmen , und so allmählig das ganze Ge« bäude der Offenbarung umzustürzen.

Es ergibt sich hieraus, dass MiiNTlNOHE, gleich Less, Michaelis und Ernssti, um mich Pu- set's Worte zu bedienen, ans Mangel an umfassen- der durch lebendige Herzenserfahrung befestigten Ein- sicht in das Wesentliche der christlichen Glaubensleh- re sich oft den Einwendungen der Rationalisten wider- setzte, statt dem Grundsatz, worauf die Einwendungen gegründet waren, und sie gleich sehr stärkte durch seine Zugeständnisse, wie durch seine eigenen unpas«

I

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senden und wlllkührirchen Vertheidiguogen ; dass er endlich gleich jenen Vorgängern dem damals bewun- derten Scharfsinn der Heerfiibrer der Rationalisten, er namentlich dem eines Eichhorn, glaubte Einiges einräumen zu müssen, in der Meinung, dass 'man es alsdann, um mit Lessing zu reden, mit den iibri« gen Beweisen für die OfTenbaning nicht mehr so strenge nehmen werde* Was man aber damit retten will, fährt dieser fort, geht dann um so nnwicderbring- licher verloren, nnd ist blosser Fallstrick, den die Widersacher der christlichen Religion durch Ueber- treibang des Unbegreiflichen in derselben denjenigen von ihren Vertheidigern legen, die ihrer Sache so ganz gewiss nicot sind, nnd vor allen Din-

en die Ehre ihres Scharfsinnes in Sicher-

eit bringen zu mSsseu glauben.

, C. W. Stronck,

Prediger zu Dordrecht, gab im J. 1797 eine klei« n-e, aber gelehrte und gründliche exegetische Schrift heraas :

De doctrlria et dictUme Johannia Apoatoli ad Je-* 8U Magistri doctrinam dicHonemque excu^ composUa, Utrecht bei VAN Paddenburg«

Er stellt hierin eine genaue Vergleichung zwischen dem Ev. Job. und seinem ersten Brief an, und be- weist, dass Job. nichts anders gelehrt habe in seinem Briefe, als Christus in seinem Ev«, freilich von der Voraussetzung ausgehend,, die viele Rationalisten ihm nicht zugestehen werden, dass Job. im Ev* nicht seine eigene Meinung Christo in den Mund legt, sondern getreu Christi Lehre darin wiedergibt Der Leser wird von dem gläubigen Geiste, der durch das Ganze weht, sehr angesfhrocben*

P. BOSVEID,

früher Prediger in Dordrecht, seit längerer Zeit todt, hat viele exegetische Schriften herausgegeben, von welchen die wichtigsten sind :

474

Verhlaring can 4 Cor, XV^ Dordrecht 1798.

der Brief aan de GcdcUierg,

Doriirecht 1802.

Briepen aan de Thessalanikert^

Dordrecht 1803.

—'9 Cor. 1 7^., Dordrecht 1804.

. Brief aan de Romeinen, 2 Thle.,

Dordrecht 1805.

* .K(do88ers^ Dord-

recht 1808.

EfeserSy Dordrecht

1809. ^ ...•./ Brief aan de Corintliiers,

2 Thle., Dordrecht 1810.

Tydmeter, 4 Thle. Dordrecht 1818.

Er nimmt unter den neueren Exegeten Hollands nicht die geri'agste Stelle ein, und hat sich durch sei« j ne grossen 9 exegetischen, auch chronologischen Kennt- nisse, sein scharfsinniges, offc sehr gtsnndts UrtheW^ seine Unabhängigkeit von dein kirchlichen System in der Interpretation, seinen exegetischen Takt und seine \ grosse Gabe populärer Erklärung und Rntwickdung i des Schriflsinnes grossen Einfiuss auf das .gebildete ' Publikum und die Theologen seines Landes ausgeübt. |

Obgleich er aber eine gewisse äussere Recht^läu- , bigkeit zeigt, so dringt er doch in die Eigenthiinilich- 1 keit der christlichen Heilslehren von der Rechtferti- i gung, der Wiedergeburt, den Wirkungen des b* Gei- stes u. s. w. nicht ein, sondern verflacht sie durch ge- zwungene Erklärungen, und weil er das neue höhere Lebensprincip des Christenthums nicht in sich erfah- . ren, so läugnet er es ab, erklärt es für Schwärmern, \ und sucht es wegzuexegesiren. ^j

. Ein prüfender Blick in seine Erklärung des Galt- j terbriefes wird den Geist seiner Exegese hinreichend 1 kennen lehren. Sie ist, wie seine übrigen Schrifteu | fiir Ungelehrte geschrieben, enthält jedoch nach der in Holland beliebten Weise eine sehr ausführliche Auslegung mit Angabe der Gründe Tür dieselbe.

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S. 182 gibt er zu, dass das Leiden nnd Sterben Christi von Paulo als der einzige Grund der Seligkeit gepredigt worden, S. 338, 339 setzt er die Rechtferti- gung des Sünders durch Christum, nicht in eine sitt- liche Besserung desselben, der Lehre Christi gemäss, wodurch er erst vor Gott ~ gerechtfertigt ^erde , und spricht viel von der Nothwendigkelt -des Glaubens an Christum zur Rechtfertigung des Sünders« Dessen un- geachtet sucht er die Bedeutung des Todes Christi zu verflachen, indem er die Lehre von der gesetzlichen Werkgerechtigkeit bloss temporfell und äusserlich nimmt, das: unter dem Fluch des Gesetzes sein (3, 10) für nichts weiter erklärt, als anter dem Joch, dem harten Regiment des mos. Gesetzes sein S. 200. 201), das: Christus ward ein Fluch ür uns (3, 13) erklärt: Christus ward als ein Ge- hängter nach dem Gesetz für einen Verbannten, Ex- communicirten erklärt, hierdurch denn auch Von der Verbindlichkeit des Gesetzes, unter der er durch seine jüdische Abkunft war, befreit, erlöst, und nun werden alle Juden -Christen, welche Gemeinschaft mit ihm als einem Verbannten halten, und dadurch mit in den Bann kommen, dadurch eben so von der Verbindlich- keit des Gesetzes eriöst. (S. 209 213).

Den Glauben an Christum e^egesirt er oft weg, indem er marvg yQiarov stets erklärt durch: Lehre Christi, die neue Glaubensökonomie, das Chri- stenthum,- im Gegensatz gegen die alte Gesetzökono- mie, das Judenthum «(S. 129 131. 241. 342) so z. B. 2, 16. 20. 3, 22, und behauptet, dass niatiq nur in den Fällen, wo /^torog durch ev oder ht;^ oder eni, damit verbunden sei, Glaube an Chri- stum heisse. Hierüber tadelt und widerlegt ihn selbst VAN VooRST in Spec. aU. Armot. in loca seK N. T, S. 81.

Den h. Geist, der so oA und ausdrücklich als die unzertrennliche Mitgabe des Glaubens allen an Christum wahrhaft Glaubenden ohne Ausnahme ver« sprochen wird, erklärt er für den Geist der Wau-

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dergaben, der zur Bestätignoc; der Wahrheit des Chrlstenthnms in der apostolischen Zeit aosser den Aposteln auch einzelnen Christen in den ersten Ge- meinden geschenkt worden sei, sonach denn auch nur einielnen in den Galatischen Gemeinden (s. S. 185. 186 zu 3, 2.). Bei der Erklärung von 4, 6 S. 274 ▼erweist er auf die vorstehende Erklärung des h. Gei- stes, und, in seinem befangenen Streben, die Allge- meinheit der Verheissang des h. Geistes wegzuerklä- ren, bemerkt er nicht den Widerspruch, ia welchen er sich verwickelt, da 3, 26 der Apostel alle gläubi- ge Galater für Kinder Gottes erklärt nnd 4, 6 von ihnen sagt, dass sie als Kinder Gottes alle den h. Geist empfangen hätten (S. 278). Wo es irgend mit gutem Scheine geht, exegesirt er den Geist ganz weg, wenn es auch noch so gezwungen ausfallt, so 3, 14. S. 216. 217, wo doch selbst Grotiüs den h. Geist stehen lässt, vgl. auch S. 347.

In demselben Geiste feinen Unglaubens erklärt er das Anziehen Christi 3,' 27 für den äusserlichen Uebertritt zum Christumthum S. 249. 250, und: ^ine neue Creatnr, wiedergeboren sein 6, 15 für: ge- worden sein zu einer neuen Art von Menschen, näm- lich zu Christen, dergleichen vor Christo, wo es bloss Juden und Heiden gegeben, noch nicht da gewesen seien« S* 418,

In seinen anderen, später geschriebenen exegeti- schen Schriften zeigt sich dieser Geist des Unglaubens noch offener, dah^r er diese auch ohne kirchliche Ap- |>robation herausgab, weil er sie nicht zu erhalten hofft. ^

G. VAN KOOTEN,

Prediger zu Dordrecht, gab im J. 1821 heraus:

Proepe eener perklartng i^an den cdgcmeemn

Zendbrief van Jac3m8y Amsterd. bei BbAVE.

Auch er gibt eine ausfuhrliche, populäre und recht

fassliche Erklärung des Briefs, wei|n schon nicht mit

dem exegetischen Talent und Scharfsinn Bosyeld's,

>

477

nnd iaterpretirt einzelne schwierige Steilen recht gnf^ so 5, 14 vom Beten über die Kranken und Salben derselben mit Oel.

Indess gibt sich dorcb den ganzen Brief hindurch derselbe frei - rationalistische Unglaube 9 wie bei Bos- YEip zu erkennen, nur noch weit offener und stärker« -

In der langen Einleitung gibt er eine weitläufige Darstellung der Schattenseite der ersten Christen, nicht auch von ihrer Lichtseite, *— aus allen apostoli- schen Briefen, und behauptet, dass so grobe Irrthii- nier und schändliche Untugenden unter ihnen, beson- ders nach Verlauf der ersten 25 Jahre nach Entste- hung des Christentbnms geherrscht hätten, dass davon in unseren christlichen Gemeinden £ast kein Beispiel zu finden sei. (S* 8«)«

1, 13 15 wird die Vernnnfl: sehr hoch gesteHt, so dass durch sie, als ein ungetrübtes Licht, in Ver- bindung mit Gottes wohlthätigem Einfluss (er hütet sich sorgraltig, von den Wirkungen des h. Geistes zu reden), der Mensch sich selbst regieren und alle sei- ne Pdichten erfüllen könne (S. 62 64). 1, 18 Gott hat uns gezeugt durch das Wort der Wahrheit, sowie denAusdruck: Wiedergeburt, neue Creatur erklärt er bloss für: Uebergang vom Judcnthum oder Heidenthnm zum Christentnnm , und die Apostel hätten solche Uebergetrelene: Wieder- geborene genannt, die sittliche Besserung möge nun auf ihren Uebertritt gefolgt sein, oder nicht, sie seien alle als Christen eine neue Art Geschöpfe geworden (S. 71 75) , ganz so wie Bosveld, welchen er stets aufs höchste preist, und welcher sein Vprbild ge- wesen zu sein scheint, nur dass er im offenen Aus- sprechen des Unglaubens ihn weit übertrifft.

2, 14 Glaube die christliche Religion beken- nen (S. 127).

2, 26 wird der Glaube falsch dargestellt, mehr von einem einseitig - moralischen Standpunkte, und die Heiligung nicht als' Folge und Frucht des Glaubens.

478

4, 5 wird Geist Gottes theils erklärt für das

Wort Gottes, worin Gottes Geist enthalten sei, ond

das die Christengemeinden unterrichte , theils für den

allgemeinen Beistand Gottes, den er allen Christeoge-

'memden schenk« (S. 201 203).

4, 7 exegesirt er den Teufel, wenigstens alle seine Einwirkungen auf die Menschen,— die Möglichkeit seiner Existenz will er nicht bestreiten,

ganz und gar aus der Bibel weg. Christus und die Apostel hätten sich nach den falschen Yolksmeinungeo von bösen Geistern, die erst nach der bab« Gefangen- schaft unter ihnen herrschend geworden seien, acco-' modirt, und das Böse, was theib aus dem Körper, theils ans dem menschlichen Herzen kommen dem Teu- fel zugeschrieben (S. 208 216).

Aus diesem Buche ersieht man deutlich, wie der freie Geist des Unglaubens in der holländischen Exe- gese fortschreitet, und immer offener ^ns Licht tritt

W. A, VAN He N GEL,

ein Schüler VAN Voorst's, und seit dem J. 1827 sein Nachfolger in der theoU Professur zu Leiden, früher Professor zu Amsterdam, gab im Jahr 1825 heraus :

Armotatio in hca nonnuüa N, 71, Amsterdam bei VATT DER Hey.

Die darin erklärten Bibelstellen sind: Matth. 23^ 34. 35. Luc. 22, 31. 32. Joh. 14, 16, 19, 28 30. 86. 37. Act. 1, 26. 3, 24. 20, 28. Rom. 6, 17, 18. 10, 18 21. 1 Cor. 8, 1. 10, 19. 20. 11, 10. 12, 31. 14, 10. 15, 32. 2 Cor. 3, 5. 6.

Seine Auslegung ist rein grammatisch, im Geiste seines Lehrers, gibt sich fast bloss mit Worterklämng ab, jedoch nicht so weitläufig, als jener, gibt and bisweilen etwas Sacherklärung, und weist den Zusam- menhang mit dem Ganzen mehr nach, so z. B. S. 50

52 und 59. 60. Grosse Gelehrsamkeit ist überall zu sehen, die dann auch bei mehreren kleinen kriti- schen Conjecturen, die er macht , überströmt, so bei

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Job. 19, 36. 37. (S. 78/— 90). Ap. Gesch. 3, 24 (S. 101 106). Rom. e, 17. la. (S. 115 132). Bei Ap. Gesch. 20, 28, wajgt er, in Teller's Foss- stapfen tretend, ohne eine einzige alte Handschrift und dgl. , wie er selbst gestehen muss, Tur sich tu haben, eine sebr leichtsinnige Conjectür, die nämlich, dass allein ixxXTjatav da stehen soll, und er sowohl ^fovy als /QioTOv, xvQiov xat ^£ov wegwirft. Dass dnrch diese Weglassung der Satz aber gar keinen Sinn habe, erklärt selbst Heringa in seiner treftlichen Preis« schrift: oper het gebriuk en mishridk der Kritieh S. 73. Mit einei: so wichtigen Stelle, welche be- kanntlich eine Beweisstelle für die Gottheit Christi ist, sollte man doch etwas ernster umgehen.

Schade, dass auch bei v AN He N GEL die Bnch- 'stabenerklärnng die grosse, ja die einzige Hauptsache ist, daher denn, selbst wo die Bibelstellen sehr frucht- bar sind, wie z. B. 2 Gor. 3, 5. 6. die Gelehrsamkeit mehr verschwendet, als zum rechten Zwecke verwandt wird! Schade, dass durch solche Sjibcnstechereien - die Schüler nicht ins Heiligtbum des seligmachenden Wortes eingeführt, sondern mit gelehrten Disputatio- nen über das Scbnitzwerk an der Thiire des Heilig- thums draussen aufgehalten werden, bis die Zeit zum Hineinführen verronnen ist!

J. Heringa,

ein Schüler von Ab res GH, Professor der Theologie zu Utrecht, einer der ausgezeichnetsten Theologen Hollands, durch seine grosse Gelehrsamkeit, seine ge- mässigten Ansichten und seinen . grossen Einfluss auf die Theologen, während seiner viel jährigen , schon seit den 1790er Jahren bestehenden, akademischen Wirk- samkeit, besonders in Hinsicht der praktischen Theo- logie, schrieb die von der Haagschen Gesellschaft im J. 1790 gekrönte Preisschrift:

Oper hed vereisckb (erforderlichen) gehruih en hedendaagsch (gegenwärtigen) mishruik der Kritiek in de -behafideling der heilige Schriften»

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I

Hierin weist er mit ansgebreiteter Gelehrsamkeit,

frosscr Unbefangenheit, Besdeidenheit und Schar&ion ie Grenzen der Kritik nach, zeiget den Misbrauch der- ^selben an vielen Beispielen, und gibt die Erfordernisse des rechten Kritikers an.

H. J, ROTAARDS,

Professor der Theologie zu Utrecht seit dem J. 1822, hat die von der Haagschen Gesellschaß .1821 gekrönte Pieisschrift herausgegeben:

Oper den geest en het belang van het boek Ua^ niely Haag bei Thier^t &f MBNsmo.

£r hat darin mit viel Gelehrsamkeit, Geist tfnd Geschichtskenntniss, wie denn Kirchengeschichte sein Hauptfach Ist, die Glaubwürdigkeit und Göttlidikeit des historischen und prophetischen Theils des Baches vertheidigL Darch die ganze Schrift weht ein ernster, gläubiger GeisL Ihm ist es wahrscheinlich, dass Da-, niel selbst dem Esra die einzelnen Denkj^chr/Aen seines Buchs gegeben, und dass dieser sie zu einem Ganzen gesammelt, auch das erste Gap. selbst hinzu- gefügt habe, s. S. 44 46.

Baron B. R. de Geer,

Professor der Theologie zu Franeker seit 1826, schrieb bei seiner Promotion zum Dr. Theol. 1826 die Abhandlung:

JDe SileamOf ejus hiatorla et vaiiclnüSi Utrecht bei Altheer.

Er erläutert di^se Erzählung mit grosser Sprach- und Siachkenntniss, nnd vertheidigt alle Wunder so wie die Weissagungen derselben sehr besonnen nnd sieg- reich gegen die rationalistischen Gegner. Die Weis- sagung 4 Mos. 24, 17 erklärt er nicht vom Messias^ wie sie auch Hengstenberg In seiner trefflichen Christologie des A. T. bekanntlich nicht zu den mes- sianischen %Veissagungen rechnet Den Widerspruch, der in dem Zürnen Gottes über Bileams Hinziehen 4 Mos. 22, 22 mit der Erlaubnis;» Gottes» zu liehen,

I

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'V. 20, nach der gewühnltclien ücberseteung, liegt, hebt er nach dem Vorgang des GlASSIUS (s. FhUoL ^cicr. 949. 950) und vAN DER Palm's einfach da- durch, dass er S. 39 O übersetEl als Zekconjunction : als, da, >vährend, so* dass nun zu übersetzen ist: Gottes Zorn ergrimmte, da (während) er hinzog, .er- grimmte aber Bileams Vorsatz, dem Balak wo möglich doch zu Willen zu sein, gegen Gottes Gebot, wel- chen Vorsatz er auf der Reise erst entschiedener fassle und in sich befestigte.

Ein gläubiger, kräftiger Sinn leuchtet aus diesem jungen, gelehrten Edelmanne hervor, so ^ass nicht bloss die Friesische Akademie, sondern auch gan« Holland von ihm grosse Hoffnungen für die Wieder- belebung des Glaubens hegen darf.

II. Historische Theologie.

A. Ypey und J. J. Dermout,

crslerer Professor der Theologie zu Groningen, letzterer Hofprediger im Haag, haben in den Jahren 1819 1827 gemeinschaftlich herausgegeben:

Gescitiedenis der Nederlandeche Hervornide Kerk, 4 Bde.), Breda bei W. vAN Bergen..

In diesem interessanten Werk, welches in 4 dicken Thellen sehr ausfuhrlich die Geschichte der reformir- ten Kirche Niederlands liefert, ist ein ausgebreitetes Quellenstudium und' grosse historische Gelehrsamkeit nicht KU verkennen^ die sich von einem Ypey, der schon viele Jahrzehnten die Quellen der Kirchenge- jschicbte erforscht, erwarten Hess. Dabei zeichnet es «ich durch eine blühende, oft nur zu blühende Diction aus, welche von der bekannten Beredsamkeit eines

II. 31

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Dermout zeugt- Auch ist -daran zu rühmen die grosse Unpartheiltchkeit gegen die andern evangeli- schen Kirch engesellschaflen Hollands, so« dass viele Reformirte klagen , sie sei sogar partheiisch für die Kemonstanten.

Der I. Theil enthält die niederländische Aeforma- tionsgeschichte und ausführliche interessante Bemerkan- gen über die reformirte Kirchenordnung, das Kirchen- regiment, die Kirchenlehre y den öffentlichen Gottes- dienst uod die liturgischen SchriAen der ref. Kirche. Der IL Theil enthält die Geschichte der Trennung in die heiden Partheien der Remonstranten und Con- traremonstranten , sodann die Perioden von Statthalter Friedrich Heinrich bis zum Westphälischen Frie- den 1625 1648, und von da bis zu Anfang des ISten Jahrhunderts. Der III. Theil enthält die Pe- rioden von Aofaisg des 18ten Jahrhunderts bis zum Aachenschen Frieden 1748; und von da bis zur Staats- umwälzung 1795. Der IV» Theil enthält die Perio- den von 1795 1805, sodann die während der Re- gierung des Rathspensionärs Schimmelpennink 1805 und 1806, von da bis 1810 während der Regie- rung Königs Ludwig Napoleon, von da bis En- de 1813, während der Vereinigung Hollands mit Frankreich i und von da bis 1816, bis zu welchem Jahre sich die Kirchengescbichte nur erstreckt-

Die grossen Perioden im II. und IIL Theil sind in 2 Abschnitte getheilt, deren erster die Geschichte der Kirche, und deren zweiter die Geschichte des Zo- $tandes der Kirche enthält Weil aber der ^ cr^c Ab- 'schnitt schon die kirchlichen Streitigkeiten und dgL weitläufig mit erzählt, und der zweite nur den äus- sern Zustand der Kirche darstellt, so finden sich hSo- fige und ermüdende Wiederholungen. - Auch die politische Geschichte wird ungebührlich weitlanfig er- zählt, lind obgleich sie mit der Kirch engeschiebte ift diesem Lande so genau zusammenhängt, dtss es ^schwer wird'y bei der Heranziebunfr der ersieren um VVerständniss 'der letzteren das gehörige Maass za htitc%

,*

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weshalb Nachsicht gegen die Kirch engeschichtschreiber in diesem Punkte Pflicht ist, so überschreitet doch an manchen Steilen die Darstellung der politischen Ge- schichte alle Schranken, und wo auf 4 6 Seiten vollkommen hinreichend die Verbindung der politischen mit der Kirchengeschichte hätte geschehen kö'nnen, wird auf 46 Seiten (so III. Tbl. S. 404 450) oder auf 34 Seiten (so IV. Tbl. S. 566 €01) recht con amore^ dort die Entstehung der französischen Revolution, hier die Kriegsgeschichte von 1812 und 1813 erzählt Ebenso IV. Tbl. S. 452 4*79 u. a. a. O. Dagegen ist die Geschichte des inneren Lebens der Kirche, ein so wichtiger Theil einer christlichen Kirchengeschichte, gänzlich weggelassen. Die politische Geschichte, die äussere Geschichte der Kirche, die kirchlichen Streitig- keiten nnd die theologische Literaturgeschichte, das, und welter nichts enthält das weitläufige Werk. Dasj aber in der Geschichte einer in Christo und für Chri- stum vereinigten grossen Menschen -(jemeinschaft, und zwar einer evangelischen Christengemeinschaft, wo der Saame des Evangelii doch stets, wenn auch in gebrechlicher Weise, ausgesäet worden, nichts von der Frucht, die zu allen Zeiten daraus aufgcsprosst, sondern bloss die Geschichte des Unkrauts , der Di- steln und Dornen erzählt wird , die auf dem weiten Acker zwischen der Frucht aufgewachsen, welchen Christ kann eine solche Kirchengescbichte befriedigen? Da sind die dogmatischen Streitigkdten überall aufs weitläufigste geschildert, so II. 447 -— ^83, ebensd das Unkraut des Unglaubens und Abei^laubens^ so IIL 26 -^ 28. 76 128. 292 311. 335 352, da ist sogar, wer in aller Welt sollte das, hier su- chen? — der Zustand der schönen Künste ge- schildert III. 148 156, aber nirgends die Frucht des lebendigen Glaubens- selbst, mit Ausnahme einiger beiläufig eingestreuten Bemerkungen, so IIL 2%%. IV« 29. 267. 438 441«, nirgends eine Darstellung des stillen Lebens der Gottseligkeit, das in. vielen evanee- Jischen Familien und Gemeinden Niederlands zu alTea

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4M

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Zeiten herrliclie Blutheo und Friicfate entwickelte, nir- gends eine Schilderung der weiten VerbFeltnng des HansgoUesdienstes, der acht - cbristlichen Klnderzacht, so wie der unerschütterlichen Gottesfurcht, des kind- lich-demiithigen Glaubens 9 und der inoigen Liebe zum H«ilande, welche auch das äussere Berufsleben so vieler zu allen Zeiten , , besonders in der früheren Zeit durchdrangen, wodurch sie den unbezwinglichen, von aller Welt bewunderten Muth g^gen die Feinde des Vaterlands erhielten, und zugleich die eb^ so bewundernswürdige Milde des Herzens, die voll von Christi Barmherzigkeit nicht bloss die Kranken und Armen ihres Ixodes reichlich und dauernd versorgten, sondern auch vielen Tausenden gedrückter Glaubeos* genossen des Auslandes die Hand helfender Liebe reichte, wodurch sie einfach und sparsam In ihren Häusern leben, aber die Häuser Gottes mit den Ga- ben ihres Reichthums Versorgen, und für alle men- schenfreundlichen Einrichtungen weitherzig ihre Schatze auflhun lernten«

Aus dem Spiegel dagegen, den uns obige Kir- cfaengeschichte von der reformirten Kirche Hollands vorhält, tritt uns ein widriges, feindseliges Zerrbild entgegen, eine zweihundertjährige Herrschaft von Zank, Strek, Hass und uncbristlicher Verfolgung, als die einzige Frucht des Evangelii, eine andere wird uns. wenigstens nicht gezeigt, -— und wäre dies das wahre Bild Hollands, so könnten wir uns nicht freaeO| dass das Evangelium in diesem Lande geherrscht, wir muss- ten es für ein ohnmächtiges, kraftloses (dummes) Salz halten, das auch nicht einmal einen Theil der Masse vor Fäulniss hätte bewahren können, und zu mchti nütze wäre, als zum Wegwerfen.

Ueberdies sind die dogmatischen StreitigkeiiftB nicht im Geiste NeAnder's erzählt, dass Ireld^n streitenden Partheien ihr Recht wiederführe, «oiideni in der Regel wird dem umgreifenden Theile Cnredi^ und eine unlautere Verketzerungssucht Schuld gegA^ Dass diese bei Manchem unter ihnen staftgefimdca»

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wer wird das längnen? Aber eben so hätte man auch zugestehen müssen, dass viele dieser Streiter für die Kechtgläubigkeit von einem lautern Eifer für die Sache Gottes getrieben wurden, wenn gleich sie nicht selten eiferten mit Unverstand, und wegen der Befangenheit im damaligen Zeitgeiste nicht die rechten Mittet zur Abwehrung des Unglaubens anwandten, dass endlich der Eifer Anderer für den Glauben ein sehr besonne- ner, christlich - pflichtmässiger und höchst nöthiger Ei- fer zur Yertheidigung des Chriistenthums gegen den arianischen , socmianischen und andern Unglauben war.

Obige Kirchengeschichte behäft daher immer vie- len Werth , weil sie das Gerippe der reforrairtcn Kir- che Hollands genaa darstellt. Zur voHständigen Dar- 'Stellung ihres Körpers muss aber noch eine Kirchen- geschichte, wie die MiLNER'schc hinzukommen, wel- che das Fleisch, die Geschichte des inneren Lebens in der Kirche, gibt. Freilich ist die MlLKER*sehe einseitig, aber deshalb nicht zu tadeln; denn sie will nicht mehr, als die Eine Seite darstellem TieHeicht kommt später dann ein holländischer NeANPER hin- zu, der dre äussere und innere Kirch engeschiebte Hol- lands mit einander verbindet und verwebt, und diest als einen organischen Leib Jesu Christi darstellt«

Noch eine andere Schattenseite obiger Kirch^n- geschichte darf nicht übergangen werden.

Bekanntlich steht der Grundsatz fest: ein 6e- schicbtsch reiber darf kein. Taterßind haben, muss bloss Weltbürger sein; ein Kirchengisschichtschreiber atso bloss Bürger des ReFchs Christi, das keinen- Unter- schied von Sprachen, Farben oder Zonen^ her seinen Mitgliedern kennt; Dieser Grundsatz ist ^ber wob? nirgends grober verletzt worden, als in dieser Rirchen- geschichte.

Der erste Thcil derselben wird nämlich eröffnet mit vorläufigen Anmerkungen, die Geschichte der Re- formation der christlichen Kirche betreffend, in 45 Seiten, nebst 30 andern Seiten Anmerkungen zu die- sen Anmerkungen, worin, zu beweiisen gesacht wird.

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dass das Vei'dieast der Reformation der nled^rläo- dischen Nation ganz allein zukomme. D^n 1) sei der Verbesserer des höheren ond niederen Schulwesens im 14ten Jahrhundert ein Niederländer gewesen y Geert Groete; 2) der Erfinder der Bnchdrucketkunst desgleichen ein Niederländer, Lo- renz Koster; 3) der Wiederhersteller der schönen Wissenschaften 9 welche auf das Studium der Tbeolo* gie die nächste Beziehung haben, und dadurch der er- ste Wiederhersteller der christlichen Religion und Re- ligionslehre, desgleichen ein Niederländer^ Deside» Rius Erasmus.

Dieser sei, nnd das wird nun sehr weitläufig er* klärt, weil es nicht alle wüssten, nicht blos^ der gross* te Mann seiner Zeit gewesen, so dass die ganze vVelt einen so grossen Mann, wie er, nicht enthalten (S. 18), sondern auch der erste und grösste Reformator, wel- chem allein die protestantische Kirche all ihr Heil zu verdanken habe (S. 23), das Licht der christlichen Welt, ein grösserer Wohllhäter der Kirche und des Staats, als alle seinl^ Zeitgenossern, als alle, die vor und nach ihm gelebt haben (S. 37), kurz ein Mann, dessen Gleichen die Welt in allen Jahrhunderten vor ihm nie hervorgebracht hat, nach nach ihm je hervor» bringen wird"(S. 7 der Anmerkungen). Was für ei- nen Ruhm frage Niederland also davon, ein sol- ches Wunder der Welt, der fast mehr Enget als Mensch gewesen (S. 22 der Anm.), hervorgehrachl so haben, was fiir einen Anspruch auf Dank habe es an alle protestantische Völker! Was für Lhre verdiene endlich dief Behörde seiner Geburtsstadt, Rotter- dam, ihm ein Denkmal auf^^ertchtet zu haben! (S.37) Alles sind wörtliche Ausdrücke der Kircbenge- schichte;

So geht das in langen Wfederholangen fort, und kein Wörtlein wfrd gesprochen, ich will seine Ei- telkeit, seine andern Schwächen, selbst sein nieder^ trächtiges Betragen gegen Hütten nicht einmal er- wähnen ^ von seiner Feigheit und seinem lUtangel

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an Glaubensklarhelt und Glaubensfestigkeit, der iira nie auf die Seite der Reformation öffentlich treten liess, von seiner heuchlerischen Achselträgerei , womit er beiden Partheien Recht gab, in Briefen an Me- LANCHTON sich gegen die papistische Parthei erklär- te (s. z. B. Erasmi Epist. L. XIX. Ep. nS), in seinen Briefen an die Kardinäle, so an Campeggio, seine unbedingte Unterwürfigkeit gegen den Papst ver- sicherte (Z, XI f^, Ep. /), wie er sich denn auch zu- letzt wieder dieser so oft von ihm verspotteten und angefochtenen Kirche aufs engste anschloss, und in ihrem Schooss^ starb, so dass Adolf Müller in seiner gekrönten Preisschrift über E RAS MUS von ihm mit Recht sagen konnte: „er hatte sehr viel, (Ge- lehrsamkeit, feine Bildung etc.)» aber er war ^ehr wenig.**

Als die Hauptursache der Reformation wird daher in dieser Kirchengeschichte auch nicht anerkannt die Wiederherstellung der allein dem Herzen wahre Ruhe gebenden Lehre von der Rechtfertigung vor Gott, al- lein durch den Glauben au Christi vollkommenes Ver- dienst, in Ihrer {Feinheit. Vielmehr wird behauptet: des ErAsmus Verdienste hätten vornämlich die Re- formation bewirkt, welche in Folgendem bestanden hät- ten: er habe 1) den Sinn fürs Schöne durch die Belebung; des Studiums der alten Sprachen erweckt; 2) ein lebendiges Gefühl fürs Wahre, durch Verbreitung des hellsten Lichtes über die verschiede-* nen Zweige der Theologie, und habe die allgemeine Krankheit aller damaligen Christen, den Mangel an freier Untersuchung der Religionswahrheiten,' geheilt, und Liebe für solche Untersuchungen erregt (S« 21. 24.27,31), 3) habe er das Gefühl fürs Bessere, ■für Heiligung durch die Verspottung der Sittenl'osig- keit* der damaligen katholischen Geistlichen erweckt (S. 21. 27. 32).

Bei solcher befangenen Grundlegung, bloss um die Ehre zu haben, auch einen Reformator unter sei- nen Landsleuten zu zählen, wo aus fleischlichem 9 eng-

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henigem Nationalstolze ^ zngleich der Rahm der Men- schen auf den Yordergrand, und der Rahm Gottes und Christi auf den Hintergrund gestellt wird, bei solcher Beiseitesetzung des höchsten Elementes der Reformation, des reinen Glaubens an Christum, lässt sich in dieser Kircbengeschichte der Geist des Glau- bens nicht erwarten, mit dem die Geschichte der Fir- che Gottes behandelt werden muss. Dies zeigt sich denn auch in der That in nicht wenigen Fällen ^ z. in der unbedingten Lobpreisung der Schriften eines BOSVELD und Anderer (IV. 278 ff.), in der Lob- preisung der Kirchengesellschaft: Christo Sacrum, (IV. 248 255), von welcher Näheres unten, in der Dar- stellung der gegenwärtigen theologischen Zeit Hollands, als des goldenen Zeitalters der Kirche, weil die theo- logische Lehrfreiheit jetzt darin herrscht, u. s. w. «— So gemp auch zuzugestehen ist, dass die theologische Lehrfreiheit, soweit sie nicht in Lehrfrechheit aMisartet, eine sehr wünschenswerthe und rübmenswer- the Sache sei, so ist doch das Vorhandensein dersel- ben an sich noch kein Beweis eines goidenen Zeital- ters der Kirche. Sonst miisste das Zeitalter Fhied- RiCtts DES Grossen für unsere deutsche evangeli- sche Kirche das goldene Zeitalter gewesen sein, weil darin die ungebundenste Lehrfreibeit herrschte. Aller- dings offenbarte sich damals der krasseste Rationalis- mus und Naturalismus ung^scheut in seiner schamlose- sten Nacktheit, und Viele riefen darum wirklieh da- mals ;ene Zeit fiir die goldene Zeit der Theologie aus. indess bat sieh die Ansicht hierüber, Gott sei Danlc! jetzt in einem grossen Theile unsers Deutschland« ge- ändert.

^) Die Generalsynode der presbyterianischen Kirche Nardamerika'i», sagt in einem vom Geiste Christi durchdrungenen Antwortschreiben an die indepen- denten Prediger zu London im J. 182&: „Wi/ mö- „gen von keinem Nationalstolze, so wenig als „von irgend einem andern Stolze etwas wissen. ^ Kv« Kirchenzeitung 1830 448.

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Ob endlich obiges Werk zu äen Punkten, worü- ber 'die Mefnnngen der Holländer selbst sehr verschie- den sind, z. B. über die Geschichte der Trennung zwischen Remonstranten und Contraremon- stranten, immer das Richtige trifft, wage ich nicht zu entscheiden. Manche Holländer laognen es. So ist in diesem Jahre zu Rotterdam bei van deh Meeren Yerbrvgge eine Schrift erschienen: De JSere der Ne* derlandsche Kerh i^rdedigd tegen Ypet i^ JDsR" MOUTfh ThL, von van der Kemp, einem geist- vollen Advocaten im Haag, welcher besonders in Ab- sicht des eben erwähnten Punktes die beiden Verfasser zu widerlegen sucht, und, wie ein Theil der Holländer behauptet, mit entscheidendem Erfolge.

Ypet hat früher schon mehrere andere kirchen- historische Sekriften herausgegeben, die ausführlichste unter dem Titel:

GeschiedeTus der chriatefyhe Kerh in de *8de eeuu\ 12 Thle. 1797 1811.

£r hat darin sehr ausfuhrlich, aber auch oft mit grosser Weitschweifigkeit die Kirchengeschichte aller christlichen Confessionen , nnd zwar der andern Län- der, sowohl als Hollands, ain ausführlichsten jedoch die des Vaterlands, behandelt. Der Geist des Werks ist derselbe, wie im vorhergehenden.

W. Broes,

Prediger zu Amsterdam, ein sel^rter, bei der Re- gierung sehr angesehener, und hierdurch auf die Kir- che einflussreicher Geistlicher, im J. 1&15 auch Mit- glied der kirchlichen Commission, welche die neue Kirch enverfassung entwarf (s. S. 13), und nachher oft Mitglied der G'Cneralsynode, hat sich als kirchlich - po- litischer Schriftsteller durch 2 Schriften ausgezeichnet. Die ausführlichste ist: Z>e engelsche herpormde Kerh^ henevene hären invloed op onze nederlandsche , pan den tyd der herpornUng aan. 2 Thle., Delft bd kh- LART 1825.

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Der erste Thcil bandelt bloss von der en;:^liscben ond scbottiscbcni Kircbe, gibt zaerst eine ausfuhriidie Lebensbeschreibung des Reformators Englands, Chan- MER, womit die Gescbichte der Episcopalkirche ver- bonden wird, dann eine noch ausrdhrlicbere Scfailde- rang des Lebens des schottischen Reformators Knox, und die schottische Reformationsgeschichte, darauf die Vergleichnng der bischöflichen mit der presbyferiaoi- Icheu Kirche in Absicht der liturgischen Form ^ end- Mch die Geschieht^ der Methodisten, Quäker und der übrigen protestantischen Dissenter»

Der zweite Theil enthält eine interessante Darstel- lung des politischen und religiösen Einflusses Englands auf Holland seit der Reformation, des Einflusfses der dogmatischen, exegetischen und praktischen Theologie Englands auf die holländische, und des Einflusses der englischen Bibel - und Missionsgesellschafl auf die hol- ländische Kirche.

In beiden Theilen zeigt er, dass er an der Sum- me des christlichen Glaubens festhält, wie er denn auch wiederholt fiir die Nothwendigkeit der Gnadeu- wirkungen des Geistes zur Erneueruag des verdor- benen Herzens ausspricht, welche Lehre von vieleu neueren holländischen Theologen, wie oben bemeHct, so gerne in den Hintergrund gestellt Wird. Zugleich ist sein Urtheil über nie verschiedenen christlichen Confessionen sehr gemässigt, namentlich über die Me- thodisten und Quäker sehr mild, und im Allge- meinen richtig. Eine unrichtige Angabe L 214, dfe Methodisten betreffend , dass sie die bischöfliche Liturgie noch allgemein, wiewohl abgekürzt gebrauch- ten, will ich hier nur beiläufig rügen, da ich darüber anderwärts ausführlicher gehandelt habe*),- Auch scheint er nicht zu wissen, dass die Methodisten ein- zelne engherzige Ansichten^ welche sie bei der Entste- hung ihrer Kirchengesellschaflt hegten , jetzt fast allge-

*) S. meine liturgische Mittheilungen aus Holland und England S. 86.

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I

roein haben fahren lassen. Ans beiden Panlten er- hellt, dass er sie .nur aus Büchern, nicht aus eigener Anschauung kennt. Auch*^ Sber die andern Disscnter, so wie über die religiöse Freiheit, welche der Staat zu verleihen hat, nnd über ihre Grenzen macht er in- teressante, von einem richtigen Urtheile und grosser . Geschichtskenntniss zeugende Bemerkungen.

Dass er in seinen ürtheilen über die Abweichun- gen vom Glauben der Kirche zu grosse Nachgiebigkeit zeigt, so II. 218. 236 u. a. O., und wenn vom le- bendigen Christenthum die Rede ist, sogleich grosse Angst vor Pietismus verräth, so I. 204. 241. 244. 251« li. 224, zeigt, dass auch seine Rechtgläiibigkeit melir historischer Verstand esglanbe, als ein Lebendiger Her- zensglaube ist

Noch deutlicher geht dies aus dem sonst sehr in- teressanten Aufsatze hervor,, den er dem IL Theile seiner Schrift angehängt hat, S. 203 - 254, mit der Aufschrift:

Welcher £ in fluss bei dem drohenden Ansehen des römischen Ratholicis- mus für die niederländische pro- testantische Kirche zn ihrer Be- schirmung aus England erwartet werden mag.

Die Gefahren sieht er besonders in 2 Stücken:

1) in der Verbindung der 10 ganz katholischen süd- lichen Provinzen Niederlands mit den 7 nar gros- sentheils evangelischen nördlichen, und in dem Punkt der niederländischen Regieningform, dass auch ein Katholik das Regiemngsoberhaupt sein darf, überhaupt in der römischen Proseljtenma- cherei und dem feindseligen Geist der Grund- principien des römischen Katholidsmus gegen die Protestanten ;

2) im Zunehmen' der Lauheit und Unwissenheit, des Naturalismas und Mjsticismus S. 212. 216 ff.

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la Bezug auf den letzteren glaubt er, dass beson- ders die neuesten Vertheidiger des Glaubens der hol' ländischen rcformirten Kirche, BiLDERDTK, Da Co- sta, Capadose u. a. (über sie 's. Näheres unten) schädlich wirkten, weil sie, obgleich fUr den Prote- stantismus streitend, gleich als Freicorps Im Heer, mit ▼iel Eifer, aber wenig Klugheit die Treue der Anfüh- rer (der Prediger) verdächtig machten, dadurch Zwie- spalt im protestantischen Vertheidigungsheer erregten, durch ihre Vertheidigung der reformirten symbolischen Bücher Gewissenszwangs beförderten, und hierdurch, so wie durch ihre lauten Klagen über die Zunahme dts Unglaubens in der reformirten Kirche, und durch ihre Vertheidigutig einer unbeschränkten monarchischen Verfassung den Katholiken unbewusst in die Hände ar- beiteten.

Hiergegen ist jedoch zu bemerken, dass, wenn gleich nicnt alle Schritte der genanntcfn Graubensver- iheidiger sich rechtfertigen lassen, wie sich unten zei- gen wird, Broes zu viel verlangt, wenn er begehrt, dass sie über den Unglauben in ihrer Kirche nicht kla- gen sollen, worüber er doch selbst, nur nicht so stark, klagt, bloss damit die Katholiken sieh nicht darüber freuen sollen, und weil er furchtet, dass sie ihnen da- durch in die Hände arbeiten mögen« Denn fürs erste sind diese Männer selbst entschiedene und glaubens- treue Protestanten, wie aus der vortrefflichen Antwort- schrift Da Costa's an Le Sage ten Broek*)

*) J. G. Lr Sage TEN Broek, ein zelotischer rom. katholischer Proselytenmacher zu Rotterdam, forderte den Bilderdtk und Da Costa im J. 1829 in öffentlich gemachten Sendschreiben auf, zur röm. kath. Religion überzutreten,, worauf der letztere im October desselben Jahres ein Antwort- schreiben drucken liess, unter dem TUel: Amwoord aam den Heer J. G. Le Sage TEN BboeKj Am- sterdam bei Den Oudkn. Hierin- widerlegt er mit flo viel Liebe, Ruhe und Klarheit, und mit' einem so lebendigen, fühlbar aus dem Herzen und darum

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zu ersehen ist. Fürs zweite streiten sle^ wenn sie für die Wiedererweqknng eines lebendigen Glaubens an Christum kämpfen, was sie, wenn, gleich zu stürmisch und etwas engherzig, jedoch nicht ohne Segen thun, kräftiger und siegreicher gegcfn den Katholiciimus, als' die Rationalisten mit aller Verbreitung ihrer falschen Aufklärung. Denn gera'de der Rationalismus ist sehr nahe mit dem Katholicismus verwandt, und gibt ihm am leichterten nach, was Professor Sartorius in seiner bekannten Schrift gezeigt hat, Broes selbst zugesteht II. 239*), und die Erfahrung noch immer bestätigt.

Seine Rathschläge an die niederländischen Prote- stanten, sich gegen jenes Andringen des Katholicismus zu schützen, siad nun folgende:

1) Festigkeit gegen die Katholiken zu beweisen;

2) möglichste Umsicht und Toleranz, Vermeidung selbst des bösen Scheins von ProselytenmacheFei, daher er so weit geht, selbst das Anbieten katbo* lischer N. T. an Katholiken abzurathen (S. 234);

3) Widerstand gegen die Neologie. Dieser 3. Punkt wird aber von ihm lange nicht stark genug ange- drungen, obgleich er der wichtig;ste ist. Er spricht nicht von Verbreitung der h. Schrift in die Schu- len, deren Verbannung aus denselben wir oben

auch wieder zu Herzen dringendei^ Glauben die Uauptunterscheidungslehren der Katholiken mit sol- cher siegenden Gewalt aus der h. Schrift, dass ich mich nicht scheue, zu behaupten, Da Costa habe allein mit diesem Büchlein kräftiger und erfolgrei- cher gegen das Andringen des röni. Katholicismus in Holland gestritten, als Broes mit allen seinen oben angegebenen Sicherheitsniaassregeln.

'*') Auch Prediger van Hbiningen erkllU:t in der Vorrede zu seinen Bybeloefeningen über die Apost. Gesch., 1828, dass der Protestantismus weit grös- sere Gefahr von dem Rationalismus zu fürchten habe, als von der rüm. katholischen Proselytenma- cherci.

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als eine so starke Quelle des Unglaubens bekla- gen mussten, spricht nicht von möglichster Ver- breitung der h. Schrift unter das Volk, und der Beförderung der Bibellust und Bibelkenntniss, als V^affe dagegen, sondern nur von Verbreitung der Schrift des ViLLERS iiber die Reformation und ähnlicher Schriften (S. 237);

4) sich zu hüten vor Freiheitsschvrärmerei , nicht bloss in Glanbenssachen, sondern auch in politi- schen Ansichten^ vor einem revolutionären Ultra- Liberalismus (S. 239). Dies ist eia sehr richtiger und wichtiger Rath;

5) möglichste Verbindung der verschiedenen Klassen Protestanten mit einander;

€) Anknüpfung möglichst enger Verbindungen mit England durch fleissige Correspondenz zwischen Staatsmännern^ Kaufleuten, Künstlern und Gelehr- ten beider Nationen, wobei die holländischen Theologen den Rath erhalten, ihre hteiaisch her- ausgegebenen Schriften den englischen Theologen zu schenken und dg!.; namentlich auch engere Verbindungen mit der englischen Bibel- und Mis- sions - Gesellschaft einzugehen, diese zum Central- punkt aller europäischen Bibel - und Missions- Gesellschaften zu machen etc. Die holländische Kirche könne unter allen evangelischen Ländern am ersten und sichersten von England Schutz und Hülfe erhalten, wegen seiner Nähe, seiner Macht, seines Eifers für den Protestantismus und seiner ausscliliessend protestantischen Regierungsform, seines ausschliessend protestantischea Parlaments u. s. w,

Die letzte dieser Stützen ist mittlerweile schoa gefallen durch die Emancipation der Katholiken, znm Zeichen auch für Broes, dass man nicht Fleisch soll für seinen Arm halten, so wie mittlerweile auch ande- rerseits ein Grund der Furcht von Broes weggefal- len ist, die Furcht wegen der politischen Verbindung der katholischen südlichen Provinzen mit den ^örd*

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I

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Heben, ohne der halländischen Protestanten ZaÜHin, zum Zeichen y dass der Herr mm Helfen ihrer nicht bedarf.

Jene angeratbeneu Kunst-, Handels-, Gesell- scbafts- und gelehrten Verbindungen mit £ngland wer- den wenig helfen, und knüpfen das Band zwischen beiden Völkern nicht fest für die Fälle der Notb. Das thut nur der Glaube, dies aliein unauflösbare Bindemittel der Herzen. Pflegt diesen in Niederland, pflegt und belebt ihn je mehr und mehr bei eueren Bibel- und Missions - Gesellschaften (vgl. !• Band 280. 28t. 285. 286)! Dann werden die Herzen aller^ gläubigen Engländer euch, nahe sein, ,und, wo die Herzen verbunden sind, da knüpfen sich die äusseren Bande von selbst.

Als einen ferneren Schutz gibt . Broes den Zeitgeist an, der vorwärts zum Licht strebe^ und endlich auch Gottes Vorsehung«

So zu allerletzt und so schwach hätte diese stärk- ste aller Stützen doch nicht vermeldet werden solleil! Das kann nur der zaghafte Kleinglanbe thun. Das thut nicht der lebendige, apostolische, nichts fürchten- de und darum die Welt überwindende Glaube, der da^ spricht: Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Das thut nicht der demüthig- starke Glau- be eines David gegen Goliath, der in der felsen- festen Gewissheit zum Kampf geht, dass der Streit nicht sein sei, sondern des Herrn, und darum müsse er überwinden. Und warum sollten wir nicht dieselbe felsenfeste Ueberzeugung haben , dass der StreU zwi- schen dem evangelischen Lichte und der papistisch^n Finsterniss des Herrn sei? Fehlt diese Ueberzeugung, dann haben wir nicht den wahren, gewissmachenden evangelischen Glauben. Q wir Kleingläubigen! Wie ganz anders war doch Welt und Teufel gegen^ das evangelische Licht, dls Luther nach Worms zog, und doch sang sein Herz und Mund: Ein' feste Burg ist unser Gott! Und jetzt, wo das Senf- korn des evangelischen Glaubens lu einem Baume

5J 9>

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Golles geworden ist, welcher in allen WdttlieUen seine Wurzeln geschlagen, die darch die Stürme von drei Jahrhunderten nur desto mehr sich befestigt^ welcher viele Millionen Menschen unter seinen Zw^gen er- quicket, jetzt, wo die Bibel- und Missions-Ge- sellschaften mit dem ewigen Eyangeiium über alle Meere zu allen Völkern hinfliegen, um sie mit dem evangelischen Licht zu erleuchten, wo noch in der neuesten Zeit das mächtige Frankreich den evange- lischen Christen ganz gleiche Religionsfreiheit mit den katholischen eingeräumt, wo die südamerikani- schen Freistaaten einer nach dem andern Reli- gionsfreiheit zugestehen, sollte jetzt der evangelische Christ nicht vielmehr danken, als zagen und klagen? O! wenn wir nur mehr dankten und glaubten, wir würden auch mehr die Herrlichkeit Gottes sehen.

Darum, mein lieber Broes, nimm die Worte zu Herzen, mit 'welchen LuTHER von Coburg aus dem verzagenden Melanchton zu Augsburg 1530 Muth zusprach, als auch zu dir geredet: ,J^ieber Pbi- „lippe, euerer grossen Sorge, damit ihr euch plaget, „bin ich von Herzen Feind. Dass sie in .euerem Her- „zen so überhand nimmt, ist nicht der grossen Sachen, sondern unsers grossen Unglaubens Schuld. Denn eben die Sache ist viel grösser gewesen zur Zeit Jo- HANNis Huss und vieler anderer, als sie zu un- „sern Zeiten ist. Und ob sie gleich gross wäre, so „ist auch der gross, der sie angefengen, und führt; „denn sie ist nicht unser .... Euere Philosophie^ ,;nicht .Theologie plaget euch also. Christus ist fdr „die Sünden gestorben Einmal, aber für die Gerech* „tigkeit und Wahrheit wird er nicht sterben, sondern „er lebet und regieret, ist das wahr, was sorgen wir ■, „denn für die Wahrheit, weil er regieret? .... Aber „mein Schreiben ist vergebens; ihr wollt nach eoerer „Philosophie diese Sachen regieren, das ist, wie jener „sagt, mit VernunA: toll sein, martert euch selbst, and „sehet nicht, dass diese Sache nicht in euerei* Madl „oder Klugheit steht. Und da sei Gott für, dass M

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„in euere iMacht oder Klugheit gcrathe! Denn, wo „das geschähe^ so wären wir alle sämmtlich fein und , 5 baJd verloren."

Djfs zweite historische Werk von Broes ist:

G-eschiedhindig onderzoek oper de Vereeniginq der Protestanten in de Nederlanden, Haag bei Allart 1822.

Zuerst beschreibt er darin die Geschichte der Trennung der Protestanten in Deutschland, dann sehr ausführlich die der Trennung in Niederland, darauf in mehreren Zeitperioden die allmälige Annä- herung der verschiedenen Confessionen zu einander, sowohl in Deutschland wie in Niederland, und die endliche Vereinigung derselben in Deutschland. In Gap. 11 schildert er den gegenwärtigen Zustand der grossen gegenseitigen Toleranz und Verträglichkeit zwi- schen den verschiedenen protestantischen Confessionen.

Dieser Schilderung zufolge, ihre Wahrheit kann ich aus Erfahrung bezeugen, werden von den reformirten Kanzeln nicht mehr die remonstrantischeu und lutherischen streitigen Lehrpunkte bestritten, diii reformirten Prediger helfen bei Vacanzen lutherischer Gemeinden in deren Kirchen predigen, bisweilen be- steigen auch lutherische, remonstrantische und taufge- sinnte Prediger reforrairte Kanzeln. Viele Reformirte besuchen die Predigten ausgezeichneter lutherischer, remonstrantischer und mennonitischer Prediger und umgekehrt. Ferner dürfen nach, den Verordnungen der reformirten und lutherischen Synoden 1817 und 1819 alle andern evangelischen Christen in den refor- mirten und lutherischen Kirchen das heilige Abendmahl mitfeiern (s. I. Band S. b*l), zwei reformirte Synodal- glieder wohnen als Ehrenmitglieder den öffentlichen Sitzungen der lutherischen Synode bei, und umgekehrt. An der Bibel - und Missionsgesellschaft nehmen evan- gelische Christen aller Confessionen Theil, und die evangelischen Gemeinden in Südniederland, den Armenkolonien und den indischen Kolonien ^ind vom Könige fiir pj^ptes.tantische Gemeinde ji

II. 38

40S

trUürt, und somit wenfgstens dem Mamen nach for vereinigt erkPirt worden (s. S. 39. 42. 129). Aoch wurde das Rerormalioosfest 1817 von den Reformir- ten, Remonstranten und Taafgesinnlen in briiderlicher Vereinigung mit den Lutheranern gefeiert.

Keineswegs ist aber desh;ilb dieJVIeinanff PlANCK's in seiner SchriH: die Trennung und Wieder- vereinigung der christlichen Hauptpar- theien >. 249 richtig, dass eine Vereinigung der ver^ schiedenen Protestanten Hollands nicht mehr fern seL Noch immer sind sie weit mehr von einander entfernt, als in den deutschen f/andern, wo die Union noch nicht vollzogen isL Dies kommt daher, dass jede Kircbenparthei ihren esprlt de corps hat, dass die klei- neren Partheien die Vereinigung nicht sehr wünschen, weil Sie furchten, sonst in der übermächtigen refor- .mirten Parthei einzuschmelzen und unterzugehen, dass die remonstrantische und mennonitische Partheien, wel- che gar keine feste äusserliche Glaubensnormen haben, auch keine von irgend einer Art annehmen sollen, dass die Mennoniten ihre zwei inconsequent festgehal- tenen symbolischen Lehren, die Verwerfung der Kin- dertaufe und des Kides nicht aufgeben wollen, was die Vereinigung selbst zwischen ihnen und den ihnen am nächaten stehenden Remonstranten bisher unmöglich gemacht hat, und dass sie ihr bei vielen Gemeiodea seh^ reiches Kirchenvermögen nicht mit den andern theilen wollen, dass endlich die reformirte Parthei, als die früher herrschende und bei weitem zahlreichste nicht zuerst die Hand zur Vereinigung bieten will, * auch ihr reiches Kirchenvermögen nicht mit den ärme- ren Schwestern theilen will, endlich den heidelbergi- Bchen Kafochismus als Gegenstand der sonntäglichen Nachmit'agspredigten, so wie die übrigen symbolischei Bücher ihrer Kirche festhält, wenn schon nur unter der bekannten bedingten VerpflicbtungsformeL

Broes erklärt daher S. 301 368: Die Vera- nt^ng der protestantischen Partheien sei fdr jetst aock ftkbt aaxnratben» üAittik kern bcsonderier VorthcÄ fir

diesen AngenbRck davon xn erwarten ^ vielmehr sdli^ ta fürchten sei, dass ein Versnch der Vereinigiing we» gen des noch nicht gering fortgeschrittenen Yotksgei^ stes und der andern Hindernisse grosse Nachtheile^ namentlich grössere Zwietracht, als jettt vorhanden, bringpn möge« Bei der Beförderung der Union sei der Wahlspruch za befolgen: Eile mit W^ilc! Man miisse sie daher langsamer Hand vorbereiten, da- durch, dass jede Parthei möglichst von ihren Verschre» denen kirchlichen Formularen und litorgtschen Formen wegnehme und vereinfache, die streitigen (ilaubensleh- ren nicht öffentlich berühre, dagegen die Punkte, wo« rin sie alle Eins seien, möglichst im öffentlichen Unter- richt hervorbebe; namentlich daher den sittlichen Zweck des Christenthums, dass endlich alle protesta'titiirchen Partbeien zusammen etwa eine TUenda, eine Vertheidi- gungsgemeinscbad gegen den röm. Katholicismus, auf- richteten. Denn l^opa^andaa seien des protestanti- schen Geistes unwürdig. So werde allmählig das Ziel erreicht, und die sehr wünschenswerlbe vollkommene Vereinigung der Protestanten bewirkt werden«

ni. Systematische Tfaeolo|;ie.

A) Dogmitik,

MüNTiüGHB»

gab zaerst im 1800 heraus:

PatB Theohgiae c/iristianae tkeoretieat m entl^ pendium ndaciaf 2 Thle«, Groningen bei-

OOMKEiNS.

Der erste Theil entbSlt die Dogmattk,^ der swelti die Dogmengescbicbte» und von beiden ist eine Augßb% Uit ond Utt eNdtteoeo. Beide biidea ei%

50Q

a«ch ia den $§«. fortlaufendes Ganzes. Ueberali Ut viele Literatur angeführt Es war dies die erste hol- ländiscbe refocmirte Dogmatik, welche sich von scbul- gelehrten Spitzfindigkeiten und den Banden eines be- sondern kirchlichen Systems frei erhielt. Sie ist im Ganzen gläubig, und beruht aaf gründlichen biblischen. In der Regel sehr unbefangenen Forschungen,' und be- rührt mit mildem, versöhnendem Geiste die Streitpunk- le mit der lutherischen Kirche.

Indess finden sich doch auch in diesem freßlichen "Werkj wie in seinem andern oben beurtbeilten Wer- . ke, einzelne Zeichen eines mehr änsserlichen, und da- her .schwankenden , in einigen Punkten etwas zu nach- .giebigen Glaubens, so z. ß. seine Ansicht von den messianischen Weissagungen des A. T. L Tbl. §§• 312 814, seine grosse Aengstlichkeit inEetrefF der Gnadenwirkungen des h. Geistes §§• 298 »- 303. So i schlägt er die natürliche Verdorbenheit des Menschen zu gering und seine natürlichen Anlagen zum Guten ' jiu hoch an, so dass er denn auch die 5te Frage des \ Heidelberg» Katechismus in gewisser Hinsicht tadelt. { .SS* 173 180«

Tan Voorst,

^al) zuerst im J. 1808 heraus:

jCompendä Theologiae Christianae ordo et argu*

mentum. Pars theoretica. II« Ausgabe 1814,

Leiden bei HoincGOP.

Es ist ein kurzer, dünner Abriss der Dogmatik,

ohne Literatur. Der Geist d^ Buchs Ist im Ganzen

gläubig,, biblisch und von scholastischen Spitzfindigkei- .

ten frei. Jedoch zeigt sich der Glaube auch hier und

da sehr schwankend. So nimmt er die Einwirkung

. Itöser Geister auf die Besessenen zu Christi Zeit nur

: für jurcbabile an , Loc. VI. S. 61. Dass der Glanbe

von ihm mehr bloss kalt, wissenschafUieh «nd histo-

* risch aufgefasst, eiq Kfit des Verstandes ist, ergibt sich

gaus. seifier Lehre vom Glauben,. der Wiedergebart ^qd

,-d^n WitIruW» 4«« hi Geistes,. Z«?. XIIl^ ß-io^r

50t

il5» so wie von dier glanbigen Gemeinschaft mit Gotl und Christo, welche er bloss als einen perpetuum sirf* gularem Vei faporis usum bezeichnet- Loc* Xiy\. 6. 120. 121.

Heringa

schrieb die von der Haager Gesellschaft im J. 1189 gekrönte Preisschrift:

VerhandeUng ten hetoogey dat Jesus en zyne Apostelen sich doorgaans niet geschickt heh^ hen ncuir de perheerde dentheeÜen inm kunne tydgenooten. In dieser trefüichea Schrift über Sie Aecomo« dation Christi und der Apostel wird vorzug- lich Steinbart's and Bahrdt's Accomodations«» lehre bestritten, so wie die Gründe Semler's, Tel« LER*s und des holländischen Predigers P. TAN He-- HERT fiir dieselbe.

Die erste Abtheilnng S. 15 122 widerlegt diese Accomodatlonslehre im Allgemeinen und zeigt, dass 1) der Charakter Christi und der Apostel sie nicht zulässt, 2) die Glaubwürdigkeit derselben dann völlig vernichtet wird, 3) die Allgemeinheit und 4) die ewige Geltung seiner Lehre dadurch aufhört. 5) Durch sol- che Accomodation haben sie sonst die Welt mehr-rer» dorben als gebessert, da fast alle Zeiten und Völker der Christenheit diese Accomodation für wirkliche Wahrheit aufgenommen haben. 6) 8) Die von ih- nen beständig gepredigte Lehre stimmte keineswegs mit dem GeschmacK der Zeitgenossen überein. 9) t— 11) Sie lehrten stets nur einerlei Lehre, hatten keine zwei- erlei Lehre, eine Yolkslehre und eine Geheimlehrew 12) Die unbestimmte Annahme der Accomodationslehre hebt alle öewissheit auf, was denn von der christlichen Religion Wahrheit, und was Accomodation sei, und bringt Widersprüche in die Lehren der Apostel» 13) Christus und die Apostel werden dadurch Heachler find Betrüger. 14) Solche betrügerische und jesnitische AfcomodatioD ist alsdann einem Jeden erlaubt -^

5oa

Sodann «eigt er noch besonders, dass Chrtstaa «nd die Apostel sick in ihren Lehren so wenig acco* modirt hätten, dass diese vielmehr mit der Sittenlehre der Juden, ihren religiösen Vorstellongen voni Mes- sias, vom Opferdienst, Fasten, Gebet, ßesch neidung, Osterlamm etc. in HIrecfem Widerstreit gestanden hät- ten. Eben so wenig hätten sich die Apostel den Hei* denchristen accomodirt.

Die zweite Abtheilong S. 122 286 zeigt: inwiefern eine gewisse Accomodalion, aber nnr eine formale, angenommen werden könne, und gibt die Regeln und (jrenien derselben an, mit Anführung von Beispielen. Darauf beweist er, dass eine materiale Accomodation Christi und der Apostel nicht angenom* meu werden könne, dass sie sich namentlich nicht ac« comodirt hätten 1} in der Lehre von Christi Person und Amt, 2) bei ihren Wundern, 3) bei ihren Weis- sagungen, 4) in der Lehre vom göttlichen Ansehen des A. T., 5) von der Geschichte des Sündenfalls« ß) vom Dasein, den Wirkungen und dem Schicksal der bösen Geister, 7) besonders bei den Besessenen, wo er alle Einwürfe der Gegner besonders klar und bündig widerlegt, 8) von der Existenz der guten En- gel, 9) von der Versöhnung, 10) von der Anferste^ bang der Todten und dem jüngsten Gericht.

In der dritten Ahtheilung S. 286 318 werden noch einige Einwürfe der Gegner widerlegt, «nd mehrere ßibelstellen, worauf sie ihre Accomoda- lionslehre stützen, gegen sie vertheidigt.

Schade, dass diese vortrefliche Schrift hier und da etwas zu weitläufig ist, unnöthige Wiederholungen hat, und nur auf die crasse Accoinodationslehre Rück« »icbt nimmt, nicht zugleich auf die feinere, welche bei TAN DER Palm und Vielen der neuesten deut- schen Rationalisten herrschend ist, den Charakter Christi und def Apostel gleichfalls herabwürdigt and dem Unglauben Bahn macht. Immer bleibt aber die Schrift einer Uebersetsung ins Deutsche sehr wiirdki «od viirde, wenn Bsit der Uebtrsetiong sugleich dlie

Widerlegung yener feinen Accomodatiooslehre Terbim- den würde » dann eine desto grössere Bereicherang oa* serer theologischen Literatur sein.

Vßrhctntfeäng ot^er het besiaan der Engelen ^

de leer en ffeschiedenis inm Jesus en vpiß

jiposielen afgeleid^ ist eine andere, von ihm verlasste nnd to« der Haa« ger Gesellsckait im J* 1811 gekr<»nte dogmatische Preis* äclirit't.

In der ersten Abtbeilang wird die Lehre Christi und der Apostel über die £ngel dargestellt, in der zweiten die Engelerscbeinoog in der Geschichte Christi and der Apostel erklärt, und gegen die Ein- würfe der sie natürlich erklärenden angrauliigen Aus* leger kräftig und siegreich mil gläubigem Geiste Ter* theidigt.

*£• A, Bo&GER,

Professor, zuerst der Theologie, darauf nach Wtt* TENBACH's Tode 1819, Professor der alten Litera- tur zu Leiden als dessen Nachfolger, gestorben 182(> in der Blütbe des Lebens, war ein Mann von sehr grossen Talenten und ausgezeichnet in der Philoso^- phie, Theologie nnA den a^ten Sprachen, so^ dass er sich einen grossen Ruhm durch seihe Schrißen erwarb» Za diesen gehört auch seine

Dieptitaiio de MyeticUma, IL Ausgabe » Haag bei Allart 1820.

Die Schrift war ursprünglich eine gekrönte Beant» woFtung der von der TsTLOR'schen Gesellschaft auf* gegebenen Preisfrager Welches sind die Ursachen des neuesten deutschen Mjäticismus, welchen Schaden bringt er der Religion und Tugend, wie kann dieses Uebel geheilt werden, und inwiefern kann das Gefühl in der Religion die Stelle .der Vernunft eionefankea» oder sie unterstützen?

In der Einleitung erklart er den Mysticnmns für dcA Scelenmstand, wo der Mensch sidi mit Gerio^cbätsuaf i%r Ytraunft dem Gefühl odtr der Phaatasie hiagib^

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um zu einer uniniUelbarea Erkeimtnlss (lOÜes un<l Ver- einiga< g mit ihm in gelangen (S. 8. 10. 21),

Nacli einer kurzen Geschichte der älteren Mystik (S. 23 32) unterscbeiciet er zuerst bei dem deut- schen Mjsticismus einen allgemeinen religiösen, und einen theologischen, und gibt drei Ursachen des religiösen Mjsticismns an:

1) die Verbreitung des religiösen nAd theologischen Unglaubens, welche die Gläubigen gezwungen ha- be, in ihr inneres zu flüchten (S. 40 62);

2) der Verlust der bürgerlichen Freiheit unter NA- POLEON, welcher die Unterdrückten Schadlos- haltnng in ihrem Innern habe suchen lassen (S, 63 80);

3) die Traktatgesellschaften, welche besonders Jn Würlemberg und der Schweiz den Mysticismiis befördert hätten (S. 80 88).

Der theologische Mysticisinus sei Sberdies betÖt^ dert worden:

1) durch die KANTischePhilosophie, weil diese, indem sie die Erkenntniss des Unsichtbaren der Vernunft abgesprochen, dafür die moralische Natur, den praktis^n Glauben an die Stelle ge- setzt habe (S. 90 110); .

2) durch die FiCHTische Philosophie, wetl diese an die Stelle des praktischen Glaubens das Jch gesetzt habe (S. 111 122).

Die eigentliche Mutler des theologischen Myslicis- iiius sei aber

3) die ScHELLiNGische Philosophie, weil sie alle Erkenntniss übersinnlicher Dinge in die no- miltelbarc Anschauung des Absoluten mit der Phantasie setze, und das Einssein des Menschen lind .der Welt mit dem Absoluten behaaple. Wegen ihrer vorzugsweisen Beschäftigung der Phanlasic befördere sie die Neigung zu»t. Poesie mv\ zum Kalbolicismus (S. 128 -^ 188). ;,

505

Im zweiten Abschnitt zeigt er, welchen gros* seu Schaden dieser ScilELLiKGische Myslicismus brloge, weil er aufhebe: ' ^

a) einen moralischen und persönlichen Gott, b) die sittliche Freiheit des Menschen, <?) die persönliche Unsterblichkeit. Auch die durch ihn beförderte Liebe für sinnliche Pracht im Gultas befördere nicht die wahre Religion und Tugend (S. 189 236).

Im dritten Abschnitt gibt er als Heilmittel gegen diesen Mjsticismus an: die Zelt (S. 237 255).

Im vierten Abschnitt zeigt er den Werth des religiösen Gefühls im Verh'ältniss zur Vernunfl, und behauptet, das Gefühl müsse in Reiigionssachen alsdann die Stelle der Vernunft einnehmen^ wenn die- se zweifle, und nicht sicher lehre, dass die Verbindung zwischen Gott und der menschlichen Natur, worauf alle Religion beruhe, statt finde; alsdann müsse man mehr dem Zeugniss des Gefühls als dem Urtheil der Vernunft folgen. Auch müsse das religiöse Gefühl die Vernunft In ihrem Forschen und Ihren Gründen unterstützen.

Eine ausgebreitete Kenntniss der deutschen Philo- sophie und ein grosser Scharfsinn leuchtet aus dieser geistreichen Schrift hervor. Im vierten Abschnitt zeigt sich jedoch viele Unbestimmtheit und Unsicherheit bei der Bestimmung des Werths des religiösen Gefühls, und eine Verkennung des eigenthümllchen christlich- religiösen Gefühls, indem er das lebendige Gefühl des Glaubens, das Gefühl der Kindschaft, das Zeugniss des h. Geistes, der Schrift zum Trotz für ein Unding, für pure Schwärmerei erklärt Dies erklärt sich aus seiner Persönlichkeit, welche sich durch grosse äussere Lebendigkeit und Geinnihlichkeit auszeichnete, aber zu- gleich mit einem historischen, wissenschaftlichen Ver- stau dcsgl au ben begnügte, und vor eiucm lebendigen, inneren Christcnthum, als vor Schwärmerei, eine Ab-

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Beigvng hegjie. Näheres hierüber s. unten bei der Kritik seiner Predigten.

Grossen Einfluss bat dies Boch gehabt, um die Angst vor dem sogenannten deutschen Mjsticismus in Holland SU verbreiten und su befestigen. Da es^ der Konstgriff des Uiiglaobens und des todfen Buchstaben-

fUobens von jeher war und noch ist, wie in Deotsch- and, so auch in Holland, den lebendigen Her- lensglauben und das Leben in Gott mit einem allge- meinen Schimpfnamen, gegenwärtig mit dem Namen: Mjsticismus zu verlästern , und in ein böses Ge- schrei zu bringen, so wird, so of^ jetzt in Holland von dem neuen, in Deutschland wieder erweckten Geist des Glaubens die Rede ist, alsbald mit hundert Stim- men gewarnt, und mit angelegentlichem £ifer anf Borger's Buch hingewiesen: Da sehe man's ja, da stehe es ja geschrieben, was fiir Schaden der beillose I^Iyslicismus anrichte, gleich als ob alle lebendig gläu- bigen Christen Deutschlands ScHELLiNGianer wären. So wird denn das Kind mit dem Bade ausgeschüttelt und viele guten Keime erstickt.

P. W. Brower,

Prediger zu Maasstuis, ist weniger wichtig dorck den dogmatischen Werth seiner Schrift, welche er im J. 1826 herausgegeben, als durch die Kühnheit, wo- mit er dem allgemeinen christlicbeu Glauben darin wi- derspricht, und mit seinem Beispiel beweist, wie ofTea der Unglaube auch in Holland jetzt ans Licht (riU. Sein Buch hat den Titel:

Bybelleer , aangaande de persoon t^an Ckrüiuf, 182S.

Das Ituch machte so viel Aufsehen, dass der Ver* fasser- sich bewogen fühlte, im J. 1827 noch eine m- here Erklärung seiner Ansicht herauszugeben, in dca Schriftchen :

Nadert Verktaring^ ten vertHdgB i^an </Sr hyhtUm re, aangaande de pereon i^an ChrieiuB, DflB bei DE Groot.

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Hierin sucht er zc zeigen, wie mit den Kindera über Christi Person katechisirt werden könne , so dass sie auch nach seiner Ansicht doch den Glauben an die göttliche Dreieinigkeit behielten.

Seine Meinung bleibt jedoch auch hier dieselbe, wie in der ersten SchriO, dass Christus nur das erste der Geschöpfe, nicht wahrer Gott von Ewigkeit sei. £r hält ihn als vereinigt mit dem Vater für Gott, aber als für sich betrachtet, in seiner onderg^Bchickten na* tuur für den erhabensten Geist, den erhabensten En- gel« Diese Natur sei auch seine Menschheit, welche aber viel früher bestanden habe, und unendlich gros* ser sei, als alle Engel und Menschen zusammen. Seine Ansicht ist eben baarer Arianismus, nur in einer eigenthümlicben scharfsinnigen Darstelluog«

B) Moral.

J. ClARissk,

Professor der Theologie zu Leiden, vom J. 1804 an Professor zu Ilarderwyk, ein vorzirglich im Fach der Moral und der praktischen Theologie sich aus- zeichnender Theologe, schrieb eine von der Haager Geäcllschat^ im J. 1803 gekrönte Preissclirift:

yerhandeÜng^ beheizende een kortbondig rertoog en perdedigmg t^an de kracht pan hei bewyB ifoor den goddelyken ooraprong en verbindend g^zag f^an het et^angelie, onileend uU den t>oortreffelyken aart pan deszelfa zedenleer^ en hären gezegenden int'Iot^d op de perbete^ ring en hei geitik der menschen. In der ersten Abtheilung des ersten Theils die- ser Darstelliung des inneren Beweises für die Göttlichkeit des Christenthums zeigt er aus- führlich die Vortrefflichkeit der christlichen Sittenlehre, und vergleicht sie mit der heidnisch -philosophischen, der deistischen und der kantischen. In der zwei- ten Abtheilung zeigt er den Einfiois der christlicken

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5):Urn]ehrc auf die Besserung und das Glück sowohl der eiDzeliien Menschen, als der Völker, a priori wie rt posteriori^ wobei er sehr interessante Vergleichnngen zwischen dem sittlichen und bürgerlichen Znstand der allheidnischen, besonders griechischen und römischen Völker, der Deisten und der neuesten heidnischen Völ- ker einerseits, und der christlichen Völker andererseits anstellt, bei welchen letzteren er wieder den Unter- schied zwischen dem Zustand der katholischen und evangelbchen Völker nicht unbemerkt l'ässt.

Im zweiten Theile zeigt er, wie und inwie- weit aus dem Bewiesenen ein Beweis für den gö'ttlichen Ursprung und das verbindende Ansehen des Evange- liums angeleitet werden könne, wobei er nicht ver- kennt, dass der äussere Be weiss für die Göttlichkeit des Christenthums hinzugefügt werden müsse, um dem inneren seine volle Beweiskraft zu versichern.

Unser ehrwürdiger Konsis toriaira th, Dr. Möller zu Münster hat in demselben Jahre (da- mals noch Professor in Duisburg) obige Preisfrage beantwortet, und gleichfalls den goldenen Ehrenpreis erhalten. Im J. 1800 hatte er schon die Preisfrage der Gesellschaft über den äusseren Beweis Tür die Wahrheit und Göttlichkeit der christlichen Lehre, ab- geleitet aus den Wundern Christi und der Apostel, siegreich beantwortet, so dass er mit dem goldenen, Clarisse aber, der diese Preisfrage gleichfalls be- antwortet, mit dem silbernen Ehrenpreis ausgezeich- net worden war.

Ewald Kist,

Prediger zu Dordrecht, früher zu Arnheim, geb. 1762, gest. 1822, war einer der seltenen Männer, ia welchen die Gnade Christi sich so mächtig verherrlich- te, dass er nicht bloss selbst ein Leben der Gottselig- keit führte, sondern auch in einem weiten Kreise s^- nes Volks sowohl durch sein Predigtamt, als durch seine Schriften den Glauben und das Leben in Chri- sto beförderte, so dass er zu einem reichien Segen fiir

EWALD KIST.

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die Mit- und Nachwelt geworden ist. Er war mit lio- Lcn Geistes - und Rednergaben ausgerüstet, Lesass eine grosse acht - christliche Heiterkeit der Seele, mit einem lieiligen Ernste gepaart, was sich auch auf seinem bei- gefugten wohlgetroffenen Bildnisse ausdrückt, und eine solche Gelehrsamkeit, dass er selbst einen Ruf zur theologischen Professur nach Leiden erhielt. Er lehnte ihn jedoch ah, da das Seelsorgeramt seines Herzens höchste Freude war.

Was seiaem Charakter die Krone aufsetzte, war die Glaubensklarheit und Glanbensfestigkeify welche ihn sein ganzes Leben hindurch unerschütter- lich an Christo, als seinem einigen Mittler und Ver- söhner festhalten liess, wahrend gar manche seiner theologischen Jugendgenossen, dem mächtigen Zeitgeist des feinen Unglaubens nicht fest widerstehend, sich unmerklich das Ziel verrücken liessen. Daher hatte er auch den Glaubensmuth, als ein mennonilischer •Prediger, Floh, in der Nationalversammlung im J. 1*796, deren Mitglied er war, gleichsam als Repräsen- tant der politischen und religiösen Freiheitsschwärme- rei, sich erdreistete, der Lehre der fünften Frage des Heidelbergischen Katechismus*) als gefähr- lich und mit der Brüderschaft streitend anzugreifen, in einem öffentlichen Sendschreiben an Floh die Frage als biblisch - wahr zu vertbeidigen. Daher' behielt er auch noch auf dem Sterbebette die Glaubensfreu- digkeit, seinem 'ältesten Sohne zu sagen: „Ich habe in meinem Posten als ein Diener Christi gesucht treu zu sein. Ich fühle, dass ich von diesem Posten ab- „gerufen werde. Ich bin bereit. Gib meinen Freun- „den, meiner Gemeinde und besonders meinen Amts- „genossen, mit meinem letzten Gruss^ die Versicherung,

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") Fünfte Frage: Kannst du dies alles (Matth. 22, 37 40) vollkömmlich haltt'n? Nein, denn ich bin Ton Natur geneigt, Gott und meinen Nächsten zu hassen. Rom. 3, 10. 1 Joh. 1, 8. UUm. S, 7. Eph, 2, 3. Tit. 3, 3.

n

•) S. S. XVI und XIX der Vorrede seiner toh «eioMR Sohne herausgegebenen Laaitte Leerr^ämiem^ Dorfr recht bei BLUSsi de van Braam 18221

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^dast ich in der vollen .Ueberzengnng der Wahrheft „sterbe, welche ich Andern verkündigt habe! - St^t „ihnen, dass ich allein mejne Seligkeit erwarte durch „die Versöhnung Christi und um seiner Verdienste „willen! Welche Einwendungen der Versland hier» yygpgen sollte machen wollen, ich bleibe in diesem „feierlicheu Augenblick mehr als je iiberzengt) dass „dies nach Gottes Wort der einzige Wf*g der Selig- keit i.t.'*

Als seine Arotsgenossen darauf in der Sterbestun- de noch selbst tu ihm kamen, bezeugte er auch ihneOi dass er allein in der Lehre der Versöhnung durch Christi Verdienste seine Hoffnung und seinen Trost fiir die Ewigkeit gefunden habe, und bemühte sieb, sie in dieser Lehre, wilche sie verkündigten, la stir« ken, «- Darauf entschlief er *)•

Er gab im J. 1815 heraus: Beknopte Beoefeningsleer (kurze Ascetik), waam de middelen^ om ah een waar Iterling uan Jexua CkrUtua heilig en getroost te lei^n^ als ook de ziekten van /let menachefyk tftf» stand en hart , die de waars beoefening pon het christendom in den weg %yn^ mtt der* zelver oorzaken en geneesmiddeien kortelyk worden poorgedragen. 2 Thie., Dordrecht bei Blusse.

Diese Schrift ist eigentlich nur ein Auszug zum Besten Unbemittelter aus einer sehr ausführlichen /fe- oeJeningsUer j welche er 1804 in 4 Stücken herausge- geben. Ich beurtheile hier zunächst den Auszng, weil er unter dem Titel: Christliche Ascetik, oder Uebungslehre etc. in einer deub^chen CJebersetsong von Professor vAN DER KUHLEN zu Wallach, We- sel bei Becker 1827 und 1828 erschienen ist, und

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die Summe alles dessen, was das grössere Werk eot- hält, darbietet.

Cap. 1 des ersten Tbeils enthält die Beschrei« bung des wahren Christen. Cap. 2 die ISeweggründe, um ein wahrer Christ la werden. Cap. 3 die liinder« nisse. Cap. 4 a) Mittel, um dazu zu gelangen, and zwar: Wort Gottes, önVntlicher GollescJienät und Sonntag, Sacraniente, Wirkungen des h. Geistes in unserm Innern, Gebet und Hausgottesdienst, Umgang mit wahren Christen und Lesen nützlicher Bücher, Ma« tur, Betrachtang der Vorsehung in unseren und An« derer Schicksalen, b) NVarnungen und Waffen gegen die Versuchungen zum Abfall vom wahren Christen* Ihum. c) Regeln xur rechten Anwendung der erwähn* ten Mittel und Waffen.

Der zweite Theil enthält die Betrachtung der Krankheiten der Menschen in Bezug aufs Christenlhum und die (It'iimittel dagegen. .

Es sind 4 Hauptklassen voii Kranken:

I. Kl. Die den Weg der Sünde gedanken- los gehen, 1) Unwissende, 2) Gleichmütige, 3) Todt-RfchtgläuLige, 4) Ausschwei.'ende, 5) Aeusserlich -Ehrbare, 6) Heuchler, 1) Sorglose und Gefühllose.

IL Kl. Die nicht ohne einiges Nachdenken sind, aber aus verschiedenen Ursachen do^ch auf dem Weg der Sünde bleiben. 1) Die verschiedene Vorwände, gebrauchen, und wichtige christliche Wahrheiten niissbrauchen, um Ihre Sünde zu vertheidigen. 2) Die falsche We- ge einschlagen, um zur Buhe der Seele zu kom- men. 3) Deren religiöse Ueberzeugung noch eine falsche Richtung hat.

HL Kl. Di,e nach Gott in Christo begierig sind, aber durch verschiedene entma- thigende Bedenklichkeiten sich von der Erlangung des Seelenfriedens abhalteii laaacB.

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IV. KL Krankbeitcii gläubiger Christen. die sie" von höherer clirlstliciier Ver- vollko 111 Innung abhalten, l) Gebrechen in Bezug auf christliche Erkenntniss. 2) Den Glaabcn betreffend. 3) Die Heiligung betreffend. 4) Das' Fortschreiten im Christentbum betreffend. 5) Die Früchte des Glaubens betreffend, wo er die Zwei- fel über die Gewissheit des Gnadenstandes sehr ausführlich und trostreich löst. 6) Besondere Um- stände, z. B. Seelenleiden betreffend.

Das Bach schliesst mit Rathschlägen und Lehren für mehrgeförderte Christen.

Dies vortrefliche Werk enthält einen so reichen Schatz der köstlichsten aus -christlicher Weisheit and Liebe geflossenen Lehren für die verschiedensten See- lenzustände und geistigen Verhältnisse auf dem religiö- sen Gebiete >' dass nur eine so ausgezeichnete Schrift- und Menschenkenntnisse eine so tiefe, eigene Erfah- rung und Frömmigkeit, wie KisT sie besass, ihn dar- reichen konnte. Gewiss wird daher ein Jeder, dem es Ernst ist, den Weg der Gottseligkeit zu wandeln, und der die tausend inneren und äusseren davon ablocken- den Versuchungen kennt, sich von der jj^esonnenen Weisheit, der heiligen Liebe und Glaubensgewissheit, welche überall aus dem Verfasser spricht, angespro- chen fühlen , und ihn mit Freuden sich zu einem Wegweiser auf dem schmalen Wege nehmen. Beson- ders finden aber Seelsorger, Erzieher und Aeltern an diesem Werke ein herrliches Handbuch, um bei Er- theilung christlich - praktischer Lehren und Rathscbläge daraus zu schöpfen, als aus einem reichen Quell von* Licht, Trost und Kraft für alle heilsbegierige , beküm- merte, angerochtene , zweifelnde una nuader oder m^hr befestigte Herzen.

Ich wenigstens kenne eine so vollständige, allge- mein verständh'che geistige Heilmittellehre in nosercr d^atffclien Literatur nicht, so dass meiner Ansick nach Professor van der Kuhlen dei) wärmsteB

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Dank DenUchlands für seine trene und (liesseniie

Uebersetzung verdient«

IV. Praktische Theologie.

A) Predigtliteratnr.

£. KiST,

Leerredenen over verschalende . Onderwerpen (rer« scbiedene Gegenstände). GThle. 1802 1822.

2. Aufl. Dordrecht bei Blusse.

Grods Deugden (Vollkommenher- ten). 2Thle.f Amsterdam 1803 bei ££ Brutn.

3. Aufl*

öTtf Zederüeer. 2 Thlc, Dordrecht bei BiussEy 1800.

het Geweten. 5 Predigten* Dord- recht bei Blusse, 181Q.

Butlu 1811.

het ongunstig ontkaal (An fn ah- me) des Heilands in de wereld^ 10 Predig- ten, 1820. 2. Aufl.

In allen diesen Predigten findet mm die einfache, herzliche Sprache des Glaubens und der Liebe wieder, die in seiner Ascetik herrscht Jede Predigt ist nach der gewöhnlichen holländischen Predigtwebe in 3 Theile getheilt, Erklärung des Textes, Entwickelang des Themas, und Anwendung (s. J. Bd. S. 44. 45). Der Text wird sehr gründlich erklärt, und meist voll- ständig benutzt. Die Erklärung des Textes ist in der Regel sehr ausführlich, auch wo er keiner besonderen Erklärung bedarf, und da überdies die Ausfiihmng des Themas oft eine Erklärung des Textes nothweodig mit

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lieh führt 9 so entstehen dadurch häufig ermüdende Wiederholungen. Von dieser Schattenseite fast aller holländischen Predigten ist oben geredet worden. Die Predigten sind daher meist etwas zu gedehnt, ohgleich eine sanfte Wärme vielen von ihnen nicht abgeht« Auch in seinem Mangel an Schmuck der Rede reprä- sentirt er die alte gute Zeit Hollands, während der geschmückte, blühende Styl vieler der neuesten hollän- dischen Prediger, mit dem Bestreben, die Phantasie lu unterhalten und Effect zu machen, von der Ein- wirkung des leichten französischen Geistes und Tones zeugt»

Einer der grössten Vorzüge seiner Predigten ist, dass sie den ganzen Christum predigen, nicht bloss hervorheben, dass er unsere Gerechtigkeit ist, wie die meisten neueren holländischen Prediger thun, die dagegen ihn, insofern er auch unsere VVeisheit nnd Heiligung ist, in den Hintergrund stellen, sondern dass er die natürliche Verderbtheit des Men- schen als das Fundament des Christenthums auf dea Vordergrund stellt, mit starken, biblischen Farben oft und nachdrücklich schildert, und ebenso die Noth- wendigkeit der Gnaden Wirkungen des h. Geistes zu unserer Heiligung. So z. B. i. Thl. oper versch. ond. 2te Predigt S. 64, H. Thl. 5te Predigt: Christus, das Licht der VVelt, über Joh. 8, 12, 6(e Predigt: Christus, der wahre Quell der Fruchtbarkeit im Guten, über Joh. 15, 5, 8te Prediffl über Rom. 12, 11, VI. Thl. 6te Predigt: Das Verderbliche und Bittere der Sünde, über Jer. 2, 19. Dabei vergisst er nicht, aufs nachdrück- liebste zu zeigen, wie wir nach der Heiligung ringen und jagen müssten, und durch ein werkthätiges Leben voll guter Werke unsern Glauben zu beweisen hätten, z, B. H. Thl. 7te Predigt Über Matth. 14, 23. VLTbL lote Predigt, über Col. 1, 6. Aus diesen Predigten konnten und sollten billig alle neueren hoUändisäen Theologen erkennen, wie wenig das Hervorheben dw i^ündhaftigkeit und der Gnadenwirkungen des h. Gci-

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I

sits in der Apostel Weise Schwärmerei ist, oder lur Scbwärmerei fuhrt.

i)ie 111^ Predigt im VI. Tbl.: Ist Paolos für euch gekreozigt? über 1 Cor. 1, 13, entbält eine Yortreftiiche , schiageode Beweisfubruag, dass der Tod Christi nicht bloss die Lehre von der Versöhnoog mit (vott bestätige, sondern sie selbst erst bewirkt und ver- ursacht habe. Sie verdient sehr, ins Deutsche über- setzt zu werden.

Nicht wenige seiner Predigten sind geschicht- liche Predigten ) vorzüglich über das A. T., meist über Stellen aas dem Leben solcher Männer, die aU Vorbilder des Glaubens und der Liebe uns vorzuhal- ten sind. Eine vorzügliche Predigt dieser Art s. VI« ThU 9te Predigt über 1 Mos. 17 , 18. Sie befördern sehr die Bibelken ntniss ond Bibellust deä Volks, und ceigen ihm den genanen Zusammenhang zwischen dem A. upd N. T.; daher diese geschichtliche Predigtweise in Holland von den Predigern sehr nachgeahmt wird, wenn gleich von Manchen auf eine fehlerhafte Weise, welche auf schönes Ausmalen der Geschichten beson- dern VN^erth legen, wie ich schon oben erwähnt

Die 5 Predigten über das Gewissen stellen die Lehre der Bibel von dem Gewissen aof eine höchst nachahm ungswerthe und lehrreiche Weise dar. Di^ erste über Köm. 2, 15, handelt von der Natur ond dem Dasein des Gewissens in der Seele, die zweite über Ilebr. 9, 13. 14, von der Nothwendigkctit der Reinigung des Gewissens, und dem dazu im Evange- lium geoffenbarten Mittel, die dritte über Apost. Gesch. 24, 16, von dem guten Gewissen, die vierte über Ap. Gesch. 26, 14, von der Wichtigkeit, den Wirkungen des Gewissens nicht zu widerstreben, son- dern sie recht zu gebrauchen, und die fünfte über £ph. 5, 10, von der Sorge für die Erleuchtung des Gewissens.

Diese Predigten sind Muster christlicher Moralpre- digten. Sie lassen der menschlichen Natur ihr^ Recht wiederfahren, zeigen aber auch ihre Unzulänglichkeit,

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durch sich selbst ihre Bestimmang za erreichen, und weisen die Mittel der Hülfe an. Aaf diesem Wege allein bringt sie die rechten Lebensfrücbte , weil aof dem milden Stamm der edle Zweig Isais gepfropft wird« -^ Eine Uebersetzung dieser Predigten wäre eine wahrhafte Bereicherung unserer Literatur»

J. VAN DER ROEST,

Prediger zu Ilariem, seit längeren Jahren todt, ist einer der ausgezeichnetsten holländischen Kanzelredaer, entschieden gläubig wie KiST, von demselben gebil- deten Geschmack, und von «iner grossen, durch den Glauben geheiligten Gemüthlichkeit, welcher er seine sanfte, ruhrende Beredsamkeit verdankt.

Seine herausgegebenen Predigten sind : *

Eenige bybelscne Tafereelen (Gemälde) f^an leer' zame aterfgcvcdien en uiteindenm 2 Theile, Harlem bei Aügustini, 1802.

Genoegena van den Godsdienst. 2 Th/c., 1805.

Nagelatene Leerredenen, 2 Thle«, 1815.

Unter seinen biblischen Gemälden sind vorzüg- lich schön: die 8te Predigt über Josia's frühen Tod, 2 KöiK 23, 29, und die lOte Predigt über Tabitha, Ap. Gesch. 9, de 41, von der Pflicht der Wohl- tkätigkeit. Dass in diesen biblischen Gemälden bis- weilen dem Ausmalen zu Gefallen zn viel in den Text gelegt wird, habe ich oben an einem Beispiele gezeigt

Aus der ersten seiner nachgelassenen Predigten ! stehe hier noch eine Stelle, welche zugleich seine freu- dige Glaubeusgewissheit beweist. Er legt darin Zeog- niss ab, was ein 25jähriges Predigtamt ihn hinsichtlidi der Uauptwahrheiten des £vangeliums gelehrt habe, und sagt: „Diese Lehre ist es, welche ich euch za ] „predigen hoffe, so lange ich sprechen kann, and „i|lrenn dieser Mund einst schweigen wird, und diese „Augen einst brechen werden, so wünsche ich, dass „dUnn die Ruhe der Seele und die erheiternde Hofr „nung des ewigen Lebens, welche der Glaube an am

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„im deiseh erschienenen und an einem Kreuz gestor- ,,benen Mittler den Sterbenden mittheilen kann, i^och »^sprechen mögen aus meinem erblichenen Gesicht 9,und euch den anpreisen 9 der im Leben und im Tod „unser Eins und Alles sein muss«^'

Van der Palm.

Leerredenen. 8 Theile, 1809 1822* 3. Aufl. Leiden bei du Mortier.

1, II, III, IV, r, VI Tiental Leerredenen. 1823 1829.

Die einnehmende Sprache des Verfassers, sein einfacher, hochgebildeter, sanfl wie ein Bach dahin gleitender Styl gibt seinen Predigten einen eigenen Keiz, und ist nicht die kleinste der Ursachen, welche seiner Pr.edigtwcise ein^n so ungemeinen Beifall in {lolland verschafft haben, d.^s qie meisten jungen Prediger sich nach ihm bilden.. Auch weiss er mit grosser Menschenkenatniss die Gefühle der biblischen Personen ergreifend zu schildern, und dadurch die Empfindungen der Zuhörer rege zu machen, so z. B* L Tbl., 6te und '7te Predigt, über Abrahams Opfe- rung Isaaks« Freilich geht seine Liebe zu Schilderun- gen und Gemälden (tc^ereelen) oft zu weit, wovon ich obqn ein Beispiel angeführt habe. Seine Bibeierklä- rung in den Predigten ist klar, gemeinfasslich und ausführlich, befördert dadurch die Bib^Ikenntnias, wird aber nicht selten zu breit* Ju der Form seiner Pre- digten weicht er, von der alten Manier, der Eifitbei- Inng in 3 Theile etc. ab, und passt die Form mehr dem jedesmaligen Texte auf eine natürliche Weise an« Durch sein Vorbild hat er eine Verbesserung der Form der Predigten in einem weiten Kreise befördert. « Unter seineu Predigten finden sich auch viele ge- schichtliche, sowohl aus dem als N. T.

Die Summe des christlichen Glauben^ hält er auch in den Predigten fest, und vertheidigt ihn nicht selten kräftig. So ist z. B. \n der I, Predigt des V. Th^ils, über Job.' 18, ^0, der Tod Christ^ als eio Vei^söh-

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nuDgstod scböQ dargestelll. Allein zugleich zeigt sieb überall sein Bestreben , das Fundament und die kroüe de» christlicben (ilaubensgebäuües, die Lehren von der Verderbtheit unserer Natur und den Goadenwirknogen des heil. Geistes möglichst in den Hintergrund zu stei- len, nur leise und schwach zu berühren, uod so zu entkräften*

Als Beispiel stehe hier Einiges ans der 8ten Pre- digt des IV. Theils, über Job. 0, 44, deren Thema Ist: Von der Nothwendigkeit der INI it Wirkung der göttlichen (inade zur Erleuchtung und Erneuerung unserer Herzen. Hier er- klärt er, dass die Mitwirkung der göttlichen Goa- de (er hütet sich äusserst vorsichtig, das ^VorC: beil.* Qeist zu gebrauchen, aus Furcht, der Schwärmerei Nahrung zu geben) zur Frleuchfunj» und Erneuerung unserer Herzen nöthig sei. Und die&e Gnade, diese göttliche Ueberredung, wie er sie auch oenntj sei das Schenken der Empfänglichkeit, um von dem VVorl der Offenbarung, von der Piedigt der Heilsbo- ten alle Kraft zu fühlen, sei ein himmlisches Licht lo unsere Herzen, vor welchem die Verblendung unserer Sinne verschwinde, und alles, was zu unserer Bestim- mung und unserer Glückseligkeit gehört, 6ich uns m ei- nem hellen und nebellosen Tage zeige (S. 56. 57U

Gleich darauf bemerkt er aber: „Die' Vorstellung „Christi im Text ist ganz im Styl und Ton der bibli- „schen Orfenbarung. Darin wird alles, was wir Gates „besitzen, als ein Geschenk Gottes betrachtet, nicht „nur das, was uns von aussen kommt, sondern auch, „was wir nach dem äusseren Schein allein uns selbst „zu danken haben* Ist Jemand durch Fleiss unä Thä- „tigkeit Zum Glück gekommen, es war Gott, der sei- „nen Eifer gesegnet, und ihm das Glück verlieben haL „Es ist der Geist Jehovabs, der in Bezaleel asd „Aholiab wohnte, als sie die köstlichen StiOtsbuttcn- j.Gcräthschaficn verfertigten. Wann Salomo nadi ., Vorsicht und Klugheit strebt, um das Reich seines «,Vafers verständig und gerecht zu regieren, dauu be*

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„gehrt er diese Weisheit von Gotf. Und wann die „Propheten ihrem Volk eine Zeit weissagten, worin „sie ihre vorige Untreue durch Betrachtung der Be- „fehle Jehovahs auswischen würden, dann sagen sie, „dass Gott sein Gesetz in ihr Herz schreiben werde, „dass sie alle vom Herrn würden gelehret sein/' (S 58. 59).— Welche Verflachung der heil. Geschieh- te und Lehre! Welche Herabwürdigung eines demü- thigen Salomo, um ihn menschlich gross zu machen! ( Nachdem er darauf erklärt, von der Noth wendig- keit einer göttlichen Ueberredung noch mit bestimm- ter, auch mit Bezug auf unsere natürlichen und sittli- chen Anlagen sprechen zu müssen, sagt er (S. 62): „Wir sind vernünftige Geschöpfe! Diese „Wahrheit steht da als ein heller Leuchtthurm, den „wir auf dem Meer dieser gefährlichen Nachforschui)g „nie aus dem Auge verlieren dürfen« Sie ist unser „*Ruhm^}, und der Ruhm unsers Schöpfers; und, „was gegen sie streitet, verwerfen wir, als seiner und „unser unwürdig."

Elf Jahre später, in dem 1822 erschienenen VIH. Tbl., in der 3ten Predigt: Von dem Bedürf- niss beständiger Stärkung, eineni Kennzei- chen der Aechtheit des Glaubens, über Maro 9, 24, zeigt er schon deutlicher, was für einen Werlb er der Lehre von dem heil. Geisle und dessen Wir- kungen beilege. £r führt dort S. 81 Sh die Hiupt- gegenstände des christlichen Glaubens auf, und zwar: l) Den Glauben an Gott. 2) Die Lehre von der Ver- gebung der Sünden durch Christi Tod, wobei er be- merkt: „Durch Christum und um seinetwillen wider- „fährt Gnade und Barmherzigkeit Allen, di^ ihn als „den Mittler Gottes und der Menschen erkennen, sei- „ne Vorschriften ehren, und nach seinem Vorbilde ,,waudeln wollen." 3) Die Lehre von der Unsterb- lichkeit. — Mit keinem Worte geschieht Erwähnung

) Vergleic!.e dagegen 1 Cor. 4, 7. l, 29. 3L Kph. 2, <J u. a.

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aer Lebre von dem beih Geiste, und sie wird sonach aicbt lo den llaoptgegenstänJen des chrisdi- cben Glaubens gerechnet. Dies wird man um so we- niger bezweifeln, sobald man aus seinen Bibelan- merkungen und seiner JBjrbel t^oör de Jeugd erse- hen bat, wie oft er da die Miltheilung des heiL Gei- stes natürlich zu erklären sucht, wovon ich oben eiu Beispiel angeführt habe.

Dies Gewahrwerden seiner Verflacbung und Ver- deckung der wichtigsten Heilslehren schwächt natürlich den Eindruck der vielen schönen, ergreifenden Stellen in seinen Predigten, besonders da der mit seiner Ac- roQ>odationslebre bekannte Zuhörer oder. Leser der Predigten nun nicht weiss, in wie weit sich der Ver- fasser bei der Darstellung^ der Glaubenslehren etwa nach dem Volksglauben oder Kirchenglauben accomo- ilirt, und in wie weit er seine eigene Ueberzeugung vorträgt. Dieses Misstrauens kann er sich um so we- ni<<er erwehreu, da deutlich zu erkennen ist, wie der \ erfasser bei einzelnen Lehren seine Ueberzevgnng auf der Kanzel verhüllt, und nicht %o vorträgt, wie in sei- 114^11 andern SchriHen. So z. 6. sagt er in der Steo Predigt des VIII. Theils, über Marc. 9, 24, bei der liLrzähTung der Heilung des besessenen Knaben (S* 75. 76): „Dergleichen Krankheiten, wovon die Crsachen ^unbekannt waren und unerklärlich schienen, wurden „von den Juden jener Zeit gewissen bösen und nnrei- „nen Quälgeistern, Dämonen genannt, zugeschrieben, „welchen bisweilen diese beschädigende Macht auf den „Körper der Menschen verliehen wurde, und wogegen „keine Hülfe noch Zuflucht war, als bei Gott allein. „Dieser Meinung hat Jesus, um weiser und vielleicht „zuin Theil uns unbekannter Gründe willen, well er „mehr als wir von der Geisterwelt wusste, niemals „widersprochen, sondern vielmehr bei der Heiiang „dieserlQualen seine Ausdrücke davon entlehnt; in- „dem er also zu erkennen gab, dass keine schädliche ,, Kraft, es sei in der sinnlichen, es sei in der unsicbt- ,;barea ^^'eft, war, welche nicht unter seinem Befehle

5^t

„stand und vor seiner göttlichen WunderkfaA weichen „mosste. '*

Aus diesen kiinstlichi gestellten Ausdrücken lässt sieb Immer noch vermuthen, dass er an die Einwir- kung der bösen Geister auf die Besessenen zur Zelt Christi glaube. Schlagt man aber seine Erklärung in den Bibel an merk ungen zu dieser und den an- dern oben angeführten Stellen über die Besessenen nach, so findet man, dass er alles für natürliche Krankheiten erklärt.

Und so scheidet man denn von dem grossen, glänzenden Redner mit einem wehmüthigen, schmerz- lichen Gefühl darüber, dass seine ausgezeichneten Ga- ben nicht mit Verleugnung der eigenen Weisheit im Dienste Christi stehen, dass er nicht gleich den Apo- steln den Vorwurf der Thorheit^ Narrheit und des Rasens (der Schwärmerei, des Mjsticismus). tragen will bei ^em Predigen der Weisheit Gottes, sondern viel- mehr meint, das, was den Aposteln nicht gelungen ist, mit seinen klugen Worten erreichen zu können, den natürlichen Menschen nämlich die göttliche Weisheit von Christo und seinem Geiste überzeugend als wirk- lich weise zu demonstriren. Von dieser fleischlichen Klugheit ist denn auch hier, wie immer das traurige Endresultat, dass die Heilslehre verflacht, ihres Kernes beraubt, dagegen statt der rauhen Scnale mit einem anlockenden Gewände bekleidet wird, so dass die na- türliche Vernunft des Menschen sich nun mit ihr be- freundet, da ihr keine Demiithignng abgefordert, son- dern ihre volle Ehre gelassen wird.

Dermout

Leerredenen. 1819, Dordrecht bei Blusse £f ^An

Braam. Nieuwe Leereedenen, 182:1,. Haag bei AgLLART. :. ' tweede bundeL 1827«

Diese Predigten zeichnen sich durch eine kräf- tige, männliche Beredsamkeit, durch schöne. Verglei- chungen und treffende Gegensätze, und überhaupt

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durch Reioheit und Wurde der Sprache aus. Die lor- getragene Lehre ist im Ganzen gläubig. Kine schone Darstellung^ der Versöbnungs lehre enthält die 8te Pre- digt des II. Thls.: Von der kräftigen Tröstoog, welche die Lehre des EvaDgelinms, Jesom Christum betreffend, dem beuDruhigteo Gewissen anbietet, über 1 Job. 2, 1. 2. Auch die 4te Predigt des L Theils: Von der Vortreff- lichkeit Jesu, als Gottes Gesandten und Busspredigers, über Matth. 12, 41, ist voniiglick ansprechend.

Dass die Byheloefeningen im II. Tbl«, über 1 Viau 24, 1 33 und 84 67 musterhaft sind^ habe ick oben schon erwähnt*

Nicht selten a&er leuchtet die Kernst, und die Sucht nach hohen Worten zu sehr hervor, so dass bei der oratorischen Darstellung der geistigen Griwe der Apostel und anderer Gegenstände wohl BeWuade* rung rege gemacht hat, aber das Kreuz Christi doch Gefahr leidet, darunter zu nichte zu werden. Nament- lich führt auch er nicht genug in die Tiefen des bo- aen Herzens, und schildert dessen sittliches Verderbes nur schwach und leise. Den Grund davon gibt er im II. Tbeil seiner Predigten S. 84 an: „Euer sittliches „Gefühl würde ich verletzen, wenn ich das mannich- „faltige Verderben, wofür d\t Menschheit empfänglich „ist, mit Zügen der Wahrheit abmalte.^' Durch solche m'enschengefallige Schonung wird aber die rech- te Selbsterkenntniss und Busse erschwert I^ag^i^^ wird oft und stark vom Adel unserer Natur ge- sprochen, so II. Tbl. S. 54. 120.

Das Vorherrschen äes rednerischen Elements scbeiot auch mit die Ursache zu sein, dass manche Predigtea mehr wissenschaftlich gelehrte Reden, als praktisch- christliche Vorträge sind. So handelt die 7te Predigt des 1. Theils: Paulus zu Athen, über Ap« Gesch. 17, 16 2I9 fast bloss von Athens ßlüthe in Kna- sten und Wissenschaften und von den verschied enea griechischen Philosophien. So ist die 2te Predigt des

.Sg3

I

II. Theils: Die Einführung des C brist enlbu ms in Kuropa, als ein göltliches Werk be- schaut, über Ap. Gesch. IG, 9. 10, eine interessante kirchf^ogeschichtKchti Darstellung, wo das reiche Wis- sen des Historikers und die grosse Kunst des Redners sieb glanzvoll entfairen. Aber wenn es wahr ist, dass jede Predigt eine Antwort geben soll auf die Frage : Was muss ich thun, dass ich selig werde? was soll dem also Fragenden, nach dem Trost des ewigen Lebens, schmachtenden Zuhörer die philosophische, die kirchenhistorische Lection? Von solchem Glanz der Wissenschall und solcher Kunst werden wohl ästhetische Hörer und eitle Gaffer ange- lockt, aber die Mühseligen und Beladeneo aus der Kirche vertrieben.

Wie wohllhuend contrastirt dagegen die apostoli- sche Einfiilt der Predigten eines HoffACKER'sI

Borger

Leerredenen. 2 Thle., 1814* und 1R21, Haag bei Allart.

Diese Predigten zeichnen sich durch grosse Ori* ginalität, tiefe Gemüthlichkeit , eine lebhafte Phantasie und hohen Scharfsinn, so wie durch einen begeister- ten, bald mehr den Verstand, bald mehr das Gefühl ansprechenden Vortrag und grossen Ernst ans.

Indess sii^d die meisten derselben, besonders im I. Theil, mehr 'gelehrte akademische Abhandlungen in Predigtform, wie denn auch die erste Idee und den Stoff dazu ihm zum Theil einzelne gelehrte Aufsätze geliefert haben, was er in der Vorrede zom Theil bekennt. So z. B. bewog ihn Lessjng's Büchlein: Wie die Alten den Tod gebildet, zu der Un- tersuchung: Welche verblümte Ausdrücke das N; T. vom Tod gebrauche, und das Resultat dieser Unter- suchung der Gemeinde in der 5ten Predigt desI.Tfals» auf der Kanzel vorzutragen. Die meisten Predigten im I. Theil sind jede 60 70 Seiien bng. Strenge Textbenutzung und Erklärung ist nickt seine Sache,

524

Mtäs ia der Vorrede zam II. Tbell S. XII. dessen Her- ausgeber VAN DER Palm selbst eingesteht, so da» er denn ¥robl auch absichtlich dürre Texte wählt, qb seinen philosophischen Betrachtungen mid eigenen £10- fallen Raum zn lassen, so I. Theil 3te Predigt, vhv die Worte: „Es stehet geschrieb e n** Matfh. 4,

4, und II. Theil 5te Predigt über Matth. 10, 2—4.

Wie die Genie's sich an keine Regeln zu binden gewohnt sind, so auch BORGER. Die Lebhaftigkeit seiner Phantasie reisst ihn oft hin , und verleitet iho zu Sprüngen , was er selbst in der Vorrede zum I. TU.

5. XIII. bekennt, so wie -er denn auch die Funkeo seines Witzes und Scharfsinns oft sprühen lässt, wo sie nicht an ihrem Orte sind. Die vielen Gebrechen seiner Predigtweise erkannte er selbst so Jebendigi dass er sein Amt als Universitätsprediger niederlegtei

Der grosse Streit in seiner Seele zwischeb seines tiefen Gemüth, das ihn nach Christo hintrieb, und seiner Philosophie, die ihn zur menschlichen Weisheit nnd zu einem blossen Verstandes «Christeuthum hin- wies, in welchem Kampf das erste der streitenden Ele- mente leider nicht die Oberhand behielt, wie ich schon oben bemerkt, zeigt sich auch in seinen Predigten.

So preist er sehr stark den haben Adel nnd die Wür'de unserer Natur, und glaubt selbst das Vernuniltlicht hipreichend zur Religion für die Selhst- denker 1. Theil 3te Predigt S. 140 142: „Wenn „wir unser Auge richten auf so Viele, welche, ohne „die Fackel der Offenbarung, allein durch das Licht „der Vernunft geleitet, sich selbst ein Gesetz wareoi „von Natur thuend des Gesetzes Werk, auf so Viele, „welche, unbestechlich für die Anlockung der Sünde! „mit Muth und Standhafligkeit den Eingebungen ihres „tugendhaften Herzens treu blieben, dann ehren wir „in diesen Helden der Tugend die Würde unserer „Natur und das Ansehen der Vernunft, welche ut „Seelenruhe ohne Genuss höher als Gennss mit tie-, „Wissensbissen schätzen liess ... Tugend möge für dei „erhabenen Philosophen der Lohn der Tugend sein;

525

„(1er gewöhnliche Mensch erfordert einen stärkeren „Stachel, verlangt eine bestimmte Vergütung fdr den ^Verlust und die Enthaltsamkeit, der er sich im Zii- ,,geln meiner Begierden unterwirft. - Und wie schwach „ist das Licht, welches die Yernunft hier auEÜndet, y,wenn wir nach Unsterblichkeit und Belohnung fragen! „Und wbre auch dieses Licht für Einige hell genug, „den Weg der Tugend mit Muth zu betreten, und „den Irrweg der Sünde zu vermeiden, wie sollen die „Meisten die Kraflt von Beweisen fühlen, die über „dem Bereich ihres Denkvermögens liegen, und die „Früchte einer ungewöhnlichen Anstrengung des Gei- p,stes sind?"

In andern Predigten, so II. Theil 4te Predigt: Von der ttlichen Traurigkeit, über 2 Cor. 7, 10 S. 97 - 105. 116, schildert er dagegen die Grösse, Allgemeinheit und schwere Strafbarkeit der Sünde so stark und ernst, dass das „unschul- dige, tugendhafte Herz, der Adel und die Wüfde unserer Natur in geradem Widerspruch damit steht. Er lehrt demnach auch daselbst S. 116, dass eine höhere Hülfe nöthig sei, ebenso I. Theil 7te Predigt S. 352^ wo er die Lehre der Ohnmacht unserer Natur und die Nothwendigkeit einer übernatür- lichen Hülfe zugibt, aber sich aufs ängstlichste dort, wie hier, hütet, den biblischen Ausdruck: heil. Geist zu gebrauchen, sondern allgemeiner sich ausdrückt: kräftiger Beistand des Höchsten, oder: ein höherer Geist mnss uns erleuchten. In letz- terer Stelle S. 354 357, spricht er mit Feuer von dieser Hülfe Gottes, obgleich er durchaus nicht zum Bitten um diesen Geist Gottes ermahnt, was überhaupt höchst selten geschieht. Diese ängstliche Wahl in den Ausdrücken rührt auch bei ihm voi^ der oben erwähnten Besorgniss vieler Theologen her, man möge sonst der verhassten Lehre der Gnaden wähl und deren Anhängern Kaum geben. Gegen diese sprechen sie sich oft mit Bitterkeit, nicht selten mit ungerechter Härte aus, so namentlich Borger hier 8. 353:

326

^Dlese die Lehre der menschlichen Ohnmacht mis- „brauchenden Menschen selzen ihren Ruhm in dli ^Rechlgläubigkeit, nnd ihre Rechtgläubigkeit in die ' ^Kniiedrigung ihrer Matur unter das Gethier des FeU yydes« . Liebe zur Sünde ist der Schlüssel <ar Auflö- sung dieses R'atbsels ihrer Rechtgläubigkeit. Men- schen, von der Kraft des Irrthnms von Kindesbeiaeo Sn durchdrungen, gewöhnt an Niederlagen in dem ^Kampfstreit wider die Sünde, durch das Schmeichela ,,der Sinnlichkeit bezaubert, und sich sehnend nach yyinebr und mehr Genuss, welche Lehre kann ihnco „so willkommen sein, als die Lehre ihrer Schande» „die Lehre der völligen Ohnmacht zum Guten?"

Aus seiner mehr historischen Auflassung des Cfari- stenthums mit dem Verstände erklärt sich auch die Aus« führlichkeit, mit welcher er in mehreren seiner Predig- ten alle mögliche Beweise für die historische Glaob- würdigkeit und Göttlichkeit des Christenthunis darl^, und alle wirklichen und möglichen Einwürfe clagegeo so weitläufig widerlegt, als wäre er auf seinem akade- mischen Lehrslubl. So I. Theil 6te und Ite Predigt, über Luc. 2, 34, wo er dann auch S. 312 sagt: Der Verstand müsse erst zum Glauben, darnach das Ilen zur Tugend kommen, so II. Theil 5te Predigt über Matlh. 10, 2 * 4. Fallen ihm gelehrte Bemerkungen ein, so kann er sie, wenn schon die meisten Zuhörer sie nicht verstehen, doch nicht unterdrücken, so IL ThI. S. 16»: „Wie viele Disteln gibt es gegen Einen „Kornbalm, wie viele Gregobivsse gegen Einen „Ganganelli!"

In der 2ten Predigt des IL Theils: von dem Wiedersehen in jenem Leben, über Job. 11^ 22, erklärt er gleich im Anfang S. 32: Der Text habe eigentlich gar keine Beziehung auf sein Thema, weil, der nur vom Wiedersehen der Jünger nach der Aof- erstehung Christi in den 40 Tagen handle. Indeis lasse sich das Gefühl des Herzens nicht leicht dnrdi exegetische Regeln in Banden legen, nnd es denke bei jenem Text an das jenseitige Wiedersehen. Noa

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gibt er dend die phi I oso ph is cb eo Grii nde für cia3 Wiederseben in jenem Leben, indem er bemerke, in der Schrift sei nichts über die Sicherheit dieser Er- vrartung geoffenbart (S. 41), und daher auch kein^ Bestätigung seiner philosophischen Gründe dorcbs Christenthum hinzufügt

Gehören aber solche pur philosophische Rä'sonne-' ments auf eine christliche Kanzel?

J. Wys, J. C. Zoon,

«

Prediger im Haag, gestorben 1826, ausgezeichnet durch exegetischen Scharfsinn, grosse Darstellungsgabe und ein «mehr dem deutschen, als dem hollän- dischen Charakter eigenes Feuer der Beredsamkeit, gab heraus:

Zestcd Leerredenen oper den toehomenden Staat,

Schiedam 1821, hei VAN IIemsdaal. 3. Aufl. Leerrede ouer de Zaligheid der proeg aterpende

hinderen» 1821. ,

Leerredenen ouer Homeinen IXy XenXL 2Thie«

Haag 1824 und 1825. ' Genesis I ///, henepens eene oper Rom. Vy 4% ^^ %4* Haag 1826, bei

DE VlS&BR.

Eine Beurth eilung der Predigten über Gen. I ///, deren 4 sind, werden hinreichen, eine richtige Ansicht über den Geist des Verfassers zu geben.

Die erste handelt von der Schöpfung der Welt und der Umbildung der Erde, die zweite von der Erschaffung und dem ursprünglichen Zustand des Men- schen, die dritte von des iMenschen Fall, die vierte von der Handlungsweise Gk>ttes mit den gefallenen Menschen.

Ueberall zeigt sich eine schöne, blühende, feurige Sprache, viel exegetische Kunst, die jedoch öfters zu sehr weitläufigen, exegetischen Bemerkungen verleitet, viel Liebe zu schildern und mit Worten zu malen, obgleich er die Grenzen hierin nicht so sehr wie viele Andere überschreitet. Seine Anwendungen am Schluss

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der Predigten sind praktisch, herzlich nnd ergreHeodL Ueberall spricht er grosse Ehrfurcht vor der Scbnft aus, und erklärt, dass raaa sich an die biblischen Er- xähluDgen als wahre Geschichte halten müsse, veil sonst einer sehr wilikiihrlichen ßibelanslegnng der Weg gebahnt würde (S. 11. 12). Leider kann er aber selbst seine exegetische Weisheit nicht so weit zügeln, dass er sich nicht sehr wiilkuhrliche, die historische Glaob- würdigkeit der biblischen Krzäbiangea untergrabende Auslegungen erlaubte, wenn schon er dies sparsam, in .MiiNTiNGiiE's Geiste thut So z. R^ erklärt er, nntcr der Schlange 1 Mos. 3 sei nicht eine wirkliche Schlange gemeint (S. 105 108), ganz wie MuN- TINGHE; die Stimme Gottes 1 Mos. 3, 8, und dem Cherubim vor dem Paradies, erklärt er fiir ein Gewit- ter (S. 120. lei) u. s. w.

Auch er sucht, wie so viele Andere, die mensch- liche Sündhaftigkeit möglichst miide darzustellen, so denn auch die Sünde Adams. S* 146, 147 erklärt er daher in Betreff des Bekenntnisses Adams 1 Mos. 3, 12. „In seinen NVorten, absichtliches Streben xt „finden, seine Siinde zu bedecken, die Schuld aaf „seine Gattin, und wohl indirekt auf Gott zu werfen, „der ihm diese Ehehälfte geschenkt hatte, dazu findfc „ich nicht den mindesten Grund ••.. Lasst uns lieber „seine Aufrichtigkeit mit Freuden bemerken, als einen „Beweis, dass die Stimme des Gewissens noch in ihm „sprach, dass sein Herz seine kindliche Einfalt noch „nicht verloren hatte, und lasst uns, wie wir ihm nur „allzuoft im Ungehorsam nachfolgen, so aach sein „bereitwilliges Bekenntniss nachahmen. *' ^

Gleich als ob nicht jeder Seelsorger noch hentzo- tage nicht selten die Erfahrung machte, dass die Kin- der Adams, wenn sie über ihre Sünden zur Rede ge- stellt werden, gewohnt sind, die Schuld von sich ab^ .;= und auf Andere zu wälzen, und wenn sie sie auf Nie^ i mand anders werfen können, dann nngescheut anf Gott selbst werfen mit den Worten: „Ich habe mich „nicht selbst gemacht! Warnm hat mich

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„Gott so schwach geschaffen?^ Mit dieser Erfahrung stimmt ganz überein die Lehre des Apostels, dass unsere Selbstliebe , unser fleischlich ^ Gesinotseia so mächtig sei, dass wir, um nur nicht uns selbst Teini werden zu müssen, lieber Gott Feind sind (Rom. 8, 7). Und sollten wir dem heiligen Geiste ' nicht mehr glauben, als dem Geist menschlicher Weisheit?

Die Predigten über Rom. 9 11 haben dem Verfasser grossen Ruf erworben, weil er zuerst gewagt bat, öfTentllch und ex professo die Widerlegung der symbolischen Lehre von der Gnadenwahl aus der •Schrift zu versuchen. Auch diese Predigten zeugen von grosser Beredsamkeit, exes^etischer Kunst und Scharfsinn, obgleich sich auch darin manche Spuren eines fein rationalistischen Geistes bei den Erklämn- gen über die Wiedergeburt, die Gnadenwirkungen des beil. Geistes u. s. w. zeigen. -

Kein Theil der neuesten theologischen Literatur Hollands ist reicher, als die Predigtliteratnr, und sie vrird noch stets von vielen Seiten vermehrt. Ich nen- ne hier nur noch einige der bekanntesten Verfasser von Predigten: VAK VOORST, TAN Hengbe,

CLARIS5E, BROES, FrANZEN VAN ECK, DON- KER CURTIUS, VeRWET, PRINS, CoQUEREl»

und Teissedre l'Ange.

, B) KatechetiL

! L. Egeiing,

2 Prediger zn Leiden, ein schlichter, kindlich - glaubi- ger, schriflkundiger, im Predigen gesalbter, und daher in grosser, allgemeiner Achtung stehender Mann hat für den katechetischen Unterricht herausgegeben:

JEen Vrtuigboehje tot onderuyzing in de ehristS" fyke Leer, 7te Ausgabe, 1823» Amsterdam bei C'OTSNS.

I

i

H. 34

530

De ^Veg der Zaligheid naat' het beloop des Bi- UÜ. 2 Thle. II. Aafl. , 1822 , Amsterdam Lei

COVENS,

Das Frage buch Ist ein kleiner Katechismos, ' welcher in kurzen Fragen und Antworten , mit ßeifii- gnog von Bibelstellen, wobei den meisten Antworten noch einige Fragen ohne Antwort beigesetzt sind, ra- erst in 2 Ablheilungcn die biblische Geschichte, daraof in 2 andern Abtheilungen die Religionslehre durchgeht.

Zu diesem Fragebuch ist der „Weg der Se- ligkeit^ als ein ausführliches Handbuch gesciiriebeo, das in den §§. und Abschnitten mit demselben über- einstimmt, übrigens aber ganz für sich besteht, daher auch unabhängig vom Fragebuch den Erwachsenen als Lese- nnd Lehrbuch dienen kann«

Der erste Theii dieses Handbuchs enthält die biblische Geschichte, will diese ]edoch nicht vollstän- dig erzählen y sondern nur die Hauptsachen, und was sich auf die Glaubenslehre bezieht. So gibt er ancii nicht bloss das Geschichtliche von den Propheteoi sondern erklärt die wichtigsten nnd schwierigsten Stel- len eines jeden, besonders in Bezug auf den Messias. Sehr schön ist die stufenweise Entwickelung der Of- fenbarungen Gottes nach dem Faden der heiligen Ge- schichte dargestellt in mehreren Abschnitten, und ge- zeigt, wie weit die Religionskenntnisse in jeder Zeit- periode gingen. So ist z. B* sehr deutlich gelehrt, wie die Lehren von Christo, von einem ewigen Leben etc., schon in der frühesten Zeit vorhanden waren, wenn gleich anfangs dunkel, und wie sie allmählig hel- ler und heller wurden.

Kinfache, kurze, erbauliche Bemerkungen sind da- zwischen gestreut.

Der zweite Theil enthält die Glaubenslehre.

Das Ganze ist ein treffliches Werk, und Viele« daraas, besonders aus dem ersten Theile, ist für Deutschland der Uebersetznng werth.

Auf eine merkwürdige Weise zeigt «ich jedofb auch an diesem Buche die Macht des theologtschtB

551 _

Zeitgeistes, der jetzt in Holland herrscht, und wie er selbst auf Glanbensniännery gleich E GELING, ihnen unbewusst, einen gewissen, wenn auch leisen Einflnss ausübt.

Obgleich Egeling nämlich die grammatische Auslegung durcheehends mit Gewissenhaftigkeit befolgt, . so nimmt er doch bei dem Sünden fall die Schlan- ge sinnbildlich und Tur keine wirkliche Schlange (S. 13), und bei der Versuchung Christi durch den Teufel scheint er zwar sich selbst zur bnch- stSblich- geschichtlichen Auslegung der Versuchung hin-^ zuneigen, erklärt es jedoch für eben so wenig unge- reimt, oder mit einer vernünftigen Auslegung strei- tig, zu denken, dass die Versuchung bloss innerlich in Jesu Seele vorgegangen sei. Wo bleibt aber, wenn letztere Auslegung gewählt wird, die gramma- tische Interpretation, welche die Holländer doch (iir die einzig vernünftige und annehmbare erkläreü? Nur nach der philosophischen Auslegungsweise, wel- che ausser und über dem Texte steht, kann eine in* nere Versuchung angenommen werden. Sie muss man in diesem Fall unter der vernünftigen Auslegung verstehen, und ihr gleichen V^erth mit der gramma- tisch ea geben.

J. Prins,

Prediger zu Amsterdam, frähar zu Dordrecht, hat herausgegeben:

Onderaya in de hyhelsche Geschiedenissen, i^oor

Eerstheginnenden^ ifoar

Meergeuorderden,

Meestgeoefenden.

Das mittelste Büchlein ist 1823 m Amsterdam * bei Brate erschienen, und enthält in kurzen Fragen and Antworten, mit Bibelstellen, wobei häufig mehre- re FrJigen ohne Antworten zugeßigt sind, die bibUscfae

84*

532

Geschichte und die Kirchengeschichtc« Einige recht niiUliche ZeitUfeln sind angehängt.

Der Geist des Buchs lässt sich aus solchen kurzen Fragen und Antworten nicht leicht entnehmen. So viel ersieht man indess aus Frage 7 der XX. Lection 110, dass dem Verfasser Christi Tod bloss eine Ver- sicherung der Vergebung der Sünden und eines ewigseligen Lebens ist«

Der Verfasser hat auch biblische Lesebücher mit Bezug auf obige Katechismen geschrieben.

Van KooTENy

Kort Begfip der JVawrIieden en PUgten t^an den chriatelyken Codsdienst. Dordrecht 1820, bei DE Vos.

Den Geist des Verfassers kennen wir schon aas seiner Erklärung des Briefs Jacobi. Derselbe o/Ten- bart sich denn auch in diesem kleinen Lehrbuch des christlichen Glaubens für Katechisanden , welches die Religionslebren nicht in Fragen und Antworten, son- dern in kurzen Sätzen enthält, die durch ausgedrückte Bibelsprüche bewiesen werden.

Cap. IL S. 10. 11 wird vom heiligen Geiste nicht gelehrt, dass er Gott sei mit Vater und Sohn, sondern bloss: er bestehe in Gott, Gott wirke durch seinen Geist alles, besonders alles, was zur Heiligung der Menschen dient; wir müssten den Vater, den oohn und den heiligen Geist verehren, und von Gott durch Christum und den heiligen Geist alles Gute erwarten« Dies ist alles , was das Büchlein vom heiligen , Geiste lehrt« Von Wiedergeburt und Erneuerung durch den lieiligen Geist kein WorL Cap. VL S. 50 54 wird über den Glauben an Christum bloss ge- lehrt s Der Mensch müsse an Christum glauben, über .sich nachdenken und sich bessern. Gotl schenke ihm den nöthi^en Beistand zur Erfüllung aller seiner Pflich- ten, wobei Jac. 1, 5. PhiL 2, 12. 12« 4, 13 angerührt

S33

werden, aber ja keine Stellen, \^-o vom Beistand des heiligen Geistes und dem Bitten daram die Bede ist*

Indess hält er es für Pflicht, sich in einem Lehr- buch fiir die Jugend zu accommodiieo^. und die«- thut er denn so stark, dass er Cap. lY. 16. 11 nicht bloss lehrt, dass es wirklich böse Geister g^be^ sondern sogar, dass wir gegen ihre Versuchungen be* ten müssten. In der Erklärung des Briefs Jacob t zu 4, 7 lehrt er S. 207 -— 216, wie wir oben gese-^ hen, dass die Existenz von bösen Geistern, nichts wei- ter als wahrscheinlich und ihre Einwirkungen* auf Alen- sehen nur möglich seien, erklär! sich, aber so wenig. * für deren Wirklichkeit, dass er vielmehr die Geschieh-^ te von ihren Einwirkungen und Versuchungen im N. für Accomodation Christi und der Apostel an dei^ falschen Volksglauben erklärt.

Hört nun die Jugend des Morgens in der Kinder» lehre die Lehre von oen bösen Geistern nach seinem Katechismus, des Abends nach seinem Brief «facobi im Hausgottesdienst, -— denn, er empfiehlt den Ge- brauch des letzteren fiir den« Hausgottesdienst als seh» erbaulich, s. S* VI der Vorrede, mu&s sie daiuk nicht im Glauben irre werden?

O barmherziger Gott, erleuchte doch alle Accom- modationsmänner über die unseligen Fo^geB ihres Sy- stems fiir das Heil der Seelen, wie sie dadurch ihre» Schillern und Zuhörern alles Vertrauen zu Christ» und den Aposteln- sowohl wie zu ihnen, ihren Lehrer» und Predigern rauben, dadurch das Fundament ihres- Wlr-^- kens selbst untergraben,, und aller Lüge,, allev SünAr» allem Jesuitismus Thiir und Thor öffnen t klagen sie, dass das Lesen der heiligen Schrillt y/t länger je mehr ausser Gewohnheit komme, und dass selbst die crnstlichsten Ermahnungen im Allgemeinen, nur wenig Eindruck zurücklassen (s. S. III,. lY der Vorrede de» Katechismus YAN KooTElf's); wer aber gibT mehr Veranlassung dazu, als sie selbst, wenn auch ohne ihr Wollen, durch ihre Accommodationslehre, diese frucht- bare Motter des Unglaubens? Wie kann das Chri-

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stenvolk Liebe zu einem Buche bekommen, das es zwar das Buch der Wahrheit nennen hört, aber woria es nicht zu unterscheiden weiss, wo reioe Wahrheit zQ finden ist, und wo Christus und die Apostel sich den unwahren Meinungen Anderer accommodirt, wo sie bloss für jene Zeiten, und wo sie auch für es gelehrt haben? Indem es nun erst bei einigen der neuesten Kxegeten aufragen muss, wo Accommodation statt finde, und wo nicht, ach! da hört es dann, dass diese Her- ren selbst uneins darüber sind, dass ein VAN DEfi Palm mehr Accommodation annimmt, als NuNTijig- IIE, und ein VAN KooT£N mehr als VAN DER Palm! Wem soll es nun glauben? Und wenn es sich auch ein Herz zu einem von ihnen fasst, und auf seine Belehrung hört, wer bürgt ihm dann, dass die- ser sich nicht auch bei ihm accommodire, in Nacbfolge jener angeblichen Lehrweisheit Christi und der Apo- stel, und ihm nur zum Theil Wahrheit, zum Theil aber Irrthum lehre , welches beides es nun nicht wie- der zu unterscheiden weiss, zumal da es sieht, dass in den Kinderbüchern und Predigten anders gelehrt wird, als in den Büchern für I'>wachsene und Ge- bildete?

So trägt nichts machtiger dazu bei, den Eindruck der Ermahnungen und J^ehren der Prediger auf die Gemeinden zu schwachen, über deren geringe Wir- kungen in Deutschland wie in Holland weit und breit geklagt wird, als das, dass viele Gemeinden in J^eutschland wie in Holland denken, und leider den- ken müssen: Es ist unserm Kanzelredner nicht Ernst mit allem, was er predigt; er accommodirt spchl

Mögen deijn immer weniger Gemeinden Deutsch- lands wie Hollands Ursache bekommen, soldic Meinung von ihren Predigern zu hegen!

553

C) PastaraUhcelogie»

Herijnga.

KerkefyJte Hactdurager en Jtaadget'er, Ulrecht bei VAN T£RV££N £(* DE KrVYFF, L Stdck, 1819.

Seitdem' sind noch mehrere Stucke erschieneB, da es fortgesetzt wird, Es enthält na« nich faltige Rath- schlage, Winke, Anfragen und Antworten in Bezug anf die verschiedensten Theile des Predigtanits, auch ausfahrlichere Abhandlungen, Predigten, lehrreiche Le- bensbeschreibungen und kirchliche Nachrichten etc. Ausser dem' Herausgeber H£aiNGA sind nicht wenige Theologen Mitarbeiter daran. £s enthält viel Pasto* ralweisheit, die bisweilen fedocb zu sehr in menschli- che Klugheit übergeht.

Professor C. Boers in Leiden hat im 1801 ein Ilandboek ^oor jonge Predikanien b^rauAgegebeiH welches von mehreren Professoren bei ihren Vorle- sungen ilbcr Pastoraitheologie ab Leitfaden gebraucht wird.

£r bauungsbiichern, Gebetbiichern und dgl. i^t grosser Reichthum. Sie sind theiU m* spriinglicb holländisch, theils aus dem Deutschen,' einige auch aus dem Englischen übersetzt« Zu den beliebtestea Verfassern solcher Bücher gehören Cla* RISSE und B. V^RWEY, emerkirter Prediger im Haag. Dieser hat auch viele der religiösen Schriften von GlATZ in Wien übersetzt, da er desselben modern - ästhetischen Geistes ist» Auch die Stun- den der Andacht sind, und zwar vom lutherischen Prediger Koll zu Amsterdam, ins Holländische über- setzt.

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y. Theologische -^Zeitschriften.

Da die theologischen Zeitschriften eines Volk» ei- fiea tiefen Blick in den bei ihm herrschenden tbeolo- giscbeu Zeitgeist thun lassen 9 und dieser sich In jenen am offensten enthüllt, weil die recensirenden Theolo- gen darin anonym zu Feld ziehen können , so folgt hier, um ein möglichst richtiges Urtheil über den Geist der gegenwärtigen holländischen Theologie vorzabcrei- ten, noch eine kurze Beartheilung der vier theologi- schen Ilauptzeitschriften.

/) KaderUmdache Letteroefeningen.

Sie erscheinen in Monatsheften hei VAN DER Kboe und Ymtema in Amsterdam; bisweilen auch in mehr als 12 Ueflen tm Jahr. Jedes Heft hat 2 Abtheilan- gen. Die erste enthält Recensionen, nnd zwar auch iiber andere als theologische Schriften, jedoch vorzugs- weise über letztere. Die zweite, unter dem Titel: Mengelwerh, enthält Antikritiken, literarische Briefe^ Anekdoten, kleine Romane und Gedichte.

Der Geist der Zeitschrift ist mnnter, belebend, witzig, obgleich nicht tief eindringend, sondern mehr oberflächlich, die Gleichgesinnten allenthalben über die Maassen lobend, die Altgläubigen bitter und beissend verspottend, und aufs härteste tadelnd, überhaupt durchgehends rationalistisch. Sie hat ein sehr grosses Publikum.

Im Julyheft 182S S. 368 370 wird den Apo- steln die Inspiration ganz abgesprochen, und Christo die Gottheit und die Ehre der Anbetung.

Im Maiheft 1828 S. 226 wird Christi Lehre unterschieden von der Lehre der Apostel, in wel- chen das Göttliche sehr mit dem Menschlichen ver- mengt gewesen, und wodurch der eigentliche und all- gemeiae Sinn der Bibel sehr verdüstert worden sei»

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Nach S. 228 hatten Moses und Abraham keine ge- yflsse Ueberzeugung von der Unsterblichkeit gehabt.

Im Aprilheft 1828 S. 253 werden den engli-^ sehen Missionären Vorwiirfe gemacht, dass sie den bekehrten Heiden die unschuldigsten Freuden, ~z. B. das Tanzeuj nähmen«

Mtfr die ganz <^rass ungläubigen Aenssernngen wer- den gerügt 9' so die merkwürdige Aeusserung des ge- lehrten P. Gr. \yiTSEN Gtsbei^k in seinem Bio» grcmhisch jirUhologisch en Critisdi ff^oordenhoek d^ neaerdidtscJie Vichiers^ 6 Theile, Amsterdam 1822, worin er das Christenthum die baktrisch-aramäi-- sche Mythologie nennt, und sagt, dass die ortho-^ doxen Prediger berufshalber dieser den Vorzug vor der ägyptisch -griechischen Mythologie geben müssten. S. April he ft S. 190.

Die Vertheidiger der Dordrechtschen Kirchenlehre werden mit niedrigem Spott und unwürdigem Schimpfenr verfolgt, so Baron Zutlen VAN Mieveld und Prediger BäHLER AplhfL S. 191, VAN der Biesen Jalyheft S. 376, BilderdTK und CapadosE Jn- nyheft S. 303 und Augusthefit S. 434, wo selbst auf eine gehässige, niederträchtige, die Kerdrctagzaamheid der holländischen Rationalisten in ein wenig günstiges Licht stellende Weise die Obrigkeit gegen beide an« zureizen gesucht wird.

a) JBoekzaai

der gekerde Wereld en T/dedirift poor de pro» testantsche Kerhen in het Kaningryk der Nederkmden. Amsterdam bei Onber DK Linden.

Auch diese Zeitschrift erscheint in Monatsheften, und besteht in 2 Abtheilungen, der kritischen und dem Mengehperh* In letzterem kommen auch ganze Pre* digtcn vor, und officielle Nachrichten über Kirchen, Schulen und Universitäten, kirdilich - finaneiellt An- kündigungen und dgl. werden hier eingerückt, zu wel-

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cbem Zweck diese Zeitschrift von der reformirlen Kir- che eigens erwählt ist (s. rAH der Tuuks Hand- iHH!k I. S. 197).

Der Geiät dieser Zeitschrift ist gemässigt, und b^ hauptet eine gewisse äussere Würde und Ernst So werden Aprilheft 1828 S. 431 bei der RecensioB } von BilderdTk's Schriften» wenn sie auch getadelt werden, doch seine grossen Talente und das Schöne und Edle seiner Gedichte anerkannt. Indess berrsdl auch hier der Rationalismus vor, wie denn Christi Tod bloss als Bestätigung seiner Lehre aDgenommea wird, da es sich nicht mit Gottes Liebe vertrage, dass

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tremen der übertriebenen sogenannten Rechtgläubigkeit und der zu hohen Erhebung der Vernunft und ihres Einflusses, besonders der aeutschen Neologie, nnd die jetzige holländische Theologie wird gerühmt, diss sie auf dieser glücklichen Mittelstrasse stehe. Daher wird erklärt, dass der Verfall des Protestantismus in Feldhoff's (damals deutsch - lutber. Predigers n Nym wegen) Predigt zu schwarz geschildert sei. Man möge wohl eifern, thuc es aber doch hezadigd (gema- iigdf perdraagzaam) en menschtitndigl s. August- heft 1828 S. 155.

5) Godgeleerde Bydragen.

Dies ist eine rein theologische Zeitschrift, hat un- ter den Theologen am meisten Ruf, und besteht schon seit sehr langer Zeit, früher unter etwas anderem Ti- tel- Jährlich erscheiuen mehrere Stücke, deren 0 ei- nen Theil ausmachen, Amsterdam bei \V. Brave.

Auch der Geist dieser Zeitschrift ist gemässigt und behauptet eine gewisse äussere Würde, ist jedoch eboi- falls rationalistisch.

III. Theil Vf. Stück 182» S. 803 und 804 sa|;t der Verfasser einer (hcologischeii Doctordisserlation

339

^^über Psalm 16, VoRSTMAN: Der Apostel Paulus habe

•^sich Ap. Ge^cb* 13, 34 mit dem Bezugnehmeo auf

Jes. 55, 3 geirrt Dies wird vom Recenseoten Diclit

^'getadelt, sondern nur bemerkt: ,yht dies vorsichtig

byygenug also gestellt?**

& S. 867 wird VAN K o o T £ n's Erklärung des Briefs

^ijacobi sehr hoch gerühmt.

Si- S. 881 -* 887 wird in einer Abhandlung die ge«

wf rühmte geistige und körperliche VortrefHicfakeit der 3- ersten Menschen bestritten , und behauptet, dass der ■tf Sündenfall für den Körper der Nachkommen keine u pachtheilige Folgen gehabt, auch die den ersten Ael- i tern angekündigten Strafen sich nicht weiter als auf sie »c aUein erstreckt hätten.

a S. 898 901 wird höchlich gebilligt die £rklä-

» rung von 1 Cor. 2, 14, welche ein holländischer Pre- j diger Beddi^gius glbt^ „dass unter dem natürli- chen Menschen bloss verstanden sei: ungläubige ,Heiden, welche das Evangelium öfTentlich verschmäh« fe „ten, und dass die andere Erklärung, welche den Meu« ,«chen im Allgemeinen darunter verstehe, eine schwär- .merlsche, verdammungssüchtige, onuerdräagzame Er- ^klärung sei. ^'

S. 815 917 wird erklärt, dass Christi Verhcis- sung: Durch den heiligen Geist in alle Wabrheit su leiten, bloss den Aposteln gegeben sei, und die Mei- nung, dass das rechte Verständniss der heiligen Schrift, und somit das Finden der Wahrheit in derselben eine besondere Gnadenwirkung des heiligen Geistes erfor- dere, der die Augen des Verstandes öffnen müsse, sei falsch und schwärmerisch. Auf keine andere Weise könne man sonst die röm, katholische Lehre von der Unfehlbarkeit ihrer Kirche widerlegen.

XIV. Theil 11. Stück 1826 S. 306. 307 wird es für sehr überflüssii;; und schädlich erklärt, die Christen zur Wachsamkeit gegen falsche Lehren zu ermahnen. Dies flösse nur Mislrauen bei den Einfälligen ein, und sei in der gegenwärtigen holländischen Kirche iiichl nöllilg, wo vielmehr zu danken sei für das Hcrr-

9»'

„1

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scben der Vertraagzaexmlieid^ den Fortgang der fireiei Untersucfaong der hl Schrift u. s. w.

^ Nieuw ChrUtelyk Maandschrifi

4HXjr den bescJiaafden Stand, uUgegeuen dofSf } jRiihg8t^rg€iaering f^tm Amsterdanh. Bei X VAN DEa Hey zu Amsterdam.

Das erste Stück des IV. Theils 1830 eodiä nichts weiter als 3 Aufsätze, von dem Weg xar £^ langung des 6;öttlicben Segens über Spr. IG, 3, vm den Aehnlichkeiten zwischen den Krankheiten des Lei- bes und der Seele, und von dem Tischgespräch Chn- sti Luc. 14, 7 11, von den Amsterdamer Predi- gern Prins, Biehm und Broes, welche ihre N^ men darunter gesetzt haben, endlich noch ein kircbea-

historisches Aktenstück aus dem Beformations - Jab^ hundert.

Die 3 Aufsätze sind Im dreiste aligemeiner Moni geschrieben, und es finden sich darin keine ungläobtfe Aeusserungen , im Aufsatz von Broes vielmehr wt Bezeugung seines Festhaltens an der Versöbnungslebe^ was wir schon oben bei ibm anerkannt haben»

In den früheren Theilen der chriatefyh nuumi' Schrift dagegen sind Spuren eines rationalislisdiea Gei- stes unverkennbar.

Im I. Theil vom J. 1822 wird in einem Aoßais iiber den Beligionsunterricht von Kindern S. 512 ge- sagt: „Da das Christenthum die Gottheit dnrch Gbri- „stum, das Bild Gottes, versinnliche, und demnach ,ieinfacher und kindlicher als die natürliche Religio* „seiy so sei die christliche Bei igrons lehre der A- „B-C-Ünterricht; während die Lehre der natür- jjlicben Religion eine höhere Klasse von Un- „terricht anbiete, einen Unterrieht für Philosophei^ „für Verklärte, für Engel. Und wer möchte mit sei« ,3nen Kindern in der höheren Schule anfangen-, xm „hernach mit ihnen zur niederen Schalelierabn- 9>steigen ?

^i

541

S. 551 Wird das Beten zii Christo mlssbilligf,

daher auch das Anleiten der Kinder zum Beten, so

lange sie bloss über Christum Cnterricht erhalten, und

, ^noch nicht Gott den Vater kennen, abgerathen, und

. .angerathen , sie erst bei späterer Entwickelung dazu an-

zuleiten. „Wie dringend nothwendig, heisst es da-

^ „selbst, müsste wohl das Gebet sein, wenn zu rathen

,,wäre, so lange das kleine Kind Gott, den Vater un-^

jl 99sers Herrn, selbst noch nicht kennen gelernt hat, da-

9,rur das Gebet zu Christo einstweilen an die Stelle zu

J ,^etzen?"

2^ ' Im 111. Theil vom J. 1824 wird S. 232 gesagt: .Das erwachende Gewissen bei dem Verräther Judas zeuge doch von der sittlichen Vortreff lichkeit n unserer Natur«

I S. 264 wird Christo Hinneigen zur Melan-

cholie beigemessen.

Diese Stellen aus dem !• und IlL Thle. habe ich,

j <la diese Theile mir nicht selbst zur Hand sind, aus

Capadose's oben angeführten Omstandig Verhaal

* ffon de JVederroeping der BenoenUng i^an JBrass^

1825 genommen 4 welcher die Stellen wörtlich und

' weitläufig anfuhrt. Da ihm meines Wissens die Wort-

j treue in diesen Auszügen nicht bestritten worden, so

* habe ich kein Bedenken tragen können, hierin sein

' Euch zu benutzen.

Dass neben diesen 4 mehr oder minder rationali- stischen Zeitschriften keine einzige entschieden gläubige vorbanden ist, welche dem feinen und groben Unglau- ben muthig und besonnen Widerstand biete, so dass jene nun die öffentliche Meinung in der theol. Welt beherrschen können, ist eine Aehnlichkeit der gegen- wärtigen theol. Zeit Hollands mit der Semle Ri- echen Periode in Deutschland.

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542

HB«

Grosser Unglaube in der Kirche. Eni- standener Kampf gegen den Unglau- ben^ und hierdurch entstandenes neuti Leben des Glaubens* Aussichten it die Zukunjt,

Aus der vorstehenden Schilderung der neuesten dieo* logischen Denk - und Lehrweise und der von ihr dnrck- drungenen neuesten theologischen Literatur Holland ergibt sich für jeden Unbefangenen, dass der Glaak der holländischen Kirche in seinen innersten Gmndle- sten erschüttert ist, und zum Theil bereits vor einci feinen Unglauben zu weichen angefangen hat.

Merkwürdiger Gang der holländischen Theologie* Kachdem sie manches Jahrzehnt länger als Devtschlaa' der Nuolögie widerstanden, so musste anch sie, wd sie meinte, den Glauben durch ihr orthodoxes Systa* und durch die natürliche Bedachtsamkeit des National- charakters festhalten su können, auch nachdem der Geist daraus gewichen und nur eine todte Bechlgb''

i,

543 ,

Iiigkeit zuriickgeblieben war, erfahren, dass selbst die Kisenfestigkcit einer bloss äusseren Orlhodoxie endlich vom Roste der neaernden Zeit zerfressen wird, wenn sie nicht mit dem Oel des lebendigen Glaubens, mit dem Freude nöl des heiligen Geistes (Hebr,

1, 8. Ap. Gesch. 10, 38. 1 Kor. 1, 21, 22. 1 Joh.

2, 27) besfandig gesalbt; sondern dieses vielmehr für Gift der Schwärmerei erklärt und verworfen wird, musste erfahren, dass ohne solchen Beistand des Gei- stes die allergrö'sseste fleischliche Bedachtsamkeit der List At^ Unglaubens nicht widerstehen kann, welcher sich in alle Gestalten zu verwandeln versteht, und un- ter den Bedachtsamen bedächtig einhergeht.

Ilochwiehtige Lehre für die Kirche Gottes! So taugt es denn nie und nirgends. Fleisch für seinen Arm zu halten! So ist es denn die thörichtste und verderblichste Anmassung zu glauben, dass, da das sinnlich -natürliche Leben im Menschen ein Ende hat, sobald die Seele aus ' dem Leibe entweicht, dennoch das christlich - geistliche Leben der Kirche (des Leibes Christi) fortbestehen könne, ohne das beständige Da- sein und Beleben des heiligen Geistes, bloss durch die Kraft eines Knochengerippes todter Buchstabenortho- doxie !

Das hat zuerst England, tlann aber noch mehr Deutschland im vorigen Jahrhundert erfahren, dessen evangelische Kirche, wenn schon in der Gene- sung; michti^ fortschreitend, noch immer blutet an den vom Unglauben ihm geschlagenen Wunden. Dasselbe hat darauf Dänemark erfahren und erfährt es noch.

tiÄA

Dieselbe bittere Erfahrung machen jetxt die CTangeli- schen Kirchen Schwedens, der Schweiz und Hol- lands, wo die Neologie sich nan niederlassen lo wollen scheint, nachdem sie sich in Deutschland nidiC mehr heimisch fiihlt, wo sie gegenwartig immer mekr entlarvt und in ihrer Giftmischerei erkanni wird.

Dass namentlich in Holland die mächtige Glau- bensfeindin noch wenig in ihrer wahren Gestalt er- kannt, nnd ihre Mähe, ja ihr Eingedmngensein miUai in die Kirdie noch wenig geglaubt wird, das beieiigen die neuesten Lobreden rieler holländischen Theologeo, welche den jetzigen Zustand der Theologie -als cinei Znstand der blühendsten Rechtgläubigkeit mit den an* gemessensten Lobsprüchen bis zum Hinunel erheben*).

*) S. H. B CUM AN (Professor der Theologie so Ut- recht) Oratio (qcademicä) de Belgw, DitcipUnae theo- iogieae nottra inprimü aetate, sede puleherrima et maxime opportuna, gehalten Mai 1823, Utrecht bei

TAN PaDDENBURO.

J. J. Dermout Synodale Leerrede 9 gehalten Jol« 1823> Haag bei de V isser.

B. R. DE Geer Oratio (aeademiea) de TJieoUgiäf noutra aelate in Beigio feiiciter exeulia, gehalten Juni 1826, Groningen bei OomcENS.

W. Broks Over de Vereeniging der Proiettt&Kte» in de Nederlanden , 1822 S. 298, u. A.

1d allen diesen Lobreden wird das gegenwflxtige Vorbandensein der theologischen Lehrfreiheit als das sichere Kennzeichen des goldenen Zeitalten dsr Theologie angeführt. Mit welchem Rechte! Dar^ über haben wir oben geredet

545

» IWI

hoth ui die Ge^eriwart jeofe^ Ve>kapt>t«ii F«Iiidrif di!ii Holländern, Gott sei Dank! nicht ganz verborgen gebliielben. Seit dem J.1823 aind i^ehrere ent^cbied^H gläubige Männer zum ernsten AngriCT ihr entgegenge« tireten, nnd haben ihr vor Ihrön MitbSrgem die Mask^ abzureissen gesucht, dicht sehen^nd den Hohn und Spott ihrer Aühängef.

Der Vdrg^nger diesem K^'mflfe wstr j. DA Costa (vgU Bd. S. 129. 12A) darch die Herans- gabe seinem Bezuforen iegeh dtft Gebet der JSeuU^ (Be-^ «ehwerden gegen den Zeitgeist) im J; 1828* In iti Abschnitten, überschrieben: Godedienei , Zedefyhhddy Verdraagzacanheid en Menechefykheid ^ Schoone Kun^ steny fmenecTiappen^ OotutUutiey Geboorte, PubliehB €>pinie^ Onderufyä^ yiyJuid en VerUthtirlg i schildert er die Gebrechen nnsers sich aufgeklärt diiokendeii und sich selbst so hoch erhebenden Zeitalter^ j irie e9 in Unglauben^ Unsittlichkeit und Selbstsacht ^o tief ▼ersanken sei, eine so falsche and terderblicbe Tole- taiiz gegen religiöse and (»oliti^che Freiheitsschwärme^ rei ausübe^ dorch sfeine ftine Geäasssticht und Yer- gniignfigswoth" allen höheren Ernst dea Lebens ver-2 nichte, durch eine den Ehrgeiz tnd die Yielwisserei befördernde Uiite^ri(:htsmethode eihe .dem Volks- nnd Staats -Wohl so nachtheilige Ehrsacht und Sächthei^ des Wissens v^brelte> durch Seiiie Constitutionswatk und Abgötterei gegen die öfTentlichcf Meinung alleri Gehorsam gegen Obrigkeit tfnd Gesetz so Kehr unter- grabe) dass^ es keineswegs Grand habe, die verflösse- - nen Jahrhandertt ab in Barbarei und Finstemiss tI^'^ IL M

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sankene Zeiten zu veracliten, und sieb stolx aufsein Licht über sie su erheben« Vielmehr drohe dies Irr- licht des religiösen Unglaubens und der politischen Fr^iheitswuth allen Staaten den Untergang» wenn man nicht sum Glauben« an Christum und xum Gehorsam gegen die von Gott verordnete Obrigkeit zurückkehre. Am Schluss bemerkt er zum Trost für die Glänbigen, dass sich doch schon manche Spuren eines die Nacht durchbrechenden Morgenroths in der WledererweckoDg eines neuen Glaubenslebens in England and andern Ländern, in den Bekehrungen vieler »^den und Hei- den n. s. w. zeigten.

Diese Schildeiiing entwirft er mit starken , meist sehr treffenden Zügen, wobei er denn leider in sei- nem Eifer Einiges übertreibt, zu der Rückkehr zam Glauben die Rückkehr zur Prädestinationslehre fiir un- umgänglich nöthig erklärt, die Abschaffung der Neger- Sklaverei für ein philanthropinisches, nuansnihrbares Hirngespinst ausgibt, da auf den Negern als Abkömm- lingen Harns noch der Fluch Noahs laste, und jbr Geist und Körper tief u^.'er den Weissen stehe, end- lich zu viel, nach alter holländischer Weise, das Po- litische in das Religiöse hinelnfliesst.

Durch dies Büchlein traf DA CostA gerade Jen (aalea Fleck des Zeitalters, seine ungeheuere Selbst- sucht und dessen Hochnlnth auJ seine Verdienste« Eine Fluth von Gegenschriften, worunter viele schmä* hend und lästernd, meist ohne Namdn, zeigte, welch* eine empfindliche Seite berührt worden. Der grcMtste Theil def Gebildeten^ auch der Prediger, erkBite sich

547

Entschieden gegen ihn; ein grosser Theil des Volks aber trat auf seine Seite, nnd verehrte ihn als <]en Vertheidiger des alten Glaubens. Noch in demselben Jahre erlebte das BUchlän viele Auflagen. -^ Im Jahr 1824 gab er j^die SäddücSer** heraus, worin er 1) den Uoglaaben der jüdischen Sadducäer, 2) den sad- dacäischen Unglauben der geg^niitärtigen Geologie, und ä) den saddncäischeh Unglauben der Remonstranten des 17ten Jahrhunderts aufzudecken suchte. Mehrere ähnliche Schriften Hess er bald darauf folgen, s. B; Geistlicher Waffenrüf, Gott init uns o. 6. w. Durch diese im Feuer der ersten Liebe tind ihit kräftiger B^^redsainkeit geschriebenen Schrifteil gelang es ihmj die schlummernde Kirche au& ihrem Schlaf und dem Traum eines goldenen Zeitalters aufzuwecken^ die Äugen aller Christen auf den Zusfaüd der KJrchä zu richten j in Vielen ein neues Leben des Glaubens anxuregen^ und viele Schwankende zu starkeii. h'äii^ er nur mehr deli Standpunkt der heiligen Schrift j als der Dordrechtscheii Sjüödc festgehalten^ das politische Element mehr bei Seite gelassen, und sicli weniger einseitige, härte Urtheile^ namenuich 4uth über einigd Häupter der alteii Beinönstrahteti^ als Spuren eines iiöch nicht ganz demüthigen Herzens erlaubt! £r würde danü in ungleich grösserem Grade trohlthätig gewirkt häbcä^ wahrend jetzt die Gegner durch Auf- deckung seiner gezeigten BlÖsfien tind Extreme nicht Venige Schwache zuriickschrecken, und das viele Wäh- re seiner Schriften in Schatten stellen könnten ^ S^'as ^id denn auch eifrig thaten.

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Indess hatte diese Aufregung der Kirche immer sehr'wohlthätige, sich noch mehr und mehr entwickeln- de Folgen. Nicht wenige Vettheidiger stellten sich za seiner Seite, welche das Ueberhandnehmen des fetnen Unglaubens in der Kirche durch Schriften bestätigten, so die frans^sisch-reformirten Prediger BAehler und James eu Zwo 11 und Breda durch Herausgabe Ton Predigten mit Bemerkungen über den Zustand der Kirche^), der mit Da Costa com Christenthnm übergetretene Dr. Med. Capadose, welcher einen gleich entschiedenen Glauben, wie Jener, und ylei Geist 9 aber noch mehr Einseitigkeit und Hä'rte in seinen Schriften offenbarte, so besonders in seinem BSchlein über die Kuh p ecken impf nng, worin er diese, als ein Gott -Vorgreifen bestritt, und in seiner bcreiU (S. 22) angefiihrten Schrift: über die Zu- rücknahme der Wahl des etc^ Brass sum Aeltesten etc., welcher er Bemerkungen iiber den Zustand der vaterländischen Kirche beigefiigt, so Baron

♦) Unter diesen Predigten zcfichnet nlch die ron Ja- mes über Rom, 3, 9 ^ 24 aus, mit dem Thema: Hei diepy voMagen (völlige) en algemeen bederf va» het menseheipk geftaehi^ en het eenig middei, warn- door de zoridaar 6jf God kan g^echtvaardigd worden^ nit het ff^änich, AmsteTdafti bei DEN Ouden 182fl^ tfnd «eine Verlheidigung derselben gegen zwei un- gläubige Recensionen in der röm. katbolischen SEeit- Schrift: de UUramontain, und in der protestantischen Zeitschrift: Vaterlanduhe LetteroefenimgeH ^ wo die protestantische Neologie und derPapismus, wie oft^ gegen den Glauben die Hände susammenschlugen.

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ZUTLEJ9 VAN NiEVELD, der berühmte DicLter

BiLDEBDYK, VAK DER BlESEN U. A.

Yornüglich viel Adfsehen erregte der Aufruf de« englisch - bischöfliehen Predigers ThelWALl su Aiq- sterdam an die Miederländer in Folge der Ueber«- schwenimungen im Jahr 1825 unter dem Titel: Ke^rt V top hem, du Staat! eenß chriatelyke opwekking aan de Nedsrlanders hy g^genheid paa de tegenwooTf dige Qi^^Hicoomingen. Anisterdam bei DEN Hengst, 18^5, worin er mU Bezug auf Jes. 9, 12. 13 diese UeberschwemmuDg für ein Strafgericht Gottes erklärt wegen des jettigen Ueberhandnehmens der Unsittlich- keit, des Unglaubens; einer Predigtweise, welche die allgemein^ Sündhaftigkleit, die Wiedergeburt uqd die Wirkpngen des heiligen Geistes ganz in den Ilintei'- grund stelle, so dass selbst die eifrig viele kircfaenbe- sacl^e^den Christen klagen könnten mit den Worten Ap. Gesch. 18, 2s »jWir haben auch nie gehö- „ret, ob ein heiliger Geist sei^', und einer verkehrten Friedfertigkeit vieler Hirten, welche, um nur dem Vor\|irorf, den Frieden der Kirche zu stören, auszuweichen, auch mit den in ihren 3chaa(stall ein- dringenden Wölfen Friede und Bruderbund schlössen.

pa die Wahrheit dieser Anklagen ni^ht widerlegt werden konnte, und selbst angesebeqe, der liberalen Parthci zugetbane Prediger,' wie ein Broes viele Wahrheit darin zu erkennen, öffentlich erklärten, wenn auch einige Uebertreibnng darin sei*), so schlössen

*) ,^Ih de aankiagi onzer eeuw van DA Costa hlyft Waarhtid genoeg overig^' s. de EngcheAe Kerk II,

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«ich immer Mehrere, hier und da aach ans den höhe- ren Ständen an d!e Vertheldlger des Glaubens aO}

l'lil. S. 358, obgleich er noch wenige Jahre vorheri 1822 in seiner Schrift: Over de Vereenigimg ete. 8. 208 (8. oben) das allgemeine Herrschen des Glau- bens in der reformirten Kirche Hollands sehr staik gerühmt hatte. ^-

Wenn demnach ein mitten in diesem Kirche le- bender erfahrener Theologe schon naph 3 Jahren sein Urtheil über die Uerrachaft des Glaubens ia derselben so sehr modificiren musste, so ivird man es auch wohl bei mir Ja entschuldigen, dass ich nach dem Verlauf von fast 6 Jahren seit der Her- ausgabe meiner liturgischen Mittheilungen aus Holland und England, Essen bei Bakoeker 1825, ein darlfi S. 96 enthaltenes Urtheil über die in der holländischen Kirche herrschende Recht- gläubigkeit und gesunde Schriftauslegrung jetzt etwas modifipiren muss« in Fplge der seit sechsthalb 9 oder Tielmehr seit achthalb Jahren (seit dem J. 1823» wo ich nach Holland kam) statt- gehabten deutlicheren Entwickeiung des in jener Kirche vorwaltenden Geistes , und in Folge des seitdem von meiner Seite genauen Stadiums der holläiidisphen theologischen Literatur, dessen Haupt- resultate oben mitgetheilt sind.— Die Steile in den liturgischen Mittheilungen heisst also: ^,Mag denn „auch nach dem Verfasser der Kritik etc. 8. 24 4,Bentii99i von der holländischen Kirche glauben, yydass die freie Textwahl in ihr Schaden gebracht 9,habe, es widerlegt ihn 1) die Erfahrung der hol- „ländischen Kirche, auch in der neuesten Zeit; es „widerlegt ihn 2) das übereinstimmende Z^ugniss „der holluudischen Prediger und Gemeinden von den „segensreichen Folgen dieser Freiheit; es widerlegt „ihn 3) das blühende Leben dieser Kirche a) in ' „evangelischer Rechtgläubigkeit, 6) in gesunden

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und erweclfen sowohl in sich, als in Andern das Feuer eines lebendigen Glaubens an den Herrn.

;,TOn Engherzigkeit freier Schriftauslegung; e) in «,ihrer von Mottoprcdigen entfernten, jetzt so hoch ^»ausgebildeten y hoinilienartigen Predigtwelse; es »^widerlegt ihn 4) die gerade hieraus entspringen- 9,de grosse Bibellust und Bibelkenntniss und Kirch- „liclikeit des Volks.''

Das unter No. J. 2. 3, e und 4 von der hollSndi- scheii Kirche ausgesprpchene LfOb kann ich hier voUkpinmen bestätigen, und habe es durch die oben darüber beigebrachten Belege bereits bestätigt. Nur das unter ^, a und b ausgesproche9e Lob kann ich jetzt nicht in seiner Unbedingtheit und AUgemein- heit bestätigen, ^veil in der genannten Blüthe etc. sich seitdem der darin verborgene 'Wurm des Un- glaubens, der sie zu zerfressen droht, deutlicher geoffenbart hat, Vielehen ich denn auch oben ge- nauer nachgewiesen hs^be. Zu meinem Entschuldi- gung darf ich femer "wohl bemerken, dass van DER Palm's Bibelübersetzung und B^f voor de Jeugd^ aus welchen man besonders den neologisi- renden Geist der neuesten Schriftauslegung erkennt, im Jahr 1823 erst im Erscheinen begriffen waren, eben so Ypet's und Dermout's Kirchengeschich- te, dass die meisten der hier V^urtheilten Schriften von Wys, Broks, Priks, vadi II^ngei^ u. erst nachher erschienen sind, eben so die dogmati- sche Schrift von Brower, - dass endlich eben in jenem Jahr 1823 zuerst Da Cqsta's berühmte Schrift gegen den Zeitgeist erschien, welche den ersten Impuls zu der seitdem entstandenen theolo- gischen Aufregung in Holland gab, worin so Vieler Herzen offenbar wuinien.

Uebrigens bleibt Benthem's Meinung von dem Schaden der freien Textwahl nach wie vor durch- aus falsch, indem diese eben so wenig die Abnah-

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5sa

Uoterdesg tr»! im Jabr 1827 eine anonjine Jdm qan alle nyrm kerporißdü Qehofßgenoten. Amsterdan bei DEM Oi'DEN ins Licht Diese Adresse, in daen rultigeo und gemässigten Tone abgefasst, die übertru- benen Ansdriicke von J)a Costa, Capadose«. selbst misbilligend^ klagte indess nicht ipinder über das Verlassen der Dordrechtschen Kircbeplehre too einem grossen Tlieile ^tt Prediger und Laien , und zugleich über die reformirte Generalsynode, welche diese Abweichang durch manche ihrer Verordnungen befördere. Namentlich habe sie die Bande des Glan? bens auflösen helfen du^cb d^s Zugestebeo einer unr bestimmten Freiheit an die Prediger, die Ijtargischeo Formulare belni Gebrauch beliebig abzuäfidern^, fer«

nie der Rechtglfiubigkeit in Holland befSrdorl hat, als das Predigen über die Perlkopen die RechtglSu- bigki^i^ in den deutschen Ländern, wo es eingeführt war, bewahrt hat Vielmehr bestand notorisch ge- rade in den Gegenden Mittel- und Norddeutsch* landsy wo der Rationalismiis sich am ung^ebindertsten und schnellsten ausbreitete, der P^rikopenzwang. Q Hierüber bat d|e Synode in ihren Verordnungen über den Gottesdienst untcrpi \i. Jui. J817 erklftrt: uFepier \/it mit Bezug auf unsere liturgischen ^Formulare bei der Syr^ode wohl in Eruä^ung ge- ukonimens ob das Aufstellen neuer} oder etwa das „Veründerif der alten zur Beförderung ^inef erbau- yjicheren Feier der Taufe und des Abendmahls die- „nen könnte. Jedpch ist sie derselben Meinung gn- „wesen, dass diese Maasijregel i^npassend und nicht 9>an 4er Zeit s^in möchte. Es sind doch die litur- „gischen Formulare cum Gebrauch von Predifrera »»aufgestellt, welche noch nicht gehörig ii| ^^n

ner durch das Aufsteilen der zweideutigen, und somit nicht ehrlichen V^rpflichtnngsfonnel auf die symbolischen Bücher (S* 30. 31). Der grosse Verfall in Kirchlich- keit und Sittlichkieit rühre eben von 'dieser Lauheit In Aufrechthaltung des Glaubens her, und von dem Man«^ gel eines ernstlichen Predigens unserer Sündhaftigkeit der Busse, der Wiedergeburt und der andern Wir- lungen des heiligen Geistes, von dem Mangel des Hausbesuchs und ernster Seelsorge, endlich von der gegenwärtigen Beschaffenheit der Universitäten 9 wp die

,,Theilen . des heiligen Predigtamtes geübt ti-^ren^ ^yund >velche daher nöthig hatten, durch gewiss^ „Vorschriften an eine passende und gleichmSssi- „ge Leitung gewöhnt zu werden. Dieses Bedürf- „niss besteht nicht mehr; daher denn auch ver<r „flchiedene liturgische Formulare bereits aiisser i^Gebrauch gekommen 9ind, und in andere ver- y^chiedene Abkürziingenj Zusätze und Verftnderun* „gen gebraucht zu werden pflegen, unbeschadet ^jihres Geistes. -^ Die Synode hat daher geurtheilt« pdass das Festsetzen neuer Formulare, oder von ,, Veränderungen in den alten, die Prediger beschrän- „ken, und den Geint an neue Banden legen inöge.'< 8. VAN DER TuuKS Ha^dboei l. S. 159. 160* Diese Erklärung der Synode hat die vorher schon bestehende \l'illkühr vieler Prediger in beliebiger Veränderung der Formulare allerdings sehr beor- dert, so dass diese meistens sehr abgekürzt und oft mit den verschiedenartigsten Abänderungen , nicht unbeschadet ihres Geeistes, gebraupht werden.

Diese Formulare sind aus der pfälzisch-re- forniiiten Liturgie entlehnt, und ins HplUindi- ^che übersetzt wqrdcn. .1« Ypby <& Peamout Kir- chengesclüchte 1. S. 525 IT.

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: ben könne, die Ruhe- der Kirche zu stören. Der Kö- i nig erwiederte darauf mit Bezeigang seines Missfallens, r dass er auf desselben ErklKrang und Versprechen hin ; die 3ache auf sich beruhen lassen wolle.

Alle diese Aufregungen haben indess dazu mitge- wirkt, ein neues, frisches Leben des Glaubens In der schlummernden Kjrcbe zu wecken, nnd es ist von der Gnade ies grossen P{scho(s und Erzhirten der Seelen zu hoffen, dass dasselbe als ein heiliges Feuer immer weiter um sich greifen und den kalten, erstarrenden Unglauben austreiben werde. Ja gewiss wird dies ge- schehen, wenn namentlich die gegenwärtigen Streiter für den (glauben als ein junger, trefQicher, aber noch g'abrender W^{q ausgegohren haben nnd milde gewor- den sind, wie Da Costa denn wirklich schon ^iel milder geworden sein soll, und dies auch aus sei- nem oben angeführten gesalbten Antwortschreiben an JaE Sage ten Broek hervorzugeben scheint, wenn sie iUe Pr'adestinationslehre weniger als nnent- ))ebrljches Schiboleth für jeden Gläubigen aufstellen, wenn sie nach dem Wort des Herms Mein Reich ist nicht vqq dieser Welt, und nach seinem Beispiel das Politische nicht ins Kirchliche und Chiist- liche hineinmengen, wenn die Mehrzahl der holländi- schen Theologen es wird über sich gewinnen können, |]en (leissigen Gebrauch, welchen sie von den un- gläubigen deutschen Schrißen bisher gemacht haben, auch* auf die neuere gläubige theologische Lilcratur Deutschlands überzutragen, einen Unterschied zwischen dem falschen and dem wahren, vom ächten

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Christenthome unzertrennlichen Mysticisoias xa macliei^ und dem heiligea Geiste demnach wieder seine Stelle In dem Heils -Weg und Werk einzuräumen *), wena In die Volks- und gelehrten Schulen das chrisüidie Element wieder mehr eintreten wird, wenn die )ongefl Theologen, mehr praktisch zum Seelsorgcramt werdei herangebildet**), und selbst eine treue Seelsorge aof der Universität geuiessen werden, und wenn so der

'^) AVie wenig es dem Theologen Ehre macht, dn heiligen Geiste seine 'Wirkungen abzustreiten, uid welch' ein betrübendes Zeichea es für seine Theo- logie ist 9 erklärt der altCi treffliche reforniirte Klr chenlehrer Piriire Dumoulin (geb. 1568) sehr trpffend. Nachdem er Gal. 2, 20 »Der Sohn GoC- 9>tefl hat mich geliebet, und sich selbst für micl »gegeben'^ angeführt, sagt er: »»Dieses für nick { ,>ist die Sprache des Glaubens. Das ist das imen y,Zeugniss^ das der Geist der Ivindschaft unaem „Geiste gibt, wenn er zeuget, dass ivir Gottes Kii- ,,der sind, lieber dies geheime Zeugnis« dci „Geistes Gottes spotten unsere Gegutfi „weil si^'s nicht kenuep, indem sie vub „dem Gefühl, das Gott seineu Kinderu „gibt, urthellcn nach dem Maassstab ihrer „Fühllosigkeit.'« 8. La tainie d^ei ritte y iiree in ecriis des piug eeiebre» docieuru de Veglüe reffornut» Seufchaiel p. 8. **) Broes in de EngeUehe Kerh II. 403, deutet darauf hin, dass es nützlich sein würde, einige theo lo- gische Seminare zu errichten, wo die Jniigea reforniirten Theologen mit ricl geringeren Kostn« aych mit weniger Gefahr von allerhan^ Befleckui- gen, und auf eine in mehreren Hinsichten nock zweckinässigere Weise als auf den Unirersitlm zum Predigt- und Seelsprgeramt angeleitet wüidn.

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ene Anwuchs der jangen Prediger mit den noch im-* ler In nicht geringer Zahl yorhaadenen älteren leben* ig -gläubigen Predigern, als einen de VRiESy VAN

Elf IlAMy OORT, AdRIANI, FoRSTMAN, YAN

ER SCHEER, £gELING, MANGER, MERENS,

VOLTERREEK, ViNKE, VAN DER MEULEN«

AN Manen, Begemann, Kortenhoef Smit, :aakereen, Secretan, I^Ierle d'Aubigne, lETMAAR^ LS RoT*) und Vielen Andern das Reich rottes mit vereinter und verjüngter Kraft in ihren 6e- leinden zu fördern suchen.

Und wer darf endlich nicht hofTen, dasa die ge- enwärtjge plötxlich über Holland hereingebrochene eit des Kriegs und der damit verbundenen Sorgen ad Nöthen die Henen hungernder nach dem Worte rottes, und die Augen heller zn seiner Erkenntniss lachen wird, -«- denn die Anfechtung lehret nfs Wort merken, und dass das auch unter er stndirenden Jugend auflodernde kriegerische Feuer^

*) Die fünf ersten sind Prediger zu Rotterdam^ die lihrigeri zu Dordreeht^ Leiden, Harlem, Ut- reclit> Amsterdam^ Haag, Brüssel, Woer- den und Oude Tonge in Südholland. Der letztere hat mehrere geistreiche, von einem lebendigen Glauhcn und tiefer Schrifterkcnntnist zeugende Ab- handlungen geschrieben, B. Tweg verkandelingen, &ver den waaren aard rem hei ouderwjfi df.9 bybch ah ren niei beipiegelend , maar touter praliHkaal on- derwySf naar onäe vaibaarkeid ingerigt ; en over de tModzaleipl'heid vait de verlichting en het tmdertPtju de» h* geestes, tot regt en onfeilbaar verstand van den waren zin der hphelichripen, Dordrcckt 1819.

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das sie aus der fleischlicheii Ruhe und Gemäclilichkeit des gewöhnlicheo Lebens herausgetrieben ^ and ihrer Seele eined höhern Schwung der Begeistemng gege- ben hat. Viele derselben, wie es ja in Deutschland im letzten Kriege dieselben herrlichen Folgen gehabt, über die flache, fleischliche, rationailistische Ansicht von dem Christenthume erheben, nnd für die tiefere giäa- bige Erkenntniss desselben empfängtichei^ machen wird? Wenn die Gefahr and der Streit ihr Herz beten ge- lehrt hat zu dem Geist der Weisheit nnd der Süirke, und dieser Geist ihrem Geiste 2edgniss gegeben bat von seinem süssen Licht und Trost, o dann werden keines Exegeten Künste ihnen diesen Geist der Ga^ den mehr wegexegesiren können, der sie gesalbet und versiegelt nnd in ihre Herzen gegeben ist^ als das Pfand ihrer Kindschaft.

Möge der Herr denn bald dies Wasser giessefl anf die Durstigen, und diese Ströme auf die DürreO) damit sie werden, wie ein gewässerter Garten, und blähen in der Herrlichkeit des Herrn, und ihr ganzei Land wieder werde eine^ Stätte seiner Wohnung!

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Jansenisten.

xLhe wir Utrecht verlassen » wird es nicht nninteres- sant sein, zavor noch einen Blick auf die besondere römisch-katholische Kirch enparthei za wer- f(pD, welche sich die Kirche von Utrecht nennt, bloss in Holland noch als Kirch enparth ei besteht, und unter dem Namen: Jansenisten am bekanntesten ist.

Ihre Existenz liefert zugleich einen augenscheinli- chen Beweis, wie ungegriindet das Rühmen der katho- lischen Kirche von einer bei ihr ununterbrochenen Ein- heit und Einigkeit in der Glaubens- und Sittenlehre ist

Der wilde Streit, welcher vom Anfang Aes 17ten Jahrhunderts über den strengeren Augustinischen Lehr- begriflf zwischen den Augustinern und Domini- kanern auf der einen, und den eine laxere, pelagia- nische Moral begünstigend ed Jesuiten und Fran- ziskanern auf der andern Seite geführt, die katholi- sche Kirche^ besonders in Frankreich und Bra-

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reicü entscliiedeo, und inre uegner, aie Jansenisten, äusserllch in Frankreich Diese hatten ihren Namen daher erhalten ^ Bulle des Papstes Alexanders VIL, w Betrieb der Jesuiten im 3. 1666 ^unf io des Bischofs Jansenius von Tpem, w GUSTINUS betitelt: über die Nothwendigkc liehen Gnade nach dem Ängustinischea hindelte, angeblich enthaltede ketzerische verdammt hatte» anzunehmen sich weigerten Rechtgläubigkeit des Jansenius ^^erthd dem protestantischeü Miederland blieben üi serlich fortbestehen. Der ihnen geneigte CoDDE von Utrecht wtfrde zwar aaf Jesuiten 1704 vom Papst abgesetzt; alleid kapitel zu Dtrecht und Harlenf fibten liehe Gerichtsbarkeit auch ferner durth G aus, wenn schoü der Papst sie nicht anerk das Domkapitel tu Harlem sich im schüchtern Hess, so blieb doch d^ zu Utr« haft, appellirte mit einem Theil der Geisl Bissthums Harlem im J.1719 an eine allg«

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fluchteien, exilirten jansemstlscheii Bischof Varlet SU Amsterdam weihed liessen. Als dieser 1742 starb, stellte der damalige Erzbiscfaof ton Utrecht, IN- DA ABTS, das erloschene Bisslhum zu Härlem, und 1758 das ztt Deventer wieder her, damit es bei künftigen Weihungen nicht an Bischöfen fehlen möge^ nnd hielt 1763 eine Provinzialsjnode.

Nach den Beschlüssen derselben will die Kirche von Utrecht, die römisch-katholische Kle-^ risei, welchen Namen sie sich gleichfalls beilegt, - auch nennen sie sich die AltrÖmischeoi, halten aber den Namen Jansenisten, fui^ einen Schimpf- namen , sich keineswegs von der römisch - katholi- schen Kirche lossagen, noch von dem Gehorsam ge- gen den Papst^ als den sichtbaren Stellvertreter Christi und Mittelpunkt der Einheit. Nur verwirft sie die Un- fehlbarkeit desselben und der Kirche in Thätsachen und andern Punkten, welche nicht die Glaubens- und Sittenlehre betreffen, verwirft Alb Balle Umgenüus fortwährend^ und appellirt davon an ein allgemeines Concil, hält den Augustinischen Lefarbegriff, und des- sen strengere Moral fest, so wie das Recht der Dom- kapitel, ihre Bischöfe selbst zu wählen, und betrachtet den innern Gotteisdienst als das vortäglichste Merkmal der Frömmigkeit.

Die Päpste excomnrani<lirten fortwährend die ge«^ wählten Bischöfe, den Kleras und da^ Volk. Die im J. 1823 mit dem päpstlichen Nunzius NazALLI im Haag eingeleiteten Unterbandlungen blieben ohne Er- folg i weil dieser die Unterzeichnung der Balle Umge'

II. 86

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niiuM and unbediogte Unrerwerfmig verlangte. Die im Jahr 11125 zum BIscbof too Deventer und nm Erzbiscbof von UtrecbC unter Grenehmigong des Königs erwäblten Vet and TAN Samten worden daher vom Papst Lsg XII. ebenfalls cxconBOBaniciit. Hiergegen haben diese Bisthöfe gemeinschaftlicb ßoNy Bischof von Ha r lern, im Febr. 1826 eine fei- erfiche Erklärung an alle ErsbischÖfe, Bischöfe, Geist- lichen nnd Laien der katholischen Cbristenheil im All- gemeinen ^ und der niederländischen insbesondere er- lassen, worin sie die Gerechtigkeit ihrer Sache verlfcei- digen, die anaufhoVlichen Ungerechtigkeiten der römi- schen Carie gegen sich darlegen, die Fehlbarkeil des Papstes aas den Bekenntnissen der Papste aelbst, x. B. Hadrians \L freimiithig beweisen, um brüderlicht Vermittelang bei dem römischen Stahle bitten, wo nor zil oft Christas verdammt, nnd Barrabas freige- lassen werde, ihre Anhänglichkeit an denselben erklä- ren, nnd ati die nächste ökamenische Kirchenversamm- lang appellirlin ^).

*) Diese Erklärung, im Original lateinisch nnd franzo^ 8isch> ist auch bloss franzosichr gedruckt erschie- nen zu Paris, unter dem Titel: Deeimraiißm dn Evequet de HoHäMde adreis/e a teute t'egliie eaihoK- gtie et acte d'appel etc» a Pari» ehe% PoLtCtEk ei MovTÄttDiKR 1837« Der DteUttatwm ist in dieseoi Büchlein eine kurze Geschichte der Kirche von. Ut- recht vorgesetzt, so wie die Erwahlnngaacta der beiden obengenannten BischSfe, ihre Briefe an den Papst nnd dessen Excomnahicationsbülle gegen dea Bischof Ton Derenter.

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In ihrer Klrchenlehre behaupten sie durchaus ^taicht von der übrigen römisch r katholischen Kirche verschieden zn sein. Auch enthalt der Katechis- mus, welchen ihre Jugend auswendig lernt^ die ge- wöhnlichen rö'misch - katholischen Lehren*). Der grös- sere Katechismus, iibor welchen katechisirt wird, ist der Katechismus von Gobinet, in 3 Theiteti*

Ueberdies wird ^ber die Jan^enistische Jugend über die Differenspunkte n^it der SbrigeH katho- lischen Kirche durch einen kleinen Katechismus belehrt^ welcher auf Befehl des ErzBischofs und der beiden Bi« schöfe herausgegeben ist^«

Diese Differenzpunkie werden darin auf 3 redu« drt Der erste bestehe darin, dass die Kirche von Utrecht nicht das Verdammnngsformular Ale- :k ANDERS VIL gegen jANSEKivs^unterschreiben wolle^ weil die darin verdammten 5 ketzerischen Sätze gar nicht in dem verdammten Buche des JAnseniü^ standen. Ob dieser die 5 Sätze gelehrt habe, öder nicht, sei eine Thatsache. In Hinsicht auf fhatsa* eben sei aber weder der Papst noch die katholische Kirche unfehlbar. Die Kirche sei bloss unfehlbar in

M*«Ui^di>iiMkM«^HH^Sta

*) Sein Titel ist: KateeAtHniüf df ehrktetyke teere, eersi gedrukt door bevei der ffoogtpoardige Heeren BUchop* pen van ASGSBS ROCHELLS <& Lüg Off, Vit het frmnfch^ Rotterdam bei J. ScmElling 1787.

^*) Er heisst: MOeine Kai^ehtmui, of kort Bägr^ 4er GescMlien ander de Kathotykin in Heiland^ op, Bevef der Hoogwaardige Heeren Aartebüehop van Utrecht, Biickop vom Hartem en ßüehop van Devenier^ Am«

sierdam bei Potcibtjbr d: tan Baauen 1S20»

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W

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Sachen f welche den Glauben und die Sittea Iretreffen.

(S. 3 11).

Der zweite Differenzpunkt betrefle die Balle

Unigenäus, welche von ihnen nicht angenommen wer- de, weil sie solche katholische Wahrheiten vernrtheile, welche auf die heilige Schrift und die Lehre der Kir- che gegriindet seien, z. ,|der Glaabe ist die erste ^^Gnade und die Quelle aller andern^*, ferner: ^^der „Sonntag mnss von den Christen geheiligt werden doreb das Lesen gottesrQrchtig«> Bücher, und vor allem der heiligen Schrift; es ist schädlich, einen Christen von „diesem Lesen abzuziehen.^ Diese Bulle sei auch we- der von der versammelten (^uergaderde) Kirche, d. von keiner allgemeinen Kirchenversammluog^ noch von der verbreiteten {perspreide) Kircbe^ d. h. nicht allgemein, freiwillig, mit Untersudiiing der Sachen von allen Bischöfen und Lehrern in Got- tes Kirche, angenommen werden« Von einem Theil der Katholiken sei sie aus Jesnitismus angenommeD worden, von einem andern Theil aus übertriebener Ehrforaht vor dem Papst, weil sie sidi auf eine ver- kehrte Weise einbildeten, dass der Papat unfehlbar» und man ihm einen blinden Gehorsam schuldig sei, roA einem andein Theil aus Unwissenheit (5* 11— 19). Den dritten DifTerenzpunkt bildeten die flech- te der Utrechtschcn Kirche. Das Recht des Kapitds zu Utrecbt, die Bischöfe zu wählen, wel6hct ihm Kaiser Ko^liAü III« 1145 gegeben, und die Päpste bestätigt hätten, sei ihm unrechtmässig nnd nn- verhört Vom Papst im J. 17M genoauaeä wordca«

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\

Die pSpstlichen BannflBche gegen die rechtmässig ge** Vähllen Bischöfe seien daher ungülüft (S. 20 31). Man müsse dem Papst nnr in allem dem gehorchen, was nicht gegen das Gesets Gottes, die Lehre der Kirche und ihre Regeln streite. Die katholische Kirche sei unfehlbar in allem, was die Lehre und die Sitten betreffe. Aber der. Papst sei ein fehlbarer Mensch, wovon es Beispiele genug gebe. Wenn indessen ein Papst in seinen Ansspriichen irre, so dürfe man sich doch nicht von ihm losreissen, sondern man müsse ihm, als dem Haupt der Kirche, auch ferner Ehre und Gehorsam beweisen (S, 32). Welch' ein Wider- spruch Jer Utrechtschen Kirche «wischen dieser ihrer Lehre und der That! -— Gleichwohl lehrt sie ferner (S. 33) I Sie müsse mit dem heiligen Stuhle vereinigt bleiben, und sei auch mit demselben vereinigt, weil sie denselben Glauben habe, den Papst als Oberhaupt anerkenne, ihm in allem nach den Regeln der Kirche gehorche, für ihn bitte, seine Rechte vertheidige, und in Kirchengemeinschaft mit andern Bischöfen und Kir«- chen stehe, welche durch eine äussere Gemeinschaft mit dem Papst vereinigt seien.

In Absicht des Cnltus ist kein wesentlicher Un«- terschied zwischen ihr und der fibrigeii römisch -katho^ tischen Kirche. Im Ganzen sind zwar ihre Kirchen einfacher, auch haben viele nur Einen Altar, können jedoch mehrere haben. Jeden Sonntag wird gepredigt. Die Taufe, die Communion und das Bedienen der Kraukep geschieht von einigen ihrer Geistli- chen in holländischer, von andern nach Belieben

t

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Goada, 2 xa Rotterdam, 1 so Delftshafen, 1 zu Delft, I so Dordrecht, l xd Leiden, 1 im Haag, deren Pfarrer zogleidi der Bischof von De- ven^er ist, welcher keine besondere Diöcese hat, 1 za Schiedam ond t zu Scl|OQ.i|hoveo«

Zum Bisstham Harlem gehören 2 Gemeinden zu Amsterdam, 1 in Hartem, 1 zq Zaandam, t za Crommenie, 1 .in Ajilsmeer, 1 am Haider und 1 ZQ Enkhaizen«

Ueberdie« liestehl oocb 1 Gemeinde za Mord-

«

Strand in Dänemark,

Die Zahi aller Gemeinden in Holland beträgt dempach 27, -mit nicht ganz 5000 Seelen.

Zu Amerafoort ist das Seminar, wo die jungen Geistlichen gebildet werden, £$ bat 9 Profes- soren und 20 Zöglinge«

Dass die Janseoisteq durch die Verbreitung ihrer liberaleren, weniger papistischen Grundsätze auf mehr als Ein katholisches L^nd ausserhalb Hollands wohl- thätig gewirkt haben, ist bekannt. Das« sie auch auf die versuchten Reformen des Katholicismus in O est- reich unter Kaiser Joseph II. und in Toskana unter Grossherzog Leopold Einfluss äusserten^ geht aufs neue aus dem Werke des in der neuesten Bevo^ lutionsgeschichte Belgiens so bekannt gewordenen DE Potter über den Bischof Ricci*) hervor,

*) Der Titel der deutschen Uebersetzung des Werks ist: Das Leben und die Memoiren desSciPio VON Ricci, Bischof von Pistoja und Prato, ?pn Herrn iik Potter^ nach den tSgenhändigen

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Hierans erhellet» dass sowohl der gelehrte jansemsti-' sehe CaDonicus BELLEGARDE von JLyon, der 1189

" tu Utrecht starb , als auch der mit ihm xasammenlün- gende Leibarzt des Kaisers Josephs, der Holländer VAN Swietek, mit Bischof Ricci in Verbindong standen.

Um so mehr ist es zu bedaaem» dass diese Ki^ chenparthei in Holland immer mehr zasanamenschmibt» im J. 1809 waren es noch 83 Gemeinden , und allmählig von der andern römisch - katholischen Kir- chenparthei verschlangen werden wird» Freilich tragt sie selbst die grö'sste Schuld davon dnrch ihre unge- heuere Inconsequenzy mit welcher sie der katholischen Kirche Unfehlbarkeit in der Lehre zuspricht , in der Geschichte (in Thatsachen) aber abspricht, erklär!, dieselbe könne über die Rechtgläobigleit oder Irrgläo- bigkeit von Lehren unfehlbar bestimmen, jedoch nicht

« darüber bestimmen, ob solche Lehren in einem gewis- sen Buche enthalten seien , oder nicht; mit welcher Inconsequenz sie erklärt: ^^wenn ein Papst sich auch „in seinen Aussprüchen ir^e, so müsse man ihn doch ,,als das Haupt der Kirche stets ehren und ihm geborr 9,chen; wie grosse Ungerechtigkeiten, \7elche schlechte ^yBehandlung man auch vom ersten Stellvertreter Chri- ijsti erfahre 9 so sej es doch nienials erlaubt, sein Anr

Manuscripten des Prälaten und anderer berühmten Männer des vorigen Jahrhunderts bearbeitet, und mit rechtsgültigen Urkunden aus den Archiven des Herrn Leopold von Ricci zu Florenz versehen. Aus deni Französischen. Stuttgart 1826. 4 Theile.

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„sehen zu verkennen, oder sich vom Mittelpunkt der ,,EinheiC zu entfernen'*^, jedoch In der That ihm den Gehorsam verweigert, sein Ansehen verkenn^ und sidi von dem gerühmten Centmm der Einheit losge- rissen hat; mit welcher Inconsequenz sie an ein allge- meines Gondl appellirt, obgleich der Papst solche Ap- pellationen verboten hat, und obgleich man vorausse- hen kann, dass ein soldies Condl, wenn es wirklich zu Stande käme, da es doch vom Papst zusammenge- rufen und geleitet wBrde, auch des Papstes Willen aussprechen würde, •?- wie denn überhaupt trotz aller theoretischen Unterscheidung doch der Papst und katholische Kirche faktisch Eins sind.

I

Unselige Ualbheit, womit diese Kirche von Ut- recht zwar den Muth bat, wegen einiger Streitpunkte der Disciplin und der Sittenlehre ein Schisma von der römisch-katholischen Kirche zu ertragen, aber doch immer mit ihr noch dieselbe Finsterniss in allen flaupt- glaubenslebren theilt, und hif*r, wo es den Weg der Seligkeit gilt, deren Mensch ensatzungen über die ßchrift und gegen die Schrift blinden Glauben schenkt, wel-, eben sie ihr in viel unwichtigem Punkten weigert!

O wie mnss bei der Betrachtung dieser in der Dämmerung verbleiben wollenden, und darum in die finstere Nacht wieder zurücksinkenden Kirche uns Evangelische doppeltes Dankgefübl gegen unsere Refpripatoren durchströmen, dass sie bei aller

*) S. Kieine Kateckitmus S. 32 > und Deelaration det Eveguei de HoUande 8. 49.

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Ebrfarcht vor AuGUSTOi snd andern Kircbenväleni docb nicht bei ibaea stehen blieben, sondern lUeia das Wort Gottei ek eioiig unfehlbaren Wegweisier io allen Rdigionfsaohen wieder erwählten, alle demselben widerstreitenden MenschenMtsnngen entschieden ver- warfen, ond vor allem den llittelpunkt der Glaabens- lehre, die Rechtfertigung des Sanders allein /dorck den Glauben an Chriatom, wieder in seinjcr ganieo apostolischen Klarheit auf den Leuchter stellten! Da- durch, und dadurch allein ist nnsere evangelische Kir- che aus der Nacht und Dämmerung siegreich zum bel- len Tageslichte gedrungen, dadurch wird sie von der Sonne der Gerechtigkeit bestrahlet, dadurch wächst aod blühet sie in seinem Licht, und uns gehet Heil uod Schttts auf unter Seinen Flügeln.

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Kollektiren in Schi e dam und O.elft Merkfvärdigkeiten zu Delft Die Kir- chengesellschaft: Christo Sacram.

Am 20sten Februar Teiste ich von Utrecht mit dem Postwagen nach Rotterdam, und von da nach dem benachbarten Städtchen Schiedam, um daseibat zu kollektiren.

Die Reise über G o u d a führte mich durch ein ähnliches Wasser Land wie bei Gorkum. Auf bei- den Seiten des Wegs war nichts als Wasser, und mühsam über dasselbe sich erhebende Eilande und Polder, mit Schilf, Ried, Hanfäckern, Viehweiden und Torfstech ereien. Viele hundert Wassermühlen arbei« teu hier Tag und Nacht, um das Wasser aus den et- was höher liegenden Läudereien in die Miederungen oder in Kanäle zu schaffen. Um Gond|a gibt es sehr viele Ziegel- und Backstein -Brennereien, weil $ich

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hier eine besonders dasa geeig^nete weisse und gelbe Erde findet. Aach sind die hier gebrannten irdenen Pfeifen unter den holländischen die berühmtesten. Sie berübmten Glasmalereien an den Fenstern der Sult- kirche konnte ich nur von ferne sehen, da wir ohne Aufhält durch die Stadt fuhren.

In Schiedam fand ich durch die frenndlicbe Mitwirkung der reformirten Prediger VAN Pellekom, Fangmann, DiBBitz, Menil und Cats, be- sonders des letzteren, eine im AUgeipeiiien günstige Aufnahme 9 obgleich die daipals« gerade stattfindende Stockung in dem Haupterwerbzweig d(»r ^ts^dt^ der Braun tweinbrennerei, auch auf die Kollekte nicht ohne Einfluss war»

Jährlich werden hier von den 170 Brennereien über 50,000 Oxhofte voll jg[ebrannt Das Branntwem- Spülicht wird durch Pumpen, welche auf die Strassen herausgehen. In die Machen, welche in den «wischen den Strassen laufenden Kanälen liegen, gepumpt, und dann zum Viehfutter weithin verkauft

Nachdem ich 3 Tage hier kollektirt und viel JLie« be erfahren hatte , besuchte Ich nocb am 27tett Febr. das benachbarte Delft, um vor meiner Abreise nach England, deren Zeit jetzt gekommen war, we- nigstens noch einige der mildesten (jeher dieser Stadt lim eine Beisteuer für meine Gemeinde ansprechen so können. )[)nrch die Mitwirkung mehrerer Prediger, namentlich des einflussreichen Metelerlamp und des beredt(»n Francke, welche ich einige Tage vet- ber mit der Sache bekannt gemacht hatte, gelang es

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mir, ' an diesem leUten Tage meines KoUektirens m Holland noch über 200 ü. zu sammeln«

\ Hier sah ich in Aet üeaen Kirche, welche die t*amiIieDgruft des Hauses Oranien enthalt, das herr- liche , marmorne Grab - Denkmal des grossen W 1 1 - HELM I. VON ORAKiEN, des Gründers der nieder- ländischen Freiheit, weither im J. 1584 darch deA Meuchelmord eines jungen Katholiken, BALTHASAR Gerhard, der von 4 Jesuiten in Trier, und einem Franciskaner za Touriiaj durch die veN heissene Märtjrerkroiie iil seinem £ntschluss bestärkt worden, in dieser Stadt getö'dtet würde. £^ liegt im Chor der Kirche auf einem hohen marmornen Sarko-^ phage, in voller Rüstung mit Degen und S.cepter. Darüber ist ein Thronhimmel, auch von Marmor, wel- cher auf 4 Säulen ruht, und init vielen kleineren spi- tzen Säulen und Thurmchen verziert ist« An der ei- nen der 4 Säulen steht die Freiheit als Jungfraa mit Schwert und Freiheitshut, an der zweiten die Ge- rechtigkeit mit der Wage, an der dritten die Vor- sicht mit einem Dornenzweig in der Hand, an der viertem die fteligion mit der Bibel in der einen lland, eine kleine Kirche in der andern, und den Fuss auf einem £ckstein, auf dessen Vorderseite steht: Christus.

Da das Denkmal frei steht, so macht es einen grossen Eindruck. Dieser würde wohl noch grösseif sein, wenn nicht der Künstler im Hintergrund des Denkmals den Helden auch lebend in voller Biistimg

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-

dasitaCDcl, afbgebildet häitte, wodordi der EUdmd g^ theilt, und somit geschwHdit wird.

An der eioea Wand der Kirche ist das Denkmal von Hugo GaoTius in Marmor, das Ihm seine Vaterstadt errichtet hat, ziemlich einfach, jedoch Bat einer langen, schwoktigen Inschrift von Petbus BuRMANNUS jnnior« Nicht weit davon Ist der Grab- stein, der den Eingang xa seiner Gmft bezeichnet

In der andern Hauptkirche, der alten, sind die Grab -Denkmäler der beiden beriihmteii holländisdieii Admirale, TromP und PiT Hein (Ater HeinriA).

Früher war in Delft, als einer damals sehr star^ ken Festung, ein grosses Magaxin nnd Arsenal ftir die ostindische Compagnie. Gegenwirtig ist noch ein Ma- gazin for die Artillerie da, nnd eine Ingenieor- onj Artillerieschale. Auch wohnen viele rttche Rentner liieri da es eine sehr stille, fast öde scheinende Stadt Ist

Im J. 1827 lernte ich die in Delft ihren Sitz ha« bende Kirchengesellschaft:

Christo Sacrunt

kennen, wohnte auch einem ihrer Sonntagsgottesdienste bei« Es ist daher hier der Ort, Näheres über ihce Entstehung nnd Beschaffenheit mitzntheilen.

Im Anfang des J. 1787 verfügten sich mehrere reformirte Christen in dieser Stadt, WQmnter einige Kirchenrathsglieder der dasigen französisch •reformirten Gemeinde, im Stillen so einer besonderen reUgUteen Gesellschaft, welche sie Chnato Sacrum nannten , ni hielten eigene goUesdienstlidtc Znsammenk&nfle. IM

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I

^ Hanptstifter, weidie a«cb es Predigeni der Gesellschaft

crw'ihlt worden, waren ein wohlhabender, geistvoller

ifl Fabrikant, JAgob Hbinrich Onder de Wtn-

a gaa-rt-Ganzius, nnd ein Zeichenlehrer ISAAK

g YAN HAASTERT.

I

^ Durch die Tielen bösen Gerüchte^ welche Sber die

j Zwecke der Gesdischaft bald in Umlauf kamen, als ' wolle si^ den Deisrnns und Atheismus befördern, und ' welche bestätigt stn werden schienen, als im J. 1799 ^ xa Delft ein uogtSilbiges deisdsches Schrifichen „über ^ „die Bedeutung des Worts Religion, eine Rede, - ^gehalten in einer Gresellschaft Leute ^ welche sich in I „keiner besonderen Religion bekennen ^% erschien, wel- ches man) obgleich irrig, von jener Gesellschaft her* ' ausgegeben glaubte, wurde dieselbe genöthigt, im Jahr 1801 öflentlich hervorzutreten. Sie gab eine Schrift heraus: Hei gmocischap Christo Sacrutn UnnenDelfi^ worin sie ihre Zwecke darlegte, erhielt darauf vom Staat völlige Religionsfreiheit, gleich allen andern christlichen PartheieH, und hielt von jetst an ihren Gottesdienst öffentlich in einem dazu besonders einge- richteten Kirchengebäude» Im Jahr 1802 gab sie ihre vollständigen Grundgesetze heraus, unter dem Ti- tel: Gronden en PPetten pan het genootschap ChriHo Sacrumf opgeriohi binnen Delft. Aus diesen Schriften, so wie ans der mtache Punkte noch deutlicher aus- einander setzenden kirchlichen Rede, welche Onoer DE WtngaART-Canzius bei der am 5. März 1822 gehallenen 25iährigen Jubelfeier der Geseilschaft

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^"

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Jnüt nnzuretchend gewesen, dafür Genogthnimg zn ge- ben, der Erlöser Jesus Christas Einmal dazwischen getreten sei , um diese verdienten Strafen auf sich xa nehmen, eine That, welche er allein vermodit habet „als Gott und Mensch seiend; dass dl^enigen, welche' „solchergestalt an ihn und seine Genugthnung glaubend, 9,bnssfertlg seine VermitteluDg anflehen und annehmen, „wirklich erlöst werden; während durch die Erhöhung „dieses Mittlers, der heilige Geist in ihnen den Glan- „ben und die Belehrung wirkt, so dass Sunder, allein „durch die Ergreifung dieser Yermlttelung und die „Wirkung des heiligen Geistes, um der Verdienste ,9Jesu Christi willen von ihrem Elende erlöst, und zur „Heiligkeit und Herrlichkeit erhoben werden. ^^ (HaujTt- stück I. der Grundgesetze, Art. 6). „Wer übrigen« „nur die Sittenlehre des Evaagelii, aber nicht die er-* „wähnten Grund- und Glaubenswahrheiten annehme, „den könne die Gesellschaft nicht als Mitglied erken- „nen." (Art. 7).

' Zur Beförderung der gemeinschaftlichen Erbauung und zur Befriedigung der Ansprüche aller Confessio- nen, besonders der katholischen, hielten die iSLtIfter zugleich eine veränderte, ausgeschmücktere Form dea äusserlichen Gottesdienstes, so dass er das sinnliche Gefühl mehr anspreche, für nöthig, und nahmen hier-" bei den englisch-bischöflichen Cultus zvm Mu- ster« In ihrer Kirche errichteten sie an einem Ende derselben ein erhöhtes Chor, zu welchem eine breite Treppe auf vielen Stufen fuhrt Oben steht in der Mitte ein Altar. Zur Linken steht einige Stufen tiefer^ IL 37

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die Kanxely und anmittelbar darunter das Pult des Vor- lesers und Vorsängers. Auf der untersten Stofe ste- hen an beidien Enden ^[rosse, bronzene Leuchter, wel- che aber bloss bei den Abendgottesdleasten angelan- det werden. Auf dem Schalldecirely der über dem Chore schwebt, steht als Sinnbild fast senkrecht e!a hüliernes Kreuz, mit Oelzweigen umwanden, in deren Mitte die Worte stehen: Ich bin der Weg, die Wahrheit, und das Leben. Niemand kommt zum Vater^ denn durch mich. Jesus ChriatufT

Am Fuss des Kreuzes liegt der Anker der Hoff- nung, daneben das offene Evangelium, und znr Seite die 2 Tafeb der 10 Crebote. Darunter liegt der auf- gedeckte Schleier der Propheten, eine Schlang, wel- cher der Kopf zertreten ist, und ein Todtenkopf, zum Zeichen des überwundenen Todes. Ganz unten steht: Christo Sacrum,

Bei dem Crottesdienste tragt der Prediger einen Chorrock nebst Kragen, und der Vorleser einen Man- tel und Kragen.

Die Gottesdienste werden unterschieden in soge- nannte Verdienste und Leerdienste. Die- Ehr dien- st e, wo der Cultus vorherrschend ist, sollen gewöhn- Vith bloss in Gebeten, Lob- und Danksagungen nnd Gesängen, von Instrumentalntusik begleitet, bestehen, ohne einen Redevortrag. Zu solchen Gottesdiensten gehören z. B. die Betstunden. Bei den ansser- gewohnlichen Ehrdiensten, welche bei der Feier der Taufe, des Abendmahls, bei Einfuhrung der Pre^ diger etc. slatt fmden, soll ein Redevortrag gehalten

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«Ma«a

werden, aoch wo möglich Chorgesang oder Instromen- talmnsik atatt 6nden. (VL Hptst Art. 1 4).

Die Lehrdienste sind die gewöhnlichen Sonn- tagsgoltesdienste, wo eine Predigt gehalten, katechisirt wird w. Die Form der gewöhnlichen Lehrdien- ate ist folgende:

Zuerst singt die Gemeinde, dann liest der Vorle- aer einei^ Abschnitt vor, danii wird wieder gesungen, , ein Theil der Gesänge, die Lobgesänge, wer^ den immer stehend gesungen, dann hält der «Pre- diger am Altare das Gebet, wobei, wie bei allen Ge- beten, die Gemeinde kniet. Darauf ertbeilt der Pre-f diger auch am Altare den apostolischen Segen, welcher stehend empfangen wird« Nun wird wieder V gesangen, darauf von der Kanzel der ^Redevortrag ge- halten, welchen der Prediger bisweilen durch Gesang unterbrechen iässt. Nach der Rede wieder Gesang, alsdann ein Gebet am Altare, darauf der Schlussge- sang und der mosaische Segen« Bei besonderen Gelegenheiten wird nach der Rede noch luerst ein Lobgebet ilofzegging) am Altare gesprochen, und stehend gebetet, darauf Gesang, und dann erst das gewöhnliche Gebet

Man sieht hieraus, dass häufiger gesungen, und gebetet wird, als bei dem Gottesdienste der übrigen protestantischen Confessionen.

Für die christlichen Feste, iiir die Feier der Sa- kramente, und für den letzten Jahrestag, welcher durch einen Abendgottesdienst gefeiert wird, sind besondere Gesänge gedruckt, unter dem Titel: Chrtatelfhe Gb»

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%angen voor den apenbaren Godadienat hy bepaaUi gelegenheden. Christo Sacrum. An deo gewöknliclien Sonntagen wird das refomurte Gesangbach gebraockt, Die heilige Taufe wird nur zu gewis&en, be- stimmten Zeiten des Jahrs verrichtet, um nicht dnrd allzuhäufige Wiedeibohing den Eiadruck der Feierlich- keit zo schwächen« Auch wird es den Aellero, gani so wie bei den Remonstranten, frei gelassen, ok sie ihre Kinder gleich nach der Geburt, oder erst cr- wad^sen wollen taufen lassen, (liptst L Art. 10).

Das heilige Abendmahl wird 3mal jährlich ge- feiert, am Charfreitag, im Monat August und Decem- ber, jedoch immer des Abends. Eine feierliche Vor- bereitung findet nicht statt. In dem zuletzt vorher- gehenden Gottesdienste wird die Gemeinde erouiholi sich darauf vorzubereiten. Bei der Feier des helligeo Mahls werden Fragen an die Gommunikanten getban, welche mit Kopfbeugen antworten, und kniend von dem Prediger nach gesprochenem Gebet die Absolu- tion erhalten«

Die kirchliche Verfassung der Gesellschaft besteht darin, dass eine Direktion, aus den 2 Pre- digern und 5 andern Mitgliedern zusammengesetzt, von welchen letzteren jährlich einige durch neue ersetzt werden, alle kirchlichen Angelegenheiten leitet. So« bald noch 2 Gemeinden an andern Orten sich gebil- det haben würden, sollte eine Generalverstmm* lung berufen werden, um gemeinschaftlich die Kir- ch cnsacben eu berathen. Die Gemeinde sn Delft soüte jeduch in solchem Fall immer als die Alatter«

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gemeinde angesehen , auch «die Versammlung stets an diesem Orte gehalten werden*

Dieser Fall ist aber nicht eingetreten, nnd wird allem Anschein nach nie eintreten« Denn es hat sich nirgends eine Shnliche neue Gemeindie gebildet , und selbst die alte ist gegenwärtig am Verlöschen. B^i ih* rem orsten Auftreten erhielt sie yiele Glieder von den verschiedenen protestantischen Partheien , auch selbst dnige Katholiken. Als aber der Rei< der Neuheit vor- über war, und On&eb de Wtngaart-Gakzius, ein gewandter Redner, von Delft wegzog, sa schmolz das HSuflein immer mehr zusammen* Im J. 1822 ha- ben sie zwar das 25)ähpige Jubelfest ihres Bestehens feierlich begangen, aber es damals selbst öfTenlKch nicht verhehlt, dass die Gesellschaft schwerlich hoffen könne, noch das 50jährige 'Jubelftst zu erleben« Bei dem sonntäglichen Morgengottesdienste, welchem ich im J. 1827 beiwohnte, fand ich nur 6 7 Menschen versammelt, und hörte, dass selten mehr, oft nqcfa weniger Zuhörer seien. -— Mit dem Ableben des schon hochbejahrten Predigers VAN H AASTE BT wird die Gemeinde wohl auch sterben.

Zu trauern hat die Kirche Christi nicht iiber ihre» Tod. Denn, wie wohlgemeint auch die Absicht der Gesellschaft gewesen srin mag, die Vereinigung der getrennten Ghristenpartheien zu befördern, und wie wenig auch ihr Streben, die äussere gottesdTenstlicbe Feier anziehender zu machen, ganz ohne Nutzen fiir die übrigen protestantischen Confessionen Hollands ge- wesen sein mag, so war doch der Geist, der sie von

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der EAtstehaog ao besecHe, eio Geist feinen Unglao- bens* Dieser zeigt sich darin ^ dass in dei Grandgesetzen bestimmt ist, der Predigt brauche niclit immer, ja nicht einmal gewöhnlich ein Bibelteit xnm Grande so liegen (VII. Hptst Art«^ 13); ferner könne die kirchliche Vorlesnng nach dem Bdie ben des Predigers entweder ans der heiligen Schrift, oder auch aas einem andern gaten Bache geoomma werden (XIL HptsL Art« 10), welches beides ofTenbar eine Geringschäünng des Wortes Gottes anzeigt. So- dann wird den Predigern anbefohleni häufig Nator- betrachtnngen zum Gegenstand ihrer Vorträge su machen (VII. Hptst. Art. 12). Aach zeigt es von kei- ner tiefen Einsicht in die Nator des Glaubens nnd der gemeinschaftlichen chrbtlichen Erbanung, welche in der Glaub enseinigkeit ihre Wnrxel hat, dass man wähnte, aach mit Beibdiallong der girössten Glanbens- verschiedenheit, die & B/ zwischen den Katholiken und Evangelischen obwaltet, könne eine innige Geistes- and Kirchengemeinsehaft statt finden» Man meinte xwar, die hieraas entstehende Disharmonie dorcfa häa- figere Anwendung des Gesanges und der Musik, durch grössere Aensserlicbkeit und Mannichfaltigkeit in der Form des Gottesdienstes, beschwichtigen su können. Aber gerade dies unevangeUsche Meinen bewosi die Wahrheit des Gesagten.

Eben durch dies Vorhandensein der verschieden- sten Glaubensansicbten bei den Gemciadsgliedem nicht bloss in unwichtigen, sondern auch in den wesentlich- sten Punkten, sah man sich, wenn man aach nicht tob

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selbst daxa gcfl^ hätte ^ g«BdUugt, in den kirchlichen Vorträgen, um Niemandes Glauben zu verletzen, sich meist auf Naturbetrachtungea und moralische Abhandlungen zu beschränken« Auch ich hörte im J*. 1827 nichts, als. eine dürre, seelenlose moralische Abhandlung vorlesen, und das bis zum Ermüden häu- fige Singen konnte das. kaltgelassene Herz nicht erwär- men.. — ^ Damit ich aber ganz ausser Zweifel gesetzt würde ^ welcher Geist die Gesellschaft beseele, sagte mir der Prediger VAN. Haastert selbst, nach dem Gotte&dlienste : Ihnen gelte der Tod Christi nur als Bestätigung, seiner Lehre. Auch. On der de Wyn- GAART-C ANZius verräth in seiner Juhelrede, wo et S. 41 bei Erwähnung des. Wirkens der Mis- sionts-GeseUschaft meint, es sei wolil besser, Kopf und Herz der heidnischen Völker erst mit Men- schenkienntnbs vorzubereiten,, ehe man sie im Christen- thum unterweise, so wie durch, die Grundgesetze, deren Hauptverfasser er ist, dass er eine ähnliche An- sicht vom Christenthum habe«

585.

etwaigen Befrag der CoUeLte daselbst zu verschlingen« Fürs dritte stand meine Gemeinde mit England m gar keiner Shntichen Verbindung, worin sie mit Hol- land gestanden« Auch hatte ich selbst keinen einzigen persönlichen Bekannten in jenem Lande. Ja, der edle Amtsbruder, an den ich am meisten empfohlen war, Dr. Steinkopff za London, hatte mir unterm ^30« Jan« 1823 von Brüssel, wo er sich damals auf einer Continentalreise in Bibelangelegenheiten befand, auf meine Bitte^ um seinen Batb sehr wenig Hoffnung zum Gelingen einer solchen englischen Collektenreise gegeben, mich ernstlich an Luc« 14, 28 80 erlo- nert, Jedoch für den Fall, dass ich nach der reiflichsten Ueberlegnng in der Gegenwart Gottes mich bewogen fühlte, in meinem Entschhiss zu beharren, mir zugleich einen Empfehlungsbrief an den Hülfssecretär der Bi- belgesellschaft in London p RSknebbrg, nach Am- sterdam zugesandt«

Da indessen der gnädige Herr mir seitdem so wunderbar in Holland, einem fnr mich gleichfalls fremdem Lande, beigestanden, wie hätte ich da klein- gläubig zweifein dürfen, dass er mich auch nach Eng- land hinnberbegleiten werde, da es ja seine Gemein- de war, für die ich reiste, und die Sache also nicht mein, sondern des Herrn war?

Dabei hatte ich nicht versäumt, so weil an mir lag, durch menschliche Mittel den Weg in bahnen, indem ich mir über hundert Empfehlungsbriefe für Engtand, womnter.an viele der bedeutendsten Kaof- leute, an viele Geistlichen und Staatsmänner zu Lon-

587

l. Anhang.

Berichtigung, die Arbeitsanstalt zn

Branweiler betreffend,

ab Zusatz za 8. 163.

JLA8 freut mich, aus amtlicher Quelle nachftrageo zu können, dass ein jeder Häusling zu Brau wei 1er im J. 1826 im Durchschnitt nur 55 Thlr. 16Sgr. 3Pf., und nicht, wie S. 163 irrthümlich angegeben worden, 66/4 'I'hir« kostete, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass über 170 Kinder, und, diese einbegriffen, an 220 Häuslinge sich darunter befinden, welche als In- valid wenig oder nichts verdienen können*

IL A n h a n g,

die Beaafsichtignng der Stndirenden anf den prenssischen Universitäten

betreffend,

als Zusatz zu S. 107.

Die Schilderung der Anfsichtslosigkeit der preos- sischen Stadirenden in der Anmerkung S. 187 imd 188 wird Mancher, der mit den Bestimmungen bekannt ist, welche über die Beaufsichtigung der Studirenden in den Statuten mehrerer preussischen UniversiUiten enthalten sind, für übertrieben erklären, und einer Un- kenntniss dieser Statuten zuschreiben. Diese Unkennt- niss findet indess nicht Statt. Ich weiss sehr wohl, dass in den gedruckten Gesetzen mehrerer preussischen

588

UniTersitäten, 2. B. zu Bonn, Berlin, Breslau,

8^' L

^besnchten, dnrch den Decan zu verneh- ^men.** Allein eben so wobl weiss icb, 3ass diese Bestimmung nirgends nur im Geringsten in Ausübung gebracbt wird. Ihrer Ausführbarkeit steht dabei im Wege, dass sie nicht in die Statuten aller preussischen Universitäten, nicht in die der Universität Halle aufgenommen isL Denn wenn Eine Universität allein diese freibeitsbeschränkende Bestimmung in Ausübung bringen wollte, so würde sie dadurch ihrer Frequenz sdiaden.

Eine andere in mehreren preussischen Uoiversitats- Statuten enthaltene Bestimmung ist die: „dass ein Stn- „dirender, der binnen einem halben Jahre gar kein ^Collegium gehört hat, von der Untversttat ausge- 9,scblossen wird.^ In Folge dessen werden denn auch bisweilen solche gegen diese Bestimmung fehlenden Studirenden vom I)ecan citirt Da indess Keine siche- re, noch alle Studirenden in dieser Hinsicht umfassen- de ControUe stattfindet, so werden, besonders in gros- jsen Universitätsstädten, hei weitem nicht alle Uebertre- ter obigen Gesetzes entdeckt, und die Ungebundenheit bleibt

Femer wird die Planlosigkeit und RegellesigkeTl im Studiren, namentlich der Theologie, sehr dadurch befördert, dass in manchen preussischen Provinzen, S.B. in den Rheinprovinzen und Brandenbarg, keine Bestimmung gewisser Vorlesungen, welche der Theologe während seines lliennä gehört habod müsse, besteht, sondern Ihm darin durchaus freie Willkiihr gelassen ist,

Keineswc^ v^enne ich bei meinen Klagen über iBe Ungebunoenheit der Studirenden die grosse Wis- scnschaftlichkeit und Sittlichkeit, welche viele Slndiren- de aaf den meisten anserer preossisehen UniversiüLten

580

in jetziger. Zeit ausgezeichnet. Diese erfrenliche That- sache hebt jedoch durchaus nicht die Nothwendigkrit einiger Beschränkung der akademischen Freiheit auf«. Denn wenn Jene, die sich selbst ein Gesetz sind, la dieser Hinsicht keines Gesetzes bedürfen, so hat dock immer ein grosser, und wohl der grössere Theii des. Stndirenden eine Leitung und Zügelung durch Gesetze nöthig.

III. A n h a n g.

Ministerielle Verordnung über den Bi- belgebraüch in den Elementarschulen, und Verbot des Gebrauchs der Bi- belanszüge in denselben*

Als Zusatz zu S. 345.

,yK8 ist in neueren Zeiten die Meinung aufgekommen, „als ob die Jugend und der gemeine Mann der Bekannt- yyschaft mit der ganzen heiligen Schrift nicht bedürfe, ja „als ob es bedenklich sei, und gar nachtheilig 'wirken „könne, wenn man ihnen dieselbe in die Hände gebe« „Diese Ansicht hat auch anf viele protestantische Schulen „unsers Vaterlandes den Einfluss gehabt, dass in mehre- „ren derselben die Bibel gar nichts oder in mehr oder „minder unvollkommenen Auszügen gebracht 'worden ist, „und vielleicht wird es in einigen Schulen noch jetzt so „gehalten.**

„Zwar ist jene, zuerst von Frankreich ausgegangene, „nachher unter den Deutschen hauptsächlich von BAHaOT „und seinen Verehrern Ausgebreitete Meinung, auch von. „namhaften Pädagogen angenommen, vertiieidigt und un- „tcr die Sehnllehrer gebracht worden. Das unterzeichne« „te Ministerium kann aber derselben nicht beistimmen „indem es durchaus nicht die Schwierigkeiten und Gefahr

590

„ren für die Jugend und den gemeinen ManD» die jene 9,befUrchten« aus dem heiligen Buche herrorg^ehea sieht, y^dessen freien Gebrauch unsere Vorfahren sich und un- jysem Nachkommen mit ihrem Blute erstritten haben» und ndurch dessen Geist und Kraft sie selbst , weit entfernt, ,,Schaden daran zu nehmen, vielmehr mit Geist und Kraft „erfüllt, und reichen Segens für ihr inneres, und dadurch „auch für ihr äusseres Leben theilh^ftig geworden sind.^ „Dagegen ist man wahre Gefahr von der Entfernung „der Bibel überhaupt, als auch von dem Gebrauch der „Bibelauszüge in den Volksschulen zu fürchten, durch die „BrfahruDg berechtigt. Unbekanntschaft mit der Bibel „führt Gleichgültigkeit gegen dieselbe herbei, und diese g,ist mit Schuld an dem Versiegen ächtchristlicher Reli- „giosität, welche aus dieser Quelle floss, und die wir in „den letzten Jahrzehnten so sehr verschwinden sahen. „Der Gebrauch der Bibelauszüge in den Volksschulen for- „dert aber diese Unbekanntschaft eben so sehr, als die „Bntfemüng der Bibel überhaupt aus denselben» £r be- „günstigt den so nahe liegenden Wahn, als ob man in dem „in den Auszügen Enthaltenen das Wesentliche habe» und „das Uebrige ausser jenem rermeinten Kerne von gerin- „gem Werthe sei. Er erschwert das tiefe Eingehen in „den Geist, der durch die ganze heilige Schrift weht, „und in die Grundansichten, welche durch dieselbe hin- yvdurch herrschen, worauf es für den Glauben, wie für „die Gemüthsbildnng des Christen mehr ankommt, als „auf das Verstehen einzelner abgerissener Stellen. Indem „er die ganze Bibel der Jugend schon aus den Ufioden „und Augen rückt, wirkt er der Vertraulichkeit, dem täg- „lichen inneren Umgänge mit derselben entgegen, der, che- „dem in den Familien statt fand, und wodurch sie der „Quell so grossen Segens für Einzehie, wie für das Gan- „se war, und wieder werden kann. Wer endlich bedenkt, „wie sehr es in der Hand derer, welche Bibelauszuge „▼erfertigen, liegt, dem Volke darin zu geben, was sie ,,wollen, der wird nicht ohne die grösste Besorgniss, es „möchte der ächte und Yollstandige Grand der christli-

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**^

^,ch«n Heilswahrheiten dem Volke allmfihlig gainz abhan- ,>den kommen, wahrgenommen haben , wie dieselben in „vielen Schulen an die Stelle der Bibel selbst getreten „sind.«'

„Das Ministerium ist weit entfernt, TOrauszusetzen« tydass alle deutschen Pädagogen, welche die Bibelauszuge lyden Volksschulen empfohlen, oder selbst dergleichen au- sgefertigt haben 9 auf alle jene Resultate, die sich viel- „mehr von selbst ergeben, ausgegangen sind* Es ist hin- lyg^cgcn mit ihnen darin selbst einig, idass die Bibel nicht „zu Buchstabir- und Leseübungen gemissbraucht werden „müsse, so wie darin, dass die Jugend auch beim Reli- „gionsunterricht nicht gleich die ganze Bibel von Anfang „bis zu Ende lesen solle. Es hält nur dafür, es sei um „dessent willen noch nicht tiothwendig, der Jugend anstatt „der ganzen Bibel nach individuellen Ansichten angelegte „Auszüge in die Hände zu geben > es müsse statt dessen „den Lehrern zuerst in den Seminanen, und nachher fort- „gesetzt durch die Geistliehen zu einer zweckmässigen „Behandlung der heiligen Schrift beim Religionsunterricht „Anleitung und Uebung ertheilt werden. Und wenn zur „leichtem Erreichung dieses Zwecks wohlgeordnete Sum- „marien aus der Bibel und andern Hülfsbüchem mit from- „mer, von dem göttlichen unschätzbaren M'erthe der hei- „ligen Schrift durchdrungene Gesinnung verfasst werden, „so glaubt es, dass diese an ihrer Stelle sein werden, und „verkennt ihre Nutzbarkeit nicht.''

„Inzwischen kehret die religiöse Sinnesart des Zeital- „ters zu den gesunderen, kräftigeren und reineren Ansicb« „ten des Christenthums allmählig wieder zurück. Die all- „gemeine, sich ausbreitende Anerkennung der unveijähr- ,^baren Rechte der heiligen Schrift offenbart sich in un- „zweideutigen Zeichen. Man lernt es immer mehr einse- „hen, dass sie den unwandelbaren Grund enthalte, der „alle christliche Confessionen vereinigt, und dass, wenn „von einer äusseren mechanischen Zusammenziehung der- „selben nichts sich hoffen lässt, der einzige ertaubte und „richtige Weg, auf eine innere Annäherung mit ihnen hin-

5oa

pxu wirken, in der wachsamen, Ton der Anfmerksainkeit, „alles ihr Hinderliche zu beseitigen, begleiteten Sorge be- istehe, dass jener gemeinsame Grund, auf dem sie alle „ruhen, ihnen nicht yerdunkcU, sondern vielmehr immer „inniger bekannt werde, und sein Licht, seine Wahrheit, „sein Leben, und damit denn auch seine Liebe sie alle „durchdringe."

„Uoi diese auch in dem preussischen Staate wieder „erwachte Neigung zu dem fast schon aufgehobenen Wah- „ren, von weicher diejenigen Pädagogen, die jene oben „eni ahnte Meinung hegten, hoffentlich auch ergriffen, „und durch sie zu grosseren uud würdigeren Ansichten ^erhoben sefn werden, zu fordern, setzt das unterzeich- „nete Ministerium hierdurch fest, und rerordnet, dass „überall in den protestantischen Schulen die ganze toU- „ständige Bibel beim Religionsunterrichte gebraucht wer- „den soll, dergestalt, dass den Schülern und Schülerinnen, „welche schon mit einiger Gelftufigkeit lesen können, das „N. T., denen aber, welche dem Confirmationsunterricijee „nahe, oder Theilnehmer desselben, oder bereits über ihn „hinaus sind, die rollständige heilige Schrift A. und N. T. ,^in die Hände gegeben werden solL In den Schulen, wo „gegenwärtig die Bibel gar nicht gebraucht wird, da ist „sie auf die eben angegebene Weise wieder einzusetzen, „und wo sie durch Bibelauszüge verdrängt war, da tritt „sie auf die nämliche Art an deren Stelle. In allen Volks- „schullehrerseminaricn soll zu einer zweckmässigen Be- „handlung der Bibel beim Unterricht, dabei auch zu ferti- „gern Aufschlagen, welches zu anfangs äusserer, dann auch „innerer Bekanntschaft mit derselben so forderlich, aber „ebenfalls grossen Theils ausser Uebung gekonunen ist, „Anleitung gegeben, und diese nachher von den geistli- „chen Vorstehern der Schulen fortgesetzt werden. Die „geistliche und Schul- Deputation wird beauftragt, hier- „nach die nöthigen Vorschriften an die Superintendentea „und SchuUnspectoren und Vorsteher der Seminarien zu „erlassen, zugleich auch die Superintendenten und Schul- „iaspectorctt anzuweisen, genau zu untersuchen, wie et

j

. mit dieser Angelegenheit in den ihret Aufsicht unterge- ..benen Schulen steht» den irgend dazu vermögenden Ael- . tern die Anschaffung des N.T. oder der ganzen Bibel ,«für ihre Kinder zur Pflicht zu machen, die Zahl der we- y.gcn Unrermögens ihrer Aeltem der Beihülfe hierin be- „dürftigen Schulkinder auszumitteln , und über das alles „baldigst an die geistliche und Schul -Deputation zu be- vfichten, welche dann wieder anher Bericht zu erstatten ^hat. . Wegeil einer Beihülfe zu Beschaffung der Bibeln Mund Testamente für Kinder unvermögender geltem wird

»die Deputation, sich auf geziemende Weise zunächst an

.,die hiesige Hauptbibelgesellschaft zu wenden haben«

' ,, Dieselbe wird heute ersucht werden > dieses Anliegen

;, überall nach Kräften zu unterstützen^ und bezweifelt das

«Ministerium den besten Erfolg nicht , da dieser Weg zu-

»gleich der sicherste zu sein scheint > auf welchem der ., löbliche, allgemeine Zweck, der Gesellschaft zu. erreichen

»steht"

Berlin den IS. November 1814.

Ministerium des Innern, von Schuckmann.

An die geistliche und Schnl-Depntation der KönigL Regierung zu Potsdam, Stet- tin, Königsberg a. d. R«, Marienwerder, Königsberg in Preussen, Gambinnen, Breslau, Liegnitz.

Obige Verordnung ist zugleich mit einer andern ministeriellen Verfügung vom 16. Febr. 1812, worin die im J. 1810 Leipzig bei HiNRiCHS erschie- nene neue Bearbeitung der Hübnersch-Bibli-» sehen Historie von Adler, wegen ihres schiech- ten, der Jugend sehr verderblichen Geistes in die Scha- len cinzaßihren verboten, and Wachsamkeit empfohlen wird, dass nicht willkührlich von den Lehrern oder Aufsehern Lehr- oder Lesebiicher in die Volksschalen eingeführt werden, von der König!. Regierung zu Düsseldorf unterm 27. Mai 1825 unscrn Schulpfic- gern zur Nachachtung mitgelheilt worden.

II. 38

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Sehr zu wünschen ist, dass das letztere Verbot, dass nicht willkührlich von den Lehrera oder Aafse- hera Lehr «- oder Lesebücher in den Volksscbolen ein- geführt werden, strenger gehandhabt, nnd überhaupf, wie ich schon S. 327 bemerkt, grössere Einheit in Ab- sicht der Lehr- und Lesebücher in den Schulen Eines Regiemngsbesirks veranlasst werde»

IV. Anhang,

die Mildthätigkeit Hollands gegen aus- ländische nothleidende Kirchen

betreffend.

Wie mildthätig die reformirte Kirche Hol- lands« von Alters her gegen nothleidende evangelische Gemeinden des Auslandes gewesen, und wie na- mentlich viele deutsche Gremeinden an den Grenzen Hollands and am Niederrhein diese Liebe genos- sen haben, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass noch jetzt, ausser den ausserordentlichen unbestimmten Liebesgaben, welche manche ausländische Gemeinden oder Prediger empfangen, jährlich eine Summe von 895 fl. von der reformirten Synode an die Walden- ser, für* welche ein besonderer Fonds vorhanden, an die Litthauer, und an die beiden Gemeinden Esch- weiler und R Ott gen bei Aachen bezahlt wird.

Für einheimische nothleidende Kirchen nnd Personen wird nach der Synodal Verordnung vom 13^ JuK 1818 (s. VAN DER Tuuk's Handhoeh I. S. 494) auch fernerhin, wie früher, bei den Kirchenvisitationen eine freiwillige Liebesgabe von den Gemeinden erbeten.

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